Ve al * a f 2 =. —— ot 3 Monalsſchrift für die geſamten Vaturwiſſenſchaften. Herausgegeben von Dr. Otto Dammer. SAAchter Tahrgang. —— / ZA cel MSN, 55 4 as N 6 JUN 2 6 1934 Va < FON ar muss SS oxo ————_ Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke. 1889. Subalts-Verzeidnis. Original-Aufſätze. Seite W. Oſtwald: Ueber Löſungen .. Ff ich ig RE ORAL Nias caine! A oath RM erat aes 1 Th. Noack: Zur Säugetierfauna der Wa Sree Pat Th Oh wee meee art ts em er em leeks el ie} U. Dammer: Beitrag zur Kenntnis der Fichtenformen .. r ratte! aah Pamtenet Ao uta M. Braun: Zur Frage der Selbſtbefruchtung bei den Switterſchnecken * n J. G. Wallentin: Demonſtration der Erſcheinungen der Magnetoinduktion in Wipernchen 4 Leier: 9 U. Dammer: Die Geſchlechtsverhältniſſe der Reben und ihre Bedeutung für den Weinbau 57 K. Meißen: Einiges über Schützenfiſchhhete .. e am Perea Pig 8a, 9 ote Seen L553! M. Alsberg: Die Hüttenböden Oberitaliens. .. „ % F. Henrich: Ueber die Wärmeverhältniſſe in den tieſſten Bohrlöchern Bes Erde tp Cae eres „ R. Sachße: Die neueren Anſchauungen über die Ernährung der Pflanzen mit Stichſtoffl .... 92 M Braun: Die Momentphotographie und ihre Bedeutung für die Tierkun egg. 96 U. Dammer: Zur Entwickelungsgeſchichte der Rhinanthaceen . .. e J. Gad: Die Sprache als Gegenſtand des Heilverfahrens, der e ute des Unterrichts „ OO Müttrich: Ueber phänologiſche Beobachtungen, ihre Verwertung und die Art ie ee „ . 29 Vettes G. Dieck: Die Akklimatiſation der Douglas fichte... : ; F gie der Infertionskrönkhei ten 1138 a Nehring: Ueber die Abſtammung de3-Meerjdweindjens . . . . . . . 2. 1143 E. Richter: Die Beſtimmung der Schneegrenze. .. 85 a ete CGS E. Löw: Die Veränderlichkeit der Met e ra 8 Pflanzen derselben Art „ i M. Braun: Der Paraſitismus unſerer Süßwaſſermuſchelnn . .. e E. Brückner: Entwickelungsgeſchichte des Kaſpiſchen Meeres und ſeiner er n Dammer: Fernmeßinduktor .. „ lar cag riage alte J. G. Wallentin: Ueber das e 1 Clektricität Aas Optik . M ft, ota © b.) ae RL R. Suche: nne ee e d, 82 F. Ludwig: Einiges über die Brandpilze ... C ORET ae AME Ce. Cea: C. Düſing: Fortſchritte der Biologie .. PPC J. G. Wallentin: Ueber das Grenzgebiet 1 Elektrieität und Optik PF R. Sachße: Phyſiologie des Gerbſtoffs . .. age CCC F. Ludwig: Extranuptiale Saftmale bei e i . Poe eee r !!!,, 297 ie und Verbreeluunn eee J A. Oberbeck: Elektriſche Schwingungen .. „%% T nee eae F. Moewes: Die epiphytiſche Pflanzenwelt der n der JFC. K R. Schneider: Verbreitung und Bedeutung des Eiſens im animaliſchen Organismun ss. 337 eee ote U em Majeed Unterrichten 369 L. Paul: Ueber die Konſtitution der Alkaloide. .. N . ERT 6 A. Nehring: Ueber die Herkunft der ſogen. türkiſchen Gite: me e of oe Meese A Ore eden DOV OKALIS TUDELIA! Vol ich oe)“ 6 Mad Mep veeeet 382 ee eren. 388 P. Lehmann: Planet (279) Thule .. PP Klunzinger: Die Artbildung und Verwandiſchaft Ket ben i ts 411 H. Kurella: Ueber die phyſiologiſche und pſychologiſche Bedeutung der baude des Gentrainernenffens 416 C. Mehlis: Hacke und Beil am Mittelrhein zur Steinzeit... FFT 419 H. Klebahn: Ueber Zwangsdrehungen .. JJV SUPE tyke: Goce ae A. Seligo: Ueber die Beſtrebungen zur Hebung pee enti Biers PelA Oh Rtas) Peel ice a K. Albrecht: Theorie des Glasätzens .. 8 JFC Msi trea SOG H. Gretſchel: Die neueſten Forſchungen über ie SONNE a! edhe ae, 797 F ea le ae ee y y 59 asi der Tiere 4462 W. Wickel: Schädliche Forſtinſekten . „„ 69 W. Kobelt: Die Achatinellen der Sandwichs inseln TVVVCCCCCCC Aan | IV Hnbhalts-Verzetdnis. Jortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. G hemie. Referent: Dr. K. Albrecht in Biebrich. Höhere Glieder der Methanreihe. Neue Merkaptanderivate (Sulfonal). Benzoylchlorid als Reagens. Spaltung des Phenols durch Chlor und durch Elektrolyſe. Terpene und Kampfer, Beziehungen des Kampfers zu hydrierten Naphtalinabkömmlingen. Alkalolde: Trigonellin, Cocain, Oxydationsprodukte des Piperidins, Prüfung des Chinins. Organiſche Farbſtoffe. Elementaranalyſe auf naſſem Wege. Gewinnung von Chlor und Aluminium e ee eaee Desmotropie. Einfluß des Lichtes auf chemiſche Reaktionen. Neue Syntheſen mittels Aluminiumchlorid. Schwefel⸗ ſäure als Ueberträger von Atomgruppen. Oxydation ungeſättigter Verbindungen. Syntheſe der Harn⸗ ſäure. Syringin. Wirkſame Beſtandteile der Betelnuß. Mikroſkopiſch⸗chemiſche Analyſe . Aſtronomie. Referent: Profeſſor Dr. C. F. W. Peters in Königsberg i. P. Sonnenfinſternis vom 1. Januar 1889. Linien des Sauerſtoffs im Sonnenſpektrum. Ungleiche Verteilung der Sonnenflecken auf der nördlichen und ſüdlichen Halbkugel. Parallaxe der Sonne. Oberfläche des Mars. Neue Planeten. Beſchaffenheit des Saturnringes und heller Fleck auf demſelben. Bedeckungen von Fix⸗ ſternen durch Planeten. Neue Kometen Winneckeſcher Komet. Parallaxen von Fixſternen. ¢ Cancri. Veränderliche Sterne. Spektrum von Mira Ceti und R Cyeni . „ e ee Geologie und petrographie. Referent: Profeſſor Dr. Bücking in Straßburg i. E. Anſichten über die Erſtarrung der Erde. Verhalten der Silikate beim Uebergang aus dem flüſſigen in den feſten Aggregatzuſtand. Entſtehung des Granulits und gewiſſer Gneiſſe. Vulkaniſche Auswürflinge vom Laacher See und aus dem Siebengebirge. Granitiſche Einſchlüſſe im Baſalt der Oberlauſitz. Gemiſchte Eruptiv⸗ geſteinsgänge. Die Abſtammung der Erze auf den Przibramer Gängen e Bildung des Löß in Argentinien, in der Magdeburger Börde und in Nordamerika. Recenter Löß. Geſchiebewälle in Norddeutſchland. Die ſüdbaltiſche Endmoräne. Aſarbildungen in Norddeutſchland. Temperaturver⸗ hältniſſe während der Eiszeit. Gletſcherſpuren in den Vogeſen. Entſtehung der Schweizeralpen Mineralogie. Referent: Profeſſor Dr. H. Bücking in Straßburg. Kryſtallſyſtem des Ullmannit und des Dolomit, Hemimorphismus des Strontianit und Aragonit. Aetzerſchei⸗ nungen am Quarz und Apatit. — Neue Mineralvorkommen; Zinnoberkryſtalle vom Berge Avala in Serbien, Schwefelkryſtalle aus Weſtindien, Eiſenkies von Friedberg. — Mikroſkopiſche Unterſuchung der Schalenblende. Optiſches Verhalten des Faujafit, Heulandit und Skolezit. — Künſtliche Darſtellung von Magneſia⸗ und Kaliglimmer, Wollaſtonit, Korund, Chryſoberyll, Spinell, Zinkit, Willemit, Krokoit, Pyro⸗ morphit und Mimeteſit e en dg aaa MSe, ey a ARR OREO COPE Se A aS Pyrargyrit und Prouſtit. Datolith. Neue Mineralien: Roſenbuſchit, Hiortdahlit, Barkevikit, Eudidymit, Norden⸗ kiöldin, Melanocerit, Dahllit, Rhodotilit, Heliophyllit, Baryſil, Pyrrhoarſenit, Auerlith, Beryllonit, Wwaruit, Sperrylit, Papofit, Quenftedtit, Sulfohalit, Riebeckit, Ineſi cara se e ee nee Geophyſik. Referent: Dr. E. Rudolph in Straßburg i. E. Säkulare Hebungen und Senkungen. Gebirgsbildung. Das Zußi⸗Plateau. Die Gebirgsbildungstheorie von T. Mellard Reade. Vulkanismus. Der Lavaſee im Krater des Kilauea. Vulkantheorie von J. D. Dana und F. Löwl. Seismologie. Erdbeben von Iſchia. Das andaluſiſche Erdbeben. Das Erdbeben von Char⸗ leſton. Seismometrie. Unterſeeiſche Abdachung der Feſtländer. Submarine Thäler. Abraſion + Oceanographie. Unterſuchungen von H. R. Mill über die Temperatur und den Salzgehalt des Firth of Forth Definition des Begriffs Flußſyſtem; Klaſſifikation der Flußmündungen. Der Firth of Clyde. Temperatur des ſchottiſchen Lochs und des Genfer Sees. Neigung der Iſothermenflächen im Genfer See. Das unter⸗ ſeeiſche Bett der Rhone im Genfer See. Gletſcherbewegung. Periodiſche Schwankungen der Gletſcher. Mechanismus des Gletſchervorſtoßes e TS VEL CLC BSCE et cue Une Oceanographbie. Referent: Kapitänlieutenant a. D. Rottok in Berlin. Strömungen in der Oſtſee. Weitere oceanographiſche Beobachtungen in der Oſt⸗ und Nordſee. Tiefſeelotungen im Atlantiſchen, Stillen und Indiſchen Ocean. Riffe und Klippen. Flutwelle im Bismarck-Archipel und ie hene eG ee ee SARS Se vis e eee — Seite 103 345 220 106 61 304 145 384 227 Inhalts-Verzeichnis. - Meteorologie. Referent: Dr. W. J. van Bebber in Hamburg. Beſtrebungen im Auslande. Allgemeine atmoſphäriſche Bewegungen, Arbeiten von Helmholtz und Oberbeck. Geo- graphiſche Verteilung der Windgeſchwindigkeit in den Vereinigten Staaten und im Ruſſiſchen Reiche. Häufigkeit ſtürmiſcher Winde in Großbritannien, an der deutſchen Küſte und an der Adria. Barometriſche Höhenformel. Wettertypen für den Monat März. Sonnenſtrahlung und Strahlungsmenge. Beſtim— mung der wahren Lufttemperatur. Taupunkt und nächtliches Minimum. Regenverhältniſſe Indiens. Niederſchläge bei fallendem und ſteigendem Barometer. Aequatorialgrenze des Schneefalls. Schneefall in Griechenland. Tau und Reif. Verbreitung der Nebel in Deutſchland. Londoner Nebel. Sonnen⸗ ſtrahlung und elektriſche Erſcheinungen. Gewittererſcheinungen und abſolute Feuchtigkeit. Blitzgefahr und Grundwaſſer. Blitzableiter. Klimatiſche Verhaltnifje . Bs sah oo > Noe Lopate gt Ne Botanik. Referent: Profeſſor Dr. Ernſt Hallier in München. Stärkebildung aus verſchiedenen Stoffen. Glykoſe als Reſerveſtoff. Iſotoniſcher Koefficient des Glycerins. Gly— kogen bei Pilzen. Atmungsoxydation nach dem Tode. Bedeutung des Kalkoxalats der Blätter. Kryſtall⸗ form beim Kalkoxalat. Phykoerythrin. Spaltöffnungsapparat. Durchdringlichkeit der Zellmembranen für Luft. Reizbewegungen. Apogamie bei viviparen Pflanzen. Wachstum der Zellwand. Fibroſinkörper Mykorrhiza⸗Symbioſen. Zerſetzungsprodukte der Eiweißſtoffe. Bedeutung der Reſerveſtoffe für den Baum. Diaurchdringlichkeit des Plasmas für Harnſtoffe. Entſtehung des Palliſadenparenchyms. Die Kohlehydrate als Produkte unvollſtändiger Oxydation der Eiweißſtoffe. Phyſiologie der Gerbſtoffe. Abſteigender Waſſerſtrom. Purpurbakterien. Lichtſtellung der Blätter. Oberhaut der Teſta bei Capsjenm. Ent— ſtehung der Aleuronkörner. Wachstum der Zellmembran. Ein merkwürdiger Hutpilz. Oxalſäuregärung durch einen Saccharomyces. Oelbehälter der Doldengewächſe. Cumarin in Ageratum mexicanum Pflanzengeographie. Referent: Dr. Robert Keller in Winterthur. A. Breitfeld: Geographiſche Verbreitung der Rhododendroiden. Francois Crépin: Rosae synstylae. Kraſanoff: Vorläufiger Bericht über eine Expedition nach dem Altai und Bemerkungen über die Vegetation des Altai. Martjanow: Materialien zur Flora des Minuſſinskiſchen Landes. Palmen und Killmann: Ex⸗ pedition nach Ruſſiſch-Lappland. A. Schulz: Die Vegetationsverhältniſſe der Umgebung von Halle. Be— richt über neue und wichtigere Beobachtungen aus dem Jahre 1886, abgeſtattet von der Kommiſſion für die Flora von Deutſchland. R. Keller: Wilde Roſen des Kantons Zürich e Soologie. Referent: Dr. Kurt Lampert in Stuttgart. Neuere Echinodermen-Litteratur. Die Niere der Seeigel. Längsmuskeln der Echinothuriden. Beweglichkeit der Platten bei dieſen und foſſilen Seeigeln. Pedizellarien und Sinnesorgane der Seeigel. Globiferen und Sphäridien. Meſodermanlage bei Synapta. Eifurchung der unregelmäßigen Seeigel. Die bilateralen Larvenformen der Echinodermen und ihre Wimperſchnüre. Anlage der primären und ſekundären Tentakel, ſowie des Steinkanals nebſt Bildung des Waſſergefäßſyſtems. Phylogenetiſche Bedeutung. Hypothetiſche Stammform der Echinodermen. Abſtammung derſelben. Die Urkeimzellen der Echinodermen und ihre Reifungsſtätten. Echte Zähne beim Schnabeltier. Bedeutung des Gebiſſes für die Stammesgeſchichte der Säugetiere. Perſiſtierendes Gebiß und Milchgebiß. Regenerationsfähigkeit. Beziehung zur ungeſchlecht— lichen Fortpflanzung durch Knoſpung und Teilung. Augmentation und Propagation. Abweichende Schuppen— bildung bei der Regeneration von Eidechſenſchwänzen. Ein Fall von Neubildung eines Eidechſenfußes. Beziehung der Regenerationsfähigkeit zur Metamerenbildung e ees Tae Helminthologie. Referent: Profeſſor Dr. M. Braun in Roſtock. Leucochloridium paradoxum und Distomum macrostomum. Linſtow, Kompendium der Helminthologie. Bo- thriocephalus rugosus. Entwickelung der Ceſtoden. Bothriocephalus latus. Gyrocotyle. Amphiptyches. Beurteilung des Bandwurmkörpers. Cerkarien in Landſchnecken. Distomum. Holoſtomeen . Soo geographie. Referent: Dr. K. Lampert in Stuttgart. Häufigkeit der Wölfe in Frankreich und Rußland. Vorkommen des Hamſters in Deutſchland. Eine neue Viber- kolonie an der Elbe. Wilde Kamele in Spanien. Verwilderte Rinder. Ruſſiſche Arbeiten über aſiatiſche Säugetiere. Die Büffel Afrikas. Säugetiere von Südoſtafrika und dem Gebiete des unteren Congo. Vertikale Verbreitung des Elefanten. Verbreitung der nordamerikaniſchen Wölfe. Verbreitung der Meer⸗ ſäugetiere. Die Behringsſtraße als Verbreitungscentrum der Floſſenfüßler. Kartographiſche Darſtellung der Verbreitung der Nebelkrähe, der Rabenkrähe und der Saatkrähe in Deutſchland. Verbreitung der Tag- raubvögel der Schweiz. Berichte verſchiedener ornithologiſcher Kommiſſionen Deutſchlands. Einwanderung des Steppenhuhns in Deutſchland. Maſſenhaftes Auftreten des Roſenſtars in Bulgarien. Ornithologiſche Ausbeute Przewalskis. Zur Ornis des Kaukaſus. Die Vogelwelt Oſtſibiriens. Die Avifauna von Britiſch⸗ Indien. Avifauna von Tunis. Centralafrikaniſche Vogelſammlungen. Die Verbreitung der weſtpaläark— tiſchen Schlangen. Lokalfauna deutſcher Reptilien und Amphibien. Iſoliertes Vorkommen von Lacerta viridis in Deutſchland. Geographiſche Verbreitung der beiden Unkenarten. Batrachier und Reptilien aus F/ /// / Seite bo bo — 65 309 192 465 VI Inhalts⸗ Verzeichnis. Phbyſiologie. Referent: Profeſſor Dr. J. Gad in Berlin. Wertigkeit der Atome und Giftwirkung. Atomgewicht und Geſchmack. Giftigkeit der Oxalſäure und ihrer Homologe. Anäſtheſierende Wirkung der Benzoylderivate. Phyſiologiſche Wirkung von Körpern der Lupetidinreihe. Curareähnliche Wirkung des Chinotoxin. Gallentreibende Mittel und Leberzellen. Alkaliſcher Harn bei Muskelermüdung. Säurebildung in roten und weißen Muskeln. Rote und weiße Muskeln bei Inſekten. Lichtbrechung in Muskelfaſern. Spannungsentwickelung im Spreizer des Zeigefingers. Vorwärmung der Einatmungsluft in der Naſe. Wirkt die Lunge wie eine Drüſe bei der Aufnahme von Sauerſtoff' und bei der Abgabe von Kohlenſäure? Fleiſchls Theorie der Stoßwirkung des Herzens auf Entbindung der Blutgaſe. Reduzierende Kraft verſchiedener Gewebe. Regulierung der Atemthätigkeit bei Muskel⸗ anſtrengungen. Exſpirationsgift e ei tat a) valeis. ava (ako incr 20 Experimentelle Pſychologie. Referent: Dr. H. Münſterberg in Freiburg. Das Wiedererkennen. Der Einfluß der Uebung auf geiſtige Vorgänge. Licht- und Farbenempfindung. Der Helligkeitskontraſt. Die Zeit der Farbenwahrnehmung. Die Träume der Blinden. Gehörshallueinationen. Lokaliſation von Schallempfindungen. Wärmeempfindung durch Kohlenſäure. Die Schwankungen der Aufmerkſankeienaananln Statiſtik der Träume. Die Unterſchiedsſchwelle beim Geſichtsſinn. Die Helligkeitsempfindung im indirekten Sehen. Vergleichung gehobener Gewichte. Bewegungsempfindungen. Neue Verſuche an den Ohrbogengängen. Die Funktionen des Großhirns. Blinde Tauben und Hühner. Wirkung des Lichts auf die Tiere Bar Anthropologie. Referent: Dr. M. Alsberg in Kaſſel. Die Bildung des Pigments. Anthropologiſche Haarunterſuchung. Plötzliches Ergrauen der Haare als Folge von Gemütserregungen. Rückenmark des Menſchen und des Gorilla. Platyknemie bei Jägervölkern. Pſeudo⸗ Hermaphroditismus. Angeborene Mißbildung der Geſchlechtsorgane und Geiſteskrankheiten. Schädelformen der Bevölkerung Tirols. Ueberführung der langköpfigen und mittellangen in die kurzköpfige Schädelform als Zeichen fortſchreitender geiſtiger Entwickelung. Die linksſeitige dritte Stirnwindung am Gehirn Gam⸗ betta's. Abſtammung des Torfſchweins. Der Urſtier (Bos primiigenius) als Stammvater der heutigen Rinderraſſen. Ausgrabungen auf Cypern. Bronzekultur der baltiſchen Länder. Die Allgemeingültigkeit des Dreiperiodenſyſtems widerlegt durch die Funde von Caslau. Das Eiſen im prähiſtoriſchen Aegypten. Die Menſchenraſſen in ihrem Verhalten gegenüber den Wundkrankheiten. Univerſalkraniometer. Pithekoide Merk⸗ male des menſchlichen Schädels. Die Baucheingeweide bei verſchiedenen Menſchenraſſen. Verbreitung der Schädelformen in Norwegen. Anthropologiſche Eigentümlichkeiten der Bevölkerung Guyanas und Venezuelas. Gibt es eine rote Raſſe? Virchows Unterſuchungen über das Os Incae. Schädelformen der Bevölkerung Vorarlbergs. Umwandlung der Langſchädel in Kurzſchädel. Geographiſche Verbreitung der Schädelformen in Italien. Völkertypen Südfrankreichs. Domeſtizierte prähiſtoriſche Hunde und Hunde der Quartärzeit. Die Verbreitung verſchiedener Haustierraſſen als Hilfsmittel der anthropologiſch-vorgeſchichtlichen Forſchung. Die Steinzeit Aegyptens. Abſtammung der altägyptiſchen Haustiere und Nutzpflanzen. Pſeudonephrite in der Schweiz. Thongeſchirr der Mammutzeit. Auffindung gefärbter Schädel. Bearbeitung und Ver⸗ wendung von Eberhauern in vorgeſchichtlicher Zeit i Nena nad aan unreal oye Anthropologiſche Charaktere der Zigeuner. Abſtammung und körperliche Eigentümlichkeiten der Eingeborenen Su⸗ matras. Die Eingeborenenbevölkerung von Tunis. Farbe der Augen und Haare bei der Bevölkerung Däne⸗ marks. Raſſenmiſchung bei der Bevölkerung Perſiens. Anthropologiſche Charaktere der Zirianen, Samojeden und Oſtjaken. Körperliche Eigentümlichkeiten der Armenier. Die Bevölkerung Neu⸗Guineas und der an⸗ grenzenden Inſelarchipele. Der dritte Condylus. Schienbein des Gorilla, der Neanderthal-Raſſe des neolithiſchen und jetzt lebenden Menſchen. Ektrodaktylie und Polydaktylie. Schädel- und Fußbildung bei Wei⸗ und Kru⸗Negern. Entſtehung der verſchiedenen Schädelformen. Der Rieſenwuchs und deſſen Eigen⸗ tümlichkeiten. Prähiſtoriſche Gewebe und Geſpinſte in Deutſchland. Bronzegürtel aus einem vorgeſchicht⸗ lichen Grabe Dranskaukaſien gs. f tot oie Elektrotechnik. Referent: Dr. V. Wietlisbach in Bern. Die Wechſelſtrommotoren. Der Motor von Tesla. Die Elektrolyſe durch Wechſelſtröme. Die Unterſuchungen von Hertz über die Fortpflanzung elektriſcher Wirkungen. Der alternierende Weg von Lodge. Die Theorie der Blitzableite !! 8 Seite 150 389 269 24 469 189 Srhalts- Verzeichnis. Vil : Kleine Mitteilungen. Die beiden Marsmonde. — Beteiligung des Luftſtickſtoffs am Verbrennungsprozeß. — Roſten der Eiſenbahnſchienen. — Unterſeeiſche Thäler. — Tylodendron. — Abhängigkeit der Pflanzen vom Subſtrat. — Eigentümliche Art der Samenverſchleppung. — Der Ueberzug von Crambe maritima J. — Maiblumen. — Die Reiniger der Meeres⸗ küſten. — Bemerkung über den Flug mancher Inſekten. — Larven des Olm (Proteus anguineus), in der Gefangenſchaft ausgeſchlüpft. — Ueber Mikroorganismen im künſtlichen Selterwaſſer. — Fauna eines maſuriſchen Pfahlbaus. S. 28—31. Zwei phyſikaliſche Irrtümer. — Metallglanz. — Sonnenparallaxe. — Eine Mineralquelle. — Ammoniakgehalt des Meteorwaſſers. — Der Seebär der Oſtſee. — Hymenoconidium petasatum. — Reſerveſtoffe in immergrünen Blättern. — Der Scheintod der Bärtierchen. — Bandwürmer. — Lämmergeier. — Ueber die Größe des Druckes, welcher durch Gärung in geſchloſſenen Gefäßen erzeugt wird. — Der Einfluß der Kälte auf den tieriſchen Organismus. — Ablagerung von Eiſenoxyd im Tierkörper. — Diluviale Muſcheln als Schmuck verwendet. S.69—73. Kompreſſion von feuchtem Pulver feſter Körper. — Farbige Sichtbarkeit der Diffuſion und ihrer Geſetze. — Anwendung der Kapillarität zum Reinigen von Flüſſigkeiten. — Die Prüfung und Beglaubigung der Stimmgabeln. — Die anthropometriſche Pfeife von Shaw und Turner. — Das Clauſius-Thomſonſche Geſetz der Erniedrigung des Eisſchmelzpunktes. — Darſtellung von Sauerſtoff. — Zur Theorie der Flamme. — Meteor mit Wirbelwind. — Wirbelwind. — Schichtbau der libyſchen Wüſte. — Zeit der Entſtehung des Oberrheinthales. — Das Klima der Tertiärzeit. — Entſtehungsgeſchichte der Extremitäten der Ichthyoſaurier. — Megatherium. — Bakterien im Gletſchereiſe. — Flora Madagaskars. — Auſtraliſche Gräſer mit europäiſchen im Kampf. — Zucker abſchei— dende Hüllſchuppen bei Kompoſiten. — Pflanzen und Schnecken. — Süßwaſſercölenteraten. — Neuer, ſeltſamer Paraſit. — Schlangenſterne. — Schmarotzerbienen. — Ueber das Vorkommen von Larven der Wohlfartſchen Fliege im Zahnfleiſche des Menſchen. — Würfelnatter. — Zahlengeſetz der Richtungskörperchen. S. 112—120. Anwendung der Geißlerſchen Röhren zum Sehen ſonſt unſichtbarer Naturerſcheinungen. — Kobalt und Nickel. — Schweif des Kometen 1887 a. — Photographie von Nebeln. — Komet von Winnecke. — Ueber künſtliche Erzeugung von gefüllten Blüten und anderen Bildungsabweichungen. — Die Zahl der gegenwärtig bekannten Phanerogamen. — Ein karnivorer Pilz. — Vorſicht bei der Behandlung der Giftpflanzen im naturgeſchichtlichen Unterricht. — Ueber das Gleiten der Schnecken an der Oberfläche des Waſſers. — Berittene Ameiſen. — Ueber die Kriechtiere Trans- kaſpiens. — Widerſtandsfähigkeit gegen Krankheiten bei blonden und brünetten Perſonen. — Verbreitung der Tuberkelbacillen außerhalb des Körpers. : S. 155—159. Neptunsmond. — Ueber einen Moſchuspilz. — Vorkommen des Hausſchwammes im Walde. — Ueber die Blaſenroſte der Kiefern. — Verbreitung des Sproſſers. — Vererbung der Haarfarbe bei Pferden. — Die Schwankungen der Geburtenzahl nach den verſchiedenen Tageszeiten. — Saugwirkung des Säugetierherzens. — Ein neues Verfahren zur Beobachtung der Wellenbewegung des Blutes. — Ueber die Waſſerausſcheidung des menſchlichen Körpers durch Haut und Nieren bei thermiſch indifferenten Bädern. — Der Tertiärmenſch von Thenay und die Bewohner der Andamaneninſeln. — Foſſile Muſcheln und Zähne als Schmuck. — Künſtliche Höhlen. — Riefen- baum. S. 199 — 202. Lichterſcheinungen durch mechaniſche Einwirkungen. — Entwickelung von Chlor bei der Darſtellung von Sauerſtoff aus Kaliumchlorat. — Chlorknallgas. — Reinigung von Queckſilber. — Das Funkeln und Farbenwechſeln der Fix— ſterne als Wetterprognoſe. — Neue Saturnringe. — Einfluß des Kampferwaſſers auf die Keimkraft der Samen. — Druck, welchen quellende Samen ausüben. — Japantalg. — Hymenoconidium petasatum Zukal. — Eine eigentümliche Anpaſſung an das Leben in Waſſerfällen und Stromſchnellen. S. 230— 232. Schwarze Gewäſſer. — Fata Morgana. — Klingender Sand. — Einſchleppung und Verbreitung des Kohlweißlings in Amerika. — Ein Stridulationsorgan bei Schmetterlingen. — Ueber das Vorkommen der Milchſäure im Blute und ihre Entſtehung im Organismus. — Noch einmal „Foſſile Muſcheln als Schmuck“. S. 273—275. Desinfektionsmittel. — Thätigkeit der Sonne im Jahr 1888. — Der infrarote Teil des Sonnenſpektrums. — Neu— beſtimmung der Jupitersmaſſe. — Ueber den Buntſandſtein im Haardtgebirge. — Zuſammenſtellung der Dimen- ſionen der größten foſſilen Säugetiere. — Die Gartenbohne. — Eine rote Waſſerblüte, verurſacht durch Cyclops rubens Jurine..— Auftreten des Schneewurms bei Greiz. — Ein neues Vorkommen von Halarachne hali- choeri Allmann. — Mimiery nach Lungenſchnecken. — Käferlarven und Schmetterlingsraupen als menſchliche Nahrung. — Parthenogeneſis des Totenkopfes. — Der Lungenfiſch. — Aenderungen im Neſtbau der Vögel. — Das Dunenneſtkleid der Vögel. — Akklimatiſation von Bronze-Trutwild. — Die Seekrankheit bei Tieren. — Eigentümliche Bißart mancher Nagetiere. — Das Verhalten der Harnabſonderung während der Nacht. — Diop⸗ triſche Fehler des Auges als Hilfsmittel der monokularen Tiefenwahrnehmung. — Beobachtungen bei einer Hinrichtung durch die Guillotine. S. 313—317. Schwankungen der Erdachſe. — Ringnebel in der Leier. — Nebel mittels Photographie entdeckt. — Kleiſtogame Blüten bei Fritillaria Meleagris? — Galopagosinſeln. — Ueber die Beziehungen der Schwere der Samen zu ihrer Keimfähigkeit. — Heuſchrecken. — Perlenfiſcherei in den nordiſchen Gewäſſern Rußlands. — Größe und Ver⸗ teilung der Fiſchfauna Nordamerikas. — Die Sinne der Verbrecher. — Altägyptiſche Augenſchminke. S. 355—356. Nachweis kleinſter Mengen von Arſen. — Flüchtigkeit des Eiſens. — Unterſeeiſche Telegraphenkabel als Thermometer. — Pilze als Brandſtifter. — Platanenhaare. — Tiefenfauna des Meeres. — Die Verſchleppung der Süßwaſſer⸗ faung und Anpaſſungen hieran. — Die Stinkdrüſen der Schaben. — Monſtröſer Schmetterling. — Ueber Paraſiten der Kleinzirpen. — Giftigkeit der Eidechſengattung Heloderma. — Känguruh. — Die geographiſche Verbreitung der Elſtern. — Der Gaswechſel der Eier von Bombyx mori. — Ueber den Einfluß des Lichts auf die Oxydations⸗ vorgänge in tieriſchen Organismen. — Ueber die ſchädliche Wirkung des Alkoholismus auf die Nachkommen⸗ ſchaft. — Mißbildungen der Ohren bei Geiſteskranken. — Mounds. : S. 394—399. Erdöl in Neuſeeland. — Säugetiere in der Kreideformation. — Verkehrt eingepflanzte Gewächſe. — Ektoderm der Schwammlarven. — Bandwürmer. — Briefſchwalben. — Wale. — Ueber die quantitativen Verhältniſſe bei der Kohlenoxydvergiftung. S. 437 438. Verdoppelung der Marskanäle. — Seintillometerbeobachtungen auf dem hohen Sonnblick. — Phosphorescierende Pilze. — Pfirſich⸗ und Aprikoſenſteine. — Die heilige Lotosblume. — Intelligenz der Bienen. — Einführung ſchädlicher Inſekten mit indiſchem Weizen. — Form und Natur der Ichthyoſaurierfinne ſowie Abſtammung und Lebens⸗ weiſe der Ichthyoſaurier. — Die Wiirfelnatter. — Fauna des kariſchen Meers. — Seekrankheit “hse dale . 475—479. VIII Inhalts⸗Verzeichnis. Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Anternehmungen, Verſammlungen etc. W. Förſter: Die Geſellſchaft Urania zu Berlin und ihre Veranſtaltungen. — Oceanographiſche Forſchungen. = lips boratoire d'Erpétologie in Montpellier. — Vereinigung zur Förderung des naturwiſſenſchaftlichen Unter⸗ richts in den Berliner Gemeindeſchulen. — Preisaufgaben. 5 S. 32—35. M. Alsberg: Die 61. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte. : S. 44—48. M. Alsberg: Die Ausſtellung. S. 48. Die 35. Jahresverſammlung der Deutſchen geologiſchen Geſellſchaft. — Ein neues Muſeum. — Phyſiologiſches In⸗ ſtitut in Würzburg. — Chemiſches Laboratorium in Göttingen. — Mineralogiſches Muſeum in Berlin. — Mine⸗ ralienſammlung. — Käferſammlung. — Preisaufgaben. \ 1 N S. 1475. Hygiene-Anſtalt der Univerſität Berlin. — Phyſiologiſches Inſtitut in Marburg. — Phyſikaliſches Inſtitut in Tübingen. — Aquarium in Wien. — Alexander Raztswetajeff. — Korallen⸗ und Korallenbildungen. — Neue große Stern⸗ warte in Tokio. — Planktonexpedition. — Neue zoologiſche Gärten. — Nationalmuſeum in San Joſe. S. 120 121. Zoologiſche Station für das Studium der Süßwaſſerfaung. — Zoologiſche Station an der Nordſeeküſte.— Botaniſche Station. — Breſſa⸗Preis. — Ungariſche ethnographiſche Geſellſchaft. — Internationaler phyſiologiſcher Kongreß. — Nordpolfahrt. — Zoologiſche Erforſchung von Korſika und Tunis. — Chineſiſche wiſſenſchaftliche Expedition. — H. Fruhstorfer. — Pflanzen aus Kleinaſien. — Neues Werk über Pflanzenkrankheiten. — Zoologiſche Sammlung. — Sammlung von Photographien. — Zoologiſches Muſeum. — Internationale Ausſtellung für Pflanzengeographie. — Anatomiſche und pathologiſche Sammlung. — Colorado Biological Association. — Verkauf von Herbarien. — Vermächtnis. i S. 159—160. Die Kaiſerl. Japaniſche Univerſität in Tokio. — Der internationale geographiſche Kongreß. — Eine Sektion der So- cieti Botanica Italiana. — Eine Biologiſche Station. — Das Zootomiſche Inſtitut. — Zoologiſche Stationen für das Studium der Süßwaſſerfauna. S. 202—203. Preisaufgaben. S. 203. Der achte Deutſche Geographentag. — Die Deutſche Meteorologiſche Geſellſchaft. — Sammlungen aus deutſchen Schutz⸗ gebieten. — Ein Hilfskomite zur Pflege der bayeriſchen Volkskunde. — Deutſcher Verein zur Förderung der Luft⸗ ſchiffahrt. — Die Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin. — Krimſcher Gebirgsklub. — Errichtung eines Zoologi⸗ ſchen Gartens in Waſhington. — Neues Aſtronomiſches Obſervatorium. — Astronomical Society of the Pacific. — Botaniſches Muſeum. — Société botanique de France. — Société zoologique de France. — Kongreß für Hygiene und Demographie. — Internationale Ausſtellung der geographiſchen, kommerziellen und induſtriellen Botanik. — Amerikaniſche Naturforſcherverſammlung. — Franzöſiſche Naturforſcherverſammlung. — Laboratorium der pathologiſchen Phyſiologie. — Ruſſiſche geographiſche Geſellſchaft. — Herbarien. S. 232 — 240. Preisaufgaben. S. 240. V. Henſen: Die Planktonexpedition der Humboldtſtiftung. — Relief des Rieſengebirges. — Die zehnte Seſſion des internationalen Kongreſſes für Anthropologie und prähiſtoriſche Archäologie. — Meteorological department. Monographie der britiſchen Hieracien. — Monographie der Utricularien. S. 275279. Preisaufgaben. S. 279. Fortbildungskurſe für Lehrer Deutſchlands und Oeſterreichs. — Expedition in die Nordſee. — Aſtronomenkongreß. — Anatomiſche Geſellſchaft. — Kongreß für phyſiologiſche Pſychologie. — Sternwarte im Vatikan. — Forſchungs⸗ reiſen. — Dr. Karl Forsſtrand. — Herbarium. — Sibiriſche Herbarpflanzen. — Herbarium Baiſſiers. — In⸗ ſektenſammlung. S. 317-318. Preisaufgaben. 2 S. 318. V. Henſen: Planktonexpedition der Humboldtſtiftung. — Rumpffſche Mineralienſammlung. — Bernſteinmuſeum. — Univerſität Brüſſel. — Alpiner Botaniſcher Garten. — ,,Geologist’s Association.“ — Botaniſcher Unterricht in Montpellier. — Laboratorium für Pflanzenbiologie. — Fiſcherei in Kanada. — „Elizabeth Thompson Science Fund.“ — Clark University. — Phanerogamenſammlung. — Pilzherbarium. S. 357 359. Die 42. Jahresverſammlung der Deutſchen geologiſchen Geſellſchaft. — Zoologiſche Station zu Rapallo. — Projekt einer lakuſtriſch⸗biologiſchen Station. — Herbarium Eggerth. — Botaniſcher Garten in Wien. — Botaniſcher Garten bei Viktoria. — Vor⸗ und frühgeſchichtliche Sammlungen. S. 399—401. Preisaufgabe. S. 401. Die 20. Allgemeine Verſammlung der Deutſchen anthropologiſchen Geſellſchaft. — Ueber die botaniſchen Aufgaben der lakuſtriſchen Stationen. — Spenden für das Zoologiſche Obſervatorium in Plön. — Zur Beſtimmung der Lufttemperatur in großen Höhen. — Das neue naturhiſtoriſche Muſeum in Wien. — Verſuchsweinberg und Wein⸗ bauſchule. — Landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen in den Vereinigten Staaten. S. 438443. Preisaufgabe. i S. 443. Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Januar 1889. S. 36.— Februar. S. 76. — März. S. 123. April. S. 161. — Mai. S. 204. — Juni. S. 241. — Juli. S. 280. — Auguſt. S. 319. — September. S. 360. — Oktober. S. 402. — November. S. 444, — Dezember. S. 479. Erdbeben und vulkaniſche Ausbrüche. S. 36. 77. 121. 162. 205. 242. 281. 320. 361. 402. 444. 480. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Oktober 1888. S. 38. — November und Dezember 1888. S. 78. — Januar 1889. S. 122. — Februar. S. 162. — März. S. 205. — April. S. 243. — Mai. S. 281. — e Juni. S. 320. — Juli. S. 360. — Auguſt. S. 404. — September. S. 446. — Oktober. S. 480. e e Ed 3. 1 Seas 18885 ve Erdbeben vom 23. Februar 1887. S. 77. — Ueber das vogt⸗ as srobeben am 26. Dezember : 242. — Zur Falbſchen Theorie. : — Geiſer. 7 ; Feuerkugel. S. 363. — Bur Falbſchen Theorie. S. 400 W 5 Inhalts⸗Verzeichnis. IX Biographien und Perfonalnotizen. Perſonalnotizen: S. 39. 80. 123. 163. 206. 244. 282. 321. 364. 405. 447. Totenliſte: S. 39. 80. 124. 163. 207. 240. 244. 282. 322. 364. 405. 448. Titterariſche Rundſchau. G. G. Stokes, Das Licht. — W. Zenker, Die Verteilung der Wärme auf der Erdoberfläche. — H. W. Vogel, Praktiſche Spektralanalyſe irdiſcher Stoffe. — A. M. Clerke, Geſchichte der Aſtronomie während des 19. Jahr⸗ hunderts. — G. Haberlandt, Ueber die Beziehungen zwiſchen Funktion und Lage des Zellkernes bei den Pflanzen. — A. Schulz, Die floriſtiſche Litteratur. S. 40 — 41. J. D. Everett, Phyſikaliſche Einheiten und Konſtanten. — Jakob Meſſer, Sternatlas für Himmelsbeobachtungen. — H. C. E. Martus, Aſtronomiſche Geographie. — J. G. Wollweber, Der Himmelsglobus. — H. La m- botte et E. Lambotte, Synopsis de la faune des animaux vertébrés. — W. Wolterstorff, Unſere Kriechtiere und Lurche. — Alexander Rau, Handbuch für Inſektenſammler II. — W. Marſhall, Die Tiefſee und ihr Leben. — Wilhelm Cramer, Die Aufgaben und das Ziel der anthropologiſchen Forſchung. — Emil Schmidt, Anthropologiſche Methoden. A. de Quatrefages, Tératologie et Tératogénie. — K. F. Jordan, Goethe — und noch immer kein Ende! — C. M. Starcke, Die primitive Familie in ihrer Entſtehung und Entwickelung. — Friedrich v. Hellwald, Die menſchliche Familie. S. 81—84. Richard Lepſius, Geologie von Deutſchland und den angrenzenden Gebieten. — J. Walther, Die Korallenriffe der Sinaihalbinſel. — E. Löw, Pflanzenkunde. — O. Staudinger und H. Langhans, Exotiſche Tagfalter. S. 124— 126. Julius Maier und W. H. Preece, Das Telephon und deſſen praktiſche Verwendung. — Karl v. Fritſch, All⸗ gemeine Geologie. — E. A. Schäfer, Hiſtologie für Studierende. — G. Steinmann, Elemente der Paläon⸗ tologie. — J. Stilling, Schädelbau und Kurzſichtigkeit. — C. Mehlis, Studien zur älteſten Geſchichte der Rheinlande. S. 164—166. Ira Remſen, Grundzüge der theoretiſchen Chemie. — Karl Schwalb, Die naturgemäße Konſervierung der Pilze. — Ernſt Schaeff, Leitfaden der Zoologie. — Ernſt Flothow, Die ſchädlichen Arten der Motten. — H. Lachmann, Das Terrarium. S. 245. Aus Juſtus Liebig und Friedrich Wöhlers Briefwechſel. — Dr. R. Klebs, Bernſteinſammlung. — Arnold Lang, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. — H. Lachmann, Die Giftſchlangen Europas. S. 283—284. Karl Braun, Ueber Kosmogonie vom Standpunkte geiſtlicher Wiſſenſchaft. — Hermann Frerichs, Zur modernen Naturbetrachtung. — A. N. Böhner, Monismus. — Silo P. Thompſon, Die dynamoelektriſchen Maſchinen. — W. E. Ayrton, Handbuch der praktiſchen Elektricität. — Gaſton Planté, Die elektriſchen Erſcheinungen der Atmoſphäre. — E. Richter, Die Gletſcher der Oftalpen. — Adolf Hettner, Reiſen in den kolum⸗ bianiſchen Anden. — F. Senft, Der Erdboden nach Entſtehung, Eigenſchaften und Verhalten zur Pflanzen⸗ welt. — E. Brückner, Die Schwankungen des Waſſers im Kaſpiſchen Meer, dem Schwarzen Meer und der Oſtſee in ihrer Beziehung zur Witterung. — Siegmund Günther, Die Meteorologie. — C. Luerſſen, Die Farnpflanzen oder Gefäßbündelkryptogamen. — H. Potonié, Illuſtrierte Flora von Nord- und Mittel- deutſchland. — J. E. Weiß, Vademecum botanicorum. — M. Wolter, Kurzes Repetitorium der Botanik. — M. Alsberg, Anthropologie mit Berückſichtigung der Urgeſchichte des Menſchen. S. 323—326. J. Plaßmann, Die veränderlichen Sterne. — J. Biſchoff, Ueber das Geoid. — E. Reyer, Theoretiſche Geologie. — E. de Margerie und A. Heim, Les dislocations de l’écorce terrestre. Die Dislokationen der Erdrinde. — J. Burgkhardt, Das Erzgebirge. — L. Pütz, Lehrbuch der vergleichenden Erdbeſchreibung. — A. Bezzen— berger, Die Kuriſche Nehrung und ihre Bewohner. — A. Praktikus, Der kleine Pilzſammler. — Der Zoologiſche Garten. S. 364—367. J. B. Balfour, Botany of the island of Socotra. — Ignaz G. Wallentin, Lehrbuch der Phyſik. — Derſelbe, Grundzüge der Naturlehre. — M. Geiſtbeck, Leitfaden der mathematiſchen und phyſikaliſchen Geographie. S. 405—406. Dieſterweg, Populäre Himmelskunde und mathematiſche Geographie. — W. Valentiner, Veröffentlichungen der großherzoglichen Sternwarte in Karlsruhe. — H. F. Blanford, A practical guide to the Climates and Weather of India, Ceylon and Burmah and the Storms of Indian Seas. — Deutſche Seewarte, Inſtruktion für die Signalſtellen der Deutſchen Seewarte. — Hinterwaldner, Wegweiſer fiir Naturalien⸗ ſammler. — H. Beckurts und B. Hirſch, Handbuch der praktiſchen Pharmacie. — Mitteilungen der Kommiſſion für geologiſche Landesunterſuchung von Elſaß-Lothringen. — Engler-Prantl, Die natürlichen Pflanzen⸗ familien. — L. Büchner, Der Menſch und ſeine Stellung in Natur und Geſellſchaft, in Vergangenheit, Gegen— wart und Zukunft. — Spannert, Die wiſſenſchaftlichen Benennungen ſämtlicher europäiſchen Großſchmetter⸗ linge. — Fridrich, Naturgeſchichte der deutſchen Vögel. — Paarmann, Die Schöpfung und das Geiſtige in derſelben. — Fechner, Elemente der Pſychophyſik. — Aubert, Phyſiologiſche Studien über die Orien⸗ tierung. — Herzen, Grundriſſe einer allgemeinen Pſychophyſiologie. — M. Hörnes, Die Gräberfelder an der Wallburg von St. Michael. — E. Hallier, Kulturgeſchichte des 19. Jahrhunderts in ihrer Abhängigkeit von der Entwickelung der Naturwiſſenſchaften. S. 481—487. Bibliographie. Bericht vom Monat Oktober 1888. S. 41. — November und Dezember 1888. S. 84. — Januar 1889. S. 126.— Februar. S. 166. — März. S. 207. — April. S. 246. — Mai. S. 284. — Juni. S. 326. — Juli. S. 367. — Auguſt. S. 406. — September. S. 448. x Inhalts⸗Verzeichnis. Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Darſtellung der künſtlichen organiſchen Farbſtoffe I. S. 42—43. Darſtellung der künſtlichen organiſchen Farbſtoffe II. S. 86. — Die Oberflächenſpannung einer Flüſſigkeitshaut dar⸗ zuſtellen. — Wolkenmeſſung. S. 87—88. Darſtellung der künſtlichen organiſchen Farbſtoffe III. S. 127. — Eine neue Mikroſkopierlampe. — Anwendung des elektriſchen Lichtes bei ſubmarinen Forſchungen. S. 128. Darſtellung der künſtlichen organiſchen Farbſtoffe IV. S. 167. — Zur Kultur kleiner Organismen auf Objetttiigern 168. Der Foncaultſche Pendelverſuch. — Ueber eine zweckmäßige Konſervierungsmethode getrockneter Pflanzen. — Zum Fixieren der Sporen der Hymenomyceten auf Papier. S. 247 — 248. Neue Wellenmaſchinen. S. 285— 287. a 5 Silicium und Bor. — Prüfung des Glaſes. S. 327—328. Zur experimentellen Darſtellung der Tromben. — Mikroſkopierlampe. — Zarte anatomiſche und zoologiſche Präparate auf Glas zu montieren. — Einen Riß im Flügel eines Schmetterlings auszubeſſern. S. 408. Abbildungen von Blättern und anderen Naturobjekten. — Horizontalmikroſkop. — Mikrotom. — Auxanographie. S. 487488. Verkehr. Fragen und Anregungen. — Antworten. S. 44. 88. 208. 287. 328. 368. 408. Noe Bev ungen. Von Prof. Dr. W. Oftwald in Leipzig. eit mehreren Jahrzehnten findet fic) in wiſſenſchaftlichen Abhandlungen von Zeit zu Zeit die Ueberzeugung ausgeſprochen, E daß die Stoffe in verdünnten Auflöſungen ſich in einem Zuſtande befinden, welcher dem der Gaſe vergleichbar iſt. Indeſſen fehlte es durchaus an einer klaren Bezeichnung der Punkte, in Bezug auf welche dieſe Aehnlichkeit vorhanden ſei, und daher blieb die Bemerkung unfruchtbar für die Wiſſenſchaft. Erſt vor wenigen Jahren hat J. H. van't Hoff in Amſterdam den entſcheidenden Schritt von der unbe— ſtimmten Vermutung zu einer ſcharf formulierten Theorie gethan, und hat dadurch auf Gebiete, die trotz unausgeſetzter Beſchäftigung der Forſcher mit denſelben dunkel und rätſelhaft geblieben waren, eine Fülle von Licht geworfen. Schon gegenwärtig, wo die Zahl der Forſcher, die ſich dieſe Ideen zu eigen gemacht haben, nur eine ganz geringe iſt, darf man ausſprechen, daß van't Hoffs Theorie der Löſungen mannigfaltigere und wichtigere Erfolge aufzuweiſen vermag, als z. B. die berühmte kinetiſche Gastheorie während ihres ganzen Beſtehens errungen hat. Das iſt ein kühnes Wort — aber es ſoll durch die nach— folgenden Auseinanderſetzungen gerechtfertigt werden. f Bekanntlich haben die Gaſe die Eigenſchaft, jeden ihnen gebotenen Raum vollſtändig auszufüllen, und auf die Gefäßwände dabei einen Druck auszuüben, welcher für eine gegebene Gasmenge dem Raum um— gekehrt proportional iſt. Wo haben wir bei den Löſungen die Analogie dazu? Wenn wir in ein Gefäß eine gewiſſe Menge einer Löſung, z. B. von Zucker thun, und darüber reines Waſſer ſchichten, ſo verhält ſich dieſes zu dem Zucker in der Löſung wie ein leerer Raum zu einer Gas— menge. Der Stoff ſetzt ſich alsbald in Bewegung, um fic) in dem Waſſer zu verteilen und der Vorgang, den wir Diffuſion zu nennen pflegen, hört nicht eher gleichförmig verteilt iſt. Das iſt dasſelbe Verhalten, wie bei Gaſen, nur daß die Ausgleichung bei dieſen in wenigen Sekunden erfolgt, während ſie bei Löſungen Wochen und Monate beanſpruchen kann. Es iſt das aber offenbar nur ein Unterſchied des Maßes, nicht einer des Weſens. Können wir nun die Kraft meſſen, mit welcher Stoff ſich im Waſſer zu verbreiten ſtrebt? Dies würde offenbar gelingen, wenn wir die Löſung gegen das reine Waſſer durch eine Wand abtrennen könnten, welche den Zucker nicht durchläßt, dem Waſſer da— gegen den Durchgang geſtattet. Dann würde der Zucker an der Ausbreitung gehindert ſein und ſein Beſtreben dazu würde ſich ebenſo als Druck gegen dieſe „halbdurchläſſige“ Wand geltend machen, wie ſich das Ausdehnungsbeſtreben der Gaſe gegen die Gefäßwände geltend macht. Solche halbdurchläſſige Wände, welche die Molekeln des Waſſers nicht am Durchgang hindern, wohl aber die Molekeln vieler gelöſter Stoffe, hat nun in der That Traube, und insbeſondere W. Pfeffer herſtellen gelehrt, und der letztere hat die mit ſolchen Wänden zu beobachtenden Erſcheinungen einem eindringenden Studium unterworfen. Wenn man in eine Löſung von Kupferſulfat vorſichtig einen Tropfen einer Ferro- cyankaliumlöſung treten läßt, ſo bildet ſich an der Berührungsſchicht eine Haut von Ferrocyankupfer, welche zwar Waſſer durchtreten läßt, aber keines der beiden Salze, und ebenſowenig zahlreiche andere Stoffe. Pfeffer hat gezeigt, wie man ein ſolches molekulares Sieb im Innern einer poröſen Thonzelle erzeugen und dasſelbe bequem handhaben kann. Füllt man die Zelle mit einprozentiger Zuckerlöſung, verſchließt ſie mit einem Pfropfen, welcher ein Manometer trägt und taucht ſie in reines Waſſer, ſo tritt von außen Waſſer ein, der Druck ſteigt im Innern und bleibt, wenn er bei 6,8“ C. auf 504 Millimeter Queckſilber auf, als bis der Zucker in der geſamten Flüſſigkeit völlig oder 0,664 Atmoſphären geſtiegen iſt, ferner unver— Humboldt 1889. 1 2 Humboldt. — Januar 1889. ändert. Steigert man künſtlich den Druck auf einen höheren Betrag, ſo tritt alsbald Waſſer aus, bis wieder derſelbe Druck hergeſtellt iſt. Dieſer Druck iſt nun derſelbe, welchen die- ſelbe Menge Zucker ausüben würde, wenn er bei derſelben Temperatur und in demſelben Raume Gasgeſtalt annehmen könnte. Wir können den Druck leicht berechnen. Bekannt⸗ lich üben verſchiedene Gaſe gleichen Druck aus, wenn in gleichen Räumen ſolche Mengen vorhanden ſind, welche im Verhältnis der Molekulargewichte ſtehen. Da das Molekulargewicht des Zuckers, C2220 = 342 beträgt, ſo würde derſelbe in Gasform einen Druck ausüben, wie eine um 342 mal kleinere Waſſerſtoffmenge (2 iſt das Molekulargewicht des Waſſerſtoffs). Da das Gewicht von einem Liter Waſſerſtoff bei 0° und einer Atmoſphäre Druck 0,08956 g beträgt, fo läßt ſich leicht berechnen, daß die dem Zucker entſprechende Waſſerſtoffmenge bei 6,8“ einen Druck von 505 mm Queckſilber oder 0,665 Atmoſphären ausüben müßte. Die Zahl ſtimmt auf das beſte mit der experimental gefundenen überein. Wendet man andere Konzentrationen an, ſo findet man entſprechend höhere oder niedere Drucke. Der osmotiſche Druck iſt proportional der Konzentration. Dies iſt aber nichts als das Boyleſche Gas⸗ geſetz, denn auch der Druck eines Gaſes iſt propor⸗ tional der Menge in der Volumeinheit, oder der Konzentration. Bei veränderter Temperatur findet man veränderte Drucke. Bei Gaſen iſt bekanntlich das geſamte Ver⸗ halten durch die Formel PV = RT darſtellbar, wo P den Druck, V das Volum, T die abſolute, von — 273 C. ab gezählte Temperatur und R eine Kon⸗ ſtante bedeutet. Die Gleichung lehrt für den vor⸗ liegenden Fall, daß bei konſtantem Volum der Druck proportional der abſoluten Temperatur wächſt. Ganz in gleicher Weiſe iſt, wie van't Hoff an Pfeffers Beob⸗ achtungen nachweiſt, auch der osmotiſche Druck von der Temperatur abhängig, und das zweite Gas⸗ geſetz, das Temperaturgeſetz von Gay-⸗Luſſac gilt für Löſungen gleichfalls. Die eben angegebene Gas⸗ gleichung PV = RT ſtellt ſomit das Verhalten der Löſungen dar, wenn nur P als osmotiſcher Druck aufgefaßt wird. Für Gaſe gilt nun noch ein drittes Geſetz, das von Avogadro: Gasmengen, welche im Verhältnis der Molekulargewichte ſtehen, haben bei gleicher Tem— peratur und gleichem Druck gleiche Volume. In Bezug auf die Gleichung PV = RT lautet das Geſetz dahin, daß, wenn man molekulare Mengen der ver⸗ ſchiedenen Gaſe in Betracht zieht, die Konſtante R für alle Gaſe gleich iſt. Auch dieſes Geſetz hat bei Löſungen Gültigkeit. Die osmotiſchen Drucke, welche verſchiedene ge⸗ löſte Stoffe erzeugen, ſind gleich, wenn die gelöſten Mengen im Verhältnis der Mole— kulargewichte ſtehen. Dieſe Thatſache iſt nament⸗ lich nach einer beſonderen Methode von de Vries erwieſen worden), welcher Membranen von lebenden Zellen benutzte, die dieſelbe Eigenſchaft haben, wie Niederſchlagsmembranen. . N Wenn man ſich erinnert, welche Bedeutung die Gasgeſetze für die Phyſik und die Chemie haben, welchen weſentlichen Fortſchritt in der Erkenntnis der Beſchaffenheit der Materie ſie in jener gebracht, und wie ſie dieſe durch die Entwickelung des Mole⸗ kularbegriffes gefördert haben, ſo erlangt man eine Vorſtellung von der Bedeutung der van't Hoffſchen Theorie der Löſungen. Auf all die zahlloſen Stoffe, welche ſich nicht in Gasform überführen laſſen, können jene Erkenntniſſe ausgedehnt werden, falls man ſie nur in Löſung bringen kann. Insbeſondere findet die Frage nach der Molekulargröße, welche bisher nur an flüchtigen Verbindungen beantwortet wer⸗ den konnte, ihre Erledigung an allen löslichen Ver⸗ bindungen. Aus den Geſetzen über den osmotiſchen Druck laſſen ſich analoge Geſetze für Erſcheinungen ableiten, die ſcheinbar mit jenen gar nichts zu thun haben. Es iſt das von großer praktiſcher Bedeutung. Denn die osmotiſchen Vorgänge ſind ſchwer genau zu meſſen und beanſpruchen einen ungewöhnlich geſchickten und geduldigen Beobachter. Soll aber eine Methode all⸗ gemein anwendbar ſein, ſo darf ſie nach dieſen Rich⸗ tungen nur wenig vorausſetzen. Die erſte weitere Erſcheinung, welche mit den osmotiſchen zuſammenhängt, iſt der Einfluß gelöſter Stoffe auf den Dampfdruck des Löſungs⸗ mittels. Gewöhnlich tritt uns derſelbe in der Form entgegen, daß Löſungen erſt bei höherer Temperatur ſieden, als die reine Flüſſigkeit. Da das Sieden eintritt, wenn der Dampfdruck der Flüſſigkeit gleich dem der Luft geworden iſt, ſo folgt, daß bei gleichen Tem⸗ peraturen Löſungen niederere Dampfdrucke zeigen, als das reine Löſungsmittel. N Um nun dieſe Erſcheinung mit der des osmotiſchen Druckes in Beziehung zu ſetzen, denke man ſich eine Pfefferſche Zelle mit der oben erwähnten einprozen⸗ tigen Zuckerlöſung gefüllt in reines Waſſer geſtellt und mit einem Manometer verſehen, welches die gleiche Zuckerlöſung enthält (Fig. 1). Dieſe wird im Mano⸗ meter 13,6mal höher ſtehen, als das Queckſilber, weil dieſes 13,6mal ſchwerer ijt, und alſo die Höhe von 688 em, faſt 7 Meter, erreichen. Das Ganze denken wir uns der Einfachheit wegen im luftleeren Raume. Wenn alles ins Gleichgewicht gelangt iſt, werden wir in a eine Oberfläche reinen Waſſers, in b eine ſolche von Zuckerlöſung haben, und der ganze Raum wird mit geſättigtem Waſſerdampf angefüllt ſein. Der Druck, welchen dieſer aber in a und in b ausübt, iſt nicht der gleiche, ebenſowenig, wie der Luftdruck am Fuße und auf dem Gipfel eines Berges der gleiche iſt: in b beträgt der Druck des Waſſer⸗ ) Dies Geſetz gilt unmittelbar nur für indifferente, weder ſalzartige, noch ſaure oder baſiſche Stoffe. Die erweiterte Form des Geſetzes, welches alle Stoffe umfaßt, wird ſpäter beſprochen werden. Humboldt. — Januar 1889. : 3 dampfes, welcher von a ausgeht, um foviel weniger, als dem Gewicht der Waſſerdampfſäule zwiſchen a und b entſpricht. Hätte nun die Löſung in b den— ſelben Dampfdruck, wie das reine Waſſer in a, ſo müßte ſich bei b beſtändig Dampf bilden, welcher nach a hinunterfallen und ſich dort verdichten würde; andererſeits müßte in die Zelle beſtändig von unten reines Waſſer eindringen, welches das verdunſtete er- ſetzt. Es würde alſo ein beſtändiger Kreislauf, ein perpetuum mobile eintreten. Es iſt aber eines der wirkſamſten wiſſenſchaftlichen Hilfsmittel, wenn man eine Frage auf dieſen Punkt hinausſpielen kann. Denn da ein perpetuum mobile überhaupt nicht möglich iſt, müſſen die Umſtände bei jedem Gleich— gewichtszuſtande genau ſo beſchaffen ſein, daß ein ſolches vermieden wird. Wir haben geſehen, daß ein perpetuum mobile eintreten würde, wenn der Dampfdruck in b gleich Fig. 1. dem in a wäre. Denken wir uns, er wäre viel kleiner, fo müßte ſich Dampf in b verdichten. Dann aber würde der Druck im Manometer ſteigen und es würde durch die Wand der Zelle Waſſer austreten. Auch auf dieſe Weiſe würde ein perpetuum mobile möglich werden. Wir entgehen einem ſolchen nur, wenn der Druck in b genau um ebenſoviel weniger als in a beträgt, wie der Gewichtsdruck des Waſſer— dampfes zwiſchen a und b ausmacht. Damit haben wir eine vollkommen ſichere Methode gewonnen, ohne jede unmittelbare Meſſung den Dampfdruck einer Löſung zu erfahren, wenn man den des Löſungs—⸗ mittels und die Zuſammenſetzung der Löſung kennt. Umgekehrt aber können wir von den beobachteten Aenderungen des Dampfdruckes aus Rückſchlüſſe auf den osmotiſchen Druck ziehen, und da Dampforud- beobachtungen viel leichter auszuführen ſind, als ſolche des osmotiſchen Druckes, jo haben wir hier ein außer- ordentlich ausgiebiges Mittel, um Aufgaben nach dieſer Richtung zu löſen. Die oben auseinandergeſetzte Ueberlegung geſtattet uns nun, die für den osmotiſchen Druck gültigen Geſetze auf die Erniedrigung des Dampfdruckes zu übertragen. Es wird dieſelbe alſo proportional der Konzentration und ferner bei äquimolekularen Löſungen (d. h. ſolchen, welche auf gleiche Mengen des Lö— ſungsmittels von den verſchiedenen Stoffen Mengen enthalten, welche im Verhältnis der Molekulargewichte ſtehen) gleich ſein. Dieſes Ergebnis beſtätigt ſich vollſtändig an der Erfahrung. F. M. Raoult hat die eben erwähnten Geſetze, ohne von der Theorie geführt worden zu ſein, aus ſeinen Verſuchen empiriſch abgeleitet. Das gleiche Ergebnis haben van't Hoff und Planck erhalten, als ſie die Geſetze der mechaniſchen Wärmetheorie auf Löſungen in Anwendung brachten. Dem letzteren verdanken wir den einfachſten und umfaſſendſten Aus— druck des Geſetzes; bezeichnet N die Zahl der Molekeln des Löſungsmittels, n die des gelöſten Stoffes (welche beide nur relativ bekannt zu ſein brauchen), bezeichnet ferner P den Dampfdruck des Löſungsmittels und p den der Löſung, ſo gilt für jeden Stoff und jede Temperatur Na Lip N d. h. die Verminderung des Dampfdruckes verhält ſich zum Dampfdruck des Löſungs— mittels, wie die Zahl der Molekeln des gelöſten Stoffes zu der Geſamtzahl der Molekeln. m erſetzen kann, wo g und m das abſolute und das Molekulargewicht des Gelöſten, G und M die ent— ſprechenden Größen des Löſungsmittels bedeuten, ſo kann man durch Beobachtungen der Dampfdruckvermin— derung auch unbekannte Molekulargewichte beſtimmen. Von den Erſcheinungen des Dampfdruckes iſt es möglich, wieder mit Hilfe des Satzes vom perpetuum mobile auf eine neue Gruppe von Erſcheinungen über— zugehen und an ihnen analoge Geſetze nachzuweiſen. Es ſind die Vorgänge beim Gefrieren von Löſungen. Bereits im vorigen Jahrhundert hat Blagden ge— funden, daß aufgelöſte Stoffe die Gefriertemperatur des Löſungsmittels, ſpeziell des Waſſers, proportional ihrer Menge erniedrigen; das gleiche Geſetz iſt dann wieder von Rüdorff neu entdeckt worden. Coppet hat den Satz hinzugefügt, daß äquivalente Mengen ähnlicher Salze eine gleich große Gefrierpunktser— niedrigung bewirken, und F. M. Raoult endlich hat feſtgeſtellt, daß äquimolekulare Löſungen der ver— ſchiedenſten Stoffe dieſem Geſetz folgen, wobei er dasſelbe auch für eine Anzahl anderer Löſungsmittel, ſomit alſo allgemein gültig erwieſen hat. Das theo— retiſche Verſtändnis dieſes Geſetzes iſt durch Guldberg vermittelt worden. Wie bekannt, haben Eis und Waſſer bei 0° den— ſelben Dampfdruck. Bei niedrigeren Temperaturen kann bekanntlich auch flüſſiges Waſſer beſtehen, in über— kaltetem Zuſtande, aber nicht neben Eis; ſowie es mit dieſem in Berührung kommt, erſtarrt es. Die mechaniſche Wärmetheorie lehrt, und durch neuere Verſuche iſt es beſtätigt worden, daß überkaltetes Waſſer einen größeren Dampfdruck hat, als Eis bei derſelben Temperatur; der Unterſchied nimmt nahezu Da man n und N durch und 4 Humboldt. — Januar 1889. proportional der Entfernung von 0° zu. Tragen wir die Temperaturen in horizontaler, die Dampf⸗ drucke in vertikaler Richtung auf, ſo haben wir das beiſtehende Bild (Fig. 2): w w iſt die Kurve, welche den Dampfdruck des Waſſers in ſeiner Abhängigkeit von der Temperatur darſtellt, während e fic) auf das Eis bezieht. Nun hat eine wäſſerige Löſung einen niedrigeren Dampfdruck, als reines Waſſer, und zwar gilt bei verdünnten Löſungen das Geſetz, daß das Verhältnis zwiſchen dem Druck der Löſung und dem des Waſſers Fig. 2. unabhängig von der Temperatur iſt. Für eine Löſung wird alſo eine Dampfdruckkurve von der Form J 1 gelten, welche immer unterhalb der Waſſerkurve ver⸗ läuft, die Eiskurve aber in einem Punkte unterhalb Null ſchneiden muß. Nun läßt ſich beweiſen, daß die Temperatur, welche man findet, wenn man von dem Durchſchnittspunkte eine Senkrechte auf die Tem⸗ peraturlinie fällt, gerade die Gefriertemperatur ſein muß. Zu dieſem Zwecke denken wir uns ein ringför⸗ miges Gefäß (Fig. 3), welches zum Teil mit der Lö⸗ ſung gefüllt iſt. Links habe ſich eine Eisſchicht aus⸗ geſchieden, welche die Flüſſigkeit vollkommen bedeckt. Fig. 3. Da der Gefrierpunkt einer Löſung derjenige Punkt iſt, bei welchem ſie neben Eis zu exiſtieren vermag (auch aus Löſungen ſcheidet ſich reines Eis aus), ſo müſſen wir beanſpruchen, daß das ganze Syſtem im Gleichgewicht iſt. Wäre aber der Dampfdruck in e und in! ver⸗ ſchieden, ſo würde unausgeſetzt Dampf von der Seite’ des höheren zu der des niederen Druckes übergehen, und es träte wieder der Fall eines perpetuum mobile ein. Es iſt alſo notwendig, daß in e und in 1 der⸗ ſelbe Dampfdruck herrſcht, und der Gefrierpunkt einer Löſung erweiſt ſich als derjenige Punkt, bei welchem ihr Dampfdruck gleich dem des Eiſes iſt. Bei verdünnten Löſungen, die nur wenig unter 0° erſtarren, iſt es erlaubt, die in Betracht kommen⸗ den Teile der Dampfdruckkurven als gerade Linien anzuſehn. Da nun, nach den Geſetzen, welche oben für die Dampfdrucke der Löſungen gefunden wur⸗ den, die Entfernungen der Löſungskurven von der Waſſerkurve proportional dem Gehalt und bei äqui⸗ molekularen Löſungen gleich groß ſind, ſo ſind auch die Entfernungen, in welchen die Eiskurve von den Löſungskurven geſchnitten wird, und ſomit auch ſchließ⸗ lich die Erſtarrungstemperaturen der Löſungen (von 0° nach den niederen Temperaturen zu gezählt) proportional dem Gehalt und für dquimolefulare Löſungen gleich groß. Dies ſind aber die von Blagden, de Coppet und Raoult empiriſch gefundenen Geſetze. Für andere Löſungsmittel, welche in den feſten Zuſtand übergehen können, gelten dieſe Ueberlegungen in gleicher Weiſe. In jedem Falle wird es von der Größe des Winkels zwiſchen der Dampfdruckkurve des flüſſigen und der des feſten Löſungsmittels ab⸗ hängen, wie weit durch einen beſtimmten Zuſatz eines Stoffes die Erſtarrungstemperatur herabgedrückt wird. Iſt der Winkel groß, ſo iſt die Verſchiebung klein, und umgekehrt. Nun lehrt die mechaniſche Wärme⸗ theorie, daß dieſer Winkel in einfacher Beziehung zur latenten Schmelzwärme des Löſungsmittels ſteht; er iſt derſelben annähernd proportional. Somit wird die Erniedrigung der Erſtarrungstemperatur, wenn man denſelben Stoff in verſchiedenen Löſungs⸗ mitteln löſt, caet. par. der Schmelzwärme derſelben umgekehrt proportional ſein. Van't Hoff hat den genauen Ausdruck thermodynamiſch abgeleitet; derſelbe lautet 2 T t= 0.02 W wo t die Erniedrigung der Erſtarrungstemperatur für eine Löſung iſt, welche auf 100 Molekeln des Löſungs⸗ mittels eine Molekel des Gelöſten enthält, T die Erſtarrungstemperatur in abſoluter Zählung und W. die auf ein Molekulargewicht bezogene latente Schmelz⸗ wärme des Löſungsmittels iſt. Auch dieſe Formel iſt durch die Erfahrung auf das beſte beſtätigt wor⸗ den; ſo hat van't Hoff nach derſelben aus den Ver⸗ ſuchen von Raoult über die Erſtarrungspunkte einiger Löſungen in Aethylenbromid die Schmelzwärme des⸗ ſelben zu 13 Kalorien pro Gramm berechnet, wäh⸗ rend ſpätere Verſuche von Petterſon 12,94 ergaben. In derſelben Weiſe, wie der osmotiſche Druck und der Dampfdruck der Löſungen die Beſtimmung unbekannter Molekulargewichte geſtattet, läßt ſich die Meſſung der Gefrierpunktserniedrigung zu dem gleichen Zwecke verwerten. Derartige Verſuche ſind ſehr leicht auszuführen, viel leichter z. B. als Meſſungen einer Dampfdichte, und daher hat der forſchende Chemiker hier ein außerordentlich bequemes Mittel bei der Hand, um über die Molekulargröße neu entdeckter Verbindungen ſchnelle Auskunft zu erhalten. In der That haben ſich in letzter Zeit mehr und mehr Chemiker gefunden, welche ſich dieſen praktiſchen Erfolg der Theorie der Löſungen zu gute machen, wenn ſie ſich auch gegen dieſe ſelbſt noch gleichgültig oder gar ablehnend verhalten. Indeſſen iſt eine der⸗ artige praktiſche Beziehung von jeher die beſte Brücke Humboldt. — Januar 1889. 5 geweſen, welche die Chemiker mit ihrem traditionellen Haß gegen mathematiſche Erörterungen in ſolche wenig gekannte und gern vermiedene Gebiete geführt hat. Die übereinſtimmende Form der Geſetze für den osmotiſchen Druck, die Dampfdruckverminderung und die Gefrierpunktserniedrigung legt die Frage nahe, ob noch andere Erſcheinungen gleichen Geſetzen unter— liegen. Bisher ſind allerdings keine weiteren bekannt. Es läßt ſich aber allgemein ſagen, daß jeder Vorgang, bei welchem das Löſungsmittel in irgend einer Geſtalt der Löſung in umkehrbarer Weiſe entzogen wird, auch den gleichen Geſetzen unterworfen ſein muß. Denn ſolche Fälle laſſen fic) jedesmal auf Gleich— gewichtszuſtände zurückführen, deren Bedingungsgrößen durch den Satz vom Perpetuum mobile eindeutig beſtimmbar ſind. — Bisher iſt nur von Beſtätigungen der Theorie der Löſungen die Rede geweſen. Es ſoll aber nicht verſchwiegen werden, daß gleich bei ihrer Aufſtellung die Theorie vor einer Schwierigkeit ſtand, welche ſich nicht alsbald überwinden ließ. Dieſe Schwierigkeit zeigte ſich gerade an den bekannteſten Stoffen, den Salzen, den Alkalien und den ſtarken unorganiſchen Säuren und beſtand darin, daß der osmotiſche Druck, und gleichzeitig auch die Erniedrigung des Dampfdruckes und Gefrierpunktes wäſſeriger Löſungen dieſer Stoffe viel größer gefunden wurde, als er der Theorie nach ſein ſollte. Van't Hoff wurde da— durch veranlaßt, die Gleichung PV = RT für dieſe Stoffe in der Form PV = iRT zu ſchreiben, wo i ein Koefficient iſt, der für indifferente Stoffe den Wert 1 hat, für die erwähnten Körper dagegen größere Werte, 2 bis 3, ja 4 annehmen kann. Er wies nach, daß der Koefficient ſich für denſelben Stoff nach verſchiedenen Methoden gleich groß ergibt, äußerte ſich aber nicht über die phyſikaliſche oder chemiſche Bedeutung des Koefficienten. Man mußte ſagen, daß der ſonſt ſo ſchönen Theorie durch dieſen Umſtand viel von ihrem Reiz genommen wurde. Eine gute Theorie aber überwindet ſolche Schwierigkeiten, und in dieſem Falle hat ſich die Fruchtbarkeit der Löſungstheorie gerade an der Schwierigkeit ſo trefflich bewährt, daß der anfängliche dunkle Punkt derſelben zu ihrem glänzendſten Gebiete geworden iſt. In der Geſchichte der Molekulartheorie war vor nicht allzu langer Zeit eine ähnliche Schwierigkeit aufgetaucht, und war ſiegreich überwunden worden. Ich meine die Frage von den „abnormen Dampf— dichten“. Das Geſetz von Avogadro, daß in gleichen Volumen verſchiedener Gaſe unter gleichen Umſtänden gleich viel Molekeln enthalten ſind, ſchien in einzel— nen Fällen Ausnahmen zu erleiden, z. B. bei den Ammo⸗ niakſalzen. Deren Dampfdichte erwies ſich nur halb ſo groß, als ſie nach dieſem Geſetz ſein ſollte. Doch gelang es alsbald, nachzuweiſen, daß die Dämpfe, deren Dichte man gemeſſen hatte, gar nicht die der Ammoniakſalze ſelbſt, ſondern die ihrer Zerſetzungs⸗ produkte waren: es war Diffociation eingetreten. Ein ganz ähnlicher Fall liegt nun hier bei den Löſungen der Salze und der anderen genannten Stoffe vor; ſie verhalten ſich, als wenn ſtatt der der Formel entſprechenden Anzahl von Molekeln eine zwei, drei oder mehrfache Anzahl vorhanden wäre. Planck zog daraus friſchweg den Schluß, daß auch dieſe Stoffe in den Löſungen diſſociiert ſind; dieſe Behauptung des Phyſikers erregte aber bei ſeinen chemiſchen Kollegen zunächſt nur ein bedenkliches Schütteln des Kopfes. Nachdem wir die Ideenreihe, welche bei Schaffung der van't Hoffſchen Theorie der Löſungen durch— laufen wurde, bis zu dieſem kritiſchen Punkte ver- folgt haben, müſſen wir uns einer anderen zuwenden, welche ſcheinbar gar nichts mit jener zu thun hat. Es iſt das die Beziehung zwiſchen chemiſchen und elektriſchen Erſcheinungen. Wir wiſſen, daß viele Stoffe durch den galvaniſchen Strom in ihre binären Beſtandteile oder Jonen zerlegt werden; ſie heißen Elektrolyte. Andere dagegen laſſen den Strom gar nicht durchgehen, und werden daher auch nicht elektrolyſiert. Worin hat dieſer Unterſchied ſeinen Grund, und welche Beſchaffenheit muß ein Stoff haben, damit er ein Elektrolyt ſei? ; Es ijt das Verdienſt Hittorfs, wiederholt und ener⸗ giſch darauf hingewieſen zu haben, daß die That⸗ ſache der elektrolytiſchen Leitfähigkeit mit der der chemiſchen Reaktionsfähigkeit in engſtem Zuſammen⸗ hange ſteht. Stoffe, welche leicht und ſchnell reagieren, leiten die Gleftricitit und umgekehrt. Indeſſen waren zur Zeit, wo Hittorf ſeine Unterſuchungen anſtellte, von der Kenntnis der chemiſchen Affinitäts— geſetze nur ganz rudimentäre Anfänge vorhanden, und er mußte ſich auf die Hervorhebung der all— gemeinen Analogie beſchränken. In neuerer Zeit iſt nun derſelbe Gedanke von S. Arrhenius wieder aufgenommen und zu ungemeiner Fruchtbarkeit entwickelt worden. Arrhenius legte dar, wie auf Grundlage der Anſchauungen von Williamſon und Clauſius über die Natur der chemiſchen Vorgänge und der elektrolytiſchen Leitung beide Erſcheinungen von demſelben Umſtande abhängen, nämlich davon, wie leicht die fraglichen Stoffe ihre Jonen austauſchen können. Durch eine Reihe von Unterſuchungen hatte ich vorher gezeigt, daß die durch chemiſche Reaktions⸗ fähigkeit beſonders ausgezeichneten Stoffe, insbeſon⸗ dere die Säuren, ihre Wirkungen nach Maßgabe be- ſtimmter Zahlenwerte, die ich ihre Affinitätskoeffi⸗ cienten genannt habe, ausüben; durch die Natur des von den Säuren hervorgerufenen Vorganges wird nun ein konſtanter Faktor beſtimmt, der für alle Säuren gemeinſam iſt. Sonſt aber iſt eine Säure, welche ſich in einer Reaktion z. B. doppelt ſo ſtark gezeigt hat, wie eine andere, auch in jeder anderen Reaktion der zweiten um das Doppelte überlegen. Arrhenius wies nun nach, daß in der That die von mir beſtimmten Affinitätskoefficienten und die von Kohlrauſch gemeſſenen elektriſchen Leitfähigkeiten der Säuren einander proportional find. Der Grund- gedanke ſeiner elektriſchen Theorie der chemiſchen Ver⸗ wandtſchaft, welche er darauf baute, war ſomit aller⸗ 6 Humboldt. — Januar 1889. dings genügend befeſtigt, bet weiterem Ausbau machten ſich jedoch Schwierigkeiten geltend. Es hatte ſich ergeben, daß bei den ſtarken Säuren, wie Salzſäure, Salpeterſäure u. ſ. w., ſowohl die elektriſche Leitfähigkeit wie die chemiſche Reaktions⸗ fähigkeit bei wachſender Verdünnung ſich nur in der Weiſe änderte, wie durch die Minderung der Konzen⸗ tration ſich vorausbeſtimmen ließ; die von dem Ein⸗ fluß der Volumvermehrung befreiten Koefficienten der beiden Eigenſchaften blieben faſt konſtant und hatten zudem bei den verſchiedenen Säuren faſt gleich große Werte. Anders war es bei ſchwachen Säuren. Die vom Einfluß der Volumvermehrung befreiten Koeffi⸗ cienten nahmen mit ſteigender Verdünnung ungemein ſtark zu, und zeigten dabei einen ſolchen Gang, daß der Endwert, welchem ſie zuſtrebten, mit dem der ſtarken Säuren von gleicher Größenordnung war. Arrhenius faßte dieſe Thatſachen in folgender Weiſe auf. Jeder reaktions⸗ und leitungsfähige Stoff beſteht unter gegebenen Umſtänden aus aktiven Molekeln, welche allein ſich am Austauſch der Jonen beteiligen, und aus inaktiven Molekeln, welche dazu nichts beitragen. Die wachſende Verdünnung ver⸗ mehrt die Zahl der aktiven Molekeln auf Koſten der inaktiven. Bei Chlorwaſſerſtoffſäure und ähnlichen Stoffen ſind ſchon bei mäßiger Verdünnung faſt alle Molekeln aktiv, daher ändert ſich die Reaktions- und Leitfähigkeit nicht bei zunehmender Verdünnung. Stoffe dagegen, wie Eſſigſäure, enthalten in konzen⸗ trierten Löſungen nur ſehr wenige aktive Molekeln, und daher iſt ihr Jonenaustauſch gering; in dem Maße, als durch zunehmende Verdünnung die Zahl der aktiven Molekeln ſich vermehrt, nimmt auch die Reaktionsfähigkeit zu. Aus der Thatſache, daß der Grenzwert für alle Säuren nahezu gleich iſt, ſchließt Arrhenius endlich, daß alle Säuren im Grunde unge⸗ fähr gleich ſtark ſind; die ſehr verſchiedene Bethäti⸗ gung der Reaktionsfähigkeit rührt eben nur daher, daß die Anzahl der aktiven Molekeln bei endlichen Verdünnungen von Säure zu Säure ſo verſchieden iſt. Dieſe Art, die thatſächlichen Verhältniſſe darzu⸗ ſtellen, hat große Vorzüge, ſie hatte nur den einen, freilich ſehr fühlbaren Nachteil, daß man nicht recht wußte, worin der Unterſchied zwiſchen aktiven und inaktiven Molekeln beſtand. Die von Arrhenius in ſeinen älteren Abhandlungen hierüber verſuchten Ver⸗ mutungen waren wenig befriedigend, und der Aus⸗ bau der hoffnungsvollen neuen elektrochemiſchen Theorie ſtockte, obwohl ich inzwiſchen zahlreiche weitere Be⸗ ſtätigungen des engen Parallelismus zwiſchen Reak⸗ tions⸗ und Leitfähigkeit, welcher ſich bis in die be⸗ ſonderſten Einzelheiten erſtreckte, aufgefunden hatte. Hier iſt nun der Ort, wo die beiden Ideenreihen, die Theorie der Löſungen und die elektrochemiſche Theorie, zuſammenfließen wie zwei Ströme, die an einem Punkte ein gemeinſames Hindernis finden, zögern und ſich aufſtauen, um dann auf einmal mit gemeinſamen Kräften die Schranke zu durchbrechen und ferner um ſo prächtiger und gewaltiger dahinzueilen. Die Zauberformel, welche von beiden den Bann nahm, wurde von Arrhenius gefunden; es war die Idee der elektrolytiſchen Diſſoeiation. Um die Thatſachen der elektrolytiſchen Leitung zu erklären, hatte Clauſius ſchon längſt angenommen, daß die Molekeln der leitenden Verbindung von Zeit zu Zeit infolge ihrer Zuſammenſtöße ſich vorübergehend in ihre Jonen trennen können, welche dann mit den entgegengeſetzten Jonen anderer Molekeln in Ver⸗ bindung treten und fo einen Austauſch und Elektri⸗ citätstransport bewerkſtelligen. Er machte indeſſen den Chemikern, welche die Elemente ſolcher Verbin⸗ dungen, wie Chlorkalium oder Schwefelſäuke, als durch die ſtärkſten Verwandtſchaften zuſammengehalten anſahen, die Konzeſſion, daß er nur an einzelnen wenigen Molekeln, und da auch vorübergehend, ſolche Trennungen annahm. Nun wies aber Arrhenius darauf hin, daß die Stoffe, welche nach der van't Hoffſchen Theorie mit dem Koefficienten i behaftet ſind, alſo ſich ſo verhalten, als enthielten ihre Löſungen mehr Molekeln, als ihren Formeln entſpricht, gerade diejenigen ſind, welche elektrolytiſch leiten. Beide Gruppen fallen ganz und gar zuſammen, und ihr geſamtes Verhalten findet eine vollkommen be- friedigende Erklärung, wenn man annimmt, daß die Elektrolyte nicht als Molekeln, ſondern teil— weiſe als Jonen in den Löſungen exiſtieren. Dadurch erhält zunächſt der Begriff der aktiven und inaktiven Molekeln einen anſchaulichen Inhalt. Aktiv ſind diejenigen Molekeln, welche in ihre Zonen geſpalten ſind, inaktiv diejenigen, welche noch zu⸗ ſammenhalten. Nur die erſteren können wegen der Freibeweglichkeit der Jonen die Elektrizität trans⸗ portieren. Dies gibt aber alsbald ein Mittel ab, um für eine gegebene Löſung eines beſtimmten Stoffes den Bruchteil der geſamten Molekelzahl zu beſtimmen, welcher aktiv oder diſſocüert ijt. Beſtimmt man nämlich den Grenzwert, welchem die Leitfähigkeit des Stoffes bei unbegrenzter Verdünnung, alſo bei vollſtändiger Diſſociation zuſtrebt, ſo wird ſich die Leitfähigkeit des Stoffes in irgend einer beſtimmten Löſung zu dieſem Grenzwert verhalten, wie die Anzahl der dis⸗ ſociierten Molekeln in der Löſung zur Geſamtzahl der Molekeln. Sit x dieſer Bruchteil, fo enthält die Löſung ſtatt der Anzahl N unzerſetzter Molekeln vielmehr (1—x)N unzerſetzte und nxN zerſetzte Molekeln, wo n die Zahl der Jonen iſt, in welche eine Molekel des Elektrolyts zerfällt. Die Summe beider oder N (1 + (a- 1)x) ift immer größer als NJ; ſie muß ferner, wenn die ganze Anſchauung richtig iſt, gleich dem Koefficienten i von van't Hoff fein. Man muß alſo aus der elektriſchen Leitfähigkeit der Löſung eines Stoffes ſeine Abweichung von den einfachen Geſetzen berechnen können. Arrhenius hat dieſe Berechnung an ſehr zahl⸗ reichen Stoffen, für welche die Leitfähigkeit und der Koefficient 1 (letzterer ſowohl durch osmotiſche Meſ⸗ ſungen wie durch Gefrierpunktserniedrigungen ge⸗ meſſen) bekannt war, durchgeführt. Das Ergebnis Humboldt. — Januar 1889. 7 war das denkbar günſtigſte; die erzielte Uebereinſtim— mung iſt ſo ſchlagend, daß an der Richtigkeit des theore— tiſchen Zuſammenhanges zwiſchen dieſen beiden Eigen— ſchaften, zwiſchen denen man bisher nie eine Beziehung vermutet hatte, nicht mehr gezweifelt werden kann. Damit waren die Schwierigkeiten, welche ſich in beiden Theorien gezeigt hatten, gehoben. Zwar waren noch einige Punkte aufzuklären geblieben, welche mit den überkommenen Anſchauungen in unverträg— lichem Gegenſatz zu ſtehen ſchienen, doch lag die Schuld wohl mehr an den alten Anſchauungen, als an der neuen Theorie. Vor allen Dingen ſcheint es dem Chemiker undenkbar, daß z. B. in einer wäſſe⸗ rigen Löſung von Chlorkalium freies Chlor und freies Kalium vorhanden ſein ſoll, da doch erſteres grün gefärbt iſt, während das „freie“ Kalium ſofort in heftigſter Weiſe auf das Waſſer reagiert. Dagegen muß hervorgehoben werden, daß die Jonen der Elektrolyte in keiner Weiſe mit den freien Elementen verwechſelt werden dürfen. Das Chlor, das wir kennen, entſpricht der Formel Cle, während es in einer Löſung von Chlorkalium als Cl vor— handen iſt. Ferner aber, und das iſt die Hauptſache, ſind die Jonen in den Löſungen der Elektrolyte mit enormen elektriſchen Ladungen verſehen, durch welche ſie ganz andere Eigenſchaften erhalten, als ſie im un— elektriſchen Zuſtande beſitzen. Alle Einwände in dieſer Richtung werden endgültig erledigt durch den Nach— weis, den ich in jüngſter Zeit gegeben habe, daß wäſſerige Löſungen herſtellbar ſind, welche Ueberſchüſſe von freien Kalium-, reſp. Chloratomen enthalten. Dieſer Nachweis beruht auf dem Geſetze von Faraday, nach welchem elektriſche Bewegungen in Elektrolyten nicht anders, als unter gleichzeitiger Bewegung der Jonen ſtattfinden können. Macht man, etwa durch Influenz, einen elektrolytiſchen Leiter z. B. poſitiv elektriſch, ſo iſt das nicht anders möglich, als indem in ihm ſich ein Ueberſchuß von poſitiv geladenen Jonen anſammelt. In einer poſitiv elektriſchen Lö— ſung von Chlorkalium müſſen notwendig freie, poſitiv geladene Kaliumatome vorhanden ſein. Man kann ſich von ihrer Anweſenheit auch leicht überzeugen, denn nimmt man ihnen ihre elektriſche Ladung, indem man einen mit der Erde verbundenen Draht in die Flüſſigkeit einführt, ſo erhält das Kalium ſofort ſeine gewöhnlichen Eigenſchaften wieder; es wirkt auf das Waſſer unter Waſſerſtoffentwickelung und Bil— dung von Kali, die ſich beide am Draht zeigen. Dieſe Betrachtung geſtattet daher, wenn man be— rückſichtigt, daß in Bezug auf Influenz, innere Leitung, elektrodynamiſche Fernewirkung u. ſ. w. ſich die Elek— trolyte ganz wie metalliſche Leiter verhalten, folgende kanoniſche Schlußweiſe: A. Die Elektrieität bewegt ſich frei in den Elek— trolyten. B. In den Elektrolyten bewegt ſich die Elek— tricität nur gleichzeitig mit den Jonen. C. Folglich bewegen ſich die Jonen frei in den Elektrolyten. Damit hat die Prämiſſe der Arrheniusſchen weichung, welche die Elektrolyte von den einfachen Löſungsgeſetzen aufweiſen, auch von phyſikaliſcher Seite ihre ſichere Begründung erhalten. Somit konnten beide Theorien in ihrer gegen— ſeitigen Beſtätigung und Förderung als eine außer— ordentlich erhebliche Bereicherung der Wiſſenſchaft angeſehen werden. Der Wert einer Theorie aber zeigt ſich am beſten darin, daß ſie imſtande iſt, auch von ſolchen Erſcheinungen Rechenſchaft zu geben, welche bei ihrer Aufſtellung nicht berückſichtigt worden waren. Solcher neuer Gebiete ſeien zwei erwähnt, das Verdünnungsgeſetz der Elektrolyte und die Diffuſion. Für ſolche binäre Elektrolyte, welche relativ ſchlechte Leiter ſind, insbeſondere für ſchwächere Säuren und Baſen hatte ich empiriſch die Thatſache ge— funden, daß die Aenderung ihrer elektriſchen Leit— fähigkeit mit der Verdünnung bei allen nach dem gleichen Geſetz erfolgt; auch gelang der Nachweis, daß dasſelbe Geſetz überhaupt das Verhalten aller binärer Elektrolyte darſtellt. Wir haben nun im Lichte der Theorie von Arrhenius für die Zunahme der Leitfähigkeit mit der Verdünnung die Erklärung, daß mit wachſendem Volum die Diſſociation, und ſomit die Anzahl der leitenden Molekeln wachſen muß. Nun iſt es aber bereits gelungen, bei Gaſen das Geſetz, nach welchem die Diſſociation vom Volum abhängt, theoretiſch wie empiriſch feſtzuſtellen. Iſt van't Hoffs Theorie der Löſungen richtig, ſo muß dasſelbe Geſetz auf die Diſſociation gelöſter Stoffe anwendbar fein. Ein Vergleich des Diſſociations— geſetzes mit meinen an mehr als hundert Stoffen ausgeführten Meſſungen ergab eine bis ins kleinſte gehende Uebereinſtimmung; ſowohl das allgemeine Verhalten wie auch die Zahlenwerte, die ich gefunden hatte, find genau dieſelben, welche die Diſſociations— theorie verlangt und die Diſſociationsformel ſelbſt hat in viel weiterem Umfange geprüft werden können, als jemals bei Gaſen möglich war. Eine wohl noch glänzendere Beſtätigung hat endlich die Theorie in allerletzter Zeit durch eine Arbeit von W. Nernſt erfahren. Es handelt ſich um die Theorie der Diffuſion gelöſter Stoffe in Flüſſigkeiten. Das Grundgeſetz derſelben iſt ſchon vor langer Zeit von Fick aufgeſtellt worden. Indeſſen war dasſelbe rein formaler Natur; es ſagte zwar etwas über den Ver- lauf, nichts aber über die Urſache der Diffuſion aus. Auf letztere aber bezieht ſich die von Nernſt gegebene Theorie. Eine Löſung, welche mit reinem Waſſer über— ſchichtet iſt, läßt ſich nach den Anſchauungen, die in dieſem Aufſatz entwickelt ſind, mit einer Gasmenge vergleichen, die an einen leeren Raum grenzt. In beiden beginnt alsbald eine Bewegung, um den ganzen Raum auszufüllen; während dieſe aber bei den Gaſen in wenigen Augenblicken abläuft, dauert ſie bei Lö— ſungen Wochen und Monate. Da in beiden Fällen unter gleichen Verhältniſſen gleich große Druckkräfte thätig ſind, ſo muß geſchloſſen werden, daß ſich der Bewegung des gelöſten Stoffes im Löſungsmittel 8 Humboldt. — Januar 1889. ungemein große Reibungswiderſtände entgegenſtellen. — Solche Reibungswiderſtände machen ſich nun auch bei einer anderen Bewegung geltend, der nämlich, welche die elektrolytiſchen Jonen bei der Elektrolyſe erfahren. Sie ſind in dieſem Falle in aller Strenge meßbar, weil man die elektriſchen Kräfte kennt, welche man anwendet, und weil man aus der Leitfähigkeit die Geſchwindigkeit berechnen kann, welche die Jonen unter dem Einfluſſe beſtimmter elektromotoriſcher Kräfte er⸗ fahren. F. Kohlrauſch hat ſchon vor längerer Zeit dieſe Widerſtände berechnet und auf ihre ungeheure Größe (die in der Kleinheit und großen Anzahl der Molekeln ihren Grund hat) hingewieſen. Berechnet man nun, welche Geſchwindigkeiten die gelöſten Teilchen annehmen müſſen, wenn ſie von den Druckkräften, wie ſie ſich aus van't Hoffs Theorie ergeben, getrieben werden, und dabei die von Kohl⸗ rauſch ermittelten Reibungswiderſtände erfahren, ſo erhält man dieſelben Zahlen, welche man experimentell für die Geſchwindigkeit der Diffuſion gefunden hat. Hier iſt alſo wiederum eine neue Brücke zwiſchen den verſchiedenſten Gebieten geſchlagen und eine neue Stütze für die Theorie gewonnen worden. Beim Rückblick über die Geſamtheit der von der Theorie umfaßten und erklärten Erſcheinungen, von denen hier nur die Hauptpunkte zur Geltung gebracht werden konnten, wird ſich wohl keiner der Ueber⸗ zeugung verſchließen, daß wir es hier mit einem wiſſenſchaftlichen Fortſchritt von allergrößter Bedeu⸗ tung zu thun haben. Denn die Theorie ergibt nicht nur in allgemeiner und qualitativer Weiſe ein Bild der thatſächlichen Verhältniſſe, ſondern ſie geſtattet jede Einzelheit numeriſch zu verfolgen, und feiert ge⸗ rade in dem von ihr nachgewieſenen Zuſammenhang der mannigfaltigſten Zahlenwerte verſchiedener Eigen⸗ ſchaften ihre ſchönſten Triumphe. Ueberlegt man ferner, daß ſie dieſe Früchte bereits in den wenigen Jahren ihres bisherigen Beſtehens — ſie iſt noch kein Luſtrum alt — getragen hat, ſo erſcheint nicht nur der in der Einleitung dieſes Aufſatzes gethane Ausſpruch berechtigt, ſondern man darf auch be⸗ haupten, daß nach der Begründung der mechaniſchen Wärmetheorie keine Gedankenreihe von ſolcher Trag⸗ weite in den phyſiſchen Wiſſenſchaften aufgetaucht iſt, wie die Theorie der Löſungen von van't Hoff und Arrhenius ). *) Die Leſer, welche die experimentelle und theoretiſche Begründung der oben dargelegten Theorien genauer kennen zu lernen wünſchen, finden dieſelbe in der Zeitſchrift für phyſikaliſche Chemie (Leipzig bei W. Engelmann) vom Jahre 1887 und 1888. Sur Säugetierfaung der mantſchuriſchen Subregion. Don Profeffor Dr. Th. Woack in Braunſchweig. il, ie mantſchuriſche Subregion von Sclater-Wallace ſchließt ſich im Oſten von der paläarktiſchen Re⸗ gion ähnlich an die indiſche, wie im Weſten die medi⸗ terrane Subregion an das äthiopiſche Gebiet. Sie liegt auch ungefähr in gleicher Breite, wie die medi⸗ terrane, doch erſtreckt fie ſich um 8° weiter nach Norden. Beide liegen um Binnenmeere, bei beiden bilden auf einer Seite Wüſten die Grenze gegen benachbarte Regionen. Durch die beiden Binnenmeere ziehen ſich Halbinſeln, Italien und Korea, die als Länderbrücken den Austauſch der Faunen vermitteln helfen. Aber wie verſchieden ſind in anderen Beziehungen für beide Gebiete die Bedingungen des Austauſches! Das Mittelmeer rings geſchloſſen, das japaniſch⸗chineſiſche auf einer Seite durch Inſeln begrenzt, in der Mant⸗ ſchurei eine um 10° niedrigere Jahrestemperatur, als unter den entſprechenden Breiten Europas, indem um das Mittelmeer die Differenz der Jahrestemperatur nur 4°, um die Binnenmeere der mantſchuriſchen Sub⸗ region 14, im Januar ſogar 18° beträgt. Zwar iſt bei beiden nach der einen Seite hin, nach Europa und Sibirien, der Austauſch der Faunen weſentlich unbehindert, aber nach Süden hin bleibt für die mediterrane Gegend nur die Brücke des Nilgebietes übrig, während der mantſchuriſchen Subregion durch China die breite Verbindung mit der indiſchen Region, be⸗ ſonders mit Hinterindien, einem wichtigen Schöpfungs⸗ centrum für die Säugetiere, offen ſteht. Daraus folgt, daß während die Fauna der mediterranen Region von der der äthiopiſchen faſt abſolut getrennt iſt, die mant⸗ ſchuriſche Subregion die breite Brücke für den Aus⸗ tauſch zwiſchen der orientaliſchen und paläarktiſchen Region bildet. Die Erforſchung der mantſchuriſchen Fauna iſt von drei Seiten her erfolgt, zu Lande von Sibirien und China, von der Seeſeite her von Japan aus. Im Norden ſchließt ſich die Erforſchung des Amurgebietes an die Sibiriens; Gmelin, Pallas, v. Middendorff eröffneten die Bahn durch Sibirien, welches, wie Peſchel mit Recht ſagt, hauptſächlich durch deutſche Kräfte er⸗ forſcht wurde. Von hier drangen v. Schrenck, Radde, v. Przewalski und Maak in den Norden der mant⸗ ſchuriſchen Region vor, während von der chineſiſchen Seite beſonders David, reſp. Milne⸗Edwards und Swinhoe thätig waren und auf der japaniſchen Seite Siebold und Temminck den Grund zur zoologiſchen Erforſchung dieſes Gebietes legten. Mir wurde ein ziemlich umfangreiches Material an Säugetieren durch die Herren Dörries in Hamburg zur Verfügung geſtellt, welches im Laufe mehrerer Jahre durch dieſelben im unteren Amur⸗ und Uſſuri⸗ gebiete geſammelt wurde. Letztere haben ihre Reiſen Humboldt. — Januar 1889. 