Humboldt. Monatsſchrift für die geſamten Naturwiſſenſchaften. Herausgegeben von Dr. @ffo Dammer. Serhſter FFahrgantg. Stuttgart. 5 ag don Ferdinand Enke. 1887. JInhbalts-VDerzeidnis. Original-Aufſätze. Seite G. H. Th. Eimer: Die fortſchreitende Specialifierung der Naturwiſſenſchaften und die N der letzteren für die allgemeine Erziehung... he e 1 Rottok: Kurze Ueberſicht über die Entwickelung und pert Stand oe Beesorunaen OA hoe eer ae a ae 4 G. Haberlandt: Die Brennhaare der Pflanzen. (Mit Abbildungen.) .. : e 8 J. Steiner: Ueber das Großhirn der Knochenfiſche .. f P 1 O. Knopf: Ueber die Temperatur der Mondoberfläche. (Mit Abbildung.) C it Dis Sbnnenkompaßuhr. (Mit Abbildun ) „351 dene de e en,, 53 E. Loew: Neueſte Arbeiten auf dem Gebiete der Blütenbiologiiee . Ena 55 u. 92 J. G. Wallentin: Ueber die heute in der Elektricitätslehre üblichen Einheiten nebſt einigen e über F/ . d h 89 u. 129 f d 97 F. Höfler: Neue Goldfelder .. ae e e OI a ee) R. Keller: Entſtehung der Arten 1 0 8 e pao RS ove eee eetis (1) M. Braun: Weitere Unterſuchungen über den breiten neers oT ete Seeker e coer iy A. Hanſen: Ueber einige Enzymwirkungen bei den Pflanjen . . . 2 ww ee ee ee 133 Th. Eimer: Ueber die Zeichnung der Tiere. (Mit Abbildungen.) W.. 136 A. Heller: Philosophiae naturalis principia mathematica. Zum r Gedächtnis. (Mit Portrait.) 169 L. Liebermann: Ueber Ptomaine (Leichenalkaloide) und Fäulnisgiftee.. 172 u. 212 M. Singer: Die Organiſation der vegetabiliſchen Bellhaut . .. CCC E. Voges: Die Atmungsorgane der Tauſendfüßer. (Mit Abbildungen) S „ ae oo cee gee MRO A A E. Deckert: Die Hautfarbe der Menſchenraſſen . Soke! N i ioe (price! roll A. Wernich: Ueber Selbſtreinigungsvorgänge in der Natur. 1. 1 5 T2209 E. Hallier: Die Metamorphoſe der Pflanzen und die Füllung = Blüten e tes Ghoritn aoe W. Haake: Eierlegende Säugetiere. (Mit Abbildungen // 433315 W. Marſhall: Augenblickslichtbilder .. ee ee , tne Ie. in Re LD W. Oſtwald: Die Aufgaben der phyſikaliſchen Ghemie . 29 A. Gruber: Die Urahnen des Tier- und Pflanzenreichs. (Mit n Peeps Slit: 4 296 Fr. Ratzel: v. Hardts ethnographiſche Karte von Aſien . . e teak ee ee tow AAD Rottok: Verteilung der Temperatur und Dichtigkeit des Waſſers in net Bee 259 Moewes: Phosphorescenz bei Inſekten und Tauſendfüßern .. 3200 S. Günther: Strömungsverſuche und deren Bedeutung für die Phyſit des Kosmos ane der Erde. (Mit Ab⸗ bildungen „ 289 29 Moeves: Die rhizopodoiden n 1 Pftenzen. (Wit Abbildungen.) N W. Marſhall: Entwickelungsgeſchichte paläolithiſcher Amphibien. (Mit Abbildunge :)) 298 E. Loew: Der Bau der Blütennektarien . e on ae UE F. Kinkelin: Die Geſchichte des Mainzer Tertiärbeckens, feine ree 18 r ee oy Spin I vil P. Sorauer: Die neueren Arbeiten auf dem Gebiete der Pflanzenkrankheiten .. ET J. von Fiſcher: Der marmorierte Triton (Triton marmoratus Laty.). (Mit abo . K. Lampert: Die Zugſtraßen der Vögel im europäiſchen Rußland .. : „CC K. von Fuchs: Der tote Raum bei chemiſchen Reaktionen. (Mit web p = OS) K. Reiche: Salzflora im Binnenlande .. 8 . eee eee Th. Eimer: Ueber die Zeichnung der Vogelfedern 8. r J. G. Wallentin: Ueber eine neue Errungenſchaft im Gebiete a tien reg 3 A. Nehring: Ueber die Muſteliden Südamerikas 8. C0000 otc 0 ik C. Düſing: Die Weiterentwickelung des Darwinismunů s 4417 G. Haberland: Die Waſſerverſorgung der Laubmooſe d 439 E. Hallier: Die Symbioſe zwiſchen Ameiſen und Pflanzen 4353 U. Dammer: Zur Aſſimilation der Pflanzen .. c eae 400 F. Schmidt: Reiſe ins transkaſpiſche Gebiet und das vac Chowan hose” (cu Apt 41457 M. Alsberg: Die Gleichberge bei Römhild . 922 r ite oS: ALO Iv Inhalts⸗Verzeichnis. Jortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. PpPhyſit. Referent: Profeſſor Dr. Paul Reis. 1. Bericht: Beſtimmung des ſpecifiſchen Gewichtes. Einfluß der Erdrotation auf rotierende Kreiſel. Zu- und Abnahme der Schwerkraft im Erdinnern. Das Rätſel der Schwerkraft. Merian über die Seiches. Abweichung der Luftarten von Mariottes Geſetz bei niedrigſtem Druck. Neue Methoden für den Clafticitats- modul und den Kontraktionskoefficienten. Elaſtiſche und thermiſche Nachwirkung des Glaſes. Stoßzeit elaſtiſcher Körper. Das Weſen der Löſung. Schuldemonſtrationen über die Diffuſion der Flüſſigkeiten. Goldſchlägerhaut, beſtes Diaphragma. Adſorption von Kohlenſäure durch Glas. Zuſammenhang zwiſchen Kapillarität und Kompreſſibilität. Fluidität von Flüſſigkeitsgemiſchen 2. Bericht: Töplers Vorleſungsverſuche über Fortpflanzung und Reflexion der Luftwellen. Abſorption des Schalles. Savarts Staubfiguren. Theorie der Rohrflöte. Aelteſte Beſtimmung der Schwingungszahl von af; neueſte Beſtimmungen und ihre Genauigkeit. Geſchwindigkeit des Lichtes und der Farben. Veränderung des Brechungsindex mit der Temperatur. Das Landolt⸗Gladſtoneſche Geſetz und ſeine Anwendung zum Erkennen der chemiſchen Konſtitution durch ſeine Modifikationen. Lichtbrechungserſcheinungen im Waſſer und Tiefe des Lichteindringens. Thollons Atlas des Sonnenſpektrums und Müllers Wellenlängen von 300 Grund⸗ linien. Entſcheidung für Lommels Fluorescenztheorie. Die möglichen Arten von Radiophonen; Wider⸗ legung der jetzigen Erklärungen durch Herritſchs Verſuche. Neue Beſtätigung der zwei Grundſätze der mechaniſchen Wärmetheorie. Beſtimmung des mechaniſchen Aequivalents durch elektriſche Arbeit. Analogie von Schmelzpunkt, Schmelzwärme und ſpec. Wärme von Gemiſchen organiſcher Stoffe mit den Legie⸗ rungen. Kießlings Vorſchriften zur Erhaltung der Influenzmaſchine; Erkennung von deren Polen. Natrium⸗Kohlen⸗Element, welches mehr als vier Volt gibt; Primärbatterie für elektriſche Beleuchtung; dafür auch Warrens T Trockenſäule. Platinoid und Nickelin, Legierungen von großem Widerſtand. Mag⸗ netiſierbares Gußeiſen. Diamagnetiſche Körper in mittelſtarkem Magnetfelde permanent paramagnetiſch . 3. Bericht: Beſtimmung des ſpecifiſchen Gewichtes. Das doppelte Volumeter von Marangoni. Eigenſchaften des Waſſers bei höchſtem Druck und wäſſeriger Chloridlöſungen bei weniger hohem Druck. Neue Nachweiſe der Eigenſchaften der Flüſſigkeitshaut. Härte, Viscoſität und Temperatur des Stahls. Eine neue Schall⸗ brechung im großen. Lichtentwickelung bei der Glut feſter Körper. Entſcheidung der Tiere über die Energie im Sonnenſpektrum. Das Dampfkalorimeter von Joly und Bunſen. Magnetiſierung und Wärme⸗ leitungsfähigkeit. Die lunare (28tägige) Variation des Erdmagnetismus. Zuſammenhang von Störungen des Erdmagnetismus mit den Erdbeben. Neue „„ 9295 8 und Wärme. Das Vakuum der elektriſchen Glühlampen r E hemie. Referent: Dr. Th. Peterſen in Frankfurt a. M. 1. Bericht: Kondenſierte Gaſe als Kältemittel. Pictets Flüſſigkeit. Darſtellung von Sauerſtoff und Ammoniak im großen aus atmoſphäriſcher Luft. Darſtellung von reinem Waſſerſtoff und Kohlenoxyd. Waſſerſtoff⸗ fuperoryd. Germanium, ein neues vierwertiges Metall der Silicium⸗Zinn⸗Gruppe. Seltene Crometalle zu Beleuchtungszwecken. Lanolin, neutrales Wollfett. Salol, ein neues Antiſeptikum 5 2. Bericht: Geſchwindigkeit der Bewegung bei flüſſigen und feſten Körperteilchen. Landoltſche Zeitreaktion. Lieb⸗ reichs toter Raum bei chemiſchen Reaktionen. Gehalt der atmoſphäriſchen Luft an Kohlenſäure und deren Ermittelung. Siedepunkt des Ozons. Schmelzpunkt des Aethylens. Darſtellung und Eigenſchaften des reinen Fluors. Fluorwaſſerſtoff, Phosphorwaſſerſtoff und Antimonwaſſerſtoff in flüſſigem und feſtem Zuſtande. Molekül des Zinks. Entphosphorung des Roheiſens. Thomasſchlacke als Düngmittel. Naſſauiſcher Phosphorit. Organiſche Bafen. Pentamethylendiamin, Cadaverin. Organiſche Fluorverbindungen. Syntheſe des Pyrrols. E⸗Methylpenthiophen, ein neuer thiophenartiger Körper. Antifebrin. Neue e der Elementaranalyſe. Verbeſſerungen der Stickſtoffbeſtimmung in organiſchen Verbindungen A ſt ro nomie. Referent: Profeſſor Dr. C. F. W. Peters in Kiel. 1. Bericht: Sonnenfinſternis vom 28. bis 29. Auguſt. Photographien der Sonnenkorona. Neuentdeckte Planeten. Winneckes Komet. Enckes Komet. Neuentdeckte Kometen. Eigenes und reflektiertes Licht der Kometen. Novemberſternſchnuppen. Neuer Stern im Orion. Parallaxe von 9 eS Nebel in den Plejaden. Aſteroidenring. Helligkeit der kleinen Planeten 2. Bericht: Sonnenfinſternis vom 29. Auguſt 1886. Intenſität des Sonnenlichtes. Kompoſttion der Sonnen⸗ atmoſphäre. Vermeintliche Variabilität des Sonnendurchmeſſers. Neue Planeten. Mittlere Temperatur der Planeten. Zodiakallicht. Neue Kometen. Phyſiſche e der Kometen. e Sterne. Verſammlung der Aſtronomiſchen Geſellſchaft in Kiel : Geologie. Referent: Dr. F. Kinkelin. 1. Bericht: Einige der neuen geologiſchen Theorien von Sueß. Gebirgsformen. Faltenbildung. Junge Faltungen. Neuere Forſchungen über den Schichtenbau in Deutſchland. Ueber nicht auf Spalten gelegene Vulkane, böhmiſche Lakkolithe und aktive Hebung. Transgreſſion. Schwankungen des Meeresſpiegels, Theorie von Löwl. Verhältnis von Land⸗ und Waſſerareal. Gebirgs⸗ und Meeresbildung. Geographiſche Verbreitung der Juraformation. Geſteinsbildende Kalkalgen. Neuere Theorien über Seenbildung. Zuſammenſetzung der Grundmoräne. Interglaciales Alter und Entſtehung des ae Pe ee ae in Der 9 Zeit und Bedingung der Gisendjoliung zu einer Eiszeit. Seite 183 221 424 12 300 16 304 59 Inhalts-⸗Verzeichnis. V Seite Geologie. Referent: Profeſſor Dr. H. Bücking. 2. Bericht: Das Alter der mitteleuropäiſchen Gebirge. Der Bau des Rheinthals zwiſchen Schwarzwald und Vogeſen. Die Lagerungsverhältniſſe in den nördlichen Vogeſen und im Schwarzwald. Geologiſche Karte von Preußen, Sachſen und Heſſen. Die franzöſiſchen Alpen. Geologie der Balkanhalbinſel. Bildungsgeſchichte des Kriftianiafjords. Geologie von Island, Weſtafrika und Südamerika. Alter der ſüdamerikaniſchen Anden. Poſtglaciale Dislokationen. Erdbeben vom 28. November 1886. e von een aus der Nordſee. Bildung glaukonitiſcher Sedimentgeſteine .. 344 Mineralogie. Referent: Profeſſor Dr. H. Bücking. Die Homöomorphie der Augit- und Hornblendenmineralien. Mikroklin. Rotgüldigerz. Die ſogenannten vicinalen Flächen. Optiſche Anomalien der Mineralien der Phillipſitgruppe und des Milarits. Chemiſche Zuſammen— ſetzung des Herderits. Kryſtallſyſtem des Descloizit. Neue Mineralien. Phenakit von Colorado. Topas gf Rhyolith. Euklas aus den mg Zinnober von Nikitowka. Diamant von Hindoftan im Mutter- geen e e . eet eee we. OFT Geographie. Referent: Dr. W. Kobelt. 1. Bericht: Rußland. Koloniſten in Transkaukaſien. Sibirien. Steinkohlen an der Lena. Expedition nach Neuſibirien. Centralaſien. Die Usboi-Frage. Fortſchreiten der Austrocknung. Potanins Reiſe. Afrika. Spanier und Engländer an der Saharaküſte. Senegambien, Handelsverhältniſſe, die Monteilſche Karte. J. de Brazza am Sekoli. Falkenſtein und Krauſe im Togoland. Kamerun. Die Rio del Rey-Frage. Erwerbung von Victoria. Zintgraff. Schwarz. Die Zuſtände am Niger. Flegel 7. Congoſtaat. Die neue Waſſerſtraße. Die Zerſtörung der Stanley-Falls⸗Station. Neue Expedition. Carvalho beim Muata Jamvo. Lüderitzland. Sorge um Lüderitz. Oſtafrikaniſche Plantagengeſellſchaft. Grenzregulierung. Wituland. Fiſcher +. Somali⸗ land. Cecchis Reſultate. Deutſche Erwerbungen. Jühlke . Junkers Rückkehr. Expeditionen zum Entſatz von Emin. Auſtralien. Zuſtände auf Neuholland. Neuguinea. Der Auguſtafluß. Miclucho Maclay. Gold am Huongolf. Seratchley F. Forbes. Hager über die Marſhallinſeln. e dreier Salomons⸗ inſeln. Amerika. Braſilien. San Feliciano. Oeſterreicher in Peru.. 104 2. Bericht: Die Geographie der Juraperiode. Italien, Auswanderung. Nordafrika, Küſtenbicdung. Marokko Mackenzie an der Saharaküſte. Fortſchritte der Franzoſen in Senegambien. Krauſes Reiſe. Grenz⸗ berichtigung. Kamerun. Vorgänge am Congo. Stanleys Expedition. Die Weſtafrikaniſche Compagnie. Holub. Lüderitz 7. Upingtonia. Die Oſtafrikaniſche Geſellſchaft. Graf Teleky. Erſteigung des Kili— mandjaro. Die Italiener in Maſſaua. Arabien: Dr. Hurgronje; Glaſer. Potanin und Schwarz in Central— aſien. Erforſchung der Quellen des Sungari. Walker über die Sanpo-Frage. Bahnen auf Sumatra. Engländer und Deutſche auf Neuguinea. Der Bismarck-Archipel. Die Franzoſen auf Awea und den Neuen Hebriden. Die Verhaftung Malietoas. Unruhen auf den Karolinen. Däniſche Forſchungen in Grönland. Alaska: Durchquerung durch Howard; Schwatkas Bericht; Dawſon; Gletſcherforſchungen von Wright. Der höchſte Berg in Nordamerika. Pecks Durchquerung Labradors. Die Ouellen des Orinoko entdeckt. Koloniſationsbeſtrebungen in Braſilien. Erforſchung des Rio dos Velhas. von den Steinens neue Reiſe. Paraguay. Forſchungen in Süd⸗Chile. Feuerland. Südpolarforſchung . . . 465 Meteorologie. Referent: Dr. J. van Bebber. 1. Bericht: Preußiſches Meteorologiſches Inſtitut. Beobachtungsnetz in Bulgarien. Höhenſtationen auf dem Sonnen— blick und Aigoual, Höhenſtationen überhaupt. Periodiſche Schwankungen der Atmoſphäre. Einwirkung der barometriſchen Maxima und Minima auf untere und obere Luftſtrömungen. Windgeſchwindigkeiten \ in Bayern. Ermittelungen der wahren Lufttemperaturen. Allgemeine Wärmeverteilung auf der Erdober— fläche. Einfluß des Waldes auf die klimatiſche Temperatur. Mittlere Regenmenge für Deutſchland. Die regenärmſten und regenxeichſten Gebiete Deutſchlands. Niederſchlagsverhältniſſe in Baden und im Main— und Mittelrheingebiet. Schneeverhältniſſe Bayerns. Regenverhältniſſe Braſiliens. Beiträge zur Statiſtik der Blitzſchläge. Gewitter in Frankreich. Gewitter im oberen Leinethal. Statiſtik der Hagelfälle in Galizien. Die Klimate der Erde. Einfluß des Waldes auf das Klima in Schweden. Verſchiedene in- tenſive lokale Witterungserſcheinungen aus letztverfloſſener Zeit. Schrift über Dämmerungserſcheinungen. Temperatur des feuchten Thermometers und nächtliches Temperaturminimum. Graphiſche Darſtellung der Witterungsvorgänge beim Vorübergange barometriſcher Maxima und Minima. Einfluß des Mondes auf die Lage der Nordoſtpaſſatzone. „Das Wetter und der Mond“, von Falb. . . . . . . 148 2. Bericht: Internationales meteorologiſches Komitee. Deutſche meteorologiſche Geſellſchaft. Beobachtungsſyſteme. Höhenſtationen. Amtliche periodiſche Publikationen. Allgemeine atmoſphäriſche Cirkulation, jährliche Pe— riode der Windrichtung, Föhn, Stürme. Temperaturverhältniſſe. Gefrieren und Aufgehen der ruſſiſchen Gewäſſer. Niederſchlagsverhältniſſe, Gewittererſcheinungen, Wolken, Klimatologie. Ausübende Witterungs- kunde, Prognoſen, Mondmeteorologie, Sonnenmeteorologie. Witterung und Sonnenflecken. Dämmerungs— e e 980 VI Inhalts⸗Verzeichnis. Botanik. Referent: Profeſſor Dr. Ernſt Hallier in Stuttgart. Zellenlehre. Chemismus des Plasma, Idioplasma, Vacuolen im Plasma, Stoffaufnahme, mechaniſche Geſetze der Wandbildung, Chemismus des Amylums. Entſtehung der Tracheiden. Amylum in denſelben. Chlorophyll⸗ theorie, Atmung und Wachstum, intramolekulare Atmung der Pflanzen. Fermentbildung. Lichteinflüſſe. Etiolierte Keimlinge. Tranſpirationsverſuch. Stickſtoff im Erdboden. Anorganiſche Nahrungsmittel der Pflanzen. Organiſche Säuren im Lebensprozeß der Pflanzen. Korrelation des Wachstums. Anäſtheſie. Ameiſenpflanzen. Theorie des Windens. Geſchlechtliche Fortpflanzung der Oxalisarten 4 80 |» Soolog ie. Referent: Profeſſor Dr. William Marſhall in Leipzig. 1. Bericht: Verwandtſchaft der Rädertiere. Segmentalorgane bei Inſekten. Chylusgefäßſyſtem der Ringelwürmer. Ein neuer paraſitiſcher Haarwurm in Mückenlarven. Ueber die Geſchlechtsverhältniſſe und Urſachen der Geſchlechtsbildung bei Haustieren 0 8 2. Bericht: Konjugationsprozeß bei Infuſorien. Umſtülpung des Süßwaſſerpolypen. Bewegungen bet Seeſternen. Zuſammengeſetzte Augen bei Seeigeln. Brutknoſpen bei Ringelwürmern. Augen der Inſekten. Natur⸗ geſchichte der Blindwühler „ , e ß TNT lance a ie ey ie Pbyſiologie. Referent: Profeſſor Dr. J. Steiner in Heidelberg. 1. Bericht: Weitere Beiträge zur Frage von den Verſchiedenheiten der Neſthocker und Neſtflüchter. Die Atem⸗ bewegungen und Innervation beim Kaninchen. Ueber Atmungscentren im Nervenſyſtem. Ueber die in⸗ folge von Atmungshinderniſſen eintretenden Störungen der Reſpiration. Unterſuchungen über die Wirkung galvaniſcher Ströme auf das Froſch- und Säugetierherz. Fortgeſetzte Unterſuchungen über den Einfluß der Schwere auf den Kreislauf. Ueber das Verhalten des Blutdrucks in den Kapillaren bei Maſſenum⸗ ſchnürungen. Ueber intravaskuläre Gerinnungen. Eine Bemerkung zur Theorie der Drüſenfunktion. Ueber Reſorption im Dünndarm. Ueber den Einfluß venöſer Stauung auf die Menge des Harns. Einfluß des Gehirns auf die tieriſche Wärme. Ueber Sichtbarwerden des Hauchs bei warmer Luft. Ueber den Längs⸗ und Querwiderſtand der Muskeln. Muskelthätigkeit als Maß pfychiſcher Thätigkeit. Ueber die Bildung von Milchſäure bei der Thätigkeit des Muskels und ihr weiteres Schickſal im Organismus. Trigeminus und Geſichtsausdruck S ß 2. Bericht: Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Kohlenſäure. Beitrag zur Lehre vom Blutfarbſtoff. Ueber die tägliche Schwankung der Kohlenſäureausſcheidung bei verſchiedener Ernährungsweiſe. Einfluß der Milz auf die Verdauung durch die Bauchſpeicheldrüſe. Beitrag zur Muskelchemie. Harnſäuregehalt des Blutes und der Leber der Vögel. Einfluß der Kochſalzzufuhr auf die Reaktion des Harns. Experimentelle Beiträge zur Kenntnis der Darmbewegungen. Eine bisher unerkannte Wirkung des Herzſchlages. Ueber das Ver⸗ hältnis der maximalen zu der mittleren Geſchwindigkeit bei dem Strömen von Flüſſigkeiten in Röhren. Ueber Geſichtsaſymmetrien. Funktioneller Beweis für die Richtigkeit der morphologiſchen Anſicht von der Entſtehung des aſymmetriſchen Baues der Pleuronekt ideen ss Anthropologie. Referent: Dr. M. Alsberg in Kaſſel. 1. Bericht: Anthropologie der Hand und des Fußes. Iſt der Zeigefinger oder der Mittelfinger der zweitlängſte Finger? Das Prominieren der zweiten Zehe bei antiken Skulpturwerken. Iſt die Länge und Abſtellbarkeit der großen Zehe ein Merkmal „primitiver Bildung“? Einfluß des Schuhwerks auf die Geſtaltung des Fußes. Verkümmerte Zehen an den Statuen griechiſcher Götter. Form der Wirbelſäule beim Menſchen und bei den Affen. Anthropologiſche Meſſungen in Baden. Die badiſche Bevölkerung durchſchnittlich 4—5 cm kleiner als die Bevölkerung Bayerns; unter den Großen mehr Blonde, unter den Kleinen mehr Brünette. Retention, Heterotropie und Ueberzahl von Zähnen. Die Emboli nur zum Teil ataviſtiſche Erſcheinungen. Deformierung des Gebifjes bei den Negern des unteren Congogebiets. Der diluviale Menſch in Mähren. Die unweit Nancy aufgefundenen vorgeſchichtlichen Ziegelmaſſen (Briquetagen). Die Steinzeit der Inſel Rügen. Zweierlei Kategorien von Steingerät. Aſſyriſche Keilinſchrift, welche das hohe Alter der Bernſtein⸗ fiſcherei bezeugt. Dem Oderthal folgende vorgeſchichtliche Handelsſtraße. Beweiſe für vorgeſchichtlichen Handelsverkehr zwiſchen dem nordöſtlichen Deutſchland und den jenſeits des Kaſpiſchen Meeres gelegenen Gebieten, den Küſten des Schwarzen Meeres u. ſ. w. Bauart der Häuſer und Anlage der Gehöfte, ſowie Hufeneinteilung als Hilfsmittel der prähiſtoriſchen Forſchung. Hochäckter . 2. Bericht: Der Bau des Menſchen als Zeugnis für ſeine Vergangenheit. Vererbung erworbener Eigenſchaften⸗ Die Spaltung des Bruſtbeinhandgriffes bei den Brüllaffen. Deſcendenzlehre und Pathologie. Ein Beitrag zur Mikrokephalenfrage. Der Schädel des jungen Gorilla. Neue Methode zur Meſſung der Prognathie.- Apparat zur genauen Beſtimmung des Symphyſiswinkels am Unterkiefer. Ueber den Haarwechſel. Eine vorgeſchichtliche Anſiedelung am Dümmer See. Prähiſtoriſche Grabſtätten mit La Tene⸗Funden bei Tröbern Ethnologie. Referent: Dr. W. Kobelt. 1. Bericht: Allgemeines. Einteilung von Dallas. Schneiders Naturvölker. Hirts Bildertafeln. Andrées Anthropophagie. Colonial Exhibition. Penkas Arier. Iberier. Deutſchland. Virchows Eröffnungsrede. Oeſterreich, die Nationalitäten (Gehre, Czoernig, Schleſinger). Albaneſen. Aſien. Jeziden. Glaſers arabiſche Forſchungen. Kirgiſen. Moſiers Centralaſien. Die Khmers. Polyneſien. Robide van der Aa. Codrington. Guppy über die Salomonsinſeln. Afrika. Die Völker am oberen Nil. Grenze der Bantu⸗ völker. Südamerika. Die Reiſe von den Steinens 33555 a5. 5 ic a Seco Seite 189 107 349 151 429 226 461 66 — Inhalts⸗Verzeichnis. VII Seite 2. Bericht: Lapouge über die Gleichheit der Menſchenraſſen. Lapouge über die Urſache der Bevölkerungsabnahme in Frankreich. Raſſenunterſchied in Perigord und den Landes. Ethnographie von Apulien. Kleinaſiatiſche Nomadenſtämme. Die Schlagintweitſche Schädelſammlung. Emin Paſcha über die Akka. Paulitſchke über die Somal. Die Bateke. Die Buſchmänner. ten Kates Bericht über Surinam. Die Puris . . . 267 3. Bericht: Hellwald: Haus und Hof. Die Raſſe der Dolmenerbauer in der Lozere. Eu über die Rumänen. Hamy über die Aegypter. Collignons Meſſungen in Tunis. Wilſon über die nubiſchen Stämme. Schinz über die Ondonga. Wilde Stämme am Abhang der Weſt-Ghats. Hanſen über die Grönländer. Italie— FF d 470 Elektrotechnik. Referent: Dr. V. Wietlisbach in Bern. 1. Bericht: Verſuch von Rayleigh über die Selbſtinduktion von Drähten. Theorie der Dynamomaſchinen von Hop⸗ kinſon, Kapp, Lahmaier. Die Accumulatoren. Die Erdſtrombeobachtungen und der Sitz des Erdmagnetismus 147 2. Bericht: Die Experimente von Fröhlich mit ſchwingenden Telephonmembranen. Die Theorie der Fernſprech— leitungen. Das Fernſprechen auf weite Diſtanzen. Die unterirdiſche elektriſche Kanaliſation von New⸗ Pork „, . hare’ a tae Kleine Mitteilungen. Der tote Raum bei chemiſchen Reaktionen. — Palladiumchlorür als Reagens auf kohlenoxydhaltiges Gas. — Reak— tionen auf Zucker. — Die Syntheſe der Alkaloide. — Marmorkork. — Ein neuer Süßwaſſerpolyp. (Mit Abbil—⸗ dung.) Neuere Beobachtungen über den breiten Bandwurm. — Die Verbreitung der Kreuzotter in Deutſch— land. — Weiße Froſchlurche im Freien. — Halb domeſtizierte Schweine in Neuguinea. — Heilung von Infektionskrankheiten. — Arſenikeſſer. — Orchideen. — Die pelagiſche Fauna der norddeutſchen Seen. — Wie alt werden die Ameiſen? — Verhalten des Selens zum Licht. — Plestiodon Aldrovandi Dum. et Bibr., Früchte freſſend. — Elektricität, Wärme und Magnetismus. S. 19 — 25. Die Geſchwindigkeit der Elektricität. — Der beſänftigende Einfluß von Oel auf die Waſſerwellen. — Sauerſtoffgehalt der Luft. — Wiesbadener Kochbrunnen. — Tanganyika. — Urſprung und Bildungsweiſe der Meteorite. — Ein Saurierreſt aus 190 m Teufe. — Ein leuchtender Bacillus. — Spulwurm. — Anſiedelung der Auſter in der Oſtſee. — Zander im Rheingebiet. — Homoeosaurus, ein Rhynchocephale. S. 69— 71. Sternphotographie. — Veränderliche Sterne. — Neuentdeckte Planeten. — Novemberſchwarm der Sternſchnuppen. — Neues Fernrohr. — Die Auguſt⸗ und Septemberteifune in Japan. — Vier um Deutſchland und Frankreich herumtanzende Luftwirbel. — Kryſtalliſierter Sandſtein. — Tierfährten aus der Steinkohlenformation. — Mam⸗ mutkälber. — Saprophytiſche Laubmooſe. — Oberirdiſche Kartoffelknollen. (Mit Abbildung.) — Symbioſe von Rädertieren und Lebermooſen. — Eine ſechsſtrahlige Holothurie. — Zwei paraſitiſche Schnecken. — Ein neuer Bücherfeind. — Zur Biologie der nordatlantiſchen Finnwalarten. — Ein neuer Fall von Schutzfärbung. — Knöcherne Harpunen und Elchknochen aus einem Moore bei Calbe a. d. Mulde. — Ueber Botenſtöcke bet Süd⸗ ſlaven. S. 111—115. Das ultraviolette Spektrum des Kadmiums. — Die Kompreſſibilität der Flüſſigkeiten. — Die ſtärkſten Fraunhoferſchen Linien. — Der rote Fleck auf dem Jupiter. — Neue Kometen. — Neue veränderliche Sterne. — Neuerung am Spiegelſextanten. — Sonnenkorona. — Der Zuſammenhang der Körpertemperatur mit der Nervenerregung. — Ein noch mit ſeinem Stiel verſehenes Bronzebeil. — Präglaciale Menſchen in Wales. — Quaternäre Menſchen. — Chemiſche Unterſuchungen von vorgeſchichtlichen Gegenſtänden. — Berichtigung. S. 154 — 156. „Sternberger Kuchen.“ — Raſches Austrocknen der Seen in trocken Klimaten. — Meteorit aus der Tertiärzeit. — Geologie im weſtlichen Congogebiet. — Hebung des Feſtlandes in der Gegend des Lenadeltas. — Das Nahethal. — Tſchornoſjon (Tſchornoſem). — Ueber den Nephrit. — Hohes Baumalter. — Kupferhaltige Trauben. — Fire Blight. — Die Flechten. — Gaſtropoden im Bernſtein. — Eine Diluvialfauna. — Diluvialtierreſte im Kaukaſus. — Foſſile Säugetiere in Nicaragua. — Mammutkadaver. — Infektion mit Trichocephalus dispar. — Aus dem Leben eines Inſekts. — Ueber die bei Hummeln ſchmarotzende Mutilla europaea L. — Ueber partiellen Albinismus infolge von Mauſerung. — Eine gehörnte Ricke. S. 195-198. Paraffinöl als Reagens. — Neue Fortſchritte in dem farbenempfindlichen photographiſchen Verfahren. — Wärmeſtrah⸗ lung der Atmoſphäre. — Waſſerſchöpfapparat mit Tiefſeethermometer. — Das Wachstum der Tropfſteine. — Erratiſche Blöcke aus der Bretagne. — White Island. — Erdöl. — Niveauſchwankungen bei entfernten Erd⸗ beben. — Glacialzeit im Libanon. — Gold und Silber. — Chlorophyllhaltige paraſitiſche Algen. — Die Ver⸗ breitung von Pflanzen durch Vögel. — Alpenroſen und Edelweiß in den Vogeſen. — Lebenszähigkeit von Anguilluliden. — Paraſitiſch lebende, polichaete Anneliden. — Taenia nana. — Chineſiſche Mollusken. — Alter von Schildkröten. — Atavismus bei Vögeln. — Großer Fiſchreiherſtand bei Salzbergen in Weſtfalen. S. 230 — 234. Die Wirkung des Waſſers auf Blei. — Laramie⸗Schichten. — Das rheiniſch-⸗ſchwäbiſche Erdbeben vom 24. Januar 1880. — Karten von China. — Ein miocänes Rieſengürteltier. — Japaniſche Wetterregeln. — Schutzmittel der Pflanzen. — Eine merkwürdige Verwachſung zweier Biume. — Bäume mit entblößten Wurzeln. — Auſtra⸗ liſche Regenwürmer. — Mundlappen der Muſcheln. — Einfluß des Futterkrautes auf die Färbung des Imago bei Schmetterlingen. — Mimiery bei Inſekteneiern. (Mit Abbildungen.) — Entlarvte foſſile Fiſche. (Mit Ab⸗ bildungen.) — Die ſüdliche Verbreitungsgrenze des Eisbären in früherer Zeit. — Reſorption von der Blaſen⸗ ſchleimhaut. — Ein merkwürdiges Beiſpiel von tieriſcher Intelligenz. — Ein Haſe als Familienglied. — Zum Seelenleben der Tiere. S. 268 — 272. Sehr empfindliche Reagentien auf aktiven Sauerſtoff. — Veränderlichkeit der dunklen Linien des Sonnenſpektrums. — Venusdurchgang. — Phosphorit in Tunis. — Erklärung der Eiszeit. — Der Bau und die Entſtehung der japaniſchen Inſeln. — Hebung im Miſſiſſippi⸗Thal. — Der alte Drachenbaum (Dracaena draco L.) zu Oro⸗ tava, — Plumbago capensis, eine inſektenfangende Pflanze. — Die Ausrottung der Alpenpflanzen in der Schweiz. — Tiere, ihre Mutter verzehrend. — Paraſiten der Süßwaſſerkrebſe. — Schildkröten, lebende Sper⸗ VIII Inhalts⸗Verzeichnis. linge freſſend. — Funktion der Bürzeldrüſe der Vögel. — Die Fürſorge des Kuckucks um ſeine Nachkommen⸗ ſchaft. — Nahrungsvorräte im Bau des Maulwurfs. — Eigentümlichkeiten der Schädelbildung von Baluba⸗ und Congonegern. — Die Kreislaufszeit des Blutes. — Abſtammung der deutſchen Sprachinſeln im Südabhang der Alpen. — Germaniſche Reſte auf der iberiſchen Halbinſel. — Häufigkeit von Zwillingsgeburten bei ſchwarzen Völkern. — Knöchelſpiel. S. 307312. Die Luftelektricität. — Ueber den Zuſammenhang des Hallſchen Phänomens und des Leitungswiderſtandes. — Ein neuer Fortſchritt in der Photographie. — Schiffsunfälle infolge der Ablenkung des Tones der Warnungsſignale. — Zur Geſchichte der Metalle. — Ein ſelbſtthätiger Luftprüfer auf Kohlenſäure. — Strophanthus. — Kofos⸗ perlen. — Ein Roſenſtock. — Conus gloria maris. — Fliegenlarven als Gäſte e eee Larven. . 355 — 358. Leichengift zur Jagd. — Die rote Färbung der untergehenden Sonne. — Beſtimmung der mittleren Dichtigkeit der Erde. — Befruchtung von Fritillaria Meleagris L. — Schutz der Alpenpflanzen. — Lebenskraft des Drachen⸗ baumes. — Senecio vernalis. — Gegen die Kartoffelkrankheit. — Farbenvarieiäten bei Meduſen. — Einige Beiträge zur Kenntnis landwirtſchaftlich ſchädlicher Käfer. — Forellen in den Gotthardſeen. — Schwedens Elch⸗ wildſtand. — Brieftauben. — Retention wurzelloſer Zähne. — Ueber eine vorgeſchichtliche Bernſteinwerkſtätte bei Butzke. S. 392—395. Sauerſtoffgehalt der Luft. — Weißer Phosphor. — Wiederauffindung des Olbersſchen Kometen. — Der geologiſche Bau Oſtthüringens und des Erzgebirges. — Florida. — Pliocäne Schichten in Mittelſyrien. — Pliocäne Säuge⸗ tiere aus China. — Ceratodus. — Silberne Wolken. — Ein neuer Flechtentypus. — Die ſtärkſte Tanne ganz Thüringens. — Die Niechfunktion der Inſektenfühler. — Fortpflanzung bei Schildläuſen. — Mimiery bei Amphipoden. — Die fünf deutſchen Rana⸗Arten. — Die Gauklerei der indiſchen Schlangenbeſchwörer. — Haus⸗ und Wildkatze. (Mit Abbildung.) Vielzehige Katzen. — Ein hochgradiger Linſenaſtigmatismus. — Ueber die Empfindlichkeit des Geruchſinnes. — Einfluß der Hautfarbe auf die Erkrankung der Tiere. — Hunger⸗ virtuoſen. — Inſtinkt eines Hechtes. — Schlangentumulus. S. 432—437. Die ſpezifiſche Wärme und die Dampfwärme der organiſchen Flüſſigkeiten. — Mangan als Lichtbringer. — Magnetis⸗ mus des menſchlichen Körpers. — Die Nachweiſung von Fuſelöl in alkoholiſchen Flüſſigkeiten. — Bildung der Korallenriffe. — Schutzmittel der Pflanzen. — Geißelprotozoen im Blut kranker und anſcheinend geſunder Tiere. — Widerſtandsfähigkeit der Reben gegen die Reblaus. — Naſenbremſe der Pferde. — Der Leiſtenmolch. — Zeichnung der Vogelfeder. — Schädlichkeit und Nützlichkeit der Raubvögel. — Mechanismus des Paukenfells. — Staare als Vertilger der Maulwurfsgrille. — Pterodaktylie. S. 471—475. Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Anternehmungen, Verſammlungen etc. Zoologiſche Stationen. — Eine neue Sternwarte in La Plata. — Eine deutſche anatomiſche Geſellſchaft. — Die vierte Generalverſammlung der Deutſchen botaniſchen Geſellſchaft vom 17.— 23. September 1886 in Berlin. S. 25— 29. Die bedeutendſten chemiſchen Geſellſchaften. — Thätigkeit des aſtrophyſikaliſchen Obſervatoriums in Potsdam im Jahre 1885. — Erforſchung des Bodenſees. — Erſte allgemeine Konferenz der internationalen Erdmeſſung. S. 71— 75. Ueber zoologiſche Centralanſtalten, von Profeſſor Dr. Landois. — Die Berliner Akademie der Wiſſenſchaften. — Das Herbarium Lamarcks. — Lehrſtuhl der Anatomie in Dundee. — Labaratorium für Bakteriologie in Barcelona. — Inſtitut zur Behandlung Tollwutkranker in Palermo. — Harvard College in Boſton. — Australasian Association in Sidney. — Dr. G. Dieck. S. 156—159. Das chemiſche Laboratorium der Univerſität Göttingen. — Linnaea. — Humboldthain zu Berlin. — Balneologenkongreß in Berlin. S. 198199. Das glastechniſche Laboratorium in Jena. — Dendrologiſche Beſtrebungen, von Dr. W. O. Focke. — Der internationale aſtronomiſche Kongreß in Paris. S. 234. — 238. Internationale Polarforſchung, von L. Ambronn. (Mit Abbildungen.) — Die 60. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte. — Die Verſammlung der British Association. — Die diesjährige Verſammlung der Association francaise. — Errichtung von landwirtſchaftlichen Verſuchsſtationen. — Der Kongreß deutſcher Koniferen⸗Züchter. — Hygieniſches Muſeum. — Ein Muſeum für Naturgeſchichte. — Flora von St. Domingo. — Der botaniſche Garten zu Santiago. — Wachsmodelle. — Preisaufgabe. S. 273—278. Das Königliche Muſeum für Völkerkunde zu Berlin, von Dr. E. Krauſe. — Das neue Obſervationshaus für die me⸗ teorologiſche Station auf dem Säntis, von Dr. J. Maurer. — Ein thüringiſcher botaniſcher Tauſchverein in Pforta. — Die Errichtung eines biologiſchen Laboratoriums an der Küſte von Neu⸗England. — Ein neues Laboratorium für das Studium der Meeresfaung. — Der Elizabeth Thompson science fund. — Vermächtnis an das Harvard College Observatory. — Mineralogiſche Geſellſchaft in New⸗York. — Das botaniſche Muſeum und Laboratorium zu Hamburg. — Das Muſeum der Naturkunde in Berlin. — Die diesjährige Verſammlung der American Association for the advancement of science. — Berichtigung. S. 312—815. Die dritte allgemeine Verſammlung der Deutſchen meteorologiſchen Geſellſchaft, von Dr. Krebs. — Ueber die Arbeiten und Pläne der Centralkommiſſion für wiſſenſchaftliche Landeskunde von Deutſchland, von Profeſſor Dr. Kirch⸗ hoff. — Kangorro Island. — Botaniſche Gärten. — Tripolis. — Verſuchsgarten für Hochgebirgspflanzen. 5 S. 358 — 361. Der 18. deutſche Anthropologenkongreß, von Dr. M. Alsberg. — Amerikaniſche Tiefſeeforſchungen, von Kapitänlieute⸗ nant Rottok. — Einheitliche Nomenklatur der Anatomie. — Zwei Moosſammlungen. — Paradoxites und Echinorhynchus roseus Diesing. S. 395— 399. Zwölfte Verſammlung der Aſtronomiſchen Geſellſchaft zu Kiel vom 29.—31. Auguſt 1887, von Profeſſor Dr. Peters. — Dana auf den Sandwichsinſeln. — Plan zur vollſtändigen und ſyſtematiſchen Erforſchung der Flora von Oſtindien. — Eröffnung des erſten botaniſchen Gartens auf den weſtindiſchen Inſeln. — Botaniſche Erforſchung i der Philippinen. — Botaniſche Modelle von Robert Brendel. S. 438439. Eine wenig bekannte wiſſenſchaftliche Unternehmung von Regierungsrat Dr. von Hayek. — Die 34. Jahresverſamm⸗ lung der deutſchen Geologiſchen Geſellſchaft in Bonn, von Dr. Keilhack. — Däniſche Expedition. — Neues chemiſches Labaratorium in Athen. — Lehrſtuhl der Hygiene an der Univerſität Würzburg. S. 475-479. Inhalts⸗Verzeichnis. IX Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Januar. S. 33. — Februar. S. 78. — März. S. 119. — April. S. 162. — Mai. S. 203. — Juni. S. 241. — Juli. S. 283. — September. S. 364. — Oktober. S. 402. — November. S. 440. — Die totale Sonnenfinſternis vom 19. Auguſt 1887. (Mit Karte.) S. 318. — Dezember. S. 480. Erdbeben und vulkaniſche Ausbrüche. S. 29. 75. 116. 160. 199. 238. 278. 319. 361. 399. 441. — Ueber den vulkaniſchen Ausbruch auf der Inſel Nina Föon. — Das Erdbeben von Charleſton. (Mit Abbildung.) S. 116. — Ein Meteor. — Meteorfund. — Ein anderer Meteorfund. S. 30. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Oktober 1886. S. 30. — November und Dezember 1886. S. 76. — Januar 1887. S. 117. — Februar. S. 160. — März. S. 201. — April. S. 239. — Mai. S. 280. — Juni. (Mit Karte.) S. 317. — Juli 1887. (Mit Karte.) S. 362. — Auguſt. (Mit Karte.) S. 400. — September. S. 441. — Bemerkenswerte Witterungserſcheinungen im September und Oktober 1886. (Mit Abbildung.) S. 31. — Bemerkenswerte Witterungserſcheinungen im Dezember 1886. (Mit Abbildung.) S. 281. — Eine merkwürdige Erwärmung. (Mit Karte.) S. 318. Naturkalender für Januar. S. 32. — Februar. S. 77. — März. S. 118. — April. S. 161. — Mai. S. 202. — Juni. S. 240. — Juli. S. 282. — Auguſt. S. 320. — September. S. 363. — Oktober. S. 401. November. S. 442. — Dezember. S. 481. Biographien und Perſonal notizen. Auguſt Wilhelm Hofmann. (Mit Portrait.) Perſonalnotizen: S. 79 —82. 120. 163. 204. 241 — 242. 284. 321. 365. 403. 443. Titterariſche Rundſchau. van Bebber, Handbuch der ausübenden Witterungskunde. II. Teil. — Bidermann, die Nationalitäten in Tirol und die wechſelnden Schickſale ihrer Verbreitung. — Janſen, Poleographie der eimbriſchen Halbinſel. — Kirchner und Blochmann, Die mikroſkopiſche Pflanzen- und Tierwelt des Süßwaſſers. II. Teil. — Die Bibliothek der geſamten Naturwiſſenſchaften. S. 34—36. G. Schultz, Die Chemie des Steinkohlenteers. — Ferd. Henrich, Lehrbuch der Kryſtallberechnung. — Weltkunde, bearbeitet von A. Jacob. — Hibſch, Geologie für Land- und Forſtwirte. — G. Hickethier, Bilder aus der Geſteinslehre. S. 82— 84. Müller⸗Pouillet, Lehrbuch der Phyſik und Meteorologie. — Berezina, Die Meteoritenſammlung des k. k. minera⸗ logiſchen Hofkabinetts in Wien. — Richard Schurig, Himmelsatlas. — Hermann J. Klein, Sternatlas. — A. Favaro, Carteggio inedito di Ticone Brahe, Giovanni Keplero e di altri celebri astronomi e mate- matici dei secoli XVI. e XVII. con Giovanni Antonio Magini. — Salomon, Wörterbuch der botaniſchen Kunſtſprache. — Salomon, Wörterbuch der botaniſchen Gattungsnamen. — Philipp Stöhr, Lehrbuch der Hiſtologie und der mikroſkopiſchen Anatomie des Menſchen. — A. Götte, Abhandlungen zur Entwickelungs⸗ geſchichte der Tiere. — W. Heß, Die Feinde der Biene im Tier- und Pflanzenreiche. — W. Kobelt, Pro— dromus faunae Molluscorum Testacaeorum, — Willibald, Die Neſter und Eier der in Deutſchland und den angrenzenden Ländern brütenden Vögel. — G. K. Lutz, Das Süßwaſſer-Aquarium und das Leben im Süßwaſſer. — Fr. Ratzel, Völkerkunde. — W. Siemens, Das naturwiſſenſchaftliche Zeitalter. — Reden von Emil du Bois-Reymond. — A. Baſtian, In Sachen des Spiritismus. — Arnold Schafft, Ueber das Vor— herſagen von Naturerſcheinungen. — Ludwig Lange, die geſchichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr vorausſichtliches Endergebnis. — Friedrich Roth, Der Einfluß der Reibung auf die Ablenkung der Bewegungen längs der Erdoberfläche. — M. J. Pernet, Comparaison des métres dans Pair à la tem- pérature ambiante. — S. 120—125. E. Huth, Societatum litterae. — Neumayer, Die Laboratorien der Elektrotechnik. — G. Pizzighelli, Handbuch der Photographie. — Rudolf Falb, das Wetter und der Mond. — K. Gräff, Veränderungen des Klimas und der Bodenkultur am badiſchen Oberrhein. — W. Doberck, The law of storms in the eastern Seas. — J. Leunis, Synopfis der Pflanzenkunde. — P. Sydow und C. Mylius, Botanikerkalender 1887. — Ludwig Neumann, Orometrie des Schwarzwaldes. — Centralblatt für Bakteriologie und Paraſitenkunde. S. 163165 B. Plüß, Leitfaden der Naturgeſchichte. — B. Plüß, Naturgeſchichte. — O. Dammer, Illuſtriertes Lexikon der Verfälſchungen und Verunreinigungen der Nahrungs- und Genußmittel. — P. Woſſidlo, Lehrbuch der Zoologie für höhere Lehranſtalten, ſowie zum Selbſtunterricht. — Auguſt Kappler, Surinam. — J. W. Spengel, Zoologiſche Jahrbücher. — R. Wiedersheim, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere. — Sir William Turner, Report on human skeletons. S. 204—207. J. Ranke, Der Menſch. — H. Lüſcher, Verzeichnis der Gefäßpflanzen von Zofingen und Umgebung. — M. Wilhelm Meyer, Kosmiſche Weltanſichten. — Fr. Knauer, Aus der Tierwelt. — F. Braun, Geſetz, Theorie und Hypotheſe in der Phyſik. — C. Anſchütz, Ungedruckte wiſſenſchaftliche Korreſpondenz zwiſchen Johann Kepler und Herwart von Hohenburg. S. 242 — 244. Dr. A. B. Meyer, Unſer Wuer-, Rackel- und Birkwild und ſeine Abarten. — Cops foſſile Wirbeltiere. S. 285. A. Woeikof, Die Klimate der Erde. — G. Hellmann, Geſchichte des Königlich preußiſchen meteorologiſchen Inſtituts. — Melchior Neumayr, Erdgeſchichte. — Rudolf Leuckart, Die Paraſiten des Menſchen und die von ihnen herrührenden Krankheiten. — Engler und Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien. — Joſ. Mick, Verzeichnis der Artennamen. — Karl Rothe, Vollſtändiges Verzeichnis der Schmetterlinge Oeſterreich— Ungarns, Deutſchlands und der Schweiz. — Adolf Baſtian, Die Seele indiſcher und helleniſcher Philoſophie. S. 322—325. Levy, Anleitung zur Darſtellung organiſcher Präparate. — Riemann, Taſchenbuch für Mineralogen. — Pettenkofer und Ziemßen, Handbuch der Hygiene und Gewerbekrankheiten. S. 366. x Inhalts⸗Verzeichnis. Edmund Naumann, Die Erſcheinungen des Erdmagnetismus in ihrer Abhängigkeit vom Bau der Erdrinde. — H. Braun und T. F. Hanauſek, Lehrbuch der Materialienkunde auf naturgeſchichtlicher Grundlage — P. Groth, Grundriß der Edelſteinkunde. — Th. Geyler und F. Kinkelin, Oberpliocän⸗Flora. — Flügge, Die Mikro⸗ organismen — A. Weismann, Ueber den Rückſchritt in der Natur. — Friedrich Knauer, Handwörterbuch der Zoologie. — T. v. Bedriaga, Beiträge zur Kenntnis der Lacertidenfamilie. — Villaret, Handwörter⸗ buch der geſamten Medizin. — Johannes Ranke, Der Menſch. S. 404406. J. Japetus und S. Steenſtrup, Kjökken⸗Moddinger. — E Hoppe, Die Entwickelung der Lehre von der Elektrieität bis auf Hauksbee. — Alexander Bau, Handbuch für Schmetterlingsſammler. — G. Heßmann, Magne⸗ tismus und Hypnotismus. — Felix Wahnſchaffe, Die geologiſchen Verhältniſſe der Umgegend von Rathenow. — Geologiſche Ueberſichtskarte des weſtlichen Deutſch-Lothringen. — Geologiſche Ueberſichtskarte der ſüdlichen Hälfte des Großherzogtums Luxemburg. — R. Bonn, Die Strukturformeln. — Obermüller, Kleines praktiſches Blumenlexikon. — H. B. Möſchler, Beiträge zur Schmetterlingsfauna von Jamaika. — R. Andrée, Die Anthropophagie. S. 444 446. Theodor Hoh, Elektrieität und Magnetismus als kosmotelluriſche Kräfte. — Ernſt Gerland, Die Anwendung der Elektricität bei regiſtrierenden Apparaten. — Heinrich Weber, Fünf populäre wiſſenſchaftliche Vorträge. — Wöhlers Grundriß der organiſchen Chemie von Dr. Rudolph Fittig. — Adolph Pinner, Einführung in das Studium der Chemie. — Edv. Hjelt, Grundzüge der allgemeinen organiſchen Chemie. — Johnſtons Chemie des täglichen Lebens. — J. F. Brockmann, Tabellen zur chriſtlichen und jüdiſchen Chronologie. — Fr. Umlauft, Afrika in kartographiſcher Darſtellung von Herodot bis heute. — C. W. Pütz, Die Grundzüge der Kartographie für Natur⸗ und Wanderfreunde. — A. Weisbach, Tabellen zur Beſtimmung der Mineralien mittels äußerer Kennzeichen. — G. H. von Schubert, Naturgeſchichte des Pflanzenreiches nach dem Linneſchen Syſtem. — P. Sydow, Die Flechten Deutſchlands. — Friedrich Kruſe, Botaniſches Taſchenbuch. — Knuth, Flora der Provinz Schleswig-Holſtein, des Fürſtentums Lübeck, ſowie des Gebiets der freien Städte Hamburg und Lübeck. — Behrens, Tabellen zum Gebrauch bei mikroſkopiſchen Arbeiten. — Alexander Götte, Ent⸗ wickelungsgeſchichte der Aurelia aurita. — L. Glaſer, Catalogus etymologicus Caleopterorum et Lepidop- terorum. — Karl Weinhold, Die Verbreitung und die Herkunft der Deutſchen in Schleſien. — Karl Brämer, Nationalität und Sprache im Königreich Belgien. — Auguſt Claſſen, Ueber den Einfluß Kants auf die Theorie der Sinneswahrnehmung und die Sicherheit ihrer Ergebniſſe. — Eugen Kröner, Das kör⸗ perliche Gefühl. S. 481—487 Bibliographie. Bericht vom Monat Oktober 1886. S. 36—37. — November und Dezember 1886. S. 8485. — Januar 1887. S. 125. Februar. S. 166. — März. S. 207. — April. S. 244. — Mai. S. 285. — Juni. S. 325. — Juli. S. 366— 367. — Auguſt. S. 407 408. — September. S. 447—448. Notizen über neue litterariſche Erſcheinungen. S. 126. 244 — 245. 285. 368. 408. Aus der Praxis. Apparat zur Prüfung des Flüſſigkeitsgrades von Flüſſigkeiten. — Behandlung der Elektriſiermaſchine. — Ein neuer Kulturapparat. (Mit Abbildung.) — Waſſerkulturen. (Mit Abbildung.) S. 37—40. Die Präparation der fleiſchigen Hutpilze fürs Herbarium. — Zwei neue Futtertiere zur Aufzucht und Pflege zarter Reptilien und Amphibien. S. 85 Metallſäge der Firma Wilh. Hartmann und Comp. in Fulda. — Aufbewahrung ungefärbter Pflanzen in Alkohol. — Die Zucht fremdländiſcher Zierfiſche. — Chamäleonen, Mäuſe freſſend. — Aufweichen großer Schmetterlinge. — Glycerinpräparate. S. 126127. Bau der Blätter. — Eine Doppellupe mit gemeinſchaftlichem Sehfelde. — Ein neues Bakterienmikroſkop. (Mit Ab⸗ bildungen.) S. 166—167. Elektriſche Projektionslampe. (Mit Abbildung.) — Ausbeſſern ſchadhaft gewordener Schmetterlinge. — Eine neue Methode zum Einſchließen mikroſkopiſcher Präparate. — Mitteilungen über verkäufliche Pflanzen. — Berichtigung. S. 245 — 247. Beobachtungen an Testudo graeca im Terrarium. — Taxidermie. — Polymeter. S. 286—287. Sichere Methode zum Abſprengen von Glas. — Bequeme Methode zur Gewinnung von reinem Schwefelwaſſerſtoffgas. — Die Präparation von Schmetterlingslarven durch Aufblaſen. (Mit Abbildung.) — Das Geſchlecht der Schmetterlings⸗ raupen. (Mit Abbildungen.) — Ueber die zweckmäßige Zeitigung von Schlangeneiern. S. 326328. Unzerbrechliches, jahrelang konſtantes Trockenelement. (Mit Abbildung.) S. 408. Ein neuer Himmelsglobus. — Klären von Schellacklöſungen. — Entwickelung von Chlor, ſchwefliger Säure und Sauer⸗ ſtoff mit Hilfe des Kippſchen Apparates. — Reinigung des Schwefelwaſſerſtoffs von Arſenwaſſerſtoff. — Um Schmetterlinge zu ködern. S. 487488. Verkehr. Fragen und Anregungen. — Antworten. S. 4041. 8788. 127128. 167168. 208. 248. 288 328, 368. 448. Beilage. Die 59. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte zu Berlin. S. 41. Die fortſchreitende Specialifierung der Katurwiſſenſchaften und die Bedeutung der letzteren für die allgemeine Erziehung. Prof. Dr. G. H. Theodor Eimer in Tübingen. } or einer Reihe von Jahren erfuhr ich im ) Widerſtreit über geiſtige Fragen von ſeiten eines Jeſuiten zum Zweck der Abſchwächung meines Urteils als Naturforſcher den Ein— wand: der Naturforſcher von heute ſei entweder Phyſiologe oder Phyſiker oder Mineraloge, Geologe, Zoologe, Botaniker oder Chemiker und nicht mehr; er überſehe nicht die Geſamtheit der Naturwiſſen— ſchaften, ja zumeiſt kenne er genauer ſogar nur einen Teil ſeines eigenen Faches und er ſei deshalb nicht berechtigt, aus jener allgemeine Schlüſſe zu ziehen. Anders die Jeſuiten, welche ſich keinem Gebiete der Wiſſenſchaft, beſonders aber keinem Gebiete der Natur— wiſſenſchaft verſchlöſſen. Mit Recht berührte der Mann eine heute mehr und mehr als ſolche anerkannte Gefahr für die allge— mein geiſtige Bedeutung der Naturwiſſenſchaft, die mehr und mehr zunehmende Verkleinerung des Arbeits— feldes, die „Specialiſierung“. Es iſt richtig, daß die Naturforſcher heutzutage ſogar in ihrem eigenen Fache gewöhnlich nur den und jenen Einzelzweig beherrſchen, geſchweige denn, daß ſie imſtande wären, ſich einen Ueberblick über die Geſamtheit der Naturwiſſenſchaften zu erhalten. Allein es iſt, wie die Dinge bis dahin noch liegen, unrecht, ihnen deshalb ein allgemeines Urteil über naturwiſſenſchaftliche Dinge abſprechen und ſie darin hinter die Befähigung eines Jeſuiten ſtellen zu wollen, welcher ſich nur deshalb einen flachen Ueberblick über die Naturwiſſenſchaften zu verſchaffen ſucht, um gegen dieſelben zu Gunſten ſeiner Lehren einigermaßen ge— wappnet zu ſein und um ſie ſophiſtiſch bekämpfen zu können. Weitaus die meiſten Naturforſcher und natur⸗ wiſſenſchaftlich erzogenen Gebildeten überhaupt, nicht Humboldt 1887. : = zuletzt Aerzte, am wenigſten allerdings wohl viele Chemiker, ſind auf weitem Boden naturwiſſenſchaftlich geſchult, voll befähigt zu einem Urteil über allgemein naturwiſſenſchaftliche und zugleich über wichtige und weſentliche philoſophiſche Fragen. Indeſſen wir zehren heute zum großen Teil noch vom Vorrat der Väter. Tag für Tag geht die Zer— ſplitterung weiter und ſie wird in der That noch breite Schatten werfen, wenn nicht überall die Anforderung einer vielſeitigen Grundlage in der Erziehung zur Abwehr des Uebels ge⸗ ſtellt wird. Es iſt nicht nötig, alle Einzelheiten des Wiſſens, welche man ſich einmal zu eigen gemacht hat, zeit— lebens zu bewahren, um aus denſelben im Leben Nutzen ziehen zu können, ſo wenig, wie es nötig iſt, daß alles das, was man lernt, unmittelbar praktiſch verwertbar ſei — ſonſt wüßte ich gar nicht, wozu unſere Gymnaſialbildung gerade in den Teilen dienen ſollte, welche die meiſte Zeit und die beſte Kraft der Jugend in Anſpruch nehmen. 5 Dies und die Gefahr der Beförderung einſeitig praktiſcher Erziehung, der „Specialiſierung“, gegen— über der allgemeinen Bildung und idealeren Lebens— auffaſſung wurde z. B. entſchieden außer Augen ge— laſſen, als man vor wenig Jahren von ſeiten der Reichsregierung den weittragendſten Schritt in jener Beförderung gethan hat durch die, ſelbſt von prakti— ſcher Seite (und auch Schreiber dieſes iſt von der— ſelben aus ſeinem Studium nach zum Urteil berechtigt) angefochtene, ſo bedeutende Herabſetzung der An— forderungen an die naturwiſſenſchaftliche Vorbildung der Aerzte. Umſomehr müſſen die Worte hervortreten, welche der Staatsminiſter von Goßler ſoeben zur Begrüßung 1 ’ 2 Humboldt. — Januar 1887. der 59. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte zu Berlin an dieſe gerichtet hat. „Die Zahl derer,“ ſagt er, „welche eine Mehrheit von Wiſſensgebieten mit Sicherheit beherrſchen, erſcheint in der Abnahme begriffen und die Frage, ob jemals ein Geiſt wieder erſtehen wird, welcher für feine Zeit einen Kos⸗ mos ſchreiben kann, wird immer ſchwieriger zu beantworten. Und doch beſteht unaustilgbar die Ueberzeugung, daß ein Kosmos iſt und ein Kosmos ſein muß. Sicherlich bedarf es einer unabläſſigen Vermehrung wiſſenſchaftlich verbürgter Thatsachen, fei es um auf dem Wege logiſchen Aneinanderreihens, ſei es um mit Hilfe der Einbildungskraft fortzu⸗ ſchreiten und zu neuen Erklärungen und Begriffen zu gelangen. Aber ebenſoviel Geltung beanſprucht wohl die Ueberzeugung, daß ſchließlich das Weſen und das Geſetz deſſen, was iſt, nicht erkannt werden kann ohne harmoniſche Verbündung innerhalb der einzelnen Wiſſenſchaften; und die Erkenntnis bricht ſich vielleicht immer mehr Bahn, daß die Sonderung in Disciplinen ſchließlich ihre Erklärung in der Be⸗ grenztheit und der Endlichkeit des menſchlichen Ver⸗ mögens findet. Wo wir ſonſt eine Mehrheit von Kräften, von unbekannten Urſachen vor uns zu haben glauben, verſuchen wir jetzt eine Kraft in verſchiedenen Erſcheinungsformen zu erkennen und jedenfalls können wir uns nicht der Ueberzeugung verſchließen, daß die großen Fortſchritte, welche einzelne Wiſſenſchaften zu verzeichnen haben, und darunter nicht nur natur⸗ wiſſenſchaftliche und mediziniſche, vielfach ihren Ur⸗ ſprung verdanken dem Heranziehen anderer Zweige wiſſenſchaftlichen Erkennens.“ Möchten doch ſolch goldene Worte fortan maß⸗ gebend bei den deutſchen Regierungen werden für die Forderungen des Staates an die Bildung ſeiner Glieder — insbeſondere auch mit Beziehung auf die höheren Schulen! Iſt es nicht die ins äußerſte gehende „Speciali⸗ ſierung“, welcher die Lehrer unſerer Gymnaſien ſich in ihren Studien zu Gunſten der alten Sprachen hinzugeben haben und ſind ſie nicht dazu beſtimmt und nur dazu befähigt, unſere Jugend wiederum in dieſe ihre Specialitäten durch neun lange Jahre einzuführen — ohne einen Blick auf den allbildenden Geiſt der Natur ringsum? Es ſei mir geſtattet, im Anſchluß an die Aeuße⸗ rungen des Miniſters von Goßler, ein Wort einzu⸗ legen für die endliche Beſeitigung dieſer unzeitgemäßeſten und ſchädlichſten aller Specialiſierungen, zu Gunſten der ſo ſtiefmütterlich in der Schule behandelten Naturwiſſenſchaften. Es iſt eine immer noch wirkſame Auffaſſung, daß naturwiſſenſchaftliche Bildung dem „ruhigen Bürger“ ſchädlich ſei, daß ſie geeignet ſei, die Ordnung des Staates zu untergraben oder daß ſie doch zur Be⸗ thätigung extremer Auffaſſungen in politiſcher und religiöſer Beziehung führe. Im Gegenteil. Ich meine: die Bedeutung und den Wert der naturwiſſenſchaftlichen Bildung für die Allgemeinheit muß jeder vorurteilsloſe Beurteiler er⸗ kennen in der geſunden, toleranten, gemäßigten Stel⸗ lung, welche naturwiſſenſchaftlich gebildete Glieder der Geſellſchaft gemäß ihrer Bethätigung gegenüber den Fragen des öffentlichen Lebens in der Regel, und im Vergleich zu den Gliedern anderer Stände einnehmen. Nichts fördert ſicherlich den freien, un⸗ abhängigen Sinn des Menſchen, zugleich mit dem Sinn der Pflichterfüllung gegenüber den Forderungen der Allgemeinheit, in gleichem Maße wie die Kenntnis von der großartigen Mannigfaltigkeit und Einheit und von allwaltender Geſetzmäßigkeit in der Natur. Entgegen der Forderung hierarchiſcher Herrſchaft wie anarchiſcher Schrankenloſigkeit verlangt die Natur⸗ wiſſenſchaft Freiheit der Bewegung und geſetzmäßige Unterordnung zugleich. Denn ſie ſtellt feſt, daß beide ſich notwendig bedingen. Man wird zugeben müſſen, daß weder der Stand der Theologen, noch der der Juriſten, trotz der im Princip nach der konſervativen Seite gerichteten Natur beider, verhältnismäßig ſo wenige Vertreter extremer Geiſtesrichtung, auch der radikalen, bietet, wie der⸗ jenige der Naturkundigen, beiſpielsweiſe der Aerzte. Gewiß, die Zeit darf nicht ferne ſein, wo die Naturwiſſenſchaften eine ganz andere Stellung in der Allgemeinerziehung einnehmen, als jetzt — nur ſie können in der Zukunft die nach Maßgabe der Be⸗ deutung unſeres öffentlichen Lebens immer notwen⸗ diger werdende Grundlage abgeben zur Entfernung unnatürlicher Gegenſätze in den Meinungen der Menſchen, zur Herbeiführung von ge⸗ ſunden, praktiſchen und zugleich idealen, ich möchte ſagen, normalen Anſchauungen über Grundfragen der menſchlichen Geſellſchaft und des menſchlichen Lebens — nachdem aus⸗ ſchließlich theologiſche und philoſophiſche Erziehung. hierin vollſtändig verſagt haben. Was an Widerſtreit, an Hader, an Mißverſtändnis und Feindſchaft unter den Menſchen könnte getilgt oder im Keime erſtickt werden durch allgemeinere Kennt⸗ nis der maßgebenden Bedeutung natürlicher Vor⸗ gänge und Geſetze! Noch ſtirbt die große Mehrzahl ſelbſt der „ge⸗ bildeten“ Menſchen auch in Deutſchland, ohne je eine nur beſcheidene Vorſtellung vom Bau und von den Funktionen des eigenen Körpers bekommen zu haben — und diente ſolche Vorſtellung auch nur zum Heil der körperlichen Geſundheit. Noch geht ſie mit der ungerechten und zugleich grauſamen, in ihren Augen aber erhebenden Lehre durchs Leben, daß eine un⸗ überſteigliche Kluft beſtehe zwiſchen dem Menſchen. und der übrigen Natur — dem Menſchen, dem „Mittel⸗ punkt der Welt, dem Zweck alles Seins“. Noch hilft ein großer Teil unfruchtbarer, mit unbeſtreitbaren Errungenſchaften der Naturwiſſenſchaften im Wider⸗ ſpruch ſtehender, philoſophiſcher Spekulationen die beſte Kraft der Erziehung vergeuden. Noch predigen chriſtlich ſein wollende Prieſter mit Erfolg ſo vielfach eine unchriſtliche Moral, Haß und Fluch und ewige Verdammnis Andersgläubiger und erniedrigen ſo den allliebenden Gott, dem ſie ſonſt dienen wollen. Humboldt. — Januar 1887. 3 Noch nehmen ſolche Eiferer für ihre Religion das Recht in Anſpruch, an der Spitze der Schule, ja des Staates zu ſtehen. Sollte es nicht endlich Pflicht des Staates ſein, die Kluft, welche ſolchergeſtalt mit Erfolg zwiſchen den Grundauffaſſungen der Menſchen erhalten wird, durch eine mit auf naturwiſſenſchaftlichem Boden er- wachſene Erziehung ausgleichen zu helfen? Aber der Staat ſchützt, ohne es zu wollen, geiſtige Gegenſätze und ſchwächt ſeine Mittel, denn er läßt vor allem auch ſeine weſentlichſten Vertreter, die Juriſten, welche, ihren praktiſchen Aufgaben und ihren viel— ſeitigen Beziehungen nach, die breiteſte Grundlage der Bildung haben ſollten, in geradezu kindlicher Unwiſſenheit über natürliche Dinge als die voll— endetſten „Specialiſten“ in den Dienſt treten. Daß wir bis heute in Deutſchland ſo wenig weit darin gekommen ſind, den Naturwiſſenſchaften eine maßgebendere Stellung in der Erziehung zu ver— ſchaffen, daran iſt aber nicht zum mindeſten gewiß auch die Zurückhaltung ſchuld, welche unſere Gelehrten zumeiſt den Fragen des öffentlichen Lebens gegenüber beobachten, weſentlich mit auf Grund des von ihnen geübten freiwilligen Sichvergrabens in Spe— cialgebiete. Dauerndes Aufgehen in Specialarbeit iſt es natur⸗ gemäß, was den Gelehrten am meiſten von allen Berührungen nach außen abdrängt, und was ihn freilich, indem es ihn zum Alleinherrſcher auf einem kleinen Gebiete macht, häufig nicht nur die Umgebung zu gering, auch ſich ſelbſt zu hoch ſchätzen macht. Es fällt mir nicht ein, gegen die Specialiſierung der Wiſſenſchaft und gegen die Beſchäftigung mit dem Einzelfach an ſich auftreten zu wollen. Je mehr man ein Ding kennen lernt, umſomehr ſieht man an ihm und der Forſcher, welcher ſich mit einem Gegenſtand fortgeſetzt abgegeben hat, ſieht ſchließlich daran eine ganze Welt, an der alle anderen ahnungslos vorübergehen. Es iſt eine Freude, derart im eigenen Gebiet zu arbeiten und andererſeits iſt es notwendig, daß ein jeder eine ſtrenge Schule in dieſer Beziehung durchmache — beſonders auch bevor er etwa mit allgemeiner Behandlung vor die Welt tritt. Strömungen, wie die heute nach Specialiſierung der Wiſſenſchaft hindrängende, ſind überhaupt natur⸗ notwendige. Wieder werden Zeiten kommen, in welchen ebenſo der Drang beſteht, die jetzt erſchloſſenen Ergeb— niſſe der Wiſſenſchaft ſichtend zum Ganzen zu verarbeiten. Aber unzweifelhaft iſt es doch, daß die Mehrzahl der Gelehrten, ſoweit ſie wenigſtens öffentliche Lehrer ſind, in ihrer Specialiſierung heute zu weit geht. Wer ununterbrochen durch Jahre und Jahre nur auf ein Ding ſieht, der lernt nichts mehr vom Ganzen. Nicht allein, daß ihm der Blick über die Wiſſenſchaft überhaupt verloren geht — im eigenen Fache können ſolche Männer zuletzt unmöglich mehr zu Hauſe ſein. Es gilt heute faſt für vornehm, z. B. unter den Zoologen und auch unter den Bo— tanikern, keine Thiere, beziehungsweiſe keine Pflanzen mehr zu kennen. Jedenfalls haben viele heutige Zoologen (bleiben wir der Einfachheit wegen bei dieſen, für Botaniker gilt wohl dasſelbe), ſo übertrieben das klingen mag, kaum je ein Tier als Ganzes fo recht genau angeſehen, dagegen um ſo viel mehr Tiere irgend einer Gruppe mit dem Mikrotom in feine Schnitte zerlegt und mit Nadeln unter dem Mikroſkop zerzupft und in Monographien beſchrieben. Wer das in größerem Maßſtabe ſelbſt gethan, wie Schreiber dieſes, der weiß, daß zum Lernen von anderem während dieſer Arbeiten nicht viele Zeit übrig bleibt. Dem Werte der letzteren an ſich trete ich damit nicht zu nahe — ſie müſſen gemacht werden. Ich trete nur dagegen auf, daß ſie zur Zeit geradezu ausſchließlich herrſchend geworden ſind. Hand in Hand mit übertriebener Specialarbeit geht die Ausbildung des Unvermögens, allgemein verſtändlich zu ſchreiben. Nur zu häufig ſcheint der deutſche Gelehrte zu meinen, er müſſe ſeinen Stoff in eine möglichſt ſchwerfällige, mit Fremdwörtern übervoll geſpickte Sprache bringen, faſt als wolle er abſichtlich nur ganz beſonders engen Kreiſen leichten Einblick in die Schätze ſeiner Wiſſenſchaft und ſeines Wiſſens geſtatten. Nichts zeigt das beſſer als der Stil der meiſten unſerer Lehrbücher im Gegenſatz zur Mehrzahl der engliſchen, welche doch an Gründlichkeit den unſerigen nicht nachſtehen. Gar einmal etwas „populär“ zu ſchreiben — wer weiß nicht, wie viele unſerer Gelehrten auf dieſe Kunſt vornehm herab— blicken! Nun, ich meine, anerkennenswert und wert- voll iſt dieſe Kunſt doch. Man kann nicht verlangen, daß ſie jeder könne und jeder übe, gewiß aber fehlt fie oft nur aus Mangel an Uebung infolge aus- ſchließlicher „rein wiſſenſchaftlicher“ Bethätigung auf irgend einem engſten Gebiete der Wiſſenſchaft. Mancher hält ſich auch aus Vorſicht noch zurück, denn wer bei uns gemeinverſtändlich für die Allgemeinheit ſchreibt, der erſcheint als Gelehrter nahezu verdächtig. Warum iſt das ſo ganz anders in England? Warum ſchreiben dort die erſten Gelehrten, auch von der deutſchen Gelehrtenwelt anerkannt, ja bewundert, verſtändlich für jedermann? Wer freute ſich nicht an den ausgezeichneten Schriften eines Faraday über eine Kerze, eines Tyndall über das Waſſer, eines Huxley über den Flußkrebs u. ſ. w.? Ich überſehe es nicht, daß es einzelne ſolcher Gelehrter auch bei uns gibt, aber wunderbarerweiſe entgehen ſie nicht dem Achſelzucken der Zunftgenoſſen. Gewiß, wer in ſolcher allgemeinerer Darſtellung ſeine Hauptthätigkeit ſuchte, der würde der Bedeutung als Forſcher bald verluſtig gehen müſſen. Aber es ſoll auch nur verlangt werden, daß umgekehrt der Naturforſcher nicht in der Einzelforſchung ſich er⸗ ſchöpfe, ſondern daß er von Zeit zu Zeit, zugleich zur Erhaltung der eigenen Friſche, über dieſelbe hinaus unmittelbar vor die gebildete Welt trete, und daß der große Wert ſolcher Behandlung nicht nur beim Fremden anerkannt werde. Mit eine Folge dieſer Haltung der Gelehrten im allgemeinen — abgeſehen von der Mangelhaftigkeit naturwiſſenſchaftlicher Schulbildung — iſt es gewiß, 4 Humboldt. — Januar 1887. wenn andererſeits die Laienwelt bei uns ſo zurück⸗ haltend mit Aeußerungen über ihre Naturbeobachtungen iſt. Die Natur ladet jeden ein zum Beobachten und zum Nachdenken — es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß auch der Nichtfachmann zu den wichtigſten Ergebniſſen durch dieſes Beobachten und Nachdenken geführt werde. Was verdankt nicht, um nur ein Beiſpiel zu erwähnen, die wiſſenſchaftliche Zoologie dem Bienenvater Pfarrer Dzierzon durch ſeine Feſtſtellung der Parthenogeneſe der Bienen — und iſt nicht Goethe ohne Naturforſcher von Fach geweſen zu ſein, zu ſeiner berühmten frucht⸗ bringenden Auffaſſung von der Zuſammenſetzung des Schädels aus Wirbeln, ferner vom Zwiſchenkiefer beim Menſchen und von der Zurückführung der Teile der Pflanze auf das Blatt gelangt? Deutlich ſpricht er wiederholt den Gedanken von der Einheit der ge⸗ ſamten Natur und der allmählichen Entwickelung ihrer Formen aus, nicht auf Grund reiner Spekulation, ſondern auf Grund der Beobachtung und des Nach- denkens über dieſelbe. Auch Darwins entſprechende Schlüſſe ſind im Grunde ſo einfacher Beobachtung ent⸗ ſprungen, daß ſie naturwiſſenſchaftliche Fachſchulung nicht vorausſetzten, daß ſie jedem offenen Auge und jedem klaren Kopf bei einigen Kenntniſſen zugänglich waren. Auch in dieſer Bethätigung der Nichtgelehrten bei der Naturbeobachtung können uns die Engländer zum Vorbild dienen: nicht nur ihre zahlreichen Kolo⸗ nien, ihre Seßhaftigkeit und Herrſchaft in den fernſten Teilen der Erde läßt die Einzelnen zahlreiche neue und wertvolle Beobachtungen machen: es gibt in England — dank den Erwerbsquellen des engliſchen Koloniallands — auch viel mehr reiche Leute, welche ohne Amt ſelbſtändig wiſſenſchaftlicher Liebhaberei leben als bei uns, und welche wiederum mit ihrem Gelde als Beſchützer wiſſenſchaftlicher Unterſuchungen und Unternehmungen auftreten können und auf⸗ treten. Schon dadurch muß die Kluft zwiſchen den Gelehrten und den Liebhabern in Naturwiſſenſchaften notwendig eine geringere ſein. Die nähere Beziehung der Gelehrtenwelt zur Allgemeinheit muß anderſeits wiederum dem Einzelnen den Mut geben, ja die Auf⸗ forderung an ihn richten, das was er beobachtet, bekannt zu geben, muß ihn zu eigenen Verſuchen ermuntern. Derartige gemeinſame Arbeit hat ſchöne Ergebniſſe zu verzeichnen — ein Blick in die Wochen⸗ ſchrift „Nature“, in welcher Gelehrte wie Laien ihre Forſchungen und Beobachtungen aus dem Gebiete der Naturwiſſenſchaften aus allen fünf Weltteilen, wo Engländer wohnen, veröffentlichen, zeigt dies auf das deutlichſte. Lebhaft werden dort auch Fragen geſtellt und hin und her unter Beibringen von neuen That⸗ ſachen erörtert. Die hervorragendſten Gelehrten ſcheuen ſich nicht, an dieſer Behandlung Anteil zu nehmen. Dagegen geben ihre Mitteilungen der Nation Gelegenheit, ihre Forſchungen alsbald kennen zu lernen, dieſelben zu verwerten und ſich ihrer als nationales Gut zu freuen. In Deutſchland aber würde ſolche Behandlung, wegen der innigeren Beziehung der Glieder des ganzen Volkes von viel weittragenderer Bedeutung werden können, als in England. Möchte es dem „Humboldt“ fortan vergönnt ſein, ſie zu üben auf Grund allſeitiger Beteiligung der verſchiedenſten Kreiſe an ſeiner Aufgabe. Kurze Ueberſicht über die Entwickelung und den Stand der Meeresforſchungen. Von Hapitänlieutenant a. D. Rottok in Berlin. enngleich das Meer mit ſeinen großartigen Er⸗ ſcheinungen, in ſeiner raſtloſen Thätigkeit, ſeiner gewaltigen zerſtörenden und neubildenden Wirkung auf die umſpülten Geſtade, mit ſeinem reichen ani⸗ maliſchen Leben ſchon von der älteſten Zeit her das Auge des Beſchauers feſſeln, ein Gegenſtand des Staunens und Nachdenkens werden und die Geiſtes⸗ heroen aller Zeiten zum Studium anregen mußte, ſo iſt es doch der allerneueſten Zeit vorbehalten ge- weſen, eine tiefergehende und gründliche — in der Worte eigenſter Bedeutung —, auf ſyſtematiſche Er⸗ forſchung baſierte Kenntnis des den größten Teil der Erdoberfläche bedeckenden flüſſigen Elementes zu er⸗ langen. Die Erklärungen des Altertums waren das Reſultat reiner Spekulation und entbehrten der wirk⸗ lichen Beobachtungen und Meſſungen, dementſprechend die Vorſtellungen über die Verhältniſſe des Meeres häufig der Wahrheit ſehr fern liegend. Ariſtoteles hat ſich viel mit den Erſcheinungen des Meeres be⸗ ſchäftigt; er ſchreibt den ſalzigen Geſchmack des See⸗ waſſers der Einwirkung der Sonne auf die dem Meere entſteigenden Dünſte zu, und iſt nach ſeiner Theorie das Waſſer an der Oberfläche wärmer und ſalziger als in der Tiefe; vergebens bemühte er ſich, eine Er⸗ klärung für die Strömung in der Straße von Ne⸗ groponte zu finden. Plinius, Pytheas, Herodot und Strabo erwähnen und beſprechen bereits die Erſchei⸗ nung der Ebbe und Flut; ebenſo geben uns Plinius, Plutarch und Kleurodes Nachricht von der Vorſtellung der Alten über die Tiefen des Oceans, welche da— nach den Höhen der Berge gleich kommen und 10 bis 15 Stadien betragen ſollen. Jahrhunderte lang trat die Meereskunde aus dieſen ihren erſten Anfängen nicht heraus und waren keine Humboldt. — Januar 1887. 5 weſentlichen Fortſchritte in derſelben zu verzeichnen. Erſt am Ende des Mittelalters, zur Zeit der großen Entdeckungen, trat ein entſchiedener Umſchwung ein, indem der allgemein herrſchende Wiſſensdrang ſich auch der Aufklärung der Geheimniſſe des Meeres zu— wandte, einer Aufklärung, welche mit der Entwicke— lung der Schiffahrt im Intereſſe dieſer letzteren not— wendig wurde, wobei gleichzeitig durch dieſelbe die Unterſuchungen den engen Küſtengrenzen entrückt und auf die offene See ausgedehnt wurden. Mehr oder weniger beſchränkten ſich aber alle Beobachtungen auf die Meeresoberfläche und auf die von den See— fahrern auf ihren Entdeckungsreiſen und Weltumſege— lungen eingeſchlagenen und nach den gemachten Er— fahrungen feſtgeſetzten Routen. Erſt mit der Ver- vollkommnung der Technik und der für die oceani— ſchen Meſſungen unentbehrlichen Inſtrumente konnten die Forſchungen mit Erfolg auch auf größere Tiefen, und mit Einführung des Dampfes zur Fortbewegung der Schiffe, unabhängig von Wind und Wetter, auf alle Teile der Weltmeere ausgedehnt, und damit ein richtiges Bild von den Verhältniſſen des Meeres ge- ſchaffen werden. Hiermit beginnt die neue Aera der wiſſenſchaftlichen Meereskunde, als deren eigentlicher Begründer der amerikaniſche Seeoffizier und Direktor des Waſhingtoner Nationalobſervatoriums M. F. Maury (geſt. 1874) angeſehen werden muß, welcher den erſten Anſtoß zu ſyſtematiſchen wiſſenſchaftlichen Forſchungen gab und dieſelben zur Geltung und allge— meinen Einführung brachte. Außerordentlich begünſtigt und gefördert wurden die Beſtrebungen Maurys durch das den Handels- und Verkehrsverhältniſſen der neueren Zeit entſpringende Bedürfnis der unterſee⸗ iſchen Kabellegungen, welche ihrerſeits eine genaue Erforſchung der Meerestiefen, der Beſchaffenheit des Meeresbodens und anderer phyſikaliſchen Eigenſchaften des Oceans notwendig machten. Die Forſchungen erhielten eine Erweiterung durch die im Intereſſe des Großfiſchereibetriebes ausgeführten Schleppnetzverſuche, welche durch ihre intereſſanten Ergebniſſe, beſonders in Bezug auf die Grenzen des organiſchen Lebens im Meere, zu eingehenderen Studien der Meeresfauna und ⸗flora anregten. Seit dieſer Zeit haben alle ſeefahrenden Nationen miteinander gewetteifert, ſich um die Erſchließung der Oceane durch Entſendung beſonderer zu dieſem Zweck ausgerüſteten Expeditionen verdient zu machen. Unter den letzteren ſind beſon— ders die drei großen in den Jahren 1874 bis 1876 unternommenen wiſſenſchaftlichen Expeditionen der eng— liſchen Korvette „Challenger“, der deutſchen „Gazelle“ und der amerikaniſchen „Tuscarora“ hervorzuheben, als für die Meereskunde von hervorragender Bedeutung. Außer den auf geographiſchem und hydrographt- ſchem Gebiete angeſtellten Forſchungen und Unter— ſuchungen, welche zum Teil für die Schiffahrt wert— volle Reſultate lieferten, erſtreckten ſich die Beob- achtungen und Meſſungen der Expeditionen ſowohl auf die phyſikaliſchen als auf die chemiſchen und bio— logiſchen Verhältniſſe des Meeres. Mit den Tiefen der Oceane wurde gleichzeitig die Bodenformation und die Beſchaffenheit des Meeresbodens feſtgeſtellt; fernere Gegenſtände der Unterſuchung bildeten die Temperatur, das ſpecifiſche Gewicht, der Salzgehalt und die chemiſche Zuſammenſetzung des Seewaſſers, Strömungen und Gezeiten, Tier- und Pflanzenleben. Von allen Oceanen am gründlichſten iſt der Atlantiſche, namentlich zwiſchen dem vierzigſten nörd— lichen und ſüdlichen Breitenparallel, durchforſcht und bekannt; der Stille und Indiſche Ocean, erſterer namentlich zwiſchen den Wendekreiſen und 140° bis 90oWeſtlänge find noch weniger bekannt. Während ſich um die Erſchließung des Stillen Oceans die „Tus— carora“ ein beſonderes Verdienſt erworben hat, deren Forſchungen ſich faſt ausſchließlich auf dieſen be— ſchränkten, verdanken wir unſere Kenntnis vom Indi⸗ ſchen Ocean faſt lediglich den Beobachtungen des „Challenger“ und der „Gazelle“, welche beide die ſüd— lichſten Teile desſelben zwiſchen 35° und 65° Süd— breite, ſowie zwiſchen 20° und 120° Oſtlänge, die Gazelle allein den mittleren Teil zwiſchen Mauritius und Auſtralien durchforſcht haben. Die Tiefenmeſſungen haben nicht nur die älteren Anſichten über „unergründliche Tiefen“ be- ſeitigt, ſondern auch die in ſpäteren Zeiten mit unvoll- kommenen Lotapparaten gefundenen Tiefen von 14000 bis 15000 m als viel zu groß berichtigt. Als be— merkenswertes Reſultat hat ſich aus denſelben ergeben, daß die größten Tiefen nicht in der Mitte der Oceane, wie man vermuten möchte, zu ſuchen ſind, ſondern meiſt in die Nähe der Landesmaſſen fallen. So wurde die größte bis jetzt überhaupt gemeſſene Tiefe von der „Tuscarora“ im Stillen Ozean auf 4455, Nordbreite und 152° 26“ Oſtlänge, in der Nähe des Aſiatiſchen Kontinentes zu 8513 m gefunden; dieſe Tiefe iſt demnach ca. 300 m geringer, als der höchſte Berg der Erde, der Gauriſankar, hoch iſt, und wird da— durch gewiſſermaßen die im Altertum inſtinktiv ent⸗ ſtandene Vermutung, daß die größten Depreſſionen des Meeres den größten Erhebungen des Feſtlandes gleichkämen, beſtätigt. Die größte bisher konſtatierte Tiefe im Atlantiſchen Ocean beträgt 8341 m, welche 1883 von dem amerikaniſchen Schiffe „Blake“ in 19° 39’ 10“ Nordbreite und 6626“ 5“ Weſtlänge gelotet wurde, im Indiſchen Ocean 5523 m, von der „Gazelle“ in 16° 11“ Südbreite und 117° 32“ Oſtlänge gefunden. Die bis jetzt gewonnenen Tiefen— angaben ſind in Karten zuſammengetragen, um da— durch ein möglichſt überſichtliches Bild von der Geſtaltung des Meeresbodens zu gewinnen. Aus denſelben geht hervor, daß, wenn ſich auch einige Höhenplateaus über dem eigentlichen Tiefboden des Oceans in längeren Zügen erheben, doch die Terrain— verſchiedenheiten des Meeresbodens im Vergleich zu denjenigen des Feſtlandes außerordentlich gering ſind, ſo daß er einem Beobachter im offenen Ocean als faſt vollkommene Ebene erſcheinen wird. Die Feſtſtellung der Beſchaffenheit des Meeresgrundes, welche von gleich wiſſenſchaft— licher Bedeutung für die Aufgaben der Geologie, wie von praktiſchem Wert für die Schiffahrt war, geſchah 6 Humbolot. — Januar 1887. durch Grundproben, welche mittelſt des Lotes oder des Schleppnetzes vom Meeresboden heraufbefördert und dann einer genaueren Unterſuchung unterworfen wurden. Nach Vorgang des Geologen der Challenger⸗ expedition, John Murray, werden die geſamten Bodenablagerungen in fünf Gruppen geteilt: Küſten⸗ ablagerungen, Globigerinenſchlamm, Radiolarien⸗ ſchlamm, Diatomeenſchlamm und Tiefſeethon. Die Küſtenablagerungen, in der Nähe der Kontinente und größeren Inſeln, erhalten durch das dieſen entnommene Material ihren Charakter. Der Globigerinenſchlamm, aus Globigerinen, kalkſchaligen Rhizopoden gebildet, iſt am meiſten verbreitet und in allen Oceanen zwiſchen 500 und 5000 m Tiefe vertreten, mit Ausnahme einiger abgeſchloſſenenen Meeresbecken, dem ſüdlichen Teile des Indiſchen Oceans von 50S üdbreite an, und dem nördlichen Stillen Ocean nördlich von 10° Nordbreite. Eine Unterſuchung dieſes Schlammes durch den Chemiker der Challengererpedition, J. J. Buchanan, hat ergeben, daß ſich in demſelben keine lebenden Organismen befinden, und ſomit die bis⸗ herige Anſicht über die Exiſtenz eines lebendigen Bathybiusſchlammes oder Urſchleimes der Meeres⸗ tiefen widerlegt. Die Radiolarien, welche der zweiten Schlammart den Namen geben, ſind höher entwickelte mit einem Kieſelpanzer verſehene Wurzelfüßler; die Kieſelſchalen werden zwar in faſt allen Meeren ge⸗ funden, jedoch in ſo großen Mengen, daß ſie die Boden⸗ ablagerung charakteriſieren, nur in begrenzten Gebieten zwiſchen 4000 m und 8500 m Waſſertiefe, wie haupt⸗ ſächlich im weſtlichen und mittleren Teile des Stillen Oceans, während ſie im ſüdlichen Indiſchen Ocean ganz fehlen. Der Diatomeenſchlamm, deſſen Haupt⸗ beſtandteil eine ebenfalls mit Kieſelpanzer ausgerüſtete Algenart ausmacht, iſt in allen Gewäſſern verbreitet, hauptſächlich aber im ſüdlichen Indiſchen Ocean zwiſchen 53° und 63° Südbreite in 2300 m bis 3600 m Tiefe. Der Tiefſeethon endlich, grau, rot oder dunkelbraun, iſt die verbreitetſte Ablagerung in Tiefen über 3500 m. Die Temperaturmeſſungen des Waſſers konnten natürlich verhältnismäßig erſt ſpät, nach Er⸗ findung des Thermometers, beginnen und waren zu⸗ nächſt wegen der Unvollkommenheit der Inſtrumente noch von geringer Zuverläſſigkeit und geringem Wert. Trotz des Eifers, mit welchem man ſich der Her⸗ ſtellung geeigneter Inſtrumente, um in tieferen Schichten des Meeres Temperaturen beſtimmenzukönnen, hingab, ſtieß man doch auf ungewöhnliche Schwierig⸗ keiten. Man umgab die Thermometer mit Schutz⸗ hüllen und ſchlechten Wärmeleitern, verſenkte ſie und holte fie nach genügender Accommodationszeit wieder auf, oder man ſchöpfte mit beſonderen Apparaten Waſſer aus der betreffenden Tiefe und tauchte ein Thermometer in dasſelbe ein. 1778 konſtruierte Six das erſte Maximum⸗ und Minimumtiefſeethermometer, welches ſich, nachdem es zuerſt von Kruſenſtern und Horner auf ihrer Weltumſegelung angewandt war, bald Eingang verſchaffte, jedoch auch noch mit großen Mängeln behaftet war. Namentlich waren alle älteren Inſtrumente ungenügend gegen die Einwirkung des Druckes in größeren Tiefen geſchützt und erſt in neuerer Zeit iſt es gelungen, dieſen Mangel zu beſeitigen. Die hiernach konſtruierten Tiefſeethermometer von Miller und Caſella ſowie von Negretti und Zambra ſind bei den neueſten Tiefſeeforſchungen allgemein zur Verwendung gekommen und haben zuverläſſige Daten gebracht. Das Miller-Caſella⸗Thermometer tft ein ſelbſt⸗ regiſtrierendes Maximum⸗ und Minimumthermometer, welches mittelſt zweier Schwimmer die höchſte und niedrigſte Temperatur des umgebenden Waſſers an⸗ zeigt, das Negretti⸗Zambra⸗Inſtrument tft ein Umkehr⸗ thermometer, welches in eine beſtimmte Tiefe verſenkt und dort umgekehrt die hier herrſchende Temperatur regiſtriert. Außer an der Oberfläche und am Meeres⸗ boden werden die Temperaturen in der Regel nur bis zu einer Tiefe von ca. 2700 m in beſtimmten Abſtänden, von 200 zu 200 m, gemeſſen, da ſich herausgeſtellt hat, daß von dieſer Tiefe ab bis zum Meeresboden ſich die Temperaturen nur ſehr wenig ändern. Bei der Ausführung werden in den be⸗ treffenden Abſtänden Thermometer an der Lotleine befeſtigt, mit derſelben verſenkt und nach einer Accom⸗ modationszeit von ca. 10 Minuten wieder aufgeholt und abgeleſen. Die Beſtimmung der Bodentempe⸗ ratur erfolgt gleichzeitig mit dem Loten, indem über dem Lot ein Thermometer an der Leine befeſtigt wird. Durch die bisher angeſtellten Temperatur⸗ meſſungen hat ſich ergeben, daß die Temperatur im allgemeinen von der Oberfläche bis zum Boden ab⸗ nimmt, zunächſt, ſoweit der Einfluß der Sonnen⸗ wärme reicht, ſchnell, dann progreſſiv langſamer. Während die Oberflächentemperaturen zwiſchen + 32° in den tropiſchen Gegenden und — 3° in der Polar⸗ region ſchwanken, halten ſich die Grundtemperaturen in den Grenzen von + 2° und — 2° Die allge⸗ gemeine Erniedrigung der Temperatur mit der Tiefe erklärt ſich aus einer Waſſerbewegung in den unteren Meeresſchichten von den Polen nach dem Aequator zu; je größer und freier die Verbindung mit den Polar⸗ meeren iſt, deſto niedriger ſind die Tiefen⸗ und Boden⸗ temperaturen. Lokale Einflüſſe und Geſtaltungen des Meeresbodens bringen natürlich in einigen Gewäſſern Abweichungen von dieſem allgemeinen thermiſchen Verhalten des Meerwaſſers hervor. So ſind beſonders in höheren Breiten häufig kalte und warme Waſſer⸗ ſchichten abwechſelnd über- und nebeneinander lagernd gefunden worden. Ferner zeigt ſich bei Meeresteilen, welche durch unterſeeiſche Erhebungen in einer be⸗ ſtimmten Tiefe von dem umgebenden Ocean abge⸗ ſchloſſen ſind, die eigentümliche Erſcheinung, daß von dieſer Tiefe ab die Temperatur bis zum Boden gleich bleibt und derjenigen des umgebenden Waſſers in der betreffenden Tiefe entſpricht. Ganz ähnliche Verhält⸗ niſſe treten natürlich auch in Binnenmeeren, dem Mittelländiſchen, Roten Meer u. a., auf, nur ſind die Temperaturen der unteren Schichten hier gleich der durchſchnittlichen niedrigſten Wintertemperatur des betreffenden Meeres. Für chemiſche Analyſen des Waſſers, zur Humboldt. — Januar 1887. i Beſtimmung des Salzgehaltes und ſpeeifiſchen Gewichtes, wird Waſſer aus den verſchiedenen Tiefen heraufgeholt. Die Chemie hat bis jetzt 32 Ele— mente im Waſſer nachgewieſen, die meiſten allerdings nur in geringen Spuren. Die aufgelöſten Salzmengen, welche demſelben ſeinen eigentümlichen Geſchmack ver— leihen, beſtehen aus Chlornatrium, Chlormagneſium, Magneſiumſulfat (Bitterſalz), Calciumſulfat (Gips) und Chlorkalium. Der Salzgehalt wird entweder auf direktem Wege beſtimmt, oder er wird mittelſt in— direkter auch an Bord bequem auszuführender Me— thoden aus dem ſpecifiſchen Gewicht oder aus der Chlormenge, zwiſchen welcher und der Geſamtſalz— menge ein konſtantes Verhältnis beſteht, abgeleitet. Das ſpecifiſche Gewicht des Seewaſſers ſteht in engem Zuſammenhange mit dem Salzgehalte; es iſt außer von dieſem noch von der Temperatur abhängig; eli— miniert man die letztere, ſo muß einem beſtimmten ſpecifiſchen Gewicht ein beſtimmter Salzgehalt ent⸗ ſprechen. Aus dieſem Grunde und um überhaupt Vergleiche zu ermöglichen, werden die Beobachtungen des ſpecifiſchen Gewichtes auf eine beſtimmte Tem— peratur reduziert; als Normaltemperatur wird ge— wöhnlich 17,50, bei den engliſchen Meſſungen 15,56“ angenommen. Der Salzgehalt und das ſpeeifiſche Gewicht in den verſchiedenen Meeren und Meeresteilen iſt abhängig von der Verdunſtung, der Eisbildung, den Niederſchlägen und ſonſtiger Zufuhr von Süß⸗ waſſer. In den offenen Oceanen ijt das ſpeeifiſche Gewicht, wie überhaupt die ganze chemiſche Zuſammen— ſetzung des Waſſers, nur geringen Schwankungen unterworfen und beträgt 1,025 bis 1,028, entſprechend einem Salzgehalt von 3,376 9% bis 3,764 lo; größere Differenzen und Abweichungen finden ſich aber natür⸗ lich an Küſten und in abgeſchloſſenen Meeresbecken, hervorgerufen durch die größere oder geringere Waſſer⸗ zufuhr der Flüſſe, ſtarke Verdunſtungen und ſtarke Niederſchläge. Für das Verhalten des ſpeeifiſchen Gewichtes nach der Tiefe iſt gefunden, daß dasſelbe von der Oberfläche, oder von einer geringen Tiefe unterhalb derſelben bis zu 1500 und 1800 m ab- nimmt und dann bis zum Meeresboden wieder zu— nimmt. Für die Beſtimmung des für das organiſche Leben im Meerwaſſer ſo wichtigen Gehaltes desſelben an Luft und Kohlenſäure find die neueren Unter- ſuchungen von Buchanan auf dem „Challenger“, Tornoe auf der „Vöringen“ und Jacobſen (Roſtock) auf der „Pommerania“ hauptſächlich maßgebend ge— weſen. Die vom Waſſer abſorbierte Luft hat hiernach eine andere Zuſammenſetzung als die der Atmoſphäre; der Sauerſtoffgehalt iſt von der Temperatur abhängig und ſtarken Schwankungen unterworfen; mit der Tiefe nimmt er im allgemeinen ab. Buchanan fand in den Tropen zwiſchen 400 und 500 m eine beſonders ſtarke Abnahme des Sauerſtoffs und ſchloß daraus auf ein beſonders reiches Tierleben in dieſen Tiefen. Auf die Beſtimmung der Meeresſtrömungen, als einem für die Schiffahrt ſo wichtigen Element, richtete man bereits früh ſein Augenmerk; Columbus hat auf ſeinen Reiſen wiederholt Strömungen beob— achtet, beſchrieben und zu erklären verſucht. Die Mittel zur Feſtſtellung von Richtung und Geſchwindigkeit waren allerdings noch recht mangelhaft und geſtatteten nur, die Strömungen in ihren Hauptzügen kennen zu lernen. Je mehr ſich die Schiffahrt entwickelte, deſto mehr war man bemüht, ſich eingehendere Kennt— nis über dieſelben zu verſchaffen und durch die Ver— wertung und Zuſammenſtellung einer außerordentlich großen Zahl von Beobachtungen, wie ſie in neuerer Zeit von faſt allen ſeegehenden Schiffen angeſtellt wurden, iſt es gelungen, ein einigermaßen richtiges und für die Schiffahrt wertvolles Bild der Haupt— ſtrömungen ſämtlicher Oceane ſich zu verſchaffen und in ſogenannten Stromkarten niederzulegen. Weniger glücklich iſt man in der Erklärung dieſer ausgedehnten Waſſerbewegungen geweſen und gehen die Anſichten darüber noch recht auseinander. Die Urſachen der Meeresſtrömungen ſuchte man in erſter Linie in der Differenz der ſpecifiſchen Gewichte, des Salzgehaltes und der Temperatur des Waſſers, gleichzeitig der Rotation der Erde einen gewiſſen Einfluß zuſchrei— bend. Schon Kepler und Kant führten die dquato- rialen Strömungen auf die Achſendrehung der Erde zurück, während Leonardo da Vinci die Urſache der meridionalen Bewegungen in dem Wärmeunterſchied der äquatorialen und polaren Gewäſſer fand; dieſer letzteren Anſicht traten namhafte Gelehrte ſpäterer Zeit, wie Arago, Lenz, Mühry, Mohn, Carpenter bei, während andere die Möglichkeit, daß thermiſche Differenzen ſo ſtarke Bewegungen erzeugen können, in Abrede ſtellen. In neueſter Zeit neigen ſich die Anſichten der von Zöppritz aufgeſtellten Theorie, daß die Winde die Hauptſtromerzeuger ſind, zu. Sicher iſt, daß nicht einem der angeführten Faktoren die alleinige Urſache der Strömungen zugeſchrieben werden darf, ſondern daß alle mehr oder weniger ihr Teil dazu beitragen. Die Meeresflora und -fauna iſt erſt in neuerer Zeit der Gegenſtand eingehender Forſchung geweſen. Von der Oberfläche, vom Grunde und aus den verſchiedenſten Tiefen iſt mittelſt Netzen eine große Anzahl bisher unbekannter Arten von Tieren und Pflanzen zu Tage befördert. Ein beſonderes Augen⸗ merk richtete man bei den Unterſuchungen auf den Einfluß der Temperatur bezüglich des Vorkommens von lebenden Organismen und ihre Verbreitung nach der Tiefe. Dabei hat ſich das intereſſante Reſultat ergeben, daß das Pflanzenleben nur bis in ſehr mäßige Tiefen (etwa bis 200 m) reicht, das Tierleben da— gegen keine Tiefengrenzen hat. Das letztere iſt ab— hängig von der Anweſenheit des Sauerſtoffes, der Kohlenſäure und des phosphorſauren Kalkes, und am reichſten an der Oberfläche und über dem Meeres— boden. 8 Humboldt. — Januar 1887. Die Brennhaare der pflanzen. Don Prof. Dr. G. Haberlandt in Graz. ie überaus große Vielgeſtaltigkeit der pflanzlichen Haargebilde legt dem biologiſchen Forſcher eine ganze Reihe von intereſſanten Rätſeln nahe, deren Löſung einen lehrreichen Einblick in viele wichtige Einzelheiten des Pflanzenhaushaltes gewährt. Wie ſehr auch auf dieſem Gebiete die Uebereinſtimmung zwiſchen Bau und Funktion zur Geltung gelangt, dafür find die pflanzlichen Brennhaare eines der be- achtenswerteſten Beiſpiele. In der europäiſchen Flora weiſen bekanntlich bloß die verſchiedenen Neſſelarten wirkliche Brennhaare auf. Zahlreicher ſind die derart bewaffneten Pflanzen⸗ arten in den Tropenländern vertreten; das Epitheton urens oder pruriens, bisweilen im Superlativ zur Anwendung kommend, dient dem Syſtematiker in nicht wenigen Fällen zur Speciesbezeichnung. Es finden ſich unter den hierher gehörigen Pflanzen Ver⸗ treter aus ſehr verſchiedenen, untereinander gar nicht verwandten Familien (Malvaceen, Malpighiaceen, Le⸗ guminoſen, Loaſaceen, Compoſiten, Hydroleaceen, Acanthaceen, Euphorbiaceen, Urticaceen); am bekann⸗ teſten ſind wohl die in den wärmeren Teilen Ame⸗ rikas, beſonders in Chili, einheimiſchen Loaſaceen, welche in unſeren botaniſchen Gärten trefflich gedeihen. Auch auf verſchiedene Arten der ſüdamerikaniſchen Gattung Jatropha wird in den meiſten Lehrbüchern hingewieſen. Ebenſo finden die ſehr gefährlichen Urtica-Arten Oſtindiens oftmals Erwähnung). — Uebrigens ſind durchaus nicht alle von den Floriſten und Reiſenden als „brennend“ bezeichneten Pflanzen mit echten Brennhaaren ausgerüſtet. Wenn das Ge⸗ fühl des Brennens ſowie die Entzündung der Haut bloß durch die in der Wunde ſtecken gebliebene Spitze des Haares verurſacht wird, mithin auf einem rein mechaniſchen Reize beruht, ſo darf man noch nicht von einem Brennhaar im engeren Sinne des Wortes ſprechen. Die Wirkſamkeit eines ſolchen beruht näm⸗ lich auf dem Vorhandenſein eines ſpeeifiſchen Giftes, welches aus der zweckentſprechend geöffneten Haarſpitze in die Wunde entleert wird und ſo die Hautentzündung hervorruft. Ein ſolches echtes Brenn⸗ haar muß ſelbſtverſtändlich beſtimmte anatomiſche und phyſiologiſche Anpaſſungsmerkmale aufweiſen, welche es befähigen, die ihm übertragene Funktion erfolg⸗ reich und ſicher auszuüben. Bei unſeren einheimiſchen Neſſelarten (Urtica urens und dioica) find die Brennhaare ſehr voll⸗ kommen gebaut. Jedes Haar beſteht aus einer ein⸗ *) Ein „Verzeichnis der durch Brennhaare geſchützten Pflanzen“ wurde von E. Huth in den Mitteilungen des naturwiſſenſchaftl. Vereins zu Frankfurt a. O. (III. Jahrg. Nr. 3) publiziert. zigen großen Zelle, die ſich deutlich in drei Teile gliedert (Fig. 1A). Das untere Ende der Zelle iſt blaſig oder kolbig erweitert und in eine mehrzellige, becherförmige Erhebung eingeſenkt, deren periphere Zellen ziemlich reich an Chlorophyll ſind. Der mittlere Teil iſt nadelförmig und wird nach oben zu allmäh⸗ lich dünner. Das obere Ende des Haares bildet aber keine feine Spitze, ſondern eine köpfchenförmige Auf⸗ treibung, welche ausnahmslos einen ſchiefen Anſatz Fig. 1. A Brennhaar von Urtica dioica, Vergr.: 70. B Brennhaarſpitze derſelben Pflanze; das Abbrechen des Köpfchens erfolgt in der Linie a—b. Vergr.: 850. CG Brennhaarſpitze mit abgebrochenem Köpfchen; ein Teil des plasmatiſchen Zell⸗ inhaltes iſt ausgetreten. Vergr.: 800. zeigt. Die Wandungen des Brennhaares ſind mehr oder minder ſtark verdickt, im oberen Teile des Haares ſtark verkieſelt, nach unten zu mit kohlenſaurem Kalk imprägniert. Bloß die Wandung des unteren, blaſig erweiterten Haarendes beſteht aus relativ reiner Cel⸗ luloſe. Als Inhalt des Haares tritt ein dicker plas⸗ matiſcher Wandbeleg auf, welcher den farbloſen Zell⸗ ſaft einſchließt. Im unteren Ende der Zelle befindet ſich in einer größeren Plasmaanhäufung der große Zellkern. Schon J. M. Schleiden hat die köpfchen⸗ förmige Auftreibung des Haarendes mit der Funktion Humboldt. — Januar 1887. 9 des Brennhaares, beziehungsweiſe mit dem Abbrechen ſeiner Spitze in Beziehung gebracht. Er hebt hervor, daß das in Rede ſtehende Köpfchen bei der Berührung ſehr leicht abbricht, worauf die geöffnete Spitze in den berührenden Körper eindringen kann. Später hat dann H. v. Mohl darauf hingewieſen, daß die ſtarke Verkieſelung der Zellwand, welch letztere da— durch ſo ſpröde wie Glas wird, das Abbrechen des Köpfchens in hohem Grade erleichtert. Abgeſehen von dieſen Anpaſſungen gibt es nun noch beſtimmte anatomiſche Eigentümlichkeiten des Haarendes, welche mit dem Abbrechen des Köpfchens in unmittelbarer Beziehung ſtehen, die aber bisher überſehen wurden?). Wenn man das Köpfchen in der Seitenanſicht be— trachtet, ſo fällt bei hinreichend ſtarker Vergrößerung alsbald die ungleichmäßige Dicke der Wände auf: an der konvexen Seite bemerkt man knapp über der ſchwachen, halsförmigen Einſchnürung des Haarendes eine mehr oder minder ſtark verdünnte Stelle, die ſich von den verdickten Wandungsteilen meiſtens ſehr ſcharf abhebt (Fig. 1B). Auf der konkaven Seite bleibt die Wandung gleichfalls dünner, doch iſt der Dickenunterſchied hier nicht ſo groß, die dünne Stelle geht allmählich in die ſtärker verdickten Wandpartien über. — Unterſucht man nun ein Brennhaar mit ab- gebrochenem Köpfchen (Fig. 10), ſo ſieht man, daß das Abbrechen in einer Verbindungslinie dieſer diinn- wandigen Stellen vor ſich gegangen iſt: die Abbruch⸗ ſtelle iſt demnach durch den Bau der Zellwand vor— gezeichnet. — Der Vorteil dieſer Einrichtung iſt unſchwer einzuſehen: 1) wird durch ſie das Ab— brechen des Köpfchens weſentlich erleichtert und 2) erhält auf dieſe Weiſe die in den be— rührenden Körper eindringende Haarſpitze eine für dieſen Zweck möglichſt günſtige Form. Dadurch, daß das Abbrechen nicht querüber, ſondern ſtets ſchief abwärts zu erfolgt, wird zunächſt eine überaus ſcharfe, lanzettförmige Spitze geſchaffen, unterhalb welcher in ſeitlicher Lage die Oeffnung auf- tritt, aus welcher der giftige Zellſaft entleert wird. Die geöffnete Brennhaarſpitze zeigt ſonach hinſichtlich ihres zweckmäßigen Baues eine merkwürdige Ueber- einſtimmung mit den hohlen Giftzähnen der Schlangen oder mit den Injektionsſpritzen des Arztes. Das mechaniſche Princip der Konſtruktion iſt hier wie dort dasſelbe. Ganz ähnlich ſind die Brennhaarſpitzen der übri⸗ gen Urtica-Arten gebaut. Unter den Loaſaceen zeigt in Bezug auf die geſchilderten mechaniſchen Einrich— tungen das Brennhaar von Loasa papaverifolia mit den Neſſelbrennhaaren die größte Aehnlichkeit (Fig. 2A). Das Köpfchen desſelben iſt ſo klein, daß es ſich von dem übrigen Teile des Haarendes faſt gar nicht ab— gliedert. Auf der konvexen Seite tritt wieder die Ich habe auf dieſe Eigentümlichkeiten im Bau der Brennhaare in einer Abhandlung „Zur Anatomie und Phyſiologie der pflanzlichen Brennhaare“ aufmerkſam ge— macht, welche in den Sitzungsberichten der Wiener Aka— demie der Wiſſenſchaften (XIII. B. 1886) erſchienen iſt. Humboldt 1887. ſchmale, dünne Stelle auf, die aber nicht ſo zart iſt, wie die ziemlich weit hinabreichende dünne Wand— partie auf der konkaven Seite. Eine weitere vor— teilhafte Einrichtung, die wir bei Urtica nicht beob- achtet haben, beſteht darin, daß jene Partie der Zellwand, welche nach dem Abbrechen des Köpfchens die in den berührenden Körper eindringende ſcharfe Spitze bildet, anſehnlich ſtärker verdickt iſt, als die noch weiter rückwärts gelegenen Zellwandteile. — Die zum Abbrechen des Köpfchens erforderliche Sprödig— keit der Membran wird bei Loasa papaverifolia, ſo⸗ wie bei den übrigen Loaſaceen, nicht durch Verkieſe— lung, ſondern durch reichliche Einlagerung von kohlenſaurem Kalk hervorgerufen. Bei Jatropha urens und stimulata find die Brennhaare von außerordentlicher Größe und Stärke. An ihrer Spitze (Fig. 2B) finden wir wieder das A Brennhaarſpitze von Loasa cael ng Vergr.: 90%. B Brennhaarſpitze von Jatropha stimulata, Die Linie 5 bezeichnet die Abbruchſtelle. Vergr.: 350. ſchiefaufſitzende Köpfchen und auf der konkaven Seite die unverdickte Wandpartie. Auf der konvexen Seite fehlt die dünne Stelle; das Abbrechen erfolgt ge— wöhnlich unterhalb des Köpfchens, wo die einzelnen Verdickungsſchichten der Membran geknickt erſcheinen. Auch bei dieſen Brennhaaren iſt der in den fremden Körper eindringende Wandungsteil ſehr ſtark verdickt. Die Sprödigkeit der Membran wird nicht durch Kalk— oder Kieſeleinlagerung hervorgerufen, ſondern durch ſtarke Verholzung. Die Thatſache, daß bei Pflanzen, welche ſo ver— ſchiedenen Familien angehören, die Brennhaarſpitzen in faſt gleicher Weiſe zweckmäßig gebaut ſind, iſt ge— wiß frappierend. Es darf aber nicht überſehen werden, daß die geſchilderten mechaniſchen Einrichtungen die höchſte Vervollkommnungsſtufe der Brennhaare kenn— zeichnen, die uns bekannt iſt. Bei anderen Pflanzen ſind dieſe Organe weniger vollkommen gebaut; es laſſen ſich ſogar, wenn man eine größere Anzahl von Arten und Gattungen überblickt, alle Uebergänge von einfachen, köpfchenloſen Brennhaarſpitzen bis zu den oben beſprochenen Formen nachweiſen. Beſonders lehrreich ſind in dieſer Hinſicht die Loaſaceen. Eine eingehendere Darſtellung dieſer Uebergangsformen 2 10 Humboldt. — Januar 1887. würde uns hier zu weit führen; ich muß mich darauf beſchränken, auf den betreffenden Abſchnitt in meiner oben erwähnten Abhandlung hinzuweiſen. In den meiſten Lehr- und Handbüchern der Bo- tanik wird die Frage nach der chemiſchen Natur des Brennhaargiftes als längſt erledigt hin- geſtellt. Im Jahre 1849 veröffentlichte nämlich Gorup⸗Beſanez eine kurze „Notiz über das Vorkommen von Ameiſenſäure in den Brenneſſeln“, worin der Nachweis geführt wird, daß in den Brenneſſel⸗ pflanzen geringe Mengen der genannten Säure vor⸗ handen ſind. Daß dieſelbe in den Brennhaaren ent⸗ halten ſei und die giftige Subſtanz derſelben vorſtelle, wurde von Gorup⸗Beſanez als eine berechtigte An⸗ nahme hingeſtellt; ein zwingender Beweis hierfür iſt aber nicht erbracht worden. Nichtsdeſtoweniger hat ſich die erwähnte Annahme zu einem wahren Lehr⸗ buchdogma ausgebildet. Verſchiedene Verſuche, welche ich vor einiger Zeit ausgeführt habe, um über die chemiſche Natur des Giftes der Brennhaare Aufſchluß zu erhalten, ergaben mir die Gewißheit, daß die bisherige Anſicht über dieſen Gegenſtand nicht richtig iſt. Schon von vorn⸗ herein laſſen ſich gegen die Annahme, daß die Ameiſen⸗ ſäure das fragliche Gift ſei, verſchiedene Bedenken geltend machen. Vor allem iſt zu erwägen, daß bei dem Stich eines Urtica-Brennhaares nur eine äußerſt kleine Flüſſigkeitsmenge in die Wunde entleert wird; ich berechnete dieſelbe in einem beſtimmten Falle auf 0,0003 chmm. So groß war nämlich die Luftblaſe, welche an Stelle der entleerten Flüſſigkeit in das Haar getreten war. Nehmen wir als Maximalgröße ſelbſt das Doppelte an und machen wir ferner die An⸗ nahme, daß der Zellſaft des Brennhaares 10 Ge⸗ wichtsprozente Ameiſenſäure enthalte), fo gelangen wir zu dem Ergebnis, daß beim Stich eines Urtica- Brennhaares höchſtens 0,000 06 me Ameiſenſäure in die Wunde gelangen. Welch außerordentlich giftige Subſtanz müßte nun die Ameiſenſäure ſein, wenn ſie in ſolch verſchwindend geringer Menge eine kleine Haut⸗ entzündung hervorrufen könnte! — Uebrigens habe ich mit einer 11prozentigen Ameiſenſäurelöſung wieder⸗ holt Impfverſuche angeſtellt und gefunden, daß die Wirkung einer ſolchen Löſung weitaus ſchwächer iſt, als die des Zellſaftes der Neſſelbrennhaare. Ein anderes Bedenken ergibt ſich aus der ver⸗ bürgten Thatſache, daß bei einigen tropiſchen Urtica. Arten der Stich der Brennhaare zu höchſt ſchmerz⸗ haften Erkrankungen führt. In einem 1819 von Leſchenault de la Tour, Direktor des k. botaniſchen Gartens zu Pondichery, an Juſſieu gerichteten Schrei⸗ ben berichtet derſelbe über die Giftwirkung der Brenn⸗ haare von Urtica crenulata im botaniſchen Garten von Kalkutta. Nachdem er mit der Hand ganz leiſe an ein Blatt geſtreift hatte, fühlte er anfangs nur ein ſchwaches Brennen, welches ſich aber allmählich heftig ſteigerte. Nach einer Stunde hatte er bereits das Gefühl, „als wenn man mit einer glühenden ) Was eher viel zu hoch als zu niedrig gegriffen ijt. Eiſenplatte über die Finger führe“. Ohne daß eine Entzündung bemerkbar geweſen wäre, breitete fic) der Schmerz raſch über den ganzen Arm bis unter die Achſel aus. Nach einigen Stunden ſtellte ſich ein krampfhaftes Zuſammenziehen beſtimmter Geſichts⸗ muskeln ein. Erſt am nächſten Tage ließen die Schmerzen etwas nach, doch verſchwanden ſie erſt nach einer Woche gänzlich. Auch Urtica stimulans auf Java iſt ſehr giftig, und Urtica urentissima, welche auf der Inſel Timor vorkommt und von den ſie ſehr fürchtenden Einwohnern Daoun setan (Teufelsblatt) genannt wird, ſoll durch den Stich ihrer Brennhaare Jahre lang andauernde Schmerzen hervorrufen, ja bisweilen ſogar den Tod (durch Starrkrampf) nach ſich ziehen können. Wenn man bei dieſen und anderen derartigen Angaben auch ein gewiſſes Maß von Ueber⸗ treibung mit in Anſchlag bringt, fo iſt doch fo viel. zweifellos, daß es ſich hier um Giftwirkungen handelt, für welche niemand bloß die Ameiſenſäure verant⸗ wortlich machen wird. Der Zellſaft der Neſſelbrennhaare beſitzt eine ſtark ſaure Reaktion; man kann ſich davon leicht über⸗ zeugen, wenn man ein friſches Brennhaar auf blauem Lakmuspapier zerdrückt oder mit einer Brenneſſel⸗ pflanze wiederholt auf das Lakmuspapier ſchlägt: ſchon mit freiem Auge, noch beſſer aber mit der Lupe ſieht man, daß das Papier nunmehr mit zahlreichen roten Pünktchen überſäet iſt. Es iſt ferner in der That ſehr wahrſcheinlich, daß die ſaure Reaktion des Zellſaftes durch Ameiſenſäure hervorgebracht wird, doch läßt ſich durch einen einfachen Verſuch nach⸗ weiſen, daß die genannte Säure mit der Giftwirkung der Brennhaare nichts zu thun hat. Wenn man nämlich einige von der lebenden Brenneſſelpflanze friſch abgeſchnittene Haare mit einer Nadelſpitze zer⸗ drückt und zerquetſcht, ſo daß ein Teil des Haar⸗ inhaltes an der Nadel haften bleibt und ſich dann nach einiger Zeit mit der inzwiſchen vollkommen trocken gewordenen Nadelſpitze ſticht, ſo ſtellt ſich nach wenigen Sekunden das charakteriſtiſche Neſſelgefühl ein, verbunden mit Rötung der Haut und Stippen⸗ bildung. Da nun die Ameiſenſäure eine flüchtige Subſtanz iſt, welche von dem an der Nadelſpitze haften gebliebenen Haarinhalte mit dem Waſſer ver⸗ dampfte, ſo ergibt ſich aus jenem poſitiven Verſuchs⸗ ergebniſſe, daß das Gift der Brennhaare unmöglich Ameiſenſäure ſein kann. Die Darlegung der verſchiedenen Verſuche, welche ich nun zur Eruierung des fraglichen Giftes anſtellte, würde uns an dieſer Stelle zu weit führen;). Ich muß mich daher auf die Mitteilung des Schluß reſultates beſchränken, wonach das entzündungerregende Gift der Brenneſſelhaare eine Subſtanz iſt, welche höchſt wahrſcheinlich in die Gruppe der ungeform⸗ ten Fermente oder Enzyme gehört. Dasſelbe gilt vorausſichtlich auch für die übrigen Brennpflanzen. Man hat es hier alſo jedenfalls mit ſpecifiſchen Giften ) Ich verweiſe in dieſer Hinſicht auf den II. Teil meiner oben eitierten Abhandlung. Humboldt. — Januar 1887. 11 zu thun, welche je nach den verſchiedenen Pflanzen— arten auch verſchieden heftig wirken. Daß hierbei thatſächlich in erſter Linie der ſpecifiſche Charakter und nicht die Quantität des entleerten Giftes maß—⸗ gebend iſt, geht ſehr deutlich aus dem Umſtande hervor, daß gerade bei den gefährlichen Urtica- Arten der Tropen die Brennhaare unanſehnlich und klein ſind. Einer ſtrengeren Kritik gegenüber konnte bisher die biologiſche Bedeutung der Brennhaare als durch die natürliche Zuchtwahl erworbener Schutzeinrich— tungen kaum erfolgreich verteidigt werden. Die Mög— lichkeit war nicht ausgeſchloſſen, daß die Wirkſamkeit der Brennhaare eine mehr zufällige, gewiſſermaßen un— beabſichtigte ſei. Durch den Nachweis zweckmäßiger mechaniſcher Einrichtungen im Bau der Brennhaar— ſpitzen, ſowie des Vorhandenſeins ſpecifiſcher Gifte in den Brennhaaren der betreffenden Pflanzen wird aber die Bedeutung dieſer intereſſanten kleinen Or— gane zweifellos ſichergeſtellt. Ueber das Großhirn der Knochenfiſche. Von Prof. Dr. J. Steiner in Heidelberg. s iſt eine allgemein zugegebene und anerkannte Thatſache, daß überall da in der Wirbeltierreihe, wo ein Großhirn vorhanden iſt, dasſelbe den Akten der Willkür dient und daß die letzteren fortfallen, wenn man dem Tiere das Großhirn nimmt. Als einfachſte Akte der Willkür ſind hierbei zu verſtehen die will— kürliche Bewegung und die ſpontane Nahrungsauf— nahme, worauf ſich in der That bei den niederen Tierformen z. B. den Fiſchen und Amphibien der ganze Intellekt zu beſchränken ſcheint. Als will⸗ kürliche Bewegung bezeichnet man hierbei Bewegungen, welche nachweisbar ohne äußere Urſache auftreten. Wenn man nun bei einem der genannten Tiere, z. B. einem Froſche, das Großhirn abträgt, ſo hört jede willkürliche Bewegung auf und das Tier ſitzt ſtunden⸗ und tagelang auf ein und demſelben Fleck. Ebenſo hat es die Fähigkeit verloren, ſelbſtändig die Nahrung aufzunehmen, ſelbſt wenn dieſelbe vor ihm ſteht und ihm in Geſtalt von ſummenden Fliegen vor ſeinen Augen hin und her ſchwirrt. Dieſer Froſch würde Hungers ſterben, wenn man ihm die Nahrung nicht in das Maul ſchieben würde, denn das Schlucken hat er nicht verlernt. Im ganzen dasſelbe gilt auch für die Fiſche, denn auch ſie ſollten nach Abtragung des Großhirns ſpontan keine Nahrung nehmen und ſollten, durch das Waſſer als Reiz angeregt, ruhelos und maſchinen— mäßig im Waſſer umherſchwimmen. Betrachtete man aber die Methode, mit deren Hilfe dieſes Reſultat bei den Fiſchen gewonnen worden war, ſo mußte man ſchwere Bedenken haben, ob das— ſelbe den thatſächlichen Verhältniſſen entſpricht, denn der des Großhirns beraubte Fiſch wurde mit offenem Schädel wieder zurück in das Waſſer geſetzt, welches nunmehr ungehindert das bloßliegende Gehirn be— ſpülen und ſchwer ſchädigen konnte. In der That haben ſo behandelte Fiſche durchſchnittlich kaum einen Tag gelebt und bei der Autopſie findet man das Gehirn in völlig erweichtem Zuſtande. Will man wirklich zuverläſſige Reſultate haben, ſo muß die Methode dahin geändert werden, daß nach Abtragung des Großhirns wieder ein vollkommener Verſchluß des Schädels ſo hergeſtellt wird, daß das Gehirn von dem umgebenden Waſſer nicht berührt werden kann. Man erreicht dieſen Zweck in folgender Weiſe: Man hebt die Schädeldecke mit einer Knochen— zange vorſichtig in einem Stücke ab und läßt ſie nach rückwärts durch die Haut mit dem Körper in Verbindung. Dieſen Deckel klappt man zurück, macht im Gehirn die angeregte Operation, legt den Deckel in ſein altes Lager wieder zurück und befeſtigt ihn dort durch eine vorn angelegte Naht. Um auch den Schnittkanal zu ſchließen, beſtreicht man denſelben mit flüſſiger Gelatine und bepinſelt dieſelbe mit einer konzentrierten Löſung von Tannin, um ſie gegen das Waſſer reſiſtent zu machen. Auf dieſe Weiſe erreichen wir einen vollkommenen Verſchluß der Hirnhöhle. Weitere Beobachtungen haben gezeigt, daß, wenn der Knochenlappen gut angelegt und bequem in ſein altes Lager zurückgebracht werden konnte, die weitere Verſchließung durch die Gelatinkappe entbehrlich iſt. Auf dieſe Weiſe operierte Fiſche (Squalius cephalus, Döbel) wurden mehrere Monate am Leben erhalten und zeigten ſehr intereſſante Reſultate, welche von den oben beſchriebenen völlig abwichen. Die Fiſche behalten nämlich ihre willkürliche Bewegung bei und man ſieht ſie bald in Bewegung begriffen, bald in irgend einer Höhe des Waſſers ſtehend, ganz wie man es bei den normalen Fiſchen beobachtet; nichts von zwangsweiſer, maſchinenförmiger Lokomotion. Wirft man dem operier- ten Fiſche einen Regenwurm zu, ſo ſchießt er auf den— ſelben zu und fängt ihn noch im Herunterfallen oder faßt ihn, wenn er den Boden erreicht hat, um ihn regel— recht zu verſchlingen. Das iſt ein Verſuch, den man innerhalb der gegebenen Grenzen beliebig oft wieder- holen kann. Wirft man unſerem Fiſche einen Bind- faden von ähnlichen Dimenſionen, wie fie der Megen- wurm hat, zu, ſo ſchießt er ebenfalls auf denſelben zu, dreht aber häufig um, ehe er ihn erreicht hat oder faßt ihn mit dem Maule, um ihn gleich wieder fallen zu laſſen und davonzuſchwimmen. Durch dieſes Verhalten unterſcheidet ſich der des 12 Humboldt. — Januar 1887. Großhirns beraubte Fiſch principiell von allen über den Fiſchen ſtehenden Wirbeltieren. Dieſe Beobachtungen fanden ſehr bald volle Be— ſtätigung an Karpfen durch Herrn Vulpian in Paris, ſo daß wir nunmehr folgern können: Bei den Knochenfiſchen iſt die willkürliche Bewegung und die freiwillige Nahrungsaufnahme vom Großhirn unabhängig, unterſteht vielmehr den hinter dem Großhirn gelegenen Hirn⸗ abſchnitten. An den beſchriebenen Fiſchen, welche wie be⸗ merkt, mehrere Monate am Leben blieben und nur durch elementare Unglücksfälle zu Grunde gingen, laſſen ſich noch weitere intereſſante Beobachtungen anſtellen. Zunächſt nämlich verweigerte der Fiſch nach cirka ſechs Wochen die Annahme des Regen⸗ wurmes. Da er ſonſt den Eindruck voller Geſund⸗ heit machte, ſo verſuchte ich es mit anderem Futter. In der That holte er Küchenſchaben (Blatta orientalis) oder Brotſtückchen mit der größten Eleganz von der Oberfläche herunter. Es ſcheint, daß er ſich an den Regenwürmern überſättigt hatte und das Verlangen nach geänderter Nahrung deutet wohl auf Geſchmacks⸗ empfindung. Dieſe neue Thatſache konnte zu einer weiteren Reihe von Beobachtungen verwendet werden, durch welche unterſucht werden ſollte, ob ſolche Fiſche gegen Farben empfindlich ſind. Zu dieſem Zwecke warf ich auf den Waſſerſpiegel verſchieden gefärbte Oblaten, unter denen ich mich zunächſt auf Unter⸗ ſcheidung von „weiß und rot“ beſchränkte. Wurden vier weiße und eine rote Oblate auf das Waſſer ge⸗ bracht, ſo holte der Fiſch regelmäßig zuerſt die rote Oblate und erſt ſpäter die weißen. Andere Farben er⸗ gaben kein ſicheres Reſultat. Es geht daraus aber her⸗ vor, daß der Fiſch durch die rot gefärbte Oblate ſtärker erregt wurde, als durch die weiße, woraus doch wohl folgt, daß ihm die rote Farbe einen beſonderen reſp. ſtärkeren Eindruck macht, als die weiße. End⸗ lich hatte ich dem Fiſche mit der Pincette einen Regen⸗ wurm in der Vorausſetzung gereicht, daß er den⸗ ſelben direkt aus meiner Hand nehmen würde. Der Fiſch kam wohl heran geſchwommen, betrachtete ihn aufmerkſam, aber nahm ihn nicht von der Pineette. Ich nahm nun denſelben Regenwurm an einen halben Meter langen Faden und warf ihn als Angel in das Baſſin — ſogleich faßte ihn der Fiſch mit Gier ſamt dem Faden. Wenn nun der des Großhirns beraubte Fiſch ſich willkürlich bewegt, ſpontane Nahrung nimmt, urteilt, ſchmeckt und Farben unterſcheidet, ſo fragt man wohl mit Recht, was zu leiſten dem Großhirn noch übrig bleibt? Wir antworten: nichts. Dieſe Negation führt aber weiter zu der Frage: Wie konnte es unter dieſen Umſtänden zur Entwickelung eines Großhirns über⸗ haupt kommen? Auf dieſe ſchwierige und außer⸗ ordentlich wichtige Frage werden wir ſpäter eingehen. FJortſchritte in den Laturwiſſenſchaften. Chemie. a Von Dr. Theodor Peterſen in Frankfurt a. M. Hondenfierte Gaje als Kältemittel. Pictets Flüſſigkeit. Darſtellung von reinem Waſſerſtoff und Kohlenoxyd. Gruppe. Seltene Erdmetalle zu Beleuchtungszwecken. Lanolin, neutrales Wollfett. Darſtellung von Sauerſtoff und Ammoniak im großen aus atmoſphäriſcher Luft. Waſſerſtoffſuperoxyd. Germanium, ein neues vierwertiges Metall der Silicium⸗SZinn⸗ Salol, ein neues Antiſeptikum. Hervorragende Arbeiten der Neuzeit über die Kon⸗ Denjterung der früher ſogenannten permanenten Gaſe haben uns Kohlenoxyd und Aethylen, Stickſtoff und Sauerſtoff und zuletzt auch atmoſphäriſche Luft in flüſſiger oder feſter Form vorgeführt. Bei der Verflüſſigung und Verfeſtigung des als ſchneeartige Maſſe erhaltenen Stick⸗ ſtoffs beobachtete Olszewski eine Temperaturerniedrigung bis zu — 225° welche bis dahin noch niemals gemeſſen worden war. Die Ermittelung der Kondenſationsbedingun⸗ gen dieſer Gaſe macht aber auch deren Benutzung als Kältemittel möglich und geſtattet, Temperaturen hervor⸗ zubringen, die zu dem Temperaturminimum führen, welches mit irdiſchen Stoffen überhaupt zu erreichen und vom abſo⸗ luten Nullpunkt nicht mehr weit entfernt iſt. Wroblewski hat die Methoden zur Darſtellung und Benutzung ſolcher Kältemittel ebenfalls eingehend ſtudiert und gezeigt, daß man jetzt verhältnismäßig leicht imſtande iſt, ſich der neuen intenſiven Kältequelle jener wieder verdampfenden konden⸗ ſierten Gaſe bei phyſikaliſchen und chemiſchen Unterſuchun⸗ gen zu bedienen, wobei ganz neue Geſichtspunkte für die Stoffe unſerer Erdkugel zu gewinnen ſein werden. Es ſei hier noch bemerkt, daß Wroblewski neuerdings für kon⸗ denſierten Sauerſtoff bet — 118° die Dichte 0.6, bei — 200° unter 0.02 m Druck dagegen 1.24, für Stickſtoff im kritiſchen Zuſtande 0.44 und im Moment der Erſtar⸗ rung bei — 203° eine Dichte von 0.9 ermittelte). Aber nicht nur in den Methoden und Apparaten zur wiſſenſchaftlichen Unterſuchung kondenſierter Gaſe, auch in der Praxis iſt man bei der künſtlichen Erzeugung von Eis und Kälte bedeutend vorgeſchritten, und beſonders haben die von Pictet in Genf geſchaffenen neuen Einrich⸗ tungen die Eis- und Kälteerzeugung nicht nur für die Großinduſtrie, ſondern auch für die Kleininduſtrie, die Hauswirtſchaft und Hygiene viel rationeller und billiger geſtaltet. Die von Pictet eingeführte praktiſche Kälte⸗ ) Sitzungsber. d. kaiſ. Akad. d. Wiſſenſch. in Wien XI. 2. Abt. S. 567. — Compt. rend, 102, 1010. Humboldt. — Januar 1887. 13 miſchung, die ſogenannte „Flüſſigkeit Pictet“, iſt eine Miſchung von flüſſiger Kohlenſäure und ſchwefliger Säure, deren Dampfſpannung bei — 20“ bedeutend niedriger iſt, als ſie bei Annahme eines Gemenges beider Gaſe ſein müßte, die ſich daher wie eine chemiſche Verbindung verhält. Infolge dieſer verhältnismäßig geringen Dampf— ſpannung, die weit geringer iſt als diejenige des bisher in Eismaſchinen gewöhnlich benutzten verflüſſigten Am— moniaks, wird bei dieſer Kältemiſchung zur Kondenſation der Dämpfe an Kraft, daher auch an Kohlen geſpart und ſind ferner noch eine Reihe weiterer Vorteile, namentlich geringer Verluſt und mäßiger Verbrauch von Kühlwaſſer mit ihr verbunden. Auch zur künſtlichen Kühlung von Räumen eignet ſich Pictets Flüſſigkeit vortrefflich und geht das neue ökonomiſche Syſtem der Kälteerzeugung daher einer vielfachen nützlichen Anwendung entgegen, umſomehr, als die Erzeugung von flüſſiger Kohlenſäure, um deren Einführung ſich bekanntlich Raydt in Hannover beſonders verdient gemacht hat, jetzt billig und in großer Menge erfolgt und raſch vielfach Verwendung gefunden hat. Die vulfa- niſche Rheingegend bei Andernach mit ihren mächtigen Quellen reiner gasförmiger Kohlenſäure liefert ein natürliches Roh— material, wie es beſſer nicht gedacht werden kann und welches nunmehr hauptſächlich zur Fabrikation dient. Die aus einem einzigen 50 m tiefen Bohrloch bei Burgbrohl am Rhein mit großer Gewalt täglich ausſtrömende Menge kohlenſaures Gas, wovon ſeither nur ein Teil benutzt wurde, wiegt ſchätzungsweiſe 5000 kg, entſprechend beiläufig 2 500 000 ! Gas. Der Verwertung natürlicher Kohlenſäure reihen wir eine intereſſante Nutzbarmachung des Sauerſtoffs der Luft an. Bekanntlich hat das Baryumoxyd Bao die Eigenſchaft, bei mäßigem Erhitzen Sauerſtoff aus der Luft aufzunehmen und Baryumſuperoxyd BaOy zu bilden, welches in höherer Temperatur wieder Sauerſtoff abgibt und zu Oxyd wird. Dieſe Reaktion praktiſch nutzbar ge— macht zu haben, ſo daß nicht nur reiner Luftſauerſtoff ge— wonnen, ſondern auch der Stickſtoff der Luft durch eine ſinnreiche Kombination großenteils in Ammoniak über— geführt wird, iſt das Verdienſt der Brüder Q. und A. Brin in Paris. In einem Syſtem von Retorten wird Baryt bis ca. 600° in einem mittelſt Durchleiten durch Aetzkalk von Kohlenſäure und Waſſerdampf befreiten Luftſtrom er— hitzt, wobei ſich Baryumſuperoxyd bildet. Das erübrigende Stickgas wird durch ein Saugwerk in ein zweites Retorten- ſyſtem, welches Barytcoaks enthält, geleitet und dabei auf ca. 800° erhitzt. Die Baryteoaks beſtehen aus einem mit Teer verbundenen und dann erhitzten Gemenge von kauſtiſchem oder kohlenſaurem Baryt und Holzkohlenpulver. Das unter Mit— wirkung des Luftſtickſtoffs gebildete Cyanbaryum verwandelt ſich durch Behandlung mit Waſſerdampf bei ca. 300° in Ammoniak, Kohlenſäure und regenerierten Baryt. Die Baryteoaksretorten werden mit Hilfe von Generatorgaſen erhitzt; die abgehende Wärme der Feuergaſe dient zum Erhitzen der Barytretorten. Zur Gewinnung eines für die Sauerſtoffdarſtellung beſonders geeigneten Baryum— oxydes erhitzen die Gebrüder Brin nach einem kürzlich er— teilten Patent Baryumnitrat in offenen Tiegeln, bis die Maſſe feſt und ſchwammig geworden, worauf die Tiegel geſchloſſen und mehrere Stunden lang weißglühend erhalten werden; ſchließlich läßt man ſie im luftverdünnten Raume erkalten. Die neuen Verfahren, welche einer bequemen und billigen Bereitungsweiſe von reinem Sauerſtoff, be— ſonders zu Beleuchtungszwecken dienlich zu werden ver— ſprechen, haben auf der letzten Crfindungsausftellung in London allgemeine Aufmerkſamkeit erregt. Unter Bezugnahme auf frühere Unterſuchungen von Greville Williams berichtete H. Schwarz“) unlängſt über zwei bequeme Methoden zur Darſtellung von reinem Waſſerſtoff und Kohlenoxyd, von denen im Anſchluß an das über den Sauerſtoff Geſagte hier ebenfalls Kennt— nis gegeben werden mag. Wird Zinkſtaub mit Kalkhydrat, welches durch Befeuchten von Kalk mit wenig Waſſer, Ab— ſieben und Trocknen bei 100° erhalten wurde, gemengt und in einem Verbrennungsrohr im Verbrennungsofen von hinten fortſchreitend mäßig erhitzt, ſo erhält man nach der Formel Zn + CaHyO, = ZnO + CaO + Hy eine regelmäßige Entwickelung ſehr reinen Waſſerſtoffgaſes und zwar nahezu die theoretiſche Menge. Vermiſcht man den Zinkſtaub mit dem äquivalenten Gewicht von Calcium— karbonat, etwa in Form von Kreidepulver, ſo reſultiert unter gleichen Verhältniſſen die nahezu theoretiſche Menge reinen Kohlenoxyds: Zn + CaCO, = ZnO + CaO + CO. Der Glührückſtand ift faſt weiß. Er könnte im Grof- betriebe wieder zu Zink reduziert werden. Bevor wir das berührte Gebiet wieder verlaſſen, mögen noch einige neuere Unterſuchungen hier erwähnt werden, welche ſich auf die Verbrennung, ſpeziell die Mit— wirkung des Waſſers bei der Verbrennung von Kohlenoxyd beziehen. Bei dem hohen Intereſſe, welches gegenwärtig einerſeits das Waſſergas, andererſeits das Waſſerſtoffſuperoxyd beanſpruchen, dürfte dieſe Betrachtung umſomehr angezeigt erſcheinen. Von dem Waſſerſtoff— ſuperoxyd ſei zunächſt bemerkt, daß dasſelbe, mehr oder weniger mit Waſſer verdünnt, als Oxydations-, Bleich— und Desinfektionsmittel immer mehr Anwendung findet. Dasſelbe dient zum Bleichen von Knochen und Elfenbein, Wolle, Seide, Federn und Haaren, auch in der Hauswirt— ſchaft zum Entfernen von Wein- und Obſtflecken aus weißen Stoffen; es hemmt die Gärung in allen ihren Formen und iſt daher ein ſehr gutes Konſervierungsmittel; es zerſtört ferner alle Mikroorganismen und hat ſich auch bei Be— handlung von Wunden und Hautkrankheiten ſehr gut be— währt. Um einer Zerſetzung der Löſungen des Waſſer— ſtoffſuperoxydes vorzubeugen, hat man es bei möglichſt niedriger Temperatur und Abſchluß des Lichtes aufzu— bewahren. Nach Verſuchen, welche Dixon angeſtellt hat“), wird eine vollkommen trockene Miſchung von Kohlenoxyd und Sauerſtoff weder durch glühenden Platindraht, noch durch andauernd durchſchlagende Funken einer Ruhmkorff— ſchen Spirale zur Exploſion gebracht; dieſe tritt jedoch ein, wenn eine auch ſehr geringe Menge Waſſerdampf zugeführt wird. M. Traube hat dieſe wichtige Beobachtung neuerdings beſtätigt **) und weiter gefunden, daß bereits brennendes Kohlenoxyd in völlig trockener Atmoſphäre ſofort verliſcht. Er überzeugte ſich ferner, daß Kohlenoxyd auch bei hoher ) Ber. d. deutſch. chem. Geſ. 1886, S. 1140. **) Chemical News, 46, 151. ) Ber. d. deutſch. chem. Geſ. 1885. S. 1890. 14 Humboldt. — Januar 1887. Temperatur Waſſer nicht zerſetzt und daß dabei keine Spur von Kohlenſäure und Waſſerſtoff entſteht; dagegen wirkt umgekehrt Waſſerſtoff auf Kohlenſäure in der Glühhitze reduzierend, denn läßt man durch eine Miſchung von Kohlenſäure und Waſſerſtoff elektriſche Funken durchſchlagen, ſo bilden ſich unter entſprechender Volumenverminderung Kohlenoxyd und Waſſer. Traube kam daher auf die Ver⸗ mutung, daß das Waſſer bei der Verbrennung des Kohlen⸗ oxyds in der Glühhitze dieſelbe Rolle ſpiele, wie nach ſeinen Unterſuchungen bei der langſamen Verbrennung der un⸗ edlen Schwermetalle in gewöhnlicher Temperatur, daß es nämlich hier wie dort unter Bildung von Waſſerſtoffſuper⸗ oxyd zerlegt werde. Kohlenoxyd, welches für ſich allein Waſſer nicht zu zerlegen vermag, bewirkt dieſe Zerſetzung unter Mitwirkung des Sauerſtoffs. In der That gibt beim direkten Verſuch die Kohlenoxydflamme an damit in Berührung gebrachtes Waſſer ſoviel Waſſerſtoffſuperoxyd ab, daß mit angeſäuertem Kaliumpermanganat oder mit Jodzinkſtärke und Eiſenvitriol oder mit Chromſäure und Aether die intenſivſten Reaktionen auf dasſelbe erhalten werden. Das ſo nachgewieſene Waſſerſtoffſuperoxyd ent⸗ ſtand offenbar durch Verbindung von Waſſerſtoffatomen des Waſſers mit Sauerſtoffmolekülen, deren Spaltung alſo der Entſtehung von Waſſerſtoffſuperoxyd voranging und von der Anweſenheit von Waſſer unabhängig iſt. Waſſer iſt überhaupt direkt nicht oxydierbar. Traube formuliert daher den Prozeß durch folgende Gleichungen: 1. CO + 20H» + Og = CO. (OH)y + H2O2. 2. CO + H202 = CO. (OE). 3. 2 00 (OH) =2 (002 + 2H,0. Die in den beiden erſten Stadien der Reaktion ent⸗ ſtandenen zwei Moleküle Kohlenſäurehydrat würden danach im dritten Stadium in Kohlenſäureanhydrid und Waſſer zer⸗ fallen, es würden alſo die im erſten Stadium zerlegten zwei Waſſermoleküle wieder regeneriert werden. Dadurch würde es erklärlich ſein, daß eine minimale Menge Waſſer hinreicht, die Verbrennung unbegrenzter Mengen von Kohlenoxyd zu vermitteln, und würde das Waſſer hier in ausgezeichneter Weiſe die Rolle einer Kontaktſubſtanz ſpielen. Auf das bei dieſem Verbrennungsprozeß entſtandene, leicht zerſetz⸗ bare Waſſerſtoffſuperoxyd wirkt das glühende Kohlenoxyd natürlich zerſtörend, auch verliſcht die mit kaltem Waſſer in Berührung gebrachte Kohlenoxydflamme ſehr leicht; man muß daher auf eine größere Ausbeute an Waſſerſtoffſuper⸗ oxyd verzichten. Die Flamme des Waſſerſtoffes bietet ſolche Schwierigkeiten nicht und können derſelben in der That weit größere Mengen von Waſſerſtoffſuperoxyd durch Waſſer entzogen werden. Daß das bei der Verbrennung des Waſſerſtoffes in Sauerſtoff ſich niederſchlagende Waſſer Waſſerſtoffſuperoxyd enthält, wurde bereits von Schuller nachgewieſen Traube hat auch dieſe Verſuche beſtätigt und ferner gezeigt“), daß die Ausbeute an Waſſerſtoffſuperoxyd um ſo größer ausfällt, je raſcher ſeine Entfernung aus dem zerſtörenden Bereich der Flamme bewirkt wird. Bei der Einwirkung der Flamme eines Gasgemiſches von 64 Volum⸗ prozenten Waſſerſtoff und 36 Volumprozenten Luft auf Waſſer erzielte er bis zu 2.9 g Waſſerſtoffſuperoryd im Liter Waſſer. Die Waſſerſtoffflamme an ſich hat immer ) Ber. d. deuſch. chem. Geſ. 1885, S. 1894. reduzierende Eigenſchaften; nur an ihrem äußerſten Saume, wo ihre Verbrennung vollendet iſt, kann ſie durch Er⸗ zeugung einer Temperatur, welche die Verbrennung vieler Körper herbeiführt, mittelbar auch oxydierend wirken. Der Auffindung und Iſolierung neuer Elemente wenden die Chemiker fortgeſetzt ihre Aufmerkſamkeit zu. Bei der meiſt ſehr ſpärlichen Verbreitung der neuentdeckten Elemente und der gewöhnlichen Aehnlichkeit derſelben mit ſchon bekannten ſind Irrtümer dabei leicht erklärlich und mußten mehrere angeblich neue Grundſtoffe wieder zurück⸗ gezogen werden. So iſt das vermeintlich neue Metall Auſtrium, welches Linnemann in dem an ſeltenen Me⸗ tallen ſo reichen Orthit von Arendal in Norwegen entdeckt zu haben glaubte, wie insbeſondere Lecog de Boisbaudran kürzlich hervorhob *), offenbar nichts anderes als das ſchon länger bekannte Gallium geweſen, was ſchon aus dem übereinſtimmenden ſpektroſkopiſchen Verhalten deutlich her⸗ vorgeht. Dagegen hat ſich die Exiſtenz eines anderen, in mehrfacher Hinſicht hochintereſſanten neuen Elementes, welches von ſeinem Entdecker, Clemens Winkler in Freiberg Germanium genannt wurde, vollkommen bewahrheitet und iſt darüber jetzt eine ausführliche Arbeit des Genannten veröffentlicht worden **). Im September 1885 wurde auf der an Silber- und Antimonmineralien reichen „Himmelfürſt⸗-Fundgrube“ bei Freiberg in Sachſen in einer Tiefe von 459 m unter Tage ein bis dahin nicht beobachtetes Silbererz gefunden, welches Weisbach als neue Mineralſpecies erkannte und Argyrodit benannte“). Ueber das Auftreten desſelben liegen nunmehr eingehende Mitteilungen von Neubert vor f). Nachdem zuerſt Richter deſſen Verhalten vor dem Lötrohr unterſucht und als Hauptbeſtandteile Silber und Schwefel gefunden, ergab ſich bei der wiederholten quantitativen Analyſe durch Winkler jedesmal ein Verluſt von ca. 7 Prozent, der an⸗ fangs nicht zu deuten war, bis er ihn endlich aus dem eigentümlichen Verhalten eines neuen Stoffes erklärte, den er in der Folge denn auch zu fixieren imſtande war. Die Zuſammenſetzung des Argyrodits hat ſich nunmehr nach Winkler wie folgt herausgeſtellt: Silber 74.72 Germanium 6.93 Schwefel 17.13 Eiſen 0.66 Zink. 0.22 Queckſilber. 0.31 99.97 Dieſe Zahlen führten zu der Formel 3 AgoS. GeSy. Der Argyrodit, ein metalliſch glänzendes, ſtahlgraues, monoklin kryſtalliſierendes Mineral von der Härte 2.5 und dem ſpeeifiſchen Gewicht 6.1 iſt daher ein natürliches Silber⸗ ſulfoſalz, worin das Germanium eine ähnliche Rolle ſpielt, wie in dem Rotgültigerz und Fahlerz das Antimon und Arſen, welchen Metallen jenes auch in ſeinem chemiſchen Verhalten ähnlich iſt. Das Germaniumſulfid GeSy fällt *) Compt. rend. 1886, 102, 1436. *) Journ. f. prakt. Chem. 1886, N. F. 34, 177. Eine kürzere Notiz über das Germanium wurde im Maiheft des „Humboldt“ S. 195 bereits gegeben. % N. Jahrb. f. Mineral. 1886, 2., S. 67. +) Jahrb. f. Berg- u. Hüttenweſen im Königr. Sachſen 1886, 84. Humboldt. — Januar 1887. 15 merkwürdigerweiſe durch Zerlegen ſeiner Sulfoſalze als voluminöſer weißer, in Waſſer ziemlich löslicher Nieder- ſchlag, welches Verhalten ſeine anfängliche Erkennung er— ſchwerte; das Sulfür Ges fällt indeſſen rotbraun bis orange; beide löſen ſich in Alkalien und alkaliſchen Schwefel— metallen. Von den dieſen beiden Sulfiden entſprechenden Sauerſtoffverbindungen iſt das im waſſerfreien Zuſtande grauſchwarze Oxydul GeO ein ſehr kräftiges Reduktions⸗ mittel, das Oxyd GeO» ein weißes feuerbeſtändiges Pulver von 4.7 ſpecifiſchem Gewicht, welches 247 Teile Waſſer von 20 und 95 Teile von 100° zur Auflöſung bedarf; es verhält fic) als ſchwache Säure ähnlich dem Zinnozyd. Die beiden Chlorverbindungen wurden als farbloſe, flüch— tige, an der Luft rauchende Flüſſigkeiten erhalten, die durch Waſſer zerſetzt werden. Zur Gewinnung des Germaniummetalles wird Argy— rodit mit ebenſoviel eines Gemenges von gleichen Teilen Soda und Schwefel geſchmolzen und die in Waſſer gelöſte Schmelze zunächſt mit Schwefelſäure neutraliſiert, wodurch Schwefel, Schwefelarſen und Schwefelantimon gefällt wer— den; durch mehr Säure fällt dann aus dem Filtrat weißes Germaniumſulfid, welches mit ſchwefelwaſſerſtoffhaltiger ver— dünnter Säure gewaſchen und durch Abrauchen unter Luft⸗ zutritt oder Erwärmen mit konzentrierter Salpeterſäure in Oxyd verwandelt, endlich durch Erhitzen im Waſſerſtoff— ſtrome bei Rotglühhitze, wobei etwas Stärke zugemiſcht werden kann, reduziert wird. Das ſo erhaltene pulver— förmige Metall ſchmilzt unter einer Decke von Boraxglas zu einem bei etwa 900° ſchmelzbaren Regulus. Derart bereitet iſt es grauweiß, von ſchönem Metallglanz, ſehr ſpröde und leicht pulveriſierbar; es kryſtalliſiert regulär, beſitzt einen ausgezeichneten muſcheligen Bruch und ein ſpeeifiſches Gewicht von 5.469. Sein Atomgewicht wurde zu 72.32 gefunden. Die Dampfdichte des Chlorides GeCly beſtimmten Nilſon und Petterſon in Stockholm zu 7.43 bis 7.44. In dem Spektrum des Metalles ſind nach Kobb eine orangerote, eine gelbe, vier violette, ſowie zwölf grüne und blaue Linien beſonders bemerkenswert. In Königs— waſſer löſt ſich das Germanium leicht. Die beſte Reaktion auf dasſelbe bietet das erwähnte weiße, in Säuren faſt unlösliche Sulfid dar. Das Germanium iſt in ſeinem analytiſchen Verhalten, wie ſchon bemerkt, dem Arſen und Antimon ähnlich, übri— gens vierwertig wie Silieium und Zinn, erſcheint daher als weiteres Glied der vierwertigen Kohlenſtoff-Silieium⸗ Zinn⸗Gruppe, deſſen Exiſtenz ſchon 1864 von Newlands an- genommen und welches vor faſt ebenſo langer Zeit Mendele- jeff in ſeinem „Ekaſilicium“ mit Atomgewicht 72 und Eigenſchwere 5.5 vorausgeſagt hatte. Mendelejeff wie auch V. v. Richter und Lothar Meyer haben das Germa- nium ſogleich nach ſeinem Bekanntwerden als Ekaſilicium angeſprochen. So ſind innerhalb weniger Jahre drei vorausgeſagte Grundſtoffe, nämlich das Skandium (Cfabor) mit dem Atomgewicht 44, das Gallium (Cfaaluminium) mit dem Atomgewicht 70 und das Germanium (Ekaſilicium) auch wirklich gefunden worden und es hat das periodiſche Syſtem der Elemente Mendelejeffs durch die darin aus— gefüllten Lücken eine neue Berechtigung erfahren. Bei dem fortgeſetzten Beſtreben, alle Beleuchtungs— arten zu verbeſſern, ſind in neuerer Zeit auch die Ver— bindungen einiger ſeltenen Erdmetalle ähnlich dem Kalk und der Magneſia als Glühkörper benutzt worden, welche großes Emiſſionsvermögen für das Licht und möglichſt andauernde Widerſtandskraft beſitzen ſollen. So figuriert die Zirkon— erde als Lichtträger in Linnemanns Leuchtgasſauer— ſtofflampe und in Auers neuem Gasglühlicht, ſoviel man bis jetzt davon erfahren, ebenfalls ein Gemenge ſeltener Erdmetallverbindungen. Der Medizin und Pharmacie kommen fortwährend neue Entdeckungen und Erfahrungen der organiſchen Chemie zu gute. Das Choleſterinfett iſt ein Produkt der Thätig— keit des Keratingewebes; dieſes Fett kommt in den Federn der Vögel und in anderen tieriſchen Umhüllungen, am reichlichſten aber in den Wollhaaren vor. Die Schaf— wolle enthält bedeutende Mengen ſolchen Fettes, welches ihr vor ihrer Verarbeitung entzogen werden muß, aber wegen ſeiner Unreinheit und ſeines unangenehmen Geruches, ſowie wegen ſeines bis zu 25 Prozent be— tragenden Gehaltes an freien Fettſäuren bisher nur ge— ringen Wert beſaß und meiſtens einfach verbrannt wurde, um zu Heiz⸗ und Leuchtgas zu dienen. Das aus Ver— bindungen des Choleſterins mit verſchiedenen Fettſäuren beſtehende reine Wollfett beſitzt jedoch eine Reihe wertvoller Eigenſchaften: Es iſt vollkommen neutral und durch wäſſe— rige Alkalien nicht verſeifbar, aber imſtande, bis über 100 Prozent ſeines Gewichtes an Waſſer aufzunehmen und mit dieſem eine äußerſt geſchmeidige, von der Haut aus- gezeichnet reſorbierbare Maſſe zu liefern, welcher Arznei— ſubſtanzen jeder Art auf das Leichteſte einverleibt werden können. Liebreich hat uns mit dieſem Stoffe zuerſt näher be- kannt gemacht und denſelben „Lanolin“ genannt, welches ſich, von Jaffé und Darmſtädter in Charlottenburg zuerſt fabrikmäßig dargeſtellt und in den Handel gebracht, in kurzer Zeit als neue Grundlage für Salben und kosmetiſche Mittel beliebt gemacht hat. Die mannigfache Verwendung der Salicylſäure iſt be— kannt. Zunächſt als Erſatz des ſalicylſauren Natrons, eines Specificums für rheumatiſche Leiden, insbeſondere Gelenkrheumatismus, welches aber dem Patienten oftmals unangenehm iſt, hat ſich ein von Profeſſor Nencki darge— ſtelltes neues Präparat, Salol oder Phenolſalicyl— ſäure (Salicylſäurephenyläther) raſch Eingang verſchafft, welches in der That nicht nur als antirheumatiſches, ſon— dern auch als vorzügliches antiſeptiſches und antipyretiſches Mittel beſondere Beachtung verdient. Das Salol iſt ein weißes, kryſtalliniſches Pulver, welches bei ſchwachem aro— matiſchem Geruch völlig geſchmacklos iſt, da es ſich in Waſſer faſt gar nicht, dagegen in Alkohol und Aether leicht auflöſt. Das reine Präparat ſchmilzt bei 42—43° und wird von Eiſenchlorid nicht gefärbt, während ſich ſeine Komponenten Phenol (Karbolſäure) und Salicylſäure da— durch bekanntlich intenſiv blaugrün oder violett färben. Zur Darſtellung des Salols werden molekulare Mengen von ſalicylſaurem Natron und Phenolnatrium mit Phos— phorchlorid erhitzt. Nach Beendigung der Reaktion, bei welcher ſich, von Nebenprodukten abgeſehen, Chlornatrium, Phosphorſäureanhydrid und Salol bilden, trägt man das Reaktionsprodukt in Waſſer, um Phosphorſäure und Koch— ſalz zu löſen, dann kryſtalliſiert man das Salol mehrmals aus Alkohol um. Die Reaktion verläuft nach der Gleichung: 16 Humboldt. — Januar 1887. 5 Cy Hy. OH. CO Na + 5 Cp H5. ONa + 2 PCI; = 10 Na CI + Py O5 + 5 Cg Hy OH. CO, (Ce Hs). Da das Salol ſich erſt durch Einwirkung des pankre⸗ atiſchen Saftes im Duodenum in ſeine Komponenten zer⸗ legt und nicht bereits im Magen, ſo iſt es erklärlich, daß es keine Uebelkeiten hervorruft. Die Doſierung desſelben | wird ähnlich der des ſalicylſauren Natrons (2—8 g per Tag) bemeſſen. Das Salol wird in der Salicylſäure⸗ fabrik von Dr. F. von Heyden in Radebeul bei Dresden bereits im großen dargeſtellt. Aſtronomie. Von Prof. Dr. C. F. W. Peters in Kiel. Sonnenfinſternis vom 28. bis 29. Auguſt. Neuentdeckte Kometen. s Aurigae. Nebel in den Plejaden. Photographien der Sonnenforona. Sigenes und reflektiertes Sicht der Kometen. Aſteroidenring. Enckes Komet. Parallaxe von Neuentdeckte Planeten. Winneckes Komet. Novemberſternſchnuppen. Neuer Stern im Orion. Helligkeit der kleinen Planeten. Am 28. und 29. Auguſt 1886 fand eine totale Sonnenfinſternis ſtatt, welche in einer von Madagaskar quer durch den ſüdlichen Teil von Afrika, den Atlantiſchen Ocean und den nördlichſten Teil von Südamerika ſich er⸗ ſtreckenden Zone ſichtbfr war. Eine zum Zwecke der Beobachtung nach der zu den kleinen Antillen gehörenden Inſel Grenada ausgeſandte engliſche Expedition iſt vom Wetter begünſtigt worden; nach den bisherigen Nachrichten iſt die Aufnahme einer Anzahl von Photographien des Spektrums der Corona und der Corona ſelbſt gelungen. Während es jetzt zu keiner Zeit mehr ſchwierig iſt, mit geeigneten Apparaten die Protuberanzen der Sonne zu ſehen, iſt bisher die Sonnencorona zu anderen Zeiten als während totaler Sonnenfinſterniſſe nicht mit Sicher⸗ heit beobachtet worden. Verſuche nach dieſer Richtung ſind von Huggins und anderen vielfach gemacht worden, und ſchienen 1883, zur Zeit der totalen, im Mai ſtattfindenden Sonnenfinſternis zum Ziele zu führen. Während dieſer Finſternis nahm Huggins in England eine Anzahl von Photographien der Sonne auf, und der um die Sonne auf den Platten abgebildete Hof der Sonne hat ſehr nahe dieſelbe Form, wie die von der aſtronomiſchen Expedition auf der Inſel Karolina während der Totalität der Finſternis aufgenommenen photographiſchen Abbildungen der Sonnencorona. Die diesjährige Sonnenfinſternis wurde nun ſowohl von den Mitgliedern der engliſchen Expedition auf Grenada als auch von den Aſtronomen am Kap der guten Hoffnung benutzt, um die Frage, ob es wirklich gelingen kann, die Corona außerhalb der Sonnenfinſternis zu photographieren, zur Entſcheidung zu bringen. Kurz vor und nach der Finſternis muß nämlich der Mond einen Teil der Corona verdecken und daher, wenn die Corona wirklich auf den photogra⸗ phiſchen Platten abgebildet wird, ebenfalls darauf deutlich erkennbar ſein. An beiden Orten iſt man aber zu einem negativen Reſultate gelangt, und es ſcheint ſomit, daß 1883 nur durch einen Zufall ein ſcheinbar günſtiges Reſultat erzielt wurde. Während des letzten Halbjahres ſind folgende kleine Planeten zwiſchen den Bahnen des Mars und Jupiter aufgefunden worden: Planet 258, entdeckt am 4. Mai von R. Luther in Düſſeldorf; Planet 259, entdeckt am 28. Juni von C. H. F. Peters in Clinton; Planet 260, entdeckt am 3. Oktober von Paliſa in Wien. Die beiden erſten waren am Tage der Entdeckung 11., der dritte 14. Größe. Der periodiſche Winneckeſche Komet, zuerſt entdeckt von Pons im Jahre 1819, wurde am 19. Auguſt 1886 von Finlay am Kap der guten Hoffnung aufgefunden und iſt ſpäter dort und in Palermo beobachtet worden. Nach den Beobachtungen des Jahres 1819 rechnete Encke eine ellip⸗ tiſche Bahn, welche eine 5½ jährige Umlaufszeit ergab, aber erſt am 8. März 1858, nachdem der Komet inzwiſchen ſieben Umläufe vollendet hatte, gelang ſeine Wiederauf— findung durch Winnecke. Später wurde er in den Jahren 1869 und 1875 wieder beobachtet, im Jahre 1880 waren ſeine Sichtbarkeitsverhältniſſe für die Auffindung zu un⸗ günſtig. Der Komet iſt dadurch merkwürdig, daß ſich in ſeiner Bewegung ähnliche Anomalien wie beim Enckeſchen Kometen, aus denen Encke auf die Wirkung eines Wider⸗ ſtand leiſtenden Mediums geſchloſſen hat, gezeigt haben. Für die weitere Unterſuchung dieſer Erſcheinung iſt die erneute Auffindung des Kometen von großer Bedeutung. Wie es ſcheint, ijt kürzlich noch ein periodiſcher Ko met wiedergefunden, welcher lange Zeit als verloren galt. Im Jahre 1844 entdeckte de Vico in Rom einen kleinen aber ziemlich hellen Kometen, deſſen Bahn ſich nach Unterſuchungen von Faye, Brünnow und anderen als ellip⸗ tiſch herausſtellte. Die Umlaufszeit fand ſich zu 54/2 Jahren, indeſſen gelang es zu den berechneten Zeiten ſeiner Wieder⸗ kehr nicht, den Kometen wieder aufzufinden. Da ſein Aphel nicht ſehr weit von der Bahn des Jupiters ent⸗ fernt liegt, ſo können die Störungen, welche dieſer große Planet bewirkt, leicht beträchtlich werden. Aus einer einzigen Erſcheinung dieſe Störungen mit Schärfe ab⸗ zuleiten, iſt ein ziemlich mißliches Unternehmen, da die Dimenſionen der Bahn ſich aus ihr nicht mit großer Ge⸗ nauigkeit finden laſſen. Um ſo intereſſanter würde die Wiederauffindung des Kometen, wenn ſie ſich beſtätigte, ſein, da dann die inzwiſchen erfolgte Einwirkung der größeren Planeten auf ſeine Bewegung wird ermittelt werden können. Die Bahn des Enckeſchen Kometen iſt in neuerer Zeit von O. Backlund in Pulkowa einer ſehr eingehenden Unterſuchung unterzogen worden, deren bisherige Reſultate in mehreren der Petersburger Akademie gemachten Mitteilungen nieder⸗ gelegt find. Für die Erſcheinungen der Jahre 1819 — 1868 hatte der vor einigen Jahren verſtorbene E. von Aſten Humboldt. — Januar 1887. 17 die Bahn ſehr ſorgfältig bearbeitet und gefunden, daß die Umlaufszeit und Excentricität des Kometen einer konſtanten Veränderung unterworfen ſei, deren Betrag ſich mit ziemlich großer Schärfe ableiten ließ. In ähn⸗ licher Weiſe hat Backlund die Erſcheinungen 1868 — 1885 bearbeitet und auch für dieſe den ihnen am beſten ge— nügenden Betrag der Aenderung der mittleren Bewegung berechnet. Merkwürdigerweiſe ſind die beiden ſo ge— fundenen Werte für die genannte Aenderung nicht mit— einander vereinbar, ſo daß angenommen werden muß, daß ungefähr um das Jahr 1868 durch irgend welche Urſache eine Veränderung in der Bahnbewegung des Kometen eingetreten iſt. Nimmt man die Enckeſche Hypotheſe der Einwirkung eines widerſtehenden Mittels auf den Kometen als richtig an, fo könnte die Veränderung dieſer Cin- wirkung durch die Annahme erklärt werden, daß durch irgend welche Vorgänge in dem Kometenkern ſeine Geſtalt ſich verändert und dadurch der Widerſtand des Mediums ein anderer geworden iſt. Es wird intereſſant ſein zu ſehen, ob ähnliche Veränderungen in der Bewegung des Kometen ſich in Zukunft wiederholen werden. Folgende Kometen ſind während des letzten Halb— jahres entdeckt worden: Am 27. April fand W. R. Brooks in Phelps (N. Y.) einen Kometen in der Kaſſiopea, am 1. Mai derſelbe einen zweiten Kometen im Pegaſus, am 22. Mai derſelbe einen dritten Kometen in der Jungfrau. Am 26. Sep⸗ tember wurde der ſchon oben erwähnte, in ſeiner Bahn dem Kometen von de Vico ähnliche Komet von Finlay am Kap der guten Hoffnung im Sternbilde des Ophiuchus entdeckt, und am 4. Oktober ein Komet im Sternbilde des Sex⸗ tanten von Barnard in Nashville. Nimmt man die Hellig— keit der Kometen am Tage der Entdeckung als Einheit an, jo war die größte Helligkeit, welche der Komet Brooks’ (1) erreichte, = 15 (Juni 8); die Kometen Brooks’ (2) und Brooks' (3) überſtiegen die Helligkeit am Tage der Ent⸗ deckung in der Folge nicht, und bei dem Finlayſchen Kometen nimmt die Helligkeit zwar in der nächſten Zeit etwas zu, aber ſeine Sichtbarkeitsverhältniſſe werden für nördliche Breite während der ganzen Erſcheinung ſehr un— günſtig ſein. Für die genannten Kometen ſind folgende Bahn— elemente gefunden worden. Komet: Brooks 1. Brooks 2. Brooks 3. Finlay. Berechner: H. Oppenheim. Spitaler. S. Oppenheim. Holetſchek. 1886. 1886. 1886. 1886. Zeit des Perihels: 7. Juni 4. Mai 6. Juni 26. Sept. Länge des Perihels: 330 53“ 3250 28“ 2280 56“ 3470 50“ Länge des auf⸗ ſteigenden Knotens: 1920 48“ 2870 24 520 5“ 480 367 Neigung der Bahn: 870 45“ 990 50% 130 24“ 30 23˙ Kürzeſte Entfer⸗ nung von der Sonne (mittl. Entf. der Erde von der Sonne = 1 geſetzt): 0,271 0,842 1,359 1,224 Excentricität: — — 0,69 — Umlaufszeit: — — 9 Sabre — Eine elliptiſche Bahn hat wegen der geringen Zahl bisher vorliegender Beobachtungen für den Finlayſchen Kometen nicht berechnet werden können, doch ſpricht ſchon die ſehr geringe Neigung der Bahnebene mit einiger Wahr— Humboldt 1887. ſcheinlichkeit für eine elliptiſche Bewegung. Zur Ver- gleichung mögen folgende Elemente des de Vieoſchen Kometen vom Jahre 1844 dienen: Komet de Vico. Berechner Brünnow. 1844. 2. September. 342° 310 Zeit des Perihels Länge des Perihels Länge des aufſteigenden Knotens 3390 Neigung der Bahggn 2° 550 Kürzeſte Entfernung von der Sonne 1,186 Die Frage, ob die Kometen ſelbſtleuchtend ſind, oder reflektiertes Sonnenlicht ausſtrahlen, hat ſchon ſeit langer Zeit zu der Unterſuchung der helleren Kometen in Bezug auf Phaſenerſcheinungen geführt. Wiederholt hat man geglaubt, die unregelmäßige Form, welche die Kometen— kerne häufig zeigen, dahin deuten zu können, daß nur ein Teil des Kerns von der Sonne erleuchtet ſei, während der andere Teil im Schatten läge und daher kein Licht ausſenden könne. Mit Sicherheit iſt aber die Erſcheinung von Phaſen niemals konſtatiert worden, von den aller— meiſten Kometen kann man im Gegenteil mit Sicherheit behaupten, daß ſie derartige Erſcheinungen nicht gezeigt haben. Hieraus darf indeſſen keineswegs gefolgert werden, daß die Kometen nur mit eigenem Lichte leuchten. Im Gegenteil zeigt das Spektroſkop bei den helleren Kometen meiſt neben einem Bandenſpektrum, welches von glühen— den Gaſen herrührt, noch ein kontinuierliches, höchſt wahr— ſcheinlich durch reflektiertes Sonnenlicht bewirktes Spektrum. Die beiden von Fabry und Barnard 1885 entdeckten Kometen ſind von G. Müller auf dem aſtrophyſikaliſchen Obſervatorium zu Potsdam photometriſch und ſpektroſkopiſch unterſucht worden“). Als Vergleichungsobjekt für die Be— ſtimmung der ausgeſtrahlten Lichtmenge wurde ein künſt⸗ licher Nebelfleck benutzt, der durch ein plankonkaves Stück dunklen Glaſes hergeſtellt wurde, und deſſen Helligkeit ab— wechſelnd mit den Kometen und dem nicht weit von ihnen abſtehenden Andromedanebel verglichen wurde. Aus den Beobachtungen ging hervor, daß die Helligkeit der beiden Kometen ſich mit großer Regelmäßigkeit veränderte, und daß demnach außerordentliche Lichtentwickelungen, wie ſie bei anderen Kometen zum Teil beobachtet find, nicht ſtatt— gefunden haben. Unter der Vorausſetzung, daß die Kometen nur reflektiertes Sonnenlicht ausſtrahlen, laſſen ſich die beobachteten Helligkeiten auf eine konſtante Entfernung der Kometen von der Sonne und der Erde reduzieren. Dieſe reduzierten Werte der Lichtſtärke ſtimmen derartig untereinander überein, daß man daraus ſchließen könnte, daß die Kometen kein erhebliches eigenes Licht gehabt haben. Die ſpektroſkopiſchen in Potsdam ausgeführten Unter⸗ ſuchungen ergaben dasſelbe Reſultat, indem das kontinuier— liche Spektrum der genannten Kometen das Bandenſpektrum an Helligkeit erheblich übertraf, während allerdings nach den Beobachtungen von Trépied in Algier das kontinuier⸗ liche Spektrum ſchwächer als das Bandenſpektrum ge— funden wurde“). ) Aſtr. Nachr. Nr. 2733. ) Comptes Rendus, T. CII. p. 1009. 18 Humboldt. — Januar 1887. Nach Unterſuchungen von Kickwood iſt es nicht un⸗ wahrſcheinlich, daß am 12. bis 15. November 1886 und namentlich 1887 größere Sternſchnuppenfälle ſicht⸗ bar ſein werden. Die Leonidenſternſchnuppen bewegen ſich bekanntlich in einer elliptiſchen Bahn, welche ihr Perihel nahe bei der Erdbahn und ihr Aphel nahe bei der Uranus⸗ bahn hat und beſitzen ebenſo wie der Tempelſche Komet J 1866, welcher fic) in derſelben Bahn bewegt, eine Um⸗ laufszeit von etwa 33 Jahren. Infolgedeſſen find in dieſen Zeitintervallen größere Sternſchnuppenfälle beobachtet, die letzten in den Jahren 1833 und 1866. Aeltere Nachrichten über Sternſchnuppenfälle, welche ebenfalls mit dem genannten Kometen zuſammenzuhängen ſcheinen, deuten darauf hin, daß ſich mindeſtens noch zwei Meteorgruppen in der Bahn dieſes Kometen bewegen. Die eine dieſer Gruppen ſcheint in den Jahren 288, 855 und 856, 1787, 1818-1823 und 1852 mit der Erde in Berührung gekommen zu ſein, und gibt im Mittel eine Periode von 33,31 Jahren. Auf eine zweite Gruppe laſſen größere Stern⸗ ſchnuppenfälle aus den Jahren 585, 1582, 1813, 18461849 und 1878-1880 ſchließen; auch fie ergeben eine Periode von etwas über 33 Jahren. Der am 13. Dezember v. J. zuerſt bemerkte neue Veränderliche bet „1 Orionis iſt natürlich als ſehr inter⸗ eſſantes Objekt an vielen Stellen anhaltend beobachtet worden. Die auf der Petersburger Sternwarte ausge⸗ führten Helligkeitsmeſſungen haben folgende Reſultate ergeben *): Beobachtete Beobachtete Größe. Größe. 1885 Dezember 18 6,6 1886 Februar 19 84 i 1 22 6,5 „ März 8 86 i in 30 6,7 1 7 18 9,0 1886 Januar 11 7,1 15 1 19 8,8 it 1 27 7,8 is 1 26 9,0 „ Februar 4 80 „ April 8 8 Nach den auf dem aſtrophyſikaliſchen Obſervatorium in Potsdam ausgeführten ſehr genauen Beobachtungen hat zweimal, in der erſten Hälfte des Februar und in der Mitte des März, eine Verzögerung in der Lichtabnahme ſtattgefunden. Von Schur in Göttingen iſt kürzlich der Verſuch ge⸗ macht worden, die Parallaxe des Sterns s im Fuhrmann abzuleiten. Dieſer Stern iſt 6. Größe und hat in 47 Bogenſekunden Entfernung einen Begleiter der 81/2. Größe. Beide Sterne find nicht phyſiſch, ſondern nur optiſch miteinander verbunden, und da der hellere eine ziemlich ſtarke jährliche Eigenbewegung von 0,147 Bogenſekunden hat, ſo liegt die Vermutung nahe, daß er von den beiden Sternen der uns nähere iſt. Merkwür⸗ digerweiſe hat ſich gerade das Gegenteil herausgeſtellt; die Vergleichungen der Poſitionen der Sterne haben für den ſchwächeren eine relative Parallaxe von ungefähr einer Zehntelſekunde ergeben. Der auf photographiſchem Wege entdeckte Nebelfleck bei Maja in den Plejaden iſt nachträglich auf photo⸗ graphiſchen Platten, welche in früherer Zeit auf der Stern⸗ warte des Harvard⸗College in Cambridge (Maſſ.) ange⸗ *) After. Nachr. Nr. 2734. fertigt ſind, ebenfalls aufgefunden. Mit größeren Fernröhren iſt der Nebel jetzt mehrfach bemerkt worden, aber in Genf iſt es auch gelungen, bei geeigneten Vorſichtsmaßregeln den Nebel ſelbſt mit einem Fernrohr mittlerer Größe (10 Zoll Oeffnung) deutlich zu ſehen. Neblige Stellen in den Plejaden ſind früher ſchon öfters bemerkt worden, namentlich in der Gegend des Sterns Merope. Zuzeiten iſt das Vorhandenſein ſolcher Nebel wieder geleugnet wor⸗ den, und d' Arreſt äußerte im Jahre 1862 die Vermutung, daß die neblige Maſſe in den Plejaden ein veränderliches Licht habe. Dieſe Vermutung hat viel Wahrſcheinlichkeit für ſich, und es iſt anzunehmen, daß ein großer Teil der Plejaden ganz in einen Nebel gehüllt iſt, welcher hellere Partien von nicht ganz konſtanter Lichtſtärke zeigt. Der Ringnebel in der Leier iſt in der Mitte nicht vollkommen dunkel, ſondern nur mit einer weniger leuchtenden Nebelmaſſe ausgefüllt, wie namentlich eine ausgezeichnete, im VIII. Bande der Annalen des Harvard⸗ College befindliche Zeichnung zeigt. Auf einer kürzlich von E. von Gothard in Herény (Ungarn) aufgenommenen Photo⸗ graphie hat ſich außerdem aber in der Mitte des Nebels ein hellerer Kern gezeigt, der demnach, wenn er wirklich vorhanden und nicht durch einen Fehler der Photographie bewirkt iſt, nur chemiſch wirkende Strahlen ausſenden würde. Zunächſt muß, ehe man das Daſein dieſes Sternes als konſtatiert anſehen darf, die Beobachtung noch anderweitig beſtätigt werden. Im Junihefte 1885 ijt von dem Verfaſſer dieſes Berichtes erwähnt worden, daß die Kopenhagener Akademie der Wiſſenſchaft als Preisaufgabe eine Unterſuchung des durch die Wfteroiden gebildeten Ringes und ſeines Einfluſſes auf die Bewegung der anderen Planeten geſtellt habe. Den Preis unter den einge— lieferten Arbeiten erhielt eine Abhandlung von A. Sved⸗ ſtrup in Kopenhagen, von der ſich in Nr. 2740 —41 der „Aſtronomiſchen Nachrichten“ ein Auszug befindet. Der Ver⸗ faſſer ſuchte ſich die Durchſchnittspunkte der Bahnen der be⸗ kannten kleinen Planeten mit ſechs auf der Ebene der Ekliptik ſenkrecht ſtehenden, Winkel von je 60° untereinander bildenden Ebenen. Jedem dieſer Durchſchnittspunkte teilte er ein Ge⸗ wicht zu, welches proportional der Maſſe des Planeten und ſeiner Geſchwindigkeit in der Bahn geſetzt wurde, und zwar leitete er die an ſich unbekannte Maſſe aus der Helligkeit der Planeten unter Annahme einer gleichen Dichtigkeit und gleichen Fähigkeit zur Reflexion des Sonnen⸗ lichtes ab. Auf jeder der ſechs Ebenen waren ſomit ſo viele Punkte, jeder von einem gewiſſen Gewichte, gegeben, als Planeten zu der Rechnung benutzt würden. Der nächſte Schritt beſtand nun darin, die Schwerpunkte für alle dieſe in einer Ebene gelegenen Punkte zu berechnen. Nachdem dies geſchehen, wurde die Bahn eines mittleren Planeten geſucht, welche ſich möglichſt den gefundenen ſechs Schwerpunkten an⸗ ſchloß und ihren einen Brennpunkt in der Sonne hatte. Für dieſen mittleren Planeten fand ſich eine ſolche Maſſe, daß er in der Oppoſition von der 6 ¼. Größe erſcheinen würde. Joſeph Kleiber in Petersburg hat kürzlich eine Unter⸗ ſuchung darüber angeſtellt, ob die Knotenlinien der Planeten und Kometen, d. h. die Linien, in welchen ſich die Ebenen ihrer Bahnen mit der Ebene der Erdbahn ſchneiden, gleichmäßig verteilt ſind oder ob ihre Verteilung Humboldt. — Januar 1887. 19 irgend einem Geſetze unterworfen ijt. Es hat ſich bei keiner dieſer beiden Arten von Himmelskörpern eine vor— wiegende Anſammlung der Knotenlinien nach irgend welchen Richtungen herausgeſtellt, vielmehr findet eine vollſtändige Zufälligkeit in der Verteilung dieſer Linien ſtatt. Da— gegen liegt bei den Bahnen der Meteore die Sache voll— kommen anders; hier finden ſich die Knotenlinien nach beſtimmten Richtungen beſonders gehäuft, wie auch natür— lich iſt, da die Bewegung der Erde eine jährliche Perio— dieität in der Anzahl der ſichtbaren Sternſchnuppen und ſomit eine Anhäufung der Knotenlinien nach beſtimmten Richtungen der Ekliptik hervorbringen muß. Seit langer Zeit iſt es bekannt, daß die kleinen Planeten zum Teil eigentümliche Lichtwechſel zeigen, welche zu der Annahme geführt haben, daß ſie entweder mit dunklen Flecken verſehen find, oder ziemlich unvegel- mäßige, von der Kugelform ſehr abweichende Geſtalten haben. Photometriſche Unterſuchungen, welche G. Müller in Pots⸗ dam in großer Zahl ausgeführt hat, haben ebenfalls eigen— tümliche Aenderungen in der Helligkeit der kleinen Planeten ergeben, die fic) aber größtenteils durch ihre Phaſen er— klären laſſen. Von Lambert iſt früher eine Formel für die von einer teilweiſe erleuchteten Kugel reflektierte Licht— menge abgeleitet worden. Während dieſe Formel ſehr gut das von der Venus ausſtrahlende Licht darſtellt, trifft ſie bei anderen Himmelskörpern, wie bei dem Monde und dem Mars, und überhaupt wohl bei allen Körpern mit ſehr rauher Oberfläche durchaus nicht zu. Die Reſultate, welche Müller bezüglich der von ihm photometriſch unter- ſuchten kleinen Planeten gefunden hat, ſind von ihm in folgenden Sätzen zuſammengeſtellt *): 1) Bei ſieben photometriſch beobachteten kleinen Pla— neten zeigen ſich Helligkeitsänderungen, die in Zuſammen— hang mit der Phaſe zu ſtehen ſcheinen. 2) Auf dieſe Helligkeitsänderungen läßt ſich das Lam— bertſche Phaſengeſetz nicht anwenden. 3) Die unterſuchten Planeten laſſen ſich in zwei Gruppen teilen. Bei der einen, welche Veſta, Iris, Maſſa— lia und Amphitrite umfaßt, ſind die Helligkeitsänderungen nur in der Nähe der Oppoſition merklich, während bei der anderen, welche von Ceres, Pallas und Juno ge— bildet wird, die Aenderungen ziemlich gleichmäßig über den ganzen Verlauf der Phaſenbildung vor ſich zu gehen ſcheinen. 4) Die Planeten der erſten Gruppe zeigen in ihrem Verhalten abſolute Uebereinſtimmung mit dem Planeten Mars; es iſt daher wahrſcheinlich, daß ſie auch dieſelbe oder wenigſtens ſehr ähnliche phyſiſche Beſchaffenheit be— ſitzen wie dieſer. 5) Bei den Planeten der zweiten Gruppe, bei denen die Reſultate im allgemeinen etwas weniger ſicher zu ſein ſcheinen, läßt ſich eine gewiſſe Aehnlichkeit der Lichtkurve mit der für den Mond beſtimmten erkennen; noch beſſer ſcheint ihr Verhalten übereinzuſtimmen mit dem Planeten Merkur, und es iſt daher nicht unwahrſcheinlich, daß ſie in Bezug auf ihre phyſiſche Beſchaffenheit mit dieſem die meiſte Verwandtſchaft haben. *) Aſtr. Nachr. Nr. 2725. eine Mitteilungen. Der lote Naum bei chemiſchen Reaktionen. Bei erhielte dann Chloroform und ameiſenſaures Natron als der Unterſuchung der Zerſetzung von Chloralhydratlöſung durch kohlenſaures Natron beobachtete Liebreich, daß ſtets eine nebelartige Ausſcheidung von höchſt fein verteiltem Chloroform ſtattfindet, daß ſich aber bei Anwendung von Röhren dieſe Ausſcheidung unterhalb des Meniskus mit einer dem letzteren entgegengeſetzten Krümmungsfläche be— grenzt. Es bleibt eine Schicht der Flüſſigkeit klar, indem in derſelben offenbar keine Zerſetzung ſtattfindet. Dieſe Schicht nennt Liebreich den toten Raum. Benutzt man horizontal gelagerte Kapillarröhren, ſo tritt der tote Raum an beiden Enden ein, nimmt man in das Kapillarrohr nur fo viel Flüſſigkeit auf, daß die Länge der Flüſſigkeits⸗ ſäule kürzer ijt als die Länge der beiden toten Räume, fo tritt überhaupt keine Reaktion ein. Die Bildung des toten Raums konnte auch beobachtet werden, wenn vollſtändig gefüllte Röhren mit elaſtiſchen Membranen verſchloſſen wurden. Zugleich wurde eine Verzögerung der Reaktion überhaupt in engen Röhren beobachtet. Dieſe Thatſachen werfen ein eigentümliches neues Licht auf den Verlauf chemiſcher Prozeſſe in den Zellen Offenbar wird bei manchen Miſchungen chemiſcher Subſtanzen in dieſen kleinen Räumen entweder gar keine Reaktion oder nur eine ſolche im Centrum vor ſich gehen, auch mögen dabei eigentüm⸗ liche Reaktionen zuſtande kommen, deren Eintritt ſonſt nicht zu beobachten iſt. Denkt man ſich kleine Glasperlen mit einer Miſchung von Chloralhydrat- und Natrium⸗ karbonatlöſung gefüllt, ohne daß die Perlen außen benetzt werden, ſo wird keine Reaktion eintreten, ſo lange die Löſung in den kurzen Kapillarröhren verweilt. Wollte man aber den Inhalt dieſer Perlenmaſſe unterſuchen, ſo würde man ſie zerſtoßen und mit Waſſer auslaugen und Beſtandteile, während doch in der That Chloralhydrat und Natriumkarbonat vorhanden waren. Die Zerſetzung in die genannten Stoffe fand erſt nach Zerſtörung der eigen⸗ tümlichen Struktur des Perlenhaufens ſtatt. Dieſe Ver⸗ hältniſſe ſind von größter Wichtigkeit für die Beurteilung der Ergebniſſe chemiſcher Unterſuchungen von pflanzlichen und tieriſchen Geweben. Eine Erklärung für die Ent⸗ ſtehung des toten Raumes dürfte mit Sicherheit vorerſt nicht gegeben werden können. Man darf wohl ſagen, daß die Erſcheinung auf Kapillarwirkungen zurückzuführen ſei, eine Erklärung iſt damit aber nicht gegeben. D. Valladiumchlorür als Reagens auf Kohlenokyd⸗ haktiges Gas. Das gewöhnliche Leuchtgas beſitzt einen eigenkümlichen Geruch, welcher bei irgend größeren Mengen des Gaſes unverkennbar iſt. Es kann ſich aber bei ſchwächeren Ausſtrömungen von Gas, wo der Geruch verſagt, um ein feines Reagens auf das Gas handeln und da kommen beſonders einige Edelmetallverbindungen in Betracht. Kohlenoxydgas iſt regelmäßiger Beſtandteil des gewöhnlichen Leuchtgaſes. Es reduziert aus der ſäurefreien wäſſerigen Auflöſung des Natrium⸗Palladiumchlorür ſofort ſchwarzes Palladium, aus der des Goldchlorides, welche ſich dabei tiefviolett bis blau färbt, braunes Gold. Beſonders das für dieſe Reaktion äußerſt empfindliche Palladiumchlorür hat man daher zur Prüfung des Gaſes auf Kohlenoxyd benutzt, und H. Bunte empfahl es neuerdings auf der letzten Jahres— verſammlung des deutſchen Vereins von Gas und Waſſer⸗ fachmännern zur Erkennung von Gasausſtrömungen und zwar in Form von damit getränktem feuchtem Papier, welches man vorher aufgerollt in offene Glasröhrchen ein- 20 Humboldt. — Januar 1887. geſteckt hat. Auch ein verdächtiger Untergrund läßt ſich auf dieſe Weiſe leicht unterſuchen, zu welchem Zweck man die Glasröhrchen zweckmäßig auf kurze ſchmiedeeiſerne Rohr⸗ ſtücke aufſetzt und letztere dann in das zu prüfende Terrain einſtellt. Durch das in den Boden gebrachte Rohr wird die Luft des Untergrundes aufgeſaugt und das kohlenoxyd⸗ haltige Leuchtgas an dem Papier vorbeigeführt; färbt ſich dieſes nach kurzer Zeit nicht braun oder ſchwarz, fo iſt keine Gasausſtrömung vorhanden. 12, Reaktionen auf Zucker gibt es in großer Zahl, doch laſſen dieſelben, wenn es ſich um leichte und ſichere Nachweiſung geringer Mengen handelt, mehr oder weniger zu wünſchen übrig. Da der Zucker im Organismus der Pflanzen und Tiere eine ſo bedeutende Rolle ſpielt, er⸗ ſcheinen ſcharfe Zuckerreaktionen aus dieſem Geſichtspunkte beſonders wichtig. Moliſch hat nun die prachtvollen violetten oder roten Färbungen, welche gewiſſe Phenole in alkoholi⸗ ſcher Löſung bei Gegenwart von konzentrierter Schwefel⸗ ſäure mit den Zuckerarten liefern, zu deren Nachweiſung benutzt. (Monatshefte f. Chemie 7, 216.) Wird eine kleine Probe von 0,5—1,0 ce einer auf Zucker zu prüfenden Flüſſigkeit in einem Reagensglaſe mit zwei Tropfen einer alkoholiſchen, 15 — 20 prozentigen Löſung von 3 Naphthol und der gleichen oder doppelten Menge konzentrierter Schwefelſäure verſetzt, ſo tritt beim Schütteln augenblicklich eine tief violette Färbung ein, beim darauffolgenden Zuſatz von Waſſer ein blauvioletter Nieder⸗ ſchlag. Benutzt man in derſelben Weiſe ſtatt «-Naphthol Th mol, jo entſteht eine tief zinnober⸗karminrote Färbung, bei der Verdünnung mit Waſſer ein rotvioletter flockiger Niederſchlag. Dieſe Reaktionen ſind weit empfindlicher als die Fehlingſche und Trommerſche Probe; ſie ſollen noch bei 0,0000 1 Prozent Zucker in der Löſung eintreten. Dieſelben gelten für alle gewöhnlichen Zuckerarten, alſo für Rohrzucker, Milchzucker, Traubenzucker, Fruchtzucker und Maltoſe. Da bei der Behandlung von Kohlehydraten und Glykoſiden mit Schwefelſäure Zucker entſteht, ſo geben auch dieſe Körper, ſogleich oder nach einiger Zeit, indirekt die Zuckerreaktion. Dagegen zeigen manche Elykoſide, welche bei der Spaltung nicht Zucker, ſondern nur zucker⸗ ähnliche Stoffe geben, wie z. B. das Indikan, die Reaktion nicht. Unter Umſtänden ſind ſie auch zum mikrochemiſchen Nachweis von Zucker innerhalb der Zelle brauchbar. Normaler menſchlicher Harn zeigt die Reaktion ausgezeichnet; ſelbſt nach 100-300 facher Verdünnung mit Waſſer iſt fie noch erkennbar. An der Richtigkeit der Anſicht von Brücke, daß Zucker (Traubenzucker) ein, wenn auch geringer, aber konſtanter Beſtandteil des menſchlichen Harns iſt, kann man daher nicht mehr zweifeln. Derſelben Reaktionen bedient ſich nun Moliſch auch zur Unterſcheidung von Pflanzen- und Tierfaſern, da ja pflanzliche Celluloſe durch Schwefelſäure leicht in Zucker übergeführt werden kann, was bei tieriſcher Faſer nicht der Fall iſt. Zu dem Ende wird eine kleine Menge, etwa 0,01 g der mit Waſſer gut ausgekochten und abgeſpülten Faſerprobe in einer Proberöhre mit ca. 1 ce Waſſer, darauf mit zwei Tropfen alkoholiſcher 15—20 prozentiger a-Naphthol- löſung verſetzt und ſchließlich ein der Flüſſigkeit gleiches Quantum konzentrierter Schwefelſäure hinzugefügt. Iſt Pflanzenfaſer vorhanden, fo färbt ſich die Flüſſigkeit beim Schütteln unter Auflöſung der Faſer ſofort tiefviolett, bei tieriſchem Stoff wird die Flüſſigkeit nur mehr oder weniger gelblichbraun. entſcheiden, ob ein Gewebe nur aus pflanzlichen oder nur aus tieriſchen Geſpinſtfaſern oder aus Seide beſteht. Gibt das Gewebe die Naphtholreaktion nicht oder nur ſchwach und vorübergehend, und löſt es ſich dabei ſogleich vollſtändig auf, ſo iſt Seide vorhanden, löſt es ſich nicht auf, tieriſche Wolle, löſt es ſich teilweiſe, tieriſche Wolle und Seide. Liefert das Gewebe dagegen lebhafte Zuckerreaktion unter Auflöſung, ſo iſt reine oder ſeidehaltige Pflanzenfaſer, bei teilweiſer Auflöſung Pflanzenfaſer und Wolle, vielleicht auch Seide vorhanden. Prüft man nicht ganze Gewebe⸗ ſtücke, ſondern die Ketten- und Schlußfäden für ſich, fo Mit Hilfe dieſer Reaktion läßt ſich auch Zellen ziemlich reich getüpfelt find. wird man oftmals alle Faſerarten eines Gewebes noch leichter beſtimmen können. 5 Die Syntheſe der Alkaloide. Zu den intereſſante⸗ ſten Körpern der organiſchen Chemie gehören die Alkaloide, jene ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen, welche ſich meiſt durch ſehr energiſche Wirkungen auf den tieriſchen Organismus aus⸗ zeichnen und als die wirkſamen Beſtandteile vieler Arz⸗ net= und Giftpflanzen auch eminente praktiſche Bedeutung beſitzen. Seitdem Sertürner 1805 das Morphium entdeckte, haben daher auch die Alkaloide die Aufmerkſamkeit der Chemiker in hohem Grade gefeſſelt, aber trotz zahlreicher geiſtvoller Unterſuchungen blieb ihre Natur rätſelhaft. Liebig betrachtete ſie als Amidverbindungen, und nach dem Erſcheinen von Hofmanns epochemachenden Arbeiten über die Ammoniakverbindungen konnte feſtgeſtellt werden, daß die meiſten Alkaloide tertiäre Aminbaſen ſind. Welcher Art aber die komplizierten Atomgruppen ſein möchten, die im Ammoniak den Waſſerſtoff vertreten, darüber wagte man bis in die neueſte Zeit keine Vermutungen. Weitere Unterſuchungen bezogen ſich auf die Art der Bindung des Sauerſtoffs, doch wurde ein tieferer Einblick in die Konſtitution der Alkaloide erſt gewonnen, als man ihre Beziehungen zum Pyridin erkannte. Es zeigte ſich, daß dieſe Baſe und das Chinolin als die Grundlage einer Reihe der wichtigſten Alkaloide zu betrachten ſei, und nun durfte man hoffen, die Alkaloide, welche man bisher nur aus Pflanzen gewinnen konnte, auch künſtlich darzuſtellen. Die größte Ausſicht bot zunächſt das Atropin, das Alkaloid der Belladonna, da es Ladenburg gelang, dasſelbe in Tropin⸗ und Tropaſäure zu ſpalten und aus dieſen beiden Körpern zu regenerieren. Dann gelang die vollſtändige Syntheſe der Tropaſäure und es konnte feſtgeſtellt werden, daß das Tropin dem Neurin nahe ſtehe. Die erſte Syntheſe eines Alkaloids iſt nun aber doch nicht bei dem Atropin, ſondern bei dem Coniin, dem Alkaloid des Schierlings, gelungen. Aus a-Picolin, einer Baſis des Teers, erhielt Ladenburg durch Erhitzen mit Paral⸗ dehyd . Allylpyridin Oz Hg. Cg Hs N, und aus dieſem durch Behandlung mit Natrium . Propylpiperidin OH. CHN. welches in chemiſcher und phyſiologiſcher Hinſicht mit dem Coniin übereinſtimmt. Nur ein Unterſchied iſt erkennbar und dieſer beſteht darin, daß das -Propylpiperidin optiſch inaktiv iſt, während das Coniin den polariſierten Licht⸗ ſtrahl nach rechts ablenkt. Hieraus war zu ſchließen, daß das Propylpiperidin aus zwei iſomeren Körpern beſteht, von denen der eine das polariſierte Licht nach rechts, der andere nach links ablenkt. Aehnliche Verhältniſſe ſind bei der Weinſäure bekannt, und mit Hilfe eines von Paſteur angegebenen Verfahrens gelang es denn auch Ladenburg, die beiden Körper voneinander zu trennen. Eine Löſung von ſauremweinſaurem Propylpiperidin wurde ſtark kon⸗ zentriert und mit einem Splitter eines Kryſtalls von ſaurem rechtsweinſaurem Coniin verſetzt. Alsbald begann nun die Kryſtalliſation eines ſaurenweinſauren Salzes, und als dieſes von der Mutterlauge getrennt und zerlegt wurde, erhielt Ladenburg eine rechts drehende Baſe, die in jeder Beziehung mit dem Coniin aus Schierling übereinſtimmt. Aus der Mutterlauge wurde dann auch ein links drehen⸗ des Coniin abgeſchieden. D. Marmorfork. Unter dem Namen Kaffrarian Marble⸗ kork kommt aus Südafrika ein hellfarbiges Holz in den Handel, welches dreimal leichter iſt als unſer Eichenkork, eine viel feinere und gleichmäßigere Struktur beſitzt und in viel größeren Dimenſionen beſchafft werden kann. Es iſt von markartigem Ausſehen, glänzt ſeidig auf glatten Schnitten und unter der Lupe glitzern zahlloſe kleine Flächen in Regenbogenfarben; auf Bruchflächen bietet es den körnigſamtigen Charakter des Hollundermarks. Der Querſchnitt zeigt konzentriſche Linien nach Art der Jahres⸗ ringe, die aber öfter ineinander laufen. Ferner bemerkt man Markſtrahlen und zerſtreute braune Pünktchen. Das Mikroſkop lehrt nach Möller (Pharmaceut. Centralhalle), daß die Grundmaſſe des Holzes aus einem ungemein weit⸗ lumigen und zartwandigen Gewebe gebildet wird, deſſen Die konzentriſchen Humboldt. — Januar 1887. 21 Linien ſind ſchmale Parenchymbänder und die braunen Pünktchen ſind Gefäße, die einzeln oder gepaart im Grund— gewebe und in den Parenchymbändern eingebettet ſind. Eine Platte des Holzes von 50 chem Inhalt wiegt nur 2,5 g, während eine gleichgroße Korkplatte 9— 10 g wiegt. Die helle gelblichweiße Farbe des Holzes ſoll durch ein ein⸗ faches chemiſches Verfahren in ſchneeweiß übergeführt werden können; die Elaſticität iſt minimal, eine 13 mm ftarfe Platte läßt ſich durch einige Hammerſchläge auf die Dicke eines Kartenblattes zuſammenpreſſen, das im Waſſer ſchnell wieder zur urſprünglichen Dimenſion aufquillt. Das ge— quollene Holz kann zwiſchen den Fingern leicht zuſammen— gedrückt werden, quillt dann aber im Waſſer kaum bis zur Hälfte der urſprünglichen Dicke auf. Im Gegenſatz zu dem faſt undurchdringlichen Kork läßt es Waſſer leicht diffundieren. Dies neue Material, deſſen Abſtammung noch nicht bekannt iſt, wird gewiſſe Verwendungskategorien des Eichenkorks, aber nicht jene, welche ſich aus ſeinen geſchätzte— ſten Eigenſchaften ergaben, erſetzen können. Ein ähnliches Holz, das Ambatſchholz vom weißen Nil, welches von einer Papilionacee, Herminiera Elaphroxylon, ſtammt, wurde ſchon vor längerer Zeit von Schweinfurth nach Europa gebracht. D. Ein neuer Süßwaſſerpolyp. Im Jahre 1870 ent⸗ deckte Owsjannikow in den Eiern des Sterlet einen fonder- | baren Paraſiten, der auf den erſten Blick ſich als ein Cölenterat und zwar als ein 5 Verwandter des gewöhn⸗ lichen Süßwaſ⸗ ſerpolypen, der Hydra, erken⸗ nen ließ. In⸗ deſſen blieben dieſe Unter⸗ ſuchungen ein Fragment, mit 1 gewendeten Seite des Schlauches liegen, deſſen centraler Hohlraum ſich in dieſelben fortſetzt. Bald werden dieſe Anſchwellungen, indem ſie ſich vom Schlauch mehr abheben, birnförmig, und jede teilt ſich, während ſie noch befeſtigt iſt, durch eine vom freien Ende beginnende Furche in zwei ſekundäre, oben gleichfalls ſchwach gefurchte Knoſpen, deren jede ſpäter zu einem freien Muttertiere wird. Die Nahrung (Eidotter) wird von der äußeren Zellenſchicht des Schlauches, dem Ektoderm, aufgenommen und dringt durch die innere waffen fungieren. Lage, das Entoderm, in den centralen Hohlraum, um hier als Reſervenahrungsmaterial aufgeſpeichert zu werden. Wenn dieſe Knoſpen ſich loslöſen, ſo wird, was merk— würdig genug iſt, die Verbindungsſtelle mit dem Schlauch zur Mundafteröffnung, und der Leibeshohlraum des Mutter— | polyps, der fic) auch in die Tentakeln erſtreckt, iſt eine Fortſetzung des centralen Hohlraums des Schlauches. So— lange die Knoſpe noch feſtſitzt, entwickelt ſie 12 Tentakeln, 6 an jeder Seite, die ſpäter nach dem Stiel herabrücken, während oben am freien Ende jederſeits 6 neue als Ein— ſtülpungen von außen nach dem centralen Hohlraum hinein entſtehen. Unter dieſen 24 Tentakeln geht ſpäter eine Arbeitsteilung dergeſtalt vor ſich, daß 8 derſelben kürzer bleiben, protraktil und, am kolbig angeſchwollenen Ende mit Neſſelkapſeln beſetzt, als Angriffs- und Verteidigungs— Sie liegen zur Hälfte oben und zur Hälfte, je zwei an jeder Seite, unten an der Knoſpe und werden als Senkfäden bezeichnet. Die übrigen 16 Ten⸗ takeln lagern ſich paarweiſe ſymmetriſch zu beiden Seiten der Knoſpe, ſind dünn und lang und dienen als „Strahlen⸗ taſter“ zum Fortbewegen und Greifen. Wenn die als dem nichts N Einſtülpungen Rechtes anzu⸗ angelegten fangen war. Tentakeln ſich 1 QO ausſtülpen, jo Morphologi⸗ a iſt ein Wende⸗ ſches Jahrbuch S. punkt im Leben Bd. XII. S. W 5 des Paraſiten 137) hat nun Ein neuer Süßwaſſerpolyp (Polypodium hydriforme). eingetreten: M. Uſſow in dann fängt der Kaſan dieſes Weſen wieder aufgefunden, es als Poly- podium hydriforme bezeichnet und darüber eine ausführ⸗ lichere, von Tafeln begleitete Mitteilung, der ſpäter eine eingehende größere Arbeit folgen ſoll, gemacht. Das Tier iſt bis jetzt in zwei Stadien aufgefunden, als ein eylindriſcher, ſpiralig gewundener, mit zahlreichen ſeitlichen Knoſpen beſetzter Schlauch, paraſitiſch in noch bei der Mutter befindlichen Eiern des Sterlet und als ein freilebender, durch Teilung ſich ungeſchlechtlich fortpflanzen⸗ der, mit 6, 12 oder 24 Tentakeln verſehener Polyp. Ein Geſchlechtstier wurde noch nicht aufgefunden und ſo wiſſen wir nicht, wie und in welcher Form das Geſchöpf in den Fiſch einwandert. Es ſind übrigens größere und weiter wolgaabwärts gefangene Exemplare des Sterlet ſtärker infiziert als kleinere und in der Gegend von Rajan er— beutete; durchſchnittlich ſind 20% der Eier mit dem Para⸗ ſiten beſetzt, der in helleren, fettärmeren Eiern beſſer ge- deiht als in fettreichen, dunkeln; in orangeroten mit ſehr viel Fett geht er ſogar zu Grunde. Das infizierte Ei iſt etwas größer als ein geſundes, und man ſieht unter ſeinen Hüllen ein ſpiralig um ſeine Längsachſe, es iſt ſphäroidal, laufendes, milchweißes Band mit welligen Rändern. Wenn dieſes Gebilde herauspräpariert iſt, erſcheint es als ein 15— 17 mm langer und 1,5—2 mm dicker, hohler und blinder Schlauch; die wellige Kontur ſeiner Ränder kommt durch wenig ausgeprägte rundliche Anſchwellungen zuſtande, die, 16 an Zahl, an der von der Achſe des Sterleteies ab— mit erſt entwickelten Knoſpen beſetzte Schlauch an, ſich lebhaft zu bewegen und zerreißt die Hülle der eben ab— geſetzten Eier (bisweilen zu ſeinem Verderben auch noch der im Körper des Fiſchweibchens befindlichen) und wird frei; während früher für ihn der Aufenthalt in Flußwaſſer tödlich war, kann er ſich jetzt ohne dieſes nicht weiter ent— wickeln. 24 Stunden nach ſeinem Freiwerden zerfällt der Schlauch in 4 Teile, jeder zu 8 ſekundären Knoſpen, ent- ſprechend je 4 der primären Anſchwellungen; ein ſolches Stück teilt ſich nach und nach, ſo daß man erſt ein weiteres Stück mit 4, dann mit 2 ſekundären Knoſpen und endlich 32 freie Polypen (je eine ſekundäre Knoſpe) hat. So zeigt uns alſo die Entwickelungsreihe des Polypodium erſt einen wurmförmigen Körper (Fig. 1), an dem ſich anfangs 16 primäre, dann 32 ſekundäre Knoſpen (Fig. 2 eine Gruppe von 4) bilden, und der nach circa einem halben Jahre paraſitiſchen Lebens mit dem abgeſetzten Sterletlaich frei wird und im Wolgawaſſer zu 32 freilebenden, 2 mm langen, 4,5 mm breiten, mit 12 ſeitlichen und 12 unteren Tentakeln verſehenen, hydraähnlichen Polypen (Fig. 3) zerfällt. Dieſe, die Mutterpolypen, teilen ſich entſprechend der auf ihrem Scheitel befindlichen Furche in je 12 Töchter⸗ polypen (Fig. 4), mit je 6 oberen und 6 unteren Tentakeln. Dieſe teilen ſich weiter in je 2 verſchiedene Enkelformen, deren jede 6, aber verſchieden lange Tentakeln trägt. Dieſe Vermehrung bleibt indeſſen in der Enkelform nicht ſtehen, und beide Enkelformen ſowie die Töchterpolypen wachſen, 22 Humboldt. — Januar 1887. indem ſie innerhalb 2—3 Tagen die fehlenden Tentakeln nachbilden, raſch wieder zur Mutter⸗ reſp. Großmutterform heran und dieſe ſcheint ſich wieder aufs neue zu teilen. Auch bei dieſem Süßwaſſerpolyp iſt die Fähigkeit, verlorene Teile, namentlich die Tentakeln, zu regenerieren, eine ſehr bedeutende. Das Geſchlechtstier iſt, wie bemerkt, noch unbekannt, aber Uſſow iſt geneigt, zu glauben, daß ſich die Enkelform wohl zu einer kleinen Meduſa umgeſtalten könne. M. Neuere Beobachtungen über den breiten Band- wurm (Bothriocephalus latus) haben gezeigt, daß der⸗ ſelbe nicht auf die Umgegend der größeren Schweizer Seen, auf die Geſtade der Oſtſee und auf die weſtlichen ruſſiſchen Provinzen bis Polen und Kaſan beſchränkt it. Verrill fand ihn, freilich ſelten, in Nordamerika, Baelz und Iſao Ijima, ein japaniſcher Schüler Leuckarts, konſtatierten ſein häufiges Vorkommen in Japan. Aber auch im Herzen Europas, in Deutſchland, iſt ein neuer Herd der Bothrio- cephalus⸗Infektion aufgefunden worden, nämlich München. Nach Bollinger iſt er in dieſer Stadt innerhalb der letzten 4—5 Jahre achtmal unter 27 Fällen von Bandwurm⸗ erkrankungen beobachtet worden und fünf der infizierten Perſonen hatten ſich vorher nachweisbar an den Ufern des Starnberger Sees aufgehalten. Aus früherer Zeit ſind keine Fälle von Erkrankung aus dieſer Gegend bekannt, aber es iſt wahrſcheinlich, daß infolge des geſteigerten Verkehrs an den Ufern des Starnberger Sees, deſſen Fiſche im Handel häufig nach München gelangen, erſt während des letzten Dezenniums ein neuer Bothriocephalus-Herd entſtanden iſt. Leuckart (Paraſiten II. Aufl. I. Bd. S. 923) ſpricht die Vermutung aus, daß jene in neuer Zeit ſo viel beſuchte Gegend wahrſcheinlicherweiſe von Fremden, etwa von zugereiſten Ruſſen oder Schweizern, mit Eiern des breiten Bandwurms infiziert worden ſei. Es war bekannt⸗ lich dem Profeſſor Braun in Dorpat gelungen, als Träger der Finnen den Hecht und die Aalquappe nachzuweiſen; in einer kürzlich erſchienenen Schrift (Die Finnen des Bothrio- cephalus und ihre Uebertragung auf den Menſchen, Leipzig 1886) verdächtigt Küchenmeiſter in erſter Linie den Lachs in dieſer Hinſicht, aber nur vermutungsweiſe. Es iſt mög⸗ lich, daß dieſer Edelfiſch an der Behaftung des Menſchen mit dem Wurm beteiligt iſt, aber dann doch wohl nur in geringem Grade. Denn erſtens iſt der Lachs, wie Braun mit Recht gegen Küchenmeiſter hervorhebt, als ein koſt⸗ bares Gericht durchaus kein Volkseſſen, der Wurm in den Oſtſeeprovinzen aber gerade bei der ärmeren Bevölkerung ſehr häufig (nach Huß iſt z. B. in der ſchwediſchen Provinz Nordbottom niemand davon verſchont), zweitens wäre es doch wunderbar, daß dann nicht der Bothriocephalus den ganzen Rhein hinauf ebenſo häufig wäre, als gerade in der Schweiz, und endlich müßte ſich der Fiſch in ſeinem erſten Jahre, bevor er zum erſtenmal in das Meer ge⸗ wandert iſt, infiziert haben, denn auf ſeinen ſpäteren Wanderungen flußauf und ⸗ab frißt er bekanntlich nichts mehr. In Japan allerdings, wo der Hecht außerordentlich ſelten, wenn überhaupt vorhanden iſt, ſcheint der breite Bandwurm einer der häufigſten Bandwürmer zu ſein, und hier ſind es nach Ijima in der That zwei Salmoniden (Onchorrhynchus Huberi und Perryi), welche die Finne beherbergen, aber dieſe Fiſche ſind echte Flußbewohner. Ganz neuerdings hat Perano auch den Flußbarſch als Träger der Finne kennen gelehrt, und es iſt leicht möglich, daß an den geeigneten Lokalitäten noch mehr Süßwaſſer⸗ fiſche dieſelbe beherbergen. M. Die Verbreitung der Kreuzotter in Deutſchland iſt noch wenig vollſtändig bekannt. Zur Vermehrung unſerer Kenntniſſe verſandte Notthaft in Frankſurt a. M. Fragebogen an eine größere Zahl Sachverſtändiger in allen Teilen Deutſchlands und erhielt bei Durchſicht der eingegangenen Berichte, wie er als vorläufige Mitteilung einer eingehenderen Arbeit im Zool. Anz. IX, 228 an⸗ gibt, ein ebenſo unerwartetes als intereſſantes Reſultat. Es ergab ſich nämlich ein ſonderbarer Zuſammenhang zwiſchen der Verbreitung der Kreuzotter (Vipera berus). und der öſterreichiſchen Natter (Coronella laevis). Beide Arten ſchließen ſich aus; wo die eine häufig und allgemein vorkommt, fehlt die andere. Vipera berus fehlt in einem ſehr umfangreichen Teil des ſüdweſtlichen Deutſchlands. Die Haupterſtreckung dieſes Gebietes wird durch den Lauf des Rheins von Baſel bis Koblenz bezeichnet; die Oſtgrenze bildet im Süden der Schwarzwald, nördlicher dagegen dehnt ſich das otterfreie Gebiet bis nach Mittelfranken (Ansbach) und Heſſen (Kaſſel) aus; ferner ſcheint im ganzen Reichsland mit Ausnahme der Umgebung von Metz, im luxemburgiſchen Gebiet und im größeren Teile der Rheinprovinz, wie Weſtfalens, die Kreuzotter zu fehlen. In all dieſen Bezirken kommt dagegen Coronella allgemein verbreitet vor. Umgekehrt it Coronella zum mindeſten ſehr ſelten in ausgeſprochenen Ottergebieten. Als ſolche ſind zu nennen: Pommern, Weſtpreußen, Mecklenburg, der Unterlauf der Weſer, das Fichtelgebirge, ein Teil der Provinz Brandenburg. In Schwaben iſt die Verteilung beider Schlangenarten von beſonderem Intereſſe: in Ober⸗ ſchwaben iſt die Kreuzotter ſehr häufig, Coronella dagegen erſt zweimal gefunden, in Unterſchwaben aber iſt Coronella zahlreich, Vipera jedoch noch gar nicht bekannt. Wo beide Arten zuſammen vorkommen, iſt die Individuenzahl gering, oder die beiden Schlangen teilen ſich in der Weiſe in das Gebiet, daß die Kreuzotter moorigen Boden bewohnt, die öſterreichiſche Natter dagegen ſandige Strecken vorzieht. Dies iſt z. B. im Großherzogtum Oldenburg der Fall. 595 Weiße Froſchlurche im Freien. Heron⸗Royer ſchrieb mir ſeiner Zeit und hat es auch inzwiſchen veröffentlicht (Héron-Royer, Note sur I'Hybridation des Batraciens Anoures S. 12), daß ihm im Mai 1879 eine ſchneeweiße Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) gebracht worden war. Inzwiſchen ſind mir noch andere Fälle von Leueis⸗ mus bei dieſer Art mitgeteilt worden und zwar aus ver⸗ ſchiedenen Gegenden. Jedoch ſind es nur vereinzelte, ſeltene Fälle. Nicht ſo verhält es ſich mit der geſpornten Teichunke (Pelobates cultripes Cie.), die in zwei Ge⸗ wäſſern bei Montpellier jahrein, jahraus in zahlreichen ſchneeweißen Exemplaren vorkommt und an Zahl alljähr⸗ lich zunimmt. Der eine Fundort iſt ein Tümpel in einer Privatbeſitzung, der ſogenannte „Lac de Grammont“, 6 km öſtlich von Montpellier, der andere, eine ſehr große ſeichte Lache „La Glacière“ bei Caſtelnau, einem Dorfe, 4 km nordöſtlich von derſelben Stadt gelegen, die zur Eis⸗ gewinnung dient. Der fertige, fortpflanzungsfähige Lurch iſt dank der äußerſt verborgenen Lebensweiſe dieſer Art noch nicht aufgefunden worden, kann aber leicht aus den zahlreichen ſchneeweißen Kaulquappen, die das ganze Jahr hindurch, Sommer und Winter, in beiden Gewäſſern herum⸗ ſchwimmen, gezogen werden. Man trifft weiße Kaulquappen erſter und zweiter Brut (die geſpornte Teichunke laicht zweimal im Jahr, im Frühjahr und in den letzten Tagen Septembers oder in den erſten Oktobers) oft zugleich an. Sie ſind milchweiß, opaliſierend und durchſcheinend, weichen weder in ihrer Geſamtgeſtalt noch Färbung von den nor⸗ malgefärbten ab, beſitzen aber nicht rote, ſondern ſchwarze Augen, ſind alſo nicht vollkommene Albinos. Die Kiemen ſchimmern roſenrot durch. Sie ſind bedeutend ſcheuer als die normalen, ſchwimmen ſtets allein, halten ſich immer auf dem Grunde und in der Mitte der Tümpel auf und iſt ihr Fang nicht leicht. Aus dieſen Kaulquappen habe ich das fertige Tier mehrmals und in größerer Anzahl, gezogen. Es iſt ebenfalls weiß, mit einem leichten gelb⸗ lichen oder bläulichen Schimmer, opaliſierend und nur mit wenigen ſehr hellgrauen Makeln ſpärlich bedeckt, die aber nur angedeutet ſind und beim erſten Anblick leicht über⸗ ſehen werden können. Im Jahre 1883 waren in Grammont nur drei, in der Glaciere nur zwei weiße Kaulquappen geſehen worden und abſichtlich nicht herausgefangen. Sie ſtammten von der Frühjahrsbrut und beſaßen im Juli die Größe einer großen welſchen Nuß. Im Jahre 1884 waren ihrer in Grammont etwa zehn bis zwölf, in der Glaciéère vier bis fünf Stück. Ich fiſchte mehrere heraus und erzielte fertige Humboldt. — Januar 1887. 23 Tiere. 1885 konnte ich in Grammont keinen Zuwachs bemerken, wohl aber in der Glacière, wo ich achtzehn zählte und fing, da ſie auszutrocknen drohte. Einige Tage ſpäter zählte ich daſelbſt noch dreizehn Stück, konnte aber ihrer nicht habhaft werden, weil mir zum anhaltenden Fiſchen keine Zeit übrig blieb. 1886 dagegen war in Grammont eine ſehr große Anzahl weißer Kaulquappen erſter und zweiter Brut, von der ich einen großen Teil fing, ohne daß eine Abnahme bemerkt werden konnte. In der Gla— ciére wurden fie alle (28) wegen des Schwindens des Waſſers, weil ihr Untergang gewiß war, bis auf einen herausgefiſcht. Der letzte wurde tot und von ſeines— gleichen halb ausgefreſſen einige Tage ſpäter aufgefunden. Das Zunehmen der weißen Kaulquappen und ihr Häuſig⸗ werden iſt durch meine Vererbungsgeſetze (ſiehe meine Specialſchrift über Kreuzungen zwiſchen Normalform und Albino: „Das Frettchen.“ Frankſurt a. M. 1883. S. 41 Satz B) leicht zu erklären. Es genügt ſchon, wenn eins der Eltern dem Leucismus unterworfen iſt, um denſelben auf ſeine Nachkommenſchaft ungeſchwächt und unverändert zu übertragen, und würden die Leucismen bei der großen Fruchtbarkeit von Pelobates cultripes an Zahl bedeutend raſcher zunehmen, wenn dieſelben nicht im Kampf ums Daſein ſo leicht unterlägen. Ihre auffallende Färbung verrät ſie ihren Feinden bei Tag und bei Nacht, und machen die im Süden zahlreichen Waſſernattern auf dte- ſelben eine wütende Jagd, da ſie ſie viel beſſer erſpähen, als ihre ſchlammfarbenen Brüder. Auch ſind fie bedeutend empfindlicher gegen Temperaturſchwankungen und Licht einflüſſe, ſo daß ein Ausſterben dieſes intereſſanten weißen Stammes, ungeachtet ſeiner Fruchtbarkeit, ſtets zu be⸗ fürchten iſt. v. Halb domeſtizierte Schweine in Neuguinea. In der zoologiſchen Sektion der 59. Naturforſcherverſamm— lung gab Nehring auf Grund von Material, welches der Reiſende O. Finſch aus Neuguinea mitgebracht hat, intereſſante Mitteilungen über die eigentümliche Schweine— zucht der Eingebornen von Kaiſer-Wilhelmsland. Neben den gewöhnlichen Hunden bilden Schweine die einzigen Hausſäugetiere der dortigen Eingebornen; dieſe Schweine ſind aber keineswegs völlig der Herrſchaft der Menſchen unterworfen, ſondern ſie führen, zumal im erwachſenen Zuſtand, ein mehr oder weniger wildes Daſein. Schweine— zucht hatten die Eingebornen (bei ihren Hütten) itber- haupt nicht, ſondern nur Zuchtſauen, und ſie überlaſſen es dieſen, zur Zeit der Brunſt in die Wälder zu laufen und ſich mit einem wilden Eber zu paaren. Nach der Begattung kehren die Sauen zu den Hütten der Eingebornen zurück. Die demnächſt zur Welt kommenden Ferkel genießen von ſeiten der Papuafrauen oft eine zärtliche Pflege; ſie nehmen ſehr gern ein Ferkel an die Bruſt, ſäugen es und pflegen es auch ſpäter noch mit Sorgfalt, namentlich in dem Fall, daß ſie ein Kind verloren haben. Den Ein⸗ fluß reichlicher und bequem zu erlangender Nahrung erkennt man nun ſehr deutlich an vielen Schädeln dieſer Schweine. Dieſelben zeigen in mehr oder weniger hervortretender Weiſe die Veränderungen, welche auch der Schädel unjerer Wild- ſchweine erleidet, wenn letztere vom früheſten Jugendalter an ein bequemes Daſein bei reichlicher Nahrung führen, wenn ſie alſo nicht gezwungen ſind, durch Wühlen mit der Schnauze ſich das nötige Futter zu verſchaffen und ſowohl hierbei als auch bei anderen Gelegenheiten heftige Kämpfe mit Konkurrenten zu beſtehen. Nathuſius hat dieſe Verände— rungen des Schweineſchädels geſchildert, und das Material aus Neuguinea beſtätigt ſeine Ausführungen in klarſter Weiſe. Dieſelbe primitive Schweinezucht, welche wir heut⸗ zutage noch in Kaiſer-Wilhelmsland finden, hat vermutlich vor Jahrhunderten, reſp. vor Jahrtauſenden auch in andern Ländern geherrſcht; ſie repräſentiert eine gewiſſe Phaſe der vorzeitlichen Haustierzucht überhaupt und iſt deshalb von allgemeinem Intereſſe. D. Heilung von Sufektionskrankheiten. Seitdem die Bakterien als Erreger der Infektionskrankheiten erkannt ſind, lag es nahe, zu verſuchen, ob man nicht direkt gegen dieſe Krankheitserreger im erkrankten Organismus zu Felde ziehen könne. In dieſer Richtung iſt Emmerich nach einer Mitteilung in der pathologiſchen Sektion der 59. Natur— forſcherverſammlung zu beachtenswerten Reſultaten gelangt. Er hatte zufällig die Beobachtung gemacht, daß man Meer— ſchweinchen, welche mit Reinkulturen von Eryſipelkokken infiziert worden waren, pathogene Bakterien verſchiedener Arten injizieren könne, ohne daß die Tiere zu Grunde gehen. Werden die Meerſchweinchen nach der Injektion getötet, ſo findet man in den Organen nur Rotlaufkokken, während von den nachträglich injizierten pathogenen Bakterien nichts vorhanden iſt. In großer Zahl wurden Verſuche mit Milzbrandbacillen ausgeführt und zwar: 1) Vorimpfungen mit Eryſipelkokken und nachträglich Injektion von Milz— brandbaeillen. 2) Gleichzeitige ſubkutane Injektion von Rotlaufkokken und Milzbrandbaeillen. 3) Injektion von Milzbrandbacillen und nachträgliche Injektion von Rotlauf— kokken. Bei jedem Verſuch wurde eine gleiche Anzahl von Tieren zur Kontrolle nur mit Milzbrandbacillen infiziert. Die Reſultate waren ſehr überraſchende. Von neun mit Rotlaufkokken vorgeimpften Kaninchen ſtarben nur zwei (an Rotlauf), während ſieben am Leben blieben und alle neun Milzbrandkontrolltiere der Injektion erlagen. Un— günſtige Reſultate ergaben die Verſuche, die ausgebrochene Milzbrandinfektion durch ſubkutane Rotlaufkokkeninjektion zu heilen, während durch Injektion der Kokken in die Venen günſtige Erfolge erzielt wurden. Von zehn Tieren ſtarben nur vier und ſechs wurden geheilt. Die Vernichtung der Milzbrandbacillen im Körper kommt aber nicht durch die Rotlaufkokken ſelbſt zuſtande, ſondern durch die unter dem Einfluß der Rotlaufkokkeninvaſion hochgradig irritierten (entzündeten) Zellen des Organismus, ſo daß Hoffnung vorhanden iſt, daß auf dem gleichen Wege die Heilung anderer Infektionskrankheiten gelingen werde. Eine andere ſehr intereſſante Beobachtung über das Schickſal von Anſteckungsſtoffen im Organismus teilte Ribbert mit. Bei Injektion geringer Mengen von Sporen ſolcher Schimmelpilze, welche Krankheiten erzeugen, ſtirbt das Kaninchen nicht, ſondern wird geſund. Die Unterſuchung der Organe in verſchiedenen Intervallen nach der Injektion ergibt, daß in ſolchen Fällen eine regelmäßige Keimung der Sporen nicht eintritt. Man findet ſie ſchon ſechs Stunden nachher von weißen Blutkörperchen umgeben, be— ſonders deutlich in der Leber. Dieſe Anſammlung weißer Blutkörperchen, zwiſchen denen die Sporen im Verlauf von Tagen zu Grunde gehen, führt zur Bildung kleiner Knötchen, Erweiterung der Kapillaren und Kompreſſion der Leberzellen. Mit dem Abſterben der Sporen zerfallen und verſchwinden die weißen Blutkörperchen und die kom— primierten Leberzellen regenerieren ſich vielfach unter Bil— dung von Rieſenzellen, welche häufig Sporenreſte enthalten. D. Arſenikeſſer. Ueber die in Steiermark nicht ſeltene Sitte des Arſenikeſſens machte Knapp an acht Perſonen neue Beobachtungen, die er im Centralblatt für allgemeine Geſundheitspflege mitteilte. Knapps Nachforſchungen haben ergeben, daß der Arſenikgenuß verbreiteter iſt, als man glaubt; er wird aber als Geheimnis ſorgfältig verborgen, beſonders vom weiblichen Geſchlechte. Knapp unterſuchte das körperliche wie geiſtige Verhalten jener Arſenikeſſer, welche ſeit längerer Zeit — in einem Fall ſeit 30 Jahren — in unregelmäßigen Zwiſchenräumen und wechſelnder Menge teils Schwefelarſen, teils arſenige Säure (gewöhn— licher weißer Arſenik) zu ſich genommen hatten. Nach den im Harn nachgewieſenen Arſenikmengen ſtellte ſich das täglich im Durchſchnitt genoſſene Quantum auf 30 me heraus, d. h. auf dreimal mehr als die geſamte, zu arznei— lichen Zwecken erlaubte höchſte Doſis. Die unterſuchten Leute waren keineswegs „verkommen“, im Gegenteil voll— kommen arbeitstüchtig und ihre Intelligenz war durchaus dem Bildungsgrade angemeſſen. Ein Einfluß des Arſeniks auf die Entwickelung reichlicheren Fettpolſters war nicht zu konſtatieren. Die Unterſuchten waren zum Teil mager, zum Teil normal fett. Einzelne gaben an, daß ſie Arſenik zum Zweck beſſerer Verdauung zu ſich nähmen. Irgend 24 Humboldt. — Januar 1882. ein chroniſch vergiftender Einfluß des Genußmittels konnte in den acht Fällen nicht nachgewieſen werden. Es iſt merkwürdig, wie Arſenik, ſonſt eines der heftigſten ätzenden Gifte, in gewiſſen Gegenden, beſonders im Gebirge zu einem Genußmittel hat werden können. Die Arſenikeſſer nehmen die Subſtanz hauptſächlich deshalb zu ſich, um ſich einen „leichten Atem“ zu verſchaffen. Die Männer be⸗ haupten aus Erfahrung, daß der Arſenikgenuß vor Erkran⸗ kung ſchütze, ſtark und geſund erhalte und beim Bergſteigen „luftig“ mache. Das Arſenikeſſen iſt aber auch noch als „Schönheitsmittel“ vielfach im Gebrauch, und bei den Pariſe⸗ rinnen iſt das von Apotheken verkaufte Arſenikpulver in vielen Boudoirs heimiſch. Intereſſant für ſchweizeriſche Verhält⸗ niſſe iſt folgende von Buchner in München, der Arſenik als Heilmittel der Lungentuberkuloſe anpries, vor Jahren gemachte Aeußerung. „Das jugendliche Alter verträgt Arſenik weit beſſer, als das mittlere oder gar das höhere, andernfalls wären Gebräuche, wie derjenige des Zumiſchens von Arſenik unter die Speiſen in Schweizer Mädchenpen⸗ fionaten, für das mir perſönliche Zeugen bekannt ſind, abſolut undurchführbar.“ „Es wäre uns von Wert,“ ſchreiben die Schweizer Blätter für Geſundheitspflege, „wenn wir aus der Gegend ſolcher Mädchenpenſionate (es wer⸗ den von Buchner wohl diejenigen in „Welſchland', d. h. in der franzöſiſchen Schweiz, gemeint ſein) über die Rich⸗ tigkeit oder Unrichtigkeit der frappierenden, aber mit großer Sicherheit geſchehenen Aeußerung über Arſenikfütterung unſerer Töchter in den Inſtituten ins klare geſetzt würden. Der Arſenik ſchiene denn doch ein etwas ſonderbares Ge- würz für junge Mädchen zu ſein!“ D. An den Orchideen, namentlich den tropiſchen, hat man oft die ausgelaſſenſten Formen und Geſtalten zu beobachten, welche dem beſchreibenden Botaniker arges Kopf⸗ zerbrechen machen. Bei der großen Variabilität der Arten iſt es nicht zu verwundern, daß eine ſcharfe Begrenzung derſelben oft recht bedeutende Mühe verurſacht. Wie viel mehr nun gar die der Gattungen. Ein recht eklatantes Beiſpiel hierzu liefert eine Hybride von einer Sophro- nitis grandiflora und einer Cattleya intermedia, die im Auguſt 1886 in der Gärtnerei von James Veitch & Sons in London nach fünf Jahren zum erſtenmal zur Blüte ge- langte. H. G. Reichenbach fil., der Direktor des botaniſchen Gartens in Hamburg und zur Zeit der beſte Orchideenkenner der Erde, hat die Pflanze unterſucht und kam zu dem Schluſſe, daß dieſe Hybride unbedingt eine Laelia ſei, welche er Laelia Batemanniana nannte. Alſo mit anderen Worten: das Reſultat einer Befruchtung einer Pflanze a mit einer Pflanze b it nicht ein Mittelding zwiſchen beiden, wie wir es bisher nur von Hybriden kennen, ſondern eine Pflanze, welche einer ganz anderen Gattung e angehört. Dieſe Gattung allerdings iſt mit Sophronitis und Cattleya nahe verwandt. Sie war von dem oben genannten Autor durch die Ausbreitung der Narbe, die aber einer Art fehlt, charakteriſiert. Im Habitus, auf den man gerade bei Orchideen ziemlich viel Gewicht legt, laſſen ſich jedoch drei Formen deutlich unterſcheiden. Reichenbach ſchlägt daher vor, um dieſes allen bisherigen Erfahrungen hohnſprechende Faktum mit unſeren jetzigen Kenntniſſen in Einklang zu bringen, die Gattung Sophronitis auf jene eine Art, welcher die Ausbreitung der Narbe fehlt (S. violacea) zu beſchränken und alle anderen Arten der zunächſtſtehenden Gattung Laelia einzuverleiben. r. Die pelagiſche Sauna der norddeutſchen Seen. Eine Unterſuchung von 46 großen und 10 kleineren Waſſer⸗ becken in Holſtein, Mecklenburg, Pommern und Weſtpreußen führte nach einer Mitteilung von Zacharias in der zoo⸗ logiſchen Sektion der 59. Naturforſcherverſammlung zu dem Reſultat, daß die Seen Norddeutſchlands eine noch mannig⸗ faltigere Zuſammenſetzung pelagiſcher Organismenwelt be⸗ ſitzen als die ſchweizeriſchen und oberitalieniſchen Waſſer⸗ becken, aber hinter den ſkandinaviſchen Seen zurückſtehen. Dagegen ſcheinen ſie ſich vor den letzteren durch eine größere Mannigfaltigkeit der Entomoſtrakenfaung auszu⸗ zeichnen. Zacharias hat beſtätigt, daß manche Arten in den norddeutſchen Seen nahe der Oberfläche vorkommen, die in den Schweizer Seen in der Tiefe leben. Dagegen konnte er den von Forel und Weismann beobachteten Unter⸗ ſchied in der Maſſenhaftigkeit des Auftretens während der Tages- und Nachtzeit nicht beſtätigen. D. Wie alt werden die Ameiſen? Man iſt von vorn⸗ herein geneigt, die ungefähre Lebensdauer eines Tieres nach ſeiner Körpergröße zu bemeſſen. Daß dieſe Anſchauung unter Umſtänden grundfalſch ſein kann, lehren einige Be⸗ obachtungen, die Sir John Lubbock, der unermüdliche Ameiſenforſcher, gemacht hat. In ſeinen Formikarien hat er Arbeiterinnen von Lasius niger und Formica fusca, die älter als ſieben Jahre ſind, und von der letzteren Art ſeit 1872 zwei Weibchen, die, da ſie ſchon vollkommen aus⸗ gebildet in ſeinen Beſitz kamen, das reſpektable Alter von 12 Jahren haben müſſen. Sie zeigen zwar einige Symptome des höheren Alters, Steifheit der Glieder und demzufolge eine größere Schwerfälligkeit als ehedem, ſind aber ſonſt 155 rüſtig und produzieren immer noch entwickelungsfähige ier. M. Verhalten des Selens zum Licht. Die bis dahin vereinzelt daſtehenden Beobachtungen, daß das Licht im⸗ ſtande iſt, eine elektromotoriſche Kraft im Selen zu er⸗ regen, konnte Kaliſcher, wie er in der phyſikaliſchen Sektion der 59. Naturforſcherverſammlung mitteilte, in größerer Anzahl machen, indem er fand, daß das Selen in der erforderlichen Modifikation in der Regel erhalten wird, wenn dasſelbe kurze Zeit auf ca. 190° erwärmt und dann abgekühlt wird, ſo daß der Prozeß, durch welchen das Selen in die kryſtalliniſche Modifikation übergeführt wird, circa 1½ Stunden in Anſpruch nimmt. Die Selenzellen be⸗ ſtanden aus Drähten non verſchiedenen oder auch gleichen Metallen, welche einander parallel um einen iſolierenden Körper gewunden ſind und in deren Zwiſchenräumen Selen eingeſchmolzen iſt. Die in jedem Fall nur geringe Wirkung zeigte ſich bei Zellen, deren Elektroden aus dem⸗ ſelben Metall beſtanden, erheblich geringer als bei den zuerſt genannten. Bei einigen dieſer Zellen nahm die elektromotoriſche Lichtwirkung mit der Zeit ab und hiermit war zugleich ſtets eine erhebliche Abnahme des Widerſtandes verknüpft. In manchen Fällen ließ ſich das Präparat durch einen erneuten Wärmeprozeß nahezu in den früheren Zuſtand zurückführen. Dieſe Zellen zeigen noch ein anderes merkwürdiges Verhalten gegen das Licht. Wirkt nämlich dasſelbe einen Augenblick auf das Präparat, während ein Strom hindurchgeht, wodurch bekanntlich der Strom ver⸗ ringert wird, ſo geht nach Abblendung des Lichts die Galvanometernadel nicht ſofort in ihre Nulllage zurück, ſondern nähert ſich ihr nur bis zu einer gewiſſen Grenze, um ſie erſt allmählich wieder einzunehmen. Daß hier keine Wärmewirkung vorliegt, ergibt ſich daraus, daß ſo geringe Temperaturänderungen, wie ſie durch momentane Belichtung bedingt ſind, keine Wirkung ausüben, daß die Nadel ſich durch den Einfluß der nichtleuchtenden Flammen auf die Zellen in ihrer Rückkehr zur Nulllage nicht ſtören läßt, daß in anderen Fällen eine Temperaturerhöhung die ent⸗ gegengeſetzte Wirkung hat als die Lichtwirkung. Hiernach betrachtet Kaliſcher das Phänomen als eine Nachwirkung des Lichts. D. Plestiodon Aldrovandi Dum. & Bibr. Früchte freffend. Die Aldrovandſche Tupfenechſe gehört bekannt⸗ lich zu den Skinken (Scinci), die bis jetzt alle, mit Aus⸗ nahme von zwei Arten einer Gattung, den beiden neu⸗ holländiſchen Stummelſchwanzechſen (Trachysaurusrugosus Gray und T. asper Gray), welche, wie ich es an anderen Orten (Noll „Zoologiſcher Garten“ Bd. XXIII. S. 206 ff. und Joh. von Fiſcher, „Das Terrarium, ſeine Bepflanzung und Bevölkerung“ S. 299) gezeigt habe, auch vegetabiliſche Nahrung zu ſich nehmen, als ausſchließliche Inſektenfreſſer gegolten haben. Ich ſelbſt habe dieſe Anſicht wiederholt ausgeſprochen („Zoologiſcher Garten“ Bd. XXII. S. 301 ff., Humboldt. — Januar 1887. 25 „Das Terrarium“ ꝛc. S. 294). Alle meine Tupfenechſen befanden ſich bei exkluſiver animaliſcher Koſt äußerſt wohl und dauerten jahrelang aus. Vor kurzem jedoch beobach— tete ich, daß die Tupfenechſen neben der animaliſchen Nahrung auch Früchte und Blätter verzehren. Mehrere aus Algerien und Tunis mitgebrachte Tupfenechſen wurden proviſoriſch wegen Ueberfüllung meiner Terrarien im Behälter für Schleuderſchwänze (Uromastix), die vor— wiegend Pflanzenfreſſer ſind, untergebracht. Ich reichte ihnen, wie gewöhnlich, rohes Fleiſch, gekochte Eier und Mehlwürmer, ein Futter, das allen meinen Tupfen⸗ echſen, die ich zu mehreren Hunderten beſeſſen habe, vor— trefflich bekommen iſt. Ich war nicht wenig überraſcht zu ſehen, daß dieſelben, nachdem fie fic) an dieſer Koſt jatt- gefreſſen hatten, alle, ohne Ausnahme, nach der Stelle des Terrariums krochen, wo die für die Schleuderſchwänze beſtimmten halbierten Kirſchen hingen, an denen ſie zupften, um die abgeriſſenen Stücke mit Gier zu verſchlingen. Seit dem Tage reiche ich ihnen neben dem animaliſchen Futter auch vegetabiliſches, das ſie ſogar oft dem erſten vorziehen. Letzteres beſteht, je nach der Jahreszeit, aus ſüßen Birnen und Aepfeln, Pfirſichen und Aprikoſen, Kirſchen und Pflaumen, friſchen Feigen, Weintrauben, Roſinen und Blättern des Lattichs. Letztere zupfen ſie bis auf die Rippen kahl. Ganz unumgänglich notwendig ſcheint ihnen die Beimiſchung von Vegetabilien zu ihrer Koſt nicht zu ſein, da ausſchließlich mit animaliſcher Koſt ernährte Ple— ſtiodonten ſich ebenſo wohl befunden haben, ſich normal häuteten und in einem Falle über ſechs Jahre in der Ge— fangenſchaft gut aushielten. J. V. F Elektricitat, Wärme und Magnetismus. Cine höchſt wunderbare Beobachtung ijt ſoeben von v. Ettings⸗ hauſen gemacht, die zunächſt zu den Rätſeln der Phyſik gehört. v. Ettingshauſen brachte eine Wismutplatte von 5 em Länge, 4 em Breite und 2 mm Dicke in das Feld eines Elektromagneten, ſo daß die Kraftlinien die Platte rechtwinklig ſchnitten. Die Platte ruhte auf zwei ſeitlichen Kupferblechen, von denen jie durch zwiſchengelegte Glimmer- blätter getrennt war. An den beiden Längsſeiten der Platte waren zwei Elektroden aufgelötet. Wurde nun die eine der tragenden Kupferplatten erhitzt und die Wismut— platte fo gelegt, daß die beiden Elektroden auf einer Iſo— therme lagen, d. h. daß ihre Verbindungslinie ſenkrecht zum Wärmeſtrom war, ſo zeigte ſich, ſobald der Elektro— magnet in Thätigkeit trat, ein elektriſcher Strom, deſſen Richtung mit der Polarität des Elektromagnets ſich änderte. Wird dem Wismut von beiden Seiten Wärme zugeführt, jo verſchwindet der Strom. Die elektromotoriſche Kraft iſt proportional der Stärke des Magnetfeldes und der Diſtanz der Elektroden, und auch dem Wärmegefälle längs der Platte. Daß dieſe elektromotoriſche Kraft nicht thermo— elektriſcher Natur iſt, wurde durch direkte Verſuche nach— gewieſen. Lagen die Elektroden in der Richtung des Wärme— ſtromes, ſo fand ſich nach Eliminierung der thermoelektriſchen Ströme eine bei verſchiedener Polarität des Elektromagneten ſtets gleiche Stromrichtung. Die unterſuchten acht Wismut- platten zeigten alle gleiche Reſultate. Eine gehärtete hatte Ströme in entgegengeſetzter Richtung, nachdem ſie um— geſchmolzen und langſam gekühlt, waren ihre Ströme gleich denen der übrigen. Die Richtung der Ströme kann man ſo beſtimmen, daß man von der Eintrittsſtelle der Wärme zur Eintrittsſtelle des erzeugten Stromes durch eine Be— wegung gelangt, welche entgegengeſetzt iſt der Richtung der den Elektromagneten erregenden Ströme. Unterſcheidet man die transverſalen Effekte (die Elektroden ſenkrecht zum Wärmeſtrom) von den longitudinalen, fo find die Intenſi— täten der erſteren direkt proportional den Intenſitäten des magnetiſchen Feldes, die longitudinalen ſcheinen den Qua⸗ draten jener proportional zu ſein, ſind aber meiſt viel ſchwächer wie erſtere. Ebenſo wie bei Wismut, nur ſchwächer, waren die transverſalen Ströme bei Antimon, Nickel und Kobalt, entgegengeſetzt bei Eiſen und Stahl. Keine Wir- kung zeigten Kupfer, Zink, Aluminium und Palladium. Wie dies zu erklären, iſt ein ſehr intereſſantes Problem, die Erſcheinung ſcheint wohl mit der Molekularſtruktur zuſammenzuhängen, doch fehlen für eine Erklärung noch alle Vorbedingungen. He. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verfammlungen ete. Zoologiſche Stationen. Vor kurzem ijt Dr. J. Brock von einer wiſſenſchaftlichen Reiſe nach Oſtindien zurück— gekehrt. In einem Berichte an die Berliner Akademie ſetzt er auseinander, wie ſchwer es ihm geworden ſei, dort mit Erfolg zu arbeiten, und wie er bald zur Einſicht gekommen ſei, „daß ausgedehntere zootomiſche und hiſtologiſche Unter— ſuchungen in Indien (wahrſcheinlich aber in den Tropen überhaupt) von dort nicht dauernd anſäſſigen Perſonen nur unter ausnahmsweiſe günſtigen Bedingungen vorgenommen werden können“. Den gleichen Eindruck hat der unbefangene Leſer aus Häckels mit ſolcher Begeiſterung für die Tro— pen geſchriebenen Reiſebriefen — es dürfte alſo klar ſein, daß für ernſte wiſſenſchaftliche Forſchungen, nicht für bloßes Sammeln von Vogelbälgen, Schneckenſchalen, Inſekten u. ſ. w. ein einzelner, und ſei er auch noch ſo begabt und noch ſo gut ausgerüſtet, nicht viel leiſten wird. Das iſt bei dem großen Reichtume der tropiſchen Meere an allerlei intereſſanten Tierformen ſehr bedauer⸗ lich; um ſo erfreulicher berührt uns daher die Nachricht, daß Dr. Sluiter in Batavia, ſeinen Fachgenoſſen durch eine Reihe Arbeiten über die dortige Fauna bereits vor- teilhaft bekannt, mit Unterſtützung der Naturforſchenden Geſellſchaft von Niederländiſch⸗Indien drei Arbeitstiſche mit dem nötigen Zubehör eingerichtet und auch ein Segelboot zur Verfügung geſtellt hat. Das wäre der Anfang zur erſten zoologiſchen Station in den Tropen. Humboldt 1887. Es ſind noch nicht 20 Jahre verfloſſen, daß die Be— zeichnung Zoologiſche Station aufgebracht wurde, und erſt ſeit etwa 13 Jahren ſehen wir eine ſolche in Thätig— keit. In dieſer kurzen Spanne Zeit aber haben ſich der— artige Anſtalten nicht nur über ganz Europa verbreitet, ſondern find auch, freilich ſehr vereinzelt, in anderen Erd— teilen gegründet worden. Ueber ihren großen Nutzen für die Zoologie und auch für die Botanik, ſoweit dieſe über— haupt am Studium der Meerespflanzen ein Intereſſe hat, iſt man heutzutage wohl nur Einer Meinung. Aber auch weit über den Kreis der Fachgenoſſen hinaus hat eine unter ihnen, zugleich die erſte und größte, es vermocht, die Aufmerkſamkeit aller Gebildeten auf ſich zu ziehen. Das iſt die Anſtalt zu Neapel. Sie hier eingehend beſprechen, hieße dem Leſer von neuem vorführen, was er hundert— mal anſchaulicher aus den Schilderungen von Karl Vogt und vielen Anderen ſich zu eigen gemacht hat. Nur ein kurzer Rückblick auf ihre Vergangenheit möge geſtattet ſein, weil aus ihm hervorgehen dürfte, was ſie bereits für die Wiſſenſchaft geleiſtet hat und was ſie noch ferner leiſten will. In den 13 Jahren ihres Beſtehens hat ſie nicht weniger denn 370 Forſcher aus allen Nationen in ihren Mauern geſehen. Eine große Zahl Arbeiten zoologiſchen und botaniſchen Inhaltes iſt auf dieſe Weiſe geſchaffen und teils in den Zeitſchriften des Inſtituts, teils anders— wo veröffentlicht worden. Die Einrichtung in dieſer Muſter— 4 26 Humboldt. — Januar 1887. und Mutter⸗-Anſtalt ijt kurz folgende. Die Arbeitsplätze („Tiſche“) werden von Regierungen, Univerſitäten oder ſonſtigen gelehrten Körperſchaften auf mindeſtens 1 Jahr gemietet und von ihnen an die Forſcher vergeben; nur äußerſt ſelten iſt es vorgekommen, daß ſich ein Gelehrter aus eigenen Mitteln den Zutritt ermöglicht hat. Ein ſolcher „Tiſch“ berechtigt den an ihm Arbeitenden zur Benutzung der ſämtlichen Hilfsmittel der Anſtalt, in erſter Linie alſo ihrer reichen Bücherſchätze, gewährt ihm ferner die Möglichkeit, die von ihm gewünſchten und durch die Fiſcher der Zoologiſchen Station beſchafften Tiere oder Pflanzen längere Zeit am Leben zu erhalten oder auch aus den Eiern zu züchten — hierzu ſind Gefäße und Becken mit fließendem Seewaſſer vorhanden — und gibt ihm endlich die Mittel an die Hand, mit allerlei Säuren, Salzen, Farb⸗ ſtoffen u. ſ. w. den mikroſkopiſchen Bau der Meeresweſen zu erforſchen. Wie noch jüngſt auf der Berliner Natur⸗ forſcherverſammlung Profeſſor His aus Leipzig!) lobend hervorgehoben hat, beſitzt gerade die Neapolitaner Anſtalt eine Summe von Kenntniſſen auf dem Gebiete der neueren mikroſkopiſchen Technik und teilt dieſe ihre Erfahrungen gerne jedem in ihr weilenden Gelehrten mit. Wenn ſo in Neapel vor allem für die Zoologen und Botaniker geſorgt iſt, ſo haben darum doch die Vertreter der verwandten Wiſſenſchaften nicht leer auszugehen brau⸗ chen. Am nächſten lag es natürlich, der Phyſiologen und phyſiologiſchen Chemiker zu gedenken. Denn wie auf der einen Seite dieſe ſelbſt von der Erforſchung niederer Tiere für ihre eigene Disciplin großen Vorteil zu ziehen hoffen, ſo hat auf der anderen der Zoologe, um ſeine Tiere genau zu verſtehen, eine Menge Fragen bereit, zu deren Beantwortung er mit Notwendigkeit auf dieſe Schweſter⸗ diseiplinen angewieſen iſt“ ). Darum hat denn auch der unermüdliche thätige Leiter der Neapolitaner Anſtalt, Pro⸗ feſſor Dohrn, es fertig zu bringen gewußt, daß die italie⸗ niſche Regierung im Vereine mit der Stadt Neapel zum Bau einer eigenen großen Zweiganſtalt für die genannten Fächer die nötigen Mittel bewilligte. Das Gebäude, in unmittelbarer Verbindung mit der Zoologiſchen Station er⸗ richtet, iſt nahezu vollendet; im nächſten Jahre wird ſchon in ihm gearbeitet werden können. Dem Beiſpiele, welches die Zoologiſche Station zu Neapel gegeben, iſt man allerorten mit mehr oder weniger Glück gefolgt. Zur Zeit hat faſt jeder Staat, welcher ein Stück Meer ſein eigen nennt, eine ſolche Anſtalt entweder be⸗ reits errichtet oder doch geplant. Am meiſten hat ſich Frank⸗ reich gerührt, was wiederum der Thatkraft eines einzelnen Mannes, des Pariſer Zoologen Lacaze-Duthiers, zu danken iſt. Unter ſeiner perſönlichen Leitung ſtehen die Inſtitute zu Roscoff (in der Bretagne) an der Nordküſte und zu Banyuls⸗ſur⸗Mer im Mittelmeere (dicht an der ſpaniſchen Grenze). Aus jener, der älteren, ſind bereits eine Anzahl tüchtiger Arbeiten hervorgegangen. Leider aber iſt in beiden die Verwaltung allzu ſehr autokratiſch; liegt es doch völlig in dem Belieben des Direktors, ob ein Gelehrter dort zugelaſſen werden ſoll oder nicht. Ferner hat Frank⸗ reich noch kleinere Anſtalten ſehr jungen Datums in Ville⸗ franche (Villafranca) bei Nizza, in Cette (für die Univerſi⸗ tät Montpellier), in Concarneau (an der Südküſte der Bretagne), in Arcachon (nicht weit von Bordeaux) und in Wimereux bei Boulogne (für die Univerſität Lille); außerdem exiſtierte und beſteht vielleicht noch in Havre eine phyſiologiſche Station, früher unter Leitung des be⸗ kannten Profeſſors Paul Bert. Auch Oeſterreich hat eine zoologiſche Station, und zwar in Trieſt. Sie beſteht ſchon eine geraume Zeit und hat, obwohl vielleicht in allzu großer Abhängigkeit von Wien, ſo daß die anderen Univerſitäten dabei etwas zu *) In dem Vortrage über: „Die Entwickelung der Zoologiſchen Station in Neapel und das wachſende Bedürfnis nach wiſſenſchafklichen Zentralanſtalten. ™) Was der Phyſiologe von dem Studium der niederen Tiere er⸗ warten darf, hat jüngſt noch Prof. Preyer aus Jena in einem leſens⸗ werten Aufſatze (Ueber die wahre Aufgabe der Phyſiologie; Deutſche Rundſchau XIII, 1) dargelegt. kurz kommen, nicht bloß öſterreichiſchen, ſondern auch vielen fremden Zoologen gute Dienſte geleiſtet. In England mit ſeiner reichen, vielfach gegliederten Küſte iſt man eigentümlicherweiſe auf unſerem Gebiete noch weit hinter den Anforderungen der Gegenwart zu⸗ rück. Es bleibe dahingeſtellt, ob dies ſeinen Grund darin hat, daß es den Engländern ſo leicht iſt, von jedem Punkte ihres Landes an die See zu gelangen, oder ob der Um⸗ ſtand, daß nirgend weniger Zoologen von Fach und mehr Dilettanten vorhanden ſind, daran die Schuld trägt. Erſt in neueſter Zeit ſind, hauptſächlich im Intereſſe der prak⸗ tiſchen Fiſcherei, alſo nicht eigentlich der Wiſſenſchaft zu⸗ liebe, kleine marine Laboratorien zu St. Andrews und zu Granton (nahe Edinburgh) gegründet worden, außer⸗ dem exiſtiert in Schottland ſchon etwas länger eine kleine Wanderanſtalt. Indeſſen wird nun ernſtlich der Bau eines großen Inſtitutes nach dem Muſter des Neaplers in Ply⸗ mouth ins Werk geſetzt; an der Spitze des Komitees (der „Marine Biological Association‘) ftehen Männer, deren Namen eine ſichere Bürgſchaft für das Gelingen des Planes gewähren. Viel thätiger ſind unſere nächſten Nachbarn, die Hol⸗ länder, geweſen und haben ihr ihnen angedichtetes Phlegma hierin gänzlich beiſeite geſetzt. Bereits vor 10 Jahren errichteten ſie eine „fliegende“ Station d. h. ein kleines, einfach aber zweckmäßig eingerichtetes Haus, das ſich leicht zerlegen und ſo von Ort zu Ort verſenden läßt. In der That hat die Anſtalt jedes Jahr ihren Ruhepunkt gewechſelt, iſt übrigens auch nur in den Sommermonaten geöffnet und dient in erſter Linie den holländiſchen Forſchern. Sie wird von der „Dierkundige Vereeniging“, alſo rein⸗ weg aus privaten Mitteln unterhalten. — Auch die Belgier planen eine mit der Lütticher und Genter Univerſität in Verbindung ſtehende kleine Anſtalt zu Oſtende. Die ſkandinaviſchen Reiche haben bisher noc) faft gänzlich ohne zoologiſche Stationen auszukommen gewußt. Der Grund hierfür iſt leicht einzuſehen: die bedeutendſten Städte (Kopenhagen, Stockholm, Kriſtiania, Bergen, Goten⸗ burg) liegen dem Meere ſo nahe, daß ſie mit Leichtigkeit ihren Bedarf an lebenden Tieren und Pflanzen ſich ver⸗ ſchaffen können. Nur an der Küſte von Bohuslän befindet ſich, in Abhängigkeit von der Univerſität Stockholm, das kleine Inſtitut Kriſtineberg. Von europäiſchen Ländern wäre noch Rußland hier zu erwähnen. Das ausgedehnte Reich hat es bisher nur zu zwei nicht ſonderlich bedeutenden Anſtalten gebracht: die eine befindet ſich zu Sewaſtopol und wird von der Odeſ⸗ ſaer Univerſität aus verwaltet, die andere liegt die Kleinig⸗ keit von 20 Breitengraden von ihr entfernt, nämlich in der Bucht von Solowetzki im Weißen Meere, und wird naturgemäß nur ſelten beſucht. Amerika beſitzt an der Küſte des Großen Oceans gar keine, an der öſtlichen Seite dagegen nicht weniger als fünf; hierher gehörige Inſtitute. Zur bekannten Johns Hopkins⸗ Univerſität gehört das Laboratorium zu Beaufort in Nord⸗ Carolina, gewöhnlich als „Chesapeake Zoological Labora- tory“ bezeichnet. Es iſt nur im Sommer geöffnet. Ferner befindet ſich eine Station in Newport, Rhode Island, welche das Eigentum von Profeſſor A. Agaſſiz iſt und unter ſeiner Leitung und im Zuſammenhang mit dem Harvard College“ in Cambridge, Maſſ., ſteht. Dann find noch zu nennen die kleinen Anſtalten zu Annisquam und in Cottage City, beide ebenfalls in Maſſachuſetts, ſowie das Laboratorium der U. S. Fish Commission in Woods Hall, Maſſ. Weiter ſüdlich als Carolina beſteht einſtweilen noch keine Station, obwohl in Key Weft, Flor., bereits mit Erfolg zoologiſche Forſchungen betrieben worden ſind. Auch Japan, das in ſo vielen Beziehungen ſich die Segnungen europäiſcher Kultur aneignen zu wollen ſcheint, tritt in die Reihe derjenigen Staaten ein, welche von dem Aufſchwunge der Naturwiſſenſchaften Nutzen zu ziehen be⸗ ſtrebt ſind und darum alles thun, was ſie zu fördern ge⸗ eignet iſt. Bereits haben jüngere Forſcher, in der Heimat von amerikaniſchen oder deutſchen Lehrern vorgebildet, auf Humboldt. — Januar 1887. 27 engliſchen und deutſchen Univerſitäten mit großem Erfolge ſtudiert und eigene Arbeiten geliefert, die zu den ſchönſten Hoffnungen berechtigen. Die Fauna und Flora ihres Heimatlandes iſt, ſoweit ältere Reiſeberichte darüber be— lehren, ſehr reichhaltig, aber bisher faſt nur in der ge— bräuchlichen deſeriptiven Weiſe bearbeitet worden. Und doch ſcheint ſie, wie der erſt kürzlich geſchehene Fund eines merkwürdigen Haifiſches beweiſt, noch allerlei wichtige Tiere zu beherbergen. Es iſt daher nur mit Freude zu begrüßen, wenn die Pläne der jungen japaniſchen Zoologen recht bald eine feſtere Geſtalt annehmen. In Auſtralien ſcheint es nach einigen vergeblichen Verſuchen des bekannten ruſſiſchen Reiſenden Miklucho— Maclay nun auch zur Errichtung eines ausſchließlich der marinen Forſchung gewidmeten Laboratoriums kommen zu wollen. Es ſoll in Sydney errichtet werden. Und Deutſchland? Wir haben unſere Rundſchau beendet, ſind in Gedanken von Aſien über Europa nach Amerika und Auſtralien gewandert und haben nur Afrika und Deutſchland nicht genannt. Erſteres mit Recht, und es dürfte auch wohl noch lange Zeit vergehen, ehe die Zoologie von dort weſentlichen Gewinn einheimſt. Deutſch⸗ land aber iſt nur ſcheinbar unbeachtet geblieben. In Wirk— lichkeit haben wir ihm den erſten Rang angewieſen, indem wir die Zoologiſche Station zu Neapel als die bedeutendſte in den Vordergrund unſerer Schilderung treten ließen. Sind doch ihr Begründer und faſt ſämtliche Beamte unſere Lands— leute und wird ſie doch in echt deutſchem Geiſte lediglich zur Förderung der Wiſſenſchaft, und in deutſcher Unpar— teilichkeit ſämtlichen Nationen in gleichem Maße zugänglich, geleitet. So wäre denn unſer Vaterland würdig genug vertreten. Wohl hat es auch nicht an Plänen gefehlt, an den deutſchen Küſten ſelber zoologiſche Stationen zu er— richten, aber die vergleichsweiſe Aermlichkeit unſerer Nord— und Oſtſee an wiſſenſchaftlich intereſſanten Tieren ließ großen Aufwand an Geldmitteln für dieſen Zweck um ſo weniger wünſchenswert erſcheinen, als ja für die weitere Ausbildung unſerer jungen Zoologen Neapel der denkbar günſtigſte Platz iſt. Man hat an Helgoland gedacht, das in der That von manchen Forſchern auf Wochen beſucht wird. Aber auch ganz abgeſehen von den vielen Unan— nehmlichkeiten, welche das Leben auf dieſer kleinen Inſel für den an reichen wiſſenſchaftlichen Verkehr gewöhnten Gelehrten mit ſich bringen würde, tritt Ein Umſtand der Errichtung einer Station hindernd in den Weg: Helgoland iſt nicht deutſch! Und hiergegen läßt ſich eben nicht an— kämpfen. Ganz vor kurzem hat übrigens der als Fiſch— züchter rühmlichſt bekannte Profeſſor Benecke in Königsberg im Vereine mit dem dortigen Zoologen Profeſſor Chun nach dem Muſter der holländiſchen Anſtalt eine kleine „fliegende Station“ errichtet, ihre Vollendung aber leider nicht mehr erlebt. Das winzige Gebäude enthält nur einen einzigen Raum für zwei Arbeiter, läßt ſich in wenigen Stunden aufrichten und hat mit dem unentbehrlichſten Arbeitsgeräte nur etwa 1000 Mark gekoſtet. Es wird vorzugsweiſe den Zwecken der praktiſchen Fiſcherei dienen, alſo Unterſuchungen über Entwickelung der Fiſcherei rc. aus ſich hervorgehen laſſen. Vielleicht finden wir ſpäter Veranlaſſung ausführlicher darüber zu berichten. G. T. Eine neue Sternwarte in La Plata. Nach den im Bulletin Astronomique von Mouchez veröffentlichten Mitteilungen ſoll in der Stadt La Plata eine neue Stern- warte errichtet werden. Dieſelbe wird eine ſehr gute Aus— wahl von Inſtrumenten erhalten, darunter ein Teleſkop von 80 em Apertur, ein Aequatorial von 43 em, ein Meridianinſtrument von 22 em, einen Apparat zu photo— graphiſchen Himmelsaufnahmen von derſelben Größe, wie ihn die Gebrüder Henry auf der Pariſer Sternwarte be— nutzen u. ſ. w. Die neue Sternwarte wird der Leitung von Beuf, eines früheren franzöſiſchen Marineoffiziers, unterſtellt; ſeine erſten Arbeiten werden in einer geodä— tiſchen Aufnahme des mächtigen Gebietes der Provinz, beſonders der Meſſung eines bedeutenden Meridianſtückes in der Ebene von Chaco und Patagonien beſtehen; durch dieſe Meſſung wird eine von den Geodäten längſt em— pfundene Lücke ausgefüllt, und unſere Kenntnis von der Geſtalt des Erdballs weſentlich gefördert werden. B. Eine Deutſche Anatomiſche Geſellſchaft wurde in der anatomiſchen Sektion der 59. Naturforſcherverſamm— lung in Berlin gegründet. Es traten der Geſellſchaft zu— nächſt 39 Mitglieder, darunter 10 aus Berlin und einige aus außerdeutſchen Ländern bei. Der Vorſtand beſteht aus den Herrn Prof. Kölliker-Würzburg, Gegenbaur-Heidel— berg, His-Leipzig, Waldeyer-Berlin und Bardeleben-Jena, dem Sekretär der Geſellſchaft. Die Geſellſchaft wird jedes Jahr eine Verſammlung abhalten. Ort und Zeit beftimmt der Vorſtand, welchem ausſchließlich die Berechtigung, neue Mitglieder aufzunehmen, zuerteilt iſt. Prof. Bardeleben gibt auch ein neues Blatt unter dem Titel „Anatomiſcher Anzeiger, Zentralblatt für die geſamte wiſſenſchaftliche Anatomie“ heraus, welches eine erſchöpfende Darſtellung der wiſſenſchaftlichen Bewegung auf dem Gebiete der Ana— tomie zu leiſten verſpricht. Es erſcheint zweimal im Monat. Die vierte Generalverſammlung der deutſchen botaniſchen Geſellſchaft vom 17.— 23. September 1886 in Berlin. Wie alljährlich fo hielt auch im Jahre 1886 die Deutſche Botaniſche Geſellſchaft ihre Jahresverſammlung im Anſchluß an die Naturforſcherverſammlung ab. Sie tagte zum erſtenmal ſeit ihrem Beſtehen in der Reichshaupt⸗ ſtadt, dem dauernden Sitze der Geſellſchaft. Der ſeither alljährlich wieder gewählte greiſe Präſident, Profeſſor Pringsheim, führte auch hier den Vorſitz, auch hier erledigte die Geſchäfte, wie auf allen früheren Verſammlungen, der ſtändige Sekretär Dr. Tſchirch. Der erſte Teil, die rein geſchäftlichen Verhand— lungen, die Wahlen und Anträge, wurde in wenigen Stunden abſolviert. Profeſſor Pringsheim (Berlin) wurde zum Präſidenten, Profeſſor Pfeffer (Tübingen) zum Vice— präſidenten erwählt; eine größere Reihe namhafter deutſcher Botaniker, darunter de Bary, Willkomm, Strasburger, Pfitzer, Stahl u. a. wurden in den ſtändigen Ausſchuß berufen und die Kommiſſion für die Flora von Deutſchland in toto beſtätigt. Als Anerkennung für die Verdienſte, die ſie ſich um die botaniſche Wiſſenſchaft er— worben, ernannte die Geſellſchaft alsdann Alex. Dickſon in Edinburg, de Vries und Oudemans in Amſterdam, Renault und J. Vesque in Paris, Saccardo in Padua und Kjellmann in Upjala zu korreſpondierenden Mit⸗ gliedern, eine Auszeichnung, die nur wenigen (ſtets außerdeutſchen) Botanikern ſeither zu teil wurde. Der Antrag des Dr. Tſchirch, die Kommiſſion für die Flora von Deutſchland auf fünf ſtatt auf ein Jahr zu wählen, wurde nahezu einſtimmig, das dazu eingebrachte Amendement des Obmanns dieſer Kommiſſion, Profeſſor Aſcherſon, auch Nichtmitglieder der Geſellſchaft zu den Arbeiten der Kommiſſion heranziehen zu dürfen, gleichfalls, wennſchon mit geringerer Majorität, angenommen; Sabres: bericht und Kaſſenbericht wußten nur Gutes mitzuteilen und der Bericht des Obmanns der Florakommiſſion zeigte ebenfalls einen erfreulichen Fortſchritt der Arbeiten genannter Kommiſſion, die an der Zuſammenſtellung eines Repertoriums aller auf die deutſche Flora bezüg⸗ lichen Publikationen arbeitet. Der alljährlich erſchei⸗ nende „Bericht über neue und wichtige Funde“ verſpricht in dieſem Jahre ſehr vollſtändig zu werden: er wird alle Gebiete umfaſſen. Der zweite Teil der Verhandlungen, die Verleſung der Nekrologe der verſtorbenen Mitglieder, bildete den Schluß des erſten Verſammlungstages. Profeſſor Magnus verlas den Nekrolog Tulasnes, Profeſſor Aſcherſon den Boiſſiers. Beide Botaniker waren Ehrenmitglieder der Geſellſchaft. Die wiſſenſchaftlichen Vorträge endlich wurden, wie alle Jahr ſo auch diesmal, in der botaniſchen Sektion der Naturforſcherverſammlung gehalten, die in einer noch nie geſehenen Stärke — 126 Teilnehmer — verſammelt war. Es ſprachen: Profeſſor Pringsheim (Berlin): Ueber die neueren Verſuche, die Kohlenſäure außerhalb der Pflanze 28 Humboldt. — Januar 1887. durch Chlorophyll zu zerlegen. Er ſuchte nachzu⸗ weiſen, daß die Verſuche Regnards, dem es angeblich ge⸗ lungen ſein ſollte, Kohlenſäure außerhalb der Pflanze durch Papierſtreifen, die mit einem Ueberzuge von Chloro⸗ phyll verſehen waren, zu zerlegen, auf einem Mißverſtänd⸗ nis beruhen, und beſprach alsdann die theoretiſchen Schlüſſe, die ſich aus Timiriazeffs Verſuch, der aus dem Chlorophyll durch Waſſerſtoff in statu nascendi ein farbloſes Reduk⸗ tionsprodukt erhielt, ziehen laſſen. Pringsheim iſt der Anſicht, daß dieſer Verſuch nicht als eine Stütze der von Timiriazeff, Reinke, Engelmann und Tſchirch vertretenen Chlorophylltheorie gelten könne, ſondern eher für die alte Auffaſſung der chemiſchen Funktion des Chlorophylls, als eines Nebenproduktes der Kohlenſäurezerlegung, und für, die (phyſikaliſche) Schirmtheorie Pringsheims ſpräche. Profeſſor Pringsheim knüpfte hieran ſeinen zweiten Vortrag: Zur Beurteilung der Engelm annſchen Bakterien⸗Methode in ihrer Brauchbarkeit zur quantitativen Beſtimmung der Sauerſtoffabgabe im Spektrum. Pringsheim wendete ſich in dieſem Vor⸗ trag direkt gegen die Methode Engelmanns. ſowohl bei Anwendung der ſimultanen wie der ſuccedanen Methode andere Reſultate als Engelmann, auch glaubt er, daß die Superpoſition der Gasſpannungen, die Engelmann zur Erklärung der abweichenden Reſultate herbeizieht, nicht ausreichen, die Abweichungen zu erklären. Pringsheim hält daran feſt, daß die Maxima und Minima der Sauerſtoff⸗ abgabe (Aſſimilation) und der Abſorption der Lichtſtrahlen nicht zuſammenfallen. Profeſſor Reinke (Kiel) ſprach: Ueber das Ergrünen etiolierter Kreſſenkeimlinge und deren heliotro— piſche Krümmung im objektiven Sonnenſpektrum. Reinke hat gefunden, daß bei Anwendung eines Normal⸗ ſpektrums das Ergrünen ausnahmslos am ſchnellſten zu beiden Seiten der Fraunhoferſchen Linie C, etwa zwiſchen = 635 und = 675, eintritt und poſitiver Heliotro⸗ pismus bei genügender Lichtſtärke ebenfalls im Gelb zu beobachten tt. Profeſſor Pfitzer (Heidelberg) machte einige Mittei⸗ lungen über die Morphologie der Orchideen, beſonders deren Blüte. Er zeigte in Anſchluß an das von ihm herausgegebene Werk: „morphologiſche Studien über die Orchideenblüte“, daß die Achſe in viel höherem Maße an der Bildung der Blüte ſich beteiligt als man bisher anzunehmen geneigt war. Profeſſor Ludwig (Greiz) ſprach alsdann: Ueber Alko⸗ holgärung und Schleimfluß lebender Eichbäume, verurſacht durch eine neue Species der Hxoascus- gruppe und einen Leuconostoc. Ludwig ſah an Eichen, ſeltenen Pappeln und Birken eine alkoholiſche Gärung mit nachfolgendem Schleimfluſſe auftreten, welche die Rinde (und zum Teil das Holz) vernichtet und daher die Kulturen ſchädigt. Der die alkoholiſche Gärung, welche ſich durch Auftreten eines nach Bier riechenden Schaumes manifeſtiert, hervorrufende Pilz iſt eine neue Art der Gattung Endomyces. Ludwig nennt fie E. Magnusii. Er fand das fädige Myeel des Pilzes, entdeckte ſeine un⸗ geſchlechtliche Fortpflanzung (durch baſipetale Gonidien, durchgehende Querzergliederung und innere Gemmenbildung) und fand, daß die Zergliederungsſtücke durch lebhafte Sproſſung eine alkoholiſche Gärung hervorrufen, die durch eine mit dem Fadenpilze wahrſcheinlich ebenfalls entwicke⸗ lungsgeſchichtlichzuſammenhängende Sgccharomyeesform unterſtützt wird. Die geſchlechtliche Befruchtung erzeugt Asct mit vier Sporen. Der Pilz zeigt Beziehungen zu dem gefürchteten Krankheitserreger, dem Favus- oder Soor⸗ pilz und ſcheint, wie Ludwig meint, berufen, „die Frage nach dem Urſprung und der Zugehörigkeit echter Hefen (Saccharomyces) zu entſcheiden.“ Der Pilz des Schleim⸗ fluſſes iſt ſcheinbar ein Feind des vorigen. Er beeinflußt ſeine Entwickelung ſtark und zerſtört ihn nach und nach ganz. Ludwig nennt ihn Leuconostoc Lagerheimii. Die Uebertragung der Pilze auf andere Bäume ge⸗ ſchieht durch Inſekten, die ſich für die aufgewandte Mühe dadurch entſchädigen, daß ſie ſich an dem gebrauten „Bier“, Er erhielt, wie Ludwig ſagt, „in optima forma bezechen“. Beſonders Horniſſen ſcheinen die „bierbrauenden Bäume“ zu beſuchen. Dr. Peter (München) ſprach: Ueber die ſyſtema⸗ tiſche Behandlung polymorpherpPflanzengruppen. Er ſprach ſich nach kurzer Darlegung der hierbei ſonſt üblichen Behandlungsweiſen — der rein deſkriptiven, der gruppierenden und der klaſſifizierenden — ausführlich über die Methode aus, welche er bei der mit C. von Nägeli vorgenommenen Bearbeitung der Gattung Hieracium an⸗ gewandt hatte und die man die Typenmethode nennen kann. Bei dieſer Behandlungsweiſe ſtellt man zunächſt die Haupttypen bis in die kleinſten Details genau feſt und ordnet das übrige als „Zwiſchenſtufen“ ein. Die Methode erfordert umfangreiches Material, ſelbſtändige Kulturver⸗ ſuche und vergleichende Unterſuchung der Formen am natürlichen Standorte, alſo unendlich viel Arbeit, ſcheint aber bei polymorphen und ſchwierigen Gruppen die einzig richtige zu ſein. Dr. Peter (München) teilte in ſeinem zweiten Vor⸗ trage mit, daß er in dem Panzer einer Schildkröte eine neue Alge Dermatophyton radians gefunden habe, die, von colgeochageteartigem Habitus, 12mm große, in das Horngewebe des Panzers eingeſenkte, flache Polſter bildet. Dieſe Alge ſcheint öfter dort fortzukommen, denn Dr. Peter fand ſie auch im Panzer einer Schildkröte des Berliner Aquariums. Profeſſor Engler (Breslau) berichtete darauf über das Vorkommen von Algen auf Serpulaarten. Profeſſor Kny (Berlin) ſprach über die (angebliche) Anpaſſung von Pflanzen gemäßigter Klimate an die Aufnahmetropfbauflüſſigen Waſſers durch oberirdiſche Organe. Er fand, auf Experimente ge⸗ ſtützt, daß der Regel nach eine Aufnahme tropfbar flüſſigen Waſſers durch oberirdiſche Organe mit Hilfe von waſſer⸗ aufnehmenden Haaren nicht ſtattfindet. Nur bei Dipsacus läßt ſich eine geringe Aufnahme von Waſſer aus den durch Vereinigung benachbarter Laubblätter desſelben Knotens gebildeten Behältern, in welchen ſich Regenwaſſer ſammelt, konſtatieren. Durch dieſe Verſuche ſind die Arbeiten Ljundſtröms widerlegt. Dr. Wollheim (Rogaſen) teilte die Reſultate ſeiner (unter Leitung des Dr. Tſchirch vorgenommenen) Unter⸗ ſuchungen über das Chlorophyll mit. Er hat, von den Arbeiten Tſchirchs ausgehend, zwei, ſchon von dieſem Forſcher der Straßburger Verſammlung vorgelegte Körper näher ſtudiert: die Phyllocyaninſäure und das B-Chloro- phyll. Letzteres beſitzt das Spektrum und in ſeinen Löſungen die Farbe lebender Blätter und iſt die Zinkverbindung des Reinchlorophylls. Es enthält 13,8% Zinkoyyd. Das Rein⸗ chlorophyllradikal beſitzt die Formel Cs Hr Ns O6, iſt alſo eiſenfrei. Die Phyllocyaninſäure, ebenfalls eiſenfrei, war in blau ſchillernden Lamellen zu erhalten. Sie beſitzt die gleiche procentiſche Zuſammenſetzung wie Reinchlorophyll und iſt der erſte Körper der Chlorophyllgruppe, der abſolut aſchefrei in reiner Form erhalten wurde. Dr. Tſchirch (Berlin) beſprach die Fluorescenz des Chlorophylls und legte eine fluorescenzfreie Modiftkation desſelben vor. Profeſſor Wittmack (Berlin) ſprach: Ueber unſere jetzige Kenntnis vorgeſchichtlicher Samen. Unter Vorlegung einer Materiales, über welches kaum ein anderer Forſcher in dieſem Umfange verfügt, entwarf Wittmack ein Bild der Entwickelung unſerer Kenntniſſe vorgeſchichtlicher Samen. Er teilte ſeine Erfahrungen über die ägyptiſchen Gräberfunde mit und bemerkte, daß er bei den orientaliſchen Ausgrabungen (Troja, Tiryns, Kreta) beſonders Weizen, Erbſen und Saubohnen (Troja), Weintraubenkerne (Tiryns), Erbſen und Bohnen (Herakleia auf Kreta) habe nachweiſen können; bei den Pfahlbauten und in norddeutſchen Gräbern fand er Saubohnen. Die Funde der altperuvianiſchen Gräber umfaſſen circa 60 Arten; unter ihnen findet ſich die Gartenbohne und der Kürbis, deren Heimat alſo in Amerika zu ſuchen iſt. Die Vorträge von Profeſſor Klebs (Tübingen): Ueber das Wachstum plasmolyſierter Zellen, des Pro⸗ Humboldt. — Januar 1887. 29 feſſor Gobi (St. Petersburg): Ueber eine neue Alge Peroniella Hyalothece und des Profeſſor Engler (Breslau): Ueber die Inflorescenzen und Blüten von Aponogeton beſitzen nur rein botaniſches Intereſſe. Profeſſor Pfeffer (Tübingen) ſprach: Ueber die Stoffaufnahme in der lebenden Zelle. Er zeigte, daß Methylenblau von einzelnen Inhaltsbeſtandteilen lebender Zellen (beſonders den Gerbſtoffbläschen) aufgeſpeichert wird. Der geſpeicherte Farbſtoff exosmiert oft von ſelbſt oder kann durch Citronenſäure zum Exosmieren gebracht werden. Dieſe direkt beobachteten Vorgänge von Anhäufung und Auswanderung von Farbſtoffen ſind geeignet, die ana— logen Vorgänge verſtändlich zu machen, welche die Nährſtoffe der Pflanzen bei ihrer Aufnahme in den Organismus und ihrer Wanderung in demſelben bieten. Dr. Schumann (Berlin) teilte in ſeinem Vortrage unter anderem mit, daß er gefunden, daß die Blüten von Lyonsia Fliegen zu töten imſtande ſind. Dr. Fiſcher (Leipzig) hat, wie er miteilt und durch Präparate erhärtet, Stärke in Gefäßen gefunden, eine gewiß bemerkenswerte Erſcheinung. Profeſſor Schmitz (Greifswald) beſchrieb in ſeinem Vortrage: Ueber die verſchiedenen Variationen, welche die Fruchtbildung bei den Florideen auf- weiſt, die Fruchtentwickelung in fünf Ordnungen und hob beſonders das ganz eigenartige Auftreten eines doppelten Befruchtungsaktes bei der Fruchtbildung zahlreicher Florideen hervor. Profeſſor Ludwig (Greiz) machte eine Reihe in—⸗ tereſſanter Mitteilungen über die bei der Be— fruchtung der Feigen (in Braſilien) beteiligten In— ſekten. Ludwig fand in von dem bekannten Botaniker Fritz Müller überſandten Feigen der Gruppen Pharmacosycea und Urostigma nachfolgende Feigenweſpen: Tetrapus americanus S. May, Blastophaga brasiliensis G. M., Bl. bifossulata G. M., Tetragonaſpiraarten, Critogaster singularis G. M., Cr. piliventris G. M., Colyostichus brevicaulis G. M., C. lingicaudis G. M., Aspocerusarten, Diomorus variabilis G. M. u. a. m. Durch dieſe Beob— achtungen iſt unſere Kenntnis der die Feigen befruchtenden Inſekten weſentlich erweitert worden. Profeſſor Frank (Berlin) beſprach ſeine in Gemein— ſchaft mit Dr. Tſchirch vorgenommenen Unterſuchungen über die Mikroorganismen des Erdbodens. Un— regelmäßig nach Vorkommen und Zahl ſind einige Hypho— myceten (Oidium, Cephalosporium, Torula, Botrytis, Mucor) im Boden zu finden; konſtant in allen Böden findet ſich dagegen ein Spaltpilz, der bei der Reinkultur auf Nährgelatine in allen ſeinen Entwickelungsſtadien ſich verfolgen ließ: Bacterium, Bacillus, Leptothrix — ein neuer Beweis für die Richtigkeit der Zopfſchen Auffaſſung von der Zuſammengehörigkeit zahlreicher Spaltpilzformen als Entwickelungsphaſen eines Pilzes. Man kann dieſen Bodenſpaltpilz alſo Bacterium terrigenum oder Bacillus terrigenus oder Leptothrix terrigena nennen. Durch weitere Verſuche haben die Genannten alsdann feſtgeſtellt, daß dieſer Spaltpilz (wie auch die anderen Bodenpilze) nicht imſtande iſt, Ammoniak in Salpeter⸗ ſäure überzuführen, daß vielmehr die nitrifizierende Wir— kung des Vodens dieſem ſelbſt zukommt, der Prozeß alſo von Organismen unabhängig iſt. Dr. Frank Schwarz (Breslau) gab eine neue Methode zur chemiſchen Unterſuchung des Protoplasmas an: die der Anwendung partieller Löſungsmittel. Er ver⸗ wendete als ſolche die bekannten Löſungsmittel der ver— ſchiedenen Eiweißſtoffe: Waſſer, Salze, Kalkwaſſer, Kali, Eſſigſäure, Salzſäure. Die Reſultate ſind ſchon jetzt inter— eſſante und verſprechen es noch mehr zu werden. Be— ſonders bemerkenswert erſcheint es, daß das Chromatin ſich als der relativ leichteſt lösliche Körper im Kern erwies. Dr. Sorauer (Proskau) beſprach gefüllte Begonien, bei denen die Füllung durch Umwandelung der Griffel (nicht der Staubblätter) in Blütenblätter bewirkt worden war, ſowie Cinerarien, bei denen die Füllung willkürlich durch Verſchiebung der Vegetationszeit ſich hatte erzeugen laſſen. ch. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Erdbeben und vulfaniſche Ausbrüche. Am 27. Auguſt, abends 11 Uhr, wurden Erdbeben in der Richtung von NO nach SW in einem ſehr großen Gebiete des ſüd— lichen Enropas geſpürt und zwar umfaßte ihre Zone den Süden Italiens, die weſtliche Hälfte der Balkanhalb— inſel von Trieſt und Agram über Bosnerai durch ganz Griechenland und von da bis nach Alexandrien. Am ſtärkſten machten ſich dieſelben in der Nähe Moreas, wo auch ihr Centrum zu ſuchen iſt, bemerkbar, daſelbſt mehrere Städte und Dörfer vollſtändig, andere mehr oder weniger zerſtörend, wobei eine große Anzahl Menſchen ihr Leben einbüßte, eine größere mit Verwundungen davon kam, weniger gefährlich in Italien, in Syrakus, Catania, Reg- gio, Ischia und von da in der Linie Avellino — Potenza — Brindiſi, woſelbſt die Bewohner ihre Wohnungen verließen und ins Freie oder — die Italiener werden trotz aller Erfahrungen nicht vorſichtiger — in die Kirchen flüchteten, während nördlich und ſüdlich der letztgenannten Linie (Neapel, Caſerta, Foggia — Taranto) dieſelben nur leicht bemerkt wurden. Ein Erdbeben, welches großartige Zerſtörungen her— vorrief, fand am 31. Auguſt und 1. September in den Südſtaaten der nordamerikaniſchen Union ſtatt. Es wurde im ganzen Gebiete derſelben öſtlich vom Miſſiſ— ſippi von Georgia im Süden bis New Vork im Norden beobachtet, beſonders ſtark in Pittsburg, Cincinnati, Waſhington, Richmond, Raleigh und anderen Orten, am ſtärkſten aber in Charleſton in Südkarolina, wo in der Nacht des 31. Auguſt kurz vor 10 Uhr von unten nach oben gerichtete und von donnerartigem Getöſe begleitete Stöße aufeinander folgten, von denen vier beſonders ſtark waren — am ſtärkſten gleich der erſte — welche volle drei Vier— teile der Stadt in einen Trümmerhaufen verwandelten, der unter ſich Hunderte von Toten und Verwundeten barg, eine Menge Häuſer mit klaffenden Riſſen verſahen, da und dort den Erdboden ſpalteten, aus dem feiner Sand hervor— quoll, was wohl in der ſtarken Zuſammendrückung und Spannung der Erdſchichten ſeine Urſache haben mag. Manche Städte teilten das Schickſal von Charleſton, z. B. Summerville, das völlig zerſtört wurde, und Orte in Georgia und Südkarolina, in denen der Erdboden Waſſer— wogen glich und darum die Häuſer hin- und herſchwanken ließ. Was dieſer Tag nicht zuſtandegebracht, vollendeten die nächſten. In dem Pellowſtone Park aber, dem „National⸗ park“ der Vereinigten Staaten, der uns glücklicherweiſe die verloren gegangenen Wunder Neuſeelands mehr als zu erſetzen vermag, ſprang am ſelben Tage der größte Geyſir der Welt aufs neue, nachdem er vier Jahre lang ſich nicht geregt. Am 28. September fand in Charleſton nachmittags nochmals ein kurzer, jedoch heftiger, von ſtarkem Getöſe begleiteter Erdſtoß mit ſchüttelnder Bewegung ſtatt, doch ſcheint er nichts Schreckliches in ſeinem Gefolge gehabt zu haben. Am 31. Auguſt, abends 9 Uhr 45 Min., beobachtete man an Bord des Dampfers City of Palatka, der ſich damals an der Küſte ſüdlich von Charleſton auf 87/2 Faden Meerestiefe befand, ein heftiges Seebeben, das 1½ Minute 30 Humboldt. — Januar 1887. anhielt. Während vorher heftiger Seegang von Südweſt geherrſcht hatte, hörte bei dem Seebeben die Wellenbewegung auf, ſetzte nach demſelben aber wieder in der früheren Stärke ein. Man hatte auf dem Schiffe das Gefühl, als ob dasſelbe über einen mit Kieſelſteinen bedeckten Boden hinrutſche, und die Vibration des Schiffes war ſehr ſtark. Am 26. September früh 4½ Uhr wurde in Kon⸗ ſtantinopel eine ziemlich ſtarke Erderſchütterung wahr⸗ genommen, die man 4¼ Uhr auch in Smyrna ver⸗ ſpürte. Auf der nordöſtlich von Schottland gelegenen Shet⸗ landinſel Unſt und an verſchiedenen Stellen in Schottland wurden in der Nacht vom 4. zum 5. Oktober drei mehrere Sekunden anhaltende Erdſtöße empfunden und vom Orte Bläsheim im Nordelſaß wurde von Straßburg aus be⸗ richtet, daß am Abend des 9. Oktober, 10 Minuten nach 6 Uhr, in allen Häuſern ziemlich ſtarke Erdſtöße verſpürt worden ſeien, die Dächer, Oefen und auf Stühlen ſitzende Perſonen hin- und herrüttelten. Manche wollen ein dem Rollen des Donners ähnliches Getöſe dabei wahrgenommen haben. Die Erdſtöße, welche bei völliger Stille der Atmo⸗ ſphäre ſtattfanden, ſcheinen von 8 nach W erfolgt zu ſein. Etwas nordöſtlich von Neuſeeland befindet ſich der Tonga-⸗Archipel, auch Freundſchaftsinſeln genannt, deſſen nördliche Inſeln thätige Vulkane bergen und öfter von Erdbeben heimgeſucht werden. Auf einer derſelben Niapu, fand anfangs Oktober ein Ausbruch ſtatt, der von Erd⸗ erſchütterungen begleitet war, durch welche verſchiedene Dörfer zerſtört wurden, während ſich zu gleicher Zeit ein neuer Berg von 200 Fuß Höhe bildete. Der Aſchenxregen muß bedeutend geweſen ſein, da von ihm nach vorläufiger Nachricht zwei Dritteile der Inſel bedeckt wurden, ſtellen⸗ weiſe bis zu einer Höhe von 20 Fuß. Vom 5. Oktober wird aus Mexiko ein Erdbeben ge⸗ meldet, bei welchem ein unweit des Fluſſes Chimalapa gelegener Berg in zwei vollſtändig voneinander getrennte Teile geſpalten wurde. Am 23. Oktober wurden die Vereinigten Staaten abermals von einem Erdbeben heimgeſucht, welches in Waſhington und mehreren Orten in Virginien, Tenneſſee, Ohio und Florida verſpürt wurde. Zu gleicher Zeit be⸗ obachtete man drei Erdſtöße in Malaga. Et. Ein Meteor von beſonderem Glanz wurde vom Kapitänlieutenant Lender auf dem chineſiſchen Flaggſchiff der Admirale Ting und Lang beobachtet. Das Schiff befand ſich im Golf von Petſchili, als um 7 Uhr 38 Min. aus einer Höhe von etwa 70° ein Meteor in Form einer feurigen Kugel in etwas ſchräger Richtung herunterſtürzte und in etwa 4— 5 Höhe mit fixſternartigem Glanz platzte. Dabei bildete ſich in der Bahn ein breiter hellglänzender Streifen, deſſen Helligkeit bis 7 Uhr 44 Min. nur ſehr wenig abnahm, wogegen der Streifen oben und unten ſich verbreiterte und die Form eines Z bildete. Von 7 Uhr 48 Min. nahm der Glanz ſchneller ab, die Farbe wurde gelblich und von 7 Uhr 50 Min. bis 54 Min. ſah man nur noch eine helle Wolke, die allmählich verblaßte und 7 Uhr 55 Min. völlig verſchwunden war. Ein Knall war nicht gehört worden, ebenſo wurde keine zur Erde gefallene Maſſe beobachtet, die ganze Kugel ſchien ſich vielmehr nach der Exploſion in eine feurige Gasmaſſe verwandelt zu haben. D. Meteorſund. Am 14. September vorigen Jahres wurde in Pennſylvanien ein koloſſales Meteor geſehen, das in einer Höhe von etwa 52 Miles über der Erde hinzog und ſchließlich explodierte. Vor kurzem iſt es dem Prof. Emerick gelungen, die herabgeſtürzte Maſſe am Fuße eines Hügels bei Claysville, Waſhington City, Pa., aufzufinden. Nach dem American Naturalist wiegt dieſelbe ungefähr 200 Tonnen (2) und enthält 87% metalliſches Eiſen; das ſpecifiſche Gewicht ijt 7,412. Die Maſſe war durch Auf⸗ ſchlagen auf eine Schicht harten Kalkſteins in mehrere Stücke zerbrochen. Ko. Ein anderer Meteorfund wurde, wie Häpke in der „Weſerzeitung“ mitteilt, am 28. Mai 1886 zu Barntrup im Fürſtentum Lippe gemacht. Bei warmem Wetter und nur mit einigen geballten Wolken bedecktem Himmel hörte der Beobachter Schröder in der Luft ein mehrmaliges Knallen wie von einzelnen Schüſſen und dann ein donner⸗ artiges Getöſe, welchem das Niederfallen eines Steins folgte. Lichterſcheinungen wurden nicht wahrgenommen, weil das Tageslicht zu intenſiv war und die Beobachtung im Walde gemacht wurde. Der wallnußgroße Stein, welchen Schröder aufnahm, iſt kein Bruchſtück, ſondern ein Monolith von der Geſtalt einer abgeſtumpften Pyramide und 17,3 g ſchwer bei einem jpec. Gewicht von 3,9. Er tft mit einer ziemlich dicken, ſchwarzen Rinde überzogen, die an mehreren Stellen beim Fallen abgeſprengt wurde (der Stein ſchlug wiederholt auf Baumäſte). Das lichtgraue Innere iſt körnig und zeigt unter der Lupe gelbliche Kryſtalle, wahr⸗ ſcheinlich Schreiberſit oder Troilit. Außer verſchiedenen flachen Vertiefungen mit körnigen Stellen zeigt die Ober⸗ fläche eine zarte Streifung. Der Stein gehört zur Klaſſe der Chondrite, ſein Inneres beſteht vorwiegend aus Kieſel⸗ ſäure, Magneſia und Thonerde. Dieſer Fund iſt der zwölfte in der Reihe der Meteoriten, die im nordweſtlichen Deutſch— land fielen oder gefunden wurden. Aus dem chronologiſchen Verzeichnis von Brezina ergibt fic) für die letzten Jahr⸗ zehnte im ganzen eine Zunahme; unzweifelhaft werden dieſe „Taſchenplaneten“, wie ein bekannter franzöſiſcher Aſtronom dieſe winzigen Himmelskörper nannte, jetzt beſſer beobachtet als früher. Sucht man nach einer Erklärung der höchſt auffälligen Erſcheinungen: Lichterſcheinungen, die auf Flächen von mehreren hundert Kilometer Halb⸗ meſſer beobachtet werden, Getöſe, welches in einem Um⸗ kreiſe von mindeſtens 35 km Radius gehört wird — fo gelangt man zu der Annahme, daß der Meteorit vielleicht mit einer Gashülle umgeben war, die aus Kohlenwaſſer⸗ ſtoffen oder Waſſerſtoff beſtand und beim Eintritt des mit einer Geſchwindigkeit von 40— 50 km in einer Sekunde ſich bewegenden Körpers in unſere Atmoſphäre ſich ent⸗ zündete, aber nicht, ohne ſich vorher mit Sauerſtoff ge⸗ miſcht und ſo ein Knallgas gebildet zu haben, welches mit Heftigkeit explodiert. D. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Oktober 18865). Der Monat Oktober iſt charakteriſiert durch meiſt warmes, veränderliches Wetter und durchſchnittlich mäßige Luftbewegung. Hervorzuheben find die hef- tigen und von Verwüſtungen begleiteten Stürme auf den britiſchen Inſeln vom 15. bis 17. In der erſten Dekade war der Luftdruck hoch und gleichmäßig verteilt über Süd⸗, Central= und Nordeuropa, während die Depreſſionen weit im Weſten auf dem Ozean vorüberzogen. Daher war das Wetter in dieſer Zeit ruhig und vielfach heiter oder neblig. Die Temperatur war je nach den Bewölkungsverhältniſſen größeren oder geringeren Schwankungen ausgeſetzt, indeſſen lag dieſelbe durchſchnitt⸗ lich um einige Grad über den Normalwerten; an den Nach⸗ mittagen erreichte dieſelbe häufig für dieſe Jahreszeit un⸗ gewöhnlich hohe Werte, ſo daß das Wetter oft einen ſommer⸗ ) Wegen des vorzeitigen Erſcheinens des Januarheftes kann die Witterungsüberſicht für November 1886 nicht gegeben werden. Sie erfolgt mit der Ueberſicht für Dezember im Februarheft. Humboldt. — Januar 1887. 31 lichen Charakter annahm. Niederſchläge waren in den erſten fünf Tagen des Monats nicht gefallen, dagegen fanden am 6. und 7. im ſüdlichen und am 8., 9. und 10. auch im übrigen Deutſchland faſt überall Regenfälle ſtatt; erheb— lichere Regenmengen fielen in Karlsruhe am 7. (22 mm). Im Gegenſatze zu dem übrigen Deutſchland war im nord— öſtlichen das Wetter während der erſten Dekade anhaltend kalt, das nächtliche Temperaturminimum ſank daſelbſt nicht ſelten unter den Gefrierpunkt, ſo daß häufig Reifbildung beobachtet wurde. Am 9. kamen am Bodenſee und in Nordbayern Gewitter vor, auch auf Sylt entlud ſich an dieſem Tage ein heftiges Gewitter, welches Phänomen ſich an letzterem Orte in Begleitung von Regen- und Hagel— böen wiederholte. Mit Anfang der zweiten Dekade iſt das Depreſſions— gebiet im Weſten weiter oſtwärts vorgerückt und zieht nun Centraleuropa in ſeinen Wirkungskreis, während die baro— metriſchen Maxima nach Süden und Oſten zurückweichen. Die Depreſſionen der zweiten Dekade ſind gut ausgebildet und daher treten die Witterungserſcheinungen und ihre Umwandlungen viel intenſiver und typiſcher auf als in der Zeit vorher. Am 12. war weſtlich von Schottland eine tiefe Depreſſion erſchienen, welche ſich bis zum 13. ſüdoſtwärts nach der Helgoländer Bucht hin ausbreitete und ſo über Frankreich und Deutſchland lebhafte nordweſtliche bis ſüdliche Luftſtrömung hervorrief, die ſtellenweiſe bis zum vollen Sturme ſich ſteigerte, welche dann meiſt von heftigen Gewittererſcheinungen begleitet war. Unter den Witterungserſcheinungen dieſes Monats treten vor allem die Stürme von 15. bis 17. in den Vordergrund, über welche der folgende Artikel nähere Mitteilung bringt. Vom 18. bis zum 24. lagerte hoher Luftdruck über Süd⸗ und Nordeuropa, fo daß der Luftdruck über Mittel- europa bei ziemlich gleichmäßiger Verteilung relativ am niedrigſten war. Dieſe Wetterlage war charakteriſiert durch ſchwache Luftbewegung aus variabler Richtung, unbeſtändiges Wetter, häufige Regenfälle und unregelmäßig ſchwankende Temperatur. Die Lage des Maximums über Nordeuropa bedingte über dem Oſtſeegebiete nordöſtliche Winde und daher kam es, daß ein Froſtgebiet, welches ſich am 20. über Finnland entwickelt hatte, mit zunehmender Intenſität langſam ſüd- und ſüdweſtwärts ſich ausbreitete und weit hinaus bis an das Schwarze Meer vordrang. Am 23. mor⸗ gens 7 Uhr meldeten Petersburg — 6°, Moskau — 7° C., während gleichzeitig im öſtlichen Deutſchland Nachtfröſte eintraten. Während das barometriſche Maximum im Süden alle mählich verſchwand, entwickelte ſich dasjenige im Norden zu einer ungewöhnlichen Höhe, indem es ſich gleichzeitig nach der Oſtſee, und ſpäter nach Südweſtrußland verlagerte. Am 28 hatte es 780 mm überſchritten und behielt dieſe Höhe bis zum Monatsſchluſſe. Die Depreſſionen lagerten, beſtändig über Weft- und Südweſteuropa und daher das Vorwalten ziemlich lebhafter öſtlicher Winde, welche von trockenem, teilweiſe heiterem, aber kaltem Wetter begleitet waren. i Dr. W. J. van Bebber. Bemerkenswerte Witterungserſcheinungen im September und Oktober 1886. Die Wärmeverhältniſſe des vergangenen Herbſtes boten bemerkenswerte Abweichungen, wie ſie wohl ſelten vorkommen und welche in den abnormen Vegetationsver⸗ hältniſſen ſich in hervorragender Weiſe widerſpiegeln. In der Zeit, zu welcher ſonſt die Entlaubung der Bäume ſtattfindet und die ganze Natur der Winterruhe ent⸗ gegengeht, hatten wir im Herbſte 1886 das intereſſante Schauſpiel eines nochmaligen Blühens vieler Pflanzen, als ob ein zweiter Frühling angebrochen ſei. Aus vielen Gegenden wird nicht nur berichtet, daß manche Holzgewächſe trotz einem reichen Behang von Früchten zum zweitenmal im Blütenſchmucke ſtanden, ſondern auch, daß Erd⸗ und Himbeeren doppelte Ernte entwickelten. Das ruhige heitere Wetter wurde nicht ſelten unter— brochen durch Gewittererſchein ungen, welche haupt— ſächlich durch Unregelmäßigkeiten in der Verteilung des Luftdruckes veranlaßt wurden. Gewitter von Verwüſtungen begleitet kamen vor am 4. September in England, 8. Sep⸗ tember im ſüdweſtlichen Deutſchland und im Alpengebiete, am 19. Oktober in England und am 20. Oktober in den Rheinlanden. Die Gewitterbde, welche am 4. über Südengland hinwegging, war in Südwales von einem zerſtörenden Wirbelwinde begleitet, in Swanſea von einer Waſſerhoſe, welche in der Vorſtadt Toxhole mehrere Gebäude zer— trümmerte “). Die Gewitter am 8. September hatten eine außer⸗ ordentliche Ausdehnung, indem ſie ſich vom Südfuße der Alpen bis zur Oſtſee erſtreckten. Von Verwüſtungen begleitet waren dieſelben in den Alpen und im ſüdlichen Deutſchland. In Weiler, Klaus Götzis und Hohenems traten die hoch— angeſchwollenen Gewäſſer aus ihren Ufern und richteten ſtellenweiſe großen Schaden an; ebenſo wurden in den Hochthälern von St. Gallen, Appenzell und Glarus große Verheerungen angerichtet. Ueber den Verlauf dieſes Gewitters macht die kgl. b. meteorol. Centralſtation in München folgende Mitteilung: „Am 8. kam ein Gewitter von Weſten her ) Ausführlicheres hierüber findet ſich in Symons Monthly me- teorol. Magazine, Septemberheft 1886, S 118 ff. verſchont blieb. und zog in großer Frontentwickelung (dieſelbe erſtreckte ſich von Würzburg bis Dillingen, wo der erſte Donner um 2 Uhr 30 Min. nachmittags beobachtet wurde) raſch gegen Oſten. Nach 3 Stunden, alſo um 5 Uhr 30 Min., war dasſelbe ſchon an der Oſtgrenze angelangt. Dieſes Gewitter war auf ſeinem Wege teilweiſe von einem verheerenden Sturme und ſehr ſtarken Niederſchlägen begleitet. Drei Züge, in welche fic) die Gewitterböe bald nach ihrem Ein— tritte in Bayern geteilt hatte, können beſonders unter— ſchieden werden. Der eine wandte ſich von Bamberg in gerader Linie gegen Hof, ein zweiter lief von Erlangen — Nürnberg oſtwärts gegen Weiden, während der dritte von Dillingen das Donauthal abwärts bis gegen Straubing zur Beobachtung gelangte. Am ſtärkſten hauſte die Böe in Franken, wo einerſeits durch den gewaltigen Orkan, anderſeits durch den wolkenbruchartigen Regen großer Schaden angerichtet wurde. Von Intereſſe mag ſein, daß dieſe Böe nicht nur auf dem geſchilderten Gebiete hinzog, ſondern daß ſie auch an Orten fühlbar war, welche vom Gewitter als ſolchem nicht berührt wurden. So hatte München etwas nach 4 Uhr nachmittags Sturmwind ver- zeichnet. In Stuttgart wurde derſelbe ſchon um 12 Uhr 30 Min. beobachtet.“ Hervorragend durch ſeine Intenſität und durch ſeine zahlreichen Verwüſtungen auf den britiſchen Inſeln iſt der Sturm vom 15. und 16. Oktober, den wir durch die nach— folgenden Kärtchen illuſtrieren wollen. Am 15. morgens liegt, von Often plötzlich Herein- brechend, über Irland ein Minimum mit der ungewöhn⸗ lichen Tiefe von 725 mm, im Südweſten der britiſchen Inſeln Sturm aus Weſt und Weſtnordweſt erzeugend, der bei dem Fortſchreiten des Minimums nach Südoſt lang— ſam in Nordweſt überging, während über Irland und Weſtſchottland die nördlichen Winde bis zum ſchweren Sturme auffriſchten. Am 16. lag das Minimum mit un⸗ veränderter Tiefe und Intenſität über Südengland und wanderte dann, nach Oſtnordoſt umbiegend, nach der ſüd— lichen Nordſee, während gleichzeitig Tiefe und Intenſität raſch abnahmen, ſo daß unſere Küſte von Stürmen völlig Ueber dieſen denkwürdigen Sturm und 39 Humboldt. — Januar 1887. die zahlreichen, durch denſelben veranlaßten Unglücksfälle brachten die Zeitungen ſpaltenlange Berichte. Die ganze Küſte von Schottland, Irland und Wales wurden von dieſem Sturme heimgeſucht. Infolge der heftigen Regen⸗ güſſe, welche dieſen Sturm begleiteten, wurde in Schott⸗ land die noch nicht eingeheimſte Ernte unter Waſſer ge⸗ ſetzt, während in Wales die Flüſſe weit über ihre Ufer traten. Zahlreiche Schiffsverluſte wurden gemeldet, auch auf 29,2 Zoll (741,7 mm). Der von Weſtindien angekom⸗ mene Royal Mail-Dampfer , Medway” hat im Kanal fürchter⸗ liches Wetter mit hohem Seegang gehabt; die Lifeboote wurden direkt aus den Davits gehoben, die See brach ſich beſtändig über dem Schiff, und die Segel wurden aus den Liken geriſſen. Große Mengen von Wrackſtücken deuteten auf zahlreiche Schiffsunfälle. Der von London angekommene Dampfer „Upupa“ brauchte faſt 70 Stunden für die Fahrt nach IE, SG -Qo tor. 87 a.m) Witterungserſcheinungen im September und Oktober 1886. ſind ſehr viele Verluſte an Menſchenleben zu beklagen. „Wie aus Plymouth berichtet wird“, ſo meldet ein Zeitungs⸗ artikel (im Hamburger Korreſp.), „ſpülte die See dort über den Leuchtturm hinweg. Das Barometer ſtand am Freitag Mittag auf 28,29 Zoll (718,6 mm), jo niedrig, wie man es in Plymouth ſehr ſelten beobachtet hat; dann ging der Wind, der bisher ſüdlich geweſen war, nach Nordweſten herum und nahm an Stärke zu. In Zwiſchenzeiten traten orkan⸗ artige Böen mit heftigem Regen ein. Am nächſten Morgen wurde das Wetter beſſer, und das Barometer ſtieg wieder Plymouth. Derſelbe hatte Paſſagiere an Bord und un⸗ weit der Isle of Wight das ſchwerſte Wetter auszuhalten. Die See lief haushoch und ſpülte über den Schornſtein fort. Die Eingänge zu den Kajüten mußten vernagelt werden, das Schiff kam keinen Fuß vorwärts und war zu Zeiten gar nicht zu regieren. In der Nähe waren einige Schiffe, die ſämtliche Segel verloren hatten; doch vermochte der Dampfer ihnen keine Hilfe zu leiſten, da er ſelbſt nur mit Mühe mit dem Kopf gegen den Wind ge⸗ halten werden konnte. Dr. J. van Bebber. Natur kalender für den Monat Januar. Allgemeines. Das Auftreten der Tiere und Pflanzen richtet ſich in dieſem Monate, wie überhaupt in den erſten Monaten des Jahres, ſehr nach dem Wetter. Südweſtwinde bringen das Tier⸗ und Pflanzenleben frühe in Fluß, 11 17 5 öſtliche Winde mit Kälte und Schnee alles zurück⸗ halten. Säugetiere. Haſen beginnen zu rammeln, Wildkatze und Marder zu ranzen. Fledermäuſe paaren ſich zum Teil. Die Rehböcke tragen noch ein weiches Baſtgeweih. Alle Raubtiere haben jetzt gutes Pelzwerk. Nebſt vielen Fleder⸗ mäuſen liegen Hamſter, Siebenſchläfer, große und kleine Haſelmaus in tiefem Winterſchlafe. Unterbrochen ſchlafen, d. h. mehrere Tage hintereinander, Dachs und Eichhorn. Die Hirſche und Wildſchweine drückt der Nahrungsmangel häufig aus dem Gebirge herunter in ebenere, nahrungs⸗ reichere Gegenden. Die Füchſe haben ſich im Walde und in Feldgehölzen zuſammengefunden. Die hungernden Wölfe umkreiſen nachts die Gehöfte, nach Raub ſpähend. Vögel. Wintergäſte find bei uns die nordiſchen Vögel: Schneefinken, Schneeammern, Seidenſchwänze, Krammetsvögel (Turdus pilaris et iliaca), Nebelkrähe, Dreizehenmöve (Larus tridactylus), Sumpfohreule, mehrere Enten⸗ und Gänſearten, Nußhäher (Nucifraga caryoca- tactes). Standhaft harren bei uns aus: Kolkrabe, Sper⸗ ling, Goldammer und Meiſen, Baumläufer, Spechtmeiſe und Gelbkopfgoldhähnchen, alle Krähenarten, ſowie viele Raubvögel, beſonders die Eulen, auch Auerhahn, Birk-, Haſel⸗ und Feldhuhn, Gartenamſel und Zaunkönig. Letzterer ſingt in den Hecken, wie die Waſſeramſel (Cinclus aquaticus) im klaren Gebirgsbache. Reptilien und Amphibien. Eidechſen, Schlangen, Fröſche und Kröten liegen an froſtfreien Orten im Winter⸗ ſchlafe. Fiſche. Die einzigen Kaltblütler, welche jahraus, jahrein munter ſind, die Fiſche, werden keiner den Gefrier⸗ punkt erreichenden Temperatur ausgeſetzt. Manche laichen jetzt ſogar, wie die Quappen (Gadus lota). Spinnentiere und Inſekten liegen im entwickelten Zuſtande meiſt unter Rindenſtücken, Steinen und Moos im Winterſchlafe. Einzelne aber verlaſſen bei wärmerem Welter ihre Quartiere und laufen umher, wie Wolfs⸗ ſpinnnen und einige Eulen. Friſch entwickelt treffen wir die Winterſpanner Pilosarius und Leucophaearia mit ihren flügelloſen Weibchen an Baumſtämmen, woran auch das Geiſtchen (Alucita pterodactylus) frei ſitzt, ſcheinbar unempfindlich gegen Kälte. Am lebendigſten ſind die Wintermücken (Trichocera hiemalis De Geer), welche fröh⸗ lich tanzen, ſobald die Sonne ſcheint. Wenige Larven ſind ſichtbar, am öfteſten trifft man noch die ſamtſchwarze Larve der Brotkäfer oder Schneider (Telephorus), die ſo⸗ genannten Schneewürmer, auf dem Schnee laufend an. Pflanzen. Die Nießwurzarten kommen oft ſchon in dieſem Monate in Blüte, ebenſo (Eranthis hiemalis) und der Haſelſtrauch und das Hungerblümchen (Draba verna). Die Vogelmiere Stellaria media, das Gänſeblümchen (Bellis perennis) und der rote Bienenſaug (Lamium purpureum) blühen immer, wenn ſie nicht eingefroren ſind, ebenſo das Kreuzkraut (Senecio vulgaris). Zahlreiche Mooſe ſetzen Sporenkapſeln an, auf altem Holze u. ſ. w. zeigen ſich kleine Pilze. Wilhelm von Reichenau, Kuſtos am naturhiſtoriſchen Muſeum in Mainz. bild des Stiers. Humboldt. — Januar 1887. 33 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Januar 1887. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 629 Algol 1341 U Cephei 18 15 eln 17" 25 NIE 1 2 3 14" 32" 2 16 450 A0 4 9" 287 F. fl ö . Cell 1485 S Cancri 1510 „ Tauri 15" 38" A II E 4 10 24% A. . H 4½ 5 6¹ 14 E. f.? I Tau 1614 6 Librae 5 7 12m Ah. 4 6 7 43% B. 1 I Tauri 8 42™ f. d. ) O! Tauri 8'52™F, fl.) O Tauri | 1248 U Cephei 6 8 Om A. l. 6 9h 54m J. h. + 9437 AS 4 9° 56 P. d.) BAC 1391 | 13° 11 Ed. { a. Tauri 1570 U Coronae 11¹ 15 K. h. 5 14 14 l. h. 5 1 7 9° 46" E. fl. { 115 Tauri 7 SAG 6 8 14.0 Tauri 19° 19" NI E 8 9 ® 7" 59™ f. d.? BAC 2432 | 16" 3m. h. {Gemin, | 16% 25™ 2 01 9 Ie eee e Ge7s ES BV GGL 6 18" 38" | 11 12.4 U Cephei 18 11 A II E 19 22 mf. h. g 18 Leon. 11 19 50 mf. d. ) 6 12 9 57™ B. h.) 45 Leonis | 12 20 P. 1. e Leonis 1228 J Tauri 1620 6 Librae 12 105 44 J. d. 1 6 135 26 fl. fl. 4 h m = 13 1288 U Coronae 155 55 ö A @ II 13 15 1570 Algol 14°57™E, H.) 65 Virginis 154 fm. l. 5 66 Virg. 15 D e 6 1653 f. fl. 5 6 16 € 1157 J Tauri 1251 U Cephei 18" 15 21 01 16 20" 31 17 155 40" A LE 17 18 28 Algol 12 46™ ) 1128 Algo 155 a (1 01 18 19 14" 11™ 9) TIE 1575 6 Librae 1620 U Ophiuchi | 16" 10™ 9) IIIA | 19 20 1076 „ Tauri 15" 48™ 2; I 20 18˙ 27 f 21 886 Algol 1148 U Cephei 21 23 @ 1378 S Cancri 23 24 525 Algol 94 J. Tauri 168 U Ophiuchi 17 34 A1 E 24 25 14» 39™ , A 1 25 16" 53" 26 1184 U Cephei 1521 6 Librae 18> 9" A III E 26 27 185 22 27 2 e 28 883 J Tauri 8b mf. d.) 4 Ceti dh 33m F. d. pou 28 9 11 g. h. 6 9b 26m A. h. 9 6 29 1786 U Ophiuchi 29 30 10°17" f. d. “ Piscium 30 11 13 A. h. 5 31 5 111 U Cephei 19° 27 A LE 31 Merkur eilt als Morgenſtern wieder zur Sonne und ift wegen ſeiner ſüdlichen Deklination nicht ſichtbar. Venus tritt in dieſem Monat als Abendſtern aus der Dämmerung ſchon heraus und geht am Ende ſchon über eine Stunde nach der Sonne unter. Mars im Sternbild des Steinbocks geht anfangs zwei, zuletzt 17/2 Stunden nach der Sonne unter, ſteht aber bei Beginn der Nacht ſchon ſehr tief am Horizont. Jupiter im Sternbild der Jungfrau geht anfangs 2½¼ Uhr morgens und zuletzt eine halbe Stunde nach Mitternacht auf. Verfinſterungen ſeiner drei erſten Trabanten fallen auf günſtige Nachtſtunden, vom vierten Trabanten findet in dieſem Monat überhaupt keine Verfinſterung ſtatt. Saturn kommt am 9. in Oppoſition mit der Sonne und wandert rückläufig nach 8 Geminorum; anfangs geht er bei Beginn der Nacht auf und ſteht zuletzt um dieſe Zeit ſchon hoch am Himmel. Sein Untergang erfolgt zuletzt noch vor Anbruch der Morgendämmerung. Uranus im Sternbild der Jungfrau geht am 16. aus der rechtläufigen in die rückläufige Bewegung über. Neptun befindet ſich im Stern- Die Veränderlichen vom Algoltypus bieten alle zur Beobachtung ihres kleinſten Lichtes Gelegenheiten dar, auch U Ophiuchi taucht wieder aus den Sonnenſtrahlen auf. Am 6. findet eine günſtig zu beobachtende Bedeckung der Hyaden durch den Mond ſtatt, bei welcher auch der Stern erſter Größe « Tauri (Aldebaran) bedeckt wird. Humboldt 1887. Dr. E. Hartwig. 5 34 Humboldt. — Januar 1887. Litterariſche Rundſchau. 28. J. van Bebber, Handbuch der ausübenden Witterungskunde. II. Teil. Gegenwärtiger Zu⸗ ſtand der Wetterprognoſe. Stuttgart, F. Enke. 1886. Preis 11 % Als vor Jahresfriſt der erſte Teil des Handbuchs der ausübenden Witterungskunde, welcher die Geſchichte der Wetterprognoſe behandelt, erſchienen war, wurde derſelbe von allen Seiten in gleicher Weiſe freudig begrüßt. Durch die gründliche, klare, allgemein verſtändliche, aber doch rein wiſſenſchaftliche Behandlungsweiſe des Stoffes führte ſich das Buch überall ſchnell ein und der jetzt vorliegende zweite Teil dieſes Handbuches iſt den gehegten Erwartungen eben⸗ falls in jeder Weiſe gerecht geworden. Dasſelbe bringt eine ſolche Fülle des Intereſſanten und Neuen, daß es leider unmöglich iſt, an dieſer Stelle auf das Einzelne näher einzugehen. Wer ein tieferes Intereſſe für die Fortſchritte der Meteorologie hat, für den wird ja eine genaue Angabe des Inhaltes auch ſchon genügen, um ein eingehenderes Studium des Buches ver⸗ lockend erſcheinen zu laſſen. Den Inhalt des letzten Kapitels im erſten Teile bildet die Entwickelung der ſogenannten Wettertelegraphie in den Hauptſtaaten der Erde. Hieran knüpft der Verfaſſer an und ſchildert uns nun in dem erſten Kapitel des zweiten Teiles den gegenwärtigen Zuſtand der Wettertelegraphie. Auf Grund ſeiner eigenen langjährigen Erfahrungen als Vorſteher der dritten Abteilung der Hamburger Seewarte, welcher die meteorologiſchen Beobachtungen und Unter⸗ ſuchungen obliegen, bleibt er nicht bei einer einfachen Schilderung der Verhältniſſe ſtehen, ſondern bringt noch eine Reihe beherzigenswerter Vorſchläge zur Verbeſſerung der Wettertelegraphie vor. Den wichtigſten und intereſſanteſten Teil des ganzen Werkes bildet das folgende Kapitel, in welchem die Grund⸗ lage der ausübenden Witterungskunde behandelt wird. Jeder, der nur einigermaßen von den neueren Fortſchritten der Meteorologie für das praktiſche Berufsleben Nutzen ziehen will, muß ſich mit den grundlegenden Elementen der meteorologiſchen Wiſſenſchaft vertraut machen und hierzu bietet ihm das vorliegende Buch gerade in dieſem Kapitel vortrefflich Gelegenheit. In leichtverſtändlicher Weiſe führt uns der Verfaſſer in die Geſetze der Witterungserſcheinungen ein, indem er dabei immer die Verwertung derſelben für die Vorausbeſtimmung des Wetters im Auge hat. Unter der Ueberſchrift „Klimatiſche Konſtanten“ gibt er zunächſt eine überſichtliche Darſtellung der Größe und Beſchaffenheit der meteorologiſchen Elemente, die ſich auf Lufttemperatur, Luftdruck, Wind, Niederſchläge u. ſ. w. beziehen. Iſt die Kenntnis der klimatiſchen Konſtanten auch für das Ver⸗ ſtändnis der Witterungserſcheinungen unbedingt notwendig, ſo iſt ſie doch für die ausübende Witterungskunde keines⸗ wegs in dem Maße grundlegend wie die Kenntnis der Wechſelwirkung der einzelnen Elemente in den großen atmo⸗ ſphäriſchen Bewegungen und vor allem der barometriſchen Maxima und Minima. Mit Recht behandelt daher der Verfaſſer dieſe Erſcheinungen ausführlicher, noch dazu, da er aus ſeinen eigenen Erfahrungen einen bedeutenden Bei⸗ trag zur Löſung der hierhergehörigen Fragen liefern konnte. Die ausübende Witterungskunde wurde erſt ſeit der Ent⸗ deckung des bariſchen Windgeſetzes eine wirklich nutzbringende Wiſſenſchaft, vor allem aber bezeichnet einen wichtigen Fortſchritt für die Vorausbeſtimmung des Wetters der Nachweis, daß die barometriſchen Minima die Neigung haben, gewiſſe Zugſtraßen mit Vorliebe zu ziehen. Gerade das Verdienſt van Bebbers iſt es, dies für Europa dargethan zu haben. Naturgemäß bildet daher auch die Betrachtung der Zugſtraßen der barometriſchen Depreſſionen den Kernpunkt dieſes Kapitels. Im Anſchluß hieran bringt der Verfaſſer eine Nutz⸗ anwendung der Geſetze, welche der Fortpflanzung der baro⸗ metriſchen Minima zu Grunde liegen, indem er eine An⸗ leitung zur Aufſtellung von Wetterprognoſen auf Grund der Wetterkarten gibt. Wenn dieſe Anleitung auch noch viele Mängel hat, wenn ſie vor allem ſich nur auf typiſche Witterungserſcheinungen bezieht, ſo ermöglicht ſie doch jedem, der fleißig an ſeinem Wohnorte beobachtet und gleichzeitig die in den Zeitungen erſcheinenden Wetter⸗ karten benutzt, das Wetter mit ziemlicher Gewißheit vor⸗ auszuſagen. Der übrige Teil des Buches erörtert die Beſtrebungen in Frankreich, Großbritannien und Italien zur Förderung der Wetterprognoſe, die Anwendung lokaler Beobachtungen auf die Wetterprognoſe, Prüfung der Wetterprognoſen und Sturmwarnungen und Reſultate, Wetterprognoſen auf längere Zeit voraus, Aufeinanderfolge der unperiodiſchen Witterungserſcheinungen, die räumliche Verteilung gleich⸗ zeitiger Niederſchläge, Prognoſenbezirke. Als ein Anhang iſt dem Werke noch „Das Manöprieren der Seeſchiffe bei Stürmen“, „Praktiſche Regeln für See⸗ leute in tropiſchen Wirbelſtürmen“ und eine Reihe wichtiger Hilfstafeln für den ausübenden Dienſt der Witterungs⸗ kunde beigegeben. Halle a. S. W. Ule. H. J. Bidermann, Die Nationalitäten in Tirol und die wechſelnden Schickſale ihrer Ber- breitung. Forſchungen zur deutſchen Landes⸗ und Volkskunde, Band 1, Heft 7. Stuttgart, J. Engelhorn. 1886. Preis 2 /, 40. In Tirol wohnen Deutſche, Italiener, Ladiner, reine Slaven und Romanoſlaven, aber von Nationalitäten kom⸗ men nur zwei in Betracht, Deutſche und Italiener, und mit deren Gegeneinanderdrängen beſchäftigt ſich der Verf. Die ſtatiſtiſchen Angaben ſind aus den Reſultaten der Volkszählung von 1880 entnommen, bei welcher die Deut⸗ ſchen ſicher nicht begünſtigt wurden; trotzdem iſt das Bild für den Deutſchen freundlicher, als gewöhnlich angenommen wird. Nördlich der Sprachgrenze iſt das italieniſche Ele⸗ ment in der Abnahme begriffen und wird vom deutſchen aufgeſogen. Der Verf. unterſcheidet ſieben Perioden wech⸗ ſelnden Bore und Rückganges. In der erſten ſehen wir unter dem Einfluß der deutſchen Kaiſer die Germaniſierung des oberen Etſchgebietes voranſchreiten; mit dem Unter⸗ gang der Hohenſtaufen und der Entwickelung der italieni⸗ ſchen Sprache und Nationalität (um 1290) beginnt das Eindringen italieniſcher Beſtrebungen, durch die Fürſt⸗ biſchöfe und durch Venedig gefördert, ſchließlich ſo mächtig, daß von 1480 etwa ab die Tiroler Herzöge ſich zu Abwehr⸗ maßregeln gezwungen ſahen. Die dritte Periode dauerte aber nur bis 1530; die habsburgiſchen Fürſten begünſtigten das welſche Element ſelbſt in Nordtirol und bis 1650 er⸗ litt das Deutſchtum ſchwere Einbuße. Es folgt dann eine faſt hundertjährige Periode des Stillſtandes oder doch nur ganz langſamen Rückganges des Deutſchtums, aber dann ein um ſo raſcheres Vordringen des Italienismus, bedingt weſentlich durch die Einführung der Seidenzucht in Südtirol, die Entſumpfung des unteren Etſchthales und die Zunahme des Holzhandels, lauter ſpeziell italieniſche Induſtrieen. Oeſterreich begünſtigte die Beſtrebungen eher als daß es ſie hinderte, beſonders ſeit dem Erwerb der Lombardei und Venetiens. Der Verluſt dieſer Länder hat die neueſte Periode eingeleitet; es iſt jetzt eine Lebens⸗ frage ſelbſt für ein Kabinett wie das gegenwärtige, den Irredentiſten entgegenzutreten und eine weitere Zurück⸗ drängung des Deutſchtums zu verhindern, und der Schul⸗ Humboldt. — Januar 1887. 35 verein hilft wacker mit. Möge ihm die Broſchüre Bider— manns recht viele Freunde zuführen. Schwanheim a. M. Dr. Kobelt. J. K. Janſen, Voleographie der cimbriſchen Halb- inſel. Ein Verſuch, die Anſiedelungen Nord— albingiens in ihrer Bedingtheit durch Natur und Geſchichte nachzuweiſen. Forſchungen zur deutſchen Landes⸗ und Volkskunde. Stuttgart, J. Engel⸗ horn. 1886. Band 1, Heft 8. Preis 2 mM Der vom Autor neu eingeführte Ausdruck Poleo— graphie findet ſeine Erklärung im Zuſatz zum Titel; er bedeutet die Darſtellung der Städte eines geographiſchen Gebietes nach ihren örtlichen und ſtaatlichen Verhältniſſen; die Arbeit ſchließt ſich alſo gewiſſermaßen an die von Hahn im dritten Hefte desſelben Bandes an. Seine Grund— anſchauungen entwickelt der Verfaſſer in der kurzen Ein— leitung. Alle menſchlichen Anſiedelungen ſind Herbergen bei der Bewegung der Stämme, liegen mithin an den natürlichen Straßen und zwar die bedeutenderen an deren Halte-, Wende- und Knotenpunkten. Aber die Bodenver— hältniſſe allein können größere Anſiedelungen nicht ſchaffen; ſie können ſie bedingen, aber erzeugt werden ſie erſt durch in der Menſchenwelt liegende Nötigung, ſei dieſe nun äußerer Zwang oder innerer Trieb. Auf den reichen In— halt der Broſchüre genauer einzugehen verbietet der Raum. Der Verfaſſer weiſt mit Geſchick und überzeugend nach, wie nicht nur die Einteilung der Halbinſel in ihre drei Provinzen Jütland, Schleswig und Holſtein, und deren Unterabteilung in den natürlichen Verhältniſſen be— gründet und darum immer dieſelbe iſt, ſondern auch, wie Lage und Bedeutung der Städte von denſelben Bedingungen abhängig war und mit geringen Ausnahmen noch iſt. Eine Ausnahme machen nur Kiel und Hamburg; ſonſt gehen mit Ausnahme etwa von Flensburg alle deutſchen Städte zurück, während die jütiſchen, ſonſt unbedeutenderen den däniſchen Verkehr an ſich gezogen haben und auffallend raſch zunehmen. Schwanheim a. M. Dr. Kobelt. O. Kirchner und J. Vlochmann, Die mikrofko- piſche Pflanzen und Tierwelt des Hüßwaſſers, bevorwortet von O. Bütſchli. Zwei Teile. Teil II F. Blochmann, Die mikroſkopiſche Tierwelt des Süßwaſſers. Mit 7 Tafeln Abbildungen. Braun⸗ ſchweig, Gebrüder Haering. 1886. Preis 20 -% Das vorliegende Werk ſoll dem in neuerer Zeit auch in Deutſchland regeren Intereſſe des gebildeten Laten- publikums für mikroſkopiſche Studien fördernd entgegen— kommen. Zugleich aber iſt es auch eine willkommene Gabe für den Zoologen. Ohne eine gewiſſe Summe zoologiſchen Wiſſens und Kenntnis der mikroſkopiſchen Technik iſt ja jo wie jo eine Unterſuchung der niederen Lebeweſen unmöglich, im Beſitz dieſer Vorkenntniſſe aber wird das vorliegende Buch eine treffliche Hilfe bei mikroſkopiſchen Studien ſein. Hoffentlich ſieht ſich mancher junge Zoo— loge und Mediziner dadurch veranlaßt, die langen Herbſt— ferien, die er vielleicht aller größeren litterariſchen Hilfs— mitttel bar einſam auf dem Lande zubringen muß, zum Studium der Tümpel- und Grabenflora und Fauna ſeiner Heimat anzuwenden. An der Hand von Bloch— manns „mikroſkopiſcher Tierwelt des Süßwaſſers“ wird es ihm raſch gelingen, ſich mit den verbreitetſten For— men unſerer heimiſchen niederen Lebewelt vertraut zu machen. Wer auf der ſo gewonnenen Grundlage weiter— bauen will, findet in dem genauen Litteraturverzeichnis, welches den größeren Gruppen ſowohl als der Beſchreibung der einzelnen Arten beigegeben iſt, die Specialwerke citiert, deren Studium zu der eingehenden Beſchäftigung mit den niederen Organismen nötig iſt. Sehr wertvolle Dienſte werden bei der Beſtimmung die dichotomiſchen Schlüſſel und in höherem Grade die zahlreichen guten Abbildungen leiſten. Leider wäre der Umfang des ſo wie ſo ſchon ſtattlichen Heftes zu bedeutend geworden, wenn Verf. alles hätte aufnehmen wollen, was uns eine Waſſerexkurſion an Aus— beute liefert. So beſchränkte er ſich auf die Protozoen und Rotatorien mit dem Verſprechen, die fehlenden Abtei— lungen, beſonders die Entomoſtraken im Bedürfnisfall in einem Supplementheft zu behandeln. Den einzelnen Ka— piteln gehen umfangreiche, einleitende Abſchnitte voraus. Die Gattungen ſind, ſoweit ſie feſtzuſtehen ſcheinen, alle aufgenommen, von den bekannten Arten etwas mehr als die Hälfte; die Abbildungen ſind in der Weiſe verteilt, daß im ganzen und großen auf jede Gattung eine Ab— bildung kommt. Das Buch ſchließt ſich in jeder Weiſe, auch in der äußeren Ausſtattung, würdig dem von Prof. Dr. Kirchner verfaßten J. Teil des Geſamtwerkes an, wel— cher ſchon früher in dieſen Blättern eine eingehende Be— ſprechung gefunden hat. Nur die eine Bemerkung ſei uns zum Schluſſe noch geſtattet, daß wir es für angezeigter gehalten hätten, die Angaben der Fang- und Unterſuchungs⸗ methoden der Tiere dem zoologiſchen Teil des Unter— nehmens vorauszuſchicken, ſtatt ſie als einen Teil der Ge— ſamteinteilung der botaniſchen Abteilung einzuverleiben. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Die Bibliothek der geſamten Naturwiſſenſchaften. Herausgegeben von O. Dammer, Stuttgart, Otto Weiſert eröffnet die Reihe ihrer Lieferungen (à 1 % ) mit einem von S. Rahmer bearbeiteten Hefte über die Lehre von den Lebensvorgängen im menſchlichen und tieriſchen Körper. Die Abfaſſung eines Lehrbuches der Phyſiologie, welches von ſelbſtändigen Forſchern für Forſcher geſchrieben iſt, erfordert vor allem Tiefe, Gründlichkeit, Reichtum der Ideen, Logik der Beweisführung und knappe ſachliche Dar— ſtellung; ſchon ein Lehrbuch, welches dem ſtudierenden Arzt und Naturkenner als Leitfaden gewidmet iſt, ſtellt ſeine Anforderungen ganz anders. Hierbei iſt überſichtliche An— ordnung des Stoffes, Klarheit der Darſtellung, Weglaſſung der ſchwierigſten Probleme, mit einem Worte Anpaſſung an das Faſſungsvermögen des Lernenden oberſte Bedingung, während die Beweisführung ſchon unter Hindeutung auf die Quellen oder Originalarbeiten abgekürzt wird. Immer— hin gibt es einen Rahmen, der etwas weiter oder enger ſein kann, aber durch einen dem Autor bekannten ſyſte— matiſchen Gang vorbereitender Studien bei den Leſern be— grenzt iſt, und jedermann, welcher dieſer Bildungsſtufe angehört oder über ſie hinausgelangt iſt, kann beurteilen, ob das Lehrbuch gut oder ſchlecht iſt, ob der Autor ſeinen Stoff für ſeine Schüler klar und verſtändlich abgefaßt hat oder nicht. Wie unendlich ſchwierig iſt dagegen die Aufgabe, die Phyſiologie populär darzuſtellen! Hier iſt jeder einzelne Leſer berechtigt, Kritik nach dem Stande ſeiner perſönlichen Kenntniſſe, nach ſeinem äſthetiſchen Gefühl und Geſchmack, nach ſeiner Geiſtesſchärfe und ſeinem religiöſen oder philo- ſophiſchen Gewiſſen zu üben, und kein Autor der Welt dürfte ſich vermeſſen, die Billigung auch nur der Mehr— heit, geſchweige, aller für ſich zu erringen. Der Autor einer populären Phyſiologie iſt eben ganz auf ſeinen ſchriftſtelleriſchen Takt angewieſen, und es ſcheint mir, daß S. Rahmer allen billigen Anforderungen hierin voll— kommen gerecht wird. Seine Einteilung iſt klar und für jedermann überſichtlich; ſeine Einleitung iſt ein kurzer hiſtoriſcher Ueberblick, ohne Phraſen einerſeits, ohne pe— dantiſche Schwerfälligkeit andererſeits, ſein Standpunkt iſt derjenige eines modernen fortſchreitenden Naturforſchers, dem der Wert der Thatſachen über den philoſophiſchen Be- trachtungen ſteht. Ganz muſtergültig ijt meines Erachtens, die Schreibweiſe, welche unter möglichſter Vermeidung von Fremdwörtern die nicht eben einfachen Vorgänge der Ver— dauung, der Drüſenabſonderung, der Bedeutung der ver— ſchiedenen Nahrungsmittel für den Körperhaushalt ſo an— ſchaulich hinſtellt, gewiſſe Fragen, welche ſich dem Laien dabei aufdrängen, ſo unſcheinbar nebenher beantwortet, daß man überall das angenehme Gefühl hat, daß die Sache 36 Humboldt. — Januar 1882. ungemein einfach und faßlich ſei. Hierauf würde ich das größte Gewicht legen, denn der Laie ſoll in diejenigen Bahnen des Denkens eingeführt werden, welche beim heu⸗ tigen Stande der Wiſſenſchaft als die richtigen anerkannt ſind, er ſoll nicht auf jede Lücke und Schwierigkeit auf⸗ merkſam gemacht werden und noch viel weniger durch ge⸗ naue Herzählung der Methoden und Gründe, auf welchen die Erfahrungen beruhen, zum Richter über den Wert der⸗ ſelben berufen werden. Auch hierin möchte ich Rahmers Takt anerkennen, der nicht nur zahlreiche Andeutungen über die Wege, auf welchen die Kenntniſſe gewonnen ſind, überall einſtreut, ſondern auch an dem Beiſpiel der Speichelabſonderung einen der ſo übel berufenen Tierverſuche anführt, um unter Benutzung des bekannten Holzſchnittes zu zeigen, daß die Phyſiologie die ſachliche Kritik einer aufgeklärten Laienwelt nicht zu ſcheuen peas Dieſe Populariſierung iſt in der That der einzige Weg, um die myſtiſchen Verdächtigungen, welche fort und fort gegen die Vertreter einer ernſten hoch⸗ wichtigen Wiſſenſchaft ausgeſtreut werden, zu beſeitigen; das Licht, welches durch dieſe Hefte im Volke verbreitet wird, ſendet ſeine erwärmenden Strahlen wieder in die Werkſtätten der Forſcher zurück, die ſich ſicher fühlen, von dem Volke, mit dem und für das ſie arbeiten, in ihren Zielen auch verſtanden zu werden. Möge die weiteſte Verbreitung dieſes Lichtes auch dem Verleger und Herausgeber ihre überall aufs glänzendſte hervortretende Arbeit lohnen. Greifswald. Prof. Dr. Grawitz. Bibliographie. Bericht vom Monat Oktober 188o. Allgemeines. Bericht, 32. u. 33., des Vereins für Naturkunde zu Caſſel über die Bers einsjahre vom 18. April 1884 bis dahin 1886, erſtattet v. E. Gerland. Kaſſel, Keßler. M. 1. 20. Bibliothek der geſamten e e Hrsg. v. O. Dammer. il, Lia. Stuttgart, Weiſert. Crüger, J., Naturlehre f. den Unterricht in Elementarſchulen. 18. Aufl. M. 15 Crüger, J a Schule der Phyſik. 12. Aufl Leipzig, Amelang. M. 7. Fennel, O., Die Wagner⸗Fennel'ſchen Tachymeter. Berlin, Springer. M. Guttſtadt, Die naturwiſſ. u. mediein. Staatsanſtalten Berlins. Berlin, Hirſchwald. M. 14. Haacke, W., 9 ie Fiſcher. M. 1. Hann, J., F. v. Hochstetter u. A. Pokorny, Allgemeine Erdkunde. Aſtron. u. phy). Geographie, Geologie u. Biologie. 4. Aufl. Leipzig, Freytag. M. 12. Hering, 55 50 Newton's Geſetz der Farbenmiſchung. Leipzig, Freytag. M. 1 Muſeenpflege u. Kolonjalthierkunde. Jena, Huhndorf, 55 Anleitung zur Anlage v. Süßwaſſeraquarien, Pflege und Wartung deren 50 und Pflanzen ꝛc. Preuß & Jünger. M. — Hummel, A., Caneneniiiiie: Anleitung zu phyſik u, chem. Ver⸗ ſuchen in gehobenen Volksſchulen, ee höherer Töchter⸗ ſchulen 2c. Halle, Anton. M. a — Leitfaden der Naturlehre. Day. e der Erfindungen. 15 a 9. Getic u. G. Bornemann. Jahrg. Leipzig, Quandt & Händel. M. Aten J., Die erſte Verſammlung deutſcher Naturforscher und Aerzte 5 Berlin im Jahr 1828. Eine Gedenkſchrift. Berlin, Staude. M. —. 6 Reinecke, W., Naturgeſchichte f. gehobene Volks⸗ u. mittlere Siegen 2. Kurſ. 2. Aufl. Quedlinburg, Vieweg. M. Sitzungsberichte der naturforſchenden Gesc zu Leibzig 12. Jahrg. 1885. Leipzig, Engelmann. M. — Stenglein's Mikrophotogramme zum Studium der angewandten Natur⸗ wiſſenſchaften. 1. Lfg. (12 Lichtdr⸗Taf. m. 16 S. Text.) Berlin, Parey 18. Swoboda's welehe f. Bürgerſchulen. Prechend bearb. v. L. Mayer. ſowie zur Breslau, Den neuen Lehrplänen ent⸗ 1. Stufe. 7. Aufl. Wien, Hölder. M. 64. Tageblatt der 59. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte in 9980 Berlin, Schumacher. Virchow, R., u. A. Guttitadt , Die Anſtalten der Stadt Berlin f. die öffentliche Geſundheitspflege u. f. den 0 fen saftti daw Unter⸗ richt. Berlin, Stuhrſche Buchh. M Wanderverſammlung, 3., der an o ooch Geſellſchaft in 2 10 zu Klagenfurt am 19. —21. Aug. 1885. Wien, Hölder. M. 2. 4 Weismann, A., Ueber den Rückſchritt in der Natur. Freiburg, Mohr. M. 1. Vhyfik. 33. Die Laboratorien der Elektrotechnik u. Von A. Neumayer. 34. Elektricität u. Von A. Ritter v. Urbanitzky. Wien, Bibliothek, elektro⸗techniſche. deren neuere Hilfsappargte. Magnetismus im Alterthume. Hartleben. a M. 3. Kelling, J., Ueber die Zuſtandsbedingungen der 50 u. Gaſe, ſowie über den Aether. Karlsruhe, Braun. M. 1. Lange, L., Die geſchichtliche Entwickelung d. eee u. ihr vorausſichtliches Endergebniß. Leipzig, Engelmann. Lommel, E., Die Beugungserſcheinungen We begrenzen Schirme. München, Franz'ſche Verlagshdlg. M. 4. 50 Meiſel, F., Geometriſche Optik, e. mathemat. Behandlg. der einfachſten ch nungen auf dem Gebiete der Lehre v. Licht. Halle, Schmidt. Lehrbuch der Phyſik u. Meteorologie. Müller⸗ Pouillebs 12 Aufl. Von 1. Bd. Braunſchweig, Vieweg. M. 1 L. Pfaundler. Pizzighelli, G, Handbuch der Photographie. 2. Bd. Die Water Halle, Knapp. M. 7. der Photographie f. Amateure u. Touriſten. Chemie. Chemiker⸗Kalender 1887. Von R. Biedermann. Springer. M. 3. — Gänge, C., Lehrbuch der angewandten Optik in der Chemie. ſchweig, „Vieweg 18 Jacobſen, O., Die Glykoſide. Breslau, Trewendt. M. 4. 80. Jahres⸗Bericht über die Fortſchritte der Thier⸗Chemie oder der phyſio⸗ logiſchen u. pathologiſchen Chemie von R. Maly unter Mitred. von 9 15 Andreaſch. 15. Bd., üb. d. J. 1885. Wiesbaden, Bergmann. 2 Theile. Berlin, Braun⸗ Krukenberg, C. F. W., Chemiſche 12. 90 zur wiſſenſchaftlichen Mediein. 1. Heft. Jena, Fiſcher. 5 Meuſel, E., Die Quellkraft der Rhodanate an die ‘Duellung als Urſache jrembartiger Reactionen. Gera, Reiſewitz. M. 1. Mitteregger, J. Lehrbuch der Chemie für Ser 1. Theil. pe Chemie 3. Aufl. Wien, Hölder. M. 3 Roscoe, H. E., Chemie. Deutſche 805 5 beſorgt v. F. Roſe. 4. Aufl. Straßburg Trübner. M. —. Schafft, A., Ueberſichtstafeln zum Unterricht in der 0 80. u. Mineralogie. Bielefeld, Velhagen und Klaſing. M. Wolff, H., u. J. Baumann, Tabellen zur 1 0 der igen Elementaranalyſe. Berlin, Springer. M. —. Zaengerle, M., Grundriß der 95 5 00 Chemie. Gh Aufl. Braun⸗ ſchweig, Vieweg & Sohn. M. 2. — Grundriß der negara Chemie. und Sohn. M. 1. 3. Aufl. Braunſchweig, Vieweg Aſtronomie. Klein, H. J., Stern⸗Atlas f. 20 der Himmelsbeobachtung. 1. Lg. Leipzig, Mayer. M. 1. 2 Romberg, Genäherte Oerter Sm Firſterne, von welchen in den Aſtronom. Nachrichten Bd. 67—112 ſelbſtänd. Beobachtungen 13 0 tt ſind, für die Epoche 1855 hergeleitet. Leipzig, Engelmann. 4. Schönfeld, E., Aſtronomiſche Beobachtungen auf der Sternwarte der königl. rheiniſchen Friedrich⸗Wilhelms⸗Univerſität zu Bonn. 8. Bd. Bonner Sternverzeichniß. 4. Section. Bonn, Marcus. M. 20. — Bonner Sternkarten. 2. Serie. Atlas der Himmelszone zwiſchen 10 u. 230 ſüdlicher Declination f. den Anfang d. Jahres 1855. Als Fortſetzg. des Bonner Atlas d. nördl. geſtirnten Himmels in den J. 1876-1885. 1. u. 2. Lfg. Daſelbſt. a M. 12. Seeliger, H., Ueber den Gintlug dioptriſcher Fehler d. Auges aut 1058 Reſultat aſtronomiſcher Meſſungen. München, Franz. M. Veröffentlichungen der großherzogl. Sternwarte zu Karlsruhe. rg. v. W. Valentiner. 2. Heft. Beobachtungen am Meridiankreis. Karls⸗ ruhe, Braun. M. 16. Geographie, Ethnographie, Beifewerke. Abhandlungen, geographiſche. Hrsg. v. A. Penck. 1. Bd. 1. Heft. Die Vergletſcherung d. Salzachgebietes nebſt Beobachtungen über die Eiszeit in der Schweiz. V. E. Brückner. Wien, Hölzel. M. 9. e oun) 9 115 v. d. geographiſchen Provinzen. Berlin, Mittler U. 2. Berger, H., Geſchichte 5 wiſſenſchaftl. Erdkunde d. i 1. Abth. Die Geographie der Jonier. Leipzig, Veit & Co. M. Diener, C., Libanon. Grundlinien der phyſ. Geographie if Geologie v. Mittel⸗ Syrien. Wien, Hölder. M. 16. Haas, H., Warum fließt die Eider in die Nordſee? Ein Beitrag zur Geographie u. Geologie d. ſchleswig⸗holſtein. Landes. Kiel, Lipſius u. Fiſcher. M. 1. e Me des Vereins für Erdkunde zu Halle. Halle, Tauſch und Je, ae nach Reiſen u. Studien dargeſtellt. 2. Bd. Land⸗ Groſſe Rein, J. ihe Forſtwirthſchaft, Induſtrie und Handel. Leipzig, Engelmann. 24. Mineralogie, Geologie, Geognoſte, Valäontologie. Engler, C., Das Erdöl von Baku. Cin A Geſchichte, Ge⸗ winnung, Verarbeitung. Stuttgart, Cotta. M. Geikie, A., Geologie. 0 beſorgt von O. Schmidt. 3. Aufl. Straßburg, Trübner. M. —. 80. Haas, H., Katechismus der Vefkennecungekunde Leipzig, Weber. M. 3. Henrich, F., Lehrbuch der Kryſtallberechnung. Stuttgart, Enke. M. 8. Klebs, N. Der 3. e Geologen⸗Congreß zu Berlin 1884. Leipzig, Engelmann. M. e F., Mineralogiſche u. ettohraßhiſche Tabellen. Leipzig, Freytag. Sigtarski, G. N., Geologiſche Unterſuchungen im centralen Balkan und in den angrenzenden Gebieten. Beiträge zur Geologie d. nördlichen Balkanvorlandes aliens 9 5 Flüſſen Isker und Jantra. Wien, Gerold's Sohn. M. 2 Humboldt. — Januar 1887. 37 Meteorologie. alb, R., Das Wetter u. der Mond. Wien, Hartleben. M 1. 50. ahresbericht über die Beobachtungs⸗Ergebniſſe der von den forſtlichen Verſuchsanſtalten des Königr. Preußen, des Königr Württemberg, des Herzogth. Braunſchweig, der thüringischen Staaten, der Reichs⸗ lande und den vom Landesdirectorium der Prov. Hannover einge⸗ richteten forſtlich⸗meteorologiſchen Stationen. Hrsg. v. A. Müttrich. 11. Jahrg. Das Jahr 1885. Berlin, Springer. M. 2. — des Centralbureaus für Meteorologie und Hydrographie im Groß⸗ herzogth. Baden, nebſt d. Ergebniſſen d. meteorolog. Beobachtungen und der Waſſerſtandsaufzeichnungen am Rhein und an ſeinen größeren Nebenflüſſen für das Jahr 1885, ſowie den Mittelwerthen für das Luſtrum 1881—1885 u. einer bibliograph. Beilage. Karls⸗ ruhe, Braun. M. 6. r A., Zur Klimatologie v. Czernowitz. 1 M. 1. Woeikof, A., Die Klimate der Erde. Nach dem Ruff. 1. Tl. Coſtenoble. M. 10. Czernowitz, Pardini. Jena, Botanik. Bibliotheca botanica. Abhandlungen aus dem Geſamtgebiet der Bo- tanik. Hrsg. v. O. Uhlworm u. F. H. Hänlein. 1.—3. Heft. Kaſſel, Th. Fiſcher. M. 66. Inhalt: 1. Vergleichende Anatomie der ſub⸗ merſen Gewächſe. Von H. Schenk. M. 32. — 2. Ueber die Gerbſtoff⸗ und e oh der Fumariaceen u. einiger anderen Pflanzen. V. W. Zopf. M. 30. — 3. Ueber Verbascum-Hybriden u. einige neue eae des Verbascum pyramidatum M. B. Von V. Sdiff- ner. M. 4 Botanifer-Ralender 1887. Hrsg. v. P. Sydow u. C. Mylius. 2. Jahrg. Berlin, Springer. M. 3. Bumm, E., Der Mikro⸗Organismus der gonorrhöiſchen Schleimhaut⸗ Erkrankungen „Gonococcus-Neißer“. 2. Ausg. Wiesbaden, Berg- mann. M. 6. Flügge, Die Mikroorganismen mit beſonderer Berückſichtigung der Aetio⸗ logie der Infektionskrankheiten. 2. Aufl. Leipzig, Vogel. M. 18. Frank, B., Ueber Gnomonia erythrostoma, die Urſache einer jetzt herrſchenden Blattkrantheit der Süßkirſchen im Altenlande, nebſt Be⸗ merkungen über Infection bei blattbewohn. saa Fl der Bäume überhaupt. Berlin, Gebr. Borntraeger. M. — Haberlandt, G., Beiträge zur Anatomie u. Phpſtologie der Laubmooſe. Berlin, Gebr Borntraeger. M. 8. Jahrbuch d. königl botaniſchen Gartens u. d. botaniſchen Muſeums zu Berlin. Hrsg. v. A. W. Eichler, A. Garcke u. J. Urban. 3. Bd. Berlin, Gebr. Borntraeger. M. 12. Jörgenſen, A., Die Mikroorganismen der Gärungsinduſtrie. Berlin, Parey. M. ‘4, Karſten, H., Illuſtriertes Repetitorium der pharmaceutiſch-medieiniſchen Botanik u. Pharmacognoſie. Berlin, Springer. Mittheilungen aus dem botaniſchen ee zu Graz. Hrsg. v. H. Leitgeb. 1. Heft. Jena, Fiſcher. M. Stadler, S., Beiträge zur Kenntniß der Nerlorien und Biologie der lügen. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 8. Stapf, O., Beiträge zur Flora v. Lycien, Carien u. Meſopotamien. Ann. 1881. 1882, 1883. Plantae collectae a F. Luschan. 2. Thl. Wien, Gerolds Sohn. M. 2. Sed 20 K. G., Rhizodendron Oppoliense Gépp. Breslau, Aderholz. 9 il Wille, N., Ueber die Entwickelungsgeſchichte der Pollenkörner der Wngio- ſpermen u. das Wachsthum der Membranen durch Intusſusception. Ueberſ. v. C. Müller. Chriſtiania, Dybwad. M. 2. 70. Dhyſtologie, Zoologie, Anthropologie. Albrecht, P., Sur la place morphologique de l'homme dans la série des mammiféres. Hamburg, Selbſtverlag. M. 1. Alterthümer, vorgeſchichtliche, der Prov. Sachſen u. angrenzender Gebiete. 4 pee Berichte üb. Ausgrabungen, unternommen von H. v. Borries. Heft. Halle, O. Hendel. M. 3. wan ae ants. Schmetterlingsſammler. Magdeburg, Creutz. M. 5. Baſtian, A., In Sachen des Spiritismus u. e. naturwiſſenſchaftlichen Pſychologie. Berlin, Nicolai. M. 4. Blätter, Leipziger, f. Nahrungsmittel⸗ Hygiene. Populär⸗ Waden Wochenſchrift f. öffentl u. private Geſundheitspflege. Hrsg. v. H. Dege. 1. Jahrg. Leipzig, Dürſelen. Vierteljährl. M. 1. 50 Bibliotheca zoologica. II. Verzeichniß der Schriften üb. Zoologie, welche in den periodiſchen Werken enthalten u. vom J. 1861—1880 ſelbſtändig erſchienen ſind. Bearb. v. O. Taſchenberg. 1. Lief. Leipzig, Engelmann. M. 7 Borgherini, A., Beitrige zur Kenntniß der Leitungsbahnen im Rücken⸗ marke. Wien, Hölder. a Braun, M., Ueb. d. Zwiſchenwirth d. breiten Bandwurmes (Bothrio- cephalus latus Brem.). Eine Entgegnung auf die Schrift des F. Küchenmeiſter: Die Finne d. Bothriocephalus u. ihre Uebertragung auf den Menſchen. Würzburg, Stuber. M 1. Gegenbaur, C., Zur Kenntniß der Mammarorgane der Monotremen. Leipzig, Engelmann. M. 4. His, W., Zur Geſchichte d. menſchlichen Rückenmarkes u. d. Nervenwurzeln. Leipzig, Hirzel M. 2. Kleinenberg, N., Die Entſtehung d. Annelids aus der Larve v. Lopa= dorrhynchus. Nebſt Bemerkungen üb. d. Entwickelung anderer Poly- chaeten. Leipzig, Engelmann. M. 12. Kobelt, W., Prodromus faunae molluscorum testaceorum maria a aaa inhabitantium. Fasc. 1. Nürnberg, Bauer & Rajpe. M. Koch, F. W. Der Heu- u. Sauerwurm od. der einbindige Traubenwickler (Tortrix ambiguella) und deſſen Bekämpfung. 2. Aufl. Trier, SEU M. —. Landois, L., Lehrbuch ae ‘Bhpfiotogie d. Menſchen. 5. Aufl. Wien, Urban & Schwarzenberg. M. 2 ee oe Vergleichende Zoologie f. Schulen. 2. Aufl. Jena, Mauke. M. Man, J. 65 15 Anatomiſche Unterſuchungen über freilebende Nordſee— Nematoden. Leipzig, Frohberg. M. 28. Masta, K. J., Der diluviale Menſch in Mähren. Urgeſchichte Mährens. Neutitſchein, R. Hoſch. M. 2. 40. Much, M., Die Kupferzeit in Europa und ihr wahl zur Cultur der Indogermanen. Wien, Kubaſta & Voigt. M. Müller, W., Südamerikaniſche Nymphalidenraupen. Verſuch e. natürl. Syſtems der Nymphaliden. Jena, Fiſcher. M. 11. Naturgeſchichte des Tier-, Pflanzen- und Mineralreichs. 1. Abtlg. Naturgeſchichte d. Tierreichs in 3 Tln. 8. Aufl. (mit 91 kolor. Taf) Ein Beitrag zur In 1 Bd. geb. Eßlingen, J. F. Schreiber. M. 20. Recklinghauſen, F. v., Unterſuchungen üb. die Spina bifida. Berlin, Reimer. 3. Robert, W., Der Traum, als Naturnothwendigkeit erklärt. 2. Aufl. enen Seippel. M. Roſer, K „Entzündung und 1 0 Leipzig. G. Thieme. M. 1. Rothe, C., Vollſtändiges Gerzeichnis der Schmetterlinge Sohn ⸗Ungarns, Deutſchlands u. der Schweiz. Wien, Pichlers Wwe. & S M. —. 80 Thon, F., Katalog d. öſterreichiſchen Cicadinen. Wien, ölder M. 1. 60. Wiedersheim, R., Lehrbuch der vergleichenden Anatomie d. Wirbelthiere. 2. Aufl. Jena, Fiſcher. M. 24. Eine hiſtoriſch-kritiſche Studie. Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. An dieſer Stelle beabſichtigen wir, den Freunden der Naturwiſſenſchaft, welche ſich mit irgend einer Disciplin praktiſch beſchäftigen wollen, alle auf Beobachtungen und Experimente bezüglichen Fortſchritte mitzu— teilen. Wir gedenken hauptſächlich Meteorologie und Phänologie, Chemie und Phyſik, Mikroſkopie und Photo- graphie, Kultur von Pflanzen und Sucht von Tieren, ſowie die Phyſiologie zu berückſichtigen und werden auch den Sammlern möglichſt zu dienen ſuchen. auch ſind wir gern bereit, Einſendungen aus dem Leſerkreiſe werden uns willkommen ſein, Auskunft zu geben und den Verkehr zwiſchen den Intereſſenten zu vermitteln. — Ganz beſonders möchten wir dieſe Abteilung auch der reiferen Jugend empfehlen, um ihre Beſchäftigung auf naturwiſſenſchaftlichem Gebiet zu regeln, fie vor Mißgriffen zu bewahren und den Sammeleifer in richtige Bahnen zu lenken. Apparat zur Prüfung des Flüſſigkeitsgrades von Flüſſigkeiten. Zur Prüfung des Flüſſigkeitsgrades von Oelen, namentlich Mineralölen hat ſich J. C. Stahl in Nürnberg einen einfachen handlichen Apparat patentieren laſſen, der auf die Beſtimmung der Zeit begründet iſt, deren eine Luftblaſe bedarf, um in einer mit der zu unter⸗ ſuchenden Flüſſigkeit gefüllten Glasröhre von unten nach oben zu ſteigen. Der Apparat beſteht aus einem Stativ mit dreieckigem Fuße und drei Stellſchrauben, aus einer Achſe mit zwei Scheibchen zum Drehen derſelben, aus zwei Glasröhren, die mit Glaspfropfen und eingeritzten Füll⸗ marken verfehen ſind, aus einer Senkwage zur Ermög⸗ lichung einer ſtets gleichmäßigen Aufſtellung des Apparates mit Hilfe zweier Stellſchrauben und aus einem Thermometer. Die zu unterſuchenden Flüſſigkeiten, ſeien es Oele oder auch wäſſerige oder alkoholiſche Flüſſigkeiten, werden längere Zeit in dem betreffenden Raume aufgeſtellt, um deſſen Temperatur (etwa mittlere von 15— 18“ C.) anzunehmen. 38 Humboldt. — Januar 1887. Man füllt die Röhre bis zur Füllmarke mit einer Pipette, ſchließt mit dem Glaspfropfen und dreht um 180°. Die zwiſchen der Flüſſigkeit und dem Glaspfropfen eingeſchloſſene Luft ſteigt nunmehr als Luftblaſe von unten nach oben, um ſo langſamer, je dickflüſſiger die Flüſſigkeit iſt. Die Zeit wird mit Hilfe einer Sekundenuhr beſtimmt. Ge⸗ hörige Reinhaltung des Apparates von Fett u. dergl. iſt natürlich zu beobachten. 1p Behandlung der Elektriſtermaſchine. Nur allzu häufig hört man Klagen über das mühſame Experimentieren mit den Generatoren der Reibungselektricität — der Elektriſier⸗ und Influenzmaſchine. Die Lehrer der Phyſik pflegen dieſem Teil ihres Gebiets faſt immer mit einer gewiſſen Unruhe entgegenzuſehen — wer weiß, ob die Apparate diesmal genügend funktionieren werden?! Ver⸗ faſſer hat ſich, namentlich in früheren Jahren, viel mit den einſchlägigen Verſuchen beſchäftigt, und glaubt ſich, ohne die erwähnten Unannehmlichkeiten verkennen zu wollen, eine gewiſſe Erfahrung angeeignet zu haben. Beim Ankauf neuer Generatoren ſollte man nur noch Electriſiermaſchinen mit Ebonitſcheiben wählen; der Er⸗ folg iſt ein überraſchender. Selbſtverſtändlich hat man darauf zu achten, daß man keine gegoſſenen oder aus Platten ge⸗ ſchnittenen Stücke erhält, welche ſich beim Temperaturwechſel zu ſehr werfen, ſondern es ſind lediglich die gepreßten Platten tauglich. Der Rand der Scheibe ſei wohl abgerundet und ebenfalls hoch poliert. Als relativ wirkſamſte Dimenſionen wird ſich ein Durchmeſſer von etwa 360 mm, eine Dicke von 5—6 mm empfehlen. Eine ſolche Scheibe iſt, wenn vor der oxydierenden Wirkung des Lichts geborgen, jahre⸗ lang unverändert empfindlich. Nach längerem Nichtgebrauch dürfte allerdings ein leichtes Abreiben mit etwas verdünn⸗ tem Petroleum ratſam ſein. Ein Gebrauch von feinem Schmirgelpapier zu dieſem Behufe, wie bisweilen empfohlen, iſt durchaus zu verwerfen. Das Amalgam iſt nach der Böttcherſchen Vorſchrift, jedoch mit einem geringen Zu⸗ ſatz von Talg, anzufertigen. Als Material für die Kiſſen iſt Papier am vorteilhafteſten; man kann dasſelbe in der bekannten amerikaniſchen Preſſung anwenden. Es nutzt ſich ſehr wenig ab und iſt der kräftigſte Erreger für Hart⸗ gummi. Statt der Winterſchen Aufſaugringe mit Nägeln empfiehlt ſich beſſer die entſprechende Vorrichtung der Leyſerſchen Maſchinen — ein halbkreisförmiges Meſſing⸗ ſtück, an der geraden Kante haarſcharf geſchliffen, an der gebogenen von einem Draht umwulſtet. Als Konduktor kann man ſich ſtatt der Meſſingkugeln auf Glasſtatif auch einer innen mit Zinnfolie bekleideten großen Glaskugel bedienen, getragen von einer mit dem Reibzeug in Ver⸗ bindung ſtehenden Metallſäule. Eine ſorgfältig ausgeführte Maſchine dieſer Art liefert 200 — 230 mm lange Funken. Will man den gewöhnlichen Elektriſiermaſchinen bei feuchter Luft zu Hilfe kommen, ſo wiſche man die Glas⸗ ſcheiben von Zeit zu Zeit mit heißer Watte ab und ſtelle auf beiden Seiten in einer Entfernung von 20 em je eine Aeolipile auf, deren Stichflamme nach dem Reiber zeigt. Was den Geſtellbau anlangt, ſo iſt es wünſchens⸗ wert, auch hier jede ſcharfe Kante zu meiden, alles mög⸗ lichſt rund herzuſtellen und ohne Verwendung von Metall- nägeln oder Schrauben. Die Stahlachſe ſollte mit Hart⸗ gummi umkleidet und dies ſowohl wie das geſamte Holzwerk hochgradig poliert werden. Die kurbeldrehende Hand könnte ſtets mit einem trocknen Lederhandſchuh be⸗ kleidet ſein, um die Berührung der immer etwas ſchwitzen⸗ den Finger zu vermeiden. Für Maſchinen mit Glasſcheiben erweiſt es ſich auch ſehr vorteilhaft, ftatt radialer Striche mit Fett auf letzteren lieber das Amalgam mit einer Kleinigkeit Vaſelin zu ver⸗ ſetzen. Die das Abſtrömen der Clektricität hindernden Taffetlappen, welche gar leicht niedergleiten oder reißen, können unbeſchadet durch Seidenzeug erſetzt werden, welches von einer feinen, etwas federnden Bambusrohrklaue an die Scheibe gepreßt wird. Die Achſenträger ſollen hoch, die Achſe ſelbſt lang ſein, damit die Scheibe ſich weder dem Grundbrett noch den Tragſäulen zu ſehr nähert. Die Rotation erfolge derartig, daß ſich die Scheibe — bei einer Stellung des Reibzeugs an der linken, der Saugplatten an der rechten Seite — im Sinne des Uhrzeigers drehe; daß alſo im Gegenſatz zu den gebräuchlichen Modellen die Taffet⸗ oder Seidenlappen den oberen Teil der Scheibe decken und der geriebene Teil ſomit ſtatt untenherum jetzt obenherum zu den Saugern gelangt. Die Seiden⸗ lappen können zur Unterſtützung der Iſolierfähigkeit von Zeit zu Zeit in einem Rahmen ſtraff geſpannt und mit Schellack gefirnißt werden. Zur Erzielung größerer Schlagweite bedient man ſich vorteilhaft der unverdienterweiſe nur ſehr ſporadiſch be⸗ kannten Vorrichtung nach Emsmann: 6—8 ineinander paſſende größere Reagiergläſer werden einerſeits mit Stanniol bekleidet; ein Metalldeckel mit Stiel zum Ein⸗ ſetzen in die Konduktorkugel verbindet die Belege. Ketten, wenn auch bisweilen geradezu unvermeidlich, ſind wegen des ſtarken Energieverluſtes möglichſt als Zwiſchen⸗ leiter zu verwerfen; einen mangelhaften Erſatz gewähren gut polierte, dünnwandige Meſſingröhren mit 3—4 Aus⸗ zügen und ſtarken runden Haken an den Enden. Ber Stanniolverbindungen find die Streifenränder ſtark zu firniſſen, da dieſe ſich bald löſen und Elektricität aus⸗ ſtrömen würden. Einen weſentlichen Faktor bildet auch bei Leitungen die allgemeine Iſolierung; wo man die Koſten aufwenden kann, ſollte man im Laboratorium einen Experimentier⸗ tijd) mit Glasplatte haben. Dieſelbe würde circa 2—3 em dick und vielleicht 2 m groß fein. Solche Platten erhält man aus der Siemensſchen Hartglasgießerei ziemlich wohlfeil; auch bei chemiſchen Verſuchen würde dieſer Tiſch gute Dienſte leiſten. Was nun das Kapitel der Influenzmaſchinen an⸗ langt, fo iſt deren Zahl ja heute Legion — wir verweiſen Intereſſenten auf das höchſt bedeutende Werk von Wallen⸗ tin (bet Hartleben in Wien) — für die Zwecke des Unter⸗ richts aber würde jedenfalls der von Voß modifizierten Holzſchen Maſchine der Vorzug zu geben ſein. Die einfache Holzſche Maſchine hat wegen ihrer Empfindlichkeit für feuchte Luft nicht ihren Platz in einem Schulkabinett. Wollte man jedoch eine ſolche anſchaffen, wegen der aller⸗ dings relativ größeren Spannung und Schlagweite gegen⸗ über den ſelbſterregenden Modellen, ſo wäre folgendes zu berückſichtigen: Man wähle die einfache Maſchine, mit nur einem Scheibenpaar, einer feſtſtehenden und einer rotierenden Scheibe. Die Modifikationen von Poggendorff und Kayſer, auf eine Vergrößerung der Scheibenzahl hinauslaufend, gewähren nach allgemeiner Erfahrung höchſtens 10% größere Schlagweite — der quantitative Zuwachs aber iſt für Schulverſuche unnötig. Auch die Maſchinen nach Bleck⸗ rode mit dünnen Ebonitplatten ſind zu verwerfen, da dieſe dünnen Platten ſich binnen kurzem werfen. Eine gut ausgeführte Maſchine nach Holz mit einer rotierenden Scheibe von 420 mm Durchmeſſer gibt unter günſtigen äußeren Ver⸗ hältniſſen bis 260mm lange Funken, namentlich wenn man auf die Elektrodenarme ſtatt der Kugeln einerſeits einen großen Hohlteller von etwa 120 mm Durchmeſſer, andererſeits eine mit Eiſenfeilſpänen gefüllte 200 g-Flaſche mit dem Halſe aufſchiebt. Die Entladungsfunken ſind dick und leuchtend, von heftigem Geräuſch begleitet. Verbindet man beide Konduktoren mit je einer Batterie von 4 Flaſchen, ſo erhält man bei einer Schlagweite von 60mm Entladungsſchläge von dem Tone eines Flinten⸗ ſchuſſes ; Gegen die Einwirkungen der feuchten Luft ſchützt man die Maſchine nur unvollſtändig. Man kann ſie nach Fricks Vorſchlag in einen heizbaren Glaskaſten ſtellen — immer⸗ hin eine umſtändliche Sache. Der Verfaſſer ſah vor einigen Jahren in Frankfurt a. M. ein ſolches Modell, allerdings äußerſt praktiſch ausgeführt, aber enorm teuer — 650 M.! Die Maſchine ſtand in einem Glaskaſten auf eigenem Tiſche; getrieben ward ſie durch einen größeren elektriſchen Motor nach Siemens, welcher zugleich eine Saugpumpe in Be⸗ Humboldt. — Januar 1887. 39 wegung febte, die heiße Luft aus einem Metallgefäße ins Innere des Kaſtens trieb. Das Metallgefäß ward durch einige Gasflammen glühend erhalten. Solche Inſtrumente aber ſind für die Schule zu koſtſpielig; man kann ſich etwas helfen durch häufiges Abreiben mit heißer Watte; wünſchenswert iſt es ferner, daß die feſtſtehende Scheibe um 10° warmer ſei als die rotierende; namentlich gilt dies für die Papierbelege. Zum raſchen Anwärmen und Warmhalten des Glaſes bedient man ſich auch hier vorteilhaft der Aeolipilen. Eine ſorgfältige Iſolation aller Konduktoren, ſowie der Welle iſt Hauptbedingung — man verwende hierfür nur Hartgummi. Eine häufig ventilierte Frage iſt, ob man die Scheiben der Holzſchen Maſchinen lackieren ſoll oder nicht. Wir möch⸗ ten — eine gut iſolierende Glasſorte als Hauptbedingung vorausgeſetzt — die Frage entſchieden bejahen. Man nehme von ungebleichtem, braunem Schellack 40 Gewichtsteile, löſe ſie in 60 Teilen abſolutem Alkohol und ſetze 6 Teile reinen venezianiſchen Terpentin zu. (Borchardts Vor— ſchrift.) Die Scheiben ſind gelinde zu erwärmen, trocken abzureiben und dann raſch und dünn zu lackieren. Wird der glänzende Lacküberzug allmählich riſſig, ſo iſt er durch 48ſtündiges Liegen in kaltem Waſſer zu entfernen. Vor dem Neulackieren iſt auch Erneuerung der Belege ge— boten. Die rotierende Scheibe iſt vor jedesmaligem Ge— brauche mit alter weicher Leinwand von anhaftendem Staube zu befreien. Ungleich ſicherer aber funktionieren die ſogenannten Voßſchen Maſchinen mit Selbſterregung. Die Anwendung derſelben iſt ſo außerordentlich einfach und zuverläſſig, daß hier eigentlich nichts zu erwähnen iſt. Reinhalten der Glasſcheiben und Konduktoren bleibt natürlich auch hier ſtets zu beachten. Sollte die Maſchine ausnahmsweiſe ein⸗ mal verſagen, ſo lade man einen der Papierbelege der feſten Scheibe; ferner hat man darauf zu achten, daß die Pinſel, welche über die 6 Metallknöpfe der rotierenden Scheibe ſchleifen, von Zeit zu Zeit etwas nachgeſtellt werden. Auch empfiehlt es ſich, die Rotationsgeſchwindigkeit anfangs ziem— lich langſam zu geſtalten, dann erſt nach Eintritt der Ladung dieſelbe zu ſteigern. Immerhin ſollte aber ſelbſt bei den kleineren Modellen die Scheibe nie mehr als 900 Touren pro Minute machen. Um zum Schluß noch ein Wort über die zum Laden der Influenzmaſchinen dienenden ſogenannten Erregungs⸗ platten zu ſagen, ſo empfiehlt der Verfaſſer hierfür recht⸗ eckige Platten aus dem oben erwähnten gepreßten Papier. Ehe dieſe ſteinharten Tafeln die letzte Glanzpolitur er- halten, ſind ſie einige Minuten in Petroleum zu baden; alsdann werden ſie an der Luft getrocknet und poliert. Eine ſolche Tafel von 300 mm Länge und 100 mm Breite wird mittels eines breiten Seidenbandes gehalten und durch ſtarkes Bürſten mit einer harten Bürſte erregt. Vor⸗ heriges Anwärmen ſteigert den Effekt. Die oben erwähnten Elektriſiermaſchinen ſowie die Holzſchen und ſelbſterregenden Influenzmaſchinen liefert in ſolider und hübſcher Ausſtattung bei ſehr mäßigen Preiſen die Berliner Lehrmittelanſtalt von J. Biſchof, Berlin N. Oranienburgerſtraße 75. v. B.—M. Ein neuer Kulturapparat. Von den zarteren Pflanzen des Treibhauſes gedeihen viele, namentlich Farne, Selaginellen, Maranten 2c. auch im Zimmer, wenn man ihnen hinreichende Luftfeuchtigkeit geben kann. Trocken⸗ heit der Luft und Staub ſind die größten Feinde der Zimmerpflanzen. Für die Kultur jener zarten Gewächſe im Zimmer ſind zahlreiche Apparate angegeben worden, Gefäße mit Glasglocken, kleine aus einem metallenen Geſtell und Glastafeln konſtruierte Häuſer, teils mit, teils ohne Heizung ꝛc.“). Einen neuen, recht geſchmackvollen und empfehlenswerten Apparat, welchen unſere Abbildung zeigt, hat die Metallwarenfabrik von Gebrüder Nagel in Lindenau⸗Leipzig geliefert. Derſelbe zeichnet ſich dadurch *) Eine ziemlich vollſtändige Beſchreibung und Abbildung dieſer Kultur⸗ apparate enthält: Dammer, der Naturfreund Bd. I. Stuttgart 1886. aus, daß er auch einen Behälter für kleine Fiſche beſitzt und ſomit ein ſehr hübſches Ausſtattungsſtück bildet, ohne deshalb für erſteren Zweck weniger geeignet zu ſein. Er beſteht aus einem Glasgefäß, welches mit einer Glas- glocke derartig bedeckt iſt, daß eine Fuge von etwa 0,75 em Höhe bleibt. Die Glocke ruht nämlich auf drei Meſſing— klammern, die auf dem Rande des unteren Gefäßes reiten, und erhält durch dieſe einfache Vorrichtung eine voll- kommen ſichere Stellung. Das untere Gefäß iſt ring⸗ förmig und umſchließt eine Thonſchale, die beliebig mit kleinen Pflanzen gefüllt werden kann. Der Apparat eignet ſich beſonders für die oben genannten Gewächſe, welche darin vortrefflich gedeihen. Wir haben auch heimiſche Sumpf- pflanzen wie Drosera-Arten, Hydrocotyle, Potentilla procumbens, Vaccinium Oxycoccos, Aspidium Thely- pteris etc. darin kultiviert und die Freude gehabt, Dro- sera zu vollkommenſter Schönheit zu erziehen und zur Blüte zu bringen. Das Waſſer hält die Luft beſtändig Kulturapparat. feucht und dabei findet durch den Spalt ein hinreichender Luftwechſel ſtatt, um die Pflanzen nicht zu verweichlichen. Dieſer Luftwechſel hat zur Folge, daß man ziemlich oft gießen muß, namentlich wenn der Apparat von der Sonne getroffen wird. Um nun hierbei die Abnahme der Glocke zu erſparen, haben wir das Loch im Boden der Thonſchale etwas erweitert, einen durchbohrten Kork eingeſetzt und in dieſen ein ganz kurzes Glasrohr geſteckt, welches etwa 0,5 em in das Thongefäß hineinragte. Auf das äußere Ende des Glasrohrs wurde ein Kautſchukſchlauch geſchoben und letzterer an ſeinem anderen Ende mit einem Glastrichter verſehen. Wenn man dieſen etwas höher hält als die Schale, ſo kann man die Erde beliebig bewäſſern und ſie nach einiger Uebung ohne große Mühe beſtändig gleich— mäßig feucht erhalten. Bei ſolcher Bewäſſerung von unten würde ſich der Apparat wahrſcheinlich auch zur Anzucht von Farnen vortrefflich eignen. Wenn man Sumpfpflanzen kultivieren will, die in völlig mit Waſſer durchtränktem Boden wachſen, dann ſtellt man die Thonſchale durch Unterlegen von Holzſtückchen etwa 3 em höher, ſteckt in das erweiterte Bodenloch einen durchbohrten Kork mit kurzem Glasrohr, kittet in das kleine Loch im Boden des ringförmigen Glas- gefäßes ebenfalls ein kurzes Glasrohr und verbindet beide Röhren durch einen kurzen Kautſchukſchlauch miteinander. Das Waſſer ſtellt ſich dann in der Erde des Thongefäßes ebenſo hoch wie in dem Glasgefäß, und die obere Schicht, 40 Humboldt. — Januar 1887. in welcher kleine Pflanzen wie Drosera wurzeln, beſitzt | Verſuchspflanzen beiträgt. Die Lüftung geſchieht in ein⸗ beſtändig den Grad von Feuchtigkeit, wie er auch im Sumpf facher Weiſe, indem man ein Glasrohr durch den Kork vorhanden iſt. Will man den Zufluß des Waſſers min⸗ in die Nährlöſung einführt und dasſelbe mit einem Aſpi⸗ dern, ſo kann man durch den Kautſchukſchlauch einen ſtärkeren oder ſchwächeren Baumwolldocht ziehen und auf dieſe Art 0 leicht einen Feuchtigkeitsgrad der Erde erreichen, wie er ſich für Pflanzen, die auf trocknerem Boden wachſen, eignet. In dem Waſſer des Glasgefäßes gedeihen kleinere Fiſche ſehr gut, beſonders wenn man darin Waſſerpeſt \e (Elodea canadensis) u. dergl. wuchern läßt. Die Fiſche finden dann bequeme Schlupfwinkel und können ſich leicht jeder Beunruhigung vollſtändig entziehen. Selbſtverſtänd⸗ lich kann man auch den Ring oder das Thongefäß als Terrarium einrichten und namentlich Amphibien darin halten, denen nach Belieben Land- oder Waſſeraufenthalt, Sonne und Schatten zur Verfügung ſteht. Der Apparat beſitzt 30 em Durchmeſſer und genügt daher für alle Zwecke, doch wäre zu wünſchen, daß die Fabrik noch eine größere Nummer, etwa von 45—50 em Durchmeſſer herſtellen möchte. D. Waſſerkulturen. Die Erziehung von Pflanzen in Nährlöſungen iſt eine für die Pflanzenphyſiologie jährlich wiederkehrende Arbeit, da durch dieſen Verſuch am ſchla⸗ gendſten demonſtriert wird, welche Nährſtoffe die Pflanzen brauchen. Wie in der Regel bei Experimenten iſt es nicht zu umgehen, die Pflanzen in Bedingungen zu bringen, welche ihrer Natur nicht ganz angemeſſen ſind; ſo iſt im vorliegenden Fall ein nicht zu umgehender Zwang, die Wurzeln von Pflanzen, welche ſonſt im Boden wachſen, im Waſſer wachſen zu laſſen. Es fehlt im Waſſer, wenn man die Nährlöſung nicht häufig wechſeln will, was immer Kultur von Pflanzen in durchlüfteten Löfungen. mit einer Störung der Pflanze verbunden iſt, den Wurzeln bald die nöthige Menge Sauerſtoff zu ihrer Atmung. rator verbindet, wie vorſtehende Figur erläutert. Ein täglich Daher empfiehlt es ſich, durch Lüftung der Kulturgefäße ein⸗ bis zweimaliges Durchleiten von ca. 8— 10 1 Luft reicht den Wurzeln Sauerſtoff zuzuführen, was, wie mehrfach | hin, um das Gedeihen der Verſuchspflanzen ganz augen⸗ wiederholte Verſuche beweiſen, ſichtlich zum Gedeihen der ſcheinlich zu fördern. Hn. Verkehr. Wir eröffnen an dieſer Stelle einen Verkehr mit unſeren Leſern und bitten um recht lebhafte Beteiligung. Anfragen, welche an die Redaktion geſtellt werden, wird dieſelbe, ſoweit es ihr unter Inanſpruchnahme von Fachmännnern möglich ijt und ſoweit die Fragen allgemeines Intereſſe zu beſitzen ſcheinen, an dieſer Stelle be⸗ antworten. Wo eine ſofortige Antwort unmöglich ijt, wird die Frage hier abgedruckt werden, und damit foll zugleich die Bitte um Beantwortung an jeden Leſer ausgeſprochen ſein. Sehr erwünſcht werden uns auch An⸗ regungen ſein, die wir gern an dieſer Stelle zur Diskuſſion ſtellen. Ebenſo wollen wir hier kleinere Beob⸗ achtungen veröffentlichen, die uns aus dem Leſerkreiſe mitgeteilt werden. Selbſtverſtändlich aber muß die Re- daktion für alles, was nicht von ihr ſelbſt ausgeht, die Verantwortlichkeit ablehnen. Sie kann deshalb auch die Einſendungen aus dem Leſerkreiſe nur publizieren, wenn dieſelben mit vollem Namen unterzeichnet ſind. $7 Wir hoffen, daß dieſe, in England ſehr lebhaft gepflegte, bei uns aber bisher nur wenig gebräuchliche Einrichtung ſich mit der Seit gedeihlich entwickeln und dem Leſerkreiſe manches bringen werde, was ſonſt ſchwer zur allgemeinen Kenntnis gelangt. Fragen und Anregungen. aus vielen anderen herausfindet und von vornherein ſagen 1 5 | kann, ihre Eltern müſſen zur Zeit der Zeugung alt geweſen 1. Es wird neuerdings beſtritten, daß irgend welche ſein. Man bittet, entſprechende Fälle unter Angabe der während des Lebens erworbene Eigenſchaften — insbeſon⸗ Altersverhältniſſe aller drei Beteiligten an den „Humboldt“ Ta Seen a uel von e e und Tieren je auf die einzuſenden. achkommen vererbt worden ſeien. Profeſſor Weismann 1 ; 8 iſt i hat darauf weittragende auf 55 e beyiige 8. Wo und in welchen Jahrgängen iſt in Deutſchland liche Schlüſſe gegründet. in den letzten Jahren das Vorkommen der beiden Krebſe Man bittet, etwaige wohlgeſtützte Beobachtungen über Apus cuncrformis und Branchipus stagnalis beobachtet Vererbung ſolcher erworbener Eigenſchaften an die Redaktion worden? Wo ſind e in einem Waſſer zuſammen des „Humboldt“ mitzuteilen und macht ganz beſonders ee eee, ee ee Familienväter und Landwirte (Tierzüchter) auf die Frage 4. Zum Zweck einer wiſſenſchaftlichen Arbeit werden die aufmerkſam. ſchmetterlingsfreundlichen Leſer dieſer Zeitſchrift in⸗ und 2. Kinder von alten Eltern, beſonders von alten Vätern, außerhalb Europas darum gebeten, der Redaktion mitzu⸗ erzeugt, zeigen nach Prof. Eimer ſchon in den Kinderfahren teilen, ob fie auf Grund eigener Beobachtung imſtande einen auffallend alten Geſichtsausdruck, fo daß man fie | und bereit wären, Raupen mit beſtimmt zu ihnen ge⸗ Humboldt. — Januar 1887. 41 hörigen ausländiſchen Schmetterlingen einzuſenden (be⸗ ſonders wenn ihnen die Konſervierungsweiſe der erſteren mitgeteilt wird), ferner Nachrichten über ihre Ernährungs⸗ und ſonſtige Lebensweiſe zu geben. 5. In den Büchern der beſchreibenden Botanik wird allgemein der Blütenſtand des Vergißmeinnicht und anderer Rauhblättrigen als ein „Wickel“ angegeben; die betreffenden Zeichnungen weiſen aber immer auf eine „Schraubel“ hin; und die nicht geöffneten Blüten liegen auch thatſächlich wie bei der „Schraubel“ eingerollt. In keinem der auf Univerſitäten gebräuchlichen Lehrbücher findet ſich eine brauchbare Erklärung. Vielleicht findet ſich eine unſerer botaniſchen Koryphäen durch dieſe Anfrage bewogen, das in Rede ſtehende Kapitel gründlich zu erörtern. 6. Welche Schreibweiſe ijt richtig: Pirus oder Pyrus (Obſtbaum). Die meiſten Floriſten ſchreiben Pyrus, Wagner dagegen bezeichnet die erſtere Schreibweiſe als die der Ab⸗ ſtammung gemäße. 7. Stammen die ſchwarzen Korallen des Handels ebenfalls von roten Korallen oder ſind dieſelben beſondere Tierarten? 8. Es wird behauptet, daß beim Abſchießen eines Ge⸗ wehrs, deſſen Lauf nahe der Mündung auf eine kurze Strecke mit reinem trockenen Sand gefüllt iſt, die Kugel niemals den Lauf verlaſſen kann, daß letzterer vielmehr durch die Pulvergaſe geſprengt wird. Ja, der Lauf ſoll ſogar nach dem Glauben mancher Jäger geſprengt werden, wenn er nur durch Spinngewebe verſchloſſen iſt. Iſt das richtig und wie würde ſich die Thatſache erklären? 9. Wenn man einen mit Waſſer gefüllten blanken kupfernen Keſſel auf das Feuer ſetzt und das Waſſer ſchnell zum Kochen bringt, fo kann man den vom Feuer genom- menen und nicht berußten Keſſel ſogleich auf die flache Hand ſtellen, ohne ſich zu verbrennen. Wie iſt das zu erklären? 10. In Waſſer getauchte Körper erleiden bekanntlich einen Gewichtsverluſt. Wenn man alſo, um lebende Fiſche zu wägen, auf die eine Schale einer gleicharmigen Wage ein Gefäß voll Waſſer, auf die andere einen äquivalenten Gewichtsſatz ſtellt, dann den Fiſch in das Waſſerreſervoir wirft und ihn ſo wägt, ſo muß man nach obiger Theorie entſchieden einen Fehler begehen, da das Gewicht des Fiſches als zu klein erſcheinen wird? 11. Gibt es einen Apparat, welcher geſtattet, den Schülern das wichtige Leidenfroſtſche Phänomen ohne An⸗ wendung der umſtändlichen und nicht überall vorrätigen Projektionsapparate dennoch handgreiflich zu demonſtrieren? 12. Eine von mir gelegentlich einer Auktion erſtandene Hand-Dynamomajdine mit feiner Wickelung liefert bril- lantes Bogenlicht; verſchiedene Verſuche mit Glühlampen ſogar kleineren Kalibers ergaben jedoch recht ungenügende Verſuche. In welcher Weiſe könnte ich mir die Maſchine auch für Glühlicht nutzbar machen, oder iſt dies überhaupt unmöglich? t Beilage * Die 59. berſammlung deutſcher Laturforſcher und Aerzte zu Berlin. Die in den Tagen vom 18. bis 24. September 1886 zu Berlin abgehaltene 59. Verſammlung deutſcher Natur⸗ forſcher und Aerzte iſt, wie unſere Leſer bereits aus der Tagespreſſe erſehen haben werden, eine außerordentlich erfolgreiche geweſen; dieſelbe hat ſich — ſo darf man wohl ohne Uebertreibung ſagen — zu einem Triumphe deutſchen naturwiſſenſchaftlichen Geiſtes geſtaltet. Durch die Ver⸗ einigung der hervorragendſten Kräfte, wie ſie in den all⸗ gemeinen Sitzungen des Kongreſſes und in noch höherem Grade bei den Verhandlungen der Sektionen hervortrat, wurde in der That ein lebendiges Bild entworfen von jenen Fortſchritten, welche während der letzten Jahre auf den verſchiedenſten Gebieten der naturwiſſenſchaftlich-medi⸗ ziniſchen Forſchung zu verzeichnen ſind. Auch bedarf es kaum einer Erwähnung, daß jene wiſſenſchaftlichen Inſtitute, an denen die Reichshauptſtadt faſt überreich iſt, zu dem beſagten Erfolg nicht wenig beigetragen haben. Botaniſcher Garten und botaniſches Muſeum, Bergakademie, geologiſche Landesanſtalt und mineralogiſches Muſeum, das anatomiſch⸗ zootomiſche Muſeum, das Muſeum für Völkerkunde, die landwirtſchaftliche Hochſchule, das aſtrophyſikaliſche Inſtitut zu Potsdam und die techniſche Hochſchule zu Charlotten— burg, die chemiſchen, phyſikaliſchen und phyſiologiſchen Inſtitute, ferner die impoſanten Krankenhäuſer der Reichs⸗ hauptſtadt, die Irrenanſtalt zu Dalldorf, das Idiotenaſyl, die Blindenanſtalt, ſowie jene großartigen Anlagen, in welchen die auf dem Gebiete der Geſundheitspflege und Geſundheitstechnik gemachten Erfahrungen praktiſche Ver⸗ wendung gefunden haben; das Hygienemuſeum und das in neueſter Zeit durch die daſelbſt vorgenommenen bakterio⸗ logiſchen Unterſuchungen zu höchſter Bedeutung empor⸗ gewachſene Laboratorium des Reichsgeſundheitsamts — alle dieſe großartigen, zum Teil weltberühmten Inſtitute boten den Kongreßbeſuchern eine Fülle von Anregung und Belehrung. Humboldt 1887. Die am 18. September abgehaltene Eröffnungsſitzung wurde durch einen Vortrag des erſten Geſchäftsführers Rudolf Virchow eingeleitet, in welchem der berühmte Ge— lehrte den Entwickelungsgang der naturwiſſen⸗ ſchaftlich-mediziniſchen Forſchung und ſpeciell die ſeit dem Jahre 1828 — jenem Jahre, wo die 1822 hauptſächlich durch Okens Bemühungen ins Leben gerufene Naturforſcherverſammlung unter Alexander von Humboldts Vorſitz zum erſtenmale in Berlin tagte — einer Be- trachtung unterzog. Er führte aus, daß der erſte Schritt, der auf der Bahn der zunehmenden Erkenntnis gethan wurde, gewiſſermaßen die erſte Phaſe der naturwiſſenſchaftlichen Entwickelung, darin beſtand, daß man zunächſt die beſchreibenden Naturwiſſenſchaften pflegte, daß durch die Betrachtung und Beobachtung von Natur— objekten eine Erziehung der Sinne bewirkt wurde. Das Auge des Menſchen mußte erſt daran gewöhnt werden, die Merkmale der Dinge in wiſſenſchaftlichem Verſtändnis zu fixieren und das Verdienſt, welches ſich Buffon und Linné gerade in dieſer Beziehung erworben haben, wird nur dem ganz klar, der ſich vergegenwärtigt, daß den hervorragendſten Naturforſchern des Altertums, wie z. B. Ariſtoteles und Theophraſt, die Schärfe der Naturbeobachtung, die wir heutzutage mit Recht hochſchätzen, völlig fehlte. Die vor wenigen Jahren aufgetauchte Frage, ob die Hellenen der Homeriſchen Zeit die volle Befähigung der Farben- wahrnehmung beſeſſen haben und ob dieſelbe bei den Natur- völkern nicht noch jetzt defekt iſt, dieſe Frage iſt dahin zu entſcheiden, daß vielen Völkern ausreichende Farbenbezeich⸗ nungen fehlen, obwohl ihr Auge ſehr wohl befähigt iſt, auch ſchwache Farbenſchattierungen wahrzunehmen. Es iſt eben lediglich die ſchon erwähnte Erziehung der Sinne, wie ſie durch die beſchreibenden Naturwiſſenſchaften an⸗ gebahnt wird, welche es ermöglicht, daß das Wahr— 6 42 Humboldt. — Januar 1887. genommene zu bewußtem Beſitz gebracht und durch be⸗ ſondere ſprachliche Bezeichnungen fixiert wird. Auch läßt ſich nicht verkennen, daß die Entwickelung der beſchreiben⸗ den Naturwiſſenſchaften jene Vorliebe für Naturbeobachtung und Naturgenuß erzeugt hat, welche die Grundlage der jetzt allgemein verbreiteten Vorliebe für das Reiſen bildet. Andererſeits war freilich die Beſchreibung der Natur⸗ objekte an und für ſich nicht genügend, um darauf die heutige Blüte der Naturforſchung zu begründen; zu der beſchreibenden Naturkunde mußten vielmehr die „exakten Wiſſenſchaften“ ſich hinzugeſellen, d. i. jene Methode der Forſchung, welche dem Zwecke dient, die Ur⸗ ſachen der Erſcheinungen und jene Geſetze, welche die Natur beherrſchen, kennen zu lernen. Wie wichtig aber gerade die Erforſchung der den Erſcheinungen zu Grunde liegenden Urſachen iſt, dies beweiſt die Aſtro⸗ nomie, die erſt von dem Momente an zu einer Wiſſen⸗ ſchaft im eigentlichen Sinne des Wortes wurde, als man die Geſetze kennen lernte, welche den Bewegungen der Himmelskörper zu Grunde liegen. Freilich traten auch faſt gleichzeitig mit der zuletzt erwähnten naturwiſſenſchaft⸗ lichen Richtung jene philoſophiſchen Syſteme in die Er⸗ ſcheinung, welche in immer neuen Formeln die Grund⸗ geſetze des menſchlichen Geiſtes zu enthüllen und in aprio⸗ riſtiſcher Weiſe deren Zuſammenhang mit der übrigen Welt verſtändlich zu machen verſuchten und es erwuchs hieraus jener ſchroffe Gegenſatz in der Methode zwiſchen den exakten und ſpekulativen Wiſſenſchaften, jene naturphiloſo⸗ phiſche Richtung, durch welche die biologiſche Forſchung auf Irrwege geleitet wurde. Ob⸗ wohl bereits 1786, alſo genau vor 100 Jahren, Galvani jene denkwürdige Beobachtung gemacht hatte, daß ein Froſchſchenkel in Zuckung gerät, wenn Muskel und Nerv desſelben durch einen Metallbogen miteinander in Ver⸗ bindung geſetzt werden, — ein Experiment, aus dem man an und für ſich ſchon hätte ſchließen können, daß im Tier⸗ körper dieſelben phyſikaliſchen Kräfte thätig ſind, welche auch ſonſt in der Natur zur Geltung kommen, — huldigte man doch damals ziemlich allgemein der Vorſtellung, daß das Lebendige gänzlich verſchieden von dem Unbelebten, anderen Geſetzen unterworfen und daher auch nach anderer Methode zu betrachten ſei Andererſeits darf nicht über⸗ ſehen werden, daß um dieſelbe Zeit Goethes Unterſuchungen über die „Metamorphoſe der Pflanze“ weſentlich dazu bei⸗ trugen, die genetiſche Methode, jene Betrachtungsweiſe, welche ſich nicht ſowohl mit dem Sein, d. h. mit der ab⸗ geſchloſſenen Exiſtenz der Organismen beſchäftigt, als viel⸗ mehr mit dem Werden, mit dem Entwickelungsprozeß, aus dem die organiſchen Weſen hervorgehen, in die biolo⸗ giſchen Wiſſenſchaften einzuführen und daß, wie bis jetzt nur wenigen bekannt iſt, Kaſpar Friedrich Wolff, der Sohn eines Berliner Schneidermeiſters durch ſeine an Weißkohl⸗ blättern und Bohnenblüten, ſowie an Hühnereiern gemachten Beobachtungen, deren Ergebniſſe er in ſeiner „Theoria generationis“ niederlegte, die Entwickelung ſowohl der Pflanze wie des Tieres ſtudierte und ſo Bedeutendes leiſtete, daß man ihn als den Vater der neuen Disciplin der Em⸗ bryologie bezeichnen darf. Endlich muß als letzte Phaſe, welche die naturwiſſen⸗ ſchaftliche Forſchung zu durchlaufen hatte, die Methode der mechaniſchen Naturbetrachtung, nicht mechaniſch in dem Sinne, daß man mechaniſch und organiſch als Gegenſätze auffaßt, ſondern mechaniſch in jenem wahrhaft philoſophiſchen Sinne, den Leibnitz angedeutet hatte, wenn er jagte: Omnia in corporibus mechanice explicari posse, hier noch erwähnt und daran erinnert werden, daß erſt in unſeren Tagen der principielle Kampf zwiſchen Vitalismus und Mechanismus durch Lotzes ſcharfſinnige Darſtellung der Pathologie und Therapie als mechaniſcher Wiſſenſchaften ihren Abſchluß gefunden hat. Auch muß anerkannt werden, daß wenn es anfangs ſchien, daß Darwins Lehre die bis dahin gemachten Errungenſchaften über den Haufen werfen und den kaum beſeitigten irrigen naturphiloſophiſchen Anſchauungen wieder Thor und Thüre öffnen würde, daß dieſe Befürchtung unbegründet war, da das welterſchütternde Buch, welches der engliſche Natur⸗ forſcher über den Urſprung der Arten veröffentlichte, dieſe Frage nicht im Sinne der Naturphiloſophie, ſondern in demjenigen der Naturforſchung erörterte und nicht die allgemeinen Möglichkeiten, ſondern die einzelnen praktiſchen Fälle diskutierte. Darwin ſuchte nicht beſondere organiſche Kräfte, ſondern er forſchte der mechaniſchen Wirkung der einzelnen Urſachen nach und indem er auch die Wider⸗ ſtrebenden in ſeinen Gedankengang zwang, gliederte ſich das, was bis dahin nur als ein buntes Durcheinander er⸗ ſchien, in ſeiner Hand zu langen geſetzmäßigen Reihen kontinuierlicher Entwickelung. Auch iſt es, wie Redner hervorhebt, als ein glücklicher Umſtand zu bezeichnen, daß zur Zeit, wo die Darwinſche Lehre fic) in immer weitere Kreiſe verbreitete, die Biologie in der Erkenntnis des organiſchen Elements: der Zelle bereits eine neue und ſichere Grundlage gewonnen hatte und daß ſich die ſpekulative Frage von der Deſcendenz ſehr bald in die praktiſche Frage von dem kontinuierlichen Zuſammenhange und von der inneren Einrichtung der zelligen Gebilde auf⸗ löſte. Es iſt, wie ſchon geſagt, ein glücklicher Umſtand ge⸗ weſen, daß die Zellenlehre zu jener Zeit ſchon eine feſte Baſis für die Biologie abgab, weil es ſonſt leicht hätte geſchehen können, daß der überſchwengliche Eifer der Freunde Darwins die ganze Bewegung in eine mehr ſpekulative, über die Grenzen der Erfahrung und der nüchternen Schluß⸗ folgerung hinausgreifende Bahn getrieben hätte. Virchow ſchloß mit dem Hinweiſe auf dasjenige, was in neuerer Zeit auf dem Gebiete der Gärungschemie ge⸗ leiſtet wurde (als derjenige, der zuerſt die experimentell, begründete Theſe aufſtellte, daß wie die Gärung durch Pilze, ſo die Fäulnis durch Infuſorien bedingt werde, wird vom Redner der Berliner Chemiker Mitſcherlich bezeichnet), ſowie mit dem Wunſche, daß der Geiſt empiriſcher aber methodiſcher Forſchung, der Geiſt praktiſcher Syntheſe, der Geiſt brüderlichen Zuſammenwirkens in den einzelnen Zweigen des großen Forſchungsgebietes auch fernerhin bei der Arbeit und den Zuſammenkünften der Naturforſcher und Aerzte das leitende Princip bleiben möge. Nachdem Virchow ſeine Rede mit dem Ruf: „Seine Majeſtät der Deutſche Kaiſer lebe hoch“ geſchloſſen hatte, erklärte er die 59. Verſammlung der deutſchen Naturforſcher und Aerzte für eröffnet und nun verlas der Unterftaats- ſekretär Lucanus den folgenden Brief des Staatsminiſters von Goßler. Hochanſehnliche Verſammlung! Die flüchtigen Stunden meines hieſigen Aufenthalts möchte ich nicht vorübereilen laſſen, ohne auszuſprechen, wie ſchmerzlich ich es empfinde, Ihnen nicht mündlich im Namen der Preußiſchen Staats⸗ regierung Gruß und herzlichen Wunſch entgegenbringen zu können — wenige Schritte von der Stelle, wo Alexander von Humboldts beredter Mund der 7. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte das Willkommen zugerufen hat. Heute, wo Sie Ihre 59. Wanderverſammlung eröffnen — die erſte in des wiedererſtandenen Deutſchen Reiches neuer Hauptſtadt — wer vermöchte in knappen und er⸗ ſchöpfenden Zügen zu ſchildern den Abſtand der Jahre 1828 und 1886, die Umgeſtaltung unſerer ſtaatlichen, joctalen und wirtſchaftlichen Verhältniſſe, oder auch nur das Fort⸗ ſchreiten der Erkenntnis in der wiſſenſchaftlichen Wahrheit und ihrer Geſetze in der Flucht der Erſcheinungen. Eines werden Sie aber, wie ich mit Zuverſicht hoffe, wie vor 58 Jahren, hier finden, einerſeits die rückhaltsloſe Aner⸗ kennung Ihres verdienſtvollen Wirkens und die Freude über Ihr Wiedererſcheinen in Berlin, nicht minder aber andererſeits die Bethätigung des ernſten Strebens, welches alle Zweige des wiſſenſchaftlichen Lebens beherrſcht und in dem neuen Glanze nur den neuen Anſporn zur Anſpannung der Kräfte findet. Im Laufe weniger Jahrzehnte ſind auf den Grenz⸗ gebieten altüberlieferter Disciplinen neue Wiſſenſchaften entſtanden, jahrhundertelang ſtehen gebliebene Wiſſens⸗ zweige haben lebhafte Entwickelung gefunden, altbewährte Wiſſenſchaften find beiſeite gedrängt. Der wiſſenſchaftliche Verſuch und die exakte Forſchung ſind faſt ins Ungemeſſene Humboldt. — Januar 1887. 43 geſteigert und unter dem Rufe nach Teilung und Organi— ſation der Arbeit ſind Abſonderungen und Vereinzelungen eingetreten, deren Berechtigung füglich Gegenſtand des Zweifels ſein darf. Die Zahl derer, welche eine Mehr— heit von Wiſſensgebieten mit Sicherheit beherrſchen, er— ſcheint in der Abnahme begriffen und die Frage, ob jemals ein Geiſt wieder erſtehen wird, welcher für ſeine Zeit einen Kosmos ſchreiben kann, wird immer ſchwieriger zu beantworten. Und doch beſteht unaustilgbar die Ueber— zeugung, daß ein Kosmos iſt und ein Kosmos ſein muß. Sicherlich bedarf es einer unabläſſigen Vermehrung wiffen- ſchaftlich verbürgter Thatſachen, ſei es, um auf dem Wege logiſchen Aneinanderreihens, fet es, um mit Hilfe der Ein⸗ bildungskraft fortzuſchreiten und zu neuen Erklärungen und Begriffen zu gelangen. Aber ebenſoviel Geltung beanſprucht wohl die Ueberzeugung, daß ſchließlich das Weſen und das Geſetz deſſen, was iſt, nicht erkannt werden kann, ohne harmoniſche Verbindung innerhalb der einzelnen Wiffen- ſchaften, und die Erkenntnis bricht ſich vielleicht immer mehr Bahn, daß die Sonderung in Disciplinen ſchließlich ihre Erklärung in der Begrenztheit und der Endlichkeit des menſchlichen Vermögens findet. Wo wir ſonſt eine Mehr— heit von Kräften, von unbekannten Urſachen vor uns zu haben glaubten, verſuchen wir jetzt eine Kraft in ver— ſchiedenen Erſcheinungsformen zu erkennen, und jedenfalls können wir uns nicht der Ueberzeugung verſchließen, daß die großen Fortſchritte, welche einzelne Wiſſenſchaften zu verzeichnen haben, und darunter nicht nur naturwiffen- ſchaftliche und mediziniſche, vielfach ihren Urſprung ver— danken dem Heranziehen anderer Zweige wiſſenſchaftlichen Erkennens. Nicht als ein berufener Jünger naturwiſſenſchaftlicher Arbeit vermag ich dieſen Anſchauungen Ausdruck zu ver- leihen: aber als ein verantwortungsvoller Hüter der uni— versitas litterarum, eines der edelſten Erzeugniſſe deutſchen Geiſtes, glaube ich dieſen Beſorgniſſen und dieſen Hoff— nungen Ausdruck verleihen zu dürfen. Die großartige Ausgeſtaltung, welche die naturwiſſenſchaftlichen und medi— ziniſchen Inſtitute im Laufe der Neuzeit erfahren haben, ihre oft räumliche Entfernung von der alten Stätte der Univerſität, außerdem die ungemeſſene Vermehrung des Stoffes mag das Band, welches die einzelnen Fakultäten der Univerſität miteinander verbindet, zunächſt äußerlich, ſodann — vielleicht unbewußt — auch innerlich bei Lehrenden und Lernenden lockern. — Aber die höhere Einheit auch zwiſchen den ſogen. Geiſteswiſſenſchaften und den Natur- wiſſenſchaften beſteht, und ſie bei dieſem feierlichen Anlaß zu bekennen, treibt mich das Bewußtſein der Pflicht. Dieſer Ueberzeugung iſt auch die Feſtſchrift entſprungen, welche die naturwiſſenſchaftlichen und mediziniſchen Staatsanſtalten Berlins in ihrem Zuſammenhange vorführt. Unter der Führung Ihrer großen Mitglieder — ich nenne von Ihren Toten nur Ihre Stifter: Oken, Baer, Humboldt, Liebig, Goeppert — haben Ihre Verſamm— lungen das einigende Band, welches alle Ihre jetzt in 30 Sektionen geſonderte Diseiplinen verbindet, erkannt, gepflegt und in den allgemeinen Sitzungen befeſtigt. Möge dieſes Streben nach Einheit und Zuſammenhalten auch heute ſeine Kraft bewähren und, wie Ihre Organiſation als die älteſte und bewährteſte, das Vorbild für alle an— deren Wanderverſammlungen geliefert hat, ſo möge Ihr auf Einigung gerichteter Geiſt auch die zahlreichen Kon⸗ greſſe durchdringen, welche in der Abſonderung ihre Kraft zu ſuchen ſcheinen. Sie werden dann durch Ihr Zuſammen— wirken nicht nur, wie Humboldt es ſo ſchön ausdrückte, freundſchaftliche Verhältniſſe gründen, welche den Wiſſen— ſchaften Licht, dem Leben heitere Anmut, den Sitten Duld- ſamkeit und Milde gewähren, ſondern auch der Wiſſenſchaft als ſolcher einen Dienſt leiſten, welcher Ihnen einen er— neuten Anſpruch auf den Dank Deutſchlands erwerben wird. Und zum Schluß nochmals ein herzliches Willkommen. von Goßler. Nachdem auch der Oberbürgermeiſter von Berlin, Herr von Forckenbeck, und der Rektor der Univerſität, Herr Pro— feſſor Kleinert, die Verſammlung begrüßt hatte, wurde Wiesbaden als nächſter Ort der Zuſammenkunft gewählt. Dann hielt Dr. Werner Siemens einen Vortrag: „Das naturwiſſenſchaftliche Zeitalter“, in welchem er Be— trachtungen anſtellte über die ſocialen Zuſtände und die ſonſtigen Folgen, welche daraus reſultieren, daß mit dem Fortſchreiten der Naturwiſſenſchaften und der Vervollkomm— nung der Technik ein Teil der Arbeit, der bisher von Menſchen vollbracht wurde, nunmehr durch Maſchinen und maſchinelle Konſtruktionen verrichtet wird. Man hat bisher faſt nur die Unzuträglichkeiten, welche ſich aus letzterer Thatſache für den Arbeiterſtand ergeben, ins Auge gefaßt und viel zu wenig be— rückſichtigt, daß aus derſelben auch große Vorteile entſpringen. Infolge der Einſtellung der Naturkräfte in den Dienſt des Menſchen, wird die Thätigkeit des Arbeiters eine mehr intellek— tuelle, was an und für ſich ſchon dazu dient, die geiſtige Ent— wickelung desſelben zu fördern; auch ermöglicht das durch die maſchinelle Arbeit bedingte geringere Arbeiterbedürfnis eine Verkürzung der Arbeitszeit, die nicht nur von hygie— niſcher Bedeutung, ſondern auch inſofern von Wichtigkeit iſt, als ſie eine beſſere Ausbildung des Arbeiters ermög— licht. Wenn andererſeits von vielen Seiten darauf hin— gewieſen wird, daß durch die Entwickelung der Maſchinen⸗ induſtrie und die durch ſie bedingte Teilung der Arbeit nicht nur die Arbeitsgelegenheit für den einzelnen ver— mindert, ſondern auch die Arbeiter ſelbſt in eine ab— hängigere Stellung gebracht würden wie bisher, ſo ſtellt Redner dieſe Thatſache an und für ſich nicht in Abrede, iſt aber zugleich der Anſicht, daß es ſich gegenwärtig nur um ein Uebergangsſtadium handele, daß die Fortſchritte der menſchlichen Kultur neue Bedürfniſſe erzeugen, die Befriedigung der letzteren aber neue Arbeitskräfte erheiſchen würde. Auch glaubt derſelbe mit Sicherheit annehmen zu dürfen, daß der Zeitpunkt nicht allzufern ſei, wo es der durch naturwiſſenſchaftliche Entdeckungen geförderten Tech— nik gelingen werde, durch Zuführung billiger mechaniſcher Arbeitskraft in die kleinſten Werkſtätten und die Wohnungen der Arbeiter die Rückkehr zur konkurrenzfähigen Einzel— arbeit zu ermöglichen. Derſelbe iſt der Anſicht, daß nicht eine Menge großer Fabriken in den Händen reicher Kapi— taliſten, ſondern vielmehr die auf die ſoeben erwähnte Weiſe zu bewirkende Reorganiſation der Einzelarbeit oder, wo es die Natur der Dinge verlangt, der Betrieb ge— meinſamer Arbeiterwerkſtätten durch Arbeiteraſſociationen die Signatur der Zukunft bilden und zugleich dazu führen werde, daß viele ſociale Uebelſtände, an denen unſer Staats— weſen krankt, auf dieſe Weiſe Heilung finden würden. Während der Vortrag, deſſen Inhalt wir im vorher— gehenden flüchtig ſkizziert haben, ſich im ganzen mehr auf national⸗ökonomiſch-ſocialem als auf naturwiſſenſchaftlichem Gebiete bewegte, führte der folgende Redner K. Barde— leben (Jena) in ſeinen Ausführungen über „Hand und Fuß“ die Zuhörer auf rein naturwiſſenſchaftliches Gebiet zurück, indem er an dasjenige anknüpfte, was die neueren vergleichend-anatomiſchen Forſchungen über die Entſtehung und Entwickelung der Extremitäten ergeben haben. Während man es noch vor wenigen Jahren für unzweifelhaft hielt, daß der fünfgliedrige Typus der Extremitätenenden (5 Finger und 5 Zehen) bei den Wirbeltieren urjpriing- lich allgemein vorherrſchend geweſen ſei, iſt man neuer— dings zu ganz anderen Schlüſſen gekommen. Es ergab ſich zunächſt, daß ſtatt der 7 oder 8 Hand- und Fuß— wurzelknochen, die man früher für typiſch hielt, deren urſprünglich und noch jetzt bei gewiſſen Tierformen 15 bis 17 exiſtierten. Auch kann uns die Mannigfaltigkeit der Verhältniſſe im Säugetierreich nicht in Verwunderung ſetzen, wenn wir bedenken, daß zahlreiche Säugetiere durch den Einfluß der Lebensbedingungen Veränderungen erlitten haben, wie denn z. B. die Thatſache, daß die Vorfahren des Pferdes einſt Fünfzehner waren und dann durch all— mählichen Zehenverluſt zu Einzehern umgewandelt wurden, durch die in Amerika von Cope, Marſh u. a. gemachten paläontologiſchen Funde aufs unzweifelhafteſte feſtgeſtellt wurde. Während bei den Vögeln ſtarke Veränderungen 4A Humboldt. — Januar 1887. der urſprünglichen Form (am Flügel weiſen dieſelben nur 2 Handwurzel⸗ und 3 Fingerknochen, am Bein eine Ver⸗ ſchmelzung von Fußwurzel und Mittelfuß auf) ſtatt⸗ gefunden haben, begegnen wir bei den geſchwänzten Am⸗ phibien (Molchen, Lurchen u. dergl.) Verhältniſſen, die denjenigen der Säugetiere und des Menſchen nahe kommen. Ferner ergibt ſich aus den neueren Unterſuchungen aufs unzweifelhafteſte, daß die Fiſchfloſſe das Prototyp der Wirbeltierextremität darſtellt oder ge⸗ nauer geſagt, daß in Uebereinſtimmung mit der Lehre Darwins Hand und Fuß aus der Fiſchfloſſe hervorgegangen ſind. Auch iſt, wenn wir die ſchon berührte Frage aufwerfen, ob die Fünfzahl den urſprünglichen Typus für die Gliederung der Säuge⸗ tierextremität darſtellt, dieſe Frage entſchieden mit „nein“ zu beantworten; denn es gibt Säugetiere mit feds Fingern und den Spuren eines ſiebenten Fingers; und auch beim Menſchen ſind die Anlagen oder Andeutungen von Fingern über die Fünfzahl hinaus noch deutlich nachweis⸗ bar. Was letzteren Punkt anbelangt, ſo hat Redner Spuren eines früher an der Innenſeite des Daumens bezw. der Großzehe vorhandenen Fingers, — um dieſes Wort für obere und untere Gliedmaßen zu gebrauchen, — ebenſowohl für die fötalen Entwickelungsſtadien des Menſchen, wie auch beim ausgewachſenen Menſchen nachgewieſen und ebenſo kann es nach den neueren Forſchungen wohl kaum einem Zweifel unterliegen, daß das „Erbſenbein“ der menſchlichen Handwurzel im Grunde nichts anderes als ein nicht zur Entwickelung gekommener bezw. in der Entwickelung ver⸗ kümmerter Finger iſt. Was ſchließlich die Fragen anbetrifft: Worauf iſt die beſagte Erſcheinung zurückzuführen? Welches iſt der urſprüngliche Typus der Extremitätenbildung ge⸗ weſen? ſo iſt Redner der Anſicht, daß aus jenen zahl⸗ reichen Knorpelſtäben, welche ſich in den Floſſen der meiſten Fiſche nachweiſen laſſen (die Bruſtfloſſe des Haifiſches ent⸗ hält deren nicht weniger als 150 bis 200), durch allmähliche Verſchmelzung einer größeren Anzahl von Knorpeln und dadurch bewirkte Verminderung der Zahl der Knorpelſtäbe, ſowie durch ſymmetriſche Anreihung der Knorpelſtäbe an einen „Hauptſtrahl“ die Wirbeltierextremität aufs unge⸗ zwungenſte abzuleiten ſei. Auch läßt das Vorhandenſein beſonderer Knochenkerne in den ſtark verbreiterten Enden der ſogenannten langen oder Röhrenknochen noch jetzt erkennen, daß das Gebilde, welches heutzutage einen einzigen Knochen darſtellt, urſprünglich aus einer ganzen Anzahl von Knorpelelementen beſtanden hat und zu Gunſten derſelben Annahme ſpricht auch die Auffindung von Nervenkanälen im Oberarm deshalb, weil gewiſſe hier nicht näher zu erwähnende Thatſachen darauf hin⸗ deuten, daß Nerven urſprünglich niemals Knochen durch⸗ bohrt haben und daß, wo dieſes jetzt der Fall iſt, ur⸗ ſprünglich ein Spalt oder eine Lücke zwiſchen zwei Knochen bezw. Knorpeln exiſtiert hat. Endlich wird vom Redner noch bemerkt, daß die Verminderung der Skelettſtücke die Grundlage jeder höheren Entwickelung darſtelle, wobei freilich die Anpaſſung an die Exiſtenzbedingungen als das ausſchlaggebende Moment zu betrachten ſei. „Eine fort⸗ laufende Entwickelungsreihe,“ ſo ſchloß Redner ſeine inter⸗ eſſanten Ausführungen, verbindet Fiſchfloſſe und Menſchen⸗ hand (bezw. Menſchenfuß), Fiſchhirn und Menſchenhirn; eine ſolche Entwickelung führt von dem ſtummen, kiemenatmenden Tiere bis zum denkenden, ſprechenden Menſchen, der von ſeinen Kiemenſpalten nur die erſte, welche zum Gehörgange wird, übrig behielt. Wem aber der Gedanke an dieſe niedere Abkunft nicht behagt, der frage ſich nur: Was kann aus dem Menſchen noch alles werden, wenn die fort⸗ ſchreitende Entwickelung noch einige Millionen von Jahren anhält? Wer wagt zu ſagen, was der Menſchengeiſt noch erſinnen, was Hand und Fuß noch ausführen werden?“ Wenden wir uns zu den wiſſenſchaftlichen Verhand⸗ lungen der zweiten allgemeinen Sitzung der Naturforſcher⸗ verſammlung, die ebenſo wie die erſte in Gegenwart einer außerordentlich zahlreichen, die ungeheure Rotunde des Cirkus Renz bis auf den letzten Platz füllenden Zuhörer⸗ ſchaft abgehalten wurde, ſo wurde dieſelbe mit einem „Lebensfragen“ betitelten Vortrage von Ferdinand Cohn eingeleitet, in welchem dieſer Gelehrte den gegen⸗ wärtigen Stand unſerer Kenntniſſe über das Weſen jener Vorgänge und Erſcheinungen, die wir als „Leben“ bezeich⸗ nen, feſtzuſtellen verſuchte. Ariſtoteles hält die Seele für das Princip des Lebens, während Newton der Anſicht iſt, daß das nämliche mechaniſche Geſetz, welches die unbelebte Welt und die Himmelskörper regiert, auch auf die lebendige Welt auszudehnen ſei. Während in Frankreich Descartes und die Eneyklopädiſten die Behauptung aufſtellten, daß das geſamte Weltall einen mechaniſchen Apparat darſtelle, hatte in Deutſchland während der erſten drei Decennien dieſes Jahrhunderts die naturphiloſophiſche Richtung, d. i. jene Anſchauung, welche alle vitalen Erſcheinungen auf ein geheimnisvolles myſtiſches Lebensprincip — einen Spiritus rector — zurückführen wollte, Wurzel geſchlagen und erſt nachdem Schleiden und Th. Schwann gegen die Mitte der dreißiger Jahre darauf hingewieſen hatten, daß man in der Zelle den urſprünglichen Sitz der Lebens⸗ erſcheinungen zu ſuchen habe, erfolgte eine Reaktion gegen die naturphiloſophiſche Irrlehre. Wenn wir nun auch freilich noch nicht imſtande ſind, für jede Lebensäußerung das entſprechende mechaniſche (phyſikaliſch⸗chemiſche) Aequi⸗ valent anzugeben, ſo iſt unſer gegenwärtiges Wiſſen im Vergleich zu den früher verbreiteten Anſchauungen doch als ein bedeutender Fortſchritt zu bezeichnen. In erſter Linie iſt es die Pflanze, welche uns einen Einblick in das Weſen deſſen, was man als „Leben“ bezeichnet, geſtattet. Soweit es ſich in der lebendigen Pflanze um Bewegungen der Atome, um die Geſetze ihrer Anſtoßung und Abſtoßung, um ihre Verbindung zu Molekülen und deren Spaltung und Umlagerung handelt, können wir mit Genugthuung ausſprechen, daß die Frage vom Leben ihre exakte Löſung nahezu gefunden hat. Die Pflanzen ſind in der That nur chemiſche Fabriken, welche in ihren Zellenlaboratorien die Rohſtoffe der Atmoſphäre und des Erdbodens zu wertvolleren Verbindungen ver⸗ arbeiten. Auch iſt es bekannt, daß bereits die meiſten der organiſchen Verbindungen, von denen man früher meinte, daß ſie ausſchließlich unter dem Einfluß des Pflanzenlebens entſtehen könnten, ohne Vermittelung desſelben von den Chemikern künſtlich dargeſtellt worden ſind. Freilich gerade für die wichtigſten unter den organiſchen Verbindungen für die eigentlichen Bauſtoffe der Pflanzen, in denen die Lebensbewegungen derſelben ſich abſpiegeln, nämlich für die Kohlehydrate und Eiweißkörper haben die Pflanzen das Monopol ihrer Erzeugung ſich noch nicht entreißen laſſen. Gleich den chemiſchen laſſen auch die phyſikaliſchen Vorgänge in der lebenden Pflanze, inſoweit ſie auf den eigentlichen Molekularkräften beruhen, nur ſolche Beſonder⸗ heiten wahrnehmen, welche aus den chemiſchen Eigenſchaften, aus dem Gefüge der Bildungsſtoffe und aus der Anord⸗ nung der Zellen ausreichende Erklärung finden. Daß es aber im weſentlichen mechaniſche Kräfte ſind, welche die Lebenserſcheinungen der Pflanze bedingen, darüber laſſen die neueren Forſchungen keinen Zweifel beſtehen. Wiſſen wir doch, daß die Anordnung der Zellen im Pflanzen⸗ körper, die Stellung der Blätter am Stengel, die Gefäß⸗ verteilung im Blatte und zahlreiche andere Verhältniſſe auf mechaniſchen Urſachen beruhen, daß, wenn wir die Wurzeln der Pflanzen abwärts, den Stengel aufwärts wachſen ſehen, dieſe Erſcheinung direkt oder indirekt durch die Schwerkraft bedingt wird. Sind doch ferner auch zahl⸗ reiche Funktionen der Pflanzen als Umwandlung von latenter Kraft (Spannkraft) in lebendige Kräfte nach⸗ gewieſen worden und läßt ſich weiterhin auch nicht ver⸗ kennen, daß viele Thätigkeiten der Pflanzen auf derſelben Stufe ſtehen wie die inſtink⸗ tiven Thätigkeiten der Tiere. — Was ſpeciell den zuletzt erwähnten Punkt anlangt, ſo weiſt Redner an einer Anzahl von Beiſpielen nach, daß „inſtinktives Leben“ nicht nur im Bereiche der Tierwelt, ſondern auch bei den Pflanzen vorkommt; als inſtinktive Vorgänge ſind z. B. jene Bewegungen der Humboldt. — Januar 1887. 45 Wurzelſpitze zu deuten, die dem Aufſaugen von Feuchtig⸗ keit und der Aufnahme von Nahrungsſtoffen aus dem Erd— boden dienen. Als ein inſtinktiver Vorgang iſt es auch zu betrachten, wenn die Pflanzen in ihrem Beſtreben, an die Luft und das Licht ſich emporzuringen, ihre Blätter und Blüten dorthin kehren oder wenn gewiſſe Myeelpilze, ſobald ihnen an einem Orte die Nahrung mangelt, durch geſchoßartiges Ausſtreuen ihrer Pilzſporen eine günſtigere Lage aufzuſuchen bemüht ſind. Ganz beſonders deutlich tritt aber dieſes inſtinktive Handeln bei ſolchen Pilzen hervor, welche Schwärmſporen entſenden und verdient in dieſer Beziehung das Verhalten von gewiſſen Chytridium⸗ arten Beachtung. Viele dieſer merkwürdigen Pilze durch— dringen nämlich die Zellen, welche ſie ausſaugen, mit einem Faden, während andere mit Hilfe eines ausgeſendeten Fadens in die flaſchenförmigen, ſchwer zugänglichen Organe gewiſſer Coleochaeten eindringen und daſelbſt die Eier vev- zehren. Fragen wir nun: Wie ſind dieſe Handlungen, welche ſo ganz und gar den Stempel der Zweckmäßigkeit an ſich tragen, zu erklären? ſo will es angeſichts des Umſtandes, daß die niedrigſten Pflanzen- und Tierformen ein Nervenſyſtem nicht beſitzen, faſt erſcheinen, als ob das, was wir als „Seelenleben“ bezeichnen, der organiſchen Subſtanz von vornherein zukommt, eine Eigenſchaft zu erblicken haben, welche überall vorhanden, aber nur unter gewiſſen Ver⸗ hältniſſen in die Erſcheinung zu treten imſtande iſt, ebenſo wie der elektriſche Strom erſt dann Licht erzeugt, wenn der Draht, den er durchläuft, mit einer Bogenlicht- oder Glühlichtlampe in Verbindung geſetzt wird. Hier ſtehen wir alſo vor einem noch ungelöſten Rätſel und ebenſo werden wir eine exakte Antwort auf die Frage: Was ift Leben? erſt von der Zukunft erwarten dürfen. Als zweiter der in der beſagten Sitzung zum Worte gelangenden Redner beſtieg nunmehr der bekannte Afrika⸗ reiſende Georg Schweinfurth die Tribüne, von dem wir hier nur bemerken wollen, daß er in ſeinem „Europas Aufgaben und Ausſichten im tropiſchen Afrika“ erörtenden Vortrage die von Deutſchland in dem dunklen Erdteil zu vollbringende Kulturarbeit, die Ausſichten, welche ſich der deutſchen Koloniſation daſelbſt eröffnen, die Er⸗ ziehung des Negers zu regelmäßiger Thätigkeit, die Not⸗ wendigkeit, die Verſuchung zum Branntweingenuß von den Eingeborenen fern zu halten, ſowie eine ganze Anzahl von anderweitigen mit der deutſchen Koloniſation in engſtem Zuſammenhang ſtehenden Fragen eingehend erörterte und ebenſowohl durch die Wärme ſeiner zu Gunſten der deut⸗ ſchen kolonialen Beſtrebungen ſich äußernden Ueberzeugung wie durch das Treffende ſeiner Bemerkungen die Zuhörer— ſchaft zu lautem Beifall hinriß. Den dritten Vortrag der zweiten Sitzung hielt Profeſſor Hiß (Leipzig) über „Die deutſche zoologiſche Station zu Neapel und die Notwendigkeit der Begrün⸗ dung von wiſſenſchaftlichen Centralſtationen“. Er erörterte die Entſtehung und die Thätigkeit des unter der Leitung von Dohrn ſtehenden wiſſenſchaftlichen Inſtituts in intereſſanter Weiſe und hob zugleich hervor, daß die Begründung von wiſſenſchaftlichen Centralſtationen, welche nicht notwendig mit Univerſitäten in Verbindung zu ſtehen brauchen, inſofern von praktiſcher Bedeutung ſein würde, als von dieſen Stationen gewiſſe Arbeiten, welche von den einzelnen Forſchern nur mit großem Zeitverluſt bewältigt werden können, im großen ausgeführt und dadurch eine Entlaſtung des einzelnen Forſchers bewirkt werden könnte. Auch würden nach der Anſicht des Vortragenden ſolche Inſtitute dem Gelehrten Gelegenheit geben, gewiſſe tech— niſche Fertigkeiten, die für ihn wertvoll ſind (Uebung im Meſſen, im Photographieren wiſſenſchaftlicher Objekte u. dgl.), ſich anzueignen. Den Schluß der zweiten allgemeinen Sitzung bildete die Demonſtrierung eines mit einer Camera verbundenen elektriſch beleuchteten Mikroſkops durch Profeſſor Stricker (Wien), ein Apparat, mit Hilfe deſſen das Bild jedes beliebigen mikroſkopiſchen nur unter Zuhilfenahme der ſtärkſten Vergrößerungen ſichtbaren Objektes in einem dunklen Raume auf eine weiße Fläche geworfen und auf dieſe Weiſe auch den Fernſtehenden ſichtbar gemacht werden kann. Wenn auch nicht ſpeciell für den Forſcher, ſo dürfte dieſer Apparat doch zu Demonſtrationen in Schulen, Hör⸗ ſälen u. dgl. vortrefflich ſich eignen. In der dritten allgemeinen Sitzung, welche den Kongreß zum Abſchluß brachte, wurde den kolonialen Beſtrebungen unſerer Tage noch durch einen zweiten Vortrag Rechnung getragen, in welchem Militärarzt Dr. Ludwig Wolff über ſeine Reiſen und Erlebniſſe im ſüdlichen Congo— gebiete, ſowie über die Erforſchung des Strom— laufes des Kaſſai, eines von Süden her in den Congo einmündenden Fluſſes, berichtete. Der räumlichen Be— ſchränkung dieſes Artikels Rechnung tragend, müſſen wir es uns verſagen, auf die ebenſowohl in geographiſcher wie in ethnologiſcher und klimatologiſcher Hinſicht höchſt be— merkenswerten Ausführungen des jugendlichen Reiſenden, auf ſeine Schilderungen der Fauna und Flora der be- treffenden Gegenden, der Sitten und Gebräuche der von ihm beſuchten Negerſtämme näher einzugehen und wollen hier nur das wichtigſte Reſultat der beſagten Forſchungs— reiſe kurz hervorheben, welches darin beſteht, daß der Kaſſai mit dem in ihn mündenden Sankuru und dem in letzteren Fluß ſich ergießenden Lomami vom Congo nach Oſten hin eine zu⸗ ſammenhängende, für Dampfer von nicht allzu bedeutendem Tiefgang vollſtändig paſ⸗ ſierbare Waſſerſtraße von 689 engliſchen Meilen Länge bildet, eine Thatſache, die für die Erſchließung Innerafrikas inſofern von ganz enormer Tragweite iſt, als ſich aus dieſem Faktum die Möglichkeit ergibt, von Stanley-Pool aus auf dem Waſſerwege bis in das Herz des afrikaniſchen Kontinents vorzudringen, und da es als eine mit geringen Schwierigkeiten verknüpfte Aufgabe und wohl nur als eine Frage der Zeit erſcheint, mit Benutzung des Lukuga oder Luaſſi den Tanganika-See mit dem Lomami und auf dieſe Weiſe mit dem Congo zu verbinden. Auf die mit großem Beifall aufgenommenen Aus— führungen des beſagten Afrikaforſchers folgte ein von Neu— mayer, dem Vorſtand der Hamburger Wetterwarte, gehal— tener Vortrag, welcher ebenfalls die Erforſchung von bis jetzt noch wenig bekannten, allerdings auch zum Beſuche wenig einladenden Gegenden, nämlich die wiſſenſchaft— liche Erſchließung der Südpolarländer zum Gegen— ſtand hat. Nur mit Hilfe der Erforſchung der antarktiſchen Gegenden, ſo führt Redner aus, wird es gelingen, eine Anzahl der wichtigſten wiſſenſchaftlichen Fragen ihrer Löſung näher zu bringen; denn nur durch antarktiſche Expeditionen werden wir dahin gelangen, von der Ausdehnung der Eis— maſſen um den Südpol unſerer Erde uns einen Begriff zu bilden und zugleich das Verhältnis des Südpolareiſes zum Nordpolareis richtig zu beurteilen. Von Bedeutung iſt ferner die Erforſchung der antarktiſchen Zone für die Geodäſie und ebenſo unterliegt es kaum einem Zweifel, daß die genauere Unterſuchung der zwiſchen Kerguelen und Feuerland gelegenen Inſelgruppen, ihrer gegenwärtigen und foſſilen Flora und Fauna zu wiſſenſchaftlich hoch— bedeutſamen Schlüſſen bezüglich der Verbreitung von Pflanzen und Tieren während der Tertiärzeit führen wird. Die Südpolerforſchung wird auch über die Verteilung der Wärme auf unſerem Planeten vorausſichtlich wichtige Auf— ſchlüſſe geben, ſowie vor allem über die Erſcheinungen des Erdmagnetismus, welche bekanntlich in den Polargegenden am meiſten hervortreten und gleichzeitig am Nordpol wie am Südpol beobachtet werden ſollten. Da ferner zwiſchen dem Auftreten von magnetiſchen Stürmen und der Erx— ſcheinung der Sonnenflecken ein noch nicht genügend er— klärter Zuſammenhang zu beſtehen ſcheint, ſo dürfen wir uns wohl der Hoffnung hingeben, daß die Sitopoler- forſchung, inſofern ſie uns über die erdmagnetiſchen Strö— mungen informiert, auch zur Kenntnis kosmiſcher Vorgänge beitragen werde. In dem letzten der in der Schlußſitzung der Natur⸗ forſcherverſammlung gehaltenen Vorträge unterzog Profeſſor 46 Humboldt. — Januar 1887. von Bergmann das heutige Verhältnis der Chirurgie zur inneren Medizin einer Betrachtung. Derſelbe ge⸗ denkt zunächſt jenes wunderbaren Aufſchwungs, welchen die Chirurgie durch die antiſeptiſche Wundbehandlung innerhalb des letzten Jahrzehnts genommen hat — eines Aufſchwungs, der es ermöglicht, daß Eingriffe, die früher für abſolut tödlich oder wenigſtens als mit dem größten Riſiko für das Leben verbunden galten, heutzutage ohne erhebliche Gefahr und ohne Bedenken unternommen werden und daß Verletzungen der lebenswichtigſten Organe, wie des Herzens und des Gehirns, wenn die Verletzung nicht gerade derart iſt, daß die Thätigkeit des betr. Organs durch dieſelbe aufgehoben wird, in Geneſung enden. Es iſt bekanntlich der Ausſchluß jener überall uns umgebenden Spaltpilze aus den Wunden, dem die Chirurgie ihre ans Wunderbare grenzenden Erfolge verdankt, woraus erſicht⸗ lich, daß die Verwundungen an und für ſich nicht zum Tode führen, daß denſelben vielmehr — nur mit Aus⸗ nahme ſolcher Fälle, wo die Funktionen lebenswichtiger Organe durch die Verletzung aufgehoben werden — in jedem Lebensalter und bei jeder Körperkonſtitution die Tendenz zur Heilung innewohnt. Eine ſo hohe Stufe der Vollkommenheit die Chirurgie aber auch gegenwärtig er⸗ klommen hat, ſo darf ſie doch nicht vergeſſen, daß ſie ihre diagnoſtiſchen Hilfsmittel: die Thermometermeſſung, die Hilfsmittel der chemiſchen Unterſuchung u. ſ. w. der inneren Medizin verdankt Nur im Bunde mit der inneren Medizin und die Hilfsmittel der letzteren zu ihren ſpeciellen Zwecken verwendend — nur unter ſolchen Bedingungen wird ſie auch künftighin blühen und ſich fortentwickeln. Auch iſt in der That zur Zeit noch gar nicht zu ſagen, wo die der ärztlichen Kunſt geſetzten Schranken beginnen, da z. B. die Möglichkeit a priori nicht beſtritten werden kann, daß es vielleicht noch gelingen wird, durch chemiſche Mittel die Gewebe und Zellen des Organismus gegen den Einfluß der von außen einwirkenden Mikrobien (Spaltpilze) widerſtandsfähig zu machen und auf dieſe Weiſe das Auftreten gefährlicher Krankheiten zu verhindern. In ſeiner Schlußrede rühmte Virchow die von der Verſammlung erzielten Erfolge. An der Verſammlung haben teilgenommen 2224 Mitglieder und 1931 Teilnehmer, zuſammen 4155 Perſonen. Davon waren aus Berlin 1444 und von außerhalb 2711. Ueberraſchend war die große An⸗ zahl von Damenkarten, welche ſich auf 1496 bezifferte. Die einzelnen Sektionen haben eine Ausdehnung erreicht, welche dem ungefähr gleichſteht, was im Beginn der Natur⸗ forſcherverſammlung im ganzen erreicht wurde. Die Sek⸗ tion für innere Medizin hatte 400 Mitglieder, die für Chemie 278. Die hygieniſche Sektion hatte 190, die neue Sektion für Tropenhygiene und mediziniſche Geographie hat es auf 105 Mitglieder gebracht, ſelbſt die Sektion für Zahnheilkunde hat 67, die für Entomologie 41 Mitglieder gezählt. Auch in den neu gegründeten Sektionen wurde recht energiſch gearbeitet. Wir können auf die Verhandlungen der 30 Sektionen nicht eingehen; was in denſelben allgemeines Intereſſe erregte, finden unſere Leſer an verſchiedenen Stellen dieſes Heftes, namentlich auch unter den kleinen Mitteilungen. Die Ausſtellung. Einen der Hauptanziehungspunkte der 59. Natur⸗ forſcherverſammlung bildete die mit derſelben verbundene Ausſtellung wiſſenſchaftlicher Apparate, welche ein aus den Vertretern der verſchiedenen naturwiſſenſchaftlichen und mediziniſchen Geſellſchaften, aus anderweitigen Gelehrten der Reichshauptſtadt ſowie aus Technikern zuſammengeſetztes Komitee arrangiert hatte, um den Vertretern der verſchie⸗ denen naturwiſſenſchaftlichen Fächer und der ärztlichen Wiſſenſchaft jenes Handwerkszeug vor Augen zu führen, welches in neuerer Zeit zu einem unentbehrlichen Requiſit naturwiſſenſchaftlich⸗ärztlicher Beobachtung und Forſchung geworden iſt. Obwohl es zum Grundſatze gemacht worden war, daß nur neue Apparate, Inſtrumente und Präparate oder neue Modifikationen von bereits vor⸗ handenen Apparaten u. ſ. w. vorgelegt werden ſollten, war die Fülle der Objekte doch eine ganz außerordentliche und erhielt jeder, der die in zwölf Sälen der „Akademie der bildenden Künſte“ ausgeſtellte Kollektion auch nur flüchtig durchwanderte, ſofort einen Begriff von den ge- waltigen Fortſchritten, welche während der letzten Jahre auf den beſagten Gebieten gemacht worden ſind, ſowie von der Unterſtützung, welche die naturwiſſenſchaftliche Forſchung und die ärzliche Kunſt der neuerdings zu ſo hoher Vollen⸗ dung gelangten Technik verdanken. Von dem Treppen- veſtibule des Akademiegebäudes in den erſten der beſagten Säle eintretend, finden wir hier ſowie in einem anſtoßen⸗ den Raume zunächſt die phyſikaliſchen Inſtrumente und Vorrichtungen und eine reiche Auswahl von zum Unterrichte in der Phyſik und Mechanik dienenden Apparaten, unter denen nach Kohlrauſchs Angaben hergeſtellte Elektrodynamometer, Tangentenbuſſo⸗ len, Induktionsapparate zur Erzeugung von Wechſelſtrömen, Apparate zur Meſſung erdmagnetiſcher Strömungen u. dgl. zunächſt unſere Aufmerkſamkeit auf ſich lenken. Ebenda⸗ ſelbſt finden wir auch jene Galvanometer verſchiedenartiger Konſtruktion — welche bei der Verwendung der Elektrieität für Heilzwecke inſofern eine bedeutende Rolle ſpielen, als es durch dieſelben ermöglicht wird, die Stärke des zur Verwendung kommenden elektriſchen Stromes genau abzu⸗ meſſen, ſowie Rheoſtate, Inſtrumente für auf Reiſen vor⸗ zunehmende erdmagnetiſche und aſtronomiſche Beobachtungen, Apparate für objektive Darſtellung der Polariſations⸗ und Spektralerſcheinungen, Spektrophotometer, Spektro⸗ ſkope u. dgl. Ferner erblicken wir daſelbſt eine reichhal⸗ tige Sammlung von für die mikroſkopiſche Unterſuchung und Bakteriologie unentbehrlichen Hilfsmitteln: neben den berühmten Oelimmerſions-Mikroſkopen nach Hartnackſchem Syſtem eine Auswahl von Mikrotomen (Apparate zur Herſtellung von Dünnſchnitten), welche zum Teil mit be⸗ ſonderen Vorrichtungen verſehen ſind, um die zu unter⸗ ſuchenden Gewebe vor der Herſtellung des Dünnſchnitts zum Gefrieren zu bringen, ferner beſondere Beleuchtungs- apparate für die mikroſkopiſche Unterſuchung und jene Vorrichtungen, welche das mikroſkopiſche Bild ſofort photo⸗ graphiſch fixieren, unter welchen letzteren ein von R. Blänsdorf Nachfolger (Frankfurt a. M.) nach Angaben von Stein kon⸗ ſtruierter mikrophotographiſcher Apparat, ſowie ein mikro⸗ photographiſcher Kehlkopfſpiegel beſondere Erwähnung ver⸗ dienen. Ebendaſelbſt begegnen wir auch jenen Thermoſtaten zum Steriliſieren und Koagulieren von Blutſerum (behufs Herſtellung der für die Bakteriologie unentbehrlich gewordenen Nährgelatine) mit ſelbſtthätiger Wärmeregulierung ſowie einer Sammlung von Präparaten der verſchiedenſten Mikro⸗ organismen. Unter den für den naturwiſſenſchaftlichen Unterricht beſtimmten Apparaten bemerken wir optiſche, kryſtallographiſche Inſtrumente und Modelle, dynamoelekt⸗ riſche Handmaſchinen für den Schulunterricht, eine reiche Kollektion von Erzeugniſſen aus isländiſchem Doppelſpat (zur Beobachtung der Polariſationserſcheinungen dienend), vortreffliche Nachbildungen mediziniſcher Pflanzen, funfivoll ausgeführte meteorologiſche, zoologiſche und paläontologiſche Wandtafeln aus der Buchhandlung von Theodor Fiſcher (Kaſſel), ein von Dronke (Trier) hergeſtelltes höchſt in⸗ ſtruktives Tellurium mit elliptiſcher Erdbahn und eine reiche Auswahl anderweitiger für den naturwiſſenſchaft⸗ lichen Unterricht beſtimmter, zum Teil höchſt ſinnreicher Apparate. Ebendaſelbſt hat die berühmte zoologiſche Sta⸗ tion zu Neapel eine Kollektion von Seetieren ausgeſtellt, welche ſo vortrefflich konſerviert ſind, daß man glauben möchte, dieſelben ſeien erſt foeben dem feuchten Elemente entnommen worden. In einem anſtoßenden Raume finden wir auch jene Schleppnetze, mit Hilfe deren dieſelben aus der Meerestiefe ans Tageslicht emporgeſchafft werden, Appa⸗ rate, um Proben des Meeresbodens emporzuheben, Tiefſee⸗ lote, Tiefſeethermometer u. dgl. Neben den von der Station zu Neapel ausgeſtellten Qbjekten imponieren die Humboldt. — Januar 1887. 47 von dem zoologiſch-zootomiſchen Inſtitut zu Würzburg ver⸗ fertigten Trockenpräparate durch ihre Farbenſchönheit und vortreffliche Erhaltung, welche letztere noch nach Monaten und Jahren eine Unterſuchung der Gewerbe geſtattet. Wie weit die Kunſt der Konſervierung und Präparierung gegenwärtig vorgeſchritten iſt — das zeigen auch die von dem Königsberger Anatomen Profeſſor Stieda ausgeſtellten menſchlichen Körperteile. Mit Hilfe eines einfachen Ver- fahrens (Behandlung mit kauſtiſcher Kalilauge) werden von demſelben menſchliche und andere Skelette in der Weiſe von allen anhängenden Weichteilen befreit, daß ſie ſofort in den Sammlungen aufgeſtellt oder als Unterrichtsmittel benutzt werden können. Im höchſten Grade inſtruktiv iſt auch ein von dem letzterwähnten Gelehrten ausgeſtellter Thorax mit den in ihrer natürlichen Lage gelaſſenen Lungen. Mit Hilfe einer einfachen Vorrichtung werden letztere aufgeblaſen und dadurch der Ein- und Ausatmungs— Mechanismus, deſſen Verdeutlichung in den Vorleſungen über Anatomie und Phyſiologie bisher viel Mühe und Zeit koſtete, ſofort ad oculos demonſtriert. — In jener Abteilung, welche die der Geſundheitspflege und Geſundheitstechnik dienenden Apparate und Vor— richtungen umfaßt, begegnen wir zunächſt einer Anzahl von Desinfektionsapparaten, in denen zum Teil durch überhitzten Waſſerdampf, zum Teil auch unter Verwendung von erhitzter trockener Luft die zu infizierenden Objekte von den anhaftenden, als Krankheitserreger wirkenden Spalt- pilzen befreit werden. In der nämlichen Abteilung finden wir Filterapparate zur Gewinnung von bakterienfreiem Trinkwaſſer, Modelle von Badeeinrichtungen, Waſſerkloſetten, Luft⸗, Dampf- und Warmwaſſerheizungen, ferner Reſpira— tionsapparate zum Schutze der Atmungsorgane gegen Staub, Gas, Rauch, Dämpfe und Miasmen. Ein beſon— deres Verdienſt hat ſich auch der Magiſtrat der Stadt Berlin dadurch erworben, daß er in der beſagten Abtei— lung ſeine großartigen hygieniſchen Anlagen und ſonſtige der Geſundheit dienende Inſtitutionen (Waſſerwerke, Desinfektionsanſtalten, Central-Vieh- und Schlachthofan— lagen u. ſ. w.) mit Hilfe von Modellen zur Anſchauung brachte, ſowie dadurch, daß er in graphiſchen Darſtellungen ein Bild entwarf von der Bevölkerungsbewegung, den Schwankungen des Grundwaſſerſtandes, dem Auftreten von Epidemien wie Typhus, Diphtherie, Scharlach, Maſern u. ſ. w. Eine beſondere und zugleich hochintereſſante Gruppe bildeten auch die photographiſchen Objekte, inſofern als durch dieſelben die außerordentlichen Vorteile, welche die Licht— bildekunſt für die naturwiſſenſchaftlich-ärztliche Beobachtung bietet, dem Ausſtellungsbeſucher zum Bewußtſein gebracht werden. Neben Photographien von Himmelskörpern (photo- graphiſche Darſtellung der Mond- und Sonnenoberfläche, des Orionnebels, der verſchiedenſten Sternbilder, der Sonnenfinſterniſſe, ſamt Corona und Protuberanzen, des Sonnenſpektrums u. ſ. w.) treffen wir hier hochintereſſante Vogelſchauperſpektiven verſchiedener Gegenden, welche im Luftballon aufgenommen wurden, ferner intereſſante Blitzphotographien, Photogramme vom Venus— durchgang, Nordlichtaufnahmen, zahlloſe Mikrophotographien (photographiſche Reproduktionen von mikroſkopiſchen Prä— paraten) geologiſche und orographiſche Aufnahmen aus ver— ſchiedenen Weltteilen, die Verſchiedenartigkeit der Wolfen: bildung, Gletſcher- und Felsbildung zur Darſtellung bringende Photogramme u. dgl. — In glänzender Weiſe iſt auch die Geographie in der Ausſtellung vertreten, indem einerſeits die auf dem Gebiete der rein geogra— phiſchen Kartographie gemachten Fortſchritte, andererſeits die unter der Leitung der geologiſchen Landesanſtalt und Bergakademie hergeſtellten geologiſchen Ueberſichtskarten verſchiedener preußiſcher Provinzen und die durch die ſächſiſche geologiſche Landesunterſuchung unter Credners Leitung gezeichneten geologiſchen Kartenblätter — Leiſtungen von ganz außerordentlicher wiſſenſchaftlicher Bedeutung — ſowie ferner auch eine Anzahl von intereſſanten Relief— karten (Karte von Mitteleuropa nach den Generalftabs- karten der betreffenden Länder feſtgeſtellt und modelliert; Reliefkarte von Alt- und Neu-Athen nach Curtius und Kaupert) hier zum erſtenmal öffentlich ausgeſtellt wurden. — Eine beſondere Abteilung bilden ferner die zur wiſſen— ſchaftlichen Reiſeausrüſtung dienenden Objekte, beſtehend aus der photographiſchen Reiſecamera, Reiſe— Barometern und Barographen, Reiſe-Theodoliten, Inſtru— menten für anthropologiſche Meſſungen auf Reiſen u. dgl. — Was die Anthropologie ſelbſt anlangt, ſo ſind in der— ſelben die beiden Virchows, Vater und Sohn — erſterer, durch die nach ſeinen Angaben hergeſtellten, die Verteilung des blonden und brünetten Typus in Deutſchland und den Nachbarſtaaten zur Darſtellung bringenden Karten ſowie durch Zeichnungen der von ihm unterſuchten peruaniſchen Schädel, letzterer durch einen zum Abzeichnen der Median— linie des Rückens des lebenden Menſchen dienenden Appa— rat, ſowie durch eine Vorrichtung, welche die Aufzeichnung des Fußgrundriſſes erleichtert, vertreten. In hohem Grade bemerkenswert ſind auch die von den Gebrüdern Caſtan, den Inhabern des Berliner Panoptikums, nach Angaben von Dr. Finſch hergeſtellten anthropologiſchen Masken, welche eine Anzahl von Raſſentypen in vollendetſter Natur— wahrheit zur Darſtellung bringen. In der nämlichen Abteilung haben der hervorragende Münchener Anthropologe Johannes Ranke und der bekannte franzöſiſche Anthropologe Paul Topinard anthropologiſche Meßinſtrumente, Dr. Kon⸗ rad Rieger einen Meßtiſch und Projektionsapparat für Menſchen- und Tierſchädel, A. Voß ein höchſt intereſſantes photographiſches Album von deutſchen prähiſtoriſchen und anthropologiſchen Funden ausgeſtellt. — In der biolo— giſchen Abteilung verdient Erwähnung ein höchſt inſtruktives Modell des Cortiſchen Organes (Endigung des Gehörnerven) des Menſchen ſowie die nach Eilhard Schulzes Angaben hergeſtellten Glasmodelle von iſolierten Skeletteilen verſchiedener Tiere und von mikroſkopiſchen Durchſchnitten des Körpers gewiſſer Mollusken. Ebendaſelbſt verdienen auch die von Aubert aufgeſtellten Fadenmodelle, welche die Augenmuskelwirkung, die Accommodation der Linſe des Auges, den Gang der durch Ophthalmometerplatten hin— durchtretenden Lichtſtrahlen u. ſ. w. verſinnlichen, eine beſondere Beachtung. In hohem Grade intereſſant iſt ferner ein nach Profeſſor Roſenthals (Erlangen) Angaben von R. Hennig konſtruierter Apparat zur künſtlichen At— mung von Tieren, welche durch Anäſtheſierung oder durch andere Proceduren am Atmen verhindert werden, ſowie ein von Fleiſcher (Erlangen) erfundener pneumatiſcher Apparat, welcher vor dem bekannten Waldenburgſchen manche Vorteile voraus hat. Nicht ohne Intereſſe ſind auch die von M. von Ziemſſen ausgeſtellten Photographien, welche die Elektrophyſiologie der Mimik erläutern, ſowie die von J. Pfeil, dem Mechaniker des phyſiologiſchen In— ſtituts der Berliner Univerſität, ausgeſtellten Apparate wie: Plethysmograph (Apparat zur Meſſung der wechſelnden Blutfülle im Arm und Bein), Froſchherzapparat (Ver⸗ zeichnung des im Froſchherzen herrſchenden Blutdruckes mit Hilfe eines Queckſilbermanometers), Cardiograph und Sphyg- mograph (Vorrichtungen zum Aufzeichnen von Pulsſchlag und Herzſtoß) u. ſ. w. — In der Abteilung für Kehlkopf— Naſen- und Ohrenkrankheiten fällt uns neben einer Anzahl von neuerfundenen Beleuchtungsapparaten, Naſen⸗ Ohren- und Kehlkopfſpiegeln, Inſtrumenten für Galvano— kauſtik, Einſtäubungsapparaten für Kehlkopf und Luft⸗ röhre u. dgl. eine Kollektion von Fremdkörpern (Münzen, Knöpfen, Hartkautſchukplatten von Gebiſſen, Zwetſchgen— kernen, Glasperlen u. dgl.) auf, welche in der Schrötterſchen Klinik zu Wien auf operativem Wege aus dem Kehlkopf und der Luftröhre entfernt wurden — Operationen, die ebenſo viele Lebensrettungen und Triumphe der Wiſſen— ſchaft bedeuten. — Daß auch das Telephon bereits für Heil⸗ zwecke Verwendung gefunden hat, lehrt ein von Dr. Jacob ſon (Berlin) konſtruierter Apparat, welcher einerſeits zur Gehörprüfung, andererſeits auch zu der gegen die ſubjek— tiven Gehörempfindungen von Ohrenkranken gerichteten Tonbehandlung benutzt wird. — In der die Apparate und Inſtrumente der Augenheilkunde umfaſſen— den Abteilung finden wir unzerbrechliche künſtliche Menſchen— augen, die aus Celluloid hergeſtellt ſind, von Hermann 48 Humboldt. — Januar 1887. Cohn (Breslau) ausgeſtellte Raumwinkelmeſſer zur indi⸗ rekten Helligkeitsbeſtimmung in Schulen, Refraktionsbe⸗ ſtimmer nach Schmidt⸗Rimpler von der Firma W. Holzhauer (Marburg) hergeſtellt, optotypiſche Apparate zur Beſtim⸗ mung der Sehſchärfe, von Dr. Wolffberg (Berlin) kon⸗ ſtruirt u. dgl. In der Abteilung für Neurologie und Elektrotherapie iſt die durch Vigouroux in Frankreich, durch S. Th. Stein in Deutſchland vorzugsweiſe geförderte Frankliniſation, ſowie die in Form des elektriſchen Bades ſtattfindende allgemeine Elektriſation durch eine beſonders reichhaltige Auswahl von Inſtrumenten und Apparaten vertreten. Auch wollen wir die galvaniſchen Batterien für konſtanten Strom, die elektriſch beleuchteten Mund⸗ und Kehl⸗ kopfſpiegel, die Galvanometer nach Ziemſſen, Stintzing und Edelmann, und die elektriſchen Apparate für Magenbeleuch⸗ tung hier noch beſonders erwähnen. Endlich bedarf es kaum noch einer Erwähnung, daß die Chirurgie durch eine faſt übermäßig reichhaltige Auswahl von neuen Ver⸗ bandſtoffen, Inſtrumenten und Apparaten — unter den Ver⸗ bandmitteln erwähnen wir beſonders das neueingeführte, dem Jodoform, wie es ſcheint, in mancher Beziehung überlegene Jodol, unter den chirurgiſchen Vorrichtungen einen von S. Goldſchmidt nach Eulenburgs Angabe kon⸗ firuterten Apparat mit Eiskaſten, dazu beſtimmt bei Pottſchem Wirbelleiden neben Fixierung der Wirbelſäule eine Kühlung der entzündeten Stelle zu ermöglichen — in der Aus⸗ ſtellung vertreten war, und daß die Zahnärzte einige Ver⸗ beſſerungen ihres Inſtrumentariums zur Anſchauung ge⸗ bracht, die Pharmakologen eine ſchier endloſe Anzahl von pharmaceutiſchen Präparaten, diätetiſchen Heilmitteln, Medizinalweinen u. dgl. ausgeſtellt hatten. — Alles in allem muß die im Zuſammenhang mit der Berliner Natur⸗ forſcherverſammlung in der Reichshauptſtadt arrangierte wiſſenſchaftliche Ausſtellung als eine Leiſtung allererſten Ranges bezeichnet werden. Dr. Ml. Alsberg in Kaſſel. Die Ausſtellung der chemiſchen Präparate und Apparate war an zwei verſchiedenen Orten veranſtaltet worden. Einige Firmen hatten ihre Fabrikate ebenfalls in den Räumen der Akademie aufgeſtellt. Dieſes waren beſonders Chemikalien, welche zu mediziniſchen Zwecken verwendet werden, und Apparate, welche dem naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Unterricht dienen. Außerdem hatte die chemiſche Sektion der Naturforſcherverſammlung in zwei Sälen des Kaiſerhofs eine fachwiſſenſchaftliche Ausſtellung bewerk⸗ ſtelligt. Von den in der Akademie aufgeſtellten Präparaten ſind in erſter Linie die Sammlungen von Pflanzen⸗Alka⸗ loiden und neuerer Erſatzmittel derſelben hervorzuheben. Ganz hervorragend war die Firma E. Merck in Darm⸗ ſtadt vertreten, deren Schrank mit großen Quantitäten von chemiſch reinen Alkaloiden wie Atropin, Cocain, Strychnin, Kaffein, Digitalin, ferner von Urethan und dem neuen an Stelle von Salicylſäure verordneten Salol (Salieylſäure⸗ phenyläther) offenbar einerſeits das koſtbarſte und heil⸗ ſamſte, andererſeits das gefährlichſte Objekt der ganzen Aus⸗ ſtellung war. Ein ausführlicher Katalog, in welchem die Geſchichte, Eigenſchaften und Wirkungsweiſe der vor Augen geführten Stoffe geſchildert waren, bildete eine intereſſante und lehrreiche Beigabe. In demſelben Saale hatte auch Th. Schuchardt aus Görlitz eine größere Anzahl von ſchönen und meiſtens neueren Chemikalien ausgeſtellt, unter denen beſonders Galliumpräparate hervorzuheben ſind. Intereſſant waren ferner die Kollektionen von Alkaloiden der Firmen C. F. Böhringer & Söhne in Mannheim, der Chininfabrik Braunſchweig in Braunſchweig und der Fabrik von Benno Jaffé & Darmſtädter in Berlin. Die badiſche Anilin⸗ und Sodafabrik in Ludwigshafen hatte eine Anzahl von neuen antiſeptiſchen und antipyretiſchen Mitteln, beſonders Thal⸗ linpräparate eingeſandt. Von Kalle & Co. in Biebrich war das von ihnen ſeit kurzem fabrizierte Jodo! ausgeſtellt. Eine größeres Intereſſe als dieſe mediziniſch⸗chemiſchen Sammlungen in der Akademie hatten für den Fachmann die im Kaiſerhof aufgeſtellten Kollektionen neuerer chemiſcher Apparate und Präparate von bedeutenden Gelehrten und hervorragenden Firmen. Da von ſeiten der chemiſchen Großinduſtrie eine ſehr rege Beteiligung ſtattgefunden hatte, ſo war es ganz naturgemäß, daß dieſe vermöge der vor Augen geführten großen und zahlreichen Muſter den größten Raum der beiden Säle des Kaiſerhofs in Anſpruch nahmen. Die chemiſche Induſtrie war inſofern etwas einſeitig ver⸗ treten als im weſentlichen nur aus dem Steinkohlenteer, iſolierte Produkte und deren Derivate, insbeſondere die künſt⸗ lichen organiſchen Farbſtoffe berückſichtigt worden waren, dieſelben jedoch in einer wohl noch nicht geſehenen Voll⸗ ſtändigkeit und Schönheit. Präparate der Steinkohlenteer⸗ und Petroleuminduſtrie hatte die chemiſche Fabrikaktiengeſell⸗ ſchaft in Hamburg, aus ihrem Etabliſſement in Erkner ſtam⸗ mend, geliefert. Inſoweit dieſelben als Rohmaterialien für die Farbeninduſtrie dienen, waren ſie auch von der Aktien⸗ geſellſchaft für Anilinfabrikation in Berlin ansgeſtellt, welche als Fortſetzung die daraus erzeugten Zwiſchen⸗ produkte und künſtlichen Farbſtoffe hinzugefügt hatte. Der ſehr reichhaltigen Kollektion dieſer Firma, welche über 300 Nummern umfaßte, war ein ausführlicher Katalog, welcher die Zuſammenſetzung, Bildungsweiſe und Geſchichte der Präparate enthielt, beigegeben. Während nun in dieſer Sammlung in der Farbeninduſtrie thatſächlich benutzte und erzeugte Subſtanzen vereinigt waren, hatte die badiſche Anilin⸗ und Sodafabrik in Ludwigshafen eine faſt ebenſo zahlreiche Anzahl von Rohmaterialien und Farbſtoffen ausgeſtellt, welche aber dadurch ausgezeichnet waren, daß die einzelnen Stoffe den höchſt möglichen Grad der Reinheit und Schönheit der Kryſtallform beſaßen. Beide Kollektionen ergänzten fic) demnach in bemerkens⸗ werter Weiſe. Eine kleinere, aber recht intereſſante Samm⸗ lung von Farbſtoffen und antipyretiſchen Mitteln hatten die Farbwerke vormals Meiſter, Lucius & Brüning in Höchſt eingeſandt. Eine zahlreiche Reihe von ſchönen organiſchen Präparaten der mannigfachſten Art lieferte die bekannte Firma C. A. F. Kahlbaum in Berlin, worunter beſonders die aus Ricinusol dargeſtellten Subſtanzen genannt ſein mögen. Die chemiſche Fabrik auf Aktien vormals E. Schering in Berlin brachte neben wunder⸗ ſchönen Kryſtallen von Salicylſäure, Cocain, Jod⸗ und Bromkalium die Reſultate ihrer neuen Magneſiuminduſtrie zur Anſchauung. Sehr bemerkenswert waren auch die Salicylſäurepräparate, ferner Salol und Oxynaphtosſäuren von Dr. F. v. Heydens Nachfolger in Radebeul bei Dresden und die Kollektion von Rohmaterialien für die Farbeninduſtrie der chemiſchen Fabrik vormals Hofmann & Schötenſack in Ludwigshafen am Rhein. Hierunter ſei ein größeres Muſter des längſt bekannten Acetanilids deshalb beſonders hervorgehoben, weil dieſer Körper neuer⸗ dings unter dem Namen Antifebrin als ein vorzügliches, das Antipyrin an Wirkſamkeit bedeutend übertreffendes Fiebermittel empfohlen wird. Von den Präparaten, welche Gelehrte ausgeſtellt, möge der Thiophenderivate V. Meyers, einer Anzahl Alkaloide Ladenburgs und des von Winkler entdeckten und eingeſandten Germaniums gedacht ſein. Die Sammlung der ausgeſtellten chemiſchen Apparate war nicht beſonders groß, jedoch recht intereſſant und lehrreich. Die königliche Porzellanmanufaktur hatte ein reichhaltiges Sortiment von chemiſchen Apparaten aus Porzellan eingeſchickt. Schmidt & Hänſch in Berlin und Krüß in Hamburg hatten Spektral- und Polariſations⸗ apparate von vorzüglicher Konſtruktion ausgeſtellt. Auch die Apparate von Dr. Muencke, Schober, Hugershoff, Deſaga, Willfarth, ſowie die Thermometer von Gerhardt boten viel Sehenswertes. Dieſes gilt auch noch ins⸗ beſondere von V. Meyers Apparaten zur Beſtimmung der Dampfdichte und der Ausdehnungskoefficienten der Gaſe. Dr. ©. Schultz in Berlin. Ueber die Temperatur der Mondoberfläche. Von Dr. O. Knopf in Berlin. 85 Nie Beantwortung der Frage nach der Tem— ee peratur der Oberfläche des Mondes bietet 2 1 )3 große Schwierigkeiten, weil die Sonnen— e ttraahlen bei ihrer Ankunft daſelbſt ganz andere Verhältniſſe vorfinden als auf der Erde, Ver⸗ hältniſſe, deren Einfluß wir, da ſie unſerer Erfahrung ſehr fern liegen, nicht recht zu beurteilen vermögen. Zunächſt wird uns der eine Umſtand, welcher eine große Verſchiedenheit der Temperatur auf der Erde und dem Mond bedingen muß, in die Augen fallen, daß Tag und Nacht auf dem Mond eine 29, 5mal fo lange Dauer haben als bei uns. Dadurch würde alſo unter ſonſt gleichen Verhältniſſen die Temperatur am Tage bedeutend höher ſteigen als bei uns und in der Nacht wegen der länger währen— den Ausſtrahlung des Bodens bedeutend tiefer ſinken. Sir John Herſchel nahm daher Temperaturſchwan—⸗ kungen der Mondoberfläche an von über 100° bis tief unter 0°. Bedeutend ſchwieriger noch läßt ſich der Einfluß des anderen Umſtandes beſtimmen, daß der Mond nicht wie die Erde mit einer Atmoſphäre oder höch— ſtens nur mit einer ſehr dünnen umgeben iſt. Nehmen wir einmal an, der Mond habe gar keine Atmoſphäre, oder dieſelbe übe wenigſtens keinen merklichen Cin- fluß aus, welche Temperatur — ſo wollen wir zu— nächſt einmal fragen — würde dann ein Punkt der Mondoberfläche haben, wenn die Sonne immer ſenk— recht auf ihn herabſchiene? Wir ſetzen hierbei vor— aus, wie ſich auch durch die ſpäter noch zu beſprechen— den Verſuche beſtätigt hat, daß der Mond keine aus ſeinem Innern kommende Wärme beſitzt. Offenbar wird jene Stelle der Mondoberfläche eine konſtante Temperatur annehmen, ſo daß ſie gerade ſo viel Wärme in den Weltenraum abgibt als ſie von der Sonne empfängt. Was dies für eine Temperatur iſt, hängt von der Oberfläche des Mondes ab; fie Humboldt 1887. wird um ſo höher ſein, je größer das Abſorptions— vermögen der letzteren iſt. Außerdem iſt ſie aber noch abhängig von der Temperatur des leeren Raumes; denn je tiefer dieſe iſt, bei um ſo geringerer Temperatur wird die Mondoberfläche ſo viel Wärme ausſtrahlen, als ſie von der Sonne erhält. Von der Erde wird die ausgeſtrahlte Wärme nicht ſofort an den leeren Raum abgegeben, ſondern ſie dient zunächſt, wenigſtens teilweiſe, zur Erwärmung der Atmoſphäre. Dadurch wird aber der Temperatur- unterſchied zwiſchen der Erdoberfläche und ihrer Um- gebung verringert und erſtere ſomit wieder zur An— nahme einer höheren Temperatur befähigt. Dieſe Wechſelwirkung ſetzt ſich ſo lange fort, bis die Erd— oberfläche eine Temperatur erreicht hat, bei welcher ſich Wärmeaufnahme und Wärmeabgabe das Gleich— gewicht halten. Die Erwärmung des Bodens wird um ſo größer werden können, je dichter die umgebende Luftſchicht iſt. Auf hohen Bergen iſt daher wegen der dünnen Atmoſphäre ſelbſt in den Tropen unter den ſenkrechten Sonnenſtrahlen der Boden mit ewigem Schnee und Eis bedeckt. Der amerikaniſche Phyſiker Langley machte 1881 eine Expedition nach dem Mount Whitney in der Sierra Nevada und ſtellte in Höhen von 1000-5000 m zahlreiche Verſuche über die Energie der Sonnenſtrahlung an. Er leitete daraus das Reſultat ab, daß die Erde, wenn die Atmoſphäre ganz weggenommen würde, von den Sonnenſtrahlen nur um 48° erwärmt werden könnte. Wir kommen dadurch wieder auf die Frage nach der Temperatur des Weltenraumes zurück. Während aber die meiſten anderen Phyſiker dieſelbe auf etwa — 100 ſchätzen, und Woeikof, wie im Septemberhefte des Jahrgangs 1886 dieſer Zeitſchrift, S. 342, beſprochen wurde, aus Beobachtungen bei Ballonfahrten — 36“ und aus Beobachtungen in Berggegenden —42° ableitete, 4 50 Humbolot. — Februar 1887. hält Langley fie für fo niedrig, daß ſelbſt wenn jene +48° dazu kommen, Flüſſigkeiten und Gaſe auf der Erde wahrſcheinlich nur im feſten Zuſtand vorkommen könnten. Mag bei dieſer Anſicht, wie uns ſcheint, Langley auch etwas zu weit gegangen fein, fo iſt doch jedenfalls der zu Grunde liegende und früher nicht genug hervorgehobene Gedanke, daß die Atmo⸗ ſphäre die Temperatur des von ihr umgebenen Körpers weſentlich erhöht, durchaus richtig. Die Frage nach der Temperatur der Mondoberfläche hängt daher eng mit der bislang noch unentſchiedenen Frage nach der Exiſtenz einer Mondatmoſphäre zuſammen. Am ſicherſten, ſo möchte man auf den erſten Blick meinen, müſſe ſich die Temperatur des Mondes finden laſſen, wenn man imſtande wäre, die vom Mond uns zugeſchickte Wärme zu meſſen. Verſuche nach dieſer Richtung hin wurden von Tſchirnhauſen, La Hire, Howard, Forbes unternommen, jedoch ohne Erfolg. Erſt durch Melloni (1830) wurde der Wiſſen⸗ ſchaft in der Thermoſäule ein hinlänglich empfind⸗ liches Inſtrument geſchenkt, um ſo geringe Wärme⸗ ſtrahlungen zu erkennen. Gemeſſen wurde die Mond⸗ wärme zuerſt nach vielen vergeblichen Verſuchen eines Smyth, Tyndall, Huggiens und Marié-⸗Davy von dem gegenwärtigen Lord Roſſe, welcher in den Brenn⸗ punkt ſeines Reflektors von drei Fuß Oeffnung eine Thermoſäule brachte und bald vom Mond, bald von einem dem Mond benachbarten Stück Himmel die Strahlen nach ihr reflektieren ließ. Von der Thermo⸗ ſäule gingen Leitungsdrähte nach einem Galvanometer, deſſen Magnetnadel einen Ausſchlag machte, ſowie die Mondſtrahlen auf die Thermoſäule fielen. Da während der verſchiedenen Beobachtungen der Mond ſich in verſchiedenen Phaſen und in verſchiedenen Höhen über dem Horizont befand, ſo waren dieſelben natürlich nicht ohne weiteres miteinander vergleich⸗ bar, ſondern mußten erſt ſo reduziert werden, als ob der Mond während der Beobachtungen als Vollmond immer in derſelben Höhe, z. B. im Zenith geſtanden hats Gelegentlich mehrerer Mondfinſterniſſe wurde kon⸗ ſtatiert, daß die Abnahme der Wärmeſtrahlung des Mondes mit der Abnahme des Lichtes faſt gleichen Schritt hielt und daß kurz nach Eintritt der totalen Verfinſterung keine Wärmewirkung des Mondes vor⸗ handen war, daß alſo der Mond keine aus ſeinem Innern herrührende Wärme beſitzt. Durch Ver⸗ gleichung der Wärmeſtrahlung des Mondes und der Sonne mit der Wärmeſtrahlung eines mit heißem Waſſer gefüllten Gefäßes ergab ſich, daß wir von der Sonne 82600mal ſo viel Wärme erhalten als vom Mond. Die bei den Verſuchen wahrgenommene Mond⸗ wärme wird zum Teil aber bloß reflektierte Sonnen⸗ wärme ſein, die zur Temperaturerhöhung des Mondes alſo nichts beigetragen hat. Nur der andere Teil der auf den Mond fallenden Sonnenſtrahlen, welcher in die Oberfläche eindringt, erhöht die Temperatur derſelben und wird dann vom Mond wieder als Wärme in den Weltenraum ausgeſtrahlt. Lord Roſſe nahm an, daß für alle Strahlengattungen das Ver⸗ hältnis, in welchem ſie von dem Mond reflektiert und abſorbiert werden, dasſelbe ſei, und fand unter dieſer Annahme für die Temperatur der Mondober⸗ fläche, wenn fie unter dem Einfluß der ſenkrecht auf⸗ fallenden Sonnenſtrahlen ſteht, gegen 100°. Gegen dieſes Reſultat und die ihm zu Grunde liegende Annahme wendet ſich nun Langley, indem er experimentell mit Hilfe eines Spektrometers nach⸗ weiſt, daß die verſchiedenen Strahlengattungen, welche von der Sonne auf den Mond fallen, in verſchiedenem Prozentſatz von der Mondoberfläche abſorbiert werden und zwar die violetten am meiſten, die weniger brech⸗ baren in geringerem Maße. Die ſandſteinähnliche gelbe Farbe des Mondes weiſe ſchon darauf hin, daß die violetten Strahlen der Sonne in größerem Ver⸗ hältnis als die weniger brechbaren abſorbiert ſeien. Die Verſuche wurden ſo angeſtellt, daß man ein dünnes Bündel Mond-, bezw. Sonnenſtrahlen durch ein Gitter in ſein Spektrum zerlegte und die einzelnen Stellen dieſes Spektrums mit den entſprechenden Stellen des Spektrums eines Lampenlichts verglich. Aus der Entfernung, in welche die Lampe vom Apparat gerückt werden mußte, damit die zu unter⸗ ſuchenden Stellen der Spektren gleich hell erſchienen, konnte das Verhältnis der Lichtintenſitäten leicht berechnet und hierdurch die ſelektive Abſorption der Sonnenſtrahlen durch die Mondoberfläche konſtatiert werden. Zur Meſſung der Mondwärme bediente ſich Langley nicht wie Lord Roſſe der Thermoſäule, ſondern des ungleich empfindlicheren, von ihm ſelbſt vor einigen Humboldt. — Februar 1887. 51 Jahren erfundenen Bolometers, welches auf dem Principe beruht, daß der elektriſche Strom, welcher durch einen dünnen Draht aus Stahl, Platin oder gewiſſen anderen Metallen hindurchgeht, bei einer ſelbſt ganz minimalen Erwärmung desſelben einen durch das Galvanometer erkennbaren und meßbaren Widerſtand erleidet. Zur Veranſchaulichung des Apparates dient die vorſtehende Skizze. Die Strahlen des Mondes, der Sonne oder des mit heißem Waſſer gefüllten Würfels werden durch den verſtellbaren Spiegel M nach dem Bolometer B reflektiert, wo fie auf die dem einen Zweige der elektriſchen Leitung angehörigen Platin— ſtäbchen treffen und ſie erwärmen, während die dem zweiten Stromzweig angehörigen Platinſtäbchen rechts und links daneben vor dem Auffallen der Strahlen geſchützt liegen. Vom hintern Ende des Bolometers gehen die Leitungsdrähte C nach dem Galvanometer hin, deſſen Nadel, ſobald Wärmeſtrahlen in das Bolo— meter fallen, einen Ausſchlag macht. Durch einen mit der Nadel verbundenen Spiegel wurde dieſer Ausſchlag auf einer Millimeterſkala deutlich ſichtbar gemacht und entſprach die Bewegung des Lichtbildes um einen Skalenteil einer Aenderung der Temperatur in den Bolometerſtreifen um 0,0000 16. Bei G in der Skizze befindet ſich ein Spalt, in welchen eine Glas— platte geſchoben werden konnte, wenn man die Sonnen⸗ oder Mondſtrahlen auf ihre Durchläſſigkeit durch Glas unterſuchen wollte. Langley fand die vom Mond kommende Wärme gleich s der Sonnenwärme, ein ſeiner eigenen Meinung nach noch ziemlich unſicheres Reſultat, und als die Temperatur der Mondoberfläche, je nachdem man annimmt, daß ½, ½ oder ½ der Mondſtrahlen aus reflektierten Sonnenſtrahlen beſteht, die reſpektiven Werte — 99,30; — 7,90; 21,6“. Den letzten Wert hält Langley für den wahrſcheinlichſten. Wie man ſieht, iſt die Frage nach der Temperatur der Mondoberfläche zur Zeit noch eine offene, durch Beiſeiteräumen fundamentaler Irrtümer iſt ſie jedoch von Langley ihrer Löſung um ein gutes Teil näher gebracht worden. Die Sonnenkompaßuhr. Von Prof. F. Auguſt in Berlin. ee Sonnenkompaßuhr iſt eine Sonnenuhr, welche an jedem Orte der Erde mit Leichtigkeit richtig aufgeſtellt werden kann, ohne daß man dazu der Kenntnis der Mittagslinie bedarf, und welche zugleich einen Kompaß vertritt, da man eben durch ihre Auf— ſtellung auch die Richtung der Mittagslinie ermittelt. Sie beruht auf demſelben Princip wie der von meinem Vater, dem 1870 verſtorbenen Gymnaſialdirektor E. F. Auguſt, erfundene, von mir vor einigen Jahren verbeſſerte Skioſtat (ſiehe Zeitſchrift für Inſtrumenten— kunde 1881), iſt aber weſentlich einfacher als dieſes Inſtrument. Ich hatte die Ehre, die Sonnenkompaß— uhr auf der vorjährigen Naturforſcherverſammlung den anweſenden Fachmännern vorzulegen. Sie wird in den mechaniſchen Werkſtätten des Herrn F. Ernecke in Berlin angefertigt, und zwar in zwei verſchiedenen Größen. Das größere Inſtrument dient zu genaueren Beſtimmungen, das kleinere geſtattet nicht ganz ſo genaue Meſſungen, kann aber in einem beigegebenen Futteral, als Taſchenſonnenuhr, bequemer mit auf die Reiſe genommen werden. Das Princip iſt am kleineren Inſtrumente (Fig. 1) am deutlichſten zu erkennen. Seine Hauptbeſtand⸗ teile find der Aequatorring DE und deſſen Achſe FG, dargeſtellt durch die Kante eines dünnen Bleches, welches in einer vertikalen Ebene feſt mit dem Aequa⸗ torring verbunden angebracht iſt. In derſelben Ver— tikalebene, ebenfalls feſt mit dem Aequatorring ver— bunden, befindet fic) der Meridiankreis CC. Dieſer ganze bisher beſchriebene Apparat iſt um eine ho ri- zontale Achſe drehbar, welche durch den Mittelpunkt des Meridiankreiſes geht und an dem oberen Ende der vertikalen Säule, in der Zeichnung durch den Meridiankreis verdeckt, befeſtigt iſt. Von dieſer Achſe Fig. 1. hängt vor dem Meridiankreis ein Lot herab, deſſen Faden unterhalb des Meridiankreiſes durch einen kleinen an der Säule B befeſtigten Ring geht. Die Säule B ijt auf eine etwas weitere vertikale Röhre aufgeſteckt, welche mit dem Fuße & verbunden iſt, der auf drei Schrauben ruht. Der ganze obere Apparat iſt alſo gegen den Fuß um eine vertikale 52 Humboldt. — Februar 1887. Achſe drehbar. Nehmen wir nun an, der Apparat fet bereits richtig eingeſtellt, nämlich jo, daß GF parallel der Erdachſe iſt, und zwar G nach Norden, während der Faden des Lotes genau durch die Mitte des kleinen Ringes geht. Alsdann muß der Faden des Lotes auf die geographiſche Breite des Beobach⸗ tungsortes einſtehen, alſo z. B. für Berlin auf 52 ½ Grad nördlich. Für Berlin würde alſo 6 höher, F tiefer ſtehen, als in der Zeichnung. Die beiden Rand⸗ ebenen des Aequatorringes ſind dann der Aequator⸗ ebene der Erde parallel. Bei der ſcheinbaren täglichen Bewegung der Sonne dreht ſich die durch die Sonne und die Kante FG beſtimmte Ebene in 24 Stunden einmal gleichförmig um die Kante herum. Teilt man alſo das Innere des Aequatorrings in 24 gleiche Teile, ſo beſchreibt der Schatten der Kante PG den Raum zwiſchen zwei Teilſtrichen in einer Stunde. Dieſer Schatten gibt demnach die Zeit an. Die Zeiteinteilung iſt bei dieſem kleineren Apparat, wie bei den meiſten Sonnen⸗ uhren, auf Viertelſtunden angegeben, es laſſen ſich aber auch kleinere Teile leicht abſchätzen, und zwar wegen der Gleichmäßigkeit der Teilung ſicherer als bei anderen Sonnenuhren. Außer dieſer täglichen Bewegung beſitzt aber die Sonne auch eine ſcheinbare jährliche Bewegung infolge der Schiefe der Ekliptik, welche ſich in der nördlichen oder ſüdlichen Deklination der Sonne bemerkbar macht. Deshalb trifft der Schatten des Aequatorringes die Kante FG an den verſchiedenen Tagen des Jahres an verſchiedenen Stellen, aber an demſelben Kalendertag verſchiedener Jahre (faſt genau) an derſelben Stelle. Man braucht nur die Stelle der Kante, die von einem Schatten⸗ rande des Ringes getroffen wird, zu beachten und dazu iſt aus praktiſchen Gründen bei nördlicher Dekli⸗ nation, d. h. in der Zeit vom 20. März bis 22. Sep⸗ tember, der auf die Südſeite der Kante fallende Schatten des Südrandes D, bei ſüdlicher Deklination, in der übrigen Zeit des Jahres der auf die Nordſeite der Kante fallende Schatten des Nordrandes beſtimmt. Am 4. Mai z. B. beträgt die Deklination der Sonne 15 Grad nördlich, alſo trifft der Schatten des Süd⸗ randes D die nach F zu gerichtete Südſeite der Kante an dem Punkte, deſſen Verbindungslinie mit irgend einem Punkte dieſes Ringrandes einen Neigungs⸗ winkel von 15 Grad gegen die Ebene dieſes Ringrandes bildet. Demgemäß findet ſich auf beiden Seiten der Kante FG eine den Deklinationsgraden der Sonne von 0 bis 23 ½ Grad entſprechende Einteilung, nach F zu für die nördliche, nach G zu für die ſüdliche Deklination. An den Teilſtrichen ſind aber nicht die leicht abzählbaren Deklinationsgrade, ſondern gleich die ihnen entſprechenden Kalendertage vermerkt, bei dem kleinen Apparat von fünf zu fünf Teilſtrichen, ſo daß das richtig aufgeſtellte Inſtrument geradezu als Stunden- und als Datumzeiger gelten kann. Nur iſt zu beachten, daß die Deklination der Sonne für denſelben Kalendertag in verſchiedenen Jahren namentlich wegen der Schalttage ein klein wenig ſchwankt, ſo daß die auf dem Inſtrument verzeich⸗ neten Tage bei genauen Meſſungen einer kleinen Kor⸗ rektion bedürfen, welche ſich aber mit Hilfe eines guten Kalenders, der die Deklination der Sonne für jeden Tag angibt, ohne jede Schwierigkeit vollziehen läßt. Steht aber der Apparat falſch, ſo wird man dies durch den Schatten des Ringes auf der Kante bemerken, der alsdann ſchon nach wenigen Minuten ſeine Lage ändert. Es iſt nun leicht einzuſehen, wie der Apparat richtig einzuſtellen iſt. Nachdem man durch Drehen der Fußſchrauben bewirkt hat, daß der Faden des Lotes genau durch die Mitte des kleinen Ringes geht, dreht man zunächſt den oberſten Teil des Inſtrumentes um die horizontale Achſe, bis der Faden des Lotes auf die geographiſche Breite des Beobachtungsortes einſteht, die man hinlänglich genau aus jeder guten Landkarte entnehmen kann. Alsdann dreht man den ganzen Apparat mit Ausſchluß des Fußes, welcher feſt ſtehen bleibt, um die vertikale Achſe, bis der nörd⸗ liche oder ſüdliche Schattenrand des Ringes an der dem Kalendertage (genauer der Deklination der Sonne) entſprechenden Stelle trifft. Hierbei iſt noch eine kleine Vorſicht zu beobachten, worüber in der Gebrauchs⸗ anweiſung das Nähere angegeben iſt. Iſt auch dieſe Einſtellung geſchehen, ſo ſteht der Apparat richtig und gibt ſowohl die Meridianebene und die Mittagslinie, wie die wahre Sonnenzeit an. Will man die bürger⸗ liche oder mittlere Sonnenzeit haben, ſo muß man, wie bei jeder Sonnenuhr, die ſogenannte Zeitgleichung oder die Tafel zur Stellung der Uhr benutzen, welche jeder gute Kalender enthält. Der Umſtand, daß man das Inſtrument auch als Kompaß benutzen kann, iſt nicht ohne praktiſche Be⸗ deutung, weil es oft vorkommt, daß ein magnetiſcher Kompaß unter dem Einfluß von Eiſenmaſſen oder magnetiſchen Geſteinen, welche in der Nähe ſind, falſch zeigt. Pädagogiſch iſt das Inſtrument auch deswegen Humboldt. — Februar 1887. 53 von Intereſſe, weil es die ſcheinbare tägliche und jähr— liche Bewegung der Sonne in einfacher Weiſe zur Anſchauung bringt. Der größere Apparat (Fig. 2) unterſcheidet ſich von dem kleineren in einigen Punkten. Vor allem iſt die Achſe FG des Aequatorringes, um eine noch präciſere Centrierung zu bewirken, durch die Kante eines ſtarken Winkelbleches gebildet, welches gegen den Aequatorring geſchraubt iſt. Die Einteilung der Kante iſt dieſelbe, wie bei der Taſchenſonnenuhr, doch iſt bei jedem einzelnen Teilſtrich der entſprechende Kalender— tag angegeben. Die Zeitableſung mußte infolge dieſer Konſtruktion geändert werden. Der Aequatorring trägt die Zeiteinteilung außen, und zwar fortſchreitend Die Pöhen Don von fünf zu fünf Minuten, fo daß ſich einzelne Mi— nuten, ja ſelbſt Bruchteile derſelben, ziemlich ſicher ſchätzen laſſen. Ein Bügel HFG] iſt um eine unter der Kante FG mit ihr parallel liegende Achſe dreh— bar und trägt den Faden HJ, ebenfalls parallel FG, der durch die Schraube K mäßig geſpannt wird. Nach⸗ dem man das Inſtrument ganz, wie oben beſchrieben iſt, richtig eingeſtellt hat, dreht man den Bügel, bis der Schatten des Fadens HJ genau auf die Kante FG fällt. Derjenige Teil dieſes Schattens, welcher auf den Aequatorring fällt, gibt alsdann die Sonnen- zeit an. Natürlich wird mit dieſem Inſtrument eine größere Präciſion erreicht, als mit dem kleineren Taſcheninſtrument. er Berge. Prof. Dr. A. Penck in Wien. nabläſſig arbeiten die Faltung der Erdkruſte und die Auf- und Abwärtsbewegung größerer Schollen, ununterbrochen wirken das rinnende Waſſer und die Anhäufung vulkaniſcher Materialien, um der Ober— fläche unſeres Planeten eine reichliche Gliederung zu verleihen und ſtetig zu erhalten. Wie ſehr lebhaft aber auch die Thätigkeit aller dieſer Prozeſſe iſt, ſo ſcheint denſelben doch eine Grenze geſetzt zu ſein; je intenſiver irgend ein Teil gehoben iſt, oder je höher ſich ein Vulkankegel aufbaut, deſto größer werden auch jene Kräfte, welche die Erhebung abzutragen ſich beſtreben. An dem Berge nagen Wind und Wetter, um ihn zu erniedrigen, am Hochgipfel ent— falten ſich Schnee und Gletſcher, um ihn zu zer— ſtören, und je ſtattlicher das Gebirge iſt, deſto mehr trägt es den Keim der Vernichtung in ſich. Nur teilweiſe machen ſich daher die Bewegungen der Erd— kruſte, nämlich Gebirgsfaltung und vulkaniſche An— häufungen in der Geſtaltung der Oberfläche geltend, weit geringer iſt der Unterſchied zwiſchen dem höchſten Punkte und der größten Meerestiefe als die nam— hafteren bekannten Verſchiebungen einzelner Schollen der Lithoſphäre. Schichtfolgen, deren Mächtigkeit auf 50 km ſich beläuft, treten mit ihren unterſten und oberſten Lagen in geringen Entfernungen an die Oberfläche, nachweisbar ſind alſo Dislokationen im Betrage von 50 km eingetreten, aber die Erdober— fläche zeigt nur Unebenheiten, deren Ausmaß ſich auf 20 km beläuft. Die Höhen der Berge und die Tiefen des Meeres ſtellen nur einen kleinen Teil der Verſchiebungen dar, in welchen ſich die Kontraktion der Erdrinde äußert, und die Bergeshöhen können nicht unmittelbar als ein Maßſtab der in der Tiefe arbeitenden abyſſo⸗ dynamiſchen Kräfte dienen, vielmehr dürften gerade ſie durch ihre Anordnung bekunden, wie ſtark die Abtragung geweſen iſt, welche ſie erfahren haben. Dieſer Ausſpruch möchte vielleicht zunächſt überraſchen, denn es ſcheint als ein vergebliches Bemühen, in dem Auftreten zahlloſer einzelner Höhen irgend eine Regel— mäßigkeit zu erblicken, und fruchtlos waren alle jene Beſtrebungen, welche eine Geſetzmäßigkeit in den Maßen der vertikalen Gliederung des Landes er— kennen wollten. Man kann weder aus der Länge noch aus der Breite eines Gebirges auf deſſen Höhe einen Schluß machen; wohl hat manchmal das kleinere Gebirge auch die kleineren Höhen, wie der Vergleich zwiſchen Pyrenäen und Alpen, zwiſchen Harz und Sudeten lehrt, aber nur zu häufig findet ſich das entgegengeſetzte Verhältnis; viel höher als die ſkan— dinaviſchen Hochlande ſtrebt die Sierra Nevada de Santa Marta an, wiewohl ſie eine weit weniger große Grundfläche beſitzt. Die geologiſche Forſchung lehrt auch ſehr leicht einſehen, daß zwiſchen den einzelnen Dimenſionen irgend eines Gebirges keineswegs notwendigerweiſe Beziehungen ſtattfinden müſſen. Es kann eine kleine Scholle hochgehoben und eine große Scholle ftabil geblieben ſein, und wenn vielleicht hebender Kräfte gedacht wird, ſo möchte es dünken, als ob gerade kleinere Areale leichter als größere bewegt werden könnten. Niemand aber wird als Regel ausſprechen wollen, daß Flächeninhalt und Höhe des Gebirges in umgekehrtem Verhältniſſe wüchſen! Dagegen wirft die Geologie in anderer Hinſicht ein helles Licht auf die vertikale Gliederung des Landes. Sie deckt Be— ziehungen zwiſchen dem Alter und der Beſchaffenheit des Gebirges einerſeits und den Höhen andererſeits auf. Stolz ſtreben die jüngſten Gebirge mit ihren ſchneeigen Häuptern an, während altersgebeugt die gerundeten Gipfel älterer Erhebungen entgegentreten. Die Felſengebirge und die Alleghanies, die Alpen und der Ural ſind ausgezeichnete Beiſpiele hierfür. In ein und demſelben Gebirge aber zeigt ſich meiſt, 54 Humboldt. — Februar 1887. daß nicht etwa die am höchſten gehobenen Fels⸗ partieen die beträchtlichſten Gipfel bilden, ſondern es ſind harte Geſteine, welche die äußerſten Zinnen auf⸗ bauen. In eindringlichſter Weiſe lehrt die Geologie dasjenige, was in den einleitenden Worten geſagt iſt, nämlich, daß weniger das Maß der Erhebung als die Summe der ſtattgehabten Abtragungen die Höhe der Berge beſtimmt, und ſie gewährt damit auch wohl den Schlüſſel zu der einzigen Regel, welche ſich in den Bergeshöhen ſpiegelt, und welche bisher noch nicht ausgeſprochen iſt. Ein ſchematiſches Profil zur Veranſchaulichung der wichtigſten Erhebungsverhältniſſe gehört zu den notwendig gewordenen Beigaben von Erdkarten, und je nachdem dies Profil gelegt iſt, bietet es des Inter⸗ eſſanten mehr oder weniger. Manchmal ſtehen die Gipfel nach der Größe geordnet nebeneinander und lehren, daß Aſien, dem größten Feſtlande, der höchſte Berg zukommt, und bald ſtellt ſich heraus, daß die fünf Erdteile nach der Ordnung ihrer dominierenden Gipfel in derſelben Folge entgegentreten wie nach ihrer Oberfläche. Aſien gipfelt mit dem 8800 m -- Kilimadscharo Erebus ). w= — COOKS g. © -Villerica ), nicht unter dem Gleicher, ſondern beiderſeits desſelben etwa unter dem 30. Parallel. Ver⸗ bindet man die höchſten Gipfel der einzelnen Breiten⸗ kreiſe, ſo erhält man eine Kurve, welche ſich in den Polarregionen etwa 4000 m über den Meeresſpiegel erhebt, dann allmählich anſteigt, unter dem 45. Parallel auf über 6000 m anſchwillt und ihre Kulmination auf beiden Hemiſphären nahe dem Wendekreiſe findet, wo ſie im Norden im Gauriſankar 8800 m, im Süden im Aconcagua bezüglich den rivaliſierenden Gipfeln des bolivianiſchen Hochlandes nahe an 7000 m Höhe erreicht, während ſie am Aequator ſowohl in Afrika als auch in Südamerika unter 6000 m wieder herab⸗ geht. Dies iſt das allgemeine Bild; es mahnt nur an bekannte Thatſachen. Innerhalb der allerdings nur dürftig erſchloſſenen Polarregionen iſt kein Gipfel von über 4000 m Höhe entdeckt, und außerhalb dieſer Gebiete zeigen weder Nordamerika noch Aſien in den höheren Breiten Gipfel, welche 6000 m über⸗ ſchreiten, ſolche fehlen der Mitte Aſiens im Altai, ſie mangeln den Alpen und den nordamerikaniſchen --Gaurisankar n Klivtschey V. UY. -Citlaltepetl soso Mt Blanc ----Hooken B. Spitzbergen --Petermann® Sp. hohen Gauriſankar, aljo weit höher als Amerika mit dem 6900 m hohen Aconcagua, welcher ſeinerſeits den Kilimandſcharo (5700 m) Afrikas hinter ſich läßt. Dieſer aber übertrifft den Mont Blanc (4800 m), an welchen kein Gipfel Auſtraliens heranreicht. Es dürfte jedoch kaum geſtattet ſein, aus dieſer Thatſache weitgehende Schlüſſe auf eine tiefere Wechſelbeziehung zwiſchen der Größe des Feſtlandes und der zukom⸗ menden vornehmſten Gipfelhöhe zu machen, denn man braucht nur Amerika, ſo wie es wohl am ent⸗ ſprechendſten ijt, in Nord- und Südamerika zu zer⸗ legen, um ſofort das kleinere Südamerika mit einem höheren Gipfel als das größere Nordamerika aus⸗ geſtattet zu ſehen, und man braucht nur der antark⸗ tiſchen Gebiete zu gedenken, um Auſtralien einen andern Platz in der ganzen Folge einzuräumen, ſo daß ſich die ganze Ordnung ändert, woraus ihre innere Haltloſigkeit leicht hervorgeht. Dagegen drängen anders geordnete Profile wichtigere Ergeb⸗ niſſe auf. Auf manchen Karten ſind die Bergrieſen ent⸗ ſprechend ihrer geographiſchen Breite geordnet, und ſolche Profile legen nahe, daß jene älteren Geo⸗ graphen, welche die höchſten Gipfel in der Nähe des Aequators mutmaßten, nicht ſo weit geirrt haben, als vielfach angenommen wird. Zweifellos trifft man in höheren Breiten nicht ſo bedeutende Erhebungen, wie in den niederen, allein die höchſten Berge liegen Kordilleren, wo ſelbſt der ſchlanke Kegel des Mount Elias nicht die genannte Höhe überſchreitet. In tieferen Breiten entfalten ſich ſodann höhere Gipfel, der Thien⸗Schan, der Hindukuſch, und ſchließlich der Himalaja ſchwellen über 7000 m an, dann aber ſetzen die Höhen wieder aus, die hinterindiſchen Gebirge werden entſchieden niedriger als ihre nördlichen Nach⸗ barn, und die afrikaniſchen Gipfel bleiben mit 5700 m ſichtlich hinter den aſiatiſchen zurück. Nunmehr über⸗ nehmen die ſchönen Bergpyramiden Südamerikas die Führerrolle unter den Höhen der Südhemiſphäre, aber ſie reichen unter dem Aequator nur knapp an 6000 m, erlangen hier alſo nicht die Höhe wie im Süden nahe dem Wendekreiſe des Steinbocks, wo ſie über 6500 m anſchwellen, bis dann mit dem Aconcagua der Zug plötzlich abbricht, und ſüdlich von 45° Parallel kein Gipfel mehr an 4000 m reicht. Es iſt nicht zu bezweifeln, daß bei der großen Unſicherheit mancher Berghöhen das hier gezeichnete Bild in Einzelheiten Verſchiebungen erleiden kann; es iſt nicht undenkbar, daß die afrikaniſchen Berg⸗ rieſen, wie viele annehmen, etwas über 6000 m empor- ſteigen, und möglich wäre es ſchon, daß in den ſüd⸗ amerikaniſchen Kordilleren ein neuer Gipfel die Führer⸗ rolle übernähme, allein es dürften doch wohl die großen Züge beſtehen bleiben, dieſe aber zeigen einen merkwürdigen Parallelismus mit einem wichtigen Phänomen, welches die Höhen der Berge zu be⸗ Humboldt. — Februar 1887. 55 gleiten pflegt. Die Schneegrenze ſteigt von den Polen zum Aequator hin an, erreicht aber auf beiden Hemiſphären ihre größte Höhe nicht unter dem Gleicher ſelbſt, ſondern ganz ebenſo wie die Berggipfel auf beiden Seiten derſelben etwa unter den Wendekreiſen. Auch dieſe Thatſache iſt noch nicht genügend hervor— gehoben, wiewohl ſie durch zahlreiche Daten belegt wird: im Innern Aſiens, ſowie auf dem abeſſiniſchen Hochlande wird dem ewigen Schnee erſt bei über 5000 m Höhe begegnet, während derſelbe am Aequator, auf Neu-Guinea wahrſcheinlich, in Südamerika zweifel— los nur 4000 — 4500 m hoch liegt, und ſelbſt in— mitten des afrikaniſchen Kontinentes ſicherlich unter 5000 m herabſinkt, während ſich die Schneegrenze trotz der Nähe des Meeres unter dem ſüdlichen Wendekreiſe in den ſüdamerikaniſchen Anden wieder über 5200 m erhebt. Es ragen die Berggipfel im Mittel nur etwa 2000 m, im Maximum nur 3000 m über die Schneegrenze auf. In dieſem Ergebniſſe aber dürfte der Schlüſſel für die Regel liegen, welche die Anordnung der Berghöhen bekundet. Das Reich des ewigen Schnees iſt ein Gebiet erhöhter und beſonderer Zerſtörung, in ſeinem Umfange iſt die Abtragung der Berge am lebhafteſten; am intenſivſten wirkt hier die Denu— dation. Der Umſtand nun, daß ſowohl die Gipfel von echten gefalteten Gebirgsketten und die Höhen aufwärts bewegter Schollen, der Maſſengebirge oder Horſte, wie endlich auch die ſchlanken Vulkankegel nicht ſehr beträchtlich über die Schneegrenze aufragen, harmoniert mit den eingangs erwähnten Verhält— niſſen, er lehrt, daß, welcher Art und welcher Inten— ſität auch die Bewegungen der Erdkruſte ſind, ſie ſchließlich doch völlig überwunden werden von den erodierenden und denudierenden Kräften; es können die Berge nicht bis in den Himmel wachſen; ihre Höhen ſind begrenzt, und wenn auch Perioden einer neuen heftigen Bewegung der Erdkruſte eintreten ſollten, ſo würden unter obwaltenden klimatiſchen Verhältniſſen die Höhen der Berge nicht ſehr be— trächtlich wachſen, während in Schwankungen des Klimas eine Quelle für wichtige Veränderungen in den hypſometriſchen Verhältniſſen des Landes zu er— blicken wäre. Die Eiszeit, welche ſich mehr und mehr als eine allgemein verbreitete Herabdrückung der Schneegrenze um 1000 m rherausſtellt, muß als eine wahre Periode des Unterganges für die Berg— rieſen gelten. Keueſte Arbeiten auf dem Gebiete der Blütenbiologie. Don Dr. E. Loew in Berlin. in Zeitraum von kaum 25 Jahren iſt verſtrichen ſeit Charles Darwin durch ſein Orchideenwerk (1862) als einen neuen Zweig der biologiſchen Forſchung die Lehre von den Wechſelbeziehungen der Blumen und Blumenbeſucher begründete, nachdem ein ähnlicher, von Chriſtian Konrad Sprengel bereits 1793 unternommener Verſuch in unverdiente Vergeſſenheit geraten war. Eine Reihe weiterer Schriften Dar— wins, ſo beſonders über die zwei Blütenformen der Gattung Primula (1862), über Linum (1864) und Lythrum Salicaria (1864), über dimorphe und trimorphe Pflanzen (1868), ſowie mehrere hierher gehörige Kapitel in ſeinen allgemeinen Werken über die Entſtehung der Arten und über das Variieren der Tiere und Pflanzen ꝛc. bildeten den Ausgangs- punkt für Arbeiten mehrerer anderer Forſcher, welche das von Darwin entdeckte neue Beobachtungsfeld in glücklichſter Weiſe an- und auszubauen verſtanden. Während Hildebrand vorzugsweiſe die von Darwin begonnenen Beſtäubungsverſuche mit dimorphen und trimorphen Pflanzen (1864— 71) fortſetzte, ſowie Beobachtungen über merkwürdige Blütenkonſtruktionen wie die von Salvia (1865), Asclepias (1866), Cory- dalis (1866) und andere Fumariaceen (1869) u. a. anſtellte, war es der geniale Federico Delpino, der zum erſtenmale von einem einheitlichen Standpunkte aus die Wechſelbeziehungen zwiſchen den Blumen und ihren Kreuzungsvermittlern darſtellte und gleichzeitig in ſeinem Werke: Ulteriori osservazioni sulla dico- gamia nel regno vegetale (Mailand 1868 70) eine Fülle neuer, von ihm in verhältnismäßig kurzer Zeit geſammelter Einzelbeobachtungen niederlegte; eine Reihe ſeiner kleineren Aufſätze beſchäftigte ſich kritiſch mit den Arbeiten Hildebrands (1867), Dar— wins (1869) und Hermann Müllers (1870). Letzterer Forſcher war neben Darwin und Delpino auf dem Gebiete der Blütenbiologie unſtreitig der erfolgreichſte, indem er nicht nur ein höchſt umfangreiches That— ſachenmaterial mit glücklichſtem Beobachtungstalent zuſammentrug, ſondern auch ſcharfſinnig neue Pro— bleme zu ſtellen und zu beantworten verſtand. Außer den beiden Hauptwerken: „Die Befruchtung der Blumen durch Inſekten“ (Leipzig 1873) und „Alpen- blumen, ihre Befruchtung durch Inſekten und ihre Anpaſſungen an dieſe“ (ebenda 1881) veröffentlichte er eine größere Anzahl von Aufſätzen im „Kosmos“, in der engliſchen Zeitſchrift „Nature“, ſowie in den Verhandlungen des naturhiſtoriſchen Vereins der preußiſchen Rheinlande und Weſtfalens. Neben Her- man Müller, welcher der Wiſſenſchaft auf jähe Weiſe im Jahre 1883 entriſſen wurde, war ſchon ſeit den ſechziger Jahren ſein in Braſilien lebender Bruder Fritz Müller als begeiſterter Beobachter auf dem gleichen Felde thätig und gab in zahlreichen Mit- 56 Humboldt. — Februar 1882. teilungen Zeugnis von dem Reichtum der Tropen⸗ welt an überraſchenden biologiſchen Vorgängen. Eine von dem Standpunkt der bisher genannten Forſcher etwas abweichende Sonderſtellung endlich nimmt einer der hervorragendſten Botaniker Oeſterreichs, A. Kerner, Ritter von Marilaun, auf unſerem Gebiete ein, in⸗ dem er in ſeinen Schriften, wie z. B. über die Schutz⸗ mittel des Pollens u. ſ. w. (Innsbruck 1873), die Bedeutung der Aſyngamie für die Entſtehung der Arten (Innsbruck 1875) und die Schutzmittel der Blüten gegen unberufene Gäſte (Wien 1876), den Blüteneinrichtungen zum Teil eine neue, jedenfalls höchſt geiſtvolle Deutung unterlegt. Im Laufe von 25 Jahren hat die Blütenbiologie gegenwärtig bereits eine umfangreiche Litteratur ge⸗ wonnen, und zahlreiche jüngere Kräfte ſind mit der Herbeiſchaffung neuen Beobachtungsmaterials ſowie mit der Fortbildung der von Darwin, Delpino und Hermann Müller in den Grundzügen entworfenen Blütentheorie beſchäftigt. Es würde kaum möglich ſein, von dieſen vielfachen Beſtrebungen hier auf wenigen Seiten ein verſtändliches Bild zu entwerfen. Ich will mich mit meinem Berichte daher nur auf die allerletzten Jahre beſchränken und in zwangloſer Weiſe einen Ueberblick über die Hauptrichtungen zu geben verſuchen, in welchen während dieſes kurzen Zeitraumes die blütenbiologiſchen Unterſuchungen ſich bewegt haben. Zweierlei verſchiedene Aufgaben ſind es vorzugs⸗ weiſe, welche das Grundthema aller dieſer Arbeiten bilden. Einerſeits kann die Blüteneinrichtung — beiſpielsweiſe die Ausbildung und Stellung der ein⸗ zelnen Blütenteile in Rückſicht auf den Beſuch der Kreuzungsvermittler oder die Mittel der Blüte zur Erzielung von Selbſt⸗ oder Fremdbeſtäubung u. dgl. — Hauptgegenſtand der Unterſuchung ſein. Anderer⸗ ſeits ſind die Ausrüſtungen und biologiſchen Gewohn⸗ heiten der Blumenbeſucher in ihrem Verhältnis zur Blumeneinrichtung zu ermitteln und die Beſtäuber jeder einzelnen Pflanzenart zunächſt auf engeren Ge⸗ bieten, ſpäter in größeren Bezirken genau feſtzuſtellen. Beide an ſich getrennte Aufgaben, von denen die erſte mehr den Botaniker, die zweite mehr den Zoologen anziehen wird, arbeiten einander in die Hände und erſt aus ihrer gemeinſamen Löſung kann ſich das er⸗ ſtrebte Ziel einer abſchließenden blütenbiologiſchen Theorie als reife Frucht ergeben. Die Zahl der Arbeiten, welche ſich auf das engere botaniſche Gebiet beſchränkten, war in den letztver⸗ gangenen Jahren überwiegend, obgleich es auch nicht ganz an Arbeiten gefehlt hat, welche die Anpaſſungen der Blumenbeſucher zu ihrem Hauptſtudium gemacht haben. Mit Vorliebe wurden die Blumeneinrichtungen näher unterſucht, welche mit der Geſchlechtsverteilung der Pflanze zuſammenhängen. Vor allem wurde auf dieſem Gebiete die Erſcheinung des Gynodibeismus — d. h. das Auftreten von rein weiblichen, kleineren Blüten und größeren Zwitterblüten auf getrennten Stöcken derſelben Pflanzenart — mehrfach unter⸗ ſucht. So beſchrieb Ludwig (Kosmos 1885 Bd. 1) den Gynodibeismus von Digitalis ambigua und pur- purea, und zwar beobachtete er von erſterer Pflanze in der Umgebung von Greiz und Plauen etwa 2%, von letztgenannter Fingerhutart bei Kleinſchmalkalden in Thüringen etwa 1% weibliche Stöcke. A. Schulz (Deutſche Botan. Monatsſchrift 1885) fand, daß die beiden Hauptformen unſeres gemeinen Thymian ſich auch in biologiſcher Hinſicht unterſcheiden; bei der einen (dem Thymus Chamaedrys Fr.) treten kleine, rein weibliche Blüten und große Zwitterblüten durch⸗ aus auf getrennten Exemplaren auf, während bei der zweiten Form (dem T. angustifolius Pers.) die beiden Blütenarten teils auf demſelben Stocke neben⸗ einander, in anderen Fällen aber auch getrennt vor⸗ kommen. Da ſich die weibliche Form der gynodiöei⸗ ſchen Blüten durch Verkümmerung der Staubgefäße von urſprünglichen Zwitterblüten gebildet hat, ſo ſchließt Schulz wohl mit Recht, daß bei der erſt⸗ genannten Varietät des Thymian die Trennung in zwei Blumenraſſen ſich bereits vollzogen hat, während ſie bei der zweiten noch unter unſeren Augen vor ſich geht. Zweierlei Blütenformen, nämlich ſolche mit normalen Staubgefäßen und unvollkommenem Ovar, ſowie ſolche mit reducierten Antheren und nor⸗ malem Fruchtknoten fand C. Müller (Berichte der Deutſch. Botan. Geſellſch. 1884) auch bei Sambucus australis, der ſomit das Beiſpiel einer urſprünglich zwitterigen Pflanze darſtellt, welche eben im Begriff ſteht zur Diöcie überzugehen. Ausgeprägten Gyno⸗ diöcismus fand der Verfaſſer dieſes Berichts (Ber. d. Deutſch. Botan. Geſellſch. 1886) auch bei einer nordamerikaniſchen Pyenanthemum-Art, Magnus (ebenda) bei unſerem einheimiſchen Hchium vulgare, bei dem die weibliche Form für England bereits durch Darwin nachgewieſen war. Wichtig ſind ferner die Beobachtungen Wittrocks (Bot. Centralblatt Bd. 25) über die Geſchlechterverteilung bei Acer platanoides und einigen anderen Ahornarten. Während man den Spitzahorn bisher vielfach als eine polygame Pflanze betrachtete, die auf demſelben Exemplare zwitterige, männliche und weibliche Blüten trägt, be⸗ ſtätigte Wittrock bei Unterſuchung zahlreicher Bäume in der Umgebung von Stockholm und Budapeſt zu⸗ nächſt die ſchon von Buchenau und H. Müller be⸗ obachtete Thatſache, daß die als zwittrig erſcheinenden Blüten des Ahorn geſchloſſen bleibende Antheren be⸗ ſitzen und daher phyſiologiſch als weiblich anzuſehen ſind; Zwitterblüten entwickelt der Spitzahorn über⸗ haupt nicht, ſondern nur männliche und weibliche. Wittrock beobachtete nun fünf verſchiedene Verteilungs⸗ arten der beiden Geſchlechter, nämlich Blütenſtände mit ausſchließlich weiblichen oder männlichen Blüten, dann ſolche, bei denen die erſt entwickelten Blüten weiblich, die ſpäteren männlich ſind, ferner Inflores⸗ cenzen, bei welchen das umgekehrte Verhältnis ſtatt⸗ findet, endlich ſolche, deren Gipfelblüte männlich iſt, während die folgenden Blüten ſich teils männlich teils weiblich ausbilden. Auf demſelben Baume kommt in der Regel nur eine Art von Blütenſtänden vor, doch können ausnahmsweiſe auch zwei oder drei ver⸗ _— Humboldt. — Februar 1887. 57 ſchiedene Formen nebeneinander auftreten. Der Spitz— ahorn iſt demnach nach der Terminologie Darwins teils als andromonöciſch, teils als androdiöciſch zu bezeichnen, ein Verhältnis der Geſchlechterverteilung, welches Befruchtung zwiſchen Blüten derſelben In— florescenz und zum Teil auch desſelben Baumes kräftig verhindert; auch bei Acer campestre und A. Pseudoplatanus fehren ähnliche Verhältniſſe wieder. Noch intereſſanter erſcheint die Art der Geſchlechts— differenz bei den Feigenbäumen, deren blütenbiologiſche Verhältniſſe durch Graf Solms-Laubach bereits 1882 eingehend beſchrieben worden ſind. Jedoch hatte der— ſelbe die Beziehungen zwiſchen wildem und kultiviertem Feigenbaum nicht völlig klarzuſtellen vermocht, bis ihn eine Bemerkung Fritz Müllers auf die richtige Spur leitete. Nach letzterem iſt der fog. Caprificus oder wilde Feigenbaum die männliche Pflanze, welche vorwiegend männliche und zu Gallen umgeformte weib- liche Blüten (Gallenblüten) trägt, während die Kultur- feige den weiblichen Baum darſtellt. Solms-Laubach (Botan. Zeitung 1885) fand nun bei einem halb— jährigen Aufenthalt auf Java in der That wild— wachſende Feigenarten z. B. Ficus hirta —, bei welchen die von Fritz Müller vorausgeſetzten Ver— hältniſſe verwirklicht ſind. Bei der genannten Art laſſen ſich ſchon nach dem äußeren Anſehen zweierlei Bäume unterſcheiden, nämlich ſolche mit kugligen, kirſchroten und ſaftigen Feigen, welche nur weibliche Blüten enthielten, und birnförmige, grüngelbe, männ— liche Feigen, welche im Innern des ausgehöhlten Blütenbodens oben männliche Blüten, darunter aus- ſchließlich Gallenblüten ausgebildet hatten; letztere ſind der Anlage nach weibliche Blüten, welche aber dem befruchtenden Gallinſekt (Blastophaga javanica) angepaßt ſind und keine Narben beſitzen, alſo be— fruchtungsunfähig ſind. Bei einer zweiten javaniſchen Art (F. diversifolia) find die Unterſchiede im Bau der Feigen mit Gallenblüten und mit weiblichen Blüten derart, daß dieſelben früher unter verſchie— denen Speciesnamen beſchrieben worden ſind. Als eine ſtreng dibeiſche Art ſtellte fic) F. Ribes heraus; die reife Feige des männlichen Baumes von der Größe einer Vogelkirſche enthält zahlreiche Gallenblüten neben den männlichen, während die Feige des anderen Geſchlechts ausſchließlich ſamenerzeugende weibliche Blüten zur Ausbildung bringt. Gallen- und Samenblüten ſind auch hier ſo verſchieden, daß man ohne die Erklärung Fritz Müllers ſicher zwei Species unterſcheiden würde. Es war nach Auffindung dieſer Verhältniſſe leicht, dieſelben auch auf den in Süd⸗ europa kultivierten Feigenbaum zu übertragen. Der Caprificus mit ungenießbaren Feigen ijt der mann- liche Baum, welcher männliche Blüten und Gallen— blüten hervorbringt, während die kultivierte Feige die Samenblüten nebſt monſtrös entwickelten männlichen Blüten erzeugt. Solms-Laubach denkt fic) die eigen- tümliche Geſchlechterverteilung der verſchiedenen Feigen— arten in folgender Weiſe entſtanden. Den älteſten Typus ſtellt Ficus elastica dar, bei dem männliche und weibliche Blüten regellos durcheinander ſtehen und Humboldt 1887. ein Unterſchied im Bau der Gallen- und Samenblüten nicht ſtattfindet. Aus dieſer ſynöeiſchen Anordnung der Geſchlechter im Innern der ausgehöhlten Blüten— ſtandachſe (d. h. der Feige im gewöhnlichen Sinne) muß ſich dann eine Scheidung der letzteren in eine vordere männliche und eine hintere weibliche Blüten— region, ſowie eine Trennung der weiblichen Blüten in Gallen- und Samenblüten vollzogen haben. Dies wurde dadurch bewerkſtelligt, daß ſich die Griffel der zur Samenbildung beſtimmten Blüten ſtark verlängerten und dadurch dem Einſtich des Legeſtachels der Gall— inſekten entzogen wurden, während bei den zur Bil— dung der Gallen beſtimmten Blüten die Narbenfläche als nutzlos verkümmerte. Beide Arten von Blüten wuchſen zunächſt noch regellos durcheinander, wie z. B. bei Ficus glomerata. Eine vollkommen diöciſche Geſchlechtstrennung iſt vermutlich dadurch zuſtande gekommen, daß in den weiblichen Feigen durch die geſteigerte Griffelverlängerung Gallenbildung über— haupt verhindert wurde und die Staubgefäße als un— nütz vollkommen verkümmerten, während in den männ— lichen Feigen die Staubgefäße ihre Funktion beibe— hielten und die zu Gallenblüten umgeſtalteten Blüten die Entwickelung von Samenblüten verhinderten. Am weiteſten erſcheint Ficus diversifolia vorgeſchritten, bei welcher Gallen- und Samenblüten ſchon bei der Anlage ſich verſchieden zeigen. Dem ſüdeuropäiſchen Feigenbaum eigentümlich ſind drei verſchiedene Blüten— generationen ſowohl des männlichen als des weiblichen Baumes, indem eine Frühlingsgeneration, eine Som— mere und eine Ueberwinterungsgeneration zu unter— ſcheiden ſind. Auf die höchſt intereſſanten Wechſel— beziehungen zwiſchen den befruchtenden, aus den männlichen auf die weiblichen Feigen übergehenden Gallinſekten kann hier nur hingedeutet werden, da die betreffenden Unterſuchungen von Solms-Laubach und P. Mayer bereits 1881 ausgeführt worden find. Ein wirkſames Mittel zur Verhinderung von Selbſtbeſtäubung ſtellt bekanntlich die Heteroſtylie dar, welche in dem Auftreten lang- und kurzgriffliger Blütenformen auf getrennten Exemplaren beſteht. Bereits von Kuhn war die Heteroſtylie von Arnebia, einer mit Pulmonaria verwandten Borraginee, an— gegeben worden. Der Verfaſſer dieſes Berichts be— ſchrieb den Dimorphismus von Arnebia echioides und ſtellte auch Beobachtungen über die Fruchtbarkeit der langgriffligen Form dieſer Pflanze mit ihrem eigenen Pollen an (Berichte d. Deutſch. Botan. Ge— ſellſchaft 1886). Während die langgrifflige Form von Pulmonaria nach den Verſuchen von Hildebrand ſich als durchaus ſelbſt ſteril erwies, fand ich bei Arnebia in gleichem Fall nur ſtark geſchwächte Fruchtbarkeit, in dem im Durchſchnitt nur 6,8% der angelegten Samenknoſpen befruchtet wurden. In dieſem Falle fand fog. illegitime Kreuzung ſtatt, d. h. die Beſtäu— bung der Narbe in der langgriffligen Blütenform wurde durch Pollen einer zweiten, ebenfalls lang— griffligen Blüte bewirkt. Es gibt jedoch auch Fälle, in welchen Selbſtbeſtäubung durch beſondere Einrich— tungen herbeigeführt wird, zumal dann, wenn die 58 Humboldt. — Februar 1887. betreffende Blüte keinen oder ungenügenden Beſtäuber⸗ beſuch empfing und ſchließlich auf Selbſtbeſtäubung zurückgreift. Einen ſolchen Fall beſchrieb u. a. Foerſte (The American Naturalist Bd. 20) von Teucrium canadense, das proterandriſch iſt, d. h. Staubgefäße beſitzt, deren Antheren ſich vor der Empfängnisfähig⸗ keit der Narben öffnen. Trotz dieſer direkt auf Fremd⸗ beſtäubung abzielenden Einrichtung kann auch Selbſt⸗ beſtäubung ſtattfinden, indem ſich die Staubgefäße nach Oeffnung ihrer Pollenbehälter nach rückwärts biegen, wobei die eine oder andere Anthere mit der bereits geöffneten Narbe in Berührung kommt und Selbſtbeſtäubung unvermeidlich iſt. Aehnliches findet nach älteren Beobachtungen H. Müllers auch bei Teucrium Scorodonia und Ajuga reptans im Fall ausbleibenden Inſektenbeſuchs ſtatt. Auch Mac Leod (Extrait des Archiv. d. Biologie publ. par Van Beneden et Van Bambeke T. VII 1886) beſchrieb für die ebenfalls proterandriſche Stellaria uliginosa eine Einrichtung, welche direkt auf Autogamie (Selbſt⸗ beſtäubung) abzielt, indem hier fünf äußere Staub⸗ gefäße, während ſich die drei narbentragenden Griffel nach außen biegen, ſich gegen dieſe hinbewegen, ſo daß Berührung zwiſchen Anthere und Narbe derſelben Blüte zuſtande kommt; im Gegenſatz zu Stellaria Holostea und graminea ſah Mac Leod die kleinen unſcheinbaren Blüten von Stellaria uliginosa niemals vonsInſekten beſucht. Auch Sagina procumbens var. apetala ſoll nach demſelben Autor ſich teilweiſe durch Autogamie fortpflanzen. Aehnliches fand er bei der proterogynen Fragaria sterilis während der letzten Periode des Blühens, während die Pflanze kurz nach dem Aufblühen, ſolange nur die Narben empfängnis⸗ fähig und die Antheren geſchloſſen ſind, durch Kreuzung befruchtet werden muß; auch die letztgenannte Pflanze gehört zu den von Inſekten ſpärlich beſuchten. Daß übrigens auch ein und dieſelbe Pflanzenart je nach dem Standort und der geographiſchen Verbreitung in Bezug auf Selbſt⸗ und Fremdbeſtäubung Ver⸗ ſchiedenheiten darbieten kann, ſcheint u. a. aus einigen Beobachtungen Mae Leods an Lysimachia vulgaris hervorzugehen, von welcher Müller bei Lippſtadt zwei Formen, eine autogame (d. h. auf Selbſtbeſtäubung eingerichtete) und eine zweite auf Kreuzung durch In⸗ ſekten angewieſene beobachtet hatte, während Mac Leod bei Gent in Belgien zwar ebenfalls zwei ähn⸗ liche Formen dieſer Pflanze angibt, die aber beide ſich autogam verhielten. In anderen Fällen iſt da⸗ gegen die Fremdbeſtäubung für das Gedeihen einer proterandriſchen Pflanze unumgänglich notwendig, wie eine Beobachtung von Ludwig (Deutſch. Bot. Monats⸗ ſchrift 1885) an Erodium macrodenum zeigt, welches derſelbe mehrere Jahre hindurch unter Umſtänden kultivierte, die Fremdbeſtäubung ausſchloſſen; der be⸗ treffende Stock brachte zuletzt kleine Blüten mit ver⸗ kümmerten Antheren zur Ausbildung und änderte ſeine Blütengewohnheiten, indem er in eine Art Blüh⸗ ſucht verfiel und auf dieſe Weiſe deutlich den Einfluß unterbliebener Wechſelbefruchtung erkennen ließ. Die Mittel zur Erzielung von Fremd- oder Selbſt⸗ beſtäubung ſtehen in engem Zuſammenhang mit den Einrichtungen der Blumen für Honigabſonderung. Je nach dem Vorhandenſein oder Fehlen der Honig⸗ drüſen (Nektarien) richtet es ſich ja in erſter Linie, ob eine Blume von honigliebenden Gäſten aufgeſucht wird oder nicht. Schon Sprengel hat gewiſſe auf⸗ fallende Farbenzeichnungen der Blumen in der Nähe der Nektarien, die fog. Saftmale, als Wegweiſer für die honigſuchenden Inſekten gedeutet. In dieſer Beziehung ſind beſonders ſolche Blumen intereſſant, welche den Honig an einer im Vergleich zu verwandten Arten ungewöhnlichen Stelle darbieten; bei den meiſten Labiaten z. B. wird der Honig von einer fleiſchigen, meiſt in Lappen geteilten Unterlage des Fruchtknotens abgeſondert, und zwar iſt in der Regel derjenige Lappen der größte, welcher auf der Vorderſeite der Blüte, alſo nach deren Unterlippe als der Sitzfläche des blumenbeſuchenden Inſekts zu, liegt. Dementſprechend iſt auch die Unterlippe der meiſten Labiaten ganz be⸗ ſonders durch zierliche Punkte und Streifen ab⸗ weichender Färbung ausgezeichnet, während die Ober⸗ lippe dieſelben entbehrt. Nun kommen jedoch auch Labiaten vor, wie der vom Berichterſtatter (Ber. d. Deutſch. Bot. Geſellſchaft 1886) näher beſchriebene Plectranthus glaucocalyx, bei welchem die Honigab⸗ ſonderung umgekehrt auf der Oberſeite der Blüte am ſtärkſten iſt; dementſprechend begeben ſich dann auch die Saftmale auf die Oberlippe und zieren dieſelbe in dem angeführten Falle als blaue Punkte, während die übrige Blüte weiß gefärbt iſt. Von Bedeutung iſt es auch, daß es Blumen gibt, welche nur während der Periode der erſten Honigabſonderung Saftmale ent⸗ wickeln, die in einer ſpäteren Blütenperiode nach Ver⸗ brauch des vorhandenen Honigs wieder eingezogen werden. Ein von mir aufgefundenes Beiſpiel dafür bietet Arnebia echioides (Kosmos 1886), deren ſchwefelgelbe fünflappig⸗trichterförmige Blumenkrone an den Lappeneinſchnitten mit fünf faſt ſchwarzviolett gefärbten runden Flecken geziert erſcheint; nach wenigen Tagen verſchwinden dieſe Flecken vollſtändig, ohne daß damit ein Welken der übrigen Blumenkrone ver⸗ bunden iſt; der dieſen Farbenwechſel verurſachende hiſtologiſche Vorgang wurde ebenfalls ermittelt. Was endlich die Färbung der Saftmale betrifft, ſo fiel mir bei Unterſuchung der Blüteneinrichtungen von Labiaten und Borragineen (Ber. d. Deutſch. Bot. Geſellſchaft 1886) auf, deren Blumen in Bezug auf Anpaſſung an Inſektenbeſuch meiſt eine ſehr hohe Stufe ein⸗ nehmen, daß die Färbung der Saftmale mit der Farbenſkala der nächſtverwandten Blumenarten in deut⸗ licher Beziehung ſteht; fo haben purpurblütige Galeopsis- Arten gelb gefärbte Saftmale, während Gelb zugleich die Hauptblumenfarbe nächſtverwandter Species der⸗ ſelben Gattung iſt; die Saftmale der gelbblütigen Arten iſt umgekehrt purpurn. Dieſe Regel zeigt ſich auch bei der Gattung Arnebia, in der es neben gelbblütigen auch violettblütige Species entſprechend den Saftmalflecken von Arnebia echioides gibt; das⸗ felbe findet bei Nonnea ſtatt, bei welcher braunpur⸗ purne Arten mit hellgelber Abänderung, roſa gefärbte Humboldt. — Februar 1887. 59 Arten mit zehn hellgelben Saftſtreifen und völlig gelb regelmäßigen Blüten bei nach innen ſich öffnenden gefärbte Arten exiſtieren; ähnliches kommt bei Myosotis, | (introrſen) Staubbeuteln die Honigbehälter innerhalb Anchusa und in vielen anderen Fällen vor. der Staubblätter, bei nach außen fic) öffnenden (ex— Die Stellung der Honigbehälter innerhalb trorſen) Staubblättern dagegen außerhalb des Staub— einer Blüte ſteht in naher Beziehung zu der Art und blattkreiſes ſich befinden. Wenn wie z. B. bei Cera- Weiſe, in welcher dieſelbe den Blütenſtaub auf den | stium arvense ein äußerer introrſer und ein innerer Körper des Blumenbeſuchers mechaniſch überträgt. extrorſer Staubblattkreis vorhanden iſt, fo finden ſich Dieſe Beziehungen ſind Gegenſtand einer intereſſanten [die Nektarien zwiſchen beiden Kreiſen. Staubge— Arbeit von K. F. Jordan (Die Stellung der Honig- fäße mit ſeitlich ſitzenden Beuteln verhalten ſich wie behälter und der Befruchtungswerkzeuge in den Blumen. introrſe, wenn fic) auch die Honigbehälter innen be— Halle 1886) geworden, in welcher derſelbe ein beſtimmt finden und der Inſektenbeſuch von außen erfolgt, wie formuliertes Geſetz über die gegenſeitige Beziehung extrorſe im umgekehrten Fall. Für alle dieſe Regeln der Nektarien und der Oeffnungsweiſe der Pollenbe- | wird von Jordan eine größere Zahl von Belegen hälter aufſtellt. Wenn dasſelbe auch meiſt aus bereits beigebracht und abweichend erſcheinende Fälle werden bekannten Thatſachen abgeleitet wurde, fo hat Jordan | im einzelnen diskutiert. Wie er richtig hervorhebt, doch das Verdienſt, die Geſetzmäßigkeit innerhalb | hat man es nicht etwa mit einer direkten Beziehung größerer Reihen von Einzelfällen zuerſt erkannt zu | der Honig- und Pollenbehälter zu einander zu thun, haben. Er findet zunächſt, daß ſich die Honigbehälter | fondern beide regeln fic) in ihrer Stellung augen— immer auf derjenigen Seite einer ſymmetriſchen Blüte ſcheinlich nur nach der Anflugsweiſe des Blumenbe— ſtärker entwickeln, oder dort allein vorhanden find, wo | ſuchers. Die Einrichtungen der Blume werden all— ſich die Anflugſtelle für die Inſekten befindet, wie gemein derart getroffen, daß wenn der Beſucher aus dies beſonders bei den Labiaten ſehr ausgeprägt iſt; den Nektarien Honig entnimmt, zugleich die Staub— einige Ausnahmen ſind allerdings vorhanden. In beutel ſo geſtellt ſind, daß ſie ihren Pollen auf den regelmäßigen Blüten find im Gegenſatz dazu die [Körper des Beſuchers abſtreifen müſſen, — eine Regel, Honigbehälter ringsum gleichmäßig ausgebildet. Die | die faſt auf jeder Seite der Delpino- oder Müllerſchen Pollenbehälter wenden ferner im allgemeinen ihre ge- | Werke beſtätigt wird. Bei Beachtung dieſes Geſichts— öffnete Seite der Anflugſtelle der Inſekten und damit punktes laſſen fic) auch die meiſten Ausnahmen auf auch den Honigbehältern zu; daher kommt es, daß in das Geſetz zurückführen. (Schluß folgt.) Jortſchritte in den Laturwiſſenſchaften. Geologie. Don Dr. F. Kinkelin in Frankſurt a. M. Einige der neuen geologiſchen Theorien von Sueß; Gebirgsformen nach Geikie und von Richthofen; Faltenbildung nach Taylor; junge Fal— tungen; Schichtenbau in Deutſchland (Loſſen, Lepfius, Hinfelin, von Hoenen, Bücking u. a.; Löwl über nicht auf Spalten gelegene Vulkane, böhmiſche Lakkolithe und aktive Hebung; Transgreſſion; Schwankungen des Meeresſpiegels (Pend, Tietze), Theorie von Söwl; Pend: Ver— hältnis von Land- und Waſſer⸗Areal; Probſt: Gebirgs- und Meeresbildung; Neumayr: geographiſche Verbreitung der Juraformation; Walther: geſteinsbildende Kalkalgen; Seenbildung (Pend, A. Böhm, Geiſtbeck, Gerland, Klodmann, Jentzſch, Seinitz, von Koenen; FHuſammenſetzung der Grundmoräne nach A. Böhm; interglaciales Alter des Löß (Kinkelin, Brückner); Entſtehung des Lößes; Betrag ſeiner Bildung in der Seit; C. Lang: Seit und Bedingung der Cisentfaltung zu einer Eiszeit. Einige der neuen geologiſchen Theorien von Inneren, welches das Gewölbe des äußeren Teiles ſeiner Suef. In mehr oder weniger nahem Zuſammenhang mit Unterlage beraubt, entſtehen Spannungen, die fic) in hort einzelnen Partien des epochemachenden Werkes von Ed. jontalen oder tangentialen Bewegungen, ferner in Sueß „Das Antlitz der Erde“, das eine Fülle neuer radialen auslöſen. Die ſchiebende Bewegung ruft Falten Ideen und Geſichtspunkte demonſtriert, (Humboldt Bd. III hervor, deren Bildung von Zerreißungen und Brüchen P. 74 u. Bd. IV p. 333), ſind eine Anzahl Arbeiten über begleitet iſt. Die radialen Bewegungen ſind allein durch den Schichtenbau in verſchiedenen Teilen Deutſchlands her- die Schwerkraft bedingt, find alſo Senkungen, die ent— vorgegangen oder wenigſtens damit in Beziehung zu bringen. lang von Bruchlinien erfolgen. Die nicht geſunkenen, von Schicken wir in aller Kürze einige Grundgedanken, Bruchlinien umrandeten Erdſchollen, welche gleich Pfeilern welche Sueß dazulegen ſucht, und welche die geologiſchen über die geſunkenen Schollen und Erdſtreifen hervorragen, Veränderungen in einem ganz neuen Lichte erſcheinen nennt Sueß Horſte. laſſen, voraus. Dieſe Bewegungen führen vielfach zum Gegenſatz von Die Erde mit ihrem heißen Inneren ſtrahlt in den | Feftland und Meer, von Gebirg und Tiefland. Madagaskar kalten Weltenraum ihre Wärme aus und verringert fo ihr | ift z. B. ein Horſt, der vom früheren Kontinent, dem Süd— Volumen. Durch das ſtärkere Schwinden des Volumens im afrika und Oſtindien angehörte, ſtehen blieb. Durch die 60 Humboldt. — Februar 1887. tangentiale Bewegung, welche die äußeren Teile der Erde wellig zuſammenſchiebt, geſchehen allein wirkliche Hebun⸗ gen. Das Erzeugnis dieſer Aufſtauung ſind die Ketten⸗ gebirge. Das Moment der Hebung oder ſelbſtändigen Bewegung eines Stückes der Erdkruſte nach oben ohne Beeinfluſſung der Umgebung wäre demnach aus der Geologie zu ſtreichen. Sowohl die horizontale wie die vertikale Bewegung, welche entweder in verſchiedenen Gegenden getrennt oder auch vereint, ſich äußern, dehnen ſich auf lange Zeiträume aus. Bezüglich der Bildung der Kettengebirge ſind nun wohl alle Geologen im großen Ganzen den von Sueß auch ſchon in ſeiner „Entſtehung der Alpen“ geltend gemachten Anſichten beigetreten. Am eingehendſten haben A. Heim und Baltzer den Mechanismus dieſer Gebirgsbildung und zwar an einzelnen Partien der Centralalpen dar⸗ gelegt. Nach Heim hat der Erdumfang gelegentlich des Zuſammenſchubes der Alpen eine Verringerung von 0,33 0% erfahren. Als eine Folge dieſer durch den Zug der Schwere be⸗ dingten Bewegungen werden glutflüſſige Maſſen auf Spalten oder Brüchen emporgepreßt und erzeugen ſo, manchmal wohl noch unterſtützt von geſpannten Waſſerdämpfen, die Aufſchüttungsgebirge. Aber auch ohne die Oberfläche er⸗ reicht zu haben, konnten ſich emporgepreßte Laven zwiſchen Abſatzſchichten einſchieben. Oberflächenformen der Erde. So unterſcheiden ſich alſo die Oberflächenformen als Horſte, als Falten und als vulkaniſche Berge. Weit ausgedehnte Schollen, die im Verhältnis zu den ſie umgebenden geſunkenen oder gefalteten Schollen ihre Stellung bewahrten, ſind die Tafeln, die ſich demnach nur durch die Dimenſionen von den Horſten unterſcheiden. Kontinente. Die in großen Zügen von Sueß ge⸗ gebene Skizze über den Gebirgsbau der Kontinente, welche den heutigen Kenntnisſtand feſtſtellt, läßt erkennen, daß es noch der langjährigen Detailarbeit der Geologen in allen Teilen der Erde bedarf; ſie darf daher noch nicht als in allen Stücken zutreffend angeſehen werden. Das Bedeutſamſte iſt die durch ſie geſchehene Anregung und das zur Diskuſſionſtellen der von Sueß geltend gemachten neuen geologiſchen Geſichtspunkte. Es laſſen ſich nach Sueß vier große Feſtlandseinheiten unterſcheiden: Indo⸗Afrika mit der großen Wüſtentafel, Südamerika, Nordamerika und Euraſien, unter welchem Namen Sueß die europäiſchen Feſtländer, das nordweſt⸗ liche Afrika und die aſiatiſchen Gebirgsländer verſteht, letztere ſoweit fie nicht zu Indo⸗Afrika oder dem Gond⸗ wanaland gehören. Der Südrand von Euraſien dringt in großen Falten gegen die indo⸗afrikaniſche Tafel vor. Die Oceane und Mittelmeere entſtehen? und erweitern fic) durch Einbruch. Das als Kontinente ſich darſtellende Feſtland erſcheint hier⸗ nach als ein vielfach zerſtücktes und zum Teil gefaltetes, das allerdings, auch in großen Schollen ſeit älteſten Zeiten keine größeren, eingreifenden Störungen erfuhr. Indem die Veränderungen im Relief der Erde, in der Verteilung von Land und Waſſer verfolgt werden, wird es möglich ſein, die Aufeinanderfolge der Faunen und Floren, den Rhythmus, der ſich in ihnen darſtellt, auf phyſikaliſche Vorgänge an der Erdoberfläche zurückzuführen. Ueber eine ſolche Studie werden wir in dieſem Bericht Gelegenheit haben, zu referieren. Gebirgsformen nach Geikie. Zu einer ähnlichen Gruppierung der Gebirgsformen kommt auch J. Geitte*); er unterſcheidet Akkumulations⸗ (vulkaniſche), Er⸗ hebungs-(Falten) und Cirkumdenudations-Gebirge, welche letztere ſich als ſolche dadurch herausheben, daß härtere Geſteine durch Verwitterung und Abſchwemmung (Denudation) aus der weicheren Umgebung herausmodelliert wurden. Zu denſelben rechnet Geikie u. a. die ſchottiſchen Hochlande und die Berge der ſchottiſchen Tieflande. Da⸗ durch daß ſich an den Sätteln die Denudation ſtärker äußert, da in ihnen u. a. das Gefüge mehr gelockert iſt, werden ſolche Sättel durch die Denudation zu Thälern; der orographiſche Bau ſteht alſo vielfach mit dem geolo⸗ giſchen im Gegenſatz. Man erkennt, daß in zahlreichen Fällen die Cirkumdenudationsgebirge von Geikie Gebirge ſind, welche Sueß Horſte nennen würde. Wir dürfen hier nicht unterlaſſen, auch auf die Hauptkategorien der Ober⸗ flächenformen hinzuweiſen, welche v. Richthofen eben⸗ falls nach genetiſchen Geſichtspunkten, in ſeinem „Führer für Forſchungsreiſende“ (Berlin 1885) gibt. Daß eine ſolche fundamentale Erörterung, wie ſie das Sueß'ſche Werk brachte, welche nicht allein neue eminente Geſichtspunkte geltend gemacht, ſondern auch alte einge⸗ wurzelte Vorſtellungen auf den Kopf geſtellt hat, zu leb⸗ hafter Diskuſſion Anlaß geben würde, war zu erwarten. Taylors Erklärung über die Entſtehung der Falten. So findet Taylor!) die Erklärung, daß die Ab⸗ kühlung und Zuſammenziehung der Erde die thatſächlich feſtgeſtellte Faltung oder Runzelung der Erd⸗ kruſte veranlaßt habe, unzureichend. Ausgehend von dem Satz, daß Ebbe und Flut eine Verminderung der Rotations⸗ geſchwindigkeit der Erde bedingen, ſchließt er, daß die Ab⸗ plattung ſich ſtetig vermindert habe. Er berechnet für die Zeit, als die Erde ſich viermal raſcher drehte als heute, für den Aequatorialdurchmeſſer eine Länge von 7015 km und für den Polardurchmeſſer eine ſolche von 5296 km; der erſtere verkürzte fic) demnach derzeit um 638 km, der letztere verlängerte ſich um 1059 km. Die Abplattung minderte ſich alſo von 25 auf = In dieſer Ver⸗ minderung ſieht nun Taylor die Urſache des Zuſammen⸗ ſchubes und hebt weiter hervor, daß es ganz gleichgültig ſei, ob man den Erdkern als feſt annehme und wann die Erſtarrung erfolgt ſei, da ſich nach Spencer eine feſte Erd⸗ kugel unter dem Einfluß der Rotation ebenſo abplatten würde, wie eine flüſſige. Nach obigem müßten die Cirkumpolargebiete frei von Falten oder Gebirgen ſein; dagegen müßte die Aequatorial⸗ zone die bedeutendſten Erhebungen zeigen; dies iſt jedoch nur ganz im allgemeinen richtig; vielmehr kommen die höchſten Faltungen nicht am Aequator, ſondern an der Grenze der Tropenzone vor. (Vergl. den Aufſatz von Prof. Penck, S. 53 dieſer Zeitſchr.) Dann ſind aber auch in der *) J. Geikie, Mountains, their origin, growth and decay. Scottish Geogr. Mag. 1886, Bd. IT. *) Taylor, On the Crumpling of the Earth Crust (Amer. Journ. of Sc. 1885, Bd. 30. Humboldt. — Februar 1887. 61 Eirkumpolarzone Erhebungen vorhanden; allerdings ſcheint im arktiſchen Gebiet das Tiefland, im antarktiſchen das Meer vorzuherrſchen. Wie bei der Sueßſchen Theorie bleibt natürlich auch hier unerklärt, warum eine ſo allgemein wirkende Kraft ſich in ihrer faltenden Wirkung auf gewiſſe Lokalitäten beſchränkt hat. Junge Faltungen. Nur ganz im Vorübergehen ſeien ein paar Erſcheinungen erwähnt, die Faltungs- erſcheinungen aus jungtertiärer und diluvialer Zeit dar— ſtellen. Ref.“) glaubte die in Mulden und Sättel gelegten, zwiſchen untermiocänem Letten liegenden Mergelbänke durch Druck der gleitenden öſtlich und nördlich gelegenen Tertiär— komplexe verurſacht, deren weſtlichem Ausweichen ein quer— liegender Baſaltgang ſtauend entgegenſtand. Die heutigen welligen Terrainverhältniſſe im Glacial- gebiete Norddeutſchlands, z. B. bei Haberberg, ſind von Jentzſch““) einer durch klimatiſche Veränderung bewirkten Faltung zugeſchrieben. Hinſichtlich des Schichtenbaus in Deutſchland beſchränken wir uns in unſerem Referat bei der enormen Menge der allgemeines Intereſſe erweckenden Forſchungs— reſultate über Schichtenbau auf die weſentlichſten, welche durch Studien in Deutſchland gewonnen wurden. Dies— bezüglich verweiſen wir vor allem auf die nicht nur für den Gebirgsbau der mittleren Gebirge von Sudeten bis Ardennen, ſondern für die Lehre von der Bildung der Gebirge überhaupt wichtigen Beobachtungen Loſſens!“ ). Nach Loſſens Arbeiten über den Faltungsprozeß hat derſelbe nicht alle Teile eines Gebirgskörpers gleich— zeitig und gleichſtark ergriffen; in den mitteldeutſchen Maſſivs ſind Störungen von verſchiedenem Alter und von verſchiedener Richtung eine allgemein verbreitete Erſchei— nung, wodurch die eigentümlichen unter Zug- und Druck⸗ wirkung durch Torſion verzerrten Falten entſtanden ſind. Lepſius, Oberrheinthal. In umfaſſendſter Weiſe hat Lepſius t) in der geologiſchen Beſchreibung des Ober— rheinthales die faſt ausſchließlich in Senkungen beſtehen— den Gebirgsſtörungen imſüdweſtlichen Deutſchland zuſammen— gefaßt (Humboldt Bd. V. S. 430). Die Hauptrichtung dieſes vom oberrheiniſchen Gebirgsſyſtem in die Mitte genommenen Rheinthales iſt die nordnordöſtliche, und zwar dieſelbe von öſtlich und weſtlich desſelben verlaufenden Bruchlinien. Oſt⸗ nordöſtliche Bruchlinien bedingen ſowohl die Senkungen von Langenbrücken und Zabern, wie auch die Ausbuchtungen. Kinkelin, Untermainthal und Wetterau. Re⸗ ferent pi) hat den Nachweis geliefert, daß die Rheinthalbrüche weiter nördlich reichen, und daß fie hier z. T. durch Bajalt- ausbrüche angezeigt find, daß ferner dieſe Tafel durch Quer— ſprünge durchſetzt iſt, welche Partien bezeichnen, die in ) Kinkelin, Geologiſche Tektonik der Umgebung von Frankfurt und Tertiärletten der Hafenbaugrube. Senckenberg. Ber. 1885. **) Jentzſch, Beiträge zum Ausbau der Glazialhypotheſe ꝛc. Jahrb. d. preuß. geolog. Landesanſtalt f. 1884. ***) Loſſen, Ueber den Zuſammenhang zwiſchen Spalten, Falten und Eruptivgeſteinen im Harz. Jahrb. d. preuß. geol. Landesanſtalt f. 1882. +) Lepſius, Oberrheiniſche Tiefebene und ihre Randgebirge. Stutt⸗ gart 1885. ++) Kinkelin, Senkungen im Untermain- und Niedthal. Senckenb. Ber. 1885, Beitrag zur Geologie der unteren Wetterau, Jahrb. d. naſſ. Ber. f. Naturk. 1886 Bd. 39. verſchiedenem Maße und abwechſelnd dieſe Dislokationen erfuhren. Dieſelben reichen in die hiſtoriſche Zeit herein. Durch Denudation werden vielfach dieſe Störungen ober— flächlich verwiſcht. Verwerfungen im Great Baſin. Im groß— artigſten Maßſtabe iſt im Great Baſin, der lehrreichſten Bruchregion der Erde, dies Verhältnis nach Gilberts An— gaben bekannt, indem die einzelnen Gebirgsteile nicht gleich— zeitig und im ſelben Maße, ſondern abwechſelnd und in verſchiedene Tiefen verworfen ſind. Von Gebirgsſtörungen, die auch in derſelben Richtung nach Nordoſt ſich zeigen, haben Studien von Moeſta und beſonders von v. Koenen?) Nachweiſe geliefert. v. Koenen über Dislokationen im nordweſt⸗ lichen Deutſchland rx. Nach dieſen Unterſuchungen ſind die paläozoiſchen und älteren Formationen in Deutſchland meiſt ſtark gefaltet und geknickt und bilden eine Anzahl be— deutender Gebirgskerne, deren Oberfläche wohl zur Zeit des Rotliegenden vom Meere abgehobelt wurde und ſpäter meiſt aus dem Meere hervorragte; ſie ſind vielfach von den ſie umgebenden meſozoiſchen Gebieten durch Bruchlinien mit durchaus verſchiedenen Berg- und Thalformen getrennt. Nach v. Koenen ſteht die Rheinthalſpalte in direkter Ver— bindung mit der Leinethalſpalte bei Göttingen und läßt ſich bis Hildesheim verfolgen. Damit in Verbindung habe auch in poſtglacialer Zeit durch Schub von Oſt nach Weſt der Harz eine Aufwölbung erfahren. Störungen in nordweſtlicher Richtung und zwar aus der älteren Tertiär⸗ zeit, der Zeit des Beginnes der Rheinthalſenkung, reichen von Osnabrück über Coburg nach Linz 900 km weit und äußern ſich in Faltungen und Verwerfungen der ſonſt flach geneigten meſozoiſchen Schichten; auch ſie reichen in die Miocänzeit und ſtehen in Beziehung zu Baſaltdurchbrüchen. So find die Rhönbaſalte auf dieſen Spalten gangförmig emporgedrungen und ſitzen reihenweiſe als Kegel auf ſolchen, ſo daß ſich dieſe Durchbrüche als eine Folgeerſcheinung der Dislokationen darſtellen (Proeſcholdt) *). In den Spaltenthälern und Verſenkungsbecken haben ſich auch hier wie im Untermainthal pliocäne Bildungen abgelagert. Bücking über Heraushebung des Thüringer Waldes. Als Beiſpiel für die oben erwähnte Heraus- hebung älterer Gebirge ſeien nur die weſentlichen For— ſchungsreſultate Bückings ***) erwähnt, wonach der ſüdweſt⸗ liche Abhang des Thüringer Waldes von zahlreichen Ver— werfungen durchſchnitten iſt, die im allgemeinen dem Ge- birgszug parallel ſtreichen und mehrfach die Grenze zwiſchen Gebirg und Vorland bezeichnen; dieſelben laſſen auch auf ſeitlichen Druck ſchließen; auch ſind ſie, wie diejenigen, welche den nordweſtlichen Thüringerwald heraushoben, ter— tiären Alters. Dieſe wenigen Andeutungen mögen genügen, zu zeigen, in welchem Maße die von Sueß geltend gemachten Dis- *) von Koenen, Ueber die Störungen, welche den Gebirgsbau im nordweſtlichen und weſtlichen Deutſchland bedingen. Nachr. d. kgl. Geſ. d. Wiſſenſch. zu Göttingen 1886 Nr. 6, drei Abhandlungen in den Jahr— büchern d. preuß, geol. Landesanſtalten 1883, 1884 u. 1885. %) Proeſcholdt, Geologiſche u. petrographiſche Beiträge zur Kenntnis der „Langen Rhön“ Jahrb. d. geol. Landesanſtalt 1884. %) Bücking, Gebirgsſtörungen ſüdweſtlich vom Thüringer Wald. Jahrb. d. preuß., geol. Landesanſtalt f. 1884. 62 Humboldt. — Februar 1887. lokationen an der Bildung des Reliefs des ſtark zerſtückelten Deutſchlands beteiligt ſind. Vulkaniſche Ausbrüche, die nicht auf Spalten erfolgen. omwl*) macht darauf aufmerkſam, daß ganz recente Lavaſtröme, welche aus wohlerhaltenen Kratern hervorquellen, in Nordamerika auf der Höhe des Kanab⸗ und Uin Karetplateaus meilenweit von den großen Rand⸗ ſpalten entfernt gelegen ſind, ſo daß ſie alſo hier mit präexiſtierenden Spalten nicht zuſammenfallen. Dieſes Vor⸗ kommen bilde alſo eine Ausnahme von der Regel, wonach die eruptiven Bildungen ſtets an den Bruchrand des Faltungsſyſtems gebunden ſind, alſo auf Spalten der ge⸗ ſunkenen Schollen hervordrangen. Granitkerne Nordböhmens als Lakkolithen. Weiter ſucht Lowl*) nachzuweiſen, daß in den Graniten des Kaiſerwaldes — dem kreisförmig umriſſenen Kirch⸗ berger Stock und dem nahen von einem ſchmalen Schiefer⸗ ſtreifen oberflächlich getrennten Eibenſtock und Neudecker Maſſiv linſenförmige, intruſive lakkolithenartige Kerne vor⸗ liegen, wie ſolche trachytiſche im letzten Jahrzehnt von Holmes, Peale, Endlich, Gilbert z. B. am Mount Hillers des Colo⸗ radoplateaus, nachgewieſen worden ſind. Hebung durch Eindringen von vulkaniſchen Maſſen. Löwl ) ſpricht ſich bezüglich des Vorganges der eben genannten Erſcheinungen dahin aus, daß vulkaniſche Eruptionen nicht immer durch vorhandene Spalten erfolgen, ſondern ſich ſelbſt Spalten ſchaffen können; wo ſie nicht an der Oberfläche austreten, können ſie durch ſeitliches Ein⸗ dringen in die Schichten dieſe aktiv heben, aufwölben. Die Hohlräume, welche nach Sueß durch Abſtau ungeſtörter Schollen infolge von Seitendruck entſtanden ſein ſollen, ſeien alſo nicht das Primäre. Der Granit, reſp. das Magma, aus dem derſelbe durch Abkühlung hervorging, ſei alſo nicht das Sekundäre; das Magma, vefp. der auf ihm laſtende Druck, bewirke demnach aktiv das Eindringen in die auf⸗ geſprengten hangenden Geſteinsfugen und dadurch die Auf⸗ wölbung der Schiefergeſteine. Löwl hält ſomit hier an dem Vorhandenſein vertikal aufwärts wirkender hebender Gewalten feſt. Die böhmiſchen Granitkerne ſind übrigens nicht bis auf die horizontale Baſis bloßgelegt, welche an den trachytiſchen Lakkolithen Nordamerikas an mehreren Orten offen liegt. Transgreſſion. Bei der geologiſchen Aufnahme, die ſich derzeit auf einen ſehr großen Teil der Erdober⸗ fläche ausgedehnt hat, ſtellte ſich die rätſelhafte Thatſache dar, daß zu gewiſſen geologiſchen Zeiten, z. B. zur Ceno⸗ manzeit, zur Mitteloligocänzeit, jüngere marine Schichten⸗ glieder in bedeutender, etwa auf beide Hemiſphären ſich erſtreckender Ausdehnung auf weſentlich älteren Gebirgs⸗ ſchichten, auch in vollſter Konkordanz, auflagern, alſo aus dem früheren Meere über dieſe übergriffen. Sueß hält zur Erklärung dieſer Erſcheinung die ſogenannten ſäkularen Senkungen und Hebungen, als doch nur auf gewiſſe Ge⸗ birgsſyſteme beſchränkt, für unzureichend und ſchreibt jenen Vorgang einer Bewegung der Hydroſphäre des Meeres zu. Die bedeutende Ausdehnung von Tafelländern *) Löwl, Die Granite des Kaiſerwaldes bei Marienbad. Prag 1885. ) Löwl, Spalten und Vulkane. Jahrb. d. geol. Reichsanſtalt 1886. Bd. 36. mit flach gelagerten Schichten zu gewiſſen geologiſchen Zeiten möchte ſich durch in großem Maßſtabe erfolgte Senkungen im Gebiete des Meeres erklären laſſen. Sueß nennt Erſcheinungen, die auf ein gehobenes Meeresniveau zu beziehen ſind, poſitive Niveauänderungen, die durch ein Sinken desſelben veranlaßte, negative. Schwankungen des Meeresſpiegels. Daß der Meeresſpiegel auch Formänderungen erfährt und daß ſolche auf die attraktoriſche Wirkung der Feſtländer zurückzuführen ſeien, dafür ſcheinen ausreichende Beweiſe vorhanden. Pencks) hat die an den atlantiſchen Küſten Skandinaviens 2c. beob⸗ achteten, auch im Verlauf ungleich hohen alten Strand⸗ linien durch die von den ſchwankenden Maſſenverhältniſſen während der Eiszeit ausgehende Anziehung auf das beweg⸗ liche Medium des Waſſers erklärt (Humboldt Bd. II p. 358). Eine große Schwierigkeit, welche mit der eben erörter⸗ ten Anſchauung von der Bewegung des Meeresſpiegels nicht in Uebereinſtimmung zu bringen iſt, liegt in dem ſo rätſelhaften ungleichen Verhalten benachbarter Küſtenſtrecken und Inſeln, von welchen die neuen eine poſitive, die anderen eine negative Niveauänderung zeigen. So ijt eine Beobachtung Tietzes **) bei Makri und Kekowa in Lykien (Kleinaſien) durch einfache Bewegung der Hydro⸗ ſphäre nicht erklärlich. Aus der Inundierung menſchlicher Werke ergibt ſich dort eine poſitive Niveauänderung; doch läßt ſich ſolche weder durch Gebirgsfaltung noch durch Karſteinſtürze erklären; anſtoßende Geſtade laſſen dagegen durchweg eine negative Verſchiebung der Strandlinie (Auf⸗ tauchen flachgelagerter Strandkonglomerate im Hafen von Rhodus) erkennen. Löwls Theorie über benachbarte ungleiche Niveauänderung. Lowl***), welcher der durchaus be⸗ gründeten Vorſtellung, daß Senkungen kleinerer oder größerer Erdſchollen entlang von Bruchſpalten erfolgen, und daß die großen Meeresräume, nicht minder aber auch u. a. das Mittelmeer, Senkungsfelder ſind, die ſich z. T. noch heute vertiefen, beitritt, macht klar, daß, indem das Maß der Senkungen der Küſtenſchollen ein verſchiedenes iſt — ver⸗ ſchieden nicht allein untereinander, ſondern auch verſchieden von denjenigen unter dem Meeresſpiegel — die Strand⸗ linien nicht nur negativ ſich verſchieben, ſondern daß die⸗ ſelben auch ſtationär erſcheinen, ja ſogar, daß ſie in poſitivem Sinne erfolgen können. Verhältnis des Land- und Waſſer-Areales. Penck⸗f) weiſt darauf hin, daß die Kontinente und Meere ziemlich ſcharf ſich voneinander ſcheiden und macht hier⸗ durch verſtändlich, daß, wenn z. B. der Meeresſpiegel um 1000 m ſteigt, die Landfläche um 80 „% verkleinert reſp. überflutet wird, während ein Sinken desſelben um 1000 m das Feſtlandsareal nur um 30% vergrößert. Es kann alſo das Meer leichter auf Koſten des Landes wachſen, transgredieren, als dieſes auf Koſten des Meeres zu⸗ nehmen. Die bedeutende Beſchränkung des Feſtlandes ) Penck, Schwankungen des Meeresſpiegels. München 1882. ) Tietze, Beiträge zur Geologie von Lykien. Jahrb. d. geol. Reichs⸗ anſtalt 1885, Bd. XXXV. ) Löwl, Die Urſache der ſekularen Verſchiebungen der Strandlinie. Prag 1886. +) Pend, Das Verhältnis des Land- u. Waſſerareales auf d. Erd⸗ oberfläche. Sitzungsber. d. geogr. Geſ. in Wien 1886. Humboldt. — Februar 1887. 63 während einer Transgreſſionsperiode macht die Minde— rung des kontinentalen Lebens erklärlich. Der Beginn einer ſolchen, reſp. der Schluß einer Feſtlandszeit beſtimmt daher die Grenzpunkte einer geologiſchen Aera. Gebirgs- und Meeresbildung. Ueber eine Theorie, die von J. Probft*) aufgeſtellt, auf die Kontinuität im Beſtand der Kontinente und Meere, beſonders aber auf die kontrahierende Wirkung der von den Polen ausgehenden kalten Meeresſtrömungen auf die Meeresſohle ſich ſtützt, hat Ref. (Humboldt Bd. V p. 370) des Näheren beſprochen. Derſelben ſteht die im folgenden kurz skizzierte Verteilung von Land und Meer zur Jurazeit entgegen. Die Ver— dichtung der Sohle der Meere gegenüber der Dichtigkeit der Kontinente hat auch Faye vertreten. Die geographiſche Verbreitung der Jura— formation. Eine kritiſche Rekonſtruktion der Verteilung von Feſtland und Meer in einer beſtimmten geo— logiſchen Periode iſt zuerſt für die Juraformation und zwar von M. Neumayr **) ausgeführt worden; fie zeigt den Umfang geologiſcher Studien, an deren Hand das Bild einer lang vergangenen Epoche wieder erſteht. Flora und Fauna, einzelne Thatſachen über die Verteilung und die lithologiſche Beſchaffenheit der Sedimente find ſeine Anhaltspunkte, deren Lückenhaftigkeit allein der un⸗ bedingten Wahrheit dieſes Bildes hinderlich iſt. Neumayr gibt zuerſt zu bedenken, daß die äußerſten Punkte, an welchen marine Foſſilien einer gewiſſen Periode gefunden werden, nicht als Küſtenpunkte gelten dürfen, da hierbei das Werk der Denudation völlig überſehen ſei. Konglomerate, Sande, Korallenbauten würden etwa das Ufer andeuten. Das böhmiſche Maſſiv war nach Neumayr zur Jura— zeit Feſtland, u. a. weil ſüdlich des Südrandes brackiſche Schichten (Greſtener und Lunzer Schichten) die Nähe des Feſtlandes zur Zeit der oberen Trias und des Lias wahr— ſcheinlich machen. Für eine direkte offene Meeresverbindung des norddeutſchen, ſächſiſchen und ſüddeutſchen Jura ſpricht die große fauniſtiſche Verwandtſchaft, dann u. a. auch offenbar pelagiſche Kalkbildungen, welche eine bedeutende Tiefe vorausſetzen. Nicht unwahrſcheinlich waren Harz, Thüringer Wald, Rhön, Speſſart vom Jurameer iiber- flutet, fo auch der Schwarzwald, Vogeſen und das franzö— ſiſchen Centralplateau. Fraglich iſt dies vom nordweſt— lichen Frankreich, das mit Kornwallis und Irland ein größeres Feſtland gebildet haben mag. Die Ardenneninſel reichte wohl bis England, da die äußerſten Ausläufer dieſer Maſſe bis Boulogne und London nur von der Bathſtufe und dem oberen Jura bedeckt ſind, welche dort ausgemachte Süßwaſſerbildungen ſind. Bedeutend werden dieſe Unter— ſuchungen durch die Natur der Abſätze ſelbſt unterſtützt. Da die Liasſedimente meiſt Thone und Sande ſind, ſo ſind größere Feſtländer vorauszuſetzen, während die kalkigen oberjuraſſiſchen Schichten zoogener Natur ſind. Die mittel- liaſiſchen Thone ſollen durch ſchlammreiche Meeresſtrömungen von der ſkandinaviſchen Inſel nach Süden gelangt ſein, ) Probſt, Natürliche Warmwaſſerheizung ꝛc. lungen 1884. ) Neumayr, Die geographiſche Verteilung der Juraformation. Denkſchr. d. Wien. Akad. 1885, Bd. L, 1. Abt. Senckenb. Abhand⸗ während der ſandige Luxemburger Unterlias von den Ar— dennen ſtammt. Mit dem Auftreten der Kalke fand eine Transgreſſion ſtatt, alſo ein Tieferwerden des Meeres und eine entferntere Lage der Sedimente liefernden Feſtländer. Der Oſten des nordiſchen Meeres, der zur Oxfordzeit noch mit dem Weſten kommunizierte, geſtaltete ſich mehr zu einem iſolierten Becken (Moskau). Aus dem alpinen Juragebiet, das vom außeralpinen durch kein Feſtland geſchieden war, ragte das ſpaniſche Centralplateau, die korſiſche, kroatiſche und thrakiſche Inſel empor. Daß Kroatien ein nicht genauer zu be— grenzendes Feſtland war, läßt ſich aus der Beſchaffenheit der kohleführenden Liasſchichten von Fünfkirchen 2c. ſchließen. Die Centralketten der Alpen und Karpathen bildeten hin— gegen keinen Landrücken, was u. a. durch die juraſſiſchen Gipfel der Aiguilles rouges, des Berner Oberlandes ze. feſtſteht. Wir brechen hier das Referat über dieſe hoch— intereſſante, ſich über die ganze Erdoberfläche erſtreckende Unterſuchung ab und wollen nur noch allgemeine Schluß— folgerungen, zu denen Neumayr kam, hier beifügen. Die Verbreitung von Land und Waſſer zur Lias- und Jurazeit ſpricht nicht eben für oft wiederholte Verſchiebungen, ebenſowenig aber für die Annahme der Beſtändig— keit der Feſtlandsmaſſen und der großen Meeres— becken. Neumayr glaubt auch ſchließen zu müſſen, daß die Klimaänderungen nicht einzig eine Folge der Vertei— lung von Waſſer und Land ſeien, da die durch das Klima bedingte Verbreitung zahlreicher Gattungen zur Lias- und Jurazeit trotz der inzwiſchen eingetretenen Transgreſſion dieſelbe ſei. Sicher wird ſich allerdings auf marine Tiere dieſer Einfluß in geringem Maße äußern. Sobald nun in ähnlicher Weiſe die Konfiguration der Erdoberfläche zur Kreide- und Tertiärzeit feſtgeſtellt iſt, wird man auch erkennen, welchen Einfluß die Verteilung von Land und Waſſer zur Jurazeit auf die Verbreitung der Landorganismen hatte. Geſteinbildende Kalkalgen. Auch die Pflanzen- welt erſcheint bekanntlich als Geſteinsbildner. Die mäch— tigen Riffe, die in den Alpen als Kalk- und Dolomitmaſſen auftreten, haben ſeit von Buch die Geologen beſchäftigt; ſie ſind jedenfalls auf andere Weiſe entſtanden, als die ſie einſchließenden Trümmergeſteine, da ſie gewiſſermaßen außerhalb der allgemeinen Schichtenbildung ſtehen; bei ihrer Entſtehung hielt man beſonders Organismen für beteiligt, obwohl die Organismenreſte meiſt bis zur Unkenntlichkeit verändert ſind. Neuerdings hat nun Walther!) die im Golf von Neapel vorkommenden zahlreichen kalkabſondernden Litho⸗ thamnien, beſonders auch in Bezug auf ihre geologiſche Bedeutung, ſtudiert. Zum Vergleich mit den lebenden Kalkalgenablagerungen boten fic) die jungtertiären Litho- thamnienlager der ſieiliſchen Küſte. Jene finden fic) auf Untiefen, die fic) bis zu einer Höhe von 30—70 m unter dem Meeresniveau erheben; ſie ſtellen knollige Gebilde dar, welche vielfach Molluskenſchalen umwachſen haben. In den Zwiſchenräumen zwiſchen den Lithothamnienſtöcken lagert ſich Kalkſchlamm ab. Was nun die foſſilen und ) Walther, Die geſteinsbildenden Kalkalgen des Golfes v. Neapel zc. Z. d. d. geol. Geſ. 1885, Bd. XXXVII. 64 Humboldt. — Februar 1887. recenten Lithothamnienſtöcke unterſcheidet, iſt nicht allein der Verluſt von organiſcher Subſtanz bei den foſſilen, ſondern auch eine Veränderung in der Struktur, indem der zellige Bau undeutlich und der Kalk ſchließlich ſtruktur⸗ los, kryſtalliniſch wird. Dies gilt von den geſchloſſenen Lithothamnienlagern, nicht aber vom Kalkſchlamm zwiſchen denſelben. Die aus der Zerſetzung der Organismen hervor⸗ gehende Kohlenſäure führt zur Löſung des Kaltes, der ſich dann kryſtalliniſch abſcheidet. So denkt ſich nun Walther den Dachſteinkalk ge⸗ bildet, in welchem ſtrukturloſer Kalk mehrfach mit aus Schlamm hervorgegangenem wechſellagert; dafür ſpricht auch, daß die im dichten Dachſteinkalk enthaltenen, dicken, ſchweren Muſchelſchalen der Megaldonten, deren Durch⸗ ſchnitte an den abgewitterten Felsflächen von den Alpen⸗ bewohnern nach ihrer Form Kuhtritte genannt werden, notwendig zu Lebzeiten auf ſchon feſter Unterlage, alſo auf einem Lithothamnienlager aufruhten und nicht im weichen Schlamm, in den ſie einſinken mußten. Zudem gilt von jeher der Dachſteinkalk nicht als eine Tiefſeebildung. Ein Thema, welches die Geologen auch in den letzten Jahren, insbeſondere durch die Forſchungen über das Glacialphänomen angeregt, ſehr intenſiv beſchäftigte, iſt das der Entſtehungsgeſchichte der Seen. Es wäre un⸗ möglich, in dem hier gebotenen Raum nur annähernd die hierüber erſchienenen Arbeiten zu ſkizzieren; wir beſchränken uns daher nur auf einige der wichtigſten, welche die See⸗ bildung im bayeriſchen Hochgebirg und Vorland und im norddeutſchen Tiefland behandeln. In umfaſſender Weiſe legte Penck in ſeiner „Ver⸗ gletſcherung der deutſchen Alpen“ den glacialen Urſprung der dortigen Seen dar, und führte ſie dort und a. a. O. zum größten Teil auf die Wirkung der Gletſchereroſion zurück. Weiter ausgebildet wurde dieſe Theorie u. g. von A. Böhm?) und Geiſtbeck“ ). Letzterer unterſcheidet zwei Gruppen; die eine umfaßt die Hochgebirgsſeen, die in ihrer Verbreitung meiſt von der Architektur des Gebirges unabhängig ſind und deren Ausmaß ca. 3—6 h beträgt; die andere Gruppe ent⸗ hält die nordalpinen Rand- und Vorlandſeen, deren Hauptkriterium ihre bedeutendere Größe iſt. Von den erſteren beſchreibt er drei ihrer Entſtehung nach verſchiedene Seenbildungen. Von den Thalzirken — es ſind das Einbuchtungen an den Berggehängen, die nicht ſelten über den Grenzen des Baumwuchſes gelegen, durch die eirkusartige, regel⸗ mäßige Form auffallen — zeigen ſich beſonders die Botner oder Karen von Waſſer erfüllt; es find dies in das leichter zerſtörbare Geſtein ausgehöhlte Felsbecken, die ſtufenförmig ja durch einen Felsriegel abgegrenzt über⸗ einander, alſo in Gruppen, gelegen ſind und zwar in den der Glacialeroſion am leichteſten zugänglichen Thalſtrecken. Sie markieren ſo die Stationen des rückſchreitenden Glet⸗ ſchers. Ihre mittlere Höhe iſt in den bayeriſchen Alpen 1850 1580 m, indem ihre Höhe von Weſten nach Often abnimmt. *) Böhm, Die alten Gletſcher der Enns und Steyr. ) Geiſtbeck, Die Seen der deutſchen Alpen. Erdk. Leipzig 1885. Wien 1885. Mitteil, d. Ver. f. Eine andere Hochgebirgsbildung ſoll durch Einbruch entſtanden fei; dieſe Seen ſtellen alſo auch Felsbecken dar. Eine dritte Form ſind die Thal- und Plateauſeen, her⸗ vorgegangen durch Abdämmung mit Flußſchutt oder Moränen; ſie erhalten ſich beſonders auf breiten Waſſer⸗ ſcheiden, wo die Kraft des Waſſers zu gering iſt, um den Schutt zu beſeitigen. In den bayeriſchen Alpen liegen ſolche Seen in großer Zahl in einer Höhe von 533 — 1176 m. Gerland) nennt ſolche Seen Verſchlußſeen. Außer den Einbruch- oder Abrutſchſeen führt dieſer noch bei Be⸗ ſchreibung der Vergletſcherung der Vogeſen die Eroſions⸗ ſeen auf, die, nachdem durch Verwitterung und haupt⸗ ſächlich durch die ſprengende Wirkung des Eiſes das Geſtein gelockert iſt, durch fließendes Waſſer oder durch den Wind aufgeräumt worden ſeien. Während die Tiefe der von Geiſtbeck aufgeführten kleinen Hochgebirgsſeen meiſt nicht bekannt iſt, hat dieſer Forſcher dagegen die Geſtalt der Hohlräume der bayeriſchen Randſeen durch zahlreiche Tiefenmeſſungen feſtgeſtellt. Auch die Entſtehung der großen Seen ſcheint in Rück⸗ ſicht ihrer geographiſchen Verbreitung mit der ehemaligen Vergletſcherung zuſammenzuhängen — mit Ausnahme der centralafrikaniſchen Seengruppe. Sowohl in Europa, wie in Nordamerika ſteigert ſich das Seephänomen von Süd nach Nord, und in den Alpen im allgemeinen von Oſt nach Weft, was ſich aus den von Strelbitzky aufgeführten Daten ergibt. Geiſtbeck belegt ſeine Behauptung, daß die Aus⸗ höhlung der Seen von den Gletſchern ausging u. a. damit, daß dieſelbe mit der Zunahme an Flächenausdehnung relativ abnimmt, hauptſächlich aber durch die gewonnene Thatſache, daß ſich im Inneren des Gebirges dieſe Eroſion mehr in vertikaler, im Vorland dagegen in horizontaler Richtung geltend gemacht hat; dort iſt nämlich das Ver⸗ hältnis der Tiefe zur Breite V Fläche im Mittel 1: 27, hier 1:87. Dann ſchließt auch die ganz horizontale, un⸗ geſtörte Lage der jungen Tertiärſchichten der bayeriſchen Hochebene ſowohl die Spaltentheorie als auch eine ſpätere Faltenbewegung, die zur Bildung von Riegeln führen könnte, aus. Das zwingendſte Moment aber iſt, daß die Seen da⸗ ſelbſt in den Bahnen der alten Gletſcher reihenweiſe ange⸗ ordnet ſind, überhaupt ihre Entſtehung in die Eiszeit fällt. Pend !“) machte die Beobachtung, daß Gletſcherſchliffe in den Thalbecken bis auf die Sohle vorkommen, dagegen in den Engen fehlen; er wirft daher die Frage auf, ob dieſe alſo poſtglacial ſind, und ob alſo früher die alpinen Thäler aus Seenreihen ähnlich den jetzigen nordiſchen be⸗ ſtanden? Seen in Norddeutſchland. Wir ſind hiermit wieder ganz inmitten des Glacialphänomens, mit dem auch nord⸗ deutſche Geologen die Bildung der Seen in Verbindung bringen. Klockmann! ) hält dafür, daß die am ſüdlichen Rande der aus der zweiten Glacialzeit ſtammenden Ab⸗ lagerungen gelegenen Seen durch Eroſion ſeitens der vom Gletſcherrand abſtrömenden Schmelzwaſſer entſtanden ſeien. ) Gerland, Die Gletſcherſpuren der Vogeſen. Geographentages zu München. Berlin 1884. **) René, Zur Vergletſcherung der deutſchen Alpen. Leopoldina 1885, Heft XXI. ) Klockmann, Südliche Verbreitungsgrenze des oberen Geſchiebe⸗ mergels zc. Jahrb. d. preuß. geol. Landesanſtalt f. 1883. Verh. d. deutſchen 9 auflaſtenden Eisdecke geübt haben. Humboldt. — Februar 1887. 65 Jentzſch*) führt dagegen die Entſtehung der Seen in Norddeutſchland auf die Exoſion zurück, welche jub- glaciale Waſſerläufe des Inlandeiſes unter dem Druck der Da die Eisdecke ſich immer wieder auf das Waſſer ſenkte, ſo konnte das Waſſer wie in geſchloſſenen Röhren je nach dem Verlauf ſeiner Wandungen auch bergauf fließen und in dieſer Richtung die Eroſionsprodukte transportieren. Geinitz **) hält das Beſtreben für verfehlt, die Entſtehung aller Seen einem einzigen Typus zuzuſchreiben und bringt die Seen des Binnenlandes nach ihrer Bildung in mehrere Kategorien; außerdem weiſt er darauf hin, daß ſich die Seen doch nicht nur auf das von Klockmann bezeichnete Gebiet beſchränken. v. Koenen!) hält z. B. dafür, daß die tiefen Seen Brandenburgs und vielleicht auch Pommerns und Preußens durch poſtglaciale Einſtürze infolge tektoniſcher Veränderungen entſtanden ſeien. Zuſammenſetzung der Grundmoräne. Mit der erodierenden Wirkung der Gletſcher verbindet ſich die Frage nach dem Urſprung der Grundmoräne. Nach A. Böhm g) rekrutiert fic) dieſelbe in geringem Maße aus dem aus dem Gletſcher transportierten Schutt, da die Gletſcherſpalten nicht den ganzen Gletſcherkörper durchſetzen; hingegen werden beim Vorrücken die Endmoränen der Grundmoräne einverleibt. Dazu kommen, natürlich nur während der Vergletſcherung, der vorher vorhandene Ver— witterungsſchutt und die glacialen Schotterablagerungen. Einen Hauptteil liefert in der Folge die direkte Auf— arbeitung der Sohle, alſo die Gletſchereroſion, welche wohl auch den größten Teil des Glacialſchotters gibt. Dieſer Vorgang wird an beſonders deutlichen Vorkommniſſen, die ſich im Gebiete der alten Enns- und Steyr-Gletſcher dar— boten, dargelegt. Löß. Ein viel umſtrittenes, diluviales Gebilde iſt der Lö ß, ein lockerer, kalkreicher, ſehr homogener, meiſt völlig ungeſchichteter Lehm, der in ſeiner typiſchen Form im Rheinthal auftritt. Nicht allein bezüglich ſeiner Ent⸗ ſtehung, ſondern auch der Zeit derſelben herrſchen immer noch ſehr differente Anſichten. Die größten Abweichungen unter den vielfachen Erklärungsverſuchen beziehen ſich auf die Zeit, in welcher dieſes diluviale Gebilde abgelagert wurde. Die meiſten norddeutſchen Geologen u) legen dieſe Zeit an den Schluß der Glacialzeit und ſind hierzu beſtimmt einerſeits dadurch, daß er dort von keiner jüngeren Dilu— vialbildung überlagert wird, andererſeits, weil er ſich im großen ganzen an der ſüdlichen Grenze der diluvialen Ver— eiſung ausgebreitet findet. Er wird alſo als ein Schwemm— gebilde aus dieſer Zeit beſtehend aus dem feinſten glacialen Detritus erklärt. ) Jentzſch, Ueber die Bildung der preuß. Seen. Z. d. d. geol. Geſ. B. XXXVI. 3 p. 699; Beiträge zum Ausbau der Glacialhypotheſe u. ihrer Anwendung auf Norddeutſchland. Jahrb. d. preuß., geol. Landes- anſtalt für 1884. ) Geinitz, Ueber die Entſtehung der mecklenburgiſchen Seen. Archiv d. Ver. d. Freunde d. Naturgeſch. in Mecklenburg. 1885. ) von Koenen, Ueber Dislokationen weſtlich u. ſüdweſtlich vom Harz. Jahrb. d. preuß. geol. Landesanſtalt f. 1884. 1) A. Böhm, Die alten Gletſcher von Enns u. Steyr. Wien 1885. Jahrb. d. geol. Reichsanſtalt, Bd. XXXV. T+) Dames, Die Glacialbildungen der norddeutſchen Tiefebene. Berlin 1886. Humboldt 1887. Suterglaciales Alter des Lößes. Neuerdings werden Anhaltspunkte bekannt, welche ihn als in der Inter— glacialzeit abgelagert erkennen laſſen. Ref.“), der die Dilue vialgebilde im Untermainthal und am Fuß des Taunus mit den Vorgängen in den Alpen zu paralleliſieren ſuchte, ſchließt dies teils aus der nicht unbeträchtlichen Denudation der liegenden fluviatilen Diluvialablagerung, teils aus der Konſtatierung einer ebenfalls diluvialen, aber jüngeren Flußanſchwemmung. Ueberlagerung des Lößes durch Moräne. Ed. Brückner“ “) hat den Löß im Salzachgebiet effektiv durch eine Moräne der inneren Zone oder zweiten Eiszeit über— lagert gefunden und hält ihn für eine Art Eluvialbildung. Auch aus dem Kanton Bern (v. Fellenberg***) u. Baltzer 1) werden Ueberlagerungen von lößartigen Bildungen durch erratiſchen Schutt berichtet. Entſtehung des Lößes. Ueber Entſtehungsgeſchichte und geologiſches Alter des Lößes hat Wahnſchaffe r) eine hiſtoriſche und kritiſche Zuſammenſtellung gegeben und hier— bei ſeine Anſicht über den Bördelöß dargelegt, die dahin geht, daß er ein Abſatz ſei, der bei annähernd konſtanter Stromgeſchwindigkeit entſtand und ſchon einen beſtimmten Schlämmprozeß erfahren habe. Stelzner it) beſpricht den Löß Südamerikas; er hält ihn für eine äoliſche Bildung, zu der das Material hauptſächlich die Gebirgsflüſſe lieferten; hier dauert die Lößbildung immer noch fort. Im größten Gegenſatz mit obiger angedeuteter Bildung des Lößes wäre diejenige, daß der Löß Deutſchlands, wie der Chinas eine äoliſche Bildung, alſo ein von Regen und Wind ange— häufter Geſteinsſtaub ſei. Auch hierfür haben ſich außer v. Richthofen Stimmen erhoben wie Gerland und neuer— dings ſogar Jentzſch. Betrag der Lößbildung in der Zeit. Betreffs des Betrages der äoliſchen Ablagerung des Lößes innerhalb der Zeit gibt Tietze d) an, daß ſeit dem 5.—6. Jahrhundert das Niveau der Lößebene fic) nahezu 4m über den Boden der Kirche von Dembre (Lykien) erhöht hat, ſo daß die Mächtigkeit der äoliſchen Ablagerung pro Jahr ca. 0,25 em betrüge. C. Lang über Zeit und Bedingungen der Eis— entfaltung zu einer Eiszeit. Zum Schluſſe ſei noch der Auseinanderſetzungen von C. Lang §§) über Zeit und Bedingung der Eisentfaltung zu einer Eiszeit gedacht. Er zeigt, daß, wenn der Sommer der Nord— hemiſphäre ins Perihel falle, der Unterſchied eines heißen Kontinentalſommers und milden oceaniſchen Sommers ge— *) Kinkelin, Ueber Schichtenbau, Pliocänflora u. Diluvialgebilde des Untermainthales. Z. d. d. geol. Geſ. 1886, 3. ) E. Brückner, Die Vergletſcherung des Salzachgebietes. Geograph. Abhandlungen, Bd. I. 1. Wien 1886. ***) Fellenberg, Ueber das Vorkommen von Löß im Kanton Bern. Mitteil. d. naturf. Gej. in Bern 1885, 1. Heft. +) Baltzer, Ueber ein Lößvorkommen im Kanton Bern. Mitteilungen d. naturf. Geſ. in Bern 1885, 1. ++) Wahnſchaffe, Die lößartigen Bildungen am Rande des nord- deutſchen Flachlandes. Z. d. d. geol. Geſ. 1886, 2. A++) Stelzner, Beiträge zur Geologie d. Argentiniſchen Republik. I. Kaſſel u. Berlin 1885. §) Tietze, Beiträge zur Geologie von Lykien. Jahrb. d. geol. Reichs⸗ anſtalt 1885, Bd. XXV. 88) C. Lang, Eine klimatiſche Studie über die Eiszeit. Das Wetter 1885, No. 11. 9 66 Humboldt. — Februar 1887. ſteigert werde, ſo daß die Monſunwinde ſich noch mehr entfalten und dann die Niederſchläge am Saume der Feſt⸗ länder vermehrt würden, was eine Glacialzeit zur Folge hätte. Auf der Südhemiſphäre würde der Sommer noch kühler werden als jetzt, ſo daß die Bedingungen für das Gletſcherwachstum auch dort ſich ſteigerten. Gletſcher⸗ perioden würden ſich alſo auf beiden Hemiſphären geltend machen. Hiernach müßte alle 25000 Jahre eine Gletſcher⸗ periode auftreten. Wenn aber von früheren Glacialzeiten nur wenig Spuren ſich zeigten, ſo liegt dies in der höheren Erdwärme in früheren Epochen und etwa auch in einer anderen Stellung des Sonnenſyſtemes im Weltenraum. Ethnographie. Don Dr. W. Hobelt in Schwanheim a. M. Allgemeines. Einteilung von Dallas. Penkas Arier. Iberier. Deutſchland. Virchows Eröffnungsrede. Aſien. Jeziden. Glaſers arabifche Forſchungen. Kirgiſen. Codrington. Guppy über die Salomonsinſeln. Afrika. Südamerika. Schneiders Naturvölker. Hirts Bildertafeln. @efterreich, die Nationalitäten; Gehre, Czoernig, Schlefinger. Moſiers Centralafien. Colonial Exhibition. Albaneſen. Polyneften. Robidé van der Aa. Grenze der Bantuvolfer. Undrées Anthropophagie. Die Ahmers. Die Völker am oberen Nil. Die Reife von den Steinens. Allgemeines. Dallas (in Journ. Anthropol. Inst. XV. Nr. 5. p. 304) ſchlägt eine neue Klaſſifizierung des Menſchengeſchlechtes vor; er teilt dasſelbe in Leukochroi, Meſochroi und Aethochroi, womit allerdings nicht viel gewonnen iſt. Seine Einteilung im einzelnen dürfte manchen Widerſpruch finden; er ſtellt z. B. die doch weißen und zum Teil blonden Berber zu den Aethochroi, offenbar weil er in den ſchwärzlichen Saharaſtämmen ihren Typus fieht. Die Leukochroi fallen mit den Kaukaſiern im alten Sinne zuſammen, die Aethochroi mit den Negern und Negritos; die Meſochroi umfaſſen Mongolen, Malayen und Amerikaner, deren Ueberwanderung über die Atlantis erfolgte. Der zweite Band von Schneiders Naturvölkern ſteht dem erſten an Gewandtheit der Darſtellung und Fülle der beigebrachten Thatſachen nicht nach, freilich auch nicht an Einſeitigkeit in der Verwendung derſelben. Der Verfaſſer bekämpft zunächſt die Behauptung, daß gewiſſe niedere Stämme einen Uebergang zum Affentypus darſtellen; er beſpricht eingehend die als die niedrigſt ſtehenden aner⸗ kannten Völker, die Auſtralier, Tasmanier, Buſchmänner und Neger, und findet bei allen einzelne Züge, welche auf einen ehemals höheren Standpunkt hinweiſen; die verdor⸗ benſten Neger ſind die, welche dem Einfluß der weißen Händler ausgeſetzt ſind. Hauptſache freilich iſt ihm, daß ſich bei allen Völkern eine Religion nachweiſen läßt und daß weder die Furcht vor unbegreiflichen Einflüſſen noch der Ahnenkultus zu deren Erklärung genügen, vielmehr ſich überall eine höhere, ſpäter verdunkelte Gottesidee nachweiſen laſſe. Dabei kommt natürlich ſehr viel darauf an, welche Glaubwürdigkeit man den verſchiedenen Bericht⸗ erſtattern beimißt. Das letzte Kapitel iſt der Bekämpfung der Lehre von der urſprünglichen Weibergemeinſchaft ge⸗ widmet, und dieſer Nachweis iſt ziemlich gelungen. Ob freilich der Verfaſſer im Recht tft, wenn er den Sittenverfall für eine durch Geſchichte und Völkerkunde bezeugte Folge des Heidentums erklärt, dagegen die — leider gar zu oft nur theoretiſche — höhere Sittlichkeit der eiviliſierten Na⸗ tionen dem Chriſtentum zuſchreibt, ließe ſich beſtreiten; der Verfaſſer gehört eben zu denen, welche die ganze neuere Entwickelung der Menſchheit, obſchon ſie nachweisbar erſt vom Wiederaufleben der altheidniſchen Wiſſenſchaft datiert und in ſchwerem Kampfe gegen die „alleinſeligmachende“ Kirche errungen wurde, einfach auf das Konto des Chriſten⸗ tums reſp. der Kirche ſchreiben. Mit Freuden zu begrüßen iſt die unter 15 von Oppel erſcheinende dritte Abteilung von Ferdinand Hirts geographiſchen Bildertafeln, die ausſchließ⸗ lich der Völkerkunde gewidmet iſt und die weſentlichſten Typen der Bevölkerung der ganzen Erde neben Dar⸗ ſtellungen des Volkslebens, der Haupterwerbsformen und der Bauweiſe bringt. Das vorliegende erſte Heft umfaßt Europa und behandelt auf 30 Bogen Abbildungen alle Hauptvölker: Deutſche, Schweizer, Holländer, Skandinavier, Engländer, Belgier, Franzoſen, Spanier, Portugieſen, Italiener, Griechen, Südſlaven, Nordweſtſlaven, Ruſſen, Rumänen, Magyaren und Türken. Ueber die ethnographiſche Verbreitung der Anthropo⸗ phagie bringt Andrée (Die Anthropophagie. Eine ethno⸗ graphiſche Studie. Leipzig, Veit) eine intereſſante Zu⸗ ſammenſtellung, über welche der „Humboldt“ an anderer Stelle eingehender berichtet. Die Colonial and Indian Exhibition in London mit ihrem reichen ethnographiſchen Material hat der engliſchen anthropologiſchen Geſellſchaft Veranlaſſung gegeben zu in⸗ tereſſanten Verhandlungen über die Eingeborenen der ver⸗ ſchiedenen Kolonien, welche in ihrem Journal veröffentlicht werden; die Kürze der Zeit hat leider eingehende Mit⸗ teilungen und Beratungen unmöglich gemacht und für die meiſten iſt eine Vorführung der ausgeſtellten ethnographi⸗ ſchen Gegenſtände zum Verſtändnis unerläßlich. Arier. Penka verſucht in einem neuen Werke (Die Herkunft der Arier; neue Beiträge zur hiſtoriſchen Anthro⸗ pologie der europäiſchen Völker. Wien, Prochaska) ſeine Theorie der Abſtammung der Arier aus Skandinavien noch beſſer zu begründen. Die dolichocephale blonde Raſſe, die für ihn den Typus der Arier bildet, habe ſich nur dort in voller Reinheit erhalten; alle urariſchen Tiere und Pflanzen, d. h. alle ſolche, deren Namen der Mehrzahl der ariſchen Sprachen gemeinſam iſt, kommen in Skandinavien vor, Skandinavien iſt der Mittelpunkt der von Ariern eingenommenen Gebiete, die Arier waren die Bewohner Mitteleuropas in der neolithiſchen Steinzeit, und nur in Dänemark findet ſich ein Uebergang zwiſchen der paläo⸗ Humboldt. — Februar 1887. 67 lithiſchen und neolithiſchen Periode, alſo nur dort kann ſich aus dem paläolithiſchen Menſchen der neolithiſche Arier entwickelt haben. Auch die Dolmen ſind den Ariern der neolithiſchen Periode zuzuſchreiben. (Ob auch die in Nord— afrika, Vorderaſien und Südindien?) Wenn der Autor behauptet, daß zahlreiche urariſche Tier- und Pflanzen- namen Arten zukommen, die in Aſien fehlen, wie Buche, Lachs, Aal, ſo vergißt er ganz, wie leicht ſolche Namen ſich auf andere Arten, auch wenn jie nur entfernte Aehn— lichkeit haben, übertragen. Am beſten gelungen iſt ihm der Nachweis, daß gerade die bedeutendſten deutſchen Stämme ihre Heimat auf den Norden zurückführen, und dem Einwand, daß dieſer nicht eine genügende Bevölkerung habe ernähren können, begegnet er mit Erfolg durch den Nachweis, daß Norwegen in 60 Jahren ſeine Bevölkerung verdoppelt und doch noch von 1835 — 1875 über 150 000 Auswanderer geſtellt habe. Iberier. Verneau (Revue d' Anthropologie 1886, P. 10) macht darauf aufmerkſam, daß Schädel mit dem reinen Typus von Cro-Magnon ſich auch in Süd— ſpanien finden, und daß auch die Schädel von Roknia bei Hammam Meskhoutin in Algerien denſelben Typus zeigen. Bekanntlich iſt derſelbe auch unter den lebenden Basken vertreten, ſowie unter den algeriſchen Kabylen, von denen ein Stamm direkt von den Erbauern der Dolmen von Roknia abzuſtammen behauptet. Man könnte ſomit den Typus von Cro-Magnon als den iberiſchen Typus anſprechen. Nach Gillebert-Dhercourt (Rapport sur lAnthropo- logie et Ethnologie des populations Sardes in Arch. Miss. scient. Paris 1885, vol. XII) find die Sarden entſchieden dolichocephal, er fand nur 7% brachycephale. Den Grundſtock der Bevölkerung hält er für Berber, zu denen andere, ebenfalls dolicephale Raſſen einwanderten. Die mittlere Größe iſt mit 1588 mm geringer als in Italien; der Verfaſſer macht darauf aufmerkſam, daß auch die meiſten Haustiere auf Sardinien auffallend klein ſind. Deutſchland. Virchow machte in ſeiner Eröffnungs⸗ rede bei der Verſammlung der deutſchen anthropologiſchen Geſellſchaft in Stettin darauf aufmerkſam, daß die ſlaviſche Einwanderung nach Oſtdeutſchland in drei getrenn— ten Bahnen erfolgt iſt: ſüdlich die Sorben, deren Stamm— name derſelbe iſt, wie der der Serben, in der Mitte die Wilzen, ihnen verwandt, doch ſtammlich geſchieden; zu ihnen gehören alle Stämme bis nach Holſtein hinauf; und an der Meeresküſte die Pommern, lechiſchen Stammes, den Polen nächſt verwandt. Die Tſchechen gehören zu einer ſpäteren Einwanderung, welche das Sorbengebiet durchbrach. In Pommern reichen das blonde Haar und der ſächſiſche Haus⸗ bau genau ſo weit, wie die nachweisbare germaniſche Be- ſiedelung. Eine deutſche Bevölkerung vor der ſlaviſchen Invaſion iſt indes für Pommern zweifellos und reicht unbedingt bis in die jüngere Steinzeit zurück. Oeſterreich. Die von der preußiſchen Regierung gegen die angebliche Poloniſierungsgefahr ergriffenen Maß— regeln lenken die allgemeine Aufmerkſamkeit auf den ſtillen, aber ununterbrochenen Nationalitätenkampf an unſerer Oſtgrenze. Ueber die Zuſtände in Oeſterreich, wo dank der gegenwärtig herrſchenden Richtung die Gefahr für das Deutſchtum am größten iſt, erhalten wir einen genauen Bericht durch M. Gehre (Die deutſchen Sprachinſeln in Oeſterreich. Großenhain); er hat beſonders die vom Ganzen losgelöſten Sprachinſeln ſtudiert und liefert genaue Nachweiſe über den gegenwärtigen und den früheren Zu— ſtand. Die verworrenen ethnographiſchen Verhältniſſe im öſterreichiſchen Litorale hat Czoernig nach den Ergebniſſen der Volkszählung von 1880 dargeſtellt; es kommen hier fünf Hauptſtämme in Betracht: Deutſche, Italiener, Serbo— froaten, Slowenen und Rumänen. Gleichfalls mit einer Studie über öſterreichiſche ethno— graphiſche Verhältniſſe, über den augenblicklichen Stand des Raſſenkampfes in Böhmen, eröffnet Schleſinger den zweiten Band der Forſchungen zur deutſchen Landes— und Volkskunde. Es iſt kein erfreuliches Bild, welches der Verfaſſer entrollt. Die beiden Nationalitäten ſind ſcharf geſchieden, auf 4304 rein deutſche und 8473 rein tſchechiſche Gemeinden (beide mit weniger als 10% fremder Beimiſchung) kommen nur 407 gemiſchte, aber in dieſen nehmen die tſchechiſchen Minoritäten zu, die deutſchen Minoritäten ab; die Tſchechen, von Regierung, Adel und Geiſtlichkeit geſtützt, ſind entſchieden im Bor- dringen begriffen, auch ihre Bevölkerungszunahme iſt erheb— lich bedeutender als bei den Deutſchen. Die Tſchechen ſind leichter beweglich, hängen weniger feſt am Boden und er— freuen ſich einer zielbewußten energiſchen Leitung. Tſche— chiſche Arbeiter und Dienſtboten dringen in das rein deutſche Gebiet ein, während der Deutſche niemals bei Tſchechen Arbeit und Verdienſt ſucht. Es war die höchſte Zeit, daß der Schulverein eingriff, aber er wird erheblicher Unterſtützung auch aus Deutſchland bedürfen, wenn er ſeiner Aufgabe gerecht werden ſoll. Albaneſen. Zampa hat vier von Skutari ftam- mende Schädel unterſuchen können, und da dieſe ultra— brachycephal ſind (Index faſt 90), die italieniſchen Alba— neſen dagegen meſoticephal (Index durchſchnittlich kaum 80), jo kommt er zu der Anſicht, daß die Albaneſen ein Miſch— volk ſind, deren Grundſtock allerdings von den Hellenen völlig verſchieden iſt, die fic) aber ſchon im Altertum ſowohl mit den Griechen wie mit den Makedoniern miſchten. Die Nachkommen der Miſchlinge ſind die Tosken und unter dieſen ganz beſonders die Jomuden; die Gegen da— gegen müſſen als die unvermiſchten Abkömmlinge der Barbaro-Illyrier gelten, welche ſich im Norden rein erhielten und erſt durch die Slaven nach Süden gedrängt wurden. Den Schädeln zulieb muß dieſe Raſſe, welche ſo hartnäckig jeden fremden Einfluß von ſich abweiſt, in Epirus auch die Sprache der Epiroten angenommen haben. (Anthro— pologie illyrienne, in Revue d' Anthropologie 1886, Nr. 4.) Vorderaſien. Ueber die berüchtigten Jeziden gibt Browski (Ausland Nr. 39 u. 40) neue und intereſſante Nachrichten; er hat ſogar das heilige Buch des Schech Adi in Händen gehabt und kann über ſeinen Inhalt berichten; welchen beſonders günſtigen Umſtänden er dieſes Glück verdankte, gibt er leider nicht genauer an. Das Buch iſt arabiſch geſchrieben und ſtammt etwa aus dem zehnten Jahr— hundert. Melek Taus iſt nach ihm allerdings der gefallene Engel, aber Gott hat ihm verziehen und ihn über alle anderen Engel erhöht, ja er iſt mit ihm eins geworden. Für ihren 68 Humbolot. — Februar 1887. Stammvater halten ſie Schehid ibn Djiarr, den Adam aus ſich ſelbſt, ohne die Eva, erzeugte; nur ſeine Nachkommen können Jeziden werden. Chriſtus erkennen ſie an, aber Mohammed iſt ihnen ein Lügenprophet, als den Erneuerer ihrer Religion betrachten ſie Jeſid, den Sohn des Chalifen Moawija. — Sprenger (Babylonien p. 110) möchte in den Jezidis die Nachkommen der in vorislamitiſcher Zeit in Cöleſyrien mächtigen Kalbiten ſuchen und hält die Noſairier für die Nachkommen der Tanuch, welche im zweiten Jahr⸗ hundert der Schrecken Centralarabiens waren. Arabien. Ueber die Völkerwanderungen in Yemen und beſonders die Ghaſſaniden gibt Ed. Glaſer (in Peter⸗ manns Mittlgn. Heft 2) nach einem arabiſchen Manuſkript intereſſante Mitteilungen; das Manuſkript beruht auf einem anderen im Jahre 106 der Hidſchra niedergeſchriebenen. Kirgiſen. Seeland, Chefarzt der Provinz Semire⸗ tſchensk, gibt in der Revue d' Anthropologie 1867, p. 25 eine intereſſante, von zahlreichen Meſſungen begleitete Monographie der Kirgiſen; die beiden Abteilungen der⸗ ſelben, die Kara⸗Kirgiſen oder ſchwarzen Kirgiſen und die Kirgis⸗Kaſacken gehören ohne Zweifel demſelben Stamme an und können ſich bequem untereinander verſtändigen, obſchon die Kaſackenſprache weniger rein altaiſch iſt und zahlreiche perſiſche und usbekiſche Worte aufgenommen hat. Im Kirgiſengebiete fanden ſich vielfach, namentlich am Iſſikul, Spuren einer älteren höheren Civiliſation, die ſicher vor die Einwanderung der Kirgiſen zurückreicht. Centralaſien. Intereſſante Beobachtungen über die Völkerſtämme der neuen ruſſiſchen Gebiete, allerdings von einem Touriſten, der aber die betreffenden Gegenden genauer kennen gelernt, gibt Moſer (A travers I'Asie centrale. Paris 1886). Hinterindien. Maurel gibt im Bulletin der Pa⸗ riſer Anthropologiſchen Geſellſchaft (1886, p. 416) die Analyſe ſeiner Unterſuchungen über die Khmers, das Hauptvolk von Kambodſcha. Er hält fie für ein Miſchvolk aus Hindoſtan, in welchem man noch einen dravidiſchen und einen mehr mongoliſchen Urbeſtandteil erkennen könne, nimmt aber an, daß ſie unter ariſchen Führern erobernd eingedrungen ſeien und ſomit die fernſte Welle der ariſchen Bewegung bildeten. Ihre Zahl taxiert er auf 700 000. Polyneſien. Robidé van der Aa (Tijdſchrift Ned. Aardr. Genootſch. 1885. II. p. 225) kommt zu dem Schluß, daß Malayen und Papuas eines Stammes, wenn auch jetzt gut verſchieden, ſind. Die Verwandtſchaft wird durch die Sprache erwieſen. Er nimmt als Wiege der ganzen Raſſe Neuguinea an. Die weſtlich vordringenden Stämme ſtehen ſeit Jahrtauſenden unter der Einwirkung der Mongolen und ſind dadurch erheblich verändert und zu den Malayen geworden, welche erſt nach erfolgter Umformung weſtlich nach Madagaskar, nördlich nach Formoſa und öſtlich nach Mikroneſien, und von dort nach Polyneſien und Neuſeeland vordrangen, während die Zurückgebliebenen durch die Kalinga⸗Einwanderung zu einer höheren Civiliſation ge⸗ führt wurden. Er unterſcheidet in dieſer großen oceaniſchen Raſſe fünf verſchiedene Abteilungen: Papuas, Melaneſier, Malayen, Mikroneſier und Polyneſier. Codrington (The Melanesian languages. Orford 1885) kommt ebenfalls zu dem Reſultate, daß die Melaneſier den Polyneſiern und Malayen ſprachlich eng verwandt ſind, wenn ſie auch anthropologiſch deutlich voneinander ge⸗ ſchieden erſcheinen; zahlreiche Worte gehen von Madagaskar bis nach Neuſeeland und der Oſterinſel. Salomons-Inſeln. Guppy (Journ. Anthrop. Inst. Gr. Br. XV. Nr. 3) veröffentlicht die Reſultate der Meſſung an einer größeren Zahl Bewohner dieſer Inſel. Die Schädel ſind meiſtens meſocephal, doch kommen auch zahlreiche brachycephale und dolichocephale vor. Büſchel⸗ haar mit freien Zwiſchenräumen kommt von Natur nicht vor; die entſprechende Friſur iſt Kunſtprodukt. Die Durch⸗ ſchnittshöhe der Männer iſt 1,625 m, die höchſte beobachtete 1,74 m. Auf allen größeren Inſeln findet man einen ſcharfen Unterſchied zwiſchen den Küſtenſtämmen und den Buſchleuten im Inneren, welche das Papuablut reiner be⸗ wahrt zu haben ſcheinen. Innerafrika. Colomb (Les populations du Haut- Niger, in Bull. soc. anthrop. Lyon 1885) unterſcheidet am oberen Niger drei verſchiedene Völkertypen: 1. die Manz dingo, echte wollhaarige Neger mit vorſpringenden Kie⸗ fern, Wulſtlippen und langen Armen; hierher die Malinke und die Bambaras; — 2. die Peuhl (Fulbe), mit röt⸗ licher Haut, feineren Zügen und glattem Haar, wahrſchein⸗ lich von oberägyptiſchen Nomaden ſtammend (nach anderen die von den Tuareg nach Süden gedrängten früheren Saharabewohner); ihre Miſchlinge mit den Negern ſind die Soninke, die Kaſſuke und die Fullah von Uaſſulu; — 3. die Mauren, nur durch die dunklere Färbung von den Bewohnern Südalgeriens verſchieden, hier nur ver⸗ treten durch die Suraka von Bammako; ſie haben ſich mit den Negern kaum vermiſcht. Buchner (Ausland 1886, Nr. 46) zieht die Grenze zwiſchen den Bantuvölkern und den eigentlichen Sudan⸗ negern zwiſchen Kamerun und Kalabar; die Duallas, die Bakwiri und ſelbſt die Bakundu bilden den Plural noch durch Präfixe, ſind alſo noch Bantu, obwohl die letzteren ſchon Spuren einer Vermiſchung zeigen. Südamerika. Von den Steinen (Durch Central⸗ braſilien. Leipzig 1886, Brockhaus) führt gelegentlich der Verarbeitung ſeiner bei der Schingu-Expedition erhaltenen Reſultate die wichtige Unterſcheidung zwiſchen kognaten Stämmen, welche in den wichtigſten Worten Ueberein⸗ ſtimmung zeigen, und affinen Stämmen, bei denen nur unwichtige übereinſtimmen, in die Ethnographie ein. Er unterſcheidet im nördlichen Südamerika fünf Völker⸗ gruppen, deren Umgrenzung weſentlich von Martius ab⸗ weicht: 1. die Nu⸗Völker am oberen Orinoko und Amazonas; ſie ſcheinen vom eentralbraſilianiſchen Plateau zu ſtammen, auf dem noch einzelne Stämme zurückgeblieben jind; — 2. die Aruak, die früher Guyana, Venezuela und die kleinen Antillen beſetzt hielten; — 3. die Kariben, die heute ihren Hauptſitz im Hochland von Guyana haben, aber von der Südſeite des Amazonas ſtammen, wo ein Reſt, die Bakairi im Quellgebiet des Schingu, heute noch ſitzt; — 4. die Tapuya im braſilianiſchen Binnenland, öſtlich vom Schingu, alſo Martius’ Ges und Goyataca und die Botokuden; — 5. die Tupi an der Küſte, von denen aber zerſtreute Stämme durch Centralbraſilien bis zum Oſtfuß der Anden reichen. Humboldt. — Februar 1887. 69 Rleine Mitteilungen. Die Geſchwindigkeit der Elektricität in Leitungs⸗ drähten und der Widerſtand der Drähte gegen die Fortpflanzung, alſo auch gegen die Geſchwindigkeit, welche beiden Größen offenbar in einem inneren Zuſammenhang ſtehen, haben den Phyſikern ſchon viel Kopfzerbrechens ver⸗ anlaßt, da beide Erſcheinungen auch in einem äußeren Zu⸗ ſammenhange ſtehen, nämlich von Widerſprüchen und Rätſeln umfangen ſind. Die Geſchwindigkeit, d. i. der Weg der Elektricität in einer Sekunde, wurde ermittelt, indem man die Drahtlänge durch die Zeit dividierte, die zur Erzeugung irgend einer elektriſchen Wirkung am anderen Ende des Drahtes nötig war. Da fand dann der eine für die Ge— ſchwindigkeit der Elektricität eine ſo ungeheure Größe, daß die Elektricität in einem dicken Kupferdrahte wohl zwölfmal um die Erde in einer Sekunde kreiſen könnte, der andere gönnte der Elektricität nur die Geſchwindigkeit des Lichtes, die meiſten blieben bei einigen tauſend Meilen. Dieſe Widerſprüche und Rätſel ſcheint Hagenbach in Baſel durch eine Arbeit gelöſt zu haben, die er nach mehrjähriger Forſchung im elften Heft von Wiedemanns Annalen (1886) veröffentlicht hat. Er unterwarf der Forſchung nicht den Weg, ſondern die Zeit, welche verfließt, bis das Potential am anderen Ende des Drahtes ſeinen höchſten Wert erreicht hat, oder bis eine Erſcheinung, die am An⸗ fange des Drahtes ſtattfinden könnte, am Ende desſelben eintritt; er nennt dieſelbe die Ladungszeit und fand für ſie durch mathematiſchen Beweis und durch ausge— dehnte Verſuche auf dem von den Regierungen zur Ver— fügung geſtellten ſchweizeriſchen Telegraphennetze folgendes Geſetz: Die Ladungszeit iſt unter übrigens gleichen Umſtänden dem Quadrat der Drahtlänge direkt proportional, außerdem aber noch dem Einheitswider⸗ ſtande und der Einheitskapacität. Durch die beiden letzten Größen iſt der Einfluß von Stoff, Form und Dicke aus⸗ geſprochen; der erſte aber erklärt die Rätſel der Geſchwin⸗ digkeit. Wenn die Ladungszeit dem Quadrat der Länge proportional ijt, jo muß bei der erwähnten Divijtons- methode die Geſchwindigkeit umgekehrt proportional zur Drahtlänge auftreten; denn z. B. in einem dreimal längeren Draht iſt die Ladungszeit neunmal jo groß; die Elektri⸗ eität muß alſo in dem dreimal längeren Draht in einer Sekunde einen dreimal kleineren Weg zurücklegen. Jeder andere Draht von anderer Länge, nicht bloß von anderem Stoff und anderer Form und Dicke, hat ſeine ihm eigen- tümliche Geſchwindigkeit. Der Begriff der Geſchwindigkeit muß alſo bei der Elektrieität ganz fallen; dafür tritt die Ladungszeit an die Stelle, die nach dem Hagenbachſchen Ladungsgeſetze leicht zu berechnen iſt, und mit der noch leichter die Geſchwindigkeit in jedem ſpeciellen Falle ge— funden werden kann. R. Der beſänftigende Einfluß von Oel auf die Waffer- wellen. Wie eine alte Sage geht durch die Lehrbücher der Phyſik die Bemerkung, daß in wellenbewegtes Waſſer gegoſſenes Del die Gewalt der Wogen plötzlich mildere. Man erklärte dies dadurch, daß die Kräuſelung der Wellen, die leichte Ein- und Ausbiegung auf der Wellen- oberfläche durch das Oel wegen ſeiner Zähigkeit, ſeiner zäheren Flüſſigkeitshaut, unmöglich gemacht werde. Hier- durch würden dem Winde die Angriffspunkte auf die er⸗ hobene Welle entzogen, er vermöge nicht, die ganze Waffer- maſſe der Welle horizontal fortzuſchleudern und dadurch Sturzwellen zu erzeugen. Jeder gab ſich wohl leiſen Zweifeln über die praktiſche Anwendbarkeit hin und war daher gewiß überraſcht, als der engliſche Kapitän Chetwind vor einigen Jahren an die königliche nationale Rettungs⸗ bootanſtalt einen Bericht über die beruhigende Wirkung des Oels auf die Meereswellen einſandte. Auf Veranlaſſung der engliſchen Admiralität wurden ſeitdem mancherlei prak⸗ tiſche Verſuche auf See angeſtellt; dabei hat ſich ergeben, daß die Wirkung in vielen Fällen, ſelbſt mit einer geringen Menge von Oel, eine überraſchend günſtige iſt. Infolge— deſſen hat die Admiralität eine Belehrung an das See— publikum erlaſſen, der wir nach der Zeitſchrift „Nature“ das Folgende entnehmen. „Auf freie Wellen, d. h. auf Wellen in tiefem Waſſer, iſt die Wirkung am ſtärkſten.“ „In einer Brandung, oder wo die Wellen ſich am Riff, Sandbank oder Ufer brechen, iſt die Wirkung unſicher, weil hier die Waſſermaſſen in horizontaler Bewegung über dem untiefen Waſſer ſind und nichts das Hereinſtürzen hemmen kann; aber auch hier iſt die Anwendung nicht ohne Nutzen.“ „Die ſchwerſten und dickſten Oele ſind die wirkſamſten; raffiniertes Keroſin iſt von geringem Nutzen; rohes Steins! kann dienlich ſein, wenn kein zäheres Oel zur Verfügung ſteht; jedoch alle tieriſchen und Pflanzenöle, ſelbſt das ver— brauchte Maſchinenſchmieröl, ergeben eine ſtarke Wirkung.“ „Eine geringe Menge von Oel reicht aus, wenn ſie in ſolcher Weiſe zur Anwendung kommt, daß ſie gegen den Wind ausgebreitet wird.“ „Der Gebrauch iſt für Schiff und für Boot enrpfehlens- wert, und zwar ſowohl auf der Fahrt, wie beim Beilegen und vor Anker Liegen.“ „Für das Abfahren von Booten liegen keine Erfah— rungen vor, jedoch werden auch hier ſicherlich Zeit und Gefahr durch das Oel erſpart.“ „In ſo kaltem Waſſer, daß das Oel verdickt und der Fähigkeit der Ausbreitung beraubt wird, iſt die Wirkung ſtark vermindert; doch hängt dies von der Oelſorte ab.“ „Als beſte Art der Verwendung erſcheint das Auf— hängen von Canvaß-Säcken, die ein bis zwei Gallonen Oel enthalten und an den Wänden des Schiffes hinab in das Waſſer hängen; jedoch ſollen die Säcke mit Segelnadeln ſo vielfach durchſtochen ſein, daß das Durchſickern des Oels erleichtert wird.“ Es folgen nun noch Regeln für die Stellen des Schiffes, wo die Aufhängung der Säcke je nach der Rich— tung des Schiffes gegen die Windrichtung, je nach dem Stadium der Fahrt, nach Flut- und Ebbezeit am beſten ſtattzufinden hat. Alle, ſowie auch die obigen Vorſchriften ſcheinen mit der eingangs gegebenen Erklärung zu ſtimmen. R Sauerſtoffgehalt der Suff. Die Zuſammenſetzung der atmoſphäriſchen Luft von den verſchiedenſten Gegenden unſerer Erde zeigt keine weſentliche Verſchiedenheit in ihren Hauptgemengteilen Stickſtoff und Sauerſtoff. Regnault fand im Mittel ſeiner zahlreichen Luftanalyſen von den verſchiedenſten Orten Sauerſtoff im Minimum mit 20,30 Volumprozenten und im Maximum mit 21,02 Volum⸗ prozenten. Die Expedition zur Beobachtung des letzten Venusdurchganges und nach dem Kap Horn gab den Herren A. Müntz und E. Aubin Gelegenheit, auch von dort Luftproben zu entnehmen und zu unterſuchen. Die Luft vom Kap Horn ergab 20,86 Volumprozente Sauer— ſtoff im Mittel von zwanzig Beſtimmungen. Walther Hempel hat kürzlich über die Sauerſtoffbeſtimmung in der atmoſphäriſchen Luft mittelſt eines ſinnreich konſtruierten Apparates, welcher eine Genauigkeit bis zu 0,02 Prozent im Einzelverſuch zuläßt, Mitteilungen gemacht (Ber. d. deutſch. chem. Geſ. 18, 267); danach ergab die Dresdener Luft im Mittel 20,93 Volumprozente Sauerſtoff. P. Wiesbadener Kochbrunnen. Nach einer neuen Be- rechnung von Freſenius in den „Jahrbüchern des naſſaui⸗ ſchen Vereins für Naturkunde“ liefert der berühmte Koch— brunnen, deſſen Waſſerquantum in der Minute 300 Liter beträgt, jährlich nicht weniger als 1656 735 ke feſte Be⸗ ſtandteile, alſo über 33000 Ctr., er hat alſo in den 2000 Jahren, in welchen wir von ihm ſichere Kunde haben, den 70 Humboldt. — Februar 1887. Schichten, aus welchen er fein Wafer bezieht, bereits 66 Millionen Centner feſter Maſſe entzogen. Die Haupt⸗ beſtandteile haben ſeit der 1849 ebenfalls von Profeſſor Freſenius vorgenommenen Analyſe nicht die geringſte Ver⸗ änderung in ihrem Miſchungsverhältnis erfahren, nur die Karbonate von Kalk und Magneſia zeigen eine geringe, aber unverkennbare Abnahme, Kieſelſäure dagegen eine ſchwache Zunahme. Ko. Tanganyika. Ueber die merkwürdigen Abflußver⸗ hältniſſe und Niveauſchwankungen des Tanganyika gibt Storms im „Bulletin der belgiſchen geographiſchen Ge⸗ ſellſchaft“ einige intereſſante Erläuterungen. Er hat feſt⸗ geſtellt, daß der Lukuga nur in der naſſen Jahreszeit als Ausfluß des Sees fungiert, während in der Trocken⸗ zeit in ſeinem Bett Waſſer dem See zufließt. Daraus ſchließt er, daß an der Stelle der Lücke im Bergkranz, durch welche ſich heute das Lukugabett zum Lualaba wendet, ſich früher ein niederer Rücken erhob, welcher das Gebiet zweier Flüſſe trennte. Ein ungewöhnliches Steigen des Tanganyika ließ das Waſſer hier überſteigen und ein Bett einſchneiden, das von Jahr zu Jahr tiefer wurde. Im An⸗ fang erfolgte ein Waſſerabfluß nur für kurze Zeit, mit dem Tieferwerden des Flußbettes wurde dieſer Zeitraum immer länger und jetzt umfaßt er ſchon über die Hälfte des Jahres. Die Nebenflüſſe des Lukuga ſind ihm faſt ſämtlich entgegengerichtet, wenigſtens im erſten Teil ſeines Laufes; ſobald der Seeſpiegel tief genug geſunken iſt, fließt ihr Waſſer wieder, wie früher, dem Tanganyika zu. Die Urſache des erſten Ueberfließens ſucht der belgiſche Kapitän im Durchbruch des Rikwaſees nach dem Tanganyika längs dem heutigen Lauf des Mſume; einen Nebenfluß desſelben konnte er bis zu einer Scharte in den Bergen verfolgen, welche die Ebene von Katawi, welche der Rikwaſee früher bedeckte, einſchließen. Der Zufluß vom Rikwaſee hat das Tanganyikaniveau ſo erheblich geſteigert, daß die Bildung des Lukuga begann und mit dem Sinken des Niveaus iſt auch der Spiegel des Rikwa geſunken und dieſer See ſchließlich auf ein Drittel ſeines früheren Um⸗ fangs reduziert worden. Für eine frühere Trennung des Tanganyika in zwei Becken mit verſchiedenem Niveau, wie fie Stanley annahm, hat Storms nicht den geringſten Anhalt gefunden. Ko. Arſprung und Biloungsweife der Meteorite. Dem Tysnesmeteoriten, der am 20. Mai 1884 auf der Inſel Tysnes in der Nähe von Bergen niederging und ein Ge⸗ wicht von 18,95 ke beſaß, unterzog Reuſch einer genaueren Unterſuchung; er erkannte in ihm eine breccienartige Struktur. Die Grundmaſſe iſt im weſentlichen Eiſen; in derſelben liegen ſcharf begrenzte Stücke, welche aus einzelnen Kry⸗ ſtallen und Körnern von Olivin und Bronzit oder einem Gemenge beider beſtehen und neben bräunlichem Glas auch wenig Eiſen und Magnetkies enthalten. Dieſe eingebetteten Stücke, die von verſchiedener Größe ſind, ſind eckig bis kugelförmig, alſo chondrenförmig abgerundet. An den Kryſtallen von Olivin und Bronzit erkennt man nicht ſelten Verwachſungen; das Glas iſt zuweilen als Tropfen im Olivin enthalten, dient aber meiſt als Ausfüllungsmaſſe zwiſchen den Olivinkörnern; als Ausfüllungsmaſſe von Riſſen, die den Meteoriten durchſetzen, dient ein glänzender und geſtreifter Eiſenbeleg. Die Riſſe, welche die Kryſtall⸗ individuen durchſchneiden, haben auch vielfach zu einer Verrückung derſelben geführt. Aber auch in den größeren Chondren, deren innere Struktur es nicht iſt, welche die Kugelform bedingt, erkannte Reuſch Bruchſtückſtruktur, wenn auch weniger deutlich. Hiernach iſt der Tysnesmeteorit ein Bruchſtückgeſtein eines anderen Bruchſtückgeſteines. Den Ställdalmeteorit, der 1870 niederfiel, erkannte Reuſch als einfaches Bruchſtückgeſtein; die Grundmaſſe, in der die Chondren eingeſchmolzen ſcheinen, beſtehen hier aus dunklem Glas mit eingeſprengten Eiſenkörnern. Reuſch ſchließt hieraus, 1) daß die ſteinartige Sub⸗ ſtanz urſprünglich durch Abkühlung geſchmolzener Maſſen entſtanden, 2) daß die Chondren Bruchſtückgeſteine ſind, deren einzelne Bruchſtücke zuweilen ſelbſt Chondrenſtruktur haben, alſo auf doppelte Desaggregation hinweiſen, 3) daß manche Meteorite nach ihrer urſprünglichen Bildung ſtarker Erhitzung ausgeſetzt waren. Reuſch glaubt nun aus den Falltagen reſp. aus den Orten, in welchen ſich die Erde zu dieſer Zeit befand, zu erkennen, daß wohl zahlreiche Steine ein und demſelben Meteoritenzuge angehören, für welche ihm nun die Umlaufszeit ungefähr zu beſtimmen möglich war. Die jo gefundene fünf- bis achtjährige Umlaufszeit laſſe nun nicht nur die Zugehörigkeit zum Planetenſyſtem, ſondern auch die Uebereinſtimmung mit den Kometen von kurzer Um⸗ laufszeit erkennen. Wenn nun die Meteorite ähnliche Bahnen beſchreiben, wie die Kometen, ſo müſſen ſie auch bei jedem Umlauf in der Nähe der Sonne ſtarke Erhitzung erfahren. Damit bringt nun Reuſch die teilweiſe Einſchmelzung, die u. a. am Ställdalmeteorit beobachtet wird, aber auch die periodiſch wiederkehrende Zerſtückelung des Tysnesmeteo⸗ riten, alſo die Chondrenbildung überhaupt in Zuſammen⸗ hang. (Neues Jahrbuch f. Min. 1886, Beilage Band IV.) Ki. Ein Saurierreſt aus 190 m Teufe. Bisher ſchien es, daß nur das obere Rotliegende, eine mehr oder weniger grobe Strandbildung aus der Permzeit, bis an den Weſt⸗ rand des Odenwaldes reiche, da es bei Darmſtadt un⸗ mittelbar auf dem Gneis des Odenwaldes aufruht. Eine Bohrung im Neubeckerſchen Etabliſſement in Offenbach am Main durchteufte ca. 100 m Rupelthon (auch Septarien⸗ thon genannt), ca. 8 m Meereskalk und ſetzte im oberen Rotliegenden, das im Mainzer Becken ziemlich allgemein die Sohle der Tertiärablagerungen bildet, fort. Aus ca. 190 m Teufe kam ein Bohrkern zum Vorſchein, in welchem Tecklen⸗ burg einen Saurierreſt erkannte. Dieſer, wie auch 5 m mächtige kalkige Schichten mit Hornſtein aus 170 m Teufe beſtimmten ihn, dieſe Ablagerungen als dem mittleren Rotliegenden oder den jog. Lebacher Schichten entſprechend anzuſehen. Sowohl Credner, welcher das mit Zähnen be⸗ ſetzte Unterkieferchen mit ziemlicher Sicherheit als Alaeo- saurus erkannte, als Beyrich ſtimmten dieſer Anſicht bei. In dieſem Bohrloch iſt alſo die z. B. in Schleſien an Sauriern wie Pflanzenreſten reiche Süßwaſſerbildung des mittleren Rotliegenden nachgewieſen. Im weiteren lehrte die Bohrung, daß die den mit⸗ teloligocänen Meeresſandbildungen des Mainzerbeckens ent⸗ ſprechenden Ablagerungen im Inneren jener langgeſtreckten Meeresbucht kalkiger Natur ſind. — Nicht minder intereſſant iſt es, daß der feinthonige, an Foraminiferen vielfach reiche Tiefſeeniederſchlag jenes Beckens, da ſolches als Meeresarm das helvetiſche und norddeutſche Meer verband, von einer fo bedeutenden Mächtigkeit (100 m) iff. — Im Zuſammenhang mit obiger Frage wollen wir nur daran erinnern, daß auch auf der öſtlichen Seite der Wetterau, unter der Nauenburg bei Kaichen, längſt das mittlere Rot⸗ liegende mit Pflanzenreſten z B. Walchia piniformis, Walchia pinnata, Calamites gigas, Voltzia ete. be- kannt iſt. (Verh. d. d. geol. Geſ. in Darmſtadt Sept. 1886.) Ki tb, Einen leuchtenden Bacillus entdeckte ein bekannter Bakteriologe im Meere nahe bei Weſtindien und es gelang ihm, denſelben in Reinkultur zu züchten und mit nach Europa zu bringen. Dieſer Bacillus phosphorescens ijt wahrſcheinlich der Träger gewiſſer Arten des Meeresleuchtens (milky sea) in den tropiſchen Gegenden. Mit Luft in Berührung, verbreitet er im Dunkeln ein eigentümliches, bläulich⸗grünes, an das elektriſche erinnerndes Licht. Er läßt ſich auf tote Fiſche durch Impfung übertragen und entwickelt fic) bei einer Temperatur von 20—30° jo außer⸗ ordentlich ſchnell, daß der ganze Fiſch binnen 24 Stunden hell leuchtend erſcheint. Spült man den Fiſch mit Meer⸗ waſſer ab, ſo verleihen die Bacillen letzterem eine Leucht⸗ kraft, welche eine magiſche Wirkung ausübt. Im Berliner Aquarium wird dem Publikum jetzt wöchentlich zweimal leuchtendes Meerwaſſer gezeigt. Die Bacillen erſcheinen unter dem Mikroſkop als kleine, an beiden Enden abge⸗ rundete Stäbchen, die mit dem Kommabacillus der Cholera⸗ kranken eine gewiſſe Aehnlichkeit beſitzen. Bei einer Tem⸗ peratur von 40° verliert der Bacillus ſeine Leuchtkraft. Die gewöhnlichſte Erſcheinung des Meerleuchtens in der Humboldt. — Februar 1887. 71 Nordſee und dem Atlantiſchen Ocean wird durch kleine Meerestiere, Noktiluken, verurſacht, deren pfirſichförmiger, von feſter Haut umgebener Körper einen tentakelförmigen Anhang trägt. Sie ſind mit bloßem Auge im Meereswaſſer als kugelförmig geſtaltete Organismen wahrzunehmen. Unter geeigneten Bedingungen ſteigen ſie aus der Tiefe des Meeres an die Oberfläche in ſo ungeheurer Menge empor, daß die Meeresoberfläche auf weite Strecken hinein ſchleimige Beſchaffenheit und einen rötlichen Schein gewinnt. Auch höher organiſierte Seetiere, insbeſondere glashelle Quallen, Pyroſomen u. a. beſitzen ein ähnliches Leuchtvermögen. 1876 beobachtete Laſſar ein prächtiges Meeresleuchten im Marmarameere, hervorgerufen durch die zuletzt genannten ſalpenähnlichen Ascidien. Leuchtende Seefiſche, Hummern und gewöhnliche Fleiſcharten ſind vielfach beobachtet worden, häufig zum Schrecken der Hausfrauen. Die Urſachen des Leuchtens find auch hier kleinſte Lebeweſen, Mikroorganis— men, die nach Pflügers und Laſſars Unterſuchungen bei 400 facher Vergrößerung als ſcharfbegrenzte runde Kügel⸗ chen, Mikrokokken, erſcheinen. Dieſelben ſind unſchädlich und durchaus kein Zeichen der angehenden Fäulnis. Im Gegenteil, der Beginn der Fäulnis tötet dieſelben und nimmt ihnen damit ihre Leuchtkraft. Leuchtendes See— waſſer konnte Laſſar mit dieſen Tieren nicht erzielen. — Das mit dem Bacillus phosphorescens durchſetzte See— waſſer verliert ſeine Leuchtkraft nach 24 Stunden, gewinnt dieſelbe aber wieder, wenn das Waſſer durch Bewegung mit Luft in Berührung gebracht oder Luft in dasſelbe ge- leitet wird. Dem Süßwaſſer verleiht dieſer Bacillus keine Leuchtkraft. Hs. Spulwurm. Den fo lange vergeblich geſuchten 3 wt: ſchenwirt für den gewöhnlichen Spulwurm des Menſchen (Ascaris lumbricoides L.) will v. Linſtow in zwei kleinen Myriapoden (Julus guttulatus und Polydesmus com- planatus) gefunden haben. Beide Arten kommen maſſen⸗ haft in Gärten vor und ſind, da ſie Sämereien, Rüben, Wurzeln, Fallobſt und Erdbeeren anfreſſen, ſchädlich. Be— ſonders häufig finden ſie ſich nach Angaben von Gärtnern und Landwirten da, wo mit menſchlichen Exkrementen ge- düngt wurde. Die Vermutung Linſtows ſtützt ſich zum Teil auf direkte Beobachtung, da die genannten Myria⸗ poden Eier von Ascaris lumbricoides, welche längere Zeit in Waſſer oder feuchter Erde gelegen haben, mit Begierde freſſen. Von Wichtigkeit iſt auch die weitere Beobachtung, daß die ſo ſehr reſiſtente Eiſchale im Darm verdaut, der Inhalt der Eier alſo dadurch frei wird. Freilich konnten zu den Verſuchen nur Eier mit noch nicht entwickeltem Embryo benutzt werden, der ebenfalls im Darm verdaut wurde; aber da wir wiſſen, daß die Askarideneier noch nach längerem Verweilen in Waſſer oder feuchter Erde den Embryo entwickeln und ſolche embryonenhaltige Eier gewiß in Mengen mit menſchlichen Exkrementen in Gärten und Felder gebracht werden, ſo iſt wohl anzunehmen, daß die genannten Tauſendfüßler auch dieſe finden und freſſen werden; vorausſichtlich wird der kleine Embryo nach Ver⸗ dauen der Eiſchale den Darm ſeines Trägers durchbohren, ſich in den Geweben einkapſeln und nun warten, bis er gelegentlich mit ſeinem Träger bei Genuß von rohen Rüben aller Art, Fallobſt, Erdbeeren in den Darm des Menſchen gelangt. Die Möglichkeit zu dieſem Entwickelungsgange iſt jedenfalls vorhanden, da man zahlreiche eingekapſelte As- kariden aus niederen Tieren kennt, die nur dazu beſtimmt ſein können, in höheren Tieren zum geſchlechtsreifen Wurm auszuwachſen. Man könnte jedoch auch an eine zweite Möglichkeit denken, nämlich daß die frei gewordenen As⸗ faridenembryonen den Darm der Myriapoden paſſieren, mit dem Kot derſelben an Wurzeln, Rüben 2c. kommen und dort eine Zeitlang leben können, bis ſie zufällig in den Magen des Menſchen gelangen; auch das Schwein beherbergt Ascaris lumbricoides. Berückſichtigt man die Thatſache, daß namentlich die Kinder auf dem Lande und in den kleineren Städten an Spulwurm leiden, ſo wird dieſelbe durch die Angaben Linſtows verſtändlich, da ſie am meiſten Gelegenheit zum Genuß von Fallobſt, rohen Rüben ꝛc. haben, welche die Infektion vermitteln. Br. Anſiedelung der Aufter in der Ofifee. Ein neuer Verſuch, die amerikaniſche Auſter (Ostrea virginica Lam.) in den ſalzreicheren Teilen der Oſtſee anzuſiedeln, iſt völlig mißglückt. Der rheiniſche Fabrikbeſitzer Rumpf ließ im Herbſt 1884 im kleinen Belt gegen 14000 Stück, die ganz friſch und lebenskräftig von Nordamerika angekommen waren, ausſetzen. Eine vor kurzem vorgenommene Unter- ſuchung ergab nach einem Bericht von Prof. Möbius unter 348 aufgenommenen Exemplaren nur 10 lebende, und dieſe in ziemlich trauriger Verfaſſung. Ko. Zander im Rheingebiet. Die Einbürgerung des Zander in den Main darf als vollkommen geglückt betrachtet werden; Exemplare bis zu 0,75 kg ſind in den Herbſt⸗ monaten mehrfach gefangen worden. Das Rheingebiet iſt ſomit um einen wertvollen Speiſefiſch reicher. Der Lachs ſcheint ſich dagegen an das trübe Mainwaſſer nicht ge— wöhnen zu können. Ko. Homoeosaurus, ein Ahynchocephale. Ein neuer⸗ dings auf einer Platte lithographiſchen Schiefers vom Pointner Forſt zwiſchen Zachenhauſen und Hemau in der ſüdlichen Oberpfalz entdeckter Homoeosaurus — eine kleine, eidechſenähnliche Form — zeigte, weil völlig auseinander⸗ gefallen, aufs vortrefflichſte mancherlei Details, die an zu⸗ ſammenhängenden Skeletten unſichtbar ſind. L. v. Ammon glaubt nun im Homoeosaurus nicht nur auf Grund der Bikonkavität der Wirbel, ſondern namentlich in Rückſicht auf die Bezahnung und Bildung der Kiefer, den Bruſtapparat und das Bauch-Sternum einen alten Vorläufer der ſo hochmerkwürdigen Hatteria aus Neuſeeland zu erkennen (Abh. d. k. bayr. Akad. Bd. XV. Abteil. II). Bezüglich Hatteria fügen wir noch bei, daß es das Reptilgenus iſt, das infolge ſeiner abweichenden Organiſation eine ganze Reptilordnung, die Rhynchocephala, vertritt. Die haupt⸗ ſächlichſten Charaktere der Hatteria, die auch nur in einer einzigen Art bekannt iſt, ſind neben der amphicölen Be⸗ ſchaffenheit der Wirbel der Beſitz eines Bauch-Sternums, wie es die Krokodile haben, und das Fehlen der Kopula— tionsorgane. Im Zwiſchenkiefer hat es einen großen, breiten Zahn, während die übrigen dem Kiefer angewad- ſenen Zähne kurz ſind. Die Unterkieferhälften ſind nur durch ein Faſerband miteinander verbunden, während das Quadratbein unbeweglich mit dem Schädel ae 115 Laturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Die bedeutendſten chemiſchen Geſellſchaften zählen zuſammen etwa 9000 Mitglieder, nämlich die deutſche che— miſche Geſellſchaft zu Berlin 2950, die Society of chemical industry (England) 2400, die chemical Society of London 1500, die Société chimique de Paris 560, das Institute of Chemistry of Great Britain and Ireland 430, die american chemical Society 250, die Society of public analysis (England) 180, die Petersburger chemiſche Geſellſchaft 160, die Associazione chimico-farmaceutica fiorentina 200, die chemiſche Geſellſchaft zu Tokio 86, die chemiſche Geſellſchaft zu Waſhington 50 Mitglieder. B. Thätigkeit des aſtrophyſikaliſchen Obſervatoriums in Votsdam im Jahre 1885. Die ſpektroſkopiſchen Sonnen⸗ beobachtungen betreffen teils das Sonnenſpektrum ſelbſt, teils die Protuberanzen und Sonnenflecken. Die bereits 1884 vollendeten Meſſungen zur Neubeſtimmung der Wellen⸗ 72 Humbolot. — Februar 1887. längen von 300 Fraunhoferſchen Linien ſind jetzt voll⸗ ſtändig bearbeitet und im fünften Bande der Annalen des Obſervatoriums publiziert. Auf dieſer ſicheren Baſis ſoll nunmehr eine Fortſetzung der ſchon früher begonnenen detaillierten Darſtellung des Sonnenſpektrums in Angriff genommen werden, wozu die Vorbereitungen bereits be⸗ gonnen haben. Die ſpektroſkopiſche Unterſuchung der Protu⸗ beranzen (im ganzen 300) dehnte ſich auf 61 Tage aus. Mit beſonderer Sorgfalt wurde ein neuer Stern, der in dem Andromedanebel, in der Nähe des Centrums erſchien, beobachtet. Da das Spektrum dieſes übrigens allmählich wieder an Intenſität abnehmenden Himmelskörpers eine Uebereinſtimmung mit dem des Nebels ergab, erſcheint die Annahme nicht ungerechtfertigt, daß in dem Nebel ſelbſt, der höchſt wahrſcheinlich ein Sternhaufen iſt, ſtarke plötz⸗ liche Veränderungen vor ſich gegangen ſind und daß die Erſcheinung möglicherweiſe durch einen Zuſammenſtoß zweier oder mehrerer Sterne in dieſem Sternhaufen her⸗ vorgebracht iſt. Auch im Sternbild des Orion iſt ein neu entdeckter Stern beobachtet. Die ſpektroſkopiſchen Unter⸗ ſuchungen an den Kometen des Jahres 1885, dem Bar⸗ nardſchen und dem Fabriſchen, ergaben keine Abweichungen von dem gewöhnlichen Kometenſpektrum. An den Planeten wurden vielfache Beobachtungen angeſtellt und insbeſondere die auf die Helligkeit bezüglichen Meſſungen fortgeſetzt. Bei den Aſteroiden ergaben ſich beträchtliche Helligkeits⸗ veränderungen, die eine jo vollkommene Uebereinſtimmung mit den am Mars bezw. am Merkur beobachteten zeigten, daß man bei ihnen eine ähnliche phyſiſche Oberflächen⸗ beſchaffenheit vorausſetzen kann, wie bei dieſen. Die Photo⸗ graphie macht ſich für gewiſſe Arbeitsgebiete der Aſtro⸗ phyſik, beſonders für die Statiſtik der Sonne, immer un⸗ entbehrlicher. Im Jahre 1885 wurden auf dem Obſer⸗ vatorium 146 Sonnenphotographien von 10 em Durch⸗ meſſer und 6 von 30 em Durchmeſſer angefertigt. Photo⸗ graphien erſterer Größe beſitzt das Inſtitut bereits 957, deren Bearbeitung bereits ſehr viel beachtenswerte Reſultate ergeben hat. Für die Topographie des Himmels wichtig waren ferner die photographiſchen Aufnahmen einzelner Sternhaufen ꝛc. Neben dieſen Arbeiten nahmen die Thätig⸗ keit des Obſervatoriums noch in Anſpruch die regelmäßigen meteorologiſchen Ableſungen, die Beobachtungen und Arbeiten über Zeitbeſtimmungen, eine Breitenbeſtimmung u. ſ. w. Beobachtungen an einem ſinnreichen Pendelapparat zur Beſtimmung der Dichtigkeit der Erde begannen erſt im Dezember und wurden im folgenden Jahre fortgeſetzt. D. Erforſchung des Bodenfees. Eine Kommiſſion der Uferſtaaten des Bodenſees war kürzlich in Friedrichshafen verſammelt. Infolge einer Anregung des Bodenſeevereins ſollte eine gemeinſame Arbeit der Uferſtaaten zur Erfor⸗ ſchung des Sees in Beziehung auf ſeine Bodengeſtaltung, die phyſikaliſchen und chemiſchen Eigenſchaften ſeines Waſſers und die Tiefenfaung eingeleitet werden. Seit 1826 war in dieſer Richtung nichts mehr geſchehen. Damals hatte der Kommiſſar der Landesvermeſſung, v. Gaſſer, eine Reihe von Bodenſeeprofilen im Auftrage der württembergiſchen Regierung gemeſſen; alles, was die Litteratur des Boden⸗ ſees über Tiefe und Geſtalt des Beckens gibt, beruht auf dieſen Meſſungen, ſo insbeſondere die Angabe der größten Tiefe von 276 m zwiſchen Friedrichshafen und Romans⸗ horn. Auch die neueſte Beſchreibung von Württemberg war lediglich auf Gaſſers Meſſungen angewieſen. Dieſer allzu dürftigen Kenntnis des größten deutſchen Sees ſoll nun abgeholfen werden. Die Kommiſſion fand ſchon einen tüchtigen Anfang vor in den Arbeiten des eidgenöſſiſchen topographiſchen Bureaus, welches längs des ganzen Schweizer Ufers und noch weit in den See hinein in den letzten Jahren eine große Zahl von Lotungen hat ausführen laſſen. Bei dieſem Stande der Sache einigten ſich die Delegierten raſch zu dem Antrage an ihre Regierungen, es möge jenes Bureau gebeten werden, die Lotungen am Schweizer Ufer auf den ganzen See auszudehnen und eine Original⸗Tiefenkarte herzuſtellen. Außerdem einigte man ſich dahin, daß auf gemeinſchaftliche Koſten Unterſuchungen über Temperatur, Lichtdurchlaſſung, Tiefenfaung u. ſ. w. an⸗ geſtellt werden. D. Erſte allgemeine Konferenz der internationalen Erdmeſſung. Berlin 27. Oktober bis 2. November 1886. Im Jahre 1861 veröffentlichte der preußiſche Generallieute⸗ nant Baeyer ein Schriftchen „Ueber die Größe und Figur der Erde“, in welchem er ſeine Idee einer mitteleuropäiſchen Gradmeſſung entwickelte. Vorzugsweiſe durch die Arbeiten des weſtlichen und des öſtlichen Europas, der Franzoſen und Engländer einerſeits, der Ruſſen andererſeits, war die mittlere Form der Erde als ein abgeplattetes Umdrehungs⸗ ellipſoid mit einer Abplattung von ungefähr ½500 erkannt worden; den Staaten Mitteleuropas fiel nunmehr die Auf⸗ gabe zu, die Abweichungen von dieſer mittleren Form, die ſich ſchon bei früheren Vermeſſungen an vielen Orten durch Lotablenkungen kundgegeben hatten, auf einem möglichſt großen Flächenraum feſtzuſtellen. Baeyers Idee fand in den beteiligten Kreiſen bereitwilliges Entgegenkommen, und ſchon im April 1862 traten in Berlin Kommiſſare der preußiſchen, öſterreichiſchen und ſächſiſchen Regierung zu⸗ ſammen, um ſich über die zunächſt vorzunehmenden Arbeiten zu verſtändigen. Andere Staaten ſchloſſen ſich bald an, und in den Tagen vom 15. bis 22. Oktober 1864 wurde in Berlin die erſte allgemeine Konferenz der mitteleuro⸗ päiſchen Gradmeſſung abgehalten, auf welcher 14 Staaten durch 24 Delegierte vertreten waren. Hier wurde die Organiſation des ganzen Unternehmens feſtgeſtellt. Die Leitung wurde einer „Permanenten Kommiſſion“, beſtehend aus ſieben von der Konferenz gewählten Mitgliedern, an⸗ vertraut, der als ausführendes Organ das „Centralbureau“ beigegeben war, an deſſen Spitze General Baeyer ſtand. Im Oktober 1867 fand in Berlin die zweite allgemeine Konferenz ſtatt, und da inzwiſchen alle Staaten Europas, mit Ausnahme von Griechenland und der Türkei, ihre Teilnahme an der Erdmeſſung zugeſichert hatten, ſo wurde für das Unternehmen der Name „Europäiſche Gradmeſſung“ angenommen. Zwei Jahre ſpäter wurde in Berlin das preußiſche „Geodätiſche Inſtitut“ gegründet, welches die Arbeiten des Centralbureaus unter Mitwirkung der per⸗ manenten Kommiſſion ausführt. Die mit der Ausführung der Arbeiten in den einzelnen Staaten von ihren Regie⸗ rungen betrauten Gelehrten traten ferner zu allgemeinen Konferenzen zuſammen im Herbſt 1871 in Wien, 1874 in Dresden, 1877 in Stuttgart, 1880 in München, 1883 in Rom und im vorigen Herbſt in Berlin. So große Dimenſionen aber auch im Laufe der Zeit die Arbeiten der europäiſchen Gradmeſſung angenommen hatten, ſo ruhte doch die Organiſation des ganzen Unter⸗ nehmens nicht auf vertragsmäßiger Grundlage, ſondern war eng verknüpft mit der Perſon des Generals Baeyer. Als nun der ehrwürdige Leiter des Ganzen am 10. Sep⸗ tember 1885 im hohen Gveiſenalter geſtorben, waren die weſentlichſten Grundlagen der bisherigen Vereinbarung hin⸗ fällig geworden, und es wurde notwendig, für die ganze Organiſation, welche man bei den Vermeſſungsarbeiten der verſchiedenſten Nationen mit immer größerer Einmütigkeit als nützlich, ja als unentbehrlich erkannt hatte, eine neue, von perſönlichen Verhältniſſen unabhängige Grundlage zu ſchaffen. Durch Verhandlungen mit den beteiligten Regie⸗ rungen gelang dies auch unter Aufrechterhaltung der cen⸗ tralen Stellung Berlins als des Sitzes des Centralbureaus und unter gleichzeitiger Stärkung der leitenden Stellung der internationalen permanenten Kommiſſion. Die achte Gradmeſſungskonferenz, welche im Herbſt vorigen Jahres in Berlin verſammelt war, ſollte nun auf der neu ge⸗ wonnenen Grundlage die Fortführung der auf die Erd⸗ meſſung bezüglichen wiſſenſchaftlichen Arbeiten kräftig organiſieren. Mit Rückſicht auf die zu erwartende Beteili⸗ gung auch außereuropäiſcher Staaten gab man übrigens dem Unternehmen den Namen „Internationale Erdmeſ⸗ ſung“. Im ganzen waren auf dieſer Konferenz 19 Staaten durch 33 Delegierte vertreten. Von den bisher beteiligt geweſenen war bloß Großbritannien nicht vertreten; doch ließen die zuſtimmenden Erklärungen von hervorragenden Humboldt. — Februar 1887. 73 engliſchen Gelehrten eine baldige Beteiligung Großbritan— niens hoffen, und aus ähnlichen Gründen rechnet man auch auf den Anſchluß der Vereinigten Staaten. Frankreich hatte zwar noch nicht beſtimmt ſeinen Beitritt erklärt, war aber auf der Konferenz vertreten. Die Allgemeine Konferenz der Internatio⸗ nalen Erdmeſſung wurde am 27. Oktober durch eine Anſprache des Kultusminiſters v. Goßler eröffnet. Nach einem kurzen Rückblick auf die früher in Berlin abgehaltenen Gradmeſſungskonferenzen gedachte derſelbe der Erwartungen, die ſich an die gegenwärtige knüpfen. „Wenn anders,“ ſprach er, „unſere Hoffnungen in Erfüllung gehen, wird die Konferenz, der Bedeutung der geſtellten Aufgabe ent— ſprechend, von neuem ihre Organiſation ausdehnen und ſie fähig machen, die Grenzen des europäiſchen Feſtlandes zu überſchreiten und die großen Nationen jenſeits des Kanals und des Weltmeeres in ihre Verbindung aufzunehmen. Jahre ernſter Arbeit liegen hinter Ihnen. Schritt für Schritt haben Sie ſich die Anerkennung bei den benach— barten Wiſſenſchaften, das Verſtändnis bei der Laienwelt erringen müſſen. Mit der Vertiefung und Erweiterung der Probleme iſt es Ihnen gelungen, die Exiſtenzberechti—⸗ gung, ja die Notwendigkeit einer internationalen Vereint- gung zur Beſtimmung der Geſtalt und Größe der Erde darzuthun, und das in ſeiner Entſtehung und Ausgeſtaltung eigenartige Unternehmen iſt immer mehr das Vorbild für verwandte Organiſationen geworden. Die alte, den menſch— lichen Geiſt ſtets zu neuen Anſtrengungen anſpornende Er— ſcheinung, daß die Erforſchung wiſſenſchaftlicher Wahrheiten nur um der Wahrheit willen doch in der Folge den an— gewandten Wiſſenſchaften und den Bedürfniſſen des prak— tiſchen Lebens zu gute kommt, hat ſich auch bei Ihren Arbeiten glänzend bewährt. Von der rein wiſſenſchaftlichen Erforſchung des Umdrehungsellipſoids zur Erforſchung des Geoids übergehend, haben Sie, die alte Verbindung mit den Aſtronomen treu bewahrend, allmählich den Phyſikern, Geographen und Geologen, weiterhin der Feldmeßkunſt, dem Waſſer- und Straßenbau, der Schiffahrt, dem Verkehrs⸗ weſen Ihre Unterſtützung geliehen. An die Gradmeſſungen längs der Meridiane und Parallele haben ſich die Tri— angulationen und die Berechnung der geodätiſchen Breiten und Längen angereiht; die Lotabweichungen und Pendel- beobachtungen haben je länger je mehr weit über den Kreis ihrer urſprünglichen Zweckbeſtimmung hinaus an Bedeutung gewonnen; die Meſſung des mittleren Waſſerſtandes der europäiſchen Meere und im Anſchluß hieran die trigono- metriſchen Höhenbeſtimmungen und Präeiſionsnivellements, nicht minder die Erforſchung der Geſetze der atmoſphäriſchen Strahlenbrechung; endlich die auf der römiſchen Konferenz geführten Verhandlungen über den Anfangsmeridian und die einheitliche Weltzeit werden in ihrem Werte immer klarer erkannt und gewürdigt.“ Der Miniſter wies dann darauf hin, daß wohl einige der gewonnenen Reſultate auch von einzelnen Forſchern oder durch die Anſtrengung einzelner Staaten zu erlangen geweſen wären, daß aber die Aus— dehnung und Sicherheit des Errungenen dem Zuſammen— wirken der Staaten, ihrer Regierungen und wiſſenſchaftlichen Autoritäten zu verdanken ſei. Gerade dieſes Zuſammen— wirken werde für alle Zukunft dem gegenwärtigen Jahr— hundert zum Ruhme gereichen. „Hier hat die Konferenz der europäiſchen Gradmeſſung die Bahn gebrochen, den Weg geebnet für die großen internationalen Schöpfungen zur Feſtſtellung der Maß- und Gewichtseinheiten, der elek— triſchen Maßeinheiten, des Poſt- und Telegraphenvereins. Als bei den Verhandlungen in Rom der Begründer Ihrer Organiſation gefeiert werden ſollte, konnte es nicht ſinniger und zutreffender geſchehen, als durch die Inſchrift der Me— daille, welche die italieniſche Kommiſſion mit Genehmigung der königlichen italieniſchen Regierung zu Ehren des Ge— nerals Baeyer hatte ſchlagen laſſen. ,Nationum sodalitium excitavit“, jo lauteten die Worte, jer war der Schöpfer der internationalen Vereinigung.“ Richtig iſt hiermit ge— kennzeichnet das höchſte Verdienſt und der unauslöſchliche Ruhm eines langen, den erhabenſten Zielen der Wiſſenſchaft raſtlos gewidmeten Lebens. Dankbar legen wir den Kranz Humboldt 1887. der Anerkennung und Verehrung auf dem Grabe des Ver— ewigten nieder. Sein Scheiden iſt verklärt durch das Be— wußtſein, daß das Werk, das er geſchaffen, mit ihm nicht vergehen, ſondern dauern und immer mächtiger ſich ent- falten wird.“ Weiter wies der Miniſter darauf hin, daß der Zeitpunkt gekommen, die Erweiterung der Aufgabe von der „Gradmeſſung“ zur „Erdmeſſung“ auch offiziell anzu— erkennen und auch den internationalen Charakter der Ver— einigung immer ſtärker in die Erſcheinung treten zu laſſen. Vollſtändig fei das Ziel nur durch das Zuſammenwirken aller Staaten zu erreichen, man werde aber den Beitritt jedes einzelnen dankbar begrüßen. Die Organiſation der Vereinigung, Centralbureau und permanente Kommiſſion, ſollen mehr den internationalen Beziehungen angepaßt, ihre finanzielle Selbſtändigkeit ſoll durch Beiträge der Staaten ſichergeſtellt werden. Einer durchgreifenden Reorganiſation werde auch das preußiſche geodätiſche Inſtitut unterzogen, damit dasſelbe infolge der ſchärferen Abgrenzung ſeiner Aufgaben ſeine volle Kraft rein wiſſenſchaftlichen Zielen widmen könne und, ſofern ihm die Stellung des Central— bureaus von neuem übertragen werden ſollte, mehr denn je befähigt ſein, die Meſſungsergebniſſe der einzelnen Staaten zuſammenzufaſſen und die ſicherſten Methoden der Meſſung und Rechnung zu ermitteln. Auch beabſichtige man dieſem Inſtitut eine örtliche Lage und Einrichtung zu geben, die demſelben nicht allein die Löſung ſeiner wiſſenſchaftlichen Aufgabe erleichtere, ſondern es auch in zweckmäßige räum— liche Verbindung mit dem aſtrophyſikaliſchen Obſervatorium ſowie mit dem projektierten meteorologiſchen Inſtitut bringe. Mit Dankesworten für das freundliche Entgegenkommen der Regierungen und für das zahlreiche Erſcheinen der Delegierten, ſowie mit einem herzlichen Willkommen an die letzteren ſchloß der Miniſter, indem er die Konferenz für eröffnet erklärte. Nachdem der Präſident der permanenten Kommiſſion, der ſpaniſche General Ibanez, der preußiſchen Regierung den Dank der Verſammlung ausgeſprochen, wurde zur Wahl des Bureaus geſchritten. Zum Präſidenten der Kon— ferenz wurde Prof. Förſter (Berlin), zum erſten Vice— präſidenten Faye (Paris), zum zweiten O. v. Struve (Petersburg), zum Schriftführer Prof. Hirſch (Neufchatel) erwählt. Förſter knüpfte an den Dank für die auf ihn gefallene Wahl einen kurzen Rückblick auf die Entwickelung der Geodäſie ſeit Begründung der mitteleuropäiſchen Grad— meſſung. Er hob dabei die Bedeutung der Geodäſie für alle Nachbarwiſſenſchaften hervor und erinnerte an die bei der Gründung der mitteleuropäiſchen Gradmeſſung betei— ligten hervorragenden Perſönlichkeiten. Außerdem wies er noch darauf hin, daß die theoretiſche und rechneriſche Ver— gleichung der verſchiedenen Landesmeſſungen unter ſich und mit den aſtronomiſchen Ergebniſſen bisher noch nicht mit derjenigen Schnelligkeit gefördert worden ſei, wie man 1864 hoffte, und ſprach die Zuverſicht aus, daß die Konferenz dazu beitragen werde, auch dieſe Seite der Gradmeſſungs— arbeiten zu ſchnellerer Erledigung zu bringen. Der zweite Vicepräſident, O. v. Struve, knüpfte noch einige Bemer— kungen an die Rede Förſters und hob insbeſondere die Thatſache hervor, daß die Angelegenheit der Gradmeſſung in Preußen weſentlich gefördert worden ſei durch die Teil— nahme, welche ihr der Kaiſer ſchon als Prinz von Preußen zugewandt habe. Nach einer viertelſtündigen Pauſe erſtattete zunächſt Hirſch als bisheriger Sekretär der permanenten Kommiſſion einen „Hiſtoriſchen Bericht zur Anknüpfung an die letzte allgemeine Konferenz der europäiſchen Gradmeſſung“, in welchem er der ſeit dieſer Konferenz eingetretenen Ereig— niſſe und der ſeitdem verſtorbenen Mitglieder gedachte. Sodann gab Helmert, kommiſſariſcher Direktor des geo— dätiſchen Inſtituts, einen „Allgemeinen Bericht des Central— bureaus und des kgl. preuß. geodätiſchen Inſtituts mit beſonderer Rückſicht auf ſeine Wirkſamkeit als Centralbureau der europäiſchen Gradmeſſung“, in welchem Bericht ins— beſondere die Mitteilung von Intereſſe war, daß die Er— richtung eines Neubaues für das ganz neugeſtaltete Geo— dätiſche Inſtitut auf dem Potsdamer Telegraphenberge in 10 7A Humboldt. — Februar 1887. unmittelbarer Nähe des aſtrophyſikaliſchen Obſervatoriums ſich der Verwirklichung nähere. 5 Die zweite Plenarſitzung am 28. Oktober be⸗ ſchäftigte ſich mit der Wahl des ſtändigen Sekretärs und der Mitglieder der permanenten Kommiſſion. Der Präſident gab zunächſt eine kurze Darlegung bezüglich der internationalen Uebereinkunft, auf Grund welcher die Wahlen vorzunehmen waren. Danach bleibt das Centralbureau der internatio⸗ nalen Erdmeſſung mit dem geodätiſchen Inſtitut in Berlin verbunden, deſſen Direktor zugleich Direktor des Central⸗ bureaus und als folder ſtändiges Mitglied der permanenten Kommiſſion iſt. Ihm liegt in Gemeinſchaft mit dem ſtän⸗ digen Sekretär und unter Oberleitung des Präſidiums der permanenten Kommiſſion die Führung der wiſſenſchaftlichen und geſchäftlichen Arbeiten der Kommiſſion ob. Außer dieſen beiden ſtändigen Mitgliedern hat die permanente Kommiſſion noch neun wechſelnde. Auf die Dauer von zehn Jahren erhält die Kommiſſion eine jährliche Dotativn von 16000 Mark, davon 5000 Mark Gehalt für den ſtän⸗ digen Sekretär. In der Debatte, welche ſich an dieſe Dar⸗ legung knüpfte, wurde feſtgeſtellt, daß nach dem Wortlaut der Uebereinkunft der ſtändige Sekretär zwar zugleich Mit⸗ glied der permanenten Kommiſſion ſei, aber ſeinen Wohnſitz nicht am Orte des Centralbureaus zu haben und nicht zur Zahl der Delegierten zu gehören brauche Der franzöſiſche Akademiker Faye teilte dann mit, daß ſeine Regierung ihre Reſerve in betreff des Beitritts zur Uebereinkunft zwar noch nicht zurückgezogen habe, daß ſich aber die franzöſiſchen Delegierten unter Vorbehalt der Zuſtimmung ihrer Regie⸗ rung an den Wahlen beteiligen würden. Zum ſtändigen Sekretär ward einſtimmig der bisherige Schriftführer der permanenten Kommiſſion, Hirſch aus Neufchatel gewählt; die Wahl der neun nicht ſtändigen Mitglieder der per⸗ manenten Kommiſſion fiel auf die Delegierten van de Sande⸗Bakhuyzen (Niederlande), Faye (Frankreich), Ferrero (Italien), Förſter (Preußen), Bare; (Spanien), Nagel (Sachſen), v. Oppolzer (Oeſterreich), v. Stebnitzki (Rußland), Zacharige (Dänemark). In der dritten Plenarſitzung am 30. Oktober gaben Faye (Frankreich), d'Avila (Portugal) und v. Bauern⸗ feind (Bayern) Berichte über den Stand der Erdmeſſungs⸗ arbeiten in ihren Ländern, und hierauf teilte Hirſch die am vorhergehenden Tage von der permanenten Kommiſſion gefaßten Beſchlüſſe mit. Vorſitzender der Kommiſſion iſt General Ibanez (Spanien), Stellvertreter desſelben Prof. v. Oppolzer (Oeſterreich). Von den wechſelnden neun Mit⸗ gliedern ſollen alle drei Jahre abwechſelnd fünf und vier durchs Los ausgeſchieden werden, aber wieder wählbar ſein. Analog dem Gebrauch in früheren Jahren ſchlug die Kom⸗ miſſion die Ernennung von Specialberichterſtattern über folgende beſonders wichtig erſcheinende Gegenſtände vor: 1) Trigonometriſche Arbeiten, Berichterſtatter Ferrero (Flo⸗ renz), 2) Baſismeſſungen, Perrier (Paris), 3) Pendel⸗ meſſungen zur Beſtimmung der Schwere, Stebnitzky (Pe⸗ tersburg), 4) aſtronomiſch⸗geodätiſche Arbeiten, (Längen, Breiten, Azimute), van de Sande⸗Bakhuyzen (Leyden), 5) Präciſionsnivellement, Hirſch (Neufchatel), 6) Meſſungen des Höhenſtandes der Meere in den verſchiedenen Häfen, Ibanez (Madrid), 7) Lotabweichungen, Helmert (Berlin), 8) Verwertung der Mondbeobachtungen zur Erdmeſſung, Förſter (Berlin). Die beiden letzten Gegenſtände wurden zum erſtenmal zur Berichterſtattung vorgeſchlagen. Da die Pendelmeſſungen nicht bloß für Europa und im Bereiche der bisherigen europäiſchen Gradmeſſung, ſondern auf der ganzen Erdoberfläche erwünſcht ſind, ſo knüpfte ſich an Punkt 3 eine lebhafte Debatte, und Stebnitzky wurde be⸗ auftragt, ein ausführliches Programm der hauptſächlich in Frage kommenden Punkte der nächſten Konferenz vorzu⸗ legen. O. v. Struve appellierte zur Erreichung dieſes Zieles an die Mitwirkung der deutſchen Flotte, indem er auf ähnliche Arbeiten der ruſſiſchen Flotte unter General Lütke hinwies. Von den 30 Punkten, welche dieſer berückſichtigte, lagen 15 auf Inſeln des Großen Oceans, wo ſich die An⸗ ziehung der Erde ſtärker erwies als auf dem Feſtlande. Da Stebnitzky den gewünſchten Bericht über bereits vor⸗ handene Pendelmeſſungen ablehnte, ſo wurde derſelbe ſpäter dem Prof. v. Oppolzer (Wien) übertragen. Auf Struves Anregung wurde noch als neunter Punkt die terreſtriſche Refraktion v. Bauernfeind (München) zur Berichterſtattung anvertraut. Die vierte Plenarſitzung wurde am 30. Oktober durch Förſter mit geſchäftlichen Mitteilungen eröffnet, worauf die Berichte der einzelnen Staaten fortgeſetzt wur⸗ den. Es ſprachen: Ferrero über die italieniſchen Grad⸗ meſſungsarbeiten, v. Kalmar über die trigonometriſchen, nivelliſtiſchen und aſtronomiſchen Arbeiten des militär⸗geo⸗ graphiſchen Inſtituts in Wien, v. Oppolzer über die Ar⸗ beiten des öſterreichiſchen Gradmeſſungsbureaus, v. Sterneck über die relativen Schwerebeſtimmungen durch Pendel⸗ meſſungen in Oeſterreich, Hennequin über den Fortgang der Präciſionsnivellements in Belgien, Nell über die Nivellements in Heſſen⸗Darmſtadt, Fearnley über die nor⸗ wegiſchen Gradmeſſungsarbeiten, Zacharige über die däni⸗ ſchen. Sodann legte Faleoyano den Plan der Triangulation von Rumänien vor, und ſchließlich berichtete der Chef der trigonometriſchen Abteilung der preußiſchen Landesaufnahme, Schreiber, über den Stand der Triangulationen und Prä⸗ ciſionsnivellements in Preußen, von denen die erſteren vor⸗ ausſichtlich 1892, die letzteren 1888 vollendet ſein werden. In der fünften Plenarſitzung am 1. November ſprach der Direktor der Sternwarte Pulkowa, O. v. Struve, über die Erdmeſſungsarbeiten in Rußland. Derſelbe führte aus, wie das vor 20 Jahren der europäiſchen Gradmeſſung zu Grunde gelegte Programm gegenwärtig weſentlich zu er⸗ weitern ſei. Das Umfaſſen der ganzen Erdoberfläche ver⸗ lange nicht nur eine äußere Ausdehnung der Arbeiten, ſondern auch eine Umbildung der Methoden. Südamerika fehlt bis jetzt ganz, in Nordamerika haben für die Erd⸗ meſſung brauchbare Arbeiten erſt begonnen, in Afrika bilden franzöſiſche Arbeiten in Algier und engliſche am Kap der guten Hoffnung brauchbare Anfänge. Vor allem aber bietet das ungeheure Gebiet Rußlands die Möglichkeit zu Studien über die Geſtalt der Erde und einzelner Teile derſelben. Bisher waren die geodätiſchen Operationen dort ziemlich verzweigt und nicht einheitlich organiſiert, man beabſichtigt aber nach preußiſchem Muſter ein Centraldirektorium der Vermeſſungen zu errichten, wobei der Sternwarte Pulkowa wie bisher die wiſſenſchaftliche Ueberwachung der Arbeiten zufallen ſoll. Von der Ausdehnung und Wichtigkeit der ruſſiſchen Vermeſſungsarbeiten gibt die Thatſache eine Vor⸗ ſtellung, daß der größte Meridianbogen, welcher auf dem Feſtlande gemeſſen werden kann, ſich von der Südſpitze Vorderindiens, Kap Comorin, über mehr als 60° bis zur Mündung der Lena ins Eismeer erſtreckt. Die Engländer ſind mit ihren Arbeiten bis Peſchauer vorgeſchritten, und die Ruſſen ſtehen nur noch einige hundert Kilometer ent⸗ fernt. Nach Bewerkſtelligung des Anſchluſſes wird ein Bogen von 40—50° gemeſſen ſein, und Rußland wird nicht ſäumen, die Arbeit auch nach Norden hin zu Ende zu führen. Von analoger Bedeutung ſind die Studien über Lotab⸗ weichungen im Kaukaſus und in der Gegend von Moskau. Während im Kaukaſus, in einem vulkaniſchen Gebiete, wo täglich hunderte von Millionen Kubikmeter Gas dem Boden entſteigen, auch die unerwartetſten Lotablenkungen nicht wunderbar erſcheinen, ſind dieſelben um ſo rätſelhafter in der Umgegend von Moskau, wo Verſchiedenheiten der Lot⸗ richtung von 35 —40 Sekunden bei einem Breitenunterſchied von nur 20 km vorkommen. Struve gedachte ſodann des doppelten Nivellements, welches zwiſchen Warſchau und dem Schwarzen Meere ausgeführt und 1883 beendigt worden iſt. Dasſelbe hat u. a. gezeigt, daß der Spiegel des Schwarzen Meeres bei Odeſſa um 0,74 m tiefer liegt als der der Oſtſee an der Newamündung, was ſich durch den ſtarken Waſſerzufluß der Newa erklärt. Die geogra⸗ phiſche Lage von Petersburg erſcheint jetzt Ueberſchwem⸗ mungen gegenüber außerordentlich geſichert, da das ganze nördliche Rußland, insbeſondere der Ladogaſee, 14 m tiefer liegt, als man früher glaubte. In der letzten Plenarſitzung am 1. November folgten weitere Berichte von van de Sande-Bakhuyzen Humboldt. — Februar 1887. 75 (Niederlande), Nagel (Sachſen), der u. a. über die Fehler der optiſchen Nivellementsbeſtimmungen ſprach, Roſen (Schweden), welcher über die Beobachtung der Hebungs- und Senkungserſcheinungen an der ſkandinaviſchen Küſte mittels Mareographen berichtete, Hirſch (Schweiz), Ibaftez (Spanien); außerdem berichtete noch der eigens von der franzöſiſchen Regierung abgeordnete Bergingenieur Lalle— mand über das allgemeine Nivellement von Frankreich und über die Inſtallierung von Mareographen. Zuletzt erſtattete noch Hirſch Bericht über die tags zuvor abgehaltene Sitzung der permanenten Kommiſſion. Auf Antrag derſelben wurde beſchloſſen, dahin zu wirken, daß auch die älteren geodä— tiſchen Maße aller Länder gleich den bei der gegenwärtigen Erdmeſſung benutzten zur genauen Feſtſtellung ihrer Länge in dem Laboratorium der internationalen Maß- und Ge— wichtskommiſſion zu Bréteuil bei Paris mit dem Normal⸗ meter verglichen werden. Dieſes Laboratorium, das auf Veranlaſſung der europäiſchen Gradmeſſung auf Grund des Vertrags vom 20. Mai 1875 gegründet worden iſt, hat trotz der kurzen Zeit ſeines Beſtehens ſchon eine ſehr umfaſſende Thätigkeit entwickelt. So ſind die ſpaniſche und die fran— zöſiſche Baſismeßſtange, desgleichen die vom Kap der guten Hoffnung bereits etalonniert und die des preußiſchen geo— dätiſchen Inſtituts iſt Ende September vor. J. dahin ge— ſchafft worden. Ferner richtete die Konferenz auf Antrag der permanenten Kommiſſion an die preußiſche Regierung die Bitte, die noch nicht bei der internationalen Erdmeſſung beteiligten Kulturſtaaten zum Beitritt einzuladen. Außer— dem wurde feſtgeſetzt, daß die Beſchlußfaſſungen der per— manenten Kommiſſion mit einfacher Stimmenmehrheit er— folgen ſollen und daß dieſelbe bet Anweſenheit von ſechs Mitgliedern beſchlußfähig ſein ſoll. Die nächſte Verſamm— lung dieſer Kommiſſion findet 1887 in Nizza ſtatt. Hirſch brachte dann noch die ungeſäumte Feſtſetzung eines Normal- nullpunktes für die Nivellements in Anregung. Helmert ſprach den Wunſch nach recht baldiger Veröffentlichung der Reſultate der Landesmeſſungen aus, worauf Förſter die aa Konferenz der internationalen Erdmeſſung chloß. Prof. Dr. Gretſchel in Freiberg. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Erdbeben und vulkaniſche Ausbrüche. Am 16. Ok⸗ tober bemerkte man in Straßburg abends nach 6 Uhr zwei bald hintereinanderfolgende Erdſtöße, die ſich in der Richtung des Meridians fortſetzten. Am 20. Oktober wurde in Sirinagar, der Haupt⸗ ſtadt von Kaſchmir, ein ſtarkes und länger andauerndes Erdbeben geſpürt, bei dem ſich der Bevölkerung große Auf— regung bemächtigte. Am 22. Oktober früh fanden in Charleſton, Sa⸗ vannah, Auguſta, Columbia, Orangeburg, Wilmington, Nord⸗Karolina und in verſchiedenen anderen Diſtrikten ſtärkere Erderſchütterungen ſtatt, die erſte 5 Uhr früh; Uhr nachmittags folgten ihnen drei neue ſtarke. In Charleſton fiel Kalk und Putz von den Häuſern; es wurden die von dem früheren Erdbeben verurſachten Spalten ver— breitert und einige Mauern eingeſtürzt; in Sommerville war ein Stoß ſo heftig, daß er Perſonen zu Boden warf und in der Nachbarſchaft bildeten ſich einige Geiſer. We— niger ſtark empfand man die Erderſchütterungen in Wa- ſhington und an mehreren Orten in Virginien, Tenneſſee, Ohio und Florida. Am ſelben Tage 9 Uhr 30 Min. abends wurde in Neufchatel ein ſchwächerer Erdſtoß verzeichnet. Am 23. Oktober morgens ſpürte man in Fort Morgan (Staat Alabama) zwei von einem donnerähn— lichen Geräuſche begleitete Erdſtöße. Vom 11. November meldete man aus der portu- gieſiſchen Provinz Baira alta mehrere Erdſtöße. In der Nacht vom 15. November beobachtete man zwiſchen 12 und 1 Uhr in Temesvar und an anderen Orten ein Erdbeben in der Richtung von O. nach W. Am 16. November 3 Uhr morgens ward ein Erdſtoß in Zürich, Bendlikon, Aarau und Stans vernommen, der von NO. nach SW. ging und ein unheimliches Rütteln im Gefolge hatte, während in den Kantonen Uri und Glarus zur ſelben Zeit nur ein ſtarkes Getöſe vernommen wurde. Am 17. November 4 Uhr 30 Min. nachmittags wurde ein leichter Erdſtoß in Kairo beobachtet. Am 25. November wurde ein Erdbeben in der Schweiz und zwar um 3 Uhr in Pontreſina und Bernina und um 3 Uhr 58 Min. in Pontreſina beobachtet. Am 27. November 93/4 Uhr früh wurden in Smyrna, Tſchesme und Chios heftige Erdſtöße wahrgenommen. Am 28. November ſpürte man zwiſchen 11 Uhr 8 Min. und 11 Uhr 20 Min. einen ſtarken Erdſtoß in München und im Allgäu, beſonders ſtark in Immenſtadt, in der Richtung von S. nach N., durch den Bilder, Oefen und Möbel in Bewegung gerieten. In derſelben Nacht 11½ Uhr hörte man zu Imſt in Tirol ein donnerähnliches Getöſe, durch welches die Bewohner aus dem Schlafe geweckt wurden. Unmittelbar darauf fingen die Wände und Fußböden der Wohnungen an, in wellenförmige Schwingungen zu geraten; die Schränke ſchlugen aneinander, die Gläſer klirrten, der Boden hob und ſenkte ſich. Die Menſchen hatten das Gefühl, als befänden ſie ſich in einem ſchüttelnden Eiſenbahnwagen. Vom Kamin eines Hauſes wurden Bretter herabge— ſchleudert, ein neues Haus erhielt Sprünge. Richtung von O. nach W. Am 29. November zerſtörte ein ſtarkes Erdbeben zu Taſchkend (Tartarei) viele Häuſer. Vom 2. Dezember wurden acht leichte Stöße in Some merville, ein ſtarker in Kolumbia und zwei leichte in Charleſton gemeldet. Am 24. Oktober meldete man aus Rom, daß der Veſup in der vorhergehenden Nacht viel Aſche ausge— worfen habe, beſonders ſtark gegen San Georgio zu, auch höre man häufiges Dröhnen; der gefürchtete größere Aus— bruch iſt jedoch bis jetzt noch nicht erfolgt. Am 2. Dezember berichtete man aus San Francisco, daß die Thätigkeit des Kraters Kilauea wieder erwacht ſei und bedeutend zunehme. In ihm beobachtete man einen 30“ breiten Lavaſtrom. Hierbei ſei erwähnt, wie wir aus einer Abhandlung über die Vulkane von Japan erſehen, daß das nördliche Gebiet 51, das mittlere 35, das ſüdliche 14, alle zuſammen alſo 100, aufzuweiſen haben, von deren 48 thätigen 27 dem erſten, 12 dem zweiten und 9 dem dritten Gebiete zuzu— weiſen ſind. Von ihren Ausbrüchen ſind 232 verzeichnet worden, von denen die größere Anzahl auf den Süddiſtrikt fällt, was wohl dadurch zu erklären iſt, daß die japaniſche Civiliſation im Süden vorherrſcht. Die meiſten fanden im Februar und April ſtatt, wie auch die meiſten Erdbeben in der kalten Jahreszeit zu beobachten waren. Et. 76 Humboldt. — Februar 1887. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Nopember und Dezember 1886. Der Monat November iſt charakteriſiert durch vorwiegend trübes, feuchtes, warmes Wetter bei ziem⸗ lich lebhafter meiſt weſtlicher Luftſtrömung. Hervor⸗ zuheben ſind die außerordentlich ſtarken und von Verwüſtungen begleiteten Regenfälle im ſüdlichen Frankreich und im Alpengebiete vom 6. bis zum 13. November. In den erſten Tagen des Monats bewegten ſich die barometriſchen Depreſſionen auf dem Ocean nordweſtlich von Europa, häufig Teilbildungen nach Südoſten ent⸗ ſendend, die namentlich für Frankreich, teilweiſe auch für das weſtliche Deutſchland Niederſchläge brachten, während ein barometriſches Maximum im Oſten des Erdteils ſich von Norden nach Süden fortbewegte. Unter dem Einfluſſe ſüdweſtlicher Winde, die im Binnenlande nur ſchwach, da⸗ gegen in den Küſtenſtrichen friſch auftraten, erhob ſich die Temperatur, welche am Anfang des Monats unter dem Mittelwerte lag, raſch über die normale; am 6. war es an der deutſchen Küſte bis zu 4, im Binnenlande bis 6° C. zu warm. Am 3. herrſchte über den britiſchen Inſeln voller Sturm, der ſich jedoch nicht weiter oſtwärts ausbreitete. Am 6. erſchien über Oſtengland ein ſehr tiefes Mini⸗ mum, umgeben von ſtürmiſcher Luftbewegung, welches ſich zuerſt oſtwärts nach Jütland, fortbewegte dann nordoſt⸗ wärts verſchwand. Am 7. morgens, als das Minimum über der öſtlichen Nordſee lagerte, hatte ſich, auf der Süd⸗ weſtſeite nach dem Biscayſchen Golf hin, ein Ausläufer entwickelt, welcher in den folgenden Tagen oſtwärts über Frankreich und Deutſchland fortſchritt. Hiermit im Zu⸗ ſammenhang ſtehen die außerordentlich großen Niederſchlags⸗ mengen, welche in Frankreich, insbeſondere in den ſüdlichen Gebietsteilen zu von zahlreichen Verwüſtungen begleiteten Ueberſchwemmungen führten. Dieſe Niederſchläge dauerten bis ungefähr zur Mitte des Monats fort, da neue De⸗ preſſionen vom Weſten her vordrangen und ihren Wir⸗ kungskreis auf Frankreich und Centraleuropa ausbreiteten, und dehnten ſich auch auf Deutſchland, insbeſondere auf deſſen ſüdlichen Gebietsteile aus. Folgende Tabelle gibt die Regenhöhe in Millimetern (oder Litern auf das Quadrat⸗ meter) für einige Stationen vom 6. bis zum 13. November: dont = = =|, 5 = 10 = 2 1586 ee 5/6 10 18) 4 6] 6 0 O22 21) 1] 40 6/7 7 25) 9 10) 0 0% 2 10} 20) 00 11 7/8 2 O} 538] 1) 30 10 28) 8/31/41] 0 8/9 3 2 3 28] 0 11/22] 1] 0 2032 2 9/10 | 1! 1/15! 8] 6 6 0 18] 19! 10 00 10/11 || 5} 23) 0 0 6} 47 0 58 43 0 1] 0 11/12 | 1) 47 0} 0} 0 35} 0} 20) 23) 0} 30 12/13 || 2) 7 0} O 1) o O OF OF 7 1/0 13/14 2) 0] 4 12 0 00 00 O 02% 4 1/3 Summa || 33 1123] 40 102 20 120 34 13513464 84 6 Die mittlere jährliche Regenmenge für das mediterrane Frankreich beträgt 670 mm, wovon auf den November 12% oder 80 mm oder auf den obigen Zeitraum 24 mm entfallen; ebenſo ijt die mittlere Jahresſumme des Niederſchlags für Süddeutſchland 820 mm, die Monatsſumme für November 65 und für obigen Zeitraum 20 mm. Hiernach übertrafen die Regenmengen vom 5.— 14. November 1886 die durch⸗ ſchnittliche in Südfrankreich um das 5 —6fache, in Süd⸗ deutſchland um das 3—4 fache. Durch dieſe außerordent⸗ lichen Regenfälle wurdenzlUleberſchwemmungen hervorgerufen, die von vielen Verwüſtungen begleitet waren; im ſüdlichen Frankreich wurden Häuſer eingeriſſen, Brücken fortgeriſſen, Eiſenbahnverbindungen unterbrochen. — Auch in Oberitalien erreichten der Po und ſeine Zuflüſſe infolge der anhalten⸗ den Regenfälle eine gefahrdrohende Höhe. In der Nacht vom 8. zum 9. fand in der Schweiz ein maſſenhafter Schnee⸗ fall ſtatt; in der folgenden Nacht richtete ein orkanartiger Föhn, insbeſondere im Berner Oberland, Verwüſtungen an Gebäuden und Waldungen an. Gleichzeitig (am 3.) tobten im Mittelmeere heftige Stürme, wobei Schiffbrüche und Verluſte an Menſchenleben zu beklagen ſind, und fanden in den Geez und Küſtenregionen der Vereinigten Staaten Schneeſtürme ſtatt, welche manches Unglück im Gefolge hatten. Vom 14. bis zum 17. lag Centraleuropa in einem umfangreichen Gebiete niedrigen Luftdruckes, in welchem häufig Depreſſionen auftraten, während die Hauptdepreſſion im nordweſtlichen Europa verblieb. In dieſem Zeitraume herrſchte trübes warmes Wetter mit häufigen Regenfällen. Am 17. erſchien nördlich von Schottland eine tiefe De⸗ preſſion, welche in den folgenden Tagen oſtwärts durch das Skagerrak nach den ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen fortſchritt und im ſüdlichen Nord⸗ und Oſtſeegebiet lebhafte, von Südweſt nach Nordweſt umgehende Winde hervorrief, welche im nord⸗ weſtlichen Deutſchland von Regenböen begleitet waren. In der letzten Dekade breitete ſich ein barometriſches Maximum, aus dem Südweſten kommend, über Weſt⸗ europa aus, während die barometriſchen Minima im hohen Norden ſich fortbewegten. Hervorzuheben iſt die außer⸗ ordentliche Höhe, welche das Maximum am 24. und 25. über Irland und England erreichte; am 24. betrug das Barometerſtand um 2 und 6h p. m. in Valencia 781,5 mm, eine Höhe, die dort ſehr ſelten beobachtet wird. Während der letzten Dekade war das Wetter vorwiegend trübe und neblig, und trotz der vorwaltenden nordweſtlichen Winde andauernd warm. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Der Monat Dezember ijt charakteriſiert durch trübes, unruhiges Wetter mit häufigen und ergiebigen Niederſchlägen bei durchſchnittlich nahezu normaler Temperatur. Hervorzuheben ſind die heftigen Stürme vom 8. bis zum 10. namentlich für Großbritannien und das Nordſeegebiet und die außerordentlichen Schneefälle vom 19. bis zum 25. in Mittel⸗ und Süddeutſchland. Während des ganzen Monats war mit kurzen Unter⸗ brechungen die Nordweſthälfte Europas von häufigen und tiefen Depreſſionen frequentiert, welche vielfach in weiter Umgebung zu ſtürmiſcher Luftbewegung, nicht ſelten zu ſchweren und verderblichen Stürmen Veranlaſſung gaben. In den erſten Tagen des Monats ſtanden dieſe Depreſſionen mit anderen in Beziehung, die ſich, vom Mittelmeere aus⸗ gehend, nordnordoſtwärts nach dem Oſtſeegebiete fortbe⸗ wegten. Die letzteren Depreſſionen ſind deswegen be⸗ merkenswert, weil ſie in Oeſterreich⸗Ungarn ausgedehnte und ergiebige Schneefälle verurſachten, wodurch nicht un⸗ erhebliche Störungen im Eiſenbahnverkehr hervorgerufen wurden. In Trieſt betrug am 1. die Niederſchlagshöhe 43, am 2. 45 mm, am 4. in Wien 14, in Peſt 17, in Lejina 24 mm, am 5. in Wien 17 mm. Nachdem vom 3. bis zum 7. ein tiefes Minimum auf dem Ocean nordweſtlich von Europa vorübergegangen, das im Bereiche der britiſchen Inſeln und auch an der deutſchen Küſte rechtdrehende Stürme verurſacht hatte, erſchien am 8. morgens weſtlich von Schottland eine ungewöhnlich tiefe Depreſſion, welche ſchon beim erſten Erſcheinen Wind und Wetter über ganz Weſteuropa beherrſchte und auf den britiſchen Inſeln, im Nordſeegebiete und Frankreich von ſehr heftigen Stürmen mit zahlreichen Verheerungen be⸗ gleitet war. Am 8. morgens herrſchte über Schottland Sturm aus Oſt und Südoſt, in Irland, England und Nordfrankreich, ſpäter auch über der ſüdlichen Nordſee Sturm aus Südweſt, der vielfach eine orkanartige Gewalt Humboldt. Februar 1887. 77 erreichte. Das Minimum ſchritt zuerſt rein oſtwärts, fe her nordoſtwärts fort: am 9. lag dasſelbe mitten über der Nordſee, am 10. an der ſüdnorwegiſchen Küſte und am 11. mit abnehmender Tiefe und Intenſität mitten über Norwegen. Hervorzuheben iſt der außerordentlich tiefe Barometerſtand im Centrum der Depreffion, wie er äußerſt ſelten vorkommt: am 8. 8 Uhr morgens betrug derſelbe in Bellmullet (bei Orkan aus WSW.) 700,5 mm, nachdem er in 14 Stunden um 45 mm gefallen war (aljo 3 mm pro Stunde). Nur einmal iſt ſeit wenigſtens 120 Jahren ein noch niedrigerer Barometerftand auf den britiſchen Inſeln vorgekommen, nämlich am 26. Januar 1884, wo das Barometerminimum in Ochtertyre 694 mm betrug. Um 9 Uhr morgens (am 8.) trat in London eine fürchter⸗ liche Hagelböe ein, begleitet von Donner und Blitz und obgleich vorher und nachher wolkenbruchartiger Regen ge— fallen war, ſo blieb der Hagel doch länger als eine Stunde in den Straßen liegen, als ſei ſtarker Schnee gefallen. Während der Böe ſprang der Wind von Süd nach Wet, der Himmel flarte auf, und das Wetter blieb den Tag über ſchön, trotzdem der Wind in heftigen Böen zu wehen fortfuhr und das Barometer beſtändig fiel. Die Gewitter⸗ erſcheinungen wiederholten ſich am Abend in Gris-nez, und in der Nacht an der deutſchen und jütiſchen Küſte. Schon am Mittag des 8. friſchten an der weſtdeutſchen Küſte die Winde zum vollen Sturme auf und erreichten vielfach eine ungewöhnliche Heftigkeit. Die durch dieſen Sturm herbei— geführten Unglücksfälle ſind außerordentlich groß: nach einem Bericht vom 14. Dezember wurden durch den Sturm 128 Schiffbrüche verurſacht, von denen allein 61 auf die Höhe der britiſchen Inſeln kommen. Zum Glücke war der Verluſt an Menſchenleben nicht ſo zahlreich, als man nach der Geſamtzahl der Unfälle hätte erwarten können: in der Umgebung der britiſchen Inſeln gingen 28, an fremden Küſten 66 Menſchen verloren). *) Die! Geſamtzahl der Schiffbrüche für das laufende Jahr ſtellt ſich bis dahin auf 1490. Naturkalender für den Säugetiere. Bei nicht zu rauhem Wetter rammeln die Haſen, welche überdies oft ſchon trächtige Individuen aufweiſen; es ranzen unter gräßlichem Geſchrei die Wild— katzen, Füchſe, Wölfe, Iltiſſe, Marder. Sumpf- und Fiſch⸗ ottern pfeifen zur Ranzzeit. Der Dachs ſetzt in ſeinem warmen Bau blinde, weißlich behaarte Junge (ich traf deren ſchon am 2. Februar). Die Fledermäuſe fliegen teils in der Sonne, teils in der Abenddämerung umher. Die Maulwürfe werfen in den erſten Nachmittagsſtunden ihre Hügel auf. Starke Hirſche werfen ihr Geweih ab (Hornung). In ihren Höhlen liegen noch, im Winter— ſchlafe erſtarrt, der Hamſter, der Siebenſchläfer, die große und kleine Haſelmaus, das Murmeltier. Vögel. Die Vögel zeigen jetzt bei ſchönem Wetter ſchon viel Regſamkeit: Elſtern, Kolkraben, Waſſeramſel und Kreuzſchnabel beginnen zu bauen. Es kommen aus dem Süden an: Wanderfalk, ſchwarzer Milan, Feldlerche, Heidelerche, Star, Holztaube, gemeine Bachſtelze, Storch und Kranich, wenigſtens bei günſtigem Wetter nach Mitte des Monats, nicht ſelten auch die Waldſchnepfe kurz vor Ende des Monats; ebenſo der Kiebitz. Die Rebhühnerketten löſen ſich in Paare (Paarhühner) auf, Nebelkrähen beginnen mit dem Abzuge nach Norden, ebenſo die Enten und Gänſe. Turmfalken und Dohlen zeigen ihre Flugkünſte. Es ſingen, erſt leiſe, ſpäter aus voller Bruſt: Miſtel—⸗ droſſel und Amſel, Hauben-, Heide- und Feldlerche, Kohl⸗ meiſe und Goldammer; der Finke ſchlägt. Den Geſang aller Genannten vereint in ſich der Raubwürger (Lanius excubitor), der ſich vom Gipfel einer Pappel herab hören läßt, Vom 12. bis zum 14. wurde insbesondere die audits Küſte und das weſtdeutſche Binnenland von weiteren hef— tigen Stürmen heimgeſucht, die allerhand Störungen und Schäden verurſachten, als ein tiefes Minimum von der Nordſee aus über Südſchweden nach Finnland fortſchritt. Nicht minder bemerkenswert als die eben geſchilderten Stürme ſind die außerordentlichen Schneefälle, welche vom 19. bis zum 25. im öſtlichen Frankreich und im mittleren und ſüdlichen Deutſchland ſtattfanden. Dieſelben ſtehen im Zuſammenhang mit Depreſſionen, welche das Alpen— gebiet, teilweiſe auch die ſüdliche Nordſee und Oſtſee durch— zogen und welche vielfach von lokalen Stürmen begleitet waren. Ziehen wir nur die Niederſchlagsmengen (Höhe des geſchmolzenen Schneewaſſers) in Betracht, welche 20 und mehr Millimeter in 24 Stunden erreichten, ſo er— geben ſich für die telegraphiſch berichterſtattenden deutſchen Stationen: am 18. Altkirch 23 mm; am 19. Kaiſerslautern 20, Karlsruhe 36; am 20. Altkirch 32, Karlsruhe 35; am 21. Altkirch 39, Karlsruhe, Friedrichshafen und Grünes berg 21, Chemnitz 57; am 24. Friedrichshafen 31 mm. Erwägen wir nun, daß die Temperatur faſt während diejes ganzen Zeitraumes unter dem Gefrierpunkte lag, ſo läßt ſich daraus abnehmen, welche hohe Schneedecke ſich um Weihnachten in Mittel- und Süddeutſchland angeſammelt haben mußte. Hieraus erklären ſich die ausgedehnten und überaus ſchädlichen Stockungen im Eiſenbahn- und Tele- graphenverkehr, wie ſie bis jetzt wohl für undenkbar gehalten wurden, ſo daß viele, auch größere Städte und Ortſchaften ſo vollkommen eingeſchneit waren, daß der Verkehr mit der Außenwelt faſt vollkommen abgeſchnitten war. Wir ver⸗ weiſen auf die zahlloſen Berichte, welche in jener Zeit alle Zeitungen durchliefen. Im allgemeinen lag während dieſes Monats die Temperatur über dem Normalwerte, Froſtperioden kamen hauptſächlich vor vom 2. bis zum 6. und vom 21. bis zum 25. Hamburg. Dr. T. van Bebber. Monat Februar 1887. Die Baumſperlinge und Spatzen ſchilpen laut, beginnen auch Niſtſtoffe herbeizutragen; lebhaft vollzieht ſich die Wanderung der Krähen und Möwen von Schlafſtätte zu Futterplatz und umgekehrt. Reptilien, Amphibien und Jiſche. Zuweilen kommen ſchon die Fröſche, Kröten und Waſſerſalamander aus dem Schlamme oder Mooſe hervor. Der Hecht laicht, wobei die Männchen aufs graſige Ufer ſpringen und ſich dort wälzen. Niedere Tiere. Die warmen Sonnenſtrahlen locken oft ſchon hervor: a) Winterſchläfer: Bienen, Crdwanjen am Fuße der Lindenſtämme, Dungkäferchen (Aphodius) auf den Wegen, ferner das gelbe Citronenblatt (Gonoptera rhamni), den großen und kleinen Fuchs (Vanessa poly- chloros et urticae), das weiße C, die große ſtahlblaue Holzbiene (Xylocopa violacea) und Osmia rufa. Im Waſſer ſieht man die flinke Corixa striata. b) Der Puppe find entſchlüpft und fliegen nach (mit Aus— nahme des erſten) flügelloſen Weibchen abends umher: Geometra rupicapraria, leucophaearia, progemmaria, Biston pilosarius et stratarius (des letzteren Weib ijt geflügelt). In felteneren Fällen durchwärmt die Sonne den durchlaſſenden Boden ſo weit, daß der bereits im vorigen Herbſte fertiggebildete Maikäfer hervorkommt. Pflanzen. Es geſellen fic) zu den für vorigen Monat genannten: Galanthus nivalis, Leucojum vernum, Ane- mone hepatica, Daphne Mezereum, Draba verna, Tussilago Farfara, Pulmonaria angustifolia. Die Erlen und Haſeln ſtäuben. Loniceren und Salixarten öffnen ihre Blattknoſpen. Selten beginnt am Schluſſe des Monats die Ulme zu blühen. Mainz. W. von Reichenau. 78 Humboldt. — Februar 1887. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Jiebruar 1887. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 723 M Tauri 166 33 ) 1 18° 46 A 2 135 55 A 1H 14 Sm . d. O 48 Tauri 1427 6 Libre 2 15 2m Ah. 6 3 7 15 E. d.) 1526 BAC 3 gh 23% KA. h. 9 5 ½ 4 1328 U Ophiuchi 4 5 621 J Tauri 1088 U Cephei 15 9" 9} II E 5 6 10% 12™ F. d. 5 3 Cancri 15h 6™ 9 0 BAC 2731 | 1688 U Coronæ 6 11 25m A. h. 6 15h 40m A. h. 1 64/2 7 5 5 22m H. d.) 54 Cancri Sh Om E. d. ö O*Cuneri | 1481 Algol 7 5 23h 7m 6 7m A. h. 9 6 ½ Sh 24m A.h. H 5½ 1 h 26m 20 39 ¢ 1 : 9 1422 6 Libre 1485 U Ophiuchi 15 48" 9] 1 E Mars und Venus 9 10 1024 U Cephei 1029 Algol 12> 54™ ) I in Konjunktion. | 10 15h 7m 2 0 11 12h 10 P. I. , 46 Virginis 14" 36m P. 13 48 Virginis | 132 8 Cancri 11 13 12 f fl. 6 15h Om A. fl. 6 12 17 43 A II E 18h 19m F. h. 2 94 Virginis 12 19 15™ A. d. 6 13 748 Algol 1445 U Corone 13 56 m . . 75 libro 15" 42 (Aol 13 ‘ 5 99185 15 Om f. d. 9 6 17" 52 § 14 € 15 55 A @ Il 1583 U Ophiuchi 14 15 1021 U Cephei 15 16 1388 6 Libræ 17 42 A I 16 h ni 17 170 0 6 A 61 17 19 1681 U Ophiuchi 19 20 957 U Cephei 1222 U Corone 20 21 15 22 21 13 pe 5 6 ll 22 0 22 23 1384 6 Libræ Merkur und Mars in Konjunktion. 23 24 11> 53" A IIIA 1658 U Ophiuchi i eee Sil 24 18" 53m U 0 25 974 U Cephei 1289 U Ophiuchi 14˙ 3" OL 1E 25 26 Ii Ge 26 10 2 (A 6 27 989 U Corone 27 28 17 56™ 28 20h 33m ö OD ® II Merkur gelangt am 6. in obere Konjunktion mit der Sonne und bleibt wegen ſeiner Nähe bei ihr faſt den ganzen Monat unſichtbar, nur in den letzten Tagen kann er tief am Weſthorizont / Stunden nach Sonnenunter⸗ gang mit freiem Auge bei klarer Luft geſehen werden. Venus tritt als Abendſtern immer auffälliger hervor und geht am Ende des Monats genau im Weſten 1¾ Stunden nach der Sonne unter. Mars iſt anfänglich nicht ſehr weit von Venus entfernt und nähert ſich ihr immer mehr, bis beide Planeten am 9. in einer Entfernung von einem Monddurchmeſſer aneinander vorübergehen. Mars nähert ſich der Sonne und geht am Ende des Monats nur noch eine Stunde nach ihr unter, iſt aber dann mit freiem Auge nicht mehr zu ſehen. Am 23. um 5 Uhr nachmittags geht Merkur in einer Entfernung von einem Monddurchmeſſer nördlich an Mars vorüber; die nahe bei ihnen ſtehende ganz ſchmale Sichel des einen Tag alten Mondes erleichtert die Auffindung beider Planeten dem unbewaffneten Auge, welche allerdings nur bei ſehr durchſichtiger Luft kurz vor ihrem Untergang zu ſehen ſind. Jupiter an der Grenze der beiden Sternbilder Jungfrau und Waage kommt am 19. in Stillſtand und wird dann rückläufig. Er geht anfangs um 1242, zuletzt nach 10 Uhr abends auf. Saturn rückläufig im Sternbild der Zwillinge ſteht in den Nächten des 5. und 6. ſehr nahe bei 6Geminorum. Bei Anbruch der Nacht ſchon hoch am Himmel, geht er anfangs in der Morgendämmerung, zuletzt ſchon um 4½ Uhr morgens unter. Uranus ijt rückläufig im Sternbild der Jungfrau. Neptun wird am 4. wieder vechtläufig im Sternbild des Stiers. Die beiden Beobachtungsgelegenheiten des kleinſten Lichtes von i Tauri find die letzten bis zum September. Die partiale Mondfinſternis am 8. iſt in Europa nicht ſichtbar. Die ringförmige Sonnenfinſternis am 22. iſt nur auf der ſüdlichen Halbkugel, aber von keinem Punkte des Feſtlandes ſichtbar. Der von Barnard am 4. Oktober entdeckte Komet iſt nur noch auf der ſüdlichen Halbkugel ſichtbar. Dr. E. Hartwig. Humboldt. — Februar 1887. 79 Biographien und perſonalnotizen. Auguſt Wilhelm Hofmann. ot langer Zeit ijt es gebräuchlich, zwiſchen un— organiſcher und organiſcher Chemie zu unter— ſcheiden. Erſtere beſchäftigt ſich mit den Körpern, welche vornehmlich in den Mineralien und Geſteinen vor— kommend, die Subſtanz der nicht belebten Naturkörper bilden, während die organiſche Chemie jene Stoffe ſtudiert, aus denen Pflanzen und Tiere zuſammen— geſetzt ſind. Eine ſolche Unterſcheidung zu machen, lag ſehr nahe und man hat ſie lange Zeit um ſo mehr aufrecht erhalten, als die chemiſchen Prozeſſe bei den ſogenannten organiſchen Körpern in mancher Beziehung anders verliefen, als man nach den an unorganiſchen Körpern gemachten Erfahrungen er— warten zu dürfen glaubte. Man nahm an, daß die Beſtandteile der Pflanzen und Tiere unter dem Einfluß einer beſondern Lebenskraft gebildet und daß ſie deshalb nicht ohne weiteres den anorganiſchen, welche man in Tiegel und Retorte aus ihren Elementen herzuſtellen vermochte, vergleichbar ſeien. Weitere Studien ließen dann freilich erkennen, daß dieſelben Geſetze hier wie dort die chemiſchen Vor— gänge beherrſchen, und als vollends ein bis dahin nur aus tieriſcher Flüſſigkeit gewonnener Körper, der Harnſtoff, aus unorganiſchen Subſtanzen dargeſtellt worden war, da erhoben ſich alsbald Stimmen, welche von der üblichen Einteilung nichts mehr wiſſen wollten. Man konnte aber, wenn man auch eine fundamentale Verſchiedenheit zwiſchen unorganiſchen und organiſchen Körpern nicht mehr zugeben durfte, doch noch ſehr leicht zwei Gebiete unterſcheiden, denn von den zahlreichen Elementen, welche die Chemie kennen gelehrt hatte, waren es nur ſehr wenige, welche die große Zahl der ſogenannten organiſchen Körper bildeten, und nament— lich war für letztere der Gehalt an Kohlenſtoff charak⸗ teriſtiſch. Man unterſchied deshalb die Kohlenſtoff— verbindungen von den Verbindungen der anderen Ele— mente, und wenn man nun auch Körper darſtellte, in welchen Metalle mit den Elementen der Kohlen— ſtoffverbindungen innig verbunden waren, alſo die Brücke von den unorganiſchen zu den organiſchen Körpern ſo ſicher und breit geſchlagen war wie nur möglich, ſo haben die Chemiker in der Praxis doch noch ſtets die Grenze aufrecht erhalten und während einige mit Vorliebe unorganiſche Verbindungen ſtudier— ten, widmeten fic) andere faſt ausſchließlich der Er— forſchung der Kohlenſtoffverbindungen. Dieſe letzteren nehmen aber in der neueren Zeit die größere Kraft der Chemiker in Anſpruch und der rege Eifer, welcher ihrem Studium entgegengetragen wurde, hat es dahin gebracht, daß die organiſche Chemie der unorganiſchen weit vorauseilte und das Verhältnis, in welchem beide Disciplinen bis dahin geſtanden hatte, ſich völlig um— kehrte. Wagte man früher nur kurze chemiſche Streif— züge in das Reich der belebten Natur oder der Kohlen— ſtoffverbindungen und bediente man ſich dabei derſelben Methode, wie beim Studium der anorganiſchen Körper, ſo wurde nun die organiſche Chemie die Lehrerin ihrer Mutter. Neue Theorien wurden ausſchließlich auf Grund dieſer Forſchungen aufgeſtellt und von neuem bildete ſich eine tiefe Kluft zwiſchen unorganiſcher und organiſcher Chemie, da erſtere lange Zeit bei älteren theoretiſchen Anſchauungen verharrte, während die organiſche Chemie Wandlungen erlebte, welche in über— raſchender Weiſe die Einſicht in die Natur der chemi— ſchen Verbindungen und den Verlauf der chemiſchen Prozeſſe vermehrten und ſchließlich die ganze Disciplin völlig umgeſtalteten. Endlich gewann die moderne Chemie auch auf dem unorganiſchen Gebiet allgemeine Geltung und heute ſtehen wir auf völlig neuem und ſo fruchtbarem Boden, daß der einzelne kaum imſtande iſt, die ganze Ernte eines Jahres zu ſeinem geiſtigen Eigentum zu machen. Zu den hervorragenden Reformatoren der ge— ſchilderten Uebergangszeit gehört Auguſt Wilhelm Hofmann, welcher nicht wenig zur Entfaltung der modernen Chemie beigetragen hat. Und nicht nur die reine, wiſſenſchaftliche Chemie iſt von ihm in hohem Grade gefördert worden, ſondern das Gebiet, welches er vor langen Jahren zu beſonderem Studium ſich erwählte, hat auch für die Praxis die höchſte Be— deutung gewonnen und in einem der neueſten und bedeutendſten Induſtriezweige gilt Hofmann unbe— ſtritten als bahnbrechende Autorität. Endlich hat er als Lehrer einen weitreichenden Einfluß geübt und ſeine Methoden und Apparate findet man jetzt in allen Hörſälen. Auguſt Wilhelm Hofmann wurde am 8. April 1818 in Gießen geboren, wo ſein Vater als geſchätzter Architekt lebte. Angeregt durch frühe größere Reiſen in Frankreich und Italien, auf denen er den Vater begleitete, widmete er ſich zuerſt der modernen Sprach⸗ wiſſenſchaft. Später wandte er ſich, aber ohne in— neren Beruf der Jurisprudenz zu, bis ihn der Neu— bau des chemiſchen Laboratoriums in Gießen, den der Vater für Liebig ausführte, mit dieſem berühm⸗ ten Forſcher, der damals auf dem Gipfel ſeiner Lehr— thätigkeit ſtand, in Berührung brachte. Unter dieſem Einfluß war Hofmann bald für die Chemie gewonnen und nach kurzer Zeit war es ihm vergönnt, ſich als Gehilfe an den Arbeiten des großen Meiſters zu beteiligen. Mit ſeiner Diſſertation „Chemiſche Unter⸗ ſuchung der organiſchen Baſen im Steinkohlenteeröl“ erwarb er ſich die philoſophiſche Doktorwürde und im Frühling 1845 habilitierte er ſich als Privatdocent in Bonn. Aber ſchon im Herbſt desſelben Jahres ging er, von Liebig empfohlen und von der Regierung zum außerordentlichen Profeſſor ernannt, nach London, wo eine unter dem Protektorat des Prinzen Albert 80 Humboldt. — Februar 1887. gegründete Geſellſchaſt von Freunden der Naturwiſ⸗ ſenſchaft eine chemiſche Schule nach deutſchem Muſter begründen wollte. Das Royal College of Chemistry wurde im November 1845 eröffnet und erwarb ſich durch Hofmanns angeſtrengte Thätigkeit eine ſolche Anerkennung, daß die Regierung, als im Jahre 1853 mit dem Museum of practical Geology eine Berg⸗ ſchule, die Royal School of Mines verbunden wurde, das aus Privatmitteln begründete chemiſche Inſtitut der neuen Schule als chemiſche Abteilung einverleibte. In dem ſo erweiterten Wirkungskreiſe iſt Hof⸗ mann während der nächſten 12 Jahre thätig geweſen; Männer, wie De La Rue, Odling, Abel, Mansfield, Galloway, Crookes, Perkin, Nicholſon, Medlock ſind ſeine Schüler geweſen; ſeine Working men lectures pflegten Scharen von Arbeitern in dem großen Hör⸗ ſaal des Museum of practical Geology zu verſam⸗ meln und viele andere Vorleſungen, in denen er die Ergebniſſe chemiſcher Forſchung entfernter Stehenden zugänglich zu machen ſuchte, waren nicht minder beſucht. Mit dieſer vielſeitigen Lehrthätigkeit vereinte Hof⸗ mann in glücklicher Weiſe eine umfaſſende Wirkſam⸗ keit als chemiſcher Forſcher. Bewegten ſich ſeine Un⸗ terſuchungen zunächſt auf rein wiſſenſchaftlichem Gebiete, ſo ſtellten ihn die Verhältniſſe, in denen er lebte, nicht ſelten auch Fragen der Technik und der öffent⸗ lichen Geſundheitspflege gegenüber, denen er auf dem Wege induktiver Forſchung gerecht zu werden ſuchte. Mit zahlreichen Expertiſen betraut, gewann er bald eine einflußreiche Stellung in England, er fungierte als Jurymitglied und Berichterſtatter bei den inter⸗ nationalen Ausſtellungen von 1851, 1855 und 1862 und auf der letzteren Ausſtellung verfaßte er den großen Bericht, welcher ungeteilte Anerkennung und weite Verbreitung gefunden hat. Von 1856—65 bekleidete er die Stelle eines Wardeins an der eng⸗ liſchen Münze, während ſein Freund Graham das Amt eines Münzmeiſters innehatte. In Anerken⸗ nung ſeiner wiſſenſchaftlichen Verdienſte ernannte ihn die Royal Society 1851 zum Mitglied, ſie förderte ſeine Arbeiten durch Gewährung reicher Geldmittel und verlieh ihm 1854 die große Medaille, ſowie ſpäter die Copley Medal. Die Londoner Chemiſche Geſell⸗ ſchaft ernannte ihn 1861 zu ihrem Präſidenten und die Univerſitäten Aberdeen und Cambridge verliehen ihm den Doctor juris. Auch im Auslande war man ſeinen Arbeiten mit nicht minder großem Intereſſe gefolgt; 1857 zum Korreſpondenten des franzöſiſchen Inſtituts, 1858 der Berliner Akademie ernannt, war er nachge⸗ rade Mitglied aller bedeutenderen Akademien und ge⸗ lehrten Geſellſchaften Europas und Amerikas geworden. Im Jahre 1862 erhielt Hofmann von der preußi⸗ ſchen Regierung unter ſehr ehrenvollen Bedingungen die Aufforderung zur Organiſation eines großartigen chemiſchen Inſtituts für die Univerſität Bonn. Er entſchloß ſich, dieſem Rufe zu folgen, beſuchte 1863 die Mehrzahl der Univerſitäten, die ſich durch ihre chemiſchen Anſtalten auszeichneten und unterbreitete im Herbſt desſelben Jahres in Gemeinſchaft mit Bau⸗ rat Dieckhoff der Regierung die Pläne für das pracht⸗ volle Laboratorium, zu deſſen Ausführung alsbald geſchritten wurde. Aber noch während des Baues, und bevor er nach Deutſchland hatte überſiedeln können, berief ihn die Regierung auf Mitſcherlichs Lehrſtuhl nach Berlin, wo er nun ebenfalls ein großartiges, mit allen Mitteln der heutigen chemiſchen Technik reich ausgeſtattetes Inſtitut ins Leben zu rufen hatte. 1865 ſiedelte Hofmann nach Berlin über und über⸗ nahm zugleich die chemiſche Profeſſur am Friedrich⸗ Wilhelmsinſtitut. Auch wurde er in demſelben Jahre Mitglied der kgl. Akademie der Wiſſenſchaften und der wiſſenſchaftlichen Deputation für das Medizinal⸗ weſen. Das Laboratorium wurde 1867 vollendet und hat unter Hofmanns Leitung einen mächtigen Aufſchwung genommen. Während 1869 die Zahl der Laboranten 136 betrug, war dieſelbe 1886 auf 189 geſtiegen und die Zahl der Zuhörer von 116 im Jahre 1866 auf 595 im Jahre 1886. Wie auf den früheren internationalen Ausſtellungen war Hofmann auch 1867 in Paris und 1873 in Wien thätig; er lieferte mit De Laire und Girard einen Bericht über die Teerfarbſtoffe auf dieſer Aus⸗ ſtellung und im Verein mit vielen Fachgenoſſen einen (leider unvollendet gebliebenen) Bericht über die chemiſche Abteilung der Wiener Weltausſtellung, wel⸗ cher ſich zu einem äußerſt gehaltreichen mehrbändigen Werke über die Entwickelung der chemiſchen Induſtrie während des letzten Jahrzehnts geſtaltete. Im Jahre 1868 gründete Hofmann im Verein mit ſeinen Fach⸗ genoſſen die Deutſche Chemiſche Geſellſchaft, deren raſches Aufblühen nicht wenig zur Entfaltung eines reichen chemiſchen Lebens in Berlin beigetragen hat. Hofmanns ungemein zahlreiche Arbeiten gehören den verſchiedenſten Zweigen der Wiſſenſchaft, vorzüg⸗ lich aber der organiſchen Chemie an. Die erwähnte Inauguraldiſſertation bildet mit einigen ſpäteren 1849 bis 1851 publizierten Arbeiten über die flüchtigen organiſchen Baſen den Ausgangspunkt einer für Chemie und Technik gleich folgenreichen Thätigkeit. Der experimentelle Nachweis, daß ſich im Ammoniak (IH z) nicht nur, wie Wurtz nachgewieſen hatte, 1 Atom, ſondern je 1, 2 oder 3 Atome Waſſerſtoff durch Alkoholgruppen erſetzen laſſen und daß dieſer Erſatz zur Bildung der drei großen, ſeitdem als primäre, ſekundäre und tertiäre Amine unterſchiedenen Körper⸗ klaſſen Veranlaſſung gibt, hat weſentlich zur Ent⸗ wickelung der Typentheorie beigetragen, in deren Sinn ſich der Fortſchritt der Wiſſenſchaft eine Reihe von Jahren hindurch faſt ausſchließlich vollzog. Auch die Methode, welche Hofmann zur Darſtellung dieſer Körper anwandte und die in der Einwirkung der Bromide und Jodide der Alkoholradikale auf Ammo⸗ niak beſteht, hat allgemeine Bedeutung gewonnen, inſofern ſich ihre Anwendbarkeit bei der Löſung einer großen Anzahl wiſſenſchaftlicher Fragen auf das glücklichſte bewährte. Verbindungen wie Jodäthyl und Jodmethyl, welche vor dieſen Arbeiten nur wenig beachtet wurden, bilden jetzt unentbehrliche Mittel der chemiſchen Forſchung. Mit ihrer Hilfe gelangte Hofmann 1851 bei ſeinen Verſuchen über die tertiären Humboldt. Amine zu der ſchönen Entdeckung der quartären Am— moniumkörper, d. h. der Ammoniumſalze, in welchen alle vier Waſſerſtoffatome durch Alkoholgruppen er— ſetzt ſind. An die angeführten Arbeiten, für welche Hofmann im Jahre 1864 von der franzöſiſchen Akademie den ungeteilten Prix Jecker erhielt, reihen ſich ſeine um— faſſenden Unterſuchungen über die Phosphorbaſen, die | Polyamine, das Formamid, den Formaldehyd, über die Iſonitrile, über die Senföle, das Cedriret und Pitta⸗ fall und die greueften Arbeiten über gewiſſe Alka— loide an. Für die Technik aber wurden die Arbeiten über die aus dem Steinkohlenteer zu gewinnenden Farbſtoffe von größter Bedeutung. Schon 1858 hatte Hofmann bei dem Studium der Einwirkung des Chlorkohlenſtoffs auf das Anilin den karmoiſinroten Farbſtoff beobachtet, deſſen Darſtellung mittels ein— facherer und minder koſtſpieliger Methoden ſeitdem Gegenſtand einer weit verzweigten In⸗ duſtrie geworden iſt. In einer Reihe von Ab— handlungen, welche in den Jahren 1862—69 veröffentlicht wurden, legte Hofmann die Ma- tur dieſes roten, im Handel unter dem Naz men Fuchſin bekannten Farbſtoffs, ſowie zahl⸗ reicher Abkömmlinge desſelben in erſchöpfen⸗ der Weiſe dar. Er er⸗ kannte das Fuchſin als das Salz einer Baſe, des Rosanilins, und er⸗ mittelte die Zuſammen⸗ ſetzung der letzteren. Dieſe Baſe betrachtete er als ein komplexes Farbammoniak und ſtellte aus demſelben im Sinne ſeiner früheren Unterſuchungen primäre, ſekundäre und tertiäre Derivate dar, welche zu den in ähnlicher Weiſe erhaltenen Abkömmlingen des Ammoniaks in naher Beziehung ſtehen. So ge— wann er aus dem Rosanilin neue Farbſtoffe, deren Töne je nach der Natur und der Zahl der eingetretenen Alkoholgruppen verſchieden ſind. Beſonderen Wert er— langte das 1863 entdeckte prächtige Violett Hofmann. In Gemeinſchaft mit Girard ermittelte Hofmann die Natur des Jodgrün, welches aus den tertiären Deri— vaten erhalten werden kann. So wurde Hofmann einer der wiſſenſchaftlichen Begründer der Wnilinfarben- fabrikation, die ihm auch in der Folge noch manche wertvolle Arbeit, wie z. B. die über das Eoſin und Chryſoidin, deren Natur er ermittelte, verdankt. Che— miſche Prozeſſe, welche früher ausſchließlich wiſſenſchaft— lichen Zwecken im Laboratorium dienten, ſind durch die Arbeiten Hofmanns in den Werkſtätten der Induſtrie heimiſch geworden und Agentien, welche ſich der Che- Humboldt 1887. Auguſt Wilhelm Hofmann. — Februar 1887. 81 miker früher in kleinem Maßſtabe und auf koſtſpielige Weiſe ſelbſt bereiten mußte, werden ihm heute in jeder Quantität und zu billigſtem Preiſe von der Induſtrie geliefert. Für ſeine Arbeiten auf dieſem Felde erhielt Hofmann 1864 von der Société industrielle de Mul- house die goldene Medaille und 1867 von der Jury der internationalen Ausſtellung in Paris einen der großen Preiſe. Auch auf anderen Gebieten der techniſchen Chemie hat ſich Hofmann mit Glück verſucht. Geſchätzt ſind ſeine in Verbindung mit anderen Chemikern abgefaßten Berichte über die Verſorgung der Stadt London mit Waſſer, über die Ermittelung der zur Herſtellung des Bieres verbrauchten Menge Malz, über die Ein— führung des denaturierten Spiritus in die Technik ee. Dazu kommen zahlreiche Gutachten, die im Auftrage der Regierung erſtattet wurden, u. dgl. m. Im Jahre 1868 gab Hofmann eine Me— thode zur Beſtimmung der Dampfdichte an, welche wegen der Leich tigkeit ihrer Ausführung und wegen ihrer um— faſſenden Anwendbarkeit ſchnell vielfache Ver— wertung gefunden hat. Mit dieſer Arbeit be— treten wir ein Gebiet, welches Hofmann in glücklichſter Weiſe mit ſeltenem Erfolge bebaut hat. Wie kaum ein an- derer vor ihm hat er es verſtanden, die chemiſche Experimentierkunſt zu fördern und dem Zu— hover oft die ſchwierig⸗ ſten Verhältniſſe ebenſo leicht wie faßlich im Ver— ſuche vorzuführen. Durch dieſe glückliche experimentale Darlegung der den modernen Anſichten zu Grunde liegenden Thatſachen iſt Hofmann vor allen der Lehrer der jüngeren Generation geworden. 1865 erſchien ſeine Introduction to modern Chemistry, welche bald ins Deutſche, auch in mehrere andere Sprachen überſetzt wurde und in deutſcher Bearbeitung bis 1877 ſechs Auflagen erlebte. Dies Buch iſt ein Unikum in der chemiſchen Litteratur, es führt den Lernenden bis an die Quellen der heutigen chemiſchen Auffaſſungen und bringt dieſe letztern durch Verſuche zur Anſchauung, welche vielfach für den vorliegenden Zweck beſonders erdacht find. Hier wurde zum erſtenmal mit der her— kömmlichen Methode des chemiſchen Unterrichts ge— brochen, und wer nach dieſer ſich herangebildet, der empfand freudig, daß hier ein eminenter Fortſchritt gemacht worden war. Mit unübertrefflicher Eleganz wurden die chemiſchen Grundwahrheiten zur Anſchau— ung gebracht, und man hätte wohl den Schüler be— neiden mögen, der auf ſolche Weiſe in die Chemie 11 89 Humboldt. — Februar 1887. eingeführt wurde. Der ganz außerordentliche Wert der Hofmann'ſchen Methode iſt denn auch überall an⸗ erkannt worden, die „Hofmann'ſchen Röhren“ haben ſelbſt im Primärunterricht Eingang gefunden, und wenn der Uebergang zu den heutigen Anſichten dem in den alten Anſchauungen Aufgewachſenen unver⸗ kennbare Schwierigkeiten bot, fo hat der Verfaſſer der „Einleitung in die moderne Chemie“ das Seinige gethan, dieſe Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. Größere litterariſche Werke hat Hofmann nur wenige geliefert; mit Bence Jones gab er 1850—53 einen Jahresbericht über die Fortſchritte der Chemie heraus, er ſchrieb auch ein Handbuch der organiſchen Analyſe (London 1853), für das Handwörterbuch der Chemie bearbeitete er mehrere Artikel, und nach dem Tode Liebigs trat er in die Redaktion der „Annalen der Chemie“ ein. Außerdem aber verdankt man ihm eine Anzahl Gedächtnisreden, wie die auf Graham, Magnus, Wöhler, Dumas, Sella, welche den Leſer ſehr angenehm berühren, weil ſie uns im Autor nicht nur den Gelehrten zeigen, der es vorzüglich verſteht, die wiſſenſchaftlichen Verdienſte des Gefeierten in klarſtes Licht zu ſtellen, ſondern auch den warm⸗ und feinfühlenden Menſchen, der dem Charakter des Freundes mit liebevollem Herzen gerecht wird. An dieſe Gedächtnisreden ſchließt ſich die vor der Chemiſchen Ge⸗ ſellſchaft in London gehaltene Faraday-Lecture: The lifework of Liebig, in welcher er ſeinem großen Lehrer ein ſchönes Denkmal errichtet hat. Eine größere hiſtoriſche Arbeit: „Chemiſche Erinnerungen aus der Berliner Vergangenheit“ (2. Aufl. 1882) zeigt uns Hofmanns Vorgänger im Amt, die früheren Vertreter der Chemie in Berlin, eine auserleſene Zahl großer Gelehrter, die nun in Hofmann ihren würdigen Nach⸗ folger gefunden haben. — Zum Schluß gedenken wir einer 1880 gehaltenen Rektoratsrede: „Die Frage der Teilung der philoſophiſchen Fakultät“ (2. Aufl. Berlin 1881), in welcher Hofmann mit großer Wärme für die Erhaltung der Einheit eintritt. „Wenn die Vertretung der idealen Beſtrebungen, wie ſie, den praktiſchen Fakultäten gegenüber, von der philo⸗ ſophiſchen Fakultät geübt wird, nicht mehr in einer Hand liegt, wenn jene drei Fakultäten nicht mehr auf eine gemeinſame Quelle hingewieſen ſind, aus welcher ſie die zur Erreichung ihrer beſonderen Zwecke erforderliche Vorkenntnis ſchöpfen, ſo iſt ein mächtiges Bindeglied geſchwunden, welches die einzelnen Fakul⸗ täten zur Univerſität verkettet, und es laufen als⸗ dann die praktiſchen Fakultäten ſowohl, wie auch die Fragmente der alten philoſophiſchen Fakultät Gefahr, ſich mehr und mehr zu Fachſchulen zu ge⸗ ſtalten, eine Gefahr, welche im Hinblick auf die ſchon jetzt immerhin nur loſe gefügte Verbindung der Fakultäten auf unſern deutſchen Univerſitäten nicht zu unterſchätzen iſt.“ Im Anſchluß an dieſen Gegen⸗ ſtand behandelt Hofmann die parallellaufende Frage: Gymnaſium oder Realſchule? Auf Grund ſeiner perſönlichen Erfahrungen ſpricht er aus, daß „die Idealität des akademiſchen Studiums, die ſelbſtloſe Hingabe an die Wiſſenſchaft als ſolche, die freie Uebung des Denkens, zugleich Bedingung und Folge dieſer Hingebung, in dem Maße mehr und mehr zu⸗ rücktreten, als der Vorbildung für die Hochſchule der klaſſiſche Boden unſeres Geiſteslebens, wie ihn das Gymnaſium vorbereitet, entzogen wird“, und er hält es deshalb für ein nationales Intereſſe, daß die Zu⸗ laſſung zu Fakultätsſtudien von der Vorbildung auf dem Gymnafium wie bisher abhängig bleibe. D.“ An dieſer Stelle werden wir alle vom J. Januar ab vorkommenden Perſonalveränderungen an Uni⸗ verſitäten, ſowie auch andere geeignet erſcheinende Perſonalnotizen und Nekrologe bringen. Litterariſche Rundſcha u. G. Schultz, Die Chemie des Steinkohlenteers mit beſonderer Berückſichtigung der künſtlichen or⸗ ganiſchen Farbſtoffe. 2. vollſtändig umgearbeitete Auflage. 1. Band. Braunſchweig, Fr. Vieweg & Sohn. 1886. Preis 12 % Als die Leuchtgasinduſtrie erblühte, mußte man als eine der Schattenſeiten derſelben das Auftreten eines Teers betrachten, der höchſt fatale Eigenſchaften zeigte und gar nicht imſtande war, als brauchbares Surrogat des ge⸗ ſchätzten Holzteers zu konſervierenden Anſtrichen zu dienen. Damals ahnte niemand, welch eine unerſchöpfliche Fund⸗ grube für die Wiſſenſchaft und für die Technik dieſer Teer werden würde. Die Entdeckungen, welche die Wertſchätzung des Teers erhöhten, folgten aber Schlag auf Schlag und in ſo großer Zahl, daß man bald in Verlegenheit geriet, den ſich offenbarenden Reichtum vollſtändig zu würdigen. Dazu gewannen die Entdeckungen überraſchend ſchnell eminente praktiſche Bedeutung; neue große Induſtriezweige benutzten den Teer als Rohmaterial und wir erlebten, daß man Sorge empfand, ob der anfänglich verachtete Stoff für alle Anforderungen ausreichen würde. Unter ſolchen Ver⸗ hältniſſen war es begreiflich, daß ein Buch, welches eine vollſtändige Naturgeſchichte des Steinkohlenteers gab und auf die Praxis gebührend Rückſicht nahm, die günſtigſte Aufnahme finden mußte. In der That war die „Chemie des Steinkohlenteers“ von G. Schultz, welche 1882 in einem ſtarken Bande erſchien, ſehr bald vergriffen und jetzt liegt der erſte Band der zweiten Auflage vor. Den großartigen Fort⸗ ſchritten entſprechend, welche die Wiſſenſchaft und die Indu⸗ ſtrie ſeit vier Jahren gemacht haben, war eine vollſtändige Umarbeitung notwendig. Dabei hat ſich der Verfaſſer mehr dem praktiſchen Bedürfnis angepaßt und behandelt im erſten Bande nur die Rohmaterialien für die künſtlichen organiſchen Farbſtoffe, während letztere ſelbſt im zweiten Bande beſprochen werden ſollen. Sehr dankenswert iſt die eingehende Berückſichtigung der Patentlitteratur, welche bisher wenig Beachtung gefunden hat. Uns intereſſieren hier weniger die techniſchen als die wiſſenſchaftlichen Vor⸗ züge des Buches und wir können mit Bezug auf dieſe das Werk als eine ganz hervorragende Leiſtung charakteriſieren. Der Verf. war ſich bewußt, nicht ausſchließlich für den ge⸗ Humboldt. — Februar 1887. 83 ſchulten Chemiker zu ſchreiben und er hat es verftanden, die ſchwierigſten Kapitel der modernen Chemie mit einer ſolchen Meiſterſchaft vorzutragen, daß jeder Leſer, welcher einigermaßen in der Chemie unterrichtet iſt, ihm zu folgen vermag, während der Fachmann den Genuß empfindet, den jede zu vollkommenſter Klarheit entwickelte Darlegung ſchwieriger Verhältniſſe bereitet. Wir haben kaum je eine anſprechendere Darſtellung der Lehre von den aromatiſchen Verbindungen gefunden und empfehlen das Buch jedem, der ſich über dies Kapitel unterrichten will. Berlin. O. Dammer. Herd. Henrich, Lehrbuch der Kryſtallberechnung, Stuttgart, F. Enke 1886. Preis 8 KH Das vorliegende Buch unterſcheidet ſich zu ſeinem Vor teil von allen früheren durch die reiche Auswahl von Bei— ſpielen, welche, zum größten Teil aus „Klein, Einleitung in die Kryſtallberechnung“ und „Naumann, Lehrbuch der reinen und angewandten Kryſtallographie“ entnommen, den ſich zum erſtenmal mit dieſem Zweige der Kryſtallo graphie Beſchäftigenden recht einfach und klar in die prak⸗ tiſche Anwendung der theoretiſch gewonnenen Reſultate ein- führen. Die mathematiſchen Entwickelungen ſind gleichfalls klar gehalten und die Anforderungen an die Vorkenntniſſe nicht allzu hohe: die Bekanntſchaft mit den Formeln für die Auflöſung ſphäriſcher Dreiecke, rechtwinkliger, wie ſchief— winkliger, neben ebener Trigonometrie und Stereometrie genügen, um den Entwickelungen folgen zu können. Die ſelben ſind, wo nötig, auf mehrere Arten durchgeführt und es wird dann auf die einfachſte derſelben hingewieſen. Von kryſtallographiſchen Vorkenntniſſen wird die Bekanntſchaft mit dem Naumannſchen Syſtem vorausgeſetzt; die einzige in demſelben enthaltene kleine Schwierigkeit der Ableitung der Skalenoeder aus dem Rhomboeder der Mittelkanten wird in einem beſonderen Paragraphen erläutert. — Daß im hexagonalen Syſtem ftatt der ſonſt üblichen vier Achſen drei ungleiche angenommen werden, wie ſchon Schrauf in ſeiner Kryſtallographie gethan hat, iſt im Intereſſe der Einfachheit der Berechnung nur zu billigen. — Vor allem dankenswert iſt auch die eingehende Erklärung der ſtereo— graphiſchen Projektion, mit deren Hilfe ſich alle dieſe Be- rechnungen ſo einfach geſtalten. Einen zweiten Teil bildet die Berechnung von Zwillingskryſtallen (relative Lage der beiderſeitigen Kryſtallachſen, Indices der Flächen des einen bezogen auf das andere Individuum, Lage der Zwillings— achſe), in welchem auch neben den Entwickelungen der For- meln zahlreiche Beiſpiele Platz gefunden haben. — Die 0 ſind ſehr ſorgfältig ausgeführt, vor allem die ämtlich vom Verfaſſer ſelbſt entworfenen ſtereographiſchen Projektionen. Auch der ſehr ſchwierige Satz iſt, ſoweit wir die Berechnungen im einzelnen verfolgt haben, ohne Fehler. Das Buch iſt demnach jedem, der ſich mit Kryſtallberechnung befaſſen will, angelegentlich zu empfehlen. Wurzen. Dr. Walter Hoffmann. Weltkunde, im Anſchluß an das Leſebuch von J. Bumüller und J. Schuſter. Illuſtrierte Aus⸗ gabe, für die reifere Jugend neu bearbeitet von A. Jacob, kgl. Realſchuldirektor. Mit 55 Ab⸗ bildungen. Freiburg i. Br., Herder'ſche Verlags— buchh. 1886. An einem derartig vollſtändigen für die Jugend be— rechneten Lehrbuch der Himmelskunde, welches auch die Reſultate der neueſten aſtronomiſchen Unterſuchungen, ſo— weit als es bei dem Zwecke des Buches möglich iſt, berück— ſichtigt, hat es unſeres Wiſſens bisher gefehlt. Der Text iſt mit Klarheit geſchrieben und die Illuſtrationen, mit Ausnahme einer allerdings ſtark verfehlten Abbildung Ju— piters mit ſeinen Streifen, recht gut. Einige Ungenauig— keiten mögen, zum Zwecke der Vermeidung in einer ſpäteren Auflage, erwähnt werden. Zunächſt iſt in der Bemerkung ein Anachronismus begangen, daß Regiomontan Bedenken getragen haben ſolle, das Kopernikaniſche Syſtem für richtig zu halten, denn als Regiomontan ſtarb, war Kopernikus erſt drei Jahre alt. Als Geburtsjahr des letzteren iſt, wohl durch einen Druckfehler, das Jahr 1493 ſtatt 1473 angegeben. Ferner kann aus der Beſprechung über Ebbe und Flut und namentlich aus der beigegebenen Zeichnung (S. 106) leicht die irrtümliche Auffaſſung entſtehen, als wenn zu den Zeiten des erſten und letzten Mondviertels ein dreiſtündiger Wechſel in den Gezeiten ſtattfinden müſſe; endlich iſt die Bemerkung auf S. 107 unrichtig, daß die ganze Anziehungskraft, welche die Sonne auf den Erdball ausübt, 17mal größer ſei, als die Kraft, mit welcher der Mond die Erde anzieht. Kiel. Hibſch, Geologie für Fand und Jorſtwirte. Mit 21 Figuren in Holzſchnitt. Verlag der höheren landwirtſchaftlichen Lehranſtalt Tetſchen-Liebwerd. Prof. Dr. C. F. W. Peters. Im allgemeinen lehnt ſich dieſes klar und einfach ge— ſchriebene, gründlich durchgearbeitete Lehrbuch an die „Ele— mente der Geologie von H. Credner“ an. Als Lehrbuch füllt es eine Lücke aus, da überhaupt noch kein für die oben- genannten Kreiſe beſtimmtes und durch ſie in ſeinem Inhalt begrenztes exiſtierte. Als Lehrer an einer höheren land⸗ wirtſchaftlichen Lehranſtalt mag der Verfaſſer dieſen Mangel am meiſten empfunden haben und konnte ſich daher auch am zuverläſſigſten an die Arbeit machen, demſelben abzu— helfen. Das Werk, ca. 340 Seiten umfaſſend, gliedert ſich in folgende Abſchnitte: Eine Einleitung, in welcher Auf gabe und Bedeutung der Geologie für die Landwirtſchaft beſprochen und eine kurze Liſte hierher gehöriger Litteratur gegeben iſt; dann folgt ein phyſiographiſcher Teil. Dem folgenden Abſchnitt, welcher aus einem allgemeinen und ſpeziellen Teil beſteht, iſt der größte Raum eingeräumt; der ſpeciell petrographiſche beſpricht zuerſt die gefteins- bildenden und landwirtſchaftlich wichtigen Mineralien, 53 an Zahl, dann die Geſteinsarten ſelbſt. In der Syſtematik der Maſſengeſteine richtet ſich Verf. nach Roſenbuſch in der an dieſem Orte gebotenen Beſchränkung. In der dynami— ſchen Geologie iſt natürlich den Kapiteln über die Ein— wirkung des Waſſers und der Luft auf die feſte Erdrinde eine eingehendere Beſprechung gewidmet; ſpeciell iſt im betreffenden früheren Abſchnitt der Verwitterungsart und der Verwitterungsprodukte bei den einzelnen Mineralien und Geſteinen gedacht. Darauf folgt in} Kürze die archi— tektoniſche Geologie. Den Schluß bildet der hiſtoriſche Teil. Hier iſt in Rückſicht auf den jpeciellen Zweck mehr die lithologiſche Beſchaffenheit der verſchiedenen Formations— glieder behandelt als die in den Schichtenſtufen enthaltenen Faunen und Floren. Die meiſten Abbildungen ſtellen aus beſten Quellen genommene Durchſchnitte durch größere Schichtkomplexe dar. Frankfurt a. M. G. Hickethier, Bilder aus der Geſteinslehre. Ein methodifder Leitfaden für den mineralogiſchen Unterricht an Gymnaſien. Barmen, Hugo Klein. 1886. Preis 1 / 25 g. Verfaſſer ſucht dem löblichen Grundſatze — multum non multa — gemäß zu verfahren; er knüpft dement— ſprechend ſeinen Unterricht an nur wenig Mineralien — den Quarz, das Salz, den Kalk, Schwefel, das Eiſen, Zink und Kupfer, die Kohle und den Thon. Innerhalb dieſer Kapitel kommen außer den rein mineralogiſchen Charak⸗ teren einiger ſich unterordnender Mineralien und Geſteine geologiſche und noch mehr techniſche Gegenſtände (Glass, Eiſen⸗ und Stahlbereitung, Töpferei) zur Beſprechung, wodurch der Gegenſtand einen größeren Hintergrund er— hält. Da der Verf. ſeine geologiſchen Betrachtungen be— ſonders aus dem Material ſchöpft, was ſich in der engeren und weiteren Umgebung von Barmen, überhaupt Rheinland und Weſtfalen bietet, ſo können ſich diesbezüglich ſeine Schüler aus der Anſchauung belehren. Das zum Ver— ſtändnis nötige chemiſche Wiſſen ift ſehr kurz in einem Dr. Friedr. Kinkelin. 84 Humboldt. — Februar 1887. Kapitel erörtert. In einem reſumierenden Kapitel werden Kryſtallgeſtalten und geologiſche Zeitalter kurz aufgeführt. Den gebrauchten Kryſtallbenennungen möchten wir mehrfach nicht beiſtimmen, da der Schüler, ſofern er den Gegen⸗ ſtand weiter und anderwärts verfolgen will, vorerſt die hier gelernten Benennungen zu vergeſſen ſich bemühen muß. Manches wird in einer neuen Auflage pracijer werden, z. B. pag. 64, wo Culm und flözleerer Sandſtein als Geſteinsarten be zeichnet werden. Die Tendenz der Beſchränkung in Rückſicht auf die kurz bemeſſene Zeit er⸗ kennt man deutlich; doch ſcheint es kaum möglich, daß der Gegenſtand innerhalb derſelben 91 wird. Frankfurt a. M. Friedr. Rinkelin, Bibliographie. Bericht vom Monat November u. Dezember isss. Allgemeines. Bericht über die Senckenbergiſche eee d in Fraul⸗ Urt a. M. Frankfurt a. M., Dieſterweg. 9 Berichle des natürwiſſenſchaftlich⸗-mediziniſchen Vereins in Innsbruck. 15. Jahrg. 1884/85 u. 1885/86. Innsbruck, Wagner. M. 1. 80. Bibliotheca historico-naturalis, physico-chemica et mathematica, od. vierteljährliche ſyſtematiſch geordnete Ueberſicht der in Deutfdland u. dem Auslande auf dem Gebiete der geſammten Naturwiſſenſchaften u. der 0 ee neu ul Schriften, hrsg. von R. v. Han⸗ ſtein. Jahrg. 1. u. 2. Hft. Jan. Juni 1886. Göttingen, dende . Ruprecht. M. 1, 60. Dammer, O., Der Naturfreund. Anleitung zur naturwiſſenſchaftl. Be⸗ fend im Hauſe u. Garten. 2. Jahrg. Stuttgart, Spemann. Hühn, E, Illustrierte n | die Volksſchule. heim, Bensheimer. M. Hofer, J., Grundriß der Natulehre f. Bürgerſchulen. Wien 990 M. 1. 44. 1. 14. Aufl. M. 3. Aufl. Mann⸗ 1. u. 2. Stufe. M. —. 64. 2. 11. Aufl. Jahresbericht der naturforſchenden Geſellſchaft t Neue Folge. 29. Jahrg. Vereinsj. 188485. Chur, Hitz. Jahresbericht, 7., d. Annaberg⸗Buchholzer Vereins f. Naturkunde An⸗ naberg, Graſer. M. 2. 40. Klein, H., Leitfaden u. Repetitorium der Phyſik m. Einſchluß der ein⸗ 95 1 Lehren der Chemie u. mathemat. Geographie, Leipzig, Teubner. M. Luüben's, A., Leitfaden f. den Unterricht in der Naturgeſchichte in Bürger⸗ pe Realſchulen, Gymnaſien u. Seminarien. 3. Kurſ. 15. Aufl. Leipzig, H. Schultze. M. 1. 50. Reilſtab, L., Leitfaden f. den Unterricht in der Naturlehre an der kaiſerl. Marineſchule. Kiel, Univerſitäts⸗Buchhandlung. M. 3. Revue der e der Naturwiſſenſchaften. Hrsg. 9 5 Herm. J. Klein. 15. Bd. N. F. 7 Leipzig. Mayer. M. Societatum litterae. Verzeichniß der in den Publikationen der Aka⸗ demieen u. Vereine aller Länder n 1 auf dem Gebiete der Naturwiſſenſchaften. Hrsg. v. E. § 1 015 Jahrg. 1887. (12 Nrn.) Berlin, Friedländer & Sohn. M. 2. Wagner, H., In die Natur. Biographieen aus dem teen f. die supe 2 a ihre Freunde. 2 Bde. 6. Aufl. Bielefeld, Helmich. age, naturgeſchichtliche. Unter Mitwirkung v. M. Wilckens, Rothe, L. Mayer u. A. hrsg. v. Th. Eckardt. 1. Abth. Wien, Hölz el. M. 9. 60. Zeitſchrife Jenaiſche, f. Naturwiſſenſchaft. 20. Bd. Neue Folge. 13. Bd. Suppl. 2. Sit Jena, Fiſcher. N Shyfik. 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Während man für alle Pflanzen Methoden erſonnen hat, dieſelben ſo zu präparieren, daß ſie im möglichſt naturgetreuen Zuſtande als Material zur wiſſenſchaftlichen Unterſuchung im Herbar aufbewahrt werden können, war dies bisher mit den fleiſchigen Hutpilzen nicht oder doch nur höchſt unvollkommen der Fall. Behandelt man dieſe wie die Phanerogamen, trocknet man ſie alſo zwiſchen Löſchpapier, jo ſchrumpfen fie mehr oder weniger zuſammen und ver- lieren Form und Farbe. Man hat deshalb die verſchie— denſten Mittel verſucht, dieſem Uebelſtande abzuhelfen, aber ohne Erfolg. Das Aufbewahren in Konſervierungsflüſſig— keiten iſt nur dann möglich, wenn große Räumlichkeiten zur Aufſtellung der betreffenden Gläſer vorhanden ſind, wie in Muſeen, iſt außerdem zu umſtändlich und teuer. Dasſelbe iſt der Fall, wenn man die Pilze, wie Lüdersdorf („Das Auftrocknen der Pflanzen fürs Herbarium und die Aufbewahrung der Pilze nach einer Methode, wodurch jenen ihre Farbe, dieſen außerdem ihre Geſtalt erhalten wird.“ Berlin, 1827) angibty mit geſchmolzenem Talge durchdringen läßt. Die von Laſch in Drieſen erfundene Methode („Linnäa“, B. V, S. 478) die Pilze in dünnen Längsſchnitten zu trocknen und dann mit gummierten Papier- ftveijen auf Papier zu befeftigen oder, nach Auerswald, dieſe getrockneten Pilze mit Gummi aufzukleben, iſt nicht für alle Pilze anwendbar. 86 Humboldt. — Februar 1887. Nun wurde auf der Frühjahrsverſammlung des Bota⸗ niſchen Vereins der Proving Brandenburg am 23. Mat 1880 zu Wieſenburg und Neue⸗Hütten bei Belzig zur freudigen Ueberraſchung aller Anweſenden von Profeſſor Schwendener eine Sammlung von Hutpilzen vorgelegt, die G. Herpell in St. Goar am Rhein nach einer von ihm erfundenen aber noch nicht veröffentlichten Methode präpariert hatte. Dieſe Präparate lieferten äußerſt ſaubere und elegante Bilder der einzelnen Pilze, die noch dadurch verſchönert wurden, daß das Hymenium durch die ausgefallenen und auf Papier fixierten Sporen dargeſtellt war. Hierdurch angeregt, verſuchte ich (damals noch unbe⸗ kannt mit den oben angegebenen Methoden) einige Pilze dadurch zu präparieren, daß ich fie, durch Längsſchnitte zerteilt, im friſchen Zuſtande mit Gummilöſung (ſoge⸗ nannten Bureaugummi) auf Kartonpapier klebte und einige Zeit zwiſchen Löſchpapier, aber mit geöltem Papier bedeckt, um das Ankleben ans Löſchpapier zu verhüten, gelindem Drucke ausſetzte und dann an der Luft trocknete. Auch verſuchte ich, die Sporen (wie Kreidezeichnungen) durch Eintauchen in Milch zu fixieren, und war imſtande, in der nächſten Vereinsſitzung, am 25. Juni 1880, ſchon recht befriedigende Proben vorzulegen. Das Gummi dringt ſogleich in den friſchen Pilz ein und verdrängt das darin enthaltene Waſſer faſt vollſtändig und ſo lebhaft, daß der Pilz nach wenigen Minuten über und über zu ſchwitzen ſcheint; es vertreibt und vernichtet ferner alle etwa im Pilze verborgenen Inſektenlarven. Das Präparat iſt nach 1—2 Tagen trocken, in Form und Farbe faſt vollſtändig erhalten und wird nur ein wenig dunkler. Dies Verfahren bewährte ſich in den meiſten Fällen, beſonders bei den ſonſt zerfließenden Tintenpilzen. Nur die Pilze aus den Gattungen Russula und Lactarius wer⸗ den im Fleiſch ſchwarz und haften auch meiſt nicht feſt auf dem Papier. Da ferner die Anwendung ſolcher konzen⸗ trierten Gummilöſung ziemlich koſtſpielig iſt, ſo verſuchte ich es mit dem viel billigeren Tiſchlerleim und erzielte noch günſtigere Reſultate. Es wird ſo viel Leim in warmem Waſſer aufgelöſt, bis er eine ſirup⸗, ja faſt kleiſterähnliche Dicke zeigt, und damit werden die Pilzſchnitte aufgeklebt. Bei einigen Pilzen, beſonders den ſaftigen, ſchwer trocknen⸗ den, iſt es noch vorteilhafter, wenn man ſie mit gekochtem, noch heißem Leime behandelt. Dagegen gelang es mir in vielen Fällen nicht, trotz der größten Sorgfalt, die Sporenpräparate durch Eintauchen in Milch zu fixieren. Die Sporen wurden meiſt abgeſpült. Herpells inzwiſchen publiziertes Verfahren („Das Prä⸗ parieren und Einlegen der Hutpilze für das Herbarium, Bonn 1880) beſteht im weſentlichen darin, daß vom Pilz ein Längsausſchnitt und eine Seitenanſicht, von der man alles Fleiſch ſo viel als möglich entfernt, hergeſtellt wird. Bei der Seitenanſicht wird Hut und Stiel geſondert präpariert. Alle Teile werden dann auf Gelatinepapier, das heißt, auf mit Gelatinelöſung beſtrichenem Papier, aufgeklebt unter gelindem Druck daran befeſtigt, dann ge⸗ trocknet ſo zugeſchnitten, daß ſie die äußere Form des Pilzes möglichſt genau darſtellen, und zuletzt mit Gummi auf Kartonpapier geklebt. — Daneben wird auch das betreffende Sporenpräparat geklebt. Dieſes wird auf folgende Weiſe hergeſtellt: Der vom Stiele abgetrennte Hut wird auf ein der Größe angemeſſenes Stück Papier gelegt, und zwar wird zu Pilzen mit weißen Sporen blaues Umſchlagpapier, zu ſolchen mit gefärbten Sporen weißes Schreibpapier benutzt. Auf dieſes Papier fallen die Sporen und zeigen dann ein naturgetreues Abbild des Hymeniums. Dieſes Sporen⸗ präparat wird nun, damit es ſich nicht verwiſcht, fixiert, das heißt, je nach der Pilzart mit einer ſehr dünnen Leim⸗ löſung oder mit einem Lack, einer Löſung von 1 Teil Sandarac, 2 Teilen Maſtix und 2 Teilen kanadiſchem Bal⸗ jam in 30 Teilen Weingeiſt von 95% Alkoholgehalt, be⸗ handelt. Man läßt nämlich die Fixierungsflüſſigkeit von unten durch das Papier in die Sporen dringen, wodurch dieſe auf erſterem feſtgeklebt werden, und dann das Prä⸗ parat trocknen. Das Nähere und Ausführliche gibt die oben angeführte Broſchüre an. Da nun dieſe überaus mühſame und zeitraubende Methode allerdings ſehr hübſche Bilder aber nicht den voll⸗ ſtändigen Pilz liefert, ſo blieb ich bis heute bei der von mir angewandten oben angegebenen Behandlung. Es ſehen dieſe Präparate allerdings nicht ſo zierlich und elegant aus, aber ſie haben mehr wiſſenſchaftlichen Wert. Nur zur Fixierung der Sporen wende ich den oben angegebenen Herpellſchen Lack an, und zwar für alle Pilze, denn die Verſuche mit ſelbſt viel dünneren Leimlöſungen, als ſie Herpell zur Fixierung der weißen Sporen angewendet wiſſen will, hat bei mir ſtets zu ungünſtigen Reſultaten geführt: die weißen Sporen wurden auf blauem Umſchlagpapier ſowohl als auf engliſchem Löſchkarton durchſichtig und des⸗ halb unſichtbar. Mit Lack jedoch erziele ich recht gute Reſultate ſowohl bei farbigen als weißen Sporen, aber nur, wenn ich die doppelte Menge Alkohol zuſetze. Kana⸗ diſchen Balſam habe ich ganz weggelaſſen. Die weißen Sporen verlieren zwar meiſt etwas von ihrer Friſche, laſſen aber doch noch deutlich die Form des Hymeniums erkennen. — Die Herpellſchen Löſungen verſchiedenen Grades laſſen ſich nur anwenden, wenn man die betreffende Pilzſpecies genau kennt. Iſt dies nicht der Fall, ſo wird leicht das von einem ſeltenen, nur einmal gejammelten Exemplar erhaltene Sporenpräparat vollſtändig verdorben und geht verloren. Außerdem iſt das Vorrätighalten ſo verſchiedener Löſungen zu umſtändlich. In neueſter Zeit habe ich mit einer anderen, viel ein⸗ facheren Löſung Verſuche gemacht, die für weiße Sporen beſſere Reſultate ergaben als mit Herpellſchem Lack; ich bin aber mit meinen Unterſuchungen, da in dem letzten trockenen Sommer das Pilzmaterial fehlte, noch nicht zum Abſchluß gekommen und unterlaſſe deshalb auch alle vor⸗ läufigen Mitteilungen darüber. fe Wenn nun auch durch die Herpellſche ſowohl als meine Methode die Pilze jo präpariert werden können, daß ſie ein ziemlich getreues Bild des Naturzuſtandes derſelben darſtellen und bequem im Herbar aufbewahrt werden können, Jo wird die Frage der Pilzpräparierung doch erſt dann als vollſtändig gelöſt angeſehen werden können, wenn es gelingt, die unzerſchnittenen Pilze ohne viele zeitraubende Manipulationen mit irgend einer Löſung ſo zu impräg⸗ nieren, daß ſie in Form und Farbe vollſtändig erhalten bleiben. Dieſe Zeilen haben den Zweck zu weiteren Forſchungen in dieſer Richtung Anregung zu geben. Friedenau bei Berlin. Jacobaſch. Zwei neue Juttertiere zur Aufzucht und Pflege zarter Reptilien und Amphibien. Obgleich Mehlwürmer, die ſeit langer Zeit als Futtertiere gezüchtet werden, ein vortreffliches Futter für die meiſten erwachſenen Reptilien und Amphibien, namentlich der größeren Arten, ſind, ſo erweiſen ſie ſich bei der Aufzucht junger oder ſelbſt bei der Pflege auch erwachſener, zarter kleiner Reptilien und Am- phibien nicht als zureichend. Sie ſind entweder zu groß oder zu hart. Man kann dazu zwar junge Mehlwürmer verwenden, allein man ſtößt bei dieſen auf zwei große Uebelſtände. Der eine iſt der, daß dieſelben ſehr raſch wachſen, und man nicht lange Zeit Würmer von der nötigen Kleinheit haben kann, der andere, daß man junge Mehl⸗ würmer in großer Anzahl nicht das ganze Jahr hindurch findet. Die Folge davon iſt das leichte Eingehen der jungen Kriechtiere. Es mußte daher nach einem anderen Futter⸗ tier geſucht werden. Nach vielem Probieren und ſehr vielen Mißerfolgen gelang es mir, zwei Käferarten zu finden, deren Larven bei der einen die Körpergröße eines jungen“), bei der anderen diejenige eines ganz jungen Mehl⸗ wurms nicht überſteigt. Die ungemein große Fruchtbarkeit beider Koleopterenarten ſichert neben der mehrfachen Ge⸗ neration in ein em Jahr dem Züchter einen faſt unver⸗ ſiegbaren Vorrat an kleinen Futtertieren das ganze Jahr hindurch. Dabei iſt die Zucht beider keinen techniſchen Schwierigkeiten unterworfen. Dieſe beiden Käferarten ſind: Alphitobius diaperinus Panzer und Gna t ho- *) Die Larve von Alphitobius diaperinus überſteigt an Körper⸗ länge 12 mm nicht; die von Gnathocerus cornutus mißt 5 mm. Humboldt. — Februar 1887. cerus cornutus Fabricius. Beide wurden nach Mehl⸗ würmerart gezogen, d. h. in einem Topf, einer Kiſte, einem großen Einmacheglas mit einem Gemiſch von Weizenkleie, Brot⸗(Weiß⸗habfällen und alten Lappen, Papier ꝛc. Beide Arten können in einem Behälter zuſammen gezüchtet | | werden. Dieſer muß dicht an einen geheizten Ofen geftellt | werden, da die Käfer aus den Mittelmeerländern ſtammen. Hin und wieder benetzt man die obere Papierſchicht, die den ubrigen Inhalt abſchließen muß, mit Waſſer. Der Topf, Glas oder Kiſte wird oben mit feinem Drahtgewebe verſchloſſen. Da bei der geringen Körpergröße der Futtertiere (namentlich bei den Larven von Gnathocerus cornu- tus) das Ausleſen derſelben ermüdend und zeitraubend iſt, ſo bedient man ſich am beſten dazu eines Blechſchiebers, deſſen Bodenlöcher gerade groß genug find, um das Durch⸗ kriechen der Larven zu geſtatten. In dieſes Sieb ſchüttet man die Kleie ꝛc. mit den Larven und ſtellt es über ein flaches, inwendig glaſiertes Gefäß (Teller, Spucknapf 2e.). 87 Die lichtſcheuen Larven kriechen in den unteren, dunkleren Raum und können dann durch Blaſen von den durch— fallenden, fremden Partikeln leicht geſäubert werden. Ein anderer großer Vorzug dieſer Larven beſteht darin, daß ſie ſelbſt große Feuchtigkeit vertragen können. Während der Mehlwurm im naſſen Mooſe bald abſtirbt, leben die Larven beider Koleopteren ſelbſt in intenfivfter Näſſe im Mooſe lange Zeit fort, ja verpuppen ſich und verwandeln ſich in fertige Käfer. Gewiſſe Reptilien, als Amphisbaena, Trog o- nophis 2c. und Amphibien, wie Caecilia, Sipho- nophora u. a. gedeihen nur bei dieſer Nahrung und pflanzen ſich in der Gefangenſchaft ſogar fort. Junge Eidechſen, als Tropidos aura, Eremias, Ophiops see. und verſchiedene Urodelen, als Salamandrina, Chioglossa u. v. g. können gar nicht anders als durch Fütterung mit dieſen Larven großgezogen werden. R Derkehr. Fragen und Auregungen. 13. Was verſteht man unter einem zweiten Spektrum? Bekanntlich unterſcheidet man Cmijjions- ſpektra und Abſorptionsſpektra. Soll das zweite Spektrum vielleicht das Abſorptionsſpektrum ſein? Das iſt nicht wohl möglich; man könnte es ja dann einfach mit dieſem Namen benennen. blättern“ öfter von dem zweiten Spektrum des Waſſerſtoffs u. ſ. w.; das kann doch wohl nur eines von den drei Emiſſionsſpektren des Waſſerſtoffs ſein und zwar, denke ich, das Bandenſpektrum, da ja das Linienſpektrum ge⸗ wöhnlich zuerſt genannt wird und das kontinuierliche Spektrum zuletzt, obwohl letzteres nach Frankland aus dem erſteren durch Verbreiterung der Linien mittelſt hohen Druckes hervorgeht und daher wohl auch zweites Spektrum genannt werden könnte. Und wenn es wirklich ein zweites Linienſpektrum des Waſſerſtoffs, Sauerſtoffs u. ſ. w. gibt, ſollte man dann nicht auch dieſen Namen nennen, aber nicht mit dem kurzen Namen „zweites Spektrum“ Irrtum erregen? 14. Was iſt eine Schlaufe? Mit einer „Schlaufe“ ſoll die Induktion parallel nebeneinander liegender Lei⸗ tungsdrähte aufeinander, im Freien oder in einem Kabel, unwirkſam gemacht werden. Wenn zwei Drähte nicht weit voneinander parallel liegen, und es wird in dem einen telephoniert, in dem anderen nicht, ſo können auch die in den letzteren eingeſchalteten Telephone die Depeſche zu Gehör bringen; mit dem Geheimnis der Depeſchen wäre es alſo zu Ende. Dies rührt davon her, daß der Telephon⸗ ſtrom ein fortwährend unterbrochener iſt, und daß bei jeder Stromunterbrechung in einem benachbarten Leiter ein In⸗ duktionsſtrom von momentaner Dauer, ein Stromimpuls, entſteht. Auch müſſen dieſe Impulſe jedenfalls auf eine Depeſche des zweiten Drahtes ſtörend einwirken, ja können dieſelbe ſogar aufheben. Alle dieſe Schäden und noch andere ſoll die Schlaufe beſeitigen, aber was iſt eine Schlaufe? 15. Wer erkärt das wichtigſte Element in den Transformaforen? Starke elektriſche Ströme können bekanntlich nur durch dicke Kupferkabel nutzbar transpor- tiert werden, da dünne Eiſen- und auch Kupferdrähte durch ihren großen Widerſtand den größten Teil der Strom⸗ energie in Wärme verwandeln und dadurch ſich ſelbſt ver⸗ derben. Auch iſt die Verteilung des Stromes z. B. in einer Stadt für die verſchiedenen Arten der elektriſchen Beleuchtung eine heikele Aufgabe. Die Erfindung der Transformatoren durch Goulard und Gibbs einerſeits und Zipernowsky und Dery andererſeits ſoll nun kleinere Central⸗ ſtationen möglich machen und die Herſtellung von Strömen mit großer Intenſität und kleiner Spannung, der ſogenann⸗ ten Quantitätsſtröme, ſowie auch von Strömen mit geringer Und doch lieſt man z. B. in Wiedemanns „Bei⸗ Intenſität und hoher Spannung, der ſogenannten Tenjions- ſtröme, je nach dem Bedürfnis geftatten. Das Hauptelement dabei iſt aber, daß der zu transportierende Strom in einen Wechſelſtrom verwandelt und als ſolcher transportiert wird. Dabei ſoll er einen viel kleineren Widerſtand erfahren und deshalb durch dünne Drähte fortgepflanzt werden können, wodurch die koloſſalen Koſten und die zahlreichen anderen Nachteile dicker Kupferkabel erſpart würden. Wie iſt dieſe Thatſache zu erklären, mit welcher die Transformatoren ſtehen und fallen, die Thatſache, daß ein Wechſelſtrom einen bedeutend geringeren Widerſtand erleidet als ein Gleich ſtrom von derſelben Stärke? 16. Es begegnen ſich zwei Eiſenbahnzüge und die Lokomotive des einen pfeift anhaltend. Wie iſt es zu er— klären, daß der pfeifende Laut für einen Reiſenden des anderen Zuges von dem Momente an, in welchem das Ohr des Reiſenden ſich mit der Dampfpfeife kreuzt, um einen halben Ton herabſinkt, trotzdem die Pfeife noch lange in gleicher Stärke ertönte? 17. Der im Januarhefte beſprochene Marmorkork muß ſeinen Eigenſchaften nach ein vorzügliches Material zum Einbetten der Objekte für mikrotomiſche Schnitte ſein. Von wo kann man denſelben beziehen? Antworten. Zu 1. Wenn neuerdings beſtritten wird, daß irgend welche während des Lebens erworbene Eigenſchaften — insbeſondere Verletzung — von Menſchen und Tieren je auf die Nachkommen vererbt worden ſeien, ſo beruht eine ſolche Annahme auf ungenügenden Beobachtungen. Gs ijt ſogar eine merkwürdige Thatſache, daß bei Säugetieren, die während ihrer Trächtigkeit irgend eine Verletzung erlitten, ſich auch die Merkmale derſelben bei den Nach⸗ kommen zeigen und namentlich dann, wenn die Verletzung im Anfang des embryonalen Lebens geſchah. Ich will als Beweis ein eklatantes Beiſpiel anführen: Im November 1864 brach ein Merinoſchaf das rechte Vorderbein auf der Weide und zwar ungefähr zwei Zoll oberhalb des Knie gelenkes. Es war zufällig ein Mutterſchaf, welches erſt im Oktober mit den anderen begattet worden war. Der Bruch wurde geſchient und war im März, als die Mutter lammte, längſt wieder geheilt. Das geborene Lamm zeigte nun an demſelben Beine und genau an derſelben Stelle, an welcher die Mutter dasſelbe gebrochen hatte, einen zwei bis drei Zoll breiten Ring ſchwarzer Wolle. Das Lamm (ein männ⸗ liches) wurde infolge des ſchwarzen Abzeichens nicht zur Zucht zugelaſſen, weil dem Schafzüchter bekannt iſt, daß ſolche ſchwarzen Flecke mehr oder weniger ſchwarzwollige Nachkommen zur Folge haben können. Die ſchwarzwolligen Schafe ſind aber bekanntlich in einer edlen Herde verpönt. Gera. Gotthold Hahn, 88 Humboldt. — Februar 1887. u 3. Apus cancriformis fand ich 1877—1879 im Mai und Juni auf einer pfützenreichen Gänſeweide an dem Wege von Mainkur nach Enkheim, kurz vor dieſem Orte. Seitdem vor drei Jahren die Wieſe drainiert und in Kornfeld umgewandelt iſt, iſt er dort nicht wieder auf⸗ getreten. 0 Branchipus stagnalis fehlt hier, wohl aber kommt Branchipus Grubei Dybowski, der oft mit stagnalis verwechſelt wird, hier vor und zwar ſowohl in der großen wie in der kleinen Form. Letztere fand ich bis vor drei oder vier Jahren regelmäßig in einer kleinen Pfütze links an der Chauſſee von Frankfurt nach Mainkur, erſtere in einem Graben und in den Pfützen des Wäldchens zwiſchen Mainkur und Enkheim regelmäßig jedes Jahr von der Zeit der Schneeſchmelze an, vielleicht drei bis vier Wochen lang. Frankfurt a. M. Dr. F. Richters. Branchipus stagnalis habe ich in den Jahren 1880 bis 1884 in dem Eliſenhain, fünf Kilometer von Greifs⸗ wald, gefunden. Der Fundort iſt ein 50 Schritt langer und 2 Schritt breiter Graben, welcher unmittelbar an einem breiten Waldweg liegt. Ich fand die hübſchen Krebſe nur an dieſer einen Stelle und auch immer nur in we⸗ nigen Stücken, höchſtens bis 20. Der Graben trocknete in den Sommermonaten vollſtändig aus. Apus cancriformis it in derſelben Gegend (Ruine des Eiſtereienſerkloſters Eldeng) vorgekommen; es beſitzt nämlich das naturhiſtoriſche Inſtitut der Univerſität einige Exemplare, welche laut Aufſchrift von dort ſtammen. Es iſt mir aber nie gelungen, dieſen Krebs zu fangen. Anclam. Dr. Wolter. In Frage 5 wird die Bezeichnung Wickel für den Blütenſtand des Vergißmeinnichts angegriffen, weil „die nicht geöffneten Blüten wie bei der Schraubel eingerollt ſeien“ und der Blütenſtand vielmehr als Schraubel zu be⸗ trachten ſei. Das iſt doch nicht der Fall, da das äußer⸗ liche Ausſehen der fertig ausgebildeten Scheinachſe mit der Frage, ob Wickel oder Schraubel, nichts zu thun hat, wenn auch allerdings viele Schraubeln ſpiralförmig einge⸗ rollt erſcheinen. Es kommt vielmehr, wie in jedem neueren Lehrbuch zu leſen iſt, immer nur darauf an, ob die auf⸗ einanderfolgenden Sproſſe des Blütenſtandes abwechſelnd rechts und links von der Mutterachſe angelegt werden wie bei der Wickel, oder ob ſie ſämtlich auf dieſelbe Seite der Mutterachſe fallen wie bei der Schraubel. Der Blüten⸗ ſtand des Vergißmeinnichts iſt alſo eine Wickel mit ein⸗ gerollter Scheinachſe oder vielmehr, da meiſt zwei gleiche Wickel nebeneinander entſpringen, eine Doppelwickel. So iſt wenigſtens die Anſchauung der Morphologen aus der Braun'ſchen Schule. Neuerdings hat Göbel auf Grund ſeiner Beobachtungen die Wickel der Aſperifolieen als dor⸗ ſiventrale Trauben, d. h. Trauben mit ungleicher Rücken⸗ und Bauchſeite gedeutet; nach ihm ſproſſen auf der Rücken⸗ ſeite zwei Reihen von Blüten an der Mutterachſe der Traube hervor, während an den Seiten derſelben rechts und links je eine Reihe von Blättern derart entwickelt wird, daß unterhalb jeder Blüte ein Deckblatt zu ſtehen kommt. Letztere fehlen übrigens am Blütenſtand des Ver⸗ gißmeinnicht; auch it die Göbelſche Anſchauung von den Morphologen ſtrenger Obſervanz nicht angenommen worden. In Bezug auf Frage 6 iſt Pirus die einzig richtige Schreibweiſe, da das Wort echt lateiniſch iſt. Berlin. Dr. Loew. Die in Frage 9 beſchriebene Erſcheinung ſtimmt im weſentlichen überein mit dem Kochen von Waſſer oder dem Schmelzen eines Metalls in einem Papiertrichter, der na⸗ türlich unten geſchloſſen ſein muß. Es iſt auch dieſelbe Erſcheinung, wenn man zu kaltes Bier oder Wein durch Faſſen des Glaſes in die Hand etwas moderiert. Und doch ſind Papier und Glas bekanntlich ſchlechte Wärme⸗ leiter. Es müßte alſo eigentlich ein neuer Satz in die Lehre von der Wärmeleitung aufgenommen werden: „Schlechte Wärmeleiter werden in ſehr dünnen Schichten zu guten Leitern, wenn auf der einen Seite eine hohe Tem⸗ peratur herrſcht und auf der anderen Seite ſich ein Körper befindet, der die Wärme raſch fortführt, wie ein Metall durch Leitung, oder Waſſer durch Strömung“. Bei dem kupfernen Keſſel fällt die ſchlechte Leitung der dünnen Schicht noch weg; da iſt die Sache noch einfacher. Die Hitze wird von dem ſich unaufhörlich erneuernden Waſſer am Boden unaufhörlich durch Strömung fortgeführt, jo daß für den die Wärme leicht durchlaſſenden Boden nur wenig übrig bleibt. Zu 10. Man begeht keinen Fehler in der Gewichts⸗ beſtimmung des Fiſches. Das urſprünglich balancierte Reſervoir ſinkt nach Einbringen des Fiſches mit ſeiner Wag⸗ ſchale, und die zur Herſtellung des Gleichgewichts auf die andere Schale gelegten Gewichtsſtücke geben genau das Ge⸗ wicht des Fiſches an. Zum Verſtändnis dürfen wir wohl an⸗ nehmen, was nahezu der Fall iſt, daß das ſpeeifiſche Gewicht des Fiſches = 1, gleich dem des Waſſers jet; es geſchieht bloß zur Abkürzung der Erklärung, die leicht für andere Fälle zu modifizieren iſt. Bei dieſer Annahme verliert der Fiſch durch den Auftrieb, der gleich dem Gewichte des ver⸗ drängten Waſſers, gleich dem Gewichte des Fiſches iſt, ſein Gewicht vollſtändig, er ſchwebt, er verhält ſich, als ob er Waſſer wäre. Durch den Fiſch an ſich wird alſo der Druck auf die Wagſchale nicht vermehrt; aber der Fiſch verdrängt eine ſeinem Volumen gleiche Waſſermenge, dieſe kann nur über dem urſprünglichen Spiegel Platz finden, der Spiegel ſteigt, und dadurch wird nach dem Geſetze des Bodendrucks dieſer erhöht; oder auch das alte Waſſergewicht behält durch den eingetauchten Fiſch ſeinen Wert und wird durch das über dem alten Spiegel gelagerte Waſſergewicht gleich dem Gewichte des Fiſches vermehrt. Gegen die erſte Betrach⸗ tung könnte man einwenden, in einem nach oben enger werdenden Gefäß ſteige der Spiegel höher und müſſe daher der Bodendruck größer werden, wodurch der Fiſch in ver⸗ ſchiedenen Gefäßen ein verſchiedenes Gewicht bekomme; man würde aber dabei den Druck nach oben vergeſſen, der auch hier den Druck auf die Schale gleich dem wahren Gewicht macht. Freilich darf man Bodendruck und Gewicht nicht verwechſeln; erſterer ijt ja in einem ſich verengernden Gefäße größer und in einem ſich erweiternden Gefäße kleiner als das Gewicht. Daher gibt es hier noch allerlei Vexierfragen: z. B. in einem nach oben fitch verengernden Gefäße iſt der Bodendruck größer als das Waſſergewicht; was hat einer zu tragen, der das Gefäß mit dem Boden auf dem Kopfe hat? Oder: Was geſchieht, wenn man in das balancierte Gefäß den Finger taucht, wodurch doch das Waſſer, alſo auch der Bodendruck, ſteigt? u. ſ. w. Zu 10. Um zu beweiſen, daß der in Waſſer ge⸗ wogene Fiſch durchaus ſein eigentliches Gewicht an der Wage anzeigt, denke man ſich folgendes: Auf der Schale einer Wage I befinde ſich das Gefäß mit Waſſer, welches durch das Gewicht G im Gleichgewicht gehalten wird. Eine zweite Wage II ſtelle uns das Gewicht des Fiſches, F= g, dar. Taucht man nun den Fiſch, während er an der Wage II befeſtigt bleibt, in das Gefäß, ſo verliert er ſo viel an Gewicht, als das von ihm verdrängte Waſſer wiegt. Dieſe Größe fei x, und das nunmehrige Gewicht des unterge⸗ tauchten Fiſches jet Fl. Um alſo das Gleichgewicht an der Wage II wiederherzuſtellen, muß man zu Fi das Gewicht, x hinzufügen, fo daß F! + x = g. Löſt man jetzt die Verbindung des Fiſches mit dev Wage II, jo erhält das Gewicht des Waſſergefäßes W die Gewichtszunahme F! + x, und man muß, um das Gleich⸗ gewicht an der Wage 1 wiederherzuſtellen, zu G ein gleiches Gewicht Ft + x hinzufügen. Ein ſolches Gewicht iſt g; man erhält alſo W E FIX G + g. 5 Da nun Fl X= g F, fo zeigt dieſer Verſuch, daß es in der That gleichgültig iſt, ob der Fiſch in Luft oder in Waſſer gewogen wird; die Fiſchhändler, welche lebende Fiſche in Waſſer wiegen, erleiden demnach keinen Verluſt. Straßburg i. E. H. Erker, Ueber die heute in der Elektricitätslehre üblichen Einheiten nebſt einigen Bemerkungen über die Beſtimmung derſelben. Don Prof. Dr. J. G. Wallentin in Wien. i ei dem großartigen Fortſchritte, den die x a Forſchung auf dem Gebiete der Gleftri- 8 eitätslehre in den letzten Decennien ge— macht hat, ijt das Streben auch des Laien, ſich mit den Ergebniſſen dieſer Forſchung vertraut zu machen, ſehr leicht begreiflich, zumal gerade die Re— ſultate derſelben der Praxis in hohem Grade dienſtbar gemacht wurden. Bei der Lektüre neuerer Schriften über reine und angewandte Elektricitätslehre begegnet der Leſer vielen Ausdrücken, welche heutzutage in dieſer phyſikaliſchen Disciplin gang und gäbe ſind, deren Verſtändnis aber, weil in den meiſten Fällen entweder durch eine allzu knappe oder zu exkluſive Darlegung erſchwert, nicht vollkommen erreicht iſt. Es dürfte daher gutgeheißen werden, wenn in einer Zeitſchrift, welche ſich das Ziel geſetzt hat, naturwiſſenſchaftliche Kenntniſſe in gründlicher Weiſe zu verbreiten, auch dieſes Gegenſtandes in einer Art gedacht wird, welche den erwähnten Schwierigkeiten aus dem Wege geht. Mit dem Fortſchreiten in der Naturerkenntnis geht parallel die Vervollkommnung der Meßinſtrumente, durch welche wir Einblick in die Geſetzmäßigkeit der Naturkräfte und deren Wirkungen erlangen, und der Meßmethoden. Die Ausbildung der letzteren iſt verhältnismäßig langſam vor ſich gegangen und insbeſondere jene Methoden, welche zur quantitativen Beſtimmung der magneti⸗ ſchen und elektriſchen Erſcheinungen geeignet ſind, wurden durch die unſterblichen Leiſtungen von Gauß und des jetzt noch lebenden Neſtors der Natur- forſcher W. Weber derart entwickelt, daß der jüngeren Generation ein gut gebahnter Weg des Fortſchreitens vorgezeichnet war. Humboldt 1887. Mit den heute angenommenen magnetiſchen und elektriſchen Maßeinheiten wollen wir uns beſchäftigen und zunächſt zeigen, worin der Unter- ſchied zwiſchen den früheren und heutigen Meſſungen beſtehe. Man kann eine jede phyſikaliſche Größe mittels einer ganz beliebigen, willkürlich angenommenen Größe von gleicher Art, welche als Einheit fungiert, meſſen. So vergleicht man zuweilen die elektromotoriſchen Kräfte von Elektricitätsquellen mit der eleftromoto- riſchen Kraft eines als Einheit angenommenen Daniell: ſchen Elementes; Stromſtärken maß man ehedem unter Zugrundelegung eines Einheitsſtromes, welcher imſtande iſt, in einer beſtimmten Zeit eine beſtimmte Menge eines Stoffes aus einer chemiſchen Verbindung abzuſcheiden; die Widerſtände, welche z. B. Tele— graphendrähte dem elektriſchen Strome entgegenſetzen, ſuchte man durch Vergleichung mit dem Widerſtande eines willkürlich angenommenen Drahtes auszuwerten. Die Schwierigkeiten, welche aus der Annahme der— artiger willkürlicher Einheiten erwuchſen, ſind leicht erkenntlich: Die Vergleichung der von verſchie— denen Forſchern erhaltenen Reſultate war unthunlich oder äußerſt ſchwer zu bewerkſtelligen, andererſeits wurden die Beziehungen, welche zwiſchen den diverſen Erſcheinungsgruppen beſtehen, verdeckt. Mit dem Zuſtandekommen der Einſicht in die Wechſelwirkung der Naturkräfte, die mit der genauen Deutung des Principes der Erhaltung der Energie Hand in Hand ging, mit der Erkenntnis der Um— wandlungsfähigkeit der verſchiedenen Energieformen wuchs das Bedürfnis, alle phyſikaliſchen Größen in Einheiten auszudrücken, die mit wenigen angenom⸗ 12 90 Humboldt. — März 1887. menen Fundamentaleinheiten in beſtimmter, leicht zu überſehender Weiſe verknüpft ſind, welche dann als derivierte Einheiten gelten. Ein ſolches Syſtem von Einheiten wurde von den beiden oben erwähnten Forſchern Gauß und Weber zuerſt aufgeſtellt und als abſolutes Maßſyſtem bezeichnet. Sie führten alle Einheiten auf die folgenden Fundamentalein⸗ heiten: Millimeter als Längeneinheit, Milligramm als Maßeinheit, Sekunde als Zeiteinheit zurück. Die theoretiſch entwickelten Reſultate lieferten den Zu⸗ ſammenhang zwiſchen den derivierten und funda⸗ mentalen Einheiten. Das Komitee der britiſchen Aſſociation, welches im Jahre 1861 gegründet wurde, nahm das Meter, das Gramm und die Sekunde als Fundamentaleinheiten an, ſetzte aber ſpäter (1875) an Stelle des Meters das Centi⸗ meter. Dieſe Einheiten blieben gelten; auch der zu Paris im September 1881 abgehaltene internationale Kongreß der Elektriker hat ſie acceptiert. Das Centimeter⸗, Gramm⸗, Sekundenſyſtem oder, wie es kurz bezeichnet wird, C. G. S.⸗Syſtem, bildet die Grundlage bei jeder Maßbeſtimmung der Phyſik. Bevor wir einige der für unſere Zwecke dien⸗ lichen derivierten Einheiten beſprechen, ſeien noch einige Worte bezüglich der Fundamentaleinheiten ge⸗ ſagt: Daß das Centimeter der 100. Teil der Länge des im Pariſer Archive aufbewahrten, aus Platin gefertigten Meterſtabes iſt, iſt allgemein bekannt. Das Gramm wird im gewöhnlichen Verkehrsleben als Gewicht angeſehen und zwar als der 1000. Teil des Gewichtes eines Platinſtückes, welches ebenfalls in Paris im Archive aufbewahrt wird. Wir wollen aber das Gramm als eine Maſſe betrachten, und zwar als den 1000. Teil jener Maſſe, welche das Archiv⸗Kilogramm beſitzt. Die Sekunde endlich iſt bekanntlich definiert durch den 86 400. Teil der Dauer des mittleren Sonnentages. Auf Grund der gemachten Annahmen ſollen zu⸗ nächſt die in der Mechanik gebrauchten Begriffe, wie ſie für das durch dieſe Abhandlung angeſtrebte Ziel von Belang ſind, erörtert werden. Die Geſchwindig⸗ keit eines ſich gleichförmig bewegenden Körpers iſt der von demſelben in 1 Sekunde zurückgelegte Weg in Centimetern ausgedrückt oder, was dasſelbe iſt, das Verhältnis des von ihm zurückgelegten Weges 1 zur Zeit t, welche er zur Zurücklegung braucht. Ver⸗ ſteht man unter der Dimenſion einer abgeleiteten Einheit die Beziehung, welche zwiſchen dieſer Einheit und den Fundamentaleinheiten beſteht und berück⸗ ſichtigt, daß, wenn V die Einheit der Geſchwindigkeit, L das Centimeter und J die Sekunde bedeutet, die Beziehung L le beſteht, fo erkennt man die Dimenfion der Ge⸗ e L ſchwindigkeit, welche —+ iſt oder, wie man bequemer ſchreibt, L T—1. Da man ferner unter der Beſchleunigung einer Bewegung das Verhältnis der Geſchwindigkeitszu⸗ nahme zur Zeit, in welcher dieſe Zunahme erlangt wird, verſteht, ſo wird man unter der abſoluten Ein⸗ heit der Beſchleunigung G jene verſtehen, bei der die Geſchwindigkeit eines Körpers in der Sekunde T ſich um die Geſchwindigkeitseinheit V erhöht und deshalb ſchreiben v E. N WE welcher Ausdruck die Dimenſion der Beſchleuni⸗— gung angibt. Wir ſind nun imſtande, auch die Krafteinheit in abſolutem Maße darzuſtellen. Krafteinheit iſt näm⸗ lich jene Kraft, welche der Maſſeneinheit M (alſo in unſerem Syſteme einem Gramm) die Einheit der Beſchleunigung G erteilt. Bezeichnen wir die Kraft⸗ einheit F, ſo iſt nach den Geſetzen der Mechanik F = MG = MLIT-2 der Ausdruck für die Dimenſion einer Kraft. Die Einheit der Kraft hat den Namen Dyn erhalten und die engliſchen Phyſiker bedienten ſich ſchon ſeit längerer Zeit dieſes Begriffes. Um eine Vorſtellung von der Größe dieſer Einheit zu erlangen, ſtellen wir folgende, auch für die ſpäteren Diskuſſionen nützliche Betrachtung an: Bekanntlich teilt in der geographi⸗ ſchen Breite von 45° am Meeresſpiegel das Gewicht eines Grammes ſeiner eigenen Maſſe beim freien Falle eine Beſchleunigung von 9,8061 m mit. Die durch das Gewicht von einem Gramm repräſentierte Kraft iſt daher in dem C. G. S.⸗Syſteme 980,61 Dyn oder 1 Dyn iſt gleichwertig mit ae Grammgewicht, d. h. ungefähr identiſch mit dem Zuge von 1 Milli⸗ gramm. Zum Meſſen größerer Kräfte benutzt man das Megadyn, welches 1 Million Dyn gleichwertig und alſo faſt ein Kilogramm iſt. Wirkt an einem Körper eine Kraft, ſo leiſtet die letztere eine Arbeit, welche der Größe nach gegeben wird durch das Produkt aus der Kraft und der Wegſtrecke, um welche der Körper ſich in der Rich⸗ tung der Kraft fortbewegt hat. Als Einheit der Arbeit W bezeichnet man ſomit die Arbeit, welche von der Krafteinheit (einem Dyn) geleiſtet wird, wenn dieſe ihren Angriffspunkt um die Längenein⸗ heit bewegt. Es iſt ſomit die Dimenſion einer Arbeit gegeben durch W FI NI Die Arbeitseinheit des C. G. S.⸗Syſtems erhielt den ſpeciellen Namen Erg. Da die von der Erde auf 1 kg ausgeübte Anziehungskraft 981000 Dyn nach den obigen Erörterungen beträgt, ſo iſt z. B. die Arbeit, welche man beim Heben eines Kilogramms um Im verrichtet, 98 100 000 Erg oder wenn man wieder 1 Million der neuen Arbeitseinheiten (Erg) mit dem Namen Megerg bezeichnet, ungefähr 98 Megerg. Während die Arbeit einer Kraft wohl von dem ganzen zurückgelegten Wege abhängig iſt, jedoch nicht von der Zeit, in welcher dieſer Weg zu⸗ rückgelegt wird, iſt dies mit dem ſogenannten Effekte einer Kraft nicht der Fall. Derſelbe ſtellt das Ver⸗ hältnis der in einer beſtimmten Zeit geleiſteten Arbeit Humboldt. — März 1887. 91 zur Zeit dar. Bezeichnet man mit P den Cinheits- effekt, fo iſt derſelbe, wenn W und T, wie oben, Arbeits⸗ und Zeiteinheit bedeuten, gegeben durch die Dimenſionenformel: W 5 In der Technik werden die Effekte noch oft nach Pferdekräften gerechnet und man begreift unter einer ſolchen jenen Effekt, bei welchem in 1 Sekunde die Arbeit von 75 Kilogrammmeter geleiſtet wird. Da nun ein Kilogrammmeter mit 98 100 000 Erg gleichwertig ijt, fo wird 1 Pferdekraft in den Effekt⸗ einheiten des C. G. S.⸗Syſtems ausgedrückt durch 98 100 000 & 75 = 7360 Millionen folder Ein— heiten. Die hier angegebenen abgeleiteten Einheiten bilden die Grundlage der weiteren Betrachtungen. Coulomb hat die Geſetze der Wirkungen zweier Elektricitätsmengen oder zweier ſogenannten mag- netiſchen Maſſenpunkte aufeinander durch Experimente feſtgeſtellt und gefunden, daß wenn man e und e’, m und m' zwei Elektricitätsmengen, reſpektive zwei magnetiſche Maſſen nennt, die um die Diſtanz r voneinander abſtehen, ſowohl die erſteren als auch die letzteren proportional ihrer Größe und umgekehrt proportional dem Quadrate der Entfernung wirken, wie es auch nach Newton für die Wirkung zweier materieller Maſſen gilt. Zur Herſtellung eines abſoluten elektriſchen Syſtemes muß die Größe, welche als Ausgangs— punkt hierbei gewählt wird, direkt in mechaniſchen Einheiten gemeſſen werden. Man kann die Clef: trieitätsmenge als Ausgangspunkt wählen und dieſe Quantität mittels des Coulombſchen Geſetzes auf mechaniſche Größen zurückführen; das Syſtem der elektriſchen Einheiten, welches in dieſer Weiſe aufgebaut wird, hat man das elektroſtatiſche Maßſyſtem bezeichnet; man kann aber auch die magnetiſche Maſſe als Ausgangspunkt wählen, welche Größe dann mittels des von Coulomb auf— geſtellten Geſetzes der Aktion zweier magnetiſchen Maſſen mechaniſch ausgedrückt wird; da die in der Lehre vom Magnetismus und der Elektricität vor— kommenden Größen als von der magnetiſchen Maſſe abhängig und mit ihr in Beziehung ſtehend betrachtet werden, ſo konſtruiert man derart ein zweites elek— triſches Einheitsſyſtem, welches als das elektro— magnetiſche Maßſyſtem bezeichnet wird. Obwohl das elektromagnetiſche Maßſyſtem in der Elektrotechnik ungleich mehr Bedeutung als das elektroſtatiſche Syſtem erlangt hat, wollen wir uns dennoch mit dem letztgenannten zuerſt befaſſen, da die weiter vorzunehmenden Deduktionen ſich leichter an dieſes anreihen. Nach dem Geſetze von Coulomb iſt die Abſtoßung, welche zwiſchen zwei Elektricitäts⸗ mengen von derſelben Größe und in der Diſtanz r herrſcht, gegeben durch die Formel 2e? B . 12 12 ee eee Daraus wird unmittelbar erſichtlich, daß die Dimenſion einer Elektricitätsmenge im elektroſtatiſchen Syſteme DFT L= M2 L 2 T- iſt, wenn die obigen Bezeichnungen feſtgehalten werden. Fließt Elektricität durch einen Leiter, ſo bezeichnet man dieſen Vorgang als eine Cleftricttats- ſtrömung; unter der Intenſität eines elek— triſchen Stromes verſteht man das Verhältnis der durch einen Querſchnitt gehenden Elektricitätsmenge zur Zeit, während welcher dieſes Fließen ſtattfindet. Es iſt alſo die Einheit J der Stromintenſität jener Strom, bei welchem in der Zeiteinheit T die Einheit der Elektricitäsmenge E durch einen Quer⸗ ſchnitt des Leiters geht, d. h. 4 * = MoLoT die entſprechende Dimenſionenformel. Seit Gauß und Green iſt man gewohnt, unter Potential eines elektriſchen Körpers in einem be⸗ ſtimmten Punkte des Raumes jene Arbeitsleiſtung zu verſtehen, welche erforderlich iſt, um die gleich⸗ namige Elektricitätseinheit, welche von dem Körper abgeſtoßen wird, in dieſen Punkt zu bringen. Daß die Dimenſion des Potentiales identiſch mit der der Arbeit iſt, iſt nach dem Geſagten leicht begreiflich. Iſt die Elektricitätseinheit fic) ſelbſt im ſogenannten Felde des elektriſchen Körpers überlaſſen, ſo wird ſie von dem letzteren abgeſtoßen, d. h. ſie be⸗ gibt ſich von Stellen höheren Potentiales an Stellen niedrigeren Potentiales, gerade fo wie eine Waſſer⸗ menge in einer gegen den Horizont geneigten Röhre von oben nach unten fließen würde. Die Differenz der Potentiale oder das Potentialgefälle iſt es alſo, welche das Bewegen der Elektricität veranlaßt und niemals wird man einen elektriſchen Strom dort beobachten, wo kein Potentialunterſchied exiſtiert; das letztere würde z. B. an der Oberfläche eines Kon⸗ duktors ſtattfinden, auf welchem die Elektricität im Gleichgewichte ſich befindet. Umgekehrt muß immer dort, wo wir ein Strömen der Elektricität (etwa durch ein Galvanometer) wahrnehmen, der Schluß gezogen werden, daß dieſes Strömen zwiſchen zwei Stellen durch eine Potentialdifferenz oder, wie man ſich ausdrückt, durch eine elektromotoriſche Kraft, welche zwiſchen dieſen Stellen exiſtiert, bedingt wird. So find wir zu dem wiſſenſchaftlich korrekten Be⸗ griffe der elektromotoriſchen Kraft gelangt, deren Dimenſion als jene einer Potentialdifferenz mit der Dimenſion des Potentiales oder einer Arbeit zu⸗ ſammenfällt. Begreiflicherweiſe iſt, um einem Konduktor ein doppelt ſo großes Potential zu erteilen, eine doppelt ſo große auf ihm angeſammelte Elektricitätsmenge notwendig; es iſt die Elektricitäsmenge dem er- reichten Potentiale proportional. Man hat das Ver⸗ hältnis der Elektricitäsmenge zum Potentiale eines Konduktors als die Kapacität des letzteren be- zeichnet. Die Einheit der Kapacität C ijt alſo das Verhältnis der Einheit der Elektricitätsmenge E zur 92 Humboldt. — März 1887. Potentialeinheit V oder unter Berückſichtigung der Dimenſionen der Elektricitätsmenge und des Poten⸗ tiales einer Länge gleichkommend. So iſt, wie die Theorie lehrt, die Kapacität einer Kugel deren Ra⸗ dius gleich. Beſteht zwiſchen zwei Punkten eine elektromoto⸗ riſche Kraft y, fo entſteht zwiſchen den erſteren eine elektriſche Strömung i, welcher ſich der elektriſche Widerſtand r entgegenſetzt; der deutſche Gelehrte Ohm hat bekanntlich die wichtige Beziehung, welche zwi⸗ ſchen dieſen Größen beſteht und die geſamte dynamiſche Elektricitätslehre beherrſcht und nach ihm das Ohmſche Geſetz genannt wird, in der folgenden Weiſe aus⸗ geſprochen: Die Stärke eines Stromes iſt der elektro⸗ motoriſchen Kraft oder Potentialdifferenz direkt, dem Widerſtande verkehrt proportional. Danach iſt die Einheit des Widerſtandes jene, in welcher die Ein⸗ heit der elektromotoriſchen Kraft die Einheit der Stromſtärke erzeugt; es iſt, wie man leicht findet, die Dimenſion eines Widerſtandes das Reciproke der Dimenſion einer Geſchwindigkeit. Im elektromagnetiſchen Maßſyſteme wird der Ausgangspunkt von dem Coulombſchen Geſetze für die Wirkung zweier magnetiſchen Punkte genommen; da dieſes Geſetz identiſch mit dem ent⸗ ſprechenden Elektricitätsgeſetze iſt, fo wird die Di- menſion der magnetiſchen Maſſe durch dieſelbe Formel ausgedrückt, wie jene der Elektricitätsmenge E im elektroſtatiſchen Syſteme. Wie ſchreiten wir nun von der ſo angenommenen Einheit weiter, um die Definitionen für die Einheiten der elektriſchen Größen zu erhalten? Um zur elektromagnetiſchen Einheit der Stromſtärke zu gelangen, benutzen wir das von Biot und Savart bezüglich der Wirkung eines Strom⸗ elementes 1 auf einen Magnetpol q, der ſich in der Entfernung d von erſterem befindet und ſo gelagert iſt, daß die Verbindungslinie des Magnetpoles und des Stromelementes auf letzterem ſenkrecht ſteht, auf⸗ geſtellte Geſetz, nach welchem dieſe Aktion proportional der Länge des Elementes, der Stromintenſität, der magnetiſchen Maſſe und umgekehrt proportional dem Quadrate der Entfernung d ift. Die Einheit der Stromſtärke in dieſem Maße iſt daher jene, welche, wenn ſie im Leiterelemente von der Längeneinheit herrſcht, auf die magnetiſche Ein⸗ heit in der Einheitsentfernung die Krafteinheit aus⸗ übt. Wir wollen die Einheiten der elektriſchen Größen im elektromagnetiſchen Maße mit denſelben aber ge⸗ ſtrichelten Buchſtaben des elektroſtatiſchen Syſtems be⸗ zeichnen und ſo z. B. die elektromagnetiſche Ein— heit der Stromintenſität J’ nennen; dann iſt ſomit: 1 1 e == e e die Dimenſion der Stromintenſität. Die Dimenſionen der übrigen elektriſchen Quan⸗ titäten im elektromagnetiſchen Syſteme ergeben ſich nun unſchwer und es wäre überflüſſig zu detailliert die Beſtimmung der letzteren anzugeben. Die Dimenſion einer Elektricitätsmenge it, da die Stromſtärke jene Elektricitätsmenge darſtellt, welche in der Zeiteinheit durch den Leiterquerſchnitt fließt, beſtimmt durch: *. L. Um die Dimenſion des Widerſtandes darzuſtellen, erinnern wir an ein von Joule angegebenes Geſetz, nach welchem ein durch einen Leiter vom Widerſtande r gehender Strom, deſſen Intenſität i iſt, in demſelben in der Zeit t eine Erwärmung hervorruft, welche proportional dem Quadrate der Stromintenſität, ferner dem Widerſtande und der Zeit iſt; nach den An⸗ ſchauungen der mechaniſchen Wärmetheorie iſt jedoch eine Wärmequantität einer Arbeitsleiſtung oder einem Arbeitskonſum äquivalent und erſtere beſitzt dieſelbe Dimenſion wie eine Arbeitsgröße. Demnach verſtehen wir unter der elektromagne⸗ tiſchen Einheit des Widerſtandes R jenen eines Leiters, in dem die Einheit des Stromes J unter der Form von Wärme in der Zeiteinheit T eine Arbeitsein⸗ heit W (ein Erg) verbraucht. Es ijt, wie man durch einfache Rechnung erfährt, die Dimenſion der elektro⸗ magnetiſchen Widerſtandseinheit mit der Dimenſion einer Geſchwindigkeit identiſch. Die Einheit der elektromotoriſchen Kraft iſt nun unter Zugrundlegung des Geſetzes von Ohm und der eben angegebenen Dimenſionen für die Strom⸗ intenſität und den Widerſtand im elektromagnetiſchen Syſteme von der Dimenſion L 2M T= Die Dimenſion der Rapacitat eines Leiters, welche nach den obigen Erläuterungen das Verhältnis ſeiner Elektricitätsmenge zu ſeinem Potentiale, welches dimenſionengleich mit der elektromotoriſchen Kraft it, angibt, iſt endlich ausgedrückt durch L. 1, alſo nicht mehr ſo einfach wie im elektroſtatiſchen Syſteme. Keueſte Arbeiten auf dem Gebiete der Blütenbiologie. Don Dr. E. Loew in Berlin. (Schluß.) Wis die Honig⸗ und Pollenbehälter einer Blume | auf die Thätigkeit der Blumenbeſucher hinweiſen und in ihrer Konſtruktion und Lage nur aus der An⸗ paſſung an jene verſtändlich ſind, ſo findet Gleiches auch mit der plaſtiſchen Ausbildung der geſamten übrigen Blütenteile ſtatt. Schon Sprengel hat er⸗ kannt, daß die Zygomorphie oder Spiegelbildlichkeit (Symmetrie) der Blumenhälften in Beziehung zu Humboldt. — März 1887. 93 dem Inſektenbeſuche fteht. Auch Jordan hebt hervor, daß terminalſtehende Blumen, zu welchen den In— ſekten der Zutritt von allen Seiten gleichmäßig frei ſteht, in regelmäßiger Form auftreten, während ſeit— lich geſtellte Blüten, bei denen den Inſekten der Zu— gang von einer Seite (nämlich der der Achſe) unmög— lich oder wenigſtens ſtark erſchwert iſt, ſich mehr oder weniger zygomorph ausbilden. Ein ſchönes Beiſpiel dafür hat Fritz Müller von einem braſilianiſchen Hedychium beſchrieben. Hermann Müller hat ſolchen Fällen gegenüber ſchon früher von einer „Züchtung“ der zygomorphen Blüten durch die Inſekten geſprochen, indem ja immer nur die paſſendſten Formen durch Naturausleſe erhalten bleiben. Der erſte Anſtoß zu zygomorpher Ausbildung der Blüten kann trotzdem durch äußere rein phyſikaliſche Urſachen gegeben werden. So weiſt z. B. Vöchting (Ueber Zygomorphie und deren Urſachen. Pringsheims Jahrbücher 1886) durch phyſiologiſch-phyſikaliſche Unterſuchungsmethoden nach, daß bei einer Anzahl mono- und dikotyler Blüten, welche der Anlage nach regelmäßig ſind und erſt bei weiterer Entwickelung im ganzen oder in einzelnen Teilen zygomorph werden, die Geſtaltveränderung in geotropiſchen d. h. durch die Schwerkraft bedingten Urſachen zu ſuchen iſt, indem er fand, daß bei ab— ſichtlicher Umkehrung der Lage der Blüten auch ihre Zygomorphie umgekehrt wurde oder daß bei Verſuchen am Klinoſtaten, durch welchen die betreffenden, in möglichſt normalem Wachstum erhaltenen Blumen längere Zeit der einſeitigen Wirkung der Schwerkraft entzogen wurden, die Blüten regelmäßig blieben. In allen den von Vöchting angeführten Fällen laſſen ſich die nach Zygomorphie ſtrebenden Geſtaltveränderungen aber auch als Anpaſſungen erkennen, welche den be— treffenden Teilen die möglichſt günſtige Lage zu den anfliegenden Blütenbeſtäubern verſchafft haben. Dar⸗ aus erhellt, daß die von äußeren Urſachen wie der Schwerkraft urſprünglich hervorgerufenen Aenderungen der Symmetrieverhältniſſe einer Blüte, indem fie zu— gleich eine erfolgreichere Beſtäubung zur Folge hatten, durch natürliche Ausleſe fixiert und durch die Blumen— beſucher in erhöhtem Maße fortgezüchtet worden ſind. Gewiß werden weitere Unterſuchungen Vöchtings über manche noch unklare Punkte Licht verbreiten. Von rein biologiſchen Arbeiten, welche ſich mit der Konſtruktion der geſamten Blüte als ſichtbarem Reſultat der Anpaſſung an die zugehörigen Blumen— beſucher beſchäftigen, find die Beiträge zur Rennt- nis der Beſtäubungseinrichtungen einiger Labiaten, ſowie eine Arbeit über die Beſtäubungseinrichtungen einiger Borragineen — beide vom Berichterſtatter — (Bericht der Deutſchen Botaniſchen Geſellſchaft 1886) zu nennen. Es wird darin zunächſt eine Reihe von Blütenkonſtruktionen beſchrieben, welche auf Ausbeu⸗ tung durch ganz beſtimmte Beſtäubergruppen hin— weiſen, nachdem bereits früher Delpino und H. Müller, allerdings in etwas abweichendem Sinne, die Kate— gorien der Bienen-, Fliegen-, Tagfalter-, Schwärmer⸗ blumen u. a. aufgeſtellt und charakteriſiert hatten. Eine bemerkenswerte, auf ausſchließlichen Hummel⸗ beſuch eingerichtete Blütenkonſtruktion fand ſich z. B. bei Phlomis Russeliana, deren auf- und zuklappbare Oberlippe ähnlich wie das Viſier eines Helms den Eingang zur honigbergenden Blumenröhre verſchließt und nur durch den Körper einer kräftigen, ſich auf die Unterlippe ſetzenden Hummel gehoben werden kann, während für die übrigen ſonſtigen Blumen— beſucher der Honig unzugänglich bleibt; dieſe Klapp— vorrichtung verbindet ſich ferner mit beſondern Ein— richtungen für die Ausſtreuung und den Schutz des Pollens, wie er etwa von Arten der Gattung Salvia erreicht wird (ogl. des Verfaſſers Aufſatz: Eine Lippen— blume mit Klappviſier als Schutzeinrichtung gegen Honig- und Pollenraub in Kosmos 1886 Bd. 2). Als Falterblume wurde die langröhrige Nepeta macrantha, als Fliegenblume das nordamerikaniſche Pyenanthemum pilosum, als Hummel: und Bienen⸗ blumen eine Reihe bisher nicht genauer unterſuchter Labiaten und Borragineen erkannt. Die bereits von Hildebrand erwähnte Umkehrung des Labiatentypus, bei welcher gleichſam Ober- und Unterlippe mitein- ander vertauſcht erſcheinen, wurde bei Plectranthus glaucocalyx weiter verfolgt. Eine eigenartige, ſowohl Fremd- als Selbſtbeſtäubung ſichernde Blütenkon— ſtruktion findet fic) bei der Borraginee Caccinia strigosa, in deren Blumen vier kurze Antheren zu— erſt ausſtäuben und mit ihrem Pollen den Beſucher von der Rückenſeite her beſtreuen, während ein großes, neben dem Griffel dicht an dem äußeren Rande der Blumenröhre ſtehendes Staubgefäß anfangs geſchloſſen bleibt und mit dem Griffel auf die Bauchſeite des Beſuchers zu liegen kommt, um ſich erſt ſpäter zu öffnen und bei ausbleibendem Inſektenbeſuche die benachbarte Narbe mit Pollen zu verſorgen. Die Blüte neigt außerdem zu Zygomorphie, indem die fünf Zipfel der Blumenkrone ſich derart orientieren, daß an der Stelle der großen Anthere und des Griffels ein größerer Zwiſchenraum zwiſchen ihnen frei bleibt als vor den vier kleineren Staubgefäßen; gerade an dieſer großen Lücke zwiſchen den Korollenzipfeln fliegen die honigſuchenden Hummeln an und ſetzen dabei an der dicht am Seitenrande der Krone hervor- ragenden Griffelſpitze den mitgebrachten Pollen ab. Bemerkenswert ſind auch die Verſchiedenheiten, welche die Konſtruktion der fog. Hohlſchuppen bei verſchie— denen Symphytum Arten darbietet. Dieſe Organe beſtehen bekanntlich in hohlen Ausſtülpungen vor den Blumenblattzipfeln und neigen bei genannter Gattung hohlkegelartig um die Antheren zuſammen, ſo daß nur eine kleine Oeffnung an der Spitze des Hohlkegels frei bleibt, aus welcher das Griffelende mit der Narbe hervorragt. Die an die Blüte heran- fliegenden Bienen und Hummeln führen nun niemals ihren Rüſſel ſeitlich zwiſchen den Spalten der Hohl— ſchuppen ein, obgleich dieſer Weg zum Honig der kürzere wäre, ſondern ſuchen entweder bei hinreichen— der, etwa 11 mm betragender Rüſſellänge durch die Oeffnung des Hohlkegels zu dem unterhalb des Frucht— knotens abgeſonderten Honig zu gelangen, wobei ſie notwendigerweiſe mitgebrachten Pollen an der zuerſt 94 Humboldt. — März 1887. berührten Narbe abſetzen müſſen, oder fie gewinnen bei ungenügend langem Rüſſel den Honig durch Ein⸗ bruch, indem ſie mit ihren Oberkiefern am Grunde der Blumenröhre Löcher beißen. Der Grund, weshalb ſie ſtets den kürzeren Weg zwiſchen den Spalten der Hohl⸗ ſchuppen vermeiden, liegt darin, daß daſelbſt zahlreiche ſtarre, den Spalträndern aufgeſetzte Stacheln ihnen den Weg verſperren, wie dies bereits von H. Müller und Kerner hervorgehoben wurde. Es zeigte ſich nun bei Unterſuchung verſchiedener lang⸗ und kurz⸗ röhriger Symphytum-Arten, daß dieſe Stacheln bei langröhrigen Blütenformen nur kurze Zähnchen bilden, während ſie bei den kurzröhrigen Arten als verhältnis⸗ mäßig ſehr lange, ſtarre Cylinder erſcheinen. Dieſer Zuſammenhang zwiſchen der verſchiedenen Ausbildung der Hohlſchuppenſtacheln und der größeren oder ge- ringeren Röhrenlänge der Blumenkrone wird ver⸗ ſtändlich, wenn man ſich erinnert, daß bei einer lang⸗ röhrigen Blume der am Grunde derſelben abgeſonderte Honig allein ſchon durch die Röhrenlänge beſſer ge⸗ ſchützt iſt als bei einer kurzröhrigen Blüte; bei jener müſſen daher Zähne zur Leitung des Rüſſels inſofern von geringerer Bedeutung ſein, weil die größere Röhrenlänge und die Tiefe der Honigbergung kurz⸗ rüſſelige Inſekten von vornherein ausſchließt, während bei kurzröhrigen Blüten durch die ſtarke Beſtachelung der Hohlſchuppen der Weg zum Honig in hohem Grade erſchwert wird, ſo daß kurzrüſſelige Inſekten durch die Stacheln ſehr wirkſam ferngehalten oder bei aus⸗ reichender Rüſſellänge auf den normalen Eingang an der Spitze der Hohlſchuppen verwieſen werden. Außer dieſen und einigen weiteren Specialbeobach⸗ tungen geben die oben genannten beiden Abhandlungen auch eine zuſammenfaſſende Darſtellung der blüten⸗ biologiſchen Verhältniſſe der Labiaten und Borragineen, indem es von Intereſſe iſt, innerhalb eines ganzen Familienkreiſes die in Gattungen und Unterfamilien hereditären Blüteneinrichtungen von denjenigen zu trennen, welche von Art zu Art wechſelnde Verhält⸗ niſſe darbieten, um auf dieſem Wege mit der Zeit zu einer Vorſtellung über die mutmaßliche Entſtehung der verſchiedenen Beſtäubungseinrichtungen zu gelangen. Aehnliche Unterſuchungen vom blütenmorphologi⸗ ſchen Standpunkt aus hat in früheren Jahren bereits J. Urban angeſtellt, der im vergangenen Jahre (Ber. d. Deutſch. Bot. Geſellſch. 1885) in ſeiner Monographie der Gattung Bauhinia auch die biologiſchen Ver⸗ hältniſſe der Arten berührte und z. B. bei B. anguina eine bei Leguminoſen ungewöhnliche Proterandrie, welche mit allmählicher Krümmung und Verlängerung des Griffels verbunden iſt, ferner Andromonöcismus bei weſtindiſchen und mexikaniſchen Arten, ſowie Ein⸗ geſchlechtigkeit der Blüten bei Bauhinia reticulata auffand. Die Beſtäubungseinrichtungen von Asclepias Cornuti wurden ausführlich von Corry (Transactions of the Linnean Society of London. 2. Ser. Vol. II.) unterſucht und dabei im weſentlichen die bereits von Delpino und Hildebrand gefundenen Thatſachen be⸗ ſtätigt. Mac Leod beſchrieb außer den bereits oben erwähnten Blumen auch die Blumeneinrichtungen von Silené Armeria, Silene noctiflora, Hibiscus syriacus, mehreren Viola-Arten, Ribes nigrum, Ajuga reptans und Teucrium Scorodonia. Warming (Bot. Centralbl. Bd. 25) endlich machte vorläufige Mitteilungen über die Biologie der Ericineen Grönlands, bei welchen zum Teil das mit der Armut des Landes an Inſekten zuſammenhängende Beſtreben vorhanden zu ſein ſcheint, Selbſtbeſtäubung zu erleichtern. Neben die Anpaſſungen, welche die Blumen in ihrem Bau zu dem Zwecke entwickeln, um die Thätig⸗ keit der Blumenbeſucher mechaniſch in eine beſtimmte Bahn zu lenken, treten bekanntlich auch Einrichtungen, welche wir am kürzeſten als habituelle Anlockungs⸗ mittel bezeichnen können. Es gehört in erſter Linie die Farbe der Blumen und anderer in der Nähe derſelben befindlichen Organe hierher. Ueber dieſen „Schauapparat“ der Pflanzen hat Johow einen Auf⸗ ſatz (Zur Biologie der floralen und extrafloralen Schauapparate. Jahrbuch des kgl. Botan. Gartens zu Berlin. Bd. 3) geſchrieben, in welchem er ſeine in Weſtindien geſammelten Beobachtungen verwertete. Naturgemäß teilt er die Schaueinrichtungen in ſolche der eigentlichen Blume und in die der außerhalb derſelben befindlichen Teile ein. Beſonders auffallende Beiſpiele von Schaufärbungen tropiſcher Gewächſe bieten z. B. manche Rubiaceen, bei welchen eines der fünf Kelchblätter zu einem großen, glänzend gefärbten Blatt auswächſt, ferner Zingiberaceen, bei welchen ſich die Staubgefäße corolliniſch färben u. a. m. Auch die Verteilung der Laub- und Blütenbildung auf zwei verſchiedene Perioden, das Auftreten einzelner adven⸗ tiver Blüten am Hauptſtamm und an älteren Aeſten, ſowie die räumliche Trennung der Blüten- und Blatt⸗ region bei manchen tropiſchen Bäumen erſcheinen als ausgeprägte Anlockungseinrichtungen. Die außerhalb der Blüte befindlichen Schauapparate werden in der Regel von Blattteilen, ſeltener von Stengelteilen ge⸗ bildet; es gehören die auffallend gefärbten Hüllblätter von Aroideen, Pandaneen u. ſ. w. hierher; auch ge⸗ färbte Blütenſtandachſen kommen bei Begonia-, Cissus- Arten ꝛc. vor. Schließlich kann bei manchen Raf⸗ fleſiaceen und Balanophoreen der ganze Pflanzenkörper eine Schaufarbe annehmen. Ein ſchönes, von Johow nicht angeführtes Beiſpiel eines extrafloralen Schau⸗ apparats bei einheimiſchen Pflanzen bietet z. B. Carlina acaulis, bei welcher, wie bereits H. Müller beſchrieb, zahlreiche, ſtarre, ſchneeweiße, innere Hüll⸗ blätter im Umkreis der auf den Boden aufliegenden unſcheinbaren Blütenſcheibe einen weithin glänzenden Stern von 7—8 em Durchmeſſer bilden. In Bezug auf die Anlockung der Inſekten durch beſtimmte Farbenarten hat bereits H. Müller den Satz aufgeſtellt, daß die kurzrüſſeligen Blumengäſte durch Weiß und Gelb, alſo die auch unſerem Auge beſonders hell erſcheinenden Farben am meiſten an⸗ gelockt würden, während die langrüſſeligen und ein⸗ ſichtigeren Blumenbeſucher wie Falter und Bienen beſonders durch blaue, rote und violette, alſo im all⸗ gemeinen durch die lichtſchwächeren Farben geleitet würden. Ich habe bei meinen Beobachtungen auch Humboldt. — März 1887. 95 dieſe Frage durch ſtatiſtiſche Feſtſtellung der Inſekten⸗ beſuche an Blumen der beiden Hauptfarbenkategorien (der Helligkeit nach) zu ermitteln geſucht und Re- ſultate erlangt, welche die Aufſtellungen Müllers faſt durchweg beſtätigen, obgleich die Beobachtungen unter weſentlich anderen äußeren Umſtänden und mit großen— teils anderen Pflanzen angeſtellt wurden. Die Ver⸗ ſuche, durch welche H. Müller die Anlockung der Honigbiene durch beſtimmte Farben zu ermitteln ſuchte (Kosmos Bd. 12), berühren die oben erwähnte Frage nicht, da es zunächſt weſentlich nur auf die Helligkeit, nicht auf Farbenqualität ankommt. Uebrigens iſt faſt allen Inſekten eine große Empfindlichkeit für die Unterſcheidung von Hell und Dunkel eigentümlich, und ſo kann es in der That kaum auffallen, daß die weniger hoch angepaßten Blumenbeſucher den ihrem Auge am hellſten erſcheinenden Teilen der Pflanze mit Vorliebe ſich zuwenden, während das für Hellig— keitsunterſchiede vielleicht noch geübtere Auge der Bienen und Schmetterlinge auch die dunkleren Licht—⸗ nuancierungen der roten, blauen und violetten Blüten von dem grünen Blätterwerk der Pflanzen zu unter⸗ ſcheiden verſteht. Eine Vorliebe dieſer höher ange— paßten Inſekten für beſtimmte Blumenfarben iſt nur als bildlicher Ausdruck zu verſtehen. Mit der eben erwähnten Bevorzugung hängt zuſammen, daß die Mehrzahl wenigſtens der bei uns einheimiſchen Bienen⸗ und Falterblumen dunkle Blumenfarben beſitzt, während bei den Pollenblumen und den Blumen mit offenem oder teilweiſe verſtecktem Honig, welche vorzugsweiſe von kurzrüſſeligen Inſekten ausgeplündert werden, die Blumenfarben Weiß und Gelb überwiegen, wie Müller bereits ſtatiſtiſch nachgewieſen. Man kann alſo höchſtens darüber verſchiedener Anſicht ſein, ob die Bienen- und Falterblumen wegen der Vorliebe der Bienen und Falter dieſe Farben angenommen haben oder ob der Vorzug, welchen die höher ange— paßten Blumengäſte den lichtſchwächeren Farben geben, etwa daher rühre, daß fie eben Bienen- und Falter- blumen am meiſten aufſuchen, deren Blumenfarben aus irgend einer mit der Farbenauswahl der Inſekten in keiner Beziehung ſtehenden Urſache vorwiegend den ſchwächer leuchtenden Teilen des Spektrums ent— nommen ſind. Ueber die Thatſache der Bevor— zugung der dunkeln Blumenfarben durch Bienen, Hummeln und Falter kann nach den ſtatiſtiſchen, mehrere tauſend Einzelfälle zuſammenfaſſenden Er— gebniſſen Hermann Müllers und des Berichterſtatters kein Zweifel beſtehen. Das ſchließt ſelbſtverſtändlich nicht aus, daß auch zahlreiche Beſuche von Bienen und Faltern an weißen oder gelben Blumen ftatt- finden, da ja manche Bienen- und Hummelblumen vielleicht in Abſicht größerer Augenfälligkeit zu der weißen oder gelben Blumenfarbe zurückgekehrt ſind oder wenigſtens nach einer ſolchen zu variieren ver- mögen. Wenn die einſichtigeren Blumengäſte aber ſchon dunklere Farben vom Blättergrün zu unter— ſcheiden verſtehen, fo muß das mit ganz hellen Farben⸗ ſchattierungen erſt recht der Fall ſein. Wie die Blumenfarben ſelbſt nach Maßgabe ihrer Helligkeit, ſo wird auch ein Farbenwechſel vom Auge blumentüchtiger Inſekten unterſchieden. So bemerkte Ludwig (Kosmos 1884 Bd. 2), daß die älteren aus⸗ beuteleeren Blüten von Spiraea opulifolia, welche durch rotgefärbte Fruchtknoten ſich auszeichnen, von den Kreuzungsvermittlern ſpärlicher beſucht wurden, als die friſchen Blüten mit grünen Stempeln. Aehn— liche Beiſpiele (Weigelia, Ribes sanguineum und aureum) ſind mehrfach bekannt. Oft macht ſich auch der Blumengeruch als An— lockungsmittel geltend, wofür beſonders die mit Be— ginn der Dämmerung ſtark duftenden Nachtſchwärmer—⸗ blumen wie die des Geißblatts bekannte Beiſpiele bilden. Der anlockende Geruch braucht übrigens nicht nur von den Blumen ſelbſt auszugehen, ſondern kann auch den vegetativen Teilen der Pflanze eigentümlich ſein. Schon H. Müller hat u. a. auf die Vorliebe hin⸗ gewieſen, mit welcher gewiſſe ſtark aromatiſche Labiaten von Bienenarten beſucht werden. In Uebereinſtim— mung damit fand ich im Berliner Botaniſchen Garten unter etwa hundert Labiatenarten eine ganz beſonders ſtark meliſſenähnlich duftende Art (Nepeta Mussini) am zahlreichſten von Bienenſpecies beſucht. In ſelteneren Fällen bietet die Blume ihren Be- ſuchern außer Blütenſtaub und Honig auch andere Lockſpeiſen dar. Einen derartigen Fall berichtete neuer⸗ dings Fritz Müller (Kosmos 1886 Bd. 1) von der braſilianiſchen Myrtacee Feijoa, deren anfangs aus- gebreitete und dunkelrote, ſpäter zuſammengerollte und dann außen weißerſcheinende Blumenblätter wegen ihres ſüßen Geſchmackes von Vögeln verzehrt werden. Schließlich kommen zahlreiche Einrichtungen vor, durch welche die Blumen vermöge der Bewegungs— fähigkeit ihrer Blütenſtiele und Inflorescenzachſen in eine möglich günſtige Lage für die Ausbeutung durch heranfliegende Inſekten gebracht werden. Dieſe bis- her weniger beachteten Stellungsänderungen hat J. Urban in ſeiner Abhandlung: Zur Biologie der einſeitswendigen Blütenſtände (Bericht. d. Deutſch. Bot. Geſellſch. 1885) eingehend beſchrieben. Ein anſchauliches Beiſpiel bietet u. a. der rote Fingerhut (Digitalis purpurea) dar, deſſen Einzelblütenſtiele an der Inflorescenzachſe zwar ſpiralig angelegt werden, ſich aber bald derartig nach einer Seite krümmen, daß die äußerſten Blüten höchſtens nur noch um 80—120° voneinander divergieren und dadurch eine einſeitswendige Traube herſtellen, deren Blumen mit möglichſt geringem Zeitverluſt von den Kreuzungs— vermittlern ausgebeutet werden können. Dieſer bio— logiſche Vorteil hat jedoch auch den Nachteil zur Folge, daß die Augenfälligkeit eine einſeitige iſt. Der letzterwähnte Nachteil wird nun nach Urban dadurch aufgehoben, daß die ſeitlichen, unter dem Hauptbliiten- ſtande hervortretenden Inflorescenzachſen ihren blüte— leeren Rücken immer der Hauptachſe zukehren, ſo daß die Allſeitigkeit der Anlockung trotz der Einſeitig— keit der einzelnen Trauben gewahrt bleibt. Viele ähnliche von Urban beſchriebene Stellungsänderungen der Blüte müſſen in dieſem kurzen Bericht übergangen werden. 96 Humboldt. — März 1887. Wenden wir uns jetzt denjenigen Unterſuchungen zu, welche ſich mit dem zweiten Hauptgegenſtande der blütenbiologiſchen Forſchung, nämlich mit den Körper⸗ ausrüſtungen und biologiſchen Gewohnheiten der Blumenbeſucher in Zuſammenhang mit ihrem Blumenleben beſchäftigen, ſo haben wir in erſter Linie einer wertvollen Arbeit Hermann Müllers über die Lebensgeſchichte der Hoſenbiene (Dasypoda hirtipes) zu gedenken, welche erſt nach dem Tode dieſes hervor⸗ ragenden Meiſters auf dem Gebiete der biologiſchen Forſchung in den Verhandlungen des naturhiſtoriſchen Vereins für die preußiſchen Rheinlande (1884) ver⸗ öffentlicht wurde. In dieſer biographiſchen Skizze wird mit bewundernswerter Beobachtungstreue der Entwickelungsgang genannter Biene, die Anfertigung ihrer Brutkammern, die Art der Bruternährung, die Lebensverhältniſſe der Larve und Puppe, das Aus⸗ ſchlüpfen der ausgebildeten Biene, ihr Verhältnis zu einer ſchmarotzenden Fliege u. a. ſehr anſchaulich ge⸗ ſchildert. In blütenbiologiſcher Hinſicht beſonders wichtig iſt die ſorgfältig durchgeführte Ermittelung der Pollenmengen, welche die Hoſenbiene als Larven⸗ futter bedarf; das Weibchen ſtellt aus 5—6 Trachten von Blütenſtaub einen kugligen Futterballen von 7—8 mm Durchmeſſer her, durchfeuchtet denſelben mit etwas Honig und formt ihn unter Verwendung der letzten Tracht ſo um, daß er auf drei kurzen ſtumpfen Füßen feſt auf den Boden der hohlkugligen Brutkammer zu ſtehen kommt, worauf es ein Ei darauf legt. Müller beſtimmte durch genaue Wägung das Gewicht einer einzelnen Pollentracht (0,0389 bis 0,0435 g), das Gewicht des Larvenfutterballens (0,230,347 g), ſowie in weiterer Folge die all⸗ mähliche Zunahme des Larvengewichts und des Lebend- gewichts der ausgewachſenen Biene (0,068 0,098 g). Es ergibt ſich aus dieſen Daten, daß die eintragende Hoſenbiene an einer einzelnen Pollenladung die Hälfte ihres Eigengewichts zu ſchleppen hat und daß die Larve eine Pollenmenge verzehrt, welche 100 — 140 mal ſo ſchwer iſt als das Ei. Es ſind dieſe Angaben deshalb von Wichtigkeit, weil ſie uns den Grund der auffallend ſtarken Entwickelung des Pollenſammel⸗ apparats der Hoſenbiene und zugleich auch der be⸗ ſondern Art ihres Einſammelns, ſowie ihrer Blumen⸗ auswahl verſtändlich machen. Wie H. Müller nämlich ſchon bei früheren Beobachtungen gefunden hat und ich beſtätigen konnte, beſchränkt ſich die Hoſenbiene im Gegenſatz zu anderen, ihr im Bau des Saugorgans ſonſt ähnlichen Bienenarten faſt ganz auf Beſuche an Blumengeſellſchaften (Kompoſiten und Dipſaceen), über deren Körbchen das Weibchen mit haſtig fegender Bewegung der Beine hinwegläuft. Da die genannte Blumenkategorie den Pollen in der denkbar bequemſten Form maſſenhaft darbietet, ſo treten hier in der That Blumenauswahl, Einrichtung des Pollenſammel⸗ apparats und ſtarkes Pollenbedürfnis der Brut in einen ganz augenſcheinlichen Zuſammenhang. Ein auf dem Felde der biologiſchen Entomologie beſonders thätiger Forſcher iſt E. Hoffer in Graz, dem wir bekanntlich ausgezeichnete Beobachtungen über die Lebensweiſe der Hummeln verdanken. Derſelbe hat ſich neuerdings auch Beobachtungen über die Blumen⸗ beſuche der Apiden zugewandt und machte im Kosmos (1885) Mitteilungen über die Beſucher von Solanum Dulcamara und Polygala Chamaebuxus; die Blumen der letzteren Art bilden in den Alpen für die Hummeln eine der wichtigſten Nährquellen. In gleicher Richtung thätig auf genanntem Ge- biete tft Prof. v. Dalla Torre in Innsbruck, welcher vorzugsweiſe die Apiden Tirols bearbeitet hat und kürzlich einen Aufſatz über Heterotrophie (Kosmos 1886) veröffentlichte. Er fand nämlich, daß die lang⸗ rüſſeligen Weibchen von Bombus Gerstäckeri aus- ſchließlich die Blumen von Aconitum Lycoctonum mit ſchwerer zugänglichem Honig beſuchen, während die kurzrüſſeligeren Männchen ſich an die leichter aus⸗ beutbaren Blumen von Aconitum Napellus halten. Die ungleiche Ernährungsweiſe der beiden Geſchlechter ein und derſelben Art veranlaßten den von ihm für die Erſcheinung gewählten Namen. Endlich hat auch der Verfaſſer dieſes Berichts eine Anzahl von Beobachtungen über die Blumenauswahl der Inſekten in Zuſammenhang mit ihrer Körper⸗ ausrüſtung zuſammengetragen und in dem Jahrbuch des Botaniſchen Gartens zu Berlin (Bd. III u. IV) veröffentlicht. Dieſelben wurden in der Abſicht unter⸗ nommen, zunächſt die ſtatiſtiſche Methode H. Müllers, durch welche nämlich die relativen Verhältniszahlen ermittelt werden, in denen die Inſekten die verſchie⸗ denen Blumenkategorien wie Pollenblumen, Blumen mit offenem oder verſtecktem Honig, Bienen-, Fliegen⸗ und Falterblumen u. dgl., auswählen, unter möglichſt abweichenden äußeren Umſtänden zu prüfen, um zu einem Urteil über die Brauchbarkeit der Zählmethode zu gelangen, da von den Ergebniſſen letzterer vielfach weitere Folgerungen über die Anpaſſungen der Blumen⸗ beſucher abhängen. Im großen und ganzen hat ſich dabei — abgeſehen von einzelnen, durch die Natur der etwas verſchiedenen Beobachtungsmethode be⸗ dingten Unterſchieden — eine ſehr befriedigende Ueber⸗ einſtimmung zwiſchen den von Müller aufgeſtellten Verhältniszahlen und den meinigen herausgeſtellt. Auf weitere, in den zuletzt angeführten Arbeiten ge⸗ zogenen Schlußfolgerungen einzugehen, verbietet hier der Raum. Hoffentlich wird aber ſchon dieſer kurze und auf Vollſtändigkeit keinen Anſpruch machende Bericht genügen, um eine Orientierung über die gegen⸗ wärtig auf dem Gebiete der Blütenbiologie vor⸗ handenen Hauptrichtungen der Forſchung zu ermög⸗ lichen. Humboldt. — März 1887. 97 Tropenhygiene. Don Dr. W. Kobelt in Schwanheim a. M. er Deutſche Kolonialverein hat den glücklichen Gedanken gehabt, gelegentlich der 59. Verſamm— lung deutſcher Naturforſcher und Aerzte in Berlin die Errichtung einer eigenen Sektion für mediziniſche Geographie, Klimatologie und Tropenhygiene vor— zuſchlagen und dieſer in einem eigenen Feſthefte der Kolonialzeitung eine Sammlung wertvoller Mittei— lungen vorzulegen, welche des Intereſſanten viel ent- hält. Es ſind lauter Mitteilungen von Leuten, die längere Zeit in Tropenländern gelebt, die meiſten ſogar von deutſchen Aerzten, und man muß es ihnen laſſen, ſie ſind durchgängig sine ira et studio ge— ſchrieben und machen den Eindruck unbefangener, ſorg— ſamer Beobachtung. Den Reigen eröffnet natürlich Afrika. — Dr. E. Mähly in Baſel gibt eine Ueberſicht über die Schick— fale der von der Baſeler Miſſionsgeſellſchaft ent— ſandten Miſſionäre. Von 248 Perſonen, die alle im kräftigſten Lebensalter ſtanden und durch religiöſe Begeiſterung geſtützt wurden, ſtarben in den erſten drei Jahren 57, alſo genau ein Viertel; nur 75 waren in der Lage, eine zweite Miſſionsreiſe unternehmen zu können, nur 18 eine dritte, und nur ein einziger Miſſionär hat einen vierten und ſelbſt einen fünften Aufenthalt ausgehalten. Die einzelnen Stationen er— wieſen ſich in ſehr verſchiedenem Grade gefährlich; von den zehn Hauptſtationen ſind zwei, in 470 und 670 m Höhe gelegen, ziemlich geſund, die anderen, obſchon eine davon bei 400 m liegt, ſehr ungeſund; die Höhenlage allein bedingt alſo nicht die Geſundheit. Im zweiten Aufſatz teilt Dr. M. Buchner feine Erfahrungen mit. Er nimmt an, daß von 100 jungen Leuten, welche mit dreijährigem Kontrakt nach den weſtafrikaniſchen Faktoreigebieten gehen, etwa 65% hoffen können, ohne beſondere Schädigung ihrer Geſundheit heimzukehren, während 5% fterben, der Reſt dauernd geſchädigt bleibt. Für Ackerbauer würde ſich im günſtigſten Falle das Verhältnis umgekehrt ſtellen. Aeltere Perſonen ſind entſchieden weniger empfindlich. Das Sanatorium auf dem Kamerunpik ijt nach Buchner ein Humbug der Baptiſtenmiſſionäre, eine halbzerfallene Hütte, in welcher Fieberkranke ge— wöhnlich noch raſcher zu Grunde gehen, als wenn ſie unten im Fiebergebiet bleiben. Durch fortſchreitende Koloniſation würden die Verhältniſſe ſich vielleicht beſſern; ob aber Buchners Anſicht, daß die Beſſerung der Geſundheitsverhältniſſe in Batavia, Rio Janeiro, Kalkutta, die langſam und ſtetig fortſchreitende Aus— trocknung der Erde durch kosmiſche Urſachen begründet iſt, alſo „eine Alterserſcheinung unſeres Planeten“ ſei, begründet iſt, erſcheint mir einigermaßen zweifelhaft. Nach einer Notiz von G. A. Krauſe aus Lagos find dort von einer durchſchnittlich zwiſchen 60 —120 Humboldt 1887. Perſonen ſchwankenden weißen Bevölkerung innerhalb 16 Jahren 170 geſtorben, wobei natürlich noch viele, die ſchwer krank aufs Schiff gebracht wurden und unterwegs ſtarben, nicht mitgerechnet ſind. Die Sterb— lichkeit unter den Eingeborenen beträgt dabei nicht über 20 pro Mille. — Ueber Kamerun ſind ſtatiſtiſche Angaben leider nicht mitgeteilt. Daß durch zweckmäßige Sanitätsmaßregeln die Geſundheitsverhältniſſe in Tropengegenden erheblich gebeſſert werden können, beweiſt Menges mit dem Beiſpiel von Chartum; er nimmt die Fiebergrenze bei 5500 Fuß Meereshöhe an. Die Eingeborenen des öſtlichen Sudan leiden nicht minder vom Fieber wie die Fremden; gegen das Ende der Regenzeit pflegt ein Viertel der Bevölkerung krank zu liegen, und Milztumoren ſieht man ſehr häufig. Eine wirk— liche Acclimatiſation hält Menges für unmöglich. Ueber die Verhältniſſe auf Madagaskar berichtet der ſchwediſche Miſſionär Jörgenſen. Fieberfrei iſt nur ein kleines Gebiet nördlich und ſüdlich der Haupt- ſtadt, ſonſt herrſcht überall, wenigſtens in der Regen⸗ zeit, das Fieber, aber in verſchiedener Intenſität; auf dem Hochplateau und dicht an der Küſte ſind es meiſtens leichtere Quartanfieber, gefährlicher ſind ſie in den Einſenkungen der Hochebene, am allerſchlimm— ſten am Abhang zwiſchen Küſte und Hochplateau. Auch wer weniger vom Fieber leidet, bedarf nach zehn bis zwölf Jahren einer längeren Erholungspauſe. Die Eingeborenen leiden ebenfalls ſehr vom Fieber; auch unter ihnen find nur wenige, „vita-tazo“, fieber- feſt, und auch dieſe erkranken nicht ſelten, wenn ſie längere Zeit an Fieberplätzen verweilen, doch meiſt in leichterem Grade. Ein ſehr unerfreuliches Bild iſt es, welches Nip— perdey von den Verhältniſſen am Congo entrollt. Fieber und Dyſenterie herrſchen überall, letztere ſcheint aber, ſeitdem die Verpflegung der Angeſtellten eine beſſere geworden, ſeltener zu werden. Die ärztlichen Verhältniſſe ſind ungeachtet aller gegenteiligen Be— hauptungen der Regierung ſehr traurig; 1884 waren überhaupt nur drei Aerzte angeſtellt, einer für den Adminiſtrator des Congogebietes, der zweite für den Adminiſtrator des Kwilugebietes, der dritte für das nun aufgegebene Sanatorium oder richtiger Mori— torium in Boma. Die übrigen Stationen hatten zwar Arzneikiſten (und ſelbſt geburtshilfliche Inſtru— mente!), aber an Chinin fehlte es meiſt. Kranke wurden meiſt ſtatt nach Europa, der Billigkeit halber nach Moſſammedes geſandt; ſie pflegten ſich dort ganz hübſch zu erholen, kamen gebeſſert zurück, und ſtarben dann um ſo raſcher. Uebrigens ſpielt die Ver— pflegung eine Hauptrolle; bei genügend kräftiger Koſt und vernünftigem Regime läßt ſich dem Fieber viel 13 98 Humboldt. — März 1887. beſſer trotzen und namentlich die Dyſenterie ganz ver⸗ meiden. Den Schluß der afrikaniſchen Dokumente bilden ein paar Bemerkungen über das Klima von San⸗ ſibar, beſonders intereſſant wegen ihrer Verfaſſerin, Frau Emily Ruete, der Schweſter des Sultans Seyd Bargaſch. Sie hält das Klima für beſſer, als ſein Ruf iſt; bei vernünftiger Lebensweiſe, Maßhalten im Eſſen und Trinken, können Europäer unbedenklich auf der früher ſo gefürchteten Inſel aushalten. In der That hat neuerdings die Sterblichkeit dort bedeutend nachgelaſſen. Alle die verſchiedenen Berichterſtatter ſind darüber einig, daß der Europäer zwar unter gün⸗ ſtigen Umſtänden und bei genügender Vor⸗ ſicht eine Zeitlang in dem tropiſchen Afrika aushalten kann, daß aber von einer wirk⸗ lichen Acelimatiſation keine Rede iſt, und noch weniger davon, daß deutſche Acker⸗ bauer es dort aushalten können. Dieſe That⸗ ſache iſt übrigens jetzt ziemlich allgemein anerkannt; ſelbſt die Mitglieder der Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft ſprechen nicht mehr von Ackerbaukolonien im „ge⸗ ſünderen Inneren“ des tropiſchen Afrika und auch die belgiſche Ingenieurkommiſſion hat eine ähnliche offizielle Erklärung abgegeben. Nicht ganz ſo ungünſtig lauten die Berichte aus dem tropiſchen Aſien. Ueber Sumatra und ſpeciell die Tabakskolonie Deli berichtet Dr. Paſter in Deli. Die Anſiedelung iſt noch zu neu (ſeit 1867), um ſchon über die Möglichkeit einer Acclimatiſation ent⸗ ſcheiden zu können, beſonders da unter den 500 Europäern nur ganz wenige Frauen ſind. Im übrigen leiden erwachſene Männer, das Militär ausgenommen, nur wenig vom Klima und können als Aufſeher u. dgl. ganz gut längere Jahre aushalten, ſchwere Arbeit können ſie aber auch hier ſelbſt für kurze Zeit nicht leiſten. Mehr leiden die Frauen, freilich hauptſächlich infolge der unzweckmäßigen Lebensweiſe. Am ſtärkſten iſt die Mortalität beim Militär. Miſchlinge leiden weniger, am wenigſten die Chineſen und ihre Nachkommen. Fieber ſind häufig, doch ſelten bösartig. — In einem anſchließen⸗ den Artikel gibt Metzger eine Ueberſicht der Reſultate der offiziellen Statiſtik von Niederländiſch-Indien, die übrigens ſchwerlich unbedingt zuverläſſig iſt. Auch er findet die Hoffnung auf Fortpflanzung einer europäiſchen Bevölkerung, alſo eine vollſtändige Accli⸗ matiſation, völlig ausſichtslos bei einer Sterblichkeit von mindeſtens 80 pro Mille. Die koloſſale Ver⸗ breitung des Beri⸗Beri (perniciöſe Anämie) in der Armee ſcheint nur Folge der ſchlechten Verpflegung zu ſein; die Anzahl der Fälle gibt Metzger für 1884 auf 5338 an, was ſchwerlich zu hoch gegriffen iſt. (Eine ſpätere holländiſche Angabe behauptet, daß von den 16 000 Soldaten der niederländiſchen Kolonial⸗ armee mindeſtens 8000 an Beri⸗Beri leiden; gegen 1800 ſind im Jahre 1885 daran geſtorben, wieder dienſtfähig werden nur ſehr wenige.) Für Kinder aus reinblütigen europäiſchen Ehen ſagt Dr. Paſter ganz beſtimmt, daß ſie ſchon frühe anämiſch ſind und, wenn ſie im Lande bleiben, nur unter beſonders günſtigen Fällen das Pubertätsalter erreichen. Metzger geht auf die intereſſante Frage nach der Perſiſtenz holländiſcher Familien auf Java durch eine Anzahl von Generationen leider nicht ein. Groß iſt der Abſtich zwiſchen den ſeither beſproche⸗ nen Ländern und Centralamerika. — In Guate⸗ mala hat Stoll im Hochlande eine ganze Anzahl rein europäiſcher Familien kennen gelernt, die ſich ſchon in der dritten Generation erhalten haben; perni⸗ ciöſe Malarien kommen nur in der Umgebung einiger Seen und in der heißen Küſtenzone vor, auch Darm⸗ erkrankungen ſind nur dort häufig; das Hochland muß als durchaus geſund bezeichnet werden und zwar ſchon von 2500 Fuß ab, alſo noch innerhalb der Kaffeezone. Auch Mexiko muß nach Dr. Below mit Aus⸗ nahme der heißeſten Küſtenſtriche als unbedingt ge⸗ ſund bezeichnet werden; auf der Hochebene, die aller⸗ dings nur nominell den Tropen angehört, kann auch der Deutſche als Ackerbauer dauern; etwa vorkom⸗ mende Wechſelfieber find gutartig, der bösartigere Typhus befällt faſt nur die verkommene indianiſche Stadtbevölkerung. Dr. Heinemann empfiehlt die höher gelegenen Staaten und beſonders Oaxaca ſogar als Geſundheitsſtation für Lungenleidende. Bolle in Rio Janeiro kommt durch ſeine Erfah⸗ rungen in Braſilien zu einer ganz anderen Anſicht, als ſeine in tropiſchen Gegenden wirkenden Kollegen; er hält die Acclimatiſation in Tropengegenden für etwas durchaus Ungefährliches und Leichtes. Seine Beweiſe, ſowie er über Braſilien hinausgreift, laſſen aller⸗ dings ſehr viel zu wünſchen übrig; die Vandalen in Nordafrika ſind gerade kein glänzender Beweis für die Acclimatiſationsfähigkeit der Germanen in wärmeren Klimaten und die Annahme, daß die tropiſch⸗afrika⸗ niſchen Verhältniſſe den braſilianiſchen unter gleicher Breite gleich ſein müſſen, iſt angeſichts der thatſächlichen Verhältniſſe doch etwas gewagt. — Immerhin kann es keinem Zweifel unterliegen, daß im tropiſchen Amerika die Verhältniſſe für die Europäer ganz auf⸗ fallend günſtiger liegen, als im tropiſchen Afrika; es wäre eine intereſſante Aufgabe, den Urſachen dieſes Unterſchiedes nachzuſpüren. Die Mitteilungen aus ſubtropiſchen Gebieten be⸗ ziehen ſich auf Transvaal, die deutſchen Gebiete in Südweſtafrika, die Templer in Paläſtina, Japan, Kalifornien, das außertropiſche Südamerika, Süd⸗ auſtralien und Neuſüdwales. Sie lauten ausnahms⸗ los günſtig, doch vermiſſe ich beſonders aus Paläſtina Angaben über die Fruchtbarkeit der Ehen und über die Zunahme der Bevölkerung durch den Ueberſchuß der Geburten über die Todesfälle. Die Erfahrungen in Algerien ſind gar nicht berückſichtigt. Der Deutſche gedeiht dort ſo gut, wie irgendwo in der Oliven⸗ region, und doch iſt ſelbſt in den kühleren Gebieten von einer wirklichen Acclimatiſation heute noch keine Rede, da die Zahl der Todesfälle die der Geburten weit (um etwa 18 pro Mille) überwiegt. Für Süd⸗ Humboldt. — afrika haben die Buren anſcheinend den Beweis ge- liefert; auch für die wärmeren Teile bis zum Kaffern- land herauf, für Kalifornien mit ſeinem wunderbaren Klima unterliegt die Thatſache wohl keinem Zweifel, obſchon die Hauptprobe noch nicht gemacht iſt und Erfahrungen über das Schickſal der dritten Generation noch kaum vorliegen können. Für Südamerika iſt der Beweis ſchwer zu führen, da die im Lande ge— borenen Kinder der Einwanderer als Eingeborene in den ſtatiſtiſchen Liſten geführt werden. Eine ent- ſprechende Angabe enthält nur der Bericht von Dr. Fonck über die Verhältniſſe in Chile. Fonck ſagt, daß die ſeit 1821 eingewanderten engliſchen Familien, ſoweit fie fic) unvermiſcht gehalten haben, faſt ſämt— lich ausgeſtorben ſind; die deutſche Jugend ſcheint wenigſtens im nördlichen Teile nicht ſonderlich zu gedeihen; wie es der dritten Generation ergehen wird, bleibt abzuwarten. Sie erſt liefert die Entſcheidung. Eine kleine Notiz auf S. 674, die letzte des Heftes, ijt darum vielleicht die wichtigſte. In der Anthro— pologiſchen Geſellſchaft in Berlin iſt die Frage, ob ſich überhaupt in dem geſunden Aegypten eine nord— ländiſche Familie bis über die dritte Generation fort: gepflanzt habe, zur Diskuſſion geſtellt worden; der Fall iſt jedenfalls ſo ſelten, daß Schweinfurth in den ägyptiſchen Blättern einen diesbezüglichen Aufruf er— laſſen hat, in der Hoffnung, vielleicht doch ein paar griechiſche Familien aufzutreiben, welche eine längere Dauer nachweiſen können. Hier ſtehen wir vor einer Thatſache, die nicht überſchätzt werden kann und Neue Go März 1887. 99 ſchwerer wiegt, als viele Angaben über köſtliches Klima und herrliches Gedeihen von Germanen in wärmeren Gebieten. Sie kann uns erklären, warum die edelſten deutſchen Völker, die Vandalen, die Oſt⸗ goten und Weſtgoten ſo raſch zu Grunde gingen, nachdem ſie ſich in der Olivenregion angeſiedelt, warum die Longobarden nur nördlich des Apennin dauerten und warum von der Normannenariſtokratie in beiden Sicilien ſchon nach ſo kurzer Zeit jede Spur bis auf die Namen verſchwunden iſt. Aus Japan berichtet Profeſſor Baelz, daß die Ehen der eingewanderten Europäer ſehr kinderreich ſind und die Kinder vorzüglich gedeihen. Beob— achtungen über die dritte Generation liegen natürlich nicht vor. Miſchlinge von Europäern und Japaner⸗ innen ſind zahlreich, doch meiſt ſchwächlich und die Pubertätszeit wird ihnen gewöhnlich gefährlich; während die Ehen zwiſchen Europäern und Japanerinnen oft ſehr kinderreich find, haben die mit Japanern ver- heirateten Europäerinnen wenige, häufig gar keine Kinder. Vielleicht iſt dieſe auffallende Erſcheinung darauf zurückzuführen, daß die europäiſchen Frauen ſich vielfach an ganz neue und nicht immer erfreu— liche Verhältniſſe gewöhnen müſſen. In der großen Mehrheit der Fälle ſcheint der japaniſche Typus zu überwiegen und Baelz glaubt, daß dunkelhaarige und dunkeläugige Europäer leichter Kinder von Japaner⸗ innen bekommen als blonde, daß Südeuropäer eher imſtande ſind, eine fruchtbare Miſchraſſe zu erzeugen, als Germanen. ee Von Dr. F. Höfler in Frankfurt a. M. Seit der Entdeckung der Diamantenfelder im Jahre 1867 hat kaum ein Ereignis die kapländiſche Bevölkerung mehr in Aufregung verſetzt, als die Auffindung neuer Goldfelder im Transvaal im Jahre 1882. Dieſe neuen Goldfelder liegen faſt ausſchließlich im Gebiete der ſüd— afrikaniſchen Republik. Die nördliche Grenze des Gold— gebietes bildet der den mittleren und nördlichen Teil der genannten Republik im großen Bogen durchziehende und zum Limpopo gehende Olifants River, die ſüdliche der Komati, ein Tributär des Indiſchen Oceans, den er in der Dela— goabai unter dem 25.“ 50“ ſüdl. Br. erreicht. Ihm gehen von links der Krokodilfluß und rechts der Sabie zu, die dem Oſtabhange des Drakengebirges entſtrömen. Dieſes zum großen Teil aus von Melaphyren und Dioriten ge- kröntem Tafelſandſtein beſtehende Gebirge dacht ſich nach Oſt und Weſt ziemlich allmählich ab, um ſchließlich in Plateaus überzugehen, bedeckt mit ſedimentärem Geſtein, wie Thon, Schiefer und dergl., aus denen ſich inſelartig kleinere Bergrücken und Hügelketten erheben, beſtehend aus Granit und Gneis, nach Livingſtone die Grundlage aller übrigen afrikaniſchen Formation. Dieſe Bergrücken und Hügelketten waren einſt viel höher und überſchüttet mit ſedimentären Ablagerungen. Infolge fortgeſetzter Denu— dation verringerte ſich ihre Höhe immer mehr und dieſes Zurückweichen derſelben erreichte ſeine vorläufige Grenze da, wo die Abſpülung bis zur Gneis- und Granitſchicht gediehen war, ohne naturgemäß ganz aufzuhören. Der Ein— fluß der Atmoſphärilien äußert ſich vielmehr heute noch ebenſo kräftig, wie ehedem, er wird nur verlangſamt durch die härtere Schicht, auf die er einzuwirken ſtrebt. In dem in den Granit eingeſprengten Quarz der Bergrücken auf den erwähnten Hochländern finden ſich Goldadern, die nach dem geſchilderten Vorgange nun allmählich zu Tage treten müſſen, woher es kommt, daß Körner gediegenen Goldes ſowohl im Detritus der Flüſſe wie im Sande der Ebenen und Flußthäler gefunden werden. Einem ſolchen im Staube liegenden ſchimmernden Goldkörnchen ver— danken wir beiſpielsweiſe die Auffindung der reichen Goldadern am Shebafelſen durch die Gebrüder Thomas. Dieſer Shebafelſen iſt eine jener Granitinſeln, die ſich auf dem Plateau von Leydenburg erheben. Leydenburg (Lydenburg) am Doup River iſt die höchſt gelegene Stadt (1775 m) des nach ihr benannten Hochlandes und befindet ſich beinahe im Mittelpunkte der goldhaltigen Region. Den 100 Hauptanſtoß zur Aufſuchung des koſtbaren Metalles an dieſer Stelle gab der Hund der Herren Thomas und eine allgemeine in den Diamantenfeldern von Kimberley aus⸗ gebrochene Kriſis, die durch den Einſturz der Seiten⸗ und Zwiſchenwände der tiefen Grube hervorgerufen worden war. Eine große Anzahl von Suchern wandte ſich nun in das Transvaalland, wo Mauch ſchon 1867 in den Murchiſſons⸗Bergen goldführende Quarze entdeckt, aber zur bergmänniſchen Bearbeitung für nicht ergiebig genug ge⸗ halten hatte. Die erſte größere Ausbeute lieferte eine 1871 am Nordabhange der Kakapous Ranges bei Maraba⸗ ſtadt entdeckte Mine; aber auch dieſe erwies ſich für die Dauer nicht ertragsfähig genug. Aehnlich verhielt es ſich mit den Alluvialgoldfunden im Thale des Blyde River im Nordoſten von Leydenburg; der Sand wurde immer gold⸗ ärmer und ſchließlich waren die Arbeiter genötigt, zur ſchwierigen und koſtſpieligen Bearbeitung der Quarzriffe überzugehen, da die Ausbeute durch Waſchen nicht mehr lohnend genug erſchien “). Auch bei Mac- Mac, am Waterfall⸗Creek, am Rotund⸗Creek, an den Quellen des Blyde und am Spitzkop fand man anfangs wertvolle Stücke; aber das Glück begünſtigte nur wenige, die große Mehrzahl konnte kaum das Nötigſte zum Leben aus dem Ertrage der Goldgräberei erringen. In den nächſten Jahren ſehen wir die Goldſucher ihre Thätigkeit von der Weſtſeite mehr nach der Nord- und Nordoſtſeite des Transvaalplateaus verlegen; denn dort hatten die Ge⸗ brüder Thomas in den Pioneerfelſen bedeutende Gold⸗ adern entdeckt. Ihr Beginnen wurde vom Glücke be⸗ günſtigt, denn es führte zur Auffindung der ſehr ergiebigen ſogenannten Kap⸗Goldfelder an dem kleinen Flüßchen Lempogwan, das ſich in den oben erwähnten Krokodilfluß ergießt. Die Bearbeitung dieſer Fundſtelle wurde aber durch den Krieg der Boers mit dem Kaffernhäuptling Kekukuni, der Leydenburg beſetzte und die Umgebung un⸗ ſicher machte, und ferner durch die Annexion des Transvaal⸗ ſtaates durch Großbritannien ſehr beeinträchtigt. Erſt nach Wiedererlangung ſeiner Unabhängigkeit lenkte auch die Regierung der Freiſtaaten ihre Aufmerkſamkeit den neu entdeckten Goldfeldern zu. Die Pioneerfelſen wurden damals an eine Geſellſchaft in Natal verkauft, welche ihren Sitz in Maritzburg aufſchlug. tum eines Herrn Moodie mehrere goldführende Berge ent⸗ deckt wurden, veranlaßte dieſer Umſtand die Regierung von Transvaal, die ihr gehörigen, in der Goldregion ge⸗ legenen Ländereien als öffentliches Goldfeld zu prokla⸗ mieren (1885), und nun folgte die Auffindung von Gold⸗ minen Zug um Zug, ſo durch die Gebrüder Barber am Umkonwafelſen, in deſſen Nähe bald darauf die „Barber⸗ town“ entſtand, ferner am Umooti⸗ und Centralfelſen, weiter am Shebafelſen durch die Brüder Hillary und end⸗ lich die „Bray Golden Quarry“ durch die Herren Bray und Griffith. Die beiden letzten Felſen liegen 15 Meilen ſüd⸗ lich von Barbertown und ſind die ergiebigſten von allen. 700 Tons Quarz, die zerſtampft wurden, lieferten 8 Unzen Gold pro Tonne “); die Pioneerfelſen der Gebrüder Thomas dagegen durchſchnittlich 2 Unzen pro Tonne. Aber nicht *) Petermanns Mitteilungen ꝛc. 1885 S. 86 ff. **) Weſerzeitung. Als 1884 auf dem Eigen⸗ Humboldt. — März 1887. bloß auf dem Transvaalplateau, auch in anderen an dasſelbe angrenzenden Gegenden von ähnlicher geologiſcher Beſchaffenheit wurden goldführende Quarze gefunden, ſo auf dem Eigentum eines Herrn Stuben 35 Meilen ſüdlich von Prätoria, und in Betſchuanaland in der Nähe von Mafeking; die Bearbeitung der Quarze dieſer Diſtrikte ergab eine Ausbeute von 1—1,5 Unzen pro Tonne. Die größere oder geringere Ergiebigkeit der Quarze dieſer neuen Gold⸗ region wird ſich aber erſt nach längerem, bergmänniſch gehandhabtem Betriebe konſtatieren laſſen. Bis jetzt ijt von einem ſolchen kaum irgendwie die Rede, da es an Kapital zur Anſchaffung und zum Transporte von not⸗ wendigen Maſchinen fehlt, Geſellſchaften aber ſich nur langſam zu bilden ſcheinen, wahrſcheinlich wegen der auf den ſüdafrikaniſchen Diamantfeldern gemachten ſchlimmen Erfahrungen. Darin ſind aber die Goldfelder des Kap⸗ landes von den kaliforniſchen und auſtraliſchen weſentlich verſchieden, daß die Gewinnung dieſes edlen Metalles in jenen viel mehr Kapital beanſprucht als in dieſen. In Kalifornien wird die Hälfte alles Goldes durch Auswaſchen des Alluviums gewonnen, was bei dem großen Waſſer⸗ reichtum des Landes ganz geringe Koſten verurſacht. Dieſes Verfahren iſt aber in den afrikaniſchen Goldfeldern kaum anwendbar, weil es dort einmal an Waſſer fehlt, zum andernmal das Gold ſich im Alluvium ſehr ſelten, am häufigſten dagegen im Quarze eingeſprengt findet. Von großem Vorteil würde für die neuen Golddiſtrikte in Afrika der Bau der bereits ſeit 1870/71 von Lorenzo Marques von der Delagoabat an projektierten Eiſenbahn ſein, da durch dieſelbe die Hauptſchwierigkeiten, die ſich einer rationellen Bebauung der Goldfelder gegenwärtig entgegenſtellen, völlig behoben würden. Dieſe Haupt⸗ ſchwierigkeiten gipfeln in dem äußerſt koſtſpieligen, teil⸗ weiſe ganz unmöglichen Transporte von Maſchinen und der genügenden Zufuhr von Lebensmitteln zu einem für die Arbeiter erſchwingbaren Preiſe. Augenblicklich geht der direkte Paſſagier- und Poſtverkehr von Kapſtadt nach Kimberley per Eiſenbahn und von dort über Prätoria nach Barbertown mittels Ochſenwagen. Ein zweiter Weg führt über Natal mit Eiſenbahnfahrt bis Ladyſmith und von da aus nach Barbertown, das von Ladyſmith 500 km entfernt iſt, mit Ochſenwagen. Der Transport von Waren ſtellt ſich bei der Wagenbeförderung wegen des teilweiſe ſehr ungünſtigen Terrains äußerſt hoch. So kommt der Trans⸗ port einer Tonne (2240 Pfd.) von Port Natal nach Leyden⸗ burg auf rund 35 Pfd. Sterl. zu ſtehen ), ohne die hohen Ein⸗ und Durchfuhrzölle, welche von der Kolonialregierung in Natal erhoben werden, in Anſchlag zu bringen. Zu⸗ dem iſt der 80 km lange Weg von der Delagoabai bis an den Fuß des Plateaus wegen des ſumpfigen Terrains, durch das er führt, nicht nur ſehr beſchwerlich, ſondern während der Regenzeit vom Februar bis April wegen ſeiner fieberſchwangeren Luft für Menſchen und Tiere ge⸗ radezu lebensgefährlich. Was das Klima, ſpeciell der neuen Goldregion anbelangt, ſo iſt es ein in jeder Hinſicht gün⸗ ſtiges zu nennen. Das Transvaalplateau iſt zu allen Jahreszeiten geſund wegen ſeiner bedeutenden abſoluten Höhe, auf den Bergen jogar ausgezeichnet. Wer daher *) Petermanns Mitteilungen rc. 1885. q Humboldt. — März 1887. 101 die Küſtenregion in ihrer ſchlimmſten Zeit, Januar bis April, der Sheltuga in dem Alluvium der Flußebene und wird meidet, wird von den dem Klima entſpringenden Gefahren für ſeine Geſundheit in der ſüdafrikaniſchen Hochlandsregion wenig zu fürchten haben. Faſt in dieſelbe Zeit, als die Kapgoldfelder entdeckt wurden, fällt auch die Auffindung der Golddiſtrikte im chineſiſchen Amurgebiete; auch ſie war nach den „Sib. Westn* eine rein zufällige. Mehrere ruſſiſche Zwangs- arbeiter flüchteten 1881 aus den ruſſiſchen Goldfeldern am Jablonoigebirge und wandten ſich nach China, um dort ihr Heil zu ſuchen; fie gelangten bis zur Station Amaſarsk an der Sheltuga. Hier bemerkten ſie goldhaltigen Sand und beſchloſſen deshalb zu bleiben. Ihre Ausbeute betrug monatlich 10 Pfd.; man verkaufte das Gold nach Blago— wetſchtſchensk am Amur und beſchaffte zugleich Lebens- mittel aus Amaſarsk. Dadurch wurde die Sache offen— kundig, und bald ſtrömten Ruſſen, Chineſen, Finnländer, Deutſche, Franzoſen, Polen und Amerikaner in die neuen Goldfelder, damit aber hielten auch Zank und Streit ihren Einzug in dieſelben. Nachdem es den beſſeren Elementen unter den Anſiedlern gelungen war, Eintracht und Ord— nung herzuſtellen, begann man mit aller Energie die Aus— beute der neuen Goldfelder. Das Gold findet ſich an | daher hauptſächlich durch Waſchen des Sandes gewonnen. Im erſten Jahr arbeiteten in den neuen Goldfeldern 500, im nächſten ſchon 3000 und im Jahre 1883 bereits 7000 Menſchen. Die Goldfelder umfaſſen einen Flächenraum von annähernd 509 qkm; der Goldſand wird ſehr ober- flächlich gewaſchen und liefern 4000 Pfd. Sand durch— ſchnittlich 1,5—2 Lot Gold. Mehrere Goldgräber haben in 1—1,5 Jahren die Felder mit einem hübſchen Quantum Gold verlaſſen; die große Maſſe bringt aber nichts vor ſich, da alles zum Lebensunterhalt verbraucht wird; zu— gleich iſt der Wert des Goldes bedeutend gefallen. Die ruſſiſche Regierung ließ anfangs das Gold zum Preiſe von 3 Rbl. 40 Kop. pro 0,33 Lot aufkaufen; wegen der vielen verübten Unterſchleife ſtand ſie aber ſchließlich davon ab und überließ den Ankauf desſelben den Proviantlieferanten, die anfangs 3 Rbl., ſpäter nur mehr 2 Rbl. pro 0,33 Lot bezahlten, infolgedeſſen verließen eine große Anzahl von Goldſuchern die neuen Felder und gegenwärtig ſoll die Zahl derſelben wieder bis auf 3000 geſunken fein. Ob die Amur— goldfelder dieſelbe Bedeutung erlangen werden, wie jene in der ſüdafrikaniſchen Republik, läßt ſich vorerſt nicht abſehen, da Berichte über dieſelben bis jetzt zu ſpärlich einlaufen. Entſtehung der Arten durch Hybridation. Don Dr. R. Keller in Winterthur. Die im Januarhaft erwähnte Thatſache, daß der Baſtard zwiſchen zwei Orchideenarten einer neuen Art gleichkommt, findet, wie vor allem die einläßlichen Unterſuchungen Fockes an den Brombeerarten ?), Chriſts an Roſen!), Nägelis und Peters an Habichtskräutern!« ), Zimmeters an Fingerkräutern +) 2c. lehren, namentlich in formenreichen Gattungen ihr Seitenſtück. Nicht nur vom Standpunkt des Fachmanns aus, ſondern auch unter all— gemeineren Geſichtspunkten ſind dieſe Erſcheinungen von Intereſſe. Lehren ſie uns doch, daß nicht nur die Ausleſe im Kampf ums Daſein oder die Iſolierung ꝛc., ſondern auch die Baſtardierung der Organismen zur Entſtehung der Arten führen kann. Nach Focke iſt die norwegiſche Brombeere Rubus pruinosus Arrh. und der pommerſche R. maximus Mar. „von manchen abgeänderten Abkömmlingen des Ba- ſtardes zwiſchen Krätzelbeere und Himbeere (R. caesius && R. idaeus) nicht zu unterſcheiden. Die fehlende oder be- ſchränkte Fruchtbarkeit faßt man gewöhnlich als ein weſent⸗ lichſtes Merkmal der Baſtardnatur auf. Nach Fockes Schätzung ijt von 100 000 Carpellen des R. caesius < idaeus nur eines entwickelungsfähig. In anderen Fällen ) Focke: Ueber volymorphe Formenkreiſe in Bot. Jahrb. f. Syſte⸗ matik, Pflgeſch. u. Pflgeogr. von Engler, Bd. V. ) Chriſt: Allgemeine Ergebniſſe aus der ſyſtematiſchen Arbeit am Genus Rosa in Bot. Centralblatt, Bd. XVIII. ***) Peter: Ueber ſpontane und künſtliche Gartenbaſtarde der Gattung Hieracium, Sect. Piloselloidea in Englers Bot. Jahrb. Bd. Wu. VI. +) Zimmeter, Die europäiſchen Arten der Gattung Potentilla. und, wie die Beobachtung lehrt, in gewiſſer Abhängigkeit zum Standort, iſt die Fruchtbarkeit der Baſtarde eine ziemlich gute (3. B. R. caesius >< tomentosus, R. tomen- tosus >< vestitus). „Da auch anderweitig beobachtet ijt, daß Abkömmlinge von wenig fruchtbaren Hybriden ge— legentlich wieder völlig fruchtbar werden können, da ferner R. maximus >< R. pruinosus durch halb fruchtbare ähn— liche Pflanzen, die hie und da in vereinzelten Exemplaren vorkommen, unabgrenzbar in den gewöhnlichen Bajtard übergehen, ſo kann man ſich ſchwer der Schlußfolgerung entziehen, daß die genannten beiden fruchtbaren Lokalraſſen Abkömmlinge von R. caesius >< idaeus find.” Einen analogen Urſprung dürfte R. fissus >< suberectus haben. Den künſtlichen Baſtard zwiſchen R. bifrons & R. gra- tus, den Focke erzeugte, „würde ich,“ um des Autors eigene Worte ſprechen zu laſſen, „für eine Abänderung des weit verbreiteten R. villicaulis gehalten haben“. Die Samen des wenig fruchtbaren R. tomentosus >< vesti- tus erzeugten eine völlig fruchtbare Pflanze, welche nicht mehr ſicher von dem wild wachſenden R. macrophyllus hypoleucus unterſchieden werden konnte. Chriſt, dieſer hervorragendſte Kenner der europäiſchen Roſen, betont zwar die weſentlichen Unterſchiede zwiſchen einem Roſenbaſtard und einer Zwiſchenform, einem gene- tiſchen Bindeglied zweier Arten. Dort iſt die Miſchung eine unvollſtändige, ſie macht den Eindruck einer Juxta⸗ poſition, nicht einer Ausgleichung und Durchdringung der Eigenſchaften der Eltern. Und dennoch macht auch Chriſt eine Reihe von Fällen namhaft, wo die Entſtehung der 102 Humboldt. — März 1887. Art auf eine Baſtardierung zurückgeführt werden muß. Rosa trachyphylla Raw gleicht in jo hohem Grade der R. gallica =< R. canina, „daß Ungeübtere beſtändig bald eine trachyphylla für den Baſtard nehmen oder den Baſtard als R. trachyphylla beſtimmen und es äußerſt ſchwer iſt, dieſen Irrtum zu berichtigen und dem Sammler ad oculos zu demonſtrieren“. Und doch kann ſie nicht als Baſtard gelten. Wie andere „gute“ Arten aus der Gattung hat fie ihren Varietätenkreis, iſt fie über ein weites Areal ausgedehnt, das jedoch gar nicht mit dem Areal der R. gallica zuſammenfällt. So ſind wir nicht nur berechtigt, ſondern genötigt, anzunehmen, „es ſei eben R. trachyphylla eine durch fortwährende Fortpflanzung des einmal zu⸗ ſtande gekommenen Baſtardes entſtandene, in ihren Merk⸗ malen ſtabil gewordene Raſſe, der wir den Artbegriff nicht mehr verſagen können, obſchon genetiſch die Art ſich zurückführt auf einen Baſtard zweier anderer Arten“. Die Freunde unſerer alten Gartenſorten, der Centifolie und der weißen Roſe, wird es intereſſieren, zu vernehmen, daß ſie nach Chriſts Anſicht ebenfalls hybriden Urſprungs ſind trotz der Stabilität ihrer Merkmale. Rosa centifolia L. iſt danach der Abkömmling des Baſtardes zwiſchen zwei Varietäten der R. gallica (R. g. var. provincialis Ait. >< R. g. var. elata Chr.). Die weiße Gartenroſe ſtimmt mit einem von Herrn Prof. Hausknecht gefundenen Baſtard zwiſchen R. gallica und R. corrifolia Fir. in jo hohem Grade überein, daß man ſich der Annahme eines gene⸗ tiſchen Zuſammenhangs nicht entſchlagen kann. Zu ganz ähnlichen Reſultaten führen die einläßlichen Studien der Habichtskräuter. Nägeli und mit ihm Peter unterſcheiden zwar ſcharf zwiſchen Baſtard und Zwiſchenform. Und doch können auch ſie ſich der Annahme der Entſtehung von Arten durch Baſtardierung nicht erwehren. So iſt der künſtliche Baſtard Hieracium flagellare >< H. subcymi- gerum von gewiſſen Varietäten der Art H. montanum kaum zu unterſcheiden. Hieracium scorzonerifolium Vill. eine Art der Kalkfelſen des Jura und der weſtlichen Alpen gleicht genau einem Baſtard zwiſchen H. villosum L. & H. glaucum All. Letztere Art aber fehlt den weſt⸗ lichen Alpen. Was iſt alſo bei der Identität des Baſtardes mit jener Art natürlicher als die Annahme des hybriden Urſprungs letzterer? Sie iſt der durch eine gewiſſe Be⸗ ſtändigkeit, durch vermehrte Fruchtbarkeit zur Art gewordene Baſtard, der ſich deshalb vom Verbreitungsgebiet ſeiner Eltern unabhängig machen konnte. Ein ſeltener Baſtard zwiſchen Hieracium Intybaceum Wulf. >< H. ochroleu- cum Schl. iſt von H. Lantoscanum Burnat et Gr., einer häufigen Hieraciumart der Seealpen, nicht zu unterſcheiden. Aehnlichen Verhältniſſen begegnen wir bei den Finger⸗ kräutern. Chriſt weiſt darauf hin, daß die P. splendens Rau von dem künſtlich erzeugten Baſtard zwiſchen P. fragariastum und alba nicht zu unterſcheiden ijt. Daß auch bei anderen Fingerkräutern ein ähnliches Verhältnis beſteht, dafür ſcheinen die Reflexionen Zimmeters bei vielen ſonſt als „gute Arten“ anerkannten Potentillen zu ſprechen. Wenn es z. B. fraglich gemacht wird, ob P. collina Wil. nicht ein Baſtard zwiſchen P. argentea und verna ſei, ſo kann das im hybridogenen Urſprung der Art begründet ſein. Beſonders intereſſant ſcheint uns das Verhältnis zwiſchen P. procumbens Libl. und P. Gremlii imm. zu fein. Erſtere erklärt Gremli *) für eine gute Art. Dafür ſpricht auch ihre weite Verbreitung durch das ganze mittlere Europa. Letztere iſt P. reptans L. >< erecta L. Um Winterthur wird ſie unter den Eltern gefunden. Sie iſt der P. procumbens Licht. „ſehr ähnlich“, fo daß es nach unſerer eigenen Erfahrung eines gut geübten Auges bedarf, ſie zu unterſcheiden. Wenn wir nun bedenken, daß um Winterthur P. procumbens an gleichen Standorten mit P. Gremlii Zimm. fic findet (Hans Siegfried), jo ſcheint uns die Vermutung ſehr nahe zu liegen, daß die große Aehnlichkeit eben in der Uebereinſtimmung des Ur⸗ ſprungs ihre Urſache hat, daß die P. procumbens der zur Art gewordene Baſtard iſt. Zum Schluſſe erwähnen wir noch eines intereſſanten Verhältniſſes. Die Küchenſchelle (Anemone Pulsatilla), dieſer liebliche Bote des Frühlings, iſt wohl auch hybrido⸗ genen Urſprungs. Wenigſtens iſt ſie von einem Baſtard zwiſchen Anemone pratensis und A. patens L., der in Schleſien vorkommt, nicht zu unterſcheiden. Gewiß ließe eine einläßlichere Vergleichung der Ba⸗ ſtarde mit bekannten Arten, eine Vergleichung namentlich der künſtlichen Baſtarde mit natürlichen Species der That⸗ ſache, daß der Baſtard den Wert einer Art erwerben kann, eine noch viel breitere Grundlage geben. Aber auch unſere gedrängte Darſtellung ſcheint uns den Schluß zu recht⸗ fertigen, daß im Pflanzenreich dem hybridogenen Urſprung der Arten eine hohe Bedeutung zu⸗ kommt. f *) Gremli: Exkurſionsflora für die Schweiz. Weitere Anterſuchungen über den breiten Bandwurm. Von Staatsrat Prof. Dr. M. Braun in Roſtock. Mit Rückſicht auf meine Mitteilungen im September⸗ heft 1883 des „Humboldt“ und auf die Notiz „Neuere Beobachtungen über den breiten Bandwurm“ im Januar⸗ heft 1887 ſei über einige weitere Experimente an dieſer Stelle kurz referiert, welche geeignet ſind, die bisher über die Entwickelungsgeſchichte dieſes auch über Europa hinaus vorkommenden Wurmes bekannt gewordenen An⸗ ſchauungen zu ſtützen. Wie aus dem erſten der beregten Artikel hervorgeht, lebt die Finne des breiten Bandwurmes im Hecht (Esox lucius) und in der Quappe (Lota vul- garis) und entwickelt fic), lebensfähig in den Darm geeig⸗ neter Säugetiere oder des Menſchen gebracht, zum geſchlechts⸗ reifen Bandwurm. Dieſe Angaben beziehen ſich allein auf die Oſtſeeprovinzen, für andere Orte war ausdrücklich die Humboldt. — März 1887. 103 Möglichkeit des Vorkommens der entſprechenden Finnen in anderen Fiſchen hingeſtellt worden und was im Januar— heft 1887 darüber mitgeteilt wird, beſtätigt dieſe Vermutung vollkommen: nicht nur hat E. Barona*) in Norditalien die Finnen im Hecht, ſondern auch im Barſch (Perca fluviatilis) und Ijima in zwei Salmoniden Japans ge- funden. Mit letzterem wird nicht etwa eine neuerdings von Küchenmeiſter in Dresden des öfteren kundgegebene, aber grundloſe Behauptung, daß der Menſch ſich durch den Genuß von Salmen den breiten Bandwurm hole, be— gründet, denn die beiden Salmoniden Japans kommen in Europa nicht vor und weder Küchenmeiſter noch ein anderer Autor hat Bothriocephalenfinnen im Salm Europas geſehen. Parona gibt nun eine genaue Beſchreibung der Finnen aus dem Hecht und Barſch, welche die Identität derſelben mit den baltiſchen ſicherſtellt; letztere haben dem Autor zum Vergleich auch vorgelegen. Die Identität wird aber auch weiterhin durch gelungene Fütterungsverſuche bewieſen, über die der Verfaſſer (J. c.) berichtet. Es find vier Cr- perimente mit Finnen aus dem Barſch (Perca fluviatilis) und einer mit Finnen aus dem Hecht (Esox lucius), alle aus oberitalieniſchen Seen ſtammend, gemacht worden, davon vier an Hunden und einer am Menſchen. Alle fünf Verſuche haben ein poſitives Reſultat ergeben, wie folgende Tabelle zeigt: wenn man die Anweſenheit der Paraſiten auf Rechnung der ſtattgehabten Fütterung mit Bothriocephalenfinnen ſetzt. Ohne Zweifel holt ſich demnach der Menſch in Norditalien ſeinen breiten Bandwurm durch gelegentlichen Genuß leben— der Finnen aus dem Hecht und dem Barſch, wie in den Oſtſeeprovinzen und dem Gouvernement Petersburg, wo die Finne ebenfalls im Hecht vorkommt, aus dem Hecht und der Quappe. Daß hierzu immer ein Rohgenuß der genannten Fiſche, wie es Küchenmeiſter durchaus will, nötig iſt, iſt entſchieden von der Hand zu weiſen; der Infektionswege gibt es viele, nur einer iſt die da und dort herrſchende Sitte, den Hecht roh zu genießen, d. h. ohne daß er gekocht oder gebraten wurde. Vor kurzem iſt nun noch ein weiteres Experiment am Menſchen gemacht worden, deſſen Reſultat das bis— herige Wiſſen in dieſem Punkte nur beſtätigt: Ferrara aus Catania verſchluckte am 5. Juli 1886, nachdem er ſich überzeugt hatte, nicht an Bothriocephalus zu leiden, drei Finnen aus einem Hecht von Sicilien, eine aus den Muskeln, eine aus der Leber und eine aus der Magen— gegend; am 20. Auguſt wurden in ſeinen Fäces zahlreiche Bothriocephaluseier konſtatiert und eine Abtreibungskur förderte am 30. Auguſt drei Bothriocephalen von 330, 340 reſp. 480 em Länge zu Tage! Leuckart, dem dieſe Würmer vorgelegen haben, erklärt ſie für Bothriocephalus — . . — —— ̃ ͤ ꝛ-Dnꝛ——. —— — . K Z—'—— — | ; ahl der Zahl der a 5 Nummer 1 Aufi ee Both 1 alone ae Zahl ae Bemerkungen | der Finnen Finnen Verſuches cephalen einzelnen Würmer Proglottiden 1 Lago di Lecco 4 33 Tage 4 Nr. 1 290 em über 1200 Jagdhundz; drei Vothriocephalen find vollſtändig, Perca fiuviat. n vom 4. fehlt der Anfangsteil, Endproglottis | | 3 = 210 | vorhanden. | 4 = 140 | II Lago di Ginevra 3 20 Tage 3 Nr. 1 = 71 em über 500 Baſtardhund; alle drei Würmer vollſtändig. P. fluv. 22 . III Lago di Lecco 5, 6 30 Tage 1 65 em. über 600 Jagdhund; der Bothriocephalus latus voll- „ Maggiore ſtändig. P. fluv. | IV Lago Maggiore ar Menſch; am 24. Tage nach der Infektion werden P. fluv. | die gededelten Eier von B.latus in den Fäces | | gefunden. | | V Lago di Ginevra 6 | 18 Tage 6 Nr. 1 = 96 em über 600 Jagdhund; alle ſechs Bothriocephalen vollſtändig. Esox lucius. pee 2 LOL ll „ 3= 103 „ „ 4 = 107 „ | | „ 35 12 | | 5 | { \ Zur Erklärung diejer Verſuche, deren Reſultate mit den von mir angeſtellten gut übereinſtimmen, diene noch, daß der Experimentator ſich jedesmal von dem Freiſein ſeiner Verſuchstiere von Bothriocephalen überzeugt hat, daß nur gut gekochte Speiſen gereicht wurden und daß Bothriocephalus latus in Norditalien recht ſelten iſt. Von Wichtigkeit iſt das Vorhandenſein der Endpro— glottis, was überall außer in Verſuch IV konſtatiert wurde, da es beweiſt, daß die gefundenen Bothriocephalen junge Tiere ſind. Niemand wird widerſprechen können, *) Il Bothriocephalus latus in Lombardia in: Rendic. del R. Istit. Lomb. ser. II, vol. XIX, 1886. | latus Brems., was mit Rückſicht auf eine neuerliche Front: änderung Küchenmeiſters wohl zu beachten ijt. Küchenmeiſter hat nämlich in dem letzten ſeiner Artikel (Deutſche mediz. Wochenſchrift Nr. 32. 1886) behauptet, die in Dorpat beim Menſchen vorkommenden Bothriocephalen ſeien nicht B. latus Brems., ſondern eine andere, noch zu benennende Species. Von allen von Küchenmeiſter angeführten „ſpeeifi⸗ ſchen“ Unterſchieden kann eigentlich nur einer Geltung haben, nämlich der, daß die reifen Glieder der Dorpater Bothrio⸗ cephalen langgeſtreckt, ähnlich wie die Glieder der menſch— lichen großen Tänien ſind; doch iſt auch dieſer hinfällig, weil in Dorpat auch breitgliedrige Bothriocephalen beim Menſchen vorkommen und in der Schweiz langgliederige; 104 Humbolot. — März 1887. nicht ſelten finden ſich breite und lange Glieder bei ein auch bei den Verſuchen der italieniſchen Forſcher ſich heraus⸗ und demſelben Wurm! Aehnlich langgliedrig (tänjoid) ſind ſtellt; ich hatte gefunden, daß an einem Tage ein Längen⸗ nun auch die drei Ferraraſchen Bothriocephalen, doch iſt wachstum von etwa 9 em reſp. 31—32 Proglottiden ſich daraus allein nicht eine andere Species zu begründen. ergibt; die entſprechenden Zahlen ſind bei Verſuch 1 7 cm Bothriocephalus latus iſt eben in ſeinem äußeren Ha⸗ reſp. 36 Proglottiden, bei Verſuch II 5 em reſp. 25 Pro⸗ bitus ziemlich variabel, worauf ſchon mehrere Autoren glottiden, bei Verſuch III allerdings nur 2 em reſp. 20 Pro⸗ aufmerkſam gemacht haben — anatomiſche Unterſchiede glottiden, bei Verſuch V 6 cm reſp. 33 Proglottiden und zwiſchen dieſen lang- und breitgliedrigen Varietäten hat bet dem Verſuch von Ferrara etwa 8 em pro Tag! Wenn aber bis jetzt niemand geſehen! Demnach behalten meine man von Verſuch III abſieht, bei dem man es offenbar Experimente für Bothriocephalus latus volle Gültig⸗ mit einem ſtark kontrahierten Wurm zu thun hat, jo keit, jie ſind durch Verſuche anderer Autoren beſtätigt ſchwanken die Zahlen zwiſchen 5 und 9 em reſp. 25 und worden. 36 Proglottiden; als Durchſchnitt für das tägliche Wachs⸗ Der Beachtung wert iſt nun ferner noch, daß das tum der Hundebothriocephalen würde ſich ergeben 6 em von mir konſtatierte raſche Wachstum des breiten reſp. 24 Proglottiden, für die menſchlichen etwa 8,5 em Bandwurmes, das Küchenmeiſter ebenfalls anzweifelt, mit 31—32 Proglottiden. Jortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Geographie und Koloniſation. Von Dr. W. Kobelt in Schwanheim a. M. Rußland. Noloniſten in Transkaukaſien. Sibirien. Steinkohlen an der Lena. Expedition nach Neuſibirien. Centralajien. Die Usboi⸗Frage. Fortſchreiten der Austrocknung. Potanins Reiſe. Afrika. Spanier und Engländer an der Saharaküſte. Senegambien, Handelsverhältniſſe, die Monteilſche Karte. J. de Brazza am Sekoli. Falkenſtein und Krauſe im Togoland. Hamerun. Die Rio del Rey-frage. Erwerbung von Victoria. Sintgraff. Schwarz. Die Zuſtände am Niger. Flegel k. Congoſtaat. Die neue Waſſerſtraße. Die Serſtörung der Stanley⸗ Falls⸗Station. Neue Expedition. Carvalho beim Muata Jamvo. Cäderitzland. Sorge um Lüderitz. Oftafrifanifche Plantagengeſellſchaft. Grenzregulierung. Wituland. Fiſcher 1. Somaliland. Cecchis Keſultate. Deutſche Erwerbungen. Jühlke . Junkers Rückkehr. Expeditionen zum Entſatz von Emin. Auſtralien. Zuſtände auf Neuholland. Neuguinea. Der Auguſtafluß. Miclucho Maclay. Gold am Huongolf. Scratchleyr r. Forbes. Hager über die Marſhallinſeln. Erwerbung dreier Salomonsinſeln. Amerika. Braſilien. San Feliciano. Oeſterreicher in Peru. Rußland. Die Zahl der deutſchen Koloniſten in | Seen längs dem Südende des Urt⸗Urtplateaus, die aller⸗ Transkaukaſien beläuft ſich nach einer Mitteilung der dings möglicherweiſe bei ganz hohem Stande des Aralſees ruſſiſchen Regierung auf 4931, welche in neun Kolonieen eine Verbindung zwiſchen ihm und dem Kaſpiſee hergeſtellt über 27000 Deßjätinen Land beſitzen; ihre Verhältniſſe haben mag. Wollte man aber den Amu hindurchleiten, ſollen durchaus befriedigend ſein. Die Ruſſifizierungs⸗ fo würden ganz koloſſale Waſſerbauten nötig werden. beſtrebungen veranlaſſen übrigens eine ganze Anzahl deut⸗ Daß die Austrocknung des aralo⸗kaſpiſchen ſcher Anſiedler, Rußland zu verlaſſen; manche von ihnen Beckens mit unheimlicher Geſchwindigkeit vorangeht, beabſichtigen, ſich in den deutſch⸗polniſchen Provinzen nieder- kann nach den Forſchungen von Venukoff (in Revue géogr. zulaſſen. Intereſſante Angaben über die transkaukaſiſchen | Parts 1886, S. 81) keinem Zweifel unterliegen; der Koloniſten nach Mitteilungen von Nikiforow bringt aus⸗Aralſee wird immer kleiner, auch das Kaſpiſche Meer nimmt zugsweiſe die Kolonial⸗Zeitung (1887, S. 56). merklich ab, kleinere Seen ſind verſchwunden oder auf ein Sibirien. Am unteren Laufe der Lena find Stein⸗ | paar Lachen reduziert. Venukoff rät, das Kaſpiſche Meer kohlen entdeckt worden, ein großer Fortſchritt für die Ein- mit dem Schwarzen zu verbinden, einſtweilen aber den bürgerung der Dampfſchiffahrt auf dem Fluſſe. Die Gye Don in die Wolga zu leiten. pedition unter Bunge und Toll zur Erforſchung der neu⸗ Potanin it von ſeiner zweijährigen Forſchungsreiſe ſibiriſchen Inſelgruppe it mit vollſtändigem Erfolg in der ſüdlichen Mongolei glücklich zurückgekehrt. durchgeführt worden und hat alle fünf Inſeln genauer Saharaküſte. Die von Rio de Oro nach Adrar Uunterſucht. abgegangene ſpaniſche Forſchungsexpedition unter Cervera Gentral-Ajien. Die Usboi-Frage iſt durch die iſt in ſehr deſolatem Zuſtand wieder an der Küſte ange⸗ Forſchungen von Konſchin erledigt; ein zuſammenhängen⸗ langt, völlig ausgeplündert. Sie erklärt Adrar für einen des Flußbett exiſtiert nicht, es iſt zwiſchen Bala⸗Iſchem durch nichts ausgezeichneten und nur von einigen bettel⸗ und dem See Sſari Kamyſch eine Unterbrechung von 210 armen Nomadenſtämmen bewohnten Teil der Sahara, hat Werſt vorhanden; die beobachteten Einſenkungen ſind Reſte alſo allem Anſchein nach die Oaſe gar nicht erreicht. Ob eines jetzt zum Sſari Kamyſch zuſammengeſchrumpften die Verhandlungen mit den Eingeborenen Nutzen haben Meeres. Bis zu dieſem See iſt an Kunja Darja ein Arm werden, wie Cervera hofft, bleibt abzuwarten. Die Be⸗ des Amu nachweisbar, aber nicht weiter; die Anſchwem⸗ richte der Reiſenden ſtimmen ſchlecht mit den aus anderen mungen haben den See vom Aralſee getrennt, der Usboi Quellen eingegangenen. ſelbſt war kein Flußbett, ſondern wohl nur eine Kette von Auch Mackenzie, der Begründer der engliſchen Fak⸗ Humboldt. — März 1887. torei am Kap Juby und Erfinder des berühmten Planes zur Ueberſchwemmung der weſtlichen Sahara, hat Adrar durch einen Beamten beſuchen laſſen, um den Handel nach ſeinem Poſten, der jetzt durch ein Fort geſchützt iſt, zu lenken. Franzöſiſches Weſtafrika. In dem an Frank⸗ reich abgetretenen Dubrekagebiet geht die Collinſche Geſell— ſchaft jetzt mit der Einrichtung von Plantagen vor. Die Handelszuſtände im eigentlichen Senegambien werden als ſehr wenig erfreulich geſchildert, da die Erd— nüſſe infolge der indiſchen Konkurrenz ſo im Preiſe ge— ſunken ſind, daß ihr Anbau nicht mehr lohnt. Das franzöſiſche Marineminiſterium hat eine von Monteil bearbeitete Karte von Senegambien im Mafftab von 1: 750 000 herausgegeben, welche von 16 ¼ ° bis 9½ “ nördl. Br. und landein bis Sanſandig reicht und die meiſten neueren Routiers enthält. Jacques de Brazza hat ſeinen Plan, nach dem Benus⸗ gebiet vorzudringen, aufgeben müſſen; er mußte in Iluku unter 2° 30“ nördl. Br. umkehren, benutzte aber die Ge— legenheit, den ſchiffbaren Sekoli zu erforſchen, welcher an— fangs öſtlich fließt, ſich dann aber nach Süden wendet und ſchließlich ungefähr der früheren Station Lukokola gegen- über in den Congo mündet. Da er zwiſchen Licona und Ubangi liegt, kann der erſtere kein Nebenfluß des letzteren ſein, was für die Grenzbeſtimmung des Congoſtaates wichtig iſt. Togoland. Reichskommiſſär Falkenſtein iſt über Agueme nach Agotime gelangt und hat dort Handelsver— bindungen angeknüpft. G. A. Krauſe verſucht von Salaga im Voltagebiet aus in das Hinterland von Togo vorzu— dringen. Kamerun. Die neuen Forſchungen haben bekannt— lich ergeben, daß der Rio del Rey aus dem Herzen des deutſchen Gebietes herauskommt und ſomit Deutſchland bei Aufrechterhaltung des Vertrages vom April 1885 ſchwer benachteiligt ſein würde. Durch eine neue Uebereinkunft vom 2. Auguſt 1886 wird dieſe Grenze nun durch eine Linie beſtimmt, welche vom linken Ufer des Alt-Calabar in diagonaler Richtung bis zum Benus öſtlich von Jola verläuft. Der ſchiffbare untere Benue bleibt ſomit ganz in den Händen Englands. Dagegen ijt die Baptiſtenmiſſion zu Victoria defi- nitiv in die Hände der Basler Miſſion übergegangen und wird die Oberhoheit über ihr Gebiet wohl auch bald an Deutſchland abgetreten werden. Der Erwerb dieſer En— klave iſt des Hafens wegen wichtig. — Die Erforſchung der Kolonie wird wahrſcheinlich bald ein raſcheres Tempo annehmen, da der eigens für die dortigen Flüſſe erbaute Dampfer „Nachtigal“ glücklich angekommen iſt. Dr. Zint⸗ graff, der Begleiter Chavannes, iſt von der Regierung für Forſchungsreiſen in Kamerun gewonnen worden. Der Grundſtein für das Gouvernementsgebäude iſt gelegt. Leider iſt bereits der Sekretär Bertram dem Klima er⸗ legen. An dem verderblichen Klima ändern die Tiraden des Herrn Schwarz von der Sphinx, die zur guten Fee, der böſen Sieben, die zur guten Hausfrau gemacht wer- den müſſe, nicht das geringſte; ſeine Vorſchläge, durch Ausräumung der Flußmündungen, Ausfüllen der Sümpfe u. dergl. das Klima zu beſſern, von deſſen Fiebergefährlich— Humboldt 1887. 105 keit ſein eigener Reiſebericht nicht genug ſagen kann, hat wohl niemand ernſthaft genommen. Nigergebiet. Flegel iſt leider dem Klima erlegen und durch den Vertrag zwiſchen Deutſchland und England iſt ſein Lebenszweck, die Gewinnung Adamauas für den deutſchen Handel für immer vereitelt. Die National African Company, welche durch den Reiſenden Thomſon dem Deutſchen zuvorgekommen war, will von den Sultanen von Sokoto und Gando das Handelsmonopol in ihren Staaten und das Eigentumsrecht der Ufer des Niger und Benue in einer Breite von 20 Miles erworben haben, was der letzte Brief Flegels freilich für Schwindel erklärt. Am oberen Niger haben die Franzoſen ein kleines Kanonenboot flott gemacht und damit während des Hoch— waſſers im September und Oktober den Flußlauf bis nach Diafarabeh hinab aufgenommen und die Toucouleurs aus Ngamina vertrieben. Die früher bedeutende Handelsſtadt Sanſandig wurde nur als ein Trümmerhaufen vorgefunden. Congoſtaat. Die am Ende des vorigen Berichtes kurz erwähnte Entdeckung eines neuen Waſſerweges im Congoſtaat bezieht ſich darauf, daß Lieutenant Wolff mit einem Dampfer den Kaſſai, den Sankuru und ſchließlich den Lubilaſch hinaufgefahren iſt, ohne auf eine Ent— fernung von über 1800 km ein Hindernis zu finden. Die Stanley-Falle find dadurch umgangen und man kann ſich Nyangwe jederzeit bis auf wenige Tagemärſche mit Dam— pfern nähern. Die Tragweite dieſer Entdeckung iſt gar nicht zu überſchätzen. Die Faktoreien am Pool beginnen nach und nach einigen Handel an ſich zu ziehen, aber die Verbindung mit der Küſte wird immer mühſamer, da die Straße infolge der Plackereien der von dem Staat als Soldaten angeworbenen Hauſſas völlig verödet. Die Cijen- bahnangelegenheit kommt nicht aus dem Stadium der Vor- ſtudien heraus. Im ganzen hat der Handel am unteren Congo infolge der Einführung von Ausfuhrzöllen und be— ſonders der chikanöſen Erhebung derſelben entſchieden ab— genommen. An den Stanley-Fallen iſt es zu einem Konflikt mit den Leuten Tippo Tips gekommen und die Station von den Arabern zerſtört worden, wobei einer der europäiſchen Offiziere umkam. Eine Züchtigungsexpedition ſoll hinge— ſandt werden; da ſie unter Stanleys Kommando ſtehen ſoll, wird die Sache wahrſcheinlich ohne Blutvergießen ge— ſchlichtet werden, und eine Verſöhnung mit dem großen Sklavenjäger erfolgen, welche es Stanley ermöglichen wird, den Aruwimini hinauf zu gehen und Emin Paſcha zu ent- ſetzen, reſp. zu verproviantieren. Daß der Aruwimini der Unterlauf des Welle iſt, kann nach Junkers Mitteilungen nicht mehr zweifelhaft ſein. Angola. Portugal ſetzt ſeine Anſtrengungen, die verlorene Stellung im ſüdlichen Afrika wieder zu ge— winnen, fort. Eine Geſandtſchaft unter Major de Carvalho hat mit dem Muata-Jamvo einen Vertrag geſchloſſen, welcher das Lundareich unter portugieſiſchen Schutz ſtellt und Portugal das Recht gibt, einen Reſidenten in der Hauptſtadt zu unterhalten. Lüderitzland. Der im Auguſtheft von Petermanns Mitteilungen enthaltene Bericht der Pohleſchen Forſchungs— expedition über Lüderitzland beſtätigt vollinhaltlich das un- günſtige Urteil des Reichskommiſſärs Dr. Goering. Auch 14 106 die Mündung des Orangefluſſes wurde als verſandet und durch die Brandung abſolut unzugänglich gefunden und bezüglich abbauwürdiger Erzvorkommen war das Reſultat ein völlig negatives. Das von Maherero beanſpruchte Kaokofeld iſt nun zwar der ſüdweſtafrikaniſchen Kolonial⸗ geſellſchaft zugeſprochen worden, und ſie iſt die unbeſtrittene Herrin des ganzen Küſtenſtriches vom Orangefluß bis zur portugieſiſchen Grenze, aber es bleibt abzuwarten, ob Ka⸗ pitaliſten und Aktiengeſellſchaften ſich beeilen werden, die ge⸗ werblichen Anlagen zu machen, zu denen ihnen die Geſellſchaft Grund und Boden „zu coulanten Bedingungen“ abtreten will. Lüderitz hat eine Forſchungsreiſe den Orange River hinab angetreten und dem Vernehmen nach von der Mün⸗ dung nach Angra Pequena mit einem kleinen Boote fahren wollen; er iſt aber daſelbſt nicht angekommen und man hegt ernſte Beſorgniſſe für ſein Leben. Oſtafrika. Der erſte Schritt zur Nutzbarmachung des von der deutſchen oſtafrikaniſchen Geſellſchaft erwor⸗ benen Gebietes iſt erfolgt mit der Gründung einer „deutſch⸗ oſtafrikaniſchen Plantagen⸗Geſellſchaft“, welche mit einem Kapital von 2 Millionen Mark den Tabaksbau in großem Maßſtab betreiben will. Die Leitung ſoll er⸗ fahrenen deutſchen Tabakbauern aus Sumatra übergeben werden, die Arbeit vorläufig durch dort angeworbene Kulis beſorgt werden. Die neue Geſellſchaft hat ein Areal von 25 000 ha übernommen. Bedenklich iſt dabei nur, daß der oſtafrikaniſche Tabak eines ſehr verdächtigen Rufes genießt und auch Verſuche mit Havannaſamen, die auf der Inſel Sanſibar gemacht wurden, kein brauchbares Blatt geliefert haben ſollen. Die Grenzregulierungskommiſſion hat zu einem defi⸗ nitiven Reſultat in Afrika nicht kommen können, da ſich vielfach herausgeſtellt hat, daß Sayd Bargaſch und ſein Ratgeber Generalkonſul Kirk fraudulent gehandelt haben. Eine Anzahl drohender Schreiben, in welchen die von Sanſibar beanſpruchten Küſtenſtämme erſt aufgefordert wurden, ſich dem Sultan zu unterwerfen, ſind durch Herrn Denhardt in die Hände der deutſchen Kommiſſäre gelangt. Die endgültige Entſcheidung wird darum in einer Sitzung in Europa erfolgen. Allem Anſchein nach ſuchen Somali wie Suaheli bei Deutſchland Schutz gegen Sayd Bargaſch, der ſich darauf beſchränkt, in den Häfen kleine Garniſonen zu halten und Zölle zu erheben, ohne das geringſte für das Land zu thun; bei vorſichtiger und gerechter Behand⸗ lung wären ſie wahrſcheinlich für Deutſchland zu gewinnen. Man darf nur nicht daran denken wollen, die freiheits⸗ ſtolzen, tapferen und an keine Autorität gewöhnten So⸗ malis förmlich unterwerfen zu wollen. Nach einer Zuſammenſtellung im „Ausland“ ſind bis jetzt folgende Länder erworben worden: Das Gebiet des Wami, alſo Uſagura, Nguro, Uſeguha und Ukemi (durch kaiſerlichen Schutzbrief anerkannt); Khutu ſüdlich davon, das ganze Gebiet der Kilimandſchoro und der Raum zwiſchen Pagani und Tana; das Somaliland vom Kap Guardafui bis nach Mogadoxo; Uſarano ſüdlich von Bagomoyo; Uhehe an den Quellen des Rufidſchi; endlich der ganze Raum zwiſchen der Küſte und dem Njaſſa und zwiſchen Rovuma und Rufidſchi. Mit Wituland und dem Gebiet an der Mündung des Wubuſchi ſind das über 1 Million Quadratkilometer, dreimal die Größe von Preußen. Humboldt. — März 1887. Die definitive Abmachung mit England überläßt das ganze Küſtenland in einer Breite von 10 Seemeilen dem Sultan von Sanſibar; doch kann die oſtafrikaniſche Com⸗ pagnie die Douanen von Panjani und Dar⸗es-Salaam pachten und hat ſomit freien Eingang zu ihrem Gebiet. Den Raum zwiſchen Wanga und Tana mit Mombas und dem Zugang zu dem Gebiet nördlich vom Kilimandſchoro und den Seen hat ſich England vorbehalten. Wituland. Das von dem Kolonialverein erworbene Gebiet in Witu iſt durch ſeine Lage an der Mündung des Tana und ſein relativ geſundes Klima jedenfalls wert⸗ voller, als der größere Teil der Erwerbungen der oſt⸗ afrikaniſchen Geſellſchaft. Da die Mandabucht einen guten und vollkommen ſicheren Hafen beſitzt, wird es nicht ſchwer fallen, den Handel von der von Sanſibar beſetzten Inſel Lamu nach einer neu zu begründenden Anſiedelung auf deutſchem Gebiet abzulenken. Man darf übrigens nicht vergeſſen, daß die Hauptaufgabe iſt, dieſen Handel erſt noch zu entwickeln und daß es dazu unbedingt nötig iſt, die friedlichen Suaheli vor ihren räuberiſchen Nachbarn, Gallas wie Somalis, zu ſchützen. So ganz leicht iſt das nicht, doch hat der Eigentümer von Witu den großen Vor⸗ teil, daß er ſich auf den Sultan von Witu ſtützen kann, der mit europäiſcher Hilfe wohl ſchon ſeinen Einfluß weit hinauf am Tana geltend machen kann. Berichte ſowohl des Baumeiſters Hörnecke, ſowie der Offiziere des „Gneiſenau“ ſchildern das Land recht günſtig und äußern ſich auch über die Schiffbarkeit des Tang und die Möglichkeit, von ihm und dem durch einen Kanal mit ihm verbundenen Ozi aus das Land in größerer Aus⸗ dehnung zu bewäſſern, in ſehr günſtiger Weiſe. Für Be⸗ wäſſerung wie für Flußſchiffahrt ſind ſchon ſehr beachtens⸗ werte Anfänge da, die nur der Pflege und Weiterentwicke⸗ lung harren. Die oſtafrikaniſche Geſellſchaft hat den Hafen Port Durnford an der Mündung des Wubuſchi erworben, wodurch das deutſche Gebiet nach dieſer Richtung hin ab⸗ gerundet wird. G. O. Fiſcher, der weit am meiſten zur Erforſchung der nun deutſch gewordenen Länder beigetragen hat, it leider einem Rückfall des Gallenfiebers, das er ſich bei ſeiner letzten Reiſe zugezogen, in Berlin erlegen. Somaliland. Die Italiener haben ſich durch das Schickſal des Grafen Porro nicht abſchrecken laſſen; die neapolitaniſche afrikaniſche Geſellſchaft hat eine neue Ex⸗ pedition ausgerüſtet, welche unter Leitung der Herren Graf Salimbeni und Savoiroux nach Abeſſynien vor⸗ dringen und Handelsverbindungen anzuknüpfen verſuchen ſoll; ſie hat Neapel am 23. September auf dem Dampfer „Archimedes“ verlaſſen. Die Reſultate Ceechis, welche gegenwärtig in dem Boll. Soe. Geogr. italiano und in einem eigenen Werke (De Zeila alle frontiere del Caffa. Rom, Löscher, 2 vols) veröffentlicht werden, ſtellen für das Innere beſſere Zeiten in Ausſicht, da der König von Schoa einen Teil der Klein⸗ fürſten der Gallas unterworfen und die anderen ent⸗ ſprechend eingeſchüchtert hat. Nur die Danakil und die Somali im Küſtengebiet ſind noch unbezwungen und ſperren den Verkehr. Nach Cecchi iſt der Onto der Oberlauf des Dſchub und gehört auc) der Waira zu demſelben Syſtem, Humboldt. — März 1887. 107 Seen eee e d TT. r während ihn Paulitſchke zum Webi rechnet, der Dideſa mündet direkt in den blauen Nil, der Baro bildet einen der Hauptquellflüſſe des Sobat. Außerdem verſucht der Marquis Benzoni mit zwei Offizieren und einem Ingenieur von Aſſab aus nach Harrar zu gelangen. Das ganze Gebiet von Kap Guardafui bis nach Mo⸗ gadoxo iſt durch die Herren Hörnecke und Anderſen unter deutſches Protektorat geſtellt worden; wer an dieſer Küſte Autorität genug beſitzt, um einen ſolchen Vertrag rechts⸗ gültig abzuſchließen, wird nicht geſagt; ins Innere des Landes hinein erſtreckt ſich das Protektorat jedenfalls nicht und die wichtigeren Seeſtädte beſitzt Seyd Bargoſch. Dr. Jühlke, der eifrigſte Agent der oſtafrikaniſchen Geſellſchaft, iſt von den Somalis erſchlagen worden, eine trübe Illuſtration zu ſeinen „Erwerbungen“. Auch die Mannſchaft eines franzöſiſchen Schiffes iſt nördlich von Kap Guardafui umgebracht worden und die franzöſiſche Regierung wird ſich dem Verſuch einer Beſtrafung der Somalis nicht lange mehr entziehen können. Die Nachrichten über Emin Bey — der mittlerweile Paſcha geworden — welche der glücklich in Aegypten an⸗ gekommene Junker mitgebracht, haben glücklicherweiſe das Intereſſe für unſeren auf ſeinem verlorenen Poſten treu⸗ lich aushaltenden Landsmann geweckt, und außer der oben erwähnten Stanleyſchen Expedition den Congo hinauf wird eine andere unter Thomſons Führung durch das Maſſailand ſein Gebiet zu erreichen ſuchen. Auſtralien. Die Nachrichten ſowohl aus Süd— auſtralien wie aus Queensland lauten fortwährend un⸗ günſtig und laſſen eine Auswanderung dorthin ſehr un— rätlich erſcheinen. Die Kolonien haben ſich mit ſchweren Schulden beladen und leiden unter dem Rückgang der Preiſe für alle Produkte noch mehr wie Europa. Weijt- auſtralien ſcheint ſich dagegen infolge der Entdeckung von Goldfeldern im Kimberleydiſtrikt gut zu entwickeln. Neu-Guinea. Die wichtigſte Entdeckung auf der Inſel iſt die Erforſchung des an der Nordküſte bei Kap de la Torre mündenden Kaiſerin Auguſtafluſſes, der bis beinahe zur Grenze des deutſchen Gebietes ſchiffbar iſt und für die Koloniſation von großer Wichtigkeit werden kann. Die Station am Friedrich Wilhelms Hafen iſt wegen Mangel an Trinkwaſſer aufgegeben worden, dagegen wurden zwei neue Stationen am Hatzfeldt Hafen und am Konſtantin Hafen errichtet. Am Huongolf iſt Gold gefunden worden. Bis jetzt hat die Geſellſchaft noch keinen ihrer Beamten durch den Tod verloren, doch hat der Landeshauptmann v. Schleinitz ſich veranlaßt geſehen, ſeine Familie nach den Inſeln zu ſchicken. — Die Drohungen Miclucho-Maclay's der die Souveränetät über einen Teil des deutſchen Ge- bietes beanſprucht, werden in Deutſchland wohl von nie— mand ernſthaft genommen. England iſt weniger glücklich geweſen. Der erſte Gouverneur, Sir Peter Seratchley, iſt bald dem Fieber erlegen und Forbes hat, nachdem er nur zwei Tagereiſen ins Innere vorgedrungen und dort eine Zeitlang geſam— melt, aus Mangel an Mitteln wieder umkehren müſſen, er iſt einſtweilen in die Dienſte der Regierung von Queens- land getreten. Micronejien. Hager (Die Marſhall-Inſeln in Erd⸗ und Völkerkunde, Handel und Miſſion; mit einem Anhang: Die Gilbert⸗Inſeln. Leipzig 1886. 8° 157 S. mit Karte) gibt eine ſehr hübſch geſchriebene Schilderung der Marſhall— und Gilbert⸗Inſeln, welche aber, nur auf litterariſchen Studien beruhend, nichts Neues von Bedeutung bringt. Melaneſien. Von dem in das deutſche Schutz gebiet fallenden Teil der Salomons-Inſeln ſind die drei Hauptinſeln Choiſeul, Bougainville und Iſabel nun definitiv von der Reichsregierung übernommen und der Neuguinea-Compagnie überwieſen worden. Braſilien. Der als Experte nach San Feliciano entſandte Soyaux hat die Verhältniſſe dort ſehr günſtig, den Boden fruchtbar, beſonders für Tabak- und Weinbau ausgezeichnet gefunden. Eine Anzahl Anſiedler aus der älteren Kolonie S. Lourengo hat bereits um die Ueber— laſſung von Loſen nachgeſucht. Die Schiffbarmachung des Camaguan bis zu dem der Kolonie am nächſten gelegenen Punkt erfordert ganz unbedeutende Koſten, da derſelbe in der trockenſten Jahreszeit für Schiffe bis zu 66 em Tiefgang ſchiffbar iſt. Peru. Nach einem Briefe von R. Payer an den Redakteur von Petermanns Mitteilungen exiſtiert die vor cirka 25 Jahren angelegte deutſch⸗öſterreichiſche Kolonie Pozuſe im Gebiete des oberen Ucayalt noch und hat ſich rein erhalten, aber die Leute ſind, da die Regierung nicht im geringſten für Kommunikationen geſorgt hat, ganz auf ihre eigenen Produkte angewieſen und in ziemlich traurigen Verhältniſſen. Die Not hat viele von ihnen in die Kautſchukgegenden am Ucayali getrieben, aber dort erliegen ſie raſch dem Klima. Zoologie Don Prof. Dr. W. Marſhall in Leipzig. Verwandtſchaft der Radertiere. Segmentalorgane bei Inſekten. Chylusgefäßſyſtem der Ringelwiirmer. Ein neuer paraſitiſcher Haarwurm in mäckenlarven. Ueber die Geſchlechtsverhältniſſe und Urſachen der Geſchlechtsbildung bei Haustieren. Wenig Tiere haben eine fo bewegte ſyſtematiſche Vergangenheit wie die Rädertiere. Von den älteren Forſchern entſchuldbarerweiſe zu den Infuſorien geſtellt, wurden ſie von Burmeiſter, Dana und vor allen Dingen von ihrem hervorragendſten Unterſucher, Leydig, zu den Krebſen gerechnet. Barrois glaubte in allen, Schmarda wenigſtens in den feſtſitzenden Moostierchen erkennen zu dürfen und Salewsky iſt gar der Anſicht, daß ein verwandt⸗ schaftliches Band fie mit den Schnecken verbinde. Hatſchek endlich, die unleugbare Aehnlichkeit der ſonderbaren Weſen mit gewiſſen Larvenformen (Trochophora) der Ringel⸗ würmer betonend, ſieht in ihnen gewiſſermaßen in der 108 Entwickelung gehemmte Anneliden. Alle dieſe Anſichten fußen indeſſen nicht auf der Entwickelungsgeſchichte und dem Studium der Anlage der Keimblätter der Rotatorien und ſo konnte es geſchehen, daß vielleicht aus einer Kon⸗ vergenz der Charaktere, aus Eigenſchaften, welche die Räder⸗ tiere und andere waſſerbewohnende Tierformen, wie etwa die Trochophora, durch gleiche Anpaſſung ganz unab⸗ hängig voneinander erworben hatten, auf eine innere Verwandtſchaft derſelben geſchloſſen wurde. G. Teſſin!) hat zuerſt eingehendere und erfolgreichere Unterſuchungen über die Entwickelungsgeſchichte der Rädertiere gemacht und kommt an der Hand derſelben zu der Ueberzeugung, daß es nicht thunlich ſei, ſie, wie meiſt geſchieht, der Klaſſe der Würmer, dieſer allgemeinen Rumpelkammer für ſyſte⸗ matiſch unklare niedere Tiere, zuzurechnen, oder ſie als Krebſe aufzufaſſen, daß ſie vielmehr eine Zwiſchenform zwiſchen niederen Würmern und niederen Krebſen jeten. Gegen die Hatſchekſche Theorie macht Teſſin geltend, daß zwar den Rädertieren bisweilen ein doppelter Wimper⸗ apparat zukomme, aber derſelbe ſei durchaus nicht dem prä⸗ und poſtoralen Wimperkranze der Trochophora zu ver⸗ gleichen; das Räderorgan ſei kein geſchloſſener, präoraler Wimperkranz, ſondern ein perioraler !“), denn es ziehe nicht dorſal von der Mundöffnung hin, ſondern ſetze ſich an der Bauchſeite direkt in die Mundhöhle hinein fort. Bei den Wurmlarven umſäume der präorale Wimper⸗ kranz das Scheitelfeld, ſo daß alſo innerhalb desſelben das Hirn entſtände, während es bei den Rotatorien ſtets außer⸗ halb des Räderorgans liege. Unſer Verfaſſer iſt der Mei⸗ nung, daß, wie vorher ſchon bemerkt, allerdings eine Ver⸗ wandtſchaft zwiſchen Rädertieren und Würmern exiſtiere, aber man müſſe die Anknüpfungspunkte viel früher als bei den Ringelwürmern ſuchen, nämlich bei den niedrigſt ſtehenden und am einfachſten organiſierten Wurmformen, den Turbellarien. So finde ſich in der Umgebung des Mundes aller jungen Rädertierembryonen eine deutlich wahr⸗ nehmbare lappenartige Bildung, die wohl als ein Erbteil von den Turbellarienlarven her, bei denen dieſe lappen⸗ artigen Anhänge zu einer ſo großen Entwickelung gelangen, aufzufaſſen ſein dürfte; auch die Entſtehung des mittelſten Keimblattes (Meſoderms) ſoll für eine Verwandtſchaft mit Würmern, zugleich aber auch mit Kruſtaceen ſprechen. Auch die Erſcheinungen, welche das embryonale Poſtabdomen der Rotatorien darbiete, verweiſen auf die Krebſe. Bei beiden Tiergruppen beobachte man, daß je mehr ſich der Embryo der Reife nähere, deſto mehr eine Rückbildung des Poſtabdomens eintrete, ſo daß der Darm ſchließlich vor demſelben durch einen rückenſtändigen After münde. Auch die Gliederung und Gabelung des Poſtabdomens erinnere an gewiſſe Krebſe, namentlich an die Copepoden. Aus dem originellen Kauapparat der Rädertiere könne man weder eine Verwandtſchaft mit den Krebſen noch mit den Würmern erſchließen, denn bei dieſen beiden Ordnungen ) Zeitſchr. für wiſſenſch. Zoologie, Bd. 44, S. 273303. **) Perioral — eine fürchterliche vox hybrida! warum nicht eireum⸗ oral oder periſtomatiſch? Es reißt überhaupt bei den jüngeren Zoologen eine entſetzliche Verwilderung beim Gebrauch oder beſſer Mißbrauch der alten Sprachen ein; muß man doch leſen, daß der Feigenbaum „der Ficus“ genannt wird und die Polypenform der Scheibenquallen die Scyphiſtoma“ O, Vater Linné, vergieb ihnen! Humboldt. — März 1887. entſtehe er aus dem als Schlund eingeſtülpten äußeren Keimblatte, hier aber aus dem inneren. Für eine Verwandtſchaft der Gliedertiere und der Würmer, oder wenigſtens gewiſſer Würmer ſprechen eine ganze Reihe von Thatſachen und es ijt Naſſanow“) gelungen, bei Inſekten Organe aufzufinden, die als Homologa der für die Würmer ſo hoch charakteriſtiſchen Segmental⸗ organe gedeutet werden können. Dieſe Organe ſind die Thorakalſpeicheldrüſen und höchſt wahrſcheinlich auch die Eileiter, einige Nebendrüſen des Geſchlechtsapparats und die einigen Thyſanuren (Campodea, Machilis) zu⸗ kommenden Abdominalröhrchen. Bei Campodea staphy- linus findet fic) an der Unterſeite des Kopfes zwiſchen zwei kurzen dicken, einen kleinen, eingliederigen Taſter tragenden Anhängen eine Oeffnung, mit der die Aus⸗ führungsgänge zweier gewundener röhriger Drüſen, die fic) an der hinteren Kopfſeite befinden, gemeinſam aus⸗ münden. Die Lage dieſer Kopfdrüſen, zum Teil auch ihr Bau ſprechen dafür, daß es Reſte von Segmentalorganen ſind, nicht weniger auch die Thatſache, daß die homologen Seidenſpinndrüſen bei den Embryonen der Biene und bei der Seidenraupe anfänglich die Form zweier röhriger Drüſen haben, ſowie die Beobachtung Vejdowskys, nach welcher die Speicheldrüſen einiger oligochäten Ringelwürmer durch die Verwachſung von Segmentalorganen entſtehen. Weiter ſind auf der Unterſeite des Bauches zwiſchen den für Campodea ſo charakteriſtiſchen Gliedmaßenrudimenten des 2.—7. Hinterleibsringes je zwei Oeffnungen vorhanden, welche in blindendigende, als Reſpirationsorgane beſchriebene Röhrchen führen. Bei der weiblichen Campodea find am letzten Leibesring dieſe Extremitätenſtummel kurz und an⸗ einander gerückt und findet ſich zwiſchen ihnen nur eine Oeffnung, welche indeſſen als Ausführungsſtelle zweier Röhren dient. Dieſe Röhren ſind länger als die der übrigen Segmente des Abdomens und bilden die Ausführungs⸗ gänge zweier Eiröhren. Beim gemeinen Zuckergaſt (Lepisma saccharina) ſind fünf ſolcher Eiröhren vorhanden und bei den männlichen ſechs Samenſäcke jederſeits in den Ge⸗ ſchlechtsorganen, die in ihrem Baue überhaupt beſonders intereſſant ſind. Auf der Unterſeite des neunten Bauch⸗ ſegmentes finden ſich beim jungen Männchen, ähnlich wie bei Campodea, zwei einander genäherte Anhänge, zwiſchen denen fic) die Ausführungsgänge der Genitalorgane öffnen. Dieſe Gänge ſtellen lange Röhren dar, deren hinterer End⸗ abſchnitt etwas erweitert iſt und drei Biegungen macht, während in dem vorderen in der Leibeshöhle gelegenen Ende ein mit Epithelrändern verſehenes Trichterpaar ge⸗ meinſam mündet; unterhalb dieſes Endes mündet ein zweites und ebenſo weit unter dem zweiten ein drittes Trichterpaar. Jeder Trichter liegt mit dem freien Ende in einer nieren⸗ förmigen Kapſel, in welcher ſich die Samenelemente be⸗ finden. Die Thatſache nun, daß ein jedes vas deferens, denn das ſind die langen Röhren, mittels eines Trichters mit jedem Hoden kommuniziert, geſtattet, nach Naſſanows Auffaſſung, zuſammen mit der weiteren Thatſache, daß ſich der ganze innere Geſchlechtsapparat aus dem mittleren Keimblatte entwickelt, die Deutung dieſer Organe als Seg⸗ mentalorgane. Im allgemeinen bieten die weiblichen Ge⸗ ) Biolog. Centralblatt, Bd. 6, S. 458. Humboldt. — märz 1887. ſchlechtsorgane vom Zuckergaſt ein nicht unähnliches Bild wie die männlichen. Die Ausführungsgänge der Ovarien ſind auch ſehr lang, verſchmelzen bei ihrer Ausmündung miteinander und unterhalb ihrer Vereinigungsſtelle ent— ſpringt ein ſackartiges Organ. Die Ausführungsöffnung führt zu einer Legeröhre, welche aus zwei Paar Segmental— anhängen beſteht, von denen das obere zu dem Segmente gehört, dem innerlich der Eileiter entſpricht, das untere aber zwei gleichfalls innerlich gelegenen Drüſen, welche gewiſſen paarigen Nebendrüſen der Ovarien höherer In— ſekten homolog ſind und bei jungen Zuckergäſten mit ge— trennten Oeffnungen unterhalb der Genitalöffnung nach außen münden. Die weiter oben erwähnten, aus Verſchmelzung von Segmentalorganen hervorgehenden Speicheldrüſen erſtrecken ſich bei einigen der betreffenden Ringelwürmer (Enchy- traeus leptodera) als breite unregelmäßige Stränge mit engem Lumen weit nach hinten und löſen fic) in zarte Aeſt— chen auf, welche mit ihren blinden Enden in ſehr eigentüm— lichen Darmblutſinus gelegen find. W. Michaelſen ?) glaubt, daß dieſe Speicheldrüſen dem fie in den Blutſinus um⸗ ſpülenden Blute Stoffe entziehen, welche ſie zur Bildung ihres Sekretes verwenden. Derſelbe Verfaſſer hält dieſe Blutſinus, welche zwiſchen der innerſten, aus Flimmerepithel beſtehenden Schicht des Darmes und ſeiner nächſten Ringmuskelſchicht ſich finden, für eine Einrichtung, die den Uebergang des Nahrungs— ſaftes aus dem Darm in das Blut vermitteln ſoll und nennt ſie ein Chylusgefäßſyſtem. Während das von vorn nach hinten vor ſich gehende Spiel der Wimpern des Darmepithels die feſten, unverdaulichen Stoffe der auf— genommenen Nahrungsmittel dem After zuſchiebt, treiben die in entgegengeſetzter Richtung antiperiſtaltiſch vor ſich gehenden Darmkontraktionen die aus der genoſſenen Nah—⸗ rung bereitete Ernährungsflüſſigkeit nach vorn. Dieſe Flüſſigkeit, der Chylus, tritt dann in jene Blutſinus ein und zwar durch ein dichtes Syſtem äußerſt feiner (0,005 mm dicker) Kanälchen, die aus dem Darmlumen in ſchwacher aber ſehr regelmäßiger Schrägung das Darmepithel von vorn nach hinten durchſetzen. Leuckart““ ), unſer unermüdlicher und, weil erfahrungs— reich wie kein zweiter, glücklicher Unterſucher der Schmarotzer würmer, hat einen neuen Nematoden entdeckt und Atractonema (von dtpaxtoc, die Spindel) gibbosum benannt, der dazu geeignet iſt, den ſonderbaren Gaſt der Hummeln, Sphaerularia bombi, über welchen ſeiner Zeit an dieſer Stelle berichtet wurde, mit den übrigen Haar- würmern zu verbinden. Der neue Wurm bewohnt die ſich von den Nadeln der Kiefer ernährende Made einer Mücke, der Cecidomyia oder Diplosis pini, aus der fie aber auch in die ſpäteren Zuſtände, in Puppe und Imago übergeht. Er ſchließt ſich in weit höherem Grade als Sphaerularia an die Nematoden-Gruppe der Rhabditiden an; im ausgewachſenen Zuſtande erreicht er eine Länge von 0,6 mm und befist eine ſehr auffallende Geſtalt, denn ſein an ſich ſchon gedrungener Leib trägt hinter ſeiner ) Archiv für mikroſkopiſche Anatomie, Bd. 28, S. 292. ) Berichte der math.⸗phyſ. Klaſſe der königl. ſächſ. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften. 1886, S. 356. 109 Mitte, bruchſackartig dem Bauche aufſitzend, einen fonder- baren buckeligen Anhang von relativ koloſſaler Größe (0,25 mm). Infolge der Schwere dieſes Anhangs kann ſich das Tier nicht, wie ſeine übrigen Stammesgenoſſen, ſchlängelnd fortbewegen, es liegt vielmehr feſt und vermag nur mit den freien Körperenden, namentlich mit dem längeren vorderen, pendelartige Schwingungen auszuführen. Dieſer Buckel iſt durchaus nicht ſolid, ſondern vielmehr von einem weiten, ſcharf begrenzten Hohlraum durchzogen, der faſt in der ganzen Länge mit der Leibeshöhle des Wurms kommuniziert. Alle dieſe Würmer ſind Weibchen und in dem Buckel liegt ein Teil ihrer Genitalien, ein Bulbus, an den ſich der lange dünnwandige Uterus, das längliche mit Sperma gefüllte Receptakulum und endlich der an— ſehnlichſte Teil des Geſchlechtsapparates, das Ovarium, anſchließt. Doch iſt jener Bulbus in der Regel nicht das einzige Organ, das aus dem Leibesinneren in den bruch— ſackartigen Anhang übertritt, meiſt vielmehr umſchließt derſelbe in ſeinem hinteren Abſchnitte noch einen kleineren oder größeren Teil des Darmes. Dieſer Darm freilich iſt gleichfalls ein ſehr originelles Gebilde, indem er nicht, wie ſonſt bei den Nematoden, eine deutliche Röhre darſtellt, ſondern einen ſoliden, bald — namentlich im hinteren Körperabſchnitte — aus einer einfachen, bald aus einer doppelten Reihe anſehnlicher Zellen beſtehenden Strang. Das Ganze iſt von einer zarten Membran umhüllt, die ſich als eine Art Ligament nach vorn verlängert und ſich an die Baſis der Kopfſpitze anſetzt, welche ſolid iſt, aber in ihrer Achſe gleichfalls von einem deutlich begrenzten Strang, dem Reſte eines früher vorhandenen Schlundes durchzogen wird. Auch das hintere Ende des ſtrangförmigen Darm— rudimentes iſt an der Bauchwand an der Stelle, wo man den After des Wurmes vermuten könnte, angeheftet. Doch fehlt ſowohl eine diſtinkte Mund- wie Afteröffnung. Der, abgeſehen von den beiden Anhefteligamenten an den beiden Enden, vollſtändig frei in der Leibeshöhle liegende Darm— ſtrang hat nun einen vielfach wechſelnden und nichts weniger als regelmäßigen Verlauf, indem er namentlich von dem Genitalſchlauche nach deſſen jeweiligem Füllungs— zuſtande auf die Seite, ja, wie wir ſahen, in verſchiedenem Umfange bis in den bruchſackartigen Buckel gedrückt und geſchoben wird. Die Eier, welche im Uterus ſchon eine Schale haben, werden vor dem Beginn der Furchung in die Leibeshöhle der Mückenmade abgelegt und in dieſer vollzieht ſich die ganze embryonale Entwickelung. Einige Tage bereits nach Ablage der Eier kriechen die anfangs nur 0,23 mm langen Jungen aus, welche die gewöhnliche Organiſation junger Nematoden beſitzen, den Rhabditiden recht ähnlich ſehen, nur durch einige Details im Bau des Schlundes ſich von ihnen unterſcheiden und im Inneren der Leibeshöhle des Wirtes, ohne daß derſelbe darunter weſentlich zu leiden ſcheint, in oft großer Zahl, je nach der Zahl der Mütter, die in einer Larve bis auf 40 ja 50 ſteigen kann, ſich ſchlängelnd fortbewegen. Wie bei den Rhabditiden ſind die Zellen ihres Darmes in zwei Längsreihen, welche zwiſchen ſich einen feinen Kanal frei laſſen angeordnet. Die Genitalorgane, welche ſchon ſehr frühzeitig als aus mehreren Zellen zuſammengeſetzt er— ſcheinen, fangen an raſch und beträchtlich zu wachſen, ſo daß fie in den jungen Würmern von 0,3 mm Körperbreite 110 Humboldt. — März [88?. als ein fajt 0,1 mm breiter Zellenſtrang erſcheinen. Die Tiere verlaſſen, wenn jie eine Länge von 0,35 mm erreicht haben, ihren Wirt auf noch nicht aufgeklärte Art und Weiſe; im Darme oder im entleerten Kot der Mücken⸗ larven wurden niemals Würmchen aufgefunden und es iſt ſehr wohl möglich, daß die Auswanderung überhaupt keine aktive iſt, ſondern erſt nach dem Tode der Ceeidomyia⸗ Made ſtattfindet. Wurden wenigſtens derartige mit Atra⸗ ctonemabrut behaftete Larven zerriſſen und damit den Paraſiten Gelegenheit zum Auswandern gegeben, ſo hatten ſie ſchon nach drei Tagen die Geſchlechtsreife erlangt, ja ein Teil derſelben hatte ſich bereits begattet, ohne ſich freilich gegen früher in Größe und Form weſentlich ge⸗ ändert zu haben. Die Männchen ſind etwas kleiner und ſchlanker als die Weibchen, welche in ihrem Inneren an den Geſchlechtsorganen eine enorm entwickelte Scheide beſitzen, die eine ſehr dicke Zellwand aufweiſt und faſt die halbe Länge des Wurmes durchzieht. Nach der Begattung gehen die Männchen, welche im ausgebildeten Zuſtande nicht paraſitär ſind, zu Grunde, während die langlebigeren Weibchen auf leider bis jetzt noch nicht bekannte Art in die Larven der Cecidomyien, aber nur in dieſe, einwandern, wobei das Alter der betreffenden Larve gleichgültig iſt. Nach der Einwanderung vollziehen ſich mit den Wurmweibchen weitere Veränderungen, indem zunächſt ihr Körper und noch mehr ihre Scheide an Größe zunimmt und letztere nicht bloß in die Länge ſondern namentlich auch in die Dicke wächſt. Da, wo die äußere Geſchlechtsöffnung ſich befindet, füllt ſie dann das ganze Leibeslumen und preßt den Darm ſo an die Rückenwand, daß ſeine früher einander paar⸗ weiſe gegenüber gelegenen Zellen, dem Drucke weichend, ſich in eine einfache Reihe anordnen. Auch der buckel⸗ artige Anhang iſt nichts als ein Scheidenvorfall wie bei dem ausgebildeten Weibchen von Sphaerularia, nur mit dem Unterſchiede, daß es nicht wie bei dieſem Wurme die Randzellen der Scheidenöffnung ſind, welche die Aus⸗ ſtülpung einleiten, vielmehr die Zellen der der Geſchlechts⸗ öffnung gegenüber gelegenen Rückenwand der Scheide, welche erſt pfropfenartig gegen jene Oeffnung andrängen, dieſelbe ausweiten und als kleines Höckerchen aus derſelben her⸗ vortreten. Aber dieſe Vorſtülpung greift weiter und weiter um ſich, es treten immer mehr Zellen der Scheide nach außen und dieſe verkleinert ſich in dem Maße, wie der bruchſackartige Buckel wächſt, bis ſchließlich nur noch ihr letztes Ende als Bulbus in der urſprünglichen Beſchaffen⸗ heit zurückbleibt. Dieſer ganze Prozeß wird aber bedingt durch Druckverhältniſſe im Inneren des Wurmes, die da⸗ durch zuſtande kommen, daß das Ovarium bedeutend an Länge zugenommen und am Receptakulum ein neuer Genitalabſchnitt, ein Uterus ſich gebildet hat. Der neue Schmarotzer der Mückenlarve und der Gaſt der Hummeln, die Sphaerularia, gleichen ſich alſo darin, daß bei beiden die Scheide des befruchteten Weibchens ſich nach außen vorſtülpt und zu einem eigentümlichen Anhang ſich ent⸗ wickelt, und weiter auch darin, daß bei ihnen die geſchlecht⸗ liche Reife der Männchen und die Begattung in die Zeit des freien Lebens fällt und nur die weiblichen Individuen zu Eingeweidewürmern werden. Ueber das Geſchlechtsverhältnis und die Ur⸗ ſachen der Geſchlechtsbildung bei den Haustieren hat M. Wilkens!) Unterſuchungen publiziert, die ſich auf die Geburten von 16091 Fohlen 4900 Kälbern 6751 Lämmern 2357 Ferkeln zuſammen 30 099 Haustiere erſtrecken und kommt zu folgenden Schlußfolgerungen: 1. Die Oertlichkeit (Boden und Klima) hat einen Einfluß auf das Geſchlechtsverhältnis und die Geſchlechts⸗ bildung bei Haustieren, aber wahrſcheinlich nur durch Ver⸗ mittlung der Ernährung der Frucht im Mutterleibe. 2. Das Geſchlechtsverhältnis und die Geſchlechts⸗ bildung der Haustiere iſt abhängig von ihrer Raſſe, aber nur inſofern dieſe in Beziehung ſteht zu einer beſtimmten Oertlichkeit und zu dem durchſchnittlichen Ernährungs⸗ zuſtande der ihr angehörenden Tiere. 3. Die Jahreszeiten, in denen die Haustiere er⸗ zeugt werden, haben einen Einfluß auf deren Geſchlechts⸗ verhältnis und Geſchlechtsbildung. Die warme begünſtigt die männliche Geſchlechtsbildung, die kalte Jahreszeit die weibliche; jene, weil ſie im allgemeinen die Freßluſt und Ernährung der Haustiere herabſetzt, während die kalte Jahreszeit ſie ſteigert. 4. Das Alter der männlichen Erzeuger hat keinen Einfluß auf das Geſchlechtsverhältnis und die Geſchlechtsbildung ihrer Nachkommen. 5. Die geſchlechtliche Energie, bezw. die ge⸗ ſchlechtliche Beanſpruchung der männlichen Er⸗ zeuger haben keinen Einfluß auf das Geſchlechtsverhältnis und die Geſchlechtsbildung ihrer Nachkommen. Auch das Alter des Samens hat keinen Einfluß. 6. Das Alter der weiblichen Erzeuger beein⸗ flußt das Geſchlechtsverhältnis und die Geſchlechtsbildung ihrer Frucht in der Weiſe, daß im allgemeinen Erſtlings⸗ und junge Mütter verhältnismäßig mehr weibliche, alte Mütter mehr männliche Früchte erzeugen. Dieſer Einfluß des Alters läßt ſich darauf zurückführen, daß im allgemeinen junge Mütter ihre Früchte beſſer ernähren als alte. 7. Die Ernährung der Frucht im Mutterleibe be⸗ einflußt die Geſchlechtsbildung derſelben im allgemeinen in der Weiſe, daß die beſſere Ernährung der Frucht die Entſtehung des weiblichen Geſchlechts be- günſtigt, die ſchlechtexe aber das männliche. 8. Neben dem Einfluſſe der Ernährung auf die Ge⸗ ſchlechtsbildung der Frucht müſſen ſich aber noch andere, bisher nicht erforſchte Einflüſſe geltend machen, weil ein und derſelbe weibliche Erzeuger im gleichen Ernährungs⸗ zuſtande nicht immer das gleiche Geſchlecht erzeugt. 9. Wegen dieſer noch unbekannten Einflüſſe iſt die beſtimmte Vorausſage des Geſchlechts, bezw. die willkür⸗ liche Erzeugung der Geſchlechter unmöglich. Nur mit Wahrſcheinlichkeit läßt ſich vorausſagen, daß junge und gut genährte Mütter verhältnismäßig mehr weibliche Junge, alte und ſchlecht genährte mehr männliche gebären werden. — Dieſe Unterſuchungen von Wilkens zeigen ein⸗ mal wieder ſo recht die eminent praktiſche Bedeutung der Zoologie. ) Landwirtſchaftliche Jahrbücher, Bd. 15, S. 607. Humboldt. — März 1887. 111 Reine Mitteilungen. Sternphotographie. Während man ſeither bei photo— graphiſchen Aufnahmen die Größe eines Sternes aus der Ausdehnung ſeines auf der Platte erzeugten ſcheibenförmigen Bildes beſtimmte, faßt Pickering die Dicke der Linie ins Auge, welche der Stern auf der photographiſchen Platte bei ſeinem Durchgang durch das Geſichtsfeld des an der ſcheinbaren Bewegung des Sternes nicht teilnehmenden Fernrohrs hinterläßt. Bei ſchwachen, beſonders in der Nähe des Aequators liegenden Sternen, welche während der kurzen Zeit ihres Durchgangs keinen Eindruck auf der Platte zurücklaſſen würden, läßt man das Fernrohr ſich mit Hilfe des Uhrwerks jo bewegen, daß es allmählich hinter dem Stern zurückbleibt. Die Größenſchätzung, bei der natürlich die Geſchwindigkeit, mit welcher der Stern durch das Geſichtsfeld hindurchgelaufen iſt, in erſter Linie berückſichtigt werden muß, ſoll aus den einzelnen Platten Reſultate liefern, welche um weniger als Yio Größenklaſſe vom Mittel abweichen. Um den Einfluß der atmoſphäriſchen Abſorption kennen zu lernen, wurde derſelbe Stern in verſchiedenen Zenithdiſtanzen photographiert. Vollſtändig verdrängen wird übrigens die erwähnte Methode die ſeit— her angewandten photometriſchen Methoden ſchon aus dem einfachen Grunde nicht, weil die Größe eines Sternes, wie ſie ſich durch die Photographie ergibt, recht wohl von der durch direkte Beobachtung beſtimmten verſchieden ſein kann, da für die photographiſche Platte bekanntlich die violetten, für unſer Auge aber die gelben Strahlen die wirkſamſten ſind und beide Strahlengattungen nicht immer in dem— ſelben Verhältnis im Licht eines Sternes vertreten ſein werden. Durch Anbringen eines großen Prismas vor dem Ob- jektiv des . war Pickering imſtande, von einer Gegend von 10 Quadratgrad bei einer Expoſitionsdauer von 5 Minuten die Spektren aller Sterne bis zur ſechſten Größe und bei einer Expoſitionsdauer von einer Stunde die Spektren aller Sterne bis zu neunten Größe gleichzeitig zu photographieren. Ein derartiges Photogramm der Ple— jaden zeigte, daß ihre Spektren mit ſehr wenigen Aus— nahmen alle demſelben Typus angehören, ein Umſtand, der die Wahrſcheinlichkeit eines zwiſchen ihnen beſtehenden ört— lichen Zuſammenhanges, insbeſondere eines gemeinſchaft- lichen Urſprungs weſentlich erhöht. Die Sterne, deren Spektren anderen Klaſſen angehören, liegen wahrſcheinlich weit vor oder hinter der Gruppe und würde ſich zur Be— ſtätigung eine Unterſuchung über ihre Parallaxe ſehr empfehlen. Kf. Veränderliche Sterne. Der neue Stern, Gore im Orion entdeckt zu haben glaubte, ſcheint ſich jetzt nur als ein zwiſchen 12,5 und 6. Größe veränderlicher herauszuſtellen. Die Periode ſeiner Helligkeitsſchwankungen würde ungefähr ein Jahr betragen. Auf der Sternwarte von E. v. Gothard in Herény | ) tanzende Suftwirbel. (Ungarn) hat man in der Photographie des Nebels in der Leier einen Stern bemerkt, der ſpäter mit dem 27zölligen Refraktor der Wiener Sternwarte vergeblich geſucht wurde und ſich auch auf den Photographien der Gebrüder Henry in Paris nicht vorfand. Dagegen wurde er beobachtet 1799 und 1800 von Hahn, 1855 von Secchi und 1865 und 1867 von Schultz in Upjala. Man hat es daher wahrſcheinlich mit einem veränderlichen Stern zu thun. Kf. Neu enkdeckte Planeten. Die Zahl der kleinen Planeten iſt durch die neueſten Entdeckungen von Dr. Paliſa in Wien und Dr. Peters in Clinton (Nordamerika) auf 264 gebracht worden. Hinſichtlich der Geſtalt und der Lage ihrer Bahn zeigen die neuen Planeten keine beſonderen Eigentümlichkeiten. Kf. Novemberſchwarm der Steruſchnuppen. Während am 27. November 1885 der periodiſche Sternſchnuppenfall | einen ſo glänzenden Verlauf nahm, fielen im vorigen Jahr an jenem Datum nicht mehr Sternſchnuppen als in anderen Nächten. Bekanntlich werden die Sternſchnuppen dieſes Schwarmes von den Aſtronomen als die Auflöſungsprodukte des Bielaſchen Kometen betrachtet und entſpricht es der relativ kurzen Spanne Zeit, ſeitdem ſich dieſer 1845 geteilt, recht gut, daß der Schwarm noch eng genug zuſammen— hält, um in weniger als einem Jahr die Stelle, wo er die Erdbahn ſchneidet, zu paſſieren. K.. Neues Fernrohr. Haſert in Eiſenach hat ein neues Fernrohr konſtruiert und ſich patentieren laſſen, deſſen Objektiv nur aus einer einzigen Linſe, einer Crownglas- linſe, beſteht, alſo kein achromatiſches Bild gibt; vielmehr wird die Achromaſie exit durch das Okular hergeſtellt. Durch den Wegfall der Flintglaslinſe wird die Brennweite des Objektivs bedeutend verringert, das Fernrohr ſelbſt ſomit kürzer und dem beſonders bei großen Teleffopen fo ſchädlichen Einfluß der Biegung weniger ausgeſetzt. Die in kleinerem Maßſtabe ausgeführten Fernrohre Haſertſcher Konſtruktion liefern ſehr gute Bilder, ob das Princip ſich auch auf große Refraktoren anwenden läßt, ſind wir von vornherein nicht zu ſagen imſtande. Sollte es der Fall ſein, ſo würde ſich der Preis eines großen Refraktors, da nur eine große Linſe hergeſtellt zu werden braucht, be— deutend reduzieren. Das dem Haſertſchen Fernrohr zu Grunde liegende Princip wurde übrigens ſchon von ver— ſchiedenen Optikern, neuerdings beſonders von Schröder in London bei der Herſtellung von Fernrohren in Ane wendung zu bringen verſucht. Kt. Die Auguſt- und Septeuherfeifune in Japan (nach „The Tokyo Independent“ 16. Okt. 1886). Der verfloſſene Sommer und Herbſt zeichneten ſich durch eine ſchwach aus— geprägte Regenzeit im Süden, reichlichen Regen im Norden, durch eine ungewöhnlich hohe Temperatur, das ſpäte Ein— treffen des erſten Teifuns und endlich durch die merk— würdige, bisher nie beobachtete Thatſache aus, daß die vier aufeinander folgenden Teifune dieſes Jahres alle an derſelben Stelle der japaniſchen Küſte erſchienen. Dieſe Stelle war am Eingange zum Bungo Kanal (32° N. 132 O.); ein Kreis von nur zehn Seemeilen Halbmeſſer ſchließt Teile ſämtlicher vier Bahnen ein. Kyuſhu und der weſtliche Teil von Nippon wurden von Sturm, Hochwaſſer und Ueberſchwemmungen heimgeſucht; in Miyaſaki fielen vom 23. Sept. 92 p. m. bis zum 24. 6h a. m 141, bis 2h p. m. 199, bis 92 p.m. weitere 155mm Regen, alſo in 24 Stunden welchen 495 mm oder nahezu ½ m Regen. Wie bei jedem Teifun größerer Stärke, waren in allen dieſen vier Teifunen auf kürzeren oder längeren Strecken die . zer⸗ ſtört und der Verkehr unterbrochen. V. B. Vier um Deutſchland und Fraukreich herum Die moderne Wetterpro- gnoſe erſtreckt ſich bekanntlich nur auf den nächſten Tag und hat für auswärts nur 70 bis 80 Prozent Treffer, während die lokale Prognoſe auf 80 bis 90 Prozent ſteigt. Da nach der heutigen Meteorologie die Wetteränderungen von den Cyklonen, Depreſſionen oder Minima abhängen, und da man den Wetterverlauf derſelben genau kennt, ſo wäre die Prognoſe z. B. für eine Woche möglich, wenn jede Cyklone eine Woche andauern würde, wenn ſie immer dieſelbe Zug— ſtraße entlang zöge und ihre Tiefe von Anfang bis Ende beibehielte. Statt deſſen ſind die Zugſtraßen mannigfaltig, wenn auch in Europa fünf Hauptſtraßen feſtſtehen, manch⸗ mal bleibt das Minimum tagelang ſtehen, wird ſtationär, ſchlägt von da aus ungewöhnliche Wege ein, es wird er- ratiſch, verändert die Tiefe oft unerwartet und ſendet plot: lich Teilminima oder Zungen niedrigen Luftdruckes aus, die den bekannten Cyklonenwetterverlauf ſtören. 112 Humboldt. — März 1887. Gewöhnlich beſitzen die Depreſſionen die Geſtalt einer Ellipſe, deren große Achſe meiſt nahezu in die Zugſtraßen⸗ richtung fällt, ein kleiner Anhalt für die weitere Richtung des Minimums. Viel bedeutſamer iſt aber der Einfluß von Luftdruck und Temperatur, der kurz in folgendem Geſetze aus⸗ geſprochen iſt: Ein Minimum hat auf ſeiner ganzen Wanderung den höchſten Barometerſtand und die höchſte Temperatur auf der rechten Seite, d. h. denkt man ſich auf der Zugſtraße ſo ſtehend, daß man dem fortziehenden Minimum nachſchaut, ſo weiſt der rechte Arm nach der Gegend des höchſten Luftdrucks und der größten Wärme. Kommt eine Depreſſion auf der Zugſtraße IV über England in die Nordſee und herrſchen in Deutſchland, wie gewöhnlich, der höhere Druck und die höhere Temperatur, ſo zieht ſie nach dem Geſetze faſt geradeaus nach Oſten. Gelangt ſie dabei in eine Gegend z. B. ſüdlich von Däne⸗ mark, wo nördlich die Temperatur höher iſt als ſüdlich, ſo heben ſich die Wirkungen von Druck und Wärme auf: das Minimum wird ſtationär. Dabei kann es vorkommen, daß hoch oben der Einfluß der Temperatur überwiegend wird, weil in der wärmeren Luftmaſſe der Luftdruck langſamer abnimmt als in der kalten; der obere Teil der Cyklone wird als Teilminimum nach Süden abgeſchoben. Zieht dagegen die Depreſſion in ungeändertem Zuſtande weiter nach Oſten, ſo iſt zu bedenken, daß in Rußland meiſt ein ſehr hoher Luftdruck herrſcht, wodurch ſich die Umbiegung faſt aller Zugſtraßen im Oſten der Oſtſee nach der nord⸗ öſtlichen Richtung erklärt. Im äußerſten Norden beim Weißen Meere angelangt, verliert ſich das Minimum in dem allgemeinen polaren niederen Luftdrucke. Wenn das Geſetz richtig iſt, ſo muß es auch abnorme Erſcheinungen erklären; es gewinnt hierdurch eine wert⸗ volle Beſtätigung. In dieſem Sinne teilt Köppen im Novemberhefte 1886 der „Meteorologiſchen Zeitſchrift“ die ſeltſame Erſcheinung mit, daß vom 20. bis 24. Januar 1886 die Kälteinſel Frankreich-Deutſchland von vier De⸗ preſſionen gegen die Uhrzeigerrichtung faſt ſpiralig umtanzt wurde. Das eine Minimum entſtand im Meerbuſen von Genua, zog wie gewöhnlich nach Oſten und dann nordöſt⸗ lich durch Ungarn nach Polen. Anſtatt nun den gebräuch⸗ lichen Weg nach Rußland fortzuſetzen, bog es nach Weſten ab durch das nördlichſte Deutſchland und den Kanal nach dem Atlantiſchen Ocean, wo es faſt bis zum biskajiſchen Buſen herabging. Ebenſo ungewöhnlich, ja noch mehr ſpiralig verliefen die anderen Minima. Durch das Geſetz, d. h. durch ſeine Anwendung auf die abnormen Druck⸗ und Temperaturverhältniſſe jener Tage erklären ſich dieſe abnormen Erſcheinungen. Deutſchland und Frankreich hatten bei niederem Luftdrucke ſtarke Kälte bis zu 17°. In Rußland und Skandinavien herrſchte ein Maximum des Luftdruckes, in Polen und Oſtdeutſchland verhältnis⸗ mäßig hohe Temperatur. Als das Minimum in Polen angelangt war, mußte es ſich ſo weiter bewegen, daß es das ruſſiſch⸗ſchwediſche Maximum und die hohe Temperatur Polens auf der rechten Seite, dagegen den niedrigen Druck und die niedrige Temperatur Deutſchlands links hatte, d. h. es mußte ſich nach Weſten wenden. Ebenſo erklären ſich die abnormen Wege der drei übrigen Minima. (Vergl. auch „Humboldt“ 1886, S. 311.) ‘ R. Kryſtalliſterter Sandftein. Zu den intereſſanten Vorkommen im oligocänen Sande von Fontainebleau, von Brilo in Weſtfalen, der Friedrichs⸗Bleigrube bei Tarno⸗ witz und dem marinen Sandſtein von Sievring iſt ein neuer Fundpunkt gekommen; es iſt eine der ſarmatiſchen Stufe angehörige Sandgrube bei Gerſthof bei Wien. Im reſchen Sand von ziemlich feinem Korn ſtellt der kryſtal⸗ liſierte Sandſtein bankartige, plattige Abſonderungen von 3—8 em. Dicke dar, die nur auf einer Fläche gut aus⸗ kryſtalliſierten; ihr Entſtehen danken ſie einer hangenden Mergellage. Außer den Druſen ſind die Kryſtalle auch zu kugeligen Gruppen vereint. (Ann. d. naturh. Hof⸗ muy. Wien. Bd. J.) Ki Tierfäßhrten aus der Steinkohlenformation. Neuer⸗ dings wurden auf einer Schieferthonplatte aus dem Car⸗ bon von Zwickau Abdrücke gefunden, welche H. B. Gei⸗ nitz als Tierfährten deutet. Die Fußeindrücke wechſeln regelmäßig mit einander ab; ſämtliche Abdrücke einer Reihe haben faſt gleiche Größe und Form, ſo daß Vorder- und Hinterfüße einander ſehr ähnlich geweſen ſein müſſen, wenn die Abdrücke nicht von einem Zweifüßler ſtammen. Das Tier war klein, da die Entfernung der beiden Fuß⸗ reihen kaum 1 em beträgt. An jedem Abdruck unter⸗ ſcheidet man einen kurzen gegen 7 mm breiten Ballen, der durch eine Reihe kleiner rundlicher Eindrücke von Fuß⸗ oder Handwurzelknochen von den fünf Zehen getrennt wird. Dieſe letzteren ſind ſchlank und bekrallt. Die äußere Zehe ift klein (bis 4 mm lang), die zweite und vierte etwa doppelt ſo groß, die dritte etwa 10 mm, die fünfte ſcheint nur rudimentär. Mittel- und Zeigefinger (dritte und vierte Zehe) ſind gleich den miteinander verwachſenen Zehen des Schreitfußes eines Vogels ſehr genähert, während die zweite unter ſpitzem Winkel von der mittleren abſteht. Obwohl von allen bisherigen Fußfährten verſchieden, ſcheinen die eben beſchriebenen doch auch einem ſtegoce⸗ phalen Reptil — wie alle im europäiſchen und amerikaniſchen Carbon und Dyas bisher nachgewieſenen Arten — zuzu⸗ gehören. Geinitz glaubt auch Spuren eines nachgeſchleppten Schwanzes zu erkennen. Die Deutung würde weſentlich ſicherer werden, wenn das zugehörige Tier bald gefunden würde. (Iſis, Feſtſchrift 1885.) Ki. Mammutfälber. Im letzten Jahre wurden an zwei Orten die ſo ſeltenen erſten zwei Milchbackenzähne aus dem Unterkiefer des Mammuts gefunden; die einen, loſe ge⸗ funden, ſtammen von Prohlis bei Dresden, die anderen, noch im Kiefer ſteckend, aus den Sanden von Mosbach bei Wiesbaden. Das Mosbacher Tier ſcheint trotz der größeren Maße jünger geweſen zu ſein, da die Abnutzung bei den Zähnen von Prohlis ſchon ziemlich weit fortgeſchritten iſt, die Mosbacher aber noch gar nicht abgekaut, ja zum Teil noch gar nicht durchgebrochen ſind, ſo daß das Mammutkalb von Mosbach ſich wohl bisher nur von Muttermilch er⸗ nährt hat. Der erſte Backzahn hat zwei Wurzeln, hat mehr dreieckigen Umriß und weiſt durch die Häufung der Höcker eine gewiſſe Schweinsähnlichkeit auf, kaum daß man an ihm die Höcker in Platten geſtellt erkennen kann. Seltſam iſt, daß dieſer erſte Milchzahn ſchief nach rückwärts im Unterkiefer ſteht, welch letzterer beſonders durch ſeine Schlankheit ſich auszeichnet. Ref. war es durch Vergleiche mit einem Akricanus von höchſtens zweiwöchigem Alter mög⸗ lich, wahrſcheinlich zu machen, daß das Mosbacher Mam⸗ mutkalb kaum älter war als jener Akricanus. Das Dres⸗ dener Muſeum beſitzt außerdem von Olsnitz einen ſehr jungen Unterkiefer, in welchem ein noch kleinerer Zahn ſteckt. Von den verſchiedenen Deutungen dieſes Zahnes fet diejenige von Leith Adams als pre-ante-pen- ultimate or first milk molar und die von Pohlig erwähnt, welcher ihn als den drittletzten Milchbackenzahn eines monſtröſen Kiefers auffaßt. (Iſis Feſtſchrift 1885 und Senckenb. Ber. 1886). Ki. Saprophytiſche Laubmoofe. Es gibt eine große Anzahl von Laubmooſen, welche ſich bloß auf humusreichem Boden anſiedeln oder direkt auf abgeſtorbenen Pflanzen⸗ teilen, modernden Baumſtämmen rc. wohnen; ſogar die Exkremente von Säugetieren dienen einigen Laubmooſen (Splachnaceen) als ausſchließliches oder wenigſtens bevor⸗ zugtes Subſtrat. Dies weiſt darauf hin, daß die betreffen⸗ den Mooſe zum Teil als Saprophyten leben, d. h. daß ſie ſich einen Teil ihrer organiſchen Bauſtoffe nicht durch Aſſimilation unorganiſchen Materials, ſondern direkt durch Aufnahme aus den erwähnten Fäulnisſubſtraten verſchaffen. Die Unterſuchungen, welche kürzlich G. Haberlandt auf morphologiſcher Grundlage angeſtellt hat, ſcheinen dieſe Annahme zu beſtätigen. Er fand nämlich, daß die Haar⸗ gebilde oder Rhizoiden, welche bei den Mooſen die Stelle der Wurzeln vertreten, bei einigen auf faulenden Pflanzen⸗ teilen vegetierenden Laubmooſen (Rhynchostegium murale, Eurhynchium praelongum, Hypopterygium laricinum, Webera nutans) unter Durchbohrung der Zellwände in das Gewebe der Stengel, Blätter u. ſ. w. eindringen, ſich Humboldt. — März 1887. 113 darin vielfach verzweigen und teils im Innern der Zellen, teils in den Zwiſchenräumen derſelben weiter wachſen. Bei der Gattung Buxbaumia wachſen die Randzellen der das Stämmchen dicht einhüllenden Blätter, die überdies kein Chlorophyll enthalten und daher nicht aſſimilieren können, zu ſich dicht verfilzenden Zellfäden oder Rhizoiden aus, welche in ihrem Verhalten vollſtändig einem Pilzmycelium gleichen. Dieſe Aehnlichkeit iſt jedenfalls nicht bloß eine äußerliche, ſondern hat in der gleichen Funktion ihren Grund. In biologiſcher Hinſicht gehören die beſprochenen Laub— mooje alſo in die Gruppe der chlorophyllhaltigen Sapro— phyten, zu welchen auch verſchiedene Phanerogamen (Listera cordata, Goodyera repens, Aroideen, epiphytiſche Orchi— deen) und manche Farnkräuter (namentlich Hymenophylla— ceen) zu rechnen ſind. Ob der Saprophytismus für das Gedeihen der betreffenden Mooſe notwendig ijt, muß, ab- geſehen von den Buxbaumien, dahingeſtellt bleiben; daß wir es aber thatſächlich mit einer Anpaſſung an japro- phytiſche Lebensweiſe zu thun haben, geht aus der Art hervor, in welcher die Rhizoiden die Zellwände durchbrechen. Die Beſchaffenheit der ſtets ſehr eng umſchriebenen Per⸗ forationsſtelle, deren Ränder ſich, ohne irgendwie Riſſe zu zeigen, dem Rhizoid ringsum lückenlos anlegen, ſpricht ſehr deutlich dafür, daß nicht bloß eine mechaniſche Durchbrechung, ſondern eine durch Ausſcheidung löſender Stoffe ſeitens des Rhizoides bewirkte Auflöſung der betreffenden Zell— wandpartien ſtattfindet. Ms. Oberirdiſche Kartoſſelknollen. Oberirdiſche Kartoffel- knollen ſind oft beobachtet worden und nach de Vries iſt in allen gut unterſuchten Fällen die oberirdiſche Knollen— bildung eine Folge der vollſtändigen oder teilweiſen Verhinderung der Leitung der plaſtiſchen Stoffe in die unterirdiſchen Organe. Eine Beſtätigung dieſer Anſicht gab Nobbe 1876 und bemerkte, daß dieſe Bildung künſtlich durch Ringelung des grünen Stengels über dem Boden hervorgerufen werden könne; die oberirdiſchen Knöll— chen ſeien auch fähig, eine neue, wenn auch dürftige Pflanze zu erzeugen. Auch bei Pfropfverſuchen ſcheint die Verhinderung der Stoffleitung die Urſache der Knollen— bildung zu fein. Maule pfropfte Kartoffelzweige auf So- lanum Dulcamara, die, wenn auch fiimmerlid, gediehen; in einem Falle hatten ſich in den Blattachſeln (und auch an den Wurzeln von S. Dulcamara) Knollen angeſetzt. Die Befunde Maules hat Lindemuth größten— teils beſtätigt und erweitert. Bainier konſtatierte an der knollentragenden Pflanze das Vorkommen des Kartoffelpilzes (Phytophthora). Die Knollen waren länglich und mit zahlreichen Knoſpen beſetzt. Duchartre hat ſchon 1878 ſolche Pflanzen beobachtet. Ob in dieſem Falle der Pilz die Urſache der Knollenbildung geweſen, der alſo die Stoffleitung in die unterirdiſchen Organe behinderte, könnte nur durch Experimente erwieſen werden. Sorauer nimmt für alle Fälle eine Schwächung der Wurzelthätigkeit an, die ſich vielleicht auf Stickſtoffmangel zurückführen läßt. Die oberirdiſchen Knollen erſcheinen ſelten bei Kulturen im Freien, ſind aber bei gärtneriſchen Verſuchen mehrfach zur Beobachtung gelangt. Die Knollen entſprechen durchaus denjenigen an den unterirdiſchen Trieben; nur ſind jie chlorophyllreicher, kleiner und ſtärke— ärmer. Man findet fie bei Stecklingen an den Kartoffel- trieben, dann bei Waſſerkulturen, deren Wurzeln ver— ſchleimen, endlich auch bei Landpflanzen, wenn deren Wurzelapparat ſchwer geſchädigt iſt oder die jungen Sto— lonen entfernt worden ſind. In allen Fällen iſt eine Schwächung der Wurzelthätigkeit vorhanden, infolge deren auch eine ſpärliche Verwendung des von den Blättern er— arbeiteten Reſervematerials ſtattfindet. Dasſelbe wird viel— mehr in den den Erxzeugungsorten zunächſt liegenden Knoſpen aufgeſammelt. Die Abbildung, welche wir der Freundlichkeit des Herrn Prof. T. F. Hanauſek verdanken, zeigt einen Fall, den dieſer in der „Oeſterreichiſchen botaniſchen Zeitſchrift“ beſchrieb. Die Knollen ſind länglich, walzig, 3,5, 3 und | Humboldt 1887. 1,5 em lang, 1,5 em dick. Der Staudenaſt iſt faſt normal, er beſitzt drei tiefe Längsfurchen und einen winkelig ge— brochenen Verlauf. An jedem ausſpringenden Winkel ſitzt eine Knolle in der Achſel eines verdorrten Blattrudimentes. Die Peridermdecke hat eine trübrotbraune oder grünbräun⸗ liche Färbung und zahlreiche gelbliche, ſehr kleine Warzen. Die Knoſpen (Augen) entſpringen einer abgeplatteten Flächenpartie (an der Knolle links in der Figur), die einer an die Knolle angewachſenen Schuppe gleicht. Auf allen Knollen finden ſich acht deutlich entwickelte und voneinander durch entſprechende Zwiſchenräume getrennte Knoſpen vor; am Scheitel ſitzt ein dichteres Bündel von mehreren Knoſpen, die mitunter ſogar ein 2—3 mm langes deut— liches Blättchen aufweiſen. In ganz ausgezeichneter Weiſe läßt fic) die Zweifünftel⸗ Stellung der Knoſpen an den Knollen demonſtrieren. Die mikroſkopiſche Unterſuchung läßt keine auffälligen Abweichungen erkennen. Das Periderm beſitzt 6— 10 Zell⸗ Oberirdiſche Kartoffelknollen. reihen, das darunter liegende Parenchym iſt ſtark chlorophyll⸗ haltig; es find wohl in den meiſten Fällen falſche Chlorophyll⸗ körner (Chlorophyllüberzug von Stärkekörnern) vorhanden, die längs der Zellwände im Innern der Zellen gruppiert ſind. Beträchtliche plasmatiſche, ungeformte Maſſen und Stärkekörner der verſchiedenſten Entwickelung bilden den größten Teil des Zellinhaltes. An den großen Körnern iſt Hanauſek die beſonders ſcharfe Schichtung und das Auf⸗ treten einer Teilungslinie am Kerne aufgefallen. Die mittleren und kleinen Stärkekörner ſind in größerer Menge vorhanden als die großen. Komponierte hat er vergeblich geſucht. Kryſtalloide ließen ſich leicht auffinden. D. Symbioſe von Nädertieren und Sebermoofen. Der größte Teil der bis jest bekannten Rädertiere lebt frei im ſüßen, ſeltener ſalzigen Waſſer, nur einige wenige leben paraſitiſch, ſo die Arten von Albertia im Darm der Nai⸗ deen (Ringelwürmer) oder in Leibeshöhle und Darm von 15 114 Humboldt. — März 1887. Regenwürmern und Nacktſchnecken, Drilophaga buce- phalus auf der Haut von Lumbriculus variegatus, Ba- latro calvus auf Trichodrilus, Callidina parasitica auf Gammarus pulex und Asellus aquaticus, Notommata Werneckii in den Geſchlechtsorganen einer Alge (Vauche- ria) und N. parasita in Volvox globator. C. Zelinka in Graz berichtet nun über das Vorkommen von dem Genus Callidina angehörigen Rotatorien auf Lebermooſen, ſpeciell bei Frullania dilatata und Ver⸗ wandten, welche zu den folioſen Jungermannieen gehören und faſt in ganz Europa an Baumſtämmen, Felſen 2. vorkommen. Die Frullania iſt ein mit niederliegendem, verzweigtem Stengel verſehenes Lebermoos, deſſen dach⸗ ziegelförmig ſich deckende Blätter eng zweireihig und zwar abwechſelnd geſtellt ſind; jedes Blatt beſteht aus zwei Lappen, der obere, größere iſt etwa nierenförmig, der untere klein, ohrförmig, meiſt kappenartig aufgeblaſen und ſitzt mit einem kurzen Stiele dem Oberlappen an. In vielen dieſer Kappen und zwar vorzugsweiſe an den friſchen Nebenſtämmchen ſitzen kleine Rotatorien meiſt in der Ein⸗ zahl, ſeltener zu zwei oder drei; die kleinſten Kappen an der Zweigſpitze ſind ſtets frei. Bei Trockenheit liegen die Rotatorien kugelig zuſammengezogen in den Kappen; be⸗ feuchtet man ein Pflänzchen, ſo ſtrecken ſich die Tiere aus, entfalten ihre Räderorgane und kriechen auch im Waſſer herum. Von Intereſſe iſt, daß die Tiere wie Pflanzen ſelbſt monatelange Trockenheit gut ertragen können — ein Fall, der in der Natur wohl kaum vorkommen wird, und daß auch ſtrenge Kälte (— 20° C.), wie relativ hohe Tem⸗ peratur dem Leben der Rotatorien kaum Abbruch thut. Ueber die Frage, ob dieſe Callidinen (O. symbiotica n. sp. und C. Leitgebii u. sp.) etwa Parcſiten ſind, gibt die Beobachtung der Nahrungsaufnahme Aufſchluß; die Tierchen ernähren ſich nicht von Teilen der Frullania, ſondern von einzelligen Algen, von Infuſorien ꝛc. die mit in dem Waſſer leben, welches im gegebenen Falle (Tau, Regen) die Zweigchen der Pflanzen befeuchtet; es kann ſich alſo um einen echten Paraſitismus nicht handeln, ſondern um den ſogenannten Raumparaſitismus, bei welchem der Gaſt eben nur die Wohnung, nicht aber die Nahrung von ſeinem Wirte bezieht. Zelinka ſucht nun wahrſcheinlich zu machen, daß nicht allein das Rotator von dieſer Verge⸗ ſellſchaftung Vorteil zieht, ſondern auch die Pflanze; da die bei anderen Lebermooſen ſo häufig vorkommenden nie⸗ deren Algen (Noſtocaceen und Oseillarien) bei Frullania fonſtant fehlen, jo hält Zelinka es für möglich, daß die Anweſenheit der Callidinen, die ſich von ſolchen Algen nähren, dem Eindringen derſelben ein Hindernis wäre; es wären dann die Rotatorien eine Art Sicherheitspolizei für die Pflanze. Derartige Callidinen fanden ſich auch bei anderen folioſen Lebermooſen aus vielen Orten Deutſchlands und Oeſterreichs, jo bei Radula und bei Lejeunia; ja ſogar bei in Alkohol konſervierten Frullanien und Lejeunien aus Neu⸗Seeland konnten kontrahierte Rotatorien in den Kappen nachgewieſen werden, doch iſt es noch fraglich, ob ſie zu denſelben Arten gehören. — Wegen des Baues der Rotatorien jet auf das Original verwiejen. (Zeitſchrift für wiſſ. Zool. Bd. 44. 1886.) Br. Eine ſechsſtrahlige Holothurie. Für den Bau der überwiegenden Mehrzahl der Stachelhäuter ijt die Fünf⸗ ſtrahligkeit charakteriſtiſch. Häufigere Abweichungen von dieſer Regel finden ſich bei den Haarſternen und Seeſternen, ſeltener ſchon tritt bei den Seeigeln eine Vermehrung der Radien auf ſechs oder eine Verminderung derſelben auf vier ein, von den Seewalzen war bisher eine derartige Anomalie nicht bekannt. Den erſten Fall von Sechs⸗ ſtrahligkeit einer Holothurie publiziert Ludwig im Zoolog. Anzeiger Nr. 229 des letzten Jahrganges. Unter etwa 150 halbwüchſigen, lebenden Exemplaren der im Mittelmeer gemeinen Cucnmaria Planci von Marenzeller fand Lud⸗ wig fünf Stück, welche ihren ſechsſtrahligen Bau ſofort äußerlich durch den Beſitz von ſechs Doppelreihen von Füßchen dokumentierten, während bei den normalen Formen die Füßchen in fünf Doppelreihen angeordnet find. Ent⸗ ſprechend der Vermehrung der Radien beſaßen alle fünf Exemplare zwölf Tentakel ſtatt zehn und der Kalkring zeigte ſich aus ſechs radialen und ſechs interradialen Gliedern zuſammengeſetzt. Es war alſo anormalerweiſe ein ſechſter Radius und Interradius dazu gekommen, die ſich, wie eine genaue vergleichende Unterſuchung ergab, zwiſchen den beiden Radien des Biviums (Rückens) eingeſchoben hatten und zwar in vier Fällen links, in einem rechts vom medianen Interradius. Auffallenderweiſe beſaßen alle Exemplare nur einen Steinkanal, während es von den Seeſternen her bekannt iſt, daß mit der Vermehrung der Radien ſehr häufig eine Vermehrung der Steinkanäle Hand in Hand geht. = Zwei paraſitiſche Schnecken. Die Schnecken ſtellen zu dem Heer der Paraſiten ein beſcheidenes Kontingent und bei manchen Arten, die ſich auf anderen Tieren feſt⸗ ſetzen, wie Magilus auf Korallen, Rhizochilus auf Anthi- pates u. ſ. w. iſt es fraglich, ob die Tiere als Paraſiten zu betrachten find, oder vom umgebenden Waſſer ihre Nahrung erhalten, ſo daß die Tiere, auf denen ſie wohnen, nur ihre Unterlage bilden. Der Fall, daß der Paraſitis⸗ mus in rückſchreitender Metamorphoſe zum völligen Verluſt der Schneckennatur führt, iſt bloß bei der wunderſamen Entocorcha mirabilis bekannt, welche als ſchlauchförmiges Gebilde im Vorderteil von Synapta ſchmarotzt. Immerhin gibt es einige Formen, die ſich ſofort als echte Schnecken kennzeichnen, aber ebenſo echte Paraſiten ſind, meiſt auf Seeigeln oder Seeſternen. Die bekannten Fälle werden um zwei vermehrt durch die gegenwärtig auf Ceylon weilen⸗ den Zoologen Saraſin, welche zwei Proſobranchier-Arten als Schmarotzer von Linckia multiformis fanden, den einen als Ectoparaſiten, den anderen als Entoparaſiten. Der Ectoparaſit gehört wahrſcheinlichſt zur Gattung Con- cholepas; die Schale iſt ca. 1 em lang. Das Tier ſitzt an der Unterſeite des Armes von Linckia mit einer Fläche auf, die faſt ſo groß iſt wie die weite Schalenmündung; der vordere Teil des rechten Schalenrandes liegt auf der Ambulacralfurche zum Zweck freier Kommunikation mit der Außenwelt. Die aufſitzende Fläche des Schmarotzers ijt feſt mit der Cutis der Linckia verwachſen, aber iſt nicht, wie man glauben könnte, der Fuß, ſondern nur eine um den Schlund entſtandene kragenartige Falte, durch welche ſich der Schlund als Rüſſel ziemlich weit ſenkrecht in die Cutis des Seeſternes einſenkt. Tentakeln und Radula fehlen, ſonſt iſt das Tier ein echter Proſobranchier. Genau das gleiche gilt vom zweiten Schmarotzer der Linckia, der aber im Inneren des Armes des Wohntieres in einer Höh⸗ lung lebt, welche nur eine kleine runde Oeffnung beſitzt. Hier ragt die Spitze der ungefähr Jem langen und acht Windungen beſitzenden Schale hervor. Auch dieſes Tier, der Gattung Stylina zugehörig, beſitzt einen muskulöſen Rüſſel, der 1,5 em lang iſt, an der Wurzel des Rüſſels erhebt ſich wie bei der Concholepas⸗Species ein mächtiger Kragen, der ſich hier becherförmig rückwärts über das ganze Tier ſchlägt und ſo einen Scheinmantel bildet, der dem vorhin erwähnten Scheinfuß entſpricht. Die Einwanderung der Stylina geſchieht wahrſcheinlich bei Gelegenheit der freiwilligen Lostrennung eines Armes der Linckia. Beide Schnecken find ſelten, denn nur etwa 2% dev Linckia ſind damit behaftet. (Zool. Anz. IX. Jahrg. Nr. 213.) Ein neuer Mücherfeind. Die kleine Inſektengruppe der Thysanura, den meiſten Leſern wohl durch den Zucker⸗ gaſt, Lepisma saccharina L., bekannt, ſcheint ſich auch an dem Vernichtungskrieg zu beteiligen, den die Inſekten⸗ welt oft ſo erfolgreich gegen menſchliches Eigentum führt. Lepisma domestica Fac. hat ſich nach einem Bericht in der „Stett. entom. Ztg.“ 47. Jahrg. S. 270 ff. als ein nicht zu unterſchätzender Feind in Bibliotheken, Samm⸗ lungen und Wohnungen entpuppt. So wurde z. B. das Tierchen in Boſton in einer geologiſchen Sammlung an⸗ getroffen, wo es durch Zerfreſſen der Etiketten bedeutenden Schaden anrichtete. Da die älteren, aus gewöhnlichem Schreibpapier beſtehenden Etiketten nicht angegriffen waren, ſondern bloß neue Kartonpapieretiketten, ſo ſtellte ſich her⸗ Humboldt. — März 1887. aus, daß der Stärkeüberzug der letzteren Lepisma ange— zogen hatte. Dieſe Beobachtung iſt deshalb intereſſant, weil Anobium, ein kleiner, in allen Muſeen und Bibliotheken gefürchteter Käfer, Stärke nicht liebt, ſo daß die Bücher durch Verwendung reinen Stärkekleiſters beim Binden vor ihm zu ſchützen ſind. Der neue Feind dagegen wird durch Stärke beſonders angelockt und hat ſich infolgedeſſen auch ſchon in Bibliotheken eingeſtellt, wo er Bücherrücken be- ſchädigt; in England wurden ſogar Kupferſtiche von ihm zerſtört und in England ſowohl als in Neu-Südwales und Boſton griff das kleine Inſekt Regierungsurkunden und Briefe an, die loſe in den Archiven herumlagen. In den Wohnungen wurde es zerſtörend an geſtärkten Kleidungs— ſtücken, Seide, Muſſelinvorhängen und Papiertapeten be— merkt. Glücklicherweiſe hat ſich als ein ebenſo einfaches wie ſicheres Mittel gegen Lepisma domestica Inſekten— pulver erprobt, welches unter den Kleiſter gemiſcht oder in die ſeidenen Kleider geſtreut wird, die von Lepisma angegriffen ſind; außerdem werden feſt zuſammengelegte Papiere von dem Inſekt nicht berührt. —p. Zur Biologie der nordatlantiſchen Jinwalarten. G. A. Guldberg aus Chriftiania hat drei Sommer in einer Fiſchereiſtation in Vadſö am Varangerfjord zugebracht und unter anderem auch Beobachtungen über Paarung, Trächtigkeitsdauer und Zeit der Geburt bei folgenden Arten gemacht: Megaptera boops O. Fabr., Balaenoptera rostrata Fubr., B. borealis Lesson, B. musculus Comp. und B. Sibbaldii Gray. Im allgemeinen ergeben ſich folgende Reſultate: Das trächtige Weibchen iſt größer als das Männchen; es wirft nur ein Junges und dieſes hat in der Regel die Viertelgröße des mütterlichen Tieres (bei den Delphinen die Drittelgröße); für die vier erſten Species beträgt die Dauer der Trächtigkeit 10 — 12 Monate, die Begattung und die Geburt finden im Winter ſtatt; das Junge begleitet die Mutter, wahrſcheinlich bis es die Hälfte der Größe der Mutter erreicht hat; der Blauwal (B. Sib- baldii) iſt über ein Jahr trächtig, für Begattung und Ge— burt beſteht keine beſtimmte Jahreszeit, B. musculus und Sibbaldii werfen nicht jedes Jahr ein Junges. Dieſe Beobachtungen haben auch für die Praxis Wert, da Schon— geſetze, wie ſie für die Robbenjagd im nördlichen Eismeer bereits beſtehen, nur nach Kenntnis der Trächtigkeitsperiode erlaſſen werden können. Br. Einen neuen Fall von Schuhfärbung bei einem einheimiſchen Schmetterling ſchildert Dr. Koehne. Derſelbe beobachtete auf einer Wieſe in Pommern große Scharen des Citronfalters (Rhodocera Rhamni), welche faſt aus— ſchließlich die gleichfalls in großer Zahl dort auftretende Kohldiſtel (Cirsium oleraceum) beſuchten. Der Farbenton der Flügelunterſeiten, die bei der aufrechten Flügelhaltung ſitzender Tagſchmetterlinge ja allein ſichtbar bleiben, ſtimmte, namentlich bei den mehr weißlichen Weibchen, mit dem— jenigen des Blütenkopfes und der ihn umgebenden bleichen Hochblätter ſo auffallend überein, daß bei greller Beleuch— tung nicht der geringſte Unterſchied wahrzunehmen war. Dazu kommt noch, daß dieſe Hochblätter die Blütenköpfe teilweiſe überragen, und daß auch die durch die zugeſpitzten Flügel bedingte Form des ſitzenden Schmetterlings die der aufwärts gerichteten Hochblattſpitzen offenbar nachahmt, ja auch die helle Aderung der Flügelunterſeiten erinnert ſtark an die der Blätter. Es iſt daher wahrſcheinlich, daß Citronfalter und Kohldiſtel ihre Eigentümlichkeit in Form und Farbe in gegenſeitiger Anpaſſung erworben haben. Schmetterling und Pflanze gewährleiſten einander eine reichliche Vermehrung; jener iſt auf den gelblichen Diſtel⸗ köpfen vor Feinden geſchützt, dieſer wird durch den häufigen Beſuch von ſeiten des Inſekts ausgiebige Befruchtung und reichlicher Samenanſatz geſichert. —8. Knöcherne Harpunen und Elchſinochen aus einem Moore bei Calbe a. d. Milde. Eine Anzahl von eigen- tümlich geformten Knochenharpunen (oder Speerſpitzen ?) ſind im Calber Moor vor kurzem aufgefunden und durch Virchow der „Berliner anthropologiſchen Geſellſchaft“ vor— gelegt worden. Dieſelben wurden einer unter Torf lagern— 115 den Erdſchicht, welche auch Fiſchgräten und Knochen (wahr— ſcheinlich vom Elch) enthielt, entnommen, und beſtehen wohl ebenfalls aus Elchknochen; jie ſind 11—22 em lang, vorn ſcharf zugeſpitzt, poliert und beſitzen eine mit Ein— kerbungen verſehene ſcharfe Kante, durch welche dieſer Teil des Gerätes Aehnlichkeit mit einer Säge erhält. Nach J. Müller dienten die Objekte zum Aufſpießen von Fiſchen, nach Virchow zum Erlegen der Elche, welche von dem Jäger verfolgt ſich in den naſſen Bruch flüchteten. Daß übrigens dieſe eigentümlichen Geräte aus der Stein— zeit ſtammen, ergibt ſich aufs unzweifelhafteſte aus Schabe— linien oder Kratzen, wie fie eben nur die Feuerſteinbearbei— tung hervorruft. Vielleicht ſind ſie ſogar in die paläo— lithiſche Zeit zurückzuverlegen, wofür nach Virchow auch der Umſtand ſpricht, daß keinerlei Thongefäße oder Topf— ſcherben mit denſelben aufgefunden wurden. — Das euro- päiſche Elen lebte nach Behla zur Diluvialzeit und ſpäter ſüdwärts bis zur Schweiz, Oberitalien und Ungarn, ſüd— öſtlich bis zum Flußgebiet des Kuban im Kaukaſus und nach Weſten bis Großbritannien und Frankreich. In der Schweiz hat das Elch zur Zeit der Pfahlbauten noch exiſtiert, aus Oberitalien war es zur Römerzeit jedenfalls verſchwun— den, da Plinius und Cäſar dieſes Tier wahrſcheinlich nur vom Hörenſagen kannten. Unter den ausgegrabenen Elen— geweihen findet man zwei beſondere Typen, nämlich J) ſolche, bei denen der Augenſproßteil mit dem Schaufelteil vereinigt iſt — jo daß das ganze Geweih eine einzige Schaufel dar— ſtellt — und 2) olche, bei denen ein mehr oder weniger abgeſonderter Augenteil vorhanden iſt. Man iſt jedoch nicht berechtigt, nach dieſen Geweihtypen zwei Arten anzunehmen. Auch iſt nach Behla die Annahme, daß jedes ausgegrabene Elchgeweih der vorgeſchichtlichen Zeit angehöre, durchaus irrig. A. Meber Votenſtöcke bei Südſlaven hat Krauß in den „Mitteilungen der Anthropologiſchen Geſellſchaft in Wien“ kürzlich berichtet. Wie bei den Eingeborenen Auſtra— liens werden noch jetzt in ſüdſlaviſchen Ländern, vor allem in Serbien und Bulgarien, Kerbſtöcke von der Landbevölke— rung ſtatt brieflicher Botſchaften benutzt. Die Kerbzeichen, auf althergebrachter Ueberlieferung beruhend, ſind überall im Lande gekannt und ſind zum Teil der Glagolica leiner Variante der cyrilliſchen Schrift), zum Teil den römiſchen Zahlzeichen nachgebildet. Der Name des Kerbſtockes rabos, rovas oder rubos ſcheint von der Wurzel ry (= ritzen) abgeleitet zu ſein. Während der gewöhnliche Kerbſtock nur zum Gebrauch des Hausvorſtandes dient und die auf dem— ſelben angebrachten Zeichen nur angeben, wieviel der In— haber da oder dort zu erlegen oder zu bekommen hat, ſind die „Müllerkerbſtöcke“ verſchiedenartiger; denn da die Mühle Dorfeigentum iſt, muß angemerkt werden, wie oft einer ans Mahlen kommt, was für Frucht er gemahlen, wieviel er an Gebühren entrichtet hat 2. Krauß berichtet von einem Dorfſchulzen, der den verſammelten Dorfälteſten ihr Schuldenregiſter wohl eine halbe Stunde lang von ſeinem Stocke herablas. In Norddeutſchland haben nach von Schulenburg noch in den zwanziger Jahren unſeres Jahr— hunderts Kerbſtöcke zur Anmerkung des Tagelohns bezw. zum Aufzeichnen von ſchuldigen Beträgen oder Ausſtänden („das kommt nicht aufs Kerbholz“ läßt Schiller die Guſtel von Blaſewitz in „Wallenſteins Lager“ ſagen) gedient. — Nach A. Treichel (Zeitſchrift für Ethnologie 1885 Heft 4) diente in der Altmark die Umherſendung des „Schulzen— ſtabes“ ehedem dazu, die Gemeinde zuſammen zu berufen — ein Gebrauch der erſt in verhältnismäßig ſpäter Zeit durch das Glockenläuten erſetzt wurde. Auch ſcheint es, daß das „Geboteiſen“ (an einem Knüppel wird ein Hufeiſen und an letzterem der Zettel, welcher die Botſchaft enthält, befeſtigt und das „Krummholz“ (der die Botſchaft enthaltende Zettel wird an einer ſonderbar geſtalteten Baumwurzel feſtgeheftet und mit dieſer von Haus zu Haus geſchickt) — Gebräuche wie ſie in einzelnen Teilen Schleſiens ſich bis heute erhalten haben — auf die früher allgemein verbreitete Methode, Botſchaften durch Einkerbungen von Hölzern zu übermitteln, zurückzuführen ſind. A. 116 Humboldt. — März 1887. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Erdbeben. Erſt jetzt wird bekannt, daß Simmons, über den größeren Teil der Inſel, den ſie bis zu einer Kapitän des engliſchen Schiffes „Wilhelmina“, am 20. Ok⸗ tober 4 Uhr 30 Min. nachmittags unter 19° 21“ nördl. Br. und 64° 22“ weſtl. L. einen Erdſtoß beobachtete, welcher verurſachte, daß das Schiff erzitterte. Der Stoß dauerte eine Minute und war von einem lauten Getöſe, gleich einem nahen Donner, begleitet; es war, trotzdem das Meer an dieſer Stelle vielleicht 2000 Faden tief iſt, als wäre das Schiff auf Felſen aufgerannt. Ueber das früher ſchon erwähnte Erdbeben auf Chios am 27. November ſind genauere Nachrichten eingegangen. Nach ihnen war es ſchlimmer, als wir in Deutſchland ge- | ahnt. Die erſten 10 Uhr vormittags erfolgenden Erdſtöße, be⸗ gleitet von ſchauererregendem unterirdiſchen Getöſe, brachten die Bevölkerung in höchſte Aufregung und Beſtürzung und nötigten zur Flucht ins Freie. Viele der nach dem letzten Erdbeben neugebauten Häuſer erhielten bedenkliche Riſſe, alte Gebäude ſtürzten teilweiſe zuſammen, von vielen Bauten fielen Ziegel und Steine herab und in den Türmen läu⸗ teten die Glocken von ſelbſt. Ein Teil der gegen die Küſte zu gelegenen alten Feſtungsmauern ſtürzte unter donner⸗ ähnlichem Getöſe ins Meer. Mittags 12 Uhr folgte ein 3 bis 4 Sekunden dauernder Stoß, ihm eine Reihe immer mehr ſich abſchwächender und alle 5 Minuten wiederkehrender Stöße, welche bei den Bewohnern das Gefühl hervorbrachten, als ſchwanke die Inſel im Meere hin und her. In Sarmen am Brünig in der Schweiz wurde am 16. Dezember nachmittags 4 Uhr 30 Min. eine ſtarke Erderſchütterung von SW nach NO gehend verſpürt. In Pontreſina wurde am 21. Dezember nachts 12 Uhr 37 Min. ein heftiger Erdſtoß verſpürt, der viele Leute aus dem Schlafe weckte. Er war ſo heftig, daß Fenſter klirrten und Thüren knatterten. Morgens 4 Uhr 50 Min. und 6 Uhr wiederholte ſich derſelbe. > In Agram wurde in der Nacht vom 3. auf den 4. Januar gegen 1 Uhr 30 Minuten ein Erdbeben in der Richtung von NO nach SW Kwahrgenommen, welches, von dröhnendem Rollen begleitet, mit einem leichten ſenkrechten Stoß endete. Die Dauer betrug 3 Sekunden. Aus Tunis wurde gemeldet, daß am 6. Januar nach⸗ mittags gegen 4 Uhr zu Mahadia zwei leichte Erdſtöße ver⸗ ſpürt wurden; in Djemal, einem Dorfe von 5000 Ein⸗ wohnern fand dagegen eine ſtarke Erderſchütterung ſtatt, infolge deren mehrere Häuſer einſtürzten, ſieben Menſchen ums Leben kamen, ſowie viele verletzt wurden. Et. In Venedig hat in der Nacht zum 24. Januar ein heftiges Erdbeben ſtattgefunden. Aus Rom wurde am 27. Januar gemeldet, daß in Aquila ſieben Erdſtöße, darunter drei ſtarke, verſpürt worden waren. Aeber den vulkaniſchen Ausbruch auf der Juſel Nina Jöon in der Südſee ſchreibt die „Voſſ. Ztg.“: Ob⸗ wohl vulkaniſchen Urſprungs, befindet fic) Nina Föon ſchon über 30 Jahre in Ruhe. Der letzte Ausbruch hatte 1853 ſtattgefunden und furchtbare Verheerungen angerichtet. Ende Auguſt 1886 machten ſich die erſten Anzeichen eines bevorſtehenden Ausbruchs bemerkbar und 24 Stunden vor dem Eintritt desſelben dauerten heftiger Donner, Blitze und ſtarkes Erdbeben faſt ununterbrochen an. Am 31. Auguſt gab plötzlich nach einer mächtigen Erſchütterung der Erde die Bodenkruſte nach und eine ungeheure Feuerſäule er⸗ hob fic) bis zu einer Höhe von 600m. Sturzbäche kochen⸗ den Waſſers, heiße Steine und brennende Aſche begleiteten das ſeltene Naturſpiel und ergoſſen ſich in dichten Maſſen Tiefe von 6—9 m verſchütteten. Die ganze Vegetation war vernichtet und die zuvor grünen Felder waren in un⸗ wirtliche Steppen verwandelt. Sämtliche Dörfer mit Aus⸗ nahme zweier wurden zerſtört und ungefähr 4 m unter der jetzigen Oberfläche vergraben. Die Ausbrüche hielten 10 Tage an, aber erſt am 20. September hörten die Erd⸗ erſchütterungen gänzlich auf. Glücklicherweiſe war der Ver⸗ luſt an Menſchenleben nur gering. Während die Inſel jetzt wieder vollkommen in Ruhe iſt, wird ein Ausbruch auf der Nachbarinſel gemeldet. D. Das Erdbeben von Charleſton. Erdbeben ſind Erſchütterungen der Erdoberfläche, die durch aus der Tiefe kommende Stöße bedingt werden. An irgend einer Stelle des Erdinneren müſſen dieſelben beginnen Eharlesto 5 Savannah — 4 5 Acton Wey 5 3 j \ 2 8. PNA Rassu (Hypocentrum) und von ihr aus ſich nach allen Richtungen hin radial fortpflanzen. Die Linien, welche die Richtung eines Stoßes von dem Hypocentrum aus nach den ver⸗ ſchiedenen Punkten der Oberfläche bezeichnen, ſind nicht gleich lang, eine iſt die kürzeſte und an ihrem Endpunkte (Epicentrum) muß ſich der Stoß zuerſt und nach phyſika⸗ liſchen Geſetzen zugleich am ſtärkſten fühlbar machen, wäh⸗ rend es an den Punkten der Oberfläche, die von dem Ausgangspunkte weiter entfernt ſind, verhältnismäßig ſpäter und ſchwächer nur geſchehen kann, bis endlich die Wirkung ganz erliſcht. Verbindet man die Punkte, an denen die Erſchütterung gleichzeitig auftritt (Homoſeiſten), durch eine Linie, ſo erhält man ein Bild, welches auf einen Blick das Verbreitungsgebiet des Erdbebens im allgemeinen und das der verſchiedenen Intenſitätsgrade der Wirkung innerhalb desſelben erkennen läßt. Das beigegebene Kärt⸗ chen veranſchaulicht die bei dem Erdbeben von Charleſton gemachten Beobachtungen. Die Kurve 1 verbindet die Orte, an denen die Stöße nur ſehr leicht waren und daher nur von einzelnen Perſonen bemerkt wurden; die Kurve 2 die, an denen ſie zwar leicht waren, aber doch von einer größeren Anzahl Menſchen beobachtet wurden, beſonders am Klirren von Fenſtern und Geſchirren; die Kurve 3 die, Humboldt. — März 1887. wo das Erdbeben mäßig auftrat, doch aber jo, daß auf— gehängte Gegenſtände verrückt, hin und her geſchwenkt oder niedergeworfen wurden. Die Orte, an welchen ſich das Beben ſtark erwies, infolgedeſſen das Pflaſter in den Hausfluren barſt oder Steine von den Schornſteinen herab⸗ geſchleudert wurden, bezeichnet uns Kurve 4; die aber, an denen es ſo ſtark auftrat, daß die Schornſteine ganz herabgeworfen und die Mauern der Häuſer beſchädigt wur⸗ den, Kurve 5. Würden wir nun noch mehr Kurven inner— halb der letzteren verzeichnen, ſo würden wir auf Gegenden kommen, die noch ſtärker zu leiden hatten und endlich auf eine Stelle, an der die Wirkung ſich als die mächtigſte von allen erwieſen hatte. Daß die Kurven eine gewiſſe Unxegelmäßigkeit zeigen, nicht konzentriſche Kreiſe ſind, beruht darauf, daß die Erd— oberfläche nicht vollkommen eben und daß die Erdrinde nicht aus einer gleichartig dichten Maſſe beſteht *). Nach allen geſammelten Daten zu urteilen, muß als Epicentrum die Nachbarſchaft von Sommerville, 15—20 engl. Meilen von Charleſton gelegen, angeſehen werden, da alle gemachten Beobachtungen darauf hinweiſen, daß hier die Erderſchütterungen in ſenkrechter Richtung, auch früher, zahl— reicher und hartnäckiger als anderwärts ſtattgefunden haben. *) Nach Mallet beträgt die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit von Stoß⸗ wellen in feſtem Granit 507,5 m, in zerklüftetem 398 m und in ſtark gefaltetem Schiefer 331,5 m in einer Sekunde. 117 Letzteres beweiſen die in der Richtung nach Charleſton ent- ſtandenen Erdſpalten und „Sandkrater“, aus welchen be- deutende Maſſen von Sand und Waſſer 2—3 m hoch ausgeſtoßen wurden, was bei einigen nur minutenlang, bei einem nahe Sommerville aber mehrere Tage angehalten haben ſoll. Die Sandkrater differierten in ihrer Geſtalt von einem unregelmäßigen Oval, das 8 m Längs- und 4,75 m Breitendurchmeſſer zeigte, bis zu ſchön ſymmetriſchen Kegeln von nicht über 3 em im Durchmeſſer. Die benachbarten Flächen waren bis zu einem Morgen mit Sand bedeckt. Eine Muſterung der Häuſer genügte, um im allgemeinen die Hauptrichtung der Bewegung als von NW nach SO gehend feſtzuſtellen. Die Zerſtreuung einfacher Körper, die auf oder nahe der Erdoberfläche lagen, als umgeſtürzte Denkmäler, Säulen u. ſ. w. auf den Kirchhöfen, ſowie die Verrückung der einzelnen Teile zuſammengeſetzter waren ein zuverläſſiger Anzeiger der Richtung und Stärke der Erſcheinung. Was die Verſchiedenheit in den Zerſtörungen der Häuſer betrifft, ſo zeigte ſich, daß ſie zum großen Teile von der Verſchiedenheit des Untergrundes und des Baumate- riales bedingt waren. Das Erdbeben beſtand aus einer Reihe von Stößen, welche anfangs leicht, aber immerhin deutlich bemerkbar waren (27., 28. Auguſt), denen dann der ſtärkſte Stoß folgte (31. Auguſt nachts 10 Uhr), worauf eine Reihe von weniger heftigen Stößen (vom 27. Auguſt bis 30. Sep⸗ tember in Charleſton 30, darunter 6 ſchwere) bemerkt wurde. Et. Witterungsüberſicht für Centralenropa. Monat Januar 1887. Der Monat Januar iſt charakteriſiert durch kaltes, meiſt trübes, nebliges Wetter und ziemlich lebhafte Luftbewegung teils aus öſtlicher, teils aus weſtlicher Richtung. Hervorzuheben iſt die langandauernde und ziemlich intenſive Kälte im mittleren und ſüdlichen Deutſchland. Unter den Witterungserſcheinungen der letztverfloſſenen Zeit iſt insbeſondere hervorzuheben die langanhaltende Kälte— epoche, welche am 19. Dezember des vorigen Jahres mit Eintritt der außerordentlich ſtarken Schneefälle auf dem ganzen Gebiete zwiſchen dem öſtlichen Frankreich und Oeſter— reich begann und nach kurzen Unterbrechungen im nörd— lichen Deutſchland am 21. Januar, im übrigen Deutſch—⸗ land erſt im Februar endete. Dieſe beiden Erſcheinungen ſtehen offenbar im engen Zuſammenhange, indem die Winterkälte außerordentlich günſtig iſt. Bekanntlich war in den deutſchen Küſtengebieten die Schneedecke von nur geringer Höhe, dagegen hatten ſich im Binnenlande, ins— beſondere im oberen Rheinthal, in Sachſen und in der Schweiz ungeheuere Schneemaſſen angeſammelt, ſo daß hier die Wärmezufuhr, ſei es durch Sonnenſtrahlung, ſei es durch Lufttransport, hauptſächlich zur Schneeſchmelze | verbraucht wurde. Daher ſahen wir häufig umfangreiche Depreſſionen über dem nordweſtlichen Erdteil hinwegziehen, die ihren Wirkungskreis weit in das Innere Centraleuropas | ausbreiteten, ohne daß die ſtrenge Kälte gebrochen wurde. Nur im nördlichen Deutſchland, wo die leichte Schneedecke raſch weggeſchmolzen war, blieb vom 21. an dauernd Tau— wetter. Bemerkenswert iſt die Thatſache, daß das Froſt— wetter am 18. Dezember zuerſt an der oſtdeutſchen Grenze eintrat, dann über Nord- und Mitteldeutſchland ſich aus- breitete und jetzt, der öſtlichen und nordöſtlichen Luft- ſtrömung folgend, ſich oſtwärts bis nach dem Biskayiſchen Buſen fortpflanzte, während das innere Rußland ſich meiſtens verhältnismäßig warmen Wetters erfreute. Am kälteſten waren das mittlere und ſüdliche Deutſchland, wo die Kälte— centren ihren Ort beſtändig wechſelten. Eine Zone hohen Luftdruckes, die ſich am Anfange des Monats von Südweſt- nach Nordoſteuropa erſtreckte, wurde am 4. durch die Ausbreitung einer im Nordweſten gelegenen Depreſſion nach Süden hin durchbrochen, ſo daß ſich eine breite Rinne niedrigen Luftdruckes ausbildete, die ſich von Großbritannien ſüdoſtwärts nach Italien und Umgebung erſtreckte. Dieſer Druckverteilung entſprechend waren über Centraleuropa öſtliche Winde vorherrſchend, welche zwar ſchwach, aber mit großer Beſtändigkeit wehten. Die Situation dauerte etwa bis zur Mitte des Monats fort. Mit dem Gebiete der öſtlichen Winde fällt im all- gemeinen auch das Kältegebiet zuſammen. Am kälteſten war es am 5. in Bayern, an welchem Tage die Tempe— ratur in München um 15, in Bamberg um 18 Grad unter den Gefrierpunkt fiel. An denſelben Tagen kamen in Mittelitalien, ſowie in dem nördlichen Adriagebiete aus- yl 1 gedehnte Gewitter, welche von Schneefällen (Oberitalien), Schneedecke für die Entwickelung und Erhaltung ſtrenger Regengüſſen (Mittelitalien) und ſtellenweiſe Stürmen be- gleitet waren. Weiter hervorzuheben find die ſtarken und lange an- haltenden Niederſchläge (insbeſondere Schneefälle) über den britiſchen Inſeln und Frankreich, welche vielfach Ver⸗ kehrsſtockungen und teilweiſe auch gefahrdrohende Hoch⸗ waſſer verurſachten. Auch in Oberitalien fielen am 8. und 9. ungewöhnlich große Schneemengen: in den Straßen Mailands ſoll ſich der Schnee bis zu 30 em, in der Provinz Como bis zu 70 em angehäuft haben. Ausgedehnte, von Verwüſtungen begleitete Stürme kamen zwar in der erſten Monatshälfte nicht vor, indeſſen waren ſtarke bis ſtürmiſche Winde meiſt von geringerem Um⸗ fange nicht ſelten. So ſtürmte es vielfach vom 3. bis zum 7. im Südweſten der britiſchen Inſeln und an den Weſtküſten von Frankreich, als eine tiefe Depreſſion, die am 3. auf dem Ocean weſtlich von den Hebriden erſchien, ſüdoſtwärts vordrang; auch am 11. herrſchte unter dem Einfluſſe eines Minimums bei den Hebriden ſtürmiſche Witterung über Großbritannien. Am 16. hatte ſich die Wetterlage über Europa inſo⸗ fern geändert, als das Maximum ſich auf den Oſten be⸗ ſchränkte, während der Luftdruck nach Weſten hin ziemlich raſch abnahm. Dieſe Situation, welche bis zum 20. anhielt, 118 hatte für Wind und Wetter keine Aenderungen zur Folge, indem die ſchwache öſtliche Luftſtrömung und die kalte neblige Witterung faſt unverändert fortdauerte. Das Kältemaximum hielt ſich in dieſem Zeitraume über dem ſüdöſtlichen Grenzgebiete Deutſchlands, wo außerordent⸗ lich tiefe Temperaturen beobachtet wurden; ſo betrug die niedrigſte Temperatur in Breslau und München beziehungs⸗ weiſe am 16. — 18° und — 12°, am 17. — 18° und — 13°, am 18. — 16 und — 11%, am 19. —16° und — 20°, am 20. —16° und — 19°. Vom 20. bis zum Monatsſchluſſe bewegten ſich ſehr tiefe Minima über Nordeuropa, die ihren Wirkungskreis weithin nach Süden, oft bis zur Alpengegend hin aus⸗ breiteten, wobei das Gebiet hohen Luftdrucks im Süden beſtändig ſeine Lage und Ausdehnung wechſelte. Bei dieſer Humbolot. — März 1887. Druckverteilung herrſchte im Nord- und Oſtſeegebiete be⸗ ſtändig lebhafte weſtliche Luftſtrömung, die nicht ſelten einen ſtürmiſchen Charakter annahm. Obgleich dieſe leb⸗ hafte oceaniſche Luftbewegung oft bis nach Süddeutſchland vordrang, behauptete ſich das Froſtgebiet im mittleren und ſüdlichen Deutſchland, wobei allerdings die Intenſität des Froſtes etwas nachließ. Dagegen wurde das nördliche Deutſchland, deſſen leichte Schneedecke weggeſchmolzen war, am 21. froſtfrei und blieb es auch, abgeſehen von einigen kurz andauernden Rückſchlägen, welche durch die Nachbar⸗ ſchaft des Froſtgebietes verurſacht wurden. Erwähnens⸗ wert ſind noch die außerordentlich ſtarken Niederſchläge in England und insbeſondere an der norwegiſchen Küſte; am 29. und 30. fielen in Kriſtianſund 92 mm Regen. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Natur kalender für den Monat März 1887. Säugetiere. Haſen haben Satzzeit und vammeln wieder. Wieſel ranzen. Igel, Maulwurſ, Spitzmäuſe und Mäuſe paaren ſich. Der Baummarder wirft blinde Junge. Die Mehrzahl der Hirſche wirft ab. Rehböcke beginnen zu fegen. Auf Tannen baut das Eichhorn ein neues Moosneſt. Vögel. a. In Paarung treten oder es legen bereits Eier: Eulen und Rabenvögel, Miſteldroſſel, Amſel, Buch⸗ fink, Kiebitz und Wildente. Die Balze des Auer- und Birkwilds, ſowie des Faſans beginnt in wärmeren Gegenden. b. Rückſtrich, Rückflug und Ankunft: 1. Meiſt in der erſten Hälfte des Monats kommen die falkenartigen Raubvögel, z. B. Hühnerhabicht, Wander- und Turmfalk, Weſpenbuſſard und roter Milan, die Ringel- und Hohl⸗ tauben, Hausrotſchwanz, Mönchgrasmücke, Rotkehlchen, Mehrzahl der Singdroſſeln, Rohrammer, Bläßhuhn (Fulica atra), Wild- oder Stock- und Kriekente, Fiſchreiher und Bekaſſine. 2. Meiſt in der zweiten Hälfte erſcheinen: Schwarzer Milan, Kornweihe, grauer und ſchwarzkehliger Schmätzer (Saxicola Oenanthe und rubicola), Gartenrotſchwanz, Girlitz, Kernbeißer, Grauammer, Grünfink, Stieglitz, Waſſer⸗ ralle, Goldregenpfeifer, großer Brachvogel, ſchwarzer Storch. Lachmöwen erhalten ſchwarze Kappen (Kappenmöwen) und ziehen ſich nach ihren Brutplätzen im Binnenlande zurück. e. Durch- und Abzug der Wachholder- und Wein⸗ droſſel (Turdus pilaris und iljacus), Seidenſchwänze, Nebel⸗ krähen, Kraniche, Schnepfen, Saatgänſe (Hahl- oder Hohl⸗, auch Schneegänſe), der Dreizehenmöwe (Larus tridactylus), der nordiſchen Enten- und Sägerarten. d. Geſang erfreut uns aus den Kehlen der Droſſeln, Amſeln, Rotkehlchen, Schmätzer, Bachſtelzen, Buch- und Grünfinken, Hänflinge, Ammern, Lerchen und Meiſen. Die Waſſeramſel ſingt, wie faſt im ganzen Winter. Morgens und abends Ruf der Feldhühner, die bei günſtigem Wetter in Paaren umherlaufen. Ungunſt der Witterung veranlaßt die Vögel des Feldes, ſich in Flüge, Völker oder Ketten zuſammenzuſchlagen. Reptilien, Amphibien und Hifde. Alle heimiſchen Reptilien, wie Eidechſen, Blindſchleichenund Schlangen ſonnen ſich mittags, die Ringelnatter paart ſich am Schluſſe des Monats. Laubfroſch und Grasfroſch quaken und paaren ſich, ebenſo manche Kröten und Waſſerſalamander. Laich⸗ zeit der Grundeln, Häßlinge (Cyprinus Dobula) und des kleinen Stint (Osmerus Eperlanus). Niedere Tiere erwachen zahlreich aus dem Winter⸗ ſchlaf, fliegen oder kriechen umher, ſo die Wolfsſpinnen (Lycosa), Aſſeln, Schnecken, von welchen die Land⸗Ge⸗ häuſeſchnecken die Kalkdeckel abſprengen, womit das Ge⸗ häuſe über Winter verſchloſſen war. Das Heer der In⸗ ſekten regt ſich an ſonnig hellen Tagen, ſo die Laufkäfer (Carabidae), Cieindelen huſchen über den Sand, Roßkäfer ſurren umher, oft in der Luft der Fledermäuſe, auf dem Boden der Spitzmaus Beute. Blatt- und Aaskäfer be⸗ thätigen fic), Oelkäfer (Meloé) kriechen an Böſchungen umher und paaren ſich ſchon. Grillenlarven ſonnen ſich vor dem Loche. Dornheuſchrecken hüpfen auf Hügeln umher. Viele Waſſerkäfer, Waſſerwanzen und Libellenlarven ſind munter. Weſpen und Bienen ſuchen Nahrung, beſonders die wollige Anthophora hirsuta beſucht mit Hummel⸗ ſchwebfliegen (Bombylius major) die erſten Blumen. Viele überwinterte und friſch entwickelte Eulenfalter beſuchen die Blüten der Weiden und Rüſtern; zu den ſich ſonnenden überwinterten Tagfaltern, wie Füchſen, Trauer⸗ mantel, C-Vogel, Citronenvogel u. a. geſellen ſich neue An⸗ kömmlinge gegen Ende des Monats, wie der Kohl, Rüben⸗ und Reſedaweißling, der Achtervogel (Pieris Brassicae, Rapae, Daplidice, Colias Hyale). Abends fliegen Spanner umher, wie Leucophaearia, Progemmaria, Rupicapraria, Polycommata. Die Forleule ſchwärmt, ebenſo der Scheck⸗ flügel (Endromis versicolora) und der Kirſchenſpinner (Bombyx lanestris). Die überwinterten Kiefernglucken⸗ raupen kriechen an den Stämmen empor. Bflanzen. Es kommen in Blüte: 1. Bäume: Spitz⸗ ahorn (Acer platanoides), Eſpe (Populus tremula), Alleepappel (Populus pyramidalis), Gaalwetde (Salix caprea) und Verwandte, Mandelbaum, Aprikoſe und Pfir⸗ ſiche. 2. Sträucher: Seidelbaſt Daphne Mezereum) und Hartriegel (Cornus mascula), Schlehe (Prunus spinosa), 3. Blumen: Windröschen (Anemone nemorosa), Leber⸗ blümchen (Anemone hepatica), Küchenſchelle (Anemone Pulsatilla), Frühlingsadonis (Adonis vernalis), Schlüſſel⸗ blumen (Primula acaulis, elatior, veris) und Lungen⸗ blume (Pulmonaria angustifolia und officinalis), Kuh⸗ blume und Huflattich (Taraxacum officinale, Tussilago Farfara), Lerchenſpornarten (Corydalis), Fingerkraut (Po- tentilla verna und alba), Safran (Crocus), Schneeglöckchen (Galanthus nivalis und Leucoium vernum), Veilchenarten (Viola Martii [hirta, odorata], canina, arenaria ete.), Gilbſtern (Gagea arvensis, lutea). Oft blühen in dieſem Monate am Rheine auch: der Raps (Brassica napus), die Süßkirſche (Prunus avium), Frühbirnen (Pirus com- munis) und in Gärten die Kaiſerkrone. Die Roßkaſtanien deckeln ihre harzigen Knoſpen ab, die Lärchen werden grün; ſchließlich blühen oft Birke und Rüſter (Ulmus campestris und effusa). Mainz. W. von Reichenan. Humboldt. — März 1887. 119 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im März 1887. (Mittlere Berliner Zeit.) GP 28 u E. d. 7 & Tanti 12 gm A II E 971 U Cephei 1226 Algol 7h 15m f. h. 1 124 S Cancri 1289 6 Libræ 1387 U Ophiuchi 13" 57™ 2 III E 15% 500 N III A 34m 470 (A 0 I 15° 56 A 1 E 915 Algol 13 39% . J.) 1 Gemin. SB) 140 388™4. h. 90 6 5 5 2 01 746 U Corone 827 U Cephei 1445 U Ophiuchi 7 ee oe Leon. 17°35" K. H. 5 6 75 14 f fl. ö 45 Leonis gh 44™ E. d, b Leonis 8b m Ah, 6 10" 51 A. l. 4 992 125 8 Libre 14" 44 9) II E h 7m 165 Am F. h. 27 Virgins | 17 550 9} III E 16" 42 J. d. * gh 47 ). 17 49" OL TE 18 8t4 U Cephei 1573 U Ophiuchi ie 56" ay A 01 1124 U Ophiuchi 12 18" NA TE 1054 h. 1 Libre 18h 9m. d. 9 4½ vo e 115 37™ \ A1 1211 6 Libre 1612 U Corone 17" 19" A II E 1279 U Cephei 1621 U Ophiuchi 1282 U Ophiuchi 12 21™ 9 14" 57m 2 0 II 185 at A el 14° 1179, TE 1127 S Cancri 1118 1 ö 15 30 f A 13,30 An 777 U Cephei 1608 U Ophiuchi 1116 6 Libre 1229 U Ophiuchi 1389 U Coron 1122 Algol 14 54™ : 17 31% A 1 23 U Cephei 7 43m ae U. Cell 16˙ n AI E 820 Algol 8 29 m f. h. 9 4 0 Algo 1317 U Ophiuchi 13° 11¹ 15" a 0 15 24m A 01 178 3 All 988 U Ophiuchi 10 15 E. 95 Tauri 1 111 a E. d. a 1391 10" 337 NIE 11¹ gm A. h. P 4 11 In A. . 4 NES ee 3) 7» 40m t A 01 1112 6 Libre 1136 U Corone 9» 53" Merkur erreicht am 4. ſeine größte öſtliche Ausweichung von der Sonne und iſt in dem erſten Drittel des Monats mit freiem Auge tief am Weſthimmel in der vorgeſchrittenen Abenddämmerung zu ſehen, dann eilt er aber raſch wieder zur Sonne und kommt ſchon am 21. in untere Konjunktion mit ihr. Venus rückt als Abendſtern immer mehr in den Nachthimmel und geht am Ende des Monats 2 Stunden nach der Sonne unter. Mars iſt nicht mehr ſichtbar und geht ſchon bald nach der Sonne unter. Jupiter rückläufig im Sternbilde der Jungfrau wird nun ſchon in den Abendſtunden ſichtbar, indem er anfangs noch um 10 ½, zuletzt aber ſchon um 8 ½ Uhr aufgeht. Saturn im Sternbild der Zwillinge geht am 17. von der rückläufigen in die rechtläufige Bewegung über. Sein Untergang erfolgt anfangs um 4½, zuletzt um 2½ Uhr morgens. Uranus kommt am 31. in Oppoſition mit der Sonne. Neptun iſt rechtläufig im Stier. Auf die Bedeckung des Sternes erſter Größe * Tauri (Alde— baran) durch den Mond am 2. wird beſonders aufmerkſam gemacht. Auch für das freie Auge iſt das plötzliche Verſchwinden des Sterns, welchen es bei dieſer Phaſe (erjtes Viertel) bis dahin ohne Mühe verfolgen kann, ſehr gut wahrnehmbar. Der Stern verſchwindet hinter der unerleuchteten Hälfte des Mondes und kommt am erleuchteten Rande nach etwa einer Stunde wieder zum Vorſchein. Dr. E. Hartwig. 120 Humboldt. — März 1887. Biographien und Perſonalnotizen. Seinen achtzigſten Geburtstag beging am 15. Januar Hermann Burmeiſter, einer der Senioren der deutſchen Naturforſcher. Burmeiſter iſt ſeit einem Vierteljahrhundert von Deutſchland fern ler lebt ſeit 1861 in Buenos⸗Ayres), doch hat er zu ſeiner Heimat ſo vielerlei perſönliche und wiſſenſchaftliche Beziehungen, daß ſein Jubeltag bei uns nicht unbeachtet vorübergehen konnte. In Berlin hat er einſt im Jahre 1833 ſeine akademiſche Lehrthätigkeit be⸗ gonnen und jetzt gehört er zu den Mitgliedern der preußi⸗ ſchen Akademie der Wiſſenſchaften. Burmeiſter zählte zu den erſten Naturforſchern in Deutſchland, welche die Er⸗ gebniſſe ihrer Wiſſenſchaft der Laienwelt zugänglich machten. Seine „Geſchichte der Schöpfung“, ſeine „Geologiſchen Bilder“ und ſeine „Zoonomiſchen Briefe“ ſind viel geleſen worden. Von ſeinen wiſſenſchaftlichen Werken ſind außer ſeinen Handbüchern der Naturgeſchichte, ſeine „Entomologie“, die „Ueberſicht über die Tierwelt Braſiliens“ und die Reiſe⸗ werke über Braſilien und La Plata zu nennen. Der o. Profeſſor der Botanik an der Univerſität zu Roſtock, Dr. Goebel, folgt einem Ruf an die philoſophiſche Fakultät in Marburg als Nachfolger Wigands. Privatdocent Dr. K. Oebbecke in Münſter iſt zum 0. Profeſſor der Mineralogie und Geologie und zum Direktor des mineralogiſchen Kabinets in Erlangen ernannt worden. Der o. Profeſſor der Mineralogie an der Univerſität zu Göttingen, Dr. C. Klein, hat einen Ruf als Nach⸗ folger von Websky an die Univerſität Berlin erhalten. Profeſſor Penzig in Modena iſt zum Profeſſor der Botanik an der Univerſität und zum Direktor des Kgl. Botaniſchen Gartens in Genua ernannt worden und im Januar dahin abgegangen. Harald B. Dixon wurde zum Profeſſor der Chemie und zum Direktor der chemiſchen Laboratorien am Owens College in Mancheſter ernannt. Profeſſor Guglielmo Komiti geht von Siena nach Piſa, um dort die Direktion der anatomiſchen Anſtalt zu übernehmen. Profeſſor Dr. Flügge, Direktor des Inſtituts für Chemie und Hygiene in Göttingen, folgt einem Ruf an die Univerſität Breslau. Die Kgl. Preußiſche Akademie der Wiſſenſchaften hat in ihrer Geſamtſitzung am 20. Januar den Geheimen Hof⸗ rat Profeſſor Dr. Rudolf Leuckart in Leipzig und den Profeſſor Dr. Franz von Leydig in Bonn zu korre⸗ ſpondierenden Mitgliedern ihrer phyſikaliſch-mathematiſchen Klaſſe gewählt. M. Baldwin Spencer, Fellow des Lincoln-College in Oxford, iſt auf den Lehrſtuhl für Biologie an der Univerſität von Melbourne berufen worden. Cotenlifte. Moore, Thomas, engliſcher Botaniker, geb. 29. Mai 1821, Kurator des Botaniſchen Gartens in Chelſea, Mit⸗ herausgeber des Gardeners Chronicle, ſtarb 1. Januar. Er ſchrieb namentlich über engliſche Farne und gab mit Lindley das weit verbreitete und ſehr empfehlens⸗ werte Werk Treasury of Botany heraus. Lüttich, Julius, Aſtronom, ſtarb 3. Januar in Rom. Philipps, John Arthur, engliſcher Geolog und Metallurg, ſtarb 5. Januar in ſeinem 64. Lebensjahre in Kenſing⸗ ton. Er ſchrieb eine Metallurgie, ſammelte reiche Er⸗ fahrungen in Kalifornien und veröffentlichte 1884 eine umfangreiche Abhandlung über Erzlagerſtätten. Baumgärtner, Karl Heinrich, Phyſiolog und medizini⸗ ſcher Schriftſteller, geb. 21. Oktober 1798 in Pforz⸗ heim, 1824 — 1862 Profeſſor und Direktor der medi⸗ ziniſchen Klinik an der Univerſität Freiburg, ſtarb kürzlich in Baden-Baden. Er ſuchte ſchon 1830 nach⸗ zuweiſen, daß durch die Spaltungen des Eidotters kugelige Maſſen entſtehen, aus welchen ſich die ein⸗ zelnen Teile des Tiers entwickeln. Seine „Bildungs⸗ kugeltheorie“ war der Vorläufer von Schwanns Zellen⸗ theorie. : Litterariſche Rundfdaun. Müller-Vouillet, Cehrbuch der Phyſik und Ne⸗ feorologie. 9. umgearbeitete und vermehrte Auf⸗ lage von L. Pfaundler in 3 Bänden. Bd. I. Braunſchweig, Fr. Vieweg und Sohn. 1886. Preis 12 .. Das berühmte Lehrbuch, welches nun ſchon mehreren Generationen ein treuer Führer geweſen iſt, bewährt ſeinen alten Ruf auch unter der Leitung des neuen Herausgebers, welchem es nach dem Tode Müllers anvertraut wurde. Es iſt dankbar anzuerkennen, daß Prof. Pfaundler den Cha⸗ rakter des Werkes konſerviert, welcher es für weite Kreiſe beſonders wertvoll gemacht hat. Das vortreffliche Lehrbuch von Wüllner, welches als der hauptſächlichſte Konkurrent des vorliegenden betrachtet werden kann, thut doch wohl dem letzteren keinen Abbruch, da es offenbar für ein ganz anderes Publikum beſtimmt iſt. Während Wüllner näm⸗ lich eine höhere mathematiſche Vorbildung vorausſetzt, be⸗ ſchränkt ſich Pfaundler, wie es bereits Müller gethan, „auf jene mathematiſche Begründung, die ſich mit den elemen⸗ taren mathematiſchen Mitteln einfach und ohne Weit⸗ ſchweifigkeiten erreichen läßt“. Hierdurch iſt das Müllerſche Werk, wenn man ſo ſagen darf, das populärere und wird immer in jenen Kreiſen vorgezogen werden, die der höheren Analyſis gern fernbleiben, wenn es irgend angeht. Alle gemein geſchätzt iſt an dem Müller- Pfaundlerſchen Werke die eingehende Berückſichtigung des experimentellen Teils, die ausführliche Behandlung der Apparate, welche auch in der vorliegenden neuen Auflage mit beſonderer Sorgfalt gepflegt iſt (die Zahl der Abbildungen iſt von 646 auf 861 geſtiegen). Pfaundler hat ſich entſchloſſen, das ab⸗ ſolute Maßſyſtem in allen Teilen der Phyſik gleichmäßig und konſequent zur Anwendung zu bringen, um die quanti⸗ tativen Beziehungen aller Teile zu einander und das Prineip der Erhaltung der Energie in klarer Weiſe darzuſtellen. Die Statik wurde der Dynamik untergeordnet, das Gleich⸗ gewicht nur als ſpecieller Fall, in welchem die Geſchwindig⸗ keit gleich null iſt, behandelt. So hat ſich Pfaundler mit dankenswerter Entſchloſſenheit überall auf den neueſten Standpunkt geſtellt und dadurch alle die Vorteile erreicht, welche bei dem augenblicklichen Entwickelungsgrade der Wiſſen⸗ ſchaft irgend erreichbar waren. Eine wertvolle Bereicherung ſind die Litteraturangaben, welche wenigſtens die wichtig⸗ ſten Nachweiſungen liefern. Berlin. Dammer. Berezina, Die Meteoritenſammlung des k. f. mineralogiſchen Hofkabinetts in Wien. Wien, Alfred Hölder. 1885. Preis 9 AH Das an Intereſſantem außerordentlich reiche Buch bringt im Vorwort eine kurz gefaßte Geſchichte der Ent⸗ wickelung unſerer Kenntniſſe von den Meteoriten, und gibt Humboldt, — nach Aufzählung der ſeit Tſchermaks letztem Verzeichnis neu erworbenen Stücke eine eingehende Diskuſſion über die bisher übliche Syſtematik der Meteoriten, wobei na⸗ mentlich Tſchermaks Syſtem als das ausbildungsfähigere dem gekünſtelten Syſtem von Meunier vorgezogen wird. Von großem allgemeinem Intereſſe iſt das Kapitel über die „Bildung der Meteoriten“, in dem der Autor unter Zurück⸗ weiſung der Meunierſchen Annahme von polygener Cnt- ſtehung, die auch ſchon Daubrée, Kenngott, Sorby u. a. zurückwieſen, darlegt, daß alle Strukturmerkmale der Me— teoriten auf ſchnelle Erſtarrung der geſamten Maſſe hindeuten. Es folgt noch eine Ausführung über die „gegenwärtige petrographiſche Anordnung“, die jedenfalls nach dem augen⸗ blicklichen Stande unſerer Kenntniſſe als eine vortreffliche bezeichnet werden muß. Die Beſchreibungen der einzelnen Vorkommniſſe find ſcharf und klar, wobei die drei Tafeln mit Abbildungen weſentlich das Verſtändnis unterſtützen. End— lich wird auch die „Chronologiſche Liſte der in Sammlungen aufbewahrten Meteoriten“, welche die Wiener, Londoner und Pariſer Sammlungen nebeneinander ſtellt, manchem Leſer willkommen ſein. Wurzen. Dr. Walther Hoffmann. Richard Sdurig, Himmelsatlas. Fr. Pfau. 1886. Preis 3 MH Hermann Z. Klein, Sternatlas. Leipzig, Eduard . H. Mayer. 1887. 10 monatliche Lieferungen a . 1.20. Der erſtere Atlas zeichnet ſich vor allen ähnlichen Werken durch ſeine Billigkeit aus. Er enthält auf acht Karten alle mit bloßen Augen ſichtbaren, nach Drittelgrößenklaſſen unterſchiedenen Sterne beider Hemiſphären, außerdem auch hoch eine Anzahl teleſkopiſcher Nebel. Die veränderlichen Sterne und Doppelſterne ſind durch die Bezeichnungsweiſe als ſolche kenntlich gemacht. Vier der Tafeln ſtellen die Gegenden um den Nord- und Südpol dar, die übrigen vier die Aequatorealzone des Himmels. — Der Kleinſche Atlas, von dem uns die erſte Lieferung vorliegt und auf den wir ſpäter, wenn er vollſtändig erſchienen, noch einmal zurück— kommen werden, enthält nur die Sterne zwiſchen dem Nord— Leipzig, Karl pol und 34. Grad ſüdlicher Deklination. Die Abſtufung der Sterne iſt nach ganzen Größenklaſſen erfolgt, was am Ende für die Beobachtung mit bloßem Auge genügt. Er ſoll 18 Tafeln und 13 Bogen Text enthalten. Der letztere gibt kurz die nötigen Erläuterungen zur Orientierung des Leſers am Fixſternhimmel, ſowie eine vielen gewiß will- kommene Beſchreibung der nach ihrer Rektaſcenſion aufge- führten intereſſanteren Fixſterne, Sternhaufen und Nebel— flecke, welche in den Karten enthalten ſind. Von den Sternbildern ſind in beiden Atlanten nur die Umriſſe an⸗ gegeben, die Einzeichnung der Figuren, welche die Ueber— ſichtlichkeit immer ſehr beeinträchtigen, iſt unterblieben. Bei beiden Atlanten iſt auch noch lobend hervorzuheben, daß die Bezeichnung der Sterne durch Buchſtaben und Zahlen in ziemlich weitem Umfange ſtattgefunden hat. Die Milch— ſtraße und die Ekliptik vermiſſen wir auf den Kleinſchen Karten nur ungern. Gewiſſe beſonders intereſſante Ob— jekte, wie der Orionnebel und die Plejadengruppe, ſind bei Klein auf beſonderen Tafeln, bei Schurig in kleinen Kartons dargeſtellt. Zweien der letzteren, welche den Nebel in der Andromeda und in der Leier enthalten, iſt infolge eines Druckfehlers negative ſtatt poſitiver Deklination beigeſetzt. Berlin. Dr. Otto Knopf. A. Favaro, Carteggio inedito di Ticone Brahe, Giovanni Keplero e di altri celebri astro- nomi e matematici dei secoli XVI. e XVII. con Giovanni Antonio Magini. Bologna, Nicola Zanichelli. 1886. Das hochintereſſante Werk liefert eine Menge von Auf— klärungen für die Geſchichte der geiſtigen Bewegung, welche um das Jahr 1600 herum die Denker aller Kulturvölker ergriffen hatte. Magini (geb. gegen das Ende der fünfziger Humboldt 1887. März 1887. 