9 in den unteren Amurländern, welche fie in den Jahren 1878—1888 unternahm, beſonders auf das Gebiet des Uſſuri und ſeiner Nebenflüſſe, des Emma, des Bykien und Horr auf der rechten, des Janka— fees und des Sungatſcha, ſeines Abfluſſes in den Uſſuri auf der linken Seite ausgedehnt. Die Um— gegend von Kaſakewitſch und Chabarowka an der Mündung des Uſſuri, wo bekanntlich Raddes Reiſe endete, das Chöchziergebirge, die Umgegend von Wla— diwoſtock mit dem Gebiet des Suifun- und Sidimi— fluſſes nebſt der Inſel Ascold ſind wiederholt von ihnen durchzogen worden. Die reichen Sammlungen der Herren Dörries find beſonders für die Lepidopteren⸗ fauna wichtig, ſehr umfangreich iſt ferner ihre ornitho— logiſche Ausbeute, darunter die merkwürdigen hahnen⸗ fiedrigen Birkhennen und zahlreiche Baſtarde von Birkhühnern und Schneehühnern (ſowohl von B. 5 und Sdn. 2, als auch umgekehrt), welche von den Herren Wiebcke in Hamburg für ihre in Bezug auf Vogelbaſtarde und Varietäten wohl einzig daſtehende Sammlung erworben wurden. Die Säugetierfauna des mantſchuriſchen Gebietes iſt durch die Herren Dörries bis jetzt zwar durch keine neue Spezies be— reichert worden, indeſſen haben dieſelben Material geliefert für die Art der Verbreitung und für manche noch ſehr wenig bekannte Arten, die zum Teil noch nicht im Amurgebiete nachgewieſen ſind. Zunächſt beſtätigen ihre Sammlungen, was ſchon Wenjukof bemerkte, daß unter den Säugetieren des Amurlandes die drei Ordnungen der Wiederkäuer, der Nager und der Raubtiere vorherrſchen. Von Hirſchen wurde von ihnen zahlreich gefunden Cervus Dybowskii Tacz., Cervus Lühdorfii Bohl., und Cervus pygar- gus Pall., wenig zahlreich Cervus mantschuricus major Gr., öfter gefunden wurde der nördlicher in Oſtſibirien lebende Cervus isubra Bou. Wenn Wallace ſagt (Verbreitung der Tiere, deutſch von A. B. Meyer II, S. 249), daß noch keine ge- nügenden Materialien vorliegen, um den Urſprung und die Wanderungen der Cerviden zu beſtimmen, ſo iſt das für viele Gattungen dieſer Familie richtig. Man muß bis jetzt darauf verzichten, die älteſten foſſilen Miocänformen der Hirſche, wie Palaeomeryx, Dicranoceros, Dicroceros u. a. mit heute lebenden Arten zu verbinden, obwohl es vielleicht nützlich wäre, den ſüdamerikaniſchen Cervus pudu und die in China entdeckten Lophotragus und Elaphodus im Skelett und Gebiß mit ihnen zu vergleichen, ausgeſchieden müſſen ferner werden C. alces, megaceros, tarandus, dama, es bleiben dann zwei Hauptgruppen übrig, die amerikaniſche Reduncina- und die altweltlich— nordamerikaniſche Elaphus-Gruppe. Bekanntlich hat zuerſt Brooke 1876 in den Proceedings der L. Z. S. die Hirſche ſyſtematiſch bearbeitet und die Verwandt⸗ ſchaft der einzelnen Gruppen zu einander feſtzuſtellen geſucht, ebenſo haben Fitzinger, Rütimeyer u. a. die Cerviden ausführlich behandelt, doch ſcheint mir noch nicht Gewicht genug auf die Thatſache gelegt zu ſein, daß auch für die Hirſche, wie dies Prof. Dr. Eimer in dieſer Zeitſchrift für andere Säugetiere fo erfolg- Humboldt 1889. reich nachgewieſen hat, die Färbung neben dem Gehörn, denn das Gebiß läßt hier im Stich, wichtige Finger— zeige für ihre Verwandtſchaft bietet. In der regel- mäßigen Flecken- und Streifenzeichnung haben ſich uralte Urkunden erhalten: man wird die gefleckte Hirſchart für die ältere halten müſſen, wie die Fleckung in dem Jugendkleid noch das Urkleid zeigt; ſo iſt C. dama eine ſehr alte Form, die anatomiſch den Schafen und Ziegen näher ſteht, wie C. elaphus. Nun lebt noch heute in Südoſtaſien eine große Anzahl ſolcher gefleckter Hirſchtypen und beſonders ſcheint Hinter— indien der Ausgangspunkt für die beiden großen Gruppen der Reduncina- und Elaphus-Hirſche ge— weſen zu ſein. Cervus eldi und platyceros beſitzen jenes nach vorn übergebogene Geweih, welches der zahlreichen amerikaniſchen Reduncina-Gruppe eigen ijt, die ſich ebenſowohl in Cervus macrotis und columbianus kälteren Breiten, wie in den Mazama— Hirſchen wärmeren Klimaten angepaßt hat. Dagegen ſcheint der Axishirſch der Ausgangspunkt zu ſein für jene große Gruppe, welche ſich rings um das Maſſiv Hochaſiens herumzieht, ſich im Oſten bis über die Sundainſeln ausbreitet und im Weſten ſich zu unſerem C. elaphus umgebildet hat. Die Verbin- dung wird in Oſtaſien hergeſtellt durch die Pseudaxis- Gruppe, welche man ſeit etwas mehr als 20 Jahren kennt und der auch Cervus Dybowskii und mant- schuricus angehören. Außer dem Axishirſch beſitzt noch eine ganze Anzahl die dreiſproſſige Stange, wie C. Aristotelis, rusa, poreinus und die gefleckte Zeich— nung hat ſich außerdem erhalten bei dem tiefbraunen C. Alfredi auf den Philippinen und dem gelbroten C. taivanus auf Formoſa. Zuerſt erhielt Radde (Reiſe im Süden von Oſtſibirien, S. 286) in Trans⸗ baikalien Nachrichten von einem dort vorkommenden gefleckten Hirſch, den er Axis Erxlebeni nannte. Der— ſelbe habe ſeine Polargrenze im Quellgebiet des Uſſuri, ſei aber nicht mit dem japaniſchen C. sika identiſch. Dann fand v. Przewalski dort 1868 gefleckte Hirſche, welche die großen Wälder zwiſchen der Küſte des japaniſchen Meeres und den Zuflüſſen des Uſſuri be— wohnen und bis an den Fluß Tina reichen. Er erwähnt ferner einen zweiten gefleckten Hirſch, der in der Größe zwiſchen dieſem und C. elaphus ſtehe und ſich im Sommerhaar nicht von C. axis unter⸗ ſcheide, während das Winterhaar tiefgrau, auf dem Rücken faſt ſchwarz ſei, mit kaum erkennbaren weißen Flecken. Dann folgte im Nordoſten von China die Entdeckung einer großen Anzahl von Cerviden, von denen einige, wie der merkwürdige Milu, vielleicht der Ahn des Renntiers, und die kleinen Cervuliden, wie Elaphodus michianus und Cervulus erinifrons abſolut nichts mit der Axisgruppe zu thun haben. Verwandt dagegen ſind C. mantschuricus major, hortulorum und mantsch. minor, C. Kopschi, nach Brooke mit mantschuricus identiſch und C. euopis. Gray nannte (Proc. L. Z. S. 1868, S. 236) den C. mantschuricus Pseudaxis und Brooke hat dann (Proe. 1876, S. 883—928) alle dieſe Hirſche unter dem Subgenus Pseudaxis untergebracht. In dem: 2 10 Humboldt. — Januar 1889. ſelben Jahre beſchrieb Taczanowski den gefleckten Hirſch vom oberen Uſſuri als Cervus Dybowskii. Jüngſt will Heude in China und Japan noch eine große Menge ähnlicher Arten entdeckt haben, von denen die meiſten noch der Beſtätigung bedürfen und viele ohne genügenden Grund aufgeſtellt zu ſein ſcheinen. (Vgl. v. Möllendorff, über die Sikahirſche, in den Zool. Jahrbüchern 1887, S. 588.) Wenn v. Möllen⸗ Fig. 1. Cervus Dybowskii, Nach der Natur gezeichnet von Th. Noack. dorff nur vier Arten annimmt, nämlich G. mant- schuricus-Dybowskii, sika, taivanus und Kopschi, jo iſt die Identifizierung von Dyb. und mantsch., wie ſich unten ergeben wird, nicht möglich, und C. taivanus und sika, mir beide aus dem Leben bekannt, find weit verſchieden. C. taivanus iſt gefleckt und hat einen langen Kopf, iſt auch erheblich größer als der kurzköpfige, ungefleckte, dunkelgraubraune C. sika. Die Pseudaxis-Gruppe beſitzt ein vierſproſſiges Ge⸗ weih, alſo eine Sproſſe mehr als C. axis und wichtig erſcheint, daß wie v. Möllendorff angibt, C. Kopschi gelegentlich ſchon fünf Sproſſen hat. Die Stangen ſind nach Brooke, was auch meine Exemplare beweiſen, mehr als zweimal ſo lang als der Kopf, die Augen⸗ ſproſſe iſt ziemlich kurz, nach oben gerichtet, die Haupt⸗ ſtange ziemlich ſtark vom Roſenſtock nach hinten ge⸗ bogen, die Eisſproſſe lang, die Hinterſproſſe kurz. Die Thränengruben ſind mäßig tief und ausgedehnt, das Ohr mäßig groß und ſchmal. Beide Geſchlechter be⸗ ſitzen rudimentäre Eckzähne im Oberkiefer, die Naſe iſt in der Mitte etwas eingebogen, wie bei C. rusa, der weißliche Spiegel vorn ſchwarz umſäumt, der Schwanz mäßig lang, der Nacken gemähnt. Im Sommer ſind die Hirſche gefleckt, im Winter einförmig braun, in der Jugend undeutlich gefleckt. Brooke iſt nun ge⸗ neigt, die Pseud- axis-Hirſche nur als eine Art aufzufaſſen, elaſtiſch genug, um ſich den verſchiedenſten Verhältniſſen anzupaſſen; mir ſcheinen ſie ein wichtiges und relativ junges Bei⸗ ſpiel für die Entſtehung der Arten zu ſein und die Brücke zu bilden zu den nordſibiriſchen Hirſchen und dem Wapiti einerſeits, zum europäiſchen Hirſch andererſeits. Mir ſtand für C. Dybowskii ein ziemlich um⸗ fangreiches Material zu Gebote: mehrere ausgeſtopfte Köpfe mit Geweih und Schädel ſowie eine Anzahl voll⸗ ſtändiger Bälge im Sommer- und Winterhaar. Der von mir abgebildete Kopf und das Geweih ſtammt von Hirſchen, die am Sidimifluß ſüdweſtlich von Wladiwoſtock an der Grenze von Korea geſchoſſen wurden. Sie kommen häufig in der Umgegend von Wladiwoſtock vor und ſind wohl über das Eis auch nach der Inſel Ascold gewandert, wie Köppen in ähnlicher Weiſe die Einwanderung des Hirſches aus dem Kaukaſus nach der Krim wahrſcheinlich macht. C. Dybowskii iſt kleiner als C. elaphus, aber größer als C. axis, ungefähr jo groß wie C. tai- vanus, der natürlich als Bewohner einer ſubtropi⸗ ſchen Inſel dem Axishirſch viel näher ſteht. Die an dem friſch erlegten Tiere von den Herren Dörries genommenen Maße find: Kopflänge 30,5 em, gegen 24 bei taivanus, Länge vom Ohr bis zum Schwanz 154,5, Schulterhöhe 113,5, Metacarpus 37, Meta⸗ tarſus 47, Länge der Schale 7, des Schwanzes mit Haaren 25 cm. Die Stangen find mit Ausnahme der Sproſſenſpitze ſehr ſtark geperlt, der Roſenſtock niedrig, Augen⸗ und Eisſproſſe weit voneinander entfernt, die Krone gabelförmig, die hintere Sproſſe mäßig lang. Die Stangen haben vorn zwiſchen den Sproſſen eine ſcharfe Kante. Länge der Stangen 73 cm, Entfernung der Spitzen 89, Länge der Sproſſen 14—19 em, Höhe des Roſenſtocks 3,5, Durchmeſſer der Stange an der Baſis 5. Das kleine Gehörn Fig. 2 und 3 mißt 60 em bei 15 em Sproſſenlänge. Die Thränengruben ſind länger als bei C. elaphus und ziemlich tief. Im Winterhaar laſſen ſich an den Hinterſchenkeln nach dem Rücken zu noch einige undeutliche Flecken erkennen, im Ueber⸗ Humboldt. — Januar 1889. 11 gangskleide find ſie ſchon ſehr matt. Das Winter⸗ kleid iſt gelblich umbrabraun, vorn mehr gelbrot, hinten mehr umbrabraun, die Rückenlinie dunkler, der Kopf bis zur Naſe gelbbraun, Stirn und Nacken ſcharf ab— geſetzt rotbraun, die Naſe graurot, die Oberlippe gelb— rot, der dunkle Fleck an der grauweißen Unterlippe mäßig groß, das ſehr ſtark behaarte Ohr innen weiß— grau, außen roſtrot. Die Mähne am Halſe und Nacken iſt ſehr ſtark, die Haare bis 11 em lang, die Farbe derſelben vorn weißgrau, die Bruſt iſt faſt ſchwarz, der Bauch weißgrau, der weiße Spiegel vorn ſchwarz umſäumt, der Schwanz weiß mit ſchwarzer Spitze. Der gelbrote Metacarpus und der umbrabraune Metatarſus haben an der Vorderſeite einen dunklen Fig. 2. Geweih von C. Dybowskii. Nach der Natur gezeichnet von Th. Noack. Streifen. Die Zeichnung des Spiegels und der Beine ſtimmt alſo noch mit der der gazellenartigen Antilopen überein. Einen runden weißen Fleck, den Taczan an der Außenſeite der Hinterbeine erwähnt, hatten meine Exemplare nicht. Zwei Weibchen im Ueber— gangskleide waren hellrehfarben, das einzelne Haar hell umbra mit Schwarzbraun gemiſcht, die Stirn dunkler als im Winterkleide, die weißliche Ohrbaſis viel ſtärker markiert, die dunklen Beinſtreifen bei einem Exemplar faſt verſchwindend. Die weißen Flecken auf der Hinterſeite des Körpers waren noch kaum ſichtbar, da die hellen Haarſpitzen derſelben all— mählich den gelblichen Farbenton der umgebenden Haare annehmen. Körperlänge 155 cm, Schwanz 14, mit Haar 26, Ohr 17—18, Metacarpus 29, Meta- tarſus 32,5 em (ohne Fuß). Der Habitus des Schädels zeigt wenig Abweichungen von C. elaphus, übrigens finden ſich individuelle Differenzen; ſo war die Einbiegung der Naſenbeine an der Baſis ſtärker oder ſchwächer, das Hinterhaupt- loch rund oder etwas eiförmig. Die Hinterhauptkondylen ſind ſehr ſtark, das Tympanum rund und flach. Beide Geſchlechter haben im Oberkiefer flache Eckzähne mit kurzen Wurzeln, bei einem P beſaßen dieſelben hinten einen kleinen Nebenzacken. Die Scheitellänge beträgt 27—28 em am 2 Schädel, die Breite über den Augen 10,5, die Höhe des Hinterhauptes 4,5, Naſen⸗ beine 9— 10, Stirnbeine 9, Scheitelbeine 7,5—8, die Länge des horizontalen Unterkieferaſtes 22,5, des auffteigenden Aſtes bis zum Proc. coronoid. 11 em. Figur 4 ſtellt C. mantschuricus major dar, welcher von den Herren Dörries nur in einem Exem— plar erlegt wurde. Nach der ganz abweichenden Bil— dung des Geweihes wird ihn niemand mit C. Dybowskii identifizieren wollen. Der Hirſch wurde 1861 von Gray beſchrieben und von ihm mit Pseudaxis iden⸗ tifiziert, was nur richtig iſt, wenn man den Namen Fig. 3. Geweih von C. Dybowskii. Nach der Natur gezeichnet von Th. Noack. auf die Gattung bezieht. Auch die ſpäteren Beſchrei— bungen von Swinhoe und Gray (Proc. L. Z. 8. 1864 und 1865) beſtätigen dieſe Abweichungen. Der Hirſch ijt ähnlich gefärbt wie C. Dybowskii, aber viel größer und das Geweih ganz anders. Die Größe iſt die eines C. elaphus mit einer Schulter— höhe von 4 Fuß: Blaſius gibt für einen Achtender 3 Fuß 9 Zoll, für einen ſtarken Kronhirſch 4 Fuß 8 Zoll an. Die Kopflänge beträgt bei meinem Exem⸗ plar 38 em, die Breite der Stirn über den Augen und die Ohrlänge 19 em. Das auffallend kleine, dem des C. sika ähnliche, faſt gar nicht geperlte Ge— weih ſteht auf einem ſehr ſtarken Roſenſtock und iſt über demſelben ſehr breit, aber flach. Die Augen- und Eisſproſſe treten ſchon an der Baſis mit ſcharfer vorderer Kante hervor, auch hinten iſt das Geweih an der Baſis wie vorn zwiſchen Augen- und Eisſproſſe ſtark gekantet. Oben ſind Stange und Sproſſe auf— fallend dünn, bei meinem Exemplar auf beiden Seiten aſymmetriſch. Die Stangenlänge beträgt 47, die obere 12 Humboldt. — Ayana 1889. Entfernung der Spitzen 26, die Sproſſenlänge 17 em. Im Sommerkleide iſt der Hirſch leicht aber groß ge⸗ fleckt. Die Färbung von Naſe und Stirn iſt rötlich umbrabraun, Wangen und Umrandung der Augen ähnlich wie C. elaphus, das Ohr außen gelbrot, innen weißgrau. Die ſehr ſtarke Mähne zeigt an der Kehle weißgraue, ſonſt rotbraune Färbung. Auch der Körper iſt nach Gray im Winter rötlichbraun gefärbt, der Bauch weißgrau, die rotbraunen Beine vorn mit dunklen Streifen, der Spiegel wie bei C. Dybowskii. Der fußlange weiße Schwanz zeigt eine ſchwarze Spitze. Somit iſt dieſer Hirſch, wenn auch dem erſteren ähnlich, doch durch erhebliche Unterſchiede in der Größe und Geweihbildung als be⸗ ſondere Art gekennzeichnet. Gehen wir in Transbaikalien weiter nach Norden bis in das Mündungs⸗ gebiet des Amur und darüber hinaus, ſo treffen wir einen noch größeren, dem Wapiti an Größe und Geweihbildung naheſtehenden Hirſch, den 1880 von Herrn Direktor Dr. Bolau in Ham⸗ burg beſchriebenen C. isubra, der von C. eustephanus Blanf. wie dieſer von C. maral verſchieden ijt. Der Ham⸗ burger zoologiſche Garten beſaß ein Paar, die Kuh iſt ein⸗ gegangen, außer dem alten, jetzt vielleicht zwölfjährigen, iſt noch ein jüngerer etwa vierjähriger Hirſch vorhanden. Von erſte⸗ rem habe ich den Kopf im Sommerkleide (Fig. 5), von letzterem das ungefegte Geweih (Fig. 6) gezeichnet. Bei dieſen ſibiriſchen Hirſchen iſt die Flek⸗ kung bereits ver⸗ ſchwunden, die Sproſ⸗ ſenbildung zahlreicher, aber im Princip nicht von den Pseudaxis-Hirſchen und auch von C. elaphus verſchieden. Andererſeits ähnelt das Geweih dem des Wapiti, doch iſt das von C. eustephanus und canadensis viel breiter ver⸗ äſtelt als das von C. isubra. Bei letzterem ſtehen Augen⸗ und Eisſproſſe ziemlich dicht übereinander über dem Roſenſtock, die folgende Sproſſe iſt ſehr lang, wie die nächſte ſchwach 8 förmig nach vorn und außen ge⸗ bogen, die Spitze gegabelt. Die Stangen entfernen ſich mäßig weit und ſind wenig geperlt, an der Baſis der Sproſſen ſchaufelförmig erweitert. Bei dem jüngeren Hirſch, der ſich im Laufe mehrerer Jahre nur ſchwach entwickelt hat, war die Eisſproſſe anfangs nur klein und weiter von der Augenſproſſe entfernt. Die Geſtalt von C. isubra iſt der der Wapiti ähnlich, das Auge kleiner, die Naſe ſtark, bei dem jüngeren 6 ſchwächer ramsartig gebogen, das Ohr wie bei den Pseudaxis-Hirſchen mittellang, an der Ohrwurzel Fig. 4. C. mantschuricus major, Nach der Natur gezeichnet von Th. Noack. hell, die Muffel ſchmal, der Schwanz kurz. Die Mähne iſt im Winter ſehr ſtark, im Sommer ſchwächer entwickelt. Die Stirn zeigt eine hellere Färbung als die dunkel umbragefärbte Naſe. Im Sommerkleide find Kopf und Hals hell umbragrau, der Leib rötlich⸗ braun, beſonders hinten dunkler als beim Wapiti, der große gelblichweiße Spiegel vorn ſchwärzlich um⸗ ſäumt, der etwa 8 em lange Schwanz gelbrot. Der jüngere Hirſch iſt noch heller, ähnlich wie C. elaphus gefärbt. Das Win⸗ terkleid iſt dunkel umbrabraun, ähnlich dem Wapiti. Ohne Schwierig⸗ keit hat fic) C. isubra mit einer Wapitikuh gepaart. Das Junge weiblichen Geſchlechts war in der Jugend ſehr lang behaart, das Ohr verhältnis⸗ mäßig groß, die Fär⸗ bung gelbrot mit dunklem Rückenſtreif, das kleine Auge ſehr bemerkbar. Er⸗ wachſen war es kaum von ſeiner Mutter zu unter⸗ ſcheiden. Auch C. elaphus und canadensis verbaſtardieren ſich ohne Schwierigkeit, ebenſo C. elaphus und sika, deren Nachkommen ſich in England ſtark vermehrt haben (vgl. Proc. L. Z. 8. 1884, S. 207). Endlich vermiſchen ſich fruchtbar C. elaphus und Aristotelis, doch ſind die Nachkommen in England geſtorben. Trif⸗ tigere Beweiſe kann man kaum für die Verwandt⸗ ſchaft dieſer ganzen Gruppe verlangen. Szewerzow hält mit Recht für wahrſcheinlich, daß in tertiärer Zeit dieſer Hirſchtypus über die damals vorhandene aleutiſche Landenge nach Nordamerika ge⸗ wandert und ſich dort zum Wapiti umgebildet habe. Natürlich muß ein milderes Klima vorausgeſetzt werden, denn heute würden dort über eine etwa vor⸗ handene Landbrücke Cerviden nicht mehr hinüber⸗ wandern können. Nun ſcheint es wichtig, daß kürz⸗ lich Gaudry in der Grotte von Montgaudier in Frankreich Reſte von C. canadensis gefunden hat, welche ſich ſchwerlich werden von C. maral, eustephanus und isubra unterſcheiden laſſen. Es liegt alſo nahe, daß dieſer Hirſchtypus ſich von Hinterindien um Oſt⸗ aſien herum nach zwei Seiten abgezweigt und ſich in Europa zu C. elaphus umgebildet hat. Andererſeits zieht ſich dieſe Gruppe von Hirſchen in verwandten Arten, wie C. Wallichi, xanthopygus und caspicus Humboldt. — Januar 1889. um den Südrand des aſiatiſchen Maſſivs nach Weſten herum und findet fic) in dem ebenfalls dem Maral ähnlichen von v. Przewalski entdeckten C. albirostris ſogar in Inneraſien. Wenn im öſtlichen Rußland der Hirſch ſelten iſt, ſo iſt das dadurch erklärlich, daß in der Tertiärzeit ein breiter Meeresarm zwiſchen Rußland und Sibirien vom nördlichen Eismeer bis zum Aral-⸗ und Kaſpiſee flutete. Die Cin- wanderung wird alſo über den Kaukaſus nach der Krim und ſo nach dem Weſten erfolgt ſein, wie dies Köppen (Das Fehlen des Eichhörnchens und das Vorhandenſein des Rehs und Edel— hirſches in der Krim, und „Nachſchrift“ S. 33) wahrſcheinlich macht. Die Anſicht desſelben, daß dieſe Hirſchgruppe im Altai und Thianſchan ihren Urſprung genommen habe, ſcheint mir nach den oben dargelegten Uebergängen zwiſchen den Axis, den Pseudaxis-Hirſchen und den ſibiriſchen Formen weniger wahrſcheinlich. In Bezug auf die Größe würde die Steigerung ähnlich ſtattgefunden haben, wie bei den amerikaniſchen Equiden von dem fuchs- und ſchaf— großen Eohippus und Mesohippus bis zum wirk— lichen Pferde, dagegen ein Rückgang in der Größe bei C. elaphus wohl durch die fortgeſetzte Verfolgung ſeitens der Menſchen und durch Inzucht in der poſt— quaternären Zeit zu erklären ſein. Reiches Material ſtand mir auch in Bezug auf das ſibiriſche Reh, Cervus pygargus, zu Gebote, welches ſich am Uſſuri und Sidimi noch häufig findet. Das ſibiriſche Reh wurde zuerſt von Gmelin. (Reiſe III, S. 496) als Cervus ahu beſchrieben und abgebildet. Pallas hat es ſodann in ſeiner Reiſe (I Anhang S. 1) unter dem Namen Cervus pygargus als eigene Art beſprochen, ſpäter aber in ſeiner Zoogr. Rosso-Asiat. (I, S. 219) wieder mit C. capre- olus vereinigt. Ihm folgen v. Middendorff, v. Schrenck, Radde und Blaſius, während Brooke die Artverſchie— denheit aufrecht erhält. Die von mir unterſuchten zahlreichen Proben be— ſtanden in vollſtändigen Bälgen im Sommer- und Winterkleide, ausgeſtopften Köpfen, Schädeln, gefeg— ten und ungefegten Gehörnen. Der Kopf Fig. 7 und das Gehörn Fig. 10 ſtammen aus der Gegend von Wladiwoſtock, Fig. 8 und 9 von Uſt⸗Strielka am Amur, Fig. 11 von Michailo-Semenowskaja un⸗ weit der Sungari-Mündung. Der Bock Fig. 9 iſt im Juli, Fig. 11 im März geſchoſſen. Die Reſultate einer Vergleichung des ſibiriſchen Rehs mit dem europäiſchen find folgende: 1. Es iſt viel größer. Der Bock Fig. 11 hatte eine Schulterhöhe von 85,5 em, im Kreuz 93,9 em, war alſo 10 em höher als das europäiſche Reh. Auch Finſch (Reiſe nach Sibirien, S. 309) ſah in Kolywan eine einjährige zahme Ricke aus dem Altai, welche den ſtärkſten europäiſchen Bock ſchon weit übertraf. Die Kopflänge bei meinen Köpfen beträgt bis zwiſchen die Roſenſtöcke 20,5 weicht alſo etwa um 1,5 em. von der des europäiſchen Rehs ab. Der Halsdurch— meſſer beträgt bei Fig. 7 14,5, hinter dem Kehlkopf 17 em, gegenüber 9 und 12 cm bei C. capreolus. N ~~ 13 Die weiteren Körpermaße der Böcke ſtimmen mit den von Blaſius und Radde angegebenen; alſo die Körper— länge ca. 150, Metacarpus 21, Metatarſus 28, Fuß mit Klauen 11,5 — 11,75. Die Schädel meſſen in der Baſis 25, zwiſchen den Orbitae 10, in der Mitte der | Stirn 7,5, der Unterkiefer in der Länge 19, im auf- ſteigenden Aſte 10,75 em. Danach iſt die Größe , M Fn Fig. 6. Geweih von C. isubra. Nach dem Leben gezeichnet von Th. Road. von C. pygargus etwa die eines mittleren europäiſchen Hirſches, an welche auch die Reſte von C. capreolus aus Pfahlbauten nicht heranreichen. 2. Das ſibiriſche Reh beſitzt ein viel ſtärkeres und auch abweichendes Gehörn. Das Normalgehörn Fig. 9 und 10 hat eine Höhe von 34 em, der 14 Humboldt. — Januar 1889. Roſenſtock einen Durchmeſſer von 4,5 em, die oberen Spitzen ſind 24 em voneinander entfernt, die beiden hinteren 11, die beiden vorderen 19 em. Die Länge der hinteren miteinander korreſpondierenden Perlen beträgt 3,5. Die hinteren Stangen biegen ſich viel ſtärker als bei C. capreolus nach innen. Die Gehörne bei Middendorff geben, weil einzeln gezeichnet, eine unrichtige Vorſtellung. Radde gibt nur anormale Gehörne, von denen das eine oben ſchaufelförmig veräſtelte lebhaft an C. mesopotamicus erinnert. Das Wintergehörn iſt außerordentlich ſtark hell gelb⸗ grau behaart; die Haare, welche ſich von zwei Linien aus vorn und an der Seite ſcheiteln, meſſen bis 2,5 m. kleide ſtark weißgrau behaart, wie bei den Pseudaxis- Hirſchen. Das Winterkleid iſt, wie Figur 7 zeigt, außerordentlich dicht, hell gelbgrau, weil das Gelbrot der Haare durch Hellumbra verdrängt wird und die Haare weißliche Spitzen bekommen. Die Urſache des Wechſels liegt wohl auch in der veränderten und trockenen Nahrung während des Winters. Das Gehörn dieſes ſehr ſtarken Bocks iſt noch ſehr niedrig und wenig entwickelt, die dunkle Färbung der Oberlippe, die nach Brandt einen charakteriſtiſchen Unterſchied zwiſchen C. capreolus und pygargus bildet, faſt verſchwunden, dagegen die Unterlippe ſehr dunkel. 4. Nach Brooke finden fic) bei C. pygargus auch Fig. 7. Wenn Blaſius meint, ebenſo ſtarke Gehörne aus Oſtpreußen und Kroatien geſehen zu haben, ſo ſtammen dieſe nach Graf Waldburg⸗Zeil ebenfalls aus Si⸗ birien. Letzterer erhielt in Barnaul ein Gehörn von 35 em Höhe, 31,5 Spitzenweite und 1% Pfund Gewicht. 3. Das ſibiriſche Reh iſt heller und anders be⸗ haart, als das europäiſche. Das Sommerkleid liegt dicht und glatt an mit glänzenden Haarſpitzen, gleicht alſo eher dem der Antilopen als dem unſeres Rehs, die Farbe iſt ein lebhaftes Gelbrot, Nacken und Rücken mehr braunrot, der Bauch rötlichumbra, die Naſenrücken dunkelumbra, die Stirn hellgrau mit weißlichen Haarſpitzen. Die dunkle Färbung der Ober⸗ lippe ſchwindet bei dem ſibiriſchen Reh, während der dunkle Fleck an der Unterlippe größer, aber matter iſt. Der helle Kehlfleck iſt ſehr klein und wenig markiert, die hintere Haarbürſte an den hell gelb⸗ roten, vorn helleren Beinen ſehr ſtark. Das Ohr iſt dem rauhen Klima entſprechend auch im Sommer⸗ C. pygargus. Nach der Natur gezeichnet von Th. Noack. Fig. 8. Gehörn von C. pygargus. Nach der Natur gez. von Th. Noack. anatomiſche Abweichungen; ſo wird der hintere Teil der Naſenhöhlung durch das Pflugſcharbein in zwei Kammern geteilt, die aufſteigenden Aeſte der Prä⸗ marillen erreichen nicht die Naſe, das diſtale Ende der Metacarpusknochen weicht ab, der äußere Haar⸗ büſchel des Hinterfußes ſitzt tiefer 2c. 5. In Bezug auf die Ohrlänge finde ich auf⸗ fallend andere Reſultate, als Pallas und ſeine Nach⸗ folger. Pallas ſagt: aures magnae, und gibt deren Länge auf 5 Zoll 7 Linien = 16 em an, wie ich auch bei C. capreolus meſſe. Dagegen haben meine Exemplare erheblich kürzere Ohren, 12 — 13,5 em. Die Verkürzung des Ohrs bei den ſubarktiſchen Tieren iſt ſehr begreiflich durch die Kälte: ichglaube nicht, daß die ſubark— tijden Gegenden der Entſtehungsort der Säugetiere ge- weſen ſind, ſondern die tropiſchen und ſubtropiſchen, den langohrigen Leporiden froren in den nördlicheren Gegenden die Ohren ab und die Verkürzung vererbte ſich, wie ich auch ſonſt Beiſpiele der Vererbung er⸗ worbener Eigenſchaften kenne. So beſitzt Lepus varia- Humboldt. — Januar 1889. 15 bilis und mantschuricus fürzere Ohren, als timidus, bei C. vulpes hat Middendorff die Verkürzung oft konſtatiert, jo ijt es beim Renntier, bei Antilope guttu- rosa, der kurzohrigen Gazella persica ꝛc. Dasſelbe Geſetz gilt auch für die Verkürzung des Schwanzes, welche doch wohl erſt erworbene Eigenſchaft iſt. Fig. 9. Gehörn von C. pygargus. Nach der Natur gezeichnet von Th. Noack. Am Ohr von C. pygargus erwähnt ſodann Pallas jene eigentümliche Behaarung der Innenſeite in drei durch nackte Streifen getrennten Reihen, wie ſie die Gazellen beſitzen, indem er fagt: aures villis laxis, Fig. 10. Gehörn von C. pygargus. Nach der Natur gezeichnet von Th. Noack. albis, per marginem et tres lineas digestis. Bei meinen Exemplaren ift im Sommer⸗ und Winterkleide die Innenſeite des Ohres gleichmäßig behaart, und es würde darin eine weitere Anpaſſung an das kältere Klima liegen, die ſich erſt ſeit Pallas’ Zeiten vollzogen hat. Bei Nemorhoedus goral im Himalaya iſt die reihen⸗ weiſe Behaarung des Ohres noch vorhanden, bei A. gutturosa im Verſchwinden begriffen. Fig. 11. Gehörn von C. pygargus. Nach der Natur gezeichnet von Th. Noack. 6. Der Kopf des mantſchuriſchen Rehs (Fig. 12), welches an der Grenze der Mantſchurei geſchoſſen wurde, Fig. 12. C. pygargus var. mantschuricus, Nach ber Natur gezeichnet von Th Noack. weicht erheblich von dem des ſibiriſchen ab. Brooke hat zuerſt dieſe Abweichungen an Exemplaren des bri⸗ tiſchen und Pariſer Muſeums konſtatiert, welche haupt⸗ ſächlich in geringerer Größe und veränderter Fär⸗ bung beſtehen, und er glaubt mit Recht, daß das mantſchuriſche Reh eine dritte Modifikation des 16 Humboldt. — Januar 1889. Rehtypus repräſentiere. Das mantſchuriſche Reh nähert ſich wieder mehr unſerem Capreolus, weicht auch in der Lebensweiſe von pygargus ab, indem es nicht im Winter wandert, wenngleich direkt unſer und das mantſchuriſche Reh ſicher nichts miteinander zu thun haben. Mein Kopf des mantſchuriſchen Rehs mißt 20 em, das Ohr 13,5, die Stirnbreite beträgt 10, die Länge der Stangen 24, die Entfernung der Spitzen 14 cm. Das Gehdrn ijt viel ſchwächer als bei dem ſibiriſchen Reh, obgleich die Biegung der Stangen eine ähnliche iſt, die Behaarung viel kürzer als bei irgend einem der ſibiriſchen Exemplare. Die Stirn iſt weißgelb, die Naſe umbragelbrot, der Augen rand ſehr hell, die Wangen rötlich gelb, der Hals gelb- rötlich umbrabraun. Das Ohr iſt innen mehr gelblich grau behaart, die Färbung der Lippen dem unſeres Rehs viel ähnlicher, jedoch der dunkle Fleck der Unterlippe ſehr klein und der weiße Rand der Ober⸗ lippe breiter als bei C. capreolus. 7. Die Brunſtzeit von C. pygargus weicht erheblich von der von C. capreolus ab. Pallas ſagt: oestrum mense Novembri, tardius quam cervi et alcis. Die Auguſtbrunſt, die er doch jedenfalls bei unſerem Reh kannte, wenn ihm auch die Entwickelung des Reheis noch unbekannt war, erwähnt er gar nicht. Die Befruchtung unſeres Rehs im Auguſt iſt nach den Unterſuchungen von Veltheim, Pockels, Ziegler, Biſchoff zweifellos, es würde alſo das ſibiriſche Reh eine viel kürzere Tragzeit als das unſere haben. Nach Beobachtungen der Herren Dörries brunſtet das ſibiriſche Reh im September, alſo jedenfalls ſpäter als unſer Reh, früher als C. Dybowskii. Die Verbreitung des Rehtypus zeigt zunächſt ein ähnliches Geſetz wie die der oben beſprochenen Hirſche. Wir finden eine kleinere Art in Oſtaſien, eine große in Südſibirien, wiederum eine kleinere in Europa. Aber es fehlt in Südaſien; wir ſind nicht imſtande, dieſen kleinen, der Augenſproſſe entbehrenden Hirſch mit einer tropiſchen Form zu verbinden. Das Reh geht ferner in Sibirien nicht ſo weit nach Norden wie die Hirſche, denn es reicht nach v. Schrenck nur bis zum 53. oder 54. Grad n. Br. und findet ſich nicht mehr an der Mündung des Amur, in Weſtaſien reicht es bis zum Libanon, wo es 1876 konſtatiert wurde. Die Lücke in Centralaſien iſt neuerdings durch v. Przewalski ausgefüllt, welcher es auf ſeiner dritten Reiſe zuſammen mit dem Maralhirſche, dem Nahoorſchafe und dem Moſchustier im Djakhar⸗ gebirge im Quellgebiete des Hoangho fand. (Tour du monde, 1887, S. 220.) Auch auf ſeiner letzten Reiſe ſcheint er es nach dem Kataloge ſeiner Säugetiere getroffen zu haben. Eine Lücke befindet ſich im Oſten von Rußland, wo es auf einer Linie von der Nema: und Donmündung bis zum Ural jo gründlich fehlt, daß die öſtlichen Ruſſen nicht einmal einen Namen dafür haben. Die Bedeutung dieſer Lücke wird von Köppen (a. a. O.) ausführlich beſprochen und wie oben bei den Cerviden erklärt. Ueber die Brücke des Kaukaſus und der Krim reicht es dann nach Europa. Die quaternären Reſte gleichen weſentlich den heutigen, doch ſoll C. solilhacus aus dem Diluvium von Polignac, wenn es anders richtig beſtimmt iſt, die Größe des Elchs haben. Es läßt ſich alſo über den Urſprung des Rehs bis heute noch nichts, über ſeine Einwanderung nach Europa ſo viel ermitteln, daß ſie zu einer Zeit erfolgte, als das nördliche Eismeer bis an den Kaukaſus reichte. Wichtig erſcheint, daß im Herbſt 1886 bei Moskau, alſo in der reharmen Zone Rußlands, ein [Exemplar des mausgrau gefärbten krimſchen Rehs geſchoſen wurde (Zool. Garten 1887, S. 316). Die Thatſache beweiſt',, daß jene Lücken fic) mit der Zeit ausfüllen würden, wenn nicht der Menſch fie offenhielte, ja immer mehr erweiterte und da- durch die Erkenntnis der Verbreitungsgeſetze immer mehr erſchwerte. Beitrag zur Kenntnis der Jichtenformen. Don Dr. Udo Dammer in Berlin. In den Berichten der Deutſchen botaniſchen Geſellſchaft 1883, Bd. I, Seite 360 berichtete ich über einige Fichten⸗ formen in der Umgegend von St. Petersburg. Ich zeigte, daß in der dortigen Gegend alle Uebergänge der gewöhn⸗ lichen Fichte zur Picea obovata Ledeb., der ſibiriſchen Fichte, vorkommen, und ſprach, obwohl mir noch kein Material vorlag, die Vermutung aus, daß Picea obovata Ledeb. auch bei Petersburg vorkomme. Später teilte mir Albert Regel nach ſeiner Rückkehr aus Turkeſtan mit, daß er in der That die Picea obovata Ledeb. vor langen Jahren in der Umgebung Petersburgs an zwei Stellen gefunden habe und zeigte mir auch Belegexemplare im Herbarium. Mit Teplouchoff glaubte ich mich nach meinen Funden zu dem Schluſſe berechtigt, daß Picea obovata nur eine klimatiſche Form unſerer gewöhnlichen Picea excelsa Link fet. Gegen dieſe Anſicht trat nun in der Gartenflora 1886 E. Regel auf, indem er behauptete, daß Picea excelsa Link und Picea obovata Ledeb. zwei di⸗ ſtinkte Arten ſeien, daß aber die Uebergangsformen, welche man finde, und die er in der Gartenflora 1863 als Picea excelsafennica beſchrieben und abgebildet habe, nur Baſtarde ſeien, welche auf dem Grenzgebiete beider Arten gebildet würden. Mir ſchien dieſe Anſicht wenig plauſibel, denn es mußte nach derſelben ein oſtweſtliches Grenzgebiet vom Altai bis nach Petersburg angenommen werden, eine Er⸗ ſcheinung, die im Gebiete der Pflanzengeographie einzig daſtünde. Vielmehr ſchien mir die Anſicht, daß Picea obovata nur eine geographiſche Form der Picea excelsa ſei, ſo zwar, daß erſtere an das kältere nördliche und kon⸗ tinentale öſtliche Klima angepaßt iſt, die richtige. Nach Humboldt. — Januar 1889. 17 dieſer Anſicht würde denn auch das weite Grenzgebiet ſich auf ſehr einfache Weiſe erklären, denn dann hätten wir nicht ein oſtweſtliches, ſondern ein nordſüdliches, und dieſes iſt ſehr wohl in ſo weiter Ausdehnung denkbar. Der ganze Streit mußte aber unentſchieden bleiben, ſolange ſich nicht weitere Belege für die eine oder die andere Anſicht beibringen ließen. Wenn nun meine Anſicht die richtige iſt, ſo liegt die Vermutung nahe, daß ſich die Uebergangs— formen zur Picea obovata Ledeb., eventuell gar dieſe ſelbſt, auch außerhalb des bisher bekannten Verbreitungs— kreiſes derſelben vorfinden müſſen. Denn es iſt eine bekannte Erſcheinung, auf welche ſchon Humboldt aufmerkſam gemacht hat und die eigentlich den Anſtoß zur Begründung der Pflanzengeographie gab, daß nordiſche Pflanzenformen ſich viel ſüdlicher auf den Gebirgen wiederfinden. War alſo meine Anſicht die richtige, ſo war es wahrſcheinlich, daß fic) Uebergangsformen, eventuell die Picea obovata Ledeb. ſelbſt, auf den centraleuropäiſchen Gebirgen vorfinden müſſen. Gelang aber dieſer Nachweis, ſo war die Regel'ſche Anſicht hinfällig geworden. Ich bin nun in der glücklichen Lage, Uebrigens hat Chriſt bereits 1865 in der Botaniſchen Zeitung (Formenkreiſe der europäiſchen Pinus-Arten p. 215) darauf hingewieſen, daß ſich „im Oberengadin bei 6000 Fuß, unter der gewöhnlichen Form Bäume mit kleinen (2 Zoll langen) Zapfen und halbkreisrunden, ſehr kleinen Schuppen, margine integro, ohne Ausrandung“ finden. Aus Grau- bünden habe ich nun mittlerweile durch Prof. Magnus zwei von Brügger zwiſchen 1400 — 1800 m gefundene Fichten⸗ zapfen, die letzterer als Picea alpestris Brgg. bezeichnet, erhalten, und A. Schultz in Halle hat mir mündlich mit- geteilt, daß er auch im Rieſengebirge an der alten ſchle— ſiſchen Baude die gleiche Form gefunden habe. Sonach dürfte ſich die Form nach meiner Vermutung auch ſonſt auf den centraleuropäiſchen Gebirgen finden. Außer dieſer Fichtenform kommen bei Oberhof noch eine ganze Anzahl anderer Formen vor, auf die näher einzugehen ich mir für eine ſpätere ausführliche Arbeit vorbehalte. Hier möchte ich nur noch auf die ſogenannte „Doppeltanne“ zurückkommen. Man verſteht unter dieſem Namen in Berlin auf dem Weihnachtsmarkt eine a Schuppen von der gewöhnlichen, typiſchen Form der Picea excelsa. b Desgleichen von der Uebergangsform zu e, der klimatiſchen Varietät P. excelsa Lk. var, obovata. Die einzelnen Schuppen decken ſich im Zapfen, ſoweit ſie ſchraffiert find. dieſen Nachweis zu führen. Während eines längeren Auf— enthaltes in Oberhof in Thüringen war mir der eigen- tümliche Habitus vieler Fichten aufgefallen, welcher mich, lebhaft an die bei Petersburg beobachteten erinnerte. Während ſonſt unſere Fichte ſich breitpyramidal, faſt fegel- förmig aufbaut, fand ich hier wieder jene ſchlank walzen— förmigen, faſt wie die Weißtannen gebauten Baumformen vor, die ſchon Schenk bei Archangelsk beobachtete und die ihn zu der Vermutung brachten, daß er eine andere Art als die gewöhnliche Picea excelsa vor ſich habe. Ich wußte nun aber von Petersburg her, daß dieſe Bäume, die ja fo ſehr im Habitus an die echte Picea obovata Ledeb. er- innern, in der Form ihrer Zapfenſchuppen die Uebergangs— formen zur Picea obovata darſtellen. Als ich deshalb unter dieſen Bäumen nach Zapfen ſuchte, fand ich in der That dieſe Uebergänge in reicher Zahl. Die obenſtehenden Figuren, welche nach Schuppen aus jener Gegend gemacht ſind, ſprechen deutlicher, als viele Worte vermögen. Fig. a zeigt die Schuppenform der bei uns gewöhnlichen Fichte, Fig. b die vorn ſchon be- deutend abgerundete Schuppenform, Fig. e endlich die rein verkehrteiförmige Geſtalt der Schuppen von Picea obovata Ledeb. Nach dieſen Funden erſcheint Picea obo- vata Ledeb. offenbar als klimatiſche Varietät der Picea excelsa Link. Fichtenform mit verhältnismäßig großen, ſtarken, ſäbel—⸗ förmig gekrümmten, allſeitig um den Zweig gleichmäßig abſtehenden Nadeln und gedrungenen, kräftigen, nicht zu langen Zweigen. Die Farbe der Nadeln geht mehr ins Blaugrüne als ins Gelbgrüne über. Dieſe Weihnachtsbäume ſind bei vielen ihres kraftſtrotzenden Ausſehens wegen ſehr beliebt und werden in der Regel zu bedeutend höheren Preiſen verkauft als die gewöhnlichen Fichten. Aus dem Umſtande, daß dieſe Bäume zumeiſt mit Zapfen behangen ſind, hat man geſchloſſen, daß ſie nur die Gipfel älterer Bäume ſind, weil man in der Regel annimmt, daß die Fichte erſt in hohem Alter und als großer Baum Zapfen trägt. Mag letztere Anſicht auch im allgemeinen Gültig— keit haben, ſo trifft ſie doch nicht immer zu, wie ich mich bei Oberhof und namentlich auf dem Großen Beerberge mehrfach zu überzeugen Gelegenheit hatte, indem ich da⸗ ſelbſt ſchon wenige Meter hohe Bäume mit Zapfen beſetzt fand. Was nun die obenerwähnte „Doppeltanne“ an— betrifft, ſo muß ich nach meinen in Thüringen gemachten Erfahrungen annehmen, daß dieſelbe eine eigene Form bildet, welche ſchon als junges 1—2 m hohes Bäumchen den typiſchen Charakter beſitzt. Die blaugrüne Färbung rührt hier von weißen Streifen hier, welche ſich auf den Nadeln befinden. Uebrigens hat Chriſt J. e. auch ſchon auf dieſe Form aufmerkſam gemacht. Humboldt 1889. oo 18 Humboldt. — Januar 1889. Zur Frage der Selbſtbefruchtung bei den Zwitterſchnecken. Von Profeffor Dr. M. Braun in Roſtock. Gegenüber der ſtark dominierenden morphologiſchen Richtung in der Zoologie treten biologiſche Fragen zur Zeit bedeutend in den Hintergrund, und doch gibt es auch hier Fragen, deren Entſcheid von allgemeinerem Intereſſe und relativ leicht iſt. Eine ſolche Frage iſt die, ob Zwitter⸗ ſchnecken im ſtande ſind, Nachkommen zu er⸗ zeugen, ohne mit einem anderen Individuum derſelben Species in Berührung gekommen zu ſein. Die Löſung dieſer Frage iſt in der That einfach, da man ja nur eine Schnecke unmittelbar nach dem Aus⸗ ſchlüpfen aus dem Ei zu iſolieren und iſoliert zu halten braucht, um ſchließlich zu erfahren, ob Eier abgeſetzt wer⸗ den oder nicht und ob letztere entwickelungsfähig ſind. Soviel man weiß, kommt Parthenogeneſe bei Schnecken nicht vor, die Eizellen müſſen, wenn ſie ſich entwickeln ſollen, befruchtet werden und ſo dürfen wir wohl auch den umgekehrten Schluß ziehen, d. h. annehmen, daß Eier von Schnecken befruchtet worden ſind, wenn ſie ſich entwickeln. Ganz im allgemeinen geſagt, könnte eine ſolche Befruchtung auf zweierlei Wegen erfolgen, entweder dadurch, daß bei einem Zwittertier das eigne Sperma — ohne Benutzung des männ⸗ lichen Begattungsorganes — in den Geſchlechtswegen auf reife Eier trifft, oder daß eine Selbſtbegattung erfolgt. Der erſtere Weg iſt aus manchen Gründen unwahrſchein⸗ lich, ja, wenn wir Zwitterſchnecken berückſichtigen, unmög⸗ lich; das Sperma entwickelt ſich nämlich in den Geſchlechts⸗ drüſen ſtets viel früher, ehe die Eier reif und damit befruch⸗ tungsfähig ſind; die Tiere begatten ſich wohl immer wechſel⸗ ſeitig und das Sperma bleibt in einer beſonderen Taſche lebensfähig, bis die Eier reif ſind, um von dem Sperma des zweiten bei der Begattung thätig geweſenen Individuums befruchtet zu werden. Das eigene Sperma hat nicht die Möglichkeit, in jene Taſche, die ein Anhang des weiblichen Teiles des ganzen zwittrigen Geſchlechtsapparates iſt, zu gelangen, außer von außen her durch die weibliche Ge⸗ ſchlechtsöffnung. Dieſen zweiten Weg kann alſo das Sperma desſelben Individuums einſchlagen, wobei aber eine Selbſt⸗ begattung erfolgen muß. Eine ſolche iſt ſchon vor langen Jahren von C. E. v. Baer (Müller's Arch. f. An. u. Phyſ. 1835 pag. 224) bei einer Süßwaſſerſchnecke (Limnaeus auricularius) ge⸗ ſehen worden: die männliche Rute war in die weibliche Geſchlechtsöffnung desſelben Individuums eingeführt wor⸗ den, was bei Limnäen um ſo leichter iſt, als die beiden Geſchlechtsöffnungen nicht jo nahe aneinander liegen, wie bei den gewöhnlichen Landſchnecken (Helix etc.). Ob dieſe Beobachtung Baer's irgendwo wiederholt gemacht worden iſt, kann ich nicht angeben, glaube aber nicht, falls nicht eine mir nicht zugängliche Notiz von Fiſcher im Journal de Conchyliologie 1858 pag. 262 — 264 auch darüber handelt; jedenfalls beweiſt ſie aber nicht, daß eine ſolche Selbſtbegattung auch erfolgreich iſt, daß alſo das eigene Sperma auch die Eier des betreffenden Individuums be⸗ fruchtet. Dies hat allerdings vor Baer bereits Lorenz Oken (Isis 1817 p. 320) durch Verſuche an Limnaeus auricu- larius feſtzuſtellen unternommen, doch ſcheinen nicht alle Zweifel durch ihn beſeitigt worden zu ſein. Spätere Forſcher haben die Verſuche wieder aufgenommen, aber dieſelben ſind nicht einwandsfrei, weil nur junge Tiere benutzt wor⸗ den ſind, bei denen die Möglichkeit einer Begattung mit anderen Individuen nicht ausgeſchloſſen iſt. Wie wir durch ſorgfältige Beobachtungen verſchiedener Autoren wiſſen, werden namentlich Waſſerſchnecken ſehr früh geſchlechtsreif und begatten ſich lange bevor ſie ihre normale Größe er⸗ reicht haben. Will man ganz einwandsfrei experimentieren, ſo müſſen die Verſuchstiere unmittelbar nach dem Ausſchlüpfen aus dem Ei iſoliert werden, wie dies des näheren H. v. Ihering im Nachrichtsblatt der deutſchen mollusko⸗ zoologiſchen Geſellſchaft 1876 S. 49—51 auseinander⸗ ſetzt. Schon oben wurde angeführt, daß die Verhältniſſe für eine Selbſtbegattung bei Limnäen günſtiger liegen als bei Helix, weil die männliche und weibliche Geſchlechts⸗ öffnung relativ weit voneinander entfernt ſind, während ſie bei Helix dicht nebeneinander in einer gemeinſamen Geſchlechtskloake liegen. Ich wählte daher für meine Ver⸗ ſuche auch Limnäen, deren Laich man faſt in jedem Tümpel während des ganzen Sommers, an Blättern, Steinen, Schneckengehäuſen ꝛc. leicht findet; ferner war für mich noch beſtimmend, daß Limnäen ſich faſt von ſelbſt erziehen laſſen, jedenfalls ſehr viel weniger Wartung bedürfen als Landſchnecken, denen die in Terrarien nur zu leicht ſich einſtellenden Schimmelpilze zu Schaden ge⸗ reichen. Ein Laich von Limnaeus auricularius wurde demnach iſoliert und die Jungen nach dem Ausſchlüpfen ſofort in vorher eingerichtete kleine Gläſer zu je einem Stück eingeſetzt (15. Juni 1887). Jedes ſolche Miniatur⸗ aquarium hatte eine dünne Schicht groben Sandes am Boden, eine in den einzelnen Behältern verſchieden große Menge Waſſer und von Pflanzen Konſervenfäden, Lemna trisulca, ſowie Waſſerpeſt, die den Jungen zur Nahrung dienen ſollten. In einigen Aquarien hatten ſich übrigens mit den Pflanzen einige andere Schnecken (Planorbis mar- ginatus) eingeſchmuggelt, in zweien noch je ein Limnaeus auricularius, und in einem ein Limnaeus stagnalis. Dieſe Gläſer wurden abſichtlich nicht entfernt, nur beſon⸗ ders geſtellt und bezeichnet; waren mehrere Exemplare von Limnaeus auricularius in einem Glaſe, ſo mußten dieſe den Eintritt der Geſchlechtsreife unter normalen Verhält⸗ niſſen anzeigen und mir vermehrte Aufmerkſamkeit auf die iſolierten Individuen anweiſen; bei zwei verſchiedenen Species derſelben Gattung wäre eine Baſtardierung zu er⸗ warten geweſen, die allerdings, nebenbei geſagt, bis heute noch nicht eingetreten iſt, und die Anweſenheit von Planorbis bei Limnaeus war von vornherein als den Verſuch nicht weiter ſtörend zu betrachten. Allen Zweiflern gegenüber bemerke ich nochmals, daß in den meiſten Gläſern nur je Humboldt. — Januar 1889. 19 ein Limnaeus auricularius ſich befand, wie wiederholt konſtatiert wurde. Eine normale Fortpflanzung trat bereits nach Verlauf eines Jahres ein, das lange nicht genügt hatte, um die Tiere zur normalen Größe auswachſen zu laſſen, und zwar war es ein Pärchen Limnaeus auricularius, von dem freilich das eine Individuum geſtorben war, in deſſen Glaſe Laich mit wenigen Eiern bemerkt wurde. Erſt Ende Auguſt 1888 traf ich auch Laich bei iſoliert ge— haltenen Tieren; das eine hatte einen Laich abgeſetzt, aus dem drei Junge ausſchlüpften, das andere war be- deutend fruchtbarer und hatte vier, bis 1 em lange Ei— ſchnüre produziert, und das dritte, in deſſen Geſellſchaft einige Planorbis marginatus lebten, hatte es bis auf fünf Laiche gebracht. Letztere waren offenbar raſch nachein— ander abgelegt worden, denn die Differenz in der Ent— wickelung der Jungen in den verſchiedenen Eihaufen war kaum größer, als fie bei Jungen desſelben Laiches gelegent— lich vorkommt. Ich brauche wohl kaum ausdrücklich zu bemerken, daß die Laiche im letzteren Falle nicht von Planorbis marginatus herrühren können, weil die Geſtalt derſelben und die Form der zum Teil ganz entwickelten Jungen dagegen ſpricht. Wer dieſe Dinge kennt, wird den Laich eines Limnaeus nicht mit dem eines Planorbis verwechſeln (den Nichtkenner verweiſe ich auf die in dieſer Hinſicht noch immer unübertroffenen Darſtellungen von C. Pfeiffer in ſeiner „Naturgeſchichte der deutſchen Land— und Süßwaſſermollusken“) und ebenſowenig die jungen Tiere. Nach dem Mitgeteilten kann man nun nicht mehr daran zweifeln, daß Limnaeus auricularius im ſtande iſt, ſich zu vermehren, ſelbſt wenn In⸗ dividuen dieſer Art niemals die Möglichkeit gehabt haben, ſich mit anderen Individuen derſelben Art zu begattenz dies iſt zweifellos in den drei mitgeteilten Beobachtungen der Fall gewejen*): in den betreffenden Aquarien befand fic) nur je ein Lim- naeus, wie zu wiederholten Malen konſtatiert worden iſt, und während der ganzen Beobachtungsdauer (54 Jahr) iſt weder das Waſſer gewechſelt, noch ſind die Pflanzen erneuert worden — das Hinzutreten eines zweiten Indi— viduums zu dem vom Tage des Ausſchlüpfens an iſolierten demnach ausgeſchloſſen geweſen. Berückſichtigt man das eingangs Erwähnte, ſowie die von C. E. v. Baer gemachte Beobachtung, ſo wird wohl niemand widerſprechen, wenn ich für dieſe Fälle eine Selbſtbegattung, die zu einer erfolgreichen Selbſtbefruchtung geführt hat, annehme, obgleich die erſtere direkt zu beobachten mir nicht möglich war. Die Möglichkeit der Selbſtbefruchtung bei Zwitter— tieren, wie ſie hier von einer Süßwaſſerſchnecke konſtatiert wurde, ſteht übrigens in der Tierreihe nicht vereinzelt da; zwar kennen wir Fälle dieſer Art von anderen Zwitter— ſchnecken nicht, reſp. es laſſen ſich die hier etwa anzuziehen⸗ den auch anders erklären, wie bei den intereſſanten Beob— achtungen, die neuerdings Dr. H. Brockmeier von Helix nemoralis und Helix hortensis mitteilt (Nachrichtsblatt der deutſchen molluskozoolog. Geſellſch. 20. Jahrg. 1888). *) Späterer Zuſatz: noch zwei andere, iſoliert gehaltene Limnaeus haben befruchteten Laich abgeſetzt, jo daß im ganzen 5 Fälle zu vere zeichnen ſind. Die betreffenden, zu zweien in Terrarien gehaltenen Schnecken hatten nach einmaliger Begattung und darauf erfolgtem Tode des einen Individuums noch während dreier Jahre entwickelungsfähige Eier abgelegt und es fragt ſich, ob man annehmen will, daß hier eine Selbſtbegattung erfolgt ſei, oder daß das von einer früheren wechſelſeitigen Begattung herrührende Sperma für drei Jahre ausgereicht habe. Beides wäre möglich, wenn auch gegen das erſtere die ſchon oben erwähnte benachbarte Lage der beiden Ge— ſchlechtsöffnungen ſpricht, die allerdings eine Selbſtbegattung nicht ganz ausſchließt, gegen das letztere die Thatſache, daß man in der Samentaſche fo ſelten Spermatozoen antrifft. Aber Zwittertiere, welche anderen Tierklaſſen ange— hören, haben wie manche Zwitterſchnecken die Möglichkeit, ſich ſelbſt befruchten zu können, das ſind die Band- und Saugwürmer. Die Geſchlechtsöffnungen liegen bei den Arten beider Gruppen unmittelbar nebeneinander in einem gemeinſchaftlichen Vorhof, der Geſchlechtskloake. Durch eine beſondere Anordnung der Muskulatur kann die äußere Oeffnung der Kloake geſchloſſen werden, ſo daß nun, ſelbſt ohne daß ein Eindringen des Penis in die weibliche Ge- ſchlechtsöffnung ſtattfindet, das Sperma aus dem erſteren in die letztere einfließen kann und auch einfließt. F. Sommer iſt ſogar der Anſicht, daß dieſe Selbſtbefruchtung bei den genannten Plattwürmern, wenigſtens Tänien und einem Teil der Trematoden, die Regel ſei. Dieſe Anſicht iſt nicht unbeſtritten; abgeſehen davon, daß man bei Ceſtoden gelegentlich eine Begattung zwiſchen zwei verſchiedenen Proglottiden beobachtet hat, ſcheut man ſich aus ganz allgemeinen Gründen vor der Annahme einer Selbſtbefruchtung als Regel, ſolange andere Möglichkeiten, ſpeciell gegenſeitige oder einſeitige Begattung vorhanden ſind. Auch für die endoparaſitiſch lebenden Trematoden kommt eine ſolche wohl in Betracht, obgleich die Vagina, die unter dem Namen Laurer'ſcher Kanal bekannt iſt, kaum oder nur ausnahmsweiſe als ſolche funktioniert. Dieſelbe mündet auf dem Rücken aus, während Penis und Uterus— mündung auf der Bauchſeite liegen; um eine Begattung zu vollführen, müßte alſo das eine Tier, welches als Männ⸗ chen funktioniert, auf dem Rücken des Weibchens ſitzen. In dieſer Stellung hat man allerdings Trematoden ge— funden, doch iſt durch nichts erwieſen, daß hier thatſäch⸗ lich eine Kopulation vor ſich ging, da niemand den Penis im Laurer'ſchen Kanal geſehen hat. Mit Recht hat man (vergl. beſonders Looſs in der Zeitſchrift für wiſſenſchaft⸗ liche Zoologie, Bd. LXI. 1885, pag. 420 u. ff.) auf die beträchtliche Dicke des Penis und die ungemein ſchmale Lichtung dieſer Vagina hingewieſen. Trotzdem kann nicht geleugnet werden, daß bei manchen Arten (3. B. Distoma Westermanni) nach Kerbert (Archiv für mikroſkopiſche Ana⸗ tomie, Bd. XIX.) die Verhältniſſe für die Benutzung des Laurer'ſchen Kanales als Vagina günſtig liegen — bei den meiſten Arten von Distoma ſcheint dagegen der Frucht— hälter oder Uterus, der neben dem Penis ausmündet, auch als Vagina benutzt zu werden. Beide Oeffnungen, die männliche wie die weibliche, liegen bei vielen Arten in der Mittellinie der Bauchſeite zwiſchen den beiden Saug— näpfen — bei ſolchen iſt eine Begattung bisher noch nicht geſehen worden, wohl aber bei Arten, deren Geſchlechts— organe ſeitlich am Körper ausmünden! Looſs hat zwei— 20 Humboldt. — Januar 1889 mal Distoma clavigerum, das im Darm der Fröſche lebt, in gegenſeitiger Begattung getroffen und konſtatiert, daß der Penis von jedem Individuum in den Endabſchnitt des Uterus des anderen Tieres eingeführt war, die Be⸗ gattung alſo eine gegenſeitige war, wie ſie normal auch von Zwitterſchnecken geübt wird. Bei dieſer Sachlage wird man wohl nicht fehlgehen, wenn man ſagt, daß auch bei Trematoden, ſpeeiell Distoma, unter normalen Verhältniſſen eine gegenſeitige Begattung ſtattfindet, wobei meiſtens der Uterus, ſelten der Laurer'ſche Kanal, als Vagina dient. Trotzdem bleibt auch bei Trematoden die Möglichkeit für eine Selbſtbefruchtung — mit oder ohne Selbſtbegattung — beſtehen, eben für ſolche Fälle, wo Individuen iſoliert leben. Hierfür hat O. v. Linſtow direkte Beobachtungen beigebracht und Leuckart dieſelben beſtätigt; wie der erſtere (Archiv für Naturgeſchichte, 38. Jahrgang 1872) ſchreibt, leben in Gammarus pulex, wie in vielen anderen Tieren, Diſtomeen (D. agamos) eingekapſelt, deren Einkapſelung — immer zu je einem — zu einer Zeit geſchieht, wo ihre Geſchlechtsorgane noch nicht entwickelt ſind, eine Benutzung derſelben alſo unmöglich iſt; die Organe beginnen ſich nun zu entwickeln und wenn das eingekapſelte Stadium nicht unterbrochen wird, ſo tritt eine Selbſtbefruchtung ein, da man bei ſolchen Tieren reife Eier in verſchiedenen Ent⸗ wickelungsſtadien findet. Leuckart beobachtete das Gleiche bei in Ephemeridenlarven eingekapſelten Diſtomeen und Villot bei Diſtomeen anderer Inſekten. Hier iſt dasſelbe geſchehen, wie bei den gleich nach dem Ausſchlüpfen iſolier⸗ ten Limnäen — die Parallele iſt vollkommen; in beiden Fällen iſt Selbſtbefruchtung aber wohl nur unter abnormen Verhältniſſen möglich, ſo daß auch ſolche Tiere unter den für die geſchlechtliche Fortpflanzung ungünſtigſten Verhält⸗ niſſen ſich vermehren. Jortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Experimentelle Yſychologie. Don Dr. Hugo Münſterberg in Freiburg i. Br. Das Wiedererkennen. Der Einfluß der Uebung auf geiſtige Vorgänge. Kicht- und Farbenempfindung. Der Helligkeitskontraſt. Die Fett der Farbenwahrnehmung. Die Träume der Blinden. Kohlenſäure. Das Wieder erkennen. Die Bedingungen, durch welche eine Vorſtellung eine andere ins Bewußtſein zu rufen vermag, wurden bisher gewöhnlich in innere und äußere getrennt. Dieſe, nämlich räumliches Beiſammenſein oder unmittelbare zeitliche Folge der Reize, boten keine innere Verwandtſchaft, nur äußeres Berührungsverhältnis, z. B. der Anblick eines Wagens ruft in der Erinnerung das Bild der Pferde hervor, die früher mit dem Wagen zu⸗ ſammen wahrgenommen wurden. Die inneren, beſonders Aehnlichkeit und Gegenſatz, ſollten dagegen wirklich eine innere Verwandtſchaft der aſſociierten Vorſtellungen auf⸗ weiſen, z. B. wenn der Anblick der weißen Farbe die Vor⸗ ſtellung des kontraſtierenden Schwarz hervorruft. eb mann!) beweiſt nun, daß jene Aehnlichkeitshypotheſe un⸗ begründet iſt, alle Aſſociationen ſich auf äußere Berührung zurückführen laſſen, alſo Weiß nur dann die Vorſtellung Schwarz ins Bewußtſein hebt, wenn beide oft nebenein⸗ ander oder hintereinander wahrgenommen wurden. Schon der einfache Umſtand, daß die Berührungsaſſociationen ſtets als phyſiologiſch verſtändlich, die Aehnlichkeitsaſſocia⸗ tionen aber als rein pſychiſch galten, legt die Ueberzeugung nahe, daß, wenn die Lehmannſche Betrachtung berechtigt Ut, das pſychophyſiſche Verſtändnis der Aſſociationsverhält⸗ niſſe in hohem Grade dadurch gefördert würde. Die Be⸗ rührungsaſſocigtion könnte nämlich darauf zurückgeführt werden, daß die zwei ſucceſiv empfangenen Wahrnehmungen nur die pſychologiſchen Begleiterſcheinungen zweier phy⸗ ſiſchen Reizungen verſchiedener Ganglienzellen ſind und nun die zwiſchen jenen beiden Zellengruppen die Ver⸗ ) Wundt's Philoſoph. Studien 1888, Bd. V, S. 96. Gehörshallucinationen. Lokaliſation von Schallempfindungen. Wärmeempfindung durch Die Schwankungen der Aufmerkſamkeit. bindung herſtellenden Leitungsbahnen des Gehirns es be⸗ wirken, daß, wenn ſpäterhin nur die eine Zelle im Er⸗ regungszuſtand iſt, die Erregung ſich in jener Leitungs⸗ bahn auf die andere Zelle überträgt und dadurch nun dort die aſſociierte Vorſtellung ausgelöſt wird. Eine dement⸗ ſprechende anſchauliche Theorie des phyſiologiſchen Vor⸗ gangs iſt offenbar undenkbar, wenn der Zuſammenhang der affociierten Vorſtellungen wirklich nur der einer pfy⸗ chiſchen Aehnlichkeit ohne räumlich⸗zeitliche Verbindung ijt. Der Beweisgang iſt folgender. Die Aehnlichkeitshypotheſe erhält nur dann eine Bedeutung, wenn man unberechtigter⸗ weiſe die Vorſtellungen gewiſſermaßen als unvergängliche Gegenſtände auffaſſen will, die auf ganz äußere Art ſich aneinander heften. Wenn man dagegen mit der neueren Psychologie daran feſthält, daß die Vorſtellungen Zuſtände ſind, ſo führt die Annahme einer reinen Aehnlichkeits⸗ aſſociation mit Notwendigkeit zu ganz abſurden Anſichten über die Vorſtellungsverbindungen. Daraus folgt, daß die Aehnlichkeitshypotheſe nur berechtigt iſt, inſofern die⸗ ſelbe unumgänglich notwendig iſt zur Erklärung irgend eines Phänomens, das ohne dieſelbe durchaus nicht ver⸗ ſtändlich wäre. Ein ſolches Phänomen ſchien nun im Wiedererkennen einfacher Empfindungen vorzuliegen, das ſich anſcheinend ſehr leicht nach der Aehnlichkeitshypotheſe erklären läßt. Vom Standpunkt der Berührungstheorie konnte man ſich dagegen ein ſolches Wiedererkennen nur unter zwei Vorausſetzungen möglich denken, nämlich ent⸗ weder inſofern von einer früheren Empfindung ein Er⸗ innerungsbild beſtände, mit welchem die ſpäter auftretende Empfindung ſich vergleichen ließe, oder inſofern ſich an die Sinnesempfindung aſſociativ ein Name, eine Beſtimmung Humboldt. — Januar 1889. 21 geknüpft hätte, welche bei dem nachherigen Auftauchen der Empfindung reproduciert werden könnte. Es galt, die Konſequenzen dieſer beiden Möglichkeiten experimentell zu beſtätigen, um dadurch die Berührungstheorie als die allein berechtigte zu erweiſen. Von der Annahme eines Wiedererkennens mittels eines Erinnerungsbildes ausgehend, mußte man erwarten, daß ſowohl die Differenz wie die Anzahl der Empfindungen, unter denen eine einzelne wiedererkannt werden ſoll, Gin: fluß auf die Sicherheit des Wiedererkennens haben müſſe, derart, daß ſie deſto geringer würde, je kleiner die Diffe— renz und je größer die Anzahl der Empfindungen würde. Die Verſuche wurden mit rotierenden Scheiben bei künſt— licher Beleuchtung angeſtellt, die Beobachter hatten z. B. zu entſcheiden, ob eine zuletzt gezeigte Scheibe gleich oder heller ſei als eine früher gezeigte. Wenn der weiße Aus— ſchnitt der Normalſcheibe 180° betrug, jo ergaben ſich unter je 30 Verſuchen 27 richtige Fälle, wenn der weiße Aus— ſchnitt der Vergleichsſcheibe 225° beträgt, 24, wenn er 215°, 20, wenn er 200°, 19, wenn er 192°, 17, wenn er 188° iſt; handelt es ſich aber um drei Scheiben, ſo daß ein Ur— teil darüber möglich, ob die zweite Scheibe heller oder gleich oder dunkler iſt, ſo ſinkt die entſprechende Zahl der richtigen Fälle auf 23, 22, 20, 14, 11. — Ferner müßte man ver— muten, daß die Sicherheit des Wiedererkennens um ſo ge— ringer würde, je länger der Zeitraum zwiſchen Normalreiz und Vergleichsreiz iſt. In der That zeigt ſich eine ſtetige Abnahme der richtigen Fälle mit wachſender Zwiſchenzeit; von 30 Fällen waren richtig nach 5“ ſämtliche 30, dagegen 26 nach 15“, 25 nach 30“, 19 nach 60“, 17 nach 120”. Uebrigens ſcheint es nach den Ausſagen der betreffenden Beobachter, daß jede willkürliche Anſtrengung, das Er— innerungsbild nach dem Aufhören der Empfindung klar zu behalten, völlig vergeblich iſt, ja den umgekehrten Effekt herbeiführt. Eine letzte Konſequenz der Berührungstheorie wäre die, daß bei verſchiedenen Individuen ein großer Unterſchied in der Fähigkeit des Wiedererkennens und bei demſelben Individuum ein Unterſchied in den verſchiedenen Uebungsſtadien vorhanden ſein muß; auch dieſes wird durch die Verſuche bewieſen. — Es fehlt hier der Raum, um referierend auch noch diejenigen Experimente zu erwähnen, welche fic) mit dem Wiedererkennen vermittels Wortaſſo— ciation oder anderer Beſtimmung beſchäftigen. Auch ſie beſtätigen durchweg die theoretiſchen Konſequenzen der Be— rührungstheorie. Der Einfluß der Uebung auf geiſtige Vor- gänge. Aus jeder der zehn Klaſſen eines Gymnaſiums wählte Berger *) die fünf beſten und die fünf ſchlechteſten Schüler aus und ließ jeden, auch die zehn Schüler der Vorklaſſe, die noch gar keinen lateiniſchen Unterricht gehabt, zunächſt die erſten hundert Worte einer Tacitusſtelle leſen. Dieſer Vorgang beanſpruchte in der Vorklaſſe 262 Sefun- den, in der nächſt höheren 135, dann 100, 84, 79, 57, 54, 49, 48, in der oberſten Klaſſe 43 Sekunden. Die Uebung im lateiniſch Leſen hat alſo eine fortlaufende Ab— nahme der Leſedauer hervorgebracht; ihr Einfluß iſt am ſtärkſten im erſten Jahr, die Zeit wird da um ungefähr die Hälfte verkürzt. Im zweiten Jahr tritt noch eine Ver— ) Wuundt's Philoſoph. Studien 1888, Bd. V, S. 170. kürzung um ½, im dritten um ½ ein und ſo wird die Abnahme allmählich geringer, ohne indes, ſoweit die Ver⸗ ſuche reichen, ganz aufzuhören. Die mittlere Variation beträgt für jede Klaſſe nur durchſchnittlich 10% des Mittelwertes. Die für dieſelben Schüler gefundenen Zeit⸗ werte bei deutſcher Lektüre der erſten hundert Worte aus Egmonts Kerkermonolog betrug 72, 55, 43, 37, 33, 28, 27, 26, 25, 23. Daß der Einfluß der Uebung hier, be⸗ ſonders am Anfang, ein verhältnismäßig geringerer iſt, erklärt ſich einfach daraus, daß auch die Schüler der Vor⸗ klaſſe ſchon drei Jahre deutſchen Unterricht haben und noch länger deutſch reden. — Nun wäre es ja möglich, daß die Abnahme der Zeiten gar nicht an der Uebung in der be— treffenden Sprache läge, ſondern an dem allgemeinen geiſtigen Fortſchritt überhaupt. Dem ſtellt der Verfaſſer folgende überraſchende Verſuche entgegen. Dieſelben Schüler, mit Ausnahme der Vorklaſſe, ſollten Farben⸗ ſtreifen, die in mannigfachem Wechſel auf einen Karton aufgeklebt waren, erkennen und benennen; es wechſelten dabei die fünf Farben rot, gelb, grün, blau, ſchwarz. Die entſprechende Zeitgröße war für die unterſte Gymnaſial⸗ klaſſe 83, für die nächſte 66, dann 79, darauf 66, 63, 56, 63, 63, für die oberſte 54. Von einem regelmäßigen Kürzerwerden der Zeiten iſt hier keine Rede. Es läßt ſich das doch nur daraus erklären, daß die Vorgänge der Farbennennung eben nicht regelmäßig geübt worden ſind, die Uebung alſo und nicht der geiſtige Fortſchritt allgemein für die Verkürzung ausſchlaggebend iſt. — Es fragt ſich nun, wie dieſe Verkürzung zu ſtande kommt. Das Leſen beſteht offenbar aus einem centripetalen, einem centralen und einem centrifugalen Vorgang. Die Hilfsverſuche des Verfaſſers ſcheinen nun zu beweiſen, daß der erſte und letzte Vorgang auch durch lange Uebung kaum merklich verkürzt wird, der Einfluß der Uebung vielmehr auf den centralen Vorgang beſchränkt iſt. Es ſtellt ſich nämlich heraus, daß der Erwachſene viel mehr einzelne Buchſtaben zugleich ins Bewußtſein aufnehmen und dementſprechend viel raſcher leſen kann, wenn die Buchſtaben Wörter und die Wörter Sätze bilden; beiſpielsweiſe ergab ſich für die neun Klaſſen die für 100 einzelne Hauptworte notwendige Leſezeit 60, 50, 49, 48, 41, 38, 37, 38, 32, dagegen, wenn die 100 Worte Sätze bilden, nur 55, 43, 37, 39, 28, 27, 26, 25, 23. Aus der Art der bei der lateiniſchen Leſeprobe erfolgten Verwechſelungen ergab ſich nun, daß die Schüler im Anfange nur wenige Buchſtaben gleichzeitig ins Bewußtſein aufzunehmen und mit ihrer Lautvorſtellung zu aſſociieren vermögen. Wörter wurden von den Schülern der VII. Klaſſe noch nicht geleſen, die Zuſammenſtellungen der Buchſtaben hatten für ſie noch keinen Sinn, d. h. ſie hatten die gleichen Zuſammenſtellungen zumeiſt noch nie geſehen; daß dennoch einige Buchſtaben ſtets gleichzeitig aufgenommen wurden, ergab ſich daraus, daß bei den Ver— wechſelungen immer wieder Silben herauskamen. Die Schüler der VI. haben bereits eine Zahl Wörter gelernt; dieſe leſen ſie als Ganzes. Je mehr Wörter ihnen bekannt ſind, deſto mehr vermögen ſie ſolche gleich als Ganze zu afjoctieren, deſto mehr Einzelaſſociationen werden erſpart. Die Schüler der III. werden alſo ungefähr in derſelben Zeit 100 Wörter leſen, in der die Schüler der VII. viel- leicht 100 kleine ſilbenähnliche Buchſtabenverbindungen leſen. 22 Humboldt. — Januar 1889. Nach den Oberklaſſen zu tritt allmählich die Fähigkeit ein, einzelne Satzglieder oder kleinere Sätze als ganze aufzu⸗ nehmen, womit wieder eine Verkürzung der Leſezeit eintritt. Licht⸗ und Farben empfindung. Die vor längerer Zeit von E. Fick veröffentlichte Mitteilung, daß unter gewiſſen Bedingungen getrennte Netzhautſtellen ſich in der Erzeugung einer Farbenempfindung unterſtützen können, hat neben Zuſtimmung auch entſchieden Beſtreitung erlebt. Fick hat daher die Frage noch einmal eingehend ſtudiert und kommt!) zu folgendem Reſultat. 6 Reihen von 6 Quadraten aus gleichem farbigem Papier, je 10 mm hoch und je 10 mm voneinander entfernt, werden auf ſchwarzen Samt aufgeklebt; durch Pappendeckel kann man das Objekt derart bedecken, daß je nach Wunſch ein, zwei, vier, neun, ſechzehn u. ſ. w. Quadrate dem Beobachter ſichtbar ſind. Die Beleuchtung geht durch ein Diaphragma am Fenſter, deſſen Oeffnung zwiſchen 4 und 3000 Umm ſchwanken kann. Es werden nun alle Quadrate bis auf eins bedeckt und durch Oeffnen des Diaphragmas die Beleuchtung ſo lange geſteigert, bis die Farbe des Ob⸗ jekts richtig angegeben wird; dasſelbe wird dann mit zwei, mit vier u. ſ. w. bis 36 Quadraten wiederholt. Es ergibt ſich, daß z. B., während ein rotes Quadrat erſt bei 900 Umm Oeffnung des Diaphragma als rot erkannt wird, für 16 Quadrate 484 mm, für 25 Quadrate 306 mm genügen; ähnlich für andere Farben. Es können ſich alſo zweifellos getrennte Netzhautſtellen bei Wahr⸗ nehmung einer Farbe unterſtützen und zwar dürfen die be⸗ lichteten Netzhautſtellen ſchon auf eine verhältnismäßig an⸗ ſehnliche Fläche verteilt ſein. — Es lag nahe, im Anſchluß daran, die Frage zu prüfen, ob die gegenſeitige Unter⸗ ſtützung getrennter Netzhautſtellen beim Wahrnehmen der Farben auch im excentriſchen Sehen nachzuweiſen iſt. Es wurden zu dieſem Zweck aus quadratiſchen ſchwarzen Papp⸗ täfelchen Löcher von 3 mm Durchmeſſer ausgeſtanzt und mit farbigem Seidenpapier hinterklebt. Dieſe Täfelchen wurden von der Peripherie aus dem Mittelpunkt des Ge⸗ ſichtsfeldes genähert und der Punkt feſtgeſtellt, wo das dem Mittelpunkt nächſte Farbenbildchen richtig erkannt wurde und dann ebenſo derſelbe Punkt feſtgeſtellt, wenn nur ein ſolches Bildchen gegeben war. Es ſtellte ſich dann heraus, daß die Grenze der Farbenempfindung z. B. für die nächſte von 16 Kreisflächen weiter peripheriewärts ge⸗ legen iſt als für eine einzelne Kreisfläche, daß alſo die Farben⸗ empfindung auf den Seitenteilen der Netzhaut unterſtützt wird durch Reize, die noch weiter nach außen liegen, die für ſich allein mithin unerkennbar wären. Alſo auch im indirekten Sehen iſt ein Sichunterſtützen getrennter Netz⸗ hautſtellen bezüglich der Farbenempfindung nachweisbar. — Weitere Verſuche des Verfaſſers, die ſich mit der Un⸗ gleichheit der Empfindlichkeit verſchiedener Netzhautſtellen befaſſen, widerſprechen zum Teil ebenfalls älteren Anſchau⸗ ungen. Er beobachtete, daß ein kaum wahrzunehmendes Objekt deutlich, zuweilen ſogar geradezu leuchtend erſcheint, wenn der Blick vom Objekt ein wenig abgewandt iſt, oder daß ein bei excentriſchem Blick eben wahrnehmbarer Gegen⸗ ſtand undeutlich wird, ja ſogar gänzlich verſchwindet, wenn man den Blick gerade auf den Gegenſtand hinrichtet; und *) Pflüger's Archiv für d. geſ. Phyſiologie, Bd. 43. S. 441, dies gilt nicht bloß für die nicht adaptierte, ſondern auch für die völlig adaptierte Netzhaut. Zahlenmäßige Verſuchs⸗ reihen ergaben, daß die Lichtempfindlichkeit des Netzhaut⸗ centrums nicht um Bruchteile, ſondern um ein vielfaches kleiner iſt als die Lichtempfindlichkeit gewiſſer, etwas peri⸗ pher gelegener Netzhautſtellen; ſie erreicht ihren Höhenpunkt etwa 12—15° temporalwärts vom Mittelpunkt der Retina. Der Helligkeitskontraſt. Ebbinghaus!) gelang es, auf Papierſtreifen 53 verſchiedene Schattierungen vom hellſten Weiß bis zum tiefſten Schwarz derart herzuſtellen, daß die Unterſchiede der Helligkeit objektiv gleich waren. Der Grundton war derjenige, der beim Farbenkreiſel durch Miſchung von reinem Weiß und reinem Schwarz entſteht. Von jeder Schattierung ſtellte er Scheiben von 2 em Durch⸗ meſſer her. Während er nun eine Scheibe vor einen gleichſchattierten Hintergrund ſetzte, ſuchte er feſtzuſtellen, welche Scheibe vor einem anders ſchattierten Hintergrund denſelben Helligkeitswert darbot wie die gegebene. Offen⸗ bar läßt ſich aus der Differenz der gegebenen und der gefundenen Scheibe die Größe des Helligkeitskontraſtes entnehmen. Aus einer großen Zahl von Verſuchsreihen ergaben ſich folgende geſetzmäßige Reſultate. Die Hellig⸗ keit der Scheiben, die auf einem dunkleren Hintergrund ſtehen, wächſt proportional mit dem Helligkeitsunterſchied zwiſchen Scheibe und Hintergrund, iſt aber unabhängig von der abſoluten Helligkeit des Grundes. Der Helligkeits⸗ zuwachs, der durch den Kontraſt entſteht, iſt durchſchnitt⸗ lich / — ½ von dem Helligkeitsunterſchied zwiſchen Grund und Scheibe. Umgekehrt vermindert eine Scheibe auf hellerem Hintergrund ihre Helligkeit unabhängig von dem abſoluten Lichtwert, proportional der Differenz zwiſchen Scheibe und Grund. Die Maximalverdunklung durch Kon⸗ traſt wird dann erreicht, wenn vor dem hellen Hintergrund eine Scheibe vom halben Helligkeitswert angebracht ijt. Den Prozeß ſelbſt glaubt Verfaſſer in der Netzhaut ſuchen zu dürfen und vermutet, daß es ſich um Veränderungen in der Empfindlichkeit der einzelnen Netzhautſtellen handelt, bedingt durch kleine Veränderungen in der Bluteirkulation. Die Zeit der Farben wahrnehmung. Buccola und Bordini⸗Uffreduzzi verſuchten in einer größeren Reihe ſorgſamer Unterſuchungen die Reaktionszeit für verſchiedene Farben feſtzuſtellen.“ ) Sie reagierten auf den Lichtſchein einer Geißler'ſchen Röhre, gefärbt durch zwiſchengeſchobenes Glas. Rot, blau, violett und grün wurden geprüft. Die kürzeſte Durchſchnittszeit ergab ſich für grün. Das Mittel iſt fol⸗ gendes: rot 0,153, blau 0,156, violett 0,161; die erheb⸗ lich kleineren Zahlen für grün glaubt Verfaſſer ſelbſt auf beſondere Umſtände des Experimentes zurückführen zu müſſen. In der etwas raſcheren Wahrnehmung der roten Farben ſtimmen ſie mit älteren Arbeiten überein. Die Träume der Blinden. Schon früher hatte G. Herrmann die Behauptung aufgeſtellt, daß diejenigen, welche ihr Augenlicht vor dem 5. bis 7. Lebensjahr ver⸗ lieren, nicht in Geſichtsbildern träumen, während die Träume derer, die ihr Augenlicht ſpäter eingebüßt, ſich nicht von den Träumen normal Sehender weſentlich unterſcheiden. Sajftrow***) prüfte dieſe Verhältniſſe an faſt 200 Blinden ) Sitzungsberichte der Kgl. Preuß. Akad. d. Wiſſ. 87. **) Rivista di Filosofia, Bd. 5, Heft 1. “*) New Princetor Review, January 1888. Humboldt. — Januar 1889. 23 und konnte im allgemeinen die ältere Auffaſſung beſtätigen. Bei hundert Blinden ergab ſich auf die Frage, bis zu wel— chem Lebensjahre ſie ſich zurückbeſinnen könnten, eine An— gabe von durchſchnittlich 5 Jahren. Was vor dieſem Alter in das Centralorgan dringt, ſoll ſomit wieder verloren gehen; von dieſem Alter an ſoll dagegen das Centralorgan unabhängig werden von den Sinneseindrücken, derart, daß die Empfindungen eines Sinnesgebietes erhalten bleiben, auch wenn das reizaufnehmende periphere Organ zerſtört iſt. — Der Verfaſſer glaubt, daß die Blinden im allge— meinen weniger träumen als die Sehenden, die Frauen mehr als die Männer. Die Träume nehmen von der Kind— heit zum Alter ab und die Träume der von früheſter Kind— heit an Erblindeten beſtehen wahrſcheinlich in Gehörsſen— ſationen. Gehirshallucinationen. Jolly, Erlenmeyer u. a. haben Fälle berichtet, in denen elektriſche Reizungen des Gehörnerven nicht eine einfache Schallempfindung, ſon— dern eine komplexe Gehörshallucination hervorriefen. Seit der Zeit iſt ein, früher nicht für wahrſcheinlich erachteter Zuſammenhang zwiſchen Geräuſchen in den Ohren und Ge— hörshallueinationen als thatſächlich angenommen. Fiſcher “) beſchreibt nun Fälle, bei denen der elektriſche Strom, auf das Centralorgan appliziert, eine Veränderung hervorrief, welche das Aufhören krankhafter Gehörshallucinationen begünſtigt. Die Verſtärkuug folder Hallucinationen durch das Kauen, die Beſſerung derſelben durch Verſtopfen der Ohren, die Ueberempfindlichkeit des Gehörorgans bei der Verſtärkung der Hallucinationen, die Abnahme der Empfindlichkeit bei ihrer Verminderung, alles weiſt auf die— ſelbe nahe Verwandtſchaft hin. Lokaliſation von Schallempfindungen. Die Fähigkeit, durch die ein jedes Individuum im ſtande iſt, Ge— hörseindrücke in ganz beſtimmter Richtung in bezug auf ſeinen eigenen Körper zu lokaliſieren, war in einer großen Reihe von Verſuchen durch Preyer näher unterſucht und als Funktion der halbzirkelförmigen Kanäle im Gehörorgan gedeutet worden. Als Ergänzung hierzu ſtudierte ein Schüler Preyers, F. Arnheim“), das Lokaliſieren mit beider— ſeits oder einſeitig geſchloſſenen Ohren. Der ſchallerzeugende Apparat war das Cri-cri; eine am Kopf befeſtigte Draht⸗ haube gab mit ihren Ausläufern 26 Richtungen an, aus denen der Schall abgeſandt wurde, während der Beobachter mit geſchloſſenen Augen ſtillſaß. Die Richtungen ergaben ſich aus ſymmetriſcher Einteilung einer Kugeloberfläche, deren Mittelpunkt der Kopf des Beobachters war. Da unter den 26 verſchiedenen Richtungen, die zu prüfen ſind, bei einem Verſuch nur immer eine die richtige ſein kann, ver— hält ſich die Wahrſcheinlichkeit, daß das Urteil richtig iſt, wenn gar keine Organe zur Perception der Schallrichtung da wären und alles dem Zufall überlaſſen bliebe, wie 1 zu 26, d. h. unter 100 Fällen wären nur 3,85 richtig. Die Ergebniſſe bei der Unterſuchung mit offenen Ohren gehen dahin, daß die richtigen Urteile einen Procentſatz von 27 erreichen, den Wahrſcheinlichkeitsdurchſchnitt alſo um das Siebenfache überſteigen. Außerdem werden alle der oberen Kugelhälfte angehörigen Richtungen annähernd drei— 4 *) Archiv für Pfydiatrie 1887, S. 75. **) Diſſertation. Jena 1887. mal ſo ſicher beurteilt wie die unteren. Die Verwechſelungen, welche in der Medianebene ſtattfinden, werden in annähernd derſelben Häufigkeit in der linken und rechten Kopfhälfte beobachtet, und, während einige Richtungen wie „rechts“ und „links“ häufiger richtig als falſch beurteilt werden, zeigt fic) bei anderen eine Vorliebe, fie mit einer beſtimm⸗ ten Richtung zu verwechſeln. So wird „vorn“ zumeiſt für „vorn oben“ und ebenſo „oben“ für „vorn- oben“ ge— halten, „hinten —unten“ wird meiſt für „hinten“, „oben— links“ für „vorn —oben links“ geſchätzt u. ſ. w. Beim Hören mit geſchloſſenen Ohren ſinkt der Procentſatz der rich⸗ tigen Fälle auf 19,6; ſtärker aber noch iſt der Abfall in der richtigen Beurteilung von rechts und links und den ſich an dieſe anſchließenden Richtungen, während die Urteile in der Medianebene nach Verſchluß beider Ohren ziemlich dieſelben ſind wie vorher. — Bei einſeitig geſchloſſenen Ohren beträgt die Geſamtzahl der richtigen Urteile 22 Pro- cent; gleichzeitig beſteht eine entſchiedene Neigung, Gehörs— eindrücke nach der Seite des offenen Ohres zu verlegen. Die Theorie von Preyer und Arnheim geht nun dahin, daß durch die eindringenden Schallſtrahlen in jedem Wir— beltierkopf die in den Bogengängen ſich befindende Endo— lymphe in Schwingungen verſetzt wird, dieſe Schwingungen ſich auf die Ampullen fortpflanzen und die Hörhaare in ihnen zum Mitſchwingen bringen. Da aber die Bogen— gänge in verſchiedenen Ebenen liegen, fo muß, je nach dem Ein— fallswinkel der betreffenden Schallſtrahlen, die Endolymphe eines Bogenganges ſtärker erregt werden als ſolche von den anderen, und hierdurch ſollen wir erkennen, von welcher Richtung der Schall kommt. So bedeutet dann auch die Verlegung des Schalls in die Seite, deren Ohr nicht ge— ſchloſſen iſt, lediglich die Verlegung in die Kopfhälfte, deren Bogengänge am ſtärkſten erregt werden. Wärmeempfindung durch Kohlenſäure. Taucht man die Hand in ein mit Kohlenſäure gefülltes Gefäß, ſo hat man ſofort eine deutliche Wärmeempfindung, welche kurze Zeit hindurch noch wächſt, um dann abzuklingen. Viel ſtärker iſt das Wärmegefühl, wenn man größere und wärme— empfindlichere Flächen wählt, z. B. die Kohlenſäure unter die Kleider, beſonders an die Beine leitet. Ein ſchon be— ſtehendes Wärmegefühl wird durch das Gas erheblich ge— ſteigert. Goldſcheider “), der dieſe Thatſachen unterſucht hat, hat ſich gleichzeitig mit der Erklärung derſelben beſchäftigt. Auf Grund von Experimenten konnte er die phyſikaliſchen Verhältniſſe, wie größere Feuchtigkeit, Wärmeleitungs— vermögen u. ſ. w., ebenſo phyſiologiſche Wirkungen, wie Erweiterung der Blutgefäße als Erklärungsgrund aus— ſchließen. Seine Annahme geht ſomit dahin, daß es ſich um eine direkte chemiſche Erregung der Wärmenerven handelt. Es ſpricht dafür, daß an enthornten Stellen der Haut gleich— zeitig mit dem Wärmegefühl ein Zuſtand der Wärmehyper— äſtheſie verbunden iſt und zugleich mit der Wärmeempfindung eine Erregung und ein hyperäſthetiſcher Zuſtand der Ge— fühlsnerven auftritt. Ein weiterer Grund liegt darin, daß unter Kohlenſäureeinwirkung die Herabſetzung der Empfind- lichkeit bei den Wärmenerven weniger ausgeſprochen iſt, als bei den Kältenerven, ſomit, wenn die lähmende Wirkung des Gaſes für beide Nervenarten different iſt, es auch die *) Du Bois⸗Reymond's Archiv für Phyſiologie 1887—88, S. 576. 