121 Jahre des 16. Jahrhunderts, geſt. 1617, langjähriger Pro- feſſor der mathematiſchen Wiſſenſchaften an der Univerſität Bologna) war ein achtbarer Gelehrter, der mit einer iiber- aus großen Anzahl zeitgenöſſiſcher Gelehrter in nahen per— ſönlichen und brieflichen Beziehungen ſtand und ebendieſer ſeiner Mittlerſtellung halber den Durchſchnittsſtandpunkt der Wiſſenſchaft ſeines Zeitalters vortrefflich repräſentiert. Favaro fand bei Gelegenheit der archivaliſchen Studien, welche er für eine neue Ausgabe der Geſamtwerke Galileis anſtellt, in den Familienſammlungen der Grafen Malvezzi die Korreſpondenz Maginis und legt uns dieſelbe in einem ſtarken, ſchön ausgeſtatteten und mit dem Bildnis des Gefeierten gezierten Bande vor, verbunden mit all den litterar- und wiſſenſchaftsgeſchichtlichen Nachweiſen, welche eine ſolche Ausgabe erſt recht fruchtbar machen. Insbeſondere hat ſich der Herausgeber Mühe gegeben, die Lebensgeſchichte ſeines Helden aufzuklären und es iſt ihm dies ſehr gut gelungen. Magini war in erſter Linie Aſtronom und, was nun einmal nach der Anſicht der Zeit hiervon un- trennbar war, auch Aſtrologe, und ſuchte dieſe After— wiſſenſchaft durch Anwendung der Trigonometrie auf die beim Horoſkopſtellen u. ſ. w. notwendig werdenden Be— rechnungen möglichſt exakt zu geſtalten. Als Mathematiker gehört er unter die erſten, welche ſich des damals noch neuen Hilfsmittels, der ſogenannten „Proſtaphäreſis“, mit Erfolg bedienen; dieſelbe beſteht darin, die Summe oder Differenz zweier gleichartiger trigonometriſcher Funktionen in ein Produkt zu verwandeln und umgekehrt. Auch geographiſch und geodätiſch war er vielfach thätig; die von ihm verfertigten Inſtrumente erfreuten ſich eines ausge— breiteten Rufes. In dem Briefwechſel verdienen natürlich die Schreiben eines Tycho und eines Kepler beſonders berückſichtigt zu werden; der Erſtgenannte hatte ſchon während ſeines Aufenthalts in der däniſchen Heimat die Beziehungen angeknüpft, die ſich dann nachmals von Prag aus noch feſter geſtalteten und ſich auch auf Brahes Schwiegerſohn Tengnagel ausdehnten. Unter den deutſchen Fachmännern, mit denen der Bologneſer korreſpondierte, ſind noch Chriſtoph Scheiner, Clavius und Adrian von Roomen zu nennen, der letztere allerdings von Geburt ein Flamänder, durch ſeine Berufung an die zu neuem Glanze erweckte Würzburger Hochſchule aber auch der Unſern einer. Wir ſind überzeugt, daß die Kulturgeſchichte aus dieſer wertvollen Veröffentlichung den mannigfachſten Nutzen ziehen wird. München. Prof. Dr. S. Günther. Salomon, Wörterbuch der botaniſchen Kunſt⸗ ſprache. 2. Auflage. Stuttgart, Ulmer. 1886. Preis 1 -% Salomon, Wörterbuch der botaniſchen Gattungs⸗ namen mit Angabe der naürlichen Familie, der Artenzahl, der geographiſchen Verbreitung und dem Zeichen der Dauer. Daſelbſt 1887. Preis 2,5 K Zwei kleine, für Gartenfreunde und Gärtner ſehr empfehlenswerte Bücher, von denen das erſte eine recht vollſtändige Zuſammenſtellung der botaniſchen termini technici gibt. Der Anhang, welcher nur wenige Seiten umfaßt, verdient bei einer neuen Auflage beſondere Be— rückſichtigung, da er in der gegenwärtigen Form wenig nutzt, bei konſequenter weiterer Ausführung aber recht wertvoll werden könnte. Auch wäre zu wünſchen, daß bei einer neuen Auflage die Zeichen für die Ausſprache in beiden Büchern überall geſetzt würden. Vielleicht muß man die vielen Stellen, an denen ſie jetzt fehlen, als Druckfehler betrachten, da deren auch ſonſt nicht wenige vorkommen. Für das zweite Buch, welches ganz beſonders nützlich erſcheint, möchten wir dem Verfaſſer empfehlen, überall, wo es Synonymen gibt, die Angaben, die ſich bei den Hauptnamen finden, zu wiederholen, um das läſtige zwei⸗ malige Aufſchlagen zu erſparen. Auch wären bei den Hauptnamen vorteilhaft alle Synonymen zu geben, ebenſo bei großen Gattungen die Untergattungen. Die obigen. 16 122 Humboldt. — März 1887. Bemerkungen mögen unſer Intereſſe an den beiden Büchern bezeugen, wir wünſchen denſelben recht weite Verbreitung, da ſie in der Hand des Publikums, für welches ſie be⸗ ſtimmt find, ſehr nützlich und anregend ſich erweiſen werden. Berlin. Dammer. hikipp Stöhr, Cehrbuch der Histologie und der e e Anatomie des Nenſchen mit Einſchluß der mikrofkopiſchen Technik. Mit 199 Holz⸗ ſchnitten. Jena, G. Fiſcher. 1887. Preis 7 /. Die rührige Verlagshandlung hat uns wieder mit einem vorzüglich ausgeſtatteten Lehrbuch beſchenkt, das, da es ſich zum Teil auch für weitere Kreiſe eignet, hier be⸗ ſprochen ſein mag. Das Werk führt in die Grundzüge der menſchlichen Hiſtologie und mikroſkopiſchen Anatomie ein und will dem Studierenden eine Anleitung zur Selbſt⸗ anfertigung der Präparate und zum Studium derſelben geben. Nach einer kurzen Beſprechung der nötigen In⸗ ſtrumente und Reagentien (nach unſerer Anſicht für den Anfänger zu viele) wird die Herſtellung der Präparate nach den gebräuchlichſten Methoden erläutert; für viele werden die genauen Zeitangaben, die der Autor für die Behandlung der Objekte mit Agentien macht, von Vorteil ſein. In dem folgenden ſpeciellen Teil, der mit der Zelle beginnt, dann die einfacheren Gewebe und ſchließlich die Organe behandelt, finden ſich am Schluß jedes Abſchnittes die nötigen techniſchen Angaben, auf welche vorher im Text reſp. in der Erklärung der zahlreichen guten und durchaus nicht ſchematiſierten Abbildungen verwieſen wird. Wenn auch ausgeſprochen das Werk für Mediziner beſtimmt iſt, ſo werden doch auch andere, die ſich aus irgend welchen Gründen für die hiſtologiſche Struktur der Organe des Menſchen und der Säugetiere intereſſieren, mit Vorteil von dem Buch Gebrauch machen und ſich damit Methoden aneignen, die zum Teil direkt, zum Teil mit gewiſſen Modifikationen auf die Gewebe anderer Tiere anzuwen⸗ den find. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. A. Götte, Abhandlungen zur Entwickelungs⸗ geſchichte der Tiere. Heft 3. Unterſuchungen zur Entwickelungsgeſchichte von Spongilla fluvia- tilis. Mit 5 Tafeln. Hamburg und Leipzig, L. Voß. 1886. Preis 18 J Der durch ſeine entwickelungsgeſchichtlichen Studien allbekannte Verfaſſer gibt in dem erſten Teile des vor⸗ liegenden Werkes intereſſante Beobachtungen über die Ent⸗ wickelung von Spongilla fluviatilis. Danach entſtehen die Eier der Spongilla aus beliebigen Parenchymzellen, welche ſich vergrößern und abrunden. Durch Teilung bilden ſich in dieſem Urei mehrere Zellen, von denen eine ſich ſtark vergrößert, die anderen teils zur Herſtellung des Follikel⸗ epithels mit benutzt, teils als Nährzellen in den Follikel eingeſchloſſen werden. Die Nährzellen verſchwinden und damit iſt die Anlage des Eies vollendet. Aus dieſem Ei entſteht der zweiſchichtige Embryo, eine Sterrogastrula, welche ſpäter eine Entodermhöhle enthält. Nachdem dieſe Larve ausgeſchlüpft iſt, ſchwimmt ſie einige Zeit mit Hilfe ihrer Wimpern frei im Waſſer umher und heftet ſich als⸗ dann feſt, wobei das Ektoderm verloren geht. Eine peri⸗ pheriſche Schicht wird zur Epidermis und aus der kom⸗ pakten Innenmaſſe entwickeln fic) die übrigen Gewebe. Das Entoderm bildet nicht allein die einzige ſondern auch die einheitliche Grundlage des geſamten Organismus. In dem Entodermkern entſtehen die ein⸗ und ausführenden Hohlräume und durch Knoſpenbildung einzelner Zellen die Geißelkammern. Die Gemmula iſt nach ihrer Anlage ein Stück des Schwammkörpers, deſſen ſämtliche Parenchym⸗ und Epithelzellen durch Hypertrophie ſich in einen kompakten Haufen indifferenter gleichartiger Elemente verwandeln. Die aus der Schale herausgekrochene Gemmulamaſſe unter⸗ ſcheidet ſich in keinem Stück von einem vom Ektoderm entblößten und frühzeitig angehefteten, daher noch in⸗ differenten Larvenentoderm und entwickelt ſich in derſelben Weiſe. Im zweiten Teile vergleicht der Verfaſſer die Ent⸗ wickelung der Spongilla fluviatilis mit derjenigen der übrigen Schwämme und kommt endlich zu dem Schluſſe: Die Cölenteratennatur der Schwämme oder ihre nähere Verwandtſchaft mit den Neſſeltieren läßt ſich entwickelungs⸗ geſchichtlich in keiner Weiſe begründen. Sie ſind viel⸗ mehr als ein durch eine eingreifende Rückbildung aus den älteſten Heteroplaſtiden hervorgegangener beſonderer Stamm anzuſehen. Hannover. Prof. Dr. W. Heß. BW. Heß, Die Heinde der Biene im Tier- und Bflanzenreiche. Hannover, Philipp Cohen. 1887. Preis 2,5 /. In dem hier vorliegenden, ſehr verdienſtlichen Werke ſind die Bienenfeinde nach den Tierklaſſen geordnet. Kein Feind wurde vergeſſen. Das in zahlreichen naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Büchern und bienenwirtſchaftlichenZeitſchriften zer⸗ ſtreute Material hat der Verfaſſer muſterhaft mit dem eigenen reichen Wiſſen in Einklang gebracht. Naturfreunde werden das Werkchen mit hoher Befriedigung leſen; die Bienen⸗ züchter aber ſind dem Verfaſſer zu Dank verpflichtet, weil das Buch nicht bloß die einzelnen Bienenfeinde kennzeichnet, ſondern auch die Mittel und Wege angibt, die feindlichen Tiere vom Bienenſtande und den Bienenſtöcken fern zu halten. Ganz beſonders hebe ich hervor, daß Verfaſſer nicht gegen die Feinde mit Feuer und Schwert wütet, welche ſich ſonſt im Haushalt der Natur nützlich erweiſen. Das Buch gibt wohl Ratſchläge, dieſe Tiere vom Bienen⸗ ſtande zu verjagen, verwirft aber, ſie zu töten. Auch die Bienenfeinde aus dem Pflanzenreich, Mucor mellitopho- rus, M. mucedo etc., wurden gebührend berückſichtigt. Die 38 Abbildungen tragen zum Verſtändnis des Textes und zum Erkennen der Tiere weſentlich bei. Papier und äußere Ausſtattung ſind gut. W. Vogel. Lehmannshöfel bei Zechin. W. Kobelt. Prodromus faunae Molluscorum Testaceorum, maria europaea inhabitantium. Nürnberg, Bauer & Raspe. 1886. Fasc. I. Preis 3 . Das vorliegende erſte Heft des Prodromus mit den Murieiden beginnend, geht bis zur Familie der Pleuro- tamidae. Daß uns eine exakte Bearbeitung geboten wird, dafür bürgt der wohlbekannte Name des bedeutenden Kon⸗ chylienkenners, der ſtets mehrere Eiſen im Feuer hat und das große Gebiet, ſpeciell der europäiſchen Molluskenkunde und ihrer Litteratur völlig beherrſcht. So iſt auch im Prodromus der genauen Beſchreibung der Art ſtets ein Synonymen⸗ und Litteraturverzeichnis beigefügt. Als kleine Ausſtellung möchten wir nur bemerken, daß wir ungern bei den einzelnen Gruppen, beſonders bei den Familien die Autorennamen vermiſſen, dagegen mit Freuden be⸗ grüßen, wie auch im Prodromus Kobelt entgegen einer neuerdings ſo oft beliebten Praxis daran feſthält, den Namen des Gelehrten, welcher die Species zuerſt beſchrie⸗ ben, als Autornamen beizufügen. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Willibald, Die Neſter und Eier der in Deutſch⸗ kand und den angrenzenden Ländern brütenden Vögel. Vollſtändig umgearbeitet von Bruno Dürigen. 3. Auflage. Mit 229 nach der Natur gefertigten Abbildungen. Leipzig, C. A. Koch. 1886. Preis 3 HH Das im Jahre 1854 bei Kutſcher in Luckau erſchie⸗ nene Buch, deſſen dritte Auflage „vollſtändig umgearbeitet von B. Dürigen“ ſoeben vor uns liegt, hat bereits im Jahre ſeiner Publikation von Baron Richard König⸗Wart⸗ hauſen eine geradezu vernichtende Beſprechung gefunden (Naumannia 1855, S. 216). Wir wollen dieſe „Kritik“ Humboldt. — März 1887. 123 hier nicht wiederholen, müſſen aber geſtehen, daß uns, und wahrſcheinlich alle Ornithologen, eine neue Auflage dieſes Buches peinlich berührt hat. Wir wollen über den Text der erſten Auflage nicht mehr zu Gericht ſitzen. H. B. Dürigen hat denſelben in der That vollſtändig und im ganzen dem aktuellen Standpunkte der Ornithologie und der Dologie (Eierkunde) entſprechend umgearbeitet und wirklich ein für den Anfänger in der Lebenskunde der mitteleuro- päiſchen Vögel ſehr brauchbares Buch geſchaffen. Aber wozu dieſe Eier⸗ und Neſterabbildungen, welche den aus- führlichen und genauen Beſchreibungen des Textes mit wenigen Ausnahmen geradezu widerſprechen und den ver- gleichenden Anfänger nur irreleiten können und das für ſich wertvolle Buch unnötig verteuern? Wenn Baron König⸗ Warthauſen das geradezu ſchlechte Original dieſer angeblich „nach der Natur gefertigten Abbildungen“ a. a. O. nach⸗ gewieſen hat und H. B. Dürigen in der Vorrede nur von „acht neuen Tafeln“ ſpricht, fo ijt doch auf dem Titel- blatte noch immer von der „Fertigung derſelben nach der Natur“ die Rede. Mag es ſein, daß einige Figuren wirklich dies Verdienſt beanſpruchen können; nach genauer Durchſicht und Prüfung ſämtlicher 229 Abbildungen ſind wir indes zu dem Reſultate gekommen, daß die übergroße Mehrheit derſelben eine ſehr bedeutende Aehnlichkeit mit dem „Original“ beſitzen, und daß bei den neuen Tafeln dies zum Muſter gedient hat — oder daß der Verfertiger derſelben ein geſchickter Eiermaler nicht iſt! Weshalb hat man denn nicht die neueren Abbildungen eines Thiene- mann oder — noch beſſer — Baedecker als Vorlagen be— nutzt? Wir können unſererſeits dem Herrn Verleger nur raten, daß er zu dem guten Texte gleichwertige Abbildungen fertigen läßt, um das Buch allſeitig em- pfehlungswert zu machen. Mit der Reduzierung der größeren Eier in quadratiſchem Maßſtabe ſind wir vollſtändig einverſtanden, wenn dieſer möglichſt genau genommen wird. Koburg. Dr. Baldamus. G. K. Cutz, Das Hüßwaſſer-Aquarium und das Seben im Süßwaſſer. Stuttgart, Hänſelmanns Verlag. 1886. Preis 4 AH Zu den vielen Büchern über Aquarien wird uns hier ein neues geboten, deſſen Verfaſſer auf langjährige Er⸗ fahrungen fußt und eifrig bemüht iſt, überall anzuregen und die Liebhaber zu einer verſtändnisvollen Pflege des Aquariums und ſeiner Bewohner zu veranlaſſen. Das Buch enthält eine Anzahl farbiger Abbildungen von Pflanzen und Tieren, bei denen die Zeichnung jedenfalls korrekter iſt als die Farbengebung. Man iſt heutzutage an beſſere Lei⸗ ſtungen gewöhnt und vermag ſich mit ſo grellfarbigen kolorierten Molchen, Fröſchen und Fiſchen nicht mehr zu befreunden. Berlin. Sr. Natzel, Völkerkunde. 2. Band. Die Natur⸗ völker Oceaniens, Amerikas und Aſiens. Mit 391 Abbildungen im Text, 11 Aquarelltafeln und 2 Karten. Leipzig, Bibliographiſches In— ftitut. 1886. Preis 14 A# Der vorliegende Band gehört zu der bereits in dieſen Blättern angeprieſenen „Allgemeinen Naturkunde“, von der man ſagen möchte, daß ſie ſich von Band zu Band reicher entfaltet, obgleich bereits den erſterſchienenen Bänden eine Vereinigung ſeltener Vorzüge nachgerühmt werden mußte. Während der erſte Band der „Völkerkunde“ ſich nach der allgemeinen Einleitung allein mit den Naturvölkern Afrikas beſchäftigt, folgen hier in lebendiger Mannigfaltigkeit die Naturvölker Auſtraliens, Polyneſiens, Mikroneſiens, Mela⸗ neſiens, der Malayiſchen Länder, Madagaskars, Nord- und Südamerikas und der Polarländer, d. h. alſo der geſamten übrigen Welt. Durch die vorläufige Ausſcheidung und Zurückſtellung der Kulturvölker gewann die vergleichende Schilderung der Naturſtämme offenbar an unmittelbarer Wirkung und Ueberſichtlichkeit. Indem der Verfaſſer jedesmal von den Naturverhältniſſen des Landes und den Lebens— Dammer. bedingungen ausgeht, dann die Körperbeſchaffenheit und das geiſtige Vermögen ſchildert, hierauf Tracht, Waffen und ſonſtigen Beſitz, endlich die Kulturerrungenſchaften (Ernährungsweiſe, Familienleben, ſtaatliche Einrichtungen, Religion u. ſ. w.) in Betrachtung nimmt, gliedert er das weitzerſtreute Material in der denkbar überſichtlichſten Form und iſt überall bemüht, die Uebertreibungen und Mißver— hältniſſe einzelner und namentlich älterer Reiſender auf die thatſächliche Grundlage zurückzuführen. Der Leſer lernt und läutert ſein Urteil über die immer noch im Vordergrund der Tagesintereſſen ſtehenden fremden Länder und Kolonialverhältniſſe, während er fic) angenehm unter— hält. Nicht wenig trägt zu dieſer genußreichen Anregung allerdings der umfangreiche Anſchauungsapparat in der reichen bildlichen Ausſtattung bei, welche ſchlechthin voll- endet genannt werden muß. Solche Aquarellbilder, wie ſie hier geboten werden, mögen ſie nun Menſchentypen, Landſchaften und Niederlaſſungen, oder Waffen, Beklei⸗ dungsſtoffe und Geräte darſtellen, ſind nicht mehr bloße Illuſtrationen, ſondern oft wirkliche Kunſtleiſtungen. Das- felbe gilt von den Holzſchnitten, die wir nie in vollen- deterer Technik geſehen haben; man vergleiche nur die Bruſt— bilder von Neu-Südwales auf S. 18 und 20! Daß die Verlagsbuchhandlung dabei noch in anderem Sinne, als durch Gewinnung vorzüglicher Künſtler beteiligt war, be— weiſen die zahlreichen Holzſchnitte nach Gegenſtänden, welche der Sohn des Chefs der Verlagshandlung, Dr. Hans Meyer auf ſeiner Weltreiſe geſammelt hat und das von ihm ent— worfene Aquarell der Cigarretten-Raucherin von Luzon (Philippinen). Nicht nur der Leſer, ſondern auch der Autor, der ſolche Unterſtützung auf ſeinem Wege findet, iſt darob zu beneiden. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. BS. Siemens, Das naturwiſſenſchaftliche Zeitalter. Berlin, Karl Heymanns Verlag. 1886. Preis 0,8% Der mit ſo großem Beifall aufgenommene Vortrag des berühmten Elektrotechnikers, welcher auf der letzten Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte in Berlin gehalten wurde, liegt hier im Separatabdruck vor und wird vielen ſehr willkommen ſein. Den Inhalt haben wir in unſerem Bericht über die Naturforſcherverſammlung bereits kurz skizziert. Berlin. Dammer. Reden von Emil Du Bois Reymond. Erſte Folge. Litteratur. Philoſophie. Zeitgeſchichte. Leipzig, Veit & Cie. 1886. Preis 8 KH Die hier vorliegende Sammlung meiſt in den feſtlichen Sitzungen der Berliner Akademie der Wiſſenſchaften gehaltener Reden des berühmten Phyſiologen bietet einen außerordent— lichen Gedankenreichtum in edelſter, anſprechendſter Form. Die einzelnen Reden berühren zum Teil, entſprechend den Veranlaſſungen, bei welchen ſie gehalten wurden, nicht nur brennende Fragen der neueren Naturforſchung, ſondern auch politiſche Themata, wie die große Zeit, welche wir durchlebt haben, ſie darbot. Mehrere dieſer Reden haben zu der Zeit, als ſie gehalten wurden, weite Kreiſe lebhaft erregt, ſie fanden begeiſterte Zuſtimmung, aber auch leb— haften Widerſpruch und einige ſind Merkſteine auf dem Wege der Entwickelung unſerer Naturkenntnis geworden. Alle aber wurden, auch von den Gegnern, als höchſt bedeut— ſam anerkannt. Man muß dem Autor dankbar ſein, daß er ſich entſchloß, dieſe Sammlung herauszugeben, ſie wird viele Freunde finden und wir wüßten kaum eine angenehmere, lehrreichere und anregendere Lektüre für Freunde der Natur— wiſſenſchaft, ja für alle Gebildeten zu empfehlen. Der Band enthält folgende Reden: Voltaire als Naturforſcher. Leib- niziſche Gedanken in der neueren Naturwiſſenſchaft. Aus den Tagen des Norddeutſchen Bundes. Der deutſche Krieg. Das Kaiſerreich und der Friede. Ueber die Grenzen des Naturerkennens. Ueber eine kaiſerliche Akademie der deut- ſchen Sprache. La Mettrie. Darwin versus Galiani. Kulturgeſchichte und Naturwiſſenſchaft. Ueber das National- 124 Humboldt. — März 1887. gefühl. Friedrich II. und Jean Jacques Rouſſeau. Die ſieben Welträtſel. Goethe und kein Ende. Friedrich II. in engliſchen Urteilen. Die Humboldt⸗Denkmäler vor der Berliner Univerſität. Zu Diderots Gedächtnis. Sehr wertvoll iſt ein dem Bande beigegebenes ausführliches Regiſter. Berlin. Dammer. A. Baftian, In Sachen des Spiritismus und einer naturwiſſenſchaftlichen Pſychologie. Berlin, Nicolaiſche Verlagsbuchhandlung (R. Stricker). 1886. Preis 4 %. Das von der bekannten Gründlichkeit des ebenſo viel⸗ beleſenen als vielgereiſten Völkerpſychologen zeugende Buch berichtet in ſeinem Vorwort über die Entlarvung einiger der berühmteſten Medien der Neuzeit (D. Home und H. Slade), jowie über die Seelenerkenntnis Jägers und ſucht dann den Beweis zu führen, daß unſere Spiritiſten über das Weſen und die Kraftäußerungen der abgeſchiedenen Geiſter mit den Polyneſiern und noch tiefer ſtehenden Naturvölkern ungefähr auf derſelben Erkenntnisſtufe ſtehen. Er verweilt ferner bei der Thatſache, daß die große Neigung gewiſſer Bildungsklaſſen unſerer Zeit zum Spiritismus mit allen ſeinen Auswüchſen eine bedauernswerte Folge⸗ wirkung der Erſchütterung des kirchlichen Glaubens durch die moderne Naturwiſſenſchaft iſt und hofft von der Ver⸗ breitung und Vectiefung der völkerpſychologiſchen Studien die Klärung und Läuterung der gangbaren Vorſtellungen dieſes Kreiſes. Daß das Buch ebenſo wie die meiſten früheren Schriften des verdienten Forſchers ein ſehr ſchwer⸗ lesbares iſt, dürfen wir zum Schluſſe nicht verſchweigen. Es ſetzt zum vollen Verſtändnis mindeſtens die Kenntnis der griechiſchen und lateiniſchen, engliſchen, franzöſiſchen und deutſchen Sprache voraus, denn der Verfaſſer beharrt bei ſeiner vielgerügten Methode, die unzähligen Autoren, die er beſtändig heranzieht, in ihrer Sprache und ohne Stellenangabe zu citieven. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. Arnold Schafft, „Zleber das Vorherſagen von Naturerſcheinungen“. Sammlung gemeinver- ſtändlicher wiſſenſchaftlicher Vorträge, herausge⸗ geben von Virchow und v. Holtzendorff. Neue Folge. I. Serie, Heft I. Berlin, Habel. Preis 0,8 MH Auf Grundlage der induktiven Logik und der wichtigſten Lehren der Naturwiſſenſchaften gibt der Verfaſſer eine Anleitung, den Wert der Vorherſage von Naturerſcheinungen zu beurteilen und zwar nach dreierlei Geſichtspunkten: in Bezug auf 1) Vorherſagungen und Verallgemeinerungen auf Grund der Baconſchen Induktion durch einfaches Auf⸗ zählen, 2) Vorherſagungen und Verallgemeinerungen auf Grund des allgemeinen Kauſalgeſetzes (Millſche Induktion) und 3) Vorherſagungen und Verallgemeinerungen auf Grund von Theorien und Hypotheſen. Uebergänge und Kombina⸗ tionen dieſer drei Arten von Vorausſagungen kommen ins⸗ beſondere in der Medizin, Geologie und Meteorologie vor. Die weitaus überwiegende Majorität der Menſchen iſt geneigt, ohne gründliche Abwägung aller in Betracht fallenden Umſtände entweder gewiſſen Vorausſagungen allzu⸗ großes Vertrauen zuzuwenden, oder die Vorherſagungen allzuſehr ſkeptiſch zu beurteilen, während es nur ſehr wenige verſtehen, die Mitte zu halten und die Vorherſagungen ihrem wirklichen Werte nach zu beurteilen. Hierfür gibt insbeſondere die Meteorologie und die Medizin ganz treff⸗ liche Belege. Wir rechnen es dem Verfaſſer zu großem Verdienſte an, hier in überſichtlicher, klarer Darſtellung den Maßſtab angegeben zu haben, nach welchem die Vor⸗ herſagen nicht nur der großen Naturerſcheinungen, ſondern auch der gewöhnlichen Erſcheinungen des alltäglichen Lebens zu beurteilen ſind, und können daher die vorliegende Schrift aus voller Ueberzeugung empfehlen. Des beſchränkten Raumes wegen müſſen wir davon Abſtand nehmen, auf dieſe kleine, aber gehaltreiche Schrift hier weiter einzugehen. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Tudwig Cange, Die geſchichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraus ſicht⸗ liches Endergebnis. Ein Beitrag ee hiſtoriſchen Kritik der mechaniſchen Prinzipien. Leipzig, Engel⸗ mann. 1886. Preis 3 / Wer die Geſchichte der Aſtronomie und des als Kine- matik oder Phoronomie bezeichneten Teiles der Mechanik aufmerkſam ſtudiert hat, der weiß, daß der Gegenſatz von abſoluter und relativer, reſp. von wahrer und bloß ſchein⸗ barer Bewegung zu denjenigen Dingen gehörte, deren Verſtändnis zu allen Zeiten beſondere Schwierigkeiten bereitet hat. Es war deshalb eine dankenswerte Aufgabe, gerade dieſen Punkt einmal im geſchichtlichen Zuſammenhange zu behandeln. Der Verfaſſer beginnt mit Ariſtoteles und den Eleaten, ſtreift die Theorie des Cuſaners, daß der Begriff des abſolut Feſten und Ruhigen mit inneren Widerſprüchen behaftet ſei, eine Theorie, die wohl ſchon deshalb eine etwas eingehendere Beleuchtung verdient hätte, weil aus ihr eine höchſt originelle Auffaſſung der Erdrotation her⸗ vorging, und verweilt kurz bei den Sophismen der Scho⸗ laſtiker. Es wird dann weiter gezeigt, daß Kopernikus zwar mit einem der ariſtoteliſchen Bewegungsſätze brach, zu einer philoſophiſchen Ausgeſtaltung dieſer ganzen Lehre aber ſchon deshalb keinen Grund hatte, weil auch für ihn die Fixſternſphäre das ſtabile und unantaſtbare Bezugs⸗ objekt bildete, und daß auch Kepler im weſentlichen auf dieſem Boden ſtehen blieb, wiewohl er zu philoſophiſcher Spekulation über dieſe Dinge ſich bei weitem mehr angeregt fühlte, als ſein Vorgänger. Galilei dagegen hat klar er⸗ kannt, daß wir ausſchließlich relative Bewegungen wahr⸗ zunehmen imſtande ſind; Descartes bemerkte dann weiter das reziproke Verhalten, welches zwiſchen anſcheinend ruhen⸗ den und anſcheinend bewegten Körpern naturnotwenig ob⸗ waltet. Der Engländer More, auch in der Geſchichte der vierten Dimenſion genannt, verſuchte, der carteſianiſchen Doktrin entgegenzutreten, jedoch mit wenig Glück. Die Newtonſche Reform glaubt der Verfaſſer dahin präziſieren zu können, daß an Stelle des Galileiſchen (phänomenalen! Anſchauungsraumes ein reeller, abjoluter Raum geſetzt ward; darin lag unter dem Geſichtspunkte des Kritizismus eine Verſchlechterung, unter demjenigen der theoretiſchen Dynamik jedoch ein erheblicher Fortſchritt. In der ſupra⸗ naturaliſtiſchen Einkleidung der Bewegungsaxiome New⸗ tons glaubt Herr Lange den Einfluß Mores erkennen zu ſollen. Huygens dachte über dieſe Fragen beſonders klar, wie ſich ſchon aus ſeiner unbewußt richtigen Verwendung der relativen Bewegung bei der Herleitung der Stoßgeſetze ergibt, wogegen Leibniz, der mit erſterem vielfach gerade über dieſe Streitpunkte korreſpondierte, eine minder klare Mittelſtellung zwiſchen beiden Gegnern einzunehmen beſtrebt war. Auch Berkeley hatte, wie fic) bei ihm von ſelbſt, verſtand, an der dogmatiſchen Behandlungsweiſe ſeines Landsmannes vieles auszuſetzen. Charakteriſtiſch iſt, daß Euler, der mit muſterhafter Klarheit im Reiche der Formeln ſchaltete und waltete, bei den begrifflichen Feſtſetzungen ein ſtetes Schwanken an den Tag legt, während die auch bei Kant ſich bemerklich machende Unſicherheit der ſonſtigen kritiziſtiſchen Schärfe dieſes Mannes minder entſpricht. Unter den neueren Klärungsverſuchen iſt beſonders der⸗ jenige C. Neumanns bemerkenswert, der alle Bewegungs⸗ erſcheinungen zu einem ideellen Feſtkörper (Alpha) in Bezug geſetzt wiſſen will. In einem erſten Anhange wird nachzuweiſen verſucht, daß die Bemühungen der Aſtronomen, eine translatoriſche Bewegung des Sonnenſyſtems gegen eine beſtimmte Stelle der Himmelskugel zu ermitteln, an inneren, logiſchen Ge⸗ brechen krankten. Der zweite Anhang entwickelt das vom Verfaſſer zu endgültiger Beſeitigung der immerhin vor⸗ handenen Aporien ausgedachte „Inertialyſtem“; der Ge⸗ danke ſcheint geiſtreich zu ſein, allein in der Kürze und Abſtraktheit, mit welcher deſſen Urheber ihn hier formuliert, liefert er uns doch nicht hinreichend Stoff zu abſchließender Beurteilung. Es wäre zu wünſchen geweſen, daß der Verfaſſer an dieſer Stelle etwas weniger mit dem Raum Humboldt. März 1887. 125 gekargt und insbeſondere auch einige der von ihm an anderem Orte gelieferten mathematiſchen Ausführungen mit in ſeinen Text verwoben hätte. München. Prof. Dr. S. Günther. Friedrich Noth, Der Einſluß der Reibung auf die Ablenkung der Bewegungen längs der Erdoberfläche. Halle a. d. S., W. H. Schmidt. 1886. Preis 0,8 % Bruns in Leipzig hatte ermittelt, daß jene Azimutal⸗ ablenkung, welche jeder in Bewegung befindliche Körper unter dem Einfluſſe der Erdumdrehung erfährt, von der Reibung völlig unabhängig ſei. Roth hatte denſelben Satz ſchon früher gefunden und tritt deshalb nunmehr mit ſeiner eigenen, bisher unveröffentlicht gebliebenen Ableitung her⸗ vor, die etwas elementarer als diejenige von Bruns ge— halten iſt, aber doch, wie es eben nicht anders ſein kann, noch immer ein ziemliches Maß von Kenntniſſen in Mathe- matik und Mechanik vorausſetzt. Der Verfaſſer zieht aus ſeinen Rechnungen den Schluß, daß auch beim Foucault- ſchen Pendelverſuch die Drehung der Schwingungsebene, um uns dieſes freilich nicht recht bezeichnenden Ausdruckes zu bedienen, einzig von der Zeit abhängt. Weiterhin prüft er die Frage, ob nicht durch ſeine Reſultate, wonach die Tangentialkräfte den azimutalen Deviationen gegenüber ſich vollſtändig neutral verhalten ſollen, die Ferrel-Guld- bergſche Theorie der Luftwirbel und Cyklonalwinde ge- fährdet werde. Allerdings ergibt ſich, daß Ferrel die Reibungswiderſtände nicht in der richtigen Weiſe berück— ſichtigt hat. Zum Schluſſe formuliert der Verfaſſer ein neues meteorologiſches Geſetz, welches auch ſchon äußerlich an das bekannte erſte unter den drei von Kepler für die Planetenbewegung aufgeſtellten Geſetze erinnert: Denken wir uns bei kreisförmigen Iſobaren und konſtantem Ab— lenkungswinkel einen Luftwirbel von der Beſchaffenheit, daß die ihm angehörigen Luftmoleküle niemals aus der einmal eingenommenen Horizontalebene heraustreten, ſo beſchreibt, falls die Reibung der Geſchwindigkeit propor- tional geſetzt wird, der vom Mittelpunkt aus gezogene Radiusvektor ſowohl in der Cyklone als auch in der Anticyklone in gleichen Zeiten auch gleiche Flächenräume. München. Prof. Dr. S. Günther. M. J. Pernet, Comparaison des mètres dans Pair ala temperature ambiante. Travaux et Mémoires du Bureau international des poids et mesures; tome V. Paris 1886. Es muß an dieſer Stelle genügend erſcheinen, auf dieſen muſterhaft fleißigen Beitrag zur Präziſionsphyſik wenigſtens hingewieſen zu haben. Im Jahre 1877 hatte das internationale Komitee der Maße und Gewichte die Anfertigung zweier Platinmaßſtäbe angeordnet, welche denn auch von der Firma Brunner in Paris hergeſtellt wurden. Einer derſelben gilt proviſoriſch als Normal-Etalon, und es handelte ſich nunmehr für die unter dem Zeichen des Meters lebenden Völker darum, Vergleichungen ihrer Etalons mit jenem vornehmen zu laſſen. Herr Pernet, Docent an der Berliner Univerſität, hat unter der Oberaufſicht des internationalen Ausſchuſſes (beſtehend aus dem deutſchen Aſtronomen Foerſter, dem franzöſiſchen Chemiker Stas und dem norwegiſchen Mathematiker Broch) dieſe Ver- gleichungen durchgeführt und erſtattet hier Bericht über die von ihm angewandten Beobachtungs- und Berechnungs— methoden. Die Feinheit der anzubringenden Korrekturen muß das Staunen eines jeden nicht von Hauſe aus mit derartigen Arbeiten vertrauten Leſers erregen. München. Prof. Dr. S. Günther. Bibliographie. Bericht vom Monat Januar isse. Allgemeines. Baade, F., Zur Reform d. Naturgeſchichtsunterrichts in der Volksſchule. Spandau, Oeſterwitz. M. —. 50. Gaule, J., Die Stellung d. Forſchers gegenüber dem Problem d. Lebens. Rede. Leipzig, Veit & Co. .—. 60. Kriſt, J., Anfangsgründe der Naturlehre für die Unterklaſſen der Real⸗ ſchulen. 4. Aufl. Wien, Braumüller. Geb. M. 3. 60 Schriften des naturwiſſenſchaftlichen Vereins des Harzes in Wernigerode. 1. Bd. 1886. Wernigerode, Jüttner. M. 2. Sonderegger, Naturwiſſenſchaft u. Volksleben. Baſel, Schwabe. M. —. So. PB hofik. Foerſter, W., Die phyſikaliſch⸗techniſche Reichsanſtalt. Ein Beitrag zur Verſtändigung. Berlin, Springer. M. —. 50. Schück, A., Beobachtungen der Mißweiſung, Inklination u. Schwingungs⸗ zeit der Magnetnadel auf der Elbe und der Nordſee zwiſchen Ham⸗ burg u. Rouen 1884 u. 1885, London u. Hamburg 1886. Hamburg, Friederichſen & Co. M. 7. 20. Chemie. Baenitz, C., Lehrbuch der Chemie und Mineralogie. 1. Theil: Chemie. 5. Aufl. Berlin, Stubenrauch. M. 2. 50. Fiſcher, B., Die neueren Arzneimittel. Für Apotheker, Aerzte und, Drogiſten. Berlin, Springer. M. 5. Johnſton's Chemie des täglichen Lebens. Neu bearb. v. F. Dornblüth. 2. Aufl. 1. Lfg. Stuttgart, Krabbe. M. —. 40. Polis, A., Grundzüge der theoretiſchen Chemie für Studierende. Aachen, Barth. M. 2. 40. Repetitorium der mediciniſchen Hilfswiſſenſchaften Chemie, Phyſik, Bo⸗ tanik u. Zoologie. 1. Thl.: Chemie, bearb. v. G. Kaßner. Breslau, Preuß & Jünger. M. 3. Schmidt, E., Ausführliches Lehrbuch d. pharmaceutiſchen Chemie. 1. Bd. Anorganiſche Chemie. 2. Aufl. 1. Abth. Metalloide. Braunſchweig, Vieweg. M. 10. : 2 Tufanow, N., Ueber Cyclamin. (Mit 1 Taf.) Dorpat, Karow. M. 1. 50. Aſtronomie. Foerſter, W., Sammlung von Vorträgen u. Abhandlan. (2. Sammlg.) Berlin, Reimer. M. 6. a ‘ 5 Gingel, F. K., Ueber Veränderungen am Fixſternhimmel. Hamburg, Richter. M. 1. 8 : BAL Sonnenfinſterniß, totale, am 19. Auguſt 1887. Berlin, Stankiewicz. M. —. 50. Geographie, Ethnographie, Reifewerke. Polarforſchung, die internationale, 1882—1883. Die Beobachtungs⸗ Ergebniſſe der deutſchen Stationen. 1. u. 2. Bd. Hrsg. v. Neumayer und Borgen. Berlin, Aſher & Co. M. 100. : be Szombathy, J., Abbildungen von 5 Jurak⸗Samojeden. Mit einer Ein⸗ leitung von F. Müller. Wien, Hölder. M. 2. Mineralogie, Geologie, Geognoſie, Daläoutologie. Soyka, J., Der Boden. 3. Aufl. Leipzig, Vogel. Botanik. Bary, A. de, Vorleſungen über Bacterien. 2. Aufl. Leipzig, Engelmann. 1 0. F. Ph. de, et Eichler, A. G., Flora brasiliensis. Fuse. 98. Tiliaceae, Bombaceae. Exposuit C. Schumann. M. 30. — Melastomaceae Ila. Exposuit A. Cogniaux. M. 50. Leipzig, Fleiſcher. 3 5 3 Schiller, E. Grundzüge d. Cacteenkunde. Leipzig, Gracklauer. M. 4 50. Plaut, H. C., Neue Beiträge zur ſyſtematiſchen Stellung des Soorpilzes in der Botanik. Leipzig, Voigt. M. 1. 20. Shyſiologie, Zoologie, Anthropologie. | Baenitz, C., Grundzüge für den Unterricht in der Zoologie. Berlin, Stubenrauch. ate : 4 22 — Leitfaden für den Unterricht in der Zoologie. 4. Aufl. Berlin, Stuben⸗ rauch. M. 1. 75. Gumppenberg, C., Frhr. v., Systema Geometrarum zonae tempe- yatioris septentrionalis. Syſtematiſche Bearbeitung der Spanner der nördl. gemäßigten Zone. 1. Thl. Leipzig, Engelmann. M. 12. Günther, A. C. L. G., Handbuch d. Ichthyologie. Ueberſ. v. G. v. Hayek. Wien, Gerold. M. 14. 0 1 8 Jahresbericht, 1. (1885), der ornithologiſchen Beobachtungsſtationen im Königr. Sachſen, bearb. v. A. B. Meyer u. F. Helm. Dresden, Zahn & Jaenſch. 5. : : Keller, F. C., Die Gemſe. Ein monograph. Beitrag zur Jagdzoologie. Klagenfurt, Leonſen. M. 12. Bon , Pfeffer, G., Ueberſicht der im Jahre 1881 vom Grafen Waldburg⸗Zeil im Kariſchen Meer geſammelten Mollusken. Hamburg, Friederichſen & Co. M. 1. 20. ie Platner, G., Die Karyotineſe bei den Lepidopteren als Grundlage fiir eine Theorie der Zelltheilung. Leipzig. Thieme. M. 4. Tſchuſi zu Schmidhoffen, V. Ritter v., und Homeyer, E. F. v., Ver⸗ zeichniß der bisher in Oeſterreich⸗Ungarn beobachteten Vögel. Hrsg. von R. Blaſius und G. v. Hayek. Wien, Gerold. M. —. 80. 126 Humboldt. — März 1887. Cittevarai de ott 3 ew Binnen kurzem beginnt im Verlage von Engelmann in Leipzig ein großes botaniſches Werk zu erſcheinen, welches ein würdiges Seitenſtück zu Bentham & Hookers Genera plantarum zu werden verſpricht. Die Profeſſoren Engler in Breslau und Prantl in Aſchaffenburg haben ſich mit hervorragenden Syſtematikern, wie Drude, Eichler, Luerßen, Pfitzer und vielen andern vereinigt, um ein Ge⸗ ſamtbild der Pflanzenwelt in ſyſtematiſcher und dabei doch allgemein verſtändlicher Weiſe zur Darſtellung zu bringen. „Die natürlichen Pflanzenfamilien“ ſollen im Um⸗ fange von 300 —330 Bogen mit mehreren tauſend Ab⸗ bildungen im Lauf von 6 —7 Jahren erſcheinen. Eine neue „Zeitſchrift für phyſikaliſche Chemie, Stochiometrie und Verwandtſchafts lehre“, heraus⸗ gegeben von W. Oſtwald, Profeſſor am Polytechnikum in Riga, beginnt demnächſt bei W. Engelmann in Leipzig zu erſcheinen. Unterſtützt durch die hervorragendſten Forſcher, wie Guldberg und Waage in Chriſtiania, Horſtmann in Heidelberg, Landolt in Berlin, Mendelejew in St. Peters⸗ burg, L. Meyer in Tübingen, Pfaundler in Innsbruck, Schiff in Modena, Thomſen in Kopenhagen u. a. und ge⸗ leitet von ſo berufener Hand wie die des Verfaſſers des „Lehrbuchs der allgemeinen Chemie“, wird die neue Zeit⸗ ſchrift vorausſichtlich ein wirkliches Centralorgan der phyſikaliſchen Chemie, dieſes raſch aufblühenden Zweiges der Chemie, werden. Im Verlage von Töplitz & Deuticke in Wien beginnt ein „Centralblatt für Phyſiologie“ zu erſcheinen, welches unter Mitwirkung der Phyſiologiſchen Geſellſchaft in Berlin von Dr. Gad in Berlin und Profeſſor S. Exner in Wien herausgegeben wird. Profeſſor Cope, der berühmte Erforſcher der foſſilen nordamerikaniſchen Wirbeltiere, beabſichtigt, ſein Werk über die „Tertiary Vertebrata“ fortzuſetzen und gleichzeitig ein anderes über die meſozoiſchen und paläozoiſchen Wirbel⸗ tiere zu beginnen. Da aber trotz aller großartigen Schen⸗ kungen in Amerika die Mittel der naturwiſſenſchaftlichen Geſellſchaften eben ſo beſchränkt, die Zahl der Abnehmer für ſolche Werke noch kleiner iſt, als diesſeits des Oceans, ſieht ſich Profeſſor Cope gezwungen, den Kongreß um einen Zuſchuß anzugehen. Es wäre ſehr zu wünſchen, daß die amerikaniſche Volksvertretung ſich ſeinem Wunſche gegen⸗ über freigebiger erzeigte, als ſie ſeither gegen die ameri⸗ kaniſchen wiſſenſchaftlichen Unternehmungen gethan hat. Die erſte Centurie der von De Toni und Levi (Venedig) herausgegebenen Phycotheca Italica iſt erſchienen; dieſes Exſiccatenwerk iſt eine Erweiterung der zuerſt von den Herausgebern geplanten Phycotheca Veneta, welche auch ſeparat abgegeben wird. Die dritte Ausgabe von Morris, Catalogue of Bri- tish Fossils, wird unter Mitwirkung mehrerer Gelehrten von H. Woodward veröffentlicht im Lauf des Jahres 1887 von der Cambridge University Press herausgegeben werden. Der Botaniſche Garten zu Kew gibt ein Bulletin of miscellaneous Information heraus, welches in zwangloſen Heften erſcheinen und Notizen über Handelsartikel und über ſolche Pflanzen enthalten wird, auf welche die Ver⸗ waltung des Gartens durch ihre Korreſpondenz aufmerkſam geworden iſt, oder die in Kew Gegenſtand von Forſchungen geweſen ſind. Man will auf dieſe Weiſe den Korreſpon⸗ denten von Kew in allen Teilen der Erde ſchnelle und ausgiebige Mitteilungen zukommen laſſen und hofft, auch den Landwirten daheim und in den Kolonien nützlich zu ſein. Baron von Müller, der berühmte Regierungsbotaniker der Kolonie Viktoria, bereitet ein großes Werk vor, welches ſeiner großen Eucalyptographia an die Seite geſtellt werden kann. Dasſelbe behandelt die Akazien Auſtraliens und benutzt für die ſyſtematiſche Anordnung zwei bisher überſehene Merkmale, die Zahl der Teilungen der Pollen⸗ maſſe und die Lage des Samens. Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Metallſäge der Firma Wilh. Hartmann u. Comp. in Fulda. Eine gute Metallſäge iſt für den Techniker wie für den Experimentator im phyſikaliſchen Kabinett ein dringendes Bedürfnis. Ich hatte Gelegenheit, mehrere, von oben genannter Firma fabrizierte Sägen in Augen⸗ ſchein zu nehmen und einer eingehenden Probe bei phy⸗ ſikaliſchen Arbeiten zu unterwerfen. Bei einer Härte des ſehr ſtarken Blattes, die derjenigen einer guten engliſchen Sägefeile gleich kommt, war dasſelbe ſo biegſam, als wäre es ungehärtet. Gußeiſen, Schmiedeeiſen und Glas laſſen ſich ohne Schwierigkeit ſägen. Ich kann daher allen Fach⸗ genoſſen dieſe Säge recht empfehlen. Fulda. Dr. H. C. Müller. Aufbewahrung ungefärbter Pflanzen in Alkohol. Viele Pflanzen nehmen eine braune Färbung an, wenn ſie in Alkohol gelegt werden. Der Farbſtoff iſt teilweiſe im Alkohol löslich und entſteht durch Oxydation farbloſer Stoffe des Zellſaftes. Dieſe unangenehme Veränderung wird, wie Hugo de Vries in „Nature“ angibt, ſehr leicht vermieden, wenn man 100 Teile des gewöhnlichen ſtarken Alkohols mit 2 Teilen konzentrierter Salzſäure miſcht. Pflanzenteile, die man noch lebend in dieſe Flüſſigkeit ge⸗ bracht hat, werden abſolut oder beinahe völlig farblos, nachdem der Alkohol genügend oft erneuert worden iſt. Solche Teile, die ſchon vorher eine braune Färbung hatten, behalten dieſelbe gewöhnlich in der Miſchung. Auf dieſe Weiſe kann man farbloſe Specimina von Pflanzen wie Orobanche und Monotropa erhalten, die, in gewöhnlicher Weiſe behandelt, immer dunkelbraun werden. Nur bei einigen Arten mit lederartigen Blättern iſt dieſes Verfahren ohne Erfolg; dieſelben müſſen in kochenden Al⸗ kohol getaucht werden (Vorſicht !). Wenn der Alkohol nach dem Gebrauch durch Deſtil⸗ lation entfärbt werden ſoll, ſo neutraliſiert man die Säure durch eine vorher beſtimmte Menge Ammoniak oder Soda. Alte Präparate, welche nach dem gewöhnlichen Ver⸗ fahren hergeſtellt und braun geworden ſind, können ge⸗ wöhnlich nicht durch ſauren Alkohol entfärbt werden; oft gelingt dies aber, wenn man dem Alkohol etwas Kalium⸗ chlorat und Schwefelſäure zuſetzt. Nach Tſchirch können grüne oder buntgefärbte Pflanzen⸗ teile unter Beibehaltung ihrer natürlichen Farbe in Alko⸗ hol konſerviert werden, wenn man fie vorher in Blei⸗ bezw. Barytſalzlöſungen einlegt. Sie laſſen auch den Alkohol alsdann faſt ungefärbt. Das Verfahren beruht auf der Bildung in Alkohol unlöslicher Blei⸗ bezw. Baryumverbindungen der Farb⸗ und Gerbſtoffe in der Pflanze ſelbſt. Man kann die Ob⸗ jekte auch direkt in Alkohol legen, dem konzentrierte Lö⸗ ſungen von Bleiacetat oder Bleinitrat, Baryumchlorid oder Aetzbaryt zugeſetzt worden waren. Die Zucht fremdländiſcher Zierſiſche hat in neueſter Zeit erheblichen Aufſchwung erfahren. Von dem Gold⸗ fiſch, bekanntlich einer von den Chineſen gezüchteten Varietät der Karauſche und ſeit dem 17. Jahrhundert in Europa eingebürgert, werden jährlich hunderttauſende gezüchtet. Namentlich Chriſtian Wagner in Oldenburg hatte großartige Erfolge erzielt, in 56 Teichen hielt er einen Beſtand von 400000 Fiſchen und züchtete darin eine 5 Humboldt. — März 1887. Raſſe, die ſich außerordentlich früh färbt. Er wußte es dahin zu bringen, daß die Fiſche viermal im Jahre laichten und erzielte eine intenſive Färbung durch Zuſatz von Eiſen, und ſchwarze Flecke auf den roten Fiſchen durch Zuſatz von gerbſtoffhaltigen Subſtanzen. Auch Baron Waſhington in Pätz in Steiermark hat große Goldfiſch⸗ züchtereien; dennoch bezieht Deutſchland viele Goldfiſche aus Italien, die fic) durch ſchillernde Farben und eine deut⸗ lichere Karauſchenform auszeichnen. Außerdem unterſcheidet man chineſiſche Goldfiſche, welche unter ziemlich hochtraben⸗ den Namen in den Handel kommen und beſonders hübſche Färbungen beſitzen. In neueſter Zeit hat ſich aber das In— tereſſe weſentlich den japaniſchen Goldfiſchen zugewandt, die weniger durch die Farbe als durch abſonderliche Körper— und Floſſenbildung ausgezeichnet ſind. Sie gelangten wohl zuerſt 1872 nach Frankreich, wurden dort von Carbon⸗ nier gezüchtet und ſtanden damals hoch im Preiſe (10 bis 100 Mark per Stück). Die ſchönſte Form iſt der Schleierſchwanz mit prachtvollem, durchſichtigem, ſchleier— artigem Schwanz. Dieſer Fiſch wurde 1883 durch Matte in Lankwitz bei Berlin in Europa eingeführt. Matte knüpfte direkte Verbindungen in Japan an, ſetzte eine Prämie auf glückliche Ueberführung der Fiſche aus und erhielt 1885 24 ungewöhnlich prächtige Fiſche, die zur Zucht benutzt wurden. 1884 erzielte Matte in ſeinen Züchtereien ſchuppenloſe japaniſche Goldfiſche und zwar weſentlich durch Innehaltung von Rein- und Inzucht, wobei die zuerſt ver⸗ einzelt, ſpäter häufiger auftretenden ſchuppenloſen Tiere unter ſich gepaart wurden. Eine andere Varietät des Goldfiſches iſt der Teleſkopfiſch, der wohl aus China ſtammt und Anfang der ſiebziger Jahre nach Paris fam. Er iſt durch die wunderbare Bildung der Augen charakteri— ſiert, die 1—15 mm weit aus dem Kopfe hervortreten. In ihrer Lebensweiſe und in ihrem Betragen ſtimmen alle dieſe Varietäten weſentlich mit dem gewöhnlichen Goldfiſch überein: es ſind mäßig langweilige Geſellen, die nur durch ihre Geſtalt und ihre Farbe erfreuen. Viel größeres In⸗ tereſſe bieten die Makropoden oder Großfloſſer dar, welche zu den Labyrinthfiſchen gehören, ſchön gebaut und gefärbt und durch mächtig entwickelte Floſſen ausgezeichnet ſind, vor allem aber durch ihre leichte Fortpflanzung und die höchſt eigentümliche Brutpflege feſſeln. Sie bauen bekanntlich ein Neſt aus Luftbläschen und das Männchen überwacht unter dieſer Schaumdecke die Entwickelung der Brut. Man kann die lebhaften Tiere, die viel weniger hinfällig ſind als Goldfiſche, in einem kleinen Aquarium züchten und in einem Jahre mehrere Bruten erzielen. Die Makropoden kamen 1869 nach Paris, wurden von Car- bonnier gezüchtet und ſtanden damals hoch im Preiſe. Durch die Bemühungen Paul Mattes, welcher ſeine Fiſch— zuchtanſtalt ſeit 1880 betreibt, ſind aber die Preiſe bedeutend herabgegangen. Schon 1885 wurde ein zuchtfähiges Pärchen für 5— 7,5 Mark verkauft. Matte züchtet in geſchloſſenen, zum Teil heizbaren Behältern, welche den Frühbeeten der Gärtner gleichen und erzielt ſeine Reſultate weſentlich durch ſtarken Pflanzenwuchs in den Behältern und durch Fütterung mit lebenden Tieren, von welchen in beſonderen Gräben ein nie verſagender Vorrat bereit gehalten wird. Im Sommer 1886 lieferten 34 Behälter je ca. 330 Makro⸗ poden, 4 Behälter je 315 japaniſche Goldfiſche, 7 Behälter zuſammen 1430 ſchuppenloſe Teleſkopfiſche, 12 Behälter 1920 Schleierſchwänze. Außerdem wurden 800 Axolotl gezüchtet Derr k Fragen und Anregungen. 1.8. Oberſt H. Jenſſen⸗Tuſch in Kopenhagen beabſich⸗ tigt ein Werk herauszugeben, welches die Pflanzennamen der germaniſchen und romaniſchen Sprachen zuſammenſtellt, nach Art ſeiner bereits publizierten „Nordiſchen Pflanzen- 127 und die ſchönſten Aquariumpflanzen wie Vallisneria, Her- pestes, Jussiva 2¢. in großer Zahl kultiviert. Gute Wn- leitung zur Zucht der fremdländiſchen Zierfiſche gibt die kleine Schrift von Dürigen, „Fremdländiſche Zierfiſche“ (Berlin 1886), welche ſich weſentlich auf die in der Matte- ſchen Anſtalt gewonnenen Erfahrungen ſtützt. D. Chamaeleonen, Mäuſe freſſend. Ich hielt eine ge- wiſſe Anzahl von Chamaeleo vulgaris in Geſellſchaft von etlichen Periops parallelus, weil dieſe Schlange einer fajt ebenſo hohen Temperatur wie die Chamäleonen bedarf, wenn ſie gedeihen ſoll. Als ich den noch halbwüchſigen Ophidiern eines Tages in einer Porzellanſchüſſel drei junge, noch blinde, nackte Hausmäuſe reichte, ſchoßen zwei der 37 im Behälter befindlichen Chamäleonen ihre Zungen nach den zappelnden Mäuſen ab und fraß das eine zwei, das andere die dritte Maus auf. Von den übrigen wandten einige ebenfalls ihre Köpfe nach der weißen Schüſſel hin, während der größere Teil nur ſeine Augen apathiſch rollen ließ. Einige Tage ſpäter brachte ich weitere junge Mäuſe in das auf 38° geheizte Terrarium und noch ehe die Schlangen der Mäuſe gewahr werden konnten, wurden die quickenden Nager einer nach dem andern von mehreren Chamäleonen aufgeleckt und verſchlungen. Der etwas zu kompakte Biſſen, ſchien den Chamäleonen zu voluminös zu ſein, denn der Schlingakt dauerte ziemlich lange. Auch bedeckten ſie ſich nachher mit zahlreichen runden Tupfen (Brückes „Stipp⸗ chen“), ein Zeichen von Unbehagen vor Ueberſättigung. Joh. von Ciſcher. Auſweichen großer Schmetterlinge. Röber empfiehlt in der Wiener Entomologiſchen Ztg., vor dem Aufweichen der in Düten verpackten Schmetterlinge, den Körper in der Gegend der Flügelwurzeln ganz wenig mit Spiritus und erſt nachher mittelſt eines Pinſels mit Waſſer anzufeuchten und direkt vor dem Spannen den Körper an den Flügel⸗ wurzeln mit einer dicken Löſung von Fiſchleim zu be— ſtreichen, um das Senken der Flügel nach dem Trocknen zu vermeiden. Ms. Glycerinpräparate. Joh. Frenzel in Berlin teilt im Zoologiſchen Anzeiger mit, daß nunmehr nach der von ihm ſeinerzeit in den Zoologiſchen Jahrbüchern (Bd. IJ Heft 1) angegebenen Methode und unter ſeiner Leitung Glycerin— präparate von ganzen Tieren und von anatomiſchen Objekten angefertigt werden, in ähnlicher Weiſe, wie die— ſelben auf der Ausſtellung der Naturforſcherverſammlung in Berlin zu ſehen waren. (Dieſe Präparate bewahren in hohem Grade das friſche Ausſehen und die natürliche Ge- ſchmeidigkeit der lebenden Tiere.) Den Vertrieb dieſer Präparate hat das Naturhiſtoriſche Inſtitut „Linnaea“ Berlin N., Invalidenſtraße 38, übernommen. Die Aufſtellung ſämtlicher Objekte iſt eine derartige, daß ihre einzelnen Teile mit Leichtigkeit demonſtriert werden können, was beſonders für die anatomiſchen Präparate gilt, wodurch ſie den in Spiritus aufbewahrten vorzuziehen find. Es ſollen womöglich alle Hauptvertreter des Tier- reichs mit Ausnahme der Cölenteraten herangezogen werden, beſonders Spongien, Echinodermen, Dekapoden, Kephalopoden, Amphibien und Reptilien. Von anatomiſchen Präparaten kommen zur Ausführung kleinere Säugetiere, Fröſche, einige Fiſche re. — Die Aufbewahrung geſchieht am beſten an einem ſtaubfreien, trockenen Orte. M—s. S h x namen“. Er bittet, um möglichſte Vollſtändigkeit zu er⸗ reichen, um Mitteilung von Volksnamen, deren Verbreitung, Ausſprache u. ſ. w. Die darauf bezügliche Korreſpondenz iſt zu richten an ſeinen Mitarbeiter, Herrn Karl Hanſen, Profeſſor an der kgl. höheren landwirtſchaftl. Akademie in Kopenhagen, V. Svansholmsvei 6. 128 Humboldt. — März 1887. 19. Die Herausgeber der algologiſchen Zeitſchrift „No⸗ tariſia“, Hr. Dr. G. B. De Toni und D. Levi beabſichtigen eine ,,Correspondance phycologique“ ähnlich der ,,Corre- spondance botanique“ von E. Morren zu veröffentlichen, und bitten daher alle Algologen oder Dilettanten der Algen⸗ kunde, ihre Namen, Titel und genaue Adreſſe an die Re⸗ daktion der obengenannten Zeitſchrift (Venezia, S. Sa- muele 3422) einſenden zu wollen. Antworten. Zu 3. Sowohl bei Breslau, während einer längeren Reihe von Jahren, als auch bei Tübingen im vorigen Jahre, fand ich Branchipus und Apus ſtets in der Weiſe verge⸗ ſellſchaftet, daß ich wohl Branchipus allein fand (einzelne Stellen bei Breslau), Apus aber nur da vorkamen, wo zu gleicher Zeit ſich auch Branchipus vorfanden. Wenn ich nun, wie das in der erſten Zeit meines Sammelns ge⸗ wöhnlich von mir geſchah, beide in einer flachen Schale zuſammen aufhob, ſo waren am anderen Morgen die Bran⸗ chipus verſchwunden, ſie waren der Gefräßigkeit ihrer Vettern zum Opfer gefallen. Draußen in der freien Natur natür⸗ lich, wo die ſchmächtigeren und behenderen Branchipus zwi⸗ ſchen Waſſerpflanzen, Gras u. ſ. w. den breiteren und plumperen Apus zum Teil zu entgehen Gelegenheit haben, werden ſie im Kampf ums Daſein, namentlich im Hinblick auf ihre ſtarke Eierablage, aushalten können; die Haupt⸗ nahrung der Apus bilden ſie aber meines Erachtens doch. So ſprach ich denn, als im Anfang Juli vorigen Jahres der Diener des hieſigen zoologiſchen Inſtitutes von einer Erxkurſion einige Apus mitbrachte, meine Anſicht dahin aus, es würden ſich an der gleichen Stelle auch Branchipus finden, und als ich an einem freien Nachmittage mich nach der Fundſtelle, einer weiten Lehmgrube mit einzelnen flachen Tümpeln bei dem benachbarten Dorfe Kuſterdingen, begab, fand ich beim erſten Netzzuge ſogleich einen Branchipus, dem bald weitere folgten, und es ergab ſich das Zahlen- verhältnis zwiſchen Apus und Branchipus etwa wie 1: 3. In einem mit lehmgelbem Waſſer erfüllten Tümpel fanden ſich ſtatt der in den übrigen Tümpeln vorhandenen durch⸗ ſichtigen, leicht grünlich gefärbten Branchipus undurchſichtige von milchweißer Färbung, wie ich ſie ſonſt noch nicht beob⸗ achtet habe. Außerdem zeichneten ſich dieſe Branchipus auch durch ihre bedeutende Größe (bis 20 mm) vor den anderen aus, beide Formen gehörten aber zu dem gewöhn⸗ lichen Br. stagnalis L. (pisciformis Schaeff). Es mag auffallen, daß früher noch niemand über dieſes Zuſammen⸗ vorkommen der beiden Tiere berichtet hat, aber die Frage der Symbioſe im weiteren Sinne des Worts iſt ja erſt in neuerer Zeit aufgetaucht, früher wurde dergleichen als Zufälligkeit aufgefaßt und nicht erſt erwähnt, außerdem aber dürfte der durchſichtige Branchipus öfters beim Fang nicht bemerkt werden und, ehe die Beute genauer unter⸗ ſucht werden konnte, den Apus zum Opfer gefallen ſein. Tübingen. Dr. C. Ffchert. Zu 8. Das Geſchoß (gleichviel ob Kugel oder Lang⸗ geſchoß) müßte, um den Lauf verlaſſen zu können, den Sand vor ſich her aus dem Lauf ſchieben. Iſt die Menge Sand hinreichend groß, daß ſie vom Luftdruck vor dem Geſchoß nicht aus dem Lauf geblaſen werden kann, dann wird ſich das Geſchoß in dem Sande, vermöge der Träg⸗ heit des letzteren, feſtkeilen und der Lauf muß dann aller⸗ dings bei nicht hinreichender Widerſtandsfähigkeit gegen den vorhandenen Druck der Pulvergaſe von dieſen geſprengt werden. Einen ähnlichen Vorgang habe ich 1870 bei der Beſchießung von Mezieères erlebt, wo von einem eiſernen kurzen 15 em⸗Kanonenrohr das Bodenſtück hinter dem Keil fortgeſprengt wurde, weil das Geſchoß — es waren 15° Kälte — eine große Menge gefrorenen Pulverſchleims mit Eis vor ſich herſchieben mußte. Der hierdurch erzeugte Widerſtand war ſo groß, daß die Granate zerquetſcht wurde, Die Pulvergaſe der entzündeten Sprengladung traten zu denen der Geſchützladung und ſprengten das Rohr. Berlin. Hauptmann J. Cafiner. Zu 11. Meine Schüler waren immer mit einer ein⸗ fachen Darſtellung des ſphäroidiſchen Tropfens belehrt und gaben auch gern zu, daß keine Berührung ſtattfinde. Wenn man in einer Schule alle ſolche Verſuche ſelbſt anſtellen wollte, dann würde die verfüghare Zeit bei weitem nicht ausreichen. Ueber eine Bunſenſche Gasflamme wird ein Dreifuß geſtellt und auf dieſen ein Platinſchälchen gerade über die Flamme geſetzt. Iſt die Schale glühend, ſo läßt man aus einer Pipette einige Tropfen Waſſer darauf fallen; das Sphäroid ſtellt ſich ſofort ein, tanzt zur Heiterkeit der Schüler wild herum und zerknallt. Um den Unterſchied zu zeigen, läßt man das Schälchen etwas weniger heiß werden, wobei die Tropfen ziſchend in größere, bald ver⸗ ſchwindende Flecken zerfließen. R—s. Zu 12. Obwohl Uppenborn den Ohmſchen Satz: „Das Maximum der Stromſtärke wird erreicht, wenn der innere und äußere Widerſtand einander gleich ſind,“ eine Bauern⸗ regel nennt, ſo muß man ſich doch bei Experimenten einiger⸗ maßen nach derſelben richten. Die feine Bewickelung Ihrer Maſchine zeigt, daß der innere Widerſtand groß iſt; wenn dem Geſetze gemäß der äußere Widerſtand auch groß iſt, wie bei der Bogenlampe, ſo erhalten Sie brillantes Licht; wenn aber der Widerſtand klein iſt und beſonders klein, wie bei Glühlampen kleineren Kalibers, ſo iſt der Effekt ſchlecht. Wollen Sie Ihre Maſchine umarbeiten, daß jte gutes Glühlicht gibt, ſo verſchaffen Sie ihr dicke Bewicke⸗ lung. Soll aber die jetzige Maſchine wirkſam ſein, ſo ſchalten Sie mehrere Glühlampen ein, oder zu einer ſo viel Rheoſtatendraht, bis ſie hell leuchtet. Rs. Herrn Friedr. Gerhardt, Magdeburg. Auf die An⸗ frage nach Bezugsquellen für Mikroſkope geben wir Ihnen folgende Zuſammenſtellung, welche der bekannte Phyſiologe Dr. Schmidt⸗Mülheim in einer Arbeit kürzlich publiziert hat. © Zeiß, Sena. Stativ Va mit Abbeſchem Beleuchtungsapparat, 150 M.; Objektivſyſteme A 24 M., E 66 M.; 112“ homogene Immerſion, 320 M.; Okulare 1, 2, 3, 4 4 7 M.; Okular⸗Mikrometer 5 M. — Summa 593 We. W. u. H. Seibert, Wetzlar. Stativ Y, Beleuchtungsapparat, Objektive II, V und 1½2“ homogene Immerſion; 3 Okulare und Mikrometer. — Preis 370 M 3 Hartnack in Potsdam. Stativ VIIIa mit Beleuchtungsapparat, Objek⸗ 900 D 4, 7, 8 und Myo‘ homogene Immerſion, 3 Okulare. — 500 M. 3 Paul Wächter in Berlin. Stativ Ib mit Abbeſchem Beleuchtungsapparat, Zahn und Trieb am Tubus und allen erforderlichen Einrichtungen der vollkommenſten Stative, 160 M.; Objektivſyſteme Nr. 1 und 9 39 M.; Myo’ homogene Immerſion, 125 M.; Okulare 1, 2, 3, 4 a 6 M.; Skular⸗Mikrometer 3 M. — Summa 351 M. Leitz in Wetzlar. Stativ Ta mit Abbeſchem Beleuchtungsapparat und mit den Syſtemen 3, 7 und 112“ homogene Immerſion und 3 Okularen. — 330 M. Winkel in Göttingen. Stativ Wa mit Beleuchtungsapparat, Objektive 2, 4, 7 und 114“ homogene Immerſion, 3 Okulare. — 421 M. C. Reichert in Wien. Stativ III mit Beleuchtungsapparat, Objektive 3, 7 und 115“ homogene Immerſion, 3 Okulare. — 400 M. Ueber ein neues Wächterſches Mikroſkop, welches höheren, ſelbſt bakterioſkopiſchen Anforderungen entſpricht und dabei überraſchend billig iſt, werden wir im nächſten Heft be⸗ richten. D. Herrn Julius Kobilka in Ostan. Mißbildungen am Blütenſtand von Plantago kommen mehrfach vor. Schlechtendahl (botan. Ztg. 1857) unterſchied fünf Gruppen: Bracteatae mit vollſtändig laubblattartigen unteren Brak⸗ teen; Roseae mit laubblattartigen Brakteen in Büſcheln oder Roſetten ohne Blüten wie beim Roſenwegerich, der als Zierpflanze kultiviert wurde; Polystachiae mit ver⸗ zweigter Aehre, welche in den Achſeln der Brakteen andere Aehren trägt; Proliferae, bet denen der Blütenſtengel eine Roſette, eine Aehre oder einen Kopf von anderen Ro⸗ ſetten trägt; Paniculatae mit vielzweigiger pyramidaler Riſpe, welche viele kleine Brakteen mit ſehr rudimentären Blüten trägt. Näheres (auch Abbildungen) finden Sie in Maſters, Teratologie (deutſch, Leipzig 1886). D. Ueber die heute in der Elektricitätslehre üblichen Einheiten nebſt einigen Bemerkungen über die Beſtimmung derſelben. „ei Verwendung der beſprochenen, von der * BS Britiſh Aſſociation geſchaffenen eleftro- N i magnetiſchen Einheiten zeigte ſich, daß dic Werte der abſoluten Einheiten dieſes elektro⸗ 5 C. G. S. ⸗Syſtems leider nicht in einem paſſenden Verhältnis zu jenen Größen, welche in der Praxis zu meſſen ſind, ue den. So, um nur einiger Fälle zu gedenken, iſt die abſolute Einheit der elektromagne⸗ tiſchen Widerſtandseinheit kaum der Widerſtand von Yooooo mm eines Kupferdrahtes, welcher einen Durch— meſſer von 1 mm beſitzt; ebenſo würde die Einheit der elektromotoriſchen Kraft des elektromagnetiſchen Syſtems der hundertmillionſte Teil jener eines Daniellſchen Cle- mentes ſein. Wir müßten alſo bei unſeren Meſſungen daher öfters Tauſende, ja Millionen ſolcher Einheiten wählen; die das Meſſungsreſultat angebenden Zahlen wären wegen ihrer vielen Ziffern unüberſehbar und auch dem Gedächtniſſe ſchwer einzuprägen. Es mußte deshalb als ein großer Fortſchritt bezeichnet werden, als die Britiſh Aſſociation techniſche oder prak— tiſche elektromagnetiſche Einheiten feſtſetzte, welche Vielfache der früheren Einheiten ſind, wobei den Vervielfältigungsfaktor eine Potenz von 10 dar— ſtellt. Dieſe techniſchen Einheiten, welche vom Pariſer Kongreß die Weihe erhielten, bildeten ein ganz neues Maßſyſtem, welches den Bedürfniſſen der Praxis voll- auf Rechnung trägt. Den zu erwähnenden Einheiten wurden zur Erleichterung des Sprachgebrauches ein⸗ fache Namen gegeben. Um von der Größe der techniſchen Einheiten einen geeigneten Begriff zu geben, nimmt der Verfaſſer vor⸗ liegender Abhandlung auf die diesbezüglichen Meſ⸗ ſungen Rückſicht. Humboldt 1887. Von Prof. Dr. J. G. Wallentin in Wien. II. Die praktiſche Einheit der Stromintenſität iſt gleich 0 der abſoluten elektromagnetiſchen Einheit und wird nach dem bedeutenden Elektriker Ampere ein Ampere genannt. Ein mittleres Daniellſches Element, mit Zinkſulfat ſtatt mit verdünnter Schwefelſäure verſehen, liefert, wenn ſeine Pole durch einen äußeren Widerſtand von verſchwindender Größe verbunden ſind, einen Strom von 1,3 Ampere; ein Bunſenſches Element gibt ungefähr einen Strom von 19 Ampere. Der Strom von einem Ampere iſt imſtande, aus einer Silbernitratlöſung an der negativen Elektrode 67,08 mg Silber in einer Minute abzuſcheiden, und man wird unſchwer erkennen, wie man in einem Silbervoltameter bei Kenntnis dieſer Zahl den durch—⸗ geleiteten Strom in Ampere ausdrücken kann. Für telegraphiſche Mitteilungen gebraucht man Ströme von 13 bis 16 Milliampere, wobei ein Milliampere gleich oo Ampere iſt. Als Einheit der Elektricitätsmenge im prak— tiſchen Syſteme wurde ‘fio der abſoluten Einheit ge- wählt und ein Coulomb genannt. Profeſſor Mascart gibt an, daß die abſolute Einheit der Elektricität ver⸗ mögend fei, 0,9373 mg Waſſer in einer Sekunde zu zerlegen. Was den Einheitswiderſtand im praktiſchen Syſteme betrifft, fo iſt er gleich 10° abſoluten eleftro- magnetiſchen Einheiten und wird ein Ohm genannt. Es iſt dies jene Einheit, welche in materieller Weiſe hergeſtellt werden kann, d. h. es kann ein Meſſetalon konſtruiert werden, deſſen Widerſtand ein Ohm iſt. Der Kongreß der Elektriker zu Paris hatte im Jahre 1881 den Beſchluß gefaßt, daß man durch neue Ex⸗ perimente die Länge jener Queckſilberſäule von 1mm 17 130 Humboldt. — April 1887. Querſchnitt feſtſetzen müſſe, welche geeignet ſei, das theoretiſche Ohm von 10° abſoluten Einheiten darzu⸗ ſtellen. Dieſer Wert wurde auf einem zweiten inter⸗ nationalen Kongreſſe im Jahre 1884 feſtgeſtellt; der⸗ ſelbe tagte ebenfalls in Paris. Das Ohm wurde nach mehreren Methoden, auf deren Beſchreibung wir an dieſer Stelle nicht eingehen können, ausgewertet; dieſelben wurden von dem Kongreſſe einer Unter⸗ ſuchung unterzogen, und in der Sitzung vom 28. April 1884 wurde als der glaubwürdigſte Wert des Ohm auf den Vorſchlag des italieniſchen Phyſikers Roiti der Widerſtand einer Queckſilberſäule von 1 qmm Querſchnitt und 106 em Länge bei der Temperatur des ſchmelzenden Eiſes gewählt. Die Verſammlung hat auch die Herſtellung von Urmodellen mit Queck⸗ ſilber nach dem erwähnten Beſchluſſe empfohlen, ferner die Herſtellung und den Gebrauch von Widerſtands⸗ ſkalen, die aus Legierungen, welche der Ausdehnung wenig unterworfen und chemiſch unveränderlich ſind (jo wie Neuſilber⸗, Silberplatin⸗, Iridiumplatinlegie⸗ rungen), verfertigt ſind und öfters mit dem Urmodelle verglichen werden, befürwortet. Während die früher und auch jetzt noch öfter ge⸗ brauchte Siemensſche Widerſtandseinheit der Wider⸗ ſtand einer Queckſilberſäule von 1 m Länge und 1 qmm Querſchnitt bei der Temperatur von 0° C. iſt, iſt das Ohm größer; es iſt 1,06 Siemenseinheiten. Von einem im Handel vorkommenden Kupferdraht müßte man 48— 50 m nehmen, um damit einen Wider⸗ ſtand zu erzielen, welcher dem eines Ohms gleich⸗ kommt. Ein Kilometer Eiſendraht, welcher 4mm im Durchmeſſer beſitzt — das iſt die alte Widerſtands⸗ einheit bei den franzöſiſchen Telegraphenlinien — hat ungefähr den Widerſtand von 10 Ohm. Der innere Widerſtand eines Daniellſchen Elementes in dem oben angegebenen Zuſtande beträgt nach genauen Experi⸗ menten etwa 0,85 Ohm. Die praktiſche Einheit des Potentiales oder der elektromotoriſchen Kraft wird ein Volt genannt; ſie beträgt hundert Millionen der elektro⸗ magnetiſchen Einheit. Ein gewöhnliches Voltaiſches Element, welches aus Zink, Kupfer und Zinkſulfat gebildet iſt, beſitzt eine elektromotoriſche Kraft, welche wenig von einem Volt verſchieden iſt. Die elektro⸗ motoriſche Kraft eines aus Kupfer, Kupferſulfat, Zinkſulfat und amalgamiertem Zink gebildeten Daniell⸗ ſchen Elementes hat eine elektromotoriſche Kraft, welche zwiſchen 1,09 und 1,14 Volt variiert. Die Engländer bedienen ſich bei der Vergleichung elektromotoriſcher Kräfte einer beſonderen Normalſäule, des Latimer Clark⸗Elementes. Dieſes Normalelement enthält als poſitiven Pol reines Queckſilber, bedeckt mit einem durch Kochen von Queckſilberſulfat in einer geſättigten Zinkſulfatlöſung erhaltenen Brei, in den ein chemiſch reiner Zinkſtab als negativer Pol taucht; dieſes Ele⸗ ment beſitzt eine bedeutende Konſtanz und hat eine elektromotoriſche Kraft von 1,457 Volt. Eine Glühlichtlampe nach dem Swanſchen Sy⸗ ſteme hat eine Kohlenfaſer von ungefähr 12,7 cm Länge und 0,013 em Durchmeſſer und beſitzt während ihres normalen Glühens, wobei ſie eine Lichtſtärke von 20 engliſchen Kerzen hat, einen Widerſtand von un⸗ gefähr 143 Ohm, ſie erfordert ungefähr 100 Volt elektromotoriſche Kraft; der hierbei gebrauchte Strom beſitzt eine Intenſität, welche nach dem Ohmſchen Geſetze: 100 801 olt ; 1 CG 0,7 Ampere ijt. Die Kapacitätseinheit ves abſoluten elektromagnetiſchen Syſtems war zu groß; man hat deshalb als prak⸗ tiſche Kapacitätseinheit eine ſolche gewählt, welche ½0 der abſoluten Einheit beträgt; fie wurde dem Andenken des berühmten Phyſikers Faraday, deſſen Anſchauungen über die elektriſchen Wirkungen zu hohen Ehren gelangt ſind, entſprechend ein Farad genannt. Ein Kondenſator, welcher die Elektricitäts⸗ menge von 1 Coulomb beſitzt, während ſeine innere Belegung das Potential von 1 Volt, ſeine äußere Belegung das Potential Null hat, hat die Kapacität von 1 Farad. Auch dieſe Einheit iſt noch immer ſehr groß, fo daß man in der Praxis das Milliontel Farad, das ſogenannte Mikrofarad eingeführt hat. Wie eine einfache Rechnung lehrt, beſitzt eine elek⸗ triſche Batterie von 10 Leydener Flaſchen, die zuſammen 1 qm wirkſame Oberfläche haben und bei denen die Glasdicke 1 mm iſt, eine Kapacität, welche nur ½% Mikrofarad beträgt. Der Beachtung wert erſcheint der Umſtand, daß die praktiſchen Einheiten direkt als abſolutes elektro⸗ magnetiſches Syſtem hergeleitet werden können, wenn man nur ſtatt Centimeter und Gramm zehn Millionen Meter oder einen Erdmeridianquadranten und on der Maße eines Gramms ſetzt. In allen jenen Fällen, in welchen es ſich um die Meſſung von elektriſchen Effekten handelt, wird oft von einer praktiſchen Einheit geſprochen, welche von W. Siemens im Jahre 1882 in die Elektrotechnik eingeführt wurde. Wie bereits oben erwähnt wurde, leiſtet ein Strom von der Intenſität 1 in einem Leiter, der ihm den Widerſtand r entgegenſetzt, eine Arbeit, die ſich in der Zeit als eine Wärme repräſentiert, welche proportional dem Widerſtande, der Zeit und dem Quadrate der Stromſtärke iſt oder auch, wenn man das Ohmſche Geſetz der Beziehung der Stromſtärke, der elektromotoriſchen Kraft und des Widerſtandes berückſichtigt, durch das Produkt aus der elektro⸗ motoriſchen Kraft der Intenſität des Stromes und der Zeit dargeſtellt wird; drückt man die erſtere in Volt, die Intenſität in Ampere aus, ſo wird die für die Zeiteinheit berechnete Arbeitsumwandlung, d. i. der ſogenannte elektriſche Effekt, in Volt-Ampere oder in Watt angegeben. Wie man ſich leicht durch eine einfache Rechnung überzeugen kann, iſt ein Watt äquivalent einer Arbeitsleiſtung von 10“ Erg. Da nun nach den eben dargeſtellten Beziehungen eine Pferdekraft 7360 Millionen Effekteinheiten des C. G. S.⸗ Syſtems gleichwertig iſt, ſo machen 736 Watt eine Pferdekraft von 75 Kilogrammmeter aus oder 1 Watt iſt der 786. Teil einer ſolchen Arbeitsgröße. Faſſen wir das Geſagte zuſammen, ſo können wir ſagen: ein Humboldt. — April 1887. Watt ift die von der Stromeinheit, d. i. einem Am⸗ pere gelieferte Arbeit, wenn dieſelbe von der Einheit der elektromotoriſchen Kraft (einem Volt) fortgetrieben wird oder — bildlich ausgedrückt — wenn ſie von der Höhe eines Volts herabfällt. Eine gewöhnliche Glühlichtlampe, welche durch einen Strom von der Intenſität 0,8 Ampere und einer elektromotoriſchen Kraft von 105 Volt erregt wird, macht einen Auf— wand von 0,8 & 105 = 84 Watt und dies kommt ungefähr dem zehnten Teil einer Pferdekraft gleich. Die Arbeit von einem Kilogrammmeter iſt — wie eine einfache Rechnung lehrt — gleich 9,8061 Watt, eine Zahl, welche bei Arbeitsumwandlungen in das neuere Maß erhöhte Bedeutung beſitzt. Eine intereſſante und ſehr belangreiche Beziehung zwiſchen den elektroſtatiſchen und elektromagnetiſchen Maßeinheiten wurde entdeckt, als man dieſelben einer vergleichenden Betrachtung unterzog. Eine Vergleichung der Stromeinheit im elektroſtatiſchen Maßſyſteme mit jener im elektromagnetiſchen Syſteme ergab, daß die erſtere Intenſität gleich dem Produkte aus der letz teren und einer Größe iſt, welche ihrem Weſen nach eine Geſchwindigkeit darſtellt; wir wollen dieſelbe mit v bezeichnen. Vergleicht man in ebenderſelben Weiſe die Dimenſionen einer anderen elektriſchen Quantität im elektromagnetiſchen und elektroſtatiſchen Syſteme, ſo findet man jederzeit, daß eine Größe, die in dem einen Syſteme durch eine beſtimmte Anzahl angegeben wird, in dem anderen durch eine andere Zahl angegeben wird, die v oder yvemal größer oder kleiner als im anderen iſt. Die Größe v, welche von Weber als kritiſche Ge— ſchwindigkeit bezeichnet wurde, wird ſich auf dem Wege des Experimentes beſtimmen laſſen, wenn man ein und dieſelbe Größe, z. B. eine Elektricitätsmenge, ſowohl in elektroſtatiſchen als auch in elektromagneti— ſchen Einheiten beſtimmt. Dies iſt in der That von mehreren Forſchern geſchehen, ſeitdem Weber und Kohl— rauſch im Jahre 1856 den diesbezüglich einzuſchlagenden Weg angegeben hatten. Es iſt nicht möglich, auf ihre Verſuchsanordnungen und auf ihre theoretiſchen Be— trachtungen näher einzugehen, das Princip ihrer Methode kann immerhin verſtändlich gemacht werden; die auf einer Leydener Flaſche angeſammelte Elektricitätsmenge wird in elektroſtatiſchen Einheiten gemeſſen, wenn man die Abſtoßung der beiden in der Coulombſchen Dreh— wage vorhandenen Kugeln, welche einen bekannten Bruchteil der Geſamtladung erhalten haben, beſtimmt; die Meſſung in elektromagnetiſchen Einheiten wurde dadurch beſtimmt, daß man die Flaſche durch ein Gal— vanometer entlud. Dieſen Experimenten folgten andere, von Thomſon, King, M'Kichan, Shida, Maxwell, Ayſton und Perry, Klemencic ausgeführt. Aus allen dieſen Verſuchen, deren Ausführung nicht wenig großen Schwierigkeiten unterworfen iſt, ergab ſich, daß die Zahl », welche, als reine Zahl betrachtet, die Anzahl elektroſtatiſcher Elektricitätseinheiten bezeichnet, die in einer elektromagnetiſchen Elektricitätseinheit enthalten ſind, im Mittel durch 295,200 km ausgedrückt wird. Die Geſchwindigkeit des Lichtes iſt nach den neueren Forſchungen von Ayrton (1874) und Michelſon (1879) 131 wenig von 300,000 km per Sekunde verſchieden. Man erkennt daher, daß die Geſchwindigkeit des Lichtes im leeren Raume und das Verhältnis der elektro— magnetiſchen und elektroſtatiſchen Elektrieitätseinheit durch dieſelbe Zahl dargeſtellt ſind. Es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß dieſe Uebereinſtimmung der Ge— ſchwindigkeit des Lichtes und der Geſchwindigkeit v keine zufällige iſt, daß vielmehr die Gleichheit dieſer beiden Zahlen einen deutlichen Hinweis auf die Be— ziehungen, die zwiſchen Elektrieität und Licht beſtehen, enthält. In der That hat Faraday dieſes die beiden Erſcheinungen verknüpfende Band vorausgeſehen, denn wohl nicht anders können die Worte gedeutet werden, welche er in ſeinen „Experimentalunter⸗ ſuchungen“ ausſpricht: „Die Thätigkeit, welche zur Fortleitung der magnetiſchen Kraft dient, kann vermittelſt des Aethers zuſtande kommen, weil nicht unwahrſcheinlich iſt, daß, wenn ein Aether vorhanden iſt, derſelbe noch andere Dienſte leiſtet außer dem der Fortleitung des Lichtes.“ Maxwell, welcher als der bedeutendſte Interpret und Vervollſtändiger der Faradayſchen Ideen angeſehen werden kann, hat in ſeiner „elektromagnetiſchen Lichttheorie“ den Nachweis auf theoretiſchem Wege geliefert, daß die elektromagnetiſchen Störungen nicht allein in der Luft, ſondern in allen Körpern ſich mit der Fortpflanzungs— geſchwindigkeit des Lichtes verbreiten, und ſeine An— ſchauungen wurden durch ausgezeichnete Experimental— unterſuchungen von Boltzmann und anderen Phyſikern auf das eindringlichſte beſtätigt. So werden wir auch durch die Vergleichung der elektroſtatiſchen und der ent— ſprechenden elektromagnetiſchen Einheiten wieder an die Wechſelbeziehung zwiſchen Licht und Elektricität erinnert. Man hat — und es dürfte nicht ohne Intereſſe fein — der oben eingeführten Geſchwindigkeit y auf dem Wege der Rechnung eine recht anſchauliche Be— deutung zu geben verſtanden. Denkt man ſich zwei unendliche parallele Ebenen, welche gleichförmig elek— triſiert ſind, ſo üben dieſelben, nach dem Grundgeſetze der elektroſtatiſchen Aktion, eine Abſtoßung aufeinander aus. Bewegt man die beiden Platten mit einer ſehr großen Geſchwindigkeit, ſo kommt nach einer von Maxwell aufgeſtellten Hypotheſe, daß die äußere Wir- kung einer elektriſchen in Bewegung befindlichen Maſſe jener eines elektriſchen Stromes gleichkommt, zu dieſer elektroſtatiſchen Wirkung noch eine elektrodynamiſche hinzu, welche — da gleichfließende elektriſche Ströme nach den Experimenten von Ampere einander anziehen — anziehender Natur iſt. Wenn nun die Geſchwindigkeit der Bewegung gleich der Geſchwindigkeit des Lichtes iſt — ſo lehrt die Rechnung — dann hält ſich die elektroſtatiſche Repulſion mit der elektrodynamiſchen Anziehung im Gleichgewichte. Allerdings ijt das Ex— periment wegen der großen Geſchwindigkeit, die man den Platten erteilen müßte, unausführbar; die Hypo- theſe jedoch, welcher eben Erwähnung gethan wurde, hat einen großen Grad von Wahrſcheinlichkeit er— halten, ſeitdem Rowland auf experimentellem Wege gezeigt hat, daß die ſehr raſche Drehung einer elek— triſierten Scheibe einen Effekt hervorruft, der auf eine 132 Humboldt. — April 1887. Magnetnadel wirkſam iſt, kurz geſagt, daß die Wir⸗ kung bewegter ſtatiſcher Elektricität dieſelbe iſt, wie jene eines galvaniſchen Stromes. Zum Schluſſe ſeien noch einige Bemerkungen über die experimentelle Beſtimmung des Ampere und des Ohm gemacht. Es wäre nicht möglich, dieſe theo⸗ retiſch und experimentell komplizierte Meſſung er⸗ ſchöpfend auf elementarem Wege darzuſtellen; immer⸗ hin iſt es thunlich von einigen diesbezüglichen Meſſungen eine Vorſtellung zu geben. Wenn man durch eine Tangentenbouſſole mit einem einfachen Ringe, in deſſen Mittelpunkte eine ſehr kleine Deklinationsnadel ſich befindet, einen Strom von der elektromagnetiſchen Intenſität i ſchickt, fo wird die Nadel, die ſich mit dem Ringe urſprünglich in der Ebene des magnetiſchen Meridians befand, eine Ablenkung erfahren, welche im allgemeinen um ſo bedeutender iſt, je ſtärker der Strom, je kleiner der Radius des Stromkreiſes und die Komponente des Erdmagnetismus iſt, welche die Nadel in ihre Gleichgewichtslage zurückzuführen ſtrebt. Da alle dieſe Größen in Einheiten des C. G. S.⸗Syſtems be⸗ ſtimmbar find, fo iſt dies auch mit der Strominten⸗ ſität der Fall, welche alſo im abſoluten elektro⸗ magnetiſchen Maße derart beſtimmbar iſt. Läßt man gleichzeitig den Strom eine chemiſche Arbeit verrichten, etwa Waſſer in einem Voltameter zerſetzen, ſo findet man durch derartige Verſuche, daß z. B. der Strom von 1 Ampere imſtande ijt, in der Sekunde 0,174 chem Knallgas von der Normaltemperatur 0° unter dem Normalbarometerſtand von 760 mm zu erzeugen. Zur Beſtimmung des Ohm wurden diverſe Me⸗ thoden verwendet, und es iſt für den Pariſer Kongreß vom Jahre 1884 eine umfaſſende Aufgabe geweſen, dieſe Methoden einer eingehenden Prüfung und Wür⸗ digung zu unterziehen. Eine jener Methoden, deren Prinzip am leichteſten zu überblicken iſt, dürfte fol⸗ gende ſein: Es iſt bekannt, daß, wenn ein geſchloſſener Stromleiter ſich im Wirkungsfelde eines magnetiſchen Syſtems befindet und ſeine relative Lage gegen das letztere eine Variation erfährt, in ihm Induktions⸗ ſtröme entſtehen, deren elektromotoriſche Kraft von beſtimmter Größe iſt. Man ſtellt ſich vor, daß von dem Nordpole eines magnetiſchen Syſtems gegen den Südpol desſelben die ſchon von Faraday in die Wiſſenſchaft eingeführten Kraftlinien verlaufen, näm⸗ lich jene Linien von der Beſchaffenheit, daß eine ſehr kleine Magnetnadel ſich in einem Punkte der Kurven in die in dieſem Punkte an die letzteren gezeichnete Tangente einſtellen würde. Dieſe Kraftlinien durch⸗ ſetzen den Raum und durchdringen die Fläche des Stromleiters; die Menge von Kraftlinien, welche durch dieſe Fläche geht, beſtimmt den ſogenannten „magnetiſchen Fluß“. Aendert ſich derſelbe da⸗ durch, daß ſich der Leiter bewegt, ſo entſteht in dieſem ein Induktionsſtrom, deſſen elektromotoriſche Kraft proportional der in der Zeiteinheit ſtattgehabten Aenderung des magnetiſchen Fluſſes iſt. Ein jeder Stromleiter befindet ſich im magnetiſchen Felde der Erde, und es wird daher bei der Bewegung des erſteren in ihm ein Syſtem von Induktionsſtrömen erregt. Nehmen wir nun an, es ſei eine Drahtrolle auf einen Rahmen aufgewunden, dieſe in den magne⸗ tiſchen Meridian geſtellt und dann in t Sekunden um eine vertikale Axe gedreht, ſo zwar, daß ſie in dieſer Zeit ſenkrecht zum Meridiane ſteht, ſo iſt die in der Drahtrolle hervorgerufene elektromotoriſche Kraft gleich der Intenſität der Horizontalkomponente des Erdmagnetismus H multipliziert mit der geſamten von den Rollenwindungen umſchloſſenen Fläche F, dividiert durch die Zeit t. Dies lehrt folgende Be⸗ trachtung: Die Anzahl der durch die Flächeneinheit gehenden Kraftlinien beſtimmt die Intenſität H des magnetiſchen Feldes an der betreffenden Stelle. In der urſprünglichen Lage der Rolle, in welcher die Drahtrolle in den magnetiſchen Meridian fällt, gehen durch die geſamten Windungsflächen FH Kraftlinien; nach der Zeit t iſt die Achſe der Rolle ſenkrecht zum magnetiſchen Meridian gekommen, es gehen jetzt durch die Windungen keine Kraftlinien; die Aenderung des magnetiſchen Fluſſes in der Zeit t iſt daher FH, in der Zeiteinheit daher es dies iſt aber die elektro⸗ motoriſche Kraft des entſtandenen Induktions⸗ ſtromes. Wird die Drahtrolle mit einem Galvano⸗ meter verbunden, ſo wird der momentane Strom einen Impuls auf die Galvanometernadel ausüben; die In⸗ tenſität dieſes Stromes läßt ſich aus der Ablenkung der Nadel und den Dimenſionen des Galvanometers berechnen. Die elektromotoriſche Kraft läßt ſich eben⸗ falls nach der obigen Formel im abſoluten Maße aus⸗ drücken, da ſowohl F als auch H in dieſem Maße angegeben werden kann. Der Quotient aus der elektro⸗ motoriſchen Kraft und der Stromintenſität, welcher nach dem Geſetze von Ohm den Widerſtand des geſamten Stromkreiſes angibt, kann alſo auch in Einheiten des C. G. S. Syſtems ausgedrückt werden. Auf ſolche Weiſe konnte man die abſolute Einheit des Widerſtandes beſtimmen; dieſe Meſſungen, welche nur in rohen Zügen angedeutet werden konnten, gehören aber zu den ſchwierigſten Aufgaben der phyſikaliſchen Meß⸗ kunde und erfordern neben den vollkommenſten Appa⸗ raten die ſorgfältigſte Berückſichtigung aller Neben⸗ umſtände. Glücklicherweiſe wurden von verſchiedenen Forſchern auch andere Methoden angegeben, ſo daß eine Kontrole der Meſſungen ermöglicht iſt. Auf dieſen Gegenſtand näher einzugehen, verbieten die der vorliegenden Abhandlung geſteckten Grenzen. Sollte es dem Verfaſſer gelungen ſein, dem Leſer einen Einblick in das Meſſen der elektriſchen Größen gegeben und ihm eine Vorſtellung von der Quantität der heutzutage am meiſten im Gebrauche ſtehenden elektriſchen Einheiten geliefert zu haben, ſo iſt der Zweck dieſer kleinen Arbeit, die — der Natur des betreffenden Gegenſtandes entſprechend — keinen An⸗ ſpruch auf Vollſtändigkeit machen kann, erreicht. Ob⸗ wohl der Gegenſtand vielfach theoretiſche Anklänge bietet, glaubte der Verfaſſer in Anbetracht der Wich⸗ tigkeit desſelben doch auf ihn in populär⸗wiſſenſchaft⸗ licher Weiſe eingehen zu ſollen. — Humboldt. — April 1887. 133 Ueber einige Enzymwirkungen bei den Pflanzen. Don Dr. A. Hanſen in Würzburg. n dem Namen Fermentwirkungen wurde bis in die neueſte Zeit eine Anzahl chemiſcher Vor— gänge zuſammengeworfen, welche zwar in ihrem Ver- laufe eine gewiſſe Aehnlichkeit miteinander haben, allein durch ganz verſchiedene Urſachen bewirkt werden. Die alkoholiſche Gärung des Zuckers, die Milchſäure- und Butterſäuregärung, die Umwandlung der Eiweiß⸗ ſtoffe in Peptone durch das Pepſin, die Spaltung des Amygdalins der Mandeln durch Emulſin in Bitter⸗ mandelöl, Blauſäure und Zucker und noch eine Reihe anderer Spaltungen ſchienen einander ſo ähnlich, daß man ſie alle als zuſammengehörige Prozeſſe unter einem Namen vereinigte. Die Aehnlichkeit erblickte man namentlich darin, daß die chemiſchen Zerſetzungen der genannten Subſtanzen durch ihrer chemiſchen Zu— ſammenſetzung nach unbekannte Stoffe veranlaßt werden, deren Wirkung um ſo rätſelhafter erſcheint, als die Menge dieſer Fermente außerordentlich gering ſein kann und in gar keinem Verhältnis zu den Stoff- mengen zu ſtehen ſcheint, welche durch ihre Gegen— wart zerſetzt werden können. Nachdem man ſich die ver- ſchiedenſten, viel mehr myſtiſchen als wiſſenſchaftlichen Vorſtellungen über die Fermente gemacht hatte, hielt man dieſelben endlich im allgemeinen für Eiweißſtoffe, die, ſelbſt in Zerſetzung begriffen, dieſe Zerſetzung auf andere Subſtanzen, wie den Zucker, das Amygdalin u. ſ. w. übertragen könnten und ſo die Entſtehung der verſchiedenen Endprodukte veranlaßten. Unter den Fer⸗ mentwirkungen waren es ganz beſonders die Alkohols, Butterſäure⸗ und Milchſäuregärung, welche wegen ihrer praktiſchen Wichtigkeit auch zur wiſſenſchaftlichen Unterſuchung aufforderten und es ergab ſich dabei, namentlich aus den berühmten Forſchungen des fran— zöſiſchen Gelehrten Paſteur im Jahre 1860, daß die Urſache dieſer Gärungen lebendige Organismen ſeien. Darauf hatten ſchon frühere Forſcher, für die Alkohol—⸗ gärung beſonders Cagniard-Latour (1838), hinge⸗ wieſen, allein da die mikroſkopiſche Forſchungsmethode damals noch in den Anfängen lag, konnte man dieſen Organismen nicht näher rücken und die Thatſache wurde mit Unrecht als eine Theorie betrachtet, der man nur mit großen Bedenken begegnen könne. Es hatte bei der damaligen geringen Kenntnis über die phyſiologiſchen Wirkungen der Pilze auch etwas durch— aus Fremdartiges, daß lebendige Organismen chemiſche Zerſetzungen veranlaſſen ſollten. Namentlich Liebig konnte ſich dieſe Vorſtellung nicht zu eigen machen, wes— halb er fie denn mit der gewohnten Schneidigkeit, frei- lich mit Unrecht bekämpfte. Er that dies namentlich des⸗ halb, weil dieſe Thatſache mit ſeinen Anſichten über die chemiſche Theorie der Gärung nicht übereinzuſtimmen ſchien, was aber gar nicht begründet war, und weil es thatſächlich noch andere, damals auch als Gärungen bezeichnete Vorgänge gibt, bei denen das Ferment kein Organismus ijt. Erſt mit dem Wachſen phyſio⸗ logiſcher Kenntniſſe und mit der Vervollkommnung aller einſchlägigen Beobachtungsmethoden konnte die thatſächliche Feſtſtellung erfolgen, daß die genannten Gärungen durch Hefe und Bakterien zuſtande kommen. In dieſen Fällen waren die Fermente alſo Organis- men, Pilze, und man ſprach daher, da der Name Ferment einmal eingebürgert war, von „organiſierten Fermenten“, worunter man jene Gärungsorganismen verſtand. Nun gab es aber, wie erwähnt, noch andere Fer- mentwirkungen, bei denen die Sache anders lag. Die Fermente, welche die Umwandlung der Eiweißſtoffe in Peptone oder der Stärke in Zucker bewirken, das Pepſin und die Diaſtaſe, ſind keine Organismen, eben⸗ ſowenig das Emulſin, das Myroſin u. a., welche Glyokſide in Zucker und andere Subſtanzen zerlegen. Welcher Art chemiſcher Verbindungen die ebengenannten Fermente ſind, iſt zwar noch nicht feſtgeſtellt, ſie ſcheinen jedoch den Eiweißſtoffen ähnliche Subſtanzen zu ſein, womit zugleich geſagt iſt, daß ſie Produkte des Tier⸗ und Pflanzenkörpers ſind. Damit hatte man nun aber zweierlei Fermente, einmal wirkliche Organismen und zweitens chemiſche Verbindungen, und zur ſprach— lichen Unterſcheidung wurden die erſten organiſierte Fermente, die letzteren unorganiſierte Fermente ge⸗ nannt. Wie begreiflich iſt es aber ganz unberechtigt, zwei ſo verſchiedene Dinge mit demſelben Namen zu bezeichnen und man iſt daher jetzt übereingekommen, die ungeformten Fermente Enzyme zu nennen. Für die Hefe und die Bakterien iſt der gemeinſame aus alter Zeit ſtammende Name Fermente ohnehin über— flüſſig und beſſer heute ganz zu vermeiden. Die Enzyme beanſpruchen nun ein zweifaches Intereſſe. Die chemiſchen Umwandlungen und Ber- ſetzungen, welche ſie an beſtimmten anderen Subſtanzen hervorrufen, laſſen ſich nicht in der Weiſe anderer chemiſcher Prozeſſe in einen zahlenmäßigen Ausdruck bringen und haben daher etwas Rätſelhaftes an ſich, deſſen Aufklärung ſich mancherlei experimentelle Schwie⸗ rigkeiten in den Weg ſtellen. Es hat in der Regel den Anſchein, als ob eine kleine Menge eines Enzyms unbegrenzte Mengen anderer Subſtanzen chemiſch ver⸗ ändern könne, eine Wirkung, welche man früher als Kontaktwirkung bezeichnete, welcher Name jedoch weiter nichts erklärt. Thatſächlich ſtehen die enzymatiſchen Prozeſſe noch immer als ganz eigenartige chemiſche Vorgänge da, find alſo an ſich ſchon beſonders an- ziehend. Sie werden aber noch dadurch von beſon⸗ derer Wichtigkeit, daß enzymatiſche Vorgänge bei der Ernährung der Tiere und Pflanzen eine hervorragende Rolle ſpielen. 134 Ein Enzym, deſſen Name ſogar jedem Zeitungs⸗ leſer bekannt iſt, iſt das Pepſin, welches im tieriſchen Magen ſecerniert, die Verdauung der Eiweißſtoffe be⸗ wirkt. Von großem Intereſſe war es aber, als im Anfang der dreißiger Jahre von Eberle, Joh. Müller und Schwann bewieſen wurde, daß das Pepſin aus der Magenſchleimhaut von Säugetieren extrahiert werden und daß man mit dieſem Extrakt Eiweißſubſtanzen auch ganz unabhängig vom Magen in einem Glas⸗ gefäß in Peptone umwandeln könne. Der nicht ganz einfache Prozeß dieſer Umwandlung, welcher durch mehrere Zwiſchenprodukte hindurchgeht, muß in den ausführlichen Arbeiten von Kühne über dieſen Gegen⸗ ſtand nachgeſehen werden. Als endliches Produkt der Pepſinwirkung entſtehen Peptone und man nannte daher andere Enzyme, welchen die gleiche Eigenſchaft zukommt, wie dem Pepſin, peptoniſierende Enzyme. In neuerer Zeit wurde nämlich auch in einer Anzahl Pflanzen das Vorkommen von peptoniſieren⸗ den Enzymen beobachtet. Eine allgemeine Verbrei⸗ tung derſelben iſt allerdings nicht vorhanden und es erſcheint dies auch begreiflich, weil die Eiweißverdauung in der pflanzlichen Ernährung eine viel untergeord⸗ netere Rolle ſpielt, wie bei den Tieren. Ja bei einigen Pflanzen, welche ſehr energiſch wirkende pepto⸗ niſierende Enzyme produzieren, läßt ſich eine Ver⸗ wendung derſelben gar nicht nachweiſen, ſie haben alſo für dieſe Pflanzen ſelbſt gar keine Bedeutung. Beſondere Aufmerkſamkeit erregen dagegen die Fälle, wo auch bei den Pflanzen von dem peptoniſieren⸗ den Enzym die Leiſtung einer Verdauung vollführt wird, was bei den ſogenannten Inſektivoren oder inſektenfreſſenden Pflanzen der Fall iſt. Dieſe hochintereſſanten Pflanzen ſind ſeiner Zeit ſo durch die Tagesblätter geſchleppt worden, daß man von ihnen als etwas allgemein Bekanntem reden kann. Sie ſind mit beſonderen, zum Teil ſehr reizbaren Fang⸗ organen ausgerüſtet, mit denen ſie Inſekten, welche ſich auf ihnen niederlaſſen, feſthalten. Auf die Geſtalt und die Bewegungserſcheinungen dieſer Fangorgane kann hier nicht näher eingegangen werden. Wichtig iſt jedoch für unſere Betrachtung, hervorzuheben, daß dieſe Fangorgane unzählige Drüſenhaare beſitzen, welche ein waſſerklares Sekret ausſcheiden. Dies Sekret enthält ein peptoniſierendes Enzym. Solange ſich das Fang⸗ organ in Ruhe befindet, reagiert das Sekret neutral, iſt jedoch ein Inſekt eingefangen worden, ſo werden durch den Reiz die Drüſen veranlaßt, zugleich eine Säure mit auszuſcheiden, denn das Enzym iſt nur in ſaurer Löſung fähig, Eiweißſtoffe zu verdauen. In dieſem Punkte ſtimmt es mit dem Pepſin überein. Die Verdauungsprodukte werden dann von der Pflanze aufgeſogen und auf dieſe Weiſe verſchafft dieſelbe ſich einen Teil der nötigen ſtickſtoffhaltigen Nahrung. Daß es ſich nun bei den Inſektivoren thatſächlich um die Wirkung eines peptoniſierenden Enzyms handelt, ergibt ſich am beſten daraus, daß man mit dem von der Pflanze getrennten Sekret Verdauungsverſuche in einem Becherglaſe anſtellen kann. Am zweckmäßigſten zu einem derartigen Verſuche iſt das Sekret der Ne⸗ Humbolot. — April 1887. penthesarten, weil es in größerer Menge von dieſen Pflanzen ausgeſchieden wird. Die Nepenthesarten beſitzen große kannenförmige Organe, in deren Innerem die ſecernierenden Drüſen ſitzen. Von dieſen wird fortwährend Sekret ausgeſchieden, ſo daß die Kannen ſich bald zur Hälfte anfüllen; man braucht dann das Sekret nur auszugießen um Verſuche damit anzu⸗ ſtellen. Als Eiweißſtoff benutzt man am beſten ge⸗ waſchenes Blutfibrin, welches man in 0,2 procentiger Salzſäure zu einer glashellen Maſſe aufquellen läßt. Man erwärmt das Gemenge auf 40°, welche Tem⸗ peratur während des Verſuches konſtant gehalten wird, und ſetzt das Sekret hinzu. Da ſchon Salz⸗ ſäure zugegen iſt, ſo braucht in dieſem Falle nicht noch Säure zugefügt zu werden. Nach einigen Stunden hat ſich die vorher in Waſſer ganz unlös⸗ liche Gallerte in eine dünnflüſſige Löſung umge⸗ wandelt, das Fibrin iſt durch das Enzym des Sekretes verdaut worden. Die Verdauungsprodukte ſind die⸗ felben, welche bei der Pepſinverdauung entſtehen, jo daß alſo eine merkwürdige Uebereinſtimmung zwiſchen dem Enzym des Tiermagens und dem von den In⸗ ſektivoren produzierten vorhanden iſt, eine Ueberein⸗ ſtimmung, welche ſich auch darin kundgibt, daß das Nepenthesſekret ebenſo wie das Pepſin, nur in ſaurer Löſung, aber nicht in alkaliſcher peptoniſierend wirkt“). Es hat ſich ergeben, daß dieſes nicht das einzige Vorkommen peptoniſierender Enzyme bei Pflanzen iſt, ſie kommen auch anderwärts, aber unter ganz anderen Verhältniſſen vor, wie bei den Inſekti⸗ voren. Es gibt bekanntlich unter den Pflanzen viele, welche ſogenannten Milchſaft enthalten, z. B. der Mohn, die Wolfsmilcharten, das Schöllkraut u. ſ. w. Wenn man derartige Pflanzen verletzt, quillt ein milchweißer oder gelbgefärbter Saft heraus, dem man wegen der äußeren Aehnlichkeit mit Milch den Namen Milchſaft gegeben. Reich an ſolchem Milchſaft iſt eine Tropenpflanze, Carica Papaya, von welcher ſchon in älteren Reiſeberichten erzählt wurde, wenn man friſches Fleiſch in die Blätter dieſes Baumes wickele und kurze Zeit liegen laſſe, werde dasſelbe mürbe. Die genauere Prüfung dieſer Angaben führte darauf, daß einem in dem Milchſaft der Carica Papaya vorhandenen Enzym dieſe Wirkung zuge⸗ ſchrieben werden müſſe, was denn auch mit dem Milchſaft allein angeſtellte Experimente beſtätigten. Es lag nun nahe, in allen pflanzlichen Milchſäften ſolche Enzyme vorauszuſetzen, beſonders da man noch nicht recht wußte, ob man den Milchſäften im all⸗ gemeinen eine Bedeutung für die Ernährung zu⸗ ſchreiben oder ſie nur als Ausſcheidungsprodukte des Stoffwechſels anſehen ſollte. Die Vermutung, daß alle Milchſäfte peptoniſierende Enzyme enthielten, hat ſich nun nicht beſtätigt, allein es ſind immerhin einige unter denſelben damit verſehen. Ganz beſonders bemerkenswert iſt in dieſer Hin⸗ ſicht der Milchſaft des Feigenbaumes, der eine ganz *) Hanſen, Ueber Fermente und Enzyme, Arbeiten des Botaniſchen Inſtituts zu Würzburg. Bd. III, Heft 2. 0 Humboldt. — April 1887. — auffallend energiſche Wirkung auf Eiweißſtoffe aus- übt. 50 bis 60 g feuchtes Fibrin, welche man in 0,2 prozentiger Salzſäure hat aufquellen laſſen, werden von 2 bis 3 cem Feigenmilchſaft in 10 Minuten verdaut. Es hat etwas ungemein Ueberraſchendes, durch die geringe Menge des Milchſaftes ſo rapide ein großes Becherglas voll Fibringallerte in eine waſſerdünne Flüſſigkeit umgewandelt zu ſehen. Die energiſche enzymatiſche Wirkung des Feigenmilchſaftes iſt geeignet, für ihre praktiſche Verwertung die Auf— merkſamkeit auf ſich zu ziehen. Bekanntlich hat man den Milchſaft von Carica Papaya als Heilmittel gegen Diphtherie mit Erfolg angewendet. Den Feigen— milchſaft in derſelben Weiſe zu verwenden, empfiehlt ſich beſonders deshalb, weil derſelbe viel leichter friſch zu erhalten und daher viel wirkſamer iſt als der aus den Tropen ſtammende Papayamilchſaft und weil nach Verſuchen, welche ich angeſtellt habe, der Feigenmilchſaft außerordentlich lange haltbar iſt. Ich habe denſelben über ein Jahr lang aufbewahrt, ohne daß derſelbe in Fäulnis überging. Es ſcheint, daß die eigentümlich aromatiſche Subſtanz, welche der Feigen⸗ milchſaft enthält, die Vegetation von Bakterien ver- hindert. Sehr merkwürdig iſt nun, daß das peptoni⸗ ſierende Enzym des Feigenmilchſaftes auch in alkaliſcher Löſung wirkt, und fic) alſo dadurch nicht nur dem Pep⸗ ſin, ſondern auch dem Enzym der Pankreas gleich verhält. Damit ſind aber die enzymatiſchen Wirkungen des Feigenmilchſaftes nicht erſchöpft. Setzt man nämlich einige Tropfen des Milchſaftes zu friſcher Kuhmilch und erwärmt das Gemenge, ſo gerinnt die Milch und der Käſe fällt als feſter Klumpen nieder. Man kann alſo mit einigen Tropfen Feigenmilchſaft wie mit Lab Käſe bereiten, ohne daß die Molken ſauer werden. Dieſe Thatſache, welche neuere Unterſuchungen ſicher⸗ geſtellt haben, war übrigens den alten Griechen ſchon bekannt. Es iſt gewiß für den Forſcher, der dieſe Vorgänge ſtudiert, ein Vergnügen, ſchon im Homer die Verſe zu finden: Schnell wie die weiße Milch vom Feigenlabe gerinnet, Flüſſig zuvor; dann eilig erharſcht ſie umher dem Vermiſcher, Alſo ſchloß ſich die Wunde ſofort dem tobenden Ares.) ein Beweis, daß die Thatſache der Milchgerinnung durch Feigenmilchſaft ſchon damals eine allgemein bekannte war, und wenn dieſe Thatſache ſich auch heute mit wiſſenſchaftlicher Exaktheit jederzeit beweiſen läßt, jo ijt man im übrigen über den ganzen Vor⸗ gang noch nicht viel klarer als damals. Labartig wirkende Enzyme kommen vielleicht auch in den Blüten verſchiedener, zur Abteilung der Cynareen gehöriger Kompoſiten, wie der Artiſchoke und der Eberwurz (Carlina corymbosa) vor, in einigen Gegenden Italiens wenigſtens wird das Enzym aus den Blüten von Cy- nareen zur Käſebereitung benutzt. Wenn man nun fragt, ob dieſe energiſch wirken- den Enzyme der Milchſäfte für die Pflanzen ſelbſt einen Nutzen haben, fo muß man dies verneinen, ob- ) Ilias V, 902. 135 gleich es ſonderbar erſcheint. Die Milchſäfte find, jo- viel man bis jetzt die Frage hat löſen können, Aus⸗ ſcheidungsprodukte der Pflanzen und werden für die Ernährung nicht mehr benutzt. Daß ſich in den— ſelben Enzyme finden, welche außerhalb der Pflanze ſo energiſch wirken, iſt eben nur eine Thatſache, wie das Vorkommen von Alkaloiden und anderen Sub— ſtanzen, die ebenfalls wenn fie aus der Pflanze ifo- liert werden, die auffallendſten Wirkungen auf andere Weſen ausüben. Tritt die Eiweißverdauung bei den Pflanzen ihrem Umfang und ihrer Bedeutung nach zurück, ſo iſt es dagegen eine andere Subſtanz, welche bei ihnen einer ſolchen Verdauung in namhafter Quantität unter- liegen muß, es iſt dies die Stärke. In den Blättern grüner Pflanzen wird immerfort Stärke produziert als Material zur Ernährung der Organe. Dieſe Stärke muß transportiert werden, ſie muß in lösliche und für die Ernährung der Organe brauchbare Form gebracht werden und dies geſchieht wieder durch Enzyme. Das Umwandlungsprodukt iſt in dieſem Falle Zucker und zwar Glukoſe oder Traubenzucker und man nennt die Enzyme, welche Stärke in Zucker umwandeln, diaſtatiſche Enzyme, nach dem zuerſt dargeſtellten derartigen Enzym, der Diaſtaſe. Wie bekannt bildet ſich die Diaſtaſe bei der Keimung der Gerſte und er— zeugt aus der Stärke der keimenden Gerſtenkörner Zucker; aus der Gerſte entſteht ſo nach dem Trocknen das Malz. Man kann aus Malz die Diaſtaſe extra⸗ hieren und im Reagenzglaſe die Einwirkung des Enzymes auf die Stärke ſtudieren, ebenſo wie dies mit peptoniſierenden Enzymen der Fall war. Aus den Blättern iſt zwar die Diaſtaſe noch nicht dargeſtellt, allein ihr Vorhandenſein aus anderen Thatſachen ge— ſchloſſen. Welche Wichtigkeit aber gerade die diaſta⸗ tiſchen Enzyme für die Pflanzen beſitzen, geht daraus hervor, daß im Sommer 20 und mehr Gramm Stärke, welche in 1 qm Blattfläche gebildet werden, des Nachts durch das Enzym gelöſt werden und aus den Blättern auswandern, um allen wachſenden Or— ganen zugeführt zu werden. Es handelt ſich bei der Enzymwirkung nun nicht, wie es den Anſchein haben könnte, um die bloße Auf— löſung einer unlöslichen Subſtanz, ſondern offenbar iſt die Hauptſache, daß die Subſtanzen durch die Enzymwirkung in einen verdaulichen oder, wie es Sachs genannt hat, aktiven Zuſtand übergeführt werden, um erſt in dieſem zur Ernährung der Organe benutzt zu werden. Die peptoniſierenden und diaſtatiſchen Enzyme ſind diejenigen, für welche eine phyſiologiſche Be— deutung nachgewieſen iſt. Wie ſchon in der Einleitung erwähnt, finden ſich aber noch einige andere enzymatiſche Vorgänge bei den Pflanzen, für welche ganz ähnlich wie bei den Milchſäften eine direkte Beziehung des Auftretens der Enzyme zur Ernährung nicht einleuchtet. Wenn man Senfſamen mit Waſſer zerſtößt, oder das trockene Pulver desſelben mit Waſſer befeuchtet, ſo bildet ſich das durch ſeinen intenſiven Geruch wahrnehmbare 136 Humboldt. — April 1887. Senföl, daneben entſtehen zugleich Zucker und Kalium⸗ biſulfat. Dieſe Subſtanzen entſtehen durch die Ein⸗ wirkung eines in den Samen enthaltenen Enzyms, welches Myroſin heißt, auf eine andere gleichfalls in dem Samen enthaltende Verbindung, das myron⸗ ſaure Kali. In gleicher Weiſe wird beim Anrühren gepulverter bitterer Mandeln das Amygdalin, welches in ihnen enthalten iſt, durch ein daneben vorhandenes Enzym, das Emulſin, in Blauſäure, Bittermandelöl und Zucker geſpalten. Es iſt klar, daß ganz in der⸗ ſelben Weiſe, wie man hier durch Anfeuchten der ge⸗ mahlenen Samen die Enzymwirkungen hervorruft, dieſe auch in der Natur beim Keimen der genannten Samen im feuchten Erdboden vor ſich gehen. Ein Nutzen für die Keimpflanze iſt in dieſen chemiſchen Prozeſſen um ſo weniger zu erblicken, als Blauſäure und Bittermandelöl für die Pflanze Gifte ſind. So bilden denn die Enzymwirkungen nicht nur vom chemi⸗ ſchen Geſichtspunkte aus, ſondern auch vom phyſio⸗ logiſchen noch rätſelhafte Vorgänge, mit deren Löſung ſich die Forſchung wohl noch längere Zeit wird be⸗ ſchäftigen müſſen. Aeber die Seichnung der Tiere. Von Prof. Dr. G. H. Theodor Eimer in Tübingen. Bemerkungen über die Seichnung der Tiere für die Spſtematik. Geſetzmäßigkeit im Abändern der Seichnung des Hundes. Abſtammung des Haushundes. Einiges über Hunderaſſen, insbeſondere über den Spitzerhund. Geſetzmäßigkeit im Abändern der Seichnung der Hauskatze. DI dem Inhalt der vorhergegangenen Wufjage über unſeren Gegenſtand ergibt ſich 1) die Ver⸗ wandtſchaft und der Zuſammenhang der Zeichnung zwiſchen den einzelnen Gattungen und Arten der Familie der katzen⸗, der zibethkatzen⸗, hyänen⸗ und hundeartigen Raubtiere je unter ſich nach beſtimmter Geſetzmäßigkeit und 2) dieſelbe Verwandtſchaft und derſelbe Zuſammenhang auch zwiſchen dieſen vier Familien der Raubtiere untereinander. Wir kamen zuletzt zu höchſt merkwürdigen Beziehungen in der Zeichnung zweier der ärgſten Gegner und der größten Gegenſätze im öffentlichen Leben der Tierwelt — von Hund und Katze. Es ergab ſich aus meiner Darſtellung, daß eine Anzahl weſentlicher, bei unſerer quergeſtreiften Hauskatze vorhandener Zeichnungen auch bei unſeren Hunden, zunächſt beim Spitzer⸗ hund vorkommen, ebenſo wie ſie ſich übrigens bei Zibethtieren, bei Hyänen, ſodann bei Wolf und Fuchs mehr oder weniger ausgeſprochen finden. Verſtändnisvolle Zeitungskritiker meiner auf der Naturforſcherverſammlung zu Freiburg i. B. im Jahr 1883 gehaltenen Rede „Ueber den Begriff des tieriſchen Individuums“, in welcher ich die Ergebniſſe meiner Unterſuchungen über die Zeichnung der Tiere berührte, insbeſondere ein ſolcher Berichterſtatter der „Nationalzeitung“, machten ſich luſtig über mein Be⸗ ginnen, „die Verwandtſchaft der Tiere von ihrem Fell abzuleſen“, und darüber, daß ich „den Hund von der Katze abſtammen laſſen wolle“. Meine bis⸗ herigen bezüglichen Mitteilungen im „Humboldt“ haben wohl den berechtigten Ernſt jenes Beginnens jedermann dargethan. Ja, ich behaupte nichts Ge⸗ ringeres als dies, daß durch dieſes einfache „Ableſen der Verwandtſchaft vom Fell“ nicht nur die Syſte⸗ matik innerhalb großer Tiergruppen vielfach erſt die natürliche Geſtaltung erhält, ſondern daß dadurch auch die Lehre von der allmählichen Entwickelung der Arten die feſteſten neuen Stützen gewinnt, endlich, daß dieſe Lehre durch die Möglichkeit jenes „Ab⸗ leſens“ auch ohne Zuhilfenahme der Anatomie in Zukunft für jeden beweisbar, daß fie dadurch Ge⸗ meingut werden wird. Da ich im „Humboldt“ nur einen kleinen Teil des Beweismaterials für dieſe meine Behauptung mitteilen kann, ſo erlaube ich mir, hier aufmerkſam zu machen auf den ſchönſten dieſer Teile, auf meine Unterſuchungen über die Verwandtſchaft der Schmetterlinge, welche in wenigen Wochen in einem mit farbigen Tafeln ausgeſtatteten Werke zu erſcheinen beginnen werden!). Daß Hund und Katze als Raubtiere Blutsver⸗ wandte ſind, iſt männiglich bekannt und brauchte durch mich nicht erſt bewieſen zu werden. Daß man dieſe Verwandtſchaft in der That von ihrem Fell ab⸗ leſen kann, das iſt freilich neu und gewiß merkwürdig genug. Es beweiſt dieſes Beiſpiel, mit welch un⸗ gemeiner Zähigkeit die Eigenſchaften der Zeichnung ſich vererben. Wir werden ſpäter ſehen, daß dieſe Vererbung im vorliegenden Falle wahrſcheinlich als von einer für hunde⸗ und katzen⸗ artige Raubtiere gemeinſamen Stammform aus⸗ gehend zu ſuchen, die Sache alſo weder ſo zu faſſen iſt, daß der Hund von der Katze abſtammt, noch um⸗ gekehrt. Im übrigen iſt es ſelbſtverſtändlich geradezu jene Zähigkeit, welche meinen Unterſuchungen die große Bedeutung für die Erkenntnis des Zuſammen⸗ hangs der Formen gibt. Der kleinſte Strich, ein Hauch von einem Fleckchen gewinnt durch die Ver⸗ gleichung häufig die größte Wichtigkeit, indem er als Ueberreſt einer urſprünglich hervorragenden Bildung ſich erweiſt. Plötzlich werden durch ſolche Finger⸗ zeige Beziehungen klar, an die man vorher nicht ge⸗ dacht hatte, plötzlich erſcheint eine Tiergruppe durch *) G. Th. Eimer, Die Schmetterlinge, nach ihrer auf die Zeichnung begründeten Verwandtſchaft dargeſtellt und beſchrieben. Gena, Guſtav Fiſcher. Humboldt. — April 1887. 137 die klare Verwandtſchaft mit anderen in einem ganz neuen Lichte — wie ein alter Bekannter, den vor— her nicht erkannt zu haben man nun nicht mehr be— greifen will. So iſt es mir — wie oft! — bei der Unterſuchung der Zeichnung insbeſondere der Vögel Bis jetzt habe ich im „Humboldt“ die Familien der katzen-, der zibethkatzen- und der hundeartigen | unter den Raubtieren behandelt, ohne jedoch den Ver— ſuch zu machen, deren gegenſeitige verwandtſchaftliche Verhältniſſe im einzelnen feſtzuſtellen. Um die Ord— Fig. 1. Mähnenzibethkatze (Viverra jubuta leivetta Buff. ]). ergangen, deren Ergebniſſe ich in Bälde gleichfalls veröffentlichen werde. Selbſtverſtändlich müſſen bei der Verwertung der Zeichnung für die Syſtematik die ſämtlichen Or— ganiſationsverhältniſſe der betreffenden Tiere den aus Fig. 2. der Zeichnung gewonnenen Schlüſſen die Probe halten. Vielfach führen aber umgekehrt gerade jene äußeren Fingerzeige auf den Nachweis früher nicht beachteter Eigentümlichkeiten und Beziehungen der inneren Or— ganiſation. Humboldt 1887. nung der Raubtiere zu erſchöpfen, muß ich noch die Familien der marder- und der bärenartigen beſprechen. Wenn ich dies thue, will ich zugleich auf die Verwandt— ſchaft aller Familien eingehen unter der notwendigen Zuhilfenahme auch der ausgeſtorbenen Formen. J Hauskatze. Vorher möchte ich noch einmal auf Hund und Katze zurückkommen in Beziehung auf eine im ver— wegenſten Sinne des Wortes volkstümlich-wiſſen— ſchaftliche Frage, eine Frage, deren von mir zu ge— bende Beantwortung jedermann, ohne weitere Hilfs- 18 138 Humbolot. — April 1887. mittel als den Augenſchein einiger Hunde oder Katzen auf der Straße, auf ihre Richtigkeit wird prüfen können. Die Frage iſt die: Sind die mannigfaltigen, ſchein⸗ bar keiner Regel unterworfenen Zeichnungen auf dem Fell unſerer Haushunde und Hauskatzen in der That regellos und zufällig angeordnet — läßt ſich in ihnen nicht vielmehr eine beſtimmte Geſetzmäßigkeit erkennen laſſen ſich nicht diejenigen der Hunde auf die regelmäßige Zeichnung der Wölfe und Schakale, der Caniden überhaupt und damit der Zibethkatzen zurück⸗ führen? Schon im Jahre 1883, auf der Freiburger Naturforſcherverſammlung, habe ich berichtet, daß eine ſolche Zurückführung möglich, daß auch in jener, bisher als vollkommen regellos angeſehenen Zeichnung eine beſtimmte Geſetzmäßigkeit zu erkennen ſei. Auch im Wie man ſieht, hat der in Figur 5 abgebildete Spitzerhund ganz hervorragend Zeichnungen des Wolfes. Ueberall am Körper, vom Ueberaugenfleck (2) bis zum Schwanzfleck (S) wird man dieſe Uebereinſtimmung beſtätigen. Hervorragend deutlich ſind, außer den Zeichnungen 2 und 8, bei beiden Tieren die Linien IV, XV, XVIII, ferner ein Streifen auf der Keule, endlich III und 3. Sehen wir von dem ebenfalls bei beiden Tieren deutlichen Halsband o ab, jo find es im weſentlichen gerade dieſe kräftigen Zeichnungen, welche auch an dem in Figur 6 neu abgebildeten zweiten Spitzer wieder vorkommen: es ſind hier die Striche des erſten Spitzers, bezw. des Wolfes nur verbreitert, teilweiſe durch Zuſammenfließen mit einem oder auch mit mehreren benachbarten Streifen. Fig. 3. Geſtreifte Hyäne (Hyaena striata L.) „Zoologiſchen Anzeiger“ habe ich ſchon hierüber Mit⸗ teilung gemacht). Aber erſt die Abbildungen, welche ich im folgenden geben will, werden jene Geſetz⸗ mäßigkeit in einfacher Weiſe überraſchend vor Augen führen. Uebrigens habe ich durch die im vorigen Aufſatze im „Humboldt“ veröffentlichte Abbildung eines Spitzerhundes ſchon auf die Löſung der ge⸗ ſtellten Frage vorbereitet. Ich wiederhole dieſe Ab⸗ bildung hier zugleich mit einigen anderen, welche Zibethkatze, Hauskatze, Hyäne und Wolf, Vertreter aller der bis jetzt behandelten Familien der Raub⸗ tiere darſtellen; ein Blick auf dieſelben wird die merk⸗ würdigen Beziehungen in der Zeichnung aller, den Hund eingeſchloſſen, ſofort erkennen laſſen. ) Zoologiſcher Anzeiger 1883, Nr. 156. Die Zeichnung dieſes zweiten Spitzer⸗ hundes iſt nun diejenige, auf welche ſich die Zeichnung unſerer Haushunde überhaupt, mögen dieſe ſcheinbar noch ſo unregelmäßig gefleckt ſein, zurückführen läßt, ſofern ſie nicht jener des zuerſt abgebildeten Spitzers (Fig. 5) und damit der von Wolf und Schakal ererbten Grundzeichnung unmittelbar ent⸗ ſpricht. Bekanntlich müſſen auf Grund der allgemeinen Organiſation Wolf oder Schakal, oder müſſen in an⸗ deren Fällen vielleicht Miſchungen beider, als Stamm⸗ formen unſerer Hunderaſſen, ſo verſchieden dieſe ge⸗ ſtaltet ſein mögen, angeſehen werden. Die Be⸗ ziehungen der Zeichnung beſtätigen dieſe Auffaſſung vollauf. Unſere wolfe und ſchakalähnlichen Hunde, Humboldt. — April 1887. 139 mit hängendem Schwanz und oft noch aufrecht— ſtehenden Ohren, die wolfähnlichen Schäferhunde, die halbwilden ſchakalähnlichen Hunde des Orients, und, letzteren offenbar zunächſt verwandt, der Spitzer— hund, zeigen auf braunem Fell die urſprüngliche Zeichnung des Wolfes und Schakals zuweilen ſehr deutlich, oft wenigſtens in Schatten. Bei dem Spitzer in Fig. 5 iſt dann beſonders auch die Geſichtszeich— nung der Ahnen häufig ungemein ſcharf ausgeprägt: man erkennt nicht nur den Ueberaugenfleck, ſondern die Wurzel der Vordergliedmaßen, bezw. das Knie, ſich hinziehend; ſodann eine Sattelzeichnung über die Kreuzgegend bis über die Schwanzwurzel, geteilt oder ungeteilt auf die Keulen ſich erſtreckend, ent— ſprechend XVIII und der Keulenzeichnung in Figur 5. In Figur 7 iſt, wie dies ſehr häufig, beſonders bei Hühnerhunden, vorkommt, der Schulterrückenfleck derart geteilt, daß ein hinterer kleiner Sattel ge— ſondert wird. Oft iſt von der Kopfzeichnung deutlich auch ein vorderer Halsring getrennt (Fig 5 und 6, — 8 Mb Kull ge. — —— SS — SSS ee Fig. 4. Deutſcher Wolf aus Lothringen. auch die Unteraugenlinie und die obere, zuweilen auch die untere Augenlinie (vergl. Fig. 2 und „Hum— boldt“ 1885, S. 66, Fig. 4, nebſt Erklärung S. 70) auf das deutlichſte. Durch Verſchmelzung und Ver— breiterung der dunkeln Kopfzeichnung — einſchließend die ſeitlichen der noch bei Katzen und Zibethkatzen vorhandenen Stirn-, Scheitel-, und Nackenlinien — entſteht ſchwarze oder dunkle Färbung der Seiten des Kopfes, an welcher auch die Ohren teilnehmen, während die Stirne weiß bleibt (vergl. Fig. 6 und 7), dann ein Sattelfleck über den Hals, der, je nachdem der Streif IV = 3, Figur 5 oder die zunächſt von ihm nach hinten gelegenen mehr beteiligt ſind, weiter nach vorn oder nach rückwärts über den Hals zu liegen kommt; dann, entſprechend XII bis 15, Figur 5, ein Sattelfleck über Schulter- und Mittelrücken gegen III =7). Endlich iſt der Schwanzfleck zu erwähnen, welcher aber oft mit der Kreuzzeichnung in Verbin— dung ſteht. Meiſt iſt deutlich 1) die Kopf-, 2) eine Hals-, 3) die Schultermittelrücken-, 4) die Kreuz⸗ zeichnung, 5) der Schwanzfleck. Dazu kann alſo kommen: eine vordere Hals- und eine Rückenzeichnung, nämlich der kleine Sattel zwiſchen Schultermittel— rücken und Kreuzzeichnung. Dieſer Sattel entſpricht XVI und XVII der Zibethkatzen-, bezw. der Hydnen- oder Katzenzeichnung. Wer einmal auf dieſe typiſchen Verhältniſſe auf— merkſam geworden iſt, der wird auf ſie auch die ſcheinbar unregelmäßigſte Zeichnung unſerer Hunde zurückführen können. Bei der Mehrzahl derſelben ſpringt der Typus ſofort in die Augen. Oft aber ſind einzelne der typiſchen Flecken in kleinere auf— 140 Humboldt. — April 1887. gelöſt, und es gibt Hunde, beſonders Hühnerhunde, bei welchen dieſe Auflöſung ſo weit gegangen iſt, daß man nicht mehr imſtande ijt, die Grundzeich⸗ nung zu erkennen. Auch können die Flecke ſchließlich ganz ſchwinden. Ob die Zeichnung der getigerten Hunde — be⸗ ſonders unter den Doggen findet man ſolche Tigerung — mit derjenigen des Tigers, bezw. der Katzen de., übereinſtimmt, habe ich aus Mangel an Material noch nicht unterſucht. Aber es iſt nicht unwahr⸗ ſcheinlich, daß ſie wie beim Tiger durch Spaltung urſprünglicher Querſtreifen in eine Mehrzahl ſolcher entſtanden iſt. Dagegen muß ich eine andere Be⸗ ziehung hervorheben, welche ich wiederholt bei ver⸗ ſchiedenen Hunderaſſen beobachtet habe: es zeigen die Hunde zuweilen eine ganz ſchwarze Kehle, voll— nopel, Philippopel, Sofia und den Iskerpaß nach Lompalanka an die Donau. Die halbwild lebenden Straßenhunde des Orients haben bekanntlich durchaus den Typus des Schakals in Geſtalt, Haltung, Größe und Färbung. Auch die Spuren von Zeichnung, welche beim Schakal vor⸗ kommen, ſind bei ihnen entweder mehr oder weniger deutlich vorhanden, oder ſie gehen in die ausgeprägten, teilweiſe unregelmäßigen Flecken unſerer Straßen⸗ hunde über. In den Straßen von Konſtantinopel kann man alle Uebergänge beobachten und hat dem⸗ nach die ganze Entſtehungsgeſchichte dieſer Fleckung deutlich vor Augen. Es war mir ſchon vor Jahren in Aegypten aufgefallen, daß dort zwiſchen den ge⸗ wöhnlichen braunen Schakalhunden ſehr häufig auch ganz ſchwarze vorkommen, im übrigen von der⸗ Fig. 5. Spitzerhund. kommen entſprechend der Kehle der geſtreiften Hyäne (Fig. 3), und der Mähnenzibethkatze (Fig. 1), und handelt es ſich hier offenbar um einen Rückſchlag auf den bei den Ahnen der Hunde beſtändig vorhanden geweſenen Zuſtand. Thatſache iſt im übrigen ſomit, daß die ſchein⸗ bar regelloſe Fleckenzeichnung unſerer Haus⸗ hunde eine geſetzmäßige iſt, und daß die Ge⸗ ſetzmäßigkeit ihren Grund darin hat, daß dieſe Fleckenzeichnung nur in verſtärktem Maße einzelne der typiſchen Urzeichnungen der Raubtiere darſtellt, bezw. durch Ver⸗ ſchmelzung ſolcher Einzelzeichnungen ent⸗ ſtanden iſt. Ich erkannte dies zuerſt durch die Beobachtung der Straßenhunde in Konſtantinopel, ferner durch die Beobachtung der Hunde auf der meinem Aufenthalt in Konſtantinopel gefolgten, im April 1883 ausge⸗ führten Reiſe durch die Balkanhalbinſel, über Adria⸗ ſelben Geſtalt wie jene. Dasſelbe bemerkte ich in Konſtantinopel. Sehr oft trifft man hier ſolche ſchwarze Hunde, beſonders auf der aſiatiſchen Seite, in dem von den übrigen Stadttheilen am meiſten entfernten und durch den Bosporus getrennten Skutari. Die Anfänge der ſchwarzen Färbung und der Abänderung überhaupt konnte ich in allen Ab⸗ ſtufungen auch in den Straßen von Pera und Stambul beobachten. Hier traten zuerſt neben ſchwarzen Flecken auch weiße an den Hunden auf und zwar letztere zuweilen recht auffallend, insbeſondere am Hals, am Rumpf und an den Hinterbacken. Die ſchwarzen Flecken entſprechen der Lage nach den ur⸗ ſprünglichen Schakalzeichnungen, die weißen treten dazwiſchen auf. Die vollkommene Schwarzfär⸗ bung nun ſcheint in der Regel auf einem allmählichen Uebergreifen der ſchwarzen Farbe von den urſprüng⸗ lichen Zeichnungen aus zu beruhen. Die ſo auffallend geſcheckten Hunde führten mich, durch den Gegenſatz Humboldt. — April 1887. 141 der Farben, zuerſt auf das Geſetzmäßige der Zeichnung. Auch hier ſchon fließen einzelne der ſchwarzen Flecken zuſammen, oder ſie können ſich teilen, verkleinern, auflöſen, der eine und der andere oder ſchließlich alle ſchwinden. Mehr und mehr nun traten mir ſolche Verän— derungen der Zeichnung des Hundes auf der Reiſe durch Rumelien und Bulgarien entgegen, je weiter ich mich von Konſtantinopel nach Norden und Oſten entfernte: in höchſt bemerkenswerter Weiſe ändert ſich der Hund nicht nur in der Farbe und Zeichnung, ſondern in allen Eigenſchaften ganz allmählich, je mehr man in chriſtliche Bevölkerung kommt, je mehr er vom halbwilden Straßenhund zum Haushund <3 2 W. I 2 ii = SAT ae 37% Zn jener Schäferhund dem Blute nach ein reiner orientali— ſcher Hund iſt, daß er zu ſeiner Umwandlung keinerlei Kreuzung bedurft hat?). Zwiſchen— hinein trifft man außerdem auf der Balkanhalbinſel auch wieder den reinen Schakalhund. Im Norden entſpricht dieſem, bezw. dem Schakal, am meiſten der Eskimohund. Bei uns iſt, wie bemerkt, einer der nächſten Verwandten des Schakalhundes der Spitzer mit ſeinen ſtehenden Ohren und mit dem buſchigen, eingerollten Schwanz: er iſt ſeiner Geſtalt nach ein ſtark verkürzter Schakalhund. Auf dieſer Verwandt— ſchaft beruht auch ſeine häufig bräunliche, wenn auch dann zumeiſt ins Graue gehende Färbung und die geſchilderte Urzeichnung; ferner wiederholt ſich bei e AS — ll, „ MOF Fig. 6. Spitzerhund. wird, je mehr er ſich von ſeiner Urheimat entfernt. Im Weiterreiſen kann man verfolgen, wie der urſprünglich — beim Konſtantinopeler Straßenhunde — ſchakalähnlich hängende Schwanz, je mehr man nach Norden und Oſten zu kommt, mehr und mehr erhoben und eingerollt getragen wird, wie die ur- ſprünglich mehr oder weniger vollkommen ſtehenden Ohren ſtärker hängend werden, wie die Tiere, wohl infolge beſſerer Ernährung, an Größe zunehmen und wie die Zahl auch einfarbig weißer Hunde zu— nimmt. So trifft man in Rumelien und Bulgarien beſonders Schäferhunde von der doppelten Größe des Schakals, ganz von deſſen Geſtalt, aber ganz hellgrau oder weiß und mit ſtark eingerolltem Schwanz und hängenden Ohrſpitzen. Wenn man die allmäh— lichen Uebergänge vom Konſtantinopeler Straßen- hund bis zu dieſem Schäferhunde verfolgt, ſo bleibt über den urſprünglichen Zuſammenhang beider kein Zweifel und man kommt zur Ueberzeugung, daß ihm die von den Hunden der Balkanhalbinſel her— vorgehobene Umfärbung in einfaches Schwarz oder Weiß. Die Raſſe des Spitzerhundes iſt, entſprechend dieſer Verwandtſchaft, offenbar eine alte. Wer die Denkmäler der Aegypter, Griechen und Römer daraufhin anſieht, wird finden, daß auf ihnen *) Es ſpricht dieſe Wahrnehmung u. a. für meine Anſicht von der hohen Bedeutung äußerer Verhältniſſe für die Umgeſtaltung der Arten und gegen die neuerdings von Weismann vertretene Annahme, daß ſolche Umgeſtaltung nur durch Kreuzung erfolge. (Vergl. meine oben erwähnte Freiburger Rede, gedruckt in den Verhandlungen der Natur= forſcherverſammlung 1883, ſowie meine Abhandlung: Unter— ſuchungen über das Variieren der Mauereidechſe, ein Bei— trag zur Theorie von der Entwickelung aus konſtitutionellen Urſachen, ſowie zum Darwinismus. Berlin, Nikolai. 1881. [und Archiv für Naturgeſchichte] und A. Weismann: Die Be⸗ deutung der ſpeciellen Fortpflanzung für die Selektions— theorie. Jena, 1886.) 142 Humboldt. — April 1887. meiſt ſpitzköpfige Hunde von ſchlankem Bau, mit ſtehenden Ohren abgebildet ſind, ähnlich dem Wolf und Schakal. Auffallend frühe treten windhund⸗ artige Geſtalten auf: mit ſolchen Hunden wurde das Wild verfolgt, im Laufen erjagt. Aber da⸗ neben trifft man frühe auch den Spitzer und zwar als Familienhund: auf den Grabdenkmälern in der Gräberſtraße in Athen und im Nationalmuſeum da⸗ ſelbſt fand ich wiederholt den Spitzer als Freund der Verſtorbenen mit dieſen dargeſtellt. Kurze Schnauze, dicker Kopf tritt erſt bei ſtärker veränderten jüngeren Hunderaſſen auf, wie ſie auch anderen Haustieren, Schweinen, Schafen 2c. gegenüber den urſprünglichen Formen eigen ſind, wie die Vergleichung des Schädels des zahmen und des Wildſchweins beiſpielsweiſe lehrt; es hängt dieſe Veränderung meiner Anſicht nach wohl weſentlich mit einer Rückbildung der den in 7 Fig. 7. Haustieren entbehrlicher gewordenen Feinheit des Riechvermögens, bezw. der Naſe, zuſammen. So war es nicht Zufall, wenn der Spitzerhund zum Zweck der Erklärung der Entſtehung der Zeich⸗ nung der Hunde in dieſem Aufſatz die Ehrenſtelle erhalten hat. Nun noch eine Bemerkung über die Hauskatze: auch ſie ändert in ſcheinbar ganz regelloſer Weiſe ab, aber auch bei ihr läßt ſich eine gewiſſe Geſetz⸗ mäßigkeit in dieſem Abändern erkennen, wenn auch nicht in dem Grade wie beim Hund. Höchſt be⸗ merkenswert iſt aber die Thatſache, daß die Grund⸗ züge der Abänderung der Hauskatze, ſoweit dieſe als eine geſetzmäßige erkannt werden kann, mit den ge⸗ ſchilderten Grundzügen der Abänderung des Hundes zuſammenfallen. Ein Blick auf beifolgende Abbildung zeigt dies auf das deutlichſte: die Vergleichung dieſer Abbildung mit jener vom Hühnerhunde (Fig. 7) läßt unmittelbar erkennen, daß hier wie dort dieſelben urſprünglichen Querſtreifen zur Entſtehung der Fleckung, bezw. zur Entſtehung von Sattelflecken Veranlaſſung gegeben haben müſſen. Im übrigen ſchmelzen bei der Katze die dunkeln Flecke auf der Oberſeite gern alle zuſammen. Dadurch entſteht oft ein einziger ſchwarzer Sattel von der Stirn bis zum Schwanz, und dieſer Sattel kann ſich nun wieder in zweiter Folge unregelmäßig teilen, ſo daß ſchon dadurch ſehr mannig⸗ faltige Abweichungen von der Regel auftreten können?). Woher nun dieſe, wenn auch nicht allgemeine Uebereinſtimmung auch im Abändern der Zeichnung bei Hund und Katze? Die Thatſache, daß es die ſelben Streifen und Flecken ſind, welche in beiden Fällen durch Vergrößerung, bezw. durch Verſchmelzung mit anderen, die neue Zeichnung hervorgebracht haben, beweiſt hinreichend, daß jene Uebereinſtimmung auf Mb , e fh oy Deutſcher Hühnerhund. der urſprünglichen Blutsverwandtſchaft beruht. Warum in beiden Fällen gerade dieſe und nicht andere Zeich⸗ nungen ſtärker erhalten blieben oder ſich vergrößerten, das iſt wohl ebenſo auf gemeinſame Verhältniſſe der organiſchen Zuſammenſetzung des Körpers in beiden Tieren zu ſetzen, ohne daß wir darüber für jetzt im Stande wären, Genaueres zu ſagen. Vielleicht ſpielt eine Rolle dabei die Verteilung des Blutes. Die Thatſache aber, daß das Abändern der Haus⸗ ) Einige Beobachtungen, die ich an den grau, (ſchwarz) gelb und weißen Katzen gemacht habe, welche merkwürdigerweiſe alle Weibchen ſein ſollen, ſprechen dafür, daß die graue (ſchwarze) Farbe im weſentlichen an den Stellen liegt, wo die Urzeichnnng, nach Maßgabe der Figur 8, auch bei anderen abgeänderten Katzen übrig ge⸗ blieben iſt, die gelbe und weiße aber in den Zwiſchen⸗ räumen. Indeſſen beſteht hier oft große Unregelmüßigkeit. Entſprechende weitere Beobachtungen wären erwünſcht. Humboldt. — April 1887. 143 katze ein viel unregelmäßigeres, ein viel mehr vom | weithin ſichtbar machen. Zu Gunften fold) ſtärkerer urſprünglichen Typus abweichendes iſt als beim Haus⸗ Abänderung der Katze gegenüber dem Hunde fällt hund, läßt zugleich auf ſehr hohes Alter der Zäh- | aber auch noch die Thatſache ins Gewicht, daß bei 2 SSS — — , Teall ges. = — — — Fig. 8. Hauskatze. mung der erſteren durch den Menſchen ſchließen, denn der Fortpflanzung der erſteren der Menſch viel mehr nur im Hauſe, unter dem Schutze des Menſchen nach Raſſe und Schönheit eine Auswahl trifft und da- ſtehende Tiere können Abänderungen erwerben und durch ſchöne und ſymmetriſche Zeichnung und Färbung vererben, welche ſie den Verhältniſſen der Umgebung ſichert, während die Katzen ſich kunterbunt durch— nicht anpaſſen, indem fie fie ihren Feinden und ihrer einandermiſchen und ſo die verſchiedenſten Abände— Beute nicht verbergen, welche fie vielmehr überall rungen ungeſtört vererben. FJortſchritte in den Laturwiſſenſchaften. Meteorologie. Don Dr. W. J. van Bebber in Hamburg. Preußiſches Meteorologiſches Inſtitut. Beobachtungsnetz in Bulgarien. Höhenſtationen auf dem Sonnenblick und Aigoual, Höhenſtationen überhaupt. Periodiſche Schwankungen der Atmoſphäre, von Kleiber. Einwirkung der barometriſchen Maxima und Minima auf untere und obere £uftitromungen, von Vettin. Windgeſchwindigkeiten in Bayern, von Lang. Ermittelungen der wahren Lufttemperaturen. Allgemeine Wärmeverteilung auf der Erdoberfläche, von Spitaler. Einfluß des Waldes auf die klimatiſche Temperatur, von Hann. Mittlere Regenmenge für Deutſchland, von Töpfer. Die regenärmſten und regenreichſten Gebiete Deutſchlands, von Hellmann. Niederſchlagsverhältniſſe in Baden, von Sibert, und im Main- und Mittelrheingebiet, von Siegler. Schneeverhältniſſe Bayerns, von Schultheiß. Regenverhältniſſe Brajiltens, von Draenert. Beiträge zur Statiſtik der Blitzſchläge, von Hellmann. Gewitter in Frankreich, von C. Ferrari. Gewitter im oberen Leinethal, von H. Mayer. Statiſtik der Hagelfälle in Galizien, von Wierzbicki. Die Klimate der Erde, von Woeikof. Einfluß des Waldes auf das Klima in Schweden, von Hamberg. Verſchiedene intenſive forale Witterungserſcheinungen aus letztverfloſſener Feit. Schrift über Dämmerungs— erſcheinungen von Riggenbach. Temperatur des feuchten Thermometers und nächtliches Temperatur-Minimum. Graphiſche Darſtellung der Witterungsvorgänge beim Vorübergange barometriſcher Maxima und Minima, von Möller. Sinfluß des Mondes auf die Lage der Nordoſt— paſſatzone, von Poincaré, „Das Wetter und der Mond“, von Falb. Preußiſches meteorologiſches Inſtitut. der Unterrichtsverwaltung überging. Durch dieſe dujer- In der Ueberſicht der Fortſchritte der Meteorologie in dem liche Thatſache erhielt die Meteorologie eine von der Septemberhefte des vorigen Jahres wurde mit Recht als früheren ganz verſchiedene Stellung, indem dadurch der der wichtigſte und folgenſchwerſte Fortſchritt auf dem Ge- Anerkennung Ausdruck gegeben wurde, daß die Meteoro— biete der deutſchen Meteorologie die Reorganiſation des logie nicht mehr ein vorzugsweiſe unter dem Geſichtspunkte kgl. preußiſchen meteorologiſchen Inſtitutes hervorgehoben, des öffentlichen Nutzens zu behandelnder Dienſtzweig der von weiterer großer Bedeutung für die Entwickelung der praktiſchen Verwaltung, ſondern eine als Wiſſenſchaft zu Meteorologie iſt die Thatſache, daß ſeit dem 1. Juli 1886 ſelbſtändiger Pflege berechtigte Disciplin ijt. dieſes Inſtitut, welches vorher eine Abteilung des preußi— Beobachtungsnetz in Bulgarien. Ein neues ſchen ſtatiſtiſchen Bureaus geweſen war, in das Reſſort | Beobachtungsnetz mit elf vortrefflich ausgeſtatteten Sta- 144 Humboldt. — April 1887. tionen wurde vor etwa zwei Jahren unter der tüchtigen Leitung des Profeſſor Hepites eingerichtet, während früher nur die Beobachtungen von Bukareſt in den Nachbarländern bekannt geworden find. Die erſte ſelbſtändige Publikation), enthaltend die Beobachtungen von 1885, erſchien um die Mitte des Jahres 1886 und iſt insbeſondere wertvoll durch die Veröffentlichung der ſtündlichen Aufzeichnungen der Regiſtrierapparate in Bukareſt. Höhenſtationen. Bemerkenswert iſt die Eröffnung der höchſten meteorologiſchen Station in Europa, der Sonnenblickwarte in 3103 m Höhe am 2. September vorigen Jahres, für welche die Geldmittel durch das Bue ſammenwirken des Deutſchen und Oeſterreichiſchen Alpen⸗ vereins, der Oeſterxeichiſchen meteorologiſchen Geſellſchaft und verſchiedener Körperſchaften und Privatperſonen zu⸗ ſammengebracht wurden. Abgeſehen von den gewöhnlichen meteorologiſchen Inſtrumenten iſt die Station noch aus⸗ gerüſtet mit ſelbſtregiſtrierenden Apparaten für Luftdruck, Temperatur und Feuchtigkeit, ſowie mit einem Sonnen⸗ ſcheinautographen. — In demſelben Jahre wurde auf dem Aigoualgipfel in den Sevennen in einer Seehöhe von 1567 m eine weitere Höhenſtation errichtet. Gegenwärtig ſind in Europa Höhenſtationen thätig: in Deutſchland 5 (Wendelſtein 1728 m, Schneekoppe 1603, Brocken 1141, Hoher Peiſſenberg 994 und Inſelberg 915 m), in Oeſter⸗ reich 5 (Sonnenblick 3103, Hochobir 2043, Schmittenhöhe 1935, Schafberg 1776 und Gaisberg 1286 m), in der Schweiz 4 (Säntis 2467, Rigi⸗Kulm 1800, Gäbris 1250 und Chaumont 1152 m), in Italien 3 (Aetna 2990, Monte Cimone 2168 und Monte Cavo 966 m), in Frank⸗ reich 4 (Pie de Midi 2877, Mont Vantoux 1912, Mont Aigoual 1567 und Puy de Dome 1463 m), in Portugal 1 (Sierra de Eſtrella 1441 m) und in Großbritannien 1 (Ben Nevis 1343 m). So erfreulich dieſe ſtattliche An⸗ zahl Höhenſtationen auch erſcheint, ſo iſt es doch bedauerlich, daß das Beobachtungsmaterfal von vielen dieſer Stationen nicht in ausgiebigerer Weiſe zur Veröffentlichung kommt. Die periodiſchen Schwankungen der Atmo⸗ ſphäre zwiſchen beiden Halbkugeln der Erde ſind von Kleiber unterſucht worden! ). Aus den mittleren Iſobaren⸗ karten für die extremen Monate Januar und Juli fand er für die Südhemiſphäre einen mittleren Luftdruck von 758,09 mm, für den Januar 756,60, für den Juli 759,58 mm, ſo daß alſo für den erſteren Monat ein Mangel von 1,49 mm, für den letzteren ein Ueberſchuß von demſelben Betrage entfällt; für die nördliche Hemi⸗ ſphäre ergab ſich als Mittel 760,31, für den Januar 761,80, für den Juli 758,82 mm. Zwiſchen beiden Hemiſphären beſteht alſo ein mittlerer Unterſchied von 2,22 mm, und findet im Laufe eines Jahres ein periodiſcher Austauſch von großen Luftmaſſen ftatt, welcher der Höhe einer Queck⸗ ſilberſäule von 2,98 mm entſpricht, die die ganze Ober⸗ fläche der Erde bedecken und periodiſch aus einer Halb⸗ kugel in die andere abfließen würde. Eine intereſſante Unterſuchung **) über die Einwir⸗ kung der barometriſchen Minima und Maxima auf untere und obere Luftſtrömungen wurde von Bettin *) Annales de Pinstit. mét. de Roumaine, Bukar. 1886. „) Met. Zeitſchr. 1887, S. 11. **) Met. Zeitſchr. 1886, S. 392. angeſtellt, welche zu dem Reſultate führte, daß in den Ge⸗ bieten der Minima und Maxima nicht ausſchließlich eyklo⸗ nale und antieyklonale Luftbewegungen vorkommen, ſondern auch andere Strömungen hindurchziehen. Je mehr nach oben, deſto mehr macht ſich der Einfluß der großen allge- meinen Strömungen, je mehr nach unten, deſto mehr der Ein⸗ fluß der eyklonalen und anticyklonalen Luftbewegung geltend. Eine Unterſuchung der Windgeſchwindigkeiten in Bayern) führte Lang zu dem Reſultate, daß im Sommer Windſtillen ſeltener, und ſtärkere Winde häufiger ſind als im Winter; er ſchließt daraus, daß die vermehrte Wind⸗ ſtärke im Sommer, die er auf den Einfluß des Gebirges zurückführt, die bisher noch unbewieſene Thatſache des rauheren Klimas von Oberbayern im Sommer erklärt. Die im vorigen Berichte erwähnten Verſuche über die Ermittelung der wahren Lufttemperatur werden in neuerer Zeit von verſchiedenen Seiten fort⸗ geſetzt. Es ſcheint, daß das Schleuderthermometer mit dünnwandiger Kugel am wenigſten von der Wahrheit ab⸗ weicht, indeſſen iſt eine zweifelloſe Entſcheidung in dieſer Sache noch nicht gegeben worden. Wärmeverteilung auf der Erdoberfläche. Auf Grundlage der im Berghaus'ſchen phyſikaliſchen Atlas von Hann veröffentlichten neuen Iſothermenkarten berechnete Spitaler die allgemeine Wärmeverteilung über die Erd⸗ oberfläche in derſelben Weiſe, wie es bereits früher Dove gethan hatte!“). Sehr intereſſant iſt es, daß beide Reſultate ſehr wenig voneinander abweichen. Es ergab ſich, daß vom Aequator bis zum 45. Parallel die nördliche Hemi⸗ ſphäre wärmer iſt als die ſüdliche und jenſeits jenes Pa⸗ rallels ſich die Verhältniſſe umkehren; daß der wärmſte Parallel nicht der Aequator iſt, ſondern derjenige 10° n. Br. (ſelbſt im Winter der nördlichen Hemiſphäre fällt er noch etwas nördlich vom Aequator); daß die mittlere Wärme⸗ abnahme vom Aequator gegen die Pole hin ungleich ſchnell erfolge, am ſchnellſten zwiſchen 40 —50 ° n. Br. und 35—40 0 ſ. Br., insbeſondere zwiſchen 65—70° auf beiden Hemiſphären, und endlich, daß die Temperaturſchwankungen auf der nördlichen Hemiſphäre ungleich größer ſind als auf der ſüdlichen. Als mittlere Temperatur für eine reine Waſſerhemiſphäre ergibt ſich 13,8 “ C., für eine veine Land⸗ atmoſphäre 20,20, woraus noch nicht folgt, daß die ſüd⸗ liche Hemiſphäre in Wirklichkeit auch kälter ſein müſſe als die nördliche, vielmehr ergibt ſich, daß die mittlere Jahrestemperatur beider Hemiſphären gleich und zwar zu ca. 15° angenommen werden müſſe. Für die extremen Monate ergeben ſich: Nördliche Hemiſphäre: Januar 7,97 e, Juli 22,54 o; ſüdliche Hemiſphäre: Januar 17,540, Juli 12,35 “; Erde: Januar 12,8 , Juli 17,4. Intereſſant iſt eine kleinere Studie Hanns über den Einfluß des Waldes auf die klimatiſche Tempe⸗ ratur as). Für den Wiener Wald ergab fic), daß die Waldthäler in allen Jahreszeiten eine erheblich niedrigere Temperatur haben als das Freiland der Umgebung (im Januar von 0,5 0, im Juli von 1,30) und daß dieſer Temperaturunterſchied in den wärmeren Tagesſtunden am geringſten, abends und am frühen Morgen am größten tt. *) Beob. d. met. Stationen im Königr. Bayern. VII. 1885. ) Denkſchr. der Kaiſerl. Akad. in Wien. LL. 1885. **) Met. Zeitſchr. 1886, S. 412. Humboldt. — April 1887. Ueber Niederſchlagsverhältniſſe liegen ziemlich zahlreiche Unterſuchungen vor, die ſich insbeſondere auf Deutſchland beziehen. Die mittlere Regenmenge wurde für ganz Deutſchland von Töpfer nach ſeiner früher ver— öffentlichten Regenkarte planimetriſch gemeſſen, und wurden 653,5 mm gefunden (gegen früher 659,4 mmm) *). Einen wichtigen Beitrag zur Kenntnis der Niederſchlagsverhält— niſſe Deutſchlands lieferte Hellmann **), indem er einerſeits die Regenmeſſungen an vielen deutſchen Stationen einer eingehenden Prüfung unterwarf und möglichſt richtig ſtellte und andererſeits die regenärmſten und regenreichſten Ge— biete Deutſchlands beſtimmte. Die regenärmſten Gebiete Deutſchlands ſind: 1) in Norddeutſchland wahrſcheinlich nur 3 Gebiete (unter 50 em), nämlich in Weſtpreußen das Gebiet nordöſtlich von Thorn, die Umgegend von Bernburg im Anhaltiſchen und die Gegend bei Rieſa an der Elbe; 2) in Süddeutſchland der weſtliche Teil von Rheinheſſen; 3) die größten und intenfivften Trockengebiete nehmen das ganze mittlere Böhmen und die Grenzlande von Mähren und Niederöſterreich ein; hier ſinkt die jährliche Regenhöhe an einzelnen Orten auf etwa 38 em herab, was nirgends in Mitteleuropa vorkommt. Die frühere Annahme, daß Mecklenburg (wegen des Einfluſſes des Harzes) nur eine ſehr geringe Regenmenge beſitze, hat ſich als irrig erwieſen, und erklären ſich die früheren Angaben aus unzweckmäßiger Aufſtellung der Regenmeſſer. Die regenreichſten Gebiete fallen mit den Gebirgen zuſammen, ſo zwar, daß Lage und Höhe der Gebirge entſcheidend ſind; Hellmann führt 20 derartige regenreiche Gebiete an. Speciellere Unterſuchungen über Niederſchlagsverhält— niſſe wurden durchgeführt für Baden von Sibert und für das Main- und Mittelrheingebiet von Ziegler. Den Schneeverhältniſſen wurde bisher nicht die Aufmerkſamkeit zugewendet, welche ſie verdienen. Es iſt dieſes um ſo mehr zu bedauern, als dieſelben ein ſehr wichtiges klimatiſches Element ſind und auch für die Be- urteilung der in der nächſten Zeit zu erwartenden Tempe— raturverhältniſſe nicht unwichtig ſind, wie dies die Kälte— epoche des letztverfloſſenen Dezember und Januar deutlich zeigt. In erſterer Beziehung hat Schultheiß eine intereſſante Arbeit über die Schneeverhältniſſe Bayerns geliefert **). Er findet für die Periode des Schneefalls ſowohl in Bezug auf die Häufigkeit als auf die Menge zwei Wahrſcheinlichkeits⸗ maxima, nämlich im Dezember und März. Im Dezember ſchneit es unter 100 Tagen durchſchnittlich an 24, im März an 20 Tagen. Sehr erwünſcht wäre es geweſen, wenn in dieſer Abhandlung auch die Schneedecke, insbeſondere in Bezug auf ihre Dauer berückſichtigt worden wäre, allein hierfür fehlt gegenwärtig noch jegliches Material. Um ſo erfreulicher erſcheint es, daß nach dieſer Richtung hin von der Direktion der bayriſchen meteorologiſchen Central— ſtation ſeit dem Herbſt des vorigen Jahres für Bayern ſolche Beobachtungen (teils telegraphiſch, teils brieflich) ein— gerichtet ſind, eine Einrichtung, welche jedenfalls von den beſten Erfolgen begleitet ſein wird, und welche auch für andere Gebiete ſehr empfohlen werden dürfte +). ) Met. Zeitſchr. 1886, S. 429 u. 173. ) Beob. der met. Stationen im Königr. Bayern. VII. 1888. +) Met. Zeitſchr. 1887, S. 15. Humboldt 1887. ) Met. Zeitſchr. 1886, S. 370. Hi 145 Ueber die Verteilung der Regenmengen in Braſilien hat Draenert eine eingehende Unterſuchung angeſtellt“). Hiernach find für Braſilien folgende Regen— gebiete zu unterſcheiden: 1) Region der Sommer- (Dez zember bis Februar) und Herbſtregen (März bis Mai, Maximum im Winter), Litoralzone der Provinzen Eſpirito— Santo, Rio de Janeiro und St. Paulo; 2) Frithlings- (September bis November) und Sommerregen, der größte Teil des tropiſchen Innern Braſiliens, mit einziger Aus— nahme der Region des Amazonenſtromes; 3) Sommer— und Herbſtregen (Maximum im April), Litoralzone der Provinzen Para, Maranhäo, Piauhy und Ceara; 4) Herbſt— und Winterregen, Litoralzone der Provinzen Pernambuco, Alagdas, Sergipe und Bahia; 5) große Regenzeit von Ende Februar bis Juni, kleine Regenzeit von Mitte Oktober bis Anfangs Januar, oberer Lauf des Amazonenſtromes. Wertvolle Beiträge zur Statiſtik der Blitzſchläge wurden am Ende des vorigen Jahres von Hellmann ver— öffentlicht“ ). Die Reſultate dieſer Arbeit find von allge— meinem Intereſſe, weshalb wir hier einige wiedergeben wollen: 1) Die Statiſtik der Blitzſchläge in Schleswig— Holſtein, Baden und Heſſen lehrt, daß die für große Länder— gebiete Deutſchlands konſtatierte Zunahme der Blitzgefahr in einzelnen Gegenden gar nicht zu verſpüren iſt, vielmehr in Abnahme übergeht. Neben Gebieten ſchnellſten Anwachſens der Blitzgefahr liegen ſolche merklicher Verringerung der— ſelben. 2) In Schleswig-Holſtein zünden Blitzſchläge auf Gebäude mit weichem Dache 7— mal öfter als ſolche auf Gebäude mit hartem Dache. Ferner iſt die Blitzgefahr von Kirchen- und Glockentürmen 39mal, die von Wind— mühlen ſogar 52mal größer als die gewöhnlicher Gebäude mit harter Dachung. 3) Die relative Blitzgefahr nimmt unter ſonſt gleichen Umſtänden um ſo mehr ab, je mehr Häuſer zu einer geſchloſſenen Ortſchaft gruppiert ſind. Im Königreich Preußen iſt die Blitzgefahr auf dem Lande Smal größer als in den Städten. Für ein gewöhnliches, nicht beſonders hohes und nicht vereinzelt daſtehendes Wohngebäude dürfte in einer großen Stadt die Anlegung eines Blitzableiters unnötig erſcheinen. 4) Von 1869 bis 1883 wurden von einer Million Menſchen durchſchnittlich vom Blitze erſchlagen: in Preußen 4,4, Baden 3,8, Frant- reich 3,1 und Schweden 3,0. 5) Die geologiſche Beſchaffen— heit des Bodens, insbeſondere ſeine Waſſerkapacität hat auf die Größe der Blitzgefahr erheblichen Einfluß; ſetzen wir dieſe Gefahr für Kalkboden = 1, jo iſt diejenige für Keupermergel = 2, für Thonboden = 7, für Sand— boden = 9, und für Lehmboden = 22. 6) Von allen Bäumen werden Buchen verhältnismäßig am ſeltenſten, Eichen am häufigſten vom Blitz beſchädigt, Nadelhölzer 15mal, Eichen 54mal und andere Laubhölzer 40mal ſo oft als Buchen. Dabei trifft der Blitz relativ oft kranke, bevorzugt freiſtehende und Randbäume vor ſolchen im Be— ſtande und beſchädigt am leichteſten 16—20 m hohe Bäume. Gewitter in Frankreich. Anſchließend an ſeine wertvollen Unterſuchungen über die Gewitter in Italien hat C. Ferrari auf Grund der von Fron entworfenen Gewitterkarten für 1867/77 die Gewittererſcheinungen in ) Met. Zeitſchr. 1886, S. 381. ) Zeitſchr. des kgl. preuß. ſtatiſt. Büreaus, 1886. 19 146 Humboldt. — April 1887. Frankreich bearbeitet, und zwar in Beziehung auf Zugrichtung, Geſchwindigkeit und Lage zu den großen barometriſchen Depreſſionen ). Er gelangt zu dem Reſultate, daß die Ge⸗ witter in Frankreich ſowohl am häufigſten als am ſchnellſten aus Südweſt und Weſt ziehen und in der Regel auf der Südoſtſeite der barometriſchen Minima ſich ereignen. Gewitter im Leinethal. Erwähnenswert iſt noch eine Monographie von H. Mayer über die heftigen Ge- witter am 1. Juni 1886 im oberen Leinethal, welche durch Hagelſchlag, insbeſondere aber durch Regengüſſe arge Ver⸗ wüſtungen hervorbrachten !*). Die Unterſuchung zeigt die große Bedeutung der Höhenzüge für die Bahn und die Geſchwindigkeit der Gewitter. Eine ſtatiſtiſche Unterſuchung über die Hagelfälle in Galizien iſt von Wierzbicki angeſtellt worden!). In dem Zeitraume 1867/84 fällt der erſte Hagelſchlag faſt immer in den Mai; der September iſt oft, der Oktober faſt immer hagelfrei; dagegen entfallen auf den Juni 32 und auf den Juli 31% der Hageltage. Dabei tft der öſtliche Teil Galiziens vom Hagel viel ſtärker heimgeſucht worden als die weſtlichen Gebietsteile. Auf dem Gebiete der Klimatologie iſt beſonders hervorzuheben das ausgezeichnete Handbuch von Woeikof „Die Klimate der Erde“, welches wir in dem Litteratur- berichte noch eingehend beſprechen werden. Wir wollen hier nur bemerken, daß dasſelbe eine ſehr wertvolle Er- gänzung zu dem bekannten Handbuche von Hann gibt. Wald und Klima. Einen wertvollen Beitrag zur Frage über den ſo wichtigen und oft behandelten Einfluß der Wälder auf das Klima liefert Hamberg, indem er dieſen Einfluß für Schweden unterſuchte f). Er fand, daß der Wald in freien und kultivierten Gegenden Schwedens während der Vegetationsperiode die Temperatur der Luft und des Bodens erniedrigt, und daß er während klarer Abende und Nächte die Zeit der täglichen Inſolation einſchränkt und hierdurch die Vegetation hemmt. Die anderen Einwir⸗ kungen des Waldes auf die Temperatur in Schweden ſind ſo ſchwach, daß ſie keine praktiſche Wichtigkeit beſitzen — wie z. B. die Verminderung der Kälte während des Win- ters — oder ſind von der Art, daß ſie durch das Thermo⸗ meter nicht wahrgenommen werden können. Unter den Einwirkungen der letzteren Art iſt der Schutz anzuführen, welchen der Wald gegen die kalten und heftigen Winde einer empfindlichen Vegetation gewährt. Auf größere Ent⸗ fernungen kann er wahrnehmbaren Einfluß nicht ausüben. Die Häufigkeit intenſiver lokaler Witterungs⸗ erſcheinungen des Jahres 1886 gab Veranlaſſung zu vielfachen Specialunterſuchungen, welche auf die Natur dieſer Erſcheinungen einiges Licht werfen. Hierher ge⸗ hören aus letzterer Zeit hauptſächlich die Unterſuchung des Tornados in St. Cloud (Minneſota) am 1. April (unterſucht von C. Hovey), welcher daſelbſt mit außerordentlicher Heftig⸗ keit wütete, des Orkans in Madrid am 12. Mai (unter⸗ ſucht von Faye), deſſen Rotationsbewegung in der ſpani⸗ ſchen Hauptſtadt auf einen kleinen Raum konzentriert ) Ciel et Terre, 1886, p. 350. ) Met. Zeitſchr. 1886, S. 345. ) Polniſche Zeitſchrift „Kosmos“ 1886. +) Om skogames inflytande pa Sveriges Klimas (ſchwediſch und franzöſiſch). war, des orkanartigen Gewitterſturmes (unterſucht von Köppen und Aßmann), welcher am 14. Mai Kroſſen an der Oder und Umgebung heimſuchte, des Gewitterſturmes in Wetzlar, welcher bei geringem Umfange eine orkan⸗ artige Gewalt entwickelte (unterſucht von Aßmann), der Cyklone im Golf von Aden Anfangs Juni (unterſucht von der Seewarte), welche neben vielen anderen Schiffen auch das Kriegsſchiff „Auguſta“ zerſtörte, der Trombe von Bukareſt am 9. Juni (unterſucht von Hepites) und end⸗ lich des orkanartigen Sturmes bei Northeim und Catlen⸗ burg am 10. Auguſt (unterſucht von K. Dove.) ) Die Litteratur der Dämmerungserſcheinungen iſt durch eine Schrift von Riggenbach vermehrt worden!), deren Inhalt zwar in den Hauptzügen mit den Aus⸗ führungen von Bezold, Kießling und Jeſſe übereinſtimmt, aber immerhin viel neues Material bietet. Für die Ent⸗ wickelung der Dämmerungserſcheinungen hält der Verfaſſer das Innere der Antiecyklonen ſehr günſtig und iſt der An⸗ ſicht, daß die feinſten Cirrusdecken bei der Entſtehung des erſten, insbeſondere des zweiten Purpurlichtes weſentlich mitwirken. Die folgende Tabelle gibt eine Ueberſicht über die Beſtimmungen der Sonnentiefe (in Graden und Zehnteln) bei den Phaſen der Dämmerungserſcheinungen. Erſtes Purpurlicht Zweites Purpurlidt Größte Größte Beobachter Jahr Beginn Helle Ende Beginn Helle Ende Necker . 1833—37 4,1 — 5,8 5 = 12,7 Bravais 1831-44 2, 44 6,4 = = RA v. Bezold. 18636 — 44 6,0 =) 49) See Hellmann . 1876—77 3,8 4,3 6,0 — — 11.4 Riggenbach 1883 — 85 3,1 4,0 6,1 6,8 8,3 10,2 Nächtliches Temperaturminimum. Auf dem Gebiete der ausübenden Witterungskunde ſind die Beob⸗ achtungen von Kammermann, Berthold und Troska nam⸗ haft zu machen, welche dahin zielten, das nächtliche Tempe⸗ raturminimum mittelſt des Pſychrometers, oder einfach nur des feuchten Thermometers zu beſtimmen und ſo An⸗ haltspunkte über das wahrſcheinliche Eintreten oder das Nichteintreten von Nachtfroſt zu gewinnen. Kammermann hatte gefunden, daß das nächtliche Minimum durchſchnitt⸗ lich 4° C. unter den Stand des feuchten Thermometers am Nachmittag oder am Abend herabgeht, welches Ver⸗ halten Troska durch die von ihm gefundene Thatſache er⸗ klärt, daß der „Taupunkt“ im Mittel rund 4 ° (für die meiſten unſerer Gegenden) unter dem Stande des feuchten Thermometers liegt!). Eine einfache und lehrreiche graphiſche Darſtel⸗ lung der Aufeinanderfolge der Witterungsphä⸗ nomene beim Vorübergange barometriſcher Minima und Maxima, welche ganz gut zum Verſtändniſſe der Witte⸗ rungsvorgänge dienen kann, und einige Anhaltspunkte zur Vorherſage der künftigen Witterung gibt M. Möller in ſeinem Wetterberater, indem er die Fortpflanzung der Minima und Maxima von Weſt nach Oſt vorausſetzt, wie es den normalen Verhältniſſen im allgemeinen entſpricht ). Auch auf dem Gebiete der Mondmeteorologie wird unverdroſſen weitergearbeitet. Poincaré findet aus ) Vergl. Met. Zeitſchr. **) Beob. über die Dämmerung zc. Baſel, 1886. ) Vergl. Met. Zeitſchr. 1886, S. 415. +) „Wetterberather“. Hamburg, 1886. 5 a Humboldt. — April 1887. 147 den Beobachtungen von 12 Mondmonaten, daß der Nord— oſtpaſſat ſeine Breite mit der Monddeklination in der Weiſe ändert, daß er mit dem nötrdlichſten Stande des Mondes am weiteſten nach Norden geht, umgekehrt mit dem ſüdlichſten Stande; während des Aequatorſtandes des Mondes wird die Bewegung der Paſſatzone unterbrochen). Beim Perigäum nimmt der Umfang der Paſſate zu, um⸗ gekehrt beim Apogäum. Die Lage der nördlichen Paſſat— zone ſoll im Sommer, wenn die Sonne eine nördliche Deklination hat, eine niedrigere ſein, was den Thatſachen Wetter und der Mond“ erſchienen, welche wir in unſerer Litteratur noch näher beſprechen werden, und in welcher er den Mondeinfluß durch eine Anzahl für ſeine Zwecke paſſender Einzelerſcheinungen ſtützen will. Für den 13. und 27. September 1886 und 22. Februar 1887 oder einige Tage früher verſpricht uns Falb bedeutende Nieder— ſchläge, Stürme und Gewitter, und jedenfalls wird Falb dieſe als ſtattgefunden heranziehen, wenn er ſie in unſeren Gegenden nicht findet, dann aus Afrika oder Amerika oder anders woher. Die Mondmeteorologen ſind einmal widerſpricht. Ferner iſt von Falb eine Schrift „Das trotz ihres öfteren Hereinfalles unheilbar und können ſich nicht entſchließen, eine ruhige objektive Unterſuchungs— *) Compt. Rendus, T. CII, 1886, I. Sem. methode an Stelle ihres Fanatismus zu ſetzen. Elektrotechnik. Von Dr. V. Wietlisbach in Bern. Verſuch von Rayleigh über die Selbſtinduktion von Drähten. Die Accumulatoren. In unſerer letzten Ueberſicht haben wir auf die Unter— ſuchungen über Induktionskonſtante und Wider— ſtand für ſchnell undulierende Ströme aufmerkſam gemacht. Inzwiſchen ſind verſchiedene andere Abhandlungen über dieſen Gegenſtand erſchienen. Während die Arbeiten von Heaviſide “) hauptſächlich theoretiſche Betrachtungen ent- halten, gibt diejenige von Rayleigh **) eine Fülle von Verſuchen, durch welche die Richtigkeit der von uns mit— geteilten Formeln allſeitig erwieſen wird. Namentlich ein Experiment iſt ſehr intereſſant; mit Hilfe desſelben ſollte es gelingen, auch nicht mathematiſch gebildete Leſer von der Wirkſamkeit der undulierenden Ströme, reſpektive von der Abhängigkeit der Selbſtinduktion und des Widerſtandes von der Schwingungszahl der undulierenden Wellen zu überzeugen. Man bilde eine Spule von 10 em mittlerem Durchmeſſer aus drei Kupferdrähten, von denen jeder etwa 10 m lang iſt und 0,05 Ohm Widerſtand hat. Aus dieſen drei Drähten werden zwei Wickelungen gebildet, in— dem zwei der Drähte, wie dies in beiſtehender Figur dar- geſtellt wird, hintereinander gereiht werden. Werden nun dieſe beiden Wickelungen parallel nebeneinander mit einer Batterie verbunden, ſo durchfließt ein konſtanter Strom die drei Drähte alle in gleicher Richtung. Be— zeichnet man den Strom im Batteriezweig mit 1, ſo iſt die Intenſität in dem aus einer Wickelung beſtehenden Drahte zwei Drittel, in dem aus zwei Wickelungen beſtehen— den Drahte ein Drittel. Sobald aber neben der Batterie ein Stromunterbrecher eingeſchaltet wird, ſo ändert ſich die Stromverteilung vollſtändig. Unter der Vorausſetzung, daß die Spule einen Eiſenkern enthält, ſucht ſich der Strom ſo zu verteilen, daß die gegenſeitigen magnetiſchen Kräfte auf demſelben ſich neutraliſieren. Soll dieſe Neutraliſierung vollſtändig ſein, ſo muß der Strom in der einfachen Spule mit doppelter Intenſität und in entgegengeſetzter Richtung fließen wie in der zweifachen Spule. Bezeichnet man alſo *) Phil. Mag. Nov. 1886, S. 118 2c. ) Phil. Mag. Dez. 1886. Theorie der Dynamomaſchinen von Hopfinion, Kapp, Lahmiaier. Die Erdſtrombeobachtungen und der Sitz des Erdmagnetismus. den Strom in der Hauptleitung mit - 1, jo iſt der Strom in der einfachen Leitung + 2 und in der doppelten Leitung — 1. Man kann ſich durch das Experiment leicht davon über— zeugen, daß dieſe Stromverteilung wirklich eintritt. Wie in der Figur angedeutet iſt, werden zwiſchen die Wickelungen Neuſilberdrähte eingeſchaltet, welche an einer Meſſingplatte verlötet ſind. Zur Meſſung dient ein Telephon, deſſen einer Pol ebenfalls mit der gemeinſchaftlichen Platte ver— lötet iſt. Berührt man nun mit dem anderen Pole des Telephons verſchiedene Stellen der Neuſilberdrähte, ſo werden verſchieden ſtarke Geräuſche entſtehen, welche in erſter Linie proportional der Potentialdifferenz zwiſchen den beiden berührten Punkten ſind, und da die Neuſilberdrähte alle gleichen ſpecifiſchen Widerſtand haben, fo geben die Ab— leſungen ein direktes Maß für die Größe des Stromes. Schon bei Stromunterbrechungen in der Zahl von etwa 1000 in der Sekunde erhält man eine ziemlich nahe Uebereinſtimmung mit dem theoretiſchen Grenzfall. Es hat auf den erſten Augenblick etwas ſehr Unwahrſchein— liches, daß die Stromſtärke in einer Zweigleitung größer als in der Hauptleitung oder gar entgegengeſetzt gerichtet ſein ſoll. Man muß eben berückſichtigen, daß die Batterie nicht die einzige elektromotoriſche Kraft im Stromkreis ijt, ſondern die Induktion in der Spule mit Eiſenkern eine ſehr wichtige Rolle ſpielt. Gleich wie bei der Dynamo— maſchine die elektromotoriſche Kraft durch Erhöhung der Tourenzahl faſt unbegrenzt geſteigert werden kann, ſo 148 Humboldt. — April 1887. kann in ähnlicher Weiſe bei einer Induktionsſpule durch Stromwechſel die elektromotoriſche Kraft ebenfalls geſteigert werden, ſo daß ſie im vorliegenden Fall bei einer Schwin⸗ gungszahl von etwa 1000 in der Sekunde diejenige der Batterie bereits überwiegt. In der Theorie der Dynamomaſchinen iſt man im Begriff, einen wichtigen Fortſchritt zu machen. Die bisher entwickelten Theorien beruhen auf der ſogenannten Charakteriſtik, einer Kurve, welche den Zuſammenhang zwiſchen der Intenſität des magnetiſchen Feldes und dem Strom im Anker gibt. Die Theorie von Frohlich jest voraus, daß dieſer Zuſammenhang durch einen Hyperbel⸗ zweig dargeſtellt werden könne. Nach anderen Theorien iſt dieſer Zuſammenhang nicht ſo einfacher Natur. Aber in jedem Falle exiſtiert bis jetzt keine Beziehung zwiſchen den geometriſchen Dimenſionen der Maſchine und dieſer Kurve, ſo daß für jede ſpecielle Maſchine durch Verſuche entweder der ganze Verlauf der Kurve oder wenigſtens einige Punkte derſelben durch das Experiment beſtimmt werden mußten. Es ſind nun durch zwei engliſche Tech⸗ niker, Hopkinſonk) und Kapp), gleichzeitig und unab⸗ hängig voneinander Beſtrebungen gemacht worden, um den Verlauf dieſer charakteriſtiſchen Kurve aus den Dimen⸗ ſionen der Maſchine zu beſtimmen, ſo daß ohne weitere Verſuche der Verlauf derſelben aus den Größenverhältniſſen der Maſchine berechnet werden kann. Wir wollen in folgendem die Theorie von Kapp kurz ſkizzieren, welche in Lahmeier ***) auch einen deutſchen Bearbeiter gefunden hat. Das Eigentümliche der Entwickelung von Kapp iſt die Uebertragung des Ohmſchen Geſetzes auf die magnetiſchen Erſcheinungen. Der Ausſpruch des Ohmſchen Geſetzes: Stromintenſität it gleich dem Quotienten aus Potential- gefälle durch Widerſtand, bildet bekanntlich auch die Grund- lage der Wärmetheorie und anderer Gebiete der Phyſik; es empfiehlt ſich daher dieſe Entwickelung ſchon dadurch, daß ſie an geläufige Begriffe anknüpft. An Stelle der Stromfäden treten bei den magnetiſchen Erſcheinungen die magnetiſchen Kraftlinien. Die Strömung oder beſſer Leitung der magnetiſchen Energie geſchieht in der Richtung der magnetiſchen Kraftlinien, und ihre In⸗ tenſität wird gemeſſen durch die Anzahl der Kraftlinien, welche den gegebenen Querſchnitt durchſchneiden. Dem elektriſchen Widerſtand entſpricht der magnetiſche Wider⸗ ſtand, welchen Lahmeier Exregungswiderſtand nennt. Dieſer iſt ebenfalls proportional der Länge des leitenden Körpers, gemeſſen in der Richtung der Kraftlinien und umgekehrt proportional dem Querſchnitte des leitenden Körpers, gemeſſen ſenkrecht zur Richtung der Kraftlinien. Zu dieſem Quotienten tritt ein Faktor a, der ſpecifiſche Erregungswiderſtand des betreffenden Körpers, welcher von der phyſikaliſchen Beſchaffenheit desſelben beſtimmt wird. Für Luft und magnetiſche Körper iſt er ſehr groß, für Eiſen ſehr klein. Bezeichnen ay, ao, ag die ſpecifiſchen Widerſtände von Schmiedeiſen, Gußeiſen und Luft, ſo iſt ay 2 ag: 2:3:1440. Die magnetiſierende oder magnetomotoriſche Kraft iſt gleich dem Linienintegral längs einer magnetiſchen Kraftlinie der magnetiſchen Kraft, a = ) Philosophical transactions of the R. S. vol. 176. II. ) The Hlectrician 1885 und Nov. 1886. ) Centralblatt für Elektrotechnik, Jan. 1887, und 1886, S. 765. welche auf die Einheit Nordmagnetismus wirkt; ſie iſt auch gleich dem Gefälle des magnetiſchen Potentials am Anfang und am Ende der Kraftlinie. Wenn das magne⸗ tiſche Feld durch eine vom elektriſchen Strom durchfloſſene Spule hervorgebracht wird, ſo iſt die magnetiſierende Kraft gleich 4A * i n, wo n die Anzahl der Windungen und i die Stromſtärke in Ampere bedeutet. Die Intenſität des magnetiſchen Feldes oder die Anzahl der magnetiſchen 4 ni 1 |e Die nach dieſer Formel berechnete Intenſität würde aber immer zu groß ausfallen und für ſtarke Ströme ganz unrichtig werden, da der Magnetismus des Eiſens bald geſättigt iſt und dann eine weitere Zunahme der Stromſtärke keine Verſtärkung des magnetiſchen Feldes hervorruft. Dieſe Betrachtung lehrt, daß der ſpeeifiſche Widerſtand nicht eine gewöhnliche Materialkonſtante iſt, ſondern mit wachſender Intenſität des Feldes ſehr raſch zunimmt. Dieſer Zuſammenhang zwiſchen Intenſität des magnetiſchen Feldes und ſpeeifiſchem Widerſtande muß vorläufig noch durch Verſuche beſtimmt werden; es genügt aber, dieſe Verſuche für eine beſtimmte Subſtanz ein für allemal zu machen. Der Zuſammenhang muß ſo beſchaffen ſein, daß mit wachſender Intenſität der Widerſtand ſehr raſch zunimmt. Als eine ſolche empiriſche Formel hat Kapp die folgende Kraftlinien in einem Eiſenſtück wäre alſo K = a Ts th 5) is} aufgeſtellt: a= ic) 2 wo s die Sättigung d. h. das Verhältnis der Anzahl der wirklich vorhandenen Kraftlinien zu der Maximalzahl der⸗ ſelben bedeutet. Es iſt übrigens dieſe Form des Sätti⸗ gungsgeſetzes durchaus nicht das Weſentliche dieſer Theorie. Lahmeier acceptiert in ſeinen Unterſuchungen die Form 1 1— 58 Sehr bemerkenswert iſt die Art und Weiſe, in welcher Kapp dieſe Vergrößerung des magnetiſchen Widerſtandes mit ähnlichen Vorgängen in der Elektrodynamik in Be⸗ ziehung ſetzt. Der elektriſche Widerſtand iſt zwar unab⸗ hängig von Stromſtärke und Spannung. Aber wenn der Leiter in einem nicht gut iſolierenden Medium eingebettet iſt, ſo tritt ein Stromverluſt ein, und dieſer wird um ſo größer, je höher die Spannung und je größer die Inten⸗ ſität der Strömung iſt, ſo daß von einem gewiſſen Momente an eine Vergrößerung der Spannung die Stromſtärke nicht mehr erheblich ſteigern kann. Dieſe bleibt dann für beliebig hohe Spannung von dieſem Punkte an konſtant. Die Luft nun, in welcher gewöhnlich die magnetiſierten Eiſenmaſſen ſich befinden, iſt ebenfalls kein vollſtändiger Iſolator für die magnetiſchen Kraftlinien, ſondern wie obige Zahlen zeigen, noch ein verhältnismäßig ziemlich guter Leiter. Infolgedeſſen zerſtreuen ſich die magnetiſchen Kraft⸗ linien zum Teil in der Luft und zwar um ſo mehr, je ſtärker die Intenſität wird. Da die Leitungsfähigkeit der Luft ziemlich hoch iſt, ſo tritt die Sättigung, wo der Zuwachs der magnetiſierenden Kraft vollſtändig zerſtreut wird, von Fröhlich-Thomſon: a Humboldt. — April 1887. 149 relativ ſehr bald ein. Die Größe der Zerſtreuung ijt namentlich durch die Form der Eiſenteile beſtimmt, indem Kanten und Spitzen dieſelbe begünſtigen, wie dies bei der elektriſchen Zerſtreuung ebenfalls zutrifft. Sie beträgt bei den gewöhnlichen Dynamomaſchinen nach Hopkinſon ungefähr 25% der von den Elektromagneten erzeugten Kraftlinien. In den Dynamomaſchinen beſitzen wir nicht einen ſo einfachen Fall, wie wir ihn bisher betrachtet haben. Bei denſelben ſind drei verſchiedene Räume für die magnetiſche Erregung zu unterſcheiden, nämlich die Schenkel der Elektro— magnete, welche gewöhnlich von Gußeiſen ſind, dann der ſchmiedeiſerne Anker und endlich der Zwiſchenraum beider, der durch Luft oder Kupfer ausgefüllt wird. Der Wider— ſtand ſetzt ſich dementſprechend aus drei Teilen zuſammen. ] 2 13 e Die Indices 1 beziehen ſich auf den Schenkel, 2 auf die Luft, und 3 auf den Anker. Sobald nun die a aus der Sättigungsformel berechnet find, kann der magnetiſche Widerſtand aus den geometri— ſchen Dimenſionen der Maſchine ohne weiteres abgeleitet, und damit die Intenſität des magnetiſchen Feldes aus der magnetomotoriſchen Kraft angegeben werden. Es bleibt nun abzuwarten, ob auf dieſer Grundlage die Theorie ſich weiter entwickeln laſſe und zu Reſultaten führe, welche in der Praxis ſich verwerten laſſen. Ein anderes Gebiet, welches gegenwärtig im raſchen Aufſchwung begriffen iſt, betrifft die Verwendung der Accumulatoren !). Dieſelben ſollen bekanntlich die Auf— gabe löſen, die Elektrieität aufzuſpeichern, und ſind daher dazu berufen, in der Elektrotechnik dieſelbe Rolle zu ſpielen, wie die Reſervoirs für Gas und Waſſer in anderen Gebieten der Technik. In dieſen Accumulatoren wird nun aber nicht etwa elektriſche, ſondern chemiſche Energie aufgeſpeichert, indem die elektriſche Energie dazu verwendet wird, Waſſer in ſeine Beſtandteile Sauerſtoff und Waſſerſtoff zu zer— legen. Dieſe Gaſe werden angeſammelt und liefern bei ihrer Vereinigung wieder dieſelbe Menge elektriſcher Energie, welche zu ihrer Erzeugung aufgewendet wurde. Die erſte ſekundäre Batterie iſt die Gasbatterie von Grove oder das Voltameter, bei welcher die Gaſe von den beiden als Elektroden dienenden Platinblechen occludiert oder einge— ſogen werden. Dieſer Accumulator ijt aber ſehr unvoll- kommen, weil die abſorbierten Gasmengen ſehr klein ſind, und weil außerdem der Sauerſtoff nach der Ladung ſehr raſch entweicht. Es iſt daher von Planté die Verwendung von Bleiplatten als Elektroden vorgeſchlagen worden; da ſich Blei ſehr leicht oxydiert, ſo hat es die Fähigkeit, eine viel größere Menge von Sauerſtoff zu abſorbieren und dieſelbe eine ſehr lange Zeit zurückzubehalten. Wenn wir einen Accumulator aus zwei Bleiplatten bilden, welche in verdünnte Schwefelſäure geſtellt werden, und wenn wir die beiden Platten mit den Polen einer elektriſchen Batterie verbinden, ſo tritt Waſſerzerſetzung ein, wobei der Sauer— ſtoff die eine Platte zu braunem Bleidioxyd oxydiert, während der Waſſerſtoff von der anderen Platte occludiert oder aufgeſogen wird. Da aber gewöhnliches Blei nur ) E. Redenjaum, Electrical World, New Pork 1886, S. 294. Lumiere electrique T. XXII, p. 29 ete. wenig Waſſerſtoff zu occludieren im ſtande ijt, jo iſt die Kapacität dieſes Elementes ſehr klein. Es gelang Planté dieſelbe bedeutend zu vergrößern, indem er nach der erſten Entladung die Pole des Elementes vertauſchte. Das aus dem Dioxyd reduzierte Blei hat eine ſchwammige Konſtitu— tion, und iſt im ſtande eine unvergleichlich größere Menge Waſſerſtoff zu abſorbieren als gewöhnliches metalliſches Blei. Durch Wiederholung des Polwechſels bei den auf— einanderfolgenden Entladungen erhielt Planté für ſeine negative Elektrode eine zum großen Teile aus ſchwammigem Blei beſtehende Platte, welche eine ſehr hohe Ladungs— kapacität beſaß. Der Prozeß des Formens der Platten ijt ſehr langſam und koſtſpielig, und daher im großen nicht durchführbar. Um denſelben zu umgehen, bedeckte Faure beide Platten mit Mennige Pbg 03. Das Formen eines Faure-Accumulators geht jo vor ſich, daß die Mennige der poſitiven Platte in Dioxyd, diejenige der negativen in ſchwammiges Blei verwandelt wird. Dadurch gelingt es, den Bildungsprozeß erheblich abzukürzen, und der Ladungs kapacität kann eine beſtimmte durch die Menge der Mennige bedingte Größe gegeben werden. Die Mennige der poſi— tiven Platte oxydiert ſich aber lange, bevor diejenige der negativen vollſtändig reduziert wird. Es muß daher ent— weder auf die ganze Ausnutzung der Kapacität des Accu— mulators verzichtet oder aber das Formen auch nach der Oxydation der poſitiven Platte weitergeführt werden. Das letztere iſt aber ſehr ſchädlich, indem die Maſſe dadurch ge— lockert wird und hierauf raſchem Zerfalle anheimfällt. Zur Vermeidung dieſes Uebelſtandes erſetzt Sellon auf der nega— tiven Platte die Mennige durch Bleiglätte. Aber trotzdem dieſe eine niedrigere Oxydationsſtufe darſtellt, iſt doch die zu ihrer Reduktion nötige Energie wenigſtens doppelt ſo groß wie die zur Oxydation der Mennige erforderliche, und es wird daher in neuerer Zeit der Formprozeß der nega— tiven Platten mit „blinden“, unpräparierten Platten zu Ende geführt. Die Accumulatoren der Electrical Power Storage Company“), welche gegenwärtig die beſten fein ſollen, werden auf folgende Weiſe hergeſtellt. Die Elektroden be— ſtehen aus gitterartig gegoſſenen Bleiplatten. Die quadra— tiſchen Zwiſchenräume dieſer Gitter werden bei den poſi— tiven Elektroden mit Bleimennige, bei den negativen mit Bleiglätte, welche mit Schwefelſäure zu einem Teig an— gerührt werden, ausgefüllt. Das Formen wird mit einem ziemlich ſtarken Strom unter lebhafter Waſſerzerſetzung vorgenommen und dauert für die poſitive Platte 24 Stun— den, für die negative 48 Stunden. Zur Aufſpeicherung von ½ ö Pferdekraft find 1 kg Accumulatorgewicht oder 0,5 kg wirkſame Subſtanz nötig. Der Zerſetzung von 2,25 g Schwefelſäure entſpricht 1 Ampéreſtunde. Die Kapa- cität iſt jo groß, daß 10 Stunden lang dieſe Arbeit ge— leiſtet werden kann. Von der abſorbierten Elektricitäts menge (Ampereſtunden) werden 85 %, und von der auf— geſpeicherten Energie 75 % wieder gewonnen. Das Haupthindernis für die allgemeine Verbreitung der Accumulatoren bildete bisher die raſche Zerſtörung derſelben im Betrieb, wodurch eine ſolche Anlage ſehr teuer wurde. Nach den geſammelten Erfahrungen ſcheint durch *) R. Rühlmann, Elektrotechniſche Zeitſchrift, Berlin, Okt. 1886. 150 Humboldt. — April 1887. zweckmäßige Behandlung die Lebensdauer eines Accumu⸗ lators bei täglichem Gebrauche auf 4 bis 5 Jahre angeſetzt werden zu können. Die Hauptſache iſt, die Batterie immer möglichſt ſtark geladen zu halten, und bei der Entladung die Spannung nie unter 2 Volt ſinken zu laſſen. Andern⸗ falls tritt ſehr leicht ein Werfen der poſitiven Platte, be⸗ gleitet mit einem Ausfallen der wirkſamen Subſtanz ein. Ebenſo muß der richtigen Konzentration der Schwefelſäure, welche zwiſchen 1,15 und 1,20 liegen muß, große Auf⸗ merkſamkeit geſchenkt werden. Trotz des hohen Preiſes der Accumulatoren (200 Mk. per Pferdekraft) wird die Ver⸗ wendung desſelben ſchon jetzt als ökonomiſch befunden. Von den vielen Anwendungen tritt in neuerer Zeit namentlich diejenige zum Betrieb von Straßenbahnen her⸗ vor. Man umgeht dabei die komplicirten im Innern von Städten kaum durchführbaren Leitungsanlagen für die Zu⸗ und Abführung des Stromes ohne am Nutzeffekt erheblich einzubüßen. (Syſtem Julien) ). Die kosmiſchen Erſchein ungen der Elektricität ſind in Urſachen und Wirkungen noch nahezu unbekannt. Sie zerfallen in die Erſcheinungen, welche in der Erd⸗ rinde ſelbſt verlaufen, und in diejenigen der Atmo⸗ ſphäre. Dieſe Unterſcheidung iſt in der inneren Natur der Medien begründet, in welchen ſich dieſe Erſcheinungen abſpielen. Während die Atmoſphäre !) ein iſolierendes Medium iſt, in welchem weſentlich elektroſtatiſche Vor⸗ gänge wahrgenommen werden, ſo beſteht die Erdrinde aus mehr oder weniger gut leitenden Subſtanzen, und es können daher in benachbarten Orten derſelben keine erheb⸗ lichen Spannungsdifferenzen auftreten, da ſich ſolche durch elektriſche Ströme ſtets ſofort ausgleichen. Dagegen können in derſelben Strömungsintenſitäten oder Spannungs⸗ differenzen zwiſchen zwei weit entlegenen Punkten beob⸗ achtet werden. Zu derartigen Meſſungen eignen ſich in ausgezeichneter Weiſe die Telegraphenlinien, und ſeit dem Jahre 1883 wurden von der deutſchen Reichstele⸗ graphenverwaltung ſolche Aufzeichnungen mit Hilfe von ſelbſtregiſtrierenden Apparaten ausgeführt, ſowohl an oberirdiſchen wie unterirdiſchen Leitungen. Die Reſultate derſelben wurden der Kgl. preußiſchen Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin vom Staatsſekretär des Reichs⸗ poſtamtes vorgelegt“). Dieſe Meſſungen ergeben, daß die Erdſtröme für Deutſchland im großen ganzen von Südoſt nach Nordweſt verlaufen. Die Stromkurven zeigen regelmäßige periodiſche ſchwache und unregelmäßige ſtarke Schwankungen. Durch Vergleichung mit den Aufzeich⸗ nungen der erdmagnetiſchen Meßinſtrumente zu Wilhelms⸗ haven und Wien ergibt ſich eine vollſtändige Ueberein⸗ ſtimmung im Verlaufe beider Erſcheinungen, ſo daß ein urſächlicher Zuſammenhang zwiſchen den Erdſtrömen und den Schwankungen der Magnetnadel erwieſen iſt. Man wird dadurch auf die Frage geführt, welche von beiden Er⸗ ſcheinungen die Urſache und welche die Folge der anderen ſei, und es iſt daher von Intereſſe, den Zeitpunkt beider möglichſt genau zu beſtimmen. Alle Beſtrebungen in dieſer ) Gentralblatt für Elektrotechnik, 1886, S. 610 und 657. ) Wallentin in Humboldt, S. 124 ꝛc., 1886. XXII, p. 67. ) Elektrotechniſche Rundſchau 1886, S. Lumiére electr. Richtung machen eine abſolute Gleichzeitigkeit beider Phäno⸗ mene wahrſcheinlich, ſo daß die Erdſtromſchwankungen als das genaue gleichzeitige Spiegelbild der Bewegungen der Magnetnadel ſich darſtellen. Man hat auf einem anderen Wege über die Urſache der magnetiſchen Erſcheinungen Aufſchluß zu erhalten ver⸗ ſucht. Gauß hat bekanntlich ſchon gezeigt, daß die Urſache der magnetiſchen Kräfte, welche wir auf der Erdoberfläche beobachten, ihren Sitz im Inneren derſelben haben müſſe, indem er die Betrachtung des magnetiſchen Potentiales einführte. Auf einem ähnlichen theoretiſchen Wege hat A Schuſter ) gezeigt, daß die Urſache der periodiſchen Varia⸗ tionen der magnetiſchen Kräfte, welche alſo ebenfalls mit den Erdſtrömungen zuſammenhängen, außerhalb der Erde zu ſuchen ſei. Die Theorie zeigt, daß der Sitz der Urſache, welche die periodiſchen Störungen veranlaßt, außerhalb der Erde zu ſuchen iſt, wenn in Breiten größer als 45° das Maxi⸗ mum und Minimum der vertikalen Kraft zu gleicher Zeit eintrifft wie das Maximum und Minimum der horizontalen Kraft, während ſüdlich hiervon das Maximum der einen Komponente mit der anderen zuſammenfällt; würde der Sitz dieſer Urſache innerhalb der Erde liegen, ſo müßte das umgekehrte Verhältnis eintreten. Die Beobachtungen entſcheiden für die erſtere Vorausſetzung. Es mag auf⸗ fallen, daß nach Gauß der Sitz der geſamten magnetiſchen Kraft im Inneren der Erde, die Urſache der Variationen derſelben dagegen außerhalb derſelben ſich befinden ſoll. Dieſer Widerſpruch iſt aber nur ſcheinbar und klärt ſich leicht auf, wenn man annimmt, daß die Erde in ihrem Inneren große Eiſenmaſſen enthalte, wie dies thatſächlich der Fall iſt. Man hat dann einen ähnlichen Fall wie bei einer Induktionsſpule, welche aus zwei Drahtwickelungen und einem Eiſenkerne beſteht. Wenn in der äußeren Wickelung ein intermittierender Strom cirkuliert, jo wird der Eiſenkern abwechſelnd magnetiſiert, und dieſer induziert dann in der inneren Wickelung einen Strom, während die beiden Wickelungen ſelbſt eine verhältnismäßig nur ſchwache Wirkung aufeinander ausüben. Obgleich alſo die Urſache der elektriſchen Stromimpulſe der inneren Spule außer⸗ halb dieſer (in der äußeren Wicklung) liegt, ſo iſt doch der Sitz der induzierenden Kraft innerhalb derſelben im Eiſenkerne. In ähnlicher Weiſe wird die an der Erd⸗ oberfläche aufgeſtellte Magnetnadel in erſter Linie durch die magnetiſche Verteilung im Erdinneren beeinflußt, ob⸗ gleich die letztere ſelbſt durch weitentfernte außerhalb liegende Weltkörper, hauptſächlich die Sonne und den Mond be- dingt werden, wie dies neuerdings wieder Siemens aus⸗ geführt hat. In einer der Académie des sciences in Paris am 10. Januar 1887 überreichten Note will E. Marchand) ſogar nachweiſen, daß alle Maxima der magnetiſchen Störungen, welche vom 1. Mai 1885 bis zum 15. Oktober 1886 im Obſervatorium zu Lyon beob⸗ achtet wurden, in ihrer Erſcheinungszeit mit dem Vorüber⸗ gang von Sonnenflecken oder Sonnenfackeln über das Centrum der Sonnenſcheibe zuſammenfallen. ) Nat. 33, p. 614, 1886. **) Compt. rend. Janv, 1887. Lumieère electrique, XXIII, p. 164. —— Humboldt. — April 1887. 151 Bhyſiologie. Von Prof. Dr. J. Steiner in Heidelberg. J. Carchanoff, Weitere Beiträge zur Frage von den Verjchiedenheiten der Neſthocker und Neſtflüchter. M. Marckwald, Die Athembewegungen und deren Innervation beim Naninchen. Wertheimer, Recherch. expériment. s. |. centres respiratoirs de la moélle épinére. Langendorff und Seelig, Ueber die in Folge von Atmungshinderniſſen eintretenden Störungen der Reſpiration. R. Neumann, Unterſuchungen über die Wirkung galvaniſcher Ströme auf das Froſch- und Säugetierherz. Kreislauf. intravasfuldre Gerinnungen. J. Paneth, Ueber den Sinfluß venöſer Stauung auf die Menge des Harns. E. du Bois-Repymond, Ueber Sichtbarwerden des Hauchs bei warmer Luft. S. Hermann, Ueber den Längs- und Quer— 3. soeb, Muskelthätigkeit als Maß pſychiſcher Thätigkeit. Thätigkeit des Muskels und ihr weiteres Schickſal im Organismus,. chaleur animale etc. widerſtand der Muskeln. G. Natanjon, Ueber das Verhalten des Blutdrucks in den Hapillaren bei Maſſenumſchnürungen. Bunge, Sine Bemerkung zur Theorie der Drüſenfunktion. E. Wagner, Fortgeſetzte Unterſuchungen über den Sinfluß der Schwere auf den £. C. Woolbridge, Ueber Gumilewsli, Ueber Reforption im Dünndarm. Girard, Contribution a l'étude de influence du cerveau s. J. Marcuſe, Ueber die Bildung von Milchſäure bei der W. Filehne, Trigeminus und Geſichtsausdruck. Neſthocker und Neſtflüchter. Tarchanoff?) gibt an, daß das Eiweiß aus den Eiern der Neſthocker (3. B. Kornkrähe) beim Sieden ein durchſichtiges Gerinnſel liefert, im Gegenſatz zu jenem der Neſtflüchter (Hühner), welches ein undurchſichtiges Gerinnſel gibt. Alle Verſuche, ohne Zuhilfe— nahme von fremdartigen chemiſchen Reaktionen, jenes in dieſes überzuführen, mißlangen, bis folgendes Verfahren gefunden wurde, welches zum Ziele führte: Legt man nämlich gewöhnliche Hühnereier in vollkommen unverſehrtem Zuſtande in 5 bis 10prozentige Löſungen von Kali- oder Natronhydrat für zwei oder mehrere Tage bei gewöhnlicher Zimmertemperatur, jo nimmt das Hühnereiweiß den Cha⸗ rakter des Eiweißes der Neſthocker an. Doch iſt zu be— merken, daß zwiſchen dieſen beiden Eiweißarten noch einige Differenzen beſtehen bleiben. Andererſeits läßt ſich das Neſthockereiweiß in gewöhnliches Eiweiß überführen, wenn die Eier jener Vögel längere Zeit bebrütet werden. Da das Neſthockereiweiß (Tataeiweiß genannt) leichter ver— daulich iſt als jenes, ſo kann die Ueberführung des einen in das andere für die Ernährung von Bedeutung ſein. Die Atembewegungen und ihre Inner⸗ vation ſind immer noch Gegenſtand der differenteſten Diskuſſion. In einer ausgedehnten Unterſuchung findet Mardwald**), daß im Nackenmarke ein Einatmungs- und Ausatmungscentrum gelegen iſt; letzteres tritt nur als Hilfscentrum ein. Im Gehirn gibt es keine Atmungscen— tren, da die von dort ausgehenden Einflüſſe auf die At— mung als reflektoriſch ſich nachweiſen laſſen. Ebenſowenig aber gibt es Atmungscentren im Verlaufe des Rückenmarkes. Was das Atmungscentrum ſelbſt betrifft, ſo iſt dasſelbe zwar automatiſch und reflektoriſch thätig; aber nur auf letzterem Wege kommt es zu normalen Atembewegungen, welche durch die Nervi vagi ausgelöſt werden, welche ver— hindern, daß die im Centrum ſich anhäufenden Spannungen unnatürlich wachſen. An die Stelle der Nervi vagi können die Bahnen des Gehirns treten, aber niemals die ſenſiblen Nerven der Haut, welche bei intakten Tieren vielleicht keinen Einfluß auf die Atmung ausüben, ſondern nur bei Ausfall der Hirnbahnen. Die normale Erregung des At— mungscentrums iſt vom Blutreiz unabhängig und wird weder durch den Sauerſtoffmangel noch durch Kohlenſäureüber— ſchuß beſtimmt. Die dort wirkenden Reize ſind vielmehr wahrſcheinlich Zerſetzungsprodukte der intercellulären Säfte. ) Pflügers Archiv für Phyſiologie, Bd. 39. ) Zeitſchrift für Biologie, Bd. 23, Demnach kann auch die Apnos mit dem Gasgehalte des Blutes nichts zu thun haben, ſondern beruht wohl auf Weg— ſchaffung der im Centrum aufgeſpeicherten Reize durch die toniſierten Nervi vagi, weshalb man nach Durchſchneidung beider Vagi die Apnoß nur ſchwierig und für kurze Zeit zu erzeugen vermag. Im Gegenſatze zu dieſen Anſchau— ungen folgert Wertheimer?) aus ſeinen Verſuchen, daß Atmungscentren ſich im Verlaufe des ganzen Nerven— ſyſtems befinden. Reſpirationsſtörungen infolge von Atmungshinderniſſen. Ueber die infolge von Atmungs— hinderniſſen entſtehenden Störungen arbeiteten Langen— dorff und Seelig?) und fanden, daß nur ſolche Hinder— niſſe, welche man der Ausatmung in den Weg legt, die Atmung in der Weiſe beeinfluſſen, daß die Zahl der Atembewegungen vermindert wird, während Einatmungs— hinderniſſe keinen Einfluß ausüben. Daraus folgt, daß wenn z. B. durch ein enges Rohr geatmet wird, in welchem Falle Hinderniſſe für beide Atmungsphaſen gegeben ſind, nicht die Beſchränkung der Einatmung, ſondern die der Ausatmung die Verlangſamung der Atembewegungen her— vorruft. Vorausgegangene Durchſchneidung beider Lungen— magennerven löſcht den Unterſchied aus. Wirkung galvaniſcher Ströme auf das Froſch- und Säugetierherz. Es iſt bekannt, daß jede Art von elektriſchem Strom, auf das freigelegte Herz appliziert, die Pulſationen beſchleunigt und von einer ge— wiſſen Stromſtärke ab fie ganz aufhören macht. Neue mann ***) will hierbei den Einfluß ſtudieren, welchen die Richtung des Stromes ausübt. Er findet (Kaninchen, Katzen), daß alle Wirkungen bei aufſteigendem Strome (von der Spitze nach der Baſis des Herzens) früher auj- treten als bei abſteigender Richtung. Bei Durchſtrömung des Herzens in der Richtung von vorn nach hinten in der Höhe der Baſis überwiegt der von vorn nach hinten ge— richtete Strom; bei frontaler Durchſtrömung die Richtung von links nach rechts; bei radialer Durchſtrömung der aus dem Herzen austretende Strom. Ebenſo findet man auch am Froſchherzen den aufſteigenden Strom wirkſamer als den abſteigenden. Einfluß der Schwere auf den Kreislauf. Bei fortgeſetzten Unterſuchungen über den Einfluß der *) Robins Journal de Lauatomie, 1886. ) Pflügers Archiv, Bd. 39. ) Pflügers Archiv, Bd. 39. 152 Humboldt. — April 1887. Schwere auf den Kreislauf findet Wagners), daß bei nicht kurariſierten Tieren, wenn dieſelben aus der horizon⸗ talen Lage heraus auf den Kopf geſtellt werden, der Blut⸗ druck ſinkt; bei der umgekehrten Bewegung ſteigt der Blut⸗ druck; ſtellt man ſie ſenkrecht auf die Hinterbeine, ſo ſinkt der Blutdruck, umgekehrt ſteigt er wieder. Es herrſcht alſo in der Horizontalſtellung der höchſte Druck. Werden die Tiere kurariſiert, jo ändert ſich das Bild inſofern, als der höchſte Druck bei der Kopfſtellung vorhanden iſt. Durchſchneidung beider Nervi vagi hat auf das Rejultat keinen Einfluß. Verhalten des Blutdrucks in den Kapillaren bei Maſſenumſchnürung. Um den Einfluß von Maſſenumſchnürungen am Arm auf den Blutdruck in den Kapillaren zu ſtudieren, legte Natanſon! !) kleine Glas⸗ plättchen auf die Rückſeite des dritten Fingergliedes, welches mit Gewichten ſo lange belaſtet wurde, bis die Hautſtelle ſich entfärbt hatte. Bei mäßiger Maſſenumſchnürung ſteigt der Druck in den Kapillaren, offenbar weil die oberflächlich gelegenen Venen komprimiert werden und damit der Ab⸗ fluß des Blutes aus den peripheren Teilen beeinträchtigt wird, während der Zufluß zu jenen Teilen ungeſtört bleibt. Bei ſtarken Umſchnürungen ſinkt der Kapillar⸗ druck, weil nunmehr der Blutzufluß gehindert iſt. Dagegen bedarf es einer beſonderen Erklärung, daß bei ſtärkſter Umſchnürung die Kapillaren vollſtändig blutleer werden. Man ſollte erwarten, daß ſie diejenige Füllung, welche ſie vor Verſchluß der Arterien hatten, auch nach demſelben behalten müßten. Es ſcheint aber, daß die Kapillaren nur unter dem Einfluſſe des arteriellen Druckes ſich öffnen und beim Verſchwinden dieſes Druckes einfach durch die Gewebsſpannung entleert werden. Intravaskuläre Gerinnungen. Woolbridge ?“ beſchreibt einen Stoff, nach deſſen Injektion in das Ge⸗ fäßſyſtem der Inhalt des letzteren gerinnt und auf dieſe Weiſe das Tier ſogleich tötet. Dieſer Stoff iſt ein Ge⸗ miſch oder vielleicht eine Verbindung von Eiweiß und Lecithin, wenigſtens gibt er alle Eiweißreaktionen und enthält viel Lecithin. Man kann ihn in großer Menge aus den Hoden und der Thymus junger Tiere, nament⸗ lich der Kälber, darſtellen: „Das Organ wird fein zer⸗ hackt, mit Waſſer gemiſcht, der Brei einige Stunden ſtehen gelaſſen und dann centrifugtert, bis kein Bodenſatz mehr ſich bildet. Es wird dann die Flüſſigkeit mit Eſſigſäure ſtark ſauer gemacht, wodurch ein voluminöſer flockiger Niederſchlag entſteht, welcher mit Waſſer mittels der Cen⸗ trifuge gut ausgewaſchen wird. Dieſer Niederſchlag Loft ſich ſehr leicht in ſehr verdünntem kohlenſauren Natron und wenn man dieſe Löſung in die Jugularvene eines Tieres einſpritzt, ſo tritt der Tod in kürzeſter Zeit ein.“ Bemerkung zur Theorie der Drüſenfunk⸗ tion. Im Hinblick auf die theoretiſchen Vorſtellungen über die Sekretion der Drüſen macht Bunge f) auf die Thatſache aufmerkſam, daß die Milch die anorganiſchen Beſtandteile genau in demſelben Gewichtsverhältnis be⸗ ſitzt, in welchen ſie in der Aſche des Säuglings enthalten ) Pflügers Archiv, Bd. 39. ) Pflügers Archiv, Bd. 39. ) Du Bois Archiv für Phyſiologie, 1886. +) Du Bois Archiv für Phyſiologie, 1886. find, obgleich das Blut, welches das Material zur Milch⸗ bereitung liefert, eine ganz andere Aſchenzuſammenſetzung aufweiſt. Es folgt daraus notwendig, daß eine einfache mechaniſche Erklärung der Drüſenthätigkeit, wie fie bis- her längere Zeit üblich war, nicht länger aufrecht erhalten werden kann. Ueber Reſorption im Dünndarm. Um einige Fragen der Reſorption zu ſtudieren, legte Gumilewsti*) bei Hunden Darmfiſteln in der Weiſe an, daß ein ca. 25 bis 30 em langes Darmſtück aus dem übrigen Darm herausgeſchnitten, aber mit dem Meſenterium im Zuſammenhang belaſſen, jo in die Bauchwände eingeheilt wurde, daß die beiden Enden des Darmſtückes nach außen mündeten. Nachdem die nicht geringen Schwierigkeiten der Einheilung überwunden waren, begannen die Reſorptions⸗ verſuche mit Kochſalz und ſchwefelſaurem Natron. Er gelangte zu folgenden Reſultaten: Vergleicht man 0, 125prozentige Löſungen von Glauberſalz und Kochſalz, ſo zeigt ſich, daß letztere ſchneller, erſtere langſamer als Waſſer reſorbiert wird; dasſelbe Verhältnis zeigt noch eine 0,25prozentige Löſung von Glauberſalz. Ein direkter Verſuch beſtätigte auch das Reſultat, daß Kochſalzlöſung von derſelben Konzentration viel raſcher reſorbiert wird als Glauberſalz. Es zeigt ſich ferner, daß die abſolute Menge des veſorbierten Glauber⸗ ſalzes mit der Konzentration der Löſungen wächſt. Es beweiſen die Verſuche, zunächſt doch der eine, daß die Reſorption nicht allein von der Konzentration, ſondern ebenſo von der chemiſchen Natur der Flüſſigkeiten ab⸗ hängt. Einfluß venöſer Stauungen auf die Menge des Harns. Man hatte dem Blutdrucke lange Zeit eine ausſchließliche Bedeutung für die Harnabſonderung bei⸗ gelegt, welche indes durch manche Verſuche und Beobach⸗ tungen in ihrem Werte reduziert worden iſt. Hindert man den Abfluß des Blutes aus der Niere, wodurch offen⸗ bar der Druck in der Niere ſteigt, ſo müßte die Harn⸗ abſonderung zunehmen. Paneth zeigt dagegen! ), daß ſchon mäßige Stauung des venöſen Blutes in der Niere aus⸗ nahmslos die Harnabſonderung beeinträchtigt. Man ſuchte dieſes Verſiegen durch den mechaniſchen Druck zu erklären, welcher durch die Blutſtauung auf die harnbereitenden und harnführenden Elemente in der Niere ausgeübt wird: unter dieſer Belaſtung müßte die Harnabgabe aufhören. Als man aber nunmehr in das Blut des Tieres ſo⸗ genannte harntreibende Mittel injiziert hatte, begann eine lebhafte Harnabſonderung, ſelbſt wenn man den arteriellen Blutdruck durch Chloral noch herabgeſetzt hatte. Man kann alſo für das anfängliche Verſiegen den mechaniſchen Ver⸗ ſchluß der Harnkanälchen nicht verantwortlich machen, ſondern man hat dasſelbe zu beziehen auf die Verringerung der Strömungsgeſchwindigkeit in den feinen Blutgefäßen der Niere, wie fie auf die venöſe Stauung folgt. Einfluß des Gehirns auf die tieriſche ratorium zu Genf die Entdeckung von Aronſon und Sachs über ein im Gehirn vorhandenes Wärmecentrum. Dasſelbe iſt ſo beſchaffen, daß ſeine Reizung jedesmal eine ) Pflügers Archiv, Bd. 39. ) Pflügers Archiv, Bd. 39. ) Archives de Physiologie, 1886. Humboldt. — April 1887. bedeutende Steigerung der Körpertemperatur hervorruft, die einige Stunden anhält und dann wieder vorübergeht. Er gibt an, daß es nur die Reizung des geſtreiften Körpers und eines ſeiner inneren und unteren Teile ſei, welche die Temperaturſteigerung verurſacht. Die Verwundung jedes an— deren Teiles des Gehirns bleibt in dieſer Richtung reſultatlos. Sichtbarwerden des Hauchs bei warmer Luft. Es iſt bekannt, daß bei gewiſſen niedrigen Tem— peraturen der „Hauch“ ſichtbar wird, d. h. die ausgeatmete Luft trübt ſich durch den Niederſchlag des Waſſers, mit welchem ſie für ihre Temperatur geſättigt iſt. Bei dem gewöhnlichen Feuchtigkeitsgrade unſerer Wohnzimmer fängt der Hauch an, bei ca. 15° ſichtbar zu werden. E. Du Bois— Reymond *) hat nun bemerkt, daß man auch bei viel höherer Temperatur, ſelbſt im Sonnenſchein, den Hauch ſichtbar machen kann, wenn man durch eine ſtarke Ex— ſpirationsbewegung bei verſchloſſenem Munde die Luft in der Bruſthöhle zuſammendrückt, ſie in dieſem Zuſtande einige Zeit feſthält, dann den Druck aufhebt und die Luft aus dem geöffneten Munde entweichen läßt. Zur Erklärung kann man annehmen, daß die durch Zuſammen— drückung erwärmte Luft bei längerem Verweilen in den Luftwegen ſich für die erhöhte Temperatur mit Waſſergas ſättigt und davon mehr aufnimmt, als ſie nach ihrer Aus— dehnung bei nachlaſſendem Drucke in Dampfform zu be— herbergen vermag. Längs⸗ und Querwiderſtand der Muskeln. Hermann ““) hatte ſchon vor vielen Jahren gefunden, daß der Widerſtand, welchen Muskeln dem Durchtritte des galvaniſchen Stromes entgegenſetzen, ca. ſechsmal jo groß iſt, wenn der Durchtritt ſenkrecht zur Längsrichtung des Muskels geſchieht, als wenn der Strom parallel der Länge durch den Muskel fließt. Dieſen Unterſchied zeigten aber nur lebende Muskeln, bei totenſtarren Muskeln verſchwand dieſe Erſcheinung. Die Anordnung im Verſuche war ſo getroffen, daß eine Anzahl von kleinſten Froſchmuskeln zwiſchen zwei quadratiſchen Glasplättchen arrangiert waren, die einmal ihrer Länge, das andere Mal ihrer Quere nach in den galvaniſchen Kreis aufgenommen wurden. Gegen dieſe Verſuchsanordnung und das ſchließliche Reſultat der Verſuche ſelbſt wurde eine Anordnung aufgeftellt, bei welcher ein quadratiſches Stück aus einem Muskel heraus- geſchnitten worden war, welches in beiden Richtungen durch— ſtrömt bei ſehr kurzdauernder Schließung keine ſolche Differenz in der Leitung aufweiſen ſollte. Nun mieder- holte Hermann ſeine alten Verſuche mit den neuerdings ge— forderten Anordnungen und fand auch hier ſein früheres Reſultat beſtätigt. Muskelthätigkeit als Maß pſychiſcher Thätig— keit. Es iſt eine bekannte Erfahrung, daß man nicht gut gleichzeitig ſeine Muskeln und ſeine Gedanken arbeiten laſſen kann. Arbeiten wir intenfiv mit unſeren Muskeln, jo werden wir im Denken geſtört und umgekehrt. Loeb“ *) ſtellte ſich nun die Aufgabe, zahlenmäßig feſtzuſtellen, um wie viel die Muskelthätigkeit verringert wird, wenn zu gleicher Zeit eine beſtimmte pſychiſche Thätigkeit ſtattfindet. Die hierbei gewonnenen Zahlen geſtatten einen direkten *) Du Bois Archiv, 1886. ) Pflügers Archiv, Bd. 39. ***) Pflügers Archiv, Bd. 39. Humboldt 1887. 153 Vergleich der betreffenden pſychiſchen Muskelleiſtung. Die hierbei angewendete Methode beſteht darin, daß der Experimentator an einem Dynamometer das Maximum des Druckes beſtimmt, den er auf dasſelbe durch Kontraktion ſeiner Beugemuskeln auszuüben vermag. Darauf tritt nach einer Pauſe die pſychiſche Thätigkeit ein und während der Fortdauer derſelben wird wieder ein maximaler Druck auf das Dynamometer ausgeübt, ohne jedoch die pſychiſche Thätigkeit zu unterbrechen. Es zeigt ſich, daß dabei das Maximum des Druckes erheblich ge— ringer iſt als bei dem etwaigen Druck ohne pſpychiſche Thätigkeit. Man bemerkt ferner, daß dieſe Differenz ver— ſchieden groß iſt für verſchiedenartige pſychiſche Leiſtungen. Als Beiſpiel dienen die folgenden Zahlen: Linke ate Rechte is Leiftung mit der Nicht leſend .. 770 Nicht rechnend . 880 Leſend und verſtehend 2 150 18 X 18 324 399 Dasſelbe leiend und nicht auf Nicht rechnend .. 800 den Sinn achtend . 670 e e e ee, 300 Dasſelbe leſend und een 159 Nicht rechuend . . = . . 840 Nicht lejend. 690 POR 19 S61 . 380 Nicht rechnend 800 1 17 289 489 Nicht rechnend . 800 Milchſäure im Muskel. Um die Bedenken zu be⸗ ſeitigen, welche neueſtens gegen die Bildung der Milch— ſäure während der Muskelthätigkeit aufgetaucht ſind, unter— nahm Marcufe*) eine neue Reihe von Verſuchen, in denen namentlich der Blutſtrom ausgeſchaltet wurde, welcher die Produkte des Stoffwechſels naturgemäß aus dem Muskel entfernt. Die Froſchmuskeln wurden längere Zeit mit elektriſchen Reizen rhythmiſch gereizt und mit Muskeln verglichen, welche geruht hatten. Ausnahmslos enthielten die thätigen Muskeln weit mehr Milchſäure als die ruhenden. Man kann dasſelbe Ziel auch noch auf anderem Wege zu erreichen hoffen, nämlich durch Aufſuchung der Milchſäure im Harn eines thätig geweſenen Froſches, wohin ſie ja aus dem Blute transfundieren könnte. In der That ließ ſich in dem Harn von Fröſchen, welche man ſtrychniſiert und elektriſiert hatte, eine kleine Menge von Milchſäure nachweiſen. Da dieſelbe aber ſehr klein iſt im Vergleich zu den Milchſäuremengen im thätigen Muskel und da man weiß, daß Milchſäure in der Leber zerſtört wird, fo gab eine erneute Unterſuchung des Harns von Fröſchen, deren Leber vorher exſtirpiert worden war, entſprechend große Mengen von Milchſäure im Harn. Trigeminus und Geſichtsausdruck. Filehne**) beſchreibt folgenden intereſſanten Verſuch: Wenn man bei einem Kaninchen innerhalb des Schädels auf einer Seite den N. trigeminus durchſchneidet, fo ſieht man den Ohrlöffel der operierten Seite zurückfallen und dem Nacken anliegen, während ſeine Spitze etwas nach der Mitte hin abgelenkt iſt. Da der Ohrlöffel der anderen Seite aufrecht fteht und von Zeit zu Zeit bewegt wird, ſo ſcheint jener ge— lähmt zu ſein. In der That iſt aber das gar nicht der Fall, denn ein Geräuſch oder ein ſchmerzhafter Eingriff am Geſichte auf der anderen Hälfte veranlaßt die Er— hebung des Löffels. Es handelt ſich hier um einen reflek— toriſchen Tonus, welcher vom N. trigeminus auf die Muskeln des Ohrlöffels wirkt und den Geſichtsausdruck des Kaninchens beeinflußt, an welchem das Spiel der Ohrlöffel einen weſentlichen Anteil hat. *) Pflügers Archiv, Bd. 39. ) Du Bois Archiv, 1886. 20 154 Humboldt. — April 1887. Kleine Mitteilungen. Das ultraviolette Spektrum des Kadmiums. Die ultravioletten und ultraroten Linien der Spektra ſind des⸗ halb von hoher Bedeutung, weil ſie es ermöglichen dürften, einen geſetzmäßigen Zuſammenhang in die ſcheinbare Zu⸗ ſammenhangsloſigkeit der Linien eines Spektrums zu bringen und dadurch den Schleier zu lüften von dem geheimnis⸗ vollen Bau der Moleküle. Eine Ahnung von dieſer Be⸗ deutung erhält man durch die Entdeckung Balmers (1885), daß die Wellenlängen der 14 Waſſerſtofflinien in py . Millimeter) erhalten werden, indem man den Bruch =a m= 34... 16 gejebt hat. Das Kadmiumſpektrum entwickelt die ultravioletten Linien am ſchärfſten, wodurch es Mascart ſchon 1866 gelang, dieſelben bis zu 220 uy zu verfolgen; auch fand er Individuen, die das Spektrum bis zur letzten Linie ſehen konnten, was Soret (1883) durch Fluorescenz der Augenmedien erklärt. Wegen der Schärfe dieſer Linien ſind ſie auch beſonders geeignet, als Grundlage der Meſſungen zu dienen im ultravioletten Teile des Spektrums. L. Bell hat daher, wie Sillimans Journal mitteilt, dieſe Linien mit Hilfe des Spektrums eines ſehr ſchwach konkaven Gitters bis auf 0,001 Pp. genau beſtimmt; die orangefarbige Linie, deren Wellenlänge gewöhnlich auf 643,8 angegeben wird, hat die genauere Zahl 643,877; ebenſo genau beſtimmte er die anderen Mascartſchen Linien des leuchtenden Spektrums. Während nun Cornu im Ultra⸗ violett nur 10 Linien auf Hundertſtel up. genau angibt, be⸗ ſtimmt Bell auf Tauſendſtel die Wellenlänge von 23 Linien, und auch die letzten drei, für die Cornu nur Mittelwerte gibt, beſtimmt er ebenfalls mit der erwähnten Genauigkeit bis zur letzten, deren Wellenlänge 214,354 up beträgt. R. mit 365 multipliziert, nachdem man Die Kompreſſibilität der Flüſſigkeiten. Bekannt⸗ lich zeigt das Waſſer merkwürdige Abweichungen von den Eigenſchaften der anderen Flüſſigkeiten. So hat Amagat, der berühmte Erforſcher der Abweichungen von den Gas⸗ geſetzen, ſchon 1877 gefunden, daß die meiſten Flüſſigkeiten bei höheren Temperaturen ſtärker kompreſſibel ſind als bei niederen, das Waſſer allein aber ſich umgekehrt verhält. Es war nun die Frage, ob auch bei Steigerung des Druckes dieſer Gegenſatz beſtehen bleibe, ob überhaupt die Flüſſig⸗ keiten bei ſehr hohem Drucke ihre Kompreſſibilität ins Un⸗ begrenzte beibehalten oder, wie man wohl vermuten dürfte, weniger kompreſſibel werden. Durch die in letzter Zeit angeſtellten Verſuche Amagats iſt dieſe Vermutung beſtätigt worden, und zwar ſchließt ſich das Waſſer dem Aether, zu dem es hinſichtlich der Temperatur den ſtärkſten Gegenſatz bildet, aufs innigſte an. Beim Waſſer beträgt die Kom⸗ preſſibilität durch eine Atmoſphäre, der ſogenannte Kom⸗ preſſibilitäts⸗Koefficient, bis 200 at etwa 43 Milliontel; bei höheren Drucken wird der Koefficient immer kleiner, beträgt bis 1000 at etwa 30 und bei 3000 at nur 24 Mil⸗ liontel. Das Waſſer iſt bei dieſem ungeheuer hohen Drucke nur um 0,1 dichter als gewöhnlich; das Meerwaſſer würde alſo bei 30,000 m Tiefe, die nirgends vorkommt, ſich in ſeiner Dichte nur wenig von dem Oberflächenwaſſer unter⸗ ſcheiden, bei der größten Meerestiefe von 8000 m aljo noch viel weniger. Ganz ähnlich verhält ſich der viel ſtärkere zuſammenpreßbare Aether; bei gewöhnlichem Drucke beträgt der Koefficient 156, bei 1600 at nur 45 Milliontel; die Abnahme iſt nur bedeutend ſtärker wie beim Waſſer. R. Die ſtärkſten Frauenhoferſchen Linien. Während man von zahlloſen Frauenhoferſchen feinen Linien die Be⸗ deutung, den Stoff, der ſie erzeugt, ſeit lange kennt, war man über den Stoff der ſtärkſten Linien nicht ganz im Reinen. Zwar wußte man, daß die Doppellinie D von Natrium herrührt; die Linien O, F und h waren als Waſſer⸗ ſtofflinien erfannt, ebenſo eine ſtarke Linie des breiten Streifens G. Die Linien E und I ſchreibt Angſtröm dem Caleium zu, während H. W. Vogel wenigſtens die erſte Linie H (ohne Index) für den Waſſerſtoff in Anſpruch nimmt; er hatte nämlich für dieſes Gas außer den drei bekannten Linien , B und 7 noch eine dunkelblaue Linie 6 gefunden, die mit der Frauenhoferſchen Linie H zuſammen⸗ fällt, und eine violette Linie ] von der Wellenlänge 396,8 pp. (Milliontel Millimeter). Da nun die Linie II Dieselbe Wellenlänge hat, und da die Waſſerſtofflinien ſich durch Schärfe und deutliche Umkehrung auszeichnen, ſo ſchrieb er dieſelbe dem Waſſerſtoff zu, während allerdings eine Calciumlinie von dieſer Wellenlänge ebenfalls vor⸗ handen iff und die zweite H⸗Linie H! unbedingt dem Calcium angehört. Nun hat in letzter Zeit Schumann die zwei Linienſpektra des Waſſerſtoffs genauer unterſucht und gefunden, daß die fünfte Hauptlinie in desſelben nicht mit H zuſammenfällt, ſondern um wenigſtens einen Teil der Angſtrömſchen Skala nach h zu liegt. Damit fällt die Waſſerſtoffbedeutung von H, und beide Linien E müſſen dem Calcium zugeſchrieben werden. Daß die breiten, band⸗ artigen Streifen A und B nach den vieljährigen Unter⸗ ſuchungen von Thollm, Egoroff und Janſſen terreſtriſch ſind, dem Sauerſtoff und Waſſerdampf der Luft ihre Ct verdanken, iſt bekannt. Der rote Fleck auf dem Jupiter. Seit dem 1 1878 zieht ein ovaler roter Fleck auf dem Jupiter die Auf⸗ merkſamkeit der Aſtronomen auf ſich. Er liegt ungefähr 30° ſüdlich vom Aequator und iſt etwa 6000 geographiſche Meilen lang und 1300 Meilen breit. In den erſten drei Jahren zeigte er ſich ſehr deutlich, 1882 aber wurde er ſchwach, ohne jedoch ſeine Geſtalt zu ändern. 1885 war er teilweiſe bedeckt von einer weißlichen Wolke, die ihn ganz zu verhüllen drohte, doch hat ſie ſich jetzt wieder ver⸗ zogen, und der Fleck iſt ſo deutlich wie 1882 und 1883. Auf⸗ fallend iſt, daß ſeine Rotationszeit ſeit 1879 bis jetzt ſtetig zugenommen hat von 9 Stunden 55 Minuten 35 Sekunden bis 9 Stunden 55 Minuten 40 Sekunden und daß, während im allgemeinen auf dem Jupiter wie auf der Sonne die Winkelgeſchwindigkeit nach dem Aequator zu wächſt, die Winkelgeſchwindigkeit des Fleckes kleiner iſt als die der hervorragenden Punkte in größerer und geringerer Breite. Kf. Neue Kometen. In der zweiten Hälfte des Januar wurde auf der ſüdlichen Halbkugel ein heller Komet beob⸗ achtet. Nach telegraphiſchen Nachrichten ſind die Elemente desſelben denjenigen des hellen Kometen 1 1880 ſehr ähn⸗ lich, und ſcheint er demnach zu der Gruppe der Kometen 1843 I, 1880 I und 1882 II zu gehören, welche ſich alle in derſelben Bahn bewegen. Nähere briefliche Nachrichten über den Kometen ſind noch nicht eingetroffen, doch iſt es jetzt ſchon gewiß, daß ſeine Helligkeit raſch abnimmt und er ſich ſüdlich bewegt, demnach auf der nördlichen Halb⸗ kugel ſchwerlich ſichtbar werden wird. Am 22. Januar wurde von Brooks in Phelps (New York) ein ſchwacher Komet im Sternbilde des Drachen in 270%“ Rektaſcenſion und 7170“ nördlicher Deklination aufgefunden. Er bewegte ſich zunächſt nach dem Sternbilde der Kaſſiopea, und trat Ende Februar in den Perſeus; ſeine Helligkeit wird durchweg ſehr gering ſein, ſie nahm bis um die Mitte des Februar zu und nimmt ſeitdem ab. Am folgenden Tage, dem 23. Januar, fand Profeſſor Barnard in Naſhville einen Kometen in 287° 34“ Rektaſ⸗ cenſion und 25° 58“ nördlicher Deklination im Sternbilde des Fuchſes. Derſelbe bewegte ſich von da aus nach dem Sternbilde des Schwans; ſeine Helligkeit nimmt raſch ab, und er wird ebenſowenig, wie der vorhergenannte Komet, dem freien Auge ſichtbar ſein. Pe. Neue veränderliche Sterne. In der letzten Zeit ſind mehrere intereſſante Veränderliche aufgefunden, von denen folgende hier erwähnt ſein mögen. Am Anfange des Dezember fand S. C. Chandler in Cambridge (Maſſ.) Humboldt. — April 1887. 155 einen veränderlichen Stern des ſogenannten Algol-Typus im Sternbilde des Schwans in 20" 47m Rektaſcenſion und 34° 16“ nördlicher Deklination. Die Helligkeitsperiode beträgt nur 3 Tage, innerhalb welcher der Stern zwiſchen der 7,1. und 7,9. Größe variiert. Auf einen zweiten Ver- änderlichen hat T. J. Eſpin in Wolſingham (England) aufmerkſam gemacht Derſelbe befindet fic) in 4 21™ Rectaſcenſion und 15° 51 nördlicher Deklination im Stern— bilde des Stiers; ſeine Helligkeit ſcheint zwiſchen der 9. und 12. Größe zu wechſeln. Der im Dezember 1885 von Gore bei „Orionis auf— gefundene Veränderliche ſcheint eine Lichtperiode von ſehr nahe einem Jahre zu haben. Ein Maximum ſeiner Hellig— keit wurde auf dem aſtrophyſikaliſchen Obſervatorium in Potsdam am 12. Dezember 1886 beobachtet, während ſein vorhergehendes Maximum auf den 13. Dezember 1885 ge— fallen iſt. Pe. Neuerung am Spiegelſerxtanten. Bei den Beobach— tungen mit dem Spiegelſextanten zur See mißt man be— kanntlich die Höhe des Geſtirns über dem Meereshorizont und bringt dann eine Korrektion, die ſogenannte Kimm— tiefe, in Abzug, weil das Auge des Beobachters ſich mehrere Meter über der Meeresoberfläche befindet und die Kugel— geſtalt der Erde infolgedeſſen in Betracht kommt. Iſt des Nachts der Horizont verfinſtert, wenn auch nur an der Stelle, wo die Höhe zu nehmen iſt, ſo muß auf die Be— obachtung verzichtet werden. Um dieſem Uebelſtand abzu— helfen, hat man von der Eigenſchaft des Kreiſels, die Lage ſeiner Achſe, wenn ſie einmal vertikal iſt, unverändert bei— zubehalten, Gebrauch gemacht, indem man auf ſeinem Kopf, ſenkrecht zur Achſe, einen Spiegel anbrachte und nun den Winkelabſtand zwiſchen dem Geſtirn und ſeinem Spiegel— bild, alſo die doppelte Höhe des Geſtirns, maß. Dieſe Methode hat aber den Nachteil, daß ſie nur anwendbar iſt, wenn das Geſtirn nicht höher als 65° über dem Horizonte ſteht, weil man mit dem Sextanten nur Winkel bis etwa 130° meſſen kann; ferner iſt es bei einigermaßen bewegter See überhaupt faſt unmöglich, die beiden Bilder zu ver— einigen. Dazu kommt noch, daß die Achſe des Kreiſels ſich in der Regel nicht in der vertikalen Lage befinden, ſondern einen Kegelmantel um die vertikale Lage als Achſe beſchreiben und der Kreiſel daher eine präceſſionsartige Bewegung wie die Erde ausführen wird. Infolge der Reibung der Kreiſelſpitze auf der Unterlage wird aber die Achſe, wie dies die Theorie des Kreiſels lehrt, ſich nicht genau in einem Kegelmantel, ſondern in einer ſpiral— förmigen Fläche bewegen, indem ſie in die vertikale Lage überzugehen ſucht. Dieſe der Beobachtung entgegentreten— den Hinderniſſe ſind nun größtenteils durch Fleuriais über— wunden worden, deſſen darauf bezügliche Arbeit kürzlich von der franzöſiſchen Akademie der Wiſſenſchaft mit einem Preis gekrönt wurde. Fleuriais bringt den Kreiſel unmittelbar hinter dem kleinen Spiegel des Sextanten an. In Be⸗ wegung wird derſelbe geſetzt durch einen Luftſtrom, welcher ſich in den rings an der Peripherie des Kreiſels ange— brachten Schaufeln fängt. Oben auf dem Kreiſel ſtehen zwei plankonvexe Linſen im Abſtand ihrer Brennweite ein— ander parallel gegenüber. Jede der beiden Linſen trägt auf der ebenen, nach innen gekehrten Fläche einen hori— zontalen ſchwarzen Strich. Dreht ſich nun der Kreiſel in vertikaler Stellung, ſo wird man in dem Augenblick, wo die beiden Linſen ſenkrecht zur Richtung der Fernrohrachſe ſtehen, durch die nähere Linſe den in Brennweite befind— lichen Strich auf der entfernteren Linſe als eine in un— endlicher Entfernung liegende horizontale Linie ſehen. Nach einer halben Umdrehung des Kreiſels haben die beiden Linſen ihre Rollen vertauſcht; infolge der Schnelligkeit der Rotation glaubt das Auge indes immer dieſelbe horizon— tale Linie zu erblicken. Dreht ſich der Kreiſel jedoch nicht in vertikaler Lage, ſondern macht die oben beſchriebene präceſſionsartige Bewegung, ſo wird die den Horizont dar— ſtellende Gerade ſich abwechſelnd heben und ſenken. Mißt man nun ſowohl bei ihrer höchſten wie bei ihrer tiefſten Lage, welche in Intervallen von etwa zwei Minuten auf- einander folgen, oder beſſer noch bei mehreren ſolcher Grenz— lagen hintereinander die Höhe eines Geſtirns über dieſem künſtlichen Horizont, ſo gibt das Mittel die Höhe über dem wahren Horizont. Es braucht wohl kaum beſonders hervorgehoben zu werden, daß für eine Beleuchtung des Kreiſels Sorge getragen ſein muß. Die Verſuche, durch welche der Erfinder die neue Cin- richtung erprobte, ſcheinen ganz zur Zufriedenheit aus— gefallen zu ſein. Die Anwendbarkeit des zur See über— haupt unentbehrlichen Inſtruments würde daher durch die neue Einrichtung noch bedeutend erhöht werden. Kt. Sonnencorona. Durch Vergleichung ſeiner Sonnen- photographien vom 6. Mai 1883 mit denen, welche auf den Karolineninſeln während der Sonnenfinſternis an jenem Tage aufgenommen worden waren, hatte Huggins die Ueber— zeugung gewonnen, es ſei ihm gelungen, die Corona bei hellem Sonnenſchein zu photographieren. Allein alle Wieder— holungen des Verſuchs mißglückten, und auch Herr Wood, der zu dieſem Zweck 1884 nach der Schweiz geſchickt wurde, um auf dem 2670 m hohen Riffel photographiſche Aufnahmen der Corona zu machen, erhielt nur negative Reſultate. Huggins ſieht ſich deshalb zu der Erklärung veranlaßt, daß er ſich bei jener Deutung der auf der Platte vor— handenen Striche als Corona wahrſcheinlich getäuſcht habe. (Vergl. S. 16.) Neuerdings behauptet nun Shearmen in Kanada bei der photographiſchen Aufnahme der Sonnen— corona, ohne daß die Sonne verfinſtert war, Erfolg gehabt zu haben. Nach verſchiedenen vergeblichen Verſuchen habe er mit Brompapier die gewünſchten Reſultate erzielt. Ferner habe er weder Linſen noch Spiegel angewandt, ſondern die Sonnenſtrahlen einfach durch eine kleine Oeff— nung eines Eiſenbleches fallen laſſen. Beſtätigung bleibt jedenfalls abzuwarten. Kf. Der Zuſammenhang der Körpertemperatur mit der Nervenerregung bildete den Gegenſtand von Unter— ſuchungen, welche Moſſo angeſtellt hat. Nach denſelben haben die Nerven einen viel ſtärkeren Einfluß auf die Körpertemperatur als die Muskeln. So veranlaßt ſtarke Erregung in der Maſtdarmtemperatur des Hundes eine Steigerung von 0,5— 2“; dasſelbe iſt beim Menſchen der Fall; auch Schmerz bringt dieſelbe Wirkung hervor. Wenn ein Hund nach langer Anſtrengung ausruht, ſo ſinkt ſeine Körpertemperatur unter die normale Höhe, obgleich die Muskelerregung ſehr ſtark geweſen iſt. Wird ein Froſch mit Kurare, welches das Muskelſyſtem paralyſiert, ver— giftet, ſo verfällt er in völlige Paralyſe unter Abnahme der Körperwärme; injiziert man dann einige Milligramm Strychnin, welches auf die Nervencentren einwirkt, ſo hält die Paralyſe an, dagegen ſteigt die Körperwärme ſofort. B. Ein noch mit ſeinem Stil verſehenes Bronzebeil, wohl das einzige, welches exiſtieren dürfte, hat Foucault bei einem Landmann in Faouct (Morbihan) aufgefunden. Der Stiel iſt 54 em lang, cylindriſch und gegen das Ende, an welchem das Beil ſitzt, etwas gebogen. Das Beil iſt 25 em lang und hat nur eine faſt kreisförmig begrenzte Schneide von 5 em Radius, das andere Ende iſt hammer— förmig. Das Ganze wiegt 2,7 kg und iſt ſehr gut er⸗ halten. Der Beſitzer des Beils hat dasſelbe in ſeinem Acker gefunden, und da es beim Auffinden mit einer dicken Grünſpanſchicht bedeckt war, dieſe abgekratzt, um zu 25 ob es nicht etwa aus edlem Metall beſtände. Bräglaciale Menſchen in Wales. Nach einer Mit⸗ teilung in „Nature“ hat Hicks in der Höhle von Tre— meiſchion in Nordwales einen bearbeiteten Feuerſtein mit Knochen von Hyäne und Rhinoceros zuſammen in einer Schicht gefunden, welche durch Waſſer umgelagert und dann mit marinen Sanden und darüber mit oberem Ge— ſchiebelehm bedeckt iſt, alſo ſicher der präglacialen el angehört. Ko. Quaternäre Menſchen. Gaudry hat bei neuen Nach- grabungen in der Grotte von Montgaudier noch 1 m tief unter der Kalkſchicht, in welcher er früher zuſammen mit den Knochen diluvialer Rieſentiere einen verzierten „Kommandoſtab“ gefunden, eine noch ältere Kulturſchicht 156 Humboldt. — April 1887. aufgedeckt, mit Feuerſtätten, bearbeiteten Feuerſteinen, zu⸗ geſpitzten Knochen, einer gezackten Harpune und Ueber⸗ reſten von Hirſch, Höhlenlöwe, Hyäne und Höhlenbär; auch eine Schale der großen Kammmuſchel (Pecten maxi- mus) lag dabei. In der Kalkſchicht darüber fanden ſich Reſte von Bison priscus, Cervus canadensis, Ren, Wolf, Eber, Pferd, Rhinoceros tichorhinus und Auerochs; von Mammut nur ein paar bearbeitete Elfenbeinſtücke. Ko. Chemiſche Anterſuchungen von vorgeſchichtlichen Gegenſtänden. Daß die Chemie der prähiſtoriſchen For⸗ ſchung bereits bedeutende Dienſte geleiſtet hat, iſt bekannt. Wir erinnern nur an die Unterſuchungen Bibras über die Bronzen und Helms über Bernſteinfunde. Jetzt hat Olshauſen (Zeitſchrift für Ethnologie, Jahrgang 1886, Heft 3 und 4) eine Anzahl vorgeſchichtlicher Lederproben chemiſch unterſucht, nämlich 1) ein Stück eines mit Bronze⸗ nieten beſetzten Gürtels oder Panzers von Peccatel bei Schwerin, 2) einen Abſchnitt einer unweit Bechelsdorf aufgefundenen Taſche, 3) ein Stück Leder aus der be⸗ kannten La Tene⸗Station bei Marin am Neuenburger See. An den beiden erſtgenannten Objekten konnte Ols⸗ hauſen die Verwendung von Thonerdeſalzen zum Gerben — welche ſich durch die Anweſenheit von gewiſſen Mengen dieſer Salze im Leder zu erkennen gibt — nicht nach⸗ weiſen, während es bei dem La Tene⸗Leder unentſchieden bleiben mußte, ob die in der Aſche desſelben nachgewieſenen Spuren von Thonerde aus dem Waſſer des Neuenburger Sees oder von der Zurichtung der Felle ſtammen. Da⸗ gegen fanden ſich in einer aus einem Bronzegrab bei Eversdorf (Holſtein) ſtammenden, mit einem zerbröckelnden Dolch und Holzreſten aufgefundenen gelben Maſſe be⸗ trächtliche Mengen von phosphorſaurer Thonerde. Es iſt alſo ſehr wahrſcheinlich, daß der Dolch in einer mit weißgarem Leder gefütterten oder überzogenen Scheide gelegen hat. Immerhin iſt es, wie Olshauſen hervor⸗ hebt, einigermaßen auffallend, daß ein irgendwie erheb⸗ licher Thonerdegehalt des an prähiſtoriſchen Objekten be⸗ findlichen oder mit denſelben aufgefundenen Leders bis⸗ her nur in der Provinz Schleswig⸗Holſtein nachgewieſen werden konnte. Die Analyſe einer in einem unweit Hademarſchen (Holſtein) gelegenen Grabhügel der Bronze⸗ zeit neben einem Skelett aufgefundenen gelblichen poröſen und leicht zerbröckelnden Maſſe ergab, daß dieſelbe als Zerſetzungsprodukt von Schwefeleiſen — zweifelsohne her⸗ vorgegangen aus einem Schwefelkiesknollen, der in Ver⸗ bindung mit einem in der gelben Maſſe ſteckenden, deut⸗ liche Schlagmarken aufweiſenden Feuerſteinſpahn als Feuer⸗ zeug benutzt wurde. — zu betrachten iſt. Das nicht allzu ſeltene Vorkommen von Schwefelkiesſtücken in den Bronze⸗ gräbern der Kimbriſchen Halbinſel und der nordfrieſiſchen Inſeln beweiſt, daß die Verwendung dieſer Subſtanz zur Feuerbereitung in dieſen Gegenden allgemein verbreitet war. Zu Gunſten der beſagten Feuerherſtellung kann übrigens auch der engliſche Name des Schwefelkieſes: Pyrites d. i. Feuermacher angeführt werden. Erwähnt ſei ferner hier noch, daß Olshauſen das ehemalige Vor⸗ handenſein von Zinnobjekten in den ſchleswig⸗holſteiniſchen Bronzezeitgräbern mit Hilfe der Analyſe zur Evidenz dar⸗ gethan, und daß derſelbe auch für die Benutzung eines aus kohlenſaurem Kalk in Verbindung mit organiſcher Sub⸗ ſtanz hergeſtellten Kittes in vorgeſchichtlicher Zeit den Be⸗ weis geliefert hat. (Einen ſolchen Kitt fand Olshauſen z. B. als Ausfüllmaſſe des vertieften Ornamentes eines Schwertgriffes von Barkow, Kreis Demmin in Pommern.) Endlich ſei hier noch darauf hingewieſen, daß gewiſſe prä⸗ hiſtoriſche Eiſenobjekte nach Olshauſens Unterſuchungen im weſentlichen aus Eiſenoxyduloxyd beſtehen und nicht ſelten magnetiſch ſind. Solche durch die Feuereinwirkung in Oxyduloxyd umgewandelte Eiſenſachen werden — wie dies z. B. bei dem berühmten Müncheberger Runenſpeer der Fall iſt — in den Gräbern regelmäßig in völlig wohl⸗ erhaltenem Zuſtande angetroffen, da die beſagte Eiſen⸗ verbindung ungemein beſtändig iſt, während gewöhnlicher Roſt die Eiſenobjekte allmählich völlig zerſtört. A. Berichtigung. In dem Januarhefte des „Humboldt“ findet ſich S. 23 eine Mitteilung über den Vortrag, wel⸗ chen ich auf der 59. Naturforſcherverſammlung über „halb⸗ domeſtizierte Schweine in Neuguinea“ gehalten habe. Leider iſt die von mir zum Druck eingereichte In⸗ haltsangabe dieſes Vortrages in dem „Tageblatte“ der ge⸗ nannten Naturforſcherverſammlung (S. 371) infolge der überſtürzten Herſtellung des letzteren durch mehrere arge Druckfehler entſtellt worden. Dieſelben haben zwar nach⸗ träglich eine Berichtigung gefunden; aber man weiß ja, wie es mit Druckfehlerberichtigungen geht, und ſo iſt der Inhalt meines Vortrages in mehreren Zeitſchriften nicht ganz richtig wiedergegeben. Es kommt beſonders auf die Stelle an: „Zuchteber halten die Eingeborenen (bei ihren Hütten) überhaupt nicht, ſondern nur Zuchtſauen“ 2c., Statt deſſen ſteht im Tageblatt: „Zucht aber hatten die Eingeborenen (bei ihren Hütten) überhaupt nicht“ 2c. Jeder wird den großen Unterſchied erkennen! — Noch ſchlimmer als den Neuguineaſchweinen iſt es meinen alt⸗ peruaniſchen Haushunden ergangen; aus dieſen hat das Tageblatt „altgermaniſche“ gemacht, obgleich ich mich einer möglichſt deutlichen Handſchrift befleißige. — Nach meiner Anſicht iſt es nicht zweckmäßig, die Referate über die wiſſenſchaftlichen Vorträge der Naturforſcher⸗ verſammlung in der ſeit einigen Jahren beliebten über⸗ ſtürzten Weiſe (von einem Tage zum andern) drucken zu laſſen. Dieſelben ſollten lieber nachträglich mit Ruhe ge⸗ druckt und ſorgſam korrigiert werden; denn ſonſt wimmeln ſie von Druckfehlern und führen nur zu Irrtümern. Berlin. Prof. Dr. Nehring. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Aleber zoologiſche Centralanſtalten. In der zweiten allgemeinen Sitzung der 59. Verſammlung deutſcher Na⸗ turforſcher und Aerzte (ſ. Seite 45) wurde obiges Thema von His eingehender behandelt. Schon der Umſtand, daß beregter Vortrag neben der Schweinfurthſchen Rede über: „Europas Aufgaben und Ausſichten im tropiſchen Afrika“ in ein und derſelben Sitzung zum Ausdruck ge⸗ langte, läßt auf das allgemeine Intereſſe ſchließen, welches man heutzutage derartigen wiſſenſchaftlichen Einrichtungen entgegenbringt. Es geht ein geſunder Zug durch die Welt; in der Natur iſt ja alles centraliſiert, und ſomit muß ſich auch die menſchliche Thätigkeit, ſoll ſie überhaupt gedeihlich wirken, um einen Mittelpunkt gruppieren; von einer Centralſtelle ſoll die Anregung gegeben werden und zur Centralſtelle müſſen ſich ſchließlich wieder die Reſultate der Arbeit vereinigen. Auf materiellem Gebiete ſehen wir ſo die Eiſenbahnen, Telegraphen, militäriſchen Inſtitute ꝛc. centraliſiert, auf wiſſenſchaftlichem Boden zählen hierher die zbologiſchen Centralanſtalten. Unter dieſen Inſtituten nimmt ohne Zweifel die zo o lo⸗ giſche Station in Neapel die erſte Stelle ein; mit Recht begann His ſeinen oben angezogenen Vortrag mit dieſem von Prof. Dr. Anton Dohrn ins Leben gerufenen Inſtitute, über welches im Januarheft (S. 25) Näheres mitgeteilt wurde. His gab eine eingehende Schilderung der zoologiſchen Station in Neapel und bezeichnete als an derartige wiſſenſchaftliche Centralanſtalten zu ſtellende An⸗ forderungen: a Humboldt. — April 1887. 157 1. Die Bewältigung von größeren, über die Kräfte einzelner Forſcher hinausgehenden Aufgaben, vor allem von ſolchen Aufgaben, welche ein nach einheitlichem Plane arbeitendes, techniſch geſchultes Perſonal verlangen. 2. Die Sammlung und die Ordnung des Materials beſtimmter Lehrgebiete zu dem Zweck, daß dasſelbe nach Art einer Bibliothek oder eines Muſeums allen denen zu— gänglich gemacht wird, die desſelben zur Förderung ihrer Kenntniſſe bedürfen. Man kann natürlich dieſe Anforderungen auf ein größeres oder auch auf ein geringeres Gebiet konzentrieren. Bevor wir auf die von His herangezogenen Beiſpiele zur Kenntnis des Gehirnbaues und der Entwickelungsgeſchichte, für die er ſpeciell Centralanſtalten poſtuliert, näher ein— gehen, mag es uns erlaubt ſein, auf ein Centralinſtitut aufmerkſam zu machen, welches ebenfalls auf der dies— jährigen Naturforſcherverſammlung und zwar in der zool. Sektion zur Beſprechung *) kam. Es iſt das zoologiſche Inſtitut zu Münſter i. W. Dasſelbe hat ſich die wiffen- ſchaftliche Erforſchung der Provinz Weſtfalen auf zoologiſchem Gebiete zur Aufgabe geſtellt. In dieſe teilen ſich eine Anzahl Männer, welche entweder mehr praktiſch oder wiſſen— ſchaftlich arbeiten. Zunächſt wurde daſelbſt, um einen rationellen Boden zu gewinnen, der weſtfäliſche zoologiſche Garten ins Leben gerufen. Nur in Weſtfalen heimatende Tiere ſollten in demſelben lebend zur Schau geſtellt werden und ſich dieſen die verwandten übrigen Europäer anreihen. Exoten finden in demſelben nur inſofern Berückſichtigung, als dem nicht wiſſenſchaftlich gebildeten Publikum ja Rechnung getragen werden muß. Schreiber dieſer Zeilen kaufte im Jahre 1871 ein zur Anlage eines ſolchen kleineren zoologiſchen Gartens geeignetes Terrain in der Provinzialſtadt Münſter auf eigene Fauſt und fand bald bei Geſinnungsgenoſſen die nötige Unterſtützung, nicht allein die nötigen Behälter zur Unterbringung der Tiere zu bauen, ſondern auch manches zum Amüſement und zur Belehrung des Publikums einzurichten. Ein größeres Reſtaurationslokal und ein Theater für eine Dilettantengeſellſchaft lieferten bei günſtigem Erfolge das nötige Geld zur Verwirklichung der höher zielenden wiſſenſchaftlichen Beſtrebungen. Das Princip, in dem weſtfäliſchen zoologiſchen Garten vorzugsweiſe nur einheimiſche Tiere zur Schau zu ſtellen, iſt jetzt von Fach— männern allſeitig anerkannt. Die meiſten zoologiſchen Gärten vernachläſſigen ja geradezu die heimiſche Tierwelt. Und wie prächtig nimmt ſich doch ein geräumiger Käfig aus, in welchem etwa unſere Edelmarder ſich naturwüchſig umhertummeln können; wie intereſſant ſind größere Vo— lieren für Elſtern, Markolfe, Tauben- und Droſſelarten. Unſere einheimiſche Singvögelwelt bietet meiner Anſicht nach des Anziehenden mehr, als die Schreihälſe der Pa— pageien in ihren grell abſtechenden Koſtümen. Auch ſind die Lebensgewohnheiten unſerer einheimiſchen Tierwelt noch lange nicht bekannt genug, um nicht dem Naturforſcher jahrelang Beobachtungsmaterial in Hülle und Fülle zu bieten. Die Anzahl der Behälter zur Unterbringung einhei— miſcher Tiere hat ſich in unſerem Garten von Jahr zu Jahr vermehrt, 1886 iſt es ſogar gelungen, ein Nachbar— grundſtück, in der Größe eines Hektars, anzukaufen, um den noch fehlenden Tieren Raum zu ſchaffen. Nach dem Vorgange des Londoner zoologiſchen Gartens wird auch auf die niedere Tierwelt Rückſicht genommen, wie z. B. Inſekten in ihren Metamorphoſen dem Publikum zur Schau geſtellt werden und ein größeres Aquarium bietet Gelegenheit, auch die Waſſertiere zu halten, zur Schau zu ſtellen und wiſſenſchaftlich zu erforſchen. In erſter Linie ſchenken wir hier unſeren einheimiſchen Fiſchen be— ſondere Aufmerkſamkeit. Für die praktiſchen ichthyologiſchen Bedürfniſſe ſorgt eine künſtliche Fiſchzuchtanſtalt, ſowie eine Karpfenzuchtanlage, welche ſich in Laichteich, Streck— teiche und Haushaltungsteiche gliedert. „) Vergl. Tageblatt der 59. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte. 1886, Nr. 5, S. 131, 132. Vielleicht intereſſiert es Manchen, zu hören, daß der weſtfäliſche zoologiſche Garten zu ſeiner bisherigen Einrich— tung mehr wie eine halbe Million gekoſtet hat und daß dieſe Summe einzig und allein von den Intereſſenten aufge— bracht wurde. Wir haben weder an die Staats- noch Stadtkaſſe irgend welche pekuniäre Anforderungen geſtellt, noch erhalten. Allerdings wollen wir hier nicht unerwähnt laſſen, daß der Staat dem aufblühenden Unternehmen ſtets die weitgreifendſte Förderung angedeihen ließ. So wurde unſerer Geſellſchaft bereits vor Jahren die Rechte einer juriſtiſchen Perſon von höchſter Hand verliehen. Auch wurde die Veranſtaltung einer Lotterie zur Unterſtützung des Gartens bereitwilligſt zugeſtanden. In dem weſtfäliſchen zoologiſchen Garten befindet ſich auch das weſtfäliſche zoologiſche Provinzial— muſeum, welches fic) ausſchließlich aus der Fauna der heimatlichen Provinz rekrutiert. Unſer Muſeum gliedert ſich in eine biologiſche und eine ſyſtematiſche Abteilung. Zunächſt ſtellten wir uns die Aufgabe, ſämtliche Tierarten Weſtfalens zu ſammeln, zu beſtimmen, und in wiſſenſchaftlich geordneten Abteilungen zu konſervieren. Bei den Säuge⸗ tieren laſſen wir es bei den kleineren Arten bewenden. Diejenigen, welche füglich nicht, oder doch nur auf kurze Zeit lebend im Garten erhalten werden können, find ſämt⸗ lich im Muſeum vertreten. Von den größeren, die ja ſtets im Garten lebend zu ſehen ſind, ſtellen wir nur die Skelette und andere Präparate auf. So ergänzt ſich der zoologiſche Garten und das zoologiſche Muſeum in zweck— entſprechendſter Weiſe. Die weſtfäliſche Vogelwelt iſt na— türlich in allen Arten und Varietäten vertreten und ſo geht es bis auf die Inſekten und die niederſten Tierformen abwärts bis zu den mikroſkopiſchen Präparaten. Dieſe ſyſtematiſchen Sammlungen werden durch die biologiſchen Präparate belebt, und dieſe ſind es gerade, aus denen das beſuchende Publikum, die Schüler bis zu den Akademikern, den größten Nutzen ziehen. Syſtematiſch ge— ordnete Tiergruppen wirken auf dieſe meiſt nur ermüdend, während biologiſch aufgeſtellte Gruppen ſtets den größten Reiz ausüben. Das betreffende Säugetier wird in einer Lebensverrichtung, die für dasſelbe charakteriſtiſch iſt, prä— pariert, etwa der Edelmarder ein Eichhörnchen verfolgend, der Fiſchotter einen Fiſch von unten ergreifend, das Wieſel— chen eine Mollmaus würgend, der Hamſter in ſeiner Vor⸗ ratskammer, die Vögel bei ihren Neſtern u. dgl. Alle Tiergruppen liefern in dieſer Hinſicht ſo außerordent— lich viele intereſſante Geſichtspunkte, daß die bezüglichen Präparate nach Tauſenden angefertigt werden können. Speciell in unſerem weſtfäliſchen zoologiſchen Provinzial— muſeum beſitzen wir eine Anzahl der intereſſanteſten Gruppen. Auf den Weltausſtellungen der letzten Jahrzehnte wurden einige derſelben mit den höchſten Auszeichnungen prämiiert. Die Räume, in welchen unſer Muſeum aufgeſtellt iſt, reichen ſchon nicht mehr aus und ſind wir augen— blicklich damit beſchäftigt, einen beſonderen Neubau für dasſelbe einzurichten. Die wiſſenſchaftliche Bearbeitung unſerer einheimiſchen zoologiſchen Schätze hat die zoologiſche Sektion für Weſtfalen und Lippe übernommen. Dieſe Geſellſchaſt weſtfäliſcher Zoologen arbeitet nach verſchiedenen Richtungen aber nach einheitlichem Principe. Zunächſt gilt's der Fertigſtellung wiſſenſchaftlicher ſyſte— matiſcher Verzeichniſſe unſerer Fauna. Auf dieſem Gebiete wurden ſchon mehrere Kataloge durch den Druck veröffent— licht, z. B. der Käferkatalog (etwa 24 Druckbogen umfaſſend), Verzeichnis der Säugetiere, Vögel, Amphibien und Rep- tilien, der Libellen, der Phociden rc. Die Specialarbeiten über einheimiſche Tiere ſind nach vielen Hunderten zu zählen und in die verſchiedenſten Fach— zeitſchriften gewandert. Andererſeits iſt es die Aufgabe der Sektion, die wiſſen— ſchaftlichen Ergebniſſe auch dem Laien mundgerecht zu machen. Als Belege dieſes unſeres Thätigkeitszweiges er— ſchienen bereits die beiden erſten Bände von: „Weſtfalens Tierleben in Wort und Bild“, herausgegeben von 158 Humbolot. — April 1887. der zoologiſchen Sektion für Weſtfalen und Lippe unter Leitung ihres Vorſitzenden Prof. Dr. H. Landois (Verlag von Ferd. Schöningh in Paderborn) 1. Teil, Säuge⸗ tiere. 2. Teil, Vögel. Mit zahlreichen Abbildungen und Tafeln. Das Manuſkript des dritten Bandes, Fiſche, Amphibien und Reptilien Weſtfalens behandelnd, liegt eben⸗ falls fertig zum Druck vor. In der Fachpreſſe fand dieſes Werk nur lobendſte Anerkennung. Bei der wiſſenſchaftlichen Bearbeitung unſerer heimat⸗ lichen zoologiſchen Schätze ſteht uns eine recht umfangreiche Bibliothek zur Seite, die ebenfalls in unſeren zoologiſchen Muſeumsräumen untergebracht iſt. Wir ſtehen ſo ziemlich mit allen naturwiſſenſchaftlichen Vereinen, über 200 an der Zahl, in Schriftenaustauſch, ſo daß wir über die gegen⸗ wärtigen Forſchungen ſtets auf dem Laufenden erhalten bleiben. Die nötigen Fachwerke fehlen ebenfalls nicht; ich will nur erwähnen, daß uns ſeiner Zeit die umfangreiche Bibliothek über Käfer von Suffrian teſtamentariſch zufiel. „Sollten dieſe unſere Beſtrebungen bei Ihnen — ſo ſchloß ich meinen Vortrag auf der Berliner Naturforſcher⸗ verſammlung — meinen Herren Fachkollegen, Anerkennung finden, und vielleicht Anregung gegeben haben, auch in anderen Provinzen in ähnlicher Weiſe vorzugehen, wie das ja auch ſchon in Bezug auf Provinzialmuſeen in mehreren Orten geſchehen iſt, z. B. in Kiel, Hamburg, Berlin u. ſ. w., ſo würde darin der ſchönſte Lohn liegen für die Zoologen meines engeren Heimatlandes, der roten Erde, Weſt⸗ falens.“ So hätten wir denn von zoologiſchen Centralanſtalten bisher zwei kennen gelernt, die zoologiſche Station in Neapel mit der weitgreifenden Aufgabe, die Mittelmeer⸗ fauna nach allen Richtungen intenſiv und extenſiv zu er⸗ forſchen und den Zoologen Gelegenheit zu bieten, in Be⸗ zug auf Meerestierunterſuchungen in jeglicher Beziehung behilflich zu fein und das zoologiſche Inſtitut in Münſter, welches ſich eine weit lokalere Aufgabe geſtellt hat, die Provinz Weſtfalen nach allen Beziehungen zoologiſch zu durchforſchen. Das erſtere Inſtitut hat bereits mehrere Nachahmer gefunden wie im Januarheft S. 25 ſchon mitgeteilt wurde. In dieſelbe Kategorie zoologiſcher Centralanſtalten kann man mit Fug und Recht ſtellen das landwirt⸗ ſchaftlich zoologiſche Inſtitut in Halle mit der Aufgabe der Züchtung und Acclimatiſation unſerer Haus- tiere, ferner den Jardin d'acelimatation im Bois de Boulogne bei Paris, dann die Beſtrebungen des all⸗ gemeinen deutſchen Fiſchereivereins und vieler anderer Geſellſchaften, welche alle darauf hinauslaufen, an einer beſtimmten Centralſtelle intenſiv wiſſenſchaftliche Beob⸗ achtungen anzuſtellen und Erfahrungen zu ſammeln, welche dann in radiärer Richtung dem Lande wieder zu gute kommen. ; An diejer Stelle möchten wir noch dem Gedanken Ausdruck geben, ob es nicht vielleicht an der Zeit ſei, auch in Bezug auf die zoologiſchen Muſeen ſolche Cen⸗ tralſtellen zu ſchaffen. Unſere meiſten Univerſitätsmuſeen leiden augenſcheinlich an Ueberfülle des Materials. Wo ſoll das mit der Zeit hinaus, wenn jedes Muſeum auf möglichſte Vollſtändigkeit hinarbeitet? Wäre es nicht wünſchenswerter, wenn das eine Muſeum dieſe, das andere jene Tiergruppe möglichſt vollſtändig ſammelte? Wenn jetzt ein Zoologe etwa die Paradiesvögel ſtudieren will, muß er nach Dresden wan⸗ dern, und jo ſind die Familien in der ganzen Welt zer⸗ ſtreut. Es ſoll damit durchaus nicht geſagt ſein, daß nicht jede Univerſität ein zoologiſches Muſeum beſitzen ſoll. Aber Centralifation iſt hier mehr wie geboten. Das eine Mu⸗ ſeum mag dieſe Ordnung, das andere jene, und dann möglichſt vollſtändig umfaſſen, ſo daß es dem wiſſenſchaftlich ſtrebenden Zoologen leicht wird, an beſtimmten Orten über beſtimmte Tierformen ſich in möglichſt kurzer Zeit intenſiv zu orientieren. Für akademiſche Lehrzwecke reichen ja Sammlungen typiſcher Repräſentanten vollauf aus. Sammeln die Muſeumsvorſtände in der jetzigen Weiſe weiter, ſo erreichen ſie ihren Zweck doch nicht, es bleibt 2 immerhin Stückwerk. Centraliſation ijt aljo auch hier mehr wie geboten. His geht in ſeinen Centraliſationsvorſchlägen noch einen bedeutenden Schritt weiter. In dem oben eitierten Vortrage) verlangt er z. B. eine Centralanſtalt für die genaue Kenntnis des inneren Gehirn⸗ baues. Dieſe ſei ein Bedürfnis, gleich dringend für Anatomen wie für Phyſiologen, für Pathologen und Chi⸗ rurgen, für Pſychiater und für Philoſophen. „Von ver⸗ ſchiedenen Seiten her vorrückend, hat man in der Forſchung des verwickelten Organs ſeit 20 bis 30 Jahren erhebliche Fortſchritte gemacht, die Pathologie, das Experiment und die anatomiſche Forſchung haben ſich wechſelſeitig fördernd entgegen gearbeitet, aber das, was erreicht worden, tt noch verſchwindend wenig gegen das, was erreicht werden muß, und die mit unendlicher Arbeit erworbenen Kennt⸗ niſſe find noch in hohem Grade fragmentariſch. Nun iſt das, was vom inneren Hirnbau erforſcht iſt, ungemein ſchwer zu lehren und zu lernen; es handelt ſich dabei um ſehr komplizierte ineinander greifende plaſtiſche Verhält⸗ niſſe, zu deren Veranſchaulichung und Einprägung Wort und Bild unzureichende Hilfsmittel gewähren. Einer wirk⸗ lichen Beherrſchung des bereits durchforſchten Stoffes darf ſich z. Z. wohl nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Specialforſchern rühmen.“ „Eine der wichtigſten Methoden bei Erforſchung des feineren Gehirnbaues iſt die Zerlegung des zuvor gehär⸗ teten Organs in ſehr dünne Scheiben. Dieſe werden ge⸗ färbt, zwiſchen Glasplatten eingeſchloſſen und können nun⸗ mehr mit oder ohne Mikroſkop im einzelnen durchgearbeitet werden. Die gerechte Zerlegung eines einzigen Gehirns iſt eine Aufgabe von vielen Monaten. Eine zugängliche öffentliche Sammlung von Hirnſchnitten gibt es nirgends in der Welt. Allein wenn auch eine ſolche Sammlung beſtünde, ſo wäre damit nur ein kleiner Teil des zu Er⸗ ſtrebenden erreicht. Wohl ſuchen wir uns aus dem ver⸗ gleichenden Studium der ſich folgenden Schnitte eine plaſtiſche Vorſtellung von dem Aufbau des zerlegten Organs zu machen, allein eine ſolche Vorſtellung wird nur dann ſicher und klar ſein, wenn ſie auf präciſen Meſſungen und Rekon⸗ ſtruktionen ſich aufbaut.“ „Um eine Reihe von Gehirnſchnitten wirklich erſchöpfend durchzuarbeiten, erſcheint es nötig, die Schnitte in ver⸗ größertem Maßſtabe zu Papier zu bringen, ſie zu zeichnen oder ſie zu photographieren. Alsdann ſind ſie ſorgfältig auszumeſſen und aus den Flächenbildern der einzelnen Schnitte ſind durch ſynthetiſche Konſtruktionen wieder pla⸗ ſtiſche Geſamtbilder zu ſchaffen, die dann verſchiedenartig kombiniert als Modelle aufzubauen ſind. Die Aufgabe liegt klar vor, die Methoden ſind im ganzen ſicher ausgebildet, aber die zu leiſtende Arbeitsſumme iſt eine ſo außerordent⸗ lich große, daß der einzelne, und wäre er auch der Vor⸗ ſteher eines bedeutenden Univerſitätsinſtitutes, vor der⸗ ſelben den Mut fallen läßt. Gleichwie zur topographiſchen Durchforſchung eines Landes, ſo bedarf es zur topogra⸗ phiſchen Durchforſchung des Gehirns, falls ſie anders zu einem abſchließenden Ergebniſſe führen ſoll, eines unter wiſſenſchaftlicher Direktion ſtehenden Bureaus von Zeichnern, Photographen und Modelleuren, und dieſelben Grundſätze der Präciſion, welche die Geodäſie zu einem ſo hohen Grade der Entwickelung geführt haben, werden auch da zur An⸗ wendung kommen müſſen.“ „Und nun die Benutzung eines ſolchen Inſtituts! Schon die große Arbeitsmenge, welche zur Erreichung des Grund⸗ materials, der Schnitte, nötig iſt, wird demjenigen, der dazu weder Zeit noch Fähigkeit hat, erſpart, wenn er Ge⸗ legenheit findet, gleichwie in einer Bibliothek, in der be⸗ treffenden Anſtalt die Schnittreihen einzuſehen und zu ſtu⸗ dieren. Außerdem muß aber dem die Anſtalt befuchenden Gelehrten oder Lehrer durch inſtruktiv ausgeführte und aufgeſtellte Zeichnungen und Modelle ſowie durch die vom Perſonal bereitwillig zu erteilenden Erläuterungen Ge⸗ ) Vergl. Tageblatt der 59. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte. Nr. 7, S 261. Humboldt. — April 1887. 159 legenheit geboten werden, ſich in den Gegenſtand einzu— arbeiten. Mit ſolchen Hilfsmitteln iſt es ſicherlich erreichbar, daß derſelbe nach 3—4 an der Anſtalt zugebrachten Ferien- wochen eine ſehr viel reichhaltigere und klarere Kenntnis des Organs, über das er lehren ſoll, ſich verſchafft hat, als wenn er ihm in beſonderer Arbeit 3—4 Jahre ſeines Lebens gewidmet hätte.“ Wir haben hier His über die Anlage eines Central⸗ inſtituts für Gehirnſtudien ſo eingehend reden laſſen, um ſeine Anſicht genau wiederzugeben. In ſeinem Vortrage geht er noch auf ein zweites Beiſpiel näher ein, auf eine Centralanſtalt für das Studium der Entwickelungs— geſchichte. Dieſe Disciplin — jo führt His des weiteren aus — welche durch die Breite ihrer Baſis und durch die Allge— meinheit ihrer Geſichtspunkte von der fundamentalſten Be— deutung für unſer geſamtes biologiſches Wiſſen geworden iſt, hat es auch ihrerſeits, wie die Gehirnlehre, mit dem Verſtändnis komplizierter körperlicher Formen zu thun. Sie verfolgt das Werden der Körperformen belebter Weſen von den früheſten Anfängen an bis zur definitiven Ge— ſtaltung hin, und fie hat das Hervorgehen der ſpäteren Formen aus den früheren nach Verlauf und nach Bedin⸗ gungen genau feſtzuſtellen. Beim Studium der vielfach kleinen Unterſuchungsobjekte bildet die Zerlegung in feine Schnitte wiederum ein Haupthilfsmittel, und die wohlaus— gebildete heutige Technik läßt es nicht ſchwer erſcheinen, ein Gebilde von 1 mm Länge in 100, ja ſelbſt 200 Schnitte zu zerlegen. Jeder Schnitt iſt reich an Einzelheiten und hat ſeine beſondere Bedeutung; jeder bedarf daher einer eingehenden Durcharbeitung, und an die Durcharbeitung der einzelnen Schnitte hat fic) weiterhin die plaſtiſche Syn— theſe ganzer Schnittreihen anzuſchließen. Es ſind dies Operationen, für welche ſich feſte Regeln aufſtellen laſſen, die aber durchweg zeitraubend ſind und zur endgültigen Beherrſchung des in einer einzigen Schnittreihe enthaltenen wiſſenſchaftlichen Materials kann eine jahrelange Arbeit erfordert werden. Unter dieſen Umſtänden iſt jeder gründlich arbeitende Forſcher genötigt, ſein Unterſuchungsgebiet verhältnismäßig eng zu umgrenzen, und doch iſt gerade das entwickelungs— geſchichtliche Studium ein ſolches, welches in großem Stile geführt ſein will und bei welchem, wie bei keinem anderen ein möglichſt allſeitiger Ueberblick über den Geſamtbeſtand von thatſächlichen Verhältniſſen erfordert wird. Bildet nun ſchon die erwähnte Zerklüftung des Forſchungsgebietes ein Hemmnis durchgreifender wiſſenſchaftlicher Vereinbarung, ſo kommt dazu noch der Kampf mit der Sprache. Den wechſelnden Fluß körperlicher Formen in Worten klar aus⸗ zudrücken, das bildet ſelbſt bei größter Sprachgewandtheit und bei Zuhilfenahme von Zeichnungen eine Aufgabe von ausnehmender Schwierigkeit. Auch befinden wir uns heute hinſichtlich der Entwickelungsgeſchichte in der eigentümlichen Lage, daß bei raſch wachſender Fülle von Detailbeobachtungen die Summe gemeinſamer Anſchauungen eine immer geringere wird. Die Disciplin, die berufen iſt, weitere Gebiete nach einheitlichen Principien zuſammenzufaſſen und zu beherrſchen, fällt anſcheinend einer zunehmenden Zerſplitterung und Verwirrung anheim. Eine feſte Organiſation der Arbeit thut hier dringend not und zugleich eine Einrichtung, welche es dem einzelnen erlaubt, ſeinen Anſchauungskreis weit über das eigene Forſchungsgebiet hinaus auszudehnen. Durch Errichtung geeigneter Centralanſtalten wird die Wiſſenſchaft in wirkſamſter Weiſe gefördert. Wir nehmen durchaus keinen Anſtand, dieſen von His entwickelten Gedanken vollauf zuzuſtimmen; aber eines bleibt doch dabei zu bedenken. Wohin ſoll es führen, wenn auf allen Gebieten derartige Centralanſtalten ins Leben ge— rufen werden ſollen? Gibt es doch noch unzählige Ge— biete, welche derartige Einrichtungen beanſpruchen können. Aber Hand ans Werk! Für die zoologiſche Erforſchung beſtimmter Gebiete und Aufgaben haben ſich ja bereits Centralanſtalten gebildet, welche zeigen, daß derartige In⸗ ſtitute auch allerorts ins Leben gerufen werden können, wenn nur Eifer und guter Wille nicht fehlen. Für Hy— giene arbeitet ja auch in unſerem deutſchen Vaterlande eine Centralanſtalt. Warum ſoll es auf anderen Gebieten nicht ebenſo zu ähnlichen Einrichtungen kommen? Wir leben ja in dem Jahrhundert der Naturwiſſenſchaften und in dieſem brauchen wir keine Hemmniſſe zu ſcheuen. Münſter i. W. Prof. Dr. H. Landois. Die Berliner Akademie der Wiſſenſchaften hat zur Unterſtützung wiſſenſchaftlicher Arbeiten und Veröffent— lichungen folgende Bewilligungen gemacht: 1500 M. für Dr. Brands in Königsberg zu Unterſuchungen über Radio— larien; 1000 M. für Profeſſor Ludwig in Gießen zur Fort⸗ ſetzung ſeiner Unterſuchungen über Echinodermen; 2000 M. für Dr. Heincke in Oldenburg zur Fortſetzung ſeiner Unter- ſuchungen über die Varietäten des Herings; 2000 M. an Profeſſor Dohrn in Neapel zur Fortſetzung des von der Station herausgegebenen zoologiſchen Jahresberichts; 1000 M. an Dr. O. Taſchenberg in Halle a. d. S. zur Vollendung der Bibliotheca zoologica; 900 M. an die Buchhandlung von Veit u. Co. in Leipzig zur Herausgabe des erſten, den Zitterwels betreffenden Teils eines Werkes über elektriſche Fiſche von Prof. Dr. G. Fritſch; 2000 M. zur Beſchaffung von Inſtrumenten für kryſtallographiſch— optiſche, an die Arbeiten von Hofmann und Rammelsberg ſich anſchließende Unterſuchungen. Das Herbarium Tamarcks war ſeiner Zeit von dem deutſchen Botaniker Röper während deſſen Aufenthalt in Paris angekauft und ſeiner Privatſammlung einverleibt worden. Letztere wurde nach Röpers Tode (März 1885) von dem Großherzog von Mecklenburg gekauft und der Univerſität Roſtock geſchenkt. Die Lamarckſche Sammlung iſt nun wieder ausgeſchieden und dem Pariſer Mussum d'histoire naturelle für 12000 Frank käuflich über⸗ laſſen worden. Zu ihrer Verpackung waren 21 geräumige Kiſten nötig. Das Herbarium enthält etwa 10000 Arten. Die Exemplare ſind in ausgezeichnetem Zuſtande. Zahl— reiche Zeichnungen und Beſchreibungen von der Hand des berühmten Naturforſchers ſind ihnen beigefügt. Cehrſtuhl der Anatomie. Wie Profeſſor D'Arcy W. Thompſon in Dundee dem Herausgeber des „Anatomi— ſchen Anzeigers“ mitteilt, hat Thomas H. Cox in Dundee 12000 L. St. = 240000 M. zur Gründung eines Lehr— ſtuhls der Anatomie geſtiftet. Die ſtädtiſchen Behörden von Barcelona haben beſchloſſen, ein Laboratorium für Bakteriologie zu errichten und dasſelbe mit den für alle einſchlägigen Unter— ſuchungen erforderlichen Einrichtungen zu verſehen. Das neue Inſtitut ſoll dem durch ſeine Choleraimpfungen be— kannt gewordenen Dr. Ferran unterſtellt werden. In Palermo ſoll ein Inſtitut zur Behandlung Tollwutkranker nach Paſteurſchem Syſtem eingerichtet werden; die Leitung desſelben wird Profeſſor Celli über— nehmen. Dem Harvard College in Boffon hat der verſtor⸗ bene Mr. Greenleaf ſein ganzes Vermögen, 500 000 Doll., vermacht. In Sydney hat ſich am 10. November 1886 die ,Australasian association for the advancement of science“ konſtituiert. Dieſelbe wird ihre erſte Ver— ſammlung in der erſten Woche des September 1888 ab- halten, gelegentlich des Centennariums der Kolonien von Auſtralien und Neuſeeland. Die neue Aſſociation iſt nach dem Muſter der „British association“ gebildet. Dr. G. Dieck, Beſitzer des Ritterguts und der Baum⸗ ſchulen Zöſchen bei Merſeburg, gedenkt zum Frühjahr Nord⸗ weſtkanada und die kolumbiſchen Rocky Mountains botaniſch und zoologiſch durchforſchen zu laſſen und bittet, das Unter⸗ nehmen durch Subſkriptionen und Aufträge zu unterſtützen. 160 Humboldt. — April 1887. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Vulkane und Erdbeben. Am 8. Januar bildete ſich in Holan Göla, Bezirk von Feneke im Vilajet von Konia (Kleinaſien) unter donnerartigem Getöſe eine Boden⸗ ſenkung mit tiefen Einriſſen. Von den benachbarten Bergen erfolgten gleichzeitig Erd⸗ und Felsſtürze in die Thalebene. Während der nächſten ſechs Tage hielten dieſe Boden⸗ erſchütterungen an, ſo daß die Bewohner von Feneka und der nächſten Dörfer ſich auf das freie Feld flüchteten. Die Erderſchütterung hatte bis dahin ſieben Dörfer zerſtört. Ein Petroleumpulkan erſchreckte am 15. Januar die Einwohner der Stadt Baku. Ungefähr 16 km von der Stadt erhob ſich unter donnerartigem Toſen eine Feuerſäule von 110 m Höhe, erleuchtete das ganze Land umher und ver⸗ breitete ihre Hitze faſt über einen Kilometer in der Runde. Bei der völligen Windſtille ſtieg die Säule ſenkrecht empor und fiel dann in ſich ſelbſt wieder zurück, während die ausge⸗ worfene flüſſige Maſſe, die auf mehr als 200,000 ebm geſchätzt wird, das umliegende Land mit einer 2—4 m dicken Decke überzog; doch erreichte ſie glücklicherweiſe die Eiſen⸗ bahnſtation von Ponta nicht. Gewarnt wurde Baku vorher durch aufſteigende Naphthaſpringquellen, welche eine An⸗ zahl Gebäude überfluteten. Im ſüdlichen Teile des Staates Virginia und namentlich im Thale des Big Ugly, eines Nebenfluſſes des Guyandottefluſſes hatte man ſchon ſeit längerer Zeit lautes unterirdiſches Geräuſch vernommen und zwar ge⸗ wöhnlich zur Nachtzeit. Jetzt iſt die Urſache dieſes Ge⸗ räuſches bekannt geworden. Ende Januar wurde nämlich entdeckt, daß ſich an der Spitze eines bewaldeten Berges im Thal des Big Ugly ein Krater gebildet hat, aus welchem Dampf hervordringt und Steine ausgeworfen werden. Man glaubt, daß dieſer vulkaniſche Ausbruch mit den Erd⸗ ſtößen zuſammenhängt, von welchen die Südſtaaten in den letzten Monaten heimgeſucht worden ſind. In der Nacht vom 23. zum 24. Januar ward etn heftiges Erdbeben in Venedig beobachtet. In der Nacht vom 26. zum 27. Januar wurden in Aquila (in den Abruzzen) ſieben Erdſtöße, darunter drei ſtarke, verſpürt, infolge deren unzählige Perſonen trotz des Froſtwetters und des Schnees, ſowohl hier als in der Um⸗ gegend, im Freien übernachteten. Nur leichte Erder⸗ ſchütterungen folgten, und die Oscillationen des Seismo⸗ graphen beruhigten fich allmählich. In der Nacht vom 2. zum 3. Februar beunruhigten wiederum die Bewohner von Aquila und Umgegend drei Erdſtöße, von denen zwei wellenförmige Bewegungen hervorriefen und die Bewohner wieder ins Freie trieben. Auch in Rom wurden in derſelben Nacht drei Erdſtöße, wovon zwei mit ſtark wellenförmiger Bewegung, verſpürt. In den Kantonen Zürich und Luzern verſpürte man am 31. Januar nachts zwei heftige Erdſtöße. Et. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Februar 1887. Der Monat Februar iſt charakteriſiert durch ruhiges, ziemlich heiteres, trockenes und kaltes Wetter, mit vorwiegend öſtlichen Winden. Hervorzuheben ſind die ſtarken Schneefälle über Südeuropa am An⸗ fange der zweiten Dekade. In den erſten Tagen des Monats bis zum ſechſten lag der höchſte Luftdruck über Süd⸗ und Mitteleuropa, während im Nordweſten und Norden unſeres Erdteils tiefe Depreſ⸗ ſionen vorbeizogen, welche Wind und Wetter über Nord⸗ europa, teilweiſe auch über Mitteleuropa beherrſchten. Ein breiter, lebhafter, vielfach ſtürmiſcher oceaniſcher Luftſtrom ergoß ſich über das Nord- und Oſtſeegebiet und breitete ſich aus bis zum Nordfuße der Alpen. Sein Einfluß machte ſich geltend durch mildes trübes Wetter mit häufigen Regen⸗ fällen. Die Froſtgrenze, welche am 1. von Stettin nach Clermont und von hier aus oſtwärts über die Alpen nach den Nordufern des Schwarzen Meeres verlief, und ein Kältegebiet umſchloß, welches in Bayern eine Temperatur von unter —10° ©. aufwies, wurde auch oſtwärts zurück⸗ gedrängt. Schon am 2. war ganz Deutſchland, außer Bayern und dem größten Teile von Baden, froſtfrei, am 3. beſchränkte ſich der Froſt nur noch auf Finnland, Ruß⸗ land und Oeſterreich-Ungarn, am 4. war die Iſotherme von 5° am Morgen nach Weſtdeutſchland gerückt, wobei die Temperatur vielfach 8° über dem Normalwperte lag. Eine andere Situation bereitete ſich am 6. vor, als das barometriſche Maximum nach Nordweſteuropa ſich ver⸗ legte, und die barometriſchen Minima vom hohen Norden ſüdoſtwärts nach dem Innern Rußlands vordrangen. Aus den weiteren Umwandlungen des barometriſchen Maximums reſultierte eine breite Zone höchſten Luftdruckes, welche mit ſeltener Intenſität und Andauer in weſtöſtlicher Lage über Mitteleuropa bis etwa zum 17. ſich erhielt. Das gaximum des Luftdrucks lag beſtändig über 780 mm, ſogar am 13., als dasſelbe über Schottland lag, wo ſolch hohe Barometerſtände außerordentlich ſelten ſind. Die größte Höhe erreichte das Maximum am 10., als der Kern des⸗ ſelben mit einem Drucke von 785 mm von der oſtpreußi⸗ ſchen Küſte nach dem ſüdweſtlichen Rußland ſich erſtreckte. Der Druckverteilung entſprechend kamen öſtliche und nord⸗ öſtliche Winde wieder zur Herrſchaft, und bei vorwiegend heiterem Wetter breitete ſich der Froſt raſch weiter oſt⸗ wärts und ſüdwärts aus, ſo daß am 17. Norditalien und Weſtfrankreich in dem Froſtgebiete eingeſchloſſen waren. In der Nordhälfte Centraleuropas kamen nennenswerte Nieder⸗ ſchläge nicht vor, dagegen fanden im Süden ſehr reichliche Schneefälle ſtatt, woran ſich auch Süddeutſchland beteiligte. In Tirol, Steiermark, Kärnten und Krain fielen große Schneemaſſen; auch in Spanien kamen ſehr ergiebige Schneefälle mit nachfolgender erheblicher Abkühlung vor, die insbeſondere in den nördlichen Gebietsteilen zu Ver⸗ kehrsſtockungen führten; ſelbſt auf den Balearen fiel reichlich Schnee. In Madrid fiel am 11. morgens die Temperatur 8° C. unter den Gefrierpunkt. In Rom, wo bereits am 9. Schnee gefallen war, fielen am 11. ſolch große Schnee⸗ mengen, daß der Pferdebahnverkehr eingeſtellt werden mußte. Am 18. erſchien über dem norwegiſchen Meere eine ziemlich umfangreiche Depreſſion, welche raſch nordoſtwärts fortſchritt, die aber auf den Witterungszuſtand Central⸗ europas keinen merklichen Einfluß ausübte. Dieſelbe war gefolgt von einem Gebiete hohen Luftdrucks, welches ſich nach einigen Umwandlungen über Mittel⸗ und Südeuropa ausbreitete. Gleichzeitig drang ein Minimum, welches ſchon am 16. ſüdlich von Italien ſich zeigte, nordoſtwärts vor und entwickelte fic) am 19. über Südweſtrußland zu einer wohlausgebildeten und umfangreichen Depreſſion, in ihrer Umgebung überall Schneefälle verurſachend. Ins⸗ beſondere unter dem Einfluſſe dieſes Phänomens, wodurch öſtliche und nordöſtliche Winde begünſtigt wurden, ging die Temperatur in Oſt⸗ und Süddeutſchland und Galizien und Umgebung beträchtlich herab, und ſchob ſich die Froſtgrenze weit nach Süden bis faſt zur Mitte Italiens vor. Am 16. morgens lag die Temperatur in Oſtdeutſchland bis zu 12° unter dem Gefrierpunkte, Trieſt meldete — 4,50, Odeſſa — 129, Moskau — 20%; am 17. lag die Temperatur 15° C. unter dem Gefrierpunkte und 13° unter dem Nor⸗ malwerte, Trieſt meldete — 5,5, Leſina — 1,5“, Peſaro —0,5°, Krakau — 16,5, Lemberg — 15,5, Moskau — 18,5“, dagegen über ganz Norwegen bis weit über den Humboldt. — Polarkreis hinaus herrſchte Tauwetter, Bods (innerhalb des Polarkreiſes) hatte morgens am 16. 4,5“, am 17. + 2,5“. Mit der Entfernung des zuletzt beſprochenen Mini— mums im Oſten kamen die Depreſſionen im Nordweſten wieder zur Geltung, ihren Einfluß ſüdoſtwärts ausbreitend, wodurch die Froſtgrenze wieder oſtwärts zurückgedrängt wurde. Erhebliche Erwärmung für Frankreich, Deutſch— land und Oeſterreich erfolgte vom 19. auf den 20., wo | das Gebiet weſtlich und ſüdlich von Deutſchland froſtfrei wurde, am 22. war ganz Weſtdeutſchland, am 24. auch das übrige Deutſchland mit Ausnahme des Gebietes am Nordfuße der Alpen froſtfrei, am 26. lag an allen deut⸗ ſchen Stationen die Morgentemperatur erheblich über dem Normalwerte, in Breslau um 5°, in Königsberg um 7“, in Hamburg und München um 2° C. Während dieſes Zeit⸗ April 1887. 161 raumes kamen in Deutſchland Regen und Schneefälle ziem- lich häufig vor, allein erheblichere Mengen find nicht ge- fallen. Obgleich die Minima, welche im Nordweſten vor— beizogen, von ungewöhnlicher Tiefe waren, blieb das Wetter in Deutſchland im allgemeinen ruhig, nur an der weſt— deutſchen Küſte kamen ſtarke Winde vor. Am 27. lag ein barometriſches Maximum über 780 mm über dem nördlichen Deutſchland, welches ſich bis zum folgenden Tage ſüdoſtwärts nach dem Schwarzen Meere hin ausbreitete. Unter ſeinem Einfluß trat wieder öſtliche Luftſtrömung mit heiterem trockenem Wetter ein, und die Temperatur ſank in ganz Deutſchland und dem größten Teile von Frankreich wieder unter den Gefrierpunkt, ſo daß der Monat Februar mit Froſtwetter und Wärmemangel abſchloß. Hamburg. Dr. T. van Bebber. Natur kalender für den Monat April 1887. Säugetiere. Fortpflanzungszeit der Igel, Spitzmäuſe, Maulwürfe, Hamſter, Ratten und Mäuſe. Haſen rammeln zum zweiten Satze. Wurfzeit der Füchſe, Wildkatzen, Marder, Iltiſſe und Wieſel; Eichhörnchen bekommen Junge, Wild⸗ ſchweine ſetzen Friſchlinge, Haſen ſetzen oft erſt zum erſten⸗ mal, gegen Ende des Monats manchmal zum zweiten⸗ mal, je nach der Jahreswitterung. Schwächere Hirſche werfen (ihr Geweih) ab. Vögel. Die meiſten Standvögel ſind gepaart und haben Eier, einige ſogar ſchon Junge, wie die meiſten Rabenvögel gegen Ende des Monats. Die Feldhühner legen in der zweiten Hälfte des Monats. Paarung des Uhu, Balzzeit der Auer- und Birkhühner. Ankunft der meiſten Wanderer. In der erſten Hälfte des Monat (erſcheinen meiſt aus dem Süden: Turm- und Baumfalk sder erſtere häufig auch Strich-, ſelbſt Stand⸗ vogel); Wendehals, Kuckuck, ſchwarzrückiger Fliegenſchnepper (Museicapa atricapilla), gelbe Bachſtelze (Motacilla flava), Gartenrotſchwanz (Ruticilla phoenicurus), Klappergras⸗ mücke (Curruca garrula), Rauch- und Mehlſchwalbe, zuweilen einzelne Nachtigallen, Wiedehopf, große und kleine Bekaſſine. In der zweiten Hälfte zeigen ſich: Nachtigall, Blau⸗ kehlchen, Wachtel, kleiner und rotrückiger Würger (Lanius minor und collurio), grauer Fliegenſchnepper, braunkehliger Wieſenſchmätzer (Saxicola rubetra), Mönch (Curruca atricapilla), Teich- und Schilfſänger (Sylvia arundinacea und phragmitis), Laubſänger (Sylviafitis), Ortolan (Em- beriza hortulana), Uferſchwalbe (Hirundo riparia), kleiner Strandläufer (Actitis hypoleucos), große Pfuhlſchnepfe (Limosa melanura); gegen Schluß des Monats erſt Segler (Cypselus apus) und Turteltaube (Columba turtur). Soweit es nicht bereits geſchehen, ziehen noch nach ihrer nordiſchen Heimat zurück: Wein⸗ und Wachholder⸗ droſſel, Seidenſchwanz, Nebelkrähe, Nußhäher (Nucifraga caryocatactes), Waldſchnepfe, große und kleine Bekaſſine. Geſang aller angekommenen Sänger und der Ammern, Finken und Meiſen, Rufen des Kuckucks und Wiedehopfs, ſchließlich Girren der Turteltauben. Reptilien, Amphibien und Fife. Quaken der Waſſerfröſche, beſonders an warmen Abenden; Entwickelung des Froſchlaichs; Laichen der Waſſerſalamander, des Sanders (Lucioperca sandra), der Plötze (Cyprinus erythroph- thalmus), des Maifiſches (Clupea alosa), der Stichlinge. Eidechſen häuten ſich. Inſeſiten. Scharen von Inſekten kommen zum Vor- ſchein. Unter vielen anderen gewahren wir: 1) Käfer, z. B.: erzgrüne Haltica oleracea, Hister- und Aphodius-Arten an Wegen, in Blüten Meligethes. Ce- tonia aurata, Epicometis hirtella, Valgus hemipterus, an Knoſpen die ſchädlichen Rüſſelkäfer, wie Erlen- und Obſtſtecher (Cryptorhynchus lapathi und Apion po- monae), Crirhinus vorax, mehrere Borkenkäfer ſchwärmen, wie Bostrychus typographus, lineatus, Hylesinus pini- perda, Hylastes ater. Bei Ameiſen fist Hetaerius qua- Humboldt 1887. dratus. Sandflugkäfer (Cicindela) und Aprilkäfer (Rhizo- trogus aestivus) fliegen umher. Die erſten Maikäfer zeigen ſich. Oelkäfer, Meloe variegatus und hungarus graben Eierlöcher. Chrysomela menthae und göttingensis zieren die Kräuter, Lilienhähnchen (Lema merdigera), Lacon murinus und Carabus auratus ſind häufig, Tele- phorus fuscus in Begattung. 2) Weſpen und Bienen. Um Blumen fliegen Hummel⸗, Höhlenbienen-, Honigbienen- und Weſpenarten. Andrena cineraria gräbt Höhlen im Sandboden. Schlupf— und Wegweſpen ſuchen Raupen für ihre Brut, Kiefern— blattweſpen (Lophyrus pini) ſchwärmen. An Zäunen ſitzt die ſchöne Goldweſpe (Chrysis ignita). 3) Schmetterlinge. Außer den Ueberwinterern fliegen bei Tage Weißlinge, Aurorafalter (Anthocharis cardamines), Nachtpfauenauge, Tauſpinner, Kirſchwoll— ſpinner (Bombyx lanestris), die Hesperia malvae, Ly- caena argiolus, von Spannern beſonders Atomaria, Clathrata und Glarearia. Man findet Scheckfalterraupen, Kiefernſpanner, Acronycta rumicis ꝛc. Kiefernſpinner⸗ raupen, Ringelſpinner und Goldafteraugen werden ſchädlich an Bäumen, wo die Froſtſpannerraupe eben ihre Hauptarbeit vollendet (Knoſpenfraß). Aus dem übrigen Inſektenheere nennen wir nur die Kriebelmückchen, Märzfliegen (Bibio marci), Blaſenfüße (Thrips), Blattlausflorfliegen, Dorn- heuſchrecken und Grillenlarven, welche ſich jetzt häufig zeigen. DWflanjen. Es kommen in Blüte: 1) Bäume. Pfirſich, Aprikoſe, Pflaume, Birne, Apfel, Walnuß, Prunus Padus, Spitzahorn, Roßkaſtanie, Magnolie, ſchließlich die Kiefer. Die meiſten Laubholz⸗ bäume werden gegen Ende des Monats grün. 2) Sträucher. Stachel- und Johannisbeere, Schnee— beere, Heckenkirſche (Lonicera Xylosteum), wolliger Schnee— ball (Viburnum lantana), Glycinia, Crataegus mono- gyna, Syringa vulgaris, Goldregen (Cytisus Laburnum), Wachholder (Juniperus). 3) Kräuter. Schlüſſelblumen, Bienenſaugarten, Reiher⸗ ſchnabel, Hirtentäſchel, Adonis vernalis, Wieſenſchaum⸗ kraut, Steinbrech (Saxifraga granulata), Frühlingsfinger⸗ kraut (Potentilla verna, alba), Steinkreſſe (Alyssum montanum), Vogelmilch (Ornithogalum), Knoblauchs⸗ hederich, Hahnenfuß (Ranunculus acris und bulbosus), Erdrauch, Steinſame, Schöllkraut, Wolfsmilch (Euphorbia esula, gerardiana), Holosteum umbellatum, Sherardia arvensis, Günſel (Ajuga reptans, genevensis), Gundel⸗ rebe (Glechoma hederacea), Erdbeeren, Heidelbeeren, Anthyllis vulneraria, Orchis morio und mascula, Salvia pratensis gegen Ende, ebenſo Genista pilosa, Conval- laria polygonatum, Asperula odorata, Lathyrus vernus und tuberosus, Arum maculatum, in Gärten blühen Hyazinthen, die Kaiſerkrone (Fritillaria imperialis), Die- lytra spectablis und Crocus-Arten, ſowie Narziſſen. Mainz. W. v. Reichenau. 21 162 2 Merkur bleibt zwar den ganzen Monat als Morgenſtern Humboldt. — April 1887. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im April 1887. (Mittlere Berliner Zeit.) 740 U Cephei 10h 13™ F. d.) BAC 2781 11 23" l. h. 5 6 ½ 1133 U Ophiuchi 626 U Cephei 10°59" l. l. 9 6 9 47™ N III E Sh 45m F. h. j 8“ Libra gb 32m A. d. 6 14" 23" 0 II E 623 U Cephei 10h 20™ J. 19 40 Virginis gh 19 11 54 5 6 1 740 U Coron 8 49 NJ 1 E 13h 45 Q III E 620 U Cephei 9.2 Algol 1326 U Ophiuchi 927 U Ophiuchi 949 6 Libra 8h 49m 9) IT A 7h 5 1m 10% 3m 0 A @1 1484 U Ophiuchi 1085 U Ophiuchi gh 53m . d. 0 48 Lauri 10h 29™ g. h. 6 h m Bee wi 985 6 Libre 1082 S Caneri gh 45™ 11 585% A 0 9b 12m A IA h m 0, ae A e n 1572 U Ophiuchi 11> 47" 9} II E 12h 97" A I E 983 U Corone 11°52", I.) 48 Virginis 12h 55m A. J. 6 1251 U Ophiuchi 1150 S Caneri 145 gm f. a 29 Ophiuchi 15h 12 fl. fl. 6 14 20 9) I E 1023 6 Libre 920 U Ophiuchi 16" 59" Q II E 1728 U Cephei 10 55. en 46 01 13" 22m 15" 350 12" 50 A TA 1555 U Coronae 14" 26™ ia on LOU 15h 167 17 20 (A 01 11" 25" 9) II A 1133 U Ophiuchi 10 29" E. d.) öl Cane 11 20 A h. J 6 ½ 1088 6 Librae 1680 U Ophiuchi 14 Hm p. I. ö 94 Vire. 15515 fl 0 6 16" 59 19> 19 201 167 U Ophiuchi 1289 U Ophiuchi gde 178 SAS 5 ½ 16 14% Q I E 1785 U Cephei 14 44 9, TA 13 10m 10 3 Cancri 13 59m A.. G 6 13320 m H. d. 70“ Cancri 1355 2m fl. l. G 6 1522 U Ophiuchi 1721 U Cephei 1382 U Coronæ 5 We) oo ~] for) or H OO ine} = na iw) weit von der Sonne entfernt, verſchwindet aber dem bloßen Auge wegen ſeiner ſüdlicheren Deklination doch bald nach ſeinem Aufgang in der hellen Morgen⸗ dämmerung. Seine größte weſtliche Ausweichung erreicht er am 18. des Monats. Venus, ſchon in der hellen Abenddämmerung ſichtbar, durcheilt das Sternbild des Stiers und geht zu Anfang um 9, zuletzt um 1044 Uhr abends unter. Mars kommt am 24. in Konjunktion mit der Sonne und iſt daher unſichtbar. Jupiter im Stern⸗ bild der Jungfrau iſt faſt die ganze Nacht über dem Horizont, indem er anfangs bald nach 8 Uhr, zuletzt ſchon bald nach 6 Uhr abends aufgeht und erſt in der Morgendämmerung untergeht. Am 21. kommt er in Oppoſition mit der Sonne. Die Verfinſterungen ſeiner Trabanten laſſen ſich nicht ſicher beobachten, weil die Eintritte in den Schatten (A I E, A II E) des Hauptkörpers und die Austritte (A I A, A II A) dicht an der hellen Scheibe ſtattfinden. Saturn kommt am 5. in Quadratur mit der Sonne; er geht anfangs um 2¼ Uhr morgens und zuletzt eine halbe Stunde nach Mitternacht unter. Am 25. wandert er um einen Drittel⸗Monddurchmeſſer nördlich an 6 Geminorum vorbei. Uranus im Sternbild der Jungfrau war am 31. März in Oppoſition mit der Sonne und tft alſo die ganze Nacht über dem Horizont. Er it ſüdlich von 7 Virginis in klarer Nacht dem freien Auge ſichtbar. Neptun nahe bei der Sonne iſt unſichtbar. Dr. E. Hartwig. Humboldt. — April 1887. 163 Der Aſtronom Otto Struve beging am 20. Februar ſein 25jähriges Jubiläum als Direktor der Nikolai-Cen— tralſternwarte zu Pulkowa bei St. Petersburg. Der bekannte Botaniker und Ingenieur J. F. Freyn in Prag iſt zum Fürſtl. Colloredo-Mansfeldſchen Baurat ernannt worden. Dr. Alex. Zahlbruckner iſt die Stelle eines wiſſen— ſchaftlichen Hilfsarbeiters an der botaniſchen Abteilung des k. k. naturhiſtoriſchen Hofmuſeums in Wien übertragen worden. Dr. T. A. Baldini iſt zum Aſſiſtenten und Dr. Achille Terraciano zum Konſervator des botaniſchen Inſtituts zu Rom ernannt worden. Profeſſor Dr. Eduard Schönfeld, Direktor der Sternwarte in Bonn und Profeſſor Dr. Krüger, Direktor der Sternwarte in Kiel wurden von der Kgl. Akademie der Wiſſenſchaften zu korreſpondierenden Mitgliedern der phyſikaliſch⸗-mathematiſchen Klaſſe ernannt. Auf den Vorſchlag Paſteurs hat die Société d’en- couragement pour J'industrie nationale de Paris dem Vorſtande des phyſiologiſchen Laboratoriums zu Karlsberg, Dr. phil. E. Chr. Hanſen in Kopenhagen, ihre goldene Medaille überreicht als Anerkennung für die durch ſeine wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen über die Alkoholgärungs— pilze gewonnenen bedeutenden praktiſchen Reſultate. Ludwig Fekete, Profeſſor und Forſtrat in Selmecz— banya erhielt für die Löſung der Preisaufgabe „Die Eiche und ihre Kultur“ die von der ungariſchen forſtwiſſen— ſchaftlichen Geſellſchaft ausgeſetzten 100 Dukaten. Dr. Harnack, Profeſſor der phyſiologiſchen Chemie und Pharmakologie in Halle, erhielt die diesjährige Prämie der Robert Heimburgerſchen Stiftung für wiſſenſchaftliche Werke vom Senat der Univerſität Dorpat für fein Lehr⸗ buch der Arzneimittellehre und Arzneiverordungslehre. Totenliſte. Youmans, E. L., Profeſſor, der Gründer der „Inter⸗ nationalen wiſſenſchaftlichen Bibliothek“ ſtarb 19. Jan. zu Mount Vernon bei New York. van der Sande Lacoſte, Cornelis Marinus, als Bryologe bekannt, ſtarb 15. Januar zu Amſterdam im 72. Lebensjahre. Hornscraft Waters, W., Pſyſiologe, Schüler Ludwigs, ſtarb 21. Januar in London. Tenore, Vincenzo, Botaniker, Profeſſor in Neapel. Pebal, Leopold von, Profeſſor der Chemie an der Uni— verſität Graz, geb. 29. September 1826, wurde daſelbſt am 17. Februar ermordet. Eichler, Auguſt Wilhelm, Profeſſor der Botanik und Direktor des Botaniſchen Gartens in Berlin, ſtarb 2. März in Berlin. Er war geboren 22. April 1839 zu Neukirchen in Kurheſſen, war 1861 Aſſiſtent von Martius, ging 1871 als Profeſſor der Botanik nach Graz, 1873 nach Kiel und 1878 nach Berlin. Ihn beſchäftigte vorzugsweiſe die Entwickelung der Blüte, die er für die morphologiſche Deutung ihrer einzelnen Organe und für die Erkenntnis der ſyſtematiſchen Verwandtſchaft der Pflanzenfamilien und Gattungen in eigenartiger Weiſe zu verwerten verſtand. Hauptwerk: Blütendiagramme (1875 — 1878, 2 Teile), auch ſetzte er die Flora brasiliensis von Martius fort. Litterariſche Rundſch au. E. Huth, Societatum litterae, Verzeichnis der in den Publikationen der Akademien und Vereine aller Länder erſcheinenden Einzelarbeiten auf dem Gebiete der Naturwiſſenſchaften. Berlin, Fried⸗ länder. Preis jährlich 2,50 / Zu dem erklärenden Titel haben wir nur wenige Worte hinzuzufügen; es ſollen aus den zahlreichen Vereins- zeitſchriften die Titel der die Naturwiſſenſchaften berück⸗ ſichtigenden Arbeiten, d. h. aus Aſtronomie, Meteorologie, Phyſik, Chemie, Zoologie, Anthropologie, Mineralogie, Geologie, Paläontologie und Hygiene, in dieſer neuen Zeitſchrift mitgeteilt werden. Es hieße, Eulen nach Athen tragen, wenn man die Notwendigkeit einer der— artigen Vereinigung der ſo ungemein zerſtreuten Litte— ratur noch begründen wollte. Die Anordnung des Stoffes iſt eine ganz praktiſche und überſichtliche; durch die not⸗ wendigen Abkürzungen wird das Auffinden der Citate durchaus nicht beeinträchtigt, da der volle Titel der betr. Zeit⸗ ſchrift auf der erſten Seite angegeben iſt. Einige wünſchens— werte Veränderungen werden ſich wohl im Laufe der Zeit ſelbſt ergeben. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. Neumayer, Die Saboraforien der Elektrotechnik und deren neuere Hilfsapparate. Ein Handbuch für Elektriker, Mechaniker, Telegrapheningenieure, Lehrer und Studierende der Phyſik. Mit 52 Ab⸗ bildungen. Wien, Hartleben. 1887. Preis 3 M In der vorliegenden Schrift, dem 33. Band der elek⸗ trotechniſchen Bibliothek, hat ſich der Verfaſſer die Aufgabe geſtellt, die Laboratorien des Elektrotechnikers in eindring⸗ licher Weiſe zu charakteriſieren und anzugeben, welcher Mittel der Elektrotechniker bedarf, um die ihm zukommen⸗ den Probleme mit Erfolg löſen zu können. Der Verfaſſer gibt eine ziemlich ausführliche Beſprechung der wichtigen elektrotechniſchen Inſtrumente; er betrachtet die Neben⸗ apparate, deren der Elektrotechniker nicht entraten kann, und macht ſchließlich allgemeine Bemerkungen über die Laboratorien, worauf er im ſpeciellen zeigt, wie be⸗ ſchaffen die Laboratorien ſein müſſen, wenn ſie gewiſſen Zwecken (zur Beobachtung z. B. der magnetiſchen Erdkräfte und der Clektricitätsverhältniſſe der Atmoſphäre) dienen ſollen. Das Kapitel „Laboratorium“ ift meiſterhaft aus⸗ gearbeitet und zeigt, daß der Verfaſſer die Bedürfniſſe der Elektrotechniker in richtiger Weiſe zu ſchätzen weiß. Be⸗ ſonderes Intereſſe dürften die Bemerkungen über Telephon⸗ ſtudien erregen, welche in neueſter Zeit ſo eifrig gepflegt werden; die gemachten Vorſchläge verdienen volle Beachtung. Im ganzen Buche iſt das Beſtreben des Verfaſſers erkennt⸗ lich, den Leſer mit den neueſten Apparaten und Me⸗ thoden vertraut zu machen. Der Text wurde durch einige gelungene Holzſchnitte unterſtützt. Daß der Verfaſſer nur ſolche Inſtrumente beſchrieben hat, welche in der Praxis ſich bewährt haben, wird nur gebilligt werden, ebenſo der Umſtand, daß er an den einzelnen Apparaten inſofern Kritik ausübte, als er deren Vollkommenheiten wie deren Mängel betont. Das vorliegende Buch können wir zur Lektüre beſtens empfehlen; es gibt einen klaren Einblick in das Gebiet der elektriſchen Meßinſtrumente und wird wegen der originellen, in demſelben enthaltenen Bemer⸗ kungen anregend wirken. Wien. Prof. Dr. J. G5. Wallentin. 164 Humboldt. — April 1887. G. Vizzighelli, Handbuch der Photographie für Amateure und Touriſten, 2. Band Die ſpecielle Anwendung der Photographie für Amateure und Touriſten. Mit 158 Holzſchnitten. Halle, Knapp. 1887. Preis 7 HH Im vergangenen Jahre wurde der erſte Band des vorliegenden Werkes beſprochen und die Reichhaltigkeit ſeines Inhaltes beſonders betont. Der nunmehr vorliegende zweite Band ſteht dem erſten würdig zur Seite. Er ent⸗ hält Belehrungen über photographiſche Aufnahmen von Architekturen, von phyſiologiſchen Erſcheinungen an Men⸗ ſchen und Tieren, von Gemälden, Handſchriften, Waffen und Geräten; das Buch gibt Auskunft über die Thätigkeit des Photographen bei Forſchungsreiſen, bei botaniſchen und geologiſchen Aufnahmen, bei mikroſkopiſchen Studien, in der Aſtronomie und Meteorologie, ſowie endlich in der Photogrammetrie; gewiß ein ſehr reichhaltiges Programm, nur ſchade, daß die meiſten dieſer Kapitel keine Original⸗ arbeiten des Verfaſſers ſind. Die Werke bekannter Autoren, wie David, Skolik, Eder, Fritſch, Schnauß, Stein, Stolze, Vogel und vieler anderer, ſowie eine große Zahl von Aus⸗ zügen aus Zeitſchriften und Monographien ſind hier recht geſchickt zu einem Buche vereint, ohne daß aber der Autor, mit wenigen Ausnahmen, ſeine Excerpte, die bis zu ſiebzig zuſammengehörigen Seiten bei einigen Autoren betragen, mit Anführungszeichen verſehen hätte; nur manchmal ent⸗ deckt man eine verſchämte Citatangabe unter dem An⸗ merkungsſtriche. Die auf ſolche Weiſe entſtandene Moſaik⸗ arbeit der glänzendſten Stellen aus den Werken oben ge⸗ nannter Autoren iſt denn eine äußerſt nette und hübſche geworden. Die große Zahl von Abbildungen, durchweg ebenfalls herſtammend aus den Werken oben genannter Schriftſteller, gereicht dem Buche zur Zierde. Die Auf⸗ fälligkeit der erwähnten Thatſachen veranlaßte den Referenten, auch den erſten Band auf ſeinen Stammbaum zu prüfen, und ſiehe da, auch hier fand ſich neben einiger Original⸗ arbeit recht vieles auf fremdem Felde Gewachſene. Das günſtige Urteil, welches über den erſten Band abgegeben worden iſt, gebührt demnach wohl dem Inhalte, nicht aber dem Schreiber des Buches. Auch der Inhalt des zweiten Bandes und ſein ſchönes Gewand verdienen alle Aner⸗ kennung, jedoch nur zu Gunſten jener Männer, mit deren ſchönſten Federn Herr Pizzighelli ſich fo kunſtvoll ge- ſchmückt hat. Frankfurt a. M. Hofrat Dr. Stein. Nudolf Jalb, Das Wetter und der Mond. Eine meteorologiſche Studie. Wien, Hartleben. Preis 1,50 %H Schon von alters her haben ſich allenthalben und ununterbrochen Beſtrebungen geltend gemacht, Beziehungen zwiſchen Mond und Wetter aufzufinden, allein man ge⸗ langte zu Reſultaten, die zum Teil unter ſich widerſprechend, teilweiſe für die Praxis unverwertbar waren. Trotzdem wird auf dieſem Gebiete zu unſerer Zeit noch luſtig fort⸗ gearbeitet und werden von Fanatikern und Heißſpornen kühne Hypotheſen aufgeſtellt und hieran ebenſo kühne Prophezeiungen geknüpft, welche an den Vorurteilen und der Vertrauensſeligkeit des Publikums vielfach eine Stütze finden. Einer dieſer Heißſporne iſt Falb, welcher bereits, insbeſondere in ſeinen Wetterbriefen und in der gegen⸗ wärtigen Schrift den Mondeinfluß zu verteidigen ſucht, wobei er nicht unterlaſſen kann, in allerhand pikanten Redensarten gegen die Zunftmeteorologen loszuziehen. Nach Falb wird die atmoſphäriſche Hochflut des Mondes ein Maximum, wenn die drei Flutfaktoren, zuſammenfallen: Syzygium, Erdnähe und Aequatorſtand; alsdann können wir eine Häufung der barometriſchen Minima, Wirbel⸗ ſtürme, Schneeſtürme mit Gewittern, große Niederſchläge, überhaupt das denkbar ſchlechteſte Wetter erwarten. Als Material zur Beweisführung benutzt Falb die Angaben in der Heisſchen Wochenſchrift 1852/55, 1859/70 und ſeine eigenen Notizen für 1874/75, wobei die Wirkungen der atmoſphäriſchen Hochflut durch Einzelbeiſpiele belegt ſind, fo daß fic) in irgend einem Teile Europas Stürme, Ge⸗ witter, außerordentliche Niederſchläge 2c. vollzogen. Aus 44 Fällen von Wintergewittern, wovon 19 auf die Pentade des Syzygiums, 12 auf diejenige der Quadraturen und die übrigen 13 auf die zwiſchen beiden Pentaden entfallen, zieht Falb den Schluß, daß der Mondeinfluß „außer jedem Zweifel“ liegt. Die übrigen angeführten Belege ſind Einzelfälle. Die von Falb und vielen anderen ſo beliebte Methode, durch Einzelfälle die Richtigkeit einer Hypotheſe zu prüfen, iſt im allgemeinen zu verwerfen, ſie hat, wie die Geſchichte der Meteorologie zeigt (insbeſondere in Deutſchland) zu ſehr bedauerlichen Verirrungen geführt. Anzuerkennen iſt, daß Falb ſeine Anſichten darüber aus⸗ ſpricht, wie ſich die atmoſphäriſchen Hochfluten erklären laſſen, obgleich dieſe uns keineswegs überzeugen können. Hamburg. Dr. J. van Bebber. K. Gräff, Veränderungen des Klimas und der Bodenkultur am badiſchen Oberrhein. Karls⸗ ruhe, Macklot. 1886. Auf Grund einer Reihe von Unterſuchungen über die Veränderungen des Klimas in Bezug auf Weinbau, Regen⸗ mengen, Hagelſchäden, Blitzſchläge, Bodenkultur und Be⸗ völkerung gelangt der Verfaſſer zu dem Reſultate, daß der größte Uebelſtand in dem Feuchtigkeitsübermaße liege und daß durch eine noch ſtärkere Vermehrung der Waldungen eine weitere Verſchlimmerung der klimatiſchen Verhältniſſe und der landwirtſchaftlichen Ertragsfähigkeit (für Baden) herbeigeführt werde. Hamburg. Dr. J. van Bebber. . Doberck, The law of storms in the eastern Seas. Honckong, Pedders Hill. 1886. Preis 50 Cents. Der Verfaſſer beſpricht in ſachgemäßer Weiſe das Ver⸗ halten der Teifune in den oſtaſiatiſchen Gewäſſern und knüpft daran einige Regeln zum Manöverieren der Schiffe bei dieſen ſo ſehr gefürchteten Wirbelſtürmen. Ihr Heran⸗ nahen wird ſignaliſiert durch das Auftreten von Cirrus⸗ wolken, deren Richtung nach Nord zurückdreht, durch klares, trockenes und warmes Wetter bei ſteigendem Barometer, Erſcheinungen, die teilweiſe auch für unſere Eyklonen paſſen. Bis etwa 800 Seemeilen vom Centrum iſt der Himmel halb bedeckt mit Cumuluswolken, durch welche ge⸗ wöhnlich Cirrusgewölk ſichtbar ijt; an der Süd- und Südweſt⸗ ſeite kommen in der Regel Gewitter vor. Weiter nach dem Innern hin nimmt die Bewölkung und der Dampfgehalt der Luft zu, die Temperatur und das Barometer ſinken, und die Windſtärke wächſt nach und nach zum Maximum an, während heftige Regengüſſe niedergehen. 2— 15 Seemeilen vom Centrum herrſchen bei aufklarendem Wetter Wind⸗ ſtillen oder ſchwache variable Winde, aber die haushoch dahinrollende See macht dieſes windſtille Centrum für den Schiffer unheimlich und gefährlich. Weitaus die meiſten Teifune entſtehen öſtlich oder ſüdöſtlich von den Philippinen, wenden dann meiſt nordweſtwärts nach der chineſiſchen Küſte, um dann nordoſtwärts nach den ja⸗ paniſchen Inſeln fortzuſchreiten, ſo daß ihre Bahn einer Parabel ähnlich iſt. Durchſchnittlich kommen im Jahre 15 Teifune vor, von welchen indeſſen auf den Auguſt etwa der fünfte, auf den September der vierte und den Oktober der ſechfte Teil entfallen, während dieſelben in den Winter⸗ monaten ſelten ſind. Schließlich beſpricht der Verfaſſer noch die Sturmwarnungen, welche ſpeciell zum Schutze gegen die Teifune für die japaniſchen Inſeln eingerichtet wurden. Hamburg. Dr. 3. van Bebber. J. Teunis, Synopfis der Pflanzenkunde. Dritte umgearbeitete Auflage von Dr. A. B. Frank. Band 3. Kryptogamen. Mit 176 Holzſchnitten. Hannover, Hahn. 1886. Preis 10 %¼ Die Synopſis der drei Naturreiche von Johannes Leunis hat ſich ſeit Jahrzehnten als ein für jeden Natur⸗ ie Humboldt. — April 1887. 165 befliſſenen faſt unentbehrliches Hand- und Nachſchlagebuch bewährt. Es liegt auf der Hand, daß nach dem Tode des Verfaſſers das ganze Werk, von der Synopſis der Pflanzen— kunde aber beſonders der dritte, die Kryptogamen um- faſſende Teil, einer neuen Bearbeitung bedurfte, und ſo hat ſchon bei der zweiten Auflage A. B. Frank die Krypto— gamen einer gründlichen Umarbeitung unterzogen. Daß ſchon nach neun Jahren eine abermalige Bearbeitung nötig wurde, und zwar des ganzen Werkes, ſpricht allein ſchon für den von Frank aufgewendeten Fleiß. Eine zweckmäßige Neuerung iſt es, daß die allgemeine Einleitung in die Kryptogamenkunde von der Syſtematik getrennt und in den erſten Band verwieſen worden iſt. Im übrigen iſt die Anordnung des Stoffes im weſentlichen dieſelbe ge— blieben. Manche Abſchnitte ſind überhaupt unverändert, während andere eine weſentliche Erweiterung und Um— geſtaltung erfahren haben. Das iſt z. B. der Fall bei den Schizomyceten. Während ihnen in der zweiten Auflage & Seiten gewidmet wurden, verbreiten fie fic) in der dritten Auflage, ihrer großen Bedeutung und den raſchen Fort— ſchritten auf dieſem ſkrupulöſen Gebiete entſprechend, über 19 Seiten. Dagegen ſind die Schleimpilze etwas kurz weggekommen. Ueberhaupt iſt es bedauerlich, daß es dem Verfaſſer infolge des ihm zugemeſſenen Raumes nicht ver- gönnt war, alle Arten der deutſchen Flora aufzuführen. Man iſt in dieſer Beziehung recht in Verlegenheit, weil aus neuerer Zeit ein vollſtändiges Handbuch nicht vorliegt, mit Ausnahme von Rabenhorſts Kryptogamenflora, deren Vollendung wohl noch geraume Zeit beanſpruchen wird. So iſt der Leunis zur Orientierung um ſo unentbehrlicher. Stuttgart. Prof. Dr. Hallier. V. Sydow und C. Mylius, Votanikerkalender 1887. In zwei Teilen. Berlin, Springer. 1887. Preis 3 , Der Botanikerkalender erſcheint im zweiten Jahr in verbeſſerter Form. Zu den Verbeſſerungen rechnen wir, daß die Namen der Tage im Kalendarium hinzugefügt ſind. Die Einrichtung iſt im weſentlichen dieſelbe geblieben. Hinzugefügt find im erſten Teil die Regeln der Nomen- klatur, Autorenabkürzungen, Zeichen und Abkürzungen; kryptogamiſche Exſikkatenwerke, Schema für phänologiſche Beobachtungen, Schlüſſel für Potentilla. Der zweite Teil enthält ausführliche Angaben über Botaniker und botaniſche Einrichtungen. Von Fehlern ſind die Perſonalangaben nicht frei, darunter manche aus dem erſten Jahre ganz herübergenommen. Für den nächſten Jahrgang empfehlen wir den Herrn Verfaſſern einen möglichſt genauen Vergleich mit dem Autorenverzeichnis in der Synopſis von Leunis Bd. III, 1886. So z. B. iſt Bartling doch wohl in Göt⸗ tingen geſtorben, nicht in Hannover. Bei Batſch, Beſſer, Bridel, Hornemann, Sibthorp, Sowerby, Soyer-Willemet u. a. weicht der Kalender von Leunis ab. Schlechtendal ſchrieb ſich in Briefen an den Referenten: Diederich Franz Leon- hard. Einer ganz beſonders ſorgfältigen Durchſicht bedarf das Botanikerverzeichnis. Möge übrigens das nützliche Taſchenbuch in aller Händen ſein. Stuttgart. Prof. Dr. Hallier. Ludwig Neumann, Orometrie des Schwarz- waldes. Mit neun Abbildungen im Text, einer Tafel und einer Karte. Zweites Heft der geo- graphiſchen Abhandlungen, herausgegeben von Prof. A. Penck in Wien. Wien, Hölzel. 1887. Geographiſche Abhandlungen! Wieder ein neues iiber- flüſſiges Unternehmen eines jungen Profeſſors, der gern ſein eigenes Organ haben möchte, wird mancher Leſer denken, wenn er den Proſpekt in die Hand nimmt und ſich der immer ſteigenden Zahl von wiſſenſchaftlichen Zeit⸗ ſchriften erinnert, die ſelbſt für gutſituierte Bibliotheken kaum noch erſchwinglich find. Aber er iſt diesmal im Un⸗ recht. Es handelt ſich hier nicht um eine neue Zeitſchrift, welche den älteren Konkurrenz machen ſoll, ja eigentlich überhaupt nicht um etwas neues; der Herausgeber will nur den wiſſenſchaftlichen geographiſchen kleineren Eſſays, wie ſie neuerdings immer zahlreicher erſcheinen, eine ge— ſicherte Unterkunft ſchaffen, welche nicht nur ihre Heraus— gabe überhaupt ermöglicht, ſondern ſie auch davor behütet, in dem Wuſt der alljährlich erſcheinenden Broſchürenlitte— ratur oder in irgend einer wenig geleſenen Zeitſchrift un— beachtet zu verſchwinden. Für die ſpecielle Heimatforſchung iſt zwar dem Bedüfnis durch die Herausgabe der Forſchungen zur deutſchen Landes- und Volkskunde Genüge geleiſtet, und es wäre zu bedauern, wenn dieſen dahin gehörige Arbeiten ent⸗ zogen würden, oder die Abhandlungen gar zu einer Art öſter— reichiſchen Konkurrenzunternehmens fic) herausbilden ſollten; aber für alle außerdeutſchen Gebiete beſteht der Notſtand fort, und für dieſe begrüßen wir Pencks Unternehmen mit großer Freude. Das vorliegende zweite Heft (eine Analyſe des erſten von Ed. Brückner in Hamburg, wird der „Humboldt“ an anderer Stelle bringen) ergänzt gewiſſermaßen die früher beſprochene ſchöne Arbeit von Lepſius über die oberrheiniſche Tiefebene und ihre Randgebirge (in Forſchungen, Bd. 1. Heft 2). Der ganze Schwarzwald wird in vier Teile zer⸗ legt, einen ſüdlichen, mittleren, nördlichen und öſtlichen; die Grenze des mittleren Schwarzwaldes nach Süden bilden Dreiſam und Wutach, nach Norden die Kinzig; den öſt— lichen Schwarzwald begrenzen nach Weſten hin Murg, obere Kinzig, Schiltach und Brigach. Von beſonderem Intereſſe ſind die Feſtſtellungen der Hauptkämme, die auf einer Karte verzeichnet ſind; der Laie wird ſich wundern, daß das Gebirge keinen zuſammenhängenden Hauptkamm bildet; es gilt das nur für die nördliche Abteilung, die ſüdliche und die mittlere haben je drei Hauptkämme, die öſtliche hat überhaupt keinen Hauptkamm; ſie wird durch die Enz in die nördliche Hohlohgruppe und das Neckar-Enz-Plateau geſchieden. Bezüglich der Einzelheiten müſſen wir unſere Leſer auf die Arbeit ſelbſt verweiſen. Die Durchſchnitts⸗ höhe des ausgeebneten Schwarzwaldes wird auf 632 bis 633 m berechnet. Schwanheim a. M. Dr. W. Kobelt. Centralblatt für Bakteriologie und Paraſiten⸗ kunde, in Verbindung mit Geh. Hofrat Prof. Dr. R. Leuckart und Stabsarzt Dr. Löffler heraus- gegeben von Dr. O. Uhlworm in Kaſſel. Jena, Fiſcher. Jährlich 2 Bände à 26 Nummern. Preis pro Band 14 W. Es iſt ſehr wenige Jahre her, daß man von einer Bakterio⸗ logie reden kann; in welcher Weiſe jedoch dieſer Wiſſenszweig dank den Bemühungen ſo zahlreicher Autoritäten gewachſen iſt, lehrt ein Blick in das ſeit dem 1. Januar erſcheinende Centralblatt, deſſen größerer Teil von Originalnotizen und Referaten über bakteriologiſche Forſchungen gefüllt iſt, ſo— wie ferner das jeder Nummer beigefügte Litteraturverzeich— nis, welches ſtets mehrere Seiten umfaßt. Jeder, der ſich auch nur über die Fortſchritte in dieſer Richtung, deren Bedeutung zum Teil noch gar nicht abzuſehen iſt, orientieren will, findet hier alles zuſammengeſtellt und überſichtlich geordnet, während dem Forſcher dieſe Zeitſchrift ein un- entbehrliches Hilfsmittel ijt. Ob die Vereinigung der Para- ſitenkunde mit der Bakteriologie in dem Umfange, wie erſtere berückſichtigt werden ſoll, eine glückliche iſt, wird die Zukunft lehren, denn das in erſter Linie für Bakterio— logie beteiligte Publikum wird ſich wohl nur für einen Teil der Paraſitenkunde intereſſieren, nämlich ſoweit dieſe den Menſchen mehr oder weniger direkt betrifft (alſo Haus: tiere und Nutzpflanzen mitgerechnet), dagegen für die Para- ſiten der meiſten Tiere und Pflanzen weniger Intereſſe zeigen. BAe Roſtock. Prof. Ur. M. Braun. 166 Humboldt. — April 1887. Bibliographie. Bericht vom Monat Februar 1887. Allgemeines. Jauſen, K., 10 Leitfaden der Phyſik u. Chemie. etber, M. 3 Lübſtorf, W., u. Peters, J., Leitfaden f. den Unterricht in der Mine⸗ ralogie, Botanik, Topologie u. Zoologie. 4. Kurſ. Parchim, Wehdemann. M. 1. 5 Freiburg, Vhyfik. Groſſe, W., Die gebräuchlichen Polariſationsprismen m. beſond. Berück⸗ ſicht. iter Anwendung in Photometern. Clausthal, Groſſe. M. 1. 60. Poinſot, L., Elemente der Statik. 1 deutſche Ausg. v. H. Ser⸗ vus. Berlin, Springer. M. Wild, H., Der 70 5 Bifilar⸗ Theodolith. St. Petersburg. Leip⸗ zig, Voß. M. 1. Chemie. Ladenburg, A., Vorträge über die Entwickelungsgeſchichte der Chemie in den letzten 100 Jahren. 2. Aufl. Braunſchweig, Vieweg. M. 6. Boley 152 . 2 5 der theoretiſchen Chemie f. Sludirende. Aachen, ar Aſtronomie. ee O., Comet Encke 1865—1885. St. Petersburg. Leipzig, Voß. Loot, F. 5. Die Himmelskunde in ihrer geſchichtlichen Entwickelung u. Söhne 1 gegenwärtigen Standpunkte. Langenſalza, Beyer & Söhne mies Mineralogie, Geologie, Geognoſte, Valäontologie. Goldſchmidt, V., Kryſtallographiſche Projectionsbilder. 19. af. nebſt 2 Beilagen. Mit Text. Berlin, Springer. M. 60. Kokſcharow, N. v., Die etwas näheren Beſtimmungen der Wa luewit⸗ Krystalle v. der Grube Nikolaje-Maximilianowſk. St. Petersburg. Leipzig, Voß. M. —. 70. Landolt, E., Die Bäche, Schneelawinen u. Steinſchläge u. die Mittel zur Verminderung der Schädigung durch dieſelben. Zürich, Orell Füßli & Co. M. 4 Riemann, C., Taſchenbuch f. Mineralogen. Berlin, Springer. M. 7. Wollemann, A., Zur Kenntniß der Erzlagerſtätte v. Badenweiler u. ihren Nebengeſteinen. Würzburg, Stahel. M. 1. Botanik. Höhnel, F. Ritter v., Die 5 der techniſch verwendeten Faſer⸗ ſtoffe. Wien, Hartleben. 50. Jännicke, W., Beiträge gut Werle chenden Anatomie der Geraniaceen. Frankfurt a. M. 1. 60. Blum, J. R., 0 155 Edelſteinkunde f. i 50 Techniker u. Juweliere. 3. Aufl. Leipzig, Wiefferodt. M. 4 Meteorologie. Ergebniſſe der meteorologiſchen Beobachtungen im J. 1885. Hrsg. v. dem königl. preuß. Meteorolog. Inſtitut durch W. v. Bezold. Berlin, Aſher & Co. M. 20. Hellmann, G. Geſchichte d. königl. preuß. Meteorologiſchen Inſtituts von ſeiner Gründung im J. 1847 bis . ſeiner Reorganiſation im J. 1885. Berlin, Aſher & Co. M. 4 BVhyſtologie, Zoologie, Anthropologie. Bedriaga, J. v., Beiträge zur Kenntniß der Lacertiden⸗Familie (Lacerta, Algiroides, ‘Tropidosaura, Zerzumia u.Bettaia). Frankfurt a. M. Dieſterweg M. 18. Beiträge zur Phyſiologie. Carl Ludwig zu ſeinem 70. Geburtstage ge⸗ widmet v. ſeinen Schülern. Leipzig, Vogel. 20. Braun, H., u. Hanauſek, T. F., Lehrbuch der Matrikalienkunde auf W Grurtbfage 1. Hoth. Thierreid). 2 Hälften. Wien, Older. a M. — Hoffmann, J., Die Waldſchnepfe Ein monograph. Beitrag zur Jagd⸗ zoologie. 2. Aufl. Stuttgart, Hoffmann. 3 Marſhall, Deutſchlands Vogelwelt im Wechſel der Zeit. Hamburg, Richter. „M. il. Moleſchott, J., Kleine Schriften. Neue Folge. Gießen, Roth. M. 4. Morawitz, A., Zur Kenntniß der adephagen Coleopteren. St. Peters⸗ burg. Leipzig, Voß. M. 2. 30, Möſchler, H. B., Beiträge zur Schmetterlingsfaung v. Jamaica. Frank⸗ furt a. M. „Dieſterweg. 5. Seeger, J., Studien über den Stoffwechſel im Thierkörper. Berlin, Hirſchwald. M. 14. Sprockhoff's, A., Grundzüge der 1 99 Ein Hilfsbuch f. den Schul⸗ art u. zum Selbſtunterrichte. 9. Aufl. Hannover, Carl Meyer. 2. 60. Zuckerkandl, E., Ueber das Riechcentrum. Eine vergleichend anatom. Studie. Stuttgart, Enke. M. 5. Aus der Praxis der Katurwiſſenſchaft. Bau der Blätter. Kny hat vor einiger Zeit ge⸗ zeigt, daß bei den Laubblättern das grüne Füllgewebe zwiſchen den Nerven faſt immer mehr oder weniger deutlich nach oben vorgewölbt iſt. Dieſe Einrichtung bewirkt, daß jeder Stoß, wie ein ſolcher durch ſchwere Regentropfen oder Hagel veranlaßt wird, ſich von den betroffenen Teilen auf die als elaſtiſche Widerlager funktionierenden Nerven überträgt, und daß die Zellen der Oberſeite vor dem Zer⸗ quetſchtwerden bewahrt bleiben. Zur Veranſchaulichung dieſer Schutzvorrichtung hat Ludwig für ſeine Schule eine Reihe von Gipsabgüſſen verſchiedener Blätter gefertigt, von denen Magnus in einer Sitzung des botaniſchen Vereins der Proving Brandenburg einige vorlegte. Die Abgüſſe zeigen ſehr deutlich, daß ſelbſt an Blättern, die man auf den erſten Blick für völlig eben halten möchte, mehr oder weniger einfache oder wellige Ausbiegungen vorhanden ſind. Nach den bisherigen Ver⸗ ſuchen ſcheint es Ludwig ſogar, daß keine einzige Blatt⸗ fläche ſich völlig in eine Ebene legen laſſe. Er ſtellt ſolche Modelle her, indem er mit Waſſer angerührten Gips als faſt flüſſigen Brei in dünner Schicht auf die Blattunter⸗ ſeite bringt, wo der Gips in wenigen Minuten völlig er⸗ härtet; dann zieht er, nachdem die Maſſe einigermaßen konſiſtent geworden iſt, von dem umgekehrt auf die Hand gelegten Modelle das Blatt vorſichtig von der Spitze aus ab. Ms. Eine Doppellupe mit gemeinſchaftlichem Seh⸗ felde, welche von Weſtien, Kuſtos des Roſtocker pſyſio⸗ logiſchen Inſtituts erfunden worden iſt, gewährt den Vor⸗ teil, daß ſie das Objekt bei ſtärkerer Vergrößerung mit beiden Augen zu betrachten geſtattet. Die Objekte er⸗ ſcheinen ſehr plaſtiſch, weil die in verſchiedener Höhe ge⸗ legenen Punkte gleich deutlich geſehen werden und die Objektive große auflöſende Kraft und Helligkeit beſitzen. Das Prineip der Konſtruktion beruht darauf, daß die von dem Objekt kommenden Lichtſtrahlen durch Konvexgläſer, von denen ein Segment abgeſchnitten worden iſt, unver⸗ ändert gebrochen werden; da es nun für das binokulare Sehen ſehr naher Objekte notwendig iſt, daß die Mittel⸗ punkte der beiden Linſen ſehr nahe aneinander liegen, fo find die Objektivlinſen an ihren inneren, einander zu⸗ gewendeten Rändern ſo weit abgeſchliffen worden, daß ihre Mittelpunkte in denjenigen Achſen liegen, welche von dem Objekt nach den beiden Mittelpunkten der Netzhaut hin verlaufen. Ohne Zweifel wird die Anwendung des Weſtienſchen Principes auch bei den ſogenannten bino⸗ kulären Mikroſkopen dieſe weſentlich verbeſſern und mit ihnen ein körperliches Sehen ermöglichen. Br. Ein neues BakterienmikrofkKop aus der optiſchen Werkſtätte von P. Wächter in Berlin erſcheint uns ſo empfehlenswert, daß wir für geboten erachten, auf dasſelbe aufmerkſam zu machen. Die Abbildung zeigt das Stativ mit ſchwerem Hufeiſenfuß, zum Umlegen eingerichtet. Die grobe Einſtellung geſchieht durch Zahn und Trieb, die feine durch Mikrometerſchraube mit Teilung. Der Objekttiſch iſt mit Hartgummi belegt, die Cylinderblendung mit Schlittenvorrichtung verſehen. Die Höhe des Inſtruments beträgt bei mittlerem Tubusauszug 31 em, die Tiſchfläche 80 < 90mm. Zu dem Inſtrument gehört ein Beleuch⸗ tungsapparat nach Abbe, Revolver für drei Syſteme, Okular⸗ mikrometer zum Einlegen, Objektiv Nr. 3 (äquivalente Brennweite 17 mm, Apertur 0,26), Objektiv Nr. 9 (äqui⸗ valente Brennweite 2,5 mm, Apertur 0,85), Objektiv Nr. 12 = ½2“ homogene Immerſion (Oel) (äquivalente Brennweite 2mm, Apertur 1,25), Okulare Nr. 1, 2, 4 ~~ Humboldt. — April 1887. 167 oder 2, 3, 5. In dieſer Ausſtattung foftet das Inſtru— ment 345 Mark. Vergrößerungen der Objektive mit den Okularen bei einer Tubuslänge von 155 mm. Okular: 1 2 3 4 5 Objektiv Nr. 3 35 50 69 94 125 „ * 270 355 490 670 890 4 — 380 505 695 950 1265 Das Mikroſkop iſt in vorzüglichſter Arbeit ausge- führt; die Konſtruktion und die optiſche Zuſammenſtellung Wächters Batterien⸗Mitroſtop. iſt in den bakteriologiſchen Inſtituten als die zweckmäßigſte angenommen und anerkannt. Die Centrierung der ein— zelnen Teile iſt vollkommen. Die Objektive haben einen dem Auflöſungs- wie dem Begrenzungsvermögen Rechnung tragenden Oeffnungswinkel. Die beiden Aberrationen ſind auf das ſorgfältigſte korrigiert und laſſen Lichtſtärke, ſowie Schärfe und Klarheit der Bilder nichts zu wünſchen übrig. Selbſt das ſtärkſte Objektiv beſitzt einen verhältnismäßig noch ſehr großen Objektabſtand. Der Tubus iſt auszieh⸗ bar und hat das allgemein verbreitete Hartnackſche Ge— | winde. Durch Abſchrauben des am Tubus befindlichen Zwiſchenſtücks können auch Objektive mit dem weiten eng- liſchen Gewinde (Society screw) angewendet werden. Das Objektiv Nr. 12 zeigt faſt ſämtliche ſchwierigſte Teft- objekte *). Das Inſtrument hat den Beifall hervorragender Mikroſkopiker gefunden und wird in den bakteriologiſchen Kurſen allgemein empfohlen. Herr Profeſſor Neiſſer in Breslau, der eine größere Anzahl dieſer Mikroskope be— zogen, hatte die Güte, auf unſere direkte Anfrage Aus— kunft über ſeine Erfahrungen zu geben: „Die Stative ſind vorzüglich gearbeitet und funktionieren ſehr gut; der große Objekttiſch iſt ein weſentlicher Vorzug, ſpeciell bei den bakteriologiſchen Plattenunterſuchungen. Die Oelimmer— ſionen ſind ſehr lichtſtark, gut gearbeitet und haben die angegebene reichliche Apertur von 1,25 — 1,27; jie zeigen abſolut keine ſtörenden Farbenringe. Ich kenne in der That kein Inſtrument, welches ſo billig und ſo (nicht nur relativ, auch abſolut) gut wäre. (Natürlich find die Zeiß⸗ ſchen Syſteme bei weitem vorzüglicher, koſten aber auch drei- bis viermal fo viel). Bei dieſer Gelegenheit wollen wir auch auf ein kleines, recht brauchbares Inſtrument aufmerkſam machen, welches nicht ſo bekannt zu ſein ſcheint, wie es ver— dient. Es wird ebenfalls von P. Wächter gefertigt, geht unter dem Namen Hagers Präpariermikroſkop (j beiftebende Figur) und ijt äußerſt kompendiös. Ein kleines Käſtchen von 93 mm Länge und 40 mm Breite birgt alle Teile desſelben. Der Deckel des Käſtchens wird herausgezogen; ſodann der Spiegel, Objektträger und die dreifache Lupe heraus— genommen; der Klotz, der den Lupenhalter H trägt, wird herausgeſchlagen, damit der Lupenhalter aufwärts gerichtet und die Teile, wie auf der Zeichnung erſichtlich, eingeſetzt, alſo der Spiegel Sp in die ſchräge Fuge eingeſchoben und der gläſerne Objektträger Ob darüber eingelegt. Die ganze Hand— habung iſt ſehr einfach und allgemein bekannt. Die Lupe L hat drei verſchiedene Vergrößerungen, je nachdem man die Lupe mit einer, zwei oder allen drei Linſen anwendet. ) Berichtigend zu unſerer Notiz im „Verkehr“ des vorigen Heftes bemerken wir, daß Wächter das Objektiv Nr. 12 jetzt für 100 M. liefert. ehr. Fragen und Anregungen. - Zu der Mitteilung des Herrn Joh. v. Fiſcher über das Auftreten weißer Froſchlurche im Freien (S. 22— 23), ſchreibt uns Herr Profeſſor G. Born in Breslau: „In der Umgegend von Breslau kommen folgende Anurenarten vor: Rana fusea, arvalis, esculenta, Bufo vulgaris, variabilis. calamita (letztere äußerſt ſelten), Hyla arborea, Bombi- nator igneus, Pelobates fuscus. Von allen dieſen Arten habe ich unzählige Larven und fertige Tiere im Freien beobachtet, gefangen und ſelbſt gezogen; niemals habe ich ein albinotiſches Exemplar beobachtet. Die Beobachtungs- 168 Humboldt. — April 1887. zeit erſtreckt ſich auf ungefähr 10 Jahre. Dagegen treten unter den Produkten der künſtlichen Kreuzung zwiſchen Bufo variabilis 6 und Bufo vulgaris 6 Albinos mit großer Regelmäßigkeit auf (vergl. meine Beiträge zur Baſtardierung zwiſchen den einheimiſchen Anurenarten in Pflügers Archiv, Bd. 32, S. 497 und biologiſche Unter⸗ ſuchungen IL im Archiv für mikroſkop. Anatomie Bd. 27, S. 235). Es iſt mir auch gelungen, eine albinotiſche Baſtardlarve bis nach der Metamorphoſe zu erhalten; die⸗ ſelbe erſchien ſchmutzigweiß mit hellgrünen Flecken (letztere vom Vater Buto variabilis). Es wäre nun intereſſant, zu erfahren, ob es ſich bei den Albinos, welche Herr v. Fiſcher als zu Pelobates cultripes gehörig bezeichnet, vielleicht um im Freien gezeugte Baſtarde zwiſchen dieſer Art und P. fuscus handelt; wenn es möglich wäre, die umgewan⸗ delten Tierchen längere Zeit im Terrarium am Leben zu erhalten, wäre die Beſtimmung vielleicht ausführbar. — Es würde erfreulich ſein, wenn dieſe Bemerkungen zur Mitteilung weiterer Beobachtungen über das Vorkommen von albinotiſchen Anurenlarven aus dem Leſerkreiſe des Humboldt Veranlaſſung gäben.“ D. Antworten. Herrn P. Raikou in Leipzig. Ihr Vorſchlag, das Barometerrohr am Fuße rechtwinklig zu biegen und mit einem horizontal verlaufenden Schenkel von geringerem Querſchnitt zu verſehen, um einen konſtanten Nullpunkt zu erhalten, iſt unſeres Erachtens in der That „ganz un⸗ nützlich“. Iſt nämlich der Schenkel kurz, ſo läuft beim Sinken des Luftdrucks ein Teil des Queckſilbers heraus, iſt aber der Schenkel hinreichend lang, ſo werden die An⸗ gaben des Barometers falſch, weil die Kapillardepreſſion in dem engen Rohr viel größer iſt als in dem weiten; die Widerſtände werden verſchieden und daher . Zu Frage 1. Mit Vergnügen habe ich in Nr. 2 des „Humboldt“ das „eklatante Beiſpiel“ von Vererbung einer Verletzung geleſen. Ein trächtiges Mutterſchaf brach ein Bein, wurde geheilt und ſiehe da: das neugeborene Lamm zeigte „an derſelben Stelle desſelben Beins“ zwar nicht einen Beinbruch, aber doch einen „zwei bis drei Zoll breiten Ring ſchwarzer Wolle“. Das widerlegt freilich in glän⸗ zender Weiſe mein ganzes Theorem von der Nichtvererbung erworbener Eigenſchaften! Wie ſchade nur, daß die ſchwarze Wolle nicht in Form von Buchſtaben angeordnet war, welche zuſammen etwa die Inſchrift bildeten: „Zum Ge⸗ dächtnis des Beinbruchs meiner werten Frau Mutter“. Freiburg i. Br. Prof. Auguſt Weis mann. Zu Frage 2. „Ich kenne ein heute 12jähriges Mäd⸗ chen, deſſen Vater am Geburtstage des Kindes 69 Jahre alt war. Die Mutter mag vom vierzigſten Lebensjahr nicht fern geſtanden ſein. Der Vater war ein gebildeter, liebenswürdiger, wohlſituierter Oekonomiebeamter, der geiſtige Getränke, Kaffee, Thee, Tabak nie berührte und bis kurz vor ſeinem Tode, der in ſeinem 79. Lebens⸗ jahr erfolgte, ſeine geiſtige und körperliche Friſche, ſowie ſein ruhiges Temperament bewahrte. Die Tochter war mit 10 Jahren klein, hager, bleich, von auffallend greiſen⸗ haftem, aber keineswegs krankhaftem oder ſchwächlichem Ausſehen. So flach das Auge auch war, war es doch herzlich munter. Das Kind zeigte ſich inſofern nervös, als es keinen Moment ohne unwillkürliche Bewegungen (Fingerſpiel, Kopfneigen und ⸗wenden, Stehen auf einem Fuße, Achſelzucken, Zungezeigen ꝛc.) ruhig ſtehen konnte. Heute iſt es ein friſches, heiteres Weſen, das ſeinen Alters⸗ genoſſen immer ähnlicher wird und ſogar ohne Schaden eine höhere Mädchenſchule beſucht. Das Urteil des Haus⸗ arztes über das Mädchen iſt mir nicht bekannt. Die Ge⸗ ſchwiſter des Mädchens (von einer anderen Mutter) ſtehen meines Wiſſens zwiſchen dem 40ſten und 50ſten Lebens⸗ jahre, ſind nicht ſtarke Männer und haben ihren Vater ſtets um ſeine Jugendfriſche beneidet.“ Oedenburg. Prof. R. v. Fuchs. Zu Frage 3. Im Frühling 1879 erſchien Apus cancriformis auf den von der Leine überſchwemmten Wieſen in Limmer bei Hannover in gewaltiger Menge. Unter mindeſtens 300 Exemplaren, welche ich erhielt, befand ſich kein einziges Männchen. Wie mir mitgeteilt wurde, ſoll ſich das Tier ca. 20 Jahre vorher an dem⸗ ſelben Orte gezeigt haben. Verſuche, die Eier zur Ent⸗ wickelung zu bringen, ſind mir nicht gelungen. Branchipus stagnalis war bis vor kurzer Zeit in den Gräben der Eilenriede bei Hannover recht häufig und zeigte ſich alljährlich. Seitdem jedoch viele Gräben zuge⸗ worfen ſind, iſt das Tier ſelten geworden. Hannover. Prof. Dr. W. Heß. Zu Frage 3. Branchipus (ich glaube stagnalis) kommt bei Oedenburg (Ungarn) wenigſtens ſeit drei Jahren in drei Pfützen vor, von denen die erſte etwa 25 m, die zweite 8 m, die dritte 2m im Durchmeſſer hat. Die beiden erſten werden im Sommer täglich von den heimkehrenden Schweinen als Tränke benutzt. Die ſchweren Tiere mit den ſpitzen Füßen durchkneten hierbei täglich den Grund bis auf 2 bis 3 dm Tiefe. Derſelbe ijt daher völlig fret von Pflanzenwuchs, iſt hellgrau, gleicht geſchlemmtem Töpfer⸗ thon und iſt in trockenen Stücken von feinem trockenen Töpferthon kaum zu unterſcheiden. Die Pfützen trocknen jeden Sommer wohl 5 bis 10mal aus; nach jedem Regen füllen ſie ſich aber mit weißer Branchipusbrut, die ſich in Schwärmen nahe zur Oberfläche aufhält. Nach wenig Wochen enthält die mittlere Pfütze mindeſtens 1 ke der kleinen Tiere, und in den letzten Tagen vor dem Ver⸗ trocknen erſcheinen die letzten Waſſerreſte grünlich von den grünlichen Ruderfüßen der dicht gedrängten, auf dem Rücken ſchwimmenden älteren Tiere. Die große Pfütze iſt verhältnismäßig arm, wohl weil die Krebschen von den Unken weggefreſſen werden, welche in den kleineren Tüm⸗ peln fehlen. — Stete Begleiter des Branchipus ſind zwei ſehr ähnliche Species ungeheurer, fuß⸗ und panzerloſer, lebendig gebärender Rädertiere (Asplanchniden ?). Ich jah ein ſolches Tier unter dem Mikroſkop eine erwachſene Daphnia verſchlingen und wieder ausſpeien. — Nach den Verſuchen, die ich mit Froſchlaich angeſtellt habe, müßte Kb ein i Auffütterungsmittel ab⸗ geben Oedenburg. Prof. KR. v. Fuchs. Zu Frage 9. Man nehme ein möglichſt dünnwan⸗ diges Kupfergefäß, fülle es mit Waſſer und ſetze es über eine möglichſt heiße, nicht rußende Flamme, alſo etwa über einen Bunſenſchen Brenner. Die Wärmemenge, welche durch eine Wand dringt, iſt nicht nur um ſo größer, je größer der Wärmeleitungskoeffieient des Wandmaterials iſt, ſondern auch, je größer in der Wand das Gefälle der Temperatur iſt, d. h. je dünner die Wand und je größer der Temperaturunterſchied von Waſſer und Feuer iſt (etwa wie um ſo mehr Waſſer aus einem oberen Baſſin durch einen ſchiefen Kanal in ein unteres Baſſin abfließt, je ſteiler der Kanal iſt, d. h. je näher die Baſſins zu einan⸗ der liegen und je größer die Höhendifferenz iſt). Da Kupfer einer der allerbeſten Wärmeleiter iſt und eine die Leitung hemmende Rußſchicht beim Verſuche nicht geduldet wird, ſo erhält die dem erhitzten Kupferboden anliegende Waſſerſchicht in jeder Sekunde eine ſo große Wärmemenge, daß die Eirkulation des Waſſers ihr gegenüber ſich als ſchwach erweiſt und die Waſſerſchicht bis zur Dampfbildung erhitzt wird. Es kann ſomit am Boden Dampfbildung und wohl auch infolgedeſſen ein Aufwallen des Waſſers erfolgen, während die Waſſermaſſe an einem eingetauchten Thermometer vielleicht nicht einmal 50° C. zeigt. (Aus⸗ geführt habe ich den Verſuch nicht.) Dann haben wir aber vor uns offenbar nur den Schein des Siedens, kein echtes Sieden, d. h. keine Dampfbildung im Inneren der Waſſermaſſe. Es iſt daher ſehr wahrſcheinlich, daß man ſofort nach dem erſten Aufwallen den Topf recht wohl auf die Hand ſtellen kann; das Waſſer iſt dann eben noch nicht hundertgradig. Oedenburg. Prof. K. v. Fuchs. Philosophiae naturalis principia mathematica. Zum zweihunderkjahrigen Gedächtnis. Don Profeffor Wuguft Heller in Budapeft. eit den Tagen der Erneuerung und Wieder— Eſechzehnten und ſiebzehnten Jahrhundert ſind drei Bücher entſtanden, welche, aus der unüberſehbaren Menge von Schriftwerken der naturwiſſenſchaftlichen Litteratur mächtig emporragend, für den jeweiligen Stand der phyſikaliſchen Welt— anſchauung von maßgebender Bedeutung waren. Das erſte dieſer Bücher iſt des Copperni— cus’: „De revolu- tionibus orbium coelestium“, ſeine ſechs Bücher über die Kreisbewegun⸗ gen der Himmels- bahnen, das zweite Galilei's: „Dia⸗ logo intorno ai due massimi si- stemi del mondo Tolemaico e Co- pernicano“, das Geſpräch über die zwei bedeutendſten Weltſyſteme, des ptolemäiſchen und des coppernicani— ſchen; das dritte der genannten Werke ijt das New- tons: „Philoso— phiae naturalis principia mathe— Humboldt 1887. ! | herſtellung der Naturwiſſenſchaften im | Dlaar Newton. matica““, d. i. die mathematiſchen Principien der Naturlehre. Unter den drei Büchern iſt es das letzte, von dem wir hier ſprechen wollen. Im Maimonate dieſes Jahres ſind es zweihundert Jahre, daß dieſes Werk in London die Preſſe verließ und an die Oeffentlichkeit trat. Da die ſyſtematiſche Behandlung der theoretiſchen Phyſik eigentlich erſt mit dem Er— ſcheinen dieſes Werkes ihren Anfang nimmt, ſo ſcheint es durchaus gerecht— fertigt, wenn wir am Schluſſe des zweiten Jahr⸗ hunderts jenes in der Geſchichte der Phyſik epoche⸗ machenden Ereig— niſſes an dieſer Stelle gedenken. Die im Laufe der Jahrhunderte erworbenen Kennt⸗ niſſe über die Vor- gänge in der Natur konnten auf den Namen eines wiſ— ſenſchaftlichen Sy⸗ ſtemes erſt damals Anſpruch erheben, da man als all⸗ gemeine Urſache ſämtlicher Natur⸗ erſcheinungen eine einzige annahm: die Kraft. Durch 22 170 Humboldt. — Mai 1887. dieſen wichtigen Schritt war die neuzeitliche Richtung der Phyſik, deren Streben dahin geht, ſämtliche Naturerſcheinungen auf reine Bewegungsvorgänge zurückzuführen, in unverrückbarer Weiſe vorgezeichnet. Auch iſt hieraus erſichtlich, weshalb die Mechanik: die Lehre von den Bewegungen und den Kräften in der Entwickelungsgeſchichte der Naturwiſſenſchaft, eine derartig hervorragende Stelle einnimmt. Die Periode der Neugeſtaltung unſerer Wiſſenſchaft fand in der Litteratur des Altertums bloß die Bearbeitung eines einzigen Kapitels der Mechanik vor, nämlich die Lehre vom Gleichgewichte der Kräfte, die Statik. Die Grundlegung der Dynamik, das Auswerten der Kräfte in den Elementen der Bewegung iſt, inſofern der Geiſtesarbeit eines Einzigen ſolche umfaſſende Denkreſultate zugeſchrieben werden können, durchweg Galilei's Werk. Seinem großen Zeitgenoſſen Keppler war es kurz vorher gelungen, durch die von ihm nach langjähriger, mühevoller Arbeit entdeckten drei Geſetze der Planetenbewegung dem coppernicaniſchen Welt⸗ ſyſteme ein unangreifbares Fundament zu geben, auf welches geſtützt der ihn überlebende Galilei jenem Syſtem, gegenüber dem ptolemäiſchen, zum Siege verhelfen konnte. Unter den Begründern der Me⸗ chanik und ſomit der theoretiſchen Phyſik haben wir an zweiter Stelle Huygens zu nennen, der durch ſeine Theorie des phyſiſchen Pendels und die Löſung des Stoßproblemes ſich in der Geſchichte unſerer Wiſſenſchaft ein unvergängliches Denkmal geſetzt hat. In folder Weiſe vorgebildet fand Iſaae Newton das Problem des Weltſyſtemes. An den hohen Schulen Europas wurde zu jener Zeit faſt überall an Stelle der nach langem Kampf überwundenen ariſtoteliſchen die carteſianiſche Phyſik gelehrt. Jeder⸗ mann hatte ſchon durch Waſſerwirbel im Kreiſe ge⸗ drehte Holzſtücke beobachtet und konnte ſich ſomit die Himmelskörper, wie es in Descartes' Gleichniſſe heißt, „dem Schiffe ohne Segel und ohne Ruder gleich“ durch die Wirbel eines intramundanen, den ganzen Raum erfüllenden Fluidums bewegt und umeinander⸗ kreiſend denken. Newton vermochte es jedoch nicht, ſich mit dieſer Vorſtellungsweiſe zu befreunden. Er ſuchte die mechaniſche Urſache der Planetenbewegung in jener Kraft, welche ſeit Galilei als Typus der ganzen Gattung galt, in der Kraft der Schwere. Als er infolge der in Cambridge ausgebrochenen Peſt im Jahre 1666 in ſeiner Heimat unfreiwillige Muße genoß, beſchäftigte er ſich viel mit dieſem Gedanken. Der durch Voltaire verbreiteten Erzählung, welcher zufolge ein vor ſeinen Augen zu Boden fallender Apfel Newton auf die Löſung des Problemes der allgemeinen Gravitation gebracht hätte, wodurch jener Apfelbaum in gewiſſem Sinne zum Baume der Er⸗ kenntnis geſtempelt wird, erweiſen wir durch die einfache Andeutung derſelben ausreichende Gerech- tigkeit. Der an die Bewegung des Mondes anknüpfende Gedankengang Newtons war nun etwa der folgende: Wäre dieſer Weltkörper ſich ſelbſt überlaſſen, ſo würde er mit gleichförmiger Bewegung eine geradlinige Bahn beſchreiben. Wenn nun aber derſelbe in der That in jedem noch ſo kleinen Zeitteilchen, alſo kon⸗ tinuierlich von der geraden Bahn abweicht und letztere ſich zu einer die Erde umſchließenden, in ſich zurück⸗ kehrenden Linie krümmt, ſo müſſen wir wohl die Exiſtenz einer treibenden Kraft vorausſetzen, welche den Begleiter der Erde in unausgeſetzten Impulſen dem Mittelpunkt derſelben zutreibt. Eine derartige Kraft ſcheint ihm die gewöhnliche Erdſchwere oder die Schwerkraft zu ſein. Von dem Gedanken aus⸗ gehend, daß die Wirkung der ſupponierten Schwer⸗ kraft eben durch die infolge des Zwanges, welche den Mond aus ſeiner geradlinigen Bahn drängt, er⸗ weckte Fliehkraft aufgewogen wird, da ſich Schwer⸗ kraft und Centrifugalkraft wie Wirkung und Gegen⸗ wirkung gegenüberſtehen, ſuchte nun Newton eine von der Umkreiſungszeit unabhängige, bloß auf dem Abſtande der beiden aufeinander wirkenden Himmels⸗ körper beruhende Beziehung zu finden. Für dieſen Zweck erwies ſich das für die Bewegung der Planeten aufgeſtellte dritte der Kepplerſchen Geſetze als ge⸗ eignet. Auf dieſem Wege fand er, daß die An⸗ ziehung zweier Himmelskörper aufeinander dem Quadrate ihres Abſtandes verkehrt proportional ſei. Als er jedoch dieſes ſo abgeleitete Geſetz auf die Bewegung des Mondes um die Erde anwendete und hierbei, da er in ſeiner ländlichen Abgeſchiedenheit über wiſſenſchaftliche Behelfe nicht verfügte, ſich bloß angenäherter, ſeinem Gedächtnis entnommener An⸗ gaben bedienen konnte, da erhielt er einen um weſent⸗ liches zu kleinen Wert für die vorausgeſetzte Attrak⸗ tion der Erde auf den Mond. Hierdurch wurde ſein Vertrauen in die von ihm ausgeführte Rechnung er⸗ ſchüttert, und als er nach ſeiner Rückkehr nach Cam⸗ bridge ſich wieder optiſchen Studien zuwendete, ließ er die Theorie der allgemeinen Anziehung unfertig zur Seite liegen. Im November 1679 gab Newton in einem an den Sekretär der Royal Society gerichteten Briefe ſeine Meinungsäußerung bezüglich einer von der Akademie an ihn gerichteten aſtronomiſchen Anfrage. Er ſchlägt zum Beweiſe der Achſendrehung der Erde Fallverſuche aus bedeutenden Höhen vor, welche ein Abweichen der fallenden Körper nach Oſten ergeben müßten. Der mit der Ausführung dieſer Verſuche beauftragte Sekretär Hooke findet durch Rechnung, daß die Bahn des fallenden Körpers auf der be⸗ wegten — ohne Atmoſphäre gedachten — Erde eine excentriſche Ellipſe ſein müßte. Hierdurch wird nun Newton auf die Entdeckung eines wichtigen mechani⸗ ſchen Satzes geführt, demzufolge die Bahn eines Planeten, der unter dem Einfluſſe einer dem Quadrate der Entfernung von einem Anziehungscentrum um⸗ gekehrt proportionalen Kraft ſich bewegt, eine Ellipſe iſt, in deren einem Brennpunkte das Anziehungs⸗ centrum (die Sonne) ſich befindet. Jedoch auch dieſe Entdeckung konnte Newton nicht veranlaſſen, ſeine Anziehungstheorie zu veröffentlichen, da dieſe durch ſeine mit dem Mond angeſtellten Rechnungen nicht beſtätigt worden war. Humboldt. — Mai 1887. 171 So ruhte dieſe Frage, bis im Juni 1682 New- ton in einer Sitzung der Royal Society die Er⸗ gebniſſe der Picard'ſchen Gradmeſſung von 1679 erfuhr. Er notierte die zur Berechnung des Erd— durchmeſſers nötigen Zahlen und nahm ſeine Berech— nungen vom Jahre 1666 wieder auf, wodurch er in der That ein mit der Erfahrung genügend überein— ſtimmendes Reſultat erhielt. Somit war eine der größten Entdeckungen des menſchlichen Geiſtes ge— ſichert, denn jene Kraft, welche den Mond um die Erde in eine elliptiſche Bahn zwingt, iſt zugleich die— jenige, welche den Planeten ihre Bahnen um die Sonne vorſchreibt, ſie iſt dieſelbe, welche in den unendlichen Räumen des Himmels die Bahn der Weltkörper be— dingt. Newton hatte die wichtigſten Sätze ſeiner Ent— deckung der Kgl. Societät ohne Beweis mitgeteilt. Halley ſuchte infolgedeſſen den Gelehrten auf, bat ihn, ihm die Be— weisführung zu zeigen und beſchwor ihn zugleich, ſeine Entdeckung der wiſſenſchaftlichen Welt nicht länger vorzuenthalten. Dieſer verſprach, den Bitten ſeines Freundes Folge zu leiſten und ſendete im April 1686 ein Manuffript an die Akademie, das den Titel führte: „Philosophiae naturalis principia mathe- matica“. Nach einem höchſt unerquicklichen Priori— tätszwiſt mit dem ſtreitbaren, leicht gereizten Se— kretäre der Akademie, Robert Hooke, entſchloß ſich Newton, in die Veröffentlichung ſeines Werkes zu willigen, welches die Kgl. Geſellſchaft in ihrer Sitzung vom 19. Mai 1686 auf ihre Koſten heraus— zugeben beſchloſſen hatte. Der Autor wollte anfäng— lich das dritte Buch des Werkes unterdrücken, um mit der „unbeſcheidenen, ſtreitſüchtigen Dame Philo— ſophie in keinerlei Prozeſſe verwickelt zu werden“. Das ſo verkürzte Werk ſollte den unſcheinbaren Titel „De motu corporum libri duo“ erhalten. Schließ— lich willigte er jedoch darein, daß ſeine Schrift in ihrer urſprünglichen Geſtalt und Ausdehnung heraus— gegeben werde. Die Beaufſichtigung des Druckes wurde Halley übertragen. — In dieſen Tagen werden es nun zweihundert Jahre, daß Newtons Werk die Preſſe verließ. Allerdings dauerte es noch lange, bis ſich die darin entwickelten Anſchauungen Bahn brachen und die erſt vor kurzem, jedoch feſt einge— bürgerte carteſianiſche Phyſik zu verdrängen im ſtande waren; und zwar gelang dies im Vaterlande Newtons ſpäter und ſchwerer als auf dem Kontinente. Wir wollen nun im folgenden eine kurze Ana— lyſe des Newtonſchen Hauptwerkes geben: ,,P hilo- sophiae naturalis principia mathematica. London 1687“. — Die zweite Auflage gab Roger Cotes in Cambridge 1713, die dritte ebendort Pem— berton 1726 heraus. Außerdem erſchienen kommen— tierte Ausgaben und zahlreiche Ueberſetzungen. Im Vorworte erwähnt der Verfaſſer, wie die Gelehrten ſeiner Zeit, nachdem ſie die Lehre von den verbor— genen Eigenſchaften verworfen, die Vorgänge in der Natur auf mathematiſche Geſetze zurückzuführen be— ſtrebt ſeien. Die Vorrede ſchließt mit dem Wunſche, es möge den Phyſikern einer ſpäteren Periode ver— gönnt ſein, ſämtliche Naturerſcheinungen auf mathe— matiſche Principien zurückzuführen, ſo auch jene Kräfte, welche zwiſchen den kleinſten Körperteilchen wirkſam ſind. — Leider iſt jene von Newton ge— wünſchte Periode noch immer nicht angebrochen. Den Eingang zum eigentlichen Werke bilden unter dem Titel „Detinitiones“ allgemeine Bemerkungen über die Größe der Materie, die Bewegungsgröße und die Trägheit. Hierauf folgt der Begriff der Kraft, der Centripetalkraft, ſowie einige Bemerkungen über Raum, Zeit und Bewegung, zum Schluſſe ſtehen unter dem Titel „Axiomata, sive leges motus“ die bekannten drei Bewegungsgeſetze vom Beharrungs— vermögen, von der Zuſammenſetzung der Kräfte, von der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung. Soweit die Einleitung. Nach dieſen, die Grundprincipien der Mechanik enthaltenden Sätzen beginnt das eigentliche Werk: „De motu corporum liber primus“, in deſſen erſtem Abſchnitte der Verfaſſer unter dem Titel „Me— thode des erſten und letzten Verhältniſſes“ jene geo— metriſche Methode entwickelt, deren er ſich bei ſeinen Deduktionen bedient. Es folgt nun die Beſtimmung der Centripetalkräfte, die Bewegung der Körper in Kegelſchnittsbahnen, die Beſtimmung der anziehenden Kräfte ſphäriſcher oder ſphäroidiſcher Körper, die Wurf⸗ und Pendelbewegung. — Das zweite Buch „De motu corporum liber secundus“ enthält die Bewegungen in widerſtehendem Mittel, ferner die Mechanik flüſſiger Körper. — Das dritte Buch: „De mundi systemate. Liber tertius“ handelt von dem Weltſyſteme. Den Eingang bilden die „Re— gulae philosophandi“, vier Regeln, nach welchen man bei der Erklärung der Naturerſcheinungen vor— zugehen habe. Im Kapitel „Phaenomena“ ſtellt der Verfaſſer diejenigen Erſcheinungen zuſammen, welche durch die in den erſten beiden Büchern abgeleiteten Sätze ihre Erklärung finden. Im ganzen ſind ſechs ſolcher Erſcheinungen angeführt: die Jupiter- und die Saturntrabanten beſchreiben mit ihren nach dem Mittel— punkte ihrer Hauptplaneten gezogenen Radien der Zeit proportionale Flächen, ferner ſtehen ihre ſideri— ſchen Umlaufszeiten im /- Verhältniſſe ihrer Ab— ſtände von jenem Centrum. Aehnliche Sätze beſtehen für die fünf großen Planeten bezüglich der Sonne, ferner für die Erde bezüglich der Sonne, und den Mond bezüglich der Erde. — Nach dieſen einleitenden Sätzen folgt: Von den Urſachen des Weltſyſtems, von der Größe der Mondungleichungen, von der Größe der Meeresflut, von der Präceſſion der Aequinoktien, von den Kometen. — Die durchwegs angewendete ſynthetiſche Form der Ableitungen macht das Werk für uns, die wir an die analytiſche Darſtellungsform gewöhnt ſind, zu einer ſchwer verdaulichen Lektüre. Alles in allem iſt Newtons Werk ein in mancher Beziehung auch heute noch muſtergültiges Lehrbuch der Mechanik, beſonders, was den ſyſtematiſchen Aufbau des Ganzen betrifft. Außerdem iſt das Werk eine Fundgrube von weittragenden Entdeckungen und Re— ſultaten. Es wird gezeigt, daß eine aus einem Punkte wirkende Kraft, welche die Bewegung eines Körpers 172 auf einem Kegelſchnitte zur Folge hat, deſſen einen Brennpunkt jenes Krafteentrum einnimmt, fic) im umgekehrten quadratiſchen Verhältniſſe des Abſtandes ändere; hierauf wird die Umkehrung dieſes Satzes gezeigt. Newton weiſt ferner nach, daß das zweite und dritte der Keppler'ſchen Geſetze als Folgerung eines von ihm entdeckten allgemeinen Naturgeſetzes zu betrachten ſei, welches folgendermaßen lautet: Die Körper ziehen ſich gegenſeitig an, die Anziehung ſteht im geraden Verhältniſſe zum Produkte der Maſſen, im verkehrten zum Quadrate der Entfernung. New⸗ tons Geſetz eröffnete eine glänzende Reihe von phyſi⸗ kaliſchen und aſtronomiſchen Entdeckungen. Das Wirkungsgeſetz der verſchiedenen phyſikaliſchen Agen⸗ tien wurde an der Hand dieſes Satzes feſtgeſtellt, der andererſeits unſere Kenntniſſe vom Weltſyſteme bis in die Region der unermeßlich weiten Doppel⸗ ſterne hinaus erweiterte, die Entdeckung eines vordem unbekannten großen Planeten veranlaßte, die Urſache für die ſphäroidiſche Geſtalt der Erde, die Präceſſions⸗ bewegung der Erdachſe, die Ebbe und Flut des Meeres angab. Mit einem Worte, Newtons Gravi- tationsgeſetz iſt der Schlüſſel zum Geheimniſſe der Wirkungsweiſe der Naturkräfte. Das in demſelben aufgeſtellte Kraftmaß der Schwere ijt zum typiſchen Ausdrucke für die Kräfte der Natur geworden, und der Entwickelung der Mechanik iſt durch dasſelbe ihre Bahn für alle Zeiten vorgeſchrieben. Die von Green und Gauß entwickelte Potentialtheorie iſt ein Aus⸗ fluß des Newtonſchen Geſetzes und mit ihr jene Richtung der heutigen mathematiſchen Phyſik, welche die unvermittelte Wirkung in die Ferne nachgerade Numboldt. — Mai 1887. verdrängen zu wollen ſcheint. Erſchien dieſelbe doch auch Newton ſelbſt unverſtändlich und unzuläſſig, wenn er auch die Zumutung, eine Erklärung zu geben, durch ſein „hypotheses non fingo“ von ſich abzu⸗ weiſen ſuchte. In der Geſchichte der phyſikaliſchen Ideen ſpiegelt ſich die ewige, unvergängliche Natur in dem in der Zeit ſeiner Vervollkommnung zuſtrebenden Menſchen⸗ geiſte. Dieſes ſich vor unſeren Augen dem Schoße der Zeiten entringende Spiegelbild iſt an und für ſich ein ebenſo unendlicher Gegenſtand unſeres Forſchens wie die Natur ſelbſt. Dieſe Erkenntnis zeigt uns zugleich die hohe Bedeutung des Bildungsprozeſſes der Naturwiſſenſchaft für das richtige Erfaſſen ihrer fundamentalen Principien. Nur wenn wir deren Keimen und Wachſen in der geiſtigen Werkſtätte der größten Denker beobachten, geht uns das richtige Verſtändnis für dieſelben auf. Dies iſt auch der Weg, uns vor dem, einer geſunden Entwickelung der Naturwiſſenſchaften drohenden, die gegenwärtig an⸗ genommenen Meinungen als unfehlbar betrachtenden Dogmatismus zu behüten, welcher ſtets der größte Feind des wiſſenſchaftlichen Fortſchrittes geweſen iſt. Der Naturforſcher möchte ſchwer einen beſſeren Gewährs⸗ mann finden als Newton, der, nachdem er das Geſetz der Bewegung des Weltalls, das größte und allge⸗ meinſte Geſetz der Wirkung der Materie, gefunden hat, an den Schluß ſeines Buches, das jenes Geſetz verkündete, die beſcheidenen Worte ſetzt: „Aus den Erſcheinungen den Grund dieſer Eigenſchaften der Schwere abzuleiten, iſt mir bisher nicht gelungen, Hypotheſen aber erſinne ich nicht.“ Ueber Ptomaine (Leichenalkaloide) und Säulnisgifte. Don Profeffor Dr. Leo Liebermann in Budapeſt. . vom italieniſchen Juſtizminiſterium eingeſetzte Kommiſſion zur Prüfung der Verläßlichkeit der gebräuchlichen Methoden zum Nachweis pflanzlicher Gifte bei Giftmorden (ſ. „Humboldt“, Bd. IV, Heft V) hat im Mai 1885 einen umfangreichen Bericht erſtattet. Sie unterbreitete dem Juſtizminiſterium eine Arbeit von Marino-Zuco, welche eine Frucht faſt dreijährigen mühſamen und gefahrvollen Studiums war, in deſſen Verlauf Marino⸗Zuco auch eine ſchwere Vergiftung mit Leichengift zu überſtehen hatte. Wie Brieger, ſo hat auch Marino-Zuco faſt überall das Neurin gefunden und zwar in bedeutenderen Mengen aus ſolchen Stoffen und Organen, welche reich an Lecithin ſind.“ Eigelb, Hirn, Blut und Leber gaben beträcht⸗ liche Mengen dieſes Stoffes; in Eiweiß, Lunge und Herz dagegen konnte derſelbe nicht nachgewieſen werden. Dieſer Befund bezieht ſich ſowohl auf friſche Leichen, wie auch auf Kadaver in voller Fäulnis; bei letzteren wurde auch noch eine zweite Baſe auf⸗ IL, gefunden, die der Autor nicht näher charakteriſieren konnte. Das für die forenſiſche Praxis wichtigſte Reſultat dieſer Arbeit beſteht darin, daß es Marino⸗Zuco ge⸗ lungen iſt, Strychnin und Chinin, alſo wirkliche Pflanzenalkaloide, welche den Kadaverteilen abſichtlich zugeſetzt wurden, von den Leichenalkaloiden zu trennen. Bekanntlich werden dieſe Pflanzenalkaloide den Leichen⸗ teilen in der Weiſe entzogen, daß man letztere mit etwas weinſäurehaltigem Alkohol auszieht, den Al⸗ kohol verdunſtet, die zurückbleibende wäſſerige Löſung alkaliſch macht und mit Aether ſchüttelt. Nach dem Verdunſten der ätheriſchen Löſung erhält man die Alkaloide in mehr oder weniger reinem Zuſtande als Rückſtände, welche dann auf charakteriſtiſche Eigen⸗ ſchaften weitergeprüft werden. Die durch die Pto⸗ maine verurſachten Schwierigkeiten beſtehen haupt⸗ ſächlich darin, daß ſie bei der erwähnten Manipulation ſich ganz ähnlich verhalten, wie die wirklichen Al⸗ Humboldt. — Mai 1887. kaloide, abgeſehen davon, daß manche Ptomaine auch noch gewiſſe charakteriſtiſche, ſogenannte Special— reaktionen mit Pflanzengiften gemein haben. Es ijt nun Marino⸗Zuco, wie er angibt, ge lungen, aus den oben erwähnten Rückſtänden der ätheriſchen Auszüge die wirklichen Pflanzengifte im reinen Zuſtand darzuſtellen und ſie von den Pto— mainen zu trennen und zwar in der Weiſe, daß er die ſalzſaure Verbindung des Rückſtandes mit doppelt- kohlenſaurem Natron verſetzt und abermals mit Aether ausſchüttelt. In dieſe zweite Ausſchüttelung gingen bei ſeinen Verſuchen mit Strychnin und Chinin, welche in den Rückſtänden mit Btomainen gemengt waren, nur mehr die erſteren über. Dieſes für den erſten Blick befremdende Verhalten erklärt Marino- Buco damit, daß die Ptomaine eigentlich in Aether unlöslich ſind und in die erſten ätheriſchen Löſungen nur darum übergehen, weil ſie von großen Mengen in Aether löslicher, fettiger Subſtanzen, welche ſich in Leichenteilen finden, ſozuſagen mit hineingeriſſen werden. Dieſen Befund hat auch die Königl. Kom— miſſion für genügend wichtig erkannt, um die weiteren Unterſuchungen über Ptomaine nach dieſer Richtung hin fortſetzen zu laſſen. Eine neuere, für die gerichtliche Chemie höchſt wichtige Arbeit hat Tamba aus Tokio (Japan) im Laboratorium von Hilger in Erlangen geliefert. Vor einer Reihe von Jahren iſolierte Hilger aus dem Magen- und Darminhalte von ſechs, an Wurſtgift zu Grunde gegangenen Perſonen, und zwar aus jeder der ſechs Leichen einen Körper von zähflüſſiger Konſiſtenz und intenſivem Geruch, der ſich vollſtändig als Kadaveralkaloid charakteriſierte und in hohem Grade giftige Eigenſchaften beſaß. Die Wirkung dieſes Körpers war eine dem Curare ähnliche, d. h. er bewirkte Lähmung der Endigungen der muskel— bewegenden Nerven und gleichzeitig Betäubung des Großhirns. Anknüpfend an dieſen Befund hat nun Tamba zunächſt Verſuche mit friſchen Leberwürſten gemacht, welche jedoch nur eine ſehr geringe Menge eines Körpers enthielten, der die nämliche Curare- artige Wirkung wie jener beſaß, den Hilger aus den Leichen iſoliert hatte. In einem anderen Verſuche blieb Leber 15 Tage lang der Einwirkung der Luft ausgeſetzt. Hier konnte wieder ein ſolches Gift nach— gewieſen werden, wie auch in Leberwürſten, welche zwei Monate lang bei einer Temperatur von 15 bis 24° in freier Luft ſich ſelbſt überlaſſen blieben. Aus Pferdefleiſch und Lebern, welche Materialien drei Mo— nate lang der freiwilligen Zerſetzung überlaſſen waren, gewann Tamba drei baſiſche Körper von öliger Be— ſchaffenheit. Eine dieſer Baſen roch nikotinartig. Alle drei zeigten Curarewirkung. Von großer, praktiſcher Wichtigkeit iſt jedoch die von Tamba gefundene Thatſache, daß ſich die Ptomaine von den wirklichen Pflanzengiften dadurch trennen laſſen, daß man die ſchwach angeſäuerten Unter- ſuchungsmaſſen längere Zeit mit ſiedendem Aether auszieht, wobei die Ptomaine in Löſung gehen. Man kann auch die ätheriſchen Auszüge, welche gleichzeitig 173 Ptomaine und Pflanzengift enthalten, mit ätheriſcher Oxalſäurelöſung verſetzen. Hierbei ſcheiden ſich die Alkaloide als kryſtalliniſche Verbindungen aus, wäh— rend die Ptomaine in Löſung verbleiben. Sollte ſich dieſer Befund unter allen Umſtänden beſtätigen, ſo wäre ſowohl der Rechtspflege als der Wiſſenſchaft ein großer Dienſt erwieſen. Die Kaſuiſtik der Irrtümer bei gerichtlichen Ex— pertiſen, hervorgerufen durch die Gegenwart von Ptomarnen, iſt durch einen neuen Fall in Rußland bereichert worden. In der Leiche des Bartholomäus Ljato haben zwei ruſſiſche Experten Strychnin ge— funden und den gefundenen Körper ihrem Gutachten beigelegt. Pöhl und v. Anrep, zwei andere Chemiker, hatten über dieſen Fall ein Superarbitrium abzugeben und konſtatierten in der That, daß die Reaktionen jenes Körpers, bis auf eine, allerdings typiſche, denen des Strychnins vollkommen ähnlich waren. Ab— weichungen zeigten ſich nur noch in der Löslichkeit in Waſſer und Verhalten gegen polariſiertes Licht. Nach fünf Monaten wurde die Leiche nochmals unter— ſucht, da war aber das ſtrychninähnliche Ptomain ver- ſchwunden. Auf Grund des Reſultates dieſer zweiten chemiſchen Expertiſe wäre nun die angeklagte Frau freigeſprochen worden, wenn ſie nicht ſelbſt geſtanden hätte, ihren Mann mit Atropin vergiftet zu haben. Ueber einen anderen Fall hat der Verfaſſer dieſer Zeilen berichtet. Es wurden mir, behufs Unterſuchung, Leichen— teile eines Mannes übergeben, der plötzlich geſtorben war und noch wenige Minuten vor ſeinem Tode vor Zeugen ausgeſagt hatte, daß er von ſeiner Frau vergiftet ſei. Bei der Unterſuchung der Leichenteile ſtieß ich auf einen kryſtalliſierten Körper, der in Kryſtallform und chemiſchem Verhalten dem Brucin ſo ähnlich war, daß man die Identität kaum be— zweifeln konnte. Indeſſen erregte es meinen Ver- dacht, daß ich in dieſem Falle keine Spur von Strychnin gefunden hatte, welches ein ſteter Be— gleiter des Bruein in den Krähenaugen (Brechnüſſe, nux vomica) iſt, das einzige bruein- und ſtrychnin⸗ haltige Mittel, von dem bei uns mit Wahrſcheinlich— keit angenommen werden kann, daß es in die Hände einer gewöhnlichen Bauersfrau, wie es die Angeklagte war, gelange). Um mich eventuell auch noch durch einen phy— ſiologiſchen Verſuch (Vergiftung eines Tieres) von der Identität des gefundenen Körpers mit Brucin zu überzeugen, wurde eine größere Portion der Leichenteile mit Chloroform ausgezogen, in welchem Brucin noch leichter löslich iſt als in Aether. Dieſe Vorſicht erwies ſich als ſehr nützlich, denn es wurde durch Chloroform auch nicht die Spur eines brucin- ähnlichen Körpers erhalten, durch welchen Umſtand es nachgewieſen war, daß man es nicht mit Brucin, ſondern mit einem Btomain zu thun hatte. ) Es iſt allerdings behauptet worden, daß man Strychnin neben Brucin nicht nachweiſen kann, doch habe ich dieſe Angabe nicht beſtätigen können. 174 Humboldt. — Mai 1887. Die Zahl der Fälle, bei denen Vergiftungen mit Giften tieriſchen Urſprungs vorkamen, iſt in neuerer Zeit um folgende vermehrt worden. So erzählt Hirſchfeld, daß fünf Perſonen in einer Nacht erkrankten, nachdem ſie am vorhergegangenen Mittag Seeheringe genoſſen hatten, die vier Tage vorher gekauft und ſofort zum Teil in Butter ge⸗ backen, zum Teil gleich eingekocht und zur beſſeren Konſervierung mit Eſſig übergoſſen worden. Der Rogen dieſer Fiſche war bitter. Drei Perſonen ſtarben binnen drei Tagen unter Symptomen von Erbrechen, Trockenheit im Halſe, Doppeltſehen, Pu⸗ pillenerweiterung und Unfähigkeit, das obere Augen⸗ lid zu heben. Die anderen zwei traten erſt nach acht Tagen in die Rekonvalescenz. Der Amerikaner Vaughan hat aus einem Käſe, der Menſchen krank machte, aber nicht tötete, ein Gift, das Tyrotoxicon iſoliert. Das größte Aufſehen hat die, auch in der Tages⸗ preſſe vielbeſprochene Maſſenvergiftung durch Genuß von Miesmuſcheln (Mytilus edulis) gemacht, welche in Wilhelmshaven vorgekommen iſt. Im Oktober 1885 erkrankten daſelbſt 34 Perſonen, Arbeiter der Schiffs⸗ werft und deren Angehörige. Die blauen Mies⸗ muſcheln haben unterhalb des Waſſerſpiegels an der Holzwand eines Waſſerprahms geſeſſen und wurden von dort abgekratzt. Das Gift wirkte ſo heftig, daß in dem erſten Fall ſchon 1,75 Stunden nach dem Genuß der Muſcheln der Tod, und zwar unbemerkt von den Angehörigen, eingetreten war, in dem zweiten Fall nach 3,5, in dem dritten nach fünf Stunden. Der Genuß von 5—6 Muſcheln hatte bei Erwachſenen ſchon heftige Vergiftungen zur Folge. Die Symptome der Miesmuſchelvergiftung ſind verſchieden, am häufigſten kommen über den ganzen Körper verbreitete Ausſchläge vor, Rötel- und Neſſel⸗ ausſchlag, verbunden mit Atembeſchwerden und Rachen⸗ entzündung. Manchmal tritt die Vergiftung ganz unter dem Bild der Cholera auf. Ueber die Frage, ob die giftigen Miesmuſcheln eine beſondere, von den nichtgiftigen verſchiedene Art bilden, hat ſich eine Kontroverſe zwiſchen mehreren Fachleuten entwickelt, welche es wahrſcheinlich gemacht hat, daß dies nicht der Fall iſt, ſondern daß das Gift durch Veränderung der Lebensumſtände, welche auch eine Abänderung der Form, Größe, Dicke und Farbe der Schale bewirken, entſtehen kann, ſowie auch wieder verſchwinden, wie Virchow und Schmidt⸗ mann nachgewieſen haben. Gewöhnlich ſind die giftigen Muſcheln eigentümlich heller gefärbt, obwohl auch dunkle giftig ſein können. Daß die Entſtehung des Giftes der Miesmuſchel wirklich von den Lebensumſtänden abhängt, geht auch daraus hervor, daß beſonders nach Unterſuchungen von Wolff die Muſcheln in ſtagnierendem, faulendem Waſſer am giftigſten ſind. Giftig ſind auch die Seeſterne, und es wurde nachgewieſen, daß beide ihre Giftigkeit in dem Maße verlieren, als der Waſſerwechſel ein leb⸗ hafterer wird. Derſelbe Forſcher gibt an, daß Fuß, Kiemen und Mantel der Miesmuſchel, ſowie deren Eier nicht giftig ſind, ſondern hauptſächlich die Leber, ein umfangreiches, gelbliches, weiches Organ, ober⸗ halb des Fußes gelegen. Die chemiſche Iſolierung des fraglichen Giftes hat zunächſt E. Salkowski ver⸗ ſucht und die Beobachtung gemacht, daß die alko⸗ holiſchen Auszüge giftiger Muſcheln eine größere Menge Gallenfarbſtoff enthielten als die nicht giftigen, woraus er den, durch Wolffs phyſiologiſche Verſuche beſtätigten Schluß zog, daß man die Leber als Bile dungsſtätte des Giftes zu betrachten habe. Die Rein⸗ darſtellung des Giftes iſt endlich Brieger gelungen. Die Zuſammenſetzung des von ihm Mytylotoxin genannten Körpers entſpricht der Formel Ce Hus NO; neben demſelben wurde das nicht giftige Betain, welches auch in den Runkelrüben vorkommt, gefunden. Das Mytylotoxin konnte jedoch nur in giftigen Muſcheln gefunden werden, nicht auch unter den Fäulnisprodukten nicht giftiger Miesmuſcheln. Die Organiſation der vegetabiliſchen Sellhaut. Don Dr. M. Singer in Wien. Bepunſtet durch die Fortſchritte der Mikroſkopie hat die Pflanzenanatomie in den letzten Jahr⸗ zehnten ſich ungemein glücklich entwickelt. Die feineren Organiſationsverhältniſſe aber bildeten den Markſtein ihres Könnens, und die leichtbeſchwingte Hypotheſe war ſchnell zur Hand, die unaufgeklärten Erſchei⸗ nungen der Zellwand, wie Schichtung und Streifung, auf molekularen Bau zurückzuführen. Nun iſt Wiesner mit einer Abhandlung über dieſen Gegenſtand in die Arena getreten und hat, ohne die einſchlägigen Leiſtungen bedeutender Forſcher, wie Nägeli, Strasburger u. a. zu unterſchätzen, auf Grund eines überwältigenden Beweismaterials die einer reellen analytiſchen Forſchung zurück-, oder beſſer geſagt, vorwärtsgebracht. Das Suchen nach einer molekularen Struktur der im Vergleiche zu den anorganiſchen Körpern höchſt kompliziert gebauten Organismen erklärt Wiesner mit Hinweis auf die totale Unzulänglichkeit der gegen⸗ wärtig geltenden Anſchauungen über die Molekular⸗ konſtitution der einfachſt gebauten anorganiſchen Kör⸗ per als ein derzeit hoffnungsloſes Beginnen, vielmehr hält er zunächſt ein tieferes Eindringen in die orga⸗ niſche Struktur der Zellwand für höchſt zweckmäßig. Von dieſer Anſchauung geleitet, ſuchte und fand Wiesner ein Verfahren, mittelſt deſſen es ihm gelang, ganze hypothetiſch getragene Frage auf die Bahnen faſt jede Zellwand in rundliche, zumeiſt an der Grenze Humboldt. — Mai 1887. 175 mikroſkopiſcher Wahrnehmung liegende Körperchen, Dermatoſomen zu zerlegen, in Körperchen, die nicht etwa als ein zufällig entſtandenes Trennungs- produkt, ſondern als dermalen nicht weiter zer— legbare, organiſierte Gebilde anzuſehen ſind. Unterwirft man nämlich nach einem in der Praxis als Karboniſierung bekannten Verfahren die vegetabi— liſchen Gewebe einer längeren Einwirkung von ein— prozentiger Salzſäure und wärmt ſie dann trocken auf 50 bis 60°, fo zerſtäuben dieſelben — Pilz— hyphen und Kork ausgenommen — ſchon bei dem geringſten Drucke zu einem äußerſt feinen Pulver, wobei die kleinen Fragmente, wofern ſie aus Faſer— elementen hervorgegangen, beſtimmt orientierte Bruch— flächen zeigen. Wird eine ſolche, d. h. mit einprozentiger Salzſäure längere Zeit behandelte Faſer, etwa Baum— wolle, auf dem Objektträger mit einem Tropfen foncen- trierter Salzſäure befeuchtet und gedrückt, ſo treten die Sprunglinien viel reichlicher auf, ſowie eine denſelben parallel gerichtete Streifung, — Erſcheinungen, die ſich noch bei längerer Einwirkung der Säure ſteigern. Aber erſt bei Anwendung von konzentrierter Kalilauge zerfällt die ganze Faſer in die obenerwähnten, in eine homo— gene Schleimmaſſe eingebetteten Dermatoſomen. Was aber auf dem angegebenen Wege erſt nach einer Reihe von Proceduren erfolgte, läßt ſich, ſelbſt in jenen Fällen, in welchen, wie bei Kork, die Zer— ſtäubungsmethode unwirkſam geblieben, durch ein und dasſelbe Reagens, nämlich durch Chromſäure, und beſſer noch durch Chlorwaſſer erreichen. Obgleich die Gewebe durch die Karboniſierung eine tiefgreifende Veränderung erfuhren, bewahren die Bruchteile dennoch ihren früheren chemiſchen Cha— rakter, der ſich je nach Art derſelben in den charak— teriſtiſchen, von Wiesner entdeckten Holzſtoff- und in den Celluloſereaktionen ausſpricht. Ja ſogar redu— zierender Zucker konnte in dem karboniſierten Gewebe direkt nachgewieſen werden. Mit Hilfe der erwähnten Zerfällungsmethoden und geſtützt auf vieljährige Beobachtungen unterwarf nun Wiesner die gegenwärtig herrſchende Anſchauung von der Organiſation der Zellwand einer neuer- lichen Prüfung und gelangte zu Reſultaten, die über Struktur, Wachstum und Chemismus der Zellen— membran ein ganz neues Licht verbreiten. Die Anſichten über die Struktur der vegetabiliſchen Zellhaut haben im Laufe der Zeiten manche Aende— rungen erfahren, und ſchon in den vierziger Jahren war die Meinung aufgetaucht, daß dieſelbe aus Fibrillen beſtehe. Allein dieſe Anſchauung geriet in Vergeſſenheit, und man betrachtete die Zellen als die letzten Strukturelemente des Organismus, als „Ele— mentarorgane“, bis Brücke 1861 wiederum die Ver- mutung ausſprach, daß die Zellen, die er ſehr treffend Elementarorganismen nannte, aus Elementen mit organiſcher Struktur, aus den wahren Clementar- organen zuſammengeſetzt ſeien. Etwa gleichzeitig mit Brücke trat Nägeli mit der noch heute herrſchenden „Micellartheorie“ hervor. Danach beſtünden die Zellwände aus außerordentlich kleinen mikroſkopiſch nicht mehr wahrnehmbaren Mole— külgruppen (Micellen), die von Form und Eigenſchaft eines (nicht teſſularen) Kryſtalls und nicht quellbar, im lebenden Zuſtande von Waſſerhüllen umfloſſen, abſolut trocken dagegen in unmittelbarer, dichter Be— rührung wären. Die Doppelbrechung der Zellwand und der Stärkekörner würde in der Aniſotropie der Micellen, Streifung und Schichtung in der Wechſel— lagerung, die mannigfachen Lebensvorgänge überhaupt in der verſchiedenen Verteilung von Micellen und Waſſer ihre Erklärung finden. Aber nicht nur, daß Nägelis Theorie keinen be— friedigenden Aufſchluß gibt über die beim Wachstum erfolgenden Organiſationsveränderungen und chemiſchen Umbildungen, auch die obbezeichneten Erklärungen be— gegneten ſo manchem Widerſpruche. So hat Wiesner ſchon vor Jahren, gleich Strasburger u. a., die Doppelbrechung der Zellwand durch Spannungs— verſchiedenheiten erklärt und mit Rückſicht darauf, daß die Erſcheinungen der Schichtung und Streifung auch in ganz trockenen Geweben oder bei Anwendung von Waſſer weder zuführenden noch entziehenden Mitteln auftreten, als die Folge einer Ungleichheit der Schichten, ſomit auch der chemiſchen Beſchaffen— heit dargeſtellt. Andererſeits verſuchte Strasburger, in der Anſchauung über die Doppelbrechung mit Wiesner übereinſtimmend, die Streifung auf ſchraubig verlaufende Faſern, die Schichtung hingegen auf an— gelagerte (durch Appoſition entſtandene) Lamellen zu— rückzuführen. Auf Grund der nun mittelſt Karboni⸗ ſierung ausgeführten Beobachtungen vermag Wiesner die fraglichen Strukturerſcheinungen aus der gegen— ſeitigen Lage der Dermatoſomen zu erklären. Die Zellwand, ſagt der Autor, kann mit dem gleichen Rechte als fibrillär gebaut betrachtet werden, mit welchem man ſie als lamellös zuſammengeſetzt auf— faßt. Sie iſt aber im Grunde weder das eine noch das andere; ſondern je nach Anordnung der Derma— toſomen, je nachdem dieſelben in einer Richtung mehr genähert, als in einer anderen, oder gleichmäßig ver— teilt ſind, wird ſie geſchichtet oder fibrillär, oder in beiderlei Art gefügt, reſpektive homogen erſcheinen. Die optiſche Differenzierung der Schichten, beziehungs— weiſe Fibrillen der Zellhaut kommt im weſentlichen durch regelmäßigen Wechſel genäherter Dermatoſomen (welche zu Schichten oder Fibrillen vereinigt erſcheinen) und Zwiſchenſubſtanz zuſtande. Desgleichen wird auch die Quellung der Zellhaut teils durch die Quellbarkeit der Dermatoſomen, teils durch das Umſpülen von kapillarem Imbibitionswaſſer auf ſehr einfache Weiſe erklärt. Weiters wird die vielfach ventilierte Frage über das Vorhandenſein einer innerſten, den Zellinhalt umſchließenden homogenen Schicht, der Innenhaut, ſowie die Beſchaffenheit der Mittellamelle, d. i. jenes Zellwandbeſtandteiles, der nach der herrſchenden An— ſicht als eine einfache, homogene, zwei benachbarten Zellen gemeinſchaftliche Schichte angeſehen wird, einer eingehenden Erörterung unterworfen. — Schon vor Decennien hatte Wiesner das Vorhandenſein der 176 Humboldt. — Mai 1887. Innenhaut gegenüber anderen Forſchern verfochten, und ſeine Anſicht fand durch ſein Zerfällungsver⸗ fahren, das die Innenhaut vollſtändig bloßlegte, eine unwiderlegliche Beſtätigung. Bezüglich der Mittel⸗ lamelle ſprach Wiesner auf Grund der Thatſache, daß es ihm gelang, ſelbſt in den jugendlichſten Geweben (Vegetationsſpitzen von Keimlingen) die Zellen binnen weniger Minuten aus dem Verbande zu bringen, die ſchon früher als wahrſcheinlich hingeſtellte Behauptung aus, daß dieſe Lamelle, die er treffender Außenhaut nennt, aus zwei Schichten beſtehe, von denen je eine einer beſonderen Zelle angehöre. Die ſchon vor Jahren von Wiesner gemachte und jetzt nur erweiterte Entdeckung, daß die Turges⸗ cenz der Zellen, ſowie löſende Reagentien zunächſt die Trennung in den Mittellamellen bewirken, führte dieſen Forſcher zum Ausbau ſeiner Theorie, indem er aus den genannten Thatſachen den folgerichtigen Schluß zog, einerſeits daß die Dermatoſomen inner⸗ halb einer Zellwand feſter gebunden ſeien als zwiſchen benachbarten Zellen, und daß andererſeits auch das Bindematerial da und dort ein chemiſch, vielleicht nur chemiſch quantitativ verſchiedenes ſein müſſe. Nunmehr entſteht die Frage nach der Natur dieſes Bindemittels. Ausgehend von den Unterſuchungen Strasburgers, nach denen die erſte Anlage der Zell⸗ haut aus Protoplasma beſteht, und anknüpfend an Tangls Entdeckung, daß oft breite celluloſefreie Pro⸗ toplasmaſtränge innerhalb der Zellwände angetroffen werden, zeigt Wiesner, daß daſelbſt organiſierte Ei⸗ weißkörper ungemein häufig, in jugendlichen Geweben, desgleichen in der Innenhaut, in ſo bedeutender Menge auftreten, daß ſie die Celluloſereaktionen verhindern. Eine quantitative chemiſche Unterſuchung von ſtark verdickten Pilzhyphen ergab das überraſchende Re⸗ ſultat, daß bei denſelben „die Membran ſelbſt als Hauptträger des Protoplasmas fungiere“. Auf Grund dieſer Entdeckung behauptet nun Wiesner, daß das Protoplasma in ungemein feinen, mikroſkopiſch der⸗ malen unſichtbaren Fäden die Dermatoſomen ver⸗ bindet, und folgert aus dem netzförmigen Bau des⸗ ſelben auf eine gleiche Struktur der daraus hervor⸗ gegangenen Zellwand. Iſt aber einmal das Vorhandenſein von Proto⸗ plasma in der Zellmembran nachgewieſen, dann er⸗ ſcheinen auch Chemismus und Wachstum derſelben in ganz neuartiger Beleuchtung. Bisher war man nämlich der Anſchauung, daß nicht nur die infil⸗ trierten, ſondern auch alle anderen Zellwandbeſtand— teile ſogenannte Umwandlungsprodukte der Zellhaut ſeien. Wenn aber ſchon die Herleitung der aroma⸗ tijden Verbindungen aus Celluloſe (einem Kohlen⸗ hydrate) ſehr bedenklich erſcheint, ſo iſt dies bei an⸗ deren Stoffen der Pflanze geradezu unmöglich; dagegen läßt ſich die Abſtammung der genannten Produkte aus den Eiweißkörpern viel ungezwungener erklären. Auch in die Anſchauungen über das Wachstum der Zellhaut, das die einen durch Anlagerung (Appo⸗ ſition), die anderen Forſcher durch Ineinanderlage⸗ rung (Intuſſusception) der Moleküle vor ſich gehen laſſen, wird durch die vorliegenden Unterſuchungen Klarheit gebracht. Mit Strasburger übereinſtimmend, bezeichnet auch Wiesner die erſte Anlage der Zellwand als eine Protoplasmalage. Dieſe verwandelt ſich aber nicht, wie jener behauptet, in eine Wandſchicht, ſon⸗ dern bleibt als ein Hautplasma, Dermatoplasma, mit dem von der Zellhaut umſchloſſenen Protoplasma (Zellenplasma) im Zuſammenhang, gewiſſermaßen durch eigene Thätigkeit die letzten Formelemente desſelben, die Plasmatoſomen, in die Dermatoſomen verwandelnd. Nach dieſen Unterſuchungen Wiesners wird man nicht mehr, wie es bisher geſchehen, die Zellhaut in einen gewiſſen Gegenſatz zu Zellkern und Protoplasma ſtellen und nur dieſem alle Lebensthätigkeiten zu⸗ ſchreiben dürfen; vielmehr erſcheint die Zellmembran jetzt als ein lebendiges Glied der Zelle, deren Struktur, Wachstum und Chemismus den analogen Verhältniſſen des Protoplasmas entſpricht. Die Atmungsorgane der Tauſendfüßer. Don Dr. Ernſt Voges in Heiſede. tmung heißt bekanntlich der Lebensprozeß, welcher in der Aufnahme von Sauerſtoff und in der Abſcheidung von Kohlenſäure beſteht. Den Sauer⸗ ſtoff entnimmt der Organismus ſeiner Umgebung. Die Luft wie das Waſſer, dieſe Lebensmedien der Tierwelt, enthalten denſelben. Je nachdem der Sauerſtoff dem Waſſer oder der Luft entnommen wird, unterſcheidet man waſſeratmende und luft⸗ atmende Tiere. In beiden Fällen umgibt und durch⸗ dringt die Lebensluft den Organismus. Es iſt da⸗ her natürlich, daß jene Flächen des Körpers, welche mit ihr in unmittelbarer Berührung ſtehen, den Aus⸗ tauſch der Gaſe vollziehen. Das heißt, die Körper⸗ oberfläche oder das Integument gibt im allgemeinen das Atmungswerkzeug ab. Im einfachſten Zuſtande iſt die geſamte Körperoberfläche der Träger der Re⸗ ſpiration, wie bei den Urtieren, den Cölenteraten, den meiſten Würmern und anderen. Weiterhin ſind es beſondere umgewandelte Körperhautſtellen, welche die Atmung vollziehen. Entweder liegen dieſe Re⸗ ſpirationsflächen als Ausſtülpungen, als Körper⸗ anhänge frei an der Oberfläche, oder ſie liegen als Einſtülpungen des Integumentes im Körperinnern. Im erſteren Fall heißen ſie Kiemen, im letzteren Humboldt. — Mai [887. 177 — ee eas Luftröhren oder Tracheen. Die Kiemen find dem Aufenthalt im Waſſer angepaßt, die Tracheen dem Leben in der Luft. Aber ſtets ſehen wir dabei das— ſelbe Princip verfolgt, ob nun die Reſpirationsflächen an der Oberfläche oder in das Körperinnere verlegt find: durch Falten- und Röhrenbildungen möglichſt große Reſpirationsflächen zu erzielen. Denn je größer dieſe Flächen, deſto erfolgreicher der Gasaustauſch, deſto energiſcher die Lebensfunktionen. Durch Luftröhren atmen Inſekten, Spinnen und | Tauſendfüßer. Ein vielfach verzweigtes Luftröhren— ſyſtem durchzieht baumartig ihre Körper. Mit der Außenwelt ſteht dasſelbe durch Luftlöcher oder Stig— men in Verbindung, die in beſtimmter numeriſcher Anordnung und Lage am Körper vorkommen. In Tauſende von feinen Veräſtelungen aufgelöſt, gehen die Tracheen an alle Organe und führen dort die ſauerſtoffhaltige Luft zu und die kohlenſäurehaltige hinweg. Reguliert wird dieſes Ein- und Ausſtrömen der mit ungleichen Gaſen verſetzten Luft durch die Kontraktionsbewegungen des Körpers und durch die Thätigkeit beſtimmter Muskeln, welche mit äußerſt ſinnreichen und mannigfaltigen Hebelvorrichtungen am Eingange der Luftröhren in Verbindung ſtehen. So ſtellen ſich Pump- und Verſchlußwerke an den Pforten des Tracheen— ſyſtemes in den 2 Dienſt der Re⸗ 0 ſpiration. Die Tracheen be⸗ ſtehen aus Chi⸗ tin, aus der⸗ ſelben reſiſten⸗ ten Subſtanz, welche auch die Körperdecke der Gliedertiere zuſammenſetzt. So wie Jo ſchon von großer Elaſticität, wird dieſelbe noch erhöht durch eine ſpiralige Verdickung, welche auf der inneren Wandung der Tracheen verläuft. Nach dieſer kurzen allgemeinen Orientierung über die integumentalen Reſpirationsflächen wenden wir uns zu dem Atmungsſyſtem der Tauſendfüßer. Unſere Tiere zerfallen in die beiden großen Ordnungen der Chilopoden und Chilognathen. In dieſem Teile der Arbeit haben wir es nur mit den Chilopoden zu thun. Zu ihnen rechnet man die Familien der Geo— philiden, der Scolopendriden, der Lithobiiden und Seutigeriden, welche wir der Reihe nach auf ihr Atmungsorgan unterſuchen wollen, indem wir irgend einen Repräſentanten der Familie herausgreifen. Suchen wir bei den Geophiliden die Eingänge des verzweigten Luftröhrenſyſtems, ſo liegen dieſelben als kleine Löchelchen an den Seiten des Körpers. Jedes beintragende Körperſegment hat ein Paar Stig— men, nur dem erſten und letzten fehlen ſie. Sie lagern über und etwas hinter den Anſatzſtellen der Beine, und zwar liegt jedes Stigma in dem einen Winkel einer dreieckigen abgerundeten Platte. Höchſt intereſſante Bauverhältniſſe ſeines Atmungsorgans weiſt Himan- tarium Gabrielis L. auf, welches Tier wir als Humboldt 1887. Fig. 1. Ein Vertreter der Scolopendriden und zugleich der Chilopoden Tauſendſußer. Heterostoma suleidens. (Nach Kohlrauſch.) e Luftlöcher oder Stigmata. 0 Familienvertreter wählen. Das gilt vornehmlich von den Eingangspforten des Luftröhrenſyſtems. Das einzelne Stigma iſt eiförmig mit ſtark gewulſtetem Rande. Auf der inneren Randfläche ſtehen vereinzelt kurze Borſten, die kleinen Pickeln gleichen. Die oberflächlich gelegene Oeffnung, welche die Körper— wandung durchbricht, führt in das innere Mundſtück der Tracheenverzweigung. Dieſes Verbindungsſtück zwiſchen Stigma und Tracheen, das in mannigfacher Geſtaltung bei Tauſendfüßern, Inſekten und Spinnen wiederkehrt, nennen wir Stigmataſche. Hier erſcheint dieſelbe als eine in halber Länge ſchwach gefnidte Röhre, die in ihrem vorderen Teile glockig, in ihrem hinteren Teile cylindriſch iſt (Fig. 2). Die äußere Oberfläche der verhältnismäßig langen Stigmentaſche iſt höckerig, zumal in ihrem hinteren Abſchnitte; die innere Oberfläche im vorderen klein gefeldert, im hinteren Teile ſtark leiſtenförmig ausgezogen, ſo daß die Wand den Treppengefäßen der Pflanzen— gewebe gleicht. Dieſe ſcharfe Reifelung geht am Grunde der Stigmentaſche, wo die zahlreichen un— gleich großen Tracheen ſiebförmig münden, in die ſpiralige Verdickung der Luftröhren über. Was den Verlauf und die Verzweigung der Tracheen ſelbſt betrifft, ſo iſt der nur an der Hand von Abbildungen verſtändlich. Er⸗ wähnt ſei des⸗ halb bloß, daß die einzelnen Stigmen durch bogenförmige Aeſte und Quer⸗ kommiſſuren miteinander verbunden ſind. Bislang iſt am Reſpirationsſyſtem unterſchieden: deſſen äußere Zugänge oder die Stigmen, ferner das Mundſtück der Tracheenverzweigungen oder die Stig— mentaſche und die Luftröhren. Jedem dieſer Teile fallen beſondere Aufgaben zu. Das Stigma geſtattet den Zutritt der Luft und hindert durch beſondere Schutzvorrichtungen, wie wir weiterhin ſehen werden, den Eintritt von Verunreinigungen. Die Stigmen- taſche bildet da, wo ſie erſcheint, ein Sammelbaſſin der eintretenden und austretenden Luft und gibt ferner die Anſatzflächen her für Muskeln, welche in den Dienſt der Atmung treten. Die Tracheen ſind die Leitungsbahnen, auf welchen die Luft nach den verſchiedenſten Körpergeweben geführt wird, zumal nach dem Blut, wo der Gasaustauſch am energiſchſten vorzugehen hat. Sie ſtellen ferner pneumatiſche Ap— parate vor, welche das Körpergewicht des Tieres ver— ringern. Auch als Schutzpolſter, als Luftkiſſen der Gewebe können ſie dienen. Jene Muskeln, welche in den Dienſt der Atmung treten, hat nun auch die Stigmentaſche unſeres viel— füßigen Tieres. Am vorderen Teil derſelben in- ſerieren nämlich zwei ungleich ſtarke Muskeln. Der bei weitem ſtärkere Muskel inſeriert an der einen Seite der Röhrenwandung. Ihm gegenüber auf der 23 178 anderen Seite der Röhrenwandung und etwas niedriger, etwa auf der Grenze der beiden Stigmentaſchenab⸗ ſchnitte, ſetzt ſich der ſchwächere Muskel an (Fig. 2). Ihre Wirkungsweiſe beſprechen wir hernach. Die zweite Chilopodenfamilie oder die Scolopen⸗ driden zeigen im Bau ihres Atmungsorganes eine große Mannigfaltigkeit. Nach der Form der Stigmen unterſcheidet man ſiebförmige, kiemenförmige, lippen⸗ oder ſpaltförmige und 8⸗förmige Stigmen, die als Gattungscharaktere gelten. Siebförmig heißt das Stigma, wenn die Tracheen auf einer dünnen, an der Körperoberfläche gelegenen Platte münden. Die Platte hat alsdann das Ausſehen eines Siebes. Denken wir uns nun dieſelbe gegen das Körperinnere hin ausgezogen, ſo erhalten wir einen in den Körper 28 1 Ssh y) CQ { N N aS 8 as we LT N Uf fT D 0 „ 2 SS A SS A si’ & . Fig. 2. Vorderer Abſchnitt des Atmungsorganes mit Stigma, Stigmentaſche und Tracheen von Himantarium Gabrielis E. Vergr. 300. sch Stigmenſchlitz, » wulſtiger Rand des Stigma, st doppelteilige Stigmentaſche und deren Muskeln m. Am Grunde derſelben die mündenden Tracheen t. hineinhängenden Sack. Das iſt die kürzere oder längere Stigmentaſche, an deren Boden die Tracheen ſiebförmig münden. Iſt dabei der äußere gewulſtete Stigmenrand oval oder rund, ſo nennt Newport das Stigma mit einer gerade nicht glücklich gewählten Be⸗ zeichnung branchiform. Werden Stigmentaſchen und Tracheen größer und treten die gewulſteten Stigmen⸗ ränder ſo nahe gegeneinander, daß nur ein ſchmaler Schlitz übrig bleibt, dann heißt das Stigma ſpaltförmig. Die Form und Größe der Stigmenränder, des Stigmen⸗ ſchlitzes, ſowie der Stigmentaſche und der mündenden Tracheen wechſeln aber ſo ſehr, daß alle möglichen Uebergänge zwiſchen jenen Formen auftreten. Selbſt bei ein und demſelben Tiere ſind die Luftlöcher ver⸗ ſchieden. So hat Heterostoma am dritten bein⸗ tragenden und erſten ſtigmentragenden Körperſegment ein ovales, auffällig großes Stigma, das flach iſt und ohne Stigmentaſche, und deſſen Längsachſe mit der Längsachſe des Tieres parallel verläuft. Die übrigen Stigmen hingegen ſind kleiner, haben ge⸗ wulſtete Ränder und Stigmentaſchen und ſind mehr Humboldt. — Mai 1887. quer zur Längsachſe des Körpers geſtellt. Auch mit dem Alter des Tieres wechſelt die Form des Stigmas. Bei ganz kleinen Heteroſtomen iſt nach Kohlrauſch das erſte Stigma ſogar branchiform. Wie bei Geophilus liegen auch bei Scolopendra die Stigmen an den lateralen Körperflächen über und hinter den Anſatzſtellen der Beine. Auf 21 bein⸗ tragende Segmente kommen neun, bezw. zehn Stigmen⸗ paare. Als Repräſentant der Scolopendriden liegt mir Scolopendra subspinipes Leach vor. Das Stigma des Tieres iſt eiförmig. Die ſtark gewulſteten, kurze Borſten tragenden Ränder durchbricht ein „knopfloch⸗ förmiger“ Schlitz, welcher in die Stigmentaſche führt. Vom inneren Stigmenrande entſpringt eine Mem⸗ Fig. 3. Ein Stück der Körperdecke von der Innenſeite mit dem Atmungsorgan von Scolopendra subspinipes Leach. Vergr. 120, a Außenwand des Stigma, b Innenwand des Stigma, sch Stigmenſchlitz, in welchen die Lamellen o mit den baumartigen Schutzzapfen hineinragen; st Stig⸗ mentaſche, zum Teil mit den Luftröhren weggenommen, um den Stigmeneingang frei zu legen; r Rand der abgeſchnittenen Stigmentaſche, w Stigmentaſchenmuskeln. bran, welche rings um das Stigma läuft und dachig gegen das Lumen der Stigmentaſche geneigt iſt (Fig. 3). Der freie Rand der Membran trägt einige fünfzig borſtige Schutzzapfen, die gleich einer Allee von Lebensbäumen ſich dort aufpflanzen. Sie ſind derartig gegeneinander gerichtet, daß der Stigmen⸗ eingang von einem buſchigen Gehege verſchloſſen iſt, durch welches wohl die Luft, aber keine Verunreinigung dringen kann. Dieſer Filtrierapparat gleicht ſomit den verfilzten Dornenhecken unſerer Gärten, welche den Straßenſtaub abwehren. Durch jene Büſche hindurch geht es in die geräumige Stigmentaſche. Im Grunde derſelben, dort wo die Tracheen münden, erheben ſich paliſſadenartige Borſten, die zwiſchen den Tracheen eine bedeutende Größe erreichen und hier, in Büſcheln ſtehend, zum Teil in das Lumen der Tracheen hinein⸗ ragen. Wir hätten demnach zwei Schutzgehege in dem Thorgewölbe, das zu den Luftröhren führt. Das erſte ſteht am Eingange der Stigmentaſche und ſchützt dieſe vor Verunreinigungen, das zweite ſteht am Grunde und ſchützt die Tracheenzugänge vor ee a Humboldt. — Mai 1887. 179 Fremdkörpern, welche vielleicht dennoch in die Stig— mentaſche gerieten. Am Stigmenſack inſeriert ebenfalls wie bei Geo- philus ein Muskelpaar. Es ſetzt ſich je ein ſtarker Muskel an die Breitſeiten des Sackes (Fig. 3). Die beiden gleich mächtigen Muskeln ſtehen ſomit ge— rade einander gegenüber und ſteigen ſchräg nach auf— wärts. Welcher Art iſt nun aber die Thätigkeit der Stigmentaſchenmuskeln? Welche Rolle ſpielen ſie im Atmungsprozeß unſerer Tiere? Hinſichtlich ihrer Funk— tion ſind ſie jedenfalls mit den Tracheenverſchluß— muskeln der Inſekten nicht unmittelbar zu vergleichen. Eher dürften ſie im entgegengeſetzten Sinne wirken, nicht als Verſchluß, ſondern als Oeffnungsmuskeln. Denn indem ſich die Muskeln kontrahieren, ziehen ſie Fig. 4. Ein Stück der Körperdecke von der Innenſeite mit Stigma von Lithobius grossipes Koch. Vergr. 120. a Außenrand des Stigma, b Innenrand des Stigma, sch Stigmenſchlitz mit Paliſſadengitter, st Stigmentaſche, nur aus einem ſchmalen Saum beſtehend, mit den abgeriſſenen Tracheen t; m Stigmenmuskel, der auf der abſchüſſigen inneren Stigmenwand entſpringt und an einer amboßförmigen Chitinleiſte w der inneren Körperdecke inſeriert. die Breitſeiten des Sackes voneinander weg, ſie weiten dadurch den Zugang zu den Luftröhren, welche am Boden des Sackes münden. Erſchlaffen die Muskeln, ſo verengt ſich wieder der Zugang, die Stigmentaſche nimmt vermöge ihrer Elaſticität die gewöhnliche Ruhe— lage wieder an. Aber die mittlerweile in die Stig— mentaſche eingetretene Luft wird dadurch in die Tracheen getrieben. So gleicht der Stigmenſack einem Blaſebalg, an welchem die Muskeln die Hand— haben vorſtellen. Durch das abwechſelnde Kontrahieren und Erſchlaffen der Muskeln arbeitet der Stigmen— ſack wie ein Blaſebalg. Und daß dieſe ſeine Thätig— keit von größter Bedeutung für die Reſpiration iſt, liegt auf der Hand. Der Austauſch und die Cir— kulation der Luft wird dadurch eine energiſchere und die Luft wird vor einem Stagnieren bewahrt. Es fteht gewiſſermaßen an jedem Eingange zu dem Luft— röhrenſyſtem eine Pumpe, welche die Luft durch die Röhren in das Körperinnere treibt. Aber nicht bloß an der Stigmentaſche inſerieren Muskeln, auch der innere Stigmenrand, d. h. jener Rand, welcher den Stigmenſack umwallt, dient Muskeln als Anſatzfläche. Denn wo nur immer im Körper⸗ innern feſtere Flächen in der Form von Leiſten oder ſonſtigen Erhebungen ſich bieten, da werden ſie von der Muscularis aufgeſucht. Auch dieſe Muskeln werden durch ihre Kontraktionen das Stigma weiten und durch Preſſionen auf ihre Umgebung mittelbar die Luft durch die elaſtiſchen Röhren treiben. Wie denn überhaupt die geſamten Leibesmuskeln bei ihren verſchiedenen Kontraktionszuſtänden die reſpiratoriſchen Vorgänge beeinfluſſen, inſofern als ſie auf die elaſtiſchen Wandungen der Luftröhren, welche den Körper ja nach allen Richtungen hin durchziehen, einen Druck ausüben, der, weil nach Ort und Zeit wechſelnd, ſowohl die kohlenſäurehaltige Binnenluft Fig. 5. Ein Stück des hinteren Teils der Rückenplatte von Seutigera. Von der Außenſeite. Vergr. 120. Durchſcheinend ſieht man die kugelige Stigmentaſche st mit den Tracheen t und deren ſiebförmige Mündungen w. An dem großen Rückenſtigma ijt a der Außen rand, b der Innenrand desſelben, d Stimmbänder (2), sch Stigmenſchlitz. hinaus, als die eingetretene ſauerſtoffhaltige Außen— luft ſtreckenweiſe in den Röhren weiter treibt. Wenn Haaſe hiernach behauptet, es fände ſich bei keinem von ihm unterſuchten Chilopoden ein Tracheenverſchlußapparat im Sinne Landois, ſo iſt das inſofern vollſtändig recht, als ihnen die mander- lei Hebelvorrichtungen zum Schließen der Tracheen fehlen; aber nichtsdeſtoweniger haben die Chilopoden wie die Inſekten Tracheenmuskeln, die im Dienſte der Atmung ſtehen. Ein Verſchlußapparat des Tracheenſyſtems würde für die Tauſendfüßer auch ziemlich zwecklos ſein. Den Inſekten iſt er aber von größtem Nutzen beim Fliegen. Bevor ſie ſich zum Fluge anſchicken, pumpen ſie die Tracheen voll Luft und ſchließen darauf zum Teil die Luftlöcher. Auf ſolche Weiſe vermindern ſie ihr eigenes Körpergewicht, ſpeichern ein größeres Material von Atmungsgas für den ſtärkeren Ver— brauch während des Fluges auf und erleichtern ſomit das Fliegen, was alles die flugunvermögenden Taujend- füßer nicht nötig haben. 180 Als Vertreter der Familie der Lithobiiden habe ich Lithobius grossipes Koch. Das Tier hat zwölf Luftlöcher, an jeder Körperſeite deren ſechs. Sie liegen am dritten, fünften, achten, zehnten, zwölften und vierzehnten beintragenden Körperſeg⸗ mente, hinter der Anſatzſtelle der Beinpaare und dicht unter der Rückenplatte. Zur Längsachſe des Tier⸗ körpers ſtehen ſie ſchräg. Der äußere Stigmenrand iſt ſtark ausgezogen, ſo daß das Stigma als ein kurzer, ſeitlich plattgedrückter Cylinder an der Körper⸗ oberfläche erſcheint. Der Stigmenſchlitz bildet eine recht ſchmale Spalte. Von den Rändern derſelben entſpringen paliſſadenartige Borſten, die an der Spitze leicht hakig gekrümmt und gegeneinander gerichtet ſind. Auf ſolche Weiſe bilden die Borſten ein enges Gitterwerk, einen geſchloſſenen Thorweg, welcher außer der Luft jedwedem den Zutritt wehrt. Weiter⸗ hin auf der inneren Oberfläche der ausgezogenen Stigmenränder werden die Borſten kleiner und er⸗ ſcheinen auf der inneren Wandung der nur ſehr kurzen Stigmentaſche als zahnartige Erhebungen, die gegen die Tracheenmündungen hin höckerig und ge⸗ feldert werden, um ſchließlich in die Spiraltouren der Tracheen überzuleiten. Am Boden der kurzen Stigmentaſche münden mehrere ungleich große Tra⸗ cheen mit enger, ſpiraliger Wandverdickung. Sie laufen zum Teil auf lange Strecken unveräſtelt durch den Körper. Auch das Lithobiusſtigma beſitzt einen Muskel, der anſcheinend im Dienſte der Reſpiration thätig iſt. Aber er verhält ſich ganz anders, als bei Geo- philus und Scolopendra. Die Stigmentaſche des Lithobius iſt nämlich viel zu kurz, zu unbedeutend, um ſtärkeren Muskeln die nötigen Anſatzflächen zu bieten. Aber auf dem abſchüſſigen Randteil der inneren Stigmenfläche und zwar an der Breitſeite des eiförmigen, die Körperdecke ſchräg durchbrechenden Stigmas entſpringt ein Muskel, der von hier ſchräg nach aufwärts, konvergierend mit der Längsachſe des Stigmas ſteigt und nach kurzem Verlauf an einer amboßförmigen Chitinleiſte inſeriert (Fig. 4). Kon⸗ trahiert ſich nun der Muskel, ſo folgt die ab⸗ ſchüſſige innere Stigmenwand dem Zuge. Durch ein abwechſelndes Anziehen und Nachlaſſen wirkt die Wandung wie eine Pumpe, die mittelbar die Luft in die Tracheen preßt. Hinſichtlich dieſer mutmaß⸗ lichen Wirkungsweiſe ließe ſich daher dieſer Muskel mit den Stigmentaſchenmuskeln von Himantarium und Scolopendra vergleichen. Was endlich die letzte Familie der Chilopoden angeht, jo hat man ihr noch in jüngſter Zeit die Tracheenatmung ſtreitig gemacht. Es hieß: die Seutigeriden haben keine Tracheen. Allerdings iſt hier das Tracheenſyſtem ebenſo abſonderlich geſtaltet, wie zum Körper gelagert, ganz abweichend von allem Herkömmlichen. Die Luftröhreneingänge liegen näm⸗ lich nicht, wie ſonſt üblich, an den lateralen Körper⸗ flächen, ſondern in der Mittellinie des Rückens. Und während überall das Körperſegment die Stigmen in der Paarzahl aufweiſt, kommt bei Scutigera auf das Humboldt. — Mai 1887. Segment nur ein Stigma. Ebenſo abweichend ſind die Tracheen geſtaltet. Das Luftloch führt in eine kugelige Stigmentaſche, an deren Grunde zahlreiche Röhrchen ſiebförmig münden. Die Röhren entbehren des Spiralfadens, gehen keine Anaſtomoſen ein, ſondern ſtrahlen, am Kaliber allmählich abnehmend und ſich dichotomiſch veräſtelnd gegen das Körperinnere. Die ganze Röhrenmaſſe war anſcheinend in ein Drüſengewebe eingebettet. Aus dieſen Gründen hielt man die Rückenſtomata nicht für Luftlöcher, ſondern für die Ausführungsöffnungen von Drüſen. Als wir die Meinung ausſprachen und kurz mit vergleichend anatomiſchen Gründen zu erhärten ſuchten, daß die Rückenſtomata echte Stigmen und jene Röhren wahre Tracheen ſeien, da traten Meinert in Kopen⸗ hagen und der ſeiner Wiſſenſchaft kürzlich durch den Tod entriſſene Oskar Schmidt in Straßburg derſelben entgegen. Auf Grund eingehender Unterſuchungen an friſchem Material und an lebenden Tieren, die ich mir nicht verſchaffen konnte, beſtätigte Haaſe die ausgeſprochene Anſicht. Haaſe konnte vor allem durch ein ebenſo einfaches wie beweiskräftiges Ex⸗ periment am lebenden Tiere nachweiſen, daß das viel umſtrittene Organ thatſächlich der Atmung diente. Haaſe beſtrich nämlich die Rückenſtomata mit Oel, hemmte alſo den Gasaustauſch. Die Folge war, daß das ſonſt jo lebhafte Tier in Herz- und Muskel⸗ lähmung verfiel, die zur Erſtarrung und nach andert⸗ halb Stunden zum Tode führte. Wurde das lebende Tier unter Waſſer gebracht, ſo ſtiegen aus den Stomata Luftblaſen auf, Beweiſes genug, daß die fraglichen Organe der Reſpiration dienten. Scutigera hat ſieben ſolcher Rückenſtigmen. Mit Ausnahme der letzten Rückenplatte beſitzt jede ein Stigma. Dasſelbe liegt in einer grubigen Vertiefung auf der hinteren abſchüſſigen Fläche der Rücken⸗ platte als ein lanzettförmiger Längsſpalt. Von den inneren Stigmenrändern entſpringt jederſeits eine Membran. Dieſe Membranen ſind dachig gegen⸗ einander geneigt und nehmen von hinten nach vorn an Breite zu. Zwiſchen ſich laſſen ſie einen lanzett⸗ förmigen Schlitz (Fig. 5). Gelegentlich ihrer Be⸗ ſchreibung hatte ich früher die Bemerkung gemacht, daß jene ſchmalen Membranen an die Stimmbänder der Inſektenſtigmen erinnerten und es immerhin nicht unmöglich wäre, daß ſie auch wie dieſe ein Vibrationsgeräuſch hervorbrächten. Dagegen macht nun Meinert und nach ihm Haaſe geltend, daß die Luftmenge zu klein, die elaſtiſche Kraft der Lamellen und die Stärke des Luftſtromes viel zu gering ſei, um ein Vibrationsgeräuſch hervorzubringen. Allein, wie groß muß denn die Luftmenge, wie groß die elaſtiſche Kraft der Lamellen und die Stärke des Luftſtromes ſein, um ein Geräuſch hervorzubringen? Wohl jedem, welcher die Membranen der großen Rückenſtigmen mit den Stimmbändern der Inſektenſtigmen ver⸗ gleicht, wird ſich der Gedanken aufdrängen, daß ſie möglicherweiſe auch wie dieſe funktionieren könnten. Zumal fällt ihre Aehnlichkeit mit den Stimmbändern der Hummelſtigmen auf, die im Stigma hängen wie Humboldt. — Mai 1887. 181 Gardinen im Fenſter, weshalb auch der Stigmen— ſchlitz bei Bombus und Seutigera von ähnlicher Form iſt. Meines Erachtens ſind die mechaniſchen Be— dingungen vorhanden, um eine Tonäußerung zu er— möglichen. Wir haben einen großen Spalt, in welchem zwei ſchmale Membranen ſtehen. Der Spalt führt in einen geräumigen Luftſack, an deſſen Grunde Hunderte von Tracheen münden. Durch die Kontraktionen der benachbarten Leibesmuskeln wird fraglos ein Druck auf die Luftröhren und auf den kompreſſibeln Luftſack ausgeübt, ein Druck, welcher immerhin ſtark genug fein dürfte, einen Luftſtrom zwiſchen den Stimm⸗ bändern zu erzeugen. Daß hierbei ein Geräuſch ent— ſtehen wird, iſt wahrſcheinlich. Ob wir aber, wegen der etwaigen Höhe des hervorgebrachten Tones, das— ſelbe zu hören vermögen, iſt eine andere Frage. Die Tiere könnten alſo recht gut Töne produzieren mittelſt ihrer Stigmen, aber ſie wären dann unerreichbar für unſer Ohr. Haaſe — und dies hängt mit unſerer Frage zuſammen — glaubt freilich, daß eine Aus— ſtoßung und Einziehung der Luft nicht periodiſch vor ſich ginge, ſondern die Atmung erfolge „durch ſtete, ruhige Diffuſion der aufzunehmenden und abzu— ſcheidenden Atmungsgaſe“. Es iſt dabei aber un— verſtändlich, wie ein Ausgleich zwiſchen der kohlen— ſäurehaltigen und daher ſchwereren Binnenluft und der leichteren Außenluft ohne eine Preſſion ſtattfinden ſoll. Die kohlenſäurehaltige Luft ſtagnierte jedenfalls in den Luftröhren wie das Waſſer im Sumpfe, wenn ſie nicht durch die Kontraktionen der Leibesmuskeln hinausgetrieben würde. Die Tracheen endigen blind nach verhältnismäßig kurzem Verlaufe, wie Meinert und Haaſe nachwieſen. Bei der Art der Unterſuchung und Vergrößerung erkannte ich früher mit Sicherheit nur an einer Trachee, die genau im Scheitelpunkt des „Tracheen— ſattels“ entſpringt und in der Form einem Probier— röhrchen glich, daß ſie blind endigte. Daß ferner, wie Haaſe, Latzel und ich früher meinten, die Tracheen in einer drüſigen Gewebsmaſſe eingebettet ſeien, konnte Haaſe an friſchem Material als falſch nach— weiſen. Es iſt „parenchymatiſches Bindegewebe mit ſchönen Kernen, das die Röhrchen miteinander ver— kittet“. Wie aber iſt dieſe auffällige Abweichung im Bau und vor allem in der Lagerung des Atmungsorganes der Scutigeriden zu erklären? Sehen wir uns daraufhin die typiſche Lagerung des Tracheenſyſtems bei den Tauſendfüßern an, ſo finden wir alle Haupt— körperfläcen bedacht: die Juliden — die zweite Myriapodenordnung — haben die Stigmen bauch— wärts, die Scolopendriden, Geophiliden und Litho— biiden ſeitlich und die Scutigeriden rückenſtändig. Bei den erſteren Gruppen treten ſie paarig am Seg— ment auf, bei Scutigera unpaar. Aber allen gemein— ſam iſt dieſelbe Lagerung des Tracheenſyſtems zu den Extremitäten: es liegt lateralwärts von den Beinen. Es iſt nun denkbar, daß die unpaaren Rückenſtigmen der Scutigeriden aus paarigen Seiten— ſtigmen entſtanden. Die Seitenſtigmen rückten bei Scutigera verwandten Formen, die heute vielleicht ſchon ausgeſtorben ſind, vielleicht auch noch entdeckt werden, immer weiter nach aufwärts, bis ſie ſchließ— lich in der Mittellinie des Rückens zuſammentrafen und ſich zu einem großen Rückenſtigma vereinigten, eine Hypotheſe, die ich bereits früher ausſprach und hier wiederholen darf. Gleichſam angedeutet iſt eine ſolche wahrſcheinliche Aufwärtswanderung bei den einzelnen Gattungen und Familien der Chilopoden. So liegt das Stigma bei Henicops, einer Litho— biidengattung bereits dicht unter dem Rande der Rückenplatte. Und bei einer anſcheinend höchſt in— tereſſanten Uebergangsform von den Lithobiiden zu den Seutigeriden, einer Form, welche jüngſt Haaſe in einem Exemplar in der v. Martensſchen Samm⸗ lung indiſch-auſtraliſcher Chilopoden entdeckte und als die beſondere Familie der Cermatobiiden auf— ftellte, ſollen die Stigmen fo dicht unter der Rücken⸗ platte liegen, daß ſie „am erſten beintragenden Seg— mente nur bei Lüftung der Dorſalſchilder zu erkennen find’. Hinſichtlich der Lage erinnern fie an Henicops; hinſichtlich der Form „des lang ausgezogenen Ovals“ erinnern fie an Scutigeraſtigmen. So hätten wir denn verſucht, dem geneigten Leſer eine Vorſtellung von dem Atmungsorgan der Chilopoden zu geben. Im zweiten Teil der Arbeit wird es unſere Aufgabe ſein, dasſelbe von der an— deren großen Gruppe der Tauſendfüßer, von den Chilognathen, zu verſuchen. Die Hautfarbe der Menſchenraſſen. Von Dr. Emil Deckert in Berlin. Daß die Hautfarbe der Menſchenraſſen in direkter Weiſe bei weitem nicht ſo viel mit der Einwirkung der Sonnenſtrahlen zu thun hat, wie die alten Geographen glaubten, dürfte gegenwärtig allgemein zugeſtanden werden. Dagegen iſt man unſeres Wiſſens bezüglich der poſitiven Thatſachen, die zur Erklärung des Phänomens dienen können, noch bei weitem nicht zu einer übereinſtimmenden einheitlichen Anſchauung gelangt. Mehr um andere, Be- fugtere dazu anzuregen, der Sache weiter nachzugehen, als um eine Hypotheſe aufzuſtellen, die Anſpruch auf all— gemeine Annahme erhebt, ſprechen wir uns deshalb an dieſer Stelle über die Angelegenheit aus, zum Teil veran— laßt durch unſere Reiſeanſchauungen in Nordamerika. Daß man es in der amerikaniſchen Indianerbevölkerung mit einer mongoloiden Raſſe zu thun hat, die ihrem ge— ſamten Habitus und ihrem Urſprunge nach eng verwandt 182 Humboldt. — Mai 1887. iſt mit den Chineſen und Japaneſen, und die erſt in einer verhältnismäßig ſpäten Zeit über die Behringsſtraße oder auf einem anderen Wege aus Aſien eingedrungen iſt, gilt nach Flowers und anderer Unterſuchungen als über allen Zweifel erhaben. Da ſich die echten Mongolen nun be⸗ kanntermaßen durch eine ledergelbe Hautfarbe auszeichnen, ſo muß die Umwandlung des Gelb in das Kupferrot, durch das die Indianer heute charakteriſiert ſind, auf amerikaniſchem Boden und durch ſpeeifiſch amerikaniſche Verhältniſſe bewirkt worden ſein. Es muß ſich dabei um eine einfache Anpaſſungserſcheinung handeln. Welches ſind aber wohl die Verhältniſſe geweſen, denen es ſich in der neuen Heimat durch die andere Hautſchattierung anzu⸗ paſſen galt? War es der Uebergang von der vorwiegenden Pflanzennahrung zu der vorwiegenden Fleiſchnahrung, zu dem die Raſſe bei ihrer Ueberſiedelung nach Amerika durch den Mangel an Cerealien genötigt wurde, der auf den Gehalt der farbſtoffhaltigen Epidermiszellen einen ſo maßgebenden Einfluß ausübte? Wir halten dies nicht ganz für unmöglich, glauben aber doch, uns daneben auch noch nach anderen und vielleicht ſtichhaltigeren und plau⸗ ſibleren Erklärungsgründen umſchauen zu ſollen. Als den eigentlichen Bevölkerungsherd Nordamerikas, auf dem ſich die aus Aſien eingewanderten Menſchen in größter Zahl niederließen, weil ſie daſelbſt die reichlichſten Subſiſtenzmittel fanden — den beſten Wildſtand, die reichlichſten Waldfrüchte 2c. — und wo ſie ſich zugleich auch am ſtärkſten vermehrten, um beſtändig neue Stämme nach Norden und Süden und Weſten zu entſenden, glauben wir die Gegend um die Alleghanies anſehen zu ſollen. Bei den modernen Amerikanern iſt dies eigentlich auch nicht viel anders. Die Einflüſſe der amerikaniſchen Landesnatur, die in der genannten Gegend walteten, ſcheinen uns daher bei der Umfärbung in allererſter Linie maßgebend zu ſein. Welche gewaltige Rolle ſpielt nun in den fraglichen Diſtrikten die rote, veſpektive die rot⸗ braune Farbe! Rot oder rotbraun iſt weit und breit der eiſenſchüſſige Kies und Sand und Lehm, aus dem der Boden zuſammengeſetzt iſt, auf dem wir ſtehen. Rot oder rotbraun ſind die Stämme der Kiefern und Cedern und Eichen, die den Wald bilden, durch den wir wandern oder reiten. Rot oder rotbraun iſt endlich auch das Wildbret, das wir jagen, die Hirſche, die Rehe, die Füchſe, die Kaninchen 2c. Was blieb dem Menſchen alſo wohl übrig, um die merkwürdige Farbenharmonie nicht zu ſtören, als eben⸗ falls ein rotes oder rotbraunes Naturkleid anzulegen? Wie dies bei dem Prozeſſe der natürlichen Zuchtwahl und der Anpaſſung an die Umgebung zugeht, das erachten wir nicht für nötig, hier des weiteren auseinanderzuſetzen. Es genügt uns, unſere Meinung dahin zu äußern, daß man es bei der Indianerraſſe in der fraglichen Hinſicht vor allen Dingen mit einem Phänomen ſympathiſcher Um⸗ färbung zu thun haben dürfte. Dieſe Umfärbung mußte bei einer Jägerbevölkerung, die in beſtändigem innigen Umgange — bald in freundlichem, bald in feindlichem — mit der Natur lebte, ganz beſonders raſch und intenſiv vor ſich gehen, und es bedurfte zu der Umgeſtaltung der Raſſe in der fraglichen Beziehung wahrſcheinlich gar nicht ſehr vieler Jahrtauſende. Die blinden Gegner der Entwickelungstheorie — und beſonders die Gegner der Anwendung der Entwickelungstheorie auf die Anthro⸗ pologie — werden uns vielleicht in der bekannten trivialen Weiſe fragen, ob denn wohl die aus Europa eingewanderten Kaukaſier und die aus Afrika herbeigeſchleppten Neger, die nach Ausrottung der Indianer in der betreffenden Gegend hauſen, nach ein paar Jahrtauſenden gleichfalls kupferrote Hautfarbe bekommen haben werden. Handelt es ſich aber dabei nicht um Raſſen, die ſich den neuen Verhältniſſen gegenüber unbedingt viel widerſtandsfähiger und ſpröder verhalten müſſen? Der Uebergang von Schwarz oder Weiß zu Rot iſt bei weitem nicht ſo einfach, wie derjenige von Gelb zu Rot. Leben die weißen und ſchwarzen Neuamerikaner übrigens auch noch in dem⸗ ſelben engen Kontakte mit den betreffenden Verhältniſſen wie die Indianer? Und ſind dieſe Verhältniſſe nicht mittlerweile ſehr weſentlich andere geworden? Iſt nicht das Rotwild ausgerottet? Sind nicht die Stämme des Waldes zu einem großen Teile gefällt und in Kulturland umgewandelt? Die Prairie⸗ und Felſengebirgsgegend glauben wir bei der von uns aufgeworfenen Frage im allgemeinen weniger in Betracht ziehen zu ſollen, weil dieſe Gegenden ebenſo wie der unwirtliche Norden doch im allgemeinen nur das Erbteil verſprengter Stämme waren, und weil die dortigen Stämme durch die mehr oder minder abſolute Dürre, durch die furchtbare Winterkälte und durch die un⸗ aufhörlichen Fehden untereinander öfters in arger Werle decimiert wurden, ſo daß ſie im weſentlichen nur von dem angegebenen Bevölkerungsherde aus unterhalten wurden. Die in jeder Beziehung edelſten und kräftigſten Indianer⸗ ſtämme waren die Irokeſen, die Cherokeſen und die anderen Stämme der appalachiſchen Region, während die Sioux, die Apachen, die Pa⸗Utahs ꝛc. dem Beobachter eine ganze Reihe von Spuren der Entartung und Verkümmerung zeigen. Uebrigens dominiert die rote Farbe aber auch in dem nordamerikaniſchen Weſten an verſchiedenen Orten in ſehr augenfälliger Weiſe: in den roten Felſen, den roten Strömen „Colorado“, „Red River“, dem dürxen, roten Spätſommergraſe ꝛc. Wie es mit Südamerika ſteht, darüber laſſen wir uns gern von anderen belehren, da wir dasſelbe nicht aus eigener Anſchauung kennen gelernt haben. Wir halten aber eine Reihenfolge von Völkerwanderungen von dem nordamerikaniſchen Bepölkerungsherde über die eentral⸗ amerikaniſche Landbrücke, ſowie über die Antillenbrücke für ſehr möglich und wahrſcheinlich. Bezüglich des äquatorialen Afrika erlauben wir uns auch nur den allgemeinen Hinweis, daß daſelbſt in ſehr vielen Beziehungen ebenfalls eine offenbare Farbenharmonie zwiſchen den einzelnen Naturobjekten beſteht, und daß in dieſer Farbenharmonie das Schwarze eine ſehr wichtige Rolle ſpielt. Man wandere da nur durch die afrikaniſche Abteilung eines größeren ethnographiſchen Muſeums, oder man denke an den Gorilla und Schimpanſe, an die großen Dickhäuter rc. Uebrigens wird man bezüglich der Afrikaner aber niemals aus den Augen laſſen dürfen, daß man es in ihnen aller Wahrſcheinlichkeit nach mit einer ſehr alten Raſſe zu thun hat, die anders betrachtet werden will, wie die junge Indianerraſſe. * r Humboldt. — Mai 1887. 183 ' Bezüglich Chinas weiſt uns Ferdinand von Richt- das Angeſicht prägt, etwa eine ähnliche Rolle wie derjenige hofen in ſeinem klaſſiſchen Werke darauf hin, wie auf dem | in dem Vorlande der Appalachen? fruchtbaren Lößboden, der als die Wiege der chineſiſchen Am ſchwierigſten und komplizierteſten liegt die Frage Kultur gelten muß, ebenfalls alles Gelb in Gelb gefärbt ohne Zweifel bezüglich der Kaukaſier. Doch, wie geſagt, ijt: der Boden, die fließenden Gewäſſer, die Pflanzen, die | wir fühlen uns nicht berufen, über den Gedankenkreis, Tiere und die Menſchen. Spielt dieſe Lößgegend in Oſt- | dex fich auf unſeren Kreuz- und Querfahrten durch Amerika aſien als Hauptbevölkerungsherd, der den Menſchen, die [in uns bildete, fo weit herauszuſchreiten, um die Dis- von dort ſtammen, ſeinen Stempel auf die Stirn und in | kuſſion noch weiter fortzuſetzen. Jortſchritte in den Laturwiſſenſchaften. by ſik. i Don Profeffor Dr. Paul Reis in Mainz. Beſtimmung des ſpecifiſchen Gewichtes. Einfluß der Erdrotation auf rotierende Kreiſel. Zu- und Abnahme der Schwerkraft im Erdinnern. Das Kätſel der Schwerkraft. Merian über die Seiches. Abweichung der Luftarten von Mariottes Geſetz bei niedrigſtem Druck. Neue Me- thoden für den Elaſticitätsmodul und den Hontraftionsfoefficienten. Elaſtiſche und thermiſche Nachwirkung des Glaſes. Stoßzeit elaſtiſcher Mörper. Das Weſen der Foſung. Schuldemonſtrationen über die Diffuſion der Flüſſigkeiten. Goldſchlägerhaut, beſtes Diaphragma. Adſorption von Nohlenſäure durch Glas. Zuſammenhang zwiſchen Napillarität und Kompreſſibilität. Fluidität von Flüſſigkeitsgemiſchen. Beſtimmung des ſpeeifiſchen Gewichtes. Die | gefüllt wird und das Pulver wie gewöhnlich Luft enthält, ſtarke Verſchiedenheit in den Zahlen der verſchiedenen ſo entwickelt ſich dieſelbe, ſteigt in Blaſen auf und bildet Forſcher für ein und dasſelbe Mineral rührt nach V. Gold- unter dem Stöpſel einen Luftraum. Um dies zu ver⸗ ſchmidt') nicht von Beobachtungsfehlern, ſondern von innerer meiden, benutzt E. Wiedemann die Queckſilberluftpumpe; Verſchiedenheit im Mineral ſelbſt her. Bringt man in in den meiſten Fällen genügten 3—4 Pumpenſpiele, um Thouletſche Flüſſigkeit, Kaliumqueckſilberjodidlöſung, oder [das Pulver luftfrei zu machen. Dieſe Luftpumpe wird in eine Verdünnung derſelben drei Splitter eines und des- jetzt von Greiner u. Friedrichs mit zweimal ſchief durch— ſelben Minerals, fo kann es vorkommen, daß der eine | bohrtem Hahn ſchon für 75 Mark geliefert. Als Wiedemann ſchwebt, während der andere ſteigt und der dritte ſinkt.] nach dieſer Methode viermal das ſpecifiſche Gewicht von Dies ijt nach Goldſchmidt die Folge von iſomorphen Ver- verſchiedenen Mengen desſelben Glaspulvers und desſelben wachſungen, Einlagerungen, Hohlräumen und Umwand- | Barytfulfates beſtimmte, wichen die Rechnungsreſultate erſt lungen der Subſtanz. Das Mikroskop gibt gewöhnlich Auf- in der vierten Decimalſtelle voneinander ab, hatten alſo ſchluß über das Vorhandenſein der drei erſten Urſachen; dieſelbe Genauigkeit wie die Suſpenſionsmethode und be— die letztere ijt nur durch die Suſpenſionsmethode zu er- wieſen die vollkommene Wirkſamkeit der Pumpe. Jedoch kennen, die deshalb für Mineralien ausſchließlich in An- ſcheint es nach R. Schulzes Beobachtungen viele Pulver zu wendung ſein ſollte, da fie ja durch die Kleinſche und die | geben, die ihre adſorbierte Luft trotz der Pumpe nicht Rohrbachſche Flüſſigkeit für die meiſten Mineralien jetzt völlig entlaſſen. Schulze brachte daher eine Veränderung möglich ijt. Für pulverförmige und lösliche Körper ijt | an dem Pyknometer an, die es erlaubt, die Luftblaſe, die dieſelbe jedoch nicht geeignet. ſich bisweilen nach dem Evakuieren und dem Einfüllen Für pulverförmige Körper““) konſtruierte | von Waſſer bildet, hinauszuſchaffen. E. Wiedemann 1882 ſein Pyknometer, ein aufrechtes Für poröſe und zerreibliche Körper, wie Fläſchchen mit eingeſchliffenem Stöpſel, durch den eine z. B. getrocknete Erdſchollen, benutzt R. Parize*) zur Aus— Glasröhre an einen Trichter zum Waſſereinfüllen und dann füllung des Pyknometers ſtatt des Waſſers Leinſamenz weiter zu einer Queckſilberluftpumpe geht. Es müſſen natürlich findet man dabei, wievielmal ſchwerer die Erde nämlich bei einer ſpecifiſchen Gewichtsbeſtimmung mit dem iſt als der Leinſamen; da man aber deſſen ſpecifiſches Ge: Pyknometer vier Wägungen vorgenommen werden: das wicht kennt, fo iſt daraus leicht das der Erde zu finden. Fläſchchen für ſich allein, dasſelbe mit Waſſer gefüllt, das— Für im Waſſer lösliche Körper **) benutzte man ſelbe mit dem Pulver zuſammen, dasſelbe mit Waſſer und bisher im Pyknometer eine Flüſſigkeit, in welcher der Körper Pulver; die Differenz des dritten und erſten Gewichtes er- | fich nicht löſt. Es ijt aber ſchwierig, für einen beliebigen, z. B. gibt das Gewicht des Pulvers, die des vierten und zweiten ganz neuen Stoff eine Flüſſigkeit zu finden, die ihn abſolut das Gewicht des verdrängten Waſſers, deſſen Diviſion in nicht löſt oder verändert. Dann iſt das ſpeeifiſche Gewicht das Gewicht des Pulvers das geſuchte ſpecifiſche Gewicht | der Flüſſigkeit und das des löslichen Körpers zu beſtimmen, liefert. Wenn nun nach der dritten Wägung Waſſer ein- Twodurch die Fehlerquellen fic) verdoppeln. Endlich bedingt ) Annalen d. k. k. Hofmuſeums 1. S. 127. *) Journal de physique (2) 5. S. 222. **) Wiedemanns Annalen 28. S. 144, **) Wiedemanns Annalen 29. S. 249. 184 die Pulver⸗ oder Körnerform zahlreiche Lufteinſchlüſſe. Zehnder löſt nun den fraglichen Körper bei der Beſtim⸗ mung in Waſſer und ermittelt hierdurch das ihn ver⸗ drängende Waſſervolumen. Das Pyknometer erhält die Geſtalt eines glatten Glascylinders, der eine genau ab⸗ gewogene Menge des löslichen Körpers enthält und mit einem aufgeſchliffenen Deckel verſchloſſen iſt. In einer pneumatiſchen Wanne mit Glaswänden, ganz mit Waſſer gefüllt, hängt ein Glastrichter, die weite Oeffnung nach unten, die erſte von zwei Umbiegungen der Trichterröhre nach oben gewendet und ebenfalls ganz mit Waſſer gefüllt. Das umgeſtülpte Pyknometer wird mit der den Deckel ſchließenden Hand in das Waſſer unter die weite Trichter⸗ öffnung gebracht, wo der Deckel abgeſchoben wird, und dort ſo von Luft entleert, daß es ſich ganz mit Waſſer füllt; alle im Pyknometer vorhanden geweſene Luft, ſowohl außerhalb als innerhalb des löslichen Körpers, ſteigt dann, während der Körper ſich löſt, durch den Trichter in die erſte Um⸗ biegung ſeines Rohres. Das Volumen dieſer Luft iſt abſolut genau gleich dem Volumen des Pyknometers, weniger dem Volumen des löslichen Körpers, kann alſo zur Beſtimmung des letzteren dienen. Dies geſchieht da⸗ durch, daß man die Luft in der pneumatiſchen Weiſe in das friſch mit Waſſer gefüllte Pyknometer entleert; das nach der Entleerung in dieſem zurückbleibende Waſſer hat dasſelbe Volumen wie der lösliche Körper und wird einfach durch Wägung des Waſſers gefunden. Zehnder hat nach dieſer neuen Methode, die allerdings einige Gewandtheit fordert, das ſpecifiſche Gewicht von ſieben verſchiedenen Teilen des⸗ ſelben Stückes von Kandiszucker beſtimmt und nur Ab⸗ weichungen in der dritten Dectmale gefunden. Die Ermittelung der ſpecifiſchen Gewichte bis zur vierten Deeimale bezieht ſich auf die Beſtrebungen der Chemie, durch das Molekularvolumen in das Geheimnis der materiellen Verſchiedenheit einzudringen. Man weiß, daß das Atomvolumen der Elemente und deren chemiſche und phyſikaliſche Eigenſchaften periodiſche Funktionen der Atom⸗ gewichte ſind, und hofft, für die chemiſchen Verbindungen Aehnliches zu finden durch das Molekularvolumen, welches man findet, indem man das Molekulargewicht durch das ſpecifiſche Gewicht dividiert. Die neuen Methoden für flüſſige Körper ſind durch die Genauigkeit möglich geworden, mit welcher die heutigen Glasmechaniker Röhren und Cylinder einzuteilen verſtehen. Da die Apparate nahezu die Ableſung der ſpecifiſchen Gewichte erlauben, fo könnte man jie wohl Denſimeter nennen, und zwar pneumatiſche Denſi⸗ meter, weil ſie auf Luftdruck und Luftverdünnung be⸗ ruhen. Der Grundgedanke derſelben ſpringt am leichteſten in die Augen in dem Apparat von Bohn), der einfach aus einer umgekehrt U-förmigen, genau graduierten Glasröhre beſteht; der eine, längere und weitere Schenkel taucht in einen hohen, mit Waſſer gefüllten Glascylinder, der andere, kürzer und dünner, in ein Gefäß, das die zu unterſuchende Flüſſigkeit enthält. Wird nun das UsRohr ſoweit wie möglich in die Höhe gehoben, ſo ſteigen in beiden Schenkeln die Flüſſigkeiten, und die Steighöhen verhalten ſich umgekehrt wie die ſpeeifiſchen Gewichte. ) Repertorium der Phyſik 22. S. 402. Humboldt. — Mai 1882. Bei dem pneumatiſchen Denſimeter von Handl) wird die Verdünnung durch einen Kautſchukblaſebalg be⸗ wirkt; dadurch ſind ſeine Ergebniſſe genauer, auf ein Hundertſtel, ja ſogar ein Tauſendſtel, während bei Bohns Denſimeter das Heben mit der Hand eine ungenaue Ope⸗ ration iſt. Für luftförmige Körper benutzt Lommel?) eine aeroſtatiſche Wage, welche der hydroſtatiſchen Wage nachgebildet iſt. An dem Haken der kürzer aufgehängten Wagſchale iſt an einem feinen Draht ein zugeſchmolzener Glasballon aufgehängt, ſo daß er ſich in einem luft⸗ erfüllten Glasgefäße befindet, das mit einem für den Draht durchlöcherten Deckel geſchloſſen iſt. Das Volumen des Ballons iſt genau beſtimmt, und daher auch das Gewicht der von ihm verdrängten Luft, der Auftrieb der Luft, be⸗ kannt. Nachdem das Gleichgewicht der Wage hergeſtellt iſt, läßt man durch einen ſeitlichen Röhrenarm ein anderes Gas, z. B. Waſſerſtoff, einſtrömen, in welchem der Ballon ſinken muß. Legt man zur Herſtellung des Gleichgewichtes in die andere Wagſchale Gewichte, ſo geben dieſelben an, um wieviel das Ballonvolumen Waſſerſtoff leichter iſt als dasſelbe Volumen Luft, woraus ſich das ſpeeifiſche Gewicht des Gaſes leicht beſtimmen läßt. a Auf dem verſchiedenen Auftrieb der Gaſe beruht auch das Bararäometer von Lur***) zur Beſtimmung der Gasdichte. Ein unten beſchwertes und darum im Waſſer, aufrecht ſchwimmendes Aräometer geht oben in eine mög⸗ lichſt leichte, hohle Glaskugel über, die zur Verſtärkung des Luftauftriebs einen großen Durchmeſſer, etwa von 10 em hat. Iſt das Gas über dem Waſſer dichter als Luft, ſo iſt ſein Auftrieb größer, das Aräometer ſteigt; mit einer Einteilung auf dem Zwiſchenrohr können die ſpeeifiſchen Gewichte gefunden werden. Die Einteilung wird nicht leicht ſein oder höchſtens an einem Stiel, der gegen die Kugel verſchwindend klein iſt; denn anderenfalls wird beim Steigen des Aräometers der Auftrieb des Waſſers kleiner, weil ein Teil des Rohres aus dem Waſſer kommt; ſo möchte es denn wohl eintreten, daß die Vergrößerung des Luftauftriebs und die Verkleinerung des Waſſerauftriebs ſich gegenſeitig aufheben. Allgemeine Mechanik. Henry) unterſuchte den Einfluß der Erdrotation auf rotierende Kreiſel, Gyroſkope, überhaupt rotierende Umdrehungs⸗ körper. Die Erdrotation bewirkt eine Ablenkung der Schwingungsebene des Pendels, der Luftſtröme oder Winde u. ſ. w. So wirkt ſie auch auf einen rotierenden Körper ablenkend ein, als ob an den Achſenenden oder Polen desſelben zwei parallele, gleiche, aber entgegengeſetzte Kräfte angebracht wären, die der Erdachſe parallel ſind. Hierdurch entſtehen Erſcheinungen, die in hübſcher Ang⸗ logie ſtehen mit der Wirkung des Erdmagnetismus auf Solenoide und Magnete. Wie der Erdmagnetismus auf elektriſche Kreisſtröme ſo einwirkt, daß er die Achſe eines Magnets oder Solenoids parallel zur magnetiſchen Achſe der Erde richtet und den Nordpol der Nadel dem mag⸗ netiſchen Südpole der Erde zuneigt, jo wirkt die Erd⸗ ) Zeitſchrift für phyſ. Unterricht 2. S. 155. ) Wiedemanns Annalen 27. S. 144. ***) Zeitſchrift für an. Chemie 25. S. 3. +) Comptes rendues 100. S. 627. Humboldt. — Mai 1887. 185 rotation auf kreisſtrömende Materie, auf einen rotierenden Kreiſel in der Weiſe ein, daß die Achſe des Kreiſels der Erdachſe parallel wird, und daß der Pol mit der Uhr— zeigerrotation ſich dem Nordpole der Erde zuneigt. Hier— durch erklärt ſich die Thatſache, die man jedoch nicht mit der Kegeldrehung verwechſeln darf, daß die Achſe eines Kreiſels ſich leicht nach Norden neigt, wenn er eine Dre— hung nach rechts innehat, und nach Süden, wenn die Drehung nach links geſchieht. Endlich folgt daraus, daß das Gyroſkop auch eine fortſchreitende Bewegung annimmt, und zwar von Often nach Weſten, und nicht, wie Fou— cault annahm, von Weſten nach Oſten. Ab- und Zunahme der Schwerkraft im Erdinnern. Während in einer homogenen Erdkugel die Schwere von der Oberfläche nach dem Mittelpunkte zu abnehmen müßte, da ſie im Inneren derſelben nach dem Gravitationsgeſetze dem Radius direkt proportional ſein würde, fand Airy in der Erdrinde eine Zunahme der Schwere. Man erklärte dies durch die Annahme, daß die Erde im Inneren dichter ſei als an der Ober— fläche, eine ganz berechtigte Annahme, da die durch— ſchnittliche Erddichte 5—6 beträgt, die der oberflächlichen Erdſchichten aber nur 2—3. Ob dieſe Zunahme der Schwere eine geſetzmäßige iſt, wie weit ſie nach dem Mittelpunkte zu anhält, wo ſie in Abnahme übergeht, die doch notwendig einmal eintreten muß, das war unbekannt. Nun hat K. Weihrauch *) folgenden Satz bewieſen: Beim Eindringen in die Erde nach dem Centrum hin nimmt die Schwere ſolange zu, als die Dichte der durchdrungenen Erdſchicht kleiner iſt als der Dichte der Innenkugel; ſowie jene Schichtendichte größer wird als */s der Dichte der innerhalb der Schicht vorhandenen konzentriſchen Kugel, fängt die Abnahme der Schwerkraft an. Die oberflächlichen Erdſchichten haben eine Dichte kleiner als 7 von 6, kleiner als 4; ſo erklärt ſich Airys Entdeckung. Je mehr nun ein Wert zunimmt, deſto weiter find 7/8 desſelben von ihm entfernt, und zwar um fo weiter, je ſtärker die Zu— nahme iſt. Wenn alſo die Dichte nach innen zunimmt, jo ſind 8 des inneren Durchſchnittswertes bald erreicht, und zwar um ſo eher, je ſtärker die Zunahme ſtattfindet. Weihrauch berechnet aus ſeinem Geſetze, daß das Maxi— mum der Schwerkraft in einer Tiefe gleich 8 des Erd— radius beſteht, wenn die Dichte gleichmäßig mit der Tiefe wächſt; in dem extremen Fall aber, daß die Zunahme der Dichte proportional der Tiefe zunimmt, beträgt die Tiefe des Maximums der Schwerkraft nur ½ Erdradius; fie wird alſo wohl zwiſchen den angegebenen Grenzen liegen. Das Rätſel der Schwerkraft ſcheint ſeiner Löſung immer näher zu kommen. Huyghens dachte ſich den Weltraum mit einem Stoff erfüllt, deſſen Teilchen mit reißendſter Geſchwindigkeit nach allen Richtungen begabt ſeien. Iſenkrahe führte vor einigen Jahren dieſe Idee mit dem Weltäther durch, jedoch unter der erſchweren— den Vorausſetzung, daß deſſen Atomen nur die Grund— eigenſchaften alles Körperſtoffs, Raumerfüllung und Träg— heit, zukämen, und eine Geſchwindigkeit von 60 000 Meilen immanent fei. Für den Zuſammenſtoß von Wetheratomen mit Körpermolekülen kommen dann die Geſetze des Stoßes *) Rep. d. Ph. 22. S. 396. Humboldt 1887. unelaſtiſcher Körper in Anwendung, bei dem eine Ver— minderung der Geſchwindigkeit des anprallenden Körpers eintritt; hierdurch findet zwiſchen zwei Molekülen eine ſolche Schwächung der Aetherſtöße ſtatt, daß die Stöße von außen die Moleküle zuſammentreiben und ſo das be— wirken, was wir Anziehung nennen. Jene Verminderung der Geſchwindigkeit widerſpricht aber dem Prinzip von der Erhaltung der Energie, welchen Mangel Iſenkrahe ſelbſt zugeſteht. Vaschy“) veröffentlicht nun im Journal de physique eine Abhandlung, in welcher er vorausſetzt, daß die einzige Energie eines Aetheratoms ſeine lebendige Kraft ſei, daß die Atome einander gleich ſeien und beim Zuſammenſtoße ihre Geſchwindigkeiten aus- tauſchen, was dem Prineipe der Erhaltung der Energie vollkommen entſpricht. Mit dieſen Annahmen gelingt es Vaschy, das Gravitationsgeſetz mathematiſch abzuleiten, womit die Erklärung der Schwere gegeben wäre. Ob aber nicht die letzte Annahme zwingt, den Aetheratomen die Eigenſchaft der Elaſticität beizulegen oder wenigſtens Edlunds Abſtoßung, ob alſo nicht ein Rätſel durch ein neues erklärt wird, das iſt aus dem vorliegenden Berichte nicht zu entnehmen. Aus der Mechanik der Flüſſigkeiten iſt eine alte Abhandlung von J. R. Merian über die Bewe— gungen von Flüſſigkeiten in Gefäßen anzuführen, die K. van der Mühll “*) in den mathematiſchen Annalen, dem jetzigen Stand der Wiſſenſchaft entſprechend umge— arbeitet, veröffentlicht hat. Von allen durch Merian be- handelten Problemen iſt das intereſſanteſte der Fall, daß die Tiefe des Gefäßes im Verhältnis zur Länge ſehr klein iſt, was z. B. für den Genfer See zutrifft. Wenn der Spiegel einer ſolchen Flüſſigkeit z. B. durch Einſturz in der Tiefe eine Senkung erfährt, oder wenn auf die Ober— fläche Stöße ſtattfinden, dann wird die ganze flüſſige Maſſe zu einer einzigen großen Welle, ſo daß nach den Enden zu ſtarke Hebungen und Senkungen des Spiegels eintreten, die nach der Mitte zu abnehmen und dort faſt verſchwinden. Merian fand auch ſchon, daß die Schwin⸗ gungsdauer der Länge des Gefäßes direkt und der Qua— dratwurzel aus der Tiefe umgekehrt proportional iſt. Fünfzig Jahre nach der Aufſtellung dieſes unbekannt ge— bliebenen Geſetzes hat Forel für die Seiches des Genfer Sees ganz unabhängig dasſelbe durch Beobachtung gefun- den, wodurch das Gewicht der Erklärungen Forels weſent— lich erhöht wird. Die Mechanik der luftförmigen Körper würde eine willkommene Bereicherung erfahren, wenn die A b— weichungen der Luftarten vom Mariotte-Boyle— ſchen Geſetze bei niedrigen Drucken unter einer Atmoſphäre bis zu den niedrigſten Drucken von wenigen Millimetern Queckſilber ſorgfältigſt unterſucht würden. Es liegt allerdings eine ſolche Arbeit vor von Bohr“ ““); jedoch erſtreckt ſich dieſelbe nur auf Sauerſtoff und nur auf das kleine Druckintervall von 1—15 mm. Nach dieſer Arbeit verhält fic) der Sauerſtoff auch in dieſem Ynter- vall, wie nach den klaſſiſchen Unterſuchungen von Amagat alle Gaje mit Ausnahme des Waſſerſtoffs bei hohen Drucken *) Journ. d. phys. 5. S. 165. **) Math. Ann. 27. S. 575. ) Wiedemanns Annalen 27. S. 459. 24 186 Humbolot. — Mai 1887. über einer Atmoſphäre, ſpeciell der Sauerſtoff bis zu 100 m Queckſilber; er iſt auch bei jenem Intervall ſtärker kom⸗ preſſibel, dichter, als dem Geſetze entſpricht, und zwar ſo, als ob der Druck um 0,1 mm größer wäre, als er iſt. Dies ſtimmt mit einigen früheren Forſchungen von Silje⸗ ſtröm über Sauerſtoff und von Mendelejeff über Luft (1874), während Regnault (1847) und Amagat (1883) die von ihnen beobachteten Unregelmäßigkeiten als Folgen von Beobachtungsfehlern und wegen ihrer Kleinheit als nicht beachtenswert erklärten. Das letztere entſpricht am meiſten der Theorie, beſonders der van der Waalsſchen. Dieſelbe betrachtet die ſchwächere Kompreſſibilität aller Gaſe bei ſehr hohen Drucken als eine Wirkung des Molekular⸗ volumens, welches das Gasvolumen verkleinere und daher den Druck erhöhe; bei den ſehr großen Volumina ſtarker Verdünnungen iſt das Molekularvolumen verſchwindend klein, die ſchwächere Kompreſſibilität alſo unmöglich. Die gegen⸗ teilige Erſcheinung bei weniger hohen Drucken wird als Wirkung der Molekularanziehung aufgefaßt, die den Druck vermehrt und das Volumen verkleinert. Bei dem großen Abſtand der Moleküle ſehr verdünnter Gaſe ſollte man dieſe Wirkung auch für unmöglich halten. Indeſſen dem kleinſten Druck von 1mm gegenüber kann auch die ſchwächſte Anziehung zur Geltung kommen, kann alſo Bohr Recht haben. Zu den Molekularwirkungen übergehend, müſſen wir etwas bei den Fortſchritten der Elaſticitätslehre verweilen, die als Grundlage der Feſtigkeitslehre und ſo⸗ mit des ganzen Bauweſens, wie auch der Wellenlehre und damit aller folgenden phyſikaliſchen Disciplinen von höchſter Bedeutung iſt. Die wichtigſten Elemente der Elaſticität ſind der Elaſticitätsmodul, der Torſionsmodul und der beide verbindende Kontraktionskoefficient, das Verhältnis der Querkontraktion zur Längendilatation eines durch Zug verlängerten ſtabförmigen Körpers. Der Elaſticitäts⸗ modul wurde früher in ungenauer Weiſe gefunden durch Beobachtung der Verlängerung eines Drahtes durch Zug, oder der Biegung eines beiderſeits aufgelegten und in der Mitte belaſteten Stabes. Da dieſe Biegung ungemein ſchwierig zu meſſen iſt und von Nebendingen beeinflußt wird, ſo ſchlug Kirchhoff vor, die ſchiefe Neigung des Stabes an den Auflagſchneiden zu meſſen; die feinſte Ausbildung hat dieſe geniale Idee jetzt durch König!?) er⸗ fahren, der an den beiden Stabenden zwei vertikale Spie⸗ gelchen befeſtigt. Eine genau geteilte, entfernt aufgeſtellte Skala hat ein Bild in dem einen Spiegel, das auch im anderen ein Bild erzeugt, welches mit einem Fernrohr ſichtbar iſt; die geringſte Veränderung in der Neigung der beiden Spiegel, erzeugt durch die kleinſte Belaſtung des Stabes, läßt einen anderen Teilſtrich der Skala hinter den Faden des Fernrohres treten. König glaubt, daß nach dieſer Methode die nach Tauſenden von Kilogrammen zählenden Modulen auf Zehntel genau beſtimmt ſind. Schon die erſten Theoretiker über Elaſticität ſchenkten dem Kontraktionskoeffieienten ihre beſondere Nei⸗ gung; ſie hielten ihn für die weſentliche Aeußerung der elaſtiſchen Kraft an und für ſich, dachten ſich ihn für alle Körper konſtant und ſchätzten ihn nach Rechnung und *) Wiedemanns Annalen 28. S. 108. Verſuch = ½, d. h. wenn ein Stab durch eine Zugkraft um 1 verlängert wird, ſo wird ſein Durchmeſſer durch die Elaſticität um ½ verkürzt. Sie wußten aber auch, daß dieſer Wert nur dann gelte, wenn mit der Verlängerung eines Stabes eine Volumvergrößerung verbunden ſei, die man für naturgemäß hielt, daß der Koefficient auf ½ und darüber ſteige, wenn keine Volumvergrößerung oder gar eine Verminderung eintreten würde, was man für unmöglich hielt. Eine praktiſche Bedeutung gewann der Koefficient, als ſein Zuſammenhang mit den beiden Mo⸗ dulen bekannt wurde; das Verhältnis des Elaſticitäts⸗ moduls zum Torſionsmodul iſt nämlich ebenſo groß wie der doppelte um 1 vermehrte Kontraktionskoefficient. Wäre derſelbe immer 4/4, fo wäre der Elaſticitätsmodul immer das 2½ fache des Torſionsmoduls. Häufig läßt ſich der eine Modul leichter beſtimmen als der andere; dieſer wäre dann durch jenen Zuſammenhang auch be⸗ kannt. Seinen Wert in dieſer Beziehung verlor der Koefficient nicht, als ſich herausſtellte, daß er für jeden anderen Stoff eine andere Größe hat, ja daß jogar für denſelben Stoff in verſchiedenen Zuſtänden, z. B. für die verſchiedenen Eiſenſorten, Verſchiedenheiten entſtehen. So fanden Götz und Kurtz“) für geglühten und ungeglühten Stahldraht 0,35, für gehärteten Stahldraht 0,3 bis 0,25, für hellblauen Stahldraht 0,20. Ueberraſcht war die phyſi⸗ kaliſche Welt, als Röntgen für Kautſchuk den großen Wert 0,46 auffand. Auch beobachtete Tomlinſon !!), daß dieſer Körper beim Zuſammenziehen nach der Länge ſein Volumen vergrößert, und Schmulewitſch “), daß ein ſchwach geſpanntes Stück Kautſchuk ſich beim Erhitzen verlängert, ein ſtark geſpanntes dagegen verkürzt, daß alſo eine kri⸗ tiſche Spannung beſteht, bei welcher keines von beiden ſtattfindet, und die nach Tomlinſon bei höherer Tempera⸗ tur kleiner wird. Obwohl dieſe elaſtiſchen Seltſamkeiten für den ſchwankenden Grenzkoefficjenten ½ ſprechen, fo hegte man doch noch Zweifel. Pulfrich ef) in Bonn glaubte, die elaſtiſche Nachwirkung möge bei Röntgens Ver⸗ ſuchen ſtörend eingewirkt haben, und ſtellte ſich daher die Aufgabe, gerade aus den langſamen Nachwirkungsände⸗ rungen den Koefficienten zu beſtimmen; es ergab ſich völlige Gleichheit mit der Beſtimmung aus momentanen Aenderungen und ebenfalls die an ½ ſtreifende große Zahl 0,45. Bald nach Pulfrichs Arbeit erſchien eine Unter⸗ ſuchung von Maurer t) über den Kontraktionskoefficienten von Gallertſtäben, welche auch für dieſen Stoff die Zahl ½ ergab. Für ſolche Stoffe folgt aus dem oben erwähnten Geſetze, daß der Elaſticitätsmodul gleich dem dreifachen Torſionsmodul tt. Graetz pi) hat jüngſt dieſen Zuſammenhang benutzt, um einige der thermo⸗elaſtiſchen Seltſamkeiten des Kautſchuks zu erklären, zuvörderſt die von Joule entdeckte Erſcheinung, daß ſchwach geſpannter Kautſchukdraht ſich wie alle Körper durch die Wärme ausdehnt, ſtark geſpannter aber ſich zu⸗ ſammenzieht, daß alſo die Ausdehnungskoefficienten mit *) Rep. d. Phyſ. 22. S. 9 u. 274. **) Nature 33. S. 7. ) Vierteljahrsſchr. d. Züricher Geſ. 11. S. 202. +) Wiedemanns Annalen 28. S. 87. ++) Wiedemanns Annalen 28. S. 628. Tic) Wiedemanns Annalen 28. S. 354. . Humboldt, — Mai 1887. ſteigender Spannung ſtetig abnehmen, aber bald durch Null gehen und dann negativ werden. Graetz konnte mittels der Schwingungsmethode das Verhalten des Tor— ſionsmoduls von Kautſchuk bei ſteigender Temperatur leicht unterſuchen und fand, daß derſelbe mit ſteigender Tem— peratur ſtark wächſt, für jeden Grad um mehr als 0,5 %. Was aber für den Torſionsmodul gilt, das gilt wegen des erwähnten Zuſammenhangs auch für den Elaſticitäts— modul. Wird alſo geſpannter Kautſchuk erhitzt, ſo dehnt er ſich wie alle Körper aus; gleichzeitig ſteigt aber ſein Elaſticitätsmodul, ſein innerer Widerſtand gegen ſeine Ver— längerung, welcher die Ausdehnung durch die Wärme auf— heben, ja überbieten kann. Dieſe ſchon von Schmulewitſch vermutete Erklärung iſt hierdurch evident geworden. Auch erklärt ſich hieraus die Erſcheinung, daß ein erſt geſpannter, dann erwärmter, dann entſpannter und ſchließlich wieder abgekühlter Kautſchukdraht eine Verlängerung behält, ja ſogar ein mehrmals erwärmter und wieder abgekühlter Draht dieſe Verlängerung zeigt. Auch bezüglich der elaſtiſchen Nachwirkung zeigt Kautſchuk intereſſante Ausnahmen. Während nach Kohl— rauſch die elaſtiſche Nachwirkung von Metalldrähten und Hartgummi ſo ſtark mit ſteigender Temperatur zunimmt, daß fie der von — 20° an gerechneten Temperatur pro— portional geſetzt werden kann, nimmt ſie beim Kautſchuk mit ſinkender Temperatur ſo bedeutend zu, daß unterhalb 7° faſt nur elaſtiſche Nachwirkung ſtattfindet. Zu dieſer Ausnahme hat ſich in neueſter Zeit noch Glas geſellt, da nach Weidmann die elaſtiſche Nachwirkung des Glaſes mit erhöhter Temperatur abnimmt. Ueber das Weſen der elaſtiſchen Nachwirkung ſind die Forſcher noch nicht einig; wegen des überraſchenden Einfluſſes der Tem— peratur auf dieſe Erſcheinung war Kohlrauſch geneigt, ſie für eine Wärmewirkung zu halten. Nun ſind in der letzten Zeit thermiſche Nachwirkungen des Glaſes an Ther— mometern vielfach beſprochen worden, ſo das abwechſelnde Steigen und Fallen des Nullpunktes, die geſetzmäßige all- mähliche Depreſſion dieſes Punktes u. ſ. w. Die Leiter des glastechniſchen Inſtituts in Jena, Sohnke, Abbe und Schott, hielten es daher für zeitgemäß, die elaſtiſche und thermiſche Nachwirkung des Glaſes zu vergleichen. Weid— mann) führte dieſe Unterſuchung durch und konſtatierte wohl einen Zuſammenhang, aber keine Identität, womit Kohlrauſchs damalige Idee fällt. Der Zuſammenhang iſt folgender: Glas von großer thermiſcher Nachwirkung zeigt auch große elaſtiſche Nachwirkung und entgegengeſetzt und umgekehrt. Beide Nachwirkungen hängen ab vom Kali— Natrongehalt des Glaſes; Kali-Natronglas hat ſtärkere und langſamer verlaufende Nachwirkung als Natronglas und noch mehr als reines Kaliglas, das die kleinſten Nachwirkungen hat. Wie weit die Theorie und Experimentierkunſt be- züglich der Elaſticität gekommen iſt, zeigt die Thatſache, daß man jetzt die Zeit des Zuſammenſtoßes elaſti— ſcher Kugeln und Cylinder, ſowie die Geſtalt und Größe der Berührungsfläche zu berechnen ver— ſteht, und daß die Verſuchsergebniſſe mit den Rechnungs— reſultaten ſtimmen. Zwar hatten ſchon Cauchy und ) Wiedemanns Annalen 29. S. 214. 187 Poiſſon Theorien aufgeſtellt, dabei aber die beiden zu— ſammenſtoßenden Körper als einen aufgefaßt und die Dilatation nicht beachtet, die an der Stoßſtelle ſtattfinden muß. Neumann hatte dieſen Fehler aufgedeckt und ebenſo wie ſpäter Saint-Venant eine neue Theorie aufgeſtellt. Voigt ſtellte Verſuche an, die auch dieſe Theorie als un— genau erwieſen, nahm eine Zwiſchenſchicht an der Bez rührungsſtelle an und erhielt ſo neue Reſultate, die bei geringen Geſchwindigkeiten genügten, jedoch nur für Cylinder. Hertz“) löſte das Problem allgemeiner und auch für Kugeln. Er fand z. B. für die Zeitdauer des Stoßes zweier Stahlkugeln von gleichem Radius und gleicher Ge— ſchwindigkeit, daß fie in Sekunden betrage das 0,0000 24fache des Radius in Millimetern, dividiert durch die fünfte Wurzel aus der Geſchwindigkeit in Millimetern. Schneebeli“ “) in der Schweiz und Hamburger ***) in Breslau ſtellten faſt gleichzeitig Experimente an, welche die Theorie beſtätigten. Die Zeitdauer des Stoßes wurde auf elektriſchem Wege beſtimmt. Während der Berührung ſchloſſen die Kugeln einen Stromkreis. An einem eingeſchalteten Galvanometer mit nur acht Windungen wurde der der Stoßzeit pro— portionale Ausſchlag abgeleſen. Die Reduktion der Aus— ſchläge auf Sekunden wurde dadurch ermöglicht, daß in beſonderen Verſuchen ein ſchwingendes Pendel während einer bekannten Zeit den Stromkreis ſchloß. Betrug bei— ſpielsweiſe die Geſchwindigkeit der Kugeln 32 mm und ihr Radius 10 mm, fo ergab ſich die Stoßzeit = 0,00012 Sekunden. Ueber das innere Weſen der Löſung iſt trotz zahlreicher Forſchungen noch wenig ergründet. Nicol) er— klärt, die Löſung z. B. eines Salzes in Waſſer finde ſtatt, weil die Waſſermoleküle auf die Salzmoleküle eine größere Anziehung ausüben als die Salzmoleküle aufeinander. Im Verfolge dieſer Ideen nimmt er das Molekular- volumen als Grundlage einer Theorie der Löſung an. Eine Löſung iſt geſättigt, wenn das Eintreten eines neuen Salzmoleküls eine Verminderung des mittleren Volumens der bisher vorhandenen Salzmoleküle herbeiführen würde; das letzte Molekül tritt alſo mit einem Volumen ein, das dem bisherigen mittleren weſentlich gleich iſt. Alexejew r) veröffentlichte zehn Geſetze über Löſungen von Flüſſigkeiten in Flüſſigkeiten. Die Löslichkeit wächſt nach ihm regel- mäßig mit dem Steigen der Temperatur und geht endlich bei einer gewiſſen Temperatur in die Fähigkeit über, ſich in allen Verhältniſſen zu miſchen. Dann ſtellt er ſechs Geſetze über den Einfluß des Aggregatzuſtandes eines Körpers auf ſeine Löslichkeit auf, deren erſtes lautet: Feſte Körper löſen ſich beſſer als flüſſige. Durch dieſes Geſetz glaubt Alexejew die Meinung Gayluſſacs widerlegt, daß der Aggregatzuſtand, überhaupt die Kohäſion, bei der Löſung keine Rolle ſpiele. Während nämlich Lavoijier und Berzelius die Löſung für eine Wirkung der Kohäſion hielten, jah Gayluſſae in derſelben ein Analogon des Uebergangs feſter und flüſſiger Körper in den Dampf— zuſtand, und ſtützte ſeine Anſicht auf die ausſchließliche *) Crelles Journal 92. S. 156. **) Archive de Genéve (3) 14. S. 436. ) Wiedemanns Annalen 28. S. 653, +) Proc. Roy. Soc. 13. S. 27. ++) Wiedemanns Annalen 28. S. 305. 188 Humboldt. — Mai 1887. Abhängigkeit der Dampfſpannungen von der Temperatur. Alexejew glaubt dieſe Anſicht durch ſein erſtes Geſetz widerlegt. Daß der Vorgang der Löſung inniger iſt als Sus⸗ penſion und Diffuſion, zeigen beſonders ſchön Detlefjens *) Schuldemonſtrationen über die Diffuſion der Flüſſigkeiten ineinander. Auf die Oberfläche von Waſſer in einem nicht zu engen Glascylinder bringt man einen Tropfen Eoſinlöſung; bald gehen von demjelbeu ſcharfe rote Fäden bis zum Boden, die etwa nach einer Minute ihre Schärfe verlieren und ſchließlich zu wolken⸗ artigen Säulen werden, die wohl eine Stunde anhalten. Während dieſer Suſpenſion und Diffuſion ſitzt am Boden ein ringförmiger Fuß jeder Säule; rührt man aber um, ſo daß Löſung ſtattfindet, ſo verſchwindet jede Spur des Bodenſatzes in dem gleichmäßigen Rot der Löſung. Um die allſeitige Richtung der Diffuſion, ſelbſt gegen die Schwere und den Auftrieb, zu zeigen, füllt man durch Zuſammenbringen von Waſſerglas und Salzſäure einen geſchloſſenen Cylinder mit Kieſelſäuregallerte und läßt ſeitwärts etwa in der Mitte der Höhe Indigolöſung ein⸗ treten, die dann gleichmäßig nach allen Richtungen blau färbt. Die Geſchwindigkeit der Diffuſion demonſtriert man mit einer U-förmigen Glasröhre, deren längerer ge— ſchloſſener Schenkel ganz mit deſtilliertem Waſſer gefüllt iſt, während der kürzere offene Schenkel die diffundierende, ſchwerere und gefärbte Flüſſigkeit enthält. Verſchiedene Waſſer gleich hoch zu ſteigen, und bei einer und derſelben Flüſſigkeit verhalten ſich die Steighöhen wie die Quadrat⸗ wurzeln der verfloſſenen Zeiten. Für die Demonſtration der verſchiedenen Geſchwindigkeit der Diffuſion der Gaſe iſt der Springbrunnenapparat kompliziert und un⸗ ſicher, das Stephanſche Zählen von Gasblaſen weniger an⸗ ſchaulich als folgendes Verfahren von Winkelmann !*): In zwei gleich langen Barometerröhren befindet ſich über dem beiderſeits gleich hohen Queckſilber in der einen Luft, in der anderen Waſſerſtoff. Bringt man nun gleichzeitig in beide Röhren Aether, ſo fällt das Queckſilber in der Waſſerſtoffröhre viel ſchneller, in einer Viertelſtunde 55 mm mehr als in der anderen, zeigt alſo, daß die Dämpfe in Waſſerſtoff viel raſcher diffundieren als in Luft. Zu allen Verſuchen und Arbeiten im Laboratorium über Dialyſe, Diffuſion durch Scheidewände, Endos- und Exosmoſe iſt nach Zott *) das beſte Diaphragma Gold⸗ ſchlägerhäutchen; dasſelbe iſt wenigſtens zweimal wirk⸗ ſamer als Pergamentpapier. Für Flüſſigkeiten, die or⸗ ganiſche Stoffe angreifen, benutzt man am beſten die Thon⸗ zelle als dialytiſche Scheidewand, die jedoch 60 bis 70 mal weniger wirkſam iſt als Goldſchlägerhäutchen. Alle Diaphragmen wirken jedoch viel beſſer dialytiſch und endosmotiſch, wenn ſie unter der Luftpumpe voll deſtillier⸗ ten Waſſers geſogen ſind, was am beſten vor jedem Ver⸗ ſuch wiederholt wird. Die Dialyſe durch evatuiertes Gold⸗ ſchlägerhäutchen geſchieht um ſo ſchärfer, je verſchiedener die Diffuſionsgeſchwindigkeiten der Gemengteile ſind. Die Adſorption, d. h. die Verdichtung von Gaſen ) Zeitſchr. f. d. phyſ. Unterricht 2. S. 249. ) Wiedemanns Annalen 27. S. 479. ) Wiedemanns Annalen 27. S. 229, an Oberflächen, iſt noch immer Gegenſtand der Diskuſſion. Bunſen hatte gefunden, daß ein dickes Bündel von Glas⸗ fäden eine ungewöhnliche Menge von Kohlenſäure adſor⸗ bieren könne. Auf den Einwand, die Kohlenſäure fet aus dem Gefäße durch die Fettdichtung des Stöpſels hinaus⸗ diffundiert und nicht auf den Glasfäden feſtgehalten worden, änderte Bunſen ?) den Verſuch fo, daß dieſer Ein⸗ wand unmöglich wurde, und gab gleichzeitig die Erklärung der auffälligen Erſcheinungen. Er erhitzte die Drähte ſo ſtark und lange, daß ſie keine Waſſerhaut mehr haben konnten; dann hatten fie auch keine Spur von Adſorption. Als er nun in den Apparat eine geringe Menge Waſſer einließ, wurden an einem Tag 24 ce Kohlenſäure ad⸗ ſorbiert und an jedem folgenden Tage eines Monats etwas weniger. Dann ließ er dieſelbe Menge Waſſer zu, wodurch die Waſſerhaut der Fäden doppelt ſo dick werden mußte; auch jetzt fand wieder ſtarke Adſorption ſtatt, aber weniger als im zweiten Fall, in ſechs Tagen nur 45 ce. Die Waſſerhaut iſt es alſo, welche die ſtarke Adſorption vollbringt. Ein anderer Gegner hat die von Bunſen er⸗ mittelte Dicke der Waſſerhaut bemängelt und dieſelbe für größer gehalten, gibt aber jetzt die geringe Dicke von Bunſens Waſſerhaut und damit den großen Kapillardruck derſelben zu. Wieder ein anderer konnte keine wägbare Spur von adſorbiertem Waſſer auf glatten Flächen wahr⸗ nehmen, wird aber ſchon durch die Hauchbilder widerlegt. Den großen Druck in ſolchen Lufthäuten ſchätzte Joulin ſchon vor Bunſen für Ammoniak in Kohle im Mittel auf 246 Atmoſphären und in Glaspulver auf 2 Atmoſphären. Bunſen maß die Dicke der Waſſerhaut und berechnete den Kapillardruck der bei ſteigender Temperatur immer dünner werdenden Waſſerhaut; bei 23° hat fie eine Dicke von 0,0000 1 mm und einen Kapillardruck von 1/40 Atmoſphäre; bet 107° hat fie nur noch ¼ der genannten Dicke bei einem Kapillardruck von 1,3 Atmoſphären; bei 215° hat fie ½8 der Dicke, die Spannung aber beträgt ſchon 21 Atmoſphären, ſo daß in nächſter Nähe der Glasfläche eine Spannung von Hunderten von Atmoſphären zu vermuten iſt. Daher kann bei allmählich zunehmender Dicke einer Waſſerhaut auf Glas jahrelang fortdauernd Kohlenſäure adſorbiert werden, und aus demſelben Grunde iſt anfäng⸗ lich, wo die innerſten Schichten mit ihrem enormen Kapillardruck zur Wirkſamkeit kommen, die verdichtete Gasmenge groß, wird aber im Laufe der Zeit kleiner, weil dann nur die entfernten Schichten mit ihrer geringen Spannung wirken. Die Unregelmäßigkeiten, die in dieſem jahrlangen Vorgange ſich zeigten, mögen wohl auf Rech⸗ nung des chemiſchen Prozeſſes geſetzt werden, den Bunſen **) ganz neuerdings bei den verwendeten Glasfäden konſtatiert hat. Er erklärt nach ſeinen Erfahrungen eine chemiſche Einwirkung von Kohlenſäure auf Glas unter gewöhnlichen Umſtänden für widerſinnig — alſo wohl auch ein Frei⸗ machen von Kali und das hierdurch bewirkte Anſaugen von Waſſer, das von gegneriſcher Seite betont wurde. Ganz anders geſtalte ſich die Sache, wenn in der Waſſer⸗ haut eine ungeheure Verdichtung der Kohlenſäure unter einem Druck von Hunderten von Atmoſphären wirke; da⸗ ) Wiedemanns Annalen 24. S. 227. ) Wiedemanns Annalen 29. S. 161. Humboldt. — Mai 1887. 189 rüber könne nur der Verſuch entſcheiden, der eine Zer- | jammenhang mit der Kompreſſibilität habe. Den Zu— ſetzung von 5% der angewendeten Glasfäden ergebe; jafogar | ſammenhang der letzteren Eigenſchaft mit der Kapillarität Waſſer könne unter Umſtänden zerſetzend wirken. Hiermit faßt Röntgen ſo: Innerhalb jeder Gruppe kommt iſt hoffentlich dieſe lange Diskuſſion beſchloſſen. Intereſſant der Flüſſigkeit mit der kleineren molekularen Kompreſſi⸗ ijt übrigens, daß Gajpar*) in Ungarn eine direkte Ad- bilität die größere Oberflächenſpannung zu. Nach Vollen⸗ ſorption von Waſſerſtoff und anderen Gaſen an Glas dung der Arbeit fand Röntgen, daß van der Waals für behauptet. Er ſtellte in durch lange Erhitzung völlig ge- die erſte Laplaceſche Konſtante ſchon einen ſchärferen reinigten Glasröhren Gaſe dar. Nach Entleerung, Reini- Satz mathematiſch aus den Zuſtandsgleichungen abgeleitet gung und Erhitzung der Röhren erſchien an der Innen- hatte, nämlich: das Quadrat der Konſtanten iſt umge— ſeite derſelben eine Unzahl von Gasblaſen. kehrt proportional der molekularen Kompreſſibilität. Ob— Nachdem bezüglich der Theorie der Kapillarität wohl Röntgens Arbeit ſich auf die zweite Konſtante bezieht, eine Schrift von Weinſtein **) auf die Vorzüge der auf | fo ift ſeine Arbeit doch als eine Art experimenteller Be— dem Energieprincip beruhenden Theorie von Gauß gegen ſtätigung des Satzes anzuſehen, und find weitere Arbeiten die von Laplace und Poiſſon hingewieſen hatte, iſt ein | auf dieſem Gebiete als verdienſtvoll zu betrachten. friſcher Zug in dieſes Gebiet der Wiſſenſchaft gekommen. Bei einer Unterſuchung über die Fluidität oder Fuchs berechnet auf elementarem Wege den Randwinkel | reciprofe Zähigkeit von Alkoholgemiſchen machte zweier Flüſſigkeiten, Duhem und Julius geben thermo- Noack!) die Bemerkung, daß die Angabe der Lehrbücher, dynamiſche Theorien der Kapillarität, im Berliner phyſi⸗ der Alkohol habe eine größere Zähigkeit oder Viscoſität als kaliſchen Inſtitut unterſucht man die Quinckeſchen Kon- | Wafer, nicht ganz zutreffe. Bei O° habe Alkohol viel— ſtanten und findet fie zu groß, wogegen dieſer remonſtriert; | mehr eine größere Fluidität als Waſſer; dann nimmt mit neue Methoden, dieſe Konſtanten zu finden, werden er- ſteigender Temperatur die Fluidität zu, bei Alkohol aber dacht und Zuſammenhänge dieſer mit anderen phyſikaliſchen | weniger als bei Waſſer, fo daß fie bei 0,4 ° für beide Flüſſig⸗ Größen aufgeſucht. Eötvös ***) ſchlägt eine optiſche Me- keiten übereinſtimmt und bei 60 ſich wie 4: 5 verhält; die thode zur Beſtimmung der Oberflächenſpannung | Angaben der Lehrbücher gelten daher für Temperaturen ein; von zwei verſchiedenen Lichtquellen läßt er Lichtſtrahlen [über 0,4. Auch für Alkoholgemiſche mit Waſſer iſt die auf die gekrümmte Oberfläche der Flüſſigkeit fallen, fo daß | Fluidität kleiner als für Waſſer und ſteigt bei vorwiegen— fie parallel in ein Fernrohr reflektiert werden. Hierdurch | dem Alkohol langſamer mit der Temperatur als für Waſſer. wird die Berechnung der Konſtante von Flüſſigkeiten [Bei gleichbleibender Temperatur nimmt dagegen die Fluidität möglich, die bei den höchſten Temperaturen mit ihrem | mit ſteigendem Alkoholgehalt ab, erreicht zwiſchen 35 und Dampf in Berührung ſtehen, und dieſe Konſtanten beſtätigen | 50 Prozent ein Minimum und ſteigt dann ſehr raſch an. ihm den Satz, daß das Produkt des Molekular- Das Minimum liegt nach der Temperatur verſchieden. In— volumens auf der Potenz / mit der Oberflächen- | deffen deutet ſeine Lage doch an, daß das Maximum der ſpannung eine fonftante Größe = 0,227 ijt, daß alſo [Zähigkeit in die Gegend des Maximums der Kontraktion zwiſchen der Größe der Moleküle und der Kapillarität eine | fällt, das nach Mendelejeff bei 46 Prozent liegt. In einer Art umgekehrter Proportionalität ſtattfindet. Zu einer ähn- Hſpäteren Arbeit fand Noack für Eſſigſäure und ihre Ge— lichen Beziehung für die molekulare Romprefjibilttat miſche mit Waſſer ähnliche Reſultate. Ebenſo fanden Pag— von Löſungen kam Röntgen). Er unterſuchte Löſungen liani und Battelli**), daß die Zähigkeit von Waſſer durch von Säuren, von Baſen und Salzen der Alkalimetalle, und | Lofung von Gaſen bedeutend erhöht wird und mit der zwar ſolche Löſungen, die gleiche Teile der Atomgewichte] Gasmenge und deren Koefficienten wächſt, während fie enthalten, in Bezug auf ihre Kompreſſibilität und Ober- | mit ſteigender Temperatur abnimmt, ſelbſt wenn der Rei— flächenſpannung, wobei er beiläufig die Beobachtung er- bungskoefficient des Gaſes mit der Temperatur zunimmt; wähnte, daß das Molekularvolumen offenbar einen Zu- [bei Ammoniak zeigt fic) auch ein Maximum der Zähigkeit — wie bei Alkoholgemiſchen mit zunehmendem Prozentgehalt. *) Ung. naturwiſſ. Berichte 3. S. 250. | ) Wiedemanns Annalen 27. S. 544. ***) Müegyetemi Lapok 1. W. A. 27. S. 447. | ) Wiedemanns Annalen 27. S. 289 und 28, S. 666. +) Wiedemanns Annalen 29. S. 165. ‘ ) Atti d. R. Acc. della Sc. di Torino 20. S. 19. Botanik. Don Profeffor Dr. Ernſt Hallier in Stuttgart. Jellenlehre. Chemismus des Plasma, Idioplasma, Vacuolen im Plasma, Stoffaufnahme, mechaniſche Geſetze der Wandbildung, Chemismus des Amplums. Entſtehung der Tracheiden. Amplum in denſelben. Chlorophylltheorie, Atmung und Wachstum, intramolekulare Atmung der Pflanzen. Fermentbildung. Sichteinflüſſe. Stiolierte Ueimlinge. Transpirationsverſuch. Stickſtoff im Erdboden. Anorganiſche Nahrungs- mittel der Pflanzen. Organiſche Säure im gebensprozeß der Pflanzen. Morrelation des Wachstums. Anäſtheſie. Ameiſenpflanzen. Theorie des Windens. Geſchlechtliche Fortpflanzung der Gralisarten. Seit Schleiden und, durch ihn angeregt, Schwann [ſtets als der wichtigſte, geradezu als der fundamentale die allgemeine Bedeutung der Zelle als Elementargebilde [Teil der Lehre von den Organismen betrachtet. für die geſamte Morphologie und Phyſiologie der Or⸗ Wenn man eine derartige Lehre von ihren erſten ganismen kennen gelehrt hatten, wurde die Zellenlehre [ Anfängen an verfolgt, jo ſieht man meiſtens die erſte 190 Humboldt. — Mai 1887. Auffaſſung der Entdecker nach einiger Zeit durch neue An⸗ ſchauungen verdrängt werden; ja, was anfänglich abſolut feſtſtehende Thatſache zu ſein ſchien, wird im Laufe der Zeit oft geradezu in ſein Gegenteil verkehrt. So iſt es auch der Zellenlehre ergangen. Die Entdeckung der Bedeutung der Zelle als elemen⸗ tares Formgebilde wurde Schleiden und ſeinen Zeitge⸗ noſſen vor allen Dingen erleichtert durch den Umſtand, daß bei den höher entwickelten Pflanzen die den Pflanzen⸗ leib zuſammenſetzenden Formelemente faſt immer von einer relativ feſten und ſtarren Wand umſchloſſen ſind, und gerade dieſer Umſtand war es ja, welcher ihnen den Namen der „Zellen“ zuzog. Kein Wunder, daß Schleiden gerade der Zellwand eine Bedeutung beilegte, welche ſpäteren Forſchern einſeitig und übertrieben erſchien. Aber ſchon während ſeiner erſten Unterſuchungen über die Zelle modifizierte Schleiden ſeine Anſicht, indem er auf die große Bedeutung des Zellkerns für das Leben und die Fortpflanzung der Zelle aufmerkſam wurde und geſprächsweiſe Schwann auf dieſen neuen Geſichtspunkt hinwies. Das führte Schwann zur Entdeckung des Ele⸗ mentarorgans auch in ſolchen tieriſchen Geweben, in welchen das Vorhandenſein von Zellwänden ſich nicht nachweiſen ließ. Es iſt aber keine Frage, daß die Ent⸗ deckung des Elementarorgans wohl noch recht lange auf ſich hätte warten laſſen, wenn dasſelbe bei den Pflanzen⸗ geweben ein ähnliches Verhalten zeigte wie z. B. in der Muskulatur der entwickelteren Tiere. Bald ſah man ein, daß der von Mohl entdeckte Plasmaſack der Zelle, der ſogenannte Primordial⸗ ſchlauch, für die Entſtehung wie für das Wachstum der Zelle von allerweſentlichſter Wichtigkeit ſei, und als nun zahlreiche Fälle ganz ſelbſtändigen Lebens des Plasma nachgewieſen wurden, da ſah man das Plasma als das wichtigſte Gebilde der Zelle an und betrachtete die Wand nur als ein wenig weſentliches Häutungspro⸗ dukt desſelben. Aus dieſer Vorſtellung entwickelten ſich nacheinander verſchiedene Theorien von der Zuſammen⸗ ſetzung und Entſtehung der Zellwand, welche ſich im Laufe der Zeit alle mehr oder weniger als unrichtig er⸗ wieſen haben. Es iſt beſonders Strasburgers Bemühungen zu danken, daß wir über die Rolle des Zellkerns, über ſeine Entſtehung, ſeine Teilung, ſeinen Einfluß auf die Bildung neuer Zellen aufgeklärt worden ſind. Auch darüber konnte nach ſeinen Unterſuchungen kein Zweifel mehr obwalten, daß die Anſicht früherer Forſcher, die Zellwand ſei ein ſtickſtofffreies, aus Celluloſe beſtehendes Ausſcheidungsprodukt, ſich nicht mehr aufrecht halten laſſe, daß vielmehr die erſte Anlage zur Zellwand aus Plasma beſtehe. Neuerdings iſt nun Wiesner mit Unterſuchungen an die Oeffentlichkeit getreten, deren Reſultate die Anſichten von der Natur und Bedeutung der Zellwand in ein ganz neues Fahrwaſſer leiten müſſen (erſte Veröffent⸗ lichung in den Sitzungsberichten der Wiener Akad. 1886. Januar. Julius Wiesner, Unterſuchungen über die Or⸗ ganiſation der vegetabiliſchen Zellhaut). Nach Wiesners Unterſuchungen iſt die Zellwand keineswegs ein relativ ſtarres und totes Häutungsprodukt des Plasma, ſondern ſie iſt, ſolange ſie überhaupt noch weſentliche, zum Leben der Zelle gehörige Erſcheinungen und Veränderungen, alſo namentlich Ernährungs- und Wachstumsvorgänge zeigt, ein lebendes, plasma führendes Gebilde. Dadurch iſt alſo die große Kluft zwiſchen Plasmaſack und Zellwand ausgefüllt und beide ſind weſentliche Beſtandteile eines und desſelben Proto⸗ plaſten. Dieſe Anſicht, über welche Seite 174 näheres mit⸗ geteilt iſt, war allerdings durch frühere Arbeiten ſchon einigermaßen vorbereitet. Wir erinnern hier nur an die Arbeiten über die Zellwand der Oscillarineen und die Unterſuchung des Referenten über die Zellwand der Dia⸗ tomeen, welche im Plasma liegt und einen Teil des Pro⸗ toplaſten bildet. Der Nachweis, daß die Zellwand eiweiß⸗ artige Beſtandteile enthält, iſt ſchon ſeit längerer Zeit und für verſchiedene Fälle von verſchiedenen Forſchern erbracht worden. Neuerdings beſchäftigt ſich mit dieſem Gegenſtand eine Arbeit, welche durch Wiesners Unter⸗ ſuchungen angeregt ſein dürfte, nämlich: F. Kraßer, Unterſuchungen über das Vorkommen von Eiweiß in der pflanzlichen Zellhaut (Wiener Akad. 1886. 