24 Humboldt. — Januar 1889. erregende fein kann. Endlich wird die Annahme durch folgenden Verſuch geſtützt. Wenn man einen angewärmten Kohlenſäureſtrom von 26° ©. auf eine Reihe intakter Haut⸗ ſtellen, z. B. am Arm wirken läßt, ſo hat man meiſt ein kühles, an gewiſſen Stellen aber ein warmes Gefühl. Be⸗ zeichnet man letztere und prüft ſie mit dem adäquaten Reiz, fo zeigt ſich, daß ſie von hervorragend guter Wärmeempfind⸗ lichkeit bei nur mäßiger Kälteempfindlichkeit ſind. Die phyſikaliſch abkühlende Wirkung des ſtrömenden Gaſes iſt aber offenbar an dieſen Stellen dieſelbe wie an den andern und es iſt nicht zu verſtehen, wie zugleich mit der Abküh⸗ lung die Kohlenſäure ein Wärmegefühl anders als durch chemiſche Reizung hervorbringen ſoll. Die Schwankungen der Aufmerkſamkeit. Wenn wir irgend einen ſehr ſchwachen Sinneseindruck, welcher unweit der Reizſchwelle liegt, beobachten, ſo merken wir, daß derſelbe bald im Bewußtſein erſcheint, nämlich bei maximaler Aufmerkſamkeit, bald aber, bei minimaler Aufmerkſamkeit, wieder verſchwindet. Durch die Beobachtung und Regiſtrierung ſolchen periodiſchen Erſcheinens und Ver⸗ ſchwindens wollte nun Nicolai Lange) gleichſam die Dauer der Wellen der Aufmerkſamkeit beſtimmen können. Die Verſuche wurden aufs ſorgſamſte ausgeführt. Als Reiz wurde das Tiktak einer entfernten Taſchenuhr, der äußerſte mattgraue Ring einer rotierenden weißen Scheibe mit Kreiſen, deren Dunkelheit ſtetig abnahm, und ſchließlich ein mini⸗ maler elektriſcher Reiz benutzt. Es ergab ſich für die Gehörs⸗ empfindung ein periodiſches Schwanken von etwa 4,0 Se⸗ kunden, für die Lichtempfindung eine Periode von etwa 3,4, für die Taſtempfindung 2,6 Sekunden. Wirken der optiſche und der akuſtiſche Reiz gleichzeitig ein, ſo verändern ſich die Perioden völlig; es entſteht ein optiſches und ein akuſtiſches Aufmerkſamkeitsmaximum, von dem optiſchen bis zum akuſtiſchen vergehen etwa 1,6 Sekunden, vom akuſtiſchen bis zum optiſchen 2,3 Sekunden. Noch über⸗ ) Wundt's Philoſoph. Studien 1887 Bd. V., S. 390. raſchender aber iſt die Erfahrung, daß ſolche Schwankungen der Aufmerkſamkeit nicht nur für ſinnliche Wahrnehmungen vorkommen, ſondern auch ganz konſtant für die Erinnerungs⸗ bilder gelten. Wenn man ſich Mühe gibt, irgend einen Gegenſtand ſich anſchaulich vorzuſtellen, ſo wird das Erinnerungsbild für einen Augenblick mit außerordentlicher Klarheit erſcheinen, dann ſich verdunkeln und dann wieder durch neue Bemühungen hervorgerufen werden. Die Erin⸗ nerungsbilder der Gehörsempfindungen zeigten ſolche pe⸗ riodiſche Schwankungen von 3,6 Sekunden, die der Licht⸗ empfindungen von 3,1 Sekunden und die der elektriſchen Empfindungen von 2,1 Sekunden. Genau alſo wie bei der ſinnlichen Wahrnehmung ſind mithin auch in der Erin⸗ nerung die Perioden elektriſcher Empfindungen am kürzeſten und die der Gehörsempfindungen am längſten, andrerſeits aber ſind die Schwankungen der Erinnerungsbilder immer etwas kürzer als die der realen Empfindungen. Alles ſpricht, nach des Verfaſſers Anſicht, dafür, daß jene Schwankungen nicht im peripheren Sinneswerkzeug, ſondern im Central⸗ organ bedingt ſind. Erſtens haben wir keinen Grund an⸗ zunehmen, daß ſenſible Nerven ſo raſch ermüden, zweitens wäre unverſtändlich, wie die periphere Ermüdung ſo raſch wieder verſchwinden könnte, drittens würde die Ermüdung der Sinnesnerven nicht gerade am deutlichſten bei ſchwachen Reizen eintreten; vor allem aber ſprechen für den centralen Urſprung die mitgeteilten Experimente. Wenn optiſche und akuſtiſche Reize zuſammenwirken, ſo müßten ja, falls die Schwankungen auf Veränderungen im Seh- und Hör⸗ nerv beruhen, dieſelben für die verſchiedenen Sinnesreize voneinander unabhängig bleiben; ſie würden alſo wegen ihrer verſchiedenen Dauer bald zuſammenfallen bald wieder auseinandergehen, während ſich doch aus den Experimenten ergibt, daß die Schwankungen niemals zuſammenfallen, ſondern immer voneinander durch eine ganz beſtimmte Zwiſchendauer abgeſondert ſind. Im ſelben Sinne müſſen wir natürlich die Schwankungen der Erinnerungsbilder deuten; ſie verweiſen unmittelbar auf centralen Urſprung. Anthropologie. Don Dr. M. Alsberg in Haffel. Die Bildung des Pigments. mark des Menſchen und des Gorilla. organe und Geiſteskrankheiten. Schädelformen der Bevölkerung Tirols. Pſeudo⸗Hermaphroditismus. Anthropologiſche Haarunterſuchung. Plötzliches Ergrauen der Haare als Folge von Gemütserregungen. Kücken⸗ Platyknemie bei Jägervölkern. Angeborene Mißbildung der Geſchlechts⸗ Ueberführung der langköpfigen und mittellangen in die kurzköpfige Schädelform als Seichen fortſchreitender geiſtiger Entwickelung. Die linksſeitige dritte Stirnwindung am Gehirn Gambetta’s. Abſtammung des Torfſchweins. Der Urjtier (Bos primigenius) als Stammvater der heutigen Kinderraſſen. Ausgrabungen auf Cypern. Bronzekultur der baltiſchen Länder. Die Allgemeingültigkeit des Dreiperiodenſyſtems widerlegt durch die Funde von Caslau. Das Eiſen im prähiſtoriſchen Aegypten. Ueber die Bildung des Pigmentes haben die von A. von Kölliker angeſtellten Unterſuchungen ?) wich⸗ tige Aufſchlüſſe geliefert. Im Anſchluß an Aeby, welcher ſchon früher den Satz aufſtellte, daß im Epithel kein Pig⸗ ment gebildet werde, daß dasſelbe vielmehr durch Wander⸗ zellen aus dem benachbarten Bindegewebe eingeführt werde, iſt Kölliker auf Grund ſeiner Unterſuchungen an der Epi⸗ dermis und den Haaren verſchiedener Menſchenraſſen und *) „Ueber die Entſtehung des Pigments in den Oberhautgebilden“. Correſpondenzblatt für Anthropologie. 1888. Nr. 4 S. 27 ff. Tiergattungen, ſowie an den Schleimhäuten und Nägeln von Anthropoiden u. ſ. w. zu dem Schluß gelangt, daß die ver⸗ äſtelten Pigmentzellen der Oberhaut (Epidermis) und ſämt⸗ licher Oberhautgebilde aus der Lederhaut (Cutis) ſtammen. In den Haaren und in der Epidermis entſteht das Pigment dadurch, daß pigmentierte Bindegewebszellen hier aus der Haarpapille und dem Haarbalge, dort aus der Lederhaut zwiſchen die weichen tiefſten Epidermiselemente einwachſen oder einwandern. Die pigmentführenden Zellen veräſteln ſich mit feinen, zum Teil ſehr langen Ausläufern zwiſchen den Gewebszellen und dringen zuletzt auch in das Innere Humboldt. — Januar 1889. 25 dieſer Elemente ein, welche dadurch zu wirklichen Pigment— zellen werden. In phyſiologiſcher Beziehung verdient am meiſten Beachtung, daß die Bildung des Pigmentes vor— wiegend an Elemente des mittleren Keimblattes gebunden iſt und nicht an die Elemente der Oberhautgebilde. Anderer— ſeits beweiſen die Zellen der Pigmentlage der Netzhaut, ſowie die pigmentierten Nervenzellen, daß auch Elemente des Ektoderms Pigment zu bilden vermögen. In ſeinen Bemerkungen zur anthropolo— giſchen Haarunterſuchung!) bezeichnet Fritſch als durchaus unzutreffend, wenn man das Haar der Neger, Hottentotten, Buſchmänner rc. als „wollig“ bezeichnet, da dieſem Haare die für die Schafwolle charakteriſtiſche Sta— pelbildung vollſtändig fehlt. Bemerkenswert iſt, daß Haar, welches auf dem Haupte des Lebenden durch den lebhaften Glanz faſt blauſchwarz erſcheint, in der Probe gegen einen dunklen Hintergrund betrachtet, doch einen bräunlichen Ton erkennen läßt. Allgemein bekannt iſt, daß die Umfärbung des Haares bei den einzelnen Individuen ſich allmählich, von der Haarwurzel beginnend, vollzieht; im kindlichen Alter während des Farbenwechſels erſcheinen die beiden Enden eines und desſelben Haares verſchieden gefärbt. Das weiße Haar des Greiſes ijt von dem faſt weißen Haare des hell— blonden Kindes hauptſächlich dadurch unterſchieden, daß erſterem die auf der Feinheit und Vollſaftigkeit beruhende Geſchmeidigkeit des kindlichen Haares abgeht, und daß dem Greiſenhaar jenes diffus verbreitete nicht körnige Pigment fehlt, welches eine Eigentümlichkeit des lichtblonden Haares darſtellt. Dem eigentlichen roten Haar fehlt das körnige Pigment faſt gänzlich, was im Einklange ſteht mit der Thatſache, daß die rothaarigen Individuen in der Regel durch beſondere Weiße und Friſche des Teints ſich auszeichnen. Das bekannte Abſetzen des Markes im Haar, welches ſtrecken— weiſe vorhanden iſt und an anderen Stellen fehlt, erklärt ſich aus dem bald langſameren, bald ſchnelleren Wachstum des Haarcylinders. Jene Stellen, wo die Markſubſtanz des Haares fehlt, bezeichnen eben Perioden, wo kräftiges Wachstum das Haar in noch weichem Zuſtande durch den Balg getrieben hat. Das plötzliche Ergrauen der Haare infolge von Gemütserregungen, wie es mehrfach beobachtet wurde, iſt nach Fritſch vielleicht ſo zu erklären, daß die hochgradige pſychiſche Erregung zunächſt einen erhöhten Säftezufluß zu den Oberhautgebilden infolge von Kon— geſtionszuſtänden veranlaſſen wird, welchem bei der folgen— den Abſpannung ein Rückſtrom folgt, und daß durch letz— teren Teile des Haarpigmentes der Cirkulation wieder zu— gängig gemacht werden. Auch iſt es, ſoweit das blonde Haar in Betracht kommt, wohl denkbar, daß nach der Säfte— ſtauung in den von Schrecken oder Entſetzen ſtarrenden Haaren der plötzlich eintretende Rückfluß der geſtauten Strömungen den Eintritt von Luft in das Innere des Haareylinders begünſtigt, und daß auf dieſe Weiſe blondes Haar, plötzlich lufthaltig geworden, durch Totalreflexion weiß erſcheint. Einige bemerkenswerte Unterſchiede zwiſchen dem Rückenmark des Menſchen und demjenigen des Gorilla find kürzlich von Waldeyer ?“) feſtgeſtellt worden *) Zeitſchrift für Ethnologie. 1888 Heft 3 S. 187 ff. „) Vergl. Korreſpondenzblatt für Anthropologie, Jahrgang 1888. Nr. 11. Humboldt 1889. bei einem etwa 2 Jahre alten Gorilla und einem gleich— alterigen oder etwas jüngeren menſchlichen Kinde. Wäh— rend hinſichtlich der Geſamtform des Rückenmarkſtranges ein Unterſchied nicht nachzuweiſen iſt, ſind die Dimenſionen des Rückenmarkes beim Menſchen durchweg erheblich größere als beim Gorilla. Die bedeutendſte Differenz findet fic) in der Gegend der oberen (Hals-) Anſchwellung; hier zeigt ein Querſchnitt, daß die aus grauer Subſtanz (d. i. im weſentlichen aus Nervenzellen) beſtehenden „Hinter⸗ hörner“ beim Menſchen erheblich mehr entwickelt ſind als beim Gorilla und ſich auch durch ihre Form unterſcheiden, wie auch die ſogenannten „Clarke'ſchen Säulen“ (Dorſal⸗ kerne) der Hinterhörner beim Menſchen mehr hervortreten als beim Gorilla. Waldeyer führt dieſe Unterſchiede auf den Umſtand zurück, daß durch die aufrechte Haltung des Men— ſchen die Entwickelung anderer Muskeln bedingt iſt wie beim Tiere, und daß die zu dieſen Muskeln hinlaufenden Nerven an der bezeichneten Stelle vom Rückenmark aus- gehen. Von nicht geringerer Wichtigkeit ſind die Unter— ſuchungen?), welche L. Manouvrier über die Urſachen und Bedeutung der Platyknemie — jener feit- lichen Abplattung der Schienbeine, welche bei vorgeſchicht— lichen Raſſen beſonders häufig angetroffen wird und die dem beſagten Knochen die Form einer Säbelſcheide ver— leiht — kürzlich angeſtellt hat. Manouvrier verglich bei 83 Schienbeinen bezw. Bruchſtücken von Schienbeinen aus der vorgeſchichtlichen Anſiedelung von Crécy und 160 Schienbeinen der vorgeſchichtlichen Bevölkerung der kanariſchen Inſeln auf einem am unteren Ende des oberen Drittels des Schienbeins durch dieſen Knochen gelegten Querſchnitt den ſagittalen und transverſalen Durchmeſſer (Durchmeſſer in der Richtung von vorn nach hinten und querer, ebenfalls in der Horizontalebene liegender Durch— meſſer). Wenn man erſteren Durchmeſſer = 100 annimmt, ſo bezeichnet ein Index von weniger als 55 einen hohen Grad von Platyknemie, ein ſolcher von 65 bis 69 einen geringen Grad dieſer eigentümlichen Bildung und eine Tibia mit einem Index von 70 oder mehr kann nicht mehr als platyknemiſch bezeichnet werden. Indem Manduvrier die Schienbeine von Individuen verſchiedenen Alters, Geſchlech— tes und Körperwuchſes vergleicht, gelangt er zu den folgenden Schlüſſen: 1) Auch bei ſolchen Raſſen bezw. Völkern, bei denen die Platyknemie ein häufiges Vorkommnis darſtellt, iſt dieſelbe in der Kindheit noch nicht vorhanden, ſondern entwickelt ſich erſt gegen das Ende der Wachstumsperiode. 2) Die Platyknemie findet ſich nur ausnahmsweiſe bei weiblichen Individuen. 3) Sie iſt ſeltener und weniger ausgeſprochen bei Perſonen von hoher als bei ſolchen von mittlerer oder niedriger Körperſtatur. 4) Bei einer und derſelben Bevölkerung findet man platyknemiſche Schien— beinknochen und ſolche von der gewöhnlichen Form neben— einander. Manouvrier folgert dann weiter, daß diePlatyknemie keinesfalls als ein Raſſenmerkmal im eigentlichen Sinne des Wortes, ſondern vielmehr als eine individuelle Bil— dung zu betrachten ſei. Dieſelbe beſteht nicht lediglich in einer Verdünnung der Tibia im transverſalen Durchmeſſer, ſondern vielmehr darin, daß ein erhöhtes Wachstum diejes ) Bull. Soc. d’Anthrop. d. Paris 1887 S. 128. 26 Humboldt. — Januar 1889. Knochens in der Richtung von vorn nach hinten (ſagittaler Durchmeſſer) auf Koſten des transverſalen Durchmeſſers erfolgt und beruht im weſentlichen auf der Wirkung des hinteren Schienbeinmuskels (M. tibialis posticus), dem die Aufgabe zufällt, die Tibia zu fixieren, während das ganze Körpergewicht auf ihrem oberen Ende ruht. Dieſe Fixierung des Schienbeinknochens iſt beſonders dann notwendig, wenn derſelbe beim Laufen und Springen in ſeinem oberen Ende nach vorn überhängt. Durch das vermehrte Wachstum der Tibia nach hinten zu wird für den beſagten Muskel eine größere und günſtiger gelegene Anſatzfläche geſchaffen als unter gewöhnlichen Verhältniſſen vorhanden iſt. Wenn man die Platyknemie als das Ergebnis anhaltender ſtarker Muskelwirkung betrachtet — eine Anſicht, für die Virchow ſchon auf dem Anthropologenkongreß zu Frankfurt a. M. (1882) eingetreten iſt — fo erklärt es fic) ohne Schwierig⸗ keit, daß dieſe Bildung bei den Steinzeitvölkern, denen die Jagd als Nahrungserwerb das Springen und ſchnelle Laufen zur Notwendigkeit machte, beſonders häufig angetroffen wird, und daß die Frauen und Kinder dieſer Völker keine platyknemiſchen Schienbeine aufweiſen. Daß die Platy⸗ knemie als Annäherung an den Affentypus nicht aufgefaßt werden darf, ergibt ſich nach Manduvrier einerſeits aus der Thatſache, daß beim Orang eine platyknemiſche Bildung der Tibia nicht vorhanden iſt, ſowie andererſeits daraus, daß beim Menſchen das platyknemiſche Schienbein vorn eine ſcharfe und hinten eine abgerundete Kante beſitzt, während das Schienbein des Gorilla gerade das umgekehrte Verhältnis aufweiſt. : Auf die zwiſchen angeborener Mißbildung der Genitalien und Geiſteskrankheit beſtehen⸗ den Beziehungen iſt man erſt in neueſter Zeit auf- merkſam geworden. In dieſer Beziehung iſt ein Bericht von Intereſſe, welchen Magnan der Pariſer anthropolo⸗ giſchen Geſellſchaft über 3 Fälle von Abnormität der Ge⸗ ſchlechtsorgane, die zugleich mit Geiſtesſtörung einhergingen, kürzlich erſtattet hat*). Der erſte Fall betrifft ein Indivi⸗ duum, welches bis zu ſeinem 24. Lebensjahre für ein weib⸗ liches Weſen gehalten wurde. Als in dieſem Lebensalter der Bart zu ſproßen begann, ließ ſich der Betreffende von einem Arzt unterſuchen, der ihn für einen Mann erklärte. Die 1886 bei ſeiner Aufnahme in die Irrenanſtalt von St. Anna vorgenommene Unterſuchung ergab einen Fall von Skrotal⸗Hypoſpadie oder Pſeudo⸗Hermaphroditismus Cetztere Bezeichnung ſtützt ſich auf die Anſicht, derzufolge eigent⸗ licher Hermaphroditismus niemals vorkommen ſoll). Die Brüſte zeigten ſich den weiblichen ähnlich, die Stimme hatte weibliches Timbre; die Körpergröße betrug kaum 1,44 m.; das Becken zeigte ziemlich bedeutende Dimenſionen; im übrigen deuteten aber alle Eigentümlichkeiten auf männ⸗ liches Geſchlecht. Unter den Geiſtesſtörungen, welche kom⸗ biniert mit Mißbildung der Geſchlechtsorgane auftreten, glaubt Magnan 4 Kategorien unterſcheiden zu müſſen: 1) Pathologiſche Vorgänge, die lediglich als vom Erek⸗ tionscentrum im Lendenteile des Rückenmarkes ausgehende Reflexe ſich äußern. 2) Von den hinteren Teilen des Großhirns ausgehende Störungen, die von dort aus auf das Rückenmark ſich fortpflanzen. 3) Störungen, die von ) Vergl. Bull. Soc. d Anthrop. d. Paris 1887 S. 88 ff. der Rindenſubſtanz des Vorderhirns ausgehend das Centrum der Genitalſphäre im Rückenmark in Erregung verſetzen. 4) Die rein pſychiſchen, ausſchließlich auf pathologiſche Vor⸗ gänge im Vorderhirn zurückzuführenden Störungen — jene Kategorie, der die Mehrzahl der Grotomanen zuzu⸗ rechnen iſt. Daß ſpeciell bei Perſonen mit Mißbildung der Geſchlechtsorgane Geiſtesſtörungen faſt regelmäßig vor⸗ kommen — dies kann nicht verwundern, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß bei ſolchen Individuen ein männlich⸗ organiſiertes Gehirn in den Dienſt eines Körpers geſtellt iſt, deſſen Organiſation derjenigen des Weibes nahe kommt oder umgekehrt. Nach den Unterſuchungen von M. Holl über die in Tirol ſich findenden Schädelformen ) fehlen die breitgeſichtigen (chamaeproſopen) Schädelformen daſelbſt gänzlich; es finden ſich vielmehr nur der leptoproſope⸗dolicho⸗ kephale, (ſchmalgeſichtige Langköpfe 1,8 ), meſokephale (14,9% ), brachykephale (49,6%o) und der hyper⸗brachykephale Typus (33,6 %). In der Reihe der Schädelformen — von der dolichokephalen bis zur hyperbrachykephalen — tritt eine all⸗ mähliche Verkürzung ein; was der Schädel an Länge ver⸗ liert, geſchieht auf Koſten der Occipitalregion und zwar im weſentlichen durch die Verkleinerung des retro⸗aurikularen hinter der Ohröffnung gelegenen) Anteils des Schädels; er gewinnt dabei an Höhe, namentlich aber auch an Breite, welche letztere ganz beſonders in der Parietalregion ſich entwickelt. Da alte Gräberfunde lehren, daß die ſchmal⸗ geſichtigen Langſchädel ehedem in größerer Häufigkeit vor⸗ handen waren, als heutzutage, und daß dieſelben ſpeciell in Tirol früher eine größere Verbreitung hatten, bemerkt Holl: „Dieheutigen Schädelformenſtellen nicht etwas Abgeſchloſſenes dar; jie find vielmehr fortwährend ein wirkenden Prozeſſen der Um⸗ formung unterworfen geweſen und noch unter⸗ worfen. Der Prozeß der Umformung beginnt mit den dolichokephalen, welche ſucceſſive in hyperbrachykephale For⸗ men übergeführt werden. Die größte Zahl der Schädel iſt bereits in den brachykephalen Typus übergeführt; gegen⸗ wärtig findet die Ueberführung des Reſtes der dolicho⸗ kephalen und dolichoiden in den brachykephalen Typus, haupt⸗ ſächlich aber die Ueberführung des brachykephalen Typus in den hyperbrachykephalen ſtatt.“ Nehmen wir hinzu, daß neuere Forſchungen, vor allem Rüdingers an den Gehirnen von geiſtig hervorragenden Männern angeſtellten Unter⸗ ſuchungen, auf kauſalen Zuſammenhang zwiſchen der durch gei⸗ ſtige Ausbildung bedingten Entwickelung der Schläfen⸗ und Scheitelwindungen des Gehirns und dem Auftreten der brachykephalen Schädelform deuten, ſo iſt es wohl nicht allzu gewagt, wenn man jene allmähliche Umbildung des Schädels als eine Teilerſcheinung der fortſchreitenden geiſtigen Ver⸗ pollkommnung des Menſchengeſchlechts betrachtet. Bei Er⸗ wähnung der zwiſchen der Hirnfunktion und Hirnentwicke⸗ lung beſtehenden Beziehungen wollen wir noch bemerken, daß jene bedeutende Ausbildung der zuerſt von Broca als Sprachcentrum erkannten dritten Stirnwindung (Brocaſche Windung), wie ſie Rüdinger an den Gehirnen von geiſtig hervorragenden und zugleich rhetoriſch begabten Männern als beſonders in der linken Großhirnhemiſphäre hervor⸗ ) Mitt. der anthrop. Geſellſch. in Wien. 1887 S. 129 ff. Humboldt. — Januar 1889. 27 tretend nachgewieſen hat, an einem Schädelausguß Gam- bettas, welcher von Chudzinsky und Manouvrier der Baz riſer anthropologiſchen Geſellſchaft kürzlich vorgelegt wurde, ganz beſonders auffällig iſt *)! Rütimeyer, deſſen Forſchungen über die Abſtammung der Haustiere bahnbrechend geweſen ſind, hat das in vor— geſchichtlichen Fundſtätten häufig nachgewieſene Torf— ſchwein anfangs für eine ſelbſtändige wilde Varietät gehalten, welche neben dem gemeinen europäiſchen Wild— ſchwein die Schweiz bewohnt haben ſollte; ſpäter betrach— tete er das Torfſchwein als ein zahmes Tier und zwar als Kreuzungsprodukt vom indiſchen und europäiſchen Haus— ſchwein; Schütz und R. Hartmann bringen das Torfſchwein in Zuſammenhang mit dem Sennaar-Schwein Central: und Nordafrikas; Strobel ſieht in demſelben eine ſelbſtändige europäiſche Art, welche ſchon in der Diluvialperiode in Europa exiſtiert haben und auf europäiſchem Boden ge— zähmt ſein ſoll. Dieſen Theorien gegenüber führt nun Nehring **) durch Zuſammenſtellen der Schädel und ſonſtigen Skelettteile des Torfſchweines mit den entſprechenden Knochen von in Sauparken gehaltenen und daſelbſt verküm— merten Wildſchweinen den Nachweis, daß das Torfſchwein nicht als eine beſondere Species, ſondern als ein durch primitive Domeſtizierung verkümmerter Abkömmling des gemeinen europäiſchen Wildſchweines — der in Südeuropa hier und da mit dem Blute aſiatiſcher Schweine gekreuzt wurde — zu betrachten iſt. — Ein kürzlich in der Nähe von Salzderhelden zuſammen mit Thongefäßen aus dem frühen Mittelalter aufgefundener Metatarſusknochen des Urſtiers (Bos primigenius), welcher allem Anſcheine nach als Schleif- oder Wetzinſtrument für metallene Meſſer, Sicheln, Pfeilſpitzen u. dergl. gedient hat, macht es nach Nehring ***) in hohem Grade wahrſcheinlich, daß der Urſtier während des Mittelalters in der waldreichen Gegend zwiſchen Solling und Harz noch exiſtiert hat. Nehring ſpricht zu— gleich die Ueberzeugung aus, daß Bos primigenius mit ſeinen Varietäten als die wilde Stammart der jetzt vor— handenen zahlreichen Raſſen von Bos taurus — ſowohl der ſogenannten Primigenius-Raſſen, wie auch der Fron— toſus- und Brachykeros-Raſſen und der ſogenannten Torf— kuh — zu betrachten iſt und daß Europa als das ehe— malige Hauptverbreitungsgebiet des wilden B. primigenius die Hauptheimat unſerer Hausrinder bildet. Behufs Be— gründung ſeiner Anſicht bemerkt Nehring, daß die Ver— änderungen, welche die Domeſtikation und beſonders die primitive Domeſtikation hervorruft, bei den meiſten Säuge— tieren viel größer ſind, als man gewöhnlich glaubt, und daß ſpeciell bei den Boviden, je nach der Gunſt oder Un— gunſt der Verhältniſſe, der Körper und namentlich Schädel und Gehörn im Zuſtande der Domeſtikation auffallende Veränderungen erleiden. Hunger, naßkaltes Klima, In— zucht, Vernachläſſigung und ähnliche Momente haben nach Nehring die kleinen, verkümmerten Rinder erzeugt, deren Reſte wir ſo oft an prähiſtoriſchen, frühgeſchichtlichen und mittelalterlichen Fundſtätten antreffen. Die von Ohnefalſch-Richter auf Cypern unternommenen Ausgrabungenth) laſſen nach Naue ) Bull. Soe. d’Anthrop. d. Paris 1847 S. 566 und 567. ) Zeitſchr. f. Ethnol. 1888, Heft 3. ) Daſelbſt S. 222. +) Korreſpondenzbl. f. Anthrop. 1888 Nr. 11. einen älteren und einen jüngeren Abſchnitt in der prä— hiſtoriſchen Kultur dieſer Inſel unterſcheiden. Die erſte kennt nur Erdgräber, und zwar in der allerfrüheſten Zeit flache, außen wenig kenntliche Gruben, in ſpäterer Zeit Schachte, an deren Ende ſich das eigentliche Grab als Höhle findet. In den Grubengräbern finden ſich rote, glänzend polierte Gefäße, kleine ovale und runde Töpfe und von Waffen nur Steinbeile und Steinmeißel. In den Höhlen— gräbern zeigen die Gefäße meiſt in Zickzacklinien ein⸗ geritzte Ornamente; daſelbſt finden ſich auch größere Krüge mit langen Hälſen. Als Geräte treten in dieſen Gräbern zuerſt kleine Dolche aus Kupfer, ſowie kleinere und größere Kupfermeißel auf; erſt ſpäter erſcheinen größere Dolche in Blattform und als Ornamente er— habene Darſtellungen von Baumſtämmen, gehörnten Tier- köpfen, Steinblöcken u. ſ. w., und gleichzeitig treten auch brettförmige ornamentierte Idole auf. Die zweite Periode iſt durch Felsgräber gekennzeichnet. Kleine halbkugelför— mige Trinkſchalen, die ſehr primitiv bemalt ſind, werden in großer Anzahl aufgefunden. Statt der brettförmigen Idole treten jetzt Spinnwirtel auf, die häufig mit Em⸗ blemen und Schriftzeichen ausgeſtattet ſind. Der Kreis der Ornamente und Formen erweitert ſich immer mehr; die auf die thönernen Spinnwirtel eingeritzten Vertiefungen ſind in der Regel mit einer weißen Kalkmaſſe ausgefüllt. Daß während jener jüngeren Kulturepoche Cyperns bereits ein ausgedehnter Handelsverkehr beſtanden hat, beweiſen Bügelkannen vom Typus der zu Mykenge aufgefundenen, wie auch Gerät, das offenbar aus Aegypten ſtammt. Eine ungefähre chronologiſche Beſtimmung der beſagten beiden Kulturepochen wird ermöglicht für die älteren Gräber durch einen mit Inſchriften bedeckten babyloniſchen Thoncylinder, der nach Sayce aus der Zeit des babyloniſchen Herrſchers Sarghon von Accad ſtammt, ſowie für die jüngeren Gräber durch einen aramäiſchen Siegelcylinder, der dem Beginne des zweiten vorchriſtlichen Jahrtauſends angehört. Be— merkenswert iſt ferner, daß die Bronzeobjekte nur 4—5 Proz. Zinn enthalten, im übrigen aber aus reinem Kupfer beſtehen. In Uebereinſtimmung mit der Thatſache, daß am Ende der neolithiſchen Zeit, ehe noch die Bronze in Gebrauch kam, das Kupfer in den verſchiedenſten Teilen Europas zur Herſtellung von Waffen und Gerätſchaften verwendet wurde, macht Tiſchler“) darauf aufmerkſam, daß die in prähiſtoriſchen Fundſtätten Oſtpreußens aufgefundenen Ge— fäße und Scherben ſowohl hinſichtlich der Form wie der Verzierungen abſolut identiſch ſind mit ſolchen, wie ſie aus den Kupferſtationen der Schweiz (3. B. aus dem Pfahlbau Vinelz) zu Tage gefördert wurden. Das echte Schnur— ornament, der geſchweifte Becher und verwandte Ornamente der Steinzeit laſſen ſich von den Ufern des Ladoga-Sees bis zur Oder und ſüdlich bis nach Galtzien deutlich ver— folgen. Die Verſchiedenartigkeit der Gräber in den öſt— lichen und weſtlichen baltiſchen Ländern geſtattet nach Tiſchler die Unterſcheidung einer weſtbaltiſchen und oſt— baltiſchen neolithiſchen Kulturgruppe; letztere würde der zweiten Abteilung der weſtbaltiſchen neolithiſchen Kultur, welche durch die aus großen Steinplatten konſtruierten, im Bau den thüringiſchen Gräbern entſprechenden Grab— ) Schriften der phyſ⸗okonom. Geſ. zu Königsberg XXIX. 1888. 98 Humboldt. — Januar 1889. kiſten charakteriſiert iſt, zeitlich entſprechen. Behufs Glie⸗ derung der Bronzeperiode Nordeuropas hält Tiſchler den Celt für das wichtigſte Leitſtück, da in der älteſten Metall⸗ zeit die Fibel vollſtändig fehlt. Der älteſte Abſchnitt der Bronzeperiode wird von Tiſchler, der mit O. Montelius (Om Tidsbestämming inom Bronsalderen. Stockholm 1885) in allen weſentlichen Punkten übereinſtimmt, nach einem zu Leubingen gemachten Grabfund als „Periode Pile⸗Leubingen“ bezeichnet. Für dieſen Abſchnitt ſind be⸗ ſonders charakteriſtiſch die „Randcelte“ (d. i. Schafteelte mit erhöhten Seitenrändern), ferner gehören demſelben rohe, zum Teil nach den Spitzen verjüngte Arm- und Hals⸗ ringe, beſonders aber auch die merkwürdigen Schwertſtäbe und Dolche — ſowohl ſolche von lokalen Formen, als auch ſolche, die mit italiſchen Funden aus der reinen Bronze⸗ zeit abſolut identiſch ſind — an. Der beſagte Abſchnitt der Bronzeperiode wird von Tiſchler ins zweite Jahrtau⸗ ſend v. Chr. verlegt. Als zweiter Abſchnitt der nordiſchen Bronzezeit (Periode 2 und 3 von Montelius) wird von Tiſchler die Periode von Peccatel — ſo benannt nach einem prähiſtoriſchen Grabe in Mecklenburg — aufgeführt; für dieſen Abſchnitt bildet der in Oſtpreußen mehrfach auf⸗ gefundene Axthammer ein wichtiges Leitſtück. An die letzt⸗ erwähnte Periode würde ſich nach Tiſchler endlich noch eine ſolche anſchließen, die in Oſtpreußen in Grabhügeln mit großen oder kleinen Steinkiſten beſonders reich vertreten iſt. Dieſe Kiſtenhügel fallen zeitlich zuſammen mit dem Ende der Hallſtätterperiode Mitteleuropas, alſo ungefähr ins fünfte Jahrhundert v. Chr. Dem Schluß der Bronze⸗ zeit, bezw. dem Uebergang zur Eiſenzeit gehört u. a. der wichtige Depotfund von Willkühnen (Kreis Königs⸗ berg) an, der ſich im weſentlichen aus Bronzehalsringen (ſogenannte „Bügelringe“), die zum Teil in vogelkopf⸗ förmige Oeſen auslaufen, ferner aus Ringen mit wechſeln⸗ der Torſion (Wendelringe), ſowie aus Celten mit gewölb⸗ tem Kopf zuſammenſetzt. Jene Grabhügel mit Steintijten bezw. die in demſelben aufgefundenen zum Teil höchſt be⸗ merkenswerten keramiſchen Objekte hat Tiſchler in einer beſonderen Publikation) beſchrieben. ) Oſtpreußiſche Grabhügel II. Königsberg i. Pr. 1888. Wenn im Vorhergehenden von dem auf die neolithiſche Periode (jüngere Steinzeit) folgenden Bronzezeitalter und der an letzteres ſich anſchließenden Eiſenkultur die Rede war, ſo haben wir damit jene bekannte Dreiteilung der Prähiſtorie (Steinzeit, Bronzezeit, Eiſenzeit) für den Norden unſeres Erdteils anerkannt. Dagegen wäre es nach unſerem Dafürhalten durchaus unzutreffend, wenn man dem Drei⸗ periodenſyſtem, für welches allerdings die Gelehrten Skan⸗ dinaviens mit beſonderer Vorliebe eintreten, in welches aber die Forſchungen Lindenſchmitts, Eckers, Becks und Hoſtmanns ſchon eine weite Breſche gelegt haben, eine Allgemeingültigkeit zuſchreiben wollte. Daß vielmehr in ge⸗ wiſſen europäiſchen und außereuropäiſchen Ländern auf die Verwendung des Steins zur Herſtellung von Geräten und Waffen diejenige des Eiſens unmittelbar gefolgt iſt — dies wird u. g. bezeugt durch die Ergebniſſe der neuerdings zu Caslau (Böhmen) unternommenen Ausgrabungen. Nach dem von Cermak, dem Konſervator des Muſeumsvereins zu Caslau, erſtatteten Bericht“) laſſen die aus Stein und Metall beſtehenden Fundſtücke bezw. deren Lagerung keinen Zweifel darüber aufkommen, „daß das Eiſen ſchon benutzt wurde, als die Feuerſteine und andere ſteinerne Geräte noch häufig im Gebrauche waren, und daß die ſeltenere Bronze nur ausſchließlich zu kleineren Verzierungen verwendet wurde, jedoch nicht zu Geräten und Waffen“. — Was ſpeciell das frühzeitige Auftreten des Eiſens in Aegyp⸗ ten anlangt, bezüglich deſſen O. Montelius behauptet, daß auch im Pharaonenlande der Gebrauch der Bronze bei weitem älter ſei als derjenige des Eiſens, ſo iſt ganz ab⸗ geſehen von jenen ſchon vor mehreren Jahrzehnten daſelbſt gemachten Funden (Auffindung eines Eiſenſtücks in einer Steinfuge der Cheopspyramide, wohin dasſelbe nur zur Zeit der Erbauung der Pyramide — alſo um 3000 v. Chr. — gelangt ſein konnte, Auffindung einer eiſernen Sichel unter den Füßen einer Sphinx zu Karnak u. ſ. w.) neuerdings wieder das Vorhandenſein eines aus einem Grabe der Zeit Ramſes II. (ca. 1300 v. Chr.) entnommenen eiſernen Schlüſſels im kgl. Muſeum zu Berlin durch Erman konſtatiert worden ! *). ) Zeitſchr. f. Ethnologie 1887 Heft VI. S. 466. ) Daſelbſt 1888 Heft IIT. S. 180. Kleine Mitteilungen. Die beiden Marsmonde, welche im Auguſt 1877 mit dem großen Waſhingtoner Refraktor entdeckt und ſeit⸗ dem vielfach beobachtet worden ſind, haben in zwiefacher Hinſicht allgemeines Intereſſe erregt. In erſter Linie iſt es die beiſpielloſe Kleinheit ihrer Durchmeſſer, die man kaum über 10 km ſetzen darf, ſo daß ſie nur mit den ſtärkſten Fernrohren von der Erde aus zu beobachten ſind, und auch vom Mars aus geſehen nur in der Helligkeit unſerer größeren Fixſterne erſcheinen müſſen. Zweitens aber läuft der innere der beiden Trabanten mit einer bei⸗ ſpielloſen Geſchwindigkeit um ſeinen Centralkörper. Denn während der äußere Mond, Deimos, in 30 ½ Stunden ſeinen Umlauf um den Mars vollendet, braucht der innere, Phobos, nur 7‘ Stunden zu einem vollen Umlauf um den Mars. Die Urſache dieſer enormen Geſchwindigkeit aufzufinden iſt aber bisher noch nicht gelungen. Durch die Kant⸗Laplaceſche Weltbildungstheorie iſt eine ſolche rapide Geſchwindigkeit, welche die des Mars um das Drei⸗ fache übertrifft, nicht zu erklären. Nach dieſer Theorie kann kein Satellit, wenn er ſich von ſeinem Centralkörper los⸗ gelöſt hat, eine größere Umlaufsgeſchwindigkeit haben, als jene iſt, mit der der Planet um ſeine Achſe rotiert. Man hat nun, bald nachdem der neuentdeckte Marsmond dieſe Schwierigkeit in der Erklärung ſeiner natürlichen Ent⸗ ſtehung erkennen ließ, durch eine Modifikation der Laplace⸗ ſchen Theorie den Widerſpruch zu erklären verſucht. Da nämlich die wirkliche Geſchwindigkeit der verſchiedenen Teile einer rotierenden Kugel am Aequator am größten iſt, nach den Polen zu aber immer geringer wird, ſo wer⸗ den, wenn ſich von einer rotierenden Planetenkugel Maſſen ablöſen, welche in größerer Entfernung vom Aequator lagerten, dieſe in der Aequatorebene des Planeten ange⸗ kommen, letzterem viel näher ſtehen, als wenn ſie, wie dies in der Laplaceſche Theorie angenommen wird, von der Humboldt. — Januar 1889. 29 Aequatorzone abgeſchleudert worden wären. Je näher fie aber dem Planeten ſtehen, um fo kürzer wird ihre Um— laufszeit. Unter dieſer Annahme ließe ſich alſo die bei- ſpiellos kleine Umlaufszeit des einen Marsmondes erklären. Allein dieſer Erklärungsverſuch, den man auch zur Ent⸗ ſtehungsgeſchichte des Saturnringes herangezogen hat, hat doch ſehr ſtarke Gründe gegen ſich, ſo daß der innere Marsmond immer noch als eine unerklärte Erſcheinung daſteht. Dubois hat nun (Compt. rend.) eine neue Hypo⸗ theſe zur Erklärung der Entſtehung der Marsmonde auf— geſtellt. Hiernach hätten wir es bei den Marsmonden mit zwei kleinen Planeten zu thun, welche urſprünglich zu der Gruppe der Planetoiden gehört haben. Sie müßten ver⸗ möge einer ſtarken Excentricität ihrer Bahnen dem Mars ſo nahe gekommen ſein, daß dieſer ein Uebergewicht über die Attraktion der Sonne gewann und die beiden Planeten zwang, hinfort als ſeine Satelliten ihn zu umkreiſen. Es iſt nun in der That ein merkwürdiges Zuſammentreffen, daß einer von den bekannten kleinen Planeten, die Aethra, ſeit jeiner Erſcheinung im Jahre 1873 nicht wieder auf— gefunden werden konnte, während andererſeits 1877 zwei neue Marsmonde entdeckt wurden. Es kommt dazu, daß die Aethra vermöge ihrer exceſſiv großen Bahnexcentricität dem Mars kurz vorher, nämlich im September 1876, bis zu Yio Sonnenferne nahe kam. Andererſeits iſt aber ſelbſt bei dieſer Annäherung des Planeten an Mars die n= ziehung der Sonne noch 15 000 mal ſtärker als die der verhältnismäßig ſehr kleinen Marskugel. Man müßte alſo eine ſehr ſtarke Störung der Bahn der Aethra annehmen, welche ſie dem Mars noch bedeutend näher gebracht hätte, wenn ſie dieſer ſoll eingefangen haben. Immerhin ver— dient dieſe neue Anſicht Beachtung, da man bis jetzt bei der Erſcheinung des Marsmondes vor einem völligen Rätſel ſteht. 1D), Beteiligung des Luftſtickſtoſſs am Verbrennungs- prozeß. Daß bei der Verbrennung kohlenſtoffhaltiger Sub⸗ ſtanzen auch der Stickſtoff der Luft mitwirkt, indem er mit Kohlenſtoff vorübergehend zu Cyan zuſammentritt, hat kürz⸗ lich Lüdeking (Ann. 247, 122) nachgewieſen. Titan ver- einigt ſich mit Kohlenſtoff und Stickſtoff zu einer charak— teriſtiſchen Verbindung, dem Cyanſtickſtofftitan, 3 Tis N2 + Ti Cys, welche ſich oft in Eiſenſchmelzöfen beim Ver— ſchmelzen titanhaltiger Eiſenerze in kupferroten würfelähn—⸗ lichen Kryſtallen abſetzt. Wöhler und Deville ſtellten dieſe merkwürdige Verbindung durch Erhitzen von Titanſäure und Kohlenſtoff in einer Atmoſphäre von Stickſtoff bei der Schmelztemperatur des Platins dar. Die Bildung des Cyanſtickſtofftitans beobachtete Lüdeking nun auch, wenn titanhaltige Subſtanzen mit etwas Soda am Platindraht in der wenig leuchtenden Bunſenflamme bis zur Verflüch—⸗ tigung des Natriums geglüht wurden. Um zu entſcheiden, ob das Cyan als ſolches in den Flammengaſen enthalten iſt oder ob es ſich erſt in Gegenwart des Titans aus Kohlenſtoff und Stickſtoff bildet, wurden die Gaſe (wie in dem bekannten Vorleſungsexperiment) durch eine Platin— röhre angeſogen und über Natronlauge geleitet. Nach etwa einſtündigem Brennen der Flamme gab die Flüſſig⸗ keit auf Zuſatz von Eiſenoxyduloxydſalz und nachherigem Anſäuern einen reichlichen Niederſchlag von Berlinerblau, und ſchon nach kürzerer Friſt wird durch die bei der Prüfung auftretende grüne Farbe der Löſung die Gegen— wart von Cyan angezeigt. Dieſe Reaktion wurde nicht nur beim Verbrennen von Leuchtgas, ſondern auch von Talg, Paraffin, Alkohol und Petroleum erhalten. Daß die Cyanbildung nicht durch einen etwaigen Stickſtoffgehalt der Brennmaterialien oder durch das Ammoniak der Luft, ſondern thatſächlich durch den freien Stickſtoff bedingt wird, lehrt folgendes Experiment. 50 1 Grubengas, bereitet aus chemiſch reinem eſſigſaurem Natron und ausgeglühtem Natronkalk, wurden mit Luft verbrannt, welche durch Kalk— und Bimsſteinſchwefelſäuretürme geleitet worden war und fic) bei der Prüfung mit Neßlers Reagens als abjolut frei von Ammoniak erwieſen hatte. Auch hier ließ ſich in den Flammengaſen Cyan nachweiſen. Eine direkte Vereinigung von Kohlenſtoff und Stick— ſtoff beobachtete ſchon Morren beim Ueberſchlagen des elek— triſchen Funkens zwiſchen Kohlenſpitzen in einer Atmoſphäre von Stickſtoff. Lüdekings Verſuche zeigen, daß der Stic- ſtoff der Luft allgemein bei der Verbrennung kohlenſtoff— haltiger Subſtanzen in chemiſche Reaktion tritt, wenn auch in untergeordnetem Maße und vorübergehend, denn die Endprodukte der Verbrennung ſind wieder freier Stickſtoff und Kohlenſäure. Al. Roften der Eiſenbahnſchienen. Für die ſeit langem bekannte Thatſache, daß unter übrigens gleichen äußeren Umſtänden Eiſenbahnſchienen, welche befahren werden, we— niger leicht roſten, als die nicht im Betrieb befindlichen Schienen, hat bis jetzt eine genügende Erklärung gefehlt. W. Springs Studien über chemiſche Reaktionen, welche durch hohen Druck bewirkt werden (vergl. dieſe Ztſchrft VII. S. 309), haben auch dieſe Frage zum Austrag gebracht. Seine Verſuche zeigten, daß Eiſen fic) mit Eiſenoxyd (Eiſen— roſt) unter hohem Druck zu Gijenoryduloryd (magnetiſches Gijenoryd) verbindet. Es wurde etwas angefeuchtetes Eiſen— hydroxyd, in welches Eiſenlamellen mit völlig metalliſcher Oberfläche eingebettet waren, einem Druck von 1000 — 1200 Atmoſphären ausgeſetzt. Dieſer Druck überſchreitet nicht weſentlich denjenigen, welchen die Eiſenbahnräder auf die Schienen ausüben. Nach Aufhebung des Druckes haftete das Eiſenhydroxyd ſtark an dem Eiſen und war auf eine Dicke von 0,5 mm. ſchwarz geworden, zugleich waren die Eiſenlamellen deutlich korrodiert. Die quantitative Analyſe der losgelöſten Maſſe zeigte die Gegenwart von Eiſenoxydul— oxyd an. Derſelbe Vorgang findet nun auf den Eiſen— bahnſchienen ſtatt, wenn dieſelben befahren werden. Kommt die infolge der Reibung der Eiſenbahnräder mehr oder weniger bloßgelegte Oberfläche mit Regen oder feuchter Luft in Berührung, ſo roſtet ſie. Im Kontakt mit dem ent⸗ ſtandenen Eiſenoxyd wird das Eiſen zur poſitiven Elektrode, weshalb die Oxydation durch die Maſſe weiter fortſchreitet. Unter der Einwirkung des Drucks der Eiſenbahnräder wird aber der friſch gebildete Roſt in Eiſenoxyduloxyd verwandelt, welches dem Eiſen negative Polarität erteilt. Dadurch wird die Schiene vor weiterem Roſten geſchützt. Der Ver⸗ ſuch zeigte überdies, daß den im Betrieb befindlichen Schienen in der That Eiſenoxyduloxyd anhaftet. Die Schienen werden alſo in derſelben Weiſe vor der Korroſion an feuchter Luft geſchützt wie das im Feuer oxydirte Eiſen, wobei eben- falls eine Schicht von Eiſenoxyduloxyd gebildet wird, oder das ſogenannte „galvaniſierte Eiſen“, bei welchem das Eiſen durch den Zinküberzug elektrochemiſchen Schutz erfährt. (Bull. soe. chim. 88, 50, 215). Al. Anterſeeiſche Thaler. Tiefenmeſſungen im Boden: ſee und im Genferſee haben herausgeſtellt, daß an der Rhein- und Rhone-Mündung am Abhange der Schuttkegel deutlich ausgebildete Furchen, alſo unterſeeiſche Thäler exiſtieren; im Bodenſee find ſie 4 Kk m lang, 70 m tief und 600 m breit, im Genferſee 6 km lang, 50 — 100 m tief und 500 — 800 m breit. Nach Forel nimmt das ſpeeifiſche Gewicht des Waſſers mit der Zunahme der in demſelben ſchwebenden Schlammteile gleichſam zu; die Zunahme der Dichte aber hat zur Folge, daß das Flußwaſſer im See ſinkt und ſich auf dem Schuttkegel entlang der Linie größter Böſchung bewegt. Wo es an ruhendes Seewaſſer ſtößt, entſtehen Gegenſtrömungen. Indem der mitgeführte Schlamm ſich hier abſetzt, entſtehen die Gehänge des unter- ſeeiſchen Thales, die ſich weiter erhöhen, ſo daß durch ſeitliche Aufſchüttung ſich alſo die Furche immer ſchärfer ausbildet. K. Tylodendron. In dem letzten Berichte über die Fortſchritte der Paläontologie (Humboldt 1888 S. 348) hat Keller eine Schilderung der Steinkohlenflora ge geben und bei dieſer Gelegenheit auch die Kordaiten erwähnt. Etwas ſpäter hat dann R. Beck (Humboldt 1888 S. 376) gezeigt, daß es gelungen iſt, die Kordaiten mit dem längſt bekannten Araucarioxylon zu identifizieren. Letzterer Autor erwähnt hier auch die Steinkerne, welche 30 Humboldt. — Januar 1889. eine Ausfüllung des Markrohrs der Kordaitenzweige re⸗ präſentieren und den Paläontologen viel Kopfzerbrechen verurſacht haben, bis man ſie endlich als das erkannte, was fie ſind. Einen ähnlichen Fall beſchreibt nun Potonié in dem Jahrbuche der kgl. preuß. geologiſchen Landes⸗ anſtalt für 1887 (Berlin 1888, S. 311). Schon ſeit längerer Zeit war ein von Weiß beſchriebener foſſtler Koniferen⸗ typus aus der oberen Steinkohlenformation und dem Rotliegenden als Tylodendron bekannt, der übrigens bereits früher von Brongniart als Lepidodendron elongatum beſchrieben und abgebildet worden war. Dieſes Petrefakt bot inſofern ein ganz beſonderes Intereſſe, als es eine „echte Konifere“ mit Araucarioxylon- (Araucarites-) Struktur aus den paläozoiſchen For⸗ mationen ijt. Potonié beſchreibt die in der Berliner Sammlung befindlichen Exemplare als ſtielrunde Stücke, welche in Entfernungen von etwa 30 em periodiſch wieder⸗ kehrende Anſchwellungen zeigen und auf der wohl erhal⸗ tenen Oberfläche mit dicht gedrängten und ſpiralig ge⸗ ſtellten „Polſtern“ bedeckt ſind, welche länglich rhombiſche Geſtalt haben, indem der Längsdurchmeſſer derſelben mit der Längsachſe des Stammes zuſammenfällt. Die eine Polſterhälfte — Weiß ſagt die obere, Potonté weiſt aber ſpäter nach, daß es die untere iſt — wird durch einen Schlitz der Länge nach geſpalten. Beſondere Blattnarben zeigen dieſe Polſter nicht. An dem einen Petrefakt nun befindet ſich noch ein „anſcheinend fremder, ebenfalls ver⸗ kieſelter Körper, über welchen man nicht klar wird, parallel dem Stammſtücke und feſt mit ihm verwachſen“. Potonié hat nun nachgewieſen, daß das als Tylodendron bisher bekannte Petrefakt kein Holz, ſondern das Mark und zwar einer Konifere, wahrſcheinlich jpecteller einer Araucaria im Sinne Eichlers iſt. Hierfür ſpricht einmal der ana⸗ tomiſche Befund, dann aber auch die Unterſuchung von Markkörpern jetzt noch vorkommender Araukarien. Po⸗ tonié bildet einen Wachsabguß eines ſolchen neben Tylo- dendron ab und iſt die frappante Aehnlichkeit beider nicht zu verkennen. Mit dieſer Erklärung des Tylodendron läßt ſich nun auch das oben erwähnte, noch von Weiß als „fremder Körper“ bezeichnete Anhängſel des einen Exem⸗ plares erklären. Dies iſt das Holz des Tylodendron, welches mit dem Holze von dem bis jetzt als Araucarioxylon be⸗ kannten in naher Verwandtſchaft ſteht. Die Felder der Ober⸗ fläche des Tylodendron ſind keine Blattpolſter, kommen vielmehr durch den Verlauf der Primärbündel und der von dieſen abgehenden Blattſpuren in den Furchen der Oberfläche zuſtande. Die periodiſchen Anſchwellungen entſprechen denen des Markes lebender Araukarien an den Stellen, wo die Zweigquirle abgehen. Mit dieſem Nachweiſe erhalten aber auch die Koniferen ein viel höheres Alter, als man bisher annahm. r. Eine Abhängigkeit der Pflanzen vom Subſtrat hat Kraſan (Engler's Botaniſches Jahrbuch) für Festuca sulcata und F. glauca deutlich nachgewieſen. Erſtere iſt auf den dolomitiſchen felſigen und ſandigen, ſehr trockenen Kalkboden angewieſen, letztere iſt dagegen weit verbreitet als Bewohnerin magerer Grasplätze und mit⸗ unter auch fruchtbarer Wieſen mit gemiſchter erdiger Krume. So verſchieden nun auch beide Formen in ihren typiſchen Vertretern ſind, ſo gibt es doch, wo beide nebeneinander vorkommen (z. B. am Fuß von Dolomitfelſen, wo ſich Detritus angeſammelt hat), Uebergangsformen zwiſchen beiden, die man wohl für Hybriden halten könnte. Kraſan zeigte aber, daß ſolche Formen mindeſtens auch durch den bloßen Einfluß des Subſtrats entſtehen können. Er nahm F. sulcata aus dem weichen Boden, pflanzte ſie auf Dolomit und erzielte daraus durch kontinuierliche Variation eine Uebergangsform zu F. glauca. 1D leber eine eigentümliche Art der Samen- verſchleppung berichtet Ludwig in Greiz an die „Monatlichen Mitteilungen“. Chrysanthemum suaveolens Achs., bekanntlich ſeit 1852 als Gartenflüchtling (aus den Botaniſchen Gärten der Univerſitätsſtädte) und als Wanderer per Eiſenbahn bekannt, ſo ſeit 1886 vom Güter⸗ bahnhofe in Zwickau und in Löbau aus verbreitet — benutzt das Zelttuch der Schaubuden, um von Schützenplatz zu Schützenplatz zu wandern. So hat es ſich ſeit einigen Jahren vom Schützenplatz in Jena aus verbreitet; ſeit 1887 tritt es in Greiz in außerordentlicher Menge auf dem Schützenplatz auf, von da ſich weiter ausbreitend. Ebenſo fand es Ludwig auf Schützenplätzen der Umgegend, nach welchen gewöhnlich die Schaubuden, Karuſſells ꝛc. von Greiz aus wandern. D. Der Aeberzug von Crambe maritima L., durch welchen die ganze Pflanze eine blaß graugrüne Färbung erhält, iſt von mir unterſucht worden. Ich befreite zwanzig etwa handgroße Blätter durch Uebergießen mit Aether von dem Ueberzuge und deſtillierte dann den Aether vor⸗ ſichtig zum größten Teile ab. Es ſchied ſich eine weiße Maſſe ab, deren Schmelzpunkt auf 59° C. beſtimmt wurde. Unter dem Mikroſkop erblickte man formloſe Körnchen. Eine Probe wurde nochmals in Aether gelöſt und unter dem Mikroſkope auf etwaige Kryſtalliſation beim Ver⸗ dunſten des Aethers geachtet, doch wurde dieſelbe körnige Subſtanz gewonnen, ebenſo beim völligen Eindampfen des zuerſt erhaltenen Filtrates. Als die Subſtanz mit zwei Teilen ſaurem ſchwefelſaurem Kali im Reagenzglaſe erhitzt wurde, trat ſofort kräftige Akroleinreaktion ein. Es ergibt ſich hieraus, daß der Ueberzug von Crambe nicht aus Wachs, ſondern aus Fett beſteht. Der Ueber⸗ zug iſt ohne Zweifel ein Schutzmittel, durch welches zu ſtarke Benetzung der Pflanze durch Regen und Brandung und zu ſtarke Verdunſtung des in den Zellen der Pflanze befindlichen Waſſers verhindert wird, wenn in regenloſen Zeiten der Sandſtrand durch die Sonne austrocknet. Es läßt ſich annehmen, daß auch die übrigen mit einem Ueber⸗ zuge verjehenenStrandpflanzen (Elymus arenarius, PDsamma arenaria, Cakile maritima, Eryngium maritimum etc.) in ähnlicher Weiſe geſchützt find, worüber ich mir weitere Unterſuchungen vorbehalte. Kiel. Dr. P. Knuth. Maiblumen. Nach einer Mitteilung der Revue horticole find die welken Blüten der Maiblumen (Con- vallaria majalis) für Geflügel ein ſtarkes Gift. Von 10 jungen Hühnern ſtarben 9 nach dem Genuß dieſer Blüten. Die Reiniger der Meeresküſten. Wenn man ſieht, welche enorme Mengen organiſcher Subſtanz täglich im Meere zu Grunde gehen, ſo muß man ſich in der That fragen, woher es kommt, daß das Waſſer immer klar und von derſelben Zuſammenſetzung bleibt. Ohne Zweifel ſpielt ie regelmäßige Bewegung des Meeres, wie ſie ſich in Ebbe und Flut ausſpricht, eine ſehr weſentliche Rolle für die Reinhaltung des Strandes, ſie wird jedoch von einer An⸗ zahl Hilfsarbeiter unterſtützt, die etwa dieſelbe Rolle ſpielen wie Hunde und Geier in den Straßen der Städte des Orients. In der Nähe der Küſte leben eine Menge räu⸗ beriſcher Fiſche und gieriger Kruſtaceen, die ſtets bereit ſind, über eine lebende oder tote Beute herzufallen und in den kleinen Lachen, die das Meer bei der Ebbe zurück⸗ läßt, finden ſich ähnliche Räuber, von denen eine 1,5—2 em lang werdende Schnecke (Nassa reticulata) eine Haupt⸗ rolle ſpielt. Sie findet ſich an geeigneten Stellen zu Hun⸗ derten und Tauſenden, die dem Auge freilich jo lange ver— borgen bleiben, bis ſie in Aktion treten, da ſie im Boden ſich verſteckt halten. Man darf dieſen Tieren nur eine geeignete Beute zuwerfen, um fie hervorzulocken: da und dort beginnt der Sand ſich zu erheben, kleine ſchwarze Körper, die Köpfe, tauchen auf und bald erſcheinen auch die ge⸗ wundenen Schalen. Mit ihrem langem Sipho, der Atem⸗ röhre, ſuchen ſie ſich durch Umhertaſten zu orientieren und bald haben ſie die Beute gefunden, um ſie, ſelbſt wenn es ſich um einen hartſchaligen Krebs handelt, in kurzer Zeit zu verzehren. Dies iſt ihnen mit Hilfe des faſt Körperlänge erreichenden Rüſſels möglich, der vorn die Mundöffnung mit den Kauwerkzeugen trägt und in den Körper der Beute, wo ſich nur eine geeignete Stelle findet, eingeführt wird. Iſt die Mahlzeit beendet, ſo wird der — Humboldt. — Januar 1889. 31 Rüſſel in den engen Körper und letzterer in die Schale zurückgezogen; das Tier ſinkt wieder in den Sand, um geſchützt auf die nächſte Beute zu warten. Doch iſt Nassa nicht der einzige Reiniger des Meeresſtrandes; an anderen Stellen, oft in großer Nähe der Region der Nassa ſpielt ein Iſopode, Eurydice pulchra, dieſelbe Rolle oder Talic- trus- und Orchestia-Arten, die inſofern eine eigentüm— liche Verbreitung haben, als ſie in einer beſtimmten Lo- kalität derart dominieren, daß man die betreffende Stelle direkt als Kantonnement der Euxydice ꝛc. bezeichnen könnte. Es iſt ſchwer zu erklären, woher dieſe lokale Be- grenzung in der Ausdehnung einer Art kommt, warum gerade an dieſer Stelle die eine Form und nicht weit da⸗ von unter anſcheinend gleichen Verhältniſſen eine andere Art den Herrn ſpielt. B. Eine Bemerkung über den Flug mancher In- feRfen. Ich weiß nicht, ob irgendwo fron darauf hin⸗ gewieſen worden iſt, daß diejenigen fliegenden Inſekten, welche ihre Eier im Waſſer ablegen und daher über ſtehen— den oder fließenden Gewäſſern ſchweben, alle einen eigen— tümlich unſtäten Flug beſitzen. Ich erinnere nur an das fortwährende Hin- und Herſchwirren der Libellen oder an das bekannte Auf- und Abtanzen der Eintagsfliegen. Ich glaube, daß dieſe Flugweiſe den Tieren von weſentlichem Nutzen iſt; denn ſie vermindert die Gefahr, daß die In⸗ ſekten im Augenblicke, wo ſie ſich der Waſſeroberfläche nähern, von den drunten lauernden Fiſchen aufgeſchnappt werden. Nie habe ich dies ſo deutlich geſehen, als dieſen Sommer einmal am Ufer des Bodenſees. Der See war vollkommen glatt und in der Nähe des Ufers ſchwärmten eine Menge kleiner Phryganiden umher und zwar dicht über der Oberfläche; eine große Schar kleiner Weißfiſche lauerte ihnen auf, aber obgleich die Fiſchchen fortwährend zuſchnappten und die Inſekten oft das Waſſer berührten, wurde nur ſelten eine Phryganide gefangen. Dieſe waren ſich der Gefahr gar nicht bewußt und flogen unbeſorgt dicht über den Köpfen ihrer Feinde hin. Der ihnen eigen— tümliche unſtäte, in Zickzacklinien verlaufende Flug be- wirkte, daß die Fiſche faſt immer daneben ſchnappten; ſonſt wäre der ganze Schwarm in kürzeſter Friſt dem Tode verfallen geweſen. Dieſes Beiſpiel lehrt uns, wie wenig wir berechtigt ſind, Eigenſchaften, deren Bedeutung für das Tier wir nicht kennen, als wertlos für die Erhaltung der Art zu bezeichnen; eine zufällige Beobachtung kann uns plötzlich eines Beſſeren belehren und ſtaunend erkennen wir die Macht der Naturzüchtung in der kleinſten Geftaltsver- änderung und in der ſcheinbar unweſentlichſten Lebens— äußerung. Freiburg i. B. Prof. A. Gruber. Tarven des Olm (Proteus anguineus), in der Geſangenſchaft ausgeſchlüpſt. Dr. E. Zeller (Winnen⸗ thal) hält in einem Gartenbaſſin Olme. Wie er im „Zool. Anzeiger“ mitteilt, legten dieſe vom 14. bis 16. April 76 Eier ab. Er brachte davon 26 Eier in der Wohnſtube in einem Glaſe unter, derart, daß ſie nicht unmittelbar vom Sonnenlicht getroffen werden konnten, ſonſt aber vor dem Lichte nicht geſchützt waren. Das Waſſer hatte 12— 13 R. Von dieſen 26 Eiern ſind die meiſten zu Grunde gegangen, doch haben wenigſtens einige eine ungeſtörte Entwickelung durchgemacht und am 12. Juli — alſo nach 90 Tagen — ſind auch zwei Larven glücklich aus ihren Eiern ausgekommen. Sie meſſen 22 mm, wo- von 5 mm auf den Schwanz kommen. Die Geſtalt der Larve iſt der des erwachſenen Tieres ſchon ſehr ähnlich. Die Kiemenbüſchel ſind keineswegs entwickelter, als bei dem erwachſenen Tiere. Die vorderen Gliedmaſſen ſind wohl ausgebildet und mit drei Zehen verſehen; die hinteren noch ſtummelförmig, doch in der Kniegegend ſchon leicht gebogen. Sehr bemerkenswert iſt die Entwickelung der Augen, welche ſofort ins Geſicht fallen und als kleine, aber vollkommen ſchwarze und ſcharfgezeichnete kreisrunde Punkte mit einer ſehr ſchmalen, doch noch gut erkennbaren, vom unteren Umfange bis zur Mitte eindringenden Spalte ſich darſtellen. Es iſt wohl kaum zu bezweifeln, meint Zeller, daß dieſe auffallende Entwickelung des Auges unter der Einwirkung des Lichtes zu ſtande gekommen iſt, ebenſo wie die Pigmentierung der Haut, welche mit kleinen, bräunlich grauen Pünktchen dicht beſäet iſt. M—s. Aeber Mikroorganismen im RKitnfllidien Selter- waſſer machte Hochſtetter in den Arbeiten aus dem kaiſerl. Geſundheitsamt II., 1 u. 2, folgende Angaben: Die pathogenen Mikroorganismen ſterben beim Aufbewahren der geſchloſſenen Flaſchen nach einiger Zeit ab. Ver— breitung von Cholera durch Selterwaſſer, das mehrere Tage gelagert hat, iſt unwahrſcheinlich, doch kann eine Typhusepidemie durch Selterwaſſer, das 5 bis 7 Tage alt iſt, hervorgerufen werden. G. Fauna eines maſuriſchen Pfahlbaus. Ein von Heydeck 1887 unterſuchter Pfahlbau am Szontagſee in der Gegend zwiſchen Lötzen und Lyck zeigte eine ähnliche Konſtruktion wie die Pfahlbauten im Arys-, Czarnikock— und Tulewoſee. Die Funde deuten auf ein ſehr hohes Alter, da kein Eiſen und von Bronze nur eine runde Zierſcheibe mit Oeſe und Punktverzierungen gefunden wurde. Die Thongefäße find ohne Drehſcheibe hergeſtellt und zeigen auffallend wenig Verzierungen, nur Finger⸗ nageleindrücke und eine Strichverzierung in Form eines N. Die ſehr zahlreichen Tierknochen unterſuchte Nehring. Nach einer vorläufigen Mitteilung (Naturwiſſ. W.) fand er Reſte von Wolf, Fuchs, Wildkatze, Fiſchotter, Bär, Biber, Haſe, Wildſchwein, Urrind, Edelhirſch, Reh, Haushund, Pferd, Hausſchwein, Hausrind, Hausſchaf, Hausziege, Auerhuhn, Birkhuhn, Ente, Krähe, Habicht, Eule, Hecht und Wels. Am reichlichſten ſind Haustierknochen, beſonders vom Schwein, außerdem zahlreich nur noch Hirſch und Reh vertreten. Die Mehrzahl der markhaltigen Knochen iſt zerſchlagen. Das Urrind (Bos primigenius) iſt nur durch einen Hornkern vertreten, welcher zahlreiche, ſehr ſchön erhaltene Schnitte und ſonſtige Spuren menſchlicher Be⸗ arbeitung zeigt. Von den Hirſchgeweihen ſind häufig Sproſſen und ſonſtige Stücke abgetrennt, fie haben offen- bar bei Herſtellung von Inſtrumenten 2c. eine große Rolle geſpielt. Nehring betont das Fehlen des Renntiers, welches er überhaupt niemals zuſammen mit Reh, Hausſchwein, Hausrind ꝛc. in prähiſtoriſchen Funden nachweiſen konnte. Das einzig vorhandene Hundegebiß zeigt entſchiedenen Wolfstypus, es deutet nicht auf den Torfhund Rütimeyers, ſondern auf den ſog. Bronzehund (Canis matris optimae Jeitt.), die Pferdeknochen gehören einer zierlichen Ponyraſſe an, welche vermutlich gezähmt war. Die Schweineknochen leitet Nehring von Sus scrofa nanus ab, welches er als eine durch primitive Domeſtikation aus dem europäiſchen Wildſchwein hervorgegangene Zwergraſſe anſieht. Mit Vorliebe hat man Tiere von 6—8 Monaten und von 1½—2 Jahren verzehrt. Das Hausrind hält Nehring für eine kleine Primigeniusraſſe mit kräftigeren Skelett- teilen als die Torfkuh, aber bedeutend ſchwächer als die modernen Primigeniusraſſen, wie jie durch vervollkomm⸗ nete Zucht und Pflege in den letzten Jahrhunderten erzielt ſind. Das Hausſchaf ſcheint der Heidſchnucke ähnlich geweſen zu ſein, und die Ziege war ziemlich kräftig, ent⸗ ſprechend der öfter zu machenden Beobachtung, daß die Ziege relativ gut gedeiht, auch wenn die anderen Haus tiere klein und zurückgeblieben erſcheinen. Nach dieſen Funden haben die Pfahlbauern des Szontagſees vorzugs⸗ weiſe von Jagd und Viehzucht, teilweiſe auch vom Fiſchfang gelebt. Hauptſächlich genoſſen ſie Wildbret vom Hirſch und das Fleiſch ihres kleinen wildſchweinähnlichen Hausſchweins. Ferner mußten Reh und Schaf ihnen ziemlich oft einen Beitrag zur Nahrung liefern; ebenſo auch das Rind, ſeltener wurde eine Ziege geſchlachtet. Unter den Fiſchen ſpielte der Hecht die Hauptrolle, unter den Vögeln der Auerhahn. D. — Humboldt. — Januar 1889. Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ete. Die Geſellſchaft Arania zu Berlin und ihre Veranſtaltungen. Don Profeffor Dr. Wilhelm Foerſter in Berlin. Einem von der geehrten Redaktion des „Humboldt“ an mich gelangten Erſuchen ſehr gern Folge leiſtend, erlaube ich mir hiermit, einen kurzen Bericht über das Unternehmen der Geſellſchaft Urania zu geben. Bekanntlich iſt die erſte Anregung zu demſelben durch die in den letzten 14/2 Jahrzehnten wahrgenommene ſehr erhebliche Steigerung der Meldungen um Gewährung eines Abendbeſuches auf der hieſigen Sternwarte gegeben worden. Da immer nur ein kleiner Teil dieſer Meldungen be⸗ rückſichtigt und auch der bezügliche Teil des Publikums nur in unzureichender Weiſe befriedigt werden konnte, wenn nicht die Arbeiten der Sternwarte ſelber allzu em⸗ pfindlich dadurch leiden ſollten, ſo ergab ſich die Not⸗ wendigkeit, in anderer Weiſe durch öffentliche Einrichtungen für dieſes zweifellos hervorgetretene und freudigſt zu be⸗ grüßende Bedürfnis der Einwohnerſchaft und der Beſucher Berlins zu ſorgen. Den entſcheidenden Anlaß, mit einem ſolchen Unter- nehmen vorzugehen, gab alsdann die Ueberſiedelung des Aſtronomen Dr. M. Wilh. Meyer nach Berlin. Derſelbe erſchien nicht nur durch ſeinen weitverbreiteten Ruf als populär⸗aſtronomiſcher Schriftſteller, ſondern auch durch die Erfahrungen, welche er bereits in Wien mit der Ver⸗ anſtaltung aſtronomiſcher Darſtellungen für ein größeres Publikum ſich erworben hatte, als der geeignete Leiter einer in Berlin in größerem Stile zu begründenden öffent⸗ lichen Schauſtätte für aſtronomiſche und überhaupt kosmo⸗ logiſche Sehenswürdigkeiten. Eine unnötige Wiederholung würde es ſein, wenn in dieſer Zeitſchrift aufs neue die bereits in den Tages⸗ blättern genügend erörterten Vorgänge zur Sprache ge⸗ bracht würden, welche zur Begründung der Geſellſchaft Urania und zur Wahl der Form einer Aktiengeſellſchaft für dieſelbe geführt haben. Ebenſo erſcheint es den Leſern des „Humboldt“ gegen⸗ über unnötig, im einzelnen zu ſchildern, was alles in der Schauſtätte der Urania dem Publikum vorgeführt werden ſoll. Mit jedem weiteren Schritte in der Vor⸗ bereitung dieſer Veranſtaltungen eröffnen ſich hierfür neue Ausblicke und Geſichtspunkte. Es wird zur Zeit genügen, hier in aller Kürze darauf hinzuweiſen, daß hauptſächlich folgendes dargeboten werden ſoll: 1) Die Himmelserſcheinungen ſowohl in Fernröhren (deren eines das mächtigſte in Berlin vorhandene ſein wird), als auch in Nachbildungen, welche mit elektriſchem Lichte erhellt und in anſehnlicher Vergrößerung auf einen Wand⸗ ſchirm projiciert, jederzeit und zwar gleichzeitig für eine größere Anzahl von Beſchauern ſichtbar ſein werden. 2) Leiſtungen der Spektralanalyſe im Sinne der Zerlegung und Charakteriſierung der Ausſtrahlungen und der Abſorptionen des Lichtes ſowohl der himmliſchen als der irdiſchen Erſcheinungswelt und zwar ebenfalls vervoll⸗ ſtändigt und der gleichzeitigen Wahrnehmung für eine größere Anzahl von Beſchauern zugänglich gemacht durch elektriſche Projektionswirkungen der vorerwähnten Art. 3) Leiſtungen der Mikroſkope, ſowohl unmittelbar im Geſichtsfelde derſelben als in Projektionswirkungen dar⸗ geboten. 4) Eindrucksvolle und aufklärende experimentelle Dar⸗ ſtellungen aus verſchiedenen anderen Gebieten der Phyſik und Technik, in ähnlicher vielartiger Weiſe vorgeführt wie die vorangehend erwähnten Erſcheinungen. 5) Bildliche Darſtellungen merkwürdiger und an⸗ ziehender Naturſcenen und Vorgänge des Himmels⸗ raumes und der Erde in einem ſogenannten naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Theater. 6) Eine permanente Ausſtellung von Apparaten und Hilfsmitteln, welche eine nähere Beziehung zu den in der Schauſtätte der Urania dargebotenen Erſcheinungen oder für die Beteiligung an der wiſſenſchaftlichen Forſchung in dieſen Gebieten haben. Wie groß der Reichtum des Anziehenden und Feſſelnden, des Erhebenden und Einleuchtenden innerhalb dieſes Programmes ſein wird, läßt ſich ſchwer von vorn⸗ herein deutlich machen. Man wird eben ſelber kommen, ſehen und immer wieder und wieder kommen müſſen. Denn das wird eine der weſentlichen Grundlagen des wirtſchaftlichen Gedeihens der ganzen Unternehmung ſein, daß nicht bloß die ſtete Erneuerung der heranwachſenden Jugend (die Berliner Schulen enthalten nahezu 180 000 Köpfe) und nicht bloß der auf mehr als 500 000 Menſchen alljährlich ſich belaufende Fremdenverkehr mit ſeinem ſtarken Procentſatz an immer neuen Elementen eine gewiſſe Beſtändigkeit der Frequenz des Beſuches unſerer Einrichtungen verbürgen werden, ſondern daß auch den erwachſenen ſtändigen Bewohnern der 1½ Millionenſtadt mit dem unabläſſigen und rüſtigen Fortſchritt der Forſchung immer und immer wieder Neues und Anziehendes dar⸗ zubieten ſein wird, ſelbſt abgeſehen davon, daß das jedes⸗ mal Vorhandene gar nicht auf einmal zu erfaſſen iſt, und daß auch der Wechſel der Himmelserſcheinungen und das unabläſſige Hervortreten neuer oder ſeltener Erſcheinungen dieſer Art ſtets friſchen Anreiz ausüben wird. Welche hohe allgemeine Bedeutung aber die ſtändige und leichte Zugänglichkeit aller dieſer Anſchauungen er⸗ langen kann, habe ich in dem erſten Heft der Zeitſchrift „Himmel und Erde“ nachzuweiſen verſucht, indem ich zu⸗ gleich erörtert habe, in welcher Weiſe die Zeitſchrift der Geſellſchaft mit den anderen Veranſtaltungen derſelben zu jenen Zielen zuſammenzuwirken haben wird. Humboldt. — Januar 1889. 33 Der Bau der Schauſtätte im Ausſtellungspark, welcher wegen der mit der Begründung der Geſellſchaft verknüpften unvermeidlichen Formalitäten erſt im Juni begonnen werden konnte, iſt inzwiſchen im Rohen nahezu vollendet worden. Die innere Einrichtung ſoll im Winter durchgeführt und der Betrieb im Frühjahr 1889 begonnen werden. Die bisher verfügbaren Mittel haben es bedingt, daß die Dimenſionen des Gebäudes zunächſt etwas eingeſchränkt werden mußten. Auch wird dasſelbe infolge der Nähe des gewaltigen Olympiatempels kleiner erſcheinen, als es in Wirklichkeit iſt. Immerhin wird es Raum genug enthalten, um nötigenfalls 800 bis 1000 Perſonen zu gleicher Zeit aufzunehmen und dieſelben, ſei es im natur— wiſſenſchaftlichen Theater, jet es in dem großen Apparaten— ſaal, oder in dem Raum für Projectionsdarſtellungen oder auf der Plattform und in der Kuppel der Stern— warte mit ſehens- und hörenswerten Dingen zu be— wirten. Bei der Bemeſſung des Eintrittsgeldes werden Er— höhungen über einen einheitlichen Satz nur für beſtimmte Abteilungen von Plätzen im naturwiſſenſchaftlichen Theater, dagegen anſehnliche Ermäßigungen in allen denjenigen Fällen eintreten, in welchen der Einzelne als Mitglied einer größeren zuſammengehörigen Gruppe von Beſuchern von vornherein geringere Mühwaltungen und Auf— wendungen beanſprucht. Aber auch im Intereſſe der intenſiveren und voll— ſtändigeren Berückſichtigung vereinzelter Beſucher wird von den Beamten der Geſellſchaft Bedacht darauf genommen werden, thunlichſt größere Gruppen, welche gemeinſam zu führen find, zu bilden. Die Einrichtungen werden dem— gemäß ſo getroffen ſein, daß in den kleinen Pauſen, welche dabei verfließen, dem Einzelnen nicht nur die Beſichtigung aller derjenigen Dinge, welche keiner beſonderen Erläute— rung oder keines beſonderen Betriebes bedürfen, offen ſteht, ſondern auch ein Leſezimmer mit naturwiſſenſchaft— lichen Zeitſchriften und dergleichen zur Verfügung iſt. In ſolchen Fällen endlich, in denen ein Einzelner näheren Einblick in beſondere Teile der Veranſtaltungen bis zur übungsweiſen Benutzung derſelben in den frühen Morgen- oder ſpäten Abendſtunden wünſcht, wird gegen Vereinbarung beſonderer Honorare ebenfalls das größte Entgegenkommen bewieſen werden. Andrerſeits ſoll, ſobald die Einnahmen der Geſell— ſchaft dies geſtatten werden, in der Ermäßigung der Ein— trittsgelder für Vereine und dergleichen möglichſt weit gegangen werden, wenn es ſich um die Wünſche ganz un— bemittelter Beſucher handeln wird, welche in ſehr frühen Morgen- oder ſehr ſpäten Abendſtunden berückſichtigt werden können. 2 Hinſichtlich der wirtſchaftlichen Lage der Geſellſchaft ſind in den öffentlichen Blättern einzelne irrige Auf— faſſungen laut geworden, zu deren Berichtigung ich Fol— gendes bemerke. Obwohl ſich ſelbſtverſtändlich die ganze Höhe der Aus— gaben für die erſte Einrichtung und für den erſten Betrieb nicht ſofort beim Beginn der Verhandlungen für die Be— ſchaffung des Kapitals überſehen und noch viel weniger über die Einnahmefähigkeit der Veranſtaltungen auch nur näherungsweiſe eine ſolide Angabe machen ließ, iſt Humboldt 1889. doch ſchon bei der Feſtſetzung des für die Konſtituierung der Geſellſchaft zuſammengebrachten Kapitals von 205 000 Mark in der konſtituierenden Verſammlung widerſpruchslos ins Auge gefaßt worden, daß vorausſichtlich noch eine zweite Emiſſion von Aktien vor der Fertigſtellung der Einrichtungen erforderlich ſein werde, und die Geneigtheit hierzu iſt auch aus der Mitte der bisherigen Aktionäre zweifellos hervorgetreten. Es iſt daher als keine Notmaßregel zu betrachten, wenn der Vorſtand der Geſellſchaft ſich in den letzten Monaten an die ſtädtiſchen Behörden mit der Beantragung eines jährlichen Zuſchuſſes gewendet hat, vielmehr iſt dieſer Schritt ſchon vor der Begründung der Geſellſchaft ins Auge gefaßt und auch die Geneigtheit zur Berückſichtigung desſelben an einflußreichen und kompetenten Stellen der ſtädtiſchen Verwaltung ſchon damals bezeugt worden. Denn jener Zuſchuß wird überhaupt nichts anderes darſtellen, als eine Art von Abonnement der ſtädtiſchen Verwaltung auf die von den Leitern des ſtädtiſchen Schulweſens als höchſt nützlich und willkommen begrüßten Leiſtungen, welche die Geſellſchaft den ſtädtiſchen Schulen gewähren wird. Die Ausgaben der ſtädtiſchen Verwaltung für dieſe Bereicherung der Anſchauungsmittel im ſtädtiſchen Schule unterricht würden vorausſichtlich noch anſehnlich größer als der zunächſt ins Auge gefaßte Zuſchuß werden, wenn der Eintritt der Schüler der ſtädtiſchen Schulen an die— ſelben Bedingungen geknüpft wurde wie derjenige des großen Publikums. Es iſt daher auch vorbehalten worden, daß das Maß der Beanſpruchung der Einrichtungen der Geſellſchaft ſeitens des ſtädtiſchen Schulweſens ſpäterhin erfahrungsmäßig feſtzuſtellen und erſt dann in den folgenden Jahren eine definitivere Abſchätzung des von ſeiten der Stadt zu gewährenden Zuſchuſſes vorzunehmen ſein wird. In Betreff des Zeitſchriftunternehmens der Geſell— ſchaft jet es mir geſtattet noch einige Geſichtspunkte her⸗ vorzuheben, welche dem Vorſtande der Geſellſchaft bei der Begründung dieſes litterariſchen Organs vorgeſchwebt haben. Es liegt auf der Hand, daß die durch eine ſolche Zeitſchrift in hohem Grade zu unterſtützende Weckung und Nährung des naturwiſſenſchaftlichen Intereſſes in weiteren Kreiſen auch für die wirtſchaftliche Lebensfähigkeit der Veranſtaltungen der Geſellſchaft von der größten Bedeutung iſt. Aber es kommt nicht bloß auf eine ſolche unmittel— bare Wirkung der Zeitſchrift an, denn man könnte hier— gegen den Einwurf erheben, daß in betracht der Kon— kurrenz, welche dieſelbe anderen naturwiſſenſchaftlichen Zeitſchriften bereitet, und in gleichzeitiger Erwägung, daß die Aufnahmefähigkeit des Publikums für derartige Dinge ſowohl in geiſtiger als in geldlicher Beziehung eine nur langſam zu erweiternde Grenze habe, die Geſamtheit der naturwiſſenſchaftlichen Anregungen durch die neue Zeitſchrift nicht weſentlich erhöht, ja daß vielleicht die Vielartigkeit und Lebendigkeit dieſer Anregung durch eine Art von Monopoliſierung mittelſt eines größeren Organs möglicherweiſe vermindert werde. Es erſcheint daher, um Mißſtimmungen zu verhüten, von Wichtigkeit, auf eine Seite dieſer Angelegenheit hin— zuweiſen, welche nicht ſofort in die Augen fällt, aber doch von großer allgemeiner Bedeutung iſt. In England, 5 34 Humboldt. — Januar 1889. Frankreich und Nordamerika beſtehen große naturwiſſen⸗ ſchaftliche Blätter von populärer Richtung, welche bei⸗ ſpielloſe wirtſchaftliche Erfolge aufzuweiſen haben, obwohl dasjenige, was ſie dem Publikum bieten, nach Form und Inhalt in den Augen deutſcher Beurteiler keineswegs den außerordentlichen Anteil, welchen das Publikum durch Kauf und Abonnement derſelben bezeugt, zu rechtfertigen ſcheint. Der Grund dieſer äußeren Erfolge, welche natür⸗ lich mit einer entſprechend ausgebreiteten ideellen Wirk⸗ ſamkeit verbunden ſind, liegt in dem viel allgemeineren Entgegenkommen, welches das große Publikum jener Länder, obwohl es zur Zeit im Durchſchnitte kaum reicher ſein wird als das unſere, dieſem Zweige der Litteratur durch Kauf von Büchern und Zeitſchriften beweiſt. Das Verhalten des deutſchen Publikums iſt in dieſer Beziehung bisher ein anderes geweſen. Zwar iſt auch in dieſer Richtung ein Aufſchwung bei uns deutlich erkennbar, insbeſondere iſt es nachweisbar, daß zwar jedes neue litterariſche Unternehmen der in Rede ſtehenden Art einen kleinen Rückgang der Einnahmen der bereits beſtehenden Unternehmungen mit ſich bringt, daß jedoch dieſe Rück⸗ gänge in der Regel nach kurzer Zeit dadurch ausgeglichen werden, daß ſich die Aufnahmefähigkeit des Publikums für dieſe Dinge durch das Emporkommen neuer Er⸗ ſcheinungen zwar allmählich aber doch ganz erheblich er⸗ weitert, ſo daß man annehmen darf, ein tüchtiges, lebens⸗ volles Organ dieſer Art werde auch der Erhöhung der Teilnahme unſeres Publikums an den verwandten litte⸗ rariſchen Erſcheinungen ſchließlich zugute kommen. Die frühere geringe Neigung unſeres Publikums zur Anſchaffung von Büchern und Zeitſchriften hat aber zur Folge gehabt, daß jetzt vielfach die Kaufpreiſe der litte⸗ rariſchen Erzeugniſſe in Deutſchland unverhältnismäßig höhere ſind als in anderen Ländern, weil natürlich die geringere Anzahl der Abnehmer in gewiſſem Grade durch eine Erhöhung der Preiſe aufgewogen werden muß. Am ablehnendſten verhalten ſich daher in vielen Fällen dieſer Ozeanographiſche Sorſchungen. Vom 2. bis 6. Oktober war das engliſche Kanonenboot „Jakal“ in Kiel. Das⸗ ſelbe diente den Edinburger Gelehrten Dr. Gibſone und Dr. Stuart nebſt zwei begleitenden Studierenden für eine wiſſenſchaftliche Reiſe zur Unterſuchung des Meeres. Dieſe Reiſe ging von Schottland nach Bergen, Kopenhagen, Kiel, Helgoland und zurück nach Schottland. Die Herren ge⸗ hörten zur ſchottiſchen Fiſchereikommiſſion des Parla⸗ ments, welche vor kurzem eine neue und mehr wiſſen⸗ ſchaftliche Geſtaltung erlangt hat, während ſie früher lediglich auf ſogenannte praktiſche Männer zugeſchnitten war, was ſich nicht bewährt zu haben ſcheint. Die Herren erklärten es als Hauptaufgabe ihrer Fahrt, ſich mit den Methoden der preußiſchen Miniſterialkommiſſion zur wiſſen⸗ ſchaftlichen Unterſuchung der deutſchen Meere vertraut zu machen und mit dieſer eine engere Verbindung anzuknüp⸗ fen. England war bisher in der Methodik der Unter⸗ ſuchung ſeinen eigenen Weg gegangen, während in den anderen europäiſchen und außereuropäiſchen Staaten, ſo⸗ weit dort phyſikaliſche Meeresunterſuchungen offiziell be⸗ trieben werden, die Inſtrumente der Kommiſſion ange⸗ nommen worden ſind. Zuletzt hat ſich noch Japan dieſer Form der Unterſuchung angeſchloſſen. Die ſchottiſche Kommiſſion hat die Inſtrumente für die Beſtimmung des ſpezifiſchen Gewichts u. ſ. w. mitgenommen und ſich auf einer Ausfahrt die Netze und das Verfahren zur Be⸗ heben zu helfen. Art gegen die deutſche Litteratur gerade diejenigen, ſonſt in geiſtiger Beziehung beſonders angeregten deutſchen Kreiſe, welche im fernen Auslande leben und von einer billigeren nationalen Litteratur umgeben ſind. Gewiſſe Ausnahmen, welche in obigen allgemeinen Zuſtänden bis⸗ her ſchon eingetreten ſind, beweiſen es erſt recht, daß wenigſtens ein Teil der mitwirkenden Urſachen bei den bisherigen geringeren Erfolgen der deutſchen Zeitſchriften⸗ litteratur wirklich von obiger Art ſind. Es wird daher eine Sache von immer größerer Wichtigkeit für die deutſche litterariſche Produktion, den Konkurrenzkampf mit der entſprechenden Produktion anderer Länder durch die Her⸗ ſtellung und Verbreitung von ſolchen litterariſchen Organen kräftig aufzunehmen, welche ſich nach Form und Inhalt den entſprechenden Organen anderer Länder mindeſtens an die Seite ſtellen können und doch trotz billigerer Kauf⸗ preiſe und anfänglicher geringerer Beteiligung des Publi⸗ kums genügend lange und intenſiv aufrechterhalten werden, um die deutſche litterariſche Produktion durch Erwerbung eines größeren Kreiſes von Käufern auch wirtſchaftlich auf die Höhe der entſprechenden Produktion anderer Länder Es iſt mit Sicherheit zu erwarten, daß das deut ſche Publikum im Vaterlande und im Auslande ſich auch in dieſer Hinſicht bald auf der Höhe ſeiner Auf⸗ gabe zeigen wird. Tritt dieſer Erfolg auch nur bis zu einem kleinen Bruchteil der Abonnentenzahl der ent⸗ ſprechenden Blätter des Auslandes ein, ſo wird auch die Zeitſchrift der Geſellſchaft Urania ein keineswegs neben⸗ ſächliches Element des erhofften wirtſchaftlichen Gedeihens derſelben bilden. Und dieſer Erfolg würde auf die Dauer auch der geſamten Zeitſchriftenlitteratur verwandter Richtung um ſo mehr zu Teil werden, als die Zeitſchrift „Himmel und Erde“ nach Geſichtspunkten, die auf umfaſſenden Erfahrungen beruhen, keineswegs monopoliſierende Ab⸗ ſichten hegt, vielmehr große Gebiete der naturwiſſenſchaft⸗ lichen Forſchung, insbeſondere die geſamte Biologie, von vornherein aus ihrem Programm ausgeſchieden hat. ſtimmung des Planktons vorführen laſſen ſowie auch von den botaniſchen Unterſuchungen eingehend Kenntnis genommen, doch hatte das zoologiſche und botaniſche Mit⸗ glied des Fiſchereiamts von Schottland die Tour nicht mitgemacht, die daher weſentlich den phyſikaliſchen und chemiſchen Verhältniſſen des Meeres galt. Der ſchottiſchen Kommiſſion ſtehen außer einem großen Stab vier Dampf⸗ böte und ein Segelboot zur Verfügung. Es iſt bemerkens⸗ wert, daß wir in Deutſchland für ſolche Zwecke kein Schiff haben, ja daß nicht einmal ein feſtangeſtellter Beamter für die wiſſenſchaftlichen Arbeiten vorhanden iſt, alle Kräfte arbeiten im Nebenamt. Abgeſehen von dem Budget der Kommiſſion in Kiel, das etwa 9000 Mark beträgt, giebt das Reich jetzt für die Förderung der Intereſſen der Fiſcherei jährlich 200 000 Mark her. Für eine rationelle Verwendung einer ſolchen Summe bedarf es durchaus eines wiſſenſchaftlichen, ſich voll der Sache widmenden Beirates und eines Fahrzeuges, behufs Inſpektion der betreffenden Verhältniſſe. In dieſer Richtung haben wir viel von den anderen Staaten zu lernen. Hn. Das Laboratoire d’Erpétologie in Montpellier ift ein Tauſch⸗ und Kaufverein unter der Leitung unſeres geſchätzten Mitarbeiters, des bekannten Herpetologen Dr J. v. Fiſcher. Das Laboratoire, bei welchem jeder Reiſende ſeine lebende Ware verkaufen kann, zählt 147 Mitglieder Humboldt. — Januar 1889. 35 in Europa und 203 in anderen Erdteilen. Der Zweck des Vereins beſteht darin, jedem Mitglied Reptilien und Amphibien aller Art zum Selbſtkoſtenpreis zugänglich zu machen und das Studium dieſer Tiere zu erleichtern. Der Ueberſchuß wird käuflich abgegeben und der Reingewinn unter die Mitglieder verteilt. Geſchenkte Tiere werden nicht verkauft. Ein jedes Mitglied verpflichtet ſich, jährlich mindeſtens zwei Aufſätze für irgend eine Zeitſchrift des Que oder Auslandes zu ſchreiben. Das dafür gelöſte Ho- norar fließt in die Geſellſchaftskaſſe und wird am Schluß des Finanzjahres gleichmäßig repartiert. Außerdem ſorgen die Mitarbeiter für den Vertrieb der überſchüſſigen lebenden Tiere und für den Verkauf aller geſtorbenen unter Anrechnung von 50% des Reingewinns. Das Laboratoire beſitzt einen Ermunterungsfonds, von Mitgliedern geſtiftet, der junge Leute auf ſeine Koſten in unerforſchte Provinzen oder Welt— teile ausſendet, um zu ſammeln und ſich zu belehren. Wufer- dem ſind Preiſe für die beſten Sammler ausgeſchrieben, die aus einem Mikroſkop (Seif in Jena) oder aus einer Anweiſung zum Ankauf von Büchern oder auf weitere Reiſen beſteht. Jedermann kann Mitglied werden, ſobald er nachweiſt, daß er ſchafft (produit) und keinen Handel treibt. Seltene Tiere werden allen Mitgliedern, die beweiſen können, daß ſie über gehörige Einrichtungen verfügen, unentgeltlich in Pflege gegeben, falls jie verſprechen, die Refultate in bezeich— neten Zeitſchriften zu veröffentlichen. Das Honorar kaſſieren ſie für ſich ein. Später wird eine Vereinszeitſchrift er— ſcheinen. Jede Kontravention (bis jetzt noch nie dageweſen) wird mit Ausſtoßung aus dem Verbande geahndet. Das perſönliche Ehrenwort iſt die einzige Garantie nächſt der Unterſchrift des Mitgliedes; Prozeſſe werden nicht geführt, ſondern nur die Namen als .manquant a sa parole“ veröffentlicht. Bis jetzt erzielt das Inſtitut monatlich 1000 bis 1200 Fres. Reingewinn. Der Direktor iſt der einzige verantwortliche Leiter und hat nur den Comptable (Buch— halter) als Hilfsperſon. D. Angeregt durch Profeſſor Dr. Schwalbe bildete ſich unter dem Vorſitz von Dr. Lübke vor zwei Jahren in Berlin eine „Vereinigung zur Förderung des naturwiſſenſchaft⸗ lichen Anterrichts in den Berliner Gemeindeſchulen“. Dieſe Vereinigung hat eine rege Thätigkeit entfaltet. Die biologiſche Methode im naturgeſchichtlichen Unterrichte, die von Roßmäßler begründet iſt und neuerdings von Fr. Junge in Kiel eine ſehr fruchtbare Fortbildung erfahren hat, iſt durch ſie auf die eigenartigen Verhältniſſe der Berliner Schule angewendet und durch theoretiſche und praktiſche Arbeiten gefördert worden. Daneben haben alle anderen Zweige des naturwiſſenſchaftlichen Unterrichts, die in Berlin einen eigenartigen Betrieb erfordern, eine eingehende Beſprechung erfahren. Um für ihre Beſtrebungen einen weiteren Rahmen zu gewinnen, hat ſich die Vereinigung nun dem „Berliner Lehrerverein“ als ein beſonderer Ausſchuß desſelben enue: ſchloſſen. Preisaufgaben. Die holländiſche Geſellſchaft der Wiſſen⸗ ſchaften in Harlem ſchreibt die nachſtehenden Preisbewer— bungen aus: 1) Die Geſellſchaft verlangt eine genaue anatomiſche Beſchreibung der Kopfnerven der Schlangen nebſt den not— wendigen Zeichnungen. 2) Man wünſcht vergleichende embryologiſche Unter— ſuchungen über die Entwickelungsgeſchichte der Allantois; dem Text der Arbeit müſſen Figuren beigegeben ſein, ge— eignet, das Verſtändnis desſelben zu erleichtern. 3) Die Innervation der Muskeln bei den Säugetieren ſoll einer vergleichend anatomiſchen Unterſuchung unter- worfen werden. 4) Man verlangt eine auf detaillierte Verſuche geſtützte kritiſche Ueberſicht der Bakterienarten, welche das Trink— waſſer enthält vor und nach ſeiner Filtration durch Sand, und Methoden, durch welche dieſe Arten erkannt werden können. 95) Es ſoll unterſucht werden, auf welche Weiſe die ver- ſchiedenen Teile der Ascoſporen aus dem Protoplasma des Ascus entſtehen. 6) Man wünſcht eine experimentelle oder theoretiſche Studie, welche in irgend einer Beziehung unſere Kennt⸗ niſſe der elektrodynamiſchen und Induktionserſcheinungen erweitert. 7) Experimentell oder theoretiſch werde unterſucht die Reflexion der Wellen in elaſtiſchen Röhren für den Fall der Aenderung des Durchmeſſers der Röhre und der Dicke oder der Elaſtizität ſeiner Wandungen. Man würde gern ſehen, wenn dieſe Unterſuchung auch den Einfluß der Aende— rung der Dichte der Fliifjigteit auf die Reflexion umfaſſen würde. 8) Es werde experimentell für einen oder mehrere Stoffe der Einfluß beſtimmt, den die Kompreſſion in der Richtung der elektromotoriſchen Kraft und ſenkrecht zu dieſer Richtung ausübt und auf das ſpezifiſche Induktions⸗ vermögen. 9) Für eine neue Reduktion der Sternbeobachtungen, die La Caille am Kap der guten Hoffnung gemacht und in dem „Coelum stelliterum Australe“ veröffentlicht hat, iſt es notwendig, mit Genauigkeit die vier mikrometriſchen Netze zu kennen, deren La Caille ſich bedient hat. Von dem einen von ihnen, dem „retieulus medius“, iſt die Form durch Fabricus beſtimmt worden in ſeiner Diſſer⸗ tation: „Unterſuchungen über La Cailles „retieulus me- dius, Helſingfors 1873. — Die Geſellſchaft verlangt eine möglichſt exakte Beſtimmung der Form der drei anderen mikrometriſchen Netze und ferner eine genaue Beſtimmung der Lage der vier Netze an den verſchiedenen Beobachtungs⸗ abenden, ſo daß man daraus leicht Tabellen ableiten kann, um mittelſt Beobachtungen die ſcheinbaren Werte der Rektascenſion und der Deklination zu berechnen. Für jedes der drei Netze wird man als Beiſpiel die Berechnung einer ähnlichen Reduktionstabelle ausführen müſſen. Die Be⸗ werber werden aufmerkſam gemacht auf die Arbeit des Herrn Powalky im „Report of the United States Coast Survey 1882". — Aus den allgemeinen Beſtimmungen ſei bemerkt, daß die Preiſe für die genügende Beantwortung einer jeden der geſtellten Fragen nach Wahl des Autors in einer gol— denen Medaille oder in der Summe von 150 holl. Gulden beſteht; ein Extrapreis von 150 Gulden kann bewilligt werden, wenn die Abhandlung desſelben wert gefunden wird. Die Abhandlungen find (mit verſchloſſener Namens⸗ angabe) holländiſch, franzöſiſch, lateiniſch, engliſch, italie- niſch oder deutſch (aber nicht mit deutſchen Lettern) abgefaßt, bis 1. Januar 1890 frei an den Sekretär der Geſellſchaft, Herrn Prof. J. Bosſcha in Harlem zu ſenden. D. Die techniſche Hochſchule in Darmſtadt hat fol— gende Preisaufgaben ausgeſchrieben: Die im Eiſen der Wechſelſtromtransformatoren durch Erwärmung auftreten- den Energieverluſte ſind teils auf Induktionsſtröme, teils auf molekulare Reibung beim Wechſel der Richtung der Kraftlinien zurückzuführen. Es iſt durch Verſuche feſtzu— ſtellen, welchen Anteil unter verſchiedenen Bedingungen beiderlei Urſachen an dem Geſamtverluſt haben. Die Löſungen ſind bis 1. Mai 1889 einzureichen. Nähere Auskunft erteilt der Direktor der Techniſchen Hochſchule Prof. Dr. Kittler. D. Die ruſſiſche Regierung hat einen Preis von 5000 Rubel für die beſte Schrift über das Fiſchgift aus⸗ geſetzt. Zur Bewerbung werden die Gelehrten aller Na- tionen eingeladen. Die Arbeiten müſſen bis zum 1. Jan. 1893 dem ruſſiſchen Domänenminiſterium eingereicht werden. D. 36 Humboldt. — Januar 1889. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Januar 1889. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 0 1088 Algol Totale Sonnenfinsternis in Nordamerika 1 Merkur erreicht am 30. ſeine 2 1359 Y Cygni Venus und Mars in Konjunktion 2 größte öſtliche Ausweichung 3} 1028 U Cephei 3 von der Sonne und wird am 4 734 Algol 4 Ende des Monats dem bloßen 5 138 Y Cygni 18 38" 9) II E 5 Auge unter günſtigen Luft⸗ ia 424 Algol 1281 U Corone 1889 6 Libree 7 verhältniſſen tief im Weſtſüd⸗ 8 D 1085 U Cephei 1387 Y Cygni 175 mae A @ III 8 weſten eine Stunde nach 19 46™ Sonnenuntergang ſichtbar. 10 7. 45 E. 1 l. Ceti 10 Venus wandert aus dem Stern⸗ gh Sm ALS 4 bild des Steinbocks durch den 11 1387 Y Cygni Uranus in Quadratur 11 Waſſermann in das der Fiſche. 12 11 14 PU eta 12 Sie geht anfangs um 7%/4, I een 6 zuletzt erſt um 9 Uhr, alſo 13 926 S Cancri 1081 U Cephei 155 27" F. 1 BAC 1051 13 mehr als 4 Stunden nach der 16 29m f. h. C 6 ½ Sonne unter und ſtrahlt hell⸗ 14 1326 Y Cygni 15" 22m 2 A @ II 1885 5 Libre 14 leuchtend in jener ſternarmen Ln San 9 Gegend des Abendhimmels. 16 @ Partielle Mondfinsternis 16" 51m ö 1 61 16 Am 2. geht fie 17/1 Mond⸗ 18 30m ge (gs durchmeſſer ſüdlich an Mars 17 1386 Y Cygni 17 vorüber. Mars wandert recht⸗ 18 98 U Cephei 1586 Algol 9» Saturn nahe 18 läufig im Sternbild des Waſſer⸗ 20 1385 Y Cygni beim Mond 20 mannes und geht anfangs 21 1254 Algol 1851 6 Libree 17 58. ö gem 21 kurz vor und zuletzt kurz nach 20" 330 8 Uhr abends unter. Jupiter 23 94 U Cephei 1384 Y Cygni 18 44m t 2 01 23 taucht aus den Sonnenſtrahlen 20h 59m wieder auf, anfangs kurz nach 24 € 983 Algol 1884 U Coron 24 6 ½, zuletzt bald nach 5 Uhr 25 195 297 F. h.) O Libre 25 morgens aufgehend. In der 20h 32 w J. d. 9 4½ ſehr kurzen Zeit ſeiner Sicht⸗ 26 1324 Y Cygni 1689 U Ophiuchi 17 43™ A III A 26 barkeit am Morgenhimmel 27 621 Algol 27 laſſen ſich von ſeinen 3 erſten 28 951 U Cephei 1726 6 Libre 28 Trabanten doch einigemal 29 1383 Y Cygni 29 | deren Schatten auf der Scheibe 300 © Merkur in grésster östlicher Ausweichung 30| und bet ſehr günſtiger Luft 31 161 U Corone 17 50m N I E 31 auc) der Eintritt des J. am 31., der des II. Trabanten am 5. (6 Uhr 38 Min. am Morgen des 6.) und der Austritt des III. aus dem Schattenkegel des Hauptkörpers am 27 morgens um 5 Uhr 43 Min. beobachten. Saturn, noch immer rückläufig im Sternbild des Löwen und die von den Hauptſternen desſelben gebildete Sichel zu einem Kranze ergänzend, geht anfangs um 7½, zuletzt um 5 Uhr abends auf und iſt dann die ganze Nacht über dem Horizont. Uranus, im Sternbild der Jungfrau, kommt am 11. in Quadratur mit der Sonne und geht am 25. von der rechtläufigen in die rückläufige Bewegung über. Er geht anfangs um 13 ¼, zuletzt um 11¼ Uhr nachts auf. Neptun bleibt noch rückläufig im Sternbild des Stiers. Von den Veränderlichen des Algoltypus bietet A Tauri keine Beobachtungsgelegenheit dar, weil ſeine Minima in frühe Morgenſtunden fallen, zu welchen der Stern ſchon untergegangen iſt. Das Minimum von 8 Cancri am 13. iſt zur Beſtimmung der eigentümlichen Lichtkurve und des kleinſten Lichtes wieder ſehr günſtig. U Ophiuchi tritt aus den Sonnenſtrahlen heraus, und bietet am 26. eine Beobachtungsgelegenheit für ſein kleinſtes Licht dar. Am 1. findet eine nur in Nordamerika ſichtbare totale Sonnenfinſternis ſtatt. Die partielle Mondfinſternis in der Nacht des 16. auf den 17. iſt dagegen in ihrem Hauptverlauf ſichtbar. Der Mond tritt in den Halbſchatten der Erde um 15 Uhr 33 Min. (d. i. 3 Uhr 33 Min. morgens am 17.) und in den Kernſchatten um 16 Uhr 52 Min. (d. i. 4 Uhr 52 Min. morgens) und verläßt denſelben um 19 Uhr 54 Min. (d. i. 7 Uhr 54 Min. morgens). Die Mitte der 7 der Mondſcheibe bedeckenden Finſternis findet um 18 Uhr 23 Min. (d. i. 6 Uhr 23 Min. morgens) ſtatt. Der Mond geht vom Halbſchatten noch bedeckt kurz vor 8 Uhr unter. Der Komet von Barnard (September 2) bewegt ſich im Sternbild des Walfiſches mit abnehmender Helligkeit und Geſchwindigkeit nach Norden zu. Dr. E. Hartwig. Vulkane und Erdbeben. Ueber den Ausbruch des Vulkans Bandar⸗San er⸗ fahren wir noch folgende Einzelheiten: Die offizielle Totenliſte giebt 395 Verunglückte an, 54 ſind außerdem lebens⸗ gefährlich verwundet, 194 Häuſer zerſtört worden. Inner⸗ halb einer halben Stunde ſeit dem Ausbruch waren 14 Quadratmeilen unter Trümmern, Schmutz, Aſche oft haushoch vergraben; die Hälfte des Bandaibergs war herabgeſtürzt und nach allen Richtungen in großen und kleinen Blöcken umhergeſchleudert und ein Moraſt bedeckte meilenweit das Land bis zur Höhe von 10 Fuß an einzelnen Stellen. Lava iſt nicht gefunden worden, da⸗ gegen wurde eine dünne Schicht heißer, feiner, grauer Humboldt. — Januar 1889. 37 Aſche über die Trümmer geſtreut. 27000 Acres Wal- dung find zerſtört, 400 Acres Saatfelder verſchüttet und 8000 Acres Reisfelder drohen Waſſervorräte entſtandenen Dürre zum Opfer zu fallen. 800 Perſonen ſind obdachlos und 1600 verarmt. Nachrichten von den Philippineninſeln melden, daß bei dem gegen Ende Juli auf jenen Inſeln erfolgten Ausbruche des alten Vulkans Mayon 300 Menſchenleben verloren gingen und durch die Lava und Aſche mehrere hundert Häuſer zerſtört wurden. Auch waren Vulkane auf den Inſeln der Biſſayasgruppe in Thätigkeit und befürchtet man dort ebenfalls einen ſchrecklichen Lebensverluſt. Der Kapitän Weſter des däniſchen Schoners „Harbot“ berichtet, daß, als er auf ſeiner Reiſe etwa 200 engliſche Meilen von Island entfernt war, die Atmoſphäre plötzlich ſo dunkel wurde, daß er mehrere Stunden nicht wußte, wohin er ſegelte und ſeinen Kurs verlor. Er glaubt, daß ein außerordentlich heftiger Ausbruch des Vulkans Hekla auf Island der Erſcheinung zu Grunde lag. Am 10. September wurde ein Erdbeben auf Mexican Rails verſpürt. Am 18 September gegen 3½ Uhr früh wurde durch ganz Oberkrain, entlang dem Oberlaufe der Save, ebenſo wie in einzelnen angrenzenden Ortſchaften von Innerkrain eine mehrere Sekunden anhaltende Erderſchütterung ver— ſpürt. Dieſelbe hatte im allgemeinen die Richtung von Südweſt nach Nordoſt und machte ſich durch zwei heftige Stöße bemerkbar, welchen ein unterirdiſches Dröhnen und Rollen nachfolgte, ſo daß viele Leute aus dem Morgen— ſchlafe geweckt wurden, ohne daß aber irgend welche ſchlimmen Folgen dieſer Erdſtöße an den Häuſern und Kirchtürmen zu bemerken geweſen wären. Am 9. September wurde die Stadt Wig ion (Voſtiza) am korinthiſchen Meerbuſen nebſt den umliegenden Dörfern Mourla, Seljanilifa, Kamaras und Lampiri von ftarfen Erdbeben heimgeſucht. Die Erſchütterungen begannen am Sonntag nachmittags 5 Uhr 10 Minuten und dauerten bis zum andern Morgen 6 Uhr 12 Minuten. Die ſtärkſten Stöße geſchahen zu Anfang und morgens um 6 Uhr, letztere ziemlich lange dauernd (nach einigen über 10 Se— kunden). Die anderen Beben waren gelinder; jedoch wurde während der ganzen 12 Stunden ununterbrochen ein unterirdiſches Getöſe gehört. Die Richtung des Erd— bebens erſtreckte ſich von Aigion angeblich nordweſtlich, und der Herd wäre demnach ſüdöſtlich anzunehmen. Weil aber auch außergewöhnliche Bewegung des Meeres be— obachtet wurde, glauben andere, daß der Herd im korinthiſchen Meerbuſen gelegen habe, was auch mit den Beobachtungen früherer Erdbeben übereinſtimmen würde; die Dörfer liegen weſtlich und ſüdweſtlich von Aigion. Von den hoch— gelegenen Stadtteilen aus nahm man in dem ſonſt gleichmäßig gefärbten dunkelblauen Spiegel des korinthiſchen Meer— buſens ſtellenweiſe ſtarke Trübungen wahr, welche ſämtlich nach einem nur einige Seemeilen von Voſtiza gelegenen Punkte konvergierten. An dieſer Stelle glauben viele Ein— wohner den unterſeeiſchen Herd des vulkaniſchen Aus— bruches ſuchen zu müſſen, der von Erſchütterungen der nahen Küſtengegenden begleitet wurde. Die lehmartige Färbung der Gewäſſer ſucht man durch eine Senkung des Meeresgrundes in der Umgebung des Kraters zu erklären, zumal eine ſolche unter anderen auch vor dem großen Hauſe des ehemaligen Miniſters Meſſenezes ſtattgehabt hat. Viele Menſchen erlitten Verletzungen; ein Mädchen iſt umgekommen. Der Schaden an Gebäuden iſt ſehr beträchtlich. Nur wenige Häuſer ſollen ohne Schaden geblieben und drei Viertel derſelben vollſtändig unbewohn— bar geworden ſein. Das Telegraphen- und das Kaſſen— gebäude ſind zerſtört, von den ſechs Kirchen der Stadt iſt nur eine unverſehrt. Beinahe gleichzeitig wurde ein ſtarker, angeblich an 30 Sekunden dauernder, doch un— ſchädlicher Erdſtoß in Miſſolunghi und ein ſchwächerer in Korinth verſpürt. Voſtiza liegt in einem der von Ornſtein in Athen angenommenen fünf griechiſch-klein⸗ aſiatiſchen Schüttergebiete. Das daſelbſt im Jahre 1861 beobachtete und von dem verſtorbenen Direktor der Athener der durch Verluſt der Sternwarte, Julius Schmidt, beſchriebene Erdbeben war eins der verheerendſten, welche Griechenland ſeit Menſchen— gedenken heimgeſucht haben. Bemerkenswert iſt noch, daß die meiſten verderblichen ſeismiſchen Erſcheinungen in den genannten Schüttergebieten in die Monate Auguſt und September fallen. Aigion und ſeine Umgebung war auch ſchon früher der Schauplatz ähnlicher Kataſtrophen. Im Jahre 373 v. Chr. wurde die ganze Provinz Achaja von einem furchtbaren Erdbeben betroffen und Aigion faſt vernichtet. Aehnlich im Jahre 23 n. Chr. Neuerdings in den Jahren 1861 und 1862 kam die Provinz Achaja gar nicht zur Ruhe. Am 26. Dezember 1861 wurde Aigion und das Land an der Meeresküſte öſtlich davon am ſtärkſten verwüſtet; meilenlange Erdſpalten, Riſſe und Sandkrater bedeckten das Land und alle Gebäude wurden beſchädigt. Wiederum fanden heftige Erdbeben im Januar und Februar 1862 ſtatt. Seitdem wurde Aigion ziemlich verſchont, und auch bei dem letzten großen Erdbeben im Peloponnes, als Pyrgos und Kypariſſia ſo hart betroffen wurden, blieb es unberührt. Am 19. September verſpürte man zu Aigion zwei ſtärkere Erderſchütterungen, welche zerſtörend wirkten. Der im Jahre 1883 von der Royal Society in London niedergeſetzte Ausſchuß zur Unterſuchung der Erſcheinungen, welche die gewaltigen vulkaniſchen Ausbrüche des Krakatao begleiteten oder ihnen folgten, hat jetzt ſein Werk erſcheinen laſſen. Prof. J. W. Judd hat im erſten Teil die vul- laniſchen Erſcheinungen im allgemeinen behandelt, und dieſer Teil umfaßt einen ausführlichen und gemeinverjtind- lich gehaltenen Bericht über die Geſchichte Krakataos, ſoweit ſie bekannt iſt, wie über die Ausbrüche im Mai 1883. Er kommt zu dem Schluſſe, daß dieſe Inſel mit den um ſie verſtreuten kleinen Inſelchen einſt einen großen feuer— ſpeienden Berg gebildet hätte, welcher vermutlich etwa 12000 engliſche Fuß hoch war. Die am höchſten aus dem Meere hervorragende Inſel Rakata iſt gegenwärtig nur 2600 Fuß hoch. Prof. Judd nimmt an, daß eine natür⸗ liche Senkung des Kraterraumes eine Einſtrömung des Seewaſſers zur Folge gehabt habe. Dieſe Einſtrömung verurſachte nicht allein eine plötzliche Erſtarrung der oberſten Lavaſchicht, ſondern hielt auch Gaſe gefangen, welche, ſich größtenteils im Innern der Erde entwickelnd, endlich mit unſäglicher Gewalt ſich einen Ausweg nach außen bahnten. Ungeheuere Maſſen von Geſtein, Lava und Erde, welche Kapitän Whaſton auf nicht weniger als 200 Billionen Kubikfuß ſchätzt, wurden bis zur Höhe von 10 — 13 engli- ſchen Meilen in die Luft geſchleudert und verurſachten Flutwellen, von denen die gewaltigſte (in der Sundaſtraße am Tage der eigentlichen Kriſis 50 Fuß hoch) Städte und Dörfer vernichtete, einen koloſſalen Schaden anrichtete, tauſende von Menſchen mit ſich riß und in ihrer Rückwirkung bis Mauritius, am Kap Horn und im engliſchen Kanal geſpürt wurde. General R. Strachey hat die Erſcheinungen der Luft- und Schallwellen, wie jie dem großen Ausbruche folgten, klargeſtellt. Die Luftſchwingungen wurden wieder— holt, an einigen Stationen bis ſiebenmal, wahrgenommen. Die Theorie iſt, daß die Luftgolfſtrömung von der Um⸗ gebung von Krakatao ausgehend, in ſtets größerem Kreiſe ſich ausbreitete, um dann wieder, nachdem ſie viele tauſende von Meilen fortgeraſt, nach dem Mittelpunkte der Störung zurückzukehren. In Greenwich wurde ſie 13 Stunden 45 Minuten nach dem großen Ausbruch feſtgeſtellt, ſo daß der Golfſtrom 700 engliſche Meilen in der Stunde zurück⸗ gelegt hatte, was beinahe der Schnelligkeit gleichkommt, mit welcher der Schall forteilt. Die Schallbewegungen, welche durch den Ausbruch des Krakatao verurſacht wurden, blieben natürlich auf eine kleinere Fläche begrenzt, als die Luftſtrömungen, doch hat man den Ausbruch innerhalb eines Radius von 2000 engliſchen Meilen rund um Kra⸗ fatao gehört, ja ſelbſt auf Rodriguez, das 3000 Meilen davon entfernt iſt. 300 Seiten des Werkes werden zum Schluß von Rollo Ruſſell, Douglas Archibald und P. M. Whipple einer ſehr ausführlichen Beſchreibung der optiſchen und atmoſphäriſchen Erſcheinungen gewidmet, welche nach dem Ausbruche beobachtet wurden. 38 Humboldt. — Januar 1889. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Oktober 1888. Der Monat Oktober iſt charakteriſiert durch kühles, vielfach heiteres Wetter mit ſchwacher Luftbewegung und durchſchnittlich normalen Regenmengen. In den erſten Tagen des Monats lag über Weſteuropa eine breite Zone niedrigen Luftdrucks, in welcher häufig Depreſſionen auftraten. Dem entſprechend war das Wetter trübe und vielfach regneriſch, wobei die Temperatur ſich unter dem Normalwerte hielt. Am 2. und 3. fielen im ſüdlichen Deutſchland beim Vorübergange einer un⸗ ſcheinbaren Depreſſion große Regenmengen, ſo vom 2. auf den 3. in Karlsruhe 28, in Altkirch 30 und in Kaiſers⸗ lautern 34 mm Regen, vom 3. auf den 4. in München 23, in Friedrichshafen 29 mm Regen. Am 5. erſchien über Südweſteuropa ein barometriſches Maximum, welches mit zunehmender Höhe ſich raſch nord⸗ wärts nach Großbritannien ausbreitete und etwa bis zum 2. daſelbſt ſtationär blieb. Dieſer Wetterlage entſprachen drigen Temperaturen. Am 18. lag der höchſte Luftdruck über Südſkandinavien, und bewegte ſich dann langſam dem Alpengebiete zu, woſelbſt er in veränderlichen Grenzen ſtationär blieb. Dieſen Aenderungen in der Luftdruck⸗ verteilung entſprechend, ging die Temperatur bei ſchwachen, meiſt nordöſtlichen Winden raſch herab, dann aber erfolgte bei ſchwacher weſtlicher und ſüdweſtlicher Luftſtrömung er⸗ hebliche Erwärmung. In mancher Beziehung lehrreich iſt die Wetterkarte vom 20. Oktober, die in den nachſtehenden Figuren wiedergegeben worden iſt. Das barometriſche Maximum liegt über dem centralen Deutſchland, das Wetter iſt ſtill, und abgeſehen von einigen Bodennebeln überall wolkenlos. Die Temperaturverhältniſſe ſtehen ganz allein unter dem Einfluſſe der Einſtrahlung und Ausſtrahlung. Dieſer Einfluß bewirkt erhebliche Depreſſion der Morgentemperatur; in einem breiten Streifen, der ſich faſt ununterbrochen vom centralen Frankreich nach Rußland erſtreckt, herrſcht Froſt⸗ wetter, während ſich der hohe Nordweſten Europas außer⸗ 7 AN) 15 4 == == yoy ee, 50 — = = il E —— mC Fae — £ 20 ORE 2 ZA a Ce = fcb. 1888 LSS 20. Cb. 1888 Lemperalur. 4 „ Lultdrack = 2 8U her morgens. . — 1 — ap ap 1 Wo Ov-Gr- m0 AN 30 über der Nordſee nördliche Winde, welche ſich nach Deutſch⸗ land als Nordweſt⸗ bis Südweſtwinde ausbreiteten, und welche die Temperatur ſehr erheblich unter ihren Normalwert herabdrückten. Bemerkenswert iſt eine Depreſſion, welche am 7. über Italien erſchien und in den folgenden Tagen nordwärts nach der Oſtſee fortſchritt. Sie war auf ihrem Wege von ſehr ſtarken Niederſchlägen begleitet; es fielen am 8. in Breslau 25, in Prag 20, in Wien 21, in Peft 38 mm, am 10. in Wiesbaden 25, in Hannover 22, in Kaſſel 27, in Magdeburg 25, in Berlin 30, in Trieſt 26 mm Regen. Am 13., als eine tiefe Depreſſion über Skandinavien fortſchritt, fand über Deutſchland eine erhebliche Erwär⸗ mung ſtatt, ſo daß in Deutſchland die Temperatur den Normalwert meiſtens überſchritten hatte. Indeſſen war dieſe Erwärmung nur vorübergehend, denn am folgenden Tage ſtellten ſich über Deutſchland wieder die nordweſt⸗ lichen Winde ein, unter deren Einfluß die Temperatur wieder herabſank. In den folgenden Tagen breitete ſich das Maximum oſtwärts aus und es lagerte ſich jetzt über Mittel⸗ und Südeuropa hoher und gleichmäßig verteilter Luftdruck mit trübem, nebeligem Wetter und ziemlich nie⸗ Der Wolkenbruch am 2. und 3. Auguſt 1888 im Ge⸗ biete des oberen Queis und Bober hat ungeheuere Ueber⸗ ſchwemmungen einiger ſchleſiſchen Nebenflüſſe der Oder hervorgerufen. Auf Grund der von 225 Stationen am preußiſchen meteorologiſchen⸗Inſtitut eingelaufenen Beob⸗ achtungen hat Hellmann eine eingehende Berichterſtattung ordentlich milden Wetters erfreut. Die Erwärmung, welche jetzt erfolgte, verbreitete ſich zuerſt über Norddeutſchland, dann aber auch nach Süden hin, am 27. hatte ganz Deutſch⸗ land, nur einige Stationen des Südens ausgenommen, einen erheblichen Wärmeüberſchuß. Die folgende Tabelle gibt eine überſichtliche Darſtellung über die Abweichungen der Morgentemperatur von den Normalwerten, ſowie die e und die Regentage für den diesjährigen Oktober: 1) Temperaturabweichungen für 3 Uhr N C.). = arls Zeit⸗ Swine⸗ Ham Mün⸗ raum Memel münde burg Borkum Kaſſel Berlin Breslau ruhe chen 1.—5. 40,4 —3,6 —4,9 —4,2 —3,5 —3.4 —0,1 —3,2 —1,8 6.— 10. —1,6 3,4 3,7 2,4 —5,9 —4,3 —2,2 —5,7 —6,7 11.—15. 20,9 —1,8 —1,2 —0,8 —1,6 —2,3 —1,3 —2,4 —1,9 16.—20. —2,8 —2,6 —3,0 —2,1 —3,2 —2,9 —2,6 —3,7 —5,5 21.—25. +0,8 —2,0 —1,7 0,8 —2,6 —1,7 —2,2 —7,3 —5,1 26.—31. 14,0 +41 44,2 43,2 44,0 44,0 +58 40,9 41,6 Monat 973,0 1,6 1,7 172 2,1 1,8 —0,4 3,6 3,2 2) Regenmenge (mm). 62 47 64 55 82 91 76 14 83 3) Anzahl der Regentage. 20 12 17 16 16 14 14 9 13 Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. gegeben. Die der Abhandlung beigegebene Regenkarte, die ſich indeſſen nur auf Schleſien erſtreckt, weift nach, daß die größte in 14 bis 18 Stunden gefallene Regenmenge im oberſten Queisthal ſich vorfindet, während das Quellgebiet des Bober etwa nur den vierten Teil davon erhielt. Im Gebiete des Mittellaufes beider Flüſſe fiel dagegen nahezu Humboldt. — Januar 1889. gleichviel Regen. Daher waren die Ueberſchwemmungen des Queis viel verheerender, als diejenigen des Bober. Die Urſache des Unwetters war eine barometriſche De— preſſion, welche vom 1. auf den 2. ſich an der oſtdeutſchen Grenze ausbildete und dann mit erheblicher Vertiefung nordwärts weiterzog, wobei über Oſtdeutſchland ſtürmiſche Nordweſtwinde zur Entwickelung kamen, die weithin von heftigen Regengüſſen begleitet waren. Die Wetterlage am 3. und 4. Auguſt iſt in dieſer Zeitſchrift auf Seite 401 durch zwei Wetterkärtchen dargeſtellt worden. Bemerkens— wert iſt, daß die große Axe des Regengebietes mit der Biographien und Profeſſor Dr. Preyer hat ſich an der Berliner Univerſität als Privatdocent habilitiert. Profeſſor Dr. Biedermann in Prag iſt als Profeſſor der Phyſiologie und Nachfolger Preyer's nach Jena berufen worden. Profeſſor Dr. E. Zuckerkandl in Graz iſt als Pro- feſſor der Anatomie und Nachfolger von Hyrtl an die Univerſität Wien berufen worden. Profeſſor Dr. Sommer iſt als Nachfolger Budges auf den Lehrſtuhl für Anatomie in Greifswald berufen worden. Profeſſor Himmelſtedt am Polytechnikum in Darm- ſtadt iſt als Profeſſor der Phyſik und Nachfolger von Röntgen nach Gießen berufen worden. Profeſſor der Hiſtologie, Dr. Ritter von Ebner in Graz iſt zum ord. Profeſſor der Medizin an der Univerſität Wien ernannt worden. Dr. F. Maurer iſt als Proſektor nach Heidelberg be— rufen worden. Dr. F. Stenger habilitierte ſich an der Univerſität Berlin für Phyſik. Dr. H. Klaatſch, Aſſiſtent der Berliner anatomiſchen Anſtalt iſt an die anatomiſche Anſtalt in Heidelberg berufen worden. An ſeine Stelle tritt Dr. W. Zimmermann aus Greifswald. Stöhr habilitierte ſich als Privatdocent für Chemie an der Univerſität Kiel. . C. Brick, bisher Aſſiſtent am Botaniſchen Muſeum in Hamburg, iſt als erſter Aſſiſtent an das Botaniſche Inſtitut zu Karlsruhe verſetzt worden. . E. Dennert, Aſſiſtent am Botaniſchen Inſtitut zu Marburg, iſt als Redakteur für Naturwiſſenſchaften und Medizin bei der „Deutſchen Encyklopädie“ einge— treten und hat ſeinen Wohnſitz nach Rudolſtadt verlegt. Profeſſor Dr. G. Schweinfurth hat Berlin verlaſſen und iſt nach der Landſchaft Jemen im ſüdl. Arabien abgereiſt, um dort über die Kaffeeſtaude und alle damit zuſammenhängenden Fragen Studien zu machen. M. Quedenfeldt hat eine neue entomologiſche For— ſchungsreiſe nach Nordafrika angetreten. Privatdocent Dr. Belohoubek wurde zum außerord. Profeſſor der allgemeinen Chemie an der böhmi— ſchen Univerſität Prag ernannt. Profeſſor Dr. G. Ru gein Heidelberg iſt zum ord. Profeſſor der Anatomie an der Univerſität Amſterdam ernannt worden. Dr. P. P. C. Hoek in Leiden hat die wiſſenſchaftliche Leitung der holländiſchen Fiſchereikommiſſion über— nommen. Privatdocent Dr. K. F. Duſén iſt zum Oberlehrer der Naturgeſchichte und Chemie am Gymnaſium zu RKal- mar in Schweden ernannt worden. Dr. F. W. Oliver iſt zum Profeſſor der Botanik am Univerſity College in London ernannt worden. H. N. Ridley iſt zum Direktor der Gärten und Forſte der Straits Settlements mit dem Wohnſitz in Singa- pore ernannt worden. Dr. Th. Carnelley, bisher in Dundee, iſt zum Pro— feſſor der Chemie an der Univerſität Aberdeen er— nannt worden. 39 Bahn der Depreſſion zuſammenfällt, ſo daß eine ſchmale Zone mit großer Regenmenge ſich von Galizien nordwärts weit über die Odermündung hinaus erſtreckt, während öſtlich und weſtlich davon die Regenmenge raſch abnimmt. In Polen, Niederöſterreich und Mähren trat ein orkan— artiger Wind auf, begleitet von ungewöhnlich ſtarkem Regenfall, welcher in Feldern und Weinbergen außerordent— lich ſtarken Schaden verurſachte. Eine Ausdehnung der Unterſuchung auf ein größeres Gebiet und Anlehnung an die allgemeinen Luftdruck- und Temperaturverhältniſſe würden durchaus lohnend ſein. W. J. B. perſonalnotizen. Dr. E. B. Wilſon iſt zum Profeſſor der Botanik und Biologie am Bryn Mawr College ernannt worden. Profeſſor Dr. Joſ. J. James von der Miami Univer⸗ fity ijt zum Profeſſor der Botanik am State Agri— cultural College von Maryland ernannt worden. Profeſſor F. Lindahl wurde als Nachfolger von Worthen zum Direktor des State Muſeum in Springfield, Ill. gewählt. Privatdozent Dr. E. F. Smith in Göttingen it als Profeſſor für analytiſche Chemie an die Univerſität von Philadelphia berufen worden. H. Pittier, Beobachter der ſchweizeriſchen Centralanſtalt in Chateau d'Oex in Waadtland ijt als Profeſſor an das Lyceum in San Joſé de Coſtarica berufen worden, auch ſind ihm die Mittel zum Bau einer meteorologiſchen Station daſelbſt und deren Aus— rüſtung mit regiſtrierenden Inſtrumenten bewilligt worden. Dr. A. Dogiel, Proſektor der Hiſtologie in Kaſan, iſt zum außerordentlichen Profeſſor der Hiſtologie in Kaſan ernannt worden. Zu Docenten an der neuen ruſſiſchen Univerſität Tomsk wurden ernannt: Maliew für Anatomie, Leh— mann für Pharmakologie, Dogel jun. für Hiſto⸗ logie, Korſchinski für Botanik, Saizew für Mineralogie, Geſechus für Phyſik, Saleßky für Chemie und Reinhardts für Zoologie. Totenlifte. Wulfsberg, Dr. N. G. I., durch zahlreiche botaniſche Abhandlungen bekannter Forſcher, ſtarb 10. Juni 1888 an Bord der Garonne in der Nähe von Arendal. Hager, A. H., amerikaniſcher Geolog, ſtarb 29. Juli in Chicago. Gries, Peter, Chemiker, ein Schüler von Kolbe in Mar⸗ burg, in deſſen Laboratorium er ſeine bahnbrechende Entdeckung der Diazoverbindungen machte, durch welche die Teerfarbſtoffinduſtrie in völlig neue Bahnen ge— lenkt wurde, ſtarb als Leiter des Laboratoriums der großen Brauerei von Allſopp in Burton on Trent im Bade Bournamouth am 30. Auguſt. Proctor, R. A., Aſtronom, der ſich namentlich durch ſeine Arbeiten über die Sonne und den Mars ver— dient gemacht hat, geb. 23. März 1834 in Chelſea, ſtarb 11. Sept. in Newyork. ; Jameſon, J. S., Botaniker und Ornitholog, der als zweiter Offizier den Major Barttelot begleitet hatte und nach deſſen Ermordung zu Tippo-Tipp gegangen war, um mit dieſem gemeinſchaftlich einen zweiten Entſatzzug ins Werk zu ſetzen, ſtarb 17. September auf der Station Bangala im Kongoſtaat. 1 Potts, T. H., Ornitholog, ſtarb kürzlich auf Neujee- land. Delaware, Verfaſſer der kürzlich erſchienenen Flora von Miquelon, iſt daſelbſt geſtorben. 5 Bubani, Pietro, Profeſſor, Verfaſſer der Flora Virgiliana, iſt geſtorben. 4 Baily, W. H., ſeit 1857 Paläontolog der geologiſchen Landesunterſuchung von Irland, ſtarb in London, 69 Jahre alt. 40 Humboldt. — Januar 1889. Yillerarijioe Runde aw G. G. Stokes, Das Lidf. 12 Vorleſungen, ge⸗ halten in Aberdeen 183881885. Nebſt 2 Vor⸗ leſungen über Abſorption und Fluorescenz des Lichtes. Autoriſterte deutſche Ueberſetzung von Dr. Otto Dziobek. Leipzig, J. A. Barth. 1888. Preis 5 M. Die vorliegenden Vorleſungen über das Licht gliedern ſich in drei Gruppen. Der erſte Kurſus handelt von der Natur des Lichtes, der zweite vom Lichte als Forſchungs⸗ mittel, der dritte von den wohlthätigen Wirkungen des Lichtes. Im erſten Teile wird der Kampf der Emiſſions⸗ theorie und Undulationstheorie des Lichtes, das Ueber⸗ wiegen der letzteren in treffender Weiſe dargeſtellt; auch wird die Beſchreibung der elementaren Thatſachen, der Polariſation und Doppelbrechung des Lichtes und eine ſcharfe Auseinanderſetzung der Interferenzgeſetze, des po⸗ lariſierten Lichtes und der Theorie der Transverſalſchwin⸗ gungen des Aethers gegeben. In dieſem Teil iſt allerdings nicht in formeller Weiſe, aber inhaltlich die mathematiſche Theorie der Lichtlehre zur Geltung gekommen und es er- fordert das Verſtändnis einen bereits geſchulten Leſer. — Im zweiten Kurſus der Vorleſungen werden die Abſorp⸗ tions⸗ und Fluorescenzerſcheinungen erörtert und deren Erklärung in ungezwungener Weiſe gegeben. Dem folgt die Beſprechung der Erſcheinungen der Drehung der Po⸗ lariſationsebene unter dem Einfluſſe von Magneten, der Spektralanalyſe und deren Anwendung auf das Gebiet der Aſtrophyſik. Beſonders im letzten Teile wird der Leſer manche intereſſante Bemerkungen finden. — Im dritten Cyk⸗ lus der Vorleſungen wird das, Licht“ allgemeiner als, „Strah⸗ lung“ angeſehen und die Wirkung der Sonnenſtrahlung auf klimatiſche und meteorologiſche Verhältniſſe, ſowie auf die beim Wachſen der Pflanzen und Atmen der Tiere ſtatt⸗ findenden Prozeſſe ausführlich diskutiert; dieſes biologiſche Kapitel ſowie die Erörterung der phyſiologiſchen, mit dem Sehen verknüpften Vorgänge werden ſehr anregend auf den Leſer wirken. Wenn das bekannte Buch von Tyndall über das Licht mehr die experimentelle Seite des Gegenſtandes verfolgt, ſo tritt uns in den „Vorleſungen“ von Stokes die Theorie in ſchlichtem Gewande entgegen; die Prin⸗ zipien der Forſchungen über das Licht konnten kaum in präciſerer und überzeugenderer Weiſe dargelegt werden, als es hier geſchehen iſt. Wien. Prof. Dr. J. G. Wallentin. W. Zenker, Die Verteilung der Wärme auf der Erdoberfläche, nach einer von der Académie des Sciences zu Paris gekrönten Preisſchrift neu bearbeitet. Berlin, Springer. 1888. Preis 2 M. Da die Sonne die einzige Wärmequelle iſt, welche bedeutend genug iſt, die Wärmeerſcheinungen unſerer Erd⸗ oberfläche zu beherrſchen, ſo darf es uns nicht wundern, daß viele und bedeutende Gelehrte ſich mit der Unterſuchung der Sonnenſtrahlung beſchäftigt haben. Dank dieſen Be⸗ ſtrebungen iſt dieſe Frage theoretiſch eingehend erörtert worden und ſind relative Werte für die Wärmemenge ab⸗ geleitet worden, welche unſere Erde je nach der Jahreszeit und Breite erhält. Aber bei allen dieſen Ergebniſſen darf nicht vergeſſen werden, daß die abſoluten Werte der Son⸗ nenſtrahlung nicht bekannt ſind, und daß man noch nicht weiß, in welchem Verhältniſſe die Sonne die Wärme in ihren verſchiedenen Breiten ausſtrahlt und ob die ausge⸗ geſtrahlte Wärme nicht periodiſchen oder unperiodiſchen Aenderungen unterworfen ift. Die vorliegende Arbeit von Zenker enthält eine ſehr eingehende und klare theoretiſche Unterſuchung dieſes Gegenſtandes. Im erſten Teile wird die Strahlung auf den Erdball als Ganzes und die Wär⸗ memenge, welche der Erde in verſchiedenen Breiten zu⸗ geſandt würde, wenn die Atmoſphäre nicht exiſtierte, be⸗ trachtet. Die Rechnungen des Verfaſſers beſtätigen den bereits früher erkannten Satz, daß beide Halbkugeln in ihrem Winter, Sommer und im Laufe des Jahres eine gleich große Wärmemenge von der Sonne erhalten. Der zweite, phyſikaliſche Teil behandelt die Einwirkung der Atmoſphäre und führt zur Feſtſtellung der Wärmemenge, welche die Erdoberfläche bei jeder Zenithdiſtanz der Sonne erhält. Der dritte Teil endlich beſchäftigt ſich mit klimatologiſchen Fragen, welche mit den vorhergehenden Unterſuchungen im Zuſammenhang ſtehen. Eine dem Werke beigegebene Karte veranſchaulicht die relativen Temperaturſchwankungen und die gleichen Kontinentalitäten. Hamburg. Dr. W. T. van Bebber. H. W. Vogel, Praßtiſche Spektralanalyſe irdi⸗ ſcher Stoffe. 2. vollſtändig umgearbeitete, ver⸗ mehrte und verbeſſerte Auflage. I. Qualitative Spektralanalyſe. Berlin, R. Oppenheim. 1889. Preis 11,5 M. Das Buch, welches bei ſeinem erſten Erſcheinen mit großem Beifall aufgenommen wurde, weil es in der That einem dringenden Bedürfnis entſprach und zum erſten⸗ mal eine Anleitung zur Benutzung der Spektralapparate bei der Analyſe organiſcher und unorganiſcher Körper zu wiſſenſchaftlichen und praktiſchen Zwecken darbot, liegt jetzt in 2. Auflage vor und zeigt eine völlig neue Geſtalt. Die enormen Fortſchritte der Spektralanalyſe im letzten Jahr⸗ zehnt hat der Verfaſſer für ſein Buch in trefflichſter Weiſe zu verwerten gewußt, und wer die beiden Auflagen miteinander vergleicht, erkennt alsbald, wie viel die Spektralanalyſe an Wichtigkeit gewonnen. Nicht nur, daß ſie jetzt auf faſt alle anorganiſchen Stoffe anwendbar iſt, ſie kann auch zur Beſtimmung der Atomgewichte mit benutzt werden, ſie gewährt Aufſchlüſſe über die Natur organiſcher Verbindungen, über deren Struktur und ihre Stellung in homologen Reihen. Für die Praxis iſt ihre Verwendbarkeit ebenfalls gewachſen und dem Geſundheits⸗ chemiker wie dem Nahrungsmittelchemiker leiſtet ſie die vortrefflichſten Dienſte. Der Verfaſſer hat es verſtanden, den etwas ſpröden Stoff in der geſchickteſten Weiſe zu be⸗ handeln, und unterſtützt von der ſehr guten Ausſtattung des Buches gibt er eine vorzüglich brauchbare Anleitung zur Benutzung der Spektralanalyſe in allen überhaupt in Frage kommenden Fällen. Der vorliegende 1. Band, welcher 7 Bogen ſtärker iſt als die erſte Auflage, behandelt nur die qualitative Spektralanalyſe, ein zweiter wird der quan⸗ titativen gewidmet werden. Friedenau. A. M. Clerke, Geſchichte der Aſtronomie waf- rend des 19. Jahrhunderts. Autoriſierte deutſche Ausgabe von H. Maſer. Berlin, Jul. Springer. 1889. Preis 10 M. Das vorliegende Buch unternimmt den Verſuch, den gewöhnlichen Leſer zu befähigen, mit geiſtigem Intereſſe dem Laufe der modernen aſtronomiſchen Forſchungen zu folgen, und ſoweit dies gegenwärtig möglich iſt, den umfaſſen⸗ den Wechſel in dem ganzen Ausſehen, den Zielen und Methoden der Wiſſenſchaft des Himmels zu ſeiner vollen Wirkung zu bringen. Die Verfaſſerin unterſcheidet „drei Arten von Aſtronomie“, die beobachtende oder praktiſche, die theoretiſche oder Gravitationsaſtronomie und die phy⸗ ſikaliſche oder beſchreibende Aſtronomie. Dieſer letzteren, welche in neueſter Zeit eine ſo großartige Entwicklung genommen hat, iſt das Buch hauptſächlich gewidmet. Eine vollſtändige oder erſchöpfende Geſchichte der Aſtronomie unſeres Jahrhunderts zu geben, lag nicht in der Abſicht der Verfaſſerin, aber auf dem beſchränkten Gebiet hat ſie Vortreffliches geleiſtet und in einer Form, die den Leſer lebhaft anregt. Das Buch muß als eine ſehr beachtens⸗ werte Erſcheinung auf dem Gebiete der populären natur⸗ Dammer. Humboldt. — Januar 1889. 41 wiſſenſchaftlichen Litteratur anerkannt werden. Fern von jeder unwürdigen Effekthaſcherei wird ein überaus reiches Material in faſt erzählendem Ton vorgetragen, und für den, der über das hier Gebotene hinausgehen will, ſind die Quellen in dankenswerter Vollſtändigkeit angegeben. Der reiche Stoff iſt in einer größeren Anzahl von Ka— piteln behandelt, ſo daß man ſich ungemein leicht zu orien— tieren vermag. Eine ſchronologiſche Tafel von 1774— 1887 mit Hinweiſungen auf den Text, ſowie ein ausführliches Autoren- und Sachregiſter beſchließen das Buch. Die Ueberſetzung iſt recht lesbar und ſo empfiehlt ſich das Werk vor vielen anderen als ein vortreffliches Hilfsmittel zur angenehmſten Einführung in die moderne Aſtronomie. Friedenau. Dammer. G. Haberlandt, über die Beziehungen zwiſchen Junktion und Cage des Zellkernes bei den Pflanzen. Jena, Guſtav Fiſcher. Preis 3,6 M. Nachdem Nägeli wahrſcheinlich gemacht, daß der Träger der Vererbungstendenzen, das von ihm ſo genannte Idio— plasma, vorzugsweiſe in den Zellkernen geſucht werden müſſe, und O. Hertwig, wie auch Strasburger dieſe An— nahme durch die nähere Unterſuchung der Kernpaarung bei der Befruchtung beſtätigt hatten, nachdem ferner Nußbaum und Gruber nachgewieſen, daß nur kernhaltige Teil— ſtücke eines einzelligen Organismus einer Regeneration fähig ſind, wurde es doppelt wünſchenswert, die Bemerkung Hanſteins, daß der Zellkern die Fähigkeit zu beſitzen ſcheine, ſich dahin bewegen oder führen zu laſſen, wo ſeine mit der Nähe wachſende Wirkſamkeit in der Zelle am nötigſten ſei, experi— mentell zu verfolgen. Dies hat Haberlandt mit vielfachem Erfolge gethan, und ſeine an Pflanzenzellen gemachten Erfah— rungen ſind zum Teil bereits von Korſchelt an Tierzellen beſtä— tigt worden. Die vorliegende Abhandlung bringt darüber nicht allein eine anſehnliche Reihe ſorgfältigſter Beobachtungen, ſondern auch eine Zuſammenfaſſung der Ergebniſſe, aus welcher die Sätze hervorzuheben ſind: Der Kern wechſelt in noch in der Entwickelung befindlichen Pflanzenzellen ſeine Lage und befindet ſich meiſt in größerer oder geringerer Nähe derjenigen Stelle, an welcher das Wachstum am lebhafteſten vor ſich geht oder am längſten andauert. Dies gilt ſowohl für das Wachstum der ganzen Zelle als ſolcher, wie auch fpeciell für das Dicken- und Flächenwachstum der Zellhaut. Iſt mehr als eine Stelle im Wachstum bevorzugt, ſo nimmt der Kern eine centrale Stellung zwiſchen denſelben ein, und zuweilen ſtellen Plasmaſtränge eine Verbindung mit denſelben her. Nach geſchloſſenem Wachstum wechſelt der Kern in der Regel ſeine Lage. Von den Specialbeobachtungen ſind beſonders noch die an ver— letzten Vaucheria-Fäden angeſtellten lehrreich. Die Chloro- phyllkörnchen ziehen ſich von der Verletzungsſtelle zurück, während die ſehr zahlreichen kleinen Kerne ſich daſelbſt anſammeln, ſo daß man ſie wegen der Entfärbung dort am leichteſten beobachten kann. Es läßt ſich daraus wohl ſchließen, daß ſie bei dem Regenerationsvorgang in der Nähe ſein müſſen, und Verfaſſer vermutet, daß die Zer— teilung des Kerns in viele kleine Kerne, wie wir ſie nicht nur in den großen verzweigten einzelligen Algen (wie Vau— cheria u. ſ. w.), ſondern auch in langgeſtreckten oder ver— zweigten Zellen und Gefäßen, wie den Baſtzellen, Milch— gefäßen u. ſ. w. antreffen, aus der Notwendigkeit hervor— ging, möglichſt in der Nähe verſchiedener Punkte zugleich zu ſein. Die Beobachtung von Klebs, daß in kernloſen Pflanzen— teilen kein Stärkemehl gebildet wird, konnte Verfaſſer eben- falls beſtätigen, nicht aber die weitere Angabe, daß auch die Aſſimilation der grünen Teile im Lichte den Kern vorausſetze. Mittels der Engelmannſchen Bakterienmethode konnte viel— mehr nachgewieſen werden, daß iſolierte Chlorophyllkörnchen im Lichte auch ohne Verbindung mit einem Kern Sauer⸗ ſtoff ausſcheiden. Die theoretiſch und methodiſch einen be— deutſamen Fortſchritt unſerer Zellphyſiologie vermittelnde Abhandlung iſt mit zwei trefflich ausgeführten Tafeln aus⸗ geſtattet, auf denen 65 Einzelfälle vorgeführt werden. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. A. Schulz, die floriſtiſche Litteratur für Nord⸗ thüringen, den Harz und den provinzialſächſiſchen wie anhaltiſchen Teil an der norddeutſchen Tief— ebene. Halle, Tauſch & Groſſe. 1888. Preis 1,5 M. Der Halliſche Verein für Erdkunde hat 1883 eine Zuſammenſtellung der landeskundlichen Litteratur publiziert und den in dieſer Arbeit gezogenen Grenzen hat ſich auch der Verfaſſer der vorliegenden Zuſammenſtellung ange— ſchloſſen. Er beginnt mit Valerius Cordus und gibt eine geographiſch geordnete Ueberſicht der Litteratur, welche um ſo willkommener geheißen werden kann, als bei vielen Abhandlungen und Büchern auch der Inhalt kurz skizziert ijt. Friedenau. Dammer. lig ap bie. Bericht vom Monat Oktober (88s. Allgemeines. Himmel u. Erde. Populäre illustrierte Monatsſchrift. Red.: M. W. Meyer. 1. Jahrg. 1888/89. Berlin, Paetel. Vierteljährl. M. 3. 60. Neßler, J., Naturwiſſenſchaftlicher Leitfaden f. Landwirte u. Gärtner. 2. Aufl. Berlin, Parey. M. 3. 50. Nießen, J., Naturgeſchichte in der Volksſchule. Mit Penſenverteilung. Leipzig, Sigismund u. Volkening. M. — . 80 Pokorny's Naturgeſchichte f. Bürgerſchulen in 3 Stufen. Bearb. von Gugler. 1. Stufe. 9. Aufl. Leipzig, Freytag. M. 1. 40. — Aluſtrierte Naturgeſchichte f. allgemeine Volksſchulen. Bearb. von J. Gugler. 2. Aufl. Leipzig, Freytag. M. 1. 90. > Shyſik. ae ‘ Ayrton, W. E., Handbuch der praktiſchen Elektricität. Deutſche Be⸗ arbeitung von M. Krieg. Jena, Coſtenoble. M. 13. 50. Ernecke, F., 150 optiſche Verſuche zur Veranſchaulichung der Grund⸗ lehren der Ausbreitung, Spiegelung u. Brechung des Lichtes. Nach Angaben von H. Zwick zuſammengeſtellt. Berlin. M. 1. 60. Chemie. Bach, E., Ueber die Einwirkung von Ammoniumformiat auf Aldehyde und Ketone. Göttingen, Vandenhöck u. Ruprecht. M. 1. 20. Breithaupt, C., Ueber einige Derivate von Tetramethyldiamidoben⸗ zophenon. Zur Kenntnis der Carbamate u. Allophanate. Göttingen, Vandenhöck u. Ruprecht. M. 1. 20. 2 Freſenius, R., Chemiſche Analyſe der Natron⸗Lithionquelle zu Offen- bach am Main. Wiesbaden, Kreidel. M. —. 80. Gans, R., Ueber die Bildung von Zuckerſäure aus Dextroſe enthaltenden Stoffen, beſonders aus Raffinoſe, und über die Unterſuchung einiger Pflanzenſchleimarten. Göttingen, Bandenhid u. Ruprecht. M. 1. 20. Grünewald, W., Unterſuchungen über die Dampfdichte des Eiſenchlorids bei verſchiedenen Temperaturen. Anh.: Fragment einer Unterſuchung der Thiophengruppe. 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Göttingen, Banden- hod u. Ruprecht. M. — . 80. : Rattner, C., Ueber das Iſopropylphenylketon. Zur Kenntnis der nega⸗ tiven Natur organiſcher Radikale. Göttingen, Vandenhöck u. Rue precht M. —. 75. ‘ 85 2 i 3 i Ruhnau, O., Zur Kenntnis aromatiſcher Schwefelverbindungen. Göt⸗ tingen, Vandenhöck u. Ruprecht. M. 1.—. N : Schneidewind, W., Ueber die negative Natur organiſcher Radikale. Göttingen, Vandenhöck u. Ruprecht. 2 Snape, H. L., Ein Beitrag zur Kenntnis Göttingen, Vandenhöck u. Ruprecht. M. 1. —. en Stone, W. E., Unterſuchungen über Arabinoſe, Galaktoſe und ähnliche Körper aus Kirſchgummi und anderen Materialien. Göttingen, Vandenhöck u. Ruprecht. M. 1. —. ’ 4 : Süllwald, A., Ueber die Wirkung von Ummoniumformiat auf Ditetone, ſowie über einige Schwefelverbindungen des Naphthalins. Göttingen, Vandenhöck u. Ruprecht. M. 1. 20. ‘ Wein, E., Tabellen zur quantitativen Beſtimmung der nebſt erläut. Texte. Stuttgart. Waag. M. 2. 50. : Pöhlmann, R., Repetitorium der Chemie für Studierende. 1. Teil. Anorganiſche Chemie. Leipzig, Hirzel. M. 2. 80. 6 9. — der Cyanate u. Carbamate. Sucerarten. 42 Humboldt. — Januar 1889. Aſtronomie. Auwers, A., Neue Reduktion der Bradley'ſchen Beobachtungen aus den Jahren 1750 bis 1762. 3. Bd. Den Sternkatalog f. 1755 u. glee Vergleichung mit neuen Beſtimmungen enth. Leipzig, Voß. M. 9 Bär, Die günſtige Stellung der Erde im Sonnenſyſtem. Berlin, Fried- länder u. Sohn. M. —. 40. Gallenmüller, J., Elemente der 1 Geographie u. Aſtro⸗ nomie. Regensburg, Puſtet. M. Kerz, F., Weitere Ausbildung der Laplace ſchen Nebularhypotheſe. Ein fir bas, Leipzig, Spamer. M. 3. — Meiers a , Sternatlas fiir Himmelsbeobachtungen. Petersburg, Riecker. 10 Witeſtein A. Ein Beiſpiel zum 10 v. SUE jen „Kanon der Finſterniſſe⸗ Leipzig, Köhler. M. Geographie, eiineqenstee! Jar eee ae deutſchen Landes- u. Volkskunde, hrsg. von A. Kirchhoff. Bd. Heft. Inhalt: Das Erzgebirge. Eine orometriſch⸗an⸗ eg Studie von J. Burgkhardt. Stuttgart, Engelhorn. Handbücher zur deutſchen Landes- und Volkskunde. Inhalt: Die Gletſcher der Oftalpen von E. Richter. Stuttgart, Engelhorn. Mt. 12.—. Gebirgsfreund, der. Illuſtrierte Zeitſchriſt für Topographie, Geſchichte u. Touriſtik des Rieſen⸗ u. Iſergebirges, des Jeſchken⸗ u. Lauſitzer⸗ gebirges, Nordböhmens u. des Spreewaldes. Red. v. A. Moſchkau. 1. Jahrg. 1888/89. Zittau, Schirach. Vierteljährlich M. 1.—. Pütz, W., Lehrbuch der vergleichenden Erdbeſchreibung für die oberen Klaſſ ſſen höherer Lehranſtalten und zum Selbſtunterricht. 14. Aufl., bearb. von F. Behr. Freiburg, Herder. M. 2. 80. Reſultate, wiſſenſchaftliche, der von A. M. Przewalski nach Central⸗ aſien unternommenen Reiſen. Herausgeg. von der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften. Zoologiſcher Teil. 1. Bd. Säugetiere. Bearb. von E. Büchner. 1. Lfg. Petersburg, Eggers u. Ko. M. 15. —. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. Dubbers, H., Der obere Jura auf dem i der Hilsmulde. Göttingen. Vandenhöck und Ruprecht. M. 2. —. Schenk, A., Die foſſilen Pflanzenreſte. Breslau, Trewendt. M. 10.80. Specialkarte, geognoſtiſche, von Württemberg. 1: 50000. Herausgeg. von dem königl. ſtatiſt. Landesamt. 12. Ifg. 2. Hälfte. (2. Blatt.) Inhalt: 40. 46. Riedlingen u. Saulgau. Geognoſtiſch aufgenommen von O. Fraas und J. Hildenbrand. Beſchrieben von O. Fraas. 8 Kohlhammer. a Blatt M. 4. —; Begleitworte dazu Specialkarte, geologiſche, des Königr. Sachſen. 1: 25000. Herausgeg. vom k. Finanzminiſterium. Bearb. unter der Leitung v. H. Credner. Sect. 78. 14. 15. Mit Erläuterungen. Inhalt: 7/8. Spansberg⸗ Kleintrebnitz von G. Klemm. — 14. Dahlen von J. Hazard. — 15. Oſchatz⸗Wellerswalde von F. Schalch. Leipzig, Engelmann. a M. 3. —. Wäge, W., Netze aun Anfertigen zerlegbarer Kryſtallmodelle. Berlin, Gtixtner. M. 2. 4 Walther, J., Die Korallenriffe der Au e und biolog. Beobachtungen. Leipzig, Hirzel. M. 6 Meteorologie. Beobachtungen, meteorologiſche, in Deutſchland von 25 Stationen II. Ordnung, ſowie ſtündliche Aufzeichnungen von 3 Normal⸗ beobachtungsſtationen der Seewarte u. Kaiſerslautern, die Stürme nach den Signalſtellen der Seewarte. 1886. Jahrg. IX. Herausgeg. von der Direktion der Seewarte. Hamburg, Friederichſen u. Ko. M. 13. —. Botanik. Engler, A., u. K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien nebſt ihren Gattungen und wichtigeren Arten, 113 J 5 aoe Nutzpflanzen. 21. u. 22. Mfg. Leipzig, Engelmann. a M. 1. Höck, Einige Hauptergebniſſe der e aoeeente in den letzten 20 Jahren. II. Klimatiſche Geobotanik. III. Geologiſche Geobotanik. Berlin, Friedländer u. Sohn. M. —. 40. Kronfeld, M., Zur Biologie der Miſtel. huber. Wien, Deuticke. M. —. 40. Leuba, F., Die eßbaren Schwämme und die giftigen Arten, mit welchen 1 2 verwechſelt werden können. 1. und 2. Lfg. Baſel, Georg. 2. 40. Martius, C. F. Ph. de, A. G. Kichler et I. Urban, Flora Bra- siliensis. 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Kahlbaum in Berlin, Merck in Darmſtadt, Trommsdorff in Erfurt) käuflich zu haben. Dies gilt auch für einige weiter unten zu erwähnende Zwiſchenprodukte, auf deren Darſtellung wir nicht näher eingehen, weil ſich derſelben im kleinen ſchwer zu uberwindende experimentelle Schwierigkeiten entgegenſetzen. wichtigſten Teerfarbſtoffe demonſtriert werden kann. Selbſt⸗ verſtändlich wurde bei der Auswahl der Darſtellungsme⸗ thoden weniger auf ihre Ausgiebigkeiten als darauf Rückſicht genommen, daß dieſelbe ſchnell ausführbar ſeien und auch unter weniger geübten Händen ein ſicheres Reſultat ergeben. Anilin bildet das Ausgangsprodukt für eine große Zahl der künſtlichen organiſchen Farbſtoffe, weshalb letztere auch vielfach als Anilinfarbſtoffe bezeichnet werden. Das Anilin, welches als ſolches nur in geringer Menge im Teer enthalten iſt, wird ausſchließlich aus Benzol dargeſtellt. Durch Behandeln mit Salpeterſäure wird das Benzol in Nitrobenzol übergeführt: Humboldt. — Januar 1889. 43 CsH, + HNO3 = (Hz. NO2 + HO. Das Nitrobenzol verwandelt fic) unter dem Einfluß von Reduktionsmitteln in Anilin: CgH5NO» — 6H — CHs. NH =F 3H20. 1. Nitrobenzol. 100 ce Benzol werden in kleinen Portionen nach und nach in 100 ce rauchende Salpeter- ſäure, welche fic) in einem ca. 11 faſſenden Kolben be- findet, eingetragen. Das Benzol löſt ſich unter heftiger Wärmeentwicklung. Damit die Reaktion nicht zu heftig werde, wird der Kolben während des Eintragens gut ge— kühlt und häufig umgeſchüttelt. Um nicht durch die reich— lich entwickelten braunen Dämpfe beläſtigt zu werden, iſt es vorteilhaft, dieſe Operation im Freien oder unter einem gut ziehenden Kamin vorzunehmen. Man gießt alsdann in Waſſer, trennt das zu Boden ſinkende gelbe Oel von der verdünnten Salpeterſäure durch Abgießen oder vermittelſt eines Scheidetrichters und wäſcht zur Entfernung des letzten Anteils von Säure erſt mit Sodalöſung und dann mit reinem Waſſer. Das ſo gewonnene Nitrobenzol, eine gelbliche nach bitteren Mandeln riechende Flüſſigkeit, dient zur Darſtellung des Anilins 2. Anilin. Zur Reduktion des Nitrobenzols bedient man ſich am zweckmäßigſten des Zinnchlorürs, welches bei der Einwirkung von Salzſäure auf Zinn gebildet wird. welche als Grundſubſtanzen der Farbſtoffe zu betrachten ſind. Im großen wird ſtatt des Zinns Eiſen angewandt. Man übergießt in einem 11 faſſenden Kolben etwa 30 g granuliertes Zinn mit etwa 140 ce ſtarker Salzſäure und erwärmt auf dem Sandbade, bis eine lebhafte Waſſer— ſtoffentwicklung eintritt. Man entfernt dann den Kolben a Kolben zur Entwickelung von Waſſerdampf. b Reduktionsgefäß. e Vorlage. vom Feuer und fügt allmählich 15 ce Nitrobenzol hinzu. Es iſt nicht ratſam, die ganze Menge auf einmal zuzuſetzen, da ſonſt infolge zu ſtarken Schäumens die Flüſſigkeit aus dem Kolben herausgeſchleudert wird. Das anfänglich in Oel⸗ tropfen in der Flüſſigkeit verteilte Nitrobenzol löſt ſich nach und nach, was man durch Umſchütteln beſchleunigt. Die nach Beendigung des Verſuches erhaltene klare Löſung enthält das Anilin an Salzſäure gebunden. Um dasſelbe in freiem Zuſtande zu gewinnen, macht man die etwas abgekühlte Flüſſigkeit mit Natronlauge alkaliſch. Das Anilin ſammelt ſich dann auf der Oberfläche als rötliches Oel, während die Flüſſigkeit durch die gefällten Oxyde des Zinns mit einem gelblich-weißen voluminöſen Nieder- ſchlag erfüllt iſt. Das Anilin wird jetzt durch Einleiten von Waſſerdampf übergetrieben. Man bedient ſich eines Apparates, deſſen Anordnung aus der obigen Figur erſichtlich iſt. Im Deſtillat ſammelt ſich das Anilin als faſt farb- loſes, aromatiſch riechendes Oel an. Dasſelbe kann ver⸗ mittelſt eines Scheidetrichters von der wäſſrigen Flüſſig— keit getrennt werden. Ganz analog der eben geſchilderten Ueberführung des Benzols in Nitrobenzol und Anilin, wird die Umwandlung des Toluols CsH;CH3; in Nitrotoluol Cell, 255 und Toluidin Cs H. 15 bewerkſtelligt. Bei der Nitrierung des Toluols entſtehen aber zwei iſomere Nitrotoluole, das Orthonitrotoluol und das Paranitrotoluol. Dieſelben werden entweder voneinander getrennt und dann der Reduktion unterworfen und liefern ſo reines Ortho- und Paratoluidin, oder man reduziert das Gemenge der beiden Nitrotoluole und erhält dann ein Gemenge der beiden Toluidine, welches für manche Zwecke, z. B. für die ſogleich zu beſchreibende Fuchſinbereitung, Verwendung findet. Triphenylmethanfarbſtoffe. Die Mutterſubſtanz einer Reihe wichtiger Farbſtoffe iſt der Kohlenwaſſerſtoff Triphenylmethan CigHys = Cells. CHC 6Hs Den durch Eintritt von Amido- und Hydroxylgruppen in die Phenylgruppen dieſes Kohlenwaſſerſtoffs entſtehenden Amido- und Oxytriphenylmethanen entſprechen Carbinol- verbindungen von der allgemeinen Formel xCgH, . COH 3. Fuchſin. Das Fuchſin iſt das ſalzſaure Salz des Rosanilins, welches als Triamidodiphenyltolylcarbinol CgHy. NH» VII z. CHa. COH CCH. Cf NH, zu bezeichnen iſt. Es leitet ſich alſo von dem gegenüber dem Triphenylmethan um eine Methylgruppe reicheren Diphenyltolylmethan ab. Das Fuchſin entſteht bei der Oxydation gleicher Moleküle Anilin, Orthotoluidin und Paratoluidin in der Weiſe, daß die Methylgruppe des Paratoluidins die Verkettung der drei Benzolkerne bewirkt. i Cells. Nl. NH. CHC + Cg? CH, Nl + 05 * nay CeHy- NII2 ‘ = NH. CoA. OHC HA. CHI. NH, + 31H20. Als Oxydationsmittel benutzt man im großen entweder die Arſenſäure oder das Nitrobenzol. Letzteres wird bei Gegenwart von Eiſen und Salzſäure angewandt, wobei das entſtehende Eiſenchlorür zur Einleitung des Prozeſſes dient. Wir wählen das letztere Verfahren. Je 12 g Anilin, Orthotoluidin und Paratoluidin werden zuſammen mit 18 ce konz. Salzſäure, 2 g Eiſenfeile und 18 ce Nitro— benzol in einer tubulierten Retorte von ca. 300 ce Inhalt langſam erhitzt. Nachdem das mit der Salzſäure zugeführte Waſſer überdeſtilliert iſt, hält man das Gemenge bei kleiner Flamme in ruhigem Sieden. Es darf nur eine ganz langſame Deſtillation ſtattfinden. Schon nach 10—15 Minuten beginnt die Farbſtoffbildung. Dieſelbe kenn— zeichnet ſich durch die Rotfärbung der Maſſe und kann noch deutlicher gezeigt werden, indem man mittels eines Glasſtabes eine Probe der Schmelze herausnimmt und in einem Probierrohr mit Alkohol übergießt. Bei weiterem Schmelzen nimmt die Intenſität der Färbung der ſich immer mehr verdickenden Schmelze zu. Man unterbricht den Verſuch, wenn eine herausgenommene Probe ſchnell zu einer ſpröden glänzenden Maſſe erſtarrt, was unter den angegebenen Bedingungen nach 2 — St. der Fall ſein wird. Der zähflüſſige Inhalt der Retorte wird dann in eine Reibſchale gegoſſen, nach dem Erſtarren fein ge⸗ pulvert und in einer Porzellanſchale mit 300 — 500 ce Waſſer ausgekocht. Man filtriert die intenſiv rot gefärbte Löſung in ein Becherglas, fügt zum heißen Filtrat zur vollkommenen Abſcheidung des Fuchſins ca. 10 g Koch⸗ ſalz und läßt erkalten. Das Fuchſin wird ſo in Form kleiner grün glänzender Kryſtalle erhalten. Wird eine wäſſrige Löſung von Fuchſin mit Natronlauge verſetzt, ſo ſcheidet ſich die Rosanilinbaſe als ſchwach rötlich gefärbter Niederſchlag ab. Dieſelbe dient zur Darſtellung des Anilinblaus. Al. 44 Humboldt. — Januar 1889. Derkehr. Fragen und Anregungen. Agis, Hamburg. Auf Ihre Frage: „Iſt es möglich, daß die Erde ſich in einer Ellipſe um die Sonne bewegt, trotzdem dieſe ſich mit einer Geſchwindigkeit, welche der⸗ jenigen der Erde faſt gleichkommt, im Weltenraume fort⸗ bewegt?“ iſt zu antworten: Es iſt dies ebenſogut möglich, wie ein Punkt auf dem Schwungrade einer Dampf⸗ maſchine einen Kreis um die Achſe des Rades beſchreiben kann, obgleich die Maſchine ſich um die Erdachſe, mit der Erde um die Sonne und mit dieſer im Weltſyſtem fort⸗ bewegt — oder wie die Spitze jedes Zeigers Ihrer Taſchenuhr auf dem Zifferblatte einen Kreis beſchreiben kann, wenn Sie auch mit, der Uhr in der Taſche auf der Eiſenbahn fahren oder ſpazieren gehen. Man muß eben unterſcheiden zwiſchen relativen und abſoluten Bewegungen. So geſchieht die relative Bewegung der Erde um die Sonne in einer Ellipſe, in deren einem Brennpunkte die Sonne ſteht, wobei es völlig gleichgültig iſt, welche Bewegung das ganze Sonnenſyſtem außerdem im Weltraume hat. P Frage 1. Wenn man in eine flache Schale Alkohol gießt und denſelben anzündet, ſo bilden ſich unter gewiſſen Verhältniſſen auf der Oberfläche desſelben kleine, etwa ſtecknadelkopfgroße Tröpfchen, welche in lebhafter Bewegung begriffen ſind, teilweiſe auch zuſammenfließen, ſofort aber, ſowie ſie an den Rand der Schale kommen, verſchwinden, um nach kurzer Zeit von neuem aufzutreten. Aehnliche Tropfen bilden ſich beim Filtriren mancher alkoholiſchen Tinkturen. Wie iſt deren Bildung und ihre Bewegung zu erklären? Stehen ſie in Verbindung mit der Erſcheinung des Leidenfroſtſchen Tropfens, an den ſie ſehr erinnern? Frage 2. Unter welchen phyſikaliſchen Verhältniſſen erſcheint uns ein Körper braun? Auf einem weißen Schirm läßt ſich durch Vereinigung von Farben des Spek⸗ trums die braune Farbe nicht darſtellen. Nun iſt aber der Lichtcharakter eines Körpers weſentlich dadurch beſtimmt, ob er glatt oder körnig oder faſerig iſt; ob eine Oberfläche mehr oder weniger durchſcheinend und die untereinander liegenden Schichten gleich- oder verſchiedenfarbig find; ob ſeine Oberfläche durch verſchiedenfarbige Körner gebildet wird, ob er außer farbigen Strahlen auch weiße Strahlen etwa durch Reflexion ausſendet; ob die ausgeſendeten Strahlen mehr oder weniger polariſiert und 2c. Unter welchen Umſtänden erſcheint nun ein Körper braun? Die 61. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte wurde am 18. September 1888 in Köln eröffnet. Nach den üblichen Begrüßungsreden ſprach zunächſt Binswanger (Jena) über „Geiſtesſtörung und Verbrechen“. Redner hob hervor, daß die Lehren der Pſychologie und der kliniſchen Pſychiatrie in engſter Anlehnung an die heute gültige Strafrechtslehre betrachtet werden müſſen, wenn ſie für letztere von Nutzen ſein ſollen, und daß die die Grundpfeiler des modernen Strafrechts bildenden Begriffe der Willensfreiheit und Verantwortlichkeit des Individuums nicht angetaſtet werden dürfen. Die Be⸗ antwortung der dem Arzte vorgelegten Frage, ob ein Individuum zur Zeit, wo es ein Verbrechen beging, ſich im Vollbeſitz ſeiner Geiſteskräfte befunden hat, iſt ins⸗ beſondere dann mit Schwierigkeiten verbunden, wenn Symptome, die wie Sinnestäuſchungen, Wahnvorſtellungen, Angſtgefühle, Lähmungszuſtände (dementia paralytica) u. dergl. zur Beurteilung des Geiſteszuſtandes einen An⸗ haltepunkt bieten, nicht vorhanden ſind. Erſt die neuere pſychologiſch⸗pſychiatriſche Forſchung hat uns Aufſchlüſſe geliefert über das Weſen jenes Defektes in der ſittlichen Zurechnungsfähigkeit, den man als „moraliſchen Irrſinn“ bezeichnet und der zum Teil auf ererbter Grundlage, zum Teil auf erworbener geiſtiger Degeneration beruht. Für die Schwachſinnszuſtände iſt es im allgemeinen charakteri⸗ ſtiſch, daß durch dieſelben der geiſtige Zuſammenhang des Individuums mit der Geſamtheit der Menſchen immer mehr gelockert wird. Man unterſcheidet jetzt verbrecheriſche Geiſteskranke und geiſteskranke Verbrecher, indem man unter letzterer Kategorie ſolche Individuen zuſammenfaßt, die erſt nach dem Begehen eines Verbrechens geiſteskrank werden; auch iſt es eine nicht zu beſtreitende Thatſache, daß unter den Inſaſſen der Zuchthäuſer und Straf⸗ anſtalten ſich viele geiſtig unentwickelte oder durch Krank⸗ heit geiſtig herabgekommene Individuen befinden. Nach⸗ dem die Pſychiatrie der letzten Jahrzehnte die einzelnen Formen von Geiſtesſtörungen feſtgeſtellt hat, fällt nunmehr der Kriminalpſychologie die Aufgabe zu, die geiſtige und körperliche Organiſation des Verbrechers einer eingehenden Unterſuchung zu unterziehen. Hierbei iſt die Unterſcheidung zwiſchen Gewohnheitsverbrecher und Gelegenheitsverbrecher von großer Wichtigkeit, da letzterer nicht wie erſterer einem andauernden Hemmungseinfluſſe ſeiner Geiſteskräfte unterworfen iſt. Um den Geiſteszuſtand eines Delinquenten richtig zu beurteilen, empfiehlt es ſich, die Entwickelung desſelben bis in die Kindheit zurück zu verfolgen und die Einflüſſe der Erziehung und der Vererbung gewiſſer Eigenſchaften mit in Betracht zu ziehen. — Zu den in neuerer Zeit über die Biologie des Verbrechertums ange⸗ ſtellten Forſchungen ſich wendend, bekämpft Redner die Lehren der von dem italieniſchen Gelehrten Ceſare Lom⸗ broſo begründeten Schule, insbeſondere den von letzterem aufgeſtellten Satz, demzufolge das Verbrechertum im weſentlichen als ein Rückſchlag auf frühere Entwicklungs⸗ zuſtände des Menſchengeſchlechts aufzufaſſen ſein ſoll. Ver⸗ brecherſchädel, Verbrechertypen und Verbrecherraſſen im Sinne der Lombroſoſchen Anſchauung ſeien in Wirklichkeit nicht vorhanden; ein geſetzmäßiger Zuſammenhang zwiſchen ver⸗ brecheriſchen Neigungen und gewiſſen Anordnungen in den Gehirnwindungen, wie ſie Benedict annehme, exiſtiere ebenfalls nicht und überhaupt ſei es unrichtig, wenn man die groben äußerlichen Abweichungen von der Norm als Charaktere des Verbrechertums auffaſſe. Redner ſchließt ſich vielmehr der Anſicht Riegers an, welcher jagt: „Daß ein abnormer Schädel bezw. ein abnorm organiſiertes Gehirn mit einem abnormen Menſchen zuſammentrifft, darf nicht von vornherein angenommen, ſondern muß in jedem konkreten Falle immer erſt wieder nachgewieſen werden.“ Auch ſeien die Forſchungen über die Organi⸗ ſation des Seelenorgans und deſſen Funktionen noch nicht weit genug gediehen, als daß man mit Ausſicht auf Erfolg verſuchen könnte, allgemeine Lehrſätze über die den verbrecheriſchen Handlungen zu Grunde liegenden Geiſteszuſtände aufzuſtellen. Auf die obigen Auseinanderſetzungen Binswangers folgte ein Vortrag, in welchem O. Laſſar (Berlin) die allgemeine Einrichtung von Volksbädern als eins der wichtigſten Ziele der öffentlichen Geſundheits⸗ pflege befürwortet. . ; Den Schluß der erſten Sitzung bildete ein Vortrag von Dr. von den Steinen (Düſſeldorf) über die Ergebniſſe ſeiner jüngſten Forſchungsreiſe nach Cen⸗ tralbraſilien (2. Kingu⸗Expedition). Steinen lernte dort Indianerſtämme kennen, die noch genau ebenſo leben und denken, wie die von Kolumbus und ſeinen Zeitgenoſſen dort angetroffenen Menſchen. Von Haus aus Jäger und Fiſcher haben ſie neuerdings begonnen, mit Hilfe der Steinaxt und des Feuers Strecken Waldes behufs Anpflanzung von Mais und Manioka niederzu⸗ legen. Sie beſitzen aber keine Haustiere, nicht einmal den Hund; der Begriff des Eigentums iſt ihnen nicht Humboldt. Januar 1889. 45 unbekannt. Sie ſind weder durch Tugenden noch durch Laſter ausgezeichnet; ohne verheiratet zu ſein, leben ſie doch in ſtrikter Monogamie und beſitzen Anhänglichkeit an ihre Familie. Bis auf einen Lendenſchurz von Baum— blättern ſind ſie unbekleidet. Ihre Abkunft leiten die Bagairi-Indianer von Jaguar ab, während fie auf andere Stämme mit Verachtung herabblicken und dieſelben als Abkömmlinge des Alligators bezeichnen. Die Stämme wohnen an den Flußufern, einige Tagereiſen voneinander entfernt, reden verſchiedene Sprachen und unterhalten nur geringen Verkehr. Obwohl ſie durch ihre Körperbemalung und ihre wilden Kriegstänze einen ſchreckenerregenden Eindruck zu machen ſuchen, ſind ſie doch im Grunde genommen friedfertig. „Gut“ iſt nach den Begriffen dieſer Natur— menſchen derjenige, der freigebig iſt; „ſchlecht“, wer ungern gibt. „Klugheit überwindet Stärke —“ iſt die Moral ihrer Stammesſagen, die zum Teil an die Geſtirne an— knüpfen. Die Sonne iſt ihnen ein Ball aus den Pracht— federn des roten Adlers, der in einem Topf ſteckt; morgens wird der Topf geöffnet, abends geſchloſſen; auch der Mond iſt ein Ball von Federn; die Sterne ſind Tiere oder anderweitige Gebilde. Himmel und Erde ſind nach der Bagairi⸗Sage einſt miteinander vertauſcht worden; was zu einer Zeit Erde war, iſt jetzt Himmel und umgekehrt. Eine große Rolle ſpielen bei dieſem Volke die Zauberer, unter denen man wieder Zauberprieſter und Zauberärzte zu unterſcheiden hat. Obwohl den Bagairi-Indianern der Gottesbegriff fehlt, glauben ſie doch an ein Daſein nach dem Tode; ebenſo wie ſie jeden Traum für etwas Reales halten und annehmen, daß im Schlafe die Seele den Körper verlaſſe und anderwärts umherſchweife — ebenſo glauben ſie, daß nach dem Tode die Seele lediglich ihren Wohnort verändere. Wenn man die Sprachen der Natur— völker im allgemeinen als wortarm betrachtet, ſo trifft dies für die Stämme am oberen Xingu nicht vollſtändig zu; die Bagairi⸗Sprache enthält beiſpielsweiſe nicht weniger als 150 Tiernamen, etwa 100 Bezeichnungen für ver— ſchiedene Teile des menſchlichen Körpers und eine beträcht— liche Anzahl von Bezeichnungen für Bedürfniſſe des täglichen Lebens. Andrerſeits ſteht freilich dieſem rela— tiven Wortreichtum eine gewiſſe Gedankenarmut gegenüber. Die Zahlen der Bagairi-Indianer reichen nur bis 2, alles, was darüber hinausgeht, wird durch Zuſammenſetzung gebildet. (Für 4 ſagen fie zwei⸗zwei, für 5 zwei⸗zwei-eins u. ſ. w.) Der Begriff der fünffingerigen Hand liegt nicht innerhalb des Anſchauungskreiſes dieſer Eingeborenen; wenn ſie eine menſchliche Hand nachbilden, zeichnen ſie dieſelbe in der Regel mit 3 Fingern. Welches wertvolle Hilfsmittel für die Denkthätigkeit die Kulturvölker in dem hochentwickelten Apparat ihrer Sprache beſitzen, erkennt man, wenn man letztere mit der unentwickelten Bagairi— ſprache vergleicht. In der zweiten allgemeinen Sitzung fanden zunächſt Beratungen über die Reorganiſation der Natur⸗ forſcherverſammlung ſtatt. Schon ſeit mehreren Jahren hat ſich nämlich in den Kreiſen der Naturforſcher und Aerzte das Bedürfnis geltend gemacht, der Naturforſcher— verſammlung, die bisher nur ſo lange exiſtierte, als ſie ihre Sitzungen abhielt, welche weder ein eigenes Archiv, noch irgend welche eigene Mittel beſaß, eine feſtere Or— ganiſation zu verleihen, als dieſelbe bisher beſeſſen hat, dieſelbe in den Stand zu ſetzen, Eigentum zu erwerben, und ihr den Charakter einer juriſtiſchen Perſönlichkeit zu verleihen. Zu dieſem Zwecke hatte man 1886 zu Berlin eine Kommiſſion eingeſetzt, welcher die Aufgabe oblag, über die eventuell vorzunehmenden Veränderungen zu beraten und diesbezügliche Vorſchläge zu machen. Die von Virchow, dem Vorſitzenden der Kommiſſion, als Grundlage für die neuen Statuten gemachten Vorſchläge lauten wie folgt: 1) In Zukunft ſoll die Mitgliedſchaft der Geſellſchaft eine dauernde ſein. 2) Die Beſtimmungen des Statuts über die Teilnahme an den Verſammlungen bleiben unverän— dert; insbeſondere ſollen auch künftig Teilnehmer in der bisher üblichen Weiſe zu den Verſammlungen zugelaſſen werden, auch wenn fie nicht dauernde Mitglieder der Ver— ſammlung ſind. 3) Die Verſammlung ſoll eigenen Beſitz und eigenes Vermögen erwerben können. 4) Die Geſell— ſchaft wählt einen Vorſtand, beſtehend aus einem Vor— ſitzenden, einem ſtellvertretenden Vorſitzenden, den Ge— ſchäftsführern des jedesmaligen Verſammlungsortes, neun weiteren Mitgliedern, ſowie aus einem Generalſekretär und Schatzmeiſter; die beiden letztgenannten Vertreter der Ge— ſellſchaft werden für drei Jahre, die übrigen für ein Jahr gewählt. 5) Der in der diesjährigen Verſammlung ge— wählte Vorſtand wird auf Grund dieſer Beſchlüſſe den Entwurf eines neuen Statuts ausarbeiten und der nächſten Verſammlung zur Beſchlußfaſſung vorlegen. Nach längerer Debatte, an der ſich neben Virchow Hofrat Dr. Biermer (Heidelberg) und Dr. Seydlitz (Poſen) — letzterer als Geg— ner der Virchowſchen Propoſitionen — beteiligten, wurden die obigen Vorſchläge en bloe angenommen. Nach Er— ledigung dieſer geſchäftlichen Angelegenheit erhielt Waldeyer (Berlin) das Wort zu ſeinem Vortrage: „Das Studium der Medizin und die Frauen.“ Die Bewegung — jo führt Redner aus —, welche dahin zielt, dem weiblichen Geſchlecht die Berechtigung zum Studium der Medizin zu verſchaffen, bezweckt keineswegs etwas Neues; denn be— kanntlich waren bereits im Altertum die Frauen mit ärzt— lichen, insbeſondere mit geburtshilflichen Hilfeleiſtungen betraut. Auch war es zu keiner Zeit den Frauen verwehrt, ſich eine höhere Bildung anzueignen, und zu allen Zeiten gab es einzelne Frauen, die in den Wiſſenſchaften und Künſten ſich ausgezeichnet haben Die neueren Beſtrebun— gen des weiblichen Geſchlechts, zur Ausübung des ärztlichen Berufs zugelaſſen zu werden, ſind erſt wenige Jahrzehnte alt. Während Promotionen von Frauen anfangs nur ver= einzelt vorkamen, hat ſeit 1870 ein Maſſenandrang von Frauen aus England, Amerika und Rußland zum medi— ziniſchen Studium ſtattgefunden, wobei die Univerſität Zürich (es gab daſelbſt in einem der letzten Semeſter nicht weniger als 54 Studentinnen der Medizin) in den Vorder⸗ grund der Bewegung trat. Daß letzterer, inſofern fie dahin zielt, die Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geſchlechts zu erhöhen, ein geſunder Kern innewohnt, iſt unbeſtreitbar; trotzdem glaubt aber Redner, daß die Frage, ob den Frauen der Eintritt in den ärztlichen Stand freizugeben fei, ſowohl im Intereſſe der mediziniſchen Wiſſenſchaft, wie auch im Intereſſe der Frauen ſelbſt und im Intereſſe der ganzen Menſchheit verneint werden müſſe. Jahrhunderte hindurch ſtand die Ausübung der Geburtshilfe dem weiblichen Ge— ſchlecht frei, ohne daß letzteres auf dieſem Gebiete irgend etwas Nennenswertes geleiſtet hätte; die Geburtshilfe blühte vielmehr als wahre Kunſt und Wiſſenſchaft erſt auf, ſeitdem Männer dieſem Fache fic) zuwandten. Der Ein— wand, daß die Gegner der Frauenemanzipation die In— feriorität des Weibes verſchuldet hätten, indem jie dasjelbe von allen Berufsarten ausſchloſſen — dieſer Einwand iſt nicht ſtichhaltig, da auf dem Gebiete der ſchönen Künſte, das ihnen doch zu allen Zeiten offen ſtand, die Frauen zwar hier und da Anerkennenswertes geleiſtet haben, ſich aber doch niemals zu dem geiſtigen Niveau des Mannes zu erheben vermochten. Wäre das Weib von der Natur dazu berufen, fic) auf den Gebieten der Wiſſenſchaften und Künſte hervorzuthun, ſo würde ſich dies längſt gezeigt haben: denn das ehrgeizige Streben iſt ebenſowohl eine Eigen— tümlichkeit des Weibes wie auch des Mannes. Daß aber das Weib zu ſolchen Berufsarten, welche eine hochentwickelte Denkthätigkeit und eine bedeutende Initiative erheiſchen, nicht paßt — dieſer Schluß ergibt ſich ſchon aus der Ver— ſchiedenheit in der Organiſation des männlichen und weib- lichen Gehirns, wobei jedoch der Unterſchied zwiſchen dem Gewichte des männlichen und weiblichen Gehirns von weit geringerer Bedeutung iſt, als die Verſchiedenheit in der Entwickelung der Gehirnwindungen beim Manne und Weibe. Aus den zuletzt erwähnten Thatſachen iſt auch keines wegs zu folgern, daß das Weib in geiſtiger Hinſicht niedriger ſtehe als der Mann, ſondern nur, daß die geiſtige Ent— wickelung des Weibes ſich in einer anderen Richtung be— wegt hat, als diejenige des Mannes. In der eigenartigen Verſchiedenheit der geiſtigen Veranlagung, wie ſie ſich 46 Humboldt. — Januar 1889. zwiſchen Mann und Weib darſtellt, und wobei dem Manne mehr die produktive, dem Weibe mehr die rezeptive Seite zugefallen iſt — darin liegt der eigentliche Grund der Verſchiedenheit in der ſozialen Stellung des Weibes und des Mannes und auch der Grund der geringeren Förde⸗ rung von Wiſſenſchaft und Kunſt ſeitens des weiblichen Geſchlechtes. Wenn auch die Seele des Mannes mehr zur That ſowie zur Produktion neuer Gedanken und Ideen neigt, jo iſt andrerſeits die Pſyche des Weibes wiederum nach vielen anderen Seiten hin reicher beanlagt. Karl Vogt, der die Studentinnen der ſchweizeriſchen Univerſitäten viele Jahre hindurch beobachtet hat, bemerkt zwar, daß dieſelben für den gewöhnlichen Vorleſungsſtoff ein leichtes Auffaſſungs⸗ vermögen, ſowie außerdem im allgemeinen ein gutes Ge⸗ dächtnis und bei den Prüfungen muſterhaften Fleiß an den Tag legten; aber dabei bleibe es auch; eine Querfrage bringe ſie meiſt aus der Faſſung und beſonders bemerkens⸗ wert ſei die Unfähigkeit, bei den geringſten Verlegenheiten ſich ſelbſt zu helfen. Die Wiſſenſchaft würde alſo, wenn das weibliche Element ſich derſelben in größerer Anzahl zu⸗ wenden ſollte, keineswegs gefördert werden; dem Staate würden aber, da es doch nicht angängig ſei, männliche und weibliche Studierende in denſelben Hörſälen und Uebungs⸗ räumen verkehren zu laſſen, durch die Einrichtung von be⸗ ſonderen Univerſitäten für das weibliche Geſchlecht nicht geringe Koſten verurſacht, welche durch die erreichten Vorteile keineswegs aufgewogen würden. Auch ſei, wenn das Weib in jeder Beziehung die Wege des Mannes wandle, für beide Geſchlechter nicht genügender Platz vorhanden. Ebenſo wie die Verteilung der Arbeit zwiſchen rechte und linke Hand der manuellen Leiſtungsfähigkeit zu gute kommt, ſo wird auch durch die Teilung der Menſchheit in zwei Geſchlechter, von denen ein jedes mit beſonderen Gaben, Fähigkeiten und Neigungen ausgeſtattet iſt, die Kultur⸗ entwickelung in hohem Grade begünſtigt und alle Maß⸗ regeln, welche dem Prinzip der Arbeitsteilung zwiſchen männlichem und weiblichem Geſchlecht entgegenwirken, üben einen die Kultur des Menſchengeſchlechts ſchädigenden Ein⸗ fluß aus. a Nach dieſem Vortrag ſprach A. Weismann (Freiburg) über „Die Hypotheſe der Vererbung von Ver⸗ letzungen“. Weismann iſt der Anſicht, daß viele Er⸗ ſcheinungen, die man bisher unter Zuhilfenahme des La⸗ marck⸗Darwinſchen Prinzips erklärt hat, auch ohne letzteres erklärt werden können und daß jenen Fällen, welche zu gunſten der Annahme einer Vererbung von Verletzungen angeführt werden, ungenaue, bezw. unrichtige Beobachtungen zu Grunde liegen. Fälle, welche auf den erſten Blick zu gunſten der Theorie ſprechen, ſollen beim näheren Zu⸗ ſehen ihre Beweiskraft verlieren, indem konſtatiert wurde, daß es ſich bei den betreffenden Individuen nicht um die Vererbung einer Verletzung, ſondern um Mißbildungen han⸗ delte, die bei einem der Vorfahren in kaum bemerkbarem Grade vorhanden waren und erſt bei den Kindern, be⸗ ziehungsweiſe Nachkommen deutlich und leicht erkennbar hervortreten. Ein angeborener mißgebildeter Finger kann leicht verletzt werden: wenn dann beim Kinde eine Ab⸗ normität an demſelben Finger auftritt, ſo hat es den Anſchein, als ob die Verletzung vererbt worden wäre. Jener Soldat, welcher im Kriege ein Auge verloren hatte, und ſodann Kinder bekam, die mit Mikrophthalmie behaftet waren, ſoll bloß ſeine Hemmungsbildung und nicht den Mangel ſeines Auges vererbt haben, und ebenſo ſoll die Schwanzloſigkeit jener Kätzchen nicht als ein Beleg für die Vererbung einer Verletzung gelten können, weil bei der Mutter⸗ katze nicht mit abſoluter Sicherheit feſtgeſtellt werden konnte, ob letztere den Schwanz durch Ueberfahren eingebüßt hatte, oder ob dieſelbe ſchwanzlos zur Welt gekommen war. Auch die Beweiskraft eines Falles, über den Emil Schmidt (Leipzig) den zu Bonn verſammelten Anthropologen be⸗ richtete (ogl. Humboldt 1888 S. 398), wird von Weis⸗ mann geleugnet. In dem beſagten Falle hatte eine Mutter, welche durch Ausreißen des Ohrringes eine Spaltung des Ohrläppchens erworben hatte, einem Kinde das Leben gegeben, welches genau die nämliche Deformität aufweiſt. Während Schmidt eine Vererbung annimmt und nachweiſt, daß die Deutung der beim Kinde auftretenden Deformität als einer Hemmungsbildung nicht zuläſſig ſei, folgert Weis⸗ mann aus gewiſſen Verſchiedenheiten der Form, wie ſie dem Ohre der Mutter und demjenigen des Kindes eigen ſein ſollen, daß letzteres das Ohr gar nicht von der Mutter, ſondern vom Vater geerbt habe, und begründet hiermit die weitere Behauptung, daß die in Rede ſtehende außerordent⸗ lich ſeltene und höchſt charakteriſtiſche Deformität kein von der Mutter herſtammendes Erbſtück ſein könne. Von den Verhandlungen der dritten Sitzung inter⸗ eſſiert zunächſt ein von Profeſſor Meynert (Wien) über das Thema: „Gehirn und Geſittung“ gehaltener Vor⸗ trag. Redner verfolgte die Anfänge der Geſittung bis ins Tierreich zurück und zeigte an einer Anzahl von Beiſpielen, daß die Geſittung, die man mit Recht als die Milderung des alle menſchlichen und tieriſchen Verhältniſſe beeinfluſſenden Kampfes ums Daſein bezeichnet hat, mit der Hirnentwicklung Hand in Hand geht. Schon bei den geſellig lebenden Tieren, wie z. B. bei Elefanten, Bienen und Ameiſen beobachtet man, daß die Mitglieder einer und derſelben Herde bezw. eines und desſelben Stockes gegenſeitige Rückſichten ausüben, die ſie gegenüber den Angehörigen einer anderen Gemeinſchaft nicht an den Tag legen. Als Träger der Geſittung iſt das Central⸗ nervenſyſtem aufzufaſſen; jene Tiere, bei denen letzteres derart veranlagt iſt, daß die Ganglienknoten durch Nerven⸗ ſtränge zur Kette aneinandergereiht hintereinander liegen, wie dies bei den Inſekten der Fall iſt, bezeichnet Meynert als „wirbelloſe Menſchen“ und weiſt bei ihnen neben Momenten des geſellſchaftlichen Zuſammenlebens zahlreiche Aeußerungen wirklicher Intelligenz nach. Die Anfänge der pſychiſchen Thätigkeiten laſſen fic) allerdings noch viel weiter zurückverfolgen; ſchon bei den Amöben hat Rokitansky Erſcheinungen nachgewieſen, die als Aeußerungen eines primitiven Seelenlebens aufzufaſſen ſind, und Aehnliches wurde bei den an einem gemeinſamen Stengel ſitzenden Glockentierchen, bei Ascidien und dem niedrig organi- ſierten Lanzettfiſch beobachtet. Zwiſchen die aus dem Be⸗ wußtſein hervorgehende Handlung und die unwillkürliche Bewegung hat man als Zwiſchenglied geiſtiger Thätigkeit den „Inſtinkt“ eingeſchoben; daß aber vieles, was man bisher letzterem zugeſchrieben hat, als Aeußerung einer höheren Seelenthätigkeit aufzufaſſen iſt — dieſer Schluß ergibt ſich aus dem Umſtande, daß bei den ſogenannten inſtinktiven Handlungen die Tiere nicht frei von Irrtümern ſind, während doch der Irrtum einen Inſtinkt d. h. eine vererbte Geiſtesfunktion ausſchließt. Das Bewußtſein iſt eine fundamentale Eigenſchaft des Protoplasma und wenn letzteres fic) zu dem Nervenſyſtem organiſiert, jo werden die tiefer gelegenen Teile desſelben: das Rücken⸗ mark von dem höher gelegenen Gehirn gehemmt. Nach Taſchenberg beſitzen die Imagoformen der Inſekten eine Erinnerung an die von ihnen durchlaufenen Entwicklungs⸗ zuſtände und die Thatſache, daß z. B. ein gewiſſer Waſſer⸗ käfer beim Herannahen eines Feindes zunächſt das Waſſer trübt und, wenn dieſes Mittel nicht hilft, ſich tot ſtellt, beweiſt, daß dieſe Tiere mit einer gewiſſen Ueberlegung handeln. Viele Inſekten geben neben dem durch Zuſam⸗ menſchlagen der Flügel erzeugten Flugton noch die nahezu 2 Oktaven umfaſſenden Trachealtöne von ſich, und man darf vermuten, daß die verſchiedenen Töne verſchiedenen Stimmungen oder geiſtigen Erregungszuſtänden entſpringen. Durch die neueren Beobachtungen erſcheint es berechtigt, wenn man den Inſekten ebenſowohl Denkthätigkeit wie Ge- dächtnis zuerkennt. Daß mit der fortſchreitenden Ent⸗ wicklung der ſeeliſchen Thätigkeiten eine gewiſſe Zucht Hand in Hand geht, wird u. a. bewieſen durch die That⸗ ſache, daß Bienen ihre Fäkalſtoffe niemals innerhalb des Stockes entleeren. Zu der Geſittung ſteht der Paraſitis⸗ mus, der ſich von anderen Lebeweſen ernährt, in einem gegenſätzlichen Verhältnis. Die Menſchheit hat fic) all⸗ mählich vom einfachen Paraſitismus zu einem auf Gegen⸗ ſeitigkeit beruhenden Geſellſchaftsverhältnis emporgearbeitet, indeſſen gibt es noch zwei Formen des menſchlichen Daſeins, Humboldt. — Januar 1889. die auf einer niedrigeren Stufe der Entwicklung ſtehen, nämlich: das Kind und der moraliſch Irrſinnige. Kind hat noch keine Geſittung und kennt als Motive ſeines Handelns nur den Hunger; es lebt nur für ſich, aber von anderen; dagegen bildet ſich mit der Entwickelung der geiſtigen Fähigkeiten das Gefühl der Verpflichtungen, die man gegen ſeinen Nebenmenſchen hat, immer mehr aus. Auf der Stufe des Kindes iſt auch der moraliſch Irrſinnige zurückgeblieben; als Bild des krankhaften Paraſitismus ſieht er nur ſich und nimmt daher keine Rückſicht auf andere. Man hat zu unterſcheiden zwiſchen einem „pri— mären Ich“ und einem „ſekundären Ich“; beim Kinde iſt nur das erſtere vorhanden, aber mit der geiſtigen Ent— wicklung und mit fortſchreitenden Lebensjahren wächſt das „ſekundäre Ich“ immer mehr an und verſchmilzt mit den Beſtrebungen des Gemeinweſens. Ein beſonderes Organ der Geſittung, wie Gall es angenommen hat, iſt nicht vorhanden; vielmehr ſind die Großhirnhemiſphären ſelbſt das Organ des moraliſchen Bewußtſeins und ſomit auch der Geſittung. Das In einem folgenden Vortrag behandelte Virchow „die künſtlichen Verunſtaltungen des menſchlichen Körpers“. Unter künſtlichen Verunſtaltungen verſteht Redner nicht ausſchließlich abſichtliche, ſondern auch die durch die Herſtellung neuer Lebensgewohnheiten und Lebensbe— dingungen erzeugten. Ebenſo wie durch die Fußbekleidung viele Füße verkrüppelt werden, ebenſo verdanken wahr— ſcheinlich auch die deformierten Köpfe, denen man ſo häufig begegnet, einem ähnlichen Umſtande ihre Entſtehung. Die Schädelabplattung, über die Hippokrates bereits berichtet hat, verdankte ihre Entſtehung wahrſcheinlich dem Umſtande, daß jene kleinaſiatiſchen Völker, ebenſo wie heute noch gewiſſe meiſt zu Pferde ſitzende Indianerſtämme Nord— und Südamerikas zum bequemeren und ſicheren Trans— port des Kindes dasſelbe mit dem Kopfe auf einer feſten Unterlage — in der Regel auf einem Brette — feſtbinden. Die durch dieſe Procedur erzeugte Abflachung des Hinter— kopfes wird häufig noch befördert durch eine pathologiſche Weichheit der Schädelknochen (Craniotabes). Bei gewiſſen Völkern wird durch das Feſtbinden des Kopfes eine von dem Hinterhaupt nach den Schläfengegenden verlaufende rinnenförmige Vertiefung erzeugt, wie dies Virchow bei einzelnen Völkern im Kaukaſus perſönlich beobachtet hat; bei anderen Völkern weichen die Schädeldeformierungen in fo hohem Grade von der Norm ab, daß man ſich vor- ſtellen muß, ſie ſeien abſichtlich hervorgebracht worden; auch hat die Annahme vieles für ſich, daß die anfangs unabſichtlich durch Feſtbinden des Kopfes oder ähnliche Maßregeln erzeugte Veränderung der Kopfform ſpäter zur Modeſache wurde. Möglicherweiſe ging man auch von dem Gedanken aus, daß man durch Veränderung der Kopfform die geiſtigen Eigenſchaften des Individuums beeinfluſſen könne. Der in Deutſchland gegenwärtig noch vorkommenden Abplattung des Hinterkopfes liegt meiſt der Umſtand zu Grunde, daß man rhachitiſche Kinder längere Zeit auf dem Rücken liegen läßt; zum Glück wird aber das, was durch dieſe Abplattung an Raum für die Hirn— entwicklung verloren geht, durch eine Ausdehnung des Schädels in anderer Richtung — in der Regel durch ver— mehrtes Höhenwachstum — kompenſiert. Nicht ſo glück— lich wie der Kopf verhält fic) der Fuß, bei dem die künſt— lich erzeugte Verkrüppelung durch keinerlei Kompenſation wieder ausgeglichen wird. Mit den fußentſtellenden Chineſinnen wetteifert unſere Schuhmacherzunft; während erſtere die Füße immer mehr verkleinern und verkrüppeln und durch Umkrümmen der Zehen unter die Fußſohle es bewirken, daß ſie wie Schimpanſe und Gorilla mit der Oberſeite der Zehen auftreten, haben die vereinigten Schuh— macher Europas durch Einführung der Schnabelſchuhe neuerdings die Gehfähigkeit ernſtlich gefährdet. Uebrigens tragen auch unzweckmäßige Strümpfe — insbeſondere ſolche, welche nach den Zehen zu ſich bedeutend verengen — zur Deformierung des Fußes erheblich bei. Heutzutage iſt es geradezu eine Seltenheit, wenn man bei einem erwachſenen Europäer einen völlig normal gebauten Fuß zu ſehen be— 47 kommt. Wie eigentlich die normale Form des menſchlichen Fußes beſchaffen iſt, konnte Virchow bei den Singhaleſen, die vor kurzem in Deutſchland ausgeſtellt wurden, zum erſtenmal mit Sicherheit konſtatieren. In wie hohem Grade der Bruſtkorb durch das Schnüren und durch unzweckmäßige Kleidung verändert wird, hat ſchon im vorigen Jahrhundert der Anatom Camper dargethan, in— dem er in die Statue der mediceiſchen Venus den zuge— hörigen Bruſtkorb einzeichnete und letzteren mit dem Bruſt⸗ korbe einer Modedame verglich. Während der normale Thorax einen nach oben ſich verjüngenden Kegel darſtellt, läuft derjenige der modernen Dame nach unten ſpitz zu; auch bedarf es keiner Auseinanderſetzung, daß zugleich mit der Deformierung des Bruſtkorbes die Lage der Eingeweide Veränderungen erleidet und daß auf dieſe Weiſe eine Dispoſition zu Krankheiten erzeugt wird. Sache der Mütter ſei es, dafür zu ſorgen, daß die kommenden Generationen (an den Erwachſenen ſei nicht mehr viel zu beſſern) nicht infolge von Modethorheiten verunſtaltete Gliedmaßen oder gar chroniſches Siechtum davontrügen. Zum Schluſſe wendet ſich Virchow gegen Weismann und verteidigt den Standpunkt, wonach Mißbildungen auch erworbene Störungen ſein können. Wenn die Störung während des Fötallebens durch Entzündungsvorgänge und dergl. entſtehe, ſo ſei die Weismannſche Erklärung, welche die Mißbildung auf den Keim zurückführe, nicht zutreffend; in einem ſolchen Falle ſei die Störung gerade ſo erworben wie beim Erwachſenen. Auch ſei über die Frage der Ver— erbung oder Nichtvererbung erworbener Eigenſchaften noch lange nicht das letzte Wort geſprochen. „Ueber die allgemeinen Denkfehler der Men— ſchen“. In ſeinem Vortrag verſuchte Profeſſor Exner (Wien) zunächſt die Grenzen von Inſtinkt und Intellekt zu beſtimmen. Der Inſtinkt offenbart ſich immer nur in einer beſtimmten Richtung und ſtehen dem Tiere zu dieſem Zwecke beſtimmte Bewegungsformen zur Verfügung; allein es kann aus zwei Bewegungsformen eine dritte mit Be— wußtſein bilden, und in der verſuchten Verknüpfung von gegebenen Nervenreizen zu neuen Bewegungsäußerungen beſteht das, was wir als „Aeußerungen des Verſtandes“ bezeichnen. Die Kombinationen des Tierinſtinktes ſind ſtarr und daher einem Irrtum nicht unterworfen; letzterer iſt erſt dann möglich, ſobald eine Verknüpfung neuer Nervenreize ſtattfindet. Auch der Menſch beſitzt Inſtinkt, und er leiſtet fortgeſetzt Inſtinkthandlungen. Gar viele Sinnestäuſchungen ſind auf Aeußerungen des Inſtinktes zurückzuführen; am häufigſten tritt dies bei den Sehem⸗ pfindungen hervor. Zwiſchen den gewöhnlichſten Inſtinkt⸗ handlungen und den höchſten Aeußerungen des Bewußt— ſeins beim Menſchen gibt es keine ſcharfen Grenzen; der Unterſchied zwiſchen einem entwickelten und einem un⸗ entwickelten Denker beſteht im weſentlichen nur in der dem erſteren zur Verfügung ſtehenden Menge von Aſſocia⸗ tionen. Der größte Teil der üblichen Denkfehler beruht nun auf der Aſſociation des Gewöhnlichen und dem Ueber— ſehen des Ungewöhnlichen; das gemeinhin Zutreffende wird ohne weiteres mit anderen Vorſtellungen aus unſerer Erinnerung und Erfahrung in Verbindung gebracht, während das Eigenartige, das Ungewöhnliche in dem Einzelfalle überſehen wird. Die im Vorhergehenden enthaltenen Be— hauptungen werden vom Redner durch Anführung einer Anzahl von Beiſpielen begründet; derſelbe weiſt auch darauf hin, daß man den Denkfehlern nicht nur im alltäglichen Leben begegnet. Unſer Schönheitsurteil beruht eben, weil es das Beſondere nicht berückſichtigt, in einem gewiſſen Sinn auf einem Denkfehler und auch in der Wiſſenſchaft ſtößt man hier und da auf Denkfehler, welche für die Fortſchritte auf dieſem Gebiete mitunter verhängnisvoll werden. Auf unrichtigem Denken und falſchen Folge— rungen beruhen auch die berühmt gewordenen Sophismen griechiſcher und anderer Philoſophen. Die Erforſchung und Vermeidung der Denkfehler bedeutet — ſo ſchließt Exner — die Erforſchung der Wahrheit, iſt aber freilich andrerſeits auch mit den größten Schwierigkeiten ver⸗ bunden. 