16. Dez.). Zu denjenigen Arbeiten, welche dazu angethan waren, unſere Anſchauungen über Plasma und Zellwand weſentlich zu modifizieren und die Wiesnerſchen Unter⸗ ſuchungen vorzubereiten, gehört auch der in immer größerer Zahl von Fällen geführte Nachweis der Plasma⸗ verbindungen zwiſchen benachbarten Zellen. So hat Tangel dieſen Nachweis geführt für das Endoſperm des Roggens, Hafers, Maiſes, Weizens und der Gerſte. (Wiener Akad. 1885, Bd. 92.) Von geringerer Wichtigkeit erſcheint Degagnys Nach⸗ weis, daß die hie und da in Pollenſchläuchen ge⸗ bildeten Pfröpfe plasmatiſcher Natur und plasmatiſchen Urſprunges find (C. r. 1886, S. 230). Dagegen muß die Lehre vom morphologiſchen Auf⸗ bau der Elementarorgane möglichſt geſtützt werden durch die chemiſche Unterſuchung derſelben, und in dieſer Richtung haben im letzten Jahrzehnt zahlreiche Forſcher, von Reinke bis auf Zacharias, gearbeitet. Einen in mehrfacher Hinſicht neuen Weg hat Franz Schwarz be⸗ treten (D. B. G. 1886, S. Cll). Derſelbe begnügt ſich nicht damit, „Subſtanzen aus der zerſtörten Zelle zu ex⸗ trahieren, ohne Rückſicht darauf, ob dieſe Stoffe wirklich in der Zelle vorkommen oder nicht, und in welchen Teilen fie abgelagert find”, — ſondern er geht von der Voraus⸗ ſetzung aus, daß mit den morphologiſchen Unterſchieden auch chemiſche verbunden ſind. Verfaſſer macht beſonders darauf aufmerkſam, daß die in vielen Fällen im Zellſaft vorkommenden, auf die Proteinkörper fällend einwirken⸗ den Subſtanzen, namentlich Gerbſtoffe und Pflanzenſäuren bei den chemiſchen Auszügen aus Pflanzenteilen zu be⸗ rückſichtigen ſind, weil ſie bei Verletzungen der Zellen zur Wirkung gelangen. Ferner muß bei der chemiſchen Unter⸗ ſuchung der Zellen mehr Rückſicht genommen werden auf die einzelnen Zellorgane, als Zellkern, Chlorophylkörper, Cytoplasma, Amyloplaſten, was natürlich nur auf mikro⸗ chemiſchem Wege möglich iſt. F. Schwarz läßt nun eine große Anzahl von Stoffen Humboldt. — Mai 1887. 191 auf das Plasma einwirken, welche nur einen Teil der Plasmaſubſtanzen fällen, die übrigen aber entweder löſen oder zur Quellung bringen. Er teilt eine Liſte dieſer Stoffe mit, auf welche wir jedoch erſt dann eingehen wollen, wenn die Reſultate ausführlicherer Arbeiten vor— liegen. Verfaſſer unterſuchte nach ſeiner Methode vege— tative Zellen einer größeren Anzahl von Gewächſen höherer Ordnungen. Er glaubt auf dieſem Wege folgende Struktur⸗ elemente chemiſch unterſcheiden zu können: im Kerne: Grundſubſtanz, Fibrillenſubſtanz, Chromatin, Nucleolen, Membran; in den Chlorophyllkörpern eine quellbare, je- doch niemals lösliche Fibrillenſubſtanz, eine leicht quell- bare bis lösliche Zwiſchenſubſtanz, aber niemals eine che— miſch differente Membran; im Cytoplasma eine Fibrillen und eine Zwiſchenſubſtanz, ſowie eingelagerte Körnchen. Die äußere und innere Begrenzung des Cytoplasmas iſt als chemiſch different nicht mit Sicherheit nachzuweiſen. So glaubt F. Schwarz eine große Anzahl von Pro⸗ teinſtoffen in einer Zelle unterſcheiden zu können, welche nicht in allen Reaktionen mit den makrochemiſch darge— ſtellten Eiweißkörpern identiſch ſind, aber meiſt eine große Aehnlichkeit mit den ſogenannten Globulinen zeigen. Im Gegenſatze zu den Reſultaten nach ſeiner Methode macht Verfaſſer darauf aufmerkſam, daß z. B. bei dem Auszug mit Kali oder Kochſalz der ganze Kern aufgelöſt wird, das Extrakt alſo mindeſtens aus fünf verſchiedenen Stoffen gemengt iſt. Homologe Zellorgane verſchiedener Pflanzen zeigen eine weitgehende chemiſche Uebereinſtimmung. Wenn ſich Franz Schwarz' Methode bewährt, ſo liegt es auf flacher Hand, daß ſie im höchſten Grade befruchtend auf den von Wiesner eingeſchlagenen Weg morphologiſcher Forſchung einwirken kann. Auch für die Frage nach der phyfio- logiſchen Bedeutung einer Subſtanz in der Zelle erſcheint die mikrochemiſche Unterſuchung von nicht geringer Wich— tigkeit. Nach Zacharias widerſteht das Chromatin ſo⸗ wohl dem Angriff von Säuren als auch von Pepſin. Daraus ſchloß man, das Chromatin fei der gegen Rea- gentien widerſtandsfähigſte Körper, und mit Rückſicht auf ſein Verhalten bei der Kernteilung und Befruchtung ſchrieb man ihm die Rolle des Befruchtungs- und Vererbungs— ſtoffes zu und vermutete eine Idendität mit Nägelis Idioplasma. Nun zeigt aber Verfaſſer, daß das Chromatin ſowohl in neutralen als in alkaliſchen Salzen und freien Alkalien der am leichteſten lösliche Körper iſt. Man darf auf ausführlichere Veröffentlichungen über dieſen Gegenſtand im höchſten Grade geſpannt ſein. Beiläufig ſei hier bemerkt, daß die Lehre vom Idio— plasma ſchon von verſchiedenen Seiten kritiſche Beleuch— tung erfahren hat, ſo z. B. in der Arbeit von J. Frenzel: Das Idioplasma und die Kernſubſtanz. Ein kritiſcher Beitrag zur Frage nach dem Vererbungsſtoff (Archiv für mikroſkop. Anatomie, Bd. 27). Nach der makrochemiſchen Methode erhielt E. Schulze aus etiolierten Kürbiskeim⸗ lingen: Glutamin, Tyroſin, Aſparagin, Leuein, Vernin, Xanthinkörper, Ammoniakſalze, Nitrate. Glutamin, Aſpa⸗ ragin, Leuein und Tyroſin ſind wahrſcheinlich Produkte des Zerfalles von Eiweißkörpern bei der Keimung, denn man kann ſie durch künſtliche Zerſetzung von Eiweißſtoffen gewinnen. Die Kanthinkörper können als Zerſetzungs— produkte der Nucleine angeſehen werden. (Journal für prakt. Chemie. Neue Folge. Bd. 37, S. 433.) Nach der Arbeit von H. de Vries (Plasmolytijde Studien über die Wand der Vacuolen. Pringsh. Jahrb., Bd. 16, S. 405 ff.) ſcheint es feſtzuſtehen, daß den Vacuolen im Plasma eine beſondere Wand zukommt, ver— ſchieden von dem umgebenden Plasma, wenn dieſelbe auch morphologiſch eine ſehr proteusartige Natur beſitzt. An dieſe Beobachtungen ſchließen ſich Pfeffers Unterſuchungen über Stoffaufnahme (zuerſt B. Z. 1886, S. 114). Wir teilen hier die kurze Notiz mit, welche Pfeffer der Generalverſammlung der Deutſchen Botaniſchen Geſellſchaft gegeben hat (D. B. G. 1886, S. 30): „Verſchiedene Anilin— farben werden in die lebende Zelle aufgenommen und, wo Bedingungen geboten ſind, in erheblichem Grade ge— ſpeichert. Zu dieſen Anilinfarben gehört Methylenblau. Die Speicherung iſt dadurch bedingt, daß fic) eine Farb— ftoffverbindung in der Zelle bildet, die zum Teil gerb— ſaures Methylenblau iſt. Nach der Anhäufung verbleibt der Farbſtoff entweder in der lebenden Zelle oder er wandert in das umgebende Waſſer aus. Solche Exosmoſe läßt fic) aber auch durch Einwirkung von Citronenſäure dann erreichen, wenn der Farbſtoff normal nicht exos— miert.“ Die Anſicht von de Vries über die Vacuolen weicht von der bisher allgemein angenommenen, beſonders von Nägeli und Pfeffer begründeten Lehre inſofern ab, als dieſe Forſcher die Wand als eine bloße Niederſchlags— membran aus dem Plasma betrachten, de Vries ſie jedoch für einen weſentlichen, lebenden, durch Teilung ſich ver— mehrenden Teil des Protoplaſten hält. Dieſe Anſicht hat manche Bedenken hervorgerufen, ſcheint aber geſtützt zu werden durch eine Arbeit von Went, die wir nach einem Referat von de Vries (B. Z. 1887, 76) kurz erwähnen wollen. Die Arbeit behandelt: Das Vorkommen von Va— cuolen in den jüngſten Zellen; die Vermehrung der Ba- cuolen durch Teilung; eine Kritik der bisherigen Beob— achtungen über das Entſtehen der Vacuolen beim Austritt von Plasma aus durchſchnittenen Zellen; das Vorkommen von Vacuolen mit verſchiedenem Inhalt in derſelben Zelle. Errera macht darauf aufmerkſam, daß die Bildung neuer Zellmembranen den Geſetzen der Mathematik und Mechanik, in dieſem beſonderen Fall der Molefular- phyſik unterworfen ſei (Leo Errera: Eine fundamentale Gleichgewichtsbedingung organiſcher Zellen; D. B. G. 1887, 441. Zuerſt in Bull. de la soc. belg. de Microscop. und C. r. vom 2. Novbr. 1886). Das iſt freilich ganz ſelbſtverſtändlich, aber es gibt fundamentale Wahrheiten, an die man immer wieder erinnern muß. Errera ſpricht das fundamentale Poſtulat für die Entſtehung einer neuen Membran folgendermaßen aus: „Im Augenblick ihrer Bildung ſtrebt eine Zellmembran danach, die Form an— zunehmen, welche eine gewichtsloſe Flüſſigkeitslamelle unter derſelben Bedingung annehmen würde.“ Eine ho- mogene, gewichtsloſe Flüſſigkeitslamelle kann nur dann fortbeſtehen, wenn ſie eine Fläche von konſtanter mittlerer Strömung (Minimalfläche) bildet. Nach Plateau ſind nur ſechs von den zahlloſen Flächen mit konſtanter mittlerer Krümmung Umdrehungsflächen, nämlich: Kugel, Ebene, Cylinder, Catenold, Unduloid, 192 Humboldt. — Nodoid. Frei entſtehende Bellen find entweder fugel- förmig oder aus zwei oder mehreren der genannten Flächen zuſammengeſetzt. Bei ſimultaner Teilung bilden die entſtehenden Wände ein Lamellenſyſtem, in welchem nach Plateau jede Ecke drei Lamellen unter einem Winkel von 120° vereinigt und die geraden oder krummen Kanten ſtets zu vieren in Winkeln von 109,5 in einem Punkt zuſammentreffen. Bei der Zweiteilung aber, dem häufigſten Fall, kommt das von Sachs entdeckte Princip der rechtwinkligen Schneidung zur Geltung. Von je her hat die mikroſkopiſche und die mikro⸗ chemiſche Unterſuchung der organiſierten Amylumkörner befruchtend auf die Zellenlehre eingewirkt und in der That iſt ja auch das Amylum nichts anderes als eine beſondere Form von Elementarorganen. Nägeli hatte durch An⸗ wendung von Löſungsmitteln (Speichel, verdünnte Säuren) auf die Stärkekörner zu finden geglaubt, daß das Korn aus zwei chemiſch verſchiedenen Subſtanzen, nämlich einem Celluloſeſkelett und zwiſchen ſeinen Elementen eingebetteter Granuloſe (Amylum der Chemiker) beſtehe. Nach Mohl iſt das von den Löſungsmitteln zurückgelaſſene Skelett von der Celluloſe verſchieden; er nennt die Skelettſubſtanz Farinoſe. Arthur Meyer iſt neuerdings zu einer ganz anderen Anſicht über das erwähnte Skelett gekommen; er hält es für identiſch mit dem Amylodextrin und für ein Umwandlungsprodukt des Amylum, hervorgerufen durch die Einwirkung der Löſungsmittel. Danach iſt alſo das Amylumkorn im weſentlichen aus einer einzigen Subſtanz, dem Amylum, zuſammengeſetzt. (A. Meyer, Ueber die wahre Natur der Stärkecelluloſe Nägelis. B. Z. 1886, Nr. 41, 42.) Zur Entwickelungsgeſchichte einzelner Zellenformen hat Ihnez einen wertvollen Beitrag geliefert (L. Ihnez, Ein Beitrag zur Entwickelungsgeſchichte der Tracheiden. D. B. G. 1886, S. 267). Nach bisheriger Auffaſſung ver⸗ ſteht man unter Gefäßen reihenweis angeordnete Zellen mit durchbohrten Querwänden, unter Tracheiden Leitzellen, die ihre urſprüngliche Zellnatur bewahrt haben. Bei Yucca aloéfolia, einer Aloé, Dioscorea convolvulacea, Dracaena Draco und Aletris fragrans fand Ihnez „Tra⸗ cheiden“, d. h. libriforme Zellen mit Hoftüpfeln, welche durch „Fuſion“, nämlich durch Schneiden der Querwände entſtehen. Er bleibt obiger Definition treu und rechnet ſie daher zu den (kurzen) Gefäßen. A. Meyer berichtet über eine Arbeit von Jean Dufour (B. Z. 1886, 969), worin derſelbe den Nachweis führt, daß in 20 von 1300 von ihm unterſuchten Pflanzen, be⸗ ſonders in der Oberhaut eine gelöſte Subſtanz vorkommt, welche vielleicht identiſch iſt mit der von Sanio, Schenk und Nägeli beobachteten löslichen Stärke. Ihre che⸗ miſche Natur iſt jedoch noch nicht näher feſtgeſtellt. Ver⸗ faſſer hält ſie für ein Exkret ohne wichtige phyſiologiſche Bedeutung für die betreffenden Pflanzen. Wichtiger für die Entwickelungsgeſchichte, ſowie für die Bedeutung der Stärke im Organismus können die Unterſuchungen Arthur Meyers werden über „Stärkekörner, welche ſich mit Jod rot färben“ (D. B. G. 1886, 337). Die ein⸗ gehende Arbeit führt den Verfaſſer zu dem Schluß, daß die meiſten Stärkekörner in ruhenden Pflanzenteilen aus reiner Stärkeſubſtanz beſtehen, daß aber die durch Jod mai 1887. mehr violett gefärbten Körner Spuren von Amylodextrin und vielleicht auch von Dextrin enthalten und daß aus⸗ nahmsweiſe vorkommende, durch Jod rot gefärbte Körner wenig Stärkeſubſtanz neben großen Mengen von Amylo⸗ dextrin oder Dextrin enthalten. Verfaſſer ſucht dieſe That⸗ ſachen ſeiner früher aufgeſtellten Theorie unterzuordnen, wonach im Entwickelungsprozeß der Stärkekörner die Dia⸗ ſtaſe eine hervorragende Rolle ſpielt. Alfred Fiſcher (D. B. G. 1886, XCVII.) teilt neue Beobachtungen mit über das Vorkommen von Stärke in Gefäßen und in Tracheiden. Er unterſuchte Blatt⸗ ſtiele von Plantago und fand in zahlreichen Fällen Stärke in den Gefäßen und Tracheiden in verſchiedener Verteilung. Wichtig iſt der Nachweis, daß in allen ſolchen Fällen auch Plasmareſte vorkommen, wodurch es wahrſcheinlich wird, daß das Amylum durch deſſen Vermittelung eingeführt wurde. In Thyllen ſind nach Fiſcher die Amylumkörner nicht gebildet, weil er weder deren Wände, noch Kerne auffand. Dagegen weiſt Joſeph Schrenk (Ueber die Entſtehung von Stärke in Gefäßen B. Z. 1887, 152) nach, daß in den Gefäßen des Rhizoms von Aristolochia serpentaria L. die auch dort vorkommenden Amylummaſſen in Thyllen liegen, und durch die ungleichmäßige Form der Verteilung in den Gefäßen wird es wahrſcheinlich, daß ſie auch bei Plantago in Thyllen entſtanden ſind. Auf dem Gebiet der Pflanzenphyſiologie nehmen noch immer die Arbeiten über Chlorophyllbildung und Aſſimilation eine der erſten Stellen ein. Prings⸗ heims Lehre von der Rolle des Chlorophylls als Schutz⸗ decke der Aſſimilationsprodukte hat gewaltige Kontroverſen hervorgerufen, die auch erſt dann ihr Ende erreichen können, wenn unwiderleglich der Nachweis geführt werden kann, auf welche Weiſe, an welchem Ort und durch Vermittelung welcher Kräfte denn eigentlich die Zerlegung der atmo⸗ ſphäriſchen Kohlenſäure vor ſich geht. Ein ſchwerwiegender Einwand gegen die Pringsheimſche Lehre ſchien von Reg⸗ nard in der Pariſer Akademie durch Paul Bert erhoben zu ſein (C. r. 1885, 14. Dezbr.) durch den angeblichen Nachweis, es fet ihm gelungen, die Kohlenſäure außerhalb der Pflanze durch ſchlorophyllierte Papierſtreifen zu zerlegen und Sauerſtoff frei zu machen. Gegen dieſe Behauptung iſt nun Pringsheim aufgetreten in zwei Arbeiten: Ueber die vermeintliche Zerſetzung der Kohlenſäure durch den Chlorophyllfarbſtoff (Berl. Akad. 1886, 37, 38, S. 651) und: Ueber die che⸗ miſchen Theorien der Chlorophyllfunktion und die neueren Verſuche, die Kohlenſäure außerhalb der Pflanze durch den Chlorophyllfarbſtoff zu zerlegen. (D. B. G. 1886, LXXIX.) Wir laſſen Pringsheim ſoviel wie möglich ſelbſt reden: „Man nahm früher an, daß die blauen und roten Strahlen, welche vom Chlorophyllfarbſtoff am ſtärkſten abſorbiert werden, die Zerlegung der Kohlenſäure in der Pflanze bewirken. Es iſt jetzt längſt erwieſen, daß es ein Irr⸗ tum war, die Hauptwirkung des Lichtes bei der Aſſimi⸗ lation in die vom Chlorophyllfarbſtoff vorzugsweiſe abſor⸗ bierten blauen und violetten Strahlen zu verlegen. Was nun die vom Chlorophyll gleichfalls in ſo hohem Grade abſorbierten roten Strahlen zwiſchen 8 und C Fraun⸗ hofer betrifft, welchen einige neuere Phyſiologen die Zer⸗ Humboldt. — Mai 1887. legung der Kohlenſäure jest in erſter Linie zuſchreiben wollen, ſo habe ich zeigen können, daß auch dieſe Strahlen für die Kohlenſäurezerſetzung weniger leiſten als die be— nachbarten Spektralregionen im Orange und im Gelb, die doch in bedeutend geringerem Grade vom Chlorophyll abſorbiert werden als jene (Berl. Akad. 1886, 4. Febr.; Pringsh. Jahrb. Bd. 17, S. 162 ff.). So viel ſteht jeden- falls feſt, daß die Abſorption gerade derjenigen Licht— ſtrahlen im Chlorophyll, welchen die Vegetation ihre grüne Farbe verdankt, die Abſorption der blauen, violetten und roten Strahlen zwiſchen 8 und C eine andere Funktion in der Pflanze erfüllt als die Zerſetzung der Kohlenſäure. Es hat ſich ergeben, daß das Licht eine bemerkens— werte oxydierende Wirkung auf die Träger der biologiſchen Vorgänge in der grünen Zelle ausübt: auf das Proto- plasma, die Hautſchicht, das Stroma der Chlorophyllkörper, den Cytoplaſten und zum Teil auch auf die Produkte der Aſſimilation. Daß eine große Reihe organiſcher Körper, die zu den unmittelbaren Beſtandteilen der Pflanzenzelle gehören, wie Fette, Oele, Harze u. ſ. w. unter dem Ein— fluß des Lichtes ſich oxydieren, iſt eine längſt bekannte und erwieſene Thatſache. Dieſen verwandte Körper durch— tränken überall das Plasma der Zelle und das Stroma der Chlorophyllkörner. Durch die Unterſuchungen im in— tenſiven Licht iſt daher nur gezeigt, daß dieſelben Oxyda— tionswirkungen des Lichtes, die außerhalb der Pflanzen auftreten, ſich auch im Inneren der Zelle äußern und daß die nächſten und weſentlichſten Formbeſtandteile der Zelle, die meiſt nachweislich von Subſtanzen getränkt ſind, welche im Licht begierig Sauerſtoff aufnehmen, ſelbſt zu den in dieſem Sinne lichtempfindlichen Körpern gehören und durch das Licht oxydiert werden. Hierbei ſind die blauen Strahlen am wirkſamſten. Ihre Abſorption im Chloro— phyllfarbſtoff erſcheint ſomit als das Mittel der Pflanze, um ihre leicht oxydierbaren Beſtandteile vor einer zu ener— giſchen, für den Stoffwechſel ſchädlichen Oxydation zu ſchützen“ (Ueber Lichtwirkung und Chlorophyllfunktion. Leipzig 1881; Pringsh. Jahrb., Bd. 12, 13; Berl. Akad. 1881, S. 504). Was nun die Löſungen des Chlorophylls anlangt, ſo verhalten ſie ſich ebenſo wie in der Zelle, d. h. ſie nehmen im Licht unter Entfärbung und Zerſtörung ihrer Subſtanz Sauerſtoff auf und geben Kohlenſäure ab. Die Kohlen— ſäure dagegen übt in den Löſungen des Farbſtoffs gar keinen ſichtbaren Einfluß auf denſelben aus. Kohlenſäure und Chlorophyllfarbſtoff reagieren auch in der lebenden Zelle unter dem Einfluß des Lichtes nachweislich nicht aufeinander. Selbſt wenn man die grüne Zelle in einer Atmoſphäre von reiner Kohlenſäure der intenſiven Licht— wirkung von Sonnenbildern im Focus einer großen Linje längere Zeit ausſetzt, bleibt der Chlorophyllfarbſtoff völlig unberührt und unverändert beſtehen, während bei der gleichen Beleuchtung ſchon eine Spur von Sauerſtoff ge— nügt, um ihn in wenigen Minuten im Inneren der Zelle ſelbſt vollſtändig zu entfärben und zu zerſtören. Regnard verwendet bei ſeinen Verſuchen das Schützen— bergerſche Reagens auf Sauerſtoff, das in Waſſer lösliche Bleu Coupier, Azodiphenylblau, durch hydroſchweflige Säure oder Natriumhydroſulfit entfärbt, bei Anweſenheit geringer Spuren von Sauerſtoff fic) wieder blau färbend. Humboldt 1887. 193 Er behauptet, daß die dem Licht ausgeſetzte Flüſſigkeit in Röhren, welche chlorophyllgetränkte Celluloſeſtreifen ent— hielten, in 2—3 Stunden wieder blau wird, während bei gleich behandelten Kontrolproben im Finſteren die Flüſſig⸗ keit ſich nicht wieder bläut. Pringsheim fragt nun mit Recht, wie dieſe Regnardſche Behauptung, daß der Chlorophyllfarb— ſtoff Sauerſtoff im Licht abgebe, ſich mit der nachgewie— ſenen Thatſache vereinigen laſſe, daß derſelbe ſowohl inner— halb als außerhalb der Pflanzenzelle Sauerſtoff im Licht aufnimmt? Das wäre ſehr ſeltſam, da erwieſenermaßen die in irgend einer Weiſe getöteten, aber noch unverändert grünen Blätter unter Waſſer keinen Sauerſtoff mehr ab- geben, obgleich z. B. die bei gelinder Wärme getrockneten Blätter bei vorſichtigem Verfahren, ſolange ſie nicht zu faulen anfangen, den Farbſtoff in unverändertem Zuſtand enthalten. Schon die bloß lufttrockenen Blätter geben keinen Sauerſtoff mehr ab, auch wenn man ſie vorher an— feuchtet und dann unter Waſſer ſetzt. Die Löſung des Rätſels liegt darin, daß Regnard ſehr flüchtig gearbeitet hat, denn Pringsheim fand bei Kontrolverſuchen, daß die Wiederbläuung ebenſo raſch und leicht geſchieht, wenn man Lamellen von Papier oder Celluloſe nimmt, die anſtatt mit einer Chlorophylllöſung bloß mit Alkohol getränkt und dann getrocknet werden, ja daß reine, trockene Streifen von ſchwediſchem Filtrierpapier ohne Tränkung mit Chloro— phyll oder Alkohol dasſelbe leiſten. Dieſe Pringsheimſche Unterſuchung wird im weſentlichen beſtätigt durch Jodins „Etudes sur le chlorophylle* (C. r. 86, 264). Ueber das Verhältnis zwiſchen Atmung und Wachstum hat Paladin gearbeitet (D. B. G. 1886, 322) und iſt zu folgenden Reſultaten gelangt: 1) Die Veränderungen des Atmungsvorganges unter dem Einfluſſe des Wachstums haben einen qualitativen, aber keinen quantitativen Cha- rakter; 2) das Verhältnis aan iſt während der At— 2 mung wachſender Organe kleiner als die Einheit; 3) in den wachſenden Organen erſcheint als Reſultat der Atmung die Anſammlung von Stoffen, welche den Turgor der Zellen erzeugen (organiſche Säuren); 4) in einem ſauer⸗ ftoffleeren Raum hört das Wachstum auf wegen der Unterbrechung der Bildung von Stoffen, welche den Turgor bedingen. Hieran ſchließt ſich eine Unterſuchung von Diokonow: Ueber die ſogenannte intramolekulare Atmung der Pflanzen (D. B. G. 1886, 411). Ver⸗ faſſer war bezüglich der Atmung der Schimmelpilze (D. B.G. 1886, 2) zu dem Reſultat gelangt: Ohne Eingreifen freien Sauerſtoffes oder Zuthun vergärungsfähigen Nährmaterials findet keine Kohlenſäureabſpaltung bezw. kein Leben ſtatt. In dieſer neuen Arbeit dehnt er ſeine Unterſuchung auf phanerogamiſche Gewächſe, und zwar auf die Cotyledonen von Leguminoſen, ſowie auf das Endoſperm von Ricinus aus. Die Unterſuchung zeigt, daß die Intenſität der Kohlenſäureproduktion ohne Eingreifen freien Sauerſtoffes ſich, im Gegenſatz zur normalen Atmung, wirklich nach dem Gehalt der Zelle an fertig gebildeten Kohlehydraten richtet. Bei Entziehung des Sauerſtoffgaſes ſteigern die Cotyledonen auffallenderweiſe die Kohlenſäureabſpaltung und vermin— dern dieſelbe bei erneuter Sauerſtoffzufuhr. Verfaſſer glaubt ſich durch dieſes Verhalten zu dem Schluſſe be— rechtigt, daß in der Pflanzenwelt bei Entziehung des 25 194 Humboldt. — Mat 1887. Sauerſtoffs ſogleich Gärungsvorgänge eintreten, um bei Wiederaufnahme der Atmungsfähigkeit ſogleich wieder auf⸗ zuhören. Er formuliert nun ſeinen Satz präeiſer dahin: Ohne Eingreifen freien Sauerſtoffs oder Beteiligung des Gärvorganges als einzigen Mittels zur Befriedigung der Sauerſtoffnot der Zelle findet keine Kohlenſäureabſpaltung, bezw. kein Leben ſtatt. Kontrollunterſuchungen anderer Forſcher werden abzuwarten ſein. „Ueber Fermente und Enzyme, insbeſondere in Milchſäften verſchiedener Pflanzen, arbeitete Hanſen (Würzb. Bot. Inſt. 1885, Heft 2) und Wiesner „Ueber ein Ferment, welches in der Pflanze die Umwandlung der Celluloſe in Gummi und Schleim bewirkt“ (B. Z. 1885, S. 37). Reincke lieferte ausgedehnte „photometriſche Unterſuchungen über die Abſorption des Lichtes in den Aſſimilationsorganen“ (B. Z. 1886, Nr. 9 bis 14). In neuerer Zeit veröffentlichte derſelbe Forſcher (D. B. G. 1886, CXIX) eine vorläufige Mitteilung „über das Ergrünen etiolierter Kreſſekeimlinge und deren heliotropiſche Krümmung im objektiven Sonnenſpektrum. Wir laſſen ſie ihrer Wichtigkeit wegen hier folgen: Das Spektrum war mittelſt eines auf der Oberfläche verſilberten Glashohlſpiegels und eines Reflexionsgitters erzeugt worden, erfüllte alſo die Be⸗ dingungen eines Normalſpektrums. Das Ergrünen trat ausnahmslos am ſchnellſten ein zu beiden Seiten der Linie C, etwa im Intervall = 635 bis = 675; die Kurve des Ergrünens fällt von dieſem Maximum gegen die beiden Enden des ſichtbaren Spektrums. Bezüglich des Heliotropismus ſei nur hervorgehoben, daß auch im Gelb bei genügender Lichtſtärke die Keim⸗ linge ſich poſitiv krümmen. Noch immer iſt der lange geführte Streit über die Kräfte, welche die Bewegung des Waſſers durch die Pflanze veranlaſſen, nicht endgültig gelöſt, was wohl zum größten Teil darin ſeinen Grund hat, daß die Forſcher zum Teil zu einſeitig auf einer beſtimmten vorgefaßten Meinung herumreiten und nicht bedenken, daß ein verwickelter Vor⸗ gang, wie die Bewegung des Waſſers in der Pflanze, wohl auch durch das Zuſammenwirken verſchiedener Kräfte be⸗ dingt ſein dürfte. Leo Errera ſtellte einen „Transſpirations⸗ verſuch“ an, welcher beweiſen ſoll, daß nicht Imbibition der Zellwände das Transſpirationswaſſer leitet. Er mengte 20 Teile Gelatine mit 100 Teilen Waſſer. Die Miſchung ſchmilzt bei 33“ und bleibt bis zum Abkühlen auf 28 flüſſig. Es werden nun Zweige unter Gelatine von 33° erwärmt und dann in kaltes Waſſer geſtellt, worauf an der Endfläche eine dünne Querſcheibe abgeſchnitten wird. Daß die ſo behandelten Zweige welken, ſcheint nicht ganz beweiskräftig zu ſein, denn es bleibt der Einwand beſtehen, daß die Gelatine ebenfalls inbibiert ſein wird und nach dem Erkalten den Saftſtrom hemmt. Aus Verſuchen, welche B. Frank anſtellte, ſcheint hervorzugehen, daß es bezüglich des Stickſtoffes im Erdboden zwei entgegengeſetzte Prozeſſe gibt: einen ſtickſtoffbindenden und einen ſtickſtoffentbindenden. Genauere Unterſuchung der dabei wirkenden Urſachen wave ſehr er⸗ wünſcht. (B. Frank, Ueber die Quellen der Stickſtoff⸗ nahrung der Pflanzen. D. B. G. 1886, S. 293). Bezüglich der anorganiſchen Nahrungsmittel der Pflanzen haben bekanntlich ſchon ſeit längerer Zeit die Ernährungsverſuche in künſtlichen Löſungen ganz neue Reſultate geliefert, welche den floriſtiſch-geognoſtiſchen Beobachtungen direkt widerſprechen. Im 4. und 5. Jahr⸗ zehnt unſeres Jahrhunderts glaubte man an einen Zu⸗ ſammenhang zwiſchen Chemismus des Bodens und Er⸗ nährung der Pflanze inſofern als man z. B. den auf Muſchelkalk vorkommenden Pflanzen beſonders ein Kalk⸗ bedürfnis, den Sandpflanzen ein Kieſelbedürfnis zuſchrieb. Es zeigte ſich ſpäter, daß es ganz andere, vorwiegend phyſikaliſche Verhältniſſe ſeien, welche beſtimmte Pflanzen auf beſtimmte geologiſche Regionen beſchränken. Trotzdem iſt es nicht ganz überflüſſig, durch phänologiſche Beob⸗ achtungen und durchs Experiment zu zeigen, daß dieſe oder jene Kalkpflanze, Salzpflanze, Gipspflanze, Kieſel⸗ pflanze u. ſ. w. nicht ſowohl vom Chemismus des Bodens als vielmehr von anderen damit verbundenen Bedingungen abhängt. In dieſer Richtung iſt H. Hoffmann unermüd⸗ lich thätig. Derſelbe hat beiſpielsweiſe gezeigt, daß der rote Fingerhut, eine ſogenannte Sandpflanze, auch auf kalkhaltigem Boden gedeiht, eine Beobachtung, die Referent ſchon vor einem Jahrzehnt in ſeinem Garten in Jena machte, wo Digitalis purpurea auf höchſt kalkreichem Boden (Süßwaſſerkalk) in außerordentlicher Ueppigkeit gedieh. Münite (C. r. 1886, 624) zeigte, daß durch Be⸗ handlung des Gummi arabicum mit ftart ver⸗ dünnter Schwefelſäure Galaktoſe entſteht, nämlich die damit nach Drehungsvermögen und Schmelzpunkt identiſche Arabinoſe. Er ſchließt daraus, daß außer der Glykoſe auch die Galaktoſe, das zweite Spaltungsprodukt des Milchzuckers, in den Pflanzen vorkomme. O. Warburg ſuchte „über die Bedeutung der organiſchen Säuren für den Lebensprozeß der Pflanzen“ ins klare zu kommen (Tüb. Botan. Inſtit. Bd. 2, Heft 1), und das iſt ihm bezüglich einiger wich⸗ tigen Geſichtspunkte gelungen. Der Berichterſtatter in der Botaniſchen Zeitung (1886, 803) ſagt mit Recht: „Die Warburgſchen Unterſuchungen haben unzweideutig gezeigt, daß Sauerſtoff unter Umſtänden Entſäuerung hervorruft, daß dieſe aber unter Umſtänden auch ohne nachweisbare Sauerſtoffquelle vor ſich geht.“ Kronfeld teilt neue Beobachtungen über die von Goebel in das Bereich der Forſchung gezogene Rory ez lation des Wachstums mit (B. Z. 1886, 846). Die von Claude Bernard zuerſt intenſiver behandelte Frage nach der anäſthetiſchen Wirkung gewiſſer Stoffe auf den tieriſchen und pflanzlichen Organismus, in welcher auch mein hochverehrter Freund, Medizinalrat Dr. Clemens in Rudolſtadt, ein Schüler von Claude Bernard, mit Erfolg thätig geweſen, ift neuerdings von Dubois wieder aufgenommen. Er ließ Dämpfe von Alkohol, Aether, Chloroform und Schwefel⸗ kohlenſtoff auf Plasma einwirken nnd kam zu einer etwas anderen Anſicht als Claude Bernard, welcher die Wirkung als eine mehr oder weniger fortſchreitende Gerinnung des Plasma betrachtete. Nach Dubois iſt ſie vielmehr als eine Reduktion zu betrachten, ähnlich derjenigen, welche nach Graham durch Einwirkung anäſthetiſcher Mittel auf mineraliſche Colloidkörper hervortritt. Humboldt. — Mai 1887. 195 Gehen wir zum Schluß noch auf das biologiſche Ge— biet ein, ſo fühlen wir uns gedrungen, wiederholt zu warnen vor eiligen Schlußfolgerungen aus unvollſtändigen Beobachtungen, welche nirgends fo verführeriſch ſich an— bieten, wie hier. Das tritt uns z. B. entgegen bei der Lehre von den ſogenannten Ameiſenpflanzen, bei welchen man eine teleologiſche Wechſelbeziehung mit ihren Gäſten voraus— ſetzte. Treub hat in dieſer Lehre mit bewundernswerter Nüchternheit und Kaltblütigkeit gearbeitet und wir verweiſen in dieſer Beziehung auf das von uns in dieſer Zeitſchrift demnächſt mitzuteilende Referat. Ueber die Theorie des Windens hat Wortmann zwei ſehr ausführliche Arbeiten geliefert (Ueber die Natur der rotierenden Nutation der Schlingpflanzen B. Z. 1886, Nr. 36—40; Ueber die Bewegungen der Ranken B.. Nr. 4—8). Dieſelben haben aber ſofort heftige Ent— gegnungen gefunden, ſo daß man eine Klärung der An— ſichten abzuwarten haben wird. Zum Teil liegt der An- griffspunkt der Gegner wohl in der nicht immer klaren Ausdrucksweiſe des fleißigen Arbeiters auf dieſem ſchwie— rigen Gebiet. Bezüglich der geſchlechtlichen Fortpflanzungs— weiſe der Oxalisarten (B.. 1887, Nr. 1) hat Hilde— brand einige ſehr intereſſante Thatſachen mitgeteilt. Oxalis lasiandra kommt in den Gärten nur in der kurzgriffe— ligen Form vor und fest nie Samen an. Daraus ſchließt der Verfaſſer, daß die Pflanze trimorph ſei. Er erhielt aus dem botaniſchen Garten zu Padua unter dem Namen Oxalis Hernandesii die mittelgriffelige Form. Kreuzung beider Formen brachte vielen Samen hervor. Die daraus erzogenen Pflanzen traten in allen drei Formen auf: lang— griffelig, kurzgriffelig, mittelgriffelig. Oxalis lasiandra hat alſo die Fähigkeit, durch Kreuzung mit der mittel— griffeligen Form die langgriffelige zu erzeugen, einige Jahr— zehnte latent erhalten, denn während der letzten Jahrzehnte kam im deutſchen Garten kein Samenanſatz vor, vielmehr pflanzte die kurzgriffelige Form ſich nur vegetativ fort. Aehnliche Beobachtungen ſtellte Hildebrand bei anderen Arten der Gattung an. Kleine Mitteilungen. Mit dem Namen „Sternberger Kuchen“ werden ſeit alter Zeit rundliche über fauſtgroße, kalk- oder eiſenhaltige Konkretionen von Meeresſand bezeichnet, in welchen oft prachtvoll erhaltene Konchylien und Reſte von Krujtaceen ſich finden; ſie ſind nur aus der Gegend von Sternberg und anderen Orten im weſtlichen Mecklenburg bekannt, und ſo konnte ſchon daraus geſchloſſen werden, daß ihre ur— ſprüngliche Lagerſtätte in jener Gegend ſich finde. In der That iſt dies der Fall: Die Kuchen ſtammen aus einem oberoligocänen Glimmerſande, an deſſen unterer Grenze ſich ein wahres Pflaſter derſelben findet; der Fund iſt bei Meierſtorf ſüdlich von Parchim gemacht, doch zeigt ein Ver- gleich der Verſteinerungen in den Konkretionen dieſer Gegend vollkommene Uebereinſtimmung mit den benach— barten Sternbergern, ſo daß alſo auch dieſe ebenfalls oberoligocän ſind. Br. Raſches Austrocknen der Seen in trockenen Kli- maten. Nach den Beobachtungen des ruſſiſchen Forſchungs—⸗ reiſenden Nicolsky ſinkt das Niveau des Balchaſchſees in 14—15 Jahren um 1 m. Da ſeine Fläche 19,000 qkm. beträgt, jo verdunſten jährlich, vorausgeſetzt, daß kein unter- irdiſcher Verluſt an Waſſer ſtattfindet, 1300 Millionen Kubik⸗ meter. Wenn man bedenkt, daß die Oberfläche ſämtlicher Seen Centralaſiens, den Kaſpiſee eingeſchloſſen, 17mal jo viel beträgt als die des Balchaſchſees, ſo kann man ſich einen Begriff machen von der enormen Waſſermenge, die dem Lande jährlich durch Verdunſtung entzogen wird. Wie an dem Karabogas genannten Teil des Kaſpiſees iſt auch an dem ſüdlichen Ende des Balchaſchſees ein Salzlager in der Bildung begriffen. Kf. Meteorit aus der Tertiärzeit. Bei der Zerbrechung einer Braunkohle aus Wolfsegg fand ein Arbeiter einen eingeſchloſſenen Meteoriten in der Form eines geraden Parallelepipeds von 67 mm Länge, 62 mm Breite und 47 mm Höhe mit einem Gewicht von 785 g. Er beſteht aus Eiſen mit etwas Kohle und Nickel. Seine Oberfläche hat das Ausſehen eines Meteoriten, die äußere Haut iſt runzelig. Er ähnelt dem Eiſenſtein von Braunau und Saint⸗Catherine. Da er in einem unterirdiſchen Stein- bruch gefunden iſt, kann er nur zur Zeit der Entſtehung dieſer Braunkohle in dieſelbe hineingekommen ſein, muß alſo in der Tertiärzeit gefallen ſein. He. Geologie im weſtlichen Kongogebiet. Nach Peſchuel⸗ Loeſche zerfällt das Gebiet zwiſchen der Küſte und Stanley⸗ Pool in zwei Hauptteile: ein flachwelliges Hügelland von circa 100 m Höhe, beſtehend aus dichtem Laterit auf ſekundärer Lagerſtätte. Der Laterit iſt die in den regen— reichen tropiſchen Erdräumen verbreitetſte Bodenart; ſie iſt eiſenhaltig und daher von ziegelroter (ater, der Ziegel⸗ ſtein) Farbe. Vor Muſerra erhebt ſich aus dem Laterit ein Granitſtock; mehrfach ſteht auch ſüdlich des Kongo dichter Kalk an. Der zweite Hauptteil iſt das vom Kongo durch— brochene Randgebirge. Glimmer- und Hornblendeſchiefer erſtrecken ſich von Boma bis Iſangila; der Fall bei Iſangila iſt durch einen mächtigen Diabasfels verurſacht. Von hier bis Kalubu ftehen kalkreiche Thonſchiefer und Grauwacken an, die ein ſüdweſtliches Einfallen zeigen. Oberhalb Ka— lubu folgt horizontal gelagerter, roter Sandſtein. Das ganze Gebiet wird von Laterit in urſprünglicher Lagerſtätte bedeckt. Sowohl ſüdlich von Bumba wie nördlich am Kuilu iſt dieſelbe Schichtenfolge. Ki. Hebung des Reftfandes in der Gegend des Sena- deftas. Eine Mitteilung Bunges, daß die größte Höhe der Treibholzablagerungen im Lenadelta ca. 6 m über dem gewöhnlichen Waſſerſpiegel liege, bis wohin auch das Früh— jahrswaſſer nicht ſteigt, könnte als Beweis einer negativen Niveauveränderung angeführt werden. Dafür ſpricht ſtarke Verwitterung des Holzes in den oberen Schichten und Ab— weſenheit von bearbeitetem Holz in dieſen oberen Schichten, während in den unteren Schichten ſolches vorkommt. Hin⸗ gegen wäre es auch möglich, daß bei ſehr hohem Waſſer— ſtand und ſtarkem Wellenſchlag Holz an ſo hoch gelegene Stellen geworfen wurde, die ſcheinbar dem Waſſer unzu⸗ gänglich ſind. Ki. Das Nahethal. Einer intereſſanten Studie Grebes über Thalbildung von Moſel, Saar und Nahe entnehmen wir das Folgende: Jedem, der aufmerkſam das Nahethal durchfährt, fällt auf, daß ſo vielfach ſehr ſchmale Thal— ſchluchten mit Thalweitungen wechſeln; auch erkennt er wohl die Urſache in dem Auftreten von Melaphyr- und Porphyritſtöcken zwiſchen den weniger widerſtandsfähigen rotliegenden Sandſteinen; Spalten müſſen meiſt dem Waſſer den Weg zur Eroſion der vulkaniſchen Felsmaſſen gebahnt haben. Der intereſſanteſte Paſſus iſt jedoch gerade gegen— 196 über dem hochragenden Nationaldenkmal vor dem Einfluß in den Rhein, wo der mächtige Damm von Taunusquarzit (Rochusberg, Scharlachkopf und Haſſenkopf) von der Nahe durchſägt ſcheint, ohne daß eine Gebirgsſtörung dem vor⸗ gearbeitet hätte. Und doch brauchte die Nahe zum Abfluß in den Rhein nur öſtlich und ſüdlich des Rochusberges eine wenig hohe (20 m über dem Rheinniveau) Schwelle Tertiär zu durchbrechen. Grebe konſtatierte nun auf den Höhen links der Nahe (100 m über der Nahe), nirgends aber in der fraglichen Thalmulde Kempten —Ockenheim alte Nahe⸗ terraſſen, beiderorts aber mächtige Rheinterraſſen und konnte es zur Evidenz bringen, daß es vielmehr der Rhein war, welcher eben über jene Schwelle ſüdlich des Rochus⸗ berges floß, und ſomit denſelben als Inſel in die Mitte nahm, wobei er auch der heutigen Nahe den Weg durch den harten Taunusquarzit gebahnt hat. Der Südarm wurde vom Rhein verlaſſen, als Gefälle und Waſſermenge ſich ſo verminderten, daß der breitere Raum zwiſchen Kempten und Ockenheim nicht mehr der Vertiefung des Nordarms zu folgen vermochte. Ki. Tſchornoſjſom (Tſchornoſem). Gleich dem europäiſchen Löß war auch die ruſſiſche Schwarzerde (Tſchornoſjom) — beide Bodenarten von hohem landwirtſchaftlichen Werte — ein ſeiner Entſtehungsgeſchichte nach viel umſtrittenes geo⸗ logiſches Gebilde; die kapillare Struktur iſt beiden gemein⸗ ſam, die Schwarzerde kennzeichnet ſich aber noch durch einen hohen Gehalt von Humus (2— 19 %). Nach Dokutſchajef laſſen ſich im Tſchornoſjom zwei ziemlich gleichmächtige Horizonte, die allmählich ineinander übergehen, unterſcheiden, ein oberer ca 0,5 m mächtiger, aus feinkörnigem und feinerdigem, thonichtem Material beſtehend, homogen und von einem außerordentlich dichten Netz von Graswurzeln durchſetzt, von einem unteren ebenfalls von fapillarer Struktur, welcher phyſikaliſch und chemiſch den Uebergang zwiſchen dem oberen Horizont und dem liegenden Geſtein vermittelt. Dokutſchajefs kritiſche Arbeiten haben nun weiter noch folgendes feſtgeſtellt: der Wald beteiligt ſich nicht an der Bildung der Schwarzerde; er bedeckt die Steppen des mittleren und ſüdlichen Rußlands; die feine Kapillarſtruktur iſt in erſter Linie eine Bildung der Wurzeln der Steppen⸗ gräſer. Dieſe letzteren, ferner andere noch nicht verkohlte oder verkohlte pflanzliche Reſte, wie auch gelöſte Stoffe, be⸗ dingen den Reichtum der Schwarzerde an organiſcher Sub⸗ ſtanz. Der Tſchornoſjom erſcheint, wenn auch nicht auf kryſtallinen Geſteinen, ſo doch ſowohl auf Schiefer, als auch auf Kalkſtein, Sand ꝛc., zumeiſt aber auf Löß, und zwar auf letzterem infolge der weiten Verbreitung des⸗ ſelben im ſüdlichen Rußland. Die Beſchaffenheit iſt je nach der Unterlage mehr ſandig oder thonig. Die typijde Schwarzerde tritt vorwiegend auf weiten plateauartigen, von fließendem Waſſer wenig berieſelten Flächen auf. Das Klima beeinflußte ſeine Bildung inſofern, als es den Cha⸗ rakter der Flora, das Maß des jährlichen Nachwuchſes und die Art ſeines Verweſungsprozeſſes beſtimmte. Das Vor⸗ kommen der humusreichſten Schwarzerde ſtellt daher einen Streifen dar, in welchem nicht mehr die langen Winter des Nordens, aber auch nicht die dürren Sommer des Südens herrſchen. Die Grenzen des Tſchornoſjom über⸗ haupt, wie auch diejenigen der einzelnen nach dem Humus⸗ gehalt unterſchiedenen Unterabteilungen verlaufen daher parallel ſowohl den Sultijothermen als auch den Linien gleicher jährlicher Regenhöhen. Dementſprechend iſt auch die Mächtigkeit des betreffenden Bodens. Den Tſchornoſjom hält Dokutſchajef für poſtglacial und ſeine Bildung geht heute noch ebenſo vor ſich, wie die des Waldbodens. Es ſcheinen übrigens Anhaltspunkte vorhanden, daß die Bildung der Schwarzerde bis in die Diluvialzeit reicht, doch werden hierüber erſt die Erhebungen über die Ver⸗ breitung des Löß unter derſelben ſicheren Aufſchluß geben. Nach E. Brückner, welcher im Naturforſcher 1886, S. 513, einen Bericht über die in ruſſiſcher Sprache publizierten Abhandlungen Dokutſchajefs gibt, mißt letzterer den äoli⸗ ſchen Ablagerungen viel zu geringe Bedeutung für die vor⸗ liegende Frage zu. Ki. Humboldt. — Mai 1887. Ueber den Nephrit bei Jordansmühl in Schleſien berichtet Traube. Der Nephrit, der daſelbſt zumeiſt ziem⸗ lich grobfaſerig und von dunkelgrauer Färbung iſt, bildet bis fußmächtige Lagen zwiſchen Serpentin und Granulit, oft in enger Verbindung mit einem Pyroxen-Amphibolgeſtein, aus dem er ſich durch Uraliſierung des Pyroxens gebildet hat. Völlig dichter Nephrit, der eine ſchöne olivengrüne Farbe aufweiſt und dann gewiſſen, neuſeeländiſchen Vor⸗ kommniſſen ähnlich iſt, wird dagegen ſeltener angetroffen. Außerdem kommt noch ein hellfarbiger Nephrit im Ser⸗ pentin ſelbſt in kleinen Knollen und bandförmigen Ein⸗ lagerungen vor. Da der Nephrit leicht mit Serpentin, mit dem er ſtets aufzutreten ſcheint, verwechſelt wird, ſo ſteht zu erwarten, daß der Nephrit bei größerer Aufmerkſamkeit in der Folge noch an manchen anderen Orten Deutſchlands, der Alpen rc. gefunden werden wird. Cr tft härter als der Serpentin, iſt auch von höherem ſpecifiſchen Gewicht, von lebhafterer Farbe und größerer Durchſcheinenheit. Daß in Schleſien bisher noch keine Nephritbeile u. dgl. aufgefunden wurden, erklärt ſich vielleicht dadurch, daß der Nephrit bei Jordansmühl erſt vor wenigen Jahren bloß⸗ gelegt wurde. Ki. Hohes Baumalfer. In Kokenberg (Kirchſpiel Crimes) iſt nach dem „Centralbl. f. d. geſ. Forſtweſen“ einer der älteſten Bäume Livlands dem Alter erlegen. Es iſt dies ein Wachholderbaum, der nach ſeinen Jahresringen ein weit über 2000 Jahre hohes Alter aufwies. Hart über dem Wurzelſtock konnten zwei Menſchen den Stamm kaum umſpannen. Die Krone war tellerförmig flach abgeplattet. Der intereſſante Stamm ſoll nach Riga ins Muſeum ge⸗ bracht werden. M—s. Kupferhaltige Tranben. Die in Frankreich neuer⸗ dings empfohlene Behandlungsmethode des Traubenpilzes mit Kupferſalzen hat nach den Unterſuchungen von Crolas und Raulin den Nachteil, daß ein geringer Teil des Kupfers (etwa 3—5 pro mille) in die Trauben übergeht, was bei zu ſtarker Doſis unangenehme Folgen haben kann. Bei Tafeltrauben ſind darum die Kupferſalze nur mit Vorſicht anzuwenden. Ko. Fire Blight. Ueber dieſe gefährliche Krankheit, welche in den Vereinigten Staaten diesſeits der Felſengebirge die Kernobſtbäume bedroht und mitunter auf weite Strecken hin vernichtet, haben Burrill und Arthur Verſuche und Beobachtungen der Akademie in Philadelphia mitgeteilt, nach welchen die Urſache unzweifelhaft in einem Mikro⸗ kokkus (M amylovorus Burr.) zu ſuchen iſt. Mittel zur Bekämpfung ſind noch nicht gefunden, und da der Mikro— kokkus mit Pfropfreiſern ſehr leicht übertragen werden kann, ſcheint es für den deutſchen Obſtzüchter dringend geboten, vom Bezug von Reiſern oder Stämmen aus Nordamerika ganz abzuſehen. Ko. Die Flechten find nach der neueren Anſchauung be⸗ kanntlich aus einer Vereinigung von Pilzen mit Algen hervorgegangen. Die Syntheſe von Flechten aus ihren beiden Komponenten war bisher nur in unvollkommener Weiſe gelungen, nun aber hat Gaſton Bonnier durch Aus⸗ ſaat von Algen und Flechtenſporen (d. h. Sporen der Flechten⸗ pilze) auf ſteriliſierten Subſtraten gut entwickelte Flechten⸗ thallus erhalten, von denen einige ſogar zur Fruktifikation ſchritten. Die Sporen waren ſehr gewöhnlichen Flechten, wie Parmelia, Acetabulum, Physcia parietina, Ph. stel- laris, Lecanora sophodes, L. ferruginea entnommen, während die Algen meiſt Pleurococens und Protococeus waren. Das Subſtrat beſtand aus Rinden- bezw. Fels⸗ ſtücken, die vor dem Verſuche in paſſenden Flaſchen auf 115° erhitzt waren. In einem Teile dieſer Flaſchen wurden Flechtenſporen allein ausgeſäet, und in dieſen bildete ſich kein Thallus. Ms. Gaſtropoden im Bernſtein gehören zu den größten Seltenheiten, was wohl ſeine Urſache in der Lebensweiſe der Schnecken hat, welche fie viel ſeltener mit dem fliij- ſigen Harz in Berührung kommen ließ, als die Glieder⸗ tiere. Klebs iſt es gelungen, neun derſelben zu unter⸗ Humboldt. — Mai 1887. 197 ſuchen, freilich mit mancherlei Schwierigkeiten, da ſich der Bernſtein infolge Waſſeraufnahme oder Auswitterung von Eiſenvitriol aus dem Einſchluß teilweiſe getrübt zeigte, oder da ſich zwiſchen dieſem und dem Bernſtein eine Luft— ſchicht gebildet hatte. Die Schale war bei keinem Exemplar erhalten geblieben, wohl aber die Epidermis bis in die feinſten Details. Die Unterſuchung der gefundenen Arten hat ergeben, daß die Identifizierung zweier ſchon länger bekannten Einſchlüſſe mit heute noch in der Gegend leben— den Arten (Helix lamellata und Conulus fulvus) irre tümlich war. Alle Arten find neu, gehören aber mit Aus— nahme einer kleinen Deckelſchnecke und einer Microcystis zu Gattungen der paläarktiſchen Fauna. Strobilus geda— nensis ſteht einer Art aus dem Eocän am nächſten. Die Mehrzahl deutet auf einen nordamerikaniſchen Charakter, einzelne Formen haben die nächſtſtehenden lebenden Ver— wandten in Südchina, Turkeſtan und Indien, außerdem aber finden ſich Beziehungen zu europäiſchen Typen. Et. Eine Difuvialffanna iſt nach Jentzſch in den Haff— ziegeleien von Lenzen & Succaſe in Weſtpreußen entdeckt worden. Unter den Hunderten dort geſammelter Wirbel— tierreſte finden ſich ſolche von Tarandus, Elephas, Rhino- ceros, Equus, zwei Arten von Bos, aber auch ſolche von Phoca und Gadus. Außerdem iſt noch eine Valvatenbank vorhanden. Die Lagerſtätte iſt den älteſten Schichten des norddeutſchen Diluviums zuzurechnen und bezeichnet die Fauna mithin das erſte Herannahen des Eiſes. Et. Diluvialtierrefte im Kaulaſus. Bernadsky fand bei Unterſuchung eines Manganerzlagers eine Höhle, in welcher in einer Schicht feinkörnigen Kalks Knochen vom Höhlenbären, Eberzähne und Teile von Vogelſkeletten ſich fanden. Einer der Bärenknochen wurde in einem Stalag— miten gefunden; keiner zeigte ſich abgerundet, was die Idee einer Einſchwemmung hinfällig macht. Et. Foſſile Säugetiere in Nicaragua. Ludy legte in der Juniſitzung der Akademie von Philadelphia foſſile Säugetierknochen aus dem nördlichen Nicaragua vor, unter denen neben Megatherium, Elefant, Maſtodon, Pferd und Ochſe auch die ſüdamerikaniſchen Gattungen Capypara (wahrſcheinlich durch eine neue Art) Toxodon (? Bur- meisteri) vertreten waren. Letztere Gattung wurde zum erſtenmal nördlich von Panama gefunden und iſt ein neuer Beweis für die Ausdehnung der ſüdamerikaniſchen Quarternärfauna auf Nordamerika. Ko. WammutKadaver. Die Angabe, daß ein wohl— erhaltenes Mammut etwa 250 Werſt öſtlich von Kaſatſchje liege, iſt durch Dr. Bunge beſtätigt worden; ſein Aſſiſtent Baron Toll iſt am 15. Februar von Kaſatſchje abgegangen, um die nötigen Maßregeln für die Konſervierung und den Transport nach Petersburg zu treffen. Ko. Sufefition mit Trichocephalus dispar. Graſſi ließ einen ſeiner Schüler, Calandruccio in Catania, der ſich durch mehrmonatliche Unterſuchung als frei von Tricho— cephalen erwieſen hatte, embryonenhaltende Eier von Tri- chocephalus verſchlucken; die Infektion gelang, denn bereits nach vier Wochen zeigten ſich die charakteriſtiſchen Eier in ſeinen Fäces. Dieſer Verſuch beſtätigt vollkommen die Anſchauung Leuckarts, die derſelbe durch Verſuche mit Trichocephalus affinis des Schafes gewonnen hatte; daß nämlich bei dieſer Gattung ein Zwiſchenträger ausgefallen, die Entwickelung eine direkte iſt und die Infektion durch den gelegentlichen Genuß von Eiern dieſes Wurmes, welche im Freien einen Embryo gebildet haben, ſtattfindet. Br. Aus dem Leben eines Inſeſits. Lange ſchon kannte ich die regelmäßig runden Ausſchnitte an den Blättchen unſerer Roſen, die von einem Hautflügler, der Roſenbiene (Megachile centuncularis), mit Hilfe ſeiner Freßzangen hervorgebracht werden; lange ſchon hatte ich einem alten vom Sturm geknickten Stamm eines Birnbaums die aus den abgeſchnittenen Blattteilen von dieſem Tiere herge— ſtellten eylindriſchen Zellen entlehnt und ſie zergliedert, dabei auch ihre Feinde, winzige ſchwarze Ichneumoniden, 1 in einzelnen entdeckt, und doch nie ein ſolches Tier bei ſeinem Baue beobachten können. Da ſah ich plötzlich auf einem Spaziergange eines mit ſeinem Arbeitsmaterial vor mir in ſchnellem Fluge dahinſchweben. Ich verfolgte es aufmerkſam und bemerkte, wie es in einer Mauer plötzlich verſchwand, nach einiger Zeit wieder hervorkam und im Bogen einem nahen Roſengarten zuflog. Nachdem ich dieſe Thätigkeit zu wiederholten Malen beobachtet und dabei ge— funden, wie es mit bewundernswerter Sicherheit ſtets in die kleine Oeffnung der Mauer einflog, nahm ich einige trockene Mörtelbröckchen und bedeckte dieſelbe locker damit. Bei ſeinem Wiedererſcheinen zeigte ſich das Tier infolge des Nichtvorhandenſeins des Eingangs beſtürzt, flog bis auf Im Entfernung unruhig hin und her und man merkte ihm an, daß es ſuche und nicht finde. So verging eine längere Weile; endlich legte es das Blättchen ab, räumte mit den Beinen den Schutt weg, nahm das Blättchen wieder auf und ſchlüpfte in den für die Entwickelung der Nachkommen gewählten Raum. Ich wiederholte nun mein früheres Thun wohl noch fünfmal, bemerkte aber dabei, daß die Zeitdauer des Suchens von Mal zu Mal in ſtets beſchränkterem Raum immer geringer wurde, bis endlich keines mehr ſtattfand. Es muß, ſo ſagte ich mir, das Tier wohl die Umgebung des Eingangs ſich immer ſchärfer angeſchaut und feſter eingeprägt haben, ſonſt hätte die Verwirrung ja kein Ende nehmen dürfen. Um aber darüber zur Gewißheit zu ge— langen, veränderte ich das Ausſehen der Mauer durch Ueberſtreuen mit Gras, Blättern und allem, was zur Hand war. Und ſiehe, dieſelbe Beſtürztheit, dasſelbe Suchen wie früher, aber auch nach wiederholtem Gehen und Kommen endlich wieder das ſichere Finden im Nu. Engelhardt. Ueber die bei Hummeln ſchmarotzende Mutilla europaea L. bringt Hoffer in Graz neue biologiſche Be— obachtungen (Zoolog. Jahrbücher). Das Tier ſchmarotzt wahrſcheinlich bei allen Hummelarten und findet ſich ſo— wohl im Thal als auf den höchſten Gipfeln der Alpen, wenn nur Hummelneſter da ſind. In einem Hummelneſt können mehr Mutillen als Hummeln ſein; die Anzahl der Weibchen iſt ſtets größer als die der Männchen, was wohl damit zuſammenhängt, daß die Männchen geflügelt jind und ſich auch im Verlauf weniger Tage mit mehreren Weibchen paaren können. Der lange, ſehr ſpitzige Stachel des Mutillaweibchens iſt abwärts gekrümmt (bei den Hum— meln aufwärts). Zwiſchen angeſtochenen und geſunden Hummellarven läßt ſich äußerlich kein Unterſchied wahr— nehmen; die Hummellarve verpuppt ſich und innerhalb derſelben die Mutillalarve, wobei ſie ebenfalls ein Geſpinſt aus Seide fertigt, ſo daß das auskriechende Inſekt zwei Puppenhülſen durchbeißen muß. Das Puppenſtadium der Mutilla dauert ca. 6 Tage länger als das der Hummeln und ſie ſind gegen geringere Temperaturen nicht ſo em— pfindlich. In der Größe der Mutillaindividuen machen ſich je nach der Nahrung, welche ſie gehabt, bedeutende Unterſchiede geltend. Bei einem etwaigen Kampf zwiſchen Hummeln und Mutilla ziehen erſtere den kürzeren, indem die Mutilla mit Leichtigkeit zwiſchen die Bauchſegmente der Hummel hindurchſticht, während ſie ſelbſt durch ihren harten glatten Panzer geſchützt iſt. Die Hummeln ſcheinen auch zu wiſſen, daß ſie gegen das dick- und harthäutige Inſekt nichts ausrichten können, da ſie ſich nicht gegen den ſchädlichen Eindringling zur Wehre ſetzen. —p. Aeber partiellen Albinismus infolge von Mau⸗ ſerung. Lohmann in Godesberg hatte — ſo teilt Greßner mit — eine Amſel aufgefüttert, welche, nachdem ſie ſich im erſten Jahre ganz normal entwickelt hatte, in einen Käfig gebracht wurde, der in ſeinem oberen Teile ganz dunkel war und nur unten ein ſchwaches Licht einließ. Nach der zweiten Mauſer (Herbſtmauſer) — mit der erſten nimmt die Amſel bekanntlich erſt ihr ſchwarzes Kleid und den gelben Schnabel an — erſchienen an unſerem Sänger die Federn des hinteren Körperteiles (alſo Enden der Flügel, Schwanz, Rückenfedern) zumeiſt weiß gefärbt, mit ſchwachen ſchwarzen Rändern am Ende. Als Nahrung bekam die Amſel ein aus gelben Rüben, Kleie und etwas Fleiſchmehl 198 Humboldt. — Mai 1882. Oe eee gemiſchtes Futter, wobei ſie vortrefflich gedieh. Es ſcheint, daß der Abſchluß des Lichtes während der Mauſer eine Pigmentbildung an den betreffenden neuen Federn verhindert hat. — Greßner beobachtete auch einen Fall von partiellem Albinismus bei einem Buchfinken, bei welchem gerade die- jenigen Partien, (Stirn, Hinterhaupt, Nacken, Bruſt) nahezu rein weiß waren, welche im normalen Zuſtande durch ihre höchſt intenſive Färbung ausgezeichnet ſind und bei der Brautwerbung des Männchens eine ſo große Rolle ſpielen. Ms. Eine gehörnte Ricke. Zum 25. Auguſt 1886 wid⸗ meten Rektor und Senat der Univerſität Gießen dem Groß⸗ herzog Ludwig IV. von Heſſen ein Programm, das eine Abhandlung von Eckhardt, „Beitrag zur Lehre von dem Vorkommen gehörnter weiblicher Rehe“ enthält. Das frag⸗ liche Tier war auf den großherzoglichen Jagden in Ober⸗ heſſen erlegt worden und trug bei einem Gewicht von 18 kg ein etwas ſchwaches, aber ganz normal entwickeltes Gehörn. Durch genaue anatomiſche Unterſuchung der äußeren und inneren Genitalien kommt der Verfaſſer zu dem Schluſſe, einen ſogenannten Pſeudohermaphroditen vor ſich zu haben. Ein ausführlicheres Referat über dieſe durch den Buch⸗ handel nicht zu beziehende Arbeit findet ſich in Danckel⸗ manns Zeitſchrift für Forſt⸗ und Jagdweſen, Januarheft 1887. Hervorzuheben wäre noch, daß der Wunſch aus⸗ geſprochen wird, in Zukunft möchten noch bekannt wer⸗ dende ſogenannte gehörnte Ricken, anſtatt ihr Vorkommen einfach in Forſt⸗ und Jagdzeitungen zu erwähnen, kun⸗ digen Händen friſch zu genauer anatomiſcher Unterſuchung übergeben werden. En. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ete. Das chemiſche Laboratorium der Aniverſität Göt⸗ finger, welches den Bedürfniſſen räumlich in keiner Weiſe mehr entſpricht, wird eine bedeutende Erweiterung erfahren. Der mit dem alten Gebäude in Verbindung gebrachte Neu⸗ bau wird einen großen, hauptſächlich den organiſch⸗chemi⸗ ſchen Unterſuchungen dienenden Arbeitsſaal, ſowie eine er⸗ hebliche Anzahl von Nebenräumen erhalten. Letztere dienen als Verbrennungszimmer, Dampfraum, pyrochemiſcher Saal x. Als Vorbild dieſes, den weiteſtgehenden An⸗ forderungen der neueren Chemie angepaßten Baues hat das großartige neue chemiſche Inſtitut des Eidgenöſſiſchen Poly⸗ technikums in Zürich gedient, deſſen genaues Studium durch die Leiter des Baues, Univerſitätsbaumeiſter Kortüm und Profeſſor Meyer vom Kultusminiſter angeordnet wurde. D Noch vor wenigen Jahren war es dem wiſſenſchaft⸗ lichen Forſchungsreiſenden faſt unmöglich, ſeine zoo logi⸗— ſchen Sammlungen in Deutſchland vorteilhaft zu ver⸗ werten. Er mußte ſeine Ausbeute dem Auslande über⸗ liefern, wenn er eine angemeſſene Entſchädigung zu er⸗ halten beabſichtigte. Um nun den Reiſenden Gelegenheit zu geben, ihre Ausbeuten in erſter Linie wiſſenſchaftlich, dann aber auch finanziell zu verwerten, wurde 1879 von namhaften Naturforſchern das naturhiſtoriſche In⸗ ſtitut „Linnaea“ begründet. Aus kleinen Anfängen entwickelte ſich bald ein großer Verkehr. Um den An⸗ forderungen der naturhiſtoriſchen Muſeen zu genügen, wurden eigene Reiſende in ferne Gegenden geſchickt und mit wiſſenſchaftlichen Sammlern in den verſchiedenſten Gegenden Verträge behufs Ueberlaſſung ihrer Ausbeuten geſchloſſen. 1886 ſiedelte das Inſtitut nach Berlin über, wo es in nächſter Nähe des neuen naturhiſtoriſchen Mu⸗ ſeums, Invalidenſtraße 37, ein neues Heim begründete, und ein ſehr bemerklicher Aufſchwung bewies bald, daß die Ver⸗ pflanzung des Inſtituts ein wirkliches Bedürfnis befriedigt hat. Allmählich beginnen auch Privatſammler die Ein⸗ richtungen der „Linnaea“ zu benutzen, um ihre Kollektionen zu vervollſtändigen. Ein größerer Teil der Berliner höheren Schulen wird durch dieſes Inſtitut mit zoologiſchen Lehrmitteln verſorgt. Der Umſtand, daß wiſſenſchaftlich geſchulte Zoologen dem Leiter des Inſtituts, Dr. Auguſt Müller, zur Seite ſtehen, daß jeder Sammler und nament⸗ lich die naturwiſſenſchaftlichen Lehrer der Schulen in un⸗ geahnter Fülle Repräſentanten aller Gattungen des Tier⸗ reiches dort finden, gibt die Gewähr, daß die „Linnaea“ in kurzer Zeit allen Naturforſchern eine unentbehrliche Hilfsquelle werden wird. D. Im Humboldthain zu Berlin, der bereits ſeit einigen Jahren Volieren hat, ſoll in dieſem Jahre ein großes Terrarium aufgeſtellt werden. Dasſelbe ſoll die in Deutſchland einheimiſchen Lurche und Kriechtiere auf⸗ nehmen und im Inneren mit Tropfſteingrotten, Gewächſen, | Waſſerbecken rc. eingerichtet werden. Es iſt bejonders darauf berechnet, dem Anſchauungsunterricht zu dienen und den Kindern die unnötige Furcht vor der vermeintlichen Gefährlichkeit der genannten Tiere abzugewöhnen. D. Jalneologenkongreß in Berlin. In der Sitzung vom 12. März ſprach Dr. Aßmann (Berlin) über Balneo⸗ meteorologie. Er beleuchtete die klimatiſchen Faktoren, welche für die Wirkſamkeit eines Kurortes in Betracht kommen und gab eingehende Mitteilungen über deren Er⸗ mittelung. Namentlich betonte er, daß es notwendig ſei, ſich auf Beobachtung der lokalen Witterungsverhältniſſe zu beſchränken; dieſe allein ſeien maßgebend für den Kur⸗ erfolg; der Balneometeorologe habe nicht direkt für die all⸗ gemeine Meteorologie zu arbeiten; er erreiche damit nichts für die Zwecke ſeines engeren Wirkungskreiſes. Aller⸗ dings ſeien ebenſo zuverläſſi exakte Methoden erforderlich, ſollen die Ergebniſſe Ver⸗ trauen verdienen, und namentlich müſſe der Beobachter ein von der Gunſt der Badedirektion unabhängiger Mann ſein. Bei den Erörterungen der Wertſchätzung und Be⸗ deutung der einzelnen klimatiſchen Faktoren hob der Redner hervor, daß den Veränderungen des Luftdrucks eine zu große Einwirkung auf den Organismus zugeſchrieben werde. Wenn binnen 24 Stunden eine Barometerſchwankung von 22 mm eintrete, ſo ſei das doch ſchon etwas Ungewöhn⸗ liches; es mache aber nur 0,9 mm ſtündlich aus, alſo einen Druckunterſchied, den man binnen wenigen Minuten zu ertragen habe, ſobald man im Hauſe vom Erdgeſchoſſe zum zweiten Stock aufſteige. Bei pneumatiſchen Kuren würden Druckunterſchiede von 300 mm ohne Schaden aus⸗ gehalten. Allerdings mache ſich im Höhenklima die Druck⸗ verminderung oft geltend; es ſei indes fraglich, ob nicht mehr der Sauerſtoffmangel der Höhenluft hierbei ent⸗ ſcheide als die Druckverringerung. Ebenſo überſchätzt werde der Einfluß der Temperaturſchwankungen. Man brauche nur an den ſchroffen Wechſel zu denken, dem man ſich ausſetzt, wenn man im Winter aus dem warmen Zimmer ins Freie geht, um ein ſachlicheres Urteil über die Bedeutung der Wärmeſchwankungen zu gewinnen. Der menſchliche Organismus vermöge fic) Temperaturunter⸗ ſchieden von mehr als 120° anzupaſſen, und in Oſtſibirien, wo es im Januar 50—60 e kalt werde, kenne man Lungen⸗ krankheiten nicht. Bei gänzlicher Luftſtille ſei die Tempe⸗ ratur überhaupt etwas Gleichgültiges. Mehr ſchon komme es auf die Luftfeuchtigkeit an. Bewohner trockener Kli⸗ mate zeigen unruhiges, nervöſes Weſen, Mangel an Schlaf, und diejenigen feuchter Gegenden ſeien ruhig, phlegmatiſch, ſchlafen gut u. ſ. w. Man wiſſe, daß Oſtwind Kindern leicht ſchädlich werde; das liege an ſeiner Trockenheit. Bei dem Wege durch Naſe und Luftröhre entziehe trockene Luft den Schleimhäuten viel Waſſer und bewirke dadurch ſtarke Humboldt. — Mai 1887. 199 Abkühlung der Luftkanäle. Es ſei indes zu beachten, daß es mehr auf die relative, als auf die abſolute Feuchtigkeit ankomme. Bewölkung und Niederſchläge beſitzen mehr negative als poſitive Bedeutung für die Wertſchätzung eines klimatiſchen Kurortes, obſchon feſtſtehe, daß bei regneriſcher Witterung die Luft reiner ſei als bei trockener. Im Ge— birge herrſche auf der Windſeite der Berge größere Regen— wahrſcheinlichkeit als auf der dem Winde abgewandten Seite, in Waldungen größere als in freiem Lande. Reinheit der Luft ſei am höchſten im Gebirge, namentlich im bewaldeten, ſowohl was Staub als was Spaltpilze be— treffe. An der See, wo ja im übrigen auch gute Luft herrſche, können durch Landwinde Verunreinigungen her— beigeführt werden. Zum Schluſſe empfahl Redner dem Kongreſſe die Förderung zuverläſſiger meteorologiſcher Be— obachtungen in den Bädern. D. Die Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Bulfane und Erdbeben. Am 5. und 10. Januar verſpürte man ſchwächere Stöße in Charleſton. Am 10. Januar fand ein heftiger Erdſtoß auf J az maica ſtatt. Der Vulkan Mauna Loa auf den Sandwichsinſeln geriet am 15. Januar wiederum in Thätigkeit unter Be— gleitung heftiger Erdſtöße, welche bis zum 26. Januar an⸗ hielten. Der auf der Südſeite ergoſſene Lavaſtrom er— reichte eine Länge von 20 engliſchen Meilen und floß ins Meer. Ende des Ausbruchs am 8. Februar. Auch der Kanſhagatake nahe bei Ueda in Shinſhu zeigt derartige beunruhigende Symptome, daß die Be— wohner der umliegenden Dörfer ſich zum Teil bereits ge— flüchtet haben. Am 15. Januar trat ein Erdbeben in Yofohama mit einer Heftigkeit auf, wie ſolche ſeit nahezu 20 Jahren nicht dageweſen. Faſt ſämtliche Uhren blieben 6 Uhr 45 Mi⸗ nuten ſtehen. Der Stoß erfolgte von Nordoſt nach Südoſt und ihm folgten kleinere Schwankungen in vertikaler Richtung bis nachts 11 Uhr. Auch am 16. Januar wurden noch drei ſtärkere Erſchütterungen wahrgenommen. Häuſer wurden verletzt, einige erhielten klaffende Riſſe, einige ſind ganz unbewohnbar geworden. Vielleicht hängt die Erſchütterung mit dem Vulkan Tarumai zuſammen, der ſeit 13. Januar ſeine Umgebung mit Aſche und Lava bedeckt. Ein Ausbruch des Schlammvulkans Lok-Bollan, in der Nähe der Station Puta der transkaukaſiſchen Cijen- bahn erfolgte in der Nacht vom 17. zum 18. Januar. Dem Ausbruch des Vulkans ging unterirdiſches Getöſe vorauf und längere Zeit danach wurden mächtige Feuer— garben beobachtet. Der Vulkan wirft große Mengen aus bläulichem Lehm, Sandſteinſtücken u. ſ. w. beſtehenden Schlammes aus, welcher ſtark naphthahaltig iſt. Der Schlamm bricht an mehreren Stellen hervor und wird oft 2 Faden hoch geſchleudert. Das Terrain weiſt in der Nähe des Vulkans viele bedeutende Erdriſſe auf. Eine Fläche von eirka 1,5 qkm ijt mit Schlamm bedeckt. Am 25. Januar fand eine Erderſchütterung in Me— rico ſtatt. Am 26. Januar beobachtete man Erdſtöße in Schumla (Bulgarien). Am 7. Februar fanden Erſchütterungen in den Staaten weſtlich vom Miſſiſſippi ſtatt. Obwohl nur geringfügiger Natur, wurden ſie doch auf einem weiten Gebiet beobachtet, ſo beſonders in Terre Haute und meilenweit in der Runde, ferner in St. Louis, Miſſouri, Louisville und Springfield in Illinois, ſowie in allen umliegenden Diſtrikten. Am 8. und 9. Februar vermerkte man ſchwache Stöße zu Ilz in Steiermark. Am 9. Februar ward ein Erdſtoß in der Umgegend von St. Louis, Louisville und Springfield in den Vereinigten Staaten Nordamerikas verſpürt. Am 23. Februar fand das vielbeſprochene italieniſch— franzöſiſche Erdbeben ſtatt. Nach zahlreich geſammelten Notizen verſpürte man dasſelbe in Ober- und Mittelitalien, im ſüdlichen Tirol, beinahe in der ganzen Schweiz und im öſtlichen Frankreich vom Mittelländiſchen Meer bis etwas nördlich von Lyon. Denken wir uns eine Linie von Bellinzona über Chur bis St. Gallen, eine zweite von da bis Baſel, ein dritte von hier über Neuenburg bis Genf und eine vierte von da bis Bellinzona gezogen, ſo haben wir ungefähr das Ge— biet in der Schweiz, das von ihm berührt wurde. Ein mächtig ſtarker, vorwiegend horizontaler Stoß in der Rich— tung von Oſt nach Weſt wurde in den öſtlich liegenden Orten kurz nach 6 Uhr vormittags geſpürt, in Bern 6 Uhr 3 Minuten, in den weſtlich gelegenen etwas ſpäter, während er in Bellinzona und Locarno bereits gegen 6 Uhr be— merkbar wurde, infolgedeſſen Zittern der Wände, Zuklappen von Thüren, Schwingen leicht beweglicher Gegenſtände ſtatt⸗ fand. In Genf dauerte derſelbe 10—15 Sekunden; die Intervalle der Schwankungen beliefen ſich auf höchſtens 1 Sekunde. Dieſe waren anfangs ſo ſtark, daß bie Balken krachten, ließen aber allmählich nach, und die im Bette Liegenden hatten das Gefühl, als würden ſie 10—15 mal hin und her gewiegt. Von Chur an ſoll der Stoß in der Richtung nach dem Mittelmeere wieder zurückgegangen ſein. Im Gebiete der Rhone verſpürte man auf St. Barbe, einer in der Saone gelegenen Inſel, ein Zit— tern des Bodens, ebenſo (6 Uhr) in Lyon und bei St. Etienne auf den Höhen; in Valence bemerkte man zwei ſchwache, von Süd nach Nord gehende Stöße (5 Uhr 50 Minuten), die viele Uhren zum Stehen brachten, des— gleichen in Privas und Beſſege (5 Uhr 45 Minuten), während in Avignon drei Stöße gefühlt wurden, von denen der erſte ſtark war (5 Uhr 45 Minuten, 6 Uhr 8 Minuten), während durch einen Stoß in Nimes (5 Uhr 58 Minuten) etliche Fenſter zerbrochen, die Uhren zum Stillſtehen gebracht wurden und einige Glocken anfingen, von ſelbſt zu läuten. In Puy, weſtlich von Valence, trat der Stoß nicht ſchwer auf; er verſchob durch zitternde Be- wegung die Möbel nur leicht. Aus der Poebene haben wir Nachrichten von Cuneo, wo Schornſteine und Gewölbe einſtürzten; von Turin, wo um 6 Uhr 30 Minuten heftige, länger andauernde, von Nordoſt nach Südweſt gehende Stöße Kreuze von den Türmen herabſtürzten, Mauern barſten und mehrere Häuſer einfallen ließen; von Caſale, wo 6 Uhr 20 Minuten 10 Sekunden lange, heftige, wellenförmige Stöße Eſſen herabſtürzten; von Mailand, wo 6 Uhr 23 Minuten ine folge mehrerer, 12 Sekunden anhaltender ſtarker Stöße ſämtliche Uhren aufhörten zu funktionieren, Fenſter klirrten und Zimmermobilien anfingen, ſich zu bewegen, während in Aleſſandria nur zwei leichtere Stöße ſich geltend machten. In Lecco am Comerſee kam eine Eiſenbahnböſchung in Bewegung; in Cavaleſe im ſüdlichen Tirol ward 6 Uhr 27 Minuten eine 10 Sekunden anhaltende, von Nordoſt nach Südweſt gehende wellenartige Erſchütterung ver— ſpürt; in Riva am Gardaſee bemerkte man 6 Uhr 10 Mi⸗ nuten drei wellenartige, 12— 15 Sekunden lange Stöße. Von Orten Mittelitaliens ſind hervorzuheben: Nervi, das zwiſchen 6 Uhr und 10 Uhr eine große Zahl aufeinanderfolgender Erſchütterungen in Form undulatori— ſcher Schwingungen und Stöße, von denen die erſten ſehr heftig verſpürt wurden, zu erdulden hatte; Lucca, das 40 Sekunden lang von ihnen behelligt wurde, und Livorno, das mehrere Erſchütterungen erlitt. In Frankreich am Weſtabhange der Alpen wurde zu Digne, Grenoble und Voiron (5 Uhr 45 Minuten, 5 Uhr 58 Minuten) wenig Schaden hervorgerufen, mehr zu Ca— 200 Humboldt. — Mai 1887. ſtillon bei Soſpel, wo ein Dritteil der Villen zerſtört wurde, zu Bollene, zu Chäteau-neuf-Conti, zu Bar, wo ſieben Häuſer und ein altes Schloß durch einen 12— 15 Se⸗ kunden langen, von Südoſt nach Nordweſt gerichteten Stoß eingeſtürzt wurden, zu Ventimiglia, Graſſe, Gap, wo ein wahrer Regen von Kaminen ſtattfand. Sehen wir noch zu, was vom Mittelmeergebiet uns verkündet wurde. Von Marſeille meldete man fünf Stöße (5 Uhr 28 Minuten, 5 Uhr 55 Minuten, 6 Uhr 14 Minuten, 8 Uhr 17 Minuten, 8 Uhr 30 Minuten), von denen der erſte, 20—25 Sekunden lange, ſich ſchwingend bewegende, und der zweite, 2— 3 Minuten anhaltende, beſonders heftig waren, zahlreiche Häuſer verletzten, das Pflaſter des Quai de la Fraternité aus den Fugen brachten, in den Häuſern viele Gegenſtände umſtürzten, die Eisdecke der Flüſſe und Teiche zerſplitterten, Telegraphenſtangen lebhaft bewegten und Telegraphendrähte zerriſſen. Der dritte dauerte 25 Se⸗ kunden. In Toulon bemerkte man drei Stöße (5 Uhr 57 Minuten, 6 Uhr 5 Minuten, 8 Uhr 20 Minuten), deren erſter, 12— 15 Sekunden dauernder und in der Rich⸗ tung von Oſt nach Weſt verlaufender Möbel unter großem Lärm umſtürzte. Der dritte dauerte 8 Sekunden. In Cannes wurden ebenfalls drei bemerkt, die in zitternder, von Nordoſt nach Südweſt gehender Bewegung ſich voll⸗ zogen (6 Uhr, 6 Uhr 15 Minuten, 8 Uhr), aber wenig ſchadeten; in Nizza desgleichen (5 Uhr 37 Minuten, 6 Uhr 10 Minuten, 8 Uhr 30 Minuten, wobei die Uhren ſtehen blieben, faſt alle Häuſer auf ihren Grundlagen unter be⸗ deutendem Krachen erbebten, Häuſer oder wenigſtens deren Dächer oder ein Stockwerk einſtürzten und das Quartier St. Benoiſt in einen Trümmerhaufen verwandelt wurde. Richtung wie in Cannes. In Monaco wurden ebenfalls mehrere Stöße verſpürt; in Mentone wurden infolge des erſten, 15 Sekunden andauernden (5 Uhr 30 Minuten) 800 Häuſer beſchädigt, davon 450 zum Einreißen. Der Flußlauf des Carni erhielt den Hauptſtoß, welcher mit ſehr heftiger Bewegung non unten auf begann und in regelmäßigen, von Oſt nach Weſt gerichteten Oscillationen endigte. Auch hier war der zweite (einige Minuten vor 6 Uhr) der längſte (1 Minute) und ſtärkſte. Dröhnen, Krachen, Kollern verſpürte man, Möbel wurden verrückt. Die letzten Stöße erfolgten 9 Uhr und bald darauf. In Ventimiglia wurden ſehr viele Häuſer beſchädigt, ebenſo in San Remo, wo 6 Uhr 20 Minuten ſonderbares Geräuſch und Getöſe ge- hört wurde, daß Fenſter und Thüren zitterten, worauf nach 2—3 Sekunden ein ſtarkes Schwanken erfolgte, bei welchem Spiegel, Möbel, Tiſche tanzten und die Bettſtellen hin und her geſchleudert wurden. Gegen 7% Uhr wurde eine zweite ſchwächere Bewegung verſpürt; 2 Uhr erfolgte ein dritter, ziemlich heftiger Stoß, und in den nächſten 24 Stunden wiederholten ſich dreimal ſchwächere Stöße. In der Um⸗ gegend wurden die Anſiedlungen von Aro und Buſſana vernichtet und litten die in den Bergen gelegenen Dörfer Ceriana, Caſtellaro und Pompejana viel. In Porto Mau⸗ rizio wurde der größte Teil der Häuſer zerſtört. Die in der Nähe liegenden Ortſchaften Diano Marina (ein Trüm⸗ merhaufen, am meiſten an der Seeküſte; ganze Häuſer⸗ viertel vom Erdboden verſchlungen), Pinacaſtello, Cricale, Bajardo, Diano Caſtello (kein Haus ganz geblieben), Bor⸗ dhigera (jedes Haus beſchädigt, Straßen voll von herab- geſtürzten Eſſen, Dachbaluſtraden und Balkonen), Borello litten furchtbar, ebenſo Oneglia, das nach dem Gutachten einer Kommiſſion, wenige Gebäude ausgenommen, voll⸗ ſtändig abgetragen und vom Grunde aus neu aufgebaut werden muß, wodurch allein 9000 Familien obdachlos werden. In dem weit entfernten Noli ſtürzten nur einige Häuſer ein, auch in Albiſola. In Genua verlöſchten bei dem 6 Uhr 25 Minuten erfolgenden erſten wellenförmigen, dann zitternden, von dumpfem, geſchützartigem Getöſe be- gleiteten Stoße die elektriſchen Lampen; es folgten bis 10 Uhr wiederholt neue, ziemlich ſtarke, dann leichtere Stöße. Berichtet wird weiter, daß während des Erd— bebens das Meer um I m gefallen ſei, um gleich darauf um 2m zu ſteigen. Ein Kapitän, welcher am 23. Februar von Marſeille nach Genua fuhr, verſpürte gegen 61/2 Uhr in 43 „45“ nördl. Br. und 15° 39“ öſtl. L. in kurzen Intervallen zwei ſo heftige Stöße, daß er glaubte, ſein Fahrzeug ſei auf einen Felſen aufgefahren. Gegen 8 Uhr wurde ein zweiter Stoß bemerkt, welcher jedoch weniger ſtark war. Auch in Ajaccio auf Korſika ſind zwei Stöße em⸗ pfunden worden, früh 3 Uhr ein leichter, gegen 6 Uhr ein ſtarker. Halten wir nun alle Thatſachen zuſammen, ſo finden wir, daß die Richtung der Stöße im größten Teile des Erſchütterungsgebietes von Südoſt nach Nordweſt gerichtet war, im weſtlichen Teile des betroffenen Mittelmeergebietes und in der Schweiz von Oſt nach Weſt, und im mittleren und oberen Rhonethal von Süd nach Nord. Die häufigſten und verderbenbringendſten Stöße empfand man in der Gegend von Mentone bis Oneglia. Hier waren jie auf⸗ ſtoßend, während ſie in der Ferne durch eine mehr hori⸗ zontale Richtung und wellenartige Bewegung charakteriſiert waren; hier dürfte wohl auch das Oberflächencentrum (Epicentrum) zu ſuchen ſein. Flammarion vermutet den Ausgangspunkt des Erdbebens (Hypocentrum) in der Nähe von San Maurizio unter der See, Pater Denza im Gebirgsſtock, welcher die Seealpen mit dem Apennin ver⸗ bindet, alſo in der Nähe von Savona und Falb unter dem Meeresboden oder in der Nähe des Monte Fronte und Monte Ceppo. Genauere Unterſuchungen werden hierüber erſt Gewißheit bringen. : Wie bei dem Erdbeben von Charlefton in den Ver⸗ einigten Staaten hat ſich auch hier gezeigt, daß der Grad der Zerſtörungen vielfach von den Bodenverhältniſſen ab⸗ hängt (vgl. Heft 3, S. 117). So wurden in der Altſtadt von Mentone, welche auf Felsgrund ruht, 4—6ſtöckige Häuſer wenig oder gar nicht beſchädigt, während die auf ſandigem Grunde ſtehende Neuſtadt faſt völlig zerſtört wurde; jo wurde in Nizza auch der Stadteil am meiſten betroffen, welcher auf ſandigem Boden aufgebaut wurde. So erklärt ſich, daß Cannes, Monte Carlo und Monaco ohne großen Schaden davonkamen. Aber auch die Bau⸗ art trägt das Ihre dazu bei. Von Ziegeln erbaute Häuſer litten an manchen Orten faſt gar nicht, dagegen die ohne Keller am meiſten, was mit den an den Erdbebenoaſen, in denen Höhlungen in der Erde die Fortpflanzung des Stoßes brechen, gemachten Erfahrungen harmoniert. Am 24. und 25. Februar verſpürte man übrigens in Cannes, Nizza und einigen anderen Orten wiederholt leichte Stöße. In Waſhington hat das Seismoſkop Exrdſtöße ange⸗ zeigt, bald nachdem das Erdbeben in Italien ſtattgefunden hatte. Die Schwingungen hatten ſich mit einer Geſchwin⸗ digkeit von 750 km in einer Stunde fortgepflanzt. Am 23. Februar verurſachten Erderſchütterungen auf der zwiſchen Haiti und Portorico befindlichen Inſel Mona nur geringen Schaden. Am 23. Februar verſpürte man in Belfort eine Erderſchütterung, die aber wahrſcheinlich nicht ins Bereich des großen Erdbebens zu ziehen iſt. Am 24. Februar morgens fanden an mehreren Orten Griechenlands Erderſchütterungen ſtatt. Neuerdings hat der Aetna ſeine vulkaniſche Thätig⸗ keit wieder aufgenommen. Man bringt wohl nicht mit Unrecht die Erſcheinung mit dem Erdbeben am 23. Februar in Zuſammenhang und glaubt, die unterirdiſche Bewegung habe fic) nunmehr einen natürlichen Ausweg gebahnt. Am 26. Februar beobachtete man zu Ala in Tirol früh 5 Uhr 30 Minuten einen ziemlich heftigen Stoß. Am 27. Februar wurden zu Genua neue, jedoch leichte Stöße empfunden. Im Süden der Vereinigten Staaten von Amerika, insbeſondere in Carolina, ſind am 26. und 27. Februar Erderſchütterungen verſpürt worden, die jedoch nur leicht waren und keinen Schaden anrichteten. Auch Charleſton und Summerville wurden davon betroffen. Nach den letzten Nachrichten von Honolulu, die in San Francisco am 28. Februar eintrafen, iſt der Maung Loa wieder in Thätigkeit. Auch alle Krater ringsherum ſpeien. Humboldt. — Mai 1887. Am 1. März wurde in Reggio (Calabrien) ein hef— tiger Erdſtoß verſpürt. Am ſelben Tage in Diano Marina ein leichter. Am 2. und 3. März fanden im Peloponnes wieder- holt Erderſchütterungen ſtatt. Ein leichter Erdſtoß wurde am 2. März an der ſüd— lichen Küſte Long Islands geſpürt. Aus Nizza wird vom 11. März eine neue Erderſchüt— terung, welche 2 Uhr 50 Minuten nachmittags in der Richtung von Nordoſt nach Südweſt ſtattfand, gemeldet. Dieſelbe wurde auch in Cannes, Vintimille und Diano Maxina beobachtet. Auch die Provinz Porto Maurizio wurde kurz nach 3 Uhr abermals von einem Erdbeben 201 heimgeſucht; gleichzeitig wurde ein heftiger wellenförmiger Erdſtoß in Ventimiglia wahrgenommen. In Mentone er— folgte 3 Uhr 10 Minuten ein heftiger Erdſtoß, durch welchen nicht bloß die Möbel in den Häuſern, ſondern auch vielfach Mauern umgeſtürzt wurden. Der Erdſtoß wurde von Savona bis Nizza verſpürt, in Monte Carlo nur gelinde, daſelbſt ſich durch ein Geräuſch wie das Pol- tern eines Laſtwagens ankündigend. Am 12. März abends fand in der Bergſtadt Birken— berg bei Przibram ein Erdbeben ſtatt. Dasſelbe war von ſolcher Heftigkeit, daß alles ins Freie lief. Inner— halb ſechs Wochen iſt dies der zweite Fall, daß Birkenberg von einem Erdbeben heimgeſucht wird. Et. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat März 1887. Der Monat März iſt charakteriſiert durch kaltes, meiſt trübes Wetter mit ziemlich ſtarker Luftbewegung. Hervorzuheben ſind die Stürme an der deutſchen Küſte am 12. und 13. und die ſtarken Schneefälle um die Monatsmitte, insbeſondere in den ſüdlichen und nord⸗ öſtlichen Gebietsteilen. Während der erſten Dekade des Monats ſtand das mittlere und ſüdliche Europa unter der Herrſchaft hohen Luftdruckes, deſſen Maximum bis zum 4. 775, in der übrigen Zeit 770 mm iibertraf, während tiefe Depreſſionen im hohen Norden und Nordoſten vorübergingen, welche insbeſondere über Skandinavien und Umgebung ſtürmiſche weſtliche bis nördliche Winde mit trübem Wetter und Niederſchlägen hervorriefen. Ueber Centraleuropa dagegen war das Wetter ruhig, meiſt heiter oder nebelig ohne nennenswerte Niederſchläge bei durchſchnittlich normalen Wärmeverhältniſſen. Eine weſentliche Aenderung erhielt die Wetterlage vom 11. auf den 12., als über der Nordſee eine unbedeutende Depreſſion von geringem Umfange erſchien, welche, raſch an Tiefe und Ausdehnung zunehmend, mit großer Ge— ſchwindigkeit an der deutſchen Küſte vorüberſchritt und daſelbſt heftige, von Verwüſtungen begleitete Stürme er⸗ zeugte, welche, auf der Rückſeite des Minimums, aus nord- öſtlicher bis nordweſtlicher Richtung wehten. Am 12. morgens lag das Minimum über den däniſchen Inſeln, über der deutſchen Nordſee und in Dänemark Schnee⸗ ſtürme erzeugend, welche auf letzterem Gebiete den Poſt—⸗ verkehr zu Waſſer und zu Lande auf kurze Zeit unter- brachen. Um 2 Uhr nachmittags lag das Centrum der Depreſſion an der Odermündung, während ſich der Sturm bis Rügen ausgebreitet hatte. In der Nacht paſſierte das Minimum die oſtpreußiſche Küſte, wobei von Rügen bis zur oſtdeutſchen Grenze die nördlichen Winde allenthalben mit voller Sturmesſtärke wehten. Wenn auch dieſe Stürme von nicht gar langer Dauer waren, ſo haben ſie dennoch manchen Schaden angerichtet. Insbeſondere waren die— ſelben für die Oſtſeeküſte verderblich, indem hier der Waſſer⸗ ſtand eine außerordentliche Höhe erreichte, wodurch jtellen- weiſe Ueberſchwemmungen hervorgerufen wurden. Auch Schiffsunfälle und Verluſte von Menſchenleben wurden gemeldet. An der Danziger Bucht, wo vielfach Gebäude und Anlagen beſchädigt wurden, häuften ſich ſolche Schnee— maſſen an, daß der Eiſenbahnverkehr vorübergehend ge— hemmt wurde. In derſelben Zeit (am 12.) traten in der Schweiz, in Oeſterreich und im ſüdlichen Deutſchland maſſenhafte Schneefälle ein, welche bis zum 16. anhielten; auch in Thüringen und Heſſen kamen ſtarke Schneefälle vor, welche Verſpätungen der Eiſenbahnzüge verurſachten. Trieſt war faſt drei Tage lang von jeglichem Verkehr abgeſchnitten, die im Karſt gefallenen Schneemaſſen hatten die Telegraphen⸗ ſtangen umgeworfen und die Drähte zerriſſen. Auch aus Humboldt 1887. Süd⸗ und Oſtfrankreich, dem nördlichen Spanien, aus Polen, ſowie von den britiſchen Inſeln wurden in dieſer Zeit erhebliche Schneefälle gemeldet. Bemerkenswert iſt die Abkühlung, welche auf der Rückſeite der eben erwähnten Depreſſion am 13. erfolgte, ſo daß in Deutſchland die Temperatur in 24 Stunden bis zu 10° C. herabgegangen war. Die Froſtgrenze ver- lief am 13. von den Hebriden ſüdwärts bis zur Loire, von dort aus oſtwärts den Alpen entlang nach Budapeſt; in Memel lag die Morgentemperatur 9, in Raffel 7½, in München 6° ©. unter dem Gefrierpunkt. Eine durchgreifende Aenderung erlitt die Wetterlage vom 15. auf den 16., als ein tiefes Minimum auf dem Mittelmeere weſtlich von Italien auftrat, welches ſeinen Einfluß raſch nordwärts ausbreitete und, in Verbindung mit dem hohen Luftdrucke über dem Nord- und Oſtſee⸗ gebiete, über Centraleuropa lebhafte öſtliche und nordöſt— liche Winde hervorrief. Dieſem Umſtande iſt es zuzu⸗ ſchreiben, daß das ungewöhnlich kalte Wetter über Central- europa längere Zeit anhielt. Das eben beſprochene Minimum überſchritt zwar die Alpen nicht, ſondern wandte ſich oſt⸗ warts nach Oeſterreich-Ungarn, hatte aber doch den Cin- fluß auf die Gegenden nördlich von den Alpen, daß im deutſchen Binnenlande, insbeſondere in Süddeutſchland, ziemlich mächtige Schneefälle ſtattfanden, alſo wieder ein Beleg dafür, daß die Alpen eine entſchiedene Wetterſcheide für unſere Gegenden nicht bilden. Größere Erwärmung erfolgte erſt am 20. und in den folgenden Tagen, als eine Depreſſion von Südweſten kommend nordwärts an Weſteuropa vorüberſchritt, und zwar erfolgte dieſe Erwärmung von Weſt nach Oſt fort⸗ ſchreitend: am 20. war über Frankreich und Südweſt⸗ deutſchland die Temperatur ziemlich erheblich geſtiegen, am 21. war auf demſelben Gebiete und im nordweſtlichen Deutſchland Erwärmung eingetreten, am 22. und 23. wurde es auch in Oſtdeutſchland wärmer, woran ſich nach und nach auch Weſtrußland und Oeſterreich-Ungarn be⸗ teiligten, ſo daß am 24. der Froſt aus ganz Weſteuropa bis zur ruſſiſchen Grenze zurückgedrängt war und in Deutſchland die Temperatur um einige Grade über den Durchſchnittswert ſich erhoben hatte. Bedeutendere und ausgedehnte Erſcheinungen kamen vom 25. bis zum Monatsſchluſſe vor, welche inſofern einen einheitlichen Charakter hatten, als tiefe Depreſſionen, welche zuerſt im Nordweſten erſchienen, eine ſüdoſtwärts gerichtete Zugſtraße einſchlugen, während über Südweſteuropa ein barometriſches Maximum ſtationär blieb. Daher war auch der Witterungscharakter in dieſer Zeit ein ziemlich gleich⸗ artiger: bei durchſchnittlich nahezu normalen Wärme⸗ verhältniſſen waren weſtliche und nordweſtliche Winde entſchieden vorwiegend, welche nicht ſelten einen böigen, ſtürmiſchen Charakter annahmen; Niederſchläge waren bei veränderlichem Wetter häufig und vielfach ſehr ergiebig. Hamburg. Dr. J. van Bebber. 26 202 Humboldt. — mai 1887. Naturkalender für den Monat Mai 1887. Säugetiere. Edelhirſch und Rehe ſetzen Kälber (Kitzen). Die Mehrzahl der Säugetiere hat oder bekommt Junge, der Igel noch nicht. Die Hirſche haben baſtum⸗ hüllte Kolbengeweihe, Rehböcke dagegen vollendete Gehörne. Junge Füchſe ſpielen vor dem Bau. Vögel. Es treffen noch ein: Segler (Cypselus apus), Nachtſchwalbe (Caprimulgus), Mandelkrähe (Coracias), Spötter (Sylvia hypolais), Uferſchwalbe (Hirundo riparia), Pirol (Oriolus galbula), Turteltaube, Wachtel, kleiner Rohrdommel (Ardea minuta), Pfuhlſchnepfe (Limosa), Schnarrer (Crex); die meiſten anderen Vögel haben Junge, die des Finken, Sperlings, Girlizes, Rotſchwanzes und der Kohlmeiſe werden flügge. Kuckucke paaren fic) und das Weibchen ſucht Neſter auf. Konzerte aller Singvögel, Rufe des Kuckucks, Wiedehopfs, Hähers, Pirols, Girren der Tauben, Flugſpiele vieler Männchen, Klatſchen der Täuber und Nachtſchwalben. Abends Schnurren der letzteren. Reptilien, Amphibien und Fiſche. Es laichen noch: Laubfroſch und Unke (Bombinator igneus), Hechte, Welſe, Grundeln, Schmerlen, Barſch, Karpfen, Schleihe, Barbe. Fiſche beißen gut an die Angel. Sufekten. 1) Käfer, a) ſchädliche: Maikäfer (Ge⸗ meinde Mannheim zahlte bereits am 8. Mai 1878 für 13539 Liter geſammelte Maikäfer die Prämie von 1353 Mark 90 Pf.), Buchenprachtkäfer (Agrilus), Raps⸗ und Obſtrüſſelkäfer (Ceutorhynchus assimilis, Phyllo- bius, Anthonomus), Kiefernrüſſeler (Pissodes), Sorfen- käfer (Bostrichus, Hylesinus), Kornwurm (Calandra), Blattkäfer (Lina populi, tremulae, Agelastica alni) ſkelettiſieren die Blatter, Flohkäfer (Haltica, Graptodera) ; b) nützliche: Laufkäfer (Carabus auratus, intricatus, arvensis etc.) freſſen Raupen, Herrgottstierchen (Coc- cinellae) freſſen Blattläuſe; c) die Natur wird belebt durch viele Cryptocephalus in Blumen, Timarcha, Tele- phorus, Rohrkäfer (Donacia) an Pflanzen, Bockkäfer (Lamia textor, Cerambyx Scopolii, Dorcadion fuli- ginator), Widder (Clytus arietis, detritus), Prachtkäfer (Dicerca berolinensis) an Baumſtämmen, Miſtkäfer, (Geotrupes vernalis, sylvaticus) auf Feld⸗ und Wald⸗ wegen. Schließlich kommt der große Hirſchkäfer (Lucanus cervus) zum Vorſchein. 2) Schmetterlinge. Schädliche Raupen von Bombyx neustria, processionea, chrysorrhoea, Geom. brumata etc., Pelz⸗ und Kleidermotten fliegen. Wieſe, Heide und Wald werden verſchönt durch zahlreiche Tag⸗ falter, als: Bläulinge (z. B. Lycaena Argiades, Aegon, minima, Argiolus, Icarus, Cyllarus Baton), Segler und Schwalbenſchwanz, Feuervögelchen (Polyommatus Phlaeas), Landkarte (Vanessa levana), kleine Perlmutter⸗ falter (Argynnis Latonia, Euphrosyne, Selene und Nemeobius Lucina), Mauerfuchs (Pararga Megaera), P. Egerides, Heſperiden (Malvae, Carthami, Sao, Tages), Seſien (Sesia apiformis, tabaniformis, culici-, tipuli- formis), Tauſpinner (Aglia tau), kleiner Nachtpfau (Saturnia pavonia), ſpäter erſcheint Erebia medusa, Euchelia jacobaeae, Scoria dealbata, Bupalus pinia- rius u. a. Die Ueberwinterer verflattern ſich allmählich. Teils bei Tage, teils in der Dämmerung fliegen: Macro- glossa bombyli- und fuciformis, Noct. heliaca, glyphica, mi. Nachts ſchwärmen Orgyia pudibunda, Noct. me- ticulosa, albipuncta, Geometrae: Dolabraria, Cratae- gata, Macularia etc. Die Evonymus⸗Büſche werden von Ma Pee der Hyponomeuta evonymella ent- aubt. 3) Von anderen Inſekten fallen vornehmlich auf: Trichter der Ameiſenlöwen (Myrmecoleon formicarius), die Schmetterlingsjungfer (Ascalaphus), die Teufelsnadel (Aeschna mixta), blutfleckige Cikade (Cereopis sanguino- lenta), Waſſerſkorpione paaren fic), Erd- und Kohl⸗ wanzen gleichfalls. Feldgrillen zirpen. Lyda erythro- cephala an Kiefern, Asilus, Syrphus, Tachina- Fliegen an warmen Stellen, Xylocopa violacea, die ſtahlblaue Holzbiene, fliegt um blühende Roßkaſtanien und die ſchwarze Mauerbiene an Eſparſette. Die Erdaſſel (Julus terrestris) beſteigt jetzt Bäume. Krebſe legen Eier. Pflanzen blühen: 1) Bäume, außer den ſchon für April genannten Obſtbäumen und der Kiefer, der roten Roßkaſtanie u. ſ. w. blühen die falſchen Akazien (Robinia pseudacacia), Eichen, Buchen, die letzten Bäume (Eſche, Götterbaum, Ailanthus) belauben ſich. 2) Sträucher blühen: Weißdorn (Crataegus oxy- acantha, Hollunder (Sambucus nigra, racemosa), Nä⸗ gelchen (Syringa vulgaris), Jasmin (Philadelphus co- ronarius), Goldregen (Cytisus Laburnum), der rote Cercisſtrauch (Cercis Siliquastrum), Sauerdorn (Ber- beris), Wollſchneeball (Viburnum lantana), Felsbirne (Amelanchier), Pfaffenhütchen (Evonymus), ſchließlich zuweilen der Hartriegel (Cornus sanguinea), feinblät⸗ terige Roſe (Rosa pimpinellifolia), Heckenkirſche CLoni- cera Xylosteum). 3) Kräuter. Trockene offenere Orte: Wir nennen nur Zaunlilie (Anthericum liliago), Spargel (Asparagus), Muskathyacinthe (Muscari comosum, ra- cemosum), Wolfsmilcharten (Euphorbia dulcis, Gerar- diana, cyparissias, Esula), Eſparſetten-⸗ und Roggenfelder, Ehrenpreis (Veronica Chamaedrys), Pechnelke (Lychnis viscaria), Kegelleimkraut (Silene conica), Sternblümchen (Cerastium arvense), Steinbrech (Saxifraga granulata), Hornklee (Lotus corniculatus), Wundklee (Anthyllis vulneraria), Sonnenröschen (Helianthemum), Günſel (Ajuga reptans, genevensis), Kugelblume (Globularia), Sandmohn (Papaver Argemone), Ochſenzunge, Krumm⸗ hals (Anchusa officinalis, arvensis), Trinia vulgaris, Ackerkreſſe (Lepidium campestre), Färberwaid (Isatis tinctoria), Abendlichtblume (Lychnis vespertina), Zwerg⸗ flee (Medicago minima), lilafarbige Schwarzwurz (Scor- zonera purpurea) und ſchließlich auf mittelrheiniſchem Sande Onosma arenarium. Die Wieſen zieren u. a.: Knabenkräuter (Orchis Morio, mascula, maculata, latifolia, etc.), Bärenklau (Heracleum sphondylium), Sumpfbaldrian (Valeriana dioica), Dotterblume (Caltha palustris), Fieberklee (Menyanthes trifoliata), Akelei (Aquilegia vulgaris), Bocksbart (Tragopogon), Vogelmilch (Ornithogalum), Kälberkropf (Chaerophyllum sylvestre), Sumpfplatterbſe (Tetragonolobus siliquosus), Hahnenfußarten (Ranun- culus), Arabis hirsuta, Rieſenſtorchſchnabel (Geranium pratense), Kuckucksblume (Lychnis flos cuculi), Taglicht⸗ nelke (Lychnis diurna), Beinwell (Symphytum), großes Maßlieb (Chrysanthemum leucanthemum), Wollgras (Eriophorum), Klappertopf (Rhinanthus). In Hecken blüht: Einbeere (Paris quadrifolia), Bienenſaug (Lamium album, luteum, maculatum etc.), Wicke (Vicia sepium), Schöllkraut (Chelidonium majus), Geum urbanum ete. Im Walde finden wir: Vogelneſt (Neottia nidus avis), Eiorchis (Listera ovata), Birnblume (Pirola chlorantha), Maiblumen (Convallaria majalis, polygonatum, multi- florum, verticillatum), Schattenblume (Smilacina bifl.), Aronſtab (Arum maculatum), Platanthera bifolia und viridis, Anemone sylvestris, Hundszunge (Cynoglossum), nickendes Leimkraut (Silene nutans), Cephalanthera grandiflora und ensifolia und Waldmeiſter (Asperula odorata). Mainz. W. v. Reichenau. Humboldt. — Mai 1887. 203 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Mai 1887. (Mittlere Berliner Zeit.) m h = 3 8 1 3 18 225 5 A @ III 1529 U Ophiuchi 1628 U Cephei 3 4 920 3 Libre 1281 U Ophiuchi 13 23m E f. 7 irg. 145 33” B. ray 127 | 4 14˙ 97 f. l. 5 3 145 51m J. h. 1 6 5 852 U Ophiuchi 145 20 N II A 5 115 Om 13 st A @! f 7 @ 62 er 1120 U Corone 7 organ | gr gym Aon 2g 8 1624 U Cephei 1627 U Ophiuchi 8 9 1229 U Ophiuchi 9 10 920 U Ophiuchi 15> 22 10 17 20 A em 11 886 6 Libre 11 12 16> 31 . h.) x Capric. 12 17 54 A. d. 5 13 135 34 / 1621 U Cephei 13 15 47 A1 14 € 857 U Corone 8 51m 1S OME TA 1326 U Ophiuchi 14 11 27 § AOU h m hi 1 1 15 155 oe ö A eI 987 U Ophiuchi 15 17 975 S Cancri 17 18 852 6 Libre 1587 U Cephei 155 45™ Bh. 229 Ceti 18 165437 4.d.§ 64/2 19 1424 U Ophiuchi 19 20 1085 U Ophiuchi 20 21 9» 397 N III E IR e OE ie 11 26" 14" 54 A 1 A 21 14> la POU 22 0 9 58 22 12 100 ö A et 23 g> 23» U 1A 1574 U Cephei 23 24 1512 U Ophiuchi 24 25 757 6 Libre 1123 U Ophiuchi 25 28 13° 37™ A III E 14% Om 1570 U Cephei 28 160 35™ 9} II 29 3 9» 37m F. d. er Leonis 12" 8™£.d.2 p Leonis 11" 537 { A @1 1559 U Ophiuchi 29 10 32 f. h. 9 6 12 59™ J. h. 4 111 30 85 41™ F. d. ö 5Leonis 11 10 N ITA 11°17" JIA 1221 U Ophiuchi 30 gn 10m f. h. — 31 8'2 U Ophiuchi 1489 U Corone 31 Merkur iſt trotz ſeiner im Beginne des Monats noch großen Entfernung von der Sonne dem freien Auge unſichtbar. Am 27. kommt er in obere Konjunktion mit der Sonne. Venus, hellſtrahlend, bleibt im ganzen Monat lange am Nachthimmel ſichtbar, indem fie anfangs um 10 ¼ und zuletzt erſt kurz vor 11 Uhr abends untergeht. Sie durcheilt das Sternbild der Zwillinge und bildet mit den beiden hellſten Sternen desſelben und mit Saturn, an welchem fie am 30. in einem nördlichen Abſtand von 4½ Monddurchmeſſern vorüberzieht, auffallende Konſtella⸗ tionen. Mars iſt wegen ſeiner Nähe bei der Sonne noch unſichtbar. Jupiter bewegt ſich rückläufig im Sternbild der Jungfrau in der Richtung nach Spica, dem hellſten Stern dieſes Sternbildes. Bei Beginn der Nacht ſchon hoch über dem Horizont, fängt er nun an, noch vor Anbruch der Morgendämmerung unterzugehen, anfangs um 4½, zuletzt um 2½ Uhr morgens. Saturn, rechtläufig im Sternbild der Zwillinge, iſt für den Liebhaber in den Abendſtunden jetzt noch ein ſehr bequemes Beobachtungsobjekt. Der Untergang erfolgt anfangs nach Mitternacht, zuletzt kurz vor 11 Uhr abends. Uranus iſt rückläufig im Sternbild der Jungfrau und befindet ſich in der Nähe von J Virginis. Neptun kommt am 18. in Konjunktion mit der Sonne und iſt unſichtbar. Der im Sternbild des Schwans von Chandler aufgefundene veränderliche Stern vom Algoltypus iſt in dieſem Monat wieder aus den Sonnenſtrahlen hervorgekommen. Die Zeiten ſeines kleinſten Lichtes fallen aber auf Nach⸗ mittagsſtunden und bieten daher keine Gelegenheit zur Beobachtung der Lichtveränderungen. Dr. E. Hartwig. 204 Humboldt. — Mai 1887. Biographien und Perfonalnotizen. Dr. G. Wolffhügel, ordentliches Mitglied des Reichs⸗ geſundheitsamtes und Privatdocent an der Univerſität in Berlin, iſt als Profeſſor und Direktor des Inſtituts für mediziniſche Chemie und Hygieine nach Göttingen be⸗ rufen worden. Profeſſor Dr. H. Ludwig in Gießen wurde an die Stelle des Geh. Medizinalrats Profeſſor Dr. v. Leydig, welcher in den Ruheſtand getreten iſt, als Profeſſor für Zoo⸗ logie und vergleichende Anatomie und Direktor des dor⸗ tigen Inſtituts für dieſe Fächer nach Bonn berufen. An Stelle des mit Abſchluß dieſes Semeſters in den Ruheſtand getretenen Geh. Hofrats Profeſſor Dr. Hankel, welcher 38 Jahre als Leiter des phyſikaliſchen Inſtituts der Univerſität Leipzig fungierte und im Mai ds. Is. ſein 73 Lebensjahr vollendet, iſt der bisherige Direktor des phyſikaliſch⸗chemiſchen Laboratoriums an der Univer⸗ ſität Leipzig, Geh. Hofrat Dr. Guſtav Wiedemann, zum ordentlichen Profeſſor der Phyſik und zum Direktor des phyſikaliſchen Inſtituts ernannt worden. Profeſſor Dr. Liebiſch an der Univerſität Königs⸗ berg wurde als Profeſſor der Mineralogie an die Uni⸗ verſität Göttingen berufen. Dr. Traube hat ſich als Privatdocent für Minera⸗ logie, Dr. Dahl als Privatdocent der Zoologie an der Univerſität Kiel habilitiert. Dr. C. Gottſche wurde als Kuſtos der mineralogiſchen Abteilung am naturhiſtoriſchen Muſeum in Hamburgangeſtellt. Dr. A. Canevari hat ſeine Stelle als Aſſiſtent der Botanik an der Univerſität Meſſina aufgegeben und iſt durch Dr. L. Nicotra erſetzt worden. Die Univerſität Cambridge (England) hat Alexander Agaſſiz, Kurator des zoologiſchen Muſeums von Harvard (Vereinigte Staaten) zum Ehrendoktor ernannt. An Stelle der im vorigen Jahre geſtorbenen Forſcher Louis Melſens, Eduard Morren und Thomas Da vidſon hat die Kgl. belgiſche Akademie die Herren Louis Henry und Michael Mourlon zu „membres titulaires“, ſowie Herrn James Hall (Albany, Ver⸗ einigte Staaten) zum „associé“ der naturwiſſenſchaftlich⸗ mathematiſchen Klaſſe gewählt. Die Kgl. belgiſche Akademie hat Profeſſor Emile Yung in Genf für ſeine „Contribution à histoire phy- siologique de l'escargot“ (Helix pomatia) eine goldene Medaille verliehen. Die erwähnte Abhandlung war die einzige, welche auf die von der Akademie geforderte „Unter⸗ ſuchung einiger der Hauptfunktionen eines wirbelloſen Tieres“ einlief. Die Kal. ſchwediſche Akademie der Wiſſenſchaften zu Upſala hat Profeſſor Dr. Wiesner, Direktor des pflanzen⸗ phyſiologiſchen Inſtitutes zu Wien, zu ihrem ordentlichen auswärtigen Mitgliede ernannt. Profeſſor Dr. Aſcherſon in Berlin hat am 24. Februar eine Reiſe nach Aegypten angetreten, um mit Unterſtützung der dortigen Regierung ein bisher noch wenig bekanntes Gebiet des Nildeltas botaniſch zu erforſchen. Profeſſor Dr. Ernſt Haeckel in Jena hat am 12. Februar eine mehrmonatliche Reiſe nach dem Orient angetreten, um an den Küſten von Kleinaſien ſeine zoo⸗ logiſchen Forſchungen über niedere Seetiere fortzuſetzen. Der Lehrer Franz Woenig in Leipzig iſt von der italieniſchen Akademie der Wiſſenſchaften „La Stella d'Italia“ in Anerkennung ſeines Werkes über die Pflanzen des alten Aegyptens zum Ehrenmitglied ernannt worden. Dr. Leuthner in Wien, Verfaſſer einer bemerkens⸗ werten Arbeit über die Odontalabini, eine Unterabteilung der Käferfamilie der Lukaniden, unternimmt mit Unter⸗ ſtützung der öſterreichiſch-ungariſchen Regierung behufs Sammelns eine Reiſe nach Südarabien und Socotra. Die Univerſität zu Buenos Aires hat dem Profeſſor Dr. Hermann Burmeiſter und Dr. Karl Berg, Profeſſor der Zoologie und Botanik an der Univerſität, den Grad eines Doctor en Ciencias Fisico- Naturales verliehen. Der Anatom Ranvier in Paris wurde an Stelle von Charles Robin zum Mitglied der Akademie der Wiſſen⸗ ſchaften zu Paris, Sektion für Anatomie und Zoologie, gewählt. Totenliſte. Cornet, F. L., Geologe, Spezialiſt für Kreide⸗ und Tertiärformation, Mitglied der belgiſchen Akademie der Wiſſenſchaften, ſtarb 52 Jahre alt am 20. Januar zu Mons. Birnbaum, Karl, Profeſſor der Chemie an der techniſchen Hochſchule in Karlsruhe, ſtarb daſelbſt 20. Februar. Reichenbach, Reinhold, Freiherr von, Chemiker, ſtarb 23. Februar in Graz. Borodin, Profeſſor der Chemie an der mediziniſch⸗chirur⸗ giſchen Akademie in Petersburg, ſtarb 27. Februar. Reclam, Karl, Profeſſor der mediziniſchen Fakultät an der Univerſität Leipzig, bekannt durch zahlreiche medi⸗ ziniſche Schriften und durch ſeine erſprießliche Thätig⸗ keit auf dem Gebiete der öffentlichen Geſundheitspflege, ſtarb 6. März in Leipzig. Manganari, ruſſiſcher Admiral, bekannt durch ſeine Vermeſſungen des Schwarzen, Aſowſchen und Mar⸗ morameeres, ſtarb kürzlich in Nikolajew 86 Jahre alt. Bonamy, Profeſſor der Anatomie an der Ecole de médecine in Toulouſe. Beéchard, J., Profeſſor der Phyſiologie an der Univer⸗ ſität in Paris und ſeit 1873 beſtändiger Sekretär der Académie de Médecine, ſtarb in Paris. Vor einigen Wochen ſtarb in Bex, Kanton Waadt (Schweiz) Jean Louis Thomas, Enkel des bekannten Abraham Thomas. Als einſt Albrecht von Haller, ſo ſchreibt Profeſſor Schnetzler (Lauſanne) im „Bot. Central⸗ blatt“ in der Umgegend von Bex herbariſierte, fand er im Weiler Jes Plans“ einen jungen Menſchen, für welchen unter der Leitung Hallers das Studium und Einſammeln der Alpenpflanzen bald zur Lebensaufgabe wurde. Dieſer war Abraham Thomas. Der jüngſt verſtorbene Jean Louis Thomas war der letzte Botaniker dieſes Botanikergeſchlechts. Er hatte in der Nähe von Bex einen Garten mit ſeltenen Alpenpflanzen angelegt und ſich durch Pflanzenſammeln und den Handel mit Pflanzen bekannt gemacht. Sein Herbarium wird zum Kauf angeboten. Litterariſche Rundſch au. B. Plüß, Leitfaden der Naturgeſchichte. Zoologie, Botanik, Mineralogie. 4. Auflage. Freiburg i. B., Herder. 1886. Preis 2,70 . Ein brauchbares Schulbuch für höhere Lehranſtalten, gemäß dem gegenwärtigen Stande der Wiſſenſchaft be⸗ arbeitet. Zunächſt werden eine Anzahl abgerundeter Einzel⸗ beſchreibungen gegeben, an dieſe ſchließen ſich ſyſtematiſche Gruppierungen, es folgen dann in der Zoologie: Tier⸗ geographie, Bau des menſchlichen Körpers; in der Botanik: Organographte, Anatomie ꝛc.; in der Mineralogie: Mor⸗ phologie, Mineralphyſik und Chemie, Geſteine und For⸗ Humboldt. — Mai 1887. mationen. Ich vermiffe bei der Anatomie und Phyſiologie den Hinweis auf Verſuche und Beobachtungen, auf das Zellenleben, auf diejenigen Erſcheinungen, welche zu all⸗ gemeinen phyſikaliſchen Geſetzen hinüberleiten. In den Tierbeſchreibungen für den erſten Unterricht hätten meines Erachtens die Bemerkungen über den inneren Bau zunächſt wegbleiben, reſp. doch an Stellen eingeſchaltet werden müſſen, wo ihre Anſchauung und richtige Erfaſſung vorausgeſetzt werden konnte. Die Ausſtattung iſt eine recht gute, die Holzſchnitte ſind recht ſchön. Berlin. Dr. Bwich. B. Plüß, Naturgeſchichte im Anſchluß an das Lefe- buch von J. Bumüller und J. Schuſter. Illuſtrierte Ausgabe. Freiburg i. B., Herder. 1886. Preis 2% Das Buch enthält in Reihenfolge des genannten Leſe— buches kurze Leſeſtücke aus Werken von Brehm, Grube, Jäger, Maſius, Taſchenberg, Tſchudi u. A., welche meiſt Züge aus dem Leben des betreffenden Objekts in ver— ſtändlicher, feſſelnder Darſtellung vorführen. Zuſammen⸗ ſtellungen, Gedichte, Rätſel, eine ſyſtematiſche Gruppierung am Schluß vervollſtändigen das Ganze. Zum Nachleſen iſt das Buch zu empfehlen, um größeres Intereſſe an dem Gegenſtande eines geordneten Unterrichts zu erwecken. Als direktes Mittel für einen geordneten Unterricht — und ohne dieſen kann ich mir keinen bleibenden Erfolg ver— ſprechen — geht ihm u. a. eine notwendige Eigenſchaft, die Ordnung, ab. Druck und Ausſtattung ſind ſehr gut. Berlin. Dr. Bwick. Illuſtriertes Lexikon der Verfälſchungen und Verunreinigungen der Nahrungs- und Ge- nußmittel, der Kolonial- und Manufakturwaren und Wertzeichen, herausgegeben von Dr. Otto Dammer. Leipzig, Weber. 1886. 4., 5. und 6. Liefg. à 5 K. Dammers „Illuſtriertes Lexikon“ iſt jetzt vollſtändig erſchienen. Anfänglich in fünf Lieferungen vorgeſehen, ſind deren nunmehr ſechs geworden. Wir erklären uns mit dieſer Ueberſchreitung vollkommen einverſtanden, denn ohne die— ſelbe hätte eine Beſchränkung des äußerſt umfangreichen Stoffes dieſes Werkes eintreten müſſen, während jetzt das Begonnene ebenmäßig zu Ende geführt worden iſt. Das in dieſem hochbedeutenden Buche Niedergelegte iſt fo mannig- faltig, dabei ſo gründlich und korrekt aus einem rieſigen Material unter Hinweglaſſung alles Minderwichtigen und Wenigererprobten zuſammengearbeitet, ferner ſo ausgiebig und muſterhaft illuſtriert, daß jeder einigermaßen Cinge- weihte unwillkürlich ſtaunen muß über das, was dieſer einzige Band alles in ſich beherbergt. Die Kritik hat dem Werke fleißigſter Arbeit einer Reihe der angeſehenſten Fach— leute und Naturforſcher ungeteilte Anerkennung gezollt, und auch wir können heute über dieſes in jeder Hinſicht auf der Höhe der Zeit ſtehende Lexikon nur unſeren aufrichtigen Dank und lebhafteſte Befriedigung ausdrücken. Viele Ar⸗ tikel geſtalten ſich zu wertvollen und zum Teil umfang— reichen Monographien, welche mit vortrefflichen Abbildungen, zum Teil mit farbigen Tafeln illuſtriert ſind. Beſondere Hervorhebung verdienen die Artitel über die Metalle, ihre Salze und Legierungen von Dr. v. Knorre, Lacke (mit einer mikrophotographiſchen Tafel mechaniſcher Lackproben nach Jähns) von Andés, Leuchtgas von Dr. Drehſchmidt und die Chemikalien von Dr. Raſenack, Mehl und Stärke von Profeſſor Wittmack, Milch und Milchpräparate von Profeſſor Fleiſchmann, mineraliſche Phosphate und Super- phosphate non Profeſſor Dietrich, der Kommentar zum Nahrungsmittelgeſetz von Aſſeſſor v. Biberſtein, Oelkuchen von Profeſſor König und Dr. Böhmer, Pfeffergewürze, Thee und Vanille von Profeſſor Hanauſek, Pflanzenfarb— ſtoffe, Teerfarbſtoffe und mineraliſche Farben von Dr. Prior, Pilze (nebſt zwei farbigen Tafeln mit Abbildungen der ge— nießbaren und giftigen Pilze) von Dr. Röll, Salpeterſäure, Salzſäure, Schwefel, Schwefelſäure und Soda von Pro- lebens ſeines Landes verſchafft. 205 feſſor Lunge, Schmieröle, Fette und Seife von Dr. Deite, Spinnfaſern von Profeſſor Hanauſek und Profeſſor Hoyer, Spiritus von Dr. Reinke, Tabak von Dr. Kißling, Waſſer von Dr. v. Knorre, Wein von Dr. Kayſer, Cement von Dr. Schumann, Zucker von Dr. Börnſtein und Zündwaren von Dr. Antrick. Wir haben im Laufe des verfloſſenen Jahres die einzelnen, raſch aufeinander gefolgten Lieferungen dieſes Buches in chemiſch-techniſchen Fragen wiederholt zu Rate gezogen und im Laboratorium danach gearbeitet; das Geſuchte wurde jedesmal in neueſter und brauchbarſter Form gefunden. Und ſo glauben wir ſchließlich zu der Anſicht berechtigt zu ſein, daß jeder, der Dammers Lexikon, fet es bei wirklichen Unterſuchungen oder zur eigenen Be— lehrung, einmal benutzt hat, dasſelbe als beſten Ratgeber ſtets in Bereitſchaft haben wird. Frankfurt a. M. Dr. Theodor Peter ſen. V. Woſſidlo, Cehrbuch der Zoologie für höhere Tehranſtalten, ſowie zum Selbſtunterricht. Mit 649 in den Text gedruckten Abbildungen. Berlin, Weidmann. 1886. Preis 4 MH Unter den zahlreichen Lehrbüchern der Zoologie zeichnet ſich das vorliegende recht vorteilhaft aus. Der Verfaſſer hat ſich die Aufgabe geſtellt, die ſich ſcheinbar wider— ſprechenden Anforderungen, die an die Abfaſſung einer Schulnaturgeſchichte geſtellt werden, zu verſöhnen und, wie es uns ſcheint, iſt ihm dies recht gut gelungen. Die An⸗ ordnung iſt die ſyſtematiſche, welche der Verfaſſer wohl mit Recht der methodiſchen vorzieht. Die Beſchreibungen ſind klar und beſtimmt. Der erzählende Teil gibt trotz aller Kürze ein anſchauliches Bild des betreffenden Tieres. Wir vermiſſen jedoch einen allgemeinen Teil, der unſeres Erachtens, zumal das Buch auch zum Selbſtunterricht be— ſtimmt iſt, ſehr wünſchenswert geweſen wäre. Die Aus— ſtattung läßt nichts zu wünſchen übrig. Der Preis iſt bei der Stärke von 32 Bogen und den zahlreichen, durchweg recht guten Abbildungen ungemein billig. Hannover. Prof. Dr. W. Heß. Auguſt Kappler, Surinam, ſein Land, ſeine Natur, Bevölkerung und ſeine Kulturverhältniſſe mit Be- zug auf die Koloniſation. Stuttgart, J. G. Cotta. 1887. Preis 5 . Der Verfaſſer des vorliegenden Werkes war mehr als 40 Jahre als holländiſcher Soldat, als Kaufmann, Koloniſt und Kolonialbeamter in Surinam und hat auf zahlreichen Reiſen das Land bis in ſeine entfernteſten Teile kennen gelernt. Nach einem kurzen Blick auf das Land und feine allgemeine Geſtaltung ſchildert Verfaſſer in ausführ— licher Weiſe die Tier- und Pflanzenwelt; dann folgen kurze, allgemein gehaltene Angaben über das Klima des Landes, das er verhältnismäßig geſund nennt. Das nächſte Kapitel macht uns mit den Eingebornen, den Buſchnegern und der Negerbevölkerung des Landes bekannt. Der folgende Abſchnitt beſchäftigt ſich mit der Stadt Para- maribo und der Verwaltung der Kolonie, und den Be— ſchluß des Ganzen bilden zwei Kapitel über Koloniſations— verhältniſſe und kolonialen Landbau. Trotzdem der Ver- faſſer Laie auf naturwiſſenſchaftlichem Gebiete iſt, ſo hat doch fein langjähriger vertrauter Umgang mit der Tropen- natur ſeinen Blick geſchärft und ihm eine für einen Laien wirklich erſtaunliche Kenntnis des Tier- und Pflanjen- Für den Zoologen und Botaniker von Fach findet ſich in dem vorliegenden Buche allerdings kaum etwas Neues; doch enthält es manche intereſſante Beobachtung, die der das Land nur im Fluge durchſtreifende Naturforſcher oder Sammler nur ſelten zu machen in der Lage iſt. Intereſſant iſt z. B. die Beob- achtung eines eigentümlichen Freundſchaftsverhältniſſes ge— wiſſer Beutelſtare (Cassicus sp.) und Weſpenarten (Po— listes). Die Nefter der Cassicus findet man nämlich ſtets in unmittelbarer Nähe von Weſpenneſtern, ſo zwar, daß der Vogel die Waben ſtreift, wenn er ſich in ſein Neſt be— 206 gibt. Während nun die Cassicus von den Weſpen ganz unbehelligt gelaſſen werden, werden z. B. alle Feinde der Cassicus, welche ſich den Vogelneſtern nähern oder in ſie einzudringen verſuchen ſollten, von den Weſpen jämmerlich zerſtochen. Aus des Verfaſſers Schilderung dieſes merk⸗ würdigen Verhältniſſes iſt leider nicht zu erſehen, ob und inwiefern Vogel und Weſpe aus demſelben irgend einen Vorteil haben. Auf Seite des Vogels würde der Vor⸗ teil darin zu ſuchen ſein, daß die Weſpen ihm ſeine Feinde fern halten. Welchen Nutzen haben aber die Weſpen von der Nachbarſchaft des Vogels? Bei den Schilderungen der Pflanzen und Tiere legt Verfaſſer natürlich das Haupt⸗ gewicht auf den praktiſchen Nutzen, den dieſelben für den Menſchen haben; nach dieſer Hinſicht enthält das Buch bei der durch langjährigen Aufenthalt im Lande erzielten ge⸗ nauen Bekanntſchaft des Verfaſſers mit allen einſchlägigen Verhältniſſen manches Neue und Intereſſante. Beachtung verdienen auch die Schilderungen aus dem Leben der Ein⸗ geborenen, die Verfaſſer durch langen Umgang und Ver⸗ kehr beſſer kennen gelernt hat wie ſonſt jemand. Im ganzen ſtellt ſich das Buch, deſſen letzte, die Koloniſation behandelnden Abſchnitte uns an dieſer Stelle weniger in⸗ tereſſieren, als ein beachtenswerter Beitrag zur Kenntnis eines Teiles von Südaſien dar, welcher bisher ziemlich ſtark vernachläſſigt war. Bonn. Dr. v. Breitenbach. Zoologiſche Jahrbücher. Zeitſchrift für Syſtematik, Geographie und Biologie der Tiere, herausgegeben von Dr. J. W. Spengel in Bremen. 1. Band. Jena, Fiſcher. 1886. Preis 31 /. Unter der Mitarbeiterſchaft einer großen Zahl von Zoologen des In- und Auslandes iſt dieſe neue zoologiſche Zeitſchrift mit ihrem erſten Bande ins Leben getreten; Herausgeber und Verleger wollen in derſelben einen Sammel⸗ punkt der Abhandlungen und Aufſätze über Syſtematik, Geographie und Biologie der Tiere bilden. In der That fehlte für dieſen Teil des Arbeitsgebietes der Zoologen ein eigenes Journal, während für den anderen Teil — Arbeiten in anatomiſch⸗entwickelungsgeſchichtlicher Richtung — eine ganze Anzahl von Zeitſchriften exiſtieren, ſo daß ſich ſchon darin die allgemeine Arbeitsrichtung der heutigen Zoologie widerſpiegelt. Doch eine Aenderung begann ſchon in den letzten Jahren, indem ſyſtematiſche und tiergeo⸗ graphiſche Arbeiten nicht nur von außerhalb der Univer⸗ ſitäten ſtehenden Fachleuten geliefert wurden; für letztere, wie für die berufenen Vertreter der Zoologie (vergleichende Anatomie, Hiſtologie und Entwickelungsgeſchichte gehören naturgemäß zu derſelben) kann aus dieſer Aenderung nur Gutes entſtehen, und wenn die neue Zeitſchrift ihrem Programm in der ſyſtematiſchen Abteilung treu bleibt, d. h. in der Regel nur ſolche Abhandlungen aufnimmt, die eine höhere Tendenz verfolgen, als die bloße Be⸗ ſchreibung neuer Spezies, ſo wird ſie mehr als ihr oben angeführtes Ziel erreichen, ſie wird die Einſeitigkeit der heutigen Zoologie beſeitigen helfen. Auf den Inhalt des erſten Bandes können wir hier nicht näher eingehen, es genüge die Bemerkung, daß die verſchiedene Abteilungen der Tiere behandelnden, ſtreng wiſſenſchaftlichen Artikel meiſt von ſchönen Tafeln begleitet find. Neben den regel⸗ mäßigen Heften erſcheinen noch Supplementhefte, zu deren Abnahme jedoch die Abonnenten der Jahrbücher nicht ver⸗ pflichtet ſind; ein ſolches iſt uns bis jetzt zugegangen: K. Jordan, die Schmetterlingsfaung Nordweſtdeutſchlands, insbeſondere die lepidopterologiſchen Verhältniſſe der Um⸗ gebung von Göttingen (5 M.). Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. N. Wiedersheim, Tehrbuch der vergleichenden Anafomie der Wirbeltiere, auf Grundlage der Entwickelungsgeſchichte bearbeitet. Zweite Auflage. Jena, Fiſcher. 1886. Preis 24 MH Es iſt an und für ſich ein gutes Zeichen, daß ein Werk, das wie das vorliegende auf einen ſehr beſchränkten Humboldt. — Mai 1887. Leſerkreis angewieſen iſt, innerhalb drei Jahren die zweite Auflage erlebt, denn damit iſt erwieſen, daß nicht nur der Stoff zeitgemäß iſt, ſondern daß auch die Behandlung des⸗ ſelben allgemeinen Anklang gefunden hat. Der Erfolg, den der verdiente Autor erzielt hat, iſt um ſo erfreulicher, da er nicht allein auf Rechnung der in erſter Linie inter⸗ eſſierten Kreiſe zu ſetzen iſt. Verteilung des Inhaltes und die Darſtellung ſind im ganzen ſo geblieben wie in der erſten Auflage; hervorzuheben iſt, daß in jedem Ka⸗ pitel die Ergebniſſe der jetzt ſo eifrig getriebenen Anatomie und Entwickelung der Wirbeltiere überall benutzt worden ſind, wodurch manche Kapitel bedeutend gegenüber den entſprechenden der erſten Auflage verändert wurden. Die Ueberſichtlichkeit des Stoffes hat weſentlich durch Anwen⸗ dung kleineren Druckes für das mehr Nebenſächliche und in das Gebiet der Diskuſſion Gehörige gewonnen; auch wird man dem Autor Dank wiſſen, daß er am Schluſſe jedes Kapitels (ausgenommen Sinnesorgane) eine kurze Zuſammenfaſſung der wichtigſten Eigentümlichkeiten des abgehandelten Organſyſtems gibt. Etwas dürftig erſcheint uns der allgemeine Teil; hier oder vielleicht noch beſſer am Schluſſe des ganzen Werkes wäre eine Erörterung über die Verwandtſchaftsbeziehungen der Wirbeltiere zu anderen gegliederten Tieren reſp. der hypothetiſchen Stammform unſeres Erachtens am Platze geweſen: dergleichen Verweiſe fehlen zwar dem Werke nicht ganz, aber ſie ſind zu ver⸗ ſteckt und zu allgemein gehalten; ſie werden deshalb dem Nichtfachmann wenig nutzen, während ſie ſo der Fachmann nicht brauchen kann. Gelegentlich weiſt der Autor beim Bau oder der Befeſtigung mancher Organe auf verwandte Verhältniſſe bei Wirbelloſen hin, was nur zu billigen iſt; aber es iſt dies nicht überall, wo möglich auch nur an⸗ deutungsweiſe geſchehen; während z. B. beim Darmkanal und bei den Geſchlechtsprodukten gar bis auf die Coelen⸗ teraten zurückgegriffen wird, fehlen Verweiſe auf die nächſten Verwandten z. B. beim Nervenſyſtem, der Chorda dorsalis und an anderen Stellen. Man kann darüber ſtreiten, ob die Anführung von Organiſationsverhältniſſen anderer Tiere als der Vertebraten überhaupt in ein ſolches Buch gehört — wir meinen ja, um den beſtehenden Zu⸗ ſammenhang zu wahren —; aber da der Autor ſelbſt ſolche Dinge mit beſpricht, ſo hätte dies gleichmäßig und etwas ausführlicher geſchehen müſſen. Die beigegebenen Abbildungen ſind größtenteils klar und deutlich, wenige ſcheinen uns zu ſchematiſch, z. B. Fig. 22, 24, 359 u. a.; Fig. 48 wäre überſichtlicher geweſen, wenn die Wirbel in den vier Bildern auf gleicher Höhe gezeichnet worden wären; ähnliches gilt von den Abbildungen von Carpus reſp. Tarsus, hier hätte immer nur die halbe Seite (rechts oder links) in derſelben Orientierung im Raum abgebildet werden müſſen. Doch das ſind Kleinigkeiten, die dem Werte des Buches, dem wir weite Verbreitung wünſchen, keinen Abbruch thun; die Verlagshandlung hat dasſelbe auch äußerlich anziehend ausgeſtattet. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. Sir William Turner, Report on human skele- tons P. II. (The Zoology of the Voyage of H. M. S. Challenger. P. XLVIII.) London 1886. Während der erſte Band dieſes Werkes den von den Gelehrten der Challengerexpedition in die verſchiedenſten Ländern und Weltgegenden geſammelten Menſchenſchädel behandelt, werden in dem vorliegenden Bande die Skelet⸗ teile des Rumpfes und der Gliedmaßen verſchiedener Völker und Raſſen unter gleichzeitiger Berückſichtigung der in den Edinburger Sammlungen befindlichen analogen Objekte beſchrieben und miteinander verglichen. Beſon⸗ ders wertvoll ſind die Mitteilungen über die anthropo⸗ logiſchen Eigentümlichkeiten des Beckens, zu deren Feſt⸗ ſtellung der Verfaſſer nicht weniger als 35 Maße (21 zur Beſtimmung der Geſamtform des Beckens, 14 zur Feſt⸗ ſtellung der Größenverhältniſſe der einzelnen Beckenknochen dienend) benutzt. Er unterſcheidet zugleich drei Haupt⸗ formen des Beckens: dolichopellic (Langbecken), platy- pellic (Flachbecken) und mesatipellic (Mittelbecken). Humboldt. — Mai 1887. Eingehend werden ſodann die Eigentümlichkeiten der Wire belſäule, des Bruſtbeins, der Schlüſſelbeine, des Schulter— blatts, ſowie diejenigen der langen Extremitätenknochen, wie ſie bei verſchiedenen Völkern und Raſſen ſich darſtellen, beſchrieben, wobei das relativ häufige Vorkommen von Abweichungen in der Geſtalt der Dornfortſätze der Hals- wirbel eine beſondere Erwähnung verdient. Neben der Spaltung der Wirbelbogenſtücke iſt das Vorkommen eines überſchüſſigen Wirbels in der Dorſolumbargegend beobachtet worden. Auch wird vom Verfaſſer hervorgehoben, daß bei einer gleich großen Zahl von europäiſchen Skeletten ein gleich großer Prozentſatz von angeborenen Abweichungen (ataviſtiſchen Bildungen?) wohl kaum angetroffen werden dürfte. Zugleich gelangt aber Verfaſſer auf Grund ſeiner vergleichenden Studien des menſchlichen Skelettes zu dem Schluß, daß keine Raſſe in jeder Beziehung den anderen Raſſen überlegen ſei, keine in allen Beziehungen hinter den anderen Raſſen zurückſtehe. Jede Raſſe habe eben ihre Vorzüge und Mängel, wie z. B. daraus hervorgehe, daß die in anderer Beziehung in der körperlichen Cnt- wickelung weit fortgeſchrittenen Europäer durch das Ver— hältnis der Länge der Unterextremität zu derjenigen der Oberextremität und des Oberſchenkels zum Oberarm den Affen näher ſtänden als die ſchwarzen Raſſen. Im Gegenſatz zu letzterer Behauptung erlauben wir uns aber darauf hinzuweiſen, daß die in Nordamerika in großartigem Maß⸗ ſtabe vorgenommenen Körpermeſſungen (vergl. Goulds Investigations in the military and anthropological statistics of american soldiers, New York 1869) die durchſchnittlich größere Armlänge des Negers beweiſen, ſowie die Thatſache, daß bei Negern der Freiſtaaten und bei Mulatten der Arm erheblich kürzer gefunden wurde, als bei Negern der Sklavenſtaaten und daß, wie bereits Karl Vogt vor einer Reihe von Jahren nachgewieſen hat, die Verkürzung der Arme mit einer Entfernung vom Affentypus gleichbedeutend iſt. Andererſeits iſt nicht zu überſehen, daß die Extremitätenlänge durch Beſchäftigung und Lebensweiſe ſtark beeinflußt wird. Kaſſel. Dr. M. Alsberg. Bibliographie. Bericht vom Monat März (887. Allgemeines. Archiv des Vereins der Freunde der e in Mecklenburg. 40. mane (1886.) Güſtrow, Opitz & C Henſen, V., Die e f im Univerſtätsberband. Kiel, Uni⸗ verfitäts⸗ B uchh. M. Stenglein, M., Anleitung zur Ausführung mikrophotographiſcher Ar⸗ beiten. Bearbeitet und hrsg. unter Mitwirkung von Sdulb-Hencde. Berlin, Oppenheim. M. 4. Dhyſik. Crüger, J., Grundzüge der Pook, mit Rückſicht auf Chemie. 22. Aufl. Leipzig, Amelang. M. 2. Große, W., Ueb. Hela dend rden Kiel, Lipſius K Tiſcher. M. 1. 60. Grüel, P., Die Farben. Kurzer Grundriß der Farbenlehre u. Farben— harmonie. Halle, Knapp. M. 1. 20. Januſchte, H., Das Princip der Erhaltung der Energie in der elemen— taren Elettricitätslehre. Leipzig, Teubner. M. 4. Naumann, E., Die Erſcheinungen des Erdmagnetismus in ihrer Ab⸗ hängigkeit vom Bau der Erdrinde. Stuttgart, Enke. M. 3. 60 Schlegel, V., Ueber die Methoden zur Beſtimmung der Geſchwindigkeit des Lichts. Hamburg, Richter. M. 1. Stein, S. Th., Die optiſche 1 a im Dienſte der exakten Wiſſenſchaften. Halle, Knapp. M. Sumpf, K., Kleine Naturlehre. Ein We und Uebungsbüchlein für Waltsſchülen Hildesheim, Lax. M. —. 65. n der phyſitaliſchen Geſellſchaft zu Berlin im Jahre 1886. 5. Jahrg. Red. von E. Roſochatius. Berlin, Reimer. M. 2. 50. Chemie. Lellmann, E., . der organiſchen Syntheſe. Berlin, Oppen⸗ heim. Aſtronomie. Bredichin, Th., Sur les grandes cométes de 1886. Moskau. Leipzig, Voß ea Dentidyriften der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften. Mathematiſch⸗ naturwiſſenſchaftliche Claſſe. 52. Bd. Canon der Finſterniſſe von Th. Ritter v. Oppolzer. Wien. Gerold's Sohn. M. 85. 207 d' Engelhardt, B., Observations astronomiques faites dans son observatoire à Dresde. 1. Partie. Dresden, Bänſch. Wr. 20. Eudoxi ars astronomica, qualis in charta aegyptiaca superest. Denuo edita a F. Blass. Kiel, Univerſitäts-Buchh. M. 1. Herr, J. Ph., Lehrbuch der ſphäriſchen Aſtronomie in ihrer Anwendung auf geographiſche Ortsbeſtimmung. Nach deſſen Tode vollendet von W. Tinter. Wien, Seidel & Sohn. M. 16. Publitationen des aſtrophyſikaliſchen Obſervatoriums zu ‘Potsdam. Nr. 21. Beſtimmung der Polhöhe des Obſervatoriums v. P. Kempf. Leipzig, Engelmann. M. 2 Weiß, E., Bilderatlas der Sternenwelt. 1. Lfg. Eßlingen, Schreiber. M. 1. Geographie. Adam, V., „Globus“. Anwendung des Globus in der aſtronomiſchen Grogeapbie, nebſt einigen Zuſätzen. Bermann & Altmann. M. 1. 35 Geiſtbeck, M., Leitfaden der mathematiſch-phyſikaliſchen Geographie für mn hanke u. Lehrerbildungsauſtalten. 8. Aufl. Freiburg, Herder. M. 1. 50. Müntener, W., Betrachtungen über das tropiſche Weſtafrika, ſpeziell über das Untertongogebiet. Berlin, Friedländer & Sohn. M. —. 60 Polarforſchung, die internationale, 1882 — 1883. Die öſterreich. Polar⸗ ftation Jan Mayen, ausgerüſtet durch Sr. Excell. Graf H. Wilczek, geleitet von E. Edlen v. Wohlgemuth. Beobachtungs⸗Ergebniſſe. 2. Bd. 2. Abth. Wien, C. Gerold. M. 10. Steub, L., Zur Eihnologie der Alpen. Salzburg, Kerber. M. 1. 60. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. Abhandlungen der ſchweizeriſchen paläontologiſchen Geſellſchaſt. Me- moires de la societé paléontologique suisse. Vol. XIII. (1886.) Berlin, Friedländer & Sohn. M. 32. Groth, P., Grundriß der Edelſteinkunde. Leipzig, Engelmann. M. 5. Haas, H. J., Die Leitfoſſtlien. Synopſis der geologiſch wichtigſten Formen des vorweltlichen Tier- und Pflanzenreichs. Leipzig, Veit & Co. M. 7. Wien, Hatle, E., Der ſteiriſche Mineralog. Graz, Pechel. M. 1. 80. Hauer, 7555 Ritter v., Jahresbericht 5 t. k. naturhiſtoriſchen Hofmuſeums für 1886. Wien, Hölder. M. Klebs, a Gaſtropoden im Bernstein. M. Pergens, E., Pliocäne Bryozosn von Rhodos. Wien, Hölder. M. 3. 20. Wettſtein, A., Ueber die Fiſchfaung des tertiären Glarnerſchiefers. Berlin, Friedländer. M. 14. 40 Meteorologie. Beobachtungen, meteorologiſche, in Deutſchland, von 25 Stationen II. Ordnung, ſowie ſtündliche Aufzeichnungen v. 3 Normalbeobachtungs⸗ tationen der Seewarte und von Kaiſerslautern; die Stürme nach den Signalſtellen der Seewarte. 1884. 7. Jahrgang. Hrsg. von der Direction der Seewarte. Hamburg, Friederichſen. M. 13. Bericht über die Thätigkeit im königl. ſächſ. meteorologiſchen Inſtitut im Jahre 1885 von P. Schreiber. Chemnitz, Bülz. M. 5. Fortſchritte, die, d. Meteorologie. Nr. 12. 1886. Leipzig, Mayer. M. 2. Königsberg, Hübner & Matz. Jahrbuch des fonigl. ſächſ. ee Inſtitutes 1885. 3. Jahrg. Chemnitz, Bülz. M. Mohn, H., Grundzüge ee Meteorologie. Die Lehre von Wind und Wetter. 4. Aufl. Verlin, Reimer. M. 6. Ratzel, F., Zur et der ſogenaunten „Schneegrenze“. mann. M. —. Botanik. Beck, G., Flora von Südbosnien und der angrenzenden Herzegowina. 2. Th. Wien, Hölder. M. 2. Bibliotheca botanica. Hrsg. von O. Uhlworm und F. H. Haenlein. 4. Heft. Ueber die Bildung der Knollen. Aalen Unterjudungen von H. Vöchting. Kaſſel, Fiſcher. M. Engler, A., und K. Prantl, Die en Pflanjenfamitien nebjt ihren Gattungen u. wichtigeren Arten. 1. Lfg. (Palmen v. O. Drude.) Leipzig, Engelmann. Subſtr.-Pr. M. 1. 50; Einzelpr. M. 3. Fahldieck, A., Die Blumenzucht im Zimmer. 6. Aufl. Quedlinburg, Ernſt. M. 1. Studien, dermatologiſche, hrsg. v. P. G. Unna. 4. Heft. Die Rosaniline ane Pararosaniline. Eine bakteriologiſche Farbenſtudie von P. G. Unna. Hamburg, Voß. M. 2. Leipzig, Engel⸗ Vogl, A. E., Anatomiſcher Atlas aur Pharmakognoſie. 1. Heft. Wien, Urban & Schwarzenberg. M. ork: Wettſtein, N. v., Vorarbeiten zu 5 Pilzflora v. Steiermark. Leipzig, Brockhaus. M. 2. 50. Zeit- und Streitfragen, kliniſche. Hrsg. v. J. Schnitzler. 1. Bd. 1. Heft. Der gegenwärtige Stand der Bakteriologie und ihre Beziehungen zur praktiſchen Medizin. Von A. Weichſelbaum. Wien, Breitenſtein. PWhyfiologie, Zoologie, Anthropologie. Bibliothek f. Naturfreunde. 1. Der Kanarienvogel, ſeine Zucht u. Pflege mit beſonderer Berückſichtigung der deutſchen Landraſſe v. E. Perzina. M. —. 60. — 2. Der Schwarzbarſch und der Forellenbarſch, ihr wirthſchaftlicher Werth und ihre Zucht von M. v. dem Borne. M. —. 40. Wien, Frank. Gad, J., Körperwärme, Arbeit, Klima. Hamburg, Richter. M. —. 80. Hertwig, O., und R. Hertwig, Unterſuchungen zur Morphologie und Phyſiologie der Zelle. 5. Heft. Ueber den Befruchtungs⸗ u. Teilungs⸗ vorgang des tieriſchen Eies unter dem Einfluß äußerer Agentien. Jena, Fiſcher. M. 8. Klee, 55 Bau und Entwicklung der Feder. Halle, Tauſch & Groſſe. M. e F., Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von v. Dalla Torre bearbeitet. Stuttgart, Enke. M. 20. Kohl, F. F., Neue Pompiliden in den Sammlungen des k. k. naturhiſt. Hofmuſeums. Leipzig, Brockhaus. M. 2. 208 May, K., Ueber das Geruchsvermögen der Krebſe nebſt einer Hypotheſe über die analytiſche Thätigkeit der Riechhärchen. Kiel, Lipſius & Tiſcher. M. 2. Mayr, G., Die Formiciden der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Leipzig, Brockhaus. M. 2. Mittheilungen der Section des deutſchen Fiſcherei⸗Vereins für Küſten⸗ und Hochſee⸗Fiſcherei. Red.: Herwig. Jahrg. 1887. Berlin, Möſer. pro kplt. M. 3. Verk Fragen und Anregungen. Zu Frage 10 ſei es nachträglich geſtattet, auf folgen⸗ den Verſuch aufmerkſam zu machen, der zwar nicht neu, aber wohl wenig bekannt iſt. Man benutzt zu demſelben einen Hohleylinder und einen genau in denſelben paſſen⸗ den maſſiven Cylinder, wie bei dem bekannten Verſuche zum Nachweis des archimediſchen Prinzips. Auf die Schale einer Wage ſtellt man ein Gefäß mit Waſſer, auf die andere den Hohleylinder, legt dann Ge⸗ wichte hinzu, bis das Gleichgewicht hergeſtellt iſt. Den maſ⸗ ſiven Cylinder hängt man vermittelſt eines Fadens an einem Stative auf und läßt ihn dann in das Gefäß tauchen. Der Cylinder verliert an Gewicht, die Spannung des Fadens wird geringer; gleichzeitig aber ſinkt die Schale, auf der das Gefäß ſteht. Das Gleichgewicht der Wage wird wiederhergeſtellt, wenn man den Hohlceylinder mit Waſſer füllt. Daraus geht hervor, daß um ebenſoviel, als der maſſive Cylinder an Gewicht verloren, das Gefäß mit der Flüſſigkeit ſchwerer geworden iſt, obgleich der Cy- linder am Stativ hängt. Die weiteren Folgerungen für die vorliegende Frage ergeben ſich leicht. Lingen. Dr. Büge. Zu Frage 14. Der Ausdruck „Schlaufe“ ſoll nichts anderes als eine „Schleife“ bezeichnen und mag ein Pro⸗ vinzialismus ſein, denn Daniel Sanders kennt ihn nicht. Im elektrotechniſchen Sinne verſteht man darunter eine Vereinigung zweier Drähte zu einem gemeinſamen Strom⸗ kreiſe in der Weiſe, daß der eine Draht als Hin-, der andere als Rückleitung dient. Auf einen benachbarten dritten Draht wirkt eine ſolche Schleife deshalb nicht indu⸗ zierend, weil die gleichzeitig auftretenden Stromimpulſe in den beiden Zweigen entgegengeſetzte Richtung haben, ihre induzierenden Wirkungen auf eine von beiden gleichweit entfernte dritte Leitung ſich alſo aufheben. Karlsruhe. Telegrapheninſpektor Chriſtiani. Zu Frage 15. Transformatoren ſind umge⸗ ſtaltete Induktionsrollen, deren primäre Spirale in den Leitungskreis der ſtromgebenden Maſchine eingeſchaltet wird, während die ſekundäre Spirale mit denjenigen Vorrichtungen verbunden iſt, welche die elektriſche Energie verbrauchen ſollen, in elektriſchen Beleuchtungsanlagen alſo mit den Lampen. Wenn man ſich vergegenwärtigt, daß alle In⸗ duktionsſtröme nur momentane Impulſe ſind, welche durch Aenderungen in der Intenſität des primären Stromes hervorgerufen werden, daß alſo, um einen anhaltenden Effekt zu erzielen, eine ſtetige Aufeinanderfolge von In⸗ duktionsſtrömen erzeugt werden muß, ſo erkennt man ſo⸗ fort, daß Gleichſtrommaſchinen zum Transformatorenbetrieb nicht verwendbar ſind, weil der von ihnen erzeugte Strom keinen pulſierenden Charakter hat. Nur Wechſelſtrom⸗ maſchinen bringen in den ſekundären Spiralen der Trans⸗ formatoren wiederum Wechſelſtröme hervor; ihre Anwendung erfolgt mithin nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen, ſondern unter dem Zwange techniſcher Notwendigkeit. Karlsruhe. Telegrapheninſpektor Chriſtiani. Zu Frage 16. Einem Ohre muß bei ſchneller Annäherung an eine Tonquelle der Ton höher klingen, als wenn die gegenſeitige Entfernung konſtant bleibt, weil es den Schall⸗ wellen entgegeneilt und daher die einzelnen Impulſe in ſchnellerer Folge empfängt. Das Umgekehrte findet ſtatt, wenn das Ohr ſich von der Tonquelle entfernt. Auch wenn das Ohr an ſeiner Stelle bleibt, aber die Tonquelle ſich bewegt, muß die Wirkung die gleiche ſein. Humboldt. — Mai 1882. | 8 W., Die Bewegungen der Seefterne, Berlin, Friedländer & Sohn. 7 Reitlechner, C., Unſere Nahrungsmittel. Die Beurtheilung und Nähr⸗ werthbedeutung der wichtigſten Nahrungsmittel. Wien, Faeſy. W le Saſſe, E., Die Erhaltung der Empfindungs⸗Energie. Ableitung der Hauptſätze der Nervenmechanik aus den ellipſoidiſchen Schraubenbahnen der Atome. Berlin, Groſſer. M. 1. e h r. Bedeutet e die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit des Schalls, * die Wellenlänge des erzeugten Tones, jo folgen, wenn keine Bewegung ſtattfindet, im Ohr je zwei gleichartige Im⸗ pulſe in 5 Sekunden aufeinander; die Schwingungszahl it daher m =. Nähert fic) das Ohr der Tonquelle mit der gleichförmigen Geſchwindigkeit y, fo folgen die Im⸗ pulſe in kürzerer Zeit aufeinander und zwar iſt der Er⸗ folg derſelbe, als ob das Ohr ruhte, die Wellenlänge die⸗ ſelbe bliebe, aber die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit um v gewachſen wäre. Für die Schwingungen des Trommel⸗ : : : N fells iſt dann die Schwingungsdauer ay Sekunden, die Anzahl der Schwingungen in 1 Sekunde my = —— Es verhält ſich daher vn: mi = e: e . v. Entfernt fic) das Ohr von der Tongquelle, jo ergibt ſich in ähnlicher Weiſe m: ma = : C v. Hieraus folgt: mf: ma = e EY e =. Wenn auch die Tonquelle mit der Geſchwindigkeit w in entgegengeſetzter Richtung wie das Ohr ſich bewegt, ſo ut in der Proportion v + w ſtatt v zu ſetzen: mi: m =ce+v+w:e— (V W). Sei e = 340 m, w = v = 10, fo iſt das Verhältnis: mf: mz = 360: 320 = 9:8 d. i. ein großer ganzer Ton. Sei e = 341 m, w= o, V= 11 m, fo iſt my = mz = 352: 330 = 16: 15 d. i. ein großer halber Ton. Lingen. 5 Dr. Büge. Zu Frage 16. Nach Dopplers Prinzip (1842) wird ein Ton höher, wenn die Tonquelle ſich dem Ohre nähert, und tiefer, wenn ſie ſich vom Ohre entfernt; alſo muß im Moment des Vorbeifahrens die Tonhöhe ſtark ſinken. Ob dieſes Herabgehen gerade einen halben Ton beträgt, das hängt von der Geſchwindigkeit der Lokomotive ab. Die Erklä⸗ rung des Phänomens ergibt ſich in folgender Weiſe: Auf einer Strecke gleich der Geſchwindigkeit des Schalles (320 m) befinden ſich bei ruhender Lokomotive ſoviel Tonwellen, als die Schwingungszahl des Tones beträgt, alſo wenn der Ton, wie häufig der Fall, das dreigeſtrichene e iſt, etwa 2000 Wellen. Nähert ſich nun die Lokomotive dem Ohre, ſo wird dieſe Wellenzahl auf eine kleinere Strecke zuſammengedrängt, jede Welle wird kürzer — und das iſt ja eine Tonerhöhung. Die Verkürzung, alſo auch die Ton⸗ erhöhung, geſchieht in demſelben Verhältnis, wie der Raum der Tonwellen verkürzt wird, alſo im Verhältnis der Ge⸗ ſchwindigkeit des Schalles zu der um den Weg der Lokomotive verminderten Geſchwindigkeit des Schalles. Hat die Loko⸗ motive eine Geſchwindigkeit von 20 m, die nur in den ſchnellſten Momenten eines Blitzzuges vorkommen mag, ſo beträgt der verkürzte Raum 320 — 20 = 300 m. Die Verkürzung jeder Welle, alſo die Erhöhung des Tones er⸗ folgt alſo beim Heranfahren im Verhältniſſe von 320: 300 oder von 16: 15, und das iſt ein halber Ton. Im Mo⸗ mente des Vorbeifahrens hört dieſe Erhöhung auf, der Ton wird um einen halben Ton tiefer. Durch die Ent⸗ fernung der Lokomotive wird nun der Ton abermals er⸗ niedrigt und zwar im Verhältnis von 17: 16. Alſo be⸗ trägt die Vertiefung in dieſem Falle ſehr nahe einem ganzen Ton. Mainz. Profeſſor Dr. Reis. um 195 Numa Ueber Selbſtreinigungsvorgänge in der Matur. Don Medizinalrat Dr. A. Wernich in Cöslin. eberall, wo in neuerer Zeit größere Ge— meinweſen der zweifachen Aufgabe näher getreten ſind, ſich mit gutem Trinkwaſſer Au verſorgen und die öffentliche Reinlich— keit zu fördern, haben die Fragen: Quellwaſſer? — oder Grundwaſſer? — oder Flußwaſſer? — zu leb⸗ haften Erörterungen geführt. Der Widerwille gegenüber einem Waſſer, welches vielleicht einmal mit Erzeugniſſen des organiſchen Zer— falls überladen geweſen, welches in ſeinem oberirdiſchen oder unterirdiſchen Lauf ſich der Berührung mit tieriſchen oder menſchlichen Auswurfſtoffen verdächtig gemacht, ift, wenn nicht allgemein, jo doch jedenfalls ſehr volfs- tümlich geworden. Allen Ernſtes wurde bei vielen neuerlichen Anläſſen der Ausweg vorgeſchlagen, das zum Trinken beſtimmte Waſſer wenigſtens ſolle man — ſei es auch mit den größten Opfern — aus Quellen zuleiten, es als getrenntes Bedürfnis behandeln; das etwa bequemer zur Hand liegende — billigere — Waſſer dagegen lediglich für die Induſtrie, zum Baden, zur Straßenbeſprengung, als Nutzwaſſer verwenden. Als derartige Wäſſer zweiter Klaſſe ſind inſonderheit jene Flußwäſſer angeſehen worden, deren Unreinheit vor aller Augen zu liegen ſchien. Aber man überſah im Eifer nicht bloß, daß auch die Induſtrie häufig des reinen Waſſers bedarf, daß das Baden und ſelbſt das Straßenbeſprengen alle hygieiniſche Bedeutung ver- liert, wenn es mittels weſentlich verunreinigten Waſſers bewirkt wird. Man überſah faſt noch häufiger, daß auch Quellwaſſer ſehr wohl verunreinigt, Flußwaſſer ſeinerſeits von tadelloſer Beſchaffenheit ſein kann — man mußte nicht ſelten erſt durch koſtſpielige Er— fahrungen dahin belehrt werden, daß für die Waffere verſorgung vieler Städte Flußwaſſer nicht zu um— gehen oder durch keine andere Waſſerquelle zu er- ſetzen war. Humboldt 1887. I. Wenn nun gleichzeitig unanfechtbare ſtatiſtiſche Nachweiſe darüber vorliegen, daß Städte, welche mög— lichſt reine Flüſſe für ihre Waſſerwerke benutzen, geringere Sterbeziffern haben, als die auf den Ge— brauch unreiner Waſſerläufe angewieſenen, ſo wird man die kräftige Bewegung, welche ſich in faſt allen Kulturländern zu Gunſten der Reinhaltung der Flüſſe bemerklich macht, gern als berechtigt gelten laſſen. Allein ein unbedingtes Verbot aller Flußverun— reinigungen iſt undurchführbar. Ebenſo geduldig und verſchwiegen wie der heilige Ganges die zahlloſen Leichname der Gläubigen, nimmt jeder ſchiffbare Strom auch des civiliſierteſten Landes die Auswurf— ſtoffe der auf ihm lebenden Schifferbevölkerungen auf, ſtehen ſeine Neben- und Beiflüſſe, wie deren Rinn- ſale den Abwäſſern des Haushalts und der Induſtrie, den Produkten der Krankenſtube und des friſch ge— düngten Ackerfeldes offen. So reicht eine Polizei⸗ aufſicht vielleicht noch eben aus, um den bereits offen⸗ baren Uebelſtänden zu ſteuern, die Entſcheidung je— doch darüber, wie weit Flußwaſſer überhaupt zur allgemeinen Waſſerverſorgung gebraucht werden darf, hängt weit weniger von den Erfolgen der Fluß— beaufſichtigung als von richtigen Anſchauungen über die ſogenannte „Selbſtreinigung der Waſſerläufe“ ab. Es darf als bekannte Thatſache gelten, daß Flüſſe, welche an gewiſſen Stellen ihres Laufes merklich, ja faſt ohne Unterbrechung durch Abwäſſer von Fabriken oder ſelbſt durch ſtädtiſche Spüljauche getrübt, ver- färbt, verſchmutzt werden, einige Meilen unterhalb ſolcher Verunreinigungsſtellen (auch für den Fall, daß inzwiſchen keine erheblichen Mengen reinen Waſſers ihnen zugeſtrömt ſind), wieder klar, in ihrer urſprüng— lichen Farbe und rein erſcheinen. Wer bei Rolandseck auf dem Rhein gondelnd den Rheinwein beſingt und das grüne Kleid des Vater Rhein bewundert, denkt 27 210 Humboldt. — Juni 1887. wohl am feltenften darüber nach, wie der flutende Strom es möglich machte, von der Schweiz bis dahin alle Abwäſſer aufzunehmen und doch ſo klares durch⸗ ſichtiges Waſſer zu führen. Aber auch da, wo der eindringende Blick der Geſundheitsforſcher in England den berüchtigten Flußverunreinigungen der ſechziger Jahre nachſpürte ), beſtätigte ſich dieſe merkwürdige Umwandlung. Einige weitere Beiſpiele zeigen ſie recht ſchlagend: fo laſſen ſich in der dicht unterhalb Paris enorm verunreinigten Seine bereits bei Meulan die fremden Beimiſchungen weder durch das Auge, noch ſelbſt durch die chemiſche Unterſuchung mehr nachweiſen; ſo wird die mit den Elberfelder Fabrik⸗ wäſſern überladene Wupper ſchon nach einem Lauf von zwei Meilen ſo rein, daß ihr Waſſer zur Türkiſch⸗ rotfärberei benutzt werden kann. Die Berechtigung, alle hierbei mitwirkenden Vor⸗ gänge unter der Bezeichnung „Selbſtreinigung“ zu⸗ ſammenzufaſſen, erſcheint etwas fragwürdig. Es drängt ſich mit dieſem Wort ein Urteil über die Zweck⸗ mäßigkeit des Naturwaltens, ein teleologiſcher Bei⸗ geſchmack, in die Auffaſſung eines Vorganges ein, der beſſer auf dem Boden der rein mechaniſchen An⸗ ſchauungsweiſe verſtändlich gemacht werden ſollte. Naturwiſſenſchaftlich betrachtet, ftellen ſich auch bereits für unſere heutige Kenntnis die in Frage ſtehenden chemiſchen und phyſikaliſchen Prozeſſe als mehrfach verſchiedene heraus. Haben doch neben der Reinigungs⸗ kraft des fließenden Waſſers bereits für ältere Beob⸗ achter die Vorgänge im Erdgrabe, die Eigentümlich⸗ keiten mancher Boden⸗ und Erdarten, die ihnen über⸗ gebenen faulenden Körper gleichſam aufzuzehren, eine Reihe recht mannigfach aufgefaßter Probleme gebildet. Indes hat es gerade für die praktiſchen Ziele und Fragen der öffentlichen Geſundheitslehre zur Zeit noch einen gewiſſen Wert, dieſelben, unter dem gemein⸗ ſamen Geſichtspunkt des Selbſtreinigungsprozeſſes zu betrachten. Der große Vorteil, ſie unter einfachen Verſuchs⸗ bedingungen beobachten zu können, hat die Selbſt⸗ reinigungsprozeſſe im Waſſer unſerem Verſtändnis am zugänglichſten gemacht. Ueberläßt man Rieſel⸗ abwäſſer, Spülicht, Kanalinhalt, ohne ſie erſt zu filtrieren, in hohen Gläſern ſich ſelbſt, ſo treten neben der Klärung durch Abſinken der ſuſpendierten Stoffe Oxydationsvorgänge ein, unter deren Einfluß einmal die organiſche Subſtanz in Kohlenſäure und Waſſer umgewandelt wird, und deren zweite Hauptwirkung das Ammoniak betrifft. An ſeine Stelle tritt — auf dem Wege des Ueberganges in ſalpetrige Säure — Salpeterſäure in immer ſteigender Mengen). Von Nebenumſtänden iſt es abhängig, ob die ſalpetrige Säure als Zwiſchenſtufe ſich etwas länger hält oder nur vorübergehend und in minimalen Mengen beob⸗ achtet wird; das Endergebnis iſt jedenfalls die totale *) First Report of the Commissioners, appointed in 1868, to mquire into the best means of preventing the pollution of rivers. Ueberſ. v. Reich, Berlin 1871. ) W. Heraeus, Ueber das Verhalten der Bakterien im Brunnenwaſſer. Zeitſchrift f. Hygiene I, S. 193. Verbrennung des Ammoniaks zu Salpeterſäure, die Nitrifikation, eine Mineraliſterung in der Vollſtändig⸗ keit, daß ſämtlicher Stickſtoff des Ammoniaks beim Experiment ſich quantitativ in Form von Salpeterſäure wiederfinden läßt. Vor dem näheren Eingehen auf das eigentliche Weſen dieſer Sauerſtoffwirkungen verdienen die Unter⸗ ſchiede Erwähnung, welche — wie ja faſt ausnahms⸗ los, ſo auch hier — zwiſchen dem Experimentieren im Waſſergefäß und den Hergängen im großen natür⸗ lichen Strombett ſtatthaben. Zunächſt wirkt das reiche pflanzliche Leben an den Rändern und auf dem Grunde der Flüſſe nachteilig ein auf die Ueber⸗ einſtimmung der quantitativ⸗analytiſchen Ergebniſſe. Die Waſſerpflanzen bemächtigen ſich des Ammoniak⸗ ſtickſtoffs wie der Salpeterſäure und ihrer Salze gern als unentbehrlicher Nährmittel. Dadurch werden dem in der Selbſtreinigung begriffenen Flußwaſſer nicht unerhebliche Mengen — beſonders auch des Um⸗ wandlungsprodukts — entzogen, ſo daß man an offenen Gewäſſern recht häufig nicht imſtande iſt, den geſamten Stickſtoffbetrag des urſprünglichen Ammoniaks ſpäter in Form der Salpeterſäure nach⸗ zuweiſen. — Auch die Abnahme der zerſetzungsfähigen organiſchen Subſtanz erleidet im offenen Waſſerlauf Störungen, wie ſie das Verſuchsgefäß nicht kennt: wenn in Flüſſen, die ſtark von Algen beſetzt ſind, die letzteren abſterben, ſo können ihre organiſchen Beſtandteile zum großen Teil in das Waſſer über⸗ gehen und dieſes auf beſchränkte Strecken mit einem neuen Zuſchuß organiſcher Subſtanz bereichern. Dies ſind jedoch erſichtlich nur quantitative, keineswegs prinzipielle Unterſchiede des Verſuches im Kleinen und des Herganges in der Natur. Allein es fehlte bis vor kurzem nicht an Stimmen aus dem naturwiſſenſchaftlichen Lager, welche der Auf⸗ faſſung das Wort redeten, in der freien Natur voll⸗ zöge ſich jene Oxydation mittels des Luftſauerſtoffes einfach durch die Berührung der Waſſeroberfläche mit den Luftſchichten, durch die Bewegung des Stromes, auch durch den Wind oder die Sonnenbeſtrahlung oder durch alle dieſe Faktoren in ihrem Zuſammen⸗ wirken. Zu Gunſten dieſes Mechanismus ließ ſich indes bei ſeiner Nachahmung durch das Experiment auch nicht eine wirkliche Thatſache erhärten. Schüttelte man unreines und abgeklärtes Waſſer (ähnlich wie es in der Natur die Bewegung des Stromes oder noch energiſcher, wie es etwa die Bewegung des Waſſer⸗ falles thut) mit Luft, ſo daß der Sauerſtoff derſelben auf die Berührungsfläche des Waſſers ſtundenlang einwirkte, leitete man Sauerſtoff oder ſelbſt Ozon durch derartiges Waſſer, ſo wurde die Nitrifikation darin durchaus nicht beſchleunigt — es ſchien im Gegenteil der Verbrauch des dargebotenen Sauerſtoffs ein weitaus verzögerter, kümmerlicher zu fein — und die Selbſtreinigung wurde in allen ihren Einzelheiten und Phaſen erheblich aufgehalten). *) E. Salkowski, Ueber die Oxydationsvorgänge im Waſſer. Bhdlgn. d. D. Geſ. f. öff. Geſundheitspflege in Berlin, 1886, S. 93. Humboldt. — Dieſelbe Verzögerung findet andererſeits aber auch dann ſtatt, wenn man — es geſchah urſprünglich in der Abſicht, die Reinigung künſtlich zu fördern — allerlei Feindſeligkeiten gegen die kleinſten Organismen im Waſſer unternimmt. Lange ſchon kennt man eine Reihe von Keimen, die im Waſſer — ſelbſt in dem an Nährſtoffen anſcheinend ganz armen, auch in dem mit Sauerſtoff überladenen, im ſtark bewegten und im ſonnenbeſtrahlten Waſſer — ihre Lebensfähigkeit nicht einbüßen. Mehrere Arten der Bakterienkeime widerſtehen auch der Behandlung mit chemiſchen Stoffen, widerſtehen den ſchärfſten Mitteln der Desinfektion mit Ausnahme der Siedehitze, die allerdings — ge— hörig angewendet — ausreicht, um jeder Bakterien— thätigkeit ein Ende zu ſetzen. Merkwürdig verhält ſich nun aber jedes im Prozeſſe der Selbſtreinigung begriffene Waſſer, welches mit bakterienlähmenden oder bakterientötenden Mitteln behandelt wird: es ſetzt nämlich der Vorgang der Selbſtreinigung plötz— lich aus. Man kann ſeine Unterbrechung auch grad— weiſe verfolgen. Lähmungsartige Zuſtände der hier in Frage ſtehenden Waſſerſpaltpilze werden bewirkt durch Chloroform. Setzt man ſolches dem Waſſer zu, ſo tritt eine Verzögerung des Sauerſtoffverbrauches und der Nitrifikation ein, ſolange der lähmungs— artige Zuſtand der Bakterien dauert“). Kocht man das in der Umwandlung begriffene Waſſer durch, ſo daß alle Bakterienkeime darin getötet werden, ſo er— reicht man eine vollkommene Steriliſierung der Flüſſig⸗ keit, mit ihr aber auch gleichzeitig unausbleiblich das vollkommene Aufhören jeder Selbſtreinigung. Der⸗ artiges aller Mikroorganismenthätigkeit beraubtes Waſſer behält ſeine organiſche Subſtanz, behält ſein Ammoniak, mag es noch ſo energiſch mit Sauerſtoff oder Ozon in mechaniſche Berührung gebracht werden. Dagegen ſetzt der Nitrifikationsprozeß von dem Mo— ment wieder ein, ſobald ein Zuſatz von nicht ge— kochtem unreinem Waſſer wiederum friſche oxydierende Bakterien in die Miſchung einführt; nach Ablauf der erfahrungsmäßigen Zeit iſt der Umſatz des Ammoniaks, das Verſchwinden der organiſchen Subſtanz vollbracht. Hiernach wird es auch begreiflich, daß eine leb— hafte Bewegung, das Durchſchütteln als ſolches eine Verlangſamung des ſelbſtreinigenden Prozeſſes zur Folge haben muß, da es, wenn auch nicht als bakterientötendes Agens, ſo doch als Störung der Bakterienarbeit eingreift. In ihrer Geſamtheit führen indes die Verſuchsreihen, wie die Erfahrung im großen auf das Schlußergebnis, daß es eine unmittelbare Oxydation der Waſſerbeſtandteile nicht gibt, daß viel⸗ mehr die Nitrifikation und Mineraliſierung im Waſſer, der Vorgang der Selbſtreinigung ſich nur vollzieht, wenn orydierende Spaltpilze darin mit genügender Lebenskraft thätig ſind. — Weſentlich dem mechaniſchen Gebiete ſcheinen jene Reinigungsakte anzugehören, welche ſich im Boden vollziehen und zweifellos in nahen Beziehungen zum Quellwaſſer und zum Grundwaſſer ſtehen. Der engliſche ) E. Salkowski, am angegebenen Orte, S. 98. Juni 1887. 211 Agrikulturchemiker Frankland zeigte, daß auf einen Sandboden von 1 qm Oberfläche und Mächtigkeit täglich 25 bis 30 1 Londoner Kanalwaſſer mit dem Ergebnis gegoſſen werden konnten, daß das ab— fließende Waſſer ganz rein erſchien und chemiſch in ihm die aufgegoſſenen organiſchen Subſtanzen nur noch in der Geſtalt von Oxydſalzen (Karbonaten, Nitraten) wieder nachzuweiſen waren). Als Vor⸗ leſungsverſuch demonſtriert man den Hergang an einer mit humushaltigem Sande locker gefüllten, bis 2 m langen und 2 bis 3 em im Durchmeſſer haltenden Glasröhre, in welche am oberen Ende ſtark faulende Flüſſigkeiten gefüllt werden. Stets bietet fic) das gleiche Ergebnis der Reinigungskraft der einfachen Vorrichtung dar: das Abtropfen eines nahezu farb— loſen, oft kryſtallklaren, nicht riechenden Waſſers, — auch dann, wenn die aufgegoſſenen Zuſammenſetzungen die allerübelſten Fäulniszuſtände gezeigt, wenn ſie aus gärenden Gemiſchen, aus Löſungen mancher giftigen Alkaloide, ja aus ſeptikämiſcher Blutflüſſigkeit oder aus Milzbrandblut beſtanden hatten. Die geringſten Schwierigkeiten erwachſen der Ana— lyſe dieſer Erſcheinung von ſeiten der ſuſpendierten Teilchen, für deren Mehrzahl nicht beſtritten werden kann, daß ſie durch Anſchwemmung, Attraktion und Agglutination an den Flächen der Sand- und Lehm— partikel zurückgehalten werden. Für die echten Lö— ſungen indes, wie für die von den ſuſpendierten Teilchen durch einfache Vorfiltration befreiten Flüſſig— keiten (beſonders auch für Kanalwäſſer) reicht dieſe mechaniſche Einwirkung nicht aus. Es ſcheinen viel⸗ mehr derartige Flüſſigkeiten, ſobald ſie in den Boden eindringen, einem Stoffwechſel zu unterliegen, welcher einigermaßen dem des Blutes ähnlich iſt, wenn das— ſelbe beim Atmungsprozeß durch die Lungen geht. Man hat den Vergleich noch weiter ausgeſponnen durch den Hinweis, daß die größte Leiſtungsfähigkeit dem poröſen Boden innewohnt: indem dieſer bei der intermittierenden Berieſelung Luft aufnehme und ſie wieder ausſtoße, indem er periodiſch und in Ruhe— pauſen entwäſſert und wieder bewäſſert werde, ahme er in großartigem Maßſtabe die Funktion der Lunge eines atmenden Tieres nach!). Schon die einfache Thatſache, daß unzählige Spalt⸗ pilzformen den Erdboden von ſeiner Oberfläche bis in große Tiefen hinab bewohnen, mußte auf die Frage führen: Gibt es nicht, gleichwie im Waſſer, fo auch im Boden oxydierende, nitrifizierende, der Selbſtreinigung dienſtbare Organismen? Einigen der in den jüngſten Verſuchen durch das Verfahren der Plattenkulturen iſolierten Arten ſcheint dies Vermögen allerdings zu fehlen“ *). Andere Experimentatoren find zu dem Schluß gelangt, daß die geſuchten oxydierenden Bakterienarten erſt auftreten, wenn eine gewiſſe Ver- *) Reinigung und Entwäſſerung Berlins. Anhang J, S. 120. ) Ebenda, S. 136. a) Frank, Ueber die Mikroorganismen des Erdbodens 2c. Vhdlgn. d. D. Geſ. f. öff. Geſdh.⸗Pfl. in Berlin, 1886, S. 85. 212 armung der Bodenſchichten an Nährſtoffen Platz ge⸗ griffen hat. Noch andere halten die Mitarbeit der Waſſerbakterien an der Bodenreinigung für ſicher und ſelbſtverſtändlich, weil ein gewiſſer Anteil von Feuchtig⸗ keit, die Sicker⸗ und Grundwäſſer, unter realen Ver⸗ hältniſſen vom Boden ja nicht zu trennen ſind n). — So erwartet der eine Teil der Forſcher, auch den Boden durch poſitiven Nachweis der betreffenden Bakterienarten demnächſt als eine Wohnſtätte von Mineraliſierungsorganismen zu charakteriſieren (wie man ſich längſt gewöhnt hat, in ihm einen Brut⸗ apparat für Krankheitskeime zu ſehen); der anderen Partei bleibt der Boden zunächſt der Träger einer produktiven Pflanzendecke — daneben ein Filter, ein Lüftungsapparat, ein Abſorptionsmitttel — bis die fort⸗ ſchreitende Erkenntnis den Anteil all dieſer Qualitäten genauer beſtimmen und die widerſtrebenden Anſichten verſöhnen wird. Auf eine Beſonderheit der Fäulnisvorgänge im Boden, welche in einer innigen Beziehung zur Selbſt⸗ reinigung ſteht und ebenfalls eine ganz eigenartige Leiſtung der Bakterien betrifft, verdient noch ſchließ⸗ lich eingegangen zu werden. Für diejenigen Pilze, denen Hefewirkungen zu⸗ kommen, hat man bereits vor längerer Zeit nach⸗ gewieſen, daß ihr Abſterben und ihr ſchließliches ſpur⸗ loſes Zugrundegehen abhängt von der zunehmenden Konzentration ihrer eigenen Zerſetzungsprodukte — in vorderſter Linie vom wachſenden Alkoholgehalt. Aber auch in Fäulnisgemiſchen hängt nur zum kleineren Teil das Abſterben der Fäulnisbakterien vom bloßen *) E. Salkowski, am angegebenen Orte, S. 101. Aeber Ptomaine (Leichenalkaloide) und Sau Humboldt. — Juni 1887. Aufzehren des Nährmaterials ab. Direkt tötend wirken auch hier die von den Bakterien ſelbſt gebildeten, immer maſſenhafter und konzentrierter auftretenden aroma⸗ tiſchen Stoffwechſelprodukte, die dem Phenol nahe⸗ ſtehen (Indol, Skatol, Hydrozimtſäure 2c.) und ſich dem Weitergedeihen der Fäulnisbakterien ebenſo feind⸗ lich zeigen, wie der Alkohol den Sproßpilzen, der Hefe). Dieſe Erkenntnis hat in erſter Reihe die Hergänge bei der Leichenzerſetzung, ihre Gleichmäßigkeit und den Fortfall einer exceſſiven Ausbreitung der Fäulnisbakterien begreiflicher erſcheinen laſſen, als es vermöge der bis dahin immer betonten kälteren Temperatur möglich war). Von gleich hohem Intereſſe ſind aber dieſe Selbſt⸗ ſteuerungs⸗Einrichtungen auch für die wirtſchaftlich ſo einſchneidenden Probleme der Städtekanaliſation und Berieſelung. Wie ein kurzes Jahrzehnt ernſter Forſchungsarbeit aus den Anforderungen an die Rein⸗ haltung der Flüſſe manche Härte beſeitigt hat durch die Mitberückſichtigung der Selbſtreinigungsvorgänge, ſo läßt ſich von jedem Schritt, welchen die Analyſe der e vorwärts thut, ein Ab⸗ bröckeln jener Vorurteile hoffen, welche der ausgiebigen Verbreitung rationeller Bodenberieſelungsmethoden an ſo vielen Plätzen Deutſchlands entgegengeſtanden haben und noch entgegenſtehen. ) Wernich, Die aromatiſchen Fäulnisprodukte in ihrer Einwirkung auf Sproß⸗ und Spaltpitze. Virchows Archiv, Bd. 78, S. 51. **) F. Hofmann, Ueber die hygieniſchen Anforderungen an Friedhöfe Vhdlg. d. IX. Verſammlung d. D. Vereins f. öff. Geſdh.⸗Pflege in Wien, S. 19. lnisgifte. Don Profeffor Dr. Leo Liebermann in Budapeft. II. oie in meinem früheren, oben citierten Aufſatz über Ptomaine habe ich erwähnt, wie nahe es liegt, gewiſſe Krankheiten, von denen gegenwärtig angenommen wird, daß fie durch Invaſion niederer Organismen hervorgerufen werden, direkt, nicht ſowohl mit dieſen Pilzen ſelbſt, als mit gewiſſen Giften, die von ihnen produziert werden, in Zuſammenhang zu bringen. Zum mindeſten wäre die Wirkung eine leichter verſtändliche und unſeren bisherigen Erfah⸗ rungen entſprechendere. Ich erwähnte auch, welche Gründe für die Annahme eines durch den Cholera⸗ bacillus erzeugten Giftes ſprechen. Dieſem Cholera⸗ gift wird von vielen Forſchern nun eifrig nachgeſpürt, doch iſt bisher leider noch kein ganz poſitives Reſultat zu verzeichnen. Cantani in Neapel injizierte Bouillon, in welcher Cholerabacillen in großer Menge gezüchtet waren, nach dem Aufkochen, alſo Töten der Bacillen, in 9 Darm eines Tieres und beobachtete choleraähnliche Symptome. Da dieſe nun nicht von den Bacillen ſelbſt verurſacht ſein konnten, ſo iſt anzunehmen, daß hier ein Gift gewirkt hat, welches von den Bacillen erzeugt und in der Bouillon enthalten war. Berdez konnte ein choleraähnlich wirkendes Gift nicht nachweiſen, ſondern nur ein anderes, welches lähmungsartige Erſcheinungen hervorrief, wie es auch ſonſt bei Zerſetzung organiſcher Subſtanzen ſich bildet. Als Urſache des Typhus gilt bekanntlich ein Bacillus, der Koch⸗Eberthſche Typhusbacillus, der auf die Fähigkeit hin, ein ſpecifiſches Typhusgift zu produzieren, von Brieger unterſucht wurde. Die organiſche Baſe jedoch, die Brieger iſolierte, das Typhotoxin, unterſcheidet ſich in ihrer Wirkung, wenigſtens auf Mäuſe, bei denen Krämpfe in den Vordergrund treten, weſentlich vom Typhusgift, welches einen mehr lähmungsartigen, lethargiſchen Humboldt. — Juni 1887. 213 Zuſtand hervorruft, fo daß der Name Typhotoxin für dieſen Körper noch nicht vollberechtigt zu ſein ſcheint. Poſitivere Reſultate erzielte Brieger beim Verſuch, dasjenige Gift darzuſtellen, welches den Starrkrampf (Tetanus) verurſacht. Von Nicolaier wurde nach— gewieſen, daß in der Erde eine Mikrobe vorkommt, welche, beſonders unter Luftabſchluß gezüchtet, den Mäuſen, Kaninchen und Meerſchweinchen eingeimpft, einen in den meiſten Fällen tödlich verlaufenden Starrkrampf erzeugt, deſſen Symptome bekanntlich in einer andauernden, krankhaften Zuſammenziehung gewiſſer Muskelgruppen und zwiſchendurch auftre— tenden heftigen Streckkrämpfen an faſt allen Rumpf— und Extremitätenmuskeln beſteht. Roſenbach iſt der Nachweis gelungen, daß der Starrkrampf von Menſchen auf Tiere übertragbar iſt, und daß die Tetanus⸗ bakterie wirklich identiſch iſt mit der von Nicolaier aus der Erde gewonnenen. Er konnte bei Meer- ſchweinchen und Mäuſen genau denſelben Symptomen— komplex hervorrufen, als er von einem Manne, der durch Erfrieren beider Füße an Wundſtarrkrampf tödlich erkrankte, Impfmaterial aus Nervenſubſtanz nahm, welche ſich in der Nähe der Wunde befand. Dieſe Mikrobie züchtete Brieger auf Rindfleiſch in einer Atmoſphäre von Waſſerſtoffgas und konnte dann eine organiſche Baſe von der Zuſammenſetzung CI3HgO NO, iſolieren, welche Tieren eingeimpft, den Symptomenkomplex des Tetanus hervorruft. Es iſt vorauszuſehen, daß es in nicht zu ferner Zeit gelingen wird, eine ganze Reihe beſtimmte Krankheiten hervorrufender chemiſcher Gifte zu iſolieren und ich möchte nicht anſtehen, noch einen Schritt weiter zu gehen und die Vermutung auszuſprechen, daß es nicht nur Mikroben ſein dürften, welche ſolche Gifte produzieren, ſondern auch dem Tierkörper eigen— tümliche Zellen und Gewebe, wenn ſolche in ihren Ernährungsverhältniſſen eine Alteration erfahren oder ſich an Stellen entwickeln, wo ſie ſich normalerweiſe nicht entwickeln ſollten. Ich denke hier vorzüglich an die ſogenannten bösartigen Neugebilde, Krebſe und ähnliche Geſchwülſte, in deren Gefolge eine, dem Umfang und der phyſiologiſchen Bedeutung nach, häufig nicht entſprechende bedeutende Allgemeinerkrankung (Krebskachexie) auftritt. Auch Stoffe, welche dem normalen Organismus angehören, können auf den- ſelben ſchädlich wirken und vorzüglich ſind es gewiſſe Beſtandteile der tieriſchen Ausſcheidungen, welche, in die Blutbahn zurückkehrend, giftig wirken. Dies iſt z. B. vom Harn bekannt und Bouchard konſtatierte, daß der Tagharn ein narkotiſches, der Nachtharn ein krampferregendes Gift enthält. Noch giftiger iſt, nach Feltz, der Harn bei Fieber. Unſere Kenntniſſe vom Weſen der Ptomaine ſind wohl noch ſehr lückenhaft; vieles iſt noch ganz unauf— geklärt. Brieger glaubt ſie ſämtlich für Abkömmlinge des Ammoniaks — Amidverbindungen — der Fett- körperreihe, halten zu dürfen und ſieht darin einen weſentlichen Unterſchied zwiſchen dieſen und den Pflanzenalkaloiden. Es iſt nun allerdings richtig, daß die von Brieger, als auch von anderen aufgefun— denen Ptomaine oder Ptomaine genannten Körper dieſer Auffaſſung entſprechen, doch kann es als weſent— licher Unterſchied zwiſchen den Alkaloiden der Pflanzen, deren Mutterſubſtanz in der That meiſtens der aro— matiſchen Reihe angehört, ſchon darum nicht gelten, weil es denn doch auch Pflanzen gibt, z. B. gewiſſe Pilze deren giftige Beſtandteile mit denjenigen, welche aus faulen, tieriſchen Beſtandteilen iſoliert wurden, identiſch ſind. So hat z. B. Böhm in zwei Hut- pilzen, dem Schuſterpilz (Boletus luridus) und dem braunen Fliegen- oder Pantherſchwamm (Amanita pantherina) das Neuridin gefunden, alſo dasſelbe Gift, welches von Brieger aus tieriſchen Stoffen iſoliert wurde. Ohne die ganze Reihe zum geringen Teil giftiger, zum größten Teil aber nichtgiftiger Stoffe anzuführen, welche von Armand Gautier, Brieger und Bokliſch aus verſchiedenen tieriſchen Beſtandteilen iſoliert wurden, will ich nur ſo viel bemerken, daß ſich unter dieſen iſolierten Stoffen, mit Ausnahme vielleicht des coniin— oder nikotinähnlichen, ſoviel ich weiß, kein einziger gefunden hat, welcher eine ſolche Aehnlichkeit mit wichtigeren Pflanzenalkaloiden beſeſſen hätte, daß man irgend einen z. B. mit Morphin, Strychnin, Brucin 2c. verwechſeln hätte können. Diejenigen Kadaveralkaloide alfo, welche die ganze Ptomainforſchung angeregt hatten, ſind bisher bei den erwähnten ſyſtematiſchen Verſuchen nicht angetroffen worden. Es iſt dies ein bedauerlicher Umſtand, welcher die definitive Löſung der Ptomainfrage in nicht fo nahe Ausſicht ſtellt. Für das Verſtändnis der Entſtehung von Kadaveralkaloiden ſcheint mir eine von Anrep und Poel ausgeſprochene Anſicht Beachtung zu verdienen, derzufolge zwiſchen der Bildung von Leichen- und Pflanzenalkaloiden inſofern eine Analogie beſtünde, als man auch letztere nicht in funktionierenden Zellen, ſondern in Sekretbehältern, Milchſaftgängen findet, wo die Sekrete Zerſetzungen unterworfen ſein können. Die Metamorphoſe der pflanzen und die Füllung der Blüten. Don Profeffor Dr. Ernft Hallier in Stuttgart. 115 ie Neigung mancher Gewächſe, unter veränderten [vergrößern, mußte ſchon früh die Aufmerkſamkeit der Wachstumsbedingungen die Zahl der blumen— blattartigen, zarteren Blattgebilde ihrer Blüten zu Gärtner rege machen. Schon lange vor unſerer Zeit— rechnung ſcheinen die Chineſen und Japaneſen gefüllte 214 Blumen gezüchtet zu haben, und die Züchtung gefüllter Roſen in Aſien mag nicht minder weit zurückreichen, da Bieberſtein die Centifolie im Kaukaſus ſogar im wilden Zuſtand gefüllt blühend fand ). Wahrſcheinlich kannten die Karthager bereits eine gefülltblühende Form von Granaten, denn ſie züchteten eine Sorte kernloſer Granatäpfel, die wohlſchmeckendſte von allen!“). Während bei Blumenliebhabern und Gärtnern die gefüllten Blumenformen immer höher im Anſehen ſtiegen, war bei den Botanikern zum großen Teil eine gewiſſe Verachtung dieſer Formen eingeriſſen. Man hielt es der Wiſſenſchaft für unwürdig, ſich mit ſolchen Formen zu beſchäftigen, die man als Mißbildungen betrachtete. Dieſe Geringſchätzung behielt die Ober⸗ hand, ſolange die ſogenannte Syſtematik, d. h. die Unterſcheidung und Klaſſifizierung der Gewächſe nach rein äußeren Merkmalen die herrſchende Richtung war, denn den Syſtematikern waren die gefüllten Blüten nur allzu häufig höchſt unbequem, weil durch die bei ihnen eintretenden Veränderungen oft der Artcharakter, ja gar nicht ſelten ſogar der Gattungs⸗ charakter einer Pflanze verwiſcht wurde. So iſt z. B. nach Linne die Gattung Matricaria ausſchließlich durch ein einziges Merkmal, nämlich durch das Hohl⸗ werden des Blütenbodens von Chrysanthemum L. getrennt. Die gefüllte Form von Chrysanthemum parthenium L., dem Mutterkraut, bekommt aber einen hohlen Blütenboden und wird daher von den Gärtnern ganz folgerecht als eine Matricaria betrachtet. Aehnlich verhält es ſich mit der Matricaria eximia der Gärten **). Aber die Abneigung der Botaniker gegen gefüllte Blumen hatte noch einen anderen mehr praktiſchen Grund. Viele botaniſche Gärten verwandten nämlich (bei einzelnen iſt es leider noch heute der Fall) viel Geld und Arbeitskraft auf blumiſtiſche Neuheiten und gärtneriſche Spielereien. Daher kam es, daß es noch vor wenigen Jahrzehnten hervorragende Botaniker gab, welche von den gefüllten Blumen durchaus nichts wiſſen wollten. Indeſſen hatten längſt Männer wie Batſch, Moquin⸗ Tandon, Goethe, die große Bedeutung der gefüllten Blumen für die Lehre von der Gliederung und Sproßfolge der Pflanzen erkannt. Ohne Kenntnis der Blütenfüllungen wäre Göthe wohl ſchwerlich zu ſeiner Metamorphoſenlehre gekommen, zu welcher er im Geſpräch mit Batſch die Anregung empfing. Es brach ſich immer mehr die Anſicht Bahn von einem Grundplan der Pflanze, von einfachen Urorganen, aus denen ſich die Mannigfaltigkeit der Organformen *) M. J. Schleiden, Die Roſe. Leipzig 1873, S. 14. Aus Japan beſitzen wir einen der ſchönſten gefülltblühenden Sträucher, die Kerria japonica D. C. ) Viktor Hehn, Kulturpflanzen und Haustiere in ihrem Uebergang aus Aſien nach Griechenland und Italien. Zweite Auflage. Berlin 1874, S. 207. Vergl. Th. Rümpler, Illuſtr. Gartenbaulexikon. Berlin 1882. Grönland und Rümpler, Vilmorins illuſtr. Blumengärtnerei. 2 Teile. Berlin 1873, 1874. Humboldt. — Juni 1887. entwickele. Schleiden“) hat dieſe Frage von einem ſtreng wiſſenſchaftlichen Geſichtspunkt aus erörtert, indem er die entwickelungsgeſchichtliche Methode ein⸗ führte und auf dieſem Wege zu dem Reſultat gelangte, daß allen Organen höherer Pflanzen zwei Urtypen der Gliederung zu Grunde liegen, die er als Achſen⸗ organe und Blattorgane unterſchied. Später zeigte ſich freilich, daß auch dieſe Unterſcheidung nicht für alle Fälle ſtichhaltig ſei und daß der Grundplan aller Pflanzengliederung ein noch allgemeinerer, einfacherer ſein müſſe. Was verſteht man denn eigentlich unter Blüten⸗ füllung? Wollen wir dafür den allgemeinſten, alle Erſcheinungen zuſammenfaſſenden Ausdruck finden, ſo müſſen wir ſagen: Blütenfüllung iſt die Vermehrung und Vergrößerung der zarteren, oft lebhaft gefärbten Blattkreiſe der Blüte, die der gemeine Mann als Blume bezeichnet. Dergleichen kommt auf zweifache Weiſe zuſtande: erſtlich durch bloße Vermehrung der Blumenblätter in Anzahl und Größe, zweitens durch blumenblattartige(petaloide) Umwandelung von Blüten⸗ organen, mögen dieſe nun zum Geſchlechtsapparat gehören, oder Kelche, Hüllen, Deckblätter, ja ſogar benachbarte Laubblätter repräſentieren. Von dem wirklichen Vorkommen der Vermehrung der Zahl der Blumenblätter einer Pflanze kann man ſich ſehr leicht überzeugen, wenn man im Frühjahr auf einer Wald⸗ wieſe einige Dutzend Exemplare der Oſterblume (Anemone nemorosa L.) miteinander vergleicht. Zwar werden die meiſten Blüten etwa 5 Blumen⸗ blätter zeigen, jedoch findet man unter ihnen ſtets Exemplare mit 6, 7, 8, 9, ja bis zu 12 Blumen⸗ blättern und darüber. Auch findet man viele Exem⸗ plare mit größeren, anſehnlicheren, ſchöner gefärbten Blumen. Das iſt der Anfang zur Füllung und kann doch offenbar nicht als eine Mißbildung aufgefaßt werden. Aber auch Beiſpiele für die blumenartige Entwickelung von Blütenteilen innerhalb oder außer⸗ halb der Krone kommen bei den wildwachſenden Pflanzen ganz normal und in nicht geringer Anzahl vor. So z. B. werden die Deckblätter (Brakteen) bei den Muſaceen, beim Blumenrohr (Canna), bei den Bromeliaceen ſo zart, anſehnlich und farbig aus⸗ gebildet, daß der Laie ſie ohne weiteres für die eigentliche Blume hält, der Kelch iſt z. B. bei der ſchwarzen Nießwurz (Helleborus niger L.) weit größer, ſchöner, zur Blütezeit ſogar zarter als das eigentliche Kronenperigon, ähnlich bei Aconitum, Delphinium, bei manchen Papaveraceen und Fuma⸗ riaceen. Beim Blumenrohr entwickelt ſich die eine Hälfte der Anthere zu einem blumenblattartigen An⸗ hängſel. Bei Iris werden die drei Mündungslappen des Staubweges blumenartig, noch weit auffallender aber bei Canna, wo ſie eine zweilippige, zygomorphe Krone bilden. Die petaloide Umbildung iſt alſo keineswegs eine Verkrüppelung, ſondern ſie kommt bei manchen Arten, Gattungen oder ganzen Familien normal zuſtande. Hätte man früher angefangen, die ) Grundzüge der wiſſenſchaftl. Botanik. Leipzig 1842. Humboldt. — Juni 1887. vergleichende Organologie der verſchiedenen Pflanzen⸗ gruppen zu ſtudieren, ſo würde man niemals zu ſolchen irrigen Anſchauungen gekommen ſein. Früher wurden teratologiſche Veränderungen der Blüten mehr durch äußere, morphologiſche Unterſuchung ſtudiert und auf ihre Urſachen geprüft. Dieſe durch— aus berechtigte Methode reicht indeſſen nicht für alle Fälle aus. Die entwickelungsgeſchichtliche Unter— ſuchung, das Studium der früheſten Zuſtände muß hinzukommen und kann in vielen Fällen allein aus— ſchlaggebend ſein. In dieſer Beziehung waren bis in die neueſte Zeit die Arbeiten etwas ſpärlich und vereinzelt. Es iſt daher ſehr dankenswert, daß Göbel neuerdings für eine größere Zahl von Pflanzenfami— lien die Entwickelungsgeſchichte der Blütenfüllungen ſtudiert hat). Am früheſten und am intenfivften haben natürlich diejenigen Formen gefüllter Blumen die Aufmerkſamkeit der Forſcher auf ſich gezogen, welche am längſten bekannt ſind, ſo z. B. die Roſe. Gefüllte Tulpen kennt erſt R. J. Camerarius (opus- cula botanici argumenti ed. J. C. Mikan, Pragae 1797). Seit Linnés Zeit herrſchte die Auffaſſung, daß die Füllung der Blumen in einer Umwandelung der Staubblätter in Blumenblätter beſtehe (Philos. botan. ed. II cur. J. C. Gleditsch p. 80, 81). Das iſt freilich ſehr plauſibel bei der Tulpe, beim Mohn. Linns unterſcheidet den flos multiplicatus, wo noch Staubblätter übrig bleiben, vom flos plenus, wo alle Staubblätter in Blumenblätter verwandelt ſind. Aber dieſe Erklärung reicht nicht aus. Sehr häufig nehmen ganz andere Organe an der Füllung *) Th. Göbel, Beiträge zur Kenntnis gefüllter Blüten. Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik v. N. Pringsheim. Band 17, Heft 2. Berlin 1886. S. 207-296, T. 11—15. 215 Teil. A. P. De Candolle unterſcheidet (Théorie élemen- taire de la Botanique. Paris 1819) drei Kategorien von Füllungen, nämlich Flores petaloidei, multipli- cati und permutati. Bei der erſten Kategorie werden entweder alle oder einzelne Blütenteile blumenartig. So z. B. bei Campanula Medium und bei Primula calycanthema der Kelch, bei Hortensia (Hydrangea hortensis) die Brakteen, bei den Roſen die Staub— blätter, bei einigen Anemonen und bisweilen bei Papaver die Carpelle. Beim flos multiplicatus vermehrt ſich die Zahl der Wirtel oder nur die Zahl der Wirtelglieder. Das erſte iſt z. B. bei vielen Monokotyledonen, bei Datura, bei den Nelken, das zweite bei der Primel der Fall, was Göbel beſtätigt. Der flos permutatus entſteht durch Verküm— merung von Staubblättern oder Fruchtblättern. Dieſer Fall verläuft partiell durchaus normal bei wildwach— ſenden Pflanzen. So verkümmern bei den Strahl— blüten der Compositae von Linnés Polygamia superflua die Staubblätter, und durch dieſe Erſparnis gewinnt die Kompoſitenſtrahlblüte mancher Sene— cionideen und Aſteroideen den Stoff zur Entwickelung der großen Zungenblume. Bei Centaurea verlieren die Strahlblüten beide Geſchlechter, und die Strahl— blume kann ſich um ſo prächtiger entwickeln, ähnlich beim Blütenſtand des Schneeballs. Bei den gefüllten Kompoſiten wie z. B. den Dahlien (Georginen) ver— lieren alle oder faſt alle Blüten im Köpfchen ihre Geſchlechtsapparate, daher vermögen ſie alle prächtige Kronen zu entwickeln. Damit hängt innig zuſammen, daß ſich bei gefülltblühenden Pflanzen die Blumen früher entwickeln als bei einfachblühenden, ſo z. B. bei Hepatica und Galanthus, — weil nämlich die Reſerve⸗ ſtoffe bei Unterdrückung des Geſchlechtsapparates gleich für die Blume verfügbar ſind. Eierlegende Säugetiere. Don Dr. Wilhelm Haacke in Jena. m Anfange dieſes Jahrhunderts verbreitete ſich unter den Zoologen Europas die Kunde von zwei merkwürdigen Tierformen Auſtraliens. Beide erin— nerten an unſeren Maulwurf; das eine, der Ameiſen— igel (Echidna hystrix), durch ſeine kurzen Grabbeine, das andere dagegen, das Schnabeltier (Ornitho- rhynchus paradoxus), durch ſeine Körperform. Da— neben beſaß der erſtere das Stachelkleid eines Igels, das letztere den ſchönen Pelz eines Fiſchotters, nebſt Schwimmfüßen. Beide aber waren durch merkwür⸗ dige Schnäbel ausgezeichnet; die Kiefer des Sdnabel- tieres glichen einem Entenſchnabel, während jene des Ameiſenigels zu einer langen dünnen Röhre mitein— ander verbunden waren. Dieſe äußere Vogelähnlich— keit, verbunden mit den Berichten auſtraliſcher Ein— geborener, gab Anlaß zu dem Glauben, daß Schnabel— tier und Ameiſenigel nicht lebendige Junge zur Welt brächten, ſondern Eier legten. Wo nun ſollten dieſe ſonderbaren Geſchöpfe im Syſteme untergebracht werden? Die Antwort mußte von der anatomiſchen Unterſuchung ihres Baues ab— hängen, und dieſe Unterſuchung ergab, daß viele Eigentümlichkeiten des inneren Baues für eine Ver- wandtſchaft unſerer Tiere nicht nur mit den Vögeln, ſondern auch mit den Reptilien, ja ſogar mit den Lurchen ſprachen, während die Säugetiernatur des Schnabeltieres und des Ameiſenigels keineswegs von allen Zoologen anerkannt wurde. Zwar wurden bezüglich des letzteren Punktes ſo— wohl bei dem Schnabeltiere wie bei dem Ameiſenigel Drüſen entdeckt, welche offenbar zur Ernährung der Jungen dienten; indeſſen Geoffroy St. Hilaire blieb 216 Humboldt. — Juni 1887. dabei, daß die von dieſen Drüſen abgeſonderte Flüſſig⸗ keit, obwohl zur Ernährung der Jungen beſtimmt, dennoch mit der Milch der Säugetiere ſonſt nichts gemein habe. Unſere Tiere, ſo ſagte er, ſeien keine Säugetiere, ſondern bildeten eine Klaſſe für ſich. Dieſem nahezu das Richtige treffenden Ausſpruche ſtimmte die Wiſſenſchaft nicht bei. Erſt in jüngſt ver⸗ gangener Zeit hat Gegenbaur ſeine weitgehende Be⸗ rechtigung wiſſenſchaftlich feſt begründet. Daß Geoffroy mit ſeiner den Thatſachen am meiſten entſprechenden Anſicht über die Bruſtdrüſen der Kloakentiere, unter welchem gemeinſchaftlichen Namen wir Schnabeltier und Ameiſenigel zuſammenfaſſen, wegen mangelnder Beweiſe nicht durchdrang, iſt faſt geeignet, denjenigen mit Wehmut zu erfüllen, der ſich auch daran erinnert, daß Geoffroy es war, welcher trotz aller gegenteiligen Behauptungen die Anſicht aufrecht erhielt, daß die Kloakentiere Eier legen müßten, eine Anſicht, deren Richtigkeit auch erſt im Jahre 1884 feſtgeſtellt wurde. Als der engliſche Ornithologe Gould, eben aus Auſtra⸗ lien zurückgekehrt, den ehrwürdigen alten Geoffroy beſuchte, wurde er von letzterem mit der Frage em⸗ pfangen: „Nicht wahr, das Schnabeltier legt doch Eier?“ Und auf die verneinende Antwort Goulds ſoll Geoffroy traurig erwidert haben: „Alſo doch nicht!“ Nach dem, was über den Bau der Kloakentiere bis etwa zur Mitte des Jahres 1884 ſeſtſtand, glaubte man zu dem Schluſſe berechtigt zu ſein, daß dieſe Tiere Säugetiere ſeien — lebendig gebärende wie die übrigen — welche in der Mitte ſtünden zwiſchen den Beuteltieren einer⸗ und zwiſchen unbekannten reptilien⸗ oder amphibienartigen Vorfahren andererſeits. Mit den Beuteltieren hatten ſie den Mangel eines Mutter⸗ kuchens, das niedrige Gehirn und die Beutelknochen gemein, zwei von der vorderen Seite des Beckens ausgehende Knochen, welche bei den Beuteltieren dem die ſaugenden Jungen bergenden Brutbeutel zur Stütze dienen. Freilich war bei den Kloakentieren kein Brutbeutel aufgefunden worden — abgeſehen von zwei kleinen, nicht einmal immer vorhandenen Hauteinſenkungen beim Ameiſenigel, in welche ſich die Bruſtdrüſen öffnen. Außer den Beutelknochen verbindet aber die Kloakentiere mit den Beuteltieren, nicht minder aber auch mit den übrigen Säugetieren, eine Reihe anderer Eigenſchaften, ſo namentlich das Haarkleid, das allerdings beim Ameiſenigel etwas modifiziert iſt. An die den Reptilien naheſtehenden Vögel erinnern dagegen namentlich die bei den Kloaken⸗ tieren ungleich ſtark entwickelten Eierſtöcke; nächſtdem der Beſitz des Gabelbeines, welches bei Vögeln und Kloakentieren durch die miteinander verwachſenen Schlüſſelbeine dargeſtellt wird. Mit den Reptilien, wie auch mit den Vögeln, teilen die Kloakentiere — und daher kommt ihr Name — den Beſitz einer Kloake, eines gemeinſamen Ausführganges der Ver⸗ daungs⸗, Harn⸗ und Geſchlechtsorgane. Es iſt indeſſen darauf hinzuweiſen, daß dieſe merk⸗ würdige Verbindung von Charakteren durch einige Naturforſcher eine abweichende Beurteilung fand. Zwar hielten die meiſten derſelben die Kloakentiere für die letzten Ueberbleibſel einer uralten gemeinſamen Stammgruppe der Säugetiere, aus der ſich zunächſt die Beuteltiere entwickelt haben ſollten, und die ihrerſeits aus Reptilien oder auch aus Amphibien hervorgegangen ſei. Indeſſen Karl Vogt vertrat die Anſicht, daß durch die Kloakentiere im Gegenteile eine recht junge Säugetiergruppe dargeſtellt würde, eine kleine Gruppe von heruntergekommenen Beutel⸗ tieren. Alle lebenden Naturforſcher aber waren der An⸗ ſicht, daß die Kloakentiere echte Säugetiere ſeien, namentlich auch, daß ſie lebendige Junge zur Welt brächten. Denn wohl hatte man ſehr unreife junge Schnabeltiere und Ameiſenigel beobachtet, niemals aber hatte ſich für den Nachweis des Eierlegens ein vertrauenerweckender Anhaltspunkt gewinnen laſſen. Namentlich waren die beiden Reiſen, welche Bennett der Kloakentiere wegen nach Auſtralien unternahm, in dieſer Beziehung reſultatlos verlaufen, und auch für den von Krefft wiederholt in den Zeitungen Sydneys ausgeſetzten Preis von 50 Pfund Sterling, welchen derjenige erhalten ſollte, der das erſte Kloaken⸗ tierei einſchiken würde, hatten fic) keine Bewerber gefunden. So ſtand es bis vor kurzem. Da wurde am 2. September 1884 an zwei weit voneinander entfernten Punkten der Erde eine Ent⸗ deckung publiziert, welche in den Kreiſen der Natur⸗ forſcher und der Gebildeten überhaupt einen Sturm der Aufregung hervorrief, wie wohl noch nie eine zoologiſche Entdeckung zuvor: Es war zwei unab⸗ hängig von einander arbeitenden Beobachtern in Auſtra⸗ lien der Nachweis gelungen, daß die Kloakentiere in der That Eier legten. In der biologiſchen Sektion der britiſchen Natur⸗ forſcherverſammlung zu Montreal in Kanada verlas an jenem Tage Profeſſor Moſeley ein aus Sydney in Neuſüdwales kommendes Telegramm, demgemäß Caldwell in Queensland gefunden habe, daß die Kloakentiere mit großen Dottern verſehene Eier legten. Nur einige Stunden früher hatte in Adelaide in Südauſtralien der Schreiber dieſer Zeilen in der Sitzung der Royal Society of South Australia“) ein Ei vorgelegt, welches er am 25. Auguſt 1884 bei einem weiblichen Ameiſenigel gefunden hatte, und zwar in einem großen, bis dahin unbekannten Brut⸗ beutel am Bauche der Mutter des Eies. Das Ei hat eine zwar weiche, aber ſehr derbe, pergamentähnliche Schale, gleich derjenigen mancher Reptilieneier; es beſitzt einen Längsdurchmeſſer von 15 und einen Querdurchmeſſer von 13 mm. Solche Eier enthalten, was auch Caldwell be⸗ ſtätigt fand, einen großen Dotter in Uebereinſtim⸗ mung mit Reptilien⸗ und Vogeleiern und im Gegen⸗ ſatze zu den Eiern der typiſchen Säugetiere. Es muß ) Vergl. Transactions and Proceedings and Report of the Royal Society of South Australia, vol. VII (for 1883—84), p. 81, Sept. 2 und Okt. 7 1884, und „President's Address“, p. 85 und 86. Humboldt. — Juni 1887. 217 hier daran erinnert werden, daß der winzige Eiinhalt bei den letzteren ſich in ſeiner Totalität direkt am Aufbaue des ſich entwickelnden Säugetierkörpers be— teiligt, während bei Vögeln und Kriechtieren nur ein quantitativ geringer Teil der Eier direkt in den Embryo übergeht. Es hat ſich in dem Ei dieſer Tiere neben dem Bildungsdotter, welcher beim typiſchen Säuge— tiere allein den Eiinhalt darſtellt, ein großer Nahrungsdotter angeſammelt, und einen ſolchen Nahrungsdotter beſitzen auch die Eier der Kloaken— tiere. In dieſer Beziehung ſtehen die letzteren den Vögeln und Reptilien nahe, nicht aber den Beutlern, e bei fee n war es gerade umgekehrt. Es können demnach die letzteren nicht wohl von Beuteltieren abſtammen; denn wo, wie bei dieſen, erſt einmal eine echte Milchdrüſe zur Ent— wickelung gelangt war, konnten Schweißdrüſen nicht mehr an ihre Stelle treten. Endlich aber iſt, wie auch erſt kürzlich nachgewieſen, die Blutwärme der Kloakentiere beträchtlich geringer als diejenige der typiſchen Säuger. Auch dieſer Um— ſtand weiſt unſeren Tieren ihren Platz an der Wurzel des Säugetierſtammes an, an welchem ſie einen ein— ſeitig entwickelten Schößling darſtellen. Unterſeite eines brütenden Weibchens von Echidna hystrix. Kloatentieren fehlenden Saugwarzen werden beim Ameiſenigel durch die beiden tleinen Haarbüſchel in den Seitenfalten des Brutbeutels vertreten. Zwiſchen Brutbeutel und Schwanz iit die Kloakenöffnung. Fig. 1. Die den Etwa is Lineargröße. und ſchon aus dieſem Grunde erſcheint Karl Vogts Hypotheſe wenig annehmbar. Dazu kommt, daß auch die zweite ſchon von Geoffroy St. Hilaire aufgeſtellte Behauptung neuer- dings beſtätigt worden iſt, wonach die Bruſtdrüſen der Kloakentiere keine eigentliche Milch produzieren. Gegenbaur hat kürzlich nachgewieſen, daß die Brujt- drüſen dieſer Tiere modifizierte Schweißdrüſen ſind, während die Bruſtdrüſen der typiſchen Säugetiere umgebildete Talgdrüſen darſtellen. Wir müſſen dem⸗ nach annehmen, daß bei den gemeinſchaftlichen Vor— fahren der Kloakentiere und der typiſchen Säugetiere im Bereiche der Bruſtdrüſen zweierlei Arten von Drüſen ſich an der Produktion des die Jungen er— nährenden Saftes beteiligten: Die Bruſtdrüſen dieſer Stammſäuger waren wahrſcheinlich zuſammengeſetzt aus etwa gleich ſtark funktionierenden umgebildeten Talg⸗ und Schweißdrüſen. Bei den typiſchen Säuge— tieren gelangten die erſteren zur faſt ausſchließlichen Humboldt 1887. Fig. 2. Rückſeite der Bauchdecke eines brütenden Weibchens von Echidna hystrix, In den von ftarfen Muskeln umgebenen Brutbeutel ergießt ſich jederſeits ein Büſchel Milchdrüſen. Hinter (in der Figur unten) dem Brutbeutel ijt der Querſchnitt der Kloate. Immerhin ſind die Kloakentiere noch Säugetiere, und zwar, wie wir geſehen haben, eierlegende Säuge— tiere. Allerdings entſchlüpft das junge Schnabeltier, wie Caldwell beobachtet hat, ſchon ſehr bald dem gelegten Ei: dasſelbe, welches von der Mutter in einer Erd— höhle untergebracht wird, enthält das zum Ausſchlüpfen reife Junge. Anders iſt es dagegen, wie zuerſt durch den Verfaſſer feſtgeſtellt wurde, beim Ameiſenigel. Zur Aufnahme des Eies bildet ſich hier ein Brutbeutel heran, in welchem das Ei — der Ameiſenigel legt nur ein Ei — einer längeren Bebrütung unterzogen wird. Ein Freund des Verfaſſers, Dr. von Lenden— feld, hat gefunden, daß die innere Wärme des Brut— beutels zur Brütezeit die ſonſtige Körperwärme merk— lich übertrifft: gewiß eine beachtenswerte Einrichtung! Iſt das Junge ausgeſchlüpft, ſo begibt es ſich an die beim Ameiſenigel wie beim Schnabeltier zitzenloſe 28 218 Bruſtdrüſe und nimmt, durch deren Flüſſigkeit er⸗ nährt, raſch an Größe zu. Mit dem wachſenden Jungen wächſt auch der Umfang des Brutbeutels, bis endlich letzterer nicht mehr mitkommen kann, zu klein wird und wieder verſtreicht. Der Brutbeutel des Ameiſenigels iſt nach allen vorliegenden Beob⸗ achtungen eine periodiſch erſcheinende Hautfalte, welche alljährlich kurz vor Ablage des Eies von neuem auf⸗ tritt, eine Zeitlang an Größe zunimmt, dann aber wieder verſchwindet. Dem letzteren Umſtande iſt es mit zuzuſchreiben, daß dieſes intereſſante Verhalten erſt ſo ſpät entdeckt wurde. Das Schnabeltier führt ein entenartiges Leben; man findet es an Teichen und langſam fließenden Gewäſſern, aus deren Schlamm es allerhand Getier fiſcht. Im Ufer gräbt es ſich Gänge, die zu ſeinem Neſtkeſſel führen. Seine Lebensweiſe iſt eine nächtliche. Der Ameiſenigel, gleichfalls einer nächtlichen Lebens⸗ weiſe huldigend, ſcharrt in den Bauen der Ameiſen und Termiten; mit Sand vermiſcht, bleiben dieſe Kerfe an ſeiner langen klebrigen Zunge hängen und dienen ihm ſo zur Nahrung. Während des trockenen auſtraliſchen Sommers verfällt der Ameiſenigel in eine Art Sommerſchlaf. »Bei beiden Tieren fällt die Brutzeit in den auſtraliſchen Winter, welcher unſerem Sommer ent⸗ ſpricht. Weder Schnabeltier noch Ameiſenigel iſt auf den Kontinent Auſtraliens beſchränkt. Der Verbreitungs⸗ bezirk des Schnabeltieres reicht von Tasmanien im Süden bis nach Queensland im Norden. Aehnliches gilt vom Ameiſenigel, der auch in Weſtauſtralien und Neuguinea ſich findet. Neben den gegenwärtig noch lebenden Arten der Kloakentiere find auch zwei foſ⸗ file auſtraliſche Ameiſenigel bekannt geworden, Rieſen gegenüber den heute lebenden, nur etwa fußlangen Arten. Von letzteren unterſcheidet man etwa ſechs, die ſich auf drei Gattungen verteilen, die Ameiſen⸗ igelgattungen Echidna und Acanthoglossus und die Schnabeltiergattung Ornithorhynchus. Karl Vogt hat gemeint, daß auch die wenig weite geographiſche Verbreitung der Kloakentiere für ihre kurze Vergangenheit ſpräche. Sehr alte Tierformen, ſo ſagte er, ſeien heute weit über die Erde zerſtreut, wie das ja auch beiſpielsweiſe bei den Lungenfiſchen, den Straußvögeln und den Beuteltieren der Fall iſt. Ich möchte hier indeſſen eine andere Betrachtung an⸗ ſtellen, wonach die heutige geographiſche Verbreitung der Kloakentiere ſehr wohl mit ihrer ein hohes Alter dokumentierenden Organiſation und Entwickelungs⸗ geſchichte harmoniert. Die kompetenteſten Naturforſcher ſind in der Mehrheit zu dem Schluſſe gelangt, daß die Kon⸗ figuration der Feſtlandmaſſen und großen Inſeln unſerer Erde im großen und ganzen ſeit jeher die⸗ ſelbe war, wie heute; daß dort, wo heute Land iſt, Humboldt. — Juni 1887. durchweg auch früher Land war, und daß die großen Becken der Oceane nicht weniger beſtändig ſind; daß aber gleichwohl frühere Landverbindungen beſtanden zwiſchen größeren Inſeln und dem benachbarten Feſt⸗ lande. So hing Auſtralien früher mit Neuſeeland und Neuguinea, nicht minder auch mit den Sunda⸗ inſeln und durch dieſe mit der großen Feſtlandmaſſe Euraſiens zuſammen. In ähnlicher Weiſe beſtand eine Verbindung zwiſchen Euraſien, dem Nordpolarlande und Amerika. Nun müſſen wir uns an zweierlei er⸗ innern: Erſtens daran, daß die im großen und ganzen beſtändigen Feſtlandmaſſen der Erde beſonders in der nördlichen Erdhälfte angehäuft ſind, nach Süden hin aber in mehr oder weniger ſchmale und ſpitze Zipfel verlaufen, und zweitens daran, daß das Klima der Nordpolarzone einſt ein ſehr warmes, ein reiches Tier⸗ und Pflanzen⸗ leben begünſtigendes war. Dann aber war die nörd⸗ liche Hemiſphäre, in welcher große, bald miteinander verbundene, bald voneinander getrennte Feſtlandmaſſen von einem milden Himmel überſpannt wurden, ganz beſonders geeignet, neue Tierordnungen ins Daſein zu rufen. In der nördlichen Hemiſphäre entſtanden demnach wahrſcheinlich nach und nach — um bei den Säugetieren zu bleiben — die Kloakentiere, ſpäter die Beutler, endlich die höheren Säuger. Dem An⸗ drange der Beuteltierſchöpfung konnten die weniger erhaltungsmäßig organiſierten Kloakentiere nicht wider⸗ ſtehen: Sie wurden aus dem Norden nach dem ent⸗ legenſten Süden hin verdrängt. Nur in Auſtralien konnten ſich kümmerliche Ueberbleibſel der älteſten Säugetierordnung erhalten, denn Auſtralien wurde nach Schöpfung der Beuteltiere dauernd von Euraſien getrennt und nicht mehr von den höheren Säugetieren erreicht. Dieſe letzteren brachten in den übrigen Erd⸗ teilen die letzten Reſte der Kloakentiere vollends zum Dahinſchwinden, während in Auſtralien ſich einige Kloakentiere den gleichfalls nicht ſehr hoch entwickelten Beuteltieren gegenüber halten konnten. Kein Wunder daher, daß die Kloakentiere auf Auſtralien beſchränkt find, ein Beweis vielmehr für ihr hohes Alter. Das älteſte Land der Erde iſt vielleicht Neuſee⸗ land, der ſchon lange abgeriſſene Südoſtzipfel der ehemaligen öſtlichen Feſtlandmaſſe. Neuſeeland ſoll nun zuverläſſigen Berichten zufolge als einzige, ur⸗ ſprünglich einheimiſche Säugetierart ein äußerlich otter⸗ ähnliches Tier beherbergen, deſſen bis jetzt jedoch noch niemand habhaft geworden iſt. In ihm haben wir, unſerer obigen Schlußfolgerung gemäß, vielleicht das älteſte noch lebende Säugetier der Erde zu erblicken, eierlegend wahrſcheinlich, wie die Kloakentiere des be⸗ nachbarten Kontinentes, vielleicht aber auch noch nied⸗ riger und urſprünglicher organiſiert als dieſe. Mög⸗ lich, daß dieſes alte neuſeeländiſche Säugetier noch ungeahnte neue Aufſchlüſſe bringen wird über die eierlegenden Säuger, die älteſten warmblütigen Ahnen des Menſchengeſchlechtes. Humboldt. — Juni 1887. 219 Augenblicks licht bilder. Profeffor Dr. W. Marſhall in Leipzig. Schon ſeit Jahren iſt man in kompetenten Kreiſen vollſtändig darüber einig, daß die Photographie für die Wiſſenſchaften, beſonders aber für die Naturwiſſenſchaften eine eminente Bedeutung bereits gewonnen hat und daß ihr eine weitere große Zukunft auf dieſen Gebieten noch bevorſteht. Vor kurzem hat die Akademie der Wiſſen— ſchaften in Paris eine genaue photographiſche Aufnahme des ganzen Himmelsgewölbes mit 6000 — 7000 Platten und die Herausgabe eines darauf baſierten Sternatlas von cirka 1500 Blättern, welche die genauen Orte von mindeſtens 20 Millionen Sternen bieten werden, beſchloſſen. Der Phyſiker fixiert mittelſt der Photographie leicht die komplizierteſten Spektren und hat durch Momentbilder die Porträts der Blitze vom Himmel geholt. Auch für das Studium der Anatomie und Entwicke— lungsgeſchichte iſt der Wert der Photographie längſt an— erkannt und von Augenblicksbildern, wie ſie beſonders von Ottomar Anſchütz in Liſſa geliefert worden ſind, möchte man faſt ſagen, daß ſie auf manche Unterdisciplin menſch— lichen Wiſſens und Schaffens geradezu umgeſtaltend wirken werden. Die vorliegenden Bilder von Anſchütz ſind zweierlei Art: Die einen bieten die Momentaufnahme einer Situation, es ſind köſtliche Porträts und Genrebilder aus der Tierwelt, die man mit dem größten Genuß betrachtet und immer wieder betrachtet. Da ſind z. B. 21 Blatt von Rehen und ebenſo— viele von Füchſen, wie herrlich kommt auf dem einen der neugierig-ſchüchterne Charakter des flüchtigen Wiederkäuers und auf dem anderen der genial-niederträchtige des liſtigen Räubers in den mannigfachſten Stellungen zum Ausdruck. Und nun gar die 31 Blatt vom Java-Affen! Wie er frißt und ſäuft, man ſieht ihn ordentlich vor Behagen ſchnalzen! Wie er ſich ärgert, wie er neugierig alles unterſucht — in ſeiner ewigen Beweglichkeit eine humoriſtiſche Kari— katur des Herrn der Schöpfung! Eine Anzahl anderer Aufnahmen aber bringen die in den für den Menſchen nicht mehr unterſcheidbaren kürzeſten Zeiträumen aufeinander folgenden Stellungen bei ein und derſelben Aktion; da find z. B. von einer jagenden Hunde— meute, welche in vollem Carrier einen breiten Graben nimmt, 24 einander unmittelbar folgende in 0,72 Se- kunden alle zuſammen aufgenommene Bilder! Ferner ähnliche Serien von Augenblicksbildern von Pferden in den verſchiedenſten Gangarten, von laufenden, ſpringenden, Steine und Lanzen werfenden nackten Männergeſtalten! Die Bedeutung aller dieſer Bilder iſt eine ſehr mannig— fache und ſehr große! — Welche Fülle von untrüglichem Material vermag ſich der phyſiologiſche Anatom mittels ſolcher Momentbilder zu ſammeln, um die Mechanik der Bewegungen von Menſch und Tier zu ſtudieren! Bei der Betrachtung fliegender Störche, ſpringender Menſchen und Pferde drängt ſich uns von ſelbſt die Ueberzeugung auf, daß vieles, was bis jetzt über die Bewegung der Tiere zwar mit vielem Scharfſinn unterſucht und veröffentlicht wurde, doch einer neuen und gründlichen Ueberarbeitung an der Hand der Momentaufnahmen bedarf. Dieſe neue Richtung in der Photographie kommt wahrlich zur rechten Stunde, denn, wenn nicht alle Zeichen trügen, kommt auch eine neue Richtung, welche für die nächſten Zeiten, wie die Mikroſkopie für die gegenwärtigen und letztvergangenen, der Anatomie, Zoologie und Entwickelungsgeſchichte die Signatur aufdrücken dürfte — die mechaniſche! Nicht minder wertvoll ſind dieſe Augenblicksbilder für den vergleichenden Pſychologen und Phyſiognomen; kein Künſtler der Erde iſt imſtande, das raſch wechſelnde, der Erregung des Augenblicks folgende Mienenſpiel eines Affen ſo genau zu fixieren, wie die photographiſche Platte. Er kann immer nur ein Durchſchnittsbild einander zwar raſch gefolgter, aber doch verſchiedener Arten des Geſichtsaus— drucks liefern, während hier feinſte Nuancen, die wir gar nicht bemerken, regiſtriert werden und wer weiß, ob nicht einmal verſtockte Verbrecher an der Hand des Augenblicks— apparats, der beim Verhör ihre leiſeſten und uns un— merklich raſch vorübergehenden Regungen bucht, überführt werden können. Wo fände ferner der Künſtler, der Bildhauer, der Maler eine wertvollere Sammlung von Studien? Die Landſchafter benutzen ſchon lange die Photographie als treue Gehilfin, auch dem Hiſtorien- und Tiermaler wird jetzt in ſolchen Augenblicksbildern eine reiche Fülle von Motiven und von unbedingt, bis in die kleinſte Muskelpartie hinein, naturgetreuen Stellungen, die kein Modell auch nur eine Sekunde aushält, geboten. Der Ausſtopfer, welcher die praktiſche Zoologie mit der Kunſt verbinden ſoll, wird durch Hilfsmittel, wie ſie ihm derartige Bilder gewähren, auf der in neuerer Zeit eingeſchlagenen Bahn der Taxidermie, nicht nur wie in früheren Zeiten unglaubliche Monſtra, Säcke auf 4 Stelzen, ſondern naturwahre Kunſtwerke zu liefern, immer erfolg— reicher weiter wandeln können. Für den Jäger, für den Mann des Pferdeſports, für den Geflügelliebhaber wird eine Sammlung ſolcher Photo— graphien ſeiner Lieblinge das wertvollſte Album werden; jeder gebildete Naturfreund wird ſich an dieſen Spiegel— bildern der Natur erquicken; und könnte man beſſere, be— lehrendere, das Auge mehr ſchärfende, künſtleriſch ſchönere Bilderbücher für die Jugend als aus ſolchen Blättern zu— ſammenſetzen? Und was für herrliche Objekte werden der— artige Suiten von Augenblicksbildern für die leider viel zu ſehr in Vergeſſenheit geratenen thaumatropiſchen Appa— rate abgeben!“) ) Eine Auswahl von Augenblicksbildern von allgemeinerem Intereſſ hat Anſchütz durch Lichtdruck vervielfältigt und zu einem Album vers einigt, welches des lebhafteſten Beifalls gewiß ſein darf. Die Blätter enthalten u. a. zum Angriff ſprengende Küraſſiere, feuernde Infanterie, tanzende Mädchen und Burſche, eine köſtliche Schafwäſche, zwei Bilder aus dem Familienleben der Störche, vier Pferdebilder, einen das Wild ſtellenden Hühnerhund, einen Affen auf dem Nacken ſeines Herrn, eine Katze vor dem Vogelkäfig zc. 220 Humboldt. — Juni 1887. Die großen Erfolge, welche Anſchütz gegenüber dem amerikaniſchen Photographen Muybridge, dem franzöſiſchen Phyſiologen Marey und dem Genfer Maler Lugardon, weſentlich gefördert durch die Unterſtützung des preußiſchen Kultusminiſters, errungen hat, verdankt er einer eigen⸗ tümlichen Technik. Während ſeine Vorgänger ſich be⸗ mühten, die einzelnen Teilbewegungen von Menſchen und Tieren in ihrer unmittelbaren Aufeinanderfolge mit einer einzigen Dunkelkammer aufzunehmen, ſtellte Anſchütz eben⸗ joviele Dunkelkammern auf, als er Einzelphaſen einer Be⸗ wegung bei Menſchen und Tieren aufnehmen wollte, wobei er gewöhnlich auf die hohe Zahl von 24 Aufnahmen einer Sprung⸗ oder Wurfbewegung ſtieg. Die Dunkelkammern ſtehen bei der Aufnahme miteinander in feſtem Zuſammen⸗ hang und ſind durch elektriſche Leitungen derartig ver⸗ bunden, daß die Aufnahmen in ſchnellſter Aufeinanderfolge und zugleich in genau gleichen, beſtimmten Zwiſchenräumen gemacht werden können, welches letztere durch eine Art von elektriſchem Taktmeſſer (Metronom) ermöglicht wird, der das Oeffnen und Schließen der Apparate bewirkt. Dieſe 24 Auf⸗ nahmen können ſämtlich innerhalb 0,72 Sekunden vollendet werden, ſo daß für jede Aufnahme 0,03 Sekunden entfallen, oder es können auch, je nach Beſchaffenheit der Bewegung, um deren Zergliederung es ſich handelt, längere Zwiſchen⸗ räume genommen werden, wobei ein Siemensſcher Funken⸗ chronograph genau die Zeit jeder Aufnahme verzeichnet. Ihre volle Bedeutung gewinnen derartige Reihen⸗ aufnahmen aber erſt durch ihre Wiedervereinigung zu einem lebenden Bilde, was mit Hilfe der ſtroboſko⸗ piſchen Scheibe vortrefflich gelingt. Anſchütz bewerkſtelligt dies in folgender Weiſe. Etwa 18 Momentaufnahmen (Glasdiapoſitive von 10 em Durchmeſſer) ſind in der Ordnung, in welcher die einzelnen Bewegungsmomente ſich von der erſten Unterbrechung der Ruhe bis zum momentanen Wiedereintritt derſelben folgen, auf der Peri⸗ pherie einer Scheibe befeſtigt, welche um eine horizontale Achſe mit großer Schnelligkeit gedreht werden kann. Senk⸗ recht über dem Mittelpunkt der vertikalen Scheibe iſt hinter derſelben eine ſpiralfederartig gewundene Geißlerſche Röhre angebracht, welche beim Vorübergang jedes einzelnen Bildes für die Dauer von 0,001 — 0,0005 Sekunden blitzartig aufleuchtet und ſogleich wieder in Dunkelheit ſinkt. In⸗ folge der Fortdauer des Lichteindruckes im Auge verbinden ſich die einzelnen Bewegungsmomente, die in Zeiträumen von 0,03 Sekunden aufeinanderfolgen, zu einem einzigen, zwar feſtſtehenden, aber bewegten und kontinuierlich be⸗ leuchteten Bilde, an dem ſich die Phaſen der Bewegung, da man jede beliebige Schnelligkeit anwenden kann, mit der größten Bequemlichkeit und Sorgfalt in einer Weiſe ſtudieren laſſen, wie es in der Wirklichkeit vollkommen unmöglich iſt. Bei den Vorführungen, die Anſchütz im Gebäude des Kultusminiſteriums in Berlin veranſtaltete, zeigte er be⸗ ſonders die verſchiedenen Gangarten des Pferdes mit Augenblicksbildern, die im königlichen Reitinſtitute zu Hannover aufgenommen worden waren. Man erblickte 3. B. in der Lichtſcheibe ein ſcharf gezeichnetes photographiſches Reiterbild, einen Soldaten, der im vollſten Galopp dahin⸗ zuſtürmen ſchien. Man verfolgte das ſichere Sichwiegen des wohlgeſchulten Reiters im Sattel, das wellenförmige Auf⸗ und Abſchreiten des Pferdeleibes, das wunderbar ge⸗ ſchmeidige Spiel der Beine, das Aufſchlagen der Hufe, das Aufwerfen des Sandes, das Fliegen der Mähne, das Peitſchen des Schweifes, die durch die Muskelarbeit er⸗ zeugte ſtetige Veränderung der Glanzlichter auf dem glatten ſpiegelnden Fell des Tieres, alles in allem ein Bild, als wenn wir einen draußen im vollen Galopp vorbeiſprengenden Reiter im vollem Leben mit der Platte der Dunkelkammer verfolgt hätten. Auf anderen Bildern von der gleichen Vollkommenheit ſah man den Reiter ſein Roß im Paradeſchritt oder im leichten Trabe vorführen; man ſah das letztere zierliche Pirouetten und Kapriolen ausführen; und mit unglaub⸗ lich langgeſtreckten Hinterbeinen zum Weit⸗ und Hoch⸗ ſprung vom Boden abſtoßen, frei in der Luft dahinſchweben und beim Niederkommen die geſamte ſchwere Laſt einen Augenblick auf einen Fuß ſtützen. Der Anblick dieſer völlig körperlich aus dem lichten Fond der weißen Glasplatte heraustretenden, im Karriere dahinjagenden, galoppierenden, trottenden, im ſpaniſchen Tritt kokett daherſtolzierenden Pferdebilder und der Reiter (tüchtige Kavalleriſten der Armee), die ſich dieſer Gangart der Tiere genau angemeſſen im Sattel halten, heben, wiegen, wird durch die Realität der Erſcheinung ein faſt unheimlicher. Um ſo mehr, als ſich das Pferd jeder Serie wohl lebendig in dem, durch dieſe veranſchaulichten Tritt, Lauf oder Sprung bewegt, aber dabei nicht vorwärts kommt, ſondern immer auf derſelben Stelle im Raum verharrt. Man ſieht es ſo, wie man es ſehen würde, wenn man in gleichem Tempo neben ihm mitliefe. Noch größere und allgemeinere Wirkungen dürfte man ſich von dem Apparat verſprechen, wenn es Anſchütz erſt gelungen ſein wird, die bewegten Glasbilder wie die einer Laterna magica in natürlicher Größe auf die Wand zu projizieren. Auch dieſe Aufgabe, die er ſich ſelbſt geſtellt hat, geht ihrer baldigen Löſung entgegen. Als den dem Apparat zu verleihenden Namen hat der Erfinder „Tachy⸗ ſkop“ d. h. „Schnellſeher“ vorgeſchlagen. Wie einſt durch die Erfindung des Mikroſkops, dann durch die des Stereo⸗ ſkops, fo wird durch die dieſes Tachyſkops für unſere Er⸗ kenntnis eine neue Welt erſchloſſen. Das erſtere eröffnete uns die des unendlich Kleinen; das zweite machte die Bilder der Wirklichkeit auf der Fläche zu Körpern und ver⸗ tiefte dieſe Fläche ſelbſt zu weiten Räumen; das letzte be⸗ freit die Bilder der lebendigen Dinge aus den Banden der ſtarren Unbeweglichkeit und gibt ihnen ſo das Leben zurück. Was durch das Tachyſkop für das Auge geſchieht, gleicht dem, was der Phonograph für unſer Ohr vollbringt. Dieſer fängt den Schall auf und fixiert ihn in ſtarren Zeichen auf dem Stanniolblatt. Dreht man dann aber eine Kurbel, welche die feine Nadel wieder alle von ihr ſelbſt gezogenen Runen nachzuziehen nötigt, ſo klingt aus der Mündung des Inſtruments treulich jeder Ton und Schall zurück, den es in ſich aufgenommen hatte. Das Tachyſkop empfing die Einzelbilder, in welchen ſich die Momente einer Bewegung fixiert haben. Man ſchließt den Strom, dreht die Kurbel — und dieſe Bewegung ſelbſt erſcheint wieder in urſprünglicher Lebendigkeit und Wirklichkeit und in dem Zeitmaß, das ſie hatte, vor unſeren erſtaunten Augen. — Humboldt. — Juni 1887. 221 Jortſchritte in den Laturwiſſenſchaften. hy pik. Profeffor Dr. Paul Reis in Mainz. Töplers Vorleſungsverſuche über Fortpflanzung und Reflexion der Luftwellen. Theorie der Rohrfldte. Aelteſte Beſtimmung der Schwingungszahl von az; neueſte Beſtimmungen und ihre Genauigkeit. Chriſtianis Abſorption des Schalles. Savarts Staubfiquren. Geſchwindigkeit des Sichtes und der Farben, von Mewcomb. Veränderung des Brechungsindex mit der Temperatur. Das Candolt⸗Gladſtoneſche Geſetz und ſeine Anwendung zum Erkennen der chemiſchen Vonſtitution durch ſeine Modifikationen. Sichtbrechungserſcheinungen im Waſſer und Tiefe des Lichteindringens. Fluorescenztheorie. der zwei Grundſätze der mechaniſchen Wärmetheorie. Thollons Atlas des Sonnenſpektrums und Müllers Wellenlängen von 300 Grundlinien. Die möglichen Arten von Kadiophonen; Widerlegung der jetzigen Erklärungen durch Herritſchs Verſuche. Neue Beſtätigung Beſtimmung des mechaniſchen Aequivalents durch elektriſche Arbeit. Analogie von Entſcheidung für fommels Schmelzpunkt, Schmelzwärme und ſpez. Wärme von Gemiſchen organiſcher Stoffe mit den Legierungen. Hieflings Dorfchriften zur Erhaltung der Influenzmaſchine; Erkennung von deren Polen. Natrium-Kohlen-Element gibt mehr als vier Volt; Primärbatterie für elektriſche Be— leuchtung; dafür auch Warrens Trockenſäule. Platinoid und Nickelin, Metalle von großem Widerſtand. Magnetiſierbares Gußeiſen. Diamagnetiſche Mörper in mittelſtarkem Magnetfelde permanent paramagnetiſch. Aus der Akuſtik find zu erwähnen Töplers Vor- leſungsverſuche über die Fortpflanzung und Reflexion der Luftwellen*). Er erzeugt dieſelben durch Zuſammendrücken eines Kautſchukſchlauches am ne fang einer 100 m langen Röhrenleitung, deren Ende ſich ebenfalls vor ihm befindet und wie der Anfang mit Flammenzeigern in Verbindung ſteht. Iſt das Ende zu— geſtopft, ſo zuckt die Endflamme nach ½ Sekunde, dann die Anfangsflamme nach ½ Sekunde u. ſ. w., womit die Ge⸗ ſchwindigkeitsverminderung des Schalles in Röhren, ſowie die Reflexion dargethan iſt. Wird der Endſtöpſel heraus— gezogen, ſo vermindert ſich die Zahl der Zuckungen auf die Hälfte, womit der Satz demonſtriert iſt, daß die Refle⸗ rionen an demſelben und an einem anderen Medium ſich um eine halbe Wellenlänge unterſcheiden. Dieſer Satz iſt von Wichtigkeit für die Lehre von der Interferenz. Als eine ſolche weiſt Gebert“) die Ab— ſorption des Schalles nach, welche Chriſtiani an einer ſingenden Flamme bemerkte, wenn er einem Röhren— ende ein uniſon geſtimmtes Diapaſon oder einen ge- ſchloſſenen Reſonator mit der Oeffnung näherte. Gebert benutzte ſtatt deſſen über die Flammenröhre gehaltene Röhren: waren letztere 1, 2, 3 .. . mal fo lang als erſtere ſo mußten ſie beiderſeits offen ſein, um den Ton erſticken zu können; waren fie aber 1'/2, 2½ ... mal jo lang, fo mußten ſie oben geſchloſſen ſein, womit die Interferenz nachgewieſen iſt. Tomlinſon ***) teilt mit, daß die Savartſchen Staubfiguren ſchon von Chladni beobachtet wurden. Er ſtudierte dieſelben mit den verſchiedenſten Pulverge- miſchen von neuem und gibt ſorgfältige Abbildungen. Mit Eiſenpulver erhielt er beide Arten von Figuren, die Staubfiguren aus den feinſten Teilchen an den Bäuchen, die Klangfiguren aus den groben Körnern an den Knoten- linien. Die Theorie der Rohrflöte, eines Orgelregiſters, iſt von Gerhardt +) (bei Oberbeck) aufgeſtellt worden, nach *) Wiedemanns Annalen 28. S. 447. **) Hans Gebert, Inauguraldiſſertation, Erlangen. ***) Proc. Roy. Soc. 38. S. 247. +) Wiedemanns Annalen 28. S. 281. der Theorie der Sondhaußſchen Kugelröhrchen von Bourget; er findet ſeine Theorie durch eingehende Verſuche befriedigend beſtätigt. Das in den Deckel einer gedeckten. Lippenpfeife eingeſetzte, beiderſeits offene Röhrchen, das jene zu einer Rohrflöte macht, erhöht den Ton der ge— deckten Pfeife, ohne jedoch die Tonhöhe einer gleichlangen offenen Pfeife zu erreichen. Die Tonerhöhung iſt um ſo ſtärker, je größer die Verhältniſſe des Querſchnitts und der Länge des Röhrchens zu denſelben Größen in der Pfeife ſind, ohne jedoch zu dieſen Verhältniſſen in einfacher Beziehung zu ſtehen. Die Theorie ergibt außerdem die Obertöne des Inſtruments nach Höhe und Stärke; ſie ſind jedoch keine harmoniſchen Obertöne, ſondern unharmoniſche Nebentöne, liegen weiter vom Grundtone entfernt als die Obertöne der offenen Pfeife, und ſind demſelben näher als bei der gedeckten Pfeife. So erklärt es ſich, warum der Ton der Rohrflöte eine hellere Klangfarbe hat als die gedeckte Pfeife, aber auch, daß der Ton bei ſtarkem An⸗ blaſen rauh und unharmoniſch wird, indem ſich dann zu den verſtärkten unharmoniſchen Nebentönen noch Rombi- nationstöne miſchen, ſowohl Differenztöne als Summa⸗ tionstöne. Die Theorie erklärt endlich auch, wie dieſem Mißſtande abgeholfen wird; ſie zeigt, daß die Obertöne um fo entfernter vom Grundtone liegen, alſo um fo ſchwächer find, je kleiner die erwähnten Querſchnitts⸗ und Längenverhältniſſe ſich geſtalten. Zwiſchen jenem „größer“ und dieſem „kleiner“ hatten ſchon die Orgelbauer des 16. Jahrhunderts aus Erfahrung die paſſende Mitte getroffen, um den „dumpfen Ton der Gedackten“ zu ver— meiden und den Klang doch ſchön zu erhalten. Nach einer Mitteilung von Govi*) hat Merſenne nicht bloß zuerſt den Grund der Tonhöhe in der Schwingungs— zahl erkannt, ſondern auch ſchon die Schwingungszahl des damaligen eingeſtrichenen a (aß) gleich 773 ein— fachen Schwingungen angegeben. Dieſe tiefe Stimmung ſcheint 100 Jahre angehalten zu haben, da z. B. Gluck ſeinem Oreſt, einem Bariton, das a, vorſchreibt; nachher ſtieg die Stimmung bis in die Mitte unſeres Jahrhunderts bis auf ay = 900 und mehr, und iſt noch nicht allgemein *) Rend, Acc. di Napoli. 25. S. 106. 222 auf den von der Wiener akuſtiſchen Konferenz (1885) an⸗ genommenen internationalen Normalſtimmton (al = 870) zurückgegangen. Wild?) hat mit der ruſſiſchen Normal⸗ ſtimmgabel aus vergoldetem Stahl eine neue Verifikation vorgenommen; von fünf Methoden gab Königs Stimm⸗ gabeluhr die genaueſten Reſultate, a, = 870,375 mit einem möglichen Fehler von 0,117, alſo eine Genauigkeit von 0,1 Schwingung; v. Lang?) erreicht mit Anwendung des Hippſchen Ehronoſkops eine Genauigkeit von 0,01 Schwin⸗ gung, erklärt aber die ſtroboſkopiſche Methode für noch genauer. Das Ideal des Schwingungenzählens iſt jedoch erſt erreicht, wenn jeder Muſiker mit einfachen Apparaten die ganzen Schwingungen jedes beliebigen Tones leicht beſtimmen kann, wofür ſelbſt die Sirene nicht genügt. In der Optik ſind die Verſuche über die genaue Geſchwindigkeit des Sonnenlichtes durch New⸗ comb * ax) fortgeſetzt worden; er benutzte die Foucaultſche Methode des rotierenden Spiegels, wie Michelſen mit 250 Rotationen in 1 Sekunde. Das durch ein Fernrohr mit Spalt und Faden parallel gemachte Strahlenbündel ging über den rotierenden Stahlſpiegel zu einem 4000 m entfernten, ſehr ſchwach konkaven Spiegel und zurück; dann geſchah dasſelbe bei entgegengeſetzten Rotationen. Der ſehr genau meßbare Winkel, den die zwei Fernrohrſtellungen einſchloſſen, gab das Mittel für das genaue Reſultat 299 860 km, das dem von Michelſen 299 853 ſehr nahe kommt; dieſer wiederholte ſeine Verſuche und fand aber⸗ mals dasſelbe Reſultat. — Young und Forbes hatten bei ihren Verſuchen zu finden geglaubt, daß die Geſchwindig⸗ keiten des roten und des blauen Lichtes der Theorie zu⸗ wider ſich um 2% unterſcheiden. Neweomb erklärt dem gegenüber, daß er an ſeinem Spaltbilde rote und blaue Ränder hätte wahrnehmen müſſen, wenn in der Geſchwin⸗ digkeit dieſer Farben ein Unterſchied von nur 0,1% be⸗ ſtände. — Michelſen gab bei ſeinen Reſultaten auch an, daß die Geſchwindigkeit des Lichtes im Waſſer 1,33 mal kleiner ſei als in Luft, was mit Foucault ſtimmt, und in Schwefelkohlenſtoff 1,77 mal kleiner; dieſe Zahl gelte jedoch für weißes Licht, während er für mittleres Gelb die Zahl 1,64 gibt. Newcomb erklärt nun dieſen naturgeſetzlichen Unterſchied für zu groß; er dürfe beim Schwefelkohlenſtoff zwiſchen rotem und blauem Lichte nur 1,014 betragen. Die große Angabe von Michelſen rühre nach Raleigh davon her, daß eine Wellengruppe ein anderes Reſultat ergeben müſſe, als eine einzelne Wellenlänge. Die Veränderung des Brechungsindex mit der Temperatur tft von Müller ef) im Potsdamer aſtrophyſi⸗ kaliſchen Obſervatorium für die verſchiedenen Glasſorten und beſtimmte Fraunhoferſche Linien unterſucht worden. Während die meiſten Körper eine Abnahme des Brechungs⸗ index bei ſteigender Temperatur zeigen, gibt Müller für ein Flintglasprisma und die Linie B den Index 1,643776 + 0,000004t, konſtatiert alſo eine ſtarke Zu⸗ nahme, die bei den höheren Linien im Violett faſt doppelt fo groß iſt als im Rot; das Crownglas dagegen hat für die niederen Linien ſogar eine Abnahme und erſt für die *) Bull. de l’Ac. de St. Pétersb. 30. S. 132. ) Wiedemanns Annalen 27. S. 459. ) Astron. Papers for Nautical Alm. 1885. S. 112. +) Publ. d. aſtr.⸗phyſ. Inſt. 4. S. 151. Humboldt. — Juni 1887. höchſten eine ſehr ſchwache Zunahme. Auch der doppelt⸗ brechende Kalkſpat hat eine Zunahme, ſowie nach Dujfet*) der doppeltbrechende Beryll; während jedoch nach F. Vogel ſich die beiden Strahlen im Kalkſpat bei höherer Tem⸗ peratur einander nähern, alſo die Doppelbrechung ver⸗ mindern, findet nach Dufet beim Beryll das Gegenteil ſtatt. Der ebenfalls doppeltbrechende Bergkryſtall bildet zu den beiden genannten den Gegenſatz, eine ſtarke Abnahme des Index zu haben, die nach Müller beim außerordent⸗ lichen Strahl noch größer tft als beim ordentlichen. Dufet hatte die Abnahme beim Quarz ſchon früher gefunden, die genaueren Zahlen aber erſt ſpäter gegeben; gleichzeitig veröffentlichte er ſeine genauen Meſſungen über das Waſſer: während bei 0° der Index 1,33397 beträgt, ijt er bei 50° nur = 1, 32896, hat alſo um fünf Tauſendſtel abgenommen; anfänglich iſt die Abnahme gering, wächſt aber ſehr ſtark, fo daß fie bei 50° das Zwölffache von der bei O° beträgt. — Die fruchtbarſte Kombination des Brechungsex⸗ ponenten, die Molekularrefraktion, welche über die chemiſche Konſtitution Aufſchluß geben ſoll, beſitzt dieſe Be⸗ fähigung durch die Geltung des Landolt⸗-Gladſtoneſchen Geſetzes für einfache chemiſche Verbindungen, und durch ganz beſtimmte Modifikationen für komplizierte Verbin⸗ dungen. Zwar ſpricht Dufet**) in ſeiner neueſten Ar⸗ beit ſich gegen das Geſetz aus, da er Aenderungen des Molekularindex mit der Temperatur wahrzunehmen glaubt; jedoch beſtimmte Gladſtones Bruder ) lange nach dieſem Ausſpruch die Atomrefraktion des Fluors aus den Indices von Kryolith, Flußſpat und Fluorkalium, und fand für ſie den kleinſten Wert unter allen Elementen, nämlich 0,3, während z. B. für Sauerſtoff 3, für Chlor 10 gilt. Naſini und Scala +) beſtimmten noch ſpäter die Refrak⸗ tion von zahlreichen Schwefelverbindungen, erkannten ſie meiſt als übereinſtimmend mit dem Geſetze, jedoch auch mit der von E. Wiedemann und Naſini gefundenen Modi⸗ fikation, daß die Atomrefraktion des Schwefels (16) be⸗ trächtlich anſteigt, wenn in einer Verbindung eine größere Anzahl von Schwefelatomen zuſammentrete, analog der Brühlſchen Modifikation, daß die Atomrefraktion des Kohlen⸗ ſtoffes (5) um 2 größer wird, wenn einfach gebundene Kohlenſtoffatome doppelte Bindung erfahren. — Chapuis und Riviere ft) haben den Brechungsexponenten der Luft bei höherem Druck bis zu 19 at unterſucht und ſein Wachſen mit dem Druck mathematiſch ausgedrückt. Da nach Reg⸗ nault und van der Waals die Dichte der Luft in analoger Weiſe mit dem Drucke ſteigt, ſo iſt nicht bloß die ſpeci⸗ fiſche brechende Kraft, ſondern auch das ſpecifiſche Brechungs⸗ vermögen der Luft konſtant. Von Lichtbrechungserſcheinungen im Waſſer iſt bekannt, daß ein untergetauchter Körper bei ſchiefem Be⸗ trachten eine horizontale und eine vertikale Verſchiebung nach oben zeigt, die beide auch berechnet find. Forel ) berechnet nun auch die ſcheinbare Vergrößerung des in Waſſer getauchten Körpers durch die Lichtbrechung; da *) Journ. de phys. (2) 4. S. 389. **) Séanc. Soc. Phys. 1885. S. 132. % Phyl. Mag. (5) 20. S. 481. +) Rend. della R. Acc. dei Lincei (4) 2. S. 617 und 623. +1) Comptes Rendus 102. 1461. +++) Archives de Genéve (3) 16. S. 75. Humboldt. — Juni 1887. 223 jedoch die ſcheinbare Vergrößerung bedeutender iſt als die berechnete, ſo hält er noch eine zweite Urſache für mit— wirkend, nämlich eine optiſche Täuſchung, die durch die Trübung des Waſſers die Umriſſe des Körpers verſchwom— men erſcheinen läßt, wodurch er bei gleicher Größe ent- fernter und bei gleicher Entfernung größer ausſieht. — Bis zu welcher Tiefe das Tageslicht in Meere und Seen eindringt, haben Fol und Sarafin*) mitlelft Bromſilber⸗Gelatine-Trockenplatten unterſucht. Eine ſolche Platte wurde ſo ſtark angegriffen, wie in klarer, mond— ſcheinloſer Nacht 5 Minuten dem Sternenlichte exponiert, in einer Tiefe des Mittelmeeres von 400 m zur Mittagszeit, 360 m um 8 Uhr morgens, 300 m kurz nach Sonnen- untergang, im Genferſee in einer Tiefe von 200 m. In den Ruhm, Großthaten der Spektroſkopie vollbracht zu haben, teilen ſich diesmal Frankreich und Deutſchland. Thollons““) Atlas des Sonnenſpektrums, eine vierjährige Arbeit auf dem Obſervatorium zu Nizza, umfaßt zwar nur das erſte Drittel bis b, wird jedoch in gleicher Art von Trepied fortgeſetzt. Es ſind 32 Tafeln von zu— ſammen 10 m Länge, die eine ſo ſtarke Vergrößerung des Spektrums enthalten, daß z. B. der Abſtand der beiden D-Linien 32 mm beträgt. Sie entſcheiden wohl auch eine offene Frage, nämlich die über die Luftlinien, indem vier nach Zeit und Ort verſchiedene Sonnenſpektra vergleichbar dargeſtellt ſind: das erſte bei 10° Sonnenhöhe und ſchwach feuchter Luft, das zweite bei 30“% und ſtark feuchter Luft, das dritte bei 30° und ſtark trockener Luft, das letzte nur mit ſolaren Linien. Hierdurch ſoll auch nach— gewieſen ſein, daß A und B Luftlinien find, vom Sauer- ſtoff und Waſſerdampf der Luft herrühren, was Egoroff ſchon jahrelang behauptet. Bedauerlich iſt nur, daß die Linien nicht mit Wellenlängen angegeben ſind; es fehlte eben vor ſechs Jahren, als die rieſige Arbeit begonnen wurde, an einer Grundlage der Wellenlängen, da die elf Ang— ſtröm'ſchen Fundamentallinien nicht genügende Genauigkeit boten, während jetzt durch die großartige deutſche Leiſtung dieſe Grundlage beſteht. Müller und Kempf ***) haben auf der Potsdamer Sonnenwarte die Wellenlängen von 300 Fundamentallinien aus Gittermeſſungen, alſo frei von prismatiſchen Ungenauigkeiten, abſolut genau be- ſtimmt. Die von H. C. Vogel vor einigen Jahren auf die Angſtrömſchen Grundlinien geſtützten Meſſungsreſul⸗ tate wurden auf die neuen Grundlagen umgerechnet; das wird auch von dem Thollonſchen Atlas wohl bald ſtatt— finden. In der Lehre von der Fluorescenz iſt die Geltung der Stokesſchen Regel von der Erniedrigung der Schwin— gungszahl oder der Brechbarkeit von Lommel ſtets beſtritten, von Hagenbach dagegen behauptet worden. Nach neuen Ver— ſuchen, die Stenger +) in Gegenwart des letzteren anſtellte, iſt nun entſchieden, daß man „dem Stokesſchen Geſetze für eine Reihe von Körpern die Gültigkeit abſprechen muß.“ Am ſtärkſten ſind die Abweichungen bei Eoſin und Fluo⸗ rescein, ſchwächer bei Magdalarot, wo Lommel zuerſt auch Erhöhung der Brechbarkeit wahrgenommen hatte. Jedoch ) Comptes Rendus 100, S. 991. ) Bull. Astron. 3. S. 330. “**) Publ. d. aſtr.⸗phyſ. Obj. z. Potsd. 5. S. 281. +) Wiedemanns Annalen 28. S. 201. beſtreitet Stenger auch den Satz Lommels, daß jeder er— regungsfähige Strahl das ganze Fluorescenzſpektrum Her- vorrufe, ſetzt vielmehr an die Stelle desſelben folgenden Satz: „Mit wachſender Abſorptionsfähigkeit der erregen— den Strahlen ändert ſich die Farbenmiſchung des Fluores⸗ cenzlichtes derart, daß deſſen ſtärker abſorbierbare Teile einen verhältnismäßig größeren Anteil an ſeiner Zu⸗ ſammenſetzung gewinnen.“ Hiermit erkennt indeſſen Sten⸗ ger die Grundlage der Lommelſchen Theorie, die Abſorp— tion, als richtig an, ja er bringt ſogar im Anſchluſſe an eine Forſchung Kundts einen neuen Parallelismus zu Tage über Fluorescenz und Abſorption. „Wenn derſelbe Farb— ſtoff in verſchiedenen Löſungen Fluorescenz zeigt, ſo ſind die Maxima im Fluorescenzſpektrum wie auch im Abjorp- tionsſpektrum innerhalb gewiſſer Grenzen variabel, und zwar rücken ſie im allgemeinen um ſo weiter nach dem weniger brechbaren Ende, je größer das Brechungs- reſp. Diſperſionsvermögen des Löſungsmittels iſt.“ Wir gedenken an dieſer Stelle der Radiophonie, die zwiſchen Schall, Licht und Wärme mitten inne ſteht. Mercadier *) teilt die Radiophone in zwei Klaſſen: 1) Direkte Radiophone, in welchen die Energie der Strahlung ſich direkt in die mechaniſche Energie des Tönens umſetzt. Hier ſind drei Arten möglich: Thermophone, in welchen intermittierende Wärmeſtrahlung eingeſchloſſene Gaſe und Dämpfe zum Tönen bringt; Photophone, in welchen Jod— dampf oder Unterſalpeterſäure durch Lichtabſorption er— tönen; Aktinophone, in welchen ultraviolette Strahlen wirkſam ſein ſollten, ſind noch nicht erfunden. 2) Indirekte Radiophone, in welchen, wie im urſprünglichen Bellſchen Photophon durch Ruß, die Umwandlung eines Zwiſchen— ſtoffes bedarf. Solcher indirekten Radiophone hat Merca- dier mehrere neue konſtruiert. Das eine iſt ein gewöhnliches Mikrophon, bei dem die Träger des Kohlenſtäbchens an einer Platte aus lackiertem Tannenholz befeſtigt ſind und das mit einem Telephon in den Stromkreis eines Ele— mentes eingeſchaltet iſt; bei intermittierender Beſtrahlung der Platte hört man im Telephon die Töne. Das andere Radiophon beſteht aus zwei miteinander verbundenen Telephonen; mit dem einen hört man den Ton, wenn die Platte des anderen intermittierend belichtet wird. — Bells Erklärung der Radiophone zweiter Art, die in dem Ruß abſorbierte Luft werde bei der unterbrochenen Beſtrahlung abwechſelnd ausgetrieben und wieder eingeſchluckt, bringe alſo auf der Oberfläche abwechſelnde Verdichtung und Ver⸗ dünnung der Luft, eine Luftwelle, hervor, wird von Her- ritſch“*) durch mehrere Verſuche widerlegt; er ſetzte eine glühende Kohlenplatte der intermittierenden Belichtung aus und hörte doch den radiophoniſchen Ton, obwohl die glühende Platte keine abſorbierte Luft enthält; ja der Ton wurde bei der Abkühlung ſchwächer, während er nach Bells Theorie ſtärker werden müßte; ſogar in der elektriſchen Glut des Lichtbogens (5000) war der Ton noch hörbar. Auch an der Erklärung der Thermophonie durch Röntgen und Tyndall, die Gas- und Dampftöne entſtänden durch intermittierende Abſorption der Wärmeſtrahlen, wurde Herritſch zweifelhaft, als es ihm gelang, durch unterbrochene ) Comptes Rendus 101. S. 944. **) Wiedemanns Annalen 29. S. 665. 224 Humboldt. — Juni 1887. Sonnenbeſtrahlung die Flammen von Kerzen und Petro⸗ leumlampen zum Tönen zu bringen, während die ſchwach leuchtende Spiritusflamme nur ſehr ſchwach tönte und die nicht glühenden Flammengaſe keine Spur von Ton er⸗ gaben. Zur Wärmetheorie übergehend begegnen wir Ex⸗ perimenten, welche die beiden Grundſätze der mechaniſchen Theorie beſtätigen. Creelman und Crocket !) ſetzten feſte und flüſſige Körper plötzlichen Druck⸗ änderungen bis zu 450 at aus; bei den Druckzunahmen erfolgten proportionale Temperaturzunahmen, womit die Aequivalenz von Wärme und Arbeit bewieſen iſt. Bei den Druckabnahmen fanden natürlich Temperaturabnahmen ſtatt, jedoch iſt die Abkühlung bei nachlaſſendem Druck größer als die Erwärmung bei ſteigendem Druck; bei Waſſer ſtanden die beiden Temperaturänderungen im Mittel aus vielen Experimenten im Verhältnis wie 14: 13, was dem Satze von der Aequivalenz der Verwandlungen ent⸗ ſpricht. Die poſitive Verwandlung von Arbeit in Wärme geſchieht von ſelbſt und daher vollſtändig; die negative Verwandlung von Wärme in Arbeit geſchieht aber nicht von ſelbſt, man braucht eine Dampfmaſchine, eine kalo⸗ riſche oder Gasmaſchine, oder es wird ein Teil der Wärme fortgeführt wie in den angeführten Experimenten, es findet außer der negativen Verwandlung noch eine poſitive ſtatt. Es beſtätigt ſich alſo auch hier der Satz, daß die Summe der poſitiven Verwandlungen immer größer wird; die Entropie des Weltalls ſtrebt einem Maximum zu. Eine hochintereſſante Beſtimmung des mechaniſchen Wärmeäquivalents von G. A. Webfter**) beruht auf dem Satze, daß die Arbeit eines elektriſchen Stromes ge⸗ meſſen wird durch das Produkt der Elektricitätsmenge mit der Potentialdifferenz; dieſe Arbeit wird hier in Erwär⸗ mung eines Stahlbandes verwandelt, muß alſo gleich dem Produkt dieſer Wärmemenge mit dem mechaniſchen Aequi⸗ valent ſein, woraus letzteres zu berechnen tft. Ueber Schmelzpunkt, Schmelzwärme und ſpeeci⸗ fiſche Wärme von Gemiſchen nicht metalliſcher Subſtanzen hat Battelli zuerſt mit Palazzo“) und dann mit Martinetti f) gearbeitet. Sie fanden, daß viele jener Miſchungen zwei Schmelzpunkte haben, von denen der eine mit der Zuſammenſetzung ſich ändert, der andere, gewöhn⸗ lich der niedrigere, konſtant bleibt. Wird z. B. eine ge⸗ ſchmolzene Miſchung von 1 Teil Naphthalin, deſſen Schmelz⸗ punkt 79° beträgt, und ½ Teil Paraffin (Schmelzpunkt 52°) abgekühlt, ſo ſieht man an einem eingetauchten Thermometer bei 72“ die Temperatur längere Zeit konſtant bleiben, während die Flüſſigkeit ihre Leichtflüſſigkeit und Durch⸗ ſichtigkeit verliert; bei weiterer Abkühlung erſtarrt die Miſchung erſt bei 45°. Die beiden Schmelzpunkte rücken einander um ſo näher, je weniger von dem ſchwer ſchmelz⸗ baren Beſtandteil vorhanden iſt, und fallen bei einem ge⸗ wiſſen Mengenverhältnis ganz zuſammen, z. B. hier bei dem Verhältnis 1:3. Rudberg hatte dieſe Erſcheinung ſchon für Legierungen gefunden, E. Wiedemann gab die Erklärung, daß der Ueberſchuß des ſchwerer ſchmelzbaren *) Proceed. Roy. Soe. Edinb. 13. S. 311. **) Proc. Amerian Soc. ) Atti d. R. Acc. di Torino 19 und 20. }) A. d. R. A. dei Lincei (4) 1. S. 621. Stoffes in der Legierung mit niedrigem Schmelzpunkt ge⸗ löſt ſei, und bei allmählicher Abkühlung ſich aus dieſer aus⸗ ſcheide und zwar von dem höheren Schmelzpunkte an; die beiden italieniſchen Forſcher ſchloſſen ſich nach manchen Verſuchen über ihre nichtmetalliſchen Miſchungen dieſer Erklärung an. Sie unterſuchten nun, ob die Analogie mit den Legierungen noch weiter gehe. Regnault hatte für die ſpecifiſche Wärme der Legierungen nachgewieſen, daß fie gleich dem Mittel der ſpecifiſchen Wärme der Be⸗ ſtandteile ſei, alſo nach der erweiterten Regel Richmanns berechnet werden könne. Battelli und Martinetti beſtimmten nun die ſpeeifiſchen Wärmen von zahlreichen Gemiſchen ihrer organiſchen Stoffe ſowohl durch Berechnung nach Rich⸗ manns Regel als auch durch Verſuche, und fanden befrie⸗ digende Uebereinſtimmung. In ähnlicher Weiſe verfuhren ſie mit den Schmelzwärmen; hier zeigte ſich jedoch keine Uebereinſtimmung; die gemeſſene, alſo die wahre Schmelz⸗ wärme war immer kleiner als die berechnete, worin eben⸗ falls eine Analogie mit den Legierungen liegt, da Spring und Mazotto für dieſe ſchon längſt den gleichen Satz ge⸗ funden haben. Elektrieität und Magnetismus. Wenn die Hauptquelle großer Mengen von Reibungselektrieität, die Holtzſche Influenzmaſchine ſich unwirk⸗ fam erweiſt, fo iſt nach Kießling“) die Urſache in einer Staubſchicht auf den beiden Scheiben zu ſuchen. Man begnügte ſich bisher, nur die rotierende Scheibe abzuwaſchen; es iſt aber klar, daß der Staub der feſten Scheibe wie Saugſpitzen auf die rotierende entladend einwirkt; beide Scheiben müſſen daher mit einem feuchten, etwas mit Seife eingeriebenen Schwamm, mit ſorgſamer Schonung der Kuchen, abgewaſchen werden. Nachher ſind die Scheiben ſorgfältigſt durch Erwärmen zu trocknen, am einfachſten mit zwei vorher erwärmten Eiſenblechſcheiben, die durch Holzklötzchen im richtigen Abſtand gehalten werden. Beim Gebrauche iſt dafür zu ſorgen, daß die beiden Kuchen 5 bis 8° wärmer ſind als die umgebende Luft, und daß die rotierende Scheibe nicht feucht wird, was durch Er⸗ wärmen mit der Antolikſchen Lampe, aber auch einer Petroleumlampe mit großem Brenner erreicht wird. Die Hartgummiträger müſſen von Zeit zu Zeit zur Herſtellung der Iſolation mit einem Brei von Schlemmkreide und Steinöl poliert werden. — Während der Arbeit wechſelt manchmal die Polarität der Elektroden; zur Erkennung der Anode s) läßt man die Flaſchen beiſeite und bringt die Elektroden in eine Entfernung von 1 em; an der Anode iſt dann eine 1—2 mm lange leuchtende Stelle, welche ſich ſelbſt bei Tage von dem violetten Licht der Funken deutlich abhebt. — Eine ſtarke Quelle von Rei⸗ bungselektricität wird die Zukunft vielleicht an der flüſ⸗ ſigen Kohlenſäure haben, da F. Kohlraujd***) bei ſeinen Verſuchen über feſte und flüſſige Kohlenſäure auffällige elektriſche Entladungen wahrnahm, wenn letztere aus einer eiſernen Büchſe ausſtrömte. Die Konſtruktion ſtärkerer und länger wirkſamer galvaniſcher Elemente behält fortdauerndes Intereſſe. Für die Vergrößerung der Stärke liegt der Gedanke ſehr ) Zeitſchr. z. Ford. d. phyſ. Unterrichts 2. S. 160. ) Schwanda, Med. Jahrb. d. Aerzte in Wien. 1886. **) Med. Würzb. Geſ. 1886. S. 16. Humboldt. — Juni 1887. 225 nahe, ftatt des Zinks ein ſtärker poſitives Metall zu nehmen. Damien?) hatte ſchon 1885 nachgewieſen, daß die Kette Kupfer — Zink in den Sulfaten von Kalium, Natrium, Magneſium und Aluminium ſtärker ſei als in anderen Löſungen. Corminas “) machte den kühnen Griff, Natrium mit Kohle oder Platin zu kom— binieren. In einer Thonzelle befindet ſich die Kohlenplatte, gegen die äußere Wand der Zelle iſt durch Kautſchuk— bänder ein Natriumprisma angelehnt, das um einen Kupferdraht herumgepreßt iſt. Ein Heber mit kapillaren Enden verbreitet etwas oberhalb des Natriums ein wenig Flüſſigkeit auf der Thonzelle. Die elektromotoriſche Kraft iſt enorm groß und verſchieden je nach der Flüſſigkeit. Während ſelbſt bei den beſten Ketten dieſe Kraft zwiſchen 1 und 2 Volt ſchwankt und auch bei dem jüngſt ſo viel geprieſenen Dunſchen Kali-Element nur 1,6 Volt beträgt, iſt die niedrigſte Kraft der Natriumkohlenkette bei Fül— lung mit Natriumlöſung ſchon 3 Volt, ſteigt bei Säuren⸗ und Salzlöſungen, erreicht bei Kaliumpermanganat 4 und bei einer Miſchung desſelben mit Schwefelſäure ſogar 4,5 Volt. Das Steigen des Natriumbedarfes wird zu einer Verbeſſerung der fabrikmäßigen Darſtellung führen, dadurch den Preis des Metalls erniedrigen und dem neuen Ele— ment bei praktiſcher Einrichtung eine Zukunft ſchaffen. — Eine ſtarke Kette iſt auch die Primärbatterie von Woodehouſe und Rawjon***). In einem Gefäß aus glajiertem Thon ſteht die poröſe Thonzelle mit Zink in Waſſer; der Raum außerhalb der Zelle iſt mit geſtoßener Retortenkohle gefüllt, aus der eine Kohlenplatte hervor— ragt; während des Gebrauchs geht ein Chlorſtrom hindurch. Die elektromotoriſche Kraft beträgt 2,1 V., der Widerſtand 0,2 Ohm; die Kette ſoll für elektriſche Beleuchtung vor— trefflich ſein. Für den Zimmergebrauch iſt ſie des Chlors wegen ungeeignet; dafür paſſen die Trockenſäulen, von denen Warren de la Rue et) eine neue Konſtruktion gibt. Auf eine glaſierte Thonplatte iſt ein Silberblech gelegt, darauf trockenes Chlorſilber, dann eine Schicht von Agar-Agar mit Salmiaklöſung getränkt, bedeckt von einer Zinkplatte. Einige dieſer Ketten aufeinander gelegt, ſollen für eine Glühlichtlampe genügen. Bei allen Anwendungen des Galvanismus müſſen zur Regulierung der Batterie veränderliche Widerſtände benutzt werden, wozu man bisher Neuſilberdraht im Reoſtat gebrauchte, da dies Metall den ziemlich großen Widerſtand von 0,267 Ohm bietet, wenn der des Queckſilbers 0,9434 beträgt. Billige Drähte von größerem Widerſtand ſind ſehr willkommen, beſonders wenn ſich der Widerſtand wenig mit der Temperatur ändert. Schon im Anfang des vorigen Jahres wurde das Platinoid von Bottomley +7) bekannt, eine Legierung von Nickel, Zink, Kupfer und Wolfram, deren Widerſtand 1,5 mal jo groß als der des Neuſilbers iſt und ſich für 1° nur um 0,02% ändert, während das Neuſilber den doppelten Koeffieienten hat. Später trat ) Ann. de Ch. et de Ph. (6) 5. S. 289. ) Centr. f. Elektrotechnik. 7. S. 491. ***) Centr. f. Elektrotechnik. 4. S. 473. +) L’Ingénieur électricien 1. S. 137. +4) Elettr. Zeitſchr. 6. S. 442. Humboldt 1887. Uppenborn*) mit dem noch beſſeren Nickelin auf, deſſen Widerſtand 0,4117 Ohm beträgt und ſich für 1° nur um 0,000 28 % ändert; dieſer vortreffliche Draht wird in Geitners Argentanfabrik in Auerhammer gefertigt und kann von der Firma H. Kirchhof in Berlin bezogen werden. Wie es nicht magnetiſierbaren Stahl gibt (mit 15% Mangan), ſo gibt es umgekehrt magnetiſierbares Gußeiſen, allerdings nicht das gewöhnliche, glasharte und ſpröde, ſondern ein weiches, ſchmiedbares Gußeiſen. Ober— mayer“) wählte die Ringform ſeiner Verſuchsſtücke, wohl weil Ringmagnete heutzutage am meiſten Verwen— dung haben; dieſelben wurden mit Spiralen umwunden, durch welche er einen Strom leitete. Es ergab ſich, daß ein Ring von 559 f Gewicht temporär eine Magneti— ſierungszahl, eine magnetiſche Kapacität von 50 annahm, während allerdings die vom beſten Schmiedeeiſen mehr als ſiebenmal ſo groß iſt; dafür nimmt das letztere keinen permanenten Magnetismus an, während der des Gußeiſen— ringes nur von 50 auf 37 herabging. In demſelben Verhältniſſe änderte ſich auch das magnetiſche Moment; wo alſo das Eiſen am leichteſten magnetiſierbar iſt, bleibt auch der größte Teil des temporären Moments als rema- nentes Moment zurück. Ein anderer Ring wurde nachge— ſchmiedet und dann magnetiſiert; es ergab ſich dasſelbe Verhältnis der temporären und remanenten Magnetiſierungs— zahlen und magnetiſchen Momente; das Schmieden hat alſo weder einen nützlichen noch einen ſchädlichen Einfluß auf die Magnetiſierbarkeit. Lodge ***) hat die überraſchende Entdeckung gemacht, daß ein diamagnetiſcher Körper an einer ſchwachen Stelle eines Magnetfeldes diamagnetiſch erſcheint, an eine ſtärkere Stelle gebracht Paramagnetismus zeigt, und an einer ſehr ſtarken Stelle ſchließlich wieder Diamagnetismus, ſowie daß alle drei Erſcheinungen einen reſiduellen Cha— rakter haben. Ewing ec) gibt dafür folgende, jedoch von Lodge beſtrittene Erklärung: An der ſchwachen Stelle des Feldes reicht die magnetiſche Kraft nicht aus, die Mole— küle zu drehen, weil dieſe hierbei eine ſtarke Reibung er— fahren; es findet daher hier nur eine ſchwache diamagnetiſche Influenz ſtatt, durch welche bekanntlich das einem Magnet— pol genäherte Ende eines Körpers nicht einen ungleich— namigen, ſondern einen gleichnamigen Pol erhält und da— durch Abſtoßung erfährt; es ſoll dies eine Wirkung der Induktion ſein, die ja beim Annähern eines Magnets entgegengeſetzte Ströme erzeugt, die bekanntlich einander abſtoßen. Bei ſtärkeren Kräften werden die Moleküle ge— dreht und behalten bei Aufhebung der Kräfte ihre Stellung; die Subſtanz erſcheint permanent paramagnetiſch. Sind endlich die Moleküle bei ſehr ſtarken Kräften axial gerichtet, ſo werden die in ihnen induzierten diamagnetiſchen Ströme das ſichtbare magnetiſche Moment verringern, bis zuletzt die Subſtanz wieder diamagnetiſch erſcheint. Die ſchwache Stelle dieſer Erklärung liegt darin, daß die Induktions— ſtröme nur momentan ſind, während der Diamagnetismus dauernd iſt. ) Centr, f. Elektrotechnik 8. S. 272. ) Nature 33. S. 484. ***) Nature 33. S. 512. +) Gentr. f. Elettrotechnik. 7. S. 564. 29 226 Humboldt. — Juni 1887. Anthropologie. Von Dr. M. Alsberg in Haffel. Anthropologie der Hand und des Fußes. Iſt der Zeigefinger oder der Mittelfinger der zweitlängſte Finger? Das Prominieren der zweiten Zehe bei antiken Skulpturwerken. Iſt die Lange und Abſtellbarkeit der großen Sehe ein Merkmal „primitiver Bildung“? Einfluß des Schuh⸗ werks auf die Geſtaltung des Fußes. Verkümmerte Zehen an den Statuen griechiſcher Götter. Form der Wirbelſäule beim Menſchen und bei den Affen. Anthropologiſche Meſſungen in Baden. Die badiſche Bevölkerung durchſchnittlich 4 bis 5 em kleiner als die Bevölkerung Bayerns. Unter den Großen mehr Blonde, unter den Kleinen mehr Brünette. Retention, Heterotropie und Ueberzahl von Hähnen. Die Emboli nur zum Geil ataviſtiſche Erſcheinungen. Deformierung des Gebiſſes bei den Negern des unteren Congogebiets. Der diluviale Menſch in mähren. Die unweit Nancy aufgefundenen vorgeſchichtlichen Siegelmafjen (Briquetagen). Die Steinzeit der Inſel Rügen. Sweierlei Kategorien von Steingerät. Aſſpriſche Keilinſchrift, welche das hohe Alter der Bernſteinfiſcherei bezeugt. Dem Oderthal folgende vorgeſchicht⸗ liche Handelsſtraße. Beweiſe für vorgeſchichtlichen Handelsverkehr zwiſchen dem nordöſtlichen Deutſchland und den jenſeits des Kaſpiſchen Meeres gelegenen Gebieten, den Küſten des Schwarzen Meeres u. ſ. w. Bauart der Häuſer und Anlage der Gehöfte, ſowie Hufeneinteilung als Hilfsmittel der prähiſtoriſchen Forſchung. Hochäcker. Während Hyrtl, E. H. Weber u. a. den zweiten Finger (Zeigefinger) als denjenigen betrachten, der hinſichtlich der Länge dem Mittelfinger am nächſten ſteht, nehmen andere Anthropologen an, daß der vierte Finger (Ringfinger) den Zeigefinger an Länge übertreffe. Im Einklang mit der zuerſterwähnten Anſchauung ſteht auch die ziemlich allgemein verbreitete und in Darſtellungen der Maler und Bildhauer zum Ausdruck kommende Anſicht, daß die Form der menſch⸗ lichen Hand einer Pfeilſpitze entſpreche, die von der Höhe des Mittelfingers nach der Kleinfingerſeite hin ſteiler abfällt als nach der Daumenſeite. Dagegen unterliegt es nach neueren Unterſuchungen von W. Braune) keinem Zweifel, daß das zwiſchen Mittelfinger und Zeigefinger einerſeits, zwiſchen Mittelfinger und Ringfinger andererſeits beſtehende Größenverhältnis beträchtlichen Schwankungen unterworfen iſt, daß bald der Zeigefinger, bald der Ring⸗ finger hinſichtlich der Länge dem Mittel⸗ finger, der ausnahmslos der längſte Finger iſt, am nächſten kommt. Das Geſagte gilt je⸗ doch hauptſächlich für das männliche Geſchlecht, da nach Eckers Unterſuchungen (letztere müſſen ſehr ſorgſam aus⸗ geführt werden, weil ſchon eine geringe Schiefſtellung der Hand nach der Radial- oder Ulnarſeite das Verhältnis, in dem die Finger zu einander ſtehen, verändert) das Her⸗ vorragen des Zeigefingers über den Ring⸗ finger als eine Eigentümlichkeit zu betrachten iſt, die ſpeciell dem Weibe zukommt. Letzterer Umſtand iſt aber deshalb von beſonderer Bedeutung, weil er im Zuſammenhang mit der Thatſache, daß die Hand mit relativ langem Zeigefinger zweifelsohne die vollkom⸗ menere Bildung darſtellt, einen Gegenbeweis abgibt gegen die von einzelnen Anthropologen, ſo z. B. von Paul Albrecht aufgeſtellte Behauptung, daß das Weib in der körperlichen Entwickelung dem Manne nicht gleichkomme, bezw. den tieriſchen Vorfahren des Menſchen näher ſtehe als der Mann (vergl. den anthropologiſchen Bericht im „Humboldt“ 1885, 9). Die Anſicht, daß die Hand mit relativ langem Zeigefinger als die vollkommenere Bildung zu be⸗ trachten ſei, ſtützt ſich nach Braune nicht nur darauf, daß ſelbſt bei den anthropoiden Affen der Zeigegefinger hinter dem Ringfinger in der Entwickelung zurückbleibt — beim Gorilla iſt der Zeigefinger 17 mm, der Ringfinger nur 8 mm kürzer als der Mittelfinger, und ein ähnliches Ver⸗ „) Etwas von der Form der menſchlichen Hand und des menſch⸗ lichen Fußes. Beiträge zur Phyſiologie. Karl Ludwig zu ſeinem 70, Ge⸗ burtstage gewidmet von ſeinen Schülern. Leipzig 1887. hältnis iſt beim Orang zu konſtatieren — ſondern vor allem darauf, daß, während ein langer Ringfinger ſich für die meiſten mechaniſchen Verrichtungen keineswegs als ein Vorteil erweiſt, ein langer Zeigefinger denſelben in hohem Grade zu gute kommt. Ob die innerhalb gewiſſer Grenzen ſchwankenden Proportionen des Zeigefingers und Ring⸗ fingers ſich als Merkmale zur Unterſcheidung der einzelnen Menſchenraſſen werden verwerten laſſen, erſcheint noch un⸗ ſicher, da die Zahl der nach wiſſenſchaftlichen Prineipien vorgenommenen Fingermeſſungen zur Zeit noch viel zu gering iſt, um hierauf irgend welche diesbezügliche Schlüſſe baſieren zu können. Auch die anthropologiſche Unterſuchung des menſch⸗ lichen Fußes läßt erkennen, daß bei derſelben Verhältniſſe obwalten, die noch nicht zur Genüge aufgeklärt ſind. Während Bildhauerkunſt und Malerei den menſchlichen Fuß meiſtens in der Weiſe zur Darſtellung bringen, daß die zweite Zehe die erſte (große Zehe) an Länge überragt, konſtatiert Braune, daß dieſe Bildung keineswegs zu den gewöhnlichen Vorkommniſſen gehört. Daß ſpeciell bei antiken Skulpturen die Prominenz der zweiten Zehe mit größter Regelmäßigkeit wiederkehrt — dieſe Thatſache ſucht Park Harrijon*) durch die Annahme zu erklären, daß die beſagte Bildung eine Raſſeneigentümlichkeit des toskaniſchen (etruskiſchen) Volkes darſtelle und daß die der Mehrzahl nach mit verſtümmelten Extremitäten von Griechenland nach Italien gebrachten Statuen von den Bildhauern des letz⸗ teren Landes nach etruskiſchem Vorbilde — einem Vor⸗ bilde, welches auch hervorragende italieniſche Maler, wie z. B. Fra Angelico, Maſaccio Perugino und namentlich Rafael benutzt haben — ergänzt worden ſeien. Park Harriſon betrachtet das Prominieren der großen Zehe als die gewöhnliche Bildung und nimmt nun bei vereinzelten Raſſen eine die große Zehe überragende zweite Zehe an. Schaaffhauſen *!) weiſt darauf hin, daß bereits die alten Anatomen in ihren Angaben betreffend das Verhältnis der erſten zur zweiten Zehe ſich widerſprechen, daß Veſalius die zweite, Albinus die erſte Zehe (große Zehe) vorſpringen läßt. Schaaffhauſen hält die Länge und Abſtellbarkeit der großen Zehe beim Menſchen für eine primitive, dem Affen⸗ typus naheſtehende Bildung und weiſt darauf hin, daß die Abſtellbarkeit bei Naturvölkern faſt regelmäßig größer iſt *) Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland. Vol. XIII, No. 3. **) Die anthropologiſche Bedeutung der Zehen, im Korr.⸗Bl. der D. Geſ f. Anthr., Ethn. ꝛc. 1886. Nr. 10. S. 116 ff. Humboldt. — Juni 1887. als bei Kulturvölkern. Auch folgert derſelbe aus Beob— achtungen an menſchlichen Fußſkeletten aus prähiſtoriſchen Gräbern, daß der Menſch früher überhaupt eine mehr ab— ſtellbare Zehe gehabt hat, als heutzutage. Daß am Affen— fuß die große Zehe gleich dem Daumen der Hand hinter den übrigen Zehen weit zurückſteht, beruht nach Schaaff— hauſen nicht auf der Kürze der Glieder der großen Zehe, ſondern auf der Kürze des betreffenden Mittelfußknochens, ſowie auf der veränderten Lage und Verkürzung der Fuß—⸗ wurzelknochen. Das Hauptkennzeichen des menſchlichen Fußes iſt die Kürze der Zehen im Vergleich zur Geſamt— länge der Fußſohle, während umgekehrt die langen Zehen, die dem vorderen Teil des Fußes eine handähnliche Be— ſchaffenheit verleihen, für die Anthropoiden charakteriſtiſch ſind. Albrechts Behauptung, daß bei den Völkern des Altertums der zwiſchen erſter und zweiter Zehe hindurch— gezogene Sandalenriemen den Abſtand zwiſchen beiden Zehen verbreitert und die Abſtellbarkeit der großen Zehe erhöht habe, iſt nach Schaaffhauſen deshalb nicht zuläſſig, weil auch wilde Völker, die keinerlei Fußbekleidung tragen, den größeren Abſtand der beiden Zehen zeigen. Während wir den letzterwähnten Schlußfolgerungen Schaaffhauſens voll— kommen beipflichten, halten wir es im Hinblick darauf, daß bei allen Affen die große Zehe kürzer iſt als die zweite Zehe — was freilich Schaaffhauſen für den Gorilla und Schimpanſe nur bedingungsweiſe gelten laſſen will — für einigermaßen bedenklich, die Länge der großen Zehe für eine „primitive Bildung“ zu erklären. Auch ſcheint es uns deshalb nicht ganz richtig, Menſchen- und Affenfuß mit— einander in Parallele zu ſtellen, beziehungsweiſe eine ge— wiſſe Form des Menſchenfußes, welche an den Affenfuß erinnert, als eine primitive Bildung zu bezeichnen, weil Affen⸗ und Menſchenfuß zwei vollſtändig verſchiedenen Thätigkeiten angepaßt ſind, weil erſterer vorwiegend ein zum Klettern dienendes Greiforgan darſtellt, letzterer da— gegen ausſchließlich als Körperſtütze und Fortbewegungs— organ beim aufrechten Gange dient. Schließlich iſt zu be— achten, daß die Beſchaffenheit des Fußes bei Kulturvölkern durch das Schuhwerk in hohem Grade beeinflußt wird, und daß die von Schaaffhauſen aufgeſtellte Behauptung: die große Zehe der europäiſchen Völker habe durch die von Jugend auf getragene Fußbekleidung ihre Abſtellbarkeit eingebüßt und das Prominieren der großen Zehe ſei zum Teil dadurch bedingt, daß die übrigen Zehen durch die Fußbekleidung in ihrer Entwickelung gehemmt mehr oder weniger verkümmerten — vieles für ſich hat. Auf letzteren Umſtand iſt auch nach Virchow zurückzuführen, daß jene griechiſchen Götterbilder, die uns als unerreichte Muſter künſtleriſcher Formvollendung und körperlicher Schönheit gelten, mit verkümmerten kleinen Zehen dargeſtellt ſind. Nach Emil Schmidts“) (Leipzig) Unterſuchungen über die Geſtalt der Wirbelſäule beim Menſchen und den Affen finden wir, in der Ordnung der Primaten von den niederen Affen zu den Anthropoiden und zum Menſchen aufſteigend, eine Verkürzung der Hals— region, die nicht durch Verminderung der Halswirbelzahl, ſondern durch Verkürzung der einzelnen Wirbel bewirkt wird. Eine beſondere Eigentümlichkeit der menſchlichen ) Die Wirbelſäule der Primaten. Korr.-Bl. 1886. Nr. 1. S. 5. 227 Halswirbelſäule beſteht darin, daß die Dornfortſätze in zwei Zacken auslaufen, während unter den Anthropoiden nur der zweite und vierte Halswirbel des Schimpanſen eine analoge Zweiteilung der Dornfortſätze aufweiſen. Die Entwickelung des Bruſtkorbes nach der Breite zu iſt bedingt durch die veränderten Druckverhältniſſe einerſeits und die an Gewicht und Umfang zunehmenden Bruſteingeweide andererſeits. Die Zahl der Bruſtwirbel ſchwankt nicht nur von Art zu Art, ſondern auch von Individuum zu Indi⸗ viduum; auch nimmt die Zahl der Dorſo-Lumbarwirbel, wenn man in der Stufenfolge der Primaten von den niederen Affen zum Menſchen fortſchreitet, im allgemeinen ab. Charakteriſtiſch für die menſchliche Bildung iſt die Starrheit der Beckenregion (Feſtigkeit der Verbindungen der Beckenknochen unter ſich). Dieſelbe überträgt den ge— ſamten mechaniſchen Effekt der Bewegungen der unteren (hinteren) Extremitäten auf den Rumpf. Die Zahl der zum Kreuzbein zuſammentretenden Wirbel iſt bei verſchiedenen Primaten eine verſchiedene. Bei einigen Arten von Lemur und Kynokephalus ſetzt ſich dieſer Knochen aus zwei, bei den meiſten breit- und ſchmalnaſigen Affen aus drei, bei Gibbon und Schimpanſe aus vier, bei Orang, Gorilla und Menſch aus fünf Wirbeln zuſammen. Bemerkenswert iſt auch die Verſchiedenheit der Krümmung der Wirbelſäule bei verſchiedenen Primaten. Alle Eigentümlichkeiten der⸗ ſelben ſtehen in innigſter Beziehung zur Art und Weiſe der Fortbewegung und Körperhaltung (mehr oder weniger aufrechter Gang), und es iſt daher natürlich, daß die Anthropoiden, welche in ihrer Fähigkeit, ſich ausſchließlich der Hinterextremitäten zur Lokomotion zu bedienen, ſich dem Menſchen nähern, auch in den davon abhängigen Merkmalen der Wirbelſäule dem Menſchen näher ſtehen als die niederen Affen. Durch die unter den Konſkriptionspflichtigen und Mannſchaften Badens unter Leitung von Generalarzt v. Beck und O. Ammon ausgeführten Unterſuchungen und Meffungen*) wird unſere bisher noch ſehr lückenhafte Kenntnis der körperlichen Eigentümlichkeiten der Bevölke— rung Süddeutſchlands in mancher Hinſicht ergänzt und vervollſtändigt. Es ergab ſich, daß von den ſüddeutſchen Staaten Baden die meiſten kleinen und mindermäßigen und verhältnismäßig die geringſte Zahl von durch Körper— größe ſich auszeichnenden Leuten aufweiſt. Der Unterſchied iſt fo bedeutend, daß die badiſche Bevölkerung, was Körper— länge anbetrifft, im Durchſchnitt um 4—5 em hinter der Bevölkerung Bayerns zurückbleibt. Die älteren Unter— ſuchungen von Ecker für Baden, von v. Hölder für Württem— berg und von Ranke für Bayern, welche erkennen laſſen, daß die durch Körpergröße ſich auszeichnende Bevölkerung vorwiegend in den Gebirgen — und zwar in denjenigen, welche Bayern im Norden, Oſten und Süden umgeben, ſowie auf der rauhen Alb in Württemberg und in der Baar in Baden, ferner aber auch in der Rheinebene zwiſchen Offenburg und Mannheim, in der badiſch-württem⸗ bergiſchen Bodenſeegegend und daran anſchließend im bayeriſchen Allgäu ſich findet, und daß andererſeits die „Kleinen“ im badiſchen und württembergiſchen Schwarzwald, ) O. Ammon, Korr.⸗Bl. 1886. Nr. 2. S. 17. Mitteilung des Anthrop. und Altertumsvereins zu Karlsruhe. Daf. Nr. 4, 228 Humboldt. — Juni 1887. im unteren Neckarthal, im Welzheimer Wald und in Bayern zu beiden Seiten der Donau vorzugsweiſe angetroffen werden — dieſe Unterſuchungsergebniſſe wurden durch die bei der Militärbevölkerung Badens neuerdings vorge⸗ nommenen Meſſungen im allgemeinen beſtätigt. Dagegen kann auf die Frage, ob neben dem unleugbaren Einfluſſe, den der Erdboden, das Klima, die Ernährung und Be⸗ ſchäftigung auf die Körpergröße ausüben, auch die Ab⸗ ſtammung bei der beſagten Verteilung der durch Körper⸗ größe und geringes Körpermaß charakteriſierten Bevölkerung eine Rolle ſpielt — noch keine beſtimmte Antwort erteilt werden. Erwähnenswert iſt noch, daß unter den unter⸗ ſuchten „Großen“ mehr Leute mit blauen Augen, blonden Haaren, weißer Haut und länglichen Köpfen, unter den „Kleinen“ mehr ſolche mit braunen oder grünen Augen, braunen Haaren und kurzen Köpfen ſich be⸗ finden und daß die Hauptmerkmale des germaniſchen Typus: Körpergröße, blaue Augen, blonde Haare, weiße Haut und Langköpfe immer noch die Tendenz haben, in einzelnen Individuen zuſammenzutreffen — ob infolge reiner Abſtammung oder durch wiederholte Rückſchläge, bleibe dahingeſtellt. Abſolut ſchwarze Haare mit bläulichem Schimmer wurden unter 491 unterſuchten Perſonen nur viermal beobachtet und völlig ſchwarze Augen exiſtieren nach der Anſicht der Unterſucher überhaupt nicht. Die durch Körpergröße ſich auszeichnenden Mannſchaften haben nicht nur abſolut, ſondern auch relativ (d. h. im Verhältnis zum Geſamtkörpermaß) längere Beine als die von Natur Kleinen. Virchows Unterſuchungen „Ueber Retention, He⸗ terotopte und Ueberzahl von Zähnen“) find für die Beurteilung des vor einigen Jahren in der Schipkahöhle unweit Stramberg (Mähren) aufgefundenen höchſt bemerkenswerten Bruchſtückes eines menſchlichen Unterkiefers (Anthrop. Bericht im „Humboldt“ 1886, p. 377) von Wichtigkeit. Das Bruchſtück, welches zweifelsohne einem Menſchen der Diluvialzeit angehört hat, enthielt mehrere nicht zum Durchbruch gekommene Zähne, wird aber von Virchow nicht wie von anderen Anthropologen als einem acht bis zehn Jahre alten, durch die mächtige Ent⸗ wicklung der Kiefer von allen jetzt lebenden Menſchenraſſen ſich unterſcheidenden Kinde zugehörig betrachtet, ſondern vielmehr für eine Abnormität erklärt, indem es nach Virchow einem erwachſenen Menſchen angehört haben ſoll, der an Zahnretention litt. Neben der Retention — d. i. Zurückhaltung eines Zahnes an der Stelle, wo er gebildet wurde, ohne daß derſelbe in ordnungsmäßiger Weiſe zum Durchbruch käme — iſt die Heterotopie — d. i. Auftreten eines Zahnes an einer Stelle, wohin er nicht gehört — ſowie eine Kombination von Retention mit Heterotopie zu unterſcheiden. Ueberdies iſt mit den beſagten Ab⸗ normitäten häufig eine Ueberzahl von Zähnen (Polyodontie) verbunden, auch treten neben im Kieferkörper zurückgehaltenen ausgebildeten Zähnen die ſogenannten Emboli nicht allzu ſelten auf. Mit dieſem Namen bezeichnet man im all⸗ gemeinen jene einfachen unentwickelten Gebilde, die durch ihre kegelförmige Geſtalt an Fiſch⸗ oder Krokodilzähne er⸗ innern. Andererſeits kommen jedoch auch ſolche Emboli ) Zeitſchr. für Ethnologie 1886. Heft V. S. 389 ff. vor, welche Spuren von Faltung an den Seitenteilen oder Höckerbildung an dem der Zahnkrone entſprechenden Teile beſitzen. Während zahlreiche Forſcher die beſagten Körper als Rückſchläge auf längſt überwundene Entwickelungsſtadien betrachten — Magitot geht bei der Verwendung derſelben für die Deſcendenzlehre ſogar bis auf die Fiſche zurück — iſt Virchow der Anſicht, daß die Form der Emboli an und für ſich keinen Beweis für Deſcendenz abgibt, daß dieſe Gebilde vielmehr in zahlreichen Fällen als Ausdruck einer verkümmerten Entwickelung aufzufaſſen ſind. Die Ueberzahl der Zähne hat nach Virchow nur dann einen ataviſtiſchen (auf Rückſchlag deutenden) Charakter, wenn einer oder mehrere voll ausgebildete Ueberzähne in der Zahnreihe vorhanden ſind. Sind dagegen die Ueberzähne rudimentär, cylindriſch oder koniſch, ſo iſt wahrſcheinlich nur ein kleiner Teil von ihnen als ataviſtiſch anzuſehen. Die Mehrzahl der Emboli entſteht zweifelsohne durch Abſpaltung aus gewöhnlichen Zähnen, ſei es infolge von „Proliferation“ (Bildung von ſchmelztragenden Auswüchſen), ſei es infolge direkter Teilung. Im Anſchluß an das Geſagte wollen wir hier noch jener künſtlichen Deformierungen von Zähnen gedenken, wie fie nach Zintgraffs Beobachtungen in Centralafrika bei zahlreichen Negerſtämmen des unteren Congogebiets, ſowie in anderen Gegenden des dunklen Erdteils gebräuch⸗ lich ſind. Virchow, welchem die von Zintgraff hergeſtellten Gipsabgüſſe der betreffenden Negergebiſſe vorgelegen haben, unterſcheidet drei verſchiedene Arten der Verunſtaltung, nämlich 1) die durch Feilung der Zähne bewirkte De⸗ formität, 2) die totale Entfernung einzelner völlig ge⸗ ſunder Zähne, 3) die künſtliche Auseinanderdrängung der Zähne. Die Zahl der unzweifelhaft aus der Diluvialperiode (Quaternärzeit) ſtammenden menſchlichen Ueberreſte wurde unlängſt um ein in der Nähe des mähriſchen Dorfes Predmoſt aufgefundenes anſcheinend einem Weibe an⸗ gehörendes ziemlich wohl erhaltenes Bruchſtück eines Unter⸗ kiefers vermehrt. Das beſagte Kieferſtück wurde von Wankel auf einem dem Fluß Becwa entlang ſich erſtrecken⸗ den aus Löß gebildeten Hügel, auf dem ſich zweifelsohne ehedem die Lagerſtätte von vorgeſchichtlichen Mammut⸗ jägern befunden hat, aus einer 1,5 m mächtigen ungeſtörten Schicht von Aſche, Kohlen, zerſchlagenen Knochen jetzt aus⸗ geſtorbener Säugetiere, Feuerſteinmeſſern, bearbeiteten Mammutknochen u. dgl. zu Tage gefördert, ſo daß alſo die Thatſache, daß das beſagte Kieferfragment einem Menſchen der Diluvialzeit angehört hat, nicht bezweifelt werden kann. Gewiſſe Eigentümlichkeiten desſelben, wie z. B. die ſtarke Bewurzelung des Weisheitszahnes, das Vorhandenſein einer 3mm breiten Scheidewand (diastema) zwiſchen den Alveolen des Eckzahns und Schneidezahns u. ſ. w ſind nach Schaaffhauſen als Merkmale einer „primitiven Bildung“ aufzufaſſen. Unter den dieſer Station des mähriſchen Mammutjägers entnommenen Fundſtücken be⸗ finden ſich einzelne Objekte, welche von dem gewöhnlichen Typus der paläolithiſchen Gerätſchaften nicht unerheblich abweichen, ſo z. B. eine kegelförmige Ahle aus Mammut⸗ elfenbein, ein mit Oehr verſehener aus der nämlichen Subſtanz hergeſtellter länglicher Cylinder, der vielleicht bei der Jagd an einer Schnur befeſtigt als Wurfgewicht Humboldt. — Juni 1887. 229 (Laſſo) diente, ferner Feuerſteinmeſſer mit eigentümlich geformten Handhaben aus Renntiergeweih, Bruchſtücke von Mammutrippen mit eingeritztem Strichornament u. ſ. w.“). Im Gegenſatz zu dieſem Funde iſt es bezüglich jener Ob— jekte, auf die neuerdings Götz die Aufmerkſamkeit der Anthropologen gelenkt hat, fraglich, ob dieſelben, wie Cour— nault glaubt, dem Diluvium zuzurechnen ſind. Wir reden von jenen unregelmäßig kantigen, außen ſchmutzig grau— bräunlichen, von innen ſchön roten Ziegelſtücken, an denen zahlreiche Eindrücke von pflanzlichen Gebilden (Stengel, Blattwerk, Halme u. dergl.) erkennen laſſen, daß der Thon, aus dem dieſe Ziegelſtücke hergeſtellt find, zuerſt zu wurſt— förmigen Maſſen gerollt und dann mittels eines Feuers von Reiſig und Strauchwerk hart gebrannt wurde. Dieſe Ziegel ſtammen aus den unweit Nancy unmittelbar an der deutſch-franzöſiſchen Grenze gelegenen ſumpfigen Niede— rungen der Seille, eines rechtsſeitigen Nebenfluſſes der Moſel. Auch meint Cournault, der dieſelben zuerſt beſchrieb und ſie auf Grund zahlreicher zerbrochener und zerſägter Geweihe und Knochen von Reh und Hirſch in die ältere Steinzeit verlegt, daß dieſelben dazu gedient haben, das ſumpfige Terrain der Ufer für die Beſiedelung fähig zu machen. Wir hätten demnach in dieſen von den Fran— zoſen als „briquetage“ bezeichneten Ziegelmaſſen ein Gegenſtück zu den iriſchen Crannoges, zu gewiſſen Terra⸗ maren Italiens und zu den Pfahlpackwerken Deutſchlands und der Schweiz zu erblicken. f Unter den anderweitigen Forſchungen auf prähiſtoriſchem Gebiete dürfen wir die von Baier gemachten, die Vorge— ſchichte der Inſel Rügen betreffenden Unterſuchungen, welche derſelbe in einer kürzlich erſchienenen Schrift“) nieder- gelegt hat, hier nicht unerwähnt laſſen. Von der Groß— artigkeit der Steininduſtrie, welche ehedem auf dem von Wickingern beſuchten, das Verbindungsglied zwiſchen Skandi— navien und Norddeutſchland bildenden Eiland betrieben worden iſt, kann man ſich kaum eine Vorſtellung machen. Die ganze Halbinſel Jasmund iſt nach Baier ſozuſagen eine große Werkſtätte für Flintgegenſtände geweſen und ebenſo reiht ſich in einem Teile von Wittow eine prä— hiſtoriſche Feuerſteinwerkſtätte an die andere. Auch ijt bemerkenswert, daß, während mit wenigen Ausnahmen ſämtliche Formen von däniſchen Steinaltertümern auf Rügen vertreten ſind, die Inſel ſich andererſeits doch des Beſitzes einer Anzahl von ſcharf charakteriſierten Formen von Steingeräten erfreut, die dem Norden gänzlich fehlen. Baier unterſcheidet unter dem Steingerät Rügens zwei Kategorien, nämlich 1) die ſchöne Umrißlinien zu erkennen gebenden, durch die Eleganz und Vollkommenheit der Her— ſtellungstechnik in Erſtaunen ſetzenden Waffen und Werk— zeuge und 2) die durch plumpe Geſtalt und rohe Aus— führung gekennzeichneten Gegenſtände, welche jedoch den Zwecken, denen ſie zu dienen beſtimmt ſind, vollkommen entſprechen. Die in den vollendeten Formen auftretenden Gegenſtände ſind entweder geſchliffen oder mehr oder weniger ſorgfältig „gemuſchelt“, d. h. es ſind aus dem Feuerſtein Teilchen in muſchelförmigem Bruche herausgehoben und in gleicher Weiſe durch Muſchelung oder Schliff ſind auch ) Genauere Beſchreibung dieſer Fundobjekte ſ. Maſchka, Der dilu⸗ viale Menſch in Mähren. Neutitſchein 1886. ) Die Inſel Rügen nach ihrer archäolog. Bedeutung. Stralſund 1886. die Schneiden der Aexte, der Keile und Meißel oft bis zur Meſſerſchärfe ausgearbeitet. An den mit Schneiden verſehenen Werkzeugen und Waffen der rohen Form ſind dieſe Schneiden jedoch durch Spaltung hergeſtellt und wurden Schleifflächen an den rohen Formen bis jetzt noch nicht beobachtet. Auch iſt es bemerkenswert, daß die roh gearbeiteten Objekte vorzugsweiſe im Nordoſten der Inſel, die feiner gearbeiteten hauptſächlich im Süden und Süd— weſten der Inſel fic) finden und daß niemals in Kollektiv funden — auch nicht in Gräbern — Gegenſtände von beiden Kategorien zuſammen angetroffen wurden. Wir haben aus dem außerordentlich reichen Inhalt der Baierſchen Schrift die obigen Thatſachen hervorgehoben, weil dieſelben die hier und da — und ſelbſt von hervor- ragenden Gelehrten wie H. Fiſcher, A. Rauber u. a. — gegen die Einteilung der Steinzeit in eine Periode der „geſchlagenen“ (roh zugehauenen) und eine Periode der „polierten“ (durch Schleifen hergerichteten und fein be— arbeiteten) Steingeräte erhobenen Einwände zu widerlegen geeignet ſind. Auch unterliegt es nach Baier keinem Zweifel, daß gleich dem an den Oſtſeeküſten gefiſchten Bernſtein der Feuerſtein Rügens den Gegenſtand eines ausgedehnten prähiſtoriſchen Handelsverkehrs gebildet hat. Bezüglich des Bernſteins ſei hier noch bemerkt, daß das außerordentlich hohe Alter der Bernſteinfiſcherei durch eine neuerdings aufgefundene aſſyriſche Keilinſchrift bezeugt wird). — Was ſpeciell jenen zu Lande betriebenen Handelsverkehr anlangt, welcher die Mittelmeerländer mit dem nordöſtlichen Deutſchland und den baltiſchen Gebieten in Verbindung ſetzte, fo hat nach Virchow“) die betreffende Handelsſtraße von Griechenland oder Italien her durch das ſpätere Noricum (Steiermark) und Carnuntum (Kärnten) nach der Oder und von da bis zur Oſtſee geführt. Speciell die Oder war für den im allgemeinen den Flußthälern folgenden vorgeſchichtlichen Landhandel deshalb beſonders geeignet, weil ſich ihr Quellgebiet weit nach Süden hin erſtreckt. Vom unteren Laufe der Oder mochte dann ein Teil des Verkehrs zur unteren Weichſel abzweigen, um entlang dieſem Fluſſe zu den Küſten des bernſteinreichen Samlandes zu gelangen. Daß der Handel vorzugsweiſe dem öſtlichen Oderufer folgte, hierfür ſpricht insbeſondere die Thatſache, daß die wichtigſten römiſchen und vor— römiſchen Funde vorzugsweiſe im rechtsſeitigen Odergebiet angetroffen wurden. Uebrigens waren es nicht nur die Gewerbserzeugniſſe der Mittelmeerländer, welche auf dieſem Wege nach Nordoſtdeutſchland und in die baltiſchen Gebiete gelangten; vielmehr laſſen gewiſſe arabiſche und kufiſche Münzen, welche auf einer Anhöhe unweit dem ehemals durch ſeinen Handel hochberühmten Wollin (Julin) aufgefunden wurden, mit Sicherheit darauf ſchließen, daß auch aus den öſtlich vom Kaſpiſchen Meere gelegenen Ländern (Turkeſtan u. ſ. w.) Handelsartikel nach den Oſt— ſeeküſten und den baltiſchen Provinzen gelangten, und ebenſo bezeugt der berühmte Goldfund von Vettersfelde, ) Die auf dem zerbrochenen Obelisk Aſurnaſirabals befindliche aſſyriſche Inſchrift iſt nach J. Oppert folgendermaßen zu überſetzen: „In den Meeren, wo der Nordſtern im Zenith ſteht, fiſchten ſie (nämlich die Unterhändler Aſurnaſirabals) etwas, was wie Kupfer ausſieht.“ Zeitſchr. für Ethnologie Bd. XVII. S. 65. **) Korr.⸗Bl. 1886. Nr. 9. S. 78 ff. 230 daß gelegentlich auch vom Schwarzen Meere aus Kunſt⸗ erzeugniſſe nach den beſagten Gebieten importiert wurden, während andererſeits das Vorkommen der Kaurimuſchel des Indiſchen Meeres in einem zu Rügenwalde gemachten Funde zu Gunſten der Annahme ſpricht, daß auch das ſüdliche Aſien direkt oder indirekt an dieſem Handelsverkehr beteiligt war. — Obige Angaben über prähiſtoriſche Handelsbeziehungen haben wir jenem inhalts⸗ und geiſt⸗ reichen Diskurſe entnommen, womit Virchow 1886 den Anthropologenkongreß zu Stettin eröffnete. — Aus der⸗ ſelben Rede entnehmen wir noch einige Hinweiſe auf jene Punkte, die uns vorausſichtlich in den Stand ſetzen werden zu entſcheiden, welche Ortſchaften beziehungsweiſe An⸗ ſiedelungen des vorgeſchichtlichen Deutſchlands von Ger⸗ manen und von Slaven herrühren. Letztere Frage hat den Prähiſtorikern ſchon viel Kopfzerbrechen verurſacht. Nach Virchow geben die Ortsnamen, aus denen man viel⸗ fach Schlüſſe gezogen hat, keinerlei ſicheren Anhaltspunkt, da nicht ſelten ſlaviſche Ortsnamen gerade an ſolchen Dörfern haften, die unzweifelhaft deutſch ſind. Viel wich⸗ tiger iſt die Anlage der Dörfer im ganzen, ſowie die Konſtruktion des Hauſes beziehungsweiſe Gehöftes im einzelnen. Wie eng die Bauart der Wohnungen mit der Nationalität des Beſitzers verknüpft iſt, beweiſt z. B. die Thatſache, daß das Verbreitungsgebiet des nieder⸗ ſächſiſchen Hauſes mit demjenigen des blonden Typus in Nordoſtdeutſchland ſich aufs genaueſte deckt und daß die zwiſchen niederdeutſcher und hochdeutſcher Mundart nach⸗ zuweiſenden Sprachgrenzen mit den Grenzen, welche die Verbreitungsgebiete des ſächſiſchen und fränkiſchen Hauſes aufweiſen, zuſammenfallen. Auch bietet, abgeſehen von Humboldt. — Juni 1887. jenen Schlüſſen, welche ſich aus Volkstracht, Sprache, Rechtsgebräuchen und ſonſtigen Traditionen bezüglich der Abſtammung der Bevölkerung ergeben, die Fluranlage ſelbſt wichtige Anhaltspunkte bezüglich der Nationalität des Volkes, welches in einer beſtimmten Lokalität in vorge⸗ ſchichtlicher Zeit anſäſſig geweſen iſt, da ja nach der Ab⸗ ſtammung der Bevölkerung bald dieſe, bald jene Hufenform — überall, wo Deutſche ſich angeſiedelt haben, finden wir noch jetzt entweder die „fränkiſche Hufe“ oder die „vlämiſche Hufe“, letztere auch als „Wald-“ oder „Königs⸗ hufe“ bezeichnet — bei der Verteilung des Landbeſitzes zur Anwendung gekommen iſt. Im Anſchluß an das Vorhergehende erwähnen wir noch jene „Hochäcker“, wie ſie während der letzten Jahre vielfach — fo neuerdings wieder von Vierling ?) in der bayeriſchen Oberpfalz — nachgewieſen wurden. Man be⸗ zeichnet mit dieſem Namen jene aus vorgeſchichtlicher Zeit ſtammenden Aecker, von denen bis jetzt noch nicht feſt⸗ geſtellt iſt, ob ſie von Römern, Slaven oder Germanen angelegt wurden. Dieſelben beſitzen bei einer Länge von einem halben bis zu einigen Kilometern eine Breite von 6—8 m und werden im Gegenſatz zu den heutzutage bei der Agrikultur befolgten Grundſätzen — man verwendet jetzt mit Vorliebe die Thalgründe zum Ackerbau und läßt die Bergabhänge im allgemeinen entweder unbebaut oder überläßt dieſelben dem Waldwuchs — auf Anhöhen an⸗ getroffen. Letzterer Umſtand findet ſeine Erklärung zum Teil wohl darin, daß in vorgeſchichtlicher Zeit die Thäler häufig verſumpft waren. ) Hochäcker in der Oberpfalz. Korr.⸗Bl. 1886. Nr. 1. Aleine Mitteilungen. Varafſinöl als Reagens. Das aus den ſchwer⸗ flüchtigen Teilen des Petroleums neben Paraffin ge⸗ wonnene und wie dieſes vollſtändig farblos und kryſtallhell zu erhaltende, ganz indifferente, geſchmack- und geruchloſe, dickflüſſige und erſt über 400° ſiedende Paraffinöl, das ſo⸗ genannte Paraffinum liquidum, hat wegen ſeiner ſchätzens⸗ werten Eigenſchaften mancherlei Anwendung erfahren, namentlich auch für pharmaceutiſche Zwecke. L. Crismer benutzt dasſelbe auch als Reagens auf geringe Mengen von Waſſer in anderen Flüſſigkeiten (Zeitſchr. f. analyt. Chem. 1886, 549). Paraffinöl löſt ſich in Chloroform und Aether, wenn dieſelben ganz waſſerfrei ſind, in allen Verhältniſſen zu einer klaren Flüſſigkeit, die jedoch durch die geringſten Mengen von Waſſer oder waſſerhaltigem Alkohol getrübt wird. Abſoluter Alkohol nimmt nur eine gewiſſe Menge Paraffinöl auf, mit mehr Paraffinol ſcheiden ſich zwei klare Flüſſigkeiten ab, reines Paraffinöl und eine geſättigte Auflöſung desſelben in abſolutem Al⸗ kohol. Bringt man zu letzterer ein wenig waſſerhaltigen Alkohol, ſo tritt ſofort Trübung ein. Die Reaktion iſt ſo empfindlich, daß, wenn man 20 cc Chloroform oder abſo⸗ luten Alkohol mit 0,04 ce 50prozentigem Alkohol verſetzt und einige Tropfen Paraffinöl zufügt, deutliche Trübung eintritt. Es läßt ſich ſomit 0,002 Volumen Waſſer im Alkohol nachweiſen. . Neue Jortſchritte in dem farbenempfindlichen photographiſchen Verfahren. Bekanntlich erſcheinen blaue Gegenſtände auf der Photographie weiß, weil die gewöhn⸗ lichen photographiſchen Platten für die blauen Lichtſtrahlen eine ungleich größere Empfindlichkeit beſitzen als für die grünen, gelben und roten, während umgekehrt unſer Auge für Gelb etwa hundertmal ſo empfindlich iſt als für Blau. Auf uns macht daher das Gelb den Eindruck des Hellen und das Blau den des Dunkeln, auf der photographiſchen Platte fallen aber die Farbentöne entgegengeſetzt aus. Mit Recht erregten daher auf der vorjährigen naturwiſſenſchaft⸗ lichen Ausſtellung in Berlin eine Anzahl Photographien H. W. Vogels großes Intereſſe, bei denen die Farbentöne der photographierten Landſchaften ſehr gut getroffen waren. Zu dieſen Photographien waren von Vogel ſogenannte Aza⸗ linplatten benutzt worden, welche außer für Blau auch für Gelb und Rot empfindlich ſind, ſo daß es Tromholt in Chriſtiania mit ihrer Hilfe gelungen war, die roten Strahlen des Nordlichts aufzunehmen. Zu jenen Photographien von Landſchaften war außerdem jedoch noch ein Strahlen⸗ filter in Anwendung gekommen, beſtehend in einer gelben Glasſcheibe, welche die gelben Strahlen durchläßt, die blauen aber zurückhält, da die Empfindlichkeit der Azalin⸗ platten für Gelb immer erſt 0,75mal ſo groß iſt als die für Blau bei der Spektrallinie G. Jetzt hat nun Vogel ein eoſin⸗ ſilberhaltiges photographiſches Collodium präpariert, welches auch ohne Strahlenfilter Bilder mit richtigen Farbentönen liefert. Zur Herſtellung der Platten Loft man einen Eo⸗ ſinfarbſtoff (am zweckmäßigſten Jodeoſin oder Erythroſin) in 2000 bis 4000 Tl. Waſſer, ſetzt eine äquivalente Menge Silbernitrat hinzu (auf 1 Tl. Farbſtoff etwa 1 Tl. Nitrat in 10 Tl. Waſſer gelöſt), löſt den ſich bildenden Niederſchlag in Am⸗ Humboldt. — Juni 1887. 231 moniak, badet in dieſer Löſung gewöhnliche Gelatineplatten des Handels und trocknet ſie dann. — In Rotempfindlich⸗ keit ſtehen dieſe Platten zwar den Azalinplatten nach, ſind ihnen aber in der Gelbempfindlichkeit weit überlegen. Für Gelb ift wie auch bei unſerer Netzhaut ihre Empfindlichkeit am größten, nämlich 5—10 mal ſo groß als für das Blau bei der Linie G. Die Photographie erfährt durch dieſe Erfindung eine bedeutende Erweiterung ihrer Anwendbar— keit in den verſchiedenſten Gebieten der Kunſt und In— duſtrie. Kl. Wärmeſtrahlung der Atmoſphäre. Aus den Unter- ſuchungen Langleys u. a. folgt, daß die Erdoberfläche kaum mehr als die Hälfte von der an der Grenze unſerer Atmoſphäre auffallenden Sonnenwärme erhält, und anderer- ſeits verdanken wir nach Langley lediglich der Atmo— ſphäre und ihrer Fähigkeit durch ſelektive Abſorption die Sonnenſtrahlen aufzuſpeichern, die hohe Temperatur, die es uns ermöglicht, auf der Erdoberfläche zu leben; es liegt demnach die Frage ſehr nahe, wie viel von der ab— ſorbierten Sonnenwärme der Erdoberfläche indirekt ſelbſt wieder, eben durch und vermöge der eigenen Strah— lung ihrer Atmoſphäre, zu gute kommt. Wie groß iſt dieſe Wärmemenge? Iſt ſie vielleicht vergleichbar mit der ſtrahlenden Energie des Sonnenkörpers, wie wir die⸗ ſelbe am Grunde unſerer Atmoſphäre meſſen? Maurer hat über dieſe Fragen in den Annalen des ſchweiz. meteorol. Inſtituts jüngſt eine Arbeit veröffentlicht und hervorge— hoben, daß dieſelben eine näherungsweiſe Löſung finden können, ſobald man ſich darüber klar iſt, wie die theore— tiſche Beſtimmung des Temperaturverlaufs während der Nachtſtunden nach den Principien, wie ſie uns Fourier in ſeiner „Théorie de la Chaleur“ gegeben, auf die, die periodiſche Veränderung bewirkenden phyſikaliſchen Vor⸗ gänge, alſo hier Wärmeſtrahlung und leitung zurück— zuführen iſt. Aus den Temperaturbeobachtungen von Petersburg, Prag, Bern, Toronto und Barnaul leitet Maurer mit Hilfe des höhern Kalkuls die Größe derjenigen Wärmemenge ab, welche von der Strahlung der ge— ſamten, nicht erleuchteten Atmoſphäre herrührt. Gramm, Centimeter, Minute und Grade des hundertteili— gen Thermometers als Einheiten zu Grunde gelegt, findet Maurer für jene Größe 0,39 Kalorien, alſo ſehr wohl mit der ſtrahlenden Energie des Sonnenkörpers vergleich— bar, wie wir dieſelbe an der Erdoberfläche meſſen. Für die Erhaltung der hohen Oberflächentemperatur der Erde iſt dieſer Zuſchuß von Wärme von ſeiten ihrer Atmo— ſphäre von nicht zu unterſchätzender Bedeutung. Für die während des Tages durch die Sonne be— ſtrahlte Atmoſphäre wird dieſer Wert zufolge ander- weitiger wärmetheoretiſcher Betrachtungen zweifellos noch größer fein, und jedenfalls zu mindeſtens 0,5 Kalorien ver- anſchlagt werden können; es bildet dies ein ergänzendes Moment einerſeits zu den Bemerkungen Langleys über die Urſachen, durch welche die hohe Oberflächentemperatur der Erde ſich erhält, und anderſeits auch eine Illuſtration zu der aus dem bekannten Lamontſchen Erfahrungsſatze (Quotient aus Temperaturamplitude und Tageslänge gleich konſt.) ſich ergebenden Konſequenz, daß die reine Atmo— ſphäre, eben durch und vermöge ihrer eigenen Strahlung, immer noch wie eine Wolkenſchicht von der Stärke 0,3 bis 0,4 gegen die zu ſtarke tägliche Temperaturſchwankung ſchützt. Da nach Stefans Rechnung diejenige Wärme— menge, welche von 1 gem einer ſchwarzen Fläche bei der Temperatur O° ausgeſtrahlt wird, per Minute 0,40 iſt, fo würde daraus folgen, daß das Emiſſions- oder Ab— ſorptionsvermögen der homogenen Atmoſphäre für die ſtrahlende Wärme niedriger Temperatur, wie ſie die Erdoberfläche ausſendet, nahe gleich der Einheit iſt; ſie ſelbſt verhält fic) alſo punkto Wärmeſtrahlung wie ein ſchwarzer Körper von niederer Temperatur. Pouillet beſtimmte dasſelbe ſeiner Zeit auf ganz anderem Wege zu 0,9; beide Reſultate im Zuſammenhalte ergeben, daß bei- nahe die geſamte von der Erde ausgeſandte Wärme von ihrer Atmoſphäre abſorbiert wird. Selbſtverſtändlich kann es ſich auch hier, wie bei allen Problemen ſolcher Natur, wo den bei der Rechnung zu verwertenden empiriſchen Daten immer noch eine gewiſſe Unſicherheit anhaftet, vor— läufig nur darum handeln, Näherungswerte zu erhalten, welche nicht ſowohl die fragliche Größe ſelbſt, als vielmehr deren Ordnung feſtſtellen. Direkte Ausſtrahlungen gegen Körper von der abſoluten Temperatur Null oder wenigſtens von einer ſehr niedrigen Temperatur ſind ja noch nicht gemeſſen worden; ferner ſind auch abſolut richtige Mo— mentanwerte für die Lufttemperatur — auf dieſen beruhen in erſter Linie jene Rechnungen — zur Zeit noch nicht er— hältlich, das weiß jeder Phyſiker und Meteorologe. (Kleins Wochenſchrift.) D. Waſſerſchöpfapparat mit Tiefſeethermometer. Von Kapitän G. Rung, Vicedirektor des däniſchen meteorolo- giſchen Inſtituts, iſt ein Apparat konſtruiert, welcher aus der Tiefe des Meeres Waſſerproben heraufholt und gleichzeitig die Temperatur der Tiefe mißt. Der ganze Apparat bildet eine Spritze von paſſendem Volumen, deren Stempel ein Umkehrthermometer nach der Konſtruktion von Negretti und Zambra enthält. Beim Verſenken des Inſtrumentes iſt der Stempel in den Cylinder ſo weit hineingedrückt, daß die Kugel des Thermometers außerhalb des Cylinders bleibt, während Löcher im Stempel dem Waſſer freien Zutritt zu derſelben geſtatten. Der Apparat wird mittelſt eines an der Spitze befeſtigten Bügels und eines Hakens an der Leine in umgekehrter Lage, d. h. mit der Spitze nach oben gehalten. Das Ende der Leine iſt an dem aus dem Cylinder hervorragenden Ende des Stempels befeſtigt. Iſt der Apparat in der gewünſchten Tiefe angelangt, ſo wird, nachdem das Thermometer Zeit genug gehabt, ſich für die Temperatur der Umgebung zu accommodieren, an der Leine ein Fallgewicht hinabgelaſſen, welches auf den Haken fallend dieſen zwingt, den Apparat loszulaſſen, derſelbe kippt um, der Stempel wird aus dem Cylinder herausgezogen und ſaugt Waſſer ein. Gleichzeitig wird das Thermometer umgekehrt und regiſtriert vermöge der ihm eigentümlichen Konſtruktion die Temperatur, welche nach dem Aufholen des Apparates durch eine Spalte in der Stempelſtange abgeleſen werden kann. Ro. Für das Wachstum der Tropffteine und Tropf⸗ ſteinbedeckung ſind bisher ungebührlich lange Zeiträume an— genommen und auf Grund derſelben für das Alter unter der Tropfſteinbedeckung aufgefundener vorgeſchichtlicher Altertümer irrtümliche Berechnungen angeſtellt worden. Neuere Beobachtungen verweiſen dieſe Berechnungen in die richtigen Grenzen. Man fand über einem Gegenſtand, der nicht älter als 153 Jahre ſein konnte, eine 10 em dicke Tropfſteinbedeckung und über einer 1880 vollzogenen Abräumung in der Vypuſtekhöhle im Jahre 1884 auf einer Fläche von 100 gem eine Schicht von 1 mm Mächtigkeit, welche durch das Tropfwaſſer zweier Deckenſtalaktiten ent— ſtanden war. In der Ochozerhöhle hat man an einem 18 Jahre vorher aufgeſtellten Holzgebäude eine 3 mm ſtarke Inkruſtierung beobachtet, welche nur durch das feit- liche Wegſpritzen des von der Höhlendecke herabtropfenden Waſſers entſtanden war. Bei einem Stalaktiten in der neuen Slouperhöhle wurde innerhalb zweier Jahre eine Längenzunahme von 3 mm gemeſſen. Einen weiteren Beleg bildet die Gſchlöſſer Kapelle nächſt dem Velber-Tauern, in der ſich innerhalb 16 Jahren Tropfſteinzäpfchen von 3 1 Länge gebildet haben. Erratiſche Blöcke aus der Bretagne. Eine Anzahl von Blöcken kryſtalliniſchen Geſteins, welche Veloin auf einer Strandterraſſe nördlich von Carenton in der Nor- mandie fand, ſtammen nach den Unterſuchungen von Barrois zweifellos aus dem bretagniſchen Cotentin. Veloin ſchließt daraus, daß dieſes Gebiet in der Glacialzeit höher gehoben und vergletſchert geweſen ſei und ſeine Gletſcher auch bis nach England hinüber, wo Geikie im Blocklehm ähnliche Blöcke fand, ausgeſandt habe. Auch die Fjords der Bretagne ſchiebt er der Glacialeroſion zu. Ko. 232 Numboldt. — Juni 1887. White Island, eine merkwürdige kleine Schwefel⸗ inſel, iſt bisher wenig gekannt. Sie liegt an der Oſt⸗ ſeite der Nordinſel von Neuſeeland in einer Entfernung von 45 km, bildet die öſtliche. Grenze des ausgedehnten Gürtels vulkaniſcher Aktion, welcher ſich von dem er⸗ loſchenen Vulkan Mount Egmont durch die Seen Ton⸗ garica und Rotomahana hinzieht, erhebt ſich 265 m über den Meeresſpiegel und hat einen Umfang von etwa 50 km. Sie iſt ein noch thätiger Vulkan. Die Baſis des Kraters hat ein mit dem Meere ziemlich gleiches Niveau und mißt 23 km im Umfang; in ſeinem Centrum ftetgt eine heiße Quelle auf, welche ihre Dampfwolken mehr als 600 m hoch emporſendet. Am Rande des Kraters zeigen ſich zahlreiche kleine Geiſire, die den Dampf mit ſolcher Schnelligkeit ausſtoßen, daß ein in den Strudel geworfener Stein ſogleich wieder in die Luft geſchleudert wird. Hie und da bemerkt man auch kleine Seen mit ſchwefelhaltigem Waſſer, aber in ruhigem Zuſtande. Die ganze Inſel iſt ſo erhitzt, daß ſich nur mit Mühe darauf gehen läßt. Kein Tier kann darauf atmen. Vom Rande des Kraters herab erſcheint die Inſel wie eine Untiefe mit prächtigem Grün und ſich ſchlängelnden Waſſerbächen, aber wenn man näher kommt, erkennt man, daß es der reinſte kryſtalliſierte Schwefel iſt. Eine Analyſe des dor⸗ tigen gelben Schwefels hat 99,9 und die des grünen 3,25 Prozent reinen Schwefel ergeben. Man gedenkt, dieje Lager baldigſt auszunutzen. Et. Erdöl. Neue Erdölquellen ſind in jüngſter Zeit im Staate Ohio im Silur erbohrt worden, welche reiche Aus⸗ beute an Petroleum und Naturgas liefern. Das Gebiet des Ortes Lima (8 engl. Meilen lang und 3 Meilen breit) hat allein 1029 Brunnen im Gange, welche täglich 7670 Barrels (1 Barrel = 163,564 Liter) Oel liefern. In der Nähe des Ortes Findlay befindet ſich ein 26 engl. Meilen langes und 16 Meilen breites Gasfeld mit 27 Brunnen, von welchen die ergiebigſten täglich 13 Millionen Kubiffuß Naturgas ausſtoßen, andere aber 10 Millionen und weniger. Einige Brunnen liefern ſowohl Gas als Oel. Bei Baku wurde eine Erdölquelle erbohrt, welche täg⸗ lich 300 bis 400 000 Pud Erdöl auswarf. Infolge des ge⸗ waltigen Gasdrucks wurde das Oel hoch in die Luft ge⸗ ſchleudert und jo ſtark pulveriſiert, daß die Fontäne aus der Ferne mehr einer Rauchſäule ähnlich ſah. Vom Winde fortgetragen, beſprüht die Naphtawolke das ganze Thal von Naphtala und Bailow und bedeckte die Anhöhen mit einer dunkelbraunen Naphtaſchicht, wie es auch die Gebäude bis zu einer Entfernung von 2 Werſt (7 Werſt ungefähr eine geographiſche Meile) beſchmutzte. Die rieſigen Baſſins, welche man durch Aufführung von Erdwällen in aller Eile geſchaffen, waren raſch gefüllt und am fünften Tage flutete das Erdöl bereits ins Meer. Mitchell hat drei Monate lang das Gebiet des äg y p⸗ tiſchen Petroleumdiſtrikts geologiſch unterſucht. Es ſind dadurch für das Vorhandenſein reicher Petroleumquellen Ablagerungen in der Tiefe der ganzen Region des Um⸗ kreiſes des Gebel el Set überzeugend dargethan. Die er⸗ forſchte Region umfaßt landeinwärts vom Roten Meere 110 km im der Länge und 48 km in der Breite. Es iſt ſo gut wie zweifellos, daß das Petroleum den unterſten Sandſteinſchichten angehört, welche zur Devonformation ge⸗ hören, wie in Nordamerika am Oſtabhang des ee Niveauſchwankungen bei entfernten Erdbeben. In den „Aſtronomiſchen Nachrichten“ macht Albrecht in Berlin Mitteilungen über eine Störung der Waſſerwage, welche bei Gelegenheit der Längenbeſtimmung zwiſchen Berlin, Breslau und Königsberg an den drei Orten am Abend des 2. Auguſt 1885 beobachtet wurde und höchſt wahr⸗ ſcheinlich mit einem ſtarken Erdbeben zuſammenhing, das in der Nacht vom 2. zum 3. Auguſt 1885 ſich in Turkeſtan ereignete. Die Amplitude der Schwankungen, welche die Luftblaſe ausführte, betrug in Berlin 2, in Breslau 4 und in Königsberg 7 Sekunden, die Dauer eines Hin⸗ und Hergangs war in Berlin und Breslau 5, in Königs⸗ berg ungefähr 4 Sekunden, die ganze Dauer der Störung gegen 15 Minuten. Das Centrum der Erderſchütterung befand ſich nach den Angaben von Ignatiew am Nord⸗ abhang des Alexandergebirges in 42° 40’ n. Br. und 73° 45“ 6. L. von Greenwich, der erſte und heftigſte Stoß f in der Stadt Piſchpek (42° 50“ n. Br. und 74° 39“ 6. L.) um 10 Uhr 15 Minuten mittlerer Berliner Zeit ſtatt, 24 Minuten vor Beginn der Niveauſchwankungen in Berlin. Als Fortpflanzungsgeſchwindigkeit des Erdbebens ergibt ſich hieraus 3,2 km in 1 Sekunde, ein bedeutend größerer Wert, als er für die Fortpflanzung der Stoßwellen bei Erdbeben ſonſt ermittelt worden iſt; vielleicht weiſt er auf eine große Tiefe des Erdbebenherdes unter der Erdober⸗ fläche hin. Im Anſchluß hieran erwähnt Albrecht auch einige in früheren Jahren beobachtete und auf Erdbeben zurückgeführte Niveauſchwankungen. So wurden in Pulkowa bei St Peters⸗ burg ſchon viermal Störungen des Niveaus durch Erdbeben beobachtet, am 20. September 1867 während eines Erd⸗ bebens auf Malta, am 4. April 1868 während einer ſtär⸗ keren Erſchütterung in Turkeſtan, am 19. Oktober 1874 während eines Erdbebens in Guatemala und am 10. Mai 1877 während eines ſolchen an der Weſtküſte Südamerikas. Auffallend iſt, daß auch bei dieſen Erſchütterungen die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit eine ſehr bedeutende war; im letzten Fall wurde die Störung des Niveaus in Pul⸗ kowa 1 Stunde 14 Minuten nach dem erſten, weitaus ſtärkſten Stoß beobachtet, was einer Fortpflanzungsgeſchwin⸗ digkeit von 2,8 km in 1 Sekunde entſpricht. Kf. Gacialzeit im Libanon. Die von Diener auf ſeiner Reiſe in Syrien gemachten Beobachtungen differieren nicht unweſentlich von den früher über die Gletſcherſpuren am Libanon publizierten Angaben. Nach Diener ſchrumpfen dieſe Spuren beträchtlich zuſammen, ſo daß ſich nicht nur die Beobachtungen Girardis und Burtons als hinfällig er⸗ weiſen; auch die Hermonmoränen von Fraas ſind nur Denudationsreſte von Schutthalden. Selbſt die Hügel des Kadiſchahthales, die den Zedernhain tragen, können nur als wahrſcheinlich glacialen Urſprunges bezeichnet werden, da gekritzte und geſchrammte Geſchiebe ſo gut wie ganz fehlen. Wenn alſo auch zur Diluvialzeit der Arz Liban, der höchſte Punkt des Libanon (bis 3066 m) Gletſcher hatte, ſo waren es doch nur wenig entwickelte, die in ca. 2000 m Höhe endeten. Auch jetzt tragen die höchſten Gipfel noch ewigen Schnee und an geſchützten Stellen liegen kleine, aber echte Firnfelder mit Moränen. Als Schneelinie im Libanon wird die Höhe von 3050 m angenommen. I. Gold und Silber. Seit dem Jahre 1851 gehört Auſtralien zu den Hauptgoldländern der Erde, lieferte es doch 28—29 % der geſamten Ausbeute. Zu den alten Fundſtätten ſind von Zeit zu Zeit neue gekommen. Neuer⸗ dings hat man am Berge Lyell (nordöſtlich von Macquarie Harbour an der Küſte von Tasmanien) eine ſolche entdeckt. Lauteten die erſten Berichte ſchon ſo hoffnungsvoll, daß ſie das Goldfieber in der dortigen Bevölkerung in ſtarkem Maße hervorriefen, jo wurden ſie durch die neueſten voll⸗ auf beſtätigt, da nach ihnen dieſe Stätte den berühmten Feldern bei Mount Morgan, deren Wert nach Millionen rechnet, gleichkommen ſoll. Man fand in einer Tonne Ge⸗ ſtein 164,187 Unzen Silber und 348 Unzen Gold (1 Unze = Yes kg.) — Weiterhin entdeckte man im Diſtrikte Wankarigo Goldlager. Troſtlos werden jedoch die Ausſichten in den Goldfeldern von Kimberley genannt, da in ihnen nur un bedeutende Mengen gefunden werden und die Ernährungs- verhältniſſe die denkbar ſchlechteſten ſind. In den Goldfeldern von Teetulpa (Auſtralien) ſind jetzt 5000 Menſchen beſchäftigt, und es liegen von dort Berichte vor, die im allgemeinen vecht günſtig lauten. Der größte Goldklumpen, der bis jetzt gefunden wurde, wiegt 30 Unzen. Der Agent einer engliſchen Bank hat während der letzten 14 Tage 1200 Unzen Gold an Ort und Stelle aufgekauft. Bei der Neuguineagcompagnie in Berlin ſind Humboldt. — Juni 1887. 233 Nachrichten unſeres Landsmannes Freiherrn v. Schleinitz eingetroffen, welche beſagen, daß am Huongolf Gold ge— funden worden ſei. Die Gewinnung kann durch Tage— förderung, alſo ohne große Schwierigkeiten erfolgen. In der Nachbarſchaft der Stadt Paſſage in Ecuador ſind reichhaltige Lager von Gold und Silber enthaltendem Erze entdeckt worden. In der Nähe der Stadt Caldwell in Kanſas ſtieß man auf ein reichhaltiges Lager von Silbererz, das pro Ton 310—342 Unzen Silber ergibt. In den Wäldern von Jeniſſeiſk in Sibirien am Fluſſe Rybna wurden goldhaltige Quarzgeſteine aufgedeckt, die an der Oberfläche aus 100 Pud (1 Pud = 16,375 kg) 15—18 Solotnik Gold (1 Solotnik = 4,265 g) erzielen ließen, während in größerer Tiefe aus 100 Pud Quarz 2,5 Pud Gold ausgeſchieden werden konnten. Auch Böhmen hat eine neue Goldquelle aufzuweiſen. In der Nähe von Pribram liegt der kleine Ort Proutko— witz, in welchem ſich ein Antimonbergwerk befindet; hier hat man in einer Tiefe von 150 m zwiſchen Quarz und Antimonit eine Goldader gefunden, deren Wert bedeutend fein ſoll. Bis jetzt wurde fie auf etwa 60 m weit verfolgt. it. Chlorophyllhaltige paraſitiſche Algen kennt man bisher nur wenig, ſo z. B. einige Florideen, welche in Schwämmen und Hydroidpolypen leben, ferner Pleurococeus— arten in den Haaren der Faultiere. Neuerdings erwähnt nun A. Peter in München eine grüne Alge, welche in dem Horngewebe des Schildkrötenpanzers (Emys europaea) beobachtet wurde. Sie bildet bis 12 mm große Raſen, die in das Horn eindringen, dasſelbe auflockern und fuppel= artig emportreiben. Br. Die Verbreitung von Yflanzen durch Vögel geſchieht in der Weiſe, daß mit Haken und ähnlichen Vorrichtungen verſehene Samen am Körper des Vogels hängen bleiben und mit fortgetragen werden, oder dadurch, daß ſie von fruchtfreſſenden Vögeln verſchlungen und im keimfähigen Zuſtande wieder ausgeſchieden werden. Uneinia jamai- censis Pers., eine Cyperacee, welche D. Morris (Kew) einige Jahre hindurch beobachtet hat, wächſt an feuchten Stellen in den Bergen von Jamaika in einer Höhe von 1500 bis 2000 m. Gewöhnlich findet man ſie an kleinen Teichen oder an den Ufern von Gebirgsbächen. Ihre ſchlanken, koniſchen Aehren ſtarren, wenn ſie reif ſind, von langen, abſtehenden Haken, die wie Schäferkrücken geformt ſind; doch iſt der gekrümmte Teil ſo anſchließend und elaſtiſch, daß, wenn man ihn auf dem Rücken der Hand entlang zieht, er die feinſten Haare faßt und ausreißt. Die Samen, an denen dieſe Haken ſitzen, ſind ſehr leicht. Die von der Uncinia bewohnten Stellen werden nun auch von zahlreichen Vögeln beſucht, welche dorthin kommen, um zu trinken und zu baden oder Schatten und Kühle auf⸗ zuſuchen. Auch findet man dort ſehr häufig Zugvögel, welche auf ihrem Wege von Norden oder Süden auf hoch gelegenen Punkten Jamaikas ausruhen. Zweimal fand Morris kleine Zugvögel jo von den Haken der Uncinia erfaßt, daß ſie ſich nicht wieder befreien konnten. Größere Vögel werden natürlich nicht gefangen; kommen ſie aber in das Bereich der Uncinia, fo können ſie ſich nicht wieder entfernen, ohne eine große Zahl von Früchten mit ſich fortzutragen. Es erklärt ſich mithin, daß die Uncinia in der Richtung des Vogelzuges weit verbreitet iſt und unter ähnlichen Umſtänden wie auf Jamaika auch in Central: amerika, Venezuela, Ecuador u. ſ. w. vorkommt. Auf der zweiten Verbreitungsart beruht nach Morris die Pimentkultur in Jamaika. Kein anderes Land pro- duziert dieſes Gewürz, obgleich der Baum Pimenta offi- einalis ſowohl in Weſtindien wie auf dem Kontinent weit verbreitet iſt. Seit lange beſteht das Verfahren, neue Pimentpflanzungen anzulegen, einfach darin, daß man ein der bereits beſtehenden Pflanzung benachbartes Stück Wald⸗ land erwirbt, oder daß man da, wo ſich zerſtreute Bäume im Naturzuſtande vorfinden, ſie fällt und auf dem Boden verfaulen läßt. Ein Jahr nach dem erſten Regen findet Humboldt 1887. man alsdann überall kräftig wachſende Pimentpflanzen, welche ohne Zweifel von reifen Beeren herſtammen, die von den Vögeln, welche dort Obdach und Schatten finden, verſchluckt werden. Man glaubt, daß die Samen im Körper der Vögel einer Art Fermentation unterliegen, welche ſie zur Keimung geeigneter macht, als diejenigem, welche direkt dem Baume entnommen ſind. Obgleich durch Verſuche im botaniſchen Garten gezeigt worden iſt, daß bei ſorgfältiger Behandlung Pimentpflanzen in großer Zahl in Baum⸗ ſchulen gezogen werden können, halten die Pflanzer doch an der Meinung feſt, daß nur mit Hilfe ihres alten Ver⸗ fahrens gute „pimento-walks“ zu erzielen find. Ms. Alpenroſen und Edelweiß in den Vogeſen. Auf Veranlaſſung des Vogeſenklubs ſind im letzten Frühjahr auf dem allen Vogeſentouriſten wohlbekannten Mutzigfelſen, dem höchſten Punkt des Breuſchthales, Alpenroſen und Edelweiß mit ſolchem Erfolge angepflanzt worden, daß die Pflanzungen im laufenden Frühjahre in größerem Maß⸗ ſtabe ſtattfinden ſollen. Die betreffende Hochlage hat lockeren, ſaueren, moorartigen Boden, wie er den Alpenroſen zuſagt. Die dauernde Anſiedelung dieſer Pflanzen kann um fo mehr als geſichert angenommen werden, da die Meeres⸗ höhe (1009 m) den Anforderungen derſelben entſpricht. Schwieriger erweiſt ſich die Anpflanzung des Edelweiß. Dieſes verlangt einen warmen, kalkhaltigen Boden, da ſonſt die weiße Farbe der Blüten nach einigen Jahren ſich in Grün verwandelt. Es iſt daher erforderlich, vorher den Boden durch Beimiſchung von Kalk zu entſäuern. Junge Edelweißpflänzchen ſind nun in großer Zahl aus Samen gezogen und verſchult worden. Dieſelben werden im Laufe dieſes Frühjahres an Ort und Stelle verſetzt. Gleichzeitig wird auch der Verſuch mit Ausſaat direkt ins Freie an gehörig vorbereiteten Plätzen gemacht werden. Ms. * Lebenszahigkcif von Anguilluliden. Die im Samen verſchiedener Pflanzen lebenden Jugendſtadien mehrerer Anguilluliden, meiſt zur Gattung Tylenchus gehörig, be- ſitzen große Lebenszähigkeit. So hat Needham, der 1743 die Anguilluliden in den Samen der Rade (Agrostemma Githago) entdeckte, bereits konſtatiert, daß ſie nach 2 Jahren noch lebensfähig ſind; Baker (1747 und 1771) kam ſogar auf 18 Jahre; Bauer machte zwei Verſuchsreihen; in der einen waren die Anguilluliden erſt nach 5 Jahren 8 Monaten, in der anderen nach 6 Jahren und 1 Monat abgeſtorben; Davaine (1856) erwähnt in einer Monographie die Fahtg- keit, nach einer noch unbegrenzten Reihe von Jahren wieder aufzuleben, während Pennetier (1886) eine vierzehnjährige Lebensfähigkeit der in den Samen der Rade eingeſchloſſenen Nematoden konſtatierte. Br. Von paraſitiſch lebenden, polychaeten Anneliden ſind bis jetzt nur zwei Fälle bekannt; der eine betrifft die Jugendſtadien der Alciopiden, welche in Rippenquallen leben, der andere eine Eunicee (Oligognathus Bone l- liae Spengel), welche die Leibeshöhle von Bonellia bewohnt. Letzterer Sternwurm iſt dadurch noch von beſonderem Inter— eſſe, daß die ſehr kleinen und einfach organiſierten Männchen in dem Uterus des Weibchens als Paraſiten leben. Ein dritter Fall wird neuerdings von A. Wirén publiziert, derſelbe fand in Terebellides Stroemii Sars, einem auch in der Oſtſee vorkommenden Anneliden, einen paraſitiſchen Wurm, der auch wie Oligognathus zu den Euniceen gehört, jedoch von dieſem verſchieden iſt und den Namen Haemato- cleptis Terebellidis erhält; dieſe Form wird etwa 25 mm lang, 0,8 mm breit, iſt weißlich und durchſcheinend; etwas auffallend iſt der Sitz des Paraſiten, der nicht den Darm oder die Leibeshöhle ſeines Wirtes bewohnt, ſondern zwiſchen den Geweben des Darmes in der Nähe des Magens gefunden wurde. Br. Taenia nana war bis vor kurzem nur einmal bet einem Knaben in Kairo gefunden worden; fie iſt neuer— dings auch in Italien fonftatiert worden, was um jo 30 234 Humboldt. — Juni 1887. wichtiger iſt, als ihre Anweſenheit meiſt mit ziemlich ſchweren Symptomen einhergeht; Graſſi beobachtete einen Fall bei einem Mädchen in Mailand, zwei weitere bei Jünglingen aus der Provinz Catania ieilien) und drei weitere in Mailand; Calandruccio drei Fälle in Catania. Die Verſuche, durch Verfütterung der Eier an verſchiedene Tiere das Finnenſtadium zu erziehen und damit die In⸗ fektionsquelle zu ſtatuieren, ſind bisher reſultatlos ge⸗ blieben; vielleicht lebt die Finne in den Mehlwürmern (Larve von Tenebrio molitor), aus denen man lange durch v. Stein ein Cyſticercoid kennt. Die Symptome der Anweſenheit des Paraſiten ſind Störungen nervöſer Natur, epileptiſche Anfälle, Schwäche der geiſtigen Fähigkeiten, Melancholie u. dergl., ſie werden verſtändlich, wenn man erfährt, daß dieſer Wurm ſich tief in die Darmwand ein⸗ bohrt und bedeutende Alteration hervorruft. Br. Ehineſiſche Wollusken. Nach einer Zuſammenſtellung von Gredler (in Malacol. Bl. IX. 1886) ſind aus China mit Ausſchluß der Inſeln gegenwärtig ſchon über 550 Arten einſchaliger Mollusken bekannt, ungerechnet ſehr zahlreiche Varietäten, während 1867 Ed. v. Martens einſchließlich der Inſeln nur 51 Arten aufzählen konnte. Gredler ſchreibt den chineſiſchen Arten eine ganz beſondere Variabilität zu; um jeden einigermaßen feſtſtehenden Typus gruppieren ſich eine ganze Anzahl Formen aller Größen und verwandt⸗ ſchaftlicher Beziehungen, ſo daß kaum in einem Lande die Artenabgrenzung ſchwieriger erſcheint. Ko. Alter von Schildkröten. Herr Warrington bei Albion in Illinois eine Schildkröte (Testudo carolinensis) aus, nachdem er in ihren Panzer „I. W. 1824“ eingeſchnitten. Die Schildkröte wurde Im Jahre 1824 ſetzte ſeitdem mehrmals in der Gegend geſehen und 1885 von Hodſon eingefangen und in ſeinen Keller geſperrt, wo ſie an Rattengift zu Grunde ging. Trotz ihres reſpektablen Alters von 62 Jahren war das Tier noch kaum halb⸗ wüchſig, es iſt alſo zweifellos, daß Schildkröten über W 8 Jahre alt werden können. Zur Kenntnis des Atavismus bei Vögeln teilt Greßner im „Journal für Ornithologie“ folgenden von einem ihm befreundeten „Hühnerologen“ beobachteten Fall mit. Ein Huhn hatte an dem einen Flügelende, wie ſich nach dem Rupfen herausſtellte, drei gekrümmte Krallen, wovon eine ziemlich lang und ſpitz war. Die Krallen waren kleiner und vor allem dünner als die Fußkrallen. Dies Vorkommnis erinnert lebhaft an die Flügel von Archaeopteryx lithographica. Bei dieſem Mittelgliede zwiſchen unſeren Vögeln und den Sauriern hatte bekannt⸗ lich die Hand noch nicht die Umbildung wie bei den Vögeln erfahren, ſondern beſaß drei mit Krallen bewaffnete Finger. Eine dieſer Krallen zeichnete ſich wie in dem oben erwähnten Falle durch ihre Länge und Spitzheit aus. —8. Ein großer Fiſchreiherſtand findet fic) nach dem Jahresbericht des weſtfäliſchen Provinzvereins für Kunſt und Wiſſenſchaft bei Salzbergen in Weſtfalen in einem Buchen⸗ wald, und enthält weit über 100 Neſter, welche ſich meiſt einzeln in ſchwindelnder Höhe auf den Bäumen finden, manchmal aber ſind zwei, drei oder gar vier der großen ſperrigen Neſter auf einem Baum zuſammen. Die kräfti⸗ gen kernigen Buchenbäume, durchſchnittlich wohl 35 m hoch, haben jahraus jahrein den ſcharf ätzenden Angriffen des Reiherauswurfs widerſtanden und ſich ſogar unge⸗ wöhnlich gut entwickelt. Die Vögel kehren alljährlich zu dieſem Brutplatz zurück, Verſuche auf anderen Bäumen in der Nachbarſchaft neue Anſiedelungen zu gründen wurden bald wieder aufgegeben. Von dieſem Centralpunkt aus durchſtreifen die Fiſchreiher nicht nur das ganze Gebiet der Ems, ſondern wahrſcheinlich auch das ganze Münſterland, ſoweit Gewäſſer mit Fiſchen ihnen Nahrung verheißen. — p. Natur wiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Das glastechniſche Laboratorium in Sena. Durch Hall (1733) und Dollond (1757) iſt in der Verbindung zweier Linſen aus verſchiedenen Glasſorten, Crown- und Flintglas, das Mittel gefunden worden, zwei Farben des Spektrums, in welche der Lichtſtrahl beim Durchgang durch eine Linſe zerlegt wird, zu vereinigen oder mit anderen Worten, das primäre Spektrum zu beſeitigen. Für gewöhnliche optiſche Zwecke vereinigt man die roten und blauen Strahlen, für photographiſche Zwecke die grünen und violetten oder auch ultravioletten. Bringt man noch eine aus einem dritten Stoff beſtehende dritte Linſe dazu, ſo iſt es möglich, drei Farben zu vereinigen. Solche drei⸗ fache Linſen wurden zuerſt, indem eine Flüſſigkeit das eine Medium darſtellte, von Blair und aus drei verſchiedenen Glasſorten zuerſt von Profeſſor Haſtings hergeſtellt. Durch die Hinzufügung einer dritten Linſe wird aber nicht nur die Herſtellung des ganzen Syſtems eine erheblich ſchwie⸗ rigere, ſondern die Strahlen erleiden auch durch Abſorption wieder einen neuen Verluſt und geben infolgedeſſen ein ſchwächeres Bild. In der Regel beſchränkt man ſich daher auf die Kombination zweier Linſen. — Diejenigen Farben nun, e bei der Kombination zweier Linſen nicht mit zur Vereinigung gebracht ſind und daher die Deutlichkeit des Bildes beeinträchtigen, bilden das ſogenannte ſekundäre Spektrum. Ließe ſich ein Flintglas herſtellen, deſſen Zerſtreuungsvermögen für alle Teile des Spektrums pro⸗ portional wäre dem Zerſtreuungsvermögen eines Crown⸗ glaſes, ſo würde durch die Zuſammenſtellung zweier ſolcher Linſen eine Vereinigung aller Farben ſtattfinden und ſo⸗ mit ein vollkommen achromatiſches Bild entſtehen. Obwohl aber der Glastechnik die Löſung dieſes Problems bisher nicht gelungen war, ſo war doch andererſeits die Möglichkeit der Löſung von vornherein nicht unbedingt zu verneinen; gibt es doch unter den natürlichen Mineralien wie unter den künſtlichen chemiſchen Verbindungen ſo viele vonein⸗ ander abweichende Beziehungen zwiſchen Diſperſion und mittlerem Brechungsindex, warum ſollten ſich nicht auch zwei Glasarten herſtellen laſſen, welche zwar verſchiedenes Brechungsvermögen haben, deren Zerſtreuungsvermögen aber, wenn auch nicht für das ganze Spektrum, ſo doch für gewiſſe Partien desſelben proportional ſind, ſo daß z. B., wenn man aus beiden Glasſorten Prismen von gleichem brechenden Winkel ſchleift, von dem einen Prisma das Spektrum mehr abgelenkt wird als vom anderen, daß aber in den beiden Spektren der Abſtand der Fraun⸗ hoferſchen Linien B und D halb ſo groß iſt als der von D und F. In planmäßiger, wiſſenſchaftlicher Weiſe begannen Profeſſor Abbe und Dr. Schott im Jahr 1881 ihre hierauf bezüglichen Verſuche, indem ſie alle bekannten chemiſchen Subſtanzen, welche in amorphe Schmelzverbindungen ein⸗ treten können, hinſichtlich ihres Einfluſſes auf das Bre⸗ chungs- und Diſperſionsvermögen der Verbindung prüften. Auch wurden Gläſer hergeſtellt, welche nicht Kieſelſäure, wie die gewöhnlichen Gläſer, ſondern Bor- und Phosphorſäure als Hauptbeſtandteile enthielten. Natürlich konnten nur ſolche neue Glasſorten als gelungen angeſehen werden, welche außer den verlangten optiſchen auch noch die ihre techniſche Verwendbarkeit bedingenden Eigenſchaften, wie Härte, Un⸗ veränderlichkeit, Farbloſigkeit u. ſ. w. beſaßen. Der günſtige Erfolg, von dem die Arbeiten bis jetzt begleitet waren, ermutigte zur Gründung des „Glastech⸗ Humboldt. — Juni 1887. niſchen Laboratoriums“ von Schott und Genoſſen in Jena. Es ſind jetzt Kombinationen zweier Linſen hergeſtellt, welche drei Farben des Spektrums vereinigen, ſo daß das ſekun— däre Spektrum faſt wegfällt und die Bilder nicht mehr von farbigen Säumen umgeben ſind. Die erſte Anwendung des neuen Glaſes geſchah von der Firma Zeiß in Jena bei Mikroſkopen. Zum Unterſchied von den früheren achromatiſchen Linſen hat Profeſſor Abbe für die aus neuem Glas geſchliffenen den Namen apochromatiſche Linſen eingeführt. Die von einem apochromatiſchen Objektiv entworfenen Bilder haben den Vorzug, daß auf ſie wegen ihrer größeren Reinheit eine ſtärkere Vergrößerung durch das Okular anwendbar iſt; oder aber man kann, wenn die Vergrößerung des Mikroſkops dieſelbe bleiben ſoll, ein ſtärker vergrößerndes Okular nehmen und dafür dem Objektiv eine größere Brennweite geben, um die Uebelſtände, welche die Objektive von ſehr kurzer Brennweite haben, zu vermeiden. n Aber auch ein anderes Problem, welches ſich Profeſſor Abbe und Dr. Schott ſtellten, iſt bereits mit Erfolg in Angriff genommen. Die bisherigen Silikatgläſer von den leichteſten Crown- bis zu den ſchwerſten Flintgläſern zeigen nämlich alle das Verhalten, daß ihre Diſperſion um ſo größer iſt, einen je größeren Brechungsindex ſie haben. Es iſt aber für den Optiker oft erwünſcht, Glasſorten zur Verfügung zu haben, welche bei demſelben Brechungsvermögen ſchwächere und ſtärkere Diſperſion beſitzen und umgekehrt bei derſelben Diſperſion größeres oder geringeres Brechungs— vermögen, weil ihm durch eine ſolche Auswahl die Aus— führung mancher Konſtruktionen ſehr erleichtert wird. In der That iſt es ſchon gelungen, eine ganze Anzahl Gläſer herzuſtellen, wo Refraktion und Diſperſion in anderem Ver⸗ hältnis zu einander ſtehen als bei den gewöhnlichen Silikat⸗ gläſern. Von den anderen Aufgaben, welche fic) das Glas- techniſche Laboratorium ſtellte, wollen wir noch eine her— vorheben, weil ſie in weiteren Kreiſen, bei Meteorologen, Phyſikern, Medizinern auf Intereſſe rechnen darf: die Prüfung der zu Thermometern verwandten Glasſorten auf elaſtiſche und thermiſche Nachwirkungen. Es pflegt näm⸗ lich bei neuen Thermometern in den erſten Monaten oder auch Jahren der Eispunkt etwas anzuſteigen, dagegen findet auch bei älteren Thermometern nach einer bedeuten- deren Temperaturerhöhung eine zeitweilige Depreſſion des Eispunktes ſtatt. In der Thermometerfabrikation war nun in der letzten Zeit namentlich dadurch eine Verſchlechte— rung eingetreten, daß man dem Glas, um es für die Be- arbeitung geſchmeidiger zu machen, neben dem Kali große Mengen Natron beimengte. Als das Reſultat der Unter- ſuchungen iſt das jetzt von Jena in den Handel kommende „Normalthermometerglas“ anzuſehen, welches Kieſel— ſäure, Natron, Zinkoxyd, Kalk, Thonerde, Borſäure, niemals Kali und Natron zugleich enthält; die hieraus verfertigten Thermometer erleiden durch eine Erwärmung auf 100“ nur eine Depreſſion des Eispunktes von 0,05“; während die ge— wöhnlichen Thermometer eine ſolche von 0,3 bis 0,6“ ufweiſen. Nicht unerwähnt möge die Liberalität des Preußiſchen Unterrichtsminiſteriums bleiben, welches dem Glastechniſchen Laboratorium behufs Anſtellung der koſtſpieligen, für die verſchiedenſten Gebiete der Wiſſenſchaft aber ſo wichtigen Verſuche eine bedeutende Subvention zu teil werden ließ. Kf. Dendrologiſche Veſtrebungen. Seit je her übt der Wald eine große Anziehungskraft auf das Gemüt des deutſchen Volkes aus. Es ſind nicht allein natürliche Reize, welche ihn ſchmücken, ſondern Sage und Dichtkunſt haben ſeine Stämme und Kronen noch mit einem be— ſonderen eigenartigen Zauber umwoben. Aber je mehr ſich die Maſſen der Bevölkerung in den großen Städten und an den bevorzugten Sitzen des Gewerbfleißes an— ſammeln, um jo mehr wird auch der Wald dem gewöhn— lichen Leben der meiſten Menſchen entrückt. Man iſt nun darauf bedacht, als eine Art Erſatz in unmittelbarer Nähe der Großſtädte Parkanlagen herzuſtellen, welchen an Sonn— und Feſttagen zahlreiche Scharen aus den engen Gaſſen 235 und dumpfen Werkſtätten zuzuſtrömen pflegen. Es fehlt freilich den Parken jene einfache Großartigkeit des urwüch⸗ ſigen Waldes, aber ſie ſuchen durch landſchaftliche Anmut und Mannigfaltigkeit der Baumgeſtalten andere Reize zu bieten. Für unſere heutigen Städter ſind die Parkanlagen kein Luxus mehr, ſondern ſie ſind, wie es in England ſchon längſt der Fall iſt, ein wirkliches Bedürfnis geworden. Andererſeits betrachtet man heutzutage den Wald vom volkswirtſchaftlichen Standpunkte nicht mehr ſo einſeitig wie in früheren Zeiten. Den Boden, welcher für Acker und Wieſe zu ſchlecht oder zu ungeeignet iſt, beſtimmte der Landwirt zum Forſtbau. So richtig dies Verfahren auch iſt, ſo läßt es doch nicht die allgemeinere wirtſchaftliche Bedeutung des Waldes erkennen, die in ſeiner wohlthätigen Rückwirkung auf den Nutzwert des übrigen Landes beſteht. Wir bedürfen den Wald als Schutzmittel gegen die Dürre der trockenen und gegen die zerſtörenden Ueberſchwem— mungen der naſſen Zeiten. Je mehr Aecker drainiert, je mehr Sümpfe entwäſſert, je mehr Flußläufe begradigt werden, um ſo raſcher entledigen wir uns des für den Augenblick überſchüſſigen Waſſers, aber um jo empfind- licher machen ſich auch die Folgen eines Regenmangels fühl—⸗ bar. Wälder können dieſe Nachteile weſentlich verringern. Für Ackerbau und Viehzucht, für die Binnenſchiffahrt und für die Gleichmäßigkeit der in der Induſtrie unentbehr— lichen Waſſerkräfte bedürfen wir des Waldes weit dringen— der, als für die Erzeugung von Holz, das ſich allenfalls von auswärts einführen laſſen würde. Aufforſtungen in waldarmen Gegenden ſind daher eine Forderung der Zeit. Dieſe Verhältniſſe weiſen auf die Notwendigkeit einer genauen Kenntnis der Baumarten hin, welche unter dieſen oder jenen gegebenen Umſtänden für die Parke oder für den forſtlichen Anbau geeignet ſind. Der Wiſſens— zweig, welcher unſere geſamten Kenntniſſe von den Bäumen umfaßt, wird Dendrologie genannt. Dieſer Kunſt⸗ ausdruck bedeutet ſo viel wie Baumkunde und hat als internationale Bezeichnung im Laufe von 200 Jahren überall das ſprachliche Bürgerrecht erlangt. Bei rein wiſſenſchaft⸗ licher Betrachtung laſſen ſich die Bäume freilich nicht von den übrigen Pflanzen trennen, aber die Anſprüche des praktiſchen Lebens haben ſchon lange dahin geführt, unſere Kenntniſſe von den Bäumen als ein beſonderes Wiſſens— gebiet zu behandeln. Für den Baumzüchter und Baum⸗ pfleger ſind aber überall nur diejenigen Arten von größerer Wichtigkeit, welche im Bereiche ſeines Wirkungskreiſes unter freiem Himmel gedeihen. Eine allgemeine Dendro— logie iſt daher für niemand ein Bedürfnis; alle bis- herigen dendrologiſchen Werke beſchränken ſich auch auf die Beſchreibung der Bäume, welche in einem beſtimmten Lande im Freien gezogen werden können. Zwiſchen Bäumen und Sträuchern läßt ſich keine Grenze ziehen; das Gebiet der Dendrologie umfaßt daher nach all— gemeinem Sprachgebrauche ſämtliche holzbildenden Gewächſe. In unſerem Klima gehören dazu ſo ziemlich alle Pflanzen, deren oberirdiſche Stengel oder Stämme überwintern. Der deutſche Dendrologe hat ſich demnach mit allen Arten von Holzgewächſen zu beſchäftigen, welche in unſerem Vaterlande im Freien gedeihen; er ſtellt dieſelben zunächſt dem Landſchaftsgärtner und dem Forſtmanne zur Verfügung, welche daraus diejenigen Sorten auswählen können, die ſie zur Verwendung für ihre Zwecke geeignet finden. Obgleich ſchon früher einzelne beſondere Schriften über Baumzucht veröffentlicht wurden, ſo iſt doch Duhamel du Monceau ohne Zweifel als der eigentliche Begründer der Dendrologie anzuſehen. Sein reichhaltiges Werk: „Traité des arbres et arbustes qui se cultivent en France en pleine terre“, erſchien 1755, in deutſcher Ueber⸗ ſetzung 1763. Einige Jahre ſpäter, nämlich 1771 bis 1772, folgte ſchon ein deutſches Originalwerk: „Die Harb— keſche wilde Baumzucht“ von Du Roi. Dies Buch ſtützte ſich auf die Pflanzungen, welche Herr v. Veltheim auf ſeinem Gute Harbke bei Helmſtedt angelegt hatte, und auf die dort angeſtellten Kulturverſuche Du Rois. Außerdem hat der Verfaſſer den wohl gepflegten Garten des Herrn v. Münchhauſen zu Schwöbber bei Hameln benutzen können. 236 Humboldt. — Juni 1887. Es find in jenem Buche etwa 300 Baumarten gut und eingehend beſchrieben worden. Reichhaltiger und in knapper wiſſenſchaftlicher Form abgefaßt iſt: Willdenows „Berliniſche Baumzucht“, welche in zwei Auflagen, 1796 und 1811, erſchienen iſt. Dieſes Buch blieb lange Zeit hin⸗ durch das wichtigſte deutſche dendrologiſche Werk, neben welchem nur noch einige Schriften von Bechſtein und Hayne zu nennen ſind. In England hatten treffliche gärtneriſche Werke, namentlich „Millers Gärtnerlexikon“, das Bedürfnis nach einer beſonderen Dendrologie anfangs nicht allzu ſehr empfinden laſſen. Erſt 1838 erſchien Loudons „Arboretum et fruticetum Britannicum“ in acht Bänden mit zahl⸗ reichen Holzſchnitten; 1842 folgte ein wohlfeilerer Auszug aus dieſem Werke: „An encyclopedia of trees and shrubs“. Die Loudonſchen dendrologiſchen Schriften find bis jetzt nicht übertroffen worden. In Deutſchland gewann der von dem berühmten Fürſten Pückler geſchaffene Park zu Muskau namentlich dann eine größere dendrologiſche Be⸗ deutung, als dort durch den Prinzen Friedrich der Nieder⸗ lande eine reichhaltige Baumſchule angelegt wurde. Der Garteninſpektor Petzold und der Arboretgärtner Kirchner gaben 1864 das „Arboretum Muscaviense“ heraus, ein Buch, in welchem alle einzelnen Formen der dort kulti⸗ vierten Bäume und Sträucher kurz beſchrieben werden. Die Baumſchulen zu Muskau beſtehen noch jetzt fort, nachdem ſie in gräflich Arnimſchen Beſitz übergegangen ſind. Einen beſtimmten Abſchnitt in der deutſchen dendro⸗ logiſchen Litteratur bezeichnet das Erſcheinen von Karl Kochs „Dendrologie“ in zwei Bänden (1869-1873). Das Werk hat weder die wiſſenſchaftlichen noch die gärtneriſchen Kreiſe wirklich befriedigt, iſt aber immerhin ſo bedeutend und inhaltreich, daß es vorläufig nicht entbehrt werden kann. In Lauches „Dendrologie“ (1880) iſt der weitſchweifige Kochſche Text weſentlich gekürzt; auch hat dies Buch für den Gärtner durch Abbildungen an Brauchbarkeit gewonnen, beſitzt jedoch übrigens keine eigenen Verdienſte. Neuerdings ſind in Deutſchland an zwei Orten durch den Eifer trefflicher Dendrologen reichhaltige Sammlungen lebender Gehölzarten entſtanden. Eine derſelben, von Herrn Gartenmeiſter Zabel angelegt, beſitzt die Forſtakademie zu Münden, die andere gehört ihrem Begründer, dem Herrn Dr. Dieck zu Zöſchen bei Merſeburg. Der letzte Haupt⸗ katalog der Obſt⸗ und Gehölzbaumſchulen zu Zöſchen hatte durch ſeine bisher unerreichte Vollſtändigkeit die Aufmerk⸗ ſamkeit aller Sachkundigen erregt. Die erſten Anfänge der Zöſchener Baumſchulen reichen bis zu dem Jahre 1873 zurück, und aus ihnen hat ſich durch den Eifer und die umſichtige Thätigkeit ihres Begründers die jetzige große Gehölzſammlung entwickelt. Die dendrologiſchen Anlagen zu Zöſchen beſtehen aus zwei Abteilungen, nämlich erſtens dem Arborete oder der eigentlichen Muſterſammlung von Bäumen und Sträu⸗ chern, in welcher die einzelnen Exemplare ſich vollſtändig entwickeln können, und zweitens aus den Baumſchulen, in welchen die Gehölze vermehrt und in verpflanzbaren und verſendbaren Exemplaren zum Verkauf und zur Ver⸗ teilung herangezogen werden. Im ganzen ſind ca. 40 Hekt. für dendrologiſche Kulturen beſtimmt. Der kräftige Lehm⸗ boden Zöſchens iſt für das Gedeihen der meiſten Arten günſtig; ſtellenweiſe enthält er etwas Sand oder Kies bet- gemiſcht; an den Waſſerläufen wird er humusreich und etwas moorig, fo daß auch die meiſten derjenigen Gewächſe welche beſondere Anſprüche an den Boden machen, ohne künſtliche Erdmiſchungen eine geeignete Stelle finden. Die Rührigkeit des Herrn Dr. Dieck) hat dort nun eine Gehölzſammlung von etwa 5000 verſchiedenen Sorten vereinigt, wie ſie bisher kaum irgendwo gefunden werden dürfte; von Weiden führt der Katalog z. B. gegen 250 Formen auf. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß die Leitung, Fortführung und wiſſenſchaftliche Verwertung eines ſo großartigen Unternehmens die Kräfte eines Ein⸗ zelnen weit überſteigt. .) Gegenwärtig iff Herr Dr. Dieck beſchäftigt, eine botaniſche Ex⸗ pedition nach dem Innern des weſtlichen Britiſch-Amerika zu organiſieren. Die Verſuche, eine große dendrologiſche Muſteranſtalt in Deutſchland zu begründen, ſind im Laufe von 100 Jahren mehrfach und an verſchiedenen Orten wiederholt worden, haben aber jedesmal nur einen zeitweiligen Erfolg gehabt, und dieſer war ſtets nur den leitenden Pexſönlichkeiten zu danken. Es iſt aber klar, daß jedes derartige Unternehmen um ſo wertvoller für die Wiſſenſchaft wie für die gärt⸗ neriſche und forſtmänniſche Praxis werden muß, je länger es beſteht. Erſt wenn die Bäume ein reiferes Alter er⸗ reicht und ſich vollſtändig entwickelt haben, läßt ſich ein ſicheres Urteil über ihren forſtlichen und landſchaftlichen Wert gewinnen. Viele einzelne Bäume erhalten dann auch eine beſondere Bedeutung als lebende Belegexemplare für die wiſſenſchaftliche Nomenklatur. Eine große dendrologiſche Muſteranſtalt muß für Jahrhunderte gegründet werden und mit jedem Jahrzehnte ihres Beſtehens wird ſich dann ihre Wirkſamkeit nutzbringender geſtalten. Es iſt ſchon von vielen Seiten darauf hingewieſen worden, wie außer⸗ ordentlich wünſchenswert z. B. methodiſche Kreuzungs- und Züchtungsverſuche mit verſchiedenen Baumarten ſein würden. Aber wer ſoll ſie anſtellen? Das Leben des Einzelnen reicht dazu nicht aus; nur mittelſt eines Inſtituts, in welchem jeder Nachfolger die Arbeit ſeines Vorgängers fortſetzt, können ſolche langwierige Forſchungen durchgeführt werden und praktiſch brauchbare Ergebniſſe liefern. Unter dieſen Umſtänden drängt ſich jedem Baum⸗ freunde der Gedanke auf, ob es nicht möglich iſt, die dauernde Erhaltung eines Baumparks, wie er jetzt in Zöſchen begründet iſt, zu ſichern, und damit für unſer Volk eine Anſtalt zu ſchaffen, deren Früchte großenteils ſchon der nächſten Zukunft, in vollſtem Umfange aber erſt unſern Kindern, Enkeln und Urenkeln zu gute kommen werden. Es fragt ſich nur, ob gerade Zöſchen ein geeig⸗ neter Platz ſein würde, um dort eine Anlage zu ſchaffen, welche dem ganzen deutſchen Volke zur Ehre und zum Nutzen gereichen ſoll. Es ſcheint auf den erſten Blick viel richtiger zu ſein, ſie in unmittelbarer Nähe der Hauptſtadt zu gründen, damit ſie von möglichſt zahlreichen Baum⸗ freunden benutzt werden könnte. In der That wäre dort vielleicht der richtige Platz zu finden, wenn wir die Zu⸗ kunft für Jahrhunderte vorausſehen könnten. Leider pflegt aber in den nächſten Umgebungen unſerer großen Städte der Baumwuchs an ſich ſchon oft genug unter der Un⸗ gunſt der Verhältniſſe, beſonders durch Rauch und Staub, zu leiden; ein weit größerer Nachteil beſteht jedoch darin, daß der Wandel der Dinge dort ungemein raſch zu er⸗ folgen pflegt, ſo daß das Gute und Nützliche nur allzu oft dem Beſſeren und Notwendigen weichen muß. In jedem ſtädtiſchen Park werden nicht nur die Verkehrs⸗ bedürfniſſe, ſondern auch äſthetiſche, ſanitäre und polizei⸗ liche Forderungen alle wiſſenſchaftlichen Geſichtspunkte in den Hintergrund drängen. Bei näherer Ueberlegung kann daher nicht daran gedacht werden, eine deutſche dendro⸗ logiſche Centralanſtalt nahe an eine große Stadt zu legen, aber man würde es vielleicht für zweckmäßig halten, ſie mit einer Forſtſchule oder einer kleinen Univerſität zu ver⸗ binden. Es würde an ſich ſachlich nichts Weſentliches da⸗ gegen einzuwenden ſein, aber der Nutzen einer derartigen Vereinigung wäre andererſeits auch ein ſehr geringfügiger. An fachwiſſenſchaftlichen Kräften würde man nichts ſparen können, und die Baumpflanzungen, welche an den ver⸗ ſchiedenen Hochſchulen zu Lehrzwecken erforderlich ſind, müſſen dort doch vorhanden ſein und unabhängig bleiben. Selbſtverſtändlich iſt aber die Nähe von Brennpunkten wiſſenſchaftlichen Lebens für das Gedeihen eines dendro⸗ logiſchen Inſtituts von größter Wichtigkeit. Nun liegt Zöſchen bei Merſeburg in der Mitte Deutſch⸗ lands zwiſchen den großen Univerſitäten Halle und Leipzig, mit welchen beiden landwirtſchaftliche Hochſchulen verbunden ſind. Von der Gärtnerſtadt Erfurt und der Univerſität Jena iſt es ebenfalls leicht zu erreichen. Soweit eine Lage in der Nähe des großen Verkehrs wünſchenswert erſcheint, iſt dieſelbe in Zöſchen ſomit geboten. Ueber den Nutzen einer möglichſt vollſtändigen, genau beſtimmten Sammlung braucht hier wohl kaum näher ge- Humboldt. — Juni 1887. 237 ſprochen zu werden; die Hauptgeſichtspunkte, von welchen Sammlungen zu beurteilen find, bleiben immer die näm⸗ lichen, mag es ſich um Naturprodukte oder um Kunſtwerke oder um Reſte alter Völker und Zeiten handeln. Von beſonderer Wichtigkeit iſt ſtets die genaue Ueberwachung der richtigen Beſtimmungen. Eine Menge unnützer Erörte— rungen und Streitigkeiten entſteht einfach durch die Ver— ſchiedenheit und die Unſicherheit der Benennungen. Die Gelehrten find gezwungen, einen großen Teil ihrer Ar— beitskraft in unfruchtbaren Nomenklaturſtudien zu ver— geuden, ſo daß jede Entlaſtung von dieſen geiſtloſen Mühen eine Erhöhung der wirklichen Leiſtungsfähigkeit mit ſich bringt. Durch Verſorgung der öffentlichen Gärten mit richtig beſtimmten Pflanzen, durch Beſtimmung eingeſandter Proben von Holzgewächſen und durch Verſendung getrock— neter Sammlungen würde eine dendrologiſche Anſtalt all— jährlich die Arbeiten von Tauſenden hochgebildeter Männer fördern können. Eine Muſterſammlung lebender Organismen bietet aber dem Beobachter noch ungleich mehr als ein Muſeum toter Gegenſtände. Die Bedingungen des Werdens und Gedeihens, ſowie die Vergleichung der einzelnen Entwicke— lungsſtufen fordern notwendig zu eingehenden Unter- ſuchungen auf. Es verſteht ſich ferner von ſelbſt, daß eine dendrologiſche Centralanſtalt alle bekannten Thatſachen über das Verhalten der einzelnen Baumarten in verſchie— denen Gegenden Deutſchlands, namentlich über ihre An— ſprüche an Boden und Klima, ſammeln wird. Eine für die Dauer begründete Anſtalt wird endlich auch zu Verſuchen übergehen können, welche ſich auf Jahr— zehnte und Jahrhunderte erſtrecken. Es würde viel zu weit führen, hier die Wege und Ziele ſolcher Verſuche genauer zu erörtern. Erwägt man jedoch, welche Ergebniſſe die methodiſche Züchtung krautartiger Pflanzen — man denke an die zuckerreichen Rübenſorten, die zahlreichen prächtigen Gartenblumen und feinen Gemüſe — geliefert hat, ſo kann man nicht zweifeln, daß auch von unſeren Holzgewächſen ſolche Abänderungen gewonnen werden können, welche einen weſentlich höheren Nutzungswert beſitzen, als unſere jetzigen natürlichen Arten. Als einen Sammelplatz für alle dendrologiſchen Be- ſtrebungen, als eine Hilfsanſtalt für die wiſſenſchaftliche botaniſche Forſchung, als einen Mittelpunkt für die wich— tigſten Intereſſen, die ſich an Forſtwirthſchaft, Parkanlagen und Landſchaftsgärtnerei knüpfen, möchten wir eine Mufter- anſtalt für Gehölzkunde entſtehen ſehen. Zur Begründung einer ſolchen Anſtalt ſcheint Zöſchen eine vorzügliche Ge- legenheit zu bieten. Dr. W. O. Foche. Bremen. Der internationale aſtronomiſche Kongreß in Paris. Bald nach den erſten glänzenden Erfolgen der Gebrüder Henry in Paris auf dem Gebiet der Stellar— photographie tauchte der Gedanke auf, eine photographiſche Aufnahme des ganzen Sternhimmels zu veranſtalten, um abgeſehen von anderen Zwecken namentlich künftigen Geſchlechtern ein Mittel an die Hand zu geben, mit großer Sicherheit und Genauigkeit Veränderungen am Fixrftern- himmel konſtatieren zu können. Die Photographie gibt zwar keine genaueren Reſultate für die Sternpoſitionen als die herkömmliche Beobachtungsmethode, man wird vielleicht ſogar die photographiſchen Platten am beſten nur dazu verwenden, um die vielen ſchwachen Sterne durch Meſſung unter dem Mikroſkop an benachbarte hellere, durch die ge— wöhnliche Beobachtungsmethode beſtimmte Sterne anzu⸗ ſchließen, und ſo dieſe letzteren als Fundamentalſterne für die Beſtimmung der Poſitionen der erſteren betrachten ihr Hauptvorteil beſteht vielmehr darin, daß man in viel kürzerer Zeit eine Partie des Himmels aufnehmen kann und ſicher iſt, daß kein Stern ausgelaſſen wird, wie dies ſonſt wohl geſchehen kann. Aber trotzdem erſchien die Wr- beit immer noch ſo gewaltig, daß man ihrer nur Herr zu werden hoffen durfte, wenn ſich eine Anzahl Sternwarten darein teilten. Um nun über dieſe Arbeitsteilung eine Ver⸗ einbarung zu treffen und die Grundſätze feſtzuſtellen, welche bei der Aufnahme des Himmels befolgt werden ſollten, erließ die franzöſiſche Regierung auf Veranlaſſung der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften eine Einladung zu einer internationalen aſtronomiſchen Konferenz in Paris am 16. April d. J. Dieſe Konferenz, an welcher ſich etwa 50 der hervor— ragendſten Aſtronomen beteiligten, wurde eröffnet durch eine Begrüßungsrede des Miniſters der auswärtigen An— gelegenheiten, M. Flourens. Admiral Mouchez, der Di— rektor der Pariſer Sternwarte, hob in ſeiner Rede die hohe Wichtigkeit der Aufgabe hervor; durch die Einführung der Photographie in die Aſtronomie werde keine geringere Umwälzung dieſer Wiſſenſchaft verurſacht als durch die Erfindung der Fernrohre. Zugleich nimmt Mouchez Anlaß, ſeinen Kollegen den Beſuch der prachtvoll gelegenen, aller— dings noch unvollendeten Sternwarte zu Meudon zu empfehlen. Von den großen Inſtrumenten, mit welchen dieſelbe ausgerüſtet werden ſoll, erwähnt er beſonders das Spiegelteleſkop, deſſen Spiegel von den Gebrüdern Henry konſtruiert iſt und bei Im Oeffnung nur 3 m Brennweite hat, und das Aequatorial; letzteres wird aus zwei mit⸗ einander verbundenen, 16 bis 17 m langen Fernrohren von gleicher Brennweite beſtehen, von denen das eine mit einer Linſe von 81 em Oeffnung zu optiſchen, das andere mit einer Linſe von 62 em Oeffnung zu photographiſchen Zwecken verwandt werden ſoll. Beim Photographieren dient das Fernrohr mit der Linſe von 81 em zur Gin- ſtellung. Als beſonders intereſſant hebt Mouchez noch die Apparate hervor, welche zu den Verſuchen über das Verhal— ten der Gaſe und Dämpfe bei großem Druck gebraucht werden. Zum Präſidenten der Verſammlung wurde O. v. Struve gewählt, zum Ehrenpräſidenten Mouchez; zu Vicepräſidenten Auwers, Chriſtie, Fizeau und zu Sekretären Tiſſerand, Bakhuyzen, Dunér und Trépied. Die rein aſtronomiſchen und die photographiſch-techniſchen Fragen wurden in ge— trennten Sektionen behandelt, jedoch nicht gleichzeitig, ſo daß die Mitglieder der einen Sektion auch den Sitzungen der anderen beiwohnen konnten. Nach Erledigung der ver— ſchiedenen Fragen in den einzelnen Sektionen fanden wieder Plenarverhandlungen ſtatt zur Feſtſetzung des der Arbeit zu Grunde zu legenden Programms. Es wurde beſchloſſen, zum Photographieren Refraktoren anzuwenden von gleichen Dimenſionen wie das von den Henrys benutzte Inſtrument, nämlich mit einem Objektiv von 33 em Oeffnung und 3,4 m Brennweite. Die Platten ſollen eine Größe haben von 12 em im Quadrat und eine Fläche von je 4 Quadratgrad der Himmelskugel darſtellen, ſo daß ein Grad eines größten Kreiſes einer Länge von 6 em auf der Platte entſpricht. Die einzelnen Platten ſollen in der Weiſe übereinandergreifen, daß jeder Eckpunkt einer Platte Mittelpunkt einer anderen Platte wird, ſo daß alſo ein Stern, der auf der einen Platte wegen ſeiner ſeitlichen Lage nicht mehr genau ausgemeſſen werden kann, auf einer anderen Platte an einer um ſo günſtigeren Stelle ſich befindet. Ausgedehnt ſoll die Arbeit werden bis auf die Sterne 14. Größe, d. h. ſolche Sterne, welche für ein normales Auge durch ein Fernrohr von 33 em Objektiv⸗ öffnung noch erkennbar ſind. Die für die Aufnahme nötige Expoſitionsdauer würde 15 Minuten betragen. Da aber die helleren Sterne bei 15 Minuten Belichtungszeit über⸗ exponiert ſind und infolgedeſſen weniger ſcharfe Bilder geben, ſo ſoll außerdem noch eine Aufnahme von etwa 1½ Minuten Expoſitionsdauer ausgeführt werden, welche die Sterne bis zur 11. Größe gibt. Es würden demnach, da der Flächeninhalt der Kugeloberfläche 41253 Quadrat⸗ grad beträgt, nicht alle Platten aber brauchbar ſein werden, im ganzen ungefähr 50000 Aufnahmen notwendig ſein. Als photographiſcher Subſtanz wird man fic) wahr⸗ ſcheinlich der Bromgelatine bedienen, weil dieſe ſich leichter in gleicher Qualität herſtellen läßt, als etwa die gelb- oder rotempfindlichen Subſtanzen. Welcher Katalog bei der mikrometriſchen Ausmeſſung der Platten für die Ausgangsſterne zu Grunde gelegt wer— den ſoll, iſt ebenfalls noch nicht entſchieden, einige glauben ſogar, ohne Katalog auskommen zu können, indem ſie die 238 einzelnen Platten durch eine Art Triangulationsverfahren miteinander verbinden wollen. Definitiv haben ihre Mitwirkung bereits verſprochen die Sternwarten von Paris, Toulouſe, Marſeille, Algier, Rio de Janeiro und La Plata, denen von ihren Regie⸗ rungen die Mittel bereits bewilligt ſind. Außerdem werden ſich wahrſcheinlich Rußland, England, Oeſterreich und Deutſchland, letzteres durch das aſtrophyſikaliſche Obſerva⸗ torium in Potsdam beteiligen, ſo daß auf der nördlichen Halbkugel wohl eine genügende Anzahl von Sternwarten ſich für die Arbeit finden wird. Auf der ſüdlichen Hemi⸗ ſphäre werden außer Rio de Janeiro und La Plata wahr⸗ ſcheinlich die Sternwarten in der Kapſtadt, in Mel⸗ bourne und Sidney beitreten. Auch dachten die Franzoſen Humboldt. — Juni 1887. bereits daran, zu dieſem beſonderen Zweck eine Sternwarte auf Réunion und die Engländer eine ſolche auf der ſüdlichſten Inſel von Neuſeeland zu gründen. Die letztere würde ſich beſonders zur Aufnahme der Region um den Südpol eignen, weil dieſer dort bereits 47° über dem Horizont ſteht. Zur Erledigung von Detailfragen wie zur Ueber⸗ wachung der ganzen Arbeit wurde ſchließlich ein perma⸗ nentes Komite gewählt. Als Membres de droit gehören ihm die Direktoren der Sternwarten an, welche fic) an der Herſtellung der photographiſchen Karte beteiligen, außerdem wurden in dasſelbe gewählt Chriſtie, Dunér, Gill, Proſper Henry, Janſſen, Löwy, Pickering, Struve, Tacchini, Vogel und Weiß. Das Präſidium erhielt Mouchez, Sekretäre ſind Gill, Loewy, Vogel. Kf. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Vulkane und Erdbeben. Ueber die Ausbrüche des Mauna Loa auf Hawai, von denen im vorigen Hefte be⸗ reits berichtet wurde, liegt jetzt ein ausführlicher Bericht vor, dem wir Folgendes entnehmen: Der erſte Ausbruch erfolgte im Gipfelkrater Mokuaweoweo, aus dem auch die bedeutendſten Lavgergüſſe in den Jahren 1851, 1855, 1859, 1868 und 1881 ihren Urſprung nahmen, und zwar aus einem 0,75 Meilen langen und 25 Fuß breiten Spalt, der ſich in der Seitenwand gebildet hatte. 0,25 Meilen ober⸗ halb desſelben beobachtete der Berichterſtatter einen Kegel, deſſen ſüdwärts gelegene Seite eingeſtürzt war und in einem Keſſel kochende Lavaflut ſehen ließ, die ſich unter⸗ irdiſch nach jenem Spalte ergoß und hier ihren Ausfluß fand. Oberhalb des Kegels fand er einen zickzackartigen 2,50 engl. Meilen langen bergauf reichenden Spalt, der ſchließlich in eine Pohakuohanalei benannte Kegelgruppe dicht am Krater Mokuaweoweo mündete, aus der dichte Rauchwolken ſtiegen und welche die eigentliche Quelle des 20 Meilen langen, 12 Tage währenden Lavafluſſes war. Aus dem Gipfelkrater ſtiegen gegen fünfzehn 150 - 200 Fuß hohe Feuerſäulen auf und aus anderen neugebildeten Kratern unter ihm 40 Fuß hohe Lavaſäulen. Der am Kopfende des Lavafluſſes entſtandene Krater hatte einen Umfang von 125 Fuß und war zuweilen mit einem einzigen Feuer⸗ kranz gleich einem Heiligenſchein umrahmt. Nicht weniger als 618 Erdbeben ſind in 53 Stunden gezählt worden (16. Januar 2 Uhr bis 18. Januar 7 Uhr). Der Lavafluß war diesmal bedeutender als der von 1868 und überdies ganz anders geartet. Damals begleitete denſelben ein heftiger Aſcheregen, der das Land meilenweit bedeckte; diesmal ſandte er nur ſehr dickflüſſige Lava aus. Der Bergabhang war am oberen Teile zeitweiſe meilenweit mit einem brauſenden Feuerſee bedeckt, deſſen Fluten haushohe Felſenblöcke mit fortriſſen. Exploſionen aufgeſpeicherten Gaſes fanden unter fürchterlichem Donner fortwährend ſtatt und ließen Rauchſäulen von 500 Fuß emporſteigen. — Der zweite Ausbruch fand 1000 Fuß unterhalb des Mokua⸗ weoweo ſtatt. Er iſt eine Wiederholung desjenigen von 1859, der 14—15 Monate anhielt. Der Berichterſtatter befürchtet, daß allen Anzeigen nach der jetzige dieſelbe Aus⸗ 11 85 erlangen und ungeheure Verwüſtungen anrichten werde. Aus Raleigh in Nordkarolina wird berichtet, daß die Erde in Tyrnell County längs der Küſte ſeit dem da⸗ ſelbſt am 31. Januar verſpürten Erdſtoß ſich um 1 Fuß gehoben habe. Ueber das bedeutende Beben vom 23. Februar ſei noch Folgendes nachgetragen: Es wurde bis zu den Küſten der Nordſee verſpürt. Wie der Vorſtand des Kaif. Obſervatoriums in Wilhelmshaven, Profeſſor Dr. Börgen, dem hydrographiſchen Amte der Admiralität angezeigt hat, haben ſich jene Erſchütterungen an den dortigen magne⸗ tiſchen Variationsinſtrumenten, ſpeciell an der Lloydſchen Wage, bemerkbar gemacht. Die Schwingungen begannen um 6 Uhr 14 Min. Ortszeit, waren 1 Min. ſpäter am ſtärkſten und dauerten dann, indem ſich die Nadel allmäh⸗ lich beruhigte, noch 5 Min. an. Einzelne kleine Schwin⸗ gungen find danach noch bis 6 Uhr 28 Min. vorgekommen. In Köln wurde die Zeit des Beginns der Erderſchütte⸗ rungen durch die Seismometeruhr mit 6 Uhr 4 Min. 54 Sek. (= 6 Uhr 9 Min. 6 Sek. Wilhelmshavener Zeit) angegeben. — Der Geologe Profeſſor A. Iſſel von der Univerſität Genua iſt der Anſicht, daß die Kataſtrophe nicht zu den vulkaniſchen, ſondern zu den ſogenannten tek⸗ toniſchen Erdbeben gerechnet werden müſſe. Durch ganz langſame Bewegungen des Erbbodens, deren Spuren uns deutlich erſichtlich, ſei auf ein ſehr ausgedehntes Stück Erdrinde mit der Zeit ein mächtiger Seitendruck ausgeübt worden, bis dieſer die Widerſtandskraft und Glajticitat der Felsmaſſen überſtieg und plötzlich ein Bruch des Gleich⸗ gewichts herbeigeführt wurde, der die verhängnisvollen Erſchütterungen verurſachte. Dieſe Hypotheſe als richtig angenommen, mußten nach erfolgtem Bruche die Fels⸗ maſſen allmählich wieder ein ſtändiges Gleichgewicht an⸗ nehmen und infolge deſſen die Erſchütterungen höchſt wahrſcheinlich ſeltener und ſchwächer werden, um dann völlig zu verſchwinden. Mit anderen Worten: Der Vorgang ſei dem Beiſpiel einer Feder zu vergleichen, welche, nach⸗ dem ſie nach und nach eine ſehr ſtarke Spannung erreicht habe, plötzlich losſchnellt. Die Feder ſei in dieſem Falle viele Kilometer lang und von unbekannter Dicke. Die nächſte Veranlaſſung zum Bruche habe ein ſchwaches vulkaniſches Erdbeben, wenn auch in entfernter Gegend, ſein können, z. B. dasjenige, welches ſchon am 22. Februar in Catania und anderswo verſpürt wurde. Aber er glaube, daß der Zuſammenhang damit eher ein ſcheinbarer als ein wirk⸗ licher ſei. Nach ſeiner Meinung hat das denkwürdige Erdbeben vom 23. Februar kein Centrum, ſondern eine Achſe gehabt, die in nächſter Nähe der verwüſteten Städte von NO nach SW gelegen habe. Gleichzeitig mit dem Erdbeben im ſüdlichen Europa wurden auch im Kimberleydiſtrikt und in der Ka p⸗ ſtadt Erderſchütterungen verſpürt. In der Kapſtadt war das Erdbeben von einem furchtbaren Sturme und in Port Alfred von einem heftigen Hagelwetter begleitet. In Lichtenfeld und Tüffer (Steiermark) fand am 10. März 3 Uhr morgens ein heftiger Erdſtoß mit unter⸗ irdiſchem Getöſe ſtatt. Am 11. März beobachtete man zwiſchen 3 Uhr 10 Min. und 3 Uhr 20 Min. heftige wellenförmige Erdſtöße in Alaſſio, Albenga, Oneglia (ſchon ½ Stunde vor dem Stoße trat das Meer an ſeichten Stellen 30 m vom Geſtade zurück), Ventimiglia und Coni (hier 10 Sek. dauernd) und mit einem ſturmartigen Geräuſch verbunden, das jeden in der Sieſta Schlummernden wecken mußte), Diano⸗Marina, Maurizio, San Remo (hier 5 Sek. dauernd zuerſt ſenkrecht, dann von NO nach SW gerichtet und wellenförmig), Nizza, Cannes, Cuneo und Mondovi. Humboldt. — Juni 1887. Genua blieb ganz unberührt. In Antibes am Mittelmeere wurde ſchon 2 Uhr 35 Min. ein ſtarkes 15 Sek. dauerndes Erdbeben verſpürt, welches auch in Nizza, Biot und Vallau— ris, aber daſelbſt nur leicht bemerkt wurde und von unter⸗ irdiſchem Lärm begleitet war. In Marſeille empfand man 3 Uhr einen Erdſtoß, in Mentone einen zwiſchen 3 Uhr und 5 Uhr. Am 12. März abends wurde in der Bergſtadt Bicken— berg bei Przibram in Böhmen ein Erdbeben beobachtet. Dasſelbe war von ſolcher Heftigkeit, daß alles ins Freie lief, um hier Schutz vor einem etwaigen Häuſereinſturz zu ſuchen. Innerhalb ſechs Wochen iſt dies das zweite Erdbeben in dieſem Orte. Am 22. März früh war in Trapnik (Bosnien) ein Erd⸗ beben zu verſpüren. In Zwiſchenräumen von je 8 Min. folgten drei Stöße. Am ſelben Tage merkte man abends 9 Uhr 30 Min. in Baden bei Wien einen vereinzelten Erdſtoß, welcher Fenſter und Thüren erſchütterte, gegen 9½ Uhr in St. Veit unweit Krems ein Erdbeben mit lautem Getöſe. In Savona wurden am 25. März früh zwei Erd— ſtöße verſpürt. 239 Am 27. März wurden zu Friedau in Krain zwei heftige Erdſtöße verſpürt. Am 31. März nachts 3 Uhr 30 Min. fand ein etwa 15 Sek. dauerndes Erdbeben ohne jedes ſtärkere Geräuſch in Trapnik ſtatt. An demſelben Tage bemerkte man in der Nacht in Forli (in den Ausläufern des Etruskiſchen Apennin) mehrere heftige Erdſtöße. Aus Aden wird vom 5. April berichtet, daß während der letzten vier Tage wiederholt Erdſtöße ſtattgefunden haben. Am 11. April wurde in Schrems in Niederöſtrereich morgens 4 Uhr 5 Min. eine leichte Erderſchütterung in der Richtung nach SW, die von einem 3 Sekunden an— haltenden unterirdiſchen Rollen begleitet war, verſpürt. Hinzugefügt ſei, daß ſich ſeit dem letzten italieniſchen Erdbeben in einem Berge bei Vareſe eine große Spalte gebildet hat. Dieſelbe iſt 20 em breit, ihre Tiefe noch unbekannt. Aus ihrem Inneren quellen fortwährend dicke, bituminöſe Dämpfe hervor. Am Monte Baldo bei Verona iſt eine andauernd zitternde Bewegung zu bemerken ge— weſen. Et. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat April 1887. Der Monat April iſt charakteriſiert durch un- 5 niedrigen Luftdrucks, deren Hauptachſe am 13. von Finn⸗ beſtändiges Wetter, meiſt ſchwache Luftbewegung aus variabler Richtung und ziemlich raſche Schwankungen der Temperatur. Eine tiefe Depreſſion lag am 2. über Skandinavien und erzeugte im öſtlichen Nordſeegebiete ſtürmiſche Regen— und Schneeböen, welche ſich am folgenden Tage, als das Minimum ſüdoſtwärts nach der oſtpreußiſchen Küſte fort⸗ geſchritten war, über die ganze ſüdliche Oſtſee und das nördliche Deutſchland ausbreiteten, während im Süden die ruhige, ziemlich heitere Witterung fortdauerte. Auf der Weſtſeite dieſer Depreſſion erſchien am 4. morgens ein neues Minimum, welches ſich raſch in eine Furche niedrigen Luftdrucks umbildete, welche ſich am 5. von Finnmarken ſüdwärts über das Nordſeegebiet hinaus nach dem ſüd— lichen Frankreich erſtreckte, ſo daß über Centraleuropa ſchwache ſüdliche Luftſtrömung mit heiterem, trockenem Wetter eintrat, wobei die Temperatur, welche bisher unter dem Normalwerte gelegen hatte, fic) erheblich über den— ſelben erhob, fo daß das Wetter einen faſt ſommerlichen Charakter annahm. Entſcheidend für die Witterung der nächſten Tage bis zum 10. war die Bildung und Erhaltung eines barometri— ſchen Maximums über den britiſchen Inſeln, welches in Wechſelwirkung mit Depreſſionen jenſeits der Alpen über Centraleuropa eine ziemlich lebhafte nordöſtliche Luft⸗ ſtrömung bei trockenem, heiterem, jedoch kühlerem Wetter unterhielt. Dagegen in Frankreich fielen vom 6. auf den 7. ausgebreitete und ergiebige Niederſchläge, in Nizza 39 mm. Am 7. kamen in Bregenz, Friedrichshafen und Altkirch Gewitter vor, jedoch ohne Niederſchläge. Am kälteſten war es am 8. in Mitteldeutſchland, an welchem Tage die Morgentemperatur 3 bis 8 Grad unter dem Mittelwerte lag und vielfach Nachtfröſte eingetreten waren. Die eben beſprochene Luftdruckverteilung änderte ſich vorübergehend am 11. und 12., als das barometriſche Maximum fic) von foen britiſchen Inſeln nach Südoſt— europa verlegte und der Luftdruck über Südweſteuropa am niedrigſten war. Hierdurch wurde die ſchwache nordöſtlich Luftſtrömung über Centraleuropa in eine öſtliche und ſüdöſt— liche umgewandelt, ohne daß das ruhige, heitere und trockene Wetter irgend eine Aenderung erlitt. Nur die Temperatur erhob ſich nach und nach und überſchritt am 13. in ganz Deutſchland, außer in den nordweſtlichen Gebietsteilen, den Normalwert, in Neufahrwaſſer ſogar um 7 Grad. Vom 12. auf den 13. entwickelte ſich eine breite Zone land nach dem Biscayiſchen Buſen gerichtet war und welche ziemlich raſch nach Oſteuropa fortſchritt, während über Weſteuropa andauernd ein barometriſches Maximum lagerte. Hieraus erklärt fic) die Entwickelung der nördlichen Luft⸗ ſtrömung über Weſteuropa, ihre raſche Ausbreitung nach Often bis in das Innere Rußlands hinein, und die hier⸗ mit verbundene Abkühlung, welche am 13. im Nordſee— gebiete begann, ſich am 14. über ganz Nord- und Mittel—⸗ deutſchland, am 15. und 16. über Oeſterreich-Ungarn, und am 17. und 18. auch über Rußland ausbreitete. Vom 15. bis zum 18. lagen die Morgentemperaturen (8 Uhr m.) über einem großen Teile des deutſchen Binnenlandes unter dem Gefrierpunkte, während von faſt allen Stationen Nachtfröſte gemeldet wurden; vom 16. auf den 17. ſank die Temperatur in Weſtdeutſchland ſogar bis zu 6“ C. unter Null. Dabei fanden vom 13. bis zum 16. im deutſchen Binnenlande faſt ununterbrochene Schneefälle ſtatt. Am 17. und 18. hatte ſich das barometriſche Maximum über die ganze Weſthälfte Mitteleuropas ausgebreitet, das Wetter war in dieſen Tagen heiter und trocken, allein die Temperatur erhielt ſich meiſt erheblich unter dem Durch— ſchnittswerte. Erhebliche Erwärmung erfolgte erſt am 19., als das Depreſſionsgebiet im Norden weiter ſüd- und ſüdoſtwärts vordrang und ganz Deutſchland in ſeinen Wirkungskreis aufnahm, wo bei mäßiger weſtlicher und nordweſtlicher Luftſtrömung allenthalben wieder trübes Wetter mit Regenfällen eintrat. Am 20. morgens war die Temperatur an faſt allen deutſchen Stationen nahezu normal. Bei der Annäherung neuer Depreſſionen im Weſten der britiſchen Inſeln verlegte fic) das barometriſche Maxi— mum im Weſten nach dem Biscayiſchen Buſen und breitete ſich weiter oſtwärts aus, ſo daß jetzt (am 22.) eine ſchwache ſüdöſtliche bis ſüdweſtliche Luftſtrömung vorwiegend wurde, welche wieder heiteres, trockenes Wetter brachte, welches bis zum 21. anhielt. Die Temperatur erhob ſich erheblich über den Normalwert, insbeſondere im öſtlichen Deutſch— land, am 24. in Breslau um 5, in Memel um 64/2° C., am 25. in Königsberg und Memel um 7½“ C. In⸗ deſſen breiteten ſich die Depreſſionen im Nordweſten immer weiter ſüdoſtwärts nach Centraleuropa aus und veranlaßten daſelbſt veränderliches, aber vorwiegend trübes Wetter, mit häufigen und ſtellenweiſe ſtarken Regenfällen, die nicht ſelten von elektriſchen Entladungen begleitet waren, 240 Humboldt — Juni 1887. wobei die Temperatur wieder erheblich herabging. Am 24. fielen in Friedrichshafen 20, am 25. in Königsberg 38 mm Niederſchlag. Gewitter kamen vor am 24. auf dem Gebiete zwiſchen Karlsruhe, Stettin, Königsberg und Krakau, am 25. und 27. an der oſtpreußiſchen Küſte und in Oeſterreich, am 26. zwiſchen Chemnitz, Stettin und Memel, und am 29. vielfach auf dem ganzen deutſchen Gebiete. Erhebliche Erwärmung erfolgte am Monatsſchluſſe über faſt ganz Centraleuropa, jo daß der Monat überall, außer im nord⸗ weſtlichen Deutſchland, mit einem Wärmeüberſchuſſe abſchloß. Schließlich ſei noch erwähnt, daß am 4. in allen Staaten Nordamerikas ein außerordentlich heftiger Sturm wütete, welcher zahlreiche Schiffbrüche veranlaßte, während ſtarke Schneefälle Störungen im Eiſenbahnverkehr hervor⸗ riefen. Hamburg. Dr. 3, van Bebber. Nakturkalender für den Monat Zuni 1887. Säugetiere. Hirſche (Rot⸗ und Damwild) haben Kälber, Rehe und Gemſen Kitzchen. Der Haſe ſetzt zum zweiten, oft ſchon zum dritten Mal. Junge Füchſe verlaſſen den Bau und beziehen häufig Fluchtröhren (Notbau) im Felde. Vögel. Alle Zugvögel, ſelbſt der Wachtelkönig oder Schnarrer (Crex pratensis) ſind angekommen und brüten. Gegen Ende des Monats verſtummt der Geſang der meiſten Sänger; Baumpieper (Antus arboreus), Mönch (Curruca atricapilla), Spötter (Sylvia hypolais), Rohrſänger und diejenigen Singvögel, welche mit der erſten Brut fertig geworden ſind und zu einer zweiten ſchreiten, jubeln in wetteiferndem Geſange. Im Getreide ſchlägt die Wachtel. Störche, Feldrot⸗ ſchwänzchen, Rotkehlchen, Grünfinken (Fringilla chloris) u. a. m. haben flügge Junge. Reptilien, Amphibien und Fiſche. Die Smaragd⸗ eidechſe (Lacerta viridis) legt Eier. In ſtillen Gewäſſern finden ſich die Larven vieler Fröſche und Kröten. Die Karpfenarten ſtreichen. Der Lachs und die Ellritze laichen. Niedere Tiere. Junge Kreuzſpinnen ſonnen ſich, zu goldgelben Klumpen vereinigt. Tauſende von Käfern kriechen und fliegen umher. Auf Blüten ſitzen Cetoniden, Bockkäfer, Widder, Donacien, Kryptocephaliden, Malachius, Phyllopertha horticola, Anisoplia-Arten u. ſ. w., an aus⸗ fließendem Baumſafte labt ſich der Hirſchkäfer, die Cetonia speciosa, marmorata u. ſ. w., auf Blättern ſitzen Timarcha- Arten, Chryſomeliden, Haltica, Melos violaceus, Melo- lontha fullo; abends fliegt über Wieſen der Junikäfer (Rhizotrogus solstitialis), der glatte Miſtkäfer (Geotrupes vernalis). Tierleichname werden raſch beſeitigt durch Scharen von Necrophorus, Necrodes, Silpha, Cara- bus u. ſ. w. Auf Raupenfang gehen beſonders die Calo- soma-Arten aus. Wie kleine Sterne leuchten die Glüh⸗ würmer (Lampyris), im männlichen Geſchlechte beflügelt. Am Obſte und an jungen Trieben machen ſich die artenreichen Rüſſelkäfer bemerklich, deren einige auch oft, wie Otiorhynchus ligustici, ſchwerfällig auf Wegen kriechen. Die Schmetterlinge ſind durch Bläulinge und Augenfalter, ſowie durch Zygänen am meiſten bei Tage vertreten. Vanessa urticae entſchlüpft der Puppe. Die Ueberwinterer ſind endlich bis auf einige Diſtelfalter ver⸗ ſchwunden. Die zarten Coenonympha Iphis, Hero, Arcania wiegen ſich auf Halmen und Blättern. Auf feuchten Waldwegen fliegen und ſitzen die Eisvögel (Lime- nitis populi, Sibylla). Abends ſurren die Schwärmer um die Blüten, nur der Totenkopf geht an Baumſaft und Bienenhonig. Ordensbänder⸗(Catocala-) Raupen ſitzen an der Rinde, auf Brenneſſeln die Tagpfauenraupen (Vanessa Jo). Die Spanner mehren ſich, bei Tage fliegt 3. B. Scoria lineata (dealbata). An Salbei, Natterkopf, Silene ſchwärmen zahlloſe Noctuen. Auf Scabioſenblüten fist die langfühlerige Adela scabiosella. Ein Dutzend Libellenarten findet ſich auf dürren Aeſten ruhend (3. B. Libellula depressa, quadrimaculata ete.) oder über Schilf hüpfend⸗fliegend (Calopteryx virgo etc.), auch pfeilſchnell umherſchießend (Aeschna grandis, mixta etc.). Bremſen und Schnaken, Kriebelmücken und andere Blutſauger werden Menſch und Vieh läſtig. Grillen und Maulwurfsgrillen zirpen. Wanzen, da⸗ runter die auch den Menſchen gerne ſtechende Kehricht⸗ wanze (Reduvius personatus) und Blattläuſe werden zahlreich. Hummeln, Schmarotzerhummeln, Höhlenbienen vermehren ſich, Honigbienen ſchwärmen oft zum zweiten Mal. Bflanzen. Viele Pflanzen bekommen bereits reifen Samen, auch die Kirſchen werden reif. Es blühen: 1) im Felde: Eſparſette (Onobrychis sativa), Kornblume (Centaurea cyanus), alle Mohnarten (Papaver), gefleckter und gelber Bienenſaug (Lamium maculatum et luteum), Sommerwurzarten (Orobanche), Kornrade (Agrostemma Githago), Ackerveilchen (Viola arvensis), wilde Reſeda (Reseda lutea, luteola), Kleearten (Trifolium repens, pratense, hybridum etc.), Schafgarbe (Achillea), Vogel⸗ wicke (Vicia cracca), Kratzdiſteln (Cirsium), Wegmalve (Malva neglecta), Flockenblume (Centaurea jacea), Hau⸗ hechel (Ononis), in Wieſen die Natterzunge (Polygonum bistorta), in Weinbergen die Rebe und der Lauch (Allium vineale), die Oſterluzei (Aristolochia clematitis). 2) im Walde und auf wüſten Strecken: die Nadelhölzer, Weiß⸗ porn (Crataegus monogyna), Hartriegel (Cornus san- guinea), Roſen (Rosa pimpinellifolia, canina, rubigi- nosa hintereinander aufblühend), Hollunder (Sambucus nigra), Rainweide (Ligustrum vulgare), von Kräutern blühen hunderte, wir nennen nur die Rapungelarten (Phyteuma), Glockenblumen (Campanula persicifolia, patula, rotundifolia etc.), Nelken (Dianthus carthusia- norum, prolifer, deltoides etc.), Ochſen- und Hundszunge (Anchusa officinalis, Cynoglossum), Storchſchnabelarten (Geranium sanguineum, sylvestre etc.), Tauſendſchön (Polygala), Kugelblume (Globularia), Leimkraut (Silene), Lichtnelken (Lychnis), Kleearten (Trifolium rubens, mon- tanum, alpestre etc.), Ginſter (Genista), Pfeilginſter (Cytisus sagittalis), Wegericharten (Plantago), Labkraut (Galium mollugo, verum, sylvaticum etc.), Schattenblume (Majanthemum), in Waldpfützen Hottonia palustris, Schwertlilien (Iris), Orchideen (Epipactis, Cephalanthera, Goodyera, Gymnadenia, Orchis, Listera, Ophrys-Arten), auf dem Mainzer Sande die Lotwurz (Onosma arenarium), Spargel, Hainlilie (Anthericum liliago, ſpäter ramosum), Skabioſen, Kronwicke (Coronilla varia), Habichtskräuter (Hieracium), ſchöne Gräſer, wie Windfahne (Agrostis spica venti), Zittergras (Briza media), Wildfeuer (Sene- cio jacobaea, erucaefolius etc.), Ferkelkraut (Hypochae- ris), Baldrian (Valeriana off.), Birnkraut (Pirola), Zieſt (Stachys), Diptam (Dictamnus fraxinellus), Sonnenröschen (Helianthemum), Fetthenne (Sedum), Hartheu oder Johanniskräuter (Hypericum pulchrum, perforatum, montanum etc.), Diſteln (Carduus nutans), Hauhechel (Ononis), Brunelle (Prunella), ſchließlich Augentroſt (Euphrasia), Gamander (Teucrium), Lein (Linum tenui- folium etc.), Seſel (Seseli), Haarſtrang (Peuceda- num) u. ſ. w. 3) Im Garten und Park ſteht alles auf ſeinem Höhepunkte. Der Goldregen, gefüllte Weißdorn, die rote Kaſtanie (Aesculus hippocastanum rubr.) Spiräen, Jasmin (Philadelphus), die Roſe, Rebe, Robinie, der Hollunder, Schneeball, die Lilien und viele andere Blumen ſtehen im Flor. Im Garten und Wald ſind die Erdbeeren reif. Mainz. W. von Reichenau. Humboldt. — Juni 1887. 241 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Zuni 1887. 2 147 U Cephei 3 1542 6 Libre 4 8h 52m . nee Libre 1288 U Ophiuchi 9 21 . l. 1 5 ½ 5 D 857 S Cancri 940 U Ophiuchi 11> 32™ 6 gh 33" E. h. BAC 6081] 13" 11 N TA 10 32 A. d. 6 i SS ie 1227 U Corone 10, 29" 5 Ye! ‘ go 15m f e 1 9 13!6 U Ophiuchi 10 987 U Ophiuchi 12 42™ Wh. ) 45 Capric. 13 46™ A. d. 6 12 140 U Cephei 13 € 14 UG aT Ny: 1014 U Corone 12.24% VO! 15 9» 350 AI A 1085 U Ophiuchi 17 1387 U Cephei 1443 6 Libre 19 1571 U Ophiuchi 20 0 1143 U Ophiuchi 21 2 14 130 5 2 0% 22 115 297 A T A 1353 U Cephei 24 850 S Caneri 1329 3 Libre 25 1220 U Ophiuchi 27 > 1320 U Cephei 30 S 128 U Ophiuchi | 10 43 5 BOT freien Auge ſichtbar werden. Mitternacht unter. in den Sonnenſtrahlen zu verſchwinden. nach Sonnenuntergang in der hellen Dämmerung unter. (Mittlere Berliner Zeit.) 9 4m E. fl. 2 20 Ophiuchi 10 52 l. l. 6 13 47™ A II A 1424 U Cephei 1427 6 Libre 144 U Ophiuchi h m 11 0 n h m 13" 4 5 N Stillſtand, wird dann rechtläufig und gelangt am 30. in Quadratur mit der Sonne. Stiers taucht aus den Sonnenſtrahlen auf. | Von den Veränderlichen des Algoltypus find Algol und / Tauri noch in den Sonnenſtrahlen verborgen. S Cancri naht ſich denſelben ſchon ſehr und ſeine Lichtminima find nicht mehr zu beſtimmen. Dr. E. Hartwig. —0̃ä.ä ' .——- . .¼-b.ẽ. b :.. . . . . . . 13h 48™ 16 O e 13 130 Merkur wird wegen der langen hellen Dämmerung auch bei ſeiner größten Ausweichung zu Monatsſchluß im letzten Drittel des Monats nur bei ganz klarem Himmel kurz vor ſeinem Untergang am Nordweſthorizont dem Am 20. geht er um 3 Monddurchmeſſer nördlicher an Saturn vorbei. Sonnenuntergang ſchon leicht mit freiem Auge auffindbar und in der hellen Dämmerung ſtrahlend, geht anfangs noch kurz vor 11 Uhr, zuletzt eine halbe Stunde nach 10 Uhr unter. Mars geht anfangs um 3 ½, zuletzt kurz vor 3 Uhr morgens auf und iſt dem freien Auge noch nicht ſichtbar. Jupiter kommt am 23. in Stillſtand und wird, nachdem er ſich bis auf 5 Grad dem hellſten Stern der Jungfrau, „Spica“, genähert, wieder rechtläufig. Zu Anfang des Monats geht er bald nach 2 Uhr morgens, am Ende bald nach Saturn in der Nähe der beiden hellſten Sterne der Zwillinge, Castor und Pollux, beginnt Er geht anfangs noch bei Nacht um 10 ¼ Uhr, zuletzt ſchon eine Stunde Uranus, im Sternbild der Jungfrau, kommt am 15. in Neptun im Sternbild des Am 24. ſteht die Mondſichel nahe bei ihr. ier 12 III 15 Venus, bei Biographien und perſonalnotizen. Profeſſor Dr. Moebius in Kiel wurde zum Direktor des Zoologiſchen Muſeums in Berlin ernannt. Er wird die Einrichtung des neu erbauten Muſeums leiten. Profeſſor Dr. Tietjen, Vorſteher des Recheninſtituts in Berlin und Herausgeber des Aſtronomiſchen Jahr— buches, wurde zum ordentlichen Profeſſor an der Univerſität ernannt. Profeſſor Dr. Falkenberg in Göttingen iſt als Pro- feſſor der Botanik an die Univerſität Roſtock berufen worden. Dr. W. Branco, Landesgeologe und Docent an der königlichen Bergakademie in Berlin, wurde zum Pro— feſſor der Geologie in Königsberg ernannt. Humboldt 1887. Dr. Spengel, Direktor der ſtädtiſchen Sammlungen für Naturgeſchichte in Bremen und Herausgeber der „Zoolo— giſchen Jahrbücher“, iſt als Profeſſor der Zoologie an die Univerſität Gießen berufen worden. Dr. Carl Fränkel in Berlin wurde zum Kuſtoden am Hygieiniſchen Inſtitut daſelbſt ernannt. Profeſſor Dr. M. Gruber in Graz iſt zum Profeſſor der Hygieine an der Univerſität Wien ernannt worden. Profeſſor Dr. Skraup an der techniſchen Hochſchule in Graz wurde zum ordentlichen Profeſſor der Chemie an der dortigen Univerſität ernannt. Dr. Ono dy hat fic) als Docent für Embryologie an der Univerſität Budapeſt habilitiert. 31 242 Humboldt. — Juni 1887. Profeſſor Tyndall hat anhaltender Kränklichkeit halber ſeine Entlaſſung als Profeſſor der Phyſik an der Royal Inſtitution in London eingereicht. Dr. Wiliſhenin hat ſich als Docent für Phyſiologie an der militär⸗mediziniſchen Akademie in St. Peters⸗ burg habilitiert. Die Beneke⸗Preisſtiftung der Univerſität Göttingen verlieh ihren zweiten Preis dem Profeſſor der Phyſik Dr. M. Plank in Kiel. Der erſte Preis wurde nicht zu⸗ erkannt. Die Anthropologiſche Geſellſchaft in London hat den Reiſenden C. W. Roſſet aus Freiburg i. B. in Anerkennung ſeines Berichtes über die Malediven zum korreſpondierenden Mitglied erwählt. Die Senckenbergſche Naturforſchende Geſellſchaft in Frank⸗ furt a. M. verlieh den Tiedemannſchen Preis dem Profeſſor Paul Ehrlich in Berlin, welcher durch mehrere Arbeiten ganz neue Bahnen für die ver⸗ ſchiedenſten Specialgebiete der Anatomie und Phyſio⸗ logie eröffnet hat, ſpeciell für ſein Buch „Das Sauer⸗ ſtoffbedürfnis des Organismus“. Fraunhofers hundertjähriger Geburtstag wurde in Berlin und München am 5. März gefeiert. v. Steinheil ſpendete zum Andenken an den Gefeierten 10000 M. zur Errichtung einer optiſchen Prüfungsanſtalt, und die Deutſche Geſellſchaft für Mechanik und Optik be⸗ gründete eine Fraunhoferſtiftung, deren Zinſen und Jahresbeiträge jungen talentvollen Mechanikern die weitere Ausbildung in Fachſchulen und renommierten Werkſtätten des In⸗ und Auslandes ermöglichen ſollen. Die bayriſche Akademie der Wiſſenſchaften wird die in Zeitſchriften verſtreuten Abhandlungen Fraunhofers ſammeln und in einem Bande heraus⸗ geben. Cofenlifte. Obernetter, J. B., einer der bedeutendſten Vertreter der photographiſchen Chemie, ſtarb 12. April in München. Obernetter war 31. Mai 1840 geboren, er er⸗ fand das Einbrennen der Photographien auf Porzellan und Glas und das Verfahren der Albertotypie, welches ſich auf die Einwirkung des Lichtes auf Chromgelatine gründet. In der Folge verbeſſerte er den Lichtdruck durch das Einſtäubungsverfahren mit Graphit, lieferte Trockenplatten von vorzüglicher Leiſtungsfähigkeit und gab ein Verfahren an, von einem Negativ in der Camera ſelbſt ein beliebig großes zweites Negativ direkt mittels Entwickelung herzuſtellen. Durch ſeinen Lichtkupferdruck gewann er wirkliche Fakſimilerepro⸗ duktionen, die durch keine Retouche beeinträchtigt ſind. Seine letzten Arbeiten bezogen ſich auf den Ortho⸗ chromatismus, die Herſtellung haltbarer Platten zur richtigen Wiedergabe der Farbenwirkung. Lieberkühn, Nathanael, Profeſſor der Anatomie in Mar⸗ burg, ſtarb daſelbſt 14. April. Er war geboren 8. Juli 1821 zu Barby in Sachſen und wirkte in Marburg ſeit 1867. Sein vorzüglichſtes Arbeitsfeld war die Entwickelungsgeſchichte, welche er durch eine Reihe wertvoller Arbeiten bereicherte. Zu dieſen gehören be⸗ ſonders die Entwickelungsgeſchichte des Säugetierauges, Unterſuchungen über die Keimblätter, Ueber die Be⸗ wegungserſcheinungen der Zellen rc. Kickx, Jean, Profeſſor der Botanik an der Univerſität zu Gent, Direktor des Botaniſchen Gartens und der Staatlichen Gartenbauſchule, ſtarb 27. März im Alter von 45 Jahren. Michot, Norbert, belgiſcher Botaniker, ſtarb, 84 Jahre alt, in Mons. Er ſchrieb eine ſehr geſchätzte Flora des Hennegau. Wyld, James, Kgl. Geograph, ſtarb 17. April im Alter von 74 Jahren in London. Seine zahlreichen Schriften und kartographiſchen Werke ſichern dem Verſtorbenen nicht minder ein bleibendes Andenken, wie ſeine auf die Verbreitung des geographiſchen Wiſſens in den engliſchen Schulen gerichteten Be⸗ mühungen. James Wyld war Inhaber der preußi⸗ ſchen goldenen Medaille für Wiſſenſchaft. Hering, C. W., Profeſſor, Lepidopterologe, ſtarb im Alter von 85 Jahren am 1. Februar in Stettin. Werneburg, Adolf, Oberforſtmeiſter, als Lepidopte⸗ rologe bekannt, ſtarb am 21. Januar 1887. Briſont de Barneville, Henri, Koleopterologe, vor⸗ züglicher Kenner der Kleinkäfer, verſtarb in St. Ger⸗ main⸗en⸗Laye im 66. Lebensjahre. Roſenhain, George, Profeſſor der Mathematik an der Univerſität Königsberg, Mitglied der Kgl. Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin, geboren 10. Juni 1816, ſtarb in Berlin 14. März. Herbich, Franz, Geologe, Kuſtos des Nationalmuſeums zu Klauſenburg, ſtarb daſelbſt 15. Januar. Spitzer, Simon, Profeſſor der analytiſchen Mechanik an der techniſchen Hochſchule in Wien, bekannter Ma⸗ thematiker, ſtarb in Wien in der Nacht zum 16. März, 61 Jahre alt. ; Proſper Faugere, bis 1880 Direktor des Archivs des Auswärtigen Amtes in Paris, bekannter Pascal⸗ forſcher, geboren 1810, ſtarb im März in Paris. Riel, Gerichtsrat a. D., Verfaſſer mehrerer Werke über Aſtronomie, ſtarb Ende März in Soldin. Kirchenpauer, G., Bürgermeiſter von Hamburg, durch ſeine Arbeiten über Zoophyten als Zoologe bekannt, ſtarb 8. März. ö Litterariſche Rundſch au. J. Ranke, Der Menſch. Entwickelung, Bau und Leben des menſchlichen Körpers. Erſter Band. Mit 583 Abbildungen im Text und 24 Aquarell⸗ tafeln. Leipzig, Bibliographiſches Inſtitut. 1886. Preis 13 J. In dem vorliegenden Bande hat der Autor ein ganz koloſſales Material zu einer Naturgeſchichte des Menſchen verarbeitet. Die Einleitung des Buches bietet neben einer allgemeinen Ueberſicht über Bau und Funktionen des menſch⸗ lichen Körpers eine feſſelnde äſthetiſch⸗künſtleriſche Betrach⸗ tung der Menſchengeſtalt. Der folgende Abſchnitt bringt eine meiſterhafte Schilderung der entwickelungsgeſchichtlichen Vorgänge und der angeborenen und künſtlich erzeugten Mißbildungen. Weiterhin werden die Organe der Cirku⸗ lation, die Entfernung von Auswurfsſtoffen aus dem Blut. durch Lungen, Haut und Nieren, diejenigen der Verdauung, ſowie das Knochen- und Muskelſyſtem ſowohl hinſichtlich ihrer Geſtaltung wie bezüglich ihrer Thätigkeiten geſchildert und bei Gelegenheit der Einzelbeſchreibung eine große An⸗ zahl von wichtigen, bis dahin wenig beachteten Punkten er⸗ örtert. Beſonders intereſſant ijt das Kapitel: „Anthro⸗ pologiſche Betrachtungen des Schädels“, in welchem eben⸗ ſowohl die Principien der modernen Schädelmeſſung wie das im vorigen Jahrhundert von Peter Camper ausge⸗ arbeitete Syſtem beſprochen werden. Der dritte Hauptteil des Bandes behandelt das Nervenſyſtem, die Sinnes- und Sprachwerkzeuge und erörtert neben vielen anderen wich⸗ tigen Punkten die Frage nach der Lokaliſation der Hirn⸗ funktionen in der Großhirnrinde. Ferner werden die Be⸗ ziehungen des Menſchenhirns zum Tierhirn, die Mikro⸗ kephalie, die im Hirn ſich ausprägenden Raſſen⸗ und Geſchlechtsverſchiedenheiten und andere Fragen erörtert. Wenn wir auch nicht in jedem Punkte mit dem Autor Humboldt. — Juni 1887. übereinſtimmen — fo vor allem nicht mit ſeiner eine ge- wiſſe Oppoſition gegen die Lehre Darwins bekundenden Auffaſſung der „pithekoiden“ (affenähnlichen) Merkmale, und ebenſowenig mit der Behauptung, „daß Raſſen, die den Menſchenaffen hinſichtlich ihrer Körperbildung näher ſtehen als die Europäer, bisher noch nicht aufgefunden wurden“ — ungeachtet dieſer Meinungsverſchiedenheit können wir doch dem Buche als Ganzes betrachtet, ins- beſondere der gediegenen, geiſtreichen und zugleich allgemein faßlichen Darſtellung unſere Bewunderung nicht verſagen. — Uneingeſchränktes Lob verdient die wahrhaft künſtleriſche Ausſtattung des Bandes. Kaſſel. Dr. Moritz Alsberg. H. Tüſcher, Verzeichnis der Gefäßpflanzen von Zofingen und Amgebung. Aarau, Sauerländer. 1886. Preis 1,60 % Eine fleißig und ſorgſam ausgearbeitete Aufzählung der Gefäßpflanzen des kleinen Gebiets mit Angabe der Standorte, in der Reihenfolge des Syſtems von De Can— dolle. Voran gehen kurze Notizen über frühere Zofinger Floriſten, eine kleine von H. Fiſcher verfaßte geologiſche Skizze des Gebiets, Angabe der Litteratur. Die Zahl der aufgeführten Arten beträgt 1308. Als neue Anſiedler an Eiſenbahnen werden aufgeführt: Alsine tenuifolia, Eragrostis minor, Lepidium Draba, Portulaca oleracea, Medicago denticulata und maculata. Gewundert hat es Referenten, daß unter den durch Gletſchergeſchiebe ver- breiteten Pflanzen auch Circaea alpina, Sedum villosum, Pirola uniflora, Alnus viridis und Lycopodium Selago aufgeführt werden. Sehr verſtändig ift es, daß der Ver⸗ faſſer die Florula nicht mit dem Ballaſt eines Schlüſſels zum Beſtimmen befrachtet hat. Es folgen dem eigentlichen Text Verzeichniſſe eingebürgerter oder verſchleppter und verſchollener Pflanzen, ferner von Pflanzen des Sempacher Sees, des Solothurner Jura, des Basler Jura. Ungern ver- miſſen wir die Angabe der Schweizer Volksnamen der Pflanzen. Wer ſich für die Flora der Schweiz intereſſiert, dem wird das Büchlein eine willkommene Gabe ſein. Stuttgart. Prof. Dr. Hallier. M. Wilhelm Meyer, Kosmiſche Weltanſichten. Aſtronomiſche Beobachtungen und Ideen aus neueſter Zeit. Zweite Auflage. Berlin, All- gemeiner Verein für deutſche Litteratur. 1886. Preis 6 AM Der Verfaſſer obiger Schrift, welcher bis vor wenigen Jahren ſelbſt als praktiſcher Aſtronom thätig war, hat ſchon in früheren Veröffentlichungen das Talent bewieſen, die Ergebniſſe wiſſenſchaftlicher aſtronomiſcher Forſchungen in gemeinverſtändlicher Form weiteren Kreiſen zugänglich zu machen. Auch die neueſte Schrift wird ſich unzweifel⸗ haft, wie ihre Vorgängerinnen, eines wohlverdienten Bei— falles erfreuen. Der Verfaſſer hat in derſelben neben Betrachtungen über länger bekannte Gegenſtände, nament⸗ lich auch verſchiedene wichtige Erſcheinungen der neueſten Zeit in den Bereich ſeiner Beſprechungen gezogen, wie die Kometen der letzten Jahre, die manches Merkwürdige und Neue gezeigt haben, das im Jahre 1885 erfolgte Auf— leuchten eines neuen Sterns im Andromadanebel und anderes mehr. Einzelne vom Verfaſſer geäußerte Anſichten werden zwar kaum die Zuſtimmung der Fachaſtronomen erhalten; zu dieſen rechnen wir die Bemerkung auf S. 87, daß es die allgemeine Schwere fet, welche die Erde mit⸗ ſamt der Sonne und allen Planeten in geradlinigem Fluge durch das Univerſum führt, mit einer Geſchwindig⸗ keit von vier Meilen pro Sekunde; — ferner ſeinen Be— weis für die Identität des am 2. Dezember 1872 von Pogſon aufgefundenen Kometen mit dem Kometen von Biela, den man keinenfalls als überzeugend wird anerkennen können. Doch wollen wir wegen dieſer Einzelheiten mit dem Verfaſſer nicht rechten, ſondern wünſchen, daß ſeine vieles Gute enthaltende und eine anregende Lektüre bietende Schrift weite Verbreitung erlangen möge. Kiel. Prof. C. F. W. Peters. 243 Ir. Knauer, Aus der Tierwelt. Schilderungen und allgemeine Umblicke. Ein naturhiſtoriſches Leſebuch für Schüler der Mittelſchulen und für jeden Naturfreund. Mit vielen Abbildungen. Freiburg i. B., Herder. 1886. Preis 2 ./ Der Inhalt zeigt Einzelſchilderungen und zuſammen— faſſende Betrachtungen. Wir haben in dem bekannten Ver— faſſer einen eifrigen und ſorgſamen Beobachter des Tierlebens vor uns, welchem auch kleine Züge nicht entgehen und der auf ſeinen Wanderungen und Reiſen durch Gebirge, Wald und Feld den Spuren des Daſeins mit offenem Auge und Verſtändnis folgt. Es ſind zunächſt Genrebilder, die er uns vorführt, in warmen, der Wirklichkeit ent- ſprechenden Farbentönen gehalten, überall den ſinnigen Freund der Lebewelt bekundend, mit Vorliebe auf eigene Beobachtungen ſich ſtützend. Dann erhalten wir umfaſſende Gemälde, von erhöhten Standpunkten aufgenommen, die einen Umblick in die Geſelligkeit, die Baukunſt, die Wanderungen der Tiere rc. thun laſſen. Man folgt den poeſiedurchtränkten Schilderungen mit Vergnügen und läßt fein Wiſſen ſcheinbar mühelos bereichern. Das gut aus— geſtattete Buch bildet eine willkommene Ergänzung der Lehrbücher und Leitfäden; es iſt ein Leſebuch, das warm zu empfehlen iſt und namentlich in keiner Schulbibliothek fehlen dürfte. Berlin. Dr. Bwich. Geſetz, Theorie und Hypotheſe in der Phyſik. Akademiſche Antrittsrede, gehalten am 30. Juli 1885, von Dr. F. Braun, ord. Prof. d. Phyſik in Tübingen. Tübingen, Fues. 1886. Preis 0,80 Al In großen, tiefen Zügen, wie es dem hohen philo— ſophiſchen Geiſte der alten Univerſität Tübingen entſpricht, führt Braun Grundlage und Ziele ſeiner Wiſſenſchaft vor. Die Grundlage bilden die Geſetze, durch Naturbeobachtung oder Experiment gefunden, die Ziele ſind die Erkenntnis des Weſens der phyſikaliſchen Dinge durch Theorie und Hypotheſe. Den Wert der oft angefochtenen Theorie ent— wickelt er nach zahlreichen Beziehungen, beiſpielsweiſe iſt die Theorie auch praktiſch, die Theorie der Brechung lehrt die Dimenſionen der Linſen berechnen, die Bewegungs— theorie ſchuf das abſolute Maß, die Potentialtheorie iſt das Handwerkszeug der Elektrotechniker geworden. Be⸗ ſonderen Wert hat die Theorie dadurch, daß ſie verkehrte Hypotheſen als widerſinnig erweiſt und ſo der richtigen Hypotheſe den Weg bahnt, die für den Forſcher der Lett= ſtern iſt im dunkeln Wirrſal der Arbeiten und Anſichten. Mainz. Prof. Dr. Rets. C. Anſchütz, Angedruckte wiſſenſchaftliche Korre- ſpondenz zwiſchen Johann Keppler und Her: wart von Hohenburg. 1599. Ergänzung zu: Kepleri Opera omnia, ed. Frisch. Prag. 1886. Preis 2,70 Hh, Vorliegende, 7 Druckbogen umfaſſende Schrift iſt als Separatabdruck aus den Sitzungsberichten der Kgl. Böhmiſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften erſchienen. Sie enthält drei bisher unbekannte Briefe Kepplers an den kur⸗ bayriſchen Geheimrat und Kanzler J. G. Herwart v. Hohenburg (geb. zu Augsburg 1553, geſt. zu München 15. Januar 1622). Derſelbe war einer der aufrichtigſten Gönner Kepplers, weshalb dieſer auch jahrelang im eifrigen wiſſenſchaftlichen Verkehre mit ihm ſtand. Die hier reproduzierten Briefe Kepplers wurden durch den Herausgeber der „Opera omnia Kepleri“, Chr. v. Friſch, der an verſchiedenen Stellen die Vermutung ausgeſprochen, Keppler müſſe im März, Mai und Juli 1599 an Herwart v. Hohenburg geſchrieben haben, erfolglos geſucht, ſo daß er dieſe Briefe als verloren anſah. Anſchütz fand dieſelben im Cod. lat. 1607 der Münchener Kgl. Staatsbibliothek. Durch ſie wird die große Lücke, die bisher im Briefwechſel Kepplers beſtanden hatte, vollſtändig ausgefüllt. Was den Inhalt 244 betrifft, fo tft dieſer ſehr mannigfaltiger Natur. Vor allem ſind es chronologiſche Fragen, die behandelt werden, ferner die Deklination der Magnetnadel, eine Verbeſſerung der Finſternisberechnung, nämlich der auf geometriſche und ſtereometriſche Sätze geſtützte Beweis über den Zuſammen⸗ hang von Aſtrologie und Muſik, welche an die , Harmonia mundi“ Kepplers erinnert. — Die vorliegende Schrift ſchließt ſich nach Format und Druck genau als Supplement an Kepleri opera omnia ed. Frisch an und dürfte des⸗ halb allen Beſitzern dieſes Werkes willkommen ſein. Budapeſt. Prof. Aug. Heller. Bibliographie. Bericht vom Monat April 1887. Allgemeines. Erdmann, G. A., Geſchichte der Entwickelung und Methodik der biologi⸗ 1 5 Ratuaroifen}hajten. (Zoologie u. Botanik.) Kaſſel, Fiſcher. Bee eee illuſtriertes, hrsg. v. H. Fürſt. 1 Lfg. Berlin, are). Kriſt, J. v., fand ere der Naturlehre f. d. unteren Klaſſen der ie dn beſonders der Gymnaſien. 90 Aufl. Wien, Brau⸗ ter = 5 EXD Sattler, A., Leitfaden der Phyſik u. Chemie. Für die oberen Klaſſen v. Bürger⸗ u. 920 Mädchenſchulen. 5. Aufl. Braunſchweig, Vieweg. M. —. Schriften der agen Geſellſchaft zu n iPr. 27. Jahrg. 1886. Königsberg, Koch & Reimer. M. Vogel, H., Schulnaturgeſchichte Ausg. B. Ein ivinabolngsbuf Schüler in gehobeneren Schulen. 1. Heft. M. — — dasſelbe. Ausg. C. Ein Wiederholungsbuch f. Schüler in 20 1 Schulverhältniſſen. 1. Heft. Meißen, Schlimpert. M. —. SV hyfik. Bauernfeind, C. M. v., Gedächtnisrede auf Joſeph v. 0 zur Feier ſeines 100. Geburtstages. München, Franz. 1 Hoppe, E., die Entwickelung 15 1 v. d. Elektricität bis auf § Hautzber Hamburg, Herold. M. 2. Verdet, E., Vorleſungen üb. bie Welentheorie d. Lichtes. Deutſche Be⸗ arbeitg. v K. Exner. 2 Bde. Braunſchweig, Vieweg & Sohn. M. 26. Weinhold, A. F., phyſikaliſche Demonſtrationen. Anleitung zum Ex⸗ perimentieren im Unterricht an Gymnaſien, Realſchulen und Gewerbe⸗ ſchulen. 2. Aufl. 1. Lfg. Leipzig, Quandt & Händel. M. 7. 50 Chemie. Beilſtein, F., Anleitung zur 1 . 5 l Analyſe. 10. Aufl. Leipzig, Quandt & Händel. M. Roscoe, H. E., u. C. Schorlemmer, ausführliches Lehrbuch der Chemie. 4. Bd. Die Kohlenwaſſerſtoffe u. ihre Derivate od. 80. Chemie. 2. Tl. 2. Abtlg. 1 1 ath Vieweg. M. 6. Schäfer, H. W., die Alchemie. Ihr ägyptiſcher ispang 15 ihre weitere hiſtor. Entwicklg. Berlin, Calvarh. M. Aſtronomie. Falb, R., von den Umwälzungen im Weltall. 2. Aufl. leben. M. 4. 50 Wien. Har⸗ Meteorologie. Senger C., Pſychrometertafeln für das LOOteilige Thermometer. „Aufl. Leipzig, Engelmann. M. 3. Leyſt, E., Katalog der meteorologiſchen Beobachtungen in Rußland u. Finnland. 4. Suppl-Bo. zum Repertorium für Meteorologie. St. Petersburg⸗Leipzig, Voß. M. 11. 70. Rykatſchew, M., üb. den Auf⸗ u. Zugang der Gewäſſer des ruſſiſchen Reiches. 2. Suppl. ⸗Bd. zum Repertorium f. Meteorologie. St. Peters⸗ burg⸗ Leipzig. Voß. M. 10. 70. Wahlén, E, wahre Tagesmittel u. tägliche Variation der Temperatur an 18 Stationen d. ruſſiſchen Reiches. 3. Suppl.⸗Bd. zum Reper⸗ torium f. Meteorologie. St. Petersburg⸗Leipzig, Voß. M. 14. 15. Wilk, E., Grundbegriffe der 1 höhere Schulen zuſammen⸗ geſtellt. Iſerlohn, Bädeker. 4 Zenger, K. W., die Meteorologie 2 Sonne u. die Wetterprognoſe d. J. 1886. Prag, Rivnac. M. 1. 44. Geographie, Ethnographie, Reifewerke. Buchner, M., 11 55 Skizzen u. Betrachtgn. Leipzig, Duncker & Humblot. M. Humboldt. — Juni 1887. Chavanne, J., Reiſen und Forſchungen im alten und neuen Kongo⸗ ſtaate in den Jahren 1884 u. 1885. Jena, Coſtenoble. M. 24. Diemer, L., das Leben in der Tropenzone, fpeciell im Indiſchen Archipel. Nach van der Burgs „de genesheer in Nederlandsch-Indié“ frei bearb. Hamburg, Friederichſen & Co. M. 4. Strobel, W., Japan. Land u. Leute. Vortrag. Glarus, Bäſchlin. Di 5 Gi) Mineralogie, Geologie, e se Elemente der Geologie. Paläontologie. 6. Aufl. Leipzig, Engelmann. Grate “gentogitce, d. Großherzogt. Heſſen. Hrsg. durch das großherzogl. Miniſterium des Innern u. der Juſtiz. Bearb. unter der Leitg, v. R. Lepſius. 1: 25 000. 1. Lfg. Mit Erläutergn. 1. Meſſel. Geologiſch bearb. v. C. Chelius. 2. 10 Geologiſch bearb. v. C. Chelius. 2 Bergſträßer. M. 8 Moſer, E., über die organiſchen Subftanzen d. Mainwaſſers b. Würz⸗ burg. Würzburg, Stahel. M. 1 Roſe's, G., Elemente der Kryſtallographie. 3. Bd. Anwendung der Linearprojektion zum Berechnen der Kryſtalle. Von M. Websky. Mit 14 Taf. Berlin, Mittler & Sohn. M. 20. Roßmäßler, E. A., die Geſchichte der Erde. 4. 56 Th. Engel. 1. Lfg. Stuttgart, Weiſert. M. —. Schneider, O., zur Bernſteinfrage, insbeſondere üb. fie, 0 u. das Lynkurion der Alten. Dresden, Gilbers. M. 1. 5 — über die kaukaſiſche Naphtaproduktion. Dresden, Gilbers, N. ae — über den roten Porphyr der Alten. Dresden, Gilbers. M. 4. Botanik. Beijerinck, M. W., Beobachtungen u. Betrachtungen 110 Wurzelknoſpen und Nebenwurzeln. Amſterdam, Müller. M. 4. Brandis, die Nadelhölzer Indiens. Bonn, Strauß. N. Bone, A., Repetitorium der Botanik. 2. Aufl. Würzburg, Stahel. M. 3. 20. Harz, C. O., Beiträge zur i l 0 einiger Kulturpflanzen. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 1. 20. Krauſe, H., Schulbotanik. Nach method. Grundſätzen bearb. 2. Aufl. Hannover, Helwing. M. 2. 20. Potonié, H., illujtrierte Flora v. Nord⸗ u. Mitteldeutſchland. Mit einer Einführung in die Botanik. 3. Aufl. Berlin, Boas. M. 5. Radlkofer, L., Ergänzungen zur Monographie der Sapindaceengattung Serjania. München, Franz. M. 6. Sammlung naturwiſſenſchaftlicher 1 4 hrsg. v. E. Huth. Myrme⸗ umgearb. v. kophile und e Pflanzen v. E. Huth. Berlin, Friedländer & Sohn. 11 =. Seubert's, M. Lchrbuch der geſamten 11 0 0 bearb. von v. Ahles. 7. Aufl. Leipzig, Winter. M. Verhandlungen d. botaniſchen Vereins der Prov. Brande g Red. u. hrsg. v. P. Aſcherſon, E. Koehne, F. Dietrich. 28. Jahrg. 1886. Berlin, Gärtner. M. 3. 9 85 80 Lehrer an Volksſchulen. Meißen, Schlimpart. e Zoologie, Anthropologie. Alsberg, M., Anthropologie m. 98 der Urgeſchichte d. Menſchen. 1. fg. Stuttgart, Weiſert. M. —. 50. Berger, Beiträge zur Anatomie d. Auges in normalem u. pathologiſchem Zuſtande. Wiesbaden, 3 er M. 12. Bibliothek f. Naturfreunde. 3. Der Flußkrebs, ſeine Beſchreibung und Zucht. Von O. F. Rank. — 4. Der Goldfiſch, ſeine Pflege und Zucht. Von G. Findeis. Wien, Frank. a M. —. 60. Claus, C., die Plathſceliden. Mit, 26 lith. Taf. u. 26 Blatt Tafel⸗ erklärgn. Wien, Hölder. M. 32. Glaſer, L., Catalogus etymologicus coleopterorum et lepidopte- rorum. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 4. 80. Korſchelt, E., zur Bildung der Eihüllen, der Mikropylen u. Chorion⸗ anit bei den Inſekten. Leipzig, Engelman. M. 9. Kraß, M., u. H. Landois, der Menſch und die 3 Reiche der Natur. 1. Tl. Der Menſch u. das Tierreich in Wort u. Bild. 8. Aufl. Freiburg, Herder. M. 2. 20. Meynert, Th., die anthropologiſche Bedeutung der frontalen Gehirnent⸗ wickelung, nebſt Unterſuchgn. üb. den Windungstypus d. Hinterhaut⸗ lappens der Säugetiere u, patholog. Wägungsreſultaten der menſchl. Hirnlappen. Wien, Töplitz & Deuticke. M. 2. Naturgeſchichte d. Tier⸗, Pflanzen⸗ u. Mineralreichs in kolor. Bildern nebſt erläut. Text f. Schule u. Haus. 2. Abtlg. 6.0 5 Aa en der nach dem Linnsſchen Syſtem. Nach G. H. v. e Lehrbuch der reibe 19 neu bearb. v. M. Willkomm. 4. Aufl. Eßlingen, Schreiber. M. Ploß, H., das Weib in der Natur u. Völkerkunde. 2. Aufl. Bearb. u. hrsg. v. M. Bartels. 1. Lig. Leipzig, Grieben. M. 2. 40. Rahmer, S., Phyſiologie od. die Lehre von den Lebensvorgängen im menſchl. u. tier. Körper. 1. Lfg. Stuttgart, Weiſert. M. —. 50. Sprockhoffs, A., Einzelbilder aus dem A 5. Aufl. M. —. 60. — Grundzüge der Zoologie. 9. Aufl. M. 60. = Neher e 60 2. Abtlg.: S oege 3. Aufl. Hannover, Meyer. M. 1. Wiedersheim, R., oa Bau d. 1 9 40 als Zeugnis f. ſeine Vergangen⸗ heit. Freiburg, Mohr. M. 2. Litterariſche Kotizen. Am 1. April feierte die mathematiſche Wiſſenſchaft ein bemerkenswertes Jubiläum: die Berliner Profeſſoren L. Kronecker und K. Weierſtraß ließen den hundertſten | Band von A. L. Crelles „Journal für die reine und angewandte Mathematik“ erſcheinen, das ſeit 1826 in zwangloſen Heften die jedesmal neueſten Forſchungen Humboldt. — Juni 1887. veröffentlicht und auf der gleichen Höhe ſich erhalten hat. In den erſten dreißig Jahren ſeines Beſtehens leitete Crelle das „Journal“; 1856 übernahm C. W. Borchardt die Re⸗ daktion, und jeit 1880 find Kronecker und Weierſtraß die Herausgeber. Die Zeitſchrift blieb nur kurze Zeit auf Deutſchland allein berechnet, denn ſchon für den zweiten Band waren ſo viele Abhandlungen von franzöſiſchen, eng— liſchen, niederländiſchen, däniſchen und ſchwediſchen Ge— lehrten eingegangen, daß dem Journal der allgemeine Charakter ſich von ſelbſt aufdrängte. Die univerſelle Richtung iſt denn auch eine der Haupturſachen des glän— zenden Erfolges der Crelleſchen Schöpfung geworden. Das „Journal“ erhielt noch von Poncelet, Poiſſon und Gauß Beiträge; es veröffentlichte dann die Mehrzahl der Werke von Steiner, Lejeune Dirichlet, Abel und Jacobi, ferner die Hauptarbeiten von Riemann, und endlich brachte die Zeitſchrift Abhandlungen von vielen der bedeutendſten unter den noch lebenden älteren und jüngeren Mathe— matikern und mathematiſchen Phyſikern aller Nationen. Das „Journal“ hat in ſeinen hundert Bänden vier ma— thematiſchen Generationen als Stätte für Veröffentlichungen gedient, und damit ſtellt es einen guten Teil der Geſchichte der Entwickelung dar, welche die Mathematik ſelbſt in den letzten ſechzig Jahren genommen hat. Für den jetzt fertig geſtellten hundertſten Band waren nun dem „Journal“ nicht bloß aus Deutſchland, ſondern auch aus Frankreich, Italien, England und Portugal ſo viele Beiträge zu— gegangen, daß dem Wunſche der Herausgeber, ſie ſämtlich aufzunehmen, durch weſentliche Vergrößerung des Umfanges entſprochen werden mußte. Neben Beiträgen der beſten Mathematiker unſeres Vaterlandes bringt der Jubiläums— band Arbeiten von J. J. Sylveſter in Oxford, Corrado Segre in Turin, H. Picquet und Emile Picard in Paris, F. Mertens in Graz, F. Rudio in Zürich und F. Gomes- Teixeira in Oporto. D. Ein neues „Journal of Morphology“ erſcheint unter der Redaktion von C. O. Whitman in Boſton. Es wird nur Originalarbeiten der erſten amerikaniſchen Autoren aus dem Gebiet der tieriſchen Morphologie (Embryologie, Anatomie und Hiſtologie) enthalten und in Heften von etwa 150 Seiten Text mit 5—10 Doppeltafeln ausgegeben werden. Zunächſt ſollen 2 Hefte im Jahr erſcheinen. D. Der König von Italien hat ein Dekret unterzeichnet, 245 mittels deſſen die Herſtellung einer neuen und vollſtändigen Ausgabe der Werke Galileis auf Staatskoſten verfügt wird. Das Unterrichtsminiſterium hat gemeinſam mit einem Ausſchuß von hervorragenden Fachgelehrten dieſe Ausgabe zu überwachen, die 20 Quartbände zu je 500 ae umfaſſen wird. Humboldtiana. Die Bibliothek der Benliner Ge: ſellſchaft für Erdkunde erhielt von Dr. Wagener eine voll: ſtändige Sammlung der Werke Alexander v. Humboldts zum Geſchenk. Da eine Geſamtausgabe von Humboldts Werken nie erſchienen iſt, und eine auch nur annähernd vollſtändige Sammlung der Schriften Humboldts zu den größten Seltenheiten gehört, die nur im Laufe vieler Jahre Band für Band zuſammengeſucht werden kann, ſo beſitzt die in Rede ſtehende Sammlung einen außerordentlichen Wert. Wagener hat mit unermüdlichem Fleiß während mehr als 30 Jahren, neben Humboldts umfangreichem Briefwechſel mit ſeinem Bruder, mit Freunden und Ge— lehrten u. dgl. jeden Sonderabdruck ſeiner Reden, jede noch ſo kleine Abhandlung, jedes Flugblatt geſammelt, kurz — die Geographiſche Geſellſchaft beſitzt heute einfach jede Zeile, die überhaupt von Humboldt gedruckt worden iſt. Außerdem aber fahndete Wagener nach allem oder wenigſtens dem beſten, was über Humboldt geſchrieben worden iſt, und fügte Biographien, Kritiken, Nachrufe, Feſt⸗ und Erinnerungsreden u. ſ. w. ſeiner Sammlung ein. Eines der ſeltenſten Stücke der Sammlung iſt ein Büch⸗ lein: „Mineralogiſche Beobachtungen über einige Baſalte am Rhein“, im Jahre 1790 ohne Namen eines Verfaſſers in Braunſchweig erſchienen. Humboldt ſchrieb dieſe Ab— handlung als 21jähriger Jüngling, beſaß aber keinen Ab— zug davon und hatte die Arbeit vollkommen vergeſſen, bis ihm Wagener, 60 Jahre ſpäter, zu ſeinem 85. Geburtstage einen Abzug ſchickte. Humboldt ſelbſt bezeichnete ſeine Jugendſchrift als „die mutwillige Arbeit eines fanatiſchen Neptuniſten“, und auf den Titel ſchrieb er ſelbſt: „ſehr ſelten“. Bekanntlich vermachte Humboldt ſeine umfang— reiche Bibliothek ſeinem Diener. Dieſer übergab ſie der Firma A. Aſher & Co., welche dieſelbe in London ver— ſteigern laſſen ſollte. Gleichzeitig meldete fic) ein Ameri⸗ kaner, der einen hohen Preis für dieſelbe bot. Gerade als das Geſchäft abgeſchloſſen werden ſollte, verbrannte die ganze Humboldtſche Bibliothek im Juni 1865 im N palaſt in Sydenham. Aus der Praxis der Katurwiſſenſchaft. Elektrifhe Projektionslampe. In den Sitzungs⸗ berichten der phyſikaliſch-mediziniſchen Societät zu Erlangen beſchreibt Selenka eine von der Firma Reiniger, Gebbert und Schall in Erlangen konſtruierte elektriſche Projektions— lampe, welche durch praktiſche Zuſammenſtellung und leichte Handhabung ihren Zweck in ausgezeichneter Weiſe erfüllt. In einer Entfernung von 5 m vom Projektionsſchirm er- kennt man noch deutlich die kontraktilen Vakuolen und die ſogenannte Körnchenſtrömung in lebenden Amöben, ſowie die Cilienbewegung und die Nahrungsaufnahme der In— fuſorien. An gefärbten kleinen Kalkſchwämmen laſſen ſich die Geißelkammern und Nadeln zur Anſchauung bringen, desgleichen der Zellenbau in den Armen der Hydroidpolypen, der ganze Geſchlechtsapparat in den Proglottiden der Band— würmer. Reizende Bilder liefern die Schwimmhaut des lebenden Froſches und die Kiemen der Salamanderlarven, die Tracheenverzweigungen im Floh und der Laus ꝛc. — Die Demonſtration ſelbſt iſt ungemein ſchnell und einfach zu bewerkſtelligen. Die Verdunkelung des Raums geſchieht durch Herablaſſen von Rouleaux aus Segeltuch, welches auf beiden Seiten mit ſtarkem Oelfarbanſtrich verſehen iſt. Ein Bogenlicht von eirka 1200 Normalkerzen genügt für Benutzung der Oelimmerſionen oder ſtärkerer Trockenlinſen bedarf es eines Beleuchtungsapparates, eines achromatiſchen Kondenſors, den Abbe konſtruiert und Zeiß in Jena aus— geführt hat. Die Helligkeit des Bildes, welche durch dieſen Apparat gewonnen wird, kommt ungefähr derjenigen gleich, wie ſie ohne dies Linſenſyſtem nur durch eine Bogenlampe von etwa 2500 Normalkerzen zu erreichen iſt. Da der Kondenſor nur bei ſtärkeren Syſtemen benutzt werden darf, ſo muß derſelbe durch eine einfache Vorrichtung entfernt werden können. Selbſtverſtändlich kann durch Bogenlicht von größerer Lichtſtärke die Helligkeit des Bildes noch be- deutend erhöht werden. Das Geſtell der Lampe hat die Form eines Stativs. In eine viereckige gußeiſerne Platte A iſt eine runde eiſerne Tragſtange B eingelaffen und durch zwei eiſerne Schräg— ſtützen fixiert. In Tiſchhöhe befindet ſich ein Brett C zum Niederlegen der Präparate. Ueber dieſem Brette ſind über— einander zwei eiſerne rohrförmige Teile D und E angebracht, welche die durchlaufende ſtarke eiſerne Tragſtange beweglich umſchließen und durch die Schrauben O. und On fixiert werden können: das untere, kürzere dieſer Rohre trägt an einem horizontalen mit Rippe verſehenen Arme F die Linearvergrößerungen bis zu 1000 vollkommen, aber zur | Platte G mit den Kondenſoren H und Hy und zugleich 246 Humboldt. — Juni 1887. den Tiſch J mit dem Mikroskope K. An dem oberen längeren Rohr E ijt der Lichtkaſten L mit der oben auf⸗ geſchraubten Bogenlampe M befeſtigt. Die verwendete Bogenlampe iſt eine ſolche nach Syſtem Piette-Krizik, welche infolge ihrer genauen Lichtregulierung eine große Ver⸗ breitung gefunden hat, durch dieſe Verbreitung auch weit beſſer ausprobiert iſt als viele andere Syſteme, trotz ihrer ausgezeichneten Konſtruktion aber einen mäßigen Preis hat. Da aber auch bei den beſtregulierten Lampen ſich der Brennpunkt bei längerer andauernden Benützung ein wenig nach oben oder unten verrücken kann, ſo iſt der Teil, an welchem die Lampe mit dem Lichtkaſten fixiert tft, auf- und abwärts gegen den feſtſtehen⸗ den Teil mit den Konden⸗ ſoren und dem Mikroſkop zu verſchieben, um den Licht⸗ punkt immer wieder in die gleiche Achſe mit den Konden⸗ ſoren zu bringen. Dieſe Ver⸗ ſchiebung geſchieht dadurch, daß man eine zwiſchen den Teilen D und EH befindlide Eiſenſcheibe N mit innerem Gewinde auf dem Gewinde von D nach rechts und links dreht, ſo daß ſich zugleich mit der Scheibe N der Theil E ſamt dem Lichtkaſten L und der Bogenlampe M auf und ab bewegt und der Licht⸗ punkt X höher oder tiefer zu liegen kommt. Ein Ver⸗ drehen des Teils E mit dem vorhanden iſt. Die Kondenſoren ſtehen in einer Achſe mit der Lichtquelle, reſp. kann letztere, wie bereits oben erwähnt, durch Verſchieben des Lichtkaſtens in dieſe Lage gebracht werden. In der gleichen Achſe zu den Linſen H, und Ho ſteht das Mikroſkop K auf dem an die Platte G befeſtigten Tiſchchen J. An dem gewöhnlichen Hufeiſenſtativ zum Umlegen ſind folgende Veränderungen angebracht: 1) Das obere zum Umlegen beſtimmte Stück iſt von dem Fußgeſtelle ab⸗ geſchraubt, um 180° gedreht und nun wieder am Fuße befeſtigt, ſo daß der Tiſch nicht über dem Hufeiſen, ſondern frei nach hinten vorſteht; das alsdann umgelegte Mikro⸗ ſkop kann nun der großen Kondenſorlinſe H, beliebig nahe gebracht werden, was bei An⸗ wendung von ſchwachen Ver⸗ größerungen nötig iſt, um ein farbenreines Bild zu be⸗ kommen. 2) Statt des dicken kleinen Objekttiſches iſt eine große, mit einer Blenden⸗ ſcheibe und zwei Klammern verſehene große Platte O an⸗ gebracht. 3) An Stelle des durch Zahn und Trieb be⸗ weglichen Tubus iſt ein in gleicher Weiſe beweglicher Arm P getreten, welcher den Objektivrevolver trägt, der ein raſches Wechſeln der Objektive ermöglicht. Um die neben dem Objektiv vorbei⸗ gehenden Lichtſtrahlen vom Projektionsſchirme abzuhal⸗ ten, dient eine Metallſcheibe Lichtkaſten iſt deshalb nicht möglich, weil ſich die Platte G dicht an die Vorderwand des Lichtkaſtens anſchließt und in Nuten läuft, die ſich R von 15 em Durchmeſſer; dieſelbe iſt unmittelbar hinter dem Revolver anzubringen. Bei ſtarken Vergröße⸗ rungen muß das zu projizie⸗ an der Lichtkaſtenvorderwand befinden, die beiden Teile ſich alſo nur in vertikaler Richtung zu einander be⸗ wegen können und die Licht⸗ quelle lichtdicht gegen außen abſchließen. Der Lichtkaſten iſt aus kräftigem Eichenholz gefer⸗ tigt; auf ſeinem Deckel iſt die Bogenlampe feſtgeſchraubt, von welcher die beiden Eiſen⸗ ſtangen, die die Kohlen tra⸗ . 2 gen, in den Lichtkaſten hinab⸗ 2 =| rende Präparat ſehr nahe dem Brennpunkte der Kon⸗ denſoren ſich befinden, bei ſchwächeren dagegen über die Brennpunkte hereingerückt, reſp. den Kondenſoren mehr genähert werden. Dieſe Be⸗ wegung geſchieht durch Ver⸗ ſchieben des Mikroſkopſtativs K, welches mittels Zahntrieb leicht zwiſchen zwei Holz⸗ leiſten gleitet. Zwiſchen beide Konden⸗ ſorlinſen muß ein Glastrog reichen. Im Deckel des Licht⸗ mT kaſtens befinden ſich außer dem Ausſchnitt für die Koh⸗ lenträger noch einige Ventilationslöcher, um die Wärme ausſtrömen zu laſſen. Dieſe Löcher ſind behufs Abhaltung der Lichtſtrahlen mit kleinen Blechdächern verſehen. Die linke Seite des Lichtkaſtens iſt feſt geſchloſſen, während die rechte Seite mit einer Thür verſehen iſt, um neue Kohlen in die Lampe einſetzen zu können ꝛc. In der Mitte der Thür befindet ſich ein rundes, mit dunkel⸗ farbigem Glaſe geſchloſſenes Loch zur Beobachtung der Lichtquelle, d. h. der glühenden Kohlenſpitzen der Bogen⸗ lampe. Im Boden des Lichtkaſtens iſt ein runder Aus⸗ ſchnitt angebracht, um den Präparatentiſch beleuchten zu können und die Ventilation zu befördern. Ueber dem Loch liegt, erhöht auf Leiſten, ein dunkelfarbiges Glas, welches das durchfallende Licht dämpft und zugleich die von den Kohlen herabfallende Aſche auffängt. Die vordere Seite des Lichtkaſtens hat auch eine Oeffnung, in welche die Kondenſorenfaſſung hineinragt. Der Ausſchnitt iſt fo groß, daß für eine Verſchiebung des Lichtkaſtens gegen die Kondenſoren genügend Raum IIe S mit ebenen Außenflächen, welcher konzentrierte Alaun⸗ löſung enthält, eingeſchaltet werden, weil ſonſt die Präparate zu ſtark erwärmt werden. Dickere oder dunkelgefärbte Objekte werden dennoch leicht, zu ſtark erhitzt; eine ſehr energiſche und in allen Fällen genügende Abkühlung erreicht man durch einen Luftſtrom, welcher auf die Oberſeite des Objektes, beziehungsweiſe auf das Deckgläschen geführt wird. Die komprimierte Luft gewinnt man am bequemſten durch einen Gummiſack, der durch Gewichte beſchwert iſt (über A). Das Ausſtrömungs⸗ röhrchen, mit einem Oeffnungsdurchmeſſer von 0,5 —1 mm, iſt von Meſſing gefertigt und wird, in einem Winkel von ungefähr 45° unterhalb des Objektivs geneigt, an dem Stativ befeſtigt. Die Entfernung der Röhrenöffnung vom Deckgläschen betrage 1—1,5 em. Die grobe Einſtellung der Bilder geſchieht durch den Säulentrieb P, die feine durch die Mikrometerſchraube T. Die Objekte werden durch 1 oder 2 Klammern, wie ſolche den Stativen beigegeben ſind, gegen den vertikalen Ob⸗ jekttiſch angedrückt. Je näher der mit weißem Papier be⸗ klebte Projektionsſchirm der Lampe ſteht, deſto heller er⸗ Humboldt. — Juni 1887. ſcheinen ſelbſtverſtändlich die Bilder, aber deſto geringer iſt auch die Vergrößerung. Am günſtigſten iſt eine Ent⸗ fernung des Objektes vom Schirme von cirka 5 m. Bei ſtärkerem Lichtquell könnte dieſe Entfernung leicht auf 6—10 m gefteigert werden. Um den Zuhörern das pro-z jizierte Bild recht nahe zu bringen, wird die Lampe mitten auf das amphitheatraliſch anſteigende Podium geſetzt, während der Schirm vor der vorderen Reihe der Bänke ſeinen Platz findet. Zwiſchen Lampe und Schirm bleibt ein offener Gang. Es verſchlägt nicht viel, daß das Bild von vielen ſchräg von der Seite geſehen wird und daher ſeitlich verkürzt erſcheint; die Deutlichkeit leidet darunter kaum. Weit reinere und hellere projizierte Bilder als Papier liefert eine Gipsplatte. Um dieſe herzuſtellen, wird ein Bandeiſen im Kreiſe oder Viereck von 1,2—2 m Durchmeſſer zuſammengebogen, von Strecke zu Strecke mit Drähten kreuzweiſe durchſpannt und auf eine Spiegelglas— platte aufgelegt, welche vorher mit ein wenig Talg be- ſtrichen und wieder ſcharf abgerieben war. In dieſen eiſernen Rahmen wird Alabaſtergips gegoſſen. Nach dem Erſtarren läßt ſich das Ganze leicht abheben. Mikro⸗ ſkopiſche Objektive, welche für einen langen Tubus bez rechnet ſind, geben die ſchönſten Bilder, ganz beſonders aber die ſogenannten photographiſchen Objektive. Um alles Nebenlicht abzuhalten, ſetzt man über die Kondenſorlinie H, und den Alauntrog 8 einen leichten Pappkaſten, welcher eine gegen den Objekttiſch des Mikro⸗ ſkops gewendete und in der Richtung des Lichtkegels ge— neigte Papphülſe als Verlängerung trägt. Bei Anwen— dung eines horizontalen Objekttiſches wird der Lichtkegel durch den gewöhnlichen Planſpiegel des Mikroſkops nach oben geworfen, und durch ein Flintglasprisma, das auf der oberen Revolveröffnung ruht, wieder horizontal ab— gelenkt. Der Lichtverluſt iſt ganz geringe und gar nicht bemerkbar. Die ſchärfſten Bilder erhielt Selenka mit Hartnack, Objektiv 1 und 2, Seibert, photographiſches Objektiv 1 Zoll, ½ Zoll und ½ Zoll, Winkel, Objektiv 7, ferner mit Waſſer und Oelimmerſionen verſchiedener Firmen. Ganz farbenreine Bilder von wunderbarer Schärfe erhält man durch die Kombination der Zeißſchen apo— chromatiſchen Objektive neuer Konſtruktion mit den dazuz gehörigen „Projektionsokularen“. So unübertrefflich aber dieſe Kombination für photographiſche Aufnahmen iſt, ſo eignet ſie ſich doch nicht für Demonſtrationszwecke, weil das entworfene Bild zu lichtſchwach iſt und allzu beſchränkte Dimenſionen beſitzt. 155 In einer Sitzung des Berliner Entomologiſchen Vereins teilte Honrath fein Verfahren mit, ſchadhaft gewordene Schmetterlinge auszubeſſern. Sind Fühler abgebrochen, ſo empfehle es ſich, die Anſatzſtelle am Kopfe mit einer ſpitzen Nadel vorſichtig auszubohren, das kleine Loch mit Fiſchleim auszufüllen und den ab- gebrochenen Fühler einzuſetzen. Kahle, von Schuppen ent⸗ blößte Stellen der Flügel ſeien mit einem leichten Anſtrich von Gummitraganth zu verſehen, von einem ausrangierten Falter derſelben Art an gleicher Stelle die Schuppen ab— zuſchaben und dieſe vorſichtig auf die zu reparierende Stelle zu bringen; doch ſei dies Verfahren nicht bei allen Arten, z. B. nicht bei Apatura-Arten anwendbar. Hinneberg bemerkte, daß er Mikrolepidopteren folgendermaßen töte: Der Falter wird durch Schwefel- äther oder Eſſigäther betäubt (Cyankalibetäubung führt zu große Starre herbei), die Nadelſpitze wird in eine Löſung von Kali arsenicosum 1: 15 getaucht und das Tier ſodann durchſtochen. Bei dieſem Verfahren bleiben die Flügel der Mikrolepidopteren beweglich und ſind leichter ſpannbar. M—s. 247 Eine neue Methode zum Einſchließen mikro- fRopifher Präparate gibt Hanjen in Würzburg in der Zeitſchrift für wiſſenſchaftliche Mikroſkopie an. Er bevor⸗ zugt im allgemeinen als Einſchlußflüſſigkeit das Glycerin, weil es die botaniſcheu Objekte durchdringt und fie durch— ſichtig und hell macht. Glyceringelatine iſt immer gelblich und ſelbſt nach ſorgfältigem Filtrieren nie ſo klar wie Glycerin. Damit die Objekte gehörig durchdrungen werden, muß man ſie meiſt mit der Gallerte auf dem Objektträger erwärmen, was im ganzen kein Vorteil iſt. Dabei iſt es ſchwierig, Luftblaſen aus der Glyceringelatine zu entfernen, und in einem anfangs blaſenfreien Präparate bilden ſich oft nach längerer Zeit Luftblaſen (oder luftleere Räume) in der Gelatine. Dagegen liegen bei Anwendung von Gelatine nach dem Erkalten Präparat und Deckglas feſt, ſo daß das Umgeben des Deckgläschens mit einem Lackrand keine be— ſondere Geſchicklichkeit erfordert. Es iſt ungemein mühſam, bet Anwendung von Glycerin als Einſchlußflüſſigkeit den Objektträger zum Zwecke des Einkittens um das Deckglas herum ſo zu reinigen, daß das Auftragen des Lackrandes ohne Störung geſchieht. Sobald auch nur noch eine Spur Glycerin den Deckelglasrand umgibt, haftet der Lack nicht, weil er ſich mit dem Glycerin nicht miſcht. Es erfordert große Geſchicklichkeit, jede Spur Glycerin vom Deckelglas— rande wegzunehmen, ohne immerfort das Deckglas zu ver— ſchieben. Zur Vermeidung dieſer Kalamitäten benutzt Hanſen eine Methode des Einſchließens, welche die An— wendung flüſſigen Glycerins geſtattet, ohne daß das Ein⸗ kitten Schwierigkeit hat. Das Objekt wird in Glycerin gelegt und das Deckgläschen mit einem Rande von Glyeerin— gallerte umgeben und jo eingekittet. Da fic) die Glycerin: gallerte mit dem Glycerin miſcht, ſo iſt das faſt erfolgloſe Fortnehmen der letzten Spuren Glycerin vom Derkglas- rande nicht nötig. Nach dem Erkalten des Gelatinerandes wird dann dieſer zum Schutz mit dem endgültigen Lack: überzug verſehen. Die Präparate werden beſonders elegant, wenn man ſtatt mit dem gewöhnlichen ſchwarzen Lack den Gelatinerand mit Dammarfirnis oder einem anderen durch— ſichtigen Lack überzieht. D. Mitteilungen über verkäufliche Pflanzen. Der wohlbekannte Tiroler Botaniker, Rupert Huter in Sterzing, teilt mit, daß ſeine Enumerationes anni 1887 plantar. exsiccat. nunmehr zur Ausgabe gelangen. Dieſelben ent— halten nahezu 4000 Nummern und zwar aus allen fünf Weltteilen, indem das große Material des Straßburger Tauſchvereins, geleitet von Herrn Buchinger, der durch 40 Jahre mit allen namhaften Botanikern in Verbindung ſtand, zur Verteilung übernommen wurde. Auf ernſtgemeinten Wunſch werden die Verzeichniſſe ſogleich befördert werden. Dr. W. O. Focke, unſer erſter Rubuskenner, iſt leider durch äußere Verhältniſſe gezwungen, ſeine bisherige bota— niſche Thätigkeit aufzugeben oder doch auf ein ſehr geringes Maß einzuſchränken. Er macht daher bekannt, daß er während der nächſten Jahre vorausſichtlich nicht in der Lage fein wird, die Beſtimmung europäiſcher Rubus- formen zu übernehmen. Dr. Stenglein (Pankow bei Berlin, Berlinerſtraße 12), wünſcht im Tauſch gegen Anfertigung von Mikrophoto— grammen bakteriologiſches Material, gleichgültig welcher Bakterien, zu ſeinem Studium zu erwerben. Die Vergrößerung beträgt bei den Mikrophotogrammen bis zu 1000. Auf Wunſch werden auch diapoſitive Glasbilder angefertigt, welche in Verbindung mit einem Sciopticon zu Demonſtrationszwecken verwendet werden können. M—s. In der Beſprechung der Metallſäge Berichtigung. 126 lies Gußſtahl ſtatt Gußeiſen. von Hoſtmann u. Co. S. 248 Humboldt. — Juni 1887. Verkehr. Fragen und Anregungen. Frage 21. Sind die Zeitpunkte des Verwachſens der Scheitelnaht und des Zwiſchenkieferknochens bei allen Menſchenraſſen durchſchnittlich die gleichen, oder tritt bei den prognaten Völkern der Zeitpunkt des Verwachſens der Scheitelnaht früher, der des Verwachſens des Zwiſchen⸗ kieferknochens aber ſpäter ein als bei den orthognaten? Iſt in letzterem Falle anzunehmen, daß das frühere oder ſpätere Verwachſen der Scheitelnaht urſprünglich durch ſeine Einwirkung auf die Entwickelung des Gehirns mit der größeren oder geringeren Biegung der Schädelbaſis in einem Zuſammenhange geſtanden hat? Frage 22. Woher ſtammt der Name „Kaſtanien“ für die Afterhufe des Pferdes? 23. Dr. M. Kronfeld (Wien I, Schottenring 29) iſt mit einer monographiſchen Bearbeitung der Gattung Typha beſchäftigt und erbittet ſich einſchlägige Mitteilungen. Frage 24. Im Herbſte findet man bisweilen auf Kohlblättern kleine ſchwarze Körnchen von der Größe eines Stecknadelkopfes. Ein alter weitverbreiteter Glaube iſt nun, daß dieſe Körner, im Frühjahre ausgeſät, Kohlpflanzen liefern, welche diejenigen, die aus Samen herangezogen ſind, an Größe bedeutend übertreffen. Iſt etwas Näheres über die Natur dieſer Körner bekannt? Frage 25. Durch den Artikel des Herrn Jakobaſch über Präparation von Pilzen fürs Herbarium erſcheint die Aufgabe der Konſervierung der Pilze, wie der Herr Ver⸗ faſſer zugibt, nur teilweiſe gelöſt. Es wäre wünſchens⸗ wert, eine Flüſſigkeit oder eine antiſeptiſche feſte Subſtanz zu kennen, mit welcher Pilze ſo imprägniert werden können, daß Farbe und Geſtalt derſelben vollſtändig erhalten bleibt. Vielleicht findet ſich im Leſerkreis des „Humboldt“ jemand, der über dieſen Punkt etwas mitteilen kann. Frage 26. Bei dem Studium abergläubiſcher Mei⸗ nungen und Gebräuche, welche ſich auf das Tier⸗ und Pflanzenxreich beziehen, traf ich im Vogtlande, be⸗ ſonders in der näheren Umgegend von Greiz, neben manchem weit verbreiteten Aberglauben (z. B. dem vom Billwitzſchnitter, Elſenbaum, Siebengezeit, von der Winſelmutter 2c. ꝛc.) eine tief eingewurzelte Irrmeinung bezüglich der Haſel⸗ maus, für welche mir weder ein naturgeſchichtliches noch ein anderes Buch die gewünſchte Erklärung gibt, welche auch ſonſt nicht weiter verbreitet zu ſein ſcheint. Der Harn der Haſelmaus gilt als giftig. Sie hält ſich meiſt auf Bäumen und Sträuchern auf und ſendet von da ihren gefährlichen Strahl (Urin) herab. Wer getroffen wird, muß unfehlbar ſterben. Stirbt ein Kind plötzlich ohne ſichtbare Krankheitsurſache, ſo heißt es, „die Haſelmaus hat es beſeigt“ (Göttendorf bei Greiz). „Bei Zeulenroda in der Nähe der Hardtmühle,“ ſo erzählt man hier, „arbeitete vor zehn Jahren ein Steinklopfer an der Straße. Aus einem Steinhaufen ſprang plötzlich, wahrſcheinlich von dem Steinklopfer gereizt, eine Haſelmaus heraus, dem letzteren an die Hand und „beſpritzte“ dieſelbe mit Urin. Zwei Stunden danach ſtarb der Arbeiter, der ganz bräunlich ausgeſehen haben ſoll.“ In dem benachbarten Pöllwitzer Wald erinnern ſich Waldarbeiter, daß ſie vor eirka dreißig Jahren von dem beaufſichtigenden Forſtbeamten vor der Haſelmaus, die dort häufig iſt, gewarnt worden ſeien. Als vor einigen Jahren ein Schulknabe in Maiſchau eine lebende Haſelmaus in der Schürze nach Haus brachte, er⸗ ſchien die letztere an den Stellen, welche durch den Harn des zur Bosheit gereizten Tieres befeuchtet waren, ganz verbrannt, jo daß Löcher hineinfielen. Im Elſterthal glaubt man, daß durch das Harnen der Haſelmaus un⸗ heilbare Wunden ins Fleiſch fallen. Stellenweiſe ſchreibt man auch dem Hauche des Tieres tödlichen Erfolg zu, doch dürfte hier eine Verwechſelung mit dem Wieſel (vgl. Brehms Tierleben II 87) vorliegen. Daß das Volk ſonſt die Haſel⸗ maus wirklich meint, nicht mit einem anderen Tier ver⸗ wechſelt, geht aus den volkstümlichen Beſchreibungen her⸗ vor: „Das Tier hat die Größe einer mittelmäßigen Ratte, der Schwanz iſt an der Spitze mit einem Träubel wie ein Löwenſchwanz verſehen. Der Kopf gleicht dem einer Maus, nur iſt die Schnauze ſpitzer. Die Farbe des Tieres iſt grau mit weißlichen Tupfen vermengt, weißſcheckig. Das Neſt iſt in dichtem Fichtengebüſch, gewöhnlich einen Meter hoch über der Erde, zuweilen wird das Neſt des Eich⸗ hörnchens benutzt ꝛc.“ Iſt nun dieſer Aberglaube von der Haſelmaus auch anderwärts bekannt? Liegen etwa Beobachtungen über die Haſelmäuſe vor, die zur Erklärung des Urſprunges dieſes Aberglaubens beitragen könnten? Prof. Dr. F. Ludwig. Frage 27. Im Februarheft des Humboldt empfiehlt Herr v. Fiſcher zur Fütterung zarter Amphibien die Zucht zweier Käferarten; woher ſind dieſelben zu beziehen? Für eben umgewandelte Kröten iſt die angegebene Minimal⸗ größe dieſer Käfer noch zu groß; welches leicht erhältliche Futter wäre für dieſe zu empfehlen? Antworten. Zu Frage 1. Wenn man heutzutage die Möglichkeit der Vererbung zufällig erworbener Eigenſchaften vielfach verneint, ſo geſchieht dies weſentlich aus deduzierten, rein theoretiſchen Gründen (Kontinuität des Keimplasmas), obwohl die Frage offenbar nur auf induktivem Wege durch Beobachtung entſchieden werden kann. Ein einzelner, wie ich glaube, gut beobachteter Fall beweiſt noch nicht alles, aber doch etwas. Ich hatte als 7—8jähriger Junge die Waſſerpocken (Varicellen) und entſinne mich ganz genau, daß ich eine der Pocken an der rechten Schläfe aufkratzte, infolgedeſſen ich eine kleine weiße Narbe an dieſer Stelle behielt. Genau dieſelbe Narbe, an die ich natürlich gar nicht mehr dachte, an genau derſelben Stelle brachte nun mein jetzt 15 Monate altes Söhnchen mit zur Welt. Die Uebereinſtimmung iſt eine ſo vollkommene, daß ſie jedem ſofort auffällt, der die kleine Stelle ſieht. Wäre das noch anders zu erklären, als durch Vererbung einer zufällig er⸗ worbenen Eigenſchaft? Ich glaube nicht. Falkenberg. Dr. Meißen. Zu Frage 3. Branchipus Grubei Dyb. Am 12. April d. Is. beobachtete ich Bran chipus Grube i Dy b. bei Johannisthal (eirka 9 km ſüdöſtlich von Berlin) zwiſchen dieſem Dorfe und den Rudower Wieſen in einem ſehr kleinen Tümpel und in einem Wieſengraben, beide mit torfig⸗moorigem Untergrunde und teilweiſer Be⸗ wachſung von Hottonia palustris L. Das in Wirklichkeit klare Waſſer beider Oertlichkeiten ſah von den Myciaden ſich darin tummelnder Copepoden und Daphniden und von zahlreichen Culex larven trübe aus. Es gelang mir, 4 Exemplare von Branchipus ein⸗ zufangen: 3 Männchen und 1 Weibchen. Leider ſtarben die zarten Tierchen auf der Fahrt nach Berlin, und ſo wanderten ſie, ſtatt nach dem Aquarium, in den Spiritus. Obwohl mit der Gegend vertraut und dieſelbe häufiger beſuchend, bemerkte ich jedoch den Kiemenfuß in früheren Jahren dort nie; es mag dies nicht nur an ſeinem ſporadiſchen, ſondern auch an ſeinem wenig zahlreichen Auftreten gelegen haben. Trotz eifrigen Suchens und Fiſchens habe ich einen Apus, der doch gern ähnliche Oertlichkeiten bewohnt (vergl. auch „Humboldt“ 1887, S. 128), nicht gefu@pen. Berlin. W. Hartwig. mmm] ‘uo aad {! | Die Aufgaben der phyſikaliſchen Chemie. Von Profeffor Dr. W. Oftwald in Riga. derſelben, und die dritte in der Ermittelung der all— gemeinen Geſetze, denen ſie unterworfen ſind. Dieſe Stufen werden nicht in der Weiſe erreicht, daß nach völliger Erledigung der erſten die zweite in Angriff genommen wird, und ſo fort. Die Wiſſenſchaft ſchreitet nicht in geſchloſſener Front vor; ſtets ſind, während die Hauptarmee eine beſtimmte Stellung inne— hat, einzelne Plänkler in die noch uneroberten Gebiete einzudringen bemüht, welche die Wege ſuchen und die Hauptpunkte feſtſtellen, die dann nach kürzerer oder längerer Zeit von dem nachrückenden Heer benutzt und beſetzt werden, wobei es denn freilich nicht fehlen kann, daß bequemere Wege und auch wichtigere Punkte aufgefunden werden. In den exakten Naturwiſſenſchaften wird die letzte Stufe, von deren Erreichung Kant die Bezeichnung eines Wiſſensgebietes als Wiſſenſchaft abhängig machte, durch das Auftreten mathematiſch formulier- barer Geſetze gekennzeichnet, und in dieſem Sinne ſprach Kant der Chemie ſeinerzeit den Rang einer Wiſſenſchaft ab. In der That befand ſich die Chemie zur Zeit jenes Ausſpruches (1786) noch faſt völlig auf der erſten Stufe des bloßen Kennenlernens und Beſchreibens der Erſcheinungen, und der Schwerpunkt ihrer Entwickelung lag zu jener Zeit in dem Beſtreben, durch eine Zuſammenfaſſung derſelben, wie ſie in der Phlogiſtontheorie verſucht wurde, eine Syſtematik der chemiſchen Verbindungen zu erlangen. Gleichſam als wollte die Chemie dem berechtigten Vorwurf des Philoſophen die Spitze abbrechen, be— gann wenige Jahre ſpäter Jeremias Benjamin Richter, der fic) die Anwendung mathematiſcher Hilfsmittel Humboldt 1887. . chemiſchen Verbindungs— auf chemiſche Erſcheinungen zur eigentlichen Lebens— aufgabe gemacht hatte, die Veröffentlichung ſeiner grundlegenden Unterſuchungen über die Gewichtsver— hältniſſe chemiſcher Verbindungen, welche, durch Dalton und Berzelius um 1805 fortgeſetzt, zu dem erſten zahlen— mäßigen Geſetz in der Chemie führten. Mit dem Ge— ſetz, daß alle Stoffe nur im Verhältnis beſtimmter, individueller Gewichtsmengen oder ihrer Vielfachen ſich chemiſch zu verbinden vermögen, hatte die Chemie endlich einen Anſpruch auf den Rang einer Wiſſen— ſchaft im Sinne Kants erlangt. An dieſes Geſetz ſchloß ſich alsbald (1808) ein zweites, daß Gaſe nur in einfachen rationalen Volumverhältniſſen zu chemiſchen Verbindungen zuſammentreten, welches von Gay-Luſſac gefunden wurde. Wieder zehn Jahre ſpäter ſtellten Dulong und Petit das Geſetz auf, daß die Atom— wärmen der chemiſchen Elemente (die Produkte aus der fpecififden Wärme und dem Atomgewicht) alle gleich groß ſind. Und nach weiteren fünfzehn Jahren entdeckte Faraday ſein Geſetz, daß derſelbe elektriſche Strom aus verſchiedenen Elektrolyten ſolche Mengen der Jonen abſcheidet, welche im Verhältnis der oder Aequivalentgewichte ſtehen. Es iſt beachtenswert, daß die Mehrzahl der Männer, welchen wir jene Geſetze verdanken, zwar der Chemie nicht fernſtanden, aber doch mehr Phyſiker als Chemiker waren. Denn noch bis heute iſt die entſprechende Richtung des Forſchens in der Chemie nicht herrſchend geworden; noch bis heute wird faſt die geſamte geiſtige Kraft, welche auf die Förderung unſerer Wiſſenſchaft verwendet wird, innerhalb jener beiden erſten Stufen: Herſtellung und Beſchreibung neuer Stoffe einerſeits, und ſyſtematiſche Anordnung derſelben andererſeits, verbraucht. In Bezug auf den Grad der Entwickelung iſt daher die Phyſik der Chemie 32 250 weit voraus, wohl noch weiter, als die Phyſik ihrer⸗ ſeits von der Aſtronomie überflügelt iſt. In dieſem Zuſammenhange iſt auch der gebräuchliche Name „phyſikaliſche Chemie“ für jene dritte Entwickelungs⸗ ſtufe verſtändlich: Phyſiker haben ſie begründet und gefördert, und an die Phyſik gemahnt ſie durch ihren Inhalt an allgemeinen, von der ſtofflichen Be- ſchaffenheit des einzelnen Objektes unabhängigen, numeriſchen Geſetzen. Sachgemäßer aber iſt unzweifel⸗ haft der Name „allgemeine Chemie“, welcher den Gegenſatz zur ſpeciellen Chemie der einzelnen Stoffe und ihre Stellung über derſelben zum Aus⸗ druck bringt. Bei der Beſchreibung und Kennzeichnung der chemiſchen Verbindungen pflegt man von je her ihre phyſikaliſchen und chemiſchen Eigenſchaften zu unter⸗ ſcheiden, d. h. ihr Verhalten für ſich und das zu anderen Stoffen. Beide Gebiete ſind der Entwickelung zu jener höchſten dritten Stufe fähig. Der Inbegriff der allgemeinen Geſetze über die phyſikaliſchen Eigen⸗ ſchaften chemiſcher Verbindungen hat vom Begründer der geſamten allgemeinen Chemie bereits in der Wiege einen Namen erhalten: z. B. Richter definierte die Stöchiometrie als „Meßkunſt chymiſcher Elemente“. Aber auch die chemiſchen Eigenſchaften der Stoffe haben ſich allgemeinen Geſetzen unterworfen gezeigt. Inſo⸗ fern man die Urſache chemiſcher Vorgänge mit dem Namen der chemiſchen Verwandtſchaft bezeichnet, mag die Wiſſenſchaft von den chemiſchen Vorgängen Verwandtſchaftslehre genannt werden. Dies find die beiden großen Gebiete, in welche die phyſi⸗ kaliſche oder allgemeine Chemie zerfällt. Die Grundlage der Stöchiometrie iſt das Geſetz der Verbindungsgewichte, welches in der Atomtheorie Daltons ſeine anſchauliche Darſtellung gefunden hat. Die ſpäter entdeckten allgemeinen Geſetze ſind alle von der Beſchaffenheit, daß ein einfacher Ausdruck der vorhandenen Beziehungen erſt auf Grundlage jenes Geſetzes gelingt. So kann das Geſetz von Gay-Luſſac in der Form ausgeſprochen werden, daß Gasmengen, welche im Verhältnis der Verbindungsgewichte ſtehen, gleiche Räume einnehmen (reſp. ſolche, die in einfachen Verhältniſſen ſtehen); eine ähnliche Formulierung ge- ſtattet das Geſetz von Dulong und Petit, und das von Faraday. Dies führt zu der allgemeinen Anſicht, daß auch die anderen Eigenſchaften der Stoffe ein⸗ fache und geſetzmäßige Beziehungen zeigen werden, wenn man ſie auf Mengen bezieht, welche ſtöchiometriſch vergleichbar ſind, d. h. auf die Verbindungs- oder Atomgewichte. Dies iſt der Grundgedanke, von welchem die weitere Forſchung nach ſtöchiometriſchen Geſetzen ausging, und auf welchem zunächſt die bahn⸗ brechenden Arbeiten von Hermann Kopp über die Volume der chemiſchen Verbindungen beruhen, denen ſich die Arbeiten von H. Landolt über das Licht⸗ brechungsvermögen und viele andere angeſchloſſen haben. Bei genauerer Unterſuchung derartiger Beziehungen zeigten ſich nun die Eigenſchaften von mehrerlei Art. Die einen verhielten ſich wie die Maſſe: in jeder Humboldt. — Juli 1887. Verbindung erwies ſich das Maß der fraglichen Eigen⸗ ſchaft als die Summe der den Beſtandteilen zu⸗ kommenden Werte. So iſt die Wärmekapacität einer Verbindung (bezogen auf das Formelgewicht) gleich der Summe der Wärmekapaeitäten der Beſtandteile und Aehnliches gilt mehr oder weniger allgemein für das Volumen flüſſiger Verbindungen, das Licht⸗ brechungsvermögen u. ſ. w. Solche Eigenſchaften mögen additive heißen. Für eine zweite Klaſſe von Eigenſchaften iſt das Volumen der gasförmigen Stoffe typiſch. Wir nehmen etwa zwei Liter Waſſerſtoff und verbinden ſie mit einem Liter Sauerſtoff: es entſteht Waſſerdampf und das Volumen bleibt unverändert. Wir denken uns dieſen mit ölbildendem Gas (Aethylen) verbunden; es entſteht Alkohol, und das Volumen bleibt unver⸗ ändert. Wir denken uns noch eine gleiche Menge Aethylen mit dem Alkohol verbunden: es entſteht Aethyläther und das Volum bleibt wieder unverändert. Es können alſo ſehr verſchiedenartige Anhäufungen von Stoffen ſtattfinden, ohne daß beſtimmte Eigen⸗ ſchaften dadurch Veränderungen erleiden. Solche Eigenſchaften mögen in Ermangelung eines beſſeren Namens kumulative genannt werden. Aus dem Vorhandenſein additiver Eigenſchaften ſchließen wir, daß beim Vorgang der chemiſchen Ver⸗ bindung die Stoffe ihre Natur und inneres Weſen nicht ändern, ſondern nur ihre Erſcheinungsform. Waſſer wiegt deshalb ebenſoviel, wie der Waſſerſtoff und Sauerſtoff, aus welchem es beſteht, weil dieſe bei der Bildung des Waſſers nicht vollſtändig ver⸗ ſchwunden ſind, ſondern ſich nur anders geordnet haben. Wir find gewohnt, dieſe und ähnliche Schluß⸗ folgerungen aus der Thatſache der Erhaltung der Maſſe im Bilde der Atomhypotheſe zuſammenzufaſſen. Indeſſen muß feſtgehalten werden, daß die erwähnten Thatſachen zwar ſehr gute Gründe für die Brauch⸗ barkeit der Atomhypotheſe ſind, aber keine Beweiſe für ihre Wahrheit. Solche gibt es meines Erachtens überhaupt nicht. Während die additiven Eigenſchaften zur Atom⸗ hypotheſe geführt haben, iſt durch die kumulativen der Molekularbegriff hervorgerufen worden. Daß jene oben erwähnten Gaſe und Dämpfe trotz der ver⸗ ſchiedenartigſten Zuſammenſetzung immer das gleiche Volumen haben, läßt uns ſchließen, daß dieſe Eigenſchaft gar nicht von der Menge und Natur der Materie abhängt, ſondern von ihrer Anordnung zu be⸗ ſtimmten Gruppen. Wir nehmen an, daß die Atome ſich in mannigfaltigſter Art zu zuſammen⸗ hängenden Gruppen vereinigen können, welche als Ganzes exiſtieren und wirken, und welche man Mole⸗ keln nennt. Kumulative Eigenſchaften ſind dann ſolche, welche in Bezug auf eine gleiche Zahl von Molekeln gleiche oder überhaupt geſetzmäßige Werte haben, während additive ſolche ſind, welche dieſe Eigen⸗ ſchaft in Bezug auf eine gleiche Zahl von Atomen zeigen. Und das iſt eben die große Bedeutung der in ihrer Geſetzmäßigkeit erkannten kumulativen Eigen⸗ ſchaften, daß ſie eine der wichtigſten Fragen, die Humboldt. — Juli 1887. 251 nach der Molekulargröße, zu beantworten ge— ſtatten. Die Hauptaufgabe des einen Theils der phyſi— kaliſchen Chemie, der Stöchiometrie, iſt durch das Vor— ſtehende nun anſchaulich geworden. Es ſind alle Eigenſchaften der chemiſchen Verbindungen auf ihre Beziehungen zu den Atom- und den Molekularge— wichten zu unterſuchen und auf ihre etwaigen Geſetz— mäßigkeiten zu prüfen. Während bisher meiſt die additiven Eigenſchaften ſich in dieſer Weiſe fruchtbar erwieſen haben, hat ſich in jüngſter Zeit die Auf— merkſamkeit mit großem Erfolg den kumulativen zu— gewendet, und wir beſitzen gegenwärtig neben der Methode der Dampfdichtebeſtimmung ſchon mehrere gleichwertige, auf Beſtimmung von Dampfdruck- und Erſtarrungspunktsänderungen beruhende Methoden, welche geſtatten, das Molekulargewicht auch nicht— flüchtiger Stoffe zu ermitteln. Damit ſind indeſſen die Aufgaben der Stöchio— metrie nicht abgeſchloſſen. Es gibt Eigenſchaften, die weder ausſchließlich durch die Atom- noch durch die Molekulargewichte beſtimmt ſind, denn fie zeigen ver— ſchiedene Werte, wenn auch jene gleich ſind. Dahin gehören z. B. die Siedepunkte. Aethyläther und Butylalkohol haben gleiche Zuſammenſetzung und gleiches Molekulargewicht; dennoch ſiedet der eine bei 34° der andere bei 117°. Hier muß man ſchließen, daß dieſe Eigenſchaft von etwas abhängt, was bei gleicher Zahl und Natur der Atome in der Molekel noch verſchieden ſein kann. Das iſt die Anordnung der Atome innerhalb der Molekel, die „chemiſche Konſtitution“, und die betreffenden Eigenſchaften mögen konſtitutive genannt werden. Dies iſt ein Gebiet, deſſen Eroberung noch ganz der Zukunft angehört, da einigermaßen umfaſſende Geſetzmäßig— keiten hier noch gar nicht erkannt worden ſind, wenn auch Spuren davon in engeren Bezirken ſich gezeigt haben. Iſt es ſchon ein reiches und mannigfaltiges Ge- biet, welches der ſtöchiometriſchen Forſchung offen liegt, fo iſt das der Verwandtſchaftslehre ihm an Be— deutung und Umfang noch weit überlegen. Die Stöchiometrie beſchäftigt ſich mit den fertigen Stoffen; die Verwandtſchaftslehre mit dem Werden der Stoffe, mit den chemiſchen Vorgängen. Erinnern wir uns, daß alles Leben unabänderlich an den Verlauf chemi— ſcher Vorgänge gebunden iſt, ſo erkennen wir, daß wir hier in der That vor „Lebensfragen“ allgemein— ſter Art ſtehen. Bekanntlich iſt alles materielle Geſchehen in der Welt nichts als Umgeſtaltung der beiden „Sub— ftanzen“*): Maſſe und Energie. Unter den ver— ſchiedenen Formen der letzteren ſpielt die chemiſche Energie, welche bei der chemiſchen Verbindung frei wird, eine ganz beſonders wichtige Rolle. Denn ein Blick über die Quellen der Energie, welche wir für *) Ich benutze dieſen Ausdruck in ſeinem eigent— lichen Wortſinne, um das zu bezeichnen, was unter allen Umſtänden beſtehen bleibt. unſere Zwecke nutzbar machen, lehrt uns, daß ſie in letzter Inſtanz immer auf chemiſche Energie zurück— gehen ). Ob wir menſchliche oder tieriſche Kraft verwenden, oder Kohle unter dem Dampfkeſſel ver— brennen, oder endlich meteorologiſche Arbeitsvorräte, wie Wind und Waſſer, welche durch die Sonnen— wärme in Bewegung geſetzt wurden, benutzen: überall treffen wir chemiſche Energie als die letzte Quelle an. Denn daß auch die Sonne ihre Wärme den auf ihrer Oberfläche verlaufenden chemiſchen Vorgängen verdankt, iſt heute kaum einem Zweifel unterworfen. Die Meſſung der bei den verſchiedenen chemiſchen Vorgängen freiwerdenden Energiemengen iſt ſomit von größter Wichtigkeit. Am leichteſten läßt ſich die— ſelbe ausführen, wenn man ſie in Wärme übergehen läßt. Die Lehre von den Wärmevorgängen bei den chemiſchen Prozeſſen, die Thermochemie iſt daher hier in erſter Reihe zu nennen. In gewiſſen Fällen kann man die chemiſche Energie als elektriſchen Strom gewinnen. Der Thermochemie ſchließt ſich daher die Elektrochemie an. Dabei macht ſich der bedeut— ſame Unterſchied geltend, daß, während die Thermo— chemie die ganze, bei einem chemiſchen Vorgang ent— wickelte Energie mißt, als elektriſcher Strom immer nur ein beſtimmter Anteil derſelben erſcheint, derjenige nämlich, welcher ſich unbeſchränkt in andere Energie— formen verwandeln läßt. Dieſen Teil hat v. Helm— holtz die freie Energie genannt; während die Thermo- chemie die Geſamtenergie des Vorgangs beſtimmen lehrt, lehrt die Elektrochemie die freie Energie des— ſelben meſſen. Für alle Fragen nach den Energieänderungen bei chemiſchen Vorgängen kommt nur der Anfang und das Ende in Betracht, denn die Energieänderung iſt nur von dieſen abhängig, nicht aber von dem Wege, auf welchem die Aenderung vor ſich gegangen iſt. Es muß daher weiterhin die Frage aufgeworfen wer- den, nach welchen Geſetzen chemiſche Vorgänge über— haupt verlaufen, und dies führt uns in den zweiten Teil der Verwandtſchaftslehre, in die chemiſche Mechanik. Wie in der allgemeinen Mechanik die Einteilung in Statik und Dynamik ſich als veraltet erwieſen hat, und der in Kinetik oder Bewegungs— lehre und Dynamik oder Kraftlehre Platz gemacht hat, ſo erweiſt ſich auch die früher beliebte Trennung der chemiſchen Mechanik in die chemiſche Statik und Dynamik als unzulänglich und iſt einer entſprechenden in chemiſche Kinetik und Dynamik gewichen. Die chemiſche Kinetik hat mit dem allgemeinen Verlauf chemiſcher Vorgänge zu thun. Sie iſt von dem Geſetz beherrſcht, daß die Geſchwindigkeit des Vorganges, d. h. die in der Zeiteinheit entſtehende Menge der neuen Stoffe in jedem Augenblick pro- portional der wirkſamen Menge der beteiligten Stoffe iſt. Dieſes Grundgeſetz iſt neuerdings in den mannig— faltigſten Anwendungen erprobt worden, nachdem es *) Die einzige mir bekannte Ausnahme iſt die Ver⸗ wendung von Ebbe und Flut zu Arbeitsleiſtungen, welche auf Koſten der Rotationsenergie des Erdballs geſchieht. 252 Humboldt. — Juli 1887. zuerſt im Jahre 1850 von Wilhelmy aufgeſtellt worden war, ohne irgend welche Beachtung zu finden. Iſt ſo das Zeitgeſetz des chemiſchen Vorganges erkannt, ſo kann die Frage nach den treibenden Kräften aufgeworfen werden. Wir gelangen zur chemiſchen Dynamik, von der die Statik einen be⸗ ſonderen Fall bildet, wo entgegengeſetzt verlaufende Vorgänge ſich gerade aufheben, ſo daß ein ſtationärer Zuſtand eintritt. Das alte Problem der Wahl⸗ verwandtſchaften, welches in dem gleichnamigen Roman Goethes vom Hauptmann ſo anſchaulich den Damen des Hauſes geſchildert wird, findet hier ſeine Erörterung und Löſung. Die Intenſität chemi⸗ ſcher Kräfte wird in relativem, und neuerdings ſogar in abſolutem Maß ausgedrückt, und wie in der Stöchiometrie jeder Stoff ſein charakteriſtiſches Verbindungsgewicht beſitzt, erſcheinen hier dynamiſche Konſtanten, welche die Fähigkeit der Stoffe, chemiſche Vorgänge hervorzurufen, nach Maß und Zahl kenn⸗ zeichnen. Dies iſt in großen Zügen das Bild des Umfanges und Inhaltes der phyſikaliſchen oder allgemeinen Chemie. An Intereſſe und Bedeutung keinem an⸗ deren Gebiete der Naturwiſſenſchaften nachſtehend, an friſcher Unberührtheit und daher großartigſter Ergiebigkeit die meiſten übertreffend, hat es doch nur langſam die Aufmerkſamkeit der Forſcher auf ſich gezogen. Dies erklärt ſich daraus, daß für die Chemie das letzte halbe Jahrhundert eine Art Ver⸗ wirklichung der alchemiſtiſchen Träume brachte. Zwar nicht Gold herzuſtellen verſteht der moderne Chemiker; er hat aber die Aufgabe erweitert und dadurch lös⸗ bar gemacht und weiß allerlei an ſich wertloſes Ma⸗ terial mit Eigenſchaften köſtlichſter Art auszuſtatten. Farben und Düfte und Arzneimittel, welche die Natur bisher nur ſpärlich bot, hat er gelernt, in reichlichſter Fülle zu gewinnen, und in atemloſem Wettlauf haben Theorie und Praxis dieſer Vorgänge ſich zu überholen geſucht. Wie in ein neuentdecktes Goldland drängte ſich der Strom der Forſcher in das Gebiet der organiſchen Chemie mit dem einen Ziel, Gold zu finden, d. h. neue Stoffe herzuſtellen; heftige Kämpfe entbrannten an allen Orten über Beſitz und Wert der einzelnen Funde, und daß die Arbeit ſchließlich einen etwas mechaniſchen Charakter annahm, konnte bei der ſchier unerſchöpflichen Fülle des Bodens nicht ausbleiben. Gegenwärtig iſt auch hier eine verhältnismäßige Ruhe eingetreten. Die frühere dem Raubbau ver⸗ gleichbare Methode der Forſchung hat einen ſyſte⸗ matiſcheren Charakter gewonnen, und gleichzeitig be⸗ ginnt man ſich zu beſinnen, daß die Kenntnis neuer Stoffe nicht das letzte Ziel der Wiſſenſchaft iſt. Als äußeres Zeichen dieſer Wandlung ſind ſeit dem letzten Decennium über mehr oder weniger ausgedehnte Teile der phyſikaliſchen Chemie zahlreiche Lehrbücher erſchienen, und ſeit dieſem Jahre ſammelt eine „Zeit⸗ ſchrift für phyſikaliſche Chemie“ (Leipzig, bei W. Engel⸗ mann) die weit zerſtreuten Arbeiter auf dieſem Ge⸗ biete zu einheitlichem und dadurch um ſo wirkſamerem Vorgehen. Eine ſtattliche Reihe von Namen beſten Klanges ſichert dem Unternehmen die erforderliche geiſtige Kapitalunterlage, und ſchon iſt die Fülle des zuſtrömenden Materials ſo groß, daß eine Erweite⸗ rung des urſprünglich geplanten Umfanges wünſchens⸗ wert erſcheint. So bereitet ſich denn offenbar in unſerer Zeit auch für die Chemie das Hinaufrücken aus der am Ein⸗ gange dieſes Aufſatzes geſchilderten zweiten, ſyſte⸗ matiſchen, Stufe in die dritte, rationelle, vor. Wenn noch vor vier Jahren der berühmte Phyſiologe Dubois⸗Reymond die phyſikaliſche Chemie die „Chemie der Zukunft“ nannte, ſo darf man ſchon jetzt ſagen, daß ihre Zukunft nicht mehr allzu fern zu ſein ſcheint. Die Metamorphoſe der pflanzen und die Füllung der Blüten. Don Profeffor Dr. Ernſt Hallier in Stuttgart. Wenn wir aus den Forſchungen Göbels und früherer Forſcher das Reſultat ziehen, ſo können wir zunächſt (nach Göbel S. 268) zwei Fälle von Blüten⸗ füllung unterſcheiden, nämlich: 1) Petaloidwerden verſchiedener normaler Blatt⸗ anlagen. 2) Neubildung von Blumenblättern. Beide Formen können in derſelben Blüte gleich⸗ zeitig auftreten, und zwar iſt die erſte Form häufig mit Spaltungen, ja mit Axillarbildungen verbunden, und außerdem kann ein Durchwachſen der Blütenachſe ſtattfinden oder eine bloße Verlängerung mit Her⸗ vorbringung von Blumenblattanlagen ins Unendliche (Petalomanie). Die einfache petaloide Umbildung iſt häufig bei ſchwacher Füllung, ſo bei ſchwach gefüllten Tulpen und Roſen. Bei ſtarker Füllung tritt gewöhnlich Spaltung der Blumenblattanlagen hinzu (Fuebsia, Pelargonium, Goldlack), oder die Spaltung iſt auf die Staubblattanlagen beſchränkt (Primula, Petunia, Dianthus). Die Spaltung modifiziert fic) bisweilen durch Ausbildung von Anhängſeln an normalen Blumenblättern. Tritt die Spaltung früh ein, ſo wird ſie gänzlich oder faſt gänzlich zur Trennung der neu entſtandenen Blumenblätter führen; tritt ſie erſt ſpät ein, ſo führt ſie zur Verzweigung der Blumen⸗ blätter wie bei Fuchsia und Clarkia. Petaloide Umbildung erfahren folgende Organe: Humboldt. - 1) Laubblätter. Das hat wohl jeder ſchon an der Gartentulpe beobachtet, daß bei ſehr ſtarker Füllung einige Laubblätter dicht an die Blume heranrücken und mehr oder weniger blumenartig werden. Aehn— liches kommt auch vor bei Trollius, bei den Deck blättern der Begonien, der Hülle mancher Anemonen. Es mag bei dieſer Gelegenheit darauf aufmerkſam gemacht werden, daß die Päonien ein vorzügliches Beiſpiel für die Metamorphoſe des Kelches ſind. Bei ſtark gefüllten Exemplaren findet man nicht ſelten alle Uebergänge zwiſchen Laubblättern und Kelchblättern, ſowie auch zwiſchen Kelchblättern und Kronblättern. 2) Kelchblätter. So bei Primula calycanthema, Campanula Medium, Mimulus, Trollius. 3) Staubblätter. Der häufigſte Fall: Tulpen, Roſen und viele andere. 4) Fruchtblätter. Dafür iſt das auffallendſte Beiſpiel Papaver somniferum, und dieſes ſcheint merkwürdigerweiſe wenig bekannt zu ſein, da Göbel es gar nicht erwähnt. In meinem Garten in Jena hatte ich zahlloſe Varietäten des einfachen und ge— füllten Gartenmohns, und hier war die Umwandelung der Placenten im Inneren des Fruchtknotens in Blumenblätter gar nichts Seltenes. Göbel führt an: Tulpen, Anemonen, Portulaca. Nicht ſelten find auch Vergrünungen des Carpells, mögen nun die Blumen gefüllt fein oder nicht. Göbel führt Roſa— ceen als Beiſpiel an. Verwandelung der beiden Carpellblätter in Laubblätter beobachtete ich in Jena nach einem Hagelwetter bei Cicuta virosa, Aehnliches iſt bei Daucus von Franck beobachtet worden (Oeſterr. Landw. Wochenblatt 1882, S. 236), von zahlreichen Forſchern beim Klee. Der Rotklee zeigte vorigen Sommer in Thüringen dieſe Erſcheinung aufs präch— tigſte. Bei eigentlichen Füllungen aber verwandeln ſich häufiger die Fruchtblätter in Blumenblätter, und dann tritt nicht ſelten Verlängerung der Achſe und Petalomanie ein?). Die Metamorphoſe iſt nicht ſelten unvollkommen. Man findet Mittelformen zwiſchen Laubblättern und Kelchblättern (Paeonia), Laubblättern und Blumen⸗ blättern (Tulipa), Kelchblättern und Blumenblättern (manche Helleboreen), Staubblättern und Blumen— blättern (Tulpe, Mohn, Nelke), Fruchtblättern und Blumenblättern (Mohn). Axillarbildungen können Blumenblattbüſchel er— zeugen, doch iſt das keineswegs immer der Fall. Mein Sohn, J. G. Hallier, fand in unſerem Garten in Jena unter zahlreichen teils gefülltblühenden, teils einfachblühenden Exemplaren vom Klatſchmohn (Pa- paver rhoeas L.) eine ganze Anzahl von ſolchen, welche in jeder Kelchblattachſel eine kleinere Blüte trugen. Dieſe Blüten erzeugten kleinere, aber völlig normal gebaute Kapſeln und Samen. Göbel kommt zum Schluß auch auf die ſchwierige Frage nach der Urſache der Füllungen zu ſprechen. Zunächſt iſt klar, daß die Blütenfüllung in vielen, ) Vergl. auch: Th. Göbel, Beiträge zur Morphologie und Phyſiologie des Blattes. Bot. Zeitg. 1880, Nr. 45 — 50. Juli 1882. 253 ja in den meiſten Fällen von einer Störung in der Entwickelung des Geſchlechtsapparates begleitet iſt, die bis zur völligen Umwandelung desſelben in peta— loide Gebilde fortſchreiten kann. Nach Magnus und Ludwig treten in den weiblichen Blüten gynodiöciſcher Pflanzen, wie z. B. Succisa, Knautia, Scabiosa, petaloide Blättchen an die Stelle der Staubblätter, es füllen ſich alſo hier die weiblichen Blüten, die männlichen nicht. Welche Agentien ſind es aber, die auf die Ent— wickelung des Geſchlechtsapparates hemmend einwir— ken? Dafür gibt es bis jetzt nur wenige Andeutungen. In allen genau beobachteten Fällen ſind es Störungen oder Abweichungen in der Ernährung, welche der Füllung vorangehen. Chelidonium majus wurde in meinem Garten in Jena auf gutem Gartenland gefüllt. Paraſiten bringen bisweilen Füllungen her— vor, fo z. B. macht Peronospora violacea nach De Bary die Staubblätter von Knautia arvensis petaloid. Ich möchte hier an eine andere teratologiſche Ver— änderung erinnern, welche Aecidium Berberidis auf der Berberitze hervorruft. Wenn jener Pilz nämlich die Blüten befällt, was nicht ſo gar ſelten iſt, dann werden Kelchblätter und Kronblätter derb und bleiben ſitzen bis zur Zeit der Fruchtreife. Campanula und Calystegia werden bei der Füllung dialypetal, Viola und Tropaeolum werden einfach ſymmetriſch (aktino— morph). Nach Morren (La duplication des fleurs et la panachure du feuillage en particulier chez le Kerria japonica. Gand 1867, und: Seconde notice sur la duplication des fleurs. ibid. 1868) bringen panachierte Pflanzen nur einfache Blüten hervor. Nach Darwin werden vollkommen gefüllte weiße Primeln durch Teilung und Verpflanzung während der Blüte einfach. Manche Pflanzen tragen einfache und gefüllte Blüten auf einem und demſelben Stock, ſo z. B. die Dahlien oder Georginen, welche auch nicht ſelten auf derſelben Pflanze verſchiedene Blumenfarben zeigen. Claſſen fand in Island Potentilla anserina und Tormentilla gefüllt in der Nähe heißer Quellen. Kommen gefülltblühende Pflanzen auf ſterilen Boden oder werden ſie vom Unkraut überwuchert, ſo ſchlagen ſie häufig in die einfache Form zurück. Aus allen dieſen vereinzelten Beobachtungen geht nur ſoviel hervor, daß es tiefgreifende Aenderungen in der Ernährung ſein müſſen, welche auf den Ge— ſchlechtsapparat hemmend, auf petaloide Bildungen fördernd einwirken. Welcher Art ſie ſind, wiſſen wir ſo gut wie gar nicht. Hier bleibt noch ein weites Feld für künftige Forſchungen offen. Vor einem weit verbreiteten Mißverſtändnis müſſen wir zum Schluß noch warnen, nämlich vor der Verwechſelung derjenigen Ernährungsſtörungen, welche auf die Sa— menbildung Einfluß üben mit denjenigen, welche bei der Entwickelung des Samens zur Pflanze in Betracht kommen. Das lehrreichſte Beiſpiel für dieſen großen Unterſchied iſt die Kultur der Levkojen. Um Samen für eine künftige gefülltblühende Generation zu er— reichen, verpflanzt man die Sämlinge in kleine Töpfe mit ſchwerer, wenig nahrhafter Erde und begießt nur 254 Humboldt. — Juli 1887. ſehr mäßig. Der ſo gewonnene Same unterſcheidet ſich in Form und Farbe von dem Samen gewöhn⸗ licher Pflanzen. Sehr verkehrt würde aber der Blumenliebhaber handeln, wollte er die aus dieſem Samen zu ziehende folgende Generation derſelben Behandlung ausſetzen. Er muß gerade im Gegen⸗ teil die Levkojenpflanzen, wenn fie ſchön, kräftig und ſtark gefüllt bleiben ſollen, in ſehr gute, lockere, ſtark gedüngte Gartenerde pflanzen und fleißig be⸗ gießen. Es zeigt dieſer Fall aufs neue, wie wichtig die innige Verbindung von Theorie und Praxis iſt, wie in unſerem Beiſpiel die Verbindung von Botanik und Gärtnerei. Die Urahnen des Tier- und Pflanzenreichs. Don Profeffor Dr. 2 Gruber in Freiburg i. B. eit die Evolutionstheorie das leitende Princip der Naturforſchung geworden iſt und wir in der Organismenwelt nicht mehr bloß eine Anſammlung voneinander unabhängiger Naturkörper ſehen, ſondern vielmehr einen inneren Zuſammenhang aller belebten Weſen annehmen und im Syſtem den Ausdruck wirk⸗ lich verwandtſchaftlicher Beziehungen der Organismen untereinander erblicken, ſeither geht das Streben der meiſten Forſcher dahin, dieſe Beziehungen und Ver⸗ bindungen, wo ſie bisher nur vermutet werden konnten, auch durch Thatſachen zu ſtützen. In der Geſtalt und dem feinen Bau der Tiere und Pflanzen und hauptſächlich in ihrer Entwickelungs⸗ geſchichte ſucht man unabläſſig nach neuen Aufſchlüſſen über die Verwandtſchaft lebender Formen und über das Weſen ihrer Vorfahren. Auf dieſem Gebiete bewahrheitet ſich täglich der Spruch: wer ſucht, wird finden; denn immer mehr wächſt die Zahl der Binde⸗ glieder zwiſchen den ſcheinbar getrennten Aeſten des Stammbaums, immer häufiger finden ſich die Brücken über Klüfte, die man für unüberſteiglich gehalten hatte. Es mag für die Leſer dieſes Journals vielleicht von Intereſſe ſein, wenn ich hier etwas näher auf eine Organismengruppe eingehe, in welcher ſich mehrere derartige Verbindungen nach anderen Formen hin in augenfälliger Weiſe zeigen laſſen und welche gerade des⸗ halb als Baſis zu mannigfachen wiſſenſchaftlichen Speku⸗ lationen eine hohe Bedeutung gewonnen hat: Ich meine die dem Reiche der Protozoen oder Urtiere angehörigen Flagellaten, die geißeltragenden In⸗ fuſorien, zu deutſch Geißelträger genannt. Das Flagellat ſtellt wie alle Protozoen nur eine einzige Zelle dar, ſeine weſentlichſten Beſtandteile ſind alſo der Zellkörper und der von ihm umſchloſſene Zellkern; außerdem ſind aber mannigfache Differen⸗ zierungen des Plasmas zu unterſcheiden, welche die Lebensweiſe der ſelbſtändigen Zelle erfordert. Ich habe auf Figur 1 ein Flagellat abgebildet, welches die typiſchten Charaktere der Gruppe aufweiſt. Wir ſehen da einen walzenförmigen Körper, von ſeiner Hülle, Cuticula, umgeben, in deſſen Innerem der Kern () liegt und außerdem eine in regelmäßigen Pulſationen ſich füllende und wieder entleerende Vacuole (V), welche bei den meiſten Protozoen an⸗ I. getroffen und als Abſonderungsorgan angeſehen wird. Das Plasma umſchließt zahlreiche Nahrungsbeſtand⸗ teile (NJ), die durch eine am vorderen Ende gelegene Oeffnung (M), den Mund, und den fic) daran ſchließenden Schlund (8) aufgenommen worden ſind. Neben dem Munde ſchließlich entſpringt eine lange, ſchlagende und ſich ſchlängelnde Geißel G, das Organ, dem die Klaſſe den Namen verdankt. Die Geißel dient nicht nur zur Bewegung, ſondern auch zum Herbeiſtrudeln der Nahrung, welche dann an die zur Nahrungsaufnahme beſtimmte Stelle hingeleitet wird. Fig. 1. A Peranema trichophorum (nach Bütſchli)') zeigt die typiſchen Charaktere eines Flagellaten; 6 die Geißel, M der Mund, S Schlund, V die pulſierende Vakuole, K der Kern; N Nahrungskörper. B Vorderende von Bug lena acus (nach Bütſchli J. e.). Buchſtaben wie vorhin; A der Augenfleck, Ch Chlorophyllkörner, P Paramylon⸗ körper. Von dieſem Typus finden ſich nun aber mannig⸗ fache Abweichungen nach den verſchiedenſten Rich⸗ tungen hin, von welchen einige hier erwähnt werden ſollen. Zunächſt kennen wir eine große Menge von Flagellaten, welche nicht wie die eben beſchriebene Form feſte Nahrungsteile aufnehmen und verdauen, ſondern deren Stoffwechſel durchaus dem der pflanz⸗ lichen Organismen entſpricht. Wir finden in ihrem ) Bütſchli, O.: Bronns Klaſſen und Ordnungen des Tierreichs. Protozoa. Mastigophora. Leipzig u. Heidel⸗ berg. 1883 u. 1884. Humboldt. — Juli 1887. 255 Plasma niemals feſte Nahrung, wohl aber verſchieden— artige, aſſimilierende Körper, in den häufigſten Fällen grünes Chlorophyll, das wie bei den Pflanzen in größeren oder kleineren Brocken, Chlorophyllkörnern, im Plasma abgelagert iſt. So iſt auf Figur 1 B das Vorderende einer Euglena abgebildet, wo die Chlorophyllkörnchen (Oh) deutlich zu ſehen ſind. Außer dem grünen Farbſtoffe finden ſich auch rote, braune, gelbe, wie wir ſie ebenfalls bei mancherlei pflanzlichen Organismen kennen und welche dieſelben Eigenſchaften wie das Chlorophyll beſitzen. In neuerer Zeit ſind bei mehreren Tierformen, welche grüne Farbkörper enthalten, dieſe letzteren als einzellige Algen erkannt worden, die mit den Tieren in einem Wechſelverhältnis ſtehen; davon iſt aber hier nicht die Rede, ſondern hier handelt es ſich um un— zweifelhafte Chlorophyllkörner. Dementſprechend finden wir in dieſen Flagellaten auch das Aſſimi— lationsprodukt der Pflanzen, die Stärke, und zwar laſſen ſich richtige Stärkekörnchen nachweiſen oder aber Körper, die von einem der Stärke naheſtehenden Produkte gebildet werden, das man Paramylon genannt hat (ſ. Fig. 1, B p). Es ſei hier noch eingeſchaltet, daß bei den ge— färbten Flagellaten die Gegenwart eines ſogenannten Augenflecks (Fig. 1, B A) oder Stigmas aufer- ordentlich verbreitet iſt, einer Anſammlung feinſter orangerot gefärbter Körnchen oder Tröpſchen zu einem meiſt rundlichen Flecken. Wenn man auch nach neueren Unterſuchungen in dem Stigma einen lichtpercipierenden Apparat nicht ſehen darf, ſo muß man doch entſchieden annehmen, daß er mit der bei dieſen Formen nach— gewieſenen Lichtempfindlichkeit zuſammenhängt, und es iſt auch einleuchtend, daß gerade dieſe Organismen beſonders befähigt ſein müſſen, das helle Licht auf— zuſuchen, da ſie ſeiner zur Aſſimilation, alſo zum Leben, bedürfen. Wenn nun dieſe Weſen keine feſte Nahrung mehr einführen, wenn ſie vermittelſt ihres Chlorophylls Kohlenſäure aufnehmen und Sauerſtoff abgeben, wenn wir in ihnen dieſelben Aſſimilations— produkte vorfinden wie in den Pflanzen, was unter— ſcheidet ſie dann noch von letzteren? Die ſelbſtändige Bewegungsfähigkeit? Auch dieſe nicht; denn wir kennen viele niedere Pflanzen, welche, wenigſtens während einer Zeit ihrer Entwickelung ein freies Leben führen und der ſelbſtändigen Ortsbewegung ſo wohl fähig ſind wie Tiere. Dieſe Schwärmzuſtände z. B. vieler Algen und der Schizomyeeten gleichen aber ſo vollkommen eigentlichen Flagellaten, daß ſie von ihnen nicht zu unterſcheiden find. Sie laſſen ſich nur des— halb auseinander halten, weil die einen die Flagellaten— geſtalt nicht während ihrer ganzen Lebenszeit, ſondern nur während einer kürzeren oder längeren Ent— wickelungsperiode annehmen, doch iſt auch hierin keine ſcharſe Grenze zu ziehen, und ſo können wir uns nicht wundern, wenn viele Geißelträger bald als Tiere, Protozoen, bald als Pflanzen, Protophyten, in An— ſpruch genommen werden, wenn wir dieſelben Formen ſowohl in den botaniſchen als in den zoologiſchen Werken aufgeführt ſehen. Eine Trennung läßt ſich eben da nicht durchführen, und wir ſehen hier den Ausgangspunkt vor uns, von welchem aus die zwei großen Reiche der belebten Welt ihren Urſprung ge— nommen, wo die beiden in ihren äußerſten Aeſten ſo ſehr divergenten Stämme in einer gemeinſamen Wurzel zuſammentreffen. Aber nicht nur nach dem Pflanzenreiche hin ver— wiſcht ſich die Grenze bei der Flagellatenklaſſe, ſondern auch nach verſchiedenen Gruppen der Urtiere finden ſich auffallende Uebergänge. Da ſind zunächſt die Rhizopoden“) oder Wurzelfüßer, welche ſich bekannt— lich dadurch auszeichnen, daß ihr einzelliger Körper nicht formbeſtändig, von keiner konſiſtenten Hülle umgeben iſt, ſondern nach allen Richtungen auseinanderfließen kann; ſie beſitzen keine differenzierten Bewegungs— organe wie die Infuſionstiere und auch keinen Mund zur Aufnahme der Nahrung, ſondern das ſtrömende Plasma überfließt die Körper, die zur Nahrung dienen, an jeder beliebigen Stelle. So groß ſcheinbar der Unterſchied zwiſchen einem Geißelträger vom Bau des in Figur 1 abgebildeten und einem Wurzelfüßer iſt, ſo kennen wir doch zahl— reiche Formen, welche die Charaktere beider Protozoen— gruppen vollkommen miteinander vermiſchen. Wir ſehen auf Figur 2 B ein Urtier abgebildet, welches durchaus die Charaktere einer Amöbe hat, und es gibt in unſeren ſtehenden Waſſern manche Arten dieſer Gattung, welche mit den lappigen, überall ausſtrömenden und wieder zurückfließenden Fortſätzen mit dem an der Peripherie hellen, im Inneren von Körnchen ge— trübten Plasma von der „Maſtigamöba“ nicht zu unterſcheiden wären, wenn nicht bei dieſer am vorderen Ende deutlich eine Geißel ſchwingen würde, die aus der Amöbe ein Flagellat macht, wie die Protoplasma— fortſätze, die Pſeudopodien, aus dem Flagellaten eine Amöbe ſchaffen. Ganz ähnlich verhält es ſich mit einer anderen Art der Gattung Maſtigamöba, welche die Figur 2 A uns zeigt. Auch hier haben wir einen typiſchen Rhizopoden vor uns, der mit Hilfe ſeiner Pſeudopodien umherkriecht, der aber außerdem eine lange Geißel beſitzt, mit welcher das Tier, einen Teil ſeiner Plasmafortſätze einziehend (Figur 2 A rechts), nach Flagellatenart umherſchwimmt. Außer ſolchen noch vollkommen rhizopodenartig geſtalteten Geißel— trägern gibt es eine Menge von Formen, die ſchon die eigentliche Flagellatengeſtalt beſitzen, aber doch noch da und dort, beſonders am Hinterende, Pſeudo— podien ausſtoßen können, wie z. B. die auf Figur 2 0 abgebildete Cercomonas crassicauda oder andere, die ſich an der weiten Hülle, in welcher ſie eingeſchloſſen find, mit ſpitzen Protoplasmafortſätzen befeſtigen (vergl. Figur 5). Schließlich gelangen wir zu ſolchen, die zwar einen ziemlich formbeſtändigen Körper beſitzen und ihre Nahrung nur an einem beſtimmten Punkte aufnehmen, aber noch keinen eigentlichen Mund haben. An der Baſis der Geißel ſchiebt ſich ein Fortſatz, der ) Ich faſſe hier die Abteilung der Rhizopoden in dem Umfang wie Bütſchli in Bronns Klaſſen und Ord— nungen des Tierreichs. 256 Humboldt. — Juli 1887. eine große Vakuole enthält, dem aufzunehmenden Nahrungskörper entgegen (Fig. 2 D), bis er ihn er⸗ reicht; dann ſchließt ſich die Vakuole um ihn und wird wieder in den Körper zurückgezogen. So finden wir alle Bindeglieder, welche die Klaſſe der Flagellaten ganz allmählich in die der Rhizopoden hinüberführen. Außer den amöbenartigen Rhizopoden finden wir aber in der Flagellatenklaſſe auch Ueber⸗ gänge zu den vom typiſchen Geißelträger noch mehr abweichenden Sonnentierchen oder Heliozoon. Wie bekannt, ſtellen dieſe meiſt kuglige, einzellige Proto⸗ plasmaklümpchen dar, die nach allen Seiten hin feine, unverzweigte, oft ziemlich ſtarre Protoplasmafäden ausſtrahlen. Bei den regelmäßig gebauten Heliozoen ſind dieſelben ſo angeordnet, daß ſie in ihrer Ver⸗ . A Zwiſchenform zwiſchen Amöben und Flagellaten, Mastigamoeba (nach Bütſchli) ), K Kern. B Ebenſo; Mastigamoeba aspera (nach F. E. Schulze)“). S Cercomonas crassicauda (nach Stein)“); weniger amöboid. D Oikomonas termo nach Bütſchli J. .); K Kern, V pulſierende Vakuole, N Nahrungskörper, der von der ſich entgegenſchiebenden Nahrungsvakuole Nv aufgenommen wird. längerung im Mittelpunkt der Kugel zuſammenſtoßen würden (vergl. Fig. 3 A). So ſehr verſchieden ein ſolches Weſen von einem Geißelträger iſt (vergl. dazu Fig. 1 A), fo finden fic) trotzdem die engſten Be⸗ ziehungen zwiſchen beiden, einmal dadurch, daß bei man⸗ chen Heliozoen Schwärmſprößlinge beobachtet wurden, die vollſtändig wie Flagellaten gebaut ſind; ſie ſchwimmen eine Zeit lang mittelſt Geißeln umher *) Bütſchli, O.: Beiträge zur Kenntnis der Flagel⸗ laten und verwandten Organismen. Zeitſchr. f. wiſſenſchaftl. Zoologie. Bd. 30. 1878. ) Schulze, F. E.: Rhizopodenſtudien No. 5. Arch. f. mikroſk. Anatomie. Bd. 11. 1875. wur) Stein, Fr. v.: Der Organismus der Infuſions⸗ tiere. Bd. III. 1. Leipzig 1878. und verwandeln ſich dann in Sonnentierchen. Aber es ſind auch Formen bekannt geworden, die zeitlebens Geißeln tragen, alſo zeitlebens Flagellaten ſind und trotzdem alle Charaktere der Heliozoen beſitzen. Ein ſolches Weſen iſt die auf Figur 3 dargeſtellte Di- morpha mutans: Wir fehen da ein tuypiſches Sonnentierchen vor uns mit körnigem Plasma und ringsum ausſtrahlenden Pſeudopodien (S), an denen kleine Tröpfchen entlang gleiten; am Rande ſieht man die pulſierende Vakuole (V) und außerdem allerlei Nahrungskörper, während der Kern verdeckt iſt. Zwei kleine Algenſchwärmer (N), ſolche, von denen oben geſprochen wurde, werden eben von der Dimorpha aufgenommen, der eine hängt noch an den Kügelchen der Pſeudopodien feſt, dem anderen hat ſich ſchon ein Fig. 3. Dimorpha mutans in ihren verſchiedenen Geſtalten (nach Gruber) ). A Dimorpha in der Geſtalt eines Sonnentierchens; S die Protoplasmaſtrahlen (Pſeudopodien), 6 die Geißeln, V die pulſierende Vakuole, N zwei Nahrungs⸗ körper, die eben aufgenommen werden. B Dasſelbe Tier freiſchwimmend als Flagellat; V die Vakuole, N Nahrungskörper. Uebergang vom Heliozoen⸗ in den Flagellatenzuſtand. D Teilung; K Kern. Plasmafortſatz entgegengeſchoben, um ihn hinein⸗ zuziehen. So weit iſt die Dimorpha in Geſtalt und Gebahren das vollkommenſte Sonnentierchen, aber plötzlich beginnt ſie zitternde Bewegungen zu machen, und man gewahrt, daß zwiſchen den Pſeudopodien auch noch zwei Geißeln am Körper angebracht ſind. Während dieſe zu ſchlagen beginnen, zieht das Tier ſeine Fortſätze allmählich ein, wird birnförmig und ſchwimmt davon (Fig. 3 C); bald ijt die letzte Spur von Pſeudopodien verſchwunden, und aus dem Heliozoon iſt ein regelrechtes Flagellat geworden (Fig. 3 B). Ebenſo raſch kann man an demſelben Individuum *) Gruber, A.: Dimorpha mutans, eine Miſchform von Flagellaten und Heliozoen. Zeitſchr. f. wiſſenſchaftl. Zoologie. Bd. 36. 1881. Humboldt. — Juli 1887. 257 auch die Rückverwandelung zum Sonnentier vor fic) hängenden Hälften noch Sonnentierchen, die andere gehen ſehen, wenn es genug umhergeſchwommen ijt Geißelträger iſt. Dieſe Verquickung beider Protozoen— und ſich der Ernährung wieder widmen will. Die klaſſen hebt ſelbſtverſtändlich jede ſcharfe Grenze zwiſchen Vermehrung geht durch Zweiteilung vor ſich, wie auf Fig. 3 D zu ſehen, wo die eine der noch zuſammen— denſelben auf, wie dies auch mit den Rhizopoden und den niederen Pflanzenklaſſen der Fall war. v. Hardts Ethnographiſche Karte von Aſien “). Don Profeffor Dr. Fr. Katzel in Leipzig. er die ethnographiſche Karte von Aſien zur Zufriedenheit der Vielen zeichnet, die durch ihre Studien auf die Betrachtung der Völkergrenzen hin— geleitet werden, verdient ſich ein beſonderes hohes Lob. Dieſe Aufgabe iſt in ihrem Gebiete die ſchwierigſte. In Afrika tritt uns eine Einfachheit der Völkerlagerung entgegen, welche für die großen Kategorien der Sonderung afrikaniſcher Völker die Grenzziehung ungemein erleichtert. In Amerika und Auſtralien gibt es gar keine Völkergrenzen in weiten Gebieten, welche mit Schärfe zu beſtimmen und zu zeichnen wären, wodurch wir die Aufgabe wider Willen als eine ſehr vereinfachte vorfinden. In Europa iſt im Gegenteil durch ſorgfältige, ſogar auf ſtatiſtiſche Erhebungen geſtützte Vorarbeiten die Ziehung derſelben Grenzen ungemein erleichtert, was bei dem Hin- und Widerſchieben der europäiſchen Völkergruppen und Völker doppelt zu ſchätzen iſt. Aſien zeigt alle Schwierigkeiten des europäiſchen Bu- ſtandes, ohne eine der Erleichterungen zu bieten, welchen man in den anderen Erdteilen begegnet. In ſeinen Völkern, die nach Raſſe und Sprache gleich mannigfaltig geartet, und von denen viele ganz ebenſo wie diejenigen Europas durch den Gang ihrer Ge— ſchichte ſehr ſtark differenziert und individualiſiert ſind, hören ſtarke Bewegungen nicht auf. Und doch müſſen Grenzen gezogen werden. Wer möchte dem Verfaſſer dieſer Karte einen Vorwurf daraus machen, daß er die Kirgiſengrenze am Oſtabhang des Altai viel weiter weſtlich zeichnet, als wir ſie nach den An— gaben erwarten würden, welche Potanin 1876 über dieſelben gemacht hat? Dieſer Reiſende traf damals die letzten Kirgiſen am Tal⸗-Nor 3—4 Tagereiſen weſtlich vom Kobdo. Oder daß er die Miſchung von Mongolen und eingewanderten Chineſen zwar im alten Ordoslande deutlich angezeigt hat, in jenem breiten Striche jenſeits der Großen Mauer aber verſchwiegen, welcher ſo ſehr chineſiſiert worden iſt, daß er ſelbſt politiſch zum eigentlichen und engeren China ge— rechnet wird? Man muß ſich reſignieren, in der ethnographiſchen Karte ein Augenblicksbild zu ſehen, von welchem man nicht verlangt, daß es richtig für alle Zeiten, ſondern daß es für einen beſtimmten Zeitpunkt möglichſt richtig ſei. Im allgemeinen ſind die Verſchiebungen nicht ſo groß und raſch, daß nicht eine annähernde Uebereinſtimmung zwiſchen Vorlage und Abbild verlangt werden könnte. Der Verfaſſer Humboldt 1887. dieſer Karte hat dieſelbe Uebereinſtimmung in den meiſten Fällen erzielt und damit die größte Schwierig- . keit der ethnographiſchen Karte von Aſien beſiegt. Damit iſt aber ſeine Arbeit zugleich als eine der vor— züglichſten auf dem Gebiete der kartographiſchen Dar— ſtellung ethnographiſcher Verhältniſſe gekennzeichnet. Er hat die ſchwierigſte Aufgabe gut gelöſt. Sehen wir zu, mit welchen Mitteln, auf welchen Wegen. Die v. Hardtſche Karte bringt den Erdteil im Maßſtab von 1:8 Millionen, alſo in einer der Auf— gabe detaillierter Eintragung gewachſenen und doch noch hinreichend handbaren Größe. Dem Mangel, daß das gerade ethnographiſch von Aſien gar nicht zu trennende Europa nicht mehr ganz mit zur Dar- ſtellung gelangen konnte, hilft einigermaßen der Um- ſtand ab, daß wenigſtens die öſtliche Hälfte unſeres Erdteiles noch auf der Karte Raum fand. Schade, daß nicht auch das nordweſtliche Amerika, ein für die Ethnographie Nordoſtaſiens und des ganzen nord— pacifiſchen Gebietes fo wichtiges Gebiet, noch einge— zeichnet werden konnte. Mehr noch ſchade, daß Herr v. Hardt nicht gleich eine ethnographiſche Karte der Erde vielleicht in 1:20 Millionen zeichnete. Die Arbeit würde nicht in demſelben Maße ſchwieriger geweſen fein, als die Summe der Fläche oder Be- wohner der anderen Erdteile diejenige Aſiens oder der Aſiaten übertrifft. Und da die Menſchheit ein zuſammenhängendes Ganze iſt, hat es etwas Miß— liches, an den Grenzen eines Erdteiles abzuſchneiden. Es liegt darin Willkür. Niemand wird wohl den Satz beſtreiten, daß eine möglichſt vollkommene ethno— graphiſche Karte eines ſo großen Stückes der Erde immer gleich beſſer eine Weltkarte ſein wird. Die techniſche Herſtellung iſt geſchickt und ge— ſchmackvoll. Vorzüglich ijt zu loben, daß mit ſchonen— der Hand der Farbenpinſel geführt ward, und daß man auch nicht allzu tief in das Füllhorn der Orts⸗ und Völkernamen gegriffen hat. Es find 8 Farben in 26 Farbentönen, großenteils nah verwandte, gewählt (Gelb für Mongolen mit mehrſilbigen *) Ueberſichtskarte der ethnographiſchen Verhältniſſe von Aſien und den angrenzenden Teilen Europas. Be— arbeitet auf Grundlage von Friedrich Müllers allgemeiner Ethnographie und mit Unterſtützung der K. Akademie in Wien von Vincenz v. Hardt. Ausgeführt im geographiſchen Inſtitut von Eduard Hölzel in Wien. Maßſtab 1:8 000000. Wien 1887. Im Selbſtverlag bes Verfaſſers. 33 258 Sprachen, Grün für Mongolen mit einſilbiger Sprache, Blau und Violett für Angehörige der mittelländiſchen Raſſe, Rot für Dravida, Graubraun für Arktiker, Grau für Malayen, Rotgelbbraun für Papua). 5 Die Unterabteilungen, 120 an der Zahl, ſind durch rote Grenzlinien diskret angedeutet. Rot ſind auch die Völkernamen eingeſchrieben, während die geographiſchen Bezeichnungen, auf die notwendigſten beſchränkt, ſchwarz gegeben ſind. Wo Mengung (im räumlichen Sinne, alſo nicht Miſchung) verſchiedener Völker anzudeuten war, wurde farbige Streifung zur Anwendung gebracht. Wir haben es erprobt, daß die Karte, deren Blätter mit ihrer Fülle von An⸗ gaben als Handbehelf beim Studium dienen können, als Ganzes ein harmoniſches Bild gewährt, aus welchem die großen Völkergruppen, wie z. B. Türken, Mongolen, Chineſen deutlich hervortreten, während auch die Abteilungen zweiten Grades noch hinläng⸗ lich erkennbar ſind. Die große Zahl von gegen 600 ethnographiſchen Nomenklaturen, welche die Karte enthält, wirkt nicht verwirrend. In hohem Grade bedauerlich bleibt jedoch der Mangel einer Be⸗ ſchreibung oder wenigſtens eines orientierenden Ver⸗ zeichniſſes der aufgeführten Völker in der Klaſſifi⸗ kation, welche der Karte zu Grunde gelegt iſt. Rein materielle Hinderniſſe haben leider, wie v. Hardt in der kurzen Textbeilage zur Karte ſagt, verhindert, daß eine ſolche faſt notwendig zu nennende Beilage mit ausgegeben wurde. Für die Zeichnung der größten Züge aſiatiſcher Völkerverbreitung diente Friedrich Müllers Allgemeine Ethnographie (2. Aufl. 1879) zum Ausgangspunkt. Der erſte Entwurf ſtützte ſich ausſchließlich auf die in dieſem weitverbreiteten Werke niedergelegten That⸗ ſachen und für die großen Abteilungen iſt das Müllerſche Raſſenſchema benutzt, das auf dieſer Karte Mittelländer, Mongolen, Arktiker, Dravida, Malayen und Papua unterſcheiden läßt. Auch die weiteren Unterſcheidungen und Einordnungen ſchließen ſich weſentlich an die Grundſätze des Wiener Ethno⸗ graphen an, welche ſicherlich in vielen Beziehungen für linguiſtiſche Klaſſifikation den Vorzug vor anderen verdienen. Begegnen wir denſelben doch längſt auch in nicht deutſchen Werken, wo ſie natürlich ohne An⸗ gabe ihres Urhebers ausgenutzt werden. Man hätte ſo eigentlich das Recht, zu ſagen, dieſe Karte ſei aus der Schule Friedrich Müllers hervorgegangen. Gerade darin liegt nun aber der Grund einer gewiſſen Einſeitigkeit, den wir kurz hervorheben wollen, weil wir der Meinung ſind, daß er bis in das Innerſte des Weſens der ethnographiſchen Karto⸗ graphien reiche. Die Karte, welche vor uns liegt, iſt weſentlich eine linguiſtiſche. Die größten Gruppen, in welche ſie die aſiatiſche Menſchheit zerteilt, haben nur teilweiſe mit Raſſen in anthropologiſchem Sinne zu thun. Die Dravida, die Malayen, die Arktiker ſind keine Raſſen wie die mittelländiſche oder mon⸗ goliſche. Man nennt auch ſie Raſſen, wiewohl ſtreng genommen es im heutigen Aſien nur drei Komplexe von körperlich wohl unterſchiedenen Völkern gibt: Humboldt. — Juli 1887. Mittelländiſche (für welche wir wenigſtens die Er⸗ weiterung des gar zu eng gefaßten Namens in mittelländiſch⸗atlantiſche Raſſe vorſchlagen, wenn nun doch der alte Blumenbachſche Name Kaukaſier fallen ſoll), Mongolen und Neger. Es würde von ſehr großem Intereſſe geweſen ſein, wenn die Zeichnung dieſer drei großen Raſſen und ihrer vielfältigen Miſchungen gleichſam die Grundlage der ethno⸗ graphiſchen Karte gebildet haben würde. Ob aber die Wiſſenſchaft jemals imſtande ſein wird, die Ele⸗ mente der Miſchung der Japaner, Kambodſchaner, Dravida auszuſondern? Solange das nicht möglich, hat man nur Hypotheſen zu verzeichnen. Quatrefages hat das auf der Völkerkarte von Aſien, welche ſeine Histoire générale des races humaines“) begleitet, mit kühner Entſchloſſenheit zu thun verſucht; man gewinnt jedoch aus derſelben den Eindruck, daß es gerade genug iſt, wenn Hypotheſen gedruckt erſcheinen, und daß die Kartenzeichnung ihre Mühe womöglich auf ſolideres Material verwenden ſollte. Womit nicht geleugnet werden ſoll, daß unter beſonderen Um⸗ ſtänden die kartographiſche Darſtellung den Wert eines Experimentes gegenüber ungeprüften Hypotheſen gewinnen könne. Wir begreifen nun ganz gut, daß Herr v. Hardt es vorzog, die feſtgeſtellten Begriffe jener ſechs augenblicklichen Raſſen zu verwenden, ſtatt die verfrühte Arbeit der Darſtellung der Miſchvölker zu unternehmen. Wir unſererſeits würden es aber vor⸗ gezogen haben, in drei Farbentönen die drei un⸗ zweifelhaften Raſſen Aſiens gleichſam auf dem Grunde dieſer Karte eingezeichnet zu ſehen. Was nun auf der v. Hardtſchen Karte über jene Raſſen oder Völkergruppen hinausgeht, das iſt alles rein linguiſtiſch. Wir haben, wie geſagt, in der That eine weſentlich linguiſtiſche Karte vor uns. Man pflegt zwiſchen dieſer und der ethnographiſchen Karte nicht zu unterſcheiden. Und doch iſt der Unterſchied groß. In Indien wirkt der Gegenſatz des Islam und des Brahmaglaubens viel tiefer als irgend ein Sprach⸗ unterſchied. So iſt es aber auch in ganz Weſt⸗ und Inneraſien. Ja, bis nach China hinein erſtreckt der Islam ſeinen gärungserregenden Einfluß. Der Buddhismus hat durch Aberglauben, Lamatum und Kloſterweſen die alten mongoliſchen Feinde des Himm⸗ liſchen Reiches gezähmt und deeimiert, dafür iſt der Islam, wie die Aufſtände der Dunganen und in Oſtturkeſtan zeigen, ein neuer, mehr zu fürchtender Gegner geworden. Nicht minder ſcharf ſtoßen Gegen⸗ ſätze der Kultur aufeinander. In der Fläche, welche auf dieſer Karte das Blau des Sindhi und Pend⸗ ſchabi einförmig bedeckt, liegt die Wüſte Tharr, liegen am Indus und Kabul hin die Tummelplätze der von Nordweſt her einbrechenden Nomaden, wohnt die in Zügen, Sitten, Kriegstüchtigkeit, ſelbſt noch in der Erinnerung des Pferdeopfers, die, allgemein zu reden, ſkythiſche Miſchung verratende radſchputiſche Bevöl⸗ kerung. Kaum ſind ſchärfere ethnographiſche Gegen⸗ *) U. d. Nebentitel Introduction à Pétude de Races Humaines einen Band der Bibliotheque Ethnologique (Paris 1887) bildend. Humboldt. — Juli 1887. ſätze zu finden, als zwiſchen den Bewohnern dieſes ruheloſen Gebiets der Anſtöße, Einbrüche, der Aus— gangspunkte aller großen Wanderungen, Eroberungen und Staatengründungen, von denen die Geſchichte Indiens ſpricht, und den Bewohnern Bengalens oder gar des weltabgeſchiedenen Nieder-Aſſam, welche genau dieſelbe Farbe deckt. So verrät nichts im hellen Blau, das die arabiſche Halbinſel gleichförmig überzieht, den großen ethnographiſchen, kulturlichen, geſchicht— lichen und ſelbſt Raſſen-Gegenſatz der Ismaeliten und ſüdarabiſchen Kataniten. Fern iſt es von uns, die techniſch undurchführbare Forderung zu erheben, daß auf der Grundlage der Raſſenunterſchiede Sprach—, Religions- und Kulturmerkmale zur Darſtellung ge— bracht werden ſollten, aber der Karte in ihrer Gefamt- 259 heit würden Nebenkärtchen mit Angabe der Verbreitung der Religionen und mindeſtens der zwei alles Völker— leben tiefſt beeinfluſſenden Kulturformen des Nomadis— mus und der Anſäſſigkeit zum Vorteile gereicht haben. Wir haben dieſe Bemerkungen nicht gemacht, um das ſchätzenswerte Werk v. Hardts zu bekritteln, ſondern um zu zeigen, daß die Aufgabe, welche er gelöſt, vielleicht auch noch etwas anders hätte angefaßt werden können und um die Frage anzuregen, wieweit überhaupt die Kartographie der Darſtellung ethno— graphiſcher Erſcheinungen gewachſen ſei. Wir wieder— holen vielmehr den Ausdruck des Dankes, welchen wir dem Herrn Verfaſſer für ſeine fleißige, anregende, im höchſten Grade nützliche und zeitgemäße Arbeit ſchon oben gezollt haben. Verteilung der Temperatur und Dichtigkeit des Waſſers in den Oceanen. Kapitänlieutenant Rottok in Berlin. In der Geographiſchen Geſellſchaft zu London gab J. M. Buchanan, der wiſſenſchaftliche Begleiter der Chal— lengerexpedition, in einem Vortrag über die phyſikaliſche Geographie der Oceane einige aus ſeinen Beobachtungen und Unterſuchungen hergeleitete, höchſt intereſſante Auf— ſchlüſſe und Erklärungen über die Verteilung der Waffer- temperatur und Dichtigkeit der Oceane, im beſonderen der tropiſchen Regionen. In dieſer letzteren Zone macht er einen weſentlichen Unterſchied zwiſchen den Paſſatregionen und dem Aequatorialkalmen- und Regengürtel. Während in den erſteren infolge der Paſſatwinde eine ſtarke Ver— dunſtung des Oberflächenwaſſers, und damit eine Konzen— tration des Salzes herbeigeführt wird, überwiegt in dem Kalmengürtel die durch den Regen zugeführte Waſſer— menge die durch Verdunſtung der Oberfläche entzogene, ſo daß hier eine Verringerung des Salzgehaltes und der Dich— tigkeit eintreten muß. Die konzentrierende Thätigkeit der Paſſatwinde bildet ein wichtiges Mittel zur Erwärmung der unteren Waſſerſchichten, indem durch dieſelbe eine leb— hafte vertikale Waſſereirkulation eingeleitet wird. Hier⸗ durch erklärt ſich auch die auffallende Thatſache, daß man auf dem Aequator, wo infolge der geringeren Dichtigkeit des Waſſers die vertikale Strömung weniger ausgeprägt iſt, in den über der Oberfläche gelegenen Waſſerſchichten häufig geringere Temperaturen antrifft, als in größerer Cnt- fernung nördlich oder ſüdlich vom Aequator. Mit dieſer Erwärmung der unteren Waſſerſchichten in den Paſſat⸗ regionen und der gleichzeitig durch die Paſſate erzeugten, weſtlichen Bewegung derſelben hängt ferner die gleichartige Temperatur in den weſtlichen Teilen der großen Oceane und das häufige Vorkommen der Koralleninſeln in dieſen Teilen zuſammen. Die Riffe bildenden Korallen können nämlich bekanntlich nur in Waſſer von einer Temperatur über 20“ leben, und dieſe Temperatur findet man im weſtlichen Atlantiſchen Ocean bis zu einer Tiefe von 180 m, während fie im Golf von Guinea nur bis 40 m unter der Ober- fläche reicht. Stunde. Der Indiſche Ocean ſcheint inſofern hiervon eine Ausnahme zu machen, als man über den ganzen Ocean verteilte Koralleninſeln trifft, doch da derſelbe überall mit dem Stillen Ocean in Verbindung ſteht, ſo iſt er gewiſſer— maßen als der weſtliche Teil dieſes Meeres zu betrachten. — Das unter dem Einfluß der Paſſate ſtehende Waſſer nimmt naturgemäß eine weſtliche Bewegung an, welche ſich in der Nähe des Aequators als der bekannte Aequatorialſtrom am meiſten ausprägt, während fic) auf dem Kalmengürtel eine nach Oſten gerichtete Gegenſtrömung geltend macht. Entſprechend dem dargelegten Unterſchied in der Dichtigkeit des Waſſers der Regionen, wird der Aequatorialſtrom im all— gemeinen durch ſalzreicheres, der Gegenſtrom durch ſalzärmeres Waſſer gebildet; dieſer Unterſchied iſt oft ſo ausgeprägt, daß man nach der gemeſſenen Dichtigkeit des Waſſers auf das Vorhandenſein der einen oder anderen Strömung ſchließen kann. An der Küſte von Guinea, gegen welche ſich der Aequatorialgegenſtrom, unter dem Namen Guinea— ſtrömung ergießt, iſt der Salzgehalt des Waſſers ein ziem— lich genauer Meſſer der Entfernung des Landes. Sorg— fältige Unterſuchungen über dieſen Strom ſind in neueſter Zeit namentlich durch den Dampfer Buccaneer zum Zweck einer unterſeeiſchen Kabellegung ausgeführt worden. Hier— nach gewinnt er in der Nähe der afrikaniſchen Küſte an Beſtändigkeit, die Dichtigkeit des Waſſers iſt gering, die Temperatur hoch, und die Geſchwindigkeit beträgt zuweilen, namentlich in der Nähe des Landes, drei Seemeilen in der Nach Buchanan ſind die Streifen oder Achſen einer ſtarken öſtlichen Strömung durch Gebiete abnorm niedriger Dichtigkeit des Oberflächenwaſſers ſcharf definiert. Wo eine plötzliche Beſchleunigung der öſtlichen Strömung ſtattfindet, da tritt auch eine entſprechende plötzliche Ab— nahme der Dichtigkeit auf. An der Grenze beider Strö— mungen finden natürlich große Unregelmäßigkeiten und überraſchende Sprünge, ſowohl in der Dichtigkeit als in der Waſſertemperatur, ſtatt. Während man im öſtlichen Stromgebiet in einer Tiefe von 90 m 15,6 findet, trifft 260 Humboldt. — Juli 1887. man dieſelbe Temperatur etwas weiter nach Süden in der weſtlich laufenden Strömung noch in der doppelten Tiefe an. Das Gewicht einer Waſſerſäule zwiſchen 36,5 und 128 m (20 — 70 engliſche Faden) Tiefe beträgt an Sta⸗ tionen der weſtlichen Strömung nur 88% von demjenigen an den nur zweihundert Seemeilen entfernten Stationen der öſtlichen Strömung. Dieſe Störung des ſtatiſchen Gleichgewichts muß durch die Cirkulation des Waſſers wieder ausgeglichen werden, und daher auch die ſtarken und verſchieden gerichteten Strömungen in dieſer Gegend. An den Luv⸗ — d. h. den weſtlichen — Küſten der Kon⸗ tinente findet ſich übereinſtimmend ein auffallend plötzlicher und ſchroffer Uebergang in den Waſſertemperaturen. So fiel beim Kap St. Lucas an der nordamerikaniſchen Küſte die Temperatur innerhalb einer Stunde von 24° auf 16°; ein ähnlicher Wechſel wurde beim Kap Blanco an der ſüdamerikaniſchen Küſte, beim Kap Verd und Kap Frio konſtatiert. Dieſe ſchroffen, nur in der Nähe der Küſte vorkommenden Uebergänge ſind gewöhnlich Oberflächen⸗ ſtrömungen aus höheren Breiten zugeſchrieben worden. Doch erſcheint dieſe Erklärung nicht zutreffend, wenn man bedenkt, daß ſolche Strömungen eine erheblich größere Ge⸗ ſchwindigkeit haben müßten, als ſie beobachtet worden ſind, um nicht durch die Glut der Tropenſonne bedeutend er⸗ wärmt zu werden. Das Vorkommen der abnorm kalten Waſſerſtreifen an den Küſten iſt vielmehr von einer vertikalen Waſſerbewegung herzuleiten. Die Paſſatwinde verdrängen nämlich von der Luvjeite der Oceane, an welcher die Erſcheinung hauptſächlich auftritt, in mechani⸗ ſcher Weiſe eine gewiſſe Waſſermenge, welche durch das aus der Tiefe heraufdringende und aus den höheren Breiten ſtammende, kalte Waſſer erſetzt wird. Dieſe Er⸗ klärung wird nach Buchanan's Anſicht noch durch die Farbe des Waſſers beſtätigt, welche in den kälteren Streifen das die polaren Gewäſſer auszeichnende Olivengrün zeigt, in den wärmeren Gebieten das Ultramarin des Tropen⸗ waſſers. Dieſe Annahme wird beſtätigt durch die neuerdings an der Oſtküſte von Afrika von dem deutſchen Kreuzer Möve unter Kommando des Kapitäns zur See Hoffmann, zwiſchen Zanzibar und Aden angeſtellten Temperatur⸗ beobachtungen. Während nämlich von Zanzibar bis zu 4° Nordbreite die Oberflächentemperatur des Waſſers faft gleichmäßig 25° betragen hatte, fiel ſie zwiſchen 4° und 8° Nordbreite rapide, und erreichte beim Kap Khyle den abnorm niedrigen Stand von 14,9“, das Meer hatte dabei ein tief olivengrünes, oft geradezu ſchwarzes Ausſehen, ganz nahe der Küſte wurde es hellgrün, während es in den normalwarmen Gegenden ſtets tiefblau war. Beim Kap Guardafut ſtieg die Temperatur wieder ſchnell auf 30°. Zu beiden Seiten des kalten Streifens, d. h. nördlich und ſüdlich davon befinden ſich demnach warme Waſſerſchichten, fo daß ein polarer Strom hier ausgeſchloſſen erſcheint. In den Annalen der Hydrographie und maritimen Meteo⸗ rologie, Heft IX v. J., wo die Beobachtungen der Möve veröffentlicht ſind, wird bereits die Anſicht ausgeſprochen, daß die kalten Oberflächentemperaturen einer vertikalen Waſſerbewegung zuzuſchreiben ſind. Die Möve paſſierte die Küſte im Juli, zu welcher Zeit der Südweſtmonſun vor⸗ herrſchend iſt und die Waſſermaſſen von der Küſte ab⸗ drängt, wie es zur Erklärung der Erſcheinung nach der oben ausgeſprochenen Annahme notwendig iſt. Vhosphorescenz bei Inſekten und Tauſendfüßern. Don Dr. Moewes in Berlin. Eine Reihe ſehr intereſſanter Unterſuchungen über dieſen Gegenſtand hat der franzöſiſche Phyſiologe Raphael Dubois, angeſtellt. Eine umfangreiche Abhandlung iſt den leuchten⸗ den Elateriden, insbeſondere den amerikaniſchen Cucujos (Pyrophorus noctilucus) gewidmet. Schon das Ei dieſer Leuchtkäfer ſtrahlt, noch während es im Eihalter eingeſchloſſen iſt, ein bläuliches Licht aus. Bei den ganz jungen Larven iſt das Leuchten nur nach vorhergegangener Reizung, die eine mechaniſche ſein oder durch Einwirkung von Elektrieität oder durch Erwärmen hervorgerufen ſein kann, gut bemerk⸗ bar. Das Licht geht bei der erwachſenen Larve von leuch⸗ tenden Punkten am Hinterleibe aus, wovon je drei ſich auf einem Gliede befinden (einer in der Mitte, je einer an jeder Seite). Dagegen beſitzt der ausgebildete Käfer zwei leuchtende Organe an der Vorderbruſt und eins in der Mitte der Unterſeite des erſten Hinterleibsringes. Dieſes Organ ſtellt ſich, wenn es nicht leuchtet, als ein weiß⸗gelber Fleck dar, welcher nur von einem mehr weißen, kreideartigen Rahmen umgeben wird. Es iſt aus einer Anzahl zelliger Cylinder zuſammengeſetzt, welche ſich dolden⸗ artig ausbreiten. Die anderen Organe find der Hauptſache nach ebenſo gebaut. Das Licht iſt grünlich und enthält eine genügende Menge von chemiſchen Strahlen, um damit photographieren zu können. Eine Probe einer ſolchen Photographie hat Dubois der Abhandlung beigegeben. In den lichtgebenden Zellen geht ein lebhafter hiſto⸗ lytiſcher Prozeß vor ſich, der von einer reichlichen Bildung doppelt⸗brechender Kryſtalle von Guanin begleitet iſt. Die Uebereinſtimmung ihrer Entſtehung mit derjenigen des Lichtes und ihre beſonderen optiſchen Eigenſchaften erlauben faſt den Schluß, daß das tieriſche Licht durch die Kryſtal⸗ liſation hervorgerufen wird. Andererſeits hat Dubois ver⸗ ſchiedene Thatſachen feſtgeſtellt, welche die Anſicht zulaſſen, daß der lichterzeugende Stoff eine Eiweißſubſtanz ſei, welche mit einem anderen, diaſtaſeähnlichen Stoff in Wechſel⸗ wirkung tritt; ein Teil der dabei in Freiheit geſetzten Energie entwickelt ſich dann in Form von Licht. Daß das Inſekt durch das von ihm erzeugte Licht in ſeinen Bewegungen geleitet wird, kann man dadurch zeigen, daß man einen der Bruſtapparate mit Wachs verklebt. Der Cucujo bewegt ſich alsdann deutlich nach der beleuch⸗ teten Seite, ſo daß er eine krumme Linie beſchreibt. Ver⸗ klebt man zugleich beide Bruſtlampen, ſo wird der Gang Humboldt. — Juli 1887. des Tieres zögernd und unregelmäßig; es wendet ſich bald rechts, bald links, taſtet mit den Fühlern umher und bleibt endlich ſtehen. Das Leuchtorgan des Unterleibes wird erſt in Thätigkeit geſetzt, wenn das Inſekt ſich in die Luft erhebt. Die leuchtenden Tauſendfüßer, welche Dubois in der Nähe von Heidelberg fand, gehörten zur Species Scolioplanes crassipes de Kock. Man findet die Tiere entweder frei umherſtreifend oder unter Gras, Erde und dürren Blättern verſteckt. Das Licht iſt grünlicher als das des Phosphors und ſtrahlt nicht wie bei den Leuchtkäfern von einzelnen Stellen des Körpers aus, ſondern der ganze Körper, ausgenommen der Kopf ſcheint zu leuchten. Der Sitz des Leuchtens iſt im Darmkanal des Tieres zu ſuchen. Von der Oberfläche des Darms werden große Zellen abge— ſtoßen, welche augenſcheinlich in Degeneration begriffen ſind und große Mengen von Guaninkryſtallen enthalten, die die Lichterſcheinung hervorrufen. Die leuchtende Sub— ſtanz wird dauernd aus dem Darm ausgeſtoßen und auf dem Wege des Tieres zurückgelaſſen, wo ſie noch eine kurze Zeit fortfährt zu leuchten. Die frühere Anſicht, daß die Tauſendfüßer nur leuchten, wenn ſie vorher dem Lichte ausgeſetzt wurden, iſt nach Dubois irrig. Das Leuchten 261 wird mit wachſender Lebendigkeit des Tieres ſtärker, und wenn man es reizt, um es zu fangen, leuchtet es beſonders ſchön und ſtößt auch größere Mengen leuchtender Sub— ſtanz aus. An derſelben Lokalität fand Dubois leuchtende Poduren (Lipura armata Tullb.) Auch bei dieſen nur 2—3 mm langen Tierchen leuchtete der ganze Körper. Das Licht iſt bläulich und wird durch mechaniſche Reizung, Wärme und Aufregung des Tieres ſtärker. Die leuchtende Sub— ſtanz iſt von ſauerer Reaktion und fährt auf dem Lackmus— papiere, auf dem man das Tier zerdrückt hat, noch fort zu leuchten, ſogar nach Befeuchtung mit ſchwach ſauerer Flüſſig— keit, während Ammoniakdämpfe das Leuchten ſogleich ver— ſchwinden machen. Der Körper dieſer Inſekten iſt mit unregelmäßig konturierten Lappen (lobules) angefüllt, deren nach außen liegende Partien an der Oberfläche und an den Seiten jedes Ringes vorſpringende Punkte (Fett— gewebe, tissu adipeux) bilden. Die im Inneren der Lappen liegenden Zellen ſind von unregelmäßigem Umriß, ohne ſichtbare Membran; ſie ſind in Degeneration begriffen und enthalten Kryſtallhaufen, welche mit denen in den Leucht— organen der Pyrophoren und im Darmkanale der Myria— poden übereinſtimmen. Sortidvitte in den Katurwiſſenſchaften. Mineralogie und Kryſtallographie. Von Profeffor Dr. Hh. Bücking in Straßburg i. E. Die Homodomorphie der Ungit- und Hornblendemineralien. Mikroklin. Rotgiltiger3. Die ſogenannten vicinalen Flächen. Optiſche Anomalien der Mineralien der Phillipſitgruppe und des Milarits. Mineralien. Phenakit von HKolorado. Chemiſche Zuſammenſetzung des Herderits. Topas im Rhyolith. Euklas aus den Alpen. Urpſtallſyſtem des Descloizit. Neue Sinnober von Nikitowka. Diamant von Hindoſtan im Muttergeſtein. Die eigentümliche Erſcheinung, daß von den Mine- ralien der Augitgruppe das Magneſiumbiſilikat rhom- biſch, das Calciumbiſilikat monoklin und das Mangan— biſilikat triklin kryſtalliſiert, Miſchglieder aber je nach dem Verhältnis der an der Miſchung ſich beteiligenden Einzel— verbindungen dem einen oder dem anderen Syſtem ange— hören, war ſeither gewöhnlich durch die Annahme einer Iſotrimorphie erklärt worden. Man dachte, daß die drei bei der Zuſammenſetzung der verſchiedenen Augitmineralien weſentlich in Betracht kommenden Verbindungen, das Mag- neſium⸗, das Calcium- und das Manganbiſilikat, ſowohl rhombiſch als monoklin und triklin kryſtalliſieren könnten, und daß die drei dem gleichen Kryſtallſyſtem angehörigen Körper jedesmal untereinander iſomorph ſeien. Von dem Magneſiumbiſilikat, nahm man an, ſei die rhombiſche Mo⸗ difikation die ſtabilere, von dem Calciumbiſilikat die mo- nokline und von dem Manganbiſilikat die trikline; die anderen Modifikationen betrachtete man dagegen als ſehr labil und ſah darin den Grund dafür, daß ſie noch nicht beobachtet worden ſeien. Hiermit war allerdings eine einigermaßen befriedi- gende Erklärung geſchaffen. Auffallen mußte es nur, daß die Kohäſionsverhältniſſe bei den rhombiſchen, monoklinen und triklinen Augitmineralien im allgemeinen die gleichen ſind, daß ſie, trotzdem ſie ſich im Zuſtande der Trimorphie befinden ſollen, doch ſämtlich nach einem Prisma ſpalten, deſſen Kantenwinkel nur um etwa 3° von einem Rechten abweicht, und daß die Winkel zwiſchen den Flächen in der Zone dieſer Spaltungsebenen an den Augiten aller drei Syſteme nahezu dieſelben Werte zeigen. Dieſe für trimorphe Subſtanzen gewiß höchſt auf— fallende Erſcheinung, welche ſich in ähnlicher Weiſe bei vielen anderen Mineralien wiederholt, z. B. in der Gruppe der Hornblenden, der Feldſpate, der Natrolithe, läßt ſich aber, wie W. C. Brögger ) gezeigt hat, auch in einfacherer Weiſe deuten. Er geht in ſeiner Betrachtung aus von der Sohnkeſchen Definition der Iſomorphie, nach welcher „zwei Subſtanzen iſomorph ſind, welche im kryſtalliſierten Zuſtande kongruente oder nahezu kongruente Struktur- formen beſitzen“, und bezeichnet die verſchiedenen, chemiſch analog fonftituierten Verbindungen, welche in der Gruppe der Feldſpate, ebenſo wie in der der Augite, auftreten, als ſolche iſomorphe Körper, welche bei analoger chemi— ſcher Konſtitution auch nahezu die gleiche Strukturform, alſo nahezu gleiche kryſtallographiſche Verhältniſſe (aus⸗ genommen nur das gleiche Kryſtallſyſtem) beſitzen. Für *) Zeitſchr. f. Kryſt. 1885, 499. 262 Humboldt. — Juli 1887. Bröggers Anſicht ſpricht namentlich der Umſtand, daß von den eben erwähnten, früher als trimorph bezeichneten Biſtlikaten, wenn fie allein für ſich, nicht miteinander ge- miſcht auftreten, immer nur die eine Modifikation bekannt iſt, was ja bei unzweifelhaft iſodimorphen Gruppen (3. B. in der Kalkſpat⸗ und Aragonitgruppe) im allgemeinen nicht der Fall iſt. Brögger geht in ſeinen Ausführungen in konſequenter Weiſe noch weiter vor: Die Kryſtalle, fo ſagt er, ſind aus phyſiſchen Molekülen aufgebaut, deren beſtimmte Anordnung die äußere Form (Strukturform) bedingt. Jede aus gleich⸗ artigen phyſiſchen Molekülen beſtehende Subſtanz beſitzt, inſoweit die Anordnung der phyſiſchen Moleküle und ihre Zahl innerhalb eines Molekülſyſtems (eines Kryſtallmole⸗ küls) dieſelbe iſt, eine beſtimmte und nur eine Kryſtall⸗ formenreihe; iſt die Anordnung oder die Zahl der phy⸗ ſiſchen Moleküle innerhalb des Kryſtallmoleküls eine andere, ſo treten phyſikaliſche Iſomerien (Metamerie und Poly⸗ merie) auf. Zwei verſchiedene Subſtanzen können unter denſelben Druck- und Temperaturverhältniſſen niemals die⸗ ſelbe äußere Form und dieſelben abſolut übereinſtimmenden Strukturverhältniſſe beſitzen, es ſei denn, daß ſie beide im regulären Syſtem kryſtalliſierten. Wenn nun in einer Verbindung, ſo folgert er, ein Atom durch ein anderes (bei den Augiten alſo Mg durch Ca oder Mn), oder wie bei den Feldſpaten eine Atom⸗ gruppe durch eine andere erſetzt wird, fo treten (ausge⸗ nommen, wie ſchon erwähnt, das veguläre Syſtem) immer Aenderungen in der äußeren Form der Kryſtalle auf, d. h. das neu eintretende Atom (oder die neu eintretende Atom⸗ gruppe) übt eine formändernde, morphotropiſche Wirkung aus. Sind dieſe Aenderungen nur klein, ſo nennt er die Subſtanzen beim Vergleich homöomorph, ſind ſie größer, etwa der Art, daß, wie z. B. bei den Augiten, nur noch in gewiſſen Zonen eine Uebereinſtimmung ſtattfindet, in anderen aber fehlt, jo nennt er fie partiell homöo⸗ morph; find fie endlich derart, daß kein näherer Vergleich zwiſchen den Subſtanzen mehr möglich iſt, fo nennt er ſie allomorph. Zwiſchen Hombomorphie, partieller Homöo⸗ morphie und Allomorphie ſind keine ſcharfen Grenzen, ſondern alle Uebergänge denkbar. Auch iſt die Homöo⸗ morphie, weil immer eine morphotropiſche Aenderung ſtattfindet, nicht notwendig mit der Gleichheit des Kryſtall⸗ ſyſtems („Iſomorphie“ in der beſchränkten Bedeutung des Wortes) verbunden. Die morphotropiſchen Wirkungen, welche in einzelnen Abteilungen der Augitgruppe beobachtet werden können, hat neuerdings G. Flink!) zum Gegenſtand einer ein⸗ gehenden Betrachtung gemacht. Er hat eine größere Reihe von Augitmineralien unterſucht und zwar Diopſid von Nordmarken, ſowie Schefferit und Rhodonit von Langban und Pajsberg. Mit der chemiſchen Prüfung wurden ein⸗ gehende kryſtallographiſche Studien verbunden, um in ähn⸗ licher Weiſe, wie dies früher ſchon Tſchermak ausgeführt hat, die Beziehungen zwiſchen der chemiſchen Zuſammen⸗ ſetzung und den geometriſchen und optiſchen Eigenſchaften *) Studien über ſchwediſche Pyroxenmineralien. Zeitſchr. f. Kryſt. 1886, 449 2c. genauer feſtſtellen zu können. Als Reſultat fand Flink, daß bei den eiſenhaltigen Diopſiden mit Abnahme des Eiſen⸗ gehaltes die langgezogene prismatiſche Form der Grund⸗ geſtalt der Kryſtalle eine gedrungenere wird (d. h. die Nei⸗ gung der Baſis gegen die Vertikalachſe ſich mehr dem rechten Winkel nähert), während der Mangangehalt in dem Schefferit (mit 8,32 % MnO) und Rhodonit (mit 41,88% MnO) die entgegengeſetzte Wirkung hervorbringt. Erreicht der Man⸗ gangehalt eine gewiſſe Größe, welche zwiſchen den im Schefferit und Rhodonit gefundenen Mengen liegen muß, ſo wird die Subſtanz zugleich aſymmetriſch. Ebenſo wird der optiſche Achſenwinkel durch Zunahme des Eiſengehaltes in gleicher Weiſe wie durch den des Mangangehaltes ver⸗ größert. Daß auch in der Gruppe der Hornblenden ähnliche Verhältniſſe obwalten, iſt durch die neueren Arbeiten von R. Scharizer k) und Kloos!) ſehr wahrſcheinlich gemacht. Doch können nur fortgeſetzte Unterſuchungen hier zur klaren Erkenntnis führen. Ueber die Feldſpate, welche nach den Unterſuchungen von G. Tſchermak und Schuſter als eine Hombdomorphe Gruppe im Sinne Bröggers aufgefaßt werden müſſen, hat A. Des Cloizeaux !*), welcher jener Auffaſſung ſich nicht anſchließt, eine Unterſuchung angeſtellt, welche jedoch an der wohlbegründeten Tſchermakſchen Theorie, daß die Kalk⸗ natronfeldſpate eine iſomorphe Reihe bilden, nichts zu ändern vermag. Intereſſant iſt die Angabe Des Cloizeaux', daß der Mikroklin, welchen er im Jahre 1876 als die trikline Modifikation des Kalifeldſpates erkannte, in den Graniten, Pegmatiten und Gneiſen viel weiter verbreitet iſt als der Orthoklas; von 299 geprüften Kalifeldſpaten waren 209 Mikroklin. Darnach möchte die früher von Michel⸗Levy ausgeſprochene Vermutung, daß ein mono⸗ kliner Kalifeldſpat gar nicht exiſtiert, ſondern der als folder angeſprochene, nur ein aus ſubmikroſkopiſchen, fein verzwillingten Lamellen zuſammengeſetzter Mikroklin fet, faft an Wahrſcheinlichkeit gewinnen. Indeſſen hat J. H. Kloos ſchon früher e) fic) gegen eine ſolche Annahme ausge⸗ ſprochen; auch J. Lehmann et) macht geltend, daß an den vulkaniſchen Sanidinen und den auf Kluftflächen der kry⸗ ſtalliniſchen Schiefer aufgewachſenen Adularen niemals eine Mikroklinſtruktur wahrgenommen wird, was doch, wenn auch dieſe Kalifeldſpate ſämtlich Mikroklin wären, recht, auffallend erſcheinen müßte. J. Lehmann hat ferner in ſehr überzeugender Weiſe dargethan, daß der Mikroklin aus dem Orthoklas durch eine molekulare Umlagerung hervorgegangen ſei. Den Anſtoß zu einer ſolchen haben mechaniſche Bewegungen des ganzen Geſteinskörpers, Ausdehnung und Zuſammenziehung des⸗ *) R. Scharizer, Die baſalt. Hornblende von Jan Mayen rc. Neues Jahrb. f. Min. 1884. II. 143. **) Ueber eine manganreiche und zinkhaltige Hornblende, von Frank⸗ lin. N. Jahrb. f. Min. 1886. I. 211. und Jahreshefte d. Ver. f. vaterl. Naturk. in Württ. 1886. ***) Bull. soc. minéralog. de France VI, 89, u. VII, 249. Vergl. auch Zeitſchr. f. Kryſt. 1886, 641, u. 1885, 628. +) Beobachtungen an Orthoklas u. Mikroklin. N. Jahrb. f. Min. 1884. II. 87. 1) Ueber die Mikroklin⸗ und Perthitſtruktur der Kalifeldſpate und deren Abhängigkeit von äußeren, zum Teil mechaniſchen Einflüſſen. Jahres⸗ bericht d. Schleſ. Geſ. f. vaterl. Kultur. 1885. Humboldt. — Juli 1887. ſelben oder einzelner Gemengteile bei Temperaturverande- rungen oder bei der Verfeſtigung und Auskryſtalliſation gegeben. Speciell an den Orthoklaſen des cordierit- und granatführenden Gneiſes von Silberberg bei Bodenmais laſſen ſich nach Lehmann ſehr häufig Uebergänge des Ortho— klaſes in Mikroklin beobachten, und ganz erſichtlich an ſolchen Stellen, wo infolge ungleichen mineraliſchen Be— ſtandes und ungleicher Dichtigkeit Spannungen bei irgend— welchen mechaniſchen Veränderungen im Geſteinskörper entſtehen mußten. Auch die Orthoklaſe, welche ſich durch die ſogenannte Perthit- oder Mikroperthitſtruktur auszeichnen, d. h. dem bloßen Auge oder erſt bei Anwendung des Mikroſkopes Einlagerungen von Albitlamellen zeigen, laſſen häufig die Mikroklinſtruktur erkennen und zwar unter Ver— hältniſſen, welche auch hier für den Mikroklin eine ſekun⸗ däre Bildung beanſpruchen. Lehmann betrachtet daher den Mikroklin als einen Feldſpat, welcher bei ſeiner Entſtehung monoklin kryſtalliſierte, was in der äußeren Form unleug— bar zum Ausdruck gekommen iſt, ſpäter jedoch in ſeiner Maſſe mehr oder minder vollſtändig eine neue Molekular— gruppierung, und zwar die des Mikroklins, unter Ent— ſtehung vielfacher Zwillingslamellen angenommen hat. Eine große Reihe von Arbeiten beſchäftigt ſich mit der kryſtallographiſchen, optiſchen und chemiſchen Unter— ſuchung der verſchiedenartigſten Mineralien. So hat Reth- wiſchk) das Rotgiltigerz monographiſch behandelt. Die älteren Angaben bezüglich des Auftretens der Kryſtall— formen, der regelmäßigen Verwachſungen und der hemi— morphen Ausbildung der Kryſtalle hat er einer eingehenden Kritik unterworfen, und auf die ſchon von G. Roſe erwähnte eigentümliche Winkelähnlichkeit zwiſchen Kalkſpat und Rot⸗ gülden, ſowie auf die merkwürdige Erſcheinung, daß beide Mineralien 49 Formen miteinander gemein haben, auf— merkſam gemacht. Rethwiſch verſucht dieſen Iſogonismus (nicht Iſomorphismus) aus dem analogen chemiſchen Bau der Kryſtallmoleküle zu erklären und vergleicht ihn mit der ähnlichen Erſcheinung, welche bei dem Aragonit und Kaliſalpeter, übrigens auch bei Kalkſpat und Natronſal— peter beobachtet iſt. Es würden alſo nach ſeiner Anſicht in den drei Mineralien Kalkſpat, Natronſalpeter und Rotgülden ſich die Atomgruppen CaC (aus CaCOs), NaN (aus NaN Oz) und Agg(Sb, As) (aus Ags[Sb,As]S3) und ferner O dem 8 entſprechen müſſen. Auf Grund einiger Analyſen gemeſſener Kryſtalle wird dann die morphotropiſche Wirkung beſprochen, welche der Eintritt von Antimon an Stelle des Arſens im Molekül des Rotgülden hervorruft, und gezeigt, daß diejenigen Kryſtalle von Rotgiltigerz, welche bezüglich ihrer Zuſammenſetzung in der Mitte zwiſchen dem Arſenrotgülden (Prouſtit oder lichtes Rotgiltigerz) und dem Antimonrotgülden (Pyrar⸗ gyrit oder dunkles Rotgiltigerz) ſtehen, auch in ihren Winkeldimenſionen und in ihrem ſpecifiſchen Gewicht eine Mittelſtellung zwiſchen den Endgliedern einnehmen. K. Vrba ““) hat eine Monographie des Stephanits (Melanglanz) geliefert, in welcher nach einer kurzen, hiſtori— ſchen Ueberſicht und Bemerkungen über die Aufſtellung der Kryſtalle die bis jetzt beobachteten Formen, 90 an der *) N. Jahrb. f. Min. IV. Beilage⸗Bd. 1886, 31. *) Sitzungsber. d. k. böhm. Geſ. d. Wiſſ. Prag, 1886. 263 Zahl, in einer Tabelle aufgeführt, und der Habitus der Kryſtalle im allgemeinen, die gewöhnlichen Zwillingsgeſetze und die Ausbildung der Kryſtalle von den wichtigſten und insbeſondere den böhmiſchen Fundorten beſprochen werden. Auch der Kalkſpat von Andreasberg hat durch F. Sanjoni*) und G. Thürling !“) eine umfaſſende Be— arbeitung erfahren, ebenſo der Kalkſpat von Arendal, Kongsberg, Utoe und Bamle durch Morton“ “*). Ferner find von H. A. Miers +) kryſtallographiſche Unterſuchungen an den im Britiſh Muſeum aufbewahrten Bournonit⸗ kryſtallen, von Fr. Eichſtädt ++) ſolche über das Kryſtallſyſtem und die kryſtallographiſchen Konſtanten des Gadolinit an einem von Profeſſor Brögger für die Stockholmer Uni— verſität erworbenen reichhaltigen Material von gut meß⸗ baren Gadolinitkryſtallen ausgeführt worden. Dem ſo über— aus thätigen amerikaniſchen Mineralogen E. S. Dana ) verdanken wir eingehende Unterſuchungen über den Co— lumbit, ſowie über die Kryſtalliſation des Goldes und des Kupfers. Die ſchönen Danburitkryſtalle von Scopi in Grauz bündten haben Schuſter §) das Material zu einer ſehr wich— tigen Unterſuchung über die Bauweiſe der Kryſtalle und über die ſogenannten Vieinalflächen gegeben. Unter Vieinalflächen (welchen Namen Websky im Jahre 1862 zuerſt in die Wiſſenſchaft eingeführt hat), verſteht man Flächen, welche in ihrer Lage ſo wenig von den durch einfache Symbole (Parameterverhältniſſe) ausgezeichneten, typiſchen Flächen abweichen, daß ſie nur bei ſehr guter ſpiegelnder Beſchaffenheit einen exakten Nachweis ermög— lichen. Gegenüber den typiſchen Formen ſind die Vieinal— flächen ausgezeichnet durch komplizierte Symbole. Sie ſind aber nicht als eine anomale, ſondern vielmehr als eine ganz geſetzmäßige, in dem Wachstum der Kryſtalle be— gründete Erſcheinung zu betrachten, und zwar als Flächen, welche bei langſamer Kryſtalliſation durch das Beſtreben der Kryſtallmoleküle, gleichzeitig an je zwei benachbarte Hauptflächen ſich anzulegen, alſo gleichſam unter dem gleichzeitigen Einfluß benachbarter Hauptflächen, neben dieſen oder an Stelle dieſer entſtanden ſind, in Zahl und Begrenzung der Symmetrie jeder Fläche, welche ſie be— decken, entſprechend. Man muß die Vieinalflächen dem⸗ gemäß als freie, lediglich durch die Wirkung der Mole— kularkräfte des Kryſtalls, dem ſie angehören, entſtandene Flächen ſehr wohl unterſcheiden von Flächen, welche durch einen fremden Kryſtall oder ſonſt einen feſten Körper in ihrer Lage beeinflußt (influenziert) ſind. Auch C. Hintze, welcher ein neues Vorkommen von Cöleſtin von Lüneburg §8) kryſtallographiſch unterſuchte, hat den Vieinalflächen ſeine Aufmerkſamkeit zugewendet und iſt geneigt, ſie als Wachstumserſcheinungen mit den in gewiſſer Weiſe entgegengeſetzten Auflöſungserſcheinungen, den ſogenannten Aetzflächen, zu vergleichen; eine Anſicht, ) Zeitſchr. f. Kryſt. 1885 (10), 545. ) N. Jahrb. f. Min. Beilage-Bd. IV. 1886, 327. ) Zeitſchr. f. Kryſt. 1886 (11), 319. +) Min. Mag. a. Journ. of the Min. Soc, 1884 (6). 59. +4) Zeitſchr. f. Kryſt. 1887 (12), 523. ++) Zeitſchr. f. Kryſt. 1887 (12), 266, 275 u. 569. §) Tſchermaks min. u. geogr. Mitth. (5) 397 ꝛc. u. (6) 301 2c. 88) Zeitſchr. f. Kryſt. 1886 (11), 220. 264 Humboldt. — Juli 1887. für welche ſehr viele, hier nicht näher zu erörternde Gründe ſprechen. V. Goldſchmidt hat in ſeinem „Index der Kryſtall⸗ formen der Mineralien“, Berlin 1886, die durch die geo⸗ metriſch⸗kryſtallographiſche Unterſuchungen der verſchiedenen Mineralien bis jetzt gefundenen Formen kritiſch betrachtet und den Verſuch gemacht, die für jedes Mineral typiſchen Formen von den vieinalen zu trennen und in Tabellen zuſammenzuſtellen. Der erſte bis jetzt erſchienene Band des Index behandelt in alphabetiſcher Reihenfolge die Mine⸗ ralien von Abichit bis Euxenit. Gleichzeitig will derſelbe Autor die typiſchen Formen der wichtigſten Mineralien durch Abbildungen in ſogenannten Projektionen zur An⸗ ſchauung bringen und hat auch bereits mit der Heraus⸗ gabe von „kryſtallographiſchen Projektionsbildern“ *) be⸗ gonnen; ſie ſind die graphiſchen Darſtellungen der Ta⸗ bellen ſeines Index. An den in den letzten Jahren mehrfach behandelten Zeolithen der Desmingruppe ſtellte L. Langemann**) optiſche Unterſuchungen an. Er fand, daß die Kryſtalle von Desmin, Phillipſit und Harmotom den Anforderungen des monoklinen Syſtems, in welches ſie ſeither allgemein ge⸗ wieſen wurden, nicht ſtreng genügen, ſondern, wie ſie ſich jetzt darbieten, namentlich in optiſchem Sinne, triklin ſind. Ihre Annäherung an das monokline Syſtem iſt aber eine ſo große, daß es noch fraglich bleibt, ob die Kryſtalle ur⸗ ſprünglich nicht doch eine monokline Gleichgewichtslage ihrer Moleküle beſaßen und erſt nachträglich durch ſekun⸗ däre Einflüſſe ihren jetzigen Zuſtand erhalten haben. Zu den gleichen Anſichten bezüglich des Phillipſites war auch C. Stadtländer *) in ſeinen Unterſuchungen der am Stempel bei Marburg vorkommenden Mineralien (Anal⸗ cim, Natrolith und Phillipſit) gelangt. F. Rinne f) und W. Ramſay ++) haben die Milarit⸗ kryſtalle geometriſch und optiſch unterſucht und gefunden, daß dieſelben urſprünglich wohl dem hexagonalen Syſtem angehörten, ſpäter aber durch ſekundäre Umſtände, und zwar durch einen Druck der Oberflächenteile auf das Kry⸗ ſtallinnere eine weniger ſymmetriſche Beſchaffenheit ange⸗ nommen hätten, welche die Kryſtalle ins rhombiſche oder ſtreng genommen ins trikline Syſtem verweiſe. Die Mi⸗ laritkryſtalle erhalten, wie Ramſay nachgewieſen hat, beim Erhitzen einen vollſtändig hexagonalen Charakter, werden aber beim Abkühlen wieder anomal dadurch, daß ſich die Kryſtalle nicht der Symmetrie der hexagonalen Kryſtalle entſprechend, ſondern ungleichmäßig zuſammenziehen, wo⸗ durch neue Spannungserſcheinungen entſtehen. Die chemiſche Zuſammenſetzung des überaus ſeltenen, in früheren Zeiten nur einmal in wenigen kleinen Kry⸗ ſtallen zu Ehrenfriedersdorf im ſächſiſchen Erzgebirge auf⸗ gefundenen Herderits iſt nunmehr, nachdem dasſelbe Mineral 1884 zu Stoneham in Oxford County, Maine, in größerer Menge entdeckt worden iſt, durch mehrfache Analyſen feſtgeſtellt; auch die Identität des Ehrenfrieders⸗ dorfer und der amerikaniſchen Kryſtalle iſt durch Des Cloi⸗ ) 19 Tafeln. Berlin, Julius Springer. 1887. ) N. Jahrb. für Min. 1886. II. 83. ) Ebenda 1885. II. 97. +) Ebenda 1885. II. 1. +t) Zeitſchr. f. Kryſt. 1887 (12), 521. zeaux, Damour und Winkler?) ſowohl optiſch und geo⸗ metriſch als chemiſch nachgewieſen worden. Der Herderit, deſſen Kryſtalle, wie ſchon früher bekannt war, dem rhom⸗ biſchen Syſtem angehören, tritt immer nur in waſſerhellen Kryſtallen auf, hat Apatithärte und das ſpeeifiſche Ge⸗ wicht 3. Seine Zuſammenſetzung iſt nach den ziemlich übereinſtimmenden Analyſen von Mackintoſh, Winkler, Genth und Penfield **) CaBeFIPO, + CaBe(OH)PO, und iſt demnach chemiſch dem Wagnerit, Triplit und Tri⸗ ploidit ſehr nahe verwandt. Von dem Descloizit, dieſem aus der Grube Venus bei Ajuadita in der argentiniſchen Republik zuerſt be⸗ kannt gewordenen Bleizinkvanadat, in welchem Websky im Jahre 1884 das neue Element Idunium entdeckte, ſind aus New Mexiko von der Grube Sierra Grande, Lake Valley, Donna Anna County, ſehr ſchöne, bis 6 mm große Kryſtalle bekannt geworden. An dieſen gelang es G. vom Rath durch Meſſungen und A. Des Cloizeaux ***) durch optiſche Unterſuchung das ſeither noch nicht ſicher⸗ geſtellte Kryſtallſyſtem als das rhombiſche zu beſtimmen. Die Zuſammenſetzung der neuen Kryſtalle beſtimmte F. A. Genth zu PRC HO) V, As, P)O4-+ (Zn, Mn, Cu, Fe) HO) (V, As, P)Og. Das von Websky in dem argentiniſchen Vorkommen entdeckte Element Idunium iſt in dem Mineral von New Mexiko nicht vorhanden. Außer dem Descloizit erwähnen F. A. Genth und G. vom Rath e) von dem gleichen Fundort in New Mexiko noch Vanadinit und Jodſilber, ſowie ein neues, mit dem Namen Endlichit belegtes Bleiarſeniovanadat. Dasſelbe kryſtalliſiert in orangeroten, hexagonalen Prismen, iſt dem Vanadinit im Ausſehen ſehr ähnlich, ſteht aber nach der chemiſchen, von Genth durchgeführten Unterſuchung in ſeiner Zuſammenſetzung zwiſchen dem Mimeteſit und dem Vana⸗ dinit. Die Zuſammenſetzung ergab ſich nämlich als Pb5CI(As0403 + PbsC1(V 0,4)3. Von den zahlreichen, in den letzten Jahren neu ent⸗ deckten Mineralien verdient namentlich ein aus Kali⸗ fornien bekannt gewordenes Kalkborat, der Colemanit, wegen der Schönheit ſeiner Kryſtalle beſonderer Erwähnung. Die dem Datolith oft zum Verwechſeln ähnlichen, prachtvollen Kryſtalle haben eine große Zahl von Forſchern zu ihrer genaueren Unterſuchung angeregt; von J. T. Evans, von C. Bodewig und G. vom Rath, von Arzruni, von A. W. Jackſon und Th. Hiortdahl z) liegen mehr oder weniger umfangreiche Arbeiten über dieſes Mineral vor. Es findet ſich in dem regenloſen Death Valley im Often von Kali⸗ fornien, auch im Calico-Diſtrikt, San Bernardino County, in einer Salzablagerung mit Borax, Ulexit, Thenardit und Trona, beſonders häufig in derben, ſchwerſpatähnlichen Maſſen. Die Kryſtalle fino 1—2 em groß, waſſerhell und durchſichtig, haben einen ſtarken, diamantartigen Glas⸗ glanz, nahezu Apatithärte und das ſpeeifiſche Gewicht 2,4. *) Zeitſchr. f. Kryſt. 1886 (11), 191 u. 1887 (12), 204. **) Americ. Journ. of Se. Aug, 1886, 107. Vergl. auch Zeitſchr. f. Kryſt. 1887 (12), 499. ) Ebenda 1887, 178. +) Ebenda 1885 (10), 462. +4) Ebenda 1886 (11), 308, u. 1887 (12), 495. Humboldt. — Juli 1887. Ihre Form verweift fie in das monofline Syſtem; von dem ſo ähnlichen Datolith unterſcheiden ſie ſich am beſten durch die ſehr vollkommene Spaltbarkeit nach dem Klino— pinakoid. Die Zuſamenſetzung des Minerals tft Cag B60 11.5 H20. Ein anderes neues Mineral aus Kalifornien wurde dem Staatsmineralogen Kaliforniens, Herrn H. G. Hanks, zu Ehren, Hankſit genannt. Es iſt nach den Unterſuchungen von E. S. Dana und S. L. Penfield*) ein Natrium- ſulfatokarbonat von der Formel 4NaoSQy.Na,CO3, und kryſtalliſiert in ſehr ſchönen, großen Kryſtallen des hexa— gonalen Syſtems. Wie in Kalifornien und in New Mexiko, ſo fördert die eingehende bergmänniſche und geologiſche Durchfor— ſchung auch in Colorado neue Mineralien zu Tage und entdeckt neue Fundorte von ſeltenen, ſeither nur an we— nigen anderen Orten beobachteten Mineralien. So wurden auf der Sut Mine in der Nähe von Silverton, San Juan County, zwei neue Mineralien auf— gefunden, von welchen das eine, Zunyit benannt, in glasglänzenden, oft waſſerhellen Tetraedern von 3-5 mm Kantenlänge, in dem anderen, dem Entdecker Franklin Guiterman zu Ehren mit dem Namen Guitermanit belegt, eingewachſen auftritt. Der Zunyit beſitzt nach den Unterſuchungen von W. F. Hillebrand “**) Quarzhärte, das ſpecifiſche Gewicht 2,9 und hat die Zuſammenſetzung 9R20.8 Al 20g. 68109, wo R= H, K, Na, Li und ein Teil des 0 durch Fle und Cle vertreten iſt. Der Guitermanit, welcher nur in derben, bläulich-grauen und ſchwach metalliſch glänzenden Maſſen beobachtet wurde, hat das ſpecifiſche Gewicht 5,9, Kalk— ſpathärte und nahezu die Zuſammenſetzung 10PbS. 38283. Ferner hat ſich in den Hohlräumen eines Wugitande- fits, welcher in den Konglomeratſchichten der Green und Table Mountains, Jefferſon Co., Kolorado, in Form von Geröllen vorkommt, ein neues Mineral auf Chalcedon auf— gewachſen vorgefunden. Der von Whitman Croß und L. G. Eakins ***) näher unterſuchte und Ptilolith ge- nannte Körper bildet feine Büſchel und flaumige Maſſen loſe aneinander gereihter, kurzer, haarförmiger Nadeln. Seine Zuſammenſetzung ijt RO. Al 20g. 10 8102.5 H a0, wo R = Ca, Ky und Nag ift. Aber auch die durch das Vorkommen vieler feltener Verbindungen fo berühmte ffandinavijde Halbinſel und Grönland beherbergen noch manche ungehobene Schätze, und ſelbſt in dem ſo genau durchforſchten Steinſalzlager zu Staßfurt und in dem deutſchen Erzgebirge wird von Zeit zu Zeit noch einmal ein neues Mineral angetroffen, freilich meiſt nur in untergeordneten, wenig anſehnlichen Maſſen. So wurde im September 1885 in der altberühmten Grube Himmelsfürſt zu St. Michaelis bei Freiberg, 460 m unter Tag, auf der Kreuzungsſtelle zweier Erzgänge ein Silbererz entdeckt, welches ſich bei näherer Unterſuchung als neu erwies und ein ganz beſonderes Intereſſe noch dadurch in Anſpruch nimmt, daß es ein neues Element, ) Ebenda, 1886 (11), 308. ) Bulletin of the U. St. Geolog. Survey. Waſhington 1885. Nr. 20, 100, u. Zeitſchr. f. Kryſt. 1886 (11), 288. ***) Americ. Journ. of Sc. Aug. 1886, 117. Humboldt 1887. 265 welches von Winkler mit dem Namen Germanium*) be- legt wurde, enthält. Das Erz, deſſen Zuſammenſetzung S3Ag28.GeS2 iſt, beſitzt metalliſchen Glanz, eine ſtahlgraue, etwas ins Rötliche oder Violett ſich neigende Farbe, hat eine zwiſchen Gips und Steinſalz liegende Härte und das ſpecifiſche Gewicht 6,1. Es kommt in derben Maſſen von dichtem, bisweilen flachmuſcheligem Bruch, und in kleinen, meiſt unter 1mm langen, prismatiſch ausgebildeten Kry— ſtällchen des monoklinen Kryſtallſyſtems vor. Außer den einfachen Kryſtallen beobachtete A. Weisbach **), welchem wir die kryſtallographiſche Unterſuchung des von ihm Ar— gyrodit benannten Minerals verdanken, auch noch Zwil— linge und Drillinge. Das vor drei Jahren zu Staßfurt entdeckte Mineral Pinnoit, von der Zuſammenſetzung UgB20 4.3 H20, hat ſich nun auch in zwar kleinen, aber wohl ausgebildeten Kryſtallen gefunden. Dieſelben ſind von O. Lüdecke! “*) bearbeitet worden. Sie gehören dem tetragonalen Syſtem an und zeigen die Flächen in der für die pyramidale Hemiedrie bezeichnenden Ausbildung. Von Nordmarken in Wermland ſind durch die Unter— ſuchungen von A. Sjögren, Hj. Sjögren, L. J. Igelſtröm und Joh. Lorenzen ) aus einem Gang in der Eiſenerz— lagerſtätte einige waſſerhaltige Manganarſeniate bekannt geworden, welche ſich offenbar durch Einwirkung von Arſen— ſäure, die aus dem auf dieſen Gängen vorkommenden, primär gebildeten, aber leicht zerſetzbaren Berzeliit hervor— gegangen iſt, auf das Manganoxydul des Manganoſits und Pyrochroits der Gänge als ſekundäre Mineralien gebildet haben. Die in Säuren leicht löslichen Mineralien haben die Namen Allaktit, Hämatolith (Diadelphit), Synadelphit und Hämafibrit erhalten. Der Allaktit iſt hyazinthrot und olivengrün gefärbt, durchſichtig, glasglänzend, ſteht bezüglich ſeiner Härte zwi— ſchen Apatit und Flußſpat, hat das ſpecifiſche Gewicht 3,8, kryſtalliſiert im monoklinen Kryſtallſyſtem und iſt in ſeiner Form dem Vivianit und Pharmakolith ähnlich. Seine Zu— ſammenſetzung entſpricht der Formel MngO(AsO) 2. AMnOaH2. Der Hämatolith Igelſtr. (Aimatolith oder Dia— delphit Sjögr.) kryſtalliſiert heragonal-rhomboedrijd. Seine Farbe iſt braunrot, die Härte 3,5, das ſpeeifiſche Ge— wicht 3,35. Seine Zuſammenſetzung iſt (Al, Fe, Mn),0¢(AsO)9.8MnH 09. Der Synadelphit ijt braunſchwarz, undurchſichtig, hat, wie der Allaktit die Härte 4,5, das ſpeeifiſche Ge— wicht 3,5 und kryſtalliſiert monoklin, in Formen, welche dem Lazulith und Lirokonit ähnlich ſind; ſeine Zuſammen— ſetzung iſt (Al, Fe, Mn)20¢.(AsO)9.5MnH 202. Der Hämafibrit oder Aimafibrit kryſtalliſiert rhombiſch und zwar in dem Skorodit ſehr ähnlichen Formen. Gewöhnlich erſcheint er aber in derben, braunroten Aggre— gaten von Kalkſpathärte und dem ſpecifiſchen Gewicht 3,6. Seine Zuſammenſetzung entſpricht der Formel: Mn30¢(AsO)9.3Mn0.5H 0. ) Vergl. auch Humboldt, 1887, Januarheft, S. 14. ) N. Jahrb. f. Min. 1886. II. 87. ) Zeitſchr. f. Naturw. Halle. LVIII. 645. +) Zeitſchr. f. Kryſt. (10), 505. 34 266 Humboldt. — Juli 1887. Ein anderes Mineral von Nordmarken, durch Igel⸗ ſtröm aufgefunden und Manganoftibtit*) genannt, ſteht ſeiner Zuſammenſetzung nach noch nicht ganz feſt; jedenfalls iſt es, ebenſo wie der Hamatoftibtit**) ein neues aus der Eiſengrube Sjögrufvan, Kirchſpiel Grythyttan, Bezirk Derebro, durch Igelſtröm bekannt gewordenes Mineral, ein Manganoxydulantimoniat. Dagegen ſind die von dem letzt⸗ erwähnten Fundort durch denſelben Forſcher beſchriebenen Mineralien, Xanthoarfenit***) und Polyarſenit i), ſowie der von A. Sjögren zu Pajsberg aufgefundene Sar⸗ kinit ) wiederum waſſerhaltige Manganarſeniate; aber in kryſtallographiſcher und optiſcher Hinſicht ſind ſie noch nicht hinreichend bekannt. Unter den Mineralien der Pegmatitgänge von Moß, öſtlich von Chriſtianiafjord, welche von Brögger ausführlich bearbeitet werden, befinden ſich ebenfalls einige neue, ſo der in ſeiner chemiſchen Zuſammenſetzung dem Samarsckit, in kryſtallographiſcher Beziehung dem Columbit und Euxenit nahe ſtehende Annerödit eri) und der von Blomſtrand analyſierte und benannte Bröggerit h), ein von dem eigent⸗ lichen Uranpecherz (Uranin) durch ſeinen Thorgehalt unter⸗ ſchiedenes reguläres Uranpecherz, von der Zuſammenſetzung IV VI IV VI 6 UR (OU) + Us OgU)a, wo R weſentlich Thorium, daneben Blei, Cer und Yttrium⸗ metalle bedeutet. Von neuen Vorkommniſſen ſchon bekannter Mineralien ſind ſehr bemerkenswert die ſchönen Kryſtalle, welche ſeit einigen Jahren unter der Fundortsbezeichnung Pikes Peak, Colorado, in den Handel kommen. Früher erregten beſonders die prachtvollen Mikrokline von jenem Fundort die Auf⸗ merkſamkeit der Mineralogen, ſpäter lernte man noch Fluß⸗ ſpat, Columbit, Arfvedſonit, Aſtrophyllit, Zirkon und einige andere Mineralien von dort kennen; in neuerer Zeit iſt durch Wh. Croß und Hillebrand §§), welche jene Gegend näher unterſuchten, auch noch Topas, Phenakit, Kryolith, Thomſenolith und Pachnolith aus der weiteren Umgebung von Pikes Peak beſchrieben worden. Die Phenakitkryſtalle von dort haben vor kurzem A. Des⸗ cloizeaux §ö§) und S. L. Penfield ) zum Gegenſtand einer eingehenden kryſtallographiſchen Unterſuchung gemacht. Die Kryſtallfundſtätten, welche gegenwärtig die größte Anzahl der unter der Fundortsbezeichnung Pikes Peak gehenden Mineralien liefern, liegen nach W. B. Smith ), welcher ausführlicher über dieſelben berichtet, ungefähr 20 Meilen nördlich von dieſem Berge. Ein ſehr merkwürdiges Vorkommen von Topas hat der um die Mineralogie Colorados ſo hochverdiente Whit⸗ ) Ebenda, 1887 (12), 650. **) Ebenda, 1887 (12), 650. ***) Ebenda, 1885 (10), 518 u. 519. +) Ebenda, 1887 (12), 515 u. 659. +t) Ebenda, 1887 (12), 514. ttt) Ebenda, 1885 (10), 494. §) Ebenda, 1885 (10), 497. §§) Ebenda, 1885 (10), 303. §§§) Bull. de la soc. fr. de minérale, 1886, 5. *}) Americ. Journ. of Sc. Februar 1887, 130. “+) Americ. Journ. of Sc. Februar 1887, 130. man Crof*) vor einiger Zeit aufgefunden und näher beſchrieben. Am Chalk Mountain und ebenſo bei Nathrop in Colorado finden ſich nämlich Topaskryſtalle in den Höhlungen eines jungen Eruptivgeſteins, eines Rhyoliths (oder Nevadits), neben Quarz und Sanidin. Trotzdem dieſes Vorkommen von den bisher bekannten gänzlich ab⸗ weicht, ſind die Kryſtalle dem Topas aus dem Granit in Geſtalt und Winkeldimenſionen vollkommen gleich. Auch in Utah, 40 Meilen nördlich vom Sevier Lake, ſind in einem ganz ähnlichen Geſtein vollkommen farbloſe Topaskryſtalle, 3—10 mm lang, neuerdings aufgefunden und von A. N. Alling **) in New Haven beſchrieben worden. Aus den öſterreichiſchen Tauern iſt ein ſehr intereſſantes Mineralvorkommen jüngſt von R. Köchlin in den Annalen des K. K. naturhiſtoriſchen Hofmuſeums in Wien ) er⸗ wähnt worden, nämlich ein Vorkommen von Euklas von der Gamsgrube gegenüber dem Großglockner und vom Möllthal, Kärnten⸗Tiroler Grenzkamm, Graden. Ebenſo wie bei dem im Jahre 1881 von Becke beſchriebenen erſten Funde von Euklas in den Alpen, für welchen zwar mit großer Wahrſcheinlichkeit, aber doch nicht mit voller Sicher⸗ heit Rauris als Urſprungsort angegeben werden konnte, findet ſich an beiden jetzt bekannt gewordenen Fundorten der Euklas auf Spalten im Glimmerſchiefer auf Periklin aufgewachſen, neben Ankerit, Quarz und Helminth. Die Kryſtalle ſind vollkommen waſſerklar und an den Enden recht flächenreich; der größte iſt über 1 em lang. Sehr zierlich ſind die von Tſchermakef) beſtimmten kleinen Zinnoberkryſtalle aus der 1879 entdeckten Zinnoberlagerſtätte in der Nähe von Nikitowka im Gou⸗ vernement Ekaterinoslaw, Südrußland, wo der Zinnober, zum Teil mit Bleiglanz innig verbunden, einen der Kohlen⸗ formation angehörigen Quarzſandſtein durchdringt. Die Kryſtällchen ſind ringsum ausgebildet, haben eine durch⸗ ſchnittliche Größe von 24 mm und zeigen vorherrſchend nur das primäre Rhomboeder. Sie ſind ſämtlich deut⸗ liche Durchwachſungszwillinge nach dem Geſetze „Zwillings⸗ ebene die Baſis“. Platten ſenkrecht zur Hauptachſe laſſen im Polariſationsinſtrument gewöhnlich die Airyſchen Spiralen erkennen, ein Beweis, daß in den Zwillingen häufig ein rechtsdrehender Kryſtall mit einem linksdrehenden ver⸗ wachſen iſt. In Hindoſtan hat man nicht weit von Bellary, der Hauptſtadt von Madras, den Diamant auf ſeiner urſprüng⸗ lichen Lagerſtätte f), nämlich in einem epidotführenden granitiſchen Geſtein (Pegmatit) eingewachſen angetroffen. Dasſelbe bildet Gänge oder Ausſcheidungen im Gneis. Der Diamant wird begleitet von weißem und blauem Korund und erſcheint in deutlichen, aber nicht ſo ſchön wie am Kap ausgebildeten Kryſtallen. Eine regelrechte Gewinnung der Edelſteine findet nicht ſtatt, nur aus den während der Regenzeit von dem verwitterten Geſtein abgeſchwemmten lockeren Maſſen werden von den Eingebornen die Diamanten ausgeſucht. ) Ebenda, Juni 1886, 132. **) Ebenda, Februar 1887, 146. %) Wien 1886, 237. +) Tſchermaks mineralog. u. petrogr. Mitth. VII. 1886, 361. +4) Zeitſchr. f. Kryſt. 1886, 189. Humboldt. — Juli 1887. 267 Ethnographie. Don Dr. W. Kobelt in Schwanheim a. M. Sapouge über die Gleichheit der Menſchenraſſen. fapouge über die Urſache der Bevölkerungsabnahme in Frankreich. Raſſenunterſchied in Perigord und den Landes. Ethnographie von Apulien. Paſcha über die Ufa. paulitſchke über die Somal. Die Batefe. Hleinafiatifche Nomadenſtämme. Die Buſchmänner. Die Schlagintweitſche Schädelſammlung. Emin ten Hates Bericht über Surinam. Die Puris, Gegen die Lehre von der Gleichheit aller Menſchen— raſſen ſprach ſich Lapouge in einem bei der Eröffnung des Cours libre d' Anthropologie an der Univerſität Montpellier gehaltenen Vortrage auf das entſchiedenſte aus. Er findet dieſe Lehre vollkommen unvereinbar mit den Theorien der Entwickelung und Vererbung. Weder find die einzelnen Stämme gleich beanlagt, noch die Familien, noch in dieſen die einzelnen Individuen, und wie für dieſe, ſo iſt auch für die verſchiedenen Raſſen eine gleichmäßige Entwickelung auch unter ſonſt ganz gleichen Bedingungen eine Unmöglichkeit. Die Entwickelung der Völker hängt auch durchaus nicht allein von dem Durchſchnittszuſtande der Maſſen ab; in jedem Volk finden ſich eine Anzahl von Familien, welche den Hauptteil der hervorragenden Männer liefern; der Fortſchritt des Volkes hängt von der Zahl dieſer Familien, welche Lapouge mit Galton „familles eugèniques“ nennt, und ihrem Einfluß ab. Nach den von Lapouge angeſtellten Berechnungen entfallen in Frankreich, wo dem Talent verhältnißmäßig gleiche freie Bahn geboten iſt, von 100 hervorragenden Männern auf die kleine Klaſſe der Ariſtokratie 35, auf den fo zahl⸗ reichen wohlhabenden Bürgerſtand 42, auf die große Maſſe nur 23, Unterſchiede, die ſich nicht allein durch die Ver⸗ ſchiedenheit der Lebensverhältniſſe erklären laſſen. Haiti, Liberia, die neueſten Erfahrungen in Nordamerika ſind überzeugende Beweiſe dafür, daß ſchon der Neger im großen und ganzen unfähig iſt, unſere Civiliſation ſich anzueignen: die tiefer ſtehenden Raſſen können ſie noch viel weniger begreifen. Zum höchſten Grade der Civiliſation und damit zur Herrſchaft auf der Erde erſcheinen dem Autor nur die blonden Dolichocephalen berufen; von dem Prozent- ſatz derſelben hängt die Entwickelung der Völker ab, und mit ihrem Untergang (vgl. unten) beginnt für Frankreich der hoffnungsloſe Niedergang. Den letzteren Gedanken führt Lapouge weiter aus in einem größeren Aufſatz in der Revue d' Anthropologie (1887 S. 69), in welchem er die geringe Bevölkerungs⸗ zunahme Frankreichs und die Abnahme in 41 Departements auf ethnographiſche Grundlagen zurückzuführen ſucht. Frank⸗ reich wird von zwei Hauptraſſen bewohnt, Dolichocephalen und Brachycephalen. Wo dieſelben geſchloſſen und verhalt- nismäßig rein beiſammen wohnen, wie die Brachycephalen in der Bretagne und der Auvergne, die Dolichocephalen im Norden und Oſten, zeigt ſich ein erheblicher Ueberſchuß der Geburten, in den Ebenen und offenen Flußthälern, die von Miſchlingen bewohnt werden, überwiegen die Todes— fälle. Lapouge ſucht den Grund dieſer auffallenden Gr- ſcheinung, deren Exiſtenz keinem Zweifel unterliegt, nicht in der abnehmenden Fruchtbarkeit der Miſchlinge, ſondern in deren egoiſtiſchem Charakter, der fie zum „selt-restraint“ treibt. Die Größe Frankreichs hat ſtets auf dem dolicho⸗ cephalen Elemente beruht; als der blonde galliſche Kriegs— adel durch Cäſar vernichtet war, blieb Gallien jahrhunderte— lang die unterwürfigſte der römiſchen Provinzen; die Frankeneinwanderung führte ihm einen neuen dolicho— cephalen blonden Adel zu, und der mächtige Aufſchwung dauerte, bis die Kreuzzüge und dann wieder die Hugenotten— kriege und ſchließlich die Revolution, der Vernichtungs— kampf der unterdrückten Brachycephalen gegen ihre dolicho— cephalen Bedrücker“), das blonde Element faſt ganz aus- rotteten. Frankreich hat damit die Mehrzahl ſeiner „familles eugèniques“ verloren, die braunen Brachycephalen ſind Alleinherrſcher geworden, ſie ſind in dem jetzt entbrennenden ökonomiſchen Kampfe ihren Gegnern nicht gewachſen, und damit iſt das Schickſal Frankreichs unwiderruflich beſiegelt, es wird die Beute der angrenzenden dolichocephalen Raſſen werden. Schon allein der „horror vacui“ treibt dieſe nach Frankreich hinein; Lapouge weiſt ziffermäßig nach, daß trotz allem patriotiſchen Geſchrei die germaniſchen und vlämiſchen Grenznachbarn unmerklich, aber unaufhaltſam nach Frankreich hineindringen und daß dieſe Einwanderung ſich heute ſchon bis in die nächſte Umgebung von Paris empfindlich bemerkbar macht. Auf die Raſſenverſchiedenheiten der verſchiedenen Stämme, namentlich in Südfrankreich, machen auch andere Forſcher aufmerkſam. Lafite unterſcheidet in Perigord außer den Basken noch zwei verſchiedene Raſſen, eine ſchlankere, hochgewachſene mit dunkelbrauner Haut, glänzend ſchwarzem Haar und Bart und roten Wangen, welche mehr den nördlichen Teil bewohnt, und eine kurze, ge- drungene mit hellerer, aber dickerer Haut und weniger glänzender, aber ſchwarzer und auffallend ſtarker Behaarung; die letztere möchte er für Nachkommen der Ligurer halten. Sehr zu beachten ſind ſeine Hinweiſe auf die ethnographiſche Wichtigkeit der Haustierraſſen, zu deren Verwertung es jetzt die allerhöchſte Zeit ſein dürfte. In den Landes glaubt Lapeyrère ebenfalls zwei in ähnlicher Weiſe verſchiedene Raſſen nachweiſen zu können; die auch geographiſch geſchieden ſind; er hält die ſchlanken für Nachkommen eingedrungener Sarazenen. Auch die Abkömmlinge der eingedrungenen engliſchen Familien ſind noch vorhanden und ganz beſtimmt erkennbar. R. Zampa (“Vergleichende anthropologiſche Ethno— graphie von Apulien, in Zeitſchr. f. Ethnogr. 1886 S. 167) kommt, auf Grund genauer Meſſungen, zu dem Schluß, daß die Bevölkerung der drei apuliſchen Provinzen Foggia, Bari und Lecce heute noch ebenſogut ethnographiſch ge— ) Den ethnographiſchen Hintergrund der großen Revolution hebt auch der bekannte Geſchichtsſchreiber Taine hervor. Daß er auch den Männern der Revolution zum Bewußtſein gekommen, beweiſen die Pamphlete von Champfort, in denen er die Vernichtung des „fränkiſchen“ Adels forderte. 268 ſchieden tft, wie im Alterthum, die der Provinzen Japygien, Peucetien und Daunien. In Lecce wohnen ziemlich rein erhaltene Nachkommen der epirotiſchen Pelasger; die Be⸗ wohner der beiden anderen Provinzen find aus dem ſüd⸗ lichen Illyrien gekommen, das ſchon damals von einer Miſchbevölkerung beſetzt war; ihre Verſchiedenheit beruht auf der ſtärkeren oder ſchwächeren Beimengung oskiſcher Grundbevölkerung. Hirſch (Zeitſchrift für Ethnogr. 1886 S. 168) hält die nomadiſierenden Jürüken Kleinaſiens für das Stamm⸗ volk der Zigeuner, das durch mongoloide Beimiſchung etwas von ſeiner extremen Dolichocephalie verloren habe und durch den Koran auf einer höheren ethiſchen Stufe gehalten worden ſei. In den Tachtadſchys oder Holz⸗ arbeitern, die ebenfalls unter Zelten in den Bergen leben und ſich ſtreng abgeſondert halten, ſieht er dagegen die Reſte der ultrabrachyeephalen Urbevölkerung Kleinaſiens, einer Raſſe, die ſich übrigens auch in den Armeniern ziemlich rein erhalten hat. Der Reſt des Schlagintweitſchen Schädelſamm⸗ lung, 43 meiſt oſtindiſche Schädel ſicherer Provenienz, iſt von der Geſellſchaft für Ethnographie in Berlin er⸗ worben worden. Aus. der Feder Emin Paſchas bringt die Zeitſchrift für Ethnographie (1886 S. 145) einen intereſſanten, mit zahlreichen Meſſungen belegten Bericht über die Zwergraſſe der Akkas, der im weſentlichen die Angaben Schwein⸗ furths beſtätigt. Sie ſind ein Jägervolk, das kein ge⸗ ſchloſſenes Land beſitzt, ſondern ſich in einzelnen Trupps unter den Momu und Mombuttu anſiedelt, aber trotz ſeiner kleinen Statur — die Mittelgröße beträgt 1,36 m und reine Akkas über 1,5 m kommen ſchwerlich vor — weder körperlich noch geiſtig Spuren von Degeneration zeigt. Als Hauptkennzeichen hebt er die rötliche Hautfarbe — beſonders im Gegenſatz zu den Mombuttu, deren gelber Farbenton an die Abeſſynier erinnert —, die dichte Be⸗ haarung, die auffallende Beweglichkeit der Stirnhaut und die ſeltſame, an die Affen erinnernde Mundbildung hervor. Daß ſie Anthropophagen, kann keinem Zweifel unterliegen. Paulitſchke (Beiträge zur Ethnographie und Anthro⸗ pologte der Somal, Galla und Harari, Leipzig 1886) hält die Galla für reine Hamiten, die Somal wie die Danakil für Miſchlinge von Galla und Arabern, die Pariaſtämme unter den Somäl für reingebliebene unterjochte Galla⸗ ſtämme; die Harari dagegen find Abeſſynier mit Arabern gemiſcht, alſo veine Semiten unter Hamiten, Nachkommen einer uralten äthiopiſchen Gründung zu Handelszwecken reichte ihren Höhepunkt im zwölften. Humboldt. — Juli 1887. am Eingang ins Thal des Erer. Die Entſtehung der Miſchſtämme iſt ziemlich neu, denn die Einwanderung aus Hedſchas begannen erſt im ſechſten Jahrhundert und er⸗ Die Somal wie die Danakil ſind in ſtetem Vordringen gegen die Galla begriffen; die heutige Grenze läuft von Tadſchura nach dem Garaßledſch, dann dieſem, dem Erer und dem Webi entlang bis zu 4° n. Br., biegt dann weſtlich zum Dſchub um und folgt dieſem bis nach Berdera, um von da zur Tanamündung zu laufen. Die Galla reichen weſtlich bis zum Weißen Nil, nördlich bis Fazogl. Ueber die Bateke im weſtafrikaniſchen franzöſiſchen Gebiet zwiſchen den Nebenflüſſen des Alima berichtet Gui ral (Revue d' Ethnographie 1886. Bd. V. S. 134). Es iſt ein Bantuſtamm, der ſich in Sprache und Sitte wenig von den Stämmen am oberen Ogove unterſcheidet. Sklavenhandel iſt die Hauptbeſchäftigung. : Die Anweſenheit einer kleinen Truppe echter Buſch⸗ männer in Berlin hat Virchow Gelegenheit zu einer gründlichen Unterſuchung gegeben, deren Reſultat er in der Zeitſchrift für Ethnographie 1886 veröffentlicht. Es waren drei erwachſene Männer, ein jüngerer Burſche, ein Knabe und ein Mädchen. Wegen der Einzelheiten verweiſen wir auf den Bericht ſelbſt und bemerken nur, daß anthropoide Charaktere nicht konſtatiert wurden. — Auch Topinard, der dieſelbe Truppe in Paris unterſuchte, kommt zu dieſem Reſultate; er hält die Buſchmänner für ein Zwiſchen⸗ glied zwiſchen der gelben und der ſchwarzen Raſſe (Revue d' Anthropologie 1887 S. 121). H. ten Kate gibt in der Revue d' Anthropologie 1887 Nr. 1 ein Reſumé ſeiner in Guyana vorgenommenen anthropologiſchen Meſſungen an 106 Individuen; dieſelben gehören teils zu den relativ reinblütigen eingebornen Stämmen, den Arowaken, Kariben, Makuſi, Warrau und Aguaſſai, teils zu den Buſchnegern und deren Miſchlingen; aber es wurden auch eine Anzahl indiſcher Kulis und aus Cayenne flüchtiger Annamiten gemeſſen. Ehrenxveich beſchäftigt ſich (Zeitſchr f. Ethnogr. 1886 S. 184) mit den Reſten des einſt ſo mächtigen Stammes der Pu ris, der jetzt auf einige hundert Seelen zuſammenge⸗ ſchwunden iſt; er findet in den Coroados, den Erbfeinden des Stammes, ſeine nächſten Verwandten. Zu beachten iſt eine Warnung des Verfaſſers vor Schlüſſen, die auf nur in einem Dorfe vorgenommene Meſſungen begründet ſind, da die einzelnen Dörfer ſich ſtreng voneinander ab⸗ ſchließen und nur unter ſich heiraten, ſo daß ihre Bewohner gewiſſermaßen nur als eine Familie zu betrachten ſind. Kleine Mitteilungen. Die Wirkung des Waſſers auf Blei ijt wegen der Verwendung von Bleiröhren zu Waſſerleitungen ſehr be⸗ achtenswert und Gegenſtand vielfacher Unterſuchungen ge⸗ weſen. Es liegen unzweifelhafte Fälle von Bleivergiftung durch anhaltende Benutzung von Waſſer aus Bleiröhren vor, andererſeits werden in vielen Städten Bleiröhren benutzt, ohne daß je nachteilige Folgen zu berichten geweſen wären. Es iſt nämlich eine bemerkenswerte Erſcheinung, daß ſich Blei gegen Waſſer verſchiedener Beſchaffenheit ſehr abweichend verhält. Kleine Mengen von Kohlenſäure und beſonders von Bikarbonaten verhindern die Aufnahme von Blei am entſchiedenſten, während Chloride, Nitrate und in Zerſetzung begriffene organiſche Subſtanzen die Lös⸗ lichkeit erhöhen. Als eine der wichtigſten Bedingungen für die Angreifbarkeit des Bleis erſcheint aber der Luft⸗ gehalt des Waſſers. Von beſonderem Belang iſt das Ver⸗ halten des Bleis gegen Kalkwaſſer. Nach Besnou greift geſättigtes Kalkwaſſer Blei kräftig an, und er meint des⸗ Humboldt. — halb, daß es unvorſichtig ſei, Bleiröhren mit Cement in Berührung zu bringen. v. Knorre, welcher ſich mit der Korroſion von Bleiröhren eingehend beſchäftigte, fand, daß blanke Bleiſpäne in Kalkwaſſer bei Luftabſchluß blank bleiben, bei Luftzutritt aber kräftig angegriffen werden. In kurzer Zeit läßt ſich in der Flüſſigkeit Blei nachweiſen und auf die Bleiröhre ſchlägt ſich gelbes Bleioxyd nieder. Dieſe gelbe Kruſte entſteht auch unter dem Einfluß von Mörtel und Cement, ſolange freier Aetzkalk und Feuchtig— keit bei Luftzutritt vorhanden iſt. Fehlt es dagegen an Kalk, dann abſorbiert das im Waſſer gelöſte Bleihydroxyd Kohlenſäure und es ſchlägt ſich weißes baſiſches Bleikarbonat auf die Röhren nieder. In einem ſolchen weißen Beſchlag fand v. Knorre auch Bleichlorid und Bleinitrat, die offenbar eine ähnliche Rolle ſpielen, wie das Bleiacetat in der Bleiweißfabrikation. Es bilden ſich baſiſches Nitrat und baſiſches Chlorid, die dann durch Kohlenſäure zerſetzt werden, ſo daß von neuem neutrale Salze entſtehen, die wieder auf das Blei korrodierend einwirken. Wenn trotz— dem ſo ſelten korrodierte Bleiröhren angetroffen werden, ſo liegt das daran, daß ſelten alle erforderlichen Be— dingungen erfüllt ſind. Oft wird es an Sauerſtoff fehlen, der von organiſchen Stoffen, die ſich in Zerſetzung be— finden, begierig aufgenommen wird. Wie energiſch die Oxydation folder Subſtanzen verläuft, hat Reichardt nach— gewieſen, indem er Torf mit Regenwaſſer zuſammenbrachte und von Zeit zu Zeit den Gasgehalt beſtimmte. Er fand in 11 Waſſer: : Beſtandteile. | Im Anfang. | 5 citer 48 ean ——.— ~ — | = — ————— — a Gasmenge 85 | 22,4 cc | 31,38 ce’ 30,2 ee Sauerſtoff 22,0 % | 5,9 % Spur Stickſtoff. 64,8 / 79,6 % | 50,0 %o Kohlenſäure | 13,2°% 14,5 % | 50,0 % \| Wie ſelten Korroſionen von Bleiröhren in Waſſer— leitungen vorkommen, geht daraus hervor, daß v. Knorre bei ſeinen Bemühungen, alle Fälle von Korroſionen zu ſammeln, die während eines Jahres in dem weiten Berliner Netz (20000 Zuleitungen mit je 6 m Bleirohr) vorkamen, nur 8 Enden Bleiröhren von 0,5 —2 m Länge erhalten konnte. D. TCaramie-Schichten. Die Frage nach dem Alter dieſer Schichten, welche bis jetzt unbeſtritten zwiſchen Kreide und Eocän geſetzt wurden, iſt wieder in Fluß gekommen durch die Entdeckung der ſogenannten Belly-River—⸗ Formation in Kanada, deren Fauna und Flora ganz mit der der Laramie zuſammenfällt. Sie werden aber überlagert von den marinen Pierre-Beds, welche im nordweſtlichen Amerika das Liegende der Laramieſchichten bilden und von Meek und Hayden als Horizont 4 der Kreide betrachtet werden. Damit würde alſo der Beginn der heutigen Süßwaſſer-Molluskenfaung der Vereinigten Staaten tief in die Kreideperiode zurückrücken und die ſonſt ſo ſcharfe Grenze zwiſchen Kreide und Eocän für Nordamerika völlig verwiſcht werden. Ko. Ueber das rheiniſch-ſchwäbiſche Erdbeben vom 24. Januar 1880 hat H. Eck in Stuttgart einige auf die ge⸗ naueſte geologiſche Kenntnis des betroffenen Gebietes ge— ſtützte Betrachtungen veröffentlicht (in der Zeitſchrift d. deutſch. geolog. Geſellſch. 1886 S. 150), welche von der früher von der Erdbebenkommiſſion des Karlsruher natur- wiſſenſchaftlichen Vereins geäußerten Anſicht über dieſes Erdbeben in einigen Punkten abweichen. Eck kommt zu der Annahme, daß die Verſchiebung eines unterirdiſchen, von jüngeren Ablagerungen des Rheinthals bedeckten Ge— birgsſtücks am Rande der Hardt, ſo daß auch das Grund— gebirge in Mitleidenſchaft gezogen wurde, die Erſchütterung veranlaßt habe. Von dieſem Herde hat ſich dieſelbe nach allen Richtungen, doch in ſehr ungleicher Art, verbreitet, erſt zu den nachbarlichen Gebirgsteilen, dann zu den an— Juli 1887. 269 grenzenden Gebieten fortſchreitend. Wenn die Richtung des erſten Stoßes eine ſüdöſtliche geweſen iſt, ſo dürften ſich die berichteten Erſcheinungen größtenteils wohl aus der verſchiedenen Leitungsfähigkeit der den Untergrund zuſammenſetzenden Geſteine erklären laſſen. —B.— Karten von China. Der berühmte Chinareiſende F. v. Richthofen hat zu ſeinem großen Werk über China einen Atlas von 26 orographiſchen und geologiſchen Karten, welche er auf Grund eigener Beobachtungen und Studien entworfen hat, herausgegeben. Wenn man be— denkt, daß die Karten ein Areal von ungefähr 1850000 Quadratmeter umfaſſen, alſo nahezu ſo viel wie das des Deutſchen Reiches, Frankreichs, Spaniens, Englands und Irlands zuſammen, und daß auf dieſem die orographiſchen und geologiſchen Verhältniſſe Chinas zum erſtenmal ein- gezeichnet ſind, ſo erhält man etwa eine Vorſtellung von der immenſen Leiſtung, welche wir F. von Richthofen ver— danken. Auf der Karte ſind als Schichtenſyſteme, welche an dem Aufbau Chinas weſentlichen Anteil nehmen, zur Auszeichnung gelangt: einmal die archäiſche Formation, beſtehend aus Gneiſen, kryſtalliniſchen Schiefern und Kalken mit Graniten, Porphyren, Dioriten und Syeniten als Eruptivgeſteinen und dann die paläozoiſchen Sedimente, welche weiter gegliedert werden in das ſiniſche Syſtem, in Silur, Devon und Karbon; ferner Jura mit porphy⸗ riſchen Eruptivgeſteinen und pleiſtocäne Gebilde. Unter den letzteren ſpielt der Löß, welcher in weiteſter Ver⸗ breitung das ganze Land bedeckt, eine große Rolle; er iſt nach F. v. Richthofen eine äoliſche Bildung, eine wejent- lich unter dem Einfluß der heftigen aus dem Centrum und dem Weſten Aſiens herwehenden Staubwinde ent— ftandene Ablagerung von Verwitterungsſtaub feſter Ge— ſteine. —B.— Ein miocänes Riefengiirtelfier. Eine merkwürdige und für die Phylogenie der Gürteltiere wichtige neue Art aus dem Miocän von Kanſas (Caryoderma snovianum n. gen. et spec.) berichtet Cope in der Dezembernummer des American Naturalist: Das Tier zeichnet ſich beſon— ders dadurch aus, daß ein Teil des Gürtels nur aus iſo— lierten verknöcherten Nuclei beſteht, die einander nicht be- rühren, alſo auch noch keinen vollkommenen Schutz bildeten, die Schwanzſchilder ſind nicht miteinander verwachſen. Die Gattung ſcheint zu den Glyptodontiden zu gehören und iſt, als in der Loup-Fork-Formation gefunden, er⸗ heblich älter als die neuerdings von Ameghino beſchrie— benen Glyptodontiden aus den Pampas am La Plata, ſtellt alſo einen Vorfahren derſelben dar. Damit ſtimmte auch die unvollkommene Entwickelung des Bruſtpanzers überein. Obwohl Caryoderma bis jetzt das einzige, nörd⸗ lich von Mexiko gefundene Gürteltier iſt, müſſen wir doch annehmen, daß die ganze Familie ſich dort entwickelt hat, und können die weiteren Vorfahren in den Schichten er— warten, die älter ſind, als die Loup-Fork-Formation. Ko. Japaniſche Wetterregeln (vom Kochi Ken, dem ſüd— lichen Teil der Inſel Shikoku. Nach einer Ueberſetzung von E. Knipping und K. Kawaſhima. Eine Vergleichung der japaniſchen Wetterregeln mit den bei uns landläufigen zeigt zwei bemerkenswerte Eigentümlichkeiten). Zunächſt iſt der Urſprung beider augenſcheinlich kein gemeinſamer. So weit wir es verfolgen können, entſtammen unſere Volfs- wetterregeln den alten Griechen, gingen von dieſen zu den Römern und von den Römern auch zu uns über. Eine Aehnlichkeit dieſer mit den japaniſchen iſt nicht zu erkennen. Ein zweiter Unterſchied iſt darin begründet, daß die japaniſchen Wetterregeln ſich meiſtens an ſolche Naturobjekte und Anzeichen knüpfen, welche in der That vielfach zu Wettervorherſagungen ſich eignen, während die unſeren einen genügenden Zuſammenhang zwiſchen dem Indizium und der vorausgeſagten Witterungserſcheinung faſt durchweg nicht erkennen laſſen und meiſtens auf ſehr flüchtiger ungenügender Beobachtung oder auf Vorurteilen beruhen. Zergliedern wir die japaniſchen Wetterregeln je nach der Art der Indizien, ſo entfallen von den 100 270 Humboldt. — Juli 1887. veröffentlichten Wetterregeln 27 auf Wolken, namentlich obere Wolken (Cirrus), 11 auf Sonnenauf- und -untergang, 4 auf Sonnen⸗ und Mondhöfe, 14 auf Wind, 3 auf See⸗ gang, 12 auf das Verhalten von Pflanzen und Tieren, 19 auf die Aufeinanderfolge von Witterungserſcheinungen, 3 auf Mondeinfluß und 7 auf andere Anzeichen. Einige Proben dieſer Wetterregeln dürften gewiß einiges Intereſſe bieten. ee Wolken (Cirren) bedeuten Wind. : ff der Zug der oberen und unteren Wolken ver⸗ ſchleden, fo ändert fic) die Windrichtung im Sinne der oberen Wolken. Weht im Sommer der Südweſt ſtark, ſo erſcheinen gewiß im Südweſten einige Wolken; ziehen letztere nach Nordoſt durch, ſo bringen ſie alsbald heftigen Wind und Regen, entſteht aber ein Gewitter, ſo wird es bald klar. Ein grünlich roter Sonnenhof bedeutet einen Taifun, ein weißlicher Wind und Regen. Erſcheinen Wolken im Schaf), fo ändert ſich das Wetter, auch wenn es noch ſchön iſt, in Regenwetter um. Funkeln in der Nacht die Sterne, als wenn ſie ganz nahe wären, fo iſt Regen nahe. Frißt die Katze Gras, ſo gibt es Regen. Im Norden der Stadt Kochi liegt der Berg Hokiodo; erſcheint auf demſelben Teufelsfeuer, ſo fällt Regen inner⸗ halb dreier Tage. J. v. B. Schutzmittel der Pflanzen. Die bisher über die Verteidigungsmittel der Pflanzen gemachten Angaben be⸗ ruhen, wie Errera hervorhebt, im allgemeinen mehr auf Deduktion, als auf wirklicher Beobachtung. Nur wenn man durch zahlreiche Beobachtungen feſtſtellt, bis zu welchem Grade eine jede Pflanze von den hauptſächlichſten pflanzen⸗ freſſenden Vierfüßern, Vögeln, Inſekten, Schnecken ꝛc. auf⸗ geſucht oder vermieden wird, und zugleich alle Eigenſchaften der Pflanze, welche zu ihrem Schutze beitragen können, ſtudiert, kann man ſichere Reſultate gewinnen. Es darf hierbei nicht außer acht bleiben, daß Geſchmack und Empfänglichkeit bei den einzelnen Tierarten ſehr ver⸗ ſchieden ſind. Einige zeigen ſogar eine ſo außerordentliche Widerſtandsfähigkeit, z. B. die des Eſels gegen die Diſtel, des Rebhuhns gegen die Brenneſſel, daß man darin ohne Zweifel eine Gegenanpaſſung zu ſehen hat, d. h. eine durch Zuchtwahl gewonnene Eigenſchaft, um den Schutzmitteln der Pflanze trotzen zu können. Auch ſind manche Pflanzen, die von einigen Tieren gefreſſen werden, für andere Gift, wie die Peterſilie, die von Haſen, Kaninchen und Schafen aufgeſucht wird, kleinen Vögeln aber verderblich iſt. Die Pflanzen müſſen auch in den verſchiedenen Lebens⸗ altern beobachtet werden, denn viele, im Jugendzuſtande aufgeſuchte werden ſpäter vermieden. Die Schutzmittel der Pflanzen bringt Errera in fol⸗ gendes Schema: A. Biologiſche Charaktere. Wenig zugänglicher Standort: Waſſer, Felſen, Mauern 2c. Pflanzenteile, die wenig zugänglich ſind wegen ihrer Lage, z. B. in der Krone hoher Bäume; Wurzelſtöcke, Zwiebeln, Knollen und unterirdiſche Früchte; mehr oder minder verſteckte Nectarien 2c. 3. Geſellige Pflanzen, die durch ihr enges Beiſammenleben undurch⸗ dringliche Dickichte bilden. 4. Vaſallenpflanzen, welche ſich in den Schutz gewiſſer Tiere, wie 3. B. die ſogenannten Ameiſenpflanzen, oder anderer, beſſer ge⸗ ſicherter Pflanzen ſtellen, wie es die Pflanzen der Hecken, die Epiphyten 2c. thun. „ Schauſpielerpflanzen (Plantes matamores), d. h. unſchädliche Arten, welche das Ausſehen gefährlicher Arten angenommen haben, z. B. der weiße Bienenſaug, der der Brenneſſel ähnlich ſieht. 5 B. Anatomiſche Charaktere. 6. 9 Rinde, Kork 2c. 7. Harte, lederartige, ſcharfe, verkalkte oder verkieſelte, rauhe, mit abſtehenden Haaren verſehene drüſige Organe. 8. Stacheln, Dornen, Brennhaare. ‘ C. Chemiſche Charaktere. 9. Säuren, Gerbſtoffe ꝛc. Aetheriſche Oele, Kampher 2c. Indifferente Bitterſtoffe. . Glyfojide. Alkaloide. 0 or * ) Die zwölf Himmelsrichtungen der Japaneſen find mit Nord an⸗ fangend und über Oſt gezählt: Maus, Rind, Tiger, Haſe, Drache, Schlange, Pferd (Süd), Schaf, Affe, Aahn, Hund und Wildſchwein. | Errera hat ſelbſt die belgiſchen Pflanzen, die zu einigen dieſer Gruppen (7,8, 10, 11, 12, 13) gehören, zuſammengeſtellt und dabei unterſchieden, ob ſie von den Tieren aufgeſucht, vermieden oder vollſtändig verſchmäht werden. Er hat dann die Reſultate in einer ſtatiſtiſchen Tabelle zuſammengeſtellt, aus der ſich ergibt, daß die Verteidigungsmittel ſehr häufig nicht die Wirkſamkeit haben, die man erwarten ſollte, und daß die Alkaloide die erſte Stelle unter den erwähnten Schutzmitteln einnehmen. Doch aber werden 8 von den 21 Arten, die Alkaloide enthalten, von den Tieren aufge⸗ ſucht, und von dieſen 8 find ſogar 3 1 giftig. Eine von letzteren freilich (Goldregen) enthält in den Blättern nur Spuren von Alkaloid, und eine andere (Taxus) ſcheinen die Tiere noch nicht genügend vermeiden gelernt zu haben, wie man daraus entnehmen möchte, daß die Einhufer ziemlich lüſtern danach ſind, der Genuß ihnen aber ſchäd⸗ lich iſt. Jedenfalls iſt aus dieſen Andeutungen erſichtlich, daß hier noch viel Arbeit zu leiſten iſt, wenn wir einen klaren Einblick in die Verhältniſſe bekommen wollen. Wenn einige aus der großen Zahl der Zoologen und Botaniker, die ſich faſt ausſchließlich mit dem Sammeln und Beſtimmen der Species beſchäftigen, ihr Steinchen zu dem Gebäude bei⸗ tragen wollten, ſo würde der Erfolg ſehr bald ſichtbar werden. M—s. Eine merkwürdige Verwachſung zweier Baume findet ſich auf Staten⸗Island bei New Pork Eine Weiß⸗ eiche (Quercus alba L.) und eine Schwarzbirke (Betula lenta L.) haben, von Anfang an unmittelbar nebeneinander ſtehend, einen derartig gleichmäßigen Wuchs gehabt, daß keine irgend einen Vorrang über die andere zu erringen vermochte. Bis zu einer Höhe von 3 Fuß 7 Zoll engl. ſind beide Bäume ſo eng und feſt und gleichmäßig verwachſen, daß nicht die mindeſte Unebenheit an der Stammperipherie wahrzunehmen iſt und nur der verſchiedenartige Charakter der Rinde erkennen läßt, daß man zwei verſchiedene Bäume vor ſich hat. An der genannten Stelle mißt der gemein⸗ ſchaftliche Stamm 7 Fuß 4 Zoll engl. im Umfang, er ſpaltet ſich hier in Geſtalt eines V, rechts wächſt eine Eiche, 4 Fuß 2 Zoll engl. in der Peripherie meſſend, ſtolz in die Höhe, links erhebt ſich, an ihrer Baſis ein klein wenig ſtärker, ebenſo hoch die Birke. Mt. Baume mit entblößten Wurzeln. Man nimmt im allgemeinen — und wohl mit Recht — an, daß die Ent⸗ blößung eines großen Teiles der Wurzeln eines Baumes demſelben verderblich ſei. Indes iſt dies nicht immer der Fall. Im Verein zur Beförderung des Gartenbaues in Berlin berichtete Fintelmann, daß am Teufelsſee bei Pots⸗ dam eine große Kiefer mit faſt völlig entblößten Wurzeln ſteht. Vermutlich haben die von dem Hügel herabſtrömen⸗ den Waſſer die Wurzeln unterwaſchen und freigelegt. Der Baum iſt mindeſtens 100 Jahre alt, vegetiert noch durch⸗ aus kräftig und liefert einen beſonders ſchlagenden Beweis dafür, daß ein flacher Stand den Koniferen durchaus nicht ſchadet. Die freigelegten, ſtelzenartigen Wurzeln zeigen genau die nämliche Berindung, wie fie der Stamm beſitzt. Aehnliche Kiefern ſtehen auch an einem Abhange am Wannſee, unweit Berlin, hier hat der Wind den loſen Dünenſand von unten nach oben geweht und ſo die Wurzeln freigelegt. Eine etwa 40jährige Linde in Berlin ſelbſt iſt ſo kräftig und geſund, wie nur möglich, trotzdem ihre Wurzeln in einer Ausdehnung von 10-15 m ganz frei zu Tage liegen. M—t. Auſtraliſche Regenwürmer. Seit Darwins Unter⸗ ſuchungen über den Einfluß der Thätigkeit der Regen⸗ würmer auf die Fruchtbarkeit der Ackererde ſind Mit⸗ teilungen über das Vorkommen dieſer Tiere eines be⸗ ſonderen Intereſſes ſicher. Neuerdings hat Fletcher an zwei Punkten von Neu⸗Südwales, die ſich durch ihren reichen vulkaniſchen Boden vor der umgebenden Hawkes⸗ bury⸗Sandſteinformation auszeichnen, das Vorhandenſein zahlreicher Regenwürmer feſtgeſtellt und davon fünf neue Arten beſchrieben. Die größten dort gefundenen Regen⸗ würmer ſind zwar nicht ſo rieſig wie diejenigen, die man Humboldt. — Juli 1887. in Braſilien, Ceylon, am Kap und in Gippsland (Kolonie Viktoria) gefunden hat; immerhin iſt der Notoscolex grandis von Burrawang 42 Zoll lang und von entſprechen⸗ der Dicke. Die oberflächliche Zählung der Würmer in den vom Pfluge gemachten Furchen ergab etwa 10 000 Stück auf den Acre, eine jedenfalls hinter der Wirklichkeit weit zurückbleibende Zahl. Merkwürdig iſt, daß die Würmer von Burrawang ihre Exkremente nicht an der Oberfläche ablagern, während dies zu Mont Wilſon wohl geſchieht. An beiden Orten finden ſich die Regenwürmer, auch in unzweifelhaft jungfräulichem Boden. Es iſt dies intereſſant im Hinblick auf die mehrfach konſtatierte Thatſache, daß in Nordamerika die Regenwürmer erſt nach der Kultivierung des Bodens in demſelben auftreten. Die Grenzanſiedler zu Mukoka in Kanada behaupten ſogar, daß man erſt nach fünf Jahren Regenwürmer im Boden findet. M—s. Mundlappen der Muſcheln. Bekanntlich ſtehen bei allen Muſchelarten vor und hinter der Mundöffnung ein Paar Falten von bei den einzelnen Arten verſchiedener Geſtalt und Größe; ſie umſchließen nicht nach Art von Lippen eine Mundhöhle, ſondern erſtrecken ſich vom Mund an beiderſeits desſelben bis an den Vorderrand der Kiemen; ihr aboraler Teil zeigt eine ähnliche Struktur, wie ſie die Kiemen beſitzen, daher ſie auch Nebenkiemen genannt wer— den. Ihre Funktion war bisher zweifelhaft, bald wurden ſie als Atmungsorgane, bald als Sinnesapparate betrachtet oder ſollten mit der Nahrungsaufnahme in Beziehung ſtehen, ſpricht ſie doch ein Autor geradezu als Reibplatten an! Nach Unterſuchungen von Joh. Thiele in Berlin iſt nun ihre erſte Funktion die der Herbeiſchaffung von Nahrung: dieſelbe ſtrömt mit dem Atmungswaſſer durch den ventralen Sipho ein, gelangt zunächſt an die Baſis des äußeren Kiemenblattes, dann an den freien Rand des inneren Blattes; hier führt die wie auch oben durch Wimpern ver- urſachte Kiemenrandſtrömung das Waſſer mit den Nahrungs- partikeln nach vorn, ſo daß es zwiſchen die Mundlappen gelangt, von wo es nach der Mundöffnung getrieben wird. Eine Art Nebenſtrömung am Rande der Mundlappen führt das überſchüſſige Waſſer mit dem nicht aufgenommenen Teile der Nahrung wieder zurück. Neben dieſer Haupt⸗ funktion unterſtützen die Mundlappen, wie gewiſſe Teile des Mantels, noch die Atmungsorgane; nennenswert kann dies nur da geſchehen, wo die Kiemen klein, die Mund— lappen groß find (bei Mactra, Pholas, Scrobicularia). Intereſſant iſt, daß die Mundlappen, wenigſtens bei Unio, regelmäßig pulfieren, fo daß das in ihnen enthaltene ſauer— ſtoffreiche Blut dadurch zum Herzen gelangt. Br. Einfluß des Futterkrautes auf die Färbung des Imago bei Schmetterlingen. Auf der Naturforſcherver— ſammlung des vergangenen Jahres ſtellte in der entomo— logiſchen Sektion Alfieri zwei intereſſante Fragen: „Laſſen ſich durch Ernährung von Raupen derſelben Species mit verſchiedenen Pflanzen beſtimmte Varietäten erziehen?“ und „Läßt ſich nachweiſen, daß chemiſche Beſtandteile, die eine Raupe im Futter in ſich aufnimmt, wenn auch in anderer Verbindung, durch Farben ꝛc. am Schmetterling vorkommen?“ Die damalige Diskuſſion bewies, daß zur Entſcheidung dieſer Frage noch ſehr wenig Material vor— liegt. Ein Beitrag hierzu — mit allerdings negativem Reſultat — findet ſich im 14. Jahresber. d. weſtfäl. Pro⸗ vinzialvereins (Münſter 1886) von Pollack, der Raupen von Arctia caja nach dem Ausſchlüpfen aus den Eiern mit Walnußlaub fütterte, in der Hoffnung, dunkler ge— färbte Schmetterlinge zu erhalten. Nach geſchehener Ueber— winterung erhielt zuerſt eine Hälfte Eichenblätter, die andere Salat, ſpäter mehrere Individuen beider Partien wieder Walnußlaub. Das Experiment hatte keinen Er⸗ folg, gerade das am auffallendſten dunkel gefärbte Tier ent⸗ ſtammte einer mit Salat aufgezogenen Raupe. Die Fort- ſetzung ähnlicher Verſuche wäre ſicher zu wünſchen. —p. Mimicry bei Inſekteneiern. Zum Kapitel der Mimicry, der Nachäffung fremder Geſtalten, ſteuern be— kanntlich die Geſpenſtheuſchrecken und Fangheuſchrecken, die Phasmiden und Mantiden, in ausgiebigſter Weiſe bei. Die ſchützende Imitation erſtreckt ſich nach Goeldi in Rio de 271 Janeiro (Zoolog. Jahrbücher) auch auf Phasmideneier. Nebenſtehende Figuren ſtellen die Eier zweier Phasmiden dar, welche, jedes in anderer Weiſe, fo täuſchend Pflanzen ſamen imitieren, daß alle Perſonen, denen Goeldi die Eier vorlegte, dieſelben für Samen hielten. In Fig. 1 und 2 ſind die Eier von Acanthoderus perfoliatus abgebildet. Auf der ganzen Außenfläche mit Vertiefungen verſehen, deren Anordnung eine mehr oder minder große Regelmäßigkeit Eier von Acanthoderus perfoliatus Fig. J. Fig. 2. Eier von Cladocerus phyllinus. erkennen läßt, beſitzt das Ei eine Form, wie ſie z. B. dem Samen von Tulasnea aus der Familie der Melastomaceae zukommt. Das andere abgebildete Ei (Fig. 2) von Cladocerus phyllinus ähnelt einem Leguminoſenſamen etwa aus der Nachbarſchaft der Linſen; die Grundfarbe des Eis iſt braun, diſtalwärts iſt es abgeplattet; in der ventralen Medianlinie liegt die langgezogene Narbe, etwas dunkler gehalten, der orale Pol beſitzt einen dunkelbraunen Deckel von ſtrahliger Struktur, der aborale Pol einen runden dunklen Fleck. Dieſe Samenähnlichkeit der Phasmideneier ſetzt ſie vielleicht der Gefahr aus, von Vögeln gefreſſen zu werden, bringt ihnen aber den wohl höher anzuſchlagenden Nutzen, von Inſektenfreſſern verkannt und liegen gelaſſen zu werden. Auch Schlupfweſpen werden möglicherweiſe dadurch ge— täuſcht. p. Entlarvpte foſſile Fiſche. Im Jahre 1865 beſchrieb Ch. H. Pander unter dem Namen „Conodonte“ aus dem kambriſchen Syſteme, oberen Silur, Devon- und Kohlenkalke des ruſſiſch⸗baltiſchen Gouvernements mikroſkopiſche Gebilde, A. A. Kieferſtück einer lebenden, in der Oſtſee ſehr häufigen Gephyree. (Halieryptus spinulosus Steb.) B. Zuſammengeſetzter Conodont aus der Gattung Prioniodus. welche er auf Grund umfaſſender hiſtologiſcher und morpho⸗ logiſcher Unterſuchungen für Zähne von Cykloſtomen, Haien und Teleoſtiern (J erklärte; er unterſchied 14 Gattungen mit 57 verſchiedenen Arten. Später wurden ähnliche Gebilde wiederholt in paläozoiſchen Schichten Großbritanniens und Amerikas gefunden und auf das mannigfachſte gedeutet. L. Agaſſiz sen. erklärte fie gleichfalls für Fiſchzähne, Newberry für Reſte von Cykloſtomen, Barrande und W. Carpenter für abgebrochene Segmentalſpitzen von Trilobiten und Krebſen, B. Owen (1870) für allerlei Reſte von Nacktſchnecken oder 272 Humboldt. — Juli 1887. Anneliden, Morſe für Stückchen der Radula von Nacktſchnecken, und S. Bolle glaubt, daß fie von alten verſchwundenen Urformen des Wirbeltierſtammes, wie ihn die Amphioxen und Tunicaten in der jetzigen Meeresfauna andeuten, her⸗ rühren. Es finden ſich dieſe Gebilde immer nur in Ge⸗ ſellſchaft von Reſten wirbelloſer Tiere, und G. J. Hinde lieferte 1879 den Nachweis, daß kleine organiſche Körperchen, die faſt ausnahmslos in Geſellſchaft der Conodonten vor⸗ kommen, die Kiefer von Ringelwürmern ſeien. In der Sitzung der Königl. bayriſchen Akademie der r Wiſſenſchaften (mathem.⸗phyſik. Klaſſe) vom 5. Juni v. J. teilte Zittel mit, daß ſich nach dem von ihm im Verein mit J. V. Rohre gemachten Unterſuchungen herausgeſtellt habe, daß die Conodonten in ihrer Struktur weder mit den aus Dentin beſtehenden Zähnen der Selachier oder ſonſtiger Fiſche, noch mit den Hornzähnen der Cykloſtomen etwas gemein haben, daß ſie ebenſowenig als Zungenzähnchen von Mollusken, Häkchen von Cephalopoden oder abgebrochene Spitzen von Cruſtaceen gedeutet werden könnten, daß ſie dagegen nach Form und Struktur vortrefflich mit den Mundwerkzeugen von Würmern und zwar von Anneliden und Gephyreen übereinſtimmen. Aus der großen Mannigfaltigkeit der Formen läßt ſich auf einen großen Reichtum der paläo⸗ zoiſchen Meere an dieſen Tieren zurückſchließen. M. Die ſüdliche Verbreitungsgrenze des Eisbären in früherer Zeit. Packard, welcher früher geneigt war, in den Eisbären Labradors einzelne verſprengte Tiere von Hudſons- und Baffins⸗Bai zu erblicken, die nur ausnahms⸗ weiſe fo weit ſüdlich ſich fortpflanzten, ſieht ſich infolge neuerer Unterſuchungen veranlaßt, das Verbreitungsgebiet des Eis⸗ bären nach Süden zu erweitern (American Naturalist). So ſprechen alte Reiſebeſchreibungen aus den Jahren 1497, 1534 und 1583 ſicher dafür, daß der Eisbär zu dieſer Zeit auf Neufundland heimiſch war. Daß er von hier aus gelegentlich auch nach Neuſchottland und an die Küſten von Maine geriet, wie dies auch vom Walroß bekannt iſt, iſt nicht unmöglich und ſcheint durch eine alte, aus dem Jahr 1550 ſtammende, von dem Italiener Jacomo di Gaſtaldi gezeichnete Karte beſtätigt, in welcher unverkennbare Eis⸗ bären ſüdlich eines als Neuſchottland zu deutenden Landes herumſchwimmen. Einen weiteren Anhaltspunkt gewinnt deiſe Annahme durch den ſchon früher auf einer Inſel in der Casco-Bai, Maine, gemachten Fund eines Molarzahnes, der ſeiner Größe nach einem Eisbären angehört zu haben ſcheint. Der Zahn wurde in einem der den nordeuropäi⸗ ſchen Kjökkenmöddinger entſprechenden ,shell-heaps“ ge⸗ funden. Bei der erneuten Aufmerkſamkeit, die man gegen⸗ wärtig dieſen prähiſtoriſchen „Küchenabfällen“ zuwendet, ſeit fie auch fo zahlreich in Amerika, Neuſeeland, Süd- und Weſtafrika, Japan u. ſ. w. nachgewieſen ſind, ſteht zu er⸗ warten, daß von ihrer Unterſuchung noch weitere Aufſchlüſſe über die Verbreitung des Eisbären an der Nordoſtküſte Amerikas erhalten werden. — p — Reforption von der Blaſenſchleimhaut. Trotz wiederholter poſitiver Angaben guter Experimentatoren ſind immer wieder Zweifel darüber laut geworden, ob durch Reſorption von der Schleimhaut der Harnblaſe Stoffe aus dem Inhalte der letzteren in die Blutbahn zurückgelangen können. H. Aſhdown hat deshalb Ver⸗ ſuche über dieſe Frage unter Berückſichtigung aller not⸗ wendigen Kautelen angeſtellt und er hat namentlich dar⸗ auf geachtet, daß Verletzungen der Blaſenſchleimhaut aus⸗ geſchloſſen waren. Er fand bei Kaninchen, denen mittels Katheters Strychnin, Eſerin, Morphin, Curare, Blauſäure in wäſſeriger Löſung in die Blaſe gebracht wurde, aus⸗ nahmslos die entſprechenden toxiſchen Symptome; die Zeit, die bis zum Auftreten derſelben verſtreicht, ſchwankte zwiſchen 4 und 78 Minuten und war um ſo kleiner, je ſtärker die Blaſe durch die injizierte Flüſſigkeitsmenge aus⸗ gedehnt worden war. Ebenſo wurden durch Chloroform und Aether, in Mandelöl emulgiert, die Tiere binnen kurzem narkotiſiert, wenn dieſe Subſtanzen in die Blaje gebracht wurden. Bei anderen Kaninchen wurden die Harnleiter freigelegt und mit Kanülen verſehen. Jod⸗ kalium oder ſalicylſaures Natron, welche in wäſſeriger Lö⸗ ſung in die Harnblaſe eingeſpritzt worden waren, konnten in dem aus den Harnleitern aufgefangenen Harne nach⸗ gewieſen werden. In die ausgewaſchene Harnblaſe von Hunden wurde, nachdem durch die Unterbrechung der Kommunikation mit den Harnleitern das Zufließen von Harn in die Harnblaſe verhindert worden war, eine Harn⸗ ſtofflöſung von beſtimmtem Gehalt injiziert und 5—6 Stunden darin gelaſſen. Nach der möglichſt vollſtändigen Entleerung des Injizierten zeigte ſich eine Abnahme der Flüſſigkeitsmenge um 3 reſp. 4 Prozent, des Santee gehaltes um 10 reſp. 19 Prozent. Ein merkwürdiges Beiſpiel von tieriſcher Zuteligenz berichtet F. Lewis aus Ceylon in „Nature“. Ein Paar der in Ceylon gewöhnlichen Hausſchwalben (Hirundo javanica) hatte ſich als Niſtplatz die obere Scheibe einer Hängelampe ausgeſucht. Die Scheibe beſaß Rollen, über welche die Ketten liefen, mittels deren die Lampe heruntergezogen und hinaufgelaſſen wurde. Durch die Bewegung der Kette mußte das auf der Platte ruhende Neſt unzweifel⸗ haft zerſtört werden, die Schwalben aber überbauten die Rollen in der Weiſe, daß die Ketten ſich ungehindert in dem tunnelartigen Bau bewegen konnten, und führten dann erſt den Neſtbau aus, in dem ſie nach Angabe des ge⸗ nannten Beobachters auch ihre Jungen groß zogen. —p. Ein Safe als FJamilienglied. Vor einigen Jahren befand ich mich behufs geologiſcher Unterſuchungen in der Umgegend von Dux in Böhmen. Um von einem Arbeiter geſammelte Petrefakten zu beſichtigen, ſchritt ich einem auf einer Höhe iſoliert ſtehenden Häuschen zu, als ich plötz⸗ lich einen Haſen vor mir aufſpringen ſah, der ſeinen Weg mehrmals um dasſelbe nahm und bei meinem Näher⸗ kommen in die Hausflur entwich. Ich ſchloß ſofort die Thür und benachrichtigte die Bewohner davon, bemerkte aber keine Ueberraſchung an denſelben, ſondern erfuhr, daß der Haſe, damals noch ſehr jung, im harten Winter, ringsum keine Nahrung findend, in ihr Haus gekommen und von ihnen mit Nahrung verſehen worden ſei. So habe er ſich allmählich an dasſelbe und ſie gewöhnt, ſei nach und nach ganz zahm geworden, nächtige im Hauſe und verlaſſe dasſelbe am Tage zeitweiſe, teils um Nah⸗ rung aufzuſuchen, teils um mit den Kindern zu ſpielen oder ſtreckenweiſe ſeinem Herrn zu folgen, kehre aber ſtets beim Nahen von Fremden oder Hunden in das ihm Schutz gewährende Gebäude zurück. Nachdem ich in die Stube, die zugleich Kammer war, getreten, rief der Arbeiter ſeinen Schützling, worauf derſelbe langſam unter deſſen Lagerſtätte hervorkam und ihm in den Schoß ſprang. Er ließ ſich gefallen, daß ich ihn zu mir nahm und ihn ſtrei⸗ chelte. Dabei erzählte mir ſein Herr, daß er keinen Uhr⸗ wecker gebrauche, denn ſobald der Tag anbreche, komme der Haſe auf ſein Bett geſprungen und trommle mit den Vorderbeinen ſo lange auf ſeinem Geſichte herum, bis er zu erkennen gebe, daß er erwacht ſei. Der Haſe hatte in der ganzen Gegend Aufſehen erregt, man hatte dem Ar⸗ beiter verhältnismäßig hohe Summen für ihn geboten, dieſer ihn aber nie abgelaſſen, da ſein Herz zu ſehr an ihm hing. Et. Zum Seelenleben der Tiere wird von Simmer⸗ macher im „Zoologiſchen Garten“ mitgeteilt: In einem geräumigen Stall, in dem zwei Ziegen angebunden waren, wurden gleichzeitig zwei männliche Stallhaſen gehalten, von welchen der eine jüngere von dem älteren ſtets ver⸗ folgt wurde, wie dies ja bei Kaninchen bekannt iſt. Eines Tages nun flüchtete der jüngere Haſe, von dem älteren verfolgt, in die Ecke des Stalls, wo die eine der Ziegen ihren Platz hatte, und blieb hinter letzterer ſitzen. Als nun der ältere Haſe den jüngeren auch noch bis in dieje Ecke verfolgen wollte und dabei an der Ziege vorbeikam, packte ihn dieſe plötzlich mit dem Maul im Genick, hob ihn in die Höhe, ſchüttelte ihn einigemal hin und her und warf ihn zuletzt heftig zu Boden. Dem füngeren Haſen geſchah nichts von ſeiten der Ziege, und die von letzterer bewohnte Ecke des Stalls diente ſeitdem dem Ver⸗ folgten als ſicherer Zufluchtsort, wohin ſich ſein 1 nicht mehr wagte. M— ae ee. Humboldt. — Juli 1887. 273 Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Internationale Volarforſchung. Von L. Ambronn in Hamburg. Wenn man bis vor etwa einem Jahrzehnt der Meinung war, daß wir unſere Kenntnis der Polar⸗ regionen in geographiſcher und phyſikaliſcher Hinſicht und zum Schluſſe das Endziel dieſer Forſchungen, die Er⸗ reichung der Pole der Erde, am erfolgreichſten würden fördern und erlangen können durch kühne Vorſtöße einzelner, möglichſt zweckentſprechend ausgerüſteter Expeditionen, ſo hat man, belehrt durch die Schickſale und Erfahrungen, welche derlei Expeditionen namentlich in den ſiebziger Jahren jetzigen Direktor der Deutſchen Seewarte, Geheimerat Dr. Neumayer, einem der regſten Förderer der Polarforſchung), und nachdem auch auf der Meteorologenverſammlung zu Rom dieſe Frage eingehend und günſtig behandelt worden war, ſagten ſofort mehrere Regierungen ihre thätige Mitwir⸗ kung an einem Unternehmen dieſer Art zu. Ein internatio- nales Vorgehen war aber dringend nötig, ſollte eine ge— gründete Ausſicht auf Erfolg bei einem ſo großartigen Unternehmen vorhanden ſein. In Bern im Jahre 1878 und zu Hamburg 1880 wurden durch eine zu Rom ge— Deutſche Polarſtation zu Südgeorgien. erlitten und zu ſammeln Gelegenheit hatten, ſich ſeit jener Zeit mehr und mehr einer anderen Richtung der Polar- forſchung zugewendet. Dem berühmten Führer der öſter— reich-ungariſchen Nordpolexpedition, dem K. K. Linien⸗ ſchiffslieutenant Dr. K. Weyprecht, muß zuvörderſt das Verdienſt zuerkannt werden, mit dem Plane einer ſyſte— matiſchen Polarforſchung hervorgetreten zu ſein. Er ſagte, man würde nicht darauf rechnen können, daß einzelne immer viel von einem glücklichen Zuſammenwirken vieler oft unberechenbarer Umſtände abhängige Expeditionen unſere Kenntnis der Polarregionen weſentlich erweiterten. Es fei ein bei weitem ſicherer Erfolg in dieſer Richtung zu⸗ nächſt von einer Reihe gut eingerichteter Obſervatorien, eng um den Pol herum angelegt, zu erwarten. Würde man an dieſen Stationen eine Zeit lang die arktiſchen und antarktiſchen Verhältniſſe nach jeder Richtung hin erforſcht haben, ſo könnte dieſer Gürtel auf Grund der gemachten Erfahrungen immer enger und enger gezogen und auf dieſe Weiſe die Zonen des ewigen Eiſes erſchloſſen werden. So ungefähr ſprach ſich Weyprecht auf der Naturforſcher— verſammlung zu Graz 1875 aus. Er wurde von ver⸗ ſchiedenen Seiten energiſch unterſtützt (namentlich von dem Humboldt 1887. wählte Internationale Polarkommiſſion „die näheren“ Details einer ſyſtematiſchen Polarforſchung beraten und ein diesbezügliches Programm feſtgeſetzt. Zunächſt war die Zeit von Auguſt 1881 bis September 1882 für die Einrich⸗ tung der Stationen feſtgeſetzt worden, dieſer Termin konnte aber nicht eingehalten werden, und man verſchob die Aus— führung deshalb bis zum folgenden Jahre. Inzwiſchen hatte die Sache der Polarforſchung durch den Tod ihres wärmſten Förderers, K. Weyprecht, wohl einen ſchweren Verluſt zu beklagen; aber es hatten ſich auch am Schluſſe des Jahres 1881 die meiſten civiliſierten Nationen dem Unternehmen angeſchloſſen, ſo daß eine einheitliche Beſetzung von nicht weniger als 15 auf das beſte ausgerüſteten Stationen in beiden Hemiſphären mit Sicherheit zu erwarten ſtand. Die Ausführung zweier dieſer Expeditionen hatte Deutſchland übernommen, und zwar wurde die eine nach den Geſtaden der Baffinsbai (dem Cumberlandsſunde) geſandt, während man der zweiten die Inſel „Südgeorgien“, ſüdöſtlich von Kap Horn gelegen, zum Aufenthaltsorte beſtimmte. Eine dritte ſekundäre Expedition, welche im weſentlichen der Erforſchung der meteorologiſchen Verhältniſſe der Oſtküſte Labradors dienen ſollte, wurde ebenfalls von ſeiten Deutſch⸗ 35 274 Humboldt. — Juli 1887. lands mit Unterſtützung der dortigen Miſſionäre der „Mähriſchen Brüdergemeinde“ ausgeſandt. Heute, kaum 3 Jahre nach der glücklichen Rückkehr dieſer Expeditionen, iſt die Deutſche Polarkommiſſion in der Lage, der Nation die wiſſenſchaftlichen Ergebniſſe derſelben in zwei ſtattlichen Quartbänden vorzulegen und damit zu zeigen, daß auch auf dieſem Gebiete unſer Vaterland ſich kühn in die Reihen der erſten Nationen unſerer Zeit ſtellen kann, denn das vorliegende Werk nimmt einen würdigen Platz ein unter den bis jetzt von den übrigen be⸗ teiligten Ländern herausgegebenen Zuſammenſtellungen und Bearbeitungen der Reſultate ihrer Stationen. — Außer den Publikationen Deutſchlands ſind bisher erſchienen ganz oder teilweiſe: diejenige Oeſterreichs (Jan Mayen), Englands (Fort Rae), Frankreichs (Kap Horn), Finnlands (Sodankylä), der Vereinigten Staaten (Point Barrow), Hollands (Kara See) und Schwedens (Kap Thordſen, Spitzbergen). Da ein Geſamtüberblick über die Reſultate des ganzen Unternehmens auch in geraumer Zeit ſich noch nicht wird geben laſſen, ſei es geſtattet, in folgendem an der Hand der eben erſchienenen deutſchen Publikationen die Ausrüſtung, den Verlauf und die Ergebniſſe unſerer Ex⸗ peditionen etwas eingehender zu ſkizzieren. Der erſte der beiden ſtarken Quartbände enthält die Geſchichte und die Ergebniſſe der Nordſtation und der⸗ jenigen der Küſte von Labrador, ſowie einige ergänzende Unterſuchungen magnetiſcher Natur und die zu Breslau und Göttingen während der Epoche der Expeditionen an⸗ geſtellten magnetiſchen Variationsbeobachtungen. Der zweite Band umfaßt die Beobachtungsreſultate der Station auf Südgeorgien, die während der Expeditionsdauer auf dem Marine⸗Obſervatorium zu Wilhelmshaven angeſtellten magnetiſchen Beobachtungen und anhangsweiſe eine Unter⸗ ſuchung über den Lamontſchen magnetiſchen Theodoliten, eine Ueberſicht über die Vorgänge auf der Sonne während des in Frage kommenden Zeitraums aus den Potsdamer Aufzeichnungen; eine Reihe von Erdſtrombeobachtungen in einigen größeren Deutſchen Telegraphenleitungen, welche durch das bereitwilligſte Entgegenkommen Sr. Excellenz Dr. Stephan ermöglicht wurden, und endlich eine Zu⸗ ſammenſtellung von Polarlichtern, welche 1882—83 auf der Südhemiſphäre beobachtet worden ſind. Nachdem durch die deutſche Polarkommiſſion, welche ſich am 12. Dezember 1881 aus den Herren Prof. Dr. v. Bezold-München, Prof. Dr. Borgen = Wilhelmshaven, Prof. Dr. Förſter⸗ Berlin, Geh. Regierungsrat v. Helmholtz- Berlin, Dr G. Nachtigal⸗ Berlin, Geh. Admiralitätsrat Dr. Neumayer-Hamburg, Konteradmiral Freiherr v. Schleinitz-Berlin, Direktor Dr. Schreiber-Chemnitz und Geh. Regierungsrat Dr. Werner Siemens = Berlin zuſammenſetzte, die Stationsorte be⸗ ſtimmt worden waren, ſchritt man zur Wahl der Expeditions⸗ mitglieder. Aus den reichlich eingelaufenen Meldungen wurden ausgewählt für die Nordexpedition: Dr. W. Gieſe aus Kolberg, Leiter der Expedition und Vorſteher der Station. L. Ambronn aus Meiningen, ſtellvertretender Leiter und Vorſteher der Station. Dr. H. Schliephake aus Wiesbaden, Arzt und Natur⸗ forſcher der Expedition. Mühleiſen aus Stuttgart, Steuermann, Navigateur, Aſſiſtent. Abbes aus Bremen, Aſſiſtent. Böcklen aus Eßlingen, Aſſiſtent. Seemann aus Hamburg, Mechaniker und Aſſiſtent. Nebſt einem Koch und drei Arbeitsleuten. Für die Südexpedition: Dr. C. Schrader aus Braunſchweig, Leiter der Expedition und Vorſteher der Station. Dr. P. Vogel aus Uelfeldt, ſtellvertretender Leiter und Vorſteher der Station. Dr. K. von den Steinen aus Mühlheim a. d. R., Arzt und Naturforſcher der Expedition. Dr. H. Will aus Erlangen, Aſſiſtent. Dr. O. Claus aus Mannheim, Aſſiſtent. Sc E. Moſthaff aus München, Aſſiſtent. A. Zſchau aus Dresden, Mechaniker und Aſſiſtent. Nebſt einem Koch und drei Arbeitsleuten. Während derſelben Zeit wurde auch die Ausrüſtung der Expeditionen mit allem Nachdrucke betrieben, zerlegbare hölzerne Wohnhäuſer, Obſervatorien für magnetiſche und aſtronomiſche Beobachtungen wurden konſtruiert und probe⸗ weiſe aufgeſtellt, die nötigen Inſtrumente wurden teils neu beſtellt, namentlich die magnetiſchen bei Dr. Edelmann in München, teils leihweiſe beſchafft; die äußerſt umfang⸗ reiche Verproviantierung auf volle 18 Monate lieferte der ſchon durch frühere ähnliche Ausrüſtungen bewährte Kauf⸗ mann W. Richers in Hamburg. So ging es denn fort und fort in reger Thätigkeit, hier wurden Inſtrumente verpackt, dort noch Uebungen angeſtellt und Inſtruktionen ſtudiert, bis endlich am 1. Juni die Herren der Süd⸗ expedition fic) auf einem Dampfer der Hamburg-Süd⸗ amerikaniſchen Dampfſchiffahrtsgeſellſchaft nach Montevideo einſchifften. Etwa drei Wochen ſpäter am 27. Juni verließ ſodann die „Germania“, das Expeditionsſchiff der Nord⸗ expedition, mit der Geſamtausrüſtung dieſer Station an Bord, den Hamburger Hafen, und wenige Tage darauf trat auch Hr. Dr. R. Koch ſeine Reiſe nach der Küſte Labradors an. Von Montevideo ab, welches am 4. Juli erreicht und am 23. Juli verlaſſen wurde, nahm S. M. S. „Moltke“ die Südexpedition auf, und landete dieſelbe nach ziemlich ſtürmi⸗ ſcher Reiſe am 20. Auguſt in der Royal Bai auf Südgeorgien. Die „Germania“ langte am 1. Auguſt vor dem Cumberland⸗ ſunde an, fand denſelben aber dicht voll Eis und konnte nur nach vielen vergeblichen Verſuchen am 14. Auguſt in denſelben eindringen, aber erſt am 21. wurde ein günſtiger Stationsort nahezu an der nördlichſten Stelle eines der vie⸗ len Fjorde, in welche der Sund endigt, gefunden. Nachdem Häuſer, Proviant und Inſtrumente gelandet und die erſteren einigermaßen bewohnbar eingerichtet waren, mußte die „Ger⸗ mania“ wegen ſchon eintretender Jungeisbildungen den Fjord am 8. September verlaſſen. Dr. R. Koch hatte über Strommeß mit dem der „Mähriſchen Brüdergemeinde“ gehörigen Barkſchiffe „Harmony“ die Küſte Labradors am 10. Auguſt bei Hoffenthal erreicht und ſofort mit der Ein⸗ richtung der Miſſionsſtationen zu, Hebron“, „Okak“, „Nain“, „Zoar“, „Hoffenthal“ und „Rama“, für meteorologiſche Be⸗ obachtungen begonnen. So konnten denn im Kingua⸗Fjord die regelmäßigen Beobachtungen am 15. September 1882 und in Südgeorgien am 14. September begonnen werden. Dem internationalen Beobachtungsprogramm gemäß war das Hauptgewicht auf die meteorologiſchen und magnetiſchen Beobachtungen zu legen, wobei bei letzteren namentlich für den 1. und 15. jeden Monats ein auf allen Stationen völlig ſimultan nach Göttinger Zeit durchzuführender Termin von 24 Stunden eingeſchaltet wurde. Zur Erreichung dieſes Zweckes war eine möglichſt genaue Beſtimmung der geographiſchen Poſition erforderlich. Auch den Polarlichtern in Verbindung mit den zu gleicher Zeit bemerkten Störungen der magnetiſchen Elemente wurde große Aufmerkſamkeit geſchenkt. Weiterhin hatte jede Expedition noch den Auf⸗ trag, ſo weit möglich auch ihr Augenmerk auf Sammlung von Gegenſtänden und Daten aus dem Gebiete der be⸗ ſchreibenden Naturwiſſenſchaften zu richten; und hat nament⸗ lich die Südexpedition auf zoologiſchem Gebiete recht intereſſante Sammlungen mitgebracht, welche teilweiſe ſchon in der Fachlitteratur beſprochen wurden. Dieſe Sammlung gelangte in den Beſitz des Hamburger Naturhiſtoriſchen Muſeums, während das Herbarium der Nordexpedition dem der Univerſität Leipzig einverleibt wurde. Alle Er⸗ gebniſſe der letzten Klaſſe werden vorausſichtlich mit einer mehr populär gehaltenen Schilderung des Geſamtverlaufes der deutſchen Expeditionen in einem beſonderen Teile des Polarwerkes zur Veröffentlichung gelangen. Indem wir wieder auf die obligatoriſchen Beobachtungen zurückkommen, wollen wir in folgendem aus der ungeheuren Menge von Zahlen und Tafeln, nur diejenigen zuſammen⸗ faſſenden Daten erwähnen, welche auch von allgemeinem Intereſſe ſind. Die aſtronomiſchen Beſtimmungen ergaben den Ort der Station im Kingua⸗Fjord zu 4 29m 2085 Humboldt. — Juli 1887. weſtlich von Gr. und 66° 35“ 405 Nordbreite. Dieſe Koordinaten wurden mit aller möglichen Sorgfalt mit Hilfe eines Paſſageninſtruments und eines 10zölligen Univerſal— Inſtruments beſtimmt, da nicht nur für die oben bereits er- wähnten Zwecke, ſondern auch für Meſſungen zur Beſtimmung der Refraktionskonſtante eine große Genauigkeit anzuſtreben war. Die während des ganzen Jahres allſtündlich ange— ſtellten, umfaſſenden, meteorologiſchen Ableſungen erſtreckten fic) auf Druck, Temperatur und Feuchtigkeit der Luft, Rich⸗ tung und Geſchwindigkeit des Windes, Menge, Form und Zug der Wolken, Hydrometeore und Niederſchlagsmenge. Aus der darauf bezüglichen allgemeinen Ueberſicht mag hier das Folgende erwähnt werden: 275 Durch die bereitwillige Unterſtützung des „Erdſtrom— Komitees“ des elektrotechniſchen Vereins zu Berlin war die Expedition mit dem erforderlichen Kabel von etwa 12 km Länge und den nötigen Apparaten ausgerüſtet worden, um auch den noch ſehr wenig erforſchten Phänomen der Erdſtröme ihre Aufmerkſamkeit widmen zu können. Die betreffenden Reſultate, welche durch Auslegen des Kabels in einer Schleife von etwa 8 qkm Inhalt und ſpäter in zwei unter einem beſtimmten Winkel ſich kreuzenden Leitungen erhalten worden find, haben zwar eine Erkennt— nis der bezüglichen elektriſchen Zuſtände der Erdoberfläche nicht geliefert, aber doch wurde über den Zuſammenhang derſelben mit der Vertikalintenſität des Erdmagnetismus Kingua⸗Fjord. Luftdruck. Temperatur in Graden al Luft⸗ ges wind Niederſchlag. | Celſius. an denen feuchtig⸗ keit in Metern | Max. Mittel.] Max. Min. Ane keit br. Sekunde. 1155 1 25 700 mm ++ Mittel. Mar. Min. Diff. nicht ber in 0. Mittel Mar. natlich. Stdn. mm mm mm °? 0 1 a Je. diate. m m | mm | mm 1882 u. 1883 Sept. 51,8 | 62,7 | 44,9 |-+ 1,2 ½ 10,4 — 6,8 17,2 3 | 78,9 | 25] 8,5 7,0 | 6,6) 1,6 1882 Okt. 55,1 | 69,0 33,9 — 10,9 0,0 — 24,5 24,5 31 || 76,6 2,7 10,1 6,0 || 9,1) 3,0 Nov. 56,5 | 72,0 | 41,0 — 18,1 — 2,5 — 33,4] 30,9 30 — | 2,1 10,3 6,7 || 16,6) 2,6 Dez. 60,7 74,6 | 44,0 — 21,7 — 1,3] — 34,9 53,6 31 — || 0,8 22,3 6,2 13,0 3,5 1883 Jan. 50,5 | 68,5 30,3 — 30,5 — 9,5 — 40,9 31,6 31 — 0, 5,8 4,6 24) 0,5 Febr. 47,6 | 63,6 26,1 — 35,8 — 24,2 — 45,2 21,0 28 — 0,5 6,4 4,5 5,0 0,8 März || 56,0 | 79,6 24,5 — 21,2 E 3,7 — 48,1] 51,8) 28 — 2,5 13,2 7,0 13,9 4,5 April 58,2 | 76,8 40,1 — 15,2 + 2,1 — 30,6 32,7 26 „ e 7,6 3,2 Mai 58,5 70,6 41,0 — 0,9 + 7,9 — 11,6 19,5 5 78,4 2,3 13,2 7,0 7,8 3,4 Juni 52,9 64,3 | 38,9 + 2,5 + 10,7 — 5,2 15,9 0 | 78,8 || 3,0 11,2 8,5 || 69,0) 19,8 Juli 54,1 71,1 43,3 . 5,9 15,8 + 0,4] 15,4 0 82,5 || 2,9 9,2 7,9 || 86,0) 21,1 Mug. || 55,1 | 67,9 44,5 + 7,4)+ 19,7 | 0,0 19,7 0 81,6 3,1 8,2 65 30,0 8,0 f f T Jahr 54,7 | 79,6 | 24,5 — 11,4] + 19,7 — 48,1 67,8) 213 — | 2,0 22,3 6,5 267,0 21,1 Die magnetiſchen Beobachtungen erſtreckten fic) auf Be- ſtimmung der abſoluten Werte der Deklination, Inklination und Intenſität, auf die ſtündliche Aufzeichnung der Varia⸗ tionen dieſer drei Elemente und auf die Verfolgung etwaiger größerer Schwankungen der letzteren (Störungen) und den Zuſammenhang dieſer Störungen mit den Polar⸗ lichterſcheinungen. Durch die große Nähe der Station am magnetiſchen Pol der Erde waren die Variationen aufer- ordentlich groß, wodurch nicht nur deren Beobachtung ſelbſt, ſondern auch die abſoluten Beſtimmungen häufig ſehr erſchwert wurden. Die mit Hilfe eines magnetiſchen Theo- doliten, eines Inklinatoriums und eines Erdinduktors, ſowie zweier vollſtändiger Sätze Lamontſcher Variations⸗ inſtrumente in Verbindung mit einer Lloydſchen Wage erlangten allgemeinen Reſultate, zeigt das folgende Täfelchen: Kingua⸗Fjord. 5 Deklination: 2870 48% Mittlere Jahreswerte der Horizont.⸗Intenſität: 0,063 79 Inklination: 830 540 Aus den ſtündlichen Beobachtungen abgeleitete Werte der ; Deklination: Hoxizont.⸗Intenſität: Vertikal⸗Intenſität: Mittel. Mar. Min. Mittel. Max. Min. Mittel. Max. Min 1882 2800 + 0,0 0,5 Sept. 70 52,5“ 80 48,0“ 60 53,5“ 6403 6515 6236 — — — Okt. 7 40,6 11 5,1 4 27,2 6387 6581 6041 — — — Nov. 7 30,0 12 0,7 2 32,0 6377 6954 5713 — — — Dez. 7 37,1 10 9,4 5 25,0 6377 6549 6173 — — — 1883 Jan. 7 40,7 8 42,3 3 44,0 6368 6453 6199 — — — Febr. 7 39,1 9 12,7 4 24,2 6365 6554 6095 9125˙09618 8966 März 7 42,6 9 14,6 5 6,4 6361 6542 6079 9200 9785 8988 April 7 50,5 13 26.4 4 14,7 6374 6601 5925 9341 9617 9082 Mai 7 58,0 11 35,6 5 30,6 6385 6673 5924 9527 9872 9252 Juni 7 564 11 38,3 5 3,8 6382 6686 6008 9448 9936 9031 Juli 8 19 12 16,9 3 42,9 6383 6667 5648 9358 9854 8928 Aug. 8 2,0 11 17,2 6 25,7 6387 6657 6112 9288 9878 9059 Jahr 70 48,0’ 130 26,4“ 20 32,0“ 6379 6954 5648 (9321) 9936 8928 *) Die Vertikalintenſität konnte erſt vom Februar an mit einer ) Lloydſchen Wage genügend zuverläſſig beobachtet werden. und deren ſchnellen Aenderungen intereſſante Aufſchlüſſe erlangt. Einen intereſſanten Teil des Werkes bilden die Beobachtungen der Polarlichter, welche ſowohl in Labrador als auch in Kingua-Fjord ſehr aufmerkſam beobachtet wurden. An letzterem Ort wurde auch den Beziehungen zwiſchen Polarlicht und magnetiſcher Störung beſondere Aufmerkſamkeit geſchenkt. Dieſer von Dr. Koch bearbeitete Abſchnitt enthält am Schluſſe eine Reihe charakteriſtiſcher Polarlichtabbildungen in vortrefflicher Lichtdruckreproduk— tion. Ueber den allgemeinen Typus dieſer Erſcheinungen ſagt der Verfaſſer an der betreffenden Stelle: „Die auf der Station Kingua-Fjord beobachteten Polarlichterſchei— nungen waren nur lichtſchwach (2), ſie beſtanden meiſtens aus ſchwach leuchtendem Polarlichtgewölk oder aus ſtrahl— förmigen Gebilden oft mit undeutlichen Umriſſen. Dieſe dunſtartigen Maſſen ordneten ſich häufig zu Bändern oder Fragmenten von ſolchen an, die in ihrer Form Aehn— lichkeit mit Cirruswolken hatten; dieſe Lichterſcheinungen befanden ſich meiſtens am Südhimmel, hoben und ſenkten ſich, erreichten das Zenith in einigen Fällen, überſchritten es jedoch nur ſelten nach Norden hin. Kam ein Gebilde in die Nähe des Zeniths, ſo trat in einigen Fällen Kronenbildung ein. Die Hauptrichtung, in der die Gr- ſcheinung ſichtbar war, war jedenfalls ſüdlich. Dieſe Rich— tung und die geringe Intenſität haben offenbar ihren Grund darin, daß Kingua-Fjord ſchon ziemlich bedeutend nördlich von der Maximalzone der Intenſität und Haufig- keit liegt. Die Station Nain (Labrador) dagegen liegt nahezu in dieſer Zone, oder doch nur wenig ſüdlich davon; deshalb traten hier die Erſcheinungen mit großer Häufigkeit und Intenſität auf und die Lichterſcheinungen waren in allen Teilen des Himmels ſichtbar, wenn ſie auch in nördlicher Richtung etwas häufiger waren als in ſüdlicher. Sie beſtanden hauptſächlich aus Bogen und Bändern, die ſich oft in größerer Anzahl über den Himmel ſpannten. Polarlichtgewölk und Strahlen waren ebenfalls 276 Humboldt. — Juli 1887. häufige Erſcheinungsformen. Das Polarlicht begann meiſtens mit Strahlen, die von irgend einem Punkte aus gegen das Zenith ſchoſſen. Bald darauf zeigte ſich dann durch das Zenith oder über dem Nordhimmel ein Bogen oder ein Band, dasſelbe teilte ſich, es bildeten ſich andere parallel zu ihm, die Bänder und Bogen erhoben ſich darauf zum Zenith, überſchritten dasſelbe und ſenkten ſich gegen den Südhorizont, wanderten darauf zurück, bildeten hierbei beim Paſſieren des Zenithes eine Krone und ſenkten ſich wieder zum Nordhorizont; darauf verblaßte entweder die Erſcheinung, oder es begann das Spiel von neuem. Bei⸗ nahe jedesmal, wenn eine intenſivere Erſcheinung vorüber gegangen war, blieb der Himmel an den verſchiedenſten Stellen mit Polarlichtdunſtmaſſen bedeckt; eine aufmerk⸗ fame Betrachtung desſelben zeigte, daß dieſe Dunſtmaſſen nichts anderes waren als die übriggebliebenen Fragmente Am Stationsorte der Südexpedition erſtrecken ſich die geographiſchen Aufnahmen auch nur auf die nächſte Umgebung der Station, da dort die faſt völlig ver⸗ gletſcherte, ſchroffe Gebirgsnatur der Inſel ein weiteres Vordringen ohne Hintanſetzung der ſpeciellen Aufgaben der Expedition unmöglich machte. Eine hübſche Karte, welche dem zweiten Bande des Polarwerkes beigegeben iſt, gibt ein recht anſchauliches Bild des aufgenommenen Gebietes. Ebenſo wie im Norden, war auch in Royal Bai auf Süd⸗ georgien der Stationsort namentlich für die mit der Windrichtung in Verbindung ſtehenden meteorologiſchen Beobachtungen nicht völlig einwurfsfrei gelegen, da hier nur die ſeltenen Oſt⸗ und Südoſtwinde von hoher See frei und unbeeinflußt die Station erreichen konnten, während die übrigen Windrichtungen durch die hohen Berge der Aſtronomiſches Obſervatorium der Nordſtation. Paſſagen⸗Inſtrument.) der voraufgegangenen brillanteren Erſcheinungen.“ Den Schluß des erſten Bandes bilden, wie ſchon oben angedeutet, die während der internationalen Beobachtungsepoche zu Breslau und Göttingen ausgeführten magnetiſchen Be⸗ obachtungen. Der Ueberblick, namentlich über die mag⸗ netiſchen und meteorologiſchen Beobachtungsreſultate, wird durch eine große Reihe von graphiſchen Darſtellungen ganz weſentlich erleichtert. Die auf die magnetiſchen Störungen bezüglichen Tafeln veranſchaulichen den außerordentlich variabeln Charakter und die ſehr großen Schwankungen der magnetiſchen Elemente während ſolcher Störungstage. Wenn auch dieſe Expedition nicht in bisher unbe⸗ kannte Gegenden geſandt worden war, ſo ſind doch über einige Einzelheiten der Landeskonfiguration nähere Auf⸗ ſchlüſſe durch zwei im Monat Mai unternommene Schlitten⸗ reiſen erbracht worden, ſo daß in Verbindung mit den ſpäteren Aufnahmen des Dr. Boas die dem Werke bei⸗ gegebenen Kartenſkizzen der äußerſten Fjorde immerhin zu einer Vervollſtändigung unſerer Kenntnis der Baffins⸗ bailänder beitragen. Univerſalinſtrument der Nordſtation und ſeine Aufſtellung. nächſten Nachbarſchaft mehr oder weniger abgelenkt oder modifiziert wurden. Die aſtronomiſche Beſtimmung der geographiſchen Koordinaten des Stationsortes ergab als weſtliche Länge von Greenwich 2u 24™ 3° und als ſüd⸗ liche Breite 54 30, 58“. Dieſe Beſtimmungen erlangten eine erhöhte Bedeutung durch die günſtige Lage der Station zur Beobachtung des ſeltenen Phänomens des Vorüberganges der Venus vor der Sonnenſcheibe. Mit Unterſtützung der Sternwarte zu Hamburg und der Deutſchen Kommiſſion zur Beobachtung dieſes Vorüberganges, hatte die Expedition eine diesbezügliche Ergänzung ihrer Ausrüſtung erhalten. Die Beobachtung dieſer Erſcheinung wurde am 6. Dez. 1882 recht vollſtändig ausgeführt, und werden die erlangten Daten im Verein mit den auf den vier anderen ſpeciell zu dieſem Zwecke ausgeſandten Expeditionen gewonnenen Reſultaten publiziert werden. Wie oben für Kingua⸗Fjord mag auch hier eine kurze Ueberſicht der meteorologiſchen Reſultate eingeſchaltet werden, da die wenigen Zahlen die klimatologiſchen Verhältniſſe beſſer als eine eingehende Er⸗ läuterung illuſtrieren: ee Humboldt. — Juli 1887. 277 Südgeorgien. r : Zahl deri) Wind⸗ ee Luftdruck. | Temperatur in Graden Sabt deel Luft⸗ | geſchwindig⸗ | Niederſchlag. Celſius. an denen feuchtig⸗ keit in Met Mittel. Max. Min. . ner a pe. Sekunde. S8 | 95 in 2 700 mm -+ Mittel. Mar. Min. Diff. | nit aber in Op, (ORittet.) Mar. 0 “Fe aap h.] Stdn. mm | mm | mm | 0 0 0 o 0 zeigte. | m m Mittel. mm | mm || {| {| 1882 September. 50,2 | 66,1 35,6 — 0,9 + 4,8 — 6,8 11,6| 2 — s 127,9 51,5 Oktober 45,9 62,0 24,2 1,3 . 6,7 — 69/136] 1 | — | 66 22,9 7,3 117,8 25,2 November 44,5 | 67,1 28,9 + 2,9 . 9,8 — 1,6144 0 76,2 | 5,2 23,3 7,2 69,8 23,1 Dezember 41,9 57,9 21,4 + 3,7 11,9 + 0,1) 11,8 0 || 73,9 || 7,2 | 25,3 || 7,6 74,0 33,0 1883 Januar. .|| 40,2 | 55,5 13,4 + 4,6 + 11,7 — 0,2 11,9 0 | 71,9 || 68 | 26,3 I 7,2 i 82,1} 13,0 Februar . 44,5 | 62,7 18,5 + 5,4 4 17,8 — 0,0 17,8 0 70,9 || 7,0 20/4 | 7,3 85,6 26,9 März 42,9 | 66,8 12,7 J 3,5 11,9 — 3,4 15,3 1 72,6 | 6,7 | — 7,7 146,8 29,6 April . 42,3 57,0 11,3 | + 0,5 + 9,5 — 6,8 16,3 4 77,3 || 6,9 26,3 7,4 81,6 18,5 Mat... 51,2 69,7 30,5 92 + 9,5 — 8,5 18,0 7 — | 6,4 | 23,3 || 6,5 15,5 3,2 Juni. . 48,3 | 65,6 23,9 — 2,9 + 5,7 — 10,0 15,7 16 75,9 || 5,7 20,3 7,2 52,2 11,4 Juli. 49,0 | 62,7 28,2 — 2,3 | + 10,4 | — 12,3 22,7 12 72,6 || 7,1 | 20,0 | 6,8 || 35,0) 12,1 Auguſt. 49, | 67,3 6 -+ 1.2] + 151|—10,7/258) 4 | 72,3 84 25,2 6,0 |100,0| 72,8 Jahr 45,9 69,7 | 60] 14 17,8 — 12,3 30,1 47 — | 6s 020,3 70 988,3 72,8 I Il i ' i In magnetiſcher Hinſicht war der Charakter der Station auf Südgeorgien ein weſentlich anderer als derjenige im Norden. War dieſe ausgezeichnet durch die große Unruhe der magnetiſchen Elemente, fo fanden an jener nur äußerſt ſelten größere Variationen ſtatt, und machten nur die faſt überall beobachteten Störungstage eine erhebliche Aus— nahme. Bei der großen Entfernung unſerer Südſtation von den Centren der magnetiſchen Kraftwirkung war aller— dings dieſes Reſultat auch von vornherein zu erwarten. Eini⸗ germaßen überraſchend iſt aber trotzdem die Thatſache, daß Südlichter mit Ausnahme einer nicht ganz ſicheren Cr- ſcheinung abſolut nicht beobachtet wurden. Eine auszugs— weiſe gegebene Zuſammenſtellung der erlangten erdmag— netiſchen Daten mag auch hier die dortigen Verhältniſſe im allgemeinen zur Anſchauung bringen: Südgeorgien. 9 Deklination: 3590 45“ Mittlere Jahreswerte der r 0,25668 nflination: 480 527 Aus den ſtündlichen Beobachtungen abgeleitete Werte der Deklination: Horizont. Intenſität: Vextikal-Intenſität: Mittel. Max. Min. Mittel. Max. Min. Mittel. Max. Min. 1882 3590 + 0,25 Sept. 00 48,0“ 00 56,0“ 00 37,47 — — SS SS Okt. 48,0 1 2,8 31,2 602) 826 508 (482°) 636 123 Nov. 48,6 1 12,6 32,2 648 739 226 438 709 017 Dez. 46,8 0 55,2 39,0 677 752 604 322 691 022 1883 Jan. 0 45,9 0 53,3 40,1 685 752 623 282 490 013 Febr 45,0 53,4 35,0 683 751 595 486 665 303 März 44,3 53,3 35,4 682 742 593 463 570 340 April 43,2 52,2 37,4 665 751 495 406 504 289 Mai 41,8 45,9 29,7 669 708 610 400 492 296 Suni 42,3 47,9 34,6 659 719 607 356 474 245 Juli 414 47,0 32,8 674 745 604 412 538 300 Aug. 40,9 49,8 35,6 700 757 630 409 552 301 Jahr 00 44,7“ 10 12,6“ 00 29,7“ 668 826 226 405 709 013 Eine weſentliche Vervollſtändigung der erdmagnetiſchen Beobachtungen der deutſchen Expeditionen erhielten die⸗ ſelben durch die regelmäßigen Beobachtungen auf dem Ob— ſervatorium der kaiſerlichen Marine zu Wilhelmshaven, wo unter Prof. Börgen nicht nur ein Satz ſelbſtregiſtrierender (photographiſch) Variationsinſtrumente in Thätigkeit er⸗ halten wurde, ſondern auch eine Reihe von abſoluten Be— ſtimmungen ſpeciell für die Zwecke der internationalen Polarforſchung ausgeführt worden ſind. Auch während der an jenem Inſtitute ausgeführten Diskuſſion der ſämtlichen magnetiſchen Beobachtungen wurden noch vielfache Beobach— tungen zur Konſtantenbeſtimmung und anderweitigen Unter— ſuchung der benutzten Inſtrumente angeſtellt, deren Refultate auch zum größten Teile den beiden Bänden anhangsweiſe *) Im Sept. waren die Ableſungen an dieſen Inſtrumenten noch nicht zuverläſſig genug. einverleibt werden konnten. Das wären in kurzen Worten die bis jetzt abgeleiteten Reſultate der deutſchen Stationen in ihren prägnanteſten Zügen. Das außerordentlich große Material, welches in den vorliegenden Publikationen ent— halten iſt, wird in Verbindung mit den Daten der fremden Veröffentlichungen bei eingehender Diskuſſion ſicher eine Menge intereſſanter und für das Studium der Phyſik der Erde höchſt wichtiger Ergebniſſe allgemeinen Charakters liefern, und es iſt zu hoffen, daß dieſe Ergebniſſe weiter— hin anſpornen werden zu erneuten Anſtrengungen auf dem Gebiete der arktiſchen und der antarktiſchen Forſchung. Namentlich das antarktiſche Gebiet, noch ſo wenig er⸗ ſchloſſen, wird einen mehr und mehr hervortretenden Platz in den Reihen der Polarunternehmungen einzunehmen be— rufen ſein. Und nach allem ſteht zu hoffen, daß auf der jetzt betretenen Bahn in nicht zu ferner Zeit das Ziel, welches Weyprecht im Geiſte erſchaut, auch in Wirklichkeit wird erreicht werden. Die 60. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte findet vom 18. bis 24. September 1887 in Wiesbaden ſtatt. Die Geſchäftsführung liegt in den be— währten Händen der Herren Geheimerat Profeſſor Dr. R. Freſenius und Sanitätsrat Dr. Arnold Pagenſtecher. Mit der Verſammlung wird eine Fachausſtellung verbunden werden, in der Neues und beſonders Vollendetes von Apparaten, Hilfsmitteln und Präparaten in jeder der untenerwähnten Gruppen gezeigt werden ſoll. — Die Ausſteller werden weder Platzmiete noch Bei— ſteuer irgend einer Art zu leiſten haben, und es darf eine der Verſammlung würdige, die neueſten Fort- ſchritte repräſentierende Ausſtellung erwartet werden. An⸗ fragen ſind an den Vorſitzenden des Ausſtellungskomitees, Herrn Dreyfus, 44 Frankfurterſtraße, Wiesbaden zu richten. Folgende Gruppen ſind in Ausſicht genommen: Chemie, Phyſik mit beſonderer Abteilung für Mikrologie, Natur⸗ wiſſenſchaftlicher Unterricht, Geographie, Wiſſenſchaftliche Reiſeausrüſtung, Photographie, Anthropologie, Biologie und Phyſiologie, Hygiene, Ophthalmologie, Laryngologie, Rhinologie und Otiatrie, Elektrotherapie und Neurologie, Gynäkologie, Chirurgie, Militär⸗Sanitätsweſen, Orthopädie, Zahnlehre und Zahnheilkunde, Pharmazie und Phar— makologie. D. Die Verſammlung der „British Association for the Advancement of Science“ wird in dieſem Jahre in Mancheſter abgehalten und beginnt am 31. Auguſt. Präſident ijt Sir Henry Roscoe. Sektionspräſidenten find: Sektion A (Mathematik und Phyſik): Sir Robert S. Ball. Sektion B (Chemie): Dr. Edward Schunck. Sektion C (Geologie): Dr. Henry Woodward. Sektion D (Biologie): Profeſſor 278 Humboldt. — Juli 1887. A. Newton. Sektion E (Geographie): Sir Charles Warren. Sektion F (Volkswirtſchaft): Dr. Robert Giffen. Sektion G (Mechanik): Profeſſor Osborne Reynolds. Für Sektion II (Anthropologie) iſt noch kein Präſident ernannt. Ms. Die diesjährige Verſammlung der „Assoeiation francaise pour Pavancement des sciences“ wird vom 22. bis 29. September in Toulouſe tagen. Dem Kongreß der Vereinigten Staaten liegt ein Ge⸗ ſetz vor, welches die Errichtung von landwirtſchaftlichen Verſuchsſtationen anordnet. Dieſelben ſollen mit den in den einzelnen Staaten beſtehenden landwirtſchaftlichen Hoch⸗ ſchulen verbunden werden. M—s. Der Kongreß deutſcher Koniferen⸗Züchter, welcher im Mai bei Gelegenheit der großen Pflanzenausſtellung in Dresden ſtattfand, hat einſtimmig die von dem herzoglichen Garteninſpektor Beißner-Braunſchweig in Vorſchlag ge- brachte einheitliche Benennung der Nadelhölzer acceptiert. Dieſe Nomenklatur, welche alle neueren wiſſenſchaftlichen Fortſchritte berückſichtigt, ſtützt ſich in erſter Linie auf Bentham und Hooker's „Genera plantarum“. Die Koniferen zerfallen dementſprechend in 6 große Abteilungen: die Cupreſſineen, Taxodieen, Taxeen, Podocarpeen, Auracarien und Abietineen, und dieſe werden wiederum in 40 Gruppen eingeteilt. 5 Hygiene⸗Muſeum. Der preußiſche Kultusminiſter hat mit Bezug auf das neu begründete Hygiene-Muſeum in Berlin eine Verfügung an die Oberpräſidenten erlaſſen, welche die Zwecke desſelben präziſiert. Dem Muſeum iſt die Aufgabe geſtellt, nicht allein durch die Schauſtellung der in demſelben enthaltenen Gegenſtände und durch zweck— mäßige Beſchreibung derſelben das Verſtändnis für die Forderungen der Geſundheitspflege zu beleben und zu er- weitern, ſondern es ſoll ſich immer mehr zu einer Central⸗ ſtelle heranbilden, in welcher den Auskunft wünſchenden Intereſſenten, namentlich auch den Gemeindebehörden, Rat für die zweckmäßige Durchführung der von ihnen projektierten Anlagen erteilt wird. Auch liegt es in der Abſicht, in dem Muſeum Vorträge über ausgewählte Teile der Ge⸗ ſundheitspflege halten zu laſſen. Dieſen Anforderungen aber kann das Muſeum in vollem Umfange nur gerecht werden, wenn ſeine Beſtrebungen in weiteren Kreiſen Entgegen⸗ kommen finden und dem Muſeum geeignete Gegenſtände, Modelle, Pläne und Zeichnungen in thunlichſter Voll⸗ ſtändigkeit überwieſen werden. Die Oberpräſidenten werden daher aufgefordert, die Bewohner ihrer Provinzen in ge⸗ eigneter Weiſe auf das Muſeum aufmerkſam zu machen und das Intereſſe behufs Förderung der Zwecke desſelben wachzurufen. Ms. Ein Muſeum für Naturgeſchichte. In Perak (Malakka) bemüht man ſich ſeit 1883, ein Muſeum für Naturgeſchichte herzuſtellen. Einige 4000 Mineralien, Tiere, Pflanzen, ſowie ethnologiſche Gegenſtände ſind geſammelt und aufgeſtellt worden, während viele andere aus Mangel an Raum noch der Einreihung harren. Wenn der Staat in der Lage ſein wird, ein geeignetes Muſeum zu bauen, ſo wird eine ſehr intereſſante und vollſtändige Sammlung vorbereitet ſein, welche die natürlichen Verhältniſſe des Landes veranſchaulicht. Pater Scortichini, ein Botaniker, der für die Regierung in den Straits Settlements thätig war, iſt länger als ein Jahr damit beſchäftigt geweſen, eine vollſtändige Sammlung der Flora von Perak zu⸗ ſammenzubringen. Vor kurzem iſt derſelbe jedoch in Calcutta geſtorben. M—s. Slora von St. Domingo. Baron Eggers wird, im Auftrage des Dr. Urban und mit Unterſtützung der k. Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin, eine botaniſche Forſchungsreiſe in die noch unbekannten höheren Gebirge St. Domingos ausführen. Die geſammelten Pflanzen ge⸗ langen in zwei übereinſtimmend numerierten Sammlungen zur Ausgabe. Die eine umfaßt nur ſolche Pflanzen, welche in Eggers' Flora Indiae occidentalis exs. noch nicht vertreten ſind, und koſtet pro Centurie 40 Mark. Die andere größere ſchließt nur die tropiſchen Übiquiſten, be⸗ ſonders die Meerſtrandsflora, aus und wird für 30 Mark abgegeben. Die Bearbeitung wird im Verein mit mehreren Monographen Urban (Friedenau b. Berlin) ausführen, welcher auch Abonnements auf die eine oder die andere Ausgabe (ohne Vorausbezahlung) entgegennimmt. Da bei den ſehr ſchwierigen Transportverhältniſſen der Inſel nur eine beſchränkte Anzahl von Exemplaren geſammelt werden kann, ſo wird um baldige Anmeldung gebeten. Ms. Der botaniſche Garten zu Santiago (Chile) hat, wie Eduard Regel in der „Gartenflora“ mitteilt, ſeinen erſten Katatog herausgegeben, wonach derſelbe vollberechtigt in die Reihe der bedeutenderen botaniſchen Gärten eintritt. In dieſem Verzeichnis ſind 166 Familien mit 2146 Arten vertreten. Der Direktor des Inſtitutes iſt Dr. Friedrich Philippi. —s. Wachsmodelle. Prof. Weismann in Freiburg i. Br. macht auf die neuen Wachsmodelle pelagiſcher Larvenformen aufmerkſam, die Dr. Ziegler in Freiburg in paſſender Aus⸗ wahl und vortrefflicher Ausführung angefertigt hat. Die Serie von acht Typen iſt wohl geeignet, eine lebendige Anſchauung dieſer Entwickelungsformen zu geben. M—s. Preisaufgabe. Die Breslauer Sektion des Deutſchen und Oeſterreichiſchen Alpenvereins hat zur Feier ihres zehn⸗ jährigen Beſtehens die Aufgabe zur Preisbewerbung ge⸗ ſtellt, die Vergletſcherung der öſterreichiſchen Alpen⸗ länder zu ſchildern. Die Arbeiten müſſen bis 1. Mai 1890 eingeliefert ſein. Der Preis beträgt 9000 Mark. Preis⸗ richter ſind Profeſſor Karl v. Zittel, Profeſſor Julius Hann, Dr. Joſeph Partſch. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Erdbeben und Vulkane. Am 5. April meldete man von Aden (Arabien), daß während der letzten Tage wieder⸗ holt Erdſtöße ſtattgefunden haben. Am 11. April wurden in Charleston und Bur⸗ lington (Vermont) Erderſchütterungen verſpürt. Am 13. April beobachtete man in Liſſabon einen Erdſtoß, ebenſo auf Malta. Am 15. April wurde man in Santa Flavia (Sicilien) von einem heftigen Erdbeben heimgeſucht. Mehrere Häuſer ſtürzten ein. In der Nacht zum 23. April kurz nach Mitternacht wurde zu Feldkirch in Vorarlberg ein Erdbeben beobachtet, welches ſich in zwei Stößen äußerte, ebenſo zu Rüthi im Rheinthal und in Sennwald. Auf den beiden Kanalinſeln Jerſey und Guernſey wurde am Morgen des 28. April, bald nach 3 Uhr, ein ziem⸗ lich heftiger, von donnerähnlichem Geräuſch begleiteter Erd⸗ ſtoß verſpürt, der die Richtung von SW. nach NO. einſchlug. Am 29. April 5 Uhr 44 Min. nachmittags fand zu Stolac (Bosnien) ein ſtarkes, 3—4 Sekunden andauerndes Erdbeben in der Richtung von O. nach W. ſtatt. An mehreren Orten im Peloponnes und in Weſt⸗ griechenland fanden in den erſten Tagen des Mai heftige Erderſchütterungen ſtatt. Am 3. Mat früh 33/4 Uhr wurde in Forli (Etrusk. Apenninen) ein mehrere Sekunden andauernder Erdſtoß ver⸗ ſpürt. Die Bewegung war eine wellenförmige. An demſelben Tage wütete ein großes Erdbeben im weſtlichen und ſüdweſtlichen Nordamerika. Die Erdſtöße desſelben dehnten ſich bis zur Küſte des Stillen Oceans aus. In Centreville in Kalifornien, in den Städten Tuscon, Tombſtone, Phönix Globe und Benſon in Arizona, in Guamyas in Mexiko und an anderen Orten wurde die Bevölkerung in großen Schrecken verſetzt. Ein großer Teil des bei Tuscon gelegenen Berges Santa Cata⸗ rina ſtürzte ein, und ſtiegen infolgedeſſen ungeheure Staub⸗ wolken in die Höhe. Eine Spitze des Berges iſt ver⸗ ſchwunden. Bei Benſon entſtanden 6“ breite Riſſe in der Humboldt. — Juli 1887. Erde und das Waſſer quoll an Stellen hervor, die bisher trocken geweſen waren. Zehn Meilen von Tombſtone wurde ein 1 Morgen großer See völlig ausgetrocknet in 20 Minuten. Längs der Sonora-Eiſenbahn wurden überall Erdſtöße geſpürt. Eine Minute nach der erſten Erſchütterung ſtürzte der höchſte Felſen des Berges Chivatro ein. Die Staubwolken machten aus der Ferne den Eindruck, als habe ein vulkaniſcher Ausbruch ſtattgefunden. Menſchen⸗ leben ſind, ſoweit bis jetzt bekannt, nicht zu beklagen. Die Dauer des Erdbebens wird auf 8 Sekunden bis 4 Minuten angegeben. Aus den ſüdweſtlichen Staaten eintreffende Nachrichten vom 5. d. M. melden, daß dort noch immer Erdſtöße verſpürt werden. Im ganzen ſüdlichen Arizona wurde das Erdbeben beobachtet. In Benſon verſpürte man ſechs verſchiedene Erdſtöße; 20 Meilen von der Stadt hat ſich ein vulkaniſcher Krater gebildet, welcher jetzt in Thätigkeit iſt. Eine vulkaniſche Eruption fand auch ſtatt im San Joſe⸗Gebirge an der Grenze der mexikaniſchen Provinz Sonora. Mehrere Expeditionen haben ſich dorthin begeben, um die Erſcheinungen zu unterſuchen. Die Stadt Monte— zuma iſt zerſtört worden, wobei 150 Einwohner umge— kommen ſind. In Oputa ſind 20 Perſonen durch ein⸗ ſtürzende Mauern getötet worden. Grenados und Guſabor ſind ebenfalls faſt gänzlich zerſtört, wobei zahlreiche Per— ſonen verletzt worden ſind. Dr. Falb glaubt, daß der Herd des Erdbebens an der Waſſerſcheide des Rio San Pedro und Rio de Senora zwiſchen den Gebirgsſtrecken der Sierra de Catalonia und San Joſe im Süden von der Stadt Tuscan zu ſuchen fei. Angeſichts der Intenſität dieſer Er— ſchütterung und ſeiner Gleichzeitigkeit mit den vom 3. d. M. aus dem Peloponnes und aus Forli gemeldeten heftigen Erdſtößen erſcheint dieſem Forſcher der Schluß auf eine allgemeine Urſache der unterirdiſchen Aufregung auch dies— mal gerechtfertigt und zwar um ſo mehr, als einen Tag ſpäter der Aequatorſtand, zwei Tage ſpäter die Erdnähe und am vieten Tage der Vollſchein des Mondes eintrat, womit eine verhältnismäßig größere Flutwirkung desſelben verbunden fei. Jene allgemeine Urſache des Paroxysmus am 3. Mat wäre ſomit die Springflut der Lava, welche ſich durch unterirdiſche Eruptionen an verſchiedenen Stellen äußerte. Der Typus dieſes Erdbebens ſcheine wieder derſelbe zu ſein, wie er ſich bei allen Kataſtrophen darſtelle, da die größte Verheerung vom erſten Tage gemeldet werde und an den nächſten Tagen Stöße noch fortdauerten. Weiter meint er, daß die Meldung von der Bildung eines Kraters und von einem vulkaniſchen Ausbruche ſich ſpäter wohl nur auf ein Aufſteigen von Staubwolken reduzieren werde. Am 10. Mai wird gemeldet, daß noch immer Erdſtöße in Ures (Mexiko) geſpürt werden, weshalb die Einwohner die Stadt verlaſſen. Bei Delicias ſtürzte ein oberhalb der Grube Santa Elena befindlicher Hügel ein und bedeckte mit ſeinen Trümmern die an ſeinem Fuße befindlichen Leute. Ein Reiſender, welcher Tuscon beſucht hat, berichtet, daß eine 25 Meilen lange Erdſpalte ſich von der Nähe Benſons bis 15 Meilen unterhalb Tres Alamo hinziehe. Die Spalte fei 6—18“ breit. Aus der „Hawaii Gazette“ von Honolulu vom 15. Februar entlehnen wir noch einige Einzelheiten über den Ausbruch des Mauna Loa. Ein helles Licht und eine Feuerſäule wurden zuerſt auf der Höhe des Kraters bemerkt am 16. Januar ungefähr um 9 Uhr abends. Kurz nach 11 Uhr ſchien das Feuer erloſchen zu ſein und am folgenden Abend ſah man kein Licht mehr. Daß aber vulkaniſche Bewegungen vorhanden ſeien, war den Ein— wohnern von Kau nur zu wahrſcheinlich, denn wiederholte Erdſtöße wurden verſpürt, ja man zählte deren ſogar bis auf 383. Unterdeſſen hatte die Lava ſich Bahn gebrochen und verbreitete ſich aus einem Riß des Berges, der über drei Meilen weit ſich erſtreckte. Die Länge des Stromes wird auf ungefähr 20 Meilen berechnet und er dauerte zwei Tage. Nach heftigen Stößen am 17., 18. und 19. Januar hörten die Erdbeben auf bis zum 23., wo die Einwohner von Kau wieder durch neue Stöße erweckt wurden. Major Benjon erzählt: „Stellen Sie ſich ein Panorama vor mit einem 14 Meilen langen Feuerſtrom, der ſich aus der Höhe von 279 5000“ in das Meer ergießt, in Sicht des 14000“ hohen ſchneebedeckten Mauna Loa mit weiter Ausſicht auf den Stillen Ocean, ſo bietet ſich Ihnen ein großartiges, furchtbar prächtiges Bild dar. Nachdem wir am Sonntagmorgen ge— landet, erreichten wir Waiohino, ein freundliches Dörfchen. In der Nähe des Hauptausbruches angelangt, zeigte ſich nichts als Zerſtörung und Verwüſtung. Als die Nacht hereinbrach, ſuchten wir vergeblich das tiefrote Glühen des Ausbruches; kein Licht war ſichtbar als das des aufgehenden Mondes. Wir hatten die Wolkenſäule bei Tag, aber keine Feuerſäule bei Nacht. Mit ungeheuren Haufen von braunen Kohlen zeigte ſich die Fläche bedeckt; heiße Aſche hatte ſich zuweilen bis zu 25“ hoch aufgetürmt, gegen die Mitte des Kraters zu ſelbſt zu 40“ Höhe anſteigend. Alles war von der Hitze verſengt. Nach dem Meere hin machte die Ausſicht den tiefſten Eindruck. Durch die mehr als eine Meile lang ſich bewegende, faſt eine Woche andauernde Feuerflut hatte ſich alles dem Meere entlang in eine graue, düſtere, zerriſſene Maſſe verwandelt. Von Augenzeugen habe ich die Beſchreibung des furchtbar prächtigen Schau— ſpiels beim Erguß der glühenden Maſſe, die ſich mit wildem Ziſchen und Brauſen in den aufgeregten Ocean ſtürzte, mit mächtiger Gewalt eine Menge von Aſche und Steinen nach ſich wälzend, alles auf ihrem Wege zerſtörend und verſengend, um zuletzt, haushohe Wogen aufwerfend, in der ſtürmiſchen See mit dumpfem Donner und Getöſe zu ver— ſchwinden. Wir ſahen nur noch die erkalteten Ueberbleibſel ſchrecklich, düſter und ſtill. Eine Maſſe von Bimnsſtein war herausgeſchleudert.“ Am 8. März hat ſich eine neue Naphthafontäne bei Baku aufgethan. Das Erdöl ſtürzte anfänglich, Sand und Steine bis zu 20 Pfund Gewicht mit ſich in die Luft reißend, mit großer Gewalt hervor, ſo daß der Strahl ſich 50 Faden hoch erhob. Von 4—11½ Uhr nachmittags dauerte die erſte Eruption, eine zweite von kürzerer Dauer wiederholte ſich um 2 Uhr nachts, und am folgenden Morgen brach der Strudel nach zweiſtündiger Pauſe mit erneuter Kraft hervor und wirft ſeitdem ununterbrochen große Mengen Naphtha aus. Alle Reſervoire, ja alle zu— fällig vorhandenen Erdvertiefungen ſind jetzt mit dem Erdöl angefüllt, der Ueberfluß ſtrömt dem Meere zu. In der Nähe von San Anafre (Californien) iſt die Küſte auf eine Entfernung von 16 Meilen mit großen Quantitäten der auf dem Meeresgrunde wachſenden Pflanzen, ſowie mit zahlreichen toten Fiſchen bedeckt. Unter den letzteren befinden ſich ſogar Walfiſche, deren einer eine Länge von 55“ haben ſoll. Man glaubt dieſe Erſcheinung durch einen vulkaniſchen Ausbruch auf dem Meeresgrunde erklären zu können. Profeſſor Ricco in Palermo macht über die von ihm in ſeinem Obſervatorium angeſtellten Beobachtungen über Dämmerungserſcheinungen folgende Mitteilung: „Die roten Dämmerungserſcheinungen ſind jetzt in ihre normalen BVer- hältniſſe zurückgekehrt. Von Dezember 1883 bis April 1884 betrug die mittlere Intenſität 5,6, vom Dezember 1885 bis April 1886 ſank ſie auf 2,2, während das Maximum am 3. Dezember 1883 10 betrug. Der vulkaniſche Wus- bruch der Inſel Ferdinandea 1831, ebenſo wie der jüngſte des Aetna haben wichtige Thatſachen für das Studium der roſafarbigen Dämmerungserſcheinungen und der blauen Sonne geliefert. Die Maſſe der von Ferdinandea aus— geſtoßenen Dämpfe war ungeheuer und den von Krakatoa in die Atmoſphäre geſchleuderten vergleichbar. Sie bildete über beide Vulkane eine wenigſtens 20 km hohe Säule; aber bei Ferdinandea wurde 1831 kein Rauch vom Wind weit über das Meer fortgetragen, denn das Seewaſſer ſtürzte nach jeder Eruption in den Krater. Ungeachtet dieſer Ab— weſenheit von Aſche beobachtete man in einem Teile Europas eine grüne oder blaue Sonne und roſafarbene oder rote Dämmerungserſcheinungen, wie wir ſie jüngſt ſahen. Bei ſeinem letzten Ausbruch ſtieß der Aetna am 21. Mai eine 8 km hohe Dampfſäule von ſich. Auch warf der Vulkan Aſche aus, die als feiner Staubregen zu Reggio in Calabrien und Palermo niederging. Mehrere Tage nach dem Aus— bruch erſchien die Sonne roſenfarben, aber niemals grün 280 Humboldt. — Juli 1887. oder blau. Dieſe Färbung wird durch den in der Atmoſphäre verteilten vulkaniſchen Staub hervorgebracht, welcher die Strahlen von ſchwächerer Wellenlänge unterbrach. Die beobachteten roſenroten Dämmerungserſcheinungen waren immer ſehr wenig hervortretend. Man kann dieſen Mangel dem Fehlen vom Vulkane fortgeſchleuderter Waſſerdämpfe, welche bei Ferdinandea und bei dem Krakatoa in Be⸗ tracht kamen, zuſchreiben.“ Profeſſor Ricco iſt der An⸗ ſicht, daß die den großen vulkaniſchen Ausbrüchen folgenden Erſcheinungen der blauen oder grünen Sonnen und der roſenrothen Dämmerung nicht durch die Aſche, ſondern durch die Waſſerdämpfe erzeugt ſind. Et. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Mai 1887. Der Monat Mai iſt charakteriſiert durch ver⸗ änderliches, kühles Wetter mit meiſt ſchwacher Luft⸗ bewegung und häufigen und ergiebigen Regenfällen. Hervorzuheben ſind die von Verwüſtung begleiteten Gewitter am 2. im ſüdlichen und um die Monats⸗ mitte im centralen Deutſchland, und die ſehr un⸗ regelmäßige Wärmeverteilung über Europa zu An⸗ fang der dritten Dekade. In den erſten Tagen des Monats ſind insbeſondere hervorzuheben die Gewitter mit ſtarken Niederſchlägen, welche über Deutſchland allenthalben niedergingen und die mit meiſt flachen Depreſſionen im Zuſammenhang ſtanden, welche über das Gebiet hinwegzogen. Von be⸗ ſonderer Heftigkeit ak waren die Gewit⸗ ter, welche am 2. ganz Süddeutſch⸗ land heimſuchten und die vielfach von wolkenbruchartigen 5 Regen begleitet wa⸗ |v ren. In Aſchaffen⸗ , burg entlud ſich in der Nacht zum 3. ein Gewitter mit 9 Li YS 1) 9 e e 5 . ; ps agelböe, der ein 7 , 0 wolkenbruchartiger eee Y , 7% 7 deen fene % | . daß von den Obſt⸗ bäumen Blätter und Blüten abgeſchlagen wurden; in der Würzburger Gegend richtete eine Gewitterböe mit Hagel und Regengüſſen an Wieſen und Feldern große Verwüſtungen an, wobei zahlreiches Vieh im Waſſer umkam. Die Schloßen hatten die Größe eines Hühnereies. In Bamberg fielen bei einem Gewitterſturm 31mm Regen. Auch in Württemberg, Baden, dem Elſaß, der Pfalz und in der Moſelgegend richteten Hagelfälle und Regengüſſe ſehr große Verheerungen an. Südlich von Albisheim im Zellerthale wurde eine Windhoſe beobachtet. „Es entſtand, obwohl der Boden feucht war, eine Säule von Erde und Steinen, die ſich etwa 25 m emporhob und in raſch wirbelnder Bewegung fortzog. Es war ein Glück, daß der Wirbelſturm keine menſchliche Behauſung bezw. kein Dorf berührte; denn daß die Gewalt desſelben ſehr groß war, zeigte ſich daran, daß er einen meterdicken Nußbaum an der Wurzel abriß und ſeine Aeſte nach allen Richtungen bis zu 300 m Entfernung umherwarf. Die Bahn der Windhoſe hatte eine Breite von etwa 30 m. Dieſelbe erſcheint wie feſtgeſtampft. Klee und Früchte, die auf der Bahn ſtanden, ſind verſchwunden. Gleich darauf praſſelte unter Donner und Blitzen mit vogeleiergroßen Schloßen ein heftiger Hagelſchlag hernieder. Zum Glück dauerte derſelbe nur kurze Zeit und richtete deshalb nur geringen Schaden an.“ Auch am 3. fanden in Deutſchland unter dem Einfluſſe lokaler Depreſſionen zahlreiche Gewitter mit Regen und Hagel⸗ fällen ſtatt, in Sachſen und Bayern vielfach von ſtürmiſcher Luftbewegung begleitet. Als vom 4. auf den 5 ein Minimum über Norddeutſchland oſtwärts fortſchritt, kamen an dem oſtdeutſchen Küſtengebiete Gewitter zum Durchbruch, wobei in Rügenwaldenmünde 21, in Königsberg und Memel 34 mm Niederſchlag fielen. Am 5. kamen im ſüdlichen, am 6. im öſtlichen Deutſchland noch ſtellenweiſe Gewitter vor. Eine Aenderung der Wetterlage wurde dadurch her⸗ vorgerufen, daß ein barometriſches Maximum von Süd⸗ weſteuropa nordoſtwärts vordrang und in Wechſelwirkung mit Depreſſionen im Südoſten und Oſten über Central⸗ europa nördliche Luftſtrömung hervorrief, wodurch die Temperatur daſelbſt erheblich herabging. Bis zur Monats⸗ mitte erhielten ſich das barometriſche Maximum über Weſt⸗ europa, die Depreſſionen im Oſten und Süden des Erd⸗ teils, und dadurch erhielt die nördliche Luftſtrömung, welche meiſt nur ſchwach auftrat, eine große Beſtändigkeit, und blieb das Wetter kühl und veränderlich. Gewitter waren in dieſer Zeit ſeltener und die Niederſchläge meiſt wenig ergiebig. Indeſſen fielen am 14., als eine De⸗ preſſion, vom Mittelmeer kommend, die Alpen überſchritten . hatte, in Süd⸗ deutſchland erheb⸗ liche Regenmengen, in Kaiſerslautern 22, in Karlsruhe 32 mm. Am kühl⸗ ſten war das Wetter vom 12. bis zum 15.; am 14. lag die Morgentemperatur (3,4) in München um 9“ C. unter dem normalen Werte, und wurde in Süd⸗ 2 deutſchland vielfach % Reifbildung beob⸗ Achtet. Die Wetter⸗ lage entſprach derjenigen für die ſogenannten „geſtrengen Herren“, indeſſen ſcheinen für die Vegetation ſchädliche Nachtfröſte nicht vorgekommen zu ſein. Mit der Erhebung der Temperatur um die Mitte des Monats ſtellten ſich auch wieder die Gewitter ein. Vom 16. auf den 17., als bei gleichmäßiger Luftdruckverteilung die eben erwähnte Depreſſion von den Alpen nach der deutſchen Küſte vordrang, kamen in Deutſchland wieder zahlreiche Gewitter zur Entladung, insbeſondere auf dem Gebiete zwiſchen Rhein und Oder. Dabei fielen vom 16. auf den 17. in Grüneberg 28, vom 17. auf den 18. in Swinemünde 22, in Berlin 48 und in München ſogar 68 mm, und vom 18. auf den 19. in Berlin 22 und in Kiel 24 mm Niederſchlag. Aus Dresden ſchrieb man am 19.: „Gewitter über Gewitter und wolkenbruchartige Regengüſſe: das iſt bis heute die Signatur des diesjährigen Wonnemonds geweſen. Namentlich in den letzten Tagen ſind verſchiedene Gegenden Sachſens, zumal die Lauſitz, durch ein verheerendes Unwetter ſtark heimgeſucht worden. In der Zittauer Gegend hat das vom Himmel ſtrömende Waſſer die Flüſſe und Bäche derart anſchwellen laſſen, daß ſie allenthalben über die Ufer getreten ſind, durch Beſchädigung der Bahnanlagen den Eiſenbahnverkehr unter⸗ brochen und an Wegen, Gebäuden, Gärten und Feldern großen Schaden angerichtet haben. Nach einem vorige Nacht hier eingelaufenen Telegramm ſollen in Wittgendorf bei Zittau ſogar acht Menſchen in den Fluten umgekommen und in Seiſersdorf und Dittelsdorf mehrere Häuſer weg⸗ geſchwemmt worden ſein. Auch die Elbe iſt bereits über die Ufer getreten.“ Am 20. morgens erſchien über der Nordſee ein un⸗ gewöhnlich tiefes Minimum, welches in ſeiner Umgebung ſtürmiſche Luftbewegung verurſachte, die ſich raſch über Ny, Humboldt. — Juli 1887. 281 Nordfrankreich und Nordweſtdeutſchland ausgebreitet hatte. | im Gefolge, namentlich unregelmäßige Fortbewegungen Die hierdurch eingeleitete ſüdliche Luftbewegung über der Depreſſionen, die wir durch unſere beiden Kärtchen Centraleuropa brachte keine Erwärmung, da dieſelbe nord- illuſtrieren wollen. Die eingezeichneten Linien geben die weſtlichen Winden entſtammte, die über den britiſchen Luftdruckverteilung und die eingeſchriebenen Zahlen be⸗ Inſeln mit Sturmesſtärke wehten. Am 21. lag die Tempe⸗ deuten die Temperatur in C.; die Linie xxx wo bezeich⸗ ratur in München 10 ½“ unter dem Mittelwerte, dagegen | net die Bahn der Depreſſion. Die beiden Kärtchen be⸗ herrſchte im hohen Norden und im Oſten ungewöhnlich ſtätigen die in dieſer Zeitſchrift ſchon oft ausgeſprochene hohe Wärme. Am 22. (75 a. m.) meldete Uleaborg 19,89, Regel, daß die Deprefjionen ſich jo fortzupflanzen pflegen, dagegen München 5,4, Wien 6,2“, am 23. Bods, inner⸗ | dap jie den höheren Luftdruck und die höhere Temperatur halb des Polarkreiſes, 15,2, Haparanda 19,1, Archangelsk rechter Hand liegen laſſen. 17,9, dagegen München 5,2, Prag 4,8, Trieſt 9,40, Unter dem Einfluſſe des hohen Luftdruckes über dem während es in Neapel noch um 1° kälter war als in Bods nordweſtlichen Europa dauerte bis zum Monatsſchluſſe das (vergl. Wetterkärtchen). kalte Wetter fort, ſo daß dieſer Monat mit einem nicht Dieſe außerordentlich unregelmäßige Temperaturver- unerheblichen Wärmemangel abſchloß. teilung hatte auch außergewöhnliche Witterungserſcheinungen Hamburg. Dr. J. van Bebber. Bemerkenswerte Witterungserſcheinungen im Dezember 1886. 1) Sturm am 8. und 9. Dezember. In der und an der belgiſchen Küſte, in der Nacht an der deutſchen Nacht vom 7. auf den 8. Dezember wurde das Heran⸗ Nordſee und an der jütiſchen Küſte. Charakteriſtiſch war nahen einer außerordentlich intenſiven Erſcheinung durch bei ihrem Vorübergang das Umſpringen der ſüdweſtlichen das rapide Fallen des Barometers, ſowie durch das Zurück⸗ Winde nach Nordweſt, wobei das Wetter plötzlich auf— drehen und raſche Auffriſchen der Winde über den britiſchen [klarte. Die Unglücksfälle, welche durch dieſe Stürme Inſeln fignalijiert. In Mullaghmore, an der Nordweſt⸗ hervorgerufen wurden, find außerordentlich groß, nament— küſte von Irland, war von 6 Uhr p. m. bis 8 Uhr m., lich fanden an der Weſtſeite der britiſchen Inſeln und am alſo in 14 Stunden, das Barometer von 745 mm auf | Kanal viele Schiffbrüche ſtatt, wobei der Verluſt vieler 706 mm, alſo um volle 39 mm gefallen. Am 8. um Menſchenleben zu beklagen ijt. — Die nachſtehenden 8 Uhr morgens lag ein Minimum mit der ungewöhnlichen [Kärtchen illuſtrieren die Wettertage am 8. und 9. De— Tiefe von etwa 700 mm nordweſtlich von Irland, wäh- zember morgens 8 Uhr und find ohne weiteres verſtändlich. rend der Sturm ſich über das ganze Gebiet der britiſchen 2) Schneefälle vom 19. bis 21. Dezember. Inſeln und Nordfrankreich ausgebreitet hatte, welcher viel-] Die Wettertage, bei welchen die maſſenhaften Schneefälle fach eine orkanartige Gewalt erreicht hatte. Raſch breitete ſtattfanden, welche das öſtliche Frankreich, die Schweiz und fic) das Sturmfeld oſtwärts aus: Am Nachmittage wehte | das ſüdliche und mittlere Deutſchland bis nach Oeſterreich über der Nordſee voller Südſturm und am Abend war das hin heimſuchten, find charakteriſtiſch durch eine ſehr breite ſtürmiſche Wetter nach Süden bis zu den Alpen vor⸗ Zone niedrigen Luftdruckes, welche von der iberiſchen gedrungen. Gegen Abend lag das Minimum in der Nähe | Halbinſel nordoſtwärts über Frankreich und Centraleuropa P| Ve — Gad 5 4 an Lp) Fat. ay N Y , £5) . Lp : Oy N 1 2 9 Y 727 4 WE von Liverpool, wobei in Barrow⸗in⸗Jurneß das Baro- | Hinaus nach dem Oſtſeegebiete ſich erſtreckte, während der meter auf 696 mm fiel — ein Barometerſtand, welcher [Luftdruck im nordweſtlichen, ſüdlichen und ſüdöſtlichen denjenigen am 26. Januar 1884 in Schottland beobach- Europa am höchſten war. In dieſer Rinne bewegten ſich teten, 694 mm, nahezu erreichte — dann ſchritt dasſelbe | auf der Südſeite beſtändig barometriſche Minima, die nicht oſtwärts quer über die Nordſee fort, während über Groß- | felten eine erhebliche Intenſität zeigten. Der Druckvertei⸗ britannien die Winde nach Nordweſt umgingen und den lung entſprechend waren über Mitteleuropa nördliche bis Charakter von heftigen Sturmböen annahmen. Am 9. öſtliche Winde vorherrſchend, welche vielfach einen ſtür— lag das Minimum mitten über der Nordſee, Wind und miſchen Charakter annahmen. Auf dem letzten Kärtchen Wetter von ganz Europa beherrſchend und in weiter Um⸗ | find die Bahnen der Minima für dieſe Tage angegeben; gebung Stürme hervorrufend, wie fie glücklicherweiſe | die Punkte bezeichnen die Lage der Depreſſionscentra für ſelten vorkommen. Vom 9. auf den 10. bewegte ſich das | 8 Uhr morgens und die eingeſchriebenen Zahlen das Minimum mit abnehmender Tiefe der norwegiſchen Küſte Datum. Am 19. morgens lagen drei Depreſſionen über zu, worauf nach und nach wieder ruhiges Wetter eintrat. der Südhälfte Europas: eine über Ungarn, welche am Bemerkenswert find die Gewittererſcheinungen im | folgenden Tage nordoſtwärts über Galizien hinaus ver- ſüdlichen Nordſeegebiete bei Vorübergang einer ſekundären ſchwand, eine zweite am Nordweſtfuße der Alpen, welche Depreſſion, die am 8. morgens vorm Kanal deutlich er⸗ ihren Weg nach Ungarn nahm und dort ſich ausfüllte und kennbar war und dort heftige Stürme hervorrief. Dieſe eine dritte an der portugieſiſchen Küſte, welche raſch oft: Erſcheinung trat um 9 Uhr morgens in London ein, be- nordoſtwärts erſt nach Oeſterreich, dann nordnordweſtwärts gleitet von einer furchtbaren Hagelbze und wolkenbruch⸗ nach Dänemark, darauf weſtwärts nach der holländiſchen artigem Regen, am Abend wiederholte fie ſich bei Grinez | Küſte ſich wandte und endlich nordoſtwärts nach Finnland Humboldt 1887. 36 282 Humboldt. — Juli 1887. fic) entfernte, wobei am 23. eine Verſchmelzung mit einer von Weſt kommenden Depreſſion ſtattfand. Dieſe Depreſſionen ſtehen in unmittelbarem Zuſammen⸗ hang mit den maſſenhaften Schneefällen, welche auf dem oben erwähnten Gebiete ſtattfanden: die Niederſchlags⸗ mengen betrugen vom 19. bis zum 21. in Lyon 24 mm, Nancy 36mm, Karlsruhe 92mm, Chemnitz 36mm, Grünberg 37mm, Lugano 30mm und St. Gotthard 97mm. Auf dieſem ganzen Gebiete lag die Temperatur faſt beſtändig unter dem Gefrierpunkte und hieraus ergiebt ſich die außer⸗ ordentliche Höhe, zu welcher fic) die Schneemaſſen anhäufen mußten. Mit der Entfernung des letztgenannten Minimum trat eine totale Aenderung der Wetterlage ein und hiermit hatten die Schneefälle ihr Ende erreicht. Die ausgedehnten und mehrere Tage anhaltenden Verkehrsſtörungen, welche durch die eingetretenen Schnee⸗ maſſen und Schneeanwehungen vorkamen, ſind durch die damaligen Zeitungsberichte noch in friſcher Erinnerung; in den Forſten und Obſtbaumkulturen ſind bedeutende Bruchſchäden vorgekommen. Auch eine nicht geringe An⸗ zahl Verluſte an Menſchenleben iſt zu beklagen: man ſchätzt die Zahl der in Mitteldeutſchland durch dieſes ſchwere Unwetter Verunglückten auf nahezu 100. Gleichzeitig mit dem Schneefall begann eine Kälte⸗ epoche, welche für das mittlere und ſüdliche Deutſchland bis in den Februar hinein anhielt. Dieſe Kälteepoche ſteht jedenfalls mit der Schneedecke in Verbindung, indem dieſe für die Erhaltung niedriger Temperaturen ſehr günſtig iſt. Norddeutſchland, welches nur vorübergehend eine ge⸗ ringe Schneedecke aufwies, blieb froſtfrei, während in Mittel⸗ und Süddeutſchland der Froſt fortdauerte, obgleich der Wirkungskreis der Depreſſionen im Norden nicht ſelten bis zu den Alpen ſich erſtreckte. J. v. B. Natur kalender für den Monat Zuli 1887. Säugetiere. Der Rehbock tritt Ende des Monats in die Brunſtzeit. Fiſchottern bellen in dieſem Monat. Mäuſe vermehren ſich oft ſtark; ſo wurden in der kleinen Land⸗ gemeinde Ober-Flörsheim nahe dem Taunus 1877 anfangs Juli in vier Tagen 32 300 Feldmäuſe gefangen. Vögel. Viele junge Vögel haben bereits die Größe der Eltern erreicht, ſo die Kolkraben, Ringeltauben, Enten, Buchfinken, Bachſtelzen, Lachmöven. Flüge von Sperlingen brandſchatzen die Getreidefelder, Staare die Kirſchbäume, die Staare machen ſich dafür aber auf dem Felde und der Wieſe durch Ungeziefervertilgung nützlich. Alle Raben⸗ arten haben erwachſene Junge, ſchließlich werden auch die jungen Turteltauben flügge. Ende des Monats ziehen die Segler nach dem Süden. Aeptilien, Amphibien und Jiſche. Eidechſen und Blindſchleichen, auch zum Teil die Schlangen, haben Junge, die kleinen Fröſchchen ſind vierbeinig und meiſt noch etwas geſchwänzt; die großen Kaulquappen der Kröten meiſt noch ſehr larvenartig. Viele Fiſche ziehen noch umher. Niedere Tiere. a) Käfer. Die Hirſchkäfer (Lu- canus cervus L.) legen zum Teil noch Eier, Cetonia marmorata und speciosissima ſitzen an brüchigen Baum⸗ ſtellen, Saft leckend, der Müller (Melolontha fullo) kriecht an Stämmen in die Höhe. Puppenräuber und Raupen⸗ töter klettern auf Bäumen umher, wie Calosoma syco- phanta, inquisitor u. a. m. Auf altem Holze ſitzt der Hausbock (Hylotrupes bajulus), auf Weiden u. ſ. w. frißt Anomala Frischii (aenea), auf Spargeln ſitzen die Spargelhähnchen (Crioceris asparagi et 12 punctata), auf verſchiedenen Pflanzen: Phyllobius carniolicus, Chlorophanes viridis u. ſ. w., auf blühenden Dolden⸗ pflanzen lecken: Anaspis frontalis, Anthocomus analis, Cistela sulphurea, Cryptocephalus aureolus, Gastero- physa polygoni, Coccinella bipunctata etc., Leptura livida, rubrotestacea, Mordella sp., Stenopterus rufus, Telephorus melanurus, Trichodes apiarius, alveolarius und viele andere mehr. Blattkäfer (Lina etc.) an Pap⸗ peln, Aſpen, Weiden, Münze ꝛc., häufig. b) Schmetter⸗ linge. Auf naſſen Waldwegen ſitzen Schillerfalter (Apa- tura Ilia, Iris), Eisvögel (Limenitis populi), Weißlinge (Pieris napi in II. Generation), Baumweißling (Aporia crataegi), Trauermantel (Vanessa Antiopa) und zahl⸗ reiche Bläulinge, beſonders in Gegenden mit warmem Kalk⸗ oder Sandboden, Lycaena Corydon. Auf Blättern der Büſche trifft man meiſt Zipfelfalter, Thecla quercus, ilicis ete., dann Epinephele Tithonus in großer Zahl. Auf Blüten fliegen von allen Seiten her zuſammen: die großen Perlmutterfalter: Kaiſermantel (Argynnis Paphia), Arg. Niobe, Adippe, Aglaja, der friſche Citronenfalter (Gonoptera rhamni), Epinephele janira, Hyperanthus, Vanessa cardui Frischi, Widderchen, wie Zygaena scabi- osae, meliloti ete., Spinner, wie Calimorpha Dominula und Hera und zahlreiche andere Tag- und Nachtfalter. Bei Tage ruhen an Baumſtämmen: Pararge Semele, Dianthoecia compta, Xylina lithoxylea, der Cossus- Spinner, die Ahorn⸗Pfeileule (Acronycta aceris), das Blauſieb (Zeuzera pyrina), die Nonne (L. monacha), der Schwammſpinner (Läparis dispar) 2c. Ueber Blößen fliegt der Iphis-⸗Falter, Coenonympha Arcania, und Pamphilus, der Sylvanus-Dickkopffalter 2c. Die Gras⸗ glucke (Bombyx potatoria) ijt ausgeſchlüpft, ebenſo die Psyche villosella, Plusia gamma überall gemein, aber nur an einzelnen Lokalitäten Dianthoecia irregularis. e) Hymenopteren zeigen ſich viele. Die „Arbeiterinnen“, richtiger „Amazonen“ des Polyergus rufescens, der Amazonenameiſe, rauben jetzt Cocons, worin junge Ar⸗ beiterinnen der grauſchwarzen Formica fusca gebettet ſind, viele Ameiſenarten „ſchwärmen“ oder „melken“, auch Blattläuſe, friſche große Weibchen der Holzhummel (Xylo- copa violacea) fliegen. Blattſchneiderbienen ſägen Akazien⸗, Roſen⸗ und Mohnblüten⸗Blätterſtücke für ihre Niſthöhlen ab; an blühender Wegwarte fliegt Dasypoda hirtipes 2c. d) Netzflügler treten in der Geſtalt von Ameiſenjungfern (Myrmelson), Skorpionsfliegen, Schneidern (Aeschna grandis, mixta etc.) und Libellen (Libellula vulgata ete.) auf, überall raubend und mordend. e) Heuſchrecken. Auf Wegen und Geröll die blau- oder rothinterflügelige Bergheuſchrecke (Oedipoda fasciata), auf Wieſen der Warzenbeißer (Decticus verrueivorus), auf Buſch und Baum die Singheuſchrecken (Locusta viridissima und cantans). f) Fliegen. Schnaken (Culex), Mückchen, Bremſen (Tabanus) quälen Menſch und Vieh, Raubfliegen (Asilus et Laphria) fangen Inſekten, Hummelfliegen (Echinomyia grossa, virgo etc.), Raupenfliegen (Tachina), Bohrfliegen (Trypeta), Wanzenfliegen (Phasia) 2. ſitzen auf Doldenblüten. Von Wanzen fällt die ſchön vot und ſchwarzgeſtreifte Tetyra nigrolineata auf. Sflanzen. 1. Bäume: Die Winterlinde (Tilia par- vifolia) blüht. 2. Sträucher: Weinroſe (Rosa rubiginosa), Faulbaum (Rhamnus frangula) und Teufelszwirn (Ly- cium barbarum) blühen. 3. Von Kräutern und Gräſern blühen a) auf Trockenland: Aſtlilie (Anthericum ramo- sum), Beifuß (Artemisia vulgaris, campestris etc.), Trespengras (Bromus mollis, sterilis, tectorum etc.), Calamintha acinos, Knorpelſalat (Chondrilla juncea), Doſt (Clinopodium vulgare), Nelken (Dianthus), Igel⸗ ſame (Echinospermum lappula), Sandwurz (Epipactis rubiginosa), Berufkraut (Erigeron acre, canadense), Farſetie (Farsetia incana), Labkraut (Galium verum, mollugo etc.), Katzenpfötchen (Gnaphalium dioicum), Immortelle (Gnaphal. arenarium), Gypskraut (Gypso- phila fastigiata), Sonnenröschen (Helianthemum fu- mana), Ferkelkraut (Hypochaeris), Wohlverleih (Jasione montana), Jurinea (Jurinea cyanoides), Sandkraut Kochia arenaria), Lein (Linum tenuifolium), Steinſame (Lithospermum officinale), Honigklee (Melilotus offic.), Nachtkerze (Oenothera biennis), Sommerwurz (Orobanche Humboldt. — Juli 1887. cary ophyllacea, epithymum, caerulea, amethystina etc.), Sandgräſer (Panicum spec.), Grundheil (Peucedanum oreoselinum), Mauerlattich (Prenanthes muralis et purpurea), Salzkraut (Salsola kali), Seifenkraut (Sapo- maria), Mauerpfeffer (Sedum reflexum, album etc.), Seſel (Seseli annuum), Wegerichnelke (Statice planta- ginea), Spierſtaude (Spiraea filipendula), Quendel (Thy- mus serpyllum), Gijenfraut (Verbena officinalis), Königskerze (Verbascum thapsiforme, lychnitis etc.), Aehrenehrenpreis (Veronica spicata), Wicke (Vicia cracca ete.) 2¢.; b) auf Wieſen und am Waſſer: Blumenbinſe (Butomus umbellatus), Sumpfdiſtel (Cirsium palustre), Zaunwinde (Convolvulus sepium), Weidenröschen (Epi- lobium hirsutum), roter Augentroſt (Euphrasia odon- tides), Hanfdoſt (Eupatorium cannabinum), Labkraut (Galium uliginosum), Gilbweiderich (Lysimachia vul- garis und nummularia), Paſtinak (Pastinaca sativa), Braunwurz (Scrophularia aquatica), Sumpfgreiskraut (Senecio paludosus), Sumpfzieſt (Stachys palustris), Grasnelke (Statice elongata), Ulmenſpierſtaude (Spiraea ulmaria), Wieſenraute (Thalictrum flavum), Erdbeerklee (Trifolium fragiferum), Baldrian (Valeriana officinal.) ꝛc.; 283 e) im Walde: Engelwurz (Angelica sylvestris), Weidenröschen (Epilobium parviflorum), Tauſendgülden— kraut (Erythraea centaurium, pulchella), Fingerhut (Digitalis purpurea), Ginſter (Genista tinctoria), Sporn— orchis (Gymnadenia conopsea), Hahnenkamm (Melam- pyrum eristatum), Waldwachtelwaizen (Melampyrum pratense), Fichten- oder Buchenſpargel (Monotropa hypopythis), Fliegen- und Bienenorchis (Ophrys apifera, aranifera etc.), Pimpernell (Pimpinella saxifraga), große Brunelle (Prunella grandiflora), Braunwurz (Sero— phularia nodosa), Aehrenklee (Trifolium rubens), Wald- raute (Thalictrum minus etc.) ꝛc.; — d) an Wegen und auf Schutthaufen: Odermennig (Ackermönch, Agrimonium eupatorium), Färberkamille (Anthemis tinctoria), Zaun⸗ rübe (Bryonia dioica), Sicheldolde (Falcaria sp.), Weg⸗ warte (Cichorium), Gänſefuß (Chenopodium sp.), Klette (Lappa), Eſelsdiſtel (Onopordon), Rainfarn (Tanacetum vulgare) u. v. a. m. — Auch die Champignons (Agaricus campestris) und Steinpilze (Boletus edulis), Pfefferlinge (Cantharellus) und andere eßbare Pilze haben fic) ein— geſtellt, aber auch giftige, wie der ſchöne Fliegenpilz u. a. m. Mainz. Dr. W. von Reichenau. Aſtronomiſche Himmelserſcheinungen im Zuli 10" rene irae PIE OP An EG 127 U Cephei 95 34 J III E 21 28 1376 U Ophiuchi 977 U Ophiuchi 10h 26" 12 38 {oy 1 9 47 OTA 10" 58" N IIA 11" 12" Q IIIA 10"42™8.h. ) BAC 7053) 10h 4 2 f. l. 1146 f.. ) 5½ 11 47mg. d. 1283 U Cephei 1380 6 Libre 0 va Aon et” 1333 Algol 1483 U Ophiuchi 1085 U Ophiuchi 1220 U Cephei 12 21™ 14 54 (A 0 11" 42 N 1A 1112 U Ophiuchi 1250 U Corone 13 58 fl. j. ö 85 Tauri 14 38 f. d. 5 6 1126 U Cephei 1276 6 Libr 16" 17 B. h. 16 29™ A.d. 14538” F. h. 15 29 A.d. 22 10 35 bo @ 11 1519 U Ophiuchi e eS a (A0 1270 U Ophiuchi gh m 97 U Coron 26 27 29 31 821 U Ophiuchi 8b 45™ 10, 57" 4 01 10 367 13" 10 A 0 1 gh 137 1 9» 38™ J. h. 6 1278 U Ophiuchi 89 U Ophiuchi | 1019 U Cephei 1127 8 Libre 1520 Algol 10° m A1 A 1385 U Ophiuchi| 130 160 P. fl. 145227 fl. f.) bild des Stiers. Mira Ceti iſt Mitte des Monats im Minimum und kann mit mittleren Fernröhren als Stern 9. Größe gleich hell wie ſein naher Begleiter geſehen werden. aber weder fein kleinſtes Licht vom 9., noch das vom 29. läßt ſich genügend ſicher beſtimmen. J Tauri bietet noch kein Minimum dar, und 8 Cancri iſt in den Sonnenſtrahle dieſem Monat ſehr günſtig für die Beobachtung des abnehmen 829 U Ophiuchi 1344 6 Libre 1483 U Cor 1123 U Cephei r Kalender. 1887. (Mittlere Berliner Zeit.) Merkur am Anfang noch in größter Ausweichung von der Sonne, ohne in der hellen Dämmerung dem freien Auge ſichtbar zu werden, kommt am 28. in untere Konjunktion mit ihr. Venus erreicht am 13. ihre größte Ausweichung von der Sonne. Sie eilt raſch zum Aequator und bleibt daher immer kürzer am 9 Abendhimmel ſichtbar. An⸗ fangs geht ſie noch nach 10 Uhr, zuletzt ſchon um 9 Uhr unter. Mars taucht aus den Sonnenſtrahlen auf, anfangs um 3 Uhr, zuletzt um 2 Uhr morgens aufgehend. Jupiter kommt am 19. in Quadratur mit der Sonne. Er geht an⸗ fangs kurz nach Mitternacht, zuletzt kurz vor 10 Uhr abends unter. Die Ver⸗ finſterung ſeines dritten Trabanten läßt ſich am 3. nach Anfang und Ende noch ziemlich günſtig beobachten. Saturn kommt am 18. in Konjunktion mit der Sonne und iſt daher den ganzen Monat unſichtbar. Uranus iſt rechtläufig im Stern⸗ bilde der Jungfrau, etwa 4 Monddurchmeſſer ſüdlich von dem Doppelſtern 7 Vir- ginis. Neptun ſteht am Morgenhimmel im Stern⸗ 6 (lapric. 53/2 one =| 15°41 ™Eb.\42 Aquarii 1438 mg.. 6 15 16 ree . Tauri 1 115 Tauri 6 1571 U Ophiuchi 1242 6 Librae 24 Sagittarii 5 Algol taucht aus den Sonnenſtrahlen wieder auf, Die Minima von U Cephei liegen in n verſchwunden. Dr. E. Hartwig. den und zunehmenden Lichtes. 284 Humboldt. — Juli 1887. Biographien und Geheimerat Profeſſor Dr. A. Schenk in Leipzig iſt auf ſein Anſuchen vom 1. Mat ab ſeiner Thätigkeit als Pro⸗ feſſor der Botanik und Direktor des Botaniſchen In⸗ ſtituts enthoben worden. Profeſſor Dr. Helmers an der Techniſchen Hochſchule in Aachen wurde als Profeſſor der Feldmeßkunſt an die Univerſität Berlin berufen und gleichzeitig zum Di⸗ rektor des vom General von Baeyer begründeten Geo⸗ dätiſchen Inſtituts ernannt, welches am 15. Januar ein neues Statut erhielt und nun auch Studierenden zugänglich geworden iſt. Profeſſor Dr. Winkler an der Bergakademie in Freiberg wurde an die Univerſität Leipzig berufen und wird vermutlich die Leitung des phyſikaliſch⸗chemiſchen La⸗ boratoriums übernehmen. Dr. Renk, Privatdozent in München, ein Schüler Petten⸗ kofers, iſt an Stelle des Profeſſor Wolffhügel in das Reichsgeſundheitsamt zu Berlin berufen worden. Dr. Juſtus Roth, außerordentlicher Profeſſor der Geo⸗ logie an der Univerſität Berlin und Vorſteher der petrographiſchen Abteilung des Mineralogiſchen Mu⸗ ſeums, wurde zum Ordinarius ernannt. Dr. Berthold, außerordentlicher Profeſſor der Botanik an der Univerſität Göttingen, wurde zum ordentlichen Profeſſor ernannt. Dr. Zopf, Privatdozent für Botanik an der Univerſität Halle, iſt zum außerordentlichen Profeſſor ernannt. Dr. K. Brandt, Privatdozent der Zoologie an der Uni⸗ verſität Königsberg, iſt vom Kultusminiſter beauftragt worden, die Profeſſur für Zoologie an der Univerſität Kiel bis zum Schluß des Winterſemeſters 1887/88 interimiſtiſch zu übernehmen. Dr. R. Brauns habilitierte ſich in Marburg für Minera⸗ logie. Dr. Bunte in München wurde zum Profeſſor der chemi⸗ ſchen Technologie an der Techniſchen Hochſchule zu Karlsruhe ernannt. Dr. med. et phil. Richard Semon iſt ſeit 1. April 8 an der Anatomiſchen Anſtalt der Univerſität Jena. Dr. Ritter von Janczewski erhielt die Profeſſur für Anatomie und Phyſiologie der Pflanzen an der Uni⸗ verſität Krakau. Dr. Lerch, Profeſſor und Vorſteher des Zoochemiſchen In⸗ ſtituts an der deutſchen Univerſität Prag iſt in den Ruheſtand getreten. Die Redaktion von Martius' „Flora Brasiliensis“ iſt nach Eichlers Tode an Dr. Urban, Kuſtos des Botani⸗ ſchen Gartens in Berlin, übergegangen. Der Phyſiologe Profeſſor Brown⸗Ssquard iſt zum Prä⸗ ſidenten der Biologiſchen Geſellſchaft in Paris erwählt worden. Sein Vorgänger war Paul Bert. Nachdem die Demiſſion von Profeſſor Fol in Genf ange⸗ nommen worden, iſt deſſen morphologiſches Labora⸗ torium an Karl Vogt, der Lehrſtuhl für Embryologie und Hiſtologie an den bisherigen außerordentlichen Profeſſor Dr. Eternod übergegangen. Profeſſor Dr. Klein in Berlin iſt zum ordentlichen Mit⸗ glied der mathematiſch-phyſikaliſchen Klaſſe der Aka⸗ demie der Wiſſenſchaften in Berlin beſtätigt. Der ſpaniſche General Don Carlos Ibanetz in Madrid, Präſident der permanenten Kommiſſion der inter⸗ nationalen Erdmeſſung, wurde zum Ehrenmitglied der Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin ernannt. Profeſſor Dr. Kirchhoff in Halle iſt zum korreſpon⸗ dierenden Ehrenmitglied der Geographiſchen Geſell⸗ ſchaft in London ernannt. Profeſſor Dr. Kölliker in Würzburg wurde an der Uni⸗ verſität Edinburg zum Doktor beider Rechte ernannt. Die Linnean Society hat folgende deutſche Gelehrte und Naturforſcher zu Ehrenmitgliedern ernannt: Dr. G. A. perſonalnotizen. Schweinfurth, Graf H. Solms-Laubach, Pro⸗ feſſor der Botanik in Göttingen, Dr. Franz Stein⸗ dachner in Wien und Dr. Auguſt Weismann, Profeſſor der Zoologie an der Univerſität von Freiburg. Die Kolonialregierung von Cochinchina gewährt dem Di⸗ rektor des Botaniſchen Gartens in Saigon, Pierre, eine lebenslängliche Rente von 6000 Frank unter der Bedingung, daß er in Paris die Herausgabe ſeiner „Flora von Cochinchina“ beendigt und alle ſeine dar⸗ auf bezüglichen Manuſkripte und Sammlungen der Kolonie überläßt. Ebenſo iſt der „Société des Etudes Indo-Chinoises“ ein Zuſchuß von 1000 Frank für die Veröffentlichung des „Bulletins“ gewährt worden. Cotenlifte. Goſſelin, Léon, Vorſitzender der franzöſiſchen Aca- démie de Médecine, ſtarb kürzlich, 72 Jahre alt. Watſon, Ebenezer, ehemaliger Profeſſor der Phyſio⸗ logie, ſtarb vor einiger Zeit in Glasgow. Rolle, Friedrich, Profeſſor der Naturwiſſenſchaften, auch als Schriftſteller bekannt, ſtarb anfangs Februar, 60 Jahre alt, zu Homburg v. d. H. Frau Legrelle d'Hanis, Pflanzenliebhaberin zu Berchem bei Antwerpen, deren rieſige Pflanzen auf allen größeren Ausſtellungen in Belgien zu ſehen waren, ſtarb 19. Februar, 69 Jahre alt. Mangin, Arthur, Sekretär der Redaktion des „Beo- nomiste frangais“, ſtarb 11. März in Paris. Er war für die Verbreitung der Naturwiſſenſchaften thätig und ſchrieb zahlreiche populäre Werke, u. a.: „Les Plantes utiles,“ „Les Mystéres de Océan“, „Les Jardins“. Didrichſen, Didrik Ferdinand, bis 1885 Pro⸗ feſſor der Botanik an der Univerſität Kopenhagen, ſtarb daſelbſt 19. März. Sang, John, Kenner der Mikrolepidopteren, ſtarb 19. März in Darlington in England. Gemminger, Dr. med., Max, königlicher Konſervator am Zoologiſchen Inſtitut in München, langjähriger Aſſiſtent v. Siebolds und hervorragender Ento⸗ molog, ſtarb im April. Poljakow, J. S., Konſervator am Zoologiſchen Mu⸗ ſeum der kaiſerlichen Akademie der Wiſſenſchaften in St. Petersburg, bekannter Sibirienreiſender und Zoolog, ſtarb am 5./17. April. Studer, Bernhard, Geolog, Vorſitzender der Schweizeri⸗ ſchen geologiſchen Kommiſſion, ſtarb 2. Mat. Er war geboren 21. Auguſt 1794 zu Büren, wurde 1825 Profeſſor der Geologie in Bern und erwarb ſich ſehr große Verdienſte um die geologiſche Kenntnis der Alpen. Mit Eſcher von der Linth bearbeitete er die treffliche Carte géologique de la Suisse. Areſchoug, Friedrich Wilhelm Chriſtian, Pro⸗ feſſor der Botanik in Upſala, geboren 16. Sept. 1811, einer der hervorragendſten Schüler von Elias Fries und Sven Nilſon, verdient um die Algenkunde, ſtarb 7. Mai in Stockholm. Bouſſingault, Jean Baptiſte Joſeph Dieu⸗ donné, ſtarb 12. Mai in Paris. Er war 2. Fe⸗ bruar 1802 in Paris geboren, lenkte durch ſeine Be⸗ richte über alte verſchüttete Bergwerke in Südamerika die Aufmerkſamkeit auf ſich, wurde nach ſeiner Heim⸗ kehr Profeſſor der Chemie in Lyon, ſpäter Profeſſor der Landwirtſchaft in Paris. Er gehörte zu den Be⸗ gründern der Agrikulturchemie und der modernen Pflanzenphyſiologie, welche Disziplinen er beſonders durch ſeine neuen Methoden zur Anſtellung von Pflanzenernährungsverſuchen förderte. Ein großer Teil ſeiner Arbeiten wurde auf ſeinem Gut Bechel⸗ bronn im Elſaß ausgeführt. el... ae Humboldt. — Juli 1887. 285 iche Kot n. Ein jagdzoologiſches Prachtwerk: „Unſer Auer⸗, burg und mehrerer Privatſammlungen hergeſtellt. Der Text Rackel⸗ und Birkwild und ſeine Abarten“ gibt im Verlage von Künaſt in Wien der Direktor des Zoolo— giſchen Muſeums in Dresden, Dr. A. B. Meyer heraus. Das Werk erſcheint auf Anregung und unter dem Pro- tektorat des Kronprinzen Erzherzog Rudolf von Oeſterreich und wird 17 Tafeln in größtem Folioformat, gezeichnet von G. Mützel und in Lithographie und feinſtem Hand- kolorit ausgeführt, enthalten. Die Zeichnungen ſind nach Originalen aus den Sammlungen des Kronprinzen, des Prinzen Philipp von Sachſen-Koburg⸗Gotha, den Muſeen von Dresden, Chriſtiania, Laibach, Lauſanne, Prag, Peters⸗ erſcheint als Band für ſich in kleinerem Format. D. Copés foſſile Wirbeltiere. Das von allen Forſchern ſehnſüchtig erwartete Werk des amerikaniſchen Paläontologen, zu welchem derſelbe ein einzig daſtehendes Material mit ſchweren Koſten zuſammengebracht hat, wird leider fo bald noch nicht erſcheinen, da der amerikaniſche Kongreß auch diesmal wieder auseinander gegangen iſt, ohne den nötigen Betrag zu bewilligen, obſchon derſelbe verſchwindend gering iſt gegen die Millionen, welche auch in der letzten Sitzung wieder für Penſionen u. dergl. aus gegeben worden ſind. Ko. S Ub Fog da poh Bericht vom Monat Wai 1887. Allgemeines. Bail, Methodiſcher Leitfaden f. den eae in der Naturgeſchichte. Botanik. 2 Hfte. Leipzig, Fues. a M. bi Jahrbuch der r 1886-1887. 17 v. M. Wildermann. Freiburg, Herder. 2 Kleyers Enchklopädie der 1 mathematiſchen, techniſchen u. aah Naturwiſſenſchaften. 1.—4. Lig. Stuttgart, Maier. à M. 1 Münſterberg, H., Die Lehre v. der natürlichen Anpaſſung in ihrer Ent⸗ widelung , Anwendung u. Bedeutung. Leipzig, Fock. M. 1. 80. Schröter, C., Oswald Heer. Lebensbild eines ſchweiz. Naturforſchers. ut O. Heer's Forſcherarbeit u. deſſen Perſönlichkeit. Unter Mitwirkg. G. Stierlin u. G. Heer. 1. Lfg. Zürich, Schultheß. M. 1. 40 Bhyſik. Berger, G., Das Licht in ſeinen verſchiedenen Erſcheinungen u. Wir⸗ kungen, aus natürl. eaten derſelben wiſſenſchaftlich erklärt. 2. Aufl. Leipzig, Scholtze. M. Jochmann, E. Glemente der Aſtronomie u. mathematischen Geographie. Berlin, Winckelmann & Söhne. M. 5. 30. Kiewiet, J., Unterſuchungen über die Biegungselaſticität v. reinem Zink, Kupfer, Zinn u. ihren Legierungen, insbeſondere die Abhängigkeit derſelben v. der Temperatur, m. Zufügg. der Torſionscoefficienten der genannten einfachen Metalle. Göttingen, Vandenhöck. M. 1. Krebs, G., Leitfaden der 0 Phyſik f. Gymnaſien. 2. Aufl. Wiesbaden, Bergmann. M. 4. Morgenſtern, F. L., Einführung in Me Gebiet der Phyſik. Ein ar büchlein f. die Hand d. Lehrers u. zum Selbſtunterrichte. M. Si e dazu. M. 1. Jena, Bufleb. Rethwiſch, Die Bewegung im Weltraum. Kritik der Schwerkraft u. Ama der Axendrehung. Berlin, Schneider & Co. M. 4. 50. Voß, A., Elementare Darſtellung der mechaniſchen Wärmetheorie f. Gafe. m. Illuſtr. Berlin, Gärtner. M. 1. Wittwer, W. C., Die thermiſchen Verhältniſſe der Gaſe m. beſond. Berüchſichtg. der Kohlenſäure. Stuttgart, Wittwer. M. 1. 80. Zeuner, G., Techniſche Thermodynamik. 3. Aufl. der . der mechan. Wärmetheorie“. 1. Bd. Leipzig, Felix. M. 1 Chemie. Arendt, R., i 55 Chemie. Methodiſch bearbeitet. 2. Aufl. Hamburg, Voß. W 55 methodischer a der Chemie. Halle, Waiſenhaus. Serntien, A. Kurzes 1 der organiſchen Chemie. Vieweg & Sohn. M. Bonn, R., Die eee Geſchichte u. Weſen u. Beurtheilg. d. Werthes derſelben. Frankfurt, Trowitzſch K Sohn. M. 1. 20. Hagemann, G. A., Ueber Wärme⸗ u. Volumänderung bei chemiſchen Borgingen, Aus 17 Din. v. P. Knudſen. Berlin, Friedländer Sohn. Fielt, E., Grundjige te allgemeinen organiſchen Chemie. Opp enheim. M. a Chemie 5 ‘atiden Lebens. Neu bearb. v. F. Dornblüth. Aufl. Stuttgart, Krabbe. 5. Levy, S., Anleitung zur Darſtellung organischer Präparate. Stuttgart, Enke. M. 4. Pinner, A., Einführung in das Studium der Chemie. Berlin. M. 2. Sammlung naturwiſſenſchaftlicher Vorträge. Hrsg. v E. Huth. Das periodiſche Geſetz der 1 le u. das natürliche Syſtem der big ae Von E. Huth. 2 Aufl. Berlin, Friedländer 25 Sohn. Langen gehe deutſche landwirtſchaftliche. Grundriß der Chemie. Von E. Altmann. 2. Tl. Organiſche Chemie. 2. Aufl. Leipzig, Scholtze. M. 1. 80. u. O. comms: Grundriß der Experimentalphyſik u. 10. Aufl. Braunſchweig, Berlin, Aſtronomie. Bibliothek, internationale. Weltſchöpfung u. Weltuntergang. Die Ent⸗ wickelg. v. Himmel u. Erde, vom Standpunkte der ee aus dargeſtellt v. O. Köhler. 7 9 Dietz. M. Ephemeriden, aſtronomiſch⸗nautiſche, f. d. J. 195 Beutſche Mate Red. v. F. Anton. Trieſt, Schimpff. M. 2. Foerſter, W., u. E. Blenck, Populäre Mittheilungen zum aſtronomiſchen u. chronologiſchen Theile d. königl. preußiſchen Normalkalenders f. 1888. M. 1. — u. P. Lehmann, die veränderlichen Tafeln d. aſtronomiſchen u. dro- nologiſchen Theiles d. königl. preuß. Normalkalenders f. 1888. Nebſt 1 ſtatiſt. Beitrage v. E. Blenck. Berlin, Statiſtiſches Bureau. 5. Israel⸗Holtzwart, K., Supplement zu den Elementen der theoretiſchen Aſtronomie. Wiesbaden, Bergmann. M. 1. 60. Konkoly, N. v., Beobachtungen, angeſtellt am afteophfitaifgen Obſer⸗ vatorium in O Gyalla (Ungarn). 8. Bd. 1. Thl., enth. Beobach⸗ tungen vom J. 1885. Halle, Schmidt. M. 6. a Mache, J., Ueber die Abhängigkeit der We der Sterne v. der Pu⸗ pillenöffnung. Halle, Schmidt. M. — Publikationen d. affzepbyfitaliiden Opferratorluns zu Potsdam. Nr. 17. Beobachtungen v. Sonnenflecken in den J. 1880-1884, v. G. Spörer. Leipzig, Engelmann. M. 10. Schwannecke, E., Eine kosmogoniſche Studie. Berlin, Gärtner. Wellmann, V., Zur 1 der Jupiters⸗ ⸗Trabanten. Mayer E Müller. Zenker, W., Sichtbarkeit Pe Verlauf der totalen Sonnenfinſternis in Deutſchland am 19. Aug. 1887. Berlin, Dümmler. M. 1. 20. Geographie, Ethnographie, Reifewerke. oe die, in Karten u. Bildern. . 80 in 60 Karten u. 800 Illuſtr. ig. Wien, Hartleben. M. —. Milopan. VB., Die Erde, LA 1 0 Entwickelung, Umwandlung u. ihr Ende. 3. Aufl. Graz, Cieslar. M. 1. Wiegandt, A., Grundriß der mathematiſchen Geographie. Halle, Schmidt. M. 1. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. Fraas, O,, Die geognoſtiſche Sammlung Württembergs im Erdgeſchoß d. tönigl. e zu Stuttgart. 3. Aufl. Stuttgart, Schweizerbart. M. —. Hindenburg, J., Die Erdeinde Geognoſie. Breslau, Hirt. 1. Laube, G. C. u. G., Bruder, 5 der böhmiſchen Kreide. Stutt⸗ gart, Schweizerbart. M. 16. Sammlung naturwiſſenſchaftlicher Vorträge, hrsg. von E. Huth. IX. mit beſonderer Berückſichtgung ſeiner Gewinnung Der Bernſtein, Von R. Bonn. Berlin, Friedländer & Sohn in Ostpreußen M. —. 40. Schmalhauſen, J., Ueber tertiäre Pflanzen aus dem Thale d. Fluſſes Stuttgart, Schweizerbart. 1 1 am Fuße d. Altaigebirges. M. 1. Berlin, 11. Aufl. 7 Leitfaden f. den Unterricht in der Seidel, B., Die paläozoiſchen Formationen in der Umgegend v. Chem⸗ nit, u. Flöha. Zſchopau, Raſchke. M. —. 80. Wahuſchaffe, F., 4 zur wiſſenſchaftlichen Bodenunterſuchung. Berlin, Parey. M. 4 Meteorologie. Buſch, F., I. Ueber die Dämmerung, insbeſondere über die glänzenden Er⸗ ſcheinungen d. Winters 1883/84. II. Beobachtungen über den Biſhop⸗ 1 0 Ring u. über das erſte Purpurlicht. Arnsberg, Stein. M. 1. 50. Kieſel, Ueber atmoſphäriſche Elektricität. Berlin, Gärtner. M. 1. . . ‘Die Vorausbeſtimmung d. Nachtfroſtes. Braunſchweig, Salle. Seusiness N., Schweflige Säure und Schwefelſäure im Schnee. Gin Beitrag zur Klärg, der Frage: Erfordert das deutſche Klima einen Schutz der Marmorſtatuen während d. Winters? München, Litera⸗ riſch⸗artiſt. Anſtalt. M. —. 80. Studnicka, F. J., eet einer Hyetographie d. Königr. Böhmen. Prag, Rivnac. M. 3 Botanik. Borbas, V. de, Die ungariſchen Inula-Arten, beſonders aus der Gruppe der Enula. Inulae e imprimis sectionis Enulae. len i: Kilian. M. Callſen, J. J., Pflanzenfünde in der Volksſchule. 1.—4. Kurs. 2. Aufl. Flensburg, Weſtphalen. M. 4. 286 Humboldt. — Juli 1887. Caſpary, R., Trüffeln 80 trüffelähnliche Pilze in Preußen. Berlin, Friedländer. M. 1. . oe 80 = Pflanzenſammler. Fraentel, & Grundriß der Bakterienkunde. Berlin, Hirſchwald. M. 8. Hanſen, A „ u. E. Köhne, Die Pflanzenwelt. 1. fg. Stuttgart, Weiſert. M. —. 40. Hehn, Kulturpflanzen u. Hausthiere in ihrem Uebergang aus Aſien nach Griechenland u. Italien ſowie in das übrige Europa. Hiſtoriſch⸗ linguiſt. Skizzen. 5. Aufl. Berlin, Bornträger. M. 10. Karſch, A., Vademecum botanicum. 8 fg. Leipzig, Lenz. M. 1. 20. Knuth, P., Flora der Prov. Schleswig⸗Holſtein, d. Fürſtenth. Lübeck, ſowie d. Gebietes der 90 Städte Hamburg u. Lübeck. 2. Abth. Leipzig, Lenz. M. 2. Koch, L., Die Eitwinlungsgeſchiche d. Orobanchen, m. beſond. Berück⸗ lichtgung ihrer Beziehgn z. d. Kulturpflanzen. Heidelberg, Winter. M. 30. Kruſe, F., Botaniſches Taſchenbuch enth. die in Deutſchland, Deutſch⸗ Oeſterreich u. der Schweiz wild wachſenden u. im Freien kultivierten e Berlin, Paetel. M. 4. Pfitzer, E., Entwurf einer natürlichen Anordnung der Orchideen. Heidel⸗ berg, Winter. M. 4. Sammlung naturwiſſenſchaftl. Vorträge. Hrög v. E. Huth. X. Der Ta⸗ baxir in ſeiner Bedeutung für die Botanik, 10 u. Phyſik. Von E. Huth. Berlin, Friedländer. M. — Schimper, A. F. W., Syllabus der Vorleſungen über pflanzliche Phar⸗ macognoſie. Straßburg, Heitz. M. 1. Schwaighofer, A., 1 15 zur Beſtimmung einheimiſcher Samenpflanzen. Wien, Pichler. M. Sorauer, P., Atlas der Meeren Taf. I- VIII mit Text. Berlin, Parey. M. 2 Thaer⸗ Bibliothek. In halt: ehen der landwirtſchaftlichen Nutzpflanzen durch Schmarotzerpilze. Baal R. Wolf. Hrsg. v. W. Zopf. Berlin, Parey. M. 2. Trebs, E., Flora v. Fürſtenwalde. Sinſtenwalde, Geelhaar. M. 1. 50. Urban, J., Führer durch den königl. botaniſchen Garten zu Berlin. Berlin, Borntrager. i. Volkens, G., Die Flora der ägyptiſch⸗arabiſchen Wüſte, auf Grundlage anatomiſch⸗ phyfiolog. Forſchgn dargeſtellt. Berlin, Bornträger. M. 24. Vorträge, öffentliche, geh. in der Schweiz. Die Blüthen alpiner Pflanzen, ire Größe u. Farbenintenſität. Von R. Keller. Baſel, Schwabe. 0. 6. Aufl. Leipzig, Leiner. Wunſchmann, E., Bentham u. Baier, Ein Beitrag zur Geſchichte der Botanik. Berlin, Gärtner, Zoologie, Bhyſtologie, wee Bizzozero, G., Handbuch der kliniſchen ee 2. Aufl. beſorgt v. S. Bernheimer. Erlangen, Beſold. Fleiſcher, J. M., 0 f. Sonder ng ler 2. Aufl. Leipzig, Leiner. M. 2. Fürbringer, R., Die “Sait d. Echinokokkus in Thüringen. Neuenhahn. 8 Kloſe, W., Bronze⸗ und Eiſenzeit od. Metallzeit. Ein Beitrag zur Löſg. der Frage üb. die Berechtigg. dieſer 80 0 u. üb. die Priorität der Bronze, Hirſchberg, Kuh. 25 Kolbe, H. J., Beiträge zur Zoogeographie Weſtafrias nebſt einem Bericht über die während der Loango-Exrpedition von Herrn Dr. Falkenſtein bei Chinchoxo geſammelten Coleoptera. Mit 5 Taf. Leipzig, Engel⸗ mann. M. 15.; m. kolor. Taf. M. 18. Krauſe, A., Beitrag zur marinen Fauna d. nördlichen Norwegen. Berlin, Gärtner. M. 1. Kreutzer, K. J., Das Herbar. Anweiſung zum Sammeln, Trocknen u. Aufbewahren der Gewächſe. Neue Ausg. Wien, Pichler. M. 2. Mik, J., Verzeichnis der Arten⸗Namen, welche in Schiners Fauna au- 1. (Diptera tom. I. et II.) enthalten find. Wien, Pichler. Bau g. G., Tierkunde. Eine e Darſtellung des Tierreiches. 2. Aufl. Breslau, See Otte, . Rohon, J. V., Bau u. Verrichtung d. Gehirns. Vortrag. Heidelberg. Winter. M. 1. 80. Rothe, C., Vollſtändiges Verzeichnis der ier 0 6. Deutſchlands u. der Schweiz. Wien, Pichler. ue 97 — Schmetterlings⸗Etiketten. Wien, Pichler. M. —. ee C., Taſchenbuch f. Käferſammler. 2. Aufl. 2. 80. Tiſchler, O., Eine 00 v. Oberhof u. kurzer Abriß der Geſchichte d. Emails. 8 — Oſtpreußiſche Grabhügel. I. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 4. Wolter, M. Kurzes Repekitorium der Zoologie f. Studierende der Medizin, Mathematik u. Naturwiſſenſchaften. Anklam, Wolter. M. 2. Zeit⸗ u. Streitfragen, kliniſche. Hrsg. v. J. Schnitzler. Der Hyp⸗ notismus m. beſond. Berückſichtgung ſeiner kliniſchen u. forenſiſchen Bedeutung v. H. Oberſteiner. Wien, Breitenſtein. M. 1. Jena, Leipzig, Leiner. Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Beobachtungen an Testudo graecaim Terrarium. Am 23. Juni 1883 erhielt ich von Tunis zwei griechiſche Schildkröten, die ich ſofort in mein großes Terrarium einſetzte, wo ſie ihr einförmiges Leben begannen. Als Futter bevorzugten ſie ſaftige, grüne Blätter. Junge Blätter des Gartenſalates zogen ſie allen andern vor und fraßen bei hoher Temperatur ſehr viel davon. Außerdem liebten ſie auch die grünen Hülſen der Zucker⸗ erbſe, Blütenknoſpen von Paſſionsblumen und Abuliton, und hie und da noch die Blätter von Tradescantia viridis, wovon eine ganze Wand des Terrariums überwuchert iſt. Die jungen, zarten Triebe einer Calla palustris, die eigentümlich mehlig ſind, weideten ſie alle ab. Eine Menge anderer Pflanzen aber berührten ſie gar nicht. Sehr gern nahmen meine Landſchildkröten auch ani⸗ maliſche Koſt zu ſich. Mehr als einmal beobachtete ich, wie ſie, gereizt durch lebhafte Windungen und Bewegungen eines Regenwurmes, ſich mit ungeahnter Vehemenz auf denſelben ſtürzten und ihn mit großer Begierde verzehrten. Sie machten dabei in der übergroßen Eile ihres Angriffes, wobei noch durch öfteres Wanken und Aufſchlagen der dicken Schale am Boden eine Art Gepolter entſtand, einen äußerſt komiſchen Eindruck; denn die ganze Geſtalt und Bauart des Tieres iſt nicht dazu angethan, um ſchnelle Bewegungen auszuführen, und auch ſeine geiſtigen Be⸗ gabungen ſind ſonſt nicht der Art, daß es leicht in eine reizbare Stimmung übergeht, durch die es zu ſolchen Extra⸗ vaganzen veranlaßt wird. Am 2. Juli legte die eine Schildkröte ein Ei. Es war ein äußerſt heißer Tag (45 —48 e C. im Schatten). Die Tiere hatten ſich im Terrarium an die heißeſte Stelle in einer Ecke hingelagert, indem fie, in aufgerichteter Stellung, die Sonnenſtrahlen ſenkrecht auf ihren Rücken brennen ließen. Ich kam nachmittags um 1—2 Uhr noch gerade zum Schluſſe der Prozedur des Eilegens und konnte nicht begreifen, wie es möglich war, daß das verhältnis⸗ mäßig kleine Tier ein ſo großes Ei hervorbringen könne. Die Länge der ganzen Schildkrötenſchale maß nämlich 13,5 em, diejenige des Bauchſchildes nur 10,5 em. Die größte Breite der Schildkröte war ebenfalls 10,5 em und die Höhe der Schale nicht ganz 7 em. Die Oeffnung zwiſchen dem hintern Ende des Bauchſchildes und demjenigen des Rückenſchildes, durch welche das Ei hindurch mußte, maß nur 28 mm; das produzierte Ei dagegen maß 4:3 em. Die betreffende Oeffnung in der Schale der Schildkröte mußte deshalb, damit das Ei hinausbefördert werden konnte, durch die Muskelkraft des Tieres noch etwas erweitert werden; denn das Ei konnte nicht gedrückt werden, ohne daß es zerbrach, weil es, entgegen den vielen Angaben, die Schildkröteneier beſäßen eine weiche, lederartige Schale, eine harte Kalkſchale, wie ein Hühnerei, beſaß. Es war ganz weiß und rein oval ohne ſpitzes Ende. Ich ſetzte das Ei im Terrarium an eine feuchte, der Sonne ſehr ausgeſetzte Stelle. Leider konnte ich es aber nicht zur Entwicklung bringen. Die Schildkröte ſelber, die das Ei gelegt hatte, ſtarb bald darauf, augenſcheinlich an Legenot. Um wenigſtens ihre Schale zu erhalten, ver⸗ ſcharrte ich ſie in die Erde, damit die fleiſchigen Teile ver⸗ faulen ſollten. Als ich nach einigen Wochen die nun vom Fleiſche befreite Schale ausgrub, war ich nicht wenig er⸗ ſtaunt, darin noch zwei gleiche hartſchalige Eier zu finden, die aus der Schildkrötenſchale nicht entfernt werden konnten, ohne dieſe zu öffnen. Es iſt dies ein Beweis dafür, daß, trotzdem an der Schildkrötenſchale der Bauchſchild und der Rückenſchild feſt miteinander verwachſen ſind, doch durch Muskeldruck die Oeffnung, aus der das Ei hervorkommen muß, beim Gebären etwas erweitert wird. Zofingen. Fiſcher⸗Sigwart. Taæidermie. Eine neue Methode, Fiſche und Reptilien ſo auszuſtopfen, daß ſie ihre natürliche Farbe behalten, gibt Bl. Wraſſe in London (Zool. Anzeiger X, S. 175) an. Die eben getöteten Tiere werden mit einem feuchten Tuche gereinigt und darauf ſorgfältig mit Kryſtallfirnis beſtrichen; kleinere Tiere läßt man in einer Schale mit Firnis eine Stunde liegen. Der Firnis verhindert den Zutritt der Luft, welche die Farbe verändern würde. Nach zwölfſtündigem Trocknen in der Luft wird den Tieren die Haut abgezogen und auf der Innenſeite mit Sublimat⸗ löſung beſtrichen. Darauf füllt man die Haut mit Sand, beſtreicht ſie außen von neuem mit Firnis und läßt das Humboldt. — Juli 1887. Präparat dann drei Monate lang in einem finſtern Raume trocknen. Schließlich nimmt man den Sand heraus, trägt nötigenfalls noch einmal Firnis auf und nimmt die Aus⸗ ſtopfung vor. Bei zarten Objekten nimmt man gleich von vornherein ſtatt des Sandes Sägemehl von Kork; Sägeſpäne ziehen aus der Luft Feuchtigkeit an. Für die erſten Verſuche eignet ſich am beſten von den Schlangen Python Molurus, von den Fiſchen der Hecht. Hauptbedingung Oe. den guten Erfolg iſt, daß die Tiere e 15 ind DVolymeter. Der unermüdliche Wilhelm Eanhrecht in Göttingen, welcher durch ſeine vortrefflichen meteorologiſchen Inſtrumente und namentlich durch die Hygrometer und deren Einführung in die Praxis ſich große Verdienſte erworben hat, lieferte vor kurzem unter dem Namen Polymeter ein neues Inſtrument, welches das größte Intereſſe erweckt. Es iſt eine Verbindung von Thermometer und Hygrometer, und als ſolche zu neuen und vielſeitigen Verwendungen geeignet. Das Thermometer beſitzt neben der gewöhnlichen Temperaturſkala eine Skala der Dunſtdruckmaxima “), das Hygrometer hat über der gewöhnlichen gleichteiligen Skala der Prozente der relativen Feuchtigkeit eine zweite, die der „Gradzahlen“. Dazu beſitzt das Hygrometer eine völlig neue Konſtruktion, welche den Eigenthümlichkeiten des Haares gerecht wird und einerſeits große Genauigkeit und Empfindlichkeit, andererſeits eine Unveränderlichkeit ver- bürgt, wie ſie bisher an Haarhygrometern nicht bekannt war. Die Ausdehnungen des in allen Lagen gerade ge— ſpannten präparierten Haarſtrangs werden nämlich mittels eines Krummzapfens übertragen, der ſich um eine den Zeiger tragende Achſe bewegt und den Haarſtrang, der in einiger Entfernung vom Drehpunkt an ihm befeſtigt iſt, nötigt, bei ſeinen Verlängerungen oder Verkürzungen einen Teil eines Kreisbogens zu beſchreiben. Der Krummzapfen iſt juſtierbar, indem die Befeſtigungsſtelle des Haarſtrangs in einem beweglichen Schlitten angebracht iſt und in dem— ſelben mittels zweier Schrauben in genau meßbarer Weiſe von der Zeigerachſe entfernt oder derſelben genähert werden kann, um die Ausgiebigkeit der Bewegung zu verringern oder zu vergrößern. Endlich iſt der Krummzapfen ſehr gering belaſtet, um erſtens die ſehr geringe Kraft des Haares möglichſt vollſtändig für die Steuerung des Zeigers auszubeuten, um zweitens die mechaniſche Zerrung des Haares zu vermeiden und endlich die Empfindlichkeit des— ſelben aufs höchſte zu ſteigern. Die Metallklemmen, in die das Haar an beiden Enden eingeklemmt iſt, bewegen ſich frei um ihre eigenen Achſen („Haarachſen“), fo daß bei jeder Bewegung des Krummzapfens jedes einzelne Haarteilchen beſtändig in derſelben Lagerung bleibt. Indem fo der hornartigen Beſchaffenheit des Haares Rechnung ge— tragen, jede Krümmung und Knickung des Haares ver— mieden iſt, werden federnde elaſtiſche Eigenbewegungen derſelben und damit eine wichtige Fehlerquelle aufgehoben. Ebenſo kann, da das Haar nirgends anliegt, deſſen Ber- dickung oder Verdünnung durch Feuchtigkeit reſp. Trocken⸗ heit keine Wirkung auf den Zeiger ausüben. Endlich iſt durch dieſe Befreiung des Haares, ſowie durch die geringe Belaſtung jeder Indexfehler ausgeſchloſſen. — Es iſt klar, daß dieſe Vorrichtungen die Veränderungen der Haarlänge durch die Luftfeuchtigkeit genau übertragen; leider entſprechen aber jene Veränderungen dem wirklichen Beſtand der Luft nur mit einer oft empfundenen, aber bisher niemals klar erkannten Ausnahme. Wenn nämlich das Haar an⸗ haltend großer Trockenheit ausgeſetzt iſt, ſo verlängert es ſich, und wenn es darauf raſch völliger Durchfeuchtung unterworfen wird, fo verkürzt es fic) vorübergehend über Ge— bühr. Um dieſen Fehler zu kompenſieren, vertauſcht Lamb⸗ recht einen Teil der Haarlänge durch einen in geeigneter Weiſe behandelten Seidenfaden, der die umgekehrten Eigen ſchaften hat. Da die Breite des Krummzapfens jeder Ver— größerung fähig iſt, ſo wird dadurch die Möglichkeit ge— boten, eine beliebige Anzahl paralleler Haarſtränge an der ) Berechnet nach der Hann⸗Jelinekſchen Tafel der Spannkraft ge⸗ ſättigter Waſſerdämpfe. 287 Haarachſe anzubringen, ohne den Weg des Zeigers zu ver— ändern. Infolgedeſſen wird die Kraft des Inſtruments ſo weit erhöht, daß es in fehlerloſer Weiſe zum Selbſt— regiſtrieren oder zur Anwendung elektriſcher Kontakte einge— richtet werden kann. — Ueber der gleichteiligen, theoretiſch wie experimentell als exakt bewährten Prozentſkala des Polymeters befindet ſich eine zweite ungleichmäßige Teilung. Dieſelbe enthält die Differenzzahlen, die, von der Luft— temperatur abgezogen, den Taupunkt genau angeben, wenn die Lufttempera⸗ tur 10° ©. iſt, annähernd genau bei andern Tem⸗ peraturen, demnach für das gewöhnliche praktiſche Bedürfnis andere Hilfs— mittel entbehrlich machen. Größere Genauigkeit wird für alle Temperaturen er⸗ reicht bei Benutzung eines kleinen Querbalkens, den die Zeigerſpitze zwiſchen beiden Teilungen trägt und der nach einer einfachen Regel ſeitliche Viſierun⸗ gen ermöglicht. Bei einer Lufttemperatur von 10° K. benutzt man nämlich die Hauptſpitze in der Mitte, bei 20° die Zacke links und bei 0e die Zacke rechts. Bei andern Temperatu⸗ ren kann man leicht durch Abſchätzung das Richtige treffen. — Die Benutzung des Polymeters iſt eben- ſo einfach wie vielſeitig. e 0 87 Die Skala der Dunſt⸗ Zw \hi 11775 ag druckmaxima gibt in mm NY 30 Je 80 60 % aay an, wie ſtark der Druck des Waſſerdampfes be der herrſchenden Tempe— ratur fein kann, wie ſtark er ſein würde, wenn die Luft bei dieſer Temperatur mit Waſſerdampf geſättigt wäre. Das Hygrometer gibt die Prozente der relativen Feuchtigkeit an und ſo⸗ mit berechnet ſich der wirk— lich vorhandene Dunſtdruck ſehr einfach. Beträgt z. B. das Dunſtdruckmaximum 23,5 mm, die relative Feuchtigkeit 60%, jo iſt der wirkliche Dunſtdruck 23,5. 100 14, I mm. Da nun für jeden Millimeter Dunſtdruck faſt genau 19 Waſſer auf 1 ebm Luft kommt, ſo erfährt man auch ohne weiteres das Gewicht des in der Luft enthaltenen Waſſers und wenn man den berechneten Dunſtdruck auf der Skala der Dunſt⸗ druckmaxima aufſucht, ſo bezeichnet der gegenüberſtehende Temperaturgrad den Taupunkt. Leichter und annähernd genau findet man den Taupunkt, wie oben angegeben, mit Hilfe der erwähnten Gradzahlen. Das Inſtrument eignet ſich alſo vortrefflich für meteorologiſche und hygieniſche Zwecke, namentlich auch für die Aufſtellung von Wetter- prognoſen nach den von Troska angegebenen, hauptſächlich auf Beobachtung des Hygrometers gegründeten Regeln. In der einfachſten Weiſe und recht ſicher lieſt man vom Polymeter ab, ob ein Gewitter im Anzug iſt, ob Nacht- fröſte eintreten werden u. ſ. w. Man ermittelt mit Hilfe desſelben leicht, ob der Feuchtigkeitsgehalt der Zimmerluft den hygieniſchen Anforderungen entſpricht, und iſt dann imſtande, eine Korrektur eintreten zu laſſen, die für die Erhaltung unſerer Geſundheit viel wichtiger iſt als die Regelung der Temperatur. D. 288 Humboldt. — Juli 1887. Derkehr. Fragen und Anregungen. Frage 28. Vor vier Jahren kam ich darauf, daß einige Epheupflanzen in Töpfen, über Winter in einem kleinen, unbewohnten und ungeheizten Zimmer bet + 4° bis + 12°C. gehalten, viel lebhafter und üppiger wuchſen und ſich entfalteten als ſonſt, und glaubte den Grund davon in der Einwirkung von Jodoformpulver gefunden zu haben, das ich in der Menge von etwa 10 g, in Papier gewickelt, in der Schublade eines in dem genannten Zimmer befindlichen Tiſches aufbewahrte. Ich ſtellte nun durch drei Jahre diesbezügliche Verſuche an und immer war das Reſultat das gleiche; bei Anweſenheit von Jodoform entwickelten ſich die Epheublätter viel raſcher und üppiger, einmal ſogar ſproßten im November neue Triebe und Blätter hervor. Ich bemerke, daß in unſerer Gegend (7,35 C. mittlere Jahrestemperatur, 449,9 m See⸗ höhe) der Epheu über Winter im Freien nicht aushält. Dies die Beobachtung. Die Anfrage, die ich ergebenſt ſtelle, lautet: „Iſt meine Beobachtung richtig und iſt den Fachmännern eine begünſtigende Einwirkung des Jodo⸗ forms auf das Wachstum der Pflanzen bekannt?“ Franzensbad in Böhmen. Med. Dr. J. Cartellieri. Antworten. Zu Frage 11. Apparat zur Demonſtration des Leidenfroſtſchen Tropfens. Eine kleine Schale aus dünnem Silber ſteht mit dem einen Pole eines Elementes in leitender Verbindung. In der Schale be⸗ findet ſich, 2—3 mm von dem Boden entfernt, ein metallener, unten mit einer Kugel verſehener Stab, welcher mit dem anderen Poldraht des Elementes, in den ein Galvanometer eingeſchaltet iſt, in Verbindung ſteht. Die ſilberne Schale wird durch einen Bunſenſchen Brenner bis zur Glühhitze erwärmt. Läßt man nun behutſam mittels einer Pipette Waſſer auf die Kugel tropfen und zwar ſo lange, bis Kugel und Boden des Gefäßes durch eine Waſſerſchicht verbunden erſcheint, ſo müßte, da Waſſer ein guter Leiter der Elektricität, ſogleich ein Ausſchlagen der Nadel des Galvanometers ſichtbar werden. Dieſes iſt jedoch nicht der Fall. Zwiſchen dem Boden und dem Waſſer befindet ſich eine Dampfſchicht, welche den elektriſchen Strom nicht durchläßt. Nimmt man nun die Bunſenſche Flamme fort, ſo iſt nach kurzer Zeit ein plötzliches Aufziſchen des Waſſers zu hören und zu gleicher Zeit ein Ausſchlagen der Galvano⸗ meternadel bemerkbar. Der Apparat funktioniert, richtig gehandhabt, ſehr gut. Jedenfalls iſt er, trotz ſeiner großen Einfachheit, ge⸗ eignet, ſelbſt einem größeren Auditorium gegenüber das Leidenfroſtſche Phänomen leicht faßbar zu machen. Crefeld. Karl Königs fr. Zu Frage 17. Bezugsquellen für Kaffrarian Marble Cork: 1) Roth, Mills & Co. in Uitenhage, South Africa. 2) R. Silberrad in London E. C., 25 Savage Gardens Crutched Frias. Preiſe frei ab London: Pieces of one cubicfoot 10 sh. a „ 2 feet by 1 foot by 1 foot 12 sh. n ” 3 7 n 1 7 ” 1 n 13 7 * 4 ” I 1 n n 1 * 14 n Raffel. Dr. Ackermann. Zu Frage 20. Die von mir S. 22—23 erwähnten weißen Froſchlurche ſind regelrechte Leucismen von Pelobates cultripes. Die umgewandelten Tiere leben jahrelang in meinen Terrarien. Sie ſind in der Mehrzahl weiß, mit ſilberglänzender Iris, ſchwarzer Pupille und ſchwarzen Sporen. Nur bei wenigen ſieht man Makel von ganz hellgrauer Farbe auf Rücken und Flanken. Eine Baſtardierung mit P. fuscus muß von vornherein ausgeſchloſſen werden, da dieſer im Süden Frankreichs fehlt. Nach den Forſchungen Heron Royers ſcheinen beide Arten ſich, in Frankreich wenigſtens, nicht zu begegnen. Die eine tritt da auf, wo die andere auf⸗ hört. Beide Arten meiden das Centralplateau Frank⸗ reichs. Nach einer brieflichen Mitteilung von Bedriogas hat man um Beziers (Dep. Hérault, Südfrankreich) herum ebenfalls albinotiſche Kaulquappen gefiſcht. Auch dort fehlt Pelobates fuscus mit Sicherheit. Die bet mir noch lebenden zahlreichen Larven entwickeln ſich normal. Ein Teil hat in einer hochwarmen Stube überwintert und trägt jetzt (Februar) bereits Hinterextremitäten, während der andere, in einem ungeheizten Raume ſtehend, halb ſo groß geblieben iſt und noch keine Spur von Hinter⸗ beinen zeigt. Die bei mir geſtorbenen Larven und einen umgewandelten Pelobates cultripes habe ich dem Senckenbergſchen Muſeum in Frankfurt a. M. gegeben. Dr. Joh. von Sfſcher. Zu Frage 27. Alphitobius diaperinus und Guathocerus cornutus find bis jetzt nur im Labo- ratoire d’Hrpétologie zu Montpellier zu haben, welches deren Zucht in großem Maßſtabe zu betreiben begonnen hat. Junge umgewandelte Kröten füttert man in den erſten Lebenstagen ganz gut mit Lipura- und Podura- arten. Jedoch werden die jüngeren dünnen Larven von Gnathocerus cornutus, die man zu jeder Jahreszeit haben kann, gut angenommen und vertragen. Dr. Joh. von Fiſcher. Herrn Karl Königs jr. in Crefeld. Wieckersheimer in Berlin hat neuerdings eine Konſervationsflüſſigkeit her⸗ geſtellt, welche nicht giftig iſt und ſich zur Konſervierung botaniſcher Objekte ſehr gut zu eignen ſcheint. Tomaten, ganz und durchſchnitten, die ſeit dem Herbſt 1885 in dieſer Flüſſigkeit aufbewahrt werden, ſehen vollſtändig wie friſch⸗ gepflückte aus, ebenſo Kirſchen, Pflaumen, Himbeeren, Stachelbeeren, Spargel. Erdbeeren haben zwar ihre Farbe faſt ganz eingebüßt, ihre Form und das Aroma aber voll⸗ ſtändig behalten und ſollen nach Wieckersheimers Angaben noch vollſtändig genießbar ſein. Die Flüſſigkeit iſt ſehr hygroſkopiſch, weshalb derſelben je nach dem Waſſergehalte des aufzubewahrenden Objektes mehr oder minder viel Waſſer zugeſetzt werden muß. Die Tomaten z. B. befinden ſich in einer Flüſſigkeit, die mit dem vierfachen Volumen Waſſer verdünnt iſt. Die Flüſſigkeit dürfte ſich auch zur Konſervierung von Pilzen eignen, doch müßte der Grad der Verdünnung bei dem verſchiedenen Waſſergehalte derſelben erſt ausprobiert werden. Während derbe wenig Waſſer enthaltende Polyporeen z. B. einen nur geringen Waſſer⸗ zuſatz zur Konſervierungsflüſſigkeit bedingen dürften, müßte derſelben bei Lactarius und ähnlichen eine bedeutende Quantität Waſſer zugeſetzt werden. Die Flüſſigkeit, deren Zuſammenſetzung das Geheimnis des Erfinders iſt, kann von demſelben (Berlin, Lustgarten, Alte Börſe) käuflich bezogen werden. D. Strömungsverſuche und deren Bedeutung für die Phyſik des Kosmos und der Erde. Don Profeffor Dr. S. Günther in München. I. I. Auf experimentellem Wege Beiträge für die Aufklärung der großen Welträtſel liefern zu wollen, kann ſchon ſeit geraumer Zeit nicht mehr als ein ausſichtsloſes Beginnen betrachtet werden. Von dem Gedanken, daß, wenn ein und dasſelbe Kauſalgeſetz das geſamte Univerſum beherrſche, ſich auch die ge— waltigſten Naturvorgänge im kleinen nachbilden laſſen und daß umgekehrt Verſuche im Laboratorium den Schlüſſel für das Verſtändnis kosmiſcher Erſcheinungen ergeben müßten, ließ ſich bereits der Kirchenvater Gregor von Nyſſa leiten, als er mittels eines Ge— fäßes, gefüllt mit Waſſer, Oel und Queckſilber, die Abſonderung der einzelnen Elementarbeſtandteile aus dem urſprünglichen Chaos vor der Weltſchöpfung veranſchaulichte ). Allgemein bekannt find die Pla⸗ teauſchen Verſuche, bei welchen ein der Einwirkung der Schwerkraft entzogener Oeltropfen alle die Formen annimmt, welche nach der kosmogoniſchen Hypotheſe von Kant⸗Laplace ein Himmelskörper in den verſchie— denen Stadien ſeines Entwicklungsprozeſſes annehmen kann, Formen, die fic), wie Beer gezeigt hat!) auch ſämtlich durch analytiſche Betrachtung als not— wendig und geſetzmäßig nachweiſen laſſen. In neuerer Zeit hat Planté die von ihm zuerſt recht eingehend unterſuchten Ströme von ſehr hoher Spannung zu einer Reihe von Experimenten benutzt, welche für die Phyſik des Himmels und der Erde die ſchätzenswerteſten, weiterer Verfolgung höchſt würdigen Analogien zutage förderten ). Ebenfalls als Elektriker ijt Lemſtröm ) Man findet dieſe Verſuchsreihen vereinigt in einem ſelbſtändigen Werkes), durch deſſen Bearbeitung ſich J. G. Wallentin in Wien ein großes Verdienſt um den deutſchen Lefer erworben hat?). Wir erinnern nur an die Nach⸗ bildung der ſpiralförmigen Nebelflecke), an die Darſtel⸗ Humboldt 1887. an das Studium der Polarlichtphänomene herange— treten und hat durch ungewöhnlich mächtige Apparate, deren detaillierte Beſchreibung uns ſeine kürzlich ans Licht getretene Monographie bringt 10), jenen gigan— tijden Entladungsvorgang nicht etwa bloß in ver- kleinerter Nachbildung, ſondern in ſeiner ganzen Eigenart künſtlich erzeugt. Welchen Fortſchritt bekunden dieſe tiefdurchdachten Arbeiten gegenüber jener kaum mehr als ein Jahrhundert hinter uns liegenden Zeit, da Volta unter dem rauſchenden Beifalle ſeiner Fachge— noſſen das verwickeltſte aller meteorologiſcher Pro— bleme, die Entſtehung des Hagels, durch den einfachen Hinweis auf den bekannten Vorleſungsverſuch des elektriſchen Puppentanzes zu löſen den Mut hatte )! Wir übergehen hier alles, was in die Kategorie des „geologiſchen Experiments“, der künſtlichen Bulfan- herſtellung, der Gebirgsbaumodelle u. ſ. w. gehört, und bemerken nur, daß unſerer feſten Ueberzeugung nach auch dieſer Art von Unterſuchungen, wie ſie beſonders im Anhang zu dem bekannten theoretiſchen Werk von F. Pfaff 15) zu finden find, eine gewiſſe Zukunft wartet, ſobald nur der ſie betreibende Forſcher mit der gerade hier unentbehrlichen Phantaſie die lung des Kugel- und Perlenblitzes “), an die Verſuche über Kongelation und Hagelbildung ), an die vom Autor her— vorgerufene elektriſche Springflut, welche Planté zu den bekannten unperiodiſchen Wallungen großer binnenländiſcher Seebecken, den „Seiches“, in Beziehung zu ſetzen geneigt ift®), endlich an den Exkurs auf die Fluktuations- und Protuberanzenerſcheinungen der Sonne?). Mag auch mancher dieſer Paralleliſierungsverſuche ſich nicht über das Niveau eines geiſtreichen Analogienſpiels erheben, ſo ver— dient die ganze Auffaſſung doch die volle Würdigung ſei— tens der benachbarten Disciplinen. 37 290 Humboldt. — Auguſt 1887. nötige Ruhe und Reſerve des Urteils zu verbinden verſteht. An dieſer Stelle ſoll ein Ueberblick gegeben werden über eine Klaſſe von Arbeiten, welche im weſentlichen einem gemeinſamen Ziele mit ähnlich gearteten Me⸗ thoden und Hilfsmitteln zuſtreben, zwiſchen denen aber die wünſchenswerte organiſche Verbindung zur Zeit noch nicht hergeſtellt iſt. Wir können als das Objekt dieſer Studien bezeichnen: „Erforſchung der Gebilde, welche im Innern einer Flüſſigkeit zuſtande⸗ kommen, wenn in dieſelbe beſtimmte Quantitäten einer andern, mit jener erſten ſich ſchwer oder gar nicht vermiſchenden Flüſſigkeiten hineingebracht wurden.“ Die Erſcheinungen, die man bei ſolchem Thun beob- achtet, ſind — und auf dieſen bisher noch ſo gut wie gar nicht beachteten Punkt möchten wir in erſter Linie das Augenmerk des Leſers lenken — im großen und ganzen die gleichen, ſei es, daß man tropfbar⸗ flüſſige, jet es, daß man elaſtiſch⸗flüſſige Körper dem Verſuche unterſtellt. Wir werden jedoch bequemerer Ueberſicht halber beide Gattungen von Flüſſigkeiten zunächſt getrennt betrachten, die in unſer Gebiet fallenden Forſchungen weſentlich nach ihrer chrono⸗ logiſchen Aufeinanderfolge beſprechen und endlich zum Schluſſe, wie ſchon angedeutet, die übereinſtimmenden Momente herauszuheben ſuchen. S 2. Ein Verfahren zur Erzeugung von eigent⸗ lichen Strömungsfiguren iſt zuerſt von F. E. Reuſch angegeben worden, doch hat die bezügliche Schrift 15) dieſes verdienſtvollen Phyſikers durchaus nicht die⸗ jenige Beachtung in Fachkreiſen gefunden, welche ſie, die doch eigentlich nach dieſer Richtung hin bahn⸗ brechend gewirkt hat, zu finden erwarten durfte. Reuſch iſt, gewiß als einer der erſten, auf den Ge⸗ danken verfallen, den Tabakrauch als Invaſionsſtoff zu verwerten; ſeine hierüber gemachten Wahrneh⸗ mungen ſollen jedoch unſerm Progamme gemäß erſt weiter unten erörtert werden. Für tropfbare Flüſſig⸗ keiten diente ihm die in Fig. 1 abgebildete Vorrich⸗ tung. Der mit deſtilliertem Waſſer gefüllte Cylinder A iff von dem mit einer gefärbten Flüſſigkeit ge⸗ füllten Cylinder B durch ein Diaphragma C D mit einer centralen Oeffnung getrennt; B ſelbſt iſt nach unten durch eine Membran M M verſchloſſen. Führt man gegen letztere einen vertikalen Stoß in der Richtung des beigeſetzten Pfeiles, ſo hebt ſich das Ventil um einen gefärbten Ring O nach A ein⸗ treten zu laſſen. An dieſen Ringen kann man dann jene Erſcheinungen geſchloſſener Wirbelfäden kon⸗ trolieren, welche der bekannten Helmholtzſchen Theo— rie uu) gemäß eintreten müßten: zwei aufeinander⸗ folgende Ringe durchkreuzen ſich in der mannigfachſten Weiſe, ohne jedoch ihre Individualität einzubüßen, bei der Annäherung an eine entgegenſtehende Wand verbreitert ſich der Wirbelring u. ſ. w.). Die Ring⸗ form als ſolche ſcheint von der Geſtalt der centralen *) Bei einer Flüſſigkeit übernimmt deren die Grenz⸗ wand gegen die angrenzende Atmoſphäre herſtellende Spiegel⸗ fläche die Rolle des Hinderniſſes. Oeffnung vollkommen unabhängig zu ſein; Reuſch erblickt in dieſem Faktum eine Analogie mit dem Poiſſonſchen Satz, daß jede Erſchütterung in einem flüſſigen Mittel als ſphäriſche Welle ſich fortpflanzt. Je zäher die Invaſionsflüſſigkeit iſt, je mehr man dieſelbe beiſpielsweiſe mit Oel durchtränkt, mit um ſo größerer Präciſion liefert ſie ihre Ringe. Das Oel ſelbſt als aktive Flüſſigkeit“) zu ver⸗ wenden, iſt bei dem hier angegebenen Apparate nicht wohl möglich; derſelbe iſt jedoch von Reuſch in einer Weiſe aptiert worden, welche für die angegebene Abänderung des Verſuches ſehr geeignet iſt. Eine Flaſche voll Waſſer wird mit einer zweimal U-förmig umgebogenen Röhre voll Queckſilber durch einen Quetſchhahn in Verbindung geſetzt, durch welchen beliebige Quanta Oel raſch und ſicher in das Waſſer eingelaſſen werden können. Nunmehr erſcheint das eindringende Oel in Birnenform, der Stiel der Frucht verdünnt ſich aber ſehr raſch und reißt dann ab, ſo daß der obere Beſtandteil als ein ſich mehr und mehr Fig. 1. Fig. 2. abplattendes Sphäroid raſch emporſteigt. Fig. 2 führt uns die geſtaltlichen Verhältniſſe der Oelmaſſe vor Augen, welche ſich aus der Sphäroidalform heraus⸗ entwickeln; beſonders gut ſichtbar werden dieſelben, ſobald man die paſſive Flüſſigkeit vorher mit Eiweiß verſetzt, weil alsdann jede Strömungsfigur ſich mit einer Haut überzieht. Die kosmologiſchen Betrachtungen, welche Reuſch an die Schilderung ſeiner Experimente anknüpft, werden von ihm ſelbſt nur als Hypotheſen bezeichnet, denen ein höherer wiſſenſchaftlicher Wert zunächſt nicht zukomme 1). Die Phyſiognomie des Mondes legte ihm die Vermutung nahe, daß die Ringgebirge unſeres Trabanten vielleicht nichts anderes ſeien als erſtarrte Strömungsgebilde. Indem die anfangs zähe und weich⸗elaſtiſche, allgemach aber härter werdende Oberflächenhaut dieſes langſam erkaltenden Welt⸗ körpers ſich zuſammenzog, bildeten ſich infolge von Spannungsungleichheiten Riſſe und Spalten, durch welche heißflüſſige Materie ſtoßweiſe herausdrang, um in der zuletzt gewonnenen Metamorphoſe dem Feſt⸗ werdungsprozeſſe zu unterliegen. Es wird darauf aufmerkſam gemacht, daß von bekannten irdiſchen *) Es empfiehlt ſich wohl, zur Vereinfachung der Terminologie ein für allemal die an ſich verſtändlichen Bezeichnungen der aktiven und paſſiven Flüſſigkeit einzu⸗ führen. Erſtere iſt es, welche das Material zu den Strom⸗ figuren, letztere iſt es, welche das Subſtrat dazu liefert. Humboldt. — Auguſt 1887. 291 Stoffen, z. B. auch beim Schwefel ), die Kontrak— tion der flüſſigen, nach und nach erhärtenden Sub— ſtanz eine relativ große iſt. Zur weiteren Erprobung ſeiner Anſicht ließ Reuſch Kollodiumballone anfertigen, auf deren Oberfläche ſich von ſelbſt Strahlenſyſteme bildeten, wenn man nur Sorge getragen hatte, daß die urſprünglich an der Wand einer Glaskugel aus— gebreitete Maſſe an einer Stelle eine Störung ihrer gleichmäßigen Lagerung erfuhr. Die neuerdings durch Guſſew, Hanſen u. a. wohl außer Zweifel geſetzte Thatſache, daß bei unſerem Monde — und wahr— ſcheinlich auch bei den Trabanten des Jupiter — die Lage des Schwerpunkts eine mit derjenigen des geometriſchen Mittelpunkts nicht zuſammenfallende iſt, wird von Reuſch ebenfalls auf eine Störung in der Verteilung der lunaren Maſſen zurückgeführt. Es ſei bei dieſer Gelegenheit daran erinnert, daß ſehr inte— reſſante Beobachtungen über das Aufſteigen einer Gas— oder Dampfblaſe in einer darüber lagernden Flüſſig— keit von Werner Siemens publiziert und für ſeine Theorie der vulkaniſchen Erſcheinungen verwertet wur— den 1); auch für die Erklärung des Weſens neu auflodernder Sterne ſcheint eine analoge Auffaſſung des Vulkanismus als eines kosmiſchen Phänomenes (im Sinne Tſchermaks) dienlich zu fein !), und Habe- nicht hat bekanntlich in einer Reihe von Abhandlungen derartige Blaſenbildungen zur Grundlage eines jeden- falls diskutabeln geologiſchen Syſtemes gemacht. § 3. Die Phänomen, welche auf dem im vorigen Paragraphen dargelegten Wege im Innern einer Flüſſig⸗ keit hervortreten, wurden zunächſt nicht tiefer ergrün— det, da, wie ſchon geſagt, erſtlich die Abhandlung von Reuſch weiteren Kreiſen leider nicht zugänglich geworden zu ſein ſcheint, und da zum zweiten eine andere Klaſſe von Erſcheinungen, die in mancher Hin— ſicht den erſteren verwandt waren, das Intereſſe der Phyſiker in höherem Maße auf ſich zog. Dies waren gewiſſe, in morphologiſcher Hinſicht allerdings auch recht merkwürdige Kapillaritätserſcheinungen. Es fand ſich, daß ſchöne und charakteriſtiſche Figuren an der Oberfläche und in den dieſer benachbarten Schichten einer paſſiven Flüſſigkeit ſich immer dann bildeten, wenn in ſie unter den geeigneten Vorſichtsmaßregeln eine kleine Menge eines andern, aktiven Fluidums gebracht ward. Die weitaus meiſten dieſer von Pla⸗ teau, Gay⸗Luſſac, Th. Young, Guthrie u. a. ange— ſtellten und von Quincke für die Aufgabe der Be— ſtimmung der Oberflächenſpannung verwerteten Ver— ſuche !“) — man vergleiche namentlich den ſehr umfaſſen— ) Zu den intereſſanten Experimentalunterſuchungen der Neuzeit gehören diejenigen von Mallet, Whitley, Fiſher, Millar, Siemens, Wrightſon und ganz beſonders von Nies— Winkelmann über die Dichtigkeitsdifferenzen, welche bei geſchmolzenen Körpern ihrem feſten Zuſtande gegenüber auftreten und es z. B. zu bewirken vermögen, daß ein Stück der feſten Maſſe auf der glühendflüſſigen ſchwimmt, ohne unterzuſinken. Eingehender ſind dieſe Verſuche in ihrer Bedeutung für unſer Wiſſen von der Beſchaffenheit, des Erdinnern vom Verfaſſer an anderer Stelle!“) ge— würdigt worden. den Litteraturbericht bei Quince ?“) — tragen jedoch ein ausgeſprochen ſtatiſches Gepräge an ſich *), während alle diejenigen Fragen, mit welchen der gegenwärtige Aufſatz es zu thun hat, dem Bereiche der Hydro— und Aerodynamik anheimfallen. In gleichem Fahr— waſſer bewegen ſich die Arbeiten der Italiener Cinto- leſi und Marangoni, und auch Tomlinſon, der den Gegenſtand aufs gründlichſte durchgearbeitet hat, ſtellt ſich in dieſelbe Reihe, wiewohl bei oberflächlicher Betrachtung manche der von ihm erzielten Verſuchs— reſultate einer anderen Deutung fähig zu ſein ſcheinen könnten. Während nämlich in ſeinem erſten Eſſay 29) ausdrücklich bemerkt iſt, daß die Figuren ausſchließlich von der Kohäſionskraft und Dichte der aktiven Flüſſig— keit und von dem Grade ihrer Adhäſion an die zweite abhängig ſeien, während ſomit von einem energiſchen Eindringen der erſten in die zweite gar keine Rede iſt, ergeben ſich in der Fortſetzung zwar auch einzelne Gebilde, die den reinen Oberflächen— charakter aufweiſen — jo z. B. Fig. 3, wo die Wus- breitung eines Tropfens Alkohol auf Paraffin bei Fig. 4. Fig. 3. einer Temperatur von 38° C- abgebildet ijt — aber andere Formen Tomlinſons nähern ſich ſchon be— trächtlich denjenigen, die uns Reuſch kennen lehrte 2). Wenn z. B. (Fig. 4) Krotonöl auf Paraffin gebracht wird, ſo iſt eine Tendenz des Hinabſteigens in die Tiefe wohl unverkennbar. Noch entſchiedener wird der Uebergang von den ſtatiſchen Kohäſionsfiguren zu den dynamiſchen Strö— mungsfiguren markiert bei der Verſuchsanordnung Obermayers, der dickflüſſig verkochte Tropfen von Fuchſin und Anilin auf das Waſſer brachte und dann intenfiv gefärbte Scheiben mit den Newtonſchen Farben- ringen beobachtete ??). Aus dieſen Scheiben gingen radial fortſchießende Arme hervor. Hier lag alſo ſchon eine Bewegungserſcheinung in mitte, indem nicht etwa die aufgebrachte Löſung auf der Ober- fläche der paſſiven Flüſſigkeit einfach auseinanderfloß, ſondern indem die Teilchen dieſer letzteren zu aktiver Leiſtung, nämlich zu einer Fortbewegung im Sinne *) Nach van der Mensbrugghe ?!) wäre die Span— nung, für welche Quincke zuerſt vergleichbare Zahlwerte ermittelte, wirklich durch das Vorhandenſein eines äußerſt dünnen Oberflächenhäutchens veranlaßt, mittelſt deſſen der belgiſche Gelehrte auch die Beruhigung der Meereswogen durch aufgegoſſenes Oel erklärt. Hingegen P. Du Bois Reymond zieht aus ſeiner mathematiſchen Betrachtung des Gegenſtandes den Schluß, daß van der Mensbrugghes Annahme nicht zureiche, daß vielmehr für die Exiſtenz einer wirklichen, in dünnen Schichten wirkenden Repul- ſionskraft die ſtärkſten Wahrſcheinlichkeitsgründe ſprächen 25). 292 " Humboldt. — Auguſt 1887. des Radius veranlaßt wurden. Es fand hierbei eine offenbare Verminderung der Oberflächenſpannung ſtatt. An die Unterſuchungen Obermayers reihen ſich kauſal wie zeitlich diejenigen an, durch welche v. Be⸗ zold der ganzen zur Diskuſſion ſtehenden Frage eine weſentlich neue Seite abgewonnen hat. Dieſelben machen es, da ſie ungleich zielbewußter auftreten als alle früheren, wünſchenswert, daß ihnen im Vereine mit ihrer Vorgeſchichte ein beſonderer Paragraph ein⸗ geräumt werde. § 4. Die Veranlaſſung, ſich mit dieſen Dingen zu beſchäftigen, war v. Bezold durch frühere Studien über die bekannten Lichtenbergſchen Figuren der Elek⸗ tricitätslehre dargeboten worden). Eine zufällige Beobachtung der Erſcheinungen, welche beim Ein⸗ tauchen einer vorher mit hektographiſcher Tinte ge⸗ ſättigten Feder in Waſſer eintraten, machte es wünſchens⸗ wert, umfaſſendere Verſuche über dieſe den Lichten⸗ bergſchen Strahlendiagrammen augenſcheinlich ver⸗ wandten Bildungen anzuſtellen. In ſeiner erſten Veröffentlichung dieſer Art“ ſpricht es zwar v. Bezold ſchon ganz beſtimmt aus, daß der Typus der von ihm ins Auge gefaſſten Erſcheinungen ein weſentlich anderer ſei, als derjenige der von Tomlinſon und den Italienern ſtudierten Oberflächengebilde, und daß nur etwa Obermayer (ſ. § 3) als fein unmittelbarer Vorläufer auf der jetzt von ihm betretenen Bahn ſei, doch legt er immer noch auf den molekularen Zuſammenhang innerhalb der von ihm angewandten aktiven Flüſſig⸗ keit beſondern Nachdruck und hält deshalb an der Bezeichnung Kohäſionsfiguren feſt. Gleichwohl wird auch bereits betont, daß das Kohäſionsvermögen weſentlich nur dazu diene, die Stromfäden deutlicher hervortreten und wahrnehmen zu laſſen. In jeder Flüſſigkeit, deren einzelne Schichten nicht durchaus die nämliche Temperatur aufweiſen, finden ununterbrochen Ausgleichsſtrömungen ſtatt, von deren Daſein nur allerdings unter gewöhnlichen Umſtänden *) Die Ergebniſſe der genannten Unterſuchung 2s) laſſen ſich etwa folgendermaßen zuſammenfaſſen. Es be⸗ fteht eine große Aehnlichkeit zwiſchen den Figuren von Lichtenberg und denjenigen, welche Sénarmont und Sane netaz durch Abſchmelzen des Wachsüberzuges von Körpern, deren Wärmeleitungsfähigkeit keine allenthalben konſtante war, erhalten haben. Schon dadurch ſchien ein Fingerzeig dafür gegeben, daß man es hier nicht mit einer ſpecifiſch⸗ elektriſchen Bildung, ſondern mit einem Strömungsgebilde zu thun habe; die Bewegung der umgebenden Luft erwies ſich als ein weit einflußreicherer Faktor, denn das Ma⸗ terial oder die Dicke des Iſolators. Es erſchien wahrſchein⸗ lich, daß bei der poſitiven Entladung eine Bewegung gegen den Zuleiter hin, bei der negativen eine — nicht grad⸗ linig⸗radial, ſondern ſpiralförmig verlaufende — Bewegung nach der Peripherie ausgelöſt wird; war dem aber ſo, dann mußte ähnliches auch unter Verzicht auf die Mit⸗ wirkung der Elektricität zu ſtande gebracht werden können. In der That beobachtete dann v. Bezold auch beim plötz⸗ lichen Aufſaugen und Ausſtrömen ponderabler Fluida Strömungsbilder, welche in ihrer Art durchaus, reſp. den poſitiv und negativ elektriſchen Lichtenbergſchen Figuren gleichen. der bloße Augenſchein keine Kunde gibt. Der mathe⸗ matiſchen Analyſe entzieht ſich, wie beiläufig bemerkt ſein möge, dieſer Vorgang in keiner Weiſe; er läßt ſich nach denſelben Grundſätzen behandeln, welche Fourier und Poiſſon für die Wärmeleitung in Stäben, G. S. Ohm für den Strom in der galvaniſchen Kette als maßgebend erkannt haben, und welche auch den Rechnungsmechanismus in der klaſſiſchen Experi⸗ mentalſtudie von Simmler⸗Wild über den Diffuſions⸗ ſtrom ?) beherrſchen. Hier aber handelt es ſich darum, dieſe Strömungsbewegungen ſozuſagen objek⸗ tiv darzuſtellen, und dies kann eben nur durch das Eindringen einer aktiven — oder, wie ſich v. Bezold ausdrückt, einer Probe⸗— Flüſſigkeit in die paſſive erreicht werden. In dieſem gegenſeitigen Verhältnis beider Flüſſigkeiten manifeſtiert ſich auch ein gewiſſer Gegenſatz, der zwiſchen den Strömungsverſuchen Reuſchs und jenen v. Bezolds obwaltet: bei erſteren war dem Stoffe, den wir als aktiv anſprechen, eine recht eigent⸗ lich aktive Rolle zugeteilt, er ſollte in ſeinen Entwick⸗ lungsphaſen bekannte phyſikaliſche Geſetze unmittelbar ad oculos demonſtrieren, wogegen im zweiten Falle Fig. 5. die aktive Flüſſigkeit mehr nur dazu dient, einen Bewegungsprozeß recht ſinnenfällig zu machen, der auch ohne ihre Mitwirkung vorhanden iſt. Zu be⸗ merken wäre noch, daß das Studium gewiſſer Wolken⸗ formen, vornemlich der Cirrus⸗Bildungen, für die Anſtellung der nunmehr zu beſchreibenden Unterſuchung mit den Anſtoß gab. Lernen wir nunmehr das Fazit der erſten Ver⸗ ſuchsreihe v. Bezolds kennen! Man bringt die Spitze einer zuvor in Anilintinte geſenkten Feder unter möglichſt ſpitzem Winkel auf die Oberfläche des Waſſers und bringt damit fürs erſte eine Oberflächenfigur von körnig⸗geſtreiftem Ausſehen zuwege. Bald je⸗ doch bemerkt man, wie ein centraler Faden nach unten ſinkt, eine Deviation nach der wärmſten Seite der Gefäßwandung hin erfährt, und nahe an dieſer umkehrt, um wieder in die Höhe zu ſteigen. All⸗ mählich folgen dieſem erſten Faden deren mehrere, und zwar ſchließen ſie ſich in ihrer Bewegung offen⸗ kundig an jenen erſten an. Fig. 5 gibt einen Ein⸗ blick in das Weſen dieſer Konvektionsſtrömung in zwei zeitlich getrennten Momenten. Dieſe Tinten⸗ figuren reagieren auf die geringſten Temperatur⸗ verſchiedenheiten, die ſich in der Luft oder im Waſſer ergeben, mit ſolcher Entſchiedenheit, daß man ſich ihrer nach v. Bezolds Dafürhalten ganz gut als eines em⸗ pfindlichen Thermoſkopes zu bedienen vermöchte. Im übrigen gelten die nachſtehenden vier Erfahrungsſätze: I. Iſt die Temperatur des Waſſers höher, als jene der Umgebung, ſo kommt es nicht zur Bildung Humboldt. — Auguſt 1887. 293 des abſteigenden Stromes, vielmehr ſenkt ſich die Farbenflüſſigkeit allſeitig an den Wänden des Gefäßes als dünner Mantel herab. II. Iſt das Waſſer kühler als die Luft, und wird erſterem einſeitig Wärme zugeführt, ſo rückt der Hauptſtrom nach der kühleren Seite hin. Die Strahlenfigur wird demgemäß deformiert, behält aber eine Symmetrieachſe bei. III. Letztere Wahrnehmung läßt ſich ſchon bei ſehr kleinen Unregelmäßigkeiten in der Wärmezufuhr machen. IV. Iſt der Querſchnitt des Verſuchsgefäßes kein Kreis, ſo treten mancherlei Anomalien in der Verteilung der Stromfäden auf; an den Kanten z. B. entwickeln ſich energiſcher aufſteigende Ströme, welche dort die Strahlen auseinanderdrängen. Sehr bald ließ v. Bezold ſeiner erſten Abhand— lung, an die wir uns bisher ausſchließlich gehalten haben, eine zweite 2) folgen, in welcher er den Erſcheinungskomplex noch weiter in ſeine Einzelheiten verfolgt, gleichzeitig aber der immer entſchiedener durch— gebrochenen Ueberzeugung, daß die Kohäſion nur eine ſekundäre Rolle zu ſpielen habe, auch hinſichtlich der Nomenklatur entſchiedenen Ausdruck verleiht. Wie Reuſch es bereits ſeinerzeit gethan, nennt jetzt auch v. Bezold dieſe Gebilde Strömungsfiguren. Dem Autor kam es nunmehr darauf an, ſolche Strömungen im Innern der paſſiven Flüſſigkeit zu ſtudieren, welche durch ſehr kleine Temperaturdifferenzen aus- gelöſt ſind. Es fand ſich, daß der oberflächliche Tropfen ſich mit einer auffälligen hyperboloidiſchen Einſchnürung, die ſtets dünner und dünner wird und zuletzt die Losreißung des untern Teiles herbeiführt, nach unten ſenkt. In dem abgeriſſenen Teile konnte nun wieder eine beſondere Cirkulationsbewegung zur Entfaltung gebracht werden. Bringt man z. B. in ein mit Brunnenwaſſer von gewöhnlicher Temperatur ge— fülltes cylindriſches Glas einen erhitzten Körper, der ungefähr eine centrale Lage einnimmt, ſo bilden ſich nachgerade zu deſſen beiden Seiten zwei Cirfulations- ſyſteme von entgegengeſetztem Drehſinn heraus; ſetzt man dieſelben nach Wegnahme des fremden Körpers miteinander in Verbindung, ſo konſtatiert man, daß gleichzeitig eine Strömung in peripheriſcher Richtung und eine Strömung in centraler Richtung vorhanden iſt. Der Sinn der Bewegung wird der umgekehrte, wenn man oben erwärmt und unten abkühlt. Durch Umhüllung des Glaſes mit Eis kann man ſogar, wie in Fig. 6 zu ſehen, drei von derſelben Verti⸗ kalen halbierte Cirkulationsſyſteme zu beiden Seiten der Achſe ins Leben rufen, und wenn dann das mitt— lere etwa gegen den Uhrzeiger ſich dreht, rotieren das obere und untere in demſelben Sinne, wie der Zeiger der Uhr. Man kann “) dieſe Strömungsfiguren auch für die Aufklärung gewiſſer Diffuſionserſcheinungen ver— wenden. Selbſt wenn die Unterſchiede im Konzen— trationsgrade nur ganz minimale ſind, tritt doch, wie ſich an der dem Eindringen der Probeflüſſigkeit erwachſenden Verhinderung zeigen läßt, ungemein leicht in allen Löſungen eine Schichtenbildung ein, und wenn dies der Fall iſt, ſo genügen wieder ſehr kleine Wärmedifferenzen, um in jeder Schichte einer in fic) abgeſchloſſenen Cirkulationsbewegung zum Da- ſein zu verhelfen. 1) Zöckler, Geſchichte der Beziehungen zwiſchen Theologie und Naturwiſſenſchaft. Gütersloh 1877, 1. Abteilung, S. 200. 2) Beer, Ueber Plateaus Verſuche mit Flüſſigkeiten, welche der Wirkung der Schwerkraft entzogen find. Ann. d. Phyſik u. Chemie, 100. Band, S. 459 ff. 3) Plante, Recherches sur l'électricité. lage 1883. 4) Plante, Unterſuchungen über Elektricität, deutſch von Wallentin. Wien 1886. Paris 1879; 2. Auf⸗ 5) Ibid. S. 142 ff 6) Ibid. S. 151 ff 7) Ibid. S. 174 ff 8) Ibid. S. 89. 9) Ibid. S. 105 ff. 10) Lemſtröm, L’aurore boréale; étude générale des pheéno- menes produits par les courants électriques de l’atmosphére. Paris 1886. S. 137 ff. 11) Volta, Sopra la grandine. Mem. dell’ Istituto Ital., Cl. mat. fis, tomo I, 2, S. 125 ff. 12) F. Pfaff, Allgemeine Geologie als exakte Wiſſenſchaft. Leipzig 1873. 13) F. E. Reuſch, Ueber gewiſſe Strömungsgebilde im Innern von Flüſſigkeiten und deren morphologiſche Bedeutung. Tübingen 1860. 14) Helmholtz, Ueber Integrale der hydrodynamiſchen Gleichungen, welche den Wirbelbewegungen entſprechen. Journ. f. d. reine u. angew. Mathem., 55. Band, S. 25 ff. 15) Reuſch, a. a. O., S. 16 ff. 16) Günther, Lehrbuch der Geophyſik und phyſikaliſchen Geographie. Stuttgart 1884. 1. Band, S. 315 ff. 17) Siemens, Phyſikaliſch⸗mechaniſche Betrachtungen, veranlaßt durch eine Beobachtung der Thätigkeit des Veſuvs im Mai 1878. Monatsber. d. k. preuß. Akad. d. Wiſſenſch., 1878, S. 558 ff. 18) H. C. Vogel, Ueber das Spektrum des neuen Sternes im Schwan. Ibid. 1877, S. 255 ff. 10) Quincke, Ueber Kapillaritätserſcheinungen an der gemeinſchaft⸗ lichen Grenze von Flüſſigkeiten. Ann. d. Phyſ. u. Chem., 139. Band, S. 1 ff. 20) Ibid. S. 74 ff. 21) van der Mensbrugghe, Sur la tension superficielle des liqnides. Brüſſel 1869. 22) Du Bois Reymond, Ueber den Anteil der Kapillarität an den Erſcheinungen der Ausbreitung der Flüſſigkeiten. Ann. d. Phyſ. u Chem., 139. Band, S. 262 ff. 23) Tomlinſon, On the Cohesion-Figures of Liquids, Phil. Mag., (4) Vol. XXIII, S. 186 ff. 24) Tomlinſon, On a new Variety of the Cohesion-Figures of Liquids, ibid. (4) Vol. XX VII, S. 425 ff. 25) Obermayer, Ueber die Ausbreitungserſcheinungen einiger Löſungen von Anilinfarben auf Waſſer. Ann. d. Phyſ. u. Chem., 151. Band, S. 130 ff. 26) v. Bezold, Ueber das Bildungsgeſetz der Lichtenbergſchen Figuren. Ibid. 144. Band, S. 337 ff., S. 526 ff. 27) v. Bezold, Ueber eine neue Art von Kohäſionsfiguren. 8 bericht d. k. bayr. Akad. d. Wiſſenſch., Math.⸗phyſ. Kl., 1884, S. 355 ff. 28) Simmler⸗-Wild, Ueber einige Methoden zur e der bei der Diffuſion einer Salzlöſung in das reine Löſungsmittel auftretenden Konſtanten. 100. Band, S. 217 ff. 20) v. Bezold, Ueber Strömungsfiguren in Flüſſigkeiten. bericht ꝛc., 1884, S. 611 ff. 30) Ibid. S. 634 ff. Sitzungs⸗ 294 Humboldt. — Auguſt 1887. Die rhizopodoiden Verdauungsorgane tierfangender Pflanzen. Don Dr. Moewes in Berlin. ekanntlich gibt es eine Anzahl von Pflanzen, die, ſei es durch klebrige Ausſcheidungen, ſei es ver⸗ mittelſt eigentümlicher Fallen oder Klappen, kleine Tiere fangen und zu ihrer Ernährung verwenden. In einigen Fällen wird dabei von der Pflanze ein Verdauungsſaft ſecerniert, der die tieri⸗ ſchen Eiweißſtoffe löſt, worauf dieſelben durch beſondere Organe aufgeſaugt wer⸗ den; in anderen Fällen aber verweſen die Tiere in ihrem Gefängnis, und die Verweſungsprodukte werden von im Grunde der Fallen befindlichen Saug⸗ zellen aufgenommen. ee Fig. 1. Blattſchuppe mit durch⸗ ſcheinenden Kammern. Eine neue und intereſſante Form des Tierfanges haben nun v. Kerner und v. Wettſtein bei zwei einheimiſchen Pflanzen beobachtet und in den Sitzungsberichten der Kaiſer⸗ tungsſtelle der Schuppe nach außen münden. Fig. 1 zeigt ein einzelnes Blatt vergrößert; durch das durch⸗ ſcheinende Gewebe ſind die zehn Kammern im Inneren ſichtbar. Fig. 2. ſtellt einen ſenkrecht durch eine Kammer und den Stengel geführten Längsſchnitt dar; g die Kammer, bei k die Hohlkehle. Die Innenwand der Kammern iſt mit einer großen Zahl drüſenähnlicher Hervor⸗ ragungen beſetzt, welche zweierlei Formen zeigen. Die große Mehrzahl derſelben beſteht aus einem einzelligen Stiel und einem zweizelligen Köpfchen (Fig. 3). Die anderen ſind ungeſtielt, ſphäriſch hervorgewölbt und beſtehen aus einer elliptiſchen oder kreisförmigen Baſalzelle, auf welcher nebeneinander 2—4 Zellen aufliegen. Fig. 4, welche ein Stück eines Querſchnittes durch TIR lichen Akademie (Bd. ein Blatt wiedergibt, XOIII.) beſchrieben. zeigt eines dieſer Die eine dieſer N ſtielloſen Organe und Pflanzen iſt die veranſchaulicht eine Schuppenwurz = weitere Eigentüm⸗ (Lathraea Squa- Os lichkeit derſelben, die maria), die in ſchat⸗ LoS ees darin beſteht, daß tigen Laubwäldern N N * te . jede ſolche Drüſe mit anzutreffen iſt, wo 8 S 8 einem Gefäße (g) in fie durch ihre blaffe, 2 a Verbindung tritt. rötliche Färbung und 3 We Die zuletzt ge⸗ den Mangel jeglichen 5 ſchilderten Organe Grüns die Blicke auf E find an Zahl bee ſich zieht. Es ijt deutend geringer, als aber im weſentlichen nur der eine einſeits⸗ wendige Traube bil⸗ dende Blütenſtand der Pflanze, welcher ſich unſerem Auge zeigt; der Stengel ſelber iſt größtenteils unter der Erde ver⸗ borgen. Dieſer un⸗ terirdiſche Stengel, den der Laie für die Wurzel zu halten ge⸗ neigt iſt, iſt weiß und fleiſchig und der ganzen Länge nach mit dicht über⸗ einander geſtellten, dicken, ſchuppenförmigen Blättern beſetzt (daher „Schuppenwurz“). Die Blätter zeigen eine eigentümliche Beſchaffenheit, auf die man bereits früher aufmerkſam geworden war. Jede Blattſchuppe enthält nämlich im Inneren 5— 13, meiſt 10, neben⸗ einander liegende Hohlräume oder Kammern, welche ſämtlich in einer Hohlkehle unterhalb der Anhef⸗ * * A it i Fig 2. Längsſchnitt durch Stengel und Blattſchuppe. dd Fortſetzung der Blattoberſeite bb, welche bei e zurückgeſchlagen ijt. e Spitze des Blattes. k Hohlkehle. s Kammer mit Fang: organen an der Innenwand. die Köpfchen; von dieſen kommen 25 bis 32, von erſteren höchſtens 7 bis 9g auf einen Quadratmilli⸗ meter Oberfläche. Die Außenwan⸗ dung beider Organe iſt nun, mit Aus⸗ nahme der Stiel⸗ bezw. Baſalzelle, von zahlreichen feinen Oeffnungen durch⸗ bohrt und durch dieſe ſtrahlen bei einer gegebenen Veran⸗ laſſung feine Protoplasmafäden nach allen Seiten aus (Fig. 3, 4). Eine ſolche Veranlaſſung wird dadurch gegeben, daß durch Waſſerzufuhr der Turgor der Drüſenzellen geſteigert wird. Außerdem aber erfolgt das Vorſtrecken der Plasmafäden, wenn kleine Tiere in die Kammern gelangen und, mit den Drüſenorganen in Berührung kommend, auf dieſe Thuy iS ———_ TAT TL Ho GALE COCA TTT TTA OT CUT CC CC TCT arme i , aaa e Humboldt. — Auguſt 1887. 295 einen Reiz ausüben. Die Protoplasmafäden legen ſich dem Eindringling an, kleinere Tiere, zumal In— fuſorien, werden wie von Fangarmen feſtgehalten, größeren Tieren aber wird durch dieſelben die Be— wegung erſchwert und der Rückzug abgeſchnitten. Die Ausſcheidung eines beſonderen Sekretes in der Kammer des Lathräablattes wurde nicht beob— achtet. Da man aber von den in die Kammern gelangten Tieren nach einiger Zeit nur noch die Klauen, Beinſchienen, Borſten und kleine, braune, formloſe Klümpchen antrifft, während Sarkode ſowie Muskeln und Blut derſelben ſpurlos verſchwunden find, fo muß man annehmen, daß hier die Nahrungs- aufnahme aus den verendeten Tieren durch Kontakt mit den gleich Fangarmen vorgeſtreckten Plasmafäden erfolgt, ganz ähnlich wie bei den Wurzelfüßern (Rhizopoden), mit welchen dieſe Organe eine ſo auf— fallende Aehnlichkeit beſitzen. Es wäre nicht unmög— Fig. 3. Köpfchenförmiges Fangorgan mit ausſtrahlenden Plasmafäden. lich, daß nur die ungeſtielten Organe der Aufſaugung, die köpfchentragenden dagegen dem Feſthalten der Beute dienen, da nur bei erſteren eine deutliche ana— tomiſche Beziehung zu den umgebenden Gewebsteilen beſteht; dieſelbe kennzeichnet ſich einerſeits durch den erwähnten Zuſammenhang mit den Gefäßbündeln, anderſeits dadurch, daß die umliegenden Oberhaut- zellen ſich ſtrahlenförmig um die plattenförmige Baſal— zelle gruppieren. Obgleich nun wegen der Enge der Oeffnung nur ganz kleine Tiere, wie Infuſorien, Amöben, Rhizo— poden, Rädertierchen, kleine Milben, Aphisarten, Poduren 2c. in die Kammern gelangen können, fo iſt der Nahrungszuſchuß, der auf dieſe Weiſe der Pflanze zukommt, doch ein ganz beträchtlicher, da der Blatt— ſchuppen unzählige ſind und in jenen Tiefen, wo die Stöcke der Lathräa eingebettet liegen, das Erdreich im Winter nicht gefriert, alſo auch das organiſche Leben nicht aufhört und das Einfangen und Ver— dauen kleiner Tiere das ganze Jahr hindurch fort— dauert. Dieſer Zuſchuß an organiſcher Nahrung iſt nun aber für die Lathräa jedenfalls von hoher Wichtig— reichen Laubblättern hervor. keit. Da dieſe Pflanze nämlich kein Chlorophyll enthält, ſo vermag ſie auch nicht zu aſſimilieren, d. h. die unorganiſchen Stoffe der Luft und des Bodens in organiſche überzuführen, iſt alſo auf die direkte Aufnahme der letzteren angewieſen. Einen Teil der— ſelben gewinnt ſie dadurch, daß ſie Wurzeln mit Saugfortſätzen bildet, welche in die Wurzeln ſommergrüner Laubhölzer eindringen. Im Herbſt ſterben dieſe Saugfortſätze ab, und erſt im nächſten Frühlinge, wenn das Aufſteigen des Saftes in den Holzpflanzen beginnt, ſendet die Lathräa wieder neue Wurzeln aus, welche ſich mit Saugwarzen unter— irdiſch an die ſaftſtrotzenden Baumwurzeln legen. Der Gehalt des fo von der Lathräa gewonnenen Nahrungsſaftes an organiſchen Stoffen iſt aber nur ſehr gering, er beſteht zum größten Teile aus Waſſer, in welchem eine kleine Menge mineraliſcher Sub— ſtanzen gelöſt iſt, und das Vorhandenſein einer an— Fig. 4. Ungeſtieltes Fangorgan mit ausſtrahlenden Plas mafäden. b Scheibenförmige Baſalzelle. g Gefäß. deren Nahrungsquelle, wie ſie durch jene Tierfang— apparate geboten wird, ſcheint daher für die Pflanze eine Notwendigkeit zu ſein. Aehnliche Fangdrüſen wie die hier geſchilderten haben die Verfaſſer an den Schuppen der unterirdi— ſchen Knoſpen von Bartsia alpina konſtatiert. Dieſe Hochgebirgspflanze nimmt teils direkt aus dem Boden durch Wurzelhaare Nährſtoffe auf, teils legen ſich ihre Wurzeln vermittelſt Saugwarzen an andere Wurzeln an. Die erwähnten Knoſpen werden im Spätſommer angelegt und im nächſten Frühling geht aus ihnen ein oberirdiſcher Stengel mit chlorophyll— Die Bartſia vermag alſo die ihr zugeführten unorganiſchen Stoffe zu aſſimilieren. Trotzdem aber erwächſt ihr unzweifel— haft aus den während des ganzen langen Winters thätigen Fangapparaten ein großer Vorteil, da hier— durch reichlich Material aufgeſpeichert und eine raſche Entwickelung der Pflanze während der kurzen ober— irdiſchen Vegetationszeit ermöglicht wird. 296 Humboldt. — Auguſt 1887. Die Urahnen des Tier⸗ und Pflanzenreichs. Von Profeſſor Dr. Auguſt Gruber in Freiburg i. B. . Flagellaten leiten aber nicht nur zu anderen Protozoen und Protophyten hin, ſondern ebenſo deutlich zu den Reichen der vielzelligen Tiere und Pflanzen, und zwar ſpricht ſich dieſe Verwandtſchaft ſowohl in den Geſtaltungsverhältniſſen als in der Entwickelung mancher Ordnung derſelben aus: Zunächſt erwähnte ich die kragentragenden, die ſogenannten Choanoflagellaten. Es ſind dies meiſt koloniebildende Formen, welche am Vorderende ihres Körpers einen feinen, durchſcheinenden Kragen oder Trichter ſitzen haben, in deſſen Grunde die in der Einzahl vorhandene Geißel entſpringt. (Fig. 4 A). Dieſer Trichter dient dazu, die von der Geißel her⸗ beigeſtrudelte Nahrung zu ſammeln und deren Aufnahme zu erleichtern. Ganz dieſelbe Einrichtung findet ſich nun bei manchen Zellen niederer „Vielzelliger“, nämlich bei den die inneren Höhlen und Gänge der Fig. 4. A Freiſchwimmende Kolonie einer Choanoflagellate, Codonodesmus phalanx (nach Stein). B Kragenzellen eines Kalkſchwamms, Sykandra raphanus (nach F. E. Schulze, Zeitſchr. f. wiſſenſchaftl. Zool. Bd. 25. Suppl.). Schwämme auskleidenden Geweben. Dieſe „Kragen⸗ zellen“, wie fie z. B. in den ſogenannten Geißel⸗ kammern der Spongien ſtehen, unterſcheiden ſich kaum von Choanoflagellaten, und ein Blick auf Figur 4, wo in A eine freiſchwimmende Kolonie von Codono- desmus phalanx, in B aber eine Reihe Zellen aus den inneren Höhlen eines Kalkſchwamms nebenein⸗ andergeſtellt ſind, wird dies zur Genüge beſtätigen. Durch dieſe auffallende Aehnlichkeit iſt zwar noch nicht bewieſen, daß die Schwämme direkt von den Flagellaten abſtammen, aber es läßt ſich nicht leugnen, daß ein genetiſcher Zuſammenhang möglich iſt, zumal andere koloniebildende Geißelträger direkt den Ueber⸗ gang zu den vielzelligen Organismen bilden, ich meine die Bolvocinen. Betrachten wir z. B. die Gattung Volvox, jo ſehen wir auf einer Gallertkugel eine große Menge einzelner, grüner Flagellaten ſitzen (ſ. Fig. 7 A), die aber nicht unabhängig voneinander ſind, ſondern die zuſammen einen einheitlichen Orga⸗ nismus darſtellen. Eine ſolche Volvoxkugel macht im Waſſer vollkommen zweckmäßige Bewegungen, ſie ſchwimmt raſch in einer Richtung dahin, hält plötzlich an, dreht ſich im Kreiſe, ſchwimmt wieder zurück u. ſ. w., was nicht möglich wäre, wenn jedes einzelne Individuum nur auf ſich angewieſen wäre und ſeine Geißeln bewegen würde wie es ihm beliebte. Durchſchneidet man eine ſolche Volvoxkugel, fo ſind auch die abgetrennten Stücke wieder im ſtande, ſich Fig. 5. Haematococcus Bütschlii (nach Blochmann) “). A Ungeſchlechtliche Fortpflanzung. a) ausgewachſener Hämatococeus, durch Pſeudopodien in ſeiner Hülle befeſtigt; 6 die Geißeln, A Augenfleck, K Kern, V pulfierende Vacuole; b) Zweiteilung; c) es find vier umhüllte Sprößlinge entſtanden. B Geſchlechtliche Fortpflanzung. a) Zweiteilung, 8) vielfache Teilung, J) die durch die Teilung entſtandenen Schwärmer (ſtärker vergrößert); zwei verſchmelzen und bilden einen Körper, der fit) eneyſtiert; K Kern. zweckentſprechend zu bewegen, was uns beweiſt, daß auch ſie von einem gemeinſamen Willen regiert werden. Dieſe nervöſe Einheit, welche die Einzeltiere zu gemeinſamem Handeln zwingt, welche mit anderen Worten aus der Flagellatenkolonie ein vielzelliges Individuum macht, wird dadurch erreicht, daß die einzelnen Flagellaten unter ſich durch feine Plasma⸗ brücken in Zuſammenhang ſtehen, und wie neuerdings gezeigt wurde ), genügt bei den Protozoen, wo noch keine differenzierte Nervenbahnen vorhanden ſind, ein dünner Protoplasmafaden, damit die zwei Individuen oder Teilſtücke jede Empfindung und jeder Impuls gleichzeitig berührt. So bewirken alſo die Verbindungs⸗ ) Blochmann, F.: Ueber eine neue Hamatococcusart in: Verhandlungen d. naturhiſt.⸗mediz. Ver. zu Heidelberg. 3. Bd. 5. Heft. 1886. *) Gruber, A.: Beiträge zur Kenntnis der Biologie und Phyſiologie der Protozoen. Berichte der Naturf. Geſellſch. zu Freiburg i. B. Bd. 1. 1886. a Humboldt. — Auguſt 1887. 297 brücken zwiſchen den Volvoxindividuen dasſelbe, wie wenn letztere zu einer gemeinſamen Plasmamaſſe ver- ſchmolzen wären. Noch mehr aber als die Art des Kolonialverbandes läßt die Fortpflanzungsweiſe der Volvocinen dieſelben ſchon als vielzellige Organismen erſcheinen, denn ſie entſpricht vollkommen dem Befruchtungsvorgang der eigentlichen Pflanzen und Tiere. Es iſt äußerſt in— tereſſant zu ſehen, wie in der Klaſſe der Flagellaten alle Uebergänge von der einfachſten Vermehrungsform zu dieſer ausgebildetſten ſich finden laſſen. Zunächſt haben wir die einfache Zweiteilung, und zwar ge— wöhnlich Längsteilung, wobei der Kern ſowohl wie der Körper in zwei gleiche Hälften zerſpalten wird (Fig. 6 A). Die Teilung kann im freiſchwimmenden Zuſtande vor ſich gehen oder innerhalb einer von Fig. 6. A Entosiphon sulcatum in Längsteilung begriffen (nach Bütſchli). V puljierende Vacuole, K der ſich durchſchnürende Kern. E Eine Geſchlechtstolonie von andorina morum umgeben von freigewordenen Individuen einer anderen, die teilweiſe ſich eben zu zweien vereinigen (1), teilweiſe ſchon verſchmolzen find (2). (Nach Prinysheim.) “) dem Flagellaten ſelbſt ausgeſchiedenen ſogenannten Cyſte. Die Zweiteilungen erfolgen dann oft raſch aufeinander, ſo daß in kurzer Zeit zahlreiche Indi— viduen entſtehen können. Bei den koloniebildenden Flagellaten nun trennen ſich die Teilprodukte nicht, ſondern bleiben im Zuſammenhang und bilden ſo den Zellſtaat. Die niederere Stufe der Entwickelung zeigen dabei diejenigen Formen, wo jedes Glied der Kolonie zur Vermehrung verwandt wird; in dieſem Fall, wie z. B. bei der in Fig. 6 B abgebildeten Gattung Pandorina löſt fic) zuerſt der Zuſammen— hang zwiſchen den einzelnen Individuen, und jedes bildet durch raſch hintereinander folgende Teilung wieder eine neue Kolonie. Bei Volvox dagegen ſind es nur einzelne beſtimmte Individuen, welche der ) Pringsheim, N.: Ueber Paarung von Schwärm⸗ ſporen in: Monatsber. d. Berliner Akad. 1869. Humboldt 1887. Fortpflanzung dienen und durch Teilung Tochter— kolonien bilden, die noch längere Zeit vom Mutter⸗ ſtaat umhergetragen werden. Wir ſind alſo hier berechtigt, von eigentlichen Geſchlechtszellen und zwar zunächſt eingeſchlechtlich, parthenogenetiſch, ſich ver— mehrenden Eiern zu reden wie bei den vielzelligen Organismen, den Metazoen. Das Bild, welches ſolche in Vermehrung begriffene Volvox „Partheno— gonidien“ während ihrer Teilung darbieten, entſpricht auch vollkommen demjenigen, wie wir es von den erſten Furchungsſtadien vieler tieriſcher Eier zu ſehen gewohnt find (ſ. Fig. 7 0 und D), und noch größer wird die Uebereinſtimmung mit der Fortpflanzungs⸗ weiſe der „Vielzelligen“, wenn wir auf die zweige— ſchlechtliche Vermehrung eingehen. Dieſelbe beſteht bekanntlich in der Vereinigung zweier Zellen, wodurch Fig. 7. A Kolonie von Vo vox globator, frei nach Cohn “ (die Zeichnung iſt nach der Cohnſchen tombiniert, etwas ſchematiſiert und entſpricht in den Größenver⸗ hältniſſen nicht ganz der Natur). Die Kolonie enthält vier Samenkapſeln, ba: von eine faſt entleert, und ſechs Eier, davon eines von Spermatozoen umſchwärmt. B Ein Spermatozoon von Volvox glohator nach Cohn). C u. 0 Teilungsſtadien einer unbefruchteten Eizelle von Volvox (nach Bütſchli eine Vermiſchung ihrer Kräfte und individuellen Eigen— ſchaften erzielt wird. Die einfachſte Form, in welcher uns die Befruchtung entgegentritt, iſt die Vereinigung zweier beliebiger, unter ſich äußerlich nicht differenter Protozoenindividuen, wie ſie bei den freiſchwimmenden Flagellaten ſchon öfters beobachtet wurde. Dieſe „Konjugation“ tritt gewöhnlich auf eine vorange— gangene raſche Vermehrung hin ein, und ihr folgt bei den Flagellaten, wie es ſcheint, immer eine En— cyſtierung und dann die mehrfache Teilung innerhalb der Cyſte. In Figur 5 ſieht man die Fortpflanzung von Haematococeus Bütschlii dargeſtellt und zwar unter A die ungeſchlechtliche, wo das Tier zunächſt in zwei (b) und dann in vier (e) Individuen zer— *) Cohn, F.: Die Entwickelungsgeſchichte der Gattung Volvox in: Beitr. zur Biologie d. Pflanzen. Bd. I. 1875. 38 298 Humboldt. — Auguſt 1887. fällt, die ſchon wieder von einer Hülle umgeben jind und dann das alte Gehäuſe verlaſſen. Die geſchlecht⸗ liche Vermehrung (B) wird auch durch Teilung ein= geleitet (%), es entſteht aber raſch eine viel größere Menge von (8) kleinen hüllenloſen Schwärmern, welche, freigeworden, zu zweien fic) kopulieren (1) und zwar ſo, daß die Zellleiber ſowohl als die beiden Kerne (k) miteinander verſchmelzen; das ſo ent⸗ ſtandene Individuum umgibt ſich mit einer Cyſte, und auf dieſen Ruhezuſtand folgt dann wieder die Ver⸗ mehrung durch Teilung. Sehen wir dagegen eine Kolonie der ſchon vorhin genannten Pandorina an, ſo wird die geſchlechtliche Vermehrung hier dadurch eingeleitet, daß beſondere Kolonien ſich mit einer dickeren Hülle umgeben, innerhalb welcher der durch Teilung entſtandene Zellverband liegt; es iſt dies eine Geſchlechtskolonie, und bei ihrem Zerfall ſind ſämt⸗ liche Individuen Geſchlechtstiere, d. h. ſolche, die auf Kopulation mit anderen angewieſen ſind; die Schwär⸗ mer begegnen ſich im Freien und verſchmelzen auf dieſelbe Weiſe, wie dies eben bei Hämatococcus be⸗ ſchrieben wurde (ſ. Fig. 6 B). Hier verwandeln ſich alſo noch alle Zellen des Staates in Geſchlechts⸗ zellen; gerade fo wie bei der ungeſchlechtlichen Ver⸗ mehrung jede Zelle zu einer neuen Tochterkolonie werden konnte. Nicht fo bei Volvox: Hier ſind es wieder nur ganz beſtimmte Individuen, welche zu Geſchlechtstieren werden. Einzelne der Flagellaten wachſen ſtark heran und werden zu großen, grünen Kugeln, den Eizellen (Fig. 7 A), andere dagegen gehen eine ungemein ergiebige Teilung ein, ſo daß ſchließlich aus einem Individuum eine große Menge von kleinen, zweigeißligen Schwärmern entſteht, die anfangs zu Bündeln zuſammenliegen, dann aber aus⸗ ſchwärmen und die Eier aufſuchen (ſ. Fig. 7 A). Dieſe ſind nichts anderes als Samentierchen, Sperma⸗ tozoen, wie eines in größerem Maßſtabe in Fig. 7 B dargeſtellt iſt. Bei Volvox iſt alſo nicht nur die Geſchlechtsthätigkeit auf einzelne Glieder des Zell⸗ verbandes beſchränkt, ſondern es iſt auch eine mor⸗ phologiſche Verſchiedenheit der Geſchlechtsprodukte aufgetreten, ein Unterſchied zwiſchen Ei- und Samen⸗ zelle, und damit ſind wir auf die Stufe des höheren vielzelligen Organismus gelangt. Wenn meine Darſtellung trotz der Kürze verſtänd⸗ lich geblieben iſt, ſo wird der Leſer die Ueberzeugung gewonnen haben, daß wir in der Klaſſe der Flagel⸗ laten in der That einen Urtypus vor uns haben, der nach vielen Seiten hin Zuſammenhänge zeigt und aus dem ſich die höhere Organismenwelt, ſowohl die tieriſche als die pflanzliche, ungezwungen ableiten läßt. Es iſt damit nicht geſagt, daß der Flagellaten⸗ typus diejenige Form ſei, in welcher zuerſt das orga⸗ niſche Leben auf unſerer Erde aufgetreten ſei, ſondern ich glaube, daß man in ihm ſchon eine höhere Stufe der Entwickelung zu ſehen hat; die einfachſte Geſtal⸗ tung und Lebensthätigkeit zeigt ſich jedenfalls bei den Rhizopoden mit dem nach allen Richtungen zerflie⸗ ßenden Protoplasma, und die Geißelbewegung iſt jedenfalls eine vollkommenere phyſiologiſche Leiſtung als die amöboide, kann aber mit Beſtimmtheit aus der letzteren abgeleitet werden. Entwickelungsgeſchichte paläolithiſcher Amphibien. Don Profeffor Dr. W. Marſhall in Leipzig. Seit ſechs Jahren hat Credner umfangreiche Unter⸗ ſuchungen über Amphibien (Stegocephalen) aus dem Rot⸗ liegenden des Plauenſchen Grundes bei Dresden gemacht. Während in den früheren Teilen die Syſtematik und Ana⸗ tomie, hauptſächlich die Oſteologie, behandelt wurde, bringt uns der eben erſchienene ſechſte Teil der Unterſuchungen die Entwickelungsgeſchichte von Branchiosaurus ambly- stomus und zwar in einem Umfang und einer relativen Vollſtändigkeit, wie ſie nur durch gründliche Ausnutzung eines überaus reichen Materials möglich ſein können. Die kleinſten Larvenſkelette, von denen Reſte erhalten ſind, meſſen 25 mm und beſitzen vier Kiemenbogen, die an ihren proximalen Enden kleine Zähnchen tragen; die Tierchen, welche früher als eigene Art betrachtet und B. gracilis genannt worden waren, atmeten alſo mittelſt Kiemen. Nachdem fie aber bis auf 60—70 mm heran⸗ gewachſen waren, verloren ſie dieſelben, und es trat nun eine ausſchließliche Lungenatmung ein, bei welcher dieſe Branchioſauren eine Maximallänge von 130 mam erreichen konnten. Es fand bei ihnen mithin eine Metamorphoſe ſtatt, ähnlich wie bei den lebenden Salamandriden, in deren nächſte Nähe Credner auch die Tiere geſtellt wiſſen will. Während des mit einer Metamorphoſe verbundenen Wachstums ſtreckte ſich der Schädel, ſo daß ſeine Breite und Länge einander faſt gleich wurden, während ſie bei der jungen Larve ſich wie 3:2 verhalten hatten, und dieſe Streckung wird durch eine überwiegende Entwickelung des Geſichtsſchädels, nament⸗ lich der Naſenbeine bedingt. In der harten Augenhaut, die bei Larven bloß einen einfachen Ring eingelagerter viereckiger Knochenplättchen (einen ſogenannten Sklerotikal⸗ ring) hatte, trat, bei reifen Individuen, hinter dieſem Ringe noch ein Moſaik ſehr kleiner Kalkſchüppchen, ein Sklerotikalpflaſter, auf. Vom Schultergürtel, der aus Schulterblatt, Schlüſſelbein und drei nebeneinander ge⸗ lagerten Bruſtplatten beſteht, erleiden die erſteren Knochen, abgeſehen von einer dem allgemeinen Wachstum entſprechen⸗ den Größenzunahme, keine Veränderungen, während von den drei Bruſtplatten die mittelſte, die bei den Larven nur eine kleine, hautartig zarte Lamelle bildete, ſich zu einer 8 bis 9mm großen, abgerundeten, fünfſeitigen, ſtarken Platte entwickelt, welche die ſeitlichen Plättchen im Wachstum weit überflügelt und nach außen hin ver⸗ Humboldt. — Auguſt 1887. ſchiebt. Mit dem Gürtel der hinteren Extremität, mit dem Becken, hingegen treten bemerkenswerte Veränderungen auf, zwar nicht betreffs ſeines Baues, aber wohl ſeiner Lage, er wandert nämlich während der poſtembryonalen Entwickelung gradatim nach hinten, entlang der Wirbel⸗ ſäule. So vermehrt ſich nach und nach die Zahl der vor ihm gelegenen Wirbel, der Rückenwirbel, auf Koſten der Schwanzwirbel. An der Wirbelſäule eines jugendlichen Individuums, die vom Hinterrande des Schädels bis zum erſten Kreuzbeinwirbel 19 am maß, betrug die Zahl der Rückenwirbel 20, an der 56 mm langen eines ausgewach— ſenen hingegen 26. Die Abſchnitte der Extremitäten wachſen weniger energiſch als die Knochen des übrigen Skeletts, es haben mithin die Larven relativ längere Beine als die ausgewachſenen Branchioſauren. Von beſonderem Intereſſe ſind gewiſſe Epidermoidal— bildungen, welche jene paläolithiſchen Amphibien beſaßen. Die jüngeren Larven ſcheinen eine ganz nackte Haut ge— habt zu haben, erſt an den Reſten ſolcher von cirka 50 mm Länge ſieht man entlang der Wirbelſäule einen weißen, gegen die braune Farbe der Steinplatte, in deren Ober— fläche die Reſte liegen, ziemlich ſcharf abſtechenden Anflug, der nach vorn zu ſich verbreitert, und hier als aus ſehr zarten Schüppchen gebildet unter der Lupe ſich ausweiſt, während der hintere ſchmälere Abſchnitt aus einem Chagrin von unregelmäßigen Kalkkörnchen und dünnſten Kalk— ſchüppchen beſteht. In einem ſpäteren Stadium, wenn die Larve bereits zur Lungenatmung übergegangen iſt und ihre Kiemen verloren hat, ſind die Schüppchen deutlicher, am Hinterrande ſaumartig verdickt und von querovaler Geſtalt und decken ſich, in Reihen angeordnet, dachziegel— artig mit ihren Rändern. Dieſe Reihen gehören zwei Syſtemen an: das erſte, aus 35 bis 40 nach vorn konver— gierenden Reihen beſtehend, bedeckt die Bauchfläche ungefähr in ihren beiden hinteren Dritteln bis zur Kloakenöffnung, 299 während das zweite mit 10 bis 12 nach hinten konver— gierenden Reihen das vorderſte Drittel, alſo die Bruſt— gegend einnimmt. Die Stelle, wo beide Syſteme zu— ſammenſtoßen, liegt hinter der mittleren Bruſtplatte. Später entwickelt fic) oberhalb der Bruſtpartie des Schuppen⸗ kleides eine aus 10 bis 12 wellenförmig in der Mitte ausgebogenen Reihen beſtehende Kehlpartie, desgleichen be— 8 ae AY WSS N= % Schematiſche Darſtellung des ventralen Schuppentleides von Branchiosaurus amblystomus, 1 bis V Syſteme (Fluren) von Schuppenreihen. I des Bauches, I der Bruſt, III des Halſes oder der Kehle, 1V der Arme, V der Schenkel, VI des Schwanzes. decken ſich bei ausgewachſenen Individuen der Schwanz und die Extremitäten an ihrer Unterſeite mit einem ähn— lichen, querverlaufenden Schuppenpflaſter. Credner be— nutzt für die einzelnen Abſchnitte dieſer Panzerung, an die von Nitzſche für Konturfedergruppen der Vögel einge— führte Benennungen anknüpfend, die Bezeichnungen Bauch-, Bruſt⸗, Hals- oder Kehl-, Arm-, Schenkel- und Schwanz⸗ flur. So wurde nach Credner der waſſerbewohnende Branchiosaurus gracilis zum landbewohnenden B. am— blystomus durch allmähliche Metamorphoſe. Der Bau der Blütennektarien. Don Dr. E. Loew in Berlin. Bei der außerordentlichen Wichtigkeit, welche die Saft— drüſen oder Nektarien der Blumen als Anlockungsmittel für blumenbeſuchende Inſekten und daher auch für das Geſchäft der Beſtäubung haben, erſcheint es wünſchenswert, über den anatomiſchen Bau dieſer Organe möglichſt ein— gehende Unterſuchungen anzuſtellen, da nur auf dieſe Weiſe Irrtümer über den wahren Ort der Nektarausſcheidung innerhalb einer Blüte ſich vermeiden laſſen. In neuerer Zeit machte vom blütenbiologiſchen Standpunkt aus bez ſonders W. Behrens gründliche Studien über den Bau der Nektardrüſen (Flora 1879); in der Regel ſetzt ſich ein Nektarium aus kleinzelligem, zartwandigem Gewebe zu— ſammen, das an ſeiner Oberfläche von ſpeciell für die Ausſonderung zuckerhaltigen Saftes eingerichteten Zellen bekleidet wird. In vielen Fällen werden dieſelben von einer Cuticula, d. h. einer verkorkten und für wäſſerige Stoffe undurchdringlichen Zellhautſchicht nach außen be— grenzt. Behrens fand nun, daß in allen derartigen Fällen das Sekret entweder die Cuticula ſprengt oder durch be— ſondere Ausſonderungsorgane, wie z. B. Spaltöffnungen (Saftventile), an die Oberfläche der Drüſe tritt. Eine neuerdings erſchienene Arbeit von S. Stadler: Beiträge zur Kenntnis der Nektarien und Biologie der Blüten (Berlin, bei R. Friedländer 1886. Mit 8 Tafeln) ſchließt ſich ergänzend an die genannten Unterſuchungen von Behrens an. Während letzterer den Eintritt von Leit— bündeln in Nektarien verhältnismäßig ſelten beobachtete, fand Stadler gerade bei den von ihm unterſuchten Pflanzen großen Reichtum der Honigdrüſen an Gefäßbündeln, jo daß er dieſelben „als einen integrierenden, nie fehlenden Beſtandteil, wenn nicht des Nektariumgewebes, ſo doch des Nektariumbodens“ bezeichnet. Die Leitbündel haben hier wie auch ſonſt den Zweck, dem Drüſengewebe das not— wendige Stoffmaterial zuzuführen. Ein zweites, wichtiges Ergebnis der Stadlerſchen Unterſuchung beſteht in dem Nachweis, daß Zuckerſäfte auch cuticulariſierte (verkorkte) 300 Humboldt. — Auguſt 1887. Zellhäute zu paſſieren vermögen, obgleich ſonſt die Cuticula als für Waſſer und wäſſerige Löſungen ſchwer durchläſſig oder geradezu als undurchläſſig betrachtet wird. Aus den von Stadler im einzelnen mitgeteilten Beobachtungen an Lilium auratum und umbellatum, Passiflora coerulea, Impatiens Roylei, Asclepias Cornuti und Diervilla rosea ſcheint hervorzugehen, daß die Sekretion von Gly⸗ koſe (Zucker) auch durch cuticulariſierte Membranen hin⸗ durch ſtattfinden kann, und zwar ſind dabei zwei Fälle zu unterſcheiden, indem dies ohne Abhebung der Cuticula von der darunter liegenden Zellſtofflamelle oder mit einer Spaltung beider Membranen erfolgt. Letzterer Fall wurde unter anderem bei den Saftmaſchinen (Honigbehältern) von Asclepias Cornuti aufgefunden, die in Geſtalt von Tuten dem Rücken der Staubgefäße aufſitzen; außerdem fand Stadler einen zweiten, bisher überſehenen Sitz der Nektarabſonderung in den ſogenannten Narbenkammern genannter Pflanze auf, welche ſpaltenförmige, radiale Hohl⸗ räume zwiſchen den flügelartig verbreiterten Seitenrändern der Antheren darſtellen; auch aus den Zellen dieſer inneren Nektarien erfolgt die Ausſcheidung des Zuckerſaftes unter Auftreibung der Cuticula. Bei Diervilla rosea, an deren ſäulenförmigem Nektarium die Sekretion, wie dies auch Behrens bei Diervilla floribunda fand, aus großen keulen⸗ förmigen Papillen ſtattfindet, beobachtete Stadler die Spaltung der Papillenmembran und die blaſenförmige Abhebung des cuticularifierten äußeren Teiles derſelben ebenfalls. Da bei anderen Drüſenorganen, z. B. bei den blaſigen Hautdrüſen, das Sekret an der Grenzfläche zwiſchen Cuti⸗ cula und eigentlicher Zellmembran auftritt und erſtere unter Zerreißung emporhebt, ſo kann der von Stadler angegebene Ausſcheidungsmodus in anatomiſcher Beziehung kaum überraſchen, ſofern man annimmt, daß die Cuticula bei dem ſie zerrenden und dehnenden Emporheben feine, leicht zu überſehende Riſſe erhält, durch welche das Sekret ausfließt. Möglicherweiſe findet dergleichen auch in den Fällen ſtatt, bei welchen Stadler ein Auftreiben der Cuticula nicht beobachtet hat. Als intereſſante Abweichung verdient hervorgehoben zu werden, daß bei Pinguicula alpina die Köpfchenhaare auf der Innenſeite des Sporns nur Schleim an Stelle von Zuckerſaft ausſondern. Welche eigentüm⸗ lichen Schwierigkeiten unter Umſtänden die Ermittelung des wahren Nektariums einer Blüte macht, geht aus dem von Stadler erörterten Fall bei Galanthus nivalis hervor, in deſſen Blumen die auf der Innenſeite der inneren Perigonblätter verlaufenden Längsfurchen ſpärlichen Honig abſondern. Jedoch fehlt hier ein ſpeeifiſches Nektarium⸗ gewebe, das ſich vielmehr nur auf einem fleiſchigen, dem Fruchtknoten aufliegenden Diskus vorfindet, in deſſen Ge⸗ webe überdies Glykoſe durch Reaktionen nachweisbar iſt; es liegt daher die Annahme nahe, daß dieſer Diskus der Ort des eigentlichen Nektariums iſt und von dieſem das Sekret erſt zu den Perigonblättern geleitet wird, wo es aus den Spaltöffnungen ausgeſchieden wird. Letztere Ausſcheidungs⸗ art fand Stadler unter anderem auch bei Melittis Mellisso- phyllum, einer prächtigblütigen Labiate, bei welcher Gaſton Bonnier, ein bekannter Gegner der modernen Blumen⸗ theorie, ſonderbarerweiſe das Fehlen der Nektarien und des Nektar angegeben hatte, obgleich ihre Blumen ausge⸗ zeichnete, für den Beſuch von Hummeln berechnete Ein⸗ richtungen und auch deutliche, in keiner Weiſe verkümmerte Nektarien an gewöhnlicher Stelle beſitzen. Wie aus den angeführten Beiſpielen hervorgeht, bereichert die Abhandlung Stadlers unſere Kenntniſſe vom Bau und der Thätigkeit der Blütennektarien in weſentlichen Stücken und iſt demnach als ein willkommener Beitrag auch zur Blütenbiologie zu betrachten; beſonders mag noch auf die ſehr ſchön ausge⸗ ſtatteten acht Tafeln hingewieſen werden, welche die ein⸗ ſchlägigen Verhältniſſe von 17, im botaniſchen Garten zu Zürich kultivierten und im Laboratorium von Profeſſor A. Dodel-Port unterſuchten Pflanzen darſtellen. Auch einige andere blütenbiologiſch wichtige Momente, wie Pro⸗ tandrie und Proterogynie, ſowie ſonſtige Mittel zur Siche⸗ rung der Fremdbeſtäubung hat Verfaſſer an jenen Pflanzen näher in Betracht gezogen. Fortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Chemie. Don Dr. Theodor Peterſen in Frankfurt a, M. Geſchwindigkeit der Bewegung bei flüſſigen und feſten Horperteilchen. aktionen. Darſtellung und Sigenſchaften des reinen Fluors. ſtande. Molekül des Finks. Entphosphorung des Boheiſens. Candoltſche Seitreaktion. Gehalt der atmoſphäriſchen Luft an Kohlenſäure und deren Ermittelung. Siedepunkt des Ozons. Ciebreichs toter Raum bei chemiſchen Re⸗ Schmelzpunkt des Aethylens. Fluorwaſſerſtoff, Phosphorwaſſerſtoff und Antimonwaſſerſtoff in flüſſigem und feſtem Su- Thomasſchlacke als Düngmittel. Naſſauiſcher Phosphorit. Organijche Bajen. Pentamethylendiamin, Cadaverin. Organiſche Kluorverbindungen. Syntheſe des Pyrrols. 8⸗Methylpenthiophen, ein neuer thiophenartiger Horper. Antifebrin. Neue Methode der Elementaranalyje. Verbeſſerungen der Stickſtoffbeſtimmung in organiſchen Verbindungen. Während uns die Geſchwindigkeit der Bewe⸗ gung von Gasmolekülen nicht unbekannt iſt, fehlte es bis⸗ lang an entſprechenden Anhaltspunkten für flüſſige und feſte Körperteilchen. Landolt hat hierfür intereſſante Beiträge geliefert“). Derſelbe fand nämlich, daß Flüſſig⸗ ) Ber. d. deutſch. chem. Geſ. 1886, S. 1317. keiten, welche bei gewiſſer Konzentration unmittelbar auf⸗ einander einwirken, bei ſtarker Verdünnung hierzu beſtimmter meßbarer Zeiträume bedürfen, die zu dem Grade und der Art der Verdünnung in geſetzmäßiger Beziehung ſtehen. Beim Vermiſchen von wäſſeriger ſchwefeliger Säure 802 mit Jodſäurelöſung HJ 03 tritt bekanntlich Ausſcheidung von Jod ein, welches bei Gegenwart von etwas Stärkelöſung die Humboldt. — Auguſt 1887. ganze Flüſſigkeit intenſiv blau färbt. Das Endergebnis dieſes Vorganges läßt ſich durch die Gleichung 5 802 + 2 HJO3 = 5 S803 + HO +Jo ausdrücken. In konzentrierteren Flüſſigkeiten erfolgt die Reaktion ſofort, wendet man aber ſtarke Verdünnung an, ſo tritt die Reaktion nicht unmittelbar, ſondern erſt nach Verlauf einer beſtimmten Zeit ein, die einmal vom gegen— ſeitigen Gewichtsverhältnis der beiden Subſtanzen, anderer— ſeits bei gleichbleibenden Verhältniſſen zwiſchen ſchwefeliger Säure und Jodſäure von der vorhandenen Waſſermenge, bezw. der Konzentration der Miſchung, ſowie von der vor— handenen Temperatur und dem Druck abhängig iſt. Unter Einhaltung gleichbleibender äußerer Bedingungen kann der plötzliche Eintritt der Reaktion mit der Uhr beſtimmt werden. Vermiſcht man gleiche Volumina einer Löſung, welche auf 20000 Mol. Waſſer Mol. 802 enthält, mit einer anderen, welche auf ebenſoviel Waſſer 2 Mol. HJ 0g ent= hält, unter Hinzufügung von etwas Stärkelöſung in einem Becherglaſe, jo bleibt die Miſchung bei gewöhnlicher Tem— peratur 20 Sekunden lang unverändert waſſerhell, dann wird ſie plötzlich tiefblau; bei der doppelten Verdünnung ſind zu demſelben Reſultat 2 Minuten, bei der dreifachen Verdünnung ſchon 7 Minuten erforderlich. Bedient man ſich ftatt des Waſſers einer Flüſſigkeit von ſtärkerer Vis- koſität als Verdünnungsmittel, z. B. des Glycerins, ſo findet nicht nur eine ſtärkere Verlangſamung der Reaktion der Zeit nach ſtatt, ſondern man kann ſie auch im Mo— mente des Eintrittes beſſer beobachten, die Blaufärbung erſcheint allmählicher. Dieſe Landoltſche Zeitreaktion kann auch mit dem ſogenannten toten Raum bei chemi— ſchen Reaktionen in Verbindung gebracht werden, ein Gebiet, in welches wir von Liebreich durch Beobachtungen bei der Zerſetzung von Chloralhydrat eingeführt worden ſind (S. 19). Mit Hilfe der Landoltſchen Zeitreaktion kann man den toten Raum Liebreichs, in welchem die chemiſche Reaktion ausbleibt, auch bei Anwendung einer entſprechend verdünnten und zur Verlangſamung noch mit Glycerin verſetzten Löſung von 80 und Hz deutlich zeigen, wenn man mit einer engen Glasröhre operiert. Iſt letztere dünn genug, fo tritt infolge der Kapillarwir⸗ kung der Glaswand überhaupt keine Reaktion mehr ein; dieſe erſcheint bei etwas dickerer Röhre in einem blau gefärbten Faden im Innern, während die Flüſſigkeit an den Glaswandungen unverändert bleibt. Für den tieri— ſchen und pflanzlichen Organismus bieten ſich hierdurch neue wichtige Geſichtspunkte dar. Den Gehalt unſerer Atmoſphäre an Kohlen— ſäure nahm man bis 1870 im Mittel zu 0,0004 Volumen an; neuere, ſehr ſorgfältige Unterſuchungen haben gezeigt, daß er ſich in Wirklichkeit noch beträchtlich niedriger ergibt, wenn die bei der Ermittelung ſo kleiner Werte offenbar ſehr ins Gewicht fallenden Fehlerquellen gehörig berückſichtigt werden. So fand Schulze in Roſtock im Mittel von 1034 während der Jahre 1868 —71 ausgeführten Beobachtungen nur 2.92 Volumen Kohlenſäure in 10000 Volumen Luft; nicht minder ſorgfältige Beobachtungen der neueſten Zeit von R. Blochmann !“) haben den niedrigeren Wert beſtätigt. *) Liebigs Ann. d. Chem. Bd. 237, S. 39. 301 Alle zur Beſtimmung der atmoſphäriſchen Kohlenſäure an— gewandten Unterſuchungsmethoden baſieren auf der Ab— ſorption der zu ermittelnden Kohlenſäure durch Alkalien oder alkaliſche Erden, namentlich Baryt; die Methoden laſſen fic) ferner in zwei Gruppen zuſammenfaſſen, je nachdem ein durch die Größe der Apparate begrenztes Luftvolumen oder unter Benutzung eines Aſpirators eine beliebig große Luftmenge zur Verwendung gelangt. Die einen ermöglichen die Unterſuchung der Luft zu einem be⸗ ſtimmten Zeitpunkt, die anderen geſtatten die Ermittelung des durchſchnittlichen Kohlenſäuregehaltes während eines beſtimmten Zeitraumes, der Dauer der Aſpiration. Die letztere, die Aſpirationsmethode, hat ſich nun als die ge— nauere herausgeſtellt, bei der die verſchiedenen Fehler— quellen am leichteſten vermieden werden können. Von den Einzelheiten der vorliegenden Arbeiten müſſen wir hier abſehen, geben jedoch deren Reſultate in Kürze wieder. Der durchſchnittliche Kohlenſäuregehalt der Luft, welche unſeren Planeten umgibt, beträgt dem Volumen nach 0,0 0030, ſowohl über dem Feſtlande, wie über dem Meere. Ueber dem Lande enthält die Luft am Tage in 10000 Volumen durchſchnittlich 0,2 bis 0,3 Volumen Kohlenſäure weniger als in der Nacht; über dem Meere iſt ein ähn— licher Unterſchied nicht nachgewieſen. Die Schwankungen im Kohlenſäuregehalt der Luft bewegen ſich in der Regel innerhalb eines Zehntauſendſtels, etwa von 2,5 bis 3,5 Volumen für 10 000 Volumen Luft und gleichen ſich in den Mittelzahlen größerer Zeiträume nahezu aus. Die Einflüſſe der Vegetation, des Verweſungsproceſſes im Bo— den, des geſteigerten Verbrauches an Brennmaterial in den Städten ꝛc. laſſen ſich nur in nächſter Nähe dieſer Vorgänge nachweiſen. Der Unterſchied im durchſchnittlichen Kohlenſäuregehalt der Luft iſt in volkreichen Städten und auf dem Lande im allgemeinen nur gering. Lokale Be— einfluſſungen ſind in großen Städten erklärlich. So wurden von A. Smith in London auf freien Plätzen 3,08, in der Themſegegend 3,43 und in den Straßen 3,80 Volumen Kohlenſäure in 10000 Volumen Luft gefunden. Vulka⸗ niſche Erſcheinungen vermögen jedoch den Kohlenſäuregehalt der Atmoſphäre auf größere Strecken meßbar zu beein— fluſſen. Bei Nebel und bedecktem Himmel iſt die Menge der Kohlenſäure bei ruhigem Wetter etwas größer als bei klarem Himmel und bewegter Luft; in Bezug auf den Einfluß des Regens ergaben die bisherigen Unterſuchungen keine beſtimmten Geſetzmäßigkeiten, ſtarker Wind übt in— deſſen meiſtens einen deutlich erkennbaren Einfluß auf den Kohlenſäuregehalt der Luft aus. Schon Hautefeuille und Chappuis fanden, daß ſich Ozon unter ſtarkem Druck und Abkühlung zu einer dunkel— blauen Flüſſigkeit verdichten läßt. Olszewski hat nun kürzlich gezeigt, daß die Verflüſſigung des Ozons auch unter normalem Druck bei — 181,4“, der Temperatur des unter gewöhnlichem atmoſphäriſchem Druck ſiedenden Sauerſtoffs, leicht von ſtatten geht. Der Siedepunkt des Ozons wurde in verflüſſigtem Aethylen bei — 106“ gefunden. Eine Erſtarrung desſelben konnte nicht erzielt werden, daz gegen erſtarrte das Aethylen bei der Siedetemperatur des Sauerſtoffes (— 181,4°) zu einer weißen, kryſtalliniſchen, 302 etwas durchſcheinenden Maſſe. Der Schmelzpunkt des Aethylens wurde bei — 169° beobachtet?). Die Iſolierung des Fluors war ſeither nicht ge- lungen, da die Affinität des Fluors zu allen anderen Stoffen, ſelbſt zu den edelſten Metallen, eine ſehr große iſt. Die Darſtellung reinen Fluors im freien Zuſtande ift erſt neuerdings H. Moiſſan gelungen!) und zwar durch Elektrolyſe waſſerfreier flüſſiger Fluorwaſſerſtoffſäure von 19° Siedepunkt, welche durch einen ſtarken elektriſchen Strom in der Weiſe zerlegt wird, daß am negativen Pole Waſſerſtoff und am poſitiven Pole Fluor frei wird. Zu den Verſuchen diente ein U-firmiges Rohr aus Platin, deſſen beide Schenkel auch mit Gasableitungsröhren aus Platin verſehen waren und in welche die beiden Elektroden eintauchten, die negative ebenfalls aus Platin, die poſitive aus einer chemiſch noch widerſtandsfähigexen Legierung aus 9 Teilen Platin und 1 Teil Iridium beſtehend; das Rohr war ſoweit gefüllt, daß die Verbindung der beiden Schenkel unterbrochen war und wurde dasſelbe während des Durchganges des Stromes von zwanzig großen Bunſen⸗ Elementen durch verdampfendes Methylchlorid gekühlt. Da die ganz trockene Fluorwaſſerſtofffäure den Strom nicht zu leiten ſchien, wurde etwas Fluorwaſſerſtoffkalium zu⸗ gegeben, welches Salz bei der Elektrolyſe gleichwie die reine Fluorwaſſerſtoffſäure am negativen Pole Waſſerſtoff, am poſitiven aber ein ungefärbtes, ſtark riechendes Gas lieferte, welches über Queckſilber aufgefangen und auf ſeine Haupteigenſchaften unterſucht werden konnte. Silicium verbrannte in dem Gaſe mit lebhaftem Glanz zu Fluor⸗ ſilicium, ebenſo vereinigten ſich Bor, Phosphor, Arſen, Antimon, Schwefel und Jod leicht und teilweiſe unter Feuererſcheinung mit demſelben; Waſſer wurde unter Bil⸗ dung von Fluorwaſſerſtoff und Ozon zerlegt, aus Jod⸗ kalium wurde Jod ausgeſchieden; auf Metalle wirkte das Fluorgas weniger heftig ein, vielleicht weil das gebildete Fluormetall einen ſchützenden Ueberzug bildete; auf Kohle übte es keine Wirkung aus. Viele organiſche Stoffe wurden lebhaft angegriffen, einige, wie Alkohol, Aether, Benzin, Petroleum und Terpentinöl ſogar unter Feuererſcheinung. Hatte die Zerſetzung ſo lange gedauert, daß die Fluor⸗ waſſerſtoffſäure beide Schenkel des U-Rohres nicht mehr voneinander abſchloß und die beiden Gaſe, Fluor und Waſſerſtoff, miteinander in Berührung kamen, ſo ver⸗ einigten ſich dieſelben alsbald unter Detonation. Bei Fortſetzung ſeiner Unterſuchungen über die Kon⸗ denſation gasförmiger Stoffe fand Olszewski! ), daß flüſ⸗ ſiger Fluorwaſſerſtoff bei — 102,5“ zu einer durch⸗ ſcheinenden kryſtalliniſchen Maſſe erſtarrt, welche bei weiterer Temperaturerniedrigung weiß und undurchſichtig wurde und bei — 92,3 zum Schmelzen kam. Ganz waſſerfreier Fluorwaſſerſtoff greift das Glas nicht an; die zum Verſuch dienende Glasröhre war zur Abhaltung der Feuchtigkeit inwendig mit einer ganz dünnen durchſichtigen Paraffin⸗ ſchicht überzogen. Gasförmiger Phosphorwaſſerſtoff wurde bei — 90° in einer durch flüſſiges Aethylen ge⸗ ) Sitzungsberichte der k. k. Akad. d. Wiſſenſch. in Wien 1887. Februar. ) Compt. rend. 102, S. 1543 und 103, S. 202, 256. forſcher 1886, S. 450. ) Monatshefte f. Chemie 1886, 7, S. 371. Nature Humboldt. — Auguſt 1887. kühlten Röhre leicht verflüſſigt; bei — 133,5“ erſtarrte er zu einer weißen kryſtalliniſchen Maſſe, die bei — 132,5“ wieder ſchmolz und bei — 85 ſiedete. Auch Antimon⸗ waſſerſtoff wurde ſo verflüſſigt und in weißen Schnee verwandelt, welcher bei — 91,5“ wieder zu einer farbloſen Flüſſigkeit ſchmolz. Die Beſtimmung der Gasdichte bietet bekanntlich ein Mittel dar, um die Molekulargröße der Körper zu er⸗ fahren, indem das Molekulargewicht eines jeden Körpers gleich iſt der doppelten Dichte desſelben im Gaszuſtande, wenn dieſe auf Waſſerſtoff als Einheit bezogen wird. Von den ein⸗ fachen Stoffen find die wenigſten jo flüchtig, um die Dampf⸗ dichtebeſtimmung derſelben leicht und ſicher vornehmen zu können. Hierbei hat ſich wie für Waſſerſtoff das Molekül Hy auch für Sauerſtoff Oo, Stickſtoff No, Schwefel Sy, Selen Seo, Tellur Tey, Chlor Clo, Brom Bra und Jod Jn, jedoch für Phosphor Py, und für Arſen Asy, anderer⸗ ſeits für die ziemlich flüchtigen Metalle Queckſilber Hg und Cadmium Cd ergeben. Die Mehrzahl der Metalle iſt aber ſehr ſchwer oder gar nicht flüchtig, daher auch die Beſtim⸗ mung ihrer Dampfdichte erſchwert oder unmöglich. Nach neueren Methoden können aber Dampfdichtebeſtimmungen bei ſehr hohen Temperaturen ausgeführt werden und ſo iſt es V. Meyer und J. Menſching in Göttingen gelungen, für Zinkdampf bei ca. 1400“ Gewichte zu finden (Dichte des Zinkdampfes gefunden 2,3 bis 2,4, berechnet 2,25), welche zu dem Wert Zn für das Zinkmolekül führen, das ſonach ebenfalls nur aus einem Atom beſteht, wie Queck⸗ ſilber und Cadmium, ein Verhalten, welches den ſchweren Metallen überhaupt allgemeiner zuzukommen ſcheint ). Als Erſatz der natürlichen und künſtlichen phosphor⸗ ſäurereichen Düngermittel hat die Thomasſchlacke hohe Bedeutung gewonnen, fo daß der Thomas ⸗⸗Gilchriſtſche Proceß, einerſeits geringwertiges phosphorreiches Roheiſen durch entſprechenden Kalkzuſatz im Beſſemer⸗Konvertor zu entphosphorn, andererſeits aber eine an Phosphorſäure und Kalk reiche Schlacke als Düngmittel zu gewinnen, großen Aufſchwung genommen hat. 1886 wurden an Fluß⸗ eiſen und Flußſtahl nach dieſem Verfahren bereits gegen 1,5 Millionen Tonnen erzeugt (wovon faſt 1 Million auf Deutſchland entfielen) und wurden dabei gegen 0,5 Mill. Tonnen Thomasſchlacke mit einem Gehalt von durchſchnitt⸗ lich 0,33 % an phosphorſaurem Kalk gewonnen. An⸗ fänglich befriedigten die Düngungen mit der Schlacke weniger, nach den von Wagner in Darmſtadt ausgeführten Verſuchen hilft aber äußerſt feines Mahlen, um das neue billige Düngungsmittel den älteren vollkommen ebenbürtig an die Seite zu ſtellen. Unter den Verbeſſerungen im Entphosphorungsproceß des Roheiſens erwähnen wir ſodann die patentierten Verfahrungsweiſen von Scheib⸗ ler), beim Schmelzen des Eiſens mit möglichſt wenig Kalk zuerſt den größten Teil des darin enthaltenen Phosphors in Form eines phosphorſäure⸗ und kalkreichen Düngemittels zu entfernen, die ſpäter abfallende eiſenreichere Schlacke aber wieder bei der Roheiſenerzeugung zu verwerten. Auch wurde die Thomasſchlacke mit Salzſäure behandelt, die *) Ber. d. deutſch. chem. Geſ. 1886, XIX, S. 3295; Naturwiſſ. Rundſchau 1887, 1. ) Deutſche Reichspatente 24130, 25020, 32 220 und 34416; Ber. d. dent}. chem. Geſ. 1886, 19, S. 1883. Humboldt. — Auguſt 1887. 303 gelöſte Phosphorſäure mit Kalk als Calciumbiphosphat gefällt und zu Düngerzwecken verwendet. Der Gehalt der Thomasſchlacke an Phosphorſäure ſchwankt zwiſchen 8 und 26 Procent; ſie enthält durchſchnittlich nach Fleiſcher in Procenten: Phosphorſäure 17,5, Kalk 46,6, Magneſia 4,7, Manganoxydul 4,0, Eiſenoxydul 9,3, Eiſenoxyd 4,1, Thon— erde 2,0, Schwefel 0,5, Schwefelſäure 0,2, Kieſelſäure 7,5. In der Thomasſchlacke findet man gewöhnlich tafel— förmige Kryſtalle oder auch Büſchel von Nadeln, welche ſich nach G. Hilgenſtock und E. Jenſch?) als Tetracalcium— phosphat erwieſen und ſomit beſtätigt haben, was Schreiber dieſes ſchon vor längerer Zeit anläßlich der von ihm zuerſt vorgenommenen Unterſuchungen über die naſſauiſchen Phosphorite bemerkte, daß nämlich die Phosphor- ſäure eine gewiſſe Neigung habe, ſich mit 4CaO, anderer— ſeits aber nur mit 2MgO zu verbinden. Damals hat Referent auch den Nachweis geliefert, daß die naſſauiſchen Phosphorite (Staffelite) aus dem dortigen Diabas und Diabasmandelſtein herrühren, daß ebenſo an Phosphor- ſäure (Apatit) reiche Baſalte vielfach zur Bildung von Kalkphosphat (Oſteolith) Veranlaſſung gegeben und daß, wie in den naſſauiſchen Bezirken, außer Phosphorit zahl— reiche Eiſen- und Manganerze vorkommen, überhaupt Ab⸗ lagerungen von Mineralien und Erzen viel mehr als man bislang geglaubt, auf direkte Geſteinsauslaugung zurück— zuführen ſeien, eine Anſicht, welche durch die ſchönen Ar— beiten von F. Sandberger?) neuerdings allgemeine Be— ſtätigung gefunden hat. Die Leſer dieſer Zeitſchrift ſind in die von einer Reihe der namhafteſten Chemiker gepflegten neueren Ar- beiten über die natürlichen und künſtlichen Alka— loidbaſen wiederholt eingeführt worden“ *“). Auch der Ladenburg unlängſt gelungenen künſtlichen Darſtellung des Coniins, der zuerſt geglückten Syntheſe eines echten natür⸗ lichen Alkaloides, d. h. einer Pflanzenbaſe mit ſtickſtoff⸗ haltigem Kern vom Pyridintypus, wurde bereits (S. 20) gedacht. Das von Ladenburg unlängſt dargeſtellte, von uns ebenfalls ſchon erwähnte, dem Piperidin verwandte Pentamethylendiamin CsHIAN2 ) hat ſich nach neueren Unterſuchungen von Ladenburg etc) als identiſch mit der von Brieger it) aus Leichen und faulem Fleiſch iſolierten und mit dem Namen Cadaverin belegten organiſchen Baſe erwieſen; letztere konnte direkt in Piperidin über- geführt werden. Das Piperidin bringt uns nochmals auf das Fluor zurück. O. Wallach hat uns in einer Reihe bemerfens- werter Unterſuchungen mit verſchiedenen gut kryſtalliſie— renden Diagoamidoverbindungen des Piperidins bekannt gemacht §), welche mit Fluorwaſſerſtoffſäure leicht orga— ) Berichte des Offenbacher Vereins für Naturkunde VII. 123, VIII. 69, IX. 92 und XI. 41; Verhandl. der k. k. geolog. Reichsanſtalt in Wien 1868, 344, 1869, 236. ) Unterſuchungen über Erzgänge. und 1885. ) Vergl. namentlich meine Ausführungen in dieſer Zeitſchrift 1882. +) Dieſe Zeitſchrift 1886, S. 142. +t) Ber. d. deutſch. chem. Geſ. 1886, XIX, S. 2585. i) Unterſuchungen über Ptomäine. Berlin 1885. S. 345, 1885, S. 117 und 1886, S. 142. §) Liebigs Ann. d. Chem. Bd. 235, S. 233 und 255. Zwei Hefte. Wiesbaden 1882 niſche Fluorverbindungen liefern. Auf dieſe Weiſe wurden ſehr reichliche Ausbeuten von Fluorbenzol, p-Fluor— toluol, p-Fluornitrobenzol und p-Fluoranilin erhalten. G. Ciamician und P. Silber hatten bereits früher gezeigt, daß man vom Suceinimid CH 02. NII durch glatte Umſetzungen leicht zum Tetrachlorpyrrol C,Cly.NH gelangen könne ?). Ein neues patentiertes Verfahren der Herren Kalle u. Co. in Biebrich a. Rh., Tetrachlorpyrrol mit alfo- holiſcher Jodkaliumlöſung bequem in Tetrajodpyrrol über— zuführen, gab nun den oben Genannten Gelegenheit, das Tetrajodpyrrol mit Hilfe von Zinkſtaub weiter in Pyrrol zu verwandeln und hierdurch eine einfache Syntheſe des Pyrrols darzuthun ““). Ciamician knüpft hieran Be— trachtungen * zu Gunſten der von uns ſchon vor längerer Zeit befürworteten Baeyerſchen Pyrrolformel +). Weiter haben wir eines auch theoretiſch ſehr bemer— kenswerten neuen Benzolkörpers zu gedenken. Nachdem durch die Unterſuchungen von V. Meyer über das Thio— phen It) erwieſen war, daß man im Benzolmolekül die eine der drei Acetylengruppen ähnlich wie durch NH im Pyrrol auch durch 8 erſetzen kann, ohne dadurch den ſpeci— fiſchen Charakter einer ſogenannten aromatiſchen Verbin— dung zu beeinträchtigen, konnte die Frage aufgeworfen werden, ob zum Zuſtandekommen einer dem Thiophen analogen Subſtanz gerade 4 Kohlenſtoffatome notwendig ſeien, oder ob auch 5 oder 6 ſolcher Atome eine ähnliche Verbindung erzeugen könnten, wenn ſie zu einer durch Schwefel geſchloſſenen Kette gruppiert ſind. Nachdem V. Meyer auch in dieſer Richtung ſchon Verſuche angeſtellt hatte, iſt es neuerdings deſſen Schüler C. Krekeler ge— lungen, durch Einwirkung von Schwefelphosphor auf - Methylglutarſäure CO ,H.CH(CH3).CH9.CH».COjH die Methylverbindung eines neuen tiophenartigen Kör— pers mit 50 zu erhalten, nämlich die Verbindung CHa. C(CHg). CH. CH. CH. 8, ein ſtark lichtbrechendes, wie Xylol riechendes, bei 134° ſiedendes Oel, welches z-Methyl-Penthiophen genannt wurde r). Wir ſchreiben daher Thiophen Penthiophen CHS C5H,S HC — CH CH» i aL ~ HC CH HC CH ll II 8 HC CH oe 8 Das methylierte Penthiophen gibt ähnlich intenſive Farbreaktionen wie das Thiophen, doch ſind ſie ſubtiler und gelingen zum Teil nur mit ganz reiner Subſtanz. Löſt man eine Spur des Körpers in Eiseſſig, fügt eine Iſatinlöſung in Eiseſſig hinzu und dann unter guter Küh— lung konzentrierte Schwefelſäure, bis eben eine Farbſtoff— bildung auftritt, ſo erhält man nach wenig Sekunden eine intenſiv dunkelgrüne Färbung, die bei längerem Stehen ) Ber. d. deutſch. chem. Geſ. 1883, XVI. 2388; 1884, XVII. 553. ) Ber. d. deutſch. chem. Geſ. 1886, XIX. 3027. ***) Ber. d. deutſch. chem. Geſ. 1886, XIX. 3028. +) Dieſe Zeitschrift 1886, S. 142. +t) Dieſe Zeitſchrift 1883, S. 312 und 424; 1885, S. 116. bit) Ber. d. deutſch. chem. Gef. 1886, XIX. 3269. 304 Humboldt. — Auguſt 1887. dunkelviolett wird. Oxydierende Mittel wirken energiſch ein. Während die alkylierten Thiophene ſich dadurch leicht in Carbonſäuren verwandeln laſſen, wird das methylierte Penthiophen ſchon durch alkaliſche Permanganatlöſung, noch weit heftiger aber durch Salpeterſäure völlig zerſtört. Unter dem Namen Antifebrin wird ſeit einiger Zeit das Acetanilid oder Phenylacetamid O65. C2 HZO. NEH angewandt, nachdem A. Cohn und P. Hepp in Straß⸗ burg i. E. auf deſſen ausgezeichnete antipyretiſche Eigen⸗ ſchaften zuerſt aufmerkſam gemacht hatten. Dieſer wohl⸗ bekannte Körper iſt weiß, kryſtalliniſch, geruchlos, von ſchwach brennendem Geſchmack, bei 113° ſchmelzend und bei 292° ſiedend, wenig löslich in kaltem, etwas leichter in warmem Waſſer, jedoch leicht in Alkohol, Aether und Chloroform, vollkommen neutral und gegen Reagentien ſehr widerſtandsfähig. Das Antifebrin wird in Einzel⸗ doſen von 0,25 bis 2,0 g mit Waſſer verrührt, in Oblaten oder in Wein gelöſt verabreicht. Ungeachtet ſeiner Schwer⸗ löslichkeit in Waſſer ſoll es ebenſo ſchnell und dabei ſtärker wirken als Antipyrin, ohne den Magen zu beläſtigen. Das Präparat iſt überdies billig, da es bereits zum Preiſe von 6 Mark per Kilogramm abgegeben wird. Schließlich berichten wir über einige Fortſchritte in der Analyſe organiſcher Körper, zunächſt über eine neue Methode der Elementaranalyſe. Um den Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Stickſtoff organiſcher Sub⸗ ſtanzen in einer Operation quantitativ zu ermitteln, haben Profeſſor V. Meyer und P. Jannaſch eine ſinnreiche Me⸗ thode angewandt und ausführlich beſchrieben !), welche im weſentlichen darin beſteht, daß man die Verbrennung mit Kaliumbichromat und Kaliumpermanganat neben Kupfer⸗ oxyd und in verdünntem reinem Sauerſtoffgas vornimmt, welches durch Chromchlorür, nach v. d. Pfordten ein vor⸗ zügliches Abſorptionsmittel für Sauerſtoff, abſorbiert wird. Kohlenſtoff und Waſſerſtoff werden wie gewöhnlich als Kohlenſäure und Waſſer gebunden und der Stickſtoff ge⸗ meſſen. ) Liebigs Ann. d. Chem. Bd. 233. S. 375. Es erübrigt noch die Erwähnung einiger Verbeſſe⸗ rungen bei der Stickſtoffbeſtimmung in organi⸗ ſchen Verbindungen. Die Methode der Stickſtoffbeſtim⸗ mung von Kjeldahl, welche auf der Ueberführung des Stickſtoffs in Ammoniak durch Kochen mit konzentrierter Schwefelſäure und Behandlung mit Kaliumpermanganat beruht, hat ſich bei allen Stickſtoffbeſtimmungen, welche nach Will⸗Varrentrapps Methode ausgeführt werden können, bewährt, während die Reſultate bei Stickſtoffbeſtimmungen von Verbindungen, welche ſeither gewöhnlich nach Dumas' Methode unterſucht zu werden pflegten, nicht ſehr günſtig waren. Durch A. v. Asboths Modifikation), bet orga⸗ niſchen Verbindungen, welche eine Oxydationsſtufe des Stickſtoffs oder Cyan enthalten, vor dem Kochen mit der Schwefelſäure auf 1 Teil der Subſtanz 2 Teile Zucker zuzuſetzen und bei Nitraten den Zucker durch Stoffe zu erſetzen, welche leicht Nitroverbindungen geben, alſo die durch die Schwefelſäure frei werdende Salpeterſäure bin⸗ den, wozu namentlich Benzoeſäure empfohlen wurde, iſt die Kjeldahlſche Methode zu allgemeinerer Anwendbarkeit geführt worden. Weitere Verſuche in dieſer Richtung hat C. Arnold angeſtellt und gezeigt“), daß bei Gegenwart von Benzoeſäure, Zucker, Queckſilber und Cupriſulfat die Methode auch für Nitrate, Nitro- und Cyanverbindungen völlig befriedigt, ſowie daß bei dieſen Verbindungen eine Oxydation mit Kaliumpermanganat nicht nötig iſt, wenn ſo lange gekocht wird, bis die Flüſſigkeit beim Erkalten farblos erſcheint, was bei Anweſenheit von Queckſilber und Kupfer verhältnismäßig raſch ſtattfindet. Auch die Will⸗ Varrentrappſche alte Natronkalkmethode hat C. Arnold dadurch verbeffert***), daß er empfahl, ſtatt reinen Natron⸗ kalkes eine Miſchung gleicher Teile Natronkalk, Natrium⸗ hypoſulfit und Natriumformiat vorzulegen, in dem Ver⸗ brennungsrohr keinen Kanal zu laſſen und die Erhitzung nicht bis zum ſtärkeren Zuſammenſintern der Maſſe zu treiben. ) Chemiſches Centralblatt 1886, LVII. 161. ) Archiv der Pharmacie 1886, N. R. Bd. XXIV, S. 785. %) Ber. d. deutſch. chem. Geſ. 1886, XIX. 806. Aſtro nomie. Von Prof. Dr. C. F. W. Peters in Kiel. Sonnenfinſternis vom 29. Auguſt 1886. Intenſität des Sonnenlichtes. Hompofition der Sonnenatmoſphäre. Vermeintliche Variabilität des Sonnendurchmeſſers. Ueue Planeten. Kometen. Derdnderliche Sterne. Mittlere Temperatur der Planeten. Sodiakallicht. Neue Kometen. Phyſiſche Beſchaffenheit der Verſammlung der Aſtronomiſchen Geſellſchaft in Kiel. Ueber die Reſultate der Beobachtung der Sonnen⸗ finſternis vom 29. Auguſt 1886, welche die Mitglieder einer nach der Inſel Grenada geſandten engliſchen Ex⸗ pedition ausführten, ſind einige vorläufige Berichte er⸗ ſchienen “), welche folgende Mitteilungen von allgemeinerem Intereſſe enthalten. Wie ſchon in der letzten Ueberſicht über die Fortſchritte der Aſtronomi e!) erwähnt wurde, ) Nature Vol. XXXIV. p. 497; Atti della R. Accademia dei Lincei-Rendiconti 1886. Ser. 4. Vol. II (2). p. 185. ) Humboldt, Jahrg. 1887. S. 16. haben die Verſuche, die Sonnencorona zu photographieren, zu einem negativen Reſultate geführt; es wurden eine Reihe von Aufnahmen der Sonne während des Verlaufes der Finſternis gemacht, eine ſorgfältige Unterſuchung hat indeſſen gezeigt, daß der Hof, welcher ſich auf den Platten um das Sonnenbild abbildet, nicht von der Sonnencorona herrührt. Sehr intereſſant ſind die Beobachtungen über die Sonnenprotuberanzen, welche Tacchini, der Direktor des Collegio Romano, der ſich der Expedition angeſchloſſen hatte, ausführte. Er fand nämlich, daß diejenigen Pro⸗ Humboldt. — Auguſt 1887. tuberanzen, welche auf ſpektroſkopiſchem Wege nach der Totalität der Finſternis geſehen wurden, nur einen Teil derjenigen bildeten, welche während der Totalität auf— leuchteten. Diejenigen Protuberanzen, welche außerhalb der Finſternis nicht ſichtbar ſind, ſind nach ſeinen Unter— ſuchungen im allgemeinen, und namentlich in den höheren Teilen, von weißer Farbe und haben charakteriſtiſche Formen; ſie beſtehen aus langen, dünnen, oben umge— bogenen Fäden. Ihre Lichtintenſität iſt nur gering, ſie werden auch während der Totalität der Finſternis dem freien Auge nur in den Teilen ſichtbar, welche ſich in ſehr großer Höhe befinden und den helleren Teil der Corona überragen. Aber auch alle übrigen Protuberanzen, welche außerhalb der Finſternis geſehen werden, ſind während der Finſternis von größerer Höhe und Breite, und meift mit weißen Spitzen verſehen. Tacchini und Lockyer, welche dieſe Protuberanzen genau unterſucht haben, ſind der An— ſicht, daß die weißliche Farbe auf einen niedrigeren Tem— peraturzuſtand deutet, in welchem die ausgeworfene Materie wieder zur Sonnenoberfläche zurückſinkt. Von F. Exner in Wien ſind neuerdings Verſuche ge— macht, die Intenſität des Sonnenlichtes mit der von irdiſchen Lichtquellen zu vergleichen ). Aehnliche Mejfun- gen wurden bereits früher von Wollaſton und vor einigen Jahren von William Thomſon unter Anwendung ver— ſchiedener Methoden vorgenommen. F. Exner führte die Vergleichung dadurch aus, daß er das Sonnenlicht in be— rechenbarem Grade auf verſchiedene Weiſe abſchwächte und das Licht dann mit dem einer Kerzenflamme verglich. Er kam zu dem Reſultate, daß auch an Tagen von ſehr klarer Luft die Intenſität des Sonnenlichtes ſtark variiert, daß ſie aber im Durchſchnitt in den mittleren Teilen des Spektrums gleich 50 000 Meterkerzen iſt. Berückſichtigt man die Entfernung, fo würde folgen, daß das Sonnen— licht durch 1027 Normalkerzen erſetzt werden könnte. Die ſpecifiſche Helligkeit ergab ſich für mittlere Strahlen in den Monaten Mai— Juni 270000 mal fo groß als die einer Normalkerze, im Winter dagegen 67 500 mal; für die verſchiedenen Strahlen fand ſich die von einem Quadrat⸗ centimeter der Sonnenoberfläche erhaltene Wärmeintenſität im Sommer: im Rot = 18900 Normalkerzen „ Grün = 67500 5 „ Blau = 162000 a Norman Lockyer hat vor einigen Jahren eine Hypotheſe über die Konſtitution der Sonnenatmoſphäre veröffentlicht, nach welcher nur in den oberen und kühleren Teilen derſelben Spektrallinien vorkommen, welche unſeren Elementen entſprechen, daß dagegen in den unteren und heißeren Schichten die Elemente diſſociiert ſind und dem— nach ihre Spektrallinien nicht mit denen bekannter Elemente identificiert werden können. In Uebereinſtimmung hier— mit ſtehen zahlreiche Beobachtungen von Spektren der Sonnenflecke, welche Lockyer während der letzten Sonnen— fleckenperiode ausgeführt hat und deren Reſultat folgender— maßen ausgedrückt werden kann: Während der Zeit des Minimums der Sonnenflecke, wo wir annehmen können, daß die Sonnenatmoſphäre in ) Anzeiger der Wiener Akad. d. W. 1880. Nr. 17. Repertorium der Phyſik 1886. S. 605. Humboldt 1887. 305 der geringſten Bewegung und am kühlſten iſt, finden ſich in den Sonnenflecken Dämpfe, deren Linien mit denen einiger bekannter Elemente übereinſtimmen, dagegen laſſen ſich die Linien derjenigen Dämpfe, welche ſich in den Sonnenflecken zur Zeit des Maximums der Fleckenperiode befinden, nicht mit denen irdiſcher Stoffe identificieren. Vor ungefähr vierzehn Jahren ſtellte der inzwiſchen verſtorbene P. Seechi die Behauptung auf, daß die Größe des Sonnendurchmeſſers weſentlichen Veränderun— gen unterworfen ſei. Eine nähere Unterſuchung dieſer Frage war damals von großer Wichtigkeit, weil bei Ge— legenheit der zu jener Zeit bevorſtehenden Venusdurchgänge die Arrangements der Beobachtungen und die Auswahl der Stationen mit Rückſicht auf die Veränderlichkeit des Sonnendurchmeſſers hätten getroffen werden müſſen. Unter— ſuchungen, welche damals von Auwers und Fuhg ausge— führt wurden, beſtätigten indeſſen Seechis Behauptung in keiner Weiſe. In neuerer Zeit hat Auwers dieſe Unter— ſuchungen wieder aufgenommen und gefunden, daß die vermeintlichen Aenderungen des Sonnendurchmeſſers nur in perſönlichen Meſſungsfehlern ihren Grund haben. Während des letzten Halbjahres ſind folgende 7 Pla— neten zwiſchen Mars und Jupiter entdeckt worden: Planet 261, entdeckt am 31. Oktober von C. H. F. Peters in Clinton; Planet 262, entdeckt am 3. November von Palſſa in Wien; Planet 263, entdeckt am 3. November von Paliſa in Wien; Planet 264, entdeckt am 22. Dezember von C. H. F. Peters in Clinton; Planet 265, entdeckt am 25. Februar von Paliſa in Wien; Planet 266, entdeckt am 17. Mai von Paliſa in Wien; Planet 267, entdeckt am 27. Mai von Perrotin in Nizza. Ein Verſuch, durch Rechnung den Betrag der Wärme zu ermitteln, welche die Planeten von der Sonne erhalten, iſt von C. Chriſtianſen in Kopenhagen kürzlich gemacht worden. Es wurde von ihm der Satz abgeleitet, daß die abſoluten Temperaturen der Planeten ſich verhalten wie die Quadratwurzeln aus den mittleren Abſtänden von der Sonne. Unter Berückſichti— gung der verſchiedenen Albedo oder Reflexionsfähigkeit, die nach Zöllners Unterſuchungen angenommen wurden, fanden ſich folgende mittlere Temperaturen für die Planeten: Merkur 210° Jupiter — 150° Venus 57“ Saturn — 180° Erde 15° Uranus — 209° Mars — 34° Neptun — 221° Wenn das Reſultat bei der Erde auch recht günſtig ausgefallen iſt, ſo dürfte es wohl ſehr fraglich ſein, ob die gefundenen Zahlen für die anderen Planeten zutreffend ſind, wenigſtens ſcheinen die weißen Polarflecken des Mars, deren Größe ſich regelmäßig mit den Jahreszeiten ändert, und welche durchaus den Eindruck von Schneefeldern machen, auf keine weſentlich andere Temperatur der Ober— fläche zu deuten, wie fie auf der Erde ſtattfindet. Aller— dings gibt auch der Verfaſſer zu, daß erhebliche Modifi— kationen ſeiner Reſultate durch die eigene Wärme der Planeten hervorgebracht werden können, andere Modifi— kationen dürften auch wohl durch die Beſchaffenheit der Atmoſphären bewirkt werden. Eine der rätſelhafteſten Erſcheinungen im Sonnen⸗ ſyſteme iſt das ſogenannte Zodiakallicht, ein mattleuchten— der, ſehr nahe in der Ekliptik liegender Streifen, welcher ſich zum Teil bis über 90° zu beiden Seiten der Sonne erſtreckt. Außerdem iſt häufig auf der der Sonne gegen— g 39 306 Humboldt, — Auguſt 1887. überliegenden Seite des Himmels ein zweiter weniger heller Streifen (der Gegenſchein des Zodiakallichtes) be⸗ obachtet worden. Die Unſicherheit über die wirkliche Lage im Raume derjenigen Materien, welche das Zodiakallicht bilden, iſt noch ſehr groß, beſonders deswegen, weil die Beobachtung der ſcheinbaren Lage des Lichtſcheines ſehr ſchwierig und unſicher durch die Dämmerung und die auch in den Nächten ſtattfindende und ſehr variable Helligkeit des Himmelshintergrundes wird. A. Searle hat in den Proceedings of the American Academy of Arts and Sciences Vol. XIX und den Memoirs derſelben Geſellſchaft Vol. XI die Reſultate ſorgfältiger Unterſuchungen über die Lage des Zodiakal⸗ lichtes publiziert, über welche ſich ein ausführliches Referat in der Vierteljahrsſchrift der Aſtronomiſchen Geſellſchaft, Jahrg. 21, Heft 3, findet. Eine Eigentümlichkeit der Ergebniſſe der Beobachtungen beſteht darin, daß man in nördlichen Breiten die Achſe des Lichtſtreifens nördlich, in ſüdlichen Breiten ſüdlich von der Ekliptik ſieht, während ſie in den Tropen mit ihr nahe zuſammenzufallen ſcheint. Mit Rückſicht auf die Unſicherheit der Beobachtungen kommt nun A. Searle zu dem Reſultat, daß die Achſe in der jetzigen Zeit gegen die Länge 180 eine nördlichere Breite hat, als gegen 0° hin. Außerdem findet er, daß der Streifen am Himmel, den die Projektionen der Bahnen der kleinen Planeten einnehmen, gewiſſe Eigentümlichkeiten zeigt, welche denen des Zodiakallichtes entſprechen, und kommt hierdurch zu der Annahme, daß das Zodiakallicht von kleinen Himmelskörpern herrührt, die ſich in ähnlichen Bahnen bewegen wie die kleinen Planeten. Folgende Kometen ſind während der letzten Monate aufgefunden worden: 1) Komet à 1887, zuerſt wahrſcheinlich geſehen am 18. Januar von Thome in Cordoba. Er zeichnete ſich durch ein ungewöhnlich verwaſchenes Ausſehen ohne Spur eines deutlichen Kerns aus, wodurch die Beobach⸗ tungen ungemein erſchwert und äußerſt unſicher wurden. Auch nahm die Helligkeit rapid ab, jo daß nur rohe Beobachtungen vorhanden find, welche bis zum 28. Januar reichen. Die hisher daraus berechneten Bahnen haben daher nur geringe Zuverläſſigkeit, doch ſcheinen ſie anzu⸗ deuten, daß der Komet ſich in nahezu derſelben Bahn bewegt, wie die großen Kometen der Jahre 1843, 1880 und 1882. H. Oppenheim fand folgende Bahnelemente: eit des Perihels 11. Januar Abſtand des Perihels vom aufſteigenden Knoten 640 40% Länge des aufſteigenden Knotens. 3390 52“ Neigung der Bahn . . N 1380 2% Kürzeſte u von der Sonne 0,005. 2) Komet b 1887, entdeckt von Brooks in Phelps am 22. Januar. Derſelbe war von ſehr geringer Helligkeit, die auch nur unbedeutend während kurzer Zeit zunahm, doch ſind die eee verhältnis⸗ mäßig genau wegen eines ziemlich gut ſichtbaren Kerns. Von R. Spitaler wurden folgende paraboliſche Elemente abgeleitet: Zeit des Perihels ar Abſtand des Perihels vom auffteigenen Knoten 159 0 10° Länge des aufſteigenden Knotens 2790 30% Neigung der Bahn 8 1040 18° Kürzeſte Entfernung von der Sonne (8225 3) Komet e 1887, entdeckt von Barnard in Naſhville am 23. Januar. Die Helligkeit auch dieſes Kometen war nicht bedeutend und nahm ſofort nach der Entdeckung noch ab. Folgende Elemente ſind von E. Weiß berechnet worden: Zeit des Perihels . 26. Nov. 1886 Abſtand des Perihels vom aufſteigenden Knoten 290 20“ Länge des aufſteigenden Knotens 2570 42“ Neigung der Bahn . 2 850 29“ Kürzeſte Entfernung von der Sonne 1,450. 4) Komet d 1887, entdeckt von Barnard in Naſhville am 16. Februar. Auch die Helligkeit dieſes ziemlich ſchwachen Kometen nahm ſehr raſch ab und betrug am 3. März nur 9,3 der Helligkeit am Tage der Entdeckung. Der Entdecker hat folgende Elemente berechnet: Zeit des Perihels 28. März Abſtand des Perihels vom aufeigenden | Knoten 360 29/ Länge des aufſteigenden Knotens O e Neigung der Bahn . . 139 0 49“ Külrzeſte Entfertung von der Sonne 1,007. 5) Komet e 1887, entdeckt von Barnard in Nashville am 12. Mai. Ein ſchwacher, runder Komet mit ſehr kleinem, ſternartigem Kern, deſſen Helligkeit bis in die Mitte des Juni zunahm und im Maximum 2, mal. fo groß wurde wie am Tage der Entdeckung. Nachſtehende Elemente ſind von H. Oppenheim berechnet worden: Zeit des Perihel 25. Juni Abſtand des Perihels vom aufſteigenden noten 240 220 Länge des aufſteigenden Knotens 2 244 0 55“ Neigung der Bahn . 0 170 9“ Kürzeſte Entfernung von der Sonne ec 1,303. Wegen der geringen Neigung der Bahn gegen die © Ekliptik iſt es bei dieſem Kometen nicht ausgeſchloſſen, daß die Beobachtungen ſchließlich ekliptiſche Bahnelemente ergeben werden. Der am 26. September vorigen Jahres von Finlay entdeckte Komet zeigte in ſeinen Bahnelementen große Aehnlichkeit mit dem ſeitdem nicht wieder gefundenen de Vicoſchen Kometen vom Jahre 1844. Obgleich die Unterſuchungen noch nicht als völlig abgeſchloſſen anzu⸗ ſehen ſind, ſo iſt es doch ſchon jetzt ziemlich wahrſcheinlich geworden, daß die beiden Kometen nicht identiſch ſind, ſondern ſich nur ſehr nahe in derſelben Bahn bewegen. Am 4. Oktober v. J. wurde ein Komet von Barnard entdeckt, der ſpäter zwei Schweife zeigte, deren Richtungen um ungefähr 55“ voneinander verſchieden waren. Nach einer Beobachtung ſoll er ſogar noch einen dritten Schweif gehabt haben. Dieſe Eigentümlichkeit, ſowie das be⸗ ſondere Ausſehen, welches der große Südkomet a 1887 zeigte, haben neuerdings die Aufmerkſamkeit wieder auf die in früheren Jahren ausgeführten Unterſuchungen über die phyſiſche Beſchaffenheit der Kometen gelenkt, und hier ſind namentlich die Arbeiten von Beſſel, Zöllner und Bredichin zu erwähnen. Jeder größere Komet zeigt nämlich eine deutliche Ausſtrömung in der Richtung nach der Sonne hin, und es iſt deutlich zu erkennen, daß die aus⸗ geſtrömte Maſſe in einiger Entfernung vom Kometenkern ſich ſeitwärts wendet und dann in einer von der Sonne abgekehrten Richtung ſich weiter bewegt und ſo den Schweif des Kometen bildet. Dieſe Thatſache beweiſt unwiderleg⸗ lich, daß außer der anziehenden Kraft der Sonne, welche bewirkt, daß ſich der Schwerpunkt des Kometen in einem Kegelſchnitt um ſie herum bewegt, noch eine zweite ab⸗ ſtoßende Kraft in der Sonne vorhanden iſt, welche die von dem Kometenkern ausgeſtrömte Materie in eine andere Bahn lenkt. Daß aber überhaupt eine Ausſtrömung dieſer Materie vom Kometenkern aus ſtattfindet, beweiſt, daß auch dieſer eine abſtoßende Wirkung auf ſie ausübt. Wollte man nun die Bahn eines kleinen Körpers unter⸗ ſuchen, welcher ſich infolge der vereinten Abſtoßung der Sonne und des Kometen bewegt, ſo würde man auf ähn⸗ liche unüberwindliche Schwierigkeiten kommen wie beim Problem der drei Körper. Aber wie dieſes Problem unter beſonderen Verhältniſſen, welche im Sonnenſyſtem vorhan⸗ den find, durch Näherungsrechnungen lösbar iſt, jo wird auch die Bewegung eines abgeſtoßenen Körpers durch den Umſtand weſentlich vereinfacht, daß die abſtoßende Kraft des Kometen jedenfalls nur in ſehr großer Nähe wirkſam iſt. Würde ein in Ruhe befindlicher Komet die kleinen Körper nur ausſchleudern, ohne eine weitere Fernewirkung auf ſie auszuüben, ſo müßten dieſelben ſich in Hyperbeln bewegen, in deren einem, und zwar nach der konvexen Seite liegenden Brennpunkte die Sonne ſteht. Durch die Bahnbewegung des Kometen wird die Sache etwas komplizierter, indeſſen nicht von unüberwindlicher Weitläufigkeit. Die Projektion der alle Bahnen der einzelnen Körper einhüllenden Fläche gegen den Himmelshintergrund ergibt dann die ſcheinbare Figur des Kometen. eee a Humboldt. — Auguſt 1887. 307 Je ſtärker nun die abſtoßende Kraft der Sonne ijt, [Maximum ſeiner Lichtſtärke am 12. Dezember 1886 *). um jo ſchmäler muß der Schweif des Kometen erſcheinen, Das Maximum des Jahres 1885 iſt nicht mit Sicherheit und man kann aus der Breite des Schweifes auf die feſtzuſtellen, weil der Stern erſt nach dem Maximum ent⸗ Größe der abſtoßenden Kraft einen Schluß ziehen. Bredichin [deckt wurde, wird aber vermutlich auf den 13. Dezember hat nun nachgewieſen, daß es weſentlich drei verſchiedene gefallen ſein, ſo daß die Periode des Lichtwechſels ſehr Typen der Kometenſchweife gibt, nämlich ſolche, bei welchen [nahe 364 Tage betragen wird. die abſtoßende Kraft 11—12mal, ſolche, bei denen fie Ein neuer, ſehr intereſſanter Veränderlicher wurde 1—1,5mal jo groß, und ſolche, bei denen fie etwa 0,2mal | von S. C. Chandler im Dezember 1886 aufgefunden. fo groß iſt wie die Anziehungskraft der Sonne. Der erſte | Derſelbe iſt von dem ſogenannten Algoltypus und hat eine Typus bewirkt lange, ſchmale Schweife, der zweite breitere, Periode von nicht völlig drei Tagen. Die vorläufigen gebogene und der dritte kurze, dicke Büſchel. Nimmt man Elemente ſind: nun an, daß die Beſchleunigung, welche die Atome durch 1886 Dezember 9, 62 22m m. Beit Cambridge die Abſtoßung erlangen, umgekehrt proportional iſt ihren + 2t 23h 56, 0m. Molekulargewichten, und berückſichtigt, daß die Kometen Ein zweiter Veränderlicher wurde von Eſpin im des zweiten Typus bei ſpektroſkopiſcher Unterſuchung meiſtens [Stier aufgefunden. Die Lichtſtärke ſcheint zwiſchen der die Linien des Kohlenwaſſerſtoffs zeigen, ſo wird man neunten und zwölften Größe zu ſchwanken; die Periode iſt auf die Annahme geführt, daß die Schweife des erſten unbekannt. Typus wahrſcheinlich aus Waſſerſtoff und die des dritten Ein dritter Stern von ſtark roter Farbe mit Spektrum Typus aus Eiſenteilen beſtehen. Wenn ein Komet zwei vom dritten Typus und ſtarker Veränderlichkeit wurde Schweife gezeigt hat, waren dieſe immer von zwei ver- nahe bei 26 Cygni ebenfalls von Eſpin entdeckt. Er war ſchiedenen Typen; bei dem vorigjährigen Barnardſchen [am 23. und 27. März von 7,5, am 11. April 8,5 und Komen waren alle drei Typen vertreten. am 15. Mai 10,0 Größe. Der von Gore im Dezember 1885 entdeckte ver— Die alle zwei Jahre ſtattfindende aſtronomiſche änderliche Stern im Orion iſt ſeitdem anhaltend Verfammlung wird in dieſem Jahre am 29. Auguſt in beobachtet worden. Nach photometriſchen Meſſungen, welche | Kiel abgehalten werden. von Müller auf dem aſtrophyſikaliſchen Obſervatorium iin —— Potsdam ausgeführt wurden, erreichte der Stern das *) Aſtr. Nachr. Nr. 2768. Rleine Ritteilungen. Sehr empfindliche Reagentien auf aktiven Sauer- | Als das Reſultat der engliſchen Beobachtungen des ſtoſſ. Wie C. Wurſter in den „Ber. d. deut. chem. Geſ.“ VPenusdurchgangs von 1882 hat fic) der Wert 8,83“ (XIX. 3195) mitteilt, zeichnen fic) das Dimethyl- und für die mittlere Aequatorial-Horizontal-Parallaxe der noch mehr das Tetramethylparaphenylendiamin durch die Sonne ergeben; mit anderen Worten: unter dem Winkel große Leichtigkeit aus, mit der ſie bei der Einwirkung von von 8,83“ erſcheint, von der Sonne aus geſehen, bei ihrer Oxydationsmitteln Farbſtoffe bilden, während fie anderen mittleren Entfernung der Halbmeſſer des Aequators der Einflüſſen widerſtehen. Ein mit Tetramethylpara- Erde. Die deutſchen Beobachtungen der Venusdurchgänge phenylendiamin präpariertes Reagenspapier zeigt die ge- von 1874 und 1882 werden, wie ſich bereits jetzt ſagen ringſten Mengen aktiven Sauerſtoffes im freien Zuſtande läßt, obwohl die Rechnungen noch nicht ganz abgeſchloſſen oder in Verbindungen an; das Papier färbt fic) dadurch find, nahezu dasſelbe Reſultat liefern, welches übrigens mehr oder weniger violett. In der Luft, in der Nach- auch mit dem bisher angenommenen Wert gut überein— barſchaft von Flammen, in Pflanzenſäften, auf der menſch- ſtimmt. Die Publikation der deutſchen Beobachtungen lichen Haut, in den ätheriſchen Oelen, in Aldehyden 2. wird ſechs ſtattliche Bände umfaſſen, von denen der vierte, läßt ſich auf dieſe Weiſe aktiver Sauerſtoff nachweiſen. welcher die Unterſuchungen der bei den Durchgängen be⸗ Das Terpentinöl und ebenfalls das Kolophonium beſitzen nutzten Heliometer behandelt, vor kurzem erſchienen iſt. bekanntlich die Eigenſchaft, den Sauerſtoff zu ozoniſieren, Kf. d. h. in aktiven Zuſtand zu verſetzen. Mit Kolophonium Phosphorit in Tunis. Thomas hat ſowohl in geleimtes Papier zeigt daher obige Reaktion, wenn auch in Tunis wie in der Provinz Conſtantine ausgedehnte Phos— mäßigem Grade; zwiſchen harzgeleimtes gewöhnliches Papier phoritlager entdeckt und zwar in den verſchiedenſten For— gebrachtes, mit dem Reagens präpariertes Papier wird mationen; im Südweſten gehören fie dem Cocän an, bet ſchwach roſenrot, durch Holzpapier, welches am Licht ſtärker | Feriana und in der Nähe von Conſtantine der Kreide. oxydiert wird als gewöhnliches Papier, nach einer Mitteilung | Die Bedeutung diejer Entdeckung wird freilich erheblich ver⸗ im „Photogr. Archiv“ jedoch tief fuchſinrot. Be mindert durch die immer zunehmende Gewinnung der 8 5 0 phosphorſäurereichen Thomasſchlacke, mit welcher die na- Beränderlichſeit der dunklen Linien des Honnen⸗ türlichen Phosphorite kaum konkurrieren können. Ko. ſpektrums. Als das Reſultat einer vierjährigen Arbeit veröffentlicht Thollon eine Karte des Sonnenſpektrums Erklarung der Eiszeit. Sir Robert Ball macht fic) von der Linie A bis b, alſo etwa des dritten Teiles des zum Verteidiger der früher von Croll aufgeſtellten Anſicht, ſichtbaren Spektrums. Sie hat eine Länge von faſt 10 m daß die Eiszeit der Erde ihren Grund gehabt habe in und zeigt ungefähr 32 000 Linien, auf deren relative | einer größeren Excentricität der Erdbahn. Durch die Ex⸗ Helligkeit bei der Herſtellung der Karte beſondere Rückſicht centricität iſt die Dauer der Jahreszeiten beſtimmt, und genommen wurde. Aus einem Vergleich mit der Ang- zwar kann der Sommer, als die Jahreszeit definiert, ſtrömſchen Karte ſcheint hervorzugehen, daß ſich die In- innerhalb welcher die Sonne über dem Aequator ſteht, tenſität mehrerer Linien zwiſchen B und C in den letzten für die bei der Erdbahn nach Leverrier möglichen Grenz— Jahrzehnten ſtark geändert hat. Kf. werte der Excentricität im Maximum 199, im Minimum 308 Humboldt. — Auguſt 1887. 166 Tage dauern; desgleichen natürlich der Winter. Denken wir uns nun die Wärmemenge, welche eine der Erdhälften im Laufe eines Jahres von der Sonne erhält, in 365 gleiche Teile geteilt, ſo entfallen davon, wenn die Erdbahn ihre größte Excentrieität beſitzt, auf den Sommer 229 und auf den Winter 136 ſolcher Teile, welche wir kurz mit w bezeichnen wollen. In der glacialen Periode werden fic) nun die 229 w auf 166 Tage und die 136 w. auf 199 Tage verteilen. Die mittlere tägliche Wärme, welche die betreffende Hemiſphäre empfängt, wird dann im a ee 3 136 S — 8 8 pity r Sommer 160 0 oder 1,38 w fein, im Winter 199 * oder 0,68 W. Umgekehrt verteilen fic) in der inter⸗ glacialen, heißen Periode die 229 w auf 199 Tage und die 136 w auf 166 Tage. Die mittlere tägliche Wärmeauf⸗ nahme ergibt ſich dann im Sommer zu 1,16 w und im Winter zu 0,81 w. Bei dem gegenwärtigen Zuſtand der Excentricität hat der Sommer für die nördliche Halbkugel 186, der Winter 179 Tage, und die mittlere tägliche Wärme⸗ aufnahme beträgt im Sommer 1,24 w, im Winter 0,75 W. Während alſo, um dies noch einmal hervorzuheben, die Wärmemenge, welche eine Hemiſphäre im Laufe eines ganzen Jahres von der Sonne erhält, ſtets dieſelbe bleibt, mag die Excentricität der Erdbahn einen Wert haben, welchen fie will, fo bedingt doch dieſe Excentrieität eine verſchiedene Verteilung der Wärme auf Sommer und Winter. Auf den Einwand, wie denn eine Eiszeit habe ſtattfinden können, wenn doch die jährliche Wärmemenge dieſelbe bleibe, und ſomit der kältere Winter durch den wärmeren Sommer kompenſiert werde, antwortet Ball mit dem draſtiſchen Vergleich, es ſei doch auch nicht gleich⸗ gültig, ob man einem Pferd ſechs Monate lang ein über⸗ reichliches und ſechs Monate ein dürftiges, oder ob man ihm während des ganzen Jahres ein auskömmliches Futter gäbe. Kf. Der Bart und die Entſtehung der japaniſchen Inſeln. An dem Aufbau des japaniſchen Inſelbogens nehmen nach den Unterſuchungen und Mitteilungen von E. Naumann (Begleitworte zu den von der geologiſchen Aufnahme von Japan für den internationalen Kongreß in Berlin be⸗ arbeiteten Karten, Berlin 1885) und T. Wada (die kaiſer⸗ liche geol. Reichsanſtalt v. Japan, Berlin 1885) Gneis und vor allem kryſtalliniſche Schiefer und paläozoiſche Sedi⸗ mente, letztere in einer Mächtigkeit von 10 000 Meter, An⸗ teil. Von meſozoiſchen Sedimenten, welche eine geringere Verbreitung haben, ſind ſolche, welche der Trias, dem Jura und der Kreide zugehören, nachgewieſen worden; auch Tertiärſchichten, reich an techniſch wichtigen Braunkohlen⸗ -ablagerungen, find an der Küſte und in kleinen Becken entwickelt. Von älteren Eruptivgeſteinen ſind Syenit, Diorit, Diabas, Porphyrit und Quarzporphyr, von jünge⸗ ren Andeſit, Quarztrachyt und Baſalt bekannt. Was den geologiſchen Bau der Inſelgruppe anlangt, ſo zerfällt Süd⸗ wie Nordjapan in drei deutliche longitudinale Zonen; zwiſchen beiden Gebieten liegt, durch bedeutende Disloka⸗ tionen von ihnen getrennt, die „mittlere Bruchregion“ (etwa zwiſchen dem 136. und 139. Meridian). Starke Faltungen ſind dreimal im Laufe der Zeit mit großer Intenſität aufgetreten, nach Bildung des Syſtems der kryſtalliniſchen Schiefer, dann nach Ablagerung der paläo⸗ zoiſchen Schichtenreihen und ſchließlich in der Tertiärzeit. In den beiden letzten Fällen ging der Faltung jedesmal ein Zeitalter der Ruhe voraus und beidemal exeigneten ſich nach den Hauptfaltungsvorgängen oder wenigſtens lange Zeit nach Beginn der Faltungen ausgedehnte vul⸗ kaniſche Ergüſſe. Während aber vor dem Beginn der älteren Eruptionen große Längsbrüche gebildet wurden, ſind die ſpäteren vulkaniſchen Ergüſſe durch unregelmäßig begrenzte Einbrüche, durch Abbrüche, Zerſtückelungen ꝛc. vorbereitet und begleitet worden. So treten denn auch die Granite in Form großer, langgeſtreckter Maſſenausbrüche auf, während die Eruptionen der ſpäteren Zeit ein Hervor⸗ quellen der heißflüſſigen Maſſen an vielen durch breite Lücken voneinander getrennten Punkten zeigen. Die jüngſt ſtattgehabten, und, wie die häufig vorkommenden Erdbeben zeigen, noch nicht abgeſchloſſenen Vorgänge zielen mehr auf eine Zerſtörung als auf eine Verfeſtigung des ganzen Landes hin. —B.— Hebung im BWiffiffippithal. Aus zahlreichen Tief⸗ bohrungen im Miſſiſſippithal hat Spencer (American Naturalist) gefunden, daß das Gefäll des alten prägla⸗ cialen Flußbettes bedeutend geringer war als das des heutigen; nur für die unterſte Strecke zwiſchen Lake Providence und der Mündung iſt das Verhältnis umge⸗ kehrt. Oberhalb der Rock Island Rapids fällt aber das alte Flußbett nicht mehr ſüdlich ab, ſondern nordwärts und die Tiefbohrungen bei la Croſſe, zweihundert Miles weiter nördlich, ergeben, daß das alte Flußbett dort fünfzig Fuß tiefer liegt als an den Rapids. Hier kulminiert alſo die Erhebung, welche das Flußbett betroffen hat, und der Fluß hat die ſich hebende Kalkbank während der He⸗ bung durchſchnitten. Daß die Hebung in einer verhältnis⸗ mäßig ſehr neuen Zeit erfolgt iſt, beweiſt ein altes Bett des Miſſiſſippi, welches Mae Gee zwiſchen den unteren Läufen des Maquoketa River und des Wapſipenicon gefunden hat und welches etwa fünfzig Fuß über dem heuti⸗ gen Flußbett liegt; es ſchneidet ins Diluvium und in den Löß ein; dieſer hat alſo an der Hebung noch teilgenom⸗ men. Die Verwerfungsfalte läßt ſich quer durch den Kontinent bis zu den großen Seen verfolgen und iſt auf deren Bildung von bedeutendem Einfluß geweſen; es wird durch ſie bedingt, daß die alten Uferlinien des Erieſees nach Oſten und Norden hin anſteigen. Ko. Der alte Drachenbaum (Dracaena draco L.) zu Orotava. Seitdem durch A. v. Humboldt (Reiſe I, 104) der große Drachenbaum zu Orotava auf Teneriffa all⸗ gemein bekannt geworden, hat wohl ſelten ein ſpäterer Beſucher der Kanariſchen Inſeln, wenn er über dieſelben ſchrieb, es unterlaſſen, dieſes Rieſen der Pflanzenwelt zu gedenken. Daß der Baum 1819 durch einen Sturm fajt die Hälfte der Krone verlor, iſt bekannt und ebenſo, daß er 1868 durch einen heftigen Sturm ſein Ende fand. Der letzte Deutſche, welcher 1866 über den Baum noch nach eigener Anſchauung ſchrieb, war wohl Profeſſor Greeff (Reiſe, 214). Dem allgemein Bekannten möchte ich nach Mitteilungen des vielgenannten und bekannten Gärtners im Botaniſchen Garten zu Orotava, Hermann Wildpret, das Folgende hinzufügen. Der Sturm brach 1868 zwar den dem Baume noch gebliebenen Teil der Krone ab, aber der hohle Stumpf, welcher nun vertrocknete, blieb noch zwei Jahre lang ſtehen, geſchont von dem Eigentümer und verehrt von den Bewohnern der Inſel. Erſt 1870 fand derſelbe ſeinen Untergang durch eine Wäſcherin, welche ſich in ſeiner Nähe Feuer angezündet hatte, deſſen glühende Kohlen der Wind in den hohlen trockenen Stamm wehte. Zufällig ſah Wildpret den Stumpf brennen, eilte hinzu und entriß ein nicht allzu großes Stück davon den Flammen. Dieſer Reſt wird im Botaniſchen Garten zu Orotava gewiſſermaßen als Reliquie aufbewahrt. Der Güte des Herrn Wildpret verdanke ich ein nicht ganz handgroßes Stückchen dieſer Reliquie, welches ich im Juli 1886 dem Botaniſchen Muſeum in Berlin übergab. Dieſes Stückchen des ſo häufig erwähnten „uralten Drachen⸗ baumes“ von Teneriffa dürfte wohl zur Zeit der einzige Reſt desſelben in Europa ſein. Schließlich will ich darauf hinweiſen, daß das Wachstum des Drachenbaumes ein viel ſchnelleres iſt, als meiſt angenommen wird. Daher greifen die Altersſchätzungen der größten „Dragos“ der Kanaren, und ganz beſonders auch die des in Rede ſtehenden Exem⸗ plares, faſt ausnahmslos zu hoch. Der größte Drago des Botaniſchen Gartens zu Orotava, von welchem ich eine vorzügliche Zeichnung, angefertigt von Herrn Guſtav Wildpret, erhielt, iſt nachweislich etwas über 80 Jahre alt und hat eine Höhe von 10 m. Sein Stammumfang beträgt 1 m über dem Boden 3,50 m. Das größte Exem⸗ plar von Dracaena draco auf Teneriffa befindet ſich zu Icod de los Vinos und hat in 2,50 m Höhe einen Umfang von etwa 11,50 und an der Baſis einen ſolchen r Humboldt. — Auguſt 1887. von 14,60 m. Das Alter dieſes Baumes wurde ſchon auf 2000 — 2500 Jahre geſchätzt; es dürfte aber in Wirk⸗ lichkeit kaum mehr als ein Drittel davon betragen. Berlin. Wilhelm Hartwig. Plumbago capensis, eine infekfenfangende PWlanze. So lange die blaßblauen, ungemein effektvollen Blüten der genannten Pflanze im Flor ſtehen, ſind ſie den ſie beſuchenden Inſekten abſolut ungefährlich. Erſt mit dem Beginn des Abblühens oder kurz vor demſelben, wenn die Blumen abzufallen beginnen, ſchwitzt der ſpärlich mit kurzen Borſten beſetzte Kelch einen klebrigen Saft aus, an dem viele Inſekten, namentlich Dipteren, Hymenopteren und Mikrolepidopteren hängen bleiben und verenden müſſen. In mehreren Fällen fand ich ſogar Weſpen und Arbeiterbienen an und zwiſchen den Kelchen gefangen, teils tot, teils noch lebend. Da die Blüten nahe nebeneinander ſtehen und ſie ſich nach der Blütezeit von ihrem Stiel, nebſt dem Kelch leicht ablöſen, ſo klebt ſich eine zappelnde Biene oder Fliege, je mehr ſie Bewegungen macht, indem ſie die Kelche herunterreißt, wie mit Leimruten an mehreren Körperſtellen zugleich feſt. Johann von Fiſcher. Die Ausrottung der Alpenpflanzen in der Schweiz durch die Touriſten iſt ſo weit vorgeſchritten, daß man anfängt, energiſche Gegenmaßregeln zu treffen. Man will in geeigneten Lagen, wie auf dem St. Bernhard und auf dem Simplon, Schongärten anlegen; die Station auf Tete de Mouton bei Viſſoye im Einfiſchthal (Wallis), 2300 m hoch, zählt bereits außer verſchiedenen geretteten heimiſchen Arten kleine Kolonien von Pflanzen aus den Pyrenäen, dem Himalaya und dem Kaukaſus. Auf dieſen botaniſchen Stationen werden die Pflanzenſamen ge— ſammelt und an geeigneten Stellen, deren Lage ſo wenig wie möglich bekannt gemacht wird, zur Ausſaat benutzt. D. Tiere, ihre Mutter verzehrend. Die Natur geht mitunter ſehr eigentümliche Wege, um der Nachkommen— ſchaft einer Art ihr Fortkommen zu ſichern; doch gehört es zu den Ausnahmen, daß die Jungen ihre eigene Mutter aufzehren. Ein ſolches Beiſpiel hat uns vor Jahren Leuckart kennen gelehrt: in der Lunge unſerer Fröſche lebt nicht ſelten ein Spulwurm (Ascaris oder Rhabdonema nigrovenosum), der auffallenderweiſe Zwitter iſt; das Tier ſetzt ſeine meiſt ſchon embryonenhaltenden Eier in die Lungenhöhle ab, von hier gelangen ſie durch den Wimperſtrom getrieben nach der Mundhöhle der Fröſche, von denen ſie regelmäßig verſchluckt werden. Sie paſſieren unbeſchadet den Darmkanal, ja ein großer Teil der Jungen ſchlüpft noch im Maſtdarm aus; ſchließlich werden ſie mit dem Kot nach außen entleert. Hier im Freien, alſo zwiſchen Gras, im Schlamm, auf feuchter Erde wachſen nun dieſe Jungen, werden geſchlechtsreif und ſind getrennt— geſchlechtlich, wie faſt alle Nematoden. Sie bieten aber auch in ihrem Darmkanal Verhältniſſe dar, welche den paraſitiſchen Muttertieren nicht, wohl aber der Gattung Rhabditis zukommen, daher man ſie als Rhabditisform bezeichnet. Nun dieſe Rhabditiden begatten ſich im Freien, die Männchen ſterben bald ab, und die Jungen der Weib— chen durchbrechen die Uteruswand, gelangen in die Leibes— höhle und verzehren die inneren Organe ihrer Mutter bis auf die äußere, ſchlauchförmige Cuticula. Erſt wenn dieſe zweite Generation in Fröſche gelangt, ſiedelt ſie ſich in der Lunge an und wird zur zwittrigen Ascaris nigro- venosa. Man kann ſich mit Hilfe des Mikroſkops von dieſem ſonderbaren Verhalten leicht überzeugen, wenn man den Maſtdarminhalt mehrerer Fröſche, der faſt ſtets die Rhab— ditiden beſitzt, in ein Uhrſchälchen mit etwas Erde legt und vor dem Eintrocknen ſchützt. Nach etwa 5—8 Tagen wird man in dem Cuticularſchlauch der Rhabditiden die Jungen bemerken, welche die Mutter bis auf die Haut auf— gezehrt haben. Aehnlich verhält es ſich mit Ascaris dactyluris; dieſe Form lebt im Darmkanal verſchiedener Schildkröten (Testudo graeca u. a.); fie iſt lebendiggebärend und wie die meiſten Nematoden getrenntgeſchlechtlich. Doch 309 gelangen die Jungen nicht nach außen in den Darm des Wirtes, ſondern ſie durchbohren nach der Entdeckung Macés den Uterus der Mutter und zehren dieſe bis auf die Cuticula, in der ſie leben, auf. Auch dieſe Jungen werden geſchlechtsreif, ſind aber alle Weibchen, welche be— ſchalte Eier entwickeln. Leider iſt der weitere Entwicke— lungsgang nicht bekannt; die abgeſtorbenen Weibchen werden wohl mit den in ihrer Haut eingeſchloſſenen Jungen aus dem Darm der Schildkröten nach außen gelangen, wo vielleicht die Haut zerfällt, die Jungen austreten und ihre Eier ablegen. Erſt durch dieſe wird vermutlich die In— fektion vermittelt. Dieſe beiden Beiſpiele ſind die einzigen unter den Nematoden; es kommt nun unſeres Wiſſens noch ein dritter Fall bei gewiſſen Fliegenlarven, den Cecidomyiden vor. Hier entwickeln ſich im Körper der Larve während des Winters und Frühlings aus ſogenannten Scheineiern junge Tiere, welche den Fettkörper und andere innere Organe ihrer Mutter aufzehren, ſo daß dieſe nur noch mit ihrer Körperhaut als Schlauch die Brut umſchließt. Die Tochterlarven durchbrechen ſchließlich die leere Haut und vermehren ſich entweder auf dieſelbe Weiſe oder ſie ver— puppen ſich, um das geflügelte Inſekt zu bilden. Schließlich muß darauf hingewieſen werden, daß dieſe Verhältniſſe, ſo ſonderbar ſie auf den erſten Blick er— ſcheinen, doch nicht unvermittelt daſtehen, da, wie jeder weiß, die Jungen ihre Mütter direkt oder indirekt, mehr oder weniger in Mitleidenſchaft ziehen; es ließe ſich eine ziemlich lückenloſe Reihe von dem einfachſten Verhalten, wo das Muttertier nur eben die Eier liefert, bis zu den erwähnten extremen Fällen aufſtellen. Br. Varaſiten der Hüßwaſſerkrebſe. Auf der äußeren Haut, ſowie den Kiemen unſerer langſchwänzigen Krebſe leben die ſeit langer Zeit bekannten Arten der Gattung Branchiobdella, welche von einigen Autoren — übrigens mit Unrecht — als die Urſache der ſogenannten Krebspeſt angeſehen worden ſind. Dieſe Krebsegel ſind dadurch von beſonderem Intereſſe, daß ſie äußerlich wirklichen Egeln gleichen, wie dieſe z. B. Saugnäpfe beſitzen, dagegen in ihrer inneren Organiſation zahlreiche Beziehungen zu den Borſten tragenden Anneliden darbieten, jedoch ſelbſt borſten— los ſind. Die paraſitiſche Lebensweiſe hat hier zur Aus— bildung von Haftapparaten geführt, wie ſie den Egeln, den Saugwürmern (Trematoden) u. a. zukommen. Ein bejonders inſtruktives Beiſpiel für dergleichen Auffaſſungen iſt das Genus Malacobdella; dieſe Form lebt in der Kiemenhöhle verſchiedener Muſcheln, beſitzt hinten einen großen Saug— napf und iſt bis in die jüngſten Jahre als echter Igel an— geſehen worden bis die Unterſuchungen von Semper und Kennel es zweifellos ergeben haben, daß Malacobdella eine Nemertine iſt und bis auf die äußere Aehnlichkeit mit Egeln nichts zu thun hat. Außer den langſchwänzigen Flußkrebſen, die in mehreren Arten in Europa vorkommen, leben in den ſüßen Ge— wäſſern Südeuropas und Nordafrikas noch Krabben, Kurz— ſchwänzer, von denen ſchon Plinius und Ariſtoteles be— richtete. Sie wurden im Altertum wie noch heute als Nahrung beſonders geſchätzt und find z. B. auch auf fict- lianiſchen Münzen unverkennbar abgebildet worden. Es iſt nun nicht ohne Intereſſe, daß auch auf dieſen Arten (Telphusa fluviatilis) nach den Entdeckungen von Drags ein Ringelwurm paraſitiſch lebt, der allerdings einer anderen Familie als Branchiobdella angehört, nämlich den Enchytraeiden, von denen ein Vertreter, Enchytraeus albidus wohl allgemeiner bekannt iſt, da er nicht ſelten auf Blumentöpfen gefunden wird. Die Arten dieſes Genus leben frei zwiſchen moderndem Laub, in der Erde u. ſ. w. Der Krabbenparaſit ftellt eine neue Gattung der Enchy— traeiden dar, welche den Namen Epitelphusa erhalten hat. Br. Schildſtröten lebende Sperlinge freſſend. Zwei Terrapene carinata, die in einem Behälter mit Elaphis cervone gehalten wurden, fielen über die flatternden, in ihren Bereich zufällig geratenen, für die 310 Schlangen beſtimmten Sperlinge her, ergriffen ſie mit den Kiefern und erwürgten ſie, indem fie ihren Kopf mit großer Geſchwindigkeit unter die Rückenſchale zogen, worauf ſich die vordere Bruſtſchildklappe ſchloß, den Sperling zwi⸗ ſchen Rücken- und Bruſtſchild würgend. Dieſe Schildkröten beſitzen wie die Cinosternon-Arten in ihren Klappen eine große Kraft und können den zufällig dazwiſchen ge⸗ ratenen Finger ſchmerzhaft klemmen. Der Sperling verendete ziemlich raſch. Als ſein Flattern aufgehört hatte, öffneten die Schildkröten langſam ihre Bruſtklappen und begannen die Vögel zu zerfleiſchen, indem ſie beide Vorderbeine mit ihren ſpitzen und ſtarken Krallen gegen den Körper des Vogels ſtemmten und aus deſſen Leib haſelnußgroße Stücke riſſen, die ſie verzehrten. Die am Maul anhängen⸗ den Federn entfernten ſie durch Streichen des Kopfes gegen die Innenſeite der Vorderarme, wie es alle Schildkröten zu thun pflegen. Johann von Ciſcher. Funſition der Bürzeldrüſe der Vögel. Die meiſten Vögel, namentlich die Waſſervögel, haben auf der Rücken⸗ ſeite des Bürzels eine Drüſe, welche ihrem Bau und ihrer Abſonderung nach die Mitte hält zwiſchen den Hauttalg⸗ drüſen und den Milchdrüſen der Säugetiere. Allgemein war die Vorſtellung verbreitet, daß das Sekret dieſer Bürzeldrüſe den Vögeln dazu dient, um ſich das Gefieder damit einzufetten und daß dieſe Einfettung verhindere, daß die Federn ſich mit Waſſer vollſaugen. Schon Albertus Magnus und der große die Wiſſenſchaften liebende und fördernde Hohenſtaufe Friedrich II. haben dieſer Vorſtellung litterariſchen Ausdruck gegeben und jeder, der unbefangen das geſchäftige Treiben beim Federputzen einer Ente be⸗ obachtet, wird zu derſelben Anſicht geführt werden. Neuer⸗ dings hatte aber Liebreich bei dem Studium des Lanolin gezeigt, daß dieſe ebenſo intereſſante wie nützliche, fettähnliche Subſtanz, welche zuerſt aus den Abfällen der Schafwollwäſche dargeſtellt worden war, kein Drüſenſekret iſt, ſondern daß ſie durch einen chemiſchen Prozeß bei der Bildung des Horn⸗ ſtoffes der Haare und auch der Federn entſteht. Hieraus und aus dem Umſtand, daß die Bürzeldrüſe manchen Vögeln, z. B. vielen Papageien und einigen Taubenarten, fehlt, während ſich die Federn aller Vögel lanolinhaltig zeigten, zog Liebreich den Schluß, daß das Vogelgefieder zur Verhinderung der Durchnäſſung der Einölung mit dem fettigen (nicht lanolinhaltigen) Sekret der Bürzeldrüſe nicht bedürfe, daß hierzu der den Federn bei ihrer Entſtehung mitgegebene Lanolingehalt ausreiche. Koßmann (Heidel⸗ berg), welcher ſich ſchon früher mit anatomiſchen und experimentellen Unterſuchungen über die Bürzeldrüſe be⸗ ſchäftigt hatte, und Joſeph (Berlin) haben in der dem erſteren gehörigen Geflügelzüchterei zu Woltersdorf bei Berlin experimentell zwiſchen Albertus Magnus und Liebreich entſchieden. Joſeph vollzog in tiefer Narkoſe bei einer größeren Zahl von Enten die Exſtirpation der Bürzeldrüſe, eine Operation, nach welcher ſtets ſehr ſchnelle Vernarbung der kleinen Wunde ohne Störung des Allge— meinbefindens der Tiere eintrat. Eine gleiche Anzahl normaler Enten und der operierten Tiere wurden nun jedes einzeln folgender Prozedur unterzogen: 1. Wägung trocken, 2. Schwenken unter Waſſer während einer Minute, 3. Wägung beim Herausnehmen aus dem Waſſer, 4. Wägung nach einer Viextelſtunde freien Umherlaufens. Das Re⸗ ſultat der Wägungen iſt, daß bei normalen Enten die durchſchnittliche Waſſeraufnahme in einer Minute etwa 465 g beträgt und daß fie zwiſchen 220 und 740 & ſchwankt. Bei operierten Enten iſt die Menge ungefähr die gleiche, ſie beläuft fic) etwa auf 445 g und ſchwankt zwiſchen 230 und 630g. Dagegen beträgt nach einviertelſtündigem Umherlaufen — wobei ſich die Tiere wiederholt ſchütteln — die in den Federn zurückgebliebene Menge bei normalen Enten 56,6 g (Min. 20, Max. 90g) und bei operierten Tieren erreicht fie die Höhe von 137,7 g (Min. 105, Max. 160 g). Es ergibt ſich alſo, daß normale und ihrer Bürzeldrüſe beraubte Enten zwar gleichviel Waſſer bei der Durchnäſſung in ihr Federkleid aufnehmen können, die letzteren aber 2—2,5mal jo viel Waſſer in ihren Federn Humboldt. — Auguſt 1887. zurückbehalten als intakte Tiere. Intereſſant iſt die Be⸗ ſchreibung des Benehmens der Tiere beim Waſſerabſchütteln. Normale Enten bedürfen nur einer geringfügigen Bewegung, um das Waſſer wieder zu entfernen. Operierte Tiere da⸗ gegen entledigen ſich durch ſehr ſtarkes Schütteln des auf⸗ genommenen Waſſers und es dauert eine ganz geraume Weile, bis ihre Federn wieder trocken geworden ſind. G. Die FJürſorge des Kuckucks um feine Nach- ſtommenſchaft hält man gewöhnlich mit der Ablage des Eis in einem fremden Neſte für beendet. Doch hat ſchon Baldamus die Beobachtung gemacht, daß ein Kuckucks⸗ weibchen die Eier des Brutvogels aus dem Neſte ent⸗ fernte, nachdem der junge Kuckuck bereits ausgeſchlüpft war. Neuerdings hat A. Walter in Kaſſel durch fortge⸗ ſetzte Beobachtungen gleichfalls die beſtimmte Ueberzeugung gewonnen, daß nicht der junge Kuckuck, wie man gewöhn⸗ lich annimmt, und noch weniger etwa der Brutvogel ſelbſt, die Eier aus dem Neſte wirft. Bei ſtundenlanger Be⸗ obachtung der Neſter wurde niemals ein Herauswerjen der Eier bemerkt; aber bei der Rückkehr nach längerer Ab⸗ weſenheit fand der Beobachter ſtets die Eier unter dem Neſte liegen. Danach ſcheint es beinahe ſicher, daß fie von dem Kuckucksweibchen entfernt werden. Dasſelbe bei der Arbeit zu ertappen, gelang nicht. Es iſt deshalb ſchwierig, weil man ſich vor dem vorſichtigen Vogel nicht ſo verbergen kann, daß man unbemerkt bliebe. Er kommt im Walde nie im niedrigen Fluge herbei, ſondern erſpäht das Terrain ſtets von den höheren Bäumen herab und fliegt erſt von dort, wenn er nichts Verdächtiges bemerkt, in die Büſche. Wie mit den Eiern, verfährt das Kuckucksweibchen natürlich auch mit den beim Ausſchlüpfen des Kuckucks ſchon vorhandenen Jungen, und in dieſem Falle iſt ſeine Thätigkeit weit wichtiger, weil die früher ausgebrüteten und ſchon kräftiger gewordenen Neſtjungen leicht dem kleinen, gefräßigen Kuckuck alle Nahrung entziehen könnten. Vom vierten Tage an wirft der kleine, noch nackte und blinde Kuckuck ſelber ſeine Gefährten aus dem Neſte, falls fie, etwa infolge des Todes der Kuckucksmutter, doch zum Ausſchlüpfen gelangt ſind. Um dieſe Zeit ſcheint auch der mütterliche Inſtinkt der letzteren e ſein. it Nahrungsvorräte im Bau des Maulwurfs. In Brehms „Tierleben“ findet ſich die Notiz, daß der Maulwurf nach Mitteilungen glaubwürdiger Fänger ſich in ſeinem Bau Wintervorräte anlegt: eine große Menge Würmer, welche teilweis, jedoch nicht lebensgefährlich verſtümmelt ſeien. In ſtrengen Wintern ſeien dieſe Vorratskammern reicher geſpickt, als in milden. Brehm bemerkt hierzu, daß die Sache jedenfalls einer Beſtätigung bedürfe. Eine ſolche liegt nun in einem Aufſatz von Friedr. Dahl vor, der auf Anregung von Möbius am 5. April 1886 kurz nach eingetretenem Tauwetter eine Unterſuchung von Maulwurfswohnungen vornahm, hauptſächlich durch die ihm zugegangene Mitteilung veranlaßt, daß beim Ebnen der Maulwurfshaufen einer Wieſe größere Mengen von Regenwürmern gefunden worden ſeien. Dahl fand, um; dies vorauszuſchicken, den Bau des Maulwurfs nicht fo regelmäßig, wie dies Blaſius ſeinerzeit angab, dem wir allein genauere Unterſuchungen über die Lebensweiſe des Maulwurfs verdanken. Die Wohnung des Tieres fand ſich nicht an einem vom Jagdrevier entfernten geſchützten Ort, ſondern mitten im Revier unter einem auffallend großen Haufen in Geſtalt einer keſſelartigen Höhlung, deren oberer Rand mit der Raſenfläche abſchneidet. Die Höhlung hatte einen Durchmeſſer von gewöhnlich mehr als 25 em und war mit Gras ausgepolſtert. Um die Höhlung verlaufen mitunter, aber nicht in allen Fällen, zwei an⸗ nähernd kreisförmige Gänge, von denen der innere durch⸗ ſchnittlich S—10 em vom mittleren Keſſel entfernt iſt; der äußere Gang, der häufig fehlt, iſt wenig kreisförmig. Beide Gänge ſtehen unter ſich und mit dem Wohnraum in Verbindung und von dem äußeren gehen ſtrahlenförmig die Gänge nach den verſchiedenen Teilen des Jagdreviers Humboldt. — Auguſt 1882. 311 aus. Häufig findet ſich ein ſenkrecht nach unten verlaufen— der und dann umbiegender Gang, der dem Maulwurf zum Entkommen dient, wenn ihm von oben Gefahr droht. Die Abweichungen in den Bauten ſcheinen weniger durch äußere Verhältniſſe als durch die individuelle Verſchieden— heit der Tiere bedingt. In dieſen Bauten nun fand Dahl bedeutende Vor— räte von Würmern, teils in der Höhlung ſelbſt, teils in den Gängen, bis zu 1,5 m von der mittleren Höhlung entfernt. Die Würmer waren in die feſten Wände als kleine Häufchen von etwa je 10 Stück gleichſam eingemauert und meiſt ziemlich ſtark gequetſcht, teil— weis verſtümmelt. In einem Bau fand Dahl 1280 Regenwürmer im Gewicht von 2,13 kg und 18 Enger⸗ linge. Ob dieſe Würmer als Vorräte für den Winter dienen ſollen, bezweifelt der Verfaſſer, da der Maulwurf, der den Würmern in die Tiefe folgt, im Winter ebenſo gut als im Sommer ſeine Nahrung finden kann. Vielleicht vermag der Maulwurf gerade umgekehrt im Winter mehr Würmer zu fangen als er zu verzehren vermag und hebt das überflüſſige auf, wie ſo manche Tiere, ohne hiermit gerade einen Vorrat für die Zeit der Not anlegen zu wollen. Andauernde Beobachtungen ſind in dieſer Frage nötig, ſo namentlich, wann ſich dieſe Vorräte zuerſt finden und ob fie im wurmreichen Boden auch im Sommer ane gelegt werden. (Schriften d. naturwiſſ. Ver. f. Schleswig⸗ Holftein; Bd. VI. Heft 2.) —p. Eigentümlichkeiten der Schädelbildung von Ba- luba- und Kongonegern. Die von Ludwig Wolff von ſeinen vorjährigen Forſchungsreiſen am oberen Kongo, Kaſſai und Sankuru mitgebrachten Schädel von Baluba⸗ und Kongonegern ſind kürzlich von Virchow gemeſſen worden. Von den 12 Schädeln, von denen 7 erwachſenen Perſonen und 5 Kindern angehört haben, find 3 dolicho— kephal, 5 meſokephal, 3 brachykephal, 1 hyperbrachykephal, jo daß die Kongoneger einen ſehr gemiſchten Typus auf⸗ weiſen. Die herrſchende Kopfform ſcheint die hypſi— meſokephale (mittellanger Hochſchädel) zu ſein. Bei den Weibern iſt eine entſchiedene Neigung zur Brachy— kephalie (Kurzſchädelform) vorhanden und hinſichtlich der Schädelkapacität machen ſich zwiſchen Männern und Wei⸗ bern ſehr bedeutende Unterſchiede bemerkbar. Bei den männlichen Kongonegern beträgt der Schädelraum durch— ſchnittlich 1386 cc, bei den weiblichen nur 1085 ce und bei einem Individuum ſogar nur 995 ce; dieſer Schädel iſt demnach nannokephal (Schädel mit abnorm kleiner Kapazität). Die Kinderſchädel ſind verhältnis— mäßig geräumig und bei den Schädeln der betreffenden Negerweiber ſind die Backenzähne teilweiſe nicht zum Durchbruch gekommen. Daraus folgert Virchow, daß bei den Weibern der in Rede ſtehenden Negerſtämme der Schädel ſein Wachstum häufig ſchon beendet hat zu einer Zeit, wo das Gehirn noch nicht die volle mögliche Größe eines Kindergehirns erreicht hat. Nur auf dieſe Weiſe läßt es ſich erklären, daß das Gehirn einer erwachſenen Frau kleiner iſt als dasjenige eines 7jährigen Kindes. Erwähnt ſei hier noch, daß bei den beſagten Stämmen der untere Stirndurchmeſſer eine beträchtliche Größe er— reicht und früh entwickelt iſt, daß das Hinterhaupt im allgemeinen ſtark nach hinten ausgeweitet iſt und daß in der Geſtalt (Länge und Breite) des Hinterhauptsloches erhebliche Verſchiedenheiten vorkommen. Bildungsanomalien in der Schläfengegend ſind nicht ungewöhnlich, darunter z. B. das Vorkommen eines Stirnfortſatzes der Schläfen— ſchuppe ſowie das Auftreten der Stenokrotaphie (Ver⸗ engerung des Schädels in der Schläfengegend). Letztere Eigentümlichkeit, die als ein pithekoides (affenähnliches) Raſſenmerkmal aufzufaſſen iſt, findet ſich, nach den von Virchow unterſuchten Schädeln zu urteilen, bei den Baluba noch häufiger als beim Orang-Utan. Das häufige Vor— kommen von pithekoiden Merkmalen bei den Kongonegern wird auch bezeugt durch die bedeutende Entwickelung des Processus lemurini am Unterkiefer eines Kriegers des am Sankuru wohnenden Baſſongo-Mino-Stammes, den L. Wolff ebenfalls von ſeiner Reiſe mitgebracht hat, ſowie durch die Größe und die Prognathie (Schrägſtellung des Kieferzahnrandes) des beſagten Kiefers. Alle That— ſachen ſprechen zu Gunſten der Annahme, daß die Kongo— ſtämme in größter Ausdehnung ſtark gemiſcht ſind. Viel— leicht ſind dieſelben aus einer Vermiſchung von Bantu— kaffern mit dem eigentlichen nigritiſchen Typus hervor— gegangen. A. Die Kreislaufszeit des Blutes, das heißt die Zeit, welche ein Blutteilchen braucht, um von einem Punkt der Blutbahn auf dem kürzeſten der vielen möglichen Wege durch den Lungen- und Körperkreislauf zu dem Ausgangs— punkt zurückzukehren, iſt zuerſt von Hering (1829 am Pferde) dann von Vierordt (1858 mit etwas verbeſſerter Methode an verſchiedenen Tieren) dadurch beſtimmt worden, daß die Zeit gemeſſen wurde, welche verging von dem Moment, an welchem eine Löſung von Blutlaugenſalz in das dem Herzen zugekehrte Ende einer durchſchnittenen Hals— vene eingeſpritzt wurde, bis zu dem Moment, an welchem die erſte Spur der durch Eiſenchlorid leicht nachweisbaren Beimengung aus dem anderen Ende der Vene abtropfte. Vierordt hatte beim Pferde 31.5, beim Hunde 15.2, beim Kaninchen 7.8 Sekunden gefunden. Landois hatte auf die Bedenken aufmerkſam gemacht, welche ſich gegen die Uebertragung dieſer Zahlen auf normale Verhältniſſe aus der Wirkung des Kaliumeiſencyanür auf die Herzthätigkeit erheben laſſen und als Indikator eine differente Flüſſig⸗ keit, z. B. Blut einer anderen Tierart mit anders ge— formten Blutkörperchen vorgeſchlagen. Das Blutlaugen— ſalz durch Blut mit charakteriſtiſch geformten Blutkörperchen zu erſetzen, unternahm Meade Smith aus einem anderen Grunde, weil er nämlich fürchtete, daß das Salz durch Diffuſion dem Flüſſigkeitsſtrom vorauseilen könnte. Er injicierte bei Hunden und Kaninchen Taubenblut, ver— mutete aber, daß dieſe ſchweren Blutkörperchen der Taube weſentlich im centralen alſo ſchnelleren Flüſſigkeitsfaden jeden Blutgefäßes mit fortgeriſſen würden, und machte deshalb Parallelverſuche mit ganz fein verteilter Karmin⸗ ſuſpenſion in Waſſer, bei denen ſich in der That eine be— trächtlich größere Umlaufzeit als bei den Verſuchen mit Taubenblut herausſtellte. Indem er als den wahrſchein— lichſten Wert das Mittel aus beiden Verſuchsreihen be— trachtet, kommt er dazu, die Kreislaufszeit beim Hunde zu 17,5“, beim Kaninchen zu 11“ anzunehmen, alſo er— heblich größer, als ſie Vierordt gefunden hatte. J. v. Kries, welcher meint, daß die Hering-Vierordtſchen Zahlen weſentlich durch die Differenz zwiſchen der Geſchwindigkeit des centralen Flüſſigkeitsfadens und der mittleren Strö— mungsgeſchwindigkeit mit Fehlern belaſtet ſein könnten, hat nun gezeigt, daß für Röhren von ſolcher Weite, daß das Poiſſeulleſche Geſetz giltig iſt, Rechnung und Verſuche in guter Uebereinſtimmung ergeben, daß die mittlere Strom— geſchwindigkeit gleich iſt der Hälfte der maximalen (im centralen Flüſſigkeitsfaden). Die Beobachtung geſchah in der Weiſe, daß in einem beſtimmten Momente das ſtrö— mende Waſſer durch eine Farblöſung erſetzt und der Strom kurze Zeit darauf unterbrochen wurde. Die am weiteſten vorgerückten Teile des Farbſtoffes bilden dann eine feine, in der Axe des Rohrs gelegene Spitze, deren Lage ſich recht genau beſtimmen läßt. Nicht minder leicht kann ermittelt werden, welches Quantum Flüſſigkeit wäh— rend der gleichen Zeit durch den Querſchnitt des Rohres gefloſſen iſt. Dürfte man annehmen, daß das Blut auf dem größten Teil ſeines Weges denſelben Geſetzen folgt, ſo wären die Werte der Kreislaufszeit, welche aus den Verſuchen von Hering und Vierordt abgeleitet werden, mit 2 zu multiplizieren, um die mittlere Kreislaufszeit (auf der kürzeſten der möglichen Blutbahnen) zu erhalten. In Wirklichkeit muß aber der Faktor viel kleiner ſein, erſtens weil ein Teil der Blutgefäße zu weit iſt, als daß das Geſetz von Poiſſeulle noch auf ſie Anwendung finden könnte und weil er zweitens in den Kapillaren, auf deren Durchſtrömen der größte Teil der ganzen Umlaufszeit entfällt, wegen des Größenverhältniſſes zwiſchen Blut- körperchen und Gefäßlumen, verſchwinden muß. : 312 Humboldt, — Auguſt 1887. Mit der vielfach ventilierten Frage nach der Abſtammung der deutſchen Sprachinſeln im Süd- abhang der Alpen hat ſich neuerdings auch Galanti (J. Tedeschi sul versante meridionale delle Alpi. Roma, Acad. dei Lincei 1885), natürlich vom italieniſchen Standpunkte aus, beſchäftigt. Er erkennt in den Cimbern allerdings nicht die Reſte des Cimbernzuges, ſondern Reſte von Goten, Franken und Alemannen, die vom ſechſten Jahrhundert ab in die Berge gedrängt wurden; in der Longobardenzeit war auch ein großer Teil der Ebene deutſch; nur in den Städten hielt ſich das romaniſche Element. Der Rückgang des deutſchen Elementes datiert erſt ſeit dem vierzehnten Jahrhundert. — Trotz dieſer Aus⸗ führungen beanſprucht der Verfaſſer den Brenner und den Kamm der juliſchen Alpen als die natürlichen Grenzen Italiens. Ko. Germaniſche Reſte auf der iberiſchen Halbinſel. Nach Gronen (Deutſche Rundſchau für Geographie und Statiſtik VIII. S. 110) ſind unter den Bewohnern der Ortſchaft Suajo (nördlich von der alten Stadt Arcos auf einem Ausläufer der einſamen Serra de Gerez gelegen) und unter denjenigen von San Miguel (am Fuße der Serra Amaxella unweit Ponte da Barca gelegen) Leute mit blauen Augen und blondem Haarwuchs beſonders zahlreich vertreten. Dieſelben ſollen von jenen Sueven abſtammen, die ſich in dieſe Gebirgswildnis zurückzogen als das Suevenxeich dem weſtgotiſchen König Bergivild (585) unterlag. Auch wäre nach Gronen der Name „Suajo“ vielleicht auf den am Rande des Harzes gelegenen „Schwabengau“ — der im ſechſten Jahrhundert unſerer Zeitrechnung in den Chroniken als „Suabago“ figuriert — zurückzuführen. Einen Beweis für die germaniſche Abkunft der in Rede ſtehenden Bevölkerung erblickt Gronen ferner darin, daß in den beſagten Ortſchaften gewiſſe primitive Sitten und Rechtsformen, welche den altgerma⸗ niſchen genau entſprechen ſollen, ſich bis auf den heutigen Tag erhalten haben. — Nach Willkomm beſitzen die Be⸗ wohner des Thales Bajas in Leon vorwiegend blondes Haar und blaue Augen und find wahrſcheinlich unver- miſchte Goten. Aus der Thatſache, daß die auf den kanariſchen Inſeln Gran Canaria und Teneriffa lebenden Nachkommen von Wandſchen (Guanchen) bezw. die aus der Ehe von Guanchenmädchen mit ſpaniſchen Soldaten und Anſiedlern hervorgegangene Bevölkerung relativ häufig blaue Augen, blondes Haar und hellen Teint auf⸗ weiſt, ſchließt Löher, daß die beſagten Guanchen eben⸗ falls Germanen — und zwar Vandalen — geweſen ſind. A Häuſigkeit von Zwillingsgeburten bei ſchwarzen Völkern. In einem Briefe des zu Ha Tſchewaſſe (in den nördlichſten Teilen des Transvaallandes unter dem Stamme der Bawenda oder Batjoetla, einem Zweige von der großen Familie der Betſchuanenvölker) wohnenden Miſſionars Beuſter, der von Bartels der Berliner Anthro⸗ pologiſchen Geſellſchaft vorgelegt wurde, findet ſich folgende Stelle: „Ich bin zu der Ueberzeugung gekommen, daß unter den ſchwarzen Völkern — zum wenigſten unter dem Volke, wo ich mein Arbeitsfeld habe — viel mehr Zwillings⸗ geburten ſtattfinden als daheim in Europa. Unter etwa 12 Frauen auf meiner Station fanden vor einigen Jahren drei nacheinanderfolgende Zwillingsgeburten ſtatt.“ Für die Anthropologie, bemerkt Bartels, wäre es in⸗ tereſſant, auch aus anderen Gebieten Afrikas über das Ver⸗ hältnis der Zwillingsgeburten etwas Näheres zu erfahren, um ermeſſen zu können, ob hier der Zufall geſpielt hat, oder ob es ſich wirklich um eine anthropologiſche Eigen⸗ tümlichkeit handelt. A. Knöchelſpiel. Nach Bolle („Das Knöchelſpiel der Alten.“ Mit 2 lithographierten Tafeln, Wismar 1886) wurde im Altertum und, wie die Grabfunde lehren, auch in vorgeſchichtlicher Zeit der unter dem Namen , Astra- galus“ bekannte Fußwurzelknochen von Schafen, Ziegen oder Kälbern zum Knöchelſpiel verwendet. Daß jede Seite des Astragalus ihren beſonderen Namen und Zahlenwert hatte, wiſſen wir aus den in der Historia animalium von Ariſtoteles enthaltenen Angaben. Dabei iſt aber zu bemerken, daß nach Heydemann außer dem eigentlichen Würfelſpiel noch eine Reihe anderer Spiele (Gerade und Ungerade, Kreis- und Grübchenſpiel u. dgl.) mit den beſagten Fußwurzelknochen geſpielt wurde. An⸗ dererſeits weiſt Virchow darauf hin, daß im Altertum über die Natur der fraglichen Knochen manche Unklarheit beſtand, daß nach Rufus Epheſius bei Homer auch die Wirbelknochen astragaloi hießen, und daß die Knöchel des Fußes vom Volke fälſchlich ſo genannt wurden. A. LKaturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Das Königliche Muſeum für Völkerkunde zu Berlin. Am 18. Dezember 1886 wurde in der Königgrätzer⸗ ſtraße zu Berlin durch den hohen Protektor der Königlichen Muſeen, Seine Kaiſerliche und Königliche Hoheit den Kron⸗ prinzen, ein neuer, geräumig und großartig angelegter Tempel für eine der jüngſten, doch hehrſten Wiſſenſchaften, nämlich diejenige vom Menſchen, in feierlicher Weiſe er⸗ öffnet und, da die fortdauernden Aufſtellungsarbeiten es vorläufig nicht anders geſtatten, wenigſtens für zwei Tage in der Woche, den Sonnabend und Sonntag, der öffent⸗ lichen Benutzung zugänglich gemacht. Das Muſeum für Völkerkunde hat den Zweck, den Beſucher in das geſamte Leben und Treiben, die Ge⸗ ſchichte und Vorgeſchichte aller derjenigen Völker der Erde einzuführen, welche nicht, wie die hervorragendſten alten Kulturvölker, in beſonderen Abteilungen der Königlichen Muſeen in den Werken ihrer Kunſtfertigkeit und ihrer geiſtigen Thätigkeit zur Anſchauung gelangen. Demnach ſind alſo die alten Aegypter, die Babylonier und Aſſyrer, die Griechen und Römer hier nicht vertreten. Da die Naturvölker im Gegenſatz zu den Kulturvölkern, archivaliſche Urkunden meiſtens nicht aufzuweiſen haben, ſo müſſen wir uns ihre Thätigkeit, ihre Geiſteswelt, ihr tägliches Leben aufbauen aus den von ihnen gefertigten Werken, ihren Haus- und Arbeitsgeräten, ihren Waffen, Kleidung, Schmuck und Kultusgegenſtänden. Die Völkerkunde (Ethnologie) iſt eine der jüngſten Wiſſenſchaften; erſt ſeit einigen Decennien hat ſie ſich zu einer Wiſſenſchaft erhoben, ſeitdem auch auf ſie die Me⸗ thoden der Naturwiſſenſchaft Anwendung fanden. Dem⸗ zufolge find auch erſt in neueſter Zeit die ethnologiſchen Sammlungen zielbewußt angelegt und vervollſtändigt worden. Früher waren die ſogenannten „ethnographiſchen Kabinette“ lediglich Raritätenkammern, die das bargen, was Zufall oder die Luſt am Seltſamen zuſammengebracht hatten. Auch das Muſeum für Völkerkunde hat einen derartigen Ur⸗ ſprung, und ein kurzer Rückblick auf ſeine Entſtehungs⸗ geſchichte dürfte ſchon deshalb intereſſant ſein, weil er zugleich diejenige ähnlicher Inſtitute ſpiegelt. Die Berliner ethnologiſche Sammlung, die wohl die größte ihrer Art iſt, dürfte auch in ihren Anfängen die älteſte ſein. Dieſe Sammlung bildete, wie viele ähnliche, einen Teil der fürſtlichen Kunſtkammer. Schon Kurfürſt Joachim II. (geboren 1505, geſtorben 1571), bekannt durch ſeine Liebe zur Kunſt und Pracht, ließ „in der Fremde künſtliche Sachen verfertigen und ſandte Leute aus, die q Humboldt. — ihm Seltenheiten und merkwürdige Dinge ankaufen mußten“. Schon früher, 1465, findet eine kurfürſtliche Silberkammer Erwähnung. Die Kunſtkammer mit der Silberkammer vereinigt, wird 1603 beſonders erwähnt, und es befanden ſich damals über 1000 Pfund ſilberner, oft vergoldeter Geräte in derſelben, wobei viele Koſtbarkeiten, Edelſtein— ſchmuck, Kleinodien, Ringe, die Perlmutter-, Glas-, Kryſtall— und Alabaſterarbeiten nicht einbegriffen ſind. Dieſe Kunſtkammer entwickelte ſich durch Ankäufe und Geſchenke immer mehr, fand aber zeitweiſe ſehr empfindlichen Abbruch durch Geſchenke der Beſitzer an verwandte, fremde Fürſten und andere auszuzeichnende Perſonen, beſonders aber während des Dreißigjährigen Krieges, da bei einer Neuinventariſierung im Jahre 1689 auch nicht eines der alten Stücke aufgeführt wird. Dem großen Kurfürſten Friedrich Wilhelm war es auch hier vorbehalten, grund— legend zu wirken, und er that es im großen Sinne und den Anſchauungen ſeiner Zeit entſprechend. Theoretiſche Schriften über Sammlungen wurden veröffentlicht, und Sammlungs— verzeichniſſe erſchienen im Druck. Der Kurfürſt zog tüchtige Künſtler ins Land, förderte junge Talente und machte Ankäufe. Durch ſeine klaſſiſche Bildung wußte er auch hier das Rechte zu treffen und übte den ſegensreichſten Einfluß auf die weitere Entwickelung aus. Er war auch der eigentliche Begründer der ethnologiſchen Abteilung. Seine überſeeiſchen Unternehmungen, die Geſchichte der Bildung ſeiner Seemacht, die Gründung der Feſte Friedrichsburg, jetzt Cap Coaſt Caſtle, ſind bekannt. Dieſe Beſchäftigung mit überſeeiſchen Dingen führte ihn dahin, in transocea— niſchen Plätzen zum Ankauf überſeeiſcher Naturalien, Waffen und Geräte Agenten zu gewinnen, deren Bemühungen von gutem Erfolge gekrönt waren. Ferner ließ er verſtreute kleinere Sammlungen in die Berliner Kunſtkammer ab— führen, die auch jetzt noch mit der Silberkammer vereint blieb. Für die vorgeſchichtliche Abteilung muß König Friedrich J. als Begründer angeſehen werden, der 1707 die erſte Urne in deutſchem Grunde zu Wulffen, unfern Köthen, ausgegraben, für den damals ſehr hohen Preis von hundert Thalern kaufte. Sie wäre höchſt wahrſcheinlich nicht angekauft worden, wenn man ſie nicht für römiſch gehalten hätte; doch iſt ſie weit älter, aber von ſo ſchöner Form, daß ſie noch heute als eine Zierde der Abteilung (Katalog J, 2) und als „die Großmutter aller Urnen“ derſelben hoch in Ehren gehalten wird. König Friedrich Wilhelm J., deſſen Sinn entſchieden dem Vaterländiſchen zugewandt war, beſtimmte, daß alle auf vaterländiſchem Boden gefundenen Altertümer der königlichen Societät der Wiſſenſchaften vorgelegt würden, welche dann ge— eignetenfalls an den Miniſter berichtete, der für die Bergung der Funde ſorgte. Auch die Nachfolger dieſes Monarchen wandten den ethnologiſchen und prähiſtoriſchen Forſchungen ihre Gunſt zu, namentlich aber König Friedrich Wilhelm III. Unter ihm wurden 1801 und 1806 größere Ankäufe indiſcher und chineſiſcher Gegenſtände abgeſchloſſen. 1830 wurden die vorgeſchichtlichen Altertümer getrennt als ſelbſtändiges Muſeum vaterländiſcher Altertümer im Schloß Monbijou aufgeſtellt. Mit Vollendung des „Neuen Muſeums“ 1856 überſiedelte die ethnologiſche Abteilung als „Ethnographiſches Kabinett“, die vorgeſchichtliche als Unterabteilung unter der dem damaligen Standpunkte der Wiſſenſchaft entſprechenden Bezeichnung „Sammlung nor— diſcher Altertümer“ dorthin. Beide Sammlungen haben ſich ſeitdem durch Geſchenke und Zuwendungen der Mitglieder des Königlichen Hauſes, der Königlichen Behörden und zahlreicher Privatperſonen, durch die Reſultate wiſſenſchaftlicher Forſchungsreiſen, die Erwerbungen der Marine und der Vertreter des Reiches, ſowie durch Gelegenheitskäufe außerordentlich vergrößert, namentlich unter der jetzigen einſichtsvollen Generaldirektion der Königlichen Muſeen und dem Entgegenkommen des hohen Miniſteriums, ſowie durch die eifrigen Bemühungen ihrer jetzigen Direktoren, Geheimen Regierungsrat Profeſſor Dr. A. Baſtian und Dr. A. Voß. Erſterer hat auf ſeinen vielen Reiſen nicht nur ſelbſt große ethnologiſche Samm— lungen zuſammengebracht, er hat auch die rechten Männer, Humboldt 1887. Auguſt 1882. 313 ſowie auch die Mittel und Wege zu finden gewußt, um die in der Sammlung fühlbaren Lücken ſich füllen zu machen. Letzterem, der während Baſtians ausgedehnter Reiſen ihn in der Verwaltung vertrat, gelang es, einige ſehr er— wünſchte Vervollſtändigungen' zu erwerben, namentlich ver⸗ dankt die vorgeſchichtliche Abteilung ſeinen eifrigen Be— mühungen reichen Zuwachs. Eine ſehr vorteilhafte Ein— richtung ſind die von den Beamten der Abteilung, oft in Begleitung von Mitgliedern der Berliner Anthropologiſchen Geſellſchaft, unternommenen Exkurſionen nach prähiſtoriſchen Fundſtellen der näheren und weiteren Umgebung Berlins. Hierbei fallen dem Muſeum nicht nur die oft ſehr inter— eſſanten Reſultate der dabei unternommenen Ausgrabungen zu, ſondern es wird durch ſie auch ihr Hauptzweck erreicht, nämlich der, bei den Umwohnern der betreffenden Fund— ſtelle das Intereſſe für prähiſtoriſche Dinge zu wecken und ihnen deren wiſſenſchaftliche Bedeutung klar zu machen; ſchon manches wichtige Stück ijt dadurch vor dem Unter— gange gerettet und dem Studium erhalten worden. Alle dieſe Umſtände haben dazu beigetragen, daß das Muſeum für Völkerkunde in Berlin heute nicht nur die größte, ſondern auch die ſyſtematiſch und wiſſenſchaftlich wertvollſte Sammlung birgt. Infolgedeſſen wurde ſie als beſonderes Muſeum für Völkerkunde in dem ſpeciell für ſeinen Zweck erbauten Gebäude von den ſie bisher beherbergenden Kunſt— muſeen abgetrennt. Das Gebäude beſteht aus einem nur wenig unter das Niveau geſenkten Kellergeſchoß, dem Erdgeſchoß und zwei vollen weiteren Stockwerken, ſowie auf den Flügeln in der Königgrätzer- und verlängerten Zimmerſtraße aus je noch einem Stockwerke in halber Gebäudetiefe. Ueber dem Veſtibule des Haupteinganges befindet ſich ein Hörſaal für ethno— logiſche Vorleſungen, um dieſen herum Zimmer für die Aſſiſtenten und darüber das Magazin der Bibliothek. Die Sammlungen ſind in dem neuen, großartigen und zweckmäßig konſtruierten Gebäudekomplex in folgender Art aufgeſtellt: Im Erdgeſchoß befindet ſich links die außer— ordentlich reichhaltige und intereſſante Abteilung für vor— geſchichtliche Altertümer. Sie umfaßt die Ueberbleibſel aus der Zeit der älteſten Anſiedelung bis zur Einführung des Chriſtentums in unſeren Gegenden, alſo von der Stein— zeit bis etwa in das elfte oder zwölfte Jahrhundert. Bisher iſt man indeſſen nur mit der Aufſtellung der Altertümer der Provinz Brandenburg und der Edelmetallfunde fertig geworden, doch wird an der weiteren Ordnung eifrigſt gearbeitet, ſodaß man demnächſt auf die Eröffnung eines weiteren Teiles hoffen darf. Rechts vom Haupteingange it die Schliemannſche Sammlung aufgeſtellt, die durch die neuen großartigen Schenkungen Schliemanns wiederum reichen Zuwachs er— halten hat. Daran ſchließt ſich eine vorläufige Aufſtellung einiger oſtaſiatiſcher Stücke. Das nächſte Stockwerk ee von der ethnologiſchen Abteilung die Erdteile Afrika, Oceanien und Amerika, mit den Reſultaten all der vielen großartigen Entdeckungs— und Forſchungsreiſen der neueſten Zeit. Im darüber liegenden Geſchoß gelangen jetzt die ſüdaſiatiſchen und oſtaſiatiſchen Sammlungen zur Aufſtellung. Im oberſten Stockwerk ſollen ſpäterhin die Sammlungen der Berliner Anthropologiſchen Geſellſchaft dem Studium zugänglich gemacht werden. Die Zimmer der Direktoren und übrigen Beamten, ſowie für die Konſervierungs- und ſonſtigen Arbeiten ſind auf die verſchiedenen Stockwerke verteilt. Das Gebäude iſt nach Entwürfen und unter künſt⸗ leriſchem Beiſtande des Geheimen Regierungs- und Bau— rates Ende vom Bauinſpektor Klutmann unter Mit— wirkung des Direktors Dr. Voß in den Jahren 1880 bis 1886 erbaut. Es ijt bei Errichtung des Baues auf möglichſte Feuer— ſicherheit bei größtmöglicher Helligkeit der Räume geſehen worden. An Publikationen ſind außer den Führern er— ſchienen: von Ledebur, Das Königliche Muſeum vater— ländiſcher Altertümer im Schloß Monbijou (Berlin 1838); A. Baſtian und A. Voß, Die Bronzeſchwerter im König— lichen Muſeum zu Berlin (1878); Steinaltertümer von 40 314 Humboldt. — Auguſt 1887. St. Lucia, Guatemala (1882); Amerikas Nordweſtküſte (1883); W. Reiß und A. Stübel, Das Gräberfeld von Ankon, Lieferungswerk; Originalmitteilungen aus der ethnologiſchen Abteilung der Königlichen Muſeen, ſeit 1886. Berlin. Eduard Krauſe. Das neue Obſervationshaus für die mefeoro- logiſche Station auf dem Säntis. Angeregt durch die Autorität und den lebhaften Impuls des im April 1879 in Rom tagenden meteorologiſchen Kongreſſes hat es die ſchweizeriſche meteorologiſche Kommiſſion bekanntlich ſeiner Zeit unternommen, in Ausführung des Kongreßbeſchluſſes: „Der Kongreß empfiehlt der ſchweizeriſchen naturforſchenden Geſellſchaft, ihr Möglichſtes zu thun, damit ein Obſerva⸗ torium auf einem der hohen Gipfel der Schweiz errichtet werde“ — auf dem freigelegenen Säntisgipfel (2504 m Meereshöhe) eine gut eingerichtete meteorologiſche Station einzurichten. Mit Auguſt des Jahres 1885 lief der drei⸗ jährige Zeitraum ab, für welchen der Unterhalt und die Fortführung der Station auf Grund freiwilliger Beiträge und mit Subvention des eidgenöſſiſchen Bundes ermöglicht wurde. Seither hat letzterer die Station ganz auf ſeine Koſten übernommen und damit ihre Exiſtenz dauernd geſichert. Als nun zudem noch im ſelben Jahre (1885) ein hochherziger Mäcen der Meteorologie in ſeinem Teſta⸗ mente das ſchweizeriſche meteorologiſche Inſtitut zum Haupterben einſetzte und zwar mit der Beſtimmung, daß ihm nicht nur über die Zinſen des ſich auf ca. 100 000 M. belaufenden Kapitals, ſondern auch über letzteres ſelbſt freies Verfügungsrecht zuſtehe, wenn die meteorologiſche Centralanſtalt die Mittel zu einer Erweiterung oder zur Förderung der Wiſſenſchaft in irgend einer Art bedarf, ſo war es nunmehr möglich, für die Station, die bisher der Hauptſache nach in dem ca. 40 m unterhalb des Gipfels gelegenen kleinen Hotel untergebracht war, in einem beſonderen Obſervationsgebäude die Herftellung eigener Lokalitäten in Ausſicht zu nehmen. — Zu dem Zweck wurde durch Sprengung auf der nordöſtlichen Seite der eigentlichen Felspyramide des Säntis unmittelbar unter dem Gipfel Raum geſchaffen für die Herſtellung eines maſſiv gemauerten Stationsgebäudes von 8 m Länge, 6,5 m Tiefe und 8 m Höhe, mit einem Erdgeſchoß und zwei Etagen, von denen jede drei Zimmer enthalten ſoll. Das Dach iſt flach und benutzbar für die Aufſtellung ver⸗ ſchiedener Inſtrumentenſtänder; es ſchließt ſich unmittelbar an das kleine Plateau des Gipfels an. Die hintere Mauer des Gebäudes lehnt ſich gegen die Felswand des Gipfels, während die Ausſicht von den drei anderen Seiten voll⸗ ſtändig frei iſt. Von der zweiten Etage gelangt man ver⸗ mittelſt eines gedeckten, ebenfalls eingeſprengten Ganges zu dem Anemometerhäuschen auf der Spitze; die Beſorgung des Anemometers iſt alſo auch bei ſchlechtem, ſtürmiſchem Wetter ſehr leicht möglich, ohne daß der Beobachter ſich irgendwie den Unbilden der Witterung auszuſetzen braucht. Auch dafür wird geſorgt werden, daß die im Spät⸗ ſommer 1885 begonnene, jedoch ſeither unterbrochene Reihe von Variationsbeobachtungen der magnetiſchen Elemente, welche bis jetzt aus ſolchen Höhen gänzlich fehlten, wiederaufgenommen werden kann. Bereits die damals vom Schreiber dieſer Zeilen ausgeführte kurze Beobachtungsreihe bezüglich des täglichen Ganges und der Größe der täglichen Oscillation, der magnetiſchen Deklination in dieſer Höhe führte zu einigen bemerkens⸗ werten Reſultaten, die im XX. Bande der öſterreichiſchen Meteorologiſchen Zeitſchrift publiziert find. Die ganze Konſtruktion des Gebäudes wird allerdings ziemlich hoch zu ſtehen kommen, denn das Bauen in dieſer Höhe iſt ſelbſt bei den beſcheidenſten Anſprüchen eine ſehr teuere Geſchichte. Die Sprengarbeiten, die vorigen Herbſt ausgeführt wurden, haben allein bereits die Summe von 10000 Franken abſorbiert, ſoviel ungefähr wie der Bau und die Ausrüſtung zuſammen der neuen Stationen auf dem unvergleichlichen „Sonnblick“ in den hohen Tauern gekoſtet haben! Weitere, die eigentliche Ausrüſtung der Station betreffende Mitteilungen mögen einer ſpäteren Notiz vor⸗ behalten bleiben. Zürich. „Ein Thüringiſcher botaniſcher Tauſchverein in Vforta“ ijt von Sagorski in Pforta ins Leben gerufen worden. Er will ſich im allgemeinen auf Thüringen be⸗ ſchränken, und es werden nur einzelne Mitglieder in anderen Ländern herangezogen werden. Das Hauptaugenmerk wird auf die kritiſchen Gattungen, wie Rosa, Rubus, Hiera- cium und Salix gerichtet fein. Ms. Zur Errichtung eines biologiſchen Laboratoriums Dr. J. Maurer. an der Küſte von Neu⸗England hat ſich ein Komitee gebildet (Vorſitzender Proſeſſor Alpheus Hyatt), welches 15000 Doll. zuſammenzubringen ſucht, wovon die Hälfte zum Ankauf von Land, zum Bau und der Einrichtung des Laborato⸗ riums verwendet, die andere als Garantiefonds auf 5 Jahre angelegt werden ſoll. Beiträge können an den Schatz⸗ meiſter Mr. Samuel Wells, 31 Pemberton Square, Boſton, Maſſ., geſendet werden. Die Zwecke dieſer Station find dieſelben wie die der zoologiſchen Station zu Neapel. Ms. Ein neues TCaboratorium für das Studium der Meeresfauna iſt von der Johns Hopkins University in Baltimore in Naſſau New Providence (Weſtindien) ge⸗ gründet worden; zum Vorſtand wurde Profeſſor W. K. Brooks ernannt. D. Der Elizabeth Thompson science fund für die Förderung wiſſenſchaftlicher Forſchung im weiteſten Sinne, begründet von Mrs. Elizabeth Thompſon in Stamford (Connecticut) beläuft ſich jetzt auf 25 000 Dollars. Eine der beträchtlichſten Unterſtützungen aus dieſem Fonds, nämlich 500 Dollars, hat Profeſſor Roſenthal in Erlangen für Unterſuchungen über tieriſche Wärme in Geſundheit und Krankheit erhalten. Geſuche ſind an Dr. C. S. Minot, Harvard medical school, Boſton, Maſſ., zu richten. M—s. Dem Harriahvard College Observatory find von dem verſtorbenen Uriah A. Boyden 230000 Dollars vermacht worden, welche in Verbindung mit anderen Mitteln der Sternwarte zur Anſtellung aſtronomiſcher Beobachtungen auf hochgelegenen Stationen dienen ſollen, wo der ſchäd⸗ liche Einfluß der Atmoſphäre auf die Genauigkeit der Beobachtung möglichſt geringfügig iſt. Kf. In New Bork hat fid) eine Mineralogiſche Ge- ſellſchaft unter Leitung von G. F. Kunz, B. B. Chamber⸗ lain u. a. gebildet, welche bereits mehr als 40 Mitglieder zählt. D. Das botaniſche Muſeum und Caboratorium zu Hamburg iſt durch Beſchluß des Senats und der Bürger⸗ ſchaft zu einem wiſſenſchaftlichen, akademiſchen Staats⸗ inſtitut erweitert und mit demſelben ein botaniſches Labo⸗ ratorium für Warenkunde verbunden worden. Direktor des Geſamtinſtituts iſt der Begründer und bisherige Leiter des botaniſchen Muſeums, Profeſſor Dr. Sadebeck. Die anderen analogen naturwiſſenſchaftlichen Inſtitute in Ham⸗ burg ſind das zoologiſche und das mineralogiſche Muſeum (Profeſſoren Pagenſtecher und Gottſche, jun.), der botaniſche Garten (Profeſſor Reichenbach), die Sternwarte (Rümcker), das phyſikaliſche und das chemiſche Staatslaboratorium (Voller und Wibel). D. Das Muſeum der Naturkunde in Berlin iſt zwar noch nicht eröffnet, aber die Sammlungen, welche dort Aufnahme finden ſollen, ſind ſchon eingeteilt und die zu ihrer Leitung berufenen Gelehrten ſind ernannt. Das Muſeum wird geſchieden jet in: 1) die geologiſch-paläonto⸗ logiſche Abteilung, an deren Spitze Geheimer Bergrat Pro⸗ feſſor Beyrich als Direktor ſteht, während ihr Profeſſor Dames als Kuſtos angehört. 2) Die mineralogiſch⸗ petrographiſche Abteilung, welche früher zwei getrennte Sammlungen bildete, jene von dem verſtorbenen Websky, dieſe von Profeſſor Roth geleitet. Jetzt befindet ſich die Abteilung unter der Direktion des aus Göttingen berufe⸗ nen Profeſſors C. Klein, während Profeſſor Roth mit ſeiner Ernennung zum Ordinarius dieſen Zweig fetner a Humboldt. — Auguſt 1887. Wirkſamkeit ganz aufgegeben hat. Kuſtos in der minera— logiſch-petrographiſchen Abteilung iſt der Privatdozent Dr. Tenne, Aſſiſtent Dr. Möller. 3) Die zoologiſche Ab— teilung, die von dem kommiſſariſchen Direktor Dr. Möbius, ordentlichen Profeſſor an der Univerſität Kiel, geleitet wird. Dem Profeſſor Möbius ſteht als zweiter Direktor Pro— feſſor v. Martens zur Seite. Kuſtoden ſind in dieſer Abteilung Profeſſor Cabanis, Dr. Dewitz und Dr. Hilgen— dorf, Aſſiſtenten die Doktoren Reichenow, Karſch, Kolbe und Weltner. D. Die diesjährige Verſammlung der American Association for the advancement of science wird in New Yor abgehalten werden und am 10. Auguſt be— 315 ginnen. Das Präſidium übernimmt Profeſſor S. P. Lang⸗ ley aus D. Alleghany City, Pa. Berichtigung. Die internationale Polarkommiſſion wurde nicht, wie S. 273 geſagt, in Rom gewählt, ſondern konſtituierte ſich erſt 5. Oktober 1879 in Hamburg. Die Mitglieder derſelben tagten dann gleichzeitig mit dem Permanenten Komitee zu Bern 7. bis 9. Auguſt 1880. Dort wurden auch die definitiven Beſchlüſſe über die auszu⸗ führenden Unterſuchungen gefaßt, welche auf einer Ver— ſammlung in Petersburg 1881 unter dem Vorſitze Wilds Beſtätigung und weitere Ausbildung erfuhren. L. Ambronn. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. 1½ Monddurchmeſſer nördlich an Saturn vorbei. Jupiter im Sternbild der Jungfrau, Sichtbarkeit bieten ſeine zuletzt um 8 ½ Uhr unter. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Auguſt 1887. 1 987 U Ophiuchi 1026 U Cephei 1123 Algol 1 Merkur war erft am 3) D Partiale Mondfinsternis. Mond im Erdkernschatten von 8" 29™ 3 28. Juli in unterer Kon— gh 34m bis 10 550 junktion mit der Sonne, 5 1123 6 Libro 14% 7m E. lu. ) 70 Aquarii 5 erreicht aber ſchon am fo eee 6 16. ſeine größte weſtliche 6 1012 U Cephei 1015 U Ophiuchi 6 Ausweichung und kann 7 16 46% E. h. / BAC 81 7 um die Mitte des Mo- 17 50 A. d. 9 6 ½ nats am Morgenhimmel 8 n A 01 12" 46™ a 26 Ceti | 16" 17 E. 8 29 Ceti 8 | nabe dem Nordoſthori— gh 170 4 135 56™ A. d. 6 16°58" A, f. 1 63/2 zont in der frühen Däm— 10 Viele Sternschnuppen in den Nächten v. 10. bis 12. (Perseiden) | 10 merung leicht mit bloßem 11 € 9t9 U Cephei 1142 U Ophiuchi 14 19 f. H. „ 6268 bal. 11 Auge aufgefunden wer— 15 3 ee 6 den. Venus verlangjamt 12 784 U Ophiuchi 1088 6 Libre 15"11™F, H. 2 48 Tauri 12 ihren Lauf im Sternbild 16h 17m H. fl. ; 6 der Jungfrau und kommt 15 8 59 a 01 9 29" A III E 1327 U Coron 15 am 28. in Gtillftand, fi he 125 ſich in der Richtung zur 16 986 U Cephei 12!0 U Ophiuchi 16 Erde bewegend, und wird 17 881 U Ophiuchi 17 dann rückläufig. Am 16. 18 0 Totale Sonnenfinsternis. 18 hat fie als Abendſtern 19 1084 6 Libre 19 ihren größten Glanz er- 21 972 U Cephei 1248 U Ophiuchi 1320 Algol 21 reicht, welcher aber nicht 22 829 U Ophiuehi * 278. d.) 65 irg. 1124 1 Coron 22 | voll zur Geltung kommt, | Lor oS oo a is ei | Da fie noch in der hellen 25 > 25 Dämmerung untergeht, 26 829 U Cephei 1080 6 Librae 26 | im Anfang des Monats 27 6" 52 F. d, t BAC 8% 7 54% yj ITA 946 U Ophiuchi 27 kurz vor 9 Uhr, zuletzt 8 I. l. 6 ſchon um 7 Uhr. Mars 28 7 5 Im E, fl.) 8“ Sugittarii 28 wandert vom Sternbild 85 50 m A l.) 5.6 der Zwillinge in das des 29 921 U Corone 29 Krebſes, geht am 6. um Sill 855 U Cephei 13 72 19 1 Capric. 31 zwei Monddurchmeſſer : 14 22” fl. J. 6 nördlich von 6 Gemino- Er geht den ganzen Monat über bald nach 2 Uhr morgens auf. öſtlich von Spica, ſteht ſchon tief am Abendhimmel, Trabanten auch nur wenige beobachtbare Verfinſterungen dar; Saturn rechtläufig im Sternbild des Krebſes taucht aus den Sonnenſtrahlen wieder auf und geht am Ende des Monats ſchon um 2 Uhr morgens auf. 4 Monddurchmeſſer ſüdlich vom Doppelſtern J Virginis iſt nur noch kurze Zeit nach Anbruch der Nacht ſichtbar. Neptun ſteht zwiſchen den Plejaden und Hyaden am Morgenhimmel und kommt am 23. in Quadratur mit der Sonne. Von Algol werden jetzt wieder vollſtändige Beobachtungen des kleinſten Lichtes möglich. Die Gelegenheiten für 5 Libre find die letzten bequemen und günſtigen in dieſem Jahre. In den Nächten vom 10. bis 12. zeigen ſich viele Sternſchnuppen, deren Radiationspunkt im Perſeus liegt, d. h. deren ſichtbare ſcheinbaren Bahnen nach rückwärts verlängert ſich im Sternbild des Perſeus ſchneiden. Die partiale Mondfinſternis am Abend des 3. Auguſt iſt in ganz Deutſchland ſichtbar. beim Aufgang ſchon teilweiſe im Halbſchatten der Erde. Die größte Verfinſterung, welche 40 des Durchmeſſers beträgt, Kernſchatten tritt der Mond wieder um 10 Uhr 55 Minuten und glänzt wieder in vollem Licht um 12 Uhr 19 Minuten. (Mittlere Berliner Zeit.) rum und am 28. um und in ſeiner kurzen er geht anfangs um 10 ½, Uranus im Sternbild der Jungfrau etwa Der Mond ſteht In den Kernſchatten tritt er um 8 Uhr 29 Minuten. findet um 9 Uhr 42 Minuten ſtatt. Aus dem Dr. E. Hartwig. 316 Humboldt. — Auguſt 1887. Die totale Sownenfinflertiis vom 19. Auguſt 1887. Don Dr. Ernſt Hartwig in Bamberg. Von allen Himmelserſcheinungen macht keine einen ſolchen überwältigenden Eindruck, wie eine totale Sonnen⸗ finſternis. Während das wiſſenſchaftliche Intereſſe an dieſer Erſcheinung erheblich vermindert, wenn auch durch⸗ aus nicht erſchöpft iſt, ſeitdem vor zwei Decennien die Entdeckung gemacht worden iſt, daß die Protuberanzen zu jeder Zeit mit Hilfe des Spektroſkop geſehen werden können, wird wegen der großen Seltenheit und wegen der außerordentlich kurzen Dauer das allgemeine Intereſſe für die eine ſolche totale Verfinſterung begleitenden, ſowohl die durch ſie hervorgerufenen, als die durch ſie zugänglich, d. h. ſichtbar gemachten Nebenerſcheinungen immer ein ſehr lebhaftes und reges ſein und bleiben, ganz beſonders noch, wenn man mit nur kleiner oder keiner Ortsver⸗ änderung Augenzeuge zu ſein vermag. Dem nordßſtlichen Teil von Deutſchland und einem großen Gebiet von Ruß⸗ land iſt am Freitag, den 19. Auguſt morgens, die Gelegen⸗ heit zur Beob⸗ ausſichtlich eine größere Reihe von Stationen im Totalitäts⸗ gebiet beſetzen. Auch dem günſtigen Umſtand, daß der Weg des Kernſchattens auf eine Ausdehnung von etwa 75 Längengraden mit einer telegraphiſchen Hauptlinie des ruſſiſchen Reichs zuſammenfällt und daß alſo etwaige wichtige Entdeckungen auf einer weſtlichen Station, z. B. eines intramerkuriellen Planeten, eines Kometen oder einer ſonſtigen Erſcheinung, einer öſtlicheren Station, für welche im äußerſten Falle die totale Verfinſterung um etwa 142 Stunden ſpäter eintritt, zur Beſtätigung oder weite⸗ ren Verfolgung ſofort gemeldet werden können, ſoll, wie verlautet, Rechnung getragen werden, indem der Telegraph für die betreffende Zeit den wiſſenſchaftlichen Zwecken ausſchließlich zur Verfügung geſtellt wird. Wegen der kurzen, dieſesmal im günſtigſten Gebiete 3 Min. 50 Sek., in Deutſchland etwa 2 und in Twer etwa 2½ Min. betragenden Dauer der totalen Ver⸗ finſterung iſt es achtung einer ae ae 5 2 dem Einzelnen totalen Son⸗ Si 15 — nicht möglich, nenfinſternis ö allen auftreten⸗ geboten und 540 denErſcheinun⸗ der Umſtand, gen volle Auf⸗ daß die weitaus merkſamkeit größere Strecke ſchenken zu des vom Kern⸗ können. Es iſt ſchatten des daher zur vollen Mondes zu wiſſenſchaft⸗ durcheilenden lichen Aus⸗ Streifens der nützung der Ge⸗ Erdoberfläche legenheit eine aa 8 ve der azu meiſt dicht⸗ verſchiedenen bewohntesLand Aufgaben unter fällt, von wel⸗ die Beobachter chem die weſt⸗ liche Gegend notwendig, in deren Verfol⸗ verhältnismä⸗ 1 gung auch ßig bequem und | Laien wertvolle leicht zu er⸗ 8. 111 5 Beiträgeliefern reichen iſt und 85 = a Minn | I — 85 können. daher einer . 25 2 a Von bez großen Anzahl von Fachmän⸗ nern und Laien die Beobach⸗ tung geſtattet, iſt Veranlaſ⸗ ſung, dieſer Sonnenfinſternis mit großer Spannung entgegen zu ſehen und Vorbereitungen aller Art auch zu ihrer möglichſt größten wiſſenſchaftlichen Ausnutzung zu treffen. Der Kernſchatten des Mondes trifft die Erdoberfläche in einer Gegend Deutſchlands, welche durch die Städte Holzminden, Gotha, Jena, Halberſtadt, Hildesheim begrenzt wird, wandert dann oſtwärts in einer etwa 184 Kilometer breiten Zone die Städte Braunſchweig, Leipzig, Berlin, Poſen einſchließend und an Königsberg ſüdlich vorüberziehend nach Rußland, geht nördlich an Moskau vorbei, überſchreitet die Wolga zwiſchen Rybinsk und Niſchney-Nowgorod, durchzieht das nördliche Sibirien, die Mandſchurei, durchquert Japan und verläßt im Großen Ocean wieder die Erdoberfläche. Für die bezeichnete Gegend in Deutſchland ſteht die Sonne im Moment der Totalität aufgehend im Horizont, und je weiter öſtlicher man in dem Totalitätsſtreifen ſich begibt, deſto höher hat man die Sonne über dem Horizont, bis bei Irkutsk, wo die Totalität um Mittag ſtattfindet, die Höhe wieder abnimmt. Von Deutſchland, England, Frankreich und Italien werden ſich Aſtronomen und Phyſiker nach Twer und in die Gegend bei Moskau begeben. Rußland ſelbſt wird vor⸗ Verlauf der Sonnenfinſternis in Deutſchland. Die Finſternis ijt total für alle Orte, welche innerhalb des ſchraffierten Streifens gelegen find. Für die in der Mittellinie dieſes Streifens gelegenen Orte beträgt die Dauer der totalen Verfinſterung zwei Minuten für die nach dem Rande zu gelegenen Orke entſprechend weniger. die Kurven 0,95 und 0,90 zeigen diejenigen Orte an, von denen aus geſehen im Moment der größten Verfiniterung 0,95 bezw. 0,90 des Sonnendurchmeſſers vom Monde verdeckt erſcheint. Weſtlich von der Verbindungslinie Bremen: Paſſau tritt die größte Verfinſterung vor Sonnenaufgang ein, an den weſtlich von dieſer Linie gelegenen Orten iſt daher nur das Ende der Finſternis zu beobachten. ſonderem In⸗ tereſſe iſt die Ausdehnung und Form des die verfinſterte Sonne umge⸗ benden blen⸗ dend weißen Lichtkranzes, der ſogenannten Corona, von welcher die bisherigen totalen Finſterniſſe eigentümliche Be⸗ grenzungen, Auszackungen, Strahlenbündel gezeigt haben. Das Licht der Corona iſt reflektiertes Sonnenlicht, wie es eine ſogenannte Atmoſphäre der Sonne oder zahlloſe die Sonne umſchwärmende Körper zeigen müßten. Die Helligkeit des Lichtes iſt heller als das des Vollmondes, iſt aber nicht mehr wahrnehmbar, ſobald die Totalität aufgehört hat. Doch ſieht man kurze Zeit vor und nach der Totalität den nicht auf die Sonne ſich projizierenden Mondrand im Fernrohr vermöge dieſes hellen Lichtes der Corona. An der Baſis der Corona erblickt man ſelbſt ohne Fernrohr die Protuberanzen, die Feuerlohen brennenden Waſſerſtoffgaſes. Es iſt von Intereſſe, ob thatſächlich eine Verſchiedenheit zwiſchen den mit Hilfe des Spektroſkops zu beliebiger Zeit und den während der Totalität erblickten Formen beſteht. Jedenfalls geſtattet die Totalität, wenn auch nur flüchtig, die Formen reiner, ſchärfer, bis in die zarteſte Einzelheit zu erkennen, als wenn das Licht der Sonne ſeine Macht entfalten kann. Die Frage nach ſonnennahen, ſogenannten intra⸗ merkuriellen Planeten muß ebenfalls in dieſer kurzen Zeit Außerhalb der ſchraffierten Zone ijt die Finſternis partial; —- Humboldt. — Auguſt 1887. 