48 Humboldt. — Januar 1889. Zuletzt ſprach Vaihinger (Halle) über „Natur⸗ wiſſenſchaft und Schule“. Er knüpft an die bekannte Rede Preyers an und iſt ebenfalls der Meinung, daß die heutige Naturforſchung als die Grundlage jeder höheren Bildung zu betrachten jet; er jet auch mit jenen Sätzen einverſtanden, die Breyer als phyſiologiſche Normen für die Pädagogik aufgeſtellt hat; andrerſeits ſei aber zunächſt die Frage zu beantworten, ob die Gymnaſialbildung in ihrer Grundlage den phyſiologiſchen Grundſätzen der Ent⸗ wicklung des Gehirns entſpreche oder nicht. Was aber letztere Frage anlangt, ſo iſt Vaihinger der Anſicht, daß die geiſtige Entwicklung des einzelnen Kindes die geſamten Vorſtufen der geiſtigen Entwicklung der Menſchheit durch⸗ machen müſſe, daß in analoger Weiſe, wie wir in der griechiſch⸗römiſchen Kultur, im Chriſtentum und in der Naturwiſſenſchaft drei aufeinander folgende Entwicklungs⸗ phaſen des Menſchengeſchlechts zu erblicken haben, auch das einzelne Individuum bei ſeinem Unterricht dieſe drei Hauptkulturſtufen nacheinander durchmachen müſſe. Nach Redner hätten alſo die griechiſch⸗römiſche Kultur, das Chriſten⸗ tum und die moderne Naturwiſſenſchaft die Grundlagen der künftigen Jugenderziehung zu bilden und eben weil das humaniſtiſche Gymnaſium jene drei Richtungen vertrete, weil bei demſelben die Beſchäftigung mit den alten Klaſſikern die Grundlage für die ſpäteren Studien bilde — eben deshalb ſei dasſelbe als die einzig wahre und naturgemäße Bildungsanſtalt im Sinne der Entwickelungslehre zu be⸗ trachten. Allerdings laboriere dasſelbe noch an manchen Mängeln; der körperlichen Ausbildung der Jugend müſſe mehr Aufmerkſamkeit zugewendet und den Naturwiſſen⸗ ſchaften mehr Raum gewährt werden. In einer ſchwach beſuchten Extraſitzung wurde ſchließ⸗ lich das Ergebnis der Vorſtandswahl mitgeteilt. Es ſind erwählt worden: zum 1. Vorſitzenden der deutſchen Natur⸗ forſcherverſammlung: Virchow (Berlin), zum ſtellvertreten⸗ den Vorſitzenden: Brücke (Wien), zu weiteren Mitgliedern des Vorſtandes: Biermer (Breslau), Billroth (Wien), Becker (Heidelberg), Hegar (Freiburg i. B.), von Hofmann (Berlin), Lent (Köln a. Rh.) und von Pettenkofer (München), Generalkonſul Hanſemann wurde zum Schatzmeiſter, Dr. Laſſar zum Generalſekretär erwählt. Die Ausſtellung. Im Gegenſatz zu den ſehr umfangreichen Ausſtel⸗ lungen der Naturforſcherverſammlungen zu Berlin und Wiesbaden hat man ſich in Köln darauf beſchränkt, das im Laufe des Jahres Neugeſchaffene bezw. Vollendete an Apparaten, Inſtrumenten Präparaten und Lehrmitteln vorzulegen. In der die „phyſikaliſchen Apparate“ umfaſſenden Gruppe I intereſſierten zunächſt die von Gebr. Fraas (Wunſiedel) hergeſtellten, für Unterrichtszwecke, für Labaratorium und Galvanoplaſtik beſtimmten dynamo⸗ elektriſchen Maſchinen mit Vorrichtungen, welche eine beliebige Schaltung der Elektromagnete geſtatten. Als Hauptvorzüge dieſer Maſchinen werden bezeichnet, daß die Funkenbildung am Kollektor eine minimale iſt, daß der Nutzeffekt bis zu 650 Voltamperes beträgt und daß die Maſchine ſelbſt bei mehrſtündiger voller Beanſpruchung eine kaum merkliche Erwärmung zeigt. Unter den von E. Leybolds Nachfolger ausgeſtellten Apparaten verdient eine Dynamomaſchine mit Grammeſchem Ringe, in deſſen Hohlraum ein zweiter Elektromagnet angebracht iſt zur beſſeren Ausnützung der den Ring umgebenden Anker⸗ ſpulen, ſowie ein Audio- oder Sonometer, bei welchem die Gehörfähigkeit des Ohres unter Zuhilfenahme des Telephons gemeſſen wird, beſondere Erwähnung). Die *) Wir bemerken bei dieſer Gelegenheit, daß das Telephon nicht nur zur Meſſung der Gehörfähigkeit, ſondern nach einer von Dr. Kaufmann (Zürich) gemachten Mitteilung auch zur Aufſuchung von im menſchlichen Körper ſteckenden metalliſchen Fremdkörpern (Kugeln u. dergl.) verwendet werden kann. von H. Geißler Nachfolger (Bonn) konſtruierten Piezo⸗ eudiometriſchen Apparate nehmen unter den phyſikaliſchen Vorleſungsapparaten eine hervorragende Stelle ein, weil ſie ebenſowohl als Manometer wie als Luftthermometer, als Geißlerſche Pumpe und elektriſche leuchtende Röhren, bei der Analyſe und Syntheſe von Flüſſigkeiten, bei Kapilla⸗ ritäts⸗ und vielen anderen Experimenten verwendet werden können. Aneroid-Barographen und Aneroid-Barometer mit Vorrichtungen, durch welche die Temperatureinflüſſe kompenſiert werden, Anemometer zur Meſſung von Luft⸗ ſtrömungen von veränderlicher Richtung mit Regiſtrier⸗ vorrichtungen, Differential-Manometer zur Meſſung kleiner Unterſchiede des Luftdrucks — dieſe und andere Apparate beweiſen, daß auch die meteorologiſchen Inſtrumente in neueſter Zeit ſehr erheblich vervollkommt wurden. All⸗ gemeines Intereſſe bietet ferner die von Prof. Selling (Würzburg) ausgeſtellte Rechenmaſchine, die alle nur denkbaren Rechnungen auf mechaniſchem Wege ausführt, ohne einen Rechenfehler zu begehen. Die Wirkungsweiſe ſeiner ſymmetriſchen Blitzableiter demonſtriert Prof. Zenger (Prag) durch einen beſonderen Apparat. Aus der Gruppe II (Mikrologie und Photographie) iſt zu erwähnen ein von G. Miche (Hildesheim) konſtruiertes Mitrotom zum „Unter Waſſer oder Alkohol⸗Schneiden“ nach dem Syſtem des Prof. Weigert (Frankfurt a. M.). — Von großer praktiſcher Wichtigkeit iſt ein von M. Wolz (Bonn) aus⸗ geſtellter Mikroſkop-Beleuchtungsapparat, bei welchem mittelſt eines Glasſtabes das Licht einer kleinen Lampe unter das Objekt transportiert und auf dieſe Weiſe eine vorzügliche diffuſe Beleuchtung erzeugt wird. Ein von Stenglein (Pankon bei Berlin) ausgeſtellter Apparat zeigt die Anwendung des Magneſium⸗Blitzlichts für Mikro⸗ photographie. In der Gruppe III (Chemie und Pharmacie) erregt beſondere Aufmerkſamkeit eine von der Firma Lippmann und Geffcken (Hamburg) ausgeſtellte Samm⸗ lung japaniſcher pflanzlicher Arzneimittel, desgl. eine von der Firma Chriſty & Co. ausgeſtellte Kollektion central⸗ afrikaniſcher Droguen. Geradezu erſtaunlich iſt die Vervoll⸗ kommnung der chemiſchen Wagen. E. Leybold Nachfolger hat eine ſolche ausgeſtellt, die bei 1000 g Belaſtung noch 0,5 mg ausſchlägt. In der Gruppe IV (Naturwiſſenſchaftlicher Unterricht) fällt die von der Linnaea ausgeſtellte höchſt ſeltene Varan⸗Eidechſe (Metopoceros cornutus) Hayti's auf. Die von L. Deichmann (Kaſſel) ausgeſtellte Regulator⸗ Standuhr mit Präciſions⸗Tellurium (bezw. Planetarium) veranſchaulicht die Bewegungen der Erde und des Mondes, den Wechſel der Jahreszeiten u. dergl. m. Aus der Gruppe V (Geographie und Ethnologie) heben wir die von J. L. Algermiſſen (Köln) ausgeſtellten vorzüglichen Schulwandkarten ſowie die von M. Wolz im Auftrage der Bonner Sternwarte lithographierten Sterntafeln her⸗ vor. Als eine bedeutende Leiſtung iſt die von G. Schwein⸗ furth hergeſtellte neue Karte Aegyptens ſowie eine von A. Merensky hergeſtellte Karte Südafrikas zu bezeichnen. Die Körperbemalungen und Tättowierungen zahlreicher Naturvölker werden von Dr. W. Joeſt (Verlagshandlung A. Aſher und Co. Berlin) zur Anſchauung gebracht. — Aus der Gruppe VI (Biologie, Entomologie und Anthropologie) iſt hervorzuheben Blankenhorns Sammlung von Phyl⸗ loxerapräparaten, die von W. Petzold konſtruierten Aorten⸗ ſtrom⸗Aiche (Apparat zum ſelbſtthätigen Meſſen und Mar⸗ kieren der Blutmenge, welche in einer beſtimmten Zeit durch die Aorta fließt), desgl. die von J. Mies (Köln) kon⸗ ſtruierten Schädelträger und Schädelmeſſer ſowie die durch Zuſammenfügen von ſtereometriſchen Körpern bewirkten Schädelnachbildungen zu anthropologiſchen Zwecken. In der nämlichen Gruppe hat Prof. Soyka (Prag) die von ihm neuerdings empfohlenen, für die Bakterienforſchung überaus wichtigen Milchreiskulturen (aus gekochtem Reis, Milch und Fleiſchbrühe zuſammengeſetzter Nährboden für Bakterien) zur Anſchauung gebracht. Kaſſel. Dr. M. Alsberg. Demonſtration der Erſcheinungen der Magnetoinduktion in körperlichen Leitern. Profeffor Dr. J. G. Wallentin in Wien. s iſt bekannt, daß bei der relativen Be- wegung von Magneten und Metallmaſſen in letzteren Induktionsſtröme hervorge— rufen werden und daß dieſe Ströme auf den Magnet elektromagnetiſch zurückwirken und dem Magnete Bewegungen erteilen, welche mit den even— tuell vorhandenen desſelben ſich komponieren. Gerade dieſe Erſcheinungen, welche von Arago im Jahre 1824 entdeckt und mit dem Namen des Rotations mag netismus bezeichnet wurden, führten Faraday zur Aufſtellung der Geſetze der Magnetoinduktion. In dem bekannten Aragoſchen Verſuche kommt eine oberhalb einer kupfernen Kreisſcheibe aufgeſtellte, von dieſer getrennte Deklinationsnadel in rotatoriſche Bewegung, wenn die Kupferſcheibe in Drehung ver— ſetzt wird. Beide Rotationen gehen in demſelben Sinne vor ſich. Von dieſen Wechſelwirkungen zwiſchen den in einer Metallmaſſe hervorgerufenen Induktions— ſtrömen und den induzierenden Magnetpolen macht man ſeit langer Zeit Gebrauch bei der Dämpfung von ſchwingenden Magneten, welche unter Umſtänden ſo bedeutend werden kann, daß man aperiodiſche Bewegungen erhält. — Wird eine Metallmaſſe im magnetiſchen Felde bewegt, ſo erfolgt in erſterer die Entſtehung von Induktionsſtrömen, welche auf das magnetiſche Feld derart zurückwirken, daß eine Hemmung der Bewegung entſteht und daß — wenn die bewegliche Metallmaſſe ſich ſelbſt überlaſſen wird — dieſe nach kurzer Bewegung zur Ruhe gelangt. Ein diesbezüglicher bemerkenswerter Apparat, welcher auf dieſen Prinzipien beruht, iſt das bekannte Induktions— pendel von v. Waltenhofen, in welchem ein pendelnder Kupferſtreifen zwiſchen zwei entgegenge— ſetzten Polen eines ſtarken Elektromagneten zur Ruhe gelangt, ſobald dieſer etwa durch den Strom einer Humboldt 1889. Dynamomaſchine erregt wird. Die Erſcheinung, daß die in Metallmaſſen, welche im magnetiſchen Felde beweglich ſind, entſtehenden und die Bewegung hem— menden Induktionsſtrönme in den Metallmaſſen Wärme erzeugen, wurde von Foucault entdeckt, und man bezeichnet aus dieſem Grunde heute ſehr oft dieſe Induktionsſtrömeals Foucaultſche Ströme. Neuerdings wurden dieſe Foucaultſchen Ströme in einer rotierenden Scheibe unter dem Einfluſſe eines Magneten in dem Induktionskreiſel von G. Ch. Manet gezeigt; die Verſuche mit demſelben erſcheinen für den erſten Augenblick paradox. Eine Eiſenblech— ſcheibe, welche um eine centrale, ſenkrecht zu ihrer Ebene ſtehende Achſe drehbar eingerichtet iſt, wird wie ein Kreiſel gedreht. Iſt die Scheibe ruhend, ſo wird ſie von einem Hufeiſenmagneten angezogen; wird aber die Scheibe bewegt und ihr ein Pol des Magneten oder beide zugleich genähert, ſo enſteht eine Abſtoßung zwiſchen dem Magnetpole und der Scheibe, infolge welcher die letztere an der dem Magneten zugewendeten Seite ſich ſenkt. Es entſtehen in der Scheibe In— duktionsſtröme, welche auf die Magnetpole wirken, und dieſe Kraft komponiert ſich mit der Anziehung, welche der Magnet auf die Eiſenſcheibe ausübt. Wird die Geſchwindigkeit der Scheibe geringer, ſo kehrt ſich die Abſtoßung in Anziehung bei einer gewiſſen Ge- ſchwindigkeit der Scheibe um. Wenn man den aktiven Magnetpol nicht auf die Fläche der Eiſenſcheibe, ſondern in der Scheibenebene gegenüber dem Rande hält, ſo werden die Abſtoßungserſcheinungen nicht wahrgenommen. Ein Verſuch von Faraday, an welchen wir unſere weiteren Betrachtungen knüpfen wollen, zeigt ebenfalls die Entſtehung der Foucaultſchen Ströme. In einer kupfernen Kugel, die an einem ſtark ge- 7 50 Humboldt. — Februar 1889. drillten Faden aufgehängt iſt und zwiſchen den Polen eines ſtarken Elektromagneten auf dieſe Weiſe in rotatoriſche Bewegung verſetzt wird, werden Ströme induziert, durch deren Wirkung auf das magnetiſche Feld eine Hemmung der Rotationsbewegung und ſomit eine Verlangſamung der Drehbewegung der Kugel eintritt. Es iſt dieſe Wirkung ſomit eine von den beiden Polen des Magneten ausgehende oder eine bipolare. Vor kurzem wurde von Pro⸗ feſſor Puluj ein einfacher Apparat konſtruiert, durch den er die unipolare Wirkung auf eine rotierende Kugel in eleganter Weiſe demonſtrieren konnte. Wir be⸗ ſchreiben den bezüg⸗ lichen Verſuch, wel⸗ cher nach der Theorie 90 der Kraftlinien ein⸗ b fach erklärt werden kann. Es wurde (Fig. 1) eine Hohl⸗ kugel aus Kupfer, die 6 em im Durch⸗ meſſer hatte, an ei⸗ nem doppelten Auf⸗ hängefaden von 2,5 m Länge befeſtigt und zwar über der magne⸗ tiſchen Achſe eines aufrecht ſtehenden ſtabförmigen Elektro⸗ magneten. War letz⸗ terer nicht erregt und wurde der Doppel⸗ faden gedrillt, ſo drehte beim Aufhören der Torſion die Kugel ſich um die vertikale Achſe entgegengeſetzt der Torſionswirkung. Wurde nun der Elek⸗ tromagnet erregt, ſo verließ das Pendel — die Vertikallage, und es drehte ſich die Ku⸗ : gel im Anfange auf einer ſpiralförmigen, zuletzt auf einer Kreisbahn um den induzierenden Pol des Elektromagneten, und es entſtand eine beträchtliche Verlangſamung der Achſen⸗ drehung der Kugel. Wurde die Polarität des indu⸗ zierenden Poles umgekehrt, ſo blieb die Richtung der Revolutionsbewegung der Kugel — fo wollen wir die um den Pol kreiſende Bewegung der⸗ ſelben bezeichnen — dieſelbe. Die Richtung dieſer Revolutionsbewegung ſtimmte jederzeit mit jener der Rotationsbewegung der Kugel überein; wurde ſomit der Faden in der entgegengeſetzten Richtung gedrillt, ſo war die Revolutionsbewegung entgegengeſetzt der früheren gerichtet. Befindet ſich eine Kugel — wie in dem Faradayſchen Experimente — zwiſchen den entgegengeſetzten Polen eines Elektromagneten, lee] eH] Fig. 1. ſo muß begreiflicherweiſe die Revolutionsbewegung der Kugel Null werden; dieſelbe bleibt in der Verti⸗ kalen, erleidet aber infolge der Foucaultſchen Ströme eine Beeinträchtigung der Rotationsbewegung. Was die Theorie dieſer Erſcheinungen betrifft, ſo iſt dieſelbe einfach genug, wenn wir die Theorie der Kraftlinien zu Hilfe nehmen. Wir machen die vereinfachende Annahme, die Kugel ſei durch einen vertikalen Metallring erſetzt, der alſo einen Meridian⸗ ſchnitt der Hohlkugel darſtellen ſoll. Dieſer, in gleicher Weiſe wie die Kugel in den früher erörterten Verſuchen aufgehängte Ring befinde ſich ferner nicht oberhalb des induzierenden Magnetpoles, ſondern ſeitlich von demſelben; in der Ruhelage ſtehe endlich die Ebene dieſes Ringes perpendikulär zu den Kraftlinien des magnetiſchen Feldes, deren poſitive Richtung ſich be⸗ kanntlich vom Nordpole gegen den Südpol erſtreckt. Sei alſo in nebenſtehender Figur (Fig. 2) N der Fig. 2. induzierende Nordpol, RR der Metallring in ſeiner Ruhelage, xx die Rotationsachſe desſelben, erfolge ferner die Drehung im Sinne des obengezeichneten kleinen Pfeiles, d. h. einem von oben herabſehenden Beobachter erſcheine die Drehbewegung im Sinne der Bewegung des Uhrzeigers, ſtellen ferner die punktierten Kurven die Richtungen der vom Nord⸗ pole verlaufenden Kraftlinien dar, ſo iſt klar, daß in der angenommenen Ruhelage die meiſten Kraftlinien durch den Metallring hindurchdringen. Dreht ſich der Ring, ſo wird die Anzahl der geſchnittenen Kraftlinien variieren, was — wie man weiß — eine im erſteren induzierte elektromotoriſche Kraft zur Folge hat, welche durch die Anzahl der in der Zeiteinheit geſchnittenen Kraftlinien gemeſſen wird. Um die Richtung der im Ringe induzierten Ströme zu beſtimmen, ge⸗ denken wir der von Maxwell aufgeſtellten Regel: Bewegt ſich ein Drahtring durch ein magnetiſches Feld derart, daß die Zahl der Kraftlinien, die durch deſſen Fläche gehen, abnimmt, ſo beſitzt der induzierte elektriſche Strom eine Richtung, welche im Sinne der Bewegung des Uhrzeigers ſtattfindet, wobei voraus⸗ geſetzt wird, daß man die Fläche des bewegten Draht⸗ ringes in der Richtung der Kraftlinien betrachtet; nimmt aber bei der Bewegung des Ringes im mag⸗ Humboldt. — Februar 1889. 51 netiſchen Felde die Zahl der durch die Fläche des erſteren gehenden Kraftlinien zu, dann iſt der ent— ſtandene Induktionsſtrom umgekehrt dem Bewegungs⸗ ſinne des Uhrzeigers gerichtet. In unſerem Falle wird bei der Bewegung des Ringes die vordere Ring— hälfte eine bis 90» Drehung abnehmende Anzahl Kraftlinien ſchneiden; es wird daher in dieſer Hälfte der Strom von oben nach unten fließen; in der rück— wärtigen Ringhälfte wird bis 90° Drehung die An— zahl der geſchnittenen Kraftlinien größer werden, und der in dieſer Hälfte entſtandene Induktionsſtrom wird von unten nach oben fließen, ſo daß die Kombination dieſer Ströme einen Geſamtſtrom liefert, welcher im Ringe im Sinne des Uhrzeigers fließt. Erfolgt die Weiterdrehung des Ringes um abermalige 906, fo behält — wie ein ganz ähnliches Räſonnement lehrt — der Strom im Ringe ſeine Richtung bei; wird nun der Ring über 180° hinaus gedreht, fo kehrt der Strom ſeine Richtung um und behält dieſelbe bis zu einer Drehung von 360° u. ſ. w. Denkt man ſich nun die Kugel durch Meridian⸗ ſchnitte, welche vertikal geführt ſind, in lauter Ringe geteilt und dieſelben für einen Augenblick durch Luft- ſchichten voneinander ifoliert, fo wird bei der voraus— geſetzten Drehung dieſes Ringſyſtemes um den Nordpol in den Ringteilen, welche demſelben zugekehrt ſind, ein Fließen der induzierten Ströme von oben nach unten erfolgen, während in den Ringteilen, welche vom Nordpole entfernt ſind, die Induktionsſtröme von unten nach oben fließen. Wie die mathematiſche Theorie der beſchriebenen Erſcheinungen lehrt, iſt die jeweilige elektromotoriſche Kraft der Intenſität des magnetiſchen Feldes, der Größe der Kreisfläche des Ringes, der Winkelgeſchwindigkeit der Rotation pro- portional und hängt von dem Winkel ab, den die jeweilige Lage der Ringebene mit jener bildet, die perpendikulär zu den Kraftlinien iſt, derart, daß, wenn dieſer Winkel bis 90 zunimmt, die elektromotoriſche Kraft größer wird, von 90° bis 180° abnimmt, dann im dritten Quadranten wieder zunimmt und von da bis 360° eine abermalige Abnahme erfährt. Beachtet man, daß nach der Ampereſchen Theorie des Magnetismus der Nordpol, was ſeine Wirkung nach außen betrifft, einem Strome äquivalent iſt, welcher einem dem Nordpole gegenüberſtehenden Beobachter entgegengeſetzt dem Uhrzeiger ſich zu bewegen ſcheint, erwägt man ferner, daß nach den Prinzipien der Elektrodynamik Ströme, welche gegen den Kreuzungs— punkt hin oder von dem letzteren fort fließen, ein— ander anziehen, während Ströme, von denen der eine zum Kreuzungspunkte, der andere von dieſem weg— fließt, einander abſtoßen, ſo erklärt man leicht, daß erſtens die Drehbewegung der Kugel abnimmt, daß ferner eine Revolutionsbewegung derſelben eintritt, welche in derſelben Richtung, wie die Rotationsbe⸗ wegung vor ſich geht (Fig 3 a). Rotiert das Ringſyſtem um einen Südpol (Fig. 3b), ſo ändert ſich der dem Südpole äquivalente Ampereſche Strom in ſeiner Richtung, aber auch die in den Ringen induzierten elektriſchen Ströme, und die Wechſelwirkungen dieſer beiden Stromſyſteme haben dieſelben Effekte zur Folge, welche oben beſchrieben wurden. Es ijt daher die Richtung der Revolutions⸗ bewegung der Kugel von der Beſchaffenheit des indu— zierenden Magnetpoles unabhängig. Die Metallkugel kann aus den beſchriebenen Meri- dianringen zuſammengeſetzt gedacht werden, und es wird daher die Wirkung des Magnetpoles auf die rotierende Kugel dieſelbe ſein, wie die des erſteren auf das Ringſyſtem. Würde man vorausſetzen, daß die Kugel genau in der magnetiſchen Achſe rotiere, ſo würden — wie Jig. 3. aus der Theorie der Kraftlinien folgt — in der Kugel keine Induktionsſtröme entſtehen; eine geringe Verſchiebung aus der erwähnten Lage, welche immer bei den Verſuchen unvermeidlich iſt, wird die be- trachteten Effekte zur Folge haben. Daß die Richtung der in der Kugel entſtandenen Induktionsſtröme thatſächlich die meridionale iſt, iſt von Profeſſor Puluj in ſehr ſinnreicher Weiſe durch folgendes Experiment beſtätigt worden: Es wurde eine maſſive Kupferkugel in der Richtung der Parallelkreiſe, alſo ſenkrecht zur Rotationsachſe der Kugel durchſchnitten und die ſo getrennten Scheiben unter Zwiſchenſchaltung von iſolierenden Subſtanzen (dünnes Papier) wieder zuſammengefügt und durch eine iſolierte Schraube zuſammengehalten. Es konnten 5) Humboldt. — Februar 1889. nun — wenn die obige Theorie der Erſcheinungen die richtige iſt — die meridionalen Induktionsſtröme nicht entſtehen, und es mußten daher ſowohl die Ver⸗ zögerung der Rotationsbewegung, als auch die Revo⸗ lutionsbewegung der Kugel ausbleiben; dies hat das bezügliche Experiment ergeben. In einer vollſtändigen Theorie der dargeſtellten Phänomene mußte auch die Wirkung der Schwere Berückſichtigung finden. Die kinetiſche Energie der Drillbewegung der Kugel, welche derſelben zu Beginn des Verſuches mitgeteilt wurde, hat ſich in dieſem in die kinetiſche Energie der kreiſenden Bewegung der Kugel um den Magnetpol und die potentielle Energie der Induktionsſtröme, welche in der Kugel entſtehen und Wärme erzeugen, umgeſetzt. Um die Rotations⸗ bewegung der Kugel, ſowie auch die erzeugte Revo⸗ lutionsbewegung derſelben länger zu erhalten, wurde die Kugel vermittelſt eines Uhrwerkes, das in der Figur 1 durch w ſchematiſch dargeſtellt tft, ſich drehend erhalten. In die Gruppe der erwähnten Erſcheinungen elektrodynamiſcher Natur gehört auch die weniger be⸗ kannte, daß ein biegſamer langer, von einem Strome durchfloſſener Platindraht, der beweglich und über der Achſe eines ſtabförmigen Elektromagneten befeſtigt iſt, ſich ſpiralförmig auf dem letzteren aufwindet, wenn der Magnet erregt wird. Kehrt die Richtung des Stromes im Elektromagneten oder im Platin⸗ drahte um, jo erfolgt eine ſpiralförmige Aufwickelung des Drahtes im entgegengeſetzten Sinne; wechſelt aber gleichzeitig im Elektromagneten und im Platin⸗ drahte die Stromrichtung, ſo bleibt der Sinn der Spiralwindung erhalten. Sur Säugetierfaung der mantſchuriſchen Subregion. Von Profeffor Dr. Th. Woack in Braunſchweig. ahlreich iſt die Ordnung der Raubtiere in den Sammlungen der Herren Dörries vertreten. Der Tiger findet ſich, wenn auch ſelten, in den Wäldern am Uſſuri und Sidimi. Ein erwachſenes 2 wurde im Winter am Bykien, einem Nebenfluß des Uſſury, von ihnen geſchoſſen. Der ſibiriſche Tiger iſt heller als der aſiatiſche gefärbt, die Kopfzeichnung matter, die Beine kürzer, die Behaarung an Bruſt und Bauch ſehr lang und dicht. Trousſſart hat die als Tigris longipilis von Fitzinger beſchriebene Art mit Recht mit Felis tigris vereinigt. Ein angeſchoſſenes Exemplar von Cervus Dybowskii wurde in der Nacht durch ihn geraubt, das Ohr eines von mir unter⸗ ſuchten Hirſches war total zerfetzt, aber wieder aus⸗ geheilt, ſo daß man den Tiger oder Leoparden als Thäter anſehen muß. Ich habe ſonſt noch einen Balg des nordaſiatiſchen Tigers in den Sammlungen des ruſſiſchen Malers Wereſchagin geſehen, welcher ſich durch enorme Größe und ſehr helle Färbung aus⸗ zeichnete. Das Nähere über die Verbreitung des Tigers am Amur findet ſich bei Radde. Pardus orientalis, bisher in Korea nachgewieſen, wurde in drei ſchönen Exemplaren erlegt, von denen zwei das Berliner Muſeum beſitzt. Trousſſart ver⸗ einigt (Cat. des carnivores S. 98) alle Panther und Leoparden zu einer Art, Felis pardus, und in der That zeigen die Schädel keine weſentlichen Abweichungen, aber das iſt auch bei manchen anderen Feliden der Fall. Mindeſtens muß man den orientaliſchen und japaniſchen Panther als weit entwickelte und den nördlichen Gegenden erheblich angepaßte Varietäten betrachten. Pardus orientalis Schleg. weicht äußerlich erheblich von den tropiſchen Panthern ab. Er iſt ein pracht⸗ volles großes, ſehr lang und dicht behaartes, hell⸗ gefärbtes Tier, welches ſich beſonders durch die großen ringförmigen ſpärlicheren Flecke von den ſüdaſiatiſchen Panthern unterſcheidet. Die Haare find 3—4, am Bauch bis 7 em lang. Mein Exemplar, ein altes 8, iſt hellgelb gefärbt mit weißer Unterſeite. Die Tüpfe⸗ lung der Stirn iſt ſehr ſparſam, über den Körper ziehen acht Fleckenreihen an jeder Seite, die Flecken des Rückens ſind länglichrund, die der Seiten rund ringförmig mit weißer Inſel, beſonders groß die der Hinterſchenkel, die Flecken der Bruſt, der Beine und des Bauches ſind einfach. Der Schwanz iſt oben gelblich mit vier großen, ineinander verlaufenden Fleckengruppen, dahinter ſtehen drei breite und zwei ſchmale durch Weiß getrennte ſchwarze Binden. Die Unterſeite des Schwanzes iſt weiß, Bruſt und Bauch ſpärlich gefleckt. Das Haar iſt rauh, nicht glatt an⸗ liegend, die Pranken ſehr ſtark behaart. Körper 136, Kopf ca. 22, Schwanz 83 em. Der Radius mißt 18,5, die Ulna 24, die Tibia 26,5, die Fibula 25, der Humerus 9, der Femur 25 em, Breite des Metacarpus 6 em. Der Schädel weicht nicht weſent⸗ lich von dem des von mir verglichenen Sundapanthers ab. Das ſtark abgenützte Gebiß zeigte oben nur noch zwei Schneidezähne und einen Molar. Die Alveolen der fehlenden Zähne waren vollſtändig geſchloſſen. Die vorhandenen haben ſtärkere Baſalwülſte als beim indiſchen Panther, der zweite Backenzahn unten beſitzt hinten einen zweiten ſtarken Höcker, wie der Tiger, und die hintere Kante des Reißzahns iſt mehr abge⸗ rundet, als beim aſiatiſchen Panther, übrigens ebenſo gefurcht wie bei dieſem. Die Scheitellänge des Schädels beträgt 26, die Baſilarlänge 20cm, die Breite der Schädel⸗ kapſel beträgt 7, die größte Breite zwiſchen den Joch⸗ bogen 15, die Länge des Unterkiefers 14,5, alles ge⸗ waltige Maße für einen Pantherſchädel. An der Nordgrenze von Korea, am Sidimifluß, Humboldt. — Februar 1889. 53 fanden die Herren Dörries in zwei Exemplaren Felis microtis Milne Edw. = Felis euptilura Elliot (ab- gebildet Proc. L. Z. S. 1871). Die Katze wurde ſchon durch v. Schrenck und Radde am Amur gefunden, aber irrtümlich für Felis undata gehalten. Sie ſteht freilich, wie der Schädel beweiſt, der ſüdaſiatiſchen Felis minuta nahe. Als das Urbild der kleineren aſiatiſchen Katzen muß man Felis viverrina betrachten, welche ſich wie Felis mi— crotis durch einen kurzen Schwanz auszeichnet. Felis microtis im Sommerpelz iſt hell gelbrot— braun gefärbt mit undeutlichen luchsähnlichen rot— braunen Tüpfelreihen über dem ganzen Körper; die Kopfzeichnung zeigt den Charakter von Felis viverrina, ein Schema, welches ſich mehr oder weniger deutlich bei allen kleineren Wildkatzen, jo bei F. maniculata in Afrika, Felis Temmincki und undata in Aſien, Felis tigrina in Amerika 2c. wiederholt, alſo für einen uralten Felidenſtempel gehalten werden muß. Vier braunrote Tüpfelreihen vor der Stirn ſind beiderſeits von einem weißen Bande an der Innen⸗ ſeite der Augen eingefaßt. Die Augenränder ſind weiß, über die weißen Wangen ziehen ſich zwei roſt— rote Bänder. Die Unterlippe iſt weißgrau, die Naſe gelblich rotbraun, das Ohr am Rande tief dunkelbraun, innen dicht hellgelb behaart, hinten an der Baſis gelbbraun, in der Mitte mit weißgrauem Fleck, die Muffel iſt gelbbraun, die Schnurren weiß mit brauner Baſis, die Wangenborſten fehlen, die über den Augen ſind unbedeutend. Ueber den Nacken ziehen ſich vier dunkler braun— rote Bänder, der Rücken iſt dunkler gefärbt mit braunen Haarſpitzen, an den Seiten ſind die Haar— ſpitzen weiß. Die weiße Kehle zeigt ein breites roſt— rotes Kehlband und vier undeutliche roſtrote Tüpfel— bänder. Die Beine ſind innen und außen rotbraun getüpfelt, der Metatarſus hinten dicht hellgraubraun behaart, Bauch weißlich gelbrot mit größeren braunen Flecken; die Vorderbeine braunrot gebändert. Der Schwanz iſt unten gelbgrau, oben gelbrot mit vier— zehn undeutlichen Bändern und kleiner ſchwarzbrauner Spitze. Das Haar iſt außerordentlich lang und dicht, beſonders am Bauche, bis 5 em lang. Das Ohr iſt kleiner, als bei anderen Wildkatzen, auch ſind die Pfoten ſehr zart, die Nägel ſchwach, der Schwanz mittellang. In der Größe ſteht die Katze zwiſchen Felis manul und Felis undata. Der Körper mißt 75, der Kopf 13, der Schwanz 32, mit Haar 34 em. Die Ohrlänge beträgt 3,5, die des Radius 11, des Metacarpus mit Pfote 8, der Tibia 13, des Mteta- tarſus mit Pfote 12,5 cm. Ein erwachſenes 8, im Winter auf dem Eiſe geſchoſſen, iſt ähnlich gefleckt, doch der Grundton mehr gelblich umbra mit ſpärlicheren hellen Haarſpitzen und dichtem wolligem Haar. Die Naſenkuppe iſt ſchwärz⸗ lich, das Geſicht dunkler, mehr braun, das nur 2,5 em lange rundliche Ohr viel ſchwächer behaart, mit grau— braunem Fleck an der Hinterſeite und ſchwärzlichem Rande; die Wangen ſind weißlich gelbbraun, die Stirn- bänder dunkler. Das Kehlband iſt gelbbraun, Brujt und Bauch weißlichgelb, ohne die weißen Haare zwiſchen den Hinterſchenkeln, wie bei dem erſten Exemplar. Die gelbbraunen Vorderbeine tragen braune Querbänder, die Nackenſtreifen ſind ſchwarzbraun. Auf dem Rücken befindet ſich ein undeutlicher ſchwarzbrauner Strelfen, die braunen Tüpfel an den Seiten ſind undeutlich, am Bauche kleiner als im Sommerpelz. Der kurze kolbige Schwanz zeigt mehrere undeutliche braune Bänder und braune Spitze, die Unterſeite desſelben iſt gelbbraun. Der Körper mißt 69, der Kopf 13, der Schwanz 19 em, Radius 10, Metacarpus und Pfote 8, Tibia 14, Metatarſus und Pfote 14, alſo länger als bei dem erſten Exemplar. Die unteren Schneidezähne ſind klein, dagegen die beiden äußeren groß, mit dreieckiger Spitze, die oberen ziemlich gleich groß, die vier inneren ſchwach zweilappig. Die beſonders unten kräftigen Eckzähne haben eine Außenfurche, der rudimentäre, obere Lück— zahn ſteht etwas näher am Eckzahn als am Backen⸗ zahn. Die Backenzähne beſitzen einen mäßigen Bajal- wulſt und ſind beide breit, die beiden hinteren Zacken des erſten Backenzahnes ſind breit, der breite Reiß— zahn beſitzt hinter der tiefen Furche des Hauptzackens nur einen maſſiven hinteren Zacken, nicht wie z. B. Felis tigrina zwei. Der rudimentäre hintere Backen⸗ zahn iſt dicht an den Reißzahn gelehnt und etwa 2 em breit und 1,5 hoch. Auch die unteren Backen— zähne zeigen breite und kräftige Formen, der erſte beſitzt einen auffallend runden Hauptzacken und ſtarken Nebenzacken, die beiden Hauptzacken des letzten unteren Backenzahnes ſind ziemlich gleich groß. Der obere Eckzahn iſt 12, der untere 13 mm hoch. Die Breite der beiden oberen Backenzähne beträgt 8 und 11, die der drei unteren 6, 7,5 und 9 mm. Der Schädel iſt dem von Felis minuta ſehr ähnlich, nur entſprechend größer. Am Unterkiefer iſt der Processus coronoideus breit abgerundet, wie bei F. minuta, und in noch höherem Maße bei F. viverrina und Cryptoprocta ferox, repräſentiert alſo einen ſehr alten Typus, den manche der älteſten Karnivoren, wie Metarctos, zeigen. Dagegen liegt die Wölbung des Schädels in den Scheitelbeinen nicht wie bei F. viverrina und Cryptoprocta ferox in den Stirnbeinen. Die Bulle auditorie find ſtark entwickelt, das hintere Ende der Naſenbeine wie bei viverrina, minuta und Temmincki zugeſpitzt, nicht wie bei F. catus abgerundet. Die Scheitellänge beträgt 93—94 mm, die größte Schädelbreite 43 — 46, die Weite zwiſchen den Jochbogen 64—65, die Länge des Unterkiefers bis zum Condylus 63, die Höhe unter dem Proc. coron. 29 mm. Ueber die Lebensweiſe von Felis microtis fehlen noch Berichte. Ohne Zweifel hat ſich auch Felis microtis aus tropiſchen Formen entwickelt und ſich einem nördlichen Klima angepaßt, wo ſich ſonſt nicht getüpfelte, ſondern gebänderte Formen wie Felis manul und Catus ferus finden. Das Gebiet des Amur bezeichnet in Aſien die nördlichſte Grenze der kleinen Feliden, über welche ſich keine Art, wie dies bei den Hirſchen der Fall war, in die nearktiſche 54 Humboldt. — Februar 1889. Region, die doch nach den Entdeckungen von Cope, Marſh und Leidy in der Tertiärzeit eine ſo gewal⸗ tige Entwickelung der großen Katzen zeigt, verbreitet hat. Die aus Georgien und Florida erwähnten kleinen Wildkatzen ſind verwilderte Hauskatzen. Auch von Südamerika aus hat keine der kleinen Katzen Nordamerika über Mexiko hinaus betreten. Daraus folgt, daß die Gruppe der kleinen Feliden einen verhältnismäßig jungen Typus repräſentiert, welcher in den Tropen erſt entſtand, als wirkſame Barrieren, kalte oder baumloſe Steppen oder Meeres⸗ arme, ihrer Ausbreitung in nördlichere Gegenden ein Ziel ſetzten. Sind doch die Karnivoren überhaupt ein ausſterbendes Geſchlecht, dem heute der Menſch das Ende der Dinge bereitet. Nur die Familie der Luchſe, mit den Tropen noch durch den Karakal und die Chausgruppe verknüpft, iſt in die ſubarktiſchen Gegenden eingedrungen und hat ſich dort zu mittelkräftigen Formen entwickelt. Der einzige im Uſſurigebiet erlegte Luchs gehört der Art L. canadensis an, welche den Norden der beiden Kontinente bewohnt, während alle übrigen Luchſe regionale Arten ſind. L. cervaria erſtreckt ſich von Skandinavien und dem Ural bis nach Per⸗ ſien, pardina gehört Südeuropa an, Iynx reicht von Tibet quer durch Europa und L. rufa durch Nord⸗ amerika bis Mexiko. In Centralaſien leben Chaus caudata und shawiana. Auch L. canadensis zeigt noch deutlich, wenn auch matt, die Urzeichnung des Geſichts, den weiß⸗ grauen Fleck am Ohr, deſſen Baſis rot iſt, die ſchwarze Schwanzſpitze. Die Tüpfelung auf hell rotgrauem Grunde iſt an den Beinen und in den Weichen noch ſichtbar. Der dunkle Fleck unter dem Mundwinkel findet ſich bei den eigentlichen Katzen nicht. Die Be⸗ haarung iſt, wie bei allen Säugetieren am Amur, ſehr lang und dicht. Der Körper mißt 108, der Schwanz 21, das Ohr 6 em. Der Wolf, Canis lupus, der in Korea fehlen ſoll, wurde am Uſſuri und Suiffun öfter erlegt, ebenſo der Fuchs, C. vulpes. Am Amur findet ſich die ſtarke rotbraune Varietät mit kürzeren Ohren, die auch in Nordamerika lebt. Die weiße Blume erſtreckt ſich faſt über den halben Schwanz. Der Fuchs Nordchinas iſt gelbrot, dem unſeren ähnlicher, aber etwas ſtärker, der Fuchs Nordſibiriens ſchwächer, als der unſere, das Braunrot mit Schwarzgrau gemiſcht. Canis vulpes nimmt alſo nach Norden wie auch in Labrador an Größe ab, und zeichnet ſich hier, entgegen unſerem Fuchs, durch Vertrauensſeligkeit und Gutmütigkeit aus, wie ich an lebenden Exemplaren gefunden habe. Eine umfaſſende Monographie der Alopeeiden, von denen das Berliner Muſeum eine ſehr reich⸗ haltige Sammlung beſitzt, harrt noch der Zukunft und würde, in der Weiſe wie Elliots Monographie der Feliden angelegt, wichtige Aufſchlüſſe über die Verbreitung der Füchſe gewähren. Bis heute iſt unſer Wiſſen Stückwerk. ſind wohl erkennbar. bung iſt dieſelbe wie in Japan, weißgrau mit ſchwärz⸗ lichen Haarſpitzen, ähnlich unſerem Dachs, mit der charakteriſtiſchen braunen Zeichnung im Geſicht und braunen Beinen. Das Exemplar war ſehr kräftig und enorm dicht und lang behaart, die Grannen meſſen 9—10, im Schwanz 11 em, Körper 69, Schwanz 26, Metacarpus und Fuß 9, Metatarſus und Fuß 12. Der von Gray getrennte chokolade⸗ braune N. procyonides, der mir wie viverrinus lebend bekannt iſt, muß mindeſtens als Varietät auf⸗ recht erhalten werden. An der Nordgrenze von Korea fanden die Herren Dörries eine Viverre, Viverra pallida Gray. Es iſt bemerkenswert, daß dieſe Familie in Oſtaſien ſo weit nach Norden reicht, wie ſonſt nirgends auf der Erde. Ziemlich weit durch China verbreitet iſt Para- doxurus larvatus und im Süden Viverra (= Viver- ricula) malaccensis. Viverra pallida lebt nördlicher, welche Gray zuerſt (Proc. L. Z. S. 1862) als eigene Art beſchrieb, ſpäter geneigt war, nur als eine Va⸗ rietät von V. malaccensis anzuerkennen. Doch hat ſie Trousſſart als eigene Art in ſeinen Katalog auf⸗ genommen. Mein Exemplar zeigt im Aeußeren den Habitus von V. malaccensis, reſp. pallida, die Flecken ſind ebenſo undeutlich wie bei pallida, aber es iſt erheblich größer und würde ſich vielleicht als neue Art herausſtellen, wenn der Schädel vorhanden wäre. Vorläufig muß es mit Viverra pallida ver⸗ einigt bleiben. Die Färbung iſt gelblich graubraun, mit vielen weißgelben Haarſpitzen, dunkelbraun ge⸗ ſprenkeltem Rücken und vielen weißlichen Haarſpitzen, fo daß der Körper ganz undeutlich gefleckt erſcheint. Nur an den Hinterſchenkeln ſind die braunroten Flecken deutlicher. Die Kehle iſt weißlich gelb mit undeutlichen braunroten Bändern, der Bauch rötlich gelb mit wenigen großen braunen Flecken. Die Bänderung der Viverren an der Halsſeite iſt kaum bemerkbar. Von den Augen über die Stirn ziehen ſich zwei weißgelbe, außen braun umſäumte Streifen, zwi⸗ ſchen ihnen undeutliche weißliche und bräunliche Streifen, die Oberlippe iſt weißgelb, der dunkle Naſen⸗ ſattel, den alle Genetten beſitzen, rötlich braun, die Schnurren weiß mit ſchwarzer Baſis. Das Ohr zeigt hinten an der Baſis einen großen roſtbraunen Flecken, vorn am Rande des innen gelbrot behaarten Ohres ſteht ein ſtarker gelber Haarbüſchel. Die Ohrſpitze iſt hinten ſchwarz, die Mitte weißgrau. Die Afterdrüſen Die gelbbraunen Beine zeigen einzelne dunklere Flecken, die Hinterſeite der Beine iſt dunkler braun mit weißlichen Haarſpitzen, die der Hinterſchenkel roſtrot, der leider unvollſtändige Schwanz gelblich graubraun, unten mehr olivenfarben mit kaum erkennbarer Bänderung. Die Vorderpfoten ſind ſehr kräftig, mit ſtark gekrümmten, katzenartigen, zurück⸗ ziehbaren, weißen Krallen, die Hinterpfoten zart, mit kurzen, wenig zurückziehbaren weißlichen Nägeln. Das große, ſchrägſtehende Auge ſteht ziemlich nahe an der kurzen ſpitzen Schnauze. Körper 69, Kopf etwa 10, In einem Exemplar wurde am Sidimi gefunden Hals 18, Ohr 3,5 vorhandener Schwanz 24 em. der Marderhund, Nyctereutes viverrinus. Die Fär⸗ In einem Exemplar wurde Martes flavigula ge⸗ Humboldt. — Februar 1889. 55 ſchoſſen, ſelten fanden die Herren Dörries Mustela martes. Noch ziemlich zahlreich kommt am Uſſuri und Si— dimi der Zobel vor, von dem mir 10 Schädel zur Verfügung ſtanden. Die Unterſchiede von Mustela zibellinia und abietum ſind im Schädel wenig auf— fallend, im Gebiß ſo unweſentlich wie die von M. abietum und fagorum. Meine Schädel beſitzen eine Scheitellänge von 91—92 mm. Die zahlreichen Steinmarder des braunſchweiger Muſeums meſſen etwa 2 mm weniger, die größten faſt ebenſoviel. Die wich⸗ tigſten Unterſchiede ſind: 1) der Oberkiefer und die Naſe iſt beim Zobel etwas länger und ſchlanker; 2. die Stirn und die Profillinie des Schädels iſt flacher, das Hinterhaupt fällt weniger nach hinten ab; 3. die Bullae auditor. ſind größer und erheblich ſtärker ge— wölbt; 4. im Unterkiefer iſt der obere Teil des Processus coron. ſchmaler und nicht wie beim Steinmarder öfters etwas nach hinten gebogen; 5. der äußere Schneidezahn oben iſt etwas ſchlanker an der Baſis und weniger hakenförmig gebogen, die Furchung des unteren Eckzahnes ſchwankt und iſt unweſentlich. Sonſt ſtimmen Schädel und Gebiß, wie auch v. Middendorff bemerkt, zum Verwechſeln überein, und es iſt ohne Vergleichsmaterial ebenſo ſchwierig, den Zobel vom Steinmarder, wie dieſen vom Hausmarder im Schädel zu unterſcheiden. Manche angebliche Unterſchiede zwi— ſchen letzteren beiden exiſtieren, wenn man zahlreicheres Material unterſucht, in der Phantaſie und laſſen ſich auf Alters- und Geſchlechtsunterſchiede zurückführen. Die Hauptmaße eines alten 6 Schädels find: Scheitel— länge bis zum Ende des Naſenbeins 87, bis zu den Schneidezähnen 92, Baſilarlänge 81, Breite der Schädelkapſel 47, zwiſchen dem Proc. zy gm. 54, Scheitelhöhe 30, Höhe des Hinterhauptes 23, des Hinterhauptlochs 11, Gaumenlänge 43, Eckzahn 12mm. Mustela sibirica lag mir in mehreren Exemplaren von der Suiffunmündung vor. Ein erwachſenes 9 zeigte die ſchöne gelbrote Färbung ſehr intenſiv, be— ſonders oben und am Schwanz, die dunkelbraune Oberlippe ijt mehrfach weiß gefleckt, die weiße Unter- lippe vorn braun gefleckt, bei einem jüngeren 8 fehlten die weißen und braunen Flecke der Lippen und das Gelb hatte eine bräunliche Färbung, welche an den Pfoten und am Kopf erheblich dunkler war, als beim 2. Einen weißen Fleck unten am Halſe, wie Pallas, Wagner und v. Middendorff angeben, hatten meine Exemplare nicht. Maße des Weibchens: Körper 45, Kopf 8, Schwanz 26,5, Unterarm 5, Metacarpus mit Hand 3,5, Metatarſus und Fuß 6 em, Ohr 18 mm lang, 22 breit; Mustela sibirica lebt beſonders vom Honig wilder Bienen, womit auch wohl die intenſiv gelbrote Färbung zuſammenhängt. Von Bären lebt im Uſſurigebiet der nordiſche Ursus arctos neben dem ſüdlichen Ursus tibetanus, und von beiden lagen mir Proben vor. Ueber Ursus arctos in Sibirien hat beſonders v. Middendorff ausführlich berichtet und ich brauche nur wenig hinzu— zufügen. Der ſehr große männliche Schädel beſaß eine Scheitellänge von 44,5 em in der Krümmung, eine Baſilarlänge von 34,5. Die Stirnbreite betrug 97 mm, die größte Breite zwiſchen den Jochbogen 25 cm, beim weiblichen Schädel waren dieſelben Maße 37, 32, 73, 23. Die Stirn des 8 war viel ſtärker ge— wölbt, die Stirngrube des e viel tiefer. Die ſtarken gelben Eckzähne des d zeigten eigentümlich ſcharfbegrenzte weiße Schmelzinſeln, wie ich ſiean Bärenzähnen noch nicht geſehen habe. Beide Schädel trugen die Zeichen viel— facher Kämpfe, beim 8 war der obere Teil des linken Jochbogens durch einen Schuß zerſchmettert, aber aus— geheilt, das 2 zeigte vor der Stirn einen matten, auch verheilten Kugeleindruck, außerdem fand ſich eine ſtarke Verletzung beim 2 am Augenrande und bei beiden Schrammen auf dem Schädel, welche durch gegenſeitige Kämpfe entſtanden zu ſein ſchienen, ſo daß beide Schädel ein deutliches Bild vom harten Kampf ums Daſein und von der Widerſtandsfähig— keit der Bärennatur gaben. Auch Ursus tibetanus hat, den Spuren der Cerviden, Feliden und Viverren folgend, ſeine Wanderung von Südaſien an der Oſtſeite entlang bis in nördliche Gegenden ausgedehnt, wo ihn Radde noch im Bureja— gebirge traf. Eine alte Bärin mit zwei etwa acht Wochen alten Jungen wurde von den Herren Dörries am Suiffunfluß, nördlich von Korea erlegt. Die Alte maß 107 em bei 7 em Schwanzlänge. Das bis 14 em lange Haar iſt ſchwarz, nur an der Schnauze rotbraun, die weiße Unterlippe ſcharf abgeſetzt, vor der Bruſt ein Y-formiges weißes Halsband; auch die Klauen ſind weiß. Am Halſe und Nacken bilden die Haare, ähnlich wie bei Ursus labiatus, einen Kragen, doch waren ſie nicht, wie Radde angibt, in Wirbeln gekräuſelt. Die Eckzähne weichen, dem friedlichen Naturell und der Pflanzennahrung entſprechend, ſehr von denen von Ursus arctos ab. Sie find ziemlich gerade, ſchlank zugeſpitzt, an der Innenſeite mit zwei ſcharfen Kanten und zeigen jene eigentümlich achat— artig braun- und weißgebänderte Zeichnung, welche man mehrfach an den Eckzähnen der Viverren findet. Der junge Bär zeigt einen entſchiedenen Hundetypus mit dicker Schnauze, die bei der Alten ſpitzer iſt als bei U. arctos. Das kurze flockige Haar ijt umbra— braun, außer der weißen Lippen- und Halszeichnung beſitzt er noch einen weißen Fleck vor den Ohren. Die Körperlänge betrug 36, die des Kopfes 9 em. Auch der Bär geht durch Hochaſien nach dem Weſten. Trouéfjart vereinigt Ursus lagomyarius mit arctos, während der von Przewalski am Thian-Schan ge- fundene Ursus leuconyx mit Ursus tibetanus ver⸗ wandt iſt. An der Küſte des Uſſurigebietes lebt Otaria ursina, von welcher ein Pullus und ein alter Schädel vorlag. Die Zahl der Ohrenrobben des Stillen Oceans hat ſich in der neueren Zeit erheblich ver— mehrt, zu Otaria Stelleri im nördlichen Stillen Ocean, jubata von den Falklandinſeln und Ullow von Peru ſind hinzugekommen Otaria Gillespii von der Oſt⸗ küſte des Stillen Oceans, Otaria Hookeri von den Aucklandsinſeln und Otaria pusilla vom Kap Horn. Nach Europa kommt häufiger nur Otaria Gillespii, 56 Humboldt. — Februar 1889. welche mir auch lebend und ausgeſtopft zur Ver⸗ gleichung zu Gebote ſtand. Die Unterſchiede der ein⸗ zelnen Arten beſtehen hauptſächlich in der Farbe und Schädelbildung. Otaria ursina vom Amur mit ſehr langem Kopf und kurzem Hals iſt ſehr dunkel ge⸗ färbt, glänzend chokoladebraun mit helleren, gelbgrauen Haarſpitzen, das Kinn rotbraun, die Stirn umbra⸗ braun, der Bauch mehr rötlichgelb, das Haar faſt gar nicht verlängert, die rötliche Unterwolle wenig ſichtbar, die hinteren Extremitäten gelblichbraun, während O. Gillespii eine rötliche Färbung zeigt mit braunen Extremitäten. Die Körperlänge des Pullus betrug 114 cm, bei Gillespii im Braunſchweiger Muſeum 173, der Schwanz bei beiden 6 em. Die Schädel der beiden an der Weſt⸗ und Oſtküſte des Stillen Oceans lebenden Arten find ſehr verſchieden, bei O. ursina die Schädel⸗ kapſel klein, in der Mitte eingebogen, mit hohem ausgezacktem Scheitelkamm, die Orbitalzacken ſehr breit und lang, Proc. coron. des Unterkiefers kurz und breit. Bei O. Gillespii dagegen iſt die Schädel⸗ kapſel rundlich und größer, die obere Profillinie ohne Einbuchtungen mäßig gebogen, die Orbital- zacken viel kürzer, der Proc. coron. lang und niedrig. Auch das Gebiß zeigt Abweichungen. Der letzte obere Backenzahn bei O. ursina iſt von dem vorher⸗ gehenden durch eine weite Lücke getrennt und nach hinten gerichtet, während die Zähne bei O. Gillespii in regelmäßiger Reihe ſtehen. Die Zähne waren vielfach, wahrſcheinlich durch Muſcheln, abgeſplittert. Scheitellänge von Otaria ursina 38 em gegen 19 bei O. Gillespii. Letztere beſitzt alſo einen verhältnismäßig kleinen Kopf, O. ursina den längſten bei kürzeſtem Halſe. Schrenck hat nur Fellſtücke geſehen. Von Nagern wurden im Norden von Korea ge⸗ funden drei Sciuriden und ein Leporide, ſowie Mus caraco und eine kleinere Sminthus-Art. Sciurus vulgaris gehört der ſchwarzen, durch ganz Sibirien verbreiteten Varietät an, zahlreich kommt vor Tamias asiaticus und mehrfach Pteromys volans, deſſen weſt⸗ liche Grenze Livland bildet, wo es noch jüngſt ge⸗ funden wurde, aber im Ausſterben begriffen iſt. Ich füge die Bemerkung hinzu, daß ſich bei den Flug⸗ hörnchen am vorderen Rande der Flughaut hinter dem Ellbogen ein Rand von ſehr langen, ſtarken elaſtiſchen Haaren befindet, der von der ſamtweichen ſonſtigen Behaarung des Tieres gänzlich abweicht. Die Natur hat hier bei einem Flugſäugetier den Verſuch gemacht, ein ähnliches Organ zu ſchaffen, wie die Schwungfedern der Vögel ſind. Auch Pfoten und Hinterſeite der Schenkel zeigen eine ſehr ſtarke, ſtraffe Behaarung. Sehr häufig lebt am Uſſuri und Sidimi der von Radde entdeckte Lepus mantschuricus, den Trousſſart (Cat. des Rougeurs S. 201) unrichtig mit Lepus variabilis vereinigt. Lepus mantschuricus behält im Sommer und Winter die gleiche Färbung und wird nie weiß, iſt auch ſonſt von variabilis ver⸗ ſchieden. Lepus timidus fehlt in Sibirien, und Pallas, v. Middendorff und v. Schrenck waren aller⸗ dings der Anſicht, daß nur Lepus variabilis dort vorkomme, während durch Radde drei Arten, L. variabilis, tolai und mantschuricus dort nachge⸗ wieſen ſind. Von dieſen ſcheint L. mantschuricus ein beſchränktes Gebiet im Südoſten Sibiriens ein⸗ zunehmen, denn nur er wurde am Uſſuri neben varia- bilis gefunden. L. tolai zieht ſich quer durch Mittel⸗ aſien; am Rande von Hochaſien, vom Himalaya bis Turkeſtan lebt L. oiostolus, in Centralaſien der von Przewalski entdeckte L. Pylzowi, in Indien L. rufi- caudatus und peguensis, in Ching L. sinensis, der die Eigentümlichkeit beſitzt, ſich in Särgen und Grä⸗ bern zu verbergen, wie L. mantschuricus oft Baum⸗ höhlungen zur Wohnung benutzt, was L. variabilis nie thut. L. sinensis und mantschuricus bilden alſo eine Brücke zu L. cuniculus. L. mantschuricus ijt kleiner als variabilis, hat ein kürzeres Ohr als L. timidus und unterſcheidet ſich durch die rotgelbe Färbung an der Hinterſeite des Ohrs von dieſem. Die Schnauze iſt gelbgrau, die Naſenſeiten weißgrau, die Stirn ſchwarzgelb. Die weißen Schnurren haben eine ſchwarze Baſis. Die weißgelben Halsſeiten ſind undeutlich ſchwärzlich gebändert, auch die ſchwarzen Haarſpitzen des gelbgrauen Rückens bilden undeutliche ſchwarze Streifen. Die Bruſt iſt hell gelbgrau, die ſehr langen Haare hier ſehr breit und kantig, hart anzufühlen. der Bauch iſt weiß, die Weichen hell rotgelb, die Oberſeite des Schwanzes hellgrau, der dunkle Streifen viel ſchmaler als bei L. timidus. Die Unterwolle iſt überall, den weißen Bauch ausgenommen, ſchwarz⸗ grau. Die Furche der oberen Nagezähne ſteht ſehr weit nach innen. Maße: Körper 55 em, Ohr 10 em, Kopf 11, Metacarpus und Hand 8, Unterarm 14,5, Metatarſus und Fuß 14 em. Die Schädellänge be⸗ trägt 10,5, die Breite zwiſchen den Augen 3 em, Ob L. mantschuricus auch als eine nordwärts reichende Entwickelung aus den ſüdoſtaſiatiſchen Haſen zu betrachten iſt, was die gleiche Gewohnheit mit L. sinensis wahrſcheinlich macht, das zu entſcheiden fehlt es mir an Vergleichsmaterial. Wie viele von den intereſſanten oſtaſiatiſchen In⸗ ſektenfreſſern (vgl. Dobſon, Monograph of the Insecti- vora) im Uſſurigebiet vorkommen, z. B. Mogera wogura und Urotrichus talpoides von Japan, Talpa longirostris und Parascaptor leptura von China, vermag ich bei dem Mangel an dort aufgefun⸗ denen Inſektivoren nicht zu ſagen. v. Schrenck fand Erinaceus europaeus und auritus, Sorex vulgaris und pygmaeus. Wallace nennt 1, S. 264 als der mantſchuriſchen Region eigentümlich Anusorex, Scaptochirus, Uropsilus und Scaptonyx. Von Igeln erwähnt Dobſon in Südſibirien nur Erinaceus auritus. Humboldt. — Februar 1889. 57 Die Geſchlechtsverhältniſſe der Reben und ihre Bedeutung für den Weinbau. Unter dieſem Titel hat Profeſſor Rathay in Kloſter— neuburg eine Arbeit veröffentlicht“), welche weſentlich praktiſchen Zwecken dienen ſoll, aber in mehrfacher Hinſicht auch hohes naturwiſſenſchaftliches Intereſſe darbietet. Ver— faſſer unterſuchte die in den Donauauen bei Kloſterneu— burg vorkommende Rebe, welche er als wild betrachtet, die in der Nähe der Weinberge gelegentlich verwildernde Rebe und die in großer Zahl kultivierten Sorten. An der wilden Rebe unterſcheidet er zweierlei verſchiedene Blüten, die aber ſtets nur auf verſchiedenen Stöcken vorkommen: androdynamiſche ſterile und gynodynamiſche fertile. Erſtere (Fig. J) beſitzen einen wenig bemerkbaren Kelch, mit deſſen fünf Zähnchen die Einfügungsſtellen der abgefallenen Blu— menblätter abwechſeln. Weiter einwärts folgen auf dem abgeplatteten Blütenboden fünf den Einfügungsſtellen der Blumenblätter gegenſtändige Staubgefäße. Dieſe beſitzen beſonders lange, unter 45° auf- und auswärts gerichtete, gerade Staubfäden mit zweifächerigen, ſich an der Innen— Fig. 1. ſeite öffnenden Staubbeuteln an der etwas einwärts ge— krümmten Spitze. Die Pollenkörner ſind tonnenförmig und werden in Waſſer kugelig. Innerhalb der Staubgefäße findet ſich ein gelber Diskus, in deſſen Mitte ſich ein halb— kugeliges Gebilde erhebt, welches den oberen Teil des größtenteils in Diskus eingeſenkten Stempels bildet. Dieſer iſt griffellos, am Scheitel etwas vertieft, fein Frucht- knoten iſt zweifächerig und enthält in jedem Fach zwei Samenknoſpen. Dieſe Blüten ſind unfruchtbar. Bei den gynodynamiſchen fertilen Blüten (Fig. 2) find die Staub- gefäße relativ kurz und die Staubfäden ſo ſtark nach aus— und abwärts gekrümmt, daß die Spalten der Staubbeutel nach auswärts gewendet ſind. Der Stempel iſt 6—7mal länger als bei den vorigen Blüten und beſitzt einen Griffel nebſt Narbe, auch die Samenknoſpen ſind ungleich größer. Die Pollenkörner ſind an den Enden nicht abge— ſtutzt, ſondern zugeſpitzt oder abgerundet und werden in Waſſer kugelig. Dieſe Blüten ſind fruchtbar. Die kultivierten Reben beſitzen denen der wilden Reben durchaus ähnliche gynodynamiſche fertile Blüten, außerdem androdynamiſche Blüten, welche zum Unterſchied von der erſten Blütenform der wilden Rebe einen wohl entwickelten Stempel beſitzen (Fig. 3). Dieſe Blüten kommen niemals auf einem Individuum, auch nicht auf verſchiede— nen Individuen derſelben Sorte, ſondern ſtets nur auf Individuen verſchiedener Sorten vor. Die Pollenkörner ) Wien, W. Fick, Hofbuchhandlung. 1888. Humboldt 1889. Preis 3,60 M. der erſteren ſind an den Enden abgerundet oder zugeſpitzt, die der letzteren ſtets tonnenförmig, und nur dieſe treiben in geeigneten Medien Pollenſchläuche. Von den amerikaniſchen Reben hat Vitis riparia undrodynamiſche ſterile und gynodynamiſche fertile Blüten mit tonnenförmigen, bezw. abgerundeten oder zugeſpitzten Pollenkörnern. Beide Blütenformen finden ſich zwar bei denſelben Sorten, aber immer auf verſchiedenen Individuen. Beiderlei Pollenkörner werden in Waſſer kugelig, aber nur bei denen der erſten Form bilden ſich hierbei drei getüpfelte, leiſtenförmige Verdickungen der Zellhaut, und nur dieſe Körner bilden Schläuche. Bei weiterer Ausdehnung ſeiner Unterſuchungen ge— langte Rathay zu dem wichtigen Reſultat, daß 1. nur die Pollenkörner der androdynamiſchen ſterilen und der andro— dynamiſchen fertilen, aber nicht jene der gynodynamiſchen fertilen Blüten zur Befruchtung taugen; 2. daß die andro- dynamiſchen ſterilen Blüten mit verkümmertem Stempel, Fig 3. der Behauptung der Botaniker entſprechend, männlich ſind; 3. daß die androdynamiſchen fertilen Blüten mit vollkommen entwickeltem Stempel der bisherigen Behauptung ent⸗ ſprechend hermaphroditiſch oder zwitterig ſind, und 4. daß die gynodynamiſchen fertilen Blüten, welche bisher für hermaphroditiſch galten, weiblich ſind. Wahrſcheinlich gibt es bei jeder Rebenart männliche, weibliche, zwitterige und ſolche mit zwitterigen und mann- lichen Blüten. Wirklich beobachtet wurden dieſe viererlei Individuen bisher nur bei Vitis vinifera. Von dieſer Art ſind nämlich die wilden Individuen der Donauauen teils weiblich, teils männlich, mitunter auch zwitterig und männlich, die kultivierten dagegen je nach der Sorte ent— weder weiblich oder zwitterig und nur ausnahmsweiſe einzelne Stöcke männlich. Das Verhalten der kultivierten Reben erklärt ſich einfach daraus, daß die Individuen jeder Sorte Stecklinge eines einzigen Individuums darſtellen. Bei V. aestivalis finden fic) in einer und derſelben In— floreszenz männliche und zwitterige Blüten, ſowie alle mög— lichen Uebergänge zwiſchen beiden, ſo daß der Unterſchied zwiſchen männlichen und zwitterigen Blüten nur als grad— weiſer erſcheint. Dann aber gibt es von jeder Rebe nur zweierlei weſentlich verſchiedene Individuen, von denen ſich die eine durch ſtets zeugungsfähige Staubgefäße, die andere durch ſtets zeugungsfähige Stempel auszeichnet. Selbſtbefruchtung kann naturgemäß nur an zwitterigen Blüten erfolgen, ſonſt iſt Fremdbeſtäubung erforderlich, und dieſe erfolgt niemals durch Inſekten, ſondern nur 8 58 Humboldt. — Februar 1889. durch den Wind. Trotz des Reſedageruchs der Rebenblüte, welcher geeignet erſcheint, Inſekten aus weiter Ferne an⸗ zulocken, hat Rathay ſeit Jahren ſich vergeblich bemüht, irgend welche Inſekten als Beſucher der Rebenblüten kennen zu lernen. Gewiſſe Sorten der kultivierten Reben gelten als „empfindlich in der Blüte“, ihre Blüten fallen vor der Entwickelung der Beeren häufig mehr oder weniger zahl⸗ reich ab (ausreißen, ab⸗, ausröhren ꝛc.). Dies iſt z. B. in hohem Grade der Fall bei der Zimttraube, und deren Blüten ergaben ſich als weiblich; ſie fallen ab, weil die Befruchtung unterbleibt. Dieſe Beobachtung veranlaßte Rathay, bei einer möglichſt großen Anzahl von Rebſorten dieſe Verhältniſſe feſtzuſtellen, und er gelangte ſo zu einer Tabelle, aus welcher ſich ergibt, daß von 25 weiblichen Sorten 24 empfindlich ſind (ausreißen), dagegen von 26 zwitterigen Sorten 18 unempfindlich oder dauerhaft, ferner daß die Trauben bei den meiſten zwitterigen Sorten dicht, bei den meiſten weiblichen dagegen locker ſind, und daß die Mehrzahl der zwitterigen Sorten runde, jene der weib⸗ lichen Sorten meiſt längliche Beeren aufweiſt. Der Um⸗ ſtand, daß bei Regenwetter auch die zwitterigen Sorten ausreißen, ſpricht für die Fremdbeſtäubung, denn offenbar verhindert die Feuchtigkeit den Anflug des Pollens von benachbarten oder entfernten Stöcken. In Frankreich und den Rheinlanden kultiviert der Winzer verſchiedene Sorten in verſchiedenen Weingärten, alſo für ſich in reinem Satz. Solche Kultur hat den Vor⸗ teil, daß 1. die verſchiedenes Klima benötigenden Sorten voneinander getrennt ſtehen, 2. jeder Weingarten ſeine Sorte zu einer beſtimmten Zeit reifen läßt, 3. leicht Weine einer beſtimmten Marke für den Handel eingetragen werden können. Anderwärts, wie in Ungarn, erklären ſich jedoch die Praktiker für den gemiſchten Satz; ſie ſagen: „Trägt die eine Sorte im Jahre nicht, ſo macht die andere das Faß voll.“ Wie Rathay zeigt, haben der Rheinländer und der Ungar unbewußt das Richtige getroffen, indem letztere neben zwitterblütigen ſehr allgemein weibliche, erſterer faſt nur zwitterblütige Sorten (Riesling, Sylvaner, Traminer, Orleans, Gutedel, Ruländer, Burgunder, Ortlieber) baut. Für die Syſtematik der Sorten, welche runde und lange Beeren und ſolche von unbeſtimmter Form unter⸗ ſcheidet, empfiehlt Rathay eine Einteilung ſämtlicher Reb⸗ ſorten in zwei große Gruppen: die der weiblichen und die der zwitterigen, da hierdurch der Praktiker ſofort über die wichtigſte Eigenſchaft ſeiner Rebe unterrichtet wird. Die Samen weiblicher Sorten können, da ſie aus der Einwirkung des Pollens zwitteriger Sorten entſtanden ſind, nur Sortenbaſtarde liefern, allein auch die Knoſpen⸗ variation ſpielt bei der Entſtehung neuer Sorten eine wichtige Rolle. In Kloſterneuburg befindet ſich unter Ru⸗ länder ein Stock, welcher nun ſchon das zweite Jahr an zwei aus dem Boden entſpringenden Aeſten typiſchen Ru⸗ länder und am dritten Aſt weißen Burgunder trägt. Da Pfropfung wie Baſtardierung mit Sicherheit auszuſchließen iſt, handelt es ſich um ein merkwürdiges Beiſpiel von Knoſpenvariation. Da nun nahe verwandte Sorten be⸗ züglich ihrer Geſchlechtsverhältniſſe miteinander überein⸗ ſtimmen, gelangt Rathay zu dem Schluß, daß die nahe verwandten Rebſorten wie zahlreiche Kulturvarietäten ſo vieler anderer Pflanzen Stecklinge einer und derſelben Pflanze darſtellen, deren Knoſpen variierten. Iſt es doch längſt bekannt, daß Modifikationen, welche durch Knoſpen⸗ variation entſtanden ſind, ſich häufig in den Stecklingen erhalten. D, Schützen fiſche. Einiges über Don Karl Meißen in Falkenſtein i. T. Während eines mehrjährigen Aufenthaltes in Siam hatte ich des öfteren Gelegenheit, Vertreter obiger Fiſchſippe zu ſehen und in ihrem Leben und Treiben zu beobachten. Der Fiſch, über welchen ich berichten will, kommt in dem Stromgebiete des „Mae⸗Nam“ oder Bangkokfluſſes häufig vor und wird von den Siameſen, denen er und ſeine eigenartige Kunſt wohlbekannt iſt, ſeines geſtreiften Ausſehens wegen „Pla⸗Süa“, d. i. Tigerfiſch genannt. Im ganzen paßt auf unſeren Fiſch ziemlich genau das, was in Brehms „Tierleben“ über den Schützen (Toxotes jaculator etc.) geſagt iſt, eine Fiſchart, deren Heimat die Inſel Java ſein ſoll; die in genanntem Werke beigegebene, etwas phantaſtiſche Abbildung, welche einen ſolchen Fiſch in ſeiner intereſſanten Thätigkeit des Spritzens oder Schie⸗ ßens nach einem auf dem Blatt einer Orchidee ſitzenden Inſekt zeigt, iſt indeſſen nicht ganz zutreffend und drängt zu der Vermutung, daß man von Europa aus bis jetzt noch wenig Gelegenheit gefunden hat, ſich mit dem in Rede ſtehenden Fiſch näher bekannt zu machen. Mehrere Europäer, welche fic) jahrelang auf Sava aufgehalten hatten, konnten mir auf mein Befragen nichts über den Schützenfiſch mitteilen; eine ſolche merkwürdige Fiſchart war ihnen bis dahin gänzlich unbekannt geweſen. In dem Unterlaufe des „Mae-Nam“ und feinen Nebenflüſſen und Kanälen bemerkt man unſeren Fiſch hauptſächlich zur Zeit der Flut, deren Wirkung ſich, neben⸗ bei geſagt, durch Anſtauung und Rückfließen der Gewäſſer bis weit in jene, nur ſehr allmählich anſteigende, äußerſt fruchtbare Niederung hinein bemerkbar macht, welche, von zahlreichen, teils natürlichen, teils von Menſchenhand ge⸗ ſchaffenen Waſſerläufen durchſchnitten, den Hauptbeſtandteil des Königreichs Siam bildet. Der Schützenfiſch zeigt ſich alsdann ſowohl einzeln als zu mehreren an ſtillen Stellen und Buchten in der Nähe der Ufer nahe an der Waſſeroberfläche einherſteuernd und in der Ausübung ſeiner intereſſanten Jagd begriffen. Man erkennt ihn leicht an ſeinem geſtreiften Ausſehen und dem glänzend hellgelben Hornhautring ſeiner großen, beweglichen Augen. Nie ganz nahe zuſammenſchwimmend, ſondern nach Art erfahrener Jäger gut „Diſtanz“ haltend, ſieht man die kleinen Schützen, wie ſie vorſichtig und aufmerkſam das Terrain abſuchen. An dem Stengel einer Waſſerpflanze, etwa einen Fuß hoch über dem Waſſerſpiegel, ſonnt ſich behaglich und ahnungslos eine Fliege. Einer von den ſchwimmenden Jägern hat ſie bereits erſpäht, er faßt etwas ſeitlich Poſten, zielt einen Augenblick und Humboldt. — Februar 1889. 59 „ſchießt“. Ein Waſſertropfen zerſtiebt genau an der Stelle, wo das Inſekt ſaß, ein blitzartiges Vorſchnellen des Fiſches und das getroffene und ins Waſſer geſchleuderte Kerbtier ruht ſicher aufbewahrt in der Jagdtaſche, das iſt in dem Magen des geſchickten Schützen, welcher ruhig weiterzieht, um weiteres Wild aufzuſuchen. Da meine Wohnung in Bangkok unmittelbar am Fluſſe gelegen war, in welchem die Schützenfiſche ihr Weſen trieben, ſo wurde in mir der Wunſch rege, einige Exemplare einzufangen und, wenn möglich, in einem Zimmeraquarium zu halten. Eine Fangvorrichtung in Geſtalt eines quadratiſchen Stückes Muſſelin, welches mittels zweier ſich kreuzenden Holz— bügel geſpannt gehalten und an einer langen Stange be— feſtigt wurde, war bald hergeſtellt und erwies ſich als zweckentſprechend. Die jüngeren Schützen zeigten ſich den Tücken des Menſchen gegenüber recht unerfahren und ließen ſich leicht fangen, während älteren Exemplaren ſchon ſchwie— riger beizukommen war. Die größten Fiſche der Art, welche ich ſah, beziehungsweiſe fing, waren etwa eine Hand lang. Von ſiameſiſchen Fiſchern erfuhr ich, daß ſolche Exemplare als ausgewachſen zu betrachten wären. Es ſei mir hier geſtattet, kurz einiges über die äußeren Merkmale des Fiſches zu erwähnen. Bei einer Geſtalt, die etwas Kurzgedrungenes hat, iſt die Färbung desſelben auf dem Rücken ein wechſelnd dunkles Grünlichgrau, welches nach den Seiten zu mehr und mehr ins Silberfarbige übergeht. Vier ſchwarze, vom Rücken ausgehende, nach unten ſich verſchmälernde, unregelmäßige Querbinden geben dem Fiſch das erwähnte getigerte Ausſehen. Die weichen Teile der Afterfloſſe zeigen nach hinten zu eine gelbliche Färbung und find ſchwarz geſäumt. Bemerkenswert ijt die Zart- heit und Durchſichtigkeit der häutigen Teile der Floſſen, welche in nicht ganz klarem Waſſer kaum bemerkbar ſind. Die Schnauze iſt mehr ſpitz als ſtumpf und niedergedrückt. Die Unterkinnlade überragt die obere und bildet, wenn der Fiſch das Maul ſchließt, das „Lancierrohr“ für die flüſſigen Geſchoſſe. Das Auge mit ſchwarzer Iris und hellgelbem Horn- hautring iſt, wie bereits bemerkt, groß und beweglich und zeigt, man möchte ſagen, etwas wie Ausdruck. Jedenfalls läßt dasſelbe, wenn man den Fiſch in ſeinem Elemente näher beobachtet, vermuten, daß ſein Beſitzer zu den in— telligenteren Vertretern ſeiner Gattung zählen muß. In meinem Zimmeraquarium, einem Glasbaſſin, deſſen Boden mit einer Schichte Sand verſehen war, in welchen ich einige Waſſergewächſe gepflanzt hatte, zeigten ſich die Schützenfiſche in den erſten Tagen der Gefangenſchaft ſehr furchtſam. Bei meiner Annäherung rannten fie heftig gegen die Glaswände des Baſſins und ſuchten ſich zwiſchen den Blättern der Waſſerpflanzen zu verſtecken, ſchienen aber ſehr ungern unterzutauchen, ſondern hielten ſich ſo viel wie möglich an der Waſſeroberfläche auf. Nach einigen Tagen hatte ſich ihre Scheu mir gegenüber etwas gelegt, und ich machte zum erſtenmal die intereſſante Beobachtung, daß die Fiſche mich, ihren Eigentümer, von anderen Leuten zu unterſcheiden ſchienen. Wenigſtens waren ſie bei meiner Annäherung weniger ſcheu und furchtſam, als bei der von Fremden. Wenn ich ſie beobachtete, ſo verhielten ſie ſich ruhig und betrachteten mich aufmerkſam und gewiſſermaßen erwartungsvoll. Am nächſten Tage ſah ich, daß eine Ameiſe, welche an der einen der Außenwände des Aqua— riums oberhalb des Waſſerſpiegels vorbeimarſchierte, von zwei Fiſchen abwechſelnd heftig bombardiert wurde — na⸗ türlich ohne Erfolg. Die geſchleuderten Waſſertropfen zerſpritzten in raſcher Aufeinanderfolge an der Glaswand. Die beiden Schützen ſchienen übrigens das Vergebliche ihres Thuns bald einzuſehen und ließen vom Spritzen ab. Je⸗ denfalls bekundeten ſie mir aber, daß ſie Hunger hatten. Ich fing eine Fliege, deren Flügel ich zum Gebrauche untauglich machte, und ſetzte das Inſekt auf das Blatt einer der Aquariumpflanzen, etwa einen halben Fuß hoch über dem Waſſerſpiegel. Nachdem ich mich einen Schritt zurückgezogen hatte, wurde die Fliege ſofort von zwei Seiten attaquiert. Durch die erſten Schüſſe ins Waſſer geſchleudert, fiel ſie dem ſchnellſten der Schützen als Beute zu. Von da ab gab ich meinen Fiſchen faſt täglich Gele— genheit, ſich in ähnlicher Weiſe ihren Lebensunterhalt zu erjagen, und hatte das Vergnügen, beſonders zwei Exem⸗ plare im Laufe von einigen Wochen ſo zahm und zutrau⸗ lich zu machen, daß ſie nicht nur nach Inſekten, welche ich zwiſchen zwei Fingern dem Baſſin bis auf zwei oder drei Fuß näherte, eifrig ſpritzten, ſondern auch, daß ſie mir ihre Nahrung aus den Fingern wegſchnappten, indem ſie nach derſelben vier bis fünf Zoll hoch aus dem Waſſer emporſprangen. Sie hatten inzwiſchen auch ihre Scheu gegen Fremde verloren. Staunen und Verwunderung erregte es unter uns, als eines Tages einer meiner Be- kannten, der die Fiſche in dem Baſſin aufmerkſam betrad- tete, plötzlich erſchrocken zurückfuhr. Ein Schütze hatte ihm einen Waſſertropfen mitten auf den Augapfel geſpritzt. Aehnliche Experimente führten die Fiſche in der Folge noch häufig an mir ſelbſt, wie auch an anderen Europäern aus. Sie ſchienen dies als eine Art Sport zu betrachten und wählten ſich außer den Augen auch die Ohren, den Mund und die Naſenlöcher als Ziele aus. Bezeichnend für die Sicherheit und Schnelligkeit, mit welcher die Tiere das Spritzen ausüben, war der Umſtand, daß man, wenn es auf das Auge abgeſehen war, den Waſſertropfen ſelbſt bis auf Entfernungen von mindeſtens drei Fuß ſtets auf den Augapfel erhielt, ehe man nur Zeit hatte, das Auge inſtinktmäßig zu ſchließen, auch dann, wenn man den Fiſch zielen ſah und wußte, daß man den Tropfen im nächſten Augenblicke zu erwarten hatte. Die Schützenfiſche hielten ſich in meinem Aquarium recht gut, ſolange ich ſie ab und zu etwas fütterte und dafür ſorgte, daß das Waſſer in dem Baſſin genügend friſch blieb, was ich weniger durch allzuhäufiges Wechſeln des Waſſers, als vielmehr durch Hineinpflanzen von Waſſer⸗ kryptogamen zu erreichen ſuchte. Die Fiſche nahmen außer Kerbtieren auch kleine Stückchen Fleiſch und Fiſch als Nahrung an, alles aber nur dann, wenn ſie es ſich ent⸗ weder erſpritzten, oder wenn ſie es nahe der Waſſerober— fläche wegſchnappen konnten. Nie tauchten ſie nach einem Biſſen bis auf den Grund, ſelbſt dann nicht, wenn ſie lange gehungert hatten. Größere Exemplare verſchlangen einigemal auch kleine lebendige Fiſchchen, welche ich zu ihnen ins Baſſin brachte, und ich habe Grund anzunehmen, daß die Schützen in der Freiheit bezüglich ihrer Nahrung nicht allein auf Kerbtiere und die eigentümliche Art, ſolche durch Spritzen zu erbeuten, angewieſen ſind, ſondern daß 60 Humboldt. — Februar 1889. die Schnelligkeit ihrer Bewegungen, ſowie ihr ſich weit öffnendes Maul, deſſen Kinnladen mit kleinen, ſpitzen Zähnen beſetzt ſind, ſie auch befähigen dürften, aus dem in ihrem Elemente lebenden kleinen Getier ſich Beute zu erhaſchen. Das Spritzen nach Inſekten ſcheinen ſie gewiſſer⸗ maßen nur nebenbei zu betreiben, vielleicht als Kurzweil. In betreff des Spritzens kann ich mitteilen, daß nach meinen Beobachtungen die Fiſche ſelbes nicht in der Weiſe bewerkſtelligen, wie es durch die bezügliche Abbildung in Brehms „Tierleben“ dargeſtellt wird, wo der Fiſch ſich mit halbem Leibe aus dem Waſſer aufrichtet und einen förmlichen Waſſerſtrahl nach dem zu erbeutenden Inſekt ſendet. Der Vorgang, wie ich ihn geſehen, iſt vielmehr folgender. Der Schütze poſtiert ſich zunächſt in horizon⸗ taler Stellung nahe der Waſſeroberfläche, doch ſo, daß kein Teil ſeines Körpers aus dem Waſſer hervorragt. Er verharrt, indem er die Augen auf das zu treffende Inſekt richtet, einen Augenblick unbeweglich — er zielt alſo — und ſchleudert dann bei geſchloſſenem Maule durch die Oeffnung, welche der den Oberkiefer überragende Unter⸗ kiefer vorn bildet, eine kleine Menge, einen Tropfen, Waſſer in gerader Linie und mit verhältnismäßig bedeutender Kraft und Schnelligkeit nach dem Ziele, welches er ſelten verfehlt. Die Schußlinie ſteht ſomit in einem Winkel von beiläufig 45 Graden zur Längsachſe des Fiſchkörpers und liegt in der Richtung der Längsſpalte des Maules. Ein Geräuſch konnte ich bei dem Vorgange nie wahrnehmen, und eine Mitwirkung von Luft ſcheint nicht ſtattzufinden. Es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß das Herausſchleudern des Waſſertropfens durch plötzliches Zuſammenziehen gewiſſer Schlundmuskeln geſchieht. Ueber das intimere Familien⸗ leben des Schützen konnte ich leider nichts Näheres er⸗ fahren. Ich halte es für möglich und ausführbar, unſeren Fiſch lebend nach Europa überzuführen und ihn hier in gewärmten Räumen zu halten. Er würde meines Erach⸗ tens ein bedeutend intereſſanterer Zimmergenoſſe ſein, als der langweilige Goldfiſch es iſt. Die Hütten böden Oberitaliens. Don Dr. M. Alsberg in Haffel. Zu jenen Pfahlbauten und Terramaren, welche uns über die jungſteinzeitliche Kultur Oberitaliens Aufſchlüſſe liefern, ſind neuerdings noch die ſogenannten „Hütten⸗ böden“ (I fondi della Capanne, fonds de Cabane) ge⸗ kommen, deren eingehendere Kenntnis wir den Unterſuchungen von Concrezio Roſa, Chierici, Pigorini, Strobel, Caſtel⸗ franco und anderen italieniſchen Gelehrten verdanken. Die⸗ ſelben ſind Kulturſchichten, beſtehend aus einer fetten, an organiſchem Detritus reichen Erde, welche zugleich Aſche, Kohlenreſte, Tierknochen (Mahlzeitsüberreſte), ſowie Geräte aus Stein und Knochen enthält. Dieſe Kulturſchichten wurden im Vibratathal, in der Umgebung von Reggio (Emilia), unweit Albinea, ſowie in der Nähe von Mo⸗ dena und Brescia in Vertiefungen des bearbeiteten Erd⸗ bodens — bis zu 0,75 m unter dem Niveau des letzteren — aufgefunden und ſind offenbar als Fußböden von zum Teil unter dem Niveau des Erdbodens gelegenen vorge⸗ ſchichtlichen Hüttenwohnungen aufzufaſſen. Die Rultur- ſchichten ſind an ihrer Peripherie 20 bis 30 em, in der Mitte bis 1,5 m dick; ſie ſind kreisförmig oder oval und von verſchiedener Größe. Mehrere auf beſchränktem Raume zuſammen vereinigte Kulturſchichten zeigen die Lage vor⸗ geſchichtlicher Dorfſchaften an, für die man wohl wegen der Sumpfigkeit der Umgebung in der Regel ein erhöhtes Terrain ausſuchte. Der die Hüttenböden umgebende Erd⸗ boden bildet ſenkrechte Wände; Reſte der Herdanlage ſind häufig nachzuweiſen. Von Artefakten finden ſich in den Kulturſchichten aus Knochen gefertigte Nadeln und Pfrie⸗ men, Bruchſtücke von Reibſteinen (Handmühlen?), Polier⸗ ſteine, ſowie aus Feuerſtein hergeſtellte Aexte, Pfriemen, Meſſer u. dergl. Die auf der einen Seite flachen, auf der anderen Seite durch vorſpringende Kanten in 2 oder 3 Flächen geteilten Rauten von Silex, welche für die jüngere Steinzeit Oberitaliens charakteriſtiſch ſind, haben nach Chierici ebenfalls als Meſſer Verwendung gefunden. Unbearbeitete Steine mit Spuren von Feuereinwirkung ſind gleichfalls vorhanden. Im Gegenſatz zu den Thon⸗ gefäßen aus den oberitaliſchen Terramaren weiſt die Kera⸗ mik der „Hüttenböden“ eine relativ hohe Entwickelung auf. Die Scherben gehören zum Teil groben, zum Teil jedoch fein bearbeiteten Gefäßen an; alle ſind mit der Hand hergeſtellt, einige an der Luft oder Sonne getrocknet, die Mehrzahl jedoch am offenen Feuer gebrannt. Die Scherben ſind ſchwarz, gelb, rot oder grau gefärbt, die äußere Oberfläche iſt häufig geglättet, bezw. mit einer Schicht ſehr feinen Thons bedeckt. Die Griffe ſind mit Buckeln verſehen; als Verzierungen finden ſich auf den Scherben ſich veräſtelnde Linien und ſchräg verlaufende Doppel⸗ rinnen, bisweilen auch das Wolfszahnornament. Die in den Hüttenböden aufgefundenen, eigentümlich geform⸗ ten, in der Regel ſchwarz gefärbten Thongegenſtände (pintadores) hält man, wie die gleichgeformten Thon⸗ objekte aus liguriſchen Höhlen, für Träger von flüſſigen Farbſtoffen zum Färben der Haut. Die aufgeſchlagenen Tierknochen gehören nach Strobel dem Hirſch, Biber, der Ziege und zweien Rinderraſſen an; unter den Knochen aus den Hüttenböden des Vibratathals iſt auch das Reh, Wildſchwein, Torfſchwein, Pferd und Schaf vertreten. Nach den angebrannten Knochen ungeborener Tiere zu ſchließen, haben die Bewohner den gebratenen Fötus der Ziege, des Schafes und Schweines mit Vorliebe verzehrt. Die Fauna der Hüttenböden deutet auf ein höheres Alter als das der Terramaren, und das Fehlen von Reſten des Hundes läßt ſie älter erſcheinen als die Pfahlbauten der Schweiz und Oberitaliens, wo bereits der Hund als Begleiter des Menſchen auftritt. Neben der Jagd hat die Viehzucht dem Bewohner der Hüttenböden zum Unterhalt gedient; auch deuten die Reibſteine (Handmühlen) auf Anfänge des Ackerbaues. In einem Falle fand ſich 3 m unterhalb der unteren Grenze der Kulturſchicht in einer Geſamt⸗ tiefe von 5 m ein Grab, welches Reſte einer daſelbſt bei⸗ geſetzten verbrannten Leiche enthielt — eine Thatſache, Humboldt. — Februar 1889. 