317 der Totalität verfolgt werden und zwar noch bei vielen totalen Sonnenfinſterniſſen, weil das negative Reſultat einer ſolchen Finſternis nur beſagt, daß in dieſem Augenblick kein ſolcher Planet von gewiſſer Helligkeit ſich in oder nahe ſeiner größten Ausweichung befunden hat, während ein ſolcher hinter oder vor der Sonne (im letzteren Falle vom Mond bedeckt, auch nicht als dunkles Scheibchen auf der Sonnenoberfläche auffindbar) oder vom Glanz der Corona überſtrahlt, nahe neben der Sonne geſtanden haben kann. Das Suchen nach ſolchen ſetzt die vorherige An— fertigung einer Karte voraus, welche alle mit dem zu be— nützenden Fernrohr unter ſolchen Umſtänden noch wahr— nehmbaren Sterne enthält. Vielleicht zeigt ſich auch wie bei der totalen Sonnenfinſternis am 16. Mai 1882 in der Nähe der Sonne ein ſonſt in ihren Strahlen verborgen bleibender Komet. Eine vollſtändige Dunkelheit tritt infolge des Lichtes der Corona und wegen der auch im Halbſchatten des Mondes hell genug erleuchteten Erdatmoſphäre nicht ein. Es werden nur Sterne erſter Größe und die hellſten über dem Horizont befindlichen Planeten für das unbewaffnete Auge ſichtbar. Für die öſtlicheren Gegenden der Totalität zeigt ſich 4 bis 5 Durchmeſſer entfernt links von der Sonne Regulus, ſonſt werden überall in der Zone der Totalität bei klarer Luft rechts von der Sonne die drei Planeten Merkur, Saturn und Mars, in dieſer Reihen— folge von der Sonne aus gezählt und in nahezu gleichem Abſtand voneinander erſcheinen. Ueber ihnen werden die hellſten Sterne der Zwillinge, Caſtor und Pollux, ſichtbar. Im Südoſten erſcheint Sirius und zwiſchen ihm und den Zwillingen Prokyon. Hoch oben öſtlich vom Zenith zeigt ſich Capella, ſüdöſtlich Aldebaran und die hellſten Sterne des Orion. . Der Mond ſelbſt erſcheint auch nicht völlig ſchwarz, ſondern, von der für ihn vollerleuchteten Erde erhellt, in einem aſchgrauen Licht, welches nur im Kontraſt gegen die Corona ſehr dunkel ausſieht. Sollten Flecken auf der Sonne ſein, ſo iſt es intereſſant, ſobald ſie der Mond nicht mehr bedeckt, die ſonſt faſt ſchwarz erſcheinende Farbe ihres Kernes mit der des Mondes zu vergleichen. Dieſer Kern ſieht dann rotbraun aus. Während der Totalität wird ſich, vom Erdlicht beleuchtet, die hellſte Partie der Mondſcheibe, die des Kraters Ariſtarch, wohl erkennen laſſen. Die Beobachtung der Dauer der Totalität iſt ebenfalls von Intereſſe und aus den beiden Grenzlinien der Tota- litätszone die Angabe, ob die Totalität für den Ort zu— ſtande gekommen oder nicht, Beobachtungen, welche ohne inſtrumentelle Hilfsmittel ausführbar ſind. Die Dauer läßt ſich nach einer gewöhnlichen Taſchenuhr, welche gleich— mäßig nach mittlerer Zeit geht, ohne Kenntnis ihrer Korrektion, ausreichend genau beſtimmen. Es empfiehlt ſich, nach ihren Schlägen, von welchen gewöhnlich 150 auf die Minute gehen, vom Beginn bis zum Ende der Tota— lität zu zählen und zwar bei Beginn mit Null anfangend und das volle Hundert, in welchem man ja nicht irren kann, wieder mit Null beginnend. Die Anzahl dieſer Schläge mit 10 multipliciert gibt die Dauer der Totalität in Zeitſekunden ausgedrückt. Trotz des Zählens kann man mit Aufmerkſamkeit ſonſtige Erſcheinungen während der Totalität verfolgen, jedenfalls den allgemeinen Eindruck der Verfinſterung auf ſich, auf Tier- und Pflanzenwelt beachten. Unmittelbar vor und nach der Totalität wird bei einer für größere Randunebenheiten des Mondes günſti— gen Libration die Lichtſichel der Sonne durch die Rand— berge des Mondes unterbrochen und im Fernrohr vielleicht teilweiſe wie eine Perlenkette erſcheinen. Auch die Beob- achter an den Grenzen der Totalitätszone können dieſes Schauſpiel an dem Teil des Mondrandes ſehen, welcher die Sonne für ſie nicht mehr ganz verdeckt. Von meteorologiſchem Intereſſe ſind Temperaturbe— ſtimmungen und Beobachtungen der Färbungen des Him— mels, auch in dem Gebiete Deutſchlands (Kaſſel, Köln, Bonn, Koblenz, Trier), wo die Sonne bei der Berührung des Kernſchattens des Mondes mit der Erdoberfläche noch unter dem Horizont ſich befindet und nur die darüber be— findliche Atmoſphäre von dem Schatten getroffen wird, alſo eine Unterbrechung der Dämmerung ſtattfindet. Das Feſthalten der ſo kurze Zeit und ſo ſelten ge— botenen Erſcheinungen durch Beſchreibung in Wort und Bild, durch Meſſung und durch Photographie iſt der nächſte Zweck der wiſſenſchaftlichen Verfolgung des groß— artigen Naturſchauſpiels, welches auf jeden Menſchen, auch den, der achtlos und gleichgültig an der ihn umgebenden Natur vorüberzugehen gewöhnt iſt, einen tiefen, unver— geßlichen Eindruck macht, ihn mit einem unwillkürlichen Schauer erfüllt in der momentanen Empfindung des Ver— luſtes der Lebensſpenderin und Lebenserhalterin unſeres Erdballes. Dieſe Eindrücke auf das Gemüt, deren faft alle Augenzeugen der bisherigen totalen Sonnenfinſterniſſe erwähnen, gehören zu denen, welche, wie Goethe in „Wahr— heit und Dichtung“ III, Buch 14 ſagt, das Herz nicht ſo gefällig iſt, uns zu wiederholen, von denen man unvor— bereitet überfallen wird und denen man ſich unbewußt überläßt, während das, was man gedacht, die Bilder, die man geſehen, ſich in dem Verſtand und in der Einbildungs— kraft wieder hervorrufen laſſen “). ) Eine recht inſtruktive Darſtellung des Verlaufs der Sonnenfinſter⸗ nis mit verſtellbarer Mondſcheibe ijt im Verlage von Stankiewicz in Berlin (Preis 0,50 M.) erſchienen. Wer ſich näher über alle während der Finſternis zu beobachtenden Erſcheinungen unterrichten will, findet eine ſehr brauchbare Anleitung in der Broſchüre von W. Zenker, „Sicht⸗ barkeit und Verlauf der totalen Sonnenfinſternis“ ꝛc. (Berlin, Dümmlers Verlag. 1 M.). Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Juni 1887. Der Monat Juni iſt charakteriſiert durch ziem— lich kühles, im Weſten vorwiegend heiteres, im Oſten veränderliches Wetter mit meiſt ſchwachen weſtlichen bis ſüdlichen Winden bei geringer Gewitterhäufigkeit. Hervorzuheben ſind die Ueberſchwemmungen im Theiß— gebiete und der orkanartige Sturm in der Umgegend von Stockholm. In den erſten fünf Tagen ſchritt eine umfangreiche Depreſſion, vom Ocean kommend, über Frankreich und Deutſchland hinaus nach dem ſüdweſtlichen Rußland fort, im weiten Umkreiſe trübes Wetter mit ſehr ergiebigen Regenfällen verurſachend. Als am 2. der Kern der De— preſſion mitten über Frankreich lag, gingen daſelbſt heftige Regengüſſe nieder (Paris 18, Clermont 27 mm Regen in 24 Stunden). Am 3. morgens lag das Minimum über Nordweſtdeutſchland und entſandte einen Ausläufer ſüdoſt— wärts nach Ungarn hin, während das Gebiet mit ſtarken Niederſchlägen ſich über Süd- und Oſtdeutſchland, ſowie insbeſondere über Oeſterreich-Ungarn ausgebreitet hatte. Vom 3. auf den 4. fielen über 20 mm Regen in Grün— berg (21 mm), Altkirch (21), Kaiſerslautern (29), Karls— ruhe (58), Krakau (25), Salzburg, Iſchl und Wien (21), Graz (22), Budapeſt (24), Hermannſtadt (23), Pancſowa (28), Trieſt und Leſina (25). Dieſe außerordentlich ſtarken Regenfälle hatten hauptſächlich im Theißgebiet eine Ueber— ſchwemmung zur Folge, welche daſelbſt einen enormen Schaden anrichtete. „Gegen fünf Quadratmeilen prangender Saatfelder wurden in der Nähe von Szegedin in ein Binnenmeer verwandelt, Dörfer unter den Wellen begraben, Werte von Millionen vernichtet und Tauſende von Men— ſchen aus ihrem Heim vertrieben und zu Bettlern gemacht, 318 Humboldt. — Auguſt 1887. während weit über hunderttauſend Menſchen in den höchſt⸗ bedrohten Gebieten zwölf Tage lang in der Angſt ſchwebten, dem entſetzlichen Schickſale Szegedins zu verfallen.“ — Auch aus dem Saargebiete wurden von Verwüſtungen be⸗ gleitete Ueberſchwemmungen gemeldet: Brücken wurden vom Hochwaſſer weggeriſſen und die Ernten an vielen Stellen des Thales zerſtört. Am 4. erſchien über Südweſteuropa ein barometriſches Maximum, welches bis zur Monatsmitte daſelbſt nahezu ſtationär blieb, während ziemlich tiefe Depreſſionen über Nordeuropa fortſchritten. Der Wirkungskreis dieſer De⸗ preſſionen erſtreckte ſich vielfach über das nördliche Central⸗ europa, welches ſich zum Teil an das windige, trübe Wetter des Nordens, teils an das ruhige, ſonnige und trockene Wetter des Südens beteiligte. Indeſſen kamen auch im Süden Niederſchläge vor, jo am 5., als daſelbſt zahlreiche und heftige Gewitter niedergingen; in München fielen 22, in Friedrichshafen 32 mm Regen. Am 10. bis 12. lag der Kern des Maximums mehr nördlich nach den britiſchen Inſeln hin, während die De⸗ preſſion ſich ſüdoſtwärts ausgebreitet hatte, ſo daß die Iſobaren über Deutſchland nach Südoſt gerichtet waren Erwähnenswert iſt das häufige Erſcheinen von leuch⸗ tenden Wolken in dieſem Monate, insbeſondere in der Nacht vom 4. zum 5. und vom 15. zum 16. Meiſtens bemerkt man dieſe Erſcheinung eine Stunde nach Sonnen⸗ untergang, dieſelbe nimmt mit zunehmender Dunkelheit an Schönheit und Glanz bis etwa 10 oder 11 Uhr zu. Es ſei hier bemerkt, daß die Häufigkeit des Vorkommens dieſes intereſſanten Phänomens ſeit dem Jahre 1885 etwas im Abnehmen begriffen iſt. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Eine merkwürdige Erwärmung fand am 22. Juni d. J. im weſtlichen Deutſchland ſtatt, welche wohl einer kürzeren Beſprechung wert ſein dürfte. Auf der erſteren Karte ſind Luftdruckverteilung und die hieraus reſultie⸗ rende Richtung und Stärke des Windes für 2 Uhr nach⸗ mittags dargeſtellt. Ein barometriſches Maximum von über 770 mm liegt über den britiſchen Inſeln, ein Mini⸗ mum von 753 mm in der Nähe der oſtpreußiſchen Küſte. Dementſprechend wehen über dem Nord- und Oſtſeegebiete lebhafte, Richtung. ſtellenweiſe ſtürmiſche Winde aus nördlicher Der nördliche und nordweſtliche Luftſtrom 7 LZ , Up. Dew 2 Ge — Yalta yy e Taturund e , AS, W 7 | , EI) L e Walker. und ein breiter nordweſtlicher Luftſtrom Centraleuropa überflutete. Die Folge hiervon war eine raſche und ausgedehnte Abkühlung, welche am 11. eintrat und bis zum 13. andauerte. Um die Mitte des Monats lag das barometriſche Maximum über den britiſchen Inſeln, das Depreſſions⸗ gebiet im Oſten, und dieſe Wetterlage erhielt ſich mit geringen Umwandlungen bis zum Monatsſchluſſe. Während der zweiten Monatshälfte waren über Deutſchland nord⸗ weſtliche Winde vorherrſchend, die weſtlichen Gebietsteile hatten heitere, trockene, die öſtlichen windige, veränderliche Witterung, wobei die Temperatur auf dem ganzen Gebiete durchſchnittlich unter den normalen Werten blieb. Im Gegenſatze zu dieſer niedrigen Temperatur in Deutſchland ſteht die ungewöhnliche Wärme über den britiſchen Inſeln im Bereiche des Maximums. Am 15. ſtieg in London die Wärme ſogar auf 31° In Portsmouth mußte der Bau des neuen Stadthauſes infolge der Hitze unterbrochen werden, auch konnte eine große Truppenparade nicht ab⸗ gehalten werden. Dagegen kamen im nordweſtlichen Deutſchland ſtellenweiſe Nachtfröſte vor, welche an den Pflanzen nicht unerheblichen Schaden verurſachten. Zu den bemerkenswerten Witterungserſcheinungen ge⸗ hört ein orkanartiger Sturm, welcher am 25. am Abend Stockholm und Umgegend heimſuchte. „Nach einem ziemlich klaren Tage überzog ſich der Himmel zu der genannten Zeit ſehr ſchnell mit dunklen Wolkenmaſſen, ſo daß es ganz finſter wurde. Plötzlich brauſte dann ein ungeheurer Wirbelwind, begleitet von ſtrömendem Regen, daher, der auf ſeinem Wege furchtbare Verwüſtungen verurſachte. In die Straßen fielen die herabgeriſſenen Dachſteine in großer Menge, zahlloſe Fenſterſcheiben wurden zerſchlagen, die ſtärkſten Bäume entwurzelt und umgeſtürzt.“ Auch zu Waſſer fanden viele Unglücksfälle ſtatt, wobei manche Ver⸗ luſte an Menſchenleben zu beklagen ſind. breitet ſich über ganz Nord- und Mitteldeutſchland aus. Betrachten wir nun die Temperaturverhältniſſe, welche auf dem zweiten Kärtchen dargeſtellt ſind. Ein Streifen hoher Wärme erſtreckt ſich von der Kieler Bucht ſüdſüdweſt⸗ wärts nach der Pfalz hin, während die Wärme insbeſon⸗ dere nach Often und nach Norden hin raſch abnimmt. Dieſe Verhältniſſe ſind erſt in den letzten 24 Stunden entſtanden, während welcher eine weſentliche Aenderung in der Luftdruckverteilung, alſo auch in den Windverhält⸗ niſſen nicht ſtattfand. Auf der zweiten Karte ſind eben⸗ falls die Aenderungen der Temperatur in den letzten 24 Stunden dargeſtellt. Die eingeſchriebenen Zahlen ohne Vorzeichen geben den Zuwachs der Temperatur in Grad Celſius, die mit — vorbezeichneten Zahlen die Abnahme an. Wie man ſieht, fand im weſtlichen Deutſchland eine ganz erhebliche Erwärmung ſtatt. Es entſteht nun die Frage: auf welche Weiſe iſt dieſe ſtarke Erwärmung zuſtande ge⸗ kommen? Offenbar lag die Urſache nicht in dem Luft⸗ transporte, denn es wehten von Mittelſkandinavien bis nach Süddeutſchland andauernd lebhafte nördliche Winde, die aus einem kälteren Gebiet in ein wärmeres übergingen, dieſe mußten alſo ſtatt Erwärmung Abkühlung bringen. Auch in den Inſolationsverhältniſſen kann der Grund nicht zu ſuchen ſein, denn die Bewölkung war am 21. und 22. kaum verſchieden, wie folgende kleine Tabelle zeigt (0 = wolkenlos, 4 = bedeckt): am 21. am 22. Sh a.m. Ah p. m. Sh a. m. Ah p.m Kiel 0 4 1 1 Keitum 0 1 1 1 Hamburg 0 2 0 2 Kaſſel 3 2 1 2 Kaiſerslautern 4 3 1 3 Die Urſache iſt eine ganz andere und kann aus dem zweiten Kärtchen abgeleitet werden, in welchem durch Pfeile Humboldt. — Auguſt 1887. der Zug der oberen Wolken eingetragen iſt, ſo daß dieſe in der Richtung der Pfeile ziehen. Die Wetterdepeſchen am 22. um 2h p. m. erhielten bezüglich der oberen Wolken folgende Angaben: Swinemünde Cir. strat. aus E. Streifung N.E. Kiel 5 „ aus N. N. E. Hamburg 5 „ aus N. E. Keitum (Sylt) „ „ aus W. S. W. (2) Streifung E. Kaiſerslautern „ „ aus E. Streifung E. (Die Angabe aus Keitum iſt wahrſcheinlich unrichtig.) 319 Man ſieht alſo, daß in der Höhe (von über 2000 m) eine mächtige Luftſtrömung ſenkrecht zum Unterwinde aus dem Minimum dem Maximum zuſtrömt und ſo die am Boden wegſtrömende Luft erſetzt. Beim Niederſinken dieſer Luftmaſſen erwärmen ſich dieſe für je 100 m um 1° . und kommen warm am Boden an. Das war der eigent— liche Grund der auffallenden Erwärmung am 22. Juni. Derartige Vorgänge ſind gar nicht ſelten und geben beiſpiels— weiſe die Erklärung zu den auffallenden Erwärmungen zur Winterzeit im Gebiete des hohen Luftdruckes. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Vulkane und Erdbeben. Am 31. Mai trat ein Ausbruch des Centralkraters vom Aetna ein. Es ſteht jetzt feſt, daß während der Erdbeben, welche im Anfang Mai in Mexiko und den ſüdweſtlichen Staaten Nordamerikas ſich ereigneten, ein vulkaniſcher Ausbruch in der Sierra Madre erfolgte. Der Vulkan liegt im Staate Chihuaha am Abhange der Sierra Madre bei Piedras Verdes. Er iſt noch immer in Thätigkeit und man ſieht Rauchwolken bei Tage, während bei Nachtzeit ein Feuer- ſchein den Berg umgibt. Die Lavaſtröme, welche ſich den Berg herunter ergießen, verhindern, daß man ſich dem Krater nähern kann. Dasſelbe Erdbeben wurde in Nordamerika über einen Flächenraum von 1200 engliſchen Meilen Länge und 600 Meilen Breite verſpürt. Die allgemeine Richtung der Stöße war von SW. nach NO. und ihre Durchſchnitts⸗ dauer 15/4 Minuten. In Benſon, im Süden von Arizona, wurden ausdauernd ſchwache Erdſtöße bis zum 8. Mai verſpürt. Eine neue heftige, erdbebenartige Erſchütterung ereignete ſich im San Joſeégebirge, 40 Meilen ſüdlich von Fort Huachua in der Provinz Sonora (Mexiko), in deren Folge die Schluchten mit Waſſer gefüllt wurden. Die Erdbeben in der Gegend von Guaymas am kaliforniſchen Meere begannen mit einer vulkaniſchen Eruption in Bahispe, welche die Stadt Montezuma zerſtörte. In Oputa ſtürzten Gebäude ein, Grenadas und Guſabor wurden faſt gänzlich zerſtört. Fortwährend wurden in dieſen Gegenden bis zum 16. Mai noch Erdſtöße verſpürt, doch traten ſie milder auf. Die in der Erde gebildeten Spalten ziehen ſich über einen großen Flächenraum hin. Manche Orte, wo bisher kein Waſſer war, ſind überſchwemmt. Es haben ſich ordentliche Moräſte gebildet. Am Morgen des 20. Mai erfolgte in Mentone ein heftiger Erdſtoß, durch welchen Häuſer erſchüttert und Möbel in denſelben umgeſtürzt wurden. Ebenſo beobachtete man in Ventimiglia ein heftiges wellenförmiges Erd— beben und früh gegen 8 Uhr in Monte Carlo einen ziem— lich ſtarken Erdſtoß. Am 23. Mai wurde zu Ala in Tirol 7 Uhr 20 Min. morgens ein kurzer, heftiger Erdſtoß mit donnerähnlichem Geräuſch verſpürt. Am 30. Mai wurde faſt ganz Mexiko von heftigen Erdſtößen heimgeſucht. Gegen 3 Uhr morgens verſpürte man ſolche im ganzen Thale von Mexiko. Die Erſchütte— rung hatte eine hebende Bewegung, die 5 Sekunden dauerte. Derſelben folgte ein dumpfes, donnerähnliches Geräuſch und ein ſtarkes Vibrieren des Erdbodens von O. nach W., das 39 Sekunden anhielt. Die Häuſer neigten ſich hin und her und Tauſende verließen ihre Betten. Kurz darauf erfolgte ein weiterer Stoß, begleitet von denſelben Wir- kungen in den Vorſtädten, wie in Mexiko ſelber. Erdſtöße wurden auch in den Staaten Hidalgo, Morelos, Puebla, Tlascala, Veracruz und Oajaca verſpürt. Die Macht des Erdbebens verurſachte das Läuten von Glocken und Riſſe in Mauern. Einer von den vier Aquädukten, die Waſſer nach der Stadt Mexiko leiten, wurde beſchädigt, infolge- deſſen ſich die Waſſerzufuhr verminderte. Am ſelben Tage wurden Erdſtöße auch auf den Inſeln St. Lucia, St. Vincent und Grenada verſpürt, um 1 Uhr nachmittags ein heftiger in Nogales (Arizona). Am 29. Mai, nachmittags 3 Uhr 30 Min., fand bei Spyringen (Uri) ein großer Bergſturz ſtatt. Der Sturz war ſo ſtark, daß die Staubwolken in der Umgegend den Tag in Nacht verwandelten und auf eine Stunde weit waren Wieſen und Bäume wohl zollhoch mit Staub bedeckt. Laut „Vaterland“ erfolgte während 24 Stunden ununter— brochener Nachſturz von Geröll. Der Schutt lagert ſich wohl 1500 Fuß breit. Der Schächen, deſſen Abfluß gehemmt iſt, bildet einen 25 Fuß tiefen, trüben Alpſee. Die Gefahr eines weiteren größeren Abſturzes iſt vorhanden; der Berg, „Spitze“ genannt, iſt in fortwährender Bewegung. Man hört Geräuſch, als ob Salvenfeuer abgegeben würde. Das Abſturzgeröll wälzte ſich an dem gegenüber liegenden Bergabhang 400 Fuß empor und teilweiſe 100 Fuß über die Fahrſtraße hinauf. Der letzte, viel ſchwächere Bergſturz bei Spyringen fand im November 1761 ſtatt. Am 5. Juni, nachmittags etwa 3 Uhr 7 Min. Prager Bahnzeit, wurde in Ratſchach bei Steinbrück und im an⸗ grenzenden Teile Steier marks ein ziemlich ſtarker Erd— ſtoß mit donnerähnlichem, einige Sekunden anhaltendem unterirdiſchen Getöſe in Richtung W. gegen O., nach der Karte in der Linie Steinbrück gegen Ratſchach, wahrge— nommen. Um 3 Uhr 10 Min. wurde das Erdbeben beſonders in Römerbad und Gilli bemerkt. Am 9. Juni wurde die Stadt Wernyi in Turkeſtan von einem ſtarken Erdbeben heimgeſucht. Sämtliche Häuſer ſind teils zerſtört, teils beſchädigt, ganz zerſtört aber iſt die benachbarte Anſiedelung Keskelen, 30000 Menſchen ſind obdachlos. Die Poſtſtraßen in der Umgegend und gegen 200 Werſt Telegraphenlinien wurden beſchädigt. Es haben ſich bis zu einer ruſſiſchen Elle (Arſchin) breite Erdſpalten und Einſenkungen gebildet. Es verlautet, daß auch die Stadt Piſchpek von Erdbeben heimgeſucht worden ſei und von Omsk kommt die Kunde, daß viele Häuſer in der Stadt Dſharkent zerſtört ſeien, desgleichen in den Anſiede— lungen und Dörfern öſtlich von Wernyi. Am 11. Juni wurde gemeldet, daß das Erdbeben in Zwiſchenräumen fortdauere und einen Umkreis von 1000 Werſt umfaſſe. Der Gouverneur der Stadt Wernyj machte dem Steppen⸗General-Gouverneur Kalpakowski unterm 27. Juni folgende Mitteilungen: Das Erdbeben von 1885, deſſen Cen— trum Bjelowodsk war, erſtreckte fic) vom Syr-Darja längs dem weſtlichen Tiang-Schang bis Gli und äußerte ſich ſchwach im ſüdlichen Kaſchgar. Diesmal war das Erdbeben, das ſein Centrum vermutlich in Bolſchaja Almatinka hatte, ein wenig ſtärker und wurde vom Syr-Darja bis Sergiopol verſpürt, doch ſeine zerſtörende Wirkung beſchränkte ſich auf die Grenzen Tidus und Slis. Wie 1885 beſtand auch diesmal die Wirkung im Zuſammenſtürzen der Ziegel— gebäude in den Gebirgsthälern und in Bergſtürzen. Aller Wahrſcheinlichkeit nach wird das Erdbeben ſich noch einige Monate lang ſchwach äußern. So war es auch 5 t. 320 Humboldt. — Auguſt 1887. Natur kalender für den Monat Auguſt 1887. Säugetiere. Zu Anfang des Monats iſt die Haupt⸗ blattzeit des Rehbocks. Die jungen Füchſe verlieren ihr braunes Wollkleid und erhalten das Ausſehen der Eltern. Hamſter und Mäuſe zeigen ſich oft maſſenweiſe. Die heſſiſche Landgemeinde Oſthofen erhielt in der erſten Hälfte des Monats im Jahre 1880 1273 Hamſter und 7056 Mäuſe gegen Prämie abgeliefert. Vögel. Abzug a) in der erſten Hälfte des Monats: Segler (Cypselus apus), Uferſchwalbe (Hirundo riparia), gelber Spötter (Sylvia hypolais), Pirol (Oriolus gal- bula), Sperbergrasmücke (Curruca nisoria), Nachtigall, gelbe Bachſtelze (Motacilla flava), Pfuhlſchnepfe (Limosa aegocephala). b) In der zweiten Hälfte des Monats verlaſſen uns: Kuckuk, Wiedehopf, ſchwarzrückiger Fliegen⸗ fänger (Muscicapa atricapilla), grauer Steinſchmätzer (Saxicola oenanthe), Wieſenpieper (Anthus pratensis), weißer und ſchwarzer Storch. Der Raubvogelzug und Lerchenſtrich beginnen. Die Stare treiben ſich in ungeheuren Scharen auf den Feldern umher, die Taubenarten ſtreifen in Flügen; oft zieht die Turteltaube Ende des Monats auch ſchon nach Süden. Die Spatzen haben ihre dritte, die Rauchſchwalben ihre zweite Brut herangezogen. Letztere ſammeln ſich zu Hun⸗ derten auf Telegraphendrähten u. ſ. w., ohne uns indeſſen in dieſem Monate zu verlaſſen. Auf Wieſen ſtellen ſich Bekaſſinen ein; die reifen, ſchwarzen Hollunderbeeren locken Grasmücken und Rotkehlchen herbei, welche ſich jetzt mauſern und die ſüßen Früchte bevorzugen. Die Meiſen und Finken beſuchen Sonnenblumen und Mohn des Samens wegen. Alle Sänger ſchweigen, nur der kräftige Buchfink, der Baumpieper, der winzige Zaunkönig und die Waſſer⸗ amſel ſchlagen gelegentlich noch. Ende des Monats beginnt in manchen Gegenden die Hühnerjagd. Viele Hühner ſind aber zu klein und piepen noch wie junge Wachteln. Reptilien, Amphibien und Rife haben jest zahl⸗ reiche Junge. Die Flußfiſche leiden in dieſem Monate ſehr an Krankheiten, beſonders viele tote finden ſich bei Gewittern. Sufekfen. Schädlich ſind beſonders die Weſpen, Schmeißfliegen und Ohrwürmer, welche die reifen Früchte des Obſtes, in Weinbergen die Frühburgundertrauben ver⸗ zehren. Man trifft von ſchönen Faltern: Zitronenvogel (Gonoptera Rhamni), goldenes O (Colias Edusa), Achtervogel (C. Hyale), Schwalbenſchwanz (Papilio Machaon), Segler (P. Podalirius), die braune Medea und die Gebirgsaugenfalter, die ſtattliche Hermione, Circe, Briséis, friſche Diſtelfalter (Vanessa Cardui), Füchſe, Admirale, Corydonbläuling u. ſ. w. Viele Tagfalterraupen und Schwärmerraupen ſind erwachſen und manche gelangen ſchon in demſelben Monate zur Entwickelung, ſo der Toten⸗ kopf, Windenſchwärmer, Wolfsmilchſchwärmer u. a. m. Der Prozeſſionsſpinner und der Schwammſpinner (Läparis dispar) ſchlüpfen aus. Von auffallenden Eulenfaltern (Noctuae) treffen wir: Die Ordensbänder (Catocala Fraxini, elocata, nupta etc.), Metalleulen (Plusia chry- sitis, Festucae, gamma etc.), an Diſtelköpfen die ſchöne grüne Leucania virens und von Spannern auf Heiden beſonders häufig den Zweipunktſpanner (Ortholitha bipunctaria). Gegen Ende des Monats finden wir auch Wurzelſpinner (Hepialus sylvinus), Graseulen (Leucania pallens), ſchwarzes C (Agrotis C nigrum) und viele andere mehr. Die meiſten Waſſerkäfer und manche Miſt⸗ käfer kommen jetzt in neuer Generation zum Vorſchein. Die Schnakenplage, hervorgerufen durch mindeſtens drei Arten von Schnaken oder Mücken (Culex), hat ihren Höhepunkt erreicht. Auffallend durch ihr plötzliches, maſſen⸗ haftes Erſcheinen gleich einem Schneegeſtöber wirken die Cintags oder Auguſtfliegen (Palingenia virgo). Vlanjen. Im Garten blühen die Sonnenblumen und bekommen bald darauf reifen Oelſamen, die Aſtern und Georginen (Dahlia), Cannas, Petunien, Schweizer⸗ hoſen (Mirabilis jalappa und longiflora) zieren die Beete und locken abends Schwärmer (Sphinx L.) an. Von Unkräutern blüht der ſchwarze Nachtſchatten (Solanum nigrum) und der Stechapfel (Datura). Im Felde iſt Weizen- und Flachsernte, viele Ge⸗ müſe reifen, ebenſo viele Obſtſorten und die Frithtrauben. Von Unkräutern treffen wir jetzt hauptſächlich das kana⸗ diſche Berufkraut (Erigeron canadense), die Amarant⸗ (Amarantus), Melden- (Atriplex) und Gänſefußarten (Chenopodium) an. Auf Trockenland treffen wir u. a.: Aehrenehren⸗ preis (Veronica spicata), Aſtlilie (Anthericum ramosum), Augentroſt (Euphrasia officinalis und lutea), orientali⸗ ſchen Bocksbart (Tragopogon orientalis), Doſt (Origanum vulgare), Eiſenkraut (Verbena officinalis), Farſetie (Far- setia incana), Fetthenne (Sedum reflexum, maximum), kleinen Gamander (Teucrium Chamaedrys), Goldrute (Solidago virgaurea), Grundheil (Peucedanum oreose- linum), Gypskraut (Gypsophila fastigiata), Haargras (Stipa capillata), nordiſches Habichtskraut (Hieracium boreale), Hauhechel (Ononis), Jaſione Jasione montana), Surinea (Jurinea cyanoides), Königskerzen (Verbascum thapsiforme, thapsus, nigrum, lychnitis etc.), Knorpel⸗ ſalat (Chondrilla), Mannstreu (Eryngium campestre) mit ſeinen vielen Blütenbeſuchern, die taubenfarbige Scabioſe (Scabiosa columbaria), Seſel (Seseli coloratum 8. annuum), Sonnengold oder Immortelle (Helichrysum arenarium), Quendel (Thymus serpyllum). Auf Wieſen und am Gewäſſer blühen: Bach⸗ und Quellenehrenpreis (Veronica Anagallis et Beeca- bunga), Blumenbinſe (Butomus umbellatus), Froſchbiß (Hydrocharis morsus ranae), Malve (Malva Alcea), Purgierlein (Linum catharticum), Gilde (Sium lati- folium), Teichroſe (Nuphar luteum), Teichbinſe (Scirpus lacustris), oft 2 bis 3 m hoch, Waſſerroſe (Nymphaea alba) oder Nixblume, Weberdiſtel (Dipsacus sylvestris), es ragen empor die Fruchtköpfe des Wieſenknopfes (Sangui- sorba officinalis). Außer dieſen treffen wir unter vielen anderen Blumen die aus Nordamerika ſtammenden garten⸗ flüchtenden Aſtern, Aster parviflorus, salignus, tripo- lium, Stenactis annua, von einheimiſchen Pflanzen noch Flöhkraut (Pulicaria dysenterica und vulgaris), Want (Inula britanica), Glockenblumenarten (Campanula), Pfeilkraut (Sagittaria sagittaefolia), Silaus (Silaus pratensis), Paſtinak (Pastinaca sativa), Zweizahn (Bidens tripartitus), in ſeinem Gefolge meiſt Weidenröschen (Epilobium hirsutum, Heliosciadium nodiflorum), Hanfdoſt (Eupatorium cannabinum), Igelſamen (Spar- ganium ramosum) und Waſſerfenchel (Oenanthe aqua- tica) u. f. w. Im Wald und auf der Heide ſteht das zierliche Heidekraut (Calluna vulgaris) in voller Blüte, es blühen ferner hier die Färberſcharte (Serratula tinctoria), der Weidenalant (Inula salicina), die Goldrute (Solidago virgaurea), die diſtelartige Karline (Carlina vulgaris), auch Eberwurz genannt; die Früchte des Vogelbeerbaums oder der Ebereſche (Sorbus aucuparia), und Hecken⸗ kirſchen (Lonicera xylosteum und periclymenum) und der Traubenkirſche (Prunus padus) ſind gereift, ebenſo die Samen der Birke (Betula alba) und des Beſenginſters (Sarothamnus scoparius). Zahlreiche Pilze laden den Feinſchmecker zum Mitnehmen ein, nicht, ohne zuvor einer ſcharfen Kritik unterzogen zu werden. Mainz. Dr. W. von Reichenau. . Humboldt. — Auguſt 1887. 321 Biographien und perſonalnotizen. Profeſſor Dr. Pfeffer in Tübingen geht als Nachfolger Schenks nach Leipzig. Dr. H. Schauinsland, Privatdozent in München, iſt als Nachfolger Spengels zum Direktor der ſtädtiſchen Sammlungen für Naturgeſchichte und Ethnographie in Bremen gewählt worden. Dr. Auguſte Gravis wurde zum Profeſſor der Botanik und Direktor des botaniſchen Gartens in Lüttich er⸗ nannt. . Fr. Walter Vogt, bisher in Würzburg, iſt als Aſſiſtent an das zoologiſche Inſtitut berufen. An ſeiner Stelle iſt Dr. Franz Stuhlmann Aſſiſtent am zoologiſch— zootomiſchen Inſtitut in Würzburg geworden. Dr. Eugen Korſchelt, bisher Privatdozent und Aſſiſtent am zoologiſchen Inſtitut in Freiburg i. B., iſt in gleicher Stellung nach Berlin gegangen und in Frei— burg durch Dr. E. Ziegler erſetzt worden. Dr. J. Moritz von der Verſuchsſtation der Lehranſtalt für Obſt⸗ und Weinbau in Geiſenheim iſt kommiſſariſch in das Reichsamt des Innern nach Berlin berufen worden. An ſeine Stelle ijt Dr. Kuliſch getreten. Lic. phil. K. F. Duſen, Amanuenſis am botaniſchen Garten in Upjala, iſt zum Dozenten der Botanik da- ſelbſt ernannt worden. Wirklicher Geheimerat Dr. v. Dechen in Bonn wurde von der Akademie der Wiſſenſchaften in Paris zum auswärtigen Korreſpondenten in der mineralogiſchen Abteilung erwählt. Die Akademie der Wiſſenſchaften in Wien hat zu wirklichen Mitgliedern erwählt: Dr. Leitgeb, Profeſſor der Botanik an der Univerſität Graz, Dr. Pfaundler, Profeſſor der Phyſik in Innsbruck; zu korreſpondieren— den Mitgliedern: Dr. Toldt, Profeſſor der deſkrip— tiven und topographiſchen Anatomie an der Uni— verſität Wien, Dr. v. Wroblewski, Profeſſor der Phyſik an der Univerſität Krakau, Dr. Fleiſchl v. Marxow, Profeſſor der Phyſiologie in Wien, Profeſſor Dr. Beyrich in Berlin. Unſer geſchätzter Mitarbeiter, der rühmlichſt bekannte Herpetolog Dr. Joh. v. Fiſcher, iſt am 20. Mai nach Nordafrika abgereiſt, um lebende Reptilien zu ſammeln. Die Reiſeroute iſt nicht definitiv feſtgeſtellt, ſondern wird von den Verhältniſſen abhängen. Als ſüdlichſter Punkt iſt etwa Ghardaia an der marokka⸗ niſchen Grenze auserſehen. bekannte Marokkoreiſende und Entomolog M. Qu e— denfeld hat mit Dr. Richter eine längere Reiſe nach den kanariſchen Inſeln, hauptſächlich zu entomo- logiſchen Zwecken angetreten. Dr. Karl Soeſt und Dr. Otto Herbertz aus Köln haben vom Statthalter von niederländiſch Oſtindien die Berechtigung zur Bereiſung der niederländiſchen Kolonien während eines Jahres erhalten. Dr. Aſa Gray, der berühmte amerikaniſche Botaniker, iſt am 7. April nach Europa gereiſt, um das Lamarck⸗ Herbarium (jetzt in Paris) zu beſichtigen. Forſtrat Dr. v. Nördlinger, Profeſſor an der ſtaats⸗ wiſſenſchaftlichen Fakultät der Univerſität Tübingen, wurde am 8. Februar ſeinem Anſuchen entſprechend wegen vorgerückten Alters unter Ernennung zum Oberforſtrat in den Ruheſtand verſetzt. Der außerordentliche Profeſſor und zweite Lehrer der Forſtwiſſenſchaft an der Univerſität Gießen, Dr. Theo⸗ dor Nördlinger, iſt am 1. April aus Geſundheits⸗ rückſichten aus der Dozentenlaufbahn ausgeſchieden und in den Forſtverwaltungsdienſt Württembergs zurück— 85 Humboldt 1887. getreten. An ſeine Stelle wurde Forſtrat Wimmen— auer aus Lich berufen. Derſelbe übernimmt gleich— zeitig die Funktion eines Verſuchsleiters an der heſſiſchen forſtlichen Verſuchsanſtalt. Totenliſte. Wheaton, John M., Profeſſor der Anatomie am Star— ling Medical College, Verfaſſer eines umfaſſenden Berichts über die Vögel Ohios, ſtarb 28. Januar zu Columbus (Ohio). Bruce, Adam Todd, Dozent für Säugetieranatomie an der John Hopkins University, ſtarb 11. Februar in Kairo. Er hat embryologiſche Arbeiten über Limulus, Lepidopteren, Loligo u. a. veröffentlicht. Gray, Robert, Banquier, einer der Vicepräſidenten der Royal Society of Edinburgh, bekannt als Ornitho- log und Fauniſt, ſtarb 18. Februar in Edinburgh. Kellogg, Albert, der bekannte Erforſcher der weſt— amerikaniſchen Flora in Alameda (Californien), ſtarb am 31. März zu San Francisco im Alter von 74 Jahren. Hardmann, Edward T., Geolog, ſtarb 30. April. Er war 1845 in Drogheda geboren, wurde ſeit 1870 bei der Geological Survey beſchäftigt und unterſuchte 2 Jahre mit großem Erfolg die geologiſchen Verhält— niſſe in Weſtauſtralien. Die Ungunſt des Klimas wirkte aber ſo nachteilig auf ſeine Geſundheit, daß er bald nach ſeiner Heimkehr ſtarb. Friedländer, Karl, Profeſſor der mediziniſchen Fa- kultät in Berlin, Patholog und Anatom von Ruf, auch um die Bakteriologie verdient, ſtarb in Meran im Alter von 40 Jahren. Vulpian, F. A., Profeſſor der mediziniſchen Fakultät in Paris und Sekretär der Akademie der Wiſſenſchaften, namentlich auf dem Gebiet der Nervenphyſiologie von Ruf, geboren 1826, ſtarb 17. Mai. Ecker, Alexander, Profeſſor der Anatomie in Frei— burg, ſtarb daſelbſt 20. Mai. Er war geboren 10. Juli 1816 in Freiburg und lehrte hier ſeit 1850. Die größten Verdienſte erwarb er ſich um die Anthro— pologie, für welche er lebhaftes Intereſſe weit über die Fachkreiſe hinaus zu erwecken wußte. Er zählt zu den Begründern der deutſchen anthropologiſchen Geſellſchaft, ſchuf in Freiburg eine anthropologiſche, beſonders kraniologiſche Sammlung und legte den erſten Grund zu einem prähiſtoriſchen und ethnographiſchen Muſeum, welches bald große Bedeutung erlangte. Seit 1866 gab er mit Lindenſchmit das Archiv für Anthropologie heraus. Wagner, Moritz, Profeſſor der Länder- und Völker— kunde in München, Konſervator des neuen ethno— graphiſchen Muſeums daſelbſt, ſtarb 31. Mai. Er war 3. Oktober 1813 in Bayreuth geboren und unternahm ſeit 1836 zahlreiche Reiſen in Afrika, Aſien und namentlich in Amerika, über welche er werthvolle Be— richte geliefert hat. Seit 1860 lebte er in München und beſchäftigte ſich ſeitdem faſt ausſchließlich mit der Darwinſchen Theorie, die er weiter auszubauen und durch neue Beobachtungen zu ſtützen, aber auch in eigentümlicher Weiſe zu modificieren trachtete. Elliot, Sir Walter, in London, Zoolog, bekannt durch ſeine Arbeiten über die Säugetierfaung Indiens. Thollon, Direktor der ſpektroſkopiſchen Arbeiten in Biſchoffsheims Sternwarte in Nizza. 41 322 Humboldt. — Auguſt 1882. Litterariſche Rundſch au. A. Woetkof, Die Klimate der Erde. Nach dem Ruſſiſchen. Vom Verfaſſer beſorgte, bedeutend veränderte deutſche Bearbeitung. I. und II. Teil mit je 10 Karten und 13 Diagrammen nebſt Tabellen. Jena, H. Coſtenoble. 1887. Preis 22% Auf dem Gebiete der allgemeinen Klimatologie treten in neueſter Zeit zwei Arbeiten in den Vordergrund, welche gewiſſermaßen als epochemachend bezeichnet werden können, nämlich das Handbuch der Klimatologie von Hann, welches wir in dieſer Zeitſchrift (Jahrgang 1883 S. 343) aus⸗ führlich beſprochen haben, und die Klimate der Erde von Woeikof, welches etwas ſpäter als das erſtere, zuerſt in ruſſiſcher Sprache erſchien und auf welches ſchon früher das deutſche wiſſenſchaftliche Publikum aufmerkſam gemacht worden iſt. (Meteorol. Zeitſchrift 1884 S. 298). Beide Werke erſcheinen ungefähr gleichwertig, ſind voneinander vollſtändig unabhängig und ergänzen einander in mannig⸗ facher Hinſicht. Während dem Hannſchen Handbuche die im Texte verſtreuten Originalſchilderungen einen eigenen Reiz und eine beſondere Lebensfriſche verleihen, feſſeln uns im vorliegenden Werke in sbeſondere die aus den Specialſtudien des Verfaſſers fließenden Auseinander- ſetzungen, namentlich derjenige Teil, welcher dem Klima des Ruſſiſchen Reiches, das Woeikof ſowohl durch gründ⸗ liches Studium der Fachlitteratur als auch durch viele aus⸗ gedehnte Reiſen wie kein anderer kennen lernte, gewidmet iſt. Das Werk zerfällt in zwei Teile: der erſte Teil behandelt die allgemeinen Begriffe und ſchließt mit einer kurzen Skizze über die Verteilung der Temperatur rc. auf der Erdoberfläche, welcher dann Zahlentabellen folgen; der zweite umfaßt die Beſchreibung des Klimas der einzelnen Länder, wobei dem Ruſſiſchen Reiche ein bedeutender An⸗ teil gewidmet worden iſt. Um uns einen Ueberblick über den reichen Inhalt dieſes Buches zu verſchaffen, wollen wir die Hauptkapitel mit Angabe der Seitenzahl hier folgen laſſen. J. Teil: Luftdruck und Winde in auf⸗ und ab⸗ ſteigenden Luftſtrömungen (16). Luftfeuchtigkeit, Verdun⸗ ſtung, Bewölkung, Niederſchläge (22). Flüſſe und Landſeen als Produkte des Klimas (17). Einfluß einer Schneedecke auf das Klima (26). Die klimatiſchen Verhältniſſe des beſtändigen Schnees und der Gletſcher (25). Die Temperatur der Gewäſſer (39). Verſchiedenheit der Temperaturverteilung im Feſten und Flüſſigen und ihr Einfluß auf die Tempe⸗ ratur des Erdballs (7). Die täglichen und jährlichen Aende⸗ rungen der Temperatur der Luft (31). Tägliche Aenderung der Hydrometeore (14). Täglicher Gang des Luftdruckes und der Winde (10). Temperaturveränderung mit der Höhe in Bergländern und in der freien Atmoſphäre (33). Einfluß des Klima's auf die Vegetation (29). Einfluß der Vegetation, insbeſondere der Wälder auf das Klima (26). Die nicht periodiſchen Aenderungen der Temperatur und der Niederſchläge (11). Veränderlichkeit der Temperatur von Tag zu Tag (12). Allgemeine Bemerkungen über die Verteilung der Temperatur auf dem Erdballe (20). All⸗ gemeine Bemerkungen über die Verteilung des Luftdruckes, der Winde und der Hydrometeore auf dem Erdball (29). Tabellen: Mitteltemperatur, mittlere Bewölkung, jährliche Niederſchlagshöhe, Verteilung des Niederſchlags auf die Monate in Prozenten; Bemerkungen über Maße, Karten und Tabellen. II. Teil: Der hohe Norden (18). Mittlere Breiten von Nordamerika (24). Tropiſches Amerika, Südamerika (24). Der atlantiſche Ocean (18). Südafrika, tropiſches Afrika und Sahara (14). Mittelländiſches Meer und Nachbar⸗ länder (16). Luftdruck in dem ſüdlichen Teile der alten Welt (14). Weſt⸗ und Centraleuropa (25). Richtung und Stärke der Winde im europäiſchen Rußland und in Weſt⸗ ſibirien (15). Lufttemperatur im europäiſchen Rußland und Weſtſibirien (47). Bewölkung und Niederſchläge im europäiſchen Rußland und Weſtſibirien (43). Flüſſe und Landſeen Rußlands (10). Kaukaſus und benachbarte Län⸗ der (31). Centralaſien (13). Hochaſien (16). Oſtſibirien (29). China und Japan (21). Indien und weſtliches Hinterindien (34). Malaiiſcher Archipel und Auſtralien (13). Indiſcher, Stiller und ſüdlicher Ozean (16). Eine Vergleichung dieſer Inhaltsüberſicht mit derjenigen des Hannſchen Handbuches zeigt die außerordentliche Verſchieden⸗ heit in der Behandlung des ſehr weitſchichtigen Materials, jo daß das eine Werk durch das andere nicht überflüſſig gemacht wird. Wir halten dieſes Buch ſowohl für den Meteorologen als auch für Geographen unentbehrlich und glauben, daß jeder Gebildete hierin ſehr vieles Intereſſante und Belehrende finden wird. Die Ausſtattung des Buches iſt eine ganz vortreffliche. Hamburg. G. Hellmann, Geſchichte des königlich preußiſchen meteorologiſchen Inſtituts von ſeiner Gründung im Jahre 1847 bis zu ſeiner Reorganiſation im Jahre 1885. Mit 6 Tafeln und 14 Holzſchnitten. Berlin, A. Aſher & Co. Preis 4 / Herr Dr. Hellmann, der eine auf geſchichtlich-meteoro⸗ logiſchem Gebiete allſeitig anerkannte Autorität iſt und als Oberbeamter des auf eine ganz neue Baſis geſtellten meteorologiſchen Inſtitutes in Berlin in erſter Linje zum Geſchichtsſchreiber dieſer Anſtalt berufen ſcheint, hat uns in der vorliegenden Abhandlung eine ſehr wertvolle Gabe dargeboten. Es war A. von Humboldt, von dem die An⸗ regung zu einer „meteorologiſchen Landesaufnahme“ Preu⸗ ßens ausgieng, doch mußte ev ſich vorerſt noch mit kleinen Anfängen begnügen, und insbeſondere war es an ſich der Sache nicht förderlich, daß die neue Schöpfung nicht als eine wiſſenſchaftliche betrachtet und als ſolche dem Kultus⸗ miniſterium unterſtellt, ſondern aus ziemlich unſtichhaltigen Gründen als Zweigabteilung des ſtatiſtiſchen Bureaus eingerichtet wurde. Glücklicherweiſe war der Direktor dieſes letztern, Profeſſor Dieterici, der richtige Mann dazu, dieſen zu ſeinem Reſſort doch nur in ſehr loſer Verbindung ſtehenden Dienſtzweig richtig zu würdigen, es kam ihm zu ſtatten, daß ihm auf Humboldts Antrag in der Perſon Mahlmanns, der ſich bereits durch wertvolle klimatologiſche Arbeiten einen Namen gemacht hatte, der geeignete Ge⸗ hilfe an die Seite geſtellt wurde (1846). Mahlmann ſuchte die Meteorologen der anderen deutſchen Länder zu bewegen, korreſpondierende Beobachtungstermine einzuführen, ohne freilich mit ſeinen jetzt als durchaus berechtigt anzuerken⸗ nenden Vorſchlägen beſonders glücklich zu ſein, er machte eine Inſpektionsreiſe durch die geſamte preußiſche Monarchie, um die Anlage der Stationen und die vorhandenen In⸗ ſtrumente zu kontrollieren, und obwohl ihn ein älteres Halsleiden ſchon 1848 hinraffte, ſo hatte die kurze Spanne Zeit, während deren ihm zu wirken vergönnt war, doch ausgereicht, um die Anſtalt auf feſte Füße zu ſtellen. Als Mahlmanns Nachfolger wurde 1849 der Profeſſor Dove als „wiſſenſchaftlicher Beirat bei dem mit dem ſtatiſtiſchen Bureau verbundenen meteorologiſchen Inſtitute“ in Pflicht genommen; wie ſegensreich er als ſolcher ſich bethätigte, iſt allgemein bekannt. Denn es muß ſtets betont werden, daß Dove zunächſt Klimatolog war, und daß ſeine Thätig⸗ keit für dieſe Disciplin eine höchſt erſprießliche und unver⸗ geſſene geweſen iſt, während dagegen im Felde der dyng⸗ miſchen Meteorologie ſeine Beſtrebungen von weit weniger Erfolg begleitet waren. Innerhalb eines Jahrzehntes er⸗ weiterte ſich das preußiſche Beobachtungsnetz zu einem norddeutſchen, ja ſeit 1863 gelangte in den Monatsüber⸗ ſichten des von Dove geleiteten Bureaus ſo ziemlich alles zur Veröffentlichung, was überhaupt von meteorologiſchen Beobachtungen damals in Deutſchland exiſtierte. Als Hilfs⸗ arbeiter waren Doergens und Arndt mit der Bearbeitung Dr. J. van Bebber. er 3 Humboldt. — Auguſt 1887. des immer mehr anſchwellenden Materiales beſchäftigt. Mit der Zeit drängte ſich die Notwendigkeit einer Reorganiſation des meteorologiſchen Dienſtes immer mehr in den Vorder— grund, aber während der hierüber gepflogenen Verhand— lungen ſtarben Dove (1879) und Arndt (1882), und ſeit dieſem letzteren Jahre war Herr Hellmann ſelbſt mit der Führung der Vorſtandsgeſchäfte betraut. Derſelbe erzielte kleinere Reformen, da größere ſich aus finanziellen Urſachen von ſelber ausſchloſſen, er vermochte durch Anſchluß an die treffliche Firma R. Fueß die minderwertigen Inſtrumente durch beſſere zu erſetzen, wobei namentlich die Regenmeſſung gewann, er verdichtete das Stationennetz und zog auch einige hochgelegene Orte (Schneegruben-Baude, Glatzer Schneeberg) mit in dieſes Netz herein und vermehrte die Publikationen. Im Jahre 1886 endlich gelangte die Um— bildung zu ihrem Abſchluſſe; die meteorologiſche Central- anſtalt in Berlin wurde von ihrer Verbindung mit dem ſtatiſtiſchen Bureau losgelöſt, unter die Leitung des zu dieſem Zwecke aus München berufenen Profeſſors v. Bezold geſtellt und mit einem neuen Etat verſehen, der ihren gegenwärtigen höheren Zielen entſpricht. Als „Oberbeamte“ oder Abteilungsvorſtände wirken unter v. Bezolds Direktion die Herren Hellmann, Aßmann und Sprung. Zu hoffen iſt, daß der Geſchäftskreis des Inſtitutes ſich ſpäterhin auch durch eine hydrographiſche und erdmagnetiſche Ab— teilung erweitere und ſo nach Art der in Wien und St. Petersburg beſtehenden großen Obſervatorien ein Sammel- punkt für alle auf die Beförderung der telluriſchen Phyſik gerichteten Beſtrebungen innerhalb des Deutſchen Reiches werde. Dem hiſtoriſchen Abriß ſind 6 Beilagen beigegeben. Die erſte derſelben rubriziert alphabetiſch und mit genauer Angabe der geographiſchen Lage alle Orte, von welchen das Archiv der Anſtalt Beobachtungsreihen beſitzt. Die zweite gibt die Beſchreibung der Beobachtungswerkzeuge, mit welchen zur Zeit die Stationen ausgerüſtet ſind, und unter denen hier beſonders auf Hellmanns kombinierten Schnee— und Regenmeſſer aufmerkſam zu machen wäre. Weiterhin werden die Beobachtungsformulare abgedruckt, welche zu den verſchiedenen Zeiten in Anwendung ſtanden, und darauf folgt ein ſehr dankenswertes, 31 Nummern um— faſſendes Verzeichnis der vom Inſtitut ſeit ſeinem Beſtehen ausgegangenen Druckſchriften. An fünfter Stelle reiht ſich hieran die Liſte der von den Beamten der Anſtalt mit Benutzung des preußiſchen Zahlenmaterials verfaßten Ar— beiten (Dove erſcheint darin 19mal, Doergens Imal, Arndt 6mal, Hellmann 15mal, Kremßer 3mal), und an ſechſter ein Katalog aller von den verſchiedenen Obſervatoren in Druck gegebenen klimatologiſchen Specialſchriften. Eine Reihe graphiſcher Tabellen verſinnlicht das Maß der den einzelnen Stationen zu dankenden Leiſtungen. München. Prof. Dr. S. Günther. Melchior Neumayr, Erdgeſchichte. I. Band: All⸗ gemeine Geologie. Leipzig, Bibliographiſches Inſtitut. 1886. Preis 14 / Das vorliegende Werk iſt ein Teil der von der Ver— lagshandlung herausgegebenen „Allgemeinen Naturkunde“. Es hat ſich die Aufgabe geſtellt, der gebildeten Welt einen gründlichen Einblick in die geologiſche Wiſſenſchaft zu ver⸗ ſchaffen, wie dies in ſolcher Vollſtändigkeit noch nie ver- ſucht und erreicht iſt. Die ſchwierigſten Probleme werden beſprochen und in einfacher, ſchlichter Sprache für jeder- mann verſtändlich gemacht. Es iſt ein einheitliches Ge— mälde, ein Buch, das ſich wie ein ſpannender Roman lieſt; bis zur letzten Zeile verliert es nicht das Feſſelnde, das es von Anfang hat. Es iſt ein Buch, das eigentlich in keiner Privat-Bibliothek fehlen ſollte, das aber auch dem Fachmann ſehr wertvoll ſein wird. Neumayrs Erdgeſchichte macht uns mit allen jetzt eben obenanſtehenden Problemen vertraut, fie ijt u. a. der für jeden Gebildeten verſtändliche Dolmetſch des für den Fachmann geſchriebenen Süßſchen Werkes; allenthalben ſteht es auf dem Standpunkte der heutigen Wiſſenſchaft, ſtützt ſich überhaupt in allen Fragen direkt auf die Originalarbeiten. Hervorzuheben iſt die vorzügliche Ausſtattung, die dem Buch durch treffliche 1 323 Abbildungen geworden iſt; für einige Aquarellbilder — es ſind ihrer 15 — haben die Publikationen des geologiſchen Aufnahmeamtes in Waſhington Vorlagen geliefert, für einige andere boten die geographiſchen Charakterbilder von Hölzel Motive, alle übrigen ſind Originale, welche an Zahl 334, in den Text gedruckt ſind; dazu kommen noch zwei Karten. Nach einem einleitenden Kapitel wendet ſich der Verfaſſer den Berührungspunkten zwiſchen Aſtronomie und Geologie zu, beſpricht, welche Schlüſſe bezüglich der Entwickelungsgeſchichte der Erde die heutige Kenntnis von der phyſiſchen Beſchaffenheit der Himmelskörper — ſpeciell von Sonne, Mars, Mond — zu ziehen erlaubt, und be— handelt in Verbindung damit ziemlich eingehend die Meteorite, ihre Zuſammenſetzung, ihren Urſprung und ihre Beziehung zu den Sternſchnuppenfällen. Uebergehend auf die phyſiſche Beſchaffenheit der Erde widmet Neumayr bei Behandlung der Erdwärme eine nähere Beſprechung den Temperatur— beobachtungen Stapffs im Gotthardtunnel. Bezüglich des Aggregatzuſtandes des Erdinneren ſchließt ſich Neumayr der Deutung E. Reyers an; hiernach iſt das Erdinnere zwar heiß, aber infolge des hohen Druckes, der auf ihm laſtet, feſt, da bei hohem Druck der Schmelzpunkt ſteige. Den flüſſi⸗ gen Aggregatzuſtand nimmt die Lava erſt an, ſobald durch Spaltenbildung von derſelben der gewaltige Druck weg— genommen wird. In dieſem Sinn iſt wohl die Entſtehung der nordamerikaniſchen Lakkolithen nicht verſtändlich, da ſolche thatſächlich flüſſig empordrangen, ohne daß ein ſolches Ventil den Druck der auflaſtenden Gebirgsmaſſen beſeitigt hätte. Mit großem Intereſſe folgt man der Schilderung der vulkaniſchen Erſcheinungen, die vorerſt in einigen Typen vorgeführt werden. Das vulkaniſche Phänomen erſcheint trotz ſeiner mannigfaltigen Formen als die Wirkung von innen nach außen ſich geltend machender Kräfte, die mit dem Vorgange der Gebirgsbildung in innigem Zuſammen— hange ſteht, ſofern die Vulkane faſt ausſchließlich auf großen Verwurfsſpalten, vorzugsweiſe an den Bruchrändern der Gebirge auftreten. Beſonders an der Hand der in den Alpen gemachten Studien wird das Weſen der Gebirgs— bildung klargelegt. Den Abſchluß dieſes ganz im Sinne von Süß und Heim behandelten Themas bilden Betrachtungen über die Frage der Kontinentbewegungen, der Veränder— lichkeit des Meeresſpiegels und des Alters der Feſtländer. Faſt ein Drittel des ganzen Werkes behandelt die Wirkung von Waſſer, Eis und Luft auf die äußere Geſtaltung der Erde, wie auf die im Inneren der Rinde verlaufenden Prozeſſe. Zu den intereſſanteſten Kapiteln gehören die über Thal- und Teraſſenbildung, über Gletſchereroſion und Bildung der Seen. Immer ſind es wieder Typen, die, eingehender geſchildert, eine lebendige Vorſtellung von ähn⸗ lichen Erſcheinungsformen und Vorgängen geben. Endlich im dritten Abſchnitt gibt der Verfaſſer noch die Bildungsgeſchichte der Geſteine. Neumayr konſtatiert, daß die Bildung der archäiſchen Gneiße, reſp. der Abſatz ihres Materials, unter Verhältniſſen vor ſich gegangen ſein müſſe, welche tieriſches und pflanzliches Leben ermöglichte, alſo bei einer Tempe— ratur unter 100°, womit auch das mehrfache Vorkommen von Rollſteinen innerhalb derſelben übereinſtimmt; ferner ſtellt er feſt, daß kryſtalline Schiefer an ſich kein vorfam- briſches Alter darſtellen müſſen, daß vielmehr Kambrium und Silur mehrfach kryſtallines Ausſehen haben. Auf Grund eigener Studien in Griechenland hält Neumayr dafür, daß kryſtalline Schiefer noch in verhälnismäßig jungen Ablagerungen (Kreide) ſich finden. Darauf ſich beziehend erklärt er dieſelben — alte, wie junge — als Schichtge— ſteine, welche durch nachträgliche Umkryſtalliſierung ohne Aenderung der chemiſchen Geſamtzuſammenſetzung des Ge— ſteines entſtanden ſind. Frankfurt a. M. Dr. Friedr. KRinkelin. Mudolf Teuckart, Die Barafifen des Menſchen und die von ihnen herrührenden Kranſheiten. Ein Hand- und Lehrbuch für Naturforſcher und Aerzte. 2. Aufl. 1. Bd. 1. Abth. Leipzig, 1886. Dieſes große Werk des berühmten Leipziger Helmin- thologen enthält mehr als fein Titel anzeigt, denn es be- 324 Humboldt. — Auguſt 1887. ſchränkt ſich in ſeiner Darſtellung nicht nur auf die beim Menſchen vorkommenden Schmarotzer, ſondern berückſichtigt überhaupt das Schmarotzertum in ſeinen allgemeinen Er⸗ ſcheinungen: es gibt eine faſt vollſtändige Ueberſicht unſerer Kenntniſſe der ganzen Paraſitenkunde. Vorangeſchickt iſt der jpectellen Darſtellung der menſchlichen Paraſiten eine allgemeine Naturgeſchichte der Paraſiten, in der jedoch die menſchlichen mit eingeſchloſſen ſind und gerade dieſer Teil, der ſeparat erſchienen iſt (4 Mk.), eignet ſich wegen ſeiner klaren Darſtellung dieſer intereſſanten Seite der tieriſchen Biologie, die ſo vielfache Beziehungen zum Men⸗ ſchen und zu den Tieren hat, für weitere Kreiſe. Mehr an der Hand der Geſchichte werden wir hier in die Wande⸗ lung in den Anſchauungen über Paraſiten und Paraſitis⸗ mus eingeführt, an der nicht zum kleinen Teile der Ver⸗ faſſer ſelbſt mitgearbeitet hat. Leider iſt noch zu wenig von dieſen Wandelungen in das Publikum gedrungen und doch kann nur eine richtige Kenntnis der thatſächlichen Verhältniſſe den Einzelnen vor Schaden hüten; dieſe möge ſich jeder aus der reich illuſtrierten „Allgemeinen Natur⸗ geſchichte der Paxaſiten“ von R. Leuckart holen. In dem ſpeciellen Teile ſind die tieriſchen Paxaſiten des Menſchen nach dem zoologiſchen Syſtem geordnet; zuerſt werden be- ſprochen die Schmarotzer aus der Klaſſe der Rhizopoden, dann der Sporozoen, der Infuſorien und endlich die Ce- ſtoden, Bandwürmer. Das Werk iſt für Naturforſcher und Aerzte beſtimmt, deren beiderſeitigen, hier übrigens faſt ganz identiſchen Intereſſen der Verfaſſer völlig gerecht wird; eine wirkſame Prophylaxe, welche die Hauptaufgabe der Aerzte iſt, kann hier nur erreicht werden, wenn der Arzt die Organiſation und Entwickelung der Paraſiten und damit die Wege kennt, auf denen uns dieſe oft genug ſchlimmen Gäſte befallen, durch welche ſie in uns gelangen. Leider ſind wir noch nicht bei allen menſchlichen Paraſiten über dieſe Wege klar, aber da etwas beſſer als nichts iſt, ſo müſſen analoge Verhältniſſe tieriſcher Paraſiten aus⸗ helfen. Dies iſt ein Grund, warum Leuckart ſich nicht allein auf die Darſtellung der menſchlichen Schmarotzer beſchränken konnte; ein anderer liegt darin, daß die Ent⸗ wickelungsſtadien vieler menſchlicher Parxaſiten in Tieren leben und nicht nur in höheren, die wir abſichtlich genießen. Alle die manchmal recht komplizierten Verhältniſſe, die zwiſchen dem Menſchen und den Tieren (in Bezug auf Paraſiten) beſtehen, ſind vom Autor recht durchſichtig dar— geſtellt worden. Das Werk ſelbſt iſt reich illuſtriert, gibt auch demjenigen, der tiefer eindringen will, die nötigen Litteraturangaben. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. Engler und Prantl, Die natürlichen Pflanzen familien nebſt ihren Gattungen und wichtigeren Arten, insbeſondere den Nutzpflanzen. Bearbeitet unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fach⸗ gelehrten. In Lieferungen à 1,50 M. Leipzig, W. Engelmann 1887. Der erfreuliche Aufſchwung, welchen die Syſtematik der Pflanzen in der neueren Zeit genommen hat, erhält einen beredten Ausdruck in dem großen Werk, von welchem die erſten Lieferungen vorliegen. Die franzöſiſche Litteratur beſitzt in Baillons Histoire des Plantes ein vortreffliches Werk, welches in die einzelnen Pflanzenfamilien bis zu ausreichender Charakteriſtik und Statiſtik der Gattungen eindringt, und eine ähnliche Arbeit ſind Bentham und Hookers Genera plantarum. Unſere Litteratur wies bisher eine empfindliche Lücke auf, die jetzt in verdienſt⸗ lichſter Weiſe durch ein großartig angelegtes Unternehmen ausgefüllt wird. Dasſelbe will auf ca. 300 —330 Bogen ein Geſamtbild der Pflanzenwelt in ſyſtematiſcher und dabei doch allgemeiner verſtändlicher Weiſe geben, und man hofft, der ſchwierigen Aufgabe durch weitgehende Teilung der Arbeit gerecht zu werden. Profeſſor Engler redigiert die Phanerogamen, Profeſſor Prantl die Kryptogamen, und für die Bearbeitung der einzelnen Familien ſind Botaniker gewonnen, von denen die meiſten bereits als Monographen ſich Ruf erworben haben. In der denkbar vorteilhafteſten Weiſe führt ſich das Werk mit Drudes Bearbeitung der Palmen ein. Der Autor gibt eine knappe und doch ſehr vollſtändige Charakteriſtik der intereſſanten Familie in organographiſcher, anatomiſcher, entwickelungsgeſchichtlicher, geographiſcher und ökonomiſcher Hinſicht und beſpricht dann die Unterfamilien, die Gattungen und die wichtigſten Arten. In ähnlicher Weiſe ſind die Juncaceen von Buchenau, die Stemonaceen und Liliaceen von Engler bearbeitet. Die 3. und 4. Lieferung zeigt uns in der Bearbeitung der Cycadaceen und der Koniferen, wieviel die Wiſſenſchaft an dem kürzlich verſtorbenen Eichler verloren hat. Ganz be⸗ ſondere Erwähnung verdienen die Illuſtrationen, mit welchen die Verlagshandlung weiteren Kreiſen ein Material. zugänglich gemacht hat, wie es bisher in ſeiner Geſamtheit nur wenigen Begünſtigten zugänglich war. Die Habitus⸗ bilder, namentlich der Palmen und Koniferen, ſind zum Teil wahre Kabinettsſtücke, und die Detailzeichnungen ſind von muſterhafter Klarheit und in einer Fülle gegeben, die das Werk in erfreulichſter Weiſe belebt. Man muß den Herausgebern dankbar ſein, daß ſie ſich entſchloſſen haben, das große Unternehmen nicht ausſchließlich auf den engen Kreis der Fachgelehrten zuzuſchneiden. Es erſchwert die Aufgabe ungemein, die Dinge, welche hier beſprochen werden müſſen, in einer Form vorzutragen, die auch größere Kreiſe anſpricht, aber dieſe Aufgabe iſt in ausgezeichneter Weiſe gelöſt, und ſo darf man das Werk allen empfehlen, welche ſich für die Pflanzenwelt intereſſieren. Wie ſehr die Herausgeber an das große Publikum dachten, geht daraus hervor, daß ſie ein kleines Heft zuſammengeſtellt haben, welches die botaniſchen Kunſtausdrücke allgemein⸗ verſtändlich erklärt, ſo daß man das Werk auch bei ſehr geringer botaniſcher Vorbildung mit Vorteil benutzen kann. Der alte, bewährte Ruf der Verlagshandlung bürgt dafür, daß das Werk energiſch gefördert werden wird, es ſollen im Jahr 50 Bogen erſcheinen, und die bisher erſchienenen Lieferungen ſind mit größter Promptheit ausgegeben worden. Staunenswert iſt, um ſchließlich auch dies hervor⸗ zuheben, der Subſkriptionspreis des Buches. Zieht man den Charakter des Buches, die Ausſtattung und vor allem den Reichtum an koſtbarſten Holzſchnitten in Betracht, ſo muß man zugeben, daß der Preis überraſchend niedrig geſtellt iſt. Die Verlagshandlung hat offenbar auf großes Entgegenkommen des Publikums gerechnet, und wir wollen ihr wünſchen, daß ihr Unternehmen in weiteſten Kreiſen den Beifall finden möge, den es in ſo hohem Maße verdient. Friedenau. Dammer. Sof. Mick, Verzeichnis der Artennamen, welche in Schiners Fauna Austriaca (Diptera, Tom. I u. II) enthalten find. Wien, Pichler. 1887. Preis 2 el. Schiners Dipterenwerk enthält bekanntlich kein Arten⸗ verzeichnis; um dieſem Mangel abzuhelfen, hat ſich Mick der mühevollen Aufgabe unterzogen, von allen bei Schiner vorkommenden Arten und Varietäten in möglichſt knapper Form ein alphabetiſches Regiſter anzufertigen, welches nicht weniger als 11948 präziſe Hinweiſe enthält. Der Ver⸗ faſſer hat ſich durch dieſe Arbeit gerechten Anſpruch auf den Dank der Dipterologen erworben, welchen er die Be⸗ nutzung des unentbehrlichen Schinerſchen Werkes bedeutend erleichtert hat. Stuttgart. Carl Rothe, Vollſtändiges Verzeichnis der Schmetterlinge Oeſterreich⸗Angarns, Deutſch⸗ lands und der Schweiz. Nebſt Angabe der Flug⸗ zeit, der Nährpflanzen und der Entwickelungszeit der Raupen. Für Schmetterlingsſammler zuſammen⸗ geſtellt. Wien, Pichler. 1886. Preis 0,80 . In kurzer, doch überſichtlicher Weiſe ſind den einzelnen Arten die im Titel angegebenen Notizen beigefügt. In der Anordnung folgt das Verzeichnis dem Staudingerſchen Katalog und ſind außer den lateiniſchen Namen die ge- Dr. Kurt Lampert. Humboldt. — Auguſt 1887. bräuchlichſten deutſchen Benennungen und die wichtigſten Synonyma aufgeführt. Das Schriftchen wird beſonders Anfängern und Lehrern, denen ihre Stellung die Beſchäf— tigung mit der Schmetterlingskunde vorſchreibt, ohne daß man ein Spezialſtudium derſelben verlangen kann, ein er— wünſchtes Vademekum ſein. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Adolf Vaſtian, Die Seele indiſcher und helleniſcher Philoſophie in den Geſpenſtern moderner Geiſter— ſeherei. Berlin, Weidmann. 1886. Preis 6 W Es iſt keine kleine Aufgabe, das vorliegende Werk — nicht zu leſen, das vermag man bei der gedrungenen, oft ſehr ſchwer verſtändlichen Ausdrucksweiſe des Verfaſſers nicht — ſondern zu ſtudieren. Die überwältigende Fülle des Mate— rials, der Citate, die oft wohl uur dem Verfaſſer ſelbſt ver— ſtändliche Kürze, dabei die mancherlei Vorausſetzungen, die an den Leſer, — ob mit Recht oder Unrecht, wagt Referent nicht zu entſcheiden — geſtellt werden, alles dies zuſammen— genommen bringt ein Werk zu ſtande, bei welchem jede einzelne Seite mühſam erobert werden muß. Wer dieſe Mühe nicht ſcheut, wird ſich glänzend belohnt ſehen, wie nicht anders zu erwarten iſt, da der Verfaſſer ſo recht eigent— lich auf ſeinem Gebiete ſich bewegt, das wohl niemand ſo betrachtet und deſſen Geſamtmaterial wohl niemand ſo genau kennt, wie er. Wenn es auch ein in ſich abge— ſchloſſenes Werk iſt, das der Verfaſſer uns bietet, ſo hat er doch dieſesmal, wie bei früheren Arbeiten, in erſter Linie im Auge, Material herbeizuſchaffen aus der unendlichen Fülle, die ihm zu Gebote ſteht. Seine Beleſenheit iſt ge— radezu ſtaunenerregend, ſo daß, wer ſich für das behan— delte Thema intereſſiert, bei ihm wohl alles findet, deſſen er bedarf. Schon deshalb wird das Buch vielen willkommen ſein; aber Referent möchte es auch denen angelegentlichſt em— 325 pfehlen, deren Studium Philoſophie im allgemeinen, ganz beſonders aber Religionsphiloſophie, Pſychologie und Anthro— pologie iſt. Eine ganze Reihe wichtiger Fragen aus dieſen Gebieten findet ihre Behandlung und Beantwortung. Auch dieſes Mal folgt der Verfaſſer wieder ſeiner ſchon früher an— gewandten Methode, derſelben, die in der Naturwiſſenſchaft üblich iſt, der komparativ-genetiſchen Induktion und es iſt nicht zu leugnen, der Erfolg iſt ein überraſchender: nicht bloß die Materialfülle iſt dadurch ſelbſtverſtändlich und bedingt, ſondern es wird dadurch ſo manche Löſung wich— tiger Fragen möglich, die auf anderem Wege wohl ſchwer— lich erreicht worden wäre. Auf ein des Verfaſſers Standpunkt charakteriſierendes und darlegendes Vorwort folgt die Ein— leitung, worin gezeigt wird, warum erſt mit der Einführung der Pſychologie in die Naturwiſſenſchaften der richtige Wus- gangspunkt gegeben ſei zur fruchtbaren Behandlung der— jelben, zur wirklichen „Erforſchung des Völkergedankens“. — Soll dieſer „Völkergedanke“ ſeine folgerichtige Erforſchung finden, ſo bedarf es der Beſchaffung des Materials, um das Bleibende und das nach äußeren Geſetzen ſich Wandelnde erkennen zu können. Wir müßten den uns zugeſtandenen Raum weit überſchreiten, wollten wir auf das Einzelne des Buches hier eingehen, nur das möchten wir hier noch— mals betonen, daß wir deſſen Studium, trotz aller ſtili⸗ Bien Mängel, auf das angelegentlichſte empfehlen. Der Leſer möge die Mühe nicht ſcheuen, die es macht, ſich hineinzuarbeiten, und er wird es uns gewiß danken, daß wir ihn auf ein ebenſo intereſſantes als lehrreiches Buch aufmerkſam gemacht haben. Zum Schluß ſei auch noch des bei weitem leichter lesbaren trefflichen Anhanges „Spiritiſten und Theoſophen“ Erwähnung gethan, deſſen trefflicher Witz und beißender Sarkasmus vielen recht heil— ſam ſein dürfte. Frankfurt a. M. Dr. Gotthold. logray h Bericht vom Monat Juni 1887. Allgemeines. Abhandlungen der mathematiſch⸗phyſikaliſchen Klaſſe der königl. ſäch⸗ ſiſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften. 13. Bd Leipzig, Hirzel. M. 30. Berichte der naturforſchenden eel zu Freiburg i. B. 2. Bd. 1887. Freiburg, Mohr. M. api mathematiſche u. noturwiſſenſchaſtliche, aus Ungarn. Red. v. Fröhlich. 4. Bd. Berlin, Friedländer. 8 Bericht üb. die Sitzungen der Naturforſchenden Geſellſchaft in Halle im J. 1886. Halle, Niemeyer. 1. Bernecker, A., Kurzer Leitfaden d. Naturgeſchichte f. d. mittleren Klaſſen an Realſchulen, pe eenatien und anderen Lehranſtalten. Tübingen, Oſiander. M. Dh ental e zeitgemäße. Neue Folge, hrsg. v. J. M. Raich. Bd. 8. Hit. Frankfurt a. M., Foeſſer. M. —. 50. Inhalt: Sas Lebensräthſel und der Materialismus. Eine naturphſiloſoph. Studie v. J. Moſer. Büchner, L., Thatſachen u. Theorien aus dem naturwiſſenſchaftl. Leben der Gegenwart. Berlin, Allg. Verein f. D. Literatur. M. Jahresbericht, 4., d. Vereins f. Naturwiſſenſchaft zu Braunſchweig für die Bereinsjabre, 1883/84 bis 1885/86. Braunſchweig, Schulbuch⸗ handlung. M. Kappes, Die N Lehre über Begriff und Urſache der e Eine naturphiloſophiſche Studie. Freiburg, Herder. M. 1. . d. naturwiſſenſchaftlichen Vereins f. Steiermark. Jahrg. 1886. Red. v. R. Hoernes. Graz, Leuſchner & Lubenzky. M. 6. Raturbdelshreibung f. Elementarſchulen. Mit beſond. Beriidjidtigung Lehrplanes v. Schönen verf. v. prakt. Schulmännern. 2. Aufl. Köln, Theiſſing. M. —. 50. 3 K. W., Die drei Grundelemente d. Weltalls. 3. Aufl. Leip⸗ Moltte. M. Publikationen der popſttaliſch⸗ ökonomiſchen Geſellſchaft in Königsberg. r zu den Jahrgängen 1860/1884. r v. Jentzſch. Königsberg, Koch & Reimer. M. — Schriften des Vereins zur Verbreitung nalurwiſſenfchaftlicher Kenntniſſe in Wien. 27. Bd. Vereinsjahr 188687. Wien, Braumüller. M. 8. Sitzungsberichte der Naturforſcher-Geſellſchaft bei der Univerſität Dor⸗ pat, red. von G. Dragendorff. 8. Bd. 1886. 1. Heft. Leipzig, Köhler. M. 2. Wagner; H., e im Walde und auf der Heide. 6. Aufl. Leipzig, Spamer. M. 2 Zacharias, O., Ueber gelöſte u. a Probleme der Naturforſchung. 2. Aufl. Leipzig, Denicke. M. Zopf, W., Der ndtarwiſſenſcgaflliche Geiamnts Unterricht (Natur- und Erdkunde) auf preußiſchen Gymnaſien beiderlei Art. Eine Streit⸗ ſchrift gegen das Beſtehende. Breslau, Kern. M. 1. 60. Bhofik. Althans, E., Phyſikaliſche Unterſuchungen an einem Gaſometer der ſtädt. Gazanjtatten zu Breslau. (Sep.⸗Abdr.) Berlin, Ernſt K Korn. M. 5. Bennecke, F., Unterſuchung der ſtationären eleltriſchen Strömung in einer unendlichen Ebene für den Fall, daß die Zuleitung der beiden verſchiedenen Elektricitäten in zwei parallelen geradlinigen Strecken erfolgt. Leipzig, Engelmann. M. 6. Dühring, E., Kritiſche Geſchichte der allgem. Principien der Mechanik. 3. Aufl. Din ct Fues. M. 10. Ganſer, A., Die Entſtehung der 1 Graz, Leuſchner & Lubenzty. M. Kohlrauſch, F., Leitfaden der pratticchen Phyſik. Mit einem Anhang: Das abjolute Maß⸗Syſtem. 6. Aufl. Leipzig, Teubner. M. 5. Nieden, A., Geſichtsfeld⸗Schema zum Gebrauch für gewöhnliche u. für ſelbſtregiſtrierende Perimeter. 2. Aufl. Wiesbaden, Bergmann. M. 2. Waeber, N., Lehrbuch für den Unterricht in der Phyſik mit bejonderer Berückſichtigung der phyſikaliſchen Technologie und der Meteorologie. 5. Aufl. Leipzig, Hirt & Sohn. M. 3. 75. Chemie. Anſchütz, R., Die Deſtillation unter vermindertem Druck im Laborato= rium. Bonn, Behrends. M. 1. Julius, P., Die künſtlichen organiſchen Farbſtoffe. legung von 6 Vorleſungen, gehalten v. E. Noelting, bearb. Gärtner. M. 6. Kekulé, A., Lehrbuch der organiſchen Chemie od. der Chemie der Kohlen⸗ Eine Kosmogonie. Unter Sugrunde= Berlin, ſtoffverbindungen. Fortgeſetzt unter Mitwirkung von R. Anſchütz, G. Schultz und W. La Coſte. 4. Bd. 1. Lfg. Inhalt: Chemie der Benzolderivate oder der aromatiſchen Subſtanzen. Bd. 4. 1. Lfg. Stuttgart, Enke. M. 7. Remſen, J., Einleitung in das Studium der Chemie. e Seubert. Tübingen, Laupp. M. 6. Topf, G., Jodometriſche Studien. Wiesbaden, Kreidel. M. 2. Wislicenus, J., Ueber die räumliche Anordnung der Atome in organ. Molekülen u. ihre Beſtimmung in geometriſch-iſomeren ungeſättigten Verbindungen. Leipzig, Hirzel. M. 4. Aſtronomie. Jahrbuch, Berliner aſtronomiſches, für 1889 m. Ephemeriden der Pla⸗ neten (1) — (258) für 1887. Hrsg. unter Leitung von F. Tietjen. Berlin, Dümmler. M. 12. Kerz, F., Plaudereien üb. die Kant⸗Laplace'ſche Nebularhypotheſe. Maute“ M. g. Schönfeld, E., Bonner Sternkarten. 2. Serie. Atlas der zwiſchen 10 u. 230 ſüdl. Deklination für den Anfang Deutſch bearb. Jena, Dimmelszone! . J. 1885. 326 Humboldt. — Auguſt 1887. Als Fortſetzung d. Bonner Atlas d. nördl. geftirnten Himmels in den J. 1876 bis 1885 auf der königl. Sternwarte zu Bonn bearb. 3. Ifg. (6 lith. Karten.) Bonn, Marcus. M. 12. Stern⸗Ephemeriden f. d. J. 1888. Berlin, Dümmler. M. 6. Geographie, Ethnographie, Retfewerke. Abhandlungen, geographiſche, herausg. v. Pend. Heft 3. Böhm, Ein⸗ theilung der Oſtalpen. Wien, Hölzel. M. 8 Ruſch, G., Beobachtungen, Fragen u. Aufgaben aus dem Gebiete der elementaren aſtronomiſchen Geographie. Wien, Hölder. M. —. 40. Trautwein, Th., Regiſter zu den Publicationen des öſterreich. Alpen⸗ vereins 1863/1873, d. deutſch. Alpenvereins 1869/1872 u. d. deutſch. u. öſterreich, Alpenvereins 1873/1886. München, Lindauer. M. 1. Wolf, I., u. Lukſch, J., 80 se Unterſuchungen in der Adria. Wien, Gerold. M. —. Mineralogie, G26 de Paläontologie. Abhandlungen zur geologiſchen Specialkarte v. Elſaß⸗Lothringen. 4. Bd. 3. Heft. Inhalt: Die Gloſſophoren d. Terrain a chailles der Pfirt v. A. Andreae. Straßburg, Schultze & Co. M. 3. Abhandlungen, paläontologiſche. Hrsg. v. W. Dames u. G. Kayſer. 3. Bd. 5. Hft. Inhalt: Die Dinoſaurier, Crocodiliden u. Saurop⸗ terygier d. norddeutſchen Wealden v. E. Koken. Berlin, Reimer. M. 27. Handbücher zur deutſchen Landes: u. Volkskunde. Hrsg. v. d. Central⸗ kommiſſion für wiſſenſchaftl. Landeskunde von Deutſchland. 1. Bd. 1. Qjg. Inhalt: Geologie von Deutſchland und den angrenzenden Gebieten von R Lepſius. 1. Bd Das weſtliche und das ſüdliche Deutſchland. 1. Ifg. Stuttgart, Engelhorn. M. 11. 50. Henninger, C. A, Leitfaden für den Unterricht in der Mineralogie, zu⸗ gleich als Einführung i. d. Chemie. Berlin, Winckelmann M. 1. 20. Könen, A. v., Beitrag zur Kenntnis der Crinoiden des Muſchelkalks. Göttingen, Dieterich. M. 2 Werveke, L. van, Geologiſche Ueberſichts karte der ſüdlichen Hälfte des Großherzogth. Luxemburg. Hrsg. v. d. Commiſſion für die geolog. Landesunterſuchung von Elſaß⸗Lothringen. 1: 80 000. Chromolith. Mit Erläuterungen. Berlin, Schropp. M. 4. Zincken, Das Naturgas Amerikas. Leipzig, Montaniſtiſcher Verlag. M. 1.25. Meteorologie. Jahrbuch der meteorologiſchen Beobachtungen d. Wetterwarte d. Magde⸗ burgiſchen Zeitung. Hrsg. v. A. W. Grützmacher. 4. Jahrg. 1885. Magdeburg, Faber. M. 7. 50. Katzerowsky, W., Die meteorologiſchen Aufzeichnungen d. Leitmeritzer Rathsverwandten Anton Gottfried Schmidt aus den Jahren 1500 bis 1761. Prag, Dominicus. M. —. 60 Botanik. Engler, A., u. Prantl, K., Die natürlichen Pflanzenfamilien, nebſt ihren Gattungen u. wichtigeren Arten, ene 1 50 den Nutzpflanzen. 6. u. 7. Sa. Leipzig, Engelmann. a M. 1. Feiſt, A., Die Schutzeinrichtungen der Laubknoſpen dieter e während ihrer Entwickelung. Leipzig. Engelmann. M Fiſcher, E., Etiketten f. Alana eee 2. Aufl. aan Blatt.) Leipzig, Leiner. M. 1. 50. Hansgirg, A., e algologiſche Studien. Leipzig, Felix. M. 25. Landmann, 2 Th., Die Pflanze u. der Menſch. Leitfaden f. ba Unter= richt in der Naturkunde. Königsberg, Hartung. M. — Löffler, F., Vorleſungen über die geſchichtliche Entwickelung 15 Lehre von den Bacterien. 1. Theil. Bis zum Jahr 1878. Leipzig, Vogel. M. 10. Schramm, F., Uebungsheft zum botaniſchen Unterricht für Gymnaſien, Reals und 1 1. Tl.: Bäume u. Sträucher. Dresden, Jänicke. M. — — Lehrbuch “iit botaniſchen Unterricht in Gymnaſien, Real⸗ und Bürgerſchulen. 1. Tl.: Bäume u. Sträucher. Dresden, Jänicke. M. 2. Strasburger, E., Das botaniſche Practicum. 2. Aufl. Jena, Fiſcher. M. 15. Sydow, P., Die Flechten Deutſchlands. Anleitung zur Kenntnis und Beſtimmung der deutſchen Flechten. Berlin, Springer. M. 7. Vvelſch, M., Beitrag zur Frage nach der 160 der Tuberkelbacillen. Königsberg Koch & Reimer. M. —. Vogel, O. Müllenhoff, K. Kienitz⸗ Gerloff, F., Leitfaden für den Unterricht i bee Botanik. 1. Heft. 8. Aufl. Berlin, Winckel⸗ mann. Waldner, M., Die Seeg 1100 e v. Andraea u. Sphag⸗ num. Leipzig, Felix. M. 2 Williams, W., Leitfaden der Botanik. Petersburg, Schmitzdorff. M. 3. Zängerle. M., Grundriß der Botanik f. den Unterricht an mittleren u. höheren Lehranſtalten. München, Taubald. M. 2. 20. — — Grundzüge der Chemie und Naturgeſchichte für den Unterricht an Mittelſchulen. 1. Tl.: Botanik. München, Taubald. M. 1. 80. Zwick, H., Leitfaden f. d. Unterricht in der Pflanzenkunde. 1.—3. Curſ. Berlin, Nicolai. M. 1. 20. Zoologie, Phyſtologie, Anthropologie. Benecke, B, Die 15e Fiſche. (5 Tafeln mit Abbildungen.) Danzig, Saunier, M. Böcker⸗Wetzlar, W., Unjere beliebtesten i Stubenvögel, ihre ee u. Pflege. Ilmenau, Schröter. M. Brühl, C. B., Zur Kenntniß d. Orangkopfes u. e Orangarten. Neue Ausg. Berlin, Friedländer & Sohn. M. — — Zur Oſteologie der Knochenfiſche. Neue Ausgabe Berlin, Fried⸗ länder & Sohn. M. Cleſſin, S., Die Mollusken⸗Fauna Oeſterreich-Ungarns u. der Schweiz. 1. Lfg. Nürnberg, Bauer & Raſpe. M. 3 Fauna u. Flora des Golfes von Neapel u. der angrenzenden Meeres⸗ Abſchnitte. Hrsg. v. der zoolog. Station zu Neapel. XIV. Mono⸗ graphie. Inhalt: Le genre Polygordius. Une monographie par J. Fraipont. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 40. Grempler. Der Fund v. Sackrau. Brandenburg, Lunitz. M. 6. Grote, A. R., The Hawk Moths of North America. North Ameri- can Lepidoptera. Bremen, Rühle & Schlenker. M. 4. 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Saraſin, P., u. Saraſin, F., Ergebniſſe 880 EU Fon idungen auf Ceylon in den Jahren 1884/1886. 1. Bd. 1. Hft. Bd. 1. Hft. Inhalt: I. 1. Die Augen u. das Integument nee Diadem den Ueber zwei paraſitiſche Schnecken (m. 5 Tafeln). — II. 1. Zur Entwickelungsgeſchichte und Anatomie der ceyloneſiſchen Blindwühler, ae glutinosus. 1. Theil (mit 5 Tafeln). Wiesbaden, Kreidel. M. II. Schiebold, O., Ein Blick auf die dem heimatlichen Obſt⸗ u. Gartenbau nützlichen u. ſchädlichen wirbelloſen Tiere. Leipzig, Fock. M. 1. Schultze, F. E., 1 50 Stammesgeſchichte der Hexactinelliden. Berlin, Reimer. M. 1. Schwab, C., Praktische 8 9 zur Altersbeſtimmung der Pferde. Salzburg, Kerber. M. Schwabe, G. Lehrbuch der Anatomie d. Auges. e Beſold. M. 8 — — Lehrbuch der Anatomie des Ohres. M. Schwarz, F., Die morphologiſche und Geniſche Zuſammenſetzung des Protoplasmas. Breslau, Kern. M. 16. Sievers, L., Schmarotzer⸗ Statiſtik aus den Sections⸗Befunden des vatho⸗ logiſchen Inſtituts zu Kiel vom J. 1877 bis 1887. 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Handelt es ſich um das Abſprengen einer Glasröhre, beiſpielsweiſe einer Verbrennungsröhre, ſo wird folgendermaßen operiert: Man macht an einer Stelle der Sprengzone einen kurzen Feilſtrich. Zu beiden Seiten desſelben wird nun die Röhre mit Wülſten von feuchtem Filtrierpapier umgeben, derart, daß zu beiden Seiten des Feilſtriches Bahnen von 1—2 mm frei bleiben. Erhitzt man dieſen Zwiſchen⸗ raum, während die Röhre um ihre Achſe gedreht wird, über dem Bunſenſchen Brenner oder beſſer der Stichflamme eines Gasgebläſes, ſo entſteht, ohne daß Waſſer aufge⸗ tropft wird, vom Feilſtrich ausgehend, ein glatter Sprung⸗ ring, welcher genau die Mitte zwiſchen den Papierwülſten einhält. Die Papierwülſte fertigt man in der Weiſe, daß man je einen Streifen Filtrierpapier von ſolchen Dimen⸗ ſionen, daß der Wulſt 1—2 mm hoch und 2—4 em breit wird, der Länge nach einmal zuſammenfaltet, auf dem Tiſche mit Waſſer tränkt, ſodann glättet und ſchließlich, den Falz dem Feilſtrich zugewendet, ſo um die Röhre legt, ———. Humboldt. — Auguſt 1887. daß genau Falz auf Falz kommt. Bei ſolchem Anlegen der Wülſte müſſen die Röhren ſtets vollkommen gerade abſpringen. Wenn Röhren von größerem oder geringerem Durchmeſſer vorliegen, wird man natürlich die Höhe der Wülſte und den Abſtand derſelben entſprechend variieren. Nach dieſer Methode können die dünnwandig⸗ ſten Reagenscylinder, wie auch die dickwandigſten Ein— ſchmelzröhren vollkommen glatt abgeſprengt werden. Mit gleich ſicherem Erfolg läßt ſich das Verfahren auf Becher— gläſer, Flaſchen und Glasglocken anwenden. Sind die Glaswände geneigt, wie bei einem Trichter oder Retorten— halter, ſo bedingt dies nur in der Herſtellung der es wülſte eine ſelbſtverſtändliche Abänderung. Bequeme Methode zur Gewinnung von reinem Schwefelwaſſerſtoſgas. Durch Glühen von Gips und Kohle, mit oder ohne Zuſatz von Mehl bereitetes Schwefel—⸗ calcium entwickelt mit verdünnter Salzſäure reines Schwefel— waſſerſtoffgas. Es ijt jedoch nicht ganz leicht, einen gleich— mäßigen und regulterbaren Gasſtrom zu erhalten. Solches 85 ſich nun nach Freſenius (Zeitſchr. f. analyt. Chem. 1887, S. 339) vollſtändig erreichen, wenn man das von Winkler zur Entwickelung von Chlor aus Chlorkalk angewandte Princip (Ber. d. deutſchen chem. Geſ. 1887, XX, S. 184) auf Schwefelcalcium überträgt. Man reibt zu dem Zweck 4 Teile Schwefelcalcium und 1 Teil gebrannten Gips innig zuſammen, ſetzt ſo viel Waſſer zu, daß ein dicker Brei entſteht, bringt dieſen in flache, viereckige Papier— kapſeln, ebnet ihn mit einem Porzellanpiſtill und läßt die Maſſe erhärten. Die aus den Kapſeln genommenen, etwa 15 mm dicken, noch feuchten Scheiben zerſchneidet man zu Würfeln und trocknet dieſe in gelinder Wärme. Zur Zer— ſetzung des Präparates kann ein Kippſcher Gasentwickelungs⸗ apparat unter Anwendung verdünnter Salzſäure (1 Volumen Salzſäure, von 1.12 ſpee. Gew. auf 1 Vol. Waſſer) benutzt werden; die Entwickelung des Schwefelwaſſerſtoff— gaſes erfolgt dann leicht und gleichmäßig. Die Würfel erhalten ſich längere Zeit. Nach Auflöſung des Schwefel— caleiums fintt der Gips in der Salzſäure nieder und ſetzt ſich auf dem Boden des Apparates ab. Der Gas— ſtrom läßt ſich nach Belieben regulieren, auch durch Schließen des Hahnes ſtets unterbrechen. F. Die Präparation von Schmetterlingslarven durch Aufblaſen führt J. W. Tutt folgendermaßen aus. Er nimmt eine Glasröhre (b), welche an einem Ende in eine Spitze ausgezogen iſt, und ſchiebt am weiten Ende einen Gummiſchlauch (e) darüber. An dem engen Ende befeſtigt er eine kleine gebogene Feder von Stahl (a), die ſich nur in vertikaler Richtung auf und nieder bewegen kann und deren Ende mit der äußerſten Spitze der Glasröhre zu— ſammenfällt. Die ausgeweidete Raupe wird nun derartig a fixiert, daß man das ſpitze Ende der Röhre in die Anal— öffnung einführt und die Feder herabläßt, ſo daß die Raupe dadurch feſtgehalten wird. Dann bläſt man durch den Gummiſchlauch vorſichtig hinein. Iſt die Raupe zu ihrer natürlichen Größe aufgeblaſen, ſo trocknet man ſie über einer Lampe mit breiter Flamme bei mäßiger Wärme, indem man beſtändig in den Gummiſchlauch bläſt. Wenn die Raupe vollſtändig getrocknet iſt, ſo muß man, um die Raupe von der Röhre abzulöſen, oft das Analende etwas anfeuchten, da es gelegentlich an der Röhre feſthaftet. Zur Ausweidung der Raupe ſteckt man nach Tutt eine feine Nadel in die Analöffnung, bewegt ſie ſeitwärts, 327 ſowie auf- und abwärts, um die den Verdauungskanal bildende Membran zu zerſtören, legt dann die Raupe auf Löſchpapier (um die Feuchtigkeit aufzuſaugen) und rollt etwa mit einem knöchernen Federhalter in der Richtung der Analöffnung ſanft darüber hin. Man beginnt zuerſt in kurzem Abſtande von der Analöffnung und vergrößert dieſen Abſtand mehr und mehr. Würde man gleich vom Kopfe aus zu rollen beginnen, ſo würde die Raupe platzen, da die Analöffnung zu klein iſt, um die Eingeweide mit einemmal durchzulaſſen. Ms. Das Geſchlecht der Schmetterlingsraupen iſt ſchwer zu erkennen. Ein Merkmal zur Unterſcheidung der weib— lichen und männlichen Schmetterlingslarven gibt Adolf Weniger im „Entomologiſt“ an. Der Unterſchied kann erſt nach der zweiten oder dritten Häutung bemerkt werden, da er ſehr gering iſt und die zarten jungen Larven ſchwer zu handhaben ſind. Wenn man behutſam den hinteren Teil der Raupe abnimmt, die Unterſeite nach oben kehrt und das letzte mit einem Stigma verſehene Segment prüft, ſo bemerkt man das, was in beiſtehender Zeichnung wiedergegeben iſt. Nr. 1 iſt das Weibchen: man erkennt, daß es einen ſchwarzen, runden Fleck inmitten einer gelb— lichen Färbung hat, welcher in der Natur etwa ſo groß iſt, wie ein großer Stecknadelknopf. Bei dem Männchen befindet ſich derſelbe Fleck an derſelben Stelle, aber in der Mitte desſelben iſt noch ein kleiner dunkelgrüner Fleck. Da dieſe Merkmale an der getöteten und der Eingeweide beraubten Raupe fehlen, fo müſſen jie von inneren Or— ganen herrühren. Da Weniger ſeine Beobachtungen, wie es ſcheint, nur an wenigen Arten (Attacus yama-mai, pernyi, selene, cecropia) angeſtellt hat, jo fehlt noch die Beſtätigung, daß das angegebene Unterſcheidungsmerkmal ein allgemeines iſt. Ms. leber die zweckmäßige Zeitigung von Schlangen- eiern gibt der erfahrene Herpetolog Joh. v. Fiſcher im „Zoologiſchen Garten“ beherzigenswerte Winke. Die beſten Reſultate werden natürlich erzielt, wenn man die Natur möglichſt getreu nachahmt, und da iſt es von Wichtigkeit, zu wiſſen, daß die Schlangen in der Freiheit ihre Eier nicht unmittelbar in reine Erde oder Sand legen, ſondern in Löcher, Spalten, ſowie zwiſchen und unter Steine. Faſt immer laſtet die Erde oder der Sand nicht direkt auf den Eiern, ſondern mittelbar, erſt auf Stämmen, totem Laub oder gar nicht. Düngerhaufen, in denen ſich bekanntlich oft Ringelnattereier finden, üben einen ganz anderen, ſehr gedämpften Druck aus, als dies reine Erde thun würde. Dies muß man bei der künſtlichen Zucht berückſichtigen. Als Zuchtgefäß nimmt Fiſcher einen mäßig großen, möglichſt poröſen Blumentopf, bedeckt deſſen Boden mit Scherben, auf die ſehr grober Kies geſchüttet wird, um das leichte Durchſickern des Waſſers zu geſtatten, und gibt darauf eine etwa 6—8 em hohe Schicht locke— rer Erde, die zu einem Drittel mit Sand durchſetzt iſt. Das Ganze wird in einen Blumenunterſatz mit Waſſer geſtellt, damit bile von unten herauf zieht. Nachdem der Topf 1— 2 Tage an einem ſchattigen Orte geſtanden, lockert man die Oberfläche der Erdſchichte nochmals etwas auf. Betrifft die Schlangenzucht Bewohner trockener Orte, wie Cölopeltis, Coronella, Periops, Rhinechis u. ſ. w., ſo wird nun die Erdſchicht mit flachen, geſchlagenen Steinen (Trümmern von Ziegelſteinen u. dgl.) derart be⸗ 328 Humboldt. — Auguſt 1882. legt, daß Hohlräume zwiſchen ihnen bleiben, in welche die Schlangeneier gelegt werden, ohne ſie in die Erde zu drücken. Darüber wird eine größere flache Steinplatte gedeckt, die, ohne die Eier zu drücken, ſie faſt berührt, dann wird durchgeſiebte, etwas angefeuchtete Erde zwiſchen den Stein und die Topfwände geſtreut, der Topf vollends mit einer 5— 8 em hohen, etwas angefeuchteten Moosſchicht gefüllt und die nun fertige Einrichtung mit einer ſchweren Glasplatte zugedeckt. Der Topf wird an einen möglichſt warmen, recht ſonnigen, luftigen Ort geſtellt, doch ſo, daß die Sonne ihn nicht direkt treffen kann, und alle 2—3 Tage nachgeſehen, ob kein Ei faul wird. Für Bewohner des Waſſers und feuchter Orte, wie Tropidonotus, legt man auf die Erdſchicht eine recht lockere, 3—4 em hohe Schicht guten, etwas angefeuchteten Mooſes und deckt die Eier mit einer etwa 6—8 em hohen, ebenfalls angefeuchteten Moosſchicht zu, die den Topf ausfüllt, worauf die Glas⸗ platte aufgelegt wird. Bei der Aufzucht der Jungen füttert man in den erſten Lebenstagen (5—10) gar nicht und ſorgt nur für ein kleines Schälchen mit Waſſer; ſpäter nähre man die Landbewohner mit Heuſchrecken, mit Mehlwürmern und ganz jungen Eidechſen, die Schlangen der Gewäſſer mit Regenwürmern, Agrionlarven u. dgl., jungen Kaulquappen und jungen Molchen, ſpäter mit älteren Kaulquappen, jungen Fröſchen, kleinen Fiſchen und Molchen. p. Derkehr. Antwort. Herrn Ferdinand Kolbe in Augsburg. »Igno— 150 6 . iſt die Form, zu welcher der Berliner Phyſio⸗ g E. du Bois⸗Reymond mit Anſpielung auf den alt⸗ ‘antigen Wahrſpruch „ignoramus, ſeinen Satz zugeſpitzt hat, daß es für unſer Naturerkennen gewiſſe unüberſchreit⸗ bare Grenzen gebe. Unter dem Eindruck der großen Triumphe der Naturwiſſenſchaft in neuerer Zeit hatte ſich unter den Naturforſchern die Vorſtellung mehr und mehr befeſtigt, daß es überhaupt keine Rätſel, weder im ma⸗ teriellen noch im geiſtigen Gebiet, gebe, welche nicht rein mechaniſch gelöſt werden könnten. Dieſer Meinung trat du Bois⸗Reymond in einer Rede „Ueber die Grenzen des Naturerkennens“ entgegen, welche er 1872 bei der in Leipzig tagenden Naturforſcherverſammlung hielt und welche mit dem Worte „ignorabimus“ endete. Dieſe Rede iſt in 6. Auflage erſchienen und auch in die erſte Folge von du Bois⸗Reymonds geſammelten Reden aufgenommen. Sie ward der Gegenſtand zahlreicher, teils günſtiger, teils tadelnder Beſprechungen, welche 1880 den Verfaſſer ver⸗ anlaßten, unter dem Titel: „Die ſieben Welträtſel“ (Leip⸗ zig 1881 und 1884) eine zweite, den gleichen Zweck ver⸗ folgende Rede zu veröffentlichen, worin er die Beweiſe für ſeine Aufſtellung erweitert und vertieft und verſchiedene Mißverſtändniſſe berichtigt. Unter den ſieben Welträtſeln, welche aber auch als ein einziges Weltproblem zuſammen⸗ gefaßt werden können, unterſcheidet du Bois⸗Reymond franjcendente, welche er für den menſchlichen Intellekt grundſätzlich unerreichbar hält, und nicht tranſcendente, welche lösbar wären, wenn die Löſung der vorhergehenden tranjcendenten vorläge. Die beiden erſten Welträtſel ſind tranſcendent; das ſind das Weſen von Materie und Kraft und der Urſprung der Bewegung. Die Entſtehung des Lebens dagegen hält du Bois⸗Reymond, welcher ſomit an die Urzeugung zu irgend einer weit zurückgelegenen Zeit glaubt, für kein tranſcendentes Problem, da es ſich dabei ſchließlich nur um Bewegung und Anordnung von Stoff⸗ thes handle. Das vierte Rätſel, die Zweckmäßigkeit in den Einrichtungen der organiſchen Natur, welche die Deiſten zum Schluß von der Uhr auf den Uhrmacher be⸗ nutzen, betrachtet er als bedingungsweiſe gelöſt durch Darwins Selektionstheorie, mithin als nicht tranſcendent. Als ab⸗ ſolut tranſeendent dagegen erſcheint ihm das Zuſtande⸗ kommen des Bewußtſeins auch in ſeiner einfachſten und niederſten Geſtalt als bloße Empfindung ſinnlicher Quali⸗ täten, oder von Schmerz oder Luſt. Dies iſt unter du Bois⸗ Reymonds Aufſtellungen die, welche das größte Aufſehen machte, indem ſie den Anſchein erweckte, als ginge ihr Urheber, der bis dahin für einen Vorkämpfer der mo⸗ niſtiſchen Weltanſchauung galt, in das dualiſtiſche Lager über. Mit Recht aber beklagt ſich in den „ſieben Welt⸗ rätſeln“ der Verfaſſer über das geringe dialektiſche Ver⸗ mögen ſeiner Gegner, welche nicht im ſtande waren zu unterſcheiden zwiſchen der Behauptung, die er widerlegte: Bewußtſein kann mechaniſch erklärt werden, und der Be⸗ hauptung, die er verteidigte: Bewußtſein iſt an materielle Vorgänge gebunden. Beſonders auf die Unmöglichkeit, das Bewußtſein mechaniſch zu erklären, bezieht ſich das berufene »ignorabimus®. Keineswegs iſt übrigens, wie du Bois⸗ Reymond ſelber betont, dieſe Einſicht neu; ſie findet ſich ſchon bei Locke, Leibniz, Lamettrie, Rouſſeau u. a. Ihm eigen aber iſt ſein Beweis für dieſen Satz. Er nennt aſtronomiſche Kenntnis eines materiellen Syſtemes ſolche Kenntnis, wie wir ſie annähernd vom Planetenſyſtem haben, eine Kenntnis, welche es uns ermöglicht, Be⸗ wegungen und Lagen aller betrachteten Maſſen zu einer gegebenen Zeit vor- und rückwärts zu berechnen. Solche Kenntnis iſt, wie er ausführt, die vollkommenſte Einſicht, welche wir von einem materiellen Syſtem haben können, und ſie läßt unſerem Kauſalbedürfnis nichts zu wünſchen übrig als das Verſtändnis von Materie und Kraft und vom Urſprung der Bewegung. Stellen wir uns nun vor, wir hätten die aſtronomiſche Kenntnis von einem noch ganz rätſelhaften organiſchen Vorgange, beiſpielsweiſe der Be⸗ fruchtung, ſo würde an dieſem Vorgange nichts mehr zu erklären übrigbleiben, als das Weſen von Materie und Kraft, es wäre ſo völlig durchſchaut, wie die Natur unſeres Intellektes es erlaubt. Stellen wir uns dagegen vor, wir hätten die aſtronomiſche Kenntnis vom Gehirn, ſo würde uns auch die einfachſte geiſtige Thätigkeit noch ebenſo rätſelhaft und unermittelt erſcheinen wie vorher. — Ver⸗ ſtänden wir aber das Bewußtſein auch niederſter Stufe aus mechaniſchen Gründen, ſo ließe ſich wohl von hier aus eine Stufenleiter geiſtiger Aktionen herſtellen, bis zu den höchſten Leiſtungen der mit dem Werkzeug der Sprache operierenden Vernunft. Daher dies ſechſte Welträtſel für kein tranſcendentes gelten kann. Als ſiebentes Welt⸗ rätſel betrachtet du Bois-Reymond die Willensfreiheit in ihrem Widerſpruch mit dem Naturmechanismus. Doch würde dies Problem aus einem tranſcendenten zu einem gegenſtandsloſen, ſobald man ſich entſchlöſſe, die Willens⸗ freiheit zu leugnen und das jubjettive Freiheitsgefühl für Täuſchung zu erklären. — Bei der Beurteilung dieſer Sätze darf man nicht aus den Augen verlieren, daß du Bois⸗ Reymond ſich ſtreng auf den Standpunkt des theoretiſchen Naturforſchers ſtellt und als wiſſenſchaftliches Verſtändnis allein die mathematiſch ausdrückbare Abhängigkeit zwiſchen zwei Zuſtänden eines materiellen Syſtemes gelten läßt. „Wo Supernaturalismus ſich einmiſcht,“ ſagt er in dem Vortrag Ueber die Uebung! (in der zweiten Folge der Reden) „hört Wiſſenſchaft auf. Wie der Juriſt das Recht finder, unbekümmert um Billigkeit und mildernde Umſtände, ſo denkt der Naturforſcher mechaniſch, unbekümmert um alters⸗ heilige Ueberzeugungen, über welche ſeine Schlüſſe hinweg⸗ ſchreiten; dieſe Schlüſſe mit jenen Ueberzeugungen zu ver⸗ ſöhnen, iſt nicht ſeines Amtes.“ D. Strömungsverſuche und deren Bedeutung für die Phyſik des Kosmos und der Erde. Von Profeſſor Dr. S. Günther in München. § 5. Soweit reicht, was wir von Strömungs⸗ geſtaltungen in tropfbaren Flüſſigkeiten zu berichten haben. Indem wir uns jetzt den elaſtiſchen Flüſſig— keiten zuwenden, tritt an die Stelle der Vielſeitigkeit eine gewiſſe Einförmigkeit. War nämlich auch als paſſives Medium wohl mit Ausſchließlichkeit gewöhn— liches Waſſer gewählt worden, ſo ſtand für die aktive Subſtanz unter den verſchiedenen Körpern von mehr oder minder großer Zähflüſſigkeit die Wahl offen. Sobald jedoch gerodynamiſche Verſuche in Frage kamen, iſt man wie in ſtillſchweigender Ueberein— ſtimmung faſt ſtets darauf verfallen, reine atmoſphä— riſche Luft als paſſive, Tabakrauch als aktive Flüſſig⸗ keit zu verwenden. Zunächſt iſt, wie wir aus den Andeutungen von Reuſch ſchließen möchten, der Amerikaner Rogers auf das fo fruchtbare Rauchexperiment verfallen 3). Reuſch ſelbſt hat die Entſtehung und Durchſetzung der Ringe mit Tabakrauch zur Darſtellung gebracht. Ob überhaupt und inwieweit der bekannte ſchottiſche Phyſiker Tait durch dieſe letzteren Verſuche beeinflußt worden iſt, wiſſen wir nicht anzugeben; jedenfalls hat derſelbe die Unzerſtörbarkeit der Wirbelringe mit Hilfe eines Apparates nachzuweiſen fic) bemüht“), welcher mit denjenigen von Reuſch, den wir in Fig. 1 abbildeten, große Aehnlichkeit beſitzt. Aus einem hölzernen parallelepipediſchen Kaſten wurde die eine Längswand herausgenommen und durch ein ſtramm geſpanntes Stück Zeug erſetzt. In dem Mittelpunkt der gegenüberliegenden Wand brachte der Experimentator eine kreisrunde Oeffnung an, und ) Da uns Taits Originalarbeit nicht vorliegt, citieren wir nach dem eingehenden Berichte von Laßwitz ?). Humboldt 1887. II. nachdem das Innere des Kaſtens mit Rauch — oder auch mit ſehr fein verteiltem Salmiakſtaube — an⸗ gefüllt war, erteilte jener der die Rückſeite verſchließen⸗ den Membran einen centralen Anſtoß. Durch die Reibung der mit dem aktiven Stoffe geſchwängerten Luft, deren Bewegungen nunmehr gut ſichtbar waren, bildete ſich ein wirklicher Wirbelring, welcher annähernd das von der Theorie geforderte Verhalten zeigte. Es iſt bekannt, daß William Thomſon durch die treff— lich gelungenen Verſuche Taits ſich zu dem Ausſpruche begeiſtern ließ, in dem geſchloſſenen Wirbelfaden, dem unzerreißbaren und unvertilgbaren, ſei das „einzig wahre Atom“ gefunden. § 6. An unmittelbare Verwertung des Rauch— experimentes für die Meteorologie hatte keiner der genannten Forſcher gedacht. Es iſt das Verdienſt unſers Landsmannes Vettin, Anwendungen dieſer Art von den beſprochenen Verfahren gemacht zu haben, und zwar ſofort im großen Stile. Die ſchematiſchen Anſchauungen von dem Wechſel— ſpiele äquatorialer und polarer Luftſtröme, welchen die Doveſche Schule für einige Zeit zur Herrſchaft verholfen hatte, konnten den ſinnigen Forſcher nicht befriedigen. Indem er Tabakrauch in einen durch Glaswände abgeſchloſſenen Kaſten eintreten ließ und eine Stelle der Wandung erwärmte, glückte ihm?“) die Herſtellung einer Cirkulationsbewegung, welche das Wehen des obern und untern Paſſates ziemlich treu zur Darſtellung brachte. Allein es zeigte ſich auch, daß an ein Dahinfließen der beiden Paſſat⸗ ſtröme in feſten Bahnen nicht zu denken, daß gegen— teils die Grenzfläche zwiſchen beiden Strömen in be- ſtändigem Wogen begriffen iſt, und daß dieſelbe vom Aequator zum Pole hin ſich mehr und mehr ſenkt. 42 330 Humboldt. — September 1887. Indem Vettin für verſchiedene Breiten die Barometer⸗ ſtände verglich, konnte er darthun, daß ſein empiriſch gewonnenes Ergebnis ſich mit der Wirklichkeit voll⸗ kommen decke '). Wenn aber auch Vettins beide Auf⸗ ſätze Dinge behandeln, deren Erklärung durch Doves Grundſätze nicht ohne weiteres erbracht werden kann, ſo lag doch auch noch keine direkte Auflehnung gegen Prinzipien vor, und es ſah ſich deshalb auch der Meiſter noch nicht veranlaßt, gegen das Stören ſeiner Zirkel direkt und öffentlich Proteſt einzulegen. Um ſo nachdrücklicher aber erfolgte dieſer Proteſt, als Vettin es wagte, jenen vorbereitenden Studien eine Fort⸗ ſetzung folgen zu laſſen ) und in dieſer das große Problem der atmoſphäriſchen Bewegungen ganz in ſeiner eigenen Weiſe anzugreifen. Man mag ja gegen dieſe ältere Arbeit auch vom Standpunkte der ſeuzeit manches einzuwenden haben, es mag zuge⸗ geben werden, daß vorab die Hageltheorie, die ſich nur auf einige im Laboratorium angeſtellte Verſuche ſtützt, zu wenig durchgearbeitet erſcheint, um Billigung finden zu können. Keinesfalls vermag ein objektiver Beurteiler die Heftigkeit zu begreifen, mit welcher Dove einem Manne begegnete), deſſen Streben er, mochte ihm auch der eingeſchlagene Weg als ein nicht zum Ziele führender erſcheinen, unter allen Um⸗ ſtänden hätte anerkennen müſſen. Leider erreichte die heftige Polemik ihren Zweck, denn Vettin ließ ſich durch die Gegnerſchaft, die ihm ſo unerwartet er⸗ ſtanden, zwar nicht zu einer Aenderung ſeiner Ueber⸗ zeugungen, wohl aber dazu beſtimmen, daß er ſeine Studien nur mehr im ſtillen fortſetzte und von jeder Veröffentlichung etwaiger Studienfrüchte abſah. Er hätte wohl auch in dieſer ſeiner Zurückgezogenheit beharrt, wenn nicht W. Köppen ihn zur Aufgabe derſelben beſtimmt und ihn bewogen haben würde, heute, wo der Boden für die Aufnahme ſolcher An⸗ ſchauungen ein ſo ungleich günſtigerer geworden, die ausgereiften Ergebniſſe langjähriger Forſcherarbeit von neuem, und zwar in weit verbeſſerter Form, vorzulegen. § 7. Das von Vettin angewandte und in der erwähnten neueren Arbeit?) einläßlich beſchriebene Verfahren iſt an ſich ein überaus einfaches, es er⸗ ) Während Vettin von der Anſicht ausgeht, daß ſämtliche Störungen des atmoſphäriſchen Gleichgewichtes ſich auf eine identiſche Urſache, nämlich auf Temperatur⸗ differenzen zurückführen laſſen müßten, wird es in Doves Replik ), wofern dieſer Ausdruck beim Fehlen eines eigent⸗ lichen Angriffes geſtattet iſt, als eine Ketzerei bezeichnet, ſo grundverſchiedene Erſcheinungen, wie eine Land⸗ und Seebriſe einerſeits und einen Wirbelwind andererſeits unter einen Hut bringen zu wollen. Faſt komiſch wirkt heute der folgende Satz “): „Der Weg, welchen Herr Vettin einſchlägt, würde konſequent befolgt dazu führen, daß ein in Stockholm geſchriebenes Lehrbuch der Meteorologie in St. Petersburg unverſtändlich wäre.“ Gerade umgekehrt hat Dove durch ſeine verfrühte Verallgemeinerung unvoll⸗ ſtändiger, in Mitteleuropa geſammelter Erfahrungen es dahin gebracht, daß z. B. für Nordlandbewohner ſein „Drehungsgeſetz“ faſt jeden Sinn einbüßte. fordert jedoch nach dem Zeugniſſe von Köppen die Handhabung der Methode eine nicht unerhebliche Ge⸗ ſchicklichkeit, weshalb wohl auch die bezüglichen Ver⸗ ſuche noch nicht häufig wiederholt worden zu ſein ſcheinenk). Ein Parallelepipedum mit Glaswänden dient als Verſuchsraum; der Experimentierende füllt den Mund durch einige lange Züge mit dem Rauche ſeiner Cigarre und läßt dieſen durch ein in die Boden⸗ fläche des Kaſtens mündendes Rohr langſam ein⸗ ſtrömen. Der Tabakrauch lagert ſich dann zunächſt als dünne, homogene Schicht über der Bodenfläche. Jetzt aber wird eine Stelle dieſer letzteren erwärmt? ), und ſofort beginnt die Entwickelung der Ströme. Es läßt ſich a priori nicht beſtimmen, welche geſtalt⸗ lichen Verhältniſſe im konkreten Falle zu erwarten ſind; die Abhängigkeit der Formen vom Ort der Erwärmungsſtelle, von der Art und Intenſität der Wärmezufuhr iſt eine ſo entſchiedene, daß auch beim beſten Willen der den Verſuch Anſtellende für die Details des Ausfalles nicht garantieren kann. Fig. 7. Eine ſehr häufig auftretende Stromfigur iſt in Fig. 7 erſichtlich gemacht; gewiſſe ſpitze Hervorragungen des zuerſt ſich bildenden Wulſtes erinnern an die Auf⸗ löſung des obern Randes von Kumuluswolken in feine Zirrusfäden, wie ſolches von Ley, dem berühmten Wolkenforſcher Englands, öfters beobachtet worden iſt 0). Der Erwärmungseffekt läßt ſich noch dadurch ſteigern, daß man an entſprechend gelegenen Orten Wärmeentziehungen damit verbindet. So legte Vettin, ehe er den Tabakdampf einſtrömen ließ, Eisſtücke an *) Am eifrigſten beſchäftigt ſich neben Vettin mit ſolchen Experimenten der bekannte Meteorologe Börnſtein, Profeſſor der Phyſik an der landwirtſchaftlichen Hochſchule zu Berlin. Derſelbe hat die Verſuchsanordnung mehrfach in ſelb⸗ ſtändiger Weiſe modifiziert und hauptſächlich auch den Ein⸗ fluß der künſtlichen Gebirge genau geprüft. Die Mitglieder der 1886er Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte hatten Gelegenheit, die Apparate Börnſteins an Ort und Stelle zu beaugenſcheinigen. Während die vorliegende Arbeit dem Druck entgegenſah, erſchien eine Note Börnſteins ), worin über ſeine Erweiterung der Vettinſchen Methode Bericht erſtattet und namentlich der experimentelle Nachweis für eine gewiſſe Attraktions⸗ und Retentionskraft von Gebirgsmauern gegenüber den Gewittern angetreten iſt. ) Die Erwärmung erfolgt mittelſt einer wenige Sekunden unter die Bodenplatte gehaltenen Lichtflamme oder ſelbſt nur mit der natürlichen Wärme des angelegten Fingers. Humboldt. — September 1887. zwei weit auseinanderliegende Punkte des Bodens und erzeugte fo eine Doppeleirkulation nicht unähn⸗ lich jener, welche v. Bezolds Stromgebilde in Fig. 6 wahrnehmen laſſen. Man darf annehmen, daß ein Wulſt, wie er hier beobachtet wird, auch oberhalb des Aequators entſteht. Zu beiden Seiten der Kalme, d. h. des aufſteigenden Luftſtromes, treten rotierende intracirkuläre Luftſchläuche hervor. Man kann durch lokale Erhitzung die Kalme ganz in dem Sinne zur Wanderung zwingen, wie ſie ja infolge der ſchein— baren Bewegung der Sonne auch auf der Erde vor— und rückwärts ſchreitet; ſowie man aber dieſe Wärme⸗ quelle wegnimmt, ſtellt ſich auch unverzüglich die Symmetrie wieder her. Man muß, wenn man die Erſcheinung im kleinen ſorgfältig betrachtet, zu der Annahme gelangen, daß, wie ſchon in Vettins früheren Publikationen angedeutet war, ein Teil des Paſſates jener Halbkugel, auf welche die Kalme gerade zu— wandert, in den Antipaſſat der andern Halbkugel eintritt und ſo zur Verſtärkung der dortigen Cirku— lation beiträgt. Wenn man ein unſymmetriſches Drehungsſyſtem gebildet hat und alsdann durch ört⸗ liche Wärmezu- oder Abfuhr weitere ſekundäre Cirku⸗ lationen erzeugt, ſo zeigen dieſelben ein ſehr ver— ſchiedenes Verhalten, je nachdem fie auf der Seite ent= ſtehen, nach welcher die Luft ohnehin ſich bewegt, oder auf der entgegengeſetzten: im erſten Falle treiben ſie nämlich ihr Spiel für ſich, ohne ſich von der Haupt⸗ ſtrömung beeinfluſſen zu laſſen, im andern Falle aber verliert die ſekundäre Rotation bald ihre Selbſtän⸗ digkeit. Im zweiten Teile ſeines Eſſays beginnt der Ver— faſſer mit Drehungsverſuchen. Indem er einen eylin⸗ driſchen Kaſten auf die Scheibe des Rotationsappa⸗ rates ſtellt, und dieſen in Bewegung ſetzt, verwandelt er die Luftbahnen nicht etwa in Kreiſe, ſondern in eigentümlich geformte Spiralen, welche unten vom Centrum gegen die Peripherie hin und weiter oben von der Peripherie gegen das Centrum hin verlaufen. Nur an den Rändern deformieren ſich dieſe Spiral—⸗ linien in geſchloſſene Ovale. Es ergibt ſich hieraus der wohl nicht ganz neue, aber ſo beſtimmt und mit ſo viel Beweiskraft noch nicht ausgeſprochene meteo— rologiſche Lehrſatz, daß die Richtungen des obern und untern Paſſates nicht, wie man ſeit Hadley und Kant glaubte, einander diametral entgegengeſetzt, daß vielmehr die mannigfachſten Richtungsunterſchiede vorhanden find*). Der Verſuch lehrt, daß gegen die Mitte hin die Bahnen der Luftteilchen immer näher aneinander rücken; es müſſen ſonach auch in Wirklichkeit Luftmaſſen aus dem Oberlaufe herab— ſinken, um nach kurzem Stillſtande ſich wieder dem Unterlaufe anzuſchließen. Die rotierenden intracir— kulären Luftſchläuche erſcheinen, von oben geſehen, als zwei der Kalme parallel verlaufende Bänder? ). *) Gewiſſe früher unerklärliche Anomalien im Trans⸗ port von vulkaniſcher Aſche ergeben ſich nunmehr als etwas ganz ſelbſtverſtändliches. **) Vettin vergleicht dieſe Bänder mit den bekannten Aequatorialſtreifen des Planeten Jupiter, deſſen Oberfläche 331 Zwiſchen Paſſat und Antipaſſat dürften hiernach ſchwächere, rein weſtlich ziehende Strömungen einge— ſchaltet ſein. Zur Darſtellung der großen Luftwirbel nimmt Vettin “) eine mit Waſſer teilweiſe bedeckte flache Schüſſel, die er rotieren läßt und in der Mitte er- hitzt. Man erhält dann aufſteigende Luftſtröme, welche mit der gerade im Zimmer vorherrſchenden Strömung fortſchreiten. Bahn und Geſchwindigkeit eines Wirbelſturmes werden beeinflußt durch die Rich— tung und Schnelligkeit beider Paſſatzüge, und zwar wird der obere der maßgebendere ſein; er iſt es, der durch ſeine mit großer Rotations- und Fortſchreitungs—⸗ geſchwindigkeit ausgeſtatteten und von oben nach unten vordringenden Luftmaſſen dem Sturm ſeine furchtbare Gewalt verleiht. Dagegen weiten die nach Maßgabe von Fig. 7 ſich immer von neuem bildenden „Rollen“ die „Spindel“ des Sturmwirbels aus und bereiten dadurch deſſen allmähliche Auflöſung vor. In dieſen Rollen iſt nach Vettin der Ort für Platzregen, Grau— peln und Hagel zu ſuchen, und zwar würde ſich die eine oder andere dieſer drei Niederſchlagsmodalitäten ergeben, je nachdem die Luft innerhalb der Rollen wärmer oder kälter oder endlich teils wärmer teils kälter als 0 C. wäre). Aus dem Verſuche er- ſieht man auch, daß ſich der die Achſe des Wirbels bildende abſteigende Luftſtrom **) nach unten zuſpitzt, ſo daß mithin ein gerade in der Verlängerung der ſich ja unſerem Auge ebenfalls in orthographiſcher Projektion darſtellt. Dem entſpricht eine Bemerkung von Neweomb 40): „In der Anordnung der Wolken zu dem Aequator parallelen Streifen und in dem Wechſel ihrer Formen mit der Breite (in der Nähe der Pole finden ſich nur zarte oder gar keine Streifen) könnte man etwas den Wolken- und Regenzonen unſerer Erde Analoges finden.“ *) Unwillkürlich erinnert dieſe Hypotheſe bei all der unendlichen prinzipiellen Verſchiedenheit der Ausgangs— punkte an die Regen- und Hageltheorie der antiken und mittelalterlichen Naturphiloſophen. Dieſer zufolge ſind die Beſtandteile des Niederſchlages in einer Wolke eingeſchloſſen, und wenn dieſe platzt, ſo werden jene frei und ſtürzen herab 5). **) Die Streitfrage, ob die unzweifelhaft vorhandene vertikale Luftbewegung im Innern einer Trombe eine von oben nach unten oder eine von unten nach oben gerichtete ſei, ſteht ſchon ſeit geraumer Zeit auf der wiſſenſchaftlichen Tagesordnung, zumal da auch bei der Erklärung der großen Wirbelbewegungen auf der Sonne die Rückſichtnahme auf die im kleinen Maßſtabe ähnlichen Windwirbel der Erde nicht zu umgehen war. Reye, dem wir die erſte mathe— matiſche Theorie dieſer letztern verdanken, faßt ſeine Anſichten über die Sonnenwirbel in dem Satze zuſammen **): „Die Sonnenflecke ſind wolkenartige Verdichtungsprodukte in den untern Regionen der Sonnenatmoſphäre, welche ſich ähnlich wie die großen Wolkenſchichten der irdiſchen Zyklonen von unten her erneuern.“ Dem gegenüber trat Faye mit Ent⸗ ſchiedenheit für eine im entgegengeſetzten Sinne vor ſich gehende Bewegung ein 6). Soweit wir ſehen, hat fic) die Mehrzahl der Fachmänner in dieſem Streite mehr auf die Seite des deutſchen Mathematikers geſtellt, allein aus Vettins Verſuchen ſcheint unleugbar der Fayeſchen Wuf- faſſung eine neue und kräftige Stütze erſtehen zu wollen. 332 Humboldt. — September 1887. —— ̃ ̃ eee Achſe befindliches Auge ein Stückchen wolkenfreien Himmels, das dem Seefahrer der Tropenregion nur allzuwohl bekannte „Auge des Sturmes“, erblicken würde. Eine bei dem großen Teifun von Manila (20. Oktober 1882) gemachte Beobachtung beſtätigt die Exiſtenz eines niederſteigenden Achſenſtromes: ehe die Kalme über die Stadt wegging, ſtieg die Temperatur um 7°, während die Luftfeuchtigkeit um 57% ſank, und gleich nach dem Vorübergange des Sturmcentrums ftellten ſich die normalen Verhältniſſe in der Atmoſphäre wieder her. Die ältere Verſuchsweiſe, ſo äußert ſich Vettin in einer beſonderen Note ), geſtattete weſentlich Tromben und Tornados zu verſinnbildlichen, d. h. Luftwirbel, bei denen die vertikale Dimenſion beträcht⸗ lich überwiegt, allein damit iſt noch keineswegs alles gethan, da umgekehrt bei vielen Wirbeln die Flächen⸗ ausdehnung die überwiegende iſt. Zur Darſtellung von Cyklonen dieſer letztern Art bedient man ſich des Apparates in Fig. 8. Auf die Scheibe ab der Rota⸗ tionsmaſchine wird eine kreisrunde Blechrinne von 10 cm innerem, 14cm äußerem Durchmeſſer geſetzt, und über dieſe ſtülpt man wieder den viereckigen Glaskaſten fg hi, der durch ein Gegengewicht k äquilibriert wird. Bei e läßt man den Rauch ein⸗ ſtrömen. Man vermag dann zu konſtatieren, wie ſich die Spindel des Wirbels kelchförmig nach oben er⸗ weitert, und wie Luft von oben nach unten ſinkt. Der Wirbel bleibt ſo lange ſichtbar, als ſich noch un⸗ geſchmolzenes Eis in der Rinne ced und als ſich die Platte ab in Drehung befindet. Von beſonderem Intereſſe iſt ſchließlich eine Ver⸗ feinerung des Verſuches, darin beſtehend, daß kleine rechteckige Brettchen von verſchiedener Höhe dem Luft⸗ ſtrom als „Gebirge“ in den Weg geſtellt werden. Es zeigt ſich alsdann, wie Vettin in manigfachſter Variation des Prinzipes darthut, daß die ſich nähernde Kalme eine ſcharfe Ausbuchtung gegen das höhere Hindernis erfährt. In der Natur trifft ähnliches zu für den Himalaya, an deſſen himmelanſtrebende Mauer ſich weiter nach Oſten hin niedrigere Berg⸗ ketten anſchließen; auf die bedeutende Einwirkung, welche dieſes Gebirge auf das Spiel der Monſun⸗ winde über dem Indiſchen Ocean ausübt, fällt durch dieſes Experiment ein neues Schlaglicht. Der Hima⸗ laya zwingt die Kalme, bis zu ihm vorzudringen, und er würde dies ſelbſt dann thun, wenn ſeine Lage eine noch nördlichere wäre, als ſie thatſächlich iſt. Indem mit dem aufſteigenden Luftſtrom und mit Gebirgen von verſchiedener Höhen- und Längser⸗ ſtreckung die Verſuche in allen möglichen Kombina⸗ tionen vorgenommen werden, gelingt die Veranſchau⸗ lichung aller der verwickelten Differentiierungen der Luftbewegung, welche für eine Monſunregion charat- teriſtiſch ſind. Man kann ſogar die geographiſchen Verſchiedenheiten nachahmen, welche reſp. dem über dem arabiſchen, bengaliſchen und chineſiſchen Meere wehenden Monſun ſein typiſches Gepräge verleihen. Es iſt uns begreiflicherweiſe nicht möglich, die ein⸗ gehenden Darlegungen Vettins hier ebenſo eingehend wiederzugeben, vielmehr muß es genügen, von dem Weſen und der Methodik dieſer experimentellen Meteo⸗ rologie ein hoffentlich anſchauliches Bild entworfen zu haben?). § 8. Es dürfte ſich empfehlen, am Schluſſe dieſes gedrängten Ueberblicks, für welchen wir als ein kleines Verdienſt lediglich die Subſumtion vieler zerſtreuter und iſoliert daſtehender Arbeiten unter einen gemein⸗ ſamen Geſichtspunkt in Anſpruch nehmen, nochmals einige der gewonnenen Reſultate nebſt den daraus für Aſtronomie und phyſiſche Erdkunde entfließenden Konſequenzen überſichtlich zuſammenzuſtellen. Dies könnte etwa in der folgenden Weiſe geſchehen. I. Die Strömungsfiguren, welche ſich beim Ein⸗ dringen einer aktiven in eine paſſive Flüſſigkeit er⸗ geben, dienen teils zur Verifikation der auf mathe⸗ matiſchem Wege gewonnenen Anſichten über das Weſen der Wirbelbewegung, teils auch zur Erſichtlichmachung der progreſſiven und rotatoriſchen Bewegungen, welche durch Temperaturunterſchiede irgendwelcher Art im Innern einer Flüſſigkeitsmaſſe ausgelöſt werden. II. Im erſtern Falle erhält man Analoga zu jenen mächtigen Eruptionsprozeſſen, welche ſich gegenwärtig noch in der Photoſphäre der Sonne ab⸗ ſpielen und vermutlich auch dereinſt in den oberfläch⸗ lichen Partien unſeres im Glutzuſtande befindlichen Erdkörpers ſich abgeſpielt haben); im zweiten Falle kommt es zu Cirkulationsſtrömungen, welche wohl mehr, als bisher, beim Studium der großen Strö⸗ mungen unſerer irdiſchen Meere berückſichtigt zu wer⸗ den verdienen“ ). ) Vielleicht ließe ſich auch an die Variante denken, ſtatt der „Gebirge“ kleine „Wälder“ aus Tannenreiſig u. dgl. mit der fortſchreitenden Kalme in Kontakt zu bringen. Bekanntlich haben Künzers Unterſuchungen es außer Zweifel geſetzt, daß ein Wald von entſprechend großen Dimenſionen dem Laufe der Gewitter unter Umſtänden die Richtung anweiſen kann +7). **) Man muß hierbei unwillkürlich an Tſchermaks ““) Auffaſſung des Vulkanismus denken (ſ. o. § 2), welcher zufolge der letztere kein der Erde eigentümliches, ſondern ein allenthalben im Weltall uns begegnendes kosmiſches Phänomen iſt. Die Meteorſteine, welche auf unſere Erde fallen, ſind dann gewiſſermaßen erſtarrte Wirbel, welche ſich im Sinne der Reuſchſchen Verſuche aus der feurig⸗ flüſſigen Oberflächenſchicht eines entfernten Weltkörpers losgelöſt haben. **) So wenig, zumal im Hinblick auf die neueren Forſchungen von J. Hofmann und Krümmel, daran ge⸗ zweifelt werden darf, daß Zöppritzs Zurückführung der Humboldt. — September 1887. III. Ganz beſonders aber haben uns die umfäng⸗ lichen Verſuche Vettins mit Tabakrauch belehrt, daß und wie die überkommenen Erklärungen der Paſſat⸗ und Monſunwinde, ohne in ihrer grundſätzlichen Richtigkeit beeinträchtigt zu werden, modifiziert und vor allem ihres ſchematiſchen Charakters zu Gunſten tiefer dringender Individualiſierung entkleidet werden müſſen. Ueberhaupt verſpricht das Betreten des von Vettin vorgezeichneten Weges uns noch viele tiefere Einblicke in den innern Mechanismus ſolcher atmo— ſphäriſcher Prozeſſe, welche ihrem Allgemeincharakter nach bereits früher eine zureichende Erklärung gefun— den haben. großen translatoriſchen Bewegungen im Weltmeere auf Luftadhäſion und innere Reibung durchaus das richtige trifft, ſo iſt doch ebenſowenig in Abrede zu ſtellen, daß kleinere, lokale Cirkulationsſyſteme dem Streben nach einem Wärmeausgleich ihr Daſein verdanken können und gerade nach dieſer Richtung hin fordern v. Bezolds Verſuche zu erneutem Nachſpüren auf. Denn angeſichts der Thatſache, daß minimale Temperatur- und Dichtedifferenzen, wie fie ſich in den Oceanen allerorts vorfinden, zur Entſtehung der in Fig. 5 gekennzeichneten Drehungsſtröme den Anlaß geben, muß man notgedrungen mit dem Vorhandenſein ähnlicher Korrektionsſtrömungen rechnen. 333 31) Reuſch, a. a. O., S. 3 ff. 32) Laßwitz, Ueber Wirbelatome und ſtetige Raumerfüllung. Viertel⸗ jahrsſchr. f. wiſſenſch. Philoſ., 3. Jahrgang, S. 212 ff. 33) Vettin, Meteorologiſche Unterſuchungen. Ann. d. Phyſ. u. Chem., 100. Band, S. 99 ff. 34) Vettin, Ueber den mittlern Barometerſtand in verſchiedenen Breiten. Ibid. 100. Band, S. 595 ff. 35) Vettin, Ueber den aufſteigenden Luftſtrom, die Entſtehung des Hagels und der Wirbelſtürme. Ibid. 102. Band, S. 246 ff. 36) Dove, Einige Bemerkungen zu dem meteorologiſchen Aufſatze des Herrn Vettin Ibid. 102. Band, S. 607 ff. 37) Ibid. S. 612. 38) Vettin, Experimentelle Darſtellung von Luftbewegungen unter dem Einfluſſe von Temperaturdifferenzen und Rotationsimpulſen. Meteorol. Zeitſchrift, 1. Jahrgang, S. 227 ff., S. 271 ff.; 2. Jahrgang, S. 172 ff. 30) Börnſtein, Ueber Gewitter im Juli 1881. Verhandl. d. phyſik. Geſellſch. in Berlin, 1886, Nr. 13. 40) Ley, On the Structure of Cirro-Filum, of the Met. Society, Vol. IX, S. 216. 41) Neweomb⸗Engelmann, Populäre Aſtronomie. Leipzig 1881. S. 386. 42) Vettin, Exper. Darſt. ꝛc., S. 373 ff. 43) Günther, Geſchichte des mathematiſchen Unterrichts im deutſchen Mittelalter bis zum Jahre 1525. Berlin 1887. S. 123. 44) Reye, Die Wirbelſtürme, Tornados und Wetterſäulen in der Erdatmoſphäre, mit Berückſichtigung der Stürme in der Sonnenatmo⸗ ſphäre. Hannover 1872. S. 177 ff. 45) Faye, Cyclones solaires. Vol. LXXVIII, S. 929 ff. 46) Vettin, Experimentelle Darſtellung von Cyklonen mit vorwie⸗ gender Flächenausdehnung. Meteorol. Zeitſchr., 2. Jahrgang, S. 186 ff. 47) Künzer, Ueber den Einfluß des Waldes auf den Zug der Ge— witter im Kreiſe Marienwerder. Danzig 1880. 48) Tſchermak, Ueber den Vulkanismus als kosmiſche Erſcheinung. Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wiſſenſch., Math.⸗Naturw. Kl., 75, I, S. 151 ff. Quart. Journ. Compt. rend. de l'acad. frang. Die Geſchichte des Mainzer Tertiärbeckens, ſeine Cier= und Pflanzenwelt. Von Dr. F. Kinkelin in Frankfurt a. M. hrer Entſtehungsgeſchichte nach und daher vielfach nach der Art ihres Aufbaues, der Plaſtik, unter⸗ ſcheiden wir heute beſonders drei Formen von Ge— birgen. Die aus ähnlichen Elementen aufgebauten Gebirge, die Gebirge von ähnlichem tektoniſchem Auf— bau haben eben auch mehr oder weniger ähnliche Phyſiognomie. Ich nenne vorerſt die vulkaniſchen Gebirge, die an vielen Orten in heutiger Zeit vor unſeren Augen ent— ſtehen; über die Geſchichte ihres Entſtehens kann daher kein Zweifel walten. Sie ſetzen ſich zuſammen aus an verſchiedenen benachbarten Orten geſchehenen Aus- ſchüttungen aus dem Inneren der Erde, aus Aſchen und Laven. Wir könnten ſie daher auch Aufſchüt— tungs gebirge nennen. Zunächſt können wir ein ſolches Gebirge — das Siebengebirge — bei einer Rheinreiſe gegenüber Bonn erreichen oder, wenn wir uns ſüdlich gewendet, gegenüber Freiburg am Kaiſer— ſtuhl; ein ſolches aus zahlreichen vulkaniſchen Kegel— bergen beſtehendes Gebirge, das Högau, durchfahren wir, wenn wir von Offenburg aus die herrliche Tour auf der Schwarzwaldbahn nehmen, wenige Stationen, ehe wir Konſtanz erreichen. Neues Material, aus dem Inneren, aus unbekannter Tiefe und durch noch unſicher erkannte Kräfte hervorgedrängt oder geſchleu— dert, hat hierbei das Niveau der Erdoberfläche lokal er— höht. Mehrere ſolcher einzelner Berge, alle urſprüng— lich von kegelförmiger Geſtalt, bilden zuſammen eine Einheit, das vulkaniſche Gebirge; ſie hängen jedoch im einzelnen zu loſe zuſammen, um nicht den iſolierten Berg mehr hervortreten zu laſſen. Maſſig, weil aus feurigem Fluß erſtarrt, ſind zum größten Teil die Geſteine, aus denen ein ſolches Gebirge ſich zuſammen— ſetzt; ſie ſind total verſchieden von denjenigen ihrer Unterlage, auf der ſie ruhen. Eine gänzlich verſchiedene Geſchichte haben die mächtigſten Gebirge der Erde, die Alpen mit dem Jura, die Kordilleren und Anden, die Apalachen u. a. Aus ehedem horizontal gelagerten Schichten beſtehende Erdſchollen, welche mehrfach die Breite oder Länge ganzer Erdteile beſeſſen haben, ſind durch einen in horizontaler Richtung geübten Druck zu Falten, in Sättel und Mulden, zuſammengeſchoben. So ſetzen fie fic) nun zuſammen aus leidlich parallel verlaufen- den Bergrücken und dazwiſchen liegenden Thälern, den Längsthälern. Solchen Gebirgen werden wir daher den Namen Faltengebirge geben können; häufiger werden ſie als Kettengebirge bezeichnet, 334 Humboldt. — September 1887. da ſich die einzelnen Berge und Kämme in Linien neben⸗ und hintereinander aufreihen. Im Gegen⸗ ſatze zum Aufſchüttungsgebirge war das Material des Faltengebirges ſchon längſt vorhanden, ehe es durch Faltung zum Gebirge wurde. Das Geſtein, aus dem ſich ein ſolches aufbaut, ſetzt ſich in der Unterlage einfach fort, wie dies bei einem in Falten zuſammengeſchobenen Teppich auch der Fall iſt. Her⸗ vorgegangen glaubt man ſolche Gebirge durch das Schwinden der Erdfeſte, das eine unbedingte Folge der Ausſtrahlung der Wärme des heißen Erdinneren in den kalten Himmelsraum iſt. Da jedoch der heiße Erdkern, da er mehr Wärme verliert, ſich raſcher zu⸗ ſammenzieht als die feſte Erdkruſte, ſo wird das Kugelgewölbe derſelben ſeiner Stütze beraubt. Folgt eine Erdſcholle dem Zuge der Schwere, ſo wird ſie entweder zerbrochen und in ihren Teilen überein⸗ andergeſchoben oder in Falten, wellig gebogen, in ihrer nun tieferen Lage Raum finden. Solche Maſſenbe⸗ wegungen erfolgen ſo langſam, ſpielen ſich in ſo langen Zeiträumen ab, daß, wie es in durch Quer⸗ thäler durchſchnittenen Kettengebirgen, z. B. in den Jurakluſen zu ſehen iſt, die oft mächtigen Kalk⸗ und Sandſteinbänke faſt ohne Bruch denſelben gefolgt zu ſein ſcheinen. Da die Abkühlung der Erde noch fort⸗ dauert, ſo finden auch heute ſolche Gebirgsbewegungen ſtatt, ohne daß wir ſie erkennen können. Ein Kettengebirge, das den faltigen Aufbau noch leidlich erkennen läßt, iſt der Taunus, dasjenige, in welchem dieſer Aufbau ſich aber unmittelbar offenbart, der Schweizer Kettenjura, das mächtigſte Kettengebirge Europas, ſind die Alpen. Freilich im Zuſammenhang ſind die aufragenden Sättel nicht mehr zu ſehen. In Form von durch die Verwitterung modellierten Gipfeln reihen ſich die Reſte dieſer Sättel und Mulden. Vom Hochvogel im Allgäu bis zum eisbedeckten Montblanc drängt ſich Gipfel an Gipfel, die Reſte der ehedem zuſammenhängenden Kämme. Nun kann aber auch der Gegenſatz zwiſchen Tief⸗ ebene und Gebirge durch Störungen im Schichtenbau der Erdrinde hervorgehen, die man Senkungen nennt. Wird nämlich der Zuſammenhang ehedem einheitlicher Maſſen der Erde zerriſſen, ſo kann am Bruch, der in die Tiefe meiſt ſenkrecht fortſetzt, die abgebrochene Erdſcholle, die aus eben geſchilderten Gründen der Unterlage entbehrt, ſinken. Laufen aber ſolche Sprünge oder Brüche einander ungefähr parallel, ſo iſt die Möglichkeit gegeben, daß der ganze, auch noch durch Querbrüche durchſetzte Streifen in die Tiefe ſinkt oder, wie man ſich ausdrückt, verworfen wird. So entſtand das Rheinthal, und erſt durch den Niedergang dieſes nordſüdlich geſtreckten Streifens wurden die alten, mit Abſatzgeſteinen bedeckten Maſſen öſtlich und weſtlich zum Gebirge, zum Schwarzwald und Odenwald, zu Vogeſen und Haardt, die ja ehe⸗ dem eine zuſammenhängende Maſſe bildeten. Durch dieſe Bewegungen, die nicht nur innerhalb des heutigen Rheinthales erfolgten, ſondern auch öſtlich und weſtlich in zu einander leidlich gleichlaufenden Staffeln geſchahen, ragen dieſe Gebirge gleich ge⸗ waltigen Pfeilern aus der tieferen, abgeſunkenen Landſchaft hervor — öſtlich das ſchwäbiſch⸗fränkiſche Senkungsfeld, weſtlich das lothringiſch-franzöſiſche, inmitten zwiſchen den ſteileren Gehängen, die ſich jedoch auch in mehreren, jedoch ſchmalen Streifen treppenförmig abſtufen, das Rheinthal. Solche ſtehengebliebene Maſſen haben den Namen Horſte erhalten. Schwarzwald und Odenwald bilden einen Horſt. Das Rheinthal zwiſchen dieſem und dem aus Vogeſen und Haardt beſtehenden Horſt nennt Sueß einen Graben. Es war ungefähr zur Zeit, da die Aufrichtung der Alpen, ihr faltiger Zuſammenſchub ſeinen Anfang nahm, als die eben kurz ſkizzierte Senkung begann und im ſüdlichen Teile des Rheinthalſtreifens durch kleinere Süßwaſſerbecken ſich äußerte. Bevor dieſe Senkungen erfolgten, die nun Hun⸗ derttauſende von Jahren währen und auch heute noch fortdauern, dehnte ſich über das mittlere und ſüdliche Deutſchland ein Kontinent aus. Von ſeiner abſoluten Höhe, reſp. der Entfernung ſeiner Oberfläche vom Mittelpunkt der Erde, machen wir uns eine ungefähr richtige Vorſtellung, wenn wir uns über den höchſten Kuppen der Randgebirge des Oberrheinthales noch die Jurakalke und -mergel, den Muſchelkalk und den mächtigen Buntſandſtein in einer ungefähren Höhe von mindeſtens 12— 1500 m aufgelagert denken ). Seit von ihnen die Waſſer wichen, und die Ober⸗ fläche dieſer meiſt im Meer niedergeſchlagenen Ab⸗ ſatzſchichten ins Luftmeer hineinragte, ſind dieſe mächtigen Abſatzmaſſen zum Teil oder wie z. B. über dem Odenwald völlig durch die abdeckenden Kräfte, die Verwitterung und Abſchwemmung wegge⸗ waſchen worden. Im unteren Mainthal und längs der unteren Wetterau ſind von dieſen Abſatzgeſteinen nur die alten Sandſteine erhalten, die wir z. B. am Niederberg bei Vilbel über die Thalebene aufragen ſehen, die im unteren Teile Hochſtadts als rote, thonige Schichten zu Tage ausgehen. Meiſt liegen ſie in der Tiefe als Sohle des Waſſerbeckens, deſſen Geſchichte uns eben beſonders beſchäftigen ſoll. In größerem Zu⸗ ſammenhang ragen dieſe alten, roten Sandſteine und Konglomerate nördlich des Odenwaldes bis Sprendlingen und Dietzenbach hervor. Nur allein in nächſter Nähe Hanaus, im Bulauer Wald, haben ſich die letzten Reſte des dolomitiſchen Kalkes, der den roten, alten Sandſtein unmittelbar überlagert und ſomit jünger iſt als dieſer, erhalten. Derſelbe führt den Namen Zechſtein, vielleicht, daß er ihn ſeiner zähen Textur dankt. Wie an der Bergſtraße, ſo bei Aſchaffenburg ſind die aus der Thalebene aufragenden Felſen die zum Grundgebirge gehörenden Gneiße. Im Oberelſaß ſtellen alſo die Süßwaſſerſeen, in deren kalkigen Abſätzen ſich, abgeſehen von einer ziemlich reichen Süßwaſſerkonchylienfauna:) aus zahl⸗ reichen Schlamm⸗, Teller⸗ und Sumpfſchnecken, deren Gattungsgenoſſen wir heute u. a. in großer Mannig⸗ Humboldt. — September 1887. 335 faltigkeit im Enkheimer Sumpf finden können, u. a. Knochen und Zähne eines mit einem raubtierartigen Eckzahn bewehrten Vorahnen der Unpaarhufer einge- ſchwemmt gefunden haben, die erſte Etappe in der Bildung des Rheinthales dar. Wichtiger für uns iſt die in ſchon ſchwachſalzigen oder brackiſchen Seen erfolgte Anhäufung hauptſächlich pflanzlicher Reſte, die zur Bildung von Petroleum führten, das bei Lob— ſann und Pechelbronn eine nicht unbedeutende In— duſtrie begründet hat?). Langſam nun ſenkte ſich zwiſchen den ziemlich Nord-Süd laufenden Brüchen die Scholle und ließ ſo die ſalzigen Waſſer des Süd— meeres mehr nach Norden reſp. Nord-Nord-Oſt vor⸗ dringen, bis ſie am Südfuß des Taunus brandeten. Ziemlich der nördlichſte Punkt dieſer zwiſchen Vogeſen— Haardt und Schwarzwald-Odenwald ſich dehnenden ſchmalen und langgeſtreckten Meeresbucht der helveti— ſchen See iſt Vilbel in der Wetterau. Längs des Ufers dieſer noch relativ ſeichten Bucht laufen Gerölle, aus dem Geſtein beſtehend, an das die Wogen ſchlugen. Es find die Strandgerölle: Quarz— rollſtücke am Taunusrand, Porphyre an den Por⸗ phyrbergen des ſüdweſtlichen Rheinheſſens, Kalkgerölle am Fuß der Vogeſen, herrührend vom Muſchelkalk, der zu damaliger Zeit noch die hervorragenden Höhen der Vogeſen bildete. Das Ufer gibt ſich auch durch Bänke maſſiger Auſtern zu erkennen, auf welchen Korallen und Seetulpen, d. ſ. feſtſitzende, rankenfüßige Krebſe, ſich angeſiedelt haben. In den Buntſandſtein der Vogeſen haben Seedatteln, die nur im Salz⸗ waſſer leben, zahlreiche Löcher gebohrt. Im Uferſand finden ſich auch angetriebene Knochen der die Fluß— mündungen bewohnenden Säuger und die Zähne zahl- reicher Haie. Zartere Schalenreſte von Konchylien find natürlich hier nicht zu finden: Auſtern und Perna liegen als Fragmente zwiſchen den Quarz- und Schiefer— Geſchieben der Ablagerung von Medenbach, und bei Hallgarten ſammelte ich ſchlechte Trümmer des dick— ſchaligen Pectunculus. Hinter dem ſchützenden Quarz⸗ riff des Riffberges und Johannisberges ſcheint eine ruhige Uferſtelle geweſen zu ſein. Das ſind die wenigen Punkte, an welchen ſich die früheſte Aus— dehnung bis an den Taunus durch Meerestiere und daher ſicher zu erkennen gibt. Nur drei Oertlichkeiten ſind es, welche uns ein einigermaßen vollſtändiges Bild von der Lebewelt aus jener Zeit geben. Die eine dieſer reichen Fundſtellen iſt Weinheim bei Alzey, wo ſich die zum Teil mit Kalk verkitteten Sande an den alten Sandſtein und die denſelben durchſetzenden Melaphyrkuppen anlegen; die andere iſt die ſüdweſtlichſte Bucht, bei Waldböckel⸗ heim, auf der linken Seite der Nahe. Bei Heidel— berg, d. h. bei Großſachſen, find die kalkigen Sand⸗ ſteine reich an marinen, zum Teil ſehr zarten Foſſil⸗ reſten und ⸗ſpuren. Ueberſehen wir die Gejamtfauna von völlig tropiſchem Charakter, ſo beſteht ſie aus Schnecken und Muſcheln, die, ſoweit wir wenigſtens nach ihren Gattungsgenoſſen von heute urteilen dürfen, in nicht beträchtlicher Tiefe lebten. Zu der nach Zahl und Mannigfaltigkeit reichen Kondylienfauna kommen noch Einzelkorallen; von Fiſchen, beſonders von Haien, haben ſich zahlreiche, zum Teil enorme Zähne erhalten. Aber auch ein tropiſche Waſſer bewohnender Säuger, eine Seekuh oder Sirene, das Halitherium Schinzi), trieb ſich in der Nähe der ſüßen Einflüſſe herum, ebenſo wie heute der Duchong an den ſeichten Buchten der indiſchen Meere und der Lamantin an der Aus— mündung des Amazonas und Orinoko. Ganze Skelette dieſes nur mit zwei floſſenartigen Vorderextremitäten verſehenen Pflanzenfreſſers konnten zuſammengeſtellt werden und ſind in den Muſeen von Darmſtadt und Heidelberg zu bewundern. Ganz kürzlich iſt nun auch zum erſtenmal aus dem Oligocän des ſüdweſtlichen Deutſchlands, aus dem Flonheimer Sand ein Fleiſch— freſſer von primitivem Typus mit marſupialem und infektivorem Gepräge, erkannt worden “). Die Weichtiere in den übereinander abgelagerten Sanden Weinheims ſcheinen erkennen zu laſſen, daß die Senkung fortdauerte, daß die Tiefe des Meeres langſam zunahm. Noch auf einen Umſtand muß ich aufmerkſam machen, es iſt die bedeutende abſolute Höhe, bis zu welcher dem Taunus entlang, am Odenwald bei Heppenheim, an den Vogeſen und in der Bucht von Waldböckelheim die eben geſchilderten Strandgeſchiebe reichen. Sie erreichen eine abſolute Höhe von rund 300 m, fo daß der Gipfel des großen 880 m hohen Feldberges i. Taunus den Meeresſpiegel damals nicht ganz um 580 m überragte. Plötzlich, wie mit einem Schlag ändert ſich infolge der fortdauernden Senkung die Beſchaffenheit des Abſatzes im Becken, dem der Name Mainzerbecken beigelegt iſt. Auf den Sanden lagert ein ſehr feiner grauer Thon, der nun arm an größeren Organismen iſt; zahlreich und formenreich find hingegen die mifroffopi- ſchen Gehäuſe von nur aus Schleim beſtehenden Tieren, den ſogenannten Wurzelfüßlern. In dem mehr und mehr ſich ſenkenden Meere häuften ſich dieſe Thone, die z. B. am Erlenbruch bei Offenbach vor Jahren zur Herſtellung von Thonwaren benutzt wurden, und die aus den Gruben von Flörsheim zur Fabrikation des Cementes nach Biebrich und Bonn verfrachtet werden, zu koloſſaler Mächtigkeit; ſie haben z. B. in einem Bohrloch in Offenbach am Main eine Mächtig— keit von 100 m). Es iſt klar, daß ſich durch dieſe urplötzliche, ſo bedeutende Veränderung in der Beſchaffenheit des Meeresabſatzes und der in demſelben aufbewahrten Lebewelt ein folgenreiches Ereignis anzeigt. Infolge der fortgeſetzten ſtarken Senkung hatte das ſüd— liche Meer durch die Waſſer des Oberrheinthales, dem Nordmeer, das von Weſt nach Oſt, von Belgien bis an die Ufer des Aralſees reichte, die Hand geboten. So wurde das Mainzerbecken aus einer von Baſel nördlich bis Vilbel, weſtlich bis Waldböckelheim reichenden Meeres bucht ein langgeſtreckter Meeres— arm, der über die Wetterau und die Landſchaft, die heute vom baſaltiſchen Vogelsberg eingenommen wird, gegen Kaſſel reichte. Daß dem aber ſo war, erkennt man einesteils 336 Humboldt. — September 1887. aus der total gleichen Beſchaffenheit des Meeres⸗ niederſchlages bei Flörsheim und Offenbach, im Ober⸗ elſaß und in Belgien, wie in der Umgegend von Berlin, dann aber aus der Einwanderung von nor⸗ diſchen Weichtieren, die auch bis in den elſäſſiſchen Teil des Mainzerbeckens den Weg gefunden haben’). Treten wir für ein Viertelſtündchen in eine der zwei Flörsheimer Gruben ein. Mancherlei Intereſ⸗ ſantes bringen einem die Arbeiter entgegen. Wir wollen abſehen von den merkwürdigen, oft ſehr großen, linſenförmigen Konkretionen, die noch Steinwaſſer, wie der Arbeiter ſagt, enthalten, ferner von den aller⸗ liebſten Gipsſpatroſetten, welche recht wohl auch auf einem Nipptiſchchen Platz finden dürften, ebenſo von den diverſen Reſten von Knochen- und Knorpelfiſchen. Das häufigſte Schaltier ijt eine von Norden einge⸗ wanderte Muſchel, die Leda Deshayesiana, deren Schloßfeld äußerſt zierlich mit zahlreichen Zähnen be⸗ ſetzt iſt. Meiſt find die beiden Klappen dieſer Muſchel noch zuſammen wie im Leben; der ſicherſte Beweis, daß dieſe Muſchel auch hier gelebt hat und nicht von Nähe oder Ferne eingeſchwemmt iſt. Auch verkohlte Blattreſte, deren Nervatur oft noch aufs beſte erhalten iſt, bekommen wir zu ſehen. Was den Sachkundigen hierbei am meiſten intereſſieren muß, iſt, daß fie Formen angehören, die heute in Neuholland, im ſüdlichen Japan nnd in den ſüdlichſten Staaten Nordamerikas lebens) — Keulenbäume (Caſuarineen) von ſchachtel⸗ halmartigen Aeußerem, Proteaceen (Bankſien und Hakea) zu den zierlichſten Gewächshauspflanzen ge- hörend, Eukalypten, die wegen ihres raſchen Wachs⸗ tums vielfach in Südeuropa angepflanzt werden — alles Pflanzen, deren Blüten noch keine hohe Ent⸗ wickelung erreicht haben. Dazu kommen lorbeerartige Gewächſe mit lederigen, immergrünen Blättern. Sie ſpielen auch hier, wie in anderen Tertiärformen des Mainzerbeckens eine Hauptrolle. Ihrer vorzüglichen Erhaltung nach, können ſie nicht aus weiter Ferne eingeſchwemmt ſein. So erſteht vor unſeren Augen die Pflanzenwelt wieder, die ehedem am Fuße des nahen Taunus ſich angeſiedelt und das marine Mainzer⸗ becken umſäumt hatte. Ein ſubtropiſches Klima mit einer mittleren Jahrestemperatur von etwa 18—20° herrſchte damals in Mitteldeutſchland, das heute eine ſolche von ungefähr 10° beſitzt. Die eigentümliche Verteilung von Waſſer und Land, oberflächliche von Süden ausgehende Meeresſtrömungen, eine wohl wolkenreichere Atmoſphäre, welche der Gleichförmig⸗ keit des Klimas während des Jahres in hohem Maße förderlich ſein mußte, waren wohl u. a. die Urſachen, daß dasſelbe ein ſo ganz anderes war, als heute. Die außerordentliche Gleichförmigkeit des ſogenann⸗ ten Septarienthones ſowohl in ſeiner horizontalen, wie in ſeiner vertikalen Ausdehnung von unten nach oben iſt uns ein Beweis, daß während ſeines Abſatzes, alſo in Jahrtauſenden und Aberjahrtauſenden, in der Verteilung von Land und Waſſer kaum Veränderungen ſtattfanden, daß alſo auch die Verbindung der beiden Meere eine lange Zeit währte. Trotz der Senkung erhöhten doch die Niederſchläge ſelbſt die Sohle des Meeresarmes, und es bereitete ſich ein Zuſtand vor, der ſich durch die Mächtigkeit der Geſteine bekundete, welche z. B. von der Ebene des Mainthales bis auf die Höhe des Landrückens der hohen Straße zwiſchen Frankfurt und Vilbel mißt. Der Zuſammenhang mit dem Nord-, wie mit dem Südmeer minderte ſich, und die atmoſphäriſchen Niederſchläge und zuſtrömende Bäche verringerten all⸗ mählich den Salzgehalt. Das Waſſer wurde brackiſch, auch manchenorts ſüß. Die Binnenzeit, da das Mainzerbecken einen nach außen abgeſchloſſenen Bin⸗ nenſee darſtellte, in dem durch die Ablagerungen in ſeinem Inneren auch mehr und mehr die Ufer einan⸗ der näher rückten, richtet ſich alſo ein. Den Reflex dieſes Wandels erkennen wir aber in dem Wandel der Lebewelt, welche dem allmählich ſüßer werdenden Waſſer entſprach. Die waſſerbewohnenden Weichtiere führen fernerhin ein Stillleben, das neue Zuzüge von außen nicht mehr ſtören konnten. Die noch vorhandenen meeriſchen und ſchließlich auch faſt alle brackiſchen Formen ſterben allmählich aus, ſo daß dieſe Fauna mehr und mehr eine arme wird und durch Zahl zu erſetzen ſucht, was ihr an Formen⸗ mannigfaltigkeit fehlt. Bei einem Beſuche Hochſtadts durchſtreifen wir das Hartigwäldchen auf der Höhe. Wir treffen links der Straße nach Niederdorfelden den Anbruch einer Thon⸗ grube, und es wird nicht ſchwer, eine ziemliche Zahl brackiſcher Muſcheln und Schnecken aus der Zeit des Cyrenenmergels, wie man dieſe Ablagerungen mit Cyrena convexa als Charaktermuſchel nennt, zu ſammeln. Das intereſſanteſte Gebilde aus jener Zeit ſind die in ſeichten Lagunen eingeſchwemmten und von überlagerndem Thon konſervierten Pflanzenreſte, die, nun zu Braunkohle geworden, ſo vielfach zu wenig lukrativen Unternehmungen verleitet haben. Eines⸗ teils ſind eben die Flöze nicht mächtig, ſelten 2 m, dann muß der Abbau bergmänniſch geſchehen, iſt daher ſchwierig und koſtſpielig. Nirgends geht näm⸗ lich dieſe Kohle zu Tage aus. Freilich dem Geologen bringen dieſe Schachtbauten meiſt, ja ſtets Gewinn!). So wurden, um nur ein Beiſpiel anzuführen, durch die Abteufung zweier Schachte bei Seckbach Zähne und Skelettreſte zweier vierzehiger Dickhäuter bekannt. Gleich ihren Verwandten, den Schweinen und Pekaris liebten auch ſie den Aufenthalt in moorigen Oertlich⸗ keiten; beide gehören ausgeſtorbenen Gattungen an. Das Anthracotherium oder Kohlentier, deſſen Gebiß noch raubtierähnlicher iſt als das unſeres Ebers, be⸗ ſaß ganz grotesk ausſehende Backenzähne, auf deren ziemlich quadratiſch umrandeter Krone 8—4—5 mit dickem Schmelz überzogene, ziemlich ſcharfkantige, drei⸗ ſeitig pyramidenförmig geſtaltete Höcker ſitzen. Es mag etwa die Größe eines großen Ochſen erreicht haben. Auch der Hyopotamus von Seckbach !“) war ein großes Tier, das den Knochenmaßen nach die doppelte Höhe unſeres Hausſchweines hatte. Geringe Aus⸗ beute macht in dieſen Braunkohlenflözen der Pflanzen⸗ paläontolog. Selten findet man Früchte oder Blatt⸗ Humboldt. — September 1887. abdrücke. Die Kohle ijt zum Teil mulmig, zum Teil holzartig, lignitiſch, aber auch der Schwarzkohle ähn— lich glänzendſchwarz und von muſcheligem Bruche. In wunderbarer Erhaltung iſt uns dagegen die Flora aus einer etwas jüngeren Zeit aufbewahrt bei Münzenberg. Man erreicht Münzenberg, deſſen auf einem Baſaltkegel erbautes, hochragendes Schloß einem ſchon aus weiter Ferne entgegenſieht, wenn man von Butzbach auf der Frankfurt-Gießener Bahn den Weg über Griedel verfolgt und Rockenberg ſamt ſeinem Zuchthaus rechts liegen läßt. Hinter dem Orte Münzenberg erhebt ſich der Steinberg, auf deſſen Höhe gewaltige Blöcke von Quarzgeröllkonglo— merat liegen, ganz wie wir ſie auf der Straßen— gabel Vilbel-Frankfurt⸗Offenbach ſehen können. Die Leute heißen ſie Feuerwacken. Man glaubt ſich faſt in Glacialterrain verſetzt, indem die loſen mächtigen Blöcke von der Transportfähigkeit des Gletſchereiſes zeugen. Darunter liegen Sandſteine und jafpisahn- liche Thonſteine, von welchen die erſteren einige wenige Muſcheln und Schnecken enthalten, dagegen enorm reich ſind an Blattabdrücken; auch Baumſtämme und Nüſſe werden gefunden. Die kohlige Subſtanz der Pflanzenreſte ijt nicht mehr erhalten, der Sand— ſtein iſt rot. So der Befund. Wie alſo zur Herbſtzeit bei uns ein an weiten Waldungen gelegenes ruhiges Waſſer, ein Teich oder See, das abgefallene Laub, vom Wind und von Bächen herbeigetragen, aufnimmt, und bei der reichlichen Ein⸗ lagerung das Packwerk von Blättern und Stengeln, auch untermiſcht mit Bucheckern und Tannenzapfen, nur dünne Zwiſchenlagen von Sand oder Thon ent— hält, ſo ungefähr füllte ſich dort die von einem vom Taunus fic) ergießenden Fluß ſeitlich gelegene, an- fangs dicht mit Schilf bewachſene Bucht mit den dem Zerfall geweihten Pflanzenteilen. Nicht unwahr⸗ 337 ſcheinlich iſt die Vermutung Ludwigs, daß die dann zu Braunkohle gewordenen Pflanzenteile durch Selbſt— entzündung in Brand gerieten. Das Ausſehen der Sandſteine erinnert wenigſtens ſehr an die mit Farn— blattabdrücken geſchmückten Thon- und Sandſtein— ſchiefer des brennenden Berges von Duttweiler oder von Schiefern, wie ich ſie, noch in Brand, auf der Grube Ludwig Haas bei Rabenſcheid im Weſterwald ſah. Die Flora, die beim Abbau des Münzenberger Blätterſandſteines ſeine Auferſtehung erfährt, iſt noch immer eine ſubtropiſche und ſtimmt ziemlich mit der in den letzten Jahren bekannt gewordenen Flora der Schleichſande und Schleichſandſteine links und rechts des Rheines überein ). Noch ſind in ihr neuhollän— diſche Formen vertreten, wenn auch nicht mehr fo mannigfaltig und reichlich; beigemiſcht ſind ihnen aber Reſte von Cupreſſineen, von Tannenbäumen, von Ulmen und Walnußbäumen, letztere hauptſächlich auch durch Hickorynüſſe repräſentiert. Tropiſche For— men ſind auch vorhanden; auch der Vorfahre unſerer Castanea vesca und durch ſchnittige Blattformen aus- gezeichnete Reben, Ahorne und Liquidambar ſind dar⸗ unter, wenn auch ſelten. Hier finden ſich auch Palm— blätter ein, die wir bei Flörsheim vermiſſen. 1) Lepſius, R., Oberrheiniſche Tiefebene und ihre Randgebirge. 1885. 2) Andreae, A., Die älteren Tertiärſchichten im Elſaß. Straßburg 1883. 3) Andreae, A., Ueber das elſäſſiſche Tertiär und ſeine Petroleum— Senckenbergiſcher Bericht. 1887. 4) Lepſius, R., Halitherium Schinzi. lager. 5) Andreae, A., Dasyurodon Flonheimensis. Senckenbergiſcher Bericht. 1887. 6) Kinkelin, F., Senkungen im Untermainthal. Senkenbergiſcher Bericht. 1885. 7) Andreae, A., Die Oligocänſchichten im Elſaß. Straßburg 1884. 8) Geyler, Th., Verzeichnis der Tertiärflora von Flörsheim. Senckenbergiſcher Bericht. 1882/83. 9) Kinkelin, F., Foſſilien aus Braunkohlen der Umgebung von Frankfurt a. M. Senckenbergiſcher Bericht. 1884. 10) Kinkelin, F., Hyopotamus Seckbachensis. Bericht. 1884. 10 Kinkelin, F., Sande und Sandſteine im Mainzerbecken. Senckenbergiſcher 1884. Die neueren Arbeiten auf dem Gebiete der Pflanzenkrankheiten. Dr. P. Sorauer in Proskau. Die Wurzelknöllchen. Dei der Naturforſcherverſammlung, die im vorigen Herbſt in Berlin tagte, ijt eine, auch für prak— tiſche Kreiſe nicht unwichtige Frage in den Vorder— grund der Diskuſſion getreten. Es handelt ſich um die bekannte Erſcheinung der Wurzelknöllchen bei den Schmetterlingsblütlern, zu denen Bohnen, Erbſen, Lupinen, unſere Akazien und viele andere Kultur⸗ gewächſe gehören. Man findet ſolche kleine Knöllchen ganz regelmäßig an den Wurzeln, ſo daß ſie mit Fug und Recht als normale Bildungen angeſehen werden können. Ueber den Charakter dieſer Gebilde aber ſind die wiſſenſchaftlichen Meinungen weit auseinander gegangen, ſo daß dieſe Knöllchen immer wieder Gegen— ſtand erneuter Unterſuchungen geworden ſind. Die Humboldt 1887. neueſte Arbeit rührt von Tſchirch*) her, der zwei Typen im Bau dieſer bei den einzelnen Gattungen verſchieden geſtalteten Organe unterſcheidet. Den erſten Typus repräſentiert die Lupine, den anderen unſere Akazie. Bei Lupinus erweiſen ſich dieſe Gebilde als An— ſchwellungen des centralen Wurzelbündels; es ſind regelmäßige, beſonders am Wurzelhalſe häufig auf— tretende, meiſt einſeitige Wucherungen, die ſich ſpäter mantelartig um den Wurzelkörper herum legen. *) A. Tſchirch, Beiträge zur Kenntnis der Wurzel- knöllchen der Leguminoſen. Berichte der deutſchen botan Geſellſchaft 1887. Bd. V, Heft 2, S. 58. 43 338 Der zweite Typus, zu dem alle anderen Leguminoſen gehören, zeigt die Knöllchen als ſeitlich einer Wurzel frei anſitzende, fleiſchige Gebilde, die bei Phaseolus, Lotus, Anthyllis und Ornithopus Kugelgeſtalt haben, bei Trifolium und Hedysarum oval ſind, bei Sophora länglich oval, bei Caragana kugelförmig, bet Vicia Cracca fingerförmig erſcheinen und bei Robinia bis⸗ weilen mehrere Centimeter lange, von einem dünnen Stiel in eine flache, oftmals gelappte Hauptmaſſe übergehende, fleiſchige Organe darſtellen. Bis zur korallenartigen Verzweigung ſteigert ſich die Geſtalt der Knöllchen bei Medicago sativa. Bei Lupinus wird das Centrum der knolligen Anſchwellung durch ein im Querſchnitt halbmond⸗ förmig gelagertes, parenchymatiſches Gewebe ein⸗ genommen, das an der Peripherie von Meriſtem um⸗ geben iſt. Die Ausdehnung dieſes den Zuwachs vermittelnden Gewebes iſt an den Sichelenden der Mondfigur viel ſtärker als an den flachen Bogen⸗ ſeiten, jo daß nur an erſteren Orten eine nennens⸗ werte Vergrößerung ſtattfindet. In dem centralen Parenchym, das von einem aus der Hauptwurzel abgehenden, gabelig ſich teilenden Gefäßſtrange auf der Innenſeite umfaßt wird, finden ſich ſehr kleine Gebilde, welche als Paraſiten und zwar von Woronin als Bakterien angeſehen worden ſind. Sie zeigen ſich in den älteren Zellen als ovale oder ſtäbchenförmige, einfache oder auch gabelig verzweigte, im Waſſer ſich lebhaft bewegende Körperchen, die von einzelnen For⸗ ſchern mit den in dem jungen Gewebe vorkommen⸗ den, für Pilze erklärten Fäden in Zuſammenhang gebracht worden find*). Man hat dieſen Organismus Schinzia Leguminosarum benannt. Eine neuere Arbeit von Brunchorſt“ ) erklärt die bakterienähnlichen Gebilde für geformte Eiweißkörper (Bakteroiden) und Tſchirch bezeichnet daher in ſeiner Arbeit das centrale Parenchym der übrigens von einer Korkhülle ohne jegliche Wurzelhaare umſchloſſen erſcheinenden Knöllchen als „Bakteroidengewebe“. Die erſten alsbald Stärke führenden Knöllchen werden ſchon an jungen Pflanzen bald nach Ent⸗ wickelung einiger Blätter angelegt; zur Zeit der Samenreife werden ſie allmählich entleert. Bei der Entleerung werden die mittelſten (älteſten) Partien zuerſt angegriffen; die Bakteroiden werden vom Rande der Zelle her aufgelöſt, und die Zellen fallen zuſammen oder zerreißen, wodurch Lücken in dem Gewebe entſtehen. Wenn die Samen gereift ſind, erſcheinen die Knöllchen abgeſtorben. Bei Robinia und den anderen ähnlich ſich ver⸗ haltenden Leguminoſen entſtehen die Knöllchen aus denjenigen Rindenlagen, die dicht außerhalb an die verkorkte Endodermis grenzen, während bei Lupinus die innerhalb der Endodermis liegenden Zellſchichten *) Eingehendere Angaben über dieſen Punkt finden ſich bei Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl., 1886, Theil I, S. 746. *) Brunchorſt, Ueber die Knöllchen in den Legumi⸗ noſenwurzeln. Berichte der deutſchen botan. Geſellſchaft 1885, S. 241. Humboldt. — September 1887. ſich zum Knollenkörper vermehren. Ein einfacher, ſich ſpäter im Knöllchen vielfach gabelig verzweigen⸗ der, von einer Korkendodermis eingeſchloſſener Ge⸗ fäßbündelſtrang geht von der Mutterwurzel ab und beſorgt die Ernährung des Wuchergewebes, deſſen größter Teil als centrales Bakteroidengewebe auftritt. Bei der langlebigen Akazie gehen im Herbſt nicht alle Knöllchen zu Grunde; nichtsdeſtoweniger werden ſie aber auch im Herbſt in ähnlicher Weiſe wie bei der Lupine, gänzlich oder teilweiſe entleert. Bei denjenigen Knöllchen, die für das nächſte Jahr er⸗ halten bleiben, gliedert ſich eine querverlaufende Zone ab, unterhalb welcher die Zellen ſich entleeren, wäh⸗ rend die oberhalb liegende Partie ihr Meriſtem lebendig erhält und aus dieſem ein neues Bakteroiden⸗ gewebe in der folgenden Vegetationsperiode hervor⸗ gehen läßt. Wenn der Meriſtemmantel (was häufig geſchieht) ſich in mehrere, ſelbſtändig weiterwachſende Abſchnitte zerklüftet, erhalten die Knollen die finger⸗ förmigen bis korallenartigen Auswüchſe. Das Rinden⸗ gewebe der Knöllchen bleibt ſtärkereich (auch im De⸗ zember); die in der Umgebung der Gefäßbündel, beſonders zahlreich in der Rinde auftretenden ſäulen⸗ förmigen Kryſtalle von Kalkoxalat ſtecken bei Robinia in einer Celluloſemembran, die ſich meiſt an die Zellmembran anſetzt. Bei den einjährigen Pflanzen, die freie ſeitliche Knöllchen bilden, wie z. B. bet Phaseolus, entſteht die erſte Anlage wie bei Robinia; jedoch wächſt bet der Bohne das Gebilde ſchnell zu ſeiner vollen Größe heran, ohne an der Spitze ein eigentliches Meriſtem zu entwickeln und wird im Herbſt gänzlich entleert. Den Hauptpunkt der Unterſuchung ſtellen natür⸗ lich die Bakteroiden dar, von denen entſchieden wer⸗ den muß, ob ſie wirklich ſelbſtändige, paraſitäre, die Wucherung veranlaſſende Organismen ſind oder nur in der Geſtalt den Bakterien ähnliche Formbeſtand⸗ teile des normalen Zellinhaltes. Tſchirch ſpricht ſich für die von Brunchorſt vertretene letztere Anſicht aus. Zunächſt ergaben die unter den verſchiedenſten Ver⸗ hältniſſen (ſowohl in Nährlöſungen als auch in Ge⸗ latine mit Knöllchenextrakt) ausgeführten Kultur⸗ verſuche niemals eine Weiterentwickelung; außerdem aber ſpricht gegen die pilzliche Natur dieſer bakterien⸗ ähnlichen, mit Jod ſich gelb färbenden und Anilin⸗ farbſtoffe ſpeichernden Gebilde die von Brunchorſt feſtgeſtellte Entwickelung aus dem Zellenplasma und beſonders auch deren Auflöſung zur Zeit der Samen⸗ reife. In ſteriliſierten (über 100° C. erhitzten) Böden zeigen ſich (nach Frank) keine Knöllchen. Aus dem Umſtande, daß dieſe Gebilde relativ arm an Schwefel, aber ſehr reich an Phosphorſäure ſind, iſt der Verfaſſer geneigt zu folgern, daß die Subſtanz der Bakteroiden in die Gruppe der Pflanzenkaſeine gehört, zu denen auch das Legumin gezählt wird. Die Reaktionen zeigen im allgemeinen mindeſtens, daß es reſiſtentere Eiweißkörper ſind, was gegen Brunchorſts Anſicht ſpricht, der dieſe Körper für ein Ferment hält. Jeden⸗ falls ſteht feſt, daß die Bakteroiden nicht ſelbſtändige Humboldt. — September 1887. 339 paraſitäre Organismen ſind und nicht die Rolle der Verwerter des Luftſtickſtoffs für die Ernährung der Leguminoſenwurzeln übernehmen können, wie dies aus den ſpäter zu erwähnenden Hellriegelſchen“) Kultur— verſuchen hervorzugehen ſcheint. Außer den Bakteroiden kommen aber auch noch eigentümliche, von Eriksſon zuerſt beobachtete und von den anderen Forſchern ebenfalls aufgefundene Fadenelemente in den Knöllchen in Betracht. Bei Lu— pinus fehlen dieſe Fäden ſtets, ebenſo (nach Brun⸗ chorſt) bei Phaseolus multiflorus, Podalyria, Ma- cherium firmum, Inga ferruginea und Desmodium canadense. In derſelben Art können manchmal Fäden auftreten und ein andermal fehlen. Als Pilzgebilde find fie bisher von allen Beobachtern an- geſprochen worden, aber über die Einreihung des Paraſiten im Syſtem iſt man noch vollſtändig in Zweifel. Während Frank ihn zuerſt als einen Proto- myces, ſpäter als Schinzia angeſprochen, halten Kny, Woronin und Prillieux die Meinung feſt, daß es ein Schleimpilz, eine Plasmodiophora ſei. Nun erwähnt aber Tſchirch, daß ihr Vorkommen auf die unmittelbar dem Bakteroidengewebe außen angrenzende Schicht und die jüngſten Bakteroidenzellen, ſowie auf die Meriſtemſpitzen vorzugsweiſe beſchränkt iſt, und daß ſpäter auch dieſe Fäden ſich löſen. Die Entwickelungsgeſchichte derſelben bei Robinia lehrt, daß man in den Zellen der äußeren Rindenpartien zunächſt an der Membran kleine Protuberanzen findet, aus denen in den weiter nach innen liegenden, noch teilungsfähigen Zellen die Fäden, an denen eine hyaline Plasmaſchicht, aber keine Membran kenntlich iſt, hervorgehen; ſie werden mit Jod und Chlorzinkjod gelb, durch Jod und Schwefelſäure nicht gelöſt. Da— durch, daß ſie in den jungen, noch teilungsfähigen Zellen ſchon zeitig ausgebildet ſind, kann der Fall eintreten, daß eine neu ſich bildende Zellwand einen ſolchen Faden ſchneidet; auf dieſe Weiſe erſcheint das Faktum erklärlich, daß man Fäden beobachtet, die kontinuierlich mehrere Zellen durchziehen. Eine Bil- dung der Bakteroiden aus dieſen Fäden konnte nicht feſtgeſtellt werden; vielmehr erhält man den Eindruck, als ob die Fäden ſich auflöſen, dann das Plasma ſich differenziert und die Bakteroiden bildet. Auf⸗ gelöſt werden die Fäden jedenfalls, und Verfaſſer hält daher dieſe Gebilde nicht mehr für Pilze, ſon— dern für Fäden aus einer in die Nähe der Ciweif- ſtoffe zu bringenden Subſtanz, welche von derjenigen der Bakteroiden durch die geringere Plasmareaktion und die Reſiſtenz gegen verdünnte Kalilauge ver⸗ ſchieden iſt. Eine Sporenbildung, wie ſie Brunchorſt beſchreibt, iſt von Tſchirch niemals beobachtet worden. Die von Brunchorſt “*) gefundenen Reſultate find nach einem kurzen Referate der Botan. Ztg. (1887, Nr. 10, S. 153) dahin zuſammenzufaſſen, daß durch eine ) Tageblatt der Naturforſcherverſammlung zu Berlin 1886, S. 290. **) J. Brunchorſt, Ueber die Wurzelanſchwellung von Alnus und die Eläagnaceen. Unterſuchungen aus dem botan. Inſtitut zu Tübingen II, 1. 25 S. mit 1 Taf. Unterſuchung in verdünnter, heißer Salzſäure die als Plasmodien angeſprochenen Plasmagebilde als Faden— knäuel ſich darſtellen, welche dem Plasma der Wirts- zellen eingelagert ſind, „ähnlich wie nach Wahrlich die ſogenannten Schleimklumpen der Orchideenwurzeln“. Die oberflächlichen Hyphenenden dieſer Knäuel bilden ſich im Laufe des Sommers zu den bläschenförmigen bekannten Anſchwellungen aus. Im Inneren der— ſelben entſtehen die (jetzt als Bakteroiden erklärten) ſtark lichtbrechenden Körper, welche durch Platzen der Bläschen frei werden und die der Verfaſſer für Sporen erklärt. Die in der Verzweigungsweiſe an Alnus erin— nernden oberflächlichen Wurzelbüſchel von Cycas und Ceratozamia laſſen mit Färbungsmitteln in ihrem Gewebe auch Pilzfäden erkennen, die Brunchorſt in urſächlichen Zuſammenhang mit der Bildung dieſer Wurzelneſter bringt. Zur Erklärung der Frage, welchen Zweck die Knöllchen im Haushalt der ſchmetterlingsblütigen Pflanzen haben, iſt zunächſt die Art ihres Auftretens in Betracht zu ziehen. Die Mehrzahl der Beobachter iſt der Ueberzeugung, daß dieſe Gebilde in ſtickſtoff— reichen Böden ſeltener als in ſtickſtoffarmen vorkom⸗ men; ferner zeigen die meiſten Beobachtungen, daß nur gut entwickelte Pflanzen reichliche Knöllchenbil— dung zeigen, und daß eine Unterbrechung der Aſſi— milation durch Dürre, Verdunkelung u. dgl. auch eine Störung in der Entwickelung der Wurzelknöll— chen nach ſich zieht, die zur Zeit der Blüte am meiſten ausgebildet ſind, zur Zeit der Fruchtreife aber entleert werden. Auf dem Umſtande, daß auch bei einjäh— rigen Pflanzen niemals alle Knöllchen gänzlich ihrer Eiweißſtoffe verluſtig gehen, alſo ein Reſt ſtickſtoff— reicher Subſtanzen im Boden verbleibt, mag nach des Referenten Meinung die bodenbereichernde Kraft der Leguminoſen beruhen. Betreffs der Funktion für die Nährpflanze haben ſchon eine Anzahl früherer Forſcher die Knöllchen für normale Hilfsapparate bei der Ernährung aufgefaßt und ſie als Bildungs- und zum Teil Speicherungs— herde der Eiweißſtoffe erklärt. Nach de Vries dürften die anorganiſchen, nach Brunchorſt auch die orga— niſchen Stickſtoffverbindungen, und nach Hellriegel der elementare Stickſtoff der Atmoſphäre in den Knöllchen zu Eiweißſtoffen verarbeitet werden. Schind— ler nimmt an, daß die Gebilde nicht nur zur Her— ſtellung, ſondern auch zur Speicherung von Eiweiß— ſtoffen dienen, und letztere Funktion wird als die alleinige von Nobbe und Lachmann angeſehen, Tſchirch ſchließt ſich, nachdem er die Gründe, welche gegen die anderen Meinungen ſprechen, ausführlich erörtert hat, dieſer Nobbeſchen Anſicht an, wobei er betont, daß die Leguminoſen bekanntlich durchſchnittlich keine ſehr ſtickſtoffreichen Bodenarten lieben, ſondern mit ihren weit und ſehr tiefgehenden Wurzeln aus armen Ackererden die Nährſtoffe herbeiholen, ihre an Knöllchen den Wurzeln ſomit als die Speicher verwenden, welche ihr Material bei der Fruchtreife regelmäßig hergeben müſſen und nach ihrer Entleerung vertrocknen. Die 340 Humboldt. — September 1887. Möglichkeit einer Eiweißneubildung in dieſen Organen will indes Tſchirch nicht in Abrede ſtellen (S. 88). Man braucht bloß anzunehmen, daß Eiweißbildungen in der leichttransportablen Form der Säureamide oder Amidoſäuren, oder als Leucin oder Tyroſin u. dgl. in die Knöllchen wandern und dort erſt zu Eiweiß⸗ ſtoffen umgebildet werden. In der vorſtehenden Arbeit iſt der Hellriegelſchen Verſuche gedacht worden, welche die Anſicht zu ſtützen ſcheinen, daß die Knöllchen als Eiweißbildner bei den Hülſenfrüchten zu funktionieren beſtimmt ſind. Ein kurzes Referat über die Hellriegelſche Arbeit findet ſich im Tageblatt der Naturforſcherverſammlung zu Berlin!). Es find vorläufig nur die Reſultate ver⸗ öffentlicht, ſo daß ein definitives Urteil über die Be⸗ weiskraft der Ergebniſſe noch nicht gefällt werden kann. Das in der Sitzung bei der Verſammlung vorgelegte Zahlenmaterial ließ die erwähnten Re⸗ ſultate als nächſtliegende Schlußfolgerungen gerecht⸗ fertigt erſcheinen. Von dieſen Ergebniſſen iſt her⸗ vorzuheben, daß, während Gramineen, Crueiferen, Chenopodiaceen und Polygoneen auf den Boden⸗ ſtickſtoff und zwar nur in der Form ſalpeterſaurer Salze angewieſen ſind, können die Papilionaceen den Stickſtoff der Luft für ihre Aſſimilation ver⸗ werten. In direkter Beziehung zu dieſer Verarbei⸗ tung des elementaren Stickſtoffes (nicht des gebun⸗ denen) der Atmoſphäre ſtehen die Wurzelknöllchen, welche ſich, ebenſo wie das Wachstum der Papilio⸗ naceen, in ſtickſtofffreiem Boden hervorrufen laſſen durch Zuſatz von geringen Mengen Kulturboden. Und zwar könne die Stickſtoffquelle der Atmoſphäre allein ſchon genügen, die Papilionaceen zu einer nor⸗ malen, ja ſogar üppigen Entfaltung zu bringen. Verhindert wird die Produktion, wenn man vom ſtickſtofffreien Verſuchsboden die Mikroorganismen ausſchließt. „Bei verſchiedenen Papilionaceenarten wirkt nur der Zuſatz von gewiſſen Bodenarten knöll⸗ chenbildend und wachstumfördernd. Salpeterſaure Salze werden zwar auch von den Papilionaceen aſſimiliert; ob aber eine normale Entwickelung der Pflanzen allein mit Hilfe derſelben möglich iſt, er⸗ ſcheint noch fraglich.“ E. von Wolff beſtätigt unter Mitteilung eigener Verſuche an Hafer, Rotklee, Ackerbohnen, Sanderbſen und Kartoffeln im weſentlichen die Hellriegelſchen Reſultate. Aus dieſen Ergebniſſen muß nun der Schluß ge⸗ zogen werden, daß die in den geringen Mengen Kulturboden, der zum ausgeglühten Sande zugeſetzt wurde, enthaltenen Mikroorganismen (Bakterien) die Veranlaſſung zur Knöllchenbildung gegeben und in demſelben bei maſſenhafter Vermehrung die Knöllchen befähigen, den Luftſtickſtoff aufzunehmen und zu ) Hellriegel, Welche Stickſtoffquellen ſtehen den Pflanzen zu Gebote? Tagebl. der Naturforſcherverſamm⸗ lung 1886, S. 290. aſſimilieren, oder man muß annehmen, daß die Bak⸗ terien gewiſſer Bodenarten die Fähigkeit beſitzen, den Luftſtickſtoff zu nitrifizieren. Daß wirkliche Bakterien nicht in den Knöllchen als Eiweißbildner wirken können, geht daraus hervor, daß die für Bakterien gehaltenen Körper keine ſelb⸗ ſtändigen Organismen ſind und außerhalb der Knöll⸗ chen in den verſchiedenſten Medien zu einer Weiter⸗ entwickelung nicht gebracht werden, ſondern zu Grunde gehen. Daß aber die im Boden thatſächlich enthal⸗ tenen Bakterien nicht die Nitrifikation verurſachen, iſt aus den Frankſchen Unterſuchungen zu folgern. Frank) unterſuchte humusreichen Kalkboden, humo⸗ ſen Sandboden, Lehm- und Wieſenboden und auch ſolchen von der Schneekoppe und fand überall den⸗ ſelben Spaltpilz in den nacheinander auftretenden Zuſtänden von Leptothrix, Bacillus und Bacterium mit Sporenbildung. Wenn dieſes reingezüchtete Ma⸗ terial von Bodenſpaltpilzen einer ſteriliſierten Chlor⸗ ammonlöſung zugeſetzt wurde mit Pilznährſtofflöſung und auch mit Kalkkarbonat, ſo erfolgte keine Nitri⸗ fikation der Löſung. Wenn jedoch in die infizierte Löſung Erdboden gebracht wurde, ſo fand Salpeter⸗ ſäurebildung ſtatt; derſelbe Boden zeigte auch im ſteriliſierten Zuſtande und ſelbſt nachdem er geglüht worden, ohne Zuſatz des Pilzes Nitrifikation. Nun ſpricht Landolt) ſich infolge ſeiner Beob⸗ achtungen dahin aus, daß Ackererde im ſteriliſierten Zuſtande die Oxydation des Ammoniaks nicht zu ver⸗ urſachen vermag, dagegen im gewöhnlichen Zuſtand dieſen Prozeß ſowohl im Dunkeln, wie im Lichte einzuleiten im ſtande iſt. Darin ſtimmen alſo die erwähnten Angaben überein, daß der unveränderte Ackerboden Nitrifika⸗ tion von Ammoniakſalzen hervorzurufen vermag und auf dieſe Weiſe für die Ernährung der auf ſalpeter⸗ ſaure Salze allein angewieſenen Getreidearten, Senf, Rübſen, Zuckerrüben, Buchweizen u. a. tauglich wird. Was das Movens für dieſen Prozeß iſt, müſſen ſpätere Unterſuchungen feſtſtellen. Ebenſo bleibt weiter zu unterſuchen, ob (wie aus Hellriegels Angaben zu ſchließen) der elementare Luftſtickſtoff im Boden zur Salpeterſäurebildung herangezogen werden kann und welches Agens dieſen Prozeß veranlaßt. Der An⸗ nahme, daß es die Bakterien ſind, ſtehen augenblick⸗ lich die Angaben von Frank entgegen. Keinesfalls aber ſind es Bakterien, die die Knöllchenbildung und in dieſen die Eiweißbildung bei den Schmetterlings⸗ blütlern veranlaſſen. Die Kuöllchenbildung iſt jetzt aus dem Gebiete der pathologiſchen Erſcheinungen zu ſtreichen. Gleichzeitig mit der Aenderung der Anſchauungen über den Charakter der Leguminoſenknöllchen müſſen auch unſere Anſichten über die bekannten Wurzel⸗ anſchwellungen der Erlen modifiziert werden. Dieſe ) Tageblatt der Naturforſcherverſammlung zu Berlin 1886, S. 289. ) Ibid. Humboldt. — September 1887. 341 kugelförmigen, oft Fauſtgröße erlangenden Anſchwel— lungen beſtehen aus dichtgedrängten, traubig geſtellten, mehrfach verzweigten, kurzen, wurzelartigen Aeſten, die wie ein kleiner Hexenbeſen an den dünnen Wurzeln aus- ſehen und von Th. Hartig als unterirdiſcher Maſerwuchs aufgefaßt worden find. In den Zellen der Snnen- rinde findet ſich ein traubenförmiges Aggregat dicht aneinandergedrängter, bläschenförmiger Bildungen. Woronin, der im Jahre 1866 dieſe Gebilde näher unterſucht hat, deutet die Bläschen als Zellen, welche durch Anſchwellung der Enden ſehr feiner Pilzfäden zu ſtande gekommen ſind. Der vermeintliche Pilz er— hielt den Namen Schinzia alni und galt als Urſache der traubigen Anſchwellungen. In neueſter Zeit iſt nun B. Frank der Frage nahegetreten, ob die trauben— förmigen Körper wirklich Pilzzellen ſind ). Die erſten Anfänge der vermeintlichen Schinzia ſtellen ſich in den Zellen des Meriſtems als ein trüber Klumpen dar, welcher allmählich bis zur Aus— füllung der Zelle ſich vergrößert und ſchließlich netz— artige Struktur erhält. Infolge der beobachteten Veränderungen ſah Möller die Maſſe für einen Schleimpilz an, den er Plasmodiophora alni nannte. Die darauf folgenden Unterſuchungen von Brun— chorſt **) legen, wie bereits erwähnt, dar, daß es ſich nicht um ein Plasmodium, ſondern um ein Knäuel feiner Hyphen handelt, das ſpäter von einer Blasdjen- ſchicht bedeckt wird. Die Blaſen beſitzen eine Mem⸗ bran und einen aus Eiweiß beſtehenden Inhalt. In dem hinteren, älteren Teile der Anſchwel— lungen ſind die Bläschen und ihr Eiweißinhalt wieder verſchwunden. Vor der Entleerung zerfällt ihr In⸗ halt in viele längliche, kleine, ſtark lichtbrechende Körperchen, die als Sporen angeſprochen wurden und die aus den manchmal in halben Ringen nur noch erſcheinenden Bläschen heraustreten ſollten. Somit wären die Bläschen als Sporangien zu deuten und demgemäß der Pilz wieder neu zu benennen. Brun— chorſt taufte ihn Frankia subtilis. In einem ſpäteren Stadium ſind die als Sporen angeſehenen Körperchen verſchwunden; es liegt eine wachsartig erſcheinende Maſſe in den Zellen, die nun zuſammengefallen und ohne Eiweißreaktion ſind. Die Bildung der eiweißhaltigen Blaſen fängt im April an und dauert den Sommer über; im Spät⸗ ſommer fängt die Entleerung an, die bis zum Winter in allen blaſenführenden Zellen vollendet iſt. Aber die in den jüngeren Teilen der Wurzelanſchwellungen liegenden Pilzmaſſen, die noch nicht zu Blaſen differenziert waren, überwintern und durchlaufen im folgenden Jahre den geſchilderten Entwickelungs— gang. Die in der vorliegenden Arbeit unternommene *) B. B. Frank, Sind die Wurzelanſchwellungen der Erlen und Eläagnaceen Pilzgallen. Berichte der deutſchen botan- Geſellſchaft 1887, Heft 2, S. 50. **) Unterſuchungen aus dem botan. Inſtitut Tübingen. 1886, S. 151. erneute Unterſuchung dieſer ſchwierigen Bildungen ergab nun Folgendes. Während die Meriſtemzellen im jüngſten Stadium nichts Auffälliges zeigen, be- merkt man ſpäter in einzelnen von ihnen in der Um— gebung des Zellkernes eine dichtere, anſcheinend fein- körnige Beſchaffenheit des Protoplasmas, das all— mählich gänzlich bis zur Ausfüllung der Zelle in die Veränderung eingeht. Sehr ſtarke Immerſionsſyſteme laſſen erkennen, daß die Subſtanz aus zwei verſchie— den ſtark lichtbrechenden Protoplasmamaſſen auf— gebaut iſt, von denen die eine die Wandſubſtanz kleiner Kammern darſtellt, während die minder licht⸗ brechende die Füllmaſſe der Kämmerchen oder Kaz nälchen bildet, ſo daß das Bild mit einem Bade— ſchwamm verglichen werden kann. Die Bläschen ſind Ausweitungen einzelner Kanälchen, in denen ſich reichlich neue Eiweißſubſtanzen bilden. Alſo nicht Pilzbildung zeigt ſich in den Wurzel— anſchwellungen von Alnus und auch von Elaeagnus, ſondern Anhäufung neugebildeter protoplasmatiſcher Eiweißſubſtanz in ſphäriſch ausgeweiteten Räumen des urſprünglichen poröſen Protoplasmakörpers. Dieſe wird ſpäter, wenn die Pflanze Bedarf hat, wieder auf— geſogen; es bleibt eine Art ſchleimigen Protoplas— maſkelettes übrig, das keine Eiweißreaktion mehr zeigt. Somit erklären ſich auch hier die viel umſtrittenen Wurzelknollenbildungen nicht mehr als pathologiſche Erſcheinungen, ſondern als normale Organe einer tranſitoriſchen Eiweißaufſpeicherung, wie wir dies bei den Hülſenfrüchten geſehen haben. Die Pilze Schin- zia alni und leguminosarum, ſowie Plasmodiophora alni und Frankia subtilis find aus der Mykologie zu ſtreichen. Durch die vorerwähnten Unterſuchungen über die Knöllchenbildung gewinnen nun auch nebenſächliche Angaben eine Bedeutung. So ſind jetzt auch gelegent— lich gemachte Beobachtungen von F. Benecke?) zu er⸗ wähnen, welche indirekt ebenfalls für die Anſchauung ſprechen, daß die Leguminoſenknöllchen normale Speicherherde für Eiweißſubſtanzen darſtellen. Benecke fand Knöllchen bei Waſſerkulturen der Vicia Faba. Dabei ließ ſich beobachten, daß, wenn von einer Wurzelſpitze eine Hälfte weggeſchnitten wurde, die Wurzelknöllchen nie früher auftreten, als bis die an— dere Hälfte fic) wieder zur normalen Wurzel aus- geſtaltet hatte. Erſt nachdem alſo die Wurzel den eigenen Bedarf an Eiweißſtoffen zu der Ausheilung der Wundfläche gedeckt hatte, war ſie in der Lage, überſchüſſiges Material in Form von „Bakteroiden“ zu ſpeichern und zwar in Behältern, die auf den völlig unverletzten neuen Teilen angelegt wurden. Wären die Bakteroiden wirkliche Bakterien, dann dürften dieſelben doch wohl am leichteſten gerade an einer Wundfläche ſich anſiedeln und dort zur Knöll— chenbildung anregen. ) Benecke, Ueber die Knöllchen an den Leguminoſen⸗ wurzeln. Botan. Centralblatt 1887, Bd. XXIX Nr. 2, S. 53. 342 Humbolot. — September 1887. Der marmorierte Triton. (Triton marmoratus Lats.) Don Joh. von Fiſcher. Dieſer ſchönſte aller europäiſchen Tritonen kommt in Frankreich, dem nördlichen Spanien und Portugal vor. In Frankreich iſt er namentlich im Süden häufig, ſteigt aber auch ziemlich hoch nach Norden hinauf, denn man findet ihn noch ziemlich häufig in der Bretagne, wo er in Geſellſchaft mit Triton cristatus in denſelben Tümpeln angetroffen wird und vermutlich einer der Er⸗ zeuger von Triton Blasii de VIsle, einer Baſtardform, 9 Lae” ſtrangartig erhöhte Rückenlinie, die, namentlich bet ſehr feiſten Stücken, oft in einer rinnenartigen Vertiefung liegt. Die Unterſeite iſt beim Männchen meiſt braunſchwarz und rötlichweiß gewölkt, mit zahlreichen eingeſtreuten weißen Punkten bedeckt. Beim Weibchen iſt die Unterſeite meiſt einfarbig ſchwarz, manchmal mit einem rötlichen Hauch und zahlreichen weißen Punkten. Die Iris des Männchens trägt auf ſchwarzem Grunde ober- und unterhalb der Pupille Triton marmoratus, Männchen im Hochzeitskleid (nat. Gr.). Nach einer Momentphotographie. iſt. Er erreicht die Länge von 12—15 em. Man findet ihn in größeren Geſellſchaften in verlaſſenen, waſſergefüllten Steinbrüchen und in größeren, algenreichen Tümpeln, ja ſogar in langſam fließenden Gewäſſern (Gräben, wenn dieſe recht breit und tief ſind) vor, die er zur Paarungs⸗ zeit aufſucht. Außerhalb dieſer hält er ſich unter und zwiſchen Steinen an feuchten Stellen, in hohlen Bäumen (Weiden) auf. einen breiten, goldigen, metalliſch glänzenden Streif, was dem Auge viel Ausdruck verleiht und von denen beim Weibchen nur der obere vorhanden, der matter, mehr bräun⸗ licher (bronzefarben) und ſchmäler iſt. Zur Paarungszeit ändert ſich das Kleid des Männchens. Die etwas hinter und zwiſchen den Augen entſpringende Rückenleiſte ent⸗ wickelt ſich zu einem ſtattlichen, ganzrandigen, in der Kreuzgegend ſich ſenkenden, dahinter ſich jedoch wieder Triton marmoratus, Weibchen, zum Eierlegen fertig (nat. Gr.). Nach einer Momentphotographie. Sein Kleid iſt ſchön und farbenreich: Auf mehr oder minder geſättigtem Grün der Ober⸗ ſeite heben ſich ſcharfbegrenzte, ſchwarze, bald zuſammen⸗ fließende, bald iſoliert ſtehende, große Flecken von ver⸗ ſchiedenartiger, variierender Geſtalt, und zahlreiche, zwiſchen denſelben eingeſtreute, ſchwarze Punkte ab, eine ſchmuckvolle Marmorierung bildend. Beim Männchen verläuft auf der Rückenmitte eine niedrige Längsleiſte, die in gleichen Ab⸗ ſtänden abwechſelnd ſchwarz und gelbrot gezeichnet iſt und aus welcher ſich ſpäter der wirklich impoſante Kamm entwickelt. Beim Weibchen verläuft auf derſelben Stelle eine blaßrote, hebenden, etwas welligen Rückenkamm von durchſichtig röt⸗ lich⸗gelber Farbe, der in gleichen Abſtänden durch ſenkrecht ſtehende, breite Binden von rötlich⸗brauner oder braun⸗ roter Farbe gezeichnet iſt. Die geſamte grüne Grund⸗ farbe nimmt einen lebhafteren, gelberen Ton an; auf den Seiten des breiten, meſſerartig ſeitlich zuſammengedrückten Schwanzes erſcheint ein breiter, längs der Schwanzwirbel verlaufender Silberſtreif; die untere Schneide desſelben, ſowie der untere Teil der Flanken färben ſich lebhaft rötlich⸗ gelb oder auch gelb. Das Weibchen wird meiſt nur heller von Grundfarbe. Beide Geſchlechter verlieren während des =" Humboldt. — September 1887. 343 Waſſerlebens zur Paarungszeit die körnige Beſchaffenheit ihrer Hautoberfläche, die glatt und ſchlüpfrig wird. Wunderhübſch ſind die Jungen. Die Farben ſind viel greller. Die Grundfarbe iſt ein friſches Grün, die Marmorflecke ſind geſättigt ſchwarz, ſamtartig, ebenſo ſind die eingeſtreuten ſchwarzen Punkte ſchärfer begrenzt. Die Rückenlinie und die untere Schneide des Schwanzes ſind einfarbig lebhaft zinnoberrot. Der obere Jrisſtreif iſt ſehr ſchmal, oft gefleckt, der untere fehlt, ſo daß das Auge faſt ſchwarz erſcheint. Die Unterſeite iſt gräulich, mit einem rötlichen Anflug, die weißen Punkte ſind äußerſt klein, aber ſehr deutlich (entgegen der Beſchreibung Schreibers in ſeiner Herpetologia Europaea S. 46). Es iſt mir nicht klar, wie Schreiber die friſch umgewandelten Jungen als „düſterer“ (ibid.) bezeichnen konnte. Offenbar entwarf er ſeine Beſchreibung nach durch den Weingeiſt entſtellten Exemplaren. Von den vielen Hunderten ge- züchteter oder von mir perſönlich gefangener Individuen fand ich, ohne Ausnahme, gerade im Jugendzuſtande die Farben friſch und grell. Ebenſowenig kann ich die An— gabe Schreibers in betreff der Größe der Larven beſtätigen. Dieſe ſind durchaus nicht größer als diejenigen anderer Tritonen. Larven von „3 Zoll“, wie ſie Schreiber angibt, ſind mir nie vorgekommen, obgleich ich ihrer zu Tauſenden fing oder züchtete. Das Maß der ſowohl im Freien, wie in der Gefangenſchaft friſch umgewandelten Tiere überſteigt 4 —5 em nicht. Im folgenden Jahre, zur gleichen Zeit, alſo wenn ſie ein Jahr alt ſind, meſſen die Jungen nur 7—8 em. Ebenſowenig kann ich Schreiber beiſtimmen, wenn er angibt, daß die Larven den Jungen ähnlich ge— färbt ſeien. Die Larven zeigen noch keine Spur von der grünen Grundfarbe der Jungen, ſondern ſind braun, tragen nur Andeutungen der charakteriſtiſchen Marmorierung. Was ſie von den Larven anderer Tritonen jedoch leicht unterſcheidet, ſind die ſilberigen Flecke an den Seiten des Schwanzes, die Flitterpartikeln gleichen. Die Eier ſind klein, nicht größer als diejenigen der kleinen Tritonen- arten (Triton helveticus u. a.) und zeigen in einer glas— hellen Umhüllung einen ſehr blaßgelben Kern. Die Haltung des marmorierten Tritons veranlaßt durchaus keine Schwierig— keiten. In der Freiheit ſcheu und verſchlagen, wird er in der Gefangenſchaft zahm und dreiſt. Namentlich werden in der Gefangenſchaft umgewandelte Individuen ungemein zutraulich. Ein geräumiges Glasgefäß mit einer ſchwimmen⸗ den Korkplatte als Inſel genügt ſchon ſeinen Anſprüchen. Noch beſſer gedeiht er in einem Terrarium. Man kann dieſe Art zwingen, jahrein, jahraus auf dem Lande zu leben. Allerdings ändert man ſeinen Habitus etwas; der Schwanz bleibt koniſch zugerundet, die Haut körnig, die Farben werden düſterer, der Moosfarbe mehr angepaßt als der Färbung der Algen im Waſſer, der Molch be— findet ſich dabei aber ſehr wohl, lebt jahrelang und wird dick und fett. — Die Fütterung geſchieht mit kleinen Stücken oder wurmförmigen Streifen Fleiſch (Rinder- oder Roßherz), die die Gefangenen aus der Hand oder von einem Draht zu freſſen bekommen. — Schreiber nennt dieſe Art „eine wahrhaft prachtvolle Erſcheinung“. Wenn je der Ausdruck richtig gewählt worden iſt, ſo iſt es hier der Fall. Dieſer Molch iſt unbedingt der prächtigſte unter allen Tritonen! Die Zugſtraßen der Vögel im europäiſchen Außland. Don Dr. Kurt Lampert in Stuttgart. In ſeiner Schrift „Die Zugſtraßen der Vögel“ wies Palmen bekanntlich nach, daß die Zugvögel bei ihren Wanderungen beſtimmte Straßen einzuhalten pflegen, und ſchuf unter Hinweis auf die Abhängigkeit der Zugſtraßen von den hydro⸗orographiſchen Verhältniſſen eine Einteilung derſelben in Kategorien, wobei er folgende 6 Abteilungen unterſchied: viae pelagicae litorales, viae marinae litora- les, viae submarinae litorales, viae fluvio-litorales, viae palustres und viae terrestres. Mit Zugrundelegung dieſer Publikation unterſuchte Merzbier die Zugſtraßen der Vögel im europäiſchen Rußland (Bulletin de la Société imperiale des naturalistes de Moscou 1886, Nr. 2); hierbei fand ſich jedoch, daß die Palmeénſche Einteilung wohl genügend iſt für das weſtliche Europa, nicht aber für das europäiſche und aſiatiſche Rr land. Hier liegen die Verhältniſſe viel verwickelter. Das europäiſche Rußland liegt auf der Grenze zwiſchen der Fauna Weſteuropas, des weſtlichen Sibiriens und Centralaſiens und ſeine Fauna kann nur bei vergleichender Betrachtung ihrer Zuſammen⸗ ſetzung mit den Faunen genannter Gebiete begriffen werden. Zugleich aber läßt ſich eine ſo ſcharfe Trennung, wie ſie Palmeén vorſchlägt, nicht durchführen, ſondern man kann eigentlich nur 2 Kategorien der Zugſtraßen aufſtellen, mit einigen Unterabteilungen, welche dazu tauglich ſind, um die Abhängigkeit der Zugſtraßen von den oro-hydro— graphiſchen Bedingungen anzuzeigen. Die Zugſtraßen teilen ſich in viae marinae litorales, welche längs der Küſten der Oceane und der Meere laufen, und wenn ſie von den Kontinenten etwas mitnehmen, dies dann nur dort thun, wo große Seen gelegen ſind, und in viae continentales, Zugſtraßen, welche die Kontinente in verſchiedenen Rich⸗ tungen kreuzen, mehr oder weniger die Meeresküſten, vor⸗ züglich die Küſten der Binnenmeere hinzunehmend. Dieſe beiden großen Gruppen laſſen ſich in Unterabteilungen gliedern; für Rußland unterſcheidet der Verfaſſer in der erſten Gruppe folgende Straßen: via caspia, via pontica, via baltica und via norwegica. Der Charakter der Gegend, durch welche die via caspia geht, iſt äußerſt mannig⸗ faltig; ſie führt im ganzen und großen den Ural entlang, aus dem öſtlichen Rußland und dem weſtlichen Sibirien zum Kaſpiſchen Meer, deſſen Küſten für viele Arten, die dieſes Weges ziehen, der Hauptüberwinterungsplatz ſind. Die via pontica geht in vielen Verzweigungen über die große ruſſiſche Niederung hin zum Schwarzen Meer. Für die via baltica iſt die Oſtſee das Richtungsziel der zu dieſem Syſtem gehörigen Züge; die via baltica führt 344 vorzugsweiſe Vögel von Nowaja Semlja und geht längs der Küſten, nur zwiſchen dem Weißen Meer und dem fin⸗ niſchen Meerbuſen ein Stück des Kontinentes paſſierend, wobei aber die Unterbrechung des Charakters der Zug⸗ ſtraße durch die zahlreich vorhandenen Seen wieder hin⸗ länglich ausgeglichen wird. Als ausſchließliche Oceanküſten⸗ ſtraße erſcheint die via norwegica, welche der Küſte des Eismeeres entlang von der Petſchora bis zum Nordkap verläuft. Auch die viae continentales Rußlands laſſen vier Hauptſtraßen erkennen. Die via sibirica führt in drei Zügen aus Sibirien nach dem europäiſchen Rußland; dieſe Straße teilweiſe ſenkrecht ſchneidend zieht die via turkes- tanica von Nordweſten nach Südoſten. Die dritte Straße iſt die via trans-caspia, welche zum Ueberwintern aus dem Norden nach dem ſüdweſtlichen Teil des Kaſpiſchen Meeres führt. Die via anatolica endlich führt aus den Kirgiſen⸗ und Kalmückenſteppen und dem Gebiet des mittleren Don längs des Don über das Aſowſche und Schwarze Meer zum Bosporus, nach Kleinaſien, Syrien, Paläſtina und dem nördlichen Arabien; dieſer Weg iſt charakteriſiert durch den ungemein ſtarken Zug der Steppen⸗ adler. Die erwähnten einzelnen „viae“ ſind jedoch nicht eng⸗ begrenzte Pfade, auf welchen alle die verſchiedenen, in einer Richtung wandernden Vögel einherziehen, ſondern jede Art zieht ihres eigenen Weges und das, was die Biologen eine Zugſtraße nennen, iſt nur ein Zuſammen⸗ fallen der Zugſtraßen einiger Arten auf einer größeren oder kleineren Strecke ihrer Ausdehnung. Die einzelnen „Mae“ ſetzen fic) zuſammen aus zahlreichen kleineren Straßen, die die Richtung gemeinſam haben und nach einem Punkt konvergieren, wie dies beſonders charakteriſtiſch die via pontica zeigt. Merzbier kommt außerdem noch zu weiteren all⸗ Humboldt. — September 1887. gemeinen Reſultaten: die Erſcheinung des Zuges wird durch die Bedingungen des Futtererwerbes, die Zugſtraßen werden durch die Verbreitung der Art, die Fütterungs- und oro⸗ und hydrographiſchen Bedingungen hervorgerufen. Die Brutſtationen üben einen Einfluß auf die Zugſtraße der Art aus, aber keinen ausſchließlichen und nicht für alle Arten; für die Mehrzahl der Kontinentalvögel muß der Wechſel der Stationen bei Tage für eine normale Er⸗ ſcheinung gehalten werden. Die Zugſtraßen verändern ſich mit der Zeit, entweder im Zuſammenhang mit den Veränderungen in der Ver⸗ breitung der Art oder im Zuſammenhang mit der Ver⸗ änderung der oro⸗hydrographiſchen Verhältniſſe. Die Wege des Herbſtzuges und des Frühlingszuges einer Art fallen nicht immer zuſammen; in einigen Fällen ſpricht ſich der Unterſchied zwiſchen dem Frühlings- und Herbſtzuge auf einem und demſelben Weg durch die verſchiedene Zahl der Zugindividuen aus. In der Erſcheinung der Züge ſpielt eine nicht unwichtige Rolle die Nachahmung, die Aehnlich⸗ keit in der Färbung. Das Verſammeln zu Herden bei jungen Vögeln verſchiedener Arten, die Verfolgung der einen Arten durch die anderen u. ſ. w., die ererbte Kennt⸗ nis der Zugſtraßen und die Erfahrung der einander all⸗ mählich folgenden Generationen führen in einigen Gegenden zur Verkürzung der urſprünglichen Zugſtraßen, reduzieren die Zugſtraßen auf bloß beſtimmte Zugrichtungen. Die Charakteriſtik der Zugſtraßen wird beſtimmt nicht nur durch die ziehenden Formen, ſondern auch durch die Ablöſung der Sommer- und Winterbevölkerung, was im Zuſammenhang mit dem Charakter der Gegend und den Bedingungen des Futtererwerbes ſteht. Die Veränderungen in den Bedingungen des Futtererwerbes führen auch Ver⸗ änderungen im periodiſchen Erſcheinen der Vögel nach ſich, wozu als einzelnes Beiſpiel der Uebergang eines Zug⸗ vogels in einen Standvogel und umgekehrt dienen kann. Fortſchritte in den Laturwiſſenſchaften. Geologie. Don Profeffor Dr. H. Bücking in Straßburg i. E. Das Alter der mitteleuropäiſchen Gebirge. nördlichen Dogefen und im Schwarzwald. Balkanhalbinſel. Bildungsgeſchichte des Hriftianiafjords. Anden. Poſtglaziale Dislofationen. Der Bau des Kheinthals zwiſchen Schwarzwald und Vogefen. Geologiſche Karte von Preußen, Sachſen und Heſſen. Geologie von Island, Weſtafrika und Südamerika. Erdbeben vom 28. November 1886. Die Lagerungsverhältniſſe in den Die franzöſiſchen Alpen. Geologie der Alter der ſüdamerikaniſchen Unterſuchung von Meeresgrundproben aus der Nordſee. Bildung glaukonitiſcher Sedimentgeſteine. Nach einem ſehr zutreffenden Ausſpruche, welchen E. Sueß in ſeinem klaſſiſchen Werke, „Das Antlitz der Erde“, gethan hat, beſteht die wichtigſte Aufgabe, welche die Geologie für die nächſten Jahre zu löſen berufen iſt, darin, die Einzelheiten der Vorgänge in der Gebirgsbildung durch eine genaue Prüfung und Vergleichung einzelner Fälle zu ermitteln. In der That beſchäftigen ſich außer⸗ ordentlich viele, ja die meiſten der in neuerer Zeit er⸗ ſchienenen geologiſchen Abhandlungen mit der Erforſchung des geologiſchen Baues einzelner beſonders intereſſanter Gebiete oder größerer zuſammenhängender Landſtriche. Nur wenige Arbeiten haben ſich die Löſung allgemeinerer Probleme zur Aufgabe gemacht. Unter dieſen letzteren nimmt eine Mitteilung von E. Sueß, Ueber unterbrochene Ge⸗ birgsfaltung ), eine ganz hervorragende Stelle ein. In dieſer nicht umfangreichen, aber um ſo gehalt⸗ volleren Schrift werden die gegenſeitigen Beziehungen be⸗ handelt, welche die mitteleuropäiſchen Gebirge hinſichtlich ihres geologiſchen Baues erkennen laſſen. Es wird auf⸗ merkſam gemacht auf die Thatſache, daß die Längsrichtung ) Sitzungsber. der kaiſerl. Akad. d. Wiſſ. Wien 1886, 111. ‘ys ted” ge Oni li Humboldt. — September 1887. der meiſten mitteleuropäiſchen Gebirge nur jelten in Ueber— einſtimmung ſteht mit ihrem Gefüge. Die Schichten, aus welchen ſich die Gebirge zuſammenſetzen, zeigen in der Regel eine deutliche Faltung; die Faltenzüge aber ſtreichen ſchräg über die Gebirge; die Umriſſe des Harzes, des Thüringer Waldes, des Schwarzwaldes und der Vogeſen find unab- hängig von ihrem Bau und ſpäterer Entſtehung als die Faltung. Dagegen iſt die letztere innerhalb verſchiedener, voneinander getrennter Gebirge oft gleichgerichtet, kommt auch in denſelben gleichalterigen Schichten in gleicher Weiſe zum Ausdruck und iſt dann offenbar in dieſen Gebirgen durch dieſelben Urſachen und gleichzeitig entſtanden, zu einer Zeit, als die Gebirge noch eine zuſammenhängende Gebirgs— kette bildeten und noch nicht, durch nachträglich eingeſtürzte Senkungsfelder voneinander getrennt, unterbrochen waren. Sueß unterſcheidet drei hauptſächliche Zonen der Fal— tung in Mitteleuropa. Die erſte, für das „kaledoniſche“ Gebirge charakteriſtiſch, iſt in den Hebriden, in Schottland und dem nördlichen Irland in dem Gebiet der kryſtallini— ſchen Schiefer und der Silurſedimente bemerkbar. Nach Südweſt oder Südſüdweſt verlaufende Falten werden von dem alten roten Sandſtein und im mittleren Irland von Kohlenkalk in flacher Lagerung (d. h. in ungefalteten oder nur wenig gefalteten Schichtenreihen) bedeckt, ſind alſo vor Ablagerung dieſer Zonen entſtanden. Danach beſtimmt ſich das Alter des kaledoniſchen Gebirges als ein vor— devoniſches. Die zweite Faltungszone iſt jünger als die kaledoniſche. Ihr gehören die Gebirge im ſüdlichen Irland, in Carlow, Südwales, Devonſhire und Cornwall an, wo noch Karbon— ſchichten an den vorherrſchend weſtöſtlich gerichteten Faltungen Anteil haben. Aber auch wieder ſüdlich auf franzöſiſchem Boden, im Cotentin, in der Bretagne und der Vendee ſind die Gebirge in gleicher Weiſe gefaltet. Sie gehören mit den engliſchen zuſammen zu dem in vorpermiſcher, aber nach— devoniſcher Zeit entſtandenen „armorikaniſchen“ Hoch— gebirge. Die für dieſes Gebirge charakteriſtiſchen Faltungen verlaufen in England im allgemeinen von Weſt nach Oſt, ganz im Weſten mehr weſtnordweſtlich, im Oſten aber mehr oſtnordöſtlich. In letzterer Richtung ſtreichen auch die Fal— tungen in den vorpermiſchen Ablagerungen der mittel— deutſchen und der dieſen benachbarten Gebirge, ſo in den Vogeſen, im Schwarzwald, ebenſo wie in den rheiniſchen Gebirgen zwiſchen Ardennen und dem Harz, im Erzgebirge und im Thüringer Wald. Alle dieſe gehören demnach einem großen in vorpermiſcher Zeit aufgebauten Hoch— gebirge an, dem im Lande der alten Varisker gelegenen „variskiſchen“ Gebirge, welches die öſtliche Fortſetzung des gleichalterigen und gleichgebauten armorikaniſchen Ge— birges darſtellt. Dieſes Hochgebirge iſt aber in ſpäterer Zeit durch Senkungen, welche nur einzelne ſeiner Teile betroffen haben, mehrfach zerſtückelt worden; Senkungs— felder, wie ſie z. B. im Rheinthal zwiſchen Schwarzwald und Vogeſen, in dem flachen Thüringer Land zwiſchen Eiſenach und Nordhauſen und in der ſchwäbiſchen und fränkiſchen Hochebene vorliegen, haben den einheitlichen Ge— birgszug unterbrochen, und viele der ſtehengebliebenen Gebirgsteile ſind nachher zum Teil noch in ſich ſelbſt zu— ſammengebrochen, eingeſtürzt und einer weitgehenden Ab— tragung und Zernagung durch die Gewäſſer anheimgefallen. Humboldt 1887. 345 Die dritte und jüngſte Faltungszone endlich liegt in den Pyrenäen und den Alpen vor. Die hier vorhandenen jüngeren, erſt in der Tertiärzeit entſtandenen Faltungen haben in ihrer Entwickelung einen großen Widerſtand an den ſtehengebliebenen Maſſen des variskiſchen Gebirges gefunden, und daraus erklärt ſich Sueß den dem variskiſchen Gebirge ausweichenden bogenförmigen Verlauf der weſt— lichen Alpen. Auch die Alpen laſſen bereits Unterbrechungen, erſt nach ihrer Entſtehung gebildete Einbruchsfelder erkennen, die Senkung vor Wien iſt hierfür ein Beiſpiel. Auffallend iſt die Thatſache, welche Sueß beſonders betont, nämlich, daß die fallende Kraft ſtets nordwärts gerichtet geweſen iſt, ſeit der Aufrichtung des kaledoniſchen Gebirges bis zu den jüngſten Faltungen in den Alpen; auch die wiederholten Einbrüche, ſowie die wiederholte Anlage neuer Falten haben hierin in den drei erwähnten Gebieten keine Aenderung herbeigeführt. Der Gegenſatz derſelben zu den ſüdwärts gerichteten Ketten Aſiens iſt da— her uralt. Ueber den Schwarzwald und die Vogeſen handeln mehrere Arbeiten. A. Andreä unterſucht den Bau der Schwarzwald und Vogeſen trennenden Rheinebene in einer Schrift, welche den Titel führt: „Eine theoretiſche Reflexion über die Richtung der Rheinthalſpalte und Ver— ſuch einer Erklärung, warum die Rheinthalebene als ſchmaler Graben in der Mitte des Schwarzwald -Vogeſenhorſtes einbrach“*). Nach dem Vorgange einer Reihe von älteren Geologen erblickt er in dieſer die Oberfläche eines lang— geſtreckten Schichtenkomplexes, der zwiſchen den beiden Ge— birgen im Oſten und Weſten zur Tiefe geſunken und, wo— rauf ja die öfter im Rheinthal ſich wiederholenden Erdbeben hinweiſen, wohl noch im Sinken begriffen iſt. Von den früheren Anſichten weicht Andreä bezüglich der Begrenzung des zur Tiefe geſunkenen Gebietes gegen die ſtehenge— bliebenen Gebirgsteile (die „Horſte“) des Schwarzwaldes und der Vogeſen inſofern ab, als er annimmt, daß die Spalten oder Verwerfungen, zwiſchen welchen das Rhein- thalſchichtenſyſtem grabenartig eingeſunken iſt, nach unten nicht konvergieren, ſondern divergieren, alſo die den Rhein— thalgraben gegen Schwarzwald und Vogeſen abſchneidenden Verwerfungsſpalten, deren genaue Verfolgung bis jetzt nur an verhältnismäßig wenigen Orten längs der beiden Ge— birge verſucht und möglich geworden iſt, gegen das Gebirge, nicht gegen das Rheinthal hin geneigt ſind. Es würden bei dieſer Annahme allerdings viele Erſcheinungen an dem Rand der beiden Gebirge, welche zur Zeit noch nicht ge— nügend aufgeklärt ſind, leichter verſtändlich werden; indeſſen ſtehen ihr auch mancherlei Beobachtungen und Erfahrungen entgegen. Erſt eine genaue Unterſuchung des ganzen in Frage kommenden Gebietes, welche der geologiſchen Landes- aufnahme vorbehalten bleibt, würde eine Entſcheidung der aufs neue angeregten Frage herbeizuführen im ſtande ſein. Die geologiſchen Verhältniſſe der nörd— lichen Vogeſen und ſpeciell der Umgegend von Nieder— bronn find von E. Haug**) in überſichtlicher Weiſe dar— geſtellt worden. Es wird die Zuſammengehörigkeit von der Haardt und den Nordvogeſen, die demſelben Gebirge ) Verhandlungen d. Naturhiſt.-Med. Vereins zu Heidelberg. IV. Bd. 1. Heft. 1887. ) Bericht über die XIX. Verſamml. d. Oberrhein. geolog. Ver. 1886. 44 N. F. 346 Humboldt. — September 1887. zugehören, betont, ihr Aufbau näher erläutert und von den einzelnen in den Nordvogeſen auftretenden Schichtſyſtemen mit Ausnahme der Juraablagerungen, welche er in einer beſonderen Arbeit?) ſchon früher eingehender behandelt hatte, eine kurze Beſchreibung gegeben. Eine Arbeit von H. Eck, betitelt „Bemerkungen über die geognoſtiſchen Verhältniſſe des Schwarz- waldes im allgemeinen und über Bohrungen nach Steinkohlen in demſelben“ **) berichtet über den Stand unſerer Kenntniſſe von dem geologiſchen Bau dieſes Gebirges. Der Verfaſſer, welcher ſich durch eingehende Unterſuchung des Schwarzwaldes und durch die Herausgabe mehrerer geolo- giſcher Karten von einzelnen Teilen dieſes Gebirges ganz beſondere Verdienſte erworben hat, unterſcheidet in dem älteren, vorwiegend aus kryſtalliniſchen Schiefern zuſammen⸗ geſetzten Kern des Schwarzwaldes vier Hauptgranitmaſſive, welche von den kryſtalliniſchen Schiefern mantelförmig um⸗ geben werden, und zwar ein nördliches, etwa zwiſchen Offen⸗ burg und Gernsbach gelegenes, dann das Tribergermaſſiv, das Blauenmaſſiv und das Schluchſeemaſſiv. Bezüglich des Vorkommens von paläozoiſchen Sedimenten (Kohlengebirge und Rotliegendem) laſſen ſich fünf Verbreitungsbezirke an⸗ geben und zwar einer nördlich von dem nördlichen Granit⸗ maſſiv, zu welchem auch die älteren Sedimente bei Baden⸗ Baden, Gernsbach und Herrenalb gehören, einer ſüdlich vom Kamme des nördlichen Granitmaſſivs und etwa parallel dem Rande des Triberger Granites, ein etwas weiter ſüdlich gelegener Verbreitungsbezirk zwiſchen den Linien Kandel⸗ Baiersbronn und Erzkaſten (Schauinsland) bis Keſſelberg bei Triberg, ein vierter zwiſchen den beiden ſüdlichen Granitmaſſiven und ein fünfter im Süden des Schluch⸗ ſeegranitmaſſivs gelegener Bezirk. In einem Teil des dritten Bezirkes iſt die Lagerung von Sedimenten ſowohl des Rotliegenden als des Karbons eine derartige, daß dort das Vorhandenſein von abbauwürdiger Steinkohle vermutet werden darf; dagegen iſt im erſten und zweiten Bezirk nur wenig, in den anderen Bezirken ſo gut wie gar keine Aus⸗ ſicht vorhanden, Steinkohlenflöze von abbauwürdiger Mäch⸗ tigkeit in der Tiefe unter dem Rotliegenden anzutreffen; daraufhin deuten außer den Lagerungsverhältniſſen, welche man an der Oberfläche beobachten kann, auch die Ergebniſſe einzelner früher ausgeführter Bohrungen. Was die Beziehungen des Schwarzwaldes zu den be⸗ nachbarten Gebirgen anlangt, ſo macht Eck wohl mit Recht darauf aufmerkſam, daß die Unterſuchungen in dem Schwarz⸗ wald noch nicht ſo weit vorgeſchritten ſind, daß alle die vielen Angaben über den Bau dieſes Gebirges, welchen man an den verſchiedenſten Stellen in der Litteratur be⸗ gegnet, wirklich erwieſen ſind; er deutet vielmehr an und führt das auch in einer kleineren Mitteilung“) über die Gegend von Badenweiler, in welcher auf Grund neuer Auf⸗ ſchlüſſe beſonders die früher von Sandberger ausgeführte geologiſche Aufnahme weſentlich berichtigt wird, noch weiter aus, daß viele der bisherigen Annahmen ſich im Wider⸗ ſpruch mit den thatſächlichen Verhältniſſen befinden. ) Mitteil. d. Kommiſſion für die geolog. Landesunterſuchung für Elſaß⸗Lothr. I. 1. 1886. ) Jahreshefte des Vereins für vaterländ. Naturkunde in Württem⸗ berg. 1887, 322. ) Neues Jahrb. f. Min. zc. 1887, II, 72. Daß dieſes wirklich der Fall iſt, kann nicht weiter überraſchen, wenn man bedenkt, daß eine exakte geologiſche Unterſuchung eines größeren Gebietes eine immerhin ſehr zeitraubende Aufgabe iſt und nur dann möglich wird, wenn eine hinreichend genaue, mit Höhenkurven verſehene topo- graphiſche Specialkarte zu Grunde gelegt werden kann. Dieſe ſichere Grundlage für ein exaktes geologiſches Studium unſerer Gebirge zu ſchaffen, iſt der Hauptzweck der geolo⸗ giſchen Landesanſtalten, welche in mehreren deutſchen Staaten ebenſo wie in den Nachbarländern und in vielen außereuropäiſchen Staaten ſeit einigen Jahren in voller Wirkſamkeit ſind. Sie ſuchen ihre Aufgabe zu löſen durch Herſtellung und Veröffentlichung einer genauen geolo- giſchen Karte (meiſt im Maßſtab ½sooo der wirk⸗ lichen Größe), welche, thunlichſt unabhängig von ſub⸗ jektiven Anſchauungen und Theorien, ein möglichſt getreues Bild von dem Bau des Landes gibt. In Preußen ſchreitet die Aufnahme rüſtig vor⸗ wärts. Schon ſind der Harz und Thüringen nahezu voll⸗ ſtändig bearbeitet, auch der ſüdliche Teil des Rheinlandes und einzelne Teile der Provinz Heſſen-Naſſau liegen fertig vor; zuletzt find geologiſche Specialkarten der Umgegend von Eisfeld und Sonneberg im Thüringer Wald, von Rudolſtadt, von Sangerhauſen, von Kelbra am Kyffhäuſer und von Lauterberg am Harz, von der Gegend zwiſchen Limburg an der Lahn und dem Feldberg im Taunus, ſo⸗ wie die Blätter öſtlich vom Meißner in Heſſen veröffentlicht worden. Im Königreich Sachſen iſt die geologiſche Aufnahme ſchon ſehr weit vorgerückt; in jüngſter Zeit iſt das Vogtland und die Gegend von Johanngeorgenſtadt, auch das Gebiet ſüdlich von Friedberg zum Abſchluß ge- kommen. Auch im Großherzogtum Heſſen hat die Heraus⸗ gabe geologiſcher Karten in dem gleichen Maßſtabe (leider ohne Niveaukurven) begonnen und zwar zunächſt mit den von C. Chelius bearbeiteten Blättern Roßdorf und Meſſel“), welche das öſtlich von Darmſtadt gelegene Gebiet zur Dar⸗ ſtellung bringen. Beſonders intereſſant iſt die Mannig⸗ faltigkeit der älteren kryſtalliniſchen Geſteine, welche in dem ſüdlichen Blatt Roßdorf zu Tage treten, von wo ein ſolcher Reichtum an verſchiedenartigen Geſteinstypen vordem weder bekannt war, noch vermutet wurde. Das Grundgebirge, vielfach vom Diluvium, im Norden des Blattes auch vom Rotliegenden bedeckt, beſteht aus Gneis, Glimmerſchiefer und Quarzitſchiefer, welche Einlagerungen von Amphibolit und Marmor, ſowie oft ganz maffig (dioritiſch) ausgebildete Dioritgneiſe enthalten und an verſchiedenen Stellen un⸗ zweifelhafte Eruptivgeſteine in Form von Gängen und Stöcken einſchließen. Dieſe letzteren ſind teils als Diorit, Gabbro und Uralitdiabas, teils als Granit von ver⸗ ſchiedener Ausbildung (Granitit, Mikrogranit ꝛc.) und Granitporphyr beſtimmt und in den Erläuterungen von C. Chelius ſehr ausführlich beſchrieben worden. Auch den Störungen, welche das Gebiet von Roßdorf und Meffel durchſetzen, iſt in gebührender Weiſe Rechnung getragen worden, ohne Reflexionen über ihr Alter und ihren Zu⸗ ſammenhang mit der Entſtehung des Odenwaldes und des Rheinthales anzuknüpfen. ) Geolog. Karte des Großherz. Heſſen im Maßſtab 1: 25 000. Lief. 1. Blatt Roßdorf u. Meſſel, nebſt Erläuterungen. Darmſtadt, 1887. Humboldt. — September 1887. 347 Weniger ins einzelne gehend und aus dieſem Grunde in den Einzelheiten auch weniger genau, darum aber nicht minder beachtenswert und lehrreich ſind eine Reihe von Bearbeitungen, welche von verſchiedenen außerdeutſchen Gebieten vorliegen. So hat Ch. Lory in ſehr klarer und anſprechender Weiſe über die franzöſiſchen Alpen?) berichtet. Er unterſcheidet in dem unterſuchten Gebiete von innen (Oſten) nach außen (Weſten) drei Hauptregionen, das alpine Kettengebirge, die ſubalpine Kettenregion (Vor— alpen der Schweizer) und das Niederland (plaines et plateaux du Bas Dauphiné). Das erſte iſt weſentlich aus kryſtalliniſchen Schiefern und älteren Eruptivgeſteinen zuſammengeſetzt, enthält aber auch als Vertreter der Sedimentärgebilde Schichten von Karbon, Trias und Lias. In der Karbonzeit hat, wenigſtens in der äußeren Zone dieſer Region, der Zone des Montblanc, eine Bewegung der Maſſen begonnen, welche allmählich zu einer ſtarken Faltung der Ablagerung führte. In dem ſubalpinen Kettengebirge beginnen, plötzlich und mächtig entwickelt, Dogger, Malm, Kreide und Tertiär; es hat ſich erſt von der Miocänzeit an herausgebildet und iſt von dem alpinen Gebirge durch ſtarke Verwerfungen getrennt, welche dem früheren ſteil aufſteigenden Meeresufer entſprechen ſollen. Das Niederland endlich beſteht aus horizontal gelagerten Miocänſchichten und mächtigen Pleiſtocänbildungen. Auf der Balkanhalbinſel haben E. Tietze, Franz Toula und H. Sanner geologiſche Forſchungen angeſtellt. Der letztere hat in der Rhodope und im Balkan einige Erz⸗ und Kohlenlagerſtätten bergmänniſch unterſucht und die bei dieſer Gelegenheit gemachten geologiſchen Beobach— tungen in den Erläuterungen zu einer Ueberſichtskarte **) von Oſtrumelien mitgeteilt; Franz Toula, durch ſeine Reiſen im Balkan und eine ſchon früher erſchienene Darſtellung des geologiſchen Baues der ganzen Balkanhalbinſel bekannt, hat einige vor längerer Zeit von ihm ausgeführte geolo— giſche Unterſuchungen im weſtlichen Balkan und in den angrenzenden Gebieten eingehender beſprochen **), und E. Tietze hat eine geologiſche Ueberſichtskarte von Mon— tenegro entworfen und ſeine Beobachtungen in dieſem Lande zuſammengeſtellt' r). Was den Bau Montenegros anlangt, jo iſt derſelbe in ſeinen Einzelheiten noch nicht feſtgeſtellt; von demſelben in beſonders auffallender Weiſe abhängig aber iſt die orographiſche Beſchaffenheit des Landes. Einen eigentümlichen, ſelbſtändigen Charakter tragen insbeſondere das Gebiet der älteren Schieferformation an der oberen Tara und am oberen Lim, die triadiſchen Kalke in der Umgegend des Dormitor und des Vojnik, die Kreidekalke und die älteren meſozoiſchen Kalke im Weſten und Süden Montenegros, das Gebiet um den Skutariſee mit der Ebene von Podgorica und im Anſchluß daran die Küſten— landſchaft zwiſchen Antivari und Duleigno. Die Bildungsgeſchichte des Chriſtianiafjords wird von W. C. Brögger, dem verdienten ſkandinaviſchen Ch. Lory, Apergu sommaire de la structure géologique des Alpes occidentales, Grenoble, 1885; Auszug im N. Jahrb. f. Min. 1886, I, 418. ) Beiträge zur Geologie der Balkanhalbinſel; mit 2 Tafeln; in Zeitſchr. d. Deutſch. geolog. Geſ. Bd. 37. S. 470 ze. ) Sitzungsber, der Wiener Akad. Bd. 87. +) Jahrb. der k. k. geolog. Reichsanſtalt, 1884. Mineralogen und Geologen, in einer ſehr ins Einzelne eingehenden Abhandlung) erörtert. Er kommt zu dem Reſultat, daß ſowohl die Anſicht von Kjerulf, nach welcher die Fjorde durch Spalten oder Verwerfungen gebildet ſeien, als auch die Annahme Hellands, nach welcher die Fjorde weſentlich der erodierenden Kraft der Gletſcher, die durch ſie ihren Weg zur Tiefe nehmen, ihre Entſtehung verdanken, alſo jede der beiden widerſprechenden Anſichten ihre Be— rechtigung hat und die Wahrheit in der Mitte liegt. Die jetzige Form und die Reliefverhältniſſe des Chriſtianiafjords ſind in gleicher Weiſe, wie bei den weſtlicher gelegenen zahlreichen Fjorden Norwegens, bedingt außer durch den urſprünglichen Felſenbau, einerſeits durch Verwerfungen und Senkungen, andererſeits durch eine enorme Eroſion. Größere und kleinere Verwerfungen haben in poſtſiluriſcher Zeit das ſtark gefaltete und von paläozoiſchen Sedimenten bedeckte Grundgebirge in mehrere längliche, gegenſeitig ver— ſchobene Geſteinsplatten zerſtückelt und dadurch erhebliche Niveauunterſchiede der Oberfläche verurſacht, gleichzeitig aber auch wohl Veranlaſſung zum Auffſteigen der mächtigen poſtſiluriſchen Granit- und Syenitmaſſen gegeben, welche weſtlich von dem Chriſtianiafjord verbreitet ſind. Die durch die Verwerfungen unebene Oberfläche wurde durch eine ſehr durchgreifende Eroſion nivelliert; „ſchließlich haben die Gletſcher der Eiszeit in der ſchon einigermaßen nivellierten Landſchaft das Fjordbett eingegraben und zum Teil bis an die alte Grundgebirgsoberfläche ausgehöhlt, wobei offenbar die alten Verwerfungen eine durchgreifende indirekte Be— deutung bei der Ausbildung der Oberfläche gehabt haben. So haben ſowohl die gewaltigen Naturrevolutionen der Verwerfungen und Eruptionen als die langſam vernichtende Eroſion zur Bildung der endlichen Form des Fjordbettes beigetragen.“ Auch über Schweden liegen mehrere Arbeiten vor, von welchen beſonders eine geologiſche Ueberſichtskarte im Maßſtab Yoooooo mit Erläuterungen von A. G. Nathorſt zu erwähnen iſt. Dieſe Ueberſichtskarte umfaßt den ſüd— lichen Teil von Schweden bis zum Parallelkreis von Upſala, mit den Inſeln Orland und Gotland. Ein zweites gleich— großes, noch nicht erſchienenes Blatt ſoll den nördlichen Teil von Schweden zur Darſtellung bringen. Die Geologie von Island behandelt K. Keilhack in einer auch die älteren Arbeiten über Island verwertenden Abhandlung“), welche als Erläuterung einer im Jahre 1883 von dem Verfaſſer und C. W. Schmidt aufgenommenen geologiſchen Karte der Inſel dienen ſoll. Aus der Karte, welche den Maßſtab von ooo ooo beſitzt, iſt erſichtlich, daß der Untergrund von Island vorwiegend von baſaltiſchen Eruptivgeſteinen miocänen Alters gebildet wird, auf welchen ſich in einer ziemlich breiten, in nordöſtlicher Richtung quer durch die Inſel zu verfolgenden Zone die poſtglacialen Laven⸗, Schlacken-, Aſchen- und Tuffmaſſen ausbreiten. Miocäne Braunkohlenablagerungen und pliocäne Tuffe, ebenſo wie präglaciale Laven nehmen nur in untergeord— neter Weiſe Anteil an dem Aufbau der Inſel; dagegen iſt das Land in weiter Ausdehnung bedeckt von Glacial— ablagerungen, ſowie Sanden und Thonen der Quartärzeit. ) Beitrag zum Verſtändnis der Fjord- und Seebildung in Skandi⸗ navien. Kriſtiania 1886. Mit 21 Holzſchn. u. 1 Tafel. **) Zeitſchr. der Deutſch. geol. Geſ. 1886, 376. 348 Humboldt. — September 1887. Von den übrigen geologiſchen Abhandlungen, welche das Jahrbuch und die Abhandlungen der preußiſchen geologiſchen Landesanſtalt, die Zeitſchrift der deutſchen geologiſchen Geſellſchaft, das Jahrbuch der k. k. geologiſchen Reichsanſtalt in Wien und noch viele andere Zeitſchriften in großer Zahl enthalten, ſeien nur noch erwähnt ein Werk von Orville A. Derby über Braſilien !), ein Buch von Joſeph Kolberg „nach Ecuador“, in welchem ver⸗ ſucht wird, ein Bild von dem geologiſchen Bau von Ecuador zu geben!), Siemiradzki, geologiſche Reiſenotizen aus Ecuador ***), ein größeres Werk von A. Stelzner über Argentinien f), in welchem die Lagerungsverhältniſſe, die der Verfaſſer auf Reiſen von Cordoba aus nach Chile und zurück vorgefunden hat, an der Hand einer geolo⸗ giſchen Ueberſichtskarte erläutert werden, und mehrere Arbeiten über Weſtafrika, unter anderen auch über das Hinterland von Angra Pequena, welche wir A. Schenk und A. von Lajauly >, G. Gürich ), H. Wulf) u. a. verdanken. Nach dieſen beſteht das Grundgebirge aus Gneis und Glimmerſchiefer mit untergeordneten Maſſen von Granit, Diorit, Foyait (auf den Losinſeln), Gabbro, Diabas und Serpentin; an den Gneis und Glimmerſchiefer ſchließen ſich lokal, zum Teil als Einlagerungen, Amphi⸗ bolite, körnige Kalke, Quarzitſchiefer und Thonſchiefer an. Ueber dem oft gefalteten Grundgebirge liegt an vielen Orten, nahezu horizontal gelagert, ein jüngerer Schichten⸗ komplex von Sandſtein und Kalkſtein, deſſen Alter noch nicht annähernd beſtimmt werden konnte, der aber mög⸗ licherweiſe einer Schichtenreihe zwiſchen Karbon und Jura entſpricht. Auch eine Notiz von C. Ochſenius „Ueber das Alter einiger Teile der ſüdamerikaniſchen Anden“) verdient noch ganz beſonderes Intereſſe, weil nach ihr die ſüdamerikaniſchen Anden nur ein ſehr geringes Alter beſitzen, erſt in der Quartärzeit, vielleicht ſogar erſt in hiſtoriſcher Zeit entſtanden ſein ſollen. Er begründet dieſe Anſicht durch Hinweis auf die Thatſache, daß unter den Natronſalpeterablagerungen von Tarapaca und Atacama gewöhnliche, zum Ackerbau geeignete Dammerde liegt, dieſe Salpeterdecken erſt vor verhältnismäßig kurzer Zeit ſich dort gebildet haben können und zwar als Abſchwemmungen von Mutterlaugenreſten aus alten abgeſchloſſenen Meer⸗ becken, welche mit den Anden zu größerer Höhe gehoben waren. Ferner ſucht er nachzuweiſen, daß der Titicacaſee, wie aus ſeiner Fauna folge, ein vor nicht allzulanger Zeit von dem Pacific abgetrennter und mit ſamt ſeiner ganzen Umgebung langſam in ſeine jetzige Höhe gehobener früherer Meeresteil ſei. Auch müſſe man doch wohl annehmen, daß die alte, an Kunſtwerken jo reiche Incahauptſtadt Tiahua⸗ naco, deren Ruinen an dem ſüdlichen Ufer des Sees in einem jetzt unwirtlichen Klima ſich ausbreiten, einſt eine *) Physical Geography and Geology of Brazil; vergl. Neues Jahrb. f. Min. 1886, II, 57. ) Neues Jahrb. f. Min. 1886, II, 59. ) Ebenda. Beilagebd. IV, 195. +) Beiträge zur Geologie und Paläontologie der Argentiniſchen Re⸗ publik. I. Kaſſel 1886. +t) Neues Jahrb. f. Min. 1886, II, 370. ibi) Zeitſchr. der Deutſch. geol. Geſ. 1887, 96. §) Ueber das Hereroland. Tſchermaks Mitt. 1887, 193. 88) Zeitſchr. der Deutſch. geol. Gej. 1886, 766 ꝛc. ihrer Bedeutung entſprechende Lage in fruchtbarer Ebene und nur wenig über dem Oceangeſtade gehabt habe und erſt nach ihrer Erbauung in ihr jetziges Niveau gehoben worden ſei. Dafür ſprechen namentlich auch die zur Herſtellung der großartigen Bauten verwendeten Geſteinsvarietäten, welche ſich heute erſt in weiten Entfernungen von der Stadt und in bedeutend tieferen Horizonten vorfänden, von wo ein Transport bergan nicht möglich geweſen fei. Im allgemeinen ſind wir nicht gewohnt, in der Geologie ſolch junge Niveauveränderungen anzunehmen. Daß ſie aber wirklich vorkommen, darauf deuten auch noch andere Beobachtungen. So hat von Koenen ſchon früher?) zu beweiſen verſucht, daß der Harz erſt in der Quartärzeit ſeine gegenwärtige Höhe erreicht habe und in ſeiner jüngſten Arbeit über poſtglaciale Dislokationen !) hat er eine Verwerfung aus der Nähe von Seeſen weſtlich vom Harz beſchrieben, welche, wie die auf ihr eingeſunkenen nordiſchen Geſchiebe beweiſen, erſt nach Ablagerung dieſer Geſchiebe, alſo erſt in „poſtglacialer“ Zeit, ſich geöffnet hat. Andererſeits deuten die verhältnismäßig häufig auf⸗ tretenden Erderſchütterungen darauf hin, daß die Bewegungen in der feſten Erdrinde, einerlei, ob ſie als horizontale oder vertikale auftreten oder miteinander ver⸗ eint, noch nicht beendet ſind, daß ſie heute noch, wenn auch langſamer als in früherer Zeit, ſich vollziehen. Man hat dieſe Erdbeben, welche zu dem Gebirgsland und den Dislokationen in Beziehung ſtehen, als tektoniſche oder Spalten (Dislokations)⸗Beben bezeichnet, zum Unterſchied von den ſogenannten Einſturzbeben und vulkaniſchen Beben, welche nicht auf allgemeinere, ausgedehntere Bewegungen in der feſten Erdrinde zurückzuführen ſind, ſondern ent⸗ weder durch Einſturz lokal gebildeter Hohlräume entſtehen oder unmittelbar mit vulkaniſchen Vorgängen zuſammen⸗ hängen. Auch das am 28. November v. J. in der Schweiz, Tyrol, Bayern, Württemberg beobachtete Erdbeben wird von H. Eck kan) als ein tektoniſches Beben betrachtet; es wird angenommen, „daß etwa eine kleine Verſchiebung oder ein, wenn auch nur minimaler Fortſchritt im Fal⸗ tungsprozeſſe von Gebirgsmaſſen der natürlichen Neben⸗ kette der Alpen zwiſchen dem Oberengadin und Oberinnthal und zwar mit einem nordweſtlich oder nördlich gerichteten erſten Anſtoß, der Grund für dasſelbe geweſen ſei. Auf die letztere Annahme führt die größere Ausdehnung nach Nordweſt, Nord und Nordoſt, die geringe Verbreitung nach Süd. Daß der Erdbebenherd nicht ſchon in kryſtalliniſchen Geſteinen gelegen geweſen ſei, dürfte ſich aus der geringen Ausbreitung der Erſchütterung innerhalb der kryſtalliniſchen Centralkette der Alpen mit genügender Sicherheit folgern laſſen.“ Die Kenntnis von der Bildung der Sediment⸗ geſteine iſt durch einige Arbeiten W. v. Gümbels nicht unweſentlich gefördert worden. Der Verfaſſer hat Meeres- grundproben unterſucht, welche S. M. Kanonenboot „Drache“ im Jahre 1882 aus dem Gebiet der Nordſee auf einer Rundfahrt von Wilhelmshaven nach Aherdeen in Schottland, von da nach Lerwick auf den Shetlandin⸗ ſeln, dann quer in der Richtung nach Bergen und zurück ) Vergl. Humboldt, 1887, S. 61. **) Jahrb. der geol. Landesanſtalt für 1886. Berlin, 1887, S. 1 2c. ) Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1887, 356. } q Humboldt. — September 1887. nach Wilhelmshaven aufgenommen hatte“). Der Zweck dieſer Unterſuchung war, durch die mineralogiſch-petro— graphiſche Beſtimmung der einzelnen Beſtandteile der Proben Anhaltspunkte über die Natur der Meeresablagerungen im allgemeinen und über die Abſtammung dieſer unorganiſchen Beſtandteile aus verſchiedenen älteren Geſteinsbildungen der umgebenden Feſtländer zu gewinnen und dann durch Vergleich der Zuſammenſetzung der verſchiedenen Proben mit Berückſichtigung der kalkigen, thonigen, ſandigen und aus dem organiſchen Reich ſtammenden Beimengungen ein Bild von dem Material zu erlangen, wie letzteres etwa zur Erzeugung von Sedimentärablagerungen älteren Ur— ſprunges in Verwendung gekommen ſein mag. Es ſtellte ſich heraus, daß die gegenwärtig am Grunde der Nordſee ſich bildenden Ablagerungen ganz entſchieden einen ſandigen Charakter an ſich tragen, ſtrichweiſe in größerer Tiefe eine überwiegend thonige Beſchaffenheit annehmen und ſtrich— weiſe durch eine Anhäufung von zertrümmerten Schalen ausgezeichnet ſind, ähnlich vielen tertiären Sand- und Sandſteinablagerungen. Was den Urſprung dieſer ſandigen Sedimente anlangt, ſo weiſen die in ihnen faſt nie fehlenden Beimengungen von Urgebirgsmineralien, wie Orthoklas, Glimmer, Hornblende, Granat, Zirkon, Turmalin und Magnetit mit Beſtimmtheit auf zerſtörte Urgebirgsſteine hin, wie ſolche im norwegiſchen Küſtengebiet anſtehend vor— kommen; auch fehlen deutliche Fragmente von norwegiſchem Granit, von Glimmerſchiefer und quarzreichem Chloritſchiefer nicht, welche dieſe Abſtammung verraten. Als Abkömm— linge vom ſchottiſchen Feſtland laſſen ſich mehr vereinzelt vorkommende Glaukonitkörnchen deuten. Eigentlich vul— kaniſche Teilchen wurden nicht gefunden. Inwieweit am ) Goeologiſch-mineralogiſche Unterſuchung der Meeresgrundproben aus der Nordſee. Berlin, 1887. 349 Grunde des Meeres ſelbſt lagernde ältere Geſteinsbildungen an der Zuſammenſetzung der ſandigen Bedeckung beteiligt ſind, läßt ſich nicht leicht beurteilen. Die ebenfalls von Gümbel angeſtellte Unterſuchung“) anderer Meeresgrundproben, welche die „Gazelle“ bei der Reiſe um die Erde geſammelt hatte, ergab bezüglich der bis dahin noch nicht genügend aufgeklärten Bildung des Glaukonits, eines in den ſandigen, mergeligen und kalkigen Sedimenten vieler Formationen, beſonders aber der Kreide, ſehr verbreiteten Beſtandteils, das inter— eſſante Reſultat, daß die äußere Form der Glaukonit— körnchen nicht, wie man früher anzunehmen geneigt war, ausſchließlich der Abformung von Hohlräumen kleiner Tier— gehäuſe (Foraminiferen ꝛc.), in welchen ſich die Glaukonit— ſubſtanz abgelagert hat, ihren Urſprung verdankt, ſondern daß ein großer Teil derſelben auch ſelbſtändig ohne form— gebende Mitwirkung von organiſchen Gebilden nach Art mancher Oolithe in nicht beträchtlicher Tiefe der Meere und zugleich in der Nähe von Küſten entſteht. Bei einer vergleichenden Betrachtung vieler Glaukonit führender Ge— ſteine aus verſchiedenen Formationen ſtellte ſich weiter heraus, „daß die Glaukonitkörner aus ſämtlichen Geſteins— ſchichten nach Form und Zuſammenſetzung als gleichartige und unter denſelben Entſtehungsbedingungen erzeugte Ge— bilde eines nicht tiefen Meeresgrundes anzuſehen ſind.“ Seiner chemiſchen Zuſammenſetzung nach iſt der Glaukonit ein waſſerhaltiges Kalieiſenoxydſilikat. Auch über Eruptivgeſteine handeln ſehr zahlreiche Arbeiten, ebenſo wie über organiſche Einſchlüſſe verſchieden— alteriger Ablagerungen; ein näheres Eingehen auf dieſe muß aber für ſpäter vorbehalten bleiben. ) Sitzungsberichte der Bayr. Akad. d. Wiſſenſch. zu München. 1886, S. 419 x. Zoologie Von Profeſſor Dr. W. Marſhall in Leipzig. Monjugationsprozeß bei Infuſorien. bei Seeigeln. Brutknoſpen bei Ringelwiirmern. Ueber den Konjugationsprozeß eines der häufig— ſten Infuſorien, Paramaecium aurelia, macht Gruber ine tereſſante Mitteilungen“). Die Tiere ſind länglich -oval, ihr Mund liegt etwas hinter der Mitte, ein jedes hat einen „Großkern“ und einen ungefähr um 0,2 (Durchmeſſer) fo großen „Neben— kern“ in ſich. Wenn in einem Gefäß mit trübem Waſſer eine Kolonie recht zahlreich geworden iſt und in der Blüte ſteht, dann kommt eine „Konjugationsepidemie“ über die— ſelbe, d. h. die vorübergehenden Vereinigungen zweier Individuen werden ſehr zahlreich. Eingeleitet werden die— ſelben durch eine Art von Liebesſpielen, bei denen ein Para- maecium- Pärchen umeinander ſchwimmt, ſich flüchtig be— rührt, wohl auch vorübergehend aneinanderlegt, bis endlich die definitive Vereinigung ſtattfindet. Dabei legen ſich je zwei Tiere erſt mit dem unteren Körperpol, dann mit ) Ber. d. naturf. Geſellſch. zu Freiburg i. B. Bd. II, S. 43 ff. Uniſtülpung des Süßwaſſerpolypen. Augen der Inſekten. Bewegungen bei Seeſternen. SHuſammengeſetzte Augen Naturgeſchichte der Blindwühler. der Mundregion an- und ein wenig gekreuzt übereinander, darauf verläßt in beiden Tieren der Nebenkern, der ur— ſprünglich dem Großkern dicht angelagert war, dieſen und wandert im Infuſor. Dabei ordnen ſich die Körnchen ſeines Inhaltes in parallele Längsreihen an, er ſelbſt geht mehr und mehr in eine Spindelform über, endlich teilt er ſich, und jedes Individuum hat einen Groß- und zwei ſekundäre Nebenkerne. Je einer dieſer letzteren rückt nun nach der hinteren Vereinigungsſtelle der beiden in Konju— gation begriffenen Infuſorien; dieſe haben ſich hier noch inniger vereinigt, indem nämlich jedes eine Delle und eine Ausbuchtung des Körpers hat, die, nebeneinander gelegen, wechſelweiſe ſich ineinander hineinpreſſen. In die Ausſtülpung eines jeden vereinigten Paramäciums rückt nun einer der ſekundären Nebenkerne und, da ſie ſpindel— förmig ſind, mit einer Spitze voran, drängt ſich immer mehr in dieſelbe hinein, plattet ſich an der Spitze ab und wird petſchaftförmig, und wahrſcheinlich liegen die 350 Humboldt. — September 1882. beiden Endflächen nebeneinander und zwar ſo nahe, daß man einen Subſtanzaustauſch zwiſchen beiden wohl an⸗ nehmen kann. Dabei verlieren fie ihre körnige Strei— fung und werden zu zwei dicht über⸗ und nebeneinander gelagerten homogenen Körperchen, welche ſich bald von— einander trennen, ſich ſtrecken und von der Vereini⸗ gungsſtelle weg wandern. Dann rückt wahrſcheinlich das zweite Paar der ſekundären Nebenkerne an dieſelbe Stelle, um hier denſelben Prozeß durchzumachen. Darauf wachſen alle dieſe Nebenkerne etwas, werden blaſſer, und die Konjugation iſt vollzogen. Die beiden Tiere trennen ſich, die vergrößerten homogeneren beiden Nebenkerne eines jeden Individuums wandeln ſich wieder zu ſtreifigen Spin⸗ deln um und teilen ſich endlich. Dann hat jedes der ge— paart geweſenen Infuſorien 4 Nebenkerne in ſich, welche ſich ſofort teilen, ſo daß 8 helle Kugeln in jedem ſind. Mittlerweile haben ſich auch mit dem Großkern wichtige Veränderungen vollzogen: er iſt zu einer langgeſtreckten, verſchlungenen, wurſtähnlichen Maſſe geworden, welche zer—⸗ reißt und in Stücke zerfällt, die ſchließlich als Trümmer das ganze Paramäcium durchſetzen. Die zwiſchen ihnen gelegenen helleren 8 Nebenkerne ordnen ſich nun in zwei Gruppen, jede zu 4 Kernen, die Kerne je einer Gruppe vereinigen ſich, die einen bilden einen neuen Großkern, die anderen einen neuen Nebenkern, der ſich dicht an jenen anlegt, die Reſte des alten Großkernes ſind mittlerweile verſchwunden, und das Paramäciumindividuum hat die normale Geſtaltung, welche es vor der Konjugation beſaß, wieder erlangt. Gruber bringt nun dieſen Konjugations⸗ prozeß direkt mit dem Befruchtungsvorgange vielzelliger Organismen in Zuſammenhang: es iſt ein Prozeß, dazu beſtimmt, zweierlei Idioplasmen zu miſchen, worauf die Variabilität des Individuums und damit auch die Mög⸗ lichkeit der Artenbildung begründet iſt. Die viel unterſuchten, viel bewunderten Polypen des ſüßen Waſſers haben M. Nußbaum Stoff zu einer Reihe ſehr intereſſanter Unterſuchungen und Be⸗ trachtungen gegeben!), von denen hier nur die hervor- gehoben werden ſollen, welche ſich auf die Umſtülpung dieſer Geſchöpfe beziehen. Bekanntlich hat ſchon Trembley behauptet, es wäre ihm gelungen, eine Hydra jo umzu⸗ kehren, daß die urſprüngliche Magenwand zur Außenſeite, und umgekehrt dieſe zu jener geworden ſei und funktioniere. Späteren Forſchern (Röſel von Roſenhoff, Goeze, Lichten⸗ berg, Engelmann, Jentinck und mir ſelber) wollte es nicht gelingen, dies Experiment nachzumachen, ja ich ſprach die Vermutung aus, daß dasſelbe unmöglich ſein dürfte, da doch wohl nicht ein tieriſches Keimblatt vollſtändig die Funktionen eines anderen übernehmen könne. Ein Süß⸗ waſſerpolyp beſteht aus zwei Keimblättern, einem äußeren, die Empfindung, Reſpiration, Bewegung und, mittelſt der Neſſelkapſeln, die Verteidigung vermittelnden Ektoderm und einem die Verdauung beſorgenden, weſentlich anders gebauten innern (Entoderm). Zwiſchen beide ſchiebt ſich ein nicht voll⸗ kommen zur Entwickelung gekommenes mittelſtes (Meſoderm) als „Stützlamelle“ ein. Nußbaum hat nun bewieſen, daß Trembley recht hatte, wenigſtens bis zu einem gewiſſen ) Archiv für mikroſkopiſche Anatomie, Bd. XXIX, S. 265 ff., Tafel XIII XX. Grad, daß aber auch diejenigen, die bezweifelten, daß ein Keimblatt für ein anderes funktionieren könne, ſich nicht im Unrecht befanden. Es gelang ihm vorzüglich, mittelſt Schweineborſten Süßwaſſerpolypen umzuſtülpen und durch 0,2 mm dicke Stückchen Silberdrahtes in dieſer Lage zu fixieren. „Bei einiger Uebung und mit Zuhilfenahme der neuen Methode gelang es, tadelloſe Verſuche anzuſtellen, ſo daß oft in einer Stunde bis vier Polypen umgeſtülpt und mit dem Silberdraht befeſtigt wurden, ohne daß Ge— webeſtücke abfielen, oder gar durch die Operation das Tier in zwei Teile geteilt wurde. Der umgeſtülpte Polyp zeigte nun an der Oberfläche ſtatt des durchſichtigen, mit glän⸗ zenden Neſſelkapſeln gefüllten Ektoderms das je nach den Arten gefärbte Entoderm. Nach einigen Stunden liegen alle umgeſtülpten Polypen ruhig da, und es beginnen jene intereſſanten Veränderungen, welche das im Inneren ein⸗ gekrempelte Ektoderm wieder auf die Oberfläche zurück bringen. Dann kann man mit dem Mikroſkop in nicht zu langen Zeiträumen ſein Fortſchreiten verfolgen, wie es in dünner Schicht, gleichſam als ein Schleier, mit ſeinen Muskelzellen und Neſſelapparaten von drei beſtimmten Lo⸗ kalitäten, nämlich von der Mundöffnung und von den beiden durch den fixierenden Silberdraht gemachten Stich⸗ öffnungen auf die Außenſeite hervorrückt, gewiſſermaßen zurückkriecht. Es tritt niemals außer Zuſammenhang mit dieſen drei Lokalitäten etwa inſulär an einer anderen Region auf, die vorgeſchobenen Ausläufer jener an den drei Oeff⸗ nungen vorquellenden Maſſen fließen zuſammen, wo ſie aufeinander ſtoßen. Aber nicht bloß das Ektoderm zieht ſich über das künſtlich nach außen gekehrte Entoderm zu⸗ rück, nein, auch die Stützlamelle und wohl auch die tieferen Lagen des dieſer anhaftenden Entoderms. Vom Ekto⸗ derm bleiben hin und wieder Bruchſtückchen im Inneren zurück, und man ſieht zwiſchen dem paſſiv wieder in ſeine alte Lage gekommenen Entoderm Neſſelzellen, Reſte des Ektoderms, die hier ohne Schaden im eigenen Leibe ver⸗ daut werden, denn auch die Hydren, wie die Schlangen, ſind immun gegen das eigene Gift. Aber auch das Ento⸗ derm hat bei dieſem Prozeſſe Verluſte erlitten, es haben ſich Teilchen von ihm losgelöſt und ſind durch die Stid)- kanälchen des Silberdrahtes nach außen getreten, — es zeigt hin und wieder Spalten und Höhlen. Wie viel von dem urſprünglichen, hiſtologiſch⸗differenzierten Zellenmaterial nach der Umſtülpung eines Polypen erhalten bleibt, wiſſen wir nicht; wir kennen auch nicht die Lebensdauer dieſer Teile an normal dahin lebenden Polypen. Die Durch⸗ bohrung des umgeſtülpten Polypen begünſtigt die Rück⸗ kehr zur normalen Lagerung in einer Weiſe, die man geradezu eine heimliche nennen könnte, da die ohne wei⸗ teres ſichtbare Rückſtülpung, die ohne den fixierenden Draht ſich ereignet, verhindert wird.“ Die Phyſiologie der niederen Tiere iſt ein noch wenig kultiviertes Kapitel der Zoologie, und der Forſcher, der ſich ihr zuwendet, darf hoffen, wenn er wenigſtens der Mann dazu iſt, vieles Neue und Merkwürdige zu ent⸗ decken. Zu den ſeltſamſten Tieren aber, ſowohl ihrem Bau, als auch ihren Lebenserſcheinungen nach, gehören die Stachelhäuter, deren Bewegungen, wenigſtens der See— ſchlangen- und Haarſterne, zu ſtudieren W. Preyer die in der zoologiſchen Station zu Neapel reichlich gebotene Ge⸗ — eS Ss Humboldt. — September 1887. 351 legenheit trefflich ausgenutzt hat“). Mit allen möglichen mechaniſchen, elektriſchen, thermiſchen und chemiſchen Reizen iſt der berühmte Jenger Phyſiolog den Tieren zu Leibe ge— gangen, er hat ſie unter die mannigfachſten Verhältniſſe und für Seeſterne von Natur aus unwahrſcheinlichſten Zwangs— lagen gebracht. Zunächſt beſchäftigte er ſich mit den Bewe— gungserſcheinungen der Ambulakralfüßchen. Wenn er an einem fünfſtrahligen Seeſtern die Füßchen eines Strahles reizte, ſo zogen ſie ſich zuſammen, darauf diejenigen des zu— nächſt gelegenen rechten und linken Nachbars zu gleicher Zeit, dann die der beiden entfernteren nebeneinander gelegenen (4. und 5.) a tempo. Aeußerſt empfindlich zeigten ſich die Tiere gegen Säuren, auch wenn ſie außerordentlich verdünnt waren, desgleichen reagierten ſie äußerſt lebhaft gegen das Eintauchen in deſtilliertes oder Brunnenwaſſer. Nach einem Aufenthalt von nur wenigen Minuten im Meeres— waſſer, das durch Hineinwerfen von Cigarrenſtückchen gelb gefärbt war, erholte ſich ein Seeſtern, wenn er in reines Waſſer zurückverſetzt war, nur ſehr langſam, meiſt gar nicht. Auch Blauſäure veranlaßte eine lange Nachwirkung, aber nach Behandlung mit 70proc. Alkohol und mit Aethyläther trat bald Erholung ein, weniger raſch nach Einwirkung von Chloroform. Ein Ausdehnen der Füßchen erfolgte auf mechaniſche und chemiſche Reize der Rückenfläche der Scheibe des Tieres; zunächſt zogen ſich die unmittelbar unter der gereizten Stelle gelegenen Füßchen etwas zuſammen, um dann nach kurzer Zeit ſich auszudehnen, und die Erektion ſämtlicher Füßchen lief centrifugal alle Arme entlang. Ein unter den nötigen Vorſichtsmaßregeln den Seeſternen appli- zierter elektriſcher Strom wirkte ungemein revoltierend auf die Füßchen; erſt reagierten ſie eine kurze Zeit lang gar nicht (Latenzzeit), dann ergriff ſie eine enorme Bewegung, ſie wurden erigiert und ertendiert, turgeszierten und kolla— bierten in ſchneller Abwechſelung, wurden weit über das normale Maß hinaus verlängert und ſchnell wieder zu— rückgezogen, um ſogleich wieder herausgeſtreckt und jeit- wärts umgelegt zu werden. Thermiſche Reizung mittelſt heißen Seewaſſers oder heißen Dampfes an irgend einer Stelle der Ambulakralfurche appliziert, veranlaßte Cin- ziehen der Füßchen an der betreffenden Stelle, die thermiſchen Reize bei einem ſiebenarmigen Seeſtern (Luidia) im Meeres— waſſer angewendet, ſteigerten die Bewegung ſämtlicher Füß⸗ chen aller ſieben Arme, aber an der Luft appliziert, verur— ſachten ſie Bewegungsloſigkeit (Wärmeſtarre). Die Seeſterne ſcheinen überhaupt ſehr empfindlich gegen Temperaturverhält— niſſe zu fein, wahrſcheinlich infolge der bedeutenden Ober- fläche, die ihre Saugfüßchen bieten. In dieſer werden auch Nervenendigungen und zarte Muskeln leicht durch Ein— wirkung des warmen Waſſers von außen, aber auch zu— gleich von innen, — da ja das Waſſergefäßſyſtem umgeben- des Waſſer innerlich aufnimmt, — angegriffen werden. Es iſt wahrſcheinlich, daß die Seeſterne des Golfs von Neapel eine Temperatur von 20° auf die Dauer ſchlecht vertragen. Vorübergehende Temperaturen von 31—35° find für die unterſuchten Formen lebensgefährlich, gleichviel ob ſie durch langſame oder durch ſchnelle Erwärmung des See— waſſers erzielt werden. *) Mitteil. aus d. zool. Station zu Neapel, Bd. VII, S. 22— 127 und S. 191-232. Das Anheften der Saugfüßchen geſchieht in bekannter Art, indem der Mittelteil der angedrückten Endſcheibe durch Muskelwirkung gehoben und jo ein luft- reſp. waſſer— leerer Raum gebildet wird. Die Tragfähigkeit feſtgeſaugter Füßchen ijt enorm: ein Seeſtern von 250 g Gewicht kann mit dem Rücken nach unten an je 2 Füßchen ſeiner 5 Arme hängen, das macht auf jedes tragende Füßchen eine Laſt von 25 g! Da die Füßchen nach allen Richtungen ex⸗ tendiert und angeheftet werden können, ſo können See— ſterne jeden Augenblick ihre Kriechrichtung ändern, ohne ſich zu drehen. Auch kleine abgeſchnittene Armſtückchen kriechen noch lange herum, der centrale Nervenring iſt mithin überflüſſig für die Bewegung der Füßchen, aber ihre Ve— wegung iſt ohne ihn mangelhaft und oft nicht zweckent— ſprechend. Auch die Selbſtwendung auf den Rücken ge— legter Seeſterne erfolgt mittelſt der Füßchen, ſie brauchen dazu mehrere Minuten, während die ſchlankarmigen, aber füßchenloſen Schlangenſterne durch alleinige Bewegung ihrer Arme dazu nur ebenſoviele Sekunden bedürfen. Wenn Preyer einem Schlangenſtern (Ophioderma longicauda) ein Stückchen Gummiſchlauch über einen ſeiner Arme zog, ſo verſtand das Tier, auf verſchiedene Art ſich davon zu befreien. War das Schlauchſtückchen nur locker über gezogen, ſo ſtreifte es ihn ab durch Reibung am Boden oder es befreite ſich von ihm durch geißelförmiges Hin— und Herſchütteln des Armes. War die Verbindung feſter, ſo drückte das Ophioderma den umhüllten Arm mit den freien Nachbararmen gegen den Boden und zog ihn aus dem dadurch fixierten Rohre heraus, oder es ſtemmte abwechſelnd die beiden Nachbararme mit deren Zähnchen unter dasſelbe und ſchob es ruckweiſe ab, und wenn es gar nicht anders gehen wollte, ſo brach es kurz entſchloſſen den Arm mitſamt ſeiner unbequemen Bekleidung ab. Dieſe freiwilligen Selbſtamputationen oder Autotomien ſpielen bei den Aſteriden, wie man längſt weiß, eine große Rolle, und Preyer iſt der Meinung, daß hierdurch unter günſtigen äußeren Umſtänden eine erhebliche Lebensverlängerung durch eine Art wahrer Verjüngung herbeigeführt werde. Denn je größere Dimenſionen ein Seeſtern erreicht, um ſo ſchwerer wird es ihm, ſich unverſehrt zu erhalten, durch ſchnelle Flucht den Feinden im Meere zu entgehen und fic) ſelbſt genügend Nahrung zu verſchaffen. Das Tier verdankt ſehr häufig, wie der Fuchs, der ſich, wie man ſagt, im Fangeiſen ein Bein abbeißt, einer rechtzeitigen ſchleunigen Verluſtgabe eines Armes die Erhaltung ſeines Lebens als Ganzes. Hierzu kommt noch die ungeheure, ſchon von Réaumur gekannte, aber von Häckel und ganz beſonders von Simroth unterſuchte Fähigkeit, verloren ge— gangene Teile zu regenerieren, ja die Fähigkeit, dieſe Teile unter Umſtänden wieder zu neuen Seeſternen auszu— wachſen. Die Weismannſchen Ideen von der Unſterblich— keit der Protozoen ſpielen auch in die Biologie des See— ſternes hinüber: „es iſt denkbar, daß irgendwo auf dem Grunde des Meeres ein und derſelbe Strahl einer Asterias tenuispina ſeit Jahrhunderten in einförmigem Wechſelſpiel neue Strahlen anſetzt, ablöſt, wieder anſetzt u. ſ. w., bis ein Zufall ſie tötet.“ Preyer kommt zu dem Reſultate, daß die Echinodermen keine bloßen Reflextiere find, ſon— dern daß ſie eine ſelbſtändige phyſiſche Aktion haben und er ſagt, anknüpfend an die Art, wie das Ophioderma 352 Humboldt. — September 1887. ſich von der Kautſchukröhre zu befreien verſteht: „Wenn Intelligenz auf dem Vermögen beruht, Erfahrungen zu machen, d. h. zu lernen und das Erlernte in neuer Weiſe zweckmäßig zu verwerten, ſo müſſen die Schlangenſterne ſehr intelligent ſein.“ Hinſichtlich der Empfänglichkeit der Aſteriden für Sinnesein⸗ drücke hat Preyer gefun⸗ den, daß die Seeſterne mit Vorliebe das Licht auf⸗ ſuchen, was bei den Schlan⸗ genſternen nicht zu kon⸗ ſtatieren war. Und wir wiſſen ja nun in der That nach den Beobachtungen Ehrenbergs und den Unter⸗ ſuchungen Häckels, daß die echten Seeſterne an der Unterſeite der Spitzen der Arme relativ hochent⸗ wickelte Augen beſitzen. Schnitt Preyer die Arm⸗ ſpitzen und damit die Augen der Seeſterne ab, ſo ver⸗ loren dieſe ihr Empfin⸗ dungsvermögen für Licht. Valentin hatte Pigment⸗ flecke, welche ſich bei See⸗ igeln auf den ſo⸗ genannten Ocellar⸗ platten um den After finden, als Augen gedeutet, eine Auffaſſung, welcher ſich ſpätere Forſcher nicht an⸗ ſchließen konnten. Es iſt nun Paul und Fritz Saraſin ) ge⸗ lungen, nachzu⸗ Hafen von Trincomali auf Ceylon lebt das in allen wär⸗ meren Meeren weit verbreitete Diadema setosum, welches für Licht und Schatten ſehr empfindlich iſt. Nähert man ſich mit der Hand einem Glaſe, in welchem ſich ein Exemplar befindet, ſo ſträubt es ſofort der Richtung der kommenden Hand entgegen ſeine ſpitzen, leicht abbrechenden Stacheln, deren innerer Hohlkanal mit einem giftigen Sekrete gefüllt iſt, wodurch ſie zu einer gefährlichen Waffe werden. ) Ergebniſſe naturw. Forſchungen auf Ceylon. Fig. 1. Diadema setosum. Apical pol. a After. g Genitalplatten mit einem großen Augenfleck und der Geſchlechtsöffnung. m Madreporenplatte. J Interradius mit den Unterambulacralplatten, auf denen zahlreiche Augen, namentlich auch um die Gelenkbaſis (s) der entfernten Stacheln. R Radius mit den Ambulgeral⸗ platten und einer Zickzackreihe von Augen. Augenflecke ſchwarz. Fig. 2. Zuſammengeſetztes Auge von Diadema setosum man ſieht die Einzelaugen und ihre Pigmentbecher. weiſen, daß in der That auch bei Seeigeln ſich Augen und zwar hoch organiſierte finden, wenn ſchon an anderen Stellen, als wo Valentin ſie ſuchte. Im su AU 1 Fig. 3. Fig. 3. Durchſchnitt durch ein ſolches Auge; co Cornea, I lichtbrechender Körper, p Pigmentbedjer, n Nervengeflecht, 81 Ganglienzellenbelag des⸗ ſelben, p Pigmentanhäufung unterhalb des Mervengefledjts. Pigmenthechern (p) ſtecken. Auf. dem tiefſchwarzen Tiere gewahrt man zahlreiche glänzend blaue Fleckchen von verſchiedener Größe. Oben um den After befindet ſich auf jeder Genitalplatte (Figur 1 g) ein größeres von 1,5 mm Durchmeſſer, dann eine Reihe auf jedem Interradius (J), weiter eine zickzackartig gebogene Reihe kleinerer auf jedem Radius (R) und an dem Baſalteil eines jeden grö⸗ ßeren Stachels auf dem Interradius (s) ein Kränz⸗ chen kleinerer. Gegen den Umbiegungsrand der Schale nach der unten ge⸗ legenen Mundſeite hin werden die Fleckchen ſchwä⸗ cher, und an der dem Boden zugekehrten Mundſeite ſelbſt ſind ſie ganz ver⸗ ſchwunden. Betrachtet man ein ſolches Fleckchen mit dem Mikroſkop, ſo ſtellt ſich heraus, daß die blaue Farbe eine Folge von Iriſierung iſt, denn ſie verändert ſich bei durch⸗ fallendem Licht in gelb. Aber weiter löſt ſich der Mittelteil eines jeden Fleckes in eine nach ſeiner Größe ſchwankende Anzahl durchſichtiger, ſechs⸗, feltener fünf⸗ eckiger Felder auf (Fig. 2). Ein jeder ſolcher Polyeder entſpricht einer Py⸗ ramide aus licht⸗ brechender Sub⸗ ſtanz, die mit ihrer Spitze in einem Becher ſchwar⸗ zen Pigmentes ſteckt. Die Zahl der Pyramiden beläuft ſich in den größeren Flecken auf viele Hunderte. Auf einem ſenkrechten Schnitt durch eine ſolche Augenplatte (Fig. 2) ſieht man zunächſt die ein⸗ zellige, durchſichtige Schicht der allgemeinen Körperbedeckung, die eine Cornea (e) des Auges bildet, dann die aus großen Zellen zuſammengeſetzten licht⸗ brechenden Pyramiden (1), welche mit der Spitze in den Unmittelbar darunter iſt ein nervöſes Geflecht (n), wie es auch die übrige Schale unmittel⸗ bar unter dem einzelligen Epithel überzieht, und das mit den fünf großen Nervenſträngen, die (je einer) im Inneren Wiesbaden 1887. des Tieres entlang der Mitte der Radien (je eines) hin Tren Humboldt. — September 1887. 353 verlaufen, durch zahlreiche Aeſtchen in Verbindung ſteht. lung der Borſten, die ſich weſentlich vergrößern, was auch Dies Nervengeflecht iſt belegt mit zahlreichen Ganglien⸗ ſonſt bei Syllideen zur Zeit der Geſchlechtsreife vorkommt zellen (gl), die ſich unterhalb und zwiſchen dem Pigment der Einzelaugen regelmäßig anordnen und wohl gewiß die Retina des Auges bilden. So iſt Diadema setosum ein Geſchöpf, bei welchem in prachtvoller Korrelation zu hoch entwickelten Sinnesorganen (Augen) gefährliche Ver— teidigungsmittel (Giftſtacheln) vorhanden ſind. An einem in Höhlungen von mit Kalkalgen überwachſenen Steinen oder von Schwämmen des Mittelmeeres nicht ſeltenen Ringelwurm (Haplosyllis spongicola s. aurantiaca) hat Albert eine intereſſante Entdeckung gemacht“). Schon 1854 hatte Quatrefages beobachtet, daß fic) bei Syllis prolifera und filigrana eine Anzahl der hinteren, mit (ſogenannte Pubertätsborſten). Dieſe Borſten ſind flach, ruderförmig, hohl und dadurch ſehr leicht und biegſam. Im Inneren der mit ſolchen Ruderborſten ausgeſtatteten End— ſegmente verändert fic) die zur Bewegung nötige Mus— kulatur, ſie verſtärkt ſich, teils bildet ſie ſich ſogar neu; auch die Stummelanhänge der Ringel (Parapodien) ver- breitern ſich. Während urſprünglich das ganze Tier, ſowie beim geſchlechtsreifen noch die vorderen zwei Drittel des Körpers nur kriechen konnten, vermag das Endſtück, in welchem der Darmabſchnitt obliteriert, zu ſchwimmen. Zu gleich vergrößern ſich ſeine Segmentalorgane, und es iſt mit Samen oder Eiern gefüllt. Das erſte Segment des Fig. 6. Fig. 4. Fig. 4. Weibchen von Ichthyophis glutinosus, in einer Erdhöblung ſeine Eier umſchlingend. 7 Tentakel. Fig. 5. Ausgewachſener Embryo desſelben Tieres, nat. Größe. Fig. 6. Schwanzende eines jüngeren Embryos mit dem Floſſenſaum und dem rudimentären hinteren Extremitätenkegel (e tr). Eiern gefüllten Segmente unter Neubildung eines Kopfes loslöſen. Etwas Aehnliches findet ſich nun bei dem von Albert unterſuchten Wurm. Derſelbe iſt 4—5 em lang, cirka 1,5 mm breit und hat gegen 90 Ringel. Bei ge— ſchlechtsreifen Individuen erſcheint ein ſehr verſchieden großer, 30—85 Ringel umfaſſender hinterer Abſchnitt des Leibes durch die Geſchlechtsprodukte aufgetrieben. An der Baſis der Rückeneirren dieſer Ringel zeigen fic) Pigment- anhäufungen, welche nach hinten zu zahlreicher, dunkler und größer werden. Nach einiger Zeit geht nun mit den 20 — 30 Endſegmenten der geſchlechtsreifen Männchen und Weibchen eine merkwürdige Umbildung vor ſich. Sie er— ſcheinen nicht mehr gelblich wie das übrige Tier, ſondern meiſt karmeſinrot, die Pigmentanhäufungen werden ſehr ſtark, ein Teil der Oberhaut über letzteren ſpringt als durchſichtiger lichtbrechender Körper über die Oberfläche des Tiers hervor und der ganze Apparat ſieht aus wie ein Auge, nur gelang es nicht, eine Innervation des— ſelben nachzuweiſen. Veränderung erleidet aber dieſer Schwanzanhang durch eine beſondere lokaliſierte Entwicke⸗ *) Mitteil. aus d. zool. Station zu Neapel, Bd. VII, S. 1—22. Humboldt 1887. Endſtückes bleibt im Wachstum gegenüber den folgenden zurück, die Kontinuität der inneren Organe wird hier unterbrochen, mit anderen Worten, es entſteht ein, wenn auch nicht hochdifferenziertes Kopfſegment. Dieſes End— ſtück führt kraft ſeines Ruderapparates lebhafte Schwimm bewegungen aus und löſt ſich dadurch endlich von dem übrigen Tiere ab. Sobald dieſes geſchehen iſt, beginnt es als „Schwimmknoſpe“ ein ſelbſtändiges Leben und eilt pfeil— geſchwind durch das Waſſer. „Dadurch, daß ſie befähigt iſt, große Strecken zu durcheilen, ſichert ſie mit einer dem Schwimmleben auf der Meeresoberfläche vorzüglich angepaßten Organiſation der trägen Haplosyllis die aus— gedehnteſte geographiſche Verbreitung.“ Die Augen der Inſekten reſp. deren Leiſtungen haben dem ausgezeichneten Schweizer Zoologen Forel Stoff zu einer hochintereſſanten Abhandlung“) gegeben. Nach den Unterſuchungen Forels orientieren ſich die In— ſekten beim Flug faſt ausſchließlich und auch beim Kriechen zum Teil durch ihre zuſammengeſetzten Facettenaugen. Die Fühlhörner und die etwaigen an und im Munde gelegenen ) Recueil zoolog. Suisse, T. IV, p. 1-30. 45 354 Humbolot. — September 1887. Sinnesorgane können beim Fliegen nichts nützen und wenn fie entfernt werden, reſp. ihre Leiſtungsfähigkeit un⸗ möglich gemacht wird, ſo leidet die Direktion des Fluges nicht im mindeſten darunter. Nur die Theorie des muſiviſchen Sehens der Gliedertiere, wie ſie von Johannes Müller aufgeſtellt wurde, iſt richtig. Nicht jedes Sehelement des zuſammengeſetzten Auges erhält durch je eine Facette ein Bildchen, wie Gottſche ſeiner Zeit annahm. Je anſehn⸗ licher aber die Zahl der Facetten und je länger die Kry⸗ ſtallſtäbe im Inſektenauge ſind, deſto größer iſt auch das Unterſcheidungsvermögen und deſto länger ſeine Dauer. Die Inſekten nehmen die Bewegung der Gegenſtände, d. h. die Lage der ſichtbaren Bilder zum zuſammengeſetzten Auge, ausgezeichnet wahr. Sie ſehen daher während des Fluges beſſer, als während der Ruhe, denn während des Fluges verändert das Bild der an und für ſich bewegungsloſen Objekte ſeine Lage dem Auge gegenüber. Aber dieſe Percep⸗ tionsfähigkeit vermindert ſich in dem Maße, wie die Entfernung des bewegten Auges vom geſehenen Ob⸗ jekte oder des bewegten Objektes vom ruhenden Auge zu⸗ nimmt. Die Umriſſe und die Geſtalten der Gegenſtände vermögen die Inſekten doch nur mehr oder weniger un⸗ deutlich zu ſehen, um ſo undeutlicher, je kleiner die Zahl der Facetten iſt, und je kürzer die Kryſtallkegel ſind, und je kleiner oder weiter entfernt der betreffende Gegenſtand iſt. Inſekten mit ſehr großen gewölbten Augen, deren Facetten mehrere Tauſende betragen und deren Kryſtallkegel ſehr verlängert ſind, werden ziemlich deutlich ſehen können. Während des Fluges vermögen die Inſekten die Lage und Entfernung eines Objektes ziemlich genau zu ſchätzen, und gewiſſe Inſekten (Bienen, Hummeln) unterſcheiden ſcharf die Farben, ja ſie verſtehen ſich beſſer auf das Erkennen dieſer als der Geſtalten. Bei verwandten Formen (Weſpen) hingegen ſcheint das Perceptionsvermögen von Farben ſehr rudimentär zu ſein. Die Nebenaugen (ocelli, stemmata) werden in optiſcher Hinſicht nur ſehr Un⸗ vollkommenes leiſten. Eine Hauptnummer des Programmes, das ſich Paul und Fritz Saraſin für ihre wiſſenſchaftliche Thätigkeit auf Ceylon entworfen hatten, war eine genaue Erforſchung der Naturgeſchichte, namentlich der Entwickelung der Blind⸗ wiih ler (Coecilia, Apoda), jener ſeltſamen, wurmförmigen, in allen tropiſchen feuchten Ländern vorkommenden, unterir⸗ diſchen Amphibien, und iſt es ihnen gelungen, dieſe Aufgabe größtenteils zu löſen und ſo unſere Kenntnis über jene intereſſanten Weſen ganz beträchtlich zu erweitern, z. T. über⸗ haupt erſt zu begründen !). Auf dem feuchtwarmen Plateau von Kandy, 1500“ über dem Meere, lebt in der von wühlenden Geſchöpfen aller Art durchſetzten Erde die ein⸗ zige Blindwühlerart Ceylons, Ichthyophis glutinosus, ein braunes, an den Seiten mit einem gelben Längs⸗ ſtreifen gezeichnetes Tier von eirka 30 em Länge. Das Geſchöpf hat rudimentäre, zum Sehen unfähige Augen, aber an jeder Seite der Schnauze einen kurzen, ſpitzen Taſter oder Fühler (Fig. 4, T), mit denen es bei ſeinem langſamen Kriechen abwechſelnd den Boden berührt. Sein Leib iſt mit feuchtem Schleim, dem Sekret zahlreicher und großer Hautdrüſen, bedeckt, welcher das Anheften von ) In dem oben angeführten Werke, Bd. II, 1. Heft. Erde an dem Körper verhindert und, da er giftige Eigen⸗ ſchaften wie der Hautſchleim ſo vieler Amphibien beſitzt, zugleich eine Waffe iſt. Sonſt ſind die Blindwühler voll⸗ ſtändig harmlos und nähren ſich von Regenwürmern und gleichfalls blinden, in der Erde lebenden, kleinen Schlangen. Die Schwierigkeiten, welche ſich dem Studium der Ent⸗ wickelungsgeſchichte dieſes intereſſanten Tieres, deren Kennt⸗ nis indeſſen von größter Wichtigkeit für die Wiſſenſchaft iſt, entgegenſetzten, waren ungeheuer, und fruchtlos wandten die Saraſins Mühe, Geld und die Zeit eines halben Jahres daran, bevor ſie überhaupt etwas erreichten. Nach dem, was man von früher wußte, waren zwei Möglich⸗ keiten vorhanden: entweder das Weibchen legte Eier und zwar in das Waſſer, in welchem die allerdings ſchon ziem⸗ lich vorgeſchrittenen Larven, die dem großen Johannes Müller vorgelegen hatten, gefunden waren, oder die Jungen wurden lebendig zur Welt gebracht, wie es nach den An⸗ gaben von Wilhelm Peters bet Typhlonectes compressi- cauda von Südamerika der Fall ſein ſoll. Unſere Forſcher durchſuchten emſig alle Gewäſſer und fanden auch die von Müller beſchriebene Larvenform, aber niemals Eier, und ſchon wollten ſie die Sache als hoffnungslos aufgeben, als eines Tages ein Kuli mit einem Häufchen Eier erſchien, welche er in der Erde gefunden hatte und die ſofort als Ichthyophiseier erkannt wurden. Nun hatten die beiden Forſcher gewonnenes Spiel und ermittelten folgendes. Die Begattung der betreffenden Blindwühler iſt eine innere, die ovalen, 9 mm langen und 3 mm breiten Eier wer- den in zwei Schnüren, jede zu 13—14 Stück, von dem Weibchen in eine kleine, ſelbſtgegrabene Erdhöhle, nahe unter der Oberfläche und nicht allzufern von einem fließen⸗ den Waſſer, gelegt. Die Schnüre, zu welchen die Eier mittelſt eines zähen Ueberzuges vereinigt ſind, bilden einen Knäuel, der um ſo feſter wird, je mehr der Ueberzug er⸗ ſtarrt. Das Weibchen umſchlingt nun dieſen Eierknäuel innig mit ſeinem Leib (Fig. 4), wodurch derſelbe in einem gleichmäßigen Grad von Feuchtigkeit erhalten bleibt und auch vor Feinden geſchützt iſt. Die Möglichkeit erſcheint nicht ausgeſchloſſen, daß ſich die in der Entwickelung begriffenen Eier vielleicht auf osmotiſchem Wege vom Sekret des mütterlichen Körpers ernähren, wenigſtens iſt der fertige Embryo viermal ſchwerer, als das friſch gelegte Ei, und das Weibchen iſt am Ende der Brütperiode auffällig matt. Bemerkenswert iſt noch, daß Eier ohne Gegenwart der Mutter zu Grunde gehen. Wenn der Embryo im Ei eine Länge von etwa 4 em erreicht hat, iſt er ein ſehr zierliches Geſchöpf von einfacher ſchwarz⸗grauer Farbe ohne Seitenſtreifen mit drei, zarten Federn vergleichbaren blutroten Kiemen an jeder Seite des Halſes. Die vor⸗ derſte, kürzeſte (9 mm) Kieme iff nach vorn gewendet, die längſte (20 mm), zweite ſchlägt ſich über die dritte, in die Höhe gerichtete weg nach hinten. In der Ei⸗ flüſſigkeit bewegen fic) dieſe Kiemenfederchen hin und her. Höchſt merkwürdig und bedeutend iſt das Schwanzende des Embryos (Fig. 6); einmal iſt dasſelbe mit einem Floſſenſaum verſehen, dann aber, eine Thatſache von größter Wichtigkeit, findet ſich hier in Geſtalt eines kleinen, nach vorn vorſpringenden Zapfens die Anlage einer hin⸗ teren Extremität (extr), während von einer vorderen keine Spur erkennbar iſt. Hat der Embryo eine Länge von eirka Humboldt. — September 1887. 355 7 cm erreicht, fo iſt der Dotter aufgezehrt, der Dotter- ſack verſchwunden, die Kiemen ſind etwas rückgebildet, haben reſp. mit dem Wachstum des Körpers nicht gleichen Schritt gehalten und der junge Blindwühler verläßt das Ei (Fig. 5). Nun muß er ſich zu einer kleinen Wan⸗ derung entſchließen, denn ſeine Wiege war jene von der Mutter gegrabene Erdhöhle, er ſelbſt aber lebt im Waſſer. Auf dieſer Wanderung ſcheint er ſeine Kiemen zu ver— lieren, an ihrer Stelle bleibt nur ein Loch, gewiſſermaßen eine Narbe, und er atmet im Waſſer, an die Oberfläche ſteigend, mittelſt Lungen, ſchwimmt aalartig munter umher, wobei ihm ſein Ruderſchwänzchen trefflich zu ſtatten kommt, hat ein verhältnismäßig gut entwickeltes Augenpaar und zahlreiche, auf der dunklen Haut als weiße Punkte leicht wahrnehmbare Hautſinnesorgane, wie fie bei waſſerbewoh⸗ nenden Wirbeltieren ſo allgemein verbreitet ſind. Sein Waſſerleben ſcheint lange zu dauern, denn während er ſein Jugendelement aufſuchte, als er ungefähr 8 em maß, erreicht er in ihm eine Länge bis zu 13 em. Dann ſchließt ſich ſein Kiemenloch, der Floſſenſaum am Schwanzende und der Gliedmaßenſtummel ſchwindet, die Augen, welche mit der Weiterentwickelung nicht gleichen Schritt hielten, ſind rudimentär geworden, dafür aber ſproßten die Tentakeln, die Haut erhielt eine total neue Struktur und Farbe, büßte aber ihre Sinnesorgane ein — aus der fiſchartig lebenden Larve wurde ein wiihlen- des, unterirdiſch lebendes Landtier, das ſich ſeinem alten Elemente fo ſehr entfremdet hat, daß es, wenn zum Aufent— halt im Waſſer gezwungen, ſchon im Laufe einer Nacht rettungslos zu Grunde geht. Rlejus Mitteilungen. Die Luftelektricität. Während die Phyſiker Dutzende von Hypotheſen aufſtellen über die Entſtehung der Luft⸗ elektricität, kommt Nahrwold nach vielfachen Verſuchen zu der Anſicht, daß es wahrſcheinlich keine Luftelektri⸗ citat gebe, daß die atmoſphäriſche Elektricität vielmehr ihren Sitz in den Staubteilchen habe, welche in der Atmo— ſphäre in unendlicher Zahl vorhanden ſein ſollen. Mit dieſem Staub, nach deſſen Entfernung aus der Um⸗ gebung eines Körpers dieſelbe dunkel erſcheint, erklärt man jetzt folgerichtig die Tageshelle und die Dämmerung. Nach Aitken und Robert von Helmholtz entſteht in voll⸗ kommen ſtaubfreier Luft kein Nebelteilchen. Wolken und Nebel, Regen und Schnee, das ganze Gebiet der farbigen Lufterſcheinungen haben den Staub als unentbehrliche Grundlage; die durchſichtige Klarheit der Luft nach Regen⸗ wetter folgt einfach aus der Reinigung der Luft von all⸗ zuviel Staub durch maſſenhaften Regen; nun wird der Staub auch das Subſtrat der Luftelektricität und damit der ſämtlichen Gewitterphänomene. Schon vor beinahe 10 Jahren hatte Nahrwold nachgewieſen, daß ſtaubfreie Luft durch eine Spitze nicht ſtatiſch elektriſch geladen wer⸗ den könne, noch weniger durch eckig oder rundlich be- grenzte Körper; damals konnte er jedoch durch einen glühenden Platindraht Elektricität in die Luft eines Be⸗ hälters bringen, mußte alſo für dieſen Fall die Elektriſie⸗ rung der Luft für möglich halten. Nun hat er nach einem Bericht in Wiedemanns Annalen die Verſuche wieder auf⸗ genommen und nachgewieſen, daß von dem glühenden Platindraht feine Teilchen fortgeſchleudert werden, die ſich in der umgebenden Luft zerſtreuen und auf dieſe Weiſe die ſtaubfreie, für die Aufnahme von Elektricität nicht ge⸗ eignete Luft wieder ladungsfähig machen. Auch hat er ausführlicher als früher dargethan, daß die aus Spitzen ausſtrömende Luft nicht die Luft ſelbſt ſtatiſch elektriſiert, ſondern den in ihr ſuspendierten, aus feſten oder flüſſigen Körpern beſtehenden Staub. Es wird hiernach ſehr wahr— ſcheinlich, daß atmoſphäriſche Luft und andere Gaſe nicht ſtatiſch elektriſiert werden können. Dynamiſch elektriſiert können dieſelben bekanntlich werden, jedoch nur in äußerſt verdünntem Zuſtande, wie z. B. in den Geißler⸗ ſchen Röhren; daß es wirklich die Luftarten ſind, die hier ge- und entladen werden, zeigt die verſchiedene Farbe des Geißler'ſchen Leuchtens in verſchiedenen Gaſen. Hinſicht⸗ lich der faſt luftleeren Crookesſchen Röhren möchte man auf den Gedanken kommen, die dunkeln Faſern der ſtrah⸗ lenden Materie ſeien von der Kathode abgeſchleuderte Staublinien. Die Frage über die Entſtehung der Luftelektricität er⸗ hält durch Nahrwolds Entdeckung ein ganz anderes Geſicht. So viel ſteht feſt: je mehr Staub die Luft enthält, deſto mehr Elektricität kann fie aufnehmen; hierdurch gewinnt die Meinung von Andries, die vielbeſprochene Vermehrung der Blitzgefahr ſei der Vermehrung des Luftſtaubes durch Fabriken, Schornſteine u. ſ. w. zuzuſchreiben, eine Art von Beſtätigung. Bei dem großen Intereſſe, das die Herſtellung ftaub- freier Räume und ihre Anwendung im großen durch Aitken und Lodge in Anſpruch nimmt, iſt es Pflicht an⸗ zuerkennen, daß der Gedanke ſchon 1876 von Tyndall aus- geſprochen wurde und daß Nahrwold bald nachher eine Verſuchseinrichtung angab, mit welcher die Herſtellung ſtaubfreier Räume vor einem größeren Audi— torium demonſtriert werden kann, die er in ſeiner neueſten Arbeit folgendermaßen verbeſſert hat: Eine tubulierte Glasglocke von 30 em Höhe und 20 em Durch— meſſer wird nach ſorgfältiger Reinigung inwendig mit Glycerin beſtrichen und mit dem Hals nach unten aufgeſtellt.“ Auf die obere weitere Oeffnung wird als Deckel eine Zinkblechſcheibe aufgelegt, welche einerſeits das Glycerin berührt, andererſeits mit der Erde in leitender Verbindung ſteht. Durch die Mitte des Deckels geht iſoliert ein aus etlichen Kupferdrähten gewundener Strang, zwiſchen deſſen Maſchen Nadeln nach verſchiedenen Richtungen in der Glas- glocke eingeſteckt ſind. Werden nun durch den Hals von unten Tabakrauch, Waſſerdampf, Salmiakdampf, Phosphor⸗ ſäurenebel u. dgl. eingeblaſen und der Strang mit dem einen Pol einer Töplerſchen Maſchine verbunden, deren anderer Pol zur Erde abgeleitet iſt, ſo iſt nach wenigen langſamen Umdrehungen der Rauch verſchwunden. Lampen— ruß iſt zur Demonſtration weniger geeignet, weil die Glaswand bald undurchſichtig ſchwarz wird; jedoch kann der Einzelne bei dieſen größeren Staubteilchen die Be— wegung derſelben, ihre Vereinigung, ihr An- und Ab- ſetzen leichter beobachten. R. Ueber den Zuſammenhang des Hallſchen Phänomens und des Leitungswiderſtandes publiziert Goldhammer in Wiedemanns Annalen intereſſante Beobachtungen. Das Hallſche Phänomen tritt in einer dünnen, länger als breiten Metallplatte auf, die in einem magnetiſchen Felde ſenkrecht zu den magnetiſchen Kraftlinien ſo angebracht ijt, daß fie durch den Magnetismus keine Geftaltande- rung erfährt. Hall entdeckte 1880, daß ein eleftrijder Strom, der in der Längenrichtung durch die Platte geht, im Augenblicke der Herſtellung des magnetiſchen Feldes teilweije nach der Breitenrichtung abgelenkt wird, indem ein in dieſe Dimenſion eingeſchaltetes Galvanometer einen Ausſchlag zeigt. Die Anhänger der elektriſchen Lichttheorie 356 (das Licht beſtehe aus elektriſchen Kreisſtrömen) erblickten in Halls Phänomen ſchon die Erklärung der elektriſchen und magnetiſchen Drehung der Polariſationsebene und hiermit eine Beſtätigung ihrer Anſicht; man verſtieg ſich ſogar zu der Aeußerung, das Phänomen ſei die wichtigſte Entdeckung ſeit der Auffindung von Oerſtedts Geſetz (1820). Hall benutzte anfänglich Platten von Gold, Silber, Platin, Zinn, Nickel und Eiſen und ſtellte feſt, daß in dem letzten Metalle die Rotation ſehr gering und in entgegengeſetzter Richtung ſtattfinde als in den übrigen. Später fand Righi, daß das Wismut die ſtärkſte Ablenkung und für das Blei gar keine; dies beſtätigte Hall und konſtatierte gleichzeitig, daß Wismut negativ ablenke wie Nickel und die vorausgehenden Metalle, Aluminium, Kupfer und Meſſing, während die Ablenkung des Antimon poſitiv und ſehr ſtark ſei und die des Kobalt poſitiv und ſehr ſchwach wie beim Eiſen. Dieſe vollendete Zuſammenhangsloſigkeit mit Para⸗ und Diamagnetismus, mit der Drehung der Polariſationsebene ſowohl bei Reflexion als beim Durchgang machte alle Theorie zu ſchanden; nur die geheimnisvollen Ausſprüche von Lorenz behielten durch ihre Dunkelheit ein gewiſſes Anſehen. In dieſes Wirrnis ſcheint ein Lichtſtrahl zu fallen durch den Gedanken Goldhammers, das Hallſche Phänomen mit der Leitungsfähigkeit in Zuſammenhang zu bringen. W. Thomſon hatte ſchon 1853 zweifellos bewieſen, daß Eiſenplatten im magnetiſchen Felde eine geringe Wider⸗ ſtandsveränderung erleiden und zwar, daß der Wider⸗ ftand in der Richtung der magnetiſchen Kraftlinien zu⸗, in der dazu ſenkrechten Richtung dagegen abnehme. Aehnliche und zugleich meſſende Unterſuchungen wurden ſeitdem mehrfach angeſtellt, bis Righi u. a. in den letzten Jahren fanden, daß Wismut im magnetiſchen Felde ſenk⸗ recht zu den Kraftlinien eine Widerſtandszunahme von dem enormen Betrage von 12— 16 % zeige. Dieſer parallele Gang der zwei Wirkungen im magnetiſchen Felde, des Hall⸗ ſchen Phänomens und der Widerſtandsänderung, beide im Wismut am ſtärkſten und im Eiſen ſehr ſchwach, veranlaßte Goldhammer zur genauen Beſtimmung der Widerſtands⸗ änderung für alle Metalle, von denen das Hallſche Phä⸗ nomen bekannt war. Wenn nun auch keine meßbare Widerſtandsänderung bei denjenigen Metallen gefunden wurde, bei denen man jenes Phänomen zuerſt beobachtet hatte, nämlich bei Gold und Silber, ſo wurde doch für ſechs Metalle ein paralleler Gang konſtatiert. Wismut, Anti⸗ mon und Nickel, die das Phänomen am ſtärkſten ent⸗ wickeln, haben auch die ſtärkſte Widerſtandsänderung; ebenſo ſtimmen Tellur, Kobalt und Eiſen in der Schwäche beider Erſcheinungen überein; dabei zeigen die drei dia⸗ magnetiſchen der genannten ſechs Metalle eine Zunahme des Widerſtandes in allen Stellungen von Stromrichtung, Kraftlinienrichtung und Plattenrichtung gegeneinander, während die drei paramagnetiſchen eine Abnahme in der ſenkrechten Kraftlinienrichtung, ſonſt aber Zunahme haben; auch find Zu- und Abnahme verſchieden nach den Rich⸗ tungen. Die hierdurch möglichen Kombinationen hängen offenbar mit der poſitiven und negativen Ablenkung zu⸗ ſammen. Aus dem parallelen Gange ſchließt Goldhammer, daß beide ihren gemeinſamen Grund in einer teils vor⸗ übergehenden, teils dauernden Veränderung der phyſika⸗ liſchen Eigenſchaften der Metalle durch das magnetiſche Feld haben, daß die iſotropen Metalle durch das magnetiſche Feld äolotrop werden. Auf Grund der bewieſenen Thatſache, daß im magnetiſchen Felde die Widerſtände nicht bloß verändert, ſondern auch in ver⸗ ſchiedenen Richtungen verſchieden ſind, beweiſt nun Gold⸗ hammer aus den Gleichungen der Elektricitätsbewegung, daß ein elekriſcher Strom in einem ſolchem Medium nicht bloß in der bisherigen Weiſe weiter fließt, ſondern auch in einer Richtung, die auf der durch ſeine Richtung und die Kraftlinienrichtung beſtimmten Ebene ſenkrecht ſteht, welches Fließen eben den Hallſchen abgelenkten Strom bilde, während in der dritten Richtung, in der der Kraft⸗ linien, kein Strom entſteht. Der Verfaſſer bemerkt noch, daß auch andere phyſikaliſche Eigenſchaften z. B. die Humboldt. — September 1887. Wärmeleitung verändert ſein müßten, wenn ſeine Theorie zutreffend ſei, und daß ſich hiermit wohl die von Ettings⸗ hauſen und Nernſt entdeckten, „thermomagnetiſchen Wir⸗ kungen“ ergeben dürften (Humboldt 1887, S. 25). R. Ein neuer Jortſchritt in der Photographie bezieht ſich auf Beſeitigung der dem Photographieren bei Magneſium⸗ licht entgegenſtehenden Schwierigkeiten. Zu dieſen gehört zunächſt die Beſtimmung des zur richtigen Expoſitionszeit nötigen Bandſtückes, weil das in den Handel kommende Magneſiumband nicht ganz gleichmäßig gewalzt iſt, das Verhältnis der auf der Licht⸗ und Schattenſeite zu ver⸗ brennenden Magneſiummengen aber von großem Einfluß auf die Lichtverteilung im Bilde iſt; im allgemeinen gibt 1m Band 2,25 Minuten lang ein Licht von 150 — 250 Kerzen. Recht läſtig iſt ferner die als Verbrennungsprodukt auf⸗ tretende, in weißen Wolken das Zimmer erfüllende und ſich dann niederſchlagende Magneſia. Endlich wirkt bei Portrait⸗ aufnahmen noch das Blenden des intenſiven Magneſium⸗ lichtes ſehr ungünſtig auf den Geſichtsausdruck. Um dieſe Uebelſtände zu beſeitigen, wenden Gädicke und Miethe in Berlin ſtatt des Drahtes ein mit chlorſaurem Kali und Schwefelantimon gemiſchtes Magneſiumpulver an, welches durch einen Zünder angeſteckt unter kurzem, hellen Auf⸗ leuchten verbrennt. Das Schwefelantimon dient dabei zur ſchnelleren Entzündung der Miſchung, das chlorſaure Kali aber durch Abgabe ſeines Sauerſtoffes zur Erhöhung der Lichtintenſität. Das Verbrennen der Miſchung findet in einer Laterne ſtatt, durch deren Abzugsrohr im Moment der Verbrennung faſt die ganze Luft von dem ſich ent⸗ wickelnden Qualm ausgetrieben wird, während dieſer ſelbſt darin zurückbleibt. Man bringt hierauf die Laterne ans Fenſter und treibt mit einem Blaſebalg den Rauch durch das Rohr hinaus. Die Aufnahme beanſprucht bei Anwendung der Mag⸗ neſiummiſchung nur eine Expoſitionszeit von 0,02 bis 0,03 Sekunden. Die Portraits erhalten infolgedeſſen einen ſehr lebendigen Ausdruck, eine Ueberraſchung wegen des plötz⸗ lichen Aufleuchtens der Flamme läßt ſich aus den Mienen nicht erkennen, weil die Aufnahme bis zur Veränderung der Mienen ſchon vollendet iſt, auch die Pupille hat auf der Photographie noch den großen Umfang, welchen ſie während der vorher ſtattfindenden Dunkelheit angenommen hatte. Kf, Schiffsunfälle infolge der Ablenkung des Tones der Warnungsſignale. Häufig ſind Zuſammenſtöße von Schiffen dadurch verurſacht worden, daß auf keinem der beiden Schiffe das Signal des entgegenkommenden recht⸗ zeitig gehört wurde. Als Urſache dieſer Erſcheinung iſt ſchon früher die nicht ſelten vorkommende raſche Temperatur⸗ abnahme in den unteren Luftſchichten erkannt worden; neuerdings hat Fizeau in den Comptes Rendus wieder die Aufmerkſamkeit darauf gerichtet. Je wärmer die Luft iſt, um ſo größer iſt die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit des Schalles. Von zwei parallel laufenden, horizontalen Schall⸗ wellen wird daher die untere, wenn die Luft ſich nach oben hin raſch abkühlt, geſchwinder fortſchreiten als die obere. Da nun die Richtung der Fortpflanzung ſtets ſenkrecht auf der Wellenfläche ſteht, ſo wird der Schall eine Ablenkung nach oben erfahren, ſo daß er in einer etwas größeren horizontalen Entfernung überhaupt nicht mehr vernehmbar iſt. Für den Fall, daß die Temperatur der Luft für jeden Meter Höhe um 0,1“ abnimmt, berechnet Fizeau für verſchiedene horizontale Diſtanzen die Höhe, um welche der urſprünglich horizontal gerichtete Schall nach oben abgelenkt worden iſt und erhält folgende Werte: f Entfernung Ablenkung des Schalles nach oben o m 0,00 9165 m 100 , 0,9165 „ 250 „ 9 tek 500 „ 22,91 5 750 , 51,5 1000 „ 91,6 5 Zur Nachtzeit oder an nebeligen Tagen mag die Ab⸗ kühlung der Luft häufig in einem doppelt oder dreifach * Lat Humboldt. — September 1887. fo ſtarken Verhältnis ſtatthaben, als hier angenommen, und vergrößert ſich dementſprechend natürlich auch die Ablenkung nach oben. Eine ganz ähnliche Wirkung wie die raſch abnehmende Temperatur muß auch der Wind hervorrufen, wenn er durch die Reibung an der Erdoberfläche in ſeiner Ge- ſchwindigkeit gehemmt wird. Iſt der Schall von gleicher Richtung wie der Wind, ſo werden die Wellen nach der Erdoberfläche hin abgelenkt werden, die Bedingungen für das Hören alſo günſtig ſein. Bei entgegengerichtetem Wind werden jedoch die Wellen um ſo raſcher fortſchreiten können, je näher ſie der Waſſerfläche ſind, wo der Wind die Reibung erfährt, und infolgedeſſen wird der Schall eine Ablenkung nach oben erfahren. Um die Gefahr der Kolliſion möglichſt zu mindern, ſchlägt Fizeau vor, den Ton in möglichſter Höhe auf dem Schiff abzugeben und zu empfangen, weil dort oben die Temperatur der Luft nicht mehr fo ſtark von der Wärme— ſtrahlung des Waſſers beeinflußt ſein wird. Zur Gefhidte der Metalle. M. Place fand 1854 unter den Ruinen des Palaſtes des Königs Sargon einen Steinkoffer, der mehrere mit Keilſchriften bedeckte Metall—⸗ platten einſchloß; die Inſchriften erinnerten nach der Ueber- ſetzung von M. Oppert an die Gründung des Gebäudes (706 v. Chr.), und zugleich war in ihnen geſagt, daß die eine Tafel aus Gold, die zweite aus Silber, die dritte aus Kupfer und die vierte aus verſchiedenen Subſtanzen beſtehen ſollte. In Bezug auf die beiden erſten hat nun die Unterſuchung von M. Berthelot die Richtigkeit der Ueberlieferung gezeigt, aber die dritte iſt nicht aus Kupfer, ſondern aus Bronze (85 Kupfer, 10 Zinn), und die vierte hat ſich gar als aus reinem kryſtalliſierten Bitterſpat beſtehend erwieſen, alſo aus einem ſeltenen Mineral, das noch nicht einmal anfangs dieſes Jahrhunderts bekannt war. Daß dies Mineral, welches alſo den Aſſyrern vor uns bekannt war, gewählt iſt, hat jedenfalls in religisfen Gründen ſeine Veranlaſſung. — Auch einige aus Tello ſtammende Fragmente wurden von M. Berthelot unterſucht; ein Gefäß erwies ſich als aus reinem Antimon angefertigt, von dem bis jetzt immer behauptet wurde, daß es den Alten ganz unbekannt geweſen ſei; man ſagt gewöhnlich, Antimon ſei erſt im 15. Jahrhundert entdeckt worden. Tello, von wo die Vaſe ſtammt, iſt nun aber ſeit der Zeit der Parther wüſt und leer, ſo daß dort die Reſte der älteſten chaldäiſchen Kultur angetroffen werden. Alſo müſſen die Chaldäer ſchon verſtanden haben, das reine Antimon zu gewinnen. Uebrigens hat auch Virchow ſchon auf Ornamente, die aus reinem Antimon gefertigt ſind, aufmerkſam gemacht, welche er in einer transkaukaſiſchen Nekropole gefunden hatte. — Ein anderes Stück aus Tello, die Statuette einer knienden Geſtalt, der älteſten durch die in Meſopotamien gefundenen Gegenſtände vertretenen Periode angehörig, erwies fic) als aus reinem Kupfer beſtehend und beweiſt wohl, daß in der Zeit, wo ſie angefertigt wurde, das Zinn in Meſopotamien noch nicht bekannt war. : Ein ſelbſtthätiger Suftpritfer auf Kohlenſäure. Die Kohlenſäurezunahme im Zimmer iſt bekanntlich gleich— bedeutend mit Luftverſchlechterung, aber nicht weil hier die Kohlenſäure geſundheitsſchädlich wäre, ſondern weil ſie der Maßſtab des Schädlichen, der organiſchen Ausſcheidungs— ſtoffe von Lunge und Haut iſt. Nach den Unterſuchungen von Pettenkofer ſteht feſt, daß Zimmerluft geſundheits— ſchädlich wirkt, ſobald ihr Gehalt an Kohlenſäure höher iſt als 1 Teil auf 1000 Teile Luft, mehr als „ein pro Mille“. Beachtung zur Anwendung im Krankenzimmer und auch in Wohnräumen und Verſammlungslokalen jeder Art ver— dient darum ein Apparat von Wolpert in Nürnberg, der jederzeit den Kohlenſäuregehalt und damit den Reinheits— grad der Zimmerluft abzuleſen geſtattet und zwar faſt ohne Mühen und Koſten, indem man für die Unterhaltung des Luftprüfers alle acht Tage einige Minuten Arbeit und eine Ausgabe von etwa 3 Pfennig aufzuwenden hat. Die Konſtruktion des neuen Apparates iſt im weſentlichen fol⸗ gende: Aus einem mit roter, luftdicht abgeſchloſſener Flüſſig⸗ 357 keit (Sodalöſung mit Phenolphtalein rot gefärbt) gefüllten Gefäß, das auf einer Wandkonſole ſteht, wird durch Heber— vorrichtung alle 100 Sekunden ein roter Tropfen auf einen ſtabartig präparierten weißen Faden von etwa 0,5 m Länge übergeführt, um daran herabzufließen. Hinter dem Faden befindet ſich eine Skala: bis 0,7 pro Mille Kohlenſäure — reine Luft; 0,7 bis 1 pro Mille — genügend rein; 1 bis 2 pro Mille — ſchlecht; 2 bis 4 pro Mille — ſehr ſchlecht; 4 bis 7 pro Mille und mehr — äußerſt ſchlecht. Dieſe Skala fängt unten an, und für die Ableſung auf ihr gilt eine Farbreaktion, die Grenze zwiſchen weiß und rot, welche mit dem Anfang einer Luftverſchlechterung unten auf dem Faden beginnt und mit Zunahme derſelben immer höher reicht. Die roten Tropfen, welche an dem weißen Faden herunterfließen, werden nämlich durch Kohlenſäure waſſerhell; ſie bleiben alſo, da der Faden verhältnismäßig kurz iſt, in kohlenſäurearmer guter Luft bis unten rot, während ſie in ſehr kohlenſäurereicher, äußerſt ſchlechter fic) ſchon gleich oben entfärben. Wenn der Faden, der übrigens in ganzer Länge gleich naß bleibt, auch nur anfängt unten blaß zu werden, ſo iſt die Luft nicht mehr, wie ſie ſein ſoll, und wie in ſchlechter Luft das Rot des Fadens ſchwindet, ſo verliert ſich auch bei den Menſchen, welche dauernd in ſolcher Luft weilen, das Rot der Wangen, und ſie blaſſen ſelber ab wie der rote Faden. D. Strophanthus. Unter dem Namen Kombé, Inee und Onage wird in Weſt- und Mittelafrika ſchon ſeit langer Zeit ein Pfeilgift verwendet, welches die Eingeborenen aus den Samen einer Strophanthusart bereiten. Die erſte Nachricht über dieſe Pflanze verdanken wir einer Mitteilung von Fraſer aus dem Jahre 1871. Zwei Jahre ſpäter brachte Juſts botaniſcher Jahresbericht eine nähere Be— ſchreibung derſelben. Danach iſt Strophanthus ein holziger Kletterſtrauch aus der Familie der Apocyneen, der ſich an den höchſten Bäumen emporwindet und als deſſen Heimat die in der Gegend oberhalb der Viktoriafälle des Zambeſi befindlichen Thal- und Bergwälder zu betrachten ſind. Die Frucht beſteht aus einer bis 30 em langen Kapſel, welche bis zu 200 Samen einſchließt. Letztere tragen an der fein ausgezogenen Spitze einen faſt 9 em langen Stiel, deſſen oberſtes Drittel aus einem Haarſchopf beſteht. Die Haare dieſes Pappus find etwa 6 em lang, ſeidenglänzend, zart und brüchig und ſtehen allerſeits ſprengwedelartig ab. Im Handel kommen gegenwärtig zwei Arten von Samen vor, eine grünbraune und eine weiße Varietät, und ſcheint noch nicht ſicher feſtgeſtellt, welche von beiden die eigent— lichen Kombéſamen repräſentieren, aus denen die Cine geborenen das Kombégift bereiten. Merck in Darmſtadt hat aus den Strophanthusſamen weißes kryſtalliniſches Strophanthin dargeſtellt, welches bei eirka 185° ſchmilzt und ſich ohne Rückſtand verflüchtigt. Man benutzt es in Doſen von 0,0003 g als außerordentlich günſtig wirkendes Herz— mittel. Oft ſchon nach einigen Minuten ſinkt die Puls- erregung nach dem Gebrauch konſtant und raſch, und weder Verdauungsſtörungen noch kumulative Wirkungen, wie ſie bei Digitalis häufig auftreten, konnten ſelbſt bei mehr— wöchentlichem Gebrauch beobachtet werden. D. Koſtosperlen. Ausſcheidungen von kohlenſaurem Kalk in den Pflanzen ſind bekanntlich viel ſeltener als ſolche von oxalſaurem Kalk. Wir erinnern an die unter dem Namen Cyftolithen bekannten, mit kohlenſaurem Kalk im⸗ prägnierten Zellwandverdickungen der Urtikaceen. Kürzlich iſt durch Sidney J. Hickſon wieder die Aufmerkſamkeit auf die bereits von dem holländiſchen Botaniker Rumphius (+ 1702) erwähnten Kokosnußperlen gelenkt worden. Es find dies kugel- oder birnförmige Ausſcheidungen von faſt reinem kohlenſauren Kalk, die ſich hin und wieder in dem Sameneiweiß der Kokosnüſſe, der ſogenannten Kokosmilch, vorfinden und die Größe von Kirſchen erreichen ſollen. Sie ſind bei den Eingebornen als Perlen geſchätzt und man ſchreibt ihnen Kräfte gegen Krankheiten und böſe Geiſter zu. Sie ſollen den gewöhnlichen Perlen in Bezug auf Glätte, Weiße und Glanz durchaus ähnlich, aber viel härter ſein. Dieſe merkwürdigen Ausſcheidungen ſtellen ſich den 358 Humboldt. — September 1887. bekannten, größtenteils aus Kieſelſäure beſtehenden Ab⸗ ſonderungen an die Seite, welche ſich an den Knoten der Bambushalme vorfinden und unter dem Namen Tabaſchir ein geſchätztes Heilmittel bilden. Ms. Ein Noſenſtock im Kreiſe Soltau, nahe dem Dörfchen Oberhaverbeck ſoll nach Ausſage alter Bauern früher über 100 Fuß hoch geweſen ſein, bis der Blitz ihn niederſtreckte. Der eigentliche Stamm iſt — man ſieht an dem Stumpf, daß eine ſtarke Gewalt ihn zertrümmert hat — etwa 2 Fuß hoch und hat 30 em über der Erde 88 em Umfang. Er ſpaltet ſich in 10 Hauptäſte, von denen fünf einen Umfang von je 17, 27, 30, 42, 47 em haben, die übrigen fünf kann man nur ſehen und auf wenigſtens 40 em abſchätzen, zugänglich ſind ſie nicht wegen der maſſenhaften, etwa fingerdicken Schößlinge mit ihren ſcharfen Haken. Die Höhe der höchſten Ausſchüſſe beträgt etwa 4m, der Um⸗ fang 40 Schritte. Iſt nun dieſer Roſenſtock bedeckt mit Hunderttauſenden von Blüten, die einen Duft ausſtrömen — am meiſten der Theeroſe verwandt — daß man faſt betäubt wird, fo iſt dies ein Anblick — ringsherum tft kahle Heide — von dem man wahrhaft entzückt ſein kann. Dieſer Roſenſtock ſcheint den berühmten Hildesheimer bei weitem zu übertreffen. Dort iſt der eigentliche Stamm nicht ſichtbar, ſondern mit Erde bedeckt; er treibt Schöß⸗ linge in der Stärke eines Beſenſtieles. D. Conus gloria Maris, eine ungemein ſeltene Muſchel, von der bisher nur ein Stück im Beſitz des British Museum und ein zweites in Paris ſich befand, iſt vor kurzem in einem dritten Exemplar gefunden und in den Beſitz des deutſchen Konſuls v. Möllendorff in Manila gelangt, der es dem Muſeum in Berlin zu überſenden gedenkt. Das Tier lebt in der Tiefe des Meeres und ſteigt nur bei ſehr heftigen Stürmen in die Höhe. Seit mehr als 30 Jahren hatte man vergeblich nach einem dritten Exemplar geſucht. Die Conusarten ſtanden bekanntlich früher bei Sammlern in höchſtem Anſehen. C. cedo nulli in Weſtindien wurde einſt mit 5000 Mark bezahlt und der Admiral, C. ammi- ralis im vorigen Jahrhundert je nach ſeiner Schönheit und Größe mit 250— 800 Mark. D. Silieqenfarven als Gäſte fleiſchfreſſender Larven. Die Larven der Fleiſchfliegen, Sarcophaga, leben bekannt⸗ lich von tieriſcher Subſtanz; daß ſie auch bei fleiſchfreſſenden Pflanzen zu Gaſt gehen und von deren Nahrung profitieren, iſt eine intereſſante Entdeckung des amerikaniſchen Entomo⸗ logen Riley. Er fand bei Sarracenia variolaris und Sarracenia flava (Kannenkraut) in der innerhalb der Kannen befindlichen Flüſſigkeit, welche die Körper der von der Pflanze gefangenen Inſekten enthält, die Larven einer von ihm Sarcophaga Sarraceniae benannten Fliege. Daß es ſich hier um kein zufälliges Vorkommnis handelt, beweiſen die im Americ. Natural. veröffentlichten Beob⸗ achtungen Weeds, welcher in der Flüſſigkeit der nord⸗ amerikaniſchen Sarracenia purpurea ebenfalls Sarcophaga⸗ larven fand und zwar ungefähr zehnmal unter hundert Unterſuchungen. Die Larve gleicht der von Sarcophaga Sarracenide, die Fliege zu ziehen gelang leider nicht. Runde Löcher in mehreren Blättern wieſen darauf hin, daß Larven ſich zur Verpuppung nach außen begeben hatten. Die Larven ſchwammen in der Nahrungsflüſſigkeit der Pflanze umher, ſich an die toten Inſektenkörper anheftend, die ihnen hier⸗ bei in den Weg kamen. Die Beobachtung Weeds, daß ſie in gewöhnlichem Brennſpiritus 3—4 Stunden lebten, ſpricht für eine große Widerſtandsfähigkeit und Zähigkeit dieſer Fliegenlarven und erklärt es, warum ſie nicht ſelbſt, wie die anderen Inſekten eine Beute ihres Wirtes werden. =p. Laturwiffenfdhafilide Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Die dritte allgemeine Verſammlung der deutſchen meteorologiſchen Geſellſchaft fand am 13. und 14. April d. J. in Karlsruhe ſtatt. Den Vorſitz in der erſten Sitzung führte Profeſſor Neumayer (Hamburg) für den geſchäftlichen, Profeſſor v. Bezold (Berlin) für den wiſſenſchaftlichen Teil. Zuerſt ſprach Direktor Schreiber (Chemnitz) über Apparate zur Prüfung von Thermometern. Als Normal⸗ inſtrument wurde ein Queckſilberthermometer von Fueß ge⸗ wählt und geprüft, der Sicherheit wegen daneben aber noch mehrere andere Thermometer, von welchen ſich diejenigen von W. Haack (Jena) als beſonders brauchbar erwieſen. Der Eispunkt wurde durch Umgeben mit Eis beſtimmt, der Siedepunkt durch um das ganze Thermometer cirfulte- rende Waſſerdämpfe. Um eine Stauung derſelben zu vermeiden, war am oberen Ende des Prüfungsapparates ein Ventil angebracht. Bei der eigentlichen Thermometer⸗ prüfung wurden je 25 Inſtrumente gleichzeitig unterſucht. Die gradweiſe Erwärmung derſelben wurde in einer großen Trommel aus Zinkblech und Glas vorgenommen, welche zur Erleichterung des Ableſens drehbar war. Die Er⸗ wärmung geſchah direkt durch heißes Waſſer. Dasſelbe wurde durch ein Syſtem kleiner Flügelräder, die durch das Trittrad einer Nähmaſchine in Umſchwung verſetzt wurden, in Cirkulation erhalten. Ein Abkühlungsgefäß mit einer Kältemiſchung und ein Erwärmungsgefäß mit erwärmtem Oel waren ferner an der Trommel angebracht und ließen Erniedrigung und Steigerung und die Erhaltung einer beſtimmten Temperatur zu. Innerhalb einer halben Stunde konnte durch ſie ein Temperaturunterſchied von 80 gegen 30° ausgeglichen werden. Das Verhalten der Thermometer bei gradweiſer Abkühlung wurde mit Hilfe einer Kälte⸗ miſchung von Eis und Kochſalz unterſucht. Profeſſor Woeikof (Petersburg) ſprach über die Te m= peratur der Gewäſſer. Die Temperatur der Ober⸗ fläche iſt bei Flüſſen und größeren Seen durchgängig höher als diejenige der umgebenden Luft und der Tiefe. Nur bei kleinen und flachen Seen kommt ein Ausgleich der Waſſertemperaturen zu ſtande. Die Wärmekapgeität des Waſſers wird durch die Beweglichkeit ſeiner Teilchen überwogen. Das wärmere Waſſer ſteigt ſehr bald an die Oberfläche. Je wärmer dieſe, um ſo ſtabiler iſt das Gleich⸗ gewicht des Waſſers. Ein Ausgleich zwiſchen der Ober⸗ flächentemperatur des Waſſers und der Lufttemperatur iſt ſelten. Noch ſeltener iſt ein Sinken jener unter dieſe. In der Marne bei Paris wurde ein ſolches Sinken nur im Dezember und Januar an froſtloſen Tagen beobachtet. Sonſt iſt dort die Oberflächentemperatur des Waſſers im Winter bis 7’ im Sommer bis 2° höher als die Lufttem⸗ peratur. Ganz beſonders aus dieſen Zahlen geht der vor⸗ wiegende Einfluß der Verdunſtung auf die Waſſertempe⸗ ratur hervor. Die Verdunſtung iſt im Sommer größer und verurſacht deshalb eine bedeutendere Abkühlung und Annäherung der Waſſertemperatur an diejenige der Luft. Auch der ähnliche Einfluß trockener Winde iſt zu konſtatieren. Als eklatantes Beiſpiel für den erwärmenden Einfluß eines größeren Gewäſſers erwähnte in der Debatte Pro⸗ feſſor Billwiller (Baſel) dasjenige des Neuenburger Sees. Die monatliche Durchſchnittstemperatur iſt in Neuenburg um 2° höher als in Bafel. Am Schluß der Vormittagsſitzung legte Dr. Horn (München) von ihm konſtruierte Karten mit Stunden⸗ iſothermen des europäiſchen und aſiatiſchen Konti⸗ nentes vor. In der Nachmittagsſitzung, welcher Profeſſor Woei⸗ kof präſidierte, legte Profeſſor Hertz (Karlsruhe) eine Humboldt. — September 1887. Reihe graphiſcher meteorologiſcher Darſtellungen vor, welche einen intereſſanten Einblick in die Entwickelung der meteorologiſchen Beobachtung zu Ende des vorigen Jahrhunderts in Karlsruhe gewährte. Sie rührten aus den Jahren 1779—1783 von dem Phyſiker Bökmann her. Derſelbe hatte in Baden ſchon einige Jahre vor der Grün⸗ dung der Societas Palatina ein Netz von 40 meteorologi- ſchen Beobachtungsſtationen eingerichtet. Die Darſtellungen enthielten die handſchriftlich in kleinen Federzeichnungen niedergelegten Reſultate dieſer Beobachtungen und einen in Kupferſtich ausgeführten Schlüſſel dazu. Im ganzen waren 100 verſchiedene Signaturen verwandt worden. Dr. Brückner (Hamburg) hielt Vortrag über die Schwankungen des Waſſerſtandes im Kaſpi⸗ ſee, dem Schwarzen und dem Baltiſchen Meere. In den beiden erſteren tritt der höchſte Waſſerſtand ein, kurz nachdem die Hochwaſſerperiode der einmündenden Flüſſe begonnen hat. Es deutet dies auf den ſehr maß— gebenden Einfluß hin, welchen die Niederſchlagsverhältniſſe auf den Waſſerſtand dieſer Meere ausüben. Für die Oſtſee läßt ſich dieſer Einfluß nicht in gleicher Weiſe feſt⸗ ſtellen. Ihr höchſter Stand trifft zwar mit dem Anſchwellen der in ſie mündenden ſchwediſchen Flüſſe, aber nicht mit dem der deutſchen und ruſſiſchen zuſammen. Doch ſcheint er nach einer wichtigeren anderen Beobachtung auch für fie zu beſtehen. Alle drei Meere beſaßen nämlich 1860 ihren tiefſten Waſſerſtand und ſind ſeitdem im Steigen begriffen. Faſt parallel damit verläuft eine Steigerung der Iieder- ſchläge in ihren Gebieten ſeit den ſechziger Jahren, welche allerdings erſt 1865—1870 ihr Minimum aufwieſen. Ein entſprechendes Verhältnis zwiſchen Niederſchlagsmengen und Waſſerſtänden läßt ſich, ſoweit Beobachtungen reichen, für die ganze nördliche Halbkugel konſtatieren. Für die ſüd— liche fehlen einſchlägige Beobachtungen. Direktor Lang (München) ſprach über die Fort⸗ pflanzungsgeſchwindigkeit der Gewitter in Süddeutſchland während des Luſtrums 1882—86. Sie wurde mit Hilfe der Iſobronten ermittelt. Zur Unter— ſuchung kamen 751 Sommer- und 36 Wintergewitter. Die mittlere Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der letzteren betrug 53,3 km, die der erſteren nur 40,4 km in der Stunde. Auch in der kalten Tageszeit ſchritten die Ge— witter ſchneller fort als in der warmen. Die ſelteneren Oſtgewitter zeigten geringere, die gewöhnlichen Weſtge— witter größere Fortpflanzungsgeſchwindigkeit. Am ge- ringſten war diejenige der Gewitter aus Weſtſüdweſt, am größten die der Gewitter aus Nordnordoſt. Im mittleren Deutſchland erwies ſich die durchſchnittliche Geſchwindigkeit am größten. Sie betrug hier 42,4 km in der Stunde, gegen 38 km in Norwegen und 34,1 km in Italien. In Mitteleuropa befindet fic) demnach ein Strich größter Fort— pflanzungsgeſchwindigkeit der Gewitter. Derſelbe fällt etwa mit der Zugſtraße IV. (van Bebber) der Luftdruckminima zuſammen. Dr. Brandis (Bonn) demonſtrierte die vorzügliche Regenkarte Vorderindiens, welche 1872 von ihm entworfen und 1885 von Blanford neu redigiert wurde. Aus forſtwirtſchaftlichen Rückſichten ſind auf ihr vier Zonen der Regenverteilung unterſchieden mit mindeſtens 1900, bezw. 700, 380 und weniger als 380 mm jährlichen Niederſchlages. An zwei Stellen zeigt ſich der Einfluß der Lage im Windſchatten eines Gebirges mit typiſcher Deut— lichkeit, im Often des Ghatgebirges bei Puna und im Gangesdelta bei Tſchillong. Puna weiſt 348 mm jähr⸗ lichen Niederſchlages auf, gegen 6528 in dem nicht ſehr ent⸗ fernten Mahalableſchar, Tſchillong 2000 gegen 14000 in dem nahen Tſcherrapunji. Am Abend des 13. April fand ein gemeinſames Zu— ſammenſein der Meteorologen und Geographen im Café Tannhäuſer ſtatt. Am Vormittag des 14. wurde eine ge⸗ meinſchaftliche Sitzung der Jahresverſammlung der Meteoro— logen und des Geographentages abgehalten, in welcher Profeſſor Neumayer, Dr. Eſchenhagen (Hamburg) und Pro⸗ feſſor Jordan Vorträge hielten. Am Schluß derſelben 359 richtete der Vorſitzende Geheimerat Hardeck (Karlsruhe) einige Abſchiedsworte an die ſcheidenden Meteorologen. Altona. Wilhelm Krebs. Aeber die Arbeiten und Blane der Centralkom- miffion für wiſſenſchaftliche Sandeskunde von Deutſch- land. Es iſt eine erfreuliche Erſcheinung, daß wir Deutſchen gerade jetzt, wo wir unter dem Einfluß einer aktiven Kolonialpolitik ernſthafter und in breiteren Volksſchichten als je uns mit überſeeiſchen Landen beſchäftigen, das Studium der eigenen Heimat mit größerem Eifer zu be— treiben anfangen. Die mit dem Frühling von 1881 ins Leben getretenen „Deutſchen Geographentage“ haben dazu kräftigen Anſtoß gegeben. Bereits auf dem erſten unſerer Geographentage, demjenigen unter Nachtigals Vorſitz in Berlin, wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht eine Neu⸗ anregung heimatskundlicher Forſchungen an der Zeit ſei. Auf dem zweiten, dem Halliſchen Geographentage wurde die Frage mit einem einmütigen Ja dahin beantwortet, daß der Deutſche Geographentag ſich zum dauernden Mittel- punkt dieſer Beſtrebungen machte und zu dieſem Zweck eine jährlich neu zu wählende „Centralkommiſſion“ zur Pflege deutſcher Landeskunde aus ſeinem Kreiſe beſtellte. Der eigentliche Urheber dieſer ganzen, ſo zeitgemäßen Bewegung war Dr. Richard Lehmann in Halle, der der— zeitige Profeſſor der Erdkunde an der Akademie zu Münſter. Er hob in ſeinem erfolgreichen Vortrag vor dem zweiten Deutſchen Geographentage am 14. April 1882 mit vollem Recht hervor, daß die moderne Erdkunde bisher der außer— europäiſchen Welt ein gar zu einſeitig überwiegendes In⸗ tereſſe gezollt habe, daß insbeſondere in Deutſchland die Geographen mit Vorliebe weſentlich außerdeutſche Länder— kunde betrieben, im grellen Gegenſatze zu Geologen, Natur- hiſtorikern, Geſchichtsforſchern, welche dem eigenen Wohn⸗ raum, der eigenen Nation vor allen ihre Arbeit zu— wendeten. Welches Volk der Erde kann ſich ſolcher Schilde— rungen amerikaniſcher Landesnatur rühmen, wie ſie aus A. v. Humboldts Feder floſſen? Wo gäbe es volleben— bürtige Rivalen unſerer Schweinfurth und Nachtigal auf dem Gebiete afrikaniſcher Länder- und Völkerkunde? Wir ſind ſtolz darauf, daß das Meiſterwerk über China ein deutſches iſt. „Wir haben eine Fülle von Werken über fremde Länder,“ ſo lautete der gewichtige Mahnruf Richard Lehmanns, „aber über Deutſchland ſind wir darin arm, und wenn ohnehin ſchon von der wahrhaft maſſenhaften geographiſchen Litteratur nur ein recht kleiner Teil als wirklich wiſſenſchaftlich bezeichnet zu werden verdient, jo fällt von dieſem kleinen Teil wiederum nur ein ſehr kleiner Bruchteil auf unſer deutſches Vaterland. Ja, wenn uns einmal ein Ausländer fragen wollte nach einem wirklich guten und wiſſenſchaftlich-geographiſchen Werke über Deutſch—⸗ land, wir müßten beſchämt die Augen niederſchlagen — wir haben keines.“ In der That, die geiſtvollen Umriſſe, welche Mendels- ſohns „Germaniſches Europa“ (von 1836), allerdings mehr vom hiſtoriſch-geographiſchen Standpunkte von Deutſchland gab, ſind beinahe noch heute das wiſſenſchaftlich Beſte, was wir über die Geſamtheit unſeres Vaterlandes aufzuweiſen haben; das vielgerühmte Kutzenſche Buch „Deutſchlands Boden“, iſt im weſentlichen eine nahezu plagiatoriſche Para— phraſe Mendelsſohnſcher Gedanken, verunziert durch teilweiſe unbegreiflich ſchwache Ausführungen über Geologiſches, z. B. über Entſtehung der Alpen. Jetzt eben erſt bringt die im Tempsky-Freytagſchen Verlag erſcheinende „Länderkunde von Europa“ eine vortreffliche, ganz auf der Höhe moderner Wiſſenſchaft ſtehende und dabei für jeden Höhergebildeten verſtändliche Darſtellung wenigſtens des Deutſchen Reiches von Albrecht Penck. Und eben dieſe glänzende, vorläufig wohl nur einer Minderzahl bekannt gewordene Penckſche Leiſtung iſt ein neuer handgreiflicher Beweis davon, daß eine Menge von ausgezeichneten Specialforſchungen zur deutſchen Landeskunde ſchon längſt vorliegen, die nur der einenden Verarbeitung harren. In der echt deutſchen Neigung zum Individualismus hat dort einer aufs eifrigſte die Flora bei ſeinem Wohnort 360 ſtudiert, ein anderer emſig Inſekten geſammelt bis auf die kleinſte Motte herab; andere wieder ſind als unverächtliche Lokalforſcher über Topographie, Geognoſie, Archäologie oder Volkskunde ihrer engeren Heimat thätig geweſen. Mit Bienenfleiß tragen Lokalhiſtoriker die oft genug für die Orts⸗ kunde lehrreichen Ergebniſſe ihrer Studien in die kaum noch überſchaubare Zeitſchriftenlitteratur zuſammen; die Folianten der Statiſtik füllen ſich unabläſſig mit neuem Zahlenſtoff. Vollends zwei Felder der mitteleuropäiſchen Landeskunde werden unter rühmenswerter ſtaatlicher Muni⸗ fizenz gegenwärtig in nie dageweſener Vollſtändigkeit und Gründlichkeit fortgeſetzt bearbeitet: die Geologie, vornehm⸗ lich durch die großartigen Aufnahmen in Oeſterreich und den deutſchen Einzelſtaaten, ſodann die Meteorologie. Aber — je mehr der ſorgfältigen Detailarbeit nach dem ſegensreichen Grundſatz der Arbeitsteilung, deſto gefährlicher andererſeits die Zerſplitterung. Wo ſind die Baumeiſter, welche aus den koſtbaren, jedoch in ihrer Zuſammenhangsloſigkeit wenig nützenden Rohmaterialien das Gebäude einer mittel⸗ europäiſchen Landeskunde kauſativen Gefüges, harmoniſcher Gliederung aufzuführen verſtehen? Wer kennt auch nur das Jahrhunderte alte Erbe, das auf den weiten, viel⸗ artigen Gebieten der Natur⸗ und Volkskunde von Deutſch⸗ land im geographiſchen Sinne, d. h. doch eben von ganz Mitteleuropa aufgehäuft iſt? Wer vermißt ſich, dieſen Tag für Tag ſich weiter häufenden Schatz auch nur einiger⸗ maßen zu überſehen? Von Anfang an ſah ſich demnach die Centralkommiſſion zwei vorbereitenden Aufgaben gegenübergeſtellt: die Maſſe des in Büchern, Abhandlungen wie Karten aufgeſtapelten Wiſſensſtoffes über deutſches Land und Volk ſyſtematiſch zu ſichten, doch gleichzeitig auch neue Studien anzuregen, um Lücken in den einſchlägigen Unterſuchungen zu füllen und dem als hohes letztes Ziel in Ausſicht genommenen Werke einer monumentalen, ihres Namens würdigen Landeskunde von Mitteleuropa rüſtig vorzuarbeiten. Die Kommiſſion iſt während ihrer nun erſt ins ſechſte Jahr gehenden Thätigkeit dieſen beiden Aufgaben nach Maßgabe ihrer beſcheidenen Mittel gerecht geworden. Freilich eine allumfaſſende Bibliotheca geographica Germaniae hat ſie noch nicht fertig gebracht. Ein ſolches Rieſenwerk, welches die Titel aller einſchlägigen Litteratur⸗ und Karten⸗ werke enthielte, würde eine ſtattliche Reihe lexikonſtarker Bände füllen, alſo ohne ausgiebige Staatsmittel gar nicht zu ſtande kommen. Dafür ſind landſchaftliche Bibliographien in verſchiedenen Teilen des Deutſchen Reiches, in Oeſterreich, in den Niederlanden geſchaffen worden (oder gehen dem⸗ nächſt ihrer Veröffentlichung entgegen), wie man ſie ſich zur Anregung zunächſt der provingiellen Thätigkeit behufs Ergänzung, Weiterführung, innerlicher Verknüpfung des aufgeſpeicherten heimatskundigen Wiſſensſtoffes kaum beſſer wünſchen konnte. Zwar iſt von einer Seite gerade dieſe bibliographiſche Thätigkeit der Centralkommiſſion arg be⸗ mängelt worden: ſie führe, hieß es, nicht zu genügend voll⸗ ſtändigen Ueberſichten, verfahre nicht einheitlich in Angabe der Bücherformate u. dgl., könne auch unmöglich die er⸗ ſtrebte Univerſalbibliographie ſchließlich aus ſich heraus⸗ wachſen laſſen. Indeſſen das letztere war auch gar nicht beabſichtigt; Bauſteine wertvoller Art liefert allerdings eine jede der Teilbibliographien für die einmal ſpäter zu gründende Totalüberſicht über die Geſamtlitteratur deutſcher Landes- und Volkskunde, hingegen gab ſich niemand dem ſtillen Wahne hin, als könnte die Ueberſchau z. B. über die klimatologiſche Litteratur Mitteleuropas, einfach aus einem Moſaik derjenigen der mitteleuropäiſchen Landesteile erſtehen. Ferner war auch nicht ſowohl eine abſolute Voll⸗ ſtändigkeit jener landſchaftlichen Litteraturverzeichniſſe mit allen möglichen Zuthaten bibliothekariſcher Skrupuloſität die Hauptabſicht als vielmehr eine praktiſche Handreichung für den Geographen. Dieſer ſollte in die Lage verſetzt werden, ſich raſch davon zu unterrichten, was wirklich Brauchbares über den betreffenden Landraum zu Gebote ſtehe an Schriften und Karten; zu dem Ende war namentlich Sorge getragen, daß durch kurze kritiſche Zuſätze zu den Titeln der Wert der im Titel genannten Arbeit oder aber Humboldt. — September 1887. die Stelle, wo in ihr Wichtiges zu finden fet, nach Be⸗ dürfnis gekennzeichnet würde. Ueber den Umfang dieſer Bibliographien kann man ſich einen ungefähren Begriff machen an dem Muſter derjenigen des Regierungsbezirkes Kaſſel: dieſe „Bibliotheca hassiaca“ befaßt dritthalb⸗ tauſend Titel! Fürwahr, die Opferwilligkeit an Zeit, Kraft und Geld iſt nicht gering anzuſchlagen, ohne welche der⸗ artige Werke unmöglich geweſen wären! Denn letztere ruhten allein auf den Schultern geographiſcher oder natur⸗ wiſſenſchaftlicher Vereine, beziehentlich einzelner beſonders opferwilliger Mitglieder derſelben. Die Centralkommiſſion gab nur die Anregung nebſt dem Normalſchema für eine möglichſt gleichartige Katalogiſierung in den verſchiedenen Landesteilen. Zu dem Zweck teilte ſie ihre Geſchäfte unter ihre einzelnen (ſeit 1884 ſechs, gegenwärtig neun) Mitglieder, deren jedes ein in ſich geſchloſſenes Gebiet Mitteleuropas auf die Pflege der landeskundigen Intereſſen hin zu ver⸗ walten hatte; für die bibliographiſchen Kommiſſionsarbeiten insbeſondere kooptierte ſie 1885 noch einen bibliothekari⸗ ſchen Fachmann in der Perſon des Herrn P. Richter in Dresden. Mitunter iſt es einem noch wichtiger als alle vor⸗ handene Litteratur, zu wiſſen, wer irgendwo über eine Seite der Landesnatur oder des Volksweſens, die einem ſelbſt gerade am Herzen liegt, zur Zeit arbeitet. Wie aber dieſe oft gar beſcheiden in der Stille wirkenden Genoſſen finden, wenn ſie vielleicht noch nicht das Mindeſte über ihre Forſchungen verlauten ließen, höchſtens es einer tiefverborgenen Zeit⸗ ſchrift anvertrauten, die faſt keinem habhaft? Dieſer gewiß nicht nur geographiſcherſeits recht oft empfundenen Ver⸗ legenheit hat die Centralkommiſſion abgeholfen durch ein im vorigen Jahre von ihr herausgegebenes „Verzeichnis von Forſchern in wiſſenſchaftlicher Landes- und Volkskunde Mitteleuropas“ ). Es enthält die Namen von etwa 2500 Forſchern mit genauer Angabe ihres fpeciellen Forſchungs⸗ gebietes und ihres gegenwärtigen Wohnortes; durch zweck⸗ mäßige Doppelaufführung der Namen lerſt alphabetiſch, dann nach Land- und Ortſchaften) iſt es trefflich geeignet zu ſchnellem Nachſchlagen und wird auch außerhalb geo⸗ graphiſcher Kreiſe Naturforſchern, Hiſtorikern, Germaniſten und Volkswirtſchaftslehrern Nutzen ſtiften. Die unmittelbar produktiven Unternehmungen unſerer Centralkommiſſion bewegen ſich in zwei Richtungen. Die eine Richtung iſt die räumlich monographiſche, die andere die ſachlich monographiſche, räumlich umfaſſendere. Die Arbeiten der erſteren Gruppe erſcheinen in Ge⸗ ſtalt mäßiger, nach Umfang wie Zeitfolge zwangloſer Hefte in der Sammlung „Forſchungen zur deutſchen Landes⸗ und Volkskunde“ *) und haben ſoeben ihren erſten Band vollendet, den zweiten begonnen. Da jedes Heft einzeln käuflich iſt, ſo wird hier einem jeden die Gelegenheit ge⸗ boten, je nach ſeinem Privatintereſſe ſich mit leichter Mühe, ja mit Genuß in vaterländiſche Studien nach den neueſten Wiſſenſchaftsfortſchritten einzuweihen, bezüglich ſolche fort⸗ zuſetzen. Denn es iſt ebenſo auf ſtrenge Wiſſenſchaftlichkeit gehalten in dieſen ſchlichten grauen Heften wie auf eine jedem Gebildeten verſtändliche Darſtellung. Aus dem fertiggeſtellten Bande dieſer „Forſchungen“ ſei hier erwähnt die Doppelarbeit von Profeſſor Geinitz in Roſtock über den Boden Mecklenburgs und ſodann über die mecklenburgiſchen Landrücken (Geſchiebeſtreifen) in ihrer Beziehung zur Eis⸗ zeit, ferner Profeſſor Lepſius“ „Oberrheiniſche Tiefebene und ihre Randgebirge“, Grubers „Studie über das Münchener Becken“, die auch mit höchſt lehrreichen Karten ausgeſtattete Schrift Dr. Aßmanns „Ueber den Einfluß der Gebirge auf das Klima von Mitteldeutſchland“, Profeſſor Janſens und Profeſſor Hahns ſiedelungskundliche Studien, denen ſich ethnologiſche Arbeiten über Tirol, Böhmen und Belgien anreihen. Die ferner in Ausſicht ſtehenden Beiträge von Pro⸗ ) Dieſes von Herrn Bibliothekar P. Richter redigierte Verzeichnis iſt vom Verein für Erdkunde in Dresden veröffentlicht worden, aber auch in Sonderdruck käuflich. (Dresden, Huhle. 1886.) ) Im Engelhornſchen Verlage zu Stuttgart. Humboldt. — September 1887. 361 feſſor Weinhold (über Herkunft und Verbreitung der Deutſchen in Schleſien), von Dr. A. Hettner (über den Bodenbau der Sächſiſchen Schweiz), von Profeſſor Kan in Amſterdam (über den Boden der Niederlande), von Pro— feſſor Liebe (über den Zuſammenhang zwiſchen den geo— logiſchen, oro- und hydrographiſchen Verhältniſſen Oft- thüringens), von Profeſſor Partſch (über die Oder in Schleſien), von Profeſſor Ratzel (über die Schneegrenze im Karwendelgebirge), von Profeſſor Nehring (über die Dilu— vialfauna Deutſchlands und ihre Beziehung zur gegen: wärtigen Tierwelt) — ſie werden ſicher nicht verfehlen, dieſer Sammlung heimatskundlicher Forſchungen neue Freunde zu werben. Die andere von der Centralkommiſſion vorbereitete Gruppe von Darſtellungen (unter dem Geſamttitel „Hand— bücher zur deutſchen Landes- und Volkskunde“) ſoll dem dereinſtigen Abſchlußwerk einer Landeskunde von Geſamt⸗ deutſchland die Bauſteine gewiſſermaßen ſchon zuſammen⸗ fügen. Dieſelbe wird ſoeben eröffnet mit dem erſten Teil einer Geologie Mitteleuropas, deren Bearbeitung Profeſſor Lepſius in Darmſtadt zu verdanken iſt, und die das mehrfach veraltete, zur Stunde aber immer noch einzige zuſammen⸗ faſſende Werk über den Gegenſtand, dasjenige v. Cottas, endlich erſetzen wird“). In ähnlich umfaſſender Weiſe ſollen dann von erprobten Fachautoritäten in ſelbſtändigen Werken für die in Rede ſtehende Sammlung bearbeitet werden: Deutſch— lands Gewäſſer, ſein Klima, ſeine Pflanzen- und Tierwelt, ſeine Küſtengeſtaltung, die Geſchichte ſeiner Kartographie, ſeine Wirtſchaftsgeographie, ſeine Volkskunde in der Cigen- art ſämtlicher Stämme deutſcher Nation, ſchließlich die politiſche Entwickelung, welche in unverkennbarer An— ſchmiegung an die geographiſchen Bedingungen, wenn auch oft geſtört durch rein geſchichtliches Verhängnis, unſere Lande im Laufe der Zeit einte und trennte. So liegt der Centralkommiſſion für deutſche Landes- kunde noch ein weites Zukunftsfeld für ihre Bethätigung offen. Doch der ergebnisreiche Anfang ihrer Arbeiten begründet Hoffnung auf ferneres Gelingen. Möchte es ihr nie fehlen an der verſtändnisvollen Teilnahme des deutſchen Volkes, ohne Unterſchied der ſtaatlichen Zubehör in der Gegenwart! Ohne dieſe würde auch dem eifrigſten Wirken der Kommiſſion geradezu der Nährboden entzogen ſein. Vor allem aber im Deutſchen Reich ſollten die Be— ſtrebungen derſelben viel allgemeiner gewürdigt werden als bisher; das muß geradezu als nationale Pflicht er⸗ ſcheinen. Als ſolche faßte das auch offenbar das preußiſche Miniſterium auf, da es — nun ſchon zu wiederholten Malen — eine unerbetene, aber dankbarſt empfangene und *) R. Lepſius, Geologie von Deutſchland und den angrenzenden Gebieten. 1. Bd. Lief. 1. (Stuttgart, Engelhorn. 1887.) gut verwendete Unterſtützungsſumme der für ganz Deutſch— land arbeitenden Kommiſſion überwies. Halle. Alfred Kirchhoff. Dr. J. G. Tepper, F. L. S., Staatsbotaniker am naturhiſtoriſchen Muſeum zu Adelaide, hat Kangorro 35- land in Südauſtralien zum erſtenmale wiſſenſchaftlich durchforſcht und außer etwa 464 Species Inſekten eine ſehr gute Sammlung von Pflanzen eingetragen, von denen er zahlreiche Dubletten beſitzt. Es gibt augenblicklich 197 botaniſche Härten auf der Erde, nämlich in Großbritannien und Irland 12, in den britiſchen Kolonien 27, Deutſchland 34, Frankreich mit ſeinen Kolonien 25, Italien 23, Rußland mit Sibirien 17, Oeſterreich-Ungarn 13, Skandinavien 7, Belgien, Holland, Spanien, den Vereinigten Staaten je 5, Portugal und der Schweiz je 3, Dänemark und Rumänien je 2, Braſilien, Chile, Canada, Aegypten, Griechenland, Guatemala, Japan, Peru und Serbien je 1. Im Auftrage des Sultans ſind der „Frkf. Ztg.“ zu— folge drei türkiſche Profeſſoren: Ibrahim Bey, Medi— ziner, Abdi Bey, Botaniker, und Abdul Hakim Ef— fendi, Phyſiolog, vor kurzem in einer wiſſenſchaftlichen Miſſion nach Tripolis abgereiſt. Sie ſollen ſich der Reihe nach in die verſchiedenen, hauptſächlich von Beduinen bewohnten Provinzen des Reiches begeben und an Ort und Stelle die bei dieſem Volke in Gebrauch ſtehenden Heilmethoden und beſonders auch die häufige und er— folgreiche Anwendung von Heilkräutern und Aetzmitteln einem eingehenden Studium unterziehen. Die Arbeiten der Miſſion ſollen mindeſtens drei Jahre erfordern. Die Exploration ſoll mit Tripolitanien beginnen, dann auf Bengaſi, Aegypten, Hedſchas und Jemen ausgedehnt werden und ſchließlich in Meſopotamien bezw. am Permiſchen Golf enden. Der Direktor des kgl. botaniſchen Gartens in Bres- lau, Profeſſor Dr. Engler, beabſichtigt, einen kleinen Verſuchsgarten für Hochgebirgspflanzen und Pflanzen nörd— licher Zonen an der Grenze der ſubalpinen und alpinen Region des Rieſengebirges anzulegen. Es handelt ſich hierbei hauptſächlich darum zu erproben, inwieweit die Baumformen Sibiriens und anderer Gebirge mit rauhem Klima im Rieſengebirge acclimatijationsfahig find, ferner ſoll feſtgeſtellt werden, in welcher Weiſe ſich die Beſtäu bungsverhältniſſe bei den Pflanzen ändern, für welche im Rieſengebirge die ihnen angepaßten Inſekten nicht vor— handen ſind. Auch iſt zu erwarten, daß einzelne Pflanzen der Ebene, in die alpine Region des Rieſengebirges ver— ſetzt, einige Aenderung im Wachstum, in der Blattgeſtal tung und in der Beſchaffenheit der Blütenfarben zeigen werden. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Vulkane und Erdbeben. Prof. Clark berichtet aus Hawai, daß am 5. Mai Umkreis desſelben auf 1000 Werſt, die Zahl der Toten und den folgenden Tagen daſelbſt ein Erdbeben gewütet, infolgedeſſen alle Häuſer ohne Ausnahme beſchädigt und 167 Perſonen unter den Trümmern begraben worden ſeien. Während der ganzen Dauer des Erdbebens gab es, aus- genommen vom 15. bis 18. Mai, ſtets Zwiſchenräume, in denen der Erdboden vollkommen ruhig war. Der größere Teil des nördlichen Kaliforniens, ſowie des weſtlichen Nevadas wurde am 3. Juni morgens zwiſchen 2 und 3 Uhr von einem ziemlich heftigen Erd⸗ beben heimgeſucht. In vielen Städten und Ortſchaften ſchwankten die Häuſer in bedenklicher Weiſe. Ueber das bereits im vorigen Hefte erwähnte Crd- beben von Wernyj liegen bis jetzt nur telegraphiſche Nachrichten vor, aus denen wir entlehnen, daß man den Humboldt 1887. auf 6000 bis 8000 ſchätzt. Im ganzen ſtürzten 3260 Häuſer ein, von denen 2000 aus Steinen gebaut waren. Der Stoß am 9. Juni früh 5 Uhr war ein jo plötzlicher und gewaltiger, daß man aus dem Bette an die Decke geſchleudert wurde und zuſammen mit den einſtürzenden Häuſern niederſtürzte. Die drei bis vier Meilen entfernten Städte Koskelen und Piſchpek wurden gänzlich zerſtört. Im Umkreiſe von fünfzig Meilen um Wernyj herum ſind unzählige, mehrere Fuß breite und viele Klafter tiefe Crd- ſpalten und Schluchten entſtanden. Das Erdbeben wieder- holte ſich tagelang von Zeit zu Zeit, jedoch in weniger heftiger Weiſe als am Anfange. In der Nacht vom 11. zum 12. Juni wurde in der Gegend von Straßburg, Lahr, im Kinzigthal und 46 362 Humboldt. — September 1887. — —ñññ̃ ̃ͤ — :2ͤ1⅔—ę—ͤ ꝑ—Üm;x0⸗½7ĩã.w ꝗ ę ³³³³ — ä 0 ⁵ʒä—öñxĩ§éꝗͤ ] ꝛñ—— ǽZt— — — in einem Teile des Murgthales ein ziemlich ſtarkes Erdbeben beobachtet, welches von donnerähnlichem Getöſe begleitet war. In Schuttern bei Lahr ſollen ſogar in einzelnen Häuſern Riſſe entſtanden ſein. Am 11. Juni vormittags 9½ Uhr wurde in Inns⸗ bruck ein ziemlich heftiger Erdſtoß verſpürt. Eine Wieder⸗ holung desſelben trat nicht ein. In der dritten Woche des Juni wurde in der Umgegend von St. Louiſe, Grafſchaft L'Jslet, Provinz Quebeck, ein heftiger Erdſtoß verſpürt. Aus Bosnien wird ein Erdbeben gemeldet, welches in der Nacht zum 1. Juli verſpürt wurde. In Zenica waren die Stöße ſchwach, dagegen in Jajaca ſehr ſtark, auch wurde ein donnerartiges Getöſe, ſechs Stunden während, wahrgenommen. Richtung Nordweſt —Südoſt. In Guayaquil (Ecuador) wurde am 28. Juni ein Erdbeben wahrgenommen, welches als das heftigſte jeit 1858 bezeichnet wird. Der Erdſtoß dauerte angeblich 2 Minuten 10 Sekunden und verurſachte große Beſtürzung unter der Einwohnerſchaft. Die Decken verſchiedener Ge⸗ bäude ſtürzten ein. Es wird gefürchtet, daß viel Schaden im Inneren angerichtet worden iſt. Am 11. Juli morgens 4 Uhr ward in Arad (Ungarn) ein ziemlich heftiger Erdſtoß verſpürt. Er erſtreckte ſich auch auf die Komitate Temeswar und Torontal. In Catania, Lecco, Iſchia, Livorno und Parma fand am 17. Juli ein Erdbeben ſtatt. Aus dem Aetna ſteigt dichter Dampf auf. An demſelben Tage wurden in Chios und Smyrna leichte, in Rhodus und Kreta heftigere Erderſchütterungen verſpürt. In Rhodus wurden einige Feſtungsmauern und Schornſteine geſpalten und in Kanea mehrere Häuſer beſchädigt. Et. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Juli 1887. Der Monat Juli iſt charakteriſiert durch meiſt warmes, vorwiegend heiteres Wetter mit ſchwacher Luftbewegung, ziemlich großer Gewitterhäufigkeit und vielfach erheblichen Niederſchlägen. Hervorzuheben iſt die Sturmbö, welche am 25. über die weſtdeutſche Küſte fortſchritt. In den erſten Tagen des Monats erſtreckte ſich eine Zone hohen Luftdruckes mit ſtillem, heiterem und trockenem Wetter über Mitteleuropa, während im Norden Depreſſionen in raſcher Aufeinanderfolge oſtwärts fortſchritten. Dieſe drangen vom 4. auf den 5. ſüdwärts vor, jo daß am Morgen des letzteren Tages eine Zone meiſt niederen Luftdruckes von dem Bottniſchen Buſen ſüdwärts nach dem Mittelmeere verlief. Indem dieſe Zone oſtwärts fortſchritt und über dem ſüdlichen Oſtſeegebiete ein ziemlich tiefes Mini⸗ mum entwickelte, machte die ruhige, heitere und warme Witterung über Deutſchland windigem, trübem Wetter mit Gewittererſcheinungen und ſtarker Abkühlung Platz. Allent⸗ halben fielen ſehr erhebliche Regenmengen, insbeſondere am Bodenſee, in den ſüdlichen und öſtlichen Gebietsteilen in Begleitung von zahlreichen Gewittern. Unter dem Einfluſſe böiger weſtlicher und nordweſtlicher Winde ging die Temperatur ganz beträchtlich herab, in Magdeburg war es am 6. morgens um 14°C. kälter als vor 24 Stunden, an allen deutſchen Stationen lag die Temperatur 3 bis 6° unter dem Durchſchnittswerte. Das eben erwähnte Minimum verlegte ſich nach Nordeuropa, während der hohe Luftdruck im Weſten ſich wieder nach Centraleuropa verſchob, ſo daß wieder ruhiges, heiteres und wärmeres Wetter eintrat. Indeſſen hatte dieſes nur kurzen Beſtand, denn am 9. drang eine Depreſſion aus dem Nordweſten nach unſeren Gegenden vor und verurſachte daſelbſt wieder trübes Wetter mit ergiebigen Regenfällen und zahlreichen Gewittern. In Kaiſerslautern fielen vom 9. auf den 10. 25 mm Regen. Auch am 11., teilweiſe auch am 12. dauerte das Regenwetter noch fort, wobei am erſteren Tage in Berlin in Begleitung von Gewittererſcheinungen 30 mm Regen fielen. Vom 13. bis zum 15. ſtand Centraleuropa wieder unter dem Einfluſſe eines barometriſchen Maximums. Bei ſtillem, heiterem Wetter erhob ſich die Temperatur wieder beträcht⸗ lich über ihren Normalwert, insbeſondere erreichten am 14. die Nachmittagstemperaturen einen ſehr hohen Wert: Altkirch und Wiesbaden 30°, Kaſſel 31°, Königsberg 32°, Berlin 33° An demſelben Tage fanden in Deutſchland wieder viele Gewitter ſtatt, wobei große Regenmengen niedergingen; in Hannover 21 mm, in Hamburg 23 mm. Am 16. morgens lag eine flache Depreſſion mitten über Deutſchland, im weiten Umkreiſe trübes Wetter mit Regen⸗ fällen bedingend und nach dem ſüdlichen Oſtſeegebiete fort⸗ ſchreitend. Hierbei wurden leichte bis mäßige weſtliche und nordweſtliche Winde vorherrſchend, unter deren Einfluß die Temperatur wieder erheblich herabging. Gewitter⸗ erſcheinungen fanden am 16. hauptſächlich über der Nord⸗ hälfte Deutſchlands ſtatt, große Regenmengen fielen vom 16. auf den 17. in Rügenwaldmünde und Grünberg (22 mm), in Münſter i. W. (26 mm), in Magdeburg (38 mm), in Kiel (41 mm), in Hannover (46) und in Kaſſel (51 mm). Nach dem 17. trat ungefähr die Wetterlage wieder ein, welche am Anfange des Monats geherrſcht hatte, hoher Luftdruck über Mitteleuropa und Depreſſionen im hohen Norden. Das Wetter blieb im allgemeinen ruhig, heiter und trocken, während die Temperatur ſich durchſchnittlich etwas unter dem Normalwerte erhielt und am 22., als eine flache Depreſſion von Südweſtdeutſchland nach der Oder⸗ mündung fortſchritt, gingen in Süddeutſchland zahlreiche Gewitter mit ſtarken Regenfällen nieder. Hervorzuheben iſt eine kurz andauernde, aber außer⸗ ordentlich heftige Bö, welche am 25. um Mittag über die weſtdeutſche Küſte hinwegging. Dieſelbe ſetzte in Borkum um 10" 50m a. m. ein (in Wilhelmshaven um 1" p. m., in Cuxhaven um 14/2" p. m., in Hamburg um 2¾ p. m., in Kiel um Zu p. m.) und iſt am Abend an der Oder⸗ mündung als flaches Minimum eben noch zu erkennen. Auf der ganzen Strecke von Borkum bis Hamburg trat ſie mit heftigem Nordweſtſturm und plötzlicher Abkühlung ein. Ich beobachtete in Hamburg um 2) 43 u p. m. eine Windgeſchwindigkeit von 14 m, um 2 45m p. m. von 23 m und um 2548 p. m. von 22 m p. s., dann ſehr raſche Abnahme der Windſtärke. Bei den erſten ſtarken Wind⸗ ſtößen ging die Windrichtung von WSW. durch N. nach NNW. über und fiel die Temperatur plötzlich um 5 ¼. In Hamburg und Wilhelmshaven waren weder Niederſchläge gefallen, noch Gewitter zum Ausbruch gekommen, dagegen nördlich von dieſer Strecke kamen bei heftigen Gewittern ſtarke Regen⸗, ſtellenweiſe auch Hagelfälle vor, die nicht unerhebliche Verwüſtungen verurſachten. Vom 26. bis zum Monatsſchluſſe blieb das Wetter bei hohem und gleichmäßig verteiltem Luftdrucke über Centraleuropa heiter und meiſt trocken, wobei ſich die Temperatur allmählich zu ſehr beträchtlicher Höhe erhob. Insbeſondere am 30. überſchritten die Nachmittagstempe⸗ raturen vielfach 30 C., und am letzten Tage vielfach 33°C. Gewitter waren in dieſer Zeit nicht ſelten, indeſſen kamen ausgedehnte Gewitter nur am 30. und 31. vor, die auch ſtellenweiſe von ſtarken Regengüſſen begleitet waren (am 30. Kiel 30 mm, Münſter 39 mm). Intereſſant ſind die Gewitter in der Nacht vom 30. auf den 31., über deren Verlauf in Hamburg in Bezug auf Wind, Luftdruck und Temperatur die folgende graphiſche Darſtellung nach den Wetterkarten der Seewarte ein klares Bild gibt. Erwähnenswert iſt die außerordentlich ſtarke Hitze, welche um die Mitte dieſes Monats in den Vereinigten Staaten herrſchte. In Waſhington zeigte am 19. das Thermometer 38,90, den höchſten Stand, den es ſeit vielen — a Oe Humboldt. — September 1887. Jahren (mit einer einzigen Ausnahme) daſelbſt erreicht hat. Der Asphalt in den Straßen war beinahe flüſſig, die Räder der leichteſten Fuhrwerke hinterließen tiefe Ein⸗ drücke, ſchwere Fuhrwerke waren überhaupt nicht mehr weiter zu bringen. Die Bewohner New Norks flüchteten 363 Hitze folgten nach dem 20. heftige, langanhaltende Regen, welche der Ernte im Staate New York und Pennſylvanien großen Schaden zugefügt haben. Viele Brücken wurden in dieſen Staaten weggeſchwemmt und Fahrſtraßen un⸗ wegſam gemacht. Die Regengüſſe in Maſſachuſetts am 23. 5 T + + 1 EE — Soe os — 8 EL TTT FFP 8 8 Richtung est] 8 [s [sw sw sm] sw| sw| wn N ue wa N (NW NNW! ON 5 a, 5 ee i a . E 8 S 5 lMetp. is] 12272 23[ 257 1 74/90! : 33 [C. 27 SSS = | a 2 1 — E E E — E <= F Barograph. in großen Scharen nach weiteren und näheren Orten, die Eiſenbahnen und die Dampfer waren überfüllt. In den dichter bevölkerten Vierteln waren die Dächer der Miets— kaſernen zu Schlafräumen umgewandelt und ſelbſt Leute der beſſeren Klaſſen ließen jegliche Traditionen bezüglich der Kleidung außer acht, indem ſie, Rock und Weſte über dem Arm, auf den Straßen einhergingen. Dieſer ſtarken waren die heftigſten ſeit Menſchengedenken. In Gr. Barring⸗ ton und Umgegend wurden 25 Brücken, viele Dämme und Fabriken zerſtört. Auch in den Staaten von New England wurden durch Regengüſſe verheerende Ueberſchwemmungen hervorgerufen, wodurch Stockungen im Eiſenbahnverkehr entſtanden. 5 Hamburg. Dr. J. van Bebber. Naturkalender für den Monat September 1887. Säugetiere. Gegen Ende des Monats beginnt die Brunſtzeit des Edelhirſches. Die Haſen ſetzen teilweiſe zum viertenmal. Die Niederjagd beginnt. 5 Vögel. In dieſen Monat fällt die Hauptwanderung und der Strich der Vögel. Krähen, Enten, Reiher, Bläß— hühner und Fiſchadler ſtreichen. Geſellſchaften von Grün⸗ und Grauſpechten (Picus viridis und canus), Spechtmeiſen (Sitta), Baumläufern (Certhia), Meiſen, dann Finken⸗ züge ziehen umher. Die Stare ſcharen fic) in den Fluß— thälern zu Tauſenden zuſammen, ſuchen Felder und Wieſen ab, brandſchatzen die Weinberge und ſchlafen dicht gedrängt geſellſchaftlich im Röhricht. Durchwandernde Habichte (Astur 3 ſtoßen Tauben und Hühner, Hamſter und Haſen. Abzug. Es ziehen meiſt in der erſten Hälfte des Monates: Italieniſcher und kleiner Würger (Lanius minor und collurio), grauer und ſchwarzrückiger Fliegenſchnäpper (Muscicapa grisola und atricapilla), Brachpieper (Anthus campestris), Müllerchen (Curruca garrula), Rohrſänger (Salicaria sp.), Laubſänger (Ficedula hypolais, sibila- trix, rufa), Ortolan (Emberiza hortulana), Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus), großer Brachvogel und Keil: haken (Numenius arcuatus), Strandläufer (Actitis hy- poleucos), weißer und ſchwarzer Storch, Bekaſſine oder Moorſchnepfe, faſt alle Raubvögel. In der zweiten Hälfte: Wendehals (Iynx tor- quilla), Mandelkrähe (Coracias garrula), rotköpfiger Würger (Lanius rufus), Baumpieper (Anthus arboreus), Singdroſſel (Turdus musicus), Mönch (Curruca atri- capilla) und einige andere Grasmücken, Backöfchen oder Fitis (Ficedula trochilus), Schilfſänger (Salicaria phrag- mitis ete.), Grauammer (Emberiza miliaria), Wiedehopf (Upupa epops), Ufer-, Haus- und Rauchſchwalbe (Hirundo riparia, urbica und rustica), Turteltaube (Reſt), Wachtel und Wachtelkönig oder Wieſenſchnarrer (Crex pratensis), Rohrdommel (Ardea stellaris), Rohrhuhn (Gallinula chloropus), Sumpfhuhn (Ortygometra porzana), Zwerg— teichhuhn (O. pusilla). Reptilien, Amphibien und Fiſche. Zahlreiche junge Tiere trifft man an; nach einem warmen Regen ſieht man auf Sandflächen, wo ſie tagsüber eingeſcharrt waren, oft Tauſende von Kröten („Froſchregen“). Lachſe und Forellen laichen. Inſekten, Käfer. Viele Arten erſcheinen jetzt aus der Puppe: zahlreiche Laufkäfer (Carabidae), Ontophagen, Coceinellen, Halyzia, Chilocorus, Adimonia tanaceti, Meloé autumnalis, Astynomus aedilis, Rhynchites populi u. ſ. w. — Auch der Maikäfer entpuppt ſich, ohne jedoch die Erdhöhle zu verlaſſen. Schmetterlinge. Zahlreiche Arten erſcheinen in der letzten Generation, ſo die Vaneſſaarten, wie Admiral, C. album, Neſſelfalter ꝛc., Colias Edusa, Lycaena Argus, Polyommatus Phlaeas, Hesperia Alveus ꝛc. Entſchiedene Herbſtſchmetterlinge find aber die dem welken Laube fo ähnlich gefärbten Eulen: Xanthia ocellaris, citrago, cerago, gilvago 2¢., Orthosia lota, Leucania, L album und pallens, weiterhin die rindenfarbenen Agrotis vestigalis und Apamea testacea, Xylina ornithopus, Ammoconia coecimacula, Mamestra chi etc. Während der Windigſchnurrer (Sphinx convolvuli) und Totenkopf (Acherontia Atropos) fliegen, findet ſich die Raupe des Pappelſchnurrers (Smerinthus populi) ſehr zahlreich, und die Bürſtenraupe der Orgyia pudibunda frißt oft alle Roßkaſtanien und Buchen kahl. In Norddeutſch⸗ land kommen zuweilen ſchon Froſtſpanner zum Vorſchein. Auf reifen Trauben ſaugt Thecla betulae. Aderflügler. Die Blattſchneiderbienen find in reger Thätigkeit; fie ſägen 3—4 kreisförmige Abſchnitte aus Roſen und Akazienblättern und bekleiden damit ihre Erd— oder Holzröhren. 364 Humboldt. — September 1887. Mannstreu (Eryngium campestre) it von vielen Weſpenarten, Weſpenameiſen, Wirbelweſpen (Bembex), Goldweſpen (Chrysis), Schlupfweſpen (Ichneumon), Sandweſpen und Wegweſpen beſucht, ebenſo der Quendel (Thymus serpyllum). Netzflügler zeigen ſich viele. Die Teufelsnadel (Aeschna grandis), Blattlausfliege (Chrysopa perla ete.), Waſſerjungfer (Lestes sponsa) fliegen umher. Zweiflügler machen ſich zahlreich auf Doldenblütlern bemerklich, beſonders Bohrfliegen (Trypeta), Wanzenfliegen (Phasia), Schnepfenfliegen (Leptis), Hummelfliegen (Echi⸗ nomyia) und Raupenfliegen (Tacbina), Hornißfliegen (Asilus crabroniformis) fangen auf Wegen die Bremſen (Tabanus bovinus etc.) hinweg, Raubfliegen CLaphria nigra, ephippium etc.) ſonnen ſich, auf Beute lauernd, an Baumſtämmen, den Kopf nach unten. Wanzen und Heuſchrecken, Cikaden u. ſ. w. gibt es in Menge. Die Netze der Kreuzſpinnenarten werden dem Wanderer im Walde läſtig, wie auch an ſchönen Tagen zahlloſe Fäden über Feld und Straße ſchweben, der ſogenannte „Altweiberſommer“, woran nicht ſelten ihre Verfertiger, kleine Spinnen, Luftfahrten unternehmen. flanzen. Es blühen noch ſehr viele Sommerpflanzen, wie Menthaarten, Senecio paludosus, erucifolius, Vero- nica spicata, Anthemis tinctoria, Scabiosa succisa, Atropa belladonna, Gentiana ciliata, Calluna vulgaris, Aster amellus, Pulicaria dysenterica, Euphorbia pa- lustris etc. Neu hinzu tritt die Zeitloſe (Colchicum autumnale). Die Pilze mehren ſich bei feuchtem Wetter. Mainz. W. von Reichenau. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im September 1887. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 1074 U Ophiuchi 1 0 5h 7 7 b Zm U 5 ib ra 2 9 50 625 U Ophiuchi 95 1250 2 @ III 925 6 Libra 2 4 Mars in der Sterngruppe des Krebses, der Preesepe. 4 5 629 U Corone 892 U Cephei 5 7 743 U Ophiuchi 7 8 Sh 30m N I A 8 9 981 6 Libre 9 10 € 789 U Cephei 1522 Algol 1641 N Tauri 10 h m Qh 1 f 12 10 158 5 1 @ Il 881 U Ophiuchi 12 13 1221 Algol 13 14 1580 „ Tauri 14 15 785 U Cephei 15 5 7 5 1 h o 5h 36m 16 827 6 Libre 889 Algol 2 4 ö 1 et 16 17 0 829 U Ophiuchi 1626 S Cancri 17 18 1388 N Tauri 18 h m 9 19 95 ae ö A @ I 19 20 6h 55 A III A 72 U Cephei 20 22 946 U Ophiuchi 127 . Tauri 1311 U Coron 22 3 3 548 U Ophiuchi n 31™ ? el 852 6 Librae 23 gh 43m 9. 24 6" 48m 9} I A 24 25 628 U Cephei 12" 20m f. d. ö f Sagittarii 25 13 2m g. h. 5 26 6" 28m E fl. ö BAC 7053 6r 29™ Bi o Capri. | 1126 ) Tauri Be gh yp 1 26 7 48 A. . H 5½ 7 48 Al. 5 0 13°38" l, l. 9 5½ 27 1054 U Ophiuchi 27 28 685 U Ophiuchi 11" 20m E. 19 9 28 11°48" A. h. 6 29 1088 U Coron 29 30 685 U Cephei 788 6 Libre 1084 Y Tauri 1629 Algol 30 Merkur kommt am 10. in obere Konjunktion mit der Sonne und bleibt daher den ganzen Monat über dem unbewaffneten Auge unſichtbar. Venus verſchwindet nun als Abendſtern in den Sonnenſtrahlen und erreicht am 21. ihre untere Konjunktion mit der Sonne. Am Ende des Monats taucht ſie als Morgenſtern wieder aus ihren Strahlen auf. Mars tritt aus dem Sternbild des Krebſes in das des Löwen. In der Nacht vom 4. auf 5. paſſiert er die ſchöne Sterngruppe des Krebſes, die Präſepe und bildet mit J und 6 Cancri, den beiden Aſelli (Eſelchen) die Spitze eines gleichſchenkeligen Dreiecks. Sein Aufgang erfolgt während des ganzen Monats kurz vor 2 Uhr morgens. Jupiter im Sternbild der Jungfrau erreicht am Ende des Monats das der Wage und nähert ſich immer mehr der ihm nachrückenden Sonne. Von den Erſcheinungen ſeiner Trabanten iſt daher nur noch wenig zu beobachten. Er geht anfangs um 8 ½ Uhr abends, zuletzt ſchon eine Viertelſtunde vor 7 Uhr unter. Saturn bewegt ſich rechtläufig im Sternbild des Krebſes und bildet im Anfang des Monats mit Mars und den beiden Aſelli eine hübſche Kon⸗ ſtellation. Er geht anfangs kurz vor 2 Uhr, zuletzt eine Viertelſtunde nach Mitternacht auf. Uranus verſchwindet in den Sonnenſtrahlen. Neptun zwiſchen Plejaden und Hyaden kommt am 2. in Stillſtand und wird rückläufig. Von den 8 Veränderlichen des Algoltypus bieten alle außer dem neueſten Y Cygni, deſſen Minima auf Nachmittagsſtunden fallen, Beobachtungsgelegenheiten dar. Dr. E. Hartwig. a Humboldt. — September 1887. 365 Biographien und perſonalnotizen. Profeſſor Dr. Alexander Brandt, Profeſſor der Zootomie am Veterinärinſtitut, iſt zum ordentlichen Profeſſor der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der Univerſität Charkow ernannt worden. Dr. Johannes Frenzel in Berlin iſt zum Profeſſor der Zoologie und Direktor des zoologiſchen Muſeums in Cordoba (Argentinien) ernannt worden. Profeſſor Dr. Gaſſer in Berlin iſt als Nachfolger von Lieberkühn nach Marburg berufen worden. Dr. Lenz, der bekannte Afrikareiſende, wurde zum Profeſſor der Geographie an der deutſchen Univerſität in Prag ernannt. Aſſiſtent Werner am königlichen geodätiſchen Inſtitut in Berlin wurde zum etatsmäßigen Profeſſor der tech— niſchen Hochſchule in Aachen ernannt. Dr. Schütt, Aſſiſtent am botaniſchen Inſtitut in Kiel, habilitierte ſich als Privatdocent für Botanik. Dr. Böhm habilitierte ſich als Docent für phyſikaliſche Geographie an der techniſchen Hochſchule in Wien. Dr. Herzig und Dr. Zeiſel habilitierten ſich als Privatdocenten für Chemie an der Univerſität Wien. Dr. Jo ſeph Heinrich Lift hat ſich an der Univerſität Graz für Zoologie, vergleichende Anatomie und ver— gleichende Entwickelungsgeſchichte habilitiert. Profeſſor Karl Vogt in Genf iſt von der Pariſer Akademie zum korreſpondierenden Mitgliede der zoolo— giſch⸗anatomiſchen Sektion erwählt worden. r Botaniker, Profeſſor Aſcherſon iſt Ende Juni von ſeiner ägyptiſchen Forſchungsreiſe nach Berlin zurück— gekehrt. Er berührte viele, noch von keinem Reiſenden in Augenſchein genommene Punkte Unterägyptens, namentlich im Umkreiſe der Nilmündungsſeen von Burlos und Menſaleh und bereicherte die Flora Aegyptens durch eine überraſchende Menge neuer Arten. Von beſonderer Wichtigkeit ſind Aſcherſons Beobachtungen auf der Küſtenſtrecke im Oſten vom Suezkanal bis zur ſyriſchen Grenze. Dem außerordentlichen Profeſſor für angewandte Phyſik am Polytechnikum in Dresden, Dr. Ernſt Hagen, iſt behufs probeweiſer Beſchäftigung als Elektrotechniker bei der kaiſerlichen Marine bis 1. April 1888 Urlaub erteilt worden. Der Aſtronom J. Janſſen iſt zum Präſidenten der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften erwählt worden. Paſteur wurde an Stelle Vulpians zum ſtändigen Schrift— führer der Akademie der Wiſſenſchaften in Paris er— wählt. 8 Totenliſte. Gibſon, John, von der geſchichtlichen Abteilung des Edinburger „Museum of Science and Art“, iſt ge— ſtorben. Er verfaßte „Sejence Gleanings“ und andere Werke. Millière, P., bekannter Lepidopterolog, ſtarb in Cannes. Wilſon, Thomas, Lepidopterolog, ſtarb, 51 Jahre alt, am 17. April in Holgate, York. Gatcombe, John, ausgezeichneter Beobachter und Kenner der Vögel der engliſchen Fauna, ſtarb am 28. April, 68 Jahre alt, zu Plymouth. Hohl, früherer Profeſſor der naturwiſſenſchaftlichen Fakul— tät in Marburg, ſtarb am 4. Mai daſelbſt, 81 Jahre alt. Hellins, Rev. John, Lepidopterolog, ſtarb, 58 Jahre alt, am 9. Mai in der Cathedral Close, Exeter. Wawra von Fernſee, Heinrich, k. k. Marineſtabs⸗ arzt a. D., berühmter Reiſender und Bromeliaceen— kenner, ſtarb am 25. Mai zu Baden bei Wien im 57. Lebensjahre. Jackman, George, als Clematiszüchter bekannt, ſtarb am 29. Mai zu Woking. Nach ihm iſt die Clematis Jackmani benannt. Wittſtein, Georg Chriſtoph, bekannter Chemiker, ſtarb am 1. Juni in München. Er war am 25. Sa- nuar 1810 in Münden in Hannover geboren, widmete ſich der Pharmacie und leitete 26 Jahre lang ein mit theoretiſch-praktiſcher Unterrichtsanſtalt verbun— denes chemiſches Laboratorium in München. Er redigierte 1852 bis 1873 die „Vierteljahrsſchrift für praktiſche Pharmacie“, ſchrieb eine Anleitung zur Darſtellung und Prüfung chemiſcher Präparate, welche große Verbreitung fand, auch mehrfach überſetzt wurde, und war einer der eifrigſten Bekämpfer des Geheim— mittelunweſens. Zuletzt überſetzte er Plinius' Natur— geſchichte. Oerley, Dr. Ladislaus, Kuſtosadjunkt am National- muſeum in Budapeſt, Verfaſſer der Monographien der Rhabditiden, Anguilluliden ꝛc., ſtarb am 12. Juni, 31 Jahre alt. Liebig, Emil Gerhard, Kunſt- und Handelsgärtner, der ſich ebenſo wie ſein Vater Ludwig Leopold Liebig um die Kamelien-, Azaleen- und Rhododendrenzucht verdient gemacht hat, ſtarb am 14. Juni in Dresden. v. Schroff, Pr. Karl Damian, ehemaliger Wiener Profeſſor der Pharmakognoſie, ſtarb am 18. Juni in Graz. de Koninck, Laurent Guillaume, Profeſſor der organiſchen Chemie in Lüttich, ſtarb am 16. Juli. Er war am 3. Mai 1809 in Löwen geboren und gehörte der Univerſität Lüttich ſeit 1836 an. Unter ſeinen zahlreichen Arbeiten finden ſich auch mehrere paläontologiſche. 366 Humboldt. — September 1887. Litterariſche Rundſchau. Tevy, Anleitung zur Darftellung organiſcher Präparate. Stuttgart bei Ferdinand Enke. 1887. Preis 4 M. Wohl in allen chemiſchen Laboratorien hat man das Bedürfnis gefühlt nach einem Buch, welches dem Prakti⸗ kanten in die Hand gegeben werden kann, um ihn etwas weniger abhängig von dem Lehrer zu machen, der ſeine Aufmerkſamkeit oft nur zu vielen jungen Leuten widmen ſoll. Ein Leitfaden wie der vorliegende wird daher ſehr willkommen ſein, um ſo mehr, als man demſelben nach⸗ rühmen muß, daß er ſeiner Aufgabe mit recht großem Geſchick gerecht geworden iſt. Der Verfaſſer ſucht den Anfänger an 100 Beiſpielen in die organiſche Chemie ein⸗ zuführen und hat deshalb dieſe 100 Präparate ſo ausge⸗ wählt, daß alle Klaſſen der organiſchen Verbindungen in Haupttypen vertreten ſind, und ſo angeordnet, daß der Praktikant ſynthetiſch fortſchreitet. Die Anleitungen ſind klar und leicht verſtändlich geſchrieben, ſo daß ſich das Buch auch ganz vortrefflich zum Selbſtunterricht eignet. Wer dasſelbe an der Hand eines Lehrbuchs braucht, wird nicht leicht in Verlegenheit geraten. Die Konſtruktion der Apparate iſt durch zahlreiche Illuſtrationen veranſchaulicht. Friedenau. Dammer. Niemann, Taſchenbuch für Mineralogen. Ber⸗ lin bei Julius Springer. 1887. Preis 7 M. Das für den praktiſchen Gebrauch eingerichtete Buch enthält zunächſt eine tabellariſche Ueberſicht der Minera⸗ lien, welche die chemiſche Zuſammenſetzung, Kryſtallſyſtem, kryſtallographiſche Achſen, optiſche Achſen, Glanz, Farbe, Strich, Härte, Spaltbarkeit, ſpecifiſches Gewicht und Be⸗ merkungen enthält, die ſich hauptſächlich auf das che⸗ miſche Verhalten der Mineralien beziehen. Dieſe Ueber⸗ ſicht iſt ſehr praktiſch, nur ſcheint uns, daß die beiden Kolumnen kryſtallographiſche und optiſche Achſen vorteil⸗ hafter durch Angaben über den Habitus der Mineralien erſetzt worden wären. Das Taſchenbuch ſoll doch dem augenblicklichen Bedürfnis dienen, und dieſem iſt offen⸗ bar mehr gedient mit Dingen, die ſich bei der Betrachtung von ſelbſt ergeben. Auf dieſe tabellariſche folgt eine ſyſtematiſche Ueberſicht nach Groth, dann eine topo⸗ graphiſche Ueberſicht, die bei einer neuen Auflage wohl zweckmäßiger geſtaltet werden könnte. Uns wenigſtens will es wenig wertvoll erſcheinen, eine lange Liſte Mine⸗ ralien zu erhalten, die in „Afrika“, in „Italien“ ꝛc. vor⸗ kommen. Vielleicht entſchließt ſich der Verfaſſer, den Ab⸗ ſchnitt „Kryſtallographie“, der gleich der Elemententafel in einem Buch wie das vorliegende recht überflüſſig er⸗ ſcheint, zu beſeitigen und dafür das Vorkommen detaillierter zu behandeln. Auch das Regiſter erſcheint recht über⸗ flüſſig. Für die erſte alphabetiſch angeordnete Ueberſicht wirkt es komiſch, und auf die ſyſtematiſche und topographiſche Ueberſicht könnten Zahlen in der tabellariſchen Ueberſicht verweiſen. Jetzt weiſt das Regiſter nicht einmal die Mine⸗ ralien in der topographiſchen Ueberſicht nach und in vielen Fällen auch nicht in der ſyſtematiſchen, ſo daß es nur auf die alphabetiſch angeordnete Ueberſicht hinweiſt. Wir haben es hier offenbar mit Flüchtigkeiten zu thun, wenn aber der Autor ſorgfältiger arbeitet und das Buch prak⸗ tiſcher geſtaltet, dann kann es ein ſehr brauchbares Hilfsmittel werden. Friedenau. Vettenkofer und Ziemſſen, Handbuch der Hygiene und Gewerbekrankheiten. 3 Teile in 10 Ab⸗ teilungen. Leipzig bei F. C. W. Vogel. Die Geſundheitspflege iſt ſo alt wie 119710 ein an⸗ derer Zweig der praktiſchen Medizin, aber keiner von dieſen Zweigen blieb ſo lange auf ſubjektive Vorſtel⸗ lungen, auf Gefühle und Inſtinkte angewieſen, wie die Geſundheitspflege. Erſt die neueſte Zeit hat angefangen, die Glaubensſätze der Hygiene wiſſenſchaftlicher Unterſuchung und experimenteller Kritik zu unterziehen und alsbald ſind Reſultate gewonnen worden, welche manches alte Vorur⸗ teil beſeitigten und neue Ausblicke gewährten. Es braucht nun nicht die Bedeutung der Hygiene für den Einzelnen und für die Allgemeinheit hervorgehoben zu werden, es leuchtet von ſelbſt ein, wie wichtig es iſt, die neueren Forſchungen kennen zu lernen, und wie wertvoll ein Werk iſt, welches die in einer umfangreichen Litteratur weit zer⸗ ſtreuten Forſchungsreſultate zuſammenfaßt und zu einem Lehrgebäude verarbeitet. Das vorliegende große Werk, zu welchem ſich die Herausgeber mit einer großen Anzahl bedeutender Fachleute verbanden, iſt, abgeſehen von der älte⸗ ren Militärgeſundheitspflege von Roth und Lex, das erſte derartige Buch und wird nach ſeiner Vollendung eine ge⸗ radezu monumentale Bedeutung beſitzen. Es gliedert ſich in individuelle und ſociale Hygiene, und behandelt dann die Infektionskrankheiten, die Gewerbekrankheiten und die Principien der öffentlichen Geſundheitspflege. Erſchienen ſind bis jetzt: IJ. Teil. Individuelle Hygiene. 1. Abteilung. Einleitung, Prof. Pettenkofer. — Ernährung und Nah⸗ rungsmittel, Prof. Forſter. — Verfälſchung! der Nahrungs⸗ und Genußmittel, Prof. Hilger. 1882. 6 2. Abteilung. 1. Heft. Fermente und Mikroparaſiten, Prof. Flügge. Mit 27 Abb. 1886. 6 M. Mit 65 Abb. 1883. Vergriffen. Abteilung. 2. Heft. Luft, Dr. Renk. Abteilung. 3. Heft. Boden, Prof. Soyka. Mit 37 Abb. 1887. 8 M. II. Teil. Sociale Hygiene. 1. Abteilung. Größere Gemeinweſen. 1. Hälfte. Anlage von Ort⸗ ſchaften, Prof. Flügge. — Die Entfernung der Abfallſtoffe, Prof. Erismann. — Beerdigungsweſen, Dr. Schuſter. — Maſſenernäh rung, Prof. Forſter. 1882. 8 M. Dammer. do do 2. Hälfte. Waſſerverſorgung, Dr. Wolffhügel. 1882. 5 M. 2. Abteilung. Specielle ſociale Einrichtungen. Die Hygiene der Schule, Prof. Erismann. — Gefängnishygiene, Dr. Bär. — Fabriken, Baurat Degen. — Kaſernen, Dr. Prof. Hirt. — Krankenanſtallen, Dr. Renk. — Die Verkehrsmittel, Schuſter. — Oeffentliche Bäder, Prof. Kunkel. 1882. 9 M. 4. Abteilung. Die Gasinhalationskrankheiten und die gewerblichen Vergiftungen, Prof. Hirt. — Die 2 at e Dr. Merkel. Dritte Auflage. 1882. 4 M. 50 Pf. III. Teil. e e Teil. Oeffentliche Geſundheitspflege, Prof, Geigel. Dritte Aufl. 1882. 5 M. Jede Abteilung iſt auch einzeln käuflich. Auf die neueſten Bände werden wir ſpäter noch genauer eingehen. Friedenau. Dammer. Bibliographie. Bericht vom Monat Juli 1887. Allgemeines. e der W Menger: Geſellſchaft in Görlitz. Görlitz, Remer. M. Berthelt, A., Naturlehre. 13. Aufl. Für Schulen 220 zum Selbſtunterrichte. Leipzig, Klinkhardt. I 19. Bd. Fiſcher, E. Winke für Naturalienſammler. Leipzig, Leiner. M. —. 40. Jahresbericht der Geſellſchaft für Natur⸗ und Heilkunde in Dresden. Sitzungsperiode 18861887. Dresden, Kaufmann. M. 3 Kieſtling, F., und E. Pfalz, Methodiſches Handbuch f. den Unterricht a dev Naturgeſchichte an Volks⸗ und mae Bürgerſchulen. 4. u. 5. Kurſ. Braunſchweig, Bruhn. M. 4. 50. Humboldt. — September 1887. 367 Kießling, F., u. E. Pfalz, Wiederholungsbuch der ett fiir gegliederte Volks- und höhere e 4. und 5 Kurſus. Braunſchweig, Bruhn. M. — Lehmann, F. X., Litteratur f. vaterländiſche Naturkunde i. een Baden. 1. Nachtrag. Karlsruhe, Braun. M. —. Nießen, J., Die Naturgeſchichte in der Volksſchule. Shale. Siegismund & Poltening. M. —. 60. Verhandlungen der phyſitaliſch⸗ mediciniſchen Geſellſchaft zu Würzburg. Hrsg. v. G. Schmitt, W. Reubold, F. Decker. Neue Folge. 20. Bd. Würzburg, Stahel. M. 14. Verhandlungen des Vereins fiir e e ag kg 1 zu Fanbneg 1883-1885. i von G. Pfeffer. 6. Band. amburg, Friederichſen. M. Wölterling, W., N rae drei Reiche in Einzelbeſchreibungen. Potsdam, Stein. M. Phyſikt. Käuffer, P. Iſt die Kohäſion der Gaſe wirklich gleich Null? Ableitung aus den Grperimenten nk die ſpecifiſchen Wärmen derſelben. Mainz, v. Zabern. M. — Kohlrauſch, F., Die b Anſchauungen über die Elektroly ſe von Löſungen. Berlin, Springer. 1. Roſenberger, F., Die Geſchichte der Phyſit in Grundzügen. Geſchichte der Phyſik in 550 letzten 100 Jahren. 1. Abth. ſchweig, Vieweg. M. 6. n 928 Katechismus 5 Elektrotechnik. 3. Aufl. 3. Theil. Braun⸗ Leipzig, Weber. Besch gait v. Fraunhofer. München, Literariſch-artiſtiſche Anſtalt. Chemie. Biechele, M., Stöchiometrie mit beſonderer Berückſichtigung der deutſchen Pharmakopde, ſowie der le a da Unterſuchungen der Arznei⸗ ftoffe. Eichſtätt, Stillkrauth. M. Czyrniansti, E., Ein Beitrag zur oe -phyfitatifcjen Theorie. Friedlein. ade Gerlach, G. Th., Ueber Siedetemperaturen der Salzlöſungen und Ver⸗ gleich der Erhöhungen der Siedetemperaturen mit den übrigen Eigen⸗ ſchaften der Salzlöſungen. Wiesbaden, Kreidel. M. 5. Geuther, A., Beiſpiele zur Erlernung der quantitativen chem. Analyſe. Jena, Doebereiner. M. 1. 50. Kleber, C., Ueber die Produkte der Einwirkung von Monochlormethyl⸗ äther auf Natriummalonſäureeſter. Leipzig, Fock. M. —. 60. Müller, P. E., Studien über die natürlichen Humusformen und deren Einwirkung auf Vegetation und Boden. Mit analytiſchen Belegen von C. A. F. Tuxen. Berlin, Springer. M. 8. Meher, L., Ueber Aethylderivate des Chinolins. Ein Beitrag zur Kennt⸗ niß der Chinolinbaſen. Kiel, Lipſius & Tiſcher. M. 1. Krakau, Richter, E., e zum Unterrichte in der Chemie. Ober⸗ glogau, Handel. M. — Zipperer, P., Unterjuchungen über Kakao u. deſſen Präparate. Hamburg, Voß. M. 2 10. Aſtronomie. Schurig, R., Karte der großen e am Morgen des 19. Aug. 1887. Leipzig, Pfau. M. — Weber, W., Sternkarte auf Pappe unt 5 Horizont und 1 Blatt Text. 2. Aufl.) Leipzig, Hinrichs. 8 Geographie, Ethnographie, Reifewerke. ee zur deutſchen Landes⸗ u. Volkskunde, hrsg. v. R. Lehmann. 2. Hft. Inhalt: Nationalität u. Sprache i im Königr. Belgien 125 a Brämer. Stuttgart, Engelhorn. M. 4. Pallmann, R., Die Bewohnbarkeit der Tropen für Europäer. Sree Studie aus den Quellen. Vortrag. 150. Eine Berlin, Lehmann. Veröffentlichung des königl. preußiſchen geodätiſchen Inſtituts. Aſtro⸗ nomiſch⸗geodätiſche Arbeiten I. Ordnung. Telegraphiſche Längen⸗ beſtimmungen in den J. 1885 u. 1886. Berlin, Stankiewicz. M. 14. Mineralogie, Geologie, Paläontologie. Andruſſow, N., Eine foſſile e als geſteinbildender Organis⸗ mus. Wien, Hölder. M. —. 1 el i des Sees in Zug den 5 5. Juli 1887. Fiſcher, E., Taſchen buch f. Mineralienſammler. Leipzig, Leiner. M. 2. 80. Köchlin, R., Ueber Phosgenit und ein muthmaßlich neues Mineral vom Laurion. Wien, Hölder. M. —. 80. Lenz, H. O., Gemeinnützige Naturgeſchichte. 5. Aufl. 5. Bd. Das Mi⸗ 1. Th. Allgemeine Mineralogie. Zürich, Orell Füßli neralreich. Bearb. v. O. Wünſche. Gotha, Thienemann. M. 3. 20. Noelting, J., Ueber das Verhältniß der ſogenannten Schalenblende zur regulären Bleude und zum hexagonalen Wurtzit. Kiel, Lipſius & Fifer. M. 1. 20. Unglück, das, in Zug vom 5. Juli 1887. Nebſt einem Berichte von A. Heim und einem aay Verzeichniß der Geſchädigten. 1.— 3. Aufl. ürich, Schmidt. M. Wölkerling, W. Kleine Mineralogie für Bürger- und Volksſchulen. Potsdam, Stein. M. —. 40. Meteorologie. Feldt, V., Der Säuregehalt der Luft in Dorpat, beſtimmt in den Mo- naten Februar bis Mai 1887. Dorpat, Karow. M. 1. Bibliotheca botanica. Wetter⸗Vorherbeſtimmung, praktiſche, am Abendhimmel — von einem auf den andern Tag —. Von K—t. Leipzig, Voigt. M. —. 50. Botanik. Baumgarten, P., Jahresbericht über die Fortſchritte in der Lehre von den pathogenen Mikroorganismen, umfaſſend Bacterien, Pilze und Protojoen. 2. Jahrg. 1886. Braunſchweig, Bruhn. M. 11. Beck, G., Flora von Südbosnien und der angrenzenden Hercegovina. 3. Thl. Wien, Hölder. M. 8. Abhandlungen aus dem Geſammtgebiete der Botanik. Hrsg. v. O. Uhlworm u. F. H. Haenlein. 5. u. 6. Hft. a M. 8. Inhalt: 5. Ueber die Entwickelung der Blüthe und Frucht von Sparganium Tourn. und Typha Tourn. Von S. Dietz. — 6. Foſſile Pflanzen aus der Albourskette, geſammelt von E. Tietze. Beſprochen von Schenk. Kaſſel, Fiſcher. Engler, A., und K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien, nebſt ihren Gattungen u. wichtigeren Arten, 1 den Nutzpflanzen. 8. u. 9. Lfg. Leipzig, Engelmann. a M. 1. Hadelich, W., Ueber die Form und Größenverhüttniſſ des Staphylo- 1 pyogenes aureus. Würzburg, Stuber. M. 1. Lahm, W., Flora der Umgebung von Laubach (Oberheſſen), enth.: Die Heier nebſt pflanzengeograph. Betrachtungen. Gießen, Rider. Meiſter, 3 J., Flora v. Schaffhauſen. Schaffhauſen, Schoch. M. 1. 50. Saccardo, P. A., Sylloge fungorum omnium hucusque cognitorum. Vol. 5. Agaricineae. Patavii. Berlin, Friedländer L Sohn. M. 58. Wölkerling, W., Prattiſche Pflanzenkunde. Potsdam, Stein. M. —. 60. Wünſche, O., Excurſtonsflora f. das Königr. Sachſen u. die angrenzenden Gegenden. Die Phanerogamen. 5. Aufl. Leipzig, Teubner. M. 4. Zimmermann, A., Die 1 u. Phyſiologie der Pflanzenzelle. Breslau, Trewendt. M. Zwick, H., Naturgeſchichte 5 eee für Volks⸗ und Mittelſchulen. Berlin, Nicolai. M. 1. Zoologie, Phyſtologie, Anthropologie. Bibliothek für Naturfreunde. Nr. 5 u. 6. a M. —. 80. Inh.: 5. Der Macropode, ſeine Pflege und Zucht. Von G. Findeis. — 6. Die ſchweren aſiatiſchen Hühner⸗ ⸗Racen, Cochin, Brahma und Langſhan. Von M. Kapoſi. Wien, Frank. Bielz, A., Siebenbürgens Käferfauna, Schluſſe d. J. 1886. Herrmannſtadt, Michaelis. M. 1. Boecker⸗Wetzlar, W., Unſere beliebteſten einheimiſchen Suben, mus Wartung und Pflege ze. 2. Aufl. Ilmenau, Schröter. M. Calberla, H., Die Macrolepidopterenfauna der römiſchen Fg u. der angtenjenden Provinzen Mittelitaliens. 1. Thl. Leipzig, Köhler. M. Eckstein, 8 „Prof. S. Stricker's Philoſophie der Viviſection u, die Sait’ der reinen 1 ft Eine Betrachtung. Wien, Manz. M. 1. Egger, A., Jouannetia Cumingii Sow. Eine morphologiſche Unter⸗ juchug. Wiesbaden, Kreidel. M. 6. Fokker, A. P., Unterſuchungen über Heterogeneſe. J und II à M. 1. 2. Die Hämatocyten. Groningen, nach ihrer Ein bis zum Inhalt: 1. Protoplasmawirkungen. W Zur Mechanik des Magens beim Brechacte. Dorpat, 1. 0 Fritsch, A., u. J. Kafka, Die Cruſtaceen der böhmiſchen Kreideformation. Prag, Rivriac. M. 30. Fromhold⸗Treu, W., Ueber die Beeinfluſſung der peripheren Gefäße durch Hautreizmittel u. den elektr. Strom. 5 Karow. M. 1. 20. Gruenhagen, A., Lehrbuch der Phyſiologie. 7. Aufl. 3 Bde. Hamburg, Voß. M. 40. Hellenbach, L. R., Iſt Hanſen ein Schwindler? Eine Studie über den „animaliſchen Magnetismus“. 2. Aufl. Leipzig, Mutze. M. —. 50. Hofmann, E., Schmetterlinge⸗Etitetten. Stuttgart, Hoffmann. M. 1. 20. anke, H. Die willkürliche Hervorbringung des Geſchlechts bei Menſchen und Dausthieren. Neuwied, Heuſer. M. 11. Medicus, W., Illuſtriertes Epmettertings- und Raupenbuch. 2. Aufl. Raijerstautern, Gotthold. M. 1. Paetel, F., Catalog der Conchylien⸗ Senda v. F. P. (4. Bearbeitung.) Mit Hinzufügung der bis jetzt publicirten recenten Arten, ſowie der ermittelten Synonyma. 1. Lfg. Berlin, Paetel. M. 2. 70. Pokorny, A., Illſtrierte Geſchichte des Thierreiches. Für die unteren Claſſen der Mittelſchulen. 20. Aufl. beſorgt v. R. Latzel u. J. Mik. (Ausgabe für Oeſterreich.) Prag, Tempsky. M. 2. 40. Sammlung gemeinverſtändlicher wiſſenſchaftlicher Vorträge, hrsg. von R. Virchow u. F. v. Holtzendorff. 2. Serie. 6. Heft. Inhalt: Der Elephant im Krieg und Frieden und ſeine Verwendung in unſern afrikaniſchen Kolonien. Von H. Bolau. Hamburg, Richter. M. 1. Sandberger, F. v. Pupa (Vertigo) parcedentata Genesii und ihre Varietäten in der Eiszeit u. der gegenwärtigen Periode. Würzburg, Stahel. M. 1. Schneidemantel, H., Ueber e bei Parsberg, Oberpfalz. Landshut, Attenkofer. M. S G., Lehrbuch der Anatomie des Auges. Erlangen, Bezold. — Lehrbuch der Anatomie des Ohres. Daſ. M. 9. See A., Schmetterlingskunde f. Anfänger. 4. Aufl. Leipzig, Oehmigke. Weſterlund, C. A., Fauna der in der paläarctiſchen Region lebenden Binnenconchplien. III. Wen. Buliminus, Sesteria, Pupa, Ste- nogyra u. Cionella. Lund. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 7. 50. Wölkerling, W., Praktiſche Tierkunde. Potsdam, Stein. M. —. 60. 368 Humboldt. — September 1887. Litterariſche Notizen. Eine Fortſetzung von Hewitſons Exotie Butter- klies wird nach Materialien der Sammlung von Henley Groſe Smith von dieſem in Gemeinſchaft mit W. F. Kirby herausgegeben werden und im Verlage von Gurney & Jack⸗ ſon in London erſcheinen. Der Zoological Record, von welchem bisher 22 Bände erſchienen, wird vom Jahrgang 1888 ab unter Redaktion von F. Beddard von der Zoological Society in London herausgegeben werden. Der Wiener Bienenzüchterverein ſchrieb im Jahre 1885 einen Preis für die beſte litterariſche, populär gehaltene W Fragen und Anregungen. Frage 29. In den Lehrbüchern der Phyſik lieſt man wohl viel über die Wärmekapacität, aber ſehr wenig über die elektriſche Kapacität, obwohl dieſelbe für die Technik und die Theorie von ſolcher Bedeutung iſt, daß die elektriſchen Konferenzen in Paris ſie in das abſolute elektro⸗ magnetiſche Maß eingeſchloſſen und ihre Einheit als Farad bezeichnet haben: ein Farad iſt dadurch beſtimmt, daß die Elektrieitätsmenge von 1 Coulomb in einem Körper von 1 Farad das Potential oder die elektromotoriſche Kraft von 1 Volt hervorbringt. Die Kapacität iſt alſo diejenige Elektricitätsmenge, welche im ſtande iſt, einen Körper auf das Potential 1 zu bringen, wird folglich gemeſſen durch den Quotienten des Potentials durch die Quanti⸗ tät. In dieſer Beziehung iſt der Begriff dem gleich⸗ namigen aus der Wärmelehre ſehr ähnlich, weiter aber nicht. Die Wärmekapaeität hängt nur vom Stoff ab, die elektriſche Kapaeität auch von Form und Größe. Leicht findet man z. B., daß die Kapaeität einer Kugel gleich dem Radius iſt, daß alſo eine größere Kugel eine größere Kapgeität hat, was eigentlich auch ſelbſtverſtändlich iſt. Die Kabelfabrikanten preiſen Leitungsdrähte von 0,2 Mikro⸗ farad (= 1 Milliontel Farad) per Kilometer an. Aus all dem erhellt die hohe Bedeutung der wenig bekannten Kapacität. Wäre es nicht an der Zeit, daß Ihr Elektro⸗ techniker eine eingehende populäre Darſtellung der Kapa⸗ cität und ihrer Bedeutung für Wiſſenſchaft und Praxis gäbe? Frage 30. Der Volksglaube ſagt, daß im Frühjahr die Oefen rauchen, ſobald die Sonne auf den Rauchfang ſcheint. Läßt ſich dieſe Behauptung wiſſenſchaftlich recht⸗ fertigen? Frage 31. In Lehrbüchern der Naturgeſchichte be⸗ gegnet man oft der Meinung, daß ein Vogel, wenn er ſeine Luftreſervoire füllt, leichter fliegt, weil er ſpeeifiſch leichter geworden iſt. Iſt dieſe Behauptung richtig? Frage 32. Der Mond wendet uns immer dieſelbe Seite zu. Läßt ſich für dieſe Erſcheinung eine mögliche Urſache angeben? Frage 33. Wodurch kann man Lacerta pater von L. viridis und eine junge L. pater von L. viridis und L. ocellata auf den erſten Blick unterſcheiden? Antworten. Zu Frage 1 ſchreibt uns Herr Dr. Johann v. Fiſcher, er habe ſeit 15 Jahren über die Vererbung von Ver⸗ letzungen gearbeitet und könne über eirka 25 000 Geburten von weißen Ratten, Mäuſen, Hamſtern, Kaninchen dc. be⸗ richten, aber niemals habe ſich eine künſtlich erzeugte acct= dentielle Verletzung vererbt. Wohl aber habe er Ver⸗ erbung einer Beſchränkung der Schwanzwirbel beobachtet, Arbeit über rationelle Bienenzucht aus. Die damals ein⸗ geſandten Arbeiten fanden jedoch keinen Anklang und erjt - anläßlich einer zweiten Preisausſchreibung iſt die Schrift; „Anleitung zur Bienenzucht für kleine Land⸗ wirte vom k. k. Miniſterialſekretär Dr. P. A. Beck“ (Wien, Frick) als die beſte und zweckdienlichſte preisgekrönt worden. Eine Biographie des italieniſchen Staatsmannes Quintino Sella aus der Feder des Marcheſe Aleſſandro Guiccioli erſcheint im Verlag von Löſcher in Turin unter dem Titel Vita di Quintino Sella; der erſte Band wird binnen kurzem ausgegeben, der zweite in einigen Monaten. e her. wenn dieſelbe nicht durch Abhacken, ſondern durch prädis⸗ poſitionelle, innerliche, ſogenannte ſelbſtändige Erkrankungen wie Knochenfraß, Atrophie der Schwanzwirbel 2. zuſtande gekommen war. Ebenſo vererbe fic) wohl ſtets eine Ver⸗ letzung, die bleibende pathologiſche Veränderungen veran⸗ laſſe, welche auf Degenerierung gewiſſer Gewebe beruhen. Herr v. Fiſcher erzählt nach eigener Beobachtung einen Fall, in welchem ein Förſter einen Jagdhund am Hals⸗ band führte, indem er einen Finger durch den Ring des Halsbandes ſteckte. Der Hund mußte gezüchtigt werden und drehte dabei dem Förſter das Endglied des in dem Ringe ſteckenden Fingers ab. Die Wunde heilte ſehr langſam unter ſtarker Eiterung und Verkrümmung des Fingers. Drei Jahre ſpäter heiratete der Förſter eine 20jährige Bauern⸗ dirne, der weder in morphologiſcher noch in phyſiologiſcher Hinſicht ein Makel anhing. Es wurden zwei Knaben ge⸗ boren, von denen der ältere eine nur wenig ſichtbare, der 11 Monate jüngere eine ſehr auffallende und der des Vaters ſehr ähnliche Verkrüppelung desſelben! Fingers zeigte. Das Endglied des Fingers war bei beiden Kin⸗ dern atrophiſch und rhachitiſch. Die Vererbung erſcheint hier um ſo weniger auffallend, weil der Vater lange Zeit (nach Ausſage der Frau drei, nach eigener Aus⸗ ſage 1 Monat) an „eitrigem“ Finger litt. Ein ſolcher eitriger Zuſtand erzeugt bleibende, tiefgehende pathologiſche Veränderungen, die erblich werden. Ich konnte Herrn v. Fiſcher einen wohl verbürgten Fall mitteilen, in wel⸗ chem eine durch Verletzung mit darauf folgender Vereite⸗ rung erworbene Verkrüppelung einer Fingerſpitze von der Mutter auf die älteſte Tochter, aber auch nur auf dies eine von dreizehn Kindern vererbt worden war. Dies glaubt Herr v. Fiſcher in der Weiſe erklären zu können, daß er annimmt, die zellige Deformation könne nach der Ent⸗ bindung teils durch die Zeit, teils durch phyſiologiſche Ge⸗ ſetze in ein normales Stadium getreten ſein, wie ja Entbindungen auch auf Neuralgie, Hüftſchmerz, Hinken oft günſtig einwirken. Die pathologiſche Deformation habe ſich alſo durch die Entbindung de facto erſchöpft, wenn auch de visu erhalten. Im Tierreich kämen derartige Fälle häufiger vor. Bei Polydaktylie der weißen Wanderratten ſei die Erblichkeit ſtets auf die erſten Würfe beſchränkt, wie überhaupt die Erblichkeit ſtets bei der Erſtgeburt mit voller Intenſität auftrete. D. Zu Frage 26. Ein ähnlicher Aberglaube iſt mir in der Umgebung von Dresden aufgeſtoßen. Nur wird das erwähnte Anharnen nicht der Haſelmaus, ſondern der gewöhnlichen großen Kröte zugeſchrieben. Ich erinnere mich, daß ich als Kind zu öfteren vor dem Necken dieſer Tiere gewarnt wurde, da ſie eine giftige Flüſſigkeit von ſich ſpritzen ſollten, die Erblindung oder eiternde Ge⸗ ſchwüre zur Folge haben follten. Chemnitz. H. Thiele. Der tote Raum bei chemiſchen Reaktionen. Don Profeffor Dr. H. von Fuchs in Preßburg. Das von Liebreich beobachtete Phänomen, daß eine gewiſſe chemiſche Reaktion in der Oberflächenſchicht des betreffenden Flüſſig⸗ keitsgemenges nicht ftattfindet, iſt im aheft vorliegender Zeitſchrift beſprochen worden. Die Molekulartheorie iſt aber keineswegs ſo arm, daß ſie keine Umſtände anzuführen wüßte, welche eventuell zur Erklärung dieſer Erſcheinung führen könnten. Im Laufe des letztverfloſſenen Sommers ſind ſogar zu— fällig im „Kosmos“ unter dem Titel „Mikromecha— niſche Skizzen“ einige Sätze theoretiſch entwickelt worden, welche ſo ſehr dem Liebreichſchen Phänomen zu entſprechen ſcheinen, daß man faſt meinen könnte, dieſes Phänomen wäre die experimentelle Beſtätigung jener theoretiſchen Entwickelungen. Der Grund— gedanke jener Theoreme liegt in dem Nachweiſe, daß erſtens die Oberflächenſchicht auf ein Flüſſigkeits⸗ gemenge ſcheidend wirkt, dergeſtalt, daß in der Ober- flächenſchicht nur eine der gemengten Flüſſigkeiten vorherrſcht (oder vielleicht geradezu vorhanden iſt) und daß zweitens ſuspendierte Teilchen von der Ober- flächenhaut entweder nach außen oder nach innen aus- geſtoßen werden. Der Nachweis dieſer beiden Be— hauptungen läßt ſich folgendermaßen geben. Es iſt bekannt, daß ein Flüſſigkeitsmolekül, das ſo nahe zur Oberfläche der Flüſſigkeit liegt, daß ein Teil ſeiner Attraktionsſphäre über die Oberfläche hinaus ragt (daß alſo ſeine Entfernung von der Ober— fläche geringer iſt als die Wirkungsweite ſeiner Mole— kularattraktion), durch die umgebenden Moleküle nach innen ſtärker gezogen wird als nach außen, indem unter ihm mehr Moleküle liegen als über ihm. Dies iſt ja der Grundgedanke der gebräuchlichen Kapilla— ritätstheorie. Wir wollen nun annehmen, daß zwei Flüſſigkeiten gemengt ſind. Um leichter rechnen zu können, wollen wir noch die weitere Annahme machen, daß die Moleküle beider Flüſſigkeiten gleiches Volumen haben, und auf gleiche Entfernungen mit gleicher In— Humboldt 1887. tenſität anziehend wirken, dergeſtalt, daß wir die Flüſſigkeit mit einem Gemenge weißer und ſchwarzer gleich großer Kugeln vergleichen können. Wir wollen der Draſtik wegen die Moleküle thatſächlich als weiße und ſchwarze unterſcheiden. Es iſt nun leicht nach— zuweiſen, daß im allgemeinen die weißen und die ſchwarzen Moleküle in der Oberflächenhaut keineswegs mit gleicher Intenſität nach innen gezogen werden, daß vielmehr die einen einen ſtärkeren Zug nach innen erleiden als die anderen. Welche Moleküle ſtärker nach innen gezogen werden, das hängt vom Miſchungs— verhältnis der beiden Flüſſigkeiten ab. Um dies ein— zuſehen, wollen wir ein ſchwarzes Molekül ms der Oberflächenſchicht ins Auge faſſen. Wenn die Flüſſig— keit ganz ſchwarz wäre (überhaupt keine weißen Mole— küle enthielte), dann würde m durch ſeine ſchwarze Umgebung einen gewiſſen Zug nach innen erleiden, welchen wir mit s bezeichnen wollen. Wenn jedoch nur ein Teil der Flüſſigkeit, beiſpielsweiſe / 8derſelben, ſchwarz iſt, dann wird m auch nur / des Zuges s erleiden. Wenn wir die Zahl, welche angibt, welchen Teil des Gemenges die ſchwarze Flüſſigkeit ausmacht (in unſerem Falle ½)) mit ps bezeichnen, dann erleidet in, durch die ſchwarzen Moleküle den Zug sp, nach innen. Ganz ähnlich können wir ſchließen, wenn unſer m, ausſchließlich von weißen Molekülen umgeben iſt (die Flüſſigkeit alſo im übrigen keine ſchwarzen Moleküle enthält). Der Zug nach innen ſei dann e. Wenn aber im obigen Beiſpiele die weißen Moleküle nur 7/5 des Gemenges ausmachen, wird ms auch nur den Zug 2 durch die weißen Moleküle erleiden. Wir können dieſen Zug durch p, c ausdrücken, wobei , in unſerem Falle % bedeutet. Unſer m, erleidet alſo nach innen im ganzen den Zug Zs = ps 8 + pw Durch genau dieſelben Schlüſſe finden wir, daß unſer Molekül, wenn es nicht ſchwarz, ſondern weiß wäre, den Zug zw = pww ps e 47 370 Humboldt. — Oftober 1887. erleiden müßte. Hierbei bedeutet w den Zug, den mw erleidet, falls die Flüſſigkeit durchaus weiß iſt; o aber hat dieſelbe Bedeutung wie oben, indem offenbar ein weißes Molekül in ganz ſchwarzer Um⸗ gebung genau denſelben Zug erleidet wie ein ſchwarzes Molekül in ganz weißer Umgebung. Wir wollen annehmen, daß 2, größer iſt als 2%. Um die aus dieſen Verhältniſſen reſultierenden Erſcheinungen zu verſtehen, denken wir uns, daß in eine Schachtel ſchwarze und weiße Kugeln von gleicher Größe ge- füllt werden, und daß man die Schachtel dann heftig ſchüttelt. Wenn die Kugeln auch noch gleich ſchwer ſind, dann werden die weißen und die ſchwarzen durch das Schütteln ganz gewiß ganz gleichmäßig gemengt, ſelbſt wenn anfänglich beiſpielsweiſe alle ſchwarzen Kugeln unten und alle weißen oben gelegen ſind; andersv erhält es ſich, wenn beiſpielsweiſe die ſchwarzen Kugeln ſchwerer ſind als die weißen, wenn alſo etwa er⸗ ſtere aus Eiſen, letztere aus Holz beſtehen. Das Schütteln verliert zwar ſeine mengende Wirkung nicht, wohl aber wird dieſelbe faſt ganz durch die ſcheidende Wirkung der Schwere paralyſiert, und wir werden bald oben faſt lauter weiße, unten faſt lauter ſchwarze Kugeln finden. Wenn wir dieſes Bild auf unſere Flüſſigkeiten über⸗ tragen wollen, dann ſtellt das Schütteln offenbar die Wärmebewegungen der Moleküle vor. Die mengende Wirkung der Wärmebewegungen freier Moleküle bildet ja bekanntlich die Grundlage der Theorie der Dif⸗ fuſion. Die verſchiedene Schwere der Kugeln ent⸗ ſpricht aber der Verſchiedenheit der nach dem Inneren der Flüſſigkeit gerichteten Züge 2, und 2 Dieſe Züge find gleich, wenn 2 = 2, iſt, oder Ps S + Pw © = PwW + fs © ps (Sc) = py (Nc) Ps ee w—e oder 778 Das umgekehrte Miſchungsverhältnis der Flüſſig⸗ keiten muß alſo gleich ſein dem Verhältnis der Ueber⸗ ſchüſſe der „Eigenzüge“ w und s über die „Fremd⸗ attraktion“ c. Dies iſt das kritiſche Miſchungsver⸗ hältnis, bei welchem keine Scheidung ſtattfindet. Jedes andere Miſchungsverhältnis verurſacht eine Aus⸗ ſcheidung entweder der einen oder der anderen Flüſſigkeit. Was wir ſoeben von zwei Flüſſigkeiten geſagt haben, läßt ſich auch von mehreren nachweiſen, und wir können daher im allgemeinen ſagen: der Mole⸗ kularzug entzieht der Grenzſchicht (wenn auch nicht voll⸗ ſtändig) alle Flüſſigkeiten, bis auf eine. Wenn aber in der Grenzſchicht nur die eine Flüſſigkeit vorhanden iſt, dann kann natürlich durch die nicht vorhandene zweite Flüſſigkeit keine Reaktion verurſacht werden. Das oben erwähnte Theorem über ſuſpendierte Teilchen läßt ſich etwa folgendermaßen entwickeln. Wir können eine Flüſſigkeit in Gedanken in zahlloſe unendlich dünne, zur Oberfläche parallel verlaufende Schichten zerlegen. Je zwei Schichten, deren Diſtanz nicht größer iſt als die Attraktionsweite der Mole⸗ kularattraktion, werden ſich dann anziehen. Der Druck, welchen zwei benachbarte Schichten, z. B. a und « auf⸗ einander ausüben, iſt dann die Summe aller Drucke, oder welche je zwei das Niveau yy“ zwiſchen ſich nehmende Schichten ausüben. Wenn r die Wirkungsweite der Molekularattraktion iſt, dann tragen folgende Schichten⸗ paare zum Drucke im Niveau yy“ bei: a , aB, ay, ao, ba, bg, by, ca, cB, d. Wie wir uns jedoch der Oberfläche oo“ nähern, wird jedes Niveau von immer weniger Schichten umarmt. Das Niveau un“ umarmen beiſpielsweiſe nur die Schichtenpaare 240%, a’ Bi, alu, ad“. Daraus folgt aber, daß der Binnen⸗ druck einer Flüſſigkeit, oder wenn man will die Kohäſion, gegen die Oberfläche zu immer kleiner wird. Dieſes Reſultat wollen wir ſofort anwenden. Betrachten wir eine wenigſtens teilweiſe in der Oberflächenhaut gelegene, würfelförmige Partie der Flüſſigkeit pq g h. Es iſt klar, daß dieſelbe ſich nicht bewegt, weil offenbar kein Grund vorliegt, warum gerade dieſe Partie der Flüſſigkeit ſich bewegen ſollte. Dennoch läßt ſich leicht eine Kraft nachweiſen, welche den Würfel nach dem Inneren zieht, und eine zweite Kraft, welche den Würfel aus der Flüſſigkeit auszu⸗ ſtoßen ſtrebt. Einerſeits iſt es nämlich klar, daß die⸗ jenigen Moleküle des Würfels, welche in der Ober⸗ flächenhaut liegen, nach innen ſtärker gezogen werden / als nach außen, und daß dieſe Wirkung den Würfel nach innen drängt, falls wir uns den Würfel nicht flüſſig, ſondern feſt denken. Andererſeits iſt es aber auch nach früheren Entwickelungen klar, daß die obere Fläche des Würfels, als der Oberfläche oo“ näher ge⸗ legen, von der Flüſſigkeit einen kleineren Druck er⸗ leidet als die tiefer gelegene untere Fläche. Daraus reſultiert aber ein Auftrieb, wie ihn nach dem Archi⸗ mediſchen Principe die untergetauchten Körper erleiden, und dieſer Auftrieb trachtet den Würfel aus der Flüſſigkeit auszuſtoßen. Unſere beiden Kräfte, näm⸗ lich die ſenkende und die hebende, werden ſich im Gleichgewichte halten, falls der Würfel aus derſelben Subſtanz beſteht wie die Flüſſigkeit. Sobald jedoch die Flüſſigkeit die Moleküle des Würfels ſtärker an⸗ zieht als ihre eigenen Moleküle, erlangt die ſenkende Kraft das Uebergewicht, und der Würfel wird effektiv aus der Grenzſchicht in das Innere gezogen; umge⸗ kehrt wird der Würfel ausgeſtoßen, falls das Medium die Würfelmoleküle ſchwächer anzieht, als wenn fie aus demſelben Stoffe beſtünden wie das Medium ſelber. — Wir haben hier den einfachſten Fall aus der ſehr komplizierten Theorie der ſuſpendierten Teil⸗ chen beſprochen. Es iſt möglich, daß im Liebreich⸗ ſchen Verſuche die Grenzſchicht nur darum klar er⸗ ſcheint, weil die gebildeten Chloroformtröpfchen ſofort aus dieſer Schicht nach dem Inneren gezogen werden. Humboldt. — Oktober 1882. Eine Beſtätigung unſeres Theorems ſcheint das Proto— plasma lebender Pflanzen zu bieten. Wo dasſelbe eine freie Oberfläche hat, zeigt ſich die Oberhaut hyalin, weil fie von Körnchen frei iſt. Die Korn— loſigkeit der Protoplasmaoberhaut kann alſo als ein- fache Wirkung der Molekularkräfte aufgefaßt werden. Auch eine andere Erſcheinung des lebenden Proto— plasmas läßt ſich leicht mittelſt der Theorie ſuſpen— dierter Teilchen erklären. Die feſteren Zellenhäute bilden ſich nämlich aus dem anliegenden Protoplasma dadurch, daß äußerſt feine Körnchen, wie man mit dem Mikroſkope beobachten kann, aus dem Protoplasma ſich an die Wand drängen. Die genauere Erklärung wollen wir aber hier nicht geben. Bitte an Experimentatoren. Aus den Entwickelungen in obigem Aufſatze über den toten Raum iſt es klar, daß in der Oberflächenhaut die 371 Kohäſion (oder genauer geſagt, die Kraft, welche erforder— lich iſt, die Flüſſigkeit zu zerreißen) geringer iſt als im Inneren der Flüſſigkeit. Daraus ſcheint aber zu folgen, daß der Ausdehnungskoefficient der Flüſſigkeiten (und auch der feſten Körper) in der Oberflächenhaut größer iſt als im Inneren. Experimentell könnte man ſich von der Richtigkeit dieſes Theorems folgendermaßen überzeugen. In eine enge, kalibrierte Kapillarröhre gibt man einen langen Queckſilberfaden. Man mißt dann die Länge dieſes Fadens, erſtens wenn die Röhre in Eiswaſſer, zweitens wenn ſie in hundertgrädigem Waſſer liegt. Aus der ge— fundenen Verlängerung des Fadens berechnet man den Ausdehnungskoefficienten des Queckſilbers. Wenn die Ober— flächenhaut des Queckſilbers (und des Glaſes) ſich wirklich ſtärker ausdehnt, als das Innere dieſer Körper, dann muß man auf dieſe Weiſe einen falſchen, und zwar einen zu großen Ausdehnungskoefficienten für das Queckſilber finden. Da ich nicht in der Lage bin, dieſen relativ ſehr einfachen Verſuch zu machen, ſo bitte ich Experimentatoren, die ſich für dieſes Problem intereſſieren, dieſe Unterſuchung freund— lichſt vornehmen zu wollen. Die Geſchichte des Mainzer Tertiärbeckens, ſeine Tier⸗ und Pflanzenwelt. Dr. F. Kinkelin in Frankfurt a. M. 1 hne nun die weiteren Phaſen der Veränderungen der Tier- und Pflanzenwelt, bedingt durch den Niedergang der Jahrestemperatur, und derjenigen der Waſſer bewohnenden Tiere infolge der immer mehr ſich vervollſtändigenden Ausſüßung genauer zu be— ſchreiben, ſei erſt wieder ein Halt gemacht in der Zeit, da die kalkigen und hauptſächlich lettigen Ablagerungen entſtanden, auf denen Frankfurt ſteht. Freilich mancher— lei Intereſſantes böten uns ein paar lokale Erſchei⸗ nungen wie z. B. das aus Algenkalken aufgebaute Deltagebilde eines den Taunus durchquerenden ter— tiären Fluſſes, der zwiſchen Hochheim und Flörsheim ins Becken einmündete und den etwas höher gelegenen Lahnſee mit dem Mainzerſee verband. Den Lauf dieſes Fluſſes erkannte C. Koch r) durch fein Geſchiebe; es find Quarz- und Kieſelſchiefer, auch verſchieden⸗ farbige Hornſteingeſchiebez auch einzelne charakteriſtiſchere Trümmer, namentlich größere Stücke grobkörnigen Dolerites mit großen Hornblendekryſtallen, wie er bei Rennerod im Weſterwald mehrfach anſteht, ſonſt aber nirgends im Taunus und an der Lahn beobachtet wird, finden ſich unter dieſen Geſchieben; dieſelben laſſen erkennen, daß der Urſprung dieſes Fluſſes noch weiter nördlich liegt. An Quarzitzügen im Taunus, die zum Streichen des Gebirges quer ziehen, bildeten ſich Waſſerfälle, die ſich wohl nicht ſobald durch Eroſion ausgeglichen haben; bei Hochfluten erreichte der Fluß auch den frei aufſtrebenden „grauen Stein“ und glättete ihn mittelſt ſeiner mitgeriſſenen Ge— ſchiebe. Der Urſprung dieſes Fluſſes aus einem ſo kalk— reichen Gebiete, wie es das der Lahn iſt — denken wir nur an die Marmore von Dietz und Vilmar und an die dortigen Schalſteine —, macht die mächtigen Kalkablagerungen am Einfluß ins Becken verſtändlich. Die ſich ſo zierlich nach Art des Kalkſinters über— rindenden Waſſerfäden gaben den Anſtoß für die Abſcheidung des Kalkes aus dem kalkreichen Fluß— waſſer; durch Ausfaulen der Konferven werden dieſe Kalke löcherig und porös, durch weiteren Niederſchlag aber maſſig. Solche Kalke ſind nun das Lager von einer Unzahl von Landſchnecken; dieſelben ſind an manchen Stellen ſo gehäuft, daß ſie nur wenig mit Kalkſinter verbunden, alſo ganz locker nebeneinander liegen. Hin und wieder findet man Neſter eines pulverigen Mehles, die mit unzähligen kleinen Lang— ſchneckchen, wie Pupen, dann mit Hydrobien und auch Knöchelchen erfüllt ſind. Auch die Mannigfaltigkeit der Funde befriedigt den Sammler in den Hochheimer Kalken in hohem Grade; beſteht doch die dortige Fauna aus mindeſtens 70 Landſchneckenarten; dazu kommen nur 16 Brackwaſſerſchnecken. Von marinen Schnecken ſind nur mehr Nerita und Steuomphalus zu nennen; an marinen Muſcheln find noch Cytherea, Modiola, Perua, Corbulomya 2c. vertreten. Süßwaſſertiere find noch ſehr ſelten. Die Zahl der Formen, welche einem gemäßigten Klima angehören, gegenüber den tropiſchen und ſubtropiſchen hat hier bedeutend zugenommen. Sandberger bezeichnet die Fauna als vorherrſchend mittelmeeriſch. Doch kehren wir von dieſem Beſuch bei Hochheim am Uferrande zurück in das brackiſche Becken, deſſen Ablagerungen in Frankfurt zähe grauliche Letten ſind. Ein wie viel größerer Formenreichtum unter den 372 Säugetieren tritt uns da entgegen. Außerordentlich reich waren ja die vor Jahrzehnten offenliegenden Knochenlager von Weiſenau bei Mainz, welche Her⸗ mann von Meyer zum Teil bekannt gemacht hat. Wenn auch nicht ebenſo reiche Lager konnte ich gelegentlich der Tiefbauten in der Frankfurter Gegend in den letzten drei Jahren ausbeuten, jo in der Niederräder Schleuſe 1“), beim Hafenbau 14), beſonders aber in der Baugrube des Nordbaſſins ) in der Nähe des Frankfurter Fried⸗ hofes, beſtimmt als Reſervoir für das durch Pump⸗ werke gehobene Mainwaſſer zum Begießen der Straßen. Am Ufer trieben ſich fiſchotterähnliche Raubtiere herum und in den nahen Wäldern Rudel von meh⸗ reren Arten dem Muntjac der Sundainſeln ähnlicher, jedoch geweihloſer zierlicher Hirſche; auch die fein⸗ gliedrigen ungehörnten Wiederkäuer, die Zwergmoſchus⸗ tiere, Hyaemoschus, find vertreten; an Geſtalt und Größe mag dieſen auch das vierzehige Microtherium, deſſen Eckzahn die Geſtalt eines Schneidezahnes, deſſen erſter Lückenzahn die eines Eckzahnes hatte, nahe geſtanden haben. Dann fanden ſich Skelettreſte und Zähne eines Pfeifhaſen, eines Siebenſchläfers mit bewurzelten Backenzähnen und eines wieſelartigen Raubtieres, alle drei von ſehr geringer Körpergröße. Von Dickhäutern verraten ſich ſchweinsartige Tiere und Rhinoceroten durch Zähne; die Tannenzapfen gaben wohl damals ſchon einem Eichhörnchen Nahrung. Dann gehören zu dieſer Fauna ſpitzmausartige In⸗ ſektenfreſſer, ferner den Beutelratten Nordamerikas naheſtehende Tierchen — der vorzüglich erhaltene Schädel eines ſolchen wurde ſeiner Zeit von Rößler im Hydrobienkalk von Hochſtadt entdeckt und von Hermann von Meyer aus ſeiner kalkigen Hülle aufs beſte herausgelöſt. Doch damit iſt die miocäne Säuger⸗ fauna unſerer Gegend nicht erſchöpft. Im Rohrdickicht der Ufer brüteten reiherartige große Vögel, und kormoranartige ſtießen aus der Höhe auf die das Waſſer belebenden Fiſche. Auch enten⸗ oder ſägerartige Vogelformen konnten nachgewieſen werden. Am zahlreichſten unter den Fiſchen ſcheinen die ſtachelſtrahligen Barſche geweſen zu ſein; doch habe ich aus minutiöſen Schlundzähnen auch kleine Weißfiſche und Schleihen erkannt. Das intereſſan⸗ teſte kiemenatmende Wirbeltier aber iſt ein Knochen⸗ Hecht **), deſſen Gattungsgenoſſen heute in Flüſſen Nordamerikas leben, als letzte Reſte einer ehemals in den meſozoiſchen Schichten reichen Fiſchwelt, der Schmelzſchupper, deren Schuppen alſo einen Schmelz⸗ belag haben. Die Niederräder Schleuſe iſt der Fundort einer ſolchen Schuppe, das Lager bituminöſer Schiefer bei Meſſel 1e) in der Nähe von Darmſtadt der eines ganzen Fiſches mit Kopf und Schuppenpanzer. Noch bunter wird das Bild der damaligen Wirbel⸗ tierwelt durch die Reſte von Amphibien und Reptilien. Am Ufer benachbarter Inſeln ſonnten ſich Fröſche; Laubfröſche erkletterten Geſträuche, um nach Inſekten⸗ beute Ausſchau zu halten. Auch die Schuppen und Wirbel einer fußloſen Eidechſe, deren Verwandte heute die gemäßigten Teile Nordamerikas, Afrikas, Aſiens und das ſüdöſtliche Europa bewohnen, fanden Humboldt. — Oftober 1887. ſich, vom nahen Feſtland eingeſchwemmt. In kleineren Süßwaſſertümpeln hatten ſich Schildkröten angeſiedelt; auch an Schlangen und Eidechſen fehlte es nicht. Von Panzerechſen haben ſich an manchen Orten, bei Ingel⸗ heim Zähne, im bituminöſen Schiefer von Meſſel ganze Skelette gefunden, die dem Genus Crocodilus und Alligator zugehören. Ueber die Flora 1) jener Zeit belehren uns die Blätter und Früchte, welche beim Bau des Winterhafens geſammelt wurden. Poacites ſowohl wie die zahlreichen eingeſchwemmten Pupa⸗ gehäuſe bezeugen, daß ſich an den Rohrkranz Wieſen anſchloſſen; die Gebüſche nahe dem Waſſer beſtanden aus Weiden, Erlen und Gagelſträuchern (Myrica). Zu mehr geſchloſſenen Beſtänden vereinten ſich immer⸗ grüne Eichen, drei Walnußbaumarten, Buchen, Linden, Zürgelbäume und Platanen, alles Waldbäume, deren Verwandte im jetzigen Mitteleuropa und Nordamerika leben. Weiter zurück mögen, den ziemlich abgeriebenen Zapfen nach zu urteilen, Tannenwälder geſtanden haben. Die Schnecken 1, welche in dieſer Landſchaft lebten und durch Bachüberſchwemmungen gelegentlich ſtarker Regengüſſe ins Becken eingeſchwemmt wurden, ſind Arten, deren nächſte Verwandte zum Teil heute Weſtindien, zum Teil Mitteleuropa und den Mittel⸗ meergegenden, endlich auch dem gemäßigten Nord⸗ amerika angehören. Unter ihnen hat Böttger ſogar eine Nacktſchnecke erkannt. Zahlreiche Süßwaſſer⸗ ſchnecken, zum Teil auch von ſehr fremdartigem Typus, ſetzen eine reiche Bewäſſerung und viele kleine peren⸗ nierende Rinnſale voraus. Noch fehlt dem geſchichtlichen Bild dieſer Zeit ein Hauptmoment, das geologiſch vielleicht intereſſanteſte. Sie iſt nämlich die Periode, in welcher an vielen Punkten des nordöſtlichen Teiles des Mainzerbeckens aus Spalten Lavamaſſen hervorgedrängt wurden, die über die Lettenabſätze ſich ergoſſen. Eine ſolche Spalte!) beginnt in der Gegend der Louiſa, der letzten Bahn⸗ ſtation von Darmſtadt nach Frankfurt, durchquert gerade dort den Main, wo der Unterkanal der Nieder⸗ räder Schleuſe in den Main einmündet, und läuft weiter nördlich oder richtiger nordnordöſtlich nach Bockenheim, wo bis 14m mächtige Baſaltmaſſen am einen Orte auf tertiärem Sand, am anderen auf Braun⸗ kohlenthon aufruhen. Weiter nördlich liegen die Baſalte von Eſchersheim und Bonames auf derſelben Spalte. Was uns dieſelbe noch intereſſanter macht, iſt, daß ſie ziemlich genau in der Fortſetzung der⸗ jenigen Rheinſpalte verläuft, in der ſo ſcharf der kryſtalline vordere Odenwald gegen die mit jungem Schutt erfüllte Rheinebene ſtößt. Auch kleine feuerſpeiende Berge bauten ſich auf und ſtreuten ihre Aſche und Lapilli !) in das Waſſer, aus dem ſie emporwuchſen; ſo am Aveſtein, auf dem die Irrenanſtalt ſteht. An manchen Orten, nahe den Baſaltausbrüchen, brodelten in Unzahl kohlenſäurereiche Quellen *) auf und bauten mit Hilfe von kalkausſcheidenden Algen, die auch anderwärts im Becken zur Bildung von eigen⸗ artigen Kalkablagerungen Anlaß gegeben haben, mehr oder weniger dick den aus Tauſenden von feinen Röhr⸗ Humboldt. — Oktober 1887. chen beſtehenden kugelſchaligen Kalkſinter pfeilerartig auf. Das Bild dieſer Sinterſtöcke, die in großer Zahl den Tertiärletten durchſetzen, bot ſich uns beim Bau der Niederräder Schleuſe. Weiter im Oſten ſind die vulkaniſchen Bildungen noch großartiger. Das größte Baſaltlager breitet ſich gerade Hanau gegenüber zwiſchen Groß-Steinheim und Dietesheim oſtweſtlich in einer Breite von 3—4 km, nordſüdlich von Keſſelſtadt bis gegen Lämmerſpiel aus. Gleich koloſſalen Orgel⸗ pfeifen ſehen wir in den Brüchen, die man, wenn ich nicht irre, die Teufelskaute nennt, den Baſalt durch vertikale Klüftung in bis 1 m dicke 4—6feitige Säulen zerteilt nebeneinander gereiht. Eine Erſchei— nung, die an fic) ſelten iſt, kann man ſich eben- daſelbſt an mehreren Punkten vor Augen führen; es iſt die Querdurchdringung jüngerer, weniger ſäulig, mehr blockig zerklüfteter Lavamaſſen durch die mächtige Baſaltdecke !), die eben aus den 4— 6ſeitigen Prismen zuſammengeſetzt erſcheint. Gerade dieſes ſeltſame Phänomen macht es ſehr viel wahrſcheinlicher, daß der ältere, wie der eben beſchriebene wenig jüngere Baſalt keine urſprünglichen Sprößlinge des größten tertiären Lavagebietes Mitteleuropas, des Vogels— berges, ſind, daß ſie alſo keine Reſte von Lavaſtrömen ſind, die vom Vogelsberg ausgingen, ſondern, wie ſchon hervorgehoben, Lavamaſſen darſtellen, die, aus örtlichen Spalten hervorgepreßt, ſich nun aus— breiteten, ſoweit als es die Menge und der durch die Abkühlung veranlaßte dickflüſſige Zuſtand derſelben bedingte. Nach Ausfüllung des allmählich ſehr zuſammen⸗ geſchrumpften Beckens, das wahrſcheinlich aus mehreren kleineren Seen beſtand, z. B. dem von Hochſtadt-Bieber und dem von Wiesbaden-Mainz, deren Ablagerungen vielfach zu einem großen Teil aus den Schalen einer Waſſerſchnecke, der Hydrobia ventrosa oder Litorinella acuta, wie ſie früher hieß, und einer der Dreissena polymorpha des Mains ähnlichen Muſchel beſtehen, ſcheint der öſtliche Teil des Beckens allent- halben zu Feſtland geworden zu ſein; im weſtlichen, in Rheinheſſen ſind weit verbreitet Flußanſchwem— mungen, die auf den unregelmäßig ausgefurchten Miocänbildungen lagern und den Namen Eppels— heimer- oder auch Dinotherien-Sand erhalten haben. Um ſich ungefähr die Zeitdauer, die bis zur völ⸗ ligen Ausſüßung und ſchließlichen Ausfüllung eines größeren mit Meerwaſſer gefüllten Beckens verläuft, zu vergegenwärtigen, bedenke man, wie viele Jahr— tauſende ſchon die Newa, die Düna, Weichſel, Oder und viele kleine Flüſſe und Bäche daran ſind, die Oſtſee mit Schlamm und Sand auszufüllen, und wie lange ſie noch dazu brauchen werden, da heute noch die Oſtſee mächtige Wellen gegen ihre Ufer wirft. Daß ſie aber ausgefüllt wird, wie ehedem das lang— geſtreckte Mainzerbecken, iſt gewiß. Es mag nun aller- dings bezüglich des letzteren die Ausſüßung und ſchließliche Ausfüllung raſcher verlaufen ſein, da dasſelbe weſentlich kleiner und in niederer Breite gelegen war; dann ſteht auch jetzt noch die Oſtſee wie der Mainzer Meeresarm zur Zeit des Cyrenen- 373 mergels mit dem Ocean in Verbindung, in welchen auch für die Oſtſee beſtimmte Abſatzſtoffe gelangen. Daß aber trotz dieſer Verbindung auch in der Oſt⸗ ſee die Ausſüßung ſchon ziemlich vorgeſchritten iſt, ergibt ſich aus dem weſentlich geringeren Salz⸗ gehalt der Oſtſee. Er beträgt 1,77 %, während der des Atlantiſchen Meeres und der Nordſee 3,5 / iſt. In jenen Flußanſchwemmungen Rheinheſſens, von welchen wir eben geſprochen haben, hat ſeit den Ar— beiten Kaups eine wunderbare Säugetierfauna bei Eppelsheim ihre Auferſtehung gefeiert, von welcher wir nur einige Formen nennen wollen; vor allem das Dinotherium, ein Maſtodon, diverſe gehörnte und hornloſe Rhinoceroten, geweihtragende Wiederkäuer, das Hippotherium, ein Rieſenedentat, ein anthro- pomorpher Affe, zahlreiche Räuber, darunter der furcht⸗ bare Machairodus u. a. Ein leidlich zutreffendes Land— ſchaftsbild würde auch für unſere Gegend die reiche Oeninger Flora, welche Heer u. a. in der „Urwelt der Schweiz“ beſchrieben hat, geben. Bewegungen einzelner Erdſchollen nach der Tiefe, von denen die eine ſüdlich des Mains zwiſchen Frank— furt und Flörsheim 20), die andere nördlich Fried- berg 2) gelegen ijt, hatten es im öſtlichen und nord— öſtlichen Teile des Mainzerbeckens wieder zu kleineren Beckenbildungen gebracht, in welchen die Stämme, Blätter und Früchte der umgebenden Waldungen ein- geſchwemmt, ſich als Braunkohlenlager erhalten haben. Ein drittes Senkungsfeld 2”) iſt das, auf welchem Hanau liegt; es erſtreckt ſich als ein ſchmaler lang— gezogener Streifen von Aſchaffenburg bis nördlich Hanau, öſtlich begrenzt von den alten Dolomiten des Bulauer Waldes und den dem Grundgebirg zugehö— rigen Gneißen bei Aſchaffenburg. Weſtlich markieren dieſen Streifen die Spalten, aus welchen die jüngſten Lavaergüſſe bei Steinheim erfolgten. Zwiſchen Niederrad einerſeits und Wilhelmsbad⸗Klein⸗Steinheim anderer⸗ ſeits beharrte hingegen die Scholle in ihrer Lage. Auf dieſer letzteren, dann auf dem öſtlich gele— genen Speſſart und den nördlichen Ausläufern des Odenwaldes, auch am Fuße des Taunus, breiteten ſich die Wälder aus, welche die bei Seligenſtadt *°) und Groß⸗Steinheim, im Klärbecken bei Niederrad und in der Schleuſe von Höchſt ?») und Raunheim aufgehäuf— ten Braunkohlen lieferten. Nicht allein die mehrfache Uebereinſtimmung dieſer Floren untereinander, von denen ich ſofort näheres mitteilen werde, ſondern auch die völlig übereinſtimmenden Abſätze in den beiden Seen, denen jedenfalls, der Natur derſelben nach zu urteilen, Flüßchen zufloſſen, die, dem diluvialen Main vorarbeitend, dem weſtlichen Teil des aus Sandſtein beſtehenden Speſſarts entſprangen, be— weiſen ihre gleichzeitige Bildung. Die Zuverſicht, mit der ich einiges über die geo— logiſchen Verhältniſſe der öſtlich Hanau gelegenen Mainlandſchaft referieren kann, danke ich den Auf— nahmen der gelegentlich des Baues der Hanauer Eiſen— bahnbrücke vorgenommenen Bohrungen durch Bau— meiſter Zimmermann. — Keine Bohrung, keine Brunnengrabung 2c. ſollte zu gering geachtet werden, 374 das hierbei Gefundene an geeigneter Stelle mitzuteilen. Dieſe Aufnahmen von Zimmermann fand ich zu⸗ ſammen mit einer Glasröhre, in welcher die Sande und Thone nach ihrer Lagerungsfolge und relativen Mächtigkeit aufbewahrt find, im Hanauer Muſeum. Wie überraſchte und beſtärkte mich das Vorgefundene in meinen früher ſchon geäußerten Anſichten! Abſolut dieſelbe Schichtenfolge von grauen, glimmerreichen Sanden und ſchluffigen, kalkfreien Thonen, wie ſie mir gelegentlich der Bohrungen vorlagen, die zur Explorierung der Grundwaſſerleitung im Frankfurter Stadtwald °°) ausgeführt wurden. Mit dieſen Profilen und den bei Groß⸗Steinheim und Seligenſtadt gelegenen Flözen ſind ſo ziemlich die Anhaltspunkte erſchöpft, die uns über den Verlauf der Geſchichte aus der Tertiärzeit des Mainthales Aſchaffenburg⸗Hanau zur Seite ſtehen. Es iſt die jüngſte Tertiärzeit, in der die eben beſchriebenen Senkungsbewegungen erfolgten. In der Flora aus dieſer Zeit ſpiegelt ſich ein Klima wieder, das ziemlich genau dem heutigen nahekommt und daher einen weiteren, ſehr beträchtlichen Niedergang der Jahrestemperatur bekundet, die ja aus noch wenig aufgeklärten Urſachen für die ganze Nordhemiſphäre noch beträchtlicher ſank. Dieſe klimatiſchen Verhältniſſe führten zu dem großartigen Phänomen der Eiszeit. Doch nicht dieſe will ich zum Schluſſe noch ſchildern; wir wollen uns vielmehr die Vegetation ?“) vergegen⸗ wärtigen, die unſere Mainlandſchaft vor Eintritt der Eiszeit ſchmückte. Auch damals machten vorherrſchend Nadelholz⸗ bäume die Waldungen aus. Heute bilden nur Fichte, Tanne und Föhre größere Beſtände; vielfach, be⸗ ſonders an den Waldrändern treffen wir noch auf die zierliche Lärche, die im Winter ihre Nadelbüſchel verliert, im Frühjahr uns dagegen mit dem erſten lichten Grün erfreut; ſelten, daß man noch einer Eibe begegnet. Alſo mit den Wacholderbüſchen höchſtens ſechs Koniferen enthalten ſpontan unſere Waldungen. Ungemein mannigfaltiger waren dagegen die Zapfen⸗ bäume in der jüngſten Pliocänzeit. Allein ſchon in ſieben Arten war das Föhrengenus vertreten; dazu kamen noch zwei Fichtenarten, eine Tanne, eine Lärche und eine Sumpfeypreſſe, Frenelites, der Frucht nach einer auſtraliſchen Pflanze naheſtehend, gehört auch zu den Koniferen. Es ſind alſo mehr als doppelt ſo viel Arten. Wenn auch die Rotbuche und Weißbirke ziemlich häufig iſt, ſcheint ſie doch, noch mehr aber die Weiß⸗ buche und die Eiche gegen die Zapfenbäume zurück⸗ geſtanden zu haben. Weitaus größer iſt auch die Mannigfaltigkeit der Walnußbäume; wir unterſcheiden zwei Walnußarten und drei Hickoryſpecies. Die Haſelnuß ſtand auch wie heute an den Waldrändern; auch die Roßkaſtanie ſcheint in beſcheidener Zahl beigemengt geweſen zu ſein. Liquidambar oder Amberbaum und Nyssites haben viele Früchte hinterlaſſen. — Gegenüber der eben mit geteilten Statiſtik wird eine andere Gruppierung Humboldt. — Gktober 1887. der untermainiſchen Pliocänbäume größeres Intereſſe haben. Wir können nämlich unter den eirca 28 ober⸗ pliocänen Baumarten von hier vor allem ſolche unter⸗ ſcheiden, die man wohl nach Funden in älteren Tertiär⸗ ſchichten im Mainzerbecken als eingeboren bezeichnen kann; dazu gehören Nyssites, Liquidambar und Carya. Eine andere Gruppe legt uns einen früheren Zu⸗ ſammenhang des euraſiſchen und nordamerikaniſchen Kontinentes, ihre Uebereinſtimmung in der Vegetation nahe. Noch heute haben ſich nämlich von jener plio⸗ cänen Flora in Nordamerika Formen lebend erhalten, die bei uns derzeit ausgeſtorben ſind; ſo die Sumpf⸗ cypreſſe, die Weymouthskiefer, der Butternuß⸗ und der Oelnußbaum, ferner drei Hickoryarten. Faſt alle dieſe Bäume ſind durch die Intervention des Forſt⸗ mannes und Landſchaftsgärtners zurückgewandert. — Wieder eine Anzahl Arten gehören — noch oder wieder — zur mitteleuropäiſchen Flora; es ſind die Fichte, die Lärche, die Bergföhre, die Arve- oder Zirbel⸗ nuß, die Weißbirke, die Weißbuche, die Haſelnuß und Roßkaſtanie. — Aber auch fremde neue Formen fehlen nicht in der von uns beſchriebenen Flora. In kurzem zogen Bilder an uns vorüber, die alle, ſo mannigfaltig ſie auch ſind, ſich auf demſelben Stück des ſüdweſtlichen Deutſchlands abgeſpielt haben. Eine unbekannt lange Zeit, die Diluvialzeit, in welcher nun in dieſer Gegend das Regime des fließenden Waſſers gilt, trennt noch unſere Zeit, die hiſtoriſche Zeit von derjenigen Epoche, aus welcher wir uns eben die Baumvegetation vergegenwärtigten; es überraſcht immerhin die große Uebereinſtimmung dieſes haupt⸗ ſächlichen Faktors des landſchaftlichen Bildes von heute und damals, trotzdem dieſe Zeiten viele Jahrtauſende von einander trennen. Das Mitgeteilte ſtützt ſich auf faktiſche Beob⸗ achtungen und exakte Forſchung. Die Bilder der Landſchaft in den verſchiedenen Perioden kombinierten ſich aus den erkannten organiſchen Reſten. Die philoſophiſche Naturkunde erhebt ſich über die Be⸗ dürfniſſe einer nackten Naturbeſchreibung; ſie begnügt ſich nicht mit einer ſterilen Anhäufung iſolierter That⸗ ſachen, ſondern ſucht ſolche geiſtig zu verbinden. 12) Koch, C., Beitrag zur Kenntnis der Ufer des Tertiärmeeres im Mainzerbecken. Senckenbergiſcher Bericht. 1876/77. 18) Kinkelin, F., Die Schleuſenkammer von Frankfurt⸗ Niederrad und ihre Fauna. Senckenbergiſcher Bericht. 1884. 14) Kinkelin, F., Die Tertiärletten in der Baugrube des Frank⸗ furter Hafens. Senckenbergiſcher Bericht. 1885. 15) Kinkelin, F., Bericht über die geologiſche Sektion. bergiſcher Bericht. 1885. 16) Kinkelin, F., Foſſilien aus Braunkohlen 2c. Bericht. 1884. 17) Ludwig, R., Pal., Band V, S. 132—161, und O. Böttger, Foſſile Binnenſchnecken 2c. Senckenbergiſcher Bericht. 1884. 18) Böttger, O., Die Fauna der Corbiculaſchichten, Pal., Bd. XXIV. 19) Kinkelin, F., Zur Geſchichte d. Steinheimer Anamehitvorkommens. Senckenbergiſcher Bericht. 1883/84. 20) Kinkelin, F., Die Pliocänſchichten im Untermainthal. Sencken⸗ bergiſcher Bericht. 1885. 21) Ludwig, R., Pal., Bd. V, S. 81110. 22) Kinkelin, F., Zur Geologie der unteren Wetterau. Jahrbuch d. naſſ. Ver. f. Naturk. 1886, und Ueber Schichtenbau ꝛc., Zeitſchrift d. d. geol. Geſ. 1886. S. 684. 23) Geyler, Th., u. Kinkelin, F., Die Oberpliocänflora zc. Sencken⸗ bergiſche Abhandlungen, Bd. XIV, Heft 3. Sencken⸗ Senckenbergiſcher Humboldt. — Oktober 1887. 375 Saljflora im Binnenlande. Don Dr. Karl Reiche in Dresden. er Pflanzenliebhaber, welcher etwa die Flora des Königreichs Sachſen zum Ausgangspunkte ſeiner botaniſchen Studien macht, muß auf die Be- kanntſchaft einer Anzahl Gewächſe verzichten, welche, zwar meiſt nicht durch Schönheit der Blütenfarbe ausgezeichnet, durch ihr geſelliges Vorkommen, ihren eigenartigen Habitus und gewiſſe biologiſche Eigen⸗ tümlichkeiten von Intereſſe ſind. Ich meine die Salz⸗ pflanzen (Halophyten), welche nicht nur am See— ſtrande, ſondern auch im Inneren aller Erdteile ſich finden und durch ihr Erſcheinen ein ſehr empfind- liches Reagens für den Salzgehalt des Bodens (meiſt Chlornatrium, Soda) abgeben. Sie ſind in Mittel⸗ und Norddeutſchland auf zwei nicht ſcharf von ein- ander getrennten Gebieten verbreitet. Das eine liegt in Thüringen, das andere in und um die Mark Brandenburg. Die öſtlichſten Ausläufer des erſt⸗ genannten Gebietes treten gelegentlich in der weiteren Umgebung von Leipzig auf, ſo daß die Flora des Königreich Sachſens in ihnen unbeſtändige Repräſen⸗ tanten der Halophyten beſitzt. Sie finden ſich im angegebenen Gebiete reichlich z. B. zwiſchen Halle und Eisleben an und in dem ſalzigen und dem ſüßen See, welche daher oftmals das Reiſeziel ſammelnder Botaniker ſind. Hier überzieht die kleine Primulacee Glaux maritima mit ihren dicht⸗ beblätterten, niedergeſtreckten Stengeln den Boden; ſie iſt vom Mai bis Juli mit zahlreichen, roten Blümchen geſchmückt und erinnert in ihrem Wuchs an das gemeinſte Unkraut unſerer Wege, an Poly- gonum aviculare (Vogelknöterich)j. Samolus Va- lerandi, ebenfalls eine Primulacee, erhebt ſeine gelbgrün beblätterten Stengel mit weißen Blüten⸗ trauben an den Gräben, die blau und gelbgefärbten Blumenköpfe des Aster Tripolium, die dünnen, gelben Trauben der Melilotus dentata (Steinklee) und die großen gelben Schmetterlingsblüten des dem gewöhnlichen Schotenklee naheſtehenden Tetra- gonolobus bringen farbige Abwechſelung in das Bild. In ſparrigen, weißbeſchuppten Büſchen er⸗ heben ſich zahlreiche Stöcke des Atriplex roseum (Melde), wilder Sellerie mit glänzendgrünen Blät⸗ tern und weißlichen Dolden wächſt am Wege; ein anderer Vertreter der Doldenpflanzen iſt daſelbſt Bupleurum tenuissimum mit dünnem Stengel, ſchmalen Blättern und gelben Döldchen. An feuchten Stellen ſprießen neben mancherlei kleinen Gräſern, Halbgräſern und Binſen die dicken, blaugrünen Halme des Scirpus Tabernaemontani (Simſe) hervor, von denen des ſyſtematiſch naheſtehenden Sc. lacustris habituell leicht zu unterſcheiden; Glyceria distans (Süßgras) erhebt ſich durch ſeine Größe über die übrigen Gräſer. Trig lochin maritima (Dreizack) iſt durch lange, grüne Blütenähren kenntlich. Die bisher genannten Pflanzen haben in Form und Aus⸗ bildung ihrer Organe nichts auf den erſten Blick auffallendes an ſich. Aber jene zahlreichen Stöcke der Plantago maritima (Wegerich), die grünen oder rötlichen, bald einzeln, bald geſellig vorfommen- den Schoberien und die früher am See geſam— melte Kochia scoparia (zwei Chenopodiaceen), ſo— wie Spergularia marina (Alſinee) und Lotus tenni- folius, ſie alle haben, obwohl Angehörige ver— ſchiedener Familien, in ihren fleiſchigen, breiten oder pfriemlichen Blättern etwas Gemeinſames. In der blattloſen, dickſtengeligen Salicornia herbacea (Glas⸗ kraut, Chenopodiacee) haben wir den einzigen deutſchen Vertreter der blattloſen Succulenten vor Augen, welche in den Kakteen und Euphorbien Amerikas und Afrikas ihre höchſte Entwicklung zeigen. Einzelne ſalzliebende Beifußarten (Artemisia) treten, wenn überhaupt noch, ſo ſelten auf, daß ſie nicht das Vegetationsbild beeinfluſſen. Aber nicht nur die Erſcheinungsform, ſondern auch die Vegetationsweiſe einiger dieſer Pflanzengeſchlechter weiſt Eigentümlichkeiten auf. Zwiſchen dem Weſtufer des Salzſees und dem Dorfe Erdeborn breiten ſich von Gräben durchzogene Flächen aus, die im Frith: jahr wohl unter Waſſer geſetzt ſind, im Sommer aber unter den ſengenden Strahlen der Auguſtſonne eine an ihrer Oberfläche vielfach zerriſſene Ebene dar- ſtellen. Sie ſind hie und da mit dürftigem Gras⸗ wuchs (u. a. Sclerochloa, Hartgras) und mit zahl⸗ reichen Exemplaren der an ſonnigen Standorten ſtets rotgefärbten Salicornia oder Schoberia bewachſen, aber nie ſo dicht, daß nicht der nackte Erdboden zwiſchen den einzelnen Stöcken hervorſchaute; er iſt gelegentlich von feinen, weißglänzenden Salzefflores⸗ cenzen überzogen. So haben wir hier die Vegetationsform der Steppe in kleinem Maßſtabe, aber doch in ihrer un- verkennbaren Eigenart vor uns; der Anblick der dürftigen Vegetation auf dem trockenen, überall zu Tage tretenden Erdboden macht einen ſehr öden Ein⸗ druck. Der Vergleich mit der Steppe wird übrigens, beiläufig bemerkt, außerdem nahegelegt durch das zahlreiche Vorkommen der beiden Gräſer Andro— pogon Ischaemum (Bartgras) und Stipa capillata (Haargras), welche auf trockenen Abhängen um die Seen herum gedeihen und bekanntlich in den ungari- ſchen Pußten pflanzenphyſiognomiſch wichtig ſind. Die Salzgebiete von Artern, von Magdeburg und die nordöſtlich davon in der Mark Branden⸗ burg gelegenen, von Aſcherſon beſchriebenen elf ſalzhaltigen Orte weichen in ihrer Flora nur un⸗ weſentlich von dem ausführlicher geſchilderten Land⸗ 376 ſtriche zwiſchen Halle und Eisleben ab; nur iſt wegen der geringeren Ausdehnung jener branden⸗ burgiſchen Fundorte die Flora einförmiger und ärmer. Sie liegen inſelartig zwiſchen ſalzfreien üppigen Wieſen oder ſind in dieſe ſogar manchmal nur als kleine, durch ihre Flora ſcharf umſchriebene Flecke eingeſtreut. Wenn wir uns jetzt von dieſen wichtigeren deutſchen Halophytengebieten zu denen des übrigen Europas, ſow'e anderer Erdteile wenden, fo können dabei nur die ausgedehnteren und floriſtiſch intereſſanteſten Er⸗ wähnung finden. Die Umgebung des Neuſiedler⸗ ſees unweit Wien, ſowie in noch höherem Grade die ungariſchen Pußten ſind durch reiche Salzflora ausgezeichnet. Und zwar finden ſich hier, nach den anſchaulichen Schilderungen Kerners, größere, ſalz⸗ haltige, trockene Flächen oder Sümpfe, oder es ziehen ſich als Abgrenzung des Sumpf⸗ gegen den höher gelegenen Sandboden Streifen Landes hin, die oft weiß von ausgewittertem Salze erſcheinen und eine eigenartige Flora ernähren. Zu den uns im obigen bekannt gewordenen Formen treten Statice Gmelini mit zahlreichen blauroten Blüten (mit unſerer heimi⸗ ſchen Grasnelke [Armeria] in die gleiche Familie gehörig), ſowie die rotblühende Schafgarbe (Achillea erustata) hinzu. Die zahlreichen Chenopodiaceen, als deren Vertreter oben Salicornia, Atriplex, Kochia, Schoberia genannt wurden, überdecken auch hier den Boden in nicht lückenloſer Hülle. Sind ſie in die geſchloſſene Grasnarbe einer Wieſe einge⸗ ſprengt, ſo ergibt ſich ein wunderbares Bild. Die Außenränder dieſer Chenopodiaceeninſeln werden aus aſchgrauen Melden und Artemiſien zuſammengeſetzt; dann folgen braunrote Kochien und Salikornien und inmitten ein weißer Salzfleck. Ueberblickt man von einem höher gelegenen Standpunkt aus ſolche Wieſen, Jo erſcheinen dieſe Inſeln auf dem Raſen zerſtreut, wie Augenflecke auf einem Schmetterlingsflügel. — In dem übrigen Europa treffen wir weitere reich ent⸗ wickelte Halophytenfloren in den fünf Steppen des öſt⸗ lichen Spaniens an. Etwa 160 fahlgrüne, ſchuppige oder mehligbeſtäubte Gewächſe, vorwiegend den Cheno⸗ podiaceen, Kompoſiten, Ciſtaceen angehörig, gedeihen hier auf dem trockenen, ſalzauswitternden Boden. Infolge der Abgeſchloſſenheit des Landes gegen um⸗ liegende Gebiete kann es nicht Wunder nehmen, daß faſt ein Drittel der dortigen Halophyten autochthon iſt, alſo im Lande ſelbſt ſich entwickelt hat. Die betreffenden Landſtriche Spaniens gehören zu den unfruchtbarſten der ganzen Halbinſel. Betrachten wir jetzt die aſiatiſchen Steppen⸗ gebiete. Von der Wolgamündung oſtwärts über die weſtaſiatiſchen Hochländer Perſiens und Turkeſtans bis zu den gewaltigen Plateaus Tibets und Chinas, welche von hohen Gebirgen durchzogen und im Norden vom Altai, im Süden vom Himalaya begrenzt werden — alſo auf der ungeheuren Fläche von 300000 Quadrat⸗ meilen — dehnen ſich unabſehbare Gras⸗, Sand⸗, Salz⸗ ſteppen und Wüſten aus. Während die beiden erſten Steppenformen ſalzfrei und nur durch den abweichen⸗ Humboldt. — Oktober 1887. den Humusgehalt der Erdkrume unter ſich verſchieden find, die Wüſte ſich durch den beweglichen Flugſand charakteriſiert, ſind die mit jenen durch Uebergänge verbundenen Salzſteppen durch den beträchtlichen Natronſalzgehalt des Bodens ausgezeichnet. Auf der gewaltigen von ihnen eingenommenen Fläche zeigen nun die Salzpflanzen das Maximum ihrer Entwicke⸗ lung. Zygophylleen, Tamarisken, Artemiſien, vor allem aber Chenopodiaceen bedecken die trockenen oder moraſtigen Gebiete in ungeheurer Mannigfaltigkeit der Arten und zum Teil in beträchtlicher Größe. Denn während bei uns die Chenopodien niedrige Kräuter ſind, erheben fie fic) dort im Saxaul (Ha- loxylon ammodendron) bis zu 10 m hohen Bäumen mit decimeterſtarken Stämmen und ſehr hartem, ſprödem Holze. Sie treten ſogar zu Wäldern zu⸗ ſammen und ſehen mit ihren ſtraffen, gegliederten, blattloſen Aeſten Reiſigbündeln nicht unähnlich. Sie tragen bedeutend zur Bindung des Sandes bei; das Niederſchlagen der Saxaulwälder ijt daher wirtſchaft⸗ lich nicht gutzuheißen. In Afrika weiſen die Sahara und die Karroo, in Nordamerika die 14— 1600 m hoch gelegene Salzwüſte zwiſchen den Rocky Mountains und Kali⸗ fornien, in Südamerika die Pampas eine reich entwickelte Salzvegetation auf. So finden ſich z. B. in der nordamerikaniſchen Salzwüſte, einem an Unwirtlichkeit Perſien gleich⸗ kommenden Gebiete, bis 3 m hohe Chenopodiaceen⸗ ſträucher mit dornigen Aeſten und ſaftigen, dunkel⸗ grünen Blättern. Schließlich beſitzt auch Auſtralien in ſeinem mittleren und öſtlichen Teile ausgedehnte Salzſteppen mit entſprechender Flora. So ſehen wir denn im Inneren ſämtlicher Erdteile Halophyten in großer Anzahl und von pflanzenphyſiognomiſcher Bedeutung auftreten, wobei ſie vorwiegend den von Griſebach aufgeſtellten Vegetationsformen der Tamarisken und Chenopodien angehören, aber auch in der Dornſträucher⸗, Spartium⸗ und Gnaphaliumform Vertreter beſitzen. Die wichtigſten Pflanzenfamilien, welchen Halophyten angehören, ſind zwar im vorſtehenden bei Beſprechung der einzelnen Gebiete erwähnt worden, mögen aber hier nochmals nebeneinander geſtellt werden. Es ſind die Gramineen, Cyperaceen, Junkaceen, Junka⸗ gineen, Chenopodiaceen, Tamariscineen, Plumba⸗ gineen, Kompoſiten, Kruciferen, Ciſtaceen, Karyo⸗ phylleen, Zygophylleen, Umbelliferen und Papiliona⸗ ceen. Somit ſind verhältnismäßig wenige Familien beteiligt, einige nur in wenigen Gattungen oder Arten, während eine einzige derſelben durch die Zahl ihrer Genera und die Menge ihrer Individuen ein Uebergewicht über die anderen erhält; es ſind die oft genannten Chenopodiaceen. Dies geht aus der Ab⸗ handlung Bunges über die geographiſche Verbreitung dieſer Familie mit Evidenz hervor. Ihre zehn Haupt⸗ entwickelungsgebiete fallen mit den in allen Welt⸗ teilen ſich findenden Steppen und Wüſten zuſammen; jedes Gebiet beſitzt eine durch endemiſche Formen ge⸗ kennzeichnete Flora, und die der altweltlichen Ent⸗ Humboldt. — Oktober 1887. 377 Die Frage nach der Herkunft des Salzes im wickelungscentren iſt durchgreifend verſchieden von der der neuen Welt. Wie aber ein Blick auf die Karte verſtändlich macht, ſtehen erſtere unter ſich in näherem Zuſammenhange als letztere. Von den nach Bunges Zählung in 71 Gattungen verteilten circa 550 Arten gehören 238 der neuen, 335 der alten Welt an. Allerdings ſind von den letzteren in Abzug zu bringen 27 entweder urſprünglich ubiquitäre oder durch den Handelsverkehr über die ganze Erde verſchleppte Formen. Die Halophyten unſerer mitteldeutſchen Flora gehören ſämtlich den ubiquitären Arten an. Auf den weiten Landesſtrecken von der Wolga— mündung bis Oſtaſien, welche allein drei Verbrei— tungsgebiete der Bungeſchen Einteilung ausmachen, finden ſich 206 Arten, alſo 64 „% von den für die alte Welt charakteriſtiſchen Species. Es liegt alſo in dieſen Gegenden das Hauptentwickelungsgebiet der Chenopodiaceen; hier erreichen dieſe Gewächſe nicht nur in ihren Zahlenverhältniſſen, ſondern auch im morphologiſchen Aufbau ihre weiteſte Ausbildung: ſo kommt z. B. die einen wichtigen Familiencharakter bildende Eigentümlichkeit, daß die Perigonzipfel wah- rend der Fruchtreife auf dem Rücken flügelförmige Auswüchſe erhalten, zum vollen Ausdruck. Nachdem wir im vorſtehenden die Verteilung der Halophyten auf der Erde kennen gelernt haben, wollen wir jetzt ihre Vegatations bedingungen erörtern, ſowie die beſondere Art und Weiſe, in welcher ſie ſich denſelben anzuſchmiegen vermögen. Der Umſtand, daß die fraglichen Gewächſe über faſt alle Gegenden beider Hemiſphären verbreitet ſind, läßt bereits ſchließen, daß ſie hochwichtigen, tief einſchneidenden Faktoren des pflanzlichen Lebens ihr Daſein verdanken, welche un— abhängig von der geographiſchen Breite verwirklicht ſein können. Es kommen hier nämlich in Betracht ein kontinentales Klima mit ſeinen ſchroffen Tempe— raturgegenſätzen, dünne, trockene Luft, relative Waſſer— armut und Salzgehalt des Bodens. Die Bedeutung dieſes letzten Faktors ſoll indes weiter unten aus⸗ führlich erörtert werden. Von den genannten Bedingungen brauchen nicht alle miteinander erfüllt zu ſein, um die fragliche Vegetation zu ermöglichen. Sie ſind ſämtlich vor— handen in den weſt⸗- und inneraſiatiſchen Hochlän⸗ dern; große Trockenheit, bedeutende jährliche und tägliche Wärmeſchwankung und lokaler Salzgehalt kennzeichnen die Sahara, und ähnlich würde die Charakteriſtik der übrigen Halophytengebiete ausfallen. Diejenigen Spaniens gehören teils dem Hochlande an (Kaſtilien, Granada), teils dem Tieflande (Ara⸗ gonien, Murcia, Andaluſien). Die dortigen Halo- phyten ſind alſo von den ungleichgroßen Temperatur- gegenſätzen des Hoch- und Tieflandes unabhängig und nur durch Trockenheit und Natrongehalt des Bodens beeinflußt. Am Ufer der Meere, wo ſehr viele Halophyten gedeihen, iſt der letztere Faktor noch allein maßgebend. Sicherlich aber wird die gleich— zeitige Verwirklichung aller Exiſtenzbedingungen das Optimum der Vegetation und damit das Maximum der Entwickelung und Verbreitung im Gefolge haben. Humboldt 1887. ſtandene Senkungen. Boden iſt zwar vorwiegend von geologiſchem Intereſſe, aber doch auch, wie wir ſehen werden, für die Bo— tanik nicht belanglos. Die nächſtliegende Erklärung war die, den Salzgehalt von einer ehemaligen, durch geologiſche Ereigniſſe der Verdunſtung anheimgefallenen Meeresbedeckung abzuleiten. In dieſer Allgemeinheit trifft die Erklärung ſicherlich nicht zu, vielmehr ift jeder einzelne Fall zu prüfen. So hatte man z. B. die zahlreichen Salzſtellen Norddeutſchlands als Spuren eines verdunſteten Diluvialmeeres auffaſſen wollen. Dann erwartet man aber — alle weiteren Erörte— rungen über das Diluvialmeer beiſeite gelaſſen — nicht regellos zerſtreute, inſelartig eingeſprengte Salz— ſtellen, ſondern zuſammenhängende Flächen. Ferner iſt die Umgegend von Ravenna und Epheſus, die noch in hiſtoriſcher Zeit zum Teil unter dem Meeres- ſpiegel lag, gegenwärtig völlig ſalzfrei, ſo daß der etwa aus der Diluvialzeit herrührende Salzgehalt Norddeutſchlands längſt ausgelaugt ſein dürfte. Aſcherſon leitet denſelben von dem Zutagetreten von Quellen ab, welche aus den in geringer Tiefe liegen— den ſalzführenden Dyasſchichten hervorbrechen. Die in ihrer Flora eingangs geſchilderten Seen zwiſchen Halle und Eisleben verdanken ihren Gehalt an Chlor— natrium den dortigen ebenfalls der Dyas zugehörigen Salzlagern; betrachtet man doch die beiden Salzbecken geradezu als durch Auslaugung von Gipsmaſſen ent⸗ Möglicherweiſe haben wir in unſerer gegenwärtigen deutſchen Halophytenflora lokal (d. h. auf Natronboden) erhaltene Reſte einer um— fangreicheren auch Salzpflanzen aufweiſenden Steppen- flora zu erblicken, eine Annahme, die nicht nur von Zoologen und Botanikern, ſondern auch von Geologen als zuläſſig befunden worden iſt. Auf der zu Tage tretenden Dyas Spaniens breitet fic) die Halophyten- flora ſeiner Steppen aus. In den aſiatiſchen Hoch— ebenen, z. B. in Perſien, kommen neben Auslaugung oberflächlich gelegener miocäner Salzſtöcke noch andere erſt in neuerer Zeit genauer ſtudierte Verhältniſſe in Betracht. Nachdem v. Richthofen die ſubaeriſche Ent— ſtehung der chineſiſchen Lößgebiete dargethan hatte, wandte Tietze eine analoge Betrachtungsweiſe auf die Sand⸗ und Lößgebiete Perſiens an. Zwiſchen den Gebirgen, welche ſeit der Miocänzeit das perſiſche Hochland umrahmen und durchziehen, dehnen ſich flache Mulden aus, deren Materialien von außen nach innen immer feiner verarbeitete Schuttmaſſen der Gebirge darſtellen. Denn auch in relativ ſo trockenen Ge— bieten ſchreitet die Zerſtörung der Gebirge und Auf— bereitung der Trümmermaſſen unaufhaltſam vorwärts. Der feinſte vom Sturmwind getragene und zuſammen⸗ gewehte Detritus ſammelte ſich als Löß in den tiefſten Stellen der Mulden an. Unter dem Einfluſſe der Atmoſphärilien, ſpeciell der Kohlenſäure, werden die leicht löslichen Silikate des trachytiſchen Schuttes zer— ſetzt und unter den Umwandlungsprodukten erſcheinen Chlornatrium, Soda und andere lösliche Salze, je nach der Natur des zerſetzten Geſteines. Dieſe werden durch das Waſſer, zumal während der Schneemelze, 48 378 in die tiefſten Stellen jener Mulden geführt, dringen in dem poröſen Boden kapillar in die Höhe und ver⸗ urſachen nach Verdunſtung des Waſſers die bekannten weißen Efflorescenzen. Für die entſprechenden Verhältniſſe der ungari⸗ ſchen Pußten hat man ebenfalls in der Zerſetzung trachytiſcher Geſteine eine Quelle des Salzgehaltes im Boden erblickt. Und wenn auch die gegebene Erklärung im einzelnen noch modifiziert werden ſollte, ſo läßt ſich doch, wenigſtens für die genauer unterſuchten Gebiete, die andere Annahme, welche die Salzſtellen des Binnen⸗ landes auf die Rückſtände eines Diluvialmeeres zurück⸗ führt, durchaus nicht wahrſcheinlich machen. Dies iſt aber botaniſch von großer Wichtigkeit. Man hat die außerordentlich reiche Entwickelung der Chenopo⸗ diaceen im Inneren Aſiens mit der (geologiſch ge⸗ ſprochen) geringen Zeit, welche ihnen in dieſem Falle dafür zur Verfügung geſtanden hätte, nicht in Ein⸗ klang zu bringen vermocht und dies zu einem Einwand gegen die Lehre von der Umformung reſp. Spaltung der Arten zu verwenden geſucht. Mit dem Nachweis, daß jene Gegenden ſeit der Miocänzeit nicht vom Meere bedeckt worden ſind, iſt jener Einwurf gegen⸗ ſtandslos geworden. Wir müſſen jetzt ausführlicher auf die Beziehun⸗ gen zwiſchen Salzreichtum des Bodens und Eigenart ſeiner Flora zurückkommen. Es liegt hier ein Spe⸗ cialfall der Erörterungen vor, welche ſchon lange und eingehend über den Einfluß des Bodens auf die Ver⸗ teilung der Gewächſe angeſtellt worden ſind und zu verſchiedenen Reſultaten geführt haben. Die einen glaubten die chemiſchen, die anderen die phyſikaliſchen Eigentümlichkeiten der Unterlage in den Vordergrund ſtellen zu ſollen. Gegenwärtig werden die erſteren nur ſoweit in Rechnung gezogen, als ſie in waſſer⸗ haltender Kraft, ſpecifiſcher Wärme ihren phyſikaliſchen Ausdruck finden, ohne daß damit geleugnet werden ſoll, daß es Gewächſe gibt, für welche die eine oder andere Bodenzuſammenſetzung geradezu giftig wirkt. Ein tiefgründiger Lehmboden kann durch Verwitterung ſowohl von Silikaten als auch von thonigen Kalk⸗ ſteinen entſtehen, ſo daß ſchließlich trotz der primären (chemiſchen) Verſchiedenheit des Subſtrates die Ver⸗ witterungskrume die gleiche Flora trägt. Ferner darf man nicht außer acht laſſen, daß die Beſchaffenheit der Unterlage nur einer der die Vegetation be⸗ dingenden Faktoren iſt, welche im Zuſammenhang mit den übrigen (Klima, Konkurrenz) betrachtet und gewürdigt ſein will. Je gleichförmiger dieſe letzteren ſind, um ſo deutlicher tritt der erſtere hervor, und ſo kommt es, daß man für kleinere Gebiete, wo eben die letztgenannten von großer Konſtanz ſind, die Ge⸗ wächſe ſehr wohl nach ihrer Vorliebe für ein gewiſſes Subſtrat anordnen kann. Unger, welcher die Lehre vom chemiſchen Einfluß des Bodens am erfolgreichſten vertrat, hat die ihr zu Grunde liegenden Beobach⸗ tungen im nordöſtlichen Tirol gemacht; auch Bogen⸗ hard hat die Pflanzen der Umgegend von Jena nach der Natur des von ihnen bevorzugten Subſtrates gruppiert. Aber man darf nicht die in einem ver⸗ Humboldt. — Oktober 1887. hältnismäßig engen Gebiete gewonnenen Schlüſſe ohne weiteres verallgemeinern. Der Gegenſatz z. B. zwiſchen Kalk⸗ und Kieſelpflanzen ſchwindet oftmals immer mehr, je größer das Beobachtungsgebiet wird. Unſere Ackerunkräuter, ſoweit ſie nicht indigen ſind, bewohnen in ihrer Heimat oftmals ganz andere Oert⸗ lichkeiten als bei uns; die ſandigen Ufer unſerer größeren Flüſſe tragen eine Flora, deren Glieder für gewöhnlich andere Standorte bevorzugen und in unſeren botaniſchen Gärten werden Pflanzen der ver⸗ ſchiedenſten Gegenden auf dem gleichen Boden mit gutem Erfolg kultiviert, wenn man kein Unkraut zwiſchen ihnen aufkommen läßt, alſo die Konkurrenz abhält. So ſcheint alſo die phyſikaliſche Natur des Bodens von größerem Belang als ſeine chemiſche Beſchaffen⸗ heit — aber gerade für unſere Salzpflanzen gilt das Gegenteil. Für ſie iſt der Gehalt des Subſtrates an Natronſalzen an ihren natürlichen Standorten Lebens⸗ bedingung. In welchem Sinne dies aber aufzufaſſen iſt, haben zahlreiche Unterſuchungen klar gelegt. Da es gelingt, typiſche Halophyten auf ſalzfreiem Boden zur vollen Entwickelung und Samenreife zu bringen — denn weder Chlor noch Natrium ſind unentbehrliche Aſchenbeſtandteile — und da andererſeits die Keimung ihrer Samen noch in 3,5 prozentiger Salzlöſung er⸗ folgt, während andere kaum in Iprozentiger ſich ent⸗ wickeln, ſo ergibt ſich, daß die Salzpflanzen einen abnormen Salzgehalt zwar nicht unbedingt fordern, einen ſolchen aber beſſer als andere ertragen können. Dadurch ſind ſie vor ihren Konkurrenten in der freien Natur im Vorteil. Ein Halophyt, auf ein gewöhn⸗ liches Gartenbeet unter andere Gewächſe verpflanzt, würde möglicherweiſe von ſeinen Mitbewerbern erdrückt werden; umgekehrt würden letztere auf Salzboden den erſteren unterliegen. Uebrigens gibt es unter den Salzpflanzen ſelber wieder Abſtufungen hinſichtlich des Grades, in welchem ſie Salz zu ertragen ver⸗ mögen; darauf gründet ſich die Unterſcheidung von Halophyten und Halophilen, Salzzeigern und Salz⸗ deutern; erſtere vertragen mehr als letztere. Zu den Salzdeutern gehören z. B. in unſerer Flora: Tetra- gonolobus siliquosus, Trifolium fragiferum (Erd⸗ beerklee), Glyceria distans, Sennebiera coronopus (Krähenfuß), Althaea officinalis (Eibiſch) u. a. Noch weniger wähleriſch ſcheint Salsola Kali zu fein, welche zwar als halophil angegeben wird, aber z. B. nörd⸗ lich von Dresden mit Carex arenaria, C. ericetorum, Elymus arenarius, Psamma arenaria, Plantago arenaria vorkommt, während ſonſt jeder Salzdeuter fehlt. Möglicherweiſe erklärt ſich ihr Vorkommen da⸗ durch, daß die einmal hierher verſchleppte Pflanze auf dem unfruchtbaren Sande von Konkurrenten ver⸗ ſchont blieb. Die ungünſtigen Lebensbedingungen, unter welchen ſich die Salzpflanzen im Binnenlande entwickeln, machen es begreiflich, daß dieſelben durch eine eigen⸗ artige Organiſation den Verhältniſſen ſich anzu⸗ ſchmiegen vermögen; wenn Trockenheit des Bodens und der Luft, unfruchtbarer, ſalzhaltiger Boden zu⸗ gleich miteinander wirken, ſo treten jene biologiſchen Humboldt. — Oftober 1887. Charakterzüge am deutlichſten hervor. Sie find von Volkens neuerdings ſorgfältig ſtudiert worden. Bald wird durch dichte, die Tranſpiration herabſetzende und zugleich hygroſkopiſch wirkende Haarbekleidung der Trockenheit Trotz geboten; oder aber es werden die tranſpirierenden Blattflächen möglichſt beſchränkt, auf bloße Schuppen zurückgebildet oder gänzlich unter- drückt. Dann fällt der grünen Rinde des Stammes die aſſimilatoriſche Thätigkeit und Speicherung des Waſſers zu. Oder die Epidermen der breiten Blätter ſind ſtark kutikulariſiert und nur lokal aus dünn⸗ wandigem, als Eintrittspforten für Waſſer dienenden Zellen zuſammengeſetzt. Sehr häufig indes iſt die Epidermis der dicken, breiten Blätter ſehr dünn, aber dieſe führen in ihrem ſtark entwickelten Waſſergewebe einen bitterſalzigen Inhalt, welcher das Waſſer hy— groſkopiſch an ſich zieht. Die Vergrößerung des Querſchnittes der betreffenden Stengel und Blatt— organe kommt dadurch zu ſtande, daß die den ſalzigen Saft aufſpeichernden Zellen unter dem Einfluß des erhöhten Turgors zu bedeutender Größe auswachſen. Grieſebach beobachtete, daß die Blätter der Melden immer fleiſchiger wurden, je mehr er ſich dem Meeres⸗ ſtrande näherte. Batalin unterſuchte experimentell den Einfluß von Kochſalz auf die Entwickelung der Salicornia herbacea und fand, daß die aus den Samen erzogenen Keimpflanzen ohne Salz kultiviert zu dünnſtengeligen, die mit Salz erzogenen aber ſich zu fleiſchigen, ſaftſtrotzenden Exemplaren entwickelten. Dadurch wird verſtändlich, daß wir in der freien Natur unter den Salzpflanzen ſolche finden, welche hauptſächlich durch ihre dicken Blätter und Stengel von nahe verwandten ſalzfreien Arten ſich unter⸗ ſcheiden; derartige ſind: Spergularia marina, Sperg. rubra, Scirpus Tabernaemontani, Sc. lacustris, Juncus Gerardi, J. compressus, aud) Lotus tenui- folius und L. uliginosus. Indes gelang es Hoff— mann nicht, trotz mehrjähriger Kulturverſuche, die Salzformen durch Entziehung des Chlornatriums mit Sicherheit in die gewöhnlichen, und umgekehrt die 379 letzteren durch Zuſatz von Kochſalz in die erſteren überzuführen. Es ſcheinen alſo die durch ihre Tracht und ihre biologiſchen Eigentümlichkeiten ausgezeich— neten Halophyten aus ſolchen Varietäten der ge— wöhnlichen Formen hervorgegangen zu ſein, welche in dieſer Hinſicht beſonders empfindlich waren. Die Fähigkeit, größeren Salzgehalt des Bodens zu er— tragen, dürfte den Ausgangspunkt zu ihrer Bildung gegeben haben und das durch die Hygroffopicitat des aufgeſpeicherten Salzes bedingte Fleiſchigwerden ſe— kundär hinzugekommen fein. Dies iſt belanglos, jo- lange die Pflanzen, wie am Meeresſtrande, in feuchter Umgebung wachſen, wird aber im Kampfe ums Da— ſein von hoher Bedeutung, wenn es ſich um Beſiede— lung von Steppen und Wüſten handelt. Auf Grund der geſchilderten Organiſationsverhält⸗ niſſe wird es den Halophyten möglich, ihre Vege— tationsperiode über die günſtige Jahreszeit, ja über mehrere Jahre zu verlängern. Die Samenreife der meiſten Chenopodiaceen tritt lange nach der günſtigen, feuchten Zeit des Jahres ein. Bemerkenswert iſt, daß auch viele unſerer heimiſchen Chenopodiaceen erſt im Auguſt und September Blüten und Früchte tragen. Zwiſchen dem Boden der Steppen und dem in der Nähe menſchlicher Wohnungen befindlichen gibt es eine wichtige Uebereinſtimmung, indem beide reich an löslichen Mineralſalzen ſind (Chloride, Alkalikarbonate und Nitrate). Kerner macht nun auf die nahen Be⸗ ziehungen zwiſchen der Flora der ungariſchen Pußten und der Schuttſtellen der dortigen Dörfer aufmerk⸗ ſam und iſt geneigt, letztere von erſterer abzuleiten. Dies iſt vielleicht auch manchmal dort zutreffend, wo wenigſtens in der geologiſchen Vergangenheit eine Steppenflora das Land bewohnt hat. Allerdings wird in ſolchen Fällen die Unterſuchung dadurch erſchwert, daß der Menſch die Ruderalflora mit ſeinen Nutzpflanzen und Haustieren eingeführt haben kann, ſo daß dieſe alſo zu keiner Zeit mit der Flora indigena des Landes in genetiſchem Zuſammenhang geſtanden hat. Ueber die Seichnung der vogelfedern. Don Profeffor Dr. G. H. Th. Eimer in Tübingen. 1 hat Darwin zuerſt darauf aufmerkſam gemacht, daß die ſchönen Augenflecke auf dem Gefieder von Vögeln aus ſehr einfachen Zeichnungen, Strichen und Flecken hervorgehen. Beſonders be— kannt iſt ſeine Darſtellung der Entwickelung der Augenflecke des Argusfaſanes. Es ſind, ganz ent— ſprechend dem von mir aufgeſtellten allgemeinen Ge— ſetze, Längsſtreifen (Längsſchrägſtreifen) und aus dieſen entſtehende Flecke, aus welchen jene prachtvollen Augen ſich bilden. Darwin ſagt ſelbſt: „daß dieſe Ornamente ſich durch eine behufs der Paarung ausgeübte Aus⸗ wahl vieler aufeinanderfolgender Abänderungen ge— bildet haben ſollen, von denen nicht eine einzige urſprünglich beſtimmt war, dieſe Wirkung . . . her⸗ vorzubringen, ſcheint ſo unglaublich, als daß ſich eine von Raphaels Madonnen durch die Wahl zufällig von einer Reihe jüngerer Künſtler hingeklekſter Schmierereien gebildet hätte, von denen nicht eine einzige urſprünglich beſtimmt war, die menſchliche Figur wiederzugeben.“ Und doch ſucht er die Ent— ſtehung der prachtvollen Augen rein durch geſchlecht— liche Zuchtwahl zu erklären: zwar ſteht zum Beweis nicht eine lange Reihe von Urerzeugern zu Gebot, „aber glücklicherweiſe geben uns die verſchiedenen 380 Federn am Flügel einen Schlüſſel zur Löſung des Problems und ſie beweiſen demonſtrativ, daß eine Ab⸗ ſtufung von einem einfachen Flecke bis zu einem vollendeten Kugel- oder Sockelocellus wenigſtens mög⸗ lich iſt““). Es iſt den Leſern des „Humboldt“ bekannt, daß ich der „Ausleſe“ die faſt ausſchließliche Bedeutung, welche ihr Darwin zuſchrieb, nicht zuerkenne, daß ich vielmehr gerade in Beziehung auf die Umbildungen der Zeichnungen der Tiere eine auf Grund der ſtoff⸗ lichen Zuſammenſetzung des Körpers und äußerer Einwirkungen auf denſelben allmählich und nach ganz beſtimmten Richtungen geſetzmäßig vor ſich gehende Entwickelung als zunächſt maßgebend anſehe, während die Ausleſe meiner Meinung nach dieſe Richtungen nicht durchaus ändern, aber bis zu einem gewiſſen Grade beeinfluſſen und insbeſondere die Ergebniſſe ihrer Bildung im Sinne der Nützlichkeit (bezw. Schön⸗ heit) fördern kann. Vorzüglich meine Unterſuchungen über die Zeichnung und über die Entſtehung der Bil⸗ dung der Augenflecke der Eidechſen n) begründen dieſe meine Auffaſſung. In einem im vorigen Jahre erſchienenen Aufſatzs x) hat Dr. Kerſchner aus Graz die Entſtehung der Zeich⸗ nung der Federn des Pfauhahnes behandelt, welche Darwin nur wenig eingehend beſprochen hatte. Kerſchner findet, daß den Ausgangspunkt für die Entſtehung der Augenfeder des Pfauhahnes eine bei dieſem Vogel ziemlich verbreitete, rötlichgelb und ſchwarz gebänderte Feder bilde; dieſe gebänderte Feder aber könne mit Zuhilfenahme vollſtändiger Reihen aus dem erſten Jugendgefieder und dem Gefieder der Henne, beim Pfauhahn ſelbſt aber an den Federn der Schenkel⸗ flur und der Zeichnung der Schwingen, auf eine gelb- braune, ſchwarzgrau geſprenkelte zurückgeführt werden. Ganz dasſelbe laſſe ſich für jeden anderen Hühnervogel nachweiſen. Demnach geben ſowohl der Argusfaſan wie der Pfauhahn beſtätigende Beiſpiele für einen Teil der von mir über die Entſtehung der Zeichnung aufge⸗ ſtellten Geſetze ab, nämlich für die Thatſache der Um⸗ wandlung einer Längsſtreifung in Fleckung, für die Aufeinanderfolge von Längsſtreifung, Fleckung und Querſtreifung am Gefieder und für die Entſtehung der Augenflecke aus ſolchen Längsſtreifen, bezw. Flecken; die Angaben Kerſchners aber dafür, daß in der Jugend die urſprünglichen Zeichnungsarten vorherrſchen (bio⸗ genetiſches Geſetz) und daß das Männchen zuerſt neue Zeichnungsformen annimmt (männliche Präponderanz). Weiter gibt Kerſchner ein ſehr hübſches Beiſpiel für die von mir feſtgeſtellte Umbildung der Zeichnung am Körper eines und desſelben Tieres in beſtimmter Richtung, welche Umbildung ich nach den zwei dabei in Frage kommenden Hauptrichtungen als poſtero⸗ „) Darwin, Abſtammung des Menſchen. Schweizer⸗ bart, 1879. II. S. 131. ) Unterſuchungen über das Variiren der Mauer⸗ eidechſe; Archiv f. Naturgeſchichte, und Berlin, Nikolai, 1881. ) Zur Zeichnung der Vogelfedern; vorl. Mitteilung, Zeitſchr. f. wiſſenſch. Zoologie, Bd. XLIV. Humbolot. — Oktober 1887. anteriore und infero⸗ſuperiore Entwickelung bezeich⸗ nete. Er findet nämlich, daß ſich für jede Feder⸗ flur, „ja für den ganzen Balg des Vogels ein Koordinatenſyſtem errichten läßt, in⸗ nerhalb deſſen ſowohl die auf den Abseiſſen (Querreihen) als die auf den Ordina ten (Längs⸗ reihen) gelegenen Glieder Uebergangsſtufen mit beſtimmten Differenzen bilden.“ Es iſt mit anderen Worten in dieſem Satze ein⸗ fach die infero⸗ſuperiore und poſtero⸗anteriore Ent⸗ wickelung zuſammengefaßt. Auch ſonſt ſpricht Kerſchner durchaus meine im „Humboldt“ und anderwärts ſchon ſeit Jahren ge⸗ gebenen Anſichten aus, indem er die feſtgeſtellten Zeichnungsverhältniſſe als Hilfsmittel für die Syſte⸗ matik in Anſpruch nimmt, „da ſie uns z. B. geſtatten, die verſchiedenen Schmuckfedern des Pfauhahns, des Argusfaſans, des Polyplektron, des Satyrhahns, des Frankolins, der verſchiedenen Faſanenarten“ (welche von Darwin gleichfalls in Betrachtung gezogen wur⸗ den), „auf einen und denſelben Ausgangspunkt zu⸗ rückzuführen, überdies auch den Verwandtſchaftsgrad der verſchiedenen Zeichnungsarten zu ermitteln.“ Ferner fügt er die von mir längſt bejahend beantwortete Frage hinzu: „vielleicht wäre es denkbar, auch andere multiple organiſche Gebilde (3. B. die Blattformen) in ähnlicher Weiſe zuſammenzuſtellen“. Ich erinnere in dieſer Beziehung nur an die von mir verwertete allmähliche Umbildung der Ammonitenſchalen (Wür⸗ tenberger) und daran, daß ich überhaupt die morpho⸗ logiſchen Umbildungen ſtets als ganz ſelbſtverſtändlich nach denſelben Geſetzen wie diejenigen der Zeichnung vor ſich gehend betrachtet und behandelt habe. Es be⸗ ruht ja auf dieſer Betrachtungsweiſe meine ganze Auf⸗ faſſung von der geſetzmäßigen Umbildung der Formen im Gegenſatz zum ausſchließlichen Darwinismus. Weiter ſpricht Kerſchner geradezu eben dieſe meine Anſichten aus, wenn er die geſetzmäßige Umbildung der Zeichnung für die Auffaſſung einer allmählichen Entwickelung verwertet. Nachdem er ſie ins Feld ge- führt hat zum Beweis für die Möglichkeit und Wahr⸗ ſcheinlichkeit des Vorherrſchens einer allmählichen Ent⸗ wickelung (im Gegenſatz zu einer ſprunghaften) und für die Annahme, daß die Entwickelung in allmäh⸗ licher Differenzierung (Fortſchritt) fic) äußere — was übrigens, nebenbei bemerkt, beides ſich ſo einfach nicht abthun läßt — fährt er fort: „doch auch im Beſonderen werden wir bezüglich des phylogenetiſchen Entwickelungsganges durch die Reihen aufgeklärt. Die Endprodukte der phylogenetiſchen Entwickelung ſind uns bekannt, als Anfangsglied können wir unter Vorausſetzung der Richtigkeit der Entwickelungslehre und des einheitlichen Urſprunges einer Gruppe (Hühner⸗ vögel, Raubvögel) die allen Gattungen gemeinſame einfachſte Zeichnungsart anſehen, dies um ſo mehr, als uns alle Reihen auf dieſelbe zurückführen. Die Reihen ſelbſt als die Summe der zwiſchen unſerem Anfangs⸗ und Endglied einſchaltbaren Zwiſchenſtufen dürfen wir dann als die Zuſammenfaſſung einer An⸗ zahl von Ahnenſtufen angehörigen Endgliedern der Zeichnung, alſo als phylogenetiſche Entwicke— lungsweiſe des Endgliedes betrachten. Bei dieſer nicht allzu gewagten Annahme ... können wir uns auch den ganzen Balg der Ahnenſtufen mit annähernder Sicherheit rekonſtruieren“ u. ſ. w. Es iſt gewiß merkwürdig, daß der Verfaſſer der Schrift, welcher in dieſer Weiſe meinen eigenen Wn- ſichten faſt mit meinen eigenen Worten Ausdruck ver— leiht, indem er nun nachträglich und ganz nebenbei auf meine Arbeiten zu reden kommt, in ihnen nicht Uebereinſtimmendes, ſondern ſeinen Ergebniſſen wefent- lich Widerſprechendes findet. Nur geſteht er zu, daß „dem Geſetz der wellenförmigen Entwickelung“ (d. i. dem allmählichen Fortſchreiten der Umbildung in be— ſtimmter Richtung mit Nachfolgen neuer Umbildungs— ſtufen) „offenbar ähnliche Thatſachen zu Grunde liegen, wie er ſie bei der Beſprechung der gegenſeitigen Stufen im Balge angeführt habe“. In der Folge der Zeichnungsſtufen findet er einen Gegenſatz zwiſchen ſeinen und meinen Ergebniſſen. Das Geſetz der „männlichen Präponderanz“, meint er, beſage nichts weiter als die alte Regel, die jedoch wegen ihrer Ausnahmen (die ſchöner gefärbten Weib⸗ chen von verſchiedenen Vögeln) nicht zum unbedingt gültigen Geſetz erhoben werden könne. Er verwechſelt ſomit das Geſetz der männlichen Präponderanz mit einer einzelnen Thatſache, welche unter dasſelbe fallen kann, aber nicht entfernt mit ihm gleichbedeutend iſt. Anderes von meinen Geſetzen iſt ihm, wie er ſagt, unverſtändlich. Ich gehe auf ſeine Aeußerungen da— her nur in einer Beziehung ein. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß Geſetzmäßigkeit in der Zeichnungsfolge des ganzen Tieres und der ein⸗ zelnen Feder verſchiedene Dinge ſind. Es könnte alſo eine ganz andere ſolche Folge in der Feder beſtehen und doch die von mir verlangte Folge der Geſamt— zeichnung hervorgerufen werden. Kerſchner kann in der That letztere Folge in der erſteren nicht wieder— finden. Ich ſelbſt habe Beiſpiele (bei den Eulen) beigebracht, nach welchen die Verhältniſſe der Folge in der Geſamtzeichnung ziemlich verwickelt ſein können durch im Laufe der Zeit vor ſich gegangene Umän⸗ derung, durch Wiederholung der drei Zeichnungsſtufen nach Durchlaufen derſelben oder mit auf Grund von Anpaſſung. Allein es iſt der Widerſpruch zwiſchen den Angaben von Kerſchner und den meinigen in dieſer Beziehung, ſoweit es fic) um die von ihm an⸗ geführten Beiſpiele handelt, offenbar nur ein ſchein— barer, er iſt auf den Umſtand zurückzuführen, daß Kerſchner das von ihm gefundene geſprenkelte Jugend— ſtadium bei der Schlußfolgerung außer acht gelaſſen und von der Band(Quer-)ſtreifung des erwachſenen Vogels ausgegangen iſt, wonach natürlich die Ent⸗ wickelungsfolge in der Pfauenfeder eine ganz andere wäre als nach meinen Forderungen. Allein ſchon die Tabelle, welche Kerſchner über ſeine Ergebniſſe gibt, zeigt, daß dieſelben im großen und ganzen mit den meinigen übereinſtimmen. Inzwiſchen hat Studioſus Häcker im Tübinger zoolo—⸗ giſchen Inſtitut auf meine Veranlaſſung Unterſuchungen Humboldt. — Oktober 1887. 381 über die allmähliche Umbildung der Zeichnung der Federn vom Dunenkleide an bei verſchiedenen Ord— nungen der Vögel gemacht, welche zeigen, daß dieſe Umbildung in der That auch in der Zeichnung der Einzelfeder dem allgemeinen Geſetz der Zeichnungs— folge entſprechend geſchieht. Das Ergebnis der Arbeit, welche demnächſt im „Zoologiſchen Jahrbuch“ ver- öffentlicht werden ſoll, iſt in Kürze das folgende. Die am urſprünglichſten gezeichneten Federn, z. B. die von der Schnabelwurzel der Feldlerche, tragen, mit Ausnahme der flaumigen, grau pigmentierten Wurzel, pigmentloſe Fiedern. Nur an der Spitze ſind 3 oder 5 Fiedern ſtark pigmentiert. Eine von ihnen gibt ſich als der ſpießartig verlängerte Schaft zu erkennen. Das gleiche Verhalten zeigen faſt ſämt— liche Dunenjunge der Sumpf- und Sdhwimmvdgel. Dieſe Art der Zeichnung, die „Spitzenfärbung der Feder“ bewirkt eine Längsfleckung des ganzen Vogels (Sprenkelung). Aus ihr entſteht, durch Uebergreifen auf den Rand der Feder, die eine höhere Stufe der Zeichnung darſtellende „Randfärbung“. Weiterhin ſchiebt ſich die Färbung von der flaumigen Feder- wurzel aus nach dem Federrande zu vor, und es können ſo mehreremal nacheinander gefärbte Querſtreifen mit farbloſen wechſeln. Der Farbſtoff hat aber ſtets das Beſtreben, nach der Federſpitze zu zu wandern. An einem faſt 8 Wochen alten Hühnchen finde ich Verhältniſſe, welche der Häckerſchen Darſtellung im weſentlichen entſprechen und welche meine Angaben überhaupt abermals und zwar nach verſchiedenen Rich⸗ tungen hin beſtätigen. Am Halſe hat jede Feder in der Mittellinie einen ſchwarzen Längsſtreifen und es wird ſo durch Uebereinanderlagerung der Federn auch der Geſamteindruck einer Längsſtreifung hervorgebracht. Weiter nach hinten am Halſe wird dieſer Längsfleck geteilt, indem der Länge nach in ſeiner Mitte ein heller Längsſtreif auftritt. Noch weiter nach hinten beginnen dieſe zwei ſchwarzen Längsfelder durch fym- metriſche Einkerbungen von außen her abgeteilt zu werden. Dadurch, daß dieſe Querteilungen an Zahl zunehmen, entſteht Fleckung und zuletzt auf den Flügeln und an den Schwungfedern feine Quer⸗ ſtreifung. Endlich werden die Schwungfedern, und zwar zuerſt in der inneren Hälfte, durch Zuſammen⸗ fließen jener feinen Querzeichnung einfarbig. Den nach Häckers Darſtellung früheſten Zuſtand der Federzeichnung, Spitzenfärbung, bezw. feinſte An⸗ deutung dunkler Färbung der Federränder an der Spitze finde ich bei dieſem Hühnchen, deſſen Kopf übrigens ſich gerade in der Mauſe befindet, an der Bauchſeite. Ich denke, daß jeder Hühnerhof Entſprechendes wird feſtſtellen können. Die beſchriebenen Stufen der Zeichnung werden für die Hühner überhaupt gelten — nur iſt bald die, bald jene mehr herrſchend geblieben oder herrſchend geworden. Im Dunenkleide aber ſind die jungen Haushühnchen und ebenſo die Küchlein ihrer Verwandten, z. B. der Waldhühner auf Kopf, Hals und Rücken, wie ich im Zuſammenhang mit anderem demnächſt durch Abbildungen zeigen zu können hoffe, breit längsgeſtreift. 382 Humboldt. — Oftober 1887. Sortidritte in den Katurwiſſenſchaften. Meteorologie. Dr. W. J. van Bebber in Hamburg. Internationales meteorologiſches Komitee. Deutſche Meteorologiſche Geſellſchaft. Beobachtungsſyſteme. Höhenſtationen. Amtliche periodiſche Publikationen. Ferrel, Allgemeine atmoſphäriſche Cirkulation, jährliche Periode der Windrichtung, Föhn, Stürme. Temperaturverhältniſſe, Gefrieren und Aufgehen der ruſſiſchen Gewäſſer. Niederſchlagsverhältniſſe, Gewittererſcheinungen, Wolken, Hlimatologie. Ausübende Witterungskunde, Prognoſen, Mondmeteorologie, Sonnenmeteorologie. Witterung und Sonnenflecken. Dämmerungserſcheinungen. Die dritte Verſammlung des internationalen meteorologiſchen Komitees fand im September 1885 ſtatt. Die Verhandlungen, über welche der deutſche Be⸗ richt erſt im Juli dieſes Jahres erſchien, bezogen ſich namentlich auf die Methode und Veröffentlichung der Beob⸗ achtungen, Einrichtung von neuen Stationen und Wetter⸗ telegraphie. Hervorzuheben iſt insbeſondere der Beſchluß, es ſei darauf hinzuwirken, daß in den äquatorialen Ge⸗ genden ſtändige meteorologiſche Stationen I. und II. Ord⸗ nung angelegt würden, um die Erwerbung unſerer allge⸗ meinen Kenntniſſe über den Gang und die Verteilung der meteorologiſchen Elemente auf der Erdoberfläche zu er⸗ leichtern. — Die Deutſche meteorologiſche Geſell⸗ ſchaft hielt um Oſtern dieſes Jahres eine allgemeine Ver⸗ ſammlung in Karlsruhe ab, bei welcher eine Reihe in⸗ tereſſanter wiſſenſchaftlicher Vorträge gehalten wurden. Der Mitgliederſtand war zu jener Zeit folgender: Ehren⸗ mitglieder 15, ſtiftende Mitglieder 3, korreſpondierende Mitglieder 41, ordentliche Mitglieder 426, Summe 485. Ueber dieſe Verſammlung iſt im Septemberheft dieſer Zeit⸗ ſchrift näher berichtet worden. Ein neues Beobachtungsnetz iſt in der Provinz Cordoba, im Herzen der Argentiniſchen Republik, einge⸗ richtet, welches, unabhängig von dem bereits beſtehenden Beobachtungsſyſtem, unter der Leitung des Profeſſors der dortigen Nationaluniverſität, Döring, mit dem 1. Januar 1888 ins Leben treten ſoll. Auf einem Areal von mehr als 3000 Quadratmeilen ſollen etwa 40 Stationen errichtet werden und zwar je nach der Ausrüſtung 1 Station I. Ord⸗ nung (Cordoba), 15 Stationen II. Ordnung, 10 Stationen III. Ordnung und 15 Stationen IV. Ordnung. Das amerikaniſche Syſtem (Signal Office) erlitt durch den Tod ſeines Leiters, General B. Hazen (am 16. Ja⸗ nuar d. J.), einen bedeutenden Verluſt. Hazen hat ſich insbeſondere durch Hebung der wiſſenſchaftlichen Arbeiten und durch zweckmäßige Reformen ein großes Verdienſt er⸗ worben. Einerſeits legte er Nachdruck auf die beſtehende militäriſche Organiſation, und anderſeits führte er eine Reihe wichtiger Verbeſſerungen ein, die nichts Militäriſches an ſich hatten. Sein Nachfolger iſt der bekannte Führer der Polarexpedition, Kapitän Greely. Leider iſt das Signal Office durch Verweigerung notwendiger Kredite gegen⸗ wärtig in eine ziemlich ſchwierige Lage gebracht worden, und es ſcheint die militäriſche Organiſation in eine civile übergehen zu wollen, indem wahrſcheinlich das Inſtitut dem Departement für Ackerbau und Arbeit unterſtellt werden wird. Eine anerkennenswerte Unterſtützung findet das Signal Office gegenwärtig durch die Eiſenbahngeſellſchaften, nicht nur durch Verbreitung von Wetterprognoſen, ſondern auch durch Errichtung von zahlreichen meteorologiſchen Stationen. Von der Höhenſtation Sonnenblick werden von Hann für die einzelnen Monate Witterungsüberſichten in der Meteorologiſchen Zeitſchrift veröffentlicht, die täglichen Beobachtungen ſollen demnächſt in extenso publiziert werden; jedenfalls haben wir bemerkenswerte und intereſſante Auf⸗ ſchlüſſe über die Aenderung der meteorologiſchen Elemente mit der Höhe zu erwarten. — Eine vergleichende Unter⸗ ſuchung der Barometerregiſtrierungen in München (See⸗ höhe 528 m), Bayriſch Zell (Seehöhe 803 m) und auf dem Wendelſtein (Seehöhe 1728 m) wurde von Erk?) für die Jahre 1885 und 1886 angeſtellt. Dieſe ergab, daß auf dem Wendelſtein der Barometergang ſich ſehr verflacht gegen denjenigen der unteren Stationen, daß durchgehends in jedem Monate in der Höhe das Minimum in den Morgen⸗ ſtunden das beträchtlichere, das in den Nachmittagsſtunden geringer iſt, wogegen in der Tiefe das umgekehrte Verhältnis eintritt. Der Unterſchied der beiden Maxima am Vor⸗ mittag und gegen Mitternacht iſt auf dem Wendelſtein im allgemeinen nicht ſo groß wie in der Tiefe. — Eine neue Höhenſtation wurde errichtet auf dem Gipfel des Mount Wantaſtiquet am Connecticut River, deren Apparate unten im Thal regiſtrieren. Von den zahlreichen amtlichen, periodiſch erſcheinenden Publikationen ſollen hier nur einige wenige hervor⸗ gehoben werden. Die Veröffentlichungen des Königlich Preußiſchen Me⸗ teorologiſchen Inſtitutes enthalten einige weſentliche Be⸗ reicherungen, insbeſondere durch Publikation der Nieder⸗ ſchlagsbeobachtungen aus den Jahren 1881—85 von 241 Stationen des Vereins für landwirtſchaftliche Wetterkunde. Als Anhang iſt die Geſchichte des Inſtitutes von ſeiner Gründung 1847 bis zu ſeiner Reorganiſation 1885 bei⸗ gegeben. Ebenſo bringt der Jahrgang VIII, 1886 der bayriſchen Centralſtation eine erhebliche Mehrung des Beobachtungsmateriales, außerdem Studien über Nieder⸗ ſchlagsmeſſungen und deren Präciſion, über den ſtündlichen Gang des Luftdruckes in verſchiedenen Höhen und über Fortpflanzung der Gewitter. Eine ſehr wertvolle Zugabe enthält das von der Kaiſerlichen Akademie der Wiſſen⸗ ſchaften in St. Petersburg herausgegebene Repertorium ) Vergl. Beobachtungen der meteor. Stationen im Königr. Bayern, herausgegeben von C. Lang und F. Erk, Bd. VIII. Humboldt. — Oktober 1887. für Meteorologie, nämlich einen ausführlichen Katalog der meteorologiſchen Beobachtungen in Rußland und Finnland). Hiernach entfallen Stationen auf: Finnland 846, Oſtſee⸗ provinzen 111, Zartum Polen 19, Großrußland 177, Klein⸗ rußland 35, Weſtrußland 46, Südrußland 75, Oſtrußland 141, Kaukaſus 106, Weſtaſien 121, Oſtaſien 93, Aleuten und Alaska 9. Andererſeits bieten die „Annalen des Phyſikaliſchen Obſervatoriums“, 1886, in faſt 700 Quart⸗ ſeiten eine erfreuliche Zunahme des Beobachtungsmaterials über einem gewaltigen Ländergebiete, in welchem faſt alle klimatiſchen Gegenſätze vertreten ſind; insbeſondere hervor- zuheben iſt die Vermehrung der Stationen in Sibirien und die Hinzufügung neuer Regen- und Gewitterbeobachtungen. Ueber die allgemeine atmoſphäriſche Cirku— lation iſt in neueſter Zeit eine bedeutende Abhandlung von Ferrel erſchienen“ “), welcher für dieſes Problem als eine Autorität erſten Ranges angeſehen werden muß. Be— reits 1857 hatte James Thomſon für die gemäßigten Breiten drei verſchiedene Luftſtrömungen in den verſchiedenen Höhen angenommen, wovon die oberſte als Teil der großen pri— mären Cirkulation zwiſchen Aequator und Polarregion, und die unterfte als dünne Schicht, als Glied einer ſekun— dären Cirkulation, beide gegen den Pol gerichtet ſind, da- gegen die mittlere Schicht als rückkehrender Strom gegen den Aequator hin ſich bewegt. Dieſe drei Strömungen legte Ferrel ſeinen ſpäteren Unterſuchungen zu Grunde, wobei er noch die nordöſtlichen Winde der arktiſchen Re- gionen als Lokalwinde betrachtete, welche von der Ver— ſchiedenheit von Land und Waſſer herrühren. Eine weitere Eigentümlichkeit der Ferrelſchen Anſchauungen iſt die Zu⸗ rückführung der Cyklone auf die allgemeine atmoſphäriſche Cirkulation. Die Cyklone, welche am meiſten ſymmetriſch in den Tropen zur Entwickelung kommen, haben im Cen- trum einen entſchieden tiefen Luftdruck, welcher mit einem Ringe höheren Luftdruckes umgeben iſt; außerhalb dieſes Ringes bewegen ſich die Winde an der Erdoberfläche vom Radius weg (rechts auf der nördlichen Hemiſphäre); inner- halb des Ringes dagegen eirkulieren die Winde an der Erdoberfläche um das Centrum herum, indem ſie einwärts in einer aufſteigenden linksgewundenen Spirale mit zu— nehmender Geſchwindigkeit wehen, bis ſie in der Höhe in einer niederſteigenden Spirale ſich zurückbewegen. Da dieſe centrale Depreſſion zunächſt durch relativ hohe Tem⸗ peratur hervorgebracht wird, ſo iſt ſie eine Cyklone mit warmem Centrum. Dagegen ſtellt das allgemeine Wind- ſyſtem der Nordhemiſphäre eine Cyklone mit kaltem Centrum dar, welches am Pole liegt. Der Ring dieſer Cyklone liegt am Wendekreiſe des Krebſes; mit Ausnahme des Weſt— windes richten ſich die oberen Strömungen in einer links— gewundenen, abwärts gerichteten Spirale und entfernen ſich unten wieder in einer auswärts gerichteten Spirale. Der Druck wird durch die Centrifugalkraft am Boden er- niedrigt. In den erſteren Cyklonen find die größten Druck unterſchiede (Gradienten) und daher die größten Wind- ) Katalog der meteorologiſchen Beobachtungen in Rußland und Finnland, von E. Leyſt, IV. Suppl.⸗Bd. zum Repert. für Meteorologie, St. Petersburg 1887. ) W. Ferrel, Recent Advances in Meteorology. U. S. War Departement, Appendix 71. Ann. Rep. of the signal officer Wash. 1886. Vergl. das Referat von W. M. Davis in Met. Zeitſchr. 1887 [57]. 383 geſchwindigkeiten an der Erdoberfläche, in den letzteren in der Höhe. Ueber die jährliche Periode der Windrichtung hat Auguſtin eine Unterſuchung veröffentlicht“). Indem er das Häufigkeitsminimum jeder Windrichtung für die ein⸗ zelnen Jahreszeiten beſtimmte, kam er zu dem Reſultate, daß die Nord- und Oſtküſten der Kontinente beider (2) Hemi- ſphären eine rechtsdrehende, die Weſt- und Südküſten eine linksdrehende jahreszeitliche Bewegung des Windes haben. Indeſſen bedarf dieſe Regel jedenfalls noch einer genauen Feſtſtellung, insbeſondere erſcheint die Anwendung der— ſelben auf die ſüdliche Hemiſphäre bedenklich, da der Ver— faſſer eine ungenügende Anzahl Stationen, dazu noch in den Tropen oder deren Nähe benutzt hat. Im Anſchluß hieran erwähnen wir eine kleinere Abhandlung von Selke **), welcher für Tarnopol, Corfu, Hamburg, Prag, Bodenbach, Nagaſaki und Peking zeigte, daß ſich die Winde in der jährlichen Periode gegen die Sonne drehen, und daß an den Weſtküſten die Drehung von Oſt oder Süd, an den Oſt— küſten dagegen von Nord und Weſt ihren Anfang nimmt. — In einer größeren Abhandlung“) zeigt Ragona, daß die Phaſen (Maxima und Minima) der Häufigkeit der Winde in Modena mit den Phaſen der meiſten meteorologiſchen und magnetiſchen Elemente übereinſtimmen: Tag des Jahres 4) Magn. Oscillation. 1) Häufigkeit 2) Wind⸗ zwiſchen 9h a. m. und der Winde. geſchwindigkeit. 3) Luftdruck. 3h p. m. 4 Jahre. 11 Jahre. 18 Jahre. 2 Jahre. 87 93 90 31 144 161 153 141 200 215 209 200 256 268 265 245 307 322 323 289 377 385 387 367 Anderweitige Beziehungen ſucht Ragona für die tägliche Periode nachzuweiſen. Eine Unterſuchung auch für andere Orte erſcheint wünſchenswert. — Obgleich das Buch von G. Berndt über den Föhn keinen Fortſchritt der Meteoro— logie bekundet, fo wollen wir dasſelbe doch der Vollſtändig— keit wegen anführen. Dasſelbe bildet eine Kompilation von allem möglichen Quellenmaterial und einigen wenigen eigenen Beimiſchungen, die meiſt nicht zur Klarheit bet- tragen. In demſelben Jahre (1886) veröffentlichte Berndt noch ein zweites Buch: „Der Einfluß des Alpenföhnes auf Natur- und Menſchenleben.“ Die vielverbreitete Anſicht, daß die Zeit der Aequi— noktien beſonders reich an heftigen Stürmen ſei, iſt auf Grund deutſcher und engliſcher Beobachtungen als irrtüm— lich nachgewieſen worden. Eine Unterſuchung dieſes Gegen- ſtandes auch für das Adriatiſche Meer zeigt allerdings ein Maximum der ſtürmiſchen Winde im März, aber keines— wegs im September, welcher, abgeſehen von den drei eigent⸗ lichen Sommermonaten, der ruhigſte Monat iſt ef). Eine *) F. Auguſtin, Ueber die jährliche Periode der Richtung des Windes, im Sitzungsber. d. Kgl. Böhm. Geſ. d. Wiſſenſch. Prag 1886. **) Ladisl. Selke, Die Drehung der Winde in der jährlichen Periode, im „Wetter“ 1887, S. 34. ***) D. Ragona, Studii sulla freqenza dei venti e sulla relazioni della medesima coi principali elementi meteorologici, Roma 1886. +) Annalen der Hydrogr. 2c. 1887, S. 246. 384 Humboldt. — Oftober 1887. klare Ueberſicht des Wichtigſten in unſerem Wiſſen von den Wirbelſtürmen der Chinaſee gibt Doberck, welche in den reichhaltigen Veröffentlichungen des Hongkonſchen Inſtitutes ausführlich mitgeteilt wurden). Doberck unterſcheidet vier Klaſſen von Teifunen: die Teifune der erſten Klaſſe treten beim Beginn und am Ende der Teifunzeit auf und durch⸗ ziehen von Luzon aus die Chinaſee aus Weſtnordweſt, oder zuerſt nach Weſt und dann nach Südweſt; die der zweiten Klaſſe ziehen in der Nähe Luzons nach Nordweſt und treffen entweder auf die Küſte von China ſüdlich vom Formoſakanal, worauf ſie im Inneren Chinas umbiegen, wieder das Meer erreichen und dann mit erneuter Kraft nach Oſtnordoſt ſich entfernen, oder ſie wenden, nachdem ſie den Formoſakanal durchwandert haben, ſich nordweſt⸗ wärts und ziehen der japaniſchen Küſte entlang, oder ſie erreichen die chineſiſche Küſte nördlich von Formoſa. Die Teifune der dritten Klaſſe ziehen im Oſten von Formoſa nordwärts und machen ſich oft nur mittelbar bemerkbar, die der vierten Klaſſe gehen im Süden von Luzon weſtwärts, nachher manchmal ſüdweſtwärts. — Knip⸗ ping faßt das Reſultat ſeiner Unterſuchung““) über Teifun⸗ bahnen mit den Worten zuſammen: „Die Teifune ſind in der Mitte Japans ganz regelmäßig verlaufende Erſchei⸗ nungen. Ihre Bahnen bilden nach Oſten offene Parabeln oder Teile derſelben. Der Scheitel liegt im Hochſommer in der Breite von Südjapan, im Spätſommer und Herbſt weiter ſüdlich oder weſtlich. In beiden Fällen ſind die Bahnrichtungen auf weniger als einen Halbkreis beſchränkt; außerdem iſt die Fortbewegung bei der erſten Scheitellage eine langſame, bei der zweiten eine ſchnelle.“ — Ueber die Cyklone, welche Vorderindien von der Bai von Bengalen her betreten, hat Eliot eine Unterſuchung veröffentlicht“ ?). Hiernach kreuzt ein großer Teil der Stürme der Südweſt⸗ monſune die Küſte von Oriſſa; die Mehrzahl derſelben dringt über die Oriſſahügel in die Centralprovinzen ein. Wie in Europa zeigen auch in Indien die Cyklone die ſteigung, zu mehreren aufeinander auf ähnlichen Bahnen zu folgen. Die Regengüſſe bei dieſen Cyklonen ſind außer⸗ ordentlich groß, insbeſondere auf den Ebenen Vorder⸗ indiens. So fielen am 13. September 1879 zu Purneah 898, am 18. September 1880 in Nagina 823 und an dem⸗ ſelben Tage in Dhampore 772 mm Regen, alſo mehr als in unſeren Gegenden durchſchnittlich ein ganzes Jahr zu fallen pflegt. — Ueber Lokalſtürme erwähnen wir zwei kleinere Aufſätze, nämlich über den Orkan zu Bielitz in der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember 1886 (von K. Kolbenheyer) und über die Windhoſe zu Teplitz am 16. Mai 1887 (von C. Braun) -). Temperaturverhältniſſe. Eine wertvolle und intereſſante Abhandlung über Temperaturabweichungen und Temperaturſchwankungen veröffentlicht P. Perlewitz, indem er 38jährige Beobachtungen (1848 — 77) zu Berlin zu Grunde legt). Hiernach beträgt die mittlere Geſamtſchwankung *) The law of storms in the Eastern Seas. Hongkong Telegraph 1886. ) Annalen der Hydrogr. 2c. 1887, S. 112. ) Account of the South-West-monsoon storms generated in the Bai of Bengal during the years 1877/81 in Indian meteor. mem. V. II. P. IV. No. 6. 1885. Vergl. Met. Zeitſchr. 1887, S. [16]. +) Met. Zeitſchr. 1887, S. 223 und 266. Tt) Wiſſenſch. Beil. zum Progr. des Sophien⸗Gymn. Berlin, 1886. vom kälteſten zum wärmſten Tage 22,1 C., die Periode mit ſteigender Temperatur (13. Januar bis 23. Juli) um⸗ faßt 191, diejenige mit abnehmender nur 174. Im ein⸗ zelnen ergaben ſich folgende Häufigkeitszahlen für die ein⸗ zelnen Perioden (bis zu tägigen herab): Perioden: 1 12 ak ay OY) = Be 5 4 Tage. Summe. ſteig. Temp. 1 — 1 4 7 11 28 65 130 ae 516 ſink. Temp. — — 1 4 5 7 22 29 125 266 459 Summe 1 — 2 8 12 18 50 94 255 585 975 Die Wintertemperaturen in den Thalſohlen der Alpen⸗ länder zeigen oft außerordentlich ſtarke Abweichungen gegen diejenigen an ganz nahe gelegenen Orten der Bergabhänge, die man manchmal auf Fehler zurückzuführen geneigt iſt; hierüber macht Hann eine intereſſante Mitteilung“). Im Salzachthale wurden vergleichende Beobachtungen am Wohn⸗ ort (A), 20 Schritt davon, auf freiem Felde (B) und in der Thalſohle, 40 bis 50 m tiefer als A (C) gemacht. Die Beobachtungen während der Kälteepoche vom 15. bis 25. Fe⸗ bruar d. J. ergaben folgendes intereſſante Reſultat (Wetter faſt durchgehends heiter): Sh a.m. 2h p. m. 9h p. m. Mittel N= 99P =O = 582 = hor B — 10,3“ — 1,3“ — 6,7» — 6,1“ C —15,0° —1,9° — 10,7° — 9,2°C. Am 14. war die Thalſohle um 10°, am 17. um 10,6“ kälter als der Wohnort. Bemerkenswert iſt eine Abhandlung von Woeikof über die Fortpflanzungsfähigkeit der Wärme der feſten Erdkruſte im Vergleich zu derjenigen der Gewäſſer ). Woeikof kommt zu dem Reſultate, daß der Erdball zum größten Teil durch die Oberfläche der Oceane der hohen Breiten Wärme durch Ausſtrahlung in den Weltraum verliert. Dieſer Wärmeverluſt bekundet ſich in der Aufſpeicherung ausgedehnter falter Waſſermengen am Boden der Oceane. Am Aequator zwiſchen 20%cnördl. und ſüdl. Br. berechnet ſich die Tiefentemperatur zu nur 4“, und dieſe außer⸗ ordentlich tiefe Temperatur entſtammt insbeſondere dem Antarktiſchen Eismeere, von woher die unteren Waſſer⸗ ſchichten langſam äquatorwärts ſich bewegen. Da ſich hierbei die Oberflächentemperaturen der Oceane nur in ſehr geringem Maße ändern, ſo hat das Anwachſen der kalten Waſſermaſſen auf dem Boden der Oceane auch nur geringen Einfluß, indeſſen ſcheint der größte Wärmeverluſt, den unſere Erde erleidet, von der Wärmeausſtrahlung der Meere, insbeſondere der Polarmeere, herzurühren. — Die Oberflächentemperaturen in den Oceanen ſind von Krümmel unterſucht worden***). Auf Grundlage von Iſothermen⸗ karten für Februar und Auguſt kam der Verfaſſer zu dem für die Meteorologie wichtigen Schluß, daß zwei Drittel der Meeresoberfläche beſtändig über 24° und mehr als die Hälfte über 20° C. warm iſt. Für beide Hemiſphären er⸗ gaben ſich die Teile der Meeresflächen in Prozenten der Geſamtfläche, welche über 24° reſp. über 20° erwärmt iſt: ) Met. Zeitſchr. 1887, S. 184. **) Woeikof, Etude sur la temperature des eaux et sur les Variations du globe; im Arch. d. phys. et nat. 1886, No. 1. ) O. Krümmel: Die Temperaturverteilung in den Oceanen. Zeitſchr. für wiſſenſch. Geogr. VI, 1. 1887. Humboldt. — Oktober 1887. 385 über 210 C. über 200 C. Febr. Aug. Jahr. Febr. Aug. Jahr. Nordhemiſphäre 42 68 55 43 59 51 Südhemiſphäre 58 32 45 29 Summe Mill. qkm 146 142 144 198 189 192 Hieraus geht hervor, daß die Oceane der Nordhemi— ſphäre an ihrer Oberfläche entſchieden wärmer ſind als die der Südhemiſphäre. — Von hervorragender Bedeutung iſt die umfangreiche Unterſuchung von M. Rykatſchew über das Gefrieren der Gewäſſer in Rußland. Leider iſt dieſe Arbeit nur in ruſſiſcher Sprache erſchienen“). Eine Sammlung von mehr als 300 Seiten Tabellen wird noch lange Zeit eine Quelle erſten Ranges für dieſen Gegen- ſtand ſein und regt zu den verſchiedenartigſten weiteren Studien und Zuſammenſtellungen an. Die Unſicherheit der Eintrittszeiten des Gefrierens und Aufgehens der Ge— wäſſer iſt in Gegenden mit milderen Wintern im Weſten und Süden größer als im Norden und Oſten, ſo daß alſo zur Feſtlegung der mittleren Eintrittszeiten für die er- ſteren Gegenden längere Beobachtungsreihen notwendig ſind als für die letzteren. Das Gefrieren der ruſſiſchen Flüſſe fängt im Mittel ſchon am 1. September an, ein Arm der Kolyma friert zuerſt zu, einen halben Monat ſpäter folgen Taimyr, Indigirka und Jana, am ſpäteſten (abgeſehen von den Flüſſen, die gewöhnlich nicht zufrieren) der Kuban am 18. Januar, welcher aber auch ſchon am früheſten, am 15. Februar, aufgeht. Vom letzteren Datum dringt das Auftauen nach Norden und Oſten hin vor. Ende Juni gehen die letzten großen Flüſſe auf, Jeniſſei und Lena an ihren Mündungen, im Juli haben nur noch die Flüſſe der Taimyrhalbinſel teilweiſe Eis. Die Linien gleichzeitigen Gefrierens und Aufgehens ſind, wie die Iſo— thermen, im ganzen von Weſtnordweſt nach Oſtſüdoſt ge— richtet. Nach Eintritt des Frühlings (wenn die Tempe- ratur über 0° geſtiegen) gehen zuerſt kleine, dann große Flüſſe, dann Kanäle und endlich Seen auf; wenn die Temperatur in der jährlichen Periode unter O° geſunken iſt, gefrieren zuerſt die Kanäle, dann die kleinen und großen Flüſſe, und endlich die Seen. Wir hoffen, daß dieſes wichtige Werk auch den in der ruſſiſchen Sprache nicht Bewanderten durch Ueberſetzung zugänglich gemacht wird. Niederſchlagsverhältniſſe. Ueber die Zählung der Tage mit Niederſchlag herrſchen bezüglich der unteren Grenzen noch ſehr verſchiedene Anſichten, indem es zwiſchen einem Regentag mit andauerndem Regen und einem ganz trockenen Tage Uebergangsſtufen gibt, nämlich ſolche Tage, an welchen in kurzer Zeit nur ſehr geringe Regenmengen oder gar nur Regentropfen fielen. Allerdings wurde auf dem Wiener Kongreſſe 0,1 mm Niederſchlag als unterer Grenzwert angenommen, allein die meteorologiſchen Inſtitute kommen dieſem Beſchluſſe meiſt nicht nach. Auf Vorſchlag von Hellmann empfahl das internationale, 1885 in Paris tagende Komitee als untere Grenze 0,2 mm, welche ſeit 1883 von dem Preußiſchen Meteorologiſchen Inſtitute in Anwendung kam. Ueber dieſen Gegenſtand veröffentlichte E. Brückner eine intereſſante Unterſuchung“), welche zu ) St. Petersburg, 1886. Wir benutzen das Referat von Woeikof in Meteor. Zeitſchr. 1887 [21]. ) Brückner, Ueber die Methode der Zählung der Regentage und deren Einfluß auf die reſultierende Periode der Regenhäufigkeit, in Meteor. Zeitſchr. 1887, S. 241. Humboldt 1887. folgendem Reſultate führte: „Es ſind als Regentage alle Tage mit mehr als 0,15 mm oder 0,005 Zoll Waſſer im Regenmeſſer zu zählen, und zwar ganz abgeſehen des Waſſers aus Regen, Schnee, Hagel, Graupeln, Nebel, Tau oder Reif. Es würde ſich ſodann empfehlen, bei genaueren klimatologiſchen Unterſuchungen die Regentage nach mehr— fachen Schwellenwerten zu zählen; um eine Vergleichbarkeit zu erreichen, wäre eine Einigung über einheitliche Schwellen notwendig. Als geeignet dürften folgende allgemein an— zunehmen ſein: Z 1, wm reſp. 0,04 inches, 5, mm reſp. 0,2 inches und Z 10,0 mm reſp. 0,4 inches.“ Von dem Berliner Zweigverein der Deutſchen Meteo— rologiſchen Geſellſchaft wurden in und um Berlin 16 Regen— ſtationen angelegt, deren Beobachtungsreſultate Hellmann in dem Berichte dieſes Vereins für 1886 beſpricht. Es betrug das Verhältnis der größten zur kleinſten monat— lichen Niederſchlagsmenge im Winter Frühjahr Sommer Herbſt 1,73 1,53 2,13 1,57. Die frei dem Winde exponierten Regenmeſſer geben namentlich im Winter geringere Niederſchlagsmengen als geſchützt aufgeſtellte, daher empfiehlt Hellmann für jene einen Schutzzaun, deſſen Oberkante, von der Außenfläche des Regenmeſſers aus geſehen, unter einem Winkel von 20 — 250 erſcheint. Es iſt bekannt, daß in Gebirgen die Regenmenge mit der Höhe zunimmt; dieſes aber geſchieht nur bis zu einer gewiſſen Grenze, wo ein Maximum auftritt, von welcher Grenze ſowohl abwärts als aufwärts die Regenmenge ab— nimmt. Dieſe Verhältniſſe hat Erk für den Nordabhang der bayriſchen Alpen für den Zeitraum November 1883 bis November 1885 unterfucht*). Erk weiſt nach, daß eine jahreszeitliche vertikale Verſchiebung der Zone maxi— malen Niederſchlages am Nordabhang der bayriſchen Alpen exiſtiert, welche (nach dem vorliegenden Material) in erſter Linie von der Jahresperiode der Temperatur abhängig iſt. „Mit Beſtimmtheit tritt eine einfache Maximalzone häufig im Winter in den Lagen 600-1000 m auf; es darf aber nicht verkannt werden, daß dieſelbe nicht regel— mäßig und durch den ganzen Winter anhaltend erſcheint; ſondern ſie bildet ein Seitenſtück zur Temperaturumkehr mit der Höhe, welche ja auch faſt in jedem Winter und ebenfalls mit zeitlicher Unterbrechung wiederkehrt.“ Bekanntlich gehört Deutſchland, außer den Nordſee— küſten, dem Gebiete der Sommerregen an, indeſſen nehmen in den deutſchen Mittelgebirgen die Winterniederſchläge im Verhältniſſe zu denen des Sommers mit der Höhe zu, während die des Frühlings und Herbſtes unter ſich nahezu gleich bleiben. In einer gewiſſen Höhengrenze erreichen die Winterniederſchläge den Wert der ſommerlichen, über dieſe hinaus übertreffen ſie dieſelbe. Dieſes Reſultat erhielt Hellmann im Jahre 1880 bei Bearbeitung der Brockenbeobachtungen und beſtätigte und verallgemeinerte es auch auf außerdeutſche Gebirge durch ſeine neuerliche Unterſuchung ““). Dabei weiſt Hellmann auf die funda- *) Erk, Die vertikale Verteilung und die Maximalzone des Nieder⸗ ſchlags am Nordabhange der bayriſchen Alpen im Zeitraume November 1883 bis November 1885. Meteor. Zeitſchr. 1887, S. 55 ) Hellmann, Beiträge zur Kenntnis der Niederſchlagsverhältniſſe von Deutſchland, II. in Meteor. Zeitſchr 1887, S. 84. 49 386 Humboldt. — Oktober 1887. mentale Bedeutung dieſes Vorherrſchens der Winternieder⸗ ſchläge in unſeren Mittelgebirgen für die hydrographiſchen Verhältniſſe des Landes hin, indem er bemerkt, daß die Winterniederſchläge zur Speiſung der Quellen und Flüſſe bei weitem mehr beitragen als diejenigen irgend einer anderen Jahreszeit, namentlich des Sommers, wo durch Verdunſtung und Abſorption des Erdreichs und der Vege⸗ tation 20—50 %% den Flüſſen verloren gehen. „Wenn nun gerade im Gegenſatz zu den Tiefländern vingsumher, wo die meiſten Niederſchläge im Sommer erfolgen, in den höheren Gebirgslagen, auf denen alle größeren Flüſſe Deutſchlands entſpringen, die Winterniederſchläge ſehr ver⸗ ſtärkt auftreten oder gar das Uebergewicht beſitzen, ſo kann dieſes nur als eine weiſe Maßregel im Haushalte der Natur betrachtet werden, der wir den Waſſerreichtum der meiſte nunſerer Flüſſe zu verdanken haben.“ — Auf Grund der von Loomis herausgegebenen Regenkarte berechnet J. Murray die Waſſermaſſe, welche jährlich auf die Land⸗ oberfläche der Erde fällt und welche jährlich von den Gewäſſern des Feſtlandes dem Oceane zugeführt wird). 9340 ebm werden in abflußloſen Gebieten ganz durch die Verdunſtung abſorbiert, in den übrigen Gebieten iſt das Verhältnis der abfließenden Waſſermenge im Verhältniſſe zu der als Regen gefallenen (Abflußfaktor) ſehr verſchieden, am geringſten iſt es bei 30° Breite, für höhere Breiten tft es relativ hoch, für die Tropenzone von 30° nördl. bis 30° ſüdl. Br. beträgt es 1:4,5. Die geſamte dem Ocean zufließende Waſſer⸗ maſſe beträgt jährlich 24600 ebm (nach Johnſon 56000, Reclus 28000, Woeikof 16800 ebm), von welchen 16400 dem Atlantiſchen Ocean zuſtrömen. 28 700 ebm werden durch Verdunſtung der Atmoſphäre zurückgegeben. Dieſe Zahlen ſind allerdings nur rohe Annäherungen an die wirklichen Thatbeſtände, haben aber dennoch ein hohes Intereſſe. — Am Schluſſe dieſes Abſchnittes über Nieder⸗ ſchlagsverhältniſſe erwähnen wir noch die Monographien über die Regenverhältniſſe von Sachſen !), in der Umgebung von Frankfurt a. M.“ ), San Fernando ), Indien und im Indiſchen Ocean st). Die maſſenhaften Schneefälle im vorigen Dezember gaben vielfach Veranlaſſung zu kleineren Unterſuchungen. Gewittererſcheinungen. In neueſter Zeit find von dem Preußiſchen Meteorologiſchen Inſtitute ſehr um⸗ faſſende Gewitterbeobachtungen eingerichtet worden, ſo daß in Weſteuropa wieder eine große Lücke ausgefüllt wurde; auch in Rußland machen dieſe Beobachtungen erfreuliche Fortſchritte. — Eine neue Gewitter⸗ und Hageltheorie iſt von Suchsland aufgeſtellt worden eit). Suchsland unter⸗ ſcheidet die Erſcheinungen in 1) die Gewitterwolken als *) J. Murray, On the total annual Rainfall on the Land of the Globe and the Relation of Rainfall to the annual Discharge of Rivers (The scott. Geogr. magaz. III, 2). ) O. Birkner, Ueber die Niederſchlagsverhältniſſe des Königreichs Sachſen. Inaug.⸗Diſſert. Leipzig, 1886. ) Si Ziegler, Niederſchlagsbeobachtungen in der Umgebung von Frankfurt a. M., nebſt Regenkarte für Main⸗ und Mittelrheingegend. (Jahresber. d. Phyſ. Vereins in Frankfurt a. M., 1886.) Tt) Meteor. Zeitſchr. 1887, S. 269. tt) H. Blanford, The Rainfall of India, Introd. Part I, aus Ind. meteor. Memoirs V. III. P. I. Kalkutta 1886; ſiehe auch Wetter, 1880, Heft 5, und Annalen der Hydrogr. ꝛc., 1887, S. 118. tt) E. Suchsland, Die gemeinſchaftliche Urſache der elektriſchen Meteore und des Hagels. Halle, 1886. Voltaſche Konglomerate kleinſter abſoluter Gaselemente mit zwiſchengelagerter Flüſſigkeit, 2) die Hagelwolken als Gewitterwolken mit ungewöhnlich hoher elektriſcher Span⸗ nung und 3) die Luftelektrieität als Influenzwirkung von elektriſchen Polen, welche ſich in der ruhigen Atmoſphäre, als einem Voltaſchen Konglomerate kleinſter abſoluter Gas⸗ elemente mit zwiſchengelagertem Waſſergas und wenig Flüſſigkeit ſtets vorfinden. Durch die in der Luft vor⸗ handene Salpeterſäure wird die elektriſche Erregungs- und Leitungsfähigkeit des eingelagerten Waſſers erhöht. Ob⸗ gleich dieſe Theorie einer höheren Begründung noch fehr bedarf, ſo iſt ſie dennoch ſehr beachtenswert, um ſo mehr, als einige begleitende Erſcheinungen durch dieſelbe unge⸗ zwungen erklärt werden können. — Eine größere Abhand⸗ lung über Gewitter und Gewitterbeobachtungen gibt Hahn), insbeſondere ſehr beachtenswerte Winke für Beobachter, die in hohem Grade unſere Aufmerkſamkeit verdienen. — Bemerkenswert iſt eine Unterſuchung von Lang über die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Gewitter in Süddeutſch⸗ land“). Auf Grund von 787 Gewitterzügen aus dem Zeitraume von 1882—86 beſtimmte Lang die mittlere Fortpflanzungsgeſchwindigkeit zu 41 km pro Stunde, welche mit jener in Frankreich übereinſtimmt, aber größer iſt als diejenige in Norwegen und Italien, ſo daß zwiſchen der Nordſee und dem Mittelmeer ein Maximum der Geſchwindig⸗ keit liegt. Dabei ziehen die von Weſten kommenden Ge⸗ witter raſcher als die von Oſten, und iſt die Geſchwindig⸗ keit in den Wintermonaten größer als in den übrigen Monaten, raſcher in den Nachtſtunden als in den ſpäteren Vormittags⸗ und Nachmittagsſtunden. Das letztere Reſultat ſtimmt nahezu mit dem Hellmannſchen überein, nämlich daß die Gewitter in der kalten Jahres- und Tageszeit am raſcheſten fortſchreiten. — Eine Reihe merkwürdiger und intereſſanter Einzelerſcheinungen bei Gewittern im ſchle⸗ ſiſchen Gebirge, insbeſondere auf der Schneekoppe, teilt Reimann mit ). Hiernach ſind Gewitter unterhalb des Beobachters auf der Schneekoppe gar nicht ſelten. — Eine intereſſante Tabelle über die Richtung der Gewitterzüge gibt H. Meyers), die wir auf nächſter Seite reproduzieren wollen. Nach einer Zuſammenſtellung von Freyberg ee) hat auch im Königreich Sachſen die Blitzgefahr zugenommen, und zwar ſeit Anfang der ſechziger Jahre um das Drei⸗ fache. Die ausgeprägte periodiſche Ab- und Zunahme hat nach dem Verfaſſer nur eine teilweiſe Aehnlichkeit mit der Sonnenfleckenperiode. Dagegen glaubt Läska nach ſeinen Unterſuchungen der Gewitter in Prag (184085) einen ſolchen Zuſammenhang erkennen zu können und zwar, in Uebereinſtimmung mit Bezold, daß Sonnenfleckenminima den Gewittermaxima entſprechen f). — Eine ausführliche und intereſſante Unterſuchung hat Börnſtein über die ge⸗ witterreiche Epoche vom 13. bis 17. Juli 1884 angeftellt§), ) Annalen der Hydrogr. ꝛc. 1887, Heft I u. II. ) Bd. VIII, 1886, Beob. d. met. Stat. im Königr. Bayern. XL VI. ***) Weitere Berichte über Gewittererſcheinungen im ſchleſiſchen Ge⸗ birge. Meteor. Zeitſchr. 1887, S. 164. +) H. Meyer, Die Gewitter zu Göttingen in den Jahren 1857—80 in Nachr. d. Kgl. Geſellſch. d. Wiſſenſch. zu Göttingen, Nr. 9, 1887. +t) Elektrotechn. Zeitſchr. 1885. Vergl. Wetter, 1887, Heft 1. ttt) Meteor. Zeitſchr. 1887, S. 95. §) In „Aus dem Archiv der Seewarte“, Jahrg. VIII. Humboldt. — Oktober 1887. 387 Wehen, | gee | x | we |e | se | s | sw] w ee Frankreich 1865 - 77 3239 i. 2,6 3,2 11,2 44,1 31,2 46 Oberitalien. 5 1880-81 201 Hr il 1,2 0,3 2,0 | 13,3 | 56,5 | 16,9 Mittel- und Unteritalien 1880-81 201 16,1 | 0,8 0,6 — — 5,4 | 55,0 | 22,1 Bayern. 1881—85 751 5,5 | 2,9 277 4,3 6.5 | 30,0 | 35,5 | 12,7 Prag 1840-85 442 4,3 3,9 3,9 88 11,1 174 38,2 12,4 Wien 1853—84 444 U 833 7,5 i 9,0 | 14,2 | 23,8 16,8 Budapeſt 5 1861-70 195 19,1 8,7 82 16,2 12,3 7,2 16,1 12,3 Reichstel. Gebiet. 1882—85 10488 3,4 | 4,8 58 | 84 | 11,8 33,5 22,2 10,5 Telegr. Bezirk Kaſan 188082 4036 8,1 6,7 7,8 n ee ee, Gotaland 4 1871—75 3544 3,9] 66 | 9,7 | 10,4 17,4 25,7 20,4 5,9 Svealand 1871—75 2789 6,6 | 6,4 SHEE |b asym pee) e aa hepa 8,5 Norrland 1871—75 1549 68 | 80 | 10,8 15,3 | 22,1 | 15,4 | 13,6 8,0 und zwar auf Grund von 230 Gewitterbeobachtungen. Die | Materiales und zur Löſung klimatologiſcher Fragen. Die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit variierte zwiſchen 24 und 53 km pro Stunde und betrug im Mittel 37,5 km pro Stunde (10,4 m pro Sekunde). Die Bewegung war in weitaus den meiſten Fällen oſtwärts gerichtet. Die aus— brechenden Gewitter hatten meiſtens ein Druckminimum und ein Temperaturmaximum auf der Vorderſeite. Nach Börnſtein beſchleunigen die Gebirge das Herannahen und verlangſamen das Abziehen der Gewitter, während die Flüſſe als Hinderniſſe auftreten. Das Ueberſchreiten der Flüſſe geſchieht mitunter in der Weiſe, daß nach voraus- gegangener Annäherung an das eine Ufer zuletzt das Ge— witter auf beiden Ufern ausbricht. Ueber Wolken ſind eine Reihe intereſſanter Arbeiten erſchienen. Zunächſt iſt eine eingehende Arbeit von Köppen zu nennen“), in welcher derſelbe Bericht erſtattet über die neueren Beſtrebungen auf dieſem Gebiete und die Auf— merkſamkeit auf die Klaſſifikation der Wolken und die Schwierigkeit derſelben hinlenkt. Als Anhang folgen einige intereſſante Bemerkungen zur Entwickelungsgeſchichte der Wolken, einem Zweige, welcher bisher faſt keine Beachtung fand. Ebenſo intereſſant ſind die Mitteilungen von Ekholm und Hagſtröm über die Höhe der Wolken in Upſala. Die Höhe der Wolken hat eine beträchtliche tägliche Periode und zwar ſteigt die Höhe der Baſis der Cumuluswolken allmählich vom Morgen bis zum Abend, wobei die Gipfel— höhe und die Mächtigkeit um 1¼h p. m. ein Maximum erreichen; der Zuwachs iſt vormittags raſcher als die Ab— nahme gegen Abend. Ueberhaupt ſteigt die mittlere Höhe ſämtlicher Wolken, ohne Rückſicht auf die Form, während des Tages, wobei die Aenderung fic) auf nahezu 2000 m beläuft. Die Cumuli ſind ihrer Dicke nach am geringſten im barometriſchen Maximum, wachſen in der Nähe eines Minimums und ſind am größten in den Gewittern, wo ſie oft eine Mächtigkeit von mehreren Kilometern beſitzen. Auch auf dem Gebiete der Klimatologie iſt rüſtig weiter gearbeitet worden. Zunächſt erwähnen wir eine Abhandlung von Köppen „Anleitung zu klimatologiſchen Unterſuchungen“ ), welche beachtenswerte Winke gibt zur Herſtellung brauch- und vergleichbaren klimatologiſchen ) Meteor. Zeitſchr. 1887, S. 203 u. 252. ) In Brauns Lehrbuch d. Balneotherapie, 5. Aufl. Braunſchw., 1886. Abhandlung iſt zwar ſpeciell für den Arzt geſchrieben, ijt indeſſen für jeden Leſerkreis verſtändlich und verwertbar. — Von den ſpeciell das Klima eines Ortes oder einer Gegend behandelnden Arbeiten erwähnen wir: Dränert, „Das Küſtenklima der Provinz Pernambuco“; Woeikof, „Zum Klima von Korea“; Hann, „Zum Klima der Kanariſchen Inſeln“; Lizuar, „Das Klima von Brünn“; Buſin, „Die Mittelwerte der wichtigſten meteorologiſchen Elemente von Palermo“; Parkinſon, „Im Bismarck-Archipel“; Caſtelliz, „Klima von Tüffer in Südſteiermark“. Die Arbeiten ſind entweder im Original oder im Auszuge in der Deutſchen Meteorologiſchen Zeitſchrift enthalten, worauf wir an dieſer Stelle verweiſen. Ausübende Witterungskunde. Das Organ der Seewarte für ausübende Witterungskunde „Monatliche Ueberſicht der Witterung“ erhielt nach Abſchluß des 10. Jahrganges eine durchgreifende Reform und erſcheint ſeit dem Januar 1887 unter dem neuen Titel „Monats— bericht der Deutſchen Seewarte“. Der Inhalt beſchränkt ſich nunmehr auf das eigene Gebiet der Seewarte, maritime und Küſtenmeteorologie in Verbindung mit Wetter- telegraphie und Sturmwarnungen, wie es nach der Neu— geſtaltung des Preußiſchen Meteorologiſchen Inſtitutes in Berlin wünſchenswert erſcheint. Die Grundlage der Be— richte bilden jetzt nahezu ausſchließlich die Aufzeichnungen des Beobachtungsſyſtems der Seewarte auf dem Atlantiſchen Ocean und an der deutſchen Küſte, die telegraphiſch ein- laufenden Angaben und die täglichen Wetterberichte der übrigen meteorologiſchen Inſtitute. — Hervorzuheben ſind die eingehenden Unterſuchungen des amerikaniſchen Gelehrten E. Loomis über das Verhalten der barometriſchen Minima und Maxima auf dem Gebiete zwiſchen Ural und Felſen— gebirge“). Ich kann auf dieſe inhaltsreichen Schriften hier nicht näher eingehen, verweiſe indeſſen auf meine aus- führlichen Beſprechungen in der Meteorologiſchen Zeitſchrift, den Annalen für Hydrographie und dem Wetter. — Ueber Wettertypen in Kalifornien veröffentlicht Glaßford einen in⸗ tereſſanten Aufſatz“ ). Er unterſcheidet je nach der Lage des ) Loomis, Contributions to meteorology, I. and II. revised edition, New-Haven, Conn. 1885 and 1887. ) W. A. Glaßfort, Weather typus on the Pacific Coast in Calif. Acad. of Science, Bull. 5, p. 77. 388 Humboldt. — Oktober 1887. NN -y— — — Maximums und Minimums ſechs Wettertypen, von denen die meiſten im Gegenſatze zu den öſtlichen Straten die Neigung haben, ſich längere Zeit zu erhalten. In der trockenen Jahreszeit herrſcht faſt auschließlich ein einziger Typus: hoher Druck auf dem Meere, niedriger auf dem Lande. — Schon wiederholt wurde es als ein Mißſtand unſerer ge⸗ genwärtigen Wettertelegraphie bezeichnet, daß das Intervall von 24 Stunden viel zu groß iſt, um die Aenderungen der Wetterlage mit Beſtimmtheit zu verfolgen, ſo daß oft Witterungswechſel, namentlich Stürme ein Gebiet unvor⸗ bereitet überraſchen können; aus dieſem Grunde wurden in der ruhigen (wärmeren) Jahreszeit an der Seewarte zwei, in der unxuhigeren (kälteren) drei Termine für die wettertelegraphiſche Arbeit eingeführt. Die Notwendigkeit der Vermehrung der Termine zeigt Arkenbout Schokkes in einer größeren Abhandlung), indem er die Witterungs⸗ vorgänge vom 14. bis 18. November 1880 an der Hand von ſtündlichen Beobachtungen unterſucht. Er kommt ſchließ⸗ lich zu der Radikalreform, welche ſchon früher von Reiſſel⸗ bergh vorgeſchlagen hatte, und die ich in einem früheren Bande dieſer Zeitſchrift beſprochen habe, nämlich zur Teleo⸗ meteorographie, wodurch es möglich iſt, den Eang der meteorologiſchen Elemente an verſchiedenen Stationen durch telegraphiſche Transmiſſion an der Centralſtelle in jeder be⸗ liebigen Zeit kontinuierlich zu verfolgen. Es iſt dieſes der Traum der Meteorologen, deſſen Verwirklichung wohl noch lange auf ſich warten laſſen wird. In dem vorigen Berichte wurde auf die Wichtigkeit des Unterſchiedes des Temperaturminimums und des feuchten Thermometers am Nachmittage mit Rückſicht auf die Vor⸗ ausbeſtimmung der Nachtfröſte hingewieſen. Kammer⸗ mann und andere finden dieſen Unterſchied für kältere Gegenden nahezu 4 C. Ich habe dieſen Unterſchied für Calcutta aus den Beobachtungen für 1881/85 berechnet und fand ihn bedeutend kleiner, nämlich für März bis Oktober 0,5 -C., in den übrigen Monaten zeigten ſich ſehr verſchiedene, aber nur geringe Werte! ). Ueber die Beziehungen des Regenwetters zu der Lage der Depreſſionen berichtet C. Ferrari, daß es an dem Weſtabhange der Apenninen in den Jahren 1883 1886 nur dann regnete, wenn das Depreſſionscentrum im Norden lag, an der Oſt⸗ ſeite dann, wenn dasſelbe im Süden ſich befand, was offenbar mit der verſchiedenen Wirkung der Weſt- und Oſtwinde zu⸗ ſammenhängt und auch für andere Gegenden Geltung hat“). Die in den Wetterkarten der Seewarte im Jahre 1886 veröffentlichten Wetterprognoſen ſind eingehend von van Bebber geprüft worden und zwar zum erſtenmal mit Berückſichtigung des Zufalles und der Erhaltungstendenz des Wetters z) und nach einer Methode, welche jede Will- kür ausſchließt. Wir wollen die Hauptergebniſſe dieſer Prüfung hier wiedergeben: 1) Die Wahrſcheinlichkeit des rein zufälligen Eintretens einer Witterungserſcheinung iſt nicht 50% (wenn 100% *) A. E. Arkenbout Schokker, Les publications atmosphériques étudiées au moyen d'observations horaires. Utrecht, 1886. **) Meteor. Zeitſchr. 1887, S. 105. Ueber die Vorausbeſtimmung der Nachtfröſte vergl. auch Lang in „Wetter“, 1887, Heft 4. ) „Wetter“, 1887, Heft 1. +) J. van Bebber, Die Ergebniſſe der Wetterprognoſen im Jahre 1886, Beiheft zum Monatsbericht der Deutſchen Seewarte, 1887. die volle Gewißheit bezeichnet), ſondern liegt zwiſchen ſehr weiten Grenzen. Eine Berückſichtigung des reinen Zufalls iſt zur Beurteilung des Erfolges oder Mißerfolges der Prognoſe unbedingt notwendig. 2) Die Erhaltungstendenz des Wetters iſt zwar bei Aufſtellung von Wetterprognoſen nicht zu vernachläſſigen, allein Prognoſen, welche nur auf Erhaltungstendenz baſiert ſind, haben keinen oder doch nur einen bedingten Wert. Bei der Prognoſenſtellung iſt das Hauptaugenmerk auf die Vorherſagung des Witterungswechſels zu legen. Daß dieſes bei den Wetterprognoſen der Seewarte wirklich der Fall war, geht aus der vorhergehenden Unterſuchung deutlich hervor. 3) Bei der Anwendung der Ausdrücke in der Prognoſe „normale Temperatur“, „veränderliche Bewölkung“ iſt es geraten, ganz beſonders vorſichtig zu ſein. 4) Die Prognoſen der Seewarte haben eine veelle Baſis und können ziffernmäßig einen nennbaren Erfolg aufweiſen. 5) Die Zahlenwerte für die Prozentzahl der Treffer find für die drei Prognoſengebiete, nämlich Nordweſt⸗, Oſt⸗ und Süddeutſchland, nahezu gleich und hieraus folgt, daß der Wert der Lokalindizien meiſtens überſchätzt worden iſt. Auf dem Gebiete der Mondmeteorologie haben wir nur eine größere Arbeit hier zu erwähnen, nämlich die von Frieſenhofk). Wir müſſen bedauern, daß uns die umfangreichen und mit ſo großer Mühe zuſammen⸗ geſtellten Tabellen nicht beweiskräftig für die Fluthfaktoren (namentlich Aequatordurchgang) erſcheinen. Wenn wir auch Frieſenhof nicht mit Falb, Overzier, Röttger und anderen in einen Topf werfen, ſo ſteht er doch unter dem Banne eines ſchlimmen Zaubers, der ſchon ſo manchen fähigen Kopf auf Irrwege gebracht hat. Nur eine ruhige, nüchterne Unterſuchung frei von jeder Willkür iſt hier der einzige Weg, die wirklichen Thatbeſtände feſtzuſtellen. Ebenſo ſteht es mit einer Abhandlung von Zenker über Sonnenmeteorologie**), wonach der Verfaſſer aus ſeinen Sonnenphotographien zu einer großartigen Ent⸗ deckung gelangt ſein will. Dieſe Photographien zeigten in dem Sonnenbild elliptiſche und ſpiralige grauweiße Flecken, und hieraus leitete Zenker eine Erklärung faſt aller Vorgänge in unſerem Sonnenſyſtem, ſelbſt in unſerer Erd⸗ atmoſphäre, ab. Dieſe Entdeckung wurde von Wipple, Lagrange und Pernter als Selbſttäuſchung nachgewieſen. Einen Zuſammenhang der Sonnenfleckenperiode mit der im Sonnenſchein gemeſſenen Temperatur fand Hill für Allahabad n), fo daß die niedrigſte Temperatur mit dem Fleckenmaximum zuſammenfällt: Jahr 1876 1877 1878 1879 1880 Relativzahlen 21273 3,44 60 32,4 Inſol. Temperatur 28,3 29,5 29,5 28,7 28,2 Jahr 1881 1882 1888 1884 1885 Relativzahlen 54,2 59,6 67,3 63,4 2 27,2 26,5 26,05) 26,9 284 Inſol. Temperatur *) Joh. Gr. Frieſenhof, Beweisdokumente für die Richtigkeit der Flutkrafttheorie, ſoweit fie durch das agrarmeteor. Obſervatorium des Neutrathaler landwirtſch. Vereins vertreten und verfochten wird. 1887, Nr. 1 u. 2. „) Zenker, Die Meteorologie der Sonne und die Wetterprognoſe des Jahres 1886. Prag, 1887. e) S. A. Hill, On solar thermometre observations at Alla- habad in Journ. of the Asiat. soc. of Bengal, Vol. LY, Part II, 1886, No. 4. Humboldt. — Oftober 1887. 389 Dagegen fand Hann ), daß die tägliche Schwankung des Luftdruckes weder in den Amplituden noch in den Phaſe— zeiten eine merkliche Abhängigkeit von der Sonnenflecken⸗ periode aufweiſt. Sind aber die täglichen Barometer— ſchwankungen Wärmeeffekte und ſind ſie von der in der Atmoſphäre direkt abſorbierten Sonnenſtrahlung abhängig, fo darf man ſchließen, daß die von der Atmoſphäre ab- ſorbierte Sonnenſtrahlung fic) mit der Sonnenflecken⸗ häufigkeit nicht ändert. — Eine kleine elfjährige wie eine große hundertzehnjährige Periode der Ueberſchwemmungen ) Sitzungsberichte der Wiener Akad. der Wiſſ., Bd. XIII, Abt. II, Mai 1886. will Katzerowsky gefunden haben ), indeſſen ſcheint ſeine Methode der Unterſuchung ungenügend, immerhin aber ſind die chronologiſch geordneten Zuſammenſtellungen als Material wertvoll. Eine größere Arbeit über die Dämmerungserſcheinungen, insbeſondere über die glänzenden Erſcheinungen des Winters 1883-1884 ſowie über den Biſhopſchen Ring und über das erſte Purpurlicht iſt von Buſch veröffentlicht worden“). Wir können auf dieſe inhaltreiche Schrift hier nicht weiter eingehen und verweiſen daher auf das Original ſelbſt. ) Mittlgn. des Vereins für Geſchichte der Deutſchen in Böhmen, Bd. XXV, Heft 2, 1886. ) Wiſſenſch. Beil. 3. Progr. d. kgl. Gymn. i. Arnsberg, Oſtern 1887. Elektrotechnik. Von Dr. V. Wietlisbach in Bern. Die Experimente von Fröhlich mit ſchwingenden Telephonmembranen. Die Theorie der Fernſprechleituugen. Das Fernſprechen auf weite Diſtanzen. Die unterirdiſche elektriſche Kanaliſation von New Vork. In neuerer Zeit iſt das Fernſprechen auf weite Diſtanzen Gegenſtand lebhafter Diskuſſion geworden. Die Techniker glaubten theoretiſcher Berechnungen entbehren zu können und verlegten ſich ausſchließlich auf das Probieren. Dieſes Vorgehen wurde aber ſehr koſtſpielig; es wurden lange Telephonleitungen angelegt, welche ſich nach ihrer Voll— endung als unbrauchbar herausſtellten. Anfänglich ſuchte man den Fehler in den Apparaten und glaubte, durch Verſtärkung der Batterien und oft recht abſonderliche Konſtruktionen die Schwierigkeiten überwinden zu können. Aber umſonſt, denn der Fehler lag nicht in den Appa— raten, ſondern in der Leitung. Gegenwärtig hat ſich die Ueberzeugung wohl faſt überall Bahn gebrochen, daß die Beſchaffenheit der Leitung das weſentliche Moment für das Fernſprechen auf weite Diſtanzen iſt, und die beiden Zauber⸗ worte, durch welche das letztere ermöglicht wird, lauten Kupfer und Iſolation. Theoretiſche Entwickelungen im Gebiete des Fernſprech—⸗ weſens hatten bisher kein großes Anſehen, weil keine Methode bekannt war, um ihre Ergebniſſe auf meſſendem Wege zu verifizieren. Man war auf die mehr oder weniger zuverläſſigen Sprechverſuche angewieſen, welche auf ver— ſchiedenen Leitungen an verſchiedenen Orten und mit ver— ſchiedenen Apparaten gemacht wurden. Bei denſelben ſpielte aber ſehr oft ein perſönliches Vorurteil oder ein ſpecielles Intereſſe die größte Rolle, und es geſchah daher häufig genug, daß nicht nur die Beobachtungen verſchiedener Perſonen, ſondern ſolche, welche von denſelben Perſonen zu verſchiedenen Zeiten ausgeführt wurden, einander direkt widerſprachen. Es iſt aus dieſem Grunde von ſehr großem Werte, daß Fröhlich?) eine Methode angegeben hat, wie ſolche Beobachtungen objektiv dargeſtellt und meſſend ver— glichen werden können. Es wird von einigen Gelehrten behauptet, daß die Telephonmembran keine eigentlichen Schwingungen aus⸗ führe, ſondern daß die Töne durch Reſonanz der Molefular- erſchütterungen zu ſtande kommen! ). Um die Schwingungen J Elektrotechniſche Zeitſchrift, Berlin, 1887, S. 210. ) Mercadier, Lumiére Electrique, 1887, XIV. p. 127, der Membran nachzuweiſen, knüpft Fröhlich an die Mitte derſelben eine Saite von 0,6 mm Durchmeſſer und 6 em Länge, welche durch eine Feder geſpannt wird, und be— feſtigt auf derſelben ein leichtes Spiegelchen, welches einen Lichtſtrahl auf einen Schirm reflektiert. Wird das Telephon mit einem kräftigen Mikrophon verbunden, in welches hin— ein geſungen wird, ſo kommt die Saite in Schwingung, und das Lichtbild beſchreibt eine Kurve, welche unter ge— wöhnlichen Verhältniſſen 50 em Durchmeſſer erhalten kann. Dieſes Experiment iſt geeignet, die Schwingungen der Telephonmembran draſtiſch nachzuweiſen; da aber die Schwingungsarten der Saite und der Membran nicht mit⸗ einander übereinſtimmen, ſo iſt ſie nicht geeignet, um meſſende oder vergleichende Verſuche anzuſtellen. Zu dieſem Zwecke müſſen die Bewegungen der Membran direkt ſichtbar gemacht werden. Um dies zu erreichen, wird auf der letzteren zwiſchen ihrer Mitte und dem Rande ein Spiegelchen befeſtigt. Ein durch dasſelbe auf die Wand projektierter Lichtſtrahl wird bei der Bewegung der Membran ebenfalls eine ſchwache Bewegung zeigen. Beobachtet man dieſelbe mit Fernrohr und Skala, ſo kann man die Größe der Amplitude berechnen. Herr Fröhlich fand für die Telephone von Siemens und Halske als Mittelwert der Amplitude 0,035 mm. Um akuſtiſche einfache Schwingungen zu unterſuchen, ſind die Klangfiguren von Liſſajous ſehr geeignet. Bei dieſen Experimenten werden bekanntlich zwei Stimmgabeln in Bewegung geſetzt, die eine in horizontaler, die andere in vertikaler Richtung, und man läßt einen Lichtſtrahl von den beiden Spiegeln, welche auf den ein— ander zugekehrten Zinken der Stimmgabeln befeſtigt ſind, reflektieren. Man erhält dann auf dem auffangenden Schirm Lichtbilder von einfacher Geſtalt, aus denen leicht auf die genaue Form der Bewegungen beider Gabeln ge— ſchloſſen werden kann. Fröhlich erſetzt die eine Stimm⸗ gabel durch ein Telephon mit zwiſchen Rand und Mitte aufgeklebtem Spiegel, welches von demſelben Strome er— regt wird wie die Stimmgabel. Würde die Telephon⸗ membran die Schwingungen nicht verändern, fo ſollten die- ſelben Kurven entſtehen, gleichviel ob dieſelben durch zwei 390 Humboldt. — Oktober 1887. Stimmgabeln oder durch eine Stimmgabel und ein Telephon erzeugt werden. Die von Fröhlich erhaltenen Kurven zeigen nun aber eine ganz andere, im allgemeinen kompliziertere Form, welche teilweiſe in den elaſtiſchen Eigenſchaften der Membran zu ſuchen ſind. Obgleich ich dieſe von Fröhlich angeführten Einflüſſe vollſtändig anerkenne, ſcheint mir doch die dritte wichtigſte Urſache darin zu liegen, daß die elektriſche Stromkurve, welche die Telephonmembran er⸗ regt, und welche durch die Unterbrechungsſtelle einer Platin⸗ ſpitze erzeugt wird, einen ſehr unregelmäßigen Verlauf hat, und ſich keineswegs mit den einfachen harmoniſchen Be⸗ wegungen einer Stimmgabel vergleichen läßt. Einfache harmoniſche Stromwellen, wie ſie zu dieſem Verſuche not⸗ wendig ſind, laſſen ſich wohl nur durch die Induktion von in Spiralen rotierenden Magneten!) oder durch die Schwingungen ſtark magnetiſierter Stimmgabeln erzeugen. t Gas Tanzende Flamme von Fröhlich. Zur Unterſuchung zuſammengeſetzter Klänge ſchlägt Fröhlich die tanzenden Flammen von König vor, durch welche die Schwingungen von Membranen direkt dargeſtellt werden können. Setzt man auf die ſchwingende Membran eine Kapſel, durch welche Leuchtgas ſtrömt, und zündet das ausſtrömende Gas an, jo gerät die Flamme in eine vibrierende Bewegung, ſobald die Membran durch einen Schall in Bewegung verſetzt wird. Betrachtet man die Flamme in einem raſch rotierenden Spiegel, fo ſieht man eine regelmäßige Reihe tief eingeſchnittener Zacken der ver⸗ ſchiedenſten Formen, welche genau den Impulſen der Membran entſprechen. Um dieſe Erſcheinung für die Unter⸗ ſuchung der telephoniſchen Uebertragung zu verwenden, hat Fröhlich den in nebenſtehender Zeichnung skizzierten Apparat konſtruiert “n). Auf die Telephonmembram t wird ein Stück Kork E befeſtigt, welches oben ſchwach rundlich abgefeilt iſt und in eine darüber angebrachte Höhlung von Meſſing paßt. Spannt man über jene Höhlung ein möglichſt dünnes Häutchen von Gummi oder Fiſchblaſe h, ſo läßt ſich der entſtehende Hohlraum durch eine Mikrometerſchraube in vertikaler Richtung ſo einſtellen, daß die Membran durch den Kork beinahe ganz an die meſſingene Wand an⸗ gedrückt und der durch das Häutchen verſchloſſene Hohl⸗ raum daher ſehr eng wird. Wenn nun das Gas, welches durch dieſen Hohlraum und eine im Meſſingklotz angebrachte ) Vergl. Karſten, Ueber Telephonſtrenen, Elektrotechn. Zeitſchr. 1887, S. 277. ) Vergl. Rob. Weber, Die elektriſche Sirene. Wiedemanns Ann., 1885, Bd. XXIV, S. 676. feine Oeffnung ſtrömt, angeſteckt wird, ſo kommt die Flamme bei den Schwingungen der Telephonmembran in deutliches Tanzen, und es gibt dieſer Apparat ein vortreffliches Mittel, um die Bewegungen der Telephonmembran in koloſſaler Vergrößerung und im zeitlichen Verlaufe aus⸗ einander gehalten zu betrachten. Durch den Apparat können die an der Endſtation vom Telephon erzeugten Schwingungen optiſch dargeſtellt werden. Um den Einfluß der Uebertragung unterſuchen zu können, müſſen auch die an der gebenden Station das Mikrophon treffenden Schall⸗ ſchwingungen optiſch dargeſtellt werden. Zu dieſem Zwecke iſt in den Schalltrichter des Mikrophons ein Loch gebohrt, und ein Schlauch führt von demſelben zu einer einfachen mit tanzender Flamme verſehenen Membran, deren Bild im gleichen rotierenden Spiegel betrachtet wird wie die Flammenbilder der Telephonmembran. Fröhlich findet, daß die Schwingung der Telephonmembran meiſt komplizierter iſt, d. h. mehr Zacken enthält als die direkt angeſungene Membran. Allerdings gelingt es auf dieſe Weiſe bloß, die Vokale darzuſtellen, bei den Konſonanten iſt es dagegen ſchwierig, ein entſcheidendes Reſultat zu erhalten. Für ge⸗ nauere Zwecke, oder wenn die gebende und empfangende Station weit auseinander liegen, müſſen die Flammen⸗ bilder photographiert werden. Weil die Zeitdauer einer Flammenzacke außerordentlich gering iſt, ſo erhält man bei gewöhnlichem Leuchtgas auch auf den empfindlichſten photo⸗ graphiſchen Platten keine Spur eines Eindruckes. Brauchbare Reſultate erhielt Fröhlich mit einer Flamme, welche durch Verbrennung von Schwefelkohlenſtoff mit Stickſtoff entſteht. Derſelbe Apparat läßt ſich natürlich auch verwenden zur Unterſuchung von Stromkurven in anderen Gebieten der Elektrizität, z. B. der Stromkurven der Wechſelſtrom⸗ maſchinen, der regiſtrierenden Kurven in der Chronographie, ferner zur Beſtimmung der Geſchwindigkeit der Geſchoſſe im Geſchützrohr. Wenn ich, wie ſchon oben erwähnt, nicht mit allen Schlüſſen, welche Herr Fröhlich aus den mit ſeinem Apparate erhaltenen Kurven gezogen hat, einig gehe, ſo muß doch zugeſtanden werden, daß derſelbe, wie Herr Fröhlich hofft, eine durchgreifende experimentelle Be⸗ deutung für elektriſche Verſuche erhalten kann. Die erſte etwas vollſtändige theoretiſche Unterſuchung über die Theorie der Fernſprechleitungen glaubt der Referent geliefert zu haben ). Jede Telephonleitung ijt im all⸗ gemeinen durch vier voneinander vollſtändig unabhängige Größen beſtimmt, den Widerſtand, die Induktion, die Kapazität und die Ableitung. Je nach den abſoluten und relativen Werten derſelben wird die Ueber⸗ tragung geändert, und es iſt unmöglich, ſich von derſelben ein richtiges Bild zu machen ohne Kenntnis des Einfluſſes jeder einzelnen jener Größen. Die Telephonſtröme laſſen ſich im allgemeinen dadurch charakteriſieren, daß ſie aus einer großen Zahl raſch aufeinander folgender harmoniſcher Stromwellen beſtehen, und es ergibt ſich daraus, daß die Stromſtärke in einem Telephonſtromkreiſe nie konſtant iſt, ſondern ſich beſtändig ändert. Dieſe beſtändige Variation der Stromſtärke iſt nun das wichtigſte Moment in der telephoniſchen Uebertragung, weil von den vier oben er⸗ ) Elektrotechniſche Zeitſchrift, Berlin, 1887, S. 242. Elektrotechniſche Rundſchau, 1887, S. 67. Electrician, 1887, p. 79. Heaviside, Electromagnetic Induction. Humboldt. — Oktober 1887. 391 wähnten Größen drei, nämlich Widerſtand, Induktion und Kapazität mit der Geſchwindigkeit der Aenderungen teils größer, teils kleiner werden; über die Ableitung liegen noch keine genaueren Unterſuchungen vor. Wahrſcheinlich iſt dieſelbe in allen dielektriſchen Körpern mit Ausnahme vielleicht der Luft ebenfalls von der Geſchwindigkeit der Aenderung abhängig. Jede harmoniſche Welle iſt charakteriſiert durch die Größe der Amplitude und die Fortpflanzungsgeſchwindig— keit. Dieſe beiden Merkmale werden in beſtimmter Weiſe durch die oben erwähnten vier elektriſchen Größen beeinflußt. Die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit wird durch Widerſtand verkleinert, durch Ableitung vergrößert, durch Induktion und Kapazität je nach Umſtänden vergrößert oder ver— kleinert. Die Amplitude wird durch Widerſtand und Induktion verkleinert, durch Ableitung und Kapazität teil⸗ weiſe vergrößert, teilweiſe verkleinert, je nach den relativen Werten zu Induktion und Widerſtand. Wenn man eine aus mehreren einfachen Wellenzügen zuſammengeſetzte Schwingungsform, welche einem beſtimmten akuſtiſchen Klange entſpricht, unterſucht, fo findet man, daß die⸗ ſelbe nach drei verſchiedenen Beziehungen durch die telephoniſche Uebertragung verändert wird; einmal werden alle Amplituden kleiner, die Intenſität alſo geſchwächt. Dann werden die einzelnen Wellen gegeneinander ver— ſchoben, oder ihre Phaſen verändert, da die Fort— pflanzungsgeſchwindigkeit der einzelnen einfachen Wellen verſchieden ſtark geändert wird. Dieſe Verſchiebung hat für die Praxis keine Bedeutung, da das Ohr im ſtande iſt, einen Klang in die einzelnen ihn zuſammenſetzenden einfachen Wellen zu zerlegen, gleichviel welches deren gegen- ſeitige Phaſe ſei. Die wichtigſte Aenderung beſteht in der Verzerrung der Schwingungsform, welche ihre Urſache darin hat, daß die Wellen verſchieden hoher Töne von den vier elektriſchen Größen Widerſtand, Induktion, Ab— leitung und Kapazität auch verſchieden ſtark geſchwächt werden. Die Abhängigkeit der reſultierenden telephoniſchen Uebertragung von den Eigenſchaften der Leitung iſt ſehr kompliziert, und es würde ſehr ſchwierig ſein, allgemeine für die Technik verwendbare Reſultate herzuleiten. Die gewöhnlich vorkommenden Leitungen geſtatten nun aber eine ſehr willkommene Vereinfachung. Dieſelben ſind ent— weder Kabel- oder Luftlinien. Für die erſteren iſt die Induktion gegenüber der Kapazität ſehr klein ). Dieſe Leitung wird dadurch charakteriſiert, daß die Stromſtärke für einen beſtimmten Moment in jedem Querſchnitt der Leitung anders iſt, indem die Wirkung der Kapazität immer nur auf die kondenſatoriſch wirkende Stelle beſchränkt bleibt. Es iſt dabei wichtig zu bemerken, daß die tiefen Töne gegenüber den hohen relativ verſtärkt werden, da die Kapazität zerſtreuend wirkt, und die Zerſtreuung pro— portional der Anzahl der Schwingungen die Intenſität der Wellen ſchwächt. Je größer die Kapazität iſt, um ſo größer wird die Verzerrung; ich habe durch theoretiſche Berech— nungen und praktiſche Verſuche gefunden, daß in Telephon⸗ kabeln, bei welchen C. W. größer als 500 iſt, durch die Verzerrung die Verſtändigung ſchon ſehr erſchwert wird. Bei einer Luftlinie aus Eiſen iſt die Induktion ſehr ) Elektrotechniſche Rundſchau, 1887, S. 13. groß, die Kapazität dagegen relativ klein. Dieſe Ueber— tragung unterſcheidet ſich von der vorhergehenden dadurch, daß die Stromſtärke in jedem Punkte der Leitung für einen beſtimmten Moment überall gleich iſt, da die von der Induktion hervorgerufenen Störungen ſich mit einer Ge— ſchwindigkeit fortpflanzen, welche derjenigen des Lichtes nahe kommt. Im ferneren werden die hohen Töne relativ ſtärker wiedergegeben als die tiefen. Im allgemeinen hat jede Leitung ſowohl Induktion wie Kapazität, und dieſer Umſtand hat eine wohlthätige Wirkung inſofern als die Verzerrung dadurch verkleinert wird. Denn da die Kapazität die tiefen Wellen begünſtigt, die Induktion dagegen die hohen, ſo kann durch eine Kombination beider die Verzerrung ganz beſeitigt werden. Dies iſt für lange Leitungen dann der Fall, wenn W/L = A/C, wo W der Widerſtand, L die Induktion, A die Ableitung und C die Kapazität der Leitung bedeutet. In einer ſolchen Leitung bleibt die Klangfarbe der ein⸗ zelnen übertragenen Laute, abgeſehen von einem ſchwachen Vibrieren“), vollſtändig erhalten; ihr Einfluß macht ſich nur dadurch bemerkbar, daß mit länger werdendem Drahte die Uebertragung immer ſchwächer wird. Die Schwächung iſt aber lange nicht ſo wichtig für die Praxis wie die Verzerrung. Während es wegen der letzteren un⸗ möglich wird, mit einem gewöhnlichen induktionsfreien Telephonkabel durch größere Längen als 10—20 km gut zu ſprechen und die Uebertragung in einer Eiſenſchlaufe von 200 km unmöglich wird, kann mit einer in Luft iſolierten Kupferleitung, wo Kapazität und Induktion einander teilweiſe ausgleichen, die Verſtändigung leicht auf 1000 km ausgedehnt werden. Bis jetzt iſt die Technik noch nicht dazu gelangt, dieſe theoretiſchen, wenn auch ein— fachen Reſultate zu verwerten, da ſie noch mit viel elemen— tareren Verhältniſſen zu kämpfen hat, welche in der Be— ſeitigung der Induktion und der Herſtellung einer gleich— mäßigen guten Iſolation der Leitung liegen. Ein Haupt⸗ erfordernis, um dieſe techniſchen Schwierigkeiten zu be⸗ ſeitigen, iſt die Verwendung eines vollſtändig geſchloſſenen metalliſchen Stromkreiſes für die Telephonleitungen unter Ausſchluß einer Erdleitung. Dieſe Anſicht findet gegen- wärtig allerdings noch wenig Anhänger, obſchon ſie that⸗ ſächlich bereits in verſchiedenen Telephonnetzen und haupt— ſächlich für das Fernſprechen auf weite Diſtanzen zur An— wendung gekommen iſt. Eine notwendige Folge dieſes Syſtems, zugleich auch ein Grund, weshalb man ſich gegen dasſelbe ſträubt, iſt die Anlage der Telephonnetze in den großen Städten mit unterirdiſchen Kabeln, da nur dadurch einerſeits die nötige Drähtezahl verlegt, andererſeits die gleichmäßige Iſolation zuſtandegebracht werden kann. Allerdings iſt die unterirdiſche Kanaliſation der Elek— tricität, wie ſie gegenwärtig in den großen Städten ſowohl für die Telephonleitungen, ganz beſonders aber auch für die Beleuchtungsanlagen notwendig wird, teilweiſe noch im Verſuchsſtadium. In Europa weigerten ſich die Be— hörden, ihre Straßen zu einem Verſuchsfeld für unterirdiſche Anlagen herzugeben, und es wurde durch dieſen Umſtand die Entwickelung der Elektrotechnik nicht unbedeutend ge— hemmt. In Amerika waren die Bedingungen zu dieſer ) Elektrotechniſche Rundſchau, 1887, Oktober. 392 Humboldt. — Oftober 1887. Probezeit viel günſtiger, und es find daher die dortigen Städte nun auch bereits daran, eine definitive unter⸗ irdiſche Kanaliſation auszuführen. Ein erwähnenswertes Beiſpiel, wie in Sachen der Kanaliſation der Elektricität in groß en Städten vor⸗ gegangen werden ſoll, gibt New Jork). Hier häuften fic) die Mißſtände in einem ſolchen Grade, daß ſie für jeder⸗ mann unerträglich wurden. Es war natürlich unmöglich, die Straßen den zahlreichen Konkurrenzgeſellſchaften zu überantworten. Die Stadtbehörden beſchloſſen daher, die elektriſche Kanaliſation für alle Leitungen ſelbſt in die Hand zu nehmen. Es wurde eine Kommiſſion niedergeſetzt, beſtehend aus Fachmännern und ſtädtiſchen Ingenieuren, welche die wichtigeren Kabelanlagen in Amerika und Europa beſuchte und ein detailliertes Programm aufftellte über die Art und Weiſe, wie eine ſolche Kanaliſation ausgeführt werden ſolle. Die Stadt übergab die Ausführung einer beſonders hierzu gebildeten Geſellſchaft, welche unter Auf⸗ ſicht und Anordnung der Stadt die Bauten in die Hand nahm. Nach einem von der Stadt aufgeſtellten Reglement iſt die ausgeführte Kanaliſation den elektriſchen Geſell⸗ ſchaften zur Verfügung zu ſtellen, und die letzteren ſind gezwungen, nach Maßgabe des Fortſchreitens der Kanaliſation in den verſchiedenen Stadtteilen ihre oberirdiſchen Leitungen abzubrechen und ſie unterirdiſch anzulegen. ) Elektrotechniſche Zeitſchrift, Berlin, 1887, S. 4. Die Kommiſſion empfiehlt das Einziehungsſyſtem. Bei demſelben werden in den Straßen, hauptſächlich an den Kreuzungsſtellen, Unterſuchungsbrunnen angelegt; dieſe ſtehen durch Rohrleitungen miteinander in Ver⸗ bindung, in welche die Drähte eingezogen werden. In Chicago ſtehen bereits über 20 Meilen ſolcher Kanäle im Betrieb. In New York ſollen die Rohrleitungen aus Asphaltmörtel beſtehen, welcher ein Gemiſch von reinem Asphalt und Sand ift und folgende Vorteile in ſich ver⸗ einigt. Er iſt ſehr billig, dauerhaft, ſolid, feſt, und elektriſch gut iſolierend. Die Miſchung widerſteht der Einwirkung von Säuren, Alkalien und Gaſen. Die Konſtruktion iſt mit Leichtigkeit luft⸗ und waſſerdicht zu machen. Die Kanäle werden in Baulängen von circa I m hergeſtellt, und in denſelben Löcher zum Durchziehen der Leitungen von 0,5 — U m Durchmeſſer angebracht. Dieſe Blöcke werden einer an den andern gelegt, und nachher die Zwiſchen⸗ räume mit flüſſigem Asphalt ausgegoſſen, ſo daß von einem Brunnen zum anderen luft⸗ und waſſerdichte Röhren entſtehen. Der Kanal liegt unmittelbar unter dem Straßen⸗ niveau über allen übrigen Leitungen. Die Brunnen ſind natürlich ganz im Niveau der Straße, ſo daß ſie ohne weiteres zugänglich ſind. Die Abzweigungen geſchehen von den Brunnen aus, am einfachſten in eiſernen Röhren. Es ſind ſchon einige Kilometer dieſer Kanaliſation her⸗ geſtellt. Kleine Mitteilungen. Ceichengift zur Jagd. Die Zahl der Fälle, in welchen Leichengift zur Vergiftung von Jagdwaffen ver⸗ wandt wird, erhält einen Zuwachs aus einem ganz civiliſierten Lande, aus Norwegen. In der Umgebung von Bergen gebraucht man zur Jagd des zeitweiſe erſcheinenden Nordkapers (Balaenoptera rostrata) nach einer Mitteilung von A. Hanſen Harpunen und Speere, welche mit dem Leichengift früher erlegter Tiere infiziert ſind; der Wal erliegt in 24—36 Stunden der Blutvergiftung ſelbſt bei ganz unbedeutenden Verletzungen. Geht die Jagd zu Ende, ſo werden die Waffen mit den brandigen Teilen aus der Umgebung der Wunde des zuletzt erlegten Tieres ein⸗ gerieben und ſorgſam aufbewahrt. Der Phyſiolog Gade hat in dem trockenen Ueberzug der Harpunen einen eigenen Bacillus gefunden und durch mehrere Generationen rein gezüchtet, welcher der Träger der Giftwirkung zu ſein ſcheint. Ko. Die rote Färbung der untergehenden Sonne. Wenn Lichtſtrahlen durch eine farbloſe Flüſſigkeit oder ein farbloſes Gas hindurchgehen, worin kleine Partikelchen ſuſpendiert ſind, Partikelchen, die, mit den Wellenlängen des Lichtes verglichen, nur geringe Dimenſionen haben, ſo werden die Strahlen wie Lord Rayleigh theoretiſch und Kapitän Abney experimentell bewieſen hat, um ſo leichter das Medium durchdringen, von je größerer Wellenlänge ſie ſind. Die roten Strahlen werden daher im größten Prozentſatz hindurchkommen, die blauen dagegen werden am meiſten reflektiert und zerſtreut werden. Auf die Farbe der Partikelchen kommt es dabei durchaus nicht an, das Medium ſelbſt aber muß natürlich, damit keine teilweiſe Abſorption des auffallenden Lichtes ſtattfindet, farblos ſein. Sehr lehrreich und leicht ausführbar ſind die folgenden, von Abney angegebenen, hierauf bezüglichen Experimente: Man läßt die Sonnenſtrahlen durch einen Spalt fallen und durch ein dahinter befindliches Prisma ein Spektrum auf einem Schirm entwerfen. Sodann bringt man vor den Spalt eine wäſſerige Löſung von unterſchwefligſaurem Natron und gießt tropfenweiſe Salzſäure zu, wodurch der Schwefel ſich in äußerſt feinen Teilen ausſcheidet und die Flüſſigkeit ein trübes, milchiges Ausſehen bekommt. Man ſieht nun bei der zunehmenden Trübung zunächſt das violette Ende des Spektrums verſchwinden, dann das Blau, das Grün u. f. f., bis zuletzt auch das Rot verſchwindet. — Eine trübe Flüſſigkeit kann man ſich auch herſtellen, indem man eine alkoholiſche Maſtixlöſung vorſichtig in Waſſer tropft; Maſtix iſt in Waſſer unlöslich und ſcheidet ſich daher in kleinen Partikeln aus. Selbſt mit Tabaksrauch läßt ſich das Experiment machen. Vergleicht man die Helligkeit einer beſtimmten Stelle im Spektrum bei verſchieden dicken Schichten des trüben Mediums, ſo findet man das auch bei der Abſorption geltende Geſetz, daß, wenn eine Schicht von 1 em Dicke die Helligkeit einer Stelle beiſpielsweiſe auf ½ vermindert, eine Schicht von 2 em nur ½ und eine ſolche von 3 em nur ½7 der urſprünglichen Helligkeit durchläßt. Man muß ſich vorſtellen, daß bei der 2 em dicken Schicht zunächſt von dem erſten Centimeter die Intenſität auf ½ ver⸗ mindert wird, fo daß auf die nächſte Schicht von 1 em nur dieſer Betrag von Licht fällt, und dieſer wird nun wieder auf ½ ſeines Wertes verringert, wodurch im ganzen ½ der Anfangsintenſität übrigbleibt. Aus dem vorangehenden iſt nun auch der Grund er⸗ ſichtlich für die rote Farbe der Sonne bei ihrem Auf⸗ und Untergang. Die Atmoſphäre iſt angefüllt mit kleinen Partikeln von Staub, Waſſerbläschen, organiſchen Keimen und zwar, da das Geſetz der Schwere auch auf dieſe kleinen Körper ſeine Wirkung ausübt, unten mehr als oben. Wenn nun die Sonne am Horizont ſteht, ſo müſſen ihre Strahlen eine längere Strecke in der Atmoſphäre und gerade da, wo dieſe die meiſten Partikelchen enthält, zurücklegen, als wenn ſie im Zenith oder in großer Höhe ſteht. Es werden daher im erſteren Falle die roten Strahlen weniger zer⸗ ſtreut werden als die blauen. Ebenſo wird die Sonne im Winter wegen ihres tieferen Standes und der meift Humboldt. — Oktober 1887. trüberen Luft uns im Verhältnis zur Geſamtmenge mehr rote und weniger blaue Strahlen zuſenden als im Sommer. Abney fand durch Vergleichung der auf dem 2500 m hohen Riffel in der Schweiz und in ſeinem Laboratorium zu South Kenſington angeſtellten Beobachtungen, daß an letzterem Orte in den Sonnenſtrahlen um die Mittagszeit des 21. Juli ½ ſoviel violette, / mal ſoviel grüne und % 0 mal ſoviel rote, am 23. Dezember aber gar nur Vio ſoviel violette, /½ foviel grüne und ¼ ſoviel rote Strahlen vorhanden waren als auf dem Riffel am 15. Sep⸗ tember mittags. Der Umſtand, daß die blauen Strahlen der Sonne namentlich erſt in den unteren Schichten der Atmoſphäre zerſtreut werden, erklärt uns auch die Thatſache, daß in Hochgebirgen der Himmel nahezu ſchwarzblau erſcheint im Vergleich zu ſeiner heiteren Färbung in unſeren Gegenden. Die Schatten ſind in einer Hochgebirgslandſchaft dunkler, ſchroffer als in niedrig gelegenen Gegenden, weil ſie bloß durch das von den Gegenſtänden reflektierte Licht etwas erhellt werden, während in tief gelegenen Gegenden nament⸗ lich auch das in der Atmoſphäre zerſtreute Licht die Ueber— gänge von Hell und Dunkel mildert. Infolge dieſes letzteren Umſtandes beſitzen die Bilder unſerer Gegenden eine größere Wärme als die Hochgebirgslandſchaften. Kf. Eine neue Verſuchsweiſe zur DBeftimmung der mittleren Dichtigkeit der Erde iſt auf dem aſtro⸗ phyſikaliſchen Obſervatorium in Potsdam von Wilfing ausgeführt worden. Ein Pendel, beſtehend aus einer meſſingenen Röhre von 1 m Länge und 45 mm Durch- meſſer, iſt ganz nahe über ſeinem Mittelpunkt, wo die Röhre zu dem Zweck durchbrochen iſt, aufgehängt, ſo daß es ſich faſt im indifferenten Gleichgewicht befindet und ſchon durch eine geringe Kraft aus ſeiner vertikalen Lage herausbewegt wird. An ſeinem oberen und unteren Ende ſind Kugeln von je 600 g befeſtigt. Dieſen Kugeln werden nun, der einen von rechts, der anderen von links je eine große Maſſe, ein 300 kg ſchwerer eiſerner Cylinder, genähert, wodurch das Pendel wegen der Anziehung der Maſſen auf die Kugeln eine Ablenkung erfahren wird. Nachdem man die Stellung des Pendels mit einem Fernrohr an einer Skala abgeleſen hat, bringt man die Maſſen auf die andere Seite der Kugeln, ſo daß jetzt das Pendel durch die beiden Maſſen im entgegengeſetzten Sinne aus ſeiner Anfangs— lage abgelenkt wird, und macht mit dem Fernrohr die zweite Ableſung. Hat man ſomit die Anziehung gefunden, welche die beiden Maſſen auf die Kugeln ausüben, ſo läßt ſich aus der Vergleichung dieſer Anziehung mit der An— ziehungskraft der Erde die Maſſe dieſer letzteren und, da auch die Größe derſelben bekannt ijt, ihr ſpecifiſches Gewicht oder ihre mittlere Dichtigkeit berechnen. Der von Wilfing für dieſelbe gefundene Wert 5,59 ſtimmt ſehr gut mit dem nach anderen Methoden gefundenen Reſultaten überein. Es iſt klar, daß der Apparat, damit keine Er⸗ ſchütterungen beim Umlegen der Maſſen vorkommen, äußerſt ſolid gebaut ſein muß, auch das Fernrohr muß, damit es ſeine Stellung nicht ändert, auf einem feſten Pfeiler ruhen; beſonders aber iſt es nötig, daß der Raum, in welchem ſich das Pendel befindet, vollſtändig abgeſchloſſen iſt von dem, in welchem ſich der Beobachter aufhält, weil ſonſt die durch ſeine Bewegungen oder durch ſeine Wärmeausſtrahlung entſtehenden Luftſtrömungen das Pendel beeinfluſſen würden. Der Beobachter muß daher von außen nicht nur die Ab⸗ leſungen bewirken, ſondern auch das Umlegen der Maſſen beſorgen können. Weſentlich für den Erfolg war es jeden- falls auch, daß durch konſtante Temperatur ſich auszeichnende Souterrainräume für die Verſuche gewählt wurden. Ganz den gleichen Zweck verfolgende Experimente werden zur Zeit in einer Kaſematte zu Spandau von König und Richartz angeſtellt. Hier ſoll die Anziehung einer großen Bleimaſſe gemeſſen werden, indem man ein und dasſelbe Gewicht abwechſelnd auf zwei untereinander hängende Wagſchalen legt, deren eine über und deren andere unter der Blei— maſſe ſich befindet, ſo daß dieſe das erſte Mal mit der Anziehungskraft dor Erde vereint, das andere Mal ihr entgegen wirkt. Kf. Humboldt 1887. 393 Befruchtung von Fritillaria Meleagris L. Soviel mir bekannt, find die Beſtäubungseinrichtungen von Fritillaria Meleagris L. bisher nicht beſchrieben worden. Ich konnte am 15. Mai d. J. die Befruchtung der Pflanze in Wulfshagen bei Gettorf in Schleswig (einem bisher nicht bekannten Stand— orte), wo ſie zu Tauſenden auf einer Wieſe wächſt, beobachten. Die lebhaft gefärbte, große, nickende Blüte macht die Pflanze ſchon aus der Ferne augenfällig; gleichzeitig iſt das Peri⸗ gon wegen ſeiner herabhängenden Stellung ein Schutzorgan für die Geſchlechtsteile und erinnert dadurch lebhaft an gewiſſe Campanulaarten. Der Honig wird jedoch nicht, wie bei dieſen, von einer im Grunde der Blüte befindlichen Scheibe abgeſondert, ſondern er findet ſich in der Furche jedes Perigonblattes und zwar da, wo die Perigonblätter ſich umbiegen. Während die Campanulaarten proterandriſch ſind, iſt die Narbe von Fritillaria bereits empfängnisfähig, wenn die Staubbeutel noch geſchloſſen ſind. Als Befruchter beobachtete ich (in mehr als 20 Fällen) ausſchließlich Bombus terrestris. Die Hummel ſetzte ſich auf die äußere Seite eines Perigonblattes, kroch dann um den unteren Rand desſelben herum in das Innere der Blüte und kletterte an der Innenſeite des Perigonblattes in die Höhe, bis ſie den Honig erreichte. Dabei ſtreifte ſie mit dem Rücken des Abdomens zuerſt die tiefer als die Staubbeutel befind- liche Narbe und mußte dieſe belegen, wenn ſie bereits eine andere Blüte derſelben Art beſucht hatte. War die Blüte bereits befruchtet, ſo mußte die Hummel beim Höherklettern ihren Rücken mit Pollen beſtäuben. Während dies die normale Beſtäubungsart war, konnte noch eine andere beobachtet werden. Das Inſekt kroch dann nicht an der Innenſeite der Perigonblätter hoch, ſondern kletterte an dem Griffel und den Staubfäden wie an einem Tau in die Höhe und ſuchte nun vergebens am Grunde der Staub- und Fruchtblätter nach Honig. Dabei ſtreifte es mit der Unterſeite des Abdomens zuerſt die Narbe und dann die Staubbeutel. Bei ausbleibender Fremdbeſtäubung findet Sichſelbſt— beſtäubung ſtatt. Eines der ſechs Staubblätter wächſt dann gewöhnlich in die Länge, ſo daß der Staubbeutel ſich in gleicher Höhe mit der noch empfängnisfähigen Narbe be— findet und ſpringt dann erſt auf, während die übrigen Staubblätter kürzer bleiben und auch ihren Bliitenftaub bereits entleert haben. Eine Befruchtung durch den Pollen der letzteren iſt nicht möglich, da die papillöſe Stelle der Narbe ſich auf der Innenſeite der Narbenſtrahlen befindet. Kiel. Dr. Knuth. Schutz der Alpenpflanzen. Wir berichteten kürzlich über die Anlage eines Gartens zur Kultur von Alpen⸗ pflanzen bei Viſſoye im Einfiſchthal (Schweiz). Wie der Schriftführer der „Association pour la protection des plantes“ in Genf, Profeſſor Correvon an die „Köln. Ztg.“ ſchreibt, ſind jetzt auch in allen bedeutenderen Gaſthöfen in der Schweiz, Tirol, Frankreich und Italien durch den Verein Tafeln angebracht worden, durch welche die Alpen— pflanzen dem Schutze der Bergbeſucher empfohlen und letztere beſonders erſucht werden, ſich jeder mutwilligen Zerſtörung durch rückſichtsloſes Ausreißen ſeltener Alpengewächſe zu enthalten. Ferner hat der Verein in Genf (Chemin Dancet 2, Plainpalais) einen Garten zur Acclimatijation von Alpenpflanzen angelegt, der jedem Pflanzenfreund ohne weitere Förmlichkeit zugänglich iſt. Hier werden alle Arten der gefährdeten Gebirgspflanzen gehegt; an Liebhaber werden übrigens zu billigen Preiſen dieſe Pflanzen und Samen derſelben abgegeben, worüber Preisverzeichniſſe unentgeltlich überallhin verſendet werden. Der Garten bei Viſſoye dient hauptſächlich zu Lehrzwecken. Zum Zwecke des Schutzes der Alpengewächſe und Wiederanpflanzung derſelben in den verwüſteten Gegenden iſt die Anlage von drei ferneren Acclimatiſationsgärten beſchloſſen worden. Die Regierung des Kantons Wallis hat eine jährliche Unterſtützung bewilligt. Ueber ähnliche Beſtrebungen wird aus Oeſterreich berichtet. Die ſteiermärkiſche Statthalterei hat, wie das „Centralblatt für das geſamte Forſtweſen“ mitteilt, nach— dem ſie durch ihre Organe wahrgenommen, daß das rück— 50 394 ſichtsloſe Sammeln von Speik (Valeriana celtica) und verſchiedenen Gentianen, dann von isländiſchem Moos (Cetraria islandica) und Azalea procumbens eine Boden⸗ lockerung herbeiführt und hierdurch die Erhaltung der Bodenkrume gefährdet wird, neuerlich darauf hingewieſen, daß zum Sammeln von Heilpflanzen die Erlaubnis der politiſchen Bezirksbehörde notwendig ſei. Ferner erließ ſie die Anordnung, daß das Wurzelgraben auf ſteilen Berg⸗ lehnen und abſchüſſigen felſigen Orten gänzlich unterſagt ſei. Das Sammeln an anderen Orten darf ſich nur auf die ſtärkeren Exemplare erſtrecken, auch dürfen an ein und der⸗ ſelben Stelle nicht viele Stücke hinweggenommen werden. Das Sammeln von isländiſchem Moos wird nur in geſchützteren Lagen zuläſſig erklärt und auf eine ſtreifenweiſe Ge⸗ winnung beſchränkt. Ms. Tebenskraft des Drachenbaumes. Am 28. Februar 1886 ſammelte ich zu Icod de los Vinos auf der Nord⸗ küſte von Teneriffa zwei Sämlinge vom Drachenbaume, welche als Nachkommen des gegenwärtig größten Exemplares der Kanaren aus einer Rindenſpalte der Stammbaſis her⸗ vorwuchſen. Beide Pflänzchen wurden einfach in weißes Fließpapier geſchlagen und dann verpackt. Als ich am 7. Juli, alſo nach 4½ Monaten, dieſelben genauer anſah, fand ich, daß nur das kleinere Exemplar vertrocknet, das größere, etwa 15 em hohe Exemplar, aber durchaus noch lebensfähig war. Ich verſchenkte dies letztere mit der Bitte, es ſofort einpflanzen zu wollen. Leider habe ich bis heute über das Fortkommen des jungen Drachen⸗ bäumchens, woran ich durchaus nicht zweifle, keine Er⸗ kundigungen eingezogen. Dies als Ergänzung zu meinen Zeilen über den Drachenbaum zu Orotava in dieſem Jahr⸗ gange, Heft 8, p. 308 des „Humboldt“. Berlin. Waldemar Hartwig. Nach Klinggraef ſollte ſich das bekannte Unkraut Senecio vernalis erſt in den erſten Jahren dieſes Jahr⸗ hunderts aus dem öſtlichen Oeſterreich nach Preußen ver⸗ breitet haben. Caſpary hat jedoch durch Prüfung eines alten Herbariums feſtſtellen können, daß dieſe Pflanze ſchon 1717 im öſtlichen Teile der Provinz Preußen ge⸗ ſammelt worden iſt. M—s. Gegen die Kartoffelkrankheit empfiehlt man neuer⸗ dings in Frankreich Kupfervitriollöſung und Prillieux hat in der National-⸗Ackerbaugeſellſchaft berichtet, daß auf einer 3 ha umfaſſenden Verſuchsfläche die damit be⸗ handelten Kartoffeln und die Tomaten⸗ oder Paradies⸗ apfelpflanzen von dem Schmarotzer befreit wurden. Das Laub der Tomate wird bekanntlich in beſonders heftiger Weiſe von Phythophthora (Peronospora) infestans, dem Pilze der Kartoffelkrankheit, befallen, und da die in⸗ fizierten Pflanzen keine brauchbaren Früchte mehr entwickeln, iſt das Uebel hier ein verhältnismäßig noch gefährlicheres als bei den Kartoffeln. Es ſollen nun thatſächlich Tomaten⸗ pflanzen, deren untere Blätter von dem Schmarotzer be⸗ reits ergriffen waren, durch die erwähnte Behandlung er⸗ halten worden ſein. M—s. Farbenvarietäten bei Meduſen. Auf zwei auf⸗ fallende Farbenvarietäten einer Meduſenſpecies weiſt, R. v. Lendenfeld hin (Proceedings Linnean Soc. N. S. Wales, vol. 1X und Meeting of the British Association of 1886). Crambessa mosaica O. e G., ein Tier, auch dadurch intereſſant, daß es zur Laichzeit die Flüſſe hinauf⸗ ſteigt, wird von den verſchiedenen Autoren, welche es be⸗ ſchrieben, als blau bezeichnet. Dieſe Farbe, und zwar ein tiefes Blau, beſitzen auch die bei Melbourne in Port Philipp lebenden Individuen der Crambessa mosaica; in dem nicht allzu weit entfernten Port Jackſon bei Sidney da⸗ gegen zeigen dieſe Meduſen eine zwiſchen hellbraun und kaffeebraun ſchwankende Färbung. Die Urſache liegt in einer Symbioſe mit Algen, Zooxanthella, gelben Zellen, welche ſich in allen Crambeſſaindividuen von Port Jackſon finden, jedoch bei den einzelnen Exemplaren mehr oder weniger dicht gehäuft erſcheinen. In den Tieren von Port Philipp dagegen zeigt ſich nie eine Spur von Zooxanthella, obwohl ſich hier zahlreiche Aktinien mit dieſer Alge behaftet Humboldt. — Oftober 1887. erweiſen. Da die bisher in der Litteratur erwähnten Crambessa mosaica alle bei Sidney geſammelt wurden und wie bemerkt als blau bezeichnet ſind, nirgends aber der auffallenden braunen Färbung Erwähnung geſchieht, ſo liegt die Frage nahe, ob erſt in neuerer Zeit, etwa ſeit Huxley die Meduſe 1845 zum letztenmal erwähnte, ſich die Symbioſe zwiſchen Meduſe und Alge herausbildete und infolgedeſſen eine Farbenveränderung eintrat. In den gleichen Häfen fand Lendenfeld zwei Varietäten einer anderen Meduſe, ſeiner Cyanea Annaskala; in Port Philipp hat das Tier einen Durchmeſſer von 10 em, und die Mundarme ſind durchaus tiefpurpurn, in Port Jackſon, wo das durch den Einfluß eines Aequatorialſtromes wärmere Waſſer das Wachstum des Tieres zu begünſtigen ſcheint, erreicht die Meduſe eine Größe von 20 em im Durchmeſſer und mehr, und die Pupurfärbung der Mund⸗ arme beſchränkt ſich auf den Rand. Uebergänge zwiſchen beiden Varietäten ließen ſich bis jetzt nicht finden. —t. Einige Beiträge zur Kenntnis landwirtſchaftlich ſchädlicher Käfer liefert J. Ritzema Bos in Wageningen. Die Staphylinen werden faſt von allen Entomologen als inſektivore und durchgehends nützliche Tiere bezeichnet. Ritzema Bos hat indeſſen in den letzten Jahren zwei Staphylinen kennen gelernt, die als Schädiger von Pflanzen auftreten können. Die eine Art iſt Anthobium torquatum March., welches die Blüten des Rapſes und des Kohles zernagt und ſich auf den Aeckern bei Wageningen ſo zahl⸗ reich findet, daß oft 5—10 in einer Blüte beiſammen ſind. Sie ſondern eine ſtinkende Subſtanz aus, die den Blüten einen abſcheulichen Geruch verleiht und verurſachen oft erheblichen Schaden. — Der andere Käfer, Coprophilus striatulus, war in großer Zahl mit dem Dünger (faulende Grünfuttermaſſe) auf ein Maisfeld gelangt und hatte ſich ſo ſtark vermehrt, daß weder genug faulende vegetabiliſche Subſtanzen, noch ausreichend Inſekten und Würmer vor⸗ handen waren, um die Käfer zu ernähren. Sie griffen daher die Maiskörner an, höhlten dieſelben aus und ver⸗ urſachten entweder ein Nichtkeimen der Körner oder ein baldiges Abſterben der jungen Pflanzen. Die Silpha- Arten leben gewöhnlich von Aas; eine Art, die Silpha quadripunctata, iſt inſektivor. Bei außergewöhnlich ſtarker Vermehrung kommt es vor, daß die Weibchen, z. B. von S. Opaca, atrata ihre Eier nicht in tote Tiere, ſondern in den Boden ablegen, und dann gehen die Larven an junge Pflanzen. Silpha opaca hat 1877 als Käfer in einem kurze Zeit vorher trocken gelegten Polder bei Amſterdam, wo ſie ſehr günſtige Bedingungen zur Vermehrung fand, ganze Rapsäcker kahl gefreſſen, nachdem die vorhandenen faulenden Subſtanzen aufgezehrt waren. Intereſſant iſt die Mitteilung, daß Harpalus ruficornis, ein Laufkäfer, im Juli 1877 in einem Teile der Ortſchaft Lienden (Gelder⸗ land) ſich fo ſtark vermehrte, daß die Käfer ſogax in die Wohnungen der Arbeiter kamen und dieſe ſo ſehr beläſtigten, daß ſie flüchten mußten. Denn die ſchwarzen Laufkäfer biſſen die Leute, während ſie zu Bette lagen, in die Haut. Die Biſſe verurſachten Schmerzen und heftiges Jucken. Die Urſache der ſtarken Vermehrung der Käfer blieb un⸗ bekannt. Ms. Forellen in den Gotthardſeen. In die vier kleinen Seen auf dem St. Gotthard wurden 1848 und 1856 von Lombardi, dem Vater des jetzigen Beſitzers des Gaſthofes, dem damaligen Direktor des Hoſpizes und den Gebr. Motta von Airolo 50 — 70 junge Forellen aus dem Teſſin eingeſetzt. Man glaubte indes, die Tiere ſeien zu Grunde gegangen, und bis 1878 wurden keine Fangverſuche gemacht. Da kam eines Tages ein des Angelns kundiger Engländer und förderte einige ſehr große Forellen aus dem nächſten See zu Tage. Seither ſind hie und da, jedoch im ganzen ſelten, Forellen in den Gotthardſeen gefangen worden, weil es ſchwer hält, ihrer habhaft zu werden, aber alle waren ſehr groß und wogen 3—4 Pfund. Einmal konnte Lombardi, der Beſitzer des Gaſthofes, auch ganz kleine junge Forellen beobachten, von denen man annehmen mußte, ſie ſeien dort geboren worden und zwar im Lago ofcuro, dem zweitgrößten und zweit⸗ Humboldt. — Oktober 1887. 395 höchſt gelegenen der vier Seelein, 2093 m über Meer. Lombardi ſchreibt mir ferner: „Im Jahr 1869 ſind auch in den Sellaſee junge Forellen eingethan worden, und wie es ſcheint halten ſie ſich dort beſſer und haben ſich ver— mehrt, weil ſich dort für ſie mehr Nahrung findet und weil der See nicht ſo den Winden ausgeſetzt iſt.“ In den nur kurze Zeit des Jahres offenen Gotthardſeen finden die Fiſche nur een Nahrung und freſſen deshalb ihre Jungen. Die Vermehrung geht mithin nur ſehr langſam vor ſich, ebenſo das Wachstum. Brehm ſchreibt, indem er Tſchudi eitiert, über das Vorkommen der Forelle im Hoch— gebirge: „Sie findet ſich nicht über 6500 Fuß über Meer, weil die Spiegel der hier gelegenen Seen faſt das ganze Jahr hindurch mit Eis bedeckt ſind. Doch lebt ſie noch im ſchönen Lucendroſee auf dem Gotthard in einer Höhe von 6400 Fuß über Meer.“ Nun liegt aber der Lucendroſee nach den neueſten topographiſchen Aufnahmen 2083 m, alſo 6943 Fuß über Meer, die vier Seelein beim Gaſthof aber 2091 bis 2114 m, alſo bis 7000 Fuß, und der Lago di sella ſogar 2231 m, das iſt über 7400 Fuß über Meer. Zofingen. . Fiſcher-Sigwart. Schwedens Elchwildſtand iſt ein ſehr bedeutender. Im vergangenen Jahre wurden 1197 Stück Elche erlegt, und man ſchätzt, daß außerdem etwa 200 —300 Stück von Wildſchützen geſchoſſen worden ſein mögen. Ms. Etwa 100 Brieftauben wurden am 22. Mai, morgens 7 Uhr in Kreienſen, wohin fie von der unter dem Protek— torate des preußiſchen Kriegsminiſteriums ſtehenden Brief— taubengeſellſchaft „Flugpoſt“ in Gevelsberg geſandt waren, losgelaſſen. Die Tauben ſind bei günſtiger Witterung bereits 8 Uhr 50 Minuten in Gevelsberg eingetroffen, haben alſo in der Minute 2000 m oder pro Stunde 120 km zurückgelegt, eine Leiſtung, die nach Angabe der genannten Geſellſchaft bisher noch nicht erreicht iſt. Die höchſte zuläſſige Ge— ſchwindigkeit eines Expreßzuges beträgt nur 1500 m in der Minute oder 90 km pro Stunde. M—s. Retention wurzelloſer Zähne. Der vielbeſprochene Unterkiefer aus der Schipkahöhle hat bekanntlich Anlaß gegeben zu einer Diskuſſion zwiſchen Virchow und Schaaff— hauſen. Letzterer glaubte wegen eines in dem ungewöhnlich ſtark entwickelten Kiefer befindlichen kindlichen Zahnes dem Reſte eines Rieſengeſchlechtes auf die Spur gekommen zu ſein; er hielt den Zahn für denjenigen eines Rieſenkindes. Virchow dagegen war der Anſicht, daß es ſich lediglich um die verſpätete Entwickelung eines Zahnes in dem Kiefer eines ſtarken Mannes handle. Wenn derartige Verſpätungen bislang noch nicht beobachtet ſeien, ſo liege das darin, daß man eben noch nicht auf dergleichen geachtet habe. Man möge nur ſuchen, ſo werde man Aehnliches ſchon noch auf— finden. In der That haben ſich inzwiſchen bereits mehrere Fälle ergeben, die für die Möglichkeit ſolchen Vorkommens ſprechen. Ein ganz beſonders gutes Beiſpiel bietet aber einer der von Dr. Sievers aus der Sierra Nevada da Santa Marta mitgebrachten Goajiroſchädel, in welchem ſich genau an derſelben Stelle, wie beim Schipkakiefer, unter einem abgenutzten Zahne ein ſolcher unentwickelter Zahn vorfindet, der vorausſichtlich zum Vorſchein gekommen ſein würde, wenn das betreffende Individuum länger ge— lebt hätte. Virchow ſchätzt das Alter dieſes Individuums auf 18— 19 Jahre, jo daß alſo von einem Milchzahne nicht mehr die Rede ſein könne. D. Aeber eine vorgeſchichtliche Vernſteinwerkſtätte bei Butze (unweit Belgard in Pommern) berichtete Virchow der Berliner anthropologiſchen Geſellſchaft. Beim Torfſtechen fand man daſelbſt durchlöcherte Bernſteinſtücke, die aber erſt Aufmerkſamkeit erregten, als in der Nähe eiſerne Waffen der La Tèene-Zeit gefunden wurden. Die von Lemcke unternommenen Forſchungen ergaben mehr als 800 Bernſteinperlen der verſchiedenſten Art, beinahe 100 römiſche Thon-, Glas- und Emailperlen, eine Bulla, eine Provinzialfibel von Bronze, ein Drahtgewinde ate Gold, 6,5 g ſchwer r, und zwei 11 Denare (einen Vespaſian und eine Fauſtina major), alſo Hinweiſungen auf das zweite Jahrhundert nach Chr. Neben ſehr ſorgfältig ge— arbeiteten, fertigen Stücken fand man ganz rohe, durch welche nur ein koniſches Loch gebohrt iſt, unvollendete und halbfertige Stücke. In dem Moore ſelbſt ſtieß man auf Spuren einer Anſiedelung: Scherben von Hausgerät, eine wohlerhaltene, irdene Schöpfkelle, Pfahlreſte in größerer Zahl, ſowie mitten im Torf gelegene Stücke gebrannten Lehmes. Es iſt dies die erſte Bernſteinwerkſtätte im Inneren des Landes, wo allem Anſchein nach gegrabener Bernſtein verarbeitet worden iſt. Die Küſte iſt von da etwa zwei Meilen entfernt und nicht beſonders reich an Bernſtein, zumal an größeren Stücken. Vielleicht ſteht dieſe Werk⸗ ſtätte im Zuſammenhang mit einer uralten Handelsſtraße, die nach Gieſebrecht ſich ehedem durch dieſe Gegend er— ſtreckt haben ſoll. * Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ete. Der XVIII. deutſche Anthropologenſtongreß wurde am 18. Auguſt zu Nürnberg durch den Vorſitzenden Virchow eröffnet. Anknüpfend an die Bedeutung Nürnbergs für das Kunſtgewerbe beſprach Virchow in ſeiner Eröffnungsrede zunächſt die Kunſtthätigkeit des vorgeſchichtlichen Menſchen. Ein Hang, Geräte und Waffen künſtleriſch zu verzieren, hat, wie die in Mammutelfenbein und Renntier- horn eingravierten Zeichnungen, beziehungsweiſe die aus dieſem Material geſchnitzten Figuren beweiſen, bereits dem paläolithiſchen Menſchen innegewohnt; der nämliche Hang wird auch jetzt noch bei Naturvölkern, die von europäiſchen Kultureinflüſſen ſich unberührt erhalten haben, fo z. B. neuer- dings wieder bei den Stämmen von Alaska beobachtet. Der Stoff, aus dem die Geräte, Waffen u. dgl. hergeſtellt ſind, hat auf den Charakter der Verzierungen im allgemeinen nur einen geringen Einfluß ausgeübt und daher kehren die Stilformen des Endes der jüngeren Steinzeit auch in der Metallzeit wieder. Auch gehören keineswegs ausnahms- los die primitive Werkzeugherſtellung und der wenig ge— läuterte Geſchmack einer früheren, die höher entwickelte Her— ſtellung der betreffenden Objekte und der vollkommenere Kunſtſtil einer ſpäteren Epoche an. Es hat vielmehr auch in vorgeſchichtlicher Zeit ein vorübergehendes Zurückſinken in rohere Kulturzuſtände ſtattgefunden. Auf andere Fragen übergehend bemerkt Virchow, daß für die Annahme einer der neolithiſchen Periode folgenden, der Bronze- und Eiſenzeit unmittelbar vorangehenden Kupferperiode während der letzten Jahre vollgültige Beweiſe beigebracht ſind. Eine Epoche, in der das Kupfer als einziges Metall zum Teil noch neben Steingerät im Gebrauche war, hat F. v. Pulszky für Ungarn, V. Groß für die ſchweizeriſchen Pfahl⸗ bautenanſiedelungen nachgewieſen, während Redner ſelbſt auf die in Fundſtätten der iberiſchen Halbinſel in großer Anzahl aufgefundenen, bei Gelegenheit des Liſſaboner Anthropologenkongreſſes in der portugieſiſchen Hauptſtadt ausgeſtellten Kupferobjekte die Aufmerkſamkeit deutſcher Forſcher gelenkt hat. Eine Beachtung verdient auch in dieſer Hinſicht ein kürzlich von M. Much veröffentlichtes Werk, in welchem die für die Annahme einer beſonderen „Kupferzeit“ bis jetzt erbrachten Beweiſe in größter Boll- ſtändigkeit zuſammengeſtellt ſind. Wie, wo und wann zum Gebrauche des Kupfers die Beimiſchung von Zinn hinzu⸗ gekommen, die in der prähiſtoriſchen Bronze (klaſſiſche Le- gierung) faſt ausnahmslos im Verhältnis von 10:90, hie 396 Humboldt. — Oktober 1887. und da auch in der Proportion von 12: 88 auftritt — dieſe Frage zu beantworten ſind wir gegenwärtig noch nicht imſtande Die indiſchen Bronzen haben bis jetzt keinerlei Anhaltspunkt für die Löſung des Problems ergeben und ebenſowenig iſt es wahrſcheinlich, daß der Ausgangspunkt der Erfindung in der Nähe des Kaukaſus ſich befunden hat. Eine Ausſicht, über die erſte Herſtellung der Bronze etwas Näheres zu erfahren, eröffnen gegenwärtig nur ge⸗ wiſſe Ruinenſtädte Südbabyloniens, ſo z. B. diejenige von Telho, wo nach den Ergebniſſen der neueren aſſyriologi⸗ ſchen Forſchung die alten Chaldäer ſchon um 4000 v. Chr. ein Standbild ihres Hauptgottes, welches aus Kupfer her⸗ geſtellt war, beſeſſen haben. Es ſcheint alſo, daß bis da⸗ hin in Meſopotamien von Metallen ausſchließlich das Kupfer im Gebrauche war; dagegen iſt um 2000 v. Chr. in dieſen Gegenden die Bronze ſchon allgemein verbreitet, während die in den unterſten Schichten von Hiſſarlik (Troja) auf⸗ gefundenen Metallobjekte einer Zeit entſprechen, wo neben Steingeräten zuerſt Metall auftritt. Auch unterliegt es keinem Zweifel, daß für unſere Gegenden der erſte Metall⸗ gebrauch ebenfalls ſehr viel ſpäter anzuberaumen iſt als für die Kulturländer Meſopotamiens und Aegyptens. Neuer⸗ dings von A. Nagel bei Röſſen (unweit Weißenfels a. S.) gemachte Funde zeigen neben jungſteinzeitlichen Objekten das Kupfer als erſtes bearbeitetes Metall. In einer Begrüßungsrede entwarf ſodann Hagen ein anſchauliches Bild der geologiſchen Verhältniſſe und phyſikaliſchen Beſchaffenheit der näheren und weiteren Umgebung Nürnbergs, indem er ausführt, wie die von ſtagnierenden Gewäſſern eingenommenen Teile des fränkiſchen Plateaus erſt in verhältnismäßig ſpäterer Zeit beſiedelt wurden und wie andererſeits die durch fließende fiſchreiche Gebirgswäſſer begünſtigten und wildreichen Ab⸗ hänge des Jura, ſowie jene Höhlen, welche den Troglo⸗ dyten der Steinzeit als von der Natur gelieferte Woh⸗ nungen ſich darboten, zur früheſten Beſiedelung einladen mußten. Die Gleichzeitigkeit des Höhlenmenſchen des fränkiſchen Jura mit dem Mammut, dem Höhlenbären und Höhlenlöwen iſt beſtimmt erwieſen, und ebenſo ſind in den beſagten Höhlen aus Knochen, Horn und Stein hergeſtellte Geräte aufgefunden worden, welche der neolithiſchen Pe⸗ riode angehören. Dagegen iſt letztere Epoche in den Grab⸗ funden Frankens nicht vertreten. Die Grabhügel gehören zum Teil der reinen Bronzezeit, zum Teil der jüngeren und älteren Hallſtattperiode und der La Téne-Zeit an. Sie reichen von dem dritten vorchriſtlichen Jahrhundert bis in das zweite Jahrhundert unſerer Zeitrechnung. Der Völkerwanderungszeit zuzurechnende Altertümer ſind in den Fundſtätten Frankens ſo gut wie garnicht angetroffen worden. Der prähiſtoriſche Zinnbergbau, deſſen Spuren im Fichtelgebirge nachgewieſen wurden, iſt vielleicht von ſlaviſchen Stämmen betrieben worden, die in den erſten nachchriſtlichen Jahrhunderten in Franken anſäſſig waren. Es folgte nunmehr ein Bericht von Johannes Ranke (München), dem Generalſekretär der Deutſchen Anthropolo⸗ giſchen Geſellſchaft, in welchem die wichtigſten der während der letzten zwölf Monate auf anthropologiſch⸗vorgeſchicht⸗ lichem Gebiete vorgenommenen Unterſuchungen, ſowie gewiſſe für die anthropologiſche Forſchung wichtige Ereigniſſe be⸗ ſprochen werden. Unter letzteren ſteht die Eröffnung des neuen Muſeums für Völkerkunde in Berlin obenan. Mit beſonderem Danke wird auch auf die Förderung hingewieſen, welche die Kultusminiſterien der Königreiche Preußen und Bayern der Anthropologie durch Erhaltung vorgeſchichtlicher Denkmäler haben angedeihen laſſen und es wird der Wunſch ausgeſprochen, daß dieſe Maßregeln auf das ganze Reich ausgedehnt und daß beſondere Geſetze erlaſſen werden, welche dahin zielen, die noch im Boden enthaltenen, für die Wiſſenſchaft unbezahlbaren Schätze unter den Schutz des Staates zu ſtellen. — Als beſonders wichtig bezeichnet Ranke die Aufgabe, die Klimakrankheiten und das Weſen der Acclimatiſation zum Gegenſtand beſonderer Unterſuchun⸗ gen zu machen. Die anthropologiſche Schulung aller Aerzte, welche in überſeeiſchen Ländern ſich niederlaſſen, oder wie 3. B. die Aerzte unſerer Marine denſelben auch nur vor⸗ übergehend einen Beſuch abzuſtatten beabſichtigen, iſt des⸗ halb eine der wichtigſten wiſſenſchaftlichen Tagesfragen, weil nur auf dieſe Weiſe die Wiſſenſchaft ſichere Anhaltspunkte zu gewinnen vermag, die uns hoffentlich in den Stand ſetzen werden, unſeren in Tropenländern verweilenden Landsleuten im Kampfe gegen das Fiebermiasma und an⸗ dere deletäre Einflüſſe durch entſprechende hygieiniſche und medikamentöſe Maßregeln Hilfe zu leiſten. In der Nachmittagsſitzung ſprach Grempler (Breslau) über die von ihm unweit Sackrau (Schleſien) gemachten Funde. Unter den beſagten Objekten, welche nach Grempler aus Gräbern ſtammen, von denen das eine einem Manne, das andere einer Frau angehörte, fällt ganz beſonders auf ein goldener Frauenhalsſchmuck ſowie eine Anzahl anderer Goldſchmuckgegenſtände, wie Schnallen, Zacken, Gürtel⸗ ſchlußſtücke, ein maſſiver Armring u. ſ. w. Ferner fanden ſich daſelbſt ſilberne Schalen, zierliche Dreirollenfibeln aus dem nämlichen Metall, eine ſilberne Schere, Bruchſtücke von gut gearbeiteten Thongefäßen, Bernſteinkugeln, Bern⸗ ſteinagraffen, ſowie endlich noch einige vortrefflich erhaltene Glasgefäße und zwar ein größeres eigenartig geformtes Trinkgefäß und ein Schälchen aus zierlichem Millefloriglaſe. Bezüglich der letzteren Gegenſtände bemerkt O. Tiſchler (Königsberg), daß ähnliche Glasarbeiten in Gräbern des öſtlichen Europa und zwar auf einem Verbreitungsbezirk, der von Südrußland bis nach dem nordöſtlichen Deutſch⸗ land und bis nach Skandinavien ſich erſtreckt, vereinzelt aufgefunden wurden und daß dieſelben auf dieſe Weiſe Aufſchlüſſe lieferten über die Richtung, welche die Handels⸗ bewegung im dritten oder vierten Jahrhundert unſerer Zeitrechnung (daß die Funde aus dieſer Zeit ſtammen, beweiſt eine Goldmünze mit dem Bildnis Claudius II.) eingeſchlagen habe. Die mikroſkopiſche Unterſuchung einer mit den zuvor erwähnten Objekten aufgefundenen, faſt gänzlich zerſtörten Subſtanz ließ dieſelbe als Fragment eines Seidenſtoffes erkennen, jo daß alſo die Bekanntſchaft der Bevölkerung Mitteleuropas mit dieſem Gewebe des Orientes eine viel ältere iſt, als man bisher angenommen hat. — Der ſchwediſche Archäolog und Altertumsforſcher O. Montelius (Stockholm) ſprach über die Eiſenzeit Aegyptens und ſuchte die von Lepſius, Brugſch u. a. vertretene Anſchauung, daß das Eiſen in Aegypten ſchon zur Zeit des „alten Reiches“, das iſt im dritten und vierten Jahrtauſend der vorchriſtlichen Aera im Gebrauche geweſen ſei, zu widerlegen; er behauptete zugleich, daß im „alten Reiche“ nur Kupfer und Bronze bekannt geweſen und daß der Gebrauch des Eiſens im Nilthale nicht weiter als bis in die Mitte des zweiten vorchriſtlichen Jahrtauſends zurück⸗ datiere. Wenn häufig darauf hingewieſen worden iſt, daß die harten Geſteine, aus denen die Grab- und Tempel⸗ bauten jener Zeit hergeſtellt ſind, nur mit Hilfe von Stahl⸗ meißeln hätten bearbeitet werden können, ſo glaubt Redner, daß ſich dieſe Geſteine auch mit harten Steinmeißeln hätten bearbeiten laſſen. Letztere Thatſache ſoll von einem fran⸗ zöſiſchen Bildhauer durch das Experiment nachgewieſen ſein. Dieſe Schlußfolgerungen des nordiſchen Gelehrten werden aber nach unſerem Dafürhalten dadurch hinfällig, daß in der That in Aegypten Eiſenobjekte aufgefunden worden ſind, welche bis in das dritte vorchriſtliche Jahrtauſend zurück⸗ reichen, daß z. B. in der um 3000 v. Chr. erbauten Cheops⸗ pyramide ein eiſernes Werkzeug zwiſchen Steinlagen und an einer Stelle, wohin es nur bei Errichtung des in Rede ſtehenden Bauwerkes gelangt ſein konnte, aufgefunden wurde, daß von Belzoni eine eiſerne Sichel unter den Füßen einer aus dem vierten vorchriſtlichen Jahrtauſend ſtammenden Sphinx ausgegraben wurde, daß ſchon die in den Gräbern der fünften Dynaſtie enthaltenen Abbildungen von Ge⸗ räten und dergleichen durch ihre blaue Farbe ſich als eiſerne kennzeichnen und daß auch die altägyptiſche Be⸗ zeichnung Badenepe (d. h. Metall des Himmels) nach Brugſch für die frühe Bekanntſchaft der Aegypter mit dem Meteor⸗ eiſen ſpricht. — Schaaffhauſen ſprach über Bronzecelte, welche möglicherweiſe nicht nur als Geräte, ſondern auch als Geld Verwendung gefunden haben. Ihr Gewicht ent⸗ ſpricht genau demjenigen der ägyptiſchen Münzeinheit, der Humboldt, — Oktober 1887. Mine (= 554g), aus welcher letzteren die griechiſche und römiſche Münzeinheit hervorgegangen ſein ſoll. Auch wurden Bronzecelte aufgefunden, deren Gewicht faſt genau ½ be- ziehungsweiſe ½ des Gewichtes der ſoeben erwähnten Münzeinheit beträgt. In der dritten Sitzung berichtete zunächſt Virchow namens des für das Studium der Raſſenfrage ernannten Ausſchuſſes über das in neueſter Zeit auf dieſem Special- gebiete Geleiſtete, wobei er das wichtige Problem, die Ver- teilung der germaniſchen und ſlaviſchen Stämme in Mittel- europa, ſowie diejenigen des fränkiſchen und ſächſiſchen Elementes in Deutſchland genauer zu beſtimmen, erörterte. Als beſonders wünſchenswert bezeichnete Virchow die For- ſchung über diejenigen Lokalitäten, wo die Franken an⸗ ſäſſig waren, ehe ſie die in einem doppelten Strome (nördlich und ſüdlich vom Erzgebirge) nach Oſten ſich erſtreckende Koloniſation von Gebieten, die zum größten Teile in früheren Jahrhunderten ſchon einmal deutſch geweſen waren, begannen, und wo dieſelben offenbar zahlreiche brünette Volks— elemente in ſich aufgenommen haben. Virchow wies darauf hin, daß genauere Unterſuchungen über die Verteilung des ſächſiſchen, fränkiſchen und alemanniſchen Bauernhauſes ſowie über die Dorfanlage der in Rede ſtehenden Stämme ſich behufs Löſung dieſes Problemes vorausſichtlich nützlich erweiſen würden. Das ſächſiſche Bauernhaus hat Redner bei ſeinen diesbezüglichen Forſchungen noch an verſchie— denen Punkten Norddeutſchlands in ſeiner urſprünglichen Reinheit angetroffen. Was die Hausurnen anlangt, von denen es bekannt iſt, daß ſie die Form des vorgeſchicht⸗ lichen Hauſes im allgemeinen mit großer Treue wieder- geben, ſo glaubt Redner das an gewiſſen Hausurnen unter dem Dache angebrachte Zeichen, für das man bisher keine zureichende Erklärung hatte, als Nachbildung jener Rauch— abzugslöcher betrachten zu müſſen, welche bei dem ſächſiſchen Bauernhaus älteſter Konſtruktion in der vorderen Giebel⸗ wand angebracht waren. Es folgt nunmehr ein weiterer Vortrag von Montelius, in welchem derſelbe die Ergebniſſe ſeiner neueren Unter- ſuchungen über die verſchiedenen Abſchnitte der Metall- zeit in Italien mitteilt. Indem wir uns vorbehalten, hierauf ſpäter zurückzukommen, bemerken wir hier nur, daß Montelius, entgegen der Annahme, nach welcher die erſte Metallkultur (Bronzekultur) von Norden her durch die Italiker, die Beſiedler der Terramaren, nach Italien ge— langt ſei, die Bronze von Süden her eingeführt werden läßt. Er beſtreitet, daß die Etrusker von Norden her (aus den Alpengebieten) nach Italien gekommen, zunächſt in der Poebene fic) angeſiedelt, ſpäter den Apennin überſchritten und in dem nach ihnen benannten Etrurien ſich nieder gelaſſen haben, behauptet vielmehr, daß die Etrusker ur- ſprünglich in dem nach ihnen benannten Gebiet ſüdlich vom Apennin anſäſſig geweſen und erſt ſpäter den beſagten Gebirgszug überſchritten und in der Gegend des heutigen Bologna ſich niedergelaſſen hätten. — Einige andere Be- merkungen des Vortragenden beziehen ſich auf die Bronze— kultur Norddeutſchlands und Skandinaviens, die er im Gegenſatz zu den bekannten Anſchauungen Lindenſchmits als eine durchaus autochthone bezeichnet. — O. Tiſchler be- ſprach ſodann die Technik der Herſtellung der an prä— hiſtoriſchen Bronzen ſich findenden Ornamente und be— kämpfte Ch. Hoſtmanns Anſicht, daß die mitunter ſehr kunſtvollen Ornamente vieler nordiſchen Bronzen mit Hilfe von Stahlmeißeln hergeſtellt ſeien. — Weiterhin berichtet Naue (München) über die Ergebniſſe der von ihm inner— halb der letzten Jahre in Oberbayern zwiſchen Ammer- und Staffelſee vorgenommenen Unterſuchungen vorgeſchicht⸗ licher Grabſtätten. Dieſe Gräber, von denen es ungewiß iſt, ob ſie von Germanen, Slaven oder Römern herrühren, liegen ausnahmslos auf der Hochebene. Während diejenigen Grabſtätten, die nach den Beigaben als die älteren zu be— trachten ſind, die deutlichſten Spuren von Leichenverbrennung aufweiſen, herrſcht in den Gräbern jüngeren Datums die Beerdigung vor. Die jüngeren Gräber ſind nicht wie die älteren aus Stein, ſondern aus Lehm hergeſtellt. Die Metallbeigaben und die keramiſchen Objekte weiſen je nach 397 der Epoche, der fie angehören, verſchiedene Eigentümlich— keiten auf; beſonders bemerkenswert iſt, daß gewiſſe der jüngeren Hallſtattzeit zuzurechnende Fundſtücke darauf hin⸗ deuten, daß die Kunſt des Drechſelns damals nicht unbe— kannt war, daß ſich in den Gräbern der älteren Hallſtatt— periode ſehr häufig Knochenteile von jungen Ebern vor- finden und daß die in den Gräbern der genannten Periode, ſowie der jüngeren Steinzeit aufgefundenen menſchlichen Skelettreſte deutlich erkennen laſſen, daß die damalige Bevölkerung Oberbayerns an Körpergröße nicht unbeträchtlich hinter derjenigen zurückſtand, welche dieſe Gegenden während der fränkiſch⸗alemanniſchen Zeit inne hatte. — Schiller (Memmingen) berichtet über einen größeren Gräberfund der älteren Bronzezeit, der bei Kellmünz a. d. Iller kürzlich von ihm entdeckt wurde. Dr. Eydam (Gunzenhauſen) beſchrieb die von ihm aus den Grabhügeln von Döckingen und Thalmäſſing zu Tage geförderten Fundobjekte. Unter letzteren iſt die ältere Hallſtattperiode nur ſehr ſpärlich, der ſpätere Abſchnitt der Hallſtattzeit dagegen ſehr zahlreich vertreten. Der Grabhügel von Döckingen mit ſeiner Lanze und ſeinen eiſernen Ringen gehört in die Uebergangszeit von der jüngeren Hallſtatt- zur La Téne-Periode, welche letztere bis jetzt nur ſpärliche Funde geliefert hat. — Während dieſe Vorträge an der Hand von Ausgrabungen und unter Zugrundelegung von archäologiſchen Verhältniſſen die Vor- geſchichte unſeres Erdteiles aufzuhellen ſuchen, fehlt es auch nicht an Gelehrten, welche mit Hilfe der Linguiſtik über die Vergangenheit der europäiſchen Völker ſich Aufklärung zu verſchaffen beſtrebt ſind, wobei freilich die Gefahr, kühne Schlußfolgerungen auf dem ſchwankenden Grunde einer vermeintlichen Sprachverwandtſchaft aufzubauen, nicht immer glücklich vermieden wird. In dieſer Beziehung hat Sepp (München) in ſeinem Vortrag über den Urſprung des deutſchen Wortes „Kirche“ — welches er nicht vom grie— chiſchen Kyriake (d. h. Haus des Herrn), ſondern von dem keltiſchen Worte „Kirk“ (S Ring, Vereinigung) ableitet — das möglichſte geleiſtet. Größere Bedeutung für die An⸗ thropologie iſt jenen linguiſtiſchen Deduktionen zuzuerkennen, vermittels deren Dr. Much (Wien) das Verbreitungsgebiet der Germanen in vorgeſchichtlicher Zeit genauer zu be⸗ ſtimmen, beziehungsweiſe die Beziehungen, in denen Ger— manen und Kelten ehedem zu einander geſtanden haben, feſtzuſtellen ſucht. — Auf die von Török (Budapeſt) ge— machten Ausführungen, welche ſich auf die Veränderungen des Schädels beim jungen Gorilla beziehen, ſowie auf die von dem nämlichen Gelehrten angegebene neue Methode zur Meſſung des Prognathismus werden wir bei einer ſpäteren Gelegenheit zurückkommen, und ebenſo behalten wir uns die von Benedikt (Wien), Waldeyer (Berlin) und Schaaffhauſen (Bonn) in der Schlußſitzung des Anthro— pologenkongreſſes gehaltenen Vorträge, beziehungsweiſe die von dieſen Gelehrten gemachten Mitteilungen für eine beſondere Beſprechung vor. Schließlich ſei noch erwähnt, daß durch die vereinten Bemühungen der anthropologiſchen und Altertumsvereine von Ober-, Mittel- und Unterfranken eine Ausſtellung prähiſtoriſcher Fundſtücke aus den beſagten Gebieten zuſtande gekommen iſt, welche ein anſchauliches Bild von den Kulturzuſtänden dieſer Gegenden während verſchiedener Abſchnitte der vorgeſchichtlichen Zeit darbot und daß die von Nürnberg aus nach dem alten Biſchofsſitz Bamberg (woſelbſt die in der Materna aufbewahrten vor— geſchichtlichen Funde einer genauen Beſichtigung unterzogen wurden), ſowie in das Höhlengebiet des fränkiſchen Jura unternommenen Ausflüge den Beſuchern des Kongreſſes wichtige Anregungen, Kunſt- und Naturgenüſſe gewährten. Kaſſel. Dr. Moritz Alsberg. Amerikanifhe Tieſſeeſorſchungen. Auf dem Ge⸗ biete der Meereskunde ſind in dem letzten Decennium ſeit den drei großen Expeditionen der „Gazelle“, „Challenger“ und „Tuscarora“ nur geringe Fortſchritte zu verzeichnen; größere wiſſenſchaftliche Expeditionen zur Erforſchung der Meere ſind ſeit jener Zeit nicht mehr ausgerüſtet, und nur gelegentlich find von einzelnen Schiffen oceaniſche Be- obachtungen zur Ergründung der Meerestiefen angeſtellt 398 Humboldt. — Gktober 1887. worden. Hauptſächlich und faſt ausſchließlich ſind es die Amerikaner, denen eine regere Thätigkeit auf dieſem Ge⸗ biete zuerkannt werden muß, indem ſie nicht nur die ihre Küſten umgebenden Gewäſſer und in erſter Reihe den Nord⸗ atlantiſchen Ocean regelmäßig und unausgeſetzt erforſchen ließen, ſondern auch die in fernere Gewäſſer entſendeten Kriegsſchiffe der Tiefſeeforſchung eine beſondere Aufmerk⸗ ſamkeit ſchenken. So hat das Vereinigte Staaten ⸗Schiff „Albatroß“ unter Commander Tanner in den letzten Jahren im Golf von Mexiko, dem Karaibiſchen Meere und dem die Oſtküſte der Vereinigten Staaten umgürtenden Teil des Atlantiſchen Oceans eingehende Unterſuchungen an⸗ geſtellt, die „Enterpriſe“ unter Commander Barker auf ihrer Reiſe durch den ſüdlichen Stillen und den Atlantiſchen Ocean, die „Eſſex“ unter Commander Jewell auf der Route quer über den Nordatlantiſchen und den Indiſchen Ocean regelmäßig Tiefſeelotungen ausgeführt. — Das Beob⸗ achtungsmaterial der öſtlichen Küſtengewäſſer Nordamerikas iſt bereits ſo weit vervollſtändigt, daß das Hydrographiſche Amt, reſp. das Coast and Geodetie Survey von dem Karaibiſchen Meere und von dem nördlich davon gelegenen Küſtenſtrich inkluſive des Golfes von Mexiko nach demſelben Modelle hat herſtellen laſſen, welche ein vollſtändiges Ge⸗ ſamtreliefbild von der Geſtaltung des Meeresbodens geben. Von den in der letzten Zeit von den obengenannten Schiffen ausgeführten Tiefſeeforſchungen ſind reſümierend folgende Ergebniſſe hervorzuheben: In der Paſſage zwiſchen Jamaika und Haiti, eirka 25 Seemeilen öſtlich von der erſteren Inſel, entdeckte der „Albatroß“ eine ſich ſteil vom Meeresgrund erhebende, aus Korallen beſtehende Bank, welcher der Name Albatroßbank beigelegt worden iſt; auf derſelben wurden Tiefen von 31—60 m gefunden, die ringsum ſehr ſchnell auf 300 und bis über 1000 m zunehmen. — Die Temperaturmeſſungen im Golf von Mexiko hatten in einer Tiefe unter 1460 m überall die gleiche Temperatur von 4,2 O, die normale Temperatur des Aequatorialſtromes in dieſer Gegend, ergeben und be⸗ rechtigten zu dem Schluß, daß das Karaibiſche Meer, aus dem der Golf von Mexiko ſein Waſſer empfängt, durch eine 1460 m unter der Meeresfläche liegende Bodener⸗ hebung von dem Atlantiſchen Ocean abgeſchloſſen iſt. Um dies zu konſtatieren, wurden alle Paſſagen zwiſchen den Inſeln von Trinidad bis Kuba unterſucht. Nur in der Windwardpaſſage fand ſich eine genügend tiefe Waſſer⸗ ſcheide. Außerdem wurde aber eine ſchmale 2000 m tiefe Rinne mit einer Bodentemperatur von 3,30 entdeckt, welche in ein 4400 m tiefes Baſſin zwiſchen Santa Cruz und St. Thomas führte, in welchem das Waſſer am Grunde dieſelbe Temperatur zeigte. Da weſtlich davon, ſüdlich von der Monapaſſage, die Temperatur 4,2 betrug, fo lag die Vermutung einer ferneren Waſſerſcheide zwiſchen Santa Cruz und Puerto Rico nahe. Dies zu unterſuchen, ſtellte ſich der Albatroß zur Aufgabe und fand auch eine Bodenerhebung, deren größte Tiefe 1645 m, und auf der die geringſte Temperatur 4,20 betrug. Die im Golfſtrom zwiſchen 36 und 40° nördlicher Breite und 68 bis 740 weſtlicher Länge ausgedehnten Arbeiten mit Grund⸗ und Schleppnetzen waren nicht nur ſehr er⸗ giebig für die Tiefenfauna, ſondern auch in geologiſcher Beziehung von beſonderem Intereſſe. Während nämlich ſonſt der Meeresboden in Tiefen zwiſchen 1100 und 3600 m faſt durchgängig aus Globigerinenſchlamm oder, wie in einzelnen Teilen der weſtindiſchen Gewäſſer, aus einem Gemiſch von Globigerinen⸗ und Pteropodenſchlamm be⸗ ſteht, iſt derſelbe hier an den Küſten Amerikas unter dem Golfſtrome ſtets mit Sand und häufig mit Thon vermengt. Zwiſchen 900 und 2200 m beſtand er oft aus ganz zähem, kompakten Thon, von welchem wiederholt große, über 25 ke ſchwere, eckige Stücke mit dem Netze an die Oberfläche befördert wurden. Sie beſtanden aus reinem Thon, mit mehr oder weniger Sand gemiſcht, und enthielten Körner von Quarz und Feldſpat mit Glimmerſchuppen, Schalen von Globigerinen und Foraminiferen. An einer Stelle, in 39° 3“ nördlicher Breite und 70° 51 weſtlicher Länge wurde in 2800 m Tiefe eine Menge von Ziegelſteinen mit anhaftendem Mörtel und Ruß gefiſcht, welche ſich, nach den anhängenden Tieren zu urteilen, noch nicht lange auf dem Meeresboden befunden haben konnten; wahrſchein⸗ lich rührten dieſelben von einem Wrack, veſp. von dem Deck⸗ ofen eines Walfiſchfängers her. Bei den Lotungen an der Küſte Neuſchottlands und Neufundlands wurde nach einer auf den Karten ver⸗ zeichneten flachen Bank in 41° 24“ nördlicher Breite und 63° 18“ weſtlicher Länge, der Hopebank geſucht, ohne die⸗ ſelbe zu finden; die Lotungen rings um die Poſition herum fielen in tiefes Waſſer. Hiernach erſcheint die Exiſtenz dieſer Bank ſehr fraglich. Die „Enterpriſe“ hat auf der Reiſe von Neuſee⸗ land nach der Magellanſtraße durch den Stillen Ocean eine Lotungslinie gelegt, welche, zwiſchen 45 und 50° ſüd⸗ licher Breite fallend, bis nahe an die Eisgrenze reicht und parallel mit den von der „Gazelle“ und „Challenger“ 1875 in dieſem Ocean geloteten Linien, jedoch ſüdlicher, läuft. Dieſe Tiefenmeſſungen ergaben in der Mitte des Oceans etwa in 118° weſtlicher Länge eine nicht unbeträchtliche Bodenerhebung, welche ſich nach den früheren Lotungen der beiden obengenannten Schiffe wahrſcheinlich weiter nach Norden hin ausdehnt. Auf ihrer Weiterreiſe von Montevideo nach New-York hat die „Enterpriſe“ eine fernere Reihe von Tiefſeefor⸗ ſchungen im Atlantiſchen Ocean ausgeführt. Die Lotungs⸗ linie läuft zunächſt von Montevideo in nordöſtlicher und oſtnordöſtlicher Richtung bis auf eirka 30° ſüdlicher Breite und 28° weſtlicher Länge, durchſchneidet das Braſilianiſche Becken in faſt nordſüdlicher Richtung, wendet ſich, cirka 120 Seemeilen öſtlich der Inſel Trinidad, nach Nordweſten, paſſiert Kap St. Roque in 150 Seemeilen Abſtand und läuft dann auf Barbados zu; nördlich der Antillen liegen die Lotungen in der Linie St. Thomas — Kap Hatteras. Zwiſchen 30° 48“ und 31° 13“ ſüdlicher Breite und zwiſchen 35° 42“ und 33° 21’ weſtlicher Länge wurde eine ziemlich bedeutende Bodenerhebung mit Tiefen bis zu 690 Meter gefunden, die nach den erhaltenen Grundproben aus Sand beſteht. Auf der Strecke St. Thomas — New York wurden, 80 Seemeilen nördlich von Puerto Rico, in 19° 53“ nördlicher Breite und 65° 45“ weſtlicher Länge 4529 Faden oder 8282 m gelotet, nächſt der von der „Blake“ in 19° 39/ 10” nördlicher Breite und 66° b 26“ 5” weſt⸗ licher Länge gefundenen Tiefe von 8341 m die größte bis⸗ her im Atlantiſchen Ocean konſtatierte Meerestiefe. Die von der „Eſſex“ durch den Atlantiſchen Ocean gelegte Lotungslinie läuft ungefähr auf dem 40. Breiten⸗ parallel entlang, von New-York aus nördlich an den Azoren vorbei und auf das Kap Vincent der ſpaniſchen Küſte zu. Auf dem 30. Meridian weſtlicher Länge wurde zwiſchen 40 und 40,5“ nördlicher Breite ein unbedeutendes Pla⸗ teau gefunden, auf dem die geringſte gelotete Tiefe 1114 m betrug. Im Indiſchen Ocean hat dasſelbe Schiff im November v. J. auf der Fahrt vom Kap Guardafui bis Ceylon 30 Lotungen ausgeführt, welche in der Mitte dieſer Strecke eine ziemlich gleichmäßige Tiefe von cirka 2500 Faden nach⸗ weiſen, die nach beiden Seiten allmählich abnimmt, wäh⸗ rend jedoch abweichend hiervon die größte gelotete Tiefe (4947 m) in die Nähe der afrikaniſchen Küſte fällt, eine Erſcheinung, welche mit der bisher gemachten Erfahrung, nach welcher die größten Tiefen nicht, wie man zu er⸗ warten geneigt iſt, in der Mitte der Oceane, ſondern in der Nähe des Feſtlandes beobachtet ſind, in Einklang ſteht. Berlin. Kapitänlieutenant Rottock. Die 1886 in Berlin gelegentlich der Naturforſcher⸗ verſammlung gegründete Anatomiſche Geſellſchaft geht damit um, die Terminologie der Zergliederungskunſt zu prüfen und eine einheitliche Nomenklatur der Ana⸗ tomie zuſammenzutragen. Aeltere Verſuche in dieſem Sinne ſchlugen bisher fehl, ſelbſt derjenige eines Anatomen von Jacob Henles Bedeutung; offenbar zumeiſt, weil ſie nur von einem Einzelnen ausgingen. Anders liegen die Dinge jetzt, wo Anatomen aus allen Kulturländern ſich zur gemeinſamen Humboldt. — Gktober 1887. Arbeit zuſammengethan haben. Die Seele des Unternehmens iſt Prof. Hiß in Leipzig. Die anatomiſche Terminologie baut ſich nicht auf einem einheitlichen Grundſatze auf. Sie er⸗ ſcheint vielmehr als ein buntes Gemiſch von nur einigen treffenden Ausdrücken, vielen abſonderlichen und ſchlecht gewählten Worten und manchen ganz willkürlichen Bezeich—⸗ nungen. Nur die geſchichtliche Unterſuchung vermag den Leitfaden abzugeben, an dem man das wirre Durcheinander zu überſchauen und Ordnung hineinzubringen vermag. Jegliches Zeitalter hat zu der anatomiſchen Nomenklatur etwas beigeſteuert. Die Ausdrücke, welche aus dem näm⸗ lichen Zeitabſchnitte ſtammen, tragen dasſelbe Gepräge und ſind bezeichnend für den Geiſt der Zeit. So haben wir aus dem Mittelalter viele Namen religiöſen und myſtiſchen Urſprunges, wie Morsus diaboli, Adamsapfel, Davids- leier, Pſalter. Andere Namen find der antiken Mythologie entlehnt, wie Achillesſehne, Ammonshorn, Iris. Schließlich haben Pflanzen- und Tierkunde mancherlei hergegeben, wie Mandel, Linſenkern, Olive und Wurm, Rabenſchnabel und Hörner. Die Neuſchaffung einer anatomiſchen Nomen- klatur wird auf geraume Zeit hinaus die Arbeit vieler 399 erheiſchen, allein ſie wird nicht nur der Heilkunde, ſondern auch der Philologie und der Kulturgeſchichte zu gute kommen. D. Zwei Moosſammlungen, die eine auf Neukaledonien von Saves, die andere in Paraguay von Balanſa geſammelt, beide Laub- und Lebermooſe enthaltend, ſind nach einer Mitteilung von Fr. Karl Müller in der „Flora“ bei der Redaktion der Revue mycologique (Chevalier C. Roumeguere) in Toulouſe (Rue Riquet Nr. 37) käuflich zu erwerben. Die eine enthält 18 Laubmooſe (darunter 13 neue) und 15 Lebermooſe (darunter 7 neue), die andere beſteht aus 10 Lebermooſen und etwa ebenſoviel Laubmooſen, darunter einige neue. Dr. Köhler in Nancy (Faculté des Sciences) wünſcht einige Alkohol-Exemplare zu mediziniſchen Unter— ſuchungen von Paradoxites und Echinorhynchus roseus Diesing, von Lindemann bei Strix passerina und Leuciscus entdeckt, und im Bulletin de la Soe. Impér. des Naturalistes de Moscou Vol. 38. 1865, p. 484 beſchrieben. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Vulkane und Erdbeben. Am 17. Juli fanden in Aegypten und auf Malta Erdſtöße ſtatt. Auf Malta wurde früh 8 Uhr ein heftiger Erdſtoß verſpürt, der etwa 12 Sekunden anhielt, aber keinen Schaden anrichtete. In Kairo erfolgte am ſelben Tage ein ſehr ſtarker morgens 10 Uhr. Mehrere Häuſer und Moſcheen im arabiſchen Viertel wurden beſchädigt, Menſchen verletzt. Am 19. Juli zerſtörte eine Reihe von Erdbeben die Stadt Bacariac in der Provinz Sonora (New Mexiko) vollſtändig. Am 26. Juli morgens 1¾ Uhr wurde in Obern⸗ zell (Niederbayern) ein ziemlich heftiger Erdſtoß wahrge— nommen, begleitet von einem donnerähnlichen unterirdi— ſchen Rollen. Schäden konnten nirgends wahrgenommen werden, wie dies bei dem letztvorgekommenen Erdbeben daſelbſt der Fall war. In Wegſcheid und in der Ge— meinde Meßnerſchlag verſpürte man um dieſelbe Zeit eine ſehr heftige Erderſchütterung, welche von einem etwa 2 Minuten andauernden, einem kräftigen Saitenton ähn⸗ lichen Nachklang begleitet war. Der erſte Stoß war einer Detonation, der zweite dem ſchwachen Rollen des Donners vergleichbar. In einem Zimmer des Realſchulgebäudes fiel der Ofen in Stücke. Am 28. Juli wurde aus Malta ein heftiger vulka⸗ niſcher Ausbruch auf der Inſel Galita (am Nordoſtende der Küſte von Algier) gemeldet. Dem Krater entſtrömte viel Lava, und Feuerſchein war auf 40 Meilen hin ſichtbar. In ganz Ecuador wurde am 2. Auguſt abends um 6 Uhr 29 Minuten ein heftiger Erdſtoß verſpürt, der großen Schaden in den Städten anrichtete, wo viele Ge- bäude einſtürzten und andere teilweiſe zertrümmert wurden. Am bedeutendſten litt die Stadt Cdenca; fie ſoll in der Gefahr ſchweben, gänzlicher Vernichtung anheimzufallen. Den neueſten Telegrammen zufolge dauern die Erder— ſchütterungen fort. Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika ſind zur ſelben Zeit in verſchiedenen Orten von Indiana, Tenneſſee, Kentucky und Miſſouri Erdſtöße ver— ſpürt worden. Daran reiht ſich das Erdbeben zu Laghonat in Algerien am 3. Auguſt. Ferner ereigneten ſich Crd: ſtöße am 4. in Temesvar und zu Kembach in Ober— öſterreich. Am 13. Auguſt morgens 3 Uhr 55 Minuten wurde in Agram eine ziemlich heftige Erderſchütterung verſpürt. Et. Ein außergewöhnlich großes Meteor wurde am 17. März nachmittags zwiſchen 4 und 5 Uhr in Süd— auſtralien in der Landſchaft Viktoria beobachtet. Eine breite, ſilberweiße Linie ziehend, nähergelegenen Orten wie eine feurige Kugel erſcheinend, bewegte es ſich von Oſt nach Weſt, trotz klaren Himmels und hellen Sonnenſcheins über eine Entfernung von 400 engliſchen Meilen ſichtbar. Mit lautem, ſich wiederholendem Knall explodierte das Meteor und ließ einen noch eine halbe Stunde lang erkennbaren grauweißen Rauch zurück, welcher einen ſo eigentümlichen Lichtreflex hervorbrachte, daß alle Gegenſtände ein griin- liches Ausſehen erhielten. In Beaufort, über welcher Stadt ungefähr die Exploſion ſtattfand, wurde während derſelben das Ausbrechen einer Feuergarbe aus dem Meteor beobachtet und ein Ziſchen wie beim Entweichen des Dampfes einer Maſchine vernommen. Die Lufterſchütterung war ſo be— deutend, daß ſie ſich auch dem Erdboden mitteilte und dadurch geradezu erdbebenartige Erſcheinungen hervorrief: Häuſer gerieten ins Schwanken, Fenſter klirrten, Pferde und Vieh galoppierten erſchreckt davon und ſelbſt das wilde Geflügel auf den Seen flog auf. Wie es ſcheint, kam keine Meteorſubſtanz auf die Erde herab. Aus der Angabe eines Beobachters, daß er das Meteor in einer Höhe von 30° über dem Horizont explodieren geſehen und genau ſechs Minuten ſpäter den Knall gehört habe, läßt ſich unter Berückſichtigung des Umſtandes, daß ſich der Schall in den höheren, kälteren Luftſchichten langſamer fortpflanzt als in den unteren, eine Höhe von nahezu 50 Kilometern heraus- rechnen, in welcher die Exploſion über der Erdoberfläche ſtattfand. Kf. Zu Finſchhafen in Kaiſer-Wilhelms-Land fand am 5. Februar 1887 ein ziemlich erheblicher Aſchenregen ſtatt, der von 7 bis 11 Uhr morgens anhielt und die ganze Gegend mit Ge Ueberzug hellgrauer vulkaniſcher Aſche bedeckte. Der in dieſer Jahreszeit dort herrſchende Nord— weſtmonſun hatte vier Tage vor dieſem Ereignis ausge— ſetzt, und anſtatt ſeiner waren friſche ſüdliche Winde ein— getreten, welche erſt am 4. Februar mittags dem regel⸗ mäßigen Nordweſtmonſun wieder wichen. Infolge dieſer unregelmäßigen Windverhältniſſe kann der den Aſchenregen veranlaßt habende vulkaniſche Ausbruch ebenſowohl nörd— lich wie auch ſüdlich von der Station ſtattgefunden haben, doch mag die Aſche durch eine obere Luftſtrömung möglicher⸗ weiſe auch aus einer öſtlichen oder weſtlichen Richtung 400 herbeigeführt worden fein. Dr. Schrader berichtet, daß am 2. Februar mittags ein blutroter Schein um die Sonne, wie durch ſehr hohen Rauch verurſacht, beobachtet wurde und an den letzten Abenden vor dem Phänomen ſtarke Höfe und Ringe um den Mond, welche Erſcheinungen viel⸗ leicht mit dem Aſchenregen in urſächlichem Zuſammenhang geſtanden haben. Proben des vulkaniſchen Auswurfes wurden an Geheimerat Dr. Neumayer in Hamburg geſandt. D. Humboldt. — Oktober 1887. Zur wiſſenſchaftlichen Erforſchung der Erdbeben von Werny in Turkeſtan ſendet die geographiſche Geſell⸗ ſchaft in St. Petersburg eine beſondere Expedition in das von der Kataſtrophe heimgeſuchte Sſemiretſchegebiet ab. Chef der Expedition iſt Profeſſor Muſchketoff, dem vier Ge⸗ hilfen beigegeben ſind. Zu dem gleichen Zweck hat ſich der Petersburger Geolog W. S. Dmitrewski dorthin begeben. D. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Auguſt 1887. Der Monat Auguſt iſt charakteriſiert durch meiſt veränderliches, ziemlich kühles Wetter mit mäßigen, vorwiegend ſüdweſtlichen Winden und mäßigen Nieder⸗ ſchlägen. Hervorzuheben ſind die Gewitterſtürme am 15. in Frankreich und die von Ueberſchwemmungen begleiteten Regengüſſe am 21. und 22. im Salz⸗ kammergut. In den erſten Tagen des Monats lag ein baro⸗ metriſches Maximum über Weſteuropa, welches langſam oſtwärts ſich fortbewegte. Unter ſeinem Einfluſſe herrſchte über Centraleuropa nördliche bis weſtliche Luftſtrömung, welche die Temperatur unter dem Normalwerte erhielt. Gewittererſcheinungen waren in dieſen Tagen häufig, viel⸗ fach mit ſtarken Regenfällen: ſo fanden am 1. und 2. am 11. Auguſt, eine Wetterlage, welche ſehr häufig vor⸗ kommt und durch veränderliches, naßkaltes Wetter und böige, häufig ſtürmiſche weſtliche und nordweſtliche Winde für unſere Gegenden charakteriſtiſch iſt. Dieſe typijdje Witterungserſcheinung hielt an vom 8. bis zum 13. Auguſt und nahm am 11. und 12. insbeſondere für die weſtdeutſche Küſte einen ſtürmiſchen Charakter an. Unter dem Einfluß der kalten nordweſtlichen Winde ſank die Temperatur raſch und erheblich unter den Normal⸗ wert herab, namentlich am 12. und 13., an welchen Tagen an vielen Orten in Mitteldeutſchland die Temperatur an der Erdoberfläche den Gefrierpunkt erreichte. Erheblichere Regenmengen fielen am 10. in Königsberg (89 mm) und am 13. in Altkirch (31 mm). Am 15. durchzog eine Cyklone, von Sturm, Gewittern und Hagel- und Regenfällen begleitet, Frankreich, von Süd 20 lo 10 20 N AY SO 2 Z 2 . AW N 30 = 750 5 a= = = * 5 SSS N = = Z40 E — — = = a 8 = T E = =o) 5 0 = — E =H S 0 = \ 1 520 2 : 9 eb 8 9 = = 75 Ze] = 7 < — 8 N AN) = I F Ay : = = = 7 T AUR ES 745 N — 5 1 — Cleat = a, eee * 2 E 7 5 IIS x. . 8 = E * N 5 75. 755, = = 755 = 1. Augast a 8 August == = 8% a.m. == 82am. 0. 2 I 20 30 0 W. 2 70 20 30 Fig. 1 Fig. 2. am Nordfuße der Alpen, am 3. und 4. an der deutſchen Küſte Gewitter ſtatt. Vom 1. auf den 2. fielen in Fried⸗ richshafen 20, vom 3. auf den 4. in Neufahrwaſſer 39, vom 4. auf den 5. in Königsberg 19 mm Regen. Be⸗ merkenswert ſind die wolkenbruchartigen Regengüſſe, welche am 1. in der Gegend von Olmütz niedergingen, und welche daſelbſt Ueberſchwemmungen und arge Verwüſtungen ver⸗ urſachten. Am 5. hatte ſich eine breite Zone hohen Luftdruckes über ganz Weſteuropa ausgebreitet, charakteriſiert durch ruhiges, heiteres und trockenes Wetter, wobei die Tempe⸗ ratur langſam über den Normalwert ſich erhob. Indem die eben genannte Zone hohen Luftdruckes ſüdoſtwärts ſich fortpflanzte, drangen die barometriſchen Minima im Nord⸗ weſten immer mehr oſtwärts vor, während ein neues Maximum im Weſten erſchien, ſo daß die Druckverteilung und mit ihr Wind und Wetter eine gänzliche Umwand⸗ lung erlitt. Die obige Figur illuſtriert die Wetterlage nach Nord fortſchreitend, und richtete in einigen Gegenden große Verheerungen an. In dem Departement Aude wütete der Sturm zwei Stunden lang und vernichtete insbeſondere durch Hagelſchlag die Ernten mehrerer Orte; Häuſer wurden umgeweht und mehrere Bewohner unter den Trümmern begraben. Der Verwüſtungsſtreifen hatte eine Breite von 150 m und eine Länge von 2½ Meilen. Von der fürchterlichen Gewalt des Sturmes gibt die That⸗ ſache, daß ein im Kanal du Midi liegendes Leichterfahrzeug und ein mit 10 Tons Kohlen geladener Waggon etwa 45m weit fortgeſchleudert wurden, eine Vorſtellung. Ein in den Weinbergen arbeitender Mann hielt ſich, um nicht umgeworfen zu werden, an einem Weinſtock feſt, wurde aber mit dieſem 300 m weit fortgeſchleudert. Alle Bäume und Weinſtöcke waren im Zerſtörungsſtreifen umgeriſſen und die Wieſen ſahen aus, als wenn ſie umgepflügt wären. Auch in der Umgegend von Bordeaux richtete das Unwetter vielen Schaden an. Gartenhäuſer wurden umgeweht, Stühle Humboldt. — Oktober 1887. 401 und Tiſche durch die Luft davon geführt, Bäume entwurzelt. Ein Eiſenbahnzug, welcher nicht gegen den Wind ankommen konnte, lief mit großer Verſpätung ein, zwei andere Züge ſtießen infolge des Sturmes zuſammen, wobei 17 Perjonen leicht verletzt wurden. Die ganze Ernte in der Umgegend von Bordeaux iſt durch Hagel zerſtört, der am nächſten Morgen ſtellenweiſe noch 15 em hoch lag. Zwei Tage darauf wurden die ſüdlichen und inneren Grafſchaften Englands von ungewöhnlich ſchweren Gewittern und Regengüſſen heimgeſucht. Am 18. lag über Europa ein umfangreiches Gebiet niedrigen Luftdruckes mit trüber, naßkalter Witterung und ſchwacher Luftbewegung, welches Gebiet langſam nach Oſten hin ſich fortbewegte. Bekanntlich ſind die Beobachtungen während der Sonnenfinſternis am 19. Auguſt faſt überall durch trübes Wetter verhindert worden, es mag von In— tereſſe ſein, die Wetterlage an dieſem Tage durch eine kleine Karte (Fig. 2) zu veranſchaulichen, wobei ich noch das Gebiet mit vollſtändig trübem Wetter (um 8 reſp. 7 a. m.) durch eine punktierte Linie abgrenze. Am 20. trat eine Aenderung in der Wetterlage ein, indem das Maximum im Weſten oſtwärts fortſchritt und dann über Centraleuropa verweilte, bei welcher Situation wieder ruhiges, heiteres und trockenes Wetter eintrat, welches auch bis zum Monatsſchluſſe anhielt. Dabei erhob fic) die Temperatur nur ſehr langſam und erreichte erſt am 26. durchſchnittlich ihren normalen Wert, worauf dann wieder ungewöhnlich warmes Wetter folgte. Bemerkenswert ſind die anhaltenden Regengüſſe im weſtlichen Oeſterreich am 21. und 22. Auguſt, wodurch im Salzkammergut Hochwaſſer hervorgerufen wurden. Dieſe ergiebigen Regenfälle ſtehen im Zuſammenhange mit einem barometriſchen Minimum, welches am 21. morgens über Oberitalien zuerſt erſchien, bis zum 23. morgens nach Ungarn fortſchritt und in den folgenden Tagen langſam nordoſtwärts verſchwand. Die Salzach und deren Zuflüſſe ſchwollen in einer Weiſe an, wie es ſeit vielen Jahren nicht vorgekommen iſt; in ihren mächtigen Wogen trug die Salzach rieſige Bäume, Beſtandteile von Gebäuden, Brückentrümmer ꝛc. daher. Eiſenbahndämme wurden viel⸗ fach ſo beſchädigt, daß der Eiſenbahnverkehr ſtellenweiſe eingeſtellt werden mußte. Im Pinzgau ſtellte ſich nach achtundvierzigſtündigem Regenwetter ein ſo ergiebiger Schneefall ein, daß nicht allein das Plateau und das Felſengehänge des ſteinernen Meers, ſondern auch die Wälder und Alpen bis unter 1500 m Seehöhe herab mit einer 20 em tiefen Schneeſchichte bedeckt waren. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Naturkalender für den Monat Oktober 1887. Säugetiere. Der Edelhirſch brunſtet ab und ſchlagen ſich dann die männlichen Hirſche in Rudel zuſammen. Dam— hirſch brunſtet. Dachsjagd beginnt. Fledermäuſe, Hamſter, Siebenſchläfer, Haſelmäuſe bereiten ſich zum Winterſchlafe vor, den das Murmeltier in den Alpen bereits begonnen hat. Vögel. Abzug. 1) In der erſten Hälfte des Monats: Letzte Haus- und Rauchſchwalben (Hirundo urbica und rustica), gemeine und gelbe Bachſtelze (Mota- cilla alba, sulphurea, flava), Baumpieper (Anthus ar- boreus), Haidelerche (Alauda arborea), Miſteldroſſel (Turdus viscivorus), Rotkehlchen (Rubecula silvestris), Hausrotſchwänzchen (Ruticilla tithys), Mönch (Curruca atricapilla), Sumpfſänger (Calamoherpe palustris), Schilfſänger (Calamoherpe phragmitis), Stare nach den Weinbergen, Ringeltaube (Columba palumbus), Wachtel, Bekaſſinen, Stock- und Kriekente, Zwergſteißfuß (Podiceps minor) und Waſſerralle (Rallus aquaticus). 2) In der zweiten Hälfte des Monats: Fiſchaar (Pandion haliaetus), Baumfalk (Falco subbuteo), Gabel, Korn⸗ und Rohrweihe (Milvus regalis, ater, Circus cyaneus und aeruginosus), Wieſenpieper (Anthus pra- tensis), Kohlvögelchen (Pratincola torquata), Zippammer (Emberiza cia), Stare, Saatkrähen, Dohlen, Holztaube (Columba oenas), Bläß- und Rohrhühner (Fulica atra, Gallinula chloropus), Bekaſſinen, Auſternfiſcher, Sander— ling (Calidris arenaria), Fiſchreiher, Kraniche; Herbſtſtrich der Waldſchnepfe. Ankunft. Nebelkrähe, Bergfink (Fringilla monti- fringilla), Zeiſig (Fringilla spinus). Durchzug der Waldſchnepfe, der Sing- und Wein⸗ droſſel, Kraniche, Grau- und Saatgänſe, Schnee- oder Hagelgänſe (Anser segetum). Reptilien, Amphibien und Fiſche. An ſchönen warmen Tagen ſonnen ſich noch die Reptilien, beſonders Zaun- und Mauereidechſen (Lacerta agilis und muralis), verkriechen fic) übrigens immer tiefer. Die Tritone ver⸗ graben ſich in der Ufererde. Von Fiſchen laichen die Forelle und einige ihr verwandte Lachsarten. Humboldt 1887. Sufekten rüſten ſich meiſt zur Winterruhe, doch tummeln ſich an ſchönen Tagen noch umher: a. Käfer. Pappelbock und Weberbock (Saperda carcharias und Lamia textor), Holzſchröter (Dorcus parallelepipedus), Miſtkäfer (Aphodius, Geotrupes), Spargelhähnchen (Lema asparagi und XII-punctata), Coceinellen, Schildkäfer (Cassida), Laufkäfer, Blattkäfer (Lina populi etc.), Erdflöhe (Hal- tica), der große und pechſchwarze Waſſerkäfer (Hydro- philus piceus und aterrimus), Gelbrand (Dytiscus mar- ginalis, Cybister Roeseli) u. ſ. f. b. Schmetterlinge. Der Froſtſpanner (Acidalia brumata) mit ſeinem ſtummel— flügeligen Weibchen tritt auf, es zeigt ſich der Herbſtſpanner (Eugonia canaria et autumnaria), der gelbe Linden— ſpanner (Hibernia aurantiaria), abends fliegt noch das blaue Ordensband (Catocala fraxini) und der Totenkopf (Acherontia Atropos). Der Citronenfalter, einige Weiß— linge und Füchſe ſonnen ſich und beſuchen ſpäte Blumen oder reife Früchte. . Hummeln und Weſpen, auch Schlupf— weſpen ſind im Sonnenſchein noch ſehr geſchäftig. Im allgemeinen aber nehmen jetzt die Inſekten ſehr ab. Pflanzen. Die Laubverfärbung des Waldes und der Blätterfall beginnen und nehmen mit froſtigen Nächten ſehr zu. Die Weinleſe findet ſtatt. Von Blumen blühen noch z. B. Aehrenehrenpreis (Veronica spicata), Herbſthabichtskraut (Hieracium bo- reale), Steinröschen (Dianthus carthusianorum), Sca- biosa columbaria, Heidekraut (Calluna vulgaris), Gold⸗ rute (Solidago virga aurea), Wimperenzian (Gentiana ciliata), Quendel (Thymus serpyllum), Glockenblume (Campanula rotundifolia), Schafgarbe (Achillea mille- folium), Zeitloſe (Colchicum autumnale), Bocksbart (Tragopogon orientale), Ochſenzunge (Anchusa offici- nalis), Wildfeuer (Senecio erucaefolius), in Gärten die Kapuzinerkreſſe (Tropaeolum majus), Georgine (Dahlia), Aſter (Aster chinensis) u. ſ. f. — Je nach dem Charakter des Jahres- oder Ortsklimas dauert das herbſtliche Leben noch ungetrübt fort, oder es wird ihm durch Froſt ein baldiges Ende bereitet. Mainz. W. von Reichenau. 51 402 Humbolot. — Oftober 1887. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Oktober 1887. (Mittlere Berliner Zeit.) 14 43m f B. § 6½ 1823 U Cephei 723 U Ophiuchi 1327 Algol 913 N Tauri 622 U Cephei 885 U Coron 1026 Algol 11 32" 8. h. Tauri | 11°47" Eh. f 0! Tanti 1549 S Cancri 12 32m f. d. 6 12> Im A. l. H 4½ 12h 40 m E. I, 5 BAC 1391 165 13m ae Tauri 13" 25™ K fl. 5 16 55m f. d. 9 1 1820 U Cephei 821 U Ophiuchi 822 Tauri 12h 4½m P. 1 0 Orionis 13 52” Ad, 6 14> 2m F. fl. 0 15 Ceti 724 Algol 588 U Cephei 164 Im. h. 5 Cancri 17 mg. d. 9 44/2 720 X Tauri 1726 U Cephei 17" 37™ E. h. ) c Leonis 18 44m A. d. 142 653 U Coronæ 888 U Ophiuchi 520 U Ophiuchi 525 U Cephei 529 Tauri 173 U Cephei 547 U Ophiuchi 551 U Cephei 1826 Algol Su 37" E fl. / 21 Sagittarii 9 Al.. J 5 1720 U Cephei gh 16™ 195 Capricorn’ | 1525 Algol 10h 247 J. h. 1 5½ 5" 26m F. d. 5 O Capricorni] 625 U Ophiuchi 6" 48" fl. 1582 S Cancri 8b 43 H. d. | 70 Aquarii | 1283 Algol 10h Om f. h. 6 1626 U Cephei 125255 f. l. ö BAG 81 13 14 f. h. 1 64/2 723 U Ophiuchi 91 Algol e 1.6 26 Cöll 11> 33m P. fl. i Ceti 13 48™ P. d. ia Cell 140 4m E. f. ö 30 Cell] 9307 ANS 6 ½ 12 50 m A. . 1 6 ½ 14 4m f. l. J 6 155 56 J. B.) 6 ½ ® 15 35 l. l. 2 p. Ceti 10h 24m 165 32 fl. i 44h Merkur wird auch in dieſem Monat dem freien Auge nicht ſichtbar, obwohl er am 26. ſeine größte öſtliche Ausweichung von der Sonne erreicht. Seine ſehr ſüdliche Deklination übertrifft die der Sonne um etwa 10 Grad und bietet daher nur der ſüdlichen Halbkugel der Erde günſtige Sichtbarkeitsverhältniſſe dar. Venus erhebt ſich raſch aus den Sonnenſtrahlen und erſtrahlt am Ende des Monats in vollſter Pracht. Mars ſetzt ſeinen Lauf im Sternbild des Löwen fort und geht in der Nacht vom 10. auf den 11. um zwei Monddurchmeſſer nördlicher an dem hellſten Sterne desſelben, Regulus, vorüber. Sein Aufgang erfolgt von Tag zu Tag nur wenig früher, zuletzt um 1½ Uhr morgens. Jupiter wandert im Sternbild der Wage. Anfangs geht er kurz vor 7 Uhr, zuletzt um 5 Uhr unter, verſchwindet alſo ſchon ganz in den Sonnenſtrahlen. Saturn bewegt ſich in der Richtung nach 9 Cancri und befindet ſich Mitte des Monats etwa einen Monddurchmeſſer ſüdlich von der Preesepe. Am 29. kommt er in Quadratur mit der Sonne. Anfangs geht er kurz nach Mitternacht, zuletzt kurz vor 10¼ Uhr auf. Uranus kommt am 5. in Konjunktion mit der Sonne und taucht erſt Ende des Monats aus ihren Strahlen auf. Neptun iſt noch rückläufig zwiſchen Plejaden und Hyaden. Von den Veränderlichen des Algoltypus geſtattet U Cephei während des größten Teiles des Monats nur die Beobachtung entweder des zunehmenden oder des abnehmenden Lichtes. 6 Libre iſt in den Sonnenſtrahlen verſchwunden. Von Y Cygni laſſen fic) bis zum September 1888 keine Minima beobachten. Bemerkenswert find die Bedeckungen der zwei hellen Sterne a Tauri (Aldebaran) und a Leonis (Regulus) durch den Mond bezüglich am 6. und am 12., welche freilich in unbequeme Morgenſtunden fallen. Dr. E. Hartwig. 4 Humboldt. — Biographien und Zum Präſidenten des Kuratoriums der Phyſikaliſch— techniſchen Reichsanſtalt wurde der Geheime Ober— regierungsrat und vortragende Rat im Reichsamt des Innern Weymann ernannt, und zu Mitgliedern der Chef der trigonometriſchen Abteilung der königl. preußi— ſchen Landesaufnahme Oberſt Schreiber zu Berlin, Kapitän zur See Menſing II., kommandiert zum hydrographiſchen Amt in Berlin, Geheimer Oberpoftrat Maßmann in Berlin, der Direktor der Seewarte Neumayer in Hamburg, der Direktor der Stern— warte Förſter in Berlin, Profeſſor v. Helmholtz in Berlin, Profeſſor Landolt in Berlin, Dr. Werner Siemens in Berlin, der Direktor des meteorolo— giſchen Inſtitutes v. Bezold in Berlin, Profeſſor Paalzow in Berlin, der Direktor des geodätiſchen Inſtitutes Helmert in Berlin, Mechaniker und Op- tiker Fueß in Berlin, Mechaniker und Optiker Bamberg in Berlin, Profeſſor Clauſius in Bonn, Profeſſor Kohlrauſch in Würzburg, Profeſſor Seeliger in München, Mechaniker und Optiker Steinheil in München, der Direktor des Polyted)- nikums Zeuner in Dresden, Profeſſor Dietrich in Stuttgart, Profeſſor Grashof in Karlsruhe, Profeſſor Abbe in Jena, Mechaniker und Optiker Repſold in Hamburg, Profeſſor Kundt in Straßburg. Dr. Ziegler habilitierte ſich für Zoologie in Freiberg. Dr. König habilitierte ſich für Phyſik in Leipzig. Profeſſor Beyrich in Berlin wurde zum forrefpondie- renden Mitglied der mathematiſch-naturwiſſenſchaft— lichen Klaſſe der Wiener Akademie der Wiſſenſchaft erwählt. Dr. H. Mayr in München wurde als Profeſſor der Botanik nach Tokio (Japan) berufen. Dr. O. Döring wurde als Dirigent des neuerrichteten meteorologiſchen Inſtitutes nach Cordoba in Argentinien berufen. Profeſſor Dr. Kreutz in Lemberg wurde als Profeſſor der Mineralogie an die Univerſität Krakau verſetzt. Die königl. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften in Leipzig hat den Geheimen Hofrat Dr. H. B. Geinitz und Hofrat Dr. Schmitt, Profeſſoren am Polytechnikum in Dresden, zu ihren Mitgliedern gewählt. Ferner tft Profeſſor Geinitz zum Ehrenmitglied der Société Belge de Géologie, de Paléontologie et d'Hydro— logie in Brüſſel ernannt worden. Dr. Edm. Naumann, welcher zehn Jahre Vorſtand der geologiſchen Landesaufnahme in Japan war und jetzt wieder als Privatdocent der Münchener Univerſität angehört, iſt von der königl. geographiſchen Geſellſchaft in London zu ihrem korreſpondierenden Ehrenmitglied ernannt worden. r Afrikareiſende Max Quedenfeld iſt von ſeiner zu entomologiſchen Zwecken unternommenen Reiſe nach den kanariſchen Inſeln zurückgekehrt. Er hat mit großem Glück geſammelt und auch ethnologiſche Dinge heim— gebracht. Botaniker Sintenis iſt nach dreijährigem Auf—⸗ enthalt auf Portorico zurückgekehrt und hat große und wertvolle Sammlungen von getrockneten und lebenden Pflanzen und Pflanzenteilen (auch Krypto⸗ gamen) und von Schmetterlingen heimgebracht. Auch die Zoologie, Geologie und Urgeſchichte der Inſel hat durch dieſe Reiſe Förderung erfahren. J. T. Cunningham M. A., F. R. S. E., Fellow of University College, Oxford, hat den Poſten des Naturforſchers bei der Marine Biological Association erhalten, deren Laboratorium in Plymouth einer Vervollſtändigung entgegengeht. Profeſſor Agaſſiz in New Cambridge wurde von der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften zum auswärtigen Mitglied, die Profeſſoren Cotteau in Auxerre und 8 De — Oktober 1887. 403 perſonalnotizen. Marion in Marſeille wurden zu korreſpondierenden Mitgliedern in der anatomiſch-zoologiſchen Fakultät, Scacchi in Neapel zum korreſpondierenden Mitgliede in der mineralogiſchen Sektion gewählt. Die Academia dei Lincei in Rom hat für das Jahr 1885 den Königspreis für die biologiſchen Wiſſenſchaften dem Zoologen Giuſeppe Bellon ei für ſeine entwickelungs— geſchichtlichen und hiſtologiſchen Arbeiten zuerkannt. Die vom Miniſterium des öffentlichen Unterrichtes aus— geſetzten Preiſe wurden folgendermaßen verteilt: je 3000 Lire an Profeſſor Francesco Baſſani für ſeine Arbeiten über foſſile Fiſche und an Profeſſor Antonio Piccone für ſeine deſkriptiven und geographiſchen Studien über die Algen; je 1500 Lire an Profeſſor Carlo Fabrizio Perona für paläontologiſche und geologiſche Arbeiten und an Profeſſor Vincenzo de Romita für eine Arbeit über die Vögel Apuliens. Totenliſte. Aſhburner, William, Profeſſor, Geolog und Bergingenieur in San Francisco, ſtarb am 20. April. Terquem, Olry, bekannt durch ſeine zahlreichen und wert⸗ vollen Arbeiten über foſſile und lebende Foraminiferen, ſtarb Mitte Juni zu Paſſy bei Paris im Alter von 90 Jahren. Wenige Wochen darauf, am 16. Juli, ſtarb ſein Sohn A. Terquem, Profeſſor der Phyſik in Lille, 56 Jahre alt. Grewingk, Dr. C., Profeſſor der Mineralogie an der Univerſität Dorpat, geboren am 14. Januar 1819, ſtarb daſelbſt am 30. Juni. Schatz, Dr. E., tüchtiger Lepidopterolog, ſtarb Ende Juni zu Radebeul bei Dresden. Mayer, Karl, großherzogl. heſſiſcher Gartendirektor a. D., ſtarb 83 Jahre alt am 14. Juli zu Karlsruhe. Groddeck, Dr. A. v., Bergrat, Direktor der Bergakademie und Bergſchule in Klausthal, ſtarb daſelbſt am 18. Juli. Krejéei, Dr. Johann, Profeſſor der Geologie an der Univerſität in Prag, Mitglied des böhmiſchen Land— tages und geweſener Reichstagsabgeordneter, ſtarb am 1. Auguſt in Prag. Panſch, Adolf, Profeſſor der Anatomie in Kiel, ertrank am 14. Auguſt im Kieler Hafen. Er war 1841 ge⸗ boren und gehörte 21 Jahre als Proſektor und Lehrer der Kieler Hochſchule an. 1869 und 70 beteiligte er ſich an der zweiten deutſchen Nordpolexpedition, deren wiſſenſchaftliche Ergebniſſe in einem von ihm 1873 veröffentlichten Werke dargelegt ſind. Außerdem ſchrieb er: Grundriß der Anatomie des Menſchen (Berlin 1879-81) und anatomiſche Vorleſungen für Aerzte und ältere Studierende (Berlin 1884). Auch im natur⸗ wiſſenſchaftlichen und anthropologiſchen Verein Schles— wig⸗Holſteins läßt der Tod von Panſch eine ſchwer auszufüllende Lücke. Haaſt, Sir John Francis Julius von, ſtarb am 15. Auguſt in Wellington auf Neuſeeland. Er war am 1. Mai 1822 in Bonn geboren, ging 1858 als Kaufmann nach Neuſeeland, begleitete 1859 Hochſtetter auf ſeiner geo— logiſchen Forſchungsreiſe durch die Inſel und wurde nach Hochſtetters Abreiſe von der Regierung mit der Fortführung der geologiſchen Aufnahmen beauftragt. Später trat er in den Dienſt der Provinzialregierung von Canterbury, wurde Direktor des Canterbury- muſeums und Profeſſor der Geologie am Canterbury College. 1886 wurde er in den engliſchen Ritterſtand erhoben. Haaſt hat ſich große Verdienſte um die Geologie und Paläantologie von Neuſeeland erworben. Er durchforſchte die Alpenwelt der Südinſel, ent⸗ deckte Gold und Steinkohlen und ſchrieb: Geology of the provinces of Canterbury and Westland. New Zealand (London 1879). 404 Humboldt. — Oktober 1887. Litterariſche Rundſcha u. Edmund Naumann. Die Erſcheinungen des Erd⸗ magnetismus in ihrer Abhängigkeit vom Baw der Erdrinde. Mit 3 Figuren im Text und einer Karte. Stuttgart, Ferdinand Enke. 1887. Preis 3 , 60 J Das Schriftchen des ſchon durch mehrfache Publi⸗ kationen über Japan bekannten Verfaſſers, welcher nahezu ein Jahr in jenem Lande lebte und die geologiſche Kartie⸗ rung desſelben beſorgte, eröffnet uns eine nach mehreren Seiten hin intereſſante Perſpektive in der Richtung auf ein Gebiet, deſſen Bearbeitung ſchon öfters indirekt als not⸗ wendig bezeichnet, noch niemals aber ernſtlich in Angriff genommen worden iſt. Indem Naumann mit der geogno⸗ ſtiſchen Aufnahme zugleich die magnetiſche verband, war er in der Lage, für Nipon und Kiuſchiu die Iſogonen und Iſodynamen mit weit größerer Genauigkeit verzeichnen zu können, als es vordem möglich war, und indem er auf derſelben Karte, welche der Vorlage beigegeben iſt, auch die wichtigſten tektoniſchen Linien markierte, ſtellte er dem Beſchauer unmittelbar die Thatſache vor Augen, daß zwi⸗ ſchen dem Erdmagnetismus und denjenigen Kräften, welche geſtaltbildend in der Erdkruſte thätig ſind, eine gewiſſe Kauſalbeziehung obwaltet, über deren eigentliches Weſen wir freilich fürs erſte noch im unklaren ſind. Wir müſſen uns zunächſt darauf beſchränken, Beobachtungsmaterial her⸗ beizuſchaffen, und hierzu leiſtet der Verfaſſer gleich ſelber einen tüchtigen Beitrag, indem er alle Angaben für das magnetiſche Verhalten der einzelnen Teile der Erdoberfläche ſammelt und kritiſch prüft, bei denen irgend eine — mög⸗ licherweiſe geologiſch zu deutende — Anomalie hervortritt. So beſtätigt ſich beiſpielsweiſe das in Japan beſonders ſchön ausgeprägte Faktum, daß die Iſogonen einer ſcharfen Gebirgsknickung in ihrem Verlaufe ſich anſchmiegen, auch im Bau der Karpathenländer und in der Art, wie dort das magnetiſche Erdpotential ſeine Wirkung äußert, ſo offenbaren ſich über der doch in morphologiſcher Hinſicht nicht viel Merkwürdiges darbietenden ruſſiſchen Tafel mag⸗ netiſche Unregelmäßigkeiten, die gewiß mit Störungen des Schichtenbaus, vielleicht z. B. mit dem merkwürdigen Maſſen⸗ defekt um Moskau herum, in Beziehung ſtehen, ſo ſcheint eine ganz ſonderbare Ausbiegung der Iſoklinen in Canada auf das Daſein großer Verwerfungsſpalten hinzuweiſen u. ſ. f. Die Art und Weiſe, wie man mangels detaillierter Meſſungen die magnetiſchen Kurvenſyſteme bisher vielfach auf inter⸗ polatoriſchem Wege konſtruiert hat, genügt für den von Naumann angeſtrebten Zweck nicht, da es in dieſem Falle nicht auf die Gewinnung eines im großen und ganzen richtigen Totaleindrucks, ſondern weit mehr auf merkwürdige Einzelheiten ankommt, die ſich im generellen Bilde ver⸗ wiſchen. Auch eine weitere Gefahr liegt auf der Bahn, welche bei der hier in Rede ſtehenden Unterſuchung be⸗ ſchritten werden muß: dieſe Gefahr beſteht darin, daß man mit dem wirklichen Erdmagnetismus jenen oberflächlichen Geſteinsmagnetismus verwechſle, der allerdings in der nächſten Umgebung der damit begabten Felſenmaſſen die wunderlichſten Deformitäten der magnetiſchen Linien be⸗ wirken muß. Wir billigen es deshalb vollkommen, daß der Verfaſſer auch dieſe Frage mit in den Kreis ſeiner Betrachtungen zieht und die Litteratur namhaft macht, aus welcher man ſich über den bisher wohl zu wenig beachteten Gegenſtand Aufklärung zu holen vermag. Die theoretiſchen Erwägungen, welche der Verfaſſer im Schlußteil ſeiner Arbeit an die von ihm mitgeteilten empiriſchen Daten knüpft, wollen natürlich nicht jetzt ſchon eine Löſung liefern, wie denn eine ſolche wohl noch in ſehr langer Zeit nicht erbracht werden wird, ſie wollen vielmehr nur anregen und leitende Geſichtspunkte aufſtellen, und dieſen Zweck hat der Autor, der ſich mit dem neueſten Stande unſeres Wiſſens von den magnetiſch⸗elektriſchen Erdkräften ſehr wobl ver⸗ traut zeigt, gewiß erreicht. Insbeſondere dürfte er recht haben, wenn er auch auf ſorgfältige Berückſichtigung jener Ergebniſſe dringt, welche die ſoeben im größeren Stile auf⸗ genommene Forſchung über „Erdſtröme“ bereits zu Tage ge⸗ fördert hat und noch fördern wird. München. Prof. Dr. S. Günther. H. Braun u. F. J. Hanauſek, Cehrbuch der Ma⸗ kferialienkunde auf naturgeſchichtlicher Grund- lage. Bd. 1. Materialienkunde des Tier⸗ und Mineralreichs. Wien, A. Hölder. 1887. Preis 1,6% Ein im Auftrage des k. k. Miniſteriums für Kultus und Unterricht von den Verfaſſern oder, da Prof. Braun bei Beginn der Arbeit ſtarb, faſt ausſchließlich von Prof. Hanauſek bearbeiteter Leitfaden für den Unterricht in der Rohſtofflehre an Handwerker-, niederen Handels- und Ge⸗ werbeſchulen. Es iſt offenbar eine glückliche Idee, Natur⸗ geſchichte in der vorliegenden Weiſe mit Materialienkunde zu verbinden und beſſeren Händen als denen des auf dem Gebiet der Warenkunde rühmlichſt bekannten Verfaſſers konnte die Ausführung dieſer Idee wohl nicht anvertraut werden. Wir finden in dem kleinen Buche die wichtigſten naturgeſchichtlichen Angaben über die Tiere wie über die Mineralien und Geſteine und daran fic) anreihend eine Beſprechung der Waren, die mit wohl bedachter Auswahl, in engem Rahmen das Wiſſenswerteſte gibt. So eignet ſich das Buch auch ganz vortrefflich zum Privatſtudium und wir glauben es jüngeren Handwerkern, Induſtriellen, Kauf⸗ leuten, Droguiſten beſtens empfehlen zu dürfen. Friedenau. Dammer. V. Groth, Grundriß der Edelſteinkunde. Ein all⸗ gemeinverſtändlicher Leitfaden zur Beſtimmung und Unterſcheidung roher und geſchliffener Edelſteine. Mit 1 Farbentafel und 43 Holzſchnitten. Leipzig, Engelmann. 1887. Preis 5 / Das Büchlein ſoll ſowohl dem Fachmann als dem Liebhaber Mittel an die Hand geben, die verſchiedenen, äußerlich oft ſehr ähnlichen Edelſteine auf die bequemſte Art voneinander zu unterſcheiden und zu beſtimmen. In dem erſten Teil werden die phyſikaliſchen Eigenſchaften, welche bei der Beſtimmung beſonders in Betracht kommen, ganz allgemein erörtert; neben dem ſpecifiſchen Gewicht, der Spaltbarkeit und der Härte werden auch die Kryſtall⸗ formen und die optiſchen Eigenſchaften als ſehr brauchbare Hilfsmittel zum Unterſcheiden der Edelſteine genannt, und in allgemein verſtändlicher Weiſe werden die einfachſten Methoden und Inſtrumente beſprochen, mittelſt deren die für die Beſtimmung ſo wichtigen Brechungsverhältniſſe der Edelſteine genauer feſtgeſtellt werden können. Im ſpeciellen Teil ſind die einzelnen Edelſteine in Bezug auf ihre Eigen⸗ ſchaften, ihr Vorkommen, ihre Bearbeitung und ihre Wert⸗ verhältniſſe behandelt. Es folgt dann eine Ueberſichts⸗ tabelle, welche die Unterſcheidung und Beſtimmung geſchliffener Edelſteine nach den im allgemeinen Teil angegebenen Me⸗ thoden erleichtern ſoll. Die Darſtellung — dafür ſpricht ſchon der Name des durch ſein Lehrbuch der phyſikaliſchen Kryſtallographie rühmlichſt bekannten Verfaſſers — ift allenthalben klar und auch für den Laien leicht verſtänd⸗ lich. Es kann daher das Büchlein allen, die ſich über Edel⸗ ſteine unterrichten wollen, recht angelegentlich empfohlen werden. Straßburg. Profeſſor Dr. Pücking. Th. Geyler u. J. Kinkelin, Oberpliocän-Ilora aus den Baugruben des Klärbeckens bei Nieder⸗ rad und der Schleuſe bei Höchſt a. M. Separat⸗ abdruck a. d. Abh. d. Senckenb. naturf. Geſ., Bd. 14. Frankfurt a. M., Dieſterweg. 1887. Die in den letzten Jahren längs des Mains ausge⸗ führten Tiefbauten haben wertvolle Aufſchlüſſe über die Lagerung des Pliocäns und die zu jener Zeit vorhandene Vegetation geliefert. Ueber letztere berichten die Autoren wie folgt: Die Flora der neu erſchloſſenen Oberpliocän⸗ ablagerungen iſt eine außerordentlich reiche und ſetzt ſich Humboldt. — Oktober 1887. meiſt aus Früchten zuſammen. Koniferen herrſchen vor, aber merkwürdigerweiſe fehlt die für das Oberpliocän an⸗ derer Gegenden bezeichnende Pinus Cortesii. Es fehlen ferner die kleinaſiatiſchen Pflanzenformen, welche von Lud- wig als ein charakteriſtiſches Merkmal der Pliocänflora der benachbarten Wetterau bezeichnet wurden. Dagegen ent— hält die Flora des Mainthals mehr nordamerikaniſche Arten, als irgend eine aus Europa bekannte Pliocänflora, ſo namentlich die Gattungen Nyssites, Juglans, Carya, Pinus, Taxodium. Die Mehrzahl der pliocänen Formen kommt in Europa jetzt nicht mehr vor; doch haben ſich folgende 6 Pflanzen während der Eiszeit erhalten: Pinus montana, Cembra; Abies (?) pectinata; Picea vulgaris; Corylus Avellana; Betula alba. Während das Vorkommen von Taxodium, Liquidambar für die Einreihung der pflanzenführenden Schichten des Untermainthals in die Tertiärperiode ſpricht, deuten andere Formen wie nament⸗ lich die für die Quartärperiode bezeichnende Juglans cinerea darauf hin, daß wir es mit einer Uebergangsflora zwiſchen beiden Perioden zu thun haben; als ſolche erſcheint ſie von erhöhtem Intereſſe. Das damals herrſchende Klima war von dem heutigen nicht weſentlich verſchieden, vielleicht etwas wärmer und feuchter. Einigermaßen überraſchend muß das Auftreten der Krummholz- und Zirbelkiefer ge— nannt werden, da beide heute faſt nur die höheren Gebirgs— gegenden bewohnen. — Die Flora von Groß⸗Steinheim, welche nach den Unterſuchungen Ludwigs für oligocän be— trachtet worden iſt, gehört gleichfalls dem Oberpliocän an. Freiburg. Prof. Dr. Steinmann. Flügge, Die Mikroorganismen. Mit beſonderer Berückſichtigung der Aetiologie der Infektions⸗ krankheiten. 2. völlig umgearbeitete Auflage der „Fermente und Mikroparaſiten“. Leipzig bei F. C. W. Vogel. 1886. Preis 18 % Die erſte Auflage dieſes Werkes erſchien als Teil des Handbuchs der Hygiene von Pettenkofer und Ziemſſen, während die vorliegende unabhängig auftritt und nun, nicht mehr gehemmt durch Rückſichten auf andere Bände eines großen Sammelwerkes, Vollſtändigeres bieten kann. Wert— voll erſcheint beſonders die hier gegebene praktiſch brauch— bare Syſtematik der Bakterien, welche die Kulturmerkmale der einzelnen Arten möglichſt detailliert ſchildert und für jede der drei Hauptgruppen einen Schlüſſel zur diagnofti- ſchen Unterſcheidung und Auffindung der Art gibt. Dieſe Anordnung beanſprucht nicht, als ein Verſuch zu einem wiſſenſchaftlichen Syſtem betrachtet zu werden. Die Auf⸗ ſtellung eines ſolchen hält der Verfaſſer für verfrüht, ihm war weſentlich darum zu thun, durch vorzugsweiſe Beach— tung der Wachstumsmerkmale auf einem beſtimmten Nähr⸗ boden ein Mittel zur ſicheren Orientierung zu ſchaffen. Großes Intereſſe bietet die Behandlung der Aetiologie der Infektionskrankheiten. Der Verfaſſer ſteht hier ſelbſtver— ſtändlich völlig auf dem Standpunkt der neueſten Forſchungen und ſucht die Verbreitungsweiſe der Infektionskrankheiten, insbeſondere der Cholera, in konſequenter Anlehnung an die experimentell feſtgeſtellten Eigenſchaften der Krankheits⸗ erreger zu entwickeln. In einem beſonderen Abſchnitt ſind die Methoden zur Unterſuchung der Bakterien ausführlich beſchrieben. Friedenau. Dammer. A. Weismann, Weber den Nückſchritt in der Natur. Freiburg i. B., Akademiſche Verlags⸗ buchhandlung. 1886. Preis 1 %% In dieſem vor einem gemiſchten Publikum (in der Akademiſchen Geſellſchaft zu Freiburg) gehaltenen und da— her allgemein verſtändlichen Vortrage finden wir eine durch verſchiedene wohlgewählte Beiſpiele (namentlich Schmarotzer krebſe) erläuterte, ausgezeichnete Erörterung der bekannten Thatſache, daß neben den Fortſchritten der Lebeweſen, die uns Erd- und Entwickelungsgeſchichte zeigen, auch vielfache und oft ſehr weitgehende Rückſchritte in ihrer Organiſation zu beobachten ſind. Es wird darin namentlich gezeigt, daß der Begriff einer Verkümmerung der Glieder und Organe durch Nichtgebrauch keineswegs einfach wörtlich zu verſtehen 405 ift, daß nämlich ein nichtgebrauchtes Organ, im Gegenſatz zu der Kräftigung ſtark gebrauchter Organe, nicht etwa aus Mangel genügender Nahrungszufuhr, oder durch einen ſogenannten „Kampf der Teile“ einfach dahinſchwindet, ſondern daß das wirkliche Verſchwinden vielmehr erſt durch Vorgänge veranlaßt wird, welche Weismann als die „Kehr— ſeite der Naturzüchtung“ bezeichnet. „Wenn,“ ſagt er S. 15, „wirklich die Zweckmäßigkeit der lebenden Weſen in allen ihren Teilen auf dem Vorgang der Naturzüchtung beruht, dann muß dieſe Zweckmäßigkeit auch durch dasſelbe Mittel erhalten werden, durch welches ſie zuſtande gekommen iſt und ſie muß wieder verloren gehen, ſobald dieſes Mittel, die Naturzüchtung, in Wegfall kommt. Mit dieſen Folge⸗ rungen aber haben wir die Erklärung dafür gefunden, warum Teile, welche überflüſſig geworden ſind und nicht mehr benutzt werden, notwendig von der Höhe ihrer Aus— bildung herabſinken und nach und nach verkümmern müſſen.“ Die dadurch gewonnene Erſparnis an Kraft und Bildungs— material kann ſomit anderen Organen zu gute kommen und daher iſt „der Rückſchritt überflüſſig gewordener Teile Bedingung des Fortſchritts“. So weit ſtimmen die An— ſichten des Verfaſſers, ſoweit ich zu urteilen vermag, mit den bisher darüber geäußerten, namentlich mit den Roux— ſchen und meinen eigenen Ausführungen über den „Kampf der Teile“ völlig überein. Aber natürlicherweiſe muß Weismann dieſe Ideen mit ſeiner Anſicht, daß erworbene Eigenſchaften nicht vererbt werden, in Einklang bringen. Er polemiſiert gegen die bisherige entgegengeſetzte Anſicht der meiſten Darwiniſten, unſeres Erachtens (S. 13) nicht beſonders glücklich, mit dem Beiſpiel der nicht vererbbaren Sprachen. Denn die von Menſchen im Laufe der Ent— wickelung erworbene Sprachfähigkeit wird doch ohne Zweifel vererbt, natürlich mit Ausnahme der rein kon— ventionellen Lautbildungen und Buchſtabenhäufungen, ſonſt müßte am Ende das Kind gemiſcht-ſprachlicher Eltern mit einer ganz neuen Sprache zur Welt kommen! Mir ſcheint überdem, daß der Verfaſſer, wenn er die Erblichkeit von Organverluſten zugibt, fic) auf das ſchönſte ſelbſt wider- legt, denn auch der Verluſt eines überflüſſig gewordenen Organs iſt eine im Kampfe mit äußeren Agentien er⸗ worbene Eigenſchaft, und ſogar, wie Weismann ſehr treffend gezeigt hat, unter den obwaltenden Umſtänden allemal ein relativer Gewinn des Organismus. Oder ſollen wir vielleicht in das Keimprotoplasma neben der Tendenz, neue Erwerbungen zu machen, noch eine zweite, ſie wieder zu verlieren und zwiſchen beide eine präſtabi— lierte Harmonie ſtellen? U. A. W. G. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. Friedrich Knauer, Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von Profeſſor von Dalla Torre. Mit 9 Tafeln. Stuttgart, Ferdinand Enke 1887. Preis 20 J. Infolge des raſtloſen Fortſchreitens der zoologiſchen Wiſſenſchaft hat ſich ſchon lange der Mangel eines zoolo— giſchen Wörterbuches bemerklich gemacht, welches dem Laien, dem Lehrer und namentlich dem Lehrer der Naturgeſchichte eine kurze, aber ausreichende Auskunft über die einſchlä— gigen Fragen gibt. Das im Verlage von Trewendt er— ſcheinende Handwörterbuch der Zoologie, Anthropologie und Ethnographie iſt für dieſen Zweck zu umfaſſend angelegt, daher auch zu koſtſpielig und außerdem noch im Erſcheinen begriffen, ſo daß wohl noch eine geraume Zeit vergeht, ehe es vollendet iſt. Wir begrüßen daher mit Freuden das vorliegende Werk, welches dieſe Lücke in der zoologi— ſchen Litteratur ausfüllt. Der Verfaſſer hat ſeine ſchwie— rige Aufgabe mit großem Geſchicke gelöſt. Daß ein ſolches Werk nicht überall auf die Details eingehen kann, iſt ſelbſt⸗ verſtändlich, aber alle wichtigen Fragen ſind möglichſt ein⸗ gehend behandelt. Die einzelnen Artikel ſind trotz der er— forderlichen Kürze klar und verſtändlich geſchrieben und ſtets gewiſſenhaft die neueſten Forſchungen berückſichtigt. Einzelne Artikel, namentlich ſolche, welche verwickelte Ver- hältniſſe bei niederen Tieren behandeln, würden allerdings durch eine Abbildung noch mehr gewinnen, da eine ſolche 406 oft mehr zum leichteren Verſtändnis beiträgt, wie die ge⸗ naueſte und ſorgfältigſte Beſchreibung. Die beigegebenen Tafeln, ſowie die ganze Ausſtattung ſind recht hübſch. Wir können das treffliche Werk aus voller Ueberzeugung empfehlen und zweifeln nicht, daß es weite Verbreitung finden wird. Hannover. Profeſſor Dr. W. Heß. F. v. Bedriaga, Beiträge zur Kenntnis der La⸗ certidenfamilie (Lacerta, Algiroides, Tropido- saura und Bettaia). Separatabdruck a. d. Ab⸗ handlungen der Senckenb. naturf. Geſellſchaft. Bd. 14. Frankfurt a. M., Moritz Dieſterweg. 1886. Mit einer Tafel. Preis 18 . Indem Referent bei der Beurteilung dieſes Buches billig von der 83 Seiten, alſo beinahe den fünften Teil des Ganzen umfaſſenden Behandlung der Mauereidechſe, Lacerta muralis, ausgeht, drängt ſich ihm die Thatſache auf, daß der Verfaſſer allein fünf Subſpecies daraus macht und daß er z. B. allein aus der erſten Subſpecies wieder ſechs Varietäten bildet. Dieſe Abarten und ſogar die Unterarten () ſind aber nichts weniger als nach wirklich ſyſtematiſch verwertbaren Merkmalen, ſondern weſentlich nach der Farbe, Größe u. dgl. aufgeſtellt, ohne Rückſicht darauf, ob fie in zuſammenhängendem Vor⸗ kommen unmittelbar ineinander übergehen oder nicht und unbekümmert darum, ob ſie geſetz⸗ mäßige oder zufällige Bildungen darſtellen. So iſt z. B. die Unterſcheidung der zwei wichtigſten Unterarten: fusca und neapolitana nichts als eine willkürliche Taufe der nördlich und der ſüdlich in Europa lebenden Mauer⸗ eidechſen, welche, wie Eimer in ſeinem bekannten Buche über das Variieren der Mauereidechſe gezeigt hat, ganz allmählich ineinander übergehen (platycephale und pyra⸗ midocephale Formen). Sonach geht dem Verfaſſer, wie ſeine Verwertung des Begriffes Subſpecies zeigt, jegliches Verſtändnis für die Forderungen der Syſtematik ab. Un⸗ begrenzter, wertloſer, jeden ſyſtematiſchen Ueberblick un⸗ möglich machender Namengebung wäre aber bei Beachtung ſolcher Arbeit Thür und Thor geöffnet. Ganz entſprechend dem Umſpringen des Verfaſſers mit der Syſtematik iſt dasjenige mit der Litteratur. Die eingehendſten und wich⸗ tigſten Arbeiten über die Mauereidechſe von Eimer: Unter⸗ ſuchungen über das Variieren der Mauereidechſe (Archiv für Naturgeſchichte 1881) und Zoologiſche Studien auf Capri II, (Leipzig 1874) ſind im Litteraturverzeichnis einfach ausge⸗ laſſen, obwohl Verfaſſer auf dieſelben polemiſch zu ſprechen kommt. Aus jener Polemik geht überdies hervor, daß er die fundamentale Bedeutung der betr. Unterſuchungen ganz und gar verkannt und die Eimerſchen Arbeiten überhaupt nicht verſtanden hat. Im übrigen wird das Buch, auf deſſen Ausarbeitung ſichtlich Mühe verwendet worden iſt, wenn auch nicht durch genaue und objektive Darſtellung, ſo doch durch das darin enthaltene Vergleichungsmaterial und als Litteraturnachweiſer Dritter nicht ohne Wert ſein. In dieſen beiden Beziehungen iſt hervorzuheben, was der Ver⸗ faſſer in der Vorrede bemerkt, daß er zahlreiche Bibliotheken und Sammlungen durchſucht hat. Zukünftige Forſcher auf dem behandelten Gebiete wiſſen alſo, wo ſie dies und jenes zum Zweck genauerer Unterſuchung finden können. Tübingen. Dr. C. Fickert. Villaret, Handwörterbuch der geſamten Medizin. 2 Bde. Lief. 1. Stuttgart, F. Enke. 188 7. Preis 2% Das unter Mitwirkung zahlreicher Fachmänner, ſoweit man bis jetzt zu urteilen vermag, ſehr zweckmäßig bearbeitete und recht geſchickt redigierte Unternehmen dürfte vielbe⸗ ſchäftigten Aerzten durchaus willkommen ſein, da es ihnen die bequemſte Gelegenheit bietet, ſich ſchnell zu orientieren, dem Gedächtnis nachzuhelfen und vorläufig hinreichende Auskunft über die zahlreichen neuen Dinge zu geben, welche die Medizin ſeit noch nicht ganz zwei Decennien ſo weſent⸗ lich umgeſtaltet haben. Wir zeigen das Unternehmen aber auch in unſerer Zeitſchrift an, weil wir es dem nichtme⸗ diziniſchen Publikum dringend empfehlen möchten. Die Humboldt. — Oktober 1887. Artikel ſind durchaus verſtändlich geſchrieben und gewähren einen Einblick in das Weſen der Krankheiten, in die Wir⸗ kung der Arzneimittel ꝛc., wie ſich der Laie ihn auf anderem Wege kaum verſchaffen kann. Und die Pathologie und die Arzneimittellehre haben doch auch großes naturwiſſenſchaft⸗ liches Intereſſe, vor allem aber iſt eine Orientierung größerer Kreiſe auf dieſem Gebiet deshalb ſo nützlich, weil ſie ermöglicht, den Anordnungen des Arztes beſſer, erfolg⸗ reicher Folge zu leiſten. Nichts kann verhängnisvoller werden, als wenn der Laie dem Arzt vorgreifen, auf eigene Hand kurieren will, wer aber einigermaßen unterrichtet iſt und die Anordnungen des Arztes verſteht, der wird dem Patienten ſehr viel größere Dienſte leiſten können als der Unwiſſende. Die Artikel des Handwörterbuchs bringen auf dem engen Raum eine Fülle des Wiſſenswerten. Auch die Auswahl iſt im allgemeinen recht geſchickt, nur möchten wir anheimgeben, ob nicht Artikel wie Amphioxus, Andrews kritiſcher Temperaturpunkt, Anhydrid und Anhydrit, Antha⸗ kotherium ꝛc., ebenſo auch viele chemiſche Artikel fehlen könnten. Selbſtverſtändlich muß, was allenfalls durch ſolche Artikel angeſtrebt werden kann, höchſt lückenhaft bleiben und der Raum, den dieſe Sachen einnehmen, würde zweifel⸗ los beſſer verwertet werden, wenn Artikel wie Akklimati⸗ fation, Anſteckung ꝛc. ausführlichere Beſprechung erführen. Friedenau. Dammer. Johannes Banke, Der Menſch. Band 2. Mit 408 Abbildungen im Text, 6 Karten und 8 Aquarell⸗ tafeln. Leipzig, Bibliogr. Inſtitut. 1887. Preis 13% Der zweite Band des obigen Werkes behandelt die heutigen und die vorgeſchichtlichen Menſchenraſſen, die Körperproportionen der weißen Kulturvölker, der außer⸗ europäiſchen Kulturvölker und der Naturvölker, die „Kümmer⸗ formen“ (Zwergraſſen und drgl.), die aus der Verſchieden⸗ heit der Körpergröße und des Körpergewichts ſich ergebenden Raſſenmerkmale und den Einfluß der äußeren Lebensum⸗ ſtände, der ſocialen Verhältniſſe, Erblichkeit 2c. Weitere Abſchnitte behandeln die Farbe der Haut, der Augen und das Haar in allen ſeinen Beziehungen. Dann folgen Be⸗ trachtungen über die kraniologiſchen Syſteme, über die beiden Hauptſchädeltypen und die aus dieſen hervorge⸗ gangenen Miſchtypen, über den Einfluß, den äußere und innere Verhältniſſe auf die Schädelform und den das normale Wachstum auf die Geſichtsbildung ausüben, über die Beziehungen der Schädelteile zu einander 2. In dem nächſten Abſchnitt werden die Frage nach der Abſtammung des Menſchengeſchlechts von einer oder mehreren Grund⸗ formen, ſowie die behufs Unterſcheidung der Menſchenraſſen aufgeſtellten Syſteme erörtert. Den Abſchluß der erſten Hälfte des vorliegenden Bandes bilden die „anthropolo⸗ giſchen Raſſenbilder“ — Schilderungen verſchiedener Raſſen⸗ typen und Völker, die geradezu als klaſſiſch zu bezeichnen ſind und zu einer Neugeſtaltung der Ethnographie wich⸗ tiges Material bieten. — In der zweiten Hälfte des Bandes, welche „die Urraſſen Europas“ betitelt ijt, wird zunächſt der diluviale Menſch und die Verhältniſſe, unter welchen derſelbe unſeren Erdteil bewohnte, beſprochen. Daran ſchließt ſich eine Beſchreibung der älteſten menſchlichen Wohnſtätten in Europa, ſowie jener in den Knochenhöhlen und den Ablagerungen des Diluviums gemachten Funde. Darauf folgt eine Erörterung der Beziehungen zwiſchen älterer und jüngerer Steinzeit, ſowie eine eingehende Schilderung der ſteinzeitlichen Pfahlbauten der Schweiz. Ein beſonderer Abſchnitt behandelt die neolithiſche Keramik, ein anderer die von der Linguiſtik gemachten Verſuche, die Abſtammung der europäiſchen Steinzeitmenſchen feſtzuſtellen. Der letzte Abſchnitt ſchildert die Bronze- und erſte Eiſen⸗ zeit und deren verſchiedene Phaſen. Die Ausſtattung des für die Anthropologie geradezu epochemachenden, ein außer⸗ ordentlich umfangreiches Wiſſen bekundenden und zugleich durch Schönheit der Darſtellung ſich auszeichnenden Buches iſt eine ſo vorzügliche und prächtige, daß von neueren Publikationen wohl nur ſehr wenige einen Vergleich mit dem Rankeſchen Werk auszuhalten imſtande ſind. Kaſſel. Dr. M. Alsberg. Humboldt. — Oktober 1887. 407 weort og ry ap b.tie Bericht vom Monat Auguſt (887. Allgemeines. Bibliotheca historico-naturalis oder vierteljährl. ſyſtematiſch geordnete Ueberſicht der in Deutſchland und dem Auslande auf dem Gebiete der Zoologie, Botanik u. Mineralogie neu erſchienenen Schriften ꝛc. Ban v. R. v. Hanſtein. 37. Jahrg. 1. Heft. Jan. — März 1887. öttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. 1. — medico-chirurgica, pharmaceutico-chemica et veterimaria. S von G. Ruprecht. 41. Jahrg. 1. Deft. Jan. — März 1887. öttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. Büchner, L., Thatſachen u. Theorien aus dem naturwiſſenſchaftl. Leben der Gegenwart. 2. Aufl. Berlin, Verein f. Deutſche Litteratur. M. 6. Kahnmeyer, Naturgeſchichte, in Len eng chaften dargeſtellt. 5. Aufl. Braunſchweig, Wollermann. M. —. — Naturlehre u. Chemie. 5. Aufl. ann erig, Wölermüng M. —. 40. Köhler, O., Weltſchöpfung und Weltuntergang. Die Entwickelung von Himmel und Erde, vom Standpunkte der Naturwiſſenſchaft aus dar⸗ geſtellt. Stuttgart, Dietz. M. 2. 50. Mittheilungen aus dem naturwiſſ enſchaftl. Verein f. 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M. 3. — 1 1 7 8. den unterricht in der Phyſik. 5. Aufl. Leipzig, Hirt & Sohn. Chemie. Gon 12 a 1 zur Kenntnis der Parawolframate. öhler. Jolles, A. ae Beiträge 1 Kenntnis der Manganate und Manganite. Breslau, Köhler. M. Jung, H., Leitfaden f. den Untericht in der Chemie in ee le Surf. Anorganiſche Chemie. Weimar, Krüger. 9 — Leitfaden für den Unterricht in der Chemie und Technolsgie ; Sent Breslau, narien, Real⸗, Gewerbe- und Auer e 1. Kurſ. An⸗ organiſche Chemie. Weimar, Krüger. M. 1. Selmer H., . zur Kenntnis des Drathendlutes Straßburg, rübner. 8 Robinſohn, D., A en über ment und deſſen Wirkungen. Königsberg, Koch & Reimer. M. — Scheps, J., Das Bromäthyl und ſeine Verwendbarkeit bei zahnärztlichen Operationen. Breslau, Köhler. M. 1. Semmler, F. W., Chemiſche Unterſuchungen über pap ätheriſche Oel in Allium ursinum L. Breslau, Köhler. M. 1 Aſtronomie. Holetſchek, J., Ueber die Richtungen bee großen Axen der Kometenbahnen. Wien, Getold's Sohn. 8 Koerber, F., Ueber den Kometen 1865 ale Breslau, Köhler. M. 1. Geographie, Ethnographie, Reifewerke. 5 Geographiſche Bildertafeln. Hrsg. von A. Oppel u. A. A Win. 2. Tl. Typiſche Landſchaften. 2. baa Breslau, Hirt. Oppel, A., Landſchaftskunde. Text ee Hirt's Bildertafeln. 2. Tl. 2. Ausg. Breslau, Hirt. Verhandlungen der vom 27. Okiober bis zum 1. November 1886 in Berlin abgehaltenen allgemeinen Conferenz der internationalen Erd⸗ meſſung und deren permanenter Commiſſion. Red. von A. Hirſch. Berlin, Reimer. M. 10. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. 8 A., Neue e des Eocäns von Verona. Wien, Gerold's n. 50. Eck, a, Geognoftiſche Ueberſichtskarte des Se Nördliches Bla 1 200 000. Lahr, Schauenburg f Ettingshauſen, C. Frhr. v., Beiträge zur ee der Tertiärflora Wien, Gerold's Sohn. M. . 85 6. 40. — thr. v eiträge zur e der fo ilen lora Neuſeelands. Wien, Gerold’s Sohn. M. n 0 Forel, F.⸗A. La penetration ae la oe dans les lacs d’eau ature. Leipzig, Engelmann. M. —. Breslau, Köhler. Gürich, G 1 „Beiträge zur Geologie von Weſtüfrita 2. Aufl. M. Muck, F., Elementarbuch der Steinkohlen⸗Chemie f. Praktiker. 5 Eſſen, . en ia 60. eumayr, dgeſchi 5 ee Bd. Beſchreibende Geologie. Leipzig, Bibliogr. Inſtitut. M. i 8 ms Noetling, F., Der Jura am Hermon. Stuttgart, Schweizerbart. M. 30. Ochſenius, C., Die Bildung des Natronſalpeters aus Mutterlaugenſalzen. Stuttgart, Schweizerbart. M. 5. Meteorologie. Bebber, J. van, Die Ergebniſſe der e im Jahre 1886. Hamburg, Friederichſen & Co. M. — Notizbuch zum täglichen n der Werdbrobachtungen f. 12 Monate. Leipzig, Voigt. M. ee ee eg praktiſche, am Abendhimmel, auf den andern Tag. Von Kt. 2. Aufl. Botanik. Bibliotheca botanica. Abhandlungen e aus dem e ka der Botanik. Hrsg. von O. Uhlworm u. F. H. Haenlein. 7. Hft. Inh.: Unterſuchungen über Bau und Lebensgeſchichte der Hirſchtrüffel, Elaphomyces. Von M. Reeß u. C. Fiſch. Kaſſel, Fiſcher. M. 5. Engler, A., u. K. 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Ueber Ausſcheidung des Queckſilbers aus dem Organis⸗ Breslau, Köhler. Laubfroſch, der, als Stubengenoſſe und ſeine e 65 15 ſeine Be⸗ handlung im Winter. Staßfurt, Förſter. 8 La Valette St. George, Frhr. v. „Zelltheilung und eee bei Forficula auricularia. Leipzig, Engelmann. M. Meyer, A. B., Unſer Auer⸗, Rackel⸗ und Birkwild 11155 jeine Abarten. Mit 1 Atlas von 17 kolor. Tafeln. Wien, Künaſt. M. 220. Ofner, O., Der gemeine Büffel, Bubalus indicus. Unterſuchungen über die wirtſchaftl. Bedeutung desſelben. Cottbus, Diſſert. M. 1. 25. Orth, J., Ueber die ae e u. Vererbung individueller Eigenſchaften. Leipzig, A M. Pettenkofer, M. München, eienecute. Seis Ribbert, H., Der 1 pathogener Schimmelpilze im Körper. Bonn, M Cohen & Sohn. 8 Riehm, G., Repetitorium 5 Zoologie. Göttingen, Vandenhoeck & Rup⸗ 1. Bd. Zum gehen Stand der Cholerafrage. recht. M. 3. 60. Ruß, C., Handbuch für Vogelliebhaber, Züchter und Händler. Numboldt. — Offober 1887. 1 fremdländiſchen Stubenvögel. 3. Aufl. Magdeburg, Creutz Schriften, Darwiniſtiſche. 1. Folge. 16. Band. Inhalt: Der tieriſche Magnetismus (Hypnotismus) uud ſeine Geneſe. Ein Beitrag zur Aufklärung und eine Mahnung a die Sanitätsbehörden von J. G. Sallis. Leipzig, Günther. M. Schultze, O., Zur erſten Entwicklung Be braunen Grasfroſches. Leipzig. Engelmann M. 5. Siemerling, E., Anatomiſche Unterſuchungen 112 0 menſchlichen Rückenmarkswurzeln. Berlin, Hirſchwald. 5 Solger, B., Die Wirkung des Alkohols auf den hien Knorpel. Leipzig, Engelmann. M. 5 Stein, S., Ein Fall v. e Bildung. Breslau, Köhler. M. 1. Stöhr, Ph., Ueber Schleimdrüſen. Leipzig, Engelmann. De Virchow, H., Ein Fall von angeborenem Hydrocephalus internus, zugleich ein Beitrag z. Mikrocephalenfrage. Leipzig, Engelmann. M. 6. Wiedersheim, R., Das Geruchsorgan der Tetrodonten, nebſt Bemerkungen über die 1 derſelben. Leipzig, Engelmann. M. 3. Wolfowicz, Ueber die Frage der pathogenen 19 des „Typhusbacillus“. Königsberg, Koch & Reimer. M. — Litterariſche Kotizen. Profeſſor Dr. Koch gibt jetzt einen vollſtändigen Be⸗ richt über die Forſchungsreiſe heraus, welche er vor vier Jahren im Auftrage des Reiches zur Erforſchung der Cholera nach Aegypten und Indien gemacht hat und die zur Ent⸗ deckung des Kommabacillus führte. Sein älteſter Aſſiſtent und Begleiter auf dieſer Reiſe, der jetzige Regierungsrat Dr. Gaffky im Reichsgeſundheitsamt in Berlin, hat die Bearbeitung des Berichtes übernommen. „Die zoologiſch-botaniſche Ausbeute des See⸗ zugs Dijmphnas“ heißt ein Werk über die Nordpol⸗ expedition des däniſchen Premierlieutenants A. Hoogard, welches von dem zoologiſchen Muſeum der Kopenhagener Univerſität durch Profeſſor Fr. Lütken herausgegeben wird. Dasſelbe erſcheint in däniſcher Sprache, enthält aber ein franzöſiſches Reſümee und iſt mit einer Karte und 41 Tafeln ausgeſtattet. Unter dem Titel „La Spettatore del Vesuvio e dei Campi Flegrei! gibt die Sektion Neapel des italieniſchen Alpenklubs im Verlage von Furchheim daſelbſt einen Band mit 13 Tafeln in Phototypie und einer in Farbendruck heraus. Das Werk, welches Gelehrte wie Palmieri, Scacchi, Comes u. a. zu ſeinen Mitarbeitern zählt, iſt für Geologen, Seismologen und Veſupkenner von Bedeutung. Aus der Praxis der Katurwiſſenſchaft. Anzerbrechliches, Jahre lang konſtante⸗ Trocken⸗ element. Seit langer Zeit arbeitet Gaßner jun. in Mainz. an der Herſtellung eines unzerbrechlichen Trockenelementes von möglichſt langer Konſtanz der elektromotoriſchen Kraft und des inneren Widerſtandes, verbunden mit möglichſt großem Betrage der erſteren und möglichſt geringem Be⸗ trage des letzteren. Nach der ,,Lumiére électrique“ und einem Berichte von Gérard in Lüttich iſt dies in ſeltenem Grade gelungen. Das Element beſteht aus einem die negative Elektrode bildenden, ſtarken Zinkgefäße, deſſen große Wanddicke bei der langen Wirkſamkeit und der Un⸗ zerſtörbarkeit mitwirkt. Im Inneren ſteht als poſitive Elektrode ein feſter Kolben, aus Kohle und Braunſtein zu⸗ ſammengepreßt. Der Raum zwiſchen Zink und Kohle iſt mit einer feſten Maſſe ausgegoſſen, urſprünglich ein Gyps⸗ brei mit Zinkoxyd gemengt, der mit dem die erregenden Chlorüre gelöſt enthaltenden Waſſer angerührt wurde. Dieſe Zuſammenſetzung der Füllmaſſe verleiht derſelben die nötige Poroſität, erzeugt den geringen Leitungswiderſtand und die lange Konſtanz von Kraft und Widerſtand, während ihre Feſtigkeit bei der Unzerbrechlichkeit mitwirkt. Das Gaßnerelement kann oftmals umfallen, ja man darf es auf den Boden werfen, ohne daß es zu Grunde geht oder an Kraft verliert, während die anderen Elemente in ſolchen Fällen zerſtört werden und in der Umgebung Unreinlichkeit, ja Verderbnis verbreiten. Seine feſte, geſchloſſene Form, die ihm dieſe Vorzüge verleiht, läßt die Figur deutlich erkennen. Allerdings iſt ſeine elektromotoriſche Kraft nicht groß; Gérard gibt dieſelbe zu 1,311 Volts an, Becker und Picrard in Paris zu 1,194; nehmen wir das Mittel 1,25, fo ſteht das Element zwiſchen Meidinger⸗Krüger mit 1,07 und Leclanché mit 1,34 Bolts; aber dieſe Kraft bleibt bei intermittierendem Gebrauche ſelbſt von längerer Einzel⸗ dauer jahrelang faſt unverändert und nimmt auch bei an⸗ dauernder Benutzung nur wenig ab. Gerard trieb eine Klingel von 20 Ohm Widerſtand 100 Tage lang ununter⸗ brochen mit einem Element und fand deſſen Stromſtärke von 32 Milliampères nur auf 15 herabgegangen !). Becker und Picrard maßen die elektromotoriſche Kraft nach zwanzig⸗ tägigem dauerndem Gebrauche; ſie betrug noch 1,162 Volts. Ich nahm vor zwei Monaten ein Element für kleine Ver⸗ ſuche im phyſikaliſchen Kabinett, in Schulen, für Elektro⸗ magnete, Schlittenapparate, Auslöſung und Klingel von Fallmaſchinen u. ſ. w.; ich warf das Element mehrmals um, es hat immer noch die alte Kraft, daß ich den Magnet an dem Anker hängend in die Höhe heben und nicht ab⸗ ſchütteln konnte. Elektriſche Uhren ſind ſchon 13 Monate ununterbrochen im Gang, allerdings mit einer Batterie von drei Elementen. Der geringe innere Widerſtand bleibt merk⸗ würdig lange konſtant. Bei zwanzigtägigen Unterſuchungen von Becker und Pierard ging der Widerſtand des Leclanché von 14 Ohm auf 5 herab, während der ſehr kleine Wider⸗ ſtand des Gaßnerelementes unverändert 0,4 Ohm betrug. Demnach iſt das Element nicht geeignet, Batterien für elek⸗ triſche Beleuchtung, Galvanoplaſtik und alle ſolche Apparate zu bilden, die eines Ruheſtroms bedürfen oder großen äußeren Widerſtand darbieten; dagegen iſt es vortrefflich für alle Einrichtungen mit geringem äußerem Widerſtande, alſo für alle Anwendungen des Elektromagnetismus, wie Haustelegraphen und Klingeln, für Telegraphie und Tele⸗ phonie auf kurze Strecken, für elektriſche und Kontroll⸗ uhren, zur Prüfung von Blitzableitern, für zahlreiche phyſikaliſche Verſuche u. ſ. w. Die zwei Ausgaben des Gaßnerelementes koſten 2,50 und 2,75 Mark. Mainz. Prof. Dr. Reis. ) wonach dieſelbe Wirkung ſicher noch 2 Monate andauern wird. Ueber eine neue Errungenſchaft im Gebiete der elektriſchen Celegraphie. Don Profeffor Dr. J. G. Wallentin in Wien. Nurrch die Erfindung des Blockſyſtems wurde erreicht, daß das Fahren eines Eiſenbahn— 2 1 3 zuges einem entgegenkommenden oder nad- — folgenden Zuge und auch den nächſten beiden Stationen angezeigt werden konnte, ohne daß man zu optiſchen Signalen ſeine Zuflucht nehmen mußte. Der Vorteil des erwähnten Syſtems iſt ein- leuchtend, wenn man in Erwägung zieht, daß bei trübem, regneriſchem oder nebligem Wetter ſelbſt die intenfivften optiſchen Signale den Anforderungen einer erhöhten Sicherheit nicht entſprechen. Der Amerikaner Lucius Phelps, der im Gebiete der Telephonie in den jüngſt verfloſſenen Jahren ſich einen guten Namen erworben hat, erdachte ein ingeniöſes Mittel, durch welches zwiſchen den fahren— den Zügen und den Stationen nicht nur Signale ausgetauſcht werden konnten, ſondern auch die Her— ſtellung eines geregelten telegraphiſchen Verkehrs er— möglicht wurde. Das Prinzip, welches der Methode von Phelps zu Grunde gelegt wurde, iſt ſehr ein— fach und allbekannt: Wird einem vom Strome durch— floſſenen Leiter ein ſtromloſer Leiterkreis genähert, ſo entſteht in letzterem ein Induktionsſtrom, welcher die entgegengeſetzte Richtung des erſteren beſitzt; wird hingegen der Leiterkreis vom Stromkreiſe entfernt, ſo durchſetzt den erſteren abermals ein Strom, aber diesmal von derſelben Richtung, wie ſie der indu— cierende Strom beſitzt. Wir werden in den nach— folgenden Zeilen ſehen, daß unter Zuhilfenahme dieſer bekannten Sätze keine leitende Verbindung zwiſchen der Station und dem fahrenden Eiſenbahn— zuge notwendig iſt, wenn telegraphiſche oder tele— phoniſche Signale übermittelt werden ſollen, ſondern daß der Schienenweg zur Stromleitung und eine Induktionsſpule, welche mit der Empfangsſtelle ver⸗ Humboldt 1887. bunden iſt, ſich genügend erweiſt. Wir wollen im nachfolgenden den Induktionstelegraph, wie er von Phelps genannt wurde, in jener Form be— ſchreiben, in welcher er von der Kommiſſion des Franklin⸗Inſtitutes am 28. September 1885 auf der Strecke zwiſchen Harlem und New Rochelle erprobt wurde und zwar — wie wir an dieſer Stelle ſchon bemerken wollen — mit ſehr befriedigendem Erfolge. Von Station zu Station läuft ein Leiter- kreis, beſtehend aus einem iſolierten Kupferdrahte, der in einer hölzernen Rinne von quadratiſchem Quer— ſchnitt mit etwas über 7 em Seite ſich befindet. Dieſe Rinne war zwiſchen den Schienen auf den Querſchwellen mit Unterlagen angebracht. An den Niveauübergängen ſowohl als auch an den Kreuzungs— ſtellen war der Draht in ein Gasrohr eingeſchloſſen. Der inducierte Stromkreis iſt auf einem Wagen des fahrenden Zuges, gewöhnlich dem Packwagen be— feſtigt und beſteht aus einem feineren iſolierten Kupfer⸗ drahte, welcher auf einem Rahmen in 90 Windungen gewickelt iſt, die zuſammen die beträchtliche Länge von 2,5 km beſitzen. Der untere Teil der Win— dungen verläuft über die ganze Wagenlänge und iſt parallel zu dem Leitungsdrahte, welcher zwiſchen den Schienen ſich befindet, in einer 5 em weiten Gas⸗ röhre eingeſchloſſen, die unterhalb des Packwagens aufgehängt iſt und ungefähr 17 bis 20 em vom inducierenden Drahte abſteht. Der obere Teil der Windungen befindet ſich über dem Dache des Wagens, wo er oberhalb der Fenſter aufgehängt iſt. Ein durch den inducierenden Schienendraht ge— ſchickter Strom erzeugt in der Induktionsſpule einen Induktionsſtrom; durch ein äußerſt zart konſtruiertes Relais, welches von dem letztgenannten Strome affi— ziert wird, wird ein Lokalſtrom geſchloſſen, der auf 52 410 einen Morſeklapper wirkt, jo daß die telegraphiſchen Zeichen gut gehört werden können. Die Enden der Induktionsſpule führen gewöhnlich von unten in den Packwagen hinein und ſind daſelbſt mit den Empfangs⸗ apparaten, welche in einer abgeſonderten kleinen Wagenabteilung ſich befinden, in Kommunikation. Es iſt leicht einzuſehen, daß zum Empfange eines Tele⸗ grammes ſich noch beſſer ein Telephon eignen wird; dann entfällt das Relais, welches den Strom der Lokalbatterie in Wirkſamkeit treten läßt, vollſtändig. Um die Eiſenmembran des Telephons in Schwingungen zu verſetzen, ſind Induktionsſtröme nötig, welche raſch alternieren. Dies wird dadurch erreicht, daß der Ab⸗ ſender mit dem Schlüſſel durch Hinunterdrücken und Heben desſelben nicht einfach den Batterieſtrom ſchließt und öffnet, ſondern daß beim Niederdrücken des Manipulators ein ſogenannter Vibrator in Funktion tritt; der letztgenannte Schwingungsapparat iſt geeignet, abwechſelnd poſitive und negative Ströme durch die Leitung zu ſenden, welche ſehr raſch auf⸗ einander folgen und ebenſo raſch aufeinander folgende Induktionsſtröme in der Drahtſpirale hervorrufen. Die Induktionsſtröme haben ſelbſtverſtändlich ent⸗ gegengeſetzte Richtungen; die durch die Oscillation der Telephonmembran entſtehenden Töne, denen je nach der Erregungsart eine längere oder kürzere Dauer zukommt, bilden einen Erſatz für die Punkte und Striche des von Morſe eingeführten Alphabetes. Wie empfindlich ein Telephon in der Aufnahme diskontinuierlicher elektriſcher Erregungen iſt, iſt durch viele mit demſelben angeſtellte Experimente zur Ge⸗ nüge bekannt. Die nachfolgenden Erfahrungen, welche mit dem Induktionstelegraph gemacht wurden, liefern eine neue Beſtätigung dieſer Thatſache. Unter An⸗ wendung eines Telephons zeigte ſich, daß der indu⸗ cierende Strom eine ſehr geringe Stärke befitzen kann und dennoch intenſiv genug auf das erſtere wirkt. Es erwies ſich ſogar die Legung der Linienleitung zwiſchen den Schienen des Geleiſes, auf welchem der Zug läuft, nicht notwendig, wenn das Nachbargeleis eine ſolche inducierende Leitung beſitzt. Die Nück⸗ fahrt auf der Strecke von New Rochelle nach Harlem fand auf einem Geleiſe ſtatt, welches keine Linienleitung beſaß; es war der untere Teil der Induktionsſchiene von dem inducierenden Kupfer⸗ drahte um 3,4 m entfernt und nichtsdeſtoweniger waren die telegraphiſchen Zeichen, welche von Harlem abgeſchickt wurden, auf dem Telephon des Wagens deutlich genug wahrnehmbar. In Harlem war eine Batterie von 150 Elementen aufgeſtellt, auf dem Wagen befand ſich eine ſolche von 12 Elementen, welche nach dem Syſtem von Bunſen konſtruiert waren, aber einige Modifikationen aufwieſen. Die Telegramme, welche nach Harlem von dem Wagen gerichtet wurden, waren trotz der geringen Strom⸗ intenſität in der erſtgenannten Station noch deutlich genug mittels des Telephons wahrzunehmen; ein Morſe⸗Apparat würde in dieſem Falle auch bei der zarteſten Konſtruktion ſeine Dienſte verſagt haben. Bei der vorhin erwähnten Probefahrt zwiſchen Humboldt. — November 1887. Harlem und New Rochelle war an letzterer Station kein Apparat aufgeſtellt, ſondern es ging daſelbſt der Strom in die Erde. Auf einen ſehr weſentlichen Umſtand mag an dieſer Stelle noch aufmerkſam ge⸗ macht werden, da von demſelben das Gelingen des Verſuches abhängt. Bei der Rückfahrt nach Harlem lag der obere Teil der auf dem Wagen vorhandenen Induktionsſpirale auf jener Seite des Wagens, die ſich vom Nachbargeleiſe, auf welchem der inducierende Stromkreis ſich befand, entfernt hielt. Liegen näm⸗ lich der obere und untere Teil der Induktionsſpirale in derſelben Entfernung von der Linienleitung des Nachbargeleiſes, ſo werden in dieſen Teilen In⸗ duktionsſtröme entſtehen, welche — was ihre Rich⸗ tung zum inducierenden Strome betrifft — gleich⸗ gerichtet, ſelbſt aber gegeneinander gerichtet ſind, was zur Folge hat, daß dieſe Ströme, da ſie von gleicher Intenſität ſind, ſich gegenſeitig aufheben; ſind ſie jedoch ungleich, was dann der Fall ſein wird, wenn der obere und untere Teil der Induktions⸗ ſpirale ungleich weit von der inducierenden Linien⸗ leitung abſtehen, dann wird ein Differenzſtrom die erſtere durchfließend auf das Telephon wirken. — Bei der erſten Anlage des „Induktionstelegraphen“ auf der Linie Harlem — New Rochelle war man mit der äußerſten Sorgfalt vorgegangen, weil man von vielen Seiten gegen den Vorſchlag Phelps Zweifel hegte. Die engliſche Meile koſtete damals gegen 1300 Mark. Spätere Unterſuchungen haben gelehrt, daß ſtatt des teuren Kupferdrahtes gewöhnlicher Telegraphendraht in Verwendung gebracht werden kann, daß ferner derſelbe nicht in eigenen Holz⸗ rinnen untergebracht und in denſelben iſoliert zu werden braucht, ſodann daß von Entfernung zu Entfernung dieſer Draht auf beſonderen Iſolatoren an den Ver⸗ bindungslaſchen der Schienen ungefähr 3 Zoll aus⸗ wärts und gerade unter die Schienenfläche gelegt werden kann. Die Diſtanz je zweier ſolcher Iſo⸗ latoren betrug in den weiteren Verſuchen gegen 8 m. Die Induktionsſpirale ordnete man in denſelben auf der Außenſeite der Räder derart an, daß der indu⸗ cierte Strom auf der einen Seite vorwärts, auf der anderen Seite rückwärts cirkuliert, und daß jede Seite des Wagens der inducierenden Linienleitung zugewendet werden kann. Bei Bahnüberſetzungen, ebenſo bei Abzweigung von Nebengeleiſen kann ferner die Drahtleitung nicht weiter geführt werden, eine Unterbrechung iſt dort nicht geſtattet. Phelps hatte die ſinnreiche Idee, welche ſich im folgenden bez währte, den Draht in einer gut iſolierenden Hülle knapp vor der betreffenden Stelle in die Erde zu leiten und knapp hinter derſelben in ſeine frühere Lage zurückzuführen. Durch dieſe in der Praxis ſich bewährenden Modifikationen wurde erreicht, daß der Koſtenpreis der inducierenden Leitung ſich nur auf den ſechſten Teil der oben bezeichneten Summe ſtellte. Die Idee, eine telegraphiſche Kommunikation zwiſchen einer Station und einem fahrenden Eiſen⸗ bahnzuge herzuſtellen, iſt keine neue. Schon Bain, du Moncel, Bonnelli und in neuerer Zeit v. Ronne⸗ Humboldt. — November 1887. burg ſchlugen eine Kontaktvorrichtung zu dieſem Zwecke vor, welche auf dem Zuge untergebracht iſt und den Zweck beſitzt, die in einem Wagen befindlichen tele— graphiſchen Apparate in leitende Verbindung mit der Leitung zu bringen, welche längs der Bahn hin— läuft. Eine ſolche Kontaktvorrichtung wäre etwa in folgender Weiſe zu denken: An einem Ständer auf dem Schutzdache der Lokomotive befindet ſich ein be— weglicher Eiſenſtab, welcher ſich rechtwinklig auf die neben dem Bahngeleiſe angebrachte Telegraphen— leitung anlegt und durch ein Gewicht derart be— ſchwert iſt, daß die Leitung nur durch ein geringes Gewicht gedrückt wird. Man kann dann — und Ver— ſuche auf der ſchmalſpurigen Eiſenbahnſtrecke zwiſchen Lawton und Paw Paw in Michigan haben dies ge— lehrt — auch bei der ſchnellſten Bewegung des Eiſen— bahnzuges eine telegraphiſche oder telephoniſche Korre— ſpondenz zwiſchen demſelben und der Station erhalten. Es ſei nur noch in aller Kürze erwähnt, daß der berühmte Elektrotechniker Ediſon in Verbindung mit Gilleland auf Grund der Phelpsſchen Entdeckung einen Vorſchlag machte, durch welchen er den tele— graphiſchen oder telephoniſchen Verkehr zwiſchen einem fahrenden Eiſenbahnzuge und einer Station noch billiger zu geſtalten glaubt. Er denkt bei dieſem Vorſchlage an das Prinzip des Kondenſators und deſſen partielle Entladung. Um den Gedankengang der beiden Forſcher zu verſtehen, denken wir uns einen Kondenſator (etwa eine Franklinſche Tafel) geladen; die eine Seite fet iſoliert und pofitiv elek— triſch, die andere zur Erde abgeleitet und beſitze die gebundene negative Elektrieität. Wird der erſten Belegung Elektricität entnommen (durch Berührung mit der Hand etwa), ſo kann die ganze früher ge— bundene negative Elektricität nicht mehr auf der zweiten Belegung bleiben, ſondern ein Teil derſelben muß zur Erde abfließen; in dem Verbindungsdrahte, welcher die Kommunikation zwiſchen der zweiten Be— legung und der Erde herſtellt, wird ſich eine elektriſche Strömung kundgeben. Ediſon und Gilleland denken ſich nun die längs der Bahnſtrecke laufenden Tele— 411 graphendrähte, welche mit ihren Enden in die Erde gelegt ſind, als die eine Armatur eines großen Kondenſators, deſſen zweite Belegung ſie in der nach— folgenden Weiſe konſtruiert denken. Längs der Seiten— wand eines jeden Wagens des Eiſenbahnzuges ſoll ein dünner Kupferblechſtreifen angebracht werden, welcher von dem Wagen durch eine untergelegte harte Gummiplatte iſoliert iſt; die Geſamtheit dieſer Streifen ſteht durch biegſame Leiter in Verbindung. Die Luft zwiſchen den Telegraphendrähten und dem Kupferblechſtreifen ſoll das iſolierende Medium des fo gebildeten großen Kondenſators abgeben. Eine Variation der Elektricität einer Belegung wird ſich durch eine entſprechende Variation der elektriſchen Verhältniſſe der anderen Belegung kundgeben und es iſt klar, daß dieſelbe durch ein für Cleftricitats- variationen empfindliches Inſtrument, wie es in hohem Grade das Telephon iſt, den Sinnen zugäng— lich gemacht werden kann. Wie die beiden Cleftro- techniker ſich die Abgabe- und Aufnahmeapparate in die bezüglichen Stromkreiſe eingeſchaltet denken, wie ferner dieſe Apparate eingerichtet ſein ſollen, um dem geſtellten Zwecke vollauf zu entſprechen, ſoll hier nicht näher erörtert werden, da bis zum heutigen Tage von einer praktiſchen Ausführung dieſer ſinn— reichen Idee, die wir dem Leſer nicht vorenthalten wollten, noch wenig verlautet. Es dürften der Realiſie⸗ rung derſelben immer einige Schwierigkeiten im Wege ſtehen; ſo dürften nach der Anſicht des Verfaſſers dieſes Aufſatzes gewiſſe Störungen im Gleichgewichte der atmoſphäriſchen Elektricität ſich in unangenehmer Weiſe in den ſo empfindlichen Apparaten fühlbar machen. Gelingt die praktiſche Ausführung der Ediſonſchen Gedanken, ſo wäre für die telegraphiſche Korreſpondenz zwiſchen einem fahrenden Eiſenbahn— zuge und den Stationen ein großer Vorteil ge— ſchaffen und die Koſten des neuen Syſtems würden in Anbetracht der Weglaſſung eines beſonderen Leitungs— drahtes keine erheblichen ſein. Hoffentlich dürfte bald näheres über eingehendere Verſuche des raſtloſen Ediſon bekannt werden. Die Atmungsorgane der Tauſendfüßer. Von Dr. Ernſt Voges in Heiſede. II. ine zweite große Gruppe der Tauſendfüßer bilden die Chilognatha. Im Gegenſatz zu den Chilo— poden, welche an jedem Körperringe ein Beinpaar hatten, beſitzen die Chilognathen an jedem Körper— ringe zwei Beinpaare. Abgeſehen von anderen Unter— ſcheidungsmerkmalen iſt dies ihr auffälligſtes Kenn— zeichen. Die Familien dieſer Ordnung, welche wir hier berückſichtigen wollen, find: Polyxenidae, Glo- meridae, Polydesmidae und Julidae. Vertreter derſelben findet man abgebildet in jedem größeren Lehrbuch der Zoologie, worauf wir verweiſen müſſen. Was das allgemeine Verhalten der Atmungs— organe dieſer Tiere anbetrifft, ſo kommt zu dem früher geſchilderten noch ein Moment hinzu, das wir bei den Chilopoden vermiſſen, nämlich die Ausbildung urſprünglicher Reſpirationsflächen zu inneren Skelett— ſtücken. Die Stigmentaſche, wie wir das Zwiſchen— ſtück zwiſchen Luftloch und Luftröhren nannten, ent— 412 wickelt fic) oft zu einer beträchtlichen Größe und bietet dadurch gewiſſen Muskeln, zumal denjenigen der Hüftglieder der Beine, entſprechende Anſatzflächen. Im Zuſammenhange hiermit ſteht auch die Lage⸗ verſchiebung des ganzen Tracheenſyſtems: es rückt aus der lateralen oder ſeitlichen Körperfläche mehr in die ventrale oder bauchſtändige Lage. Aber dabei verharrt es in jener Lage, die charakteriſtiſch iſt für das Reſpirationsſyſtem der mittels Luftröhren atmen⸗ den Tiere: es liegt lateralwärts von den Beinen. Auch hinſichtlich der Tracheen unterſcheidet ſich das Atmungsorgan der Chilognathen von demjenigen der Chilopoden. Während bei den letzteren die Luftröhren des Körpers durch Anaſtomoſen im Zuſammenhange ſtehen, ſomit ein einheitliches Organ darſtellen, das in den Stigmen zahlreiche Zugänge hat, anaſtomoſieren die Luftröhren der Chilognathen nicht, und jedes mit einem Stigma verſehene Tracheenſyſtem bleibt ſelb⸗ ſtändig und ohne Verbindung mit den Luftröhren der Nachbarſtigmen. Hinſichtlich ihres Tracheen⸗ ſyſtems erinnern ſo die Chilopoden an die Inſekten. Fig. 6. Tracheenſyſtem von Polyxenus lagurus. (Starke Vergr.) st fiebförmige Platte (Stigma). t Stigmentaſche. tr Luftröhren oder Tracheen. Zu den einzelnen Familien übergehend, führen wir als Vertreter der Polyxeniden die Pinſelaſſel an, Polyxenus lagurus de Geer., ein niedliches, 2 bis 3 mm langes Tierchen von graubrauner Farbe und mit ſeidenglänzendem Schwanzpinſel, das man geſellig unter der Rinde alter Weiden findet. Suchen wir das Atmungsorgan des kleinen Tauſendfußes auf, ſo erblicken wir es in der Form einer gebogenen Röhre jederſeits neben jedem Beine (Fig. 6) an der Bauchfläche des Körpers. Dieſe Röhre iſt die Stig⸗ mentaſche, die keinerlei Tracheenſtruktur zeigt. Von ihr entſpringen in gewiſſen Abſtänden drei größere Tracheenſtämme, die ſich gablig teilen und ihre Aeſte zu den Organen des Körpers ſenden. Ein ſolches Tracheenſyſtem iſt in ſich abgeſchloſſen, da es keine Anaſtomoſen mit ſeinen Nachbarn eingeht. So viel Beine, ſo viel einzelne ſelbſtändige Tracheenſyſteme. Das verbreiterte Anfangsſtück der Stigmentaſche mündet an der äußeren Körperoberfläche mit einem ſiebförmigen Stigma frei und ohne beſondere Um— wallung. Die ſiebförmige Platte liegt vor der Baſis eines jeden Fußes. Humboldt. — November 1887. Die Glomeriden lernen wir in der Schalenaſſel, Glomeris marginata L., kennen. Das Tier, das 5 bis 9 mm lang wird und ſich unter Steinen auf⸗ hält, ſieht zum Verwechſeln den Aſſeln ähnlich, zumal es ſich auch wie dieſe einkugelt. Man könnte an einen Fall von Mimikrie glauben, da zwiſchen gewiſſen Aſſel⸗ und Glomerisarten auch in der Färbung und Zeichnung eine Aehnlichkeit ſtattfindet. An den kurzen gedrungenen Fühlern erkennt man indes bald den Tauſendfuß. Seine Atemlöcher liegen jederſeits un⸗ mittelbar vor und lateralwärts von den Beinen. Das Stigma iſt ein Querſpalt von biskuitartiger Form mit gewulſteten Rändern (Fig. 7 st). Von den Rändern des ſehr ſchmalen Spaltes entſpringen zahlreiche breite Stacheln, welche gegeneinander ge- . K 3⁰0 5 Fig. 7. Tracheenſyſtem von Glomeris marginata. (Vergr. 100.) b Hüftglied des Beines, st Stigma. a Seitenaſt der Stigmentaſche t. m Muskeln. tr Tracheen. richtet ſind und ſo einen reuſenartigen Stigmen⸗ eingang bilden, der jedwedem Fremdkörper den Ein⸗ gang wehrt, aber die Atemluft ungehindert einläßt. Anders kann man auch wohl ſagen, die Stigmen⸗ | ränder find ſägeartig ausgezackt. Das Luftloch führt in den lateralen Teil einer cylindriſchen Stigmen⸗ taſche, welche durch ihre Größe auffällt (Fig. 7 t). Gleich an ihrer Baſis ſchickt ſie einen bogenförmigen Aſt, der in eine ſich wiederholt teilende Trachee aus⸗ läuft, medianwärts in den Fuß (Fig. 7 a), während ſie ſelbſt in ſchräger Richtung nach der Lateralfläche und nach hinten ſteigt und an ihrem Ende unmittel⸗ bar in eine gablig geteilte Trachee übergeht. Die Stigmentaſchen, welche im Körper des Tieres ge⸗ wiſſermaßen den Rippen gleichen, dienen verſchiedenen Muskelgruppen als Anſatzflächen (Fig. 7 m). Von den Stigmentaſchen entſpringen Muskelbündel, welche in das Baſalglied der Füße gehen, und unter ſich, wie mit beſtimmten, gegeneinander beweglichen Platten der Körperſegmente ſind die Stigmentaſchen durch Muskeln verbunden. Die Tracheen zeigen die ſpiralige Wandverdickung; ſie teilen ſich wiederholt Humboldt. — November 1887. 413 und verlieren, je mehr ſie ſich teilen, an Umfang; ſie gehen aber keine Verbindung untereinander, noch mit Tracheen der Nachbarſyſteme ein. Als Vertreter der Polydesmiden gelte die Rand— aſſel, Polydesmus complanatus L., die häufig in Gärten unter Steinen und Holzabfällen vorkommt. Der 18 bis 20 mm lange Tauſendfuß iſt leicht kenntlich an den ſeitlichen flügelartigen Fortſätzen der Körperringe. Seine Luftlöcher liegen, wie bei den vorigen Formen, vor und etwas ſſeitlich von den Beinen. Das Stigma iſt ein rundes Loch, das in ſchräger Richtung die Körperdecke durchſetzt. Es führt in eine eigentümlich geſtaltete Stigmentaſche, deren Form die Abbildung zu veranſchaulichen ſtrebt (Fig. 8 s). Je ein Paar Stigmentaſchen ſtoßen in der ventralen Mittellinie des Tierkörpers mitein— ander zuſammen zur Bildung einer nach hinten aus— gezogenen Spitze. Da nun vier ſolcher Stigmen— taſchen in jedem Körperringe vorkommen, ſo entſteht in der Ventralfläche eines jeden Körperringes ein Fig. 8. Stück der Ventralplatte mit dem Tracheenſyſtem von Polydesmus complanatus. (Vergr. 100.) Von der Innenfläche geſehen. a Stigma, durchſcheinend. s Stigmentaſche. t Büſchelförmige Tracheen. m Muskeln. b Anſatzfläche der Beine. Balkengerüſt in der Art, wie es unſere Abbildung darſtellt. Wie man ſieht, verläuft die einzelne Stig— mentaſche ſchwach gekrümmt nach vorn und ſchräg gegen die Mittellinie hin, knickt ſodann im ſcharfen Winkel um und wendet ſich nach hinten gegen die Mittellinie, wo dieſer Schenkel mit dem entſprechen— den Schenkel der gegenüber liegenden Stigmen⸗ taſche zuſammentrifft. Anfangs eylindriſch und von größerem Umfange, verliert ſie gegen das Ende hin an Kaliber und wird balkenartig. Ihre Oberfläche zeigt leiſtenartige Vorſprünge; an mehreren Stellen erſcheint die Stigmentaſche wie geſplittert. Ein der⸗ artig ausgebildetes Skelettgerüſt in der Ventralfläche des Körpers bietet natürlich der Muskulatur aus⸗ giebige Anſatzflächen. 7 Mit den Polydesmiden machen ſich auch neue Verhältniſſe geltend im Bau, Verlauf und Mün⸗ dungsweiſe der Tracheen, abweichend von den bisher geſchilderten. Bei den Skolopendriden ſahen wir ein verzweigtes Luftröhrenſyſtem, das durch Längs— und Queräſte miteinander verbunden war. Bei den Polyxeniden und Glomeriden fielen jedoch die ver— bindenden Längs⸗ und Queräſte, die Anaſtomoſen, weg; jedes Stigma mit der Stigmentaſche und den Tracheen bildete ein ſelbſtändiges Organ, das mit den benachbarten Tracheenſyſtemen in keinen Verkehr trat. Die Stigmentaſche ging unmittelbar in die ſich verzweigenden und an Umfang abnehmenden Luftröhren über. Die Luftröhren der Polydesmiden zeigen nun weder Verzweigungen, noch Anaſtomoſen, noch nehmen ſie mit zunehmender Länge an Umfang ab. Die Tracheen (Fig. 8 t) ſind von äußerſt kleinem Kaliber, das ſich gleich bleibt. Sie verlaufen büſchel— weiſe zu den Organen des Körpers und münden ſiebförmig an beſtimmten Stellen der Stigmentaſche, zumal im Anfangsteil derſelben, dicht hinter dem Luftloch. Die Familie der Juliden ſtellt uns einen Re— präſentanten in Julus Londinensis, der häufig unter Steinen zu finden iſt. Wie bei Polydesmus liegen auch bei Julus die Luftlöcher vor und etwas ſeitlich von den Anſatzſtellen der Beine. Die ſpaltförmigen Stigmen, bei welchen die eine Lippe die andere Fig. 9. Ventralplatte mit dem Tracheenſyſtem von Julus Londinensis. (Vergr. 130.) Von der Innenfläche geſehen. b Hinterer Rand des Körperringes. m Muskeln des Beines. st Stigmentaſche. t Tracheen. m Reſpirationsmuskel. r Vorderer Rand des Körperringes. Stigmenlippe dachig überragt, führen in flaſchen— förmige Stigmentaſchen (Fig. 9 st). Ihre Oberfläche iſt mit Längsriefen verſehen und hat ein ſchuppen— artiges Ausſehen. Jedem Segmente kommen zwei folder Stigmentaſchen zu, jedem Körperring alfo vier, welche in der Ventralfläche des Körpers liegen. Sie ſteigen aufwärts nach vorn und ragen, wobei das hintere Stigmenpaar das vordere überdeckt (val. Fig. 9), frei in die Körperhöhle. Der Grund der Stigmentaſche iſt in ein kleineres laterales und in ein größeres medianes Horn ausgezogen; das mediane Horn ſtößt mit demjenigen der gegenüber liegenden Stigmentaſche in der ventralen Mittellinie zuſammen, wie bei Polydesmus. Am Grunde der Stigmen— taſche münden nun ſiebförmig die Tracheen. Das kleinere vordere Stigmentaſchenpaar je eines Körper— ringes hat kleine büſchelförmige Tracheen, wie wir ſie ſchon von Polydesmus her kennen. Das größere hintere Stigmentaſchenpaar beſitzt größere Tracheen, etwa ſechs bis zwölf, die gegen ihr Ende hin all— mählich an Umfang verlieren. Anaſtomoſen oder Verzweigungen gehen aber beiderlei Tracheen nicht ein. Wie in den früheren Fällen bilden die Stigmen— 414 Humboldt. — November 1887. taſchen in der Ventralfläche des Tierkörpers ein ſtarkes Skelettgerüſt, das vorzugsweiſe von den Beinmuskeln als Anſatzfläche aufgeſucht wird. Außer⸗ dem entſpringt am lateralen Teil des Stigmen⸗ taſchengrundes ein ſtarker Muskel, der transverſal nach hinten und gegen die ſogenannte Seitenlinie des Körpers ſteigt. Und zwar verlaufen die Muskeln zweier hintereinander gelegener Stigmentaſchen neben⸗ einander, indem ſie frei über die Muskellagen des Körpers hinwegſtreichen. Sie inſerieren mit breiter Baſis in der Höhe der Seitenlinie über der inneren der drei Muskelſchichten des Körpers an dem Innen⸗ rande des nächſtfolgenden Körperringes. Wie aber funktioniert dieſer Muskel? Wenn ſich derſelbe kontrahiert, ſo folgt die Wan⸗ dung der Stigmentaſche dem Zuge und der Zugang zu den Luftröhren wird ſomit erweitert. Durch ein abwechſelndes Kontrahieren und Erſchlaffen wirkt der Muskel wie eine Pumpe. Seine Thätigkeit er⸗ leichtert alſo ſowohl ein Ausſtrömen wie Einſtrömen der Luft in die Tracheen. Er gleicht daher in ſeiner Wirkungsweiſe den früher beſchriebenen Reſpirations⸗ muskeln der Skolopendriden. Es iſt von vergleichend-anatomiſchem Intereſſe, daß ein ähnlicher Beſtandteil des Reſpirationsſyſtemes wie die Stigmentaſche auch bei gewiſſen Milben vor⸗ kommt. Auf dieſe fraglichen ſtab⸗ und ſackförmigen Organe, von welchen die Tracheen entſpringen, können wir jedoch des bemeſſenen Raumes halber nicht näher eingehen. Obwohl mannigfaltig in der Geſtalt — eine Mannig⸗ faltigkeit, die ſich erſt recht gezeigt hätte, ſowie wir unſere Unterſuchungen auf alle Ordnungen und Familien oder gar auf die Vertreter ihrer zahlreichen Gattungen ausdehnten — ſo bleibt das Reſpirations⸗ ſyſtem der Tauſendfüßer doch typiſch in der Zu⸗ ſammenſetzung ſeiner Beſtandteile: Stigma, Stigmen⸗ taſche, Tracheen, Muskeln. So erſcheint ein Werkzeug unter der mannigfaltigſten Form dienſtbar ein und demſelben Zwecke! Aeber die Muſteliden Südamerikas. Don Profeffor Dr. A. Wehring in Berlin. (pos die marderähnlichen Raubtiere Nord⸗ amerikas reſp. der nearktiſchen Region im all⸗ gemeinen eine große Aehnlichkeit mit denen der paläarktiſchen Region der Alten Welt zeigen, finden wir in Südamerika oder, richtiger geſagt, in Süd⸗ und Mittelamerika, alſo in der ſogenannten neo⸗ tropiſchen Region, manche eigentümliche Gattungen und Arten, welche für die dortige Fauna ſehr charak⸗ teriſtiſch ſind. Zugleich können wir beobachten, daß einige der ſüdamerikaniſchen Muſteliden ſich durch auffallende Körpergröße auszeichnen, indem ſie die entſprechen⸗ den Arten der Alten Welt an Größe übertreffen; erſtere bilden daher eine Ausnahme von der im all⸗ gemeinen gültigen Regel, wonach die heutigen Säuge⸗ tiere der neotropiſchen Region durchweg kleiner ſind, als die entſprechenden Säugetiere der Alten Welt. Als beſonders charakteriſtiſch erſcheinen die Gat⸗ tungen Galera, Galictis, Lyncodon und Pteronura, während die Gattungen Foetorius, Mephitis (reſp. Thiosmus) und Lutra eine Verbindung der neo⸗ tropiſchen mit den nearktiſchen Muſteliden herſtellen. Die Gattung Galera vertritt in der neo⸗ tropiſchen Region die eigentlichen Marder (Gatt. Mustela im Sinne von Keyſerlingk und Blaſius). Galera barbara, die Hyrare der Braſilianer, die einzige Art jener Gattung, führt eine ähnliche Lebens⸗ weiſe, wie unſer Baummarder (Must. ETE) dem ſie auch im Aeußeren einigermaßen ähnelt. In der Größe geht die Hyrare ein ziemliches Stück über den Baummarder hinaus; ſie erreicht ungefähr die Dimen⸗ ſionen des nordamerikaniſchen Pekan (Mustela Pen- nantii), des größten Marders der Jetztzeit“). Ihre Nahrung beſteht teils in animaliſcher Koſt, teils aber auch (und zwar in ziemlich ausgiebigem Maße) in Vegetabilien. Die geographiſche Verbreitung der Hyrare iſt eine ausgedehnte; ſie erſtreckt ſich durch alle waldigen Gegenden der neotropiſchen Region von Argentinien bis Mexiko; namentlich in Braſilien iſt die Hyrare weit verbreitet. Es exiſtieren einige Farbenvarietäten, welche von manchen Autoren als Arten bezeichnet find. Eine ſehr dunkle Varietät ijt in Central⸗ amerika und in Peru beobachtet; in Braſilien dagegen finden ſich ſtellenweiſe ſehr hell gefärbte Exemplare, ja es kommen ſogar Albinos vor. Auch in dem Auftreten und der Färbung des Bruſtflecks ſind mancherlei Variationen beobachtet worden. Die Gattung Galictis vertritt gewiſſermaßen die Iltiſſe und Nörze der paläarktiſchen und neark⸗ tiſchen Regionen. Soviel wir bis jetzt wiſſen, exi⸗ ſtieren in der neotropiſchen Region zwei Galietis⸗ Arten, Galictis vittata Bell (der kleine Griſon) und Galictis crassidens Nehring (der große, dick⸗ zähnige Griſon). Beide Arten ſehen ſich äußerlich ziemlich ähnlich; bei genauerer Vergleichung finden ſich aber, abgeſehen von dem ſtändigen Größenunterſchiede, ſehr deutliche und konſtante Abweichungen im Gebiß, in der Schädelbildung, in der Zahl der Schwanz⸗ *) Vergl. meine Abhandlung „Beiträge zur Kenntnis der Galtctis-Arten” in d. Zoolog. Jahrb., I, S. 191. Humboldt. — November 1882. 415 wirbel und in der Behaarung). Auch in der Lebens- weiſe ſcheint ein gewiſſer Unterſchied zu herrſchen; während nämlich der kleine Griſon in trockenen, offenen oder ſchwachbewaldeten Gegenden ein Iltiß— ähnliches Daſein führt, ſcheint nach den mir zu— gekommenen Mitteilungen der große Griſon an Flußufern zu hauſen und ſich nach Art des Nörzes von Fiſchen und Kruſtaceen zu nähren. Eigentümlich iſt die Färbung der Griſons; ſie gehören zu den wenigen Säugetieren, deren Unter— ſeite dunkler gefärbt iſt als die Oberſeite. Am meiſten gleichen ſie den ſüdafrikaniſchen und ſüd— aſiatiſchen Honigdachſen (Gattung Mellivora), indem ihre Oberſeite weißlich reſp. gelblich, ihre Unterſeite nebſt Schnauze und Extremitäten dunkel behaart iſt, und beide Färbungen ſich an der Stirn ſcharf gegen— einander abgrenzen. Der kleine Griſon findet ſich von Nord-Pata⸗ gonien ab nordwärts, namentlich in Argentinien, Chili und Uruguay. In Braſilien iſt er nicht ſehr häufig; wenigſtens meidet er die Urwaldsdiſtrikte. Wie weit er nach Norden reicht, weiß man noch nicht mit Beſtimmtheit, da er früher meiſt mit dem großen Griſon zuſammengeworfen iſt. Jedenfalls kommt er in Oſtbraſilien nordwärts bis Bahia vor; auch in Guayana ſoll er noch gefunden werden. Der große Griſon, über den ich kürzlich mehr— fache eingehende Mitteilungen veröffentlicht habe“), ſcheint eine faſt ausſchließlich tropiſche Art zu ſein; ſein Verbreitungsgebiet beginnt, ſoviel ich bisher feſt— ſtellen konnte, in der braſilianiſchen Provinz Sta. Catharina und reicht durch die Provinzen S. Paulo, Minas Gerass, Ceara nordwärts bis nach Surinam, Britiſh Guayana und Venezuela. Ja, auch in Central— amerika (Coſta Rica) ſcheint dieſe Art noch vereinzelt vorzukommen. Wie weit ſein Verbreitungsgebiet ſich im Inneren des tropiſchen Südamerika ausdehnt, muß noch feſtgeſtellt werden. Bemerkenswert iſt es, daß der große Griſon oder eine ihm ſehr naheſtehende Art ſchon während der Quaternärzeit in der Provinz Minas Geraés exiſtiert hat; Lunds Galictis intermedia ſcheint der foſſile Vorfahr desſelben zu ſein. Die ſehr artenreiche Gattung Foetorius (Keyſer⸗ lingk und Blaſius), welche in der paläarktiſchen und der nearktiſchen Region eine weite Verbreitung hat, erſtreckt ſich auch noch ein Stück in die neotropiſche Region hinein; es finden ſich nämlich in Central— amerika und den angrenzenden Ländern Südamerikas (Neugranada, Venezuela, Ecuador, Peru, Nord— braſilien) einige Arten, welche zu der Gruppe der Hermelin⸗ähnlichen Muſteliden gehören. Ich nenne Foetorius brasiliensis, frenatus, agilis, aureoven- *) Vergl. meine Angaben a. a. O. S. 184 ff. Galictis Allamandi Bell. ſcheint eine melaniſtiſche Varietät meiner G. crassidens zu fein. Sitzungsbericht d. Geſ. naturf. Fr. zu Berlin, 1886, S. 54. **) Hauptſächlich in den Sitzungsberichten der Gef. naturf. Fr. zu Berlin, 1885 und 1886, ſowie in den Zoolog. Jahrb., Bd. I. tris, macrura, Stolzmanni, Jelskii, Arten, welche alle ſehr nahe miteinander verwandt ſind und zum Teil wohl noch wegen ihrer Selbſtändigkeit geprüft werden müſſen. Weiter ſüdlich von den oben genannten Ländern ſcheint die Gattung Foetorius nicht vertreten zu fein; doch wäre es nicht unmöglich, daß ſie im Gebiete der Anden noch etwas weiter, als man bisher weiß, nach Süden reichte. Sehr intereſſant iſt ein Hermelin-ähnliches, kleines Raubtier, welches in Patagonien und Südargen— tinien vorkommt und als eine eigentümliche Modi— fikation der Gattung Foetorius angeſehen werden kann, nämlich Lyncodon patagonicus Gero. Bei dieſem Tiere hat ſich eine auffallende Reduktion in der Zahl der Backenzähne herausgeſtellt; es fehlt ihm nämlich (im Vergleich mit den Arten der Gat— tung Foetorius) der vorderſte Lückzahn des Ober- und des Unterkiefers, ſowie auch der Kauzahn des Unter— kiefers, ſo daß eine gewiſſe Aehnlichkeit mit dem Gebiſſe der Katzen reſp. der Luchſe vorhanden iſt. Daher der Gattungsname Lyncodon! Das kleine Tier ſoll, wie man es nach ſeinem Gebiſſe voraus— ſetzen darf, ſehr biſſig und raubgierig ſein ?). Eine in vieler Beziehung merkwürdige, für Amerika charakteriſtiſche Gruppe von Muſteliden iſt die der Stinktiere. Dieſelbe hat den Syſtematikern große Schwierigkeiten bereitet, und es herrſcht noch jetzt über die Zahl und Abgrenzung der Species mancher Zweifel. Ich unterſcheide nach Lichtenſtein zwei Gattungen von Stinktieren, nämlich Mephitis (s. str.) und Thiosmus. Die zu erſterer Gattung gehörigen Arten ſtimmen in der Zahl der Zähne mit den Foetorius-Arten überein, d. h. jie haben (außer den für alle echten Carnivoren obligatoriſchen 12 Schneide— und 4 Eckzähnen) 18 Backenzähne, 8 oben und 10 unten. Dagegen beſitzen die zur Gattung Thios- mus gehörigen Arten gewöhnlich nur 16 Backen— zähne, nämlich 6 obere und 10 untere; es fehlt ihnen der vorderſte kleine Lückzahn des Oberkiefers. Die Mephitis⸗Arten find im allgemeinen nearktiſch, die Thiosmus-Urten neotropiſch; doch greifen die Ver— breitungsgebiete beider in Centralamerika und Mexiko etwas übereinander. In Südamerika kommen nur ſolche Stinttier- Arten vor, welche zur Gattung Thiosmus gehören. Sie vertreten dort die Stelle der Dachſe, denen ſie in vieler Beziehung gleichen. Die Abgrenzung der Arten iſt ſehr ſchwierig; ich nehme mit Troueſſart (Catalogue des Carnivores, Paris 1886, S. 34 f.) drei Arten als gutbegründet an, nämlich Thiosmus mapurito, Thiosmus chilensis und Thiosmus suf— focans. Die erſtgenannte Art iſt die nördlichſte; ſie findet ſich in Nordbraſilien, Neugranada, Central- amerika und Mexiko. Thiosmus chilensis ijt haupt- ſächlich in Chili, Bolivia und Peru verbreitet, kommt aber nach Henſel auch im nördlichen Teile der braſiliani⸗ ) Burmeiſter, Deser. phys. Rép. Argent., Bd. III, 1879, S. 160 ff. 416 ſchen Provinz Rio Grande do Sul vor, und zwar auf dem Hochlande der Serra, an den Waldrändern der ſogenannten Campos. Thiosmus suffocans, die dritte Art, welche der vorigen ziemlich ähnlich iſt, lebt in Patagonien, Argentinien, Paraguay, Uruguay und auch in einem Teile von Südbraſilien. Nach Henſel bewohnt dieſes Stinktier in Rio Grande do Sul nur die Tiefebene; es ſcheint ſo, als ob es dort erſt kürzlich von Weſten her eingewandert fei. Uebrigens kommen auch in den Provinzen S. Paulo und Minas Gerass, ſowie in dem Gebiete des Amazonenſtromes und des Orinoko vereinzelt Stink⸗ tiere vor. Ueber die Artzugehörigkeit der gefundenen Exemplare herrſchen aber gewiſſe Zweifel. In Minas Gerass haben ſchon während der Quaternärzeit Stinktiere exiſtiert, wie Dr. Lunds Funde beweiſen; eine exakte Vergleichung der betreffenden Foſſilreſte mit den lebenden Arten hat, ſoviel ich weiß, noch nicht ſtattgefunden. Was endlich die Fiſchottern Südamerikas an⸗ betrifft, ſo kann man unter ihnen zwei Gattungen unterſcheiden, nämlich die Gattungen Lutra und Pteronura. Die erſtere hat einen kosmopolitiſchen Charakter, die letztere dagegen kommt ausſchließlich in den tropiſchen und ſubtropiſchen Ländern Süd⸗ amerikas öſtlich der Anden vor. Der engliſche Zoolog J. E. Gray, welcher eine große Neigung zur Aufſtellung neuer Genera hegte, hat freilich außer den beiden genannten Gattungen auch noch zwei andere für Südamerika aufgeſtellt, nämlich Lontra und Nutria; aber dieſes erſcheint durchaus überflüſſig. Wie viele Lutra⸗Arten für Südamerika anzu⸗ nehmen ſind, iſt zweifelhaft. Man hat früher die in den verſchiedenen Ländern dieſes Kontinents auf⸗ gefundenen Fiſchottern meiſtens als verſchiedene Spe⸗ cies bezeichnet, ohne ſie ſtreng wiſſenſchaftlich mit⸗ einander zu vergleichen. Infolgedeſſen exiſtiert eine ziemlich anſehnliche Zahl von Speciesnamen; ob aber in der Natur wirklich ebenſo viele Species exiſtieren, darf mit Recht bezweifelt werden. Die Fiſchottern neigen nicht ſehr zu deutlich ausgeſprochenen Dif⸗ ferenzierungen; ihre gleichartige Lebensweiſe im und am Waſſer übt einen nivellierenden Einfluß aus!) oder iſt doch der Bildung von Varietäten reſp. neuen Arten nicht förderlich. Es finden zwar innerhalb der einzelnen Arten bedeutende individuelle Schwankungen hinſichtlich der Größe ſtatt; aber die Formverhält⸗ niſſe des Schädels und Gebiſſes, ſowie die Färbung des Felles zeigen ſich ſehr konſtant, ſobald man gleichalterige Exemplare miteinander vergleicht. So z. B. kommt unſere gemeine Fiſchotter (Lutra vul- garis) bis nach Japan vor, ohne daß man irgend eine weſentliche Abänderung weder des Schädels und ) Dieſer nivellierende Einfluß des Waſſers zeigt ſich auch darin, daß die Fiſchottern keine beſtimmte Wurfzeit haben, ſowie darin, daß ihr Pelz im Winter und im Sommer von faſt gleicher Beſchaffenheit und Güte iſt. Humboldt. — November 1887. Gebiſſes, noch des Aeußeren beobachten kann. Da⸗ gegen finden ſich ſogar innerhalb Norddeutſchlands ſo bedeutende Größendifferenzen bei gleichalterigen Exemplaren dieſer Species, daß man leicht zu der Annahme einer großen und einer kleinen Art ge⸗ langen könnte, wenn man nur die Extreme vergliche. Auf Grund der Beobachtungen, welche ich an zahlreichen Exemplaren von Lutra vulgaris ge⸗ ſammelt, habe ich kürzlich die ſüdamerikaniſchen Fiſchotter⸗Species einer Prüfung unterzogen und bin zu dem Reſultate gekommen, daß in den Ländern öſt⸗ lich der Anden von Südargentinien nordwärts bis nach Guayana neben der gleich zu beſprechenden Ptero- nura nur eine „gute Art“ von Lutra exiſtiert, welche ich als die breitſtirnige Fiſchotter (Lutra latifrons) bezeichnet habe“). Nach meiner Anſicht find Lutra enhydris Vr. Cup., Lontra brasiliensis Gray, Lutra macrodus Gray, Lutra solitaria Natt., Lutra paranensis Rengg. und Lutra platensis Waterh. nichts weiter als lokale Modi⸗ fikationen einer einzigen Species, welche unter ſich keine größeren Unterſchiede aufweiſen, als ſie inner⸗ halb der Species Lutra vulgaris vorkommen. Auch die im ſüdlichen Patagonien und an der ganzen Weſtküſte Südamerikas verbreiteten Fiſch⸗ ottern, welche als Lutra felina und Lutra chilensis bezeichnet werden, laſſen in der Bildung des Schädels und des Gebiſſes eine nahe Verwandtſchaft mit Lutra latifrons erkennen; doch empfiehlt es ſich, dieſelben vorläufig als geſonderte Formen zu be⸗ trachten. Ich laſſe es dahingeſtellt ſein, ob Lutra felina und Lutra chilensis ſpecifiſch zu trennen find. Nach Anſicht vieler Autoren erſtreckt ſich der Ver⸗ breitungsbezirk der Lutra chilensis über die ganze Weſtküſte Süd⸗, Mittel⸗ und Nordamerikas bis nach Alaska, während in den öſtlichen Gebieten Nord⸗ amerikas eine beſondere Art, Lutra canadensis, analog der ſüdamerikaniſchen Lutra latifrons, ver⸗ breitet iſt. In der Größe und im Ausſehen erſcheint Lutra latifrons unſerer europäiſchen Fiſchotter ſehr ähnlich. Die Abweichungen finden ſich erſt bei näherer Ver⸗ gleichung; ſie zeigen ſich hauptſächlich in der Kürze und Breite des Schnauzenteils, in der abweichenden Form des nackten Teils der Naſenkuppe, in der maſſiveren Bildung der Backenzähne. Lutra felina reſp. Lutra chilensis zeigen ähnliche Charaktere, aber eine durchſchnittlich geringere Größe. Eine völlig ſelbſtändig daſtehende, höchſt eigen⸗ tümliche Art iſt die von Fr. Cuvier und Prinz Wied als Lutra brasiliensis beſchriebene, große, flach⸗ ſchwänzige Fiſchotter, welche Gray nachträglich als eine neue Art unter dem Namen Pteronura Sand- bachii beſchrieben hat. Sie darf als der Rieſe unter den Fiſchottern bezeichnet werden; denn ſelbſt die ſtarke Lutra capensis (= Lutra inunguis) aus Südafrika bleibt hinter ihr zurück. Jene er⸗ reicht eine Körperlänge (inkl. Schwanz) von 6 Fuß ) Sitzungsber. d. Geſ. nat. Fr., 1887, S. 22 ff. Humboldt. — November 1887. und liefert ſomit (abgeſehen von der Hyrare) den Beweis, daß Südamerika in Bezug auf die Größe ſeiner Muſteliden den Wettſtreit mit allen übrigen Kontinenten aufnehmen kann. In den ſüdöſtlichen Provinzen Braſiliens wird jene große Art im Gegen— fake zu der kleineren Lutra latifrons, welche dort „Lontra“ heißt, mit dem Namen „Ariranha“ be— zeichnet, wie denn überhaupt beide Arten von allen erfahrenen Jägern Braſiliens deutlich unterſchieden werden. Die Ariranha iſt ausgezeichnet durch eine völlig behaarte Naſenkuppe, durch den breiten, flachen, beiderſeits gewiſſermaßen mit einem Saume ver— ſehenen Schwanz und durch ſehr ausgebildete, breite Schwimmhäute zwiſchen den Zehen. Das Fell be— ſteht aus feinen, glatten, gleichſam kurzgeſchorenen Grannenhaaren, melche an der Baſis mit einem zarten Wollhaar untermiſcht ſind. Die Farbe iſt ein ſchönes, klares Braun, ſowohl auf der Ober- als auch an der Unterfeite*). Von der Kinngegend bis nach der Bruſt finden ſich Flecke von gelblicher oder weißlicher Farbe, welche bei alten Exemplaren meiſtens in einen einzigen großen Kehlfleck zuſammenzulaufen ſcheinen. Sehr merkwürdig iſt die Schädelbildung, auf die wir jedoch hier nicht weiter eingehen können. Wie Henſel ſchon vermutet hat, und wie ich kürz— lich mit Beſtimmtheit nachgewieſen zu haben glaube, iſt Pteronura Sandbachii Gray identiſch mit der ſchon früher von Fr. Cuvier und Prinz Wied deut— lich beſchriebenen Lutra brasiliensis. Letzterem Namen gebührt offenbar die Priorität; doch habe ich mich dafür ausgeſprochen, die Ariranha wegen ihrer vielen Eigentümlichkeiten als Vertreterin eines beſonderen Subgenus zu betrachten und den Gray'ſchen Namen Pteronura als Subgenusnamen beizubehalten. Da⸗ gegen muß als Artname: brasiliensis hinzugeſetzt werden, ſo daß alſo die Ariranha wiſſenſchaftlich als Pteronura brasiliensis zu bezeichnen wäre. Ihre geographiſche Verbreitung reicht von Britiſh Guayana ſüdwärts bis Rio Grande do Sul und Paraguay. Nach Oldfield Thomas kommt ſie auch noch im öſtlichen Teile von Ecuador vor. Sie hat alſo eine viel größere Verbreitung, als man früher annahm. Neben ihr findet man in Guayana, Braſilien und Paraguay die oben beſprochene „Lontra“ (Lutra latifrons); doch lebt die Ariranha wohl ausſchließ— 5 Bei der „Lontra“ zeigt die Bauchſeite eine viel hellere Färbung als die Rückenſeite; ebenſo bei unſerer Lutra vulgaris. 417 lich an größeren Gewäſſern, während die Lontra auch an kleineren Flüſſen und ſogar an Bächen vor— kommt. Immerhin iſt dieſes Nebeneinanderleben zweier deutlich verſchiedener Fiſchotterarten in den— ſelben Diſtrikten eine bemerkenswerte Thatſache. In Rio Grande do Sul (Sübdbraſilien) hat Th. Biſchoff beide Arten in dem Lagunengebiete an der Küſte des Atlantiſchen Oceans beobachtet; doch iſt die Ariranha dort ſchon ſehr ſelten ge— worden. Bald nach Gründung der Kolonie Mundo Novo, alſo vor etwa 40 Jahren, hielt fic) (nach Biſchoffs Angabe) eine aus 8 bis 10 Individuen be— ſtehende Familie von Ariranhas im Rio de Santa Maria auf; ſie waren ſehr keck, jagten öfter die Frauen von ihrer Wäſche (am Flußufer) fort, töteten Hunde, wenn letztere im Jagdeifer ins Waſſer ſprangen, oder wenn es erſteren gelang, ſie ins Waſſer zu ſchleppen. Da die Ottern ſtets gemeinſchaftlich an— griffen, ſo zwangen ſie auch große Hunde zur Flucht; ſie ſelbſt zogen ſich nur dann zurück, wenn mehrere ſtarke Hunde vereint auf ſie losgingen. Wer das außerordentlich ſtark gebaute Ariranha— ſkelett betrachtet, welches Henſel aus Südbraſilien für das hieſige anatomiſche Muſeum mitgebracht hat, der wird ſich nicht wundern, daß die Ariranha den Kampf mit einem Hunde ohne Scheu aufnimmt. Das Tier muß gewaltige Kräfte haben. Lebende Exemplare ſind, ſoviel ich weiß, bisher noch nicht nach Europa gebracht worden. Mit dieſer hochintereſſanten Art, welche feines- wegs allgemein bekannt iſt und ſelbſt in ihrer Heimat von Unkundigen noch oft mit der Lontra zuſammen—⸗ geworfen wird, ſchließe ich meine Ueberſicht über die Muſteliden Südamerikas. Ich füge nur noch hinzu, daß ebendieſelben oder nahe verwandte Arten be— reits in der Quaternärzeit den Boden Südamerikas bewohnt haben. Intereſſant iſt es, daß ihr Ver— breitungsgebiet oder doch dasjenige einiger Arten damals bis in die ſüdlicheren Diſtrikte der heutigen nearktiſchen Region hineinreichte“), was übrigens in gleicher Weiſe auch von manchen anderen neotropiſchen Säugetieren gilt. Die neotropiſche Region iſt offen— bar im Laufe der Zeiten durch die nearktiſche ein— geſchränkt worden; das beweiſen die an vielen Punkten der Vereinigten Staaten gefundenen Foſſilreſte von Tieren, welche heutzutage auf Süd- und Mittel- amerika beſchränkt ſind. ) Vergl. E. Coues, North American Mustelidae, Washington 1877, p. 17 (Galera macrodon Cope). Die Weiterentwickelung des Darwinismus. Von Dr. C. Düſing in Aachen. Der mächtige Impuls und die großartige Ent— wickelung, welche die biologiſchen Wiſſenſchaften durch den Darwinismus erhielten, berechtigen dem Geiſte Darwins die größte Dankbarkeit und Verehrung Humboldt 1887. zu zollen. Dennoch wäre es thöricht, in der Freude über den endlichen Sieg, die allgemeine Anerkennung und die fruchtbringende Einwirkung der Entwickelungs⸗ theorie dieſe nicht nur als richtig, ſondern auch als 53 418 in jeder Beziehung vollſtändig und keiner Ergänzung bedürftig zu betrachten. Darwin hat ſelbſt durch Feſtſtellung von That⸗ ſachen und Aufſtellung von Theorien thatkräftig mit⸗ gearbeitet an dem Weiterausbau ſeiner Selektions⸗ theorie. Gerade in neuerer Zeit ſind eine Reihe von Arbeiten der beſten Forſcher erſchienen, denen das hohe Verdienſt zukommt, die Lehre Darwins außer⸗ ordentlich erweitert zu haben. Zu dieſen Arbeiten gehören die von Eimer über Färbungen der Tiere, die von Brooks über die Stärke der Variation, und die jüngſt erſchienene Schrift von Romanes über die gegenſeitige Unfruchtbarkeit der Arten. Letztere ent⸗ hält eine mit großem Scharfſinn aufgeſtellte Theorie, die ſich von der größten Wichtigkeit für die Entwickelungs⸗ lehre erweiſen wird und daher hier kurz erläutert werden ſoll. Doch wäre es an dieſer Stelle nicht unintereſſant, einmal kurz alle diejenigen Theorien zu nennen, welche die einfache Lehre Darwins von zu⸗ fällig auftretenden Variationen und der eine Ausleſe unter ihnen treffenden Zuchtwahl erweitert haben. Es ſteht zweifellos feſt, daß einmal die Tiere beſtändig variieren, und zweitens unter ihnen eine Konkurrenz, ein Kampf ums Daſein herrſcht, der be⸗ wirkt, daß die paſſenderen, alſo mit nützlicheren Eigen⸗ ſchaften verſehenen, länger leben und mehr Nachkommen hinterlaſſen, als die übrigen. In ähnlicher Weiſe wie dieſe natürliche Zuchtwahl wirkt die geſchlechtliche, wo das eine Geſchlecht, z. B. das Weibchen, dem ſchönſten Männchen den Vorzug gibt. So zweifellos mächtig die Wirkung des Kampfes ums Daſein iſt, ſo gewiß iſt es, daß zwar die meiſten aber doch nicht alle Eigenſchaften der natürlichen oder der geſchlecht⸗ lichen Zuchtwahl ihre Entſtehung verdanken, daß es alſo neben den nützlichen auch eine ganze Reihe un⸗ nützer, überflüſſiger Eigenſchaften gibt. „Warum die zierliche Form der Radiolarien, warum die zierlichen Skulpturen, Zeichnungen und Farben der Schnecken⸗ gehäuſe, welche noch dazu meiſt zeitlebens von Schlamm oder Schmutz bedeckt find, und deren Zeichnungs⸗ und Farbenzierden ſogar oft erſt nach dem Polieren her⸗ vortreten? Warum die ſchwarze Färbung des Bauch⸗ fells mancher Wirbeltiere? Warum das Rotwerden der Blätter im Herbſt? Warum das Bleichen der Haare im Alter?“ So fragt mit Recht Eimer. Darwin ſelbſt erkennt als vollkommen richtig an, daß durchaus nicht alle Eigenſchaften nützlich ſind, er zählt ſogar eine ganze Reihe von Eigentümlichkeiten auf, die ſicherlich nicht den geringſten Nutzen ge⸗ währen. So ſagt er: „In unſerer Unwiſſenheit über die meiſten niederen Tiere können wir nur ſagen, daß ihre prachtvollen Farben das direkte Reſultat entweder der chemiſchen Beſchaffenheit oder der feineren Struktur ihrer Körpergewebe ſind und zwar unab⸗ hängig von irgend einem daraus fließenden Vorteile. Kaum irgend eine Farbe iſt ſchöner als das arterielle Blut; es iſt aber kein Grund vorhanden, zu ver⸗ muten, daß die Farbe des Blutes an ſich irgend ein Vorteil ſei; und wenn ſie auch dazu beiträgt, die Schönheit der Wangen eines Mädchens zu erhöhen, Humboldt. — November 1887. ſo wird doch niemand behaupten wollen, daß ſie zu dieſem Zwecke erlangt worden ſei“ ). Ferner erwähnt er die intenſive Färbung der Galle, die außerordent⸗ liche Schönheit nackter Seeſchnecken, die pracht⸗ vollen Färbungen der abſterbenden Blätter eines amerikaniſchen Waldes und die ſchönen Zeichnungen der Schneckenſchalen! ). Trotzdem alſo Darwin das Vorhandenſein von unnützen Eigenſchaften zugegeben hat, ſo iſt doch be⸗ hauptet worden, daß jede Eigenſchaft durch natür⸗ liche Zuchtwahl und infolge ihrer Nützlichkeit ent⸗ ſtanden ſei. Selbſt wenn man von einer ſolchen Eigen⸗ ſchaft auch nicht den geringſten Nutzen nachweiſen konnte, ſo behauptete man doch, dies liege an unſerer Unkenntnis, oder der Nutzen ſei ſo gering, daß wir ihn nicht auffinden könnten. Beſonders Romanes weiſt auf die Unzuläſſigkeit dieſer Schlüſſe hin. Ueberhaupt haben alle diejenigen Forſcher, welche einen Beitrag zur Weiterentwickelung des Darwinis⸗ mus gegeben haben, wie Romanes, Brooks und Eimer, ſtets auf das Vorhandenſein von unnützen Eigen⸗ ſchaften hingewieſen. Keiner von allen dieſen aber hat ſich die wichtige Frage vorgelegt, auf welche mich Herr Profeſſor Preyer aufmerkſam gemacht hat, ob die unnütze Eigenſchaft vielleicht bloß augenblicklich unnütz iſt, den Urahnen des Tieres aber ſehr nützlich war und von ihnen durch natürliche Zuchtwahl er⸗ worben wurde, jetzt aber nur noch ein überflüſſiges Erbteil iſt, wie z. B. die Ohrmuskeln des Menſchen, ebenſo die Frage, ob die Eigenſchaft vielleicht im ſpäteren Alter nützlich ſein wird oder in der Jugend nützlich geweſen iſt. Von der Unnützlichkeit der Eigen⸗ ſchaft darauf zu ſchließen, daß ſie ihre Entſtehung nicht der natürlichen Zuchtwahl verdankt, iſt alſo falſch; vielmehr muß zugleich die Frage beantwortet werden, ob ſie niemals nützlich war, noch je nützlich ſein wird. Alle die unnützen Eigenſchaften jedoch, auf welche Darwin und Eimer aufmerkſam machen, z. B. das Rotwerden des abgefallenen Laubes, ſind weder irgend einem Urahn nützlich geweſen, noch ſind ſie dem In⸗ dividuum bloß in einem beſtimmten Lebensalter nützlich. Alſo auch dann, wenn man den von Preyer angeführten Umſtand berückſichtigt, ſo bleiben doch noch immer Eigenſchaften übrig, denen niemals Nützlichkeit zugeſprochen werden kann, die alſo nicht durch natür⸗ liche oder geſchlechtliche Zuchtwahl entſtanden ſein können. Bei der Beurteilung der Nichtnützlichkeit einer Eigenſchaft ſcheint mir ferner folgendes nicht genügend beachtet zu ſein. Manche ſcheinbar nebenſächliche, äußerliche Eigentümlichkeiten haben häufig den Nutzen, daß die Geſchlechter ſich gegenſeitig leichter aufſuchen und erkennen können. Hierbei ſehe ich natürlich von denjenigen Eigenſchaften ab, welche dazu dienen, das Wohlgefallen des anderen Geſchlechtes zu erwecken und der geſchlechtlichen Zuchtwahl ihre Entſtehung ver⸗ ) Die geſchlechtliche Zuchtwahl, S. 343. ) Letzteres J. o., S. 346. Humboldt. — November 1887. danken; ſie ſind entweder nur in dem einen Geſchlecht vorhanden oder treten hier wenigſtens ſtärker auf. Darwin, der die Unterſuchung der geſchlechtlichen Zuchtwahl auf das ganze Tierreich ausdehnte, ſtieß oft auf äußerliche Eigentümlichkeiten, welche nicht dem einen, ſondern beiden Geſchlechtern eigen waren, z. B. die Augenflecke auf den Flügeln vieler Schmetterlinge und manche andere Aeußerlichkeiten, die, wie er zu— gibt, nicht durch natürliche Zuchtwahl entſtanden ſein können“). Man denke ferner an die Singvögel, deren noch ſo nah verwandte und einander ähnliche Arten ſich dennoch durch irgend ein äußeres Merkmal unter— ſcheiden, was ein Verwechſeln verhütet und das Er— kennen auch aus der Entfernung erleichtert. Bei vielen Vögeln ſind die Weibchen und Jungen verwandter Arten nicht oder kaum zu unterſcheiden, und nur die Männchen haben eine Veränderung er— litten. Andere haben ein verſchiedenes Sommer- und Wintergefieder und zwar beide Geſchlechter in gleicher Weiſe; bei ihnen können gewiſſe einander nahe ver— wandte Arten in ihrem Sommer- und Hochzeits⸗ gefieder leicht unterſchieden werden, ſind aber in ihrem Winterkleid ebenſo wie in ihrem jugendlichen Gefieder ununterſcheidbar. Darwin führt dies von gewiſſen Arten von Bachſtelzen und Reihern an, und er glaubt, daß dieſe Aeußerlichkeiten nur durch geſchlechtliche Zuchtwahl und zwar zuerſt beim Männchen enſtanden ſind und dann auf das Weibchen übertragen wurden. Die Thatſache aber, daß die Aeußerlichkeiten gerade während des Sommers, nicht aber während des Win- ters und ferner auch beim Weibchen auftreten, weiſt darauf hin, daß ſie zum gegenſeitigen Erkennen dienen müſſen. Dieſe Unterſcheidungsmerkmale werden be— ſonders für ſolche Tiere von großem Nutzen ſein, welche nicht mit einem oder mehreren Weibchen zu— ſammenleben, ſondern bei denen das Begegnen der Geſchlechter dem Zufall überlaſſen iſt. Welch große Rolle äußere Unterſcheidungsmerk— male bei vielen Tieren ſpielen, zeigt folgende von Darwin mitgeteilte Thatſache. Ein weibliches Zebra wollte die Liebeserklärungen eines männlichen Eſels nicht annehmen, bis derſelbe ſo angemalt wurde, daß er einem Zebra ähnlich war, und dann nahm es ihn ſehr gern an. Endlich ſei noch erwähnt, daß drei Raſſen des virginiſchen Hirſches in der Farbe etwas voneinander unterſchieden ſind, und zwar iſt dieſe Verſchiedenheit beinahe ausſchließlich auf den bläulichen Winter- oder Paarungspelz beſchränkt. Zweifellos handelt es ſich hier nicht um eine Zierde, ſondern um eine bloße Verſchiedenheit. Aber auch dann, wenn man dieſen neuen Umſtand, nämlich den Nutzen der Aeußerlichkeiten beim Erkennen der Geſchlechter, in Betracht zieht, ſo bleiben doch noch immer Eigenſchaften übrig, deren Ueberflüſſigkeit gar keinem Zweifel unterliegt. Die Anzahl derſelben ) Abſtammung der Menſchen und die geſchlechtliche Zuchtwahl, Bd. I, S. 418. In Bezug auf die Bachſtelzen und Reiher Bd. II, S. 177, in Bezug auf das Zebra Bd. II, S. 274, und in Bezug auf die Hirſche Bd. II, S. 269. 419 iſt äußerſt gering, wie ſchon daraus hervorgeht, daß es außerordentliche Mühe koſtet, nur einige wenige zu nennen, ſelbſt wenn man das ganze Tierreich durchläuft. Betrachtet man eine Eigenſchaft, ſo kann man mindeſtens hundert gegen eins wetten, daß ſie nützlich iſt, oder geweſen iſt, oder endlich ſpäter dem Tiere nützlich ſein wird. Mag aber die relative An— zahl der unnützen Eigenſchaften im Vergleich zu den nützlichen noch ſo verſchwindend gering ſein, ſo iſt es doch notwendig, ihre Entſtehung zu erklären. Darwin, dem es hauptſächlich darauf ankam, die Richtigkeit der Entwickelungstheorie nachzuweiſen, iſt nicht dazu gelangt, auch dieſe für ihn weit weniger wichtigen Probleme zu enträtſeln. Nur einige, die weiter unten genannt werden ſollen, ſind von ihm entdeckt und ausführlich behandelt worden. Doch auch das Vorhandenſein der übrigen erkannte er ſchon aus vielen Thatſachen und war bei ihnen bereits auf dem beſten Wege, ſie zu erforſchen. So hat Darwin den großen direkten Einfluß, den die Veränderung des Klimas, der Nahrung und an— derer Umſtände auf die Eigenſchaften der Tiere aus- übt, erkannt und durch viele Thatſachen nachgewieſen. Der Einfluß, den der Gebrauch oder Nichtgebrauch auf die Ausbildung eines Organs ausübt, iſt zweifel⸗ los ein großer. Lamarck hielt ihn ſogar für bedeutend genug, um ihn als alleinige Urſache der Entwickelung der lebenden Weſen anſehen zu können. Dieſe Ueber- ſchätzung hatte ſicherlich darin ihre Urſache, daß der Gebrauch der Organe das einzige Agens für die Entwickelung der Tiere war, welches Lamarck kannte. Dennoch müſſen wir auch jetzt noch zugeſtehen, und dies hat auch Darwin gethan, daß dem Gebrauch oder Nichtgebrauch eine nicht unbedeutende Wirkung auf die Weiterentwickelung, reſp. Rückbildung eines Organs zuzuſchreiben iſt. Ferner herrſcht zwiſchen benachbarten Organen eine gewiſſe Konkurrenz in Bezug auf die Menge der Nahrung, welche ihnen zugeführt wird. Entwickelt ſich z. B. ein Organ, da es vielleicht nützlich iſt oder viel gebraucht wird, ſtärker und beanſprucht mehr Nahrung, ſo entzieht es hierdurch den benachbarten Organen Nahrung und es iſt gewiß, daß, wenn das eine oder andere hiervon nicht etwa ebenfalls infolge vermehrten Gebrauchs oder Nützlichkeit eine ſtärkere Ernährung beanſprucht, fie ſich um fo mehr zurück⸗ bilden werden, als das erſte Organ zunimmt. Darwin, deſſen Scharfſinn nichts entging, hat bereits viele ſolche Thatſachen aufgeführt und in der richtigen Weiſe erklärt. In neuerer Zeit hat Roux ähnliche Anſichten über den „Kampf“ der Organe geäußert, und auch ich habe zu dieſer Unterſuchung der „Kon— kurrenz“, welche ſich die Teile des Körpers gegen— ſeitig machen, einen kleinen Beitrag gegeben“) und beſonders auf die eigentümliche Stellung des Geſchlechts⸗ apparates hierbei hingewieſen. ) „Ueber die Konkurrenz der Organe“ in der Ein— leitung zu der „Regulierung des Geſchlechtsverhältniſſes“. S. XV. i 420 Humboldt. — November 1887. Doch es gibt andere Thatſachen, für die weder der Darwinismus noch obige Erklärungen genügen. Eimer und Weismann haben die Farben und Zeich⸗ nungen der Tiere und die Veränderungen, welche dieſe im Laufe der Entwickelung durchmachen, unter⸗ ſucht und gefunden, daß dieſe Veränderungen durch⸗ aus nicht immer die Folge einer natürlichen Zucht⸗ wahl ſein können. Eimer fand, daß im ganzen Tier⸗ reich die Längsſtreifung die urſprüngliche iſt, dieſe im Laufe der Entwickelung in Flecken zerfällt und letztere ſich wieder zu Querſtreifen vereinigen. Eine ſolche regelmäßige Umwandelung muß ihre Urſachen in der Konſtitution des Körpers haben; die augenblicklich vorhandenen Eigenſchaften müſſen einen Einfluß auf die Veränderungen beſitzen, welche die Art durchmachen wird. Variation wie Weiterentwickelung wird alſo von der Konſtitution beeinflußt. Viele der Thatſachen, aus denen dieſes hervorgeht, ſind bereits in dieſer Zeitſchrift von Eimer in anſchaulicher Weiſe behandelt worden ). Eine andere Urſache von Veränderungen hat be⸗ reits Darwin entdeckt, es iſt die korrelative Variation. Bemerkt man am linken Flügel eine Variation, ſo pflegt auch der rechte in derſelben Weiſe zu variieren. Die Variation einer Eigenſchaft hat die einer anderen ihr homologen oder mit ihr in Korrelation ſtehenden zur Folge; jo ſtehen, wie Darwin!) anführt, die Farbe der Haare und die der Haut in Korrelation, ebenſo die einzelnen Finger untereinander, wie über⸗ haupt alle in der Mehrzahl vorhandenen Teile. Auch können frühere Eigenſchaften, welche die Ur⸗ ahnen der Tiere beſeſſen haben, die aber ſchon lange verloren gegangen ſind, plötzlich wiedererſcheinen. Ein anderes Geſetz, das wir ebenfalls Darwin verdanken, iſt, daß neu entſtandene Eigenſchaften ſtärker variieren als ältere. Zu erſteren gehören ſpecifiſche Charaktere, zu letzteren allgemeine. Zu erſteren gehören auch Eigenſchaften, welche in einer Species oder mehreren im Vergleich zu den übrigen verwandten Arten ſtark ausgebildet ſind. Es ſcheint mir unzweifelhaft zu ſein, daß Darwin die Variationen, abgeſehen von den korrelativen, im allgemeinen nur deshalb als rein zufällig betrachtete, weil es ihm lediglich darum zu thun war, zunächſt das Vorhandenſein derſelben überhaupt nachzuweiſen. Er mußte es ſeinen Nachfolgern überlaſſen, die Ur⸗ ſachen der Variationen aufzufinden. Um ſo mehr iſt es zu bewundern, daß dennoch ſein klarer Blick in einzelnen Fällen dieſe Urſachen ſchon erkannt hat. Doch nicht nur die Qualität der Veränderungen, ſondern auch die Quantität der Variationen iſt nicht rein zufällig. Während Darwin bereits zu dem Reſultat ge⸗ kommen war, daß eine Aenderung der äußeren Um⸗ *) Humboldt, Jahrg. 1885 u. 1886. Man vergleiche auch Eimer „Unterſuchungen über das Variieren der Mauer⸗ eidechſe“, Berlin, 1881, und Düſing „Ueber die Färbung der Tiere“, Kosmos, 1886, Bd. II, S. 382. ) Abſtammung des Menfchen und die geſchlechtliche Zuchtwahl, Bd. I, S. 258. ſtände Variabilität hervorruft, zeigt Brooks in ſeinem Buche „Heredity“ *), daß die Stärke und Häufigkeit der Variation der Tiere nicht ſtets dieſelbe, ſondern unter verſchiedenen Verhältniſſen verſchieden groß iſt. Sie wird nämlich ſtärker unter ungünſtigen Umſtänden und bei ſtarker Kreuzung. Ferner iſt die Variation der beiden Geſchlechter verſchieden groß, das Männchen variiert ſtärker als das Weibchen, und daher ſchreitet bei der Umwandelung in eine neue Art das Männchen voraus, während das Weibchen folgt, welches infolge⸗ deſſen den Jungen, ſowie den Weibchen nahe ver⸗ wandter Arten ähnlicher ſieht als das Männchen. Die Thatſache, daß die Männchen im allgemeinen ſtärker variieren als die Weibchen, war dem Scharfblick Darwins nicht entgangen, und er führt eine große Zahl von Fällen an, welche dies beweiſen ). Aus allem dieſem geht hervor, daß man bei der Entſtehung von unnützen Eigenſchaften zweierlei Arten unterſcheiden kann. Viele werden durch die direkte Einwirkung von Urſachen hervorgerufen; in einem anderen Klima oder bei anderer Ernährung ändern ſich oft die Farben der Blüten oder die der Federn eines Vogels. Nicht wenige Eigenſchaften treten aber hervor infolge der Entſtehung einer anderen Eigen⸗ ſchaft. An den Blumenköpfchen der gemeinen Flocken⸗ blume (Centaurea jacea) beobachtete dies Hermann Müller. Die Randblüten derſelben geben nämlich ihre Geſchlechtsthätigkeit auf, bilden dagegen ihre Blumen⸗ krone ſehr ſtark aus. Während letzteres eine für die Befruchtung durch Inſekten entſchieden nützliche Eigen⸗ ſchaft iſt und durch Zuchtwahl immer mehr geſteigert werden kann, ſind die Geſchlechtsorgane durchaus nicht ſchädlich, vielmehr nützlich und können nicht durch natürliche Zuchtwahl reduziert worden ſein. Die Urſache iſt vielmehr in der Beziehung zu ſuchen, in der dieſe beiden benachbarten Organe in Bezug auf die Ernährung ſtehen. Der größere Nahrungsver⸗ brauch des einen hat eine ſchwächere Ernährung des anderen zur Folge. Hermann Müller, der zu den eifrigſten Anhängern des Darwinismus gehörte, hat dieſe Erſcheinung auf dieſelbe Weiſe erklärt; denn er ſagt, daß dieſe Geſchlechtsorgane jedenfalls nicht durch Naturausleſe beſeitigt werden, ſondern wahrſcheinlich nur durch Entziehung des Säftezufluſſes, den die Blumenkrone in verſtärktem Grade für ſich in Anſpruch nimmt). Alle dieſe Eigenſchaften, die infolge der Entſtehung einer anderen zugleich mit dieſer entſtehen, kann man unter dem Namen Begleiteigenſchaften zuſammenfaſſen. Hierzu gehören auch alle diejenigen Eigenſchaften, welche infolge des Beſtehens einer Kor⸗ relation zwiſchen einzelnen Organen entſtehen. Dieſe Begleiteigenſchaften ſind nicht immer unnütz, ſondern *) Heredity, Baltimore, 1883. Auf die Beziehungen ſeiner Theorie zu der meinigen hat Brooks hingewieſen in der Jenaiſchen Zeitſchrift für Naturw., Bd. XVIII, N. F. XI. Man vergl. auch Kosmos, 1885, Bd. II, S. 142, „Ein neues Geſetz der Variation“. **) Abſtammung des Menſchen und die geſchlechtliche Zuchtwahl, Bd. I, S. 292 u. 418. a) Kosmos, 5. Jahrg., 18811882, Bd. X, S. 341. Humboldt. — November 1887. oft ſogar ſchädlich, wie z. B. in dem angeführten Beiſpiel. Dennoch entſtehen ſie, weil ihre Schädlich— keit durch die Nützlichkeit der mit ihr verbundenen Eigenſchaft mehr als genügend aufgehoben wird. Die natürliche Zuchtwahl bewirkt alſo ihre Entſtehung nicht direkt, ſondern indirekt. Unter allen Entgegnungen, die dem Darwinismus gemacht worden ſind, iſt wohl folgende von allen Forſchern und auch von Darwin ſelbſt als die ge— wichtigſte angeſehen worden und von allen, die den Darwinismus nicht als vollſtändig genügend aner— kennen, vielmehr eine Ergänzung zu demſelben ge— liefert haben, wie Brooks und Romanes, als Beweis gegen die Meinung aufgeführt worden, daß der Dar- winismus ausſchließlich genüge, die Entſtehung der Arten zu erklären. Der Einwurf iſt der „North British Review“ entnommen und gründet ſich darauf, daß die bei einem Tiere neu entſtandene Variation, mag ſie noch ſo nützlich ſein, durch die Kreuzung mit den übrigen Tieren immer mehr und ſchließlich voll— ſtändig verwiſcht wird. Als Beiſpiel denke man ſich nach dem Vorſchlage des Verfaſſers *), ein Weißer ſtrandete an einer von Negern bewohnten Inſel, er ſchwänge fic) dort zum Herrſcher eines Stammes“ auf, töte durch ſeine Tapferkeit viele Feinde und habe überhaupt alle nur erdenklichen nützlichen Eigenſchaften. Er mag viele Weiber und viele Kinder haben und ſehr lange leben. Dennoch werden die Neger niemals zu Weißen umgewandelt werden. In der erſten Generation werden vielleicht ein paar Dutzend Mulatten mit vorteilhaften Eigenſchaften vorhanden ſein. Die Nachkommen derſelben werden wieder etwas weniger überlegen ſein, und ſchließlich werden die Eigenſchaften nach einer gewiſſen Zahl von Generationen vollſtändig in die der Neger aufgehen. Durch die Brooks'ſche Theorie wird dieſe Schwierig— keit gehoben. Wenn nämlich äußere Umſtände auf eine Art einwirken und Variation hervorrufen, ſo zeigt ſich dieſe gleichzeitig bei ſehr vielen Individuen und iſt nicht der Gefahr ausgeſetzt, durch Kreuzung verwiſcht zu werden. Auch wird immer von neuem Variation hervorgerufen, bis eine Anpaſſung an die neuen Umſtände ſtattgefunden hat. Dieſe Erklärung iſt jedoch nicht immer zutreffend. Es ſind Fälle bekannt, wo plötzlich eine Variation auftrat und dieſe durch künſtliche Zuchtwahl auf alle ausgedehnt wurde. Was letztere fertig bringt, kann auch die natürliche Zuchtwahl leiſten. Wie war es aber möglich, daß in dem angeführten Falle die Va⸗ riation nicht durch die Kreuzung verwiſcht wurde? Es läßt ſich dies nur auf folgende Weiſe erklären. Obgleich die meiſten Nachkommen des einzigen va— riierten Tieres die Eigenſchaft in etwas geringerem Maße aufweiſen werden, ſo haben ſie doch von ihrem Erzeuger die Tendenz geerbt, dieſe Variation zu er— halten, und einige von ihnen werden zweifellos dieſe aufweiſen. Auf letztere wird die Zuchtwahl von 421 neuem einwirken, und der Prozentſatz derjenigen, welche nicht nur die Tendenz haben, in dieſer Richtung zu variieren, ſondern auch dieſe Variation thatſ ächlich beſitzen, wird i immer größer, bis die Umwandelung aller vor ſich gegangen iſt. Eine einzige Variation für ſich ijt niemals direkt im ſtande, eine ganze Species ume zuwandeln. Sie hat aber die Vererbung der Tendenz zu dieſer Variation zur Folge, und die dadurch her— vorgerufenen Variationen der Nachkommen bringen, durch die natürliche Zuchtwahl begünſtigt, ſchließlich die Umwandelung zu ſtande. Der in dem angeführten Beiſpiel begangene Fehler liegt alſo in der Annahme, daß alle Jungen des variierten Tieres einander gleich wären und jeder die Variation in halber Stärke auf— weiſen müßte. Dem iſt aber nicht ſo, die Nachkommen werden ebenfalls variieren, ein Teil derſelben die Variation aufweiſen, andere in ſchwächerem Maße, wieder andere gar nicht. Da die Variation eine nützliche ijt, fo wird der unter den Individuen vor- handene Prozentſatz von Tieren, welche dieſe Varia— tion aufweiſen, immer größer werden und zuletzt herrſchen. Wenn nun in dem obigen Beiſpiele der Unterſchied zwiſchen dem Weißen und den Negern gering genug wäre, um als Variation gelten zu können, ſo würden ſich unter den oben erwähnten Mulatten und deren Nachkommen zweifellos einige Weiße befunden haben, welche das Werk ihres Stamm— vaters fortgeſetzt haben würden). Alſo auch dann, wenn nur ein einziges Tier den Anſtoß zu einer Umwandelung gibt, kann dieſe im Laufe der Zeit vor ſich gehen, ohne daß die Kreuzung eine Aus— löſchung bewirken könnte. Wenn wir alſo die Erblichkeit der Tendenz einer Variation annehmen — und dieſe iſt eine logiſche Folge der Lehre von der Erblichkeit der Eigenſchaften — ſo müſſen wir zugeſtehen, daß die Meinung von Brooks und Romanes, die Variabilität eines Tieres ſei niemals im ſtande, eine langſame Umwandelung der Art hervorzurufen, eine irrtümliche iſt. Und der in der „North British Review“ gemachte Einwand ſcheint mir hiermit widerlegt zu ſein. Bei der Entſtehung neuer Arten handelt es ſich aber, wie Romanes richtig hervorhebt, nicht immer um eine Umwandelung der ganzen Art, ſondern ſehr oft hat ſich nur ein Teil derſelben umgewandelt, während der andere eine ganz andere Entwickelung einſchlägt, wie klar aus der Verzweigung der Stamm⸗ bäume hervorgeht. Eine ſolche Verzweigung in der Entwickelung kann nun dadurch hervorgebracht werden, daß ein Teil auswandert oder daß ſich eine Inſel vom ) Es iſt eine bekannte Thatſache, daß die Mulatten Amerikas eine mittlere Farbe beſitzen. Dennoch iſt es er— wieſen, daß bei der Kreuzung von Weißen und Schwarzen zuweilen rein weiße oder vollkommen ſchwarze, ja ſelbſt, allerdings ſehr ſelten, geſcheckte Kinder erzeugt werden. Abſtammung des Menſchen und geſchl. Zuchtwahl, Bd. J, 226. Weitere Thatſachen, welche die Vererbung der Tendenz zu einer Variation beweiſen, findet man: Variieren „) Abgedruckt bei Nomanes ,.Physiological Selection“, der Tiere und Pflanzen, 2. Aufl., Bd. II, S. 106, und: Linnean Society's Journal, Zoology, vol. XIX. Abſtammung des Menſchen ꝛc., Bd. II, S. 118. 422 Feſtland abſchnürt, kurz dadurch, daß die Art durch eine geographiſche Barriere in zwei Teile geteilt wird und jeder Teil für ſich in der beſchriebenen Weiſe ſeine Entwickelung fortſetzt. Es gibt aber Thatſachen, welche darauf hinweiſen, daß eine Verzweigung auch ohne ein geographiſches Hindernis vor ſich gegangen ſein muß. Denn wenn man von Norden nach Süden über einen Kontinent geht, ſagt Darwin, ſo kann man beobachten, wie an der Grenze des Bereiches einer Art eine andere nahe verwandte zuerſt nur in wenigen Exemplaren, dann immer häufiger erſcheint, bis ſie zuletzt die erſte voll⸗ ſtändig verdrängt hat. Es iſt klar, daß hier ohne jede Barriere die Verzweigung einer Species in zwei Teile vor ſich gegangen iſt. Dieſe durch den Dar⸗ winismus erklären zu wollen, auch wenn man die von mir gemachte Erweiterung von der Vererbung der Tendenz der Variationen hinzunimmt, iſt un⸗ möglich, weil jede Variation ſich durch Kreuzung auf die ganze Art ausdehnt. Ein anderer, ebenfalls von Darwin ſelbſt als ſehr gewichtig anerkannter Einwurf iſt folgender: Künſtlich gezüchtete Varietäten bleiben untereinander fruchtbar, natürliche nicht. Allerdings iſt dieſer Unterſchied nicht unbedingt gültig; denn es gibt künſtliche Varietäten, die, mit der Stammform gekreuzt, ſich als unfruchtbar oder nur wenig fruchtbar erweiſen, während ſich manche in der Natur lebende Species gegenſeitig befruchten können. Doch ſind dies relativ wenige Fälle, wäh⸗ rend die meiſten künſtlichen Varietäten miteinander fruchtbar, die meiſten natürlichen Species aber mit⸗ einander wenig oder gar nicht fruchtbar ſind. Wo⸗ her dieſer Unterſchied? Wie kommt es, daß in der Natur geringe Veränderungen zu gegenſeitiger Sterilität geführt haben, während dies bei viel grö⸗ ßeren Unterſchieden künſtlicher Varietäten nicht der Fall iſt? Darwin verſucht dieſe Erſcheinung zu erklären und kommt zu dem Reſultat, daß die Urſache der Steri⸗ lität zwiſchen natürlichen Arten ausſchließlich in Ver⸗ ſchiedenheiten des Geſchlechtsſyſtems liegt, und daß die Lebensbedingungen der domeſticierten Tiere die Fruchtbarkeit zu vergrößern ſtreben und daher auch die gegenſeitige Fruchtbarkeit erhalten haben. Warum aber zwiſchen den natürlichen Species Sterilität herrſcht, das hat Darwin, trotzdem er bei ſeiner Unterſuchung außerordentlich viele Thatſachen zu Rate zog, nicht beantworten können. Von dieſen beiden unerklärten Thatſachen, der Verzweigung der Species und ihrer gegenſeitigen Sterilität, ausgehend, ſtellt Romanes unter dem Namen „Phyſiologiſche Selektion“ oder „Abſonderung des Paſſenden“ die Theorie) auf, daß beim Auftreten einer Variation fic) zugleich eine Sterilität, reſp. eine Verminderung der Fruchtbarkeit, der neu variierten Tiere mit den übrigen einſtellt. Hierdurch bleibt die ) Romanes, Physiological Selection, an additional suggestion on the Origin of Species. Linnean So- ciety’s Journal, Zoology, vol. XIX, p. 337. Humboldt. — November 1887. Variation auf einen mehr oder weniger großen Teil der Tiere beſchränkt, dehnt ſich nicht auf die vielleicht weiter nördlich lebenden Tiere aus, bildet ſich aber, da ſie nur wenig Verwiſchung durch Kreuzung er⸗ leidet, um ſo raſcher aus. Zwiſchen beiden Teilen iſt zwar keine geographiſche, aber eine phyſiologiſche Barriere entſtanden, die ebenſo wirkſam iſt wie tauſend Meilen Ocean. — Obgleich eine Verminderung der Fruchtbarkeit unter gewöhnlichen Umſtänden entſchieden ſchädlich iſt, da ſie die Fortpflanzung beeinträchtigt, fo iſt doch die mit einer nützlichen Variation ver⸗ bundene Sterilität gegen die Stammform zweifellos eine äußerſt nützliche Eigenſchaft, da nur mit ihrer Hilfe das Zerfallen einer Species in zwei neue und damit eine Anpaſſung an die ſpeciellen Lebensver⸗ hältniſſe dieſer beiden Teile ſtattfinden kann. Und Darwin ſagt ſelbſt, daß es nützlich für eine ent⸗ ſtehende Art ſein würde, wenn ſie in gewiſſem Grade ſteril gegen ihre Stammform wäre. Daß eine ſolche Sterilität ſehr leicht entſtehen kann, unterliegt keinem Zweifel, da gerade das Ge⸗ ſchlechtsſyſtem am leichteſten Variationen ausgeſetzt iſt, wie beſonders Darwin durch viele Thatſachen nachgewieſen hat. Auch macht Romanes auf die Fälle aufmerkſam, wo Individuen ſich mit einigen Individuen unfruchtbar, mit anderen aber fruchtbar erwieſen. Ganz anders verhält ſich dies bei domeſticierten Arten. Hier verhindert der Menſch jede Kreuzung neuer Varietäten mit ihren Stammformen. Eine Sterilität gegen letztere würde nicht den geringſten Nutzen haben. Im Gegenteil wünſcht der Menſch gerade die gegenſeitige Fruchtbarkeit der Varietäten, um durch Kreuzungen die Raſſe zu verbeſſern oder neue Varietäten zu erhalten. Romanes erklärt alſo durch ſeine Theorie nicht nur, wie die Verzweigungen der Arten vor ſich ge⸗ gangen ſind, ſondern auch, auf welche Urſachen der Unterſchied in der gegenſeitigen Fruchtbarkeit bei domeſticierten und bei natürlichen Arten zurückzu⸗ führen iſt. In Bezug auf die Entſtehung der Sterilität ſei bemerkt, daß ſowohl Variation wie Sterilität durch äußere oder der bereits erwähnten Weismann⸗Eimer⸗ ſchen Theorie zufolge durch innere Urſachen hervor⸗ gerufen werden können. Ferner können auch beide in urſächlichem Zuſammenhang ſtehen. Es kann zu⸗ erſt die Variation auftreten und auf das Geſchlechts⸗ ſyſtem zurückwirken, oder zuerſt die Sterilität erſcheinen und eine weitere Variation veranlaſſen. Letzteres halte ich im Gegenſatz zu Romanes für ſelten, da Sterilität an und für ſich als eine ſchädliche Eigenſchaft zu be⸗ zeichnen iſt, die durch natürliche Zuchtwahl ſtets wieder unterdrückt wird, wenn ſie nicht etwa mit einer nütz⸗ lichen Eigenſchaft verbunden auftritt. Ferner ſei bemerkt, daß bei Pflanzen ſich häufig nicht eine wirkliche Sterilität zwiſchen den Varietäten einſtellt, ſondern daß die Blütezeit ſich bei dem einen Teil verfrüht oder mehr verſpätet. In Bezug auf die Paarungszeit einiger Tiere gilt dasſelbe. Auf Humboldt. — November 1887. ſolche Weiſe wird eine ebenſo ſtarke Barriere errichtet wie durch wirkliche Sterilität. Bei der Verzweigung einer Art kann der merk— würdige Fall eintreten, daß die neue Art unfruchtbar oder weniger fruchtbar mit der Stammform wird, ohne zugleich mit einer anderen von ihr getrennt lebenden Art unfruchtbar zu werden. So ſagt Gärnt— ner, daß die gelben und weißen Varietäten einer Species von Verbascum beträchtlich fruchtbarer ſind mit den ähnlich blühenden Varietäten einer entfernten Species als mit anders gefärbten Varietäten derſelben Species. Einen ſo wichtigen Fortſchritt die Romanesſche Theorie auch für die Entwickelungslehre darbietet, ſo meine ich doch, daß der Autor in der Ausdehnung der— ſelben zu weit gegangen iſt. Romanes glaubt nämlich auch die Entſtehung von unnützen Eigenſchaften durch ſeine Theorie erklären zu können. Er nimmt an, daß ein Teil einer Species durch Sterilität iſoliert werde und ſich dann bei dieſem Teil eine unnütze Eigenſchaft vor Verwiſchung durch Kreuzung geſchützt ausbilden könne. Erſteres läßt ſich kaum für möglich halten, da Sterilität ohne Verbindung mit einer nützlichen Eigenſchaft ſchädlich iſt und durch natürliche Zuchtwahl beſtändig wieder unterdrückt werden würde. Sie muß alſo zweifellos mit irgend einer nützlichen Eigentüm⸗ lichkeit verbunden auftreten. Alsdann aber iſt die Möglichkeit gegeben, daß durch irgend welche Urſachen, wie ſie bereits oben aufgeführt wurden, z. B. durch innere herbeigeführt, eine unnütze Eigenſchaft ſich bei dieſem Teil der Species ausbildet. Die Verbindung einer unnützen Eigenſchaft mit Sterilität aber wird meiner Anſicht nach nie zur Bildung einer neuen Art führen können, da dieſe Verbindung die Schäd— lichkeit der Sterilität nicht aufhebt. Der Umſtand, den Romanes ſo ſehr hervorhebt, daß die unnütze Eigenſchaft nur auf einen Teil der Species beſchränkt bleiben ſoll, iſt von keiner Bedeutung für ihre Ent— ſtehung. Sie wird ſich ebenſogut auf die ganze Species als wie auf einen Teil derſelben ausbreiten, wenn nur die Urſachen ihrer Entſtehung genügend ſtark ſind. Wenn nun auch die Theorie von Romanes in Bezug auf dieſen Punkt vielleicht einer Korrektur bedarf, ſo iſt ſie doch in ihrer Hauptſache eine we— ſentliche Weiterbildung des Darwinismus. Es ſei noch folgende Thatſache erwähnt, die Romanes zur Stütze ſeiner Theorie anführt. Eine zahlreiche Art, z. B. eine ſolche auf einem großen Kontinent, weiſt verhältnismäßig viele Varietäten auf. Durch natür⸗ liche Zuchtwahl kann dieſe Erſcheinung nicht erklärt werden. Je mehr Individuen einer Art vorhanden ſind, ſagt aber Romanes, deſto leichter kann Sterilität 423 auftreten, ohne daß der Fortpflanzung dadurch ge— ſchadet wird. Unter ſolchen Umſtänden wird daher auch keine große Anforderung an die Nützlichkeit der mit der Sterilität verbundenen Eigenſchaft geſtellt. — Bei individuenarmen Arten iſt dies nicht möglich, da in jedem der beiden entſtehenden Teile zu viel In— zucht, d. h. zu geringe Kreuzung ſtattfinden würde. Dieſe können ſich nur insgeſamt umwandeln, wie z. B. die auf oceaniſchen Inſeln lebenden Arten. Bei letzteren iſt der Kampf ums Daſein gering, und der Entſtehung unnützer Eigenſchaften werden weniger Hinderniſſe in den Weg gelegt. Die bereits erwähnte Thatſache, daß zwei ver— wandte Arten örtlich aufeinanderfolgen ohne Zwiſchen— form in dem gemeinſchaftlich bewohnten Intervall, er— klärt Darwin dadurch, daß dieſe Zwiſchenform in dem harten Kampf ums Daſein, der ihr von zwei Seiten drohte, vernichtet worden ſei. Wie aber konnte eine ſolche Zwiſchenform bei der fortwährend ſtattfindenden Kreuzung entſtehen und ſich auch nur kurze Zeit halten? Nach der Annahme der Romanesſchen Theorie ijt dieſe doch ganz unbewieſene Hypotheſe einer Zwiſchen— form überflüſſig, da die Sterilität von vornherein eine phyſiologiſche Barriere zwiſchen beide Teile er— 5 richtete. Endlich ſei noch erwähnt, daß ſich Romanes gegen folgenden Einwurf verteidigt. Beim Auftreten von Sterilität zwiſchen den variierten Tieren und der Stammform entſtehe Inzucht, und die Nachkommen des neuen Teiles ſeien infolgedeſſen weniger wider— ſtandsfähig als die übrigen. Nach Romanes kommt Inzucht hierbei nicht in Betracht, da es ſich nicht um einzelne Individuen handelt. Es ließe ſich noch hin— zufügen, daß gerade neu variierte Individuen ſich als ſehr widerſtandsfähig gegen Inzucht erwieſen haben. Andere Einwürfe, wie die von Wallace und See- bohm, beruhen auf vollſtändigem Mißverſtändnis der Theorie. Wenn man die Richtigkeit der Romanesſchen Theorie zugibt, ſo iſt es erlaubt, eine Konſequenz aus derſelben zu ziehen. Man darf ſchließen, daß, wenn zwei nahe verwandte Arten gegenſeitig unfruchtbar ſind, die Trennung ihrer Stammform in zwei Teile an demſelben Orte ſtattfand. Sind dagegen zwei nahe verwandte Arten fruchtbar miteinander, ſo können fie erſt dann verſchiedene Entwickelungs-⸗ richtungen eingeſchlagen haben, als ſie bereits durch irgend welche geographiſche Hinderniſſe voneinander getrennt waren. Wie man ſieht, iſt die Theorie von Romanes, wenn ſie vielleicht auch in einer Einzelheit noch eine Aenderung erfahren muß, nicht nur ein bedeutender, ſondern auch ein wichtiger Fortſchritt des Darwinismus. 424 Humboldt. — November 1887. Jortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. why pik. Don Profeffor Dr. Paul Reis in Mainz. Beſtimmung des ſpecifiſchen Gewichtes. Das doppelte Dolumeter von Marangoni. Eigenſchaften des Waſſers bei höchſtem Druck und wäſſeriger Chloridlöſungen bei weniger hohem Druck. Neue Nachweiſe der Eigenſchaften der Flüſſigkeitshaut. Die Lichterzeugung durch die Glut feſter Körper. Magnetiſierung und Wärmeleitungsfähigkeit. Stahls. Eine neue Schallbrechung im großen. im Sonnenſpektrum. Das Dampfkalorimeter von Joly und Bunſen. Variation des Erdmagnetismus. Licht und Wärme. Suſammenhang von Störungen des Erdmagnetismus mit den Erdbeben. Das Vakuum der elektriſchen Glühlampen. Härte, Viscoſität und Temperatur des Entſcheidung der Tiere über die Energie Die lunare (26tdgige) Neue Elektricitätsquellen durch Beſtimmung des ſpeeifiſchen Gewichtes. Joly, der Erfinder des Dampfkalorimeters, hat die Suſpenſions⸗ methode auch für ſpecifiſch ſchwerere Körper als die Rohr⸗ bachſche Flüſſigkeit (3,6) anwendbar und für poröſe Körper zuverläſſig gemacht?). Er legt z. B. einen genau ge⸗ wogenen Metallſplitter auf ein Paraffinſcheibchen, deſſen Gewicht und ſpeeifiſches Gewicht bekannt ſind, und nähert dem Metalle einen heißen Kupferſtreifen ſo, daß das Paraffin in der Umgebung des Metalls durch die von demſelben fortgeleitete und die ſtrahlende Wärme ſchmilzt, die et⸗ waigen Poren des Splitters erfüllt und ihn einhüllt. Iſt nun die Verbindung ſpeeifiſch leichter als 3,6, jo ſchwimmt fie auf der Rohrbachſchen Flüſſigkeit; gießt man zu derſelben Waſſer, bis die Verbindung ſinkt und ſchwebt, ſuſpendiert bleibt, ſo iſt das leicht zu beſtimmende ſpecifiſche Gewicht der Flüſſigkeit auch das der Verbindung. Aus dieſem, ſowie aus ihrem abſoluten Gewichte und dem des Zuſatzes, das man durch Wägen des Reſtſcheibchens leicht findet, und aus dem ſpecifiſchen Gewichte des Paraffins iſt das ſpeci⸗ fiſche Gewicht des Metalls zu berechnen. Das doppelte Volumeter von Marangoni!) für das ſpeeifiſche Gewicht von Flüſſigkeiten. Alle Senkwagen find ungenau, weil fie nicht von dem Auf⸗ trieb allein, ſondern auch von der Flüſſigkeitshaut getragen werden; die Oberflächenſpannung wird aus dem Radius, der Konſtanten und dem Randwinkel berechnet; hat man daher zwei Volumeter von demſelben Glaſe und demſelben Radius, ſo iſt bei beiden die Oberflächenſpannung auch dieſelbe. Es iſt dann das Gewicht des einen Inſtrumentes mit der Spannung zuſammen gleich dem Gewichte der ver⸗ drängten Flüſſigkeit, alſo gleich dem Produkte des ver⸗ drängten Volumens mit der Dichte. Für das zweite In⸗ ſtrument hat man einen analogen Ausdruck mit derſelben Spannung, jo daß durch Subtraktion die Kapillarität ganz wegfällt; das Produkt der Dichte mit der Differenz der Volumina iſt gleich der Differenz der Gewichte, woraus die Dichte genau zu finden. Eigenſchaften des Waſſers bei höchſtem Druck. Amagat *) hat das Waſſer abermals einem bis 3200 at ſteigendem Drucke ausgeſetzt, aber bei verſchiedenen Temperaturen von 0 bis 50° und die Ergebniſſe in Kurven dargeſtellt, für jede Temperatur eine eigene Kurve, die Drucke als Abſeiſſen, die Volumina als Ordinaten, ſo daß ) The Scientific Proceedings of the Royal Dublin Society, 1886, Bd. 5, S. 41. ) II nuovo Cimento, 1886, Bd. 20, S. 112. ) Comptes rendus, 1887, Bd. 104, S. 1159. die höchſten Punkte das Dichtigkeitsmaximum angeben. Dieſes Maximum, das unter dem Normaldruck (1 at) bei 4° C. liegt, verſchiebt ſich bei höheren Drucken nach 0% zu, bei 200 at liegt es dem Nullpunkt ſchon ganz nahe, zwiſchen O° und 0,5“; unter 700 at gibt es kein Maximum mehr über 0°, es liegt unter 0“, was keinen Wider⸗ ſpruch enthält, denn der Gefrierpunkt liegt bei ſo hohem Druck ebenfalls unter 0°. Aus den Zwiſchenräumen der Kurven ergibt ſich das Verhalten des Ausdehnungskoeffi⸗ cienten; während bei anderen Flüſſigkeiten dieſer Koef⸗ ficient mit ſteigendem Drucke abnimmt, nimmt er beim Waſſer zu, und zwar anfangs ſchnell, ſpäter immer weniger, ſo daß das Wachſen bei 3200 at aufhört. Aber nicht bloß der Ausdehnungs⸗, ſondern auch der Kompreſſionskoefficient gibt die Ausnahmeſtellung des Waſſers bei ſehr hohen Drucken immer mehr auf. Zwar bei hohen Drucken von 1000 bis 2000 at bleibt das Waſſer noch dabei, in höherer Tempe⸗ ratur ſchwächer kompreſſibel zu ſein als bei niederer, die Kompreſſionskoefficienten nehmen immer noch mit ſteigender Temperatur ab, aber die Abnahme wird doch immer ge⸗ ringer, je höher der Druck iſt, — und bei 3200 at iſt von den Abweichungen des Waſſers von den übrigen Flüſſig⸗ keiten keine Spur mehr vorhanden. Schumann!) unterſuchte die Kompreſſion wäſſe⸗ riger Chloridlöſungen; ſehr verdünnte Löſungen folgen naturgemäß dem Waſſer in ſeiner Ausnahmeſtellung, die es bisher nur mit dem Glycerin teilte, bei niedriger Tempe⸗ ratur ſtärker kompreſſibel zu ſein als bei höherer. Wie nun überhaupt die Kompreſſibilität bei ſtärkerer Konzentration abnimmt, ſo haben die konzentrierten Löſungen auch bei höherer Temperatur eine ſtärkere Kompreſſibilität, weichen vom Waſſer in dieſer abnormen Beziehung ab. Es muß daher zwiſchen verdünnten und konzentrierten Löſungen eine Zwiſchenſtufe geben, von welcher an das normale Ver⸗ halten beginnt, und bei dieſem Konzentrationsgrad iſt die Kompreſſion von der Temperatur unabhängig. Schwache Löſungen ſind ſtärker kompreſſibel als Waſſer von derſelben Temperatur, konzentrierte Löſungen ſind ſchwächer kompreſ⸗ ſibel, die Zwiſchenſtufe ſtimmt alſo mit dem Waſſer überein. Neue Nachweiſe der Eigenſchaften der Flüſſig⸗ keitshaut. Da man die Exiſtenz der Flüſſigkeitshaut ge⸗ wöhnlich durch auf Waſſer gelegte Nähnadeln nachweiſt, ſo entſteht leicht die Meinung, ſie ſei mit der Haut auf warmer Milch u. dgl. zu vergleichen. Letztere iſt aber eine feſte Haut, die nicht ausgedehnt werden kann, ohne zu zerreißen, und *) Wiedemanns Annalen, 1887, Bd. 31, S. 14. Humboldt. — November 1887. die ſich auch nicht wieder zuſammenziehen kann. Eher könnte man die Flüſſigkeitshaut mit einem Gewölbe vergleichen. Wie dieſes durch das Gewicht, den Vertikaldruck ſeiner Steine nach unten, einen horizontalen Zuſammenhang hat und auch einen Widerſtand nach oben ausübt, ſo übt auch die Flüſſigkeitshaut, obwohl ſie urſprünglich ein Druck nach dem Inneren der Flüſſigkeit iſt, gewöhnlich nach unten, einen Widerſtand nach oben aus, wie der Nadelverſuch zeigt. Sie hat aber auch einen Zuſammenhang in ſich ſelbſt nach allen Richtungen. Die große Verſchiedenheit in dieſer Beziehung von der Milchhaut und vom Gewölbe liegt aber in ihrer flüſſigen Natur, in der abſolut leichten Verſchiebbarkeit ihrer Teilchen trotz ihres feſten Zuſammen⸗ hanges; darum kann ſie nach Belieben ausgedehnt werden, ohne zu zerreißen, und zieht ſich auch ſelbſt wieder zu— ſammen. Zerreißen kann ſie zwar auch, wenn ein ſchwerer Körper durch die Flüſſigkeit fällt; derſelbe nimmt ſozuſagen ein Stück von ihr mit. Aber ein bloß eingetauchter Körper zerreißt ſie nicht, ſie zieht ſich an der einen Seite desſelben hinab, um die Grundfläche herum, an der anderen Seite wieder hinauf, denn ſie iſt ja überall an der Grenze der Flüſſigkeit; ſo kann ſie jede Geſtalt annehmen. Sie zieht ſich auch zuſammen; denn beim Herausnehmen des ein— getauchten Körpers kehrt ſie zu ihrer früheren Größe und Geſtalt zurück; ſie iſt das wandelbarſte Gebilde in der Natur. Wenn ſie auf dieſe Weiſe größer geworden iſt, verkleinert ſich ihre Oberflächenſpannung; wird ſie ver— kleinert, ſo vergrößert ſich die Spannung. Dies zeigt ein neuer Verſuch von Blondlot; in Waſſer iſt ein Stück Papier getaucht und auf der Waſſerfläche ruht ein Oeltropfen. Zieht man nun das Papier langſam und vorſichtig heraus, ſo wird der Durchmeſſer des Tropfens nach und nach immer größer, dieſer breitet ſich nach allen Seiten aus; der Wider— ſtand nach oben, die Oberflächenſpannung, iſt durch Ver— kleinern der Haut größer geworden. Senkt man das Pa— pier, ſo zieht ſich der Tropfen wieder zuſammen, nähert ſich wieder der Kugelgeſtalt, ſein Gewicht vermag nicht bloß die Haut hinabzubiegen, ſondern auch etwas Auftrieb zu überwinden, die Spannung iſt kleiner. Verunreinigung einer flüſſigen Oberfläche verkleinert ebenfalls die Oberflächenſpannung. Ein in Waſſer ſchwim⸗ mendes Aräometer wird von dem Auftriebe getragen; die Oberflächenſpannung, die ja, wo es ſich um das Innere der Flüſſigkeit handelt, ein Druck nach innen, hier alſo nach unten iſt, vermindert den Auftrieb; alſo wird das Aräometer eigentlich von dem durch die Spannung ver— minderten Auftriebe getragen. Bläſt man gegen die Waſſer⸗ fläche irgend einen Rauch, ſo ſteigt das Aräometer; da der Auftrieb bei gleichem Eintauchen derſelbe war, ſo mußte das den Auftrieb vermindernde, um denſelben größer zu machen, kleiner geworden ſein. Hiermit erklärt ſich das jüngſt gefundene Geſetz von Marangoni, daß unreine Flüſſigkeitshäute im Gegenſatze zu reinen durch Vergrößern eine Vermehrung der Spannung erfahren, durch Verkleinern eine Verminderung. Zum Nachweiſe bei Vorleſungsver— ſuchen hat Marangoni ſeine Coſinuswage konſtruiert: Eine Haut, aus der Plateauſchen oder Böttcherſchen Flüſſig⸗ keit hergeſtellt, iſt oben von einem Draht begrenzt, unten von dem drehbaren Zeiger einer Zeigerwage. Iſt die Haut verunreinigt und wird der Draht gehoben, alſo die Haut Humboldt 1887. 425 vergrößert, ſo hebt ſich auch der Zeiger: die Spannung iſt alſo größer geworden, was ſich einfach durch das Reiner— werden der Haut bei ihrer Vergrößerung erklärt; gleich darauf ſinkt der Zeiger wieder, weil in der reineren Haut das urſprüngliche Geſetz wieder gilt, daß die Vergrößerung die Spannung vermindert. Nach van der Mensbrugghe hat die feſte Haut keinen Druck nach innen, wie für die flüſſige ihn jede Seifen— blaſe zeigt, ſondern im Gegenteil ein Ausdehnungsbeſtreben. Er beobachtete dieſes an einer Plateauſchen Oelkugel, die er monatelang in der bekannten Miſchung von Waſſer und Weingeiſt an derſelben Stelle feſthalten konnte, indem er das ſpecifiſche Gewicht derſelben künſtlich konſtant erhielt. Eine weiße Haut, die ſich wohl durch einen chemiſchen Prozeß gebildet hatte, konnte man ſchon mit den Augen wahr— nehmen; er nahm aber auch mit einem Heber etwas Oel weg und ſah dann an den Grenzen dieſer Stelle Falten entſtehen. Die Oelkugel breitete ſich nun nach der Bildung dieſer feſten Haut nach allen Seiten unförmlich aus; die Oberflächenſpannung, der Druck nach innen hörte auf; er meint, „die Abnahme des Abſtandes der Moleküle bringe eine Vergrößerung der Abſtoßung derſelben hervor“. Härte, Viscoſität und Temperatur des Stahles. Nach Barus und Strouhal*) nimmt die Vis⸗ coſität des Stahles, die innere Reibung ſeiner Moleküle in dem Maße ab, als die Härte zunimmt und erreicht zwiſchen 500 und 1000 ein Maximum. Nach Tomlinjon**) aber finden ſchon zwiſchen O und 100° bedeutende Aenderungen der inneren Reibung ſtatt; er benutzt zur Darſtellung das logarithmiſche Dekrement. Gauß und Weber beobachteten, daß ein aufgehängter, unten beſchwerter und gedrillter Draht Schwingungen vollzieht, deren Amplituden durch die innere Reibung nach einer geometriſchen Reihe ab- nehmen; den natürlichen Logarithmus des konſtanten Gr- ponenten dieſer Reihe nannten ſie das logarithmiſche De— krement; er iſt der getreue Ausdruck der inneren Reibung oder Viscoſität. Schon G. Wiedemann und W. Thomſon beobachteten, daß das Dekrement, die innere Reibung, durch wiederholten Gebrauch eines Drahtes abnimmt. Die ein⸗ gehendſten Forſchungen rühren von Streintz (1874) her; nach ihm iſt das Dekrement unabhängig von der Amplitude und Schwingungsdauer, von der Belaſtung und Länge des Drahtes, dagegen verſchieden bei verſchiedenen Metallen, bei einem und demſelben Metall, je nachdem der Draht geglüht war oder nicht, beim geglühten Draht kleiner, größer bei höherer Temperatur, größer bei ungedrillten Drähten als bei oft gedrehten. Die letzte Erſcheinung, daß der Widerſtand gegen elaſtiſche Veränderungen durch öftere Wiederholung kleiner wird, nennt Streintz die Accom modation und erklärt durch dieſelbe das leichtere Schreiben einer Stahlfeder nach einigem Gebrauch, das Wachſen der Güte einer Geige bei langer Benutzung durch einen guten Spieler, das Verderben einer neuen Trompete durch einen ſchlechten Bläſer u. ſ. w. Tomlinſon beobachtet nun eine noch merkwürdigere Veränderung von Stahldrähten durch Erwärmung auf 100. Ein gut ausgeglühter Draht hatte 10 Minuten nach dem Aufhängen bei O° ein Dekrement *) Americ. Journ. of Sciences, 1887, Bd. 33, S. 20. ) Philosophical Magazine, 1887, Bd. 23, S. 245. 54 426 Humboldt. — November 1887. von 0,0030 11, nach einer Stunde 0,001195, nach einem Tag 0,0010 78. Als nun der Draht mehrmals auf 100° erwärmt worden war, hatte das Dekrement nur noch den Wert von 0,000412. Nun wurde der Draht ſehr langſam erwärmt und ſtets unterſucht; es ergab ſich, daß das Dekre⸗ ment bei 98° den kleinſten Betrag erreichte, 0,000 112, daß es alſo Amal kleiner war als bei 0° und 30mal kleiner als vor dem ſchnellen und langſamen Erwärmen. Könnte man dieſen Draht bei dauernder Temperatur von 98° in einem luftleeren Raume aufhängen, ſo würden ſeine Schwingungen ſich ſo wenig ändern, daß die Amplitude erſt nach 8 Stun⸗ den die halbe Größe hätte. Aus der Akuſtik ift erwähnenswert eine neue Schall⸗ brechung im großen, die allerdings nicht den hohen Betrag erreicht, wie die vom Referenten beobachteten und in Humboldt II. Seite 53 beſprochenen Windbrechungen, daß nämlich der Schall gegen den Wind nach oben, mit dem Wind nach unten abgelenkt wird. Fizeau!) behauptet, es müſſe auch eine Schallbrechung nach oben ſtattfinden, wenn die Temperatur nach oben ſtark abnehme, was auf dem Meere bei Nacht und Nebel häufig vorkomme und leicht erklärlich ſei. Bekanntlich nimmt die Fortpflanzungs⸗ geſchwindigkeit des Schalles in der Luft für 1 C. um mehr als 1 m zu. Eine Schallwelle kann in einiger Ent⸗ fernung von der Schallquelle wohl als eine Ebene an⸗ geſehen werden, die auf der Meeresfläche ſenkrecht ſteht und bei gleichmäßiger Beſchaffenheit der Luft ſich parallel zu ihrer bisherigen Richtung fortpflanzen würde. Iſt aber die Luft unten wärmer wie oben, ſo ſchreitet der unterſte Teil der Welle am raſcheſten fort, mehr nach oben liegende Teile immer weniger raſch, und bei regelmäßiger Abnahme der Temperatur iſt auch dieſe Abnahme der Geſchwindigkeit ganz regelmäßig. Es kann daher die Schallwelle ganz wohl eine Ebene bleiben, aber die unteren Teile derſelben liegen in der Richtung der Fortpflanzung mehr voran, die oberen bleiben ganz regelmäßig mehr und mehr zurück, kurz, die urſprünglich vertikale Welle wird ſchief, unten voran⸗, oben zurückgeneigt. Nun ſteht aber der Strahl, die Richtung, in welcher wir Schall, Licht u. ſ. w. wahr⸗ nehmen, auf der Wellenfläche ſenkrecht; während er ur⸗ ſprünglich bei der vertikalen Wellenebene parallel zur Meeresfläche war, geht er jetzt ſchief nach oben. Fizeau berechnet auch die Erhebung für eine beſtimmte Voraus⸗ ſetzung der Temperaturabnahme und findet ſie gleich 90 m in einer Höhe von 1000 m und gleich 1 m in einer Höhe von 100 m. Werden alſo Signale mit Nebelhörnern oder Dampfſirenen in einiger Höhe gegeben, ſo kann es vor⸗ kommen, daß man auf der Meeresfläche nichts davon hört. Von den zahlreichen Forſchungen aus der Optik können wir nur H. F. Webers Unterſuchungen über die Lichterzeugung durch Glut feſter Körper, die ja die Grundlage der meiſten irdiſchen Lichtquellen iſt, einige Aufmerkſamkeit ſchenken. Seit mehr als 40 Jahren geht durch die Lehrbücher die Notiz, der Amerikaner J. Draper habe feſtgeſtellt, daß alle feſten Körper mit 525° ihre Glut und zwar mit Dunkelrot beginnen, daß oberhalb dieſer Temperatur das Spektrum durch Orange und Gelb von B bis C geht, daß es ſich bei 645° durch Gelbgrün und ) Comptes rendus, 1887, Bd. 104, S. 1347. Grün bis F erſtreckt, bei 718° an G grenzt und bei 1165 die Ausdehnung des Sonnenſpektrums hat. Ein dunkler, allmählich höher erhitzter Ofen zeigt uns auch beim Glühen zuerſt Dunkelrot, dann Orange und Gelb, das bei der höchſten Hitze durch Zumiſchen der höheren Farben nach Newtons Farbenlehre in Weiß übergeht. Nach der mechani⸗ ſchen Wärmetheorie ſchien die Sache auch ganz begreiflich: Wärme der feſten Körper iſt ja eine ſchwingende Bewegung der Moleküle, deren lebendige Kraft die Temperatur aus⸗ macht. Steigt die Temperatur, ſo kann dies nicht durch Abkürzung der Schwingungsdauer, durch ſchnellere Schwin⸗ gungen geſchehen, ſondern nur durch Vergrößerung der Amplitude. Bei größeren Schwingungen ſtößt eine An⸗ zahl von Molekülen gegen andere, ſie können ihre Schwin⸗ gungen nicht vollenden, die Schwingungszeit derſelben wird kleiner, die Schwingungszahl wird größer. So müſſen bei einer und derſelben Temperatur Schwingungen von 400 Bil⸗ lionen (Rotglut) entſtehen, bei ſteigender Temperatur müſſen ſich nach und nach alle höheren Schwingungszahlen zu⸗ miſchen, ſo daß bei der größten Hitze Weißglut entſteht. Hiernach beginnt das Leuchten am roten Ende des Spek⸗ trums und ſchreitet einſeitig zum violetten Ende fort. Nach Weber) ſind drei Umſtände zu verbeſſern: das Leuchten beginnt in der Mitte des Spektrums und geht von da zweiſeitig nach dem roten Ende und dem violetten Ende; es beginnt nicht bei allen Körpern mit derſelben Tempe⸗ ratur, nicht mit Dunkelrot, ſondern mit Grau und lichtem Rot. Durch eingehende Spektralunterſuchung des Lichtes einer elektriſchen Glühlampe iſt er zu dieſer Ueberzeugung gelangt. Bei ganz allmählicher Steigerung der Stromſtärke im völlig dunklen Raume blieb der Kohlenfaden anfänglich unſichtbar; was zuerſt ſichtbar erſchien, war ein ſchwankendes Geſpenſtergrau, ein hin und her huſchendes Nebelgrau, das ſich nach und nach verſtärkte und befeſtigte, bis es als ein gelbgrauer, allmählich leuchtender Streifen erſchien, auf dem plötzlich ein lichtes Feuerrot ſich ausbreitete. Hier konnte auch das Spektroſkop in Anwendung kommen, das Gelbgrau erſchien als ein gleichfarbiger Streifen an der Stelle des Gelbgrün, an der Stelle, welche im entwickelten Spektrum die ſtärkſte Lichtwirkung hat, in der Mitte der Länge desſelben. Bei dem Ueberfließen des Kohlenfadens mit dem lichten Rot wurde der gelbgraue Streifen im Spektrum von einer feinen, lichtroten Linie begrenzt, während auf der anderen Seite ein leuchtender, graugrüner Saum erſchien, der wie die rote Linie ſich immer weiter durch alle Farben bis zu den Enden des Spektrums aus⸗ wuchs. — Auch an Lamellen aus Platin, Gold, Eiſen und Kupfer hat er durch allmähliche Erhitzung mit einer Bunſen⸗ flamme alle dieſe Zwiſchenſtufen wahrgenommen und die Temperatur des grauen Lichtes bei Platin zu 390°, Gold 4170, Eiſen 377° gemeſſen. Zur Erklärung wird man wohl an⸗ nehmen müſſen, die Moleküle der feſten Körper ſeien vor⸗ wiegend auf die Schwingungszahl der Spektralmitte ab⸗ geſtimmt; dann wäre es erklärlich, warum dieſe Stelle zuerſt erregt wird, und zwar ſehr ſchwach, wodurch dem Auge dieſes Grüngelb von äußerſter Schwäche als Grau erſcheint; denn an dieſer Stelle grenzen der grüne und rote Teil des Spektrums aneinander und reizen bei hin⸗ ) Sitzungsberichte der Berliner Akad. d. Wiſſenſch., 1887, S. 491. Humboldt. — November 1887. reichender Stärke die grüne und die rote Faſer des Seh— nerven zur gelben Empfindung, während ſie bei äußerſter Schwäche ſich mit dem Eigenlicht der blauen Faſer zu einem lichtſchwachen Weiß, alſo Grau vereinigen. Es wäre dann auch erklärlich, warum das Gelb im Spektrum die größte Lichtſtärke hat, da durch die lange Erregung der ab— geſtimmten Moleküle ihre Amplitude, alſo auch ihre Energie am größten wird. Uebrigens will Handl die Tiere über die Energie im Sonnenſpektrum entſcheiden laſſen. Das iſt kein Nonſens, denn manche Tiere ſehen mehr wie die Menſchen; die Ameiſen z. B. können mit dem ultravioletten Lichte, das auf uns keinen Lichteindruck macht, ſehen: Sir John Lub- bock hatte dies durch die Beobachtung bewieſen, daß die Ameiſen das Ultraviolett fliehen, ihre Larven aus demſelben wegbringen, wie aus dem Tageslicht. Graber hatte nur dagegen eingewandt, daß dieſe Wahrnehmung wie bei Regen— würmern, Tritonen u. ſ. w. durch die Oberhaut ſtattfinde, was Forel*) durch die Beobachtung widerlegte, daß Ameiſen mit gefirnißten Augen jene Thaten nicht verrichten, wobei nicht bloß die Wahrnehmung mit den Augen durch das Ultraviolett, ſondern auch die Unempfindlichkeit gegen Rot ſicher feſtgeſtellt wurde. Ueberhaupt unterſcheidet Graber lichtfreundliche und lichtfeindliche Tiere; aber ſeltſamerweiſe fühlen ſich erſtere ſehr unbehaglich im Rot, das uns feurig erſcheint, und ſind vergnügt im Blau, das uns kalt erſcheint. Handl**) glaubt ſich hierdurch zu der Annahme berechtigt, daß dieſe Tiere keinen Farbenſinn hätten, ſondern nur einen Helligkeitsſinn, der ſie naturgemäß nur die Energie des Farbenlichtes empfinden laſſe. Nach ihm iſt dieſe Energie nicht bloß dem Quadrat der Amplitude direkt proportional, ſondern auch dem Quadrat der Wellenlänge umgekehrt, alſo bei gleicher Amplitude dem umgekehrten Quadrat der Wellenlänge allein, weshalb die lichtfreund— lichen Tiere das Blau aufſuchen, die feindlichen aber dasſelbe fliehen. Deshalb könnten auch dieſe Tiere über Amplitude und Energie entſcheiden. Freilich müßte erſt die Grundlage, der Mangel des Farbenſinnes nachgewieſen werden. Durch Spalten müßten z. B. ein grüner und ein roter Raum geſchaffen werden, welche eine gleiche Anzahl von Tieren enthielten, ſo daß der photokinetiſche Reaktionskoefficient der Tiere = 1 wäre; würde nun bei der Verdoppelung der Spaltbreite der Koefficient derſelbe bleiben, ſo wäre der ausſchließliche Helligkeitsſinn bewieſen. Wäre dieſer Beweis der Farbenblindheit erbracht, ſo müßte man nur die Spaltbreiten ermitteln, welche bei den verſchiedenen Spektralfarben eine gleiche Wirkung auf die Tiere aus— üben; die Energien müßten ſich dann wie die Spaltbreiten verhalten, und daraus könnte man, da die Wellenlängen bekannt ſind, die Amplituden der verſchiedenen Spektral— farben beſtimmen, alſo z. B. auffinden, ob das Gelb ſeine Lichtſtärke wirklich der Amplitude verdankt. Das wichtigſte Ereignis aus der Wärmelehre iſt die Erfindung des Dampfkalorimeters, weil man mit demſelben nicht bloß ſpeeifiſche Wärmen, ſondern auch die Dampfwärmen aller Flüſſigkeiten meſſen kann und zwar mit großer Genauigkeit. Die Erfindung geſchah faſt gleich— ) Archive des sciences physiques, 1886, Bd. 16, S. 346. ) Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften, math. ⸗ naturw. Abth., Bd. 94, S. 935. keitsgewicht. 427 zeitig von Jolyk) und Bunſen “n); man muß Bunſen mitnennen, da er erklärt, ſeine Arbeit liege ſchon ſeit Jahresfriſt fertig. Der Grundgedanke iſt einfach: Ein Körper, deſſen Gewicht genau gemeſſen iſt und der die Temperatur der Luft angenommen hat, wird in Dampf von bekannter Temperatur gebracht; er erwärmt ſich dem— nach um die Differenz zwiſchen Dampftemperatur und Luft⸗ temperatur. Die Wärmemenge, welche ſeine Gewichtseinheit für die Erwärmung um 1° braucht, iſt eben die ſpeeifiſche Wärme; für die Erwärmung ſeines ganzen Gewichtes um die Differenz braucht er daher eine Wärmemenge gleich dem Produkte der drei Größen: ſpecifiſche Wärme, Körpergewicht und Temperaturdifferenz. Dieſe Wärmemenge hat er dem Dampfe entzogen, wodurch ein Teil desſelben kondenſiert auf dem Körper niedergeſchlagen wird. Die Wärmemenge, die dem Dampfe entzogen wird, iſt aber leicht zu berechnen, wenn man das Gewicht der entſtehenden Flüſſigkeit kennt; denn die Wärme, welche der Gewichtseinheit Dampf ent— zogen werden muß, um ſie zu kondenſieren, tft ja die be- kannte Dampfwärme, auch latente Wärme genannt; alſo iſt die Wärme, welche das Flüſſigkeitsgewicht abgegeben hat, gleich dem Produkt der Dampfwärme mit dem Flüſſig⸗ Da nun die vom Körper aufgenommene Wärme gleich der vom Dampf abgegebenen Wärme ſein muß, ſo ſind die beiden Produkte einander gleich; wir er— halten eine Gleichung, aus der, wenn die Dampfwärme bekannt iſt, die unbekannte ſpecifiſche Wärme berechnet wird, oder umgekehrt die unbekannte Dampfwärme, wenn die ſpecifiſche Wärme bekannt iſt. Die Hauptſchwierigkeit iſt die genaue Beſtimmung des Flüſſigkeitsgewichtes; der Körper hängt dafür bei Joly über der einen Wagſchale einer Präeiſionswage, wodurch man zunächſt das Körper— gewicht erhält, hängt aber dabei in einem verſchließbaren Gefäße, in welches der Dampf einſtrömt, ſo daß die Ge— wichtszunahme des Körpers ſofort das Flüſſigkeitsgewicht ergibt; für etwa abtröpfelnde Teile iſt ein Unterſatz an der Schale befeſtigt. Man hat im Gefühl, daß dieſe Ein— richtung eine Quelle von Ungenauigkeit werden kann, die jedoch bei der von der Methode erlaubten Schnelligkeit des Verfahrens vermieden werden kann; die vorgenommenen Beſtimmungen von bekannten Körpern ſtimmten mit den beſten Reſultaten und Wiederholungen überein; Mineral— ſtücke, die äußerlich gleich erſchienen, aber nach Joly eine verſchiedene ſpecifiſche Wärme hatten, ergaben fic) nachher als innerlich verſchieden. Bunſen überwindet die Schwierig— keit durch ein ſelbſt geflochtenes Körbchen von feinem Platin— draht mit einem Knäuelboden, auf der noch ein Futter von Platinfolie liegt; das Körbchen kann ohne Abtropfen 0,3 g gaſſer aufnehmen, genügt alſo meiſtens; mit Folie kann es mehrere Gramme Waſſer aufnehmen; es hängt unter der Wagſchale im Dampfgefäß. Natürlich müſſen hier auch das Gewicht und die ſpecifiſche Wärme des Platins, in manchen Fällen auch noch dieſelben Data einer Glas— hülle bekannt ſein, wodurch Bunſens Gleichung weniger einfach wird, wie auch das Verfahren ſelbſt. Bunſen be- ſtimmte mit demſelben die ſpecifiſche Wärme von Platin, die Violle jüngſt = 0,0323 gefunden hatte, zwiſchen 0° und *) Proc. of Roy. Soc., 1886, Bd. 41, S. 248 u. 352 (Nov.⸗Heft). **) Wied. Ann., 1887, 5. Heft, S. 1 (Februar eingeſandt). 428 Humboldt. — November 1887. 100° gleich 0,03234; er beſtimmte fte dann auch zwiſchen 8° und 100° mit vierfacher Wiederholung; da die ſpecifiſche Wärme mit ſteigender Temperatur zunimmt, ſo mußte das letzte Reſultat größer ſein als das angeführte; wirklich er⸗ gab das Mittel aus den vier Verſuchen 0,032672, die Methode geſtattet alſo eine ungewöhnliche Genauigkeit. Magnetiſierung und Wärmeleitungsfähig⸗ keit. Bekanntlich üben Wärmeverhältniſſe einen weſentlichen Einfluß auf die Magnetiſierbarkeit von Eiſen und Stahl. Schon Kupffer fand, daß die magnetiſche Anziehung des Schmiedeeiſens bei ſteigender Temperatur ſtärker wird bis zur dunklen Rotglühhitze. Während alſo der temporäre Mag⸗ netismus mit der Temperatur zunimmt, nimmt der per⸗ manente Magnetismus des Stahles bei ſteigender Tempe⸗ ratur ab und ſchwindet ſchon unter der Rotglühhitze ganz. Indeſſen laſſen ſich glühheiße Stahlſtäbe doch magnetiſieren, verlieren aber bei der Abkühlung den Magnetismus. Ueber⸗ haupt hat ſich herausgeſtellt, daß dieſe Erſcheinungen nicht bloß mit der Temperatur des Magnetes wechſeln, ſondern auch ſehr veränderlich ſind mit der Härte und dem Kohlen⸗ ſtoffgehalt, ja ſogar mit den Dimenſionen und der Geſtalt des Stabes. — Wenn hiernach ein Einfluß der Wärme auf den Magnetismus eines Körpers unverkennbar iſt, ſo läßt ſich auch umgekehrt eine Wirkung des Magnetismus auf die Wärmeeigenſchaften vermuten. Herwig zeigte 1878, daß mit der Magnetiſierung Wärmeentwickelung verbunden iſt. Maggi teilte 1851 Verſuche mit, nach welchen die Wärmeleitungsfähigkeit eines Eiſenſtabes durch die Mag⸗ netiſierung beträchtlich ſteige in der Richtung ſenkrecht zur Magnetiſierungsachſe, dagegen abnehme in der parallelen Richtung. Naccari und Bellati leugneten 1876 dieſe An⸗ gaben, Tomlinſon beſtätigte ſie 1878 und gab für die Größe der Aenderung den bedeutenden Betrag von 60%. Da nun in letzter Zeit zwei andere Engländer die That⸗ ſache abermals beſtritten, ließ Naccari in ſeinem Labora⸗ torium durch Battelli nach ganz veränderten und genauen Methoden Verſuche anſtellen, welche zwar die Thatſache be⸗ ſtätigen, aber den Betrag als viel kleiner herausſtellen. Hiernach ſteht feſt, daß der Magnetismus die Wärmeleitungs⸗ fähigkeit des Eiſens ändert, daß letztere durch Längsmagneti⸗ ſierung geſteigert, durch Quermagnetiſierung aber geſchwächt wird; die Steigerung beträgt jedoch in einem mittelſtarken magnetiſchen Felde nur 2 per Mille, und die Abnahme im letzten Falle ijt noch 5mal kleiner. Dieſe äußerſt kleinen Beträge beim Eiſen könnten die Bedeutung der ganzen Sache zweifelhaft erſcheinen laſſen, wenn dasſelbe Metall nicht auch beim Hallſchen Phänomen und der Widerſtands⸗ änderung im magnetiſchen Felde äußerſt ſchwache Wirkungen zeigte, während dieſe Erſcheinungen bei anderen Metallen ſtark und beim Wismut ſehr ſtark auftreten. So beträgt die Widerſtandsänderung beim Eiſen nach W. Thomſon nur 0,003, beim Wismut aber nach Right 14%. Die bis⸗ herigen Meſſungen der Aenderungen der Wärmeleitungs⸗ fähigkeit geſchahen aus leicht begreiflichen Gründen aus⸗ ſchließlich am Eiſen; der Parallelismus zwiſchen Wärme⸗ leitung und elektriſcher Leitung einerſeits, ſowie zwiſchen Widerſtandsänderung und Hallſchem Phänomen anderſeits läßt erwarten, daß im magnetiſchen Felde die Wärmeleitung anderer Metalle ſtark und die des Wismuts ſehr ſtark ge⸗ ändert wird. Von hier aus mag ſich wohl ein Weg finden zur Erklärung des Diamagnetismus, der trotz aller Ver⸗ ſuche und trotz der Induktion bis jetzt ein Rätſel ge⸗ blieben iſt. Die ſogenannte lunare Variation des Erdmagne⸗ tis mus hat ſich als ſolar herausgeſtellt, indem ihre Periode 25,96 Tage beträgt, alſo ſehr nahe mit der Rotationszeit der Sonne ſtimmt, und weil ſie auch aus der täglichen Variation heraustritt, die ihre ſolare Urſache nicht bloß durch den Tag, ſondern auch durch den bekannten Zu⸗ ſammenhang mit den Sonnenflecken offenbart. Liznar?) hat jene 26tägige Periode aus den Beobachtungen in Wien, Kremsmünſter und Paulowsk von 1878 bis 1884 gefunden. Später hat er!“) dieſelbe Periode aus den Be⸗ obachtungen auf den Polarſtationen 1882 bis 1883 er⸗ mittelt und die etwas kleinere Zahl 25,85 Tage erhalten. Die engliſche Beobachtungsſtation Fort Rae war damals die nächſte am magnetiſchen Erdpol im Norden, dann folgte die öſterreichiſche Station Jan Mayen. Das Wachſen aller Aenderungen des Erdmagnetismus mit der Annäherung an den magnetiſchen Erdpol ſpringt hierbei beſonders deutlich in die Augen. Während die Amplitude der 26tägigen Variation in der horizontalen Intenſität in Wien nur 0,4“ beträgt und für Paulowsk 1,4’ ausmacht, ſteigt fie für Jan Mayen auf 34,8“ und für Fort Rae auf 55,1“ Zuſammenhang von Störungen des Er d⸗ magnetismus mit dem Erdbeben. Am 23. Februar, zur Zeit des Erdbebens, wurden an den Kurven der ſelbſt⸗ regiſtrierenden, erdmagnetiſchen Apparate in Mittel⸗ und Oſt⸗ frankreich! **) vorübergehende Störungen gleichzeitig wahr⸗ genommen, ſolche Störungen, wie ſie auch von Erdſtrömen herrühren, nicht aber rein mechaniſche, von Erderſchüt⸗ terungen erzeugte, wie eine an demſelben Tage noch in Waſhington geſpürt wurde, die hiernach eine Geſchwindigkeit von 800 km die Stunde gehabt hatte. Die rein mag⸗ netiſchen Störungen in größerer Entfernung waren nicht alle gleichzeitig, die Brüſſeler hatte eine Verſpätung von 4 Minuten, Greenwich und Kew 2, Wilhelmshaven 6 Mi⸗ nuten; in Wien waren an zwei verſchiedenen Inſtrumenten die Störungen um 3 Minuten auseinander. Wichtiger, als dieſe zweifelhaften momentanen Störungen, ſcheinen die dauernden zu ſein, beſonders da ſie ſchon lange vor dem Erdbeben vorhanden ſind, alſo eine Prognoſe möglich machen dürften. Dauernde Störungen ſind mehrfach von den fleißigen italieniſchen Forſchern konſtatiert worden; fo hatten zwei nahe bei Turin liegende Orte, Moncalieri und Lucento, im Sommer 1886 Deklinationen von 12° 40’ und 13° 38“. Zu dieſen Beobachtungsreſultaten von Chriſtonief) fügte er ſpäter Karten der iſodynamiſchen Kurven, in denen drei Centra großer Intenſität, Maxima des Erdmagnetis⸗ mus, Anhäufungen der erdmagnetiſchen Kraft, entſchieden heraustreten. Tachini wies zuerſt darauf hin, daß dieſe Centra in den Erdbebengegenden liegen, und daß auch die Karten von Nordamerika Anomalien bei den iſodynamiſchen Linien in der Nähe von Charleſton zeigen. Neue Elektricitätsquellen durch Licht und Wärme. Die elektromotoriſche Kraft des Selens (Hum⸗ *) Wiener Akademiſcher Anzeiger, 1886, Nr. 23, S. 229. **) Wiener Anzeiger, 1887, S. 57. ***) Mascart, Comptes rendus, 1887, Bd. 104, S. 606 u. S. 1350. +) Atti della R. Acc. dei Lincei, 1887, Bd. 3 (1), S. 22 u. S. 200. Humboldt. — November 1887. boldt VI S. 24) iſt jetzt von Kaliſcher“) ſchärfer pracijiert worden. Zwiſchen zwei verſchiedene Metalldrähte, Kupfer⸗ Zink, Kupfer⸗Meſſing, Zink-Meſſing, Kupfer-Platin wird das Selen in der angegebenen Weiſe eingeſchmolzen und ſchnell abgekühlt. Sollte ſich bei der Belichtung der Selen— platte kein elektriſcher Strom an den Drahtenden zeigen, ſo muß man dieſelbe ein- oder mehrere Male eine halbe Stunde lang auf 190 — 196 erhitzen und allmählich abkühlen laſſen; dann ift] das Selen photoelektromotoriſch und hat einen großen Leitungswiderſtand. Nach und nach verſchwinden beide Eigenſchaften; man muß dann abermals auf 190° erhitzen. Wenn auch das Licht die elektromotoriſche Kraft auslöſt, ſo iſt ſie doch offenbar durch die Wärme entſtanden. Im magnetiſchen Felde entſteht auch Elektricität durch Wärme, über die ſchon berichtet worden. Eine ganz direkte Erzeugung durch Wärme behaupteten Elſter und Geitel ſchon 1883: jeder glühende Körper habe die Eigenſchaft, in ſeine Nähe gebrachte Leiter poſitiv zu elektriſieren, während er ſelbſt gleich ſtarke negative Elektrieität an⸗ nehme; Wiedemann in ſeinem Werke über Galvanismus (1885) und Sohncke (1886) warfen dagegen ein, die Elek— trieität möge durch Reibung des Luftſtaubes an dem heißen Körper entſtanden fein. Elſter und Geitel **) bleiben jedoch in neueſter Zeit bei ihrer Behauptung, weil es ihnen gelang, filtrierte Luftmengen und Crookesſche verdünnte Räume durch einen glühenden Platindraht zu elektriſieren. Nachdem nun aber Nahrwold***) nachgewieſen hat, daß ein folder Draht die Luft ſtaubreich macht, daß aber durch elektriſchen Nieder— ſchlag ſtaubfrei gemachte Luft ſelbſt durch zahlreiche Metall— ſpitzen keine Spur von Ladung erhält, werden ſie wohl ihre Meinung kaum aufrecht erhalten können. Uebrigens bleibt *) Wied. Ann., 1887, Bd. 31, S. 101. ) Wied. Ann., 1887, Bd. 31, S. 109. ) Wied. Ann., 1887, Bd. 31, S. 418. 429 die Entdeckung dieſer neuen Elektricitätsquelle immer hod): intereſſant, wie ihre Erklärung auch ſein möge. Bogenlicht in Glühlichtballons erhält man, wenn durch die Glaswand zwei Platindrähte gehen, die innen mit 1 mm dicken Kohlenſtäben verbunden find, deren Enden einander gegenüberſtehen; für 6 mm dicke Kohlenſtäbe reicht der Ballon nicht, er muß die Größe eines elektriſchen Eies haben. Außerdem muß er mit einem Dreiweghahn verſehen ſein, durch welchen man nach Be— dürfnis Luft auspumpen oder auch zulaſſen kann. Während man nun evakuiert, läßt man durch die Drähte einen Wechſelſtrom gehen, bis die blaſſen Glimmlichtfäden des elektriſchen Eies erſcheinen. Dann hört man mit dem Evakuieren auf und läßt durch den Hahn einige Luft⸗ blaſen ein: das Glimmlicht konzentriert ſich und flammt plötzlich zum Bogenlicht auf “). Das Vakuum der elektriſchen Glühlampen iſt nach Heim kk) kein Vakuum, ſondern hat im kalten Zu— ſtande eine Spannung von etwa 0,01 mm; während des Brennens ſteigt die Spannung auf 0,05 mm und bleibt ſtundenlang konſtant. Der Kohlenfaden enthält alſo Luft, die jedoch während des Glühens nur zum geringſten Teile herausgeht. Denn kommuniziert die Lampe mit einem richtigen Vakuum, wie man wohl einen Raum von 0,0002 mm Spannung nennen kann, der durch die Töplerſche Queck— ſilberluftpumpe nach Hagen herzuſtellen iſt, ſo iritt während des Brennens Gas bis zu 0,5 mm Spannung aus der Kohle; aus einer Siemens-Glühlampe wurden während 228ſtündigem Brennen 3670 ebmm Gas erhalten! Daraus folgt: Durch bloßes Glühen an der Luft wird Gas nie— mals vollkommen ausgetrieben. *) Manoeuvrier, Comptes rendus, 1887, Bd. 104, S. 967. **) Elektrotechniſche Zeitſchrift, 1886, Jahrg. 7, S. 462. Phyſiolbogie. Von Prof. Dr. J. Steiner in Heidelberg. Ueber die Verbindung des Hamoglobins mit Nohlenſäure. ſäureausſcheidung bei verſchiedener Ernährungsweiſe. Muskelchemie. Harnſäuregehalt des Blutes und der Leber der Vogel. Beiträge zur Henntnis der Darmbewegungen. Beitrag zur Lehre vom Blutfarbſtoff. Ueber die tägliche Schwankung der Kohlen— Einfluß der Milz auf die Verdauung durch die Bauchſpeicheldrüſe. Einfluß der Mochſalzzufuhr auf die Reaktion des Harns. Eine bisher unerkannte Wirkung des Herzſchlages. der mittleren Geſchwindigkeit bei dem Strömen von Flüſſigkeiten in Röhren. Beitrag zur Experimentelle Ueber das Verhältnis der maximalen zu Ueber Geſichtsaſpmmetrien. Funktioneller Beweis für die Richtigkeit der morphologiſchen Anſicht von der Entſtehung des aſymmetriſchen Baues der pleuronektiden. Verbindung des Hämoglobins mit Kohlen— ſäure. Von den beiden weſentlichen Gaſen des Blutes iſt bekanntlich der Sauerſtoff locker chemiſch an den in den roten Blutzellen enthaltenen Blutfarbſtoff gebunden, während die Kohlenſäure in der Blutflüſſigkeit einfach phyſikaliſch abſorbiert iſt. Doch iſt aber bekannt, daß eine Flüſſigkeit, welche gelöſte Blutzellen enthält, mehr Kohlen— ſäure aufnimmt, als das gleiche Volumen Waſſer es thun würde, woraus man geſchloſſen hatte, daß ein gewiſſer Teil der Kohlenſäure auch von den roten Blutzellen auf: genommen würde. Da man aber nichts Näheres über die Menge von Kohlenſäure weiß, welche von einem Gramm des Hämoglobins, des weſentlichen Beſtandteiles der roten Blutzellen, aufgenommen wird, jo wenig wie über die Ab⸗ hängigkeit dieſer Aufnahme von Druck, jo ſuchte Bohr?) dieſe Lücke durch entſprechende Verſuche auszufüllen. Sorg— fältige Beobachtungen ergeben, daß 1g reines Hämoglobin bei einem Drucke von ca. 120 mm ungefähr 3,5 cem Kohlenſäure bindet und die gebildete Verbindung zwiſchen Kohlenſäure und Hämoglobin iſt diſſociabel, da die ge— bundene Kohlenſäure mit dem Drucke ſtark abnimmt. Blutfarbſtoff. Von anderer Seite veröffentlichte neue Analyſen über die Zuſammenſetzung der Blutkryſtalle (kryſtalliſiertes Hämoglobin), welche von den bisherigen in- folge verbeſſerter Darſtellung nicht unweſentlich abweichen, veranlaßten Hüfner zur Wiederholung. Er fand 1) eine ) Feſtſchrift für Ludwig. Leipzig, 1887. 430 Humboldt. — November 1887. merkwürdige Uebereinſtimmung in der elementaren Zu⸗ ſammenſetzung des Schweine⸗ und des Hundehämoglobins; 2) die Thatſache, daß möglichſt ſorgfältige Entfernung der Hüllen der roten Blutzellen eine Erhöhung des Kohlenſtoff⸗ und noch mehr des Stickſtoffgehaltes der Kryſtalle zur Folge hat; 3) daß auf ein Atom Eiſen zwei Atome Schwefel kommen. Tägliche Schwankung der Kohlenſäure⸗ ausſcheidung bei verſchiedener Ernährungs⸗ weiſe !). Rubner unterſuchte die Kohlen ſäureaus⸗ ſcheidung des Hundes über einen ganzen Tag in acht dreiſtündigen Perioden und fand, daß im Hunger⸗ zuſtande in den einzelnen Perioden etwa gleich viel Kohlen⸗ ſäure abgeſchieden wird. Am auffallendſten iſt die Gleichheit der Kohlenſäureausſcheidung für Wachen und Schlafen, wobei die Ausſcheidung bei Tage überwiegt. Da das Verſuchstier auch während des Wachens fic) ruhig ver⸗ hielt, ſo folgt daraus, daß allein die Muskelruhe beim Schlafenden den Ausfall bedingt. Bei Fütterung des Hundes mit Fett erſcheint eine kleine Vermehrung der Kohlenſäureexhalation in der dritten bis ſechſten Stunde. Eine weſentliche Steigerung erfährt die Kohlenſäureabgabe bei Fütterung mit Eiweiß; das Maximum fällt in die erſten ſechs Stunden. Von da ab fällt ſie allmählich, bleibt aber in der letzten Stunde immer noch höher als beim Hunger. Die Fütterung mit Kohlehydraten würde ent⸗ ſprechend ihrer Stellung dieſelbe Aenderung in der Kohlen⸗ ſäureabgabe herbeiführen, wie jene mit Eiweiß. Beitrag zur Muskelchemie !“). Aus der Ver⸗ gleichung des Kröten- und Froſchmuskels findet Gleiß, daß der letztere, welcher ſich raſcher kontrahiert, während der Thätigkeit auch mehr Säure bildet. Denſelben Unter⸗ ſchied findet der Verfaſſer zwiſchen den roten und weißen Muskeln des Kaninchens, welche ſich bekanntlich verſchieden raſch zuſammenziehen. Hieraus erklärt ſich die Angabe einiger anderer Forſcher, daß die Säurebildung thätiger Muskeln verſchiedener Tiere innerhalb bedeutender Grenzen ſchwankt, da jene weiße und rote Muskeln zuſammen der Unterſuchung unterzogen hatten. Um den Einfluß der Milz auf die Verdauung durch die Bauchſpeicheldrüſe zu zeigen, wie es Schiff ſchon lange lehrte, tötete Herzen **) drei Tiere, von denen eines nüchtern war, während die beiden anderen reichlich gefreſſen hatten, aber das dritte in milzloſem Zu⸗ ſtande, da ihm dieſe Drüſe vor längerer Zeit exſtirpiert worden war. Die den Tieren entnommenen Drüſen wurden zerkleinert, mit Glycerin übergoſſen und für einige Zeit ſich ſelbſt überlaſſen; nur in dem zweiten Gemiſch waren die Stücke durch Selbſtverdauung zerfallen, das erſte und zweite Gemiſch aber noch unverändert. Setzt man dieſen nunmehr Glycerininfus der Milz des mittleren Tieres zu, ſo werden dieſe Drüſen verdaut, während Zuſätze aus der Milz des anderen Tieres die Miſchung intakt laſſen. Harnſäuregehalt des Blutes und der Leber der Vögel. Während es W. v. Schröder ef) gelungen war, nachzuweiſen, daß beim Säugetier die Leber der Ort *) Daſelbſt. ) Pflügers Archiv für Phyſiologie, Bd. 41. ) Compt. rend. d. s. d. I. soc. Vaud. Lausanne, 1887, T) Feſtſchrift für Ludwig. Leipzig, 1887. der Harnſtoffbildung iſt, waren ſeine analogen Bemühungen für den Nachweis der Harnſäure in der Vogelleber nicht vollkommen geglückt. Einer ſicheren Antwort auf dieſem Gebiete mußte indes vorausgehen eine Feſtſtellung der Grenzen, innerhalb deren die analytiſchen Methoden zum Nachweis der Harnſäure in Blut und Leber brauchbar waren. Mit der Salkowski⸗Mahlyſchen Methode (Fällung als harnſaure Silbermagneſia) findet der Verfaſſer, daß der Harnſäuregehalt im Blute der Vögel nur unwäg⸗ bare Spuren bis zu 0,0072 %o beträgt, bei höchſter Eiweiß⸗ nährung ſteigt der Gehalt bis zu 0,01%. Im Blute von Hunden findet man unter denſelben Bedingungen 0,05 - 007 %. In allen Verſuchen ergab ſich hingegen, wie ſchon Meißner gezeigt hatte, eine ſtets viel größere Menge von Harnſäure in der Leber, nämlich 6⸗ bis 14mal ſoviel als im Blute. Obgleich es nun wahrſcheinlich it, daß auch die Vogelleber das harnſäurebildende Organ iſt, fo müſſen doch die oft 0,2 — 03 f betragenden, nach Leberausſchaltung im Harne auftretenden Harnſäuremengen anderswoher als aus dem Blute ſtammen: entweder hatten die Nieren Harnſäure aufgeſpeichert, oder dieſelben ſind noch anderswo als in der Leber gebildet. Einfluß der Kochſalzzufuhr auf die Reaktion des Harns. Es iſt bekannt, daß beim Menſchen und dem Fleiſchfreſſer der vorher ſaure Harn in den erſten Stunden nach der Nahrungsaufnahme neutrale oder alka⸗ liſche Reaktion annimmt. Gruber?) findet, daß man dieſen Wechſel der Reaktion viel auffallender machen kann, wenn man einem Tiere nach einigen Tagen der Kochſalz⸗ entziehung eine große Kochſalzmenge zum Futter zuſetzt. Nach ca. zwei Stunden iſt der Harn intenſiv alkaliſch, erſcheint trübe und ſetzt in kurzem ein gewaltiges Sediment von Tripelphosphat und Magneſiumphosphat, ſowie dichte Wolken von Calciumphosphat ab. Erſt nach 16 Stunden (im Maximum) wird der Harn wieder ſauer. Setzt man die erhöhte Kochſalzzufuhr einige Tage fort, ſo zeigt etwa am zweiten Tage der Harn nichts Abnormes mehr; unter⸗ bricht man ſie aber plötzlich, dann wird der Harn umgekehrt auch in den erſten Verdauungsſtunden ſtark ſauer. Da man nun weiß, daß bei reichlicher Kochſalzzufuhr in den erſten Tagen Chlor im Körper zurückgehalten wird, während bei dem Aufhören der Zufuhr mehr Chlor im Harn erſcheint, ſo folgert der Verfaſſer aus der Geſamt⸗ heit dieſer Thatſachen, daß das eingeführte Kochſalz im Magen zerlegt und bei der Bildung der freien Salzſäure verwendet wird. Dafür ſpricht auch die Beobachtung, daß im Hungerzuſtande die Kochſalzzufuhr die Reaktion des Harns nicht ändert. 5 Experimentelle Beiträge zur Kenntnis der Darmbewegungen. Bokai!“) unterſuchte den Einfluß der im Darme vorkommenden Gaſe in ihrer Wirkung auf die Darmbewegungen. Er fand, daß Stickſtoff und Waſſerſtoff wirkungslos ſind. Ebenſo zunächſt der Sauer⸗ ſtoff, ſo lange er auf einen unbewegten Darm einwirkt. Aber auf einen in Bewegung begriffenen Darm wirkt er beruhigend. Dagegen werden die Darmbewegungen leb⸗ haft durch Kohlenſäure angeregt, ebenſo durch Kalkwaſſer, ) Daſelbſt. Arch. f. experim. Pathologie und Pharmakologie, Bd. 23. Humboldt. — November 1887. doch darf man dieſe beiden Mittel nicht unmittelbar hintereinander in den Darm einführen, weil ſie ſich gegen— ſeitig binden und dann ihren Einfluß auf die Bewegungen einbüßen. Eine bisher unerkannte Wirkung des Herz— ſchlages. Fleiſchl“) machte gelegentlich die Beobachtung, daß eine gashaltige Flüſſigkeit, wenn ſie einen Stoß er— halten hat, an den luftverdünnten Raum 15- bis 135mal ſo viel Gas abgibt, als wenn ſie dieſen Stoß nicht er— litten hat. Dieſe Thatſache läßt ſich in folgender Weiſe demonſtrieren: Man fülle eine luftdicht ſchließende Glas— ſpritze bis zu drei Vierteln mit friſchem Waſſer, verſchließe hierauf für die ganze weitere Zeit des Verſuchs die Mün— dung luftdicht, kehre die Spritze mit der Mündung nach oben und ziehe den Kolben nun noch weiter heraus, ſo bilden ſich die bekannten ſpärlich verteilten Bläschen, von denen einige aufſteigen und ſich mit dem Vakuum über dem Waſſer vereinigen. Stößt man nun unter Fixierung der Stempelſtange in der bisherigen Lage den Knopf der— ſelben gegen die Tiſchplatte, ſo tritt alsbald ein heftiges Schäumen der Flüſſigkeit ein. Dieſer Erſcheinung gibt Fleiſchl die Erklärung, daß infolge des Stoßes die gas— haltige Flüſſigkeit den Charakter einer echten Löſung ver⸗ liert, der bisherige Verband der Moleküle wird aufgehoben und die Gasmoleküle liegen frei zwiſchen denen der Flüſſigkeit vertheilt. Davon macht der Verfaſſer eine intereſſante Anwendung, indem er dieſe Thatſache auf die Herzthätigkeit überträgt. Er iſt der Anſicht, daß durch die jedesmalige Syſtole (Kontraktion) des Herzens die Kohlen— ſäure des Blutes im rechten Ventrikel in einen für die Abgabe an die Lungenluft günſtigeren Zuſtand verſetzt wird. Der Autor iſt der Anſicht, daß ohne dieſe Ein— richtung unſer Leben nicht zwei Minuten lang zu er— halten wäre. Ueber das Verhältnis der maximalen zu der mittleren Geſchwindigkeit bei dem Strömen von Flüſſigkeiten in Röhren. Unter Zugrunde⸗ legung des Poiſenillſchen Geſetzes vom Strömen der Flüſſigkeit in Röhren, deren Wand ſie benetzen, berechnete v. Kries ““), daß die mittlere Geſchwindigkeit gerade die Hälfte von der in der Achſe ſtattfindenden maximalen Geſchwin⸗ digkeit iſt. Verſuche, welche mit langen und engen Röhren angeſtellt wurden, beſtätigten die theoretiſchen Annahmen in befriedigender Weiſe. Für weite Röhren, bei denen das Poiſenillſche Geſetz nicht mehr gilt, findet auch die hier gefundene Relation zwiſchen mittlerer und maximaler Geſchwindigkeit keine Anwendung. Dieſer Umſtand, ſowie einige weitere Schwierigkeiten, machen dieſen ganzen Weg untauglich zu Berechnungen über die Geſchwindigkeit des Blutſtromes. Ueber Geſichtsaſymmetrien. Man nimmt an, daß die äußere Form des menſchlichen Körpers vollkommen ) Feſtſchrift für Ludwig. ) Daſelbſt. Leipzig, 1887. 431 bilateral ſymmetriſch iſt. Haſſe*) wirft die Frage auf, ob dieſe Annahme wirklich richtig iſt und ſtellte nach einem beſtimmten Verfahren hierüber Unterſuchungen an. Hier⸗ bei ſtellte ſich folgendes heraus: „Der ganze unterhalb der Naſe gelegene Geſichtsabſchnitt, Mund, Lippen und Kinn, iſt ſtreng ſymmetriſch, der ganze oberhalb dieſer Grenze gelegene Kopfteil iſt aſymmetriſch. Es iſt im all— gemeinen die Naſe ein wenig nach links verſchoben, das linke Ohr ſteht höher als das rechte und die linke Schädel— hälfte iſt breiter als die rechte; ferner ſteht die linke Augengegend höher als die rechte, und jene iſt der Mittel— linie mehr genähert, als dieſe. Dieſelben Aſymmetrien fand der Verfaſſer in den Bildwerken der Kunſt, ſo daß alſo Kunſt und Natur ſich hier vollkommen decken. Er iſt der Anſicht, daß der angenehme Eindruck, den uns vollendete Statuen machen, auf der Ausnutzung dieſer Aſymmetrien beruhen und daß eine vollkommen ſymme— triſch gearbeitete Statue uns einen langweiligen und ge— zwungenen Eindruck machen würde.“ Ueber die Entſtehung dieſer Aſymmetrie der menſch— lichen Form iſt der Verfaſſer indes zu einer befriedigenden Anſchauung nicht gekommen. Aſymmetriſcher Bau der Pleuronektiden. Unter den Fiſchen gibt es eine Gruppe, welche die bilateral ſymmetriſche Form des Wirbeltierleibes einge— büßt hat und exquiſit aſymmetriſch geworden iſt. Es ſind dies die ſogenannten Flachfiſche, wie Schollen, See— zungen und Steinbutten, welche, da ſie alle auf der Seite ſchwimmen, auch als Seitenſchwimmer oder Pleuronektiden bezeichnet werden. Die Aſymmetrie zeigt ſich bei dieſen Fiſchen äußerlich ſehr deutlich darin, daß beide Augen auf der einen Seite liegen (Augenſeite), während die andere Seite vollkommen blind iſt. Zugleich iſt jene ge— färbt, während dieſe farblos iſt. Endlich ſchwimmen ſie regelmäßig auf der farbloſen Seite. Es erhebt ſich nun die Frage, ob der aſymmetriſche Bau hier ſchon in der Anlage gegeben iſt oder ob ſich derſelbe erſt im Laufe des Wachstumes ausbildet. Die Morphologen haben ſich für letztere Eventualität entſchieden, denn die ganz jungen Flachfiſche ſind noch vollkommen ſymmetriſch. Steiner“ “) hat nun durch einen phyſiologiſchen Verſuch nachgewieſen, daß dieſe Anſicht auch in den Funktionen begründet iſt. Man kann nämlich bei den ſymmetriſchen Fiſchen durch einſeitige Abtragung des Mittelhirns die geradlinige Be— wegung derſelben in eine kreisförmige verwandeln und zwar erfolgt die kreisförmige Bewegung in der Horizontal— ebene. Wenn die Seitenſchwimmer ſich einfach im Laufe ihrer Entwickelung auf die Seite legen, ſo muß nach der— ſelben Operation im Gehirn die kreisförmige Bewegung nunmehr in der Vertikalebene vor ſich gehen, wie der Verſuch in der That gezeigt hat. *) Archiv für Anatomie, 1887. ) Feſtſchrift zur fünften Säkularfeier der Univ. Heidelberg. 1886. 432 Humboldt. — November 1887. Kleine Mitteilungen. Sauerſtoſſgehalt der Luft. Es iſt in hohem Grade wahrſcheinlich, daß die Erdatmoſphäre in den verſchiedenen Bildungsperioden unſeres Planeten ganz außerordentliche Aenderungen erfahren hat und daß dieſelben noch fort⸗ dauern. Es iſt daher von der größten Wichtigkeit für die Naturerkenntnis, die Zuſammenſetzung der Atmoſphäre ſo genau als möglich zu erforſchen. Derartige Unterſuchungen dürften für ſpätere Zeiten von derſelben Bedeutung ſein, wie die Aufzeichnungen der Aegypter über die Sonnen⸗ und Mondfinſterniſſe es für uns geworden ſind. Um einer⸗ ſeits den mittleren Sauerſtoffgehalt der Luft möglichſt genau zu beſtimmen, andererſeits zu ermitteln, ob etwa größere Schwankungen an Orten vorkommen, die ſehr weit auseinander liegen, wurden auf Anregung des Profeſſor Hempel in Dresden während der Zeit vom 1. April 1886 bis 15. Mai 1886 in Cleveland (Nordamerika), Para (Braſilien), Bonn, Dresden und Tromſö (Norwegen) täg⸗ lich mit Berückſichtigung der durch die Lage der Orte be⸗ dingten Zeitdifferenz zu genau derſelben Minute Luftproben entnommen. Die Unterſuchung der Bonner Luftproben geſchah an Ort und Stelle durch Profeſſor Kreudler, ebenſo die der in Cleveland geſchöpften Luft durch Profeſſor Morley. Aus Para und Tromſö ließ ſich Profeſſor Hempel die Luftproben in zugeſchmolzenen Glasröhren zuſenden. Die nach verſchiedenen Methoden ausgeführten Analyſen er⸗ gaben als mittleren Sauerſtoffgehalt: in Cleveland 20,933 Prozent 0,89 " Para „ 1 „ Bonn 20,922 fn „ Dresden 20,90 1 „ Tromſö. 20,92 1 Die gefundenen Zahlen entſprechen demnach völlig den Durchſchnittsangaben Bunſens, Regnaults u. a. Einigermaßen erhebliche Schwankungen im Sauerſtoff⸗ gehalt finden alſo ſelbſt an verſchiedenen Orten nicht ſtatt, doch ſind kleine, jedoch außerhalb der Fehlergrenzen der Methoden liegende Unterſchiede unzweifelhaft zu konſtatieren. Die gleichzeitigen meteorologiſchen Beobachtungen ergaben keinen Zuſammenhang mit dieſen kleinen Schwankungen im Sauerſtoffgehalte. Ueberhaupt iſt die Aufgabe, dieſe Unterſchiede ſicher zu prdcifieren und die Abhängigkeit von den Einflußmomenten klar zu erkennen, an der Hand des vorliegenden Verſuchsmaterials noch nicht lösbar. Für dieſen Zweck bedarf es zur Verſchärfung des Mittels der Einſtellung einer vermehrten Zahl von Kontrollanalyſen. (Ber. d. deutſch. chem. Geſ. XVIII 267, XX 991, 1864.) Al Weißer Phosphor, welcher unter Waſſer aufbewahrt wird, überzieht ſich im Sonnenlicht bekanntlich mit einer rötlichweißen Schicht, welche beim Auflöſen des Phosphors in Schwefelkohlenſtoff ungelöſt bleibt. Dieſer Rückſtand, deſſen Natur bisher noch nicht ermittelt war, beſteht, wie B. Franke (Journ. f. prakt. Chemie 35, S. 341) nachge⸗ wieſen hat, vorzugsweiſe aus einer Verbindung PyHOH, einem hydroxylierten feſten Phosphorwaſſerſtoff, und bildet ſich alſo durch direkte Vereinigung von Phosphor mit Waſſer. Oberflächlich wird dieſer Körper, welcher auch aus Zweifach⸗Jodphosphor PJy dargeſtellt werden kann, durch Waſſer wieder in gasförmigen Phosphorwaſſerſtoff, phos⸗ phorige Säure und roten Phosphor zerlegt, daher die rötliche Farbe der Phosphorſtangen. Al. Wiederaufſindung des Olbersſchen Kometen. Am 24. Auguſt d. J. fand der bekannte Kometenentdecker Brooks in Phelps (Ver. Staaten) einen Kometen im Sternbild des Krebſes, der ſich bald durch ſeinen Lauf als mit dem von Olbers in Bremen am 6. März 1815 entdeckten und nach ihm benannten Kometen identiſch erwies. Die Periodicität dieſes Kometen hat zuerſt Beſſel herausgefunden und die Umlaufszeit zu 74 Jahren berechnet, vorausgeſetzt daß der Komet nicht durch die von anderen Weltkörpern, in dieſem Falle von den acht großen Planeten auf ihn ausgeübte Anziehung aus ſeiner Ellipſe abgelenkt würde. Bei Be⸗ rechnung dieſer Störungen ergab ſich, daß ihnen zufolge die Umlaufszeit des Kometen ſich um zwei Jahre ver⸗ mindere, ſo daß der Komet ſchon im Februar 1887 in ſeine größte Sonnennähe kommen würde. In neuerer Zeit hat F. K. Ginzel in Berlin in einer von der holländiſchen Akademie der Wiſſenſchaften preis⸗ gekrönten Abhandlung eine nochmalige Unterſuchung der Bahn des Olbersſchen Kometen angeſtellt, indem er die ſämtlichen vorhandenen ca. 350 Beobachtungen aus dem Jahre 1815 auf die mittlerweile neubeſtimmten Poſitionen der Vergleichſterne bezog und für die 72 Jahre die von den acht großen Planeten ausgeübten Störungen berechnete, eine Arbeit, die ſich jetzt mit größerer Exaktheit als zu Beſſels Zeit ausführen läßt, weil wir heute in den Lever⸗ rierſchen Planetentafeln ein Werk beſitzen, aus welchem wir die Poſitionen der großen Planeten, auf die es bei Berechnung der Störungen natürlich in erſter Linie mit ankommt, mit großer Schärfe entnehmen können und weil ihre Maſſen jetzt mit größerer Genauigkeit bekannt ſind. Nach der Ginzelſchen Rechnung fiel die größte Sonnen⸗ nähe des Kometen auf Ende Dezember vorigen Jahres, die Unſicherheit betrug 1,6 Jahre nach jeder Seite hin. In Wirklichkeit ergab ſich die Abweichung nur halb ſo groß, da der Periheldurchgang am 14. Oktober d. J. ſtatt⸗ finden wird. Unter der Annahme dieſer Epoche für das Perihel weicht die von Ginzel berechnete Bahn in gerader Aufſteigung nur um 7“ und in Deklination nur um 1“ von der Wahrheit ab. Mit unbewaffnetem Auge wird der Komet leider nicht zu ſehen ſein. Er bewegt ſich durch die Sternbilder des Krebſes, des großen und des kleinen Löwen und des Haupthaares der Berenike. Kf. Der geologiſche Bau Oſtthüringens und des Erz⸗ gebirges. Ueber den geologiſchen Bau Oſtthüringens hat Th. Liebe in den Abhandlungen zur geologiſchen Special⸗ karte von Preußen und den Thüring. Staaten (Bd. V, Heft 4) eine ſehr klare Ueberſicht gegeben. Sie iſt das Ergebnis von Unterſuchungen, welche er im Jahre 1852 begonnen und bis in die letzten Jahre unausgeſetzt weiter⸗ geführt hat. Der Verfaſſer ſchildert die verſchiedenen Glieder der geologiſchen Formationen Oſtthüringens vom Cambrium durch das Silur und Devon bis zum Kulm hinauf nach ihrer petrographiſchen Beſchaffenheit und ihren wichtigſten organiſchen Einſchlüſſen. Dann werden von ihm gewiſſe Unregelmäßigkeiten in der Ablagerung der älteren Schicht⸗ ſyſteme, welche auf eine mehrmals abwechſelnde Hebung und Senkung der Schichten in der Silur⸗ und Devonzeit hindeuten, beſprochen. Auch wird gezeigt, wie am Ende der Kulmzeit gleichzeitig mit der Herausbildung des Erz⸗ gebirges und des Frankenwaldes eine ſtarke Faltung aller damals vorhandenen Sedimente, eine Zuſammenpreſſung derſelben auf etwa / ä der urſprünglichen Breite eintrat, ganz in dem Sinne des nordweſtlich ſtreichenden erzge⸗ birgiſchen Syſtems. Eine zweite, der Richtung des Franken⸗ waldes entſprechende Faltung macht ſich, ebenfalls in deutlicher Weiſe, geltend; ſie iſt nur wenig jünger als jene. Die Beſchreibung der nachkarboniſchen Schichtengruppen, des Rotliegenden, Zechſteins, Buntſandſteins, Muſchelkalks, Tertiärs und Diluviums, und der Unregelmäßigkeiten in der Ablagerung dieſer Bildungen umfaßt einen weiteren Teil der intereſſanten Abhandlung. In demſelben wird auseinandergeſetzt, wie auf die gegen das Ende der Kulm⸗ zeit ſtattgehabte Hebung wieder eine Senkung in der jüngeren Karbonzeit folgte und bis zur Zeit des Zechſteins fort⸗ dauerte. Die Faltung der nachkarboniſchen Sedimente iſt gegenüber den älteren Formationen eine nur geringe. Auch die Eruptivgeſteine und die techniſch wichtigen Erz⸗ Humboldt. — Wovember 1887. 433 lagerſtätten des öſtlichen Thüringens werden eingehend betrachtet. Die von Liebe erwähnte Herausbildung des ſächſiſchen Erzgebirges in der vorkarboniſchen Zeit vertritt auch H. Credner in klarer und beſtimmter Weiſe in einem auf dem zweiten deutſchen Bergmannstage zu Dresden 1883 ge— haltenen Vortrage. Er denkt ſich das Erzgebirge durch einen ähnlichen großartigen Faltungsprozeß, wie ihn Liebe für Oſtthüringen annimmt, in der vorkarboniſchen Zeit gebildet. Aus den bei der Faltung aufgeriſſenen Spalten drangen Eruptivgeſteine, Syenit, Granit und Porphyr hervor und bewirkten hier und da deutlich nachweisbare Umwandlungen im Nebengeſtein. Andere Spalten wurden auf wäſſerigem Wege durch Mineralien erfüllt und liefer— ten ſo die zahlreichen Erzgänge, von welchen das Erzgebirge ſeinen Namen und ſeine Bedeutung erhielt. Alsbald nach der Faltung begann die mechaniſche Thätigkeit der Gewäſſer; namentlich in der Zeit des Rotliegenden erreicht ſie ihren größten Umfang. In gleichem Maße, wie die ſattelförmig aufgebogenen Schichtenkämme vom Waſſer abgetragen wurden, füllten ſich die Mulden mit Geſteinsmaterial aus; es trat eine Nivellierung des gefalteten Gebirges ein und an Stelle der urſprünglich hoch aufragenden Sättel entſtand der ſanfte Abfall des Erzgebirges nach Norden, aus welchem nur noch als Rumpf eines langgeſtreckten Sattels das Mittelgebirge oder Granulttgebirge*) hervorſteht. Viele der Spalten, welche bei der Entſtehung des Erzgebirges ſich bildeten, waren auch in ſpäterer Zeit noch von Bedeutung; einige derſelben wurden zu ſtarken Ver- werfungen, an welchen in der Tertiärzeit der Südoſtflügel des Erzgebirgsſattels zur Tiefe ſank; auf anderen traten vulkaniſche Geſteine, Baſalt und Phonolith, hervor. Auch die böhmiſchen Thermen und Mineralquellen entſpringen aus ſolchen Spalten, und die im Erzgebirge zeitweilig auf— tretenden Erdbeben!) liefern den Beweis, daß ſelbſt jetzt noch keine vollſtändige Ruhe in der Herausbildung des Gebirges eingetreten iſt. Auch in den niederrheiniſchen und ſudetiſchen Gebirgen, deren Bildung mit der des Harzes in Zuſammenhang ſteht, deren Faltenſyſteme es ſind, welche im Harz ſich kreuzen, liegen nach K. A. Lojfen***) ganz ähnliche Verhältniſſe vor wie im Harz und in den früher von Liebe und von Gümbel beſchriebenen Gegenden zwiſchen Fichtelgebirge und Thüringer Wald, beſonders zeigen ſich in allen dieſen Ge— bieten regional-metamorphiſche Erſcheinungen, denen ver— gleichbar, welche Loſſen aus dem Harz in ſo trefllicher Weiſe beſchrieben hat, auch durch dieſelbe Urſache entſtanden wie jene ). Je weniger die hereyniſche Sattelung — d. i. die Faltung in der Richtung des Frankenwaldes oder der Sudeten — in den früher entſtandenen, bereits mehr oder weniger verſteiften erzgebirgiſchen Falten zum vollen Aus— druck gelangen konnte, je mehr Widerſtand ſie fand und je weniger dieſer Widerſtand durch großartige Zerſpaltung des Gebirgsanteils überwunden wurde, um ſo mehr mußte ſich Arbeit in Wärme umſetzen, um ſo mehr wurde dadurch die Neukryſtalliſierung der Geſteine gefördert, die Geſteins— metamorphoſe begünſtigt. Vortreffliche Beiſpiele hierfür lieferte der Südoſtharz und das von Liebe geſchilderte Oſtthüringen. — . Florida. Angelo Heilprin weiſt in einem in dieſem Jahre von dem Wagner Free Institute of Science veröffentlichten Werke (Explorations on the West Coast of Florida and in the Okeechobee Wilderness) nach, daß Korallenbauten an der Entſtehung der Halbinſel Florida nur einen ſehr geringen Anteil haben; nur ein ſchmaler Saum im äußerſten Süden und Südoſten iſt wirkliche ) Hermann Credner, Das ſächſiſche Granulitgebirge und feine Um⸗ gebung. Leipzig, 1884. ) Vergl. B. H. Credner, Die erzgebirgiſch-voigtländiſchen Erdbeben während der Jahre 1878 bis Anfang 1884. Mit einer Ueberſichtskarte. Zeitſchr. f. Naturw. Halle a. S., Bd. 57. 1. 1884. ***) Ueber das Auftreten metamorphiſcher Geſteine in den alten paliio- zoiſchen Gebirgskernen von den Ardennen bis zum Altvatergebirge und über den Zuſammenhang dieſes Auftretens mit der Faltenverbiegung (Torſion): in dem Jahrb. d. preuß. geolog. Landesanſtalt f. 1884. +) Vergl. Humboldt 1885, S. 78. Humboldt 1887. rezente Korallenformation. Die ganze Halbinſel beſteht aus Tertiärſchichten; die einzelnen Formationen folgen ſich, mit dem Oligocän beginnend, in regelmäßiger Reihenfolge und ohne jede Störung von Nord nach Süd; ſie liegen horizontal oder fallen kaum merklich nach Süden ein, ihr Streichen ſchließt ſich dem der atlantiſchen Küſte Amerikas an. Die nördliche Hälfte ſcheint in tieferem Waſſer gebildet zu ſein, die ſüdliche war offenbar geraume Zeit hindurch eine flache Bank, welche durch die ſich anhäufenden Reſte der auf ihr lebenden Seetiere ſchließlich ſich über den Meeresſpiegel erhob. Die reiche Molluskenfauna zeigt ſchon in der Pliocän⸗ fauna denſelben Charakter, wie die heutige, welche ſomit als deren direkter Sproß angeſehen werden muß. Inſonder— heit fehlen den Pliocänſchichten alle Spuren einer engeren Verbindung mit der luſitaniſch-mittelmeeriſchen Fauna. Ko. PWliocine Schichten in Mittelſyrien. Dr. C. Duner hat in der Palmyrene jüngere Meeresſchichten gefunden, welche er dem Pliocän zurechnet; fie liegen in 650 m Meeres- höhe. Es iſt das eine ſehr wichtige Entdeckung, denn ſie beweiſt nicht nur, daß das ältere Pliocänmeer nicht ſchon bei Cypern, wie man ſeitdem annahm, ſein Oſtende er— reichte, ſondern auch daß das Relief des Bodens in Syrien ſeitdem ſehr bedeutende Schwankungen durchgemacht hat, die ſich nicht durch Scholleneinbrüche allein erklären laſſen. Ko. liocäne Säugetiere aus China. Aus der Provinz Yunnan in China ſtammen die durch v. Richthofen von chineſiſchen Frachtſchiffen erworbenen Säugetierknochen, welche zum Verkauf an die Apotheken beſtimmt waren. Die ſo bekannt gewordene jungtertiäre Fauna Chinas iſt eine überraſchend mannigfaltige. Ein Teil derſelben erinnert an die Pikermifauna, die zahlreichſte Gruppe ſcheint aus Höhlen zu ſtammen; fie ſtimmt zumeiſt mit der Fauna von den Siwalikhügeln überein, was auch von einer An— zahl Foſſilien gilt, die ihrer Erhaltung nach aus thonigen und mergeligen Lagern zu ſtammen ſcheinen. Die Siwaliſche Tierwelt hatte demnach eine ſehr große Verbreitung und zwar von Japan und Java durch ganz China bis zum Alpenland Yunnan; fie war ungefähr über 40 Breiten- und 70 Längengrade ausgebreitet. E. Koken, Ueber foſſile Säugetiere aus China. Paläontolog. Abhandlungen von Dames und Kayſer 3. Band Heft 2. Ki. Ceratodus. Seit langem find aus der Trias, be— ſonders aus der Lettenkohle Württembergs und Thüringens, ſeltſame flache, fächerförmig gefaltete und am Rande tief— ausgezackte Zähne bekannt, die nach der vor einigen Jahren geſchehenen Entdeckung eines lungenatmenden, ſchmelz— ſchuppigen Fiſches in Neuholland, welchem — Ceratodus Forsteri — ganz ähnlich geſtaltete Zähne eigen ſind, weſentlich an Intereſſe gewonnen haben. Bisher waren von dem foſſilen Fiſche die Zähne faſt das einzig Bekannte; nur ſehr ſelten fanden ſie ſich auf dem Pterygopalatinum aufſitzend. Im letzten Sommer hat nun D. Stur in den Reingrabner Schiefern am Pölzberg bei Lunz in Oeſterreich den faſt vollſtändigen Schädel jenes merkwürdigen Fiſches gefunden. Die beiden Ceratoduszähne des Oberkiefers ſowohl wie die zwei Unterkieferzähne ſind gut erhalten, ebenſo die ſaurierartig ornamentierten Schädelplatten; hierbei zeigte ſich, daß die zwei Oberkieferplatten ganz knapp aneinander liegen, ſo daß ſie wie zu einem einzigen Zahn verwachſen zu ſein ſcheinen; ein ähnliches gilt auch für die beiden Zahnplatten des Unterkiefers, was alſo einen Unterſchied vom lebenden Ceratodus darſtellt. Ein anderer Fund im Reingrabner Schiefer von derſelben Lokalität iſt vielleicht der hinterſte Teil jenes Fiſches, deſſen Schwanz oben und unten von einer kontinuierlich ausſtrahlenden Floſſe umſäumt wird, wie dies auch beim lebenden Ceratodus der Fall iſt. Eine genaue Bearbeitung des intereſſanten Fundes geſchieht durch F. Teller, Verhandlungen d. kak. geol. Reichsanſtalt 1886 p. 381. Ki. Silberne Wolken. Seit dem Jahre 1885 treten um die Zeit der Sommerſonnenwende am Abend- und Nacht- himmel ſilbern ſchimmernde Wolken auf, welche auch beim 55 434 Sonnenuntergang, wenn der ganze Himmel vom Abendrot überzogen wird und die Säume der übrigen Wolken gold⸗ beſtrahlt erſcheinen, die weiße Farbe des Tageslichts be⸗ wahren. In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni be⸗ obachtete R. von Helmholtz (Meteorolog. Zeitſchr.) ſolche Wolken, die genau im Norden, daher ſehr günſtig für möglichſt lange Beleuchtung durch die Sonne, lagen. Dem entſprechend war deutlich zu konſtatieren, daß um Mitter⸗ nacht die beſchienene Fläche ein Minimum war. Die obere Grenze der Wolken mag um dieſe Zeit 5° über dem Horizont gelegen haben, woraus ſich eine Höhe von 75 km für die Wolken ergeben würde. Das Licht, welches von derſelben ausging, war nicht polariſiert. Dagegen zeigte es gefärbten Gläſern gegenüber eine charakteriſtiſche Eigentümlichkeit: die Wolken blieben durch blaue und violette Gläſer voll⸗ kommen ſichtbar, während ein rotes Glas ſie nahezu voll⸗ ſtändig auslöſchte. Ein kleines Spektroſkop beſtätigte eben⸗ falls den Mangel an rotem Licht. Durch dieſen Umſtand wird das charakteriſtiſch ſilberblaue Ausſehen der Erſchei⸗ nung präziſiert und das ſehr auffällige Fehlen von roten Dämmerungsfarben auf den Wolken erklärt. Stammt näm⸗ lich das Licht derſelben von der Sonne, ſo wäre zu er⸗ warten, daß die der Schattengrenze am nächſten liegenden oberſten Teile rötlich erſcheinen müßten, weil die ſie be⸗ leuchtenden Strahlen durch die unterſten Schichten der Atmoſphäre gegangen ſind. Dies iſt aber nicht der Fall und darin liegt gerade das Eigentümliche, jedem Laien Auffallende jener Wolken, daß ſie mitten auf dem rbtlich gefärbten Abendhimmel ſowie die ganze Nacht hindurch in der „Farbe“ des Tageslichts leuchten. Es iſt hieraus aber keineswegs etwa gegen die Annahme direkter Sonnenbe⸗ leuchtung zu ſchließen, welche vielmehr nach allen zeitlichen und örtlichen Umſtänden die einfachſte und wahrſcheinlichſte iſt. Nur ſo viel geht aus jener Färbung hervor, daß die Subſtanz jener Wolken einen beſtimmten hohen Grad von Feinheit beſitzt, welcher rotes Licht ungehindert paſſieren läßt, blaues dagegen diffundiert. R. v. Helmholtz vergleicht die Wolkenmaſſe mit gewiſſen Arten weißen Milchglaſes, durch welche ein Flamme tief rot erſcheint, als Beweis, daß nur das rote Licht hindurchgeht, das blaue aber zurück⸗ geworfen wird. Die beobachtete gelbliche Färbung der dem Horizont am nächſten ſtehenden, ſcheinbar tiefſten Wolken ſpricht nicht dagegen. Sie rührt jedenfalls von vor jenen liegenden tieferen Dunſtſchichten her. Im vergangenen Jahr wurden ſilberne Wolken zur Beſtimmung der Höhe wiederholt photographiert. Gleichzeitige Aufnahmen wurden jedoch nur am 6. Juli abends in Berlin und Potsdam erhalten. Aus dieſen ergab ſich ebenfalls die außerordent⸗ liche Höhe von 75 km. D. Ein neuer Flechtentypus. Bei den meiſten Flechten gehört der den einen Beſtandteil derſelben bildende Pilz zu den Askomyceten. Vor kurzem iſt jedoch eine zweite Gruppe von Flechten bekannt geworden, die Hymeno⸗ lichenes, deren Pilz zu den Hymenomyeeten gehört und mit den Gattungen Corticium und Stereum nahe ver⸗ wandt iſt. G. Maſſee beſchreibt nunmehr einen dritten Typus, bei welchem der Pilz zu den Gaſtromyceten ge- hört. Er gibt dieſer Gruppe den Namen Gaſtrolichenes; fie enthält zwei Gattungen: Emericella Berk. und Tricho- coma Jungh., die bisher als Pilze beſchrieben wurden. M—s. Die fldrkle Tanne ganz Thüringens, vielleicht auch ganz Deutſchlands, iſt eine von den etwa 150 Rieſen⸗ tannen des Wurzelberges, die, bis 50 m hoch, über 300 Jahre alt ſein mögen und ſorgſam geſchont werden. Die betreffende Tanne hat nach einer kürzlich angeſtellten Meſſung einen Umfang von 7,6 m. M—s. Die Riechfunktion der Inſektenfühler ſuchte V. Graber (Biologiſches Centralblatt Bd. VII, S. 13) durch Wahlexperimente zu beweiſen. Es galt, einen Riechſtoff ausfindig zu machen, der auf die Tiere in ganz entſchiedener Weiſe anziehend oder abſtoßend wirkt. Einen unzweifelhaft anziehenden Stoff zu entdecken gelang nicht; dagegen lernte Verfaſſer in altem, ſtark riechendem Käſs ein heftig ab⸗ Humboldt. — November 1887. ſtoßendes Riechmittel kennen, und mit dieſem wurden auch die betreffenden Experimente ausgeführt. Eine größere Anzahl Küchenſchaben wurde in einen Blechtrog eingeſetzt, der eine riechende und eine nicht riechende Abteilung ent⸗ hielt. Bei 36 Beobachtungen wurde für die Käſeabteilung 30 mal ein auffallender Minusbeſuch verzeichnet. Natürlich geſchahen die Wahlverſuche im Dunkeln. Maßgebend für die Entſcheidung der Frage waren zahlreiche, unter voll⸗ ſtändig gleichen Bedingungen angeſtellte Experimente mit Tieren, die der Fühler beraubt waren. Es ergab ſich, daß die Totalſumme der die riechende und nicht riechende Ab⸗ teilung beſuchenden Tiere nahezu die gleiche war. Nach ſolchen und ähnlichen Reſultaten betrachtet es Verfaſſer als erwieſen, daß die fühlerloſen Küchenſchaben wenig oder gar nichts mehr riechen, und daß ſomit die Fühler bei dieſen und einigen anderen Inſekten thatſächlich als Geruchsorgane fungieren — aber ohne ſeine Behauptung auf alle In⸗ ſekten ausdehnen zu wollen. G. Fortpflanzung bei Schildläuſen. Eine bisher als Parthenogeneſis gedeutete Art von Fortpflanzung klärt Monier (Comptes Rendus 14. II. 1887) in merkwürdiger Weiſe auf. Er teilt mit, daß bei Lecanium hesperidum, einer wohlbekannten Art der Familie der Coceiden, bei welcher es weder Leydig noch Leuckart gelungen iſt, die Männchen ausfindig zu machen, und bei welchen die Parthenogeneſis allgemein angenommen war, zahlreiche Männchen im Entwickelungsſtadium neben weiblichen Em⸗ bryonen im Muttertier zu finden ſind. Es iſt ihm ge⸗ lungen, mehrere Entwickelungsſtadien bei den Männchen zu beobachten. In dem erſten ſind die äußeren Organe nicht ausgebildet und der Körper ſcheint einzig und allein von Teſtikularfollikeln eingenommen zu ſein. Im zweiten Stadium zeigt ſich der Körper in Ringe geteilt, im dritten, welcher das vollkommene Tier darſtellt, ſind die Fühler und die Beine entwickelt und der Penis wird ſichtbar. Das junge Männchen, immer noch im Körper der Mutter befindlich, hat keine Andeutung von Augen und ſeine feine Haut kontraſtiert mit der chitinöſen Umhüllung und den gut ausgebildeten jungen Weibchen, welche auch Augen beſitzen. Die Spermatozoen, deren Geneſis der Autor ver⸗ folgt hat, finden ſich ganz entwickelt in den Geſchlechts⸗ organen des Embryo. Monier hat niemals ein Männchen außerhalb des mütterlichen Organismus gefunden; das Vorhandenſein eines Penis, die Reife der Sexualprodukte, die Abweſenheit von Haftorganen laſſen ihn vermuten, daß die Befruchtung der Weibchen vor ihrer Geburt ſtatt⸗ findet und daß bei Lecanium hesperidum keine Partheno⸗ geneſis beſteht. Wenn es alſo Arten gibt, bei welchen die geſchlechtsreifen männlichen Embryonen im mütterlichen Körper die weiblichen Embryonen befruchten, ſo dürfte auch in anderen Fällen die Parthenogeneſis nur ſchein⸗ bar ſein, und der Verfaſſer iſt geneigt zu glauben, daß ſie in Wirklichkeit nicht exiſtiert. Wie es ſich auch mit dieſer Hypotheſe verhalten möge, ſo verdienen die Beob⸗ achtungen von Monier jedenfalls Aufmerkſamkeit. G. BWimikrie bei Amphipoden. Aus einer Sammlung pelagiſcher Kruſtaceen vom Atlantiſchen Ocean beſchreibt (im Bd. XIII. der Nova Acta Soc. Sc. Upſal.) Bovallius ein neues Amphipodengenus Mimonectis zu den Hyperiden ge⸗ hörig. Es iſt leicht zu erkennen an der enormen Ent⸗ wickelung des Kopfes und eines Teiles des Pereions, welche zur Bildung einer hyalinen Glocke führen. Das Innere dieſer Glocke enthält eine Flüſſigkeit, deren Natur nicht konſtatiert werden konnte, ebenſowenig ließ ſich eine Ver⸗ bindung dieſes Waſſerraumes mit dem umgebenden Medium oder den Organſyſtemen des Tieres nachweiſen, welche unterhalb der Glocke liegen. Die ſchlanken Beine, die Bronchialanhänge, die eiertragenden Lamellen und der kurze Schwanz hängen abwärts wie die Filamente der Meduſen. So erinnert das Tier, und das iſt das all⸗ gemein Intereſſante hieran, in ſeiner ganzen Erſcheinung auf den erſten Blick an eine kleine Meduſe. Es iſt dies der erſte Fall von Mimikrie bei Amphipoden und findet leicht in der Lebensweiſe der Hyperiden eine Erklärung, Humboldt. — November 1887. die teils bei Meduſen ſchmarotzen, teils dieſelben ausfreſſen, um die leere Glocke als Wohnort zu wählen. p- Die fünf deutſchen Rana-Arten. Allgemein bekannt und in Deutſchland überall verbreitet ſind der grüne Waſſerfroſch, Rana esculenta L., und der braune Grasfroſch, Rana temporaria L. Daß ſich außer dieſen noch drei „gute“ Arten in Deutſchland finden ſollen, der Seefroſch, Rana ridibunda Fall., der Moorfroſch, Rana arvalis Nilsson, und der Springfroſch, Rana agilis Thomas, erſcheint vielleicht manchem zweifelhaft, dürfte aber, von dem Zeugnis älterer Autoritäten ab— geſehen, nach den eingehenden Unterſuchungen Pflügers, Boulengers und Böttgers nunmehr als ſicher erwieſen an— zuſehen ſein. Der erſt erwähnte Froſch der drei ſeltneren Arten, der Seefroſch, ſchließt ſich dem Waſſerfroſch, die anderen beiden dem Grasfroſch an. Der Unterſchied zwiſchen der Eseu— lenta- und der Temporaria-Gruppe iſt leicht erkennbar. Vollkommen entwickelte, bis zur längſten Zehenſpitze reichende Schwimmhäute, äußere Schallblaſen bei den Männchen und ſtets ſchwarz und hell marmorierte Hinterbacken ſind gute Unterſcheidungsmerkmale der Esculenta-Gruppe; bei der Temporaria-Gruppe iſt die Schwimmhaut nicht vollkommen, die Hinterbacken zeigen ſich niemals dunkel marmoriert und kein Vertreter dieſer Abteilung beſitzt äußere Schallblaſen— öffnungen. Der Seefroſch, Rana ridibunda Pall. = R. fortis Boul., aus Böhmen, Ungarn, Polen, Rußland, Weſt- und Centralaſien bekannt, iſt in Deutſchland bis jetzt nur in den ſeeartigen Verbreiterungen der Spree bei Berlin ge— funden worden, wo er zuſammen mit dem Waſſerfroſch lebt, aber, was ſchon für ſeine Berechtigung als gute Art ſpricht, bereits Ende Mai abgelaicht hat, wenn der Waſſer— froſch ſich erſt hierzu anſchickt, ſo daß, ſoweit wir wenigſtens bis jetzt wiſſen, keine Baſtardierungen vor— kommen. Der Seefroſch iſt größer und ſtattlicher als der Waſſerfroſch; ferner iſt der Ferſenhöcker klein, verlängert, ſchwach vorragend; ſeine Länge beträgt 2—4 mm in Exemplaren, bei denen die Innenzehe 9— 12 mm mißt, während bei R. esculenta der zuſammengedrückte und ſehr kräftige Ferſenhöcker an den Zehen von erwähnter Länge 4—5 mm groß iſt. Ein konſtanter Farbenunterſchied zwiſchen beiden Arten iſt endlich der, daß bei R. esculenta die ſchwarze Marmorierung in den Weichen und auf den Hinterbacken ſtets mehr oder weniger lebhaftes Gelb ein— ſchließt, welches bei R. ridibunda völlig fehlt. Unter den drei Arten der Temporaria-Gruppe fet zu⸗ erſt der ſeltenſte, der Springfroſch, Rana agilis Thomas, erwähnt. Er fällt auf durch zarten Körperbau, ungefleckten Bauch und erſtaunliche Springfertigkeit und iſt ſicher daran zu erkennen, daß die Gelenkhöcker auf der Unterſeite der Finger und Zehen auffallend vorſpringend, förmlich kropf— förmig entwickelt ſind und daß die ſehr langen und dünnen Hinterbeine, deren Tibia beinahe ebenſo lang ift, wie die vordere Extremität, über den Rücken nach vorn gelegt mit dem unteren Gelenk des Unterſchenkels (Tibiotarſal-Ge—⸗ lenk) die Schnauze entſchieden überragen. Die Schnauze iſt lang, am Ende rundlichſpitz, der Ferſenhöcker ſtark, hart, einen länglichen Wulſt bildend, Schwimmhaut unvoll- kommen (Zweidrittelsſchwimmhaut) und die Männchen be- ſitzen gar keine Schallblaſen. Die Laichzeit fällt in Ende April und Anfang Mai. In Deutſchland iſt der Spring⸗ froſch, der ſonſt aus Frankreich, Schweiz, Italien, Dal- matien, Oeſterreich und Griechenland bekannt iſt, nur ein- mal, bei Straßburg i. E., gefangen worden. Die beiden anderen Temporaria-Fröſche, den echten Grasfroſch und den Feld- oder Moorfroſch hat ſchon Steenſtrup auf Grund der Schnauzenform unterſchieden. Der Grasfroſch, Rana temporaria L. = R. platyrrhina Steenstr. beſitzt eine kurze, ſtumpfe Schnauze, während dieſe bei dem Moorfroſch, Rana arvalis Nilsson = R. oxyr- rhina Steenstr. zugeſpitzt iſt. Ein raſcheres und ſicheres Erkennungszeichen bietet der Ferſenhöcker, welcher bei R. temporaria ſchwach und weich iſt, einen länglich-runden, fruchtung mechaniſch zu erklären verſuchte. 435 ſtumpfen Wulſt bildend, während er bei R. arvalis ſtark, hart, zuſammengedrückt, ſchaufelförmig (ähnlich wie bei R. esculenta) und immer (länger iff als die Hälfte der Länge der anliegenden, erſten Zehe. Weitere äußere Unterſchiede ſind, daß die Schwimm— haut bei R. temporaria faſt vollkommen iſt, bis an die Wurzel des letzten Gliedes der längſten Zehe reichend (Drei— viertelsſchwimmhaut), bei R. arvalis nur, wie bei R. agilis, eine Zweidrittelſchwimmhaut, die bis an die Wurzel des vorletzten Gliedes der längſten Zehe reicht, daß der drüſige Längswulſt an den Rückenſeiten bei R. temporaria weniger hervorſpringt, bei R. arvalis ſtark und hier von weſentlich hellerer Farbe als die Umgebung iſt, daß der Bauch bei R temporaria faſt immer rotbraun gefleckt, bei R. arvalis ungefleckt iſt und daß endlich bei erſterer Art das Hinter— bein, über den Rücken gelegt, mit dem Tibiodorſal-Ge— lenk die Schnauzenſpitze, nicht oder kaum bei R. arvalis eben erreicht. Tiefgreifende, anatomiſche Unterſchiede beſtätigen die Verſchiedenheit der beiden Arten; der intereſſanteſte iſt der, daß bei R. temporaria die Spermatozoen einen langen, ſchmalfadigen, ſpitzen, „rutenförmigen“ Kopf haben, die von R. arvalis einen viel kürzeren, walzenförmigen, vorn abgeſtumpften, „wurſtförmigen“, ſo daß Pflüger allein auf dieſe Thatſache hin die Unmöglichkeit einer künſtlichen Be— Die Laichzeit fällt bei R. temporaria in Mitte März, bei R. arvalis 14 Tage bis drei Wochen ſpäter. Während der Grasfroſch ganz Nord- und Centraleuropa und Aſien bis zur Mongolei bewohnt, überſchreitet der Moorfroſch den Rhein weſtlich nicht; er iſt bekannt aus Nord-, Oſt- und Centraleuropa, Weſtſibirien, dem Kaukaſusgebiet, Nordperſien und ſcheint mit Vorliebe im Moorgebiete zu wohnen. Sein Vor— kommen in Deutſchland genauer kennen zu lernen, wäre von zoogeographiſchem Intereſſe. — p. Die Gaußlerei der indiſchen Schlangenbeſchwörer. Erſcheint es ſchon an ſich höchſt zweifelhaft, daß giftige Schlangen, trotzdem fie gereizt werden, durch Muſik, Zu— rufe oder ſonſtwie abgehalten werden ſollten, von ihren Giftzähnen Gebrauch zu machen, ſo iſt es noch unwahr— ſcheinlicher, daß die Gaukler den Biß ſo großer gefähr— licher Giftſchlangen, wie es die Brillenſchlangen ſind, wiederholt ungefährdet ertragen können ſollten. Anderer— ſeits, wenn auch die meiſten der bei den öffentlichen Schlangenbeſchwörungen in Aktion tretenden Giftſchlangen ihrer Giftzähne beraubt ſind, iſt aber doch nicht in Abrede zu ſtellen, wie ich mich ſelbſt überzeugen konnte, daß auch im vollen Beſitz ihrer Giftzähne befindliche Schlangen vor— geführt werden. Wie ich nun nach wiederholten, ſehr ſorgfältigen Beobachtungen an gefangenen Brillenſchlangen beſtimmt verſichern zu können glaube, erſcheinen die ſich ſo gewagt gebenden Gauklereien mit dieſen Giftſchlangen nicht ſo gefährlich. Einmal geben ſich alle großen Gift— ſchlangen nach ganz kurzer Gefangenſchaft — vielleicht auch im Freien — lange nicht ſo erregt und reizbar wie z. B. unſere Kreuzottern; fie erſcheinen ruhiger, gelaſſener, als wären ſie ſich der gewaltigen Wirkung ihres Biſſes, der Feinde von ihnen fernhält, bewußt. Was aber hier noch mehr in die Wagſchale fällt, iſt, daß eine kleine Gift— ſchlange weit raſcher zubeißen zu können ſcheint, als eine Brillenſchlange, bei der vom Momente, da ſie gereizt wird, bis zu dem, da ſie wirklich zum Biſſe ſchreitet, eine ganz merkliche Zwiſchenpauſe vergeht; immer richtet ſie ſich zuerſt aus ihrer liegenden Stellung auf, hebt den Vorder— körper ſenkrecht in die Höhe, biegt den Kopf in wagrechter Stellung um, bläht den Hals mit ſeinen langen Rippen halbkorbförmig auseinander und beißt erſt jetzt nach ihrem Gegner. Da ſich Brillenſchlangen ſchon in den erſten Tagen der Gefangenſchaft mit einem Stabe ruhig ſtreicheln laſſen, ohne in Zorn zu geraten, fo bringt man es bald dahin, die Schlangen ohne Gefahr abwechſelnd durch Reizen in Kampfesſtellung und raſch wieder zur Ruhe zu bringen. Ohne die Kunſtfertigkeit eines indiſchen Gauklers war ich imſtande, eine halbe Stunde lang vier ausgewachſene, nahezu armdicke Brillenſchlangen ununterbrochen zu reizen 436 Humboldt. — November 1887. und wieder zu beſänftigen, ohne daß ich nur einen Moment in Gefahr kam, gebiſſen zu werden. Das ganze Thun und Treiben der Gaukler wird alſo auf nichts anderes hinaus⸗ laufen, als auf ſolches von Muſik und ſonſtigem Hokus⸗ pokus begleitetes Reizen und Wiederberuhigen der Schlangen, wobei natürlich keine der Schlangen aus dem Auge ge⸗ laſſen werden darf und die der Zähne Beraubten ab und zu auch gefahrlos mit der Hand gepackt werden können. Das Sicherheben, Aufblähen, ärgerliche Hin- und Her⸗ wiegen, dann wieder beruhigt Sichfallenlaſſen der Schlangen erſcheint in der That wie ein Tanzen, für den Laien natür⸗ lich durch die Muſik veranlaßt. Gewiß wird es kein Menſch, der die Schlangen nicht beſſer kennt, ungeſtraft wagen, ſolches Spiel mit ihnen zu treiben — dem Profeſſions⸗ gaukler aber, der ſeine Gefangenen genau kennt, ſich einer ſicheren Hand und ruhigen Blickes erfreut und alle ſeine Bewegungen und Handgriffe mit allerlei Blendwerk maskiert, iſt es ein Leichtes, das Publikum glauben zu machen, daß dieſe gefährlichen Tiere ſeinem Zauber willenlos folgen müſſen. Dr. Fr. Knaner. Haus- und Wildkatze. Als Hauptunterſcheidungs⸗ merkmal beider Katzenarten gilt die Färbung und Geſtalt des Schwanzes. Er iſt bei der Wildkatze überall gleich dick, walzenformig rund, mit langen dichtſtehenden Haaren bedeckt und durch eine ſtumpfe, ſchwarze Schwanzſpitze aus⸗ gezeichnet. Der Schwanz der Hauskatze dagegen iſt ſchmäch⸗ tiger, kürzer und weniger dicht behaart und nimmt von der Wurzel nach der Spitze hin an Dicke allmählich ab. Da nun alle Tiere mehr oder weniger variieren und Hauskatzen von genau der Farbe ihrer wilden Verwandten vorkommen, ſo kann oft ein Zweifel entſtehen, ob die von einem Baume herabgeſchoſſene Katze für die eine oder andere Art anzusprechen jet. Es ijt deshalb von großem Intereſſe, daß von Profeſſor Nehring in dem ſogenannten x Fig. 1. Rechter Hinterlauf der Wildkatze. Fig. 2. Rechter Hinterlauf einer wildfarbigen Hauskatze. Sohlenfleck ein durchgreifendes Unterſcheidungsmerkmal gefunden wurde. (Deutſche Jägerzeitung 1887, Nr. 28 u. 35.) Dieſer ſchwarze Fleck findet ſich an der Unterſeite der Sohle, dicht hinter den Zehenballen, ein wenig nach außen gerückt, an der Stelle, welche in Fig. 2 mit a bezeichnet iſt. Der übrige Teil des Fußes veſp. der Sohle bis zu dem Ferſenbeinfortſatz b iſt gelblich gefärbt, jo daß ſich jener ſchwärzliche Fleck deutlich von ſeiner Umgebung ab⸗ hebt. Dagegen ſcheint bei ſolchen Hauskatzen, welche im übrigen wildkatzenfarbig genannt werden dürfen, die Sohle des Hinterfußes von a bis b, Fig. 1 durchweg von gleich⸗ mäßiger und zwar meiſtens ſchwarzer Farbe zu ſein, ohne daß ein beſtimmt abgegrenzter Fleck an der Stelle a zu erkennen wäre. Dieſer Unterſchied ſcheint freilich auf den erſten Blick ziemlich unwichtig zu ſein; aber er iſt nach allen bisherigen Beobachtungen ſehr konſtant und gewinnt dadurch an Bedeutung. : Profeſſor Nehring hat auch die Färbung der Sohle bei derjenigen Katzenart unterſucht, welche von den meiſten Zoologen als Stammart der Hauskatze angeſehen wird. Dies iſt bekanntlich Felix caligata Temm. veſp. F. mani- culata Riipp., die kleinpfotige afrikaniſche Wild⸗ katze, welche in mehreren Varietäten über einen großen Teil von Afrika verbreitet iſt, dieſelbe Art, welche bei den alten Aegyptern als heilig verehrt und häufig einbalſamiert wurde. In dem reichhaltigen zoologiſchen Muſeum der Berliner Univerſität vorhandene ſicherbeſtimmte Exemplare von F. caligata und F. maniculata zeigten ſämtlich die für die wildfarbige Hauskatze konſtatierte dunkle Sohlen⸗ färbung (von a bis b). Bei F. maniculata, der nubiſchen Falbkatze, welche jetzt gewöhnlich nur als eine ſteppenbewohnende Varietät der Felis caligata Temm. (= F. caffra Desm.) an⸗ geſehen wird, fand ſich inſofern eine kleine Abweichung, als die ſchwarze Färbung nicht die ganze Breite der Sohlen⸗ fläche von a bis b einzunehmen ſchien, ſondern noch einen ſchmalen, heller gefärbten Streifen übrig ließ. Wie weit hierbei die Thätigkeit des Ausſtopfers im Spiele iſt, läßt Nehring vorläufig dahingeſtellt ſein. Bei zahlreichen Exem⸗ plaren von F. caligata war ſtets die ganze Sohle bis zum Ferſenhöcker ſchwarz. Ebenſo fand Nehring die Sohle bei allen Haus⸗ katzen des zoologiſchen Muſeums, welche nur einiger⸗ maßen wildfarbig waren, bis zur Ferſe ſchwarz ge⸗ färbt; desgleichen bei allen wildfarbigen Hauskatzen, welche er lebend vergleichen konnte, und zwar ſogar bei einem Exemplar, welches durch Kreuzung einer weißen Katze mit einem grauen Kater produziert war. Die dunkle ee ſcheint eben ein ſehr konſtantes Merkmal zu ſein! Dagegen fand Nehring bei allen ſechs Exemplaren der echten europäiſchen Wildkatze, welche im zoologiſchen Muſeum der Berliner Univerſität vorhanden ſind, den beſchriebenen „Sohlenfleck“ bei übrigens hellerer (gelblicher oder gelbgrauer) Färbung der Sobhlenpartie von a bis b. Nur bei einem dieſer Exemplare war der Sohlenfleck nicht ganz deutlich abgegrenzt; doch war er hier, wie es ſchien, im Laufe der Jahre durch die Ein⸗ wirkung des Lichtes verblaßt. Sonach war bei allen un⸗ zweifelhaften Exemplaren der letzteren Art (F. catus ferus), welche Nehring bisher vergleichen konnte, der Sohlenfleck vorhanden, alle wildfarbigen Hauskatzen, ſowie alle Exemplare der kleinpfotigen afrikaniſchen Wildkatze (F. caligata), zeigten die Sohlenfläche von a bis b dunkel gefärbt. Dieſes Verhältnis beſtätigt die Anſicht, daß unſere Hauskatze aus Afrika ſtammt und von der dortigen kleinpfotigen Wildkatze (F. caligata) abzuleiten iſt, eine Anſicht, welche auch ſonſt vieles für ſich hat. Bei einer von Herrn v. Bünau geſchoſſenen „Wild⸗ katze“ aus der Gegend von Johannisberg war die ganze Sohle von a bis b ſchwarz. Nach der bedeutenden „Größe“ und dem Gewichte müßte man dieſes Exemplar allerdings für eine echte Wildkatze halten. Nehring glaubt indes nach ſeinen bisherigen Beobachtungen, daß es ſich in dieſem Falle um einen Baſtard von verwilderter Hauskatze und Wildkatze handelt. Nach O. v. Rieſenthal (Jagdlexikon, S. 284) ſollen verwilderte Hauskatzen oft ebenſo ſtark und ſchwer wie Wildkatzen werden. Im übrigen ſind weitere Beobachtungen in dieſer Richtung ſowohl über echte Wildkatzen, als auch über wild⸗ farbige Hauskatzen und etwaige Baſtarde beider ſehr er⸗ wünſcht! En. Vielzehige Katzen. Herr Ed. B. Poulton züchtet nun ſchon in der ſiebenten Generation Katzen mit abnorm zahlreichen Zehen an Vorder- und Hinterpfoten; die Anomalie erbte mit großer Sicherheit fort, obwohl die weiblichen Katzen durchaus nicht ſyſtematiſch gehütet wurden und ſich darum ſtets mit normalen Katern kreuzten. In Anbetracht der großen Wichtigkeit, welche eine ſorgſame fortgeſetzte Beobachtung dieſer abnormen Katzenfamilie für die Vererbungslehre beſitzt, hat Herr Poulton ſich nun entſchloſſen, einige Paare auf einer der Deſertos bei Madeira auszuſetzen und ſie dort, wo jede Vermiſchung mit normalen Katzen ausgeſchloſſen iſt, ſich weiter ent⸗ Humboldt. — November 1887. wickeln zu laſſen. Schon in wenigen Jahren wird fic) zeigen, ob die Polydaktylie ſich vererbt, und ob ſich mög— licherweiſe die Anomalie noch weiter ausbildet. Ko. Einen hochgradigen Sinfenaftiqmatismus findet Berlin (Zeitſchrift f. vergl. Augenheilkunde V, 1, S. 1) bei allen größeren Säugetieren. Derſelbe beruht auf Un⸗ regelmäßigkeiten im inneren Bau der Linſe und verurſacht eine Verſchiebung des Bildes in toto. Er wird daher bemerkt an einer unproportional ſtarken Verſchiebung der Details des Augenhintergrundes bei Bewegungen des beobachteten Auges (beim Ophthalmoſkopieren im auf— rechten Bilde) und ferner an einem innerhalb des Linſen— ſyſtems ſichtbaren Reflex. Die Linſe verhält ſich einiger— maßen ähnlich einer „Butzenſcheibe“. Dieſer Umſtand muß es nun mit ſich bringen, daß bei kleinen Bewegungen äußerer Objekte das Netzhautbild ſtärkere Bewegungen er— fährt, über mehrere Stäbchen oder Zapfen hinläuft, als ohne ſolchen Aſtigmatismus der Fall fein würde. Hier— nach iſt alſo anzunehmen, daß der Aſtigmatismus die Perceptionsfähigkeit für kleine Bewegungen ſteigert und daß hierin eine phyſiologiſche Bedeutung zu ſuchen iſt. Beim Menſchen findet ſich der ablenkende Linſenaſtigmatismus nur ausnahmsweiſe, und zwar in zwei Formen, deren eine dem Alter, die andere der Kindheit angehört; beide treten nur vorübergehend auf. G. Aleber die Empfindlichteit des Geruchſinnes. Die Gewichtsmengen riechender Subſtanzen, welche nötig ſind, um Geruchsempfindung hervorzurufen, ſind neuerdings von E. Fiſcher und Penzoldt ermittelt worden (Ann. d. Chemie und Pharmacie 239, 131). Nach Valentin betragen die durch den Geruch noch erkennbaren Mengen Brom /o mg, Schwefelwaſſerſtoff '/sv00 mg und Roſenöl ½0 boo mg. Zu ſehr viel kleineren Werten gelangten Fiſcher und Penzoldt unter Benutzung ſtärker riechender Stoffe, Mercaptan und Chlorphenol. Die Verſuche wurden in der Art angeſtellt, daß der eine der Experimentierenden die alkoholiſche Löſung der betreffenden Subſtanz mit einem Gebläſe in einem leren 230 ebm faſſenden Saal verdampfte, darauf die Luft zehn Minuten lang mit einer Fahne gut durchmiſchte, worauf der andere eintrat, um den Geruch zu prüfen. Für Chlorphenol und Mercaptan ergab ſich die Grenze der Wahrnehmbarkeit, als 1 mg des erſteren und 0,01 mg des letzteren verdampft wurden. Da die Luftmenge, welche die Naſe während einer Geruchsempfindung paſſiert, etwa 50 ce beträgt, fo ergibt fic), daß / so h mg Chlor- phenol und 7/460000000 mg Mercaptan im ſtande find, den Riechnerv zu erregen. Die für Mercaptan gefundene Zahl iſt alſo noch viel kleiner als die Gewichtsmenge Natrium, welche mit Hilfe der Spektralanalyſe, der ſchärfſten aller chemiſchen Methoden, erkannt werden kann. Kirchhoff und Bunſen berechnen die ſpektralanalytiſch leicht erkennbare Menge Natrium auf 41400000 mg: Die außerordentliche Empfindlichkeit der Naſe gegen Mercaptan legt den Gedanken nahe, dasſelbe zu benutzen bei Verſuchen über Luftſtrömungen, Diffuſion von Gaſen, bei der Prüfung von Ventilationsvorrichtungen oder bei geologiſchen und bergmänniſchen Studien über Spalten, Gänge und Waſſerläufe im Gebirge. Al. Einfluß der Hautfarbe auf die Erkrankung der Tiere. In ſeinem Werke: „Das Variieren der Tiere und Pflanzen“ 2c. erwähnt Darwin, daß der Genuß von Buch- weizen weißhäutigen Schweinen, die der Einwirkung des Sonnenlichtes ausgeſetzt wurden, ſehr ſchädlich war, während ſchwarze Schweine nicht erkrankten. Dieſe auffallende Er— ſcheinung iſt den Tierärzten wohl bekannt, eine Erklärung konnte aber bisher nicht gegeben werden. Wedding in Gulbien bei Deutſch-Eylau verfütterte Buchweizenſtroh an Rindvieh und Schafe (Verhandl. der Berl. Geſellſch. für Anthropologie ꝛc. 1887) und beobachtete blaſenförmige Auf— treibungen der Haut, unter welchen ſich eine klare gelbliche Flüſſigkeit ſammelte. Völlig verſchont blieben nur dunkel— 437 pigmentierte Tiere, während die Krankheit um ſo heftiger auftrat, je heller das Tier gefärbt war. Ebenſo erkrankten nicht die im Dunkeln gehaltenen Tiere, während das diffuſe Licht, noch mehr direktes Sonnenlicht, die Krankheit her— vorrief. Bei ſchwarz und weiß gefleckten Tieren traten die Blaſen nur auf den weißen Teilen der Haut auf, und als eine weiße Kuh auf der einen Seite mit Teer geſchwärzt worden war, blieb dieſe Seite verſchont, während die an- dere Seite erkrankte. Uebrigens ſcheint dieſe größere Empfindlichkeit der weißen Hautſtellen auch bei anderen Krankheiten zu beſtehen. So beobachtete Ruthe wiederholt idiopathiſch und als Symptom anderer ſchwerer Krankheiten bei bunten Tieren Ausfallen der Haare, Abſtoßung der Oberhaut und ſelbſt Abſterben der Lederhaut an den weißen Stellen. D. Im Hinblick auf die modernen Hungervirtuoſen iſt das Tagebuch des Advokaten Viterbi von Intereſſe, welches in der „Rev. scientif.“, 1887 I, 2, S. 61 auszüglich mitgeteilt tft. Viterbi hat ſich, um in der Reftaurations- zeit dem Schaffote zu entgehen, durch ſtrenge Enthaltung aller Nahrung, welche er vom 3. Dezember bis zu ſeinem Tode am 20. Dezember 1821 durchführte, getötet. Ge— trunken hat er in dieſer Zeit nur einmal, von entſetzlichem Durſt geplagt, 1½ Glas Waſſer am zehnten Tage. Das Tagebuch iſt die fünf erſten Tage von Viterbi ſelbſt ge— führt, ſpäter und bis zum Ende von ihm diktiert und unterſchrieben. Nur einmal, und zwar am dritten Tage, iſt verzehrendes Hungergefühl erwähnt. Von da ab führt Viterbi jeden Tag ausdrücklich an, daß er keinerlei Trieb zum Eſſen verſpüre, daß die Nahrung ihm gleichgültig ſei, daß der Hunger ganz aufgehört habe. Um ſo größer waren bis zwei Tage vor dem Tode die Qualen des Durſtes. Am 18. Dezember erklärt Viterbi, daß ſein Blick klar iſt, ſein Kopf unumwölkt, und daß er die Empfindung großer Ruhe habe. Der erfolgreichen Hungerperiode war eine kürzere von ſechs Tagen vorhergegangen, welche Viterbi durch unmäßige Nahrungsaufnahme unterbrach, in der Hoffnung, ſich dadurch zu töten. Da er aber danach ſehr gut geſchlafen hatte und keine Unbequemlichkeiten ſpürte, ſchritt er ſofort zum Beginn der bis zum Tode durch— geführten Abſtinenz. G. Suftinkt eines Hechtes. Im Aquarium in Neapel wurde nach einer Mitteilung in der „Seience et Nature“ ein Hecht mit kleinen Fiſchen gefüttert. Eines Tages kam man auf den Gedanken, eine Glasſcheibe zwiſchen dem Hecht und ſeiner Speiſe einzulaſſen. Nach kurzer Zeit will der Hecht ſein Diner beginnen. Er nimmt einen Anlauf, um ſich auf ſeine Opfer zu ſtürzen. Allein alles, was er fängt, iſt ein tüchtiger Stoß gegen die Naſe. Ganz ver— blüfft, bleibt er einen Augenblick ruhig, dann wiederholt er dasſelbe Manöver, aber ohne beſſeren Erfolg. Mürriſch, ohne ſeinen Hunger geſtillt zu haben, zieht er ſich in eine Ecke zurück und denkt nach, was wohl dieſes Vorzeichen zu bedeuten habe. Mehrere Tage ſpäter entfernt man die Glasſcheibe. Man weiß nicht, ob Meiſter Hecht vielleicht ſeine Verſuche erneuert hat, kurzum, wie er die kleinen Fiſche in ſeinem Waſſer ſchwimmen ſieht, da packt ihn ein paniſcher Schrecken. Er beginnt ſofort den Fiſchen zu entfliehen. Ohne Zweifel ſchreibt er ihnen das Phänomen zu, das ihm begegnet war. Ein Hecht flieht aber vor keinen Fiſchen! Das Ergebnis dieſer Erfahrung iſt doch ſonderbar. Mt. Schlangentumulus. Der unter dem Namen „The Great Serpent“ bekannte Mound auf Farm Lowett in Adam County, Ohio, iſt von einigen Boſtoner Damen angekauft und der Obhut des Peabodymuſeums übergeben worden. Eines der intereſſanteſten Denkmäler der amerikaniſchen Urzeit iſt damit vor der Vernichtung geſchützt. Es hat bekanntlich die Form einer ungeheuren Schlange, welche in einer Länge von 325 m ein ausgedehntes Plateau ein— nimmt. Ko. 438 Humboldt. — November 1887. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verfammiungen etc. Zwölfte Verſammlung der Aſtronomiſchen Gefell- ſchaft zu Kiel vom 29—31. Auguſt 1887. Am 29. Auguſt vormittags 10 Uhr wurde die Verſammlung der Aſtrono⸗ miſchen Geſellſchaft in der großen Aula der Univerſität durch den Vorſitzenden, Geheimerat Auwers, eröffnet. Der Oberpräſident der Provinz Schleswig⸗Holſtein, Steinmann, erhielt zunächſt das Wort, um die Verſammlung namens der Staatsregierung zu begrüßen. Nach einer Erwiderung des Vorſitzenden, welcher die Verdienſte der preußiſchen Regierung um die Förderung der Wiſſenſchaften hervor⸗ hob, und einigen begrüßenden Worten, welche der Rektor der Univerſität, Profeſſor Henſen, an die Verſammlung richtete, wurde zur Tagesordnung übergegangen. Der Be⸗ richt des Vorſitzenden über den Perſonalbeſtand der Ge⸗ ſellſchaft, der Kaſſenbericht des Rendanten und die Wahl einiger neuen Mitglieder fand in dem erſten Teile der Sitzung ſtatt. Im Geſchäftsbericht über die zwiſchen der letzten und der diesjährigen Verſammlung liegenden zwei Jahre ge- dachte der Vorſitzende zunächſt der im vergangenen März ſtattgehabten Aſtronomen-Konferenz in Paris zur photo⸗ graphiſchen Aufnahme des Himmels. Obwohl der Vorſtand ſich ſagte, daß von einer direkten Beteiligung der Aſtro⸗ nomiſchen Geſellſchaft an der vorzunehmenden gewaltigen Arbeit keine Rede ſein könne, entſandte er doch auf die von Paris erfolgte Einladung ſeinen Präſidenten dahin; außerdem nahmen noch vier der andern Vorſtandsmitglieder an der Konferenz teil. Beſonders auf Veranlaſſung dieſer Herren wurde der Beſchluß gefaßt, außer der großen Karte, welche alle Sterne bis zur 14. Größe umfaſſen ſoll, auch eine zweite auf einer kürzeren Expoſitionszeit beruhende Karte herzuſtellen, die nur die Sterne bis zur 11. Größe, aber dieſe in ihren Poſitionen um ſo genauer enthalten ſoll. Eine direkte Beteiligung der Aſtronomiſchen Geſell⸗ ſchaft an der photographiſchen Aufnahme des Himmels war, abgeſehen von andern Gründen, ſchon deshalb nicht mög⸗ lich, weil ſie noch für eine Reihe von Jahren vollauf be⸗ ſchäftigt iſt mit der Vollendung des von ihr in Angriff genommenen Zonenkatalogs aller Sterne der nördlichen Hemiſphäre bis zur 9. Größe. Weit entfernt, die An⸗ fertigung dieſes Katalogs als eine nunmehr unnötig ge⸗ wordene Arbeit anzuſehen, glaubt der Vorſtand vielmehr, daß der Wert desſelben ſich durch die projektierte photo⸗ graphiſche Aufnahme nur noch erhöhen werde, indem ſeine Sternpoſitionen bei der Ausmeſſung der Platten mit Er⸗ folg benutzt werden können. Nach einer einſtündigen Pauſe begannen hierauf die wiſſenſchaftlichen Vorträge. Zunächſt berichtete Profeſſor Bruns (Leipzig), über ſeine neueren Unterſuchungen bezüglich des Drei- und Vielkörperproblems. Seit der Entdeckung der Gra⸗ vitation hat man ſich mit dieſem Problem beſchäftigt, iſt aber nur in ſpeziellen Fällen zu angenäherten Löſungen gekommen, und die allgemeine Annahme geht dahin, daß eine vollſtändige Löſung mit den jetzigen Hilfsmitteln der Analyſis nicht zu erreichen iſt. Der Vortragende zeigte, daß auf dem bisher eingeſchlagenen Wege, der auf alge⸗ braiſchen Transformationen der Lagrangeſchen Bewegungs⸗ gleichungen beruht, nicht weiter zu kommen iſt; es wird nötig ſein, völlig neue Wege einzuſchlagen, die auf den Anwendungen der neueren Reſultate der Funktionentheorie beruhen, und möglicherweiſe zu wichtigen Reſultaten auf dem Gebiete dieſer ſchwierigen Unterſuchungen führen werden. Profeſſor Gyldén (Stockholm) macht auf die Schwierig⸗ keiten aufmerkſam, welche ſich der Löſung des Problems unter allen Umſtänden entgegenſtellen müſſen, und ſpricht ſeine Freude über die intereſſanten Unterſuchungen der Vorredner aus. Profeſſor Peters (Clinton) zeigte darauf Photo⸗ graphien von griechiſchen und arabiſchen Handſchriften des Almageſt, namentlich des darin enthaltenen Sternkatalogs vor. Die arabiſchen Hand⸗ ſchriften ſtammen ſämtlich von einem griechiſchen Manuſkript her, welches bei der Eroberung von Alexandria gerettet und nach Bagdad überbracht iſt. Die jetzt noch vorhandenen griechiſchen Handſchriften ſind ſämtlich jünger, keine wohl älter als aus dem 9. Jahrhundert. Von Profeſſor Weiß (Wien) wurden zwei Stern⸗ karten vorgezeigt, welche im Jahre 1512 angefertigt und drei Jahre ſpäter in Nürnberg gedruckt ſind. Die Sterne ſind von den beiden Hofaſtronomen des Kaiſers Maximi⸗ lian nach dem Kataloge des Ptolemäus gezeichnet, unter Veränderung der Längen um eine konſtante Größe von 10¼ Grad. Der übrige Teil iſt von Albrecht Dürer; die Karte iſt in Holz geſchnitten, und der Holzſtock hat ſich lange in Wien befunden, ſpäter iſt er nach Berlin ge⸗ kommen. Der vorgezeigte Abdruck ſtammt aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts. Eine Eigentümlichkeit der Karte beſteht darin, daß der Stern Fomalhaut darauf zweimal angegeben iſt, ebenſo wie in dem Kataloge des Ptolemäus, dadurch iſt es nötig geworden, den Kopf des ſüdlichen Fiſches in unnatürlicher Weiſe zu drehen. Profeſſor Peters (Clinton) macht hierzu die Bemerkung, daß in ſämtlichen arabiſchen Handſchriften des Almageſt derſelbe Fehler bezüglich des Sterns Fomalhaut begangen, und daß er ſogar in den Katalog des Ulugh Bei über⸗ gegangen ſei. Er ſchließt daran eine Auseinanderſetzung über den Urſprung des Ptolemäiſchen Sternkatalogs. Nach einer weitverbreiteten Meinung iſt derſelbe identiſch mit einem angeblich von Hipparch angefertigten Katalog, nur mit Anbringung der Präzeſſion auf eine ſpätere Zeit reduziert. Der Vortragende iſt der Anſicht, daß Ptolemäus ſein Sternverzeichnis nach eigenen Beobachtungen herge⸗ ſtellt habe. : Von Profeſſor Peters (Kiel) werden Reſultate über 14jährige Unterſuchungen an Chronometern mitgeteilt, welche zeigten, daß die Feuchtigkeit der um⸗ gebenden Luft zum Teil einen ſehr bedeutenden Einfluß auf den Chronometergang hat. Er empfiehlt die Herſtel⸗ lung hermetiſch ſchließender Gehäuſe. Geheimerat Neumayer ſchließt daran einige Bemerkungen über Chronometer⸗ Unterſuchungen an der Seewarte in Hamburg. Der zweite Sitzungstag begann mit einer kurzen Mitteilung des Vorſitzenden über den Stand der Be⸗ rechnungen der kleinen Planeten. Profeſſor Foerſter aus Berlin ſei verhindert zu erſcheinen, werde aber im Berliner Jahrbuche für 1889 einen ausführlichen Bericht über die kleinen Planeten geben. Die Anzahl der letzteren wachſe im Laufe der Jahre derartig heran, daß demnächſt eine Beſchränkung in der Berechnung ſtattfinden müſſe. Inwieweit eine ſolche wünſchenswert ſei, darüber möge die Verſammlung fic) äußern. Nach kurzer Diskuſſion über dieſen Gegenſtand, an welcher ſich die Herren Peters (Clinton), Gyldén, Oppenheim, Schönfeld und Krüger be⸗ teiligen, wird es für zweckmäßig erachtet, der Redaktion des Jahrbuches die geäußerten Wünſche mitzuteilen, dagegen vorläufig noch keine Kommiſſion zur Prüfung der ein⸗ ſchlägigen Fragen einzuſetzen, ſolange der Bericht des Profeſſors Foerſter noch nicht im Jahrbuche erſchienen iſt. Profeſſor Weiß (Wien) berichtet darauf über den Stand der Kometen rechnungen. Er erklärt es für durchaus wünſchenswert, daß eine neue ausführliche Kometo⸗ graphie bearbeitet werde, es ſei dies zwar eine ſehr große Arbeit, die aber zweckmäßig nur von einem einzigen Be⸗ arbeiter hergeſtellt werden könne. Er ſpricht die Hoffnung aus, daß ſich ein ſolcher bald finden möge. Darauf berichtet der Vorſitzende über den Fortgang Humboldt. — November 1887. 439 der von Mitgliedern der Geſellſchaft unternommenen Zonenbeobachtungen und Berechnungen. Der Bericht konſtatiert ein erfreuliches Fortſchreiten dieſer wichtigen Arbeiten, jo daß in abſehbarer Zeit ein Abſchluß derſelben zu erwarten iſt. Profeſſor Seeliger (München) legt einen Bericht über die Arbeiten der photometriſchen Kommiſſion vor, welcher in Kürze gedruckt werden wird. Die Geſell— ſchaft hat ein Wanſchaffſches Photometer angeſchafft, zu dem Zwecke, die Größenklaſſen der Sterne in der Bonner Durchmuſterung feſtzuſtellen; die Arbeiten ſind in der Mitte des vorigen Sommers begonnen und haben bereits zu einigen intereſſanten Reſultaten über das Verhältnis der Größenklaſſen und Helligkeiten geführt. Es folgt dann die Wahl des nächſten Verſamm⸗-⸗ lungsortes, und zwar werden München und Brüſſel vorgeſchlagen, von denen der letztgenannte Ort gewählt wird. Die wiſſenſchaftlichen Vorträge werden hierauf fort- geſetzt. Profeſſor Weyer (Kiel) ſpricht über Interpo— lation und gibt eine einfache von ihm gefundene Formel für die Interpolation bei periodiſchen Funktionen an, die in manchen Fällen, wie z. B. bei der Berechnung der mittleren Temperatur für einen beſtimmten Tag, wenn die Temperaturen für beſtimmte, in gleichen Intervallen liegende Tage gegeben ſind, eine weſentliche Vereinfachung der ſonſt üblichen Rechnungen darbietet. Profeſſor Thiele (Kopenhagen) hält darauf einen Vor- trag über Ausgleichung von Zeitbeobachtungen und Interpolation zwiſchen denſelbenz v. Härtl aus Wien über den Winnecke ſchen Kometen. Dieſer Komet hat, wie Oppolzer früher fand, ähnliche Anomalien in ſeiner mittleren Bewegung gezeigt wie der Enckeſche Komet, ſo daß man hier ebenfalls auf einen Einfluß eines widerſtehenden Mittels geſchloſſen hat. Die von dem Vor— tragenden begonnene Reviſion der Oppolzerſchen Rech— nungen und ſeine eigenen bezüglichen Unterſuchungen ſind noch nicht völlig zum Abſchluß gelangt. Profeſſor Folie (Brüſſel) berichtet über ſeine Unter⸗ ſuchungen über die tägliche Nutation, welche infolge der Bewegung der Erdrinde gegen den flüſſigen Erdkern entſteht. Dieſelbe iſt von einem ſolchen Betrage, daß ſie bei ſehr ſcharfen Beobachtungen merkbar werden kann, und iſt auch von dem Vortragenden bei einigen Beobachtungs⸗ reihen mit einiger Sicherheit nachgewieſen. Profeſſor Spoerer (Potsdam) gibt einige Mitteilungen über ältere Beobachtungen von Sonnenflecken, welche er in einem Stolberger Manuſkript der Jahre 1749 bis 1799 gefunden hat, und weiſt nach, daß zu manchen Zeiten ſehr merkwürdig lange andauernde Fleckenminima ſtattgefunden haben, fo daß jahrelang keine Flecken be- merkt worden ſind. Es ſcheint, daß vor dem Jahre 1700 die periodiſchen Verhältniſſe weſentlich andere geweſen ſind als ſpäter. Am dritten Sitzungstage fanden zunächſt die Neu- wahlen für den Vorſtand ſtatt. Es wurden ſämt⸗ liche austretende Mitglieder wiedergewählt, außerdem für das verſtorbene Vorſtandsmitglied Oppolzer O. v. Struve in Pulkowa. Die noch angemeldeten wiſſenſchaftlichen Vor⸗ träge mußten wegen vorgeſchrittener Zeit ſehr kurz gefaßt werden. Zunächſt berichtet Dr. Hartwig über die im Bau begriffene Sternwarte in Bamberg. Der Stifter derſelben, der vor einigen Jahren verſtorbene Dr. Remeis, hat ein Kapital von 400 000 Mark der Stadt Bamberg zu dem Zwecke vermacht, dort eine Sternwarte zu gründen. Das von dem Vortragenden verleſene Teſtament zeugt von dem hohen Sinne des Erblaſſers, der den größten Wunſch gehabt hat, ſein Vermögen der Wiſſenſchaft möglichſt nutz⸗ bar zu machen; die Mitteilungen, welche der Vortragende über die Pläne der Sternwarte und die zu beſchaffenden Inſtrumente macht, berechtigen zu der Vorausſetzung, daß den Wünſchen des Teſtators vollauf Rechnung getragen werden wird. Eine andere Privatſternwarte iſt kürz— lich in Wien entſtanden, über welche Dr. Herz berichtet. Profeſſor Weiß (Wien) ſpricht über neue Auflagen der Zonenkataloge, in denen die in den älteren Auflagen vorhanden geweſenen Fehler ſorgfältig berichtigt werden. Profeſſor Oudemans (Utrecht) teilt einige Er— fahrungen über jeine Verſuche mit, Sonnenprotu— beranzen und ſchwache Nebel zu ſehen, Safarik (Prag) zeigt ein kleines Paſſageninſtrument vor, an welchem mehrere Verbeſſerungen angebracht ſind. Nach Verleſung des Protokolls wurde die diesjährige Aſtronomen⸗Verſammlung durch den Vorſitzenden geſchloſſen. Am Abend fand eine Beſichtigung der Sternwarte ſtatt, an welche fic) eine ungezwungene Vereinigung der Mit- glieder in dem Garten und den Räumen der Sternwarte anſchloß. 5 Prof. Dr. C. F. W. Peters. Kiel. Dana auf den Sandwichinſeln. Profeſſor Dana, welcher ſich 1838 als Geolog der nordamerikaniſchen Expedition unter Kommodore Wilkes ſeine Sporen auf den Sandwichinſeln verdiente, hat ſich in dieſem Früh— jahr wieder nach Hawai begeben, um die Inſeln noch einmal genauer zu durchforſchen und die heutigen Ver— hältniſſe mit denen von 1838 zu vergleichen. Auf dem ewig bewegten Boden des hawaiſchen Archipels ſind ſeit 50 Jahren ſo bedeutende Veränderungen vorgekommen, daß ungeachtet der zahlreichen neuerdings angeſtellten Unterſuchungen ein Mann, der die Inſeln damals genau kennen lernte, gewiß ſehr intereſſante Reſultate zurück⸗ bringen wird. Ko. Die indiſche Regierung hat, „Englers Bot. Jahrb.“ zufolge, einen Plan zur vollſtändigen und ſyſtematiſchen Erforſchung der Flora von Oftindien entwerfen laſſen. Dies ganze Land ſoll in vier große Diſtrikte eingeteilt werden; von dieſen wird der eine Mr. Duthie, dem Su— perintendenten des botaniſchen Gartens zu Saharunpur, der zweite Mr. King, Superintendenten der botaniſchen Gärten zu Kalkutta, der dritte und vierte den Regierungs- botanikern von Madras und Bombay unterſtellt werden. Von den zu errichtenden kleineren botaniſchen Gärten auf den weſtindiſchen Inſeln iſt der erſte auf der Inſel Grenada am 18. Juli eröffnet worden. Für die weitere botaniſche Erforſchung der Phi- lippinen ſind im Budget von 1887/88 wiederum Mittel ausgeworfen worden. Aus der reichen Bflanzenfammlung, welche Dr. Mar⸗ loth im Juni 1886 im Hereroland angelegt hat, teilen „Englers Jahrbücher“ einige Beſtimmungen mit. In den nächſten Heften der Zeitſchrift ſollen die vollſtändigen Ver- zeichniſſe und die Diagnoſen der neuen Arten zum Ab— druck kommen. Howell, der durch ſeine prächtigen Sammlungen aus dem Oregongebiet bekannt geworden iſt, beabſichtigt, dieſen Winter nach den Sandwichinſeln zu gehen und dort Pflanzen zu ſammeln. Aſa Gray, Sereno Watſon und Eaton werden die Beſtimmungen übernehmen. Dr. Keck in Aiſtersheim übernimmt Subſkription zum Preis von 10—11 Dollars pro Centurie. Von den bekannten botaniſchen Modellen von Robert Brendel (Berlin SW. Kurfürſtendamm 101) iſt, wie Pro- feſſor de Bary in der „Bot.⸗Ztg.“ mitteilt, eine neue Folge erſchienen, nämlich Fruchtknotenquerſchnitte von Hypericum perforatum, Conium maculatum, Feenicu- lum capillaceum, Pisum sativum, Hyoscyamus niger Linum usitatissimum in 40—80 fader Vergrößerung. Die Ausführung iſt ſehr gut, in durchſcheinender (Gelatine?) Maſſe wird nicht nur der grobe, ſondern auch der feinere anatomiſche Bau von Fruchtknoten und Samenknoſpen dargeſtellt. Wenn de Bary trotzdem meint, daß das, was die Modelle bezwecken ſollen, ſich auch ohne ſie einfacher und beſſer erzielen läßt, ſo dürfte ſeine Anſicht auf vielen Seiten Widerſpruch erfahren. se 440 Humboldt. — November 1887. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im November 1887. (Mittlere Berliner Zeit.) 524 Algol 1643 U Cephei 9h 47™ I. ü.) 6208 Lal. Komet Olbers. 10h 36m A. d. 6 AR. Dekl. 17° 12m E, h, t BAG 1351 207° 50“ +17° 21“ 17 23m f fl. 64/2 14 460 E. I. 0 x Onionis 14" 49™ A fl. 6 11°277F, h. f 9 Gem, | 1589 U Cephei 114 4K f fl. 5 0 11523” E. at 7 Leonis | 145 45 f. 1 0 Leonis 12" Im A. d. 6½ 15 35 fl. fl. 6 1526 U Cephei 1687 Algol j Viele 216° 56’ + 138° 37“ 729 U Corone 144 8 Cancri Sternschnuppen 527 U Ophiuchi 0 (Leoniden) 1385 Algol 1532 U Cephei 212° 30“ + 15° 28“ + 11° 49' „ 16˙ B. d, 233 Sagittarii | 6" 55™ f. d. \ S2 Fagilfar' 1] 1083 Algol 5 43m A f. 4 5 7 58m A. h. 4 625 U Ophiuchi 586 U Corone 5°39" f. d.) BAC 7202 6» 28” H. d.) BAC 7209 g 30m ae 19 Capricorni 6 55™ A.h. 6 Th 25m A. n. H 64/2 10°23" f. l. 6 771 Algol 1449 U Cephei 9959 4“ +10° 5! 1645 U Coron 145 U Cephei 228° 48’ + 8° 26“ ; Sternschnuppen aus der Bahn des h 5 e e Tea { Bielaschen Kometen. © 4 13" Merkur bleibt im ganzen Monat dem freien Auge unſichtbar, obwohl er in den erſten Tagen noch nahe ſeiner öſtlichen, in den letzten Tagen ſchon nahe ſeiner weſtlichen größten Ausweichung von der Sonne ſich befindet. Am 17. kommt er in untere Konjunktion mit der Sonne. Venus, hellſtrahlender Morgenſtern im Sternbild der Jungfrau, geht von Anfang bis Ende des Monats kurz nach 3 Uhr morgens auf. Mars wandert vom Sternbild des Löwen in das der Jungfrau und geht an 8 Virginis am 23. um etwa drei Monddurchmeſſer nördlicher vorüber. Anfangs geht er kurz vor 1½ Uhr, zuletzt um 1 Uhr morgens auf. Jupiter kommt am 8. in Konjunktion mit der Sonne und taucht gegen Ende des Monats im Sternbild der Wage aus den Sonnenſtrahlen wieder auf. Verfinſterungen ſeiner Trabanten laſſen ſich aber noch nicht beobachten. Saturn im Sternbild des Krebſes, an⸗ fangs um 10 ½ Uhr, zuletzt um 8 ½ Uhr abends aufgehend, geht etwa ¼ Monddurchmeſſer von 3 Cancri entfernt am 17. von der rechtläufigen in die rückläufige Bewegung über. Uranus iſt rechtläufig im Sternbild der Jungfrau. Neptun rückläufig im Stier zwiſchen Plejaden und Hyaden kommt am 20. in Oppoſition mit der Sonne. Mira Ceti, Omikron im Walfiſch, der älteſte und zwar ſeit 1596 durch David Fabricius bekannte veränder⸗ liche Stern, iſt anfangs des Monats in ſeiner größten Helligkeit von 2. bis 3. Größe. Der Stern iſt ſehr leicht ohne Hilfe der Karte mit bloßem Auge aufzufinden, wenn man nur die drei Kopfſterne des Sternbildes a 7 6 kennt, welche ein Dreieck bilden ähnlich dem von den Kopfſternen des Widders gebildeten. In der Verlängerung der Baſis « 3 dieſes Dreiecks ſteht Mira ebenſoweit rechts von d als a links. Von den Veränderlichen des Algoltypus bietet Algol ſelbſt zur Beſtimmung der Zeit des kleinſten Lichtes mehrere günſtige Gelegenheiten dar, U Ophiuchi beginnt in den Sonnenſtrahlen zu verſchwinden und 5 Libre iſt noch in dieſen verborgen, während von J Tauri erſt am Ende des Monats die Minima wieder auf Nachtſtunden fallen. Der Olbersſche Komet iſt am Abend⸗ und Morgenhimmel, aber nur mit dem Fernrohr ſichtbar; am Ende des Monats iſt ſeine Helligkeit ſchon unter die bei ſeiner Entdeckung am 25. Auguſt herabgegangen. In den Nächten vom 12. bis 14. werden viele Sternſchnuppen ſichtbar werden, welche nach ihrem im Stern⸗ bild des Löwen gelegenen Radiationspunkt Leoniden heißen, und in den Nächten des 27. und 28. zeigen ſich viel⸗ leicht Sternſchnuppen, welche in der Bahn des Bielaſchen Kometen ſich bewegt haben und deren Radiationspunkt im Sternbild der Andromeda liegt. Dr. E. Hartwig. Humboldt. — November 1887. 441 Vulkane und Erdbeben. Anfang Auguſt fanden in Batum und Kutais mehrere ziemlich bedeutende Erderſchütterungen ſtatt, welche auch auf den dazwiſchenliegenden Bahnſtationen, ja ſelbſt im Bahnzuge während der Fahrt deutlich bemerkt wurden. Auf der ganzen Inſel Cypern wurde am 7. Auguſt um 1 Uhr 25 Minuten ein heftiger Erdſtoß verſpürt. Der Kapitän eines in New Orleans angekommenen Dampfers meldet, daß er am 8. Auguſt auf 32° 30“ nördl. Breite einen Erdſtoß deutlich verſpürte, dem ein ſehr hoher Wogengang folgte. Am 16. Auguſt erfolgte in der Nacht 11 Uhr 45 Minuten zu Pontreſina ein Erdbeben. Die Häuſer zeigten ein ſtarkes Schwanken. In der Nacht vom 22. Auguſt fand um 2 Uhr ein ſo heftiges Erdbeben in Wernyi ſtatt, wie es ſeit dem 10. Juni nicht vorgekommen war. Am 29. Auguſt 7 Uhr 56 Minuten abends nach Orts- zeit wurde zu Radentheim (Kärnten) ein Erdbeben beobachtet. Fünf Stöße, von denen der letzte der ſtärkſte war, hatten die Richtung von Nordweſt gegen Südoſt und dauerten etwa 2 Sekunden. Das Beben war von donner— artigem Rollen begleitet und wurde im ganzen Orte beob— achtet. 5 Anfangs September wurden aus Niepolokoue (Buko— wina), Oßgowee, Kotzmann und Unitz Erderſchütterungen gemeldet. Unterirdiſchem Donner folgte das Erdbeben von Norden nach Süden. In der Bevölkerung herrſchte große Furcht. In Zaleszezyki, tarnopoler Kreis in Galizien, fand am 1. September 7¼ Uhr ein Erdbeben in der Dauer von etwa 5 Sekunden ſtatt. In der Stadt Mexiko wurde am 29. Auguſt morgens ein Erdbeben beobachtet, welches die Richtung von Norden nach Süden hatte und auch in Orizaba, Talpan, Otumba und Chilpancingo bemerkt wurde. Erdbeben wahrgenommen. angerichtet, obwohl ſtellenweiſe die Erſchütterung der Häuſer Am 4. September nachmittags 4 Uhr 52 Minuten (Eiſenbahnzeit) wurde in Bonn und Umgegend ein leichtes Dasſelbe hat keinerlei Schaden und Mobilien und das begleitende donnerähnliche Rollen der Erde ſehr erheblich wahrgenommen wurden. Der äußerſte weſtliche Punkt war das Dörfchen Leſſenich. Dort wurde der Erdſtoß genau 10 Minuten vor 5 Uhr verſpürt. Das Bahnhäuschen bei der Station ſchwankte und die Land- leute eilten vor Schreck aus ihren Wohnungen auf die Straßen. In Bonn iſt es zumeiſt nur von ſolchen Per— ſonen wahrgenommen worden, welche ſich in ihren Wohnungen befanden. Die Beſucher des Kirchhofs, deſſen Boden durch die vielen gewölbten Gräber eine größere Spannung be— ſitzt, als das freie Feld, ſpürten das Erdbeben ſehr deut— lich. Eine Frau, die vor einem Grabe ſtand, ſah mit Schrecken die Bewegung des Bodens und glaubte, die Särge krachen zu hören, ſo daß ſie ſchleunigſt davonlief. Auf der Koblenzer Straße nahe der Vinea domini beobachtete man, daß die Richtung von Nordoſt nach Südweſt verlief. Man hatte das Gefühl, als machte der Erdboden eine Wellenbewegung. Die Dauer der Erſcheinung belief ſich auf etwa 2 Sekunden. Von Hausbewohnern wurde zu gleicher Zeit Klirren der Ampeln, Fenſterſcheiben und des Küchengeſchirrs bemerkt. Uhren ſtanden nicht ſtill. Im weſtlichen Stadtteil krachte das Holzwerk eines Garten— hauſes, in der Küche klirrten Teller, der Fußboden über der Küche erzitterte mit ſtarkem Geräuſch und im erſten Stock ſtießen ein Kleiderſchrank und ein Waſchtiſch zu— ſammen, während auf dem Speicher eine dortſtehende Tritt— leiter wohl 8 cm aufgeſchlagen wurde. Von weiteren Stößen hat nichts verlautet. Am 10. September fand in Wernyi wiederum ein ſtarkes Erdbeben ſtatt, welches Baulichkeiten zum Einſturz brachte. Et. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat September 1887. Der Monat September iſt charakteriſiert durch kühles, veränderliches, vorwiegend trübes Wetter mit häufigen und vielfach ergiebigen Regenfällen. Her⸗ vorzuheben ſind die heftigen Nordſtürme, welche am 25. die oſtdeutſche Küſte heimſuchten. In den ſechs erſten Tagen des Monats war der Luft— druck am ſtärkſten über Süd- und Südoſteuropa, während im Nordweſten tiefe Depreſſionen vorüberzogen. Daher waren lebhafte ſüdweſtliche Winde mit trübem, vielfach regneriſchem und warmem Wetter vorherrſchend. Am 2. und 3., als ein tiefes Minimum über Großbritannien nordoſtwärts nach der norwegiſchen Küſte fortſchritt, nahm die Luftbewegung zuerſt über England, dann auch an der weſtdeutſchen Küſte einen ſtürmiſchen Charakter an, wobei in Deutſchland zahlreiche Gewitter und ergiebige Nieder— ſchläge niedergingen; insbeſondere fielen im weſtdeutſchen Binnenlande ganz beträchtliche Regenmengen. Auch am 4. fanden in dem Küſtengebiete, ſowie im ſüdlichen Deutſch— land vielfach Gewitter ſtatt. Die Temperatur war während dieſer Zeit im Nordſeegebiete nahezu normal, im ſüdlichen und öſtlichen Deutſchland dagegen lag ſie ſehr erheblich über dem Normalwerte. Am 7. erſtreckte ſich eine Zone niederen Luftdruckes von Nordſkandinavien nach der Kanalgegend hin, welche raſch oſtwärts fortwanderte, während über Weſteuropa ein Gebiet hohen Luftdruckes auftrat. Mit dieſer Aenderung in der Druckverteilung erhielten auch die Winde eine nörd— liche bis weſtliche Richtung und hierdurch wurde die Tempe⸗ ratur über ganz Centraleuropa, ſowie über Frankreich und Humboldt 1887. Oeſterreich zum Sinken gebracht, ſo daß dieſelbe am 8. meiſtens unter dem Normalwerte lag. — Indeſſen hatte dieſe Wetterlage keinen langen Beſtand; ſchon am 9. war das Maximum im Weſten durch das Vordringen einer tiefen Depreſſion auf dem Ocean nördlich von Schottland nach Often und Süden fortgedrängt und Deutſchland kam wieder unter den Einfluß von Depreſſionen, die ſich über Nordweſteuropa fortbewegten. Das Fortſchreiten und die Umwandlung dieſer Depreſſionen waren ſehr unregel— mäßig und daher waren die Luftbewegungen und das Wetter ziemlich großen Schwankungen ausgeſetzt; im all- gemeinen war veränderliches, kühles Wetter mit häufigen Regenfällen bis zur Mitte des Monats vorherrſchend. Be— trächtliche Regenmengen fielen am 11. auf Sylt (29 mm) und am 13. zu Hannover (23 mm). Am 14. und 15. war es in Weſtdeutſchland ungewöhnlich kühl; an letzterem Tage lagen die Morgentemperaturen im weſtdeutſchen Binnenlande vielfach um 8“ und in Chemnitz um 9“ unter den Normalwerten, in Friedrichshafen fiel die Temperatur vom 14. auf den 15. ſogar unter den Gefrierpunkt. Am 17. erhielt die Wetterlage dadurch eine Aende— rung, daß das barometriſche Maximum ſich wieder nach Großbritannien verlegte, während die barometriſchen Minima in den öſtlichen Gebietsteilen ſich bewegten, eine Wetter— lage, die bis zum 26. anhielt. Dementſprechend wurden nördliche und nordweſtliche Winde vorherrſchend, unter deren Einfluß die Temperatur beträchtlich unter den Normal- wert ſank, während der Witterungscharakter veränderlich blieb. Hervorzuheben iſt die ſtarke Abkühlung vom 20. bis zum 22., als eine Depreſſion über Weſtrußland an 56 442 Intenſität ſtark zunahm und in Wechſelwirkung mit dem hohen Luftdruck im Weſten ſtarke ſüdliche bis weſtliche Luftbewegung erzeugte. In der Nacht vom 21. auf den 22. kamen in Mittel⸗ und Süddeutſchland Nachtfröſte vor. In den Alpen und im Rieſengebirge fanden am 21. ſtarke Schneefälle ſtatt. Die Wetterlage war am 20. derjenigen ganz ähnlich, welche im vorigen Hefte dieſer Zeitſchrift (S. 400) illuſtriert iſt. Humboldt. — Movember 1887. größtenteils zerſtört, in der Nähe der Halbinſel Hela ſtrandete eine deutſche Bark und wurde gänzlich vom Sturme zerſchlagen. Vom 25. auf den 26, trat eine totale Aenderung der Luftdruckverteilung ein; am Morgen des letzteren Tages war das Maximum über Großbritannien verſchwunden, eine Depreſſion war nördlich von Schottland erſchienen, während das Minimum im Oſten ſich raſch ausfüllte. In⸗ 20 Ww NY 39 \7 9. IRS a 977 N =m 750 75 25 ' W4S\ : hg es \ THEE — 2 de 2 5 pee a 8 \ WAS: 55 “all . == = — = — i= = ——— = = ~ 2 — <= = =e 24. Septembe | = =—3 > 25 September — = a.m. — = Sime a f == 1 * = XII 2 Ov.Gr_ 10 : 20 = — Einen gefahrdrohenden Charakter nahm die Wetter⸗ lage am 24. an, als dem Maximum über Großbritannien ein tiefes Minimum über den ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen gegenüberlag. Da der Verlauf dieſer Erſcheinung durch die eigentümliche Umwandlung der Depreſſion, ſowie deren anomale Fortbewegung nach Weſten hin von Intereſſe iſt, wollen wir die Wetterlage für den 25. und 26. September morgens durch zwei kleine Kärtchen illuſtrieren. Am 26. friſchten die Nordwinde, insbeſondere an der oſtdeutſchen Küſte, zum vollen Sturme auf, welcher an einigen Stellen, namentlich an der oſtpreußiſchen Küſte, mit ungewöhnlicher Heftigkeit wehte und daſelbſt großen Schaden anrichtete; ſo wurden in Zoppot die Badeanſtalten Naturkalender für den Säugetiere. Rehböcke werfen (ihr Geweih) ab. Rauſchzeit (Brunſt) des Schwarzwildes (der Sauen oder der Wildſchweine) beginnt. Fledermäuſe halten Winter⸗ ſchlaf in Felsgrotten, hohlen Bäumen oder in Gebäulich⸗ keiten (Gruften, Kellern u. dgl.). Hamſter, Siebenſchläfer, Haſelmäuſe und Murmeltiere ſchlafen in ihren kugeligen Neſtern. Vögel. Ankunft von Norden: Nebelkrähe (Corpus cornix), Dreizehenmöve (Larus tridactylus), Wachholder⸗ und Miſteldroſſel (Turdus pilaris et viscivorus), — bei anhaltender erſter Kälte der Polartaucher (Colymbus septentrionalis) und zuweilen der Seidenſchwanz (Bom- bycilla garrula). Die Gärten werden von Schwanz⸗, Blau-, Sumpf-, Kohl⸗ und Tannenmeiſen (Parus caudatus, coeruleus, palustris, major und ater), ſowie von Gold⸗ hähnchen (Regulus flavicapillus), Spechtmeiſen (Sitta caesia) und Baumläufern (Certhia familiaris) beſucht und von Inſekten und Spinnen gereinigt. Nebſt den Haſel⸗ hühnern und Droſſelarten geht auch der Grünſpecht und Dompfaff an die ſchön korallenroten „Vogelbeeren“ der Ebereſche (Sorbus s. Pirus aucuparia). Hühnerhabicht und Sperber zehnten die Vögel auf den Feldern, wo der Buſſard (Buteo vulgaris) auf Mäuſe und Maulwürfe lauert. Die dem ſich die Depreſſion im Nordweſten weiter ſüd⸗ und oſtwärts ausbreitete, wurde ganz Europa von einem Ge⸗ biete niedrigen Luftdruckes aufgenommen. Dieſe Wetterlage, welche bis zum Monatsſchluſſe an⸗ hielt, iſt charakteriſiert durch kühles, veränderliches Wetter mit häufigen und erheblichen Regenfällen. Am 26. und 27. kamen im ſüdlichen Deutſchland vielfach Nacht⸗ fröſte vor. Erwähnenswert iſt auch ein von heftigen Regengüſſen begleiteter Orkan, welcher in Texas und Mexiko hauſte und durch Ueberſchwemmung des Rio Grande arge Schäden anrichtete. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Monat November 1887. letzten Waldſchnepfen ziehen durch und einige bleiben an wärmeren oder feuchten Waldſtellen über Winter. Reptilien, Amphibien und Fiſche. Nur an ſehr ſchönen ſonnigen Tagen wagen ſich in den wärmſten Lagen noch einige Eidechſen hervor. Von Fiſchen laichen unter anderen die Forelle, ſowie einige Lachsarten (Blau⸗ und Weißfelchen, Maräne). Der Salm oder Lachs ſteigt in den Flüſſen auf. 5 Inſekten. Es iſt jetzt die Hauptflugzeit zweier ſehr ſchädlicher Inſekten, des Froſtſpanners (Acidalia brumata) und der Blutlaus (Schizoneura lanuginosa). Die flügel⸗ loſen Weibchen des erſteren werden am beſten auf Papier- ringen gefangen, welche dicht um den Stamm gelegt und mit Vogelleim, d. h. dem eingedickten Safte der Miſtel (Viscum album) beſtrichen werden. Gegen die Blutlaus iſt das Kalken der Bäume ſehr zu empfehlen; ſelbſtver⸗ ſtändlich müſſen alle brüchigen Stellen ausgeſchnitten und die alte Borke vorher entfernt werden. Nachzügler mancher Schmetterlinge findet man noch, fo einige Eulen (Xanthien), auch die Raupen von Spilo- soma fuliginosa und Acronycta rumicis. An wärmeren Tagen ſind die Baumwanzen, Schlammfliegen, gewiſſe Blattweſpen, der Miſtkäfer und die Grillenlarven noch rege. Humboldt. — November 1887. Von Spinnentieren ſieht man Opilioniden an den Wänden hinkriechen. Pflanzen. In den beſſeren Wingertlagen findet erſt jetzt die Leſe ſtatt. Es blühen je nach Jahres- und Orts- charakter der Gegend noch: Karthäuſernelke (Dianthus carthusianorum), Bergkreſſe (Alyssum montanum), Kratz— diſtel (Cirsium arvense), Taubenſkabioſe (Scabiosa colum- 443 baria), Taraxacum-Arten, Habichtskräuter (Hieracium), Schafgarbe (Achillea), Wegmalve (Malva neglecta), Hahnenfuß (Ranunculus repens), Maasliebchen (Bellis perennis), Ballote (Ballota nigra), Bienenſaug (Lamium album) und am Rhein das Mauerkraut (Parietaria diffusa). Ein ſtrenger Froſt macht ſelbſtverſtändlich allem Inſekten- und Pflanzenleben auf der Oberfläche ein Ende. Mainz. W. von Reichenau. Biographien und perſonalnotizen. Dr. Ernſt Becker, Direktor der Sternwarte in Gotha, wurde zum ordentlichen Profeſſor in der mathema— tijden und naturwiſſenſchaftlichen Fakultät in Straß⸗ burg ernannt. Profeſſor O. Hertwig in Jena iſt als Profeſſor der vergleichenden Anatomie nach Berlin berufen worden. Profeſſor Dr. Hermann Vöchting in Baſel folgt einem Ruf als ordentlicher Profeſſor der Botanik nach Tübingen. Dr. Johannes Frenzel in Berlin iſt zum Profeſſor der Zoologie und Direktor des zoologiſchen Muſeums in Cordoba ernannt worden. Profeſſor Dr. Oſtwald am Polytechnikum in Riga geht nach Leipzig, an ſeine Stelle wurde Dr. Biſchoff in Leipzig als Profeſſor der theoretiſchen und analy— tiſchen Chemie berufen. Profeſſor Dr. L. Bur meſter am Dresdener Polytechnikum geht als Profeſſor der darſtellenden Geometrie und Kinematik an die techniſche Hochſchule in München. Dr. G. Volkens hat ſich an der Univerſität Berlin als Privatdozent der Botanik habilitiert. Dr. O. Staude, a. o. Profeſſor der angewandten Mechanik, erhielt die o. Profeſſur dieſes Faches in Dorpat. Profeſſor Zulkowsky an der techniſchen Hochſchule in Brünn wurde zum Profeſſor der chemiſchen Tech— nologie an der deutſchen Univerſität in Prag ernannt. Aſſiſtent W. Faweett, bisher an der botaniſchen Abteilung des Britiſh Muſeum, iſt zum Kurator des botaniſchen Gartens in Jamaika ernannt worden. An ſeine Stelle iſt Edmund Gilbert Baker, Sohn des wohlbekannten Botanikers von Kew, getreten Der Zoolog Dr. v. Linſtow iſt von Hameln nach Göttingen übergeſiedelt. Profeſſor Straſſer in Freiburg hat einen Ruf auf den durch den Abgang Gaſſers (nach Marburg) erledigten Lehrſtuhl der Anatomie in Bern angenommen. An feine Stelle tritt Dr. J. W. v. Wighe aus Almelov, ein Schüler von Profeſſor Wiedersheim. Dr. J. S. Kingsley in Malden (Maſſachuſetts), hat am 1. September die Profeſſur für Biologie an der Indiana University zu Bloomington übernommen. Dr. Weinſtein, Privatdozent an der Univerſität Berlin, hat von der dortigen Akademie der Wiſſenſchaften 1500 M. zur Beobachtung der magnetiſchen Erdſtröme bewilligt erhalten. Von der Univerſität Göttingen wurden honoris causa promoviert: in der mediziniſchen Fakultät Profeſſor Stohmann in Leipzig und Profeſſor Stra ß⸗ burger in Bonn; in der juriſtiſchen Fakultät Pro- feſſor Wundt in Leipzig; in der philoſophiſchen Fakultät Demetrius Mendelejeff in Peters- burg, Mechanikus Johann Repſold in Hamburg. Alfred Wallace iſt von ſeiner zehnmonatlichen Vor— leſungsreiſe in den Vereinigten Staaten und Kanada am 20. Auguſt wieder in Liverpool angekommen. Totenliſte. Rau, Dr. Karl, Kurator der archäologiſchen Abteilung des Nationalmuſeums in Waſhington iſt kürzlich ge— ſtorben. Er war 1826 in Belgien geboren, ſtudierte in Heidelberg und ging 1848 nach Amerika. Er ver- öffentlichte ausgezeichnete Arbeiten über das ameri⸗ kaniſche Steinzeitalter und iſt der Schöpfer einer wiſſenſchaftlichen Altertumsforſchung in Amerika. Ayres, Dr. W. O., Ichthyolog, Mitglied der faliforni- ſchen Akademie der Wiſſenſchaften, iſt kürzlich ge— ſtorben. Ferguſon, William, Botaniker und Zoolog, der wertvolle Beiträge über Fauna und Flora von Ceylon geliefert hat, ſtarb auf Ceylon, 67 Jahre alt. Piré, Louis, Profeſſor der Botanik, ſtarb 16. Juli in Spaa. Heffter, Dr. Lothar, Chemiker, ſtarb in der Nacht zum 8. Auguſt in Poremba bei Zawiercie in Rußland im 58. Lebensjahre. Winter, Dr. Georg, bekannter Mykolog, ſtarb 16. Auguſt nach langer ſchwerer Krankheit in Konnewitz bei Leipzig. Koſteletzky, Dr. med., emeritierter Profeſſor der Bo- tanik an der Karl-Ferdinands-Univerſität zu Prag, ſtarb 19. Auguſt in Devic bei Prag im Alter von 87 Jahren. Sein Hauptwerk iſt die „Allgemeine mediziniſch-pharmazeutiſche Flora“ (1831 bis 1856, 6 Bde.), eine große Arbeit, die ſehr viel genutzt hat. Baird, Spencer Fullerton, Profeſſor, Sekretär des Smithſonſchen Inſtituts in Waſhington und Präſident der amerikaniſchen Fiſchereikommiſſion, ſtarb 20. Auguſt in Waſhington im Alter von 64 Jahren. Er ſchrieb ein großes Werk über die Vögel Nordamerikas (1870 bis 1874, 4 Bde.), und hat ſich ſehr bedeutende Ver— dienſte um die Fiſcherei und Fiſchzucht Nordamerikas erworben. Skalweit, Dr., Vorſteher des Lebensmittelunterſuchungs— amtes in Hannover, Geſchäftsführer des Vereins analytiſcher Chemiker und Herausgeber des Reper- toriums der analytiſchen Chemie, ſtarb 4. September im Alter von 43 Jahren. 444 Humboldt. — November 1887. Litterariſche Rundſchau. 3. Japetus F. Steenſtrup, Kjökllen⸗Moddinger. Eine gedrängte Darſtellung dieſer Monumente ſehr alter Kulturſtadien. Kopenhagen, Hage- rup 1886. Preis 1,5 % Da die vorliegende Publikation im weſentlichen nicht viel Neues mitteilt, ſo beſchränken wir uns auf die Be⸗ ſprechung einiger Punkte, welche bis jetzt nicht die Beach⸗ tung gefunden haben, die ſie wohl verdienen. So beweiſen die Kjökken⸗Moddinger, inſofern die Anſiedelungen, denen ſie entſtammen, zweifelsohne regelmäßig unmittelbar am Meere angelegt wurden, daß innerhalb jener Jahrtauſende, welche ſeit der Exiſtenz derſelben verſtrichen ſind, die Hebung der däniſchen Küſten nicht mehr als 10— 20 Fuß betragen haben kann. Die Thatſache, daß ſowohl von den Säuge⸗ tierknochen wie vom Skelett der Vögel nur ſolche Knochen⸗ teile erhalten ſind, welche von Hunden regelmäßig ver⸗ ſchont werden, liefert den unzweideutigen Beweis, daß der Hund damals bereits in domeſticiertem Zuſtande ein Ge⸗ noſſe des Menſchen geweſen iſt. Daß das Volk der Kjökken⸗ Moddinger der Steinzeit angehört hat, zeigen die in den Abfallhaufen aufgefundenen Geräte (lange meſſerförmige und kürzere, eine Art Schaber darſtellende Feuerſtein⸗ ſcherben und elliptiſche oder triangulär zugeſpitzte Feuerſtein⸗ waffen), ſowie die Abweſenheit jedweden Metallgegenſtandes. Ob die Bewohner der Kjökken⸗Moddinger⸗Niederlaſſungen Zeitgenoſſen jenes Volkes geweſen ſind, welches die Grab⸗ kammern Dänemarks errichtet hat, bleibt unentſchieden, Während Steenſtrup für die Gleichzeitigkeit dieſer Bevöl⸗ kerungen eintritt und annimmt, daß wenn überhaupt die Anhäufung der Kjökken⸗Moddinger und die Herſtellung der Grabkammern zu verſchiedenen Zeiten ſtattgefunden haben, die Anhäufer ſpäter, die Grabbauer früher gelebt haben, behauptet Worſage und mit ihm Lubbock, daß die Be⸗ völkerung der Kjökken⸗Moddinger die ältere ſei. Hierfür ſpricht die Thatſache, daß die Erbauer der däniſchen Grab⸗ kammern bereits im Beſitze der wichtigſten Haustiere ge⸗ weſen ſind, während die Kjökken⸗Moddinger⸗Bevölkerung nur den Hund beſeſſen hat. Andererſeits lehrt der Umſtand, daß in den Abfallhaufen Reſte von Tieren jeglichen Alters und Geweihe in jedem Stadium der Entwickelung — alſo den verſchiedenen Jahreszeiten entſprechend — aufgefunden wurden, daß jenes Volk ein anſäſſiges geweſen. Was ferner die Beziehungen der Kjökken⸗Moddinger⸗Bevölkerung zu den fünf Vegetationsperioden anlangt, welche die kim⸗ briſche Halbinſel und die däniſchen Inſeln ſeit der Eis⸗ zeit durchgemacht haben (hochnordiſche und Alpenvegetation, Periode der Zittereſpe, der Kiefer, der Eiche, der Buche), ſo läßt das Vorkommen der Reſte des jetzt in Dänemark ausgeſtorbenen Geirvogels (Alea impennis) und des Auer⸗ huhns (Tetrao urogallus), welche fic) von den jungen Sproſſen, Nadeln und Knoſpen der Kiefer ernährt haben, über das Zuſammenfallen der Exiſtenz des Kjökken⸗Moddinger⸗ Volkes mit der durch die Kiefer charakteriſterten Vegetations⸗ periode keinen Zweifel beſtehen. Andererſeits kann das Fehlen jeder Spur des Elens und Renntieres in den Ab⸗ fallhaufen nach Steenſtrup nur ſo gedeutet werden, daß dieſe Tiere, deren Reſte in den Torfmooren Dänemarks ſehr häufig angetroffen werden, zur Zeit, wo die Kiefer auf der kimbriſchen Halbinſel und den däniſchen Inſeln vorherrſchte, daſelbſt nicht mehr exiſtiert haben. aſſel. Dr. M. Alsberg. E. Hoppe, Die Entwickelung der Tehre von der Elektricität bis auf Hauksbee. Hamburg, Lütcke & Wulff. 1887. Preis 2,5 % Die vorliegende Schrift, eine Programmabhandlung des Hamburger Johanneums, hat weſentlich die Beſtim⸗ mung, dem bekannten wertvollen Werke des Verfaſſers, Geſchichte der Elektrieität“ (Leipzig 1885), in welchem die ältere Zeit ziemlich ſummariſch behandelt war, zur Er⸗ gänzung zu dienen. Diesmal beginnt die Darſtellung mit Gilbert, der zweifellos zuerſt die Lehre vom Magnetismus und von der Elektricität unter einem ſtreng wiſſenſchaft⸗ lichen Geſichtspunkte aufgefaßt hat. Er gibt einen Apparat zur Prüfung mineraliſcher Körper hinſichtlich ihres elek⸗ triſchen Verhaltens an, er ahnt bereits den Gegenſatz zwiſchen Leitern und Iſolatoren, ohne ſich deſſen aber klar bewußt zu werden, er ſchreibt der Sonne ein magnetiſches Poten⸗ tial zu und verſucht ſich auch an einer theoretiſchen Er⸗ klärung, die nichts weniger denn verächtlich iſt. Der Begriff des „imponderabeln Fluidums“ iſt recht eigentlich durch Gilbert in die Wiſſenſchaft eingeführt worden. Cabeus und Kircher ſtellen fic) ziemlich auf denſelben Standpunkt. Dann folgt Guericke, der Erfinder eines Inſtrumentes, welches man wohl als die erſte Elektriſiermaſchine zu be⸗ zeichnen ein Recht hat. Auch ſonſt iſt der Magdeburgiſche Bürgermeiſter ein geſchickter Experimentator, der ſich unter anderem von der Leitungsfähigkeit der Flamme überzeugt und auch von der Elektricitätserregung durch Influenz bereits eine ziemlich deutliche Vorſtellung beſitzt. Hoppe weiſt nach, daß manche Bereicherung unſeres Wiſſens, welche die Geſchichtſchreibung mit anderen bekannten Namen in Verbindung zu bringen pflegt, im Keime bereits bei Otto v. Guericke zu finden iſt. Wenig Neues fügen dem bereits Bekannten hinzu Digby und Honoratus Fabri, da⸗ gegen hat der größte Phyſiker des 17. Jahrhunderts, ob⸗ wohl man von ſeinen Verdienſten um die Elektrieitätslehre bislang kaum ſprach, unſerer Vorlage zufolge auch auf dieſem Arbeitsfelde die Spuren ſeiner Geiſtesthätigkeit hinterlaſſen. Sogar das Vorhandenſein einer elektriſchen Lichtwirkung ſcheint Newton bekannt geweſen zu ſein. Die Verſuche der Florentiner gehen nicht ſehr erheblich über Gilbert hinaus, obwohl ſie der Technik nach eine gewiſſe Verfeinerung aufweiſen. Sehr wichtig iſt weiterhin Hoppes Nachweis, daß Boyle bei weitem nicht der originale Denker war, als den ihn ſeine Landsleute gelten laſſen wollen, daß er durch v. Monconys, den bekannten Commis Voyageur der exakten Wiſſenſchaften, von Guerickes Verſuchen Kenntnis bekommen hatte, und daß er höchſtens bei ſeinen Unter⸗ ſuchungen über die Fortführung der Elektrieität im luft⸗ leeren Raume unabhängig daſtand. Die Beziehung zwiſchen elektriſcher und Blitz-Entladung wird in freilich noch ſehr unvollkommener Form zuerſt 1708 von Wall angedeutet, allein erſt Hawksbee — wir wählen lieber dieſe engliſche Schreibart des Namens — bringt Klarheit in die Theorie des elektriſchen Lichtes. Picards Wahrnehmung, daß ſein Queckſilberbarometer bei Bewegung einen Licht⸗ ſchein gegeben habe, iſt für ihn der Ausgangspunkt; um die Erſcheinung leichter zugänglich zu machen, konſtruiert er einen neuen Apparat, deſſen die Geſchichte der experi⸗ mentellen Technik wegen der erſtmaligen Verwendung einer „Stopfbüchſe“ zu gedenken hat, und mit deſſen Hilfe be⸗ ginnt er eine umfaſſende Verſuchsreihe, welche neben dem urſprünglich verfolgten Zwecke noch manches wichtige Re⸗ ſultat lieferte, fo insbeſondere das, daß die Elektrieität ſich nur an der Oberfläche der Körper anſammelt. Auch der Unterſchied zwiſchen Leitern und Nichtleitern, als deſſen Entdecker gewöhnlich Dufay angeführt wird, tritt bei Hawksbees Verſuchen greifbar hervor. — Ein ſehr dankens⸗ wertes Verzeichnis der von 1600 —1714 erſchienenen Schriften zur Elektricitätslehre, welches wohl als ziemlich vollſtändig angeſehen werden kann, ſchließt die Abhandlung ab. Mit Recht wird die Litteratur über das „leuchtende Barometer“ geſondert zuſammengeſtellt. Dieſer Gegen⸗ ſtand ward damals noch durchaus nicht allgemein als ein folder aufgefaßt, bei dem die Elektrieität die Hauptrolle ſpiele; beim Studium der darauf bezüglichen Schriften aus der Newton⸗Leibnizſchen Periode ſieht man, daß die atomiſtiſchen und korpuſkulartheoretiſchen Lehrmeinungen des Zeitalters ſich auf jenem Gebiete beſonders lebhaft bekämpften. Referent kann in dieſer Hinſicht auf einen Humboldt. — November 1887. eigenen Aufſatz verweiſen, welchen er im 4. Jahrgang des „Kosmos“ veröffentlicht hat. München. Prof. Dr. S. Günther. Alexander Bau, Handbuch für Schmetterlings ſammler. Beſchreibung und Naturgeſchichte aller in Deutſchland, Oeſterreich-Ungarn und der Schweiz vorkommenden Groß- und der vorzugsweiſe geſam— melten Kleinſchmetterlinge in ſyſtematiſcher und analytiſcher, zum Selbſtbeſtimmen geeigneter An⸗ ordnung. Mit zahlreichen, naturgetreuen, in den Text en Abbildungen. Magdeburg, Creutz ſche Verlagsbuchhandlung 1886, Preis 5 % Im Hinblick auf die große Anzahl der verſchieden— artigſten Schriften, welche alle vom beſcheidenſten Leitfaden für den Anfänger an bis zum großen, reich ausgeſtatteten Tafelwerk das Studium der Schmetterlingskunde zu fördern ſich beſtreben, dürfte die Herausgabe eines neuen „Hand— buchs für Schmetterlingsſammler“ als ein gewagtes Unter— nehmen erſcheinen. Dennoch glauben wir, daß vorliegendes Buch ſeinen Weg finden wird. Der Verfaſſer, dem die Erfahrungen einer langjährigen, praktiſchen, entomologi— ſchen Thätigkeit zur Verfügung ſtehen (er iſt auch Natu- ralienhändler), behandelt in ſyſtematiſcher Reihenfolge nicht nur die Großſchmetterlinge, ſondern auch die Familien der Mikrolepidoptera, durch dieſe Hereinziehung der oft ſtief— mütterlich behandelten Mikros ſeinem Buch einen höheren Wert verleihend. Die Möglichkeit einer raſchen Beſtimmung ſucht der Verfaſſer durch analytiſche Tabellen zu fördern, wie fie in der entomologiſchen Litteratur fpeciell durch Redtenbachers Fauna austriaca bekannt ſind. Soweit Stichproben einen Anhaltspunkt zu geben vermögen, er— füllen dieſe Tabellen in befriedigender Weiſe ihren Zweck. Der Beſchreibung der Arten, welche auch mit dem gebräuch— lichſten deutſchen Namen angeführt ſind, iſt ſtets eine Notiz über Flugzeit und Fundort der Schmetterlinge, ſowie Bez merkungen über Färbung und Lebensweiſe der Raupe bet- gefügt. Als eine Zierde des Buches müſſen wir die Ab— bildungen hervorheben, die ja allerdings nicht koloriert ſind, aber in ihrer feinen Ausführung und Nuancierung von den betr. Schmetterlingen ein ſo charakteriſtiſches Bild geben, als dies nur je von einer bildlichen Darſtellung zu erwarten iſt. In einer Einleitung iſt eine kurze wiſſen— ſchaftliche Beſchreibung der Schmetterlinge gegeben, im An— hang finden ſich praktiſche Winke über Fang, Töten, Auf— bewahren und Verſenden von Schmetterlingen, ſowie über die Zucht aus Eiern und Raupen und die Behandlung letzterer. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. G. Heßmann, Magnetismus und Hypnotismus, eine Darſtellung dieſes Gebietes mit beſonderer Berückſichtigung der Beziehungen zwiſchen dem mineraliſchen Magnetismus und dem fogen. tieri- ſchen Magnetismus oder Hypnotismus. Wien, A. Hartlebens Verlag lelektro⸗techniſche Bibliothek, Bd. 35) 1887. Preis 3 AH Eine Zuſammenſtellung der bis jetzt gemachten Er— fahrungen auf dieſem Gebiete, die ſehr dankenswert ſein würde, wenn ſie mit etwas mehr Kritik ausgeführt wäre. Wir erhalten zuerſt ein 50 Seiten langes Kapitel über den Einfluß des Magnets auf den menſchlichen Körper, welches nur irreführend in dem Sinne wirken kann, als wenn man doch recht gehabt hätte, die hypnotiſchen Erſcheinungen als durch fogen. „tieriſchen Magnetismus“ hervorgebracht zu denken. Auch ſonſt muß das Buch mit Vorſicht ge- braucht werden, da es (namentlich in den überflüſſigen lateiniſchen Citaten!) von Druckfehlern und Flüchtigkeiten wimmelt. So werden z. B. auf S. 53 den Schamanen, Fakiren und anderen Perſonen, welche die Erſcheinungen des Hypnotismus ſchon ſeit alters her benutzt haben, auch „die Muſelmänner der Orientalen“ () beigezählt. Mit⸗ unter widerſpricht ſich der Verfaſſer in demſelben Satze, wie z. B. auf S. 97, wo er es als ſehr fraglich erklärt, 445 ob beim „Magnetiſieren“ irgend eine Kraftübertragung ſtattfinde, und in demſelben Satze als „un umſtößliche Thatſache“ behauptet, daß magnetiſiertes Waſſer anders ſchmecke als unmagnetiſiertes. Das Buch iſt mithin höch— ſtens als Materialienſammlung für Unterrichtete zu em— pfehlen; derjenige, welcher über die merkwürdigen Er— ſcheinungen des Hypnotismus wirkliche Belehrung ſucht, möge ſich an die Schriften von Braid, Preyer, Heidenhain und andere halten. Seltſam iſt auch, wie dieſes Buch in die „elektro⸗techniſche Bibliothek“ hineingeraten konnte. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. Jelix Wahnſchaffe, Die geologiſchen Verhältniſſe der Amgegend von Nathenow. Mit einer Karte. Babenzien in Rathenow. 1886. Preis 1 MH Der Verfaſſer, als Diluvialgeolog durch zahlreiche und wichtige Arbeiten wohlbekannt, gibt vorerſt einen Ueber— blick ſowohl über die Entwickelung der heute wohl allge— mein gültigen Glacialtheorie für die Diluvialgebilde des nördlichen Europa, ſpeciell Norddeutſchlands, als auch über die Geſchichte dieſer Zeit und ihrer Gebilde. Aus den Geſchiebemergeln, als Grundmoränen des Inlandeiſes erkannt, gingen die verſchiedenalterigen Sande und Grande ſowohl wie die Thone als ein Aufbereitungs— und Ausſchlämmungsprodukt hervor. Die Interglacialzeit iſt durch Torfablagerungen und Kalktuffe vertreten. In der Abſchmelzperiode entſtanden vor allem die ausgedehnten Thalniederungen, welche in Oſtſüdoſt bis Weſtnordweſt das norddeutſche Flachland durchſchneiden — das alte Weichſel-, Oder⸗, Baruther- und Elbethal. Beſonders inſtruktiv iſt diesbezüglich gerade die Rathenower Gegend. In der— ſelben finden ſich auch die überzeugendſten Beweiſe, daß Norddeutſchland zur Eiszeit nicht, wie Lyell annahm, von einem Meere bedeckt war. Es ſind dies eine Süßwaſſer— konchylienfauna, die ſich im Sande unter der unteren Grundmoräne findet, und ein in gleichem Horizont vom Verfaſſer aufgefundenes Diatomeenlager. Schließlich wird auch noch kurz der Alluvialgebilde und der geologiſch-agro— nomiſchen Karten gedacht. Frankfurt a. M. Dr. Friedr. Kinkelin. Geologiſche Aeberſichtskarte des weſtlichen Deutſch. Sothringen. Aufgenommen von E. W. Benecke, G. Meyer, E. Schumacher, G. Steinmann, Br. Weigand, L. van Werveke. Zuſammengeſtellt von L. van Werveke. Mit Erläuterungen, be— arbeitet von E. Schumacher, G. Steinmann und L. van Werveke. Dazu Ueberſichtskarte der Eiſenerzfelder des weſtlichen Deutſch— Lothringen, mit einem Verzeichnis der Erzfelder. Herausgegeben von der Kommiſſion für die geologiſche Landesunterſuchung von Elſaß— Lothringen. Straßburg 1887. Preis 5 MH Die Karte umfaßt jenen Teil von Deutſch-Lothringen, welcher im Weſten und Südweſten von Frankreich, im Norden von Luxemburg und der Rheinprovinz, im Oſten etwa von dem Meridian von Bolden und im Süden von dem Breitengrad von Delme begrenzt wird. Der Maß— ftab iſt 1:80 000 der wirklichen Größe; ſtatt der Berg- ſchraffierung find Höhenkurven von 20 zu 20 Meter gewählt. Als topographiſche Grundlage dienten auf photo- graphiſchem Wege hergeſtellte Reduktionen der Meßtiſch— blätter im Maßſtab 425000. Die Topographie hat die lithographiſche Anſtalt von L. Geißendörfer in Karlsruhe, den Farbendruck das Berliner Lithographiſche Inſtitut aus⸗ geführt. Die Karte bringt den größten Teil des Lias— gebietes von Lothringen und das weſtlich von der Moſel gelegene Doggerplateau vollſtändig zur Darſtellung. Etwa ein Drittel des Areals wird von der Trias eingenommen; nur in geringer Verbreitung kommt bei Sierk Unterdevon zum Vorſchein. Die Trias iſt in 12, der Lias in 5 und der Dogger in 7 Abteilungen zur Ausſcheidung gelangt; Diluvium und Alluvium ſind nicht weiter gegliedert. Dem 446 unteren Dogger gehören die techniſch fo wichtigen Eiſen⸗ erzlager weſtlich von der Moſel an; denſelben iſt in den Erläuterungen ein beſonderer Abſchnitt gewidmet; die ver⸗ liehenen Eiſenerzfelder ſind auf einer Ueberſichtskarte zu⸗ ſammengeſtellt. Die Verbreitung der wahrſcheinlich der Tertiärformation angehörigen Bohnerze iſt, wie in den Erläuterungen eingehender begründet wird, wegen ihrer eigentümlichen Lagerung auf der Karte nicht angegeben worden. — Ein Vergleich der neuen mit den alten von Levallois und Reverchon entworfenen geologiſchen Karten aus den Jahren 1855 und 1866 läßt deutlich die großen Vorzüge der neuen Ueberſichtskarte erkennen; dieſe beſtehen weniger in einer gefälligen Auswahl der Farben, als viel⸗ mehr in der exakten Durchführung der auf die genaueſte topographiſche Grundlage geſtützten geologiſchen Aufnahmen. Straßburg. Prof. Dr. Bücking. Geologiſche Aleberſichtskarte der ſüdlichen Hälfte des Großherzogtums Luxemburg. Aufgenom⸗ men von L. van Werveke. Mit Erläuterungen von demſelben. Herausgegeben von der Kom⸗ miſſion für die geologiſche Landesunterſuchung in Elſaß⸗Lothringen. Straßburg 1887. Preis 4 AH Dieſe Karte umfaßt den ſüdlichen Teil von Luxem⸗ burg, welcher ſich zwiſchen Deutſch⸗Lothringen und die weſtliche Grenze der Rheinprovinz einſchiebt und nördlich bis zum Südrande der Ardennen ausdehnt. Der Maßſtab it 1: 80000. Die Herſtellung der Karte, zu welcher als topographiſche Grundlage die Liebenowſche Karte der Rhein⸗ provinz benutzt wurde, erfolgte durch das Berliner Litho⸗ graphiſche Inſtitut. Bezüglich der geologiſchen Gliederung ſchließt ſich die Karte unmittelbar an die vorher beſprochene Ueberſichtskarte von Deutſch⸗Lothringen an; nur eigen⸗ tümliche Faciesentwickelungen, welche mit der Annäherung an die Ardennen in der Trias und im Lias auftreten, verlangten eine beſondere Berückſichtigung. Der Dogger, in ſeiner Verbreitung auf die ſüdweſtliche Ecke beſchränkt, iſt in 5 Abteilungen, der in großer Ausdehnung vorhan⸗ dene Lias in 8 und die Trias in 16 Abteilungen zur Darſtellung gelangt. Das Alluvium iſt dreifach, das Devon und das Diluvium gar nicht gegliedert. Ein ganz beſon⸗ deres Intereſſe nimmt die Entwickelung der Trias zwiſchen dem Südrande der Ardennen und dem Nordabhang des Plateaus des Luxemburger Sandſteins für ſich in An⸗ ſpruch; die eigentümlich konglomeratiſche Ausbildung ein⸗ zelner Schichtkomplexe, ihr Auskeilen und das Uebergreifen von jüngeren über ältere Glieder der Trias und über das Devon der Ardennen iſt für dieſes Gebiet ganz be⸗ ſonders charakteriſtiſch. In den Erläuterungen wird auf dieſe Verhältniſſe, ebenſo wie auf den Bau des ganzen Landes und ſeine Beziehungeß zu den Nachbargebieten, auch auf die Mineralquellen und die techniſch wichtigen Eiſenerzlagerſtätten näher eingegangen. Verglichen mit den älteren geologiſchen Karten von Luxemburg bezeichnet die neue Karte einen unverkennbaren Fortſchritt in der geologiſchen Kenntnis des Landes; daß zudem in der geo⸗ logiſchen Aufnahme die größte Genauigkeit, welche, bei dem Mangel an einer beſſeren topographiſchen Grundlage, überhaupt möglich war, erreicht worden iſt, dafür bürgt der Name des Verfaſſers. Prof. Dr. Bücking. Straßburg. N. Bonn, Die Strukturformeln. Geſchichte, Weſen und Beurteilung des Wertes derſelben. Frank⸗ 1 20 ee Bei Trowitſch K Sohn. 1887. Preis 1,20 Das kleine, nicht ganz 4 Bogen umfaſſende Schriftchen gibt eine klare Ueberſicht über die Geſchichte und das Weſen der chemiſchen Strukturformeln. Den Wert der⸗ ſelben beurteilt Verf, mit Recht dahin, daß ſie uns in erſter Humboldt. — November 1887. Linie einen Einblick in die chemiſche Natur der Körper geſtatten, daß weiter die Iſomerien durch dieſelben eine befriedigende Erklärung erlangen, daß ſie ein Klaſſifikations⸗ prinzip an die Hand geben und ſchließlich dem Gedächt⸗ niſſe zu Hilfe kommen. Ich kann die Broſchüre jedermann, welcher ſich über dieſen Gegenſtand orientieren will, beſtens empfehlen. Berlin. Dr. Guſtav Schultz. Obermüller, Kleines praktiſches Blumenlextkon, enthaltend die in der Kunſtgärtnerei vorkommen⸗ den lateiniſchen und griechiſchen Namen mit deren Ueberſetzung ins Deutſche nebſt Angabe der Ab⸗ ſtammung wie der Perſonen, nach denen viele Pflanzen benannt ſind. Vierte Auflage. Baſel. Bei Benno Schwabe. 1886. Preis 1,6 % Das ſehr geſchmackvoll bearbeitete Büchlein, deſſen Wert durch das Erſcheinen einer 4. Auflage ohne weiteres bezeugt wird, wird allen Pflanzenfreunden, Gärtnern 2c. ſehr gute Dienſte leiſten. Zu den Salomonſchen Wörter⸗ büchern, die wir angezeigt haben, bietet es eine gute Er⸗ gänzung, indem es die Etymologie der Gattungsnamen gibt, die dort nicht zu finden iſt. Friedenau. Dammer. H. B. Möſchler, Beiträge zur Schmetterlings⸗ fauna von Jamaika. Mit einer Tafel. Se⸗ paratabdruck aus den Abhandlungen der Sencken⸗ bergiſchen naturforſchenden Geſellſchaft. Frank⸗ furt a. M. Moritz Dieſterweg. 1886. Preis 5 %. Verfaſſer zählt ca. 200 Arten auf, worunter ſich 71 neue befinden. Die Zahl der neuen Gattungen beläuft ſich auf 14. Die Beſchreibungen der neuen Arten ſind zum Teil durch gut ausgeführte kolorierte Abbildungen unterſtützt. Da das bearbeitete Material (in überwiegender Mehrzahl Heteroceren) von genau bekannten Punkten der Inſel Jamaika ſtammt, ſo bildet die Arbeit auch einen ſchätzenswerten Beitrag zur zoogeographiſchen Litteratur. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Andree, R., Die Anthropophagie. Eine ethno- graphiſche Studie. Leipzig, Veit u. Co. 1887. Preis 2,8 /. Der Verfaſſer hat über das Kapitel der Menſchen⸗ freſſerei bereits 1873 eine Studie veröffentlicht und bietet nun eine Umarbeitung derſelben, dem heutigen Stande unſerer Kenntniſſe entſprechend. Von beſonderem Intereſſe iſt das zweite Kapitel, welches in den Menſchenfreſſern unſerer Märchen die letzten ausklingenden Ueberlieferungen aus uralter Zeit nachweiſt, in welcher Kannibalen auch unter den Indogermanen zu finden waren. Der Hauptteil des Büchleins iſt einer erſchöpfenden Behandlung der Anthro⸗ pophagie in ihrer heutigen und hiſtoriſchen Verbreitung gewidmet. Im Schlußkapitel ſind die Ergebniſſe zuſammen⸗ gefaßt. Kein Erdteil iſt vom Kannibalismus freizuſprechen, obſchon er heute weſentlich auf die Tropengegenden be⸗ ſchränkt iſt. Nahrungsmangel mag die erſte Urſache geweſen ſein, dann Rachſucht, das Beſtreben, den erlegten Feind ganz zu vernichten, dann der Aberglaube, der die Kräfte des Beſiegten auf dieſe Weiſe dem Sieger einverleiben will. Nur bei wenigen Stämmen gilt heute das Menſchenfleiſch einfach als Delikateſſe, im großen und ganzen hat ſich das Gebiet der Anthropophagie in hiſtoriſcher Zeit er⸗ heblich verkleinert und verkleinert ſich immer mehr. Die von Andree früher zu den Kannibalen gerechneten ſüd⸗ afrikaniſchen Bantuſtämme und die Feuerländer werden nun von dieſem Verdacht freigeſprochen; für Amerika bleiben ſomit nur ein paar Stämme am Amazonenſtrom als überwieſene Menſchenfreſſer übrig. : Schwanheim a. M. Dr. W. Kobelt. Humboldt. — November 1887. 447 og rap bie Bericht vom Monat September 1882. Allgemeines. Geographie, Ethnographie, BReifewerke. Abhandlungen der königl. slay hada oN e zu Göttingen. Berlin, 34. Bd. Göttingen, Dieterich Berichte der naturforſchenden Geſellſchaft zu Freiburg i. B. 2. Bd. 1887. Freiburg, Mohr. M. 10. Diedrich, G., Vollſtändig umgearbeitete Aufſätze aus dem Gejamtgebiete der Naturkunde für eaters und Fortbildungsſchulen. 5. Auflage. . Korn. M. 1. 4 Eſſelborn, J., Leitfaden der Aiuturlehde Ausg. 95 Nebſt einem Anhang aus der Chemie. Neuſtadt, Otto. M. —. Katalog zur wiſſenſchaftlichen Ausſtellung der 50. e deutſcher Nafurforſcher u. Aerzte zu Wiesbaden. Wiesbaden, Bergmann. M. 1. Krüger, C. A., Grundzüge der Naturgeſchichte u. Raturtehee für Volks⸗ und Bürgerſchulen. Danzig, Gruihn. M. —. 50 Piltz, E., Aufgaben und Fragen zur denden ung des Schülers in der Heimat. 3. Aufl. Weimar, Böhlau. M. — Sterne, C., Die alte und die neue Weltanſchauung. Siudlen über die Rätſel der Welt u. des Lebens. 1. Lfg. Stuttgart, Weiſert. M. —. 50. Phyſitt. Seay, A., Prinzipien der mathematiſchen Optik. Augsburg, Rieger. make Dirichlet, P. G. Lejeune-, Vorleſungen über die im umgekehrten Ver⸗ hältniß des Quadrats der Entfernung wirkenden Kräfte. Hrsg. von F. Grube. 2. Aufl. Leipzig, Teubner. M. 4. Ettingshauſen, A. v., Die Widerſtandsveränderungen von Wismuth, 1 90 und Tellur im magnetiſchen Felde. 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So trägt aber auch der Vogel ſein abſolutes Ge⸗ wicht, welches nicht kleiner wird, wenn er ſich auch aufbläht. — Der Irrtum mag ſo entſtanden ſein: Wenn man einem Vogel etwas von ſeiner Maſſe wegnimmt und den ent⸗ ſtandenen leeren Raum mit Luft füllt, um die Geſtalt nicht zu ändern, dann iſt der Vogel allerdings leichter ge⸗ worden. Man überſieht nun leicht, daß die Stoffausfuhr die Erleichterung verurſacht, und nicht der Hohlraum. — Einen Gewichtsverluſt erleidet der Vogel in der Praxis allerdings durch die Luftaufnahme; dieſer Gewichtsverluſt hat aber in Wärmeverhältniſſen ſeinen Grund. Während nämlich der Glasballon, wenn er mit gewöhnlicher atmo⸗ ſphäriſcher Luft, wie ſie ihn umgibt, erfüllt iſt, genau ſo viel wiegt, wie der Glasblock gewogen hat, aus dem er gewonnen worden tt, erſcheint er ſofort leichter, wenn die Luft in ihm erwärmt wird, weil er dadurch gleichſam in einen Luftballon verwandelt wird. Wie groß iſt dieſer Gewichtsverluſt bei einem Vogel? Ein Vogel von 11 Raumumfang kann doch im Federkleid, Lunge, Luftſäcken, Kanälen ꝛc. unmöglich 1 1 Luft enthalten. Aver ſelbſt, wenn wir das Unmögliche annehmen, wiegt dieſer Liter eingeſchloſſener Luft nur 1,3 g. So lange dieſe Luft mit der äußeren Luft gleiche Beſchaffenheit hat, trägt ſie nichts bei zur Gewichtsverminderung. Laſſen wir nun durch die Körperwärme dieſe eingeſchloſſene Luft auf eine Temperatur erhoben werden, welche im Durchſchnitt nur 30° höher liegt als die Temperatur der umgebenden Luft, dann finden wir mittels Rechnung aus dem Ausdehnungs⸗ koefficienten der Luft leicht, daß etwa ein Zehntel der Luft den Vogel verläßt, dieſer alſo eine Gewichtsverminderung — November 1887. Knoll, Ph., Ueber die nach Verſchluß der 1 2 0 auftretenden Augen⸗ bewegungen. Wien, Gerold's Sohn. M. 2. 30. Krukenberg, C. F. W., Bergletsenb webe Studien. Experi⸗ mentelle Unterſuchungen 2. Reihe. Abth. 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Sammlung gemeinverſtändlicher wiſſenſchaftlicher Vorträge, herausgege⸗ ben von R. Virchow und F 8. von Holtzendorff. Neue Folge. 2. Serie. 9.—11. Hft. Inhalt: 9. Zur Erinnerung an Georg Waitz. Von A. Kluckhohn. M. — 80. — 10. 11. Ueber die Methoden der modernen Bakterienforſchung. Von R. J. Petri. M. 1. 20. Hamburg, Richter. Schiller⸗Tietz, Inzucht und . 8 te: Oſterwieck, Zickfeld. M. 1. Steindachner, F., und Döderlein, Beiträge zur Kenntniß der Fiſche Japans. Wien, Gerold Sohn. M. 3. 60. Stinde, J., Das Rauchen. Seine Ausübung und ſein Einfluß auf das Erfurt, “Bar Wohlbefinden. Eine naturwiſſenſchaftlich⸗diätet. Studie. 2. Aufl. Berlin, Stuhr. M. 1. Weber, R., Beitrag zur Staſtitik der Echinokokkenkrankheit. Kiel, Lip⸗ ſius und Tiſcher. M. 1. Wettſtein, R. v., Zur 0 ae und Biologie der Cyſtiden. Wien, Gerold's Sohn. M. —. Wolter, M., Kurzes 9 71 9 der Zoologie 55 Studierende der Medizin, Mathematik und Naturwiſſenſchaften. 2. Aufl. Anklam, Wolter. M. 2. e h r. von 13 ce erleidet. Wenn wir der Wirklichkeit ent⸗ ſprechendere Verhältniſſe annehmen, reduziert ſich der Gewichtsverluſt auf etwa leg, aljo das Gewicht einer Flaumfeder oder eines Samenkornes bei einem Vogel von der Größe einer Taube. Iſt es wahrſcheinlich, daß die Luftſäcke um eines ſo minimalen Vorteiles willen ſollen angelegt ſein? Preßburg. Prof. K. v. Fuchs. Zu Frage 32. Daß der Mond uns immer dasſelbe Geſicht zeigt, läßt ſich ſehr einfach erklären, wenn wir vorausſetzen, daß der Mond einſt Waſſer, insbeſondere Meer hatte. Wenn dies der Fall war, ſo hatte er auch Ebbe und Flut, und zwar war die Flutwelle, die auf Erden wohl kaum irgendwo eine viel größere Höhe als 15 m er⸗ reicht, auf dem Monde wohl normal weit über 30 w hoch, weil die Anziehungskraft des Mondes, welche die Flutwelle im Niveau erhalten wollte, ſehr klein iſt gegen die Schwere auf der Erde. Die Flutwelle bildete nun einen überaus kräftigen Hemmſchuh, der ſo lange wirkte, als der Mond unter ihr ſich hinwegdrehen wollte (wenn wir nämlich vorausſetzen, daß der Mond ſich urſprünglich raſch, etwa in einem Tage od. dgl., um ſeine Achſe drehte). Nun wendete die Flutwelle konſtant der Erde ſich zu, gleichwie auch unſere irdiſche Flutwelle konſtant dem Monde folgt. Der Mond wurde alſo ſo lange gehemmt, bis er ſo lang⸗ fam fic) drehte, daß auch er konſtant der Erde ſein Geſicht zeigte. Seitdem iſt das Meer des Mondes (wenn es überhaupt beſtanden hat) in den Spalten des Mondes verſunken, aber die Umdrehungsgeſchwindigkeit von einem Monate hat der ae vermöge ſeiner Trägheit behalten. Preßburg. Prof. KR. v. Fuchs. Zu Frage 33. Während Lacerta viridis und Lac. ocellata im Leben einen einfarbigen Schwanz beſitzen, iſt dieſer bet alten wie jungen Lac. pater, mögen dieſe das Jugendkleid der Lac. ocellata (häufigſte Form) oder der Lac. viridis (ſeltenere Form) tragen, ſtets bräunlich, braun, weiß und ſchwärzlich, namentlich auf den Seiten durch meiſt längliche Flecken marmoriert. Außerdem hat ſtets der en einen leicht rötlichen, faſt violetten Anhauch. Dr. Joh. von Fischer. Die Waſſerverſorgung der Laubmooſe. Don Prof. Dr. G. Haberlandt in Graz. Jas Intereſſe, welches die allgemeine Botanik den Mooſen entgegenbringt, iſt aus ver— ſchiedenen Gründen lebhafter und man⸗ e anſpruchsloſen Pflanzengruppe ver⸗ muten möchte. In mehr als einer Hinſicht bilden nämlich die Mooſe den ſcharf markierten Ausgangs⸗ punkt für die morphologiſche, anatomiſche und phylo— genetiſche Betrachtung der höher entwickelten Pflanzen. Beſonders bemerkenswert ſind die verſchiedenartigen Anpaſſungserſcheinungen, welche die Mooſe, ſpeciell die Laubmooſe, in ihrem äußeren und inneren Bau erkennen laſſen. Bei dem Umſtande, daß dieſe Pflänz⸗ chen betreffs ihrer Standortsverhältniſſe die allerver⸗ ſchiedenſten Neigungen haben, andererſeits trotz allem Formenreichtum von relativ einfacher Organiſation ſind, wird dem Forſcher der Einblick in den Komplex der Anpaſſungsmerkmale dieſer Pflanzengruppe weſent⸗ lich erleichtert, und mehr als einmal wirft ihr Stu— dium ein beachtenswertes Streiflicht auf die Rätſel der Anpaſſungsphänomene bei den höher entwickelten Pflanzen. Ein lehrreiches Beiſpiel hierfür bildet die Waſſer— verſorgung der Laubmooſe. Am einfachſten ver- halten ſich in dieſer Hinſicht jene Gattungen und Arten, welche auf Felſen, Dächern, Baumſtämmen wachſen und aus dieſem Grunde ganz und gar auf die momentane Ausnutzung der atmoſphäriſchen Nie— derſchläge angewieſen ſind. Hierher gehören vor allem zahlreiche Hypnaceen, Gymnostomum-, Barbula- Orthotrichum-Arten ꝛc. Beſondere Einrichtungen zur Aufnahme des Waſſers ſind bei dieſen Mooſen nicht vorhanden oder wenigſtens bis jetzt nicht nach— gewieſen. Mit allen ihren Blättern ſaugen ſie das Waſſer auf, entfalten ſich und trocknen wieder völlig aus, ſobald der Himmel blau wird. Nicht die Auf— nahme des Waſſers iſt es, welche uns bei dieſen Humboldt 1887. Mooſen intereſſiert, ſondern die bis zur vollſtändigen Lufttrockenheit führende Abgabe desſelben, welche ohne Schädigung der Lebensfähigkeit der Pflänzchen wieder⸗ holt vor ſich geht. Hierin ſpricht ſich alſo die An— paſſung bei dieſer Laubmoosgruppe aus, eine An— paſſungserſcheinung, die der mikroſkopiſch-anatomiſchen Erforſchung unzugänglich iſt, da ſie von unſichtbaren Eigenſchaften des Protoplasmas dieſer Mooſe ab- hängt. Es leuchtet ein, daß dieſe Art der Anpaſſung die direkteſte und deshalb wirkſamſte iſt, und daß ſie überdies dem biologiſchen Prinzip der Materialerſpa⸗ rung am vollſtändigſten gerecht wird, da ſie ſpecielle Schutzeinrichtungen zur Verhinderung, reſp. Verlang— ſamung der Waſſerabgabe ganz überflüſſig macht. Es fragt ſich nun, weshalb bei den höher entwickelten Pflanzen dieſes anſcheinend vorteilhafteſte Schutzmittel, die Austrocknungsfähigkeit, fo überaus ſelten zur Wn- wendung kommt, weshalb es z. B. die Steppen- und Wüſtenpflanzen vorziehen, ſich durch die verſchiedenſten anatomiſchen Einrichtungen, wie mächtige Epidermen, Korkmäntel, Wachs⸗ und Haarüberzüge, Waſſerreſer⸗ voire ꝛc., vor den Gefahren der Austrocknung zu ſchützen, ſtatt einfach gänzlich auszutrocknen und in der Regenperiode wieder aufzuleben. Die Antwort auf dieſe Frage fällt nicht ſchwer. Auch im Bereiche der biologiſchen Anpaſſung gilt eben der Spruch: „Eines ſchickt ſich nicht für alle!“ und was ſich das kleine Moospflänzchen geſtatten darf, iſt für die größere phanerogame Pflanze aus verſchiedenen Gründen un- durchführbar. Alle größeren Pflanzenformen ſind vor allem darauf angewieſen, längere Zeiträume hindurch ihre Ernährungsthätigkeit fortzuſetzen, um die für das Wachstum ihrer Organe nötigen Bauſtoffmengen er— zeugen zu können. Stets wiederkehrende Unterbrechun⸗ gen der Ernährung durch Austrocknung würden ſämt⸗ liche Wachstumsprozeſſe ſo ſehr verzögern, daß die betreffende Pflanze trotz ihrer Lebenszähigkeit gegen⸗ 57 450 Humboldt. — Dezember 1887. über der Austrocknung im Kampf ums Daſein ent⸗ ſchieden im Nachteile wäre. Dazu kommt noch ein anderer, nicht minder wichtiger Grund; die Moos⸗ pflanze iſt in anatomiſcher Hinſicht ſo einfach gebaut, daß die Schrumpfung der eintrocknenden Gewebe in mechaniſcher Hinſicht keine Gefahren mit ſich bringt; die kollabierten Gewebe erlangen bei erneuter Waſſer⸗ zufuhr leicht wieder ihre urſprüngliche Form und Größe. Anders würden ſich in dieſer Hinſicht die weit komplizierter gebauten, aus ſehr verſchiedenarti⸗ gen Geweben zuſammengeſetzten Organe der höher entwickelten Pflanzen verhalten. Da hätte die weit⸗ gehende Schrumpfung beim Austrocknen mancherlei ſchädliche Spannungen und Zerrungen, ja ſelbſt Riß⸗ bildungen im Gefolge, zu deren Hintanhaltung wieder mechaniſche Schutzeinrichtungen verſchiedener Art er⸗ forderlich wären. Auch aus dem Grunde müßte das mechaniſche Gewebeſyſtem eine verhältnismäßig enorme Ausbildung erfahren, weil ſonſt das dürre, ſpröde Laubwerk und Gezweige von jedem Windſtoß abge⸗ knickt, zerbrochen und zerbröckelt würde. — Man braucht ſich alſo bloß die Konſequenzen einer derarti⸗ gen Anpaſſung an vollſtändige Austrocknung ſeitens größerer, höher entwickelter Pflanzen auszumalen, um zu begreifen, daß die Austrocknungsfähigkeit ihres Protoplasmas viel zu teuer erkauft wäre. Anders liegen die Dinge natürlich betreffs der Samen und Keimpflanzen. Für dieſe iſt die Unempfindlichkeit gegen⸗ über weitgehender Austrocknung in den meiſten Fällen eine Lebensfrage, und dementſprechend haben ſich die⸗ ſelben jene Eigenſchaft auch thatſächlich erworben; in vollkommenſter Weiſe die Samen, weniger vollkommen die Keimpflanzen. Vom phyſiologiſchen wie vom bio⸗ logiſchen Standpunkte aus gewährt es ein gleiches Intereſſe, daß das Protoplasma des jugendlichen Individuums bei deſſen Weiterentwickelung eine fo prägnante Eigenſchaft, wie das Wiederaufleben nach ſtattgefundener Austrocknung, allmählich vollkommen einbüßt. Nach dieſer Abſchweifung kehren wir wieder zu den wiederholte Austrocknung vertragenden Laubmoo⸗ ſen zurück. In neuerer Zeit iſt dieſer Gegenſtand von G. Schröder!) auch experimentell behandelt wor⸗ den; es ergab ſich dabei das intereſſante Reſultat, daß manche Laubmooſe nicht nur monatelange Luft⸗ trockenheit ohne allen Nachteil überſtehen, ſondern daß fie auch durch das ſtärkſte Austrocknen im Exſic⸗ cator über Schwefelſäure ihre Lebensfähigkeit nicht einbüßen. Pflänzchen von Barbula muralis, die 18 Monate lang im Exſiccator aufbewahrt blieben, nahmen nach erfolgter Wiederbenetzung das ſiſtierte Wachstum in allen ihren Teilen wieder auf. Aehnlich verhielten ſich andere Barbula-Arten. Bemerkenswert iſt auch ein mit Grimmia pulvinata angeſtellter Verſuch, bei welchem die längere Zeit unter einer Glasglocke ſehr feucht kultivierten Stämmchen plötzlich der Einwirkung *) Ueber die Austrocknungsfähigkeit der Pflanzen, Unterſuchungen aus dem botaniſchen Inſtitut zu Tübingen, herausgegeben von Pfeffer, II. Bd., 1. Heft, 1886. eines warmen und vollſtändig trockenen Luftſtromes ausgeſetzt wurden. In kurzer Zeit waren die Stämm⸗ chen ſo trocken, daß man ſie zu Staub zerreiben konnte. Dann mußten ſie noch 15 Wochen lang im Exſiccator warten, bis endlich das belebende Naß ſie zu neuem Leben erweckte. Das ſchnellſte Austrocknen, welches im Laboratorium erzielt werden kann, war demnach nicht im ſtande, den Pflänzchen zu ſchaden. Die Re⸗ ſiſtenz derſelben iſt eine weit größere, als ihrem natür⸗ lichen Bedürfniſſe entſprechen würde, denn eine ſo raſche und vollkommene Austrocknung, wie ſie bei dem beſchriebenen Verſuch erreicht wurde, kommt in der freien Natur ja niemals vor. Die Thatſache, daß eine durch Anpaſſung erworbene Eigenſchaft geradezu im Uebermaße ausgeprägt wird, iſt auch ſonſt zu⸗ weilen nachweisbar und für den Selektionstheoretiker ein ſchwieriges Problem. Wir wenden uns jetzt jenen Laubmooſen zu, welche zwar nicht im ſtande ſind, dem Erdreich Waſſer in er⸗ heblicheren Quantitäten zu entreißen, die jedoch ſelbſt kleine Waſſermengen, von denen ſie benetzt werden, möglichſt auszunutzen wiſſen. Zu dieſem Zwecke ſind ihre Stämmchen mit Einrichtungen verſehen, welche eine Verteilung des bloß lokal mit ihnen in Berüh⸗ rung ſtehenden Waſſers auf kapillarem Wege möglich machen. Dieſe kapillare „äußere Waſſerleitung“ ver⸗ ſchiedener Laubmooſe iſt bereits vor 30 Jahren von C. Schimper erkannt worden; in neuerer Zeit wurde fie von Fr. Oltmanns unter Zuhilfenahme von Farb⸗ ſtofflöſungen genauer ſtudiert. Die Kapillarräume, in denen das Waſſer aufſteigt, oder, allgemeiner geſagt, ſich verteilt, kommen auf ver⸗ ſchiedene Weiſe zu ſtande. In den einfachſten Fällen ſind es die Blätter, welche ſie herſtellen. Es laſſen ſich dabei, wie von Oltmanns auseinandergeſetzt wird, mehrere Typen unterſcheiden. So bilden z. B. bei Hylocomium loreum, Hypnum purum und ähn⸗ lichen Formen die Blätter vermöge ihrer Geſtalt und der dichten gegenſeitigen Berührung ihrer Ränder um das Stämmchen herum einen Hohleylinder, der in ſeinem Inneren aus einem Syſtem zuſammenhängen⸗ der Kammern beſteht. Iſt Waſſer genug vorhanden, ſo wird der kapillare Raum zwiſchen Stamm und Blättern vollſtändig ausgefüllt; im anderen Falle ſteigt das Waſſer bloß zwiſchen den übereinanderliegenden Blatträndern in einer der Blattſtellung entſprechenden Kurve empor. Bei Plagiothecium undulatum, Neckera crispa und anderen greifen die Blätter dach⸗ ziegelartig übereinander, in anderen Fällen ſind ſie überhaupt klein und dicht geſtellt, ſo daß zwiſchen ihnen ein ganzes Syſtem von engen Kapillarräumen zu ſtande kommt. Die überaus häufig zu beobachtende Erſcheinung, daß die vertrocknenden Blätter ſich auf⸗ richten und an das Stämmchen anlegen, wobei ſie ſich überdies häufig kräuſeln und einrollen, hat, wie Oltmanns hervorhebt, eine Vermehrung der Kapil⸗ *) Ueber die Waſſerbewegung in der Moospflanze und ihren Einfluß auf die Waſſerverteilung im Boden. Breslau 1884. Humboldt. — Dezember 1887. 451 larräume zur Folge; natürlich wird dann bei er— folgter Benetzung das Waſſer um ſo leichter und vollſtändiger über die Oberfläche des Pflänzchens verteilt. In einer anderen Reihe von Fällen wird der Kapillarapparat von einem das Stämmchen umhüllen⸗ den Haarfilz gebildet, in welchem das Waſſer, wie in einem Stück Filtrierpapier emporſteigt (Dicranum undulatum, Climacium dendroides, Hylocomium splendens und andere). Gewöhnlich ähneln dieſe Haarbildungen den Wurzelhaaren und können eventuell als ſolche bezeichnet werden. In vereinzelten Fällen zeigen fie aber eine beſondere Ausbildung (Thuidium tamariscinum). Es iſt wohl nicht zu bezweifeln, daß dieſe Haargebilde das Waſſer, mit welchem ſie in Berührung kommen, auch aufzunehmen im ſtande ſind. Bei den Phanerogamen iſt die reichliche Abſorp— tion von Waſſer ſeitens oberirdiſcher Organe eine ziemlich ſeltene Anpaſſungserſcheinung, welche auf verſchiedene Epiphyten (Bromeliaceen) und Wüſten⸗ gewächſe beſchränkt iſt. Auch hier vermitteln verſchie— denartig gebaute Trichome die Aufnahme des Waſſers. Was die Wüſtengewächſe betrifft, ſo wurde vor kurzem von Volkens*) gezeigt, daß viele von jenen Arten, deren Blätter mit einem Haarfilz verſehen ſind, den Regen und Tau auf die eben erwähnte Art abſor⸗ bieren. Nie iſt es jedoch nach Volkens die ganze Oberfläche des Haares, welche das Waſſer aufnimmt; als abſorbierende Elemente fungieren bloß beſtimmte Zellen an der Baſis der Haare, während der aus abgeſtorbenen Zellen beſtehende Haarfilz ſelbſt nur die Aufgabe hat, das Tau- und Regenwaſſer kapillar feſtzuhalten, beziehungsweiſe über die Blattoberfläche zu verteilen und ſo die Abſorption zu begünſtigen. Ohne jedes Analogon bei den höher entwickelten Pflanzen tritt uns der eigentümliche Kapillarapparat der Torfmooſe entgegen. Da derſelbe in den meiſten Lehr⸗ und Handbüchern der Botanik mit hinreichen⸗ der Ausführlichkeit behandelt wird, ſo iſt auf ihn an dieſer Stelle bloß der Vollſtändigkeit halber einzu⸗ gehen. Die Blätter der Sphagnaceen beſtehen aus zweierlei Elementen: aus langgeſtreckten, chlorophyll— führenden Zellen, welche ſich zu einem Netz zuſammen⸗ fügen, und aus toten, farbloſen Kapillarzellen, welche die Maſchen des eben erwähnten Zellnetzes bilden. Die Wände der Kapillarzellen ſind mit großen, meiſt runden Poren verſehen, den Eintrittsſtellen des Waſſers, deren Lage und Stellung bei manchen Arten (Sphagnum cymbifolium) den Uebertritt des Waſſers aus einer Zelle in die andere bedeutend erleichtert. Die Ränder der Poren find häufig von einem ver- dickten Faſerringe umſäumt, deſſen Bedeutung offen- bar eine mechaniſche iſt: er ſoll das Einreißen der dünnen Membran vom Lochrande aus erſchweren. Die Wandungen der in Rede ſtehenden Zellen zeigen noch eine andere mechaniſche Einrichtung; ſie ſind mit ring⸗ oder ſpiralfaſerigen Verdickungen ausge⸗ ) Die Flora der ägyptiſch⸗arabiſchen Wüſte, Berlin 1887, S. 32. ſtattet, welche mehr oder minder ausſteifend wirken müſſen. Aus dem gleichen Grunde ſind auch die Waſſerleitungsröhren der höher entwickelten Pflanzen fo häufig mit ving oder ſpiralförmigen Wandver⸗ dickungen ausgerüſtet. — Das Stämmchen der Torf— mooſe beſitzt gleichfalls einen Kapillarapparat; hier iſt es die aus 2—4 Zellſchichten beſtehende „Rinden— hülle“, welche als Waſſerreſervoir und teilweiſe auch als Organ der Waſſerleitung fungiert. Bei zahlreichen Laubmooſen beſitzen die Stämm⸗ chen, Fruchtſtiele und Blätter, oder wenigſtens die erſteren, einen waſſerleitenden Gewebeſtrang, welcher axil gelagert ijt, beziehungsweiſe den „Blattnerv“ durchzieht. Dieſer, aus engen, meiſt dünnwandigen und langgeſtreckten Zellen beſtehende Strang iſt be— reits von W. Ph. Schimper und Fr. Unger, denen wir die erſten genaueren Angaben über die Anatomie der Laubmooſe verdanken, beſchrieben worden. Ueber die phyſiologiſche Rolle dieſes „Centralſtranges“ blieb man jedoch bis auf die neueſte Zeit im unklaren. Man zweifelte zwar nicht daran, daß derſelbe der Stoffleitung diene, und faßte ihn dementſprechend als rudimentäres Gefäßbündel auf, allein man wußte nicht, welche phyſiologiſche Analogien zwiſchen dem Centralſtrang der Laubmooſe und den Leitbündeln der höher entwickelten Pflanzen herrſchen. Vor einiger Zeit nun wurde von mir der Nachweis geliefert, daß der typiſch gebaute Centralſtrang ein Waſſer— leitungsgewebe vorijtellt*). Die Thatſachen, auf welche fic) dieſe Deutung ſtützt, find ſowohl ana- tomiſcher wie phyſiologiſcher Natur. In erſterer Hin- ſicht wurde gezeigt, daß die Centralſtrangzellen keine lebenden Plasmakörper, ſondern gewöhnlich bloß Waſſer enthalten, vorausgeſetzt, daß man die Stämm⸗ chen in friſchem Zuſtande unterſucht. Es folgt dar— aus, daß alle diejenigen Stoffleitungsvorgänge, welche an die Mitwirkung von lebendem Plasma gebunden find, wie die Leitung von Kohlehydraten und Eiweiß ſubſtanzen, im Centralſtrang unmöglich ſtattfinden können. Das gleiche ergibt ſich aus der weiteren Thatſache, daß in halbvertrockneten Laubmoosſtämm⸗ chen die Zellen des Centralſtranges nur Luft ent— halten; wenn man z. B. ein friſch abgeſchnittenes Stämmchen von Mnium undulatum 10—15 Minu⸗ ten lang tranſpirieren läßt, bis die Blättchen mehr oder minder verſchrumpft find und dann den Central-⸗ ſtrang durch einen Längsſchnitt bloßlegt, ſo erſcheint derſelbe dem unbewaffneten Auge als heller, ſilber— glänzender Faden. — Die Zellen des Centralſtranges verhalten ſich alſo hinſichtlich ihres Inhaltes ganz ähnlich, wie die waſſerleitenden Röhren der höher entwickelten Pflanzen. Noch deutlicher ſpricht das phyſiologiſche Experi— ment für die Funktion des Centralſtranges als Waſſer⸗ ) Ueber die phyſiologiſche Funktion des Central⸗ ſtranges im Laubmoosſtämmchen; Berichte der deutſchen botan. Geſellſchaft 1883, S. 263 ff. Ferner: Beiträge zur Anatomie und Phyſiologie der Laubmooſe, Pringsheims Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik, Bd. XVII, 1886, S. 372 ff. 452 Humboldt. — Dezember 1887. leitungsgewebe. Wenn man ein friſch abgeſchnittenes unbenetztes Stämmchen von Mnium undulatum mit ſeinem blattloſen unteren Ende 1—2 mm tief in eine wäſſerige Farbſtofflöſung (z. B. in rote Eoſinlöſung) tauchen läßt, ſo ſteigt dieſelbe bloß im Centralſtrange und zwar mit ziemlich großer Schnelligkeit empor. Da die Rinde des Stämmchens ziemlich durchſichtig iſt, ſo kann man den roten Faden der Eoſinlöſung ſchon mit unbewaffnetem Auge ſehr deutlich ver⸗ folgen. Da die Anwendung von Farbſtofflöſungen bei Waſſerleitungsverſuchen in Bezug auf gewiſſe Fragen nicht einwurfsfrei iſt, ſo habe ich auch mit einer fünf⸗ prozentigen Löſung von ſchwefelſaurem Lithium ex⸗ perimentiert und die Steighöhen derſelben im Laub⸗ moosſtämmchen, beziehungsweiſe im Centralſtrange zu beſtimmen geſucht. Nach dieſer Methode, welche die Spektralanalyſe in den Dienſt der Pflanzen⸗ phyſiologie ſtellt, haben ſchon früher andere Forſcher, wie Mac Nab, Sachs u. a. die Schnelligkeit des Saftſteigens in den Stengeln und Stämmen ver⸗ ſchiedener Phanerogamen annähernd feſtgeſtellt. Man verfährt dabei in der Weiſe, daß man eine wäſſerige Löſung des Lithiumſalzes in der betreffenden Pflanze aufſteigen läßt, dieſe letztere dann nach einer be⸗ ſtimmten Zeit in kleine Stücke zerteilt und ſchließlich die ſpektroſkopiſche Unterſuchung der Teilſtücke vor⸗ nimmt. Die kleinſten Mengen vorhandenen Lithiums können am Aufleuchten der prachtvollen roten Lithium⸗ linie mit großer Sicherheit erkannt werden. Auf dieſe Weiſe wurde alſo ermittelt, daß die Lithium⸗ löſung in reich beblätterten Stämmchen von Mnium undulatum innerhalb 5 Minuten 30—40 mm hoch emporſteigt, wobei die Luftfeuchtigkeit, den normalen Vegetationsbedingungen dieſes Mooſes entſprechend, eine relativ große ſein kann. Noch raſcher ſteigt die Löſung in Polytrichum- Stämmchen empor. Für Mnium undulatum berechnete ſich die Steighöhe pro Stunde im Mittel auf 37 cm, für Polytrichum juni- perinum auf 45 cm; aus dieſen Zahlen ergibt ſich, daß die mittlere Geſchwindigkeit der Waſſerbewegung im Centralſtrange der unterſuchten Laubmoosarten hinter der Schnelligkeit, mit welcher das Waſſer in den Stengeln verſchiedener Phanerogamen emporſteigt, nicht ſehr zurückbleibt; gewiß ein bemerkenswertes, ja überraſchendes Reſultat. — Auf gleiche Weiſe wurde ferner ermittelt, daß die Lithiumlöſung aus dem Stämmchen, reſp. dem Centralſtrang ſehr raſch in die tranſpirierenden Blätter übertritt. Eine Reihe von Tranſpirationsverſuchen lehrte ferner, daß das Waſſerleitungsvermögen des Centralſtranges, wo er typiſch und gut entwickelt iſt, vollkommen ausreicht, um jene Waſſermengen im Stämmchen aufwärts zu leiten, welche zur Deckung der auch unter normalen Verhältniſſen recht anſehnlichen Tranſpirationsverluſte der Blätter notwendig ſind. Von Intereſſe ſind auch die Beziehungen zwiſchen der Ausbildung des Centralſtranges und den Stand⸗ ortsverhältniſſen der betreffenden Laubmooſe. In dieſer Hinſicht iſt zu betonen, daß nur ſolche Species, welche auf mehr oder minder feuchten Boden leben, einen wohlentwickelten Centralſtrang beſitzen. Es iſt auch leicht einzuſehen, daß die Ausbildung eines ſolchen nur dann von Vorteil ſein kann, wenn für verhält⸗ nismäßig längere Zeit eine ſtetige Zufuhr und Auf⸗ wärtsleitung von Waſſer möglich iſt. Hierher gehören die meiſt auch großblätterigen und deshalb lebhafter tranſpirierenden Stämmchen von Mnium, Bryum, Bartramia, Funaria, Fissidens, Splachnum und andere. Bemerkenswert iſt es, daß dabei die ſyſte⸗ matiſche Stellung des betreffenden Mooſes vollkommen gleichgültig iſt. So beſitzt z. B. das auf feuchten Aeckern und Heiden vorkommende Archidium alter- nifolium, welches wir als das phylogenetiſch am tiefſten ſtehende Laubmoos betrachten dürfen, einen typiſch entwickelten Centralſtrang. Es ergibt ſich daraus ſehr deutlich, daß der Centralſtrang, beziehungs⸗ weiſe die Ausbildung eines Waſſerleitungsgewebes bei den Laubmooſen keineswegs ein Kennzeichen höherer phylogenetiſcher Ausbildung, ſondern aus⸗ ſchließlich ein Anpaſſungsmerkmal iſt. Eine andere biologiſche Gruppe bilden die trockene Standorte bewohnenden Laubmooſe, deren Waſſerver⸗ ſorgung bereits oben erörtert wurde. Die Stämm⸗ chen derſelben beſitzen entweder gar keine oder nur ſehr ſchwach entwickelte, augenſcheinlich in Rückbildung begriffene Centralſtränge. Wahrſcheinlich ſind die Vorfahren der in Rede ſtehenden Laubmooſe als Be⸗ wohner feuchter Standorte mit typiſch ausgebildeten Centralſträngen verſehen geweſen. Auch die waſſer⸗ bewohnenden Laubmooſe beſitzen aus leicht erklär⸗ lichem Grunde gar keine oder ſtark rückgebildete Cen⸗ tralſtränge; ſie erinnern dadurch an die ſubmerſen, phanerogamen Gewächſe, in deren Blättern und Sten⸗ geln das Waſſerleitungsſyſtem gleichfalls eine mehr oder minder weitgehende Rückbildung erfahren hat. Schließlich möge noch erwähnt werden, daß jene Laub⸗ mooſe, bei welchen es zu der oben beſprochenen äußeren „Leitung“ des Waſſers kommt, begreiflicherweiſe gar keine oder nur ſtark reduzierte Centralſtränge auf⸗ weiſen. Bei den höchſt entwickelten Laubmooſen, den Poly⸗ trichaceen, beſteht das centrale Leitbündel des Stämm⸗ chens nicht mehr bloß aus waſſerleitendem Gewebe. So wie bei den Leitbündeln der Farne und Phane⸗ rogamen vereinigen ſich hier Leitungsgewebe für plaſtiſche Bildungsſtoffe mit waſſerleitenden Strängen zu „zuſammengeſetzten Leitbündeln“. Wenn man die verſchiedenen Arten der Waſſer⸗ verſorgung bei den Laubmooſen überblickt, fo fällt einem auf, welch verſchiedene Wege die Anpaſſung zur Erreichung ein und desſelben Zieles eingeſchlagen hat. Bei ſo kleinen Pflanzen ſind eben die Anſprüche an die Leiſtungsfähigkeit der die Waſſerverſorgung bezweckenden Einrichtungen noch ſehr gering; die Aus⸗ wahl unter den letzteren iſt deshalb eine nur wenig beſchränkte. Je größer aber die Pflanzenformen werden, je größere Anſprüche an das Waſſerleitungs⸗ ſyſtem geſtellt werden, deſto deutlicher tritt die ver⸗ ſchiedene Leiſtungsfähigkeit der von vornherein mög⸗ Humboldt. — Dezember 1887. 453 — ——ñ̃ ä—⅞ä b] ee EE UEE ——ü—..ꝓ ä—Hj— — lichen Einrichtungen hervor, bis der Natur ſchließlich ein einziges brauchbares Modell übrig bleibt, welches ſie mit gewiſſen Variationen überall anwendet, wo große, ſtattliche Pflanzenformen entſtehen ſollen. Ein allſeitig befriedigender Einblick in das Getriebe dieſes komplizierten Apparates gehört trotz zahlreicher Be— mühungen noch immer zu den frommen Wünſchen der Pflanzenphyſiologie. Die Symbiofe zZwiſchen Do Ameiſen und Pflanzen. Profeffor Dr. Ernſt Hallier in Stuttgart. Beau der ſymbiotiſchen Erſcheinungen zwiſchen Tieren und Pflanzen iſt man in neuerer Zeit beſonders auf die Ameiſen mehr und mehr aufmerkſam geworden, die ja wegen ihrer Gewohnheiten, Sitten und ſtaatlichen Einrichtungen ſchon ſo vielfach das Intereſſe der Forſcher rege gemacht haben. Zu den merkwürdigſten Erſcheinungen im Leben der Ameiſen gehören ihre Bauten. Schon unſere gewöhnlichen Waldameiſen zeigen in dieſer Beziehung eine be— wundernswerte Erfindungsgabe. Forſter war es bei ſeiner Umſegelung der Erde mit der Expedition des berühmten Kapitäns Cook aufgefallen, daß es Ameiſen gibt, welche im Inneren von Pflanzen ihre Wohn⸗ ſtätten aufſchlagen. Dieſer für ſeine Zeit vortreff- liche Gelehrte ſagt: „Die Ameiſen zeichnen ſich durch ihre Neſter aus, welche bald aus Baumblättern zu— ſammengeleimt, bald in dem Inneren der Aeſte eines gewiſſen Baumes angebracht ſind, deſſen Mark ſie allenthalben herauszuſchaffen wiſſen, dergeſtalt, daß man kein Spitzchen abbrechen kann, wo nicht Ameiſen herausſtürzen, und ſich am Störer ihrer Ruhe rächen. Eine dritte Art bewohnt die Wurzel einer Schmarotzer⸗ pflanze, die wie unſere Miſtel an Eichen, aus der Rinde eines dortigen Baumes hervorwächſt ).“ Auch dem Botaniker Rumphius ) war dieſe Er⸗ ſcheinung aufgefallen, aber er betrachtete fie feines- wegs ſo kaltblütig und vorurteilsfrei, wie der klare Georg Forſter, denn er war der Meinung, das Ge— wächs ſei kein Schmarotzer, ſondern ein Erzeugnis der Ameiſen, eine wunderbare Naturſchöpfung, welche ohne Vater und Mutter entſtehe. Er läßt dieſe Pflanzen aus der Subſtanz der Ameiſenneſter hervor- gehen, wo doch nach ſeiner Meinung vorher unmöglich ein Samenkorn konnte vorhanden geweſen fein; trob- dem ſieht er aus jedem Ameiſenbau eine beſondere Pflanze hervorgehen. Je nachdem der Bau von roten oder von ſchwarzen Ameiſen bewohnt wird, nennt er denſelben: Nidus germinans formicarum rubrarum und nidus germinans formicarum nigra- rum. Erſt im Jahr 1825 zeigte Sack, daß dieſen beiden Bauten zwei verſchiedene Pflanzengattungen aus der Familie der Rubiaceen entſprächen, nämlich dem Bau der roten Ameiſen die Schmarotzergattung Myrmecodia, dem Bau der ſchwarzen Ameiſen die ) Georg Forſter, Kleine Schriften. Neue Auflage. Berlin 1803. I. Teil. Neuholland und die britiſche Kolonie in Botany⸗Bay. S. 256. **) Rumphius, Amboinisch kruid-boek, 6e deel, 1750, ekg: Schmarotzergattung Hydnophytum, deren Bedeutung als Schmarotzer ſchon Forſter richtig erkannt hatte ). Lange Zeit beruhigte man ſich bei der Thatſache, daß gewiſſe Ameiſen im Inneren von Organen ge— wiſſer Pflanzen ihren Wohnſitz aufſchlagen, ohne weiter danach zu fragen, wie ſie hineingelangen, und in welchem Verhältnis ſie zu dem von ihnen be— wohnten Wirt etwa ſtehen möchten. Seitdem man aber angefangen hat, alle Vorgänge im Leben der Organismen vom Standpunkt der Ab— ſtammungslehre aus zu prüfen, mußte man ſich die Frage vorlegen, ob man es bei dem Zuſammenleben von Pflanzen und Ameiſen nicht in ähnlicher Weiſe wie z. B. bei der Befruchtung mancher Blüten durch Bienen, Hummeln, Vögel oder Mollusken mit Wn- paſſungserſcheinungen zu thun habe und ob jenes Bu- ſammenleben nicht vielleicht als eine echte Symbioſe aufzufaſſen ſei. Daß freilich gerade bei der Beant⸗ wortung derartiger Fragen die größte Nüchternheit der Forſchung erforderlich iſt, konnte keinem gewiſſen⸗ haften Naturkundigen verborgen bleiben. Man hat nun nach und nach eine größere Anzahl von Fällen kennen gelernt, in welchen Pflanzenorgane von Ameiſen bewohnt werden, und hat auf dieſe Weiſe ein reiches Material für die biologiſche Forſchung gewonnen. Huth in Frankfurt a. O. hat ein Ver⸗ zeichnis der bisher bekannt gewordenen Ameiſen—⸗ pflanzen zuſammengeſtellt “*). Daraus entnehmen wir Folgendes: Mimoseae. Acacia cornigera Willd. Wohnſitz: die in hornartige, hohle Dornen verwandelten Nebenblätter. Rubiaceae. Hydnophytum amboinense Beccari, H. formicarum Jack. Myrmecodiau Rumphii Beccari. M. tuberosa Jack. Wohnſitz: der ſtark angeſchwollene, innen mit zahlreichen Kammern verſehene Hauptſtamm der Pflanze. Dieſelbe Familie liefert außerdem zahlreiche andere myrmekophile Vertreter, im ganzen etwa fünfzig Arten in vier Gattungen. Die beiden oben genannten Gattungen werden von Iridomyrmex cordata und Cre- matogaster deformatus bewohnt. Verbenaceae. Clerodendron fistulosum Beccari. Wohnſitz: die keulig angeſchwollenen, hohlen Stengelglieder. Polygoneae. Etwa zwanzig Arten der Gattung Triplaris. Wohnſitz: die röhrenförmigen Zweige. Myristiceae. Myristica myrmecophila Beccari. *) Jack, Account of the Lansium and some other genera of Malayan plants, Transact. of Linn. Society. Vol. 14. 1825, p. 122—125. **) Huth, Ameiſen als Pflanzenſchutz. Verzeichnis der bisher bekannten myrmekophilen Pflanzen. Mit drei Figuren⸗ tafeln. Frankfurt a. O. 1886. In der Sammlung natur- wiſſenſchaftlicher Vorträge. 454 Wohnſitz: hohle Anſchwellungen der Internodien oberhalb der Knoten. Euphorbiaceae. Endospermum moluccanum Beccari. (Hernandia sonora.) E. formicarum Beccari. Wohnſitz: hohle Anſchwellungen des Stammes und der Zweige. Artocarpeae. Cecropia palmata Willd. C. ade- nopus Miguel und andere Arten dieſer Gattung. Wohn⸗ ſitz: gekammerte Höhlungen im Innern des Stammes und ſeiner Zweige. Orchideae. Schomburgkia tubicinis Batemann, wahrſcheinlich auch Grammatophyllum speciosum Blume (Vanda scripta Spr.), Chelonanthera speciosa Blume und andere. Wohnſitz: der Scheinknollen am Grunde der Blätter, welcher im Innern eine Höhlung birgt. Palma e. Korthalsia horrida Beccari. K. echi- nometra Beccari. K. Cheb Beccari. K. scaphigera Mart. Wohnſitz: Höhlungen in der blaſig oder kahnförmig ange⸗ ſchwollenen Gelenktute (ochrea) des Blattes. Calamus amplectens Beccari. Wohnſitz: das zurückgebogene, den Stamm tutenförmig umſchließende Fiederpaar der Blätter. Borragineae. Cordia nodosa Lam. und andere Arten. Wohnſitz: die hohlen aufgeblaſenen Zweige. Vielleicht gehört auch eine Grasart: Stipa formica- rum Del. zu den myrmekophilen Pflanzen. Da nun in ſo zahlreichen Fällen die Benutzung von Höhlungen in Pflanzenorganen als Wohnſitze der Ameiſen unzweifelhaft nachgewieſen wurde, ſo liegt die Verſuchung außerordentlich nahe zu der Annahme, daß ſich im Lauf der Zeit zwiſchen den Ameiſen und den von ihnen bewohnten Pflanzen durch allmähliche An⸗ paſſung ein Wechſelverhältnis herausgebildet habe, zum Vorteil des tieriſchen Bewohners und ſeines Wirtes. Es liegt z. B. nahe, zu glauben, daß die von den Ameiſen bewohnten hohlen Organanſchwel⸗ lungen unter dem Einfluß derſelben entſtanden ſeien, entweder direkt, ſo etwa, wie die Eichengallen durch den Stich von Gallweſpen erzeugt werden, oder in⸗ direkt, nämlich durch lange, viele Generationen hin⸗ durch fortgeſetzte Reizungen, welche nach und nach hohle Anſchwellungen erzeugt haben, die allmählich erblich und dadurch zu erworbenen Specieseigenſchaften geworden ſind. Dieſer Anſicht iſt z. B. Beccari in Florenz entſchieden zugethan*), ohne jedoch den Be⸗ weis für ihre Richtigkeit lückenlos geführt zu haben. Andere, wie z. B. Forbes, gehen noch weiter, indem ſie vorausſetzen, daß die pflanzenbewohnenden Ameiſen ihren Wirten als Gegenleiſtung einen Schutz ge⸗ währen. Wenn Forbes beim Einſammeln von Teilen myrmekophiler Pflanzen durch die in ihrem Bau ge⸗ ſtörten und erſchütterten Inſaſſen mit wütenden, brennenden Biſſen empfangen wurde, ſo liegt es nahe, zu glauben, daß dadurch der betreffenden Pflanze ein weſentlicher Schutz gewährt werde; aber dieſe An⸗ ſicht hat ihre großen Bedenken, denn einen ähn⸗ lichen Schutz müßte man z. B. vorausſetzen bei einer von Weſpen ausgehöhlten und von Ameiſen beſuchten Birne. Bricht man eine ſolche Birne vom Baume, ſo kommen natürlich die Ameiſen heraus und man empfindet an der Hand brennende Schmerzen. Nie⸗ mand aber wird darin eine Schutzvorrichtung des Birnbaums ſehen. Gegen menſchliche Eingriffe wäre ) Beccari, Malesia. Vol. I. fase. II. 1877, p. 190, fase. III. 1878, p. 236. Humboldt. — Dezember 1887. überhaupt der Ameiſenſchutz ein viel zu ſchwacher, und Tiere ſind nur ſelten ſo empfindlich gegen Ameiſenbiſſe. Bei dieſer kritiſchen Lage der Sache iſt es nun von ganz beſonderem Wert, daß ein beſonnener und nüchterner Forſcher, nämlich M. Treub, einen beſtimmten Fall aufs genaueſte unterſucht hat, und wir wollen im folgenden die Hauptreſultate ſeiner Arbeit mitteilen). Treub machte die beiden obenerwähnten, ſchma⸗ rotzenden Rubiaceengattungen Myrmecodia und Hy- dnophytum zum Gegenſtand ſeiner Unterſuchung, alſo wahrſcheinlich dieſelben myrmekophilen Pflanzen, welche ſchon Georg Forſter beobachtet hatte. Dieſe Gewächſe heften ſich mit Hilfe von Adventivwurzeln an die Zweige der Bäume. Im unteren Teil ihres Stengels bilden ſie glatte oder dornige, knollige An⸗ ſchwellungen von einigen Decimetern im Durchmeſſer. Im Innern dieſer Anſchwellungen zeigt ſich ein ausge⸗ dehntes Syſtem von Höhlungen und Galerien, welche durch eine Anzahl von Oeffnungen mit der Außen⸗ welt in Verbindung ſtehen. Caruel wies im Jahr 1867 an einer von Beccari auf Borneo geſammelten Myrmecodia nach, daß die Knolle aus der anſchwellenden hypocotyledonaren Achſe hervorgeht ). Beccari hatte eine Zeichnung dazu ge⸗ liefert und eine handſchriftliche Notiz beigegeben, in welcher er die Pflanze folgendermaßen beſchrieb: Das junge Stämmchen entwickelt ſich und verlängert ſich bis zu 3—6 mm, verdickt ſich am Grund ein wenig und nimmt kegelförmige Geſtalt an, die beiden Cotyle⸗ donen an der Spitze geöffnet. In dieſem Zuſtand verharrt die Pflanze ſo lange, bis eine beſondere Art von Ameiſen an der Seite des am ſtärkſten ange- ſchwollenen Teils des Stämmchens eine kleine Höhlung ausgräbt. Geſchieht das nicht, ſo entwickelt die Achſe ſich nicht weiter und die Pflanze ſtirbt ab; iſt es aber der Fall, ſo veranlaßt der Ameiſenbiß ein rapides Wachstum des Zellgewebes, ähnlich wie nach dem Stich einer Gallweſpe. Wäre dieſe Darſtellung richtig, ſo würde damit die Frage in ſehr einfacher Weiſe gelöſt fein. Beccart nimmt für die verſchiedenſten von Ameiſen bewohnten Pflanzen eine derartige Entſtehung der Höhlungen direkt durch die Thätigkeit der Ameiſen an und auch Bentham und Hooker huldigen dieſer Anſicht ). Treub beſchränkte ſeine Unterſuchung auf Myr- mecodia echinata Jack. und Hydnophytum mon- tanum Blume, welche beim Berge Pandjar auf Java vorkommen. Mymecodia beſitzt eine orangefarbene Frucht mit vier Samen in einer klebrigen Pulpa. Die Ausſaat wird wahrſcheinlich durch Vögel vermittelt; doch mag auch der Regen bisweilen die Samen am Stamme *) M. Treub, Sur le Myrmecodia echinata Gand. Extrait des Annales du Jardin botanique de Buiten- zorg. Vol. III, p. 129—159. Leide. E. J. Brill. 1883. **) I. Caruel. IIlustrazione di una Rubiacea del genere Myrmecodia. Nuovo giornale bot. Ital. Vol. IV. 1872, p. 170, pl. L wu) Bentham und Hooker. Genera. Vol. II, p. 182. Humboldt. — Dezember 1887. herabwaſchen, bis ſie in den Ritzen der Rinde keimen. — Die Keimung zeigen die nebenſtehenden Figuren. In Fig. 1, 2 ſieht man, wie das hypocotyledonare Glied von vornherein am Grund anſchwillt. Die Anſchwellung nimmt noch zu, bevor die Coty- ledonen die Samenſchale verlaſſen haben (Fig. 3, 4). Um die Zeit, wo die Cotyledonen die Samenſchale abſtreifen, hat die hypocotyledonare Achſe meiſtens ſchon die Form einer grünen, ſehr markierten Knolle angenommen (Fig. 5). Keimt der Same im Dunkeln in den Spalten der Baumrinde, ſo ſtreckt ſich das hypocotyledonare Glied ſtark in die Länge und der angeſchwollene Teil grenzt ſich weniger ſtark gegen den oberen ab. Unterſucht man etwas ältere Pflanzen, ſo findet man meiſtens nach dem Grund hin (Fig. 9), bisweilen auch ſeitlich (Fig. 8), eine ſcharf kreisför⸗ mige Oeffnung, welche den Eingang in eine Höhlung im Innern des Knollens bildet. Die grüne Farbe der Knollen verſchwindet nach und nach und ſie be— decken ſich mit einer grünlich-braunen Korkſchicht. Die bald darauf ſich bildenden Dornen find nach Caruel und Treub abortive Wurzeln. Treub hatte nun vor allen Dingen die Aufgabe, die Behauptung von Forbes und Beccari, daß die Pflanze in dieſem Stadium ohne Hilfe der Ameiſen, oder wenn dieſe den Bau verlaſſen, abſterbe, auf ihren Wert zu prüfen. Auffallend mußte es allerdings erſcheinen, daß jede Pflanzenart nur von einer be— ſtimmten Ameiſenart bewohnt wird. Dazu gehörte vor allem eine genaue hiſtologiſch-entwicklungsge— ſchichtliche Unterſuchung, der ſich Treub mit großer Gewiſſenhaftigkeit unterzogen hat. In dem Stadium von Fig. 6 und 7 oder etwas ſpäter ſieht man in der Mitte des Knollens nur ein einziges Gefäßbündel, umgeben von Parenchym, deſſen Zellen ſich bis zur Epidermis erſtrecken. Bald dar— auf bildet ſich an der Peripherie ein Korkbildungs—⸗ lager (Phellogen) und faſt gleichzeitig treten im Parenchym zarte Gefäßbündel auf, deren Entſtehungs— weiſe Treub aufs genaueſte beſchrieben hat. Um dieſe Zeit tritt in der Umgebung des Centrums ein dem äußeren Umfang paralleles Meriſtem auf und bald darauf bemerkt man, daß einzelne Parenchymzellen in der Mitte des Grundgewebes zuſammenſchrumpfen und vertrocknen. Das hat ein Zerreißen des Ge— webes zur Folge und dadurch bildet ſich die erſte An— lage zu einer centralen Höhlung. Dieſe entſteht alſo durchaus ohne Hilfe von Ameiſen durch einen Lebens- proceß der Pflanze ſelbſt. Die Meriſtemzone nimmt bald den Charakter eines Phellogenherdes an, welcher nach innen Korkſchichten, nach außen ſekundäres Parenchym bildet. Das innere, korkartige Bildungsgewebe, auf Querſchnitten ring— förmig, in Wirklichkeit cylindriſch, dehnt ſich nach oben und nach unten aus. Nach oben hört das Längenwachstum bald auf und an der Stelle, wo die Knolle in den eigentlichen Stamm übergeht, bildet das Gewebe einen gewölbeartigen Abſchluß. Nach unten dagegen wächſt es fort, bis es mit dem peripheriſchen Phellogen zuſammenſtößt. In gleichem Schritt, wie 455 der Phellogencylinder fic) verlängert, vertrocknen die von demſelben eingeſchloſſenen älteren Gewebepartien vollſtändig, und die Höhlung vergrößert ſich. Zu— letzt iſt eine große centrale Höhle entſtanden, deren Wände mit verkorkten Zellen bekleidet ſind, und welche die Ueberreſte des vertrockneten Gewebes als flockige Maſſe umſchließt. Bald iſt die Höhle nach unten nur noch durch eine ganz dünne Lage peripheriſchen Korkes von der Außenwelt geſchieden, wie es Fig. 10 zeigt. Bald darauf zerreißt auch dieſes Häutchen und der Eingang iſt frei ohne die Hilfe von Ameiſen. An den Rändern der ſo gebildeten Oeffnung ver— ſchmilzt das innere Bildungsgewebe mit dem äußeren Phellogen. Bisweilen bildet ſich ſchon, bevor die erſte Höhlung die Außenwelt erreicht hat, neben derſelben eine zweite, welcher dann ſpäter andere folgen. Die Entſtehung dieſer Höhlungen iſt derjenigen der erſten völlig gleich. Die Vergrößerung der Knolle iſt das Produkt der Thätigkeit der korkig⸗parenchymatöſen Bildungslager. Sobald eine Schicht eine gewiſſe Dicke erreicht hat, bildet ſich in ihrem Innern ein neuer Phellogen— herd von kreisförmigem Umfang. Einerſeits verur- ſacht dieſes Phellogen eine Verminderung des Ge— webes, denn es iſt der Vorläufer einer neuen Kanal- bildung, andererſeits aber trägt es zur Vergrößerung der Knolle bei, indem es neue Schichten ſekundären Parenchyms abſetzt. Die Lenticellen enthalten zwar genügende Mengen nährender Subſtanzen aufgeſpeichert, aber trotzdem ſind ſie nicht der Angriffspunkt von Ameiſen nach Treubs Unterſuchung, jie find alſo nicht mit den Nähr— körpern (food-bodies) Francis Darwins zu vergleichen. Das Endreſultat der ganzen Arbeit läßt ſich nun dahin zuſammenfaſſen, daß die Höhlungen im Innern der Knolle der Myrmecodia ganz ſpontan durch den inneren Entwickelungsprozeß der immer aufs neue entſtehenden Phellogenſchichten gebildet werden, daß ſie durch ihre Weiterentwickelung ſpäter miteinander kommunizieren, und daß manche von ihnen den Aus— gang ins Freie erreichen, ohne daß die Hilfe von Ameiſen dabei nötig wäre. Fig. 11, 12 zeigen zwei Entwickelungsſtadien der jungen Knolle. Bei Fig. 11 hat das Stämmchen ſchon einige Blätter, die Knolle die erſten Wurzeln gebildet. Bei Fig. 12 ſind ſchon Dornen (ep) und zahlreiche Wurzeln entſtanden. In beiden Fällen iſt die Centralhöhle durch eine einzige Oeffnung (o) mit der Außenwelt verbunden. Fig. 13 zeigt das Labyrinth von Höhlungen einer ausge— wachſenen Knolle. é Treub ſtellte nun auch Kulturverſuche im Garten an, um die Frage zu prüfen, ob die Myrmecodia ohne Hilfe der Ameiſen in ſpäterem Lebensalter zu Grunde ginge. Wenn Treub die Myrmecodia aus der Wildnis in den botaniſchen Garten verſetzte, ſo wurde dieſelbe von den bis dahin darin hauſenden roten Ameiſen verlaſſen, und die kleinen ſchwarzen Ameiſen ergriffen von den Höhlungen Beſitz. Jung aufgezogene Exem— plare verharrten 5 bis 7 Monate im Garten, ohne von Ameiſen bewohnt zu ſein, und entwickelten ſich normal. 456 Treub ſchließt aus ſeiner ganzen Arbeit, daß Myrmecodia, und dasſelbe gilt auch für Hydno- phytum, der Ameiſen durchaus nicht bedürfen, weil 129 2 3 S N ſie ſogar unter ſehr ungünſtigen Verhältniſſen ſich ohne die Hilfe derſelben fortentwickeln, ihre Knollen vergrößern und neue Höhlenkammern anlegen, ohne daß Ameiſen im geringſten dabei thätig wären. Die Ameiſen ſuchen lediglich zu ihrem Schutz die Höhlungen von Myrmecodia und Hydnophytum auf, wie die Humboldt. — Dezember 1887. Urnen von Dischidia. Höhlungen und Lenticellen er⸗ füllen den Zweck, atmoſphäriſche Luft ins Innere der Knolle zu führen. 5 Die Wiſſenſchaft iſt Treub zu großem Dank ver⸗ pflichtet, daß er in dieſe ſchwierige, ſo leicht zu Myſtifikationen anlaßgebende Frage Licht gebracht hat. Ob andere Ameiſenpflanzen ſich vielleicht anders verhalten, das muß weiteren Unterſuchungen vorbe⸗ halten bleiben. Sur Affimilation der pflanzen. n der Juli⸗Sitzung der Deutſchen Botaniſchen Geſellſchaft berichtete Pringsheim über die Er⸗ gebniſſe fener in den letzten zwei Jahren angeſtellten Unterſuchungen über die Abhängigkeit der Aſſimi⸗ lation grüner Zellen von ihrer Sauerſtoffatmung und den Ort, wo der im Aſſimilationsakte der Pflan⸗ zenzelle auftretende Sauerſtoff entſteht. Wie ſchon Bouffingault*) gezeigt hatte, gelangt eine grüne Zelle, *) De Pasphyxie des feuilles. Compt. Rend. de PAcad. d. sc. Vol. 61 (1865), p. 608. der man Licht und Sauerſtoff entzieht, dagegen Kohlenſäure in genügender Menge mit einem ir⸗ reſpirablen Gaſe gemiſcht zuführt, nach längerer oder kürzerer Zeit in einen Zuſtand, in welchem ſie nicht mehr aſſimiliert. Findet dieſe Entziehung der beiden Faktoren genügend lange ſtatt, ſo erſtickt die Zelle aus Sauerſtoffmangel und iſt durch darauf folgende Zufuhr von Sauerſtoff und Licht nicht mehr zum Leben zurückzubringen. Ihr Chlorophyllapparat iſt dabei aber, falls die Entziehung nicht gar zu lange dauerte, noch vollſtändig intakt. Dieſen Zuſtand Humboldt. — Dezember 1887. nannte Bouſſingault Aſphyxie. Pringsheim hat nun gefunden, daß die Zelle, wenn man ihr im Finſtern, oder im Lichte, Sauerſtoff nur ſolange entzieht, bis die Aſſimilation aufhört, und ihr dann ſofort, oder doch nach kurzer Zeit, Sauerſtoff, wenn auch nur in minimalen Mengen, zuführt, wieder zum Leben zurückgerufen wird, und daß man dieſes Experiment mit derſelben Zelle beliebig oft wieder— holen kann. Er ſtellte den Verſuch derart an, daß er die nacktzelligen Enden von Charablättern, namentlich von Chara fragilis, in einem hängenden Waſſertropfen in die mikroſkopiſche Gaskammer brachte und dann durch dieſelbe, anfänglich ſtets im Finſtern, bei ſpäteren Verſuchen auch im Lichte, einen konſtanten Strom von Kohlenſäure und Waſſerſtoff in einem Gemenge von 1—5:100 durch dieſelbe leitete. Dieſe nackten Charazellen zeichnen ſich bekanntlich durch eine ſtarke Rotation des Plasmas aus und ſind daher als Verſuchsobjekte hier ganz beſonders geeignet. Nach kürzerer oder längerer Zeit, meiſt nach zwei bis zehn Stunden, gelangt die Rotation des Plasmas zur Ruhe, kann dann aber, wenn man ſofort oder doch nach kurzer Zeit der Zelle Sauerſtoff zuführt, wieder in das normale Stadium zurückgebracht werden. Pringsheim modifizierte dann den Verſuch ſo, daß er die Chara, ſtatt in einem reinen Waſſertropfen in einen ſauerſtoffbedürftige Bakterien enthaltenden Tro— pfen brachte. Er beobachtete dabei, daß die lebhaft beweglichen Bakterien anfänglich im ganzen Tropfen zerſtreut waren, namentlich aber an deſſen Außenfläche. In dem Maße nun, als der Sauerſtoffgehalt in der Kammer, reſp. im Tropfen, ſich minderte, ſtrömten ſie nach der lebhaft aſſimilierenden Zelle und um— ſchwärmten dieſelbe in großen Maſſen. Mit der darauf ſchwächer und ſchwächer werdenden Aſſimila— tion kamen aber auch ſie mehr und mehr zur Ruhe und lagen ſchließlich, als die Aſſimilation aufhörte, ganz ſtill. Wurde nun eine geringe Menge Sauer- ſtoff in die Kammer eingeführt, ſo begann nicht nur die Rotation des Plasmas und Aſſimilation der Zelle ſofort wieder, ſondern auch die Bakterien gerieten wieder in lebhafte Bewegung und ſchwärmten um die Zelle, ſo ein ſichtbares Bild der Aſſimilation gebend. Pringsheim hat nun den Zuſtand, in welchen die Zelle gelangt, wenn ihr Sauerſtoff entzogen wird, in dem ſie nicht mehr aſſimiliert, aus dem ſie aber durch Zufuhr von Sauerſtoff wieder zur normalen Funktion zurückgebracht werden kann, Inanition oder Ernährungsohnmacht genannt. In ſeiner Erklärung dieſer Erſcheinung kommt er 457 zu dem Schluß, daß das Protoplasma bei der Aſſi— milation der Kohlenſäure nicht einfach Sauerſtoff ab— ſpalte, ſondern daß vielmehr bei der Aſſimilation ein Körper gebildet werde, welcher durch die Zellwand diosmiere und erſt an der Außenwand derſelben Sauerſtoff abgebe. „Denn“, ſagt er, „wenn bei der Kohlenſäurezerſetzung im Inneren der Zelle Sauer— ſtoff entſteht, wie es die gegenwärtigen Vorſtellungen der Pflanzenphyſiologen behaupten, ſo könnte es der Zelle doch keinenfalls, ſolange ſie aſſimiliert, an Sauerſtoff für ihre phyſiologiſchen Funktionen fehlen, und ſie könnte doch unmöglich, während ſie fortwährend Sauerſtoff nach außen abgibt, im In— neren Sauerſtoffnot erleiden.“ Ueber die chemiſche Natur des Körpers, welcher bei ſeinem Austritt aus der Zelle zerfällt und Sauerſtoff entwickelt, hat Pringsheim bis jetzt nur Vermutungen, die einer genauen experimentellen Prüfung bedürfen. Immer— hin glaubt er aber, aus der gewonnenen Thatſache folgern zu dürfen, „daß der Akt der Kohlenſäure— zerſetzung in der Pflanze und der Akt der Sauerſtoff— entwickelung keineswegs zuſammenfallen, ja daß ſie nicht einmal unmittelbar zuſammengehören, vielmehr zwei zeitlich und räumlich voneinander geſonderte Prozeſſe darſtellen, die durch andere Vorgänge, die ihre Zwiſchenglieder bilden, getrennt ſind“. Endlich führt Pringsheim die überraſchende, aber mit Hilfe der Bakterien ſicher nachweisbare Thatſache an, daß grüne wie nicht grüne Zellen auch im Finſtern und zwar beim Uebergang vom Leben zum Tod Sauerſtoff abgeben. Dieſe ſchon früher von ihm erwähnte Erſcheinung, welche er mit dem Namen der intramolekularen Sauerſtoffabgabe bezeichnet und die er damals auf beſondere Reize, welche von der Zelle ausgehen, zurückführen zu müſſen glaubte, bringt er jetzt mit den oben erörterten Thatſachen in Buz ſammenhang. Nach ſeiner Anſicht ſind die Sauerſtoff— abgaben der lebenden Zelle und die intramolekulare Sauerſtoffabgabe im weſentlichen der gleiche Prozeß. „Die Sauerſtoffabgabe erfolgt durch den Zerfall eines aus der Zelle diosmierenden Körpers. Die Anſammlung desſelben wird durch die osmotiſchen Druckkräfte in der lebenden Zelle und die diosmotiſchen Eigenſchaften der Hautſchicht beſtimmt, welche letztere dem Austritte des Sauerſtoffs bis zu einer gewiſſen Höhe ſeiner An— ſammlung in der Zelle entgegenwirkt. Beim Ab— ſterben der Zelle fällt dies Hindernis weg, und die Zelle entwickelt Sauerſtoff, ſolange der von jenem Körper angeſammelte Vorrat und die Vorgänge im Plasma der abſterbenden Zelle es geſtatten.“ D. Reiſe ins transkaſpiſche Gebiet und das nördliche Choraſſan. Unter Leitung des Direktors des kaukaſiſchen Muſeums in Tiflis, Dr. Radde, brach am 24. Januar 1886 aus Tiflis eine Expedition zur Erforſchung des transkaſpiſchen Gebietes auf, jenes ungeheuren Territoriums, deſſen natür⸗ liche Grenzen im Norden des Uſt-Urt, im Oſten die Reihe der Oaſen des Amu-Darja, im Weſten das Kaſpiſche Meer Humboldt 1887. und im Süden der Atrek und die nördlichen Vorberge des Paropamis und Hindukush bilden. In der Zeit von ſieben Monaten ward das weite Gebiet durchwandert, eine Reihe wertvoller wiſſenſchaftlicher Beobachtungen gemacht und reiche Sammlungen zuſammengebracht, die noch der Bear- beitung durch Specialiſten harren. Ein vorläufiger Bericht 58 458 ift in ruſſiſcher Spradje*) erſchienen, dem im Laufe der nächſten Jahre ein mehrbändiges Werk folgen wird, in welchem das geſamte wiſſenſchaftliche Material ſyſtematiſch durchgearbeitet niedergelegt werden ſoll. Dem „vorläufigen Bericht“ ſind die folgenden Schilderungen entnommen. Mit Rückſicht auf das frühe Eintreten des Frühlings in der transkaſpiſchen Ebene brach die Expedition ſchon ſo frühzeitig — im Januar — aus Tiflis auf, erreichte Krasnowodsk aber erſt am 4. Februar, da die Eismaſſen auf dem Kaſpiſchen Meere bei dem erſten Verſuche den Dampfer an der Ueberfahrt hinderten. Von Krasnowodsk aus wurden einige Ausflüge in die nahen Gebirge unter⸗ nommen, auf ihnen die im Kaukaſus nicht vorkommenden Hühnervögel Ammoperdix griseogularis Brandt und Scotocerca inquieta erbeutet und dann die Reiſe fortge⸗ ſetzt; bei vollſtändigem Winterwetter ward Aſchabad er⸗ reicht — der Ausgangspunkt für alle weiteren Exkurſionen. Das nächſte Ziel ſind die Schluchten des Kopet⸗Dags. Bis zu Höhen von 3000 m ſteigt in parallelen Ketten das Gebirge auf, deſſen ganze nördliche Fronte von Aſchabad aus zu überſehen iſt; außerordentliche Steilheit der Berg⸗ rücken, enge und ſchwerzugängliche, von ſenkrechten Fels⸗ wänden gebildete Schluchten, eine erſchreckende Oede und Dürre — find für den Kopet⸗Dag wie für alle trans⸗ kaſpiſchen Gebirge charakteriſtiſch. Das Tierleben iſt noch nicht erwacht, nur an den Rändern des Baches tummeln ſich in der Schlucht Erythropiza obsoleta, Metoponia pusilla, Carduelis caniceps, und von den Felſen tönt das Glucken der Männchen von Caccabis saxatilis. Auch ein in die nordöſtlich von Aſchabad gelegenen Wüſtenhügel unternommener Ausflug ergibt nur geringe Beute; erfolg⸗ reicher iſt eine Exkurſion nach Geok⸗Tepe, das am Fuße der Berge beim Austritt des Germab aus einer engen Schlucht gelegen. Eine große Anzahl Vögel wird erlegt, unter denen Turdus atrogularis und viscivorus, Ruti- cilla phoenicurus und erythronota, Corys arborea, Spinus viridis, Carduelis elegans und caniceps. In der zweiten Hälfte des März iſt die Expedition am Tedſchen thätig. Die Witterung iſt noch immer ungünſtig, und die leichte Jurte gewährt nur geringen Schutz gegen die hef⸗ tigen Schneeſtürme; trotzdem wird erfolgreich auf Phasianus Komarowii gejagt, ſowie auf Pterocles alchata, die zu Tauſenden die lehmigen Salzlachen bevölkert. Ende März wird eine Exkurſion ins Thal Bagir unternommen. Die Vegetation iſt jetzt ſchon bedeutend fortgeſchritten; an den ſtarren Felswänden prangen prachtvolle Corydalis, Draba, Bongardia Rauwolfii und ſchöne Tulpen. Haarige Cetonia- Arten ſitzen in den Blüten der wilden Mandel und im Chaos der Felſen lärmen Saxicola picata und Fregilus im Verein mit Sitta syriaca var. rupicola. Während die bisherigen Ausflüge, durch ungünſtige Witterung mehr oder weniger beeinträchtigt und erſchwert, die Expedition immer nur auf wenige Tage aus Aſchabad entfernt hatten, ward anfangs April eine weite, ſechs Wo⸗ chen währende Reiſe angetreten. Das nächſte Ziel iſt Bocharden, von wo aus die Durunſche Höhle beſucht wird. In dem Maße, als das Terrain anſteigt, wird die Flora ärmer; ſtellenweiſe aber ) Vorläufiger Bericht über die Expedition ins transkaſpiſche Gebiet und das nördliche Choraſſan, von Radde, Walter u. Konſchin. Tiflis 1886. Humboldt. — Dezember 1887. blühen neben der ſchönen violetten Roemeria prächtige Tulpen: Tulipa tricolor mit weißen Blüten, T. Sever- zovii und Greigi. Die Unterſuchung der am Fuße eines breiten, ſteilen Maſſivs gelegenen Höhle nimmt zwei Tage in Anſpruch; ſie wird von drei verſchiedenen Fledermäuſen in großen Kolonien bewohnt, am Eingange niſten Tauben und die Alpenkrähe (Fregilus), und in der Tiefe wird eine Rhinolophus-Art entdeckt. Dann geht es eilend weiter in das Gebiet des Balchan. Die Gebirgszüge des großen und kleinen Balchan nähern ſich einander bis auf eine Entfernung von etwa 20 km. Auf dieſem ſchmalen, von ſpärlich bewachſenen Sandhügeln eingenommenen Raume werden äußerſt intereſſante nächtliche Exkurſionen unter⸗ nommen. Reich iſt der Fang an ſchönen Nachtſchmetter⸗ lingen, vor allem aber an ſeltenen Reptilien. Verſchiedene Eidechſen ruhen des Nachts ſcheinbar ſchlafend auf den Zweigen der Sträucher, ſeltene Arten der Gattung Hemi- dactylus, deren durchſcheinende Körperbedeckung die inneren Teile erkennen läßt, werden in der Nacht erbeutet, während ſie am Tage jeder Nachſtellung entgehen. Auch die Käfer ruhen nicht in der Nacht; große Blaps titanus und Ateuchus- Arten ſind geſchäftig auf dem Sande. An den folgenden Tagen wird fleißig in den Dünen des Kaſpiſchen Meeres geſammelt — intereſſante Arten der Gattung Phrynocepha- lus, Lacertiden und ſchöne Koleopteren (Tenebrioniden) ſind die Ausbeute — und dann die Reiſe fortgeſetzt. Am Oſterſonntag iſt Balla-Iſchem erreicht. In etwa 30 km Entfernung liegt im Südweſten das Naphthagebiet; die denkbar ödeſte Wüſte wird durchwandert, in deren tote Gleichförmigkeit nur die Luftſpiegelungen Abwechſelung bringen, in der jede Spur tieriſchen Lebens erſtorben ſcheint — der Boden iſt weithin mit einer 3—8 Zoll mächtigen Salzſchicht bedeckt. Am 21. April gelangt die Expedition nach Krasno⸗ wodsk, von wo aus ein Dampfer ſie nach Tſchikiſchljar bringt; hier bleiben der Präparator und Diener zurück, während Radde und Walter einen weiteren Ausflug an das Südufer des Kaſpiſchen Meeres unternehmen. Von Tſchikiſchljar aus wird dann die Mündung des Atrek, zur Zeit eine unabſehbare Waſſerfläche, unterſucht. Nur bei hohem Waſſerſtande erreicht dieſer bedeutende Fluß das Meer, bei anhaltender Dürre verliert er ſich im Sande — wie alle Ströme im Oſten bis zum Amu⸗ Darja. Das ganze Gebiet des unteren Atrek iſt äußerſt arm und einförmig, eine öde Wüſte, durch die der Weg nach Jaglui⸗Olum eingeſchlagen wird, ein beſchwerlicher Weg, deſſen natürliche Mängel die hohe Temperatur noch fühlbarer macht — am 6. Mai weiſt das Thermometer im Schatten 38,5 C. und in der Sonne 56° Nach anſtrengendem Marſche, anfangs dem Lauf des Atrek, dann ſeinem Nebenfluſſe Sumbar folgend, trifft die Expedition wieder in Aſchabad ein. Nach kurzer Raſt wird ein Ausflug nach Germab unternommen, um dieſen ſo günſtig gelegenen Ort in voller ſommerlicher Entwickelung der Flora wiederzuſehen und darauf bis an die nahe perſiſche Grenze am Kopet⸗Dag vorzudringen. Auf dem Rückwege erhebt ſich eines jener entſetzlichen Unwetter, die für das Klima im transkaſpiſchen Gebiet ſo ſehr charakteriſtiſch ſind. Der glühende Südwind hüllt in wenigen Augenblicken alles in undurchdringliche Humboldt. — Dezember 1887. 459 Staubwolken, die Temperatur ſteigt bis zur erſchreckenden Höhe von 40° C. und noch um 11 Uhr abends, nachdem der Sturm ausgetobt, weiſt das Thermometer 37 ° C. Hiermit iſt die Erforſchung des weſtlich von Aſchabad gelegenen Gebietes beendet — es wird zum Aufbruch nach Merw gerüſtet, um mit der Unterſuchung der weiten öſt⸗ lichen Landſtrecken, dem Gebiet des Tedſchen und Murgab zu beginnen. Nach anſtrengender Reiſe, ſtets den ſengen— den Sonnenſtrahlen ausgeſetzt, wird anfangs Juni die Oaſe von Merw erreicht, deren grünende Gärten und Felder einen wohlthätigen Einfluß auf das durch die Gleichförmig—⸗ keit der lichtſtrahlenden Sandwüſten ermüdete Auge aus- üben. Nach einigem Aufenthalt geht es weiter den Murgab hinauf nach Tachtabaſar und Merutſchak. Das Gebiet des Murgab, ſüdlich von Elotan, bis zum Einfluß des ſalzigen Baches Kuſchk — eine Strecke von etwa 20 geographiſchen Meilen — iſt von geradezu erſchreckender Oede und Ein— förmigkeit, durch die der Murgab in lehmigem Bette ſeine ſchmutzigen Waſſer wälzt. Das Klima dieſer Länderſtrecken iſt ein äußerſt ungünſtiges; die hohe Temperatur, heftige glühende Winde, der Mangel an genießbarem Waſſer, be- günſtigen verſchiedene verheerende Krankheiten. Günſtiger liegen die Verhältniſſe in dem parallel verlaufenden Thale des Tedſchen, denkbar ungünſtig und jede menſchliche Exiſtenz gefährdend aber in dem zwiſchen den beiden Strömen ge— legenen Gebiet, dem Grenzgebiet von Afghaniſtan, im be— ſonderen auf der Strecke von Merutſchak bis Sulfagar — mehr als 250 km. Unter großen Entbehrungen wird der Marſch langſam fortgeſetzt. Am Tage erhält ſich die Tem⸗ peratur ſtets über 50° .; der ſchwere Sand glüht unter den Füßen — der Hund kann nicht mehr vorwärts und muß ins Fuhrwerk gehoben werden. Am 20. Juni iſt Sarui⸗Jaſui erreicht, am hohen Ufer des Murgab und nach weiterer beſchwerlicher Reiſe Tachta-Baſar. Obgleich der Ort 330 m über dem Meere gelegen, iſt die Hitze furcht— bar, ſelbſt nach Sonnenuntergang weiſt das Thermometer noch 39° C. Nach kurzer Raft geht es weiter, die Grenze entlang bis Sulfagar und dann zum Tedſchen, deſſen Lauf folgend die Expedition ſich nach Norden wendet — um endlich am 13. Juli wohlbehalten in Aſchabad, ihrem Wus- gangspunkte, wieder einzutreffen. Die Erforſchung des transkaſpiſchen Gebietes beſchließt eine letzte Exkurſion von Aſchabad aus auf den Schuch— ſchuch, den höchſten Gipfel des Kopet-Dag, der bis zur impoſanten Höhe von 3334 m anſteigt, um die Fauna und Flora des Gebirges kennen zu lernen und einige Exemplare der ſeltenen Nager und Vögel (Lagomys rufescens und Coccothraustes speculigerus Brandt) zu erbeuten. In der waſſerloſen Bergwildnis verirrt, muß die Expedition unverrichteter Sache umkehren, doch iſt ein zweiter Verſuch von Erfolg gekrönt. Ueber den zweiten Teil der Expedition — die Er— forſchung des nördlichen Choraſſan — liegen nur kurze, in allgemeinen Zügen gehaltene Angaben vor, denen ein detaillierter Bericht im vierten Bande des großen ausführ- lichen Werkes folgen wird, in welchem Bande die phyſika— liſchen und geographiſchen Verhältniſſe des ganzen Gebietes zwiſchen dem Oſtufer des Kaſpiſchen Meeres und dem Amu— Darja zur Darſtellung gelangen werden, während die drei erſten Bände die geologiſche, zoologiſche und botaniſche Aus— beute ſyſtematiſch bearbeitet enthalten werden. Dr. Schmidt. Die Gleichberge bei Römhild als Kulturſtätte der La Tene⸗Zeit Mitteldeutſchlands. Unter dieſem Titel hat G. Jacob in den „Vor⸗ geſchichtlichen Altertümern der Provinz Sachſen“ (J. Ab⸗ teilung Heft 5—8, mit vielen Illuſtrationen und Farben⸗ drucktafeln, Halle, Verlag von O. Hendel 1886-1887) die Ergebniſſe zwölfjähriger Forſchungen über die beiden, fpectell aber über den kleinen Gleichberg, niedergelegt. Während die auf einem Seitenvorſprung des großen Gleich— berges gelegene Altenburg ein umwalltes Viehgehege dar— ſtellt, welches früheſtens aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. ſtammt, haben wir in dem kleinen Gleichberg eine ftra- tegiſch gut durchdachte und planmäßig aus- geführte Feſtungsanlage der La Tene-Periode — eine Befeſtigung, die hinſichtlich der Größe und Aus— dehnung ihres dreifachen Mauergürtels alle bisher be— kannten mit vorgeſchichtlichen Steinwällen befeſtigten Berg— höhen Deutſchlands weit übertrifft — vor uns. Der äußere Ringwall, deſſen Längsdurchmeſſer eine Ausdehnung von 1052 m, deſſen Querdurchmeſſer eine ſolche von 838 m hat, iſt frei von Verbindungslinien mit den höheren (inneren) Ringwällen und zum Schutze des Quellgebietes in weiten Abſtänden von letzteren gezogen. Zugleich hatte man offenbar die Abſicht, den Angriff des Feindes zu zerſplittern, und wenn es ihm gelungen ſein ſollte, die äußerſte Ringmauer zu überſteigen, ihm innerhalb der Be- feſtigungslinie in geſchloſſenen Maſſen entgegenzutreten. Die Höhe des aus dreifach hintereinander gelegten Baſalt— ſteinen gebildeten und durch darübergelegte ſchwere und lange Baſaltſteine zuſammengehaltenen äußeren Mauerringes ſowie einer angrenzenden Wallſchleife beträgt gegenwärtig 0,60 —2,50 mz; nach den vorliegenden Schuttmaſſen zu urteilen, dürften dieſelben jedoch ehedem wohl das Doppelte der jetzigen Höhe erreicht haben. Spuren von zur Feſtigung der Steinwälle dienenden Holzbalken oder Mauerlücken, in denen ehedem ſolche Balken ſich befunden haben könnten, wie ſie v. Cohauſen an den vorgeſchichtlichen Befeſtigungen des „Altkönigs“ (Taunus) aufgefunden hat, konnte Jacob an den Steinwällen des kleinen Gleichberges nicht nach— weiſen; die von ihm an einzelnen Punkten der Feſtungs— anlage aufgefundenen Reſte von verglaſten Baſalten deuten, wie er glaubt, nicht auf die Abſicht, durch Verſchlackung der Mauerſteine der Anlage größere Haltbarkeit zu ver— leihen, ſondern find vielmehr auf Induſtriefeuer zurück— zuführen. Die in den Zwiſchenräumen zwiſchen den Wall- anlagen aufgefundenen kleinen Steinkreiſe, in denen hie und da noch kleine Reibplatten von Porphyr ſich befinden, ſind als Lager von Handmühlen aufzufaſſen. Daß auf 460 dem von der äußeren Ringmauer eingeſchloſſenen Terrain eine ſehr zahlreiche Bevölkerung lebte — dies beweiſen die daſelbſt aufgefundenen Grundmauern von Wohnungen, bezw. die daſelbſt nachzuweiſenden Wohnungsgruben. Wenn auch die meiſten Wohnplätze den Grundriß eines mehr oder weniger gut ausgeführten Rechteckes zeigen, ſo werden doch auch Wohnplätze von runder, ovaler und halbovaler Form beobachtet. Das noch jetzt erhaltene Hauspflaſter diente zum Schutze gegen die Feuchtigkeit des Erdbodens. Die Vorderſeite vieler, an abhängigen Bergſtellen gelegener Wohngruben, zeigt einen 50—60 em hohen Unterſchlag, der dazu beſtimmt war, der Wohnung eine horizontale Lage zu geben. Da wo die Anſiedler dichtgedrängt beiſammen wohnten, entſtanden durch den Mangel an Raum durch Scheidewälle von Baſaltſteinen voneinander getrennte Reihenwohnungen von je 7 bis 10 Wohnplätzen. Einige brunnenförmige Steinbauten ſind wahrſcheinlich als ge⸗ deckte Punkte für aufgeſtellte Poſten aufzufaſſen. — Wenden wir uns zu den auf dem kleinen Gleichberg und in deſſen nächſter Umgebung aufgefundenen Altertümern, ſo iſt die Mehrzahl derſelben als Einzelfunde zu bezeichnen, und nur an vier Stellen wurden Depotfunde gemacht, die uns die Kultur jener vorgeſchichtlichen Epoche, welcher der kleine Gleichberg angehört, in ihrer Geſamtheit vor Augen führen. Einer dieſer letzteren Funde ſetzt ſich zuſammen aus Eiſen⸗ gegenſtänden (ſchmales Schwert ohne Parierſtange, zwei Pferdetrenſen mit großen Seitenringen, kleiner Keil von 5 em Höhe mit Nietloch und gebogener Schneide, kleiner Hohl⸗ bohrer, abgebrochenes Scherenblatt und dgl.) und einer durch Schönheit der Form bemerkenswerten bronzenen Guß⸗ fibel von Vogelkopfform. Ein weiterer Fund beſteht aus 15 verſchiedenen Eiſenobjekten, worunter 3 Keile mit ge⸗ raden Schneiden und viereckiger Helmöffnung, ein der von Büttnern verwendeten „Daſſel“ (Ziehhobel) ähnliches Eiſen⸗ gerät und ein Eiſengehänge (wahrſcheinlich Teil eines Wagen⸗ beſchlages) beſonders ins Auge fallen. Ein dritter Depot⸗ fund umfaßt eine Anzahl eiſerner Aexte von charakteriſtiſcher Form und zum Teil mit Stempeln verſehen, ſowie zwei Pflugeiſen — welche durch ihre Uebereinſtimmung mit Eiſen⸗ kelten darauf hinweiſen, daß ſie als eine Modifikation des Kelts jener Epoche zu betrachten ſind — eine Senſe mit ſchmalem Blatt und Hakengriff, Handwerkszeuge eines Schmiedes, Ringe von Bandeiſen, eine Hohlſchere u. ſ. w. Die Beſtimmung eines Teiles der ſtiftförmigen Eiſen⸗ geräte läßt fic) zur Zeit noch nicht mit Sicherheit feſtſtellen. Der vierte Depotfund beſteht im weſentlichen aus 13 Arm⸗ ringen von Bronze, die eine Garnitur gebildet haben. Steingeräte wurden auf dem kleinen Gleichberg und in deſſen nächſter Umgebung nur vereinzelt angetroffen. Von letzteren ſeien hier erwähnt: 2 Schmal⸗ und 2 Breit⸗ meißel, Steine, die offenbar zum Probieren von Bronze⸗ gerät gedient haben, eine Steinplatte mit koniſcher Bohr⸗ rinne (Pivotſtein?), ſowie ein ausgehöhlter Stein, der offenbar als Farbenbehälter gedient hat, Steine zum Glätten von Tierhäuten, Leder u. dgl., Walzſteine u. ſ. w. Da Steingeräte zu einer Zeit, wo die Metallkultur ſchon eine weite Verbreitung hatte, noch in Gebrauch waren, ſo darf aus den letzterwähnten Funden keineswegs gefolgert werden, daß der kleine Gleichberg ſchon in neolitiſcher Zeit be⸗ Humboldt. — Dezember 1887. ſiedelt war; dagegen beweiſt die Auffindung gewiſſer alter⸗ tümlicher Bronzeobjekte (Flachkelt, Dolchklinge u. ſ. w.), daß dieſe Stätte ſchon in früher, vorgeſchichtlicher Zeit von Menſchen beſucht wurde, während die Beſiedelung der- ſelben mit größter Wahrſcheinlichkeit erſt während jenes Zeitabſchnittes erfolgte, der durch den Uebergang von der Hallſtatt⸗ zur La Téne⸗Kultur charakteriſiert iſt. Speciell jene Epoche, die von der Hallſtattperiode zur La Tene⸗ Zeit hinüberleitet, iſt unter den Funden in großer Reich⸗ haltigkeit vertreten, von welchen letzteren wir die für dieſen Zeitabſchnitt charakteriſtiſche Paukenfibel, ferner einige Vogelkopffibeln von verſchiedener Form, Fibeln von Bronze⸗ draht u. dgl. beſonders namhaft machen. Ob die Be⸗ wohner des Gleichberges ihre Fibeln ſelbſt angefertigt haben, läßt ſich zur Zeit noch nicht entſcheiden; Zeugniſſe einer heimiſchen Metallinduſtrie ſind aber auf dem kleinen Gleich⸗ berg vorhanden. Zu erwähnen ſind noch aus Bronzeblech gefertigte Hohlringe der La Tene⸗Zeit, Ohrringe von ſchlangenförmig gewundenem Bronzedraht und aus an⸗ einander gefügten Bronzeringen beſtehende Schmuckgehänge, während unter den Eiſenobjekten der in Rede ftehenden Fundſtätte Ortbänder für die Schwertſcheiden, alte Eiſen⸗ ſchlüſſel von bemerkenswerter Form, Zängelchen und kleine zweizinkige Gabeln, Hufeiſen, ſowie vor allem die mannig⸗ faltig geſtalteten eiſernen Fibeln eine beſondere Erwähnung verdienen. Auch Glasgegenſtände, nämlich Bruchſtücke von gläſernen Armringen, glatte und gerippte Perlen, ſowie Ring⸗ und Buckelperlen — ſämtlich aus einem ſchönen, dunkelblauen durch Kobalt gefärbten Glas hergeſtellt — wurden aufgefunden. Alle Thongefäße vom kleinen Gleich⸗ berg ſind mit der Hand geformt, mit Streichſteinen ge⸗ glättet und nachträglich noch mit der platten Hand oder dem naſſen Finger glatt geſtrichen. Gewöhnlich ſtammen die ſchwärzlichen Scherben von dünnwandigen, verzierten, kleinen, ampelförmigen, ungehenkelten Gefäßen; auch Graphit⸗ ſcherben mit graublauem Metallglanz ſind vorhanden. Hunderte von wohlerhaltenen durchbohrten Thonkörpern (Wirtel oder Perlen?) mit Kerben⸗, Tupfen⸗ und Nagel⸗ verzierungen wurden aufgefunden. Solche thönerne Objekte ſcheinen während der La Téne⸗Zeit, für welche die Fund⸗ objekte des kleinen Gleichberges in hohem Grade charakteriſtiſch ſind, vom weiblichen Geſchlecht vielfach getragen worden zu ſein, was wohl damit in Zuſammenhang ſteht, daß die damals ebenfalls beliebten Glas⸗ und Bronzeſchmuckſachen nicht für jedermann zugänglich waren. Jene aus ſechs cylindriſchen Anſätzen beſtehenden, von drei Kanälen durch⸗ bohrten Thongebilde, die Jacob auf dem kleinen Gleichberg auffand, ſind wohl ebenfalls als Schmuckgegenſtände auf⸗ zufaſſen. Erwähnt ſei ſchließlich noch, daß nach unſerem Autor die Gleichbergfunde einen Zeitraum von wenigſtens 12 Jahrhunderten — von jener Zeit, wo die durch den oben⸗ erwähnten Bronzekelt und die Bronzeklinge gekenntzeichnete ältere Bronzekultur in Mitteldeutſchland florierte, bis gegen das Ende der La Tene⸗Periode — umfaſſen. Auch ergibt ſich aus der periodiſchen Gliederung der Gleichbergfunde (Vorkommen von Erzeugniſſen der Früh⸗, Mittel- und Spät⸗La Tene⸗Periode), daß die in Rede ſtehende prä⸗ hiſtoriſche Feſtungsanlage während der ganzen La Tene⸗ Zeit bewohnt war. Dr. Ml. Alsberg. Humboldt. — Dezember 1887. 461 Jortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Anthropologie. Von Dr. M. Alsberg in Kaffel. Der Bau des Menſchen als Zeugnis für ſeine Vergangenheit. bei den Brüllaffen. zur Meſſung der Prognathie. vorgeſchichtliche Anſiedelung am Dümmer See. Vererbung erworbener ESigenſchaften. Die Spaltung des Bruſtbeinhandgriffes Deſcendenzlehre und Pathologie. Ein Beitrag zur Mikrokephalenfrage. Der Schädel des jungen Gorilla. Neue Methode Apparat zur genauen Beſtimmung des Symphyſiswinkels am Unterkiefer. Prähiſtoriſche Grabſtätten mit La Téne-Funden bei Cröbern. Ueber den Baarwechſel. Sine In ſeiner Schrift „Der Bau des Menſchen als Zeugnis für ſeine Vergangenheit“ *) verſucht R. Wiedersheim aus jenen Eigentümlichkeiten der körperlichen Organiſation des Menſchen, die man als „Atavismen“ oder „Rückſchläge auf vergangene Entwickelungsſtadien des Menſchengeſchlechts“ aufzufaſſen hat, ſowie aus jenen Bildungen, die man als „rudimentäre Organe“ bezeichnet, das Bild der Vorfahren des Homo sapiens zu rekonſtruieren. Er gelangt zu dem Schluß, daß die Wirbelſäule ehedem ungleich länger war als heute und unter Berückſichtigung der Thatſachen, daß der kaum 9 bis 10 mm lange menſchliche Embryo ungleich mehr Wirbel beſitzt als der Erwachſene, daß in einem ge— wiſſen Stadium der embryonalen Entwickelung ein frei hervorragender Schwanz, der ſich in nichts von demjenigen anderer Säugetier- und Reptilien⸗Embryonen unterſcheidet, vorhanden iſt, daß ferner dem Tierſchwanz vollkommen analoge Anhängſel, welche härtliche, unregelmäßige, in der direkten Achſenverlängerung der Wirbelſäule gelegene Körper enthalten, noch jetzt hie und da beim Menſchen beobachtet werden, glaubt Wiedersheim, „daß die Zeit der geſchwänzten Menſchen noch nicht ſehr weit hinter uns liegt“. — Bemer- kenswert iſt ferner die Thatſache, daß das Becken der Vor— fahren des Menſchen früher ungleich weiter nach hinten bezw. unten lag als heutzutage, woraus eine längere Rumpfwirbelſäule reſultierte, und daß ein allmähliches Vorwärtsrücken des Kreuzbeins, ſowie des geſamten Becken— gürtels von dem Schwanzende der Wirbelſäule nach dem Kopfende derſelben ſtattgefunden hat. Dabei iſt zu be⸗ merken, daß dieſe Verſchiebung des Beckengürtels bei der Mehrzahl der Anthropoiden bereits weiter fortgeſchritten iſt als beim Menſchen. Während beim Gibbon (Hylo- bates) 25 präſakrale (vor dem Kreuzbein gelegene) Wirbel exiſtieren, die Vorwärtswanderung des Beckengürtels bei dieſem Tiere alſo um einen Wirbel früher Halt macht als beim Menſchen, erſtreckt ſich beim Gorilla, Chimpanſe und Orang, wo im erwachſenen Zuſtande nur 23 präſakrale Wirbel vorhanden ſind, die Wanderung ſogar noch um einen Wirbel weiter in der Richtung nach dem Kopfende der Wirbelſäule als beim Menſchen. — Weiterhin folgert Wiedersheim aus gewiſſen an dieſer Stelle nicht näher zu erörternden Thatſachen, daß die Wirbelſäule des Menſchen, bezw. ſeiner Vorfahren, früher mit einer ungleich größeren Zahl von Rippen ausgeſtattet war als heutzutage, und daß die Pleuroperitonealhöhle (Cölom) einſt eine mäch⸗ tige Ausdehnung ſowohl kopf- wie ſchwanzwärts beſeſſen haben muß. Durch Reduktion der Anzahl der Rippen hat ) Freiburg i. B. 1887. ſich die Dorſolumbargrenze (Grenze zwiſchen Rücken- und Lendenwirbeln), ſowie die Grenze zwiſchen Bruſt- und Bauchhöhle immer mehr in der Richtung nach dem vor— deren Ende der Wirbelſäule verſchoben, indem für die Verkleinerung der Bruſthöhle in der Längsrichtung durch größere Entwickelung des Thorax in die Breite ein Erſatz geſchaffen wurde. Auch ſchreitet die Verkürzung des Bruſt— korbes beim Menſchen gegenwärtig noch fort, indem die 11. und 12. Rippe ihren rudimentären Charakter bereits offen zur Schau tragen. Daß ferner an dem nach dem Kopfe hin gelegenen Ende des Thorax die Zahl der Rippen bereits eine Reduktion erlitten hat, beweiſt das gelegent— liche Auftreten einer rudimentären Halsrippe. Paul Albrecht hat eine ſolche noch in Verbindung ſtehend mit dem oberen Ende des Bruſtbeins nachgewieſen. Der bei Amphibien und Reptilien, bei Monotremen und Marſupialien ſich findende Epiſternal-Apparat iſt auch beim Menſchen noch durch die im Gelenk zwiſchen Bruſtbein und Schlüſſelbein vorhandenen Knorpel angedeutet. — Durch die mit der fortſchreitenden Entwickelung des Gehirns Hand in Hand gehende Vergrößerung der Schädelkapſel iſt beim Menſchen der Geſichtsteil des Schädels verkleinert worden, anderer— ſeits iſt in Uebereinſtimmung mit der Thatſache, daß das Affenhirn nach der Geburt keine bedeutenden Fortſchritte mehr macht, die Hirnkapſel der Anthropoiden in der Ent⸗ wickelung zurückgeblieben; dafür aber iſt der Schädel der letzteren mit einem mächtigen Kieferſkelett, das von ge— waltigen Muskeln beherrſcht wird und mit furchtbaren Zähnen bewaffnet iſt, ausgeſtattet. — Ob das gelegent— liche Offenbleiben der Stirnnaht beim Menſchen durch das Wachstum des Vorderhirns bedingt iſt, oder ob erſtere Erſcheinung als Atavismus zu betrachten iſt, läßt ſich noch nicht mit Sicherheit entſcheiden. Auch am Schädel laſſen ſich noch zahlreiche Ueberreſte niederer Bildung nachweiſen, wie denn z. B die nach Eckers Unterſuchungen bei ge— wiſſen Menſchenraſſen ſich häufig findende Knochenwulſt des Hinterhauptbeins (Torus occipitalis) als Ueberreſt des mächtigen Hinterhauptkammes (Crista occipitalis) der Affen aufzufaſſen iſt. Die Vereinigung der Augenhöhle und Schläfengrube zu einem Raum, wie ſie bei der Mehr— zahl der Säugetiere beobachtet wird, findet ſich noch beim menſchlichen Fötus, und ſelbſt beim Neugeborenen iſt jener primitive Zuſtand durch eine weitklaffende Infra— orbitalſpalte noch angedeutet. Sowohl jener knöcherne Fortſatz, welchen die Schläfenſchuppe mitunter von ihrem vorderen Rande aus zum Stirnbein hinüberſchickt (Processus frontalis), wie auch die Verſchmelzung der beiden Naſen— beine zu einem Stück — welche letztere Eigentümlichkeit bei 462 Humbolot. — Dezember 1887. niederen Menſchenraſſen, insbeſondere bei Patagoniern, ſowie bei ſüdafrikaniſchen Volksſtämmen ziemlich häufig beobachtet wird — ſind als Atavismen zu betrachten. In dem Zwiſchenkiefer erblicken wir ein uraltes Erbſtück, das von den Fiſchen an durch die lange Vertebratenreihe hindurch mit zäheſter Konſtanz in jedem Schädel wieder erſcheint. — Eine Vergleichung der Extremitäten bezw. Extremitätenrudimente der niederen Vertebraten, insbeſon⸗ dere der Fiſche und Amphibien mit denjenigen des Men⸗ ſchen führt zu dem Schluſſe, daß der Schultergürtel und damit auch die ganzen vorderen Gliedmaßen des letzteren urſprünglich weiter nach vorn — d. i. dem Kopfe näher — gelegen waren; die Rückwärtswanderung der Extremität erfolgte höchſt wahrſcheinlich unter gleichzeitigem Schwund der Halsrippen (vergl. oben). Der knöcherne Schulter⸗ gürtel des Menſchen läßt die 2 Stücke des Amphibien⸗ und Reptilien⸗Schulterſkeletts: den nur durch die Muskeln am Thorax fixierten Schulterblattknochen und das Raben⸗ ſchnabelbein, noch deutlich erkennen. Die Handwurzel⸗ und Fußwurzelknochen des Menſchen ſind als aus dem zuerſt von Gegenbaur in ſeiner Bedeutung erkannten os centrale des Handwurzel⸗ und Fußwurzelſkeletts hervorgegangen zu denken. Mit Bardeleben ſtimmt Wiedersheim in der An⸗ nahme überein, daß nicht die fünffingerige, ſondern die ſiebenfingerige Form den Ausgangspunkt für die Entwicke⸗ lung der Hand und des Fußes beim Menſchen gebildet habe. — Die Frage, in wie weit und ob überhaupt die einzelnen Beckenknochen des Menſchen und der übrigen Wirbeltiere zu den einzelnen Knochen des Schultergürtels in Parallele zu ſtellen ſind, läßt ſich noch nicht mit Sicher⸗ heit beantworten, weil man in die betreffenden Verhältniſſe der niederen Wirbeltiere in embryologiſcher Hinſicht bis jetzt noch keine klare Einſicht beſitzt. Die Unterſchiede zwiſchen männlichen und weiblichen Becken treten nirgends in der ganzen Wirbeltierreihe in ſo prägnanter Form hervor wie beim Menſchen. Es ſcheint beim menſchlichen Weib eine Anpaſſung an ſexuelle Verhältniſſe in ganz hervor⸗ ragender Weiſe ſtattgefunden zu haben, was zum Teil darauf beruhen mag, daß der menſchliche Fötus bis zur Geburt hin zu einer höheren Entwickelung und im Vergleich zu den Größenverhältniſſen der Mutter zu einer ungleich be⸗ deutenderen Volumenentfaltung gelangt als bei den meiſten Säugetieren, wobei jedoch auch der Druck, den beim auf⸗ rechten Gange die ſchwangere Gebärmutter auf die Darm⸗ beinſchaufeln ausübt, mit in Betracht kommt. — Bezüglich des am Oberſchenkel hie und da auftretenden, als Pro- chanter tertius bezeichneten Knochenvorſprungs und der hin und wieder eine beträchtliche Entwickelung aufweiſenden „rauhen Linie“ (Linea aspera) ſtimmt Wiedersheim mit jenen Forſchern (Broca, Schaaffhauſen u. ſ. w.) überein, welche dieſe Eigentümlichkeiten als ataviſtiſche Bildungen be⸗ trachten. — Auch im Bereiche des Muskelſyſtems weiſt Wieders⸗ heim beim Menſchen eine beträchtliche Anzahl von ungewöhn⸗ lichen Bildungen nach, die zum Teil nur unter Zugrunde⸗ legung von vergleichend⸗anatomiſchen Thatſachen erklärt werden können, zum Teil als rudimentäre Bildungen, zum Teil auch als Rückſchläge aufzufaſſen ſind. Wenn man gewiſſe Muskeln, wie z. B. den „eigenen Beuger des Dau⸗ mens“ als einen ſpecifiſch menſchlichen Muskel, welcher keinem Affen zukommt, aufzufaſſen pflegt, jo kommen doch gewiſſe Modifikationen dieſes Muskels vor, die den charak⸗ teriſtiſchen Verhältniſſen gewiſſer Affen genau entſprechen. Die gewaltige Entwickelung des großen Geſäßmuskels beim Menſchen ſteht nach Wiedersheim in direkteſter Beziehung zum aufrechten Gang, oder genauer ausgedrückt zur Fixation des Beckens bezw. des ganzen Rumpfes auf den Schenkelköpfen und dadurch auf dem feſten Stativ der unteren Extremi⸗ täten. Der breite Halsmuskel ſtellt beim Menſchen wahr⸗ ſcheinlich den letzten Reſt eines bei Säugetieren faſt über den ganzen Rumpf verbreiteten Hautmuskels dar. Als Ueberreſte einer Hautmuskulatur, die urſprünglich den Rumpf bedeckte, ſpäter aber ihre urſprüngliche Lagebeziehung zum Teil aufgab und in Beziehung zu den die Ohr- und Mundöffnung umgebenden Weichteilen trat, iſt die mimiſche Muskulatur des Menſchen, d. h. jene Muskeln, welche den Geſichtsausdruck bedingen, aufzufaſſen. Die Entwickelung der Geſichtsmuskeln beim Menſchen ſteht übrigens mit der Entwickelung der höheren pſychiſchen Thätigkeiten, ſowie vor allem mit dem Erwerb der Sprache in innigſtem Zu⸗ ſammenhang. Auch verdient die Frage noch eine beſondere Beachtung, ob es nicht vielleicht möglich ſein wird, in den Verſchiedenheiten der menſchlichen Geſichtsmuskulatur (ge⸗ rade in der Anordnung der beim Menſchen um Mund und Lidſpalte gruppierten Muskeln laſſen ſich zahlreiche Varia⸗ tionen nachweiſen) Raſſenmerkmale wieder zu erkennen. — Was ſpeciell die rudimentären Muskeln anlangt, ſo ſei hier noch bemerkt, daß ebenſo wie der zur Bewegung der Ohrmuſchel dienende Muskelapparat beim Menſchen noch teilweiſe erhalten iſt, auch jene Muskeln, vermittelſt deren geſchwänzte Säugetiere den Schwanz bewegen, beim Menſchen an der vorderen und hinteren Fläche, ſowie am Seitenrande des Steißbeins in rudimentärem Zuſtande nachgewieſen werden können. — Zum Schluß weiſen wir noch auf die außerordentlich wichtige Thatſache hin, daß jener bei den Beuteltieren zur Brutpflege in inniger Be⸗ ziehung ſtehende Beutelmuskel auch beim Menſchen in die Scheide des geraden Bauchmuskels mit eingeſchloſſen in rudimentärem Zuſtande angetroffen wird — eine Thatſache, welche darauf hindeutet, daß die Vorfahren des Menſchen in einem gewiſſen Stadium ihrer Entwickelung hinſichtlich der Brutpflege auf eine ähnliche Vorrichtung, wie wir ſie noch heutzutage bei den Beuteltieren antreffen, angewieſen waren. Auch liegt es auf der Hand, daß ein Schwinden des beſagten Muskels erſt dann möglich wurde, nachdem durch Erwerbung des Placentarkreislaufs ein anderwei⸗ tiger Konnex zwiſchen Mutter und Frucht angebahnt war. Ziehen wir das Reſumé der im Vorhergehenden er⸗ wähnten Thatſachen, ſo unterliegt es nach Wiedersheim keinem Zweifel, daß der Körper des Menſchen im Laufe ſeiner Stammesgeſchichte einer Reihe von Veränderungen unterlegen iſt, welche zum Teil auch in ſeiner Ontogeneſe zum Ausdruck kommen, und daß dieſe Veränderungen noch heutzutage fortdauern, daß alſo der Menſch der Zukunft ein anderer ſein wird als der jetzige. Ferner muß hier auch darauf hingewieſen werden, daß den verſchiedenen Stadien menſchlicher Entwickelung ein Grundzug gemeinſam iſt, nämlich der: alles Unnötige, ſoweit nur irgend möglich, abzuftreifen, um auf dieſe Weiſe für weitere Ausbildung Platz zu ſchaffen — eine Wahrnehmung, welcher A. Weis⸗ mann in den Worten: „Der Rückſchritt überflüſſig gewor⸗ Humboldt. — Dezember 1887. dener Teile iſt Bedingung des Fortſchritts“, Ausdruck ver— liehen hat. — Was ſpeciell die für die Deſcendenz überaus wichtige Frage nach der Vererbung erworbener Eigenſchaften anlangt — eine Frage, welche von Weis— mann in verneinendem Sinne beantwortet wird — ſo möchten wir, ganz abgeſehen von jenen Schlüſſen, welche ſich aus den Beobachtungen der Pathologen bezüglich der erblichen Uebertragung erworbener Eigenſchaften ergeben, hier noch darauf hinweiſen, daß von P. Albrecht“) der Beweis geführt worden iſt, daß eine ſolche Uebertragung wirklich ſtattfindet. Albrecht hat nämlich unlängſt darauf auf— merkſam gemacht, daß die Brüllaffen als Folge der außer— ordentlichen Entwickelung ihres Brüllapparats eine Spaltung des Bruſtbeinhandgriffs (Manubrium sterni) erworben haben, und daß die Entſtehung dieſer Eigentümlichkeit ſich gegenwärtig von Stufe zu Stufe verfolgen läßt, da es ebenſowohl Brüllaffen gibt, welche einen durch Muskelzug noch nicht geſpaltenen Bruſtbeinhandgriff aufweiſen, wie auch ſolche Varietäten, bei denen das Manubrium sterni nur teilweiſe, endlich auch ſolche, bei denen dasſelbe total geſpalten iſt “). Auch Virchow iſt in einer unlängſt ver- öffentlichten Abhandlung! **) gegen Weismanns Theorie aufgetreten. Wenn Weismann bemerkt, die Veränderung organiſcher Weſen beruhe ausſchließlich auf Anpaſſung, ohne daß man eine Vererbung von erworbenen Eigen— ſchaften anzunehmen brauche, ſo demonſtriert Virchow, daß Anpaſſung identiſch ſei mit der Konſervierung gewiſſer durch äußere Lebensbedingungen hervorgerufener nützlicher Abänderungen, daß dieſe Abänderungen zur Kategorie der erworbenen Eigenſchaften zu rechnen ſeien, und daß ſomit die Annahme einer Anpaſſung ohne Vererbung von er— worbenen Eigentümlichkeiten in ſich einen Widerſpruch ent⸗ halte. Weiterhin bemerkt Virchow, daß wenn Weismann von Eigentümlichkeiten redet, „die im Laufe des Lebens entſtanden find durch äußere Einwirkung, nicht durch innere“, eine ſolche Unterſcheidung nicht aufrecht erhalten werden kann, daß wenn z. B. ein Lichttier durch dauernden Ausſchluß des Lichtes in ein Dunkeltier mit erblichen Eigenſchaften verwandelt wird, es ſich in einem ſolchen Falle doch nur um eine äußere Einwirkung, die eine durch Erblichkeit auf ſpätere Generationen übertragene Eigen— ſchaft hervorruft, handeln könne. Jede Varietät iſt im Grunde nichts anderes als eine bleibende Störung der Einrichtungen eines Organismus und inſofern pathologiſch; für die theoretiſch nicht in Abrede zu ſtellende Möglichkeit der Entſtehung pathologiſcher Raſſen aber liefert das Hollen- huhn (polniſche Huhn) mit ſeiner hereditären Encephalocele (Durchtritt des Gehirns nach außen durch ein im Schädel vorhandenes Loch) den thatſächlichen Beweis. Bezüglich der Theromorphie (tierähnliche Bildung) bemerkt Virchow, ) Biologiſches Centralblatt, Bd. VI. Nr. 9. „) Einen höchſt unzweideutigen Beweis für die Möglichkeit der Vererbung von erworbenen Eigenſchaften hat Dr. Zacharias (Hirſch⸗ berg i. Schl.) auf der Naturforſcherverſammlung in Wiesbaden kürzlich geliefert, indem er einige vollſtändig ſchwanzloſe Kätzchen daſelbſt aus⸗ ſtellte. Dieſelben ſtammen von einer Katze, welcher vor einigen Jahren der Schwanz gewaltſam vom Rumpfe getrennt wurde und welche ſeitdem bei Gelegenheit mehrer Würfe neben einem geſchwänzten nur ſchwanzloſe Kätzchen zur Welt gebracht hat. j “ ) Archiv für pathologiſche Anatomie und Phyſiologie, Bd. 105. Heft 1, 2 und 3. 463 daß man, genau genommen, drei Arten derſelben zu unter- ſcheiden habe, nämlich 1) die ſelbſterworbene, 2) die aus einem erworbenen Individualverhältnis her ererbte und 3) die eigentlich ataviſtiſche. Er weiſt ferner darauf hin, daß ebenſo wie die Variation aus einem pathologiſchen Verhältnis hervorgeht, ſo auch der Rückſchlag häufig das Reſultat pathologiſcher Umſtände iſt. Eine von Hans Virchow gelieferte Beſchreibung eines Falles von Hydrocephalus internus“) liefert über das Weſen der Mikrocephalie, die noch jetzt vielfach für eine ataviſtiſche Erſcheinung gehalten wird, wichtige Aufſchlüſſe. Das von H. Virchow unterſuchte Gehirn, bei dem durch eine Hirnhautentzündung (Leptomeningitis) hervorge— rufene pathologiſche Veränderungen zugleich mit Fehlen des Hirnbalkens und atypiſche Hirnwindungen, ſowie Verkümmerung der an die Sylviſche Grube angrenzenden Hirnpartien konſtatiert wurden, beweiſt, daß in gewiſſen, möglicherweiſe in allen Fällen von Mikrocephalie von einer auf Atavismus beruhenden tierähnlichen Bildung keine Rede ſein kann, und daß auch nicht, wie vielfach behauptet wird, die Urſache der Hirnmißbildung im knöchernen Schädel, ſondern vielmehr im Gehirn ſelbſt zu ſuchen iſt. In dem beſagten Falle brachte jener fötale Krankheitsprozeß die Verkümmerung der Hirnentwickelung, die man als Mikro— cephalie bezeichnet, hervor, und der Umſtand, daß zugleich eine Abnormität der Augen vorhanden war, deutet darauf hin, daß die Hirnſtörung ſchon in einem Stadium des Fötallebens beſtanden hat, als die Augenblaſe noch mit der Hirnblaſe in Verbindung ſtand. In ſeiner Arbeit über den Schädel des jungen Gorilla zeigt von Török (Buda-Peſt) **), daß zwiſchen der Schädelbildung des jugendlichen Gorilla und des Men— ſchen gewiſſe höchſt bemerkenswerte Uebereinſtimmungen beſtehen. Wenn auch die ſich hervordrängenden Zwiſchen— kieferknochen, die bereits während der fötalen Entwickelung auffallend hervortretenden Ober- und Unterkiefer, das mächtige Milchgebiß, die für ein junges Tier ganz außer— gewöhnliche Stenokrotaphie (Verengerung des Schädel— raumes in der Schläfengegend) die auffallend großen Naſen- und Augenhöhlen mit der eigentümlichen Form und Stellung ihrer Geſichtsöffnung, der in die Länge gezogene Gaumenbogen u. ſ. w. keinen Zweifel darüber beſtehen laſſen, daß man es hier mit einem tieriſchen Weſen zu thun hat, ſo weiſt andererſeits doch die Schädelkapſel des jugendlichen Gorilla, auf deren brachycephale Form Virchow zuerſt aufmerkſam gemacht hat, eine bemerfens- werte Menſchenähnlichkeit auf. Derſelbe zeichnet ſich auch durch eine relativ bedeutende Kapazität aus, indem Török an einem im Pariſer anthropologiſchen Muſeum befindlichen Exemplar den Schädelraum auf 500 cem beſtimmte, wäh— rend die Kapazität des ebendaſelbſt aufbewahrten Schädels eines 23jährigen mikrocephalen Menſchen nur 401 cem beträgt. Daß der beim jungen Gorilla vorhandene men— ſchenähnliche Typus im Verlaufe des Wachstums ſpäter verloren geht, beruht einerſeits auf der Bildung der im reiferen Alter ſich entwickelnden, die Meſſung des Schädels außerordentlich erſchwerenden Augenhöhlenkammes und des *) Gratulationsſchrift für A. von Kölliker, Würzburg 1887. ) Internat. Monatsſchrift für Anat. und Phyſ. 1887, Bd. IV. 464 Hinterhauptwulſtes, andererſeits darauf, daß beim Wachs⸗ tum des Gorilla der Geſichtsteil des Schädels unverhältnis⸗ mäßig mehr an Größe zunimmt als der eerebrale Teil. Der erwachſene Gorilla nimmt hinſichtlich ſeiner Schädel⸗ bildung (brachycephale Kopfform mit leptoproſoper Ge⸗ ſichtsbildung) eine vermittelnde Stellung ein zwiſchen dem Schnauzentypus, der den meiſten Säugetieren eigentümlich iſt, und der Prognathie der niederen Menſchenraſſen. Die Schwierigkeiten der Meſſung des Gorillaſchädels überwand Török durch Herſtellung von Schädelausgüſſen (welche ebenſo wie die an der Außenfläche des Schädels vorge- nommenen Meſſungen die brachycephale Form des Kopfes und Gehirns ergeben haben), ſowie durch ein beſonderes Meßverfahren (präbaſale Projektion), auch gab er eine be⸗ ſondere Methode zur Feſtſtellung des Grades der Prognathie bei verſchiedenen Tieren, ſowie beim Menſchen an. Nach Török braucht man nur die beiderſeitigen unteren Endpunkte der Jochbeinkiefernaht (Sutura zygomatico maxillaris) durch eine Linie zu verbinden, und ferner von den beſagten Punkten nach dem in der Medianebene gelegenen äußerſten Vorſprung des Oberkieferzahnrandes, dem ſogenannten Alveolarpunkt, Linien zu ziehen, um die Seiten bezw. Winkel des auf ſolche Weiſe konſtruierten Oberkiefer⸗ dreiecks als Maße behufs Beſtimmung der Prognathie (Vorſpringen des Kieferzahnrandes) verwerten zu können ). — Erwähnt ſei hier noch, daß von Török auch die genaue Meſſung des Symphyſenwinkels des Unterkiefers — d. i. jenes Winkels, den die vom Mittelpunkte des vorderen Alveolarrandes zum hervorſpringendſten Punkte des Kinnes gezogene mediane Linie (Symphyſislinie) mit der Ebene des baſalen Randes des Unterkieferknochens bildet — durch Herſtellung eines beſonderen Apparates, des Gnathometers, ermöglicht hat, was um ſo wichtiger iſt, als das bisher verwendete Brocaſche Goniometer ungenaue Reſultate liefert!“ ). Gewiſſe Forſcher behaupten, das neue Haar bilde ſich beim Haarwechſel auf der alten Papille, andere glauben, daß ſowohl eine Bildung des Erſatzhaares auf der alten Papille, als eine Bildung unter Beihilfe einer neuen Papille möglich jet; dagegen bemerkt Stieda***), daß ebenſo, wie der bleibende Zahn ſich nicht etwa aus dem Milchzahn entwickelt, ſondern vielmehr ſeinen eigenen Schmelzkeim nebſt zugehöriger Papille beſitzt, während der Milchzahn mit allen ſeinen Beſtandteilen zu Grunde geht — daß in vollkommen analoger Weiſe ein neues Haar ſich niemals aus einer alten Papille entwickeln könne. Die Bildung eines Erſatzhaares geht nach Stieda genau in der nämlichen Weiſe vor ſich, wie die Bildung eines Embryo⸗ ) Wenn man die gerade Entfernung zwiſchen den unteren End⸗ punkten der beiderſeitigen Suturae Zygomatico maxillares = 100 annimmt und den Mittelpunkt dieſer Linie mit dem äußerſten Vorſprung des Oberkieferzahnrandes (point alvéolaire Broca) durch eine weitere Linie verbindet, ſo gibt letztere den Index für die Prognathie des be⸗ treffenden Tieres an. Beim Neufundländer Hund beträgt derſelbe 119, beim Gorilla 58, beim Menſchen 41. Umgekehrt wird der Winkel, welcher der die Oberkieferjochbeinnähte mit einander verbindenden Linie gegenüber, nämlich am Alveolarpunkt, liegt, um ſo größer ſein, je ge⸗ ringer der Grad der Prognathie bei dem betreffenden Tier oder Menſchen iſt. Derſelbe beträgt beim Neufundländer 470, beim Gorilla 810, beim Europäer 101 0. ) „Archiv für Anthropologie“, Bd. XVII. Heft 1 und 2. ) „Biologiſches Centralblatt“, Bd. VII. Nr. 12 und 13. Humboldt. — Dezember 1887. nalhaares. Ebenſo wie letzteres aus einem epithelialen Fortſatz ſich bildet, der von der Oberhaut aus in die Leder⸗ haut hineinwächſt, ebenſo geht das Erſatzhaar aus einem Gebilde hervor, deſſen Wachstum vom Epithel des Haar⸗ balgs in die Lederhaut hinein ſich erſtreckt, und zwar ſproßt der neue Haarkeim aus jener Zellenmaſſe hervor, welche im Grunde des Haarbalgs zur Zeit, wo die alte Papille verſchwunden iſt, als Keimlager des Haares ſich nach⸗ weiſen läßt. Strudmann*) beſchrieb tieriſche Knochenreſte, welche in dem Dümmerſee (an der hannover ⸗oldenburgiſchen Grenze) gefunden wurden. Dieſe Knochen ſtammen zum großen Teile von jenem Renntier, welches im Gegenſatz zum Waldrenntier (Rangifer tarandus) als grönlän⸗ diſches Renntier (R. grönlandicus) bezeichnet wird — ferner vom Elch, Edelhirſch, Reh, Wildſchwein und einer noch nicht näher beſtimmten Rinderſpecies. Außerdem fand man einen Hundeſchädel, der in allen Einzelheiten auf das genaueſte mit dem Schädel des von Rütimeyer aus den Pfahlbauten der Steinzeit beſchriebenen Torfhundes über⸗ einſtimmt. Daß Menſchen gleichzeitig mit den genannten Tieren die Umgegend des Dümmerſees bewohnt haben, geht aus den künſtlichen Einſchnitten an den Geweihen verſchiedener Hirſcharten und des Renntiers, ſowie aus dem Vorkommen des Torfhundes hervor, auch zeigte ſich, daß ein großer Teil der Geweihe nicht natürlich abgeworfen iſt, ſondern noch am Schädel haftet, daher von verendeten oder getöteten Tieren herrühren muß, und daß die meiſten Schädelfragmente jungen Individuen angehören, bei welchen ein natürlicher Tod minder wahrſcheinlich iſt. Auch ein Einbaum, ſteinerne Netzbeſchwerer und rohe Topfſcherben ſollen durch die Fiſchernetze aus der Tiefe des Sees zu Tage gefördert worden ſein, und ebenſo hat man vom Grunde des Sees einige größere, offenbar roh behauene Steine von harter Beſchaffenheit, die vielleicht urſprünglich als Herdſteine benutzt wurden, ſowie einen zugeſpitzten Pfahl empor befördert. Struckmann verlegt die Exiſtenz des Menſchen, von dem die an den Knochen befindlichen Einſchnitte herrühren, in jenen Abſchnitt der poſtglacialen Epoche, wo Norddeutſchland zum Teil von Wäldern bedeckt war. Er vermutet, daß die früheſten menſchlichen Be⸗ wohner jener Gegenden mit ihren Renntierherden das an Sümpfen und Mooren reiche norddeutſche Flachland durch⸗ wanderten, im Winter aber ſich mehr nach Süden bis an die Grenze des waldreichen Hügellandes zurückzogen, teils um hier beſſeren Schutz vor der Kälte zu genießen, teils auch um dort den Hirſch, das Reh, den Elch und das Wildſchwein zu jagen. Zum Schluſſe gedenken wir noch jener prähiſtori⸗ ſchen Grabſtätten, welche unlängſt bei dem Dorfe Cröbern unweit Leipzig aufgedeckt und von Langerhans **) beſchrieben worden ſind. Schon 1885 ſtieß man dafelbft bei Chauſſeearbeiten auf eine große Menge von Urnen. Die große Mehrzahl derſelben ſtand in der oberen, etwa 0,5 m ſtarken, aus Lehm beſtehenden Erdſchicht, die übrigen in einer tiefer gelegenen Kiesſchicht. In der tieferen Schicht (etwa 1,5 m unter der Oberfläche) ſind zugleich 5 „Correſpondenzblatt für Anthropologie“ u. ſ. w., Jahrg. XVIII. Nr. 2 (Februar 1887). **) „Correſpondenzblatt“ u. ſ. w., Jahrg. XVIII. Nr. 4. Humboldt. — Dezember 1887. 465 5 quadratiſche Grabſtellen, die an den 4 Seiten von mauer= artig gepackten Steinen umgeben waren, aufgedeckt worden. Als Beigaben der Grabſtätten wurden Kinderklappern von Thon, eine größere Anzahl Fibeln von Eiſen und Bronze, Gürtelhaken von dieſen beiden Metallen, bronzene Gürtel— beſchläge und Bruſtſpangen, aber keine Waffen gefunden. Einzelne Verzierungen der Thongefäße erinnern an das wendiſche (ſlaviſche) Wellenornament. In allen Teilen des Fundes find Frith-La-Tene-Fibeln, mit ſchräg in die Höhe zurückgebogenem Schlußſtück, und Mittel-La-Tene⸗ Fibeln, bei denen das zurückgebogene Schlußſtück mit dem Bügel durch eine Hülſe oder ein anderes Glied verbunden iſt, ſowohl von Eiſen als von Bronze nachgewieſen worden. Die beſagten Fibeln ſtimmen faſt genau mit denjenigen überein, welche O. Tiſchler als charakteriſtiſch für die Früh— La⸗Tene⸗Zeit und Mittel-⸗La-Tene⸗Zeit beſchrieben hat. Auch eine Vogelkopf-Fibel wurde daſelbſt aufgefunden. — Nach dem Geſagten kann nicht bezweifelt werden, daß der geſamte Fund von Cröbern der La Tene-Periode — und zwar dem älteren und mittleren Abſchnitt derſelben — zugerechnet werden muß. Da die über Gallien und Ger— manien bis Oſtpreußen verbreitete La Tene-Kultur bet der Eroberung Galliens durch Cäſar vollſtändig entwickelt war, darf man wohl die mit größter Wahrſcheinlichkeit als einen germanifden Urnenfriedhof zu bezeichnenden Grabſtätten von Cröbern in die Zeit bis 100 v. Chr. verlegen. Geographie und Ethnographie. Von Dr. W. Hobelt in Schwanheim a. M. Die Geographie der Juraperiode. Italien, Auswanderung. der Franzoſen in Senegambien. Xrauſes Reiſe. afrikaniſche Compagnie. Holub. deri f. Upington ia. Die Italiener in Maſſaua. Arabien: Dr. Hurgronje; Glajer. Walker über die Sanposfrage. Bahnen auf Sumatra. auf Uwea und den Neuen Hebriden. Durchquerung durch Howard; Schwatkas Bericht; Durchquerung Labradors. Die Quellen des Grinoko entdeckt. von der Steinens neue Reiſe. Paraguay. Forſchungen in Siid-Chile. nubiſchen Stämme. Schinz über die Ondonga. Grenzberichtigung. Kamerun. Die Oftafrifanifche Geſellſchaft. Potanin und Schwarz in Centralaſien. Engländer und Deutſche auf Neuguinea. Die Verhaftung Malietoas. Unruhen auf den Karolinen. Däniſche Forſchungen in Grönland. Dawſon; Gletſcherforſchungen von Wright. Noloniſationsbeſtrebungen in Braſilien. Feuerland. Südpolarforſchung. — Hellwald: Haus und Hof. der Dolmenerbauer in der Lozére. Pic über die Rumänen. Hamp über die Uegypter. Wilde Stämme am Abhang der Weſt-Shats. Nordafrika, Küſtenbildung. Marokko. Mackenzie an der Saharaküſte. Fortſchritte Vorgänge am Hongo. Stanleys Expedition. Die Weſt⸗ Graf Teleky. Erſteigung des Hilimandjaro, Erforſchung der Quellen des Sungari. Der Bismarck-Archipel. Die Franzoſen Alas ka: Der höchſte Berg in Nordamerika. Peds Erforſchung des Rio dos Velhas. Die Raffe Wilſon über die Hanſen über die Grönländer. Collignons Meſſungen in Tunis. Italieniſche Forſchungen im Feuerland. Paläogeographie. Neumayer hat im fiinf- zigſten Bande der Denkſchriften der Wiener Akademie den intereſſanten Verſuch gemacht, die Verteilung von Land und Meer zur Jurazeit feſtzuſtellen. Wir ſehen auf der Karte drei Kontinente, den afrikaniſch-braſilianiſchen der auch Südarabien einbegreift, aber Algerien und Kap— land, ſowie die Oſtküſte ſüdlich von Bab-el-Mandeb nicht einſchließt, dagegen aber eine Halbinſel von Oſtmadagaskar bis zum Ganges vorſchiebt, den ſiniſch-auſtraliſchen Kontinent, der bei Kalkutta nur durch die ſchmale ben— galiſche Straße von der Halbinſel geſchieden wird und Südoſtaſien, Auſtralien und ſelbſt einen Teil von Neufee- land umfaßt; und den nearktiſchen Kontinent, welcher die Mitte von Nordamerika einnimmt und eine Halbinfel durch Utah zwiſchen Kalifornien und die Uintabucht ein⸗ ſchiebt. Von der letzteren durch eine breite Straße, die Shetlandſtraße, getrennt, liegt die ſkandinaviſche Inſel, welche bis zu den ruſſiſchen Oſtſeeküſten reicht. Weſt- und Mitteleuropa bilden einen Archipel mit über einem Dutzend Inſeln; außerdem liegt noch eine beträchtliche Inſel am nördlichen Ural und eine andere umfaßt Turkeſtan, die Kirgiſenſteppe und das Thianſchan. Die Auswanderung aus Italien betrug nach L. Bodio 1885 — von den nur für kürzere Zeit außer Landes gehenden Arbeitern abgeſehen — 77000 Köpfe, während die Zahl in 1884: 58 000, in 1878 erſt 20 000 geweſen war. Davon ging faſt die Hälfte nach Wrgen- tinien, außerdem kamen noch die Vereinigten Staaten und Braſilien in Betracht. Trotz der ſtarken Zunahme beträgt aber die italieniſche Auswanderung immer noch kaum über ein Viertel des Ueberſchuſſes der Geburten über die Sterbefälle. Humboldt 1887. Nordafrika. Th. Fiſcher (in Petermanns Mit- teilungen 1 und 2) liefert den Beweis, daß die Einbuch— tungen der algeriſchen Küſte nicht Einbruchskeſſel im Sinne von Süß, ſondern Folgen der Abraſion durch die Brandung ſind, die freilich ſtellenweiſe durch eine poſitive Niveau— verſchiebung unterſtützt wird. Die alte Küſtenlinie liegt vor dieſen Einbuchtungen genau in derſelben Linie, wie vor den vorſpringendſten Kaps. Marokko. Franzoſen und Spanier ſind um die Wette bei der Erforſchung des Landes thätig. Die jetzt erſt in der Lanoy de Biſſyſchen Karte veröffentlichte Aufnahme des Vicomte de Foucauld, welcher den Atlas zweimal überſtieg und das Land von Südweſt nach Nordoſt durchkreuzte, und die Beſtimmungen von de Caſtries bewirken eine völlige Revolution in der Topographie. Die Gebiete im Norden, ſoweit ſie dem Sultan unterworfen ſind, werden von einer ſpaniſchen Kommiſſion vermeſſen. Der naive Verſuch von Douls, den Wed Draa auf— wärts vorzudringen, hat natürlich zu dem Reſultate geführt, daß der Reiſende alsbald von den Eingeborenen ausge— plündert und gefangen genommen wurde; er hat ſeine Freiheit noch nicht wieder erlangt. Saharaküſte. Den Spaniern am Rio de Oro er— wächſt eine Konkurrenz durch den Kapitän Mackenzie, den Urheber des famoſen Projektes zur Unterwaſſerſetzung der weſtlichen Sahara, der am Kap Juby in Tarfaja einen Handelspoſten gegründet hat, welcher jetzt unter engliſchem Schutz ſteht. Auch er hat eine Expedition nach Adrar abgeſandt, die aber keine Routenaufnahme gemacht hat. — Spanien hat übrigens kurzweg die ganze Saharaküſte unter ſeinen Schutz genommen. Senegambien und Oberguinea. Das franzöſiſche 59 466 Kanonenboot, das auf dem oberen Niger fährt, hat in dieſem Jahre Timbuktu reſp. deſſen Hafenſtadt, einen Beſuch abgeſtattet. Handelsbeziehungen werden wohl bald nachfolgen. — Durch einen Vertrag mit Samory ſind der Niger und der Tankiſſo von ihren Quellen ab als die Oſtgrenze der franzöſiſchen Beſitzungen anerkannt worden, ſo daß nunmehr das ganze Gebiet zwiſchen dem oberen Niger und dem Meere der franzöſiſchen Intereſſenſphäre anheimfällt. Samory ſoll auch ſeine Beſitzungen auf dem rechten Nigerufer unter franzöſiſchen Schutz geſtellt haben. G. A. Krauſe iſt bei ſeinem Verſuche, von Salanga am Volta aus quer auf der Sehne der Nigerkrümmung Timbuktu zu erreichen, über Moſi bis in die Nähe von Timbuktu gelangt, dann aber am weiteren Vordringen verhindert worden und hat umkehren müſſen. Er gedachte nach den letzten Nachrichten auf einem neuen Wege Togo⸗ Land zu erreichen und dann nach Europa zurückzukehren.“) Als Grenze zwiſchen dem deutſchen und franzöſiſchen Gebiete an der Sklavenküſte iſt der Meridian der Weſt⸗ ſpitze der in der Lagune zwiſchen Agué und Klein⸗Popo gelegenen Inſel Bayol angenommen worden, landein bis zu 9° nördlicher Breite. Kamerun. Die Miſſionsſtation an der Ambas⸗ Bay iſt von den Baptiſten der Baſeler Miſſionsgeſellſchaft abgetreten worden und befindet ſich nun das ganze Gebiet in deutſchen Händen. e Buchner (Kamerun, Leipzig 1887) ſpricht ſich über die gegenwärtige Lage in Kamerun ſehr nüchtern aus, hofft aber Beſſeres für die Zukunft, wenn es gelingt, den Duallas den Zwiſchenhandel zu entreißen und ſie dadurch zu produktiver Arbeit zu zwingen; die Geſundheitsverhält⸗ niſſe würden ſich mit der zunehmenden Kultur ebenſo beſſern, wie ſie es in anderen Tropenländern bereits ge⸗ than. — Hübbe⸗Schleiden ſpricht ſich in der Kolonial⸗ zeitung ſehr optimiſtiſch über die von Wörmann und Thormählen unter der Leitung von Teuß begonnenen Anbauverſuche mit Kakao und Tabak aus. Die von dem Reichstag zur Erforſchung Afrikas be⸗ willigten Fonds ſollen auch in dieſem Jahre vorwiegend auf Kamerun verwendet werden. Zintgraff hat im November und Dezember 1886 die Wapaki⸗ oder richtiger Bakoſſiberge erforſcht und iſt gegenwärtig beſchäftigt, am Elefantenſee eine Station zu errichten, welche ſowohl für die Erforſchung der Umgegend, wie auch als Stützpunkt für weiteres Vordringen dienen ſoll. — Auch Lieutenant Kund iſt mit der Errichtung einer wiſſenſchaftlichen Beobachtungsſtation beauftragt. Die Schweden bewahren ebenfalls dem Kamerungebiet reges Intereſſe; die Regierung rüſtet eben eine Expedition unter Lieutenant Weſter aus, welche von dort nach dem Inneren vordringen ſoll. Die Chicanen einiger Häuptlinge am Oberlauf der Flüſſe hat zur Niederbrennung einiger Dörfer durch die deutſchen Kriegsſchiffe geführt, was hoffentlich den Duallas eine heilſame Lektion ſein wird. Der Kongoftaat hat, um die Erlaubnis zum Ver⸗ trieb ſeiner Losanleihe in Frankreich zu erhalten, ſich ) Nach ſeitdem eingelaufenen Berichten iſt er glücklich an der Küſte angelangt. Humboldt. — Dezember 1887. gezwungen geſehen, das ganze Gebiet nördlich vom Kongo bis zum Übandſchi an Frankreich abzutreten. Aus ſeinen finanziellen Nöten iſt ihm damit nicht geholfen, und das von Pechuel Löſche in dieſem Jahre veröffentlichte größere Werk (Der Kongoſtaat, Jena) iſt durchaus nicht dazu angethan, das Vertrauen in ſeine Zukunft zu be⸗ feſtigen. Wer noch irgendwie an eine ideale Abſicht bei den eigentlichen Gründern des Staates glaubte, wird da⸗ durch grauſam ernüchtert, daß auf Betreiben Stanleys das Haupt der Sklavenhändler, Tippu Tip, zum Gouver⸗ neur der von ſeinen eigenen Leuten zerſtörten Station an den Stanley Falls ernannt und damit der ganze obere Kongo den Sklavenhändlern ausgeliefert worden iſt. Am unteren Kongo wird der Staat immer mehr zum Handels- unternehmer, der anderen Händlern nicht immer auf nur reellem Wege Konkurrenz macht und ſie namentlich durch hohe Zölle zu ſchädigen ſucht. Seinen internationalen Charakter hat das Unternehmen ohnehin längſt eingebüßt. Der in unſerem vorigen Berichte erwähnte Haupt⸗ zufluß des Kongo von Süden her muß nach Kund den Namen Sankullu tragen, als den einzigen, der auf weitere Strecken hin bekannt iſt. Von Frangois und Wolff be⸗ ſtehen dagegen darauf, daß der Kaſſai der Hauptfluß ſei. Alle die von Süden herkommenden Flüſſe, auch Kuango und Lubilaſch, ſind ungefähr in derſelben Breite, zwiſchen 5° und 6° ſüdlicher Breite, durch Katarakte und Stromſchnellen geſperrt; offenbar zieht hier eine Boden⸗ ſchwelle quer durch das ganze Kongogebiet. Den Unter⸗ lauf des Kuango hat Grenfell bis zur Steinbarre von Kingundſchi, wo Mechow umkehren mußte, befahren und dabei die Mündung eines bedeutenden Zufluſſes, des Dſchuma, entdeckt, welcher wahrſcheinlich aus der Vereinigung des Wambu, des Inzia und des Kuilu gebildet wird, welche Kund und Tappenbeck in ihrem Oberlauf über⸗ ſchritten. Profeſſor Lenz iſt am 14. Januar glücklich in San⸗ ſibar angelangt und ſeitdem wohlbehalten nach Europa zu⸗ rückgekehrt. Ein Vordringen vom Kongo nach dem Gez biete Emin Paſchas erwies ſich mit ſeinen Mitteln durch⸗ aus unausführbar. Tippu Tips Stellvertreter hatte es dreimal vergeblich mit ſtarker Macht verſucht. Neues Ge⸗ biet hat Lenz nur auf kurzen Strecken zwiſchen Nyangwe und dem Tanganika betreten. Dagegen iſt Wißmann auf einer ganz neuen Route von Südweſten her am Tanga⸗ nika angelangt. Comber, der bekannte energiſche Chef der Baptiſten⸗ miſſion am Kongo, iſt dem Klima erlegen; ſein Nachfolger Whitley iſt ihm auch im Tode raſch gefolgt. Die Stanleyſche Emin Paſcha Relief Expedi⸗ tion tft am 18. März mit 800 Sanſibariten und einer Anzahl Negerſoldaten in Banana angelangt, begleitet von Tippu Tip. Mit deſſen Ernennung zum Gouverneur ſcheint aber die Regierung des Kongoſtaates ihre Schul⸗ digkeit für gethan gehalten zu haben, denn Stanley fand weder Proviant noch Transportmittel vor, und am Pool herrſchte völlige Hungersnot. Stanley mußte die Hilfe der holländiſchen Genootſchap anrufen, um ſeine Leute an den Fuß der Katarakte zu bringen, und auch am Pool konnte er keine Transportmittel erhalten, bis ſich endlich die beiden Miſſionsgeſellſchaften und die Sanford Com⸗ Humboldt. — Dezember 1887. 467 pany bewegen ließen, ihm ihre Dampfer zu überlaſſen. Am 30. April konnte die Expedition endlich mit vier Dampfern aufbrechen und erreichte glücklich den Aruwimi. Hier wurde ein Lager geſchlagen und Tippu Tip ging nach den Fällen, um eine Anzahl ſeiner Leute zu holen, mußte aber die unangenehme Entdeckung machen, daß dieſe in dem Gouverneur des Kongoſtaates einen Abtrünnigen ſehen, mit dem ſie durchaus nichts mehr zu thun haben wollen. Said ben-Habub, ſein ehemaliger Lieutenant, verweigert ihm geradezu den Gehorſam und ſengt und raubt in alter Weiſe. Tippu Tip verlangt nun vom Kongoſtaat Hilfe, und das Mouvement géogra- phique ſpricht von 1000 Mann, die man ihm ſenden wolle. Als ob der Staat, wenn er über ſolche Macht ver— fügte, den Sklavenräuber zum Gouverneur ernannt hätte! Stanley hat ſeitdem die Fälle des Aruwimi er— reicht, dort wieder ein Lager geſchlagen und iſt mit einem Teil ſeiner Mannſchaft den Fluß entlang bis in das Ge— biet der Mabode vorgedrungen, welche Junker von Norden her beſucht hat, ohne Schwierigkeit zu finden. Anfang September ſtand Stanley noch immer in einem verſchanzten Lager, ca. 280 Miles oberhalb der Fälle und wartete auf Verſtärkung und Lebensmittel. Der Unterlauf des Aruwimi erweiſt fic) als der Unterlauf von Junkers Nepoko. Von Emin Paſcha ſind mittlerweile günſtige Nach— richten eingelaufen; er hat die durch Junker in Uganda für ihn erworbenen Vorräte erhalten und iſt jetzt auch von dem Herannahen der Entſatzexpedition benachrichtigt. Da er aber nichts Genaueres über Stanleys Plan weiß, hat er ſeine Hauptmacht in Wadelai zuſammengezogen und wartet dort das weitere ab. Nach einem Brief an Dr. Felkin hat er einen bedeutenden Fluß endeckt, welcher Kakibbi oder Buera heißt und dem Südende des Albert Nyanja von den Uſſongora-Bergen her zufließt; er ſcheidet Unyoro von Mboga. Durch dieſe Berichte wird wahrſcheinlich auch die UElle-Frage endlich entſchieden werden. Wanters hält daran feſt, daß der Übangi der Unterlauf des Uälle fei, und daß Grenfell an der Mündung dieſes Stromes vor— übergefahren ſei, ohne ſie zu bemerken. Grenfell ſpricht dagegen den Loika für den Ulle an, aber nach Schwein— furths Berechnung der Junkerſchen Aufnahmen fällt der ſüdlichſte von dieſem erreichte Punkt, die Seriba Ali Nobo am Uelle⸗Makua, faſt mit den Lirbi-Fällen, an denen Grenfell umkehren mußte, zuſammen; die Angaben über den Waſſerreichtum ſind indes ſo verſchieden, daß beide Flüſſe nicht identiſch ſein können. Savorgnan de Brazza ſcheint ſeine Arbeiten auf dem franzöſiſchen Gebiete energiſch fortzuſetzen, doch iſt in der letzten Zeit nichts Beſonderes darüber in die Oeffent⸗ lichkeit gelangt. Die Deutſche Weſtafrikaniſche Compagnie hat die Gründung einer großen Schlächterei zur Ausnutzung des Rindviehreichtums der inneren Gebiete Südweſtafrikas beſchloſſen. Die betreffende Expedition unter Kapitän Bochart ſollte im Oktober in der Walfiſchbai eintreffen und dann eine paſſende Küſtenſtelle in der Nähe ausſuchen. Die ewigen Einfälle der Namas in das deutſche Schutz— gebiet, gegen welche der deutſche Kommiſſär machtlos iſt, haben die Regierung endlich gezwungen, Maßregeln zu er— greifen und den Hereros Waffen zu geben, welche ſie in den Stand ſetzen werden, ſich ſelbſt zu helfen. Es machen ſich übrigens anſcheinend wieder deutſchfeindliche Einflüſſe bei Kamaherero geltend; die Kapzeitungen bringen eine angebliche Erklärung desſelben, nach welcher er leugnet, ſich überhaupt je unter deutſchen Schutz geſtellt zu haben. — Dem gegenüber behauptet die Compagnie einen neuen Vertrag mit Kamaherero abgeſchloſſen zu haben, welcher den Handel im Lande vollſtändig in ihre Hand gibt. Von A. Lüderitz iſt keine Kunde wiedergekommen; es kann nicht mehr zweifelhaft ſein, daß er bei dem Ver— ſuch, in einem kleinen Boote von der Mündung des Orange River nach Angra Pequena zu fahren, mit ſeinem Begleiter ertrunken iſt. Südafrika. Holub iſt mit ſeiner Frau, völlig ausgeplündert, nach Shoſhong zurückgekehrt. Dennoch iſt es ihm gelungen, den größeren Teil ſeiner reichen Samm— lungen zu retten, und nur ein Teil ſeiner Tagebücher iſt verloren gegangen. Er iſt Ende Auguſt wieder glücklich in Europa angelangt. Die kleine Anzahl Burenfamilien, welche unter Führung von Jordagens Humpata verlaſſen und ſich auf einem den Ondongas abgekauften Stücke Land als Republik Upingtonia angeſiedelt hatten, haben ſich nach der Er— mordung ihres Führers unter den Schutz des Deutſchen Reiches geſtellt. Nach Schinz iſt ihr Gebiet gut bewäſſert und ſehr fruchtbar; aber Malariafieber ſind häufig, wenn auch nicht bösartig. Dafür hat England das ganze Zululand, beſonders das ehemalige Reich Ketſchewayos, annektiert. Oſtafrika. Graf Szechenyi, der in Afrika reiſt, bezeichnet die Beſtrebungen der Deutſchen Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft im „Peſter Lloyd“ mit dürren Worten als eine gewiſſenloſe Gründung. — Auch Graf Pfeil hat ſich mit einer ähnlichen Erklärung von der Geſellſchaft losgeſagt. Peters iſt dagegen mit einer größeren Expedition nach Dar⸗es⸗Salam abgegangen und will nun mit der Koloni— ſation ernſtlich anfangen. Der Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft ſcheint es gelungen zu ſein, trotz der unaufhörlichen engliſchen Hetzereien mit dem Sultan von Sanſibar in ein leidliches Verhältnis zu kommen; ſie hat von ihm vorläufig auf fünf Jahre die ganze Küſte gepachtet und ſich ſo freie Hand für den Handelsverkehr geſchaffen. Die Arbeiterfrage ſucht man dadurch zu löſen, daß man mit banianiſchen Händlern Kontrakte wegen Stellung von Arbeitern abſchließt, d. h. deren Sklaven mietet. Graf Teleky verſucht durch das Maſſailand zu dem noch ziemlich mythiſchen Samburuſee vorzudringen, der zwiſchen Nil und Dſchub inmitten des weißen Fleckes unſerer Karten liegen ſoll. Er hat gleich an der Grenze einen Kampf mit den Maſſais zu beſtehen gehabt. Die höchſte Spitze des Kilimandjaro iſt von Hans Meyer aus Leipzig erſtiegen worden. Der Reiſende wird mit reichen Sammlungen demnächſt in Deutſchland zurück erwartet. Abeſſinien. Zwiſchen den Italienern und den Abeſſiniern unter Ras Alula iſt es wie zu erwarten ſtand, bei dem erſten Verſuch, weiter vorzudringen, zum Konflikt gekommen und haben die Italiener eine ernſtliche Nieder⸗ 468 lage erlitten. Graf Salimbeni mit ſeinen Gefährten iſt von Ras Alula in Ketten gelegt worden, und General Gens hat ſeine Freilaſſung erkaufen müſſen. Die italie⸗ niſche Regierung hat darauf Gens durch Saletta erſetzt und Verſtärkungen nach Maſſaua geſandt, um die Scharte auszuwetzen. Arabien. Der holländiſche Juriſt SnouckHurgronje hat unter der Maske eines Mohammedaners ſechs Monate in Mekka zugebracht. — Ed. Glaſer bereitet eine neue Reiſe nach Südarabien vor, auf welcher er beſonders den nördlichen und öſtlichen Teil des alten Sabäer⸗Reiches er⸗ forſchen will. Centralaſien. Potanin iſt von ſeiner dreijährigen Reiſe am 10. März d. J. mit reichen Sammlungen und Beobachtungen zurückgekehrt; er hat den erſten Winter unter den von Prſhewalski zuerſt beſuchten Dalden, den zweiten im Kloſter Gumbum zugebracht; den Rückweg nahm er durch das Gebiet der noch von keinem Europäer beſuchten Jeguren. Der Aſtronom Schwarz hat im öſtlichen Buchara in 1886 eine Reihe ſehr wichtiger aſtronomiſcher Poſitions⸗ beſtimmungen gemacht und 335 Höhenmeſſungen ausgeführt. China. Die engliſchen Reiſenden James Younghus- band und Fulford haben die ſeither unbekannten Quellen des weſtlichen Sungari am weißen Gebirge (Peiſtan) aufgefunden; ganz in der Nähe entſpringen auch der Jalu, der Grenzfluß gegen Korea, und der Tumen, der Grenz⸗ fluß zwiſchen Korea und Rußland. Die Höhe der Waſſer⸗ ſcheide, ſeither auf 3—4000 m geſchätzt, wurde mit dem Kochthermometer auf 2500 m beſtimmt; ewiger Schnee liegt nur in den Schluchten. Port Hamilton iſt von den Engländern am 23. Januar wieder geräumt worden. Hinterindien. Nachdem der Sanpo endlich definitiv als Oberlauf des Brahmaputra anerkannt worden iſt, bleibt nun nur noch die für ſein Stromgebiet auffallend große Waſſermenge des Irawaddi zu erklären. General J. T. Walker glaubt dies damit zu erreichen, daß er den Lu⸗tſe⸗kiang für den Oberlauf des Irawaddi und nicht, wie ſeither allgemein angenommen wurde, des viel waſſer⸗ ärmeren Salwen erklärt; der Lu⸗tſe⸗kiang würde dann identiſch ſein mit dem Meh⸗kha, dem öſtlichen Quellfluſſe des Irawaddi. Neuguinea. Die Erforſchung der Inſel ſchreitet unter dem Wettbewerb der Engländer und Deutſchen raſch voran, während Holland eine größere Anſtrengung für unnötig zu halten ſcheint. England hat auf Andrängen der Kolonien ſich endlich entſchloſſen, die volle Souveräni⸗ tät über den ihm zugeſprochenen Anteil zu übernehmen und ſtellt zum Schutze der Küſten einen Kreuzer. Da⸗ gegen verpflichtet ſich Neuſüdwales, auf zehn Jahre jähr⸗ lich 15 000 Pfd. St. beizutragen. Mehrere Forſchungsexpe⸗ ditionen ſind in der Vorbereitung begriffen oder ſchon abgegangen; auch Mr. Forbes will einen neuen Verſuch machen; den Owen Stanley Mount zu erreichen; die Kolonie Viktoria und die geographiſche Geſellſchaft in Melbourne tragen die Koſten. — Kapitän John Strachan behauptet, eine Meerenge entdeckt zu haben, welche den Mae Cluer⸗ Golf mit der Geelvink⸗Bai verbindet und die Nordweſt⸗ ſpitze Neuguineas in eine ſelbſtändige Inſel umwandelt; doch wird dieſe Entdeckung von kompetenter Seite ſehr Humboldt. — Dezember 1887. bezweifelt. Nach Strachan ſoll auch ein guter Teil der angeblichen Küſte des ſüdweſtlichen Neuguinea nur aus vorliegenden Inſeln beſtehen. Ueber die in 1885 aus⸗ geführte Fahrt des Bonito auf dem Fly River iſt nun der Bericht des Botanikers Bäuerlen erſchienen; er be⸗ ſtätigt den vollſtändigen Mißerfolg. Hunter und Clarkoon haben den Oberlauf des Kemp⸗-Welch erforſcht und einen Paß entdeckt, welcher die Durchkreuzung der Südoſthalb⸗ inſel ermöglicht. Im deutſchen Schutzgebiete ſetzt die Geſellſchaft ihre Arbeiten ruhig und gleichmäßig fort und verſucht durch⸗ aus nicht, zu ernten, ohne geſäet zu haben. Heft 3 der Mitteilungen bringt eine ſorgfältig ausgeführte Karte des Hüon⸗Golfes. In denſelben münden neun Flüſſe, von welchen der Markham ſich weit ins Innere hinein ver⸗ folgen läßt und für die Erforſchung von Wichtigkeit zu werden verſpricht. Das vierte Heft enthält die Berichte der wiſſenſchaftlichen Expedition von Schrader, Schnei⸗ der, Hollrung und Hunſtein, zunächſt über For⸗ ſchungen im Küſtenland. Seitdem hat ſich die Expedition mit 20 farbigen Trägern auf dem Auguſtafluß einge⸗ ſchifft und an ſeinem Oberlauf unter 141° 48“ 5. L. ein Lager aufgeſchlagen, von welchem aus das Innere einige Monate lang erforſcht werden ſoll; es gilt beſonders, für den Tabakbau geeignete Flächen aufzufinden. Das Klima hat ſich bis jetzt nicht bösartiger gezeigt als im tropiſchen Indien; der verſtorbene Stationsdirektor Weiſſer hatte ſich das tödliche Sumpffieber auf Sumatra geholt. — Die Regenhöhe betrug am Hatzfeldthafen für das Jahr 1886-1887 nur 1825 mm. Etwa 100 Seemeilen nördlich von Neuguinea ae eine neue Inſel entdeckt worden, welche den Namen Alliſon⸗ Inſel erhielt; es iſt das ſeit kurzer Zeit die dritte der⸗ artige Entdeckung. Bismarck- Archipel. Landeshauptmann v. Schlei⸗ nik hat auf Neu⸗Pommern eine ca. 4000 Quadratkilometer umfaſſende Ebene aufgefunden, welche durch mehrere ſchiff⸗ bare Flüſſe entwäſſert wird und bei großer Fruchtbarkeit anſcheinend nicht ſumpfig iſt. Polyneſien. Frankreich hat auf den Wallis⸗ oder Uwea-Inſeln ſeine Flagge gehißt. Die Inſeln, von denen nur Uwea mit ca. 100 Quadratkilometern Ober⸗ fläche bedeutender iſt, ſind durch ihre Lage zwiſchen Viti, Tonga und Samoa wichtig; ihre Einwohner, gegen 3000, find ſchon länger durch franzöſiſche Miſſionäre bekehrt. Auch die Neuen Hebriden hält Frankreich noch immer beſetzt trotz des Geſchreies der auſtraliſchen Kolonien und namentlich der presbyterianiſchen Miſſionäre, welche die ſehr gefährliche katholiſche Konkurrenz fürchten. Auf Samoa hat die deutſche Regierung endlich durch⸗ gegriffen und den König Malietoa, das Werkzeug der deutſchfeindlichen Parteien, außer Landes gebracht. Auf den Karolinen erlebt Spanien wenig Freude; infolge der unglaublichſten Vernachläſſigung iſt die Be⸗ ſatzung eines Poſtens geradezu verhungert. Das vertrags⸗ widrige Einſchreiten gegen die ſchon länger anſäſſigen amerikaniſchen Miſſionäre hat zu blutigen Zwiſtigkeiten Anlaß gegeben, der Kommandant von Ponape iſt getötet worden, und nun ſoll eine Expedition zur Züchtigung der Eingeborenen abgehen. Humboldt. — Dezember 1887. Grönland. Die Sondirungen der Fylla in der Davisſtraße im Sommer 1886 haben das intereſſante Re- ſultat ergeben, daß der grönländiſchen Küſte parallel in etwa 5 Meilen Abſtand ein ſchroffer Rücken läuft, der bis zu 20 m unter dem Waſſerſpiegel emporragt, aber nach außen hin ſchroff zu 350— 400 m Tiefe abfällt; er bil⸗ dete offenbar die Endmoräne des großen Binneneiſes zur Eiszeit. K. J. Steenſtrup hat aus der Inſtruktion für die Expedition, welche Chriſtian IV. in 1607 zur Wiederauf⸗ ſuchung der ehemaligen Kolonien ausſandte, nachgewieſen, daß man damals noch nicht daran dachte, die Oſterbygd auf der Oſtküſte zu ſuchen; die Schiffe werden ausdrücklich angewieſen, zuerſt um die Südſpitze herumzufahren und dann nach den Kolonien zu ſuchen. Alaska. Fähnrich Howard hat Alaska vom Fort Kosmos nach dem Arktiſchen Ocean durchquert und den Fluß Ikpikpuk, den noch kein Europäer beſucht, in ſeiner ganzen Länge erforſcht; die Eingeborenen des Inneren, die noch keinen Weißen geſehen hatten, ſcheinen zu den Eskimos zu gehören. Der officielle Bericht über die Schwatka'ſche Fahrt auf dem Yukon vom Lindeman-See bis zur Mündung ent— hält die genaue Karte des Stromes im Maßſtabe von 1: 285000. Das Grenzgebiet am oberen Yukon, das reich an Gold ſein ſoll, wird gegenwärtig von dem bekannten kanadiſchen Geologen Da wſon genauer erforſcht. Der amerikaniſche Reiſende Wright hat die Gletſcher— ſpuren an der Weſtküſte von Waſhington Territory und den Muir⸗Gletſcher, Südoſt-Alaska, einer genaueren Unter- ſuchung unterworfen; er findet das ganze Gebiet des Puget Sound aus Moränen beſtehend, gebildet zu einer Zeit, wo die Gletſcher von Mount Rainier, von Mount Baker und den Olympian Mountains bis an die Küſte herabreichten. Heute liegen die erſten Küſtengletſcher am Stikine River, der in 30 Miles Entfernung von der Küſte zwiſchen zwei Gletſchern hinläuft, die früher den Cannon des Fluſſes ganz überdeckt haben. Der Muir⸗Gletſcher, obſchon nur ein ſchwacher Reſt des ehemaligen Gletſchers, bietet heute noch ein Bild des alten Zuſtandes und füllt einen Meer— buſen aus, in den neun Hauptgletſcher einmünden. Eine geringe Temperaturerniedrigung würde die Gletſcher auch in Puget Sound ihre alte Ausdehnung wieder gewinnen laſſen. Muir Glacier rückte im Auguſt durchſchnittlich 40 Fuß im Tage vor und lieferte ca. 140 Mill. Kubikfuß Eisberge. Seton Karr iſt am Eliasberg 1000 Fuß höher gelangt als Lieutenant Schwatka; ſeine Aufnahmen beweiſen, daß der Berg ca. 3 Miles öſtlich vom 141.“, alſo ganz auf kana⸗ diſchem Gebiet, liegt. Von den umgebenden Gletſchern veranſchlagt er Agaſſiz und Guyot Glacier auf mindeſtens 1800 Quadratmiles; der Tyndall-Gletſcher an der Süd— weſtſeite iſt noch größer. Für den Verluſt des Eliasberges ſind die Amerikaner ſeitdem durch die Entdeckung entſchädigt worden, daß der unzweifelhaft auf nordamerikaniſchem Terrain liegende Mount Wrangel erheblich höher iſt als der Elias. Der Miſſionär E. J. Peck hat nach drei mißlungenen Verſuchen im Canoe Labrador von der Station am Little Whale River an der Oſtküſte der Hudſonbai bis nach Fort 469 Chimo an der Ungavabai durchkreuzt; die Reiſe dauerte vom 17. Juli bis 11. Auguſt 1884. Das Innere des großen Landes erwies ſich vollkommen menſchenleer. Der Reiſende konſtatiert, daß die Darſtellung der hydrographi— ſchen und orographiſchen Verhältniſſe auf den Karten völlig verfehlt iſt. Südamerika. Es iſt Chaffaujon gelungen bis zu den Quellen des Orinoko vorzudringen; die gefürchteten Guaharibos erwieſen ſich viel beſſer als ihr Ruf. Der Reiſende hat der Sierra Parime, in deren fächerförmig auslaufenden Thälern die Quellflüſſe des Orinoko ent- ſpringen, überflüſſigerweiſe den Namen Leſſepsberge bei— gelegt. Chaffaujon wollte vor ſeiner Rückkehr erſt noch das Quellgebiet des Eſſequibo erforſchen und hoffte im Juni wieder zurück zu ſein. Der Rio dos Velhas, der Hauptnebenfluß des San Francisco, iſt vor kurzem von zwei braſilianiſchen Ingenieuren befahren worden; fie halten ſeine Schiffbar— machung trotz der zahlreichen Stromſchnellen und Katarakte für leicht möglich. K. von den Steinen iſt am 25. Januar mit ſeinem Vetter, mit Ehrenreich aus Berlin und Vogel aus München zu einer neuen Forſchungsreiſe nach Braſilien abgegangen, welche diesmal beſonders dem Quellgebiete des Schingu gelten ſoll und auf ein Jahr berechnet iſt. Paraguay Die Südamerikaniſche Koloni⸗ ſationsgeſellſchaft in Leipzig koncentriert ihre ganze Thätigkeit auf Paraguay und hat in den Departements Itacurubi, Ibitimi und Piraguay etwa 12 Quadratleguas Land erworben, auf welchen ſie einſtweilen Viehzucht treibt, aber alles zur Koloniſation vorbereitet. Vertreter in Para- guay iſt Herr Karl von Gülich in Aſuncion. Chile. Kommandant Serrano iſt im Auftrage der chileniſchen Regierung den Rio Palena entlang bis auf die patagoniſche Hochebene vorgedrungen; der Fluß durch— bricht die mittleren Anden, welche eine zuſammenhängende, an vielen Stellen mit ewigem Schnee bedeckte Kette bilden, in einer engen Schlucht, und iſt viel länger, als man ſeit— her annahm; ſeine Quellen liegen faſt in der Mitte des Kontinentes. Da die Waſſerſcheide die Grenze zwiſchen Argentinien und Chile bilden ſoll, iſt zwiſchen dem Paſſe von Villarica und dem Palena eine neue Grenzbeſtimmung nötig geworden, und ſind dazu bereits zwei Expeditionen von Chile abgegangen. Lieutenant Moyano hat ſogar nachgewieſen, daß Fiorde des Stillen Oceans die Cor— dilleren durchbrechen und bis 45 Seemeilen öſtlich derſelben endigen, daß alſo Patagonien Seehäfen am Stillen Ocean beſitzt. Feuerland. Die Entdeckung von Gold an der Magellansſtraße hat dem Südende Amerikas auch ver— mehrte Beachtung geſichert. Ramon Liſta hat den argen— tiniſchen Teil von der Sebaſtiansbai bis zur Lemaireſtraße durchzogen und weit fruchtbarer und wirtlicher gefunden als Südpatagonien; der nördlichere Teil iſt gutes Wieſen— land, der ſüdliche Wald und anſcheinend reich an Erz. Südpolargebiet. Für die Erforſchung der ſo lange vernachläſſigten Antarktis ſcheinen beſſere Zeiten zu kommen. Nicht nur rüſten ſich die Walfiſchfänger, getrieben durch hohe Preiſe für die Produkte ihrer Jagd, nachdem ſich die Gewäſſer von Franz Joſephsland unzugänglich er- 470 Humboldt. — Dezember 1887. wieſen, zu ernſtlichen Verſuchen in den ſüdlichen Gewäſſern; auch die Wiſſenſchaft wendet dem Südpolarland größere Aufmerkſamkeit zu, und beſonders tft Direktor Neumayr unermüdlich in dieſer Hinſicht thätig. Aus den vom Challenger mitgebrachten Bodenproben ſchließt Murray (in Scott. Geogr. Mag. 1886. II. p. 527) auf die Exiſtenz eines ausgedehnten Feſtlandes um den Südpol, während Reiter (Die Südpolarfrage, Weimar 1886) aus allerdings ziemlich gewagten theoretiſchen Spekulationen zu demſelben Schluſſe kommt. Jedenfalls liegt in dem antarktiſchen Eiſe ein Hauptgebiet künftiger Forſchung. Wahrſcheinlich wird England die erſten Schritte thun; ſowohl die eng⸗ liſche, als die auſtraliſche geographiſche Geſellſchaft ſind in dieſer Richtung thätig. Friedrich von Hellwald gibt im Verlage von Schmidt und Günther ein reich illuſtriertes kulturgeſchicht⸗ liches Werk heraus, welches Haus und Hof in ihrer Ent⸗ wickelung von den erſten Anfängen an bis zur Jetztzeit behandelt und auch für den Ethnographen von großem Intereſſe iſt. Spätere Bände ſollen andere Abteilungen der Kulturgeſchichte in derſelben Weiſe behandeln. Palethnographie. Die Schädel aus den Dol⸗ mens der Lozere, die reichſte Serie aus der Steinzeit, ſind ſchon früher von Broca gemeſſen worden, aber ſeine Reſultate werden erſt jetzt von Topinard (in Revue | d' Anthropologie 1887, Nr. 5) veröffentlicht. Demnach ſind die Schädel nicht ausgeprägt dolichocephal, wie die Höhlenbewohner Centralfrankreichs, ſondern meſaticephal, und auch weniger leptorrhiniſch. Topinard ſieht in dieſen Unterſchieden die Reſultate der Kreuzung mit den Brachy⸗ cephalen, welche am Anfang der jüngeren Steinzeit ein⸗ drangen und heute in der Auvergne und der Lozere faſt ausſchließlich herrſchen. Pic, J. L. (Die rumäniſch⸗ungariſche Streitfrage, Leipzig 1886), tritt energiſch für die Abſtammung der Dakorumänen wie der Macedorumänen von den mit römi⸗ ſchen Koloniſten gemiſchten Dakiern ein. Die erſteren ſind Nachkommen der in der Heimat verbliebenen Koloniſten, die vor den Völkerſtürmen eine Zeitlang in die ſieben⸗ bürgiſchen Berge auswichen; die letzteren ſtammen von den Koloniſten, welche den abziehenden Römern über die Donau folgten und im aureliſchen Dakien mit den romaniſierten Thrakern verſchmolzen. Sie ſind im weſentlichen brachy⸗ cephal, aber der römiſche und der dakiſche Typus, letzterer beſonders in der Moldau, laſſen ſich heute noch unter⸗ ſcheiden. — In den ſüdruſſiſchen Kurganen finden ſich dolichocephale Ugrier, brachycephale Weſtfinnen und daz zwiſchen die Aſchenurnen ſlaviſcher Handelskolonien. Nordafrika. Hamy (in Bull. Soc. Anthropol. Paris [3] IX. p. 718) beſtreitet entſchieden, daß nur die Kopten die reinen Nachkommen der alten Aegypter ſeien. Die ſchon den Alten bekannte fremdenfeindliche Eigenſchaft des alten Aegypten hat alle Eindringlinge zu Grunde gehen laſſen; Araber finden ſich darum nur in den Wüſten zu beiden Seiten des Nil, und die einzigen Fremden, die ſich dauernd erhalten haben, ſind die Fiſcher am Menzaleh⸗ See, die man für Nachkommen der Hykſos hält und welche Hamy für mongoliſchen Urſprunges erklärt. Die Mauren ſind eine Miſchraſſe ohne ethnographiſchen Charakter. Collignon (bid. p. 620) gibt eine vorläufige Mitteilung über die Reſultate ſeiner Meſſungen von ca. 1300 Individuen in Tunis. Neben den Arabern, unter denen er neben dem reinen einen aſſyriſchen und einen mongoloiden Typus unterſcheidet, und den echten dolicho⸗ cephalen Berbern, die ſich auch in drei Typen ſondern laſſen, konſtatiert er das Vorkommen einer brachycephalen Raſſe namentlich auf der Inſel Dſcherba. Blonde findet man nur ganz einzeln hie und da. Nubien. Sir Charles W. Wilſon, der mit den Verhandlungen zwiſchen England und den Stämmen nörd⸗ lich von Chartum gelegentlich des Mahdiaufſtandes betraut war, gab in einer Sitzung des Anthropological In- stitute einige intereſſante Notizen über dieſe wenig be⸗ kannten Völker. Nach ihm bilden eine eigene Gruppe die Araberſtämme nördlich von Aſſuan, Halbnomaden, von denen in jedem Stamme ein Teil in Häuſern wohnt und Ackerbau treibt, ein anderer an den Grenzen der Wüſte nomadiſiert. (In Algerien und Tunis iſt eine ſolche Arbeitsteilung ſicheres Kennzeichen einer Miſchung von Berbern und Arabern.) Sie ſtammen von den Rabya und einigen anderen Stämmen, welche 869 n. Chr. unter Abu Abderrahman in das Gebiet der Bedſcha, der antiken Blemmyer, eindrangen, ſich mit ihnen miſchten und ſchließ⸗ lich zu einer Art Ariſtokratie wurden. Um 1412 drangen die Howara nach und drängten die Miſchlinge nach Süden; ſie haben ſich ziemlich rein erhalten. Von den ſüdlicheren Stämmen rechnet Wilſon zu den hamitiſchen Bedſcha die Ababdeh, die Biſcharin und mit einigem Zweifel die Kab⸗ babiſch, an welche fic) weiter ſüdlich die Hadendoa und Amarar anſchließen. Die Ababdeh und Biſcharin haben noch heute die Sitze der Blemmyer inne und beherrſchen die Karawanenſtraße vom Roten Meer zum Nil. Die Ababdeh ſind gute Freunde der ägyptiſchen Regierung, haben bis auf einzelne Stämme die arabiſche Sprache an⸗ genommen und halten ſich ſelbſt für Araber, aber nur die Scheikhs ſind arabiſchen Urſprungs. Die Biſcharin da⸗ gegen ſprechen noch ihr To-Bedawiet und ſind viel reinblütiger, auch reine Nomaden; ſie zählen ungefähr 20.000 Männer und haben fic) dem Mahdi gegenüber ganz ablehnend verhalten. Für die Kabbabiſch, die ein reines Arabiſch reden, iſt der Urſprung zweifelhaft; ſie ſelbſt be⸗ haupten aus dem Weſten, dem Maghreb, zugewandert zu ſein und ſind vielleicht in der That einer der tuneſiſch⸗ mauruſiſchen Nomadenſtämme, die von den Arabern bei ihrem zweiten Einbruch (um 1150 n. Chr.) in die Wüſte gedrängt wurden; ihre Scheikhs ſind offenbar arabiſcher Abſtammung. Mehr oder minder rein arabiſchen Stammes find die Karariſch, die Hauwawir, die Schagiah, die Jaalin, die reine Koreiſchiten ſein wollen, die Haſſaniyeh, die Baggara (Rinderhirten) von Kordofan und zahlreiche andere Stämme. Sie ſprechen alle ein ewas altertüm⸗ liches, aber reines Arabiſch, wie ſie es bei ihrer Einwan⸗ derung aus Arabien mitbrachten; manche Abteilungen haben ſich feſt angeſiedelt und treiben Ackerbau; ihre Oberhäupter werden als Melik bezeichnet, die der Nomaden als Scheikhs. Sie ſind die Hauptſtützen des Mahdi und waren es haupt⸗ ſächlich, welche den Entſatz von Chartum vereitelten; die fanatiſchſten ſind die Baggara. Neben dieſen beiden Hauptabteilungen unterſcheidet Wilſon noch die Nu ba, Humboldt. — Dezember 1887. 471 die Nachkommen der Nobatae, welche vor dem Eindringen des Islam und auch wieder nach Vertreibung der erſten Eindringlinge bis zum 16. Jahrhundert ein mächtiges chriſtliches Königreich bildeten. Sie ſind Ackerbauer und ſprechen Rotana; die drei Stämme Kenüs, Mahaß und Danaglaß können ſich ohne Mühe verſtändigen. Die Ackerbauer in Kordofan, Sennaar und Darfur gehören zu demſelben Stamm, rein erhalten haben ſie ſich aber nur in den unzugänglichen Bergen des Dſchebel Daier, Dſchebel Takalla und Dar Nuba, wohin Araber und Aegypter nie— mals eingedrungen ſind. Südafrika. Schinz hat von ſeiner ſüdafrikani⸗ ſchen Reiſe reiche ethnographiſche Sammlungen, nament⸗ lich aus dem Gebiet der Ovambo und Herrero und der metallbearbeitenden Ondongas mitgebracht. Die letzteren gebrauchen denſelben zweiſtiefeligen Blaſebalg, wie die Madagaſſen und die Malaien von Lombock; die Männer tragen Schürzen aus gegerbten Ochſenmagen, die Frauen als Hauptſchmuck Ketten von Ringen aus Straußen⸗ eiern. Vorderindien. Der officielle Bericht der Bombay Forest Commission enthält intereſſante Notizen über drei noch wenig bekannte und noch faſt in ganz wildem Zu⸗ ſtand lebende Waldſtämme, welche neben den halbhindui— ſierten Tanna den Walddiſtrikt am Abhang der Weft- ghats bewohnen und gegen 80000 Köpfe ſtark ſind. Die Thakurs, 30 000 Köpfe zählend, ſind arme Waldnomaden, trotz ihres gänzlichen Mangels an Kultur arg dem Trunk ergeben, und ſehr abergläubiſch; ſie ſtehen unter einem erblichen Häuptling. Die Katkaris, ungefähr ebenſo zahl- reich, ſind noch verkommener; ſie ernähren ſich als Kohlen— brenner und ſammeln wilden Honig, ſind aber auch als Räuber gefürchtet und unternehmen bisweilen Raubzüge auf größere Entfernungen; für Branntwein und Tabak iſt ihnen alles feil. Die Varlis find zwar auch dem Trunke ergeben, ſtehen aber doch moraliſch etwas höher und ſind namentlich aufrichtig und wahrheitsliebend; fie find leiden⸗ ſchaftliche Jäger, die ſich um keinen Preis zu einer an— deren Lebensweiſe gewöhnen wollen. Die ethnographiſche Stellung der drei Stämme iſt noch unbekannt; jedenfalls ſind ſie Abkömmlinge der Urbewohner Vorderindiens. Die Varlis ſollen an den mongoliſchen Typus erinnern und nur wenig Bart haben. Amerika. Soren Hanſen (Meddelelser om Groenland IX) erbringt aus den Meſſungen der letzten Expeditionen den Beweis, daß die Oſtgrönländer reine unvermiſchte Eskimos ſind, und daß die oft behauptete Miſchung mit normanniſchen Elementen ins Reich der Fabeln zu verweiſen iſt. Feuerländer. Mantegazza und Regalia (Studio sopra una serie di Fuegini, in Archiv. Antropol. e Etnolog. vol. XVI) geben die genauen Meſſungsreſultate an 17 Schädeln von Feuerländern, wahrſcheinlich meiſtens Yahgans, die Bove mitgebracht hat. Das Reſultat ergibt eine ſehr erhebliche Variation, auch wenn man die beiden am meiſten brachycephalen als Patagonier ausſcheidet; von 11 Männern find 2 ſubbrachycephal, 3 ſubdolichocephal und 6 meſaticephal, von 6 Frauen 2 ſubbrachycephal, 4 meſaticephal. Es laſſen ſich zwei Typen unterſcheiden, ein gröberer und ein feinerer. Rleine itte lungen. Die ſpeciſiſche Wärme und die Dampfwarme der organiſchen Flüſſigkeiten. Dieſes ſchwierig zu bebauende Gebiet iſt zuerſt von Eilhard Wiedemann (1876) betreten worden; er hatte wohl die Abſicht, die Gültigkeit des Clauſiusſchen Geſetzes von der Unveränderlichkeit oder Kon⸗ ſtanz der ſpecifiſchen Wärme der Gaſe zu prüfen, die übrigens von Clauſius ſelbſt nur für vollkommene Gaſe poſtuliert worden war. Es ſtellte ſich auch heraus, daß die zweiatomigen Gaſe, wie Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Stickſtoff, Kohlenoxyd u. ſ. w., dem Geſetze folgen, bei höherer Tem— peratur dieſelbe ſpecifiſche Wärme haben, wie bei niederer, daß dagegen die dreiatomigen, wie Kohlenſäure, Stickſtoff⸗ oxydul, eine geringe Zunahme der ſpecifiſchen Wärme mit der Temperatur zeigen, die bei dem vieratomigen Ammo— niak noch kleiner ausfiel. Später fand er dagegen für vielatomige Dämpfe eine ſtarke Veränderlichkeit mit der Temperatur und zwar durchgängig ein Steigen, wobei ſich die Merkwürdigkeit ergab, daß die Dämpfe die ſpecifiſche Wärme nach der Temperatur ebenſo ändern wie ihre Flüſſig⸗ keiten. Da nun alle Flüſſigkeiten, ſelbſt Waſſer, eine große Veränderlichkeit mit der Temperatur zeigen, ſo muß dies auch für die Dämpfe gelten, ſie müſſen ſtark von Clauſius' Geſetz abweichen. Beſtätigt wird nun das Reſultat Wiede- manns durch Verſuche von R. Schiff (1886); derſelbe gibt z. B. für Eſſigäther die ſpecifiſche Wärme der Flüſſigkeit 0,4416 + 0,00044 (t 1), während Wiedemann für den Dampf gibt 0,2738 + 0,000435 (t+ t’), wodurch die Gleichheit des Ergänzungskoefficienten 0,44 in die Augen ſpringt. 1881 unterſuchte von Reis eine ſehr große Anzahl von Flüſſigkeiten und konſtatierte die große Veränderlich— keit der ſpecifiſchen Wärme mit der Temperatur; ſo iſt die ſpecifiſche Wärme des Benzols (Cy Hg) bei 0° = 0,3231, zwiſchen 20° und 100° im Mittel aber 0,4331. Seine Zahlen weichen nicht ſo ſehr von dem Neumann-Koppſchen Geſetze, daß die Atome auch mit abnormen Atomwärmen in die Verbindungen eintreten, ab, als man bisher von den Flüſſigkeiten angenommen hatte; jo ijt ſeine Molekular⸗ wärme des Benzols 33, während die Berechnung nach dem Geſetze ergibt C6 HSE = 6. 2 + 6.3 = 30. Sein Haupt⸗ ergebnis ijt: die Molekularwärmen nehmen in den homo- logen Reihen für den Eintritt eines Moleküls CH immer um denſelben Betrag zu, der bei den Alkoholen, die über— haupt die größte ſpecifiſche Wärme (0,6 bis 0,7) haben, auf 9, bei den übrigen auf 8 zu ſetzen iſt; dies entſpricht dem Geſetze, da C Hy die Molekularwärme 1.2+ 2.3 = 8 hat. Aus den Reſultaten allgemeine Geſetze zu ziehen, hält von Reis für unthunlich, da wir die inneren Arbeiten, die in den ſpecifiſchen Wärmen enthalten find, noch nicht kennen. De Heen ſtellte nun (1883) das Geſetz auf: die innere Arbeit iſt bei analogen Verbindungen gleich groß, während von Reis den analogen Iſomeren auch gleiche ſpecifiſche Wärme zuſchreibt. Gegen dieſe geſetzmäßig ausſehenden Gedanken ſpricht ſich R. Schiff (1886) aus: „Weder die Iſomerie, noch das gebräuchliche Molekulargewicht haben einen beſtimmenden Einfluß; iſomere Verbindungen haben bald gleiche, bald verſchiedene ſpecifiſche Wärmen; Stoffe von dem verſchiedenſten Molekulargewicht können doch die⸗ ſelbe ſpecifiſche Wärme haben.“ Die obigen Ueberein- 472 ſtimmungen find wohl Ausflüſſe von allgemeineren Geſetzen, denen die abſolute Temperatur und die kritiſche Tempera⸗ tur zu Grunde liegen; die abſolute kritiſche Dem⸗ peratur iſt die Zahl der Celſiusgrade zwiſchen dem ab⸗ ſoluten Nullpunkt (—273°) und der kritiſchen Temperatur ſie beträgt z. B. bei der Kohlenſäure, deren kritiſche Tem⸗ peratur bet 31° liegt, 273-+ 31 = 304%. Für mehr als 20 Eſter hat Schiff folgende 2 Geſetze, die nach Wiede⸗ mann wohl nicht vereinzelt daſtehen, aufgefunden: 1. Gleiche Gewichte haben bei gleichen abſoluten Temperaturen die⸗ ſelbe Wärmekapacität. 2. Gleiche Volumina haben bei gleichen Bruchteilen der abſoluten kritiſchen Temperatur gleiche Wärmekapacität. Bezüglich der inneren Arbeit zeigt Schiff, daß für eine große Zahl homologer Kohlenwaſſerſtoffverbindungen wohl die phyſikaliſche Diſſociationswärme konſtant iſt, die chemiſche Diſſociationswärme aber veränderlich, ſo daß auch die Summe beider, die ganze innere Arbeit der Moleküle nicht, wie de Heen will, konſtant iſt. — Sowenig Molekulargewicht und Iſomerie einen beſtimmenden Ein⸗ fluß auf die ſpeeifiſche Wärme haben, fo groß iſt die Wir⸗ kung beider Umſtände auf die Dampfwärme; mit ſtei⸗ gendem Molekulargewicht nimmt die Dampfwärme ab, und dem niedrigſten Siedepunkt in einer Reihe von Iſomeren entſpricht die niedrigſte Dampfwärme; darum iſt das Pro⸗ dukt aus Molekulargewicht und Dampfwärme im Verhält⸗ nis zur abſoluten Temperatur des Siedepunktes konſtant, wie zahlreiche Verſuchsreſultate beſtätigen. Auf demſelben Wege beſtätigt ſich auch der Satz de Heens, daß der Aus⸗ dehnungskoefficient und die abſolute Temperatur des Siede⸗ punktes einander umgekehrt proportional ſind. Wiedemann bemerkt hierzu in ſeiner Berichterſtattung, daß dieſe Regel⸗ mäßigkeiten durch Geſetze allgemeinerer Natur bedingt ſein müſſen, die ſich den van der Waalsſchen Beziehungen an⸗ lehnen dürften. R. Mangan als Lichtbringer. Seit langer Zeit iſt das Mangan als Farbentöter und Farbenerzeuger bekannt; macht es ja die Gläſer farblos und gibt dem Amethyſt ſeine herrliche Farbe; nun iſt es auch Lichtquelle geworden, indem es zahlreiche Phosphorescenzen und Fluorescenzen veranlaßt. Manche Sorten des isländiſchen Kalkſpates zeigen nach Becquerel im Phosphoroſkop ein ſtarkes orange⸗ farbiges Nachleuchten; bei anderen tt dieſe Phosphorescenz nur ſchwach wahrzunehmen, bei manchen gar nicht. Die Analyſe ergab, daß die erſte Sorte bis zu 2,7% Mangan⸗ oxydul enthält, während ſich in der zweiten Sorte nur Spuren von Mangan finden, und die letzte Sorte mangan⸗ frei iſt. Dasſelbe Reſultat ergab die Syntheſe; chemiſch reines Calciumkarbonat, dargeſtellt durch Zuſammenbringen von Chlorcaleium mit Ammoniumkarbonat, ſorgfältig ge⸗ trocknet und auf Glimmerblättchen ausgebreitet, ergab ſelbſt im ſtärkſten Sonnenlicht keine Spur von Phosphorescenz; wurde aber dem Chlorcaleium etwas Manganchlorür zu⸗ geſetzt, jo phosphorescierte das getrocknete Pulver ſelbſt bei ſchwachem Tageslichte mit dem bekannten Orange. Durch Fortſetzung dieſer Unterſuchungen hofft Becquerel das Rätſel der Phosphorescenz des Schwefelcalciums, der Grundlage aller künſtlichen Phosphore und Leuchtfarben zu löſen. Auch Boisbaudran hat fic) mit den optiſchen Ver⸗ hältniſſen des Mangans beſchäftigt. Im Vakuum unter dem Einfluſſe des elektriſchen Effluviums, alſo unter ähn⸗ lichen Verhältniſſen, wie bet den Crookesſchen Röhren, durch welche andauernd eine dunkle oder ſchwach blaue Entladung des Ruhmkorffſchen Funkeninduktors geht, zeigen ſchwefel⸗ ſaures Manganoxydul und Manganoxyduloxyd keine Spur von farbigem Licht, obwohl bei den rötlichen Farben der Oxydulſalze und mehr noch bei dem falſchen Schiller des Chamäleons und Permanganats ſolches wohl vermutet werden könnte. Werden dieſe Stoffe aber anderen Ver⸗ bindungen, die auch nicht oder nur unbedeutend fluores⸗ cieren, zugemiſcht und im Vakuum erwärmt, ſo entſtehen prächtige Lichterſcheinungen. Schwefelſaurer Kalk fluores⸗ ciert für ſich allein höchſt ſchwach; wird ihm aber ein wenig Humboldt, — Dezember 1887. Manganſulfat beigemiſcht, jo fluoresciert er prächtig grün und zwar echt, da das Spektrum weder rot noch violett zeigt, während das Spektrum des reinen Salzes ſchwach kontinuierlich iſt. Calciumkarbonat leuchtet für ſich rein violett, mit 1% é Manganoxyduloxyd ſehr ſchön gelborange, eine merkwürdige Erniedrigung der Schwingungszahl. Schwefelſaures Blei iſt darin noch ſchärfer; für ſich allein geglüht leuchtet es ſchwach hellblauviolett, mit Mangan⸗ ſulfat geglüht, leuchtet es homogengelb, da das Spektrum ſich auf einen einzigen gelben Streifen beſchränkt. R. Magnetismus des menſchlichen Körpers. Nach F. Kohlrauſch iſt die menſchliche Hand ſchwach diamagne⸗ tiſch, da die beiden Pole eines empfindlichen Bifilarmag⸗ netometers von derſelben abgeſtoßen werden. Man ſollte denken, das Blut ſei wegen ſeines Eiſengehaltes para⸗ magnetiſch; aber nur konzentrierte wäſſerige Eiſenſalz⸗ löſungen haben Paramagnetismus, während ſonſt die ſtark diamagnetiſche Eigenſchaft des Waſſers überwiegt, fo daß auch Blut diamagnetiſch iſt. Aber nicht bloß dieſe Eigen⸗ ſchaft des Blutes und der ſonſtigen wäſſerigen Flüſſig⸗ keiten des Körpers bedingen deſſen Diamagnetismus, ſondern auch trockene Knochen, Muskeln und Sehnen, ſowie Stäb⸗ chen aus Fett geſchnitten ſtellen ſich zwiſchen den Polſpitzen eines Hufeiſenmagnets nicht in die Verbindungslinie der⸗ ſelben, nicht axial wie ein Eiſenſtäbchen, ſondern ſenkrecht zu der Achſe, äquatorial wie ein Wismutſtäbchen. R. Die Nachweiſung von Bufel6l in alkoholiſchen Filüſſigkeiten iſt nicht ganz leicht. Nach Uffelmann (Ar⸗ chiv f. Hyg.) ſchüttelt man die Flüſſigkeit anhaltend mit reinem Aether oder Chloroform, fügt dann ſo viel Waſſer hinzu, daß ſich jene abſcheiden, trennt die Schicht und läßt bei gewöhnlicher Temperatur verdunſten. Bleibt nur Fuſelöl zurück, ſo iſt dasſelbe ſchon am Geruche zu er⸗ kennen. Im anderen Falle löſt man Methylviolett in 100 Teilen Waſſer und ſetzt ſo viel zweiprozentige Salzſäure hinzu, daß die Löſung grün erſcheint. Von dieſer läßt man zu dem in einer Porzellanſchale befindlichen Rück⸗ ſtande das drei- bis vierfache Volumen desſelben hinzu⸗ fließen. Beſteht der Rückſtand zu einem Teile aus Fuſelöl, fo erſcheinen alsbald rötlichblau gefärbte Tröpfchen auf der noch grünlichen Flüſſigkeit. Das Fuſelöl zieht nämlich aus friſchen, durch Säure grün gefärbten Löſungen von Methylviolett dieſes rötlichblau aus; die ätheriſchen Oele ziehen erſt bei ſtarkem Schütteln aus ſolchen grünen Löſungen etwas Farbſtoff an ſich, der dann aber mattblau erſcheint und niemals ſchon beim bloßen Zulaufenlaſſen der grünen Löſung wirkt. Dieſe Methylviolettreaktion wird von keinem anderen Stoffe der Spirituoſen wie von dem Fuſelöl hervorgebracht. i DBiloung der Korallenriffe. Bekanntlich jest Dar⸗ wins Theorie über die Bildung der Korallenriffe, ſich auf die Lebensbedingungen der Korallen beziehend, voraus, daß Riffe nur in einem Senkungsfeld entſtehen oder wenigſtens nur in ſolchen in bedeutendem Maße nach oben wachſen. Dieſe Theorie hatte ſich ſo ſehr befeſtigt, daß man jedes Gebiet mit Riffbildung als in Senkung begriffen anſah. Erſt auf Grund der Reſultate der Tiefſeeforſchung hin haben ſich im letzten Jahrzehnt Stimmen gegen die Darwin⸗ Danaſche Auffaſſung gewendet und haben wieder an die älteren Anſichten Chamiſſos und Beecheys erinnert. Mur⸗ ray und früher noch Rem, letzterer auf ſeine Beobachtungen auf den Bermudas hin, beanſpruchen zur Erklärung der Riffbildung die großen allgemeinen Senkungen nicht. Die Atolle (Koralleninſeln) ſollen meiſt auf vulkaniſchen Bergen und nicht auf Höhen untergetauchter Kontinente ruhen. Murray läßt dieſe iſolierten Bänke, ſoweit nötig, durch Sedimente und tieriſche Reſte, welche der löſenden Wir⸗ kung der Kohlenſäure des Seewaſſers in dieſen relatin geringen Tiefen nicht erliegen, bis zur Höhe anwachſen, welche die Beſiedelung mit Korallentieren und ſomit deren Bauten möglich machen. Ein Haupteinwurf gegen die Darwinſche Theorie ijt der Vergangenheit entnommen, in welcher auch Korallenbildungen auftraten, die ſich jedoch Humboldt. — Dezember 1887. hier nirgends in ſocher Mächtigkeit finden, wie fie nach jener Theorie ſchon aus junger Zeit emporgewachſen ſein müßten. Der andere, ſchwerer wiegende Einwurf beſtreitet, daß die Riffe in der ganzen oberflächlichen Ausdehnung maſſig vorhanden ſind, alſo einen durchaus aus Korallen— bauten beſtehenden Stock oder bei Barrieren eine ſolche Mauer darſtellen. Thatſächlich iſt dieſer Nachweis nicht erbracht. Nur Tiefbohrungen können dieſen Kardinalpunkt zur Entſcheidung bringen. Aber auch evidente Beobachtungen ſprechen gegen die Darwinſche Rifftheorie. Nach den Berichten von Guppy zeigen die Salomonsinſeln alle drei Hauptformen der Riff⸗ bildung, daneben aber auch Riffbildungen in gehobenem Zuſtande. Die Erhebung der überſeeiſchen Kalkinſeln be- trägt mindeſtens 1500 — 2500 m. Mehrfach iſt nun durch außerordentliche Denudation der Kern dieſer gehobenen Inſeln bloßgelegt. Derſelbe iſt ein vulkaniſcher Kegel, welchen in großer Mächtigkeit geſchichtete Tiefſeeablagerungen aus vulkaniſchem Tuff mit Reſten von Muſcheln, Foramini⸗ feren ꝛc. bedecken. Der äußere mantelförmige Beſtandteil iſt das Korallenriff, deſſen Mächtigkeit 45 — 60 m nie überſteigt; dieſelbe ſtimmt demnach mit der Tiefgrenze des Korallen— lebens überein. Guppy ſchließt aus dem Befund, dieſe Inſeln können nur dadurch entſtanden fein, daß der vul- kaniſche Kegel fic) ſamt den auf ihm abgelagerten Tiefſee⸗ ablagerungen hob. Sobald aber die oberſten Teile in die Korallenzone gelangten, bildeten ſich Riffe von einer Mächtigkeit, die der Tiefe der Korallenzone entſpricht. Durch fortgeſetzte Hebung gelangten tieferliegende Partien in die Korallenzone, ſo daß ein Riffring unter dem an⸗ deren ſich um die Inſel legte. Ki. Schutzmittel der Pflanzen. Wir beſprachen in der Julinummer die von Leo Errera gegebene Anregung zum Studium der Schutzvorrichtungen der Pflanzen gegen Tier— fraß. Auf denſelben Gegenſtand hat auch Stahl in einer Sitzung der mediziniſch-naturwiſſenſchaftlichen Geſellſchaft in Jena hingewieſen. Er ging dabei auf die Bedeutung der bisher als nutzloſe Exkrete betrachteten Rhaphiden, d. h. die in manchen Pflanzenzellen oft in großer Menge vorkommenden Kryſtallnadeln, ein, welche er auf Grund von Fütterungsverſuchen an verſchiedenen Tieren als Schutz⸗ mittel gegen Tierfraß betrachtet, da zahlreiche Tiere rha- phidenführende Pflanzen überhaupt nicht oder nur ungern freſſen, und einige Tiere — z. B. Schneckenarten — von Pflanzen, welche Nadeln von Kalkoxalat führen, nur die nadelfreien Teile verzehren. Manche Pflanzen, welche für giftig gelten, z. B. der Aronsſtab, Arum maculatum, ver⸗ danken ihren brennenden Geſchmack einzig und allein den ſehr zahlreichen Rhaphiden, welche durch den aufquellenden Schleim aus ihren Behältern hervorgetrieben werden und ſich in Zunge und Gaumen einbohren. Der durch Fil— tration gewonnene Saft hat durchaus milden Geſchmack. M—s. Geißelprotozoen im Blute Kranker und anſcheinend geſunder Tiere. Bei einer in Indien als „Surrah“ bekannten Krankheit der Pferde, Maultiere und Kamele fand Evans im Blute der Tiere einen Paraſiten, welchen Lewis für nahe verwandt mit einem Geißelorganismus hielt, den er in indiſchen Ratten beobachtet hatte. Fünf Jahre ſpäter brach dieſelbe Krankheit in Britiſch Birma aus, wobei derſelbe Paraſit gefunden wurde. Crookshank erkannte den Paraſiten als eine Geißelmonade, welche wahrſcheinlich mit dem im Blute des Karpfens gefundenen Haematomonas carassii identiſch ijt. Er fand ſodann auch in 25% anſcheinend geſunder Ratten aus den Londoner Kanälen dieſelben Geißelparaſiten, welche mit Hilfe einer von Lewis angefertigtea Mikrophotographie für iden- tiſch mit dem von ihm in indiſchen Ratten gefundenen Organismus erkannt wurden, wiewohl Lewis' Beſchreibung und Abbildungen weſentliche Unterſchiede darboten. M—s. Hinſichtlich der Widerſtandsfähigſeit der Neben gegen die Phylloxera hat A. C. Dejardin ſeit ſieben Jahren Thatſachen geſammelt, welche den Schluß zulaſſen, daß die chemiſche Beſchaffenheit des Bodens dabei eine Rolle ſpielt. Humboldt 1887. 473 Es fand ſich, daß überall da, wo die franzöſiſchen Reben mit dem größten Erfolge den Angriffen der Phylloxera widerſtehen, auch die eingeführten amerikaniſchen Reben die günſtigſten Bedingungen zu ihrer Entwickelung finden. Während feſtgeſtellt wurde, daß die Stärke der Widerſtands⸗ kraft von der phyſikaliſchen Beſchaffenheit des Bodens häu— fig unabhängig iſt, zeigte ſich, daß 1) die Magneſia eine ſehr wichtige Rolle ſpielt in denjenigen Böden, wo die franzöſiſche Rebe widerſteht und die amerikaniſche am beſten gedeiht; 2) das Prozentverhältnis der Magneſia in den Aſchen der amerikaniſchen Reben ein wenig beträchtlicher iſt, als in denen von Vitis vinifera; 3) ihre Gegenwart konſtant iſt, nicht nur in der Aſche des Holzeylinders und der Rinde der Wurzeln, ſondern auch beſonders in der der Korkpartien, und 4) daß die Magneſia bei denjenigen Methoden, welche das Daſein der franzöſiſchen Wein— berge verlängerten, und ihnen geftatteten, trotz der Phyl- loxera zu leben, in ziemlicher Menge mit zur Verwendung kam. Ms. Die Naſenbremſe der Pferde. Die das Pferd be— wohnenden Larven der Oeſtriden oder Biesfliegen (Brem— ſen, Bremen) leben zumeiſt im Magen und Darm dieſes Tieres. Aeltere Entomologen beſprechen auch das Vor— kommen von Oeſtridenlarven in Naſe und Rachen des Pferdes. Da man dieſe aber nicht als beſondere Art unter— ſchied, und da ſich namentlich herausſtellte, daß Linnés Oestrus nasalis (Gastrophilus nasalis) mit der Naſe der Pferde gar nichts zu thun hat, ſondern im Darm desſelben lebt, ſo nahm man an, daß eine Naſenbremſe des Pferdes nicht exiſtiere. Indeſſen war doch auch mehreren neueren For— ſchern und Tierärzten eine Larve in der Naſe des Pferdes bekannt geworden. So fand Bruckmüller (1869) Larven in der Naſenſchleimhaut eines Pferdes, die ſich von denen im Magen beſonders durch die ſeitliche Verbreiterung der Körperringe unterſcheiden und wohl einer beſonderen Art angehören dürften. Kürzlich erhielt nun Brauer in Wien einen angeblich neuen Oeſtriden, welcher aus Puppen gezogen war, die man in einem Pferdeſtalle in Waldegg gefunden hatte. Dieſes Inſekt ſtellte ſich als der bereits früher von Brauer beſchriebene Oestrus purpureus heraus, von deſſen damals unbekannter Larve dieſer Forſcher glaubte,“ daß jie im Schafe ſchmarotze. Brauer fand nun, daß die oben erwähnte Bruckmüllerſche Larve, die er ſelbſt in Augenſchein nehmen konnte, in der Körperbewaffnung und den Stigmen ganz mit den Tonnenpuppen übereinſtimmt, aus denen in Waldegg der Oestrus purpureus gezogen war. Dieſe Puppen konnten nur von Pferden ſtammen, denn der Stall befand ſich in einer Kaſerne mitten in der Stadt, und es waren niemals Schafe oder Rinder dorthin gekommen. Somit gelangt die Naſenbremſe des Pferdes, jedoch als beſondere Art, wieder zu Ehren. Brauer bildet aus ihr eine neue Gattung und tauft jie Rhinoestrus purpureus um. Ms. Der Seiffenmofh, Triton palmatus Sc/neid., welcher im weſtlichen Europa weit verbreitet iſt, tritt nach allen Autoren öſtlich vom Rhein nur ſporadiſch auf. Leydig fand ihn bei Tübingen, Kirſchbaum bei Wiesbaden und Königſtein am Taunus, Brüggemann entdeckte ein Männ⸗ chen in Oberneuland bei Bremen. W. Wolterſtorff in Halle hat nun am Ramſenberge bei Wippra am Harz 24 Stück Triton palmatus erbeutet. Nach ſeiner Mit⸗ teilung iſt die Art auch im Heiligenthälchen bei Gernrode und, wie es ſcheint, auch bei Wernigerode gefunden worden, ſo daß Triton palmatus im Harz nicht ganz ſelten ſein dürfte. Ms. Zeichnung der Vogelfeder. Am Schluſſe ſeiner Arbeit über die Entſtehung der Zeichnung der Federn des Pfauhahnes (vergl. dieſe Zeitſchrift 1887. S. 379) erörtert Kerſchner noch die Frage, warum dieſe Verſchiedenheiten in der Zeichnung und Färbung entſtanden und dann er⸗ halten geblieben ſind; außer allgemeinen Gründen für die bekannte Variabilität der Organismen überhaupt kommen für die Feder noch in Betracht ihre periphere 60 474 Lage, ihr multiples Auftreten ohne komplizierte zellige und molekuläre Struktur, was alles die an und für ſich beſtehende Variabilität ſteigerte. So entſtanden Aende⸗ rungen, die dann weiter entwickelt wurden, bis ſie im Schmuckgefieder der Männchen — in der Regel — die höchſte Stufe erreichten; doch beſteht zwiſchen der Färbung des Gefieders und dem Geſchlechte keine ſolche Beziehung, wie man ſie meiſt annimmt, vielmehr ſteht dieſelbe mit der Brutpflege in Zuſammenhang, alſo mit der Erhaltung der Art. Doch erklärt das Fehlen des Schmuckgefieders bei den brütenden Tieren (in der Regel das Weibchen) nur die Erhaltung einer beſtimmten Färbung; die Er⸗ klärung für die Entſtehung derſelben glaubt Kerſchner in einer geringeren Erregbarkeit des Nervenſyſtems zu finden, worauf vieles deutet; iſt ja doch nicht abzuſehen,, in welcher Weiſe äußere Faktoren auf die Abänderung der fertigen Feder oder deren Anlage Einfluß nehmen ſollten; die Urſache kann nur eine innere, und zwar nicht lokal wir⸗ kende, ſondern allgemeine ſein. Da nun das Jugendkleid der Vögel in der Regel für beide Geſchlechter gleich iſt, Kaſtraten ihr Schmuckgefieder verlieren, Hennen ein ſolches unter gewiſſen Umſtänden erhalten (hahnenfedrig werden) können, ſo liegt die Urſache nicht in den Keimzellen, ſondern tritt erſt im Laufe der Entwickelung derſelben auf. Auch hier gelangt man ſchließlich zum Nervenſyſtem. Unter Be⸗ rückſichtigung der Thatſache, daß andere, ſtets ſekundäre Geſchlechtscharaktere, nämlich Hautlappen, Kamm, erektile Hörner ꝛc., die mit Federgebilden von demſelben Stand⸗ punkte aus betrachtet werden und, wie es ſcheint, ſich er⸗ ſetzen können (Schopf, Kamm), unter dem Einfluſſe der vaſomotoriſchen Nerven ſtehen, glaubt Kerſchner, in den Vaſomotoren, und zwar in dem Grade der Erregbar⸗ keit ihrer Centren eine der Urſachen ſowohl der phylo⸗ genetiſchen, als auch der geſchlechtlichen Verſchiedenheit der Federzeichnung vermuten zu ſollen. Zu ähnlichen Schlüſſen find auch Darwin, Wallace und Reichenau gelangt, indem fie wenigſtens dem Nervenſyſtem einen Einfluß zuſchreiben. Warum nun von all den zahlloſen Kombinationen in den Zeichnungen des Gefieders ſchließlich heute nur die Endglieder erhalten blieben, kann nur durch die Annahme der Ausleſe erklärt werden; für ihr Wirken ſpricht der Mangel der. Uebergänge, das ſeltenere Vorkommen von Varietäten im wilden Zuſtande, die Ueberhandnahme der⸗ ſelben bei der Domeſtikation. Br. Aeber die Schädlichkeit und Nützlichkeit der Nabenvögel hat Freiherr Richard König⸗Warthauſen Reſultate vierzigjähriger Beobachtungen veröffentlicht. Der Kolkrabe (Corvus corax L.) iſt der Niederjagd höchſt ſchädlich und deshalb überall geächtet; er iſt jedoch, Gebirg und ausgedehnte Wälder ungeſellig bewohnend, ſelten geworden. Die Rabenkrähe oder der Krähenrabe (Corvus corone IL.) ijt der allgemein als Rabe ange⸗ ſprochene Vogel, der in Nadel- und Laubhochwald, in Feld⸗ hölzern und auf einzelſtehenden Feldbäumen niſtet, im Herbſt ſich zu Flügen zuſammenthut und mit Anfang März für das Brutgeſchäft ſich wieder vereinſamt; ihm gelten die meiſten der dem Rabenvolke gemachten Vorwürfe. Daß die Rabenkrähe in mehrfacher Beziehung recht ſchädlich werden kann, iſt unbeſtreitbar, indem ſie zur Zeit der Fütterung der Jungen ſich an kleinen Säugetieren und Vögeln vergreift und innerhalb ihres Niſtbezirkes Bruten von Singvögeln nimmt, hierdurch beſonders in Parkanlagen Schaden ſtiftend. Auch den Fiſchen wird ſie an ſehr flachen Teichufern gefährlich. Damit iſt aber der wirkliche Schaden, den ſie anrichtet, erſchöpft. Anderer Unfug, der ihr zu⸗ geſchrieben wird, wie Stehlen des Steinobſtes und der Nüſſe, Schädigen des Welſchkorns, Aufpicken der Hülſen⸗ früchte, Aufleſen des Saatkorns und Abbeißen der reifen⸗ den Getreideähren kommt wohl vor, ohne aber je den Um⸗ fang eines wirklichen Schadens im Sinne des Wildſchadens anzunehmen, und läßt ſich bei der Klugheit der Vögel durch Schreckſchüſſe verhindern. Daß die Krähenraben junge Pflanzen, namentlich Kartoffel- und Rübenpflänzlinge aus dem Boden ziehen, auch wohl das Herz herausfreſſen ſollen, Humboldt. — Dezember 1887. beruht auf ungenauer Beobachtung der Vögel, wenn dieſe den Würmern nachgehen, welche ſich ſtets, beſonders bei naſſem Wetter, an faulenden Stellen von Wurzelgewächſen finden. Ebenſowenig iſt die Rabenkrähe ſpecifiſche Be⸗ wohnerin von Obſtgütern, dieſen etwa durch Abreißen von Zweigen u. dergl. ſchädlich werdend. Dem wirklichen und vermeintlichen Schaden ſteht gegenüber der abſolute Nutzen, den die Rabenkrähe dem ackerbauenden Landwirte gewährt. Als eine der hervorragendſten Vertilgerinnen der Feld⸗ mäuſe, gleich dem Stare dem Pfluge folgend, um Enger⸗ linge und Käfer aufzuleſen, in der Brache, auf Acker⸗ feld und Wieſen unzählige Mengen von Nachtſchnecken und ſchädlichen Inſekten verzehrend, iſt ſie dem Ackerbau ſo überwiegend nützlich, daß man alles rigoros zuſammen⸗ nehmen muß, um das Votum „keineswegs überwiegend nützlich“ zu fällen. Allernächſt verwandt mit der Rabenkrähe iſt die Nebel⸗ krähe (Corvus cornix L.), welche mit jener alle Eigen⸗ ſchaften gemein hat. Sie kommt für Württemberg nicht in Betracht, ebenſo wie die dieſes Land nur zwiſchen No⸗ vember und Anfang März in größeren Flügen beſuchende Saatkrähe (Corvus frugilegus L.). Als Brutvogel be- wohnt dieſe Krähe England, Dänemark, Schleswig⸗Holſtein, das Hamburger Gebiet, Mecklenburg, Anhalt, Braunſchweig, Hannover, Rheinpreußen, Schleſien, die Mark und kommt hier in eng geſchloſſenen, großen Kolonien vor. In ſolchen maſſenhaften Anſiedelungen — bis zu 40 000 Stück — ſchaden ſie durch ihre Exkremente manchmal im Wald, ſo⸗ wie in den Feldern an ſpäter Saat und am Obſt; ſie werden dort deshalb ohne Anſtand dezimiert. Die fünfte Rabenart, die Dohle (Corvus monedula L.), die vor⸗ zugsweiſe Kirchen und Türme, auch Felſen bewohnt, geht im Frühjahr und Herbſt mit den Staren, um auf Aeckern, Wieſen und Weiden Schnecken und Inſekten zu fangen. In den Gärten nächſt ihren Wohnplätzen wird ſie dagegen der Vogelbrut ſchädlich. Vollſtändig vogelfrei iſt im Gegenſatz zu den erwähnten fünf Rabenvögeln mit Recht zu erklären die Elſter (Pica caudata Briss.), welche, ohne landwirtſchaftlich zu nützen, den Vogelneſtern überall verderblich iſt, durch die „Baum⸗ güter ſchlüpfend“ die Pfropfreiſer abtritt und für den Außenbau ihres großen und ſparrigen Neſtes ohne Wahl grüne Zweige abbricht. Ein ebenſo ſchlimmer Neſträuber iſt der Eichelhäher (Garrulus glandarius Briss.), der jedoch durch ſeine Gewohnheit, Eicheln, Bucheckern und Haſelnüſſe zu verſtecken, die Waldkultur befördern und Be⸗ ſamung oft an die unzugänglichſten Orte verbringen joll. Der Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes Briss.) ift für Württemberg eine Seltenheit, nur in einzelnen Jahren im Herbſt auf dem flachen Land in Zügen er⸗ ſcheinend, die aus dem Norden oder aus den Alpen kommen; er könnte höchſtens forſtlich als ſchädlich angeſprochen wer⸗ den, da er die Samen der verſchiedenen Nadelhölzer, Eicheln und Haſelnüſſe verzehrt. —p. Die Stare als Vertilger der Maulwurfsgrille. Dem „Waidmanns Heil“ wird aus Auſſig berichtet: Vor einigen Jahren hatte Herr H. im Hofe auf einer Stange einen Starkaſten mit Jungen. Durch mehrere Tage brachte der Star oft große Stücke Atzung. Als der Hausherr eines Tages beobachten wollte, was es eigentlich wäre, ſtellte er ſich zur Stange und klopfte mit einem Stücke Holz an dieſelbe. Der Star ließ die Atzung fallen und fiehe da, es war eine lebende Maulwurfsgrille, welcher der Star bereits die Vorderteile ſämtlicher Füße abgezwackt hatte. Der Star fütterte ſeine Jungen mit Maulwurfs⸗ grillen. M—s. Aeber den Mechanismus des Baukenfelles ſtellte Fick (Arch. f. Ohrenheilkunde 24. 2 u. 3) folgende Be⸗ trachtungen und Verſuche an. Der ſchallzuleitende Apparat des Ohres iſt bekanntlich ſo eingerichtet, daß er nicht in erheblichem Maße Töne beſonderer Höhe begünſtigt, doch aber ſcheint eine Reſonanz, eine Summierung der Wir⸗ kungen regelmäßig aufeinanderfolgender Oscillationen ſtatt⸗ zufinden; dies lehrt eine Vergleichung des Effekts, welchen Humboldt. — Dezember 1887. einerſeits periodiſche Schwingungen, andererſeits einmalige Anſtöße ausüben. Das Trommelfell hat alſo, wie zu ver- muten iſt, die Fähigkeit, auf alle Töne der muſikaliſchen Skala annähernd gleich gut zu reſonieren, ähnlich wie die Re— ſonanzböden muſikaliſcher Inſtrumente. Dieſe mechaniſch ſehr merkwürdige Eigenſchaft iſt beim Trommelfell wahr— ſcheinlich darauf zurückzuführen, daß in der trichterförmigen Membran ein ſtarrer Radius, der Hammerſtiel, eingewebt iſt. Die verſchiedenen Punkte desſelben find mit dem kreis⸗ förmigen Rande durch Streifen von verſchiedener Länge verbunden; es iſt wohl denkbar, daß dieſe Streifen ver- ſchiedene Eigentöne haben und daß demnach je nach der Fre— quenz der einwirkenden Schwingungen bald dieſer, bald jener kräftig reſoniert, immer aber der Hammerſtiel in aus— giebige Mitbewegung verſetzt wird. Dieſe Annahme wird beſtätigt durch Verſuche mit künſtlichen Membranen, welche dem Trommelfell ähnlich geſtaltet und gleichfalls mit einem ſtarren Radius verſehen waren. Dieſelben reſonierten, wie durch Aufzeichnung (Pho- nautographik) gezeigt werden konnte, kräftig auf Töne ſehr verſchiedener Höhe. Ihr Nachhall iſt kein Ton oder Klang, ſondern ein Getöſe, ähnlich wie es etwa ein Tamtam hervorbringt. Auch die graphiſche Darſtellung desſelben zeigt eine Kurve ohne erkennbare Regelmäßigkeit. Es ſcheint alſo, daß, während die Schnecke dazu da iſt, Schwingungen verſchiedener Frequenz an räumlich getrennten Stellen zur Wirkung zu bringen, der Pauken⸗ apparat dazu dient, mit Begünſtigung regelmäßiger Schwin⸗ gungen einen beſtimmten Punkt, die Spitze des Hammer- ſtiels und ſomit den Steigbügel in Bewegungen zu verſetzen, welche an Frequenz und Form den einwirkenden Luftbe— wegungen vollkommen gleichen, dabei größer ſind, als wenn die Luftſchwingungen direkt auf den Steigbügel einwirkten. G. 475 Pterodactylie. In einer Sitzung der Münchener Geſellſchaft für Morphologie und Phyſiologie berichtete Ranke über einen Fall von Pterodactylie, d. h. minderzähliger Ausbildung der Finger bei einem Mädchen von 5 Jahren, welches ſonſt körperlich und geiſtig normale Entwickelung zeigt. An beiden Händen befinden ſich nur je drei Finger, nämlich Daumen, Zeigefinger und ein etwas ſtärker als gewöhnlich entwickelter kleiner Finger. Die Mittelhand⸗ knochen der fehlenden Finger find ebenfalls nicht zur Ent- wickelung gekommen, und der Raum zwiſchen dem Mittel— handknochen des Zeigefingers und dem des kleinen Fingers bildet eine bis zur Handwurzel reichende tiefe Spalte, wo— durch die Hände ein krebsſcherenähnliches Ausſehen er— halten. Das Kind ſtammt von normalen Eltern, und keines ſeiner Geſchwiſter oder Verwandten hat irgend eine Mißbildung gezeigt. Anſchließend an dieſe Mitteilung bemerkte Ranke, daß die Pterodactylie entſchieden ſeltener ſei, als die Poly⸗ dactylie (Vorkommen von mehr als fünf Fingern). Von dieſer habe er jährlich einen oder den anderen neuen Fall in ſeiner Poliklinik zu verzeichnen, während er eine ſo ausge— prägte Pterodaktylie wie bei dem vorgeführten Kind bisher nicht geſehen habe. Schon ältere Forſcher haben darauf auf— merkſam gemacht, daß, wenn die Zahl der Finger auf der einen Seite eine Unregelmäßigkeit zeigt, gewöhnlich auf der anderen Seite dieſelbe oder wenigſtens eine ähnliche Unregelmäßigkeit auftritt. Dieſe Erſcheinung zeigt der vor⸗ liegende Fall in ausgezeichneter Weiſe. Ob die Mißbildung wirklich nicht von einem Vorfahren ererbt iſt, kann natür⸗ lich nicht feſtgeſtellt werden. Bei der Polydactylie hat Ver⸗ erbung häufig nachgewieſen werden können, und auch einige Fälle von Pterodactylie haben ſich als erblich herausgeſtellt. Inwiefern derlei Bildungen als Atavismus aufgefaßt werden können, iſt eine viel umſtrittene Frage. Is. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ete. Eine wenig bekannte wiſſenſchaftliche Anternehmung. Von Regierungsrat Dr. G. von Hapek in Wien. „Dieſe ſchlichten Worte Anaſtaſius Grüns geben kurz und bündig der Stimmung Ausdruck, welche vor nicht gar ferner Zeit den Beobachter der Vogelwelt beſeelten. Dem überwältigenden Eindrucke, den dieſelbe auf das menſchliche Gemüt ausübt, geſellte ſich das Bewußtſein der ungenügen⸗ den, ſchwer zu erlangenden Kenntnis dieſer herrlichen Ge— ſchöpfe und ihrer Lebensweiſe zu und erzeugte ein myſtiſches Halbdunkel, in welches lange gehüllt blieb unſer Wiſſen von dem Leben der Vögel, ſpeciell den großen Wanderungen der Zugvögel im Herbſte, bei nahendem Winter zum fernen Süden, im Frühlinge zur nordiſchen Heimat zur Fort⸗ pflanzung des Geſchlechtes. Zwar hellten die Arbeiten der unermüdlichen Forſcher dasſelbe immer mehr und mehr auf, doch gleichen Schritt mit den fortſchreitenden Reſul⸗ taten der Ornithologie hielt die Ueberzeugung, daß gewiſſe Punkte nun und nimmer durch die Arbeit einzelner auf⸗ geklärt werden könnten, ſondern daß es, infolge der leichten „Und weil ſie ſein Neſt im Wald, Sein Grab nicht ſah'n auf der Wieſe, D'rum hieß er dem Volk alsbald Der Vogel vom Paradieſe.“ und weitgreifenden Ortsveränderung der beſchwingten Welt, des Zuſammenwirkens vieler bedürfe.“ Das ſind die Anfangszeilen des erſten Jahresberichtes des „Internationalen, permanenten, ornitholo— giſchen Komitees“, einer Schöpfung, deren ſich ſchon heute über die ganze bewohnte Erde ausbreitende Thätig— keit erſt nach Decennien die ganze Fülle ihrer ſegenbringen— den Erfolge offenbaren wird. Die erſten Verſuche, die Wanderungen der Vögel wiſſenſchaftlich zu beobachten, ſtellte Edmond Baron de Selys Longchamps, Senator und Mitglied der belgiſchen Akademie, im Jahre 1841 an, ihm folgte 1855 der ruſſiſche Akademiker A. von Middendorff. Im Jahr 1874 ſtellte Dr. A. Reiche⸗ now in der deutſchen ornithologiſchen Geſellſchaft den Antrag, ein Netz von ornithologiſchen Beobachtungsſtationen in Deutſchland zu errichten, und in der That wurden, von 1876 angefangen, ſeither jährlich daſelbſt regelmäßige Be⸗ 476 Humboldt. — Dezember 1887. richte über das Leben und die Bewegungen der Vögel publiziert. Darauf entſtand auf Anregung der „British Association for the Advancement of Science* in Groß⸗ britannien 1879 ein das dreieinige Königreich umſpannen⸗ des Netz von Beobachtungsſtationen. Dieſe in Fluß geratenen Anfänge eines großen Werkes entgingen dem Auge des öſterreichiſchen Kronprinzen nicht. Er beauftragte den Ornithologen V. Ritter von Tſchuſi mit der Errichtung von ähnlichen Beobachtungsſtationen in Oeſterreich, und 1882 lag der erſte Bericht des Komitees für ornithologiſche Beobachtungsſtationen in Oeſterreich⸗ Ungarn vor, der von v. Bachofen, R. Blaſius, v. Hayek, Kermenie, Niedermayer, v. Pelzeln, Schier und v. Tſchudi ausgearbeitet und von v. Bachofen herausgegeben wurde. Ein Jahr darauf folgte Dänemark dem gegebenen Beiſpiele, und in demſelben Jahre die Vereinigten Staaten von Amerika, welche heute nicht weniger als 1300 Be⸗ obachtungsſtationen erhalten, die ſich von New⸗Foundland bis Britiſh⸗Columbia und Kalifornien, von Arctic Alaska bis Tombrero Key in Florida erſtrecken, und für welche der Kongreß in einem Jahre 5000 Dollars bewilligte. Die Arbeiten der Amerikaner drängten allgemein die Ueber⸗ zeugung auf, daß es unabweislich geworden ſei, ein Zu⸗ ſammenwirken aller Ornithologen der ganzen Erde zu in⸗ ſcenieren, daß auch aus jenen zahlreichen Ländern, die kaum dem Handel, geſchweige der Forſchung aufgeſchloſſen ſind, Nachrichten, und zwar verläßliche Nachrichten eingeholt werden müßten. Zu dieſem Behufe war es unerläßlich, einen ornithologiſchen Kongreß zu effektuieren, der die Löſung dieſer Frage in die Hand nehmen, der ein Netz von Beobachtungsſtationen über die ganze Erde ausſpannen mußte, gleich den allüberall thätigen meteorologiſchen Sta⸗ tionen. Der damalige Sekretär des ornithologiſchen Vereines in Wien, v. Hayek, verſuchte hoffnungsfreudig das Werk ins Leben zu rufen und auf Grund der Erklärung des öſterreichiſchen Kronprinzen, ſich an die Spitze des Unter⸗ nehmens ſtellen, den Kongreß in höchſteigener Perſon er⸗ öffnen zu wollen, waren alle Hinderniſſe aus dem Wege geräumt. Der 7. April 1886 ſah im Feſtſaale des In⸗ genieur⸗ und Architekten⸗Vereines in Wien die erſten Größen der Ornithologie aus allen Ländern der Erde vereinigt. Aus den Beratungen des Kongreſſes ging das „Inter⸗ nationale permanente ornithologiſche Ko⸗ mitee“ hervor, deſſen Protektorat der Kronprinz ſofort übernahm und welches unter ſeiner Aegide kaum für möglich Gehaltenes ins Werk ſetzte. Dasſelbe beſteht aus 80 Ge⸗ lehrten, deren Sitze über das ganze Erdenrund vertheilt ſind, und deren jeder in ſeiner Heimat alles Mögliche zu unternehmen hat, um die gemeinſamen Ziele zu erreichen. Die Rieſenlaſt der Arbeit jedoch ruht hauptſächlich auf den Schultern des Präſidenten, der die wiſſenſchaftliche Leitung des ganzen Unternehmens zu handhaben hat, und durch deſſen Wahl, in der Perſon des Dr. Rudolf Blaſius in Braunſchweig, der Kongreß den richtigen Mann getroffen hat, ſowie auf denen des Sekretärs, Dr. G. von Hayek in Wien, der die adminiſtrative Leitung und die Ausbreitung des Unternehmens über immer weitere Gebiete zu beſorgen hat, und der als Sauerteig der ganzen Unternehmung für dieſen Poſten berufen ſchien. Dank dem vielſeitig — nicht allſeitig — entgegen⸗ gebrachten Wohlwollen, iſt bis heute folgendes erreicht, mehr als genug, um den ſchließlichen, durchſchlagenden Erfolg mit Sicherheit vorherſagen zu können. In Oeſterreich-Ungarn iſt das Komitee für ornithologiſche Beobachtungsſtationen in dem internationalen Komitee aufgegangen, und die Regierung gewährt eine Subvention. Deutſchland unterſtützt mit wahrhaft be⸗ wunderungswürdigem Eifer und mit dem Verſtändnis des hohen Zieles entſprechender Opferwilligkeit die wiſſenſchaft⸗ liche Unternehmung. Faſt alle Bundesſtaaten gewähren Subventionen, die Marine: und Civilbehörden wetteifern in Errichtung von Stationen, und die Vertreter dieſes Reiches in überſeeiſchen Ländern werden, was ihre Be⸗ mühungen um die Sache anbelangt, von keinem anderen erreicht. Zunächſt verdient die Schweiz hervorgehoben zu werden; nicht nur gewährte dieſelbe eine jährliche Sub⸗ vention, ſondern ſie beſtreitet überdies alle im eigenen Gebiete erwachſenden Koſten, und hat eine, Eidgenöſſiſche ornithologiſche Kommiſſion“ unter dem Vorſitze des Bundesrates Droz ernannt, welche in Uebereinſtimmung mit dem internationalen Komitee arbeitet, und deren Mit⸗ glieder Fatio, Studer und Girtanner ſich in die betreffenden Agenden der Weſtſchweiz, Centralſchweiz und Oſtſchweiz teilen. Dänemark bewilligt eine Subvention und überdies 600 Kronen zur Ausdehnung des Netzes von Beobachtungs⸗ ſtationen auf eigenem Gebiete. Belgien bewilligt eine Subvention, und der Dele⸗ gierte des internationalen Komitees, der anfangs ſchon rühmlichſt erwähnte Akademiker Baron Selys Longchamps, entwickelt die erfolgreichſte Thätigkeit. Frankreich ſchuf unter dem Vorſitze Milne⸗Edwards eine „Commission ornithologique Francaise‘, beſtehend aus Geoffroy Saint⸗Hilaire, Grandidier, Mascart, Tiſſerand, Vaillant, Charme, Billote, Lescuyer und Bartelet, und befahl auf den Leuchttürmen ſämtlicher Kolonien regel⸗ mäßige Beobachtungen an. Italien unterſtützt durch ſeine Regierung alle Be⸗ ſtrebungen des internationalen Komitees in dieſem Lande auf das dankenswerteſte, und creterte ein unter der Leitung Gigliolis in Florenzſtehendes ornithologiſches Centralbureau. Schweden ordnete auf allen Leuchttürmen regel⸗ mäßige Beobachtungen an, und die königliche Akademie der Wiſſenſchaften ernannte ein beſonderes Komitee, beſtehend aus den Akademikern Lilljeborg, Rubenſon, Smitt und Sundſtröm, welches gemeinſam mit dem internationalen Komitee zu wirken hat. — In Norwegen übernahmen opferwillige Naturfreunde, an deren Spitze Collett ſteht, die entſprechenden Arbeiten; ſie werden moraliſch von der Regierung unterſtützt. Rußland, dies ungeheuere Reich, in welchem alle wiſſenſchaftlichen Agenden der dortſelbſt einen integrieren⸗ den Teil der Behörden bildenden Akademie der Wiſſen⸗ ſchaften überlaſſen bleiben, macht die erfolgreichſten An⸗ ſtrengungen, über ſein Rieſengebiet ein enges Netz von Beobachtungsſtationen zu ziehen, und hat zu dieſem Zwecke eine beſondere Kommiſſion unter dem Vorſitze v. Schrencks einberufen. Ueberdies werden bereits auf ſämtlichen Leucht⸗ türmen von Amts wegen Beobachtungen gemacht. Humboldt. — Dezember 1887. 477 Griechenland hat Leuchtturmbeobachtungen an— befohlen. In Großbritannien wirkt das anfangs erwähnte Komitee ſelbſtändig. Auf den außer deſſen Sphäre ge- legenen europäiſchen Beſitzungen haben die Gouverneure von Malta und Cypern bereitwilligſt Befehl erteilt den Wünſchen des internationalen Komitees zu entſprechen. In Portugal fand unſer Unternehmen wenigſtens teilweiſe amtliche Förderung, ebenſo in Bulgarien. In Serbien ergriff der König ſelbſt die Organija- tion des Unternehmens. In den Niederlanden, in Spanien, der Türkei und Rumänien blieben bisher alle Verſuche, eine ſtaatliche Mithilfe zu erlangen, vergeblich, und muß unſere Sache Privathänden anvertraut werden. In erſte⸗ rem Königreiche findet das internationale Komitee an der „Genootſchap ter bevordering vor Natuur⸗, Genees- en Heelfunde in Amſterdam“ einen eifrigen Arbeitsgenoſſen. In Aſien erzielte das internationale Komitee wichtige Erfolge durch das bewunderungswerte Entgegenkommen des Vicekönigs von Indien, Lord Dufferin. Als Hayek An- knüpfungspunkte mit dem indiſchen Königreiche ſuchte, war gerade der ruſſiſch-indiſche Grenzſtreit ausgebrochen, der Verſuch wurde vielſeitig verlacht und jede Beihilfe verweigert. Da entſchloß er ſich, direkt an Lord Dufferin zu ſchreiben, und dieſer damals gewiß überbürdete Mann antwortete ſofort aus Simla im Himalaya, daß er an die Gouverneure den ſtrikten Befehl erlaſſen habe, nach den Wünſchen des internationalen Komitees das Nötige zu veranlaſſen. Die Gouverneure von Bengalen und Burma ſetzten ſich ſofort mit dem Komitee in Verbindung, und die anderen Herren werden ſchon müſſen, wenn ſie, wie es ſcheint, nicht wollen. Man ſollte glauben, Japan habe in civiliſatoriſcher Beziehung die Führung unter den einheimiſchen Staaten in Aſien; ließ es ſich doch auf dem Kongreſſe ſogar ver— treten. Allein dem iſt nicht ſo; Japan verweigert jede Mithilfe, Siam hingegen befahl ſofort, auf allen Leucht⸗ türmen ſolle beobachtet werden. Der König läßt auf ſeine Koſten die betreffenden Formulare überſetzen und wieder rücküberſetzen, und ſtellt auch weiteres Entgegenkommen in Ausſicht. — China verhält ſich wie Japan. — In Korea hofft unſer Delegierter auf künftige Erfolge. Der Gouverneur der Strait Settlements von Malacca, Weld, ſelbſt ein hervorragender Gelehrter, ge— währt jede denkbare Unterſtützung. — Auf Ceylon wirkt die Royal Aſiatie Society (Ceylon Branch) in dankens- werteſter Weiſe für das Komitee. — Die reichen, intereſ— 34. Jahresverſammlung der deutſchen geologiſchen Geſellſchaft in Bonn. Am 26. September 1887 begannen in Bonn die Verhandlungen der 34. Jahresverſammlung der deutſchen geologiſchen Geſellſchaft. Der Geſchäftsführer der Verſammlung, Dr. Rauff aus Bonn, eröffnete bald nach 9 Uhr die Sitzung mit einer Anſprache, worauf Pro— feſſor Römer aus Breslau zum Vorſitzenden und Dr. Gottſche aus Hamburg, Dr. Schulz aus Bonn und Dr. Wolle- mann aus Bonn zu Schriftführern gewählt wurden. Den erſten Vortrag hielt Profeſſor Streng (Gießen). Er ſchilderte unter Vorzeigung zahlreicher Belegſtücke das Vorkommen der Doleritſtröme in den Steinbrüchen von Lon⸗ dorf, die prachtvollen Oberflächenformen, die an diejenigen ſanten niederländiſchen Kolonien ſind als ſolche auf die Thätigkeit von Privatperſonen angewieſen. In Afrika ſtehen naturgemäß die Dinge vorläufig noch am ſchlechteſten. Doch hat in Aegypten der Direktor des „Laboratoire Khedivial“, A. Ismalun, regelmäßige ornithologiſche Beobachtungen eingeleitet, der General— reſident Frankreichs in Tun is, P. Cambon, that dasſelbe, und auf dem einzigen Leuchtturm Marokkos zu Cap Spartel, der glücklicherweiſe unter europäiſcher Leitung ſteht, hat der dfterr. diplom. Agent und brit. Miniſter⸗ reſident Sir Drummond-Hay Beobachtungen anbefohlen. Dasſelbe geſchah auf dem einzigen Leuchtturm Natals. In der Capkolonie herrſcht ein Gouverneur anderen Schlages als Lord Dufferin; dieſe ſchöne Kolonie bleibt uns vorläufig verſchloſſen. Doch ſind in der Südafrika— niſchen Republik und im Oranje-Freiftaat pro⸗ teſtantiſche Miſſionäre erſprießlich für uns thätig, wie über— haupt alle proteſtantiſchen Miſſionen, nicht aber die katho— liſchen, dem wiſſenſchaftlichen Unternehmen ſehr freundlich entgegenkommen. In Sierra- Leone verdankt das internationale Komitee den Bemühungen des deutſchen Konſuls Vohſen einen tüchtigen Mitarbeiter in der Perſon des med. Dr. Renner, eines Negers. In Amerika befindet ſich der ganze Norden, wie wir geſehen haben, in den beſten Händen. Die britiſchen Gouverneure von Jamaica, den Bahamas, Bar— badoes, Dominika und Sta. Lucia wirken ganz im Sinne des internationalen Komitees; auf Hayti, in Chile und in Uruguay wird auf amtlichen Befehl regelmäßig beobachtet. In Braſilien wurde bisher nichts erreicht, allein die Perſönlichkeit des Kaiſers, der ſelbſt ein hervorragender Gelehrter und Gönner aller wiſſen— ſchaftlichen Beſtrebungen ijt, bürgt dafür, daß die ein⸗ geleiteten Schritte günſtige Erfolge haben werden. Die Argentiniſche Republik gewährte eine anſehnliche Subvention, läßt aber alle Bitten um Flüſſigmachung derſelben unbeantwortet. In Auſtralien haben die Gouverneure von Weſt— auftralien, Südauſtralien, Viktoria, Queens: land und Neuſeeland alle nötigen Befehle zur För— derung der Arbeiten des internationalen Komitees erlaſſen und in Neu-Südwales wirkt der Delegierte des Ko— mitees Ramſay in ſehr einflußreicher Stellung. Die wiſſenſchaftlichen Reſultate des Unternehmens werden in der internationalen, und daher ſowohl deutſche als franzöſiſche, engliſche und italieniſche Arbeiten enthal- tenden Zeitſchrift „Ornis“, redigiert von Blaſius und v. Hayek, veröffentlicht. der Laven des Vefuv erinnern, die glaſige Erſtarrung der Dolerite an der Oberfläche und die grob kryſtalliniſche Beſchaffenheit des Geſteins an denjenigen Stellen, die von Blaſenſchwärmen durchzogen ſind. Weiterhin ſprach der Redner über die Verwitterung der baſaltiſchen Ge: ſteine des Vogelberges. Bei der Verwitterung der Baſalte wird zunächſt durch Auslaugung das Eiſen entfernt und an einzelnen Stellen innerhalb der Zerſetzungsprodukte wieder konzentriert. Es entſtehen auf dieſe Weiſe die ſogenannten Baſalteiſenſteine, welche ſich bisweilen ſo reichlich einſtellen, daß ſie eine Gewinnung für hütten⸗ männiſche Zwecke rentabel machen. Der zweite Beſtandteil, der zum Teil, bisweilen auch ganz, in Löſung übergeführt 478 und an anderen Stellen wieder abgeſetzt wird, iſt die Kieſel⸗ ſäure. Ihre Konzentration gibt Veranlaſſung zur Bildung zahlreicher Hornſteinknollen, die ſich ebenfalls im verwitterten Baſalte finden. Wenn aus den baſaltiſchen Thonen die Kieſelſäure und das Eiſen entfernt ſind, ſo bleibt ſchließlich ein Körper zurück, der faſt reines Aluminiumhydroxyd, als Mineral Bauxit genannt, darſtellt. Dasſelbe findet ſich in größeren und kleineren Knollen, wird bei der Beſtellung des Bodens geſammelt und unter Zuſatz von gebranntem Kalk und kalkreicher Hochofenſchlacke zur Herſtellung eines trefflichen hydrauliſchen Mörtels verwendet. Redner machte ſchließlich auf die Wichtigkeit der Bildung des Aluminium- hydroxyds bei der Verwitterung kryſtalliniſcher Geſteine aufmerkſam und wies darauf hin, daß die bisher auf ſoge⸗ nannte zeolithiſche Subſtanz zurückgeführten leichtlöslichen Thonerdemengen in Verwitterungsböden möglicherweiſe zum Teil auf Baupitbildung zurückzuführen jeien. Dr. Gottſche (Hamburg) ſprach über die obere Kreide von Umtamfuna in Natal, nach dem Material, das Griesbach 1866 im Auftrage der Hamburger Firma Lippert geſammelt. Unter 47 Petrefakten ſind 24 identiſch mit indi⸗ ſchen Formen; beſonders iſt unter den Gaſtropoden eine ſehr große Uebereinſtimmung zu konſtatieren. Dem Alter nach dürften die Schichten von Umtamfung dem Turon oder aber den tiefſten Schichten des Senon entſprechen. Redner legte darauf ein Geſchiebe von oberjilurifdem Eurypterusdolomit von Gaardon bei Kiel vor, das im Geſteinscharakter mit dem bekannten Vorkommen auf Oeſel übereinſtimmt. Derartige Geſchiebe waren bis⸗ her nur aus Oſtpreußen bekannt geworden. Endlich demon⸗ ſtrierte der Redner die Molluskenfaung (54 Arten), welche er kürzlich in dem Mitteloligocän von Itzehoe (Holſtein) aufgefunden hat. Profeſſor Kayſer (Marburg) ſprach über die geolo⸗ giſche Stellung der heſſiſch-naſſauiſchen Tenta⸗ kulitenſchiefer. Dieſes mächtige, aus Thon⸗ und Dach⸗ ſchiefern mit untergeordneten Grauwacken, Kieſelſchiefern, Adinolen, Schalſteinen, Quarziten und Kalkſteinen zu⸗ ſammengeſetzte Schichtenſyſtem vertritt nach dem Vortragen⸗ den das geſamte Mitteldevon, da es von Unter⸗Koblenz⸗ Schichten unterlagert und von oberdevoniſchen Bildungen jüberlagert wird. Auch die bekannten ſogenannten Hercyn⸗ kalke von Greifenſtein, Gunterod u. ſ. w. ſind ein Zubehör der Tentakulitenſchichten und mitteldevoniſchen Alters. Dr. Denckmann (Marburg) legte im Anſchluß an den Vortrag des Profeſſors Streng Stücke der Kontaktfläche eines Diabas der Dillenburger Gegend mit verändertem Kulmſchiefer vor, welche ähnliche wulſtige, fladenartige Oberflächen aufweiſt, wie die Dolerite von Londorf und die Oberflächen von Lavaſtrömen aktiver Vulkane, ſo daß man es hier wohl unzweifelhaft mit der Abkühlungsfläche eines Diabaslagers zu thun hat. Dr. J. G. Bornemann sen. aus Eiſenach endlich ſprach unter Vorlegung photographiſcher Abbildungen über foſſile Tierfährten aus dem bunten Sandſtein Thüringens. Die bekannten Chirotherienfährten wurden bei Heßberg in den dreißiger Jahren durch Sickler bekannt, und die Sand⸗ ſteinplatten mit Tierfährten ſind von dort in viele Muſeen gekommen. Der damalige Beſitzer jenes Steinbruches hat in ſorgfältiger Weiſe einen Plan gezeichnet, auf welchem alle jene Platten eingetragen und die Fährten in ihrem urſprünglichen Zuſammenhang dargeſtellt ſind. Von dem Originalblatte dieſer Zeichnung wurde eine verkleinerte photographiſche Kopie vorgelegt. Außer den Chirotherien⸗ fährten zeigt dieſelbe auch mehrere Reliefs, welche von den Hinterfüßen robbenartiger Tiere herzurühren ſcheinen. Einen ſehr reichhaltigen Fund zahlreicher verſchiedener Fährten⸗ formen machte Redner im vorigen Jahre, und ſind aus demſelben neben Chirotherienfährten, welche jedenfalls nicht zu Labyrinthodon gehören, ſondern wahrſcheinlich von Säuge⸗ tieren herrühren, noch mehrere Formen von Säugetier⸗ fährten, Vogelfährten mit unverhältnismäßig großen Schritten, Batrachier⸗ und Kruſtaceenſpuren, ſowie ferner Spuren von einer Algenvegetation und ſehr ſchöne Wellen⸗ rippen zu erwähnen. Schließlich wurden auch einige rätſel⸗ Humboldt. — Dezember 1887. hafte Reliefs beſprochen, welche an Vogelfedern und den größeren Teil eines Vogels erinnern. Der Nachmittag führte die Teilnehmer nach Rolands⸗ eck, wo der Baſaltdurchbruch an der Eiſenbahn und dann der Roderberg in Augenſchein genommen wurden. Der Roderberg iſt ein alter Vulkan, deſſen Thätigkeit in das jüngere Diluvium fällt. Die geſchichteten Tuffe, die den Kraterwall zuſammenſetzen, wechſellagern mit diluvialen Rheinſchottern, und andererſeits finden ſich in den jung⸗ diluvialen Rheinlöß-Ablagerungen Schichten vulkaniſcher Aſche in der Nähe des Roderberges eingelagert. Das erweiſt einerſeits das diluviale Alter der Eruptionen und gibt andererſeits einen Maßſtab zur Beurteilung der gewaltigen Eroſionskraft des Rheinſtromes, deſſen diluviales Bett mehrere hundert Fuß oberhalb des heutigen im Niveau des alten Vulkanes lag. Der Dienstag führte die Geſellſchaft unter der aus⸗ gezeichneten Führung des Profeſſors vom Rath zu einer außerordentlich lehrreichen Tour durch das Siebengebirge, bei welcher als neu eine Auflagerung von Trachyt⸗ konglomeraten und Baſalt auf mächtigen ter⸗ tiären Thonlagern am Fuße des Nonnenſtromberges beobachtet wurde. Jene Thone werden bergmänniſch ab⸗ gebaut, da ſie zur Herſtellung feuerfeſter Gegenſtände vor⸗ züglich geeignet ſind. In der Mittwochsſitzung wurde nach geſchäftlichen Mitteilungen des Vorſitzenden, Profeſſor G. vom Rath, und nachdem Halle zum Ort der nächſtjährigen Hauptverſamm⸗ lung beſtimmt war, mit Vorträgen fortgefahren. Zunächſt ſprach Dr. E. Schulz aus Bonn über Vor⸗ gänge bei der Faltung des niederrheiniſchen Schiefergebirges. Nachdem durch die in den Ardennen arbeitenden Geologen die Diskordanz zwiſchen den kambri⸗ ſchen, beziehungsweiſe ſiluriſchen Schichten des hohen Venn nachgewieſen worden iſt, muß die Anſicht Goſſelets, daß letztere bereits gefaltete Maſſive zur Zeit der Ablagerung der devoniſchen Schichten darſtellten, als höchſt wahrſcheinlich gelten. Da nun der Druck, der die Faltung hervorrief, von Südoſt her wirkte, ſo wurde die nach Nordweſt vor⸗ ſchreitende Faltung von dem Kambrium des hohen Venn gehemmt, während öſtlich desſelben die Faltung verhältnis⸗ mäßig ungeſtört vor ſich gehen konnte. Infolge dieſer verſchiedenen Neigung zur Faltung entſtanden abnorme, von der Südweſt⸗ bis Nordoſt⸗Richtung der regelmäßig ver⸗ laufenden Falten abweichende Richtungen im niederrheini⸗ ſchen Gebirge, d. i, beſonders die Anordnung der Eifel⸗ kalkmulden von Norden nach Süden und die faſt von Oſten nach Weſten verlaufende Ausbreitung der Formationsglieder am Nordrand des Gebirges in Weſtfalen. Außer den mit der Faltung verknüpften Ueberſchiebungen, von denen die von Padberg über Meppen, Olpe, Altenbödingen, Münſter⸗ eifel verlaufende, bei Münſtereifel vor dem Kambrium des hohen Venns nach Süden, d. h. nach der Gegend von Kol⸗ berg abgelenkt erſcheint, treten nun, wahrſcheinlich infolge des ungleichmäßigen Verſchiebens des hohen Venns, eine Anzahl von Erſcheinungen auf, die auf langausgedehnte Störungslinien und Horizontalverſchiebungen von großem Belang deuten. Eine ſolche Störung dürfte, der Vulkan⸗ reihe der Vordereifel entſprechend, zwiſchen der Dollen⸗ dorfer und der Hillesheimer Eifelkalkmulde auf der einen und der Prümer und Gerolſteiner Mulde auf der anderen Seite verlaufen und, ſich vorausſichtlich bis über Malmedy hinaus erſtreckend, mit der von Marar in der Gegend von Lüttich und Chaudfontaine beſchriebenen Südoſt⸗ bis Nord⸗ weſtſtörung in einem Zuſammenhange ſtehen. Eine ähn⸗ liche Störung von weit geringerem Belang ſcheint die Sötenicher Mulde bei Arloff zu durchſetzen. Daß das Steinkohlengebirge im Gebiete der Ruhr mit dem Aachener Becken zwar in Verbindung ſteht, aber um 50 bis 60 km nach Norden gegen letzteres vorgeſchoben erſcheint, iſt eine anerkannte, aber durch obige Erwägungen hinreichend er⸗ klärliche Thatſache. Profeſſor Eredner aus Leipzig legte zwei Wandtafeln vor, auf welchen er eine Anzahl von Stegocephalen (auch Labyrinthodonten oder Froſchſaurier genannt) aus Humboldt. — Dezember 1887. dem Rotliegenden zur Darſtellung gebracht hatte. Es ſind dies die älteſten das Feſtland bewohnenden, luft— atmenden Wirbeltiere und zugleich die erſten ein Knochen— jfelett produzierenden Tiere überhaupt. Ihre Zugehörig— keit zu den Amphibien iſt zweifellos, wie dies, abgeſehen von ihrer äußeren Erſcheinungsform und von der all— gemeinen Uebereinſtimmung in ihrem Skelettbau, nament— lich daraus hervorgeht, daß ſie bei ihrer Entwickelung eine Metamorphoſe durchliefen, welche mit derjenigen unſerer Salamander die größte Aehnlichkeit hat. Trotzdem können fie im zoologiſchen Syſtem nicht in der Abteilung der Lurche oder Urodelen untergebracht werden, weil ſie ſich von dieſen weſentlich unterſcheiden durch ihr Kopfſkelett und durch den Beſitz eines Schuppenkleides, welches wenigſtens die Bauchfläche dieſer Tiere überzieht. Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben ſich die Fundſtätten der bis dahin außerordentlich ſeltenen Stegocephalen um das Vielfache gemehrt, manche derſelben ſind höchſt ergiebig geweſen und haben zum Teil die Reſte hunderter von Individuen geliefert. Indeſſen gehören einigermaßen vollſtändige Sfe- lette zu den größten Seltenheiten. Der Vortragende hat deshalb das reiche Material, welches ſeinen vieljährigen Studien zu Grunde gelegen hat, und die dabei gewonnenen Erfahrungen benutzt, um das Skelett einer Anzahl der beſtüberlieferten Stegocephalen zu rekonſtruieren und die gewonnenen Bilder in ſtarker Vergrößerung in der Form von Wandtafeln zu veröffentlichen. Dieſelben ſind bei W. Engelmann in Leipzig erſchienen und ſollen zur Be- nutzung in geologiſchen, paläontologiſchen und zoologiſchen Vorleſungen, ſowie zur Illuſtration der Muſeen dienen, ein Zweck, der durch die Beigabe einer kurzen Erläuterung weſentlich erleichtert werden wird. Dr. Rohrbach aus Gotha gab eine allgemein befrie- digende Erklärung der ſchwarzen Kreuze in den Querſchnitten des Chiaſtolith. Dieſe ſchwarzen Einſchlüſſe, welche bekanntlich aus Schiefermaſſe beſtehen, ſtellen die kohlenſtoffreicheren Rückſtände bei der Umkryſtalli⸗ ſation des Chiaſtoliths aus der Thonſchiefermaſſe dar, und zwar kommt die eigentümliche kreuzförmige Anordnung daher, daß beim Entſtehen der Chiaſtolithkryſtalle das Flächenwachstum dem Kantenwachstum vorausgeeilt iſt, ſo daß die übrigbleibende Schiefermaſſe zwiſchen den nach vier Richtungen (den Prismenflächen) fortwachſenden Kry- ſtallen eingepreßt wurde, und jo das ſchwarze, im Quer- ſchnitt derſelben erſcheinende Kreuz darſtellte. Redner legte einige für dieſe Auffaſſung direkt beweiskräftige Präparate vor. Der berühmte ſchwediſche Geologe, Direktor Torell aus Stockholm, der erſt am Abend vorher eingetroffen war, ſprach über den Cyprinenthon in Schleswig⸗-Holſtein, Dänemark und dem Weichſelthale, ſowie über die Noldi a⸗ thone in Preußen. Der Cyprinenthon fei prä- und ſub⸗ glacial, nicht interglacial. Die Temperatur des Meeres, aus dem der Cyprinenthon abgeſetzt wurde, ſei nicht unter 2° C. herabgegangen, ja in den Sommermonaten müſſe fie an der Oberfläche bis auf 16“ C. geſtiegen ſein. Das Vorkommen der Auſter im Cyprinenthon beweiſe dies. Auch die Yoldiathone ſeien ſubglacial. Temperatur des Meeres, aus welchem ſie abgeſetzt wurden, um den Nullpunkt herum bewegt, wie dies die Verbreitung heute lebender Noldien beweiſe. Dr. Goldſchmidt aus Wien ſprach unter Hinweis auf eine demnächſt darüber erſcheinende Abhandlung über neue Methoden der Kryſtallprojektion und Berech— nung, unter anderem unter Zuhilfenahme der Photo— graphie. Redner will einen Kryſtall in beſtimmter Lage photographieren, ihn ſodann um einen genau gemeſſenen Winkel drehen und nochmals photographieren und ſo aus beiden Photographien mit Hilfe einer einzigen Meſſung ſämtliche Elemente für eine faſt genaue Kryſtallberechnung erlangen. Dr. Wollemann aus Bonn ſprach über Knochen⸗ reſte, die bisher von Goldfuß auf Hippotherium und Doch habe ſich die ! — ——— — 479 Hippopotamus bezogen waren, indeſſen nach eingehenden Vergleichen von Equus Caballus fossilis und Sus scrofa herſtammend ſich erwieſen. Anknüpfend daran kritiſierte Redner die übrigen angeblichen Nilpferdfunde aus dem Diluvium Deutſchlands und glaubte das Nilpferd aus der Reihe der diluvialen Tiere Deutſchlands ſtreichen zu müſſen. Dem gegenüber trat Profeſſor Römer aus Breslau ent— ſchieden für das diluviale Alter der Nilpferdreſte aus den Mosbacher Sanden ein und verwies auf die Analogie des engliſchen Diluviums, in welchem das Nilpferd ſehr häufig auftritt. Profeſſor Loſſen aus Berlin ſprach über ſeine unter Führung von Goſſelet und Renard unternommene A r= dennenreiſe, insbeſondere über den durch Faltungen und Verwerfungen veranlaßten, ſehr komplizierten inneren Bau des Gebirges. Dr. Pohlig aus Bonn legte ſchöne Tierfährten aus dem unteren Rotliegenden Thüringens, einen ſchönen Zahn von Elephas antiquus aus Spanien und archäiſche Schiefereinſchlüſſe im Baſalte des Finkenberges bei Bonn vor. Nachdem Profeſſor Römer dem Geſchäftsführer Dr. Rauff, ſowie dem Vorſitzenden den Dank der Geſellſchaft ab— geſtattet, wurde die Sitzung geſchloſſen und dann noch ein Ausflug ins Aarthal unternommen. Am folgenden Morgen begann unter ſtarker Beteiligung eine dreitägige Tour durch die Eifel, bei welcher am erſten Tage die ver— ſteinerungsreichen Mitteldevonſchichten bei Gerolſtein und der herrliche Krater der Papenkaule, am zweiten Tage unter Führung des Dr. Schulz aus Bonn die Hillesheimer Eifelkalkmulde und am dritten Tage die Maare bei Daun und Gillenfeld, ſowie der aus Nephelinbaſalt beſtehende Lavaſtrom im Aßthale bei Bertrich beſichtigt wurden. Der letztere von jung-diluvialem Alter, erregte beſonderes In— tereſſe durch die in der Käſegrotte ausgezeichnet ſchön auf— geſchloſſene eigentümliche Struktur der Lava, welche außer der Säulenabſonderung noch innerhalb der Säulen horizon— tal gegliedert iſt; dabei greift die Verwitterung die ein- zelnen Säulenſtücke, denen von vornherein eine kugelig ſchalige Struktur innezuwohnen ſcheint, von den Ecken her beſonders an, jo daß als Reſultat eine Menge itber- einander geſchichteter Ellipſoide ſich ergeben, die der eigen tümlichen Grotte zu ihrem Namen verholfen haben. Im Bad Bertrich ging die Geſellſchaft auseinander. Berlin. Dr. Keilhack. Die däniſche Expedition, welche im Frühjahr 1886 unter Führung des Marineoffiziers C. Ryder zur Unter⸗ ſuchung und Vermeſſung der Küſten von Nordgrönland abging, iſt kürzlich nach Kopenhagen zurückgekehrt. Im Lauf der beiden Sommer iſt das Land von 72 — 74,5 0 n. Br. unterſucht, vermeſſen und kartiert worden. Dieſe Arbeiten umfaſſen eine Strecke, welche noch 15 Meilen nördlicher als die letzte däniſche Anſiedelung liegt. Im Winter wurden mehrere Schlittenreiſen unternommen und dabei u. a. Meſſungen der Bewegung des Upernivits- gletſchers angeſtellt. Meteorologiſche, magnetiſche und aſtro— nomiſche Beobachtungen wurden regelmäßig vorgenommen, anthropologiſche Meſſungen find in großem Umfang an— geſtellt worden. Die Expedition bringt auch reiche geolo— giſche und botaniſche Sammlungen mit, die manches Neue enthalten. Die Vermeſſungsarbeiten an der grönländiſchen Weſtküſte ſind nunmehr beendet. D. Der Univerſitätsfonds zu Athen läßt ein neues chemiſches Caboratorium erbauen, welches fic) den der— artigen europäiſchen Inſtituten würdig an die Seite ſtellen ſoll. Kürzlich hat die Grundſteinlegung zu dieſem Neubau ſtattgefunden. D. An der Aniverſität Würzburg ijt ein Lehrſtuhl für Hygiene errichtet und einem langjährigen Aſſiſtenten Pettenkofers, Dr. K. B. Lehmann, verliehen worden. 480 Humboldt. — Dezember 1887. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Dezember 1887. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 50 2 Im. U.) 110 Tani | 5 530 F. 0 120 Tauri | 1482 U Cephei 1 Merkur am 4. in größ⸗ 6 1 Im A. d.) 5 ½ 6» 39™ J. d. 6 ter weſtlicher Ausweichung 2 1327 S Cancri 1654 N Tauri 2 wird wegen ſeiner ſehr ſüd⸗ 4 Merkur in grösster Westlicher Ausweichung.“ 4 lichen Deklination dem 5 1552 Algol 18h JI n E. H.) 7 Leonis 5 freien Auge am Morgen⸗ 19 20m A. al, 64/2 himmel nur bei außerge⸗ 6 1359 U Cephei 1582 J Tauri 6 wöhnlich durchſichtiger Luft i S : 7 ſichtbar werden und iſt am 8 1220 Algol 8 | Morgen des 4., wo er drei 10 141 M Tauri 10 Monddurchmeſſer nördlich 11 888 Algol 1385 U Cephei 11 | von Jupiter fteht, ver⸗ 13 7 21 t 2 61 13 hältnismäßig leicht aufzu⸗ 19 33" finden. Am Morgen des 14 0 556 Algol 1320 J Tauri 14 | 18. geht er einen Mond⸗ 16 132 U Cephei 16 durchmeſſer nördlicher an 18 6559" .d. ) „ Capricorni | 1129 J Tauri 18h 49m III 18 dem hellen Doppelſtern 759" 10 0 4 9 5 20 35m 1 8 Scorpii vorüber und 20 II Os 1827 6 Libre I 20 kann eine Stunde vor 19h 4 Im g eet 21% am ¢ 2 Sonnenaufgang mit einem 21 2) 1288 U Cephei 1229 S Caneri 21 kleinen Fernrohr dann 22 1027 2 Tauri 22 leicht aufgefunden werden. 24 1852 U Corone 24 Venus erreicht am 1. ihre 25 1619 Algol 25 größte weſtliche Auswei⸗ 26 956 N Tauri 1225 U Cephei 26 chung und bleibt noch den 27 TEU? Fe, 75 Tauri | 1883 6 Libree 27 ganzen Monat ſehr heller Sh 28 m A. . 6 5 Morgenſtern. Am Morgen 28 137 Algol 18 22 A I E 28 des 22. paſſiert ſie die 29 D 155 36™ { 1 01 29 Verbindungslinie der beiz 21 Im 17 48m den hellſten Sterne der 30 855 N Tauri 30 | Wage. Anfangs geht ſie 31 1025 Algol 1282 U Cephei 1589 UCorone | 31 | 34s, zuletzt 4½¼ Uhr mor⸗ gens auf. Mars wandert : im Sternbild der Jungfrau zwiſchen den Sternen m und z hindurch und geht an erſterem am Morgen des 12. um einen Monddurchmeſſer, nördlicher an letzterem, dem bekannten Doppelſtern in der Nacht des 23. um einen Monddurchmeſſer ſüdlicher vorbei. Der Aufgang erfolgt anfangs eine ganze, zuletzt eine halbe Stunde nach Mitternacht. Jupiter im Sternbild der Wage iſt aus den Sonnenſtrahlen wieder aufgetaucht und geſtattet von Mitte des Monats an einigemal Vorüber⸗ gänge des Schattens ſeiner drei erſten Trabanten und auch eine Verfinſterung des erſten Trabanten am Morgen des 29. zu beobachten. Er geht anfangs um 6, zuletzt um 4½ Uhr morgens auf. Saturn iſt rückläufig im Stern⸗ bild des Krebſes nahe dem großen Sternhaufen, der Krippe oder Präſepe. Er läßt ſich jetzt ſchon in bequemen Abendſtunden beobachten, indem er anfangs um 8 ½, zuletzt um 64/4 Uhr abends aufgeht. Uranus ijt rechtläufig im Sternbild der Jungfrau, zwei Monddurchmeſſer ſüdlich von 0 Virginis. Neptun ijt rückläufig im Stier. Der ſchon über zweihundert Jahre bekannte, zuerſt von Montanari 1672 als neuer Stern angezeigte ver⸗ änderliche Stern R Hydrae iſt in dieſem Monat mit bloßem Auge ſichtbar und erreicht um die Zeit des 26. ſeine größte Helligkeit. Der leicht aufzufindende Stern ſteht ebenſo weit öſtlich von 7 Hydrae als der Stern h dieſes Sternbildes weſtlich, und 7 Hydrae iſt zwölf Grad ſüdlich von Spica und nahe gleichen Stundenkreiſes der einzige in unſeren Breiten noch ſichtbare hellere Stern (dritter Größe). Von den Veränderlichen des Algoltypus bietet S Cancri zwei ſehr günſtige Gelegenheiten am 2. und 21. zur Beſtimmung des kleinſten Lichtes aus Abnahme und der ſehr langſamen Zunahme dar, 6 Librae taucht aus den Sonnenſtrahlen wieder auf, U Coronae gibt nur am Morgenhimmel Beobachtungsgelegenheiten und von U Cephei fallen ſieben Minima auf günſtige Nachtſtunden. U Ophiuchi iſt in den Sonnenſtrahlen verborgen. Der Olbersſche Komet iſt nur mit ſehr kräftigen Fernröhren noch verfolgbar. Dr. E. Hartwig. Humboldt. — Dezember 1887. 481 Naturkalender für den Säugetiere. Wildſchwein brunftet und nimmt jetzt Jäger und Treiber, beſonders angeſchoſſen, leicht an. Das Rotwild (Edelhirſche) treibt fic) in großen Rudeln oft weit umher, der Nahrung wegen. Bei tiefem Schnee leiden die Haſen ſehr unter Nah— rungsmangel und durch die Schar ihrer Feinde aus dem Raubtiergeſchlecht, da letztere jetzt keine Mäuſe fangen können und daher vom Hunger auf die Haſen angewieſen werden. Die Mäuſe leben unter hoher Schneedecke munter fort. Die öfter bereits erwähnten Winterſchläfer liegen in tiefem Schlafe, der bei den meiſten jetzt in Erſtarrung übergegangen iſt. Auch das Eichhorn, der Dachs und, in den Ortler und Graubündener Alpen, der Bär verſchlafen die ſchlimmſten Tage. Die Wölfe und Wildkatzen ſchweifen weit umher. Vögel. Nahrungsmangel führt uns manchmal noch jetzt nordiſche Gäſte zu, wie Gänſe- und Entenarten, den Seidenſchwanz u. ſ. f. In großen Flügen treiben ſich die Enten auf Flüſſen und offenen Seen oder überſchwemmten Wieſen herum. Daſelbſt ſehen wir auch Säger (Mergus merganser, serrator, albellus) und Taucher, wie Steiß— füße (Podiceps) und Eistaucher (Colymbus). Junge See⸗ möven (Larus argenteus, marinus) und Flüge von Lad): und dreizehigen Möven (Larus ridibundus und tridacty- lus) geſellen ſich den Scharen zu. Am Ufer lauern der Fiſchreiher, die große Rohr— dommel und das Sumpfhühnchen auf Beute. Auf unbedeckten Saatfeldern äſen ſich Saatgänſe, auf Kohläckern Trappen; Krähen und Elſtern balgen ſich mit dem Buſſard (Buteo vulgaris) um eine Maus oder um Fleiſchabfälle, welche ſie aus dem Miſte hervorgezogen. Flüge, beſtehend aus Grünfinken, Bergfinken, Leinzeiſigen, darunter einzelne Buchfinken und Kernbeißer, machen ſich an Waldrändern und Feldwegen zu ſchaffen. Kohimeiſen, Schwanzmeiſen, Goldhähnchen u. ſ. w. durchſtöbern Buſch Monat Dezember 1887. und Baum; Ritzen und Löcher ſucht der kleine Zaunkönig ab und findet am meiſten Nahrung, was er durch ſeinen fröhlich ſchmetternden Geſang verkündet. Ihm antwortet nur die Waſſeramſel (Cinclus aquaticus) vom nahen Waldbache her. Spechte hämmern die Rinde los, worunter Borkenkäfer liegen oder hacken Löcher in Ameiſenhaufen und Bienenkörbe. Vor letzteren klopft oft auch die Kohl— meiſe mit Erfolg nach Nahrung. Reptilien und Amphibien ruhen im Winterſchlafe. Die Fiſche führen, wenn es kalt iſt, auch nur ein ſehr beſcheidenes Leben. SufeKten. Faſt alle Kerbtiere liegen wohl geborgen vor Kälte oder aber unempfindlich gegen fie im Winter- ſchlafe; an warmen Abenden fliegt aber doch der Froſt⸗ ſpanner und der Miſtkäfer (Geotrupes stercorarius) umher. Pflanzen. Manchmal ſchleppt der Herbſt noch einige Kinder Florens in den Dezember hinüber; es gilt dies beſonders von den ſpät blühenden Kompoſiten, doch geht jetzt die Blütezeit immer einem baldigen Ende entgegen. Bei ſchönem Wetter blüht jedoch Ende des Monats die ſchwarze Nieswurz (Helleborus niger.) Schlußbemerkung. Obige Monatszuſammenſtellungen ſind meinen Tagebüchern aus den letzten zehn Jahren entnommen und habe ich bei der Auswahl des Stoffes mehr die wichtigeren Exiſtenzen vorgezogen, bei der Schil— derung des Monatscharakters mehr denjenigen aus wär— meren Jahren berückſichtigt. Je nach Jahres- und Monats- charakter, Lage des Ortes u. ſ. w. erleiden die Monats⸗ charakteriſtiken für Deutſchland ſelbſtverſtändlich zuweilen nicht unerhebliche Abänderungen. Dem geneigten Leſer liegt es ob, nun mit dem Naturleben ſeiner Wohnſtätte Vergleiche anzuſtellen. Mainz. W. von Reichenau. Litterariſche Rundſchau. Theodor Hoh, Elektricität und Magnetismus als kosmotelluriſche Kräfte. Wien. A. Hart⸗ lebens Verlag. 1887. Preis 3 % Zu den beſten Schriften, welche in der Elektrotech— niſchen Bibliothek des Hartlebenſchen Verlags erſchienen ſind, wird unſtreitig die vorliegende gerechnet werden müſſen, welche den 37. Band derſelben bildet. Die neueren Fort- ſchritte der Naturwiſſenſchaft ließen erkennen, daß Elek— tricität und Magnetismus eine viel univerſellere Rolle ſpielen, als bisher angenommen ward, daß dieſe Kräfte als kosmotelluriſche zu betrachten ſind. Es werden nun in dem vorliegenden Werke die Verſuche geſchildert, durch welche man die Spuren auffinden will, in denen ſich die telluriſche Bethätigung der kosmiſchen Elektricität verrät. Dies findet ſtatt in den magnetiſchen Eigenſchaften der Erdrinde, den elektriſchen Erſcheinungen innerhalb der Atmoſphäre, viel- leicht auch in den heutzutage noch hypothetiſchen Rückwir⸗ kungen der Organismen gegen Einflüſſe, die teils intra⸗ terreſtriſch, teils extraterreſtriſch ſind. In den drei großen Abſchnitten des Buches werden die magnetiſchen Eigen⸗ ſchaften der Erdrinde (die Magnetnadel, der Erdmagnetis⸗ mus, das Nordlicht), die telluriſche Elektricität (die elek⸗ triſchen Erdſtröme, die Elektricität der Luft, die Elektricität der Wolken, das Ozon, das Helenenfeuer, Blitz und Donner, Verbreitung und Bedeutung der Gewitter), endlich die kosmiſche Elektricität mit beſonderer Berückſichtigung der elektriſchen Solarſtröme, welche von W. Siemens zur Er⸗ klärung mehrerer Erſcheinungen angenommen wurden, be: ſprochen. Die Darſtellung iſt als hiſtoriſche zu bezeichnen, Humboldt 1887. da die Entwickelung der einzelnen Anſichten im Laufe der Zeiten dargethan wird; andererſeits iſt aber das ſämtliche, auch neueſte Beobachtungsmaterial herangezogen worden. Die Arbeit beſitzt einen großen Wert, mehr aber für jenen, der bereits mit der Natur des behandelten Gegenſtandes bekannt iſt; dieſer wird eine meiſterhafte Sichtung des Materials vorfinden. Jener, der in den Gegenſtand erſt eingeführt werden ſoll, wird inſofern Schwierigkeiten bei der Lektüre des Buches finden, als in dieſem die That⸗ ſachen, Hypotheſen und Theorien in knappeſter Weiſe dar- geſtellt ſind. Mehrere in dem Buche angegebene Forſchungen ſind Originalforſchungen des Autors, z. B. über den Ozon— gehalt der Luft, über die Blitzröhren und Blitzſpektra, über die Blitze ohne Donner. Wien. Dr. J. G. Wallentin. Ernſt Gerland, Die Anwendung der Elektricität bei regiſtrierenden Apparaten. Mit 119 Ab⸗ bildungen. Wien. A. Hartlebens Verlag. Preis Der Verfaſſer der vorliegenden Schrift hat in der— ſelben nicht nur jener Regiſtratoren gedacht, deren Betrieb durch Elektricität ermöglicht wird, ſondern auch ſolcher, bet welchen die letztgenannte Naturkraft nicht direkt ins Spiel tritt. Jene Apparate, welche rein techniſchen Anwendungen dienen, wie z. B. die beim Eiſenbahn- und Signalweſen gebrauchten regiſtrierenden Inſtrumente, wurden aus dem Bereiche des Buches weggelaſſen, weil deren Beſchreibung bereits in früheren Bänden der Elekrotechniſchen Bibliothek ſtattgefunden hat. Der erſte Abſchnitt umfaßt die aſtro⸗ 61 482 nomiſchenRegiſtrierapparate oder Chronographen, welche die Zeitmomente, zu denen ein Stern an den Fäden der Fernrohre vorbeigeht, bequem und genau zu beſtimmen geſtatten. Ausführlich wird der Chronograph von Fueß erörtert, mit dem Zeitregiſtrierungen vorgenommen werden, deren Fehler einige Tauſendſtel einer Sekunde nicht über⸗ ſteigt. Unter den im zweiten Abſchnitte beſchriebenen techniſchen und phyſikaliſchen Apparaten finden wir zunächſt die Erörterung von ſolchen, welche zum Meſſen ſehr kleiner Zeitteile dienen, wie die Inſtrumente zum Beſtimmen der Geſchwindigkeit der Geſchoſſe und andere. Für den Elek⸗ triker von beſonderem Intereſſe iſt die Beſchreibung der Re⸗ giſtrierapparate zur Beſtimmung der elektriſchen Energie mit konſtanter Potentialdifferenz und der elektriſchen Energie mit wechſelnder Potentialdifferenz. Der dritte Abſchnitt des Buches behandelt die ſelbſtregiſtrierenden meteoro⸗ logiſchen Apparate. Der Theorellſche Apparat, der Meteorograph von Ryſſelberghe und andere finden eine ziemlich eingehende Beſprechung. Nur hätte Referent ge⸗ wünſcht, wenn hier, ſowie im ganzen Buche die Prineipien der einzelnen Organe des Apparates durch ſchematiſche Zeichnungen neben den perſpektiviſchen erläutert worden wären; erſtere leiſten dem Lernenden ungleich beſſere Dienſte als die letzteren. Die Darſtellung der einzelnen Partien iſt eine vortreffliche, und der Referent iſt überzeugt, daß das Büchlein allen jenen willkommen ſein wird, welche die Kenntnis der wichtigſten heute angewandten Selbſt⸗ regiſtratoren erlangen wollen. Wien. Dr. J. G. Wallentin. Heinrich Weber, Fünf populäre wiſſenſchaftliche Vorträge über phyſikaliſche Gegenſtände, Braun⸗ ſchweig, Vieweg u. Sohn. 1887. Preis 2,5 / Am beſten gefielen uns in dieſem vortrefflichen Büch⸗ lein, was eigentlich nicht zu den Vorträgen als ſolchen gehört, nämlich die 84 Illuſtrationen. Die meiſten der⸗ ſelben ſind Skizzen, die nur das Weſentliche eines Appa⸗ rates oder einer Erſcheinung darſtellen; ſie machen den Eindruck von Bleiſtiftzeichnungen, wie ſie ein großer Künſt⸗ ler mit genialem Stift aufs Papier wirft. Da ſehen wir alles dargeſtellt, was zum Verſtändnis der Entſtehung und der Wirkungen des galvaniſchen Stromes nötig iſt, alle in Anwendung befindlichen und geweſenen Telegraphen und Telephone, ja ſelbſt die hiſtoriſch denkwürdigen, das Reisſche Telephon, die alten magnetiſchen Induktions⸗ maſchinen, ſowie die Elemente der modernen magnet⸗ und dynamoelektriſchen Maſchinen, durch einfache und leicht⸗ verſtändliche Figuren zu voller Klarheit gebracht. Mehrere ſolcher Maſchinen ſind in völliger Ausführung, einige durch Projektion wirklich beſtehender Exemplare, aufgenommen und bieten wahre Muſterbilder von Deutlichkeit und Ele⸗ ganz. Dann folgen Skizzen über das Weſen und die Einrichtungen der Galvanoplaſtik, über alle Arten der elektriſchen Beleuchtung und alle Sorten von elektriſchen Lampen, und ſchließlich in dem fünften Vortrage, über das Perpetuum mobile, der das Geſetz von der Erhaltung der Energie entwickelt, Skizzen zum Nachweiſe desſelben. Der Text der Vorträge hält ſich auf der Höhe der Illu⸗ ſtrationen, ſowohl in der Klarheit und Vollſtändigkeit der Darſtellung, als auch in der Beſchränkung auf das Weſent⸗ liche und dem ſteten Hinweiſe auf die Anwendung. Nicht ganz einverſtanden ſind wir mit dem Verfaſſer in ſeinen hiſtoriſchen Darſtellungen; unſeres Erachtens muß man entweder alle angeben, die bei einer neuen Errungenſchaft mitgearbeitet haben, wie es z. B. bei den magnetelektriſchen Maſchinen, bei Telegraphie und Telephonie auch geſchehen iſt, oder man muß nur den Haupterfinder nennen, der einen Apparat zu allgemeinem Brauche nutzbar hergeſtellt hat. So wurde für die Waſſerzerſetzung bisher Carlisle genannt; wenn nun H. Weber zuerſt Aſch nennt, weil derſelbe noch früher einmal Waſſer zerſetzt hat, ſo hätte er auch van Marum, dem dasſelbe noch früher mit ſeiner großen Maſchine gelungen iſt, nennen müſſen. Arago preiſt er als den Entdecker des Elektromagnetismus; wenn Humboldt. — Dezember 1887. ſich aktenmäßig nachweiſen läßt, daß derſelbe ein ſchmied⸗ eiſernes Hufeiſen zuerſt durch Stromwindungen magnetiſiert hat, dann iſt nichts dagegen einzuwenden; aber Poggen⸗ dorff ſchrieb mir einſtens, daß der Erfinder dieſer Ein⸗ richtung unbekannt ſei, und daß Arago nur eine Stahl⸗ nadel in einem Glasröhrchen magnetiſiert habe, das von einem Stromdraht umwunden war. Auch eine Warnung vor Flüchtigkeiten der Sprache darf nicht unterbleiben: „die Klingel klingelt“ (S. 41), „der Strom ſtrömt“ S. 23), „die beiden Reſervoire mit dem Schöpfrad und der Dampf⸗ maſchine iſt das galvaniſche Element“ (S. 5) u. dergl. Aus⸗ drücke dürften in einem ſo trefflichen Büchlein nicht vor⸗ kommen. Mainz. Prof. Dr. Reis. Wohlers Grundriß der organiſchen Chemie von Dr. Rudolph Fittig. Elfte umgearbeitete Auf⸗ lage. Leipzig, Duncker und Humblot. 1887. 17 MH Wenige Lehrbücher der Chemie haben ſich ſo lebens⸗ fähig erwieſen wie dieſes. Der Verfaſſer, welcher aus Pietät den klangvollen Namen ſeines großen Lehrers auf dem Titel erhält, obwohl das Werk längſt ganz und gar ſein geiſtiges Eigentum geworden iſt, hat mit ſicherem Takt aus dem maſſenhaft herbeiſtrömenden und kaum zu bewältigenden Material das Wichtigſte und für ein kleineres Lehrbuch Unentbehrliche ausgewählt, dabei aber auch die neueſten Forſchungen berückſichtigt, ſo daß wir in dieſem Grundriß alles finden, was bis auf den letzten Tag Be⸗ deutendes geleiſtet worden iſt. Aus Wöhlers Grundriß iſt im Lauf der Jahre ein ſtattlicher Band von 70 Bogen geworden, aber dieſe Steigerung des Umfanges entſpricht durchaus dem außerordentlichen Anwachſen der organiſchen Chemie in den letzten Jahrzehnten. Daß dabei die Ueber⸗ ſichtlichkeit, die Brauchbarkeit des Buches für den Anfänger nicht gelitten hat, iſt ein beſonderes Verdienſt des erfah⸗ renen Univerſitätslehrers, unter deſſen Leitung ſo zahl⸗ reiche angehende Chemiker ſich gebildet haben. Die einzelnen Abſchnitte des Buches bringen als Einleitung die allge⸗ meinen Bildungs⸗ und Zerſetzungsweiſen der betreffenden Körperklaſſe und ſehr klare Auseinanderſetzungen über die auf ihre Konſtitution bezüglichen theoretiſchen Fragen. Beſonders wertvoll ſind auch die ausführlichen Angaben über die Darſtellungsweiſen der wichtigeren Verbindungen, für welche dem Verfaſſer ſeine langjährige Laboratoriums⸗ praxis als Führerin diente. Friedenau. Dammer. Adolf Vinner, Einführung in das Studium der 9 Berlin. Robert Oppenheim. 1887. Preis 2 . Das kleine Werk iſt im weſentlichen ein Sonder⸗ abdruck des allgemeinen Teils aus des Verfaſſers Repe⸗ titorium der anorganiſchen Chemie. Es enthält in der erſten Hälfte die Entwickelung der chemiſchen Grundbegriffe, in der zweiten Hälfte die allgemeinen Darſtellungsmethoden und die allgemeinen Eigenſchaften der Elemente und der wichtigſten Körperklaſſen, der Säuren, Baſen, Salze de. Der Verfaſſer beabſichtigt hiermit, namentlich älteren, in den Anſchauungen der Berzeliusſchen Theorie aufgewach⸗ ſenen Chemikern und Lehrern an höheren Lehranſtalten eine kurze und leicht faßliche Ueberſicht über die Grund⸗ lehren und Geſetzmäßigkeiten der allgemeinen Chemie an die Hand zu geben. Da das Büchlein dieſe allgemeinen Begriffe der Chemie nur inſofern enthält, als ſie ſich auf anorganiſche Stoffe beziehen, ſo kann es in gewiſſer Be⸗ ziehung als Ergänzung zu dem gleichzeitig in demſelben Verlage erſchienenen Buche von Hjelt angeſehen werden. Berlin. Dr. Guſtav Schultz. Edv. Hjelt, Grundzüge der allgemeinen organiſchen Chemie. Berlin. Robert Oppenheim. 1837. Preis 3,5 . Das ſehr empfehlenswerte, früher bereits in zwei Auf⸗ lagen in ſchwediſcher Sprache erſchienene Werkchen enthält in großen Zügen die allgemeinen Grundlehren der orga⸗ Humboldt. — Dezember 1887. niſchen Chemie. In drei Abſchnitten beſpricht der Ber- faſſer zunächſt die Zuſammenſetzung, ſodann die phyſikaliſchen Eigenſchaften und endlich das chemiſche Verhalten der che— miſchen Verbindungen. Jedem, welcher ſich über das all— gemeine Verhalten der organiſchen Subſtanzen näher orien— tieren will, dürfte das Hjeltſche Buch äußerſt willkommen ſein. Auch als Repetitorium für Studenten iſt es ſehr brauchbar. Berlin. Dr. Guſtav Schultz. Johnſtons Chemie des täglichen Lebens, neu be⸗ arbeitet von Dornblüth. Zweite Auflage. Stutt⸗ gart. Karl Krabbe. 1887. Preis 5 % Das bekannte und in weiten Kreiſen beliebte Buch, welches die Dinge, die für das menſchliche Leben von Wichtigkeit ſind, wie Luft, Waſſer, Erde, Feuer, die Kulturpflanzen, die Nahrungs- und Genußmittel und die wichtigſten Kapitel der Phyſiologie keineswegs ausſchließ⸗ lich von der chemiſchen Seite betrachtet und des Intereſſanten und Belehrenden eine große Fülle darbietet, iſt von Dorn— blüth einer neuen zeitgemäßen Bearbeitung unterworfen worden und in weniger als 6 Jahren hat ſich eine zweite Auflage dieſer Bearbeitung nötig gemacht, welche jetzt vorliegt. Die geſchmackvolle Behandlung und die zweck— entſprechende Ausſtattung mit zahlreichen Abbildungen ſo— wie eine praktiſche Erweiterung um zwei Kapitel machen das Buch noch empfehlenswerter, ſo daß es ſich zu den alten ſicher noch viele neue Freunde erwerben wird. Für eine neue Auflage empfehlen wir dem Herrn Bearbeiter, gegen die Fälſcher von Nahrungsmitteln weniger grauſam zu ſein. Wir wollen dieſe Herrſchaften gewiß nicht in Schutz nehmen, aber daß ſie Cichorie mit dem „Pulver vermorſchter Sarg— bretter“ miſchen und dadurch den Kaffee „beſonders ſchmack— haft“ machen, das glauben wir doch nicht. Rübenſchnitzel ſind billiger als Sargbretter und deshalb, aus irgend welchem anderen Grunde freilich nicht, werden dieſe von den Herren Fälſchern wohl bevorzugt. Friedenau. Dammer. 3. J. Brockmann, Tabellen zur chriſtlichen und jüdiſchen Chronologie nebſt Erklärung und Anleitung zur Anwendung. Zugleich eine voll— ſtändige Technik des jüdiſchen Kalenders. Kon— Heis und Kreuzlingen. 1887. Verlag der Deutſchen eimat. Referent hat vor ein paar Jahren im „Humboldt“ das kleine chronologiſche Lehrbuch des Herrn Brockmann — damals in Kleve, jetzt in Konſtanz — angezeigt und empfohlen und will deshalb jetzt ein Gleiches mit den vor— liegenden Tabellen thun, welche ſich als eine Art von Nachtrag an das erwähnte Kompendium anſchließen. Die— ſelben verfolgen den Zweck, jede praktiſche Frage aus dem Gebiete der Zeitrechnung möglichſt raſch und leicht ihrer Löſung entgegenzuführen Die erſten vier Tabellen ge— ſtatten z. B., was dem Urkundenforſcher und praktiſchen Geſchichtſchreiber ſehr wichtig iſt, die unmittelbare Be— ſtimmung des Wochentages, auf welchen ein gegebenes Datum fällt. Sodann werden die Begriffe der goldenen Zahl und der Epakte definiert, und nachdem tabellariſch dieſe beiden Zahlen, ſowie die zugehörige Oſtergrenze ge— bucht ſind, kann man auch mühelos bis 2200 n. Chr. das Oſterdatum eines jeden Jahres ermitteln. Die Bemerkung des Verfaſſers über die ſonderbaren Normen, von welchen man ſich bei der Anſetzung des Oſterſonntags noch immer leiten läßt, iſt ganz zutreffend; hier ſollte wohl einmal die oft ſehr überflüſſig angerufene Staatshilfe reformierend ein— greifen. — Den räumlich überwiegenden Teil der Schrift nimmt die hebräiſche Chronologie ein, deren Lehrgebäude bekanntlich ein noch mehr gekünſteltes als dasjenige der chriſtlichen iſt, und es muß deshalb die hier gegebene Populariſierung als ſehr verdienſtlich bezeichnet werden. Durch geeignete Tabellen ermöglicht der Verfaſſer die Be- rechnung des Neujahrs⸗Moled, welcher mit der erſten Sichtbarkeit der Mondesſichel (οοννοναν) am Beginne des 483 das Jahr einleitenden Monates (Tiſchri) zuſammenfällt, er lehrt dann dieſen Zeitpunkt auf das Zeitmaß des gregorianiſchen oder julianiſchen Jahres zurückzuführen und teilt eine offenbar mit vielem Fleiße ausgearbeitete Tafel für die jüdiſchen Neujahrs- und Paſſahfeſte mit. Die Erörterungen über die Oſtern der Israeliten, ſowie über deren Epakten und die „Ferien“ ihrer wichtigeren Feſte ſchließen das Schriftchen ab, zu deſſen Verſtändnis es keiner beſonderen mathematiſchen Kenntniſſe bedarf, und das gewiß von Freunden der Chronologie jederzeit mit Vorteil wird zu Rate gezogen werden können. München. Prof. Dr. S. Günther. Ir. Amlauft, Afrika in kartographiſcher Dar- ſtellung von Herodot Bis heute. Eine Haupt: karte und 17 Nebenkarten mit begleitendem Text. Wien. A. Hartlebens Verlag. 1887. Preis 2 . Es muß als ein ſehr glücklicher Gedanke des Verfaſſers bezeichnet werden, uns auf einem Kartenblatt neben der den Stand unſerer Kenntniſſe zu Ende 1886 darſtellenden Hauptkarte durch 17 kleinere Nebenkärtchen die allmähliche Entwickelung der Erkenntnis von Herodot über Ptolemäus, die arabiſchen Geographen und die italieniſchen und ſpaniſchen Kartographen des Mittelalters bis in die neueſte Zeit zu zeigen. Die Karten ſind ſehr hübſch ausgeführt und der Text gibt die nötigen Erläuterungen kurz, aber in genügender Vollſtändigkeit. Schwanheim a. M. Dr. W. Kobelt. C. W. Pith, Die Grundzüge der Kartographie für Natur- und Wanderfreunde. Leicht faßliche, durch Textzeichnungen erläuterte Anleitung zum richtigen Verſtändniſſe und Gebrauch topographi-⸗ ſcher Karten. Herausgegeben vom Touriſtenklub für die Mark Brandenburg. Berlin. S. Schropp. 1887. Preis 1 . An der Hand der hiſtoriſchen Entwickelung wird hier dem Touriſten eine Zuſammenſtellung alles deſſen geboten, was zum Verſtändnis einer Karte nötig iſt; der Lehmannſchen Bergſtrichelung ward vor der der horizontalen Manier unbedingt der Vorzug eingeräumt. Zahlreiche eingedruckte erläuternde Kartenproben machen neben der klaren Dar— ſtellung das Werkchen für jeden verſtändlich, und wir wünſchen ihm möglichſt weite Verbreitung unter den Tou— riſten, die etwas mehr ſein wollen, als bloße Spazierläufer. Schwanheim a. M. Dr. W. Kobelt. A. Weisbach, Cabellen zur Beflimmung der Mi: neralien mittels äußerer Kennzeichen. 3. Aufl. Leipzig. A. Felix. 1887. Preis 2,5 % Das vorliegende Werk iſt, wie man leicht erkennt, aus einem praktiſchen Bedürfnis hervorgegangen. Der Verfaſſer, Profeſſor an der Bergakademie in Freiberg, hat den Studierenden ein Hilfsmittel liefern wollen, welches ſie vor planloſem Suchen im Lehrbuch bewahren ſoll. Und dieſen Zweck erfüllen die Tabellen in ganz vor— trefflicher Weiſe. Sie unterſcheiden zunächſt drei Abtei— lungen: metalliſch glänzende Mineralien, ſolche mit halb— metalliſchem oder gemeinem Glanz, die farbiges Pulver geben, und gemein glänzende von farbloſem Strich. Die beiden erſten Abteilungen zerfallen nach der Farbe des Minerals oder des Strichs, die dritte nach der Härte des Minerals in mehrere Gruppen, innerhalb welcher die Be— ſtimmung dann nicht ſchwer fällt. Nur wenn die Kry— ſtallform nicht deutlich erkennbar iſt, bieten die Mineralien der dritten Abteilung einige Schwierigkeiten, die aber durch die Angabe in der Kolumne „Bemerkungen“ ſicher zu überwinden ſind. Specifiſches Gewicht, Schmelzbarkeit, Verhalten gegen Säuren, event. auch das Verhalten gegen polariſiertes Licht bieten hinreichende Anhaltspunkte. Noch mehr erleichtert wird das Auffinden dadurch, daß die häufigeren Mineralien durch die Schrift hervorgehoben find. Sehr danfenswert find auch die Notizen über die 484 Begleiter der Mineralien. Daß ſchließlich in zweifelhaften Fällen im Handbuch nachzuleſen iſt, bedarf keiner beſon⸗ dern Erwähnung. Wir empfehlen dieſe praktiſchen Ta⸗ bellen allen Freunden der Mineralogie, welchen ſie bei verſtändigem Gebrauch die vortrefflichſten Dienſte leiſten werden. Friedenau. Dammer. G. H. von Schubert, Naturgeſchichte des Pflanzen reiches nach dem Tinnéſchen Syſtem. Vierte vermehrte Auflage, neu bearbeitet von M. Will⸗ komm. Eßlingen. J. F. Schreiber. 1887. Liefe⸗ rung 1—8, Taf. 1— 34. (Im ganzen 13 Liefe⸗ rungen 4 1 MM) Die neue Auflage eines Werkes, welches ſich ſeit einem halben Jahrhundert bewährt hat, bedarf keiner beſonderen Empfehlung, ſondern es genügt ein kurzer Hinweis auf dieſelbe. Auch die Willkommſche Bearbeitung hat ſich längſt beim Publikum eingeführt und beliebt gemacht. Käme das Werk gegenwärtig zum erſtenmal heraus, ſo würde der Verfaſſer wohl eine natürliche Anordnung der künſt⸗ lichen vorgezogen haben, aber zu Schuberts Zeiten war das Linnéſche Sexualſyſtem noch allgemein üblich, und der Herausgeber der ſpäteren Auflagen konnte von der auf den Tafeln getroffenen Anordnung nicht abweichen, ohne die praktiſche Brauchbarkeit des Werkes zu beein⸗ trächtigen. Bei einer fünften Auflage könnte der Namen⸗ gebung der Pflanzen auf den Tafeln etwas mehr Sorgfalt gewidmet werden. So find z. B. auf Tafel 7 die Namen Centunculus und Sherardia miteinander verwechſelt. Für die letztgenannte Pflaſße iſt der Name „buntes Stern⸗ kraut“ ſehr unpaſſend gewählt. Die Härlitze oder Kornel⸗ kirſche wird „gelber Hornſtrauch“ genannt, ein Name, dem man wohl nigends im Volksmunde begegnen wird. Das ſind Kleinigkeiten, deren Beachtung aber den Wert des ſo allgemein beliebten Haus⸗ und Schulbuches nur erhöhen kann. Stuttgart. Prof. Dr. E. Hallier, V. Sydow, Die Flechten Deutſchlands. Anleitung zur Kenntnis und Beſtimmung der deutſchen Flech⸗ ten. Berlin. J. Springer. 1887. Preis 7 / Der Verfaſſer, der ſich bereits durch mehrere, dem ſyſtematiſch⸗floriſtiſchen Studium der Kyptogamen gewidmete Arbeiten vorteilhaft bekannt gemacht hat, bietet in vor⸗ liegendem Buche dem Anfänger ein brauchbares Mittel, ſich in die Kenntnis der deutſchen Flechten einzuführen. Die beigegebenen Abbildungen, auf zinkotypiſchem Wege hergeſtellt, ſind zwar nicht beſonders fein ausgeführt, unter⸗ ſtützen aber doch das Verſtändnis des Textes nicht un⸗ weſentlich. Das zu Grunde gelegte Syſtem iſt im weſent⸗ lichen das Maſſalongo⸗Körberſche. Friedenau. Dr. E Köhne. Friedrich Kruſe, Votaniſches Taſchenbuch, ent⸗ haltend die in Deutſchland, Deutſch⸗Oeſterreich und der Schweiz wildwachſenden und im Freien kultivierten Gefäßpflanzen, nach dem natürlichen Syſtem einheitlich geordnet und auf Grund des⸗ ſelben zum Beſtimmen eingerichtet. Berlin. Herm. Patel. 1887. Preis 4 / Das Buch iſt mit Nutzen zu gebrauchen wegen der vielen Gartenblumen und Zierſträucher, die darin auf⸗ genommen ſind und in den Floren ſonſt nicht berückſichtigt zu werden pflegen. Für Anfänger iſt die Benutzung er⸗ ſchwert durch die nicht ſeltene Verwendung ſchwierig zu erkennender Merkmale, die hie und da unklar gebliebene Ausdrucksweiſe und einige ſachlich nicht zutreffende Angaben. Das vom Verfaſſer ſelbſt aufgeſtellte Syſtem ſoll ein natür⸗ liches ſein, iſt aber infolge der zu großen Wertſchätzung einzelner Merkmale ein künſtliches geworden, in welchem 3. B. die Koniferen als eine Abteilung der Dikotylen, die Slictneen als Verwandte der Liguſtrineen und Apocyneen, die Kraſſulaceen als Sympetalen, die Kampanulaceen und Humboldt. — Dezember 1887. Kucurbitaceen als Abteilung der ſonſt nur Eleutheropetalen umfaſſenden „Chorianten“ erſcheinen u. ſ. w. Die Familien werden bald in weitgehender Weiſe ala Baillon vereinigt, bald in nicht herkömmlicher Weiſe zerlegt; z. B. erſcheinen ſtatt der Kompoſiten drei beſondere Familien. Die Be⸗ arbeitung von Gattungen, wie Rosa, Rubus, Hieracium, berückſichtigt wenig die modernen Arbeiten über dieſe ſchwierigen Gruppen. Dr. E. Köhne. Friedenau. Knuth, Flora der Provinz Schleswig⸗Holſtein, des FJürſtentums Lübeck, ſowie des Gebiet⸗ der freien Städte Hamburg und Lübeck. 1. Ab⸗ teilung. Leipzig. Otto Lenz. 1887. Preis 2,80 % Die vorliegende Flora iſt mit Freuden zu begrüßen, weil ſie zum erſtenmal einen umfaſſenden Ueberblick über den Stand der pflanzengeographiſchen Beobachtungen in genannter Provinz liefert und zwar unter ſorgfältiger Berückſichtigung der einſchlägigen Litteratur und der vor⸗ handenen handſchriftlichen Notizen einzelner Beobachter, ſowie des reichhaltigen Kieler Univerſitätsherbars. Für die Sorg⸗ falt, mit welcher der Verfaſſer zu Werke gegangen iſt, legen die bei ſelteneren Pflanzen zahlreich angegebenen Standorte auf jeder Seite Zeugnis ab. Die Angabe der Fundörter iſt in Aſcherſonſcher Manier (Flora d. Prov. Brandenburg) gehalten. Daß bei manchen, namentlich einigen veralteten Standortsangaben die Kritik nicht ſcharf genug geübt wurde, iſt bei der Neuheit und dem Umfang des Unternehmens um ſo mehr zu entſchuldigen, als die Zahl der Beobachter, ſowie namentlich der Publikationen in Schleswig⸗Holſtein eine weit geringere iſt, als etwa in Brandenburg oder Schleſien. Der ſyſtematiſchen Beſchrei⸗ bung der Pflanzen iſt eine Einführung in die Nomenklatur der Pflanzenteile, ſowie ein kurzer Ueberblick über den Charakter der Flora vorangeſchickt, von denen die erſtere für den Anfänger von großem Nutzen ſein wird, während der letztere zeigt, daß die Provinz eine Reihe von ſeltenen Bürgern beherbergt, die auch für den fremden Botaniker nicht ohne Intereſſe ſind. Nur hätten unter dieſen Selten⸗ heiten einige, wie 3 B. Moenchia erecta, die jahrelang in unſeren Pflanzenverzeichniſſen herumſpuken und doch von niemand gefunden werden, einfach geſtrichen werden ſollen. Einige Unrichtigkeiten, z. B. daß Spiraea Ulmaria, Stellaria holostea, Melandryum album und andere zu den Moorpflanzen gerechnet werden, ſind unſeres Wiſſens inzwiſchen vom Verfaſſer ſelbſt als Irrtümer anerkannt worden, und können leicht in einer zweiten Auflage ver⸗ mieden werden. Die Diagnoſen ſind überſichtlich und aus⸗ führlich. Die Flora dürfte ſehr bald jedem Botaniker Schleswig-Holſteins unentbehrlich werden. Dr. N. Timm. 28. Behrens, Tabellen zum Gebrauch bei mikro- ſkopiſchen Arbeiten. Braunſchweig. Harald Bruhn. 1887. Preis 2,4 . Für den Gebrauch im mikroſkopiſchen Laboratorium hat der als Herausgeber der „Zeitſchrift für wiſſenſchaft⸗ liche Mikroſkopie und für mikroſkopiſche Technik“ rühmlichſt bekannte Verfaſſer eine Reihe von Tabellen zuſammengeſtellt und, wo es nötig erſchien, eptſprechend umgearbeitet, deren der Mikroſkopiker bei ſeinen Arbeiten nur zu oft bedarf. Das Buch enthält aber viel mehr als der Titel erwarten läßt. Denn außer mehr als 30 Tabellen, die man hier allerdings ſuchen würde, findet man äußerſt wertvolle Zu⸗ ſammenſtellungen über das Verhalten der gebräuchlichſten Anilinfarben, Ueberſichten der Erhärtungs-, Fixierungs⸗ und Aufhellungsmittel, der Beobachtungs- und Konſervie⸗ rungsmittel, der Verſchlußlacke, Einbettungs-, Wuftlebe-, Macerations⸗, Entkalkungs⸗ und Entkieſelungsmittel, der Injektionsmaſſe, der makroſkopiſchen Reagentien, der Färbe⸗ mittel und der Imprägnationsmittel. Alle dieſe Zu⸗ ſammenſtellungen enthalten überdies praktiſche Bemerkungen und ſo verdient das Buch die wärmſte Empfehlung als ein faſt unentbehrliches Hilfsmittel für jeden Mikroſkopiker. Friedenau. Dammer. Humboldt. — Dezember 1887. Alexander Götte, Entwickelungsgeſchichte der Au- relia aurita. Mit 26 Holzſchnittten und 9 litho— graphierten Tafeln. Hamburg und Leipzig. L. Voß. 1887. Preis 24 Obwohl die wunderbare Entwickelungsgeſchichte der Ohrenqualle längſt im allgemeinen bekannt iſt, bietet uns der Verfaſſer doch eine Reihe neuer Beobachtungen und Folgerungen, von denen wir die wichtigſten kurz anführen wollen: Zunächſt zeigt der Verfaſſer, daß die Gaſtrulation der urſprünglichen Larve, der Cöloblaſtula, bisher ganz unrichtig beſchrieben iſt, was zum Teil daran liegt, daß unzweifelhaft eine Cöloblaſtula den Ausgangspunkt und eine Cölogaſtrula das Ende des ganzen Prozeſſes bildet, alſo eine Einſtülpung der Keimblaſe die natürlichſte und daher unbedenklich anzunehmende Verbindung beider Zu— ſtände ſchien. Eine ſolche Einſtülpung kommt aber bei der Aurelia nicht vor. Vielmehr fügt ſich zwiſchen jene beiden Zuſtände eine eigentümlich entſtehende Sterrogaſtrula ein. Die erſte weſentliche Veränderung der angeſiedelten Larve beſteht in der Mundbildung, welche eine vollſtändige Neubil— dung des Ektoderms iſt. Die beiden blindſackartigen Fortſätze des entodermalen Urdarms, welche in der Hauptebene neben dem Schlunde bis zur Höhe des Mundes aufſteigen, ſind die zwei erſten Magentaſchen. Die Ergebniſſe ſeiner Unter⸗ ſuchungen über das Seyphoſtoma faßt der Verfaſſer in folgender Diagnoſe zuſammen: Das im allgemeinen becher— förmige junge Scyphoſtoma beſitzt inmitten ſeines Peri— ſtoms eine kraterförmige Proboscis, von deren Mund— öffnung das ektodermale Schlundrohr bis zum entodermalen Centralmagen hinabzieht, in den es durch die Schlund— pforte einmündet; im Umkreiſe der letzteren führen vier Oftien in die vier das Schlundrohr umfaſſenden und durch Septen völlig getrennten primären Magentaſchen, über denen die Tentakel entſpringen, und welche abwärts ſich in die vier offenen, zwiſchen den Magenfalten gelegenen Längsrinnen des Centralmagens fortſetzen. Daraus folgt, daß das junge Seyphoſtoma von Anfang an die Organi— ſation der Anthozoen wiederholt, aber zu keiner Zeit mit einem einfachen Hydropolypen oder einem ſolchen mit vier Magenfalten übereinſtimmt. Vier bleibt die Grundzahl in der Gliederung des Scyphoſtoma bis zu ſeinem Ueber— gange in die Ephyra. Jeder Tentakel erhebt ſich über ſeiner eigenen Magentaſche. Während man bisher ange— nommen hat, daß der Uebergang von dem Scyphoftoma zur Ephyra vermittelſt eines Generationswechſels ſtattfände, behauptet der Verfaſſer, daß ſich an dem wachſenden Scy- phoſtoma zum Teil lange vor der Strobilation eine Anzahl Veränderungen vollziehen, welche nicht nur die Grund— form der jungen Larve weſentlich umbilden, ſondern auch für die allgemeine Auffaſſung des Strobilationsprozeſſes von der größten Bedeutung ſind, ihn ſogar nur als Ab— ſchluß ihrer ſelbſt erſcheinen laſſen. Seine Beobachtungen über die Entwickelungsgeſchichte der monodisken Strobila faßt der Verfaſſer kurz folgendermaßen zuſammen: Die Bildung der erſten und aller folgenden Ephyren erfolgt ſtets auf demſelben Wege einer einfachen Metamorphoſe. Die Seyphephyra iſt nur eine höhere Entwickelungsſtufe des Scyphoſtoma, ſowie dieſes unmittelbar aus einer Anthozoenform hervorgeht. Die Strobilation der mono— disken Larve oder Seyphephyra beſteht in nichts weiter als der Ablöſung der Ephyraſcheibe vom Stiel, was allerdings gewiße weitere Veränderungen zur Folge hat. Dadurch geht die Scyphephyra in die Ephyra über. In dieſer Metamorphoſe erſchöpft ſich die Bedeutung der genannten Strobilation, fobald der Stiel ſchon nach der Ablöſung der erſten Ephyra zu Grunde geht. Aber auch unter Be— rückſichtigung der gewöhnlichen Regeneration des Stiels zu einem neuen Scyphoſtoma kann der ganze Strobilations— prozeß nur als eine Teilung einer in Entwickelung be— griffenen geſtielten Meduſe mit entſprechender Regeneration an der Teilungsſtelle aufgefaßt werden. Die polydiske Strobila entſteht durch Verzögerung in der Ablöſung der Scheibe oder durch Beſchleunigung der Regeneration des Stiels. Der Mangel eines Generationswechſels in 485 der Strobilation wird ſowohl direkt durch Abweſenheit eines daran geknüpften Formwechſels, ſowie indirekt durch die Thatſache erwieſen, daß die Strobilation eine einfache Teilung iſt. In Bezug auf die Einteilung folgert der Verfaſſer aus ſeinen Unterſuchungen eine Zweiteilung der Cölenteraten, welche er Hydrozoen und Seyphozoen nennt, und ſtellt folgendes Schema auf: Hydrozoen Scyphozoen — — — —— —[—mT Siphonophoren Hydromeduſen Ctenophoren / Scyphomeduſen . ae Hydropolypen Scyphopolypen (Anthozoen) Archi⸗Cnidaria (Planula) Mit einer Aufzählung der Ordnungen der Scypho— meduſen ſchließt das intereſſante Werk, welches wir allen, die fic) mit Entwickelungsgeſchichte beſchäftigen, zum ein- gehenden Studium angelegentlichſt empfehlen. Hannover. Prof. W. Heß. T. Glaſer, Catalogus etymologicus Caleopte- rorum et Lepidopterorum. Erklärendes und verdeutſchendes Namenverzeichnis der Käfer und Schmetterlinge für Liebhaber und wiſſenſchaftliche Sammler ſyſtematiſch und alphabetiſch zuſammen⸗ geſtellt. Berlin. Friedländer & Sohn. 1887. Preis 4,8 M Bei der in der heutigen zoologiſchen Litteratur nicht ſelten zu Tag tretenden Erſcheinung, daß neugebildete wiſſen ſchaftliche Bezeichnungen den einfachſten Sprachgeſetzen widerſprechen (man denke nur an die zahlreichen halb griechiſchen, halb lateiniſchen Zwitterbildungen!), iſt ein Buch wie vorliegendes freudig zu begrüßen; denn es iſt nicht nur für den philologiſch nicht gebildeten Entomologen ein empfehlenswertes Nachſchlagbuch zur Orientierung über die Etymologie der Fremdnamen, ſondern trägt vielleicht auch dazu bei, bei Neubildungen ſich nicht allzuſehr mit der Philologie in Konflikt zu ſetzen. Der Verfaſſer geht uns allerdings in manchem zu weit. Er beſchränkt ſich nicht auf Erklärung der Namen, ſondern indem er den theoretiſch gewiß berechtigten, praktiſch aber ebenſo gewiß undurchführbaren Wunſch ausſpricht, „den Charakter eines Naturgegenſtandes möglichſt mit dem Namen ſo auszu— drücken, daß es bei Präciſierung der Charaktermerkmale keiner ausführlich beſchreibenden Umſtände weiter bedürfte,“ kommt er von dieſem Geſichtspunkt aus zu einer Kritik der vorhandenen Namen und macht ſelbſt den Vorſchlag, „ſchlechte Bezeichnungen“ durch beſſere zu erſetzen. Schlechte Bezeichnungen ſind ſolche „mit unbekanntem Wortſinn, mit ungrammatiſcher, fehlerhafter Form und Eigennamen“. Das ſcheint uns denn doch übers Ziel hinausgeſchoſſen. Gleich den erſten Käfernamen, Cicindela, zu beanſtanden, weil Plinius unter Candela den Käfer Lampyris verſtand, Acilius umzutaufen, weil der römiſche Patriziername für einen Waſſerkäfer „unpaſſend“ ijt, den bekannten Wald- frevler Hilobius eliminieren zu wollen, weil die Bedeutung ſeines Namens („im Wald lebend“) „zu vag“ erſcheint, und in ſolcher Weiſe mehr oder weniger willkürliche Aende— rungen vorzuſchlagen, halten wir für unangebracht, denn da die Anſichten, ob ein Name charakteriſiert genug tft oder nicht, wechſeln können, ſo würde der vom Verfaſſer gezeigte Weg nur zu einer ſtattlichen Bereicherung der Synonymik, wo nicht geradezu zur Verwirrung führen. Wir glaubten bei unſerer Beſprechung dieſen Anſichten des Verfaſſers entgegentreten zu müſſen; da dieſelben jedoch im vorliegenden Buch nur als fromme Wünſche in Geſtalt 486 Humboldt. — Dezember 1887. von Vorſchlägen und kritiſchen Zuſätzen auftreten, ohne ſchon zur praktiſchen Durchführung gelangt zu ſein, ſo bleibt der Hauptwert des Buches hievon unberührt, den wir ſchon eingangs angedeutet haben. Das Buch wird ſich beſonders dem Anfänger ſehr nützlich erweiſen, indem dieſer mit ſeiner Hilfe ſich zugleich mit dem Fremdnamen deſſen Ur⸗ ſprung und Bedeutung merkt, wird aber auch von jedem Entomologen häufig zu Rat gezogen werden. Auch die ſtets beigegebene deutſche Bezeichnung der Gattungen und Arten wird manche Freunde finden, obwohl wir einer deutſchen Nomenklatur nicht die gleich hohe Bedeutung zuſchreiben können, wie dies der Verfaſſer that. Wer halbwegs wiſſenſchaftlich und länger ſammelt, muß ſich auch mit den wiſſenſchaftlichen Namen vertraut machen und er wird diefe dann gerade ſo geläufig im Verkehr gebrauchen, wie die oft recht gezwungenen und holperigen deutſchen Namen. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Karl Weinhold, Die Verbreitung und die Her⸗ kunft der Deutſchen in Schleſten. In For⸗ ſchungen zur deutſchen Landes⸗ und Volkskunde. II, 3. Stuttgart. Engelhorn. Preis 3 / Schleſien, einſt ein rein ſlaviſches Land und zwiſchen Polen und Böhmen ſtreitig, iſt inſofern ein Unikum unter allen der ſlaviſchen Invaſion abgerungenen Ländern, als es nicht mit Waffengewalt und durch gewaltſame Be⸗ ſiedelung gewonnen worden iſt, ſondern durch friedliche Einwanderung von Ackerbauern und das Uebergewicht der deutſchen Kultur. Es iſt aber auch eines der wichtigſten Grenzländer, und nicht mit Unrecht nennt es der Ver⸗ faſſer „die deutſche Hand, die ſich um den vorgeſtreckten tſchechiſchen Nacken legt“. Zum Beginn unſerer Zeit⸗ rechnung rein deutſches Land, das Stammland der Vandalen, ſehen wir das Oderland im 5. Jahrhundert ganz in den Händen der Lechen und Tſchechen. Aus dem faſt völligen Fehlen deutſcher Benennungen für Flüſſe, Bäche, Berge und Wälder ſchließt der Autor, daß die Aus⸗ wanderung der Germanen eine nahezu vollſtändige geweſen ſei; die Annahme, daß im Gebirge eine deutſche Be⸗ völkerung ſich erhalten habe, nennt er „eine dilettantiſche Behauptung“. Jedenfalls war Schleſien ein rein ſlaviſches Land, als es um 1163 von Boleslaw IV. den Söhnen ſeines vertriebenen Bruders als Erbabfindung gegeben wurde, aber dieſe, Söhne deutſcher Fürſtentöchter, lehnten ſich entſchieden an Deutſchland an, auch ihre Nachkommen holten ſich ihre Frauen vielfach aus Deutſchland, und da⸗ mit begann deutſche Kultur ihren Einfluß zu halten. Schon früher hatte ein polniſcher Graf walloniſche Auguſtiner aus Arrovaiſe in Artois nach Schleſien gerufen und mit ihnen waren flandriſche Koloniſten gekommen. Die deutſche Einwanderung begann 1175 mit der Stiftung des Ciſter⸗ cienſerkloſters Leubus durch Boleslaw J. und deſſen Bez ſetzung durch thüringiſche Mönche aus Himmelspfort. Die dortige Umgebung war durch Flamänder und Sachſen kultiviert worden, und Bauern derſelben Abſtammung wurden durch die Mönche zuerſt auch nach Schleſien ge⸗ rufen. Der Verfaſſer weiſt aus zahlreichen, heute noch gebräuchlichen Worten nach, daß dieſe niederdeutſche Ein⸗ wanderung, welche ſich auch ins Zipſer Gebiet und nach Siebenbürgen erſtreckte, eine bedeutende war und an vielen Punkten feſten Fuß faßte. Ueber ſie hinweg zog ſich allerdings bald eine mitteldeutſche, die Schleſien in ein mitteldeutſches Land umwandelte. Sie betraf nicht nur Schleſien ſondern auch Nordböhmen, Mähren, die Ober⸗ lauſitz, Meißen und das Pleißnerland und erfolgte haupt⸗ ſächlich aus Thüringen und Franken. Das ſchleſiſche Haus ſtimmt ganz mit dem fränkiſchen überein, die Scheune iſt von dem Wohnhaus, das auch die Stallung enthält, ge⸗ trennt und das Haus hat ſeinen Eingang an der dem Hofe zugekehrten Langſeite. — Um 1260 begannen die Machinationen des polniſchen Klerus gegen die deutſchen Einwanderer, deren Geiſtliche ihnen die beſten Pfründen wegnahmen, und von da ab wird die Germaniſierung langſamer. Aber die einmal Eingedrungenen hatten Wurzel gefaßt und entwickelten ſich kräftig weiter. Schon zu Ende des 13. Jahrhunderts finden wir Schleſien an der Entwickelung der deutſchen Litteratur teilnehmend; das Deutſche wurde immer mehr Amts- und Geſchäfts⸗ ſprache, und vergebens verſuchten die Böhmenkönige, dem Tſchechiſchen dauernd das Uebergewicht zu verſchaffen. Leider fließen für das 16. und 17. Jahrhundert die Quellen nur ſehr ſpärlich; nur aus der fortſchreitenden Beſchränkung des polniſchen Adelsgerichtes, der Zuda, deutſch Zaude, können wir den langſamen Fortſchritt des Deutſchtums konſtatieren. Erſt mit der Beſitzergreifung durch Preußen tritt wieder ein anderes Tempo ein, aber der Mangel geeigneter Lehrer und der nötigen Mittel, für Schulen ließ alle Befehle Friedrichs II. und des Mini⸗ ſters Schlabrendorf nur in ſehr beſchränktem Grade zur Wirkung gelangen. Beſſer iſt es erſt ſeit 1816, wo eine eigene Regierung für Oberſchleſien in Oppeln errichtet wurde, geworden. Mit der Hebung des Schulweſens ijt auch das Deutſchtum vorgedrungen, und wenn auch die ſlaviſche Bevölkerung mit ca. 1 250 000 Seelen noch etwa zwei Siebentel der Geſamtbevölkerung ausmacht, ſo iſt doch von ihr eine Gefahr für den deutſchen Charakter Schleſiens in keiner Weiſe zu befürchten. — Ungünſtiger liegen die Verhältniſſe in Oeſterreichiſch-Schleſien, wo die Tſchechen alle möglichen Anſtrengungen machen, das Deutſchtum zu ver⸗ drängen. Doch wohnen hier 210000 Deutſche in ge⸗ ſchloſſener Maſſe zuſammen und auch die übrigen 50000 bilden meiſt größere Sprachinſeln, ſo daß zu hoffen ſteht, daß auch hier die Deutſchen ohne erhebliche Schädigung die „Aera Taaffe“ überſtehen werden. Schwanhein a. M. Dr. W. Kobelt. Karl Brämer, Nationalität und Sprache im Königreich Belgien. Forſchungen zur deutſchen Landes⸗ und Volkskunde. II, 2. Stuttgart. Engelhorn. 1887. Preis 4 . Eine gründliche, durchweg auf aktenmäßigem Material beruhende Zuſammenſtellung aller auf die Nationalitäten in Belgien bezüglichen Angaben, von beſonderem Intereſſe in der gegenwärtigen Zeit, wo der Gegenſatz zwiſchen Vlämen und Wallonen immer ſchärfer hervortritt. Die Sprachgrenze iſt auf einer beigegebenen Karte dargeſtellt; ſie folgt keiner natürlichen Grenze, ſondern ſchneidet, mit einer kleinen Enclave auf das nördliche Ufer des Lys über⸗ greifend, ſowohl das Becken der Schelde, wie das der Maas in faſt genau weſtöſtlicher Richtung bis zur Maas, um dann in geringer Entfernung von der Grenze noch eine Strecke weit ſüdöſtlich zu ſtreichen. Die Zunahme der Wallonen iſt eine langſamere, als man gewöhnlich an⸗ nimmt, beſonders in der neueren Zeit; in 34 Jahren haben ſie fünf Gemeinden gewonnen, dagegen drei ver⸗ loren; dagegen iſt der Anteil der Vlämen (d. h. der fran⸗ zöſiſch Redenden) von 59,5 % auf 57,4% herabgegangen. Schwanheim a. M. Dr. W. Kobelt. Auguſt Claffen, Aeber den Einfluß Kants auf die Theorie der Hinneswahrnehmung und die Sicherheit ihrer Ergebniſſe. Leipzig. Gunow. 1886. Preis 4 KH An der Hand der neueren Ermittelungen Albrecht Krauſes über die wahren Meinungen Kants, alſo namenk⸗ lich auch auf Grund ſeiner neuerlich aufgetauchten Schriften ſucht Verfaſſer zu erweiſen: 1) daß Kants ſo hochgeſchätzte „Kritik der reinen Vernunft“ auf die Philoſophie und Erfahrungswiſſenſchaft bisher keinen weſentlichen oder höchſtens nachteiligen Einfluß geübt hat, und 2) daß das daher rührt, weil ihn alle ſeine Nachfolger bisher gänzlich mißverſtanden haben, im beſonderen diejenigen, welche ſeine Kritik auf die Sinnesempfindungen anwendeten, wie Jo⸗ hannes Müller, Fechner, Helmholtz, Weber u. a. Der Fundamentalirrtum beſtehe darin, daß Kant ſein „Ding an ſich“ als reines Gedankending angeſehen habe, während ſeine Ausleger gerade in ihm das einzig Reale und Abſo⸗ lute ſuchten. Das mag im allgemeinen richtig ſein, aber vielleicht iſt der Riß doch nicht ſo klaffend, wie der Ver⸗ Humboldt. — Dezember 1887. faffer meint; denn wenn auch unter dem „Ding an ſich“ unleugbar eine bloße Abſtraktion zu verſtehen iſt, ſo handelt es ſich doch immerhin um eine Abſtraktion des Wirklichen aus dem Scheine. „Wenn man,“ ſagt Verfaſſer S. 57, „allgemein eingeſehen hätte, daß wahre Naturwiſſenſchaft nicht beſtehen kann, ohne Vorausſetzung eines Erkenntnis— vermögens a priori, wenn man begriffen hätte, daß die Erſcheinung im metaphyſiſchen Sinne der wahre und wirk— liche Gegenſtand aller Erkenntnis ſein muß, und das Ding an ſich nicht der tiefere Weltgrund hinter der Erſcheinung, ſondern nur ein Gedanke von uns iſt, dann würde die Naturwiſſenſchaft nie zum Atheismus und Materialismus geführt haben.“ Dieſe Worte enthalten das Bekenntnis der Tendenz dieſes Buches, welche darauf hinausgeht, zu zeigen, daß alle unſere Erkenntniſſe auf Erſcheinungen beruhen, die erſt durch tranjcendentale Anlagen in unſerem Geiſte möglich werden (S. 269). Allein hiegegen läßt ſich geltend machen, daß die Forſchung dasjenige, was fie bisher geleiſtet hat, erſt durch Ausbildung dieſer Anlagen und vielfach ſogar gegen ihre unmittelbare Auffaſſung erkämpft hat, denn „die gegebenen tranſeendentalen Formen des Bewußtſeins“ (S. 169) führen uns doch auf den meiſten Gebieten des Naturerkennens zunächſt zu ſchweren Irrtümern, die wir erſt durch ſorgſame Kritik wieder ausmerzen konnten. Mißtrauen gegen unſer „tranſcendentales“ Erkenntnisver— mögen iſt alſo unentbehrlich, aber als der ſchwerſte Irr— tum, den die Nachfolger Kants begangen haben, erſcheint uns nicht der, den A. Krauſe und Claſſen entdeckt haben, ſondern ein anderer, den der Verfaſſer ganz überſehen hat, nämlich der, daß die Forſcher insgemein glauben, Kant habe bewieſen, die Dinge ſeien nicht ſo beſchaffen, wie ſie der Menſch auffaſſe. Kant hat eben nur bewieſen, und mehr konnte er nicht beweiſen, daß eine Identität der Ge— dankendinge mit den wirklichen Dingen nicht beweisbar iſt, und da ihre Nichtidentität mindeſtens ebenſo unbeweis— bar iſt, ſo thun die Naturforſcher ſicherlich am beſten, dieſe Doktorfrage gänzlich beiſeite zu laſſen und ſich ausſchließ— lich mit den Dingen, wie ſie ihnen erſcheinen, zu be— ſchäftigen. Berlin. Dr. Grnft Krauſe. Eugen Kröner, Das Körperliche Gefühl. Ein Bei⸗ trag zur Entwickelungsgeſchichte des Geiſtes. Bres— lau. Eduard Trewendt. 1887. Preis 6 MH Nachdem alle biologiſchen Disciplinen fic) der von Darwin angeregten genetiſchen Betrachtungsweiſe zuge— wendet haben, konnte natürlich auch die Pſychologie nicht 487 zurückbleiben, hat aber neben einigen ſchüchternen Ver ſuchen der Herbart-Lotzeſchen Schule bisher als wirkliche Thaten nur die Werke von W. Preyer, G. Romanes und T. Vignoli aufzuweiſen. Der Verfaſſer hat ſich dieſer ver- heißungsvollen Bewegung angeſchloſſen und in dieſem Buche zunächſt einige kritiſche Terrainſondierungen vor- genommen. Er beſchäftigt ſich darin hauptſächlich mit dem ſogenannten Gemeingefühl und dem ſinnlichen Gefühl und ſucht eine genauere Trennung vorzunehmen, als ſie bisher durchgeführt war. Er macht dabei eine Anzahl guter Bemerkungen, wenn man auch über den Wert dieſer Trennung recht zweifelhaft ſein kann. Denn ſchließlich iſt doch das Gemeingefühl nicht ein von dem ſinnlichen Ge fühl ſpezifiſch verſchiedenes, ſondern nur ein auf die Binnen— zuſtände des Körpers gerichtetes ſinnliches Gefühl. Auch ſonſt vermiſſen wir vielfach eine ſcharfe Formulierung der Probleme und Sätze. So wird den Infuſorien (S. 38—39) im ausdrücklichen Gegenſatze zu den Pflanzen Bewußt— fein (ö) zugeſchrieben und zwar weil die Geſchlechts—⸗ zellen der Infuſorien eine eigene Bewegung haben, während dies doch bei niederen Waſſerpflanzen genau ebenſo der Fall iſt, und wahrſcheinlich die Bewegungen der Geſchlechts— zellen bei den Tieren ebenſo wie bei den Pflanzen (nach Pfeffers Unterſuchungen) durch chemiſche Reize ihre Rich— tung erhalten. Daß bei höheren Pflanzen die nur ſchein— bar freiwilligen Bewegungen der Geſchlechtszellen aufhören, rührt doch nur davon her, weil ſolche Bewegungen nur im Feuchten möglich ſind. Beſonders unvorſichtig zeigt ſich Verfaſſer bei der Formulierung allgemeiner Sätze, wenn er z. B. S. 47 den Ausdruck „Geiſt“ auf die niederſten Tiere anwendet, oder S. 157 ſagt: „Der ungeübte Nerv bedarf eines viel geringeren Anſtoßes, damit ſich ein ge⸗ fühlerzeugender Prozeß abwickele.“ Gerade das Gegenteil iſt richtig. Oder wenn er S. 189 ganz allgemein hinſtellt: „Mäßig ſtarke Nervenerregung erzeugt Luſt, ſtarke Un⸗ luſt.“ Das iſt entſchieden falſch ausgedrückt, denn eine ſchwache, aber unharmoniſche Muſik kann dem Hörer die höchſte Unluſt, ohrbetäubendes Trompetengeſchmetter einem Wagner⸗Enthuſiaſten die höchſte Luſt erzeugen. Der Ver⸗ faſſer hat etwa ſagen wollen: Nervenüberreizung hat Un⸗ luſt im Gefolge. Solche Beiſpiele unzureichender Aus— drucksform ließen ſich leider in großer Anzahl nachweiſen, und wenn die Tendenz des Buches durchaus anzuerkennen iſt, ſo darf doch nicht unerwähnt bleiben, daß der Durch— arbeitung der Gedanken und der Feile des Ausdruckes noch viel zu thun übrig gelaſſen iſt. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Ein neuer Himmelsglobus. Die Lehrmittel, welche man heute zur Erläuterung der ſcheinbaren Be— wegungen des Sternenhimmels anwendet, leiden an mancherlei Uebelſtänden. Planigloben geben ein der Wirk— lichkeit ſo entrücktes Bild, daß wohl nur derjenige aus ihnen Nutzen ziehen kann, der die ſcheinbare Bewegung der Sterne bereits durch direkte Naturanſchauung kennen gelernt hat. Die gebräuchlichen Globen aber haben die weſentliche Schattenſeite, daß ſie den Zuſchauer außer— halb der Sphäre ſtellen, während er doch in Wirklichkeit innerhalb der Sphäre ſteht, und daß ſie durch ihre Un— durchſichtigkeit das Sichhineindenken in das Innere ſehr erſchweren. Hierzu tritt noch die Menge von unentbehr- lichen Ringen, welche das Auge derart feſſeln und den Geiſt hierdurch derart von der Hauptſache ablenken, daß in der Malerei bekanntlich der Himmelsglobus oder gar die Armillarſphäre als ſtereotypes Sinnbild unerfaßlich tiefer Wiſſenſchaft gilt. Im hiemit zu beſchreibenden Appa⸗ rate ſind dieſe Uebelſtände nach Möglichkeit umgangen, und mehrjährige Anwendung desſelben in der Schule hat zu günſtigen Reſultaten geführt. Als Sphäre dient eine Glaskugel von etwa 10 em Durchmeſſer, an der die Pole durch kleine Glashöcker mar- kiert ſind, dergeſtalt, daß man die Kugel mit Daumen und Mittelfinger der rechten Hand an dieſen Höckern faſſen und mit der linken Hand um die hierdurch gegebene Achſe leicht drehen kann. Auf der Oberfläche der Kugel ſind die wichtigſten Sternbilder (genau geſagt: Sterne) durch aufgeklebte Rauſchgoldpartikel markiert (man könnte ſie natürlich auch mit Glasmalerfarben markieren und im Ofen einbrennen), während der Horizont dadurch zur Dar⸗ ſtellung gelangt, daß die Kugel, bevor ſie definitiv zu⸗ geſchmolzen wurde, genau zur Hälfte mit rotgefärbtem Alkohol gefüllt wurde. Die Flüſſigkeitsoberfläche ſtellt dann die Erdoberfläche dar, in deren Centrum (das man mit dem leiblichen Auge ſieht) der Zuſchauer ſich ſelbſt denkt, während der Rand des Flüſſigkeitsſpiegels an der Glaswand den Horizont am Himmelsgewölbe liefert. Durch zwölf aufgeklebte Stanniolpartikel in den Tierkreisbildern läßt ſich der Stand der Sonne an zwölf äquidiſtanten Tagen des Jahres andeuten. Will man nun die ſcheinbare Be⸗ wegung des Himmelsgewölbes am Nordpol darſtellen, fo hält man die Himmelsachſe vertikal; die Sterne drehen ſich ſämtlich in horizontalen Kreiſen, und die Sonne 488 Humboldt. — Dezember 1887. iſt ober oder unter dem Horizonte, d. h. ſichtbar oder un⸗ ſichtbar, je nachdem ſie in der nördlichen oder ſüdlichen Hälfte des Zodiakus ſich befindet. Soll hingegen die Himmelsbewegung am Aequator dargeſtellt werden, jo hält man die Achſe horizontal, und ſämtliche Sterne bewegen ſich in vertikalen Kreiſen und erſcheinen zwölf Stunden über, zwölf Stunden unter dem Horizonte. Wer je mathe⸗ matiſche Geographie zu unterrichten gehabt hat, wird leicht einſehen, wie ſpielend bei einiger Sicherheit im Abſchätzen von Winkeln ſich an dieſem einfachen Apparate all das darſtellen läßt, was man am Himmelsglobus zu verſinnlichen beſtrebt iſt. Für ein größeres Auditorium empfiehlt es ſich, als Glaskugel einen Glaskolben aus dem chemiſchen Labora⸗ torium von etwa 3—4 dm Durchmeſſer zu verwenden, deſſen Hals ſehr ſicher verſtopft wird und gleichzeitig als Handhabe dient. Wer ein Freund von Stativen, Hilfs⸗ ringen und Kreisteilungen auch an Schulapparaten iſt (ich bin es nicht), findet immerhin Gelegenheit genug, ſelbſt dieſen einfachen Apparat mit einem undurchdringlichen Dickicht von ſpiegelblankem Blendwerk zu umſpinnen. Am leichteſten zu rechtfertigen wäre noch eine metallene Himmels⸗ achſe, die durch die Kugel gezogen iſt, und welche an⸗ einanderliegend eine fixe, in 24 Stunden geteilte und eine bewegliche, in die zwölf Tierzeichen (reſp. in 365 Tage) geteilte Scheibe trägt, weil es hierdurch möglich wird, durch entſprechende Einſtellung der Scheiben die Stellung des Himmelsgewölbes für jede beliebige Stunde des Jahres ſofort zu finden. Eine einfache, in mancher Hinſicht vorteilhafte Ab⸗ änderung des Apparates beſteht darin, daß man in die Kugel keinen Alkohol füllt, aber durch dieſelbe eine dünne, metallene Weltachſe zieht, in deren Mitte, alſo im Centrum der Himmelsſphäre, eine kleine Erdkugel angeſteckt iſt. Nicht ohne Vorteil iſt es, wenn man in die Kugel eine Scheibe einführt, welche auf dem Flüſſigkeitsſpiegel ſchwimmt, und auf welcher die Umgebungskarte der Schul⸗ anſtalt gemalt erſcheint. Sie kann etwa aus ſtarkem Pa⸗ pier beſtehen, das durch Korkſtückchen ſchwimmend und durch eine aufgeklebte Magnetnadel orientiert erhalten wird (die Orientierung kann ſehr einfach auch mittels einer in die Weltachſe gelegten Nadel erreicht werden, welche in eine paſſende Führung in der Mitte der Schere eingreift). Preßburg. K. Fuchs. Klären von Schellacklöſungen. Der moe gepulverte ack wird vor dem Löſen in Alkohol ein oder zweimal mit Petroleumäther abgewaſchen, und, liefert er trotzdem kein klares Produkt, jo wird die Löſung mit / Volumen Petroleumäther während einer Stunde von Zeit zu Zeit geſchüttelt, dann durch einen Scheidetrichter von dem ae troleumäther getrennt und etwas erwärmt. Entwickelung von Chlor, ſchwefliger Säure 7119 Sauerſtoff mit Hilfe des Kippſchen Apparates. Die Vorzüge des Kippſchen Apparates zur Darſtellung von Gaſen, deren Entbindung keine Wärmezufuhr erfordert, ſind bekannt; zur Gewinnung von Waſſerſtoff, Schwefel⸗ waſſerſtoff und Kohlenſäure iſt derſelbe wohl allgemein gebräuchlich. Neuerdings hat Clemens Winkler ein Ver⸗ fahren angegeben, nach welchem auch Chlor mit Hilfe des Kippſchen Apparates erzeugt werden kann. Chlorkalk wird mit einem Viertel ſeines Gewichtes an gebranntem Gips gemengt, die angefeuchtete Maſſe zu Würfeln geformt und getrocknet. Mit dieſen Würfeln wird der Kippſche Apparat beſchickt; als Entwickelungsflüſſigkeit dient Salz⸗ ſäure (ſpec. Gew. 1,12), welche mit dem gleichen Volumen Waſſer verdünnt iſt. In ähnlicher Weiſe wird nach G. Neumann ſchweflige Säure dargeſtellt, indem man ein zu Würfeln geformtes Gemenge von drei Teilen Caleium⸗ ſulfit und einem Teil Gips mit konzentrierter Schwefelſäure behandelt. Die Anwendung von konzentrierter Schwefel⸗ ſäure hat den Vorzug, daß ſich niemals Gips auf dem Boden des Kippſchen Apparates anſammelt; die Würfel bleiben faſt unverändert in der mittleren Kugel des Ent⸗ wicklers. Zur Darſtellung von Sauerſtoff dient nach Neumann ein Gemenge von zwei Teilen Baryumſuperoxyd, einem Teil Braunſtein und einem Teil Gips, welches mit ver⸗ dünnter Salzſäure (Salzſäure vom ſpec. Gew. 1,12 mit dem gleichen Volumen Waſſer gemiſcht) zerſetzt wird. Da ſich neben Sauerſtoff noch geringe Mengen Chlor ent⸗ wickeln, ſo iſt es nötig, das entbundene Gas mit Alkali zu waſchen, was ja auch bei der bekannten Darſtellungs⸗ methode mittels Kaliumchlorat geſchehen muß. Die für die Darſtellung von Chlor, ſchwefliger Säure und Sauer⸗ ſtoff präparierten Würfel ſind von E. H. Trommsdorff in Erfurt zu beziehen. (Ber. d. Deutſchen Chem. Geſ. XX, 184, 1584; ſ. auch Humboldt 1887. S. 327.) Al. Reinigung des Schwefelwaſſerſtoffs von Arſen⸗ waſſerſtoſf. Für die Nachweiſung kleiner Mengen von Arjen, beſonders bei gerichtlichen Unterſuchungen, iſt die Anwen⸗ dung eines vollkommen arſenwaſſerſtofffreien Schwefel⸗ waſſerſtoffgaſes unbedingtes Erfordernis. Schwefeleiſen liefert ſtets arſenhaltiges Gas; entweder muß daher das Schwefeleiſen in ſolchen Fällen durch ein anderes Sulfid erſetzt werden, oder es iſt nötig, eine nachträgliche Reinigung des Schwefelwaſſerſtoffgaſes vorzunehmen. Zu dieſem Zwecke läßt v. d. Pforten das Gas über auf 350° er⸗ hitztes Schwefelkalium leiten. Bedeutend einfacher iſt eine Methode, welche von O. Jakobſen in den Berichten der Deutſchen Chemiſchen Geſellſchaft (XX, 1949) angegeben iſt. Dieſelbe gründet ſich auf die Thatſache, daß Arſenwaſſer⸗ ſtoff und Jod ſich ſchon bei gewöhnlicher Temperatur zu Arſenjodür und Jodwaſſerſtoff umſetzen, während Schwefel⸗ waſſerſtoff auf feſtes oder in ſtarker Jodwaſſerſtoffſäure gelöſtes Jod überhaupt nicht einwirkt. Das auf die ge⸗ wöhnliche Weiſe bereitete Schwefelwaſſerſtoffgas leitet man über gröblich zerriebenes, ſchichtweiſe zwiſchen Glaswolle verteiltes Jod (2—3 g) und wäſcht dann mit Waſſer. Um in forenſiſchen Fällen auch den nachträglichen Beweis dafür zu ermöglichen, daß das angewandte Schwefelwaſſerſtoffgas völlig arſenfrei war, ſchaltet man ein zweites, ebenfalls Jod enthaltendes Rohr ein, welches nach der Sem zugeſchmolzen und aufbewahrt wird. Am Schmetterlinge zu ködern, empfiehlt 1 in Bern folgende Vorrichtung. „Man nehme einen alten Schirm, öffne ihn, verbinde die Enden der Rippen durch Bindfaden, um ſie in der Lage zu erhalten und ſchneide dann den Stoff gänzlich hinweg. An dem Ende jeder Rippe befeſtige man einen kleinen Ring und hänge daran vermittelſt eines Stückchens Draht, das in Hakenform ge⸗ krümmt iſt, ein kurzes Stück Bindfaden, an deſſen anderem Ende man ein Stück Schwamm von etwa Fauſtgröße be⸗ feſtigt. Den Schwamm taucht man vorher in ein beliebiges Ködermittel. Man ſchneidet den Griff des Schirmes ab, um ihn an einen anderen Stock von zwei bis drei Fuß Länge befeſtigen zu können, der an dem einen Ende mit einer Vorrichtung zur Aufnahme des Schirmes und an dem anderen mit einer eiſernen Spitze verſehen iſt, ſo daß man ihn feſt in den Boden bohren kann. Ich habe fünf oder ſechs ſolche Skelettſchirme. Wenn ſie geſchloſſen find, laſſen ſie ſich in einer leichten Trommel von etwa drei Fuß Länge und einigen Zoll Breite verpacken, die an einem ledernen Riemen über der Schulter getragen werden kann. Das Ganze wiegt weniger als ſechs Pfund. Der Köder wird in einer zinnernen Büchſe mitgeführt.“ Ms NBerichtigungen. S. 314 Spalte 2 lies: Harvard ſtatt Harriahvard. S. 369 Spalte 1 Zeile 1 v. u. lies: mit proportionaler ſtatt mit gleicher. S. 393 Spalte 1 „Dichtigkeit der Erde“ lies: Wilfing ſtatt Wilfing. S. 436 Spalte 1 ſind in der Abbildung die Zahlen 1 und 2 zu vertauſchen. S. 445 Spalte 1 Zeile 24 v. u. lies: Geßmann ſtatt Heßmann. See bo Qo ae E en Nakurwilſenſchalten i Tum Conatslchritt kür die gelamt top Herausgegeben vor Or. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Tie in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. Januar 1887. Beſtellungen durch und Poſtanſtalten. alle Buchhandlungen 6. Jahrgang. * Inhalt. + G. J. Th. Eimer: Die fortſchreitende Specialiſierung der Naturwiſſenſchaften und die Bedeutung der letzteren für die allgemeine Erziehung : Nottok: Kurze Ueberſicht über die Entwickelung und den Stand der Meeresforſchungen . G. Haberlandt: Die Brennhaare der Pflanzen. (Mit r al ae a a Dae c's T. Steiner: Ueber das Großhirn der Knochenfiſche . Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Th. Peterſen: Chemie. — C. F. W. Peters: Aſtronomie . Kleine Mitteilungen. Der tote Raum bei chemiſchen Reaktionen. — Palladiumchlorür als Reagens auf Kohlenoxyd⸗ haltiges Gas. — Reaktionen auf Zucker. — Die Syntheſe der Alkaloide. — Marmorkork. — Ein neuer Süßwaſſerpolyp. (Mit Abbildung.) — Neuere Beobachtungen über den breiten Bandwurm. — Die Verbreitung der Kreuzotter in Deutſchland. — Weiße Froſchlurche im Freien. — Halb domeſti⸗ zierte Schweine in Neuguinea. — Heilung von Infektionskrankheiten. — Arſenikeſſer. — An den Orchideen. — Die pelagiſche Fauna der nord⸗ deutſchen Seen. — Wie alt werden die Ameiſen? — Verhalten des Selens zum Licht. — Plestiodon Aldrovandi Dum. & Bilr, Früchte freſſend. — Elektricität, Wärme und Magnetismus Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmun⸗ gen, Verſammlungen ꝛc. Zoologiſche Stationen. — Eine neue Sternwarte in La Plata. — Eine Deutſche Anatomiſche Ge- ſellſchaft.— Die vierte Generalverſammlung der * e e. Seite deutſchen botaniſchen Geſellſchaft vom 17.—23. Sep⸗ tember 1886 in Berlin 75 Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Erdbeben und vulkaniſche Ausbrüche. — Ein Me⸗ teor. — Meteorfund. — Ein anderer Meteorfund. — Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Oktober 1886. — Bemerkenswerte Witterungs⸗ erſcheinungen im September und Oktober 1886. (Mit Abbildung.) — Naturkalender für den Monat Januar. — Aſtronomiſcher Kalender. erſcheinungen im Januar 1887 Litterariſche Rundſchau. van Bebber, Handbuch der ausübenden Witte⸗ rungskunde. II. Teil. — Bidermann, Die Na⸗ tionalitäten in Tirol und die wechſelnden Schickſale ihrer Verbreitung. — Janſen, Poleographie der cimbriſchen Halbinſel. — Kirchner und Bloch— mann, Die mikroſtopiſche Pflanzen- und Tier⸗ welt des Süßwaſſers. II. Teil. — Die VBibliothet Himmels⸗ der geſamten Naturwiſſenſchaften . Bibliographie. Bericht vom Monat Oktober 1886. 36 Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Apparat zur Prüfung des Flüſſigteitsgrades von Flüſſigkeiten.— Behandlung der Elektriſiermaſchine. — Ein neuer Kulturapparat. (Mit Abbildung.) — Waſſerkulturen. (Mit Abbildung) Verkehr. Fragen und Anregungen Beilage. Die 59. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte zu Berlin . = ce Program m. 2 ine naturwiſſenſchaftliche Zeitſchrift, welche Anſpruch auf Beachtung in weiteren Kreiſen er⸗ heben will, hat eine doppelte Aufgabe zu erfüllen. Sie hat ein getreues und innerhalb gewiſſer Grenzen vollſtändiges Bild der Naturforſchung unſrer Tage zu geben, ſo daß der Leſer getroſt darauf rechnen kann, es werde ihm im Lauf des Jahres nichts Wichtiges entgehen. Dabei aber hat die Zeitſchrift einmal auf die Bedürfniſſe des großen gebildeten Publikums Rückſicht zu nehmen, welches niemals mit der nackten Mitteilung eines Reſultats zufrieden ſein kann, ſondern ſtets über die Bedeutung desſelben, über den Zuſammenhang mit andern ſchon be⸗ kannten Thatſachen, über die Beziehungen des Einzelnen zum Allgemeinen orientiert ſein will; ferner aber ſoll die Zeitſchrift dem Forſcher, der ſeine ganze Thätigkeit einem engbegrenzten Gebiet zuwendet, und der doch die Orientierung über die wichtigſten Fortſchritte in andern Disciplinen niemals entbehren kann, ausreichende und zuverläſſige Referate über alle Arbeiten von allgemeinem Intereſſe bringen und ihm die zeitraubende Durchſicht fremder Fachjournale erſparen. Dieſe Aufgabe, deren großer Schwierigkeit wir uns klar bewußt ſind, hoffen wir unter Mitwirkung eines großen Kreiſes auserleſener Mitarbeiter in folgender Weiſe zu erfüllen. Unter gleichmäßiger Berückſichtigung aller Disciplinen werden wir in jedem Heft einige größere Artikel bringen, welche wichtigere Gegenſtände eingehend behandeln und, ſo weit er⸗ forderlich, auch reich und gut illuſtriert werden ſollen. Entdeckungen, über welche in wenigen Zeilen berichtet werden kann, werden wir unter den kleineren Mitteilungen beſprechen, und halbjährlich ſollen zuſammenfaſſende Artikel erſcheinen, welche über die geſamten Fortſchritte der einzelnen Disciplinen in überſichtlicher Weiſe berichten. Bei der Auswahl des Aufzunehmenden wollen wir unſere Aufmerkſamkeit zwar in erſter Linie den Arbeiten widmen, welche wichtige Fortſchritte in der Naturwiſſenſchaft bezeichnen, hervorragende Berückſichtigung ſollen aber auch diejenigen Forſchungen finden, deren Reſultate für Geſundheitspflege, Heilkunde, Induſtrie und Landwirtſchaft, ſowie für das Haus von Be⸗ deutung ſind. Wir werden alſo auch über Fortſchritte in der Praxis berichten, aber wir wollen nie auf das rein Techniſche übergreifen, wir wollen das Prinzip neuer techniſcher Apparate und Maſchinen, neuer Fabrikationsprozeſſe vom naturwiſſenſchaftlichen Standpunkt erörtern, niemals aber werden wir auf die Konſtruktion der Maſchinen, auf die techniſche Ausführung der Prozeſſe eingehen. Indem wir uns eine ſolche Beſchränkung gegenüber der Praxis auferlegen, glauben wir um ſo ſicherer in der Lage zu ſein, ihr durch gründliche Erörterungen ihrer naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Baſis nachhaltig zu dienen. Ueber Naturereigniſſe werden wir möglichſt vollſtändig referieren und fo weit es erforderlich erſcheint und möglich iſt, erklärende Notizen geben. Folgen dann ſpäter gründliche wiſſenſchaft⸗ liche Unterſuchungen z. B. über einzelne Stürme, Erdbeben, Himmelserſcheinungen 2c., jo werden wir eingehend über dieſe berichten. Zu dieſer Abteilung gehören auch die meteorologiſchen Monatsberichte und der aſtronomiſche Kalender. Beſondere Aufmerkſamkeit werden wir den naturwiſſenſchaftlichen Vereinen und Kongreſſen widmen, wir werden über deren Verhandlungen berichten und ſind gern bereit, aus den Vereinen an uns gerichtete Wünſche nach Kräften zu fördern und zu erfüllen. Wir werden auch über wiſſenſchaftliche Expeditionen und Unternehmungen, über Verein⸗ barungen zu gemeinſchaftlicher Forſchung, wie ſie z. B. die Aſtronomen getroffen haben, über neue Lehranſtalten, Verſuchsſtationen und andere wiſſenſchaftliche Inſtitute, über Reiſe⸗ und Tauſchvereine rc. berichten. Eine andere Abteilung der Zeitſchrift ſoll im Lauf des Jahres einige Biographien zeit⸗ genöſſiſcher Naturforſcher aus berufener Feder mit guten Porträts bringen, auch ſollen hier die Veränderungen an den Lehranſtalten und die Todesfälle regiſtriert werden. Die neue Litteratur ſoll wie bisher ſorgſame Pflege finden, neben den Beſprechungen wichtiger neuer Bücher wird die Bibliographie ein Verzeichnis aller einſchlagenden neuen Er⸗ ſcheinungen bringen. Aus Büchern, welche wichtige neue Forſchungen enthalten, werden wir in geeigneter Weiſe Auszüge bringen. Fortsetzung f. 3. S. des Umſchlags) Den Freunden der Naturwiſſenſchaft, welche ſich mit meteorologiſchen oder phänologiſchen Beobachtungen, mit chemiſchen oder phyſikaliſchen Experimenten, mit der Pflege von Pflanzen und Tieren, mit dem Mikroſkop oder mit dem photographiſchen Apparat beſchäftigen, ferner auch den Sammlern widmen wir eine Abteilung in jeder Nummer und werden uns bemühen, ihnen möglichſt reiches und intereſſantes Material zuzuführen. Wir ſind auch gern bereit, Rat zu erteilen und den Verkehr zu vermitteln und werden allen, die ſich an uns wenden wollen, nach beſten Kräften zu dienen ſuchen. Endlich gedenken wir Berichte aus zoologiſchen und botaniſchen Gärten, gut verbürgte Beobachtungen aus dem Leben der Tiere, Notizen aus Feld und Wald und Garten, von der Jagd rc. ſowie hiſtoriſche Miscellen aus dem ganzen Gebiet zu geben. Durch einen „Briefkaſten“, dem wir unter Inanſpruchnahme von Fachmännern ſorgfältige Pflege angedeihen laſſen werden, hoffen wir den Frageſtellern und dem ganzen Leſerkreis zu dienen, indem wir Fragen von allgemeinem Intereſſe an dieſer Stelle ausführlich beantworten, oder, wo das nicht ſogleich möglich iſt, die Fragen ſelbſt abdrucken, um die Leſer zur Beant— wortung anzuregen. Wir hoffen, daß dieſe in England ſehr lebhaft gepflegte, bei uns aber bisher wenig gebräuchliche Einrichtung ſich mit der Zeit gedeihlich entwickeln und dem Leſerkreiſe manches bringen werde, was ſonſt ſchwer zur allgemeinen Kenntnis gelangt. Zur Erfüllung unſerer umfangreichen Aufgabe ſteht uns der große Kreis bewährter Mitarbeiter, welche bisher unſerer Zeitſchrift ihre Unterſtützung geliehen haben, zur Verfügung und wir hoffen, noch manche tüchtige Kraft dieſem Kreiſe zuführen zu können. Das vorliegende Januarheft kann ſelbſtverſtändlich eine vollſtändige Durchführung aller Punkte des Programms noch nicht aufweiſen. Mit manchen Aufzeichnungen können wir erſt am 1. Januar beginnen und die Redaktion des Januarheftes mußte am 24. Oktober geſchloſſen werden. Auch war in der uns zur Verfügung ſtehenden kurzen Vorbereitungszeit, die weſentlich in die Reiſeſaiſon fiel, nicht alles nach Wunſch zu beſchaffen. Wir bitten deshalb um nachſichtige Beurteilung des Januarheftes, glauben aber, daß unſere Beſtrebungen aus dem Gebotenen ſich deutlich erkennen laſſen und hoffen, im Laufe des Jahres dem Vertrauen unſrer Leſer völlig entſprechen zu können. erlin-Friedenau, 24. Oktober 1886. ae Dr. Dammer. Die Verlagshandlung erlaubt ſich anzuzeigen, daß für den fünften Jahrgang des „Humboldt“ Geſchmackvolle Einbanddecken in dunkelgrüner Leinwand mit Gold⸗ und Schwarzpreſſung von jetzt ab geliefert werden können. Die Decke iſt zum Preiſe von M. 1. 80. durch jede Buchhandlung zu beziehen. Auch zu den vier erſten Jahrgängen ſind noch Decken vorrätig und können ſolche zum gleichen Preiſe nachbezogen werden. . Hhiligarf, Mitte November 1886. Die Verlagshandlung von Jerdinand Enke. Verlag von Hermann Coſtenoble in Jena. Anthropologiſch⸗ e Sludien Geſchlechtsverhü iltniff ¢ des Menſchen. Von Paul Mantegazza, 2 Profeſſor der Ae ener an der Univerſität zu Florenz und Senator des Königreichs. Aus dem Italieniſchen. Einzige autoriſ. deutſche Ausgabe. gr. 8. broch. 7 Mk., eleg. geb. 8 Mk. 50 Pf. Durch alle Buchhandlungen iſt zu beziehen: Die Kraft und Materie im Raume. Grundzüge einer neuen Schöpfungstheorie von A. Turner. Dritte Auflage. Preis M. 6. — Verlag von Theod. Thomas in Leipjig. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch der Mrstallbereehuang. Mit zahlreichen Beispielen, die mit Hilfe der sphärischen Trigonometrie auf 90050 einer stereographischen Projection berechnet wurden. Von Ferdinand Henrich, Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. M. 8. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Die physikalischen Axiome und ihre Beziehung zum Causalprincip. Ein Capitel aus einer Philosophie der Natur- Wissenschaften. Von Prof. Dr. W. Wundt. 8. 1866. geh. M. 2. 40. „Verlag von Ferdinand Enke in Htuttgart. = Bie Pflege des eſunden und kranken 4 Rindes. es von Dr. Adolf Baginsky. Dritte umgearbeitete Auflage von „Wohl und Teid des Kindes.“ Mit 15 Holzſchnitten. 8. geh. Preis M. 3. = elegant gebd. M. 4. — Jede ſorgende Mutter, welche es mit der Pflege der zarten Kleinen eruſt nimmt, wird ihr Handeln am liebſten, ſowie am ſicherſten auf das Urtheil und den Rath des erfahrenen und netuifjent aren Arztes ſtützen. Ein ſolcher ſpricht zu ihr aus den vorliegenden Büchern, deren eines die Grundlage des ſpäteren Gedeihens, die leibliche Pflege des Kindesalters überhaupt, das andere die Leitung des heranwachſenden Mädchens, der ſich ent⸗ wickelnden Jungfrau und 3 die — — der in die Bas tretenden jungen oe — An eben des Meibes. Diäletiſche Vrleſe von Dr. Adolf Baginsky. Dritte Auflage. 8. geh. Preis M. 3. —, eleg. gebd. M. 4. — Verlag von FERDINAND EMK in STUTTGART. Aopsis Plautarum daphonearum. Systematische Uebersicht der Heil-, Nutz- und Giftpflanzen aller Länder. Von Dr. D. A. Rosenthal. gr. 8. geh. M. 18. 80. Desinfection und desinfcirende Mit te zur Bekämpfung gesundheitsschadlicher Einflüsse wie Erkaltung der Nahrungsstoffe, in gemeinnützigem Interesse besprochen für Behörden, Apotheker und Laien. 5 Von Prof. Dr. E. Reichardt. Zweite stark vermehrte Auflage. Mit 3 lithogr. Tafeln. er. 8. geh. M. 3. — Beiträge wolle man gefl. der ee, Herrn Dr. Offo Dammer in Bertin eichenan, q einſenden. 5 Mit Beilagen von Serdinand Enke, Verlagshandlung in Stuttgart, Juſtus Perthes, Ver⸗ lagshandlung in Gotha, Wilhelm Spemann, Verlagshandlung in Stuttgart und Otto Mele ; ee eee in Stuttgart. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Ame Preis des Hejtes 1 Februar 1887. W 6. Jahrgang. und Poſtanſtalten. Inhalt. 3 O. Anopf: Ueber die Temperatur der Mondoberfläche. rr F. Anguſt: Die Sonnenkompaßuhr. (Mit Abbildungen) A. Pench: Die Höhen der Berge. (Mit Abbildung) E. Loew: Neueſte Arbeiten auf dem Gebiete der Blüten⸗ biologie . Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. F. Kinkelin: Geologie. — W. Kobelt, Ethno⸗ graphie. Kleine Mitteilungen. Die Geſchwindigkeit der Elektricität. — Der be⸗ ſänftigende Einfluß von Oel auf die Waſſerwellen. — Sauerſtoffgehalt der Luft. — Wiesbadener Koch⸗ brunnen. — Tanganyika. — Urſprung und Bil⸗ dungsweiſe der Meteorite. — Ein Saurierreſt aus 190 m Teufe. — Ein leuchtender Bacillus. — Spulwurm. — Anſiedelung der Auſter in der Oſt— jee. — Zander im Rheingebiet. — Homoeosau- rus, ein Rhynchocephale Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmun⸗ gen, Verſammlungen ꝛc. Die bedeutendſten chemiſchen Geſellſchaften. — Thätigkeit des Aſtrophyſikaliſchen Obſervatoriums in Potsdam im Jahre 1885. — Erforſchung des Seite Bodenſees. — Erſte allgemeine Konferenz der inter⸗ nationalen Erdmeſſun g. 71-75 Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Erdbeben und vulkaniſche Ausbrüche. — Witterungs- überſicht für Centraleuropa. November und De- zember 1885. — Naturkalender für den Monat Februar 1887. — Aſtronomiſcher Kalender. — Himmelserſcheinungen im Februar 1887 Biographien und Perſonalnotizen. Auguſt Wilhelm Hofmann (Mit Abbildung). Litterariſche Rundſchau. G. Schultz, Die Chemie des Steinkohlenteers. — Ferd. Henrich, Lehrbuch der Kryſtallberech⸗ nung. — Weltkunde, bearbeitet von A. Jacob. — Hibſch, Geologie für Land- und Forſtwirte. — G. Hickethier, Bilder aus der Geſteinslehre . Bibliographie. Bericht vom Monat November und Dezember 1886 Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Die Präparation der fleiſchigen Hutpilze fürs Her⸗ barium. — Zwei neue Futtertiere zur Aufzucht und Pflege zarter Reptilien und Amphibien . Verkehr. Fragen und Anregungen 2 it «aye bi cos = Verlag_von FERDINA NDC ENE Se E GEO PHYSIK PHYSIKALISCHEN GEOGRAPHIE. Von Professor Dr. Siegmund Giinther. Zwei Bande. Mit 195 in den Text gedruckten Abbildungen. Preis: I. Band M. 10. —, II. Band M. 15. — Inhalts - Uebersicht. Gross-Oktay. Geheftet. I. Band: Geschichtlich-literarische Einführung. — Die kosmische Stellung der Erde. I. Die Kant-Laplace’sche Hypothese. II. Die physische Konstitution der Körper des Sonnensystemes. III. Die der Erde ähnlichen Planeten und der Mond. — Allgemeine mathematische und physikalische Verhältnisse des Erdkérpers. I. Die Erde als Kugel und Rotationsspharoid. II. Die Attrak- tionsphänomene und deren Anwendung zur Bestimmung der Gestalt und Dichte der Erde. III. Das Geoid. IV. Die Bewegung der Erde im Raume. V. Die Graphik im Dienste der physischen Erdkunde. — Geophysik im engeren Sinne; dynamische Geologie. I. Die Wärme- verhältnisse des Erdinneren. II. Der innere Zustand der Erde. III. Die vulkanischen Erschemungen. IV. Erdbeben. II. Ban d: Magnetische und elektrische Hrdkrafte. I. Magne- tismus und Elektrieität in den oberflächlichen Erd- schichten, II. Der Erdmagnetismus und die drei ihn bestimmenden Elemente. III. Theorie des Erdmagnetis- mus, IV. Polarlichter. — Atmospharologie. I. Die all- gemeinen Eigenschaften der Atmosphäre; ihre Gestalt und ihre Ausdehnung. II. Die Beobachtungs- und Be- rechnungsmethoden der Meteorologie. III. Meteoro- logische Optik. IV. Atmosphärische Elektricität; Gewitter. V. Kosmische Meteorologie. VI. Dynamische Meteoro- logie. VII. Allgemeine Klimatologie. VIII. Spezielle Klima- tologie der Erdoberfläche. IX. Säkuläre Schwankungen des Klimas. X. Angewandte Meteorologie. — Oceano- graphie und oceanische Physik. I. Die allgemeinen Eigenschaften des Meerwassers und dessen Vertheilung auf der Erdoberflache. II. Physiographie der Meeres- becken. III. Temperatur, Salzgehalt und chemische Zusammensetzung der Meere. IV. Die Wellenbewegung des Meeres; Ebbe und Fluth. V. Die Strömungen im Meere. VI. Das Eis des Meeres. — Dynamische Wechsel- beziehungen zwischen Meer und Land. I. Dauernde Verschiebungen der Grenzlinien zwischen festem und flüssigem Elemente. II. Die Kiistenbildung. III. Charak- teristik und Klassifikation der Inseln. — Das Festland mit seiner Stisswasserbedeckung. I. Geogonie und Geognosie. II. Orographischer Bau und Bodenplastik des Festlandes. III. Schnee und Eis der Hochgebirge: glaciale Physik und glaciale Geologie, IV. Stehende und fliessende Gewässer. V. Allgemeine Morphologie der Erdoberflache. — Biologie und physische Erdkunde in Wechselwirkung. Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGAR Dendrologie. Baume, Straucher und Halbstraucher welche in Mittel- und Nord-Europa im Freien kultivirt werden. Kritisch beleuchtet von KARL KOCH, med. et phil. Dr., Professor der Botanik an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. 75 Erster Theil. Die Polypetalen enthalte n d. gr. 8. 1869. geh. Preis: Mark 12. — f Zweiter Theil, erste Abtheilung. Die Mono- und Apetalen, mit Ausnahme der Cupuliferen, enthaltend. gr. 8. 1872. geh. Preis: M. 12.— g ; Zweiter Theil, zweite Abtheilung. Die Cupuliferen, Coniferen und Monocotylen enthaltend. gr. 8. 1873. geh. Preis: M. 9. 20. Preis des completen Werkes: Mark 33. 20. Die Verlagshandlung gestattet sich, auf dieses bahnbrechende, von der Kritik glänzend aufgenommene Werk auf's Neue aufmerksam zu machen. Bezug in einzelnen Theilen offen. a Zur Erleichterung der Anschaffung hält die Verlagshandlung den Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. Mit 1887 beginnt ihren zweiten Jahrgang die Naturwissenschaftliche Rundschau. Wochentliche Berichte tiber die Fortschritte auf dem Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. Unter Mitwirkung der Professoren Dr. J. Bernstein, Dr. A. v. Koenen, Dr. Victor Meyer, Dr. B. Schwalbe und anderer Gelehrten herausgegeben von Dr. W. Sklarek in Berlin W., Magdeburgerstrasse Nr. 25. Wöchentlich eine Nummer. Preis pro Quartal 2 ¼ 50 . Probenummern gratis und franco. Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt (Post-Zeitungs-Catalog Nr. 3831) entgegen. Verlag von Arthur Felix in Leipzig. Das Mikroskop lie Wissenschafflichen Methoden der mikroskopischen Untersuchung in ihrer verschiedenen Auwendung von Dr. Julius Vogel, weil, Professor in Halle. Vierte Auflage. Vollständig neu bearbeitet von Dr. Otto Zacharias unter Mitwirkung von Prof. Dr. E. Hallier in Jena u. Prof. Dr. E. Kalkowsky ebendaselbst. In gr. 8. 288 Seiten. 1885. geb. Preis 7 M. 50 Pf. eu beziehen durch jede Buchhandlung. @a Das ,,Berliner Aquarium“ hat in Triest eine Lieferungsstation fiir konservierte und lebende Seetiere eingerichtet. Ein Verzeichniss der erhält- lichen Tiere wird auf Verlangen verabfolgt. Die Conservierung erfolgt eventuell dem Wunsche des Bestellers entsprechend. Von C. W. Rosset's letzter Reise nach Ceylon und den Malediven sind noch zoologische Gegen- stände durch Herrn Gustav Schneider in Basel zu verkaufen. Rosset hat Mitte Dezember 1886 eine neue Reise nach Ceylon, den Malediven, Cha- gos-Inseln, Seychellen, Madagaskar und Sokotra zum Zwecke zoologischen Sammelns unternommen. E. 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Band: Von Professor August Heller. Zwei Bande. I. Band: Von Avristoteles bis Galilei. 1882. Geh. Preis M. 9. — Von Descartes bis Robert Mayer. Gr. 8. 1884. Geh. Preis M. 18. — Im Verlage von Carl Gerold’s Sohn in Wien ist erschienen und in allen Buchhandlungen Vorräthig: Handbuch der \ehthyolocie von Albrecht C. L. G. Günther, Vorstand der zoologischen Abtheilung des British Museum. Vom Verfasser genehmigte deutsche Ausgabe aus dem Englischen Übersetzt von Dr. G. v. Hayek, Kk. k. Regierungsrath. — Mit 363 Holzschnitten. 33 Bogen. gr. 8°. geh. Preis: 14 Mark. Lwdbd. 15 Mark. Das Werk erfüllt alle Anforderungen, die man an ein um- fassendes Handbuch der Fischkunde stellen kann; es gibt gründliche Auskunft über Anatomie, Wachsthum, Varia- bilität, paläontologische Entwicklung und geographische Verbreitung der Fische. Ein derartiges Werk hat bisher in der deutschen Literatur gefehlt und durch seine Ueber- setzung ist ein fühlbarer Mangel behoben. In Ferd. 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Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. a j 2 . = SAN 2 TITY (onatslchritt für die gelamten Nalurwilſenschalten : Herausgegeben von Dr. Otto Dammer. a Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. : ff Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. März 1887. 6. Jahrgang. a + Inhalt. + Seite Seite J. G. Wallentin: Ueber die heute in der Elektrici⸗ Meteorologie. — Berezina, Die Meteoriten⸗ tätslehre üblichen Einheiten nebſt einigen Bemer⸗ ſammlung des k. k. mineralogiſchen Hofkabinetts kungen über die Beſtimmung derſelben. I. 89 in Wien. — Richard Schurig, Himmelsatlas. E. Loew: Neueſte Arbeiten auf dem Gebiete der Blü⸗ — Hermann J. Klein, Sternatlas. — tenbiologie. (Schluß) 3 92 A. Favaro, Carteggio inedito di Ticone W. Kobelt: Tropenhy gien. 97 Brahe, Giovanni Keplero e di altri celebri F. Höfler: Neue Goldfelber 2. . 2 2... 99 astronomi e matematici dei secoli XVI. e N. Keller: Entſtehung der Arten durch Hybridation 101 XVII. con Giovanni Antonio Magini. — M. Brann: Weitere Unterſuchungen über den Salomon, Wörterbuch der botaniſchen Kunſt⸗ breiten Bandw um 102 ſprache — Salomon, Wörterbuch der bota⸗ Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. niſchen Gattungsnamen. — Philipp Stöhr, 8 Lali Lehrbuch der Hiſtologie und der mikroſkopiſchen W'ö Kobelt, Geographie und Koloniſation. — Anatomie des Menſchen. — A. Götte, Ab⸗ W. Marſhall, Zoologie. 104—110 handlungen zur Entwickelungsgeſchichte der Tiere. Kleine Mitteilungen. — W. Heß, Die Feinde der Biene im Tier⸗ Sternphotographie. — Veränderliche Sterne. — und Pflanzenreiche. — W. Kobelt, Prodro- Neu entdeckte Planeten. — Novemberſchwarm der mus faunae Molluscorum Testaceorum. — Sternſchnuppen. — Neues Fernrohr. — Die Willibald, Die Neſter und Eier der in Deutſch⸗ Auguſt⸗ und Septemberteifune in Japan. — Vier land und den angrenzenden Ländern brütenden um Deutſchland und Frankreich herumtanzende Vögel. — G. K. Lutz, Das Süßwaſſer⸗Aquarium Luftwirbel. — Kryſtalliſierter Sandſtein. — Tier⸗ und das Leben im Süßwaſſer. — Fr. Ratzel, fährten aus der Steinkohlenformation. — Mam⸗ Völkerkunde. — W. Siemens, Das natur⸗ muttälber — Saprophytiſche Laubmooſe. — Ober⸗ wiſſenſchaftliche Zeitalter. — Reden von Emil irdiſche Kartoffelknollen. (Mit Abbildung.) — Du Bois⸗Reymond. — A. Baſtian, In Sachen Symbioſe von Rädertieren und Lebermooſen. — des Spiritismus. — Arnold Schafft, „Ueber Eine ſechsſtrahlige Holothurie. — Zwei para⸗ das Vorherſagen von Naturerſcheinungen“. — ſitiſche Schnecken. — Ein neuer Bücherfeind. — Ludwig Lange, Diegeſchichtliche Entwickelung Fu Biologie der nordatlantiſchen Finwalarten.— des Bewegungsbegriffes und ihr vorausſichtliches inen neuen Fall von Schutzfärbung. — Knö⸗ Endergebnis. — Friedrich Roth, Der Ein⸗ cherne Harpunen und Elchknochen aus einem fluß der Reibung auf die Ablenkung der Be⸗ Moore bei Calbe a. d. Mulde. — Ueber Boten- wegungen längs der Erdoberfläche. — M. J. fidde bei Südſlavben . 111—115 Pernet, Comparaison des métres dans Raturwiffenipeftise Gridcimungen e Erdbeben. — Ueber den vulfanijdjen Ausbruch Notizen über neue litterariſche Erſcheinungen auf der Inſel Nina Föon. — Das Erdbeben Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft von Charleſton. (Mit Abbildung.) — Witte⸗ Metallſäge der Firma Wilh e Comp rungsüberſicht für Centraleuropa. Januar1887.— in Fulda. — Aufbewahrun 8 afi gefärbter Pflan 5 Naturkalender für den Monat März 1887. — in Altohol. — Die Jucht fremdländiſcher Sire Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen . fiſche. — 6h amaeleonen, Mäuse freſſend. — im März 18877. 116—119 Aufweichen großer Schmetterlinge. — Glycerin⸗ Biographien und Perſonal notizen 120 FFC ie a Klas a oi Tae Woe OER Litterariſche Rundſchau. Verkehr. Müller⸗Pouillet, Lehrbuch der Phyſik und | Fragen und Anregungen . . . 127—128 N 2 \\ N Sy ¢ auf M. 30. herab. nicht ‘ein. Stuttgart, im Februar 1887. — —— Botanische Seh Preis-Herabsetzung. Um den zahlreichen Abonnenten des „Humboldt“, welche erst mit Band VI in das Abonnement eingetreten sind — namentlich also auch denjenigen, welche früher auf den nunmehr mit unserem Blatt vereinigtem „Kosmos“ abonniert waren — Gelegenheit zu billigem Erwerb auch der früheren Bände des Humboldt zu geben, | | | | | | | | setzt die unterzeichnete Verlagshandlung den | Preis fiir Band I—V des Humboldt von M. 60. | | | | | Diese Preisherabsetzung ist vorläufig auf die nächsten 6 Monate gültig. — Bei Bezug einzelner Bände tritt eine Preisermässigung Jede Buchhandlung nimmt Bestellungen entgegen. Ferdinand Enke. LEER ö g nl im Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Ebermayer, Prof. Dr. E., Die Beschaffenheit der Waldluft und die Bedeutung der atmosphärischen Kohlensäure für die Waldvegetation. Zugleich eine übersichtliche Darstellung des gegenwärtigen Stan- des der Kohlensäurefrage. Aus dem chemisch-boden- kundlichen Laboratorium der kel. bayer. forstlichen Versuchsanstalt. gr. 8. geh. 2 M. Falkenberg, Prof. Dr. P., Vergleichende Untersu- chungen über den Bau der Vegetationsorgane der Monocotyledonen. Mit 3 Tafeln. 8. geh. 4 M. 80. Goeppert, Prof. Dr. H. R., Ueber das Gefrieren, Er- frieren der Pflanzen und Schutzmittel dagegen. Altes und Neues. Mit 14 Holzschnitten. Lex. 8. geh. 2 M. Goeze, Dr. E., Tabellarische Uebersicht der wich- tigsten Nutzpflanzen nach ihrer Anwendung und geographisch wie systematisch geordnet. 8. geh. 3 M. Koch, Prof. Dr. K., Dendrologie. Bäume, Sträucher und Halbsträucher, welche in Mittel- und Nord- Europa im Freien cultivirt werden. Kritisch be- leuchtet. Zwei Bande. gr. 8. geh. 33 M. 20. — —, Vorlesungen über Dendrologie. Gehalten zu Berlin im Winterhalbjahr 1874—75. In drei Theilen. I. Theil. Geschichte der Gärten. II. Theil. Bau und Leben des Baumes, sowie sein Verhältniss zu Menschen und Klima. III. Theil. Die Nadel- hölzer oder Koniferen. 8. geh. 8 M. 80. Koch, Prof. Dr. K., Die deutschen Obstgehölze. Vor- lesungen gehalten zu Berlin im Winterhalbjahr 1875—76. In zwei Theilen. I. Theil. Geschichte und Naturgeschichte der deutschen Obstgehélze. II. Theil. Auswahl der zum allgemeinen Anbau empfohlenen Obst- sorten. 8. geh. 12 M. Regel, Staatsrath Dr. H., Kultur der Pflanzen unserer höheren Gebirge, sowie des hohen Nordens. Mit 1 Tafel Abbildungen. gr. 8. geh. 1 M. 20. — —, Kartoffelkultur, Kartoffelkrankheit und ver- gleichende Versuche über den Werth von 440 verschiedenen Kartoffelsorten für den Anbau. gr. 8. geh. 80 Pf. — —, die Himbeere und Erdbeere, deren zum Anbau geeignetsten Sorten, deren Kultur und Treiberei mit besonderer Berücksichtigung der Kultur in rauhen Klimaten. Mit 2 colorirten Tafeln. gr. 8. geh. 1 M. 20. Rosenthal, Prof. Dr. D. A., Synopsis Plantarum dia- phoricarum. Systematische Uebersicht der Heil-, Nutz- und Giftpflanzen aller Länder. gr. 8. geh. 5 18 M. 80. Wiesner, Prof. Dr. J., Die technisch verwendeten Gummiarten, Harze und Balsame. Ein Beitrag zur wissenschaftlichen Begründung der technischen Waarenkunde. Mit 22 Holzschnitten und einer Tabelle. gr. 8. geh. 3 M. 60. =} Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. == mor RU CH e Y SI K und PHYSIKALISCHEN GEOGRAPHIE. Von Professor Dr. Siegmund Günther. Zwei Bande. Gross-Oktav. Geheftet. Mit 195 in den Text gedruckten Abbildungen. Preis: I. Band M. 10. —, II. Band M. 15. — Inhalts- Vebersicht. I. Band: Geschichtlich-literarische Einführung. — Die kosmische Stellung der Erde. I. Die Kant-Laplace'sche Hypothese. II. Die physische Konstitution der Körper des Sonnensystemes. III. Die der Erde ähnlichen Planeten und der Mond. — Allgemeine mathematische und physikalische Verhältnisse des Erdkörpers. I. Die Erde als Kugel und Rotationssphäroid. II. Die Attrak- tionsphänomene und deren Anwendung zur Bestimmung der Gestalt und Dichte der Erde. III. Das Geoid. IV. Die Bewegung der Erde im Raume. V. 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Die Klimate der Erde von Dr. A. Worikof, Prof. der phyſ. Geographie an der Univerſität St. Petersburg. Präſident der meteorolog. Commiſſion der K. Ruff. geogr. Geſellſchaft zc. 2 Theile. gr. 8°. Mit 10 Karten, 13 Diagrammen u. vielen Tabellen, eleg. broch. 22 Mk., in Halbfranz geb. 26 Atk. Durch ſeine früheren Arbeiten, welche ſich haupt⸗ ſächlich mit Klimatologie beſchäftigten, wie auch durch ſeine ausgedehnten Reiſen im ruſſiſchen Reiche, Süd⸗ und Oſtaſien und Amerika, war der Verfaſſer mehr als jeder Andere im Stande ein ſolches Buch zu ſchreiben. Nicht nur der Fachmann wird hier vieles Neue und Intereſſante finden, ſondern auch jeder Gebildete. Das Werk iff eine hervorragende wilfen- Ichaftliche Erle inung. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben ist erschienen: Ueber das Riechcentrum. Hine vergleichend-anatomische Studie Prof. Dr. E. Zuckerkandl in Graz. Mit 7 lithographirten Tafeln und 25 Holzschnitten. gr. 8. M. 5.— Vorwort. 1. Geschichtliches über die Balkenwindung. 2. Kurze Beschreibung der Ammonshorngegend nebst einigen einleitenden Bemerkungen. 3. Ueber den Riechlappen der Thiere und des Menschen. 4. Anatomie des ausseren Randbogens und seiner Derivate. 5. Der innere Randbogen. 6. Beschreibung der Balkenwindung. 7. Das hintere Ende der Fascia dentata und seine Beziehung zum Ammonshorne. 8. Ueber die Bedeutung der bisher beschriebenen Rindentheile und über das Gehirn des Delphins. 9. Anhang über die vordere Commissur, das Corpus striatum und den Mandelkern. 10. Erklärung der Abbildungen. Ich gedenke zum Frühjahr Nordwest-Canada und die columbischen Rocky mountains botanisch und 200 logisch dur ehfors chen zu lassen und bitte mein Unternehmen durch Subscriptionen und Aufträge unterstützen zu wollen. Sammler in jeder Richtung leistungsfähig. Rittergut & Baumschulen Zöschen b. Merseburg. >t Dr. G. Dieck. . Im Verlage von Georg Reimer in Berlin ist soeben erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen: oerster, W., (Direktor d. Kgl. Sternwarte), Sammlung von Vorträgen und Abhandlungen. (Zweite Folge.) Mk. 6. —, geb. Mk. 7. Ernst Berge in Leipzig (Königstr. 5) ver- kauft Stammquerschnitte westindischer Höl- zer, welche Baron Eggers (St. Thomas, jetzt San Domingo) gesammelt hat. Vom „Herbarium der Antillen“ ist die erste Centurie erschienen (Preis 20 Mk.) Vom „Herbarium Europaeum“, herausgegeben von Dr. C. Baenitz, werden angezeigt: LII. Lief. 102 No. Preis: a) im Buchhandel 19 Mk.; b) durch den Selbstverleger 12 Mk. LIII. Lief. 70 No. Preis: a) 13 Mk.; b) 8 Mk. LIV. Lief. 56 No. Preis: a) 14 Mk.; b) 8,50 Mk. Prospekt bei dem Herausgeber, Königsberg iP. Sackh. Hinterstrasse 27. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Handbuch Ausübenden Witterungskunde. Dr. W. J. van Bebber. Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschnitten. gr. 8. geh. 8 Mark. II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. „Nebst einer Wolkentafel und 66 Holzschnitten. 8. geh. 11 Mark. Prof. Buys Ballot sagt in seiner für das Werk verfassten Vorrede: Keiner, dem das Aufstellen von Witterungs- % prognosen obliegt, kann dieses Handbuch des Herrn van Bebber entbehren, jeder wird darin Anleitung finden, wie er die Sache angreifen und fördern soll. ; N Mit einer Beilage von Wilhelm Engelmann, Verlagshandlung in Leipzig. 4 4 Nr N . um bolt 5 j Monatsschrift für die gelamken Naturwilſenſchalten leg Herausgegeben vor Or, Otto Dammer. al Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Preis des Heſtes 1 Mark. 4. Heft. April 1887. ale buchung und Poſtanſtalten. 6. Jahrgang. halt. 3 Seite Seite T. G. Wallentin: Ueber die heute in der Elektrici⸗ Palermo. — Dem Harvard College in Boſton. — tätslehre üblichen Einheiten nebſt einigen Bemer⸗ In Sydney. — Dr. G. Died. . . . . . 156—159 lungen über die Beſtimmung derſelken. II.. 129 Naturwiſſenſchaſtliche Erſcheinungen. A. Hanſen: Ueber einige Enzymwirkur gen bei ten Vulkane und Erdbeben. — Witterungsüberſicht . tacts 2 133 für Centraleuropa. Februar 1887. — Natur⸗ lalender fiir den Monat April 1887. — Afiro- Theodor Eimer: Ueber die Zeichnung der Tiere. 8 : 4 8 2 nemifder Kalender. HimmelEer{dheinungen im (Mit Abbildungen.) V. 136 5 Sortie ſchaf C ( ee = OD ortſchritte in den Natur wiſſenſchaften. A 2 2 g. van Bebber, Meteorologie. 1 V. Wiet⸗ Bicgraphien und Perſenal notizen 163 lisbach, Elektrotechnik. — J. Steiner, Phy⸗ Litterariſche Rundſchau. F enteiiey binds usr )se, saps See doe E. Huth, Societatum litterae. — Neus Kleine Mitteilungen mayer, Die Laboratorien der Elektrotechnik. — Das ultraviolette Spektrum des Kadmiums. — 0 e 1 a 0 Die Kempreffibilitat der Flüſſigteiten. — Die ua ae 11 . ſtärkſten Frauenhoferſchen Linien. — Der rote ton. — (. Gräff, Veränderungen de Fleck auf dem Jupiter. — Neue Kemeten. — Klimas und der Bodenkultur am badiſchen Neue veränderliche Sterne. — Neuerung am pda 75 e The it 155 Spiegelſextanten. — Sonnencorona. — Der Que 8 1 neee 1 5 ſammenhang der Körpertemperatur mit der Synopſis e aoe P. Sydow Nervenerregung. — Ein noch mit ſeinem Stil un So My line) Vatanitertatender LESS verſehenes Bronzebeil. — Präglaciale Menſchen Ludwig Neumann, Oremetrie des Schwarz⸗ in Wales. — Quaternäre Menſchen. — Chemiſche waldes. — Centralblatt für Bakteriologie und Unterſuchungen von vorgeſchich tlichen Gegenſtän⸗ Paraſitenlundd e. 163165 den. — Berichtigung. . 154—150 Bibliographie. Bericht vom Monat Februar 1887 166 Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehm⸗ Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaſt. ungen, Verſammlungen ꝛc. Bau der Blätter. — Eine Doppellupe mit ge⸗ Ueber zoolegiſche Centralanſtalten. — Die Ver⸗ meinſchaftlichem Sehfelde. — Ein neues Bat liner Akademie der Wiſſenſchaſten. — Das Her⸗ terienmikroſkop. (Mit Abbildungen) . . . 166—167 barium Lamarcks. — Lehrſtuhl der Anatomie. — Verkehr. Die ſtädtiſchen Behörden von Barcelona. — In Fragen und Anregungen. — Antworten. . . 167—168 Dy JE Hof any, tA. Stuttg. Preis-Herabsetzung. Um den zahlreichen Abonnenten des „Humboldt“, welche erst mit Band VI in das Abonnement eingetreten sind — namentlich also auch denjenigen, welche früher auf den nunmehr mit unserem Blatt vereinigtem „Kosmos“ abonniert waren — Gelegenheit zu billigem Erwerb auch der früheren Bände des Humboldt zu geben, setzt die unterzeichnete Verlagshandlung den Preis für Band I—V des Humboldt von M. 60. auf M. 30. herab. Diese Preisherabsetzung ist vorläufig auf die nächsten 6 Monate gültig. — Bei Bezug einzelner Bände tritt eine Preisermässigung nicht ein. Jede Buchhandlung nimmt Bestellungen entgegen. EEE Stuttgart, im Februar 1887. Ferdinand Enke. ö Eee | | EEE 5 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. C1 . Soeben erschien: Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Dalla Torre in Innsbruck bearbeitet von Dr. Friedrich 1 in Wien. Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. M. 20. — Die Erscheinungen des Erdmagnetismus in ihrer Abhängigkeit vom Bau der Erdrinde von Dr. Edm. Naumann, ehemal. Director der Topographisch-Geologischen Aufnahme von Japan. Mit 3 Figuren im Text und einer Karte. er. 8. geh. M. 3. 60. 2 AP SENS SIH SS SAA SIS SISA SASH SEN SEA SEN SAH SES SASS SNASAL SS, BS FTT AS, 2 DVS) SZ A} + Preis-Herabsetzung. N IG oY iA NC Den Abonnenten des „Humboldt“ liefere ich „KOSMOS“ Zeitschrift für die gesamte Entwickelungslehre Bd. I- XN komplett statt M. 234. — zuuu . . M. 115. — Bs CC HM. 900 — 85 Einzelne Bände zur Halfte des Ladenpreises (pro Band statt M. 12. — Se M. 6. —). Einbanddecke à M. 1. — pro Band. 5 Stuttgart, 1. April 1887. b a E. Schweizerbarth’sche Verlagshandlung E. Koch. So o III MIDI a 858 8 aie 858 858 r e Ss Soeben wurde ausgegeben: Catalog 199. Naturwissenschaften. Zoologie. Botanik. Mineralogie. Anthro- pologie. Ethnographie. Physik. Populäre Anthropologie. = In gemeinverſtändlicher Darſtellung und künſtleriſcher Aus⸗ ſtattung ſich an „Brehms Tierleben“ anſchließend erſcheint ſoeben: Der Menſch. Von Profeſſor Dr. Johannes Ranke. Mit 991 Textabbildungen, 16 Karten und 32 Chromotafeln. 2 Saffianbände 32 M. — 26 Hefte a 1 M. Proſpekte gratis. — Erſtes Heft und Band J durch alle Buchhand— lungen zur Anſicht. Optik. Chemie. Technologie. Reichhaltiger interessanter Catalog. Zusendung gratis und franco. Stuttgart. J. Scheible’s Antiquariat. Bibliographiſches Inſtitut in Leipzig. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Reich, Dr. B., Zur Ernährung der Magenkranken. Eine diätetiſche Skizze. /// ĩ T 1 f Kohn, Doc. Dr. E., Wie ſollen wir desinficiren? Rathſchläge für das nicht ärztliche Publikum bez. des Schutzes der Geſunden gegenüber den Kranken. gr. 8. geh. 80 Pf. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben ist erschienen: Ueber das Riechcentrum. Eine vergleichend-anatomische Studie von Prof. Dr. E. Zuckerkandl in Graz. Mit 7 lithographirten Tafeln und 25 Holzschnitten. gr. 8. M.5. — Vorwort. 1. Geschichtliches über die Balkenwinduag. 2. Kurze Beschreibung der Ammonshorngegend nebst einigen einleitenden Bemerkungen. 3. Ueber den Riechlappen der Thiere und des Menschen. 4. Anatomie: des àusseren Randbogens und seiner Derivate. 5. Der innere Randbogen. 7. Das hintere Ende der Fascia dentata und seine Beziehung zum Ammonshorne. pisher beschriebenen Rindentheile und über das Gehirn des Delphins. das Corpus striatum und den Mandelkern. 10. Erklärung der Abbildungen. 6. Beschreibung der Balkenwindung. 8. Ueber die Bedeutung der 9. Anhang über die vordere Commissur, Botanische Schriften im Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Ebermayer, Prof. Dr. E., Die Beschaffenheit der Waldluft und die Bedeutung der atmosphärischen Kohlensäure für die Waldvegetation. Zugleich eine übersichtliche Darstellung des gegenwärtigen Stan- des der Kohlensäurefrage. Aus dem chemisch-boden- kundlichen Laboratorium der kgl. bayer. forstlichen Versuchsanstalt. E gr. 8. geh. 2 M. Falkenberg, Prof. Dr. P., Vergleichende Untersu- chungen über den Bau der Vegetationsorgane der Monocotyledonen. Mit 3 Tafeln. 8. geh. 4 M. 80. Koch, Prof. Dr. K., Die deutschen Obstgehölze. Vor- lesungen gehalten zu Berlin im Winterhalbjahr 1875—76. In zwei Theilen. I. Theil. Geschichte und Naturgeschichte der deutschen Obstgehölze. II. Theil. Auswahl der zum allgemeinen Anbau empfohlenen Obst- sorten. 8. geh. 12 M. Regel, Staatsrath Dr. E., Kultur der Pflanzen unserer höheren Gebirge, sowie des hohen Nordens. Mit 1 Tafel Abbildungen. gr. 8. geh. 1 M. 20. Goeppert, Prof. Dr. H. R., Ueber das Gefrieren, Er-. — — Kartoffelkultur, Kartoffelkrankheit und ver- frieren der Pflanzen und Schutzmittel dagegen. Altes und Neues. Mit 14 Holzschnitten. Lex. 8. geh. 2 M. Goeze, Dr. E., Tabellarische Uebersicht der wich. tigsten Nutzpflanzen nach ihrer Anwendung und geographisch wie systematisch geordnet. 8. geh. 3 M. Koch, Prof. Dr. K., Dendrologie. Baume, Sträucher und Halbsträucher, welche in Mittel- und Nord- Europa im Freien cultivirt werden. Kritisch be- leuchtet. Zwei Bände. gr. 8. geh. 33 M. 20. — —, Vorlesungen über Dendrologie. Gehalten zu Berlin im Winterhalbjahr 187475. In drei Theilen. I. Theil. Geschichte der Gärten. II. Theil. Bau und Leben des Baumes, sowie sein Verhältniss zu Menschen und Klima. III. Theil. Die Nadel- hölzer oder Koniferen. 8. geh. 8 M. 80. gleichende Versuche über den Werth von 440 verschiedenen Kartoffelsorten für den Anbau. gr. 8. geh. — —, die Himbeere und Erdbeere, deren zum Anbau geeignetsten Sorten, deren Kultur und Treiberei mit besonderer Berücksichtigung der Kultur in rauhen Klimaten. Mit 2 colorirten Tafeln. gr. 8. geh. 1 M. 20. Rosenthal, Prof. Dr. D. A., Synopsis Plantarum dia- phoricarum. Systematische Uebersicht der Heil-. Nutz- und Giftpflanzen aller Länder. gr. 8. geh. 18 M. 80. Wiesner, Prof. Dr. J., Die technisch verwendeten Gummiarten, Harze und Balsame. Ein Beitrag zur wissenschaftlichen Begründung der technischen Waarenkunde. Mit 22 Holzschnitten und einer Tabelle. gr. 8. geh. 3 M. 60. Mit einer Beilage von Friedr. Vieweg § Sohn, Verlagshandlung in Braunſchweig. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. 80 Eiams Ay 9 Mranatsſchrift für die gelamken Nalurwilſenſchakten Herausgegeben vow Oy. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. W N Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. Mai 1887. 6. Jahrgang. 1 Mark. 5. Het Preis des Heftes | IN + Inhalt. x SEES Augnſt Heller: Philosophiae naturalis principia mathematica. Zum zweihundertjährigen Ge- dächtnis. (Mit Abbildung). 4 Leo Liebermann: Ueber Ptomaine (Leichenalkaloide) und Fäulnisgifte. JJ M. Singer: Die Organiſation der vegetabiliſchen / Ernſt Voges: Die Atmungsorgane der Tauſendfüßer. (Uitte eee sa, Pee) FO fare Emil Dechert: Die Hautfarbe der Menſchenraſſen Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Paul Reis, Phyſik. I. — Ernſt Hallier, Botanik . Kleine Mitteilungen. Mit dem Namen „Sternberger Kuchen“. — Raſches Austrocknen der Seen in trockenen Kli⸗ maten. — Meteorit aus der Tertiärzeit. — Geo⸗ logie im weſtlichen Kongogebiet. — Hebung des Feſtlandes in der Gegend des Lenadeltas. — Das Nahethal.— Tſchornoſjom (Tſchornoſem).— Ueber den Nephrit. — Hohes Baumalter. — Kupferhaltige Trauben. — Fire Blight. — Die Flechten. — Gaſtropoden im Bernſtein. — Eine Diluvialfauna. — Diluvialtierreſte im Kauka⸗ jus. — Foſſile Säugetiere in Nicaragua. — Mammutkadaver. — Infektion mit Trichoce- phalus dispar.— Aus dem Leben eines Inſekts.— Ueber die bei Hummeln ſchmarotzende Mutilla europaea L. — Ueber partiellen Albinismus infolge von Mauſerung. — Eine gehörnte Ricke. 195—198 Seite 169 172 174 183195 Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, ungen, Verſammlungen 2c. Das chemiſche Laboratorium der Univerſität Göt⸗ tingen. — Noch vor wenigen Jahren. — Im Humboldthain zu Berlin. — Balneologenkongreß in Berlin Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Vulkane und Erdbeben. — Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat März 1887. — Naturkalender für den Monat Mai 1887. — Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen L Unternehm⸗ Biographien und Perſonal notizen Litterariſche Rundſchau. B. Plüß, Leitfaden der Naturgeſchichte. — B. Plüß, Naturgeſchichte. — O. Dammer, Illuſtriertes Lexikon der Verfälſchungen und Verunreinigungen der Nahrungs- und Genuß⸗ mittel. — P. Woſſidlo, Lehrbuch der Zoo— logie für höhere Lehranſtalten, ſowie zum Selbſt⸗ unterricht. — Auguſt Kappler, Surinam. — J. W. Spengel, Zoologiſche Jahrbücher. — R. Wiedersheim, Lehrbuch der vergleichen⸗ den Anatomie der Wirbeltiere. — Sir Wil- liam Turner, Report on human skele- tons . Bibliographie. Bericht vom Monat März 1887. Verkehr. Fragen und Anregungen. — Antworten - 198—199 199—203 204 - 204—207 207 208 Preis-Herabsetzung. Um den zahlreichen Abonnenten des „Humboldt“, welche erst | mit Band VI in das Abonnement eingetreten sind — namentlich also auch denjenigen, welche friiher auf den nunmehr mit unserem Blatt vereinigtem „Kosmos“ abonniert waren — Gelegenheit zu billigem Erwerb auch der früheren Bände des Humboldt zu geben, | | | | | | | | setzt die unterzeichnete Verlagshandlung den Preis für Band I—V des Humboldt von M. 60. auf M. 30. herab. | | | Diese Preisherabsetzung ist vorlaufig auf die nächsten 6 Monate gültig. — Bei Bezug einzelner Bände tritt eine Preisermässigung nicht ein. Jede Buchhandlung nimm Bestellungen entgegen. | | Stuttgart, im Februar 1887. Verlag von Ferdinand Enke in Stutigart. Soeben erschien: Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Dalla Torre in Innsbruck ba bearbeitet von Dr. Friedrich Knauer in Wien. Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. M. 20. — Die Erscheinungen des Erdmagnetismus in ihrer Abhängigkeit vom Bau der Erdrinde von Dr. Edm. Naumann, ehemal. Director der Topographisch- Geologischen Aufnahme von Japan. Mit 3 Figuren im Text und einer Karte. gr. 8. geh. M. 3. 60. 7 OOO GOOG GVO SSS e Preis-Herabsetzune. — — Be AIS TPIS mi 2 AS 2 9 Den Abonnenten des „Humboldt“ liefere ich „KOSMOS“ Zeitschrift für die gesamte Entwickelungslehre e PRION DIES 8 Bd. I- XIX komplett statt M. 234. — zu . . M. 115. r H. 90. — Einzelne Bände zur Hälfte des Ladenpreises (pro Band statt M. 12. — M. 6. —). Einbanddecke & M. 1. — pro Band. Stuttgart, 1. April 1887. nn E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung E. Koch. SSS o ooo o o o o FIDSID D. eee ADVIS 2 > 8 e SESS BS e e n N 7 VS) = Bopuliive Yuthropotogie, = Neuere Lagercataloge, In gemeinverſtändlicher Darſtellung und künſtleriſcher Aus⸗ die auf Verlangen gratis zu Diensten stehen:] ſtattung ſich an „Brehms Tierleben“ anſchließend erſcheint ſoeben: 8 oe : Abe he | Nv. 169: Afrika. 9 8 f ch N „ 186: Geologie. D ex Men 7 „ 192: Spanien und Von Profeſſor Dr. Johannes Ranke. a Portugal. Mit 991 Textabbildungen, 16 Karten und 32 Chromotafeln. 195: Botanik | € 0 * * 2 Saffianbände 32 M. — 26 Hefte à 1 M. * Proſpekte gratis. — Erſtes Heft und Band J durch alle Budhand- §F „ 196: Amerika. lungen zur Anſicht. Frankfurt a. M. Bibliographiſches Inftitut in Leipzig. Joseph Baer & Co. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. eid, Dr. P., Zur Ernährung der Magenkranken. Eine diätetiſche Skizze. /// ( 40 Pf. Kohn, Doc. Dr. E., Wie fullen wir desinficiren? Rathſchläge für das nicht ärztliche Publikum bez. des Schutzes der Geſunden gegenüber den Kranken. gr. 8. geh. 80 Pf. A. Treffurth, Jimenau i. Thür. liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgerüthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Laboratorien, Sammlungen etc. etc. Ilufleirle Eiſte mit vielfachen Anerkennungsſchreiben gratis Von der Zeitschrift: „Der Zoologische Garten““, redigirt von Oberlehrer Prof. Dr. F. C. Noll, Verlag von Mahlau & Waldschmidt in Frankfurt a. M., erschienen soeben No. 1 und 2 des XXVIII. Jahrgangs für 1887 mit folgendem Inhalt: No. 1. Ueber das Gefangenleben der Kegelrobbe (Halichoerus grypus Nilss.); von Prof. Dr. A. Nehring in Berlin. Mit 2 Ab- bildungen. — Der Blasius’sche Triton (Triton Blasii De IIsle) und über die Haltung der europäischen Tritonen im allgemeinen; von Joh. v. Fischer. — Die Murmeltier-Kolonie in St. Gallen und das Anlegen yon Murmeltier-Kolonien; von Dr. A. Gir- tanner in St. Gallen. — Korrespondenzen. — Kleinere Mit- teilungen. — Litteratur. — Eingegangene Beiträge. — Bucher und Zeitschriften. No. 2. Der Höhlenmolch oder Erdtriton (Spelenpes [Geotriton] fuscus. Gene) in der Gefangenschaft; von J oh. v. Fischer. Mit 2 Abbildungen. — Ueber das Gefangenleben der Kegelrobbe (Halichoerus grypus Nilss.); von Prof. Dr. A. Nehring in Berlin. Mit 2 Abbildungen. (Fortsetzung.) — Die Murmeltier-Kolonie in St. Gallen und das Anlegen von Murmeltier-Kolonien; von Dr. A. Girtanner in St. Gallen. (Schluss.) — Bemerkungen über die Gazella Walleri des nördlichen Somalilandes; von J. Menges. — Korrespondenzen. — Kleinere Mitteilungen. — Litteratur. — Eingegangene Beiträge. — Bucher und Zeitschriften. Soeben erschienen u. sind durch alle Buchhandlungen (auch zur Ansicht) zu beziehen: Lellmann, Eugen (Privatdocent a. d. Univ. Tübingen), Principien der Organischen Synthese. 8°. 33 Bo- gen, geh. M. 10,00, in Leinen geb. M. 11,00. Stenglein, M. (Techn. Beamter d. Vereines d. Spiritus- Fabrikanten in Deutschl.) u. Schultz-Hencke (Assistent am Chem. Laboratorium d. K. Techn. Hochsch. Berlin-Char- lottenb.), Anleitung zur Ausführung mikrophoto- graphischer Arbeiten. 80. 8½ Bogen mit 5 Holz- Stichen und 2 Lichtdrucktafeln. geh. M. 4,00. Unlängst erschienen: Richter, M. M., Dr. phil., Tabellen den Kohlenstojfver- bindungen, nach deren empirischer Zusammensetzung ge- ordnet. gr. Lex. 80. VIII u. 517 S. geh. M. 11,00, geb. M. 12,00. Richthofen, F. v., Prof. (Berlin), Fühaes Fun Forschungs- reisende. Anleitung zu Beobachtungen über Gegenstände der physischen Geographie und Geologie. 80. XII u. 745 8. mit 111 Holzst. geh, M. 16,00, in ½ Franzbd. M. 17,50. Mittheilungen, Photographische. Zeitschrift d. Vereines zur Förderung d. Photographie zu Berlin, herausg. von Prof. Dr. H. W. Vogel. Jahrg. XXIV. 1887/88. Jährlich 24 Hefte gr. Lex. 80. mit 6 Kunstbeilagen und Holzstichen. M. 10,00 halbjahrl. M. 5,00. — Probenummern postfrei u. unberechnet? Verlag von Rob. Oppenheim in Berlin. Zu verkaufen. 1. Eine prachtvolle, aus circa 6000 Wänden beſtehende Bibliothek. 2. Großartige Sammlungen, beftehend aus: Geologie, Mineralogie, Paläontologie, Conchyliologie, Mammalogie, Ornithologie, Herpethologie, Entomologie, Archeologie, Numismatik 2c. 2c. 3. Verſchiedene Präparir⸗Utenſilien, als: Mikroskop, Luppen, Pincetten, Scalpel c., ſowie ein Apparat zum Photographiren. Obige Gegenſtände gehören zur Konkursmaſſe des H. Eugene Pougnet. 8 : Um nähere Auskünfte wende man ſich gefl. an H. Alt, Konkursverwalter in Landorf (Lothringen). Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben ist erschienen: Weber das Riechcentrum. Eine vergleichend- anatomische Studie von Prof. Dr. E. Zuckerkandl in Graz. Mit 7 lithographirten Tafeln und 25 Holzschnitten. gr. 8. M. 5. Vorwort. 1. Geschichtliches über die Balkenwindung. 2. Kurze Beschreibung der Ammonshorngegend nebst einigen einleitenden Bemerkungen. 3. Ueber den Riechlappen der Thiere und des Menschen. 4. Anatomie des äusseren Randbogens und seiner Derivate. 7. Das hintere Ende der Fascia dentata und seine Beziehung zum Ammonshorne. bisher beschriebenen Rindentheile und über das Gehirn des Delphins. das Corpus striatum und den Mandelkern, 5. Der innere Randbogen. 6. Beschreibung der Balkenwindung. 8. Ueber die Bedeutung der 9. Anhang über die vordere Commissur, 10. Erklärung der Abbildungen. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. ya Herausgegeben von Or. Otto Sammer. Verlag von Ferdinand Dude in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. Juni 1887. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. t Inhalt. » A. Wernich: Ueber Selbſtreinigungsvorgänge in der CC Leo Liebermann: Ueber Ptomaine (Leichenalkaloide) und Fäulnisgifte. II. a Ernſt Hallier: Die Metamorphoſe der Pflanzen und die Füllung der Blüten. JL. Wilhelm Haacke: Eierlegende Säugetiere. (Mit Ab⸗ Te e PAR Ste bar aa W. Marſhall: Augenblickslichtbilder . Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Paul Reis, Phyſik. II. — M. Alsberg, r a tof Sel Shee) No ie Kleine Mitteilungen. Paraffinöl als Reagens. — Neue Fortſchritte in dem farbenempfindlichen photographiſchen Ver⸗ fahren. — Wärmeſtrahlung der Atmoſphäre. — Waſſerſchöpfapparat mit Tiefſeethermometer. — Für das Wachstum der Tropfſteine. — Erratiſche Blöcke aus der Bretagne. — White Island. — Erdöl. — Niveauſchwankungen bei entfernten Erdbeben. — Glacialzeit im Libanon. — Gold und Silber. — Chlorophyllhaltige paraſitiſche Algen. — Die Verbreitung von Pflanzen durch Vögel. — Alpenroſen und Edelweiß in den Vo- geſen. — Lebenszähigkeit von Anguilluliden. — Von paraſitiſch lebenden, polydacten Anneliden. — Taenia nana. — Chineſiſche Mollusken. — Alter von Schildkröten. — Zur Kenntnis des Atavismus bei Vögeln. — Ein großer Fiſch⸗ reiherſtad „ . 221 —230 230—234 Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, mungen, Verſammlungen 2c. Das glastechniſche Laboratorium in Jena. — Dendrologiſche Beſtrebungen. — Der internatio⸗ nale aſtronomiſche Kongreß in Paris Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Vulkane und Erdbeben. — Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat April 1887. — Naturkalender für den Monat Juni 1887. — Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Juni 1887 . 9 Biographien und Perfonaluotizen . Litterariſche Rundſchau. J. Ranke, Der Menſch. — H. Lüſcher, Ver⸗ zeichnis der Gefäßpflanzen von Zofingen und Umgebung. — M. Wilhelm Meyer, Kos⸗ miſche Weltanſichten. — Fr. Knauer, Aus der Tierwelt. — F. Braun, Geſetz, Theorie und Hypotheſe in der Phyſik. — C. Anſchütz, Ungedruckte wiſſenſchaftliche Korreſpondenz zwi⸗ ſchen Johann Keppler und Herwart von Hohen⸗ bus Mae re tre arate Bibliographie. Bericht vom Monat April 1887. Litterariſche Notizen Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Elektriſche Projektionslampe. (Mit Abbildung.) — In einer Sitzung des Berliner Entomologi⸗ ſchen Vereins. — Eine neue Methode zum Ein⸗ ſchließen mikroſkopiſcher Präparate. — Mitteilun⸗ Unterneh⸗ Mianatsſchrift für die gelamfen Valurwilſenſchaften 242—244 244 244 —245 gen über verkäufliche Pflanzen. — Berichtigung 245— 247 Verkehr. Fragen und Anregungen. — Antworten 248 |): Preis-Herabsetzung. Um den zahlreichen Abonnenten des „Humboldt“, welche erst mit Band VI in das Abonnement eingetreten sind — namentlich also auch denjenigen, welche früher auf den nunmehr mit unserem Blatt vereinigtem „Kosmos“ abonniert waren — Gelegenheit zu billigem Erwerb auch der früheren Bände des Humboldt zu geben, setzt die unterzeichnete Verlagshandlung den Preis für Band I V des Humboldt von M. 60. auf M. 30. herab. Diese Preisherabsetzung ist vorläufig auf die nächsten 6 Monate gültig. — Bei Bezug einzelner Bände tritt eine Preisermässigung nicht ein. 5 Jede Buchhandlung nimmt Bestellungen entgegen. Stuttgart, im Februar 1887. Ferdinand Enke. ESS Te] EEE EEE N Te Carl Winter's Universitatsbuchhandiung in | j Heidelberg ist soeben erschienen: Entwurf einer natürlichen An- ordnung der Orchideen. 5 Von Dr. Ernst Pfitzer, o. Professor der Bo- tanik in Heidelberg. Lex.-8°. brosch. 4 M,. Diese Schrift erscheint im Anschluss an des Verfassers „Grundzüge einer vergleichenden Mor- phologie der Orchideen“ (40 M.) und die im vorigen Jahr erschienenen „Morphologischen Studien über die Orchideenblüthe“ (4 M. 40). Fund- Statistik der Vorrömischen Metallzeit | Rhein-Gebiete. Von F. Freiherr von Trélésch, Kgl. württemb. Major a. D. Mit zahlreichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck, 4. gebunden. Preis M. 15. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. 0 Soeben erschien: ANLEITUNG zur Darstellung Organischer Präparate. Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand gebunden Mk. 4. — . Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. ; 8 AK S , a 2 . AZ Ox I. Bd. I, II, 2. Hälfte, III XIX zu q iss LS M. 6. —). Stuttgart, 1. April 1887. TAZ oy Verlag von 23. F. Voigt in Weimar. Der auler. Praktiſche Anleitung zum Fangen, Präparieren, Aufbewahren und zur Aufzucht der Käfer. Herſtellung von trockenen Inſektenpräparaten, Anfertigung mikroſkopi⸗ ſcher Objekte, Anlage biologiſcher Sammlungen, Inſektarien u. ſ. w. Nebſt ausführlichem Käferkalender. Herausgegeben von A. Harrach. | 8. Gebunden. 3 Mark. Vorrätig in allen Buchhandlungen. Linnaea, Naturhistorisches Institat, (Naturalien- und Lehrmittel-Handlung) Berlin N. 4, Invalidenstrasse 38, empfiehlt Museen, Hochschulen und sonstigen Lehr- anstalten, sowie Privatsammlern ihre reichhaltigen Vorräthe an Naturalien aus dem Gesammtgebiete der Zoologie und Palaeontologie. Specieller Catalog über Lehrmittel für Unterrichtszwecke. Preis-Verzeichnisse werden franko und gratis Abgegeben. 255 8 Preis-Herabsetzung. — — Den Abonnenten des „Humboldt“ liefere ich „KOSMOS“ Zeitschrift für die gesamte Entwickelungslehre Bd. I XIX komplett statt M. 234. — zu Einzelne Bände zur Hälfte des Ladenpreises (pro Band statt M. 12.— Einbanddecke à M. 1. — pro Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung nn „„ E. Koch. eet ieeg Wot es armani iy aetna: — — — Das ogelhaus und ſeine Bewohner, oder die heutigen Aufgaben in der Pflege und Züchtung gefangener, wie der des Schutzes bedürftigen freien Vögel Von Philipp Leopold Martin. Vierte verbeſſerte und vermehrte Auflage. In illuſtr. Umſchlag. gr. 8. Geheftet. 3 Mark. Vorrätig in allen Buchhandlungen. Von der Zeitschrift: „Der Zoologische Garten“, redigirt von Oberlehrer Prof. Dr. F. C. Noll, Verlag von Mahlau & Waldschmidt in Frankfurt a. M., erschien soeben No. 3 des XXVIII. Jahrgangs für 1887 mit folgendem Inhalt: Ueber die Kielechsen Zerzwnia Blanci Lataste und Tropipos und algira Linné; von Joh. v. Fischer. Mit 2 Abbildungen. — Uebsr das Gefangenleben der Kegelrobbe (Halichoerus grypus Nilss.); von Prof. Dr. A. Nehring in Berlin. Mit 2 Abbildungen. (Schluss.) — Die junge Giraffe des Zoologischen Gartens in Hamburg; von dem Inspektor W. L. Sigel. — Vorläufige Nach- richt über die chilenischen Seeschildkroten und einige Fische der chilenischen Küste; von Dr. R. A. Philip pi in Santiago. — Korrespondenzen. — Kleinere Mitteilungen. — Litteratur. — Eingegangene Beiträge. Herder lie Perlagshandluna, Freiburg (Brrisgaih. f Soeben iſt erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 2 Jahrbuch der Blalurwiffen{[Haften. 7 Ci a fare 5 Enthaltend die hervorragendſten Fortſchritte Zweiter Jahrgang: 1886-1887. af den n 0 Chemie und chemiſche Technologie; Mechanik; Aſtronomie und mathematiſche Geographie; Meteorologie und phyſi⸗ kaliſche Geographie; Zoologie und Botanik, Jorſt⸗ und Fandwirtſchaft; Mineralogie, Geologie und Erdbebenſunde; Anthropologie und Argeſchichte: Geſundheitspflege, Medizin und Bhyſtologie; sander- und Völkerkunde; Handel und Induſtrie; Verkehr und Verkehrsmittel. Unter Mitwirkung von Fach⸗ männern herausgegeben von Dr. M. Wildermann. Mit einer Karte und 25 in den Text gedruckten Holzſchnitten. gr. 80. (XX u. 595 S.) M&M 6; in Original⸗Einband, Leinwand mit Deckenpreſſung „ 7. Dieſes Jahrbuch führt in gemeinverſtändlicher, anregender Sprache die wichtigſten Errungenſchaften vor, die das verfloſſene Jahr auf dem Geſammtgebiet der Naturwiſſenſchaften gebracht hat. Schon der im Frübjahr 1886 er⸗ ſchienene erſte Jahrgang (% 6; geb. M 7) hat eine überaus günſtige Aufnahme gefunden. Um fo mehr tt dies von dem vorliegenden, in mehrfacher Beziehung vervollkommneten neuen Jahrgang zu erwarten. J 8 Soeben erſchien: e Rultur und Malur. Studien im Gebiete der Wirthſchaft von Emanuel Herrmann. 80. 350 Seiten. Broſchiert 5 Mk.; eleg. in Halb- franz gebunden 6 Mk. Inhalt: Vorwort. — Die Erlöſung vom Zufall. — Die Machtmittel des Beherrſchers der Erde. — Die vier Formen der Anordnung ws und Grganiſation. — Das Princip der Continuität. — Das 0 Geſetz der Vermehrung der Kraft. — Wehr und Waffen in der Natur. — In der Seitepoche der Verhinderung. — Die wirth⸗ ſchaftliche Ratur des Staates. — Querſchnitte der Kultur. — ws Wirthſchaftliche Urſachen und Fehlerquellen des Denkens. — rss Derftand und Semüth in der Wirthſchaft. — Technik und 10 Oekonomik. — Typen der Aſſociation.— Die Centraldirection * der Weltwirthſchaft. Berlin, W., Lützowſtraße 115. Allgem. Verein für Deutſche Literatur. sss es Dr SSE 22222 = eb. Soeben erſchien: | Blk Ene enthaltend die in l| lll Deuthpland, Deulſch-Peſterreich ll und der Schweiz wild wachſenden und im Freien kultivierten f Gefäßpflanzen I nach dem natürlichen Syftem einheitlich geordnet il und auf Grund desſelben zum Beſtimmen il eingerichtet von Dr. Friedrich Kruſe, il Profeſſor am Aöniglichen Wilhelms-Gymnafium in Berlin. { 8°, 30 Bogen. Brofchiert 4 Mk. il Handlich gebunden in dauerhaftem japaniſchen Lederpapier mit Taſche 5 Mk. t ll Dieſes neue Botaniſche Taſchenbuch, welches fich durch eine einheitliche, wohlbegründete und über⸗ il ſichtliche Syſtematik vor allen bisher e eee Sloren auszeichnet, iſt allen Pflanzenfreunden als 0 ll ein zuperläſſiger Führer in Wald, Wieſe, Feld und l Garten warm zu empfehlen. U N | Berlin, W., Lützowſtraße 115. i il ; nl Verlag von Herm ann 5 Se Zu verkaufen. 1. Eine prachtvolle, aus circa 6000 Bänden beſtehende Bibliothek. 2. Großartige Sammlungen, beftehend aus: Geologie, Mineralogie, Paläontologie, Conchyliologie, Mammalogie, Ornithologie, Herpethologie, Entomologie, Archeologie, Numismatik 2c. 2c. 3. Verſchiedene Präparir⸗Utenſilien, als: Mikroskop, Luppen, Pincetten, Scalpel 2c., ſowie ein Apparat zum Photographiren. Obige Gegenſtände gehören zur Konkursmaſſe des H. Eugene Pougnet. Um nähere Auskünfte wende man ſich gefl. an H. Alt, Konkursverwalter in Landorf (Lothringen). Verlag von Orell Füssli & Co. in Zürich. Wallis und Chamonix Sn D I. Mit 7 Karten und 120 Illuſtrationen. Von J. P. Wolf, Profeſſor. Preis 7 Markl. „ „ Der Verfaſſer, ausgezeichnet als Naturforſcher, hat in dieſem Bande das Beſte geliefert, was je über das Wallis als Ganzes geſchrieben worden iſt. Zu einer großen Kenntnis von Land und Leuten geſellt ſich vollſtändiges Beherrſchen der geſchichtlichen und naturwiſſenſchaftlichen Schriften über das Wallis. Alles iſt zu einem harmoni⸗ ſchen Ganzen vereinigt, das durchaus nicht im Stile der Reiſehandbücher gehalten, ſondern von poetiſchem Schwunge getragen eine angenehme Lektüre bietet. 5 Ein guter Teil des Werkes iſt der naturgeſchichtlichen Beſchreibung gewidmet, namentlich die mineralogiſchen und botaniſchen Vorkommniſſe werden eingehend beſprochen; der Liebhaber und Sammler findet jeweilen genaueſte An⸗ gabe über die Stand⸗ und Fundorte ſeltener Pflanzen. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. A. Treffurth, JImenau i. Thür. liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, [Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Alnterricht, Laboratorien, Sammlungen efc. etc. I luſlrirle Like mit vielfachen Anerkennungsſchreiben gratis Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. i Herausgegeben vor Or, Otto Dammer. Verlag vor Ferdinand Duke in Stuttgart. 7. Heſt. Preis des Heftes 1 Mark. Juli 1887. Beſtellungen durch und Poſtanſtalten. + Inhalt. + W. Mftwald: Die Aufgaben der phyſikaliſchen Che⸗ C Ernſt Hallier: Die Metamorphoſe der Pflanzen und die Füllung der Blüten. II. Angnſt Gruber: Die Urahnen des Tier- und Pflan⸗ zenreichs. (Mit Abbildungen) Fr. Rakel: v. Hardts Ethnographiſche Karte von r 8h ss etae eon on, Nottok: Verteilung der Temperatur und Dichtigkeit des Waſſers in den Oceanen reas Moewes: Phosphorescenz bei Inſekten und Tauſend⸗ o rere Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. H. Bücking, Mineralogie und Kryſtallogra⸗ phie. — W. Kobelt, Ethnographie Kleine Mitteilungen. Die Wirkung des Waſſers auf Blei. — Laramie⸗ Schichten. — Ueber das rheiniſch⸗ſchwäbiſche Erd⸗ beben vom 24. Januar 1880. — Karten von China. — Ein miocänes Rieſengürteltier. — Japaniſche Wetterregeln. — Schutzmittel der Pflanzen. — Eine merkwürdige Verwachſung zweier Bäume. — Bäume mit entblößten Wur⸗ zeln. — Auſtraliſche Regenwürmer. — Mund- lappen der Muſcheln. — Einfluß des Futter⸗ krautes auf die Färbung des Imago bei Schmet⸗ terlingen. — Mimicry bei Inſekteneiern. (Mit Abbildungen.) — Entlarvte foſſile Fiſche. (Mit Abbildungen.) — Die ſüdliche Verbreitungs⸗ grenze des Eisbären in früherer Zeit. — Re⸗ ſorption von der Blaſenſchleimhaut. — Ein merkwürdiges Beiſpiel von tieriſcher Intelligenz. Ein Haſe als Familienglied. — Zum Seelen⸗ FC Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unterneh⸗ mungen, Verſammlungen ꝛc. Internationale Polarforſchung. (Mit Abbil⸗ dungen.) — Die 60. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte. — Die Verſammlung der British Association. — Die diesjährige Verſammlung der Association francaise. — Errichtung von landwirtſchaftlichen Verſuchs⸗ ſtationen. — Der Kongreß deutſcher Koniferen⸗ Züchter. — Hygien. Muſeum. — Ein Muſeum für Naturgeſchichte. — Flora von St. Domingo. — Der botaniſche Garten zu Santiago. — Wachsmodelle. — Preisaufgabe Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Erdbeben und Vulkane. — Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Mai 1887. — Bemerkenswerte Witterungserſcheinungen im De⸗ zember 1886. — Naturkalender für den Monat Juli 1887. — Aſtronomiſcher Kalender. Him⸗ melserſcheinungen im Juli 1887 Biographien und Perſonalnotizen e (2k 2 2 ee Bibliographie. Bericht vom Monat Mai 1887 Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Beobachtungen an Testudo graeca im Ter⸗ rarium. — Taxidermie. — Polymeter . Verkehr. Fragen und Anregungen. — Antworten Ronaksſchrikk für die gelamfen Nakurwilſenſchaften “ alle Buchhandlungen] 6. Zahrgang. 268 —272 . 286—287 288 : rar ee Gated SAC Die Hygieine der Liebe. Haul Mantegazza. Autoriſirte Ausgabe. Aus dem Italieniſchen. 8. eleg. broch. 4 Mk. In ſtilvollem Einband 6 Mk. Dieſes Werk vervollſtändigt die Trilogie der Liebe, von der die beiden in demſelben Verlage erſchienenen Werke, die „Phyſiologie der Liebe“ und die „Studien über die Geſchlechtsverhältniſſe des Menſchen“ einen Theil bilden. Se ier a [DBronze⸗ und Eiſenzeit ' oder 5 Metallzeit. Ein Beitrag zur Löſung der Frage über die Berechtigung dieſer Eintheilung und über die Priorität der Bronze von W. Kloſe. Preis 2 Mark 50 PF. Hirſchberg i. Schl. Georg Schwaab. Dea ae oe Se Susa SAS ASS Soeben wurde vollſtändig: ulturgeſchichte der Menſchheit Julius Lippert. 5 geh. Preis broſchiert M. 20. —, elegant in Halbfranzband gebunden M. 25. — (Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart.) Julius Lippert's Kulturgeſchichte, ausgezeichnet durch Originalität und Tiefe der Auffaſſung, wie durch ſchöne klare Sprache, hat fic) in kurzer Zeit den Ruf eines Werkes erſten Ranges auf dieſem Gebiete erworben. Vermöge ſeiner gemeinverſtändlichen Darſtellung iſt das Buch geeignet in den weiteſten Kreiſen der Gebildeten Verbreitung zu finden. 0 fr 0 Zwei Bände. gr. 8. 0 rdinand Enke in Stuttgart. Das Zootomische Practicum.§ Verlag von Fe Eine Anleitung zur f Ausführung zoologischer Untersuchungen § fiir Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer you Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8 geh. Preis M. 7. — in ihrem organiſchen Aufbau i f. nl a rl . Se eee oe ee oe be Ses Sesesese5e5 [a Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Fund-Statistik der Vorrémischen Metallzeit Rhein-Gebiete. Von F. Freiherr von Tréltsch, Kgl. wurttemb. Major a. D. Mit zahlreichen Abbildungen And 6 Karten in Farbendruck, 4. gebunden. Preis M. 15. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: ANLEITUNG zur Darstellung dlischer Praparate Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand gebunden Mk. 4. — Preis-Herabsetzung. — —V—-b—' Den Abonnenten des „Humboldt“ liefere ich „KOSMOS“ Zeitschrift für die gesamte Entwickelungslehre S BN ma D Bd. I- XIX komplett statt M. 234. — zu. . M. 115. & nn wm... . M. 90.— 4 Einzelne Bünde zur Hälfte des Ladenpreises (pro Band statt M. 12.— 8 M. 6. —). Einbanddecke à M. 1. — pro Band. Stuttgart, 1. April 1887. d E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung E. Koch. cys 1 * eee ee e ee eee Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Handworterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung yon Prof. Dr. Dalla Torre in Innsbruck bearbeitet von Dr. Friedrich Knauer in Wien. Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. M. 20. — Die Erscheinungen des Erdmagnetismus in ihrer Abhängigkeit vom Bau der Erdrinde von Dr. Edm. Naumann, ehemal. Director der Topographisch- Geologischen Aufnahme von Japan. Mit 3 Figuren im Text und einer Karte. gr. 8. geh. M. 3. 60. Populäre Geologie. Erdgeſchichte. 2 Saffianbände 32 M. — 28 Hefte a 1 M. lungen zur Anſicht. Bibliographiſches Inſtitut in Leipzig. Verlag von Dietrich Reimer in Berlin f. W. Anhaltstrasse Nr. 12. H. Mohn, Grundzüge der Me- teorologie. Die Lehre von Wind und Wetter. Nach den neuesten Forschun- gen gemeinfasslich dargestellt. Vierte verbesserte Auflage. Mit 23 Karten und 36 Holzschnitten. 1887. Geb. 6 M. Durch die ebenso wissenschaftliche als leicht- fassliche Darstellung erfreut sich dieses, bereits in vierter Auflage vorliegende, vorzügliche Buch einer grossen Beliebtheit in lehrenden und lernenden Kreisen. Als besondere Vorzüge sind die Klarheit und Schärfe der Definitionen, die strenge Sichtung des Thatsächlichen von dem Vermuteten, die theo- retisch und praktisch lehrreichen Beispiele und Schilderungen, sowie die dem Ganzen zum Schmuck gereichenden Karten hervorzuheben. Soeben iſt erſchienen im Verlage von B. R. Stein in Arnsberg: Buſch, Friedrich, Beiträge zur Erkenntniß des Dämmerungs⸗Phänomens. Früher erſchien: Goering, ., Die Sonnenuhr oder praktiſche Anleitung, die Zeit zu beſtimmen, Sonnen⸗ uhren verſchiedener Art, darunter auch ſolche, die jede einzelne Minute zeigen, zu conſtrniren. Preis M. 2. 25. Preis M. 1. 50. In gemeinverſtändlicher Darſtellung und künſtleriſcher Aus⸗ ſtattung ſich an „Brehms Tierleben“ anſchließend, erſcheint ſoeben: Von Prof. Dr. Melchior Neumayr. Mit 916 Textabbildungen, 4 Karten und 27 Chromotafeln. Proſpekte gratis. = Erſtes Heft und Band durch alle Buchhand⸗ aa Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erſchien: 3 9 ismarck's Parlamentariſche Kämpfe und Siege. Von Profeſſor Friedrich Thudichum in Tübingen. 152 S. 8. geh. Preis M. 3. — Nö Linnaea, Natarbistorisches Institat, (Naturalien- und Lehrmittel-Handlung) Berlin N. 4, Invalidenstrasse 38, empfiehlt Museen, Hochschulen und sonstigen Lehr- anstalten, sowie Privatsammlern ihre reichhaltigen Vorräthe an Naturalien aus dem Gesammigebiete der Zoologie und Palaeontologie. Specieller Catalog über Lehrmittel fiir Unterrichtszwecke. PYelS-VerZzelchnisse Werden franko und gratis abgegeben. A. Treffurth, JImenau i. Thür. liefert billigft in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, [Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Alnterricht, Laboratorien, Hammlungen etc. etc. J Alafkrirle difte mit vielfacken Aneckennungs/ticeiben gratis. Grösster Cacteen-Import in schönen starken billigen Originalpflanzen aus Mexico, Neu-Mexico, Arizona, Texas. Katalog franko zu Diensten. Leipzig, 9 Promenadenstrasse, Ernst Berge. (Alleiniger Agent der überseeischen Versender.) Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Die Beschaffenheit der Waldluft und die Bedeutung der atmosphärischen Kohlensäure für die Waldvegetation. Zugleich eine ibersichtliche Darstellung des gegenwärtigen Standes der Koblensanrefrave, Bearbeitet von i ; Prof. Dr. Ernst Ebermayer. - Aus dem chemisch-bodenkundlichen Laboratorium der kénigl. bayer. forstl. Versuchsanstalt. gr. 8. geh. Preis M. 2. — Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Monatsschrift für die gelamken Nakurwiſſenſchalten Herausgegeben vor Dr. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. Auguſt 1887. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. + Inhalt. + S. Günther: Strömungsverſuche und deren Be⸗ deutung für die Phyſit des Kosmos und der Erde. I. (Mit Abbildungen) yd is Moewes: Die rhizopodoiden Verdauungsorgane tierfangender Pflanzen. (Mit Abbildungen). Angnft Gruber; Die Urahnen des Tier⸗ und Pflan⸗ zenreichs. (Mit Abbildungen) W. Marſhall: Entwickelungsgeſchichte paläolithiſcher Amphibien. (Mit Abbildung)) E. Loew: Der Bau der Blütennektarien. Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Theodor Peterſen, Chemie. — C. F. BW Peters, Aſtronomie . Kleine Mitteilungen. Sehr empfindliche Reagentien auf aktiven Sauer⸗ ſtoff. — Veränderlichteit der dunklen Linien des Sonnenſpektrums. — Venusdurdgang. — Phos⸗ phorit in Tunis. — Erklärung der Eiszeit. — Der Bau und die Entſtehung der japaniſchen Inſeln. — Hebung im Miſſiſſippi⸗Thal. — Der alte Drachen⸗ baum (Dracaena draco L.) zu Orotava. — Plumbago capensis, eine injeftenfangende Pflanze. — Die Ausrottung der Alpenpflanzen in der Schweiz. — Tiere, ihre Mutter verzehrend. — Paraſiten der Süßwaſſerkrebſe. — Schildkröten lebende Sperlinge freſſend. — Funktion der Bürzeldrüſe der Vögel. — Die Fürſorge des Kuducks um ſeine Nachkommenſchaft. — Nah⸗ rungsvorräte im Bau des Maulwurfs. — Eigen⸗ tümlichkeiten der Schädelbildung von Baluba⸗ und Kongonegern. — Die Kreislaufszeit des Blutes. — Abſtammung der deutſchen Sprach⸗ inſeln im Südabhang der Alpen. — Germaniſche Reſte auf der iberiſchen Halbinſel. — Häufig⸗ keit von eee bei ſchwarzen Völkern. = diere . „300-307 307-312 Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, mungen, Verſammlungen ꝛc. Das Königliche Muſeum für Völkerkunde zu Berlin. — Das neue Obſervationshaus für die meteorologiſche Station auf dem Säntis. — Ein Thüringiſcher botaniſcher Tauſchverein in Pforta. — Zur Errichtung eines biologiſchen Laborato⸗ riums an der Küſte von Neu⸗England. — Ein neues Laboratorium für das Studium der Meeres⸗ fauna. — Der Elizabeth e science fund. — Vermächtnis an das Harriahvard College Observatory. — Mineralogiſche Ge⸗ ſellſchaft in New Vork. — Das botaniſche Mu⸗ ſeum und Laboratorium zu Hamburg. — Das Muſeum der Naturkunde in Berlin. — Die dies⸗ jährige Verſammlung der American Associa- tion for the advancement of science. — Berries tet eta oe oe ate Wl Pe Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Auguſt 1887. — Die totale Sonnenfinſterniß vom 19. Auguſt 1887. (Mit Karte). Witte⸗ rungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Juni 1887. (Mit Karte). — Eine merkwürdige Er⸗ wärmung. — Vulkane und Erdbeben. — Natur⸗ kalender für den Monat Auguſt 1887 . Biographien und Perſonalnotizen Litterariſche Rundſchau. e OE Bibliographie. Bericht vom Monat Juni 1887 . Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Sichere Methode zum Abſprengen von Glas. — Bequeme Methode zur Gewinnung von reinem Schwefelwaſſerſtoffgas. — Die Präparation von Schmetterlingslarven durch Aufblaſen. (Mit Ab⸗ bildung.) — Das Geſchlecht der Schmetterlings⸗ raupen. (Mit Abbildungen.) — Ueber die zweck⸗ mäßige Zeitigung von Schlangeneiern Verkehr. Antwort. Unterneh- — . * 312-315 ane PY Linnaea, Naturhistorisches Institut, (Naturalien- und Lehrmittel-Handlung) Berlin N. 4, Invalidenstrasse 38, empfiehlt Museen, Hochschulen und sonstigen Lehr- anstalten, sowie Privatsammlern ihre reichhaltigen Vorräthe an Naturalien aus dem Gesammtgebiete der Zoologie und Palaeontologie. A. Treffurth, JImenau i. Thür. liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, CTaboratorien, Sammlungen etc. etc. Auſlrirte Kiſte mit vielfacken Aneckennungsſchreiben gratis. Specieller Catalog über Lehrmittel für Unterrichtszwecke. Preis-Verzeichnisse Werden franko und gratis abgegeben. AAN | Soeben wurde vollſtändig: ullurgeſchichte der Nenſchheit in ihrem organiſchen Aufbau von 5 Julius Lippert. Zwei Bände. gr. 8. geh. Preis broſchiert M. 20. —, elegant in Halbfranzband gebunden M. 25. — (Perlag von Ferdinand Enke in Stuttgart.) G Julius Lippert's Kulturgeſchichte, ausgezeichnet durch Originalität und Tiefe der Auffaſſung, wie durch ſchöne klare Sprache, hat ſich in kurzer Zeit den Ruf eines Werkes erſten Ranges auf dieſem Gebiete erworben. Vermöge ſeiner gemeinverſtändlichen Darſtellung iſt das Buch geeignet in den weiteſten Kreiſen der Gebildeten Verbreitung zu finden. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. _= Populiive Geologie. = In gemeinverſtändlicher Darſtellung und künſtleriſcher Aus⸗ ſtattung ſich an „Brehms Tierleben“ anſchließend, erſcheint ſoeben: Erdgeſchichte. Von Prof. Dr. Melchior Neumayr. Soeben erschien: Voltaire und die französische Strafrechtspflege 2 Mit 916 Textabbildungen, 4 Karten und 27 Chromotafeln. im achtzehnten Jahrhundert. 3 4 f 2 Saffianbände 32 M. — 28 Hefte à 1 M. Proſpekte gratis. — Erſtes Heft und Band I durch alle Buchhand⸗ lungen zur Anſicht. | Bibliographiſches Inſtitut in Leipzig. Ein Beitrag zur Geschichte des Aufklärungszeitalters you Eduard Hertz. gr. 8. geh. Preis M. 12. — Soeben erschien: ANLEITUNG zur Darstellung Urgaulscher Präparate. Von Docent Dr. | S. Levy Mit 40 e 8. In Leinwand gebunden Mk. 4. — 3 * 3 n Neue naturwissenschaftliche Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart. Han db uch Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und gegenwartiger nd der Wetterprognose. Dr. F. ee — Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen 5 Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 8. — II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik Aristoteles bis auf die neueste Zeit. V. Prof. August Heller. Zwei Bände. I. Band: = Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M. 18. — Die Physik im Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens. Herausgegeben unter Redaction von Professor Dr. G. Krebs. Mit 259 Holzschnitten. 8. Elegant gebunden M. 11.—, brochirt M. 10. — Soeben erschien: Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer Untersuchungen fiir Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer von Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8 geh. Preis M.7.— HANDBUCH der Analytischen Chemie von Prof. Dr. Alexander Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I. Theil: Qualitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4. — I. Theil: Quantitative Analyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Lehrbuch der GEOPHYSIK Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Siegmund Gunther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. — II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. S. geh. Preis M. 15. — Handbuch der ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 BANDE. I. BAND, Mit 524 in den Text gedruckten Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 19. — Das Werk wird im Jahr 1887 mit Band II vollendet werden, Soeben erschien: Lehrbuch Krystallberechnung. Mit zahlreichen Beispielen, die mit Hilfe der sphäri- schen Trigonometrie auf Grund einer stereographi- schen Projection berechnet wurden. Von Ferdinand Henrich, Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Das Süsswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Siisswasseraquarien. Von Prof. Dr. F. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Lehrbuch der Chemie Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehiilfen-Examen, Von Dr. Bernhard Fischer, Assistent am pharmakologischen Institute der Universität Berlin. Mit 94 Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M.18.— Eleg. gebunden Preis M. 15. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Dalla Torre in Innsbruck . bearbeitet von Dr. Friedrich Knauer in Wien. Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. M. 20.— Die Erscheinungen des Erdmagnetismus in ihrer Abhängigkeit vom Bau der Erdrinde von Dr. Edm. Naumann, ehemal. Director der Topographisch-Geologischen Aufnahme von Japan. Mit 3 Figuren im Text und einer Karte. gr. 8. geh. M. 3. 60. Botanische Schriften im Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Ebermayer, Prof. Dr. E., Die Beschaffenheit der Waldluft und die Bedeutung der atmosphärischen Kohlensäure für die Waldvegetation. Zugleich eine übersichtliche Darstellung des gegenwärtigen Stan- des der Kohlensiiurefrage. Aus dem chemisch-boden- kundlichen Laboratorium der kgl. bayer. forstlichen Versuchsanstalt. gr. 8. geh. 2 M. Falkenberg, Prof. Dr. P., Vergleichende Untersu- chungen über den Bau der Vegetationsorgane der Monocotyledonen. Mit 3 Tafeln, 8. geh. 4 M. 80. Goeppert, Prof. Dr. H. R., Ueber das Gefrieren, Er- frieren der Pflanzen und Schutzmittel dagegen. Altes und Neues. Mit 14 Holzschnitten. Lex. 8. geh. 2 M. Goeze, Dr. E., Tabellarische Uebersicht der wich- tigsten Nutzpflanzen nach ihrer Anwendung und geographisch wie Systematisch geordnet, 8. eet 3 M. Koch, Prof. Dr. K., Dendrologie. Baume, Straucher und Halbsträucher, welche in Mittel- und Nord- Europa im Freien cultivirt werden. Kritisch be- leuchtet. Zwei Bande. gr. 8. geh. 33 M. 20. — —, Vorlesungen über Dendrologie. Gehalten zu Berlin im Winterhalbjahr 1874—75. In drei Theilen. J. Theil. Geschichte der Gärten. II. Theil. Bau und Leben des Baumes, sowie sein Verhältniss zu Menschen und Klima, III. Theil. Die Nadel- hölzer oder Koniferen. 8. geh. 8 M. 80. Koch, Prof. Dr. K., Die deutschen Obstgehölze. Vor- lesungen gehalten zu Berlin im Winterhalbjahr 1875—76. In zwei Theilen. I. Theil. Geschichte und Naturgeschichte der deutschen Obstgehölze. II. Theil. Auswahl der zum allgemeinen Anbau empfohlenen Obst- sorten. 8. geh. 12 M. Regel, Staatsrath Dr. E., Kultur der Pflanzen unserer höheren Gebirge, sowie des hohen Nordens. Mit 1 Tafel Abbildungen, gr. 8. geh. 1 M. 20. — —, Kartoffelkultur, Kartoffelkrankheit und ver- gleichende Versuche über den Werth von 440 verschiedenen Kartoffelsorten für den Anbau. gr. 8. geh. N 80h — — die Himbeere und Erdbeere, deren zum Anbau geeignetsten Sorten, deren Kultur und Treiberei mit besonderer Berücksichtigung der Kultur in rauhen Klimaten. Mit 2 colorirten Tafeln. gr. 8. geh. 1 M. 20. Rosenthal, Prof. Dr. D. A., Synopsis Plantarum dia- phoricarum. Systematische Uebersicht der Heil-, Nutz- und Giftpflanzen aller Länder, gr. 8. geh. 18 M. 80. Wiesner, Prof. Dr. J., Die technisch verwendeten Gummiarten, Harze und Balsame. Ein Beitrag zur wissenschaftlichen Begründung der technischen Waarenkunde. Mit 22 Holzschnitten und einer Tabelle. gr. 8. geh. 3 M. 60. ii BNE von Gebrüder Kröner in Stuttgart. 8 Hronatslefuitt für die geſämfen Herausgegeben von Dr. Otto Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. 9. Heft. + Inhalt. + S. Günther: Strömungsverſuche und deren Bes deutung für die Phyſik des Kosmos und der Erde. II. (Mit Abbildung enz) F. Rinkelin: Die Geſchichte des Mainzer Tertiär⸗ beckens, ſeine Tier⸗ und Pflanzenwelt. JJ. J. Soraner: Die neueren Arbeiten auf dem Gebiete der Pflanzen krankheiten Soh. von Fiſcher: Der marmorierte Triton. (Triton marmoratus Latr.) (Mit Abbildungen)... Kurt Lampert: Die Zugſtraßen der Vögel im euro⸗ pälſchen Rußland Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. H. Bücking, Geologie. — W. Marſhall, Zoologie. (Mit Abbildungen). : Kleine Mitteilungen. Die Luftelektricität. — Ueber den Zuſammen⸗ hang des Hallſchen Phänomens und des Leitungs⸗ widerſtandes. — Ein neuer Fortſchritt in der Photographie. — Schiffsunfälle infolge der Ab⸗ lenkung des Tones der Warnungsſignale. — Zur Geſchichte der Metalle. — Ein ſelbſtthätiger Luft⸗ prüfer auf Kohlenſäure. — Strophanthus — Kokosperlen. — Ein Roſenſtock. — Conus gloria Maris. — Fliegenlarven als Gäſte fleiſch⸗ freſſender Larven 1 September 1887, Seite 329 333 337 342 343 344—355 355— 358 Nilurwilſenſchalten 4 Dammer. dr SAAR, 2 8 91 1 sf) y 9 5 = Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. 6. Jahrgang. 85 * 2 Seite Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, mungen, Verſammlungen ꝛc. Die dritte allgemeine Verſammlung der deutſchen meteorologiſchen Geſellſchaſt. — Ueber die Arbeiten und Pläne der Centrallommiſſion für wiſſen⸗ ſchaftliche Landeskunde von Deutſchland. — Kangorro Island. — Botaniſche Gärten. — Tripolis. — Der Direktor des kgl. botaniſchen Gartens in Breslau 358361 Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Vulkane und Erdbeben. — Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Juli 1887. (Mit Karte). — Naturkalender für den Monat Sep⸗ tember 1887. — Aſtronomiſcher Kalender . 361-364 Biographien und Perſonalnotizen . 365 Litterariſche Rundſchau. Levy, Anleitung zur Darſtellung organiſcher Prä⸗ parate. — Riemann, Taſchenbuch für Minera⸗ logen. — Pettenkofer und Ziemſſen, Handbuch der Hygiene und Gewerbekrankheiten. Bibliographie. Bericht vom Monat Juli 1887 Unterneh⸗ 306 366—367 Litterariſche Notizen. 368 Verkehr. Fragen und Anregungen. — Antworten 368 A. Treffurth, Jimenau i. Thr | liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Anterricht, B Saboratorien, Hammlungen etc. etc. Alluſtrirle Kiſte mit vielfachen Auen reh gratis: jee von FERDINAND ENKE in Stuttgart. Soeben erschien: 5 Dasein vor der Geburt. Akademische 1 Hermann Fehling, Professor in Basel. 8. geh. Preis M. 1. — — — , , SSS 252535052 SESS S252 5 SSeS a SES eS eee Se SSP SUu SSA Soeben wurde vollſtändig: ads der 2 Nenſbeit in ihrem organiſchen Aufbau von 2 Julius Lippert. Zwei Bände. gr. 8. geh. Preis broſchiert M. 20. —, elegant in Halbfranzband gebunden M. 25. — (Perlag von Ferdinand Enke in Stuttgart.) Julius Lippert's Kulturgeſchichte, ausgezeichnet durch Originalität und Tiefe der Auffaſſung, wie durch ſchöne klare Sprache, hat ſich in kurzer Zeit den Ruf eines Werkes erſten Ranges auf dieſem Gebiete erworben. Vermöge ſeiner gemeinverſtändlichen Darſtellung iſt das Buch geeignet in den weiteſten Kreiſen der Gebildeten 0 1 Verbreitung zu finden. — CT, Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Verlag von Julius Springer im Berlin N. Soeben erschien: Soeben erschien; : Die eas Voltaire Flechten Deutschlands. und die Anleitung franzisische Strafrechtspflege Kemntuiss und Bestimmmng der deutschen Flechter, im achtzehnten Jahrhundert. Von edi i 5 P. Sydow. e ee a ee eee Mit zahlreichen in den Text gedruckten Abbildungen. Eduard Hertz. Preis M. 7. — gr. 8. geh. Preis M. 12.— Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: ANLEITUNG zur Darstellung Oroanischer Präparate Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 5 8. In Leinwand gebunden Mk. 4. — 3 0 Neue naturwissenschaftliche Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart. Handbuch : der Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und gegenwartiger ibn der Wetterprognose. Dy. W. ra van Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte. Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 8. — II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bände. I. Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M. 18. — Die Physik im Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens. Herausgegeben unter Redaction von Professor Dr. G. Krebs. Mit 259 Holzschnitten. 8. Elegant gebunden M. 11.—, brochirt M. 10. — Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer Untersuchungen fiir Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer von Professor Dr. N. , Mit 122 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 7 HANDBUCH Analytischen Chemie yon Prof. Dr. Alexander Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I. Theil: Qualitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4, — II. Theil: Quantitative Analyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Lehrbuch GEOPHYSIK Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Siegmund Gunther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. — II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. Handbuch der ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 BANDE, I. BAND. Mit 524 in den Text gedruckten Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M.19. — Das Werk wird im Jahr 1887 mit Band ITI vollendet werden. Lehrbuch Krystallberechnung. Mit zahlreichen Beispielen, die mit Hilfe der sphäri- schen Trigonometrie auf Grund einer stereographi- schen . 1 wurden. 5 Henrich, Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Das Sisswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden fiir die Anlage und Pflege von Susswasseraquarien. Von Prof. Dr. F. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Lehrbuch der Chemie Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gebiilfen-Examen. Von Dr. Bernhard Fischer, Assistent am pharmakologischen Institute der Universitit Berlin. Mit 94 Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 13. — Eleg. gebunden Preis M. 15. — eee von FERDINAND ENESE in STUTTGART. Soeben erschien: Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Dalla Torre in Innsbruck bearbeitet von Dr. Friedrich Knauer in Wien. Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Kiirelich erschien: ETHIK. Eine Untersuchung der a hatsachen und Gesetze N Lebens von Prof. Dr. Withelm Wundt. gr. 8. geh. Preis M. 14. — | Fund-Statistik Vorrémischen Metallzeit her: Cebicte: 2 Von E. Freiherr von Tréltsch. Mit zahtreichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck. 4. gebunden. Preis M. 15. — Dendrologie. Baume, Sträucher uud Halhsträucher, welche in Mittel- uud Nord-Europa im Freien cultivirt werden. Kritisch beleuchtet von Professor Dr. Karl Koch. Zwei Bande. Preis M. 33. 20. r der ee Physiologie wud Histologie Prof. Dr. 1 V. . Mit 195 Holzschnitten. 8. geheftet. Preis M. 16, — 2 Handbuch der Schulhygiene zum Gebrauche für Aerzte, Sanitatsbeamte, Lehrer, Schulvorstande und Techniker. Von Docent Dr. A. Baginsky Zweite Vollständig Umgearbeltete und pielfach vermehrte Auflage. Mit 104 Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 14. — LO GIK. Eine Untersuchung der Principien der Erkenntnis und der Nethoden wissenschaftlicher Forschung von Prof. Dr. Withelm Wundt. Zwei Bande. I. Band: Erkenntnisslehre. Preis M.14. — II. Band: Methodenlehre. Preis M. 14. — Die ersten Menschen und die Prähistorischen Zeiten Wit besonderer Beriicksichtignng der Urbewohner Amerikas, Nach dem gleichnamigen Werke des Marquis de Nadaillac herausgegeben von W. Schlésser und Ed. Seler. Mit einem Titelbilde und 70 in den Text gedruckten Holzschnitten. Autorisirte Ausgabe. gr. 8. geh. Preis M. 12. — Synopsis Plantarum diaphoricaran, Systematische Uebersicht der Heil-, Nutz- und Giftpflanzen aller Länder. Von Prof. Dr. D. A. Rosenthal. gr. 8. geh. Preis M. 18. 80. Das Milkroskop und seine Anwendung. Ein Leitfaden der allgemeinen mikroskopischen Technik für Aerzte und Studirende. Mit 82 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 6. — Von der Zeitschrift: „Der Zoologische Garten“, redigirt von Oberlehrer Prof. Dr. F. C. Noll, Ver- lag von Mahlau und Waldschmidt in Frank- furt a. M., erschien soeben No. 6 u. 7 des XXVIII. Jahrgangs für 1887 mit folgendem Inhalt: Fruchtbarkeit der Bastarde von Schakal und Haushund; von Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Julius Kühn in Halle a. S. — Fressen die Phyllostoma-Arten (Vampire) Früchte oder nicht? von Dr. Emil Göldi in Rio de Janeiro. — Zur Pflege der Amazonen- und Graupapageien; von Inspektor W. L. Sigel. — Ueber einige Geckonen der cirkummediterranen Fauna in der Gefangenschaft und im Freileben; von Joh. yon Fischer. (Schluss.) — Sprach- wissenschaft und Naturwissenschaft; von Dr. med. W. Stricker. (Fortsetzung von Jahrgang 27.) — Neue Notizen über die Kegel- robben des zoologischen Gartens in Berlin; von Prof. Dr. A. Nehring in Berlin. — Neues aus der Tierhandlung von Karl Hagenbeck, sowie aus dem Zoologischen Garten in Hamburg: yon Dr. Th. Noack. — Die Raubsaugetiere des Teutoburger Waldes; von Heinrich Schacht. — Die Ausstellung der zoologischen Sammlungen des b rühmten Reisenden in Centralasien, General N. M. PrZewalski. — Mitteilungen aus dem Zoologischen Garten in Basel; von dem Direktor Hagmann. — Einiges über den Gartenschlafer (Myoxus quercinus); von Dr. F. Helm. — Korres- pondenzen. — Kleinere Mitteilungen. — Litteratur. — Einge- gangene Beiträge. — Bucher und Zeitschriften. — Berichtigung. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. 2 . . 11 (onatslcfvitt für die gelamken Nakurwillenſchafken Herausgegeben vor Or, Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stutty art. Preis des Heftes 1 Mark. | Oktober 1887. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. + Inhalt. + H. von Fuchs: Der tote Raum bei chemiſchen Reak⸗ tionen. (Mit Abbildung) Fil) Bo, oma F. Kinkelin: Die Geſchichte des Mainzer Tertiär⸗ beckens, ſeine Tier⸗ und Pflanzenwelt. II. Kar! Reiche: Salzflora im Binnenlande G. . Th. Eimer: Ueber die Zeichnung der Vogel⸗ FCC Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. W. J. van Bebber, Meteorologie. — V. Wietlisbach, Elektrotechnik. (Mit Ab⸗ e rmchi Ta icnareu ws) weuieve A ce Kleine Mitteilungen. Leichengift zur Jagd. — Die rote Färbung der untergehenden Sonne. — Beſtimmung der mitt⸗ leren Dichtigkeit der Erde. — Befruchtung von Fritillaria Meleagris L. — Schutz der Alpen⸗ pflanzen. — Zum Schutze der Alpenpflanzen. —- Lebenskraft des Drachenbaumes. — Senecio vernalis. — Gegen die Kartoffelkrankheit. — Farbenvarietäten bei Meduſen. — Einige Bei⸗ träge zur Kenntnis landwirtſchaftlich ſchäd⸗ licher Käfer. — Forellen in den Gotthardſeen. — Schwedens Elchwildſtand. — Brieftauben. — Retention wurzelloſer Zähne. — Ueber eine vorgeſchichtliche Bernſteinwerkſtätte bei Bugle . Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unterneh- mungen, Verſammlungen ꝛc. Der XVIII. deutſche Anthropologenkongreß. — Amerikaniſche Tiefſeeforſchungen. — Einheitliche Seite 392—395 Nomenklatur der Anatomie. — Zwei Moosſamm⸗ lungen. — Paradoxites und Echinorhynchus roseus,Diesing 7%.) . ..1. | 3 Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Vulkane und Erdbeben. — Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Auguſt 1887. (Mit Karte.) — Naturkalender für den Monat Okto⸗ ber 1887. — Aſtronomiſcher Kalender Biographien und Perſonalnotizen Litterariſche Rundſchau. Edmund Naumann, Die Erſcheinungen des Erdmagnetismus in ihrer Abhängigkeit vom Bau der Erdrinde. — H. Braun und T. F. Hanauſek, Lehrbuch der Materialienkunde auf naturgeſchichtlicher Grundlage. — P. Groth, Grundriß der Edelſteinkunde. — Th. Geyler u. F. Kinkelin, Oberpliocän⸗Flora. — Flügge, Die Mikroorganismen. — A. Weismann, Ueber den Rückſchritt in der Natur. — Friedrich Knauer, Handwörterbuch der Zoologie. — T. v. Bedriaga, Beiträge zur Kenntnis der Lacertidenfamilie. — Villaret, Handwörterbuch der geſamten Medizin. — Johannes Ranke, Der Menſch Bibliographie. Bericht vom Monat Auguſt 1887. Litterariſche Notizen. Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Unzerbrechliches, Jahre lang konſtantes Trocken⸗ element. (Mit Abbildung) ri Seite 395—399 399—402 403 404—406 407—408 408 9 — 38 — * ulturgeſchichte der Menſchheit in ihrem organiſchen Aufbau von Julius Lippert. Zwei Bände. gr. 8. geh. Preis broſchiert M. 20. —, elegant in Halbfranzband gebunden M. 25. — nl fl al : : al il (Perlag von Ferdinand Enke in Stuttgart.) Julius Lippert's Kulturgeſchichte, ausgezeichnet durch Originalität und Tiefe der Auffaſſung, wie durch ſchöne klare Sprache, hat ſich in kurzer Zeit den Ruf eines Werkes erſten Ranges auf dieſem Gebiete erworben. Vermöge ſeiner gemeinverſtändlichen Darſtellung iſt das Buch geeignet in den weiteſten Kreiſen der Gebildeten Verbreitung zu finden. „Als die reife Frucht zahlreicher gediegener Vorarbeiten, die in den bekannten Büchern des geiſtvollen, tief⸗ blickenden Verfaſſers, jedes muſtergiltig und voll anregender Macht, vorliegen, beſitzen wir in dieſem ſchönen Haupt⸗ werk Lippert's zum erſten Male eine Kulturgeſchichte der Menſchheit, welche dieſen Namen ehrlich, wie ſie ihn faßt, mit Fug und Recht trägt. Es iſt nicht eine Geſchichte der menſchlichen Thätigkeiten und Erfindungen, wie ſie uns als geſonderte Errungenſchaften und Zweige ſeines Weſens durch zahlreiche Werke unter dem Namen der Kulturgeſchichte vorgeführt werden, es iſt vielmehr eine pragmatiſche Geſchichte der menſchlichen Arbeit, wie ſie als lebendiges Getriebe mit tauſend durcheinander ſich ſchlingenden Fäden und durcheinander tanzenden Spindeln das bunte Gewebe der Kultur erzeugt, die in Lippert's kunſtvoll aufgebautem und immer das Ganze im Zuſammen⸗ hang des Einzelnen berückſichtigendem Werke zum erſten Male als ſoziale Biologie auftritt. Es iſt nur eine un⸗ mittelbare Folge oder vielmehr ein Ausdruck dieſer Grundanlage des Buches, daß alle weſentlichen Kulturerſcheinungen der Gegenwart in ihrem hiſtoriſchen genetiſchen Zuſammenhange mit denen der Vergangenheit ihre Erklärung finden, daß für unverſtändlich gewordene und doch noch aus Gründen, die wir als kulturgeſchichtliche Geſetze kennen lernen, fortlebende Anſchauungen, Sitten und Bräuche, auf ihr richtiges ethnologiſch⸗hiſtoriſches Poſtament geſtellt, erſt das richtige Verſtändnis vermittelt wird, und ſo dürfte auch der weiteſte Kreis des denkenden Publikums an dem Werke Intereſſe und Freude haben. Unter dem geiſtvollen Nachweiſe des Verfaſſers wird die gemeine Lebensſorge, das was Darwin und ſeine Anhänger den Kampf ums Daſein benennen, zur Schöpferin aller materiellen und geiſtigen Fortſchritte und deren Wechſelwirkung aufeinander; ihr Walten und ihr Antrieb iſt es, was die geſellſchaftlichen Organiſationen von den einfachſten Anfängen bis in alle ihre Verzweigungen und komplizierten Entfaltungen hervorruft, ſie leitet den Menſchen durch das Gebiet der Selbſtſucht zur Bildung der elementarſten Sittlichkeitsgeſetze, zur Schaffung der Begriffe von Recht und Eigentum; ſie leitet ihn vor allem auch zu den Fertigkeiten der Gewinnung und Bereitung der Nahrungs⸗ mittel, lehrt ihn die Erfindung der Werkzeuge und Geräte, führt ihn zur Entwicklung des Verſtändigungsmittels der Sprache, ſchafft irgendwie in mittelbarer Weiſe dann auch die Begriffe der Zahlen und das Hilfsmittel der Schrift, kurz ſie füllt dem Menſchen, wie ſie einerſeits ihm die materiellen Mittel und den Beſitz ſchafft, anderer⸗ ſeits die geiſtige Rüſtkammer, ſo daß er mit dieſem Doppelbeſitz endlich zu den bewunderungswürdigen Fortſchritten der letzten Zeit gelangt. Wenn wir noch die umſichtige, ſtrenge Methode des Verfaſſers, ſeinen richtigen, klaren Blick, ſeine lichtvolle Darſtellung gebührend hervorheben, ſo dürfen wir getroſt die Zuverſicht ausſprechen, daß jeder Leſer unſer Urteil gern zu dem ſeinen machen wird, welches dahin lautet, daß Lippert's Werk ohne Zweifel die erſte Stelle unter allen ſeinesgleichen einnimmt.“ E (Mitteilungen der Anthropologiſchen Geſellſchaft in Wien. 17. Band.) ee ASAEAN SOHSOHSHOHOTFDIOCGHSHTSHODIOHSSHSSVSITSSIOSSHHOHSOCHSHOOHSCSCOSCO Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: ANLEITUNG zur Darstellung Organischer Präparate. Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand gebunden Mk. 4. — 2 5 a] Soeben wurde vollſtändig: : } 0 7 Neue naturwissenschaftliche Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart. Handbuch Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und gegenwartiger Zustand der Wetterprognose. Dr. W. J. van Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte. Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der N Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Netter be N Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bände. I, Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M. 18. Die Physik im Dienste der Wissenschaft, der Kunst; und des praktischen Lebens. Herausgegeben unter Redaction von Professor Dr. G. Krebs. Mit 259 Holzschnitten. 8. Elegant gebunden M. 11.—, brochirt M. 10. — Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer Untersuchungen fiir Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer von Professor Dr. M. Brawn. Mit 122 Holzschnitten. 8. geh. Preis M.7.— HANDBUCH Analytis chen Chemie Prof. Dr. Be candor Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I. Theil: Qualitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4. — II. Theil: Quantitative Analyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Lehrbuch der GEOPHYSIK Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Sieg e Gunther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. Handbuch der ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittlen. 2 BANDE. I. BAND. Mit 524 in den Text gedruckten Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 19. — Das Werk wird im Jahr 1887 mit Band II vollendet werden. Lehrbuch Krystallberechnung. Mit zahlreichen Beispielen, die mit Hilfe der sphäri- schen Trigonometrie auf Grund einer stereographi- schen Projection: | gare wurden. Ferdi ana Henrich, Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Das Süsswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Siisswasseraquarien. Von Prof. Dr. W. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Lehrbuch der Chemie Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehiilfen-Examen, Von Dy. Bernhard Fischen, Assistent am pharmakologischen Institute der Universität Berlin. Mit 94 Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 13. — Eleg. gebunden Preis M. 15. — Werlag von FERDINAND HEN KE in STUTTGART. Soeben erschien: Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Dalla ee in Innsbruck bearbeitet von Dr. Friedrich Knauer in Wien. Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Kiirelich erschien: ET HI K. Eine Untersuchung a „ und Gesetze sittlichen Lebens Prof. Dr. Withelm Mundt. gr. 8. geh. Preis M. 14. — Fund- Statistik Vorrömischen Metallzeit Rhein- Gebiete. Von E. Freiherr von Tréltsch. Mit zahlreichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck. 4. gebunden. Preis M. 15. — Dendrologie. Baume, Sträucher uud Halbstrducher, welche in Mittel- td Nord-Europa im Freien cultivirt werden. Kritisch beleuchtet von Professor Dr. Karl Koch. Zwei Bande, Preis M. 38.20. Grundzüge di Versleichenden Physilogie aud Histloge Prof. Dr. Ludw. v. Thanhoffer. Mit 195 Holzschnitten. 8. geheftet. Preis M. 16. — !!!.!!! ĩͤv ————————————— Druck von Gebrüder Kroner in Stuttgart. Handbuch der Schulhygiene zum Gebrauche für Aerzte, Sanitätsbeamte, Lehrer, Schulvorstände und Techniker. Von Docent Dr. A. Baginsky. Zweite vollständig umgtarbeitete und vielfach vermehrte Auflage. Mit 104 Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 14. — LO GIK. Hine Untersuchung der Principien der Erkenntnis und der Methoden wissenschaftlicher Forschung von Prof. Dr. Withelm Wundt. Zwei Bande. I. Band: Erkenntnisslehre. Preis M.14. — II. Band: Methodenlehre. Preis M. 14. — Die ersten Menschen und die Prähistorischen Zeiten Wit besonderer Berücksichtigung der Urbewohner Amerikas. Nach dem gleichnamigen Werke des Marquis de Nadaillac herausgegeben von W. Schlössern und Ed. Selen. Mit einem Titelbilde und 70 in den Text gedruckten Holzschnitten. Autorisirte Ausgabe. gr. 8. geh. Preis M. 12. — r e Syopsis Plantarum daphonearum. Systematische Uebersicht der Heil-, Nutz- und Giftpflanzen aller Lander. Von Prof. Dr. D. A. Rosenthal. gr. 8. geh. Preis M. 18. 80. ey oP Das Mikroskop und seine Anwendung. Ein Leitfaden der allgemeinen mikroskopischen Technik für Aerzte und Studirende. Mit 82 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 6. — (onatslchrift für die gelamken Naturwilſenlchaften gs Herausgegeben vor , Otto Dammer. real Verlag von Serdiwawd Duke in Stuttgart. ee | Dovember 1887, dane 6. Jahrgang. und Poſtanſtalten. t nhalt. + J. G. Wallentin: Ueber eine neue Errungenſchaft im Gebiete der elektriſchen Telegraphie . Ernſt Voges: Die Atmungsorgane der Tauſendfüßer. II. (Mit Whbiloungen). . . . . ... A. Nehring: Ueber die Muſteliden Südamerikas. C. Düſing: Die Weiterentwickelung des Darwinismus Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Paul Reis, Phyſik. — J. Steiner, Phyſio⸗ FFC ( Kleine Mitteilungen. Sauerſtoffgehalt der Luft. — Weißer Phosphor. — Wiederauffindung des Olbersſchen Kometen. — Der geologiſche Bau Oſtthüringens und des Erzgebirges. — Florida. — Pliocäne Schichten in Mittelſyrien. — Pliocäne Säugetiere aus China. — Ceratodus. — Silberne Wolfen. — Ein neuer Flechtentypus. — Die ſtärkſte Tanne ganz Thüringens. — Die Riechfunktion der Inſektenfühler. — Fortpflanzung bei Schildläuſen. — Mimikrie bei Amphipoden. — Die fünf deut⸗ ſchen Rana-Urten. — Die Gauklerei der indiſchen Schlangenbeſchwörer. — Haus und Wildkatze. (Mit Abbildung.) — Vielzehige Katzen. — Hoch⸗ gradiger Linſenaſtigmatismus. — Ueber die Empfindlichkeit des Geruchſinnes. — Einfluß der Hautfarbe auf die Erkrankung der Tiere. — Hungervirtuoſentum. — Inſtinkt eines Hechtes. — Schlangentumulus Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unterneh⸗ inſeln. — Vollſtändige und ſyſtematiſche Er⸗ forſchung der Flora von Oſtindien. — Botaniſche Gärten auf den weſtindiſchen Inſeln. — Bo⸗ taniſche Erforſchung der Philippinen. — Pflanzen⸗ ſammlung im Hereroland. — Sammlungen aus dem Oregongebiet. — Botaniſche Modelle von I ee e actor ae io 5 Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im November 1887. Vulkane und Erdbeben. — Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat September 1887. (Mit Karte.) — Naturkalender für den Monat November 1887 Biographien und Perſonalnotizen Litterariſche Rundſchau. J. Japetus S. Steenſtrup, Kjökken⸗Moddinger. Eine gedrängte Darſtellung dieſer Monumente ſehr alter Kulturſtadien. — E. Hoppe, Die Ent⸗ wickelung der Lehre von der Elektricität bis auf Hauksbee. — Alexander Bau, Handbuch für Schmetterlingsſammler. — G. Heßmann, Mag⸗ netismus und Hypnotismus. — Felix Wahn⸗ ſchaffe, Die geologiſchen Verhältniſſe der Um⸗ gegend von Rathenow. — Geologiſche Ueberſichts⸗ karte des weſtlichen Deutſch-Lothringen. — Geologiſche Ueberſichtskarte der ſüdlichen Hälfte des Großherzogtums Luxemburg. — R. Bonn, Die Strukturformeln. — Obermilller, Kleines praktiſches Blumenlexikon. — H. B. Möſchler, Beiträge zur Schmetterlingsfaung von Jamaika. . mungen, Verſammlungen 2. Andree, R., Die Unthropophagie. . . . . 444—446 Zwölfte Verſammlung der Aſtronomiſchen Geſell⸗ Bibliographie. Bericht vom Monat September 1887 447—448 ſchaft zu Kiel. — Dana auf den Sandwich⸗ FF 5 8 8 eka. Verlag von FERDINAND ENEE in Stuttgart 2.00000 Add r RE PO SAE ICME Soeben erschien: DIE HUGELGRABER ZWISCHEN AMMER- UND STAFFELSEE GEOFFNET, UNTERSUCHT UND BESCHRIEBEN VON Dn. JULIUS NAUE. Mit einer Karte und 59 Tafeln Abbildungen, darunter 22 farbige Tafeln. Quart. Gebunden. Preis 36 Mark. . EHE 0 Verlag von Ferdinand Enke in Stutigart. Soeben erschien: Die N na lyse des Wassers. Nach eigenen Erfahrungen bearbeitet Mit 32 Holzschnitten. 8. geh. M. 3. — — .... Dr. G. A. Ziegeler. : Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Einleitung in das Studium der Geologie Prof. Dr. David Brauns Mit 12 Holzschnitten. 8. geh. M. 5. — en Neue naturwissenschaftliche Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart. Handbuch der Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und gegenWartiger Zustand der Wetterprognose. Dr. W. J. van Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte. Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 8. — II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. S. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bände. I, Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M. 18. — Die Physik im Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens. Herausgegeben unter Redaction von Professor Dr. G. Krebs. Mit 259 Holzschnitten. 8. Elegant gebunden M. 11.—, brochirt M. 10. — Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer Untersuchungen für Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer von Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 7.— HANDBUCH der Analytischen Chemie von Prof. Dr. Alexander Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I. Theil: Qualitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4. — II, Theil: Quantitative Analyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Lehrbuch der GEOPHYSIK Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Siegmund Gunther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. Handbuch der ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 BANDE. I. BAND. Mit 524 in den Text gedruckten Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M.19, — Das Werk wird im Jahr 1887 mit Band IT vollendet werden, Lehrbuch Krystallberechnung. Mit zahlreichen Beispielen, die mit Hilfe der sphiri- schen Trigonometrie auf Grund einer stereographi- schen Projection berechnet wurden. Von Ferdinand Henrich, Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — D Süsswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Susswasseraquarien. Von Prof. Dr. W. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Lehrbuch der Chemie Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehiilfen-Examen. Von Dr. Bernhard Fischer, Assistent am pharmakologischen Institute der Universitat Berlin, Mit 94 Holzschnitten, gr. 8. geh. Preis M. 13. — Eleg. gebunden Preis M. 15. — Bücher-Ankauf! Bibliotheken und einzeln zu hohen Preisen. Kata- loge über ½ Million Bücher für 30 Pf. L. M. Glogau, Hamburg, 23 Burstah. Windaus’ Buchhandlung, Gotha, offerirt in ge- brauchten, sehr gut erhaltenen compl. Exempl. v. „Aus- land“ 1882—85 4 Jahrg. 5 Mark. „Globus“ Band 43—50 à Bd. 3 Mark. Bei Einsendung des Betrags erfolgt Franco-Zusendung. Creutz sche Verlagsbuchhandlung Magdeburg. Seewasser-Aquarien m Zimmer. Yon Reinhold Kd. Hoffmann. Fiir den Druck bearbeitet und herausgegeben yon Dr. Karl Russ. Mikroskop-Verkauf. Ein grosses, noch völlig neues Seibert'sches Mikro- skop m. Abbe, drehbarem Tisch, Obj. 1, III, V, VII (In m. m. Corr.), Okul. O, I, II, III, ist Todesfalls wegen anstatt für den Einkaufspreis von 375 M. sofort für 300 M. zu verkaufen. G. Lorenz, Dönges b. Tiefenort. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Wie sollen wir desinficiren? Rathschldge fiir das nichtaratliche Publikum bez. des schutzes der Gesunden gegentiber austeckenden Krankheiten, Vou Doe. Dr. E. Kohn. gr. 8. geh. 80 Pf. Mit 28 Abbildungen im Text. Preis M. 3. — ir Ernährung der Magenkrauken Eine diätetische Skizze. | Von Dr. P. Reich. 8. geh. 40 Pf. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. Zweite Auflage. Soeben wurde vollſtändig: ulturgeſchichte der Menſchheit in ihrem organiſchen Aufbau Julius Lippert. i Zwei Bände. gr. 8. geh. Preis broſchiert M. 20. —, elegant in Halbfranzband gebunden M. 25. — (Perlag von Ferdinand Enke in Stuttgart.) Jaulius Lippert's Kulturgeſchichte, ausgezeichnet durch Originalität und Tiefe der Auffaſſung, wie durch ſchöne klare Sprache, hat ſich in kurzer Zeit den Ruf eines Werkes erſten Ranges auf dieſem Gebiete erworben. Vermöge ſeiner gemeinverſtändlichen Darstellung iſt das Buch geeignet in den weiteſten Kreiſen der Gebildeten Verbreitung zu finden. a EAE UEBER Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Dalla Torr in Innsbruck \ bearbeitet von Dr. Friedrich Knauer in Wien. Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. M. 20, — Mit einer Beilage von Meisen und Mertig, physikal.-technische Werkstdtten in Dresden. Druck yon Gebrüder Kroner in Stuttgart, Monalsſchrift für Die gelamken Vialurwiſſenſchalten Herausgegeben von Dy. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. Dezember 1887. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. + Inhalt. + G5. Haberlandt: Die Waſſerverſorgung der Laubmooſe Ernſt Hallier: Die Symbioſe zwiſchen Ameiſen und i eeu o Sarge. Bor Affimilation der Pflanzen Reife ins transkaſpiſche Gebiet und das nördliche CCC Die Gleichberge bei Römhild Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. M. Alsberg, ee — W. Kobelt, Geographie und Ethnographie Kleine Mitteilungen. Die fpecifijde Wärme und die Dampfwärme der organiſchen Flüſſigkeiten. — Mangan als Licht⸗ bringer. — Magnetismus des menſchlichen Kör⸗ pers. — Die Nachweiſung von Fuſelöl in alfo- holiſchen Flüſſigkeiten. — Bildung der Korallen⸗ riffe. — Schutzmittel der Pflanzen. — Geißel⸗ protozoen im Blute kranker und anſcheinend geſunder Tiere. — Widerſtandsfähigkeit der Reben gegen die Phylloxera. — Die Naſenbremſe der Pferde. — Der Leiſtenmolch, Triton pal - matus. — Zeichnung der Vogelfeder. — Ueber die Schädlichkeit und Nützlichkeit der Rabenvögel. — Die Stare als Vertilger der Maulwurfsgrille. — Ueber den Mechanismus des Paukenfelles. — 5 ee cit; ae Moe sé Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unterneh- mungen, Verſammlungen ꝛc. G. von Hayek, Eine wenig bekannte wiſſen⸗ ſchaftliche Unternehmung. — 34. Jahresverſamm⸗ lung der deutſchen geologiſchen Geſellſchaft in Bonn. — Die däniſche Expedition. — Neues W Laboratorium. — Univerſität Würz⸗ e ak ito) (ci cass Wek Gccnrlonly. is Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Dezember 1887. Naturkalender für den Monat Dezember 1887 q rol? pC Litterariſche Rundſchau. Theodor Hoh, Elektrieität und Magnetismus als kosmotelluriſche Kräfte. — Ernſt Gerland, F an,. fu, Seite 449 453 456 457 459 461—471 « 471-475 . 480—481 Die Anwendung der Elektricität bei regiſtrieren⸗ den Apparaten. — Heinrich Weber, Fünf popu⸗ läre wiſſenſchaftliche Vorträge. Wöhlers Grundriß der organiſchen Chemie von Dr. Rudolph Fittig. — Adolf Pinner, Einführung in das Studium der Chemie. — Edv. Hjelt, Grund⸗ züge der allgemeinen organiſchen Chemie. — Johnſtons Chemie des täglichen Lebens. — J. F. Brockmann, Tabellen zur ſchriſtlichen und jüdiſchen Chronologie. — Fr. Umlauft, Afrika in kartographiſcher Darſtellung von Herodot bis heute. — C. W. Pütz, Die Grundzüge der Kar⸗ tographie für Natur⸗ und Wanderfreunde. — A. Weisbach, Tabellen zur Beſtimmung der Mineralien mittels äußerer Kennzeichen. — G. H. von Schubert, Naturgeſchichte des Pflanzen⸗ reiches nach dem Linnsſchen Syſtem. — P. Sy⸗ dow, Die Flechten Deutſchlands. — Friedrich Kruſe, Botaniſches Taſchenbuch. — Knuth, Flora der Provinz Schleswig⸗Holſtein, des Fürſtentums Lübeck, ſowie des Gebiets der freien Städte Hamburg und Lübeck. — Behrens. Ta⸗ bellen zum Gebrauch bei mifroffopijden Ar⸗ beiten. — Alexander Götte, Entwickelungsge⸗ ſchichte der Aurelia aurita. — L. Glaſer, Catalogus etymologicus Caleopterorum et Lepidopterorum. — Karl Weinhold, Die Verbreitung und die Herkunft der Deutſchen in Schleſten. — Karl Brämer, Nationalität und Sprache im Königreich Belgien. — Auguſt Claſſen, Ueber den Einfluß Kants auf die Theorie der Sinneswahrnehmung und die Sicherheit ihrer Ergebniſſe. — Eugen Kröner, Das lörper⸗ liche Gefühl. Serr at ine ne Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Ein neuer Himmelsglobus. — Klären von Schellacklöſungen. — Entwickelung von Chlor, ſchwefliger Säure und Sauerſtoff mit Hilfe des Kippſchen Apparates. — Reinigung des Schwefel⸗ waſſerſtoffs von Arſenwaſſerſtoff. — Um Schmet⸗ terlinge zu ködern. a, Sates Bets Seite 481-487 487—488 i A N 3 9 — 2 91 100 Don uae Soeben erſchienen: Der geſtirnte Dimmutel. Eine gemeinverſtändliche Aſtronomie von Profeſſor Dr. W. Valentiner in Karlsruhe. g Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. 6 Mark. Es iſt nicht leicht, die hochintereſſante Wiſſenſchaft, welche wir Aſtrono mie nennen, auch einem größeren Publikum zugänglich zu machen, und doch gibt es Tauſende von Naturfreunden, welche den Wunſch hegen, im Gebiete des geſtirnten Himmels etwas heimiſch zu werden. Dieſe dürften das Erſcheinen des vorliegenden Buches mit Freuden begrüßen, denn der Verfaſſer hat es in ganz hervorragender Weiſe verſtanden, wiſſenſchaftlichen Geiſt und allgemein verſtändliche, feſſelnde Darſtellung zu verbinden. Zahlreiche ſorgfältig ausgeführte Illuſtrationen erleichtern das Verſtändnis. i Die Htigelgraber zwischen Ammer: und Staffelsee. Geöffnet, untersucht und beschrieben von Dr. Julius Naue. Mit 1 Karte und 59 Tafeln Abbildungen, darunter 22 farbige Tafeln. 5 gr. 4. geb. Preis 36 Mark. — Berlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Höchst actuell. “Ag Soeben erschien: MAROKKO. Das Wesentlichste und Interessanteste über Land und Leute von Victor J. Horowitz. er. 8°. broch. M. 4.— Marokko ist ein bis jetzt wenig bekanntes, be- schriebenes und doch so wichtiges Land, dass ein Werk von einem so gründlichen Kenner des Landes, wie dem Verfasser, der lange Zeit im dortigen deut- schen Konsulate Angestellter war, sicher eine Lücke ausfüllt. Die lebendig gehaltenen Schilderungen simmt- licher Verhältnisse des Landes, der Bodenbeschaffen- heit, der Landesproducte, der verschiedenen Bewohner, der Sitten und Gebräuche, der Regierung und Ge- schichte derselben nebst specieller Beschreibung sammt- licher wichtigen Ortschaften etc., werden umsomehr Interesse finden, als gerade — jetzt Marokko immer mehr in den allgemeinen politischen Vorder- grund zu treten beginnt — und besonders mit Deutschland in nähere Beziehungen tritt. Verlag von Wilhelm Friedrich, K. R. Hofbuchh., Leipzig. Windaus’ Buchhandlung, Gotha, offerirt in ge- brauchten, sehr gut erhaltenen compl. Exempl. v. „Aus- land“ 1882—85 a Jahrg. 5 M. „Globus“ Bd. 4350 4 Bd. 3 M. Bei Einsendung des Betrags erfolgt Franco-Zusendung. Creutz sche Verlagsbuchhandlung Magdeburg. Seewasser-Aquarien mimmer. Von Reinhold Ed. Hoffmann. Fiir den Druck bearbeitet und herausgegeben. von Dr. Karl Russ. Mit 28 Abbildungen im Text. Preis M. 3. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. Kürzlich erschien: Das Seitalter der Natur-Erkenntniss. Ein Beitrag Zum Verständuiss der (regenwart. br. M. —,80 Pf. Leipzig. J. G. Findel. Die Verlagshandlung erlaubt ſich anzuzeigen, daß für den ſechſten Jahrgang des „Pumboldt“ Gelman Linbanddehen in dunkelgrüner Leinwand mit Gold- und Schwarzpreſſung von jetzt ab geliefert werden können. Die Decke iſt zum Preiſe von M. 1. 80. durch jede Buchhandlung zu beziehen. Auch zu den fünf erſten Jahrgängen ſind noch Decken vorrätig und können ſolche zum gleichen Preiſe nach— bezogen werden. N Stuttgart, mitte November isse. Die Verlags handlung Jeròinanò Enke. = Beſtellzettel. = * Der Unterzeichnete beſtellt hiermit bei der Buchhandlung von 1 Einbanddecke zum Bumboldt, Jahrgang 1887. (Ferdinand Enke in Stuttgart.) Ort und Datum: Firma: Druck von Gebrüder Kroner in Stuttgart. Neue naturwissenschaftliche Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart. Handbuch Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und gegenwartiger Zustand der Wetterprognose. Dr. W. J. van Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte. Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der n Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bande. I. Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M. 18. — Die Physik im Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens. Herausgegeben unter Redaction von Professor Dr. G. Krebs. Mit 259 Holzschnitten. 8. Elegant gebunden M. 11.—, brochirt M. 10. — Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer Untersuchungen fiir Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer von Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8. geh. Preis M.7.—~ HANDBUCH Analytischen Chemie yon Prof. Dr. Alexander Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I. Theil: Qualitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4. — II. Theil: Quantitative Analyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Lehrbuch der GEOPHYSIK Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Siegmund Gunther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. Handbuch der ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 BANDE. I. BAND. Mit 524 in den Text gedruckten Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 19. — Das Werk wird im Jahr 1887 mit Band II vollendet werden. Lehrbuch Krystallberechnung. Mit zahlreichen Beispielen, die mit Hilfe der sphäri- schen Trigonometrie auf Grund einer stereographi- schen ea cheese wurden. N Henrich, Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Das Sisswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden fiir die Anlage und Pflege von Siisswasseraquarien. Von Prof. Dr. W. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Lehrbuch der Chemie Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehiilfen-Examen, Von Dr. Bernhard Fischer, Assistent am pharmakologischen Institute der Universitit Berlin. Mit 94 Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M.13.— Eleg. gebunden Preis M. 15. — Verlag von Eduard Trewendt in Breslau. Die Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle Dr. A. Zimmermann, Privatdocent der Botanik an der Universitat Leipzig. Mit 36 Holszschnitten. Lex. C. Preis geheftet & Mark. „„Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. = Verlag von Wilhelm Friedrich, L. R. Hofhuchhäudler, Leipzig. Mirjam. Orientalischer Roman von E'riedrich Dieterici._ 3 Bde, broch. M. 10. — „Ein sonderbarer Roman, den man jedoch nicht ohne spannendes Interesse liest. Als Hauptidee liegt demselben die Liebesoffenbarung des Christenthums zu Grunde, welche der Held des Romans mit dem Herzen und dem Verstande in sich aufgenommen hat und gegen alle sinnlichen und dogmatischen Verfth- rungen erfolgreich vertheidigt. Um dies zu illustrieren, lasst der Verfasser, Welcher bekanntlich als Professor der Orientalia in Berlin einen bedeutenden Ruf ge- niesst, seinen Helden eine wahre Odyssee durchmachen. Im ersten Bande kämpft er gegen den sinnlichen Zauber des Orients in Constantinopel an, befreit eine Christin, Mirjam, aus den Fesseln des Harems, dann flieht er (im zweiten Bande) in eine Wüste und schliess- lich hat das Paar in einer kleinen Pfarre Deutschlands noch die Anfeindungen hierarchischer Geistlichen ab- zuweisen. Die Handlung istübrigens reich an anregenden und abenteuerlichen Episoden, die Schilderung des Orients und der Orientalen erhebt sich häufig zu dich- terischem Schwung. Im Grossen und Ganzen können wir unsern Lesern nur aufs Wärmste empfehlen, den Roman zu lesen, schon der brillanten Scenerieschil- derungen wegen, welche der Autor direkt der Wirk- lichkeit entlehnt zu haben scheint.* Hamburger Fremdenblatt. - Zu beziehen durch jede Buchhandlung. | A. Treffurth, JImenau i. Thür. liefert billigft in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Alnterricht, Laboratorien, Sammlungen etc. etc. Allulrirle Life mit viekfacken Anerkennungsſchreiben gratis. Neuer Verlag von Robert Oppenheim in Berlin. J. Gädicke u. A. Miethe, Prakt. Anleitung zum Pho- tographiren bei Magnesiumlicht. 80. 2½ Bogen mit 2 Lichtdrucktafeln. geh. M. 2,00. : Edv. Hjelt (Prof, Helsingfors), Grundzüge der Allgem. organ. Chemie. 80. 13½ Bog. geh. M. 3,50. Eugen Lellmann (Privatdocent, Tabingen), Principien der Organischen Synthese. 80. 33 Bog. geh. M. 10,00, in Leinenbd. M. 11,00. 8 Adolf Pinner (Prof., Berlin), Einführung in das Stu- dium der Chemie. 80. 7 Bogen. geh. M. 2,00. — — Repetitorium der anorgan. Chemie. mit 28 Hoizst. 7. Aufl. 80. 271), Bogen. geh. M. 7,50, geb. M. 8,00. — — Repetitorium der organ. Chemie. mit 11 Holzst. 7. Aufl. 80. 25 Bog. geh. M. 6,50, geb. M. 7,00. M. Stenglein u. Schultz-Hencke, Anleitung zur Aus- führung mikrophotograph. Arbeiten. 80, 8¾ Bogen mit 5 Holzst. und 2 Lichtdrucktaf. geh. 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