61 die um ſo bemerkenswerter ijt, als Spuren von Leichen— | lichen Grotten einer und derſelben Kulturepoche an; nach verbrennung in ſteinzeitlichen Gräbern zu den größten Chierici iſt es das Volk der Ibero-Ligurer, welches dieſe Seltenheiten gehören. Die mit den Leichenreſten auf— vorgeſchichtlichen Spuren hinterlaſſen hat. Eine aufge— gefundenen Tierknochen deuten in dieſem Falle auf einen fundene Perlmuttermuſchel macht es wahrſcheinlich, daß bei der Beſtattung ſtattgehabten Leichenſchmaus. Nach die Hüttenbewohner Handelsbeziehungen mit dem Orient Chierici und Pigorini gehören die Hüttenböden, gewiſſe unterhalten haben oder von dort nach der Apenninenhalb— neolithiſche Höhlen Oberitaliens und die dortigen fiinft- inſel eingewandert find. Fortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Mineralogie. Don Profeffor Dr. H. Bücking in Straßburg i. E. Mryſtallſyſtem des Ullmannit und des Dolomit, Hemimorphismus des Strontianit und Aragonit. Aetzerſcheinungen am Muarz und Apatit. — Neue Mineralvorfommen; Sinnoberkryſtalle vom Berge Uvala in Serbien, Schwefelkryſtalle aus Weſtindien, Siſenkies von Friedberg. — Mikroſkopiſche Unterſuchung der Schalenblende. Optifches Verhalten des Faujaſit, Heulandit und Sfolesit. — Münſtliche Darſtellung von Magnefia- und Kaliglimmer, Wollajtonit, Horund, Chryſoberpll, Spinell, Zinkit, Willemit, Krofoit, Pyromorphit und Mimeteſit. Eine auffallende Erſcheinung bildet in der Cijenfies- , Binnenthal eingehender ftudiert worden?). Viele der unter- gruppe ſeit langer Zeit der Ullmannit von Lölling, da ſuchten Kryſtalle waren recht flächenreich; fie lieferten in derſelbe nicht, wie man nach ſeiner Zuſammenſetzung ihrer Ausbildung zum Teil deutliche Belege für die Te— (NiSbS) hätte erwarten ſollen, gleich dem Eiſenkies, dem | tartoedrie des Minerals. Auch iſt die Verteilung der Glanzkobalt und den analog zuſammengeſetzten Mineralien [regelmäßig auftretenden Vieinalflächen eine mit der rhom- dieſer Gruppe in der pentagonalen Hemiedrie des regulären boedriſchen Tetartoedrie im Einklang ſtehende aſymmetriſche; Syſtems, ſondern in der tetraedriſchen Hemiedrie kryſtalli- | ebenjo ſprechen die an den Kryſtallen von Leogang und ſiert. Dieſes Verhalten erſchien um fo rätſelhafter, als | vom Binnenthal beobachteten Zwillingsbildungen dafür, daß vor einigen Jahren ein neues Vorkommen von Antimon- „die Tetartoedrie ſicher vorhanden und eine im inneren nickelglanz vom Monte Narba im Sarrabusgebirge (Sar- | Bau der Dolomitkryſtalle begründete und nicht zufällige dinien) bekannt wurde, welches ſowohl hinſichtlich ſeiner [Erſcheinung it’. Kryſtallform, als auch ſeiner chemiſchen Zuſammenſetzung Bei der Unterſuchung der Barytkryſtalle, welche auf in die Eiſenkiesgruppe paßte; bei deutlich erkennbarer [den Klüften des Phonoliths von Oberſchaffhauſen im Kaiſer— pentagonaler Ausbildung war die Zuſammenſetzung des ſtuhl neben Zeolithen und Kalkſpat auftreten, hatte Becken— Minerals genau NiSbS. Es lag deshalb die Vermutung | famp**) auch winzige Kryſtällchen von Strontianit ent— nahe, daß der Antimonnickelglanz von Lölling vielleicht [deckt, die bald prismatiſch entwickelt find und zu garben— doch in ſeiner prozentiſchen Zuſammenſetzung oder im ähnlichen Gebilden zuſammentreten, bald tetraederähnliche ſpecifiſchen Gewicht von dem Mineral vom Sarrabus ver- Formen zeigen?“). Der Umſtand, daß die letzteren Kry- ſchieden fei. Zur Entſcheidung dieſer Frage unterzogen Klein | ftalle durchgängig eine deutlich hemimorphe Ausbildung und Jannaſch beide Vorkommniſſe des Minerals einer er- beſitzen, veranlaßte Beckenkamp, weitere Unterſuchungen neuten Unterſuchung ). Dieſelbe ergab eine vollſtändige [darüber anzuſtellen, ob dieſe Eigenſchaft nur eine zufällige Uebereinſtimmung in der Zuſammenſetzung, auch nahezu | oder eine vielleicht ſämtlichen Mineralien der Aragonit— das gleiche ſpecifiſche Gewicht, andererſeits aber auch die [gruppe zukommende ſeicſ). In der That konnte er bei Beſtätigung dafür, daß die Kryſtallformen thatſächlich in [vielen Aragonitkryſtallen auf den Prismenflächen eine der angegebenen Weiſe ſich unterſcheiden. ſehr feine Streifung beobachten, welche mit der Symmetrie Aus dieſem Verhalten beider Mineralien folgt, daß [der holoedriſchen rhombiſchen Kryſtalle nicht in Einklang fie entweder zwei verſchiedene, nur prozentiſch gleich zu- [ zu bringen ijt, ſondern geradezu auf eine hemimorphe ſammengeſetzte Verbindungen oder verſchiedene Modifi- Entwickelung der Kryſtalle hinweiſt. Auch das pyro— kationen derſelben (dimorphen) Subſtanz darſtellen, oder | elektriſche Verhalten dieſer Kryſtalle, welches bereits im daß in den Kryſtallen der beiden Fundorte nur zwei ver- | Jahre 1874 von Hankel eingehend unterſucht worden war, ſchiedene Kombinationen desſelben Minerals vorliegen, | fpricjt für ihre hemimorphe Beſchaffenheit, ebenſo wie die welches zugleich mit den iſomorphen Mineralien der Eiſen [ Aetzverſuche, welche Beckenkamp an mehreren parallel der kiesgruppe der tetartoedriſchen Abteilung des regulären [ Baſis geſchliffenen Platten von Biliner Aragonitkryſtallen Syſtems zuzuweiſen wäre. Eine Entſcheidung dieſer Fragen | anſtellte. Aus der Lage der dreiſeitigen Aetzfiguren auf iſt bis jetzt noch nicht herbeigeführt. der Baſis folgt, daß die Aragonitkryſtalle von Bilin fo- Das Kryſtallſyſtem des Dolomit, welches G. Tſcher- | wohl nach der be als nach der e-Achſe hemimorph find und mak vor mehreren Jahren als rhomboedriſch-tetartoedriſch [ gleichzeitig außer der Zwillingsbildung nach dem Prisma erkannt hatte, iff neuerdings von Friedrich Becke an | — Kryſtallen von St. Leogang, von Rezbanya und vom ) Tſchermaks min. u. petrogr. Mitt., 1888, Bd. X. S. 93. **) Zeitſchr. f. Kryſt. 1888, Bd. XIII. S. 25 2. ***) Ebenda, Bd. XIV. S. 67 2. ) Neues Jahrbuch für Mineralogie, 1887, Bd. II. S. 169 2. +) Ebenda, Bd. XIV. S. 375 ec. 62 Humboldt. — Februar 1889. auch noch eine ſolche nach dem Brachypinakoid, nach welcher Fläche ſie ja hemimorph, bezw. hemiedriſch, ausgebildet ſind, beſitzen. Eine ſehr intereſſante Arbeit von G. A. F. Molen⸗ graaf handelt über natürliche und künſtliche Aetzerſchei⸗ nungen am Quarz). Wie bereits im Februarheft des letzten Jahrgangs vom „Humboldt“ (S. 65) erwähnt war, kommen auf den Flächen der Quarzkryſtalle von verſchie⸗ denen Fundorten eigentümliche regelmäßige Vertiefungen vor, welche nicht wohl anders als durch natürliche Aetzung entſtanden fein können. Auch an den Quarzkryſtallen aus der Umgegend des Sonnblicks im Rauris finden ſich der⸗ artige Aetzeindrücke; nur iſt ihre Form, wie die nähere Betrachtung lehrt, durchaus verſchieden von der derjenigen Aetzfiguren, welche man künſtlich vermittelſt Flußſäure oder Aetzkali hervorrufen kann. Molengraaf hat nun durch Verſuche dargethan, daß kohlenſaure Alkalien (und zwar kohlenſaures Kalium oder Natrium, oder beide zugleich) dann, wenn fie in wäſſeriger Löſung etwa 3—6 Stunden lang bei einer Temperatur bis zu 150° C. auf Quarz⸗ kryſtalle in eiſernen Röhren einwirken, Aetzeindrücke hervor⸗ rufen, welche mit den in der Natur vorkommenden eine auffallende Uebereinſtimmung ſowohl in ihrer Form als in ihrer Lage erkennen laſſen. Man muß daher annehmen, daß die Aetzung der Quarzkryſtalle in der Natur durch die im Bodenwaſſer gelöſt enthaltenen alkaliſchen Karbonate bewirkt worden iſt. Insbeſondere hat ſich durch die Unter⸗ ſuchungen Molengraafs an einer größeren Zahl von Quarz⸗ kryſtallen von den verſchiedenſten Fundorten das bemerkens⸗ werte Reſultat ergeben, daß viele der ſeltenen Flächen am Quarz, welche Formen mit komplizierten Indices ange- hören, und alle der trapezoedriſchen Enantiomorphie des Quarzes nicht entſprechenden Flächen keine eigentlichen Kryſtallflächen, ſondern faſt durchweg Aetzflächen ſind. Wie auffallend abhängig bei der gleichen Subſtanz die Aetzfiguren von der Natur und Konzentration des Aetz⸗ mittels ſein können, geht aus einer im letzten Jahre ver⸗ öffentlichten Arbeit von H. Baumhauer hervor ). Derſelbe hat beobachtet, wie auf der Baſis von Apatitkryſtallen bei Anwendung von kalter, unverdünnter Salzſäure in der Regel zweierlei Aetzfiguren entſtehen, dunklere, welche einer negativen (bezw. linken) Pyramide dritter Ordnung, und lichtere, welche einer poſitiven (rechten) Pyramide dritter Ordnung entſprechen. Bei längerer Einwirkung des Aetz⸗ mittels erſcheint zuweilen noch eine andere Art von lichten Aetzfiguren, welche gleichfalls eine poſitive (rechte) Pyra⸗ mide dritter Ordnung darſtellen, aber mehr von der Lage der Pyramiden zweiter Ordnung abweichend, als die anderen zuerſt und häufiger auftretenden lichten Aetzeindrücke. Wurde mit verdünnter Salzſäure von verſchiedener Konzentration geätzt, ſo entſtanden dunklere negative (linke) Aetzpyramiden, welche ſich mit abnehmender Konzentration der Säure in ihrer Lage immer mehr und mehr von der Stellung einer Pyramide zweiter Ordnung entfernten, und daneben lichtere Aetzeindrücke, welche ſich bei abnehmender Konzentration des Aetzmittels mehr und mehr einer Pyramide zweiter Ordnung näherten, dann in eine ſolche übergingen und *) Zeitſchr. f. Kryſtallogr. 1888, Bd. XIV. S. 173. **) Sitzungsber. der Preuß. Akad. d. Wiſſ. Berlin, 1887, 863 2c. ſchließlich einer negativen (linken) Pyramide dritter Ord⸗ nung entſprachen, die bei weiterer Verdünnung der ätzenden Flüſſigkeit ſich noch mehr von der Stellung einer Pyra⸗ mide zweiter Ordnung entfernte. Dagegen ergab ſich bei Anwendung von kalter Salpeterſäure das Reſultat, daß die dann entſtehenden zweierlei Aetzfiguren bei zunehmender Konzentration des Aetzmittels eine Drehung erfahren, wo- durch ſie ſich mehr einer Pyramide erſter Ordnung nähern, gerade umgekehrt wie bei den mit Salzſäure geätzten Kry⸗ ſtallen, bei welchen der größeren Konzentration der Säure eine größere Annäherung der dunkeln Aetzeindrücke (und innerhalb gewiſſer Grenzen auch der lichten Aetzeindrücke) an die Lage einer Pyramide zweiter Ordnung entſpricht. Wie ſich bei Anwendung von anderen Löſungsmitteln, 3. B. von Schwefelſäure, die Aetzfiguren verhalten, und ob, wie es faſt ſcheint, auch die Temperatur, bei welcher die Aetzung ausgeführt wird, von Einfluß auf die Stellung der Aetzfiguren iſt, wurde bis jetzt noch nicht näher unterſucht. Neue Mineralvorkommniſſe ſind im letzten Jahre mehrfach Gegenſtand eingehender Studien geweſen. So wurde von Anton Koch ein neues Cöleſtin- und Baryt⸗ vorkommen, ausgezeichnet durch ſehr ſchöne Kryſtalle, in einem bituminöſen, bräunlichgelben, der Tertiärformation angehörigen Kalkſteine in der Nähe von Torda in Sieben⸗ bürgen entdeckt und in Tſchermaks mineralog. u. petrograph. Mittlg. (1888, IX, S. 416 2. u. X, S. 89) beſchrieben. Friedrich Katzer hat ebenda (IX, S. 404 2c.) einige Mi⸗ neralien von neuen böhmiſchen Fundorten beſprochen, nämlich Bornit von Woderad, Rutil und Caleit von So⸗ beslau, Orthoklas von Babitz und Turmalin von Straſchin, Mnichowitz, Sobeslau und Kuhrau; und A. Cathrein hat (ebenda, X, S. 52 ꝛc.) weitere ſchätzenswerte Beiträge zur Mineralogie Tirols geliefert, insbeſondere die Formen des Baryt und des Fahlerzes vom Kogel bei Brixlegg, ſowie ein neues Hexakisoktaeder am Granat vom Rothenkopf und mehrere neue Flächen am Schwarzenſteiner Adular be⸗ ſtimmt, und auf die nun auch am Magneteiſen vom Greiner beobachtete polyſynthetiſche Zwillingsſtreifung und auf einen neuen Fund von Diasporkryſtallen vom Greiner aufmerkſam gemacht. Auch iſt demſelben Autor der Nachweis zu verdanken), daß am Kogel bei Brixlegg mit dem Fahlerz und Schwerſpat zuſammen eine ſeltene, bisher nur von Maſſachuſetts bekannte Mineralvarietät vorkommt, der dem Strontianit in Kryſtallform und Zu⸗ ſammenſetzung analoge Calcioſtrontianit (oder Em⸗ monit). Das aus neun Teilen Strontiumkarbonat und zwei Teilen Calciumkarbonat beſtehende Mineral bildet kugelige Anhäufungen winziger Kryſtällchen von gelblicher Farbe auf Schwerſpat oder verkittet einzelne Schwerſpat⸗ kryſtalle zu lockeren Aggregaten. Die Entſtehung des für Tirol neuen Minerals erklärt ſich durch Einfluß von kohlen⸗ ſäurehaltigem Waſſer auf das im Kogeler Schwerſpat ent⸗ haltene und zu etwa 0,75 % beſtimmte ſchwefelſaure Stron⸗ tium, welches nach Verwandlung in Karbonat ausgelaugt und bei Verdunſtung des Löſungsmittels, mit kohlen⸗ ſaurem Kalk in iſomorpher Miſchung, in Form von rhom⸗ biſchen Kryſtällchen auf dem Schwerſpat wieder abge⸗ ſetzt wird. * ) Zeitſchr. f. Kryſtallogr., 1888, Bd. XIV. S. 366 2. Humboldt. — Februar 1889. 63 Sehr ſchöne Zinnoberkryſtalle haben ſich auf der im Jahre 1882 neu aufgefundenen, ſchon in römiſcher Zeit bekannten Queckſilbererzlagerſtätte des Berges Avala in Serbien in der letzten Zeit als große Seltenheit ge— funden. Alexander Schmidt, der eine dem ungariſchen Nationalmuſeum unlängſt geſchenkte Stufe mit zwar kleinen, aber ſehr glänzenden Zinnoberkryſtällchen zum Gegenſtand eines ſehr eingehenden Studiums gemacht hat*), beobachtete, daß die Kryſtalle vorwiegend flachtafelartig nach der Baſis ausgebildet ſind, alſo eine für Zinnober unge— wöhnliche Form beſitzen; nur untergeordnet kommen an jener Stufe kurz⸗ſäulenförmige oder rhomboedriſche Kry— ſtällchen vor. Auch ſind die am Zinnober ſonſt ſo ſeltenen und immer klein ausgebildeten tetartoedriſchen Kryſtall— formen (Trapezoeder) an dem neuen Vorkommen in größerer Zahl und in hervorragender Weiſe entwickelt. Im ganzen hat Schmidt zehn neue, bisher am Zinnober noch nicht be— kannte Trapezoeder durch Meſſung beſtimmen können. Dieſe für das ſerbiſche Vorkommen ganz beſonders charak— teriſtiſchen Formen bieten in ihrer Verteilung höchſt inter- eſſante, an tetartoedriſch kryſtalliſierenden Subſtanzen nur ſelten beobachtete Eigentümlichkeiten dar. Etwas ausführlicher berichtet neuerdings H. Traube über Zinnoberkryſtalle von demſelben Fundort, welchen er im vergangenen Jahre ſelbſt zu beſuchen in der Lage war). Außer den von Schmidt erwähnten flachtafelförmigen Kry⸗ ſtällchen unterſcheidet er noch prismatiſche Kryſtalle mit einer ſtark entwickelten Zone negativer Rhomboeder, zurück— tretenden poſitiven Rhomboedern und untergeordneten (oder ganz fehlenden) Trapezoedern und trigonalen Pyramiden, ſowie Kryſtalle von pyramidalem Habitus mit nahezu gleich groß entwickelten poſitiven und negativen Rhomboedern und zurücktretendem Prisma; Trapezoeder und trigonale Pyramiden fehlen an dieſen letzteren Kryſtallen. Die Zinnober— kryſtalle beſitzen faſt durchgängig nur 1—2 mm im Durch- meſſer; ſelten werden Kryſtalle bis zu 7 mm Größe an- getroffen. Die kleineren ſind durch ſehr glänzende Flächen ausgezeichnet, die größeren ſind meiſt matt; einige ſehen an der Oberfläche wie gefloſſen (angeätzt) aus. Traube kann auf Grund ſeiner Meſſungen den von Schmidt be— obachteten Formen noch 17 neue hinzufügen, ein deutlicher Beweis für den großen Flächenreichtum der ſerbiſchen Zinnoberkryſtalle und für die Mannigfaltigkeit in ihrer Ausbildung. Außergewöhnlich flächenreiche Schwefelkryſtalle hat Molengraaf in einem Schwefellager auf der nieder— ländiſchen Inſel Saba in Weſtindien im Jahre 1885 ge— ſammelt und vor kurzem befdjrieben***). Die Kryſtalle ſtammen aus ſchmalen Spalten des Augitandeſits, welcher die Unterlage des Schwefellagers bildet und längs der Spalten in ein weißes Geſtein umgewandelt iſt, offenbar unter dem Einfluß von ſchweflige Säure und Schwefel— waſſerſtoff enthaltenden Dämpfen. Dieſe dürften einer nun⸗ mehr erloſchenen Solfatare entſtrömt ſein und Anlaß zur Bildung der Schwefelkryſtalle gegeben haben. Der Durch— meſſer der durch ihren Flächenreichtum und ihre beſonders ſchöne Flächenbeſchaffenheit ausgezeichneten Kryſtalle be— *) Ebenda, 1888, Bd. XIII. S. 433 2c. **) Ebenda, 1888, Bd. XIV. S. 563 2c. a) Ebenda, 1888, Bd. XIV. S. 43 2. trägt 1—3 mm. Sie find blaßgelb und vollkommen durch— ſichtig, dabei faſt ringsum ausgebildet. Im ganzen konnten 23 verſchiedene Formen in Kombination miteinander be— ſtimmt werden, darunter vier bisher noch nicht am Schwefel beobachtete. Bezeichnend für das Vorkommen iſt die Ar— mut an Flächen in der Prismenzone und die ſtarke Ent— wicklung von abgeleiteten Pyramiden, welche zum Teil die primäre an Größe übertreffen. Sehr auffallend iſt, daß die Dimenfionen der Grundform dieſes und des ſizilia— niſchen Vorkommens gewiſſe Abweichungen voneinander zeigen. Molengraaf möchte das durch die Annahme er— klären, daß die Entſtehungsweiſe der Schwefelkryſtalle nicht nur auf ihren Habitus, ſondern auch auf ihre kryſtallo— graphiſchen Konſtanten einen Einfluß ausübt. Monographiſch bearbeitet wurde der Epidot aus dem Habach und dem Krimler Achenthale in den Salzburger Tauern durch Joſef Gränzer s). An dem erſten Fundort wird der Epidot ſtets von Magnetitkryſtallen begleitet, ſelten auch von einem apfelgrünen Diopſid. Die ſäulenförmig nach der Querachſe geſtreckten Kryſtalle ſind bei einer Dicke von 1—5 mm etwa 2—8 mm lang und laſſen ſich nach ihrer Ausbildung in drei verſchiedene Typen einordnen. Unter den Begleitern des Epidots aus dem Krimler Achenthale fehlt der Magnetit ganz; dagegen tritt hier ein ſchwarzer Pyroxen in den Vordergrund und auch Albit und faſerige Hornblende ſind ſtellenweiſe ſehr verbreitet. Die kleinen Epidotkryſtalle dieſes Fundortes ſind in ihrer Ausbildung gegenüber den erſterwähnten leicht zu unterſcheiden; ſie ſind zwar ſehr flächenreich, zeigen aber eine große Be— ſtändigkeit in ihrer Form, welche an die der ſchönen Epidote aus dem benachbarten Sulzbachthale erinnert. Beſonderes Intereſſe bieten einzelne Flächen mit zahlreichen regel— mäßigen, an Aetzfiguren erinnernden Eindrücken; wahr⸗ ſcheinlich ſind dieſe Vertiefungen die Folge eines eigen— tümlichen, ffelettartigen Wachstums der Kryſtalle. Die Epidotkryſtalle von Elba hat E. Artini beſchrieben““). Er hat an dem ſo außerordentlich flächenreichen Mineral noch eine große Menge neuer Formen aufgefunden, auch die optiſchen Eigenſchaften der Elbaner Kryſtalle kurz beſprochen. Ueber eigentümliche Eiſenkieskryſtalle aus einem devoniſchen Schiefer von Friedberg in Heſſen berichtet C. Diifing***). Dieſelben zeigen nämlich als vorherrſchende Form das an dem Eiſenkies nur ſelten auftretende Leu— citoeder, ganz untergeordnet ferner das gewöhnliche Pen— tagondodekaeder und den Würfel. Weiter liegen über nordiſche Mineralien, zumal von Pajsberg, Langban und Nordmarken, zahlreiche und ſehr ſchätzenswerte Mitteilungen von G. Flink vor ); über ita- lieniſche Mineralien, beſonders über den Datolith und Calcit von Monte Catini, Unterſuchungen von F. Sanſoni, und über Mineralien aus Utah und Colorado Beobach— tungen von Hillebrand, Waſhington und S. L. Penfield. Intereſſant iſt die von dem letztgenannten Forſcher jüngſt veröffentlichte Mitteilung über die Auffindung des ſel⸗ *) Tſchermaks mineralog. und petrograph. Mitteilungen, 1888, Bd. IX. S. 361 2. **) Reale Accademia dei Lincei, Rom 1887, S. 378 x. ***) Zeitſchr. f. Kryſt. 1888, Bd. XIV. S. 479 zx. +) Bihang till Svenska Vet.-Akad. Handlingar Bd. XIII, Afd. II, Nr. 7. Stockholm 1888. 64 Humboldt. — Februar 1889. tenen Bertrandit am Mt. Antero in Colorado“). Das Mineral kommt dort zuſammen mit Quarz, Beryll, Phe⸗ nakit, Orthoklas, Muskowit und Flußſpat in kleinen tafel⸗ artigen Kryſtallen vor, welche Penfield in Uebereinſtimmung mit den franzöſiſchen Mineralogen und abweichend von Scharizer (vgl. Humboldt, 1888, Auguſtheft, S. 302) als rhombiſch beſtimmt. Die optiſche Unterſuchung der ſog. Schalenblende, von Johannes Nölting durchgeführt?), hat über deren Stellung zur regulären Blende und zum hexagonalen Wurtzit nach manchen Richtungen hin Klarheit gebracht. Nölting findet, daß faſt alle von ihm unterſuchten Schalenblenden Wurtzit enthalten und demnach die Verbreitung des Wurtzit eine weit größere iſt, als bisher angenommen wurde. Schon aus der äußeren Beſchaffenheit einer Schalenblende läßt ſich in vielen Fällen ein Urteil über ihren Aufbau abgeben. So gehört alle feinſtrahlige Schalenblende, wie die von Pribram, Diepenlinchen, Scharley bei Beuthen, Liskeard (Cornwall) und Cerro de Casna (Bolivien), zum Wurtzit. Nur äußerlich nicht feinſtrahlige Schalenblende, wie die von Stollberg und von Welkenraedt bei Aachen und von Lindenbach bei Ems, bedarf zur Feſtſtellung ihres kry⸗ ſtallographiſchen Charakters einer mikroſkopiſchen Unter⸗ ſuchung. Wahrſcheinlich hat ſich mancher Wurtzit nach⸗ träglich durch Molekularumlagerung aus der Blende gebildet; wenigſtens konnte bei den Schalenblenden von Stollberg und Altenberg bei Aachen, von Bleiſcharley und Wiesloch ein deutliches Eindringen der Wurtzitmaſſe in die offenbar zuerſt vorhanden geweſene Blende nachgewieſen werden, und ferner zeigte ſich die Blende von Miechowitz ganz und gar von doppeltbrechenden Wurtzitflimmern, welche ſekun⸗ därer Entſtehung zu ſein ſchienen, durchſetzt. Von den durch ihre optiſchen Anomalien ſo intereſ⸗ ſanten Zeolithen wurden der Faujaſit und der Heu⸗ landit von F. Rinne näher unterſucht“ e). Er fand, daß der Faujaſitſubſtanz urſprünglich das dem Habitus der Kryſtalle entſprechende reguläre Syſtem zukommt, aber ſchon geringe Verluſte an Kryſtallwaſſer in dem waſſer⸗ reichen Mineral eine Umlagerung der Moleküle hervorrufen, derart, daß der Einzelkryſtall, das Oktaeder, in acht (bezw. vier) optiſch einachſige Individuen zerfällt, von denen jedes, von einer Fläche des Oktaeders ausgehend, bis zum Mittel⸗ punkt des Kryſtalls ſich erſtreckt. Die optiſche Achſe eines jeden Individuums ſteht ſenkrecht zu der Oktaederfläche, welche dasſelbe nach außen hin begrenzt. Mit zunehmendem Waſſerverluſt der Kryſtalle wächſt auch die Stärke der Doppelbrechung. Die Kryſtalle ſind imſtande, faſt alles verlorene Waſſer wieder aufzunehmen und damit in den früheren Zuſtand zurückzukehren. Vom Heulandit ſtellte Rinne mehrere Präparate her, welche die Frage nach dem Kryſtallſyſtem des Minerals zu entſcheiden geeignet waren. Ihrem Verhalten zufolge iſt der Heulandit monoklin. Beim Erwärmen erwieſen ſich die von Andreasberg ſtammenden Kryſtalle in optiſcher Hinſicht verſchieden von denen von Island und von Vieſch. Ein Grund hierfür konnte in der abweichenden chemiſchen *) Americ. Journ. of Science, Vol. XXXVI, Juli 1888, S. 58. *) Snaugural-Difjert. Kiel, 1887. z) Neues Jahrb. f. Min. 1887, Bd. II. S. 17 2. Zuſammenſetzung gefunden werden: während nämlich die Kryſtalle von Island etwa 7% CaO und nur 0,50 %o SrO enthalten, ergaben die Andreasberger 4,25 % CaO und 3, % SrO. Sehr intereſſant iſt die Beobachtung, daß der Heulandit bei einem Verluſte von zwei Molekülen Waſſer, der durch eine Erhitzung auf 150° erzielt werden kann, rhombiſche Symmetrie (in optiſcher Beziehung) annimmt und auch bei weiterem Waſſerverluſt (durch Erhitzen bis zum Trübwerden ſeiner Subſtanz) behält. Werden die rhombiſch gewordenen Kryſtalle feuchter Lufl ausgeſetzt, ſo ſtellt ſich unter Waſſeraufnahme der monokline Zuſtand allmählich wieder her; werden ſie dagegen waſſerdicht ver⸗ ſchloſſen, ſo behalten ſie die rhombiſche Symmetrie. G. Flink hat die kryſtallographiſchen Eigenſchaften des Skolezits von Island an einem ſelten reichhaltigen Material, welches den Univerſitätsſammlungen zu Kopen⸗ hagen und Stockholm gehört, genau ſtudiert und gefunden, daß, entgegen einer anderen neuerdings aufgetretenen Anſicht, das Kryſtallſyſtem in der That das monokline iſt “). Die äußerſt ſeltenen und früher gar nicht bekannten ein⸗ fachen Kryſtalle verhalten ſich ſowohl geometriſch als optiſch vollſtändig monoklin. Dagegen ſind die Zwillingskryſtalle, welche früher allein zur Unterſuchung benutzt wurden, zwar ihrem geometriſchen Verhalten nach monoklin, doch zeigen viele von Flink unterſuchte Zwillinge optiſche Erſchei⸗ nungen, welche ſich mit dem monoklinen Syſtem nicht in Einklang bringen laſſen, aber, da ſie in allen Teilen des⸗ ſelben Kryſtalls nicht vollkommen die gleichen bezw. ana⸗ logen ſind, als Anomalien, in einer ſpäteren Veränderung der Skolezitſubſtanz begründet, aufgefaßt werden. Seine ſynthetiſchen Verſuche hat C. Dölter mit Erfolg fortgeſetzt. Er hat gefunden!“), daß fic) aus thon⸗ erdehaltiger Hornblende und entſprechend zuſammengeſetztem Augit (ſowie auch aus manchem Granat) Magneſia⸗ glimmer, aus eiſenarmen Thonerde-Augiten phlogopit⸗ ähnlicher Glimmer und aus Glaukophan natronreicher Magneſiaglimmer bildet, wenn dieſe Mineralien mit Fluormagneſium, Fluornatrium oder Fluorkalium bei Rot⸗ glut geſchmolzen werden. Thonerdefreie Hornblenden oder Augite ergeben bei demſelben Verſuche Augit, oder Olivin, falls mehr Fluormagneſium zugeſetzt wurde. Behandelt man Hornblende ſtatt mit Fluormetallen mit Chlorcalcium und Chlormagneſium, ſo erhält man keinen Glimmer, ſondern hauptſächlich Olivin und etwas Augit; wird da⸗ gegen Fluornatrium mitverwendet, ſo bildet ſich neben dem Olivin eine entſprechende Menge Glimmer. Die Gegenwart von Fluor erſcheint alſo notwendig zur Glimmer⸗ bildung. Weiter hat C. Dölter durch Zuſammenſchmelzen einer Miſchung von KyO, 1203 und 28102 mit Fluor⸗ kalium oder Fluornatrium und Kieſelfluorkalium neben anderen Mineralien zuweilen dem Muskowit ähnliche Pro⸗ dukte erhalten, ſehr ſchöne Kryſtalle von Muskowit ins⸗ beſondere dann, wenn Andaluſit mit Fluorkalium, Silicium⸗ fluorid und Aluminiumfluorid im Verhältnis 4: 3: 1 bei Rotglut geſchmolzen wurde. Stieg bei dieſen Verſuchen *) Bihang till Svenska Vet.-Akad. Handlingar. Bd. XIII. Afd. II, Nr. 8. Stockholm, 1888. **) Tſchermaks mineralog. und petrograph. Mitteilungen, 1888, Bd. X. S. 67 2. Humboldt. — Februar 1889. 65 die Temperatur bis zur lichten Rotglut, fo wurde der Glimmer wieder zerſtört und es bildeten ſich dann je nach der chemiſchen Zuſammenſetzung der Schmelze olivin-, augit- oder ſkapolith⸗, zum Teil auch nephelinartige Mineralien. Am leichteſten gelingt die Bildung von Magneſium-Eiſen— glimmer (Meroxen), am ſchwerſten die von lithionhaltigem Glimmer; auch reiner Kaliglimmer wird bei einer die dunkle Rotglut überſteigenden Temperatur ſehr leicht zer— ſtört, ſo daß es nicht möglich iſt, Schmelzprodukte zu er— halten, welche aus letzteren Mineralien allein oder vor— wiegend zuſammengeſetzt ſind. Wollaſtonit, welchen Huſſak“) durch Zuſammen— ſchmelzen von kieſelſaurem Kalk mit einem Bornatronkalk— ſilikat in Form von Stäbchen und Täfelchen erhalten hatte, konnte Dölter ohne Anwendung von borhaltigen Sub— ſtanzen erzeugen, einfach durch Zuſammenſchmelzen von natürlichem oder künſtlichem Kalkſilikat (CaSi0,) mit Fluorcalcium und Fluornatrium. Auch von franzöſiſchen Forſchern ſind eine Reihe von Mineralien künſtlich dargeſtellt worden“). Nach Fremy und Verneuil entſtehen beim Erhitzen von Thonerde, Fluor— calcium (oder Fluorbaryum und Kryolith) und einer Spur Chromſäure im Platintiegel bis zur höchſten von einem Windofen gelieferten Temperatur zwar kleine, aber ſehr ſchön ausgebildete Korund- bezw. Rubinkryſtalle. Auch Lacroix hat auf ähnliche Weiſe Korundtafeln bis zu 0,5 em im Durchmeſſer erzielt. Wurde mit Kryolith und einem Silikat zuſammen ein Berylliumſalz im Platintiegel erhitzt, ſo bildeten ſich kleine Kryſtalle von den Eigenſchaften des Chryſoberyll. ) Korreſpondenzbl. d. Naturhiſt. Vereins d. preuß. Rheinlande, Bonn 1887. **) Bull. de la Soc. franc. de Minéralog. 1887, 10, u. Comptes rendus, 1887, S. 104 2c. Stanislaus Meunier hat durch 5—6ſtündiges Erhitzen von Magneſia, einem Gemenge von Chloraluminium und Kryolith und einem ſolchen von Thonerde und Magneſia, welche er in einem Graphittiegel übereinanderſchichtete, bei nachherigem langſamen Erkalten kleine Oktaeder mit allen Eigenſchaften des Spinells erhalten. Auch Gah nit, Hercynit und Chromit hat er in ähnlicher Weiſe künſtlich dargeſtellt. Zinkit, Willemit und Franklinit entſtehen nach Gorgeu in folgender Weiſe. Eine Löſung von 1 Aequi— valent Natriumſulfat, 1—2 Aequivalent Zinkſulfat und 0,25 —0, Aequivalent ſchwefelſaurem Eiſenoxyd wird ein— gedampft und der Rückſtand in Rotglut geſchmolzen. In der Schmelze bildet fic) zuerſt ein baſiſches Eiſenoxydſalz, dann kryſtalliſiertes Eiſenoxyd, dann der Franklinit bezw. ein Zinkſpinell von der Zuſammenſetzung ZnFe,O, in ziemlich großen Kryſtallen und zuletzt Zinkit in Form von hexagonalen Prismen und Tafeln. Bei Anweſenheit von geringen Mengen Kieſelſäure entſteht nach dem Zinkſpinell und vor dem Zinkit eine entſprechende Menge Willemit in Form von hexagonalen Prismen mit Rhomboeder. Nach Bourgeois ſcheidet ſich gefälltes chromſaures Blei, in verdünnter Salpeterſäure gelöſt, beim langſamen Er— kalten in orange- bis hyazinthroten, dem Krokoit in allen ſeinen Eigenſchaften ſehr ähnlichen Kryſtallen aus. L. Michel hat bis 20 mm lange und 1 mm dicke hexagonale Prismen von Pyromorphit und Mimeteſit durch Erhitzen eines Gemenges von 3 Aequivalenten phos- phorſaurem bezw. arſenſaurem Blei mit 1 Aequivalent Bleichlorid in einem Porzellantiegel bis zum Schmelzpunkt des Goldes und durch nachheriges langſames Abkühlen dar- geſtellt. Bei Zuſatz einer kleinen Menge Bleichromat färbten ſich die Kryſtalle gelb, orange oder grün. Botanik. Don Profeffor Dr. Ernſt Hallier in Stuttgart. Stärkebildung aus verſchiedenen Stoffen. Glrkoſe als Rejerveftoff. orydation nach dem Tode. Bedeutung des Ualkoxalats der Blatter. Iſotoniſcher Koefficient des Glycerins. Glykogen bei Pilzen. Atmungs— Kryjtallform beim Kalkoxalat. Phyfoerythrin. Spaltöffnungsapparat. Durchdringlichkeit der Zellmembranen für Luft. Reizbewegungen. Apogamie bei viviparen Pflanzen. Wachstum der Fellwand. Fibroſinkörper. Unter den elementaren Lebensvorgängen nimmt billiger— weiſe die Aſſimilation der grünen Pflanzenzelle fortwährend die Aufmerkſamkeit zahlreicher Forſcher in An ſpruch, denn auf der Thätigkeit des Chlorophyllkorns beruht ja die Exiſtenz der geſamten Organismenwelt. Um die Frage löſen, oder wenigſtens ihrer Löſung näher führen zu können, auf welche Weiſe die Reduktion und Zerlegung der Kohlenſäure vor ſich geht, welche Produkte der Bildung der Kohlehydrate vorhergehen, bedarf es noch zahlreicher Vor— arbeiten, unter welchen diejenigen Verſuche eine wichtige Rolle ſpielen, die ſich die Aufgabe ſtellen, aus verſchiedenen Stoffen in Pflanzenblättern Stärke zu erzeugen. Wir hatten in den letzten Jahren Gelegenheit, über der— artige Verſuche, beſonders von ſeiten einiger franzöſiſcher Forſcher, zu berichten. Von einem neuen Geſichtspunkte ausgehend, welcher eine raſchere Annäherung an die Löſung Humboldt 1889. dieſer ſchwierigen Aufgabe verſpricht, hat Bokorny die Sache angegriffen (Th. Bokorny, „Ueber Stärkebildung aus verſchiedenen Stoffen.“ D. B. G. 1888 S. 116). Derſelbe geht von der Erwägung aus: „der Formaldehyd muß doch wohl bei der Reduktion der Kohlenſäure im Chlorophyll körper zuerſt entſtehen, ehe durch Kondenſation desſelben Kohlehydrate ſich bilden können.“ Da indeſſen nach den mit O. Loew angeſtellten Verſuchen freier Formaldehyd für Pflanzenzellen außerordentlich giftig iſt, ſo benutzte Bokorny das Methylal, welches beim Behandeln mit Schwefelſäure in Methylalkohol und Formaldehyd zerfällt. Verſuche hatten gezeigt, daß Methylal zur Ernährung von Algen dienen könne. Es gelang nun auch der Nachweis von Stärke— bildung aus Methylal. Von nicht geringer Bedeutung bei dieſen Verſuchen muß es erſcheinen, daß Spirogyren (welche ſelbſtverſtändlich vorher entſtärkt waren), dem Lichte 9 66 Humboldt. — Februar 1889. ausgeſetzt, aus wäſſeriger Methylallöſung von 1% bis 1 pro Mille Stärke zur Ausbildung bringen, während das im Dunkeln nicht der Fall iſt. Der Kohlenſäureaus⸗ tritt ließ ſich natürlich bei den Verſuchen nicht ganz ver⸗ hindern, doch wurden alle Maßregeln getroffen, um dieſe Fehlerquelle möglichſt zu eliminieren. Durch die That⸗ ſache der Stärkebildung aus Methylal erhält die Baeyer⸗ ſche Hypotheſe von der Umwandlung der Kohlenſäure in Formaldehyd und Kondenſation desſelben zur Kohlehydrat⸗ bildung große Wahrſcheinlichkeit. Ueberraſchen muß es, daß Bokorny nach derſelben Methode auch aus Methyl⸗ alkohol, dem zweiten Spaltungsprodukt des Methylals neben Formaldehyd, Stärke in den Spirogyren erzeugte. Ebenſo wurde die Stärkebildung aus Glykol nachgewieſen und diejenige aus Glycerin beſtätigt. A. Fiſcher führt den Nachweis der Glykoſe als Reſerveſtoff (B. Z. 1888 Nr. 26) und beſpricht ihre Verteilung auf Pflanzenarten und Gewebselemente. Nach⸗ dem Klebs gezeigt hatte (D. B. G. 1887 S. 187), daß Glycerin mit der größten Energie vom Plasma von Zygnema auf⸗ genommen wird, mußte dieſer Körper für die Ernährungs⸗ lehre große Bedeutung gewinnen, um ſo mehr, als Fiſcher und Tafel die Syntheſe der Glykoſe aus Glyecerinaldehyd (D. chem. Geſ. 1887) gelungen war. Da ferner Hugo de Vries gezeigt hatte, daß man auf den Bahnen des Transportes für die Kohlehydrate in der Pflanze oft ver⸗ geblich nach ununterbrochenem Vorkommen von Trauben- zucker ſucht, daß vielleicht dem Glycerin bei jenem Trans⸗ port eine wichtige Rolle zukomme, ſo unternahm derſelbe eine Unterſuchung „über den iſotoniſchen Koeffi⸗ ctenten*) des Glycerins“ (B. Z. 1888 Nr. 15, 16). De Vries wiederholte zunächſt die Unterſuchungen von Klebs über die Durchdringbarkeit des Plasma für Glycerin, und es gelang ihm, die Reſultate derſelben vollkommen zu be⸗ ſtätigen. War es doch auch allen Pilzforſchern, oft zu ihrem Leidweſen, längſt bekannt, daß viele niedere Pilz⸗ formen in nicht gar zu konzentriertem Glycerin fort⸗ wachſen und nicht ſelten üppig gedeihen. In dreiprozentiger Glycerinlöſung tritt nach de Vries bei Spirogyra nitida noch keine Plasmolyſe (Zuſammenziehung des Plasmas bis zur Ablöſung von der Zellwand) ein und ſelbſt in 3,7pro⸗ zentiger Löſung verſchwand die eintretende Plasmolyſe in 24 Stunden wieder. In 6,9prozentiger Löſung trat vollſtändige Plasmolyſe ein, aber nach zwei Tagen hatte ſich dieſelbe wieder ausgeglichen. In ſolchen Fäden trat in iſotoniſchen Löſungen von Kaliſalpeter (5%), Chlornatrium (2,90%), Traubenzucker (13,5% ), Rohrzucker (25,6% ), keine Plasmolyſe ein; es hatte alſo, da die plasmolytiſche Grenzkonzentration des Rohrzuckers urſprünglich 10 % betrug, die Konzentration des Zellſaftes durch Aufnahme von Glycerin ſich mehr als verdoppelt. In Löſungen von 4% trat bei 250 in vorher entſtärkten Fäden Stärkebildung ein und zwar ſchon nach einem Tage, als die Plasmolyſe noch nicht völlig wieder aufgehoben war, nach drei Tagen waren die Amy⸗ lumkerne der Chlorophyllbänder von zahlreichen kleinen, ſich mit Jod bläuenden Körnchen umgeben. In ſchwächeren Löſungen, bei 12°, bildeten die Fäden in vielen Tagen ) Der iſotoniſche Koefficient iſt die Zahl, welche die Anziehungs⸗ größe eines Moleküls eines in ſtark verdünnter wäſſriger Löſung vor⸗ handenen Körpers zum Waſſer anzeigt. keine Stärke aus, blieben aber weit länger lebenskräftig, als die zur Kontrolle ebenfalls im Dunkeln, aber ohne Glycerin kultivierten Fäden; das aufgenommene Glyeerin reichte bei jenen alſo wohl zur Ernährung, aber nicht zur Ab⸗ lagerung von Reſerveſtoff hin. Es dringen nicht nur plasmo⸗ lyſierende, ſondern auch weit ſchwächere Löſungen in das lebende Plasma ein. Auch in Löſungen von Traubenzucker und Rohrzucker leben entſtärkte Spirogyren im Dunkeln bedeutend länger fort, als in reinem Waſſer. Läßt man Fäden, welche in 6,9prozentigem Glycerin ihre Plasmo⸗ lyſe völlig ausgeglichen haben, in iſotoniſcher Rohrzucker⸗ löſung fortleben, jo verſchwindet das Gl)cerin, und die Zellen, welche anfangs die Rohrzuckerlöſung gut ertrugen, werden in wenigen Tagen ſtark plasmolyſiert. Spirogyra verhält ſich alſo dem Glycerin gegenüber genau ſo, wie Zygnema. De Vries ſtellte dieſelben Verſuche auch mit Gewebeteilen phanerogamiſcher Pflanzen an und gelangte zu denſelben Reſultaten. „Es erhellt aus den mitgeteilten Verſuchen, daß eine plasmolytiſch nachweisbare Durch⸗ dringbarkeit für Glycerin im Pflanzenreich wenigſtens ſehr ver⸗ breitet iſt.“ Es folgen nun Verſuche über die Permea⸗ bilität und Impermeabilität des Plasma. Unter den zur Anwendung gekommenen Pflanzen zeichnete ſich Begonia manicata durch beſonders große Impermeabilität aus. De Vries benutzte deshalb die vote Oberhaut der Blattſtiel⸗ ſchuppen dieſer Pflanze als Indikatorgewebe bei der Be⸗ ſtimmung des iſotoniſchen Koefficienten für Glycerin. Dieſer beträgt nach zahlreichen ausgeführten Verſuchen im Mittel 1,78 und das Verhältnis zwiſchen den iſotoniſchen Konzentrationen 0,592. Die Koefficienten der übrigen unterſuchten organiſchen Körper weichen nur unbedeutend von der Zahl 2, die molekularen Gefrierpunktserniedri⸗ gungen nur unbedeutend von 18,5 ab. Zum Schluß be⸗ richtet de Vries noch über Meſſungen der Permeabilität der Protoplaſten für Glycerin. Die Pilze bilden bekanntlich keine Stärke aus. Neuerdings hat aber Leo Errera nachgewieſen (D. B. G. 1887 S. LXXIV), daß das Vorkommen von Gly⸗ kogen in dieſer großen Gruppe ein ganz allgemeines, durch die verſchiedenſten Abteilungen derſelben verbreitetes ſei. Nur bei den Uredineen wurde noch kein Glykogen aufgefunden. Bezüglich der Anhäufung, der Wanderung und des Verbrauchs des Glykogen bei den Pilzen zeigt dasſelbe große Analogie mit der Stärke. W. Johannſen arbeitete „über Fortdauer der At⸗ mungsoxydation nach dem Tode“ (B. Z. 1887, S. 762). Starkem Sauerſtoffdruck ausgeſetzte Pflanzen verringern allmählich ihre Sauerſtoffaufnahme und Kohlen⸗ ſäureabgabe bis zum Tode. Nach dem Tode wird einige Stunden kein Sauerſtoff aufgenommen; ſpäter tritt leb⸗ hafte Oxydation ein unter dem Einfluſſe von Bakterien. Ganz ähnlich verlief die Sache bei Keimlingen, welche durch hohe Temperatur langſam getötet wurden. Ueber die Bedeutung der Oxalſäure für die Pflanzen ſind von jeher ſehr verſchiedene Anſichten ge⸗ äußert worden. Nach Schleiden ſollte der Kalk bei den Pflanzen hauptſächlich die Aufgabe haben, die als Neben⸗ produkt von ihnen gebildete Oxalſäure unſchädlich zu machen. Nach de Bary gehört die Kalkoxalatbildung zur Erſcheinungs⸗ reihe der Oxydationsgärungen. A. F. W. Schimper ſucht 1 Humboldt. — Februar 1889. 67 die Frage der Kalkoxalatbildung durch das Experiment zu löſen („Ueber Kalkoxalatbildung in' den Laubblättern“. B. Z. 1888 Nr. 5— 10). Rhaphiden werden in jungen, noch wachſenden Blättern bereits fertig ausgebildet. In anderen Fällen findet eine allmähliche Zunahme ſtatt. Sonnen- blätter enthalten weit größere Mengen von Kalkoxalat als Schattenblätter, auch größere Kryſtalle. Verdunkelung hindert die Kryſtallbildung. Die während des Blatt— wachstums gebildeten Kryſtalle entſtehen dagegen, zum Teil wenigſtens, ganz unabhängig vom Licht. Die meiſt geringe Menge des Oxalats, welche während des Wachstums ent- ſteht, iſt unabhängig vom Lichte, wogegen die größere, in ausgewachſenen Blättern gebildete Menge der Lichtintenſität proportional iſt. Während der herbſtlichen Entleerung findet die Bildung in großen Mengen ſtatt. Bei pana— chierten Blättern zeigen die weißen Teile nur winzige und ſpärliche Körnchen. In ſchlorophyllfreien Blattteilen iſt das Licht ohne Einfluß. Beim Abſterben bildet ſich (tertiäres) Oxalat, wenn auch weniger als in grünen Teilen. Bei den Rhaphiden (primäres Oxalat) fällt dieſer Unterſchied weg. Das primäre iſt alſo von Chlorophyll und Licht unabhängig, das ſekundäre Oxalat aber nicht. Wird den weißen Blattteilen von den grünen das Material geliefert, fo bilden fie ebenfalls Oxalat aus. Die Bildung ijt unab- hängig von der Aſſimilation, was an Pflanzen bewieſen wurde, welche Schimper in Kohlenſäuregas kultivierte. Von der Transſpiration wird die primäre Bildung nicht beeinflußt, die ſekundäre dagegen in hohem Grade. Das Kalkoxalat iſt in den Blättern faſt ebenſo be- weglich, wie die Produkte der Aſſimilation. Die Kryſtalle werden häufig in grünen Zellen gebildet und ſind ſpäter nur in den Kryſtallkammern der Nerven vorhanden, wie denn ſchon Schleiden bei manchen Pflanzen, wie z. B. bei den Einchonaceen, beſondere Kryſtallzellen unterſchieden hatte. Bei gefleckten Blättern findet Auswanderung aus den grünen Zellen in die chlorophyllfreien ſtatt. Schimper nimmt auch Wanderung des Kalkoxalats aus den Blättern in den Stamm an. Bei der Herbſtwanderung vergrößert ſich die Menge des Kalkoxalats auf Koſten des Kalioxalats, indem das Kali in den Stamm wandert. In den Blät— tern kalkfrei gezogener Pflanzen werden die Kalkoxalat— kryſtalle gelöſt. In ſolchen Pflanzen wandert die Stärke nicht, weil ihre Glykoſe nicht im ſtande iſt, aus einer Zelle in die andere überzugehen; daher wird die Stärke in den Aſſimilationszellen angehäuft und die Leitzellen bleiben ſtärkearm. Die Epidermis enthält große Leuko⸗ plaſten, welche aber hier nicht, wie bei normalen Pflanzen, Stärke erzeugen. Das Kalkſalz hat alſo die Funktion der Leitung der Kohlehydrate. Schimper ſucht nun dem Urſprung des ſekundären Kalkoxalats (für das primäre hält er die Löſung zur Zeit für unmöglich) experimentell näher zu treten. In künſt⸗ lichen Nährlöſungen mit Zuſatz von Kalkſalpeter erzogene Pflanzen verhielten ſich bezüglich der Kalkoxalatbildung wie Bodenpflanzen. Der Stickſtoff des Kalknitrates wurde aſſimiliert, während der Kalk, zum größeren Teil an Oxalſäure gebunden, dem Stoffwechſel entzogen wurde; das ſekundäre Kalkoxalat ſtellt demnach in dieſem Falle ein nutzloſes Nebenprodukt der Stickſtoffaſſimilation aus Kalkſalpeter dar. Ein Teil des Kalkes wurde aber bei der Translokation der Kohlehydrate verwendet und viel— leicht als primäres Kalkoxalat ausgeſchieden; ein anderer endlich iſt wohl in unbekannter Form der Zellwand ein— verleibt worden. Werden Kalkphosphat und Kalkſulfat als einzige Quelle für Phosphor und Schwefel geboten, ſo wird eben— falls ſekundäres Kalkoxalat erzeugt. „Die Bedeutung des Kalkes für die Pflanze iſt alſo mindeſtens eine zweifache. Einerſeits ſpielt er bei der Translokation der Kohlehydrate eine weſentliche Rolle, in welcher er durch keine andere Baſe erſetzt werden kann. Andererſeits dient er dazu, der Pflanze Stickſtoff, Schwefel und Phosphor in aſſimilierbarer Form zuzuführen. In dieſer letzten Rolle kann der Kalk durch andere Erden oder durch Alkalien erſetzt werden.“ Schimper nimmt nun an, daß die von der Pflanze dem Boden entnommenen Nitrate, Phosphate und Sul— fate zum guten Teil unzerſetzt bis in die Blätter gelangen, wo ſie ſich in vielen Fällen anhäufen, während anderer— ſeits das Kalkoxalat als Nebenprodukt der Verarbeitung des ſalpeterſauren, phosphorſauren und ſchwefelſauren Kalks entſteht und ſeine Menge beſtändig zunimmt. Um nun die Frage zu löſen, ob die Kalkſalze, ſowie überhaupt die anorganiſchen Salze des Bodens in den Blättern verarbeitet werden, fütterte Schimper abgetrennte Blätter mit organiſchen Nitraten, Phosphaten und Sulfaten, um zu ſehen, ob fie zerſetzt werden und ob dabei organiſche Stoffe als Nebenprodukte erzeugt werden. In normale Nährlöſung geſtellte Blätter von Pelargonium zonale lebten 3—6 Wochen; die Spreiten nahmen um das 4— 5 fache ihres Durchmeſſers zu, der Stiel wurde bedeutend dicker und feſter. Die Blätter zeigten mittleren Stärke⸗ reichtum und große Kalkoxalatdruſen. Nitrate, insbeſondere Kalknitrat, wurden in allen Verſuchen in den Blättern zerſetzt. Nitrate wurden durch das Chlorophyll im Lichte zerſetzt, im Dunkeln häuften ſie ſich wieder an, in weißen Blättern wurden ſie nicht zerſetzt. Wir wollen nicht unterlaſſen, bei dieſer Gelegenheit auf die eingehenden Studien aufmerkſam zu machen, welche L. Kny „über Kryſtallbildung beim Kalkoxalat“ (D. B. G. 1888, S. 387) angeſtellt hat. Bezüglich der Reſultate müſſen wir auf die Arbeit ſelbſt verweiſen. Unter den Farbſtoffen aus der Verwandtſchaftsreihe des Chlorophylls hat das Phykoerythrin durch Franz Schütt eine gründliche Unterſuchung erfahren (D. B. 3. 1888 S. 36—51). Ueber den Bau und die Funktion des Spalt— öffnungsapparates hat Haberlandt einige wertvolle neue Beobachtungen geliefert (Flora 1887 Nr. 7). Dem von Schwendener unterſchiedenen Hautgelenk, nämlich der ver— dünnten Stelle der äußeren Epidermiswand zu beiden Seiten der Schließzellen, wodurch deren Beweglichkeit auf der ge⸗ wölbten Seite bedingt wird, fügt Haberlandt noch ein zweites hinzu, indem er jenes das äußere, dieſes das innere nennt. Bei manchen Pflanzen ſind nämlich auch die Innenwände der Epidermiszellen mehr oder weniger verdickt und da, wo ſie an die Spaltöffnungen grenzen, mit einem Hautgelenke verſehen. Dieſe Einrichtung fand ſich beſonders ſchön bei Liliaceen und Bromeliaceen aus- gebildet. Bei den Schwimmpflanzen kommt der Spalten- 68 Humboldt. — Februar 1889. verſchluß nicht durch Berührung der vorgewölbten Bauch⸗ wände der Schließzellen zu ſtande, ſondern beruht aus⸗ ſchließlich auf der Annäherung der ſtark verbreiterten äußeren Cuticularleiſten. Die Gliederung der ganzen Spalt⸗ öffnung in Vorhof, Centralſpalte und Hinterhof findet hier nicht ſtatt. Die Spaltöffnungen ſind die Eingänge in die Luft⸗ wege der Pflanze. Sie führen, wo ſie vorhanden ſind, ins Intercellularſyſtem. Um aber wirken zu können, müſſen die von der Pflanze aufgenommenen Gaſe in die Pflanzenzelle eindringen. Es iſt daher die Frage nach der „Permeabilität vegetabiliſcher Zellmembranen in bezug auf atmoſphäriſche Luft“ von höchſter Bedeutung. Die Löſung dieſer Aufgabe hat Lietzmann verſucht (Flora 1887 Nr. 22 bis 24). Die Reſultate ſeiner Unterſuchung faßt derſelbe folgendermaßen zuſammen: 1. Es zeigte ſich der Kork bei den angegebenen Druck⸗ verhältniſſen und für die betreffende Zeitdauer in axialer Richtung als impermeabel. 2. Dagegen erwieſen ſich die Cuticula von Peperomia wie auch die Membranen aller Zellgattungen als per⸗ meabel. 3. Ein gleiches Reſultat ergab ſich für die Membranen der Tracheidenzellen von Pinus. Es iſt durch dieſe Unterſuchungen wenigſtens ein Anfang gemacht worden zur Löſung einer ungemein ver⸗ wickelten und ſchwierigen Aufgabe. Eine der wichtigſten Fragen der Phyſiologie iſt die nach der Urſache und Form der Reizbewegungen. Wortmann hat in einer Reihe von Aufſätzen (B. Z. 1887 Nr. 48—51) den gegenwärtigen Stand dieſer Lehre klar⸗ geſtellt und manche eigene Beobachtung hinzugefügt. Die Fruchtträger von Phycomyces zeigen „Haptotropismus“, d. h. ſie ſind für Berührung höchſt empfindlich, und zwar krümmen ſie ſich gegen die Berührungsſtelle konkav. Die Reizbarkeit findet nur in der wachſenden Region und nur während der Dauer des Wachstums ſtatt. Von Errera, welcher angibt, die Krümmung finde nicht notwendig an der Berührungsſtelle, aber ſtets an der ſtärkſten Stelle des Wachstums ſtatt, weicht Wortmann inſofern ab, als er zwar zugibt, daß die ſtärkſte Krümmung wohl ſtets an der Stelle des ſtärkſten Wachstums liege, daß jedoch der Reiz und die Krümmung von der Berührungsſtelle aus⸗ gehen. Der Vorgang iſt von den charakteriſtiſchen Neben⸗ erſcheinungen der Reizkrümmung wachſender Organe: latenter Reizung und Nachwirkung, begleitet, indem die Krümmung erſt einige Minuten nach erfolgter Reizung ſichtbar wird, aber nach dem Aufheben des Reizes noch einige Zeit andauert. „Wie Pfeffer nun für die Ranken in vorzüglicher Weiſe nachgewieſen hat, ſind dieſelben durchaus nicht auf jede Art der Berührung reizbar, ſon⸗ dern es wird eine Reizung nur dann erzielt, wenn in der ſenſiblen Zone der Ranke diskrete Punkte beſchränkter Ausdehnung gleichzeitig oder in genügend ſchneller Auf⸗ einanderfolge von Stoß oder Zug hinreichender Intenſität betroffen werden.“ Demgemäß waren in Pfeffers Ver⸗ ſuchen 14 proz. Gelatine, Queckſilber, Waſſer, Mandelöl 2c. auch bei heftigſter Berührung nicht im ſtande, eine Krüm⸗ mung hervorzubringen, während dieſelbe normal erfolgte, wenn den Flüſſigkeiten feſte Partikel beigemengt waren, oder aber Körper mit genügend rauher Oberfläche, Glas, Draht rc. als Kontaktmittel benutzt wurden. : „Nach meinen Verſuchen verhält fic) nun Phycomyces auch in dieſer Beziehung den Ranken durchaus analog. Bei Berührung mit 7—14 proz. Gelatine, Mandelöl oder Waſſertropfen trat auch nach halbſtündiger Verſuchsdauer nicht die geringſte Krümmung auf, ſondern die Frucht⸗ träger wuchſen ganz geradlinig weiter. Eine ergiebige Krümmung dagegen ſtellte ſich ein (wie auch in Pfeffers Verſuchen), wenn als Kontaktmittel, außer Glas, Holz, Papier oder Platindraht, Schweineſchmalz oder feſte Cacao⸗ butter gewählt wurde.“ Sehr charakteriſtiſch iſt es, daß Queckſilber nur im ungereinigten Zuſtande Reizung her⸗ vorbrachte. In Uebereinſtimmung mit Kohl („Plasma⸗ verteilung und Krümmungserſcheinungen“. Botan. Hefte. Forſchungen aus dem bot. Garten in Marburg. 1. H. 5) findet Wortmann, daß bei der geotropiſchen, heliotropiſchen und hydrotropiſchen Krümmung ſich an der hohlen Seite das dichtere Plasma ſammelt. Dieſelbe Erſcheinung be⸗ ſtätigte Wortmann nun auch für die Berührungskrümmung: ſie wächſt mit der Stärke der Krümmung und gleicht ſich bei abnehmender Krümmung wieder aus. Um die Krümmung als Folge der Plasmabewegung zu erklären, nimmt Kohl an, daß an der ſich wölbenden Seite das weniger dichte Plasma der anliegenden Zellwand die Auf⸗ nahme neuer Molekel, alſo ſtärkeres Wachstum, erleichtere, während an der gegenüberliegenden, hohl werdenden Seite das dichtere Plasma die entgegengeſetzte Wirkung, alſo Hemmung des Wachstums hervorrufe. Wortmann tritt dieſer Anſicht entgegen. Nach ihm findet gerade an der⸗ jenigen Seite, welcher das Plasma zuſtrebt, ſtärkeres Wachstum ſtatt, aber als Dickenwachstum der Wand. Es liegt auf der flachen Hand, daß ſich daraus die Krüm⸗ mung ebenſogut erklären läßt. Wortmann nimmt an, daß der Turgor die Krümmung bewirkt, weil bei allſeitig gleichem Druck die weniger ſtark verdickte Wand ſtärker gedehnt werde. Dieſe Erklärung ſucht Wortmann nun auch auf die Reizbewegungen vielzelliger Organe zu über⸗ tragen. Danach iſt die Differenz in der Turgorausdeh⸗ nung, auf welche de Vries (Landw. Jahrb. 1880, B. 8. 1879 S. 835, Archives Nieerlandaises 1880) das Haupt⸗ gewicht legt, nur eine Sekundärerſcheinung. In der ein⸗ zelnen Zelle ließ ſich jedoch eine Bewegung des Plasma nicht nachweiſen. Wortmann betritt nun experimentell den umgekehrten Weg. Er legt z. B. eine Keimpflanze von Phaseolus multiflorus horizontal und verhindert durch ein Gewicht die Aufwärtskrümmung des Hypokotyls. Nach einem bis zwei Tagen ſind die Zellen der Oberſeite des Hypokotyls dicht mit Plasma erfüllt, diejenigen der Unterſeite weniger dicht. Aehnliche Erſcheinungen zeigen ſich bei einſeitiger Beleuchtung des vertikal gerichteten Stengels, wenn die heliotropiſche Krümmung durch ein Gewicht verhindert wird. Aehnliches beobachtet man auch bei gekrümmten Organen, wenn die Krümmung eine ſehr ſtarke iſt. Dieſe Thatſache iſt ſchon von Sachs und auch von Cieſielski (Cohn, Beitr. z. Biologie Bd. 1. H. 2. 1872) beobachtet worden. Das Plasma konzentriert ſich an der hohlen Seite des gekrümmten Organs. Das Plasma ſämtlicher Zellen bildet einen zuſammenhängenden Geſamt⸗ körper (Protoplaſtus), wodurch die beſprochenen Erſchei⸗ Humboldt. — Februar 1889. 69 nungen ſehr erklärlich werden. Dieſelbe Methode der Verhinderung der Reizbewegung durch zweckmäßig ange: brachte Gewichte bringt Wortmann auch zur Anwendung, um die Membranverdickung an der einen (bei der Krüm⸗ mung hohlen) Seite des Organs nachzuweiſen. Die Entſtehung der Krümmung denkt Wortmann ſich folgendermaßen: An der gereizten Seite ſammelt ſich das dichtere Plasma; an dieſer Seite verdicken ſich daher die Zellwände. Infolge davon wächſt dieſe Seite ſowohl relativ als abſolut langſamer in der Längsrichtung als die entgegengeſetzte und wird daher hohl. Für das Geſchlechtsleben der Gewächſe bringt eine Roſtocker Diſſertation von E. H. Hunger „Ueber einige vivipare Pflanzen und die Erſcheinung der Apogamie bei denſelben“ (Bautzen 1887) einige Thatſachen von großem Intereſſe. Man hat ſeit längerer Zeit mit Recht ver— mutet, daß zwiſchen vegetativer und geſchlechtlicher Fort— pflanzung eine Wechſelbeziehung beſtünde, ſo zwar, daß durch die eine Art der Fortpflanzung die andere benach— teiligt würde. Die Unfruchtbarkeit mancher viviparen Gewächſe, wie z. B. der Ficaria ranunculoides, mußte notwendig zu dieſer Vorſtellung führen. Beide Erſchei— nungen, die Erzeugung beſonderer ungeſchlechtlicher Sproſſen und die Unterdrückung des Geſchlechtsapparates müſſen eine gemeinſame Urſache haben, wenn auch nicht eine von beiden als die Bedingung der anderen angeſehen werden kann. Hunger kommt durch ſeine Kulturverſuche zu dem Schluß, daß die Urſache der Zwiebelbildung am Ende der Blütenſtandsachſe eine innere ſein müſſe und nicht durch äußere Einflüſſe herbeigeführt werde. Bodenverhältniſſe können gar nicht in Betracht kommen, da man alle mög— lichen Formen der viviparen und geſchlechtsloſen Bildung an einem und demſelben Orte entſtehen ſieht. Die Zwie— beln ſind von der Blütenentwickelung inſofern unabhängig, als die Blüten niemals vergrünen. Die Zwiebeln in den Aehrchen vererben bei Topfkulturen die Zwiebelbildung und Sterilität der Blüten keineswegs; vielmehr bildeten gerade ſolche Pflanzen keimfähigen Samen aus. Durch die am Achſengrund entſtehende Zwiebel wird dagegen die abnorme Anlage vererbt. An der Fortbildung der Zellenlehre beteiligen ſich nach wie vor zahlreiche tüchtige Kräfte. Als einer der erſten unter den hierhergehörigen Forſchern iſt Zacharias zu nennen. Strasburger und Berthold ſind der Anſicht, daß während der Teilung des Kerns, wenn dieſer in den Spindelzuſtand übergeht, das Zellplasma in den Kern eindringt. Nach neueren Beobachtungen von Zacharias „Ueber Kern- und Zellteilung“. B. Z. 1888 Nr. 3, 4) wird bei der Teilung des Kerns ſogar ein Teil ſeines eigenen Plasma nicht in die Tochterkerne aufgenommen, ſondern dem Zellplasma einverleibt. G. Haberlandt hat in zwei Veröffentlichungen („Ueber die Lage des Kerns in ſich entwickelnden Pflanzenzellen“. D. B. G. 1887 S. 205. „Beziehungen zwiſchen Funktion und Lage des Zellkerns“, Jena 1887) den Nachweis geführt, daß der Zellkern ſtets in der Nähe der in der Entwickelung geförderten Teile der Zelle liegt. Nach einer ſchönen Unterſuchung von Went („Beobachtungen über Kern- und Zellteilung“. D. B. G. 1887 S. 247) wird der Nucleolus vor der Teilung im Kernfaden aufgenommen. Die ſchraubige Streifung ſtark verdickter Zellen, wie namentlich der Baſtzellen, iſt nach früherer Unterſuchung von Dippel ſtets eine einfache in einer beſtimmten Zellſchicht, während andere Forſcher von verſchiedenen, einander kreuzenden Streifen in derſelben Schicht geſprochen hatten. Nach Krabbes neueren Unter— ſuchungen („Beitrag zur Kenntnis der Struktur und des Wachstums vegetabiliſcher Zellhäute“. Pringsh. Jahrb. Bd. 18 Nr. 3) iſt die Dippelſche Anſicht die vollkommen richtige, wie man bei verſchiedenen Einſtellungen des Mikroſkops wahrnimmt. Das Dickenwachstum der Baſtzellen geſchieht ausſchließlich durch Auflagerung neuer Schichten, nicht durch Einlagerung neuer Molekel zwiſchen die vorhandenen. Zopf entdeckte in den Conidien von Podosphaera oxyacanthae DC. einen neuen Inhaltskörper (D. B. G. 1887 S. 275—281), welchen er, Fibroſinkörper nennt. Derſelbe unterſcheidet ſich von allen übrigen Inhaltskörpern ſowohl der Form als dem Chemismus nach, insbeſondere von Stärke, Celluloſe, Paramylum, Cellulin, Pilzeelluloſe. Die Fibroſinkörper haben die Geſtalt kleiner, flacher Scheiben, Hohlkegel, abgeſtumpfter Hohlkegel und Hohleylinder. Struk— tur ließ ſich an ihnen nicht unterſcheiden. Sie beſtehen weder aus eiweißartigen Subſtanzen, noch aus Fett oder Harz, ſtehen vielmehr den geformten Kohlehydraten mehr oder weniger nahe. Kleine Mitteilungen. Zwei phyſikaliſche Irrtümer. 1. In den Lehrbüchern der Phyſik wird der Pulshammer gewöhnlich aufge— führt als Apparat, welcher das Kochen des Waſſers oder Alkohols bei gewöhnlicher Temperatur im luftleeren Raum veranſchaulichen ſoll. So findet ſich in dem Lehrbuch der Phyſik von Eiſenlohr folgende Beſchreibung: „Der Puls— hammer beſteht aus zwei Kugeln von Glas, die durch eine Röhre verbunden ſind und etwas Waſſer (oder gefärbten Alkohol) enthalten. Die Luft iſt durch das Sieden des- ſelben ausgetrieben; deshalb kommt das Waſſer in der Kugel, welche man in der Hand hält, ſchon durch die Wärme der letzteren ins Kochen.“ Offenbar iſt dies falſch. Vielmehr handelt es ſich hier nur um einfache Verdampfung und Expanſion des Dampfes. Stehen Dämpfe mit der Flüſſigkeit, aus der ſie entſtanden ſind, noch in Verbindung, und iſt der Raum, welchen ſie einnehmen, bereits von ihnen geſättigt, ſo bildet ſich bei Erhöhung der Temperatur eine neue Menge Dampf, deſſen Spannkraft einmal wegen der Wärme und dann wegen der zunehmenden Dichtigkeit vergrößert wird. Erwärmt man mit der Hand die Kugel A des Pulshammers in der Stellung 1 oder 3, ſo wird durch die Ausdehnung des Dampfes zunächſt die Flüſſigkeit ruhig nach der anderen Kugel getrieben; erſt wenn der Dampf bis C vorgedrungen iſt, durchbricht er infolge des nun zur Geltung kommenden Gewichtsunterſchiedes die Flüſſigkeit und es ſteigen Dampf⸗ blaſen auf. Bringt man durch Schütteln eine Dampfblaſe nach B und erwärmt dieſelbe durch den Finger, ſo wird dieſelbe raſch vergrößert, bis ſie die beiden Vertikalteile der Röhre erreicht hat, und es ſteigen dann die Dampf— blaſen in beide Kugeln auf — ein Scheinkochen verur— 70 Humboldt. — Februar 1889. ſachend. Bringt man die Kugel A unter den Strahl der kälteren Waſſerleitung, jo wird die Flüſſigkeit nach A ge⸗ drängt, und es ſteigen zuletzt hier die Dampfblaſen auf. Bei der Stellung 2 findet ein Aufwallen der ausgekochten Flüſſigkeit nicht ſtatt, wenn man mit der Hand erwärmt; ein Sieden tritt überhaupt erſt bei höherer Temperatur ein. 2. Ein Verſuch, welcher die Umdrehung der Erde beweiſen ſoll, ijt in der „Grazer pädagogiſchen Zeitſchrift! beſchrieben worden und von da durch die Schullitteratur und durch wiſſenſchaftliche Zeitungen unbeanſtandet hin⸗ durchgegangen: „Man nehme eine große Glasſchale,“ ſo lautet die Anleitung, „fülle dieſelbe beinahe ganz mit Waſſer, ſetze ſie auf den Boden eines Zimmers im Erd⸗ geſchoſſe, wo durchaus keine Störungen durch Luftbewegung oder ſonſtige Erſchütterungen ſtattfinden. Steht nach einiger Zeit das Waſſer in der Schale ſcheinbar vollkommen ruhig, ſo pudere man mittels eines dünnen Läppchens eine dünne Schicht Bärlappſamen auf die Oberfläche des Waſſers, jedoch ringsum nicht ganz bis an den Rand der Schale, wobei man höchſt vorſichtig ſein muß, um das Waſſer durchaus nicht zu bewegen. Dann ſtreue man, am beſten mit einer zuſammengefalteten Karte, einen Strich von Kohlenpulver über die Mitte der Bärlappſchicht. Als⸗ HA 0 A dann lege man irgend einen Gegenftand an den Rand der Schale in der Richtung des Striches, um zu ſehen, ob und wie der ſchwarze Strich von Kohlenpulver ſeine Lage ver⸗ ändert. Nach Verlauf von einigen Stunden wird man ſchon wahrnehmen, daß der ſchwarze Strich ſich von rechts nach links, wie der Zeiger einer liegenden Taſchenuhr, herumbewegt“ ꝛc. 2c. „Wie alles, was mit der Erde in Verbindung ſteht, ſich mit derſelben herumdreht, ſo thut es auch das Glasgefäß. Das in der Schale ruhende Waſſer jedoch bleibt infolge ſeines Beharrungsvermögens ruhend in ſeiner Stelle, daher die oben geſchilderte Erſcheinung.“ Wir würden dieſen ſchön ausgedachten „Verſuch“ hier nicht einer Beſprechung für wert erachten, ſpukte er nicht bereits in vielen Zeitungen, und wäre nicht gleichfalls Gefahr vor⸗ handen, daß er in phyſikaliſche Elementarbücher überginge. Ich habe daher auf die irrtümlichen Vorausſetzungen ſchon in einer Zuſchrift an die „Naturwiſſenſchaftliche Wochen⸗ ſchrift“ (vgl. 1888 Nov. 26, S. 207) hingewieſen. Das Waſſer hat in bezug auf die Erdbewegung ganz dieſelbe Trägheit, wie die Schale und die Erde, genau ſo, wie jeder Körper im fahrenden Eiſenbahnzug deſſen Trägheit beſitzt. Beſäße es aber ſelbſt — von einem anderen Punkt der Erde herbeigezaubert — andere Geſchwindigkeit, fo würde es infolge der Reibung bald die Bewegung der Schale annehmen. In der „Naturwiſſenſchaftlichen Rundſchau“ weiſt Pro⸗ feſſor Schmidt in Stuttgart obigen Verſuch mit gleichen Gründen ab und ſchließt mit den Worten: „Dagegen wollen wir aber den Leſern einen Vorſchlag mitteilen, welcher nach unſerer Anſicht den Foucaultſchen Verſuch erſetzen könnte, wenn ſich jemand zur Ausführung des⸗ ſelben fände. Auf einem Floß inmitten eines Teiches ſtationieren wir einen Mann mit einem großen Schwung⸗ rad. Der Mann hat nichts zu thun, als das Schwungrad mit ſeiner horizontalen Achſe in Rotation zu erhalten und das Floß auf dem Teiche wird die Foucaultſche Drehung annehmen.“ Es dürfte auch dieſes billig zu bezweifeln ſein, da das Floß mit dem drehenden Mann und der Achſe des Schwungrades ſich nicht viel anders bewegen würde, als der Bärlappſtreifen der Grazer päd. Zeitſchrift. Das Foucaultſche Pendel iſt eben nur an einem Punkte mit der Erde in Verbindung (Befeſtigungspunkt). Prof. Dr. Ludwig in Greiz. Metallglanz. Die phyſikaliſchen Verhältniſſe, von welchen der ſog. Metallglanz abhängt, ſind bereits von Dove und Brücke einer Diskuſſion unterworfen worden, die aber zu keinem entſcheidenden Reſultat geführt hat. Spring teilt nun folgende Beobachtungen mit, die er ge⸗ legentlich ſeiner Unterſuchungen über die Kompreſſion feiner Pulver unter ſehr ſtarkem Druck gemacht hat. Die Pulver waren immer ſehr fein und wenn möglich auf chemiſchem Wege dargeſtellt. Nachdem fie in einem eylindriſchen Apparat den ſtarken Druck erfahren hatten, war eine ge⸗ wiſſe Anzahl von Pulvern zu mehr oder weniger metall⸗ glänzenden Cylindern, andere zu mehr glasglänzenden Cylindern zuſammengepreßt. Bei der Unterſuchung der Pulver ſtellte es ſich nun heraus, daß ohne Ausnahme die Metallglanz annehmenden Körper ein undurchſichtiges, die anderen ein durchſichtiges Pulver haben. Hiernach hängt der Metallglanz nicht mit der ſpeeifiſch⸗chemiſchen Natur der Subſtanz zuſammen, ſondern er iſt eine phyſikaliſche Eigenſchaft. Ein Metall, welches eine allotropiſche Modifi⸗ kation hätte, in der es hinreichend durchſichtig wäre, würde mit Glasglanz erſcheinen. D. Sonnenparallaxe. Ueber den Erfolg der amerika⸗ niſchen Expeditionen zur Beobachtung des letzten Venus⸗ durchgangs hat jetzt W. Harkneß der „American Asso- ciation for the Advancement of Science“ Bericht er⸗ ſtattet. Die Amerikaner haben auf zehn verſchiedenen Stationen photographiſche Aufnahmen des Venusdurchganges erhalten, nämlich insgeſamt 1475 Platten. Die Ausmeſſung dieſer Platten bezüglich der Entfernung der Mittelpunkte von Sonne und Venus, wie ſie von den verſchieden ge⸗ legenen Orten der Erde aus erſchienen, hat nun das intereſſante Reſultat ergeben, daß die Sonnenparallaxe bis auf eine tauſendſtel Sekunde genau denſelben Wert ergab, wie ihn Newcomb ſchon vor zwanzig Jahren aus einer großen Reihe anderer Meſſungen ableitete, nämlich zu 8,848“, entſprechend der mittleren Entfernung der Sonne von der Erde von 92 385 000 engliſchen Meilen oder 20 035 800 geographiſchen Meilen. Die wahrſcheinliche Unſicherheit dieſer Beſtimmung ergab ſich zu ungefähr 30 000 geographiſchen Meilen, ſo daß man die Entfernung der Erde von der Sonne zu rund 20 Millionen Meilen annehmen kann. Dieſe Zahl wird durch eine noch fort⸗ geſetzte Unterſuchung über die amerikaniſchen Platten, welche noch nicht ganz zum Abſchluß gebracht iſt, vorausſichtlich kaum eine Aenderung erfahren, jedenfalls wird man keine Veranlaſſung haben, von der runden Zahl 20 Millionen abzugehen. D. Eine Mineralquelle, die im Mittelalter berühmt und vielfach beſucht, ſeitdem aber verſchollen war, iſt in Rappoltsweiler im Oberelſaß an ihrer Ausbruchsſtelle von neuem gefaßt worden. Nach der Analyſe von Freſenius iſt die Quelle ein erdig⸗ſalziges Mineralwaſſer, deſſen Haupt⸗ beſtandteile doppeltkohlenſaurer Kalk, Magneſia, ſchwefel⸗ ſaure Alkalien, Lithium ſind. Das Waſſer hat daher Aehnlichkeit mit dem von Wildungen und Lippſpringe und übertrifft die ebenfalls ähnlichen Quellen von Contrexé⸗ ville und Vittel am Weſtabhang der Vogeſen durch den Reichtum an wirkſamen Heilſtoffen. Die Quelle erhielt den Namen Karolaquelle; ſie ſteigt in einem 11 m hohen Cementſchacht von 1,25qm Weite auf und liefert 121 in der Sekunde. D. Ammoniakgehalt des Meteorwaſſers. Daß das Am⸗ moniak ein konſtanter Beſtandteil der atmoſphäriſchen Nie⸗ derſchläge iſt, und daß im beſonderen der Schnee relativ reich an Ammoniak iſt, wurde ſchon von Liebig erkannt. Ueber eine Reihe von quantitativen Beſtimmungen des Humboldt. — Februar 1889. 71 Ammoniaks im Meteorwaſſer berichtet neuerdings Max Müller in der „Ztſchrft. f. angew. Chemie“ 1888. S. 240. Es handelte ſich darum, die Urſache zu ermitteln, aus welcher die aus Zinkblech gefertigten Fallröhren, welche das Meteor— waſſer von der mit Kupfer gedeckten Kuppel des Braun— ſchweiger Reſidenzſchloſſes zur Erde leiten, ſehr ſtark korro— diert werden, während die übrigen Röhren, welche mit anderen, nicht mit Kupfer gedeckten Teilen des Daches kommunizieren, unverſehrt bleiben. Wie ſich herausſtellte, gibt der Ammoniakgehalt des Meteorwaſſers hierzu Ver— anlaſſung. Die geringe Menge Ammoniak des Regen- oder Schneewaſſers vermag nämlich die auf dem Kupferblech befindlichen Oxyde zu löſen; ſobald die ſchwache Kupfer— löſung mit den Fallröhren in Berührung kommt, findet Ausſcheidung des Kupfers auf dem Zink ſtatt, welches da— durch zur poſitiven Elektrode wird und demgemäß bei weitem raſcher der Oxydation anheimfällt, als wenn es nur mit Waſſer und Luft in Berührung wäre. Nach Müllers Unter— ſuchungen vermag lockerer Schnee wie viele andere porije Körper der Atmoſphäre Ammoniak zu entziehen und auf ſich zu verdichten. Dieſe Abſorption erfolgt zum Teil auf dem Wege der Schneeflocken von den Wolken zur Erde, dann aber auch nachträglich auf der Erde ſelbſt. Daher iſt Schnee, welcher längere Zeit liegt, reicher an Ammoniak als friſch gefallener und die obere Decke enthält mehr davon als die tiefer liegenden Schichten. Das Ammoniak entſtammt nach Müllers Anſicht vorwiegend den Verbrennungsgaſen. Ein Teil des Stickſtoffs der Brennmaterialien wird als Ammoniak abgeſpalten und gelangt mit den Rauchgaſen in die Atmoſphäre. Der Ammoniakgehalt des friſch ge— fallenen Schnees erwies ſich als abhängig von Ort und Zahl der in der Nähe des Ortes der Probenahme befindlichen Feuerungen. Ferner zeigten die in der Nacht erfolgten Niederſchläge, da dann weitaus die Mehrzahl der Feuerungen eingeſtellt iſt, einen weit geringeren Ammoniakgehalt (0,08 mg in 100 cem) als die an derſelben Stelle map: rend des Tages entnommenen Proben (0,32 mg in 100 cem). Auf dem flachen Lande und im Gebirge endlich konnte nur äußerſt wenig oder gar kein Ammoniak im Schnee nach— gewieſen werden. Al. Der Seebär der Oſtſee. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wird wiederholt einer Erſcheinung gedacht, welche bei völlig ruhiger See und äußerſt mäßig bewegter Luft in einem plötzlichen Anſchwellen der Oſtſee, gefolgt von mehreren, den Strand hoch überflutenden Wellen be— ſteht. Der wunderliche Name der Erſcheinung iſt augen— ſcheinlich durch Korruption des alten Wortes Bahren-Woge entſtanden. Noch in einem Reiſelied aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, abgedruckt im Bollhagenſchen Geſangbuch, iſt von den „ſtolzen Bahren“ des Meeres die Rede. Die vor— liegenden Berichte über die immerhin ſeltene Erſcheinung ſind meiſt äußerſt lückenhaft, was aber nicht verhindert hat, wunderliche Erklärungen aufzuſtellen. Man ſprach von unterirdiſchen Stürmen, von unterſeeiſchen Gewittern, und in neuerer Zeit wurden die Seebären mehrfach als Aeußerungen ſeismiſcher Kräfte aufgefaßt, obwohl die baltiſchen Küſtenländer von Erdbeben nicht leicht heimge— ſucht werden. Ein in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1888 an der Küſte von Mecklenburg und Vorpommern beobachteter Seebär iſt nun unter Berückſichtigung der älteren Berichte von Profeſſor Credner in Greifswald genauer unterſucht worden (Jahresbericht der Geographiſchen Geſellſchaft in Greifswald 1888). Die Flutwelle trat gegen 2½ Uhr morgens an der Pommerſchen Küſte, um 3½ Uhr an der Weſtküſte von Hiddensoe, um 4 Uhr beim Wittower Poſt⸗ haus und gegen 4½ Uhr bei Zingſt auf. Auf den Wetterkarten iſt eine leichte Ausbuchtung der Iſobaren zu erkennen, welche ſich in der Nacht vom 16. auf den 17. von Nordweſtdeutſchland nach der Odermündung fort⸗ gepflanzt hat, indeſſen war das Wetter überall ruhig, nur kamen in der Nacht in der Umgebung der Odermündung heftige Gewitter zur Entladung. Plötzlich und an vereinzelten Stellen von einem knallartigen Geräuſche begleitet, erhob ſich die See ſehr beträchtlich über ihr Niveau, den Strand weithin überflutend. Nach der Anſicht Credners iſt es unwahrſcheinlich, daß hier ſeismiſche Kräfte im Spiele geweſen ſind. Dagegen ſollen die die Gewitter begleitenden atmoſphäriſchen Erſcheinungen in engem Zuſammenhange mit der plötzlichen und lokalen Niveauſtörung des Oſtſee— waſſers ſtehen. Dann aber müßte der Seebär in der Oſtſee öfters auftreten, was aber in der That nur äußerſt ſelten der Fall iſt. Dr. van Bebber in Hamburg. Hymenoconidium petasatum, ein neuer Pilz als Repräſentant einer neuen Familie. (Biol. Centralbl. 1888 Nr. 17.) H. Zukal zog unter der Glasglocke auf faulenden Olivenblättern und Früchten winzige Hutpilze von Geſtalt des Marasmius androsaceus. Das Hymenium überzog jedoch in glatter Schicht die Oberſeite des Hutes. Eine Bildung von Hymenomyeetenhüten mit umgewendeter Frucht— ſchicht iſt zwar mehrfach beobachtet worde n; in dem vorliegen den Falle zeigte aber das Hymenium an Stelle der ge— wöhnlichen Baſidien dicht nebeneinanderſtehende, oben keulig erweiterte Hyphen mit je einer durch Querwand abgeſchnürten bräunlichen, ſtacheligen Spore. Ein Verſuch, die Sporen zum Keimen zu bringen, mißlang, daher konnte auch die Frage nicht entſchieden werden, ob die beobachtete Fruchtform zu einer anderen Hymenomycetenform gehört oder nicht. Verfaſſer nennt den Pilz Hymenoconidium petasatum und iſt geneigt, ihn für einen ſehr einfachen Hymenomyeeten zu halten, bei welchem der Konidienträger noch nicht zur Baſidie ſpezialiſiert worden iſt. Prof. Dr. Ludwig in Greiz. Beferveftoffe in immergrünen Blättern. Bekannt⸗ lich entleeren ſich die im Herbſt abfallenden Blätter und in einem oder dem andern Theil der Pflanze werden Re— ſerveſtoffe aufgeſpeichert, welche beim Erwachen der Vege— tation im nächſten Frühjahr Verwendung finden. Es entſteht nun die Frage, wie ſich die immergrünen Gewächſe, ſpeciell deren Blätter während der Vegetationsruhe ver⸗ halten. Sachs hat angegeben, daß die immergrünen Blätter während der Ruheperiode als Reſerveſtoffbehälter dienen und nach Haberlandt übernimmt das Aſſimilationsgewebe immer— grüner Laubblätter zur Zeit der Vegetationsruhe eine Neben— funktion, nämlich die Funktion der Stoffſpeicherung. Dieſe Angabe hat Schulz (Flora 1888) für die Gymnoſpermen und die meiſten Dikotylen beſtätigt. Nicht nachweisbar war die Speicherung bei den Monokotylen und einigen Dikotylen. Schulz widerlegt die Behauptung Zimmer- manns, nach welcher die Parenchymzellen, welche das Trans— fuſionsgewebe der Koniferen begleiten, und die Scheiden um dieſes Gewebe während der Vegetationsruhe Stärke führen, dagegen fand er die Mitteilung Haberlandts, daß die Stärke aus den immergrünen Blättern im Oktober verſchwin⸗ det und im März wieder erſcheint, für die Gymnoſpermen mit Ausnahme der Gnetaceen beſtätigt. In den immer— grünen Blättern können als Reſerveſtoffe Stärke, fettes Oel und Gerbſtoff vorkommen und zwar findet ſich nur Gerbſtoff, oder neben dieſem noch Stärke oder fettes Oel; andere Kombinationen kommen nicht vor. Kommt Stärke neben Gerbſtoff vor, ſo pflegt letzterer mehr in den Elementen des Aſſimilationsgewebes und in den Parenchymſcheiden der in der Blattſpreite verlaufenden Gefäßbündel, die Stärke mehr im Meſtom der Blattmittelrippe und deſſen nächſter Umgebung aufzutreten. Nur ſelten findet ſich Gerbſtoff und Stärke gleichzeitig in derſelben Zelle, und es ſcheint dann ein gewiſſes Wechſelverhältnis zwiſchen beiden zu beſtehen. Finden ſich fettes Oel und Gerbſtoff in den Blättern geſpeichert, ſo pflegen die fettes Oel führenden Zellen keinen Gerbſtoff zu enthalten. Bei den meiſten immergrünen Blättern, welche nur Gerbſtoff ſpeichern, erſcheint derſelbe auf die einzelnen Elemente der Blatt⸗ ſpreite und die Mittelrippe gleichmäßig verteilt, jedoch ſind bei vielen Erikaceen die mittleren Meſophyllelemente gerb- ſtofffrei. Bei den vorwiegend Gerbſtoff führenden Blättern ſteht der Gerbſtoff in den Elementen außerhalb des Me⸗ ſtoms häufig mit den in den Gefäßbündelelementen durch Gerbſtoff führenden, den Baſtbelag des Meſtoms durch⸗ ſetzenden Zellreihen, Gerbſtoffbrücken, in Verbindung. D. 72 Humboldt. — Februar 1889. Der Scheintod der Värtierchen (Tardigraden). We⸗ nigſtens aus Abbildungen werden die kleinen, zwiſchen Moos oder im Waſſer lebenden Bärtierchen allgemeiner bekannt ſein. Schon durch Spallanzani weiß man, daß die im Moos lebenden Arten ebenſo wie im Mooſe und in Flechten lebende Rädertiere unbeſchadet ihrer Lebensfähig⸗ keit eintrocknen können und bei trockener Witterung auch ſtets eintrocknen, um erſt während des Regens zu erwachen. Dieſelben Arten können aber in einen ſtarren, ſcheintoten Zuſtand verfallen, den man öfters künſtlich hervorrufen kann, wenn man die Tiere in ausgekochtes Waſſer ſetzt und den Luftzutritt durch eine Oelſchicht ab⸗ hält. Jedoch gelingt dies nicht immer, oder der Scheintod iſt nicht tief genug — beiläufig geſagt, ſind dieſe aſphyk⸗ tiſchen Tardigraden bei ihrer völligen Durchſichtigkeit ein prachtvolles Unterſuchungsobjekt. L. Plate, dem wir eine ſchöne Arbeit über dieſe intereſſante Tiergruppe ver⸗ danken, hat ein neues Mittel ausfindig gemacht, um den Scheintod der zwiſchen Moos lebenden Arten ſicher herbei⸗ zuführen: man muß mit dem Mooſe die Bärtierchen erſt in einem geheizten Zimmer trocknen und hat dann nur dieſes dürre Moos in einem Gefäß mit Waſſer zu begießen und eine kurze Zeit ſtehen zu laſſen; die zu kleinen Klümp⸗ chen eingetrockneten Bärtierchen fallen auf den Boden des Gefäßes, wo man ſie leicht auffindet, blähen ſich auf und ſind ſtarr, obgleich lebend. Das aufgeweichte Moos ent⸗ fernt man aus dem Waſſer, um Faulen zu verhindern, auch kann man alle drei bis vier Tage das Waſſer wech ſeln, ohne damit den Scheintod zu unterbrechen. Plate leitete auch Sauerſtoff durch das Waſſer, jedoch ohne allen Effekt — es kann alſo, woran man zunächſt denken könnte, nicht Sauerſtoffmangel ſein, der die Tierchen aſphyktiſch werden läßt. Jedoch konnte konſtatiert werden, daß die Tierchen aufwachten, wenn fie unter dem Deckglas bei der Beob- achtung gehörig „maltraitiert“ worden waren; nur wenn das Moos einige Monate trocken gelegen hatte, war das Aufwachen der auch dann unter den angegebenen Umſtänden aſphyktiſch gemachten Tardigraden nicht mehr möglich, ob- gleich die Tiere nicht tot waren. Plate nimmt zur Er⸗ klärung ſeiner Beobachtungen an, daß bei den normal ge⸗ trockneten Tierchen die den Lebensprozeß ausmachenden molekularen Bewegungen nahezu völlig erloſchen find; wird Waſſer hinzugeführt, ſo bläht dasſelbe den Körper auf — Stadium der ſtarren Aſphyxie; letzteres hört auf, wenn durch äußere Einflüſſe (Schütteln, Drücken ꝛc.) die Molekularbewegungen wieder wachgerufen werden. Unwill⸗ kürlich fragt man ſich aber, ob unter natürlichen Verhält⸗ niſſen die Aſphyxie ebenfalls eintritt, und wenn ja, was dann dieſelbe wieder aufhebt? Man darf wohl erwarten, daß da in der Natur ein ſolcher rüttelnder Faktor nicht wohl vorhanden iſt, auch die Aſphyxie nicht ein normal eintretender Zuſtand iſt; derſelbe wird wohl eben auch nur dann vorkommen, wenn trockene Tardigraden plötzlich ins Waſſer gelangen. Unter normalen Verhältniſſen dürfte dies nur ausnahmsweiſe vorkommen, wahrſcheinlich wird feuchte Luft allein die eingetrockneten Tierchen zum Leben bringen, ohne daß Aſphyxie dazwiſchen tritt. Allerdings gibt Plate an, daß letztere um ſo weniger intenſiv iſt, je kürzer der Trockenzuſtand angedauert hat, jo daß das WAuf- wachen raſcher vor ſich geht — immerhin ſcheint hier eine Lücke zu beſtehen, die erſt durch Beobachtung ausgefüllt werden kann. Br. VBandwürmer. Es iſt nichts Seltenes, daß der Darm eines Menſchen nicht nur von einem, ſondern von mehreren Exemplaren von Taenia solium bewohnt wird; es ſind auch einige Fälle bekannt, in welchen eine große Anzahl von Individuen dieſes Bandwurms beiſammen gefunden wurde (J. Leuckart, „Paraſiten des Menſchen“, 2. Aufl. S. 675). Ein derartiges Vorkommnis zeigte ſich bei einem Sträfling des Freiburger Gefängniſſes, einem 32 Jahre alten Bauernknecht, bei welchem nach bereits neunmonat⸗ licher Gefängnishaft ein ſtarker Abgang von Bandwurm⸗ ſtücken konſtatiert wurde und die vorgenommene Behand⸗ lung (Infusdekokt von Cort. rad. punic. granat. 100) nach vier Stunden ein enormes Konvolut von Band⸗ würmern zu Tage förderte. Die Unterſuchung ergab die Anweſenheit von nicht weniger als 25 Exemplaren von Taenia solium; da es nicht möglich war, den Knäuel zu entwirren, ohne die Individuen zu zerreißen, konnte nicht konſtatiert werden, wie viele Exemplare bis zur Reife heran⸗ gewachſen waren; vermutlich waren nur wenige ſoweit gediehen, da die Anzahl der reifen Proglottiden relativ gering war. Die Anamneſe ergab, daß der Mann ſeit Jahren die Gewohnheit hatte, völlig rohes Fleiſch (bis ½ Pfund pro Tag) zu konſumieren. Auffallend erſcheint es, daß dieſe Bandwurmbrut dem Träger erſt dann läſtige Erſcheinungen verurſachte, nachdem derſelbe bereits neun Monate lang die Gefangenenkoſt genoſſen und alſo keine Gelegenheit mehr zur Infektion mit Finnen gehabt hatte. Freiburg i. B. Prof. Kirn. Ueber den Tämmergeier hat Girtanner eine Reihe von Arbeiten publiziert. In ſeiner neueſten Schrift be⸗ ſchreibt er die einzelnen Alterskleider der Lämmergeier auf Grund ſeiner vielſeitigen Erfahrungen und Beob⸗ achtungen an 30 lebend gehaltenen und 70 Bälgen. Er weiſt nach, daß die roſtfarbige Unterſeite den Vogel im Prachtkleide charakteriſiere und daß dieſe eiſenhaltige, durch Waſſer oder Abreiben entfernbare Farbe keineswegs durch äußere Umſtände an das Gefieder gebracht werde, ſondern, wie bei Piſangfreſſern das ſchöne kupferhaltige Grün am Flügel, ein weſentlicher Beſtandteil der Bauch⸗ federn des Lämmergeiers ſei. Gefangene Exemplare, denen nur ungeeignete Nahrung geboten werden kann, zeigen ebenſo wie ſehr alte Tiere eine weiße Unterſeite. Sehr intereſſant iſt die Mitteilung, daß Ende Februar 1887 wohl der letzte Lämmergeier der deutſchen Alpen verendet iſt. Im Anfange dieſes Jahrhunderts kamen dieſe ge⸗ waltigen Beherrſcher der höchſten Gipfel ſogar noch im Gebiete von St. Gallen vor. In den 60er Jahren hatten ſie ſich bereits in die unzugänglichen Klüfte von Wallis zurückgezogen. Seit 1869 iſt kein lebender Vogel mehr in der Schweiz gefangen worden. 1870 überfiel ein Exem⸗ plar im Berner Oberland einen Knaben. In der Nähe der Jungfrau war noch vor 30 Jahren ein beſetzter Horſt. 1862 wurde das Männchen dieſes Paares erlegt. Seit dieſer Zeit bis 1887 blieb das verlaſſene Weibchen allein und kein Lämmergeier fand ſich mehr zu dem „alt Wyb“, wie der Vogel im Volksmunde hieß, das ein Vierteljahr⸗ hundert lang allein durch die Thäler ſtrich, allen Katzen ein Grauſen. Im vorigen Jahre wurde der alte Vogel neben einem vergifteten Fuchſe unweit Viege verendet auf⸗ gefunden und ziert nun das Lauſanner Muſeum. D. Aleber die Größe des Druckes, welcher durch Gärung in geſchloſſenen Gefäßen erzeugt wird, ex⸗ perimentierte G. Ch. Matthews („Centralbl. f. Bakteriol.“ II., 9, S. 246). Bei 11 Atmoſphären ging der Gärungs⸗ prozeß noch weiter. Die Hefe ſchien ſich nicht vermehrt zu haben, zeigte morphologiſche Anomalien, rief aber mit neuer Würze angeſtellt eine regelmäßige Gärung hervor. G Der Einfluß der Kälte auf deu tieriſchen Or- ganismus wurde neuerdings genauer von Quinquaud (Compt. rend. CIV., 22, p. 1542) unterſucht. Kühlt man einen Hund allmählich ab, ſo tritt bei einer Innen⸗ temperatur von 22 bis 25° C. eine derartig erhöhte Reflexerregbarkeit ein, daß das Tier einem mit Strychnin vergifteten gleicht. Dieſe abnorme Erregbarkeit des Rücken⸗ marks beruht zum Teil auf einer Sättigung des Blutes mit Sauerſtoff. Ein 10 kg ſchwerer Hund wurde in ein Bad von 11“ getaucht, er ſtarb bei einer Innen⸗ temperatur von 19°. Das Blut des linken Ventrikels enthielt 31,5 Volumprozente Sauerſtoff; nach dem Schütteln einer anderen Portion desſelben Blutes mit Sauerſtoff, bei derſelben Temperatur, wurden 28,5 Volum⸗ prozente gefunden. Vor der Abkühlung enthielt das Blut Desjelben Tieres 23 Volumprozente Sauerſtoff. Aehnlich in zwei anderen Fällen. Die Bereicherung an Sauerſtoff findet allmählich mit der Abkühlung ſtatt. Unter dem Einfluß der Abkühlung tritt Zucker im Harn des Kaninchens Humboldt. — Februar 1889. 73 auf; beim Hunde bildet fic) in der erſten Periode der Abkühlung eine Hyperglykämie aus. Die Ausſcheidung der Kohlenſäure durch die Lungen ſteigt, wie bekannt, unter dem Einfluß der Kälte, aber nur ſo lange, als die Temperatur nicht unter 30° ſinkt; unter 26° wird fie geringer. G. Ablagerung von Cifenoxyd im Tierſtörper. Bis⸗ her war nur ein Fall von beträchtlicher Eiſenablagerung in perſiſtentem tieriſchen Gewebe bekannt: Der gelbe bis rötliche Schmelzüberzug der Vorderzähne bei vielen Nage— tieren, wie Eichhörnchen, Biber u. ſ. w., enthält Eiſenoxyd. Nach Schneider (Abh. d. Berliner Ak. d. Wiſſ.) iſt aber die Eiſenoxydablagerung im Tierkörper eine ſehr ver— breitete und wird bei Vertretern aller Tiergruppen vor- gefunden. Die größten Mengen von Eiſen ſpeichern die unterirdiſch lebenden Tiere in ihren Geweben auf, wohl aus dem Grunde, weil die unterirdiſchen Gewäſſer be— ſonders reichlich Eiſen in Löſung enthalten. Es iſt ganz erſtaunlich, welche bedeutenden Mengen von Eiſen z. B. jene kleinen Krebstierchen aus der Gattung Cyclops, wenn ſie in unterirdiſchen Gewäſſern leben, in ihren Körper aufnehmen können, ohne dadurch geſchädigt zu werden. Von den oberirdiſchen Tieren ſind namentlich Waſſer— bewohner reich an Eiſen, was ſich auch leicht erklärt, da wenigſtens kleinere Eiſenmengen immer im Fluß- und Quellwaſſer gelöſt ſind. Ebenſo läßt ſich der auffällig ſtarke Eiſengehalt im Körper der Regenwürmer, Mauer— aſſeln u. ſ. w., die immer einer gewiſſen Feuchtigkeit bedürfen, begreifen. Hingegen hatten die Unterſuchungen an ſtrengen Landbewohnern (3. B. Inſekten) bisher nega⸗ tive Ergebniſſe. Sehr eigentümlich iſt es, daß gewiſſe niedere Waſſertiere, wenn ſie in der Nähe grüner Pflanzen leben, eiſenfrei ſind, während ſie unter anderen Umſtänden reichlich Eiſen in ihrem Körper ablagern; an einigen Infuſorien, in deren Körper grüne Algen ſchmarotzen, konnte ſogar beobachtet werden, daß Chlorophyll und Eiſenoxyd ſich gegenſeitig in den Algen vertreten. Ein Hauptreſervoir für das von den Tieren aufgenommene Eiſen iſt die Leber; auch in der Milz, die ja zu der Leber in naher Beziehung ſteht, wird reichlich Eiſen aufgeſpeichert. Außerdem aber kann es in verſchiedenen Drüſen, den Kiemen, dem Darmgewebe, Skelettteilen u. ſ. w. abgelagert werden. In manchen Fällen zieht der Organismus wahr- ſcheinlich Nutzen aus der feſtigenden Kraft des Eiſens. So finden wir z. B. in den Schalen von Schnecken Eiſen ſchichtenweiſe eingeſchaltet und an den Feſtigungspunkten der Schale beſonders ſtark angehäuft. Die merkwürdige Einlagerung von Eiſen in die Knochen- und Zahngewebe von Wirbeltieren läßt ähnliche Zwecke vermuten; in beiden Fällen handelt es ſich wahrſcheinlich um eine beſſere Bindung der Kalkſalze. Zumal bei der, wie es ſcheint, ziemlich allgemeinen Eiſenablagerung in Krone oder Ueber— zügen der Zähne darf man gewiß eine ſolche zweckmäßige, Nutzen gewährende Verwendung des Eiſens durch den Organismus vorausſetzen, und der ſchon bekannte Fall, den Schmelzüberzug der Nagezähne betreffend, weiſt an ſich darauf hin. Worin im übrigen die phyſiologiſche Bedeutung der Eiſenablagerung im Tierkörper beſteht, müſſen künftige Unterſuchungen lehren. D. Diluviale Muſcheln als Schmuck verwendet. In dem berühmten neolithiſchen Grabfelde von Monsheim in Rheinheſſen („Archiv für Anthropologie“ III. S. 101—136) finden ſich zahlreiche Halsbänder aus durchbohrten Muſchel⸗ ſtücken von dem Glanze der Perlmutter. Ein Teil der⸗ ſelben beſteht aus durchbohrten Ringen, ein anderer aus rohen, durchbohrten Berlocken, welche nach Lindenſchmit aus dem Wirbel der Muſchelſchale geſchnitten ſind. Auch in den Höhlen von Aurignac und unter den Dolmen von Lot wurde nach Lindenſchmit (a. O. S. 106) ſolcher Muſchelſchmuck bei neolithiſchen Skeletten vorgefunden. Bei dem der gleichen Zeit entſtammenden Grabfelde von Humboldt 1889. Kirchheim a. d. Eck, ſüdlich von Monsheim, fand ſich neben geſchliffenen Steinwerkzeugen, geometriſch verzierten Urnen ſtücken, Mahlſteinen, Tierknochen gleichfalls ein Wirbel einer Muſchelſchale mit Perlmutterglanz, jedoch iſt dieſer undurchbohrt. Von welcher Muſchelart dieſer prähiſtoriſche Schmuck ſtamme, einer foſſilen oder einer lebenden, iſt bisher noch nicht feſtgeſtellt. Man nahm jedoch vielfach an, daß dieſe Perlmutterſchalen von der Küſte des Mittelmeeres durch den Handel ſchon in vorgeſchichtlicher Zeit an den Mittelrhein und in das Innere von Südfrankreich gelangt ſeien. Eine Vermutung indes, die bei dem Mangel an Metall, das man damals doch eher als Muſchelſchalen bezogen hätte, wenig für ſich hatte. Das Rätſel ijt nun für die Mittel- rheinlande gelöſt. Beim Studium der mineralogiſchen Sammlung der Pollichia zu Dürkheim ſtieß Referent letzthin auf eine Kollektion von dreikantigen, perlmutterglänzenden, dicken Muſchelſchalen, welche 5—8 em Höhe und 3—6 em größte Breite haben. Das Ohr (ſ. Figur) endet in ſpitzem Winkel, die eine Kante iſt der Breite nach von parallelen Rinnen beſetzt, die andere hat mehrere Längsſtreifen. Das Innere zeigt vielfach natürlich entſtandene Höhlungen, ja durchgehende Löcher auf. Es ſtammen dieſe hübſchen glänzenden Schalen aus dem Diluvium von Rheinheſſen, und iſt als ſpecieller Fundort Sulzheim bei Wörrſtadt angegeben. Als Gattung iſt Arca — Archenmuſchel verzeichnet, als Art dürfte diluviana angenommen werden, die nach Karl Vogt („Lehrbuch der Geologie und Petrefaktenkunde“, 3. Aufl. 1. B. S. 643), ſowie nach G. Lepſius („Das Mainzer Becken“ a. m. St.) eine Leitmuſchel der tertiären Ab⸗ lagerungen im blauen Thon des Selzthales bildet, an deſſen linkem Hauptzufluß Sulzheim liegt. Gerade dieſe Muſchel, welche zu einem Schmuckſtück durch Glanz und Form prädeſtiniert erſcheint, mußte den Urmenſchen, der auf ſeinen Beutezügen nach geeignetem Rohmaterial zu Steinwerkzeugen und Schmuckſachen ſicherlich auch nach dem nur wenige Stunden nördlich von Monsheim ge⸗ legenen Thälchen gekommen ijt, bejonders anlocken. Die Form der bei Lindenſchmit („Archiv“, B. III., Tafel II., Fig. 10) gezeichneten Berlocken, welche der Verfaſſer übrigens ſchon öfters fic) im Mainzer Muſeum in natura ange⸗ ſehen hat, ſtimmt in der Form mit der Arca im Muſeum der Pollichia ſo überein, daß ein Irrtum ausgeſchloſſen bleibt. Die Urbewohner der Mittelrheinlande fanden dieſe glänzenden Schalen im blauen Thon des Selzthales an mehreren aufgeſchloſſenen Stellen; ſie benutzten die teil⸗ weiſe vorhandene Durchbohrung und machten bei anderen Stücken dieſelbe durch Kunſt; ſie hingen dieſe natürlichen Berlocken an Schnüre und ſchmückten damit, was Wilde jetzt noch thun, Hals und Bruſt. Daß dieſe Berlocken, wie Lindenſchmit annimmt, aus der größeren Schale heraus⸗ geſchnitten wurden, iſt ein — leicht verzeihlicher = Sere tum. Es ijt wahrſcheinlich, daß die in der Grabhöhle von Aurignac und unter den Dolmen des Departements Lot aufgefundenen ag ae aus n einer ähnlichen foſſilen Muſchelart angehören. e Durtzein. Dr. C. Mehlis. 10 74 Humboldt. — Februar 1889. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ete. Die 35. Jahresverſammlung der tagte vom 13. bis 15. Auguſt 1888 in Halle a. S. Pro⸗ feſſor v. Fritſch (Halle) wies in ſeiner Eröffnungsrede mit Betrübnis auf den vor wenigen Monden erfolgten Tod des hervorragenden Mineralogen G. vom Rath hin, der die vorjährige Verſammlung geleitet hatte, und freute ſich, die in erweiterten Räumlichkeiten neu aufgeſtellten mi⸗ neralogiſch⸗geologiſch-paläontologiſchen Schätze des Hallenſer Muſeums, die in der That ſehr reich ſind, insbeſondere bezüglich des Gebietes von Thüringen und der Provinz Sachſen, der Geſellſchaft vorführen zu können. Es wurden ſodann zu Vorſitzenden für die drei Verſammlungstage Prof. v. Fritſch, Oberbergrat Prof. Credner und Prof. v. Koenen gewählt. Von den Vortragenden legte zunächſt Prof. Dames das erſte fertige Blatt der „Carte géologique de I Europe“ in einem allgemein ſehr anſprechenden Probedruck vor, darauf zeigte Dr. Rohrbach (Gotha) Konglomerate mit ſchön auskryſtalliſiertem quarzigen Bindemittel und Amethyſt⸗ kryſtalle von ſanduhrförmigem Bau. Dr. Schenck (Berlin) berichtete im Wifchlub an ſeine Reiſen in Südafrika über das Vorkommen der Kohlen daſelbſt. Es treten dort als älteſte Gebilde archäiſche Granite und Gneiſe auf. Dieſelben werden diskordant von der „Kapformation“ überlagert, welche aus Kalk⸗ und Sandſteinen beſteht und dem Devon ſowie dem untern Karbon gleichzuſtellen iſt; die Lagerung iſt meiſt auf große Strecken horizontal und veranlaßt dadurch die Bildung von Tafelbergen, von denen der bei Kapſtadt am bekannteſten iſt. Darüber lagert die Karrooformation, die vielleicht dem europäiſchen Oberkarbon bis zum Jura gleichzuſtellen iſt, worüber aber wegen Sel⸗ tenheit und Eigenartigkeit der Verſteinerungen (3. B. Di- eynodon) noch keine Sicherheit beſteht; nirgends finden ſich marine Ablagerungen in dieſer Formation, die be⸗ ſonders aus Sandſteinen und Schieferthonen beſteht. Sie gliedert ſich in die Ekkaſchichten mit dem Dwykakonglo⸗ merat, welches wahrſcheinlich eine Gletſcherbildung iſt (Redner legt polierte und gekritzte Geſchiebe, ſowie Hand⸗ ſtücke des geſchrammten Untergrundes vor, welche in der That den gegenwärtigen Glacialprodukten gleichen), in eine mittlere Zone mit Dicynodon u. ſ. w., und zu oberſt in die Stormbergſchichten, in welchen die 5—28 Zoll ſtarken Kohlenflöze liegen. Dr. Brauns (Marburg) legte vor und beſprach die verſchiedenen in Heſſen vorkommenden Zerſetzungs⸗ und Umbildungsprodukte der den Paläpikrit z u⸗ ſammenſetzenden Mineralien Augit und Olivin, wobei er als neues Mineral auch den Weskyit beſchreibt. Prof. Cohen (Greifswald) lud die Geſellſchaft für nächſtes Jahr nach Greifswald ein und entwickelte ein in⸗ tereſſantes, vielverſprechendes Programm für die von da aus nach Rügen und Bornholm zu unternehmenden Aus⸗ flüge. : Deutſchen Geologiſchen Geſellſchaft Dr. Frech (Halle) beſprach die Grenzen des Her⸗ cyn in Böhmen, Naſſau, Harz und Fichtelgebirge und kam u. a. zu dem Schluß, daß das böhmiſche „Silur“ keines⸗ wegs in einem iſolierten Becken entſtanden ſei, ſondern eine ganze Anzahl von Beziehungen zu den devoniſchen Bildungen der anderen genannten Gebiete zeige. Prof. Kloos (Braunſchweig) berichtete über die Reſul⸗ tate der unter ſeiner Leitung ſtattgehabten Ausgrabungen in der neuentdeckten Hermannshöhle bei Rübeland im Harz, über die vorwiegend oſtweſtliche Richtung der Höhlenſpalten und die meiſt von Ursus spelaeus her⸗ rührenden Knochenreſte; über eine Geweihſtange von dort gab Prof. Fraas (Stuttgart) das Urteil ab, daß ſie von Cervus elaphus ſtamme und von Menſchenhand zer— ſpalten ſei. Prof. Holzapfel (Aachen) brachte aus dem rheiniſch⸗ weſtfäliſchen Unterkarbon eine der in dieſer For⸗ mation ſo ſeltenen Cephalopodenfacies zur Kenntnis; be⸗ ſonders die Goniatitengattungen Prolecanites und Peri- eyelus ſeien darin charakteriſtiſch. Dr. Sauer (Leipzig) erörterte in längerem Vortrag die intereſſanten Beziehungen, welche bei Meißen und Zwickau die Pechſteine und Porphyre zu einander haben; letztere bildeten dort die Decke und das Liegende der Pech⸗ ſteine und ſeien aus dieſen durch ſekundäre Umwandlung der Grundmaſſe hervorgegangen, indem dieſe zuerſt noch mehr Waſſer aufgenommen, dann dasſelbe faſt völlig ver⸗ loren habe und dabei felſitiſch entglaſt ſei. Dr. Rauff (Bonn) beſprach die ſo überaus rätſelhaften Receptakuliten; er müſſe dieſelben aber wieder in das Dunkel bezüglich ihrer ſyſtematiſchen Stellung zurück⸗ verweiſen, aus dem man ſie endlich gezogen zu haben glaubte. Oberbergrat Credner hat unter den zahlreichen Wirbel⸗ tierreſten aus dem bekannten Rotliegendfundort Nieder⸗ häßlich auch Reſte eines echten Reptils gefunden, welche eine vollſtändige Reſtauration dieſes Tiers ermöglichen. Dasſelbe ſtimmt ſo ſehr mit der jetzt in Neuſeeland leben⸗ den Hatteria überein, daß manche Skelettteile zum Ver⸗ wechſeln ähnlich ſind. Dieſe Pala e ohatteria beweiſt, daß die gemeinſamen Vorfahren der Amphibien und Rep⸗ tilien in viel älteren Schichten zu ſuchen ſind. Redner trug im Anſchluß daran noch ſeine Einteilung der Stego⸗ cephalen nach der Geſtalt der Wirbel in Kranz⸗ und Hülſenwirbler, letztere mit den Unterabteilungen der Tonnen⸗ und Sanduhrwirbler vor. Dr. Scheibe (Berlin) berichtete über ein neues, bemer⸗ kenswerterweiſe tetragonales Sulfid von Nickel und Wismut aus Naſſau und über den goldführenden Olivingeſteinsgang im Gneis des Damaralandes. Prof. Weiß (Berlin) legte eine Abhandlung über Sigil⸗ larien vor, in welcher er beſonders die fo auffälligen Humboldt. — Februar 1889. 75 Bindeglieder zwiſchen den großen Untergruppen der Leio- dermaria und Cancellata behandelt (Uebergang von Sig. spinulosa in Sig. Brardi). Von den am zweiten und dritten BVerjammlungs- tag unternommenen Exkurſionen führte die erſte in derart umgewandelte Rotliegendtuffe, daß man ſie bis in die neueſte Zeit für Oligocänthone gehalten hat, ſolange nicht die Cyatheites arborescens, die Cordaites— Stämme u. ſ. w. daraus bekannt waren. Man beſichtigte dann noch die auflagernden Braunkohlenſchichten und das Diluvium mit Glacialerſcheinungen, ſowie die Gletſcher— ſchliffe auf den Porphyrfelſen des Galgenbergs. Die zweite Exkurſion führte nach Teutſchenthal, Oberröblingen und Benſtedt. In der Braunkohlengrube Langenbogen riefen die eigentümlichen Hineinpreſſungen von Braunkohle in den auflagernden Diluvialſand von neuem den Streit über die Urſache dieſer Preſſungen wach. Daneben ſah man diluviale Lokalmoränen mit Geſteinen, die weſtlich vom Salzigen See anſtehend zu finden ſind. Nach längerer Fahrt an deſſen Nordufer hin ſuchte man dort den Fund— Ein neues Muſeum ijt in Berlin unter dem Vorſitz Prof. Virchows von einem Komitee begründet worden und dürfte ſchon in wenigen Monaten ins Leben treten. Das neue Inſtitut ſoll gleichſam eine Ergänzung des Muſeums für Völkerkunde bilden. Wie letzteres alle wil— den und außereuropäiſchen Völkerſchaften in aller Fülle und Ueberſichtlichkeit vorführt, wird das in der Gründung begriffene Muſeum für deutſche Volkskunde in großartiger Weiſe das Leben, das Haus, die Arbeiten und die Trachten aller deutſchen Volksſtämme zur Anſchauung bringen. Auf die Trachten wird ein beſonderes Gewicht gelegt werden, da die Trachten der verſchiedenen Stämme des deutſchen Volkes immer mehr im Verſchwinden begriffen ſind. Das Komitee hat bereits zahlreiche Erwerbungen für die neue Schöpfung gemacht, die eine vorläufige Unterkunft er— halten haben. In Würzburg wurde am 3. November 1888 das neu erbaute Phyſiologiſche Inſtitut und in Göttingen am 15. November das neue Chemiſche Taboratorium, gegenwärtig wohl das ſchönſte und zweckmäßigſte Labora— torium der Welt, eröffnet. Das mineralogiſche Muſeum in Berlin, welches fortab einen Teil des „Muſeums für Naturkunde“ in der Invalidenſtraße bilden wird, kann in dieſem Jahre ſein hundertjähriges Beſtehen feiern. Dieſe umfangreiche Mineralienſammlung, eine der größten, die es überhaupt gibt, iſt im Jahre 1789 auf Anordnung des Miniſters Heinitz durch den Geh. Oberbergrat Dietrich Karſten an— gelegt worden. Den Grundſtock bildete die eigene Samm— lung, welche Karſten 1781 dem Staate geſchenkt hatte. Im Jahre 1810 wurde die Sammlung zur Univerſitäts— ſammlung beſtimmt. Direktor derſelben waren Profeſſor Weiß, von der Gründung der Univerſität bis zu ſeinem 1856 erfolgten Tode, dann vom Jahre 1857 bis zu ſeinem 1873 erfolgten Ableben Profeſſor Guſtav Roſe und ſeit— dem Geh. Bergrat Profeſſor Dr. Beyrich. Unter den vielen Geſchenkgebern, welche das Muſeum bedacht haben, befindet fic) Kaiſer Alexander von Rußland, der ſchon 1803 eine aus etwa 3000 Nummern beſtehende Sammlung geſchenkt hatte, ferner Alexander v. Humboldt, G. Roſe und Ehren⸗ berg, Dr. Reiß, der dem Muſeum eine reiche Geſtein— ſammlung verehrte, Profeſſor Dr. Brackebuſch u. a. Für die Ankäufe wertvoller Sammlungen ſind ſeit dem Beſtehen des Muſeums ungeheure Summen ausgegeben. So koſtete die aus 17000 Nummern beſtehende Sammlung des ort von Eſtherien im Buntſandſtein ein. Beſonderes In— tereſſe erregte eine typiſch ſchöne, wenn auch in ihren Größenverhältniſſen ſehr kleine Lößlandſchaft. Bei Benſtedt war in einer Reihe von Brüchen der Untere Muſchelkalk prächtig aufgeſchloſſen, leider ſuchte man aber vergeblich nach dem von dort bekannten Ammonites dux. Im Anſchluß an die Verſammlung zu Halle fanden unter reger Beteiligung an den nächſten Tagen Exkurſionen nach Sachſen ſtatt, zu denen Oberbergrat Credner in Leipzig unter Vorführung der reichen Sammlung der Kgl. ſächſiſchen geologiſchen Landesanſtalt vorbereitende Er— läuterungen gab. Eine Exkurſion führte in die Granulit- formation bei Roßwein und in das Meißener Eruptiv— gebiet, wo man u. a. auch die von Dr. Sauer beſprochenen (ſ. o.) Beziehungen des Porphyrs zum Pechſtein beſichtigen wollte; die andere Exkurſion hatte die ſo ſchön ausgebil— deten Kontakthöfe des Kirchberger und des Eibenſtocker Granitmaſſivs, ſowie das Silur-Devon-Culm⸗Gebiet von Wildenfels zum Ziele. Dr. L. Zimmermann. Banquiers Tamean allein 18000 Thaler, die v. Schlot⸗ heimſche Sammlung 5500 Thaler, die Sammlung des Forſt⸗ rats Cotta 3000 Thaler, Leopold v. Buchs Sammlungen 15000 Thaler, die Bernſteinſammlung des Dr. Thomas 15000 Thaler, die Berendtſche Bernſteinſammlung 13500 M., die Sammlung des Hofrats v. Fiſcher 25714 M., die Ehrenbergſche Sammlung 30000 M.,, die v. Binkhorſtſche 12000 M., die Sammlung des Freiherrn v. Richthofen, welche im Jahre 1881 angekauft wurde, 20000 M. Die von dem Erzherzog Stephan von Oeſterreich auf ſeinem Schloſſe Schaumburg angelegte, nach dem Tode des Erzherzogs in den Beſitz des Herzogs Georg Ludwig von Oldenburg übergegangene Mineralienſammlung, die drittgrößte der Welt, deren Wert von einem unſerer be— deutendſten Mineralogen auf 300000 Mark geſchätzt wurde, ijt in den Beſitz des Landtagsabgeordneten Fabritbeſitzer Rumpff auf Schloß Aprath bei Wülfrath übergegangen. Die große Käſerſammlung des Dr. O. Thieme, be— ſonders reich an Arten aus den Alpen und Kolumbien, iſt vom preußiſchen Staat für 14000 M. angekauft und der entomologiſchen Sammlung in Berlin überwieſen worden. Preisaufgaben. Das Mailänder Inſtitut für Wiſſenſchaften, Künſte und Litteratur hat u. a. folgende Preisauf— gaben, an deren Löſung auch Nichtitaliener ſich beteiligen dürfen, ausgeſchrieben: 1. Erſter Preis Cagnola (1500 Lire und eine goldene Medaille im Wert von 500 Lire): Ge— ſchichte des Hypnotismus. Kritiſche Prüfung allen Ma- terials, das ſich auf denſelben bezieht, und Ausführung eigener Erfahrungen. Ablieferungszeit der Arbeiten bis zum 30. April 1889. 2. Dritter Preis Foſſatis (4000 Lire): Ueber die Embryogenie des Nervenſyſtems oder eines Teils desſelben bei den Säugetieren, mit Illuſtration eigener Unterſuchungen. Ablieferungszeit bis 30. April 1890. Weitere Auskunft über dieſe Preisaufgaben erteilt La Segretaria del R. Istituto Lombardo di Scienze, Let- tere ed Arti. Das amerikaniſche Journal für Meteoro— logie zu Ann Arbor in Michigan hat zwei Preiſe von 200 und 50 Doll. für die beſten Arbeiten über die Tor- nados ausgeſetzt. Die Abhandlungen ſind bis Juli 1889 an Prof. Harrington am Aſtronomiſchen Obſervatorium in Ann Arbor einzuſenden. 76 Humboldt. — Februar 1889. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. 1 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Februar 1889. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 980 S Caneri 1129 J Tauri 1372 Y Cygni 150 68 J A el 1 17 2 Im 2 971 U Cephei 2 4 | 1382 Y Cygni 1823 6 Libre 4 5 770 R Canis maj. 108 J Tauri 1728 U Ophiuchi Saturn in Opposition | 5 mit der Sonne 6 1023 R Canis maj. 1389 U Ophiuchi 18 11” N II E 6 7 3 857 U Cephei 1128 U Corone 1381 Y Cygni 1326 R Canis maj. 7 8 19 50" (A @ 1 8 19 14™ 9 7 39” P. fl. 0 ‘Tau | 927 Tauri 9 8 55 K. l. 9 5 ½ f 10 1380 Y Cygni 11 560 F. d.) BAC 1835 | 1389 Algol 1826 U Ophiuchi 10 12055 J. . 5 6 ½ 11 1487 U Ophiuchi 1759 5 Libræ 11 12 844 U Cephei 8" 34m B f, „ 63 Gemin. 12 gh 24m I f. 0 502 13 855 N Tauri 1027 Algol 1380 Y Cygni 13 14 922 R Canis maj. 985 U Corone Saturn sehr nahe beim Mond 14 15 © 12t4 R Canis maj. 14° 39” F. 1 37 Leos | 155 4™ a | @ Il 15 11 10” 15" 20" f. fl. 6 1 0 16 725 Algol 1229 Y Cygni 155 U Ophiuchi 16 17 774 k Tauri 820 U Cephei Venus in grösster Ausweichung 17 18 1725 6 Libree j 18 20 1288 Y Cygni 19 h i h m 882 S Cancri 190 895 5 A @ Ill 20 21 63 „ Tauri 742 U Corone 1653 U Ophiuchi 21 22 € 757 U Cephei 820 R Canis maj. 1284 U Ophiuchi 17" 40™ 2 A @ Il 22 1288 Y Cygni 20" 16™ § 23 1123 R Canis maj. 17 59" A I E 23 24 155 14" 1850 U Coron 24 17 29m ö A @1 8 25 1287 Y Cygni 1720 6 Libre 25 26 1770 U Ophiuchi 26 27 74 U Cephei 1329 U Ophiuchi 27 28 1286 Y Cygni 28 Merkur, nur in den erſten Tagen bei klarer Luft in der Abenddämmerung tief in Weſtſüdweſt für das bloße Auge ſichtbar, kommt am 14. in untere Konjunktion mit der Sonne. Venus durchwandert das Sternbild der Fiſche und erreicht mit noch immer zunehmendem Glanze am 17. ihre größte Ausweichung von der Sonne. Sie geht erſt ſpät nach Einbruch vollſter Nacht, anfangs um 9 Uhr, zuletzt kurz vor 10 Uhr unter. Mars wandert aus dem Sternbild des Waſſermann in das der Fiſche und geht den ganzen Monat über kurz nach 8 Uhr unter. [Jupiter im Sternbild des Schützen wird am Morgenhimmel nun ſchon länger ſichtbar, indem er anfangs um 5 Uhr, zuletzt um 3½ Uhr morgens aufgeht. Am Morgen des 25. iſt er nahe beim Monde. Saturn, in rück⸗ läufiger Bewegung im Sternbild des Löwen, kommt am 5. in Oppoſition mit der Sonne und iſt die ganze Nacht über dem Horizont. Am 14. geht nach Mitternacht der faſt volle Mond ſehr nahe an ihm vorüber und bedeckt ihn für die nördlicheren Bewohner der Erde. Uranus, in rückläufiger Bewegung im Sternbild der Jungfrau, geht anfangs um 11 Uhr, zuletzt um 9¼ Uhr auf. Neptun im Sternbild des Stiers geht am 8. aus der rückläufigen in die rechtläufige Bewegung über und kommt am 17. in Quadratur mit der Sonne. Von den neun Veränderlichen des Algoltypus bieten alle Gelegenheit zur Beobachtung ihres kleinſten Lichtes dar. Wichtig ſind Beobachtungen von V Cygni auch außerhalb der angegebenen Zeiten, zumal der Stern jetzt noch in bequemen Abendſtunden beobachtet werden kann. Der ſchon ſeit 200 Jahren bekannte Veränderliche R Hydra, 12 Grad ſüdlich von Spica, erreicht Mitte elt ie Maximum, deſſen Beſtimmung von beſonderem Intereſſe iſt. Er iſt nur in den frühen Morgenſtunden zu beobachten. Die Oerter der im letzten Decennium bekannt gewordenen Veränderlichen vom Algoltypus find für 1855,0 U Cephei Oh 49™ 39 Rektaſcenſion + 81° 5.6 Deklination. U Ophiuchi a yes i 5 + 1° 22.6 it R Canis maj. 7 12™ 55 5 — 16° 7.6 if X Cygni 205 46™ 165 1 + 340 6.9 1 Dr. E. Hartwig. Humboldt. — Februar 1889. 77 Vulkane und Erdbeben. Am 23. September hat in Finſchhafen im deutſchen Neuguinea ein ziemlich ſtarkes Erdbeben ſtattgefunden, wohl das ſtärkſte, das ſeit Gründung der Station Finſch— hafen dort vorgekommen iſt. Da aber ſämtliche Häuſer aus Holz und außerdem ſehr ſolid gebaut ſind, wurde nicht der geringſte Schaden angerichtet. Am 7. Oktober, 12 Uhr 45 Min. nachmittags wurden in den Militärtelegraphenſtationen Vlaſenica und Zwornik (Bosnien) Erdſtöße in der Richtung von Süd gegen Nord, etwa vier Sekunden andauernd, wahrgenommen. Am 13. Oktober wurde in Aquila ein wellenförmiges Erdbeben beobachtet; auch in Salerno wurden nachmit— tags zwei kurze Erdſtöße verſpürt. Schaden wurde nicht an— gerichtet. Die Militärtelegraphenſtation Prozor berichtet über ein am 13. Oktober um 1 Uhr 45 Minuten früh ungefähr 5 Minuten andauerndes Erdbeben, welches von Nordoſt gegen Südweſt mit einem vorhergehenden und einem nach— folgenden ſchwächeren Erdſtoß wahrgenommen wurde. Ein Steindach iſt eingeſtürzt, mehrere Gebäude ſind ſtark be— ſchädigt. Abermalige heftige Erderſchütterungen fanden am 18. Oktober bei Ardachan und Achalzyk (Süd rußland) ſtatt. Zu Digne, im Departement der Niederalpen wurde in der Nacht zum 1. November um 1 Uhr 36 Minuten ein Erdbeben verſpürt. In Stolac und Umgebung (Bosnien) wurde am 9. November früh 4 Uhr 30 Minuten ein mehrere Sez kunden andauerndes Erdbeben mit donnerähnlichem Getöſe wahrgenommen. Den 3. Dezember früh 1 Uhr 40 Minuten wurde dem Drauthal entlang ein Erdbeben wahrgenommen. Schlafende wurden geweckt, ſo ſtark war die Bewegung; ſelbſt das Perſonal eines thalabwärts verkehrenden Eiſen— bahnzuges nahm dieſelbe deutlich wahr. Die Bewegung war eine wellenförmige, von Oſt nach Weſt gerichtete und von einem ſtarken Rauſchen begleitete. Am 4. Dezember vormittags 9 Uhr 32 Minuten wurde in Zittau ein kurzer, etwa 5 Sekunden währender Erd— ſtoß in der Richtung von Weſt nach Oſt wahrgenommen. Aus Neapel meldete man am 11. November: Die ſeit mehr als einem Monate ſtattfindenden Ausbrüche aus dem ſtets ruhenden Krater „La Foſſa“ auf der Inſel Volcano haben in verfloſſener Woche an Heftigkeit zugenommen. Die damit verbundenen Erdſtöße erſtreckten ſich auf die Weſtſpitze Siziliens. Der aus dem Krater herabkommende Aſchenregen wurde in merklicher Menge ſelbſt bis nach Meſſina getragen. In dem Volcano gegenüberliegenden Milazzo und den umliegenden Ortſchaften war anhaltendes und lautes unterirdiſches Getöſe in Zwiſchenräumen von 1—1½ Minuten von Volcano her deutlich vernehmbar. Die wenigen Bewohner flüchteten von der Inſel. Erd— ſtürze ſind ſelbſt von der Ferne aus auf vielen Teilen der Inſel bemerkbar. Die Felder von Milazzo und Della Pace ſind mit aus dem Krater geſchleudertem Lapilli bedeckt, die großen Schaden in denOrangenpflanzungen angerichtet haben. Am 26. November begann auf der Inſel Volcano abermals ein vulkaniſcher Ausbruch. Das Getöſe wurde in Meſſina gehört. Am 4. Dezember wurde gemeldet: Der vulkaniſche Ausbruch auf der Inſel Volcano ſteht in Verbindung mit einer unterſeeiſchen Eruption etwa I km öſtlich der Inſel, an welcher Stelle unter ſtarker, aufſchäumender Bewegung der See Steine und Bimsſtein emporgeſchleudert werden. Am 18. Dezember abends wurden in Bosnien in Ro⸗ gatica, Cajnica, Plewlje und Poljancie heftige Erdſtöße wahrgenommen. Am 26. Dezember wurde in Meſſina und in Jago— negro ein heftiger Erdſtoß verſpürt. In Caſtroreale wurden vier Erdſtöße, von denen zwei beſonders heftig auf⸗ traten, wahrgenommen. Schäden ſind dadurch, ſoweit bis jetzt bekannt, nicht verurſacht worden. Ebenfalls am 26. Dezember, in der Nacht zwiſchen 12 und ½1 Uhr, wurde eine heftige Erderſchütterung an verſchiedenen Orten des ſächſiſchen Vogtlandes wahrge— nommen. Dieſelbe dauerte 10—12 Sekunden und war von einem donnerähnlichen Rollen begleitet. In durchaus gleichlautender Weiſe liegen Berichte hierüber aus den Städten Auerbach, Lengenfeld, Falkenſtein und Oelsnitz, ſowie aus zahlreichen anderen Ortſchaften vor. Am 23. Dezember wurde ein ſtarker Erdſtoß in Kal— kutta und ganz Bengalen verſpürt. In Rajshahye ent— ſtanden große Erdſpalten, aus denen heiße, flüſſige Schlamm— maſſen hervorquollen. Verluſte an Menſchenleben ſind je— doch nicht zu beklagen. Et. Das Erdbeben vom 23. Februar 1887. Seitdem man die Erdbeben nicht mehr vom Stand— punkte vorgefaßter Meinungen aus betrachtet, ſondern die Thatſachen reden läßt, iſt man bemüht, dieſe möglichſt vollſtändig zu ſammeln und in Monographien zuſammen zuſtellen. Soeben kommt uns eine ſolche zu, betitelt: „II terremoto del 1887 in Liguria. Appunti di Arturo Issel, Prof. nella R. Universiti di Genova. Roma 1888“, welche das Aſchermittwochsbeben vor zwei Jahren, das bekanntlich großartige Verheerungen an der Riviera hervorrief, behandelt. Aus ihr geben wir im folgenden das Wiſſenswerteſte wieder. Nachdem bereits im Januar und Februar durch ganz Italien eine Reihe ſchwacher ſeismiſcher Bewegungen, am 22. Februar an einigen norditaliſchen Orten mehrere leichte Erdſtöße beobachtet worden waren, auch der Seismody— namograph des Obſervatoriums zu Velletri am 23. Februar leichte Stößchen in allmählich wachſender Anzahl verzeichnet hatte, erfolgte der erſte ſtarke Stoß. Ihm ging ein 2—4 Se⸗ kunden dauerndes ſtarkes, ſchnell wachſendes Geräuſch voraus, das anfangs einem ungeſtümen Windgebrauſe, gleich darauf einem verwirrten Getöſe, wie man es bei Eiſenbahnzügen beobachten kann, glich und plötzlich aufhörte, als die Er— ſchütterung des Bodens begann, bei der man zuerſt eine leichte, ſich verſtärkende wellenförmige Bewegung fühlte, danach ein unregelmäßiges Schwächerwerden empfand und plötzlich die Erſcheinung zwei- oder dreimal fo ſtark wieder- kehren ſah, welche ſich zuletzt in einen vertikalen Aufſtoß umwandelte. Das ſeismographiſche Diagramm, welches Cecchi zu Moncalieri erhielt, zeigt anfangs eine zitterige Linie, hernach eine Reihe unregelmäßiger Bogen, welche von Oſt nach Weſt und umgekehrt gerichtet ſind, und am Ende wieder eine zitterige Linie, deren Bogen aber größer ſind als die der erſten. In Aleſſandria behielt die Nadel des Deklinometers ihre Stellung bei, in Mailand dagegen zeigte jie eine Abweichung von 4em; zu Marſiglia blieb eine Uhr, deren Pendel von Nord nach Süd ſchwang, ſtehen, und zu Perpignan zeigte der Seismograph eine Schwingung von Oſt ½ Südoſt nach Weft / Nordweſt. Der Morgen war klar und ſtill; in Genua ftand das Barometer auf 769,5 mm, das Thermometer auf 7°, in Porto Maurizio zeigte erſteres bei leichtem Südoſtwind 761,03 mm, letzteres 8 . Der Stoß ſelbſt ward auf Obſervatorien in folgenden Zeiten beobachtet: zu Mentone 6 Uhr 18 Minuten 34 Mi⸗ kunden, zu Nizza 6 Uhr 19 Minuten 34 Sekunden, zu Turin 6 Uhr 20 Minuten, zu Alaſſio 6 Uhr 21 Minuten 34 Sekunden, zu Marſiglia 6 Uhr 21 Minuten 50 Se- kunden, zu Moncalieri 6 Uhr 21 Minuten 50 Sekunden, zu Genua 6 Uhr 22 Minuten, zu Mailand 6 Uhr 23 Mi⸗ nuten, zu Baſilea 6 Uhr 24 Minuten, zu Florenz 6 Uhr 25 Minuten, woraus zu erſehen, daß eine Fortpflanzung der Stoßpunkte von Weſt nach Oſt ſtattfand und daß ſich das Epicentrum wohl in nächſter Nähe von Mentone be- fand, worauf auch die von ihm mit der Entfernung ab⸗ nehmende Heftigkeit der Erſcheinung hinweiſt. Die Dauer des Stoßes war an verſchiedenen Orten, ja an einem und 78 Humboldt. — Februar 1889. demſelben verſchieden; ſo variierte ſie am Littorale zwiſchen 20 und 40 Sekunden. Die Urſache liegt wohl nur zum kleinſten Teile in den Beobachtern, zum größten ſicher in der Natur und der Höhe der Gebäude, in denen ſich die⸗ ſelben befanden, ſowie in der Beſchaffenheit des Erdbodens. Verſchieden wurde auch die Richtung des Stoßes empfunden z. B. in Sitteron von Nordweſt nach Südoſt, in Marſiglia von Nordoſt nach Südweſt, in Mentone von Südoſt nach Nordweſt u. ſ. w., jedoch überwiegt die Richtung von Süd⸗ oſt nach Nordweſt, auch mangelt nicht die von Weſt nach Oſt und von Nord nach Süd. Indem wir hier die auf Leuchttürmen gemachten Beobachtungen übergehen, da ſie von den übrigen nicht abweichen, wollen wir noch darauf hinweiſen, daß am 23. Februar die Magnetnadel als größte Abweichung zu Moncalieri 12,15“, zu Genua 13°15” zeigte und daß Iſſel der Meinung iſt, daß, da diesmal die mag⸗ netiſchen Apparate genau wie die Seismometer funktioniert haben, ihre Bewegungen als mechaniſche anzuſehen ſeien. An Tieren beobachtete man vor dem Erdbeben größere Lebhaftigkeit, während desſelben Angſt und Unruhe, welche von den ungewohnten Schwingungen des Erdbodens, die ſie zu empfinden empfänglicher ſind als der Menſch, her⸗ rührten und ſie eine unbekannte Gefahr ahnen ließen. Verſchiedene Schiffe erhielten auf hoher See mehrere Stöße, als hätten ſie den Grund berührt oder ſeien ſie gebrochen; viele Fiſche wurden tot oder halbtot nach dem Erdbeben im Golf von Nizza auf der Oberfläche ſchwimmend auf⸗ gefunden. Der Meereshöhenmeſſer zeigte im Golf von Genua 27 mm über dem mittleren Stande an; die Wogen waren ſehr niedrig. Nach dem erſten Stoße zog ſich das Meer auf eine geringe Strecke (10—13 mi) zurück; nach oberflächlicher Schätzung ward es bei Porto Maurizio und anderen Orten mehr als Um niedriger, nach wenigen Minuten ſtieg es aber auf ſehr kurze Zeit um etwa 1 m über den erſten Stand und überſchritt die Küſte um eine Strecke, worauf eine zweite, geringere Welle folgte, nach welcher das mittlere Niveau wieder hergeſtellt war. An Eiſenbahn⸗ und anderen Brücken hat man intereſſante Einwirkungen des Erdbebens feſtgeſtellt; horizontale Ver⸗ rückungen von Gegenſtänden werden in großer Zahl auf⸗ geführt. Wir leſen z. B. von Verſchiebungen von Vaſen, Statuen und ſchweren Kreuzen, von der Entſtehung von Riſſen in Türmen und der damit in Verbindung ſtehenden Fortſchleuderung des dadurch entſtandenen Detritus, von der Zerreißung und teilweiſen Drehung von Schornſteinen und anderem mehr. Aber auch der Aufzählung von Gegen⸗ ſtänden, welche ſenkrecht oder ſchräg aufwärts geworfen wurden, ſind eine Anzahl Spalten gewidmet, ebenſo dem Falle von Felsſtücken und der Aufreißung verſchieden ge⸗ richteter Spalten von bald geringerer, bald bedeutenderer Länge und Breite in Sedimentärſchichten, aus denen teil⸗ weiſe Flüſſigkeiten von verſchiedenen Farben quollen, welche mitunter den Geruch von ſchwefliger Säure oder Schwefel⸗ waſſerſtoff wahrnehmen ließen. Neue Quellen entſtanden, ſchon vorhandene zeigten ſich tagelang trüb oder enthielten mehr als gewöhnlich Kohlenſäure, Mineralbeſtandteile und organiſche Maſſe, während andere ſich beunruhigten und ihre Waſſermenge vermehrten. Dem erſten Stoße folgte in der weſtlichen Riviera ein zweiter, weniger ſtarker, 8 Uhr 54 Minuten ein ſtärkerer dritter, der jedoch die Kraft des erſten nicht erreichte. Die letzten zwei waren auch von geringerer Dauer als der erſte. Kleinere erfolgten am nächſten Tage in kürzeren Zwiſchen⸗ räumen; am 24. Februar wurden 2 Uhr 10 Minuten, 4 Uhr 15 Minuten, 5 Uhr 56 Minuten vormittags und 11 Uhr 20 Minuten vor Mitternacht ſolche wahrgenommen, am 25. Februar folgten ihnen ein leichter zu Camogli, am 26. Februar ſolche zu Genua 4 Uhr 50 Minuten, 6 Uhr 7 Minuten vormittags, 12 Uhr 55 Minuten und 1 Uhr 34 Minuten nachts. Außer ihnen fühlte man noch zahl⸗ reiche ganz ſchwache. Iſſel läßt nun eine geographiſche Beſchreibung der durch das Erdbeben hervorgerufenen Schäden folgen, denen er Vorſchläge zur Verhütung von ähnlichen Zerſtörungen in Zukunft beifügt. Nach Zuſammenhaltung der That⸗ ſachen mit den hauptſächlichſten zur Zeit noch vertretenen Erdbebenhypotheſen gibt er an, daß er glaube, daß ein tiefliegender Querbruch, vielleicht ein Syſtem von Spal⸗ tungen im Schüttergebiete Stoß und Erſchütterung hervor⸗ gerufen hätte. Et. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat November und Dezember 1888. Der Monat November iſt charakteriſiert durch in der erſten Hälfte ruhiges, kaltes und vorwiegend heiteres, in der zweiten Hälfte trübes, vielfach reg⸗ neriſches und warmes Wetter. Durchſchnittlich war die Temperatur nahezu normal. Hervorzuheben ſind die Stürme insbeſondere am 24. an der deutſchen Küſte. Das warme, milde Wetter, welches in den erſten Tagen des Monats herrſchte, war nicht von langer Dauer. Ein barometriſches Minimum, welches am 1. über der Nordſee lag, pflanzte ſich ſüdwärts weiter nach Frankreich fort und breitete ſich dann als breite Zone niedrigen Luftdruckes oſtwärts aus, während über Nordeuropa ein barometriſches Maximum ſich entwickelte, welches mit zunehmender In⸗ tenſität ſeine Herrſchaft bis faſt zur Mitte des Monats behauptete. Dementſprechend kamen nördliche bis öſtliche Winde zum Durchbruche, welche zwar meiſtens nur ſchwach auftraten, aber mit großer Beſtändigkeit wehten. Unter ihrem Einfluſſe ging die Temperatur raſch und erheblich herab und erreichte insbeſondere am 7. einen ſehr niedrigen Wert: in Wilhelmshaven lag ſie um 10, in Berlin um 11 und in Memel um 15° C. unter dem Normalwerte. Dabei war das Wetter vorwiegend heiter, und, abgeſehen von häufigen Nebeln, trocken. Nur in Süddeutſchland fielen ziemlich erhebliche Niederſchläge, vom 3. auf den 4. zu München die beträchtliche Regenmenge von 54mm, als eine unſcheinbare Depreſſion über dieſes Gebiet weſt⸗oſtwärts fortſchritt. Auf dem Ozean weſtlich und ſüdweſtlich von den britiſchen Inſeln lagen zu dieſer Zeit beſtändig Depreſſio⸗ nen, welche indeſſen meiſtens eine ſüdöſtliche Richtung ein⸗ ſchlugen, ſo daß von ihnen nur die Witterung über den britiſchen Inſeln und über Frankreich beeinflußt wurde, wo andauernd mildes, trübes Wetter mit häufigen Regen⸗ fällen herrſchte. Die Froſtgrenze verlief meiſtens der deutſchen Grenze entlang und nahm nur ſelten das nord⸗ öſtliche Frankreich in das Froſtgebiet auf; nur am 10. ging ſie oſtwärts ſogar über Paris weg. Hervorzuheben ſind die ungewöhnlich ſtarken Regenfälle, die über Frank⸗ reich, insbeſondere in den ſüdlichen Gebietsteilen nieder⸗ gingen: es fielen am 6. in Nizza 62 mm, am 8. zu Biarritz 24 mm, am 12. zu Nizza 25 mm Regen. Nach und nach änderten die Depreſſionen, indem ſie an Tiefe zunahmen, ihren Kurs, indem ſie eine nördliche Bahn einſchlugen, wobei das Maximum im Norden all⸗ mählich oſtwärts zurückgedrängt wurde. Daher wurden über Centraleuropa ſüdöſtliche Winde vorherrſchend, welche im Nordſeegebiete zeitweiſe ſtark auftraten, wobei die Froſt⸗ grenze etwas oſtwärts verſchoben wurde. Indem das Maxi⸗ mum ſüdoſtwärts nach dem Schwarzen Meere ſich verlegte, nahmen die Depreſſionen eine nordöſtliche Richtung an, ſtürmiſche Luftbewegung über den britiſchen Inſeln hervor⸗ rufend, welche vielfach die Stärke eines vollen Sturmes erreichte. Erſt am 17. hatte die ſüdweſtliche Luftbewegung über das ganze weſtliche Mitteleuropa ſich ausgebreitet, im Skagerrak ſtürmiſch, an den deutſchen Küſten ſtark auf⸗ tretend, und mit ihr war auch die Froſtgrenze oſtwärts über die deutſche Grenze hinaus vorgerückt; nur in Ungarn Humboldt. — Februar 1889. 79 dauerte die ſtrenge Kälte noch fort. In Deutſchland war wieder trübes Wetter mit Regenfällen eingetreten. Am 20. morgens lag über Finnland ein Minimum mit der außer— ordentlichen Tiefe von 715 mm, ihm gegenüber im Süden ein Maximum von über 760 mm, ſo daß der Luftdruckunter— ſchied zwiſchen beiden über 50 mm betrug. Dementſprechend wehten über Centraleuropa ſtarke, ſtellenweiſe ſtürmiſche ſüdweſtliche Winde bei warmer, regneriſcher Witterung. In der Nacht vom 20. auf den 21. fanden im nordweſt— lichen Deutſchland Gewitter, ſtellenweiſe mit Hagelböen ſtatt, während im ſüdlichen Oſtſeegebiete ſtürmiſche Böen aus Weſt und Nordweſt wehten. Die raſch aufeinander— folgenden tiefen Minima, welche Nordeuropa durchzogen, unterhielten an der deutſchen Küſte während mehrerer Tage unruhiges Wetter, welches am 24. den Höhepunkt erreichte, an welchem Tage an der deutſchen Küſte vielfach voller Sturm wehte, der ſtellenweiſe eine außerordentliche Heftigkeit erreichte. In Hamburg erreichten die Windſtöße am Morgen zuweilen die ſehr ſelten vorkommende Ge— ſchwindigkeit von 35 m pro Sekunde. An der Elbmündung war der Waſſerſtand ein außerordentlich hoher, obgleich der Wind die für Hochwaſſer günſtige Richtung aus Nord— weſt faſt nie erreichte. Indem die Depreſſionen jetzt eine mehr ſüdliche Bahn einſchlugen, wurde die Luftbewegung nur ſehr allmählich ſchwächer und erſt am 28. trat wieder ruhiges Wetter ein, als eine Depreſſion über Südſkandinavien nach Finnland fortzog. Am Monatsſchluſſe hatte ſich wieder ein baro— metriſches Maximum über Nordeuropa gelagert und ſo wieder Ausſicht auf öſtliche Winde mit kälterem Wetter gegeben. Die folgende Tabelle gibt die Abweichungen der Morgentemperatur für je fünf Tage in“ C., ſowie die Regen⸗ mengen und die Anzahl der Regentage für den Monat November. 1) Temperaturabweichungen. Zeit⸗ Swine: Ham⸗ Karls. Mün⸗ raum Memel münde burg Borkum Kaſſel Berlin Breslau ruhe chen 1.—5. — 4,5 —0,2 71,2 770,2 70,5 70,3 0,4 +0,9 —0,5 6.—10. — 3,3 —5,3 —7,0 — 7,7 —8,0 —7,5 —8,0 —5,7 —6,6 11.—15. - 4,4 —6,7 6,7 —5,4 —6,5 —7,3 —6,3 —4,7 —7,3 15.20. 44,4 71,6 73,5 +25 73,4 73,5 72,2 74,0 +1,7 21.—25. 74,7 73,6 +4,3 74,4 74,9 73,8 75,4 +4,1 3,6 96.—30. 75,0 44,3 44,2 426 74,2 +53 44,9 4,3 41,3 Mittel 70,3 —0.4 —0,0 —0,6 —0,3 —0,3 —0,2 +0,5 —1,2 2) Regenmenge (mm). 48 N 78 46 49 63 20 47 75 3) Anzahl der Regentage. 11 15 13 15 12 11 10 9 Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. Der Monat Dezember iſt charakteriſiert durch vielfach nebliges Wetter mit ſchwacher Luftbewegung ohne erhebliche Niederſchläge. Die Temperatur lag auf der Nordhälfte durchſchnittlich über, auf der Süd— hälfte durchſchnittlich unter dem Mormalwerte. In der erſten Dekade des Monats lagen faſt beſtändig hohe barometriſche Maxima über der Südhälfte Europas, während im Nordweſten zahlreiche barometriſche Minima hinwegzogen, die ihren Wirkungskreis über das ganze Nord⸗ und Oſtſeegebiet ausbreiteten, trübe, milde Witterung mit geringen Niederſchlägen verurſachend. Die Südhälfte Europas ſtand meiſtens unter dem Einfluſſe des baromet⸗ riſchen Maximums, und dementſprechend war daſelbſt das Wetter teils heiter, teils neblig, ohne weſentliche Nieder— ſchläge, wobei die Temperatur ſich faſt andauernd unter dem Gefrierpunkte hielt. Vom 1. bis zum 3. zog eine Depreſſion von Ober— italien oſtwärts über Oeſterreich nach dem Schwarzen Meere fort, auf ihrem Wege ſtarke Niederſchläge hervor⸗ rufend. Am 1. fielen in Wien 25, am 2. in Lemberg 38 mm Regen. Auch über Großbritannien und an der Norwegiſchen Küſte fanden ausgebreitete und ſehr ergiebige Regenfälle ſtatt. So fielen am 2. in Skudesnaes 33, in Ord 51, am 4. in Rochespoint 20, am 10. in Valentia 21 in Rochespoint 29 mm Regen. Ein barometriſches Maximum von über 770 mm hatte ſich, vom Ocean kommend, am 10. über Großbritannien gelagert und ſchritt dann oſtwärts weiter, ſich in eine Zone hohen Luftdrucks umwandelnd, deren Kern langſam nach Südoſteuropa wanderte und die fic) dann nordweſt⸗ wärts nach den britiſchen Inſeln hin erſtreckte. Vom 12. bis zur Monatsmitte ſtand Deutſchland unter dem Einfluſſe dieſes Maximums, und daher war das Wetter in dieſer Zeit ruhig, heiter oder neblig und kalt. Am 15. verlief die Froſtgrenze der deutſchen Küſte entlang nach der Bretagne und umſchloß faſt ganz Frankreich und Ober— italien. In Ungarn lag die Temperatur um 15° unter dem Gefrierpunkte, in München um 10°. Nach und nach wich der hohe Luftdruck im Weſten vor den immer weiter vordringenden Depreſſionen zurück. Indeſſen wurde die Entwickelung eines oceaniſchen Luft— ſtromes über Centraleuropa durch das Vorhandenſein eines hohen barometriſchen Maximums im Nordoſten verhindert, ſo daß eine erheblichere Erwärmung unſerer Gegenden nicht erfolgen konnte. Bemerkenswert ſind die ungewöhnlich tiefen barometri— ſchen Minima (unter 730 mm), welche am 21. und 22. im Weſten der britiſchen Inſeln lagen und die daſelbſt ſchwere Stürme hervorriefen, während auf dem Kontinente das Wetter ruhig blieb. Am 25. erſchien an der Südoſtſeite eines barometriſchen Minimums, welches bei ſeiner Annäherung an die nor— wegiſche Küſte daſelbſt Südoſtſtürme verurſachte, eine Teil— depreſſion, welche über Deutſchland ſüdliche und ſüdweſt— liche Winde hervorrief, unter deren Einfluß die Temperatur erheblich ſtieg. An dieſem Tage lag die Morgentemperatur in Chemnitz und Karlsruhe 6 mm über dem Normalwerte. Dagegen herrſchte in Rußland ſchon ſeit mehreren Tagen ſehr ſtrenge Kälte, die ſich auch über das nordöſtliche Deutſchland ausgebreitet hatte (am 26. morgens meldeten Kiew 23°, Petersburg 24“, Archangelsk 28° und Mos- kau 31°). Am 27. hatte fic) der oceaniſche Luftſtrom über ganz Deutſchland ausgebreitet und war in ganz Deutſchland, der äußerſte Nordoſten ausgenommen, warmes mildes Wetter eingetreten, in Sachſen herrſchte ein Wärmeüber— ſchuß von 70. Während in den letzten Tagen des Monats der hohe Luftdruck im Nordoſten langſam ſüdwärts ſich verlagerte, erſchien auf den britiſchen Inſeln ein Maximum, welches langſam oſtwärts fic) ausdehnte und fic) in den erſten Tagen des Monats Januar mit dem Maximum im Oſten verband. Am Monatsſchluſſe war die Temperatur durch— ſchnittlich normal. Der Gang der Temperatur, ſowie die Niederſchlags— mengen und Häufigkeit iſt durch nachſtehende Tabelle ver— auſchaulicht: 1) Temperatur 0 C.). Beit Swine Sam Memel münde burg , Rarls: Borkum Raffel Berlin Breslau ruhe +2,9 73,3 473.6 72,1 +18 73,5 —0, 7 +0,1 771,6 71,8 —0,7 —0,5 +0,7 —3,9 5 —0,5 —2,4 —1,6 —4,9 —1,6 —3,8 —5,4 +2,6 71,6 1,9 —0,9 +18 72,1 —3,8 +1,0 771,3 70,2 —0,4 1,3 72,0 —0,0 +2,0 71,8 72,0 72,0 72,0 43.5 +1,6 +1,0 71,2 71,8 —0,5 70,8 41,3 —2,0 —1,6 2) Regenmenge, Monatsſummen (mm). 15 33 38 6 2 17 3 1 22 16 14 12 3) Anzahl der Regentage. 6 9 10 8 10 8 8 4 4 Hamburg. Dr. W. T. van Bebber. 80 Humboldt. — Februar 1889. Biographien und perſonalnotizen. Profeſſor Dr. Planck in Kiel wurde als Profeſſor der theoretiſchen Phyſik nach Berlin berufen. Dr. Friedrich Neeſen, Privatdocent an der Berliner Univerſität und Lehrer an der Vereinigten Artillerie⸗ und Ingenieurſchule, wurde zum Profeſſor der Phyſik an der Univerſität ernannt. Profeſſor Dr. Schering in Straßburg iſt als Nachfolger von Himſtedt als Profeſſor der Phyſik an die Tech⸗ niſche Hochſchule in Darmſtadt berufen worden. Profeſſor H. Hertz vom Polytechnikum in Karlsruhe iſt als Profeſſor der Experimentalphyſik nach Bonn be⸗ rufen worden. Geheimrat Profeſſor Dr. Bunſen in Heidelberg tritt Ende des Winterſemeſters in Ruheſtand. Profeſſor Dr. Landois in Greifswald wurde zum korre⸗ ſpondierenden Mitglied der Akademie der Medizin in Rom ernannt. Profeſſor Dr. Göbel in Marburg hat die Redaktion der „Flora“, Dr. R. Wettſtein in Wien die der „Oeſterreichiſchen Botaniſchen Zeitſchrift“ übernommen. Privatdocent Dr. P. Jannaſch in Göttingen wurde zum Profeſſor der Chemie ernannt. Dr. Rudolf Emmerich, Privatdocent und erſter Aſſi⸗ ſtent des Hygieniſchen Inſtituts in München, iſt zum außerordentlichen Profeſſor an der dortigen Univerſität ernannt worden. Privatdocent Dr. O. Taſchenberg in Halle iſt zum außerordentl. Profeſſor ernannt worden. Privatdocent Dr. Graeff von Bretten in Freiburg wurde zum außerordentl. Profeſſor ernannt. Dr. A. Beutell in Poppelsdorf⸗Bonn iſt zum Profeſſor in Santiago ernannt worden. Dr. Friedr. Johow, Privatdocent der Botanik und Aſſi⸗ ſtent am Botaniſchen Inſtitut in Bonn, hat einen Ruf an die Univerſität Santiago erhalten. Dr. A. Sauer und Dr. F. Schalch, Sektionsgeologen an der kgl. ſächſiſchen Landesunterſuchung folgen am 1. April einem Rufe an die großherzogl. badiſche geo⸗ logiſche Landesanſtalt, welche unter der Oberleitung von Profeſſor Dr. H. Roſenbuſch mit dem Sitze zu Heidelberg ins Leben tritt. Dr. Max Lierau in Breslau iſt als Nachfolger von Dr. Brick zum erſten Aſſiſtenten am Botaniſchen Muſeum und Botaniſchen Laboratorium für Warenkunde in Hamburg ernannt worden. Dr. Fränkel, erſter Aſſiſtent am Hygieniſchen Inſtitut in Berlin, habilitierte ſich an der dortigen Univerſität als Privatdocent für Geſundheitspflege. Dr. Adolf Hanſen hat ſich an der Techniſchen Hoch⸗ ſchule in Darmſtadt für Botanik habilitiert. Dr. Langgaard, erſter Aſſiſtent am Pharmakologiſchen Inſtitut in Berlin, habilitierte ſich als Privatdocent an der dortigen Univerſität. Dr. Felix von Luſchan, Gehülfe des Profeſſor Ba⸗ ſtian beim Muſeum für Völkerkunde, hat ſich an der Berliner Univerſität als Privatdocent für Völkerkunde habilitiert. Dr. Ballowitz, zweiter Proſektor am Anatomiſchen In⸗ ſtitut in Greifswald, habilitierte ſich daſelbſt als Privat⸗ docent der Anatomie. Berliner Akademie der Wiſſenſchaften ernannte zu Mitgliedern die Profeſſoren Beilſtein in Peters⸗ burg, Canizzaro in Rom, Freſenius in Wies⸗ baden und Meyer in Tübingen. Berliner Akademie der Wiſſenſchaften verlieh 2000 Mark dem Profeſſor der Phyſiologie Leopold Auer⸗ bach in Breslau zur Fortſetzung biologiſcher Studien, 1500 Mark dem Aſtronomen von Rebeur⸗Paſch⸗ witz zu Verſuchen über die Veränderung der Lot⸗ linie, 2000 Mark dem Docenten Dr. Franz Schütt Di i) Dt oO in Kiel zu biologiſchen Studien an der Zoologiſchen Station in Neapel. bayriſche Akademie der Wiſſenſchaften ernannte zu ordentl. Mitgliedern die Profeſſoren Haushofer und Rüdinger in München, zu außerordentl. Mit⸗ gliedern Dr. L. Claiſen und Dr. A. Steinheil in München, zu auswärtigen Mitgliedern Profeſſor Virchow in Berlin, Staatsrat Regel in Peters⸗ burg, Profeſſor Stokes in Cambridge, zum korre⸗ ſpondierenden Mitgliede Profeſſor Hylden in Stock⸗ holm. Dr. K. Frieſach, Profeſſor der Mathematik und mathe⸗ matiſch⸗phyſikaliſchen Geographie in Graz trat in den Ruheſtand. Privatdocent Dr. Klemeneie wurde zum außerordentl— Profeſſor der Phyſik an der Univerſität Graz ernannt. Dr. Eberſtaller habilitierte ſich als Privatdocent für Anatomie an der Univerſität Graz. Franeis Darwin, Sohn von Charles Darwin, Lektor der Botanik am Trinity College in Cambridge, iſt zum Profeſſor der Botanik am Chriſt College ernannt worden. Alfred Barton Rendle, B. A., B. Se., iſt zum Aſſi⸗ ſtenten der botaniſchen Abteilung des Naturhiſtoriſchen Muſeums in London ernannt worden. Die königl. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften in London ver⸗ lieh die Copleymedaille an Profeſſor Huxley, die Rumfordmedaille an Profeſſor Tacchini und die Davymedaille an Crookes. Die jog. königl. Me⸗ daillen wurden dem auſtraliſchen Botaniker Baron Fer d. v. Müller und dem Mathematiker Osborne Reynolds vom Owens College verliehen. Profeſſor A. Girard erhielt die neu errichtete Profeſſur für Entwickelungsgeſchichte an der Sorbonne in Paris. Dr. A. Geberg iſt zum Proſektor der Hiſtologie an der Univerſität Kaſan ernannt worden. Dr. Jaſ. E. Humphrey, Lehrer der Botanik an der Indiana Univerſity, iſt zum Profeſſor für Pflanzen⸗ phyſiologie an der Maſſachuſetts State Agricultural Experiment Station zu Amherſt ernannt worden. Die Totenliſte. Bellonei, G., Profeſſor der Anatomie an der Univerfitat Bologna, ſtarb daſelbſt 1. Juli, erſt 30 Jahre alt. Stearns, Silas, Ichthyolog bei der U. S. Fiſh Commiſſion, ſtarb 2. Auguſt zu Aſheville N. C. Chavignerie, Eugen Bellier de la, Entomolog, früher Präſident der Société Entomologique de France, ſtarb zu Evreux 27. September, 69 Jahre alt. Krieſch, Joh., Profeſſor der Zoologie am Polytechnikum in Budapeſt, Herausgeber der ungariſchen Bienen⸗ zeitung, ſtarb 21. Oktober zu Budapeſt, 54 Jahre alt. Dietrich, Dr. David, Kuſtos am Herbarium der Univerſität Jena, ſtarb 23. Oktober im Beginn ſeines 90. Lebensjahres. Er entſtammte der bekannten Ziegenhainer Familie, in der ſeit Beginn des 17. Jahrhunderts die Beſchäftigung mit der Pflanzen⸗ kunde traditionell war. Kjerulf, Theodor, Profeſſor der Geologie zu Chri⸗ ſtiania, ſtarb 25. Oktober. Er war geboren 30. März 1825 und hochverdient um die Geologie Norwegens. Lee, Henry, namhafter engliſcher Naturforſcher, ſtarb in Brighton 1. November. Kemmler, Pfarrer in Donnſtetten in Württemberg, Bo⸗ taniker, ſtarb 1. November. Prſhewalſki, Nikolai von, ruſſiſcher Generalmajor, der 1871 — 1885 vier große Erforſchungsreiſen in Centralaſien ausgeführt und außerordentlich viel zur Kenntnis der inneraſiatiſchen Länder beigetragen hat, Humboldt. — Februar 1889. 81 geboren 31. März 1839 im Gouv. Smolensk, ſtarb auf ſeiner fünften Reiſe in Karakul im ruſſiſchen Centralaſien 1. November. Herter, Lorenz, Lehrer in Hummertsried in Württem⸗ berg, Botaniker, bedeutender Bryolog, ſtarb 8. No— vember 31 Jahre alt. Villain, Louis, Botaniker, aus Erfurt gebürtig, Garten— direktor des Herzogs von Melzi, in Italien als Auto— rität zu allen wichtigen agrariſchen Fragen beigezogen, ſtarb 26. November in Bellagio. Gutzeit, H., außerordentl. Profeſſor der Chemie in Jena, ſtarb im November. Lenhoſſek, Joſeph ev., Profeſſor der Anatomie und Vorſteher des erſten Anatomiſchen Inſtituts an der Univerſität Budapeſt, ausgezeichnet als Lehrer und Forſcher auf dem Gebiet der Anatomie und Schädel— lehre, Mitglied der Berliner Akademie der Wiſſen— ſchaften, geboren 20. März 1818 in Ofen, ſtarb in Budapeſt 2. Dezember. Zeiß, Karl, Hof- und Univerſitätsmechaniker in Jena, deſſen optiſche Werkſtätte einen Weltruf erlangt hat, ſtarb daſelbſt 2. Dezember 72 Jahre alt. Hunfal vy, Profeſſor der Geographie an der Univerſität Peſt, ſtarb 6. Dezember 66 Jahre alt. Lender, Konſtantin, Sanitätsrat und Kreisphyſikus a. D. in Berlin, durch ſeine Unterſuchungen über Ozon und deſſen Verwendung in der Medizin bekannt, ſtarb im 61. Lebensjahre 7. Dezember in Berlin. Heiden, Eduard, Direktor der Agrikulturchemiſchen Verſuchsſtation in Pommritz, geb. 8. Februar 1835 in Greifswald, beſonders verdient um die Diinger- lehre, ſtarb 20. Dezember. Litterariſche Rundſchau. J. D. Everett, Phyſikaliſche Einheiten und Kon⸗ ſtanten. Nach der 3. engliſchen Ausgabe den deutſchen Verhältniſſen angepaßt durch Dr. P. Chappuis u. Dr. D. Kreichgauer. Leipzig, J. A. Barth. 1888. Preis 3 M. Das vorliegende Buch wurde durch ein Komitee ver— anlaßt, dem die Wahl und die Benennung der mechaniſchen und elektriſchen Einheiten oblag. Die erſte engliſche Aus— gabe fand derartigen Anklang, daß dasſelbe in ſehr kur— zer Zeit mehrfach überſetzt wurde. Die deutſche Ueber— ſetzung unterſcheidet ſich von dem Original beſonders dadurch, daß die neueren Unterſuchungen aufgenommen wurden und daß den Forſchungen der Gelehrten aller Länder Rückſicht geſchuldet wurde, während in dem Ori- ginal vorzugsweiſe die Arbeiten engliſcher Phyſiker be— rückſichtigt wurden. Dieſe Schrift, welche in manchen Beziehungen als eine Erweiterung der Werke von Herwig und Serpieri angeſehen werden kann, enthält die voll— ſtändige Theorie der Einheiten, wobei in äußerſt klarer Weiſe der Begriff der Dimenſionen erläutert wird; an zweiter Stelle wird das Centimeter-Gramm-Sekunden⸗ ſyſtem eingeführt und dasſelbe konſequenterweiſe auf alle Kapitel der Phyſik in Anwendung gebracht. Von beſonderem Nutzen werden fic) die ſehr inſtruktiven Bei- ſpiele erweiſen, welche jedem Abſchnitte beigegeben ſind. Von Intereſſe erſcheint dem Referenten das über die An⸗ wendung der Dimenſionen bei der Aufſuchung phyſikaliſcher Formeln Geſagte. Es laſſen ſich durch dieſen, in neuerer Zeit von Neeſen betonten Vorgang Relationen zwiſchen phyfi- kaliſchen Größen leicht und elegant deduzieren. Beſonderes Gewicht wurde auf die ausführliche Bearbeitung jener Partien gelegt, welche ſich auf die Lehre vom Magnetismus und der Elektricität beziehen. Die Auseinanderſetzung des elektroſtatiſchen und elektromagnetiſchen Maßſyſtems wird baldigſt vorgenommen und die folgenden Angaben durch Einführung der praktiſchen Einheiten weſentlich überſicht— licher geſtaltet. Die auf die Konſtanten bezüglichen Daten entſprechen den neueſten Forſchungen; die Litteraturangaben werden wertvoll erſcheinen. Wien. Prof. Dr. J. G. Wallentin. Jakob Meſſer, Sternatlas für Himmelsbeobach⸗ fungen. St. Petersburg, Carl Ricker. 1888. Der Atlas enthält eine Darſtellung der bis zum 35. Grade ſüdlicher Deklination ſichtbaren Sterne der 1. bis 6. Größe, mit Kennzeichnung der veränderlichen und Doppelſterne und Angabe der helleren Nebelflecke und Sternhaufen. In der erſten Hälfte des Buches befindet ſich eine Erklärung der Einrichtung und des Gebrauches der Sternkarten, ſowie eine Beſchreibung der Sternbilder mit den merkwürdigſten darin befindlichen Objekten; dann folgen Verzeichniſſe der temporären und veränderlichen Humboldt 1889. Sterne, der helleren Doppelſterne, Nebelflecke und Stern- haufen. Die zweite Hälfte des Buches bildet der Stern- atlas, welcher eine größere Ueberſichtskarte und 26 ſpeciellere Karten enthält, von denen jede ein Quadrat von 18 em bildet. Die Zeichnung der Karten it ſorgfältig ausgeführt, und eine beſondere Deutlichkeit und Ueberſichtlichkeit dadurch erreicht, daß die Sternbilder nur durch ſchwach punktierte Linien begrenzt, dagegen die ſehr überflüſſigen, in früheren Zeiten gebräuchlichen, abe die Ueberſichtlichkeit unnötig ſtörenden Zeichnungen der Figuren der Sternbilder vermieden ſind. Das Buch kann jedem, der ſich mit dem geſtirnten Himmel bekannt machen will, empfohlen werden. Königsberg. Prof. Dr. C. F. W. Peters. H. C. E. Martus, Aſtronomiſche Geographie. Ein Lehrbuch angewandter Mathematik. 2. Aufl. Leipzig, C. A. Koch. 1888. Preis 7,5 M. Das vorliegende Buch iſt hauptſächlich für den Schul—⸗ unterricht beſtimmt und ſetzt nur die Kenntnis der wich⸗ tigſten Sätze der ebenen Trigonometrie voraus. De Verfaſſer ſucht das Intereſſe des Leſers dadurch zu feſſeln, daß er nicht nur die einfachen Ergebniſſe der aſtronomiſchen und geodätiſchen Forſchungen angibt, ſondern vielfach zeigt, wie dieſelben durch Beobachtungen und numeriſche Rechnungen gefunden werden. Dabei geht er im ein⸗ zelnen zum Teil wohl zu weit, wie z. B. bei der Berech— nung einer von ihm ſelbſt ausgeführten Beſtimmung der Länge des einfachen Sekundenpendels, die mit Hilfe eines Foucault'ſchen Pendels von 19 m Länge ausgeführt iſt, wobei der Gang der Rechnung ſehr ausführlich an⸗ gegeben, dagegen die Schwierigkeit, welche in der Beobach⸗ tung ſelbſt und namentlich in der genauen Meſſung der Länge des Pendels liegt, gar nicht erwähnt wird. Hier wie bei anderen Gelegenheiten ſind die Rechnungen mit mehr Decimalen ausgeführt, als nötig und für die Anregung des Leſers zu ähnlichen Rechnungen nützlich iſt. Im übrigen enthält das Buch viel Gutes und hat gegen die erſte Auflage weſentliche Verbeſſerungen erfahren. Königsberg. Prof. C. F. W. Peters. 3. G. Wollweber, Der Himmelsglobus als Mittel zur Kenntnis des geſtirnten Himmels. Für Lehrer und Freunde der Sternkunde. Freiburg, Herderſche Verlagshandlung. 1888. Preis 2,2 M. Ein Buc) von reichhaltigerem Inhalte, als der Titel vermuten läßt. Es findet ſich darin zunächſt eine Ge- ſchichte des Himmelsglobus, dann eine ausführliche Er⸗ klärung und Beſchreibung desſelben, Angaben über die ver⸗ ſchiedenen Koordinatenſyſteme, die Bewegung der Sonne in der Ekliptik und die Bedeutung der Tierkreisbilder. Dann folgt eine eingehende Beſchreibung der einzelnen Stern- 11 82 Humboldt. — Februar 1889. bilder nebſt Angaben über den Urſprung ihrer Namen, die Auf⸗ löſung einiger aſtronomiſchen Aufgaben mit Hilfe des Himmelsglobus und eine Darſtellung der Himmelserſchei⸗ nungen zu vier verſchiedenen Jahreszeiten. Den Anhang bildet ein Verzeichnis populär⸗aſtronomiſcher Schriften und eine kurze Geſchichte der Aſtronomie, beſtehend in Bio⸗ graphien beſonders bekannter Aſtronomen. Als Schluß findet ſich je eine Sternkarte des nördlichen und ſüdlichen Himmels. Königsberg. Prof. Dr. C. F. W. Peters. H. Lambotte et E. Lambotte, Synopsis de la faune des animaux vertébrés. Bruxelles, Blondiau pere et fils. 1887. Die vorliegende Schrift ſtellt einen Schlüſſel zur Be⸗ ſtimmung der Wirbeltiere dar, deſſen Benützung zum Teil bis zur Auffindung einzelner Gattungen führt. Auch aus⸗ geſtorbene Formen ſind hier und da berückſichtigt, doch herrſcht hier keine Gleichförmigkeit; ſo ſind z. B. bei den „Reptiles“, die auch die Amphibien mit begreifen, die „Ptérodactyles, Plésiosaures, Ichthyosaures™ aufgenom⸗ men, andere gleich wichtige Foſſilien, wir erinnern nur an die Labyrinthodonten, unerwähnt gelaſſen. Bei Zu⸗ ſammenſtellung des Schlüſſels iſt Sorge getragen, leicht auffindbare Merkmale möglichſt in den Vordergrund zu ſtellen. Zu tadeln iſt die ausſchließliche Verwendung fran⸗ zöſiſcher Bezeichnungen; die Namen, welche bekanntere Tiere in der oder jener Sprache tragen, mögen immerhin beigefügt werden; in einer wiſſenſchaftlichen Arbeit ſind aber Gattungen und Familien in erſter Linie mit ihrem wiſſenſchaftlichen lateiniſchen Namen anzuführen; ein ſolches Verlangen iſt um ſo ſelbſtverſtändlicher und berechtigter bei einem Buch, welches der Verfaſſer auch im Ausland ver⸗ breitet zu ſehen wünſcht, wie die Verſendung eines Rezen⸗ ſionsexemplars an die Redaktion dieſes Blattes beweiſt. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. W. Wolterstorff, Anſere Kriechtiere und Lurche. Vorläufiges Verzeichnis der Reptilien und Am⸗ phibien der Provinz Sachſen und der angrenzen⸗ den Gebiete, nebſt einer Anleitung zu ihrer Be⸗ ſtimmung. Halle a/ S., Tauſch u. Große. Preis 1 M. Wir heben zuerſt den Schlußpaſſus des Schriftchens hervor, in welchem der Verf. zur Aufſtellung von Lokal⸗ faunen für enger begrenzte Landſtriche mit Schilderung des Terrains auffordert; dann erſt wird in ſpäterer Zeit ein vollſtändiges Bild der Fauna eines größeren Gebietes ſich geben laſſen. Daß dieſer Aufforderung häufiger als bisher nachgekommen wird, dazu iſt neuerdings erfreulicher⸗ weiſe begründete Ausſicht vorhanden, und die vorliegende Publikation wird auch anregend wirken und hoffentlich bald Nachahmung finden, denn ſie zeigt wie manche Lücken noch auf dem Gebiet der Verbreitung der Tiere auch in Deutſchland auszufüllen ſind, eine Arbeit, an der ſich be⸗ ſonders auch Lehrer und Forſtbeamte beteiligen könnten. Wolterstorffs Verzeichnis umfaßt die Provinz Sachſen, ferner einen großen Teil Thüringens, das ganze Herzog⸗ tum Anhalt, den öſtlichen Teil des Herzogtums Braun⸗ ſchweig und einen Zipfel von Hannover. Die genauen Beſchreibungen, welche mit den Angaben der Fundorte verbunden ſind, genügen ohne Zuhilfenahme weiterer herpetologiſcher Litteratur zur Beſtimmung. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Alexander Wau, Handbuch für Inſektenſamm⸗ ler II. Die Käfer⸗Beſchreibung der in Deutſch⸗ land, Oeſterreich⸗Ungarn und der Schweiz vor⸗ kommenden Coleopteren, in ſyſtematiſcher und analytiſcher, zum Selbſtbeſtimmen geeigneter An⸗ ordnung. Mit 144 naturgetreuen Abbildungen. Magdeburg, Creutz. 1888. Preis 6 M. In Anlage und Bearbeitung dem früher von ihm herausgegebenen und in Heft 11 des VI. Jahrg. dieſer Zeitſchrift beſprochenen Handbuch für Schmetterlingsſammler folgend, hat A. Bau nun auch für die Käfer ein praktiſches | und durch die zur Auffindung der Familien und Gattungen beigegebenen zahlreichen analytiſchen Tabellen zum Be⸗ ſtimmen gut geeignetes Handbuch verfaßt. Die Zahl der aufgenommenen Arten iſt eine ſehr ſtattliche und beträgt 2619. Das Sachregiſter iſt durchweg alphabetiſch geordner, was viel richtiger iſt, als für die einzelnen Familien Specialregiſter zu geben, wie es der Verf. im Handbuch für Schmetterlingsſammler gethan. Auch in vorliegendem Buch finden ſich als Anhang praktiſche Anweiſungen über Fangen und Aufbewahren der Käfer, ſowie über Kauf, Tauſch und Verſenden derſelben; die Anleitung zum Auf⸗ ſuchen und Fangen der Käfer dürfte jedoch ausführlicher ſein und hätten z. B. die neuerdings von Behrens ver⸗ öffentlichten, auch den Leſern dieſer Blätter aus den kleinen Mitteilungen bekannt gewordenen verſchiedenen Methoden zur Erlangung kleiner Käfer wohl Aufnahme verdient. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. BB. Marſhall, Die Tiefſee und ihr Leben. Nach den neueſten Quellen gemeinfaßlich dargeſtellt. Leipzig, F. Hirt u. Sohn. 1888. Preis 7,5 M. Von der durch ihre „geographiſchen Bildertafeln“ ge⸗ wiß allgemein bekannten Verlagshandlung, in deren Ver⸗ lage auch ein Bericht über die bedeutungsvolle Expedition des Challenger erſchienen iſt, iſt die Anregung zur Ab⸗ faſſung des vorliegenden Werkes ausgegangen, das ein Gebiet behandelt, in welches hineinzuſchauen wir erſt ſeit etwa 20 Jahren gelernt haben. Und welches Bild erſchließt ſich den ſtaunenden Blicken, welche wunderbaren Formen ſind zu Tage gefördert worden aus jenen unermeßlich ſcheinenden Tiefen, in denen niemand ein Leben auch nur vermutete? Alles was man bis dahin von der Tiefenver⸗ breitung der Tiere im Ocean wußte, ſprach dafür, daß von etwa 50 Faden an der Reichtum ganz bedeutend ab⸗ nimmt, bis jene Zone auftritt, wo alles Leben aufhört — der ungeheure Druck, die ewige Finſternis, der angebliche geringe Sauerſtoffgehalt und anderes mehr ſchienen für tieriſches Leben unüberſchreitbare Schranken zu ſein! Die Sachlage änderte ſich, als man bei Gelegenheit der Kabel⸗ legung zwiſchen Europa und Amerika die erſten Spuren von Tieren in den Tiefen fand und als die erſte von W. B. Carpenter und C. W. Thomſon geleitete Tiefſee⸗ expedition (1868) weitere Beweiſe erbrachte. Nun folgten weitere Expeditionen von ſeiten der Engländer, Ameri⸗ kaner und Franzoſen, die in der That helles Licht in die Abgründe des Meeres trugen. Während nun Werke in engliſcher und franzöſiſcher Sprache mehrfach vorhanden ſind, welche die intereſſanten Ergebniſſe dieſer mühevollen Unterſuchungen auch dem Laien zugänglich machten, fehlte ein ſolches in unſerer Litteratur. Dieſem vielfach empfun⸗ denen Bedürfnis kommt das in Rede ſtehende Werk beſtens nach. Es behandelt im erſten Teile die „Tiefſeekunde“; hier werden uns nicht nur die nötigen Aufſchlüſſe über die Tiefen des Meeres, die Bodenbeſchaffenheit, die Chemie und Phyſik des Tiefſeewaſſers in anſprechender Form ge⸗ geben, ſondern auch die zum Teil ſehr ſinnreichen In⸗ ſtrumente, mit deren Hilfe allein die Kenntniſſe gewonnen wurden, in Bild und Worten vorgeführt. Der zweite größere Abſchnitt, „das Tierleben der DTiefſee“, wird von einem Kapitel über den Fang der Tiefſeetiere und die dabei gebräuchlichen Apparate eingeleitet; dieſem folgt nach Beſprechung der allgemeinen Anpaſſungen der Tiere an das Leben in der Tiefe, ſowie der Herkunft und Verbrei⸗ tung der Tiefſeetiere, eine Schilderung der wichtigeren Ver⸗ treter in ſyſtematiſcher Reihenfolge, von den Protozoen an bis zu den Fiſchen unter Beigabe zahlreicher Abbil⸗ dungen; nicht trockene Beſchreibungen einzelner Tiere er⸗ halten wir — dieſe werden durch die Abbildungen erfebt —, ſondern Schilderungen ihres Lebens und ihrer Eigentüm⸗ lichkeiten, die das Intereſſe jedes Gebildeten auf ſich ziehen. Die Ausſtattung iſt vorzüglich und ſohin ſei das Werk allen, welche Intereſſe für die Natur und für das Fortſchreiten unſerer Kenntniſſe derſelben haben, beſtens empfohlen. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. Humboldt. — Februar 1889. 83 Wilhelm Cramer, Die Aufgaben und das Ziel der anthropologiſchen Jorſchung. Metz, G. Scriba. 1888. Preis 1 % Nach Vorausſchickung eines kurzen, die Elementarbe— griffe der anthropologiſchen Forſchung entwickelnden Ueber— blicks geht Verfaſſer ausführlicher auf die Weltanſchauung ein, die ſich in den Dichtungen Wilhelm Jordans und in dem „Mikrokosmus“ Arthur Lotzes zu Tage ringt. Es ſind dies Weltbilder, die teils auf ſpinoziſtiſche, teils ſo— gar auf platoniſche Grundideen zurückgreifen, und oben— drein manchmal das verſchleiernde Gewand der deutſchen Myſtik umwerfen, z. B. wenn (bei Jordan) die in der Materie gefangene Gottheit erſt mit Hilfe der Menſchheit er— löſt werden ſoll, oder wenn Lotze, unmittelbar den Ge- danken der ewigen Ideen Platons ſtreifend, die voraus— geſchaffenen Seelen als „ideelle Kraftmittelpunkte, die den Stoff beherrſchen und denen der Stoff als Mittel dient, um in die Erſcheinung zu treten“, einführt. Wir glauben, daß die anthropologiſche Forſchung vorläufig nähere und reellere Aufgaben zu löſen hat, als ſich im Streit über ſolche der Philoſophie anheimzuſtellende Grundfragen auf— zureiben. Berlin. Dr. Ernſt Kranſe. Emil Schmidt, Anthropologiſche Methoden. An⸗ leitung zum Beobachten und Sammeln für Labo⸗ ratorium und Reiſe. Leipzig, Veit u. Co. 1888. Preis 6 M. In dem vorliegenden Buch werden zunächſt An— weiſungen gegeben zum Sammeln anthropologiſcher Natur- objekte, zur Herſtellung von Skeletten und Skelettſtücken, zum Konſervieren der Gehirne und anderer Weichteile. Ferner wird die Herſtellung von Nachbildungen anthro- pologiſcher Objekte (Gypsabgüſſe, Modellierung) beſprochen und allgemeine Regeln werden gegeben für die bildliche Dar— ſtellung anthropologiſcher Objekte durch Photographie und Zeichenapparate. Zu den Beobachtungen am Lebenden itber- gehend erörtert Verfaſſer die für die Gewichtsbeſtimmung, Flächenmeſſung und Beſtimmung linearer Maße vorhan⸗ denen Hilfsmittel, ſowie die Apparate für Winkelmeſſung. Er erörtert dann die auszuführenden Meſſungen und ſtellt ein beſonderes Meſſungsſchema auf. Alsdann behandelt er die Verhältniſſe, durch welche die einzelnen Raſſen und Völker ſich voneinander unterſcheiden. Ein weiterer Abſchnitt iſt den am toten Material vorzunehmenden Beobachtungen und Unterſuchungen gewidmet, wobei die am Schädel⸗ und Beckenſkelett vorzunehmenden Meſſungen und die anthropologiſche Unterſuchung des Gehirns als beſonders wichtig eingehend erörtert werden. Auch werden Anleitungen gegeben, wie man die abſoluten Größen zu Verhältniszahlen zuſammenſtellt und wie man die Indivi⸗ dualbeobachtungen zu Gruppen und Reihen anordnet; aus denen dann wieder die Mittelwerte zu berechnen ſind. Ein Beobachtungsblatt für Körpermeſſungen, ein franio- metriſches Schema, ein ſolches für die Unterſuchung der Haare, Mitteilungen über die „Frankfurter Verſtändigung“ betreffend ein gemeinſames kraniometriſches Verfahren, ſowie einige Sehproben bilden den Anhang des vortreff— lichen, für den Anthropologen geradezu unentbehrlichen Buches. Kaſſel. Dr. M. Alsberg. A. de Quatrefages, Tératologie et Tératogenie. Paris, Extrait du Journal des Savants 1887. Unter obigem Titel hat der Verfaſſer die von Dareſte ſchon vor mehreren Jahren über künſtliche Erzeugung von Monſtroſitäten angeſtellten Unterſuchungen wieder aufge⸗ nommen. Die bisherige Methode für Erzeugung von Mißbildungen: Abſchluß der atmoſphäriſchen Luft durch Ueberfirniſſen der Eiſchale, vertikale Aufſtellung des Eies im Brütapparat, ſtarkes Schütteln der einige Tage hin⸗ durch in normaler Weiſe bebrüteten Eier bald in der Richtung der Längsachſe, bald in der Richtung der Quer⸗ achſe, dieſe und ähnliche Methoden liefern unſichere Re- ſultate. Dagegen laſſen ſich Monſtroſitäten leicht erzeugen, indem man die Temperatur im Brütapparat um einige Grade erhöht oder erniedrigt. Während alle Eier, die im Brütapparat bei 35 bis 39“ C. erhalten werden, ſich nor- mal entwickeln, entſtehen bei 40 bis 42° oder 30 bis 34° mit Monſtroſitäten behaftete Embryonen, bei noch höheren oder niedrigeren Temperaturen entwickeln ſich die Eier nicht über die erſten Stadien des Embyonallebens hinaus oder es bildet fic) eine formloſe Maſſe. Nach einer an— deren Methode läßt man die Entwicklung erſt einige Tage in normaler Weiſe vor ſich gehen und gibt dann abnorme Temperatur, auch bringt man die Eier in feuchte Luft, welche wie es ſcheint die Prolifikation der im Eiweiß enthaltenen Bakterienkeime ꝛc., die ihrerſeits auf die Entwickelung des Eies nachteilig einwirken, begünſtigt. — Die Frage, ob es nicht möglich iſt, willkürlich dieſe oder jene Monſtroſität zu erzeugen, wird von Dareſte und Quatrefages verneint. Von hohem Intereſſe ſind die von Quatrefages aus den Dareſteſchen Verſuchen gezogenen Schlüſſe betr. das latente Leben der Embryonen, ſowie die von demſelben gemachten Beobachtungen über die Entſtehung des Amnions und deſſen Bedeutung für die embryonale Entwickelung. Kaſſel. Dr. M. Alsberg. K. J. Jordan, Goethe — und noch immer Kein Ende! Kritiſche Würdigung der Lehre Goethes von der Metamorphoſe der Pflanzen. Virchow u. Holtzendorff, Sammlung gemeinverſtändlicher wiſſenſchaftlicher Vorträge. Neue Folge. 3. Serie, Heft 52. Hamburg, Verlagsanſtalt u. Druckerei, Preis 1 M. Die Goetheſche Metamorphoſenlehre hat die wider— ſprechendſten Beurteilungen erfahren; die einen, zumal die älteren Autoren, prieſen ſie als die Grundlage der Pflanzenmorphologie, die anderen behandelten ſie als einen unwiſſenſchaftlichen Verſuch, der nur dadurch zu unverdien⸗ ter und unheilvoller Bedeutung gelangte, daß man in ihn Gedanken deſcendenztheoretiſcher Natur hinein interpretierte, welche bei dem damaligen Zuſtand der Wiſſenſchaft kaum darin gefunden werden konnten. Im vorliegenden 48 Seiten ſtarken Heft ſtellt ſich Verfaſſer auf Seite derer, welche die Metamorphoſenlehre als wiſſenſchaftliche Leiſtung nicht anerkennen, und führt ſeine Anſicht in klarer und gemein- verſtändlicher Weiſe durch. Die kritiſche Gliederung der Goetheſchen Sätze ergibt zunächſt einen Mangel klar feſt⸗ ſtehender Grundbegriffe, da nicht wohl erkannt werden kann, ob in der Metamorphoſe der Vorgang der Verän⸗ derung oder ſeine urſächlichen Momente gemeint ſeien, oder ob ſie als eine in der Pflanze wirkende Tendenz zu denken ſei — oder ob endlich alle drei Auffaſſungsweiſen ſich in ihr durchdringen. Für Goethe bezeichnet Blatt nicht den von allen möglichen Blattarten durch Abſtraktion gewon- nenen Begriff, ſondern etwas Urſprüngliches, von der Na— tur Geſchaffenes, aber gleichwohl nicht an einer beſtimmten Pflanze real, ſondern nur in der Idee Vorhandenes. Daß Goethe ſich dies als immaterielle Idee im Sinne Platons gedacht habe, erſcheint dem Verfaſſer weniger glaubhaft, als daß er ein weſenloſes Prinzip (ähnlich der nun auch glücklich überwundenen Spiraltendenz) darunter verſtanden habe, welches ſein Walten im Auftreten der verſchiedenen Blattformationen kundgibt. — Im Litteraturverzeichnis am Ende der Abhandlung wird der betreffende Abſchnitt aus Göbels vergleichender Entwickelungsgeſchichte der Pflanzen⸗ organe (Schenks Handbuch der Botanik. III. 1) vermißt. Dresden. Dr. Reiche. C. N. Starke, Die primitive Familie in ihrer Entſtehung und Entwickelung. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1888. (Internationale wiſſenſchaft⸗ liche Bibliothek, LXVI. Bd.) Preis 5 M. Der Verfaſſer verſucht auf Grund einer neuen kriti⸗ ſchen Durchforſchung des archäologiſchen und ethnologiſchen Materiales die Anſichten, welche Bachofen, Lubbock, ſowie eine große Anzahl anderer Forſcher über die ſogenannte Geſchlechtsgenoſſenſchaft der Urzeit, d. h. Gemeinſamkeit 84 : Humboldt. — Februar 1889. der Männer und Weiber im engeren geſellſchaftlichen Ver⸗ bande aufgeſtellt haben, zu widerlegen und womöglich zu zeigen, daß der Menſch immer ein Monogamiſt geweſen fet. Bekanntlich hatte Bachofen aus der weitverbreiteten Herrſchaft des Mutterrechts bei alten und neuen Natur⸗ völkern, wonach die Kinder Namen und Beſitz nur von der Mutter erben, geſchloſſen, daß dieſes Recht aus einer Zeit übrig geblieben ſei, in welcher der Vater noch nicht zur Familie gehörte und das Weib als Familienoberhaupt auch ein ſoziales und politiſches Uebergewicht gewann, das ſich ſtellenweiſe zur Gynäkokratie ſteigerte. Wir laſſen uns leicht überzeugen, daß die Auffaſſung einer abſoluten Schrankenloſigkeit des geſchlechtlichen Verkehrs, und die Hinſtellung der Weiberherrſchaft als einer not⸗ wendigen Durchgangsſtufe der Entwickelung über die Wahrſcheinlichkeit hinausgeht, aber wir glauben nicht, daß die primitiven Verbindungen zwiſchen Mann und Weib monogam und von nicht geringer Dauerhaftigkeit geweſen ſeien“ (S. 276). Wohl alle die in Frage kommenden Forſcher dürften der Meinung geweſen ſein, daß ſich vor⸗ wiegend immer einzelne Paare zuſammengefunden und dann eine gewiſſe Zeit miteinander gelebt haben, gleichwohl ſcheint es uns gewagt, dieſe ohne Zweifel ſehr vorüber⸗ gehenden Verhältniſſe als Monogamie zu charakteriſieren, und aus dem Bedürfnis des Mannes, „ſeine Ordnung“ zu haben, einen Drang als Familienvater dazuſtehen, ab⸗ zuleiten. Viel richtiger ſcheint uns Karl Kautsky in ſeiner Abhandlung über die Entſtehung der Ehe und Familie (im 12. Bande des Kosmos, 1882), die Sachlage beurteilt zu haben, und es iſt ſchade, daß Verf. gerade dieſe Arbeit nicht zu Geſicht bekommen hat. Mitunter geht Verf. mit den Zeugniſſen des Altertums geradezu willkürlich um, 3. B. wenn er (S. 126) die alte Nachricht, daß die Kinder in Athen erſt unter Kekrops aufgehört hätten, nach der Mutter benannt zu werden, ſo verſtehen will, als hätten ſie nur den Mutternamen, den ſie bisher neben dem Vaternamen geführt hätten, abgelegt. Das ſtreift an Verdrehung der Thatſachen und tendenziöſe Entſtellung und wir könnten kein Vertrauen zu einer Beweisführung faſſen, die mit ſolchen Gewaltmitteln den Gegner zu be⸗ kämpfen ſucht. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. Friedrich v. Hellwald, Die menſchliche Familie nach ey Entſtehung und natürlichen Entwicke⸗ lung. Leipzig, Günther. 1888. 10 Lfrgn. a 1 M. Dieſes Werk, von dem uns nur die erſten fünf Lie⸗ ferungen vorliegen, breitet etwa dasſelbe Forſchungsmaterial, wie das vorgenannte, vor unſern Blicken aus, aber es überläßt das Endurteil dem Leſer und warnt uns ein⸗ dringlich vor den Gefahren der Begriffsverwechſelungen, an denen Starckes Kritik krankt. Mit ſeiner bekannten Umſicht und einem durchaus geſunden Urteil betont Hell⸗ wald, daß die Mißverſtändniſſe in dieſen Fragen meiſt daher entſpringen, weil wir fälſchlich von unſerem Stand⸗ punkte aus von Schamloſigkeit, Unkeuſchheit, Treubruch, Blutſchande und ähnlichen Dingen bei Völkern reden, bei denen doch die Begriffe der Schamhaftigkeit, ehelichen Treue, Blutsverwandtſchaft ꝛc. noch nicht in unſerm Sinne ent⸗ wickelt waren. Einen Zuſtand, welcher dem Inſtitut der Ehe vorausging, mit Lubbock als Gemeinſchaftsehe zu bezeichnen, oder gar mit Bachofen als Hetärismus zu brandmarken, ſei widerſinnig, denn vor der ehelichen Frau gab es auch keine Hetäre. Ueberhaupt ſei, was wir Liebe nennen, himmelweit verſchieden von dem, was den Wilden zum Weibe zieht, die Begriffe müſſen nur ſorgfältig aus⸗ einandergehalten werden, und dann zeige ſich, daß doch die Anſichten Lubbocks der mutmaßlichen Wahrheit näher kommen dürften, als die ſeiner Gegner. Wir ſtellen dieſe unbefangene Darſtellung entſchieden höher als die vorer⸗ wähnte und ſind auf die Fortſetzung begierig. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. Bibliographie. Bericht vom Monat November und Dezember 1888. Allgemeines. Frerichs, H., Zur modernen Naturbetrachtung. 4 1 Fiſcher. M. 2. 50. Hofer, J., Grundriß der Naturlehre für 1 1 16. und 14. Aufl. Wien, Gräſer. M. 1 Jahresbericht, 5., des Vereins für Naturwiſſenſchaft zu Braunſchweig lung das . hr 1886 bis 1887. Braunſchweig, Schulbuchhand⸗ ung Kießling, a 18 E. Pfalz, Wie muß der Naturgeſchichtsunterricht ſich geſtalten, wenn er der Ausbildung des ſittlichen Charakters dienen ſoll? Eine Methodik des d i EO nach reformator. Grundſätzen. Braunſchweig, Bruhn. M. Kriſt, J., Anfangsgründe der Naturlehre für die Unterklaſſen der Mittel⸗ tat, AUPE der Gymnaſien. 17. Aufl. Wien, Braumüller. M. Rothe, . Naturgeschichte für Bürgerſchulen. 1. u. 2. 0 13 Aufl. Wien, Pichlers Witwe & Sohn. M. 2. Schriften des Vereins zur Verbreitung natbrwiſſenſch fiche Kenntniſſe in Wien. 28. Bd. Vereinsjahr 1887/88. Populäre Vorträge aus allen Fächern der Naturwiſſenſchaft. 28. Cyklus. Wien, Brau⸗ müller. M. 8. Swoboda's Naturlehre für Bürgerſchulen. Gänzlich umgearbeitet von L. Mayer. 1.—3. Stufe. 9. 5. 6. Aufl. Wien, Hölder. M. 2. 22. Twiehauſen, O. Der naturgeſchichtliche Unterricht in ausgeführten Lek⸗ tionen. 2. Abteil. Mittelſtufe. Leipzig, Wunderlich. M. 2. 80. hyſtk. Bibliothek, internationale wiſſenſchaftliche. 59. Bd. Inhalt: Die Mecha⸗ nik in ihrer Entwickelung. Hiſtoriſch⸗ et dargeſtellt von E. Mad. 2. Aufl. Leipzig, Brockhaus. M. Daurer, F. S., Uebungsbuch zum S d der elementaren Mechanik. Wien, Hölder. M. 2. 40. Exner, F., u. J. Tuma, Studien zur chemiſchen Theorie des galvani⸗ ſchen Elementes. Leipzig, Freytag. M. —. 90. Exner, F., Vorleſungen über Elektricität. Wien, Deuticke. M. 14. Fennel, L., Ueber die Bewegung eines feſten Körpers in einer tropfbaren ah teen Kaſſel, Freyſchmidt. M. 2. Frankel, G., Die Wirkung der Cylinderlinſen, veranſchaulicht durch ſtereoſkopiſche 1 acieuanG des Strahlengangs. Wiesbaden, Berg⸗ mann. M. Frauenhofer's, 5. v., m e Herausgeg. von E. Lom⸗ mel. München, Franz. Frerichs, H., Die Hypotheſen“ der Phyſt. Ein Verſuch einer 50 e Darſtellung derſelben. 2. Aufl. Norden, Fiſcher. M. 2. 4 Ubholgn. 2. Aufl. 1. und 2. Stufe. 21. u. Füchtbauer, G., Einige Eigenſchaften der optiſchen Linſe in Bezug auf Centralſtrahlen. Nürnberg, Ballhorn. M. —. 90 Handl, A., Lehrbuch der Phyſik für die oberen Klaſſen der m. tele 4. Aufl. Ausgabe für Gymnaſien. Wien, Hölder. 2. 4 Hoppe, E., Die Accumulatoren für Elektricität. Berlin, Shree M. 6. Jaumann, G., Einfluß raſcher e k 20 agen, auf den Entladungs⸗ vorgang. Leipzig, Freitag. M. Lehmann, O., Molekularphyſik mit ae Berückſichtigung mikro⸗ ſkopiſcher Unterſuchungen und Anleitung zu ſolchen, ſowie ein Anhang über e Analyſe. 1. Bd. Leipzig, Engelmann. M. 22. Maier, J., u. W. H. Preece, Das 1 und deſſen praktiſche Ver⸗ wendung. Stuttgart, Enke. M. 9 May, O., u. A. sen Lehrbuch des Elektromagnetismus. Maier. 55 4. Netoliczka, bs Lehrbuch der appt und Chemie für Bürgerſchulen. 3 1 40., 26. u. 14. Wien, Pichlers Witwe. M. 2. 24. — Naturlehre für den eae in den e der Volksſchulen. 17. Aufl. Wien, Pichlers Witwe. M. —. Rauſenberger, O., Lehrbuch der analhiiſchen Mechanit. 2. Bd. Mecha⸗ nik der zuſammenhängenden Körper. Leipzig, Teubner. M. 8. Recknagel, G., Kompendium der Experimentalphyſik. 2. Aufl. Kaiſers⸗ lautern, Taſcher. M. 16. Sattler, A., Leitfaden der Phyſik und Chemie. von Bürger⸗ und höheren Töchterſchulen. Vieweg & Sohn. M. —. 80. Schulze, L. R., Das Buch der phyſikaliſchen Erſcheinungen. Guillemin für das Verſtändnis weiterer Kreiſe bearbeitet. gabe. Braunſchweig, Salle. M. 10. Stuttgart, Für die oberen Klaſſen 6. Aufl. Braunſchweig, Nach A. Neue Aus⸗ — Die vhyſikaliſchen Kräfte im Dienſte der Gewerbe, der Kunſt und der Wiſſenſchaft. Nach A. Guillemin für das Bedürfnis weiterer Kreiſe bearbeitet. 2. Aufl. Daſelbſt. M. 13. Siemens, W., Wiſſenſchaftliche und techniſche Arbeiten. 1. Bd. Wiſſen⸗ ſchaftliche Abhandlungen und Vorträge. 2. Aufl. Berlin, Springer. M 5. Sumpf, K., Grundriß der Phyſik. Hildesheim, Lar. M. 3. 20. Trooſt, B., Eine Lichtäther Hypotheſe zur Erklärung der Entſtehung der Naturkräfte, der Grundſtoffe, der Körper, des Bewußtſeins und der Geiſtesthätigkeit der Menſchen. 3. Ausgabe. Berlin, Siegismund. M. 2. 50. Wallentin, J. G., Lehrbuch der Phyſtk für die oberen Klaſſen der Mittel⸗ aly 0 verwandter Lehranſtalten. 5. Aufl. Wien, Pichlers itwe. moe Humboldt. — * 1889. 85 Chemie. Aus Juſtus Liebig's und Friedrich Wöhler's Briefwechſel in den Jahren 1829—1873. Unter Mitwirkung von Fräulein E. Wöhler heraus⸗ 2 von 85 W. Hofmann. 2 Bde. Braunſchweig, Vieweg & Sohn Bergengruen, P. Ueber die Wechſelwirkung zwiſchen Waſſerſtoffſuperoryd und verſchiedenen Protoplasmaformen. Dorpat, Karow. M. 1. Berichte der Deutſchen chemiſchen Geſellſchaft. Generalregiſter über die zweiten zehn Sabrainge (1878—1887). 2 Teile. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 4 Dragendorff, G. Die gerichtlich⸗chemiſche Ermittelung von Giften in Nahrungsmitteln, Luftgemiſchen, valet ae een zc. 3. Aufl. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. Fock, A., Einleitung in die chemiſche Rryfiallographie. mann. M. 3. Hagemann, G. A. Die chemiſche Schwingungshypotheſe und einige thermochemiſche Daten. Berlin, Friedländer & Sohn. M. —. 80. Kayſer, H., und C. Runge, Ueber die Spektren der Elemente. Berlin, Reimer. M. 6. 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Weyl, Th., Die Teerfarben, mit t Rückſicht auf Schädlichkeit und Geſetzgebung 55010 und forenſiſch⸗chemiſch unterſucht. 1. Lfg. Berlin, Hirſchwald. M. 2. 60. Astronomie. 1 J., Ueber die Biegung von Meridian-Fernrohren. München, 50. M. 1. : Organiſche Chemie. Fran Bredichin, Th., Sur la grande cométe de 1887 I. Avec note supplémentaire. Leipzig, Voß. M. —. 60. Emmerig, A., Unſer nächtlicher Sternenhimmel. 2. Aufl. Buchner. M. 2. Haerdtl, E. Frhr. v., Die Bahn des periodiſchen Kometen Winnecke in den Jahren 1858 —1886, nebſt eines neuen Beſtimmung der Jupiter⸗ maſſe. Leipzig, Freytag. M. . aſtronomiſcher, für 1889. Nach dem Muſter des K. v. Littrow⸗ Bamberg, ſchen Kalenders herausgeg. von der k. k. Sternwarte. Neue Folge. 8. Jahrg. Wien, Gerold's Sohn. M. 1. 60. Nießl, G. v Bahnbeſtimmung des Meteors vom 23. Oktober 1887. Leipzig, enfin. m. —. 60. Struve, H., Beobadtungen der Saturnstrabanten. 1. Abtlg. Beobach- tungen am 15zölligen Refraktor. Leipzig, Voß. M. 10. 60 Verteilung, die, der in beiden Bonner pg a enthaltenen Sterne am Himmel. München, Franz. M. 2. Geographie, ee Bahnſon, K., Ueber eihnographiſche Muſeen. Mit beſonderer Berück⸗ ſichtigung der Sammlungen in Deutſchland, Oeſterreich und Italien. Wien, Hölder. M. 4. Lüdeke, H., Beſchreibung und Erklärung des Globus für die Volksſchule. Einbeck, Ehler. M. 1. 30; mit Globus M. 2. 50. Mang, A., Zerlegbarer und verſtellbarer Reform⸗ „Globus als Grundlage eines anſchaulichen Unterrichts an der aſtronomiſchen Geographie. Weinheim, Ackermann. M. 1. Mitteilungen des 1 ie Eitunde zu Halle a. S. 1888. Tauſch & Groſſe. M. Petermann's, A., Puteilungen aus J. Perthes’ geographiſcher Anſtalt. r8g. von A. Supan. Ergänzungsheft. Inhalt: Wiſſenſchaftliche 1 von Dr. W. Junker's Reiſen in Centralafrika. I. Nr. 92. Gotha, Perthes. M. 4. Reſultate, wiſſenſchaftliche, der von N. M. Przewalski nach Central⸗ Aſien unternommenen Reiſen. Zoologiſcher Teil. 3. Bd. 2. Abtlg. Face Bearbeitet von 5 Herzenſtein. 1. Lfg. Petersburg, ggers & Co. Halle, M. 13. Ruge, ee Wohandiungen 9755 Vorträge zur Geſchichte der Erdkunde. dresden, Schönfeld. M. 5. Schmidt, A., Der tägliche Gang der erdmagnetiſchen Kraft in Wien und 0 in i Beziehung zum Fleckenzuſtand der Sonne. Leipzig, reytag —. 50. Wieser, F. R. v., Der verſchollene Globus des Johannes Schöner von 1523. Wieder aufgefunden u. kritiſch gewürdigt. Leipzig, Freytag. M. 1. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. N 1 1 8 von W. Dames und Kayſer. 4. Bd. eft. Inhalt: Zur foſſilen Flora Japans = A. G. Rather 17. — 4. Bd. 4. Heft. Inhalt: Ueber eine durch die Häufigkeit bippuritenartiger Chamiden ausgezeichnete Fauna der oberturonen Kreide von Texas. Von F. Roemer. Berlin, Reimer. M. 4. Danzig, E., Ueber die eruptive Natur gewiffer * ſowie des Gra⸗ nulits im ſächſiſchen Mittelgebirge. Kiel. M. 2 Dubbers, H., Der obere Jura auf dem Nordoſtflügel der Hilsmulde. Göttingen, Calvör. M. 1. 60. n A. geladen der Naturgeſchichte. In methodiſcher Bearbeitung. Heft. Mineralientunde. 7. Aufl. Halle, Anton. M. —. 20. Rater. F. „Spongienſchichten mittelböhmiſchen Devon (Hercyn). Leipzig, Freytag. M. —. Mitteilungen aus dem miu en 1157 der Univerſität Kiel. 3 von J. Lehmann. 1. Bd. 1. Heft. Riel, Lipſius & Tiſcher. M. 4. i Nies, F., Ueber das Verhalten der Silifate beim Uebergange aus dem agen in den feſten Aggregatzuſtand. Stuttgart, Schweizer⸗ ar Steinmann, G., Elemente der Paläontologie. Unter Mitwirkung von L. 0 1. Hälfte. Leipzig, Engelmann. M. 10. Szajnocha, L., Ueber foſſile Pflanzenreſte aus Cacheuta in der Argen⸗ tiniſchen Republik. Leipzig, Freytag. M. 1. Tietze, E., Die geognoſtiſchen Verhältniſſe der Gegend von Kratau,. Wien, Hölder. M. 15. Tſchermat, „Lehrbuch der Mineralogie. 3. Aufl. Wien, Hölder. M. 18. Meteorologie. Boehmer, G. H., Elettriſche e in den „Rocky Mountains*. Leipzig, Freytag. M. —. Dove, K., Das Klima des eee Südafrika mit Berückſichtigung der geographiſchen und wirtſchaftlichen Beziehungen, nach klimatiſchen Provinzen dargeſtellt. Vandenhoeck & Ruprecht. M. 4. 40. Falb's Kalender der kritiſchen Tage 1889. Mit Bezug auf Witterungs⸗ Erſcheinungen, Erdbeben und Schlagwetter in den Bergwerken. fer. . Gracklauer. M. 1. Fiſcher, H., Die Aequatorialgrenze des Schneefalls. Humblot. M. 3. Günther, S., Die Meteorologie, ihrem neueſten Standpunkte gemäß und mit beſonderer e geographiſcher Fragen dargeſtellt. München, Ackermann. M. 5. Botanik. Boissier, E., Flora orientalis sive enumeratio plantarum in Oriente a Graecia et Aegypto ad Indiae fines hucusque ob- servatarum. Supplementum editore R. Buser. Baſel. Georg. Wt. 11. 20. Bolus, H., Grundzüge der Flora von Südafrika. über die wichtigſten Nutzhölzer Südafrikas. Aus dem Engliſchen von O. Kerſten. Leipzig, Quandt & Händel. M. 1. 50. Brefeld, O., Unterſuchungen aus dem Geſamtgebiete der Mykologie. 8. Heft. Bajidiomyceten III. Autobaſidiomyceten und die Be- gründung des natürlichen Syſtems der Pilze. Leipzig, Felix. M. 38. Engler, A., und K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamflien nebſt ihren Gattungen und wichtigeren Arten insbeſondere den Nutzpflanzen. 23—24 Ljg. Leipzig, Engelmann. à M. 1. 50. Günther, H., Botanik. Zum Gebrauche in Schulen und auf Exkur⸗ ſionen. 1. Teil. 3 3. Aufl. Hannover, Helwing. M. 1. 60. Hueppe, F., Die Methoden der Bakterienforſchung. 4. Aufl. Wies⸗ baden, Kreidel. M. 10. 65. Kraus, G., Grundlinien zu einer Phyſiologie des Gerbſtoffes. M. 3. Pax, F., Monographiſche Ueberſicht über die Arten der Gattung Primula. Leipzig, Engelmann. M. 3. Leitfaden der Naturkunde für landwirtſchaftliche Schulen. belebte Natur. 2. Abteilung. Inhalt: niedere landwirtſchaftliche Schulen. Von A. Burgerſtein. Hölder. M. 1. 80. Moliſch, H., Zur Kenntnis der Thyllen, Wundheilung in der Pflanze. Leipzig, Dunder & Mit einem Anhang 2. Teil. Die Leitfaden der Botanik für Wien, nebſt Beobachtungen über Leipzig, Freytag. M. 1. Moeller, J., Lehrbuch der Pharmakognoſie. Wien, sites, M. 11. Sprockhoff s, A., Einzelbilder aus dem Pflanzenreiche 5. Aufl. Han⸗ nover, Mayer. M. —. 60 — Grundzüge der Bolanik. 12. Aufl. Daſelbſt. M. 3. — Schul⸗Naturgeſchichte. 3. Abteilung. Botanik. 3. Aufl. Daſelbſt. M. 1. 60. Strübing, O., Die Verteilung. 55 Spaltöffnungen bei den Koniferen. Königsberg. Koch. M. 1. 2 Minkiewicz, M., Beitrag zur Nell der in Urechites n enthaltenen wirkſamen Subſtanzen. Dorpat. Karow. M. 1. Wegner, A., Allgemeine Pflanzenkunde. Leitfaden für den Untereich an ete landwirtſchaftlichen Lehranſtalten. Norden, Soltau. M. —. ele M., Die wiſſenſchaftlichen Arbeiten des botanifden Inſti⸗ tuts der k. Univerſität zu Berlin in den erſten 10 Jahren ſeines Beſtehens. Berlin. M. 1. 40. Wettſtein, R. v., Ueber die Kompoſiten der öſterreichiſch⸗ungariſchen Flora mit zückerabſcheidenden Hüllſchuppen. Leipzig, Freytag. M. —. 40. Wünſche, O., Schulflora Deutſchlands. Die höheren Pflanzen. 5. Aufl. Leipzig, Teubner. M. 4. 8 Zoologie. Abhandlungen, allgemein⸗verſtändliche naturwiſſenſchaftliche. 3. Heft. Inhalt: Die Bedeutung der naturhiſtoriſchen, inſonderheit der zoo⸗ logiſchen Muſeen von K. Kraepelin. Berlin, Riemann. M. —. 50. Bertkau, Ph., Bericht über die wiſſenſchaftlichen Leiſtungen im Gebiet. der Entomologie während des Jahres 1887. Berlin, Nicolai. M. 14. Brandner, O., Der Harzer Kanarienvogel. 2. Teil. Zucht und Pflege. 3. Aufl. Stettin, Brandner. Mark 1. 50. Bungartz, J., Der Brieftaubenſport. Taſchenbuch für Brieftaubenzüchter und Liebhaber, enthält das Ganze des Brieſtaubenweſens. Unter Mitwirkung von W. Heß, J. Hoerter, E. v. Wolffersdorff ꝛc. hrsg. Leipzig, Leiner. M. 4. Daday de Deés, E., Crustacea cladocera faunae hungaricae. Budapeſt, Kilian. M. 5. Ebner, V. v., Urwirbel und Neugliederung der Wirbelſäule. Leipzig, Freytag. 1 —. 80. Fleischmann, Embryologiſche Unterſuchungen. 1. Heft. Unterſu⸗ chungen über einheimiſche Raubtiere. Wiesbaden, Kreidel. M. 21. Fürbringer, M., Unterſuchungen zur Morphologie und Syſtematik der Vögel, zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bee wegungsorgane. 2 Bde. M. 125; 2. Allgemeiner Teil. M. 75. 86 Humbolot. — Februar 1889. Fürbringer, M., Dasſelbe. Kap. VI. des engen Abſchnittes des allgemeinen Teiles. Jena, Fiſcher. M. 7 Goethe, H., Bericht über eine mit Unterſtützung 95 k. k. Ackerbaumini⸗ ſteriums zum Studium der Phylloxerafrage im Sommer 1888 unter⸗ nommene 1 durch Frankreich. Wien, Gerold & Co. M. 1. Handlirſch, A., Monographie der mit Nysson und Bimbex verwandten Grabweſpen. III. Leipzig, Freytag. M. 4. 40. Haſeloff, B., Ueber den Kryſtallſtiel der Muſcheln, nach Unterſuchungen per}giedener Arten der Kieler Bucht. Kiel, Lipſius & Tiſcher. M. 1. Hatſchet, B., Lehrbuch der Zoologie, eine morphologiſche Ueberſicht des Tierkeiches zur Guu in das Studium dieſer Wiſſenſchaft. 1. Ifg. Jena, Fiſcher. Heitzmann, C., Die deſteiptive und 91 00 pile Anatomie des Menſchen. 5. Aufl. Wien, Braumüller. M. 3 Henle's, J., Grundriß der Anatomie des Menschen. Herausg. von Fr. Merkel. 3. Aufl. Braunſchweig, 5 & Sohn. M. 20. Kadich, H. v., Die deutſchen Vorſtehhunde. ah Der ſtichelhaarige deutſche Vorſtehhund. Berlin, Baenſch. M. 5 Krementz, A., Der Bär. Ein Beitrag zur Rakurgeſchiche desſelben und zur Jagd auf Bärwild. Berlin, Baenſch. Krüdener, A. Baron v., Zur Naturgeſchichte des Birkwildes. Wien, Künaſt. M. 1. Lang, A., Ueber den Einfluß der feſtſitzenden Lebensweiſe auf die Tiere und über den Urſprung der Ungeſchlechtlichen Fortpflanzung durch Teilung und Knoſpung. C — Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Zum Gebrauche bei vergleichend anatomiſchen und zoologiſchen Vorleſüngen. 9. Aufl. von E. O. Schmidi's Handbuch der vergleichenden Anatomie. 1. Abtlg. Jena, Fiſcher. M. 5. Langhoffer, A. 1 95 ane 0 der Mundteile der Dipteren. Jena, Neuenhahn. Liebe, K. Th., Balle für Vögel im Winter. 4. Aufl. Gera, Hof- Allen Freunden ae gefiederten M mann. M. Notizkalender für Ornithologen 1889. Welt gewidmet von J. Falck. Kulmbach, Rehm. 5 Wag Ae Ueber Vererbung. Vortrag. Bonn, Cohen & Sohn. Raſſen, die, 585 Hundes. I. Die deutſche Dogge. Otto⸗ ⸗Kreckwitz. Stuttgart, Metzler. M. 1 Rieſenthal, O. v., Kennzeichen der Vögel sMittefeutopas. I. Die Kenn⸗ zeichen unſerer Raubvögel. 4. Aufl. Berlin, Mückenberger. M. 2. Ruge, G., Anleitung zu den Präparierübungen an der menſchlichen Leiche. 1. Teil. Leipzig, Engelmann. M. 4. — 2. Teil. Präparation der Blutgefäße und des STATS HAR M. 2. Ruhle, F. Bilder aus der Tierwelt für Schule und ue Säugetiere. Münſter, Aſchendorff. a Lief. M. Saussure, H. de, Additamenta ad 1280 50 0 d n insectorum ex ordine Orthopterorum. Baſel, Georg. M. 9. 60. Herausg. von E. v. Band I. Spannert, A., Die wiſſenſchaftlichen Benennungen der europäiſchen Grofhmetiertinge mit ſämtlichen anerkannten Varietäten und Aberra⸗ tionen zur Grundlage für einen jeden Liebhaber und Forſcher der Schmetterlinge. Deutſch erklärt. Berlin, Duncker. M. 6. Wiedersheim, R., Grundriß der vergleichenden Anatomie der Wirbel⸗ tiere. 2. Aufl. Jena, Fiſcher. M. 10. e H., Lehrbuch für den 1 1 200 in der Zoologie. 1. Kurſus. 4. Aufl. Berlin, Nicolai. M. 1. 2 Anthropologie. Bericht über die am 21. Juni 1888 vorgenommene Unterſuchung an den Gebeinen Ludwig van Beethowens gelegentlich der Uebertragung der⸗ ſelben aus dem Währinger 1 auf den Centralfriedhof der Stadt Wien. Wien, Hölder. M. —. Bericht über die am 22. September 1888 a panenoninene Unterjudung an den Gebeinen Franz Schuberts gelegentlich der Uebertragung der⸗ ſelben von dem Währinger Pree 0 auf den Centralfriedhof der Stadt ogi Wien, Hölder. 2 Büchner, L., Der Menſch und ſeine Stellung in Natur und Geſellſchaft, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Oder: Woher kommen wir? Wer ſind wir? Wohin gehen wir? 3. Auflage. Leipzig, Thomas. M. 6. Hpernes, M., Die Gräberfelder an der 11 4 von St. Michael bei Adelsberg in Krain. Wien, Hölder. M. 4 Vhyſtologie. Haſſe, C., Die Formen des menſchlichen Körpers und die Formänderungen bei der Sn 1. Abtlg. Jena, Fiſcher. M. 20. L., Lehrbuch der Phyſiologie. 9. Aufl. Berlin, Hirſch⸗ wald. M. 14. Knoll, Ph., Der Blutdruck in der Arteria pulmonalis bei Kaninchen und ſeine reſpiratoriſchen Schwankungen. Leipzig, Freytag. M. 1. 20. Meyer, A., Ueber die emboliſche Verſchleppung von Leberzellen durch die Biutbabn. Kiel, Lipſius & Tiſcher. M. —. 80. Rehfiſch, E., Sinneswahrnehmung und Sinnestäuſchung. Berlin, Fried & Co. M. 1. 50. Saß, A. v., Experimentelle Unterſuchungen über die Beziehung der moto⸗ riſchen Ganglienzellen der Medulla spinalis zu peripheren Nerven. Dorpat, Karow. M. 1. 50. Schwartz, H., Experimentelles zur Frage der Folgen der Schilddrüſen⸗ exſtirpation beim Hunde mit beſonderer Berückſichtigung der elektriſchen Erregbarkeit des Nervenſyſtems. Dorpat, Karow. M. 1. Steinitzer, M., Die menſchlichen und tieriſchen Gemütsbewegungen als Gegenſtand der Wiſſenſchaft. Ein Beitrag zur Geſchichte des neueren Geiſteslebens. München, Litterariſch⸗artiſt. Anſtalt. M. 5. Strohmer, F., Die Ernährung des Menſchen und 1 Nahrungs- und Genußmittel. 2. Aufl. Wien, Gräſer. 4. Aus der Praxis der LNaturwiſſenſchaft. Darſtellung der Künſtlichen organiſchen Farb- floffe II. — 4. Anilinblau. Wird Rosanilin in Gegen⸗ wart gewiſſer organiſcher Säuren bei einer Temperatur von ca. 180° mit Anilin behandelt, fo treten Phenyl⸗ gruppen in das Rosanilinmolekül ſubſtituierend ein, während die Amidogruppe des Anilins in Form von Ammoniak aus⸗ tritt. Je nach der Zahl der eintretenden Phenylgruppen ſind die entſtehenden Verbindungen violett oder rein blau gefärbt. Triphenylrosanilin entſteht nach der Gleichung: NHp.0,H.COH< Ge NE 4 30,H5.NH = 2 CH, NH. OH CoH NE CoH ACOH: 99m ö . e I 1656 6 Libre 147 U Ophiuchi 17 41" 9) II E 16" 15" 1 E 15> 2 In 174 37" 0 A el 1720 U Ophiuchi 30 31 Merkur wird in ſeiner am 13. erreichten größten weſtlichen Ausweichung am Morgenhimmel wegen zu Venus durcheilt das Sternbild des Widders und iſt um Während des ganzen Monats geht ſie kurz nach 10 Uhr unter. Mars wandert durch das Sternbild der Fiſche in das des Widders und geht den ganzen Monat eine Viertelſtunde Jupiter, noch im Sternbild des Schützen in rechtläufiger Bewegung, kommt am 27. in Quadratur mit der Sonne und geht anfangs um 3½ Uhr, zuletzt um 1¼ Uhr morgens auf. Am 24. mittags Saturn, rückläufig im Sternbild des Krebſes, iſt bei Beginn der Sein Untergang erfolgt anfangs noch bei Tagesanbruch, zuletzt um 4 Uhr des erſten Trabanten auf der Scheibe des Jupiters ſichtbar. Biographien und perſonalnotizen. Profeſſor der Anatomie nach Freiburg. Dr. Otto Draſch, Aſſiſtent am Phyſiologiſchen Inſtitut in Jena, wurde zum Profeſſor der Hiſtologie und Entwickelungsgeſchichte in Graz ernannt. Uranus, Für die neu gegründete Profeſſur der Hygiene in Halle iſt Regierungsrat Dr. Renk, Mitglied des Reichs— geſundheitsamtes, in Ausſicht genommen. niedergelegt, um nach Köln überzuſiedeln. Profeſſor Dr. Steiner in Heidelberg hat ſein Lehramt 124 Humboldt. — März 1889. Geh. Regierungsrat Dr. v Pettenkofer wurde von der Akademie der Medizin in Rom zum Ehrenmitglied ernannt. Karl von den Steinen, Forſchungsreiſender, wurde von der philoſophiſchen Fakultät in Halle zum Ehren⸗ doktor ernannt. Dr. Otto Stapf habilitierte ſich an der Univerſität Wien als Privatdozent für ſyſtematiſche Botanik. Dr. Thomas Bokorny habilitierte ſich an der Uni⸗ verſität Erlangen als Privatdozent für Botanik Dr. Heinrich Schenk aus Siegen habilitierte ſich in Bonn als Privatdozent für Botanik. Dr. Petruſchki wurde zum Aſſiſtenten an dem Inſtitut für mediziniſche Chemie und Hygiene in Göttingen ernannt. Dr. Aſper v. Nollishofen wurde zum Profeſſor der Zoologie an der Univerſität Zürich ernannt. Profeſſor Hermann v. Meyer, Direktor des Anatomi⸗ ſchen Inſtituts und Lehrer der Anatomie an der Univerſität in Zürich, legt Ende des Winterſemeſters ſein Amt nieder. Dr. R. Copeland iſt als Nachfolger von Piazzi Smyth zum Astronomer Royal of Scotland und zum Pro⸗ feſſor der praktiſchen Aſtronomie an der Univerſität Edinburg ernannt worden. Marion Greenwood erhielt vom Girton College die Gamble⸗Preismedaille für einen Aufſatz über den Ver⸗ dauungsprozeß einfacher Organismen (Amoeba, Acti- nosphaerium, Hydra). Dr. Emil Berger erhielt von der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften für ein Werk über die Anatomie des Auges einen Preis von 1500 Fr. Privatdozent Dr. Brock iſt als Nachfolger Roſenbergs zum ordentlichen Profeſſor der vergleichenden Ana⸗ tomie und Entwickelungsgeſchichte in Dorpat ernannt. Die Akademie der Wiſſenſchaften in Petersburg erwählte die Profeſſoren Dr. A. Kundt in Berlin und A. Engler in Breslau zu korreſpondierenden Mitgliedern. Totenliſte. Scott, John, Civilingenieur und Hemipterolog, ſtarb 30. Auguſt 1888 in Lee on the Solent. Timbal⸗Lagrave, einer der beſten Kenner der Flora von Languedoc und der Pyrenäen, lange Zeit Pro⸗ feſſor der Botanik an der Ecole de médecine et de pharmacie in Toulouſe, ſtarb im Septbr. 1888. v. Roſenberg, C. B. H, niederländiſch⸗oſtindiſcher Re⸗ gierungsbeamter i. P., welcher ſich um die Kenntnis des Malaiiſchen Archipels, wo er 1840 —71 thätig war, ſehr verdient gemacht hat, ſtarb, 72 Jahre alt, 15. November 1888, zu s'Gravenhage in Holland. Lahm, Gottlob, Domkapitular, bekannt durch verſchiedene botaniſche Arbeiten, ſtarb 30. Dezember 1888 in Münſter im 73. Lebensjahre. Pagenſtecher, Heinrich Alexander, ſeit 1882 Direktor des Zoologiſchen Muſeums in Hamburg, bedeutender Zoolog, geb. 18. März 1825 in Elberfeld, 1863 —78 Profeſſor der Zoologie in Heidelberg, ſtarb 4. Januar in Hamburg. Babington, Churchill, ſtaatlich beſtellter Examinator in der Theologie und in den Naturwiſſenſchaften in Cambridge, bekannt durch vielſeitige Thätigkeit in der Archäologie, Botanik, Numismatik und griechiſchen Philologie, ſtarb in Cambridge. Junghuhn, Franz, der einzige Sohn des Botanikers, der lange Jahre in Afrika und Aſien thätig geweſen war und 1864 als Direktor der holländiſchen China⸗ pflanzungen auf Java ſtarb, bekannt als Naturforſcher, ſtarb, kaum 30 Jahre alt, auf Sumatra. Golgory, Frank T., Forſchungsreiſender, welcher ſich um die Kenntnis des Innern von Auſtralien große Verdienſte erworben hat, auch einige Jahre General⸗ vermeſſer von Weſtauſtralien war, ſtarb auf ſeinen Beſitzungen in Queensland. Rubani, Pietro, Profeſſor, Virgiliana, iſt geſtorben. Verfaſſer der Flora Litterariſche Rundſch au. Richard Sepfins, Geologie von Deutſchland und den angrenzenden Gebieten. I. Band. Das weſtliche und ſüdliche Deutſchland. 1. Lieferung. Das niederrheiniſche Schiefergebirge. Stuttgart, Engelhorn. 1887. Preis 11,5 M. Mit dem vorliegenden Hefte beginnt als erſter Band der von der Centralkommiſſion für wiſſenſchaftliche Landes⸗ kunde von Deutſchland herausgegebenen „Handbücher zur deutſchen Landes- und Volkskunde“ ein umfangreiches, wichtiges Werk, welches ſich die Aufgabe ſtellt, die geolo⸗ giſchen Verhältniſſe der verſchiedenen Teile Deutſchlands in eingehender und dabei doch überſichtlicher Weiſe darzuſtellen und einem größeren Leſerkreiſe verſtändlich zu machen. Das erſte Heft behandelt das niederrheiniſche Schiefer⸗ gebirge. Der Geologe verſteht unter demſelben das faſt ausſchließlich von paläozoiſchen Schichten, insbeſondere Schiefergeſteinen, gebildete Hochland, welches ſich auf bei⸗ den Seiten des Rheinſtromes zwiſchen Mainz und Bonn ausbreitet und durch viele Thaleinſchnitte in mehrere Ge⸗ birgsteile zerlegt wird. Auf der rechten Seite des Rheins folgen als wichtigſte Glieder des Schiefergebirges von Süden nach Norden auf den Taunus der Weſterwald mit dem Siebengebirge, das Sauerland mit dem Kellerwald und der Haarſtrang, und dieſen entſprechen auf der linken Rheinſeite der Hunsrück mit dem ſüdlich angelagerten hügeligen Saar⸗Nahegebiet, die Eifel, das Hohe Venn und die Ardennen. Es genügt, auf die im Bereiche des niederrheiniſchen Schiefergebirges befindlichen ausgedehnten Steinkohlenab⸗ lagerungen (im Saarbecken, in Belgien und im Ruhrgebiet) und auf die reichen Erzlagerſtätten des Rheinlandes, Weſt⸗ falens, Naſſaus und Belgiens, ſowie auf die große Bedeu⸗ tung der auf dieſe Vorkommen gegründeten Induſtrie hinzuweiſen, um darzuthun, wie wichtig gerade für dieſes Gebiet eine klare Erkenntnis des geologiſchen Baues iſt. Gewiß hat der Verfaſſer mit Rückſicht hierauf der Be⸗ ſchreibung der verſchiedenen, an dem Aufbau des nieder⸗ rheiniſchen Gebirges beteiligten Schichtenſyſteme zahlreiche, mit großem Geſchick ausgewählte Profile eingefügt. Dieſe und eine ſehr gut ausgeführte geologiſche Ueberſichtskarte im Maßſtab 1: 1850000 find vorzüglich geeignet, ein anſchauliches Bild von dem Bau des niederrheiniſchen Ge⸗ birges zu geben. Denjenigen, welche fic) über gewiſſe Ablagerungen oder den Gebirgsbau im einzelnen noch ein⸗ gehender unterrichten wollen, werden die in Fußnoten beigefügten Litteraturnachweiſe ſehr willkommen ſein. Aus ihrer ſtattlichen Zahl kann man einigermaßen ein Urteil über die Bedeutung des vorliegenden Werkes gewinnen, in welchem zum erſtenmal die Reſultate der in ſo vielen Zeit⸗ ſchriften zerſtreuten Abhandlungen über dieſes Gebiet zu einem klaren, überſichtlichen Geſamtbild vereinigt ſind. Was die Anordnung des Stoffes anlangt, ſo folgt auf eine orographiſche Ueberſicht eine genaue Beſchreibung derjenigen Schichtenſyſteme, welche an dem Aufbau des Gebietes Anteil nehmen. Zuerſt werden die den Unter⸗ grund des devoniſchen Syſtems bildenden archäiſchen und ſiluriſchen Schichten, dann, ihrer Verbreitung und Bedeu⸗ tung entſprechend, in ſehr eingehender Weiſe die für das Schiefergebirge wichtigſten Schichtenſyſteme, die des Devons und des Carbons, und in etwas knapperer Form die Schichten des Perms, der Trias, des Jura, der Kreide, des Tertiärs ſowie der quartären Bildungen behandelt. Eine Beſprechung der bekannten Thermalquellen und der beobachteten Erdbeben, Bergſtürze und Meteorſteinfälle bildet den Schluß des Heftes. Straßburg. Profeſſor Dr. Bücking. Humboldt. — März 1889. 125 J. Walther, Die Korallenriffe der Sinaihalbinſel. Geologiſche und biologiſche Unterſuchungen. Leipzig, S. Hirzel. 1888. Preis 6 M. Die von Herrn Dr. Walther, Dozenten an der Uni- verſität Jena, nach dem peträiſchen Arabien unternom— mene Reiſe war mit Unterſtützung der königl. ſächſiſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften ausgeführt worden, und eben dieſer iſt auch die Herausgabe des vorliegenden, überaus reich ausgeſtatteten Werkchens zu danken. Der Verfaſſer hat die in den nördlichen Ausläufern des Roten Meeres zahlreich zu findenden Riffe unterſucht und gezeigt, daß man zum Verſtändniſſe ihrer phyſiographiſchen Cigen- ſchaften mit den ſchematiſchen Anſchauungen der Lehrbücher nicht ausreicht, daß vielmehr jedes Riff in ſeiner Sonder- art individuell ſtudiert ſein will. In der fraglichen Ge— gend ſind ſtets zu unterſcheiden das „lebende Riff“ als Küſtenſaum, das als Hindernis der Schiffahrt gefürchtete, dem Küſtenverlaufe ſich nicht anſchmiegende „pelagiſche Riff“ und die beiden „foſſilen Riffe“, ein jüngeres, das nur etwa 10 m, ein älteres, das bis zu 90 m über den Meeresſpiegel hinausragt. Man muß nun in jedem Ein— zelfalle prüfen, welche Mächtigkeit der Korallenbau beſitzt, welches ſein Untergrund iſt, welche Rolle das „detritogene“ Füllmaterial zu ſpielen hat, wie ſich die Riffſedimente bei der Entblößung von Waſſer geändert, welche morphologiſche Geſchicke überhaupt das Riff im Verlaufe der geologiſchen Geſchichte betroffen haben. Eingehende Unterſuchung führte nun den Autor zu den folgenden bemerkenswerten Ergeb— niſſen. Die lebenden Riffe im nördlichen Roten Meere ſind gar nicht mächtig, fie find nichts als „dünne Kruſten auf ſubmarinen Felſenzügen“, denn den Bauten fehlt jenes Dickenwachstum, welches nach Ch. Darwin die auf ſinken⸗ dem Meeresgrunde ſtehenden Atolle des Stillen Meeres charakteriſiert, ihnen eignet ausſchließlich ein laterales Flächenwachstum, wie es bei negativer Strandverſchiebung auch natürlich iſt. Man erſieht hieraus wieder, wie fehler— haft es iſt, an einer einſeitigen Theorie der Koralleninſeln feſtzuhalten, wovon noch unlängſt von Lendenfeld in der „Naturwiſſenſchaftlichen Rundſchau“ (1888, S. 519 ff.) ein Beiſpiel gegeben hat. Freilich braucht Darwins Lehre, die übrigens weit mehr „nach der Lampe riecht“ als ſeine übrigen unſterblichen Arbeiten, nicht immer unrichtig zu ſein, noch weiter jedoch iſt ſie davon entfernt, allenthalben die Erſcheinungen genügend zu erklären. Die ſinaitiſchen Riffe ſitzen durchweg auf Schichtenköpfen feſter Sediment⸗ geſteine, vor brüchigem plutoniſchem Tuffe machen ſie Halt. Lithophyllum iſt ein weſentlicher Faktor der Riffarchitek— tonik, und die alles zerkleinernden Krebſe ſorgen in ihrer Weiſe auch für Ausfüllung des weitmaſchigen Netzes. Was die Umwandlung lebender Stockkomplexe in den foſſilen Zuſtand anlangt, ſo iſt zwar an eine chroniſche Metamor— phoſe, jedoch unterbrochen durch manche akute Prozeſſe, zu denken. Ueber biologiſche Phänomene, über die Fort⸗ pflanzung und Ernährung der Korallentierchen, über den regelmäßigen Wechſel von Madreporen und Stylopho— ren u. ſ. w. wird uns des intereſſanten mancherlei mit⸗ geteilt, wodurch die Erfahrungen von Semper und Klun⸗ zinger da und dort beſtätigt oder modifiziert werden. Auch an ſelbſtändigen geophyſikaliſchen Wahrnehmungen iſt kein Mangel. Wir erhalten einen ſehr überzeugenden Nachweis dafür, daß da, wo Afrika und Aſien ineinander übergehen, nicht etwa das Land ſich hebt, ſondern das Meer zurückweicht — eine wertvolle Stütze für E. Sueß' Syſtem — wir hören, daß die Halbinſel ehedem auch eine Decke paläo- und meſozoiſcher Schichten trug, die ihr durch tektoniſche Ereigniſſe und allmähliche Denudation verloren ging, wir bekommen neue Mitteilungen über die als „Strandwall“ und „Flutwall“ zu unterſcheidenden Ufer⸗ ſäume. Sehr belehrend aber iſt hauptſächlich ein Beitrag zur Theorie der Eroſion: die Entſtehung des maſſenhaft nach Art von Schnee über das anſtehende Geſtein der Berghänge ſich lagernden Sandes iſt weſentlich durch den Umſtand bedingt, daß die Inſolation verſchieden gefärbte Felsarten auch verſchieden ſtark mitnimmt. Die geognoſtiſchen Profile und die zum Teil ſchön aquarellierten Zeichnungen der „parkartigen“ Korallen— wohnſtätten bilden eine dankenswerte Beigabe unſerer Schrift, die wir den Freunden der phyſikaliſchen Erdkunde hiermit angelegentlich empfohlen haben wollen. — Auf S. 4 wird als der Gelehrte, welcher zuerſt von den Korallen im Roten Meere berichtete, Monconny genannt; ſollte nicht vielmehr der berühmte Reiſende Monconys gemeint ſein, deſſen Reiſebriefe bereits von uns im „Humboldt“ beſprochen worden ſind und die ſich allerdings auch über Aegypten und die angrenzenden Länder verbreiten? München. Profeſſor Dr. S. Günther. E. Loew, Pflanzenkunde für den Unterricht an höheren Lehranſtalten. 1. u. 2. Teil. Breslau, Ferdinand Hirt. 1888. Preis 3,8 M. Das vorliegende Werk iſt nach Maßgabe der vom preußiſchen Unterrichtsminiſterium 1882 aufgeſtellten Grundſätze verfaßt und zerfällt in fünf Kurſe, welche eben ſo vielen Klaſſenſtufen entſprechen. Zur Erweiterung dienen Beſtimmungstabellen und Abſchnitte aus der Pflan- zenanatomie und Phyſiologie. Der erſte Kurſus enthält Einzelbeſchreibungen typiſcher Formen, der zweite Ver— gleichungen, im dritten beginnt die Betrachtung wichtiger Familien der Dikotylen, welche ſich im vierten auf die Monokotylen, im fünften auf Gymnoſpermen und Sporen- pflanzen, ſowie auf das Notwendigſte über den inneren Bau der Pflanzen und die Lebenserſcheinungen ausdehnt. Beſonderer Nachdruck iſt auf den Zuſammenhang zwiſchen Form und Funktion und auf die Biologie gelegt, die died- bezüglichen Erläuterungen laufen neben den Einzelbeſchrei— bungen her, die Hauptbegriffe ſind am Schluſſe zuſammen⸗ geſtellt. Beſtimmungstabellen der Gattungen nach dem Linnéſchen, eine Ueberſicht des natürlichen Syſtems finden ſich im zweiten und fünften Kurſus. Der Text iſt durch viele, gut ausgewählte, inſtruktive Figuren verdeutlicht. Wir haben eine wohl disponierte Arbeit vor uns, welche notwendiges Material der reinen Botanik nach gegen— wärtigem Stande mit ſachkundiger Hand auswählt, grup- piert, überall anſchaulich und klar darſtellt und welcher eine große Sorgfalt nachzurühmen iſt. Es iſt nicht daran zu zweifeln, daß ſich das Werk in vielen Lehranſtalten einbürgern und Anerkennung erwerben wird, denn es iſt in der That ein ſicherer, wohlunterrichteter Führer. Ueber die Auswahl des Stoffes ſelbſt, d. h. dasjenige, was der Verfaſſer als das Notwendigſte betrachtet, ebenſo über die Anordnung läßt ſich freilich rechten. Unzweifel— haft müſſen ja die Grundlinien der reinen wiſſenſchaft— lichen Botanik, die ſo recht formal bildenden Elemente die Hauptſache bilden, aber das hindert nicht, daß der Schüler auch bekannt werde mit der Rolle, welche einzelne Pflanzen (3. B. die Kulturpflanzen und Giftpflanzen) für den menſchlichen Haushalt ſpielen. Verfaſſer hat hierauf keine Rückſicht genommen — ſeine ins praktiſche Leben übertretenden Schüler behalten hier eine Lücke. Warum die Monokotylen erſt im vierten Kurſus, die Gymnoſpermen erſt im fünften Kurſus hinter den Sporenpflanzen und nur gelegentlich der Beſprechung der Hauptgruppen der Blütenpflanzen auftreten, warum die geographiſche Ver— teilung im dritten Kurſus gerade hinter dem Heidekraut eingeſchoben, warum nicht mindeſtens im fünften Kurſus Beobachtungsmaterial gegeben und mikroſkopiſche Beobach— tung angebahnt wird — auf dieſe und andere Fragen empfange ich keine Antwort. Ich glaube, hier wird eine Ergänzung durch den mündlichen Unterricht eintreten müſſen. Berlin. Dr. Bwick. Exotiſche Tagfalter, in ſyſtematiſcher Reihenfolge und mit Berückſichtigung neuer Arten, von Dr. O. Staudinger, unter techniſcher Mitwirkung von Dr. H. Langhans. Fürth, Verlag von S. Löwen⸗ ſohn. 1888. Preis 112,5 M. Mit dem Erſcheinen der 21. Lieferung hat vor kurzem ein vor mehr als 4 Jahren begonnenes Werk ſeinen Ab⸗ ſchluß erreicht, welches dazu beſtimmt iſt, den zahlreichen 126 Liebhabern dieſer farbenprächtigſten von allen Tierfamilien eine Ueberſicht inſofern zu bieten, daß möglichſt von allen Gattungen wenigſtens ein Vertreter, von den anſehn⸗ licheren und artenreicheren Gattungen aber häufig ſehr viele im Bilde vorgeführt werden. Der vollſtändige Mangel eines derartigen Werkes nicht nur in der deutſchen, ſon⸗ dern auch in der ausländiſchen Litteratur bewog den Ver⸗ faſſer, Dr. Otto Staudinger in Dresden, der als einer der genaueſten Kenner und Bearbeiter der einheimiſchen, wie der ausländiſchen Schmetterlingswelt einen weit über die Grenzen Deutſchlands hinausgehenden Ruf beſitzt, dieſe ihm vielleicht nicht völlig ſympathiſche Arbeit zu über⸗ nehmen und ſeine unvergleichlich reichhaltige Sammlung für die Abbildungen zur Verfügung zu ſtellen. Der Text gibt nicht nur über Vorkommen, Verwandtſchaften, Eigentümlichkeiten u. ſ. w. der abgebildeten, ſondern auch vieler anderer naheſtehender Arten Auskunft, fo daß darin nicht weniger als 3000 Arten beſprochen werden, unter denen ſich 375 neuaufgeſtellte Arten und Lokalformen be⸗ finden. Letzterer Umſtand und der fernere, daß manche Gattungen, wie z. B. die an prachtvollen und ſeltenen Arten beſonders reiche ſüdamerikaniſche Gattung Agrias eine vollſtändige monographiſche Behandlung erfuhren, macht das Werk auch für Spezialiſten höchſt wertvoll. Ausgeſchloſſen wurden nur die Schmetterlinge der palä⸗ und neoarktiſchen Fauna, die mehr oder weniger zu euro⸗ päiſchen Gattungen gehören oder denſelben naheſtehen, weil orientierende Werke über die letzteren in hinreichender Zahl vorhanden ſind. Die Abbildungen wurden auf Humboldt. — März 1889. photographiſchem Wege auf die Steinplatten übertragen und dann unter ſorgſamer Aufſicht des Dr. Langhans in Fürth mit der Hand koloriert, fo daß das Geäder und andere für die Syſtematik wichtige Kennzeichen mit photographiſcher Treue wiedergegeben find. Die Farben— gebung iſt nicht, wie in ſo vielen derartigen Werken, durch Anwendung beſonders leuchtender Farben und durchgängige Gummierung übertrieben, ſondern eher etwas zurückhaltend, um den Geſamtcharakter treu feſtzuhalten; gleichwohl iſt es eine Augenweide, dieſen Schmuck der warmen Länder zu durchmuſtern. Es ſind im ganzen nicht weniger als 1245 Arten und darunter zahlreiche in beiden, von einander in Farbenpracht und Zeichnung oft ſo verſchiedenen Ge— ſchlechtern abgebildet worden, und zwar ſtets ſo, daß die eine Hälfte den Anblick der Oberſeite, die andere den der Unterſeite der Flügel wiedergibt. Eine Karte zeigt die geographiſche Verteilung der Gruppen und beſondere Ver— zeichniſſe der neu beſchriebenen Arten, der Autoren und geographiſchen Namen, ſowie ein vollſtändiges, die Gattungs⸗ wie die Artnamen alphabetiſch aufführendes Regiſter er⸗ höhen die Bequemlichkeit des Gebrauches ungemein, ſo daß ſich der Geſamteindruck dahin zuſammenfaſſen läßt: es iſt dem Zuſammenwirken von Dr. Staudinger, Dr. Langhans und dem Verleger gelungen, für einen verhältnismäßig niedrigen Preis ein ebenſo ſchönes wie verdienſtliches Werk zu ſtande zu bringen. Es bliebe zu wünſchen, daß auch den ausländiſchen Abend- und Nachtfaltern eine ähnliche Darſtellung zu teil würde. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. Bibliographie. Bericht vom Monat Januar 1889. Allgemeines. Du Bois⸗Reymond, E., 1 v. Chamiſſo als Naturforſcher. Rede. Leipzig, Veit & Co. M. 1. 20. Graßmann, F. L., Die Schöpfungslehre des 0 Auguſtinus und Darwins. Regensburg, Verlagsanſtalt. Löhle, M., Der Naturgeſchichtsunterricht an Woltsſchulen und Unter⸗ ir von Bürger⸗ und Mittelſchulen. 2. Aufl. Gera, Hofmann. 50. Mitteilungen aus dem naturwiſſenſchaftlichen Verein für Neu⸗Vor⸗ pommern und Rügen in Greifswald. Red. v. E. Schmitz. 20. Jahrg. 1888. Berlin, Gärtner. M. 6. Wohlwill, E., Joachim Jungius. Beliveve zur Feier ſeines 300jährigen Geburtstages. Hamburg, Voß. M. 2. Phyſik. Cloeren, H., Gleichgewichtsbedingungen eines zwiſchen zwei feſten Punkten gefpanniten Posphorbronzedrahtes Braunſchweig, Schwetſchke & Sohn. Fuchs. Ueber das Verhalten einiger Sale un Boyleſchen Geſetze bei 11210 Drucken. Tübingen, Fues. Mach, E., Ueber die SARL Rana ind t pee 04 5 ſcharfe Schüſſe erregten Schalles. Leipzig, Freytag. M cunt K., Anfangsgründe der Phyſik. 3. Aufl. Hildesheim, Lax. 1. 50. Chemie. Bonz, A., Ueber die Bildung von Amid aus Eſter und Ammoniak und die Umkehrung dieſer Reaktion. Tübingen, Fues. Burchard, O., Ueber die Oxydation des Jorwaſſerſoffes 10 die Sauer⸗ ſtoffſäuren der Salzbilder. Tübingen, Fues. M. Dörken, C., Ueber Derivate des Dinbenylsvoephorgiovins 1015 des Di⸗ phenylphosphins. Tübingen, Fues. M. 1 Geller, W., Zur Kenntnis des Piperidins 100 des tertiären Phenylpipe⸗ ridins. Tübingen, Fues. M. —. 80. ee Aine Spektralanalyſe des Kadmiums. Leipzig, M. Sonat P., Geſammelte chemiſche Forſchungen. 1. Bd. Dorpat, Kaſow. M. 2. Seis Freytag. Göttingen. milter G. Ueber Condurangin. Marquardt, A., Ueber e des Wismuts mit den Alkohol⸗ radikalen. Tübingen, Fues. M. Mente, A., Ueber einige eile Amide. Tübingen, Fues. M. — 80. Middendorff, M. v., Beſtimmungen des Hämoglobingehaltes im Blut der zu⸗ und abführenden Gefäſſe der Leber und der Milz. Dorpat, Kaſow. M. Pecht, Th., Hieuadungen über 5 Verhalten der Fette zu Zuckerſolu⸗ tionen. Dorpat, Kaſow. M. ene M., 1 die Abſorption Goh Waſſerſtoff durch Metalle. Dorpat, aiſer. 8 Aſtronomie. Beobachtungsergebniſſe der königl. Sternwarte zu Berlin. 3. u. 4. Hft. Berlin, Dümmler. M. 7. Inhalt: 3. Neue Methode zur Veftim= mung der Aberrationsconſtante nebſt Unterſuchungen über die Ver⸗ änderlichkeit der Polhöhe von F. Küſtner. M. 3. — 4. Ableitung der Rektaſcenſionen der Sterne des Fundamentalkatalogs der aſtrono⸗ miſchen Geſellſchaft aus den von H. Romberg in den Jahren 1869 bis 1873 am größeren Meridianinſtrumente der A1 Sternwarte angeſtellten Beobachtungen von A. Marcuſe. M. Bra 0 Ch., Sur I'origine des étoiles N Leipzig, Voß. 2 Plaßmann, J., Die veränderlichen Sterne. Darſtellung der wichtigſten Beobachtüngsergebniſſe und Erklärungsverſuche. (3. 1 80. der Görresgeſellſchaft für 1888.) Köln, Bachem. M. 1 Seeliger, H., Fortgeſetzte Unterſuchungen über das a Sternen⸗ ſyſtem ¢ Cancri. München, Franz. M. 2. 80. Zeit⸗ und Streitfragen, deutſche. Herausgeg. von v. 4 euee alt Neue Folge. Hamburg, Verlagsanſtalt. Inhalt: ue Nullmeri⸗ dian und Weltzeit. Von C. Hammer. M. 1. 60. Geographie, Ethnographie. Neue Folge. Andree, R., Ethnographiſche 15 8b und Vergleiche. Leipzig, Veit & Co. M. Finſch, O., Ethnologiſche Wiser und Belegſtücke aus der Südſee. Abilg.: Neu⸗Guinea. Wien, Hölder. M. 14. 0 5 zur deutſchen Landes⸗ und Volkskunde, hrsg. v. A. Kirch⸗ hoff. 3. Bd. 4. Heft. Stuttgart, Engelhorn. M. 7. 50. Inhalt: Die Kuriſche Nehrung und ihre Bewohner von A. Bezzen berger. Hammer, E., Ueber die geographiſch wichtigſten Kartenprojektionen, ins⸗ beſondere die zenitalen Entwürfe, nebſt Tafeln zur Verwandlung von geographiſchen Koordinaten in azimutale. Stuttgart, Metzler. M. 5. Neumayer, G., Linien gleicher magnetiſcher Variation (Deklination), gleicher magnetiſcher Inklination und gleicher magnetiſcher Horizontal⸗ intenſität nach Gaußſchen Grundſätzen 1885.0. Herausgeg. von der Deutſchen Seewarte. Hamburg, Friederichſen & Co. M. 3. Polarforſchung, die internationale, 1882—1883. Beobachtungsergebniſſe es norwegiſchen Polarſtation Boſſekop in Alten. Herausgeg. von S. Steen. 2. Teil: Erdmagnetismus, Nordlicht. Chriſtiania, Aſcehong & Co. M. 36. Schadenberg, A., Weh ee von Nord⸗Luzon (Philippinen). Wien, Hölder. M. Veröffentlichung des tönigl e geodätiſchen Inſtituts. Aſtronomiſch⸗ geodätiſche Arbeiten I. Ordnung. Telegraphiſche Längenbeſtimmungen im Jahre 1887. Beſtimmung der Polhöhe und des Azimutes auf den Stationen Rauenberg und Kiel in den Jahren 1886 und 1887. Berlin, Stankiewicz. M. 15. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. Whale zur geologiſchen Specialkarte v. Elſaß⸗Lothringen. 4. Bd. 5. Heft. Inhalt: Die Korallen des Doggers von Elſaß⸗Lothringen, von G. Meyer. Straßburg, Straßburger Druckerei. M. 4. Diener, C., 1 0 Studien im ſüdweſtlichen Graubünden. Leipzig, Freytag. M. 2. Liznar, J., Die che nee Periode des Nordlichtes. Leipzig, Freytag. M. —. Humboldt. — März 1889. 127 Pohlig, H., Dentition und Kranologie des Elephas antiquus Fale. mit Beiträgen über Elephas primigenius Blum. und Hleghas meridionalis Necti. I. Abſchnitt. Leipzig, Engelmann. M. Roſenbuſch, H., Hilfstabellen zur mikroſkopiſchen Mineralbeſtimmung it Geſteinen. Stuttgart, Schweizerbart. M. 2. Meteorologie. Anleitung zur Beobachtung und Meldung der Gewittererſcheinungen. Herausgeg. vom königl. preuß. meteorol. Inſtitut. Berlin, Aſcher & Co. M. —. 60. Inſtruktion für die Beobachter an den meteorologiſchen Stationen II., III. und IV. Ordnung. Herausgeg. vom königl. preuß. meteorolog. Inſtitut. Berlin, Aſcher & Co. 2. 50. Kießling, I., Unterſuchungen über Dämmerungserſcheinungen zur Er⸗ klärung der nach dem Krakatauausbruch beobachteten atmoſphäriſch⸗ optiſchen Störung. Hamburg, Voß. M. 36. Botanik. Abhandlungen, allgemein-verſtändliche naturwiſſenſchaftliche. 4. Heft. Inhalt: Anleitung zu n Beobachtungen v. E. Loew. Berlin, e M. — Baumgarten. . „Lehrbuch 123 8 00 Mykologie. Braunſchweig, Vruhn. M. Bibliotheea botanica, Abhandlungen 118 n Geſamtgebiete der Bo— tanik. Herausgeg, von O. Uhlworm und F. H. Haenlein. 12. Hft. Inhalt: Die Gattung Tubicaulis Cotta. Bearb. v. G. Stenzel. N Fiſcher. M. 20. Engler, A., und K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien nebſt ihren Gattungen und wichtigeren Arten, e den Nubpflangen. 25. 26. Lfg. Leipzig, Engelmann. a M. 1. Hanſen, A., Syſtematiſche Charakteriſtik der mebiuiiſch wichtigen Pflan⸗ zenfamilien, nebſt Angabe der Abſtammung der wichtigeren Arznei⸗ ſtoffe des Pflanzenreichs. Neu bearb. Würzburg, Stahel. M. 1. a J., Bakteriologiſch⸗ ee ee einiger Spaltpilzarten. ern, Huber & Co. Sachs, J., Erfahrungen uber die rebel chlorotiſcher Gartenpflanzen. Leipzig, Engelmann. M. — Zopf, W., Zur Kenntnis der Gupettionsteantheiten niederer Tiere und Pflanzen. Leipzig, Engelmann. M. 9. Zoologie. Altum, B., e neger durch Tiere und Gegenmittel. Berlin, Springer. M. Alzheimer, A., Ueber die Ohrenſchmalzdrüſen. Würzburg, Stahel. M. 2. Braune, W., Das Venenſyſtem des menſchlichen Körpers. 2. Lfg. Die Venen des Fußes und Unterſchenkels. Leipzig, Veit. M. 30. 2. Abtlg. Claus, C., Bemerkungen über marine Ojtrafoden aus den Familien der Cypriniden und Holocypriniden. Wien, Hölder. — Ueber den Organismus der Nebaliden und die ſyſtematiſche Stellung der Leptoſtraken. Daſ. M. 32. Eckſtein, K., Repetitorium der Zoologie. Leipzig, Engelmann. M. 6. Grobben, 6, E., Zur Morphologie des Petropodenkörpers. Wien, Hölder. Jahresbericht, zoologiſcher, für 1887. Herausgeg. von der zoologiſchen Station zu Neapel. Red. von P. Mayer. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 24. Leydig, F., Pigmente der Hautdecke und der Iris. Würzburg, Stahel. M. 1. — Triton helveticus und Rana oem. Beitrag zur Kenntnis der Tierwelt Frankens. Daſ. M. —. Neumayr, M., Die Stämme des Tierreich Leipzig, Freytag. M. 20. u tener A., Beiträge zur Lepidopterenfauna des Malaiiſchen Archi— pels. (V.) Verzeichnis der Schmetterlinge von Amboina nebſt Be- ſchreibung neuer Arten. Wiesbaden, Bergmann. M. 3. 60. Roſenberg, E., Eine vergleichende Beurteilung der verſchiedenen Richtun⸗ gen in der Anatomie des Menſchen. Leipzig, Engelmann. M. —. 80. Se 125 Ueber Entwickelung der Unioniden. Leipzig, Freytag. Wendel, 1 5 wer angeborne Pigmentierung der vorderen Linſenkapſel als Ueberreſt der fötalen Pupillarmembran. Tübingen, Moſer. M. —. 80. 1. Bd. Wirbelloſe Tiere. Phyſtologie. Arnold, J., Ueber den Kampf des menſchlichen Körpers mit Bakterien. Heidelberg, Winter. M. 2. Krafft⸗Ebing, R. . Eine experimentelle Studie auf dem Gebiete des 2 Hypnotismus. 2. Aufl. Stuttgart, Enke. Mantegazza, P., D is Hygieine der Liebe. Aus dem Italieniſchen. Jena, Coſtenoble. Schwendter, J., Die Beeinſtuſſung der Blutkoncentration durch den Flüſſig⸗ keitsgehalt der Koſt. Bern, Huber. M. 1. 70 Zuntz, N., und C. Lehmann, Unterjudungen über den Stoffwechſel des Pferdes bei Ruhe und Arbeit, unter Mitwirkung von O. Hagemann. Berlin, Parey. M. 4. Anthropologie. Mies, Abbildungen von ſechs Schädeln mit erklärendem Text (Deutſch und Volapük), um die Hauptgruppen der Längenbreiten- und Längen⸗ höhen⸗Indices gemäß der internationalen Frankfurter Verſtändigung zu veranſchaulichen. Auf 3 Tafeln. München, Lindauer. Ausg. A. M. 10. Ausg. B. M. 6. Vogel, K. H., Anthropologie und Geſundheitslehre für Lehrer und zum Selbſtunterricht. Spandau, Hopf. M. 6. Aus der Praxis der Katurwiſſenſchaft. Darſtellung der Künſtlichen organiſchen Jarb⸗ ftoffe III. — 7. Aurin. Wie bereits oben erwähnt, find nicht nur die Amido-, ſondern auch die Hydroxylderivate des Triphenylcarbinols Farbſtoffe. Zu der letzteren Körper— klaſſe gehört das Aurin, welches als Anhydrid eines un— bekannten Trioxytriphenylcarbinols zu betrachten iſt. C6H OH HOCSHA COH < 05 HOH. Das Aurin bildet mit Alkalien prächtig rot gefärbte, in Waſſer lösliche Salze. Darſtellung: Man erhitzt 6 Teile Phenol mit 3 Teilen Schwefelſäure und 4 Teilen entwäſſerter Oxalſäure ſo lange auf 120—130°, bis der Kolbeninhalt in eine beim Er⸗ kalten zähe Maſſe übergeht, und die Gasentwicklung ſchwächer wird (etwa 24 St.). Die Maſſe wird dann in Waſſer gegoſſen und wiederholt mit Waſſer ausgekocht. Das ſo gewonnene Produkt, welches ſich mit roter Farbe in Alkalien löſt, beſteht nur zum Teil aus reinem Aurin. Wir übergehen die etwas umſtändliche Reindarſtellung und erwähnen noch, daß die Bildung des Aurins in der Weiſe erfolgt, daß die Oxalſäure unter dem Einfluß der Schwefel⸗ ſäure in Ameiſenſäure und Kohlenſäure zerlegt wird, C2204 = CH202 + CO, und die letztere mit 3 Molekülen Phenol Anker Abſpaltung von 2 Molekülen Waſſer zuſammentritt: 002 + 306H5OH = i91H1403 + 21120. 8. Hluorescéin. Als Vertreter einer Gruppe von Farbſtoffen, den Phtalsinen, welche ebenfalls dem Oxytri⸗ phenylmethanfarbſtoffen zuzuzählen ſind, erwähnen wir das Sluorescéin. Dasſelbe entſteht bei der Einwirkung von Phtalſäureanhydrid auf Reſorcin. GH O + 20 HOH, C = Cualls03 = C,H, a a 0 + 21H20. Mit kurzen Worten ſeien hier die Methoden zur Ge— winnung der Ausgangsmaterialien angedeutet. Beim Einleiten von Chlor in geſchmolzenes Naph— talin wird Naphtalintetrachlorid gebildet: Ci0lI8 38 4Cl = CipHgCly. pate liefert bei der Oxydation mit Salpeterſäure Phtal- äure: C10 HgCly a= H 0 + 07 — 4HCl + 2002 + CgHy(COOH)y Aus Phtalſäure entfteht beim Sublimieren unter Ab⸗ ſpaltung von Waſſer e ig bbb Zur Ae ee von 8 wird Bengal bus Be⸗ handeln mit rauchender Schwefelſäure in Benzoldiſulfoſäure CgHy(SO3H), übergeführt. Beim Schmelzen derſelben mit Aetznatron erfolgt Erſatz der 80z UU gruppen durch OH. C.H4(S03H)o + 2Na0H = CgHy(OH)g + 2NaHSO3. Darſtellung des Fluorescéins : 15 Phtalſäureanhydrid und 20 g Reſorein werden innig gemiſcht und in einem Oelbade etwa eine Stunde auf etwa 200° erhitzt. Auch beim bloßen Zuſammenſchmelzen etwa gleicher Teile der Materialien in einem Probierröhrchen findet ſchon eine reichliche Bildung von Fluorescéin ſtatt. Der entſtandene Körper zeigt in Löſung eine ausgezeichnete gelbgrüne Fluorescenz. Am beſten wird dieſelbe ſichtbar, wenn man eine kleine Menge der Schmelze in Natronlauge löſt und die Löſung in ein großes mit Waſſer gefülltes Becherglas ausgießt. Das Fluorescein iſt ein gelber Farbſtoff; durch Behandeln mit Halogenen oder Salpeterſäure werden rote Farbſtoffe (Eoſinfarbſtoffe) erzielt, welche alle anderen künſtlichen Farbſtoffe an Glanz und Schönheit übertreffen. Nitrofarbſtoſſe. Sämtliche Nitroderivate der Phe⸗ nole und Amine zeigen den Charakter von Farbſtoffen. Von techniſcher Wichtigkeit find jedoch nur einige Nitro⸗ derivate der Phenole. 128 9. Dikrinfaure. Trinitrophenol C6H20H(NO2)3. Die Pikrinſäure entſteht bei der Einwirkung von Salpeter⸗ ſäure auf viele organiſche Subſtanzen. Sie iſt der älteſte künſtliche organiſche Farbſtoff, ſchon Woulfe beobachtete 1771, daß bei der Einwirkung von Salpeterſäure auf Indigo ein Körper entſteht, welcher Seide gelb färbt. Die Pikrinſäure bildet ſich am einfachſten aus Phenol und Salpeterſäure. Da jedoch beim Zuſammenbringen von freiem Phenol mit konzentrierter Salpeterſäure eine ſehr heftige Reaktion ſtattfindet und eine Menge harziger Nebenprodukte entſteht, ſo verwendet man an Stelle des freien Phenols die Phenolſulfoſäure; die Sulfogruppe wird leicht eliminiert und es bildet ſich Pikrinſäure nach der Gleichung: CgH,OHSO3H + 3HNO3 = CgH,OH(NOg)3 + HySO, ++ 21H20. Man erwärmt 25 f kryſtalliſiertes Phenol mit 40 g konzentrierter Schwefelſäure auf dem Waſſerbade, bis die Maſſe beim Erkalten kryſtalliniſch erſtarrt, was nach etwa 5 Stunden der Fall iſt. Die noch warme Löſung wird nach und nach in etwa 150 cem gewöhnliche Salpeter⸗ ſäure eingetragen, wobei man durch vorſichtiges Operieren eine zu heftige Reaktion zu vermeiden ſucht. Sobald die Hauptreaktion vorüber iſt, erwärmt man auf dem Waſſer⸗ bade, bis keine roten Dämpfe mehr auftreten, kühlt ab und verdünnt mit dem gleichen Volumen Waſſer. Ent⸗ weder ſofort oder nach einigem Stehen ſcheiden ſich blaß⸗ gelbe Kryſtalle aus. Dieſelben werden abfiltriert und ſtellen faſt reine Pikrinſäure dar. 10. Naphtalingelb (Martiusgelb). Dieſen Namen führt im Handel das Natron⸗ oder Kalkſalz des Dinitro⸗ alphanaphtols CiOHSOH(N O02. Was die Gewinnung des zur Darſtellung dieſes Farb⸗ ſtoffes nötigen a⸗Naphtols anbetrifft, fo bemerken wir, daß hierzu das Naphtalin des Steinkohlenteers durch Behan⸗ deln mit Schwefelſäure in zwei iſomere Sulfoſäuren über⸗ geführt wird, welche vermittelſt der verſchiedenen Löslich⸗ keit ihrer Kalkſalze voneinander getrennt werden. Beim Verſchmelzen der einen dieſer Säuren, der o⸗Naphtalin⸗ ſulfoſäure, mit Aetznatron erhält man g⸗Naphtol; die andere liefert bei der gleichen Behandlungsweiſe das 6⸗Naphtol, welches, wie unten näher ausgeführt werden wird, zur Darſtellung von Azofarbſtoffen ausgedehnte Ver⸗ wendung findet. Um Naphtalingelb darzuſtellen, geht man wie bei der Gewinnung der Pikrinſäure zweckmäßig von der Sulfo⸗ ſäure des a-Naphtols aus. Man loft 20 g gepulvertes ⸗Naphtol in 20 cem konzentrierter Schwefelſäure auf dem Waſſerbade (½ Stunde), verdünnt dann die Löſung mit etwa 500 cem Waſſer, fügt zu der erkalteten Flüſſigkeit etwa 50 cem gewöhnliche Salpeterſäure hinzu und er⸗ wärmt noch einige Zeit. Das abgeſchiedene Dinitroalpha⸗ naphtol wird filtriert, gut ausgewaſchen, mit ca. 11 Waſſer aufgekocht und mit Aetzkalk oder Kreide neutraliſiert. Aus der ſiedend heiß filtrierten Löſung ſcheidet ſich das Naph⸗ talingelb in hübſchen gelben Kryſtallen aus. Al. Eine neue Mikroſkopierlampe, welche von den Firmen Marquart (C. Gerhardt) und Max Wolz, beide in Bonn, in den Handel gebracht wird, benutzt das Geſetz, daß Licht bei ſeinem Gang durch Glas an der Luft total reflektiert wird, ſo lange der auffallende Lichtſtrahl den Winkel von ca. 40° nicht überſchreitet. Das von der ver⸗ deckten Lampe L erzeugte Licht gelangt in einen doppelt oder einfach gekrümmten Glasſtab s, welcher dasſelbe in voller Stärke bis zum Präparat p fortleitet und unter⸗ halb desſelben diffus und kalt austreten läßt. Die Vor⸗ züge ergeben ſich von ſelbſt. Das Auge wird, da nirgends anders als unter dem Objekt Licht austritt, von direktem Licht nicht beläſtigt, ebenſo fällt die oft ſehr unangenehme Wärmeausſtrahlung der Lampe weg. Die Beleuchtung des Präparates geſchieht ohne Spiegel, Sammellinſe ꝛc., das Präparat erwärmt ſich nicht; die Intenſität des Lichtes Humboldt. — März 1889. kann durch Entfernen der Austrittsfläche vom Objekt, die Färbung durch Anwendung geeigneter Farbengläſer leicht modifiziert werden. Mit Hilfe eines einfach gekrümmten Stabes kann man undurchſichtige Objekte ausgezeichnet beleuchten. Nur eine Unbequemlichkeit hat die Lampe, die daraus entſpringt, daß unter dem Objekttiſch bei kompli⸗ zierteren Mikroſkopen eine Menge Vorrichtungen angebracht zu ſein pflegen und man daher gezwungen iſt, das licht⸗ ſpendende Stabende ziemlich weit zu entfernen. Doch iſt dieſer Mangel gewiß vom Mikroſkopiker, ev. vom Fabrikanten zu beſeitigen und durchaus nicht im ſtande, die Vorzüge der Lampe in den Schatten zu ſtellen. Der billige Preis von 15 Mark geſtattet es jedem, ſich über die Leiſtungs⸗ fähigkeit der neuen Lichtquelle zu unterrichten. D. Anwendung des elektriſchen Lichtes bei ſubmarinen Forſchungen. In den Pfingſttagen des vergangenen Jahres wurden von dem Marine Biology Committee zu Liverpool die ſchon in den vergangenen Jahren begonnenen Fahrten zur Unterſuchung der ſubmarinen Verhältniſſe des öſt⸗ lichen Teils der Iriſchen See wieder aufgenommen. Hier⸗ bei wurde, nach Herdmann (Nature) auch das elektriſche Licht als Lockmittel in den Dienſt der marinen Zoologie geſtellt, indem in der Mündung eines Netzes eine Ediſon⸗ Swanſche ſubmarine Inkandescenzlampe von 60 Kerzen Stärke angebracht wurde. Das ſo beleuchtete Netz wurde während der Nacht auf den Grund hinabgelaſſen, der an der betreffenden Stelle in nur drei Faden Tiefe lag, und verblieb daſelbſt eine halbe Stunde, während zur Kontrolle gleichzeitig an der entgegengeſetzten Seite des Schiffes ein nicht beleuchtetes Netz auf den Grund gelaſſen wurde. Beim Aufziehen der Netze zeigte ſich das beleuchtete von zahlreichen kleinen Tieren gefolgt, wahrſcheinlich Kruſtaceen, denn dieſe fanden ſich auch in größter Zahl im Netz ge⸗ fangen, während das dunkel gehaltene Netz faſt keine Beute enthielt. Das gleiche Reſultat ergab ſich bei einer Tiefe von ſechs Faden. Bei einem dritten Verſuch wurden zwei Netze beleuchtet, von denen das eine in einer Tiefe von fünf Faden bis zum Boden herabgelaſſen, das andere an der entgegengeſetzten Seite des Schiffes aber an der Ober⸗ fläche ſchwebend gehalten wurde, ein Manöver, welches dreimal mit ſtets gleichem Erfolge wiederholt wurde. Es fanden ſich nämlich immer zahlreiche Tiere in beiden Netzen, aber in verſchiedener Verteilung. Während das bis zum Boden hinabgelaſſene Netz hauptſächlich große Amphipoden und einige Kumaceen enthielt, zeichnete ſich der Inhalt des Oberflächennetzes durch die Häufigkeit von Kopepoden aus. Eine weitergehende Verwendung des elektriſchen Lichtes bei zoologiſchen Unterſuchungen verſpricht nicht nur reiche Ausbeute, ſondern gewährt vielleicht auch intereſſante Einblicke in die Beziehung zwiſchen Farbe der Augen und Sehvermögen, denn nach den bisherigen wenigen Unter⸗ ſuchungen hat es den Anſchein, als ob beſonders rotdugige Kruſtaceen durch das elektriſche Licht angelockt worden ſeien. Für den Fiſchfang eignet ſich nach Erfahrungen, die auf dem „Albatroß“ gemacht wurden, die Anwendung des elektriſchen Lichtes nicht. —p. Ueber phänologiſche Beobachtungen, ihre Verwertung und die Art ihrer Anſtellung. Von Profeffor Dr. Müttrich in Eberswalde. i: eobachtungen, welche fic) auf die Ab— hängigkeit der Vegetation von den kli— matiſchen Verhältniſſen, namentlich in Bezug auf Wärme und Feuchtigkeit be- Ihen, find ſeit längerer Zeit in faſt allen Kultur— ſtaaten angeſtellt, ſind aber meiſtens nicht nach einem einheitlichen Princip ausgeführt und auch nicht lange genug fortgeſetzt und daher können die aus ihnen abgeleiteten Reſultate auch noch nicht als endgültig feſtſtehend angeſehen werden. In Deutſchland haben derartige Beobachtungen, für deren Einführung und Verbreitung namentlich Profeſſor Hoffmann in Gießen mit unermüdlichem Eifer ſeit längerer Zeit gewirkt hat, beſonders durch die von dem Verein deutſcher forſtlicher Verſuchsanſtalten auf ca. 250 Oberförſtereien Deutſchlands begründeten forſtlich-phänologiſchen Sta- tionen eine Ausdehnung erfahren, welche hoffen läßt, daß manche bisher noch ungelöſte Frage über die Abhängigkeit des Gedeihens der Pflanzen von den Witterungsverhältniſſen ihrer Löſung näher geführt werden wird. Allgemein bekannt iſt, daß ſich dieſe Abhängigkeit nicht nur dadurch kenntlich macht, daß die verſchiedenen Klimate der Erde eine verſchieden— artige Flora beſitzen, ſondern auch dadurch, daß an ein und demſelben Ort in den verſchiedenen Jahren ein Unterſchied in der Entwickelung der Pflanzen je nach den Witterungsverhältniſſen eintritt, indem z. B. günſtigen Witterungsverhältniſſen Jahre mit reichen Ernten und ungünſtigen Jahre mit Mißwachs ent— ſprechen. Im Durchſchnitt ſind die einzelnen Entwickelungs⸗ ſtufen der Pflanzen für jeden Ort an ein beſtimmtes Datum gebunden, jedoch wird man, wenn dieſes für beſonders in die Augen fallende Erſcheinungen, für Humboldt 1889. die ſich die Zeit ihres Eintretens leicht und mit Sicherheit beobachten läßt, für mehrere Jahre notiert wird, nicht unbedeutende Unterſchiede finden. Im Ver⸗ gleich zum Mittel ihres Eintreffens werden ſich die einzelnen Erſcheinungen zuweilen beſonders früh, zu— weilen beſonders ſpät zeigen und werden dadurch zu Be- zeichnungen wie frühes oder ſpätes Frühjahr u. dergl. Veranlaſſung geben. Um die thatſächlichen Verhält— niſſe über die Unterſchiede, welche ſowohl räumlich als zeitlich bei dem Auftreten der verſchiedenen Phaſen der Entwickelung im Pflanzenleben ſich zeigen, feſtzu— ſtellen, iſt es nur nötig, den Weg der Beobachtung einzuſchlagen. In der That waren auch die phäno— logiſchen Beobachtungen von Anfang an darauf ge— richtet, die Durchſchnittszeit für das Eintreten der verſchiedenen Entwickelungsphaſen der Pflanzen in den einzelnen Gegenden durch Beobachtung zu be— ſtimmen und die dabei erhaltenen Reſultate zum Ent— werfen von Pflanzenkalendern zu benutzen. Be— ſtrebungen dieſer Art datieren bis auf Karl v. Linné zurück, welcher ſchon (Philosophia Botanica 1751) die Beobachtung der Zeit empfahl, in welcher die Kei— mung, die Blattentfaltung, die Blüte, die Fruchtreife und die Entlaubung in den einzelnen Jahren eintritt. Allgemeinen Eingang fanden derartige Beobachtungen zur Zeit Linnés nicht und erſt das Verdienſt des Statiſtikers und Direktors der Sternwarte zu Brüſſel, Quetelet, war es, das Intereſſe für ſie in weiteren Kreiſen zu wecken, und ſeinem Einfluß und ſeinen Bemühungen iſt es zu danken, daß an ungefähr 80 Stationen, die ſich von Norditalien (Venedig und Parma) und dem ſüdlichen Frankreich (Dijon und Valognes) durch Deutſchland bis nach England hin— ziehen, die Zeit, zu welcher die Pflanzen in die Haupt⸗ 17 130 Humboldt. — April 1889. ſtadien ihrer Entwickelung eintreten, regelmäßig be- obachtet wurde. Quetelet war es auch, der den für Unterſuchungen dieſer Art, welche die Grundlage zur Darſtellung der Abhängigkeit der verſchiedenen Ent⸗ wickelungsſtufen im Pflanzenleben von den klima⸗ tiſchen Verhältniſſen bilden, jetzt allgemein accep⸗ tierten Namen „Phänologie“ einführte, der eine In⸗ ſtruktion zur Anſtellung derartiger Beobachtungen entwarf, nach welcher an 170 Species, von denen 20 ganz beſonders empfohlen wurden, die Zeit des erſten Blattes, der erſten Blüte, der Fruchtreife und der Entlaubung beobachtet werden ſollte, und der, was nicht hoch genug angeſchlagen werden kann, von 1841 an die Beobachtungen ſammelte und in den Memoiren der Brüſſeler Akademie regelmäßig veröffentlichte, ſo daß ſie allgemein zugänglich wurden. Die Beſtrebungen Quetelets fanden mehrfache Nachahmer. Göppert in Breslau forderte zu der⸗ artigen Beobachtungen in Schleſien auf, Fritſch in Prag, ſpäter in Wien, gab die Anregung zu phäno⸗ logiſchen Beobachtungen in Oeſterreich und ganz be⸗ ſonders wirkte Profeſſor Hoffmann in Gießen für die Verbreitung der phänologiſchen Beobachtungen in Deutſchland. Nachdem er ſelbſt ſeit 1851 phäno⸗ logiſche Beobachtungen im botaniſchen Garten in Gießen regelmäßig angeſtellt hatte, ſuchte er durch die Veröffentlichung eines Aufrufs, welcher in den Jahren 1879, 1880 und 1881 im Heſſiſchen Schul⸗ boten erſchien und im folgenden Jahre von Profeſſor Hoffmann und Dr. Ihne zuſammen in internationalen Kreiſen bekannt gemacht wurde, dieſen Beobachtungen eine weitere Verbreitung zu geben. Abgeſehen von dieſen Anregungen, welche zur Folge hatten, daß in vielen Privatkreiſen phänologiſche Beobachtungen an⸗ geſtellt wurden, waren derartige Aufzeichnungen ſeit 1875 auf einer Reihe von forſtlich-meteorologiſchen Stationen Deutſchlands gleichzeitig mit den Beob⸗ achtungen der meteorologiſchen Konſtanten angeſtellt. Weil dieſe Stationen aber nur in beſchränkter Zahl (17) eingerichtet ſind und es von Wichtigkeit iſt, mög⸗ lichſt genaue Angaben über die Vegetationsentwicke⸗ lung aus den verſchiedenſten Gegenden zu beſitzen, ſo beſchloß der Verein deutſcher forſtlicher Verſuchs⸗ anſtalten, dieſen Beobachtungen eine weitere Verbrei⸗ tung zu geben und dieſelben nicht nur auf den forſtlich⸗meteorologiſchen Stationen, ſondern auch un⸗ abhängig von der Beobachtung der meteorologiſchen Konſtanten auf einer größeren Anzahl von Ober⸗ förſtereien anſtellen zu laſſen. Infolgedeſſen wurde auf der Vereinsverſammlung im Herbſt 1884 unter Mitwirkung der Herren Profeſſor Dr. Hoffmann und Dr. Ihne eine Inſtruktion entworfen, welche von den meiſten Vereinsmitgliedern angenommen wurde. Dieſer Inſtruktion entſprechend begannen die Beob⸗ achtungen nach einem einheitlichen Plan im Jahre 1885 an 254 Oberförſtereien und zwar an 22 in Baden, an 10 in Braunſchweig, an 20 in Elſaß⸗Lothringen, an 35 in Heſſen, an 101 in Preußen, an 32 in den thüringiſchen Staaten und an 34 in Württemberg. Bevor auf die Inſtruktion, nach welcher die Be⸗ obachtungen angeſtellt werden, genauer eingegangen wird, ſoll kurz angegeben werden, in welcher Weiſe die erhaltenen Reſultate weiter verwertet werden können. Zunächſt iſt bereits erwähnt, daß ſich die⸗ ſelben zur Aufſtellung von Pflanzenkalendern benutzen laſſen, indem für die einzelnen Orte das Datum er⸗ mittelt wird, an welchem bei den einzelnen Species die verſchiedenen Entwickelungsphaſen im Durchſchnitt eintreten. Ein ſehr ausführlicher Pflanzenkalender iſt von Profeſſor Hoffmann für Gießen zuſammengeſtellt, der auch mehrfach in der Weiſe zur Vergleichung ver⸗ ſchiedener Beobachtungsſtationen benutzt iſt, daß an⸗ gegeben wird, um wie viel Tage früher oder ſpäter eine beſtimmte Phaſe der Entwickelung eintritt als in Gießen. Durch die Aufſtellung von Pflanzen⸗ kalendern für verſchiedene Gegenden wird es möglich, die phänologiſchen Beobachtungen in zweifacher Weiſe kartographiſch zur Anſchauung zu bringen und zwar zunächſt dadurch, daß alle die Orte durch Linien ver⸗ bunden werden, an welchen eine beſtimmte Entwicke⸗ lungsphaſe gleichzeitig auftritt. Dieſer Eigenſchaft wegen hat Hoffmann die dadurch entſtehenden Rurnen Iſophanen genannt und hat dieſelben dazu benutzt, um eine intereſſante Karte für das Erwachen des hauptſächlichſten Teils der Frühlingsflora in Mittel⸗ europa zu entwerfen (Petermanns geograph. Mitteil. 1881). Aus dieſer Karte, aus welcher man unmittel⸗ bar erſehen kann, um wie viel Tage früher oder ſpäter als in Gießen das Erwachen des Frühlings eintritt, folgt z. B., daß die Vegetation am weiteſten voraus⸗ eilt an den oberitalieniſchen Seen (bis 25 Tage) und am weiteſten zurückbleibt in den hochalpinen Thälern (Bevers 52, Heiligenblut 41 Tage), ſowie in den Orten auf dem Plateau des Erzgebirges (Oberwieſen⸗ thal 36, Reitzenhein 31 Tage); ſelbſt Oſtpreußen iſt nicht ſo weit zurück als dieſe Gebirgsgegenden (Kö⸗ nigsberg 17, Arys 16, Claußen 21 Tage). Das Rheinthal iſt um 6 bis 8 Tage gegen Gießen vor⸗ aus. Außerdem kann aber auch zweitens die Ent⸗ wickelung einer einzelnen Pflanze in gleicher Weiſe dargeſtellt werden, wie es Dr. Ihne für den Anfang der Blütezeit von Syringa vulgaris (ſpaniſcher Flieder) und Hoffmann für Pyrus communis (gemeine Birne) und Pyrus malus (gemeiner Apfel) gethan und für einzelne Kulturpflanzen wie für Secale cereale hiber- num (Winterroggen) die Zeit der erſten Blüte, der erſten Fruchtreife und der Ernte kartographiſch dar⸗ geſtellt hat. Wenn dieſe Unterſuchungen auch eine Reihe von intereſſanten allgemeinen Reſultaten liefern, wie z. B. daß ein Fortſchreiten nach Norden um einen Breitengrad die Blüte von Syringa vulgaris im Durchſchnitt um 3—4 Tage verzögert und daß eine Erhebung über den Meeresſpiegel ebenfalls eine Verzögerung zur Folge hat, für welche freilich noch nicht das Verhältnis zur Höhenzunahme angegeben werden kann, ſo tritt doch erſt die hauptſächlichſte Bedeutung der phänologiſchen Beobachtungen hervor, wenn die Entwickelung des Pflanzenlebens in ihrer Abhängigkeit von den gleich⸗ zeitig vorhanden geweſenen Witterungsverhältniſſen — Humboldt. — April 1889. 131 und zwar in erſter Linie der Temperatur und der Feuchtigkeit — unterſucht wird. Die Wärme, welche im allgemeinen als der hauptſächlichſte Regulator des Pflanzenlebens angeſehen wird, übt dieſen Einfluß nicht in allen Gegenden der Erdoberfläche aus. In der heißen Zone, wo die jährlichen Temperatur— ſchwankungen viel geringer ſind als in den anderen Klimaten, teilt ſich das Jahr in eine trockene und eine naſſe Jahreszeit und wenn man die Perioden der Vegetation mit denen des Klimas zuſammenſtellt, ſo findet man, wie z. B. in den Grasebenen von Südamerika, daß ſich der ganze Lebenslauf der Pflanzen an die feuchte Jahreszeit knüpft, während die heiße, aber trockene Jahreszeit die Zeit der Ruhe, die Zeit des nordiſchen Winters iſt. In dieſen Gegenden iſt an die Stelle der Wärme die Feuchtigkeit getreten, von welcher vorzugsweiſe die Entwickelung des Pflanzen— lebens abhängig iſt. In Bezug auf die Einwirkung der Wärme und der Feuchtigkeit auf die Vegetation kann im allgemeinen als Geſetz ausgeſprochen werden, daß da, wo von dieſen beiden das Gedeihen der Pflanzen beſtimmenden Hauptfaktoren die Feuchtigkeit keinen großen Schwankungen unterworfen iſt, wohl aber die Wärme, es die letztere iſt, der ſich das ganze Pflanzenleben in ihrem periodiſchen Verlauf anſchließt, wie im Norden und im gemäßigten Klima, wo aber die Wärme ununterbrochen in hinreichendem Maße gewährt wird und wegen ihrer geringen Schwankungen auch keinen weſentlich verſchiedenen Einfluß auf die Vegetationsentwickelung ausübt, dagegen die Feuch— tigkeit großen Schwankungen unterworfen iſt, wie in der heißen Zone, es vorzugsweiſe auch dieſe iſt, nach welcher ſich die periodiſchen Erſcheinungen der Vege— tation regeln. Für die gemäßigte Zone iſt vor— ſtehendes Geſetz durch die Beobachtungen vollſtändig bewieſen. Hier liegt die Größe der Niederſchläge in den einzelnen Jahren zwiſchen verhältnismäßig engeren Grenzen als die Temperatur und während ſie in den meiſten Fällen den Anforderungen, welche das Pflanzen— leben an fie ſtellt, genügt, wirkt fie nur in ihren Ex— tremen ſchädlich. Die großen Schwankungen, denen dagegen die Wärme unterworfen iſt und die Abwei— chungen von ihren Mittelwerten laſſen ſich faſt in jedem Jahr beim Fortſchreiten der Vegetationsent⸗ wickelung deutlich wiedererkennen. Eingehende Unter- ſuchungen über dieſen Gegenſtand hat bereits Dove in ſeinen beiden Arbeiten: „Ueber den Zuſammen— hang der Wärmeveränderungen der Atmoſphäre mit der Entwickelung der Pflanzen“ angeſtellt. Aus den Beobachtungen von Eiſenlohr für Karlsruhe, welche mit kurzen Unterbrechungen die Jahre 1779—1830 umfaſſen, hat Dove abgeleitet, daß die anomalen Cr- ſcheinungen beim Fortſchreiten der Vegetation in erſter Linie von den vorangegangenen Temperaturverhält— niſſen abhängig ſind, indem fic) die einzelnen Cnt- wickelungsphaſen verſpätet oder verfrüht einſtellen, je nachdem die Temperatur unter oder über ihrem durchſchnittlichen Mittelwert liegt. In viel geringerem Maße macht ſich erſt der Einfluß der atmoſphäriſchen Niederſchläge geltend. In den meiſten Jahren ver⸗ ſchwindet er ganz und zeigt fic) nur bei den Ex— tremen des Niederſchlages in der Weiſe, daß ſowohl eine zu große Winterkälte, als auch eine zu große Sommerwärme in ihren Wirkungen abgeſchwächt wird, wodurch unter Umſtänden die Vegetationsentwicke— lung beeinträchtigt werden kann. Weil die anomalen Temperaturverhältniſſe, welche faſt immer über größere Gebiete verbreitet ſind, das zu frühe oder zu ſpäte Eintreten der verſchiedenen Phaſen im Pflanzenleben verurſachen, ſo werden dieſe auch nicht auf kleine Ge— biete beſchränkt bleiben, eine Thatſache, welche durch die Beobachtung vollſtändig beſtätigt wird. Als Bei⸗ ſpiel führt Dove das Jahr 1834 an, in welchem im Januar nicht nur im ſüdlichen Frankreich die Mandel— bäume blühten, ſondern auch in Paris, ebenſo in Trieſt die Maulbeerbäume. Bei Trieſt fand man reife Erdbeeren, am Bodenſee und in Stuttgart blühten Pfirſiche und Kirſchen. Im Odenwald und auf dem Schwarzwalde wurde im Januar Futtergras mit der Senſe gemäht und die Birken ſchoſſen in Saft. Bei Leitmeritz in Böhmen blühten Pfirſiche, Aprikoſen und Stachelbeeren in den erſten Tagen des April im Freien, Ende Mai gab es bereits reife Kirſchen. Mitte Mai hatte man in vielen Gegenden Württem⸗ bergs blühenden Wein, in der erſten Hälfte des Juni war die Blüte allgemein. Im Auguſt fand man in vielen Gegenden Deutſchlands, ſelbſt in Oſtpreußen zum zweitenmal blühende Aepfel- und andere Obſt⸗ bäume, im September in Süddeutſchland zum zweiten⸗ male blühende Weinſtöcke ꝛc. ꝛc. Wenn auch durch derartige Thatſachen, welche im Jahre 1834 durch den vorhergehenden ſehr milden Dezember und Januar bedingt waren, eine direkte Abhängigkeit der Vegetationsentwickelung von den Temperaturverhältniſſen nachgewieſen iſt, ſo iſt es doch nicht leicht, dieſe Abhängigkeit in Form eines beſtimmten einfachen Geſetzes auszuſprechen. Die erſten darauf gerichteten Verſuche haben wenigſtens nicht zum Ziel geführt. Die älteſte Annahme beſtand in der Vor— ausſetzung, daß eine beſtimmte mittlere Tagestempe⸗ ratur in der Temperaturkurve des Jahres erreicht werden müßte, damit auch eine beſtimmte Begetations- ſtufe erreicht werde. Später wurden andere Annahmen gemacht, wie z. B. daß für jede Phaſe der Entwicke⸗ lung die Summe der mittleren Tagestemperaturen über Null, oder daß die Summe der Quadrate dieſer Temperaturen konſtant wäre. Nach den Unterſu⸗ chungen von Linſſer, denen die zahlreichen Beobach— tungen von Quetelet mit vieljährigen Beobachtungs— reihen (die längſte für Brüſſel von 34 Jahren) zu Grunde liegen und denen eine Reihe von Beobach— tungen auf nördlich gelegenen Stationen (Moskau, Pulkowa und Petersburg) hinzugefügt wurde, genügt keine der drei oben angegebenen Annahmen. Einer beſtimmten Phaſe der Vegetationsentwickelung einer Pflanze entſpricht weder eine beſtimmte mittlere Tages⸗ temperatur, noch iſt für ſie die Summe der mittleren Tagestemperaturen über Null, oder die Summe ihrer Quadrate eine Konſtante, auch tritt darin durch Ver- legung des Anfangspunktes, von welchem aus die 132 Wärmeſumme gebildet wird, keine Aenderung ein. Statt dieſer Annahme leitete Linſſer aus den von ihm benutzten Beobachtungen das Geſetz ab, daß ein und derſelben Phaſe der Entwickelung auf jeder Sta⸗ tion auch ein und derſelbe Bruchteil der ganzen jähr⸗ lichen Wärmeſumme entſpricht, wobei unter der jähr⸗ lichen Wärmeſumme die Summe aller mittleren Tages⸗ temperaturen über Null zu verſtehen iſt. Derjenige, der in neueſter Zeit ganz beſonders darauf bedacht geweſen iſt, aus den phänologiſchen Beobachtungen das Geſetz über die Abhängigkeit der verſchiedenen Vegetationsentwickelung von der Temperatur abzu⸗ leiten, iſt Profeſſor Hoffmann in Gießen. Die Me⸗ thode, welche derſelbe zur Beſtimmung dieſer Ab⸗ hängigkeit einführte, beſteht darin, daß er die Summe der poſitiven täglichen Maximaltemperaturen eines der Sonne ausgeſetzten Thermometers für die Zeit vom 1. Januar bis zu einer beſtimmten Phaſe der Ent⸗ wickelung bildete und dieſe Wärmeſumme als ther⸗ miſche Vegetationskonſtante bezeichnete. Die auf dieſe Weiſe für die Entwickelungsphaſen der einzelnen Pflanze erhaltenen Wärmeſummen hat Hoffmann viel⸗ fach untereinander verglichen und gefunden, daß ſie für dieſelben Entwickelungsſtufen auch im ganzen gleiche Werte beſitzen, wenn ſich dabei auch heraus⸗ geſtellt hat, daß für zwei Orte von ſehr verſchiedener geographiſcher Breite (wie z. B. für Gießen und Up⸗ ſala) die Wärmeſumme für den nördlicher gelegenen Ort etwas kleiner iſt, ebenſo wie ſie auch für hoch⸗ gelegene Stationen kleiner zu ſein ſcheint als für in der Ebene gelegene. Ob es beim Ableiten der ther⸗ miſchen Vegetationskonſtanten am zweckmäßigſten iſt, die Maximaltemperaturen oder die täglichen Mittel⸗ temperaturen zu benutzen, ob dieſe Temperaturen in der Sonne oder im Schatten abzuleſen ſind, ob ſie vom 1. Januar oder von einem anderen WAnfangs- punkt, etwa einer Phaſe im Pflanzenleben ſelbſt zu ſummieren und ob dieſe Temperaturſummen direkt zu benutzen oder noch zuerſt nach geographiſcher Breite und Höhe über dem Meeresſpiegel oder in irgend einer anderen Weiſe zu reduzieren ſind, oder ob es zweckmäßiger iſt, das von Linſſer ausgeſprochene Ge⸗ ſetz anzunehmen, daß überall ein und derſelben Phaſe der Entwickelung auch ein gleicher aliquoter Teil der ganzen jährlichen Wärmeſumme entſpricht, ſind alles Fragen, die als noch nicht abgeſchloſſen bezeichnet werden müſſen. Um die Abhängigkeit der Vegetationsentwickelung Humboldt. — April 1889. von den Temperaturverhältniſſen beſtimmen zu können, auch ohne daß es nötig wäre, auf die thermiſchen Vegetationskonſtanten einzugehen, hat Köppen in Vor⸗ ſchlag gebracht, die Zeitdauer, während welcher die Temperatur über oder zwiſchen gewiſſen Grenzen liegt, mit der Vegetationsentwickelung in Zuſammenhang zu bringen. Die Unterſuchungen von Grieſebach haben nämlich ergeben, daß die Verbreitung der Pflanzen dort ihre Grenze hat, wo die Zeit, während welcher die äußeren Bedingungen für ihr Gedeihen günſtig ſind, unter ein gewiſſes Maß herabſinkt. Die Polar⸗ grenze für den Baumwuchs überhaupt liegt z. B. auf derjenigen Linie, auf welcher die Dauer der Zeit mit Tagesmitteln über 10 nur noch einen Monat beträgt. Die Winterkälte zeigt dabei keinen merk⸗ baren Einfluß auf den Baumwuchs, ebenſo wie die Mitteltemperatur des Jahres für ihn nicht maß⸗ gebend iſt. Um ähnliche Unterſuchungen für größere Gebiete der Erdoberfläche durchführen zu können, hat Köppen eine Karte für die Wärmezonen der Erde nach den Temperaturbeobachtungen ohne Reduktion auf ein gleiches Niveau entworfen, ſo daß ſie ohne weiteres zur Beantwortung von Fragen aus der Pflanzen- und Tiergeographie benutzt werden kann. Nach den verſchiedenen Temperaturen und der Zeit⸗ dauer, während welcher ſie vorhanden ſind, unter⸗ ſcheidet Köppen auf der Erdoberfläche ſieben verſchie⸗ dene Wärmegürtel und zwar 1) einen tropiſchen Gürtel, in welchem die normale Mitteltemperatur aller Mo⸗ nate über 20% iſt, 2) zwei ſubtropiſche Gürtel, in welchen wenigſtens während eines und höchſtens wäh⸗ rend acht Monaten gemäßigte Temperaturen von 10 bis 20° herrſchen und wenigſtens während vier und höchſtens während elf Monaten die normale Mittel⸗ temperatur über 20“ iſt, 3) zwei gemäßigte Gürtel, welche in mehrere Unterabteilungen zerlegt werden können, für welche ein gemeinſchaftliches Kennzeichen darin beſteht, daß die gemäßigte Temperatur (10 bis 20°) wenigſtens vier und die hohe Temperatur von mehr als 20“ nicht länger als vier Monate an⸗ hält, und 4) zwei kalte Gürtel, in welchen die Zahl der gemäßigten Monate kleiner als vier iſt, aber nicht unter einen Monat ſinkt. Die dann noch übrig blei⸗ benden Teile der Erdoberfläche beſitzen überhaupt keine Vegetation mehr und können daher für alle Fragen, welche die Vegetation mit den Wärmever⸗ hältniſſen in Zuſammenhang bringen, unberückſichtigt bleiben. Die Acclimatiſation der Douglasfichte. Don Dr. G. Dieck in Söſchen b. Merſeburg. In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhun- gefunden haben wollten, wie fie kaum in den Tropen derts wurde die gebildete Welt in Erſtaunen geſetzt durch die Berichte von Seefahrern wie Quadra, Cook, Vancouver und anderen, welche an den Küſten Nordweſtamerikas eine wunderbare Baumvegetation ihresgleichen fände. Im Anfange unſeres neun⸗ zehnten Jahrhunderts gelang alsdann den kühnen Forſchern Lewis und Clarke eine Durchquerung Nord⸗ amerikas im Norden der heutigen Vereinigten Staaten, Humboldt. — April 1889. 133 welche damals nicht weniger Aufſehen erregt haben mag, als in unſerer Zeit die Leiſtungen eines Stanley oder Wißmann. Auch Lewis und Clarke brachten Kunde von einer großartigen Vegetation und Wald— natur, die ſie im fernſten Weſten in den Strand— gebieten und Gebieten am Stillen Meere gefunden und beſchrieben, ſpeciell von einer Reihe von Nadelbäumen, deren vorſintflutliche Dimenſionen ſie in ein gerechtes Staunen verſetzt hatten. Zu dieſen Naturwundern gehörte in erſter Linie die Fichte, welche ſpäter unter dem Namen „Douglasfichte“ ob ihrer Schönheit und ihrer Vorzüge bei allen Kulturvölkern der gemäßigten Zone eine geradezu fieberhafte Begierde nach ihrem Beſitz erregen ſollte. Damals freilich fielen die Berichte über jene Waldſchätze des fernen Weſtens eine geraume Zeit hindurch der Vergeſſenheit faſt ganz anheim. Die tiefeinſchneidenden politiſchen Ereigniſſe der erſten Jahrzehnte unſeres Jahrhunderts beſchäftigten alle Welt in Europa ſo ſehr, daß kein Staat Zeit hatte, ſich mit weitgehenden, nationalökonomiſchen Plänen zu befaſſen, daß ſelbſt die Wiſſenſchaft vor dem Lärm der Waffen ſchweigen mußte. So kam es, daß erſt im Jahre 1826 die Douglasfichte und 1831 ihre beiden Rieſenſchweſtern Abies grandis Lindl. und Picea sitchensis Tyautv. (= Menziesii Carr.) zum erſtenmal lebend auf europäiſchem Boden nach— gewieſen werden konnten. Die Douglasfichte (Pseudotsuga Douglasii Carr.) ſcheint ſehr bald nach ihrer Einführung auch nach Deutſchland gekommen zu ſein, denn in der „Zeit— ſchrift für Forſt⸗ und Jagdweſen“ weiß ein Herr von Bernuth ſchon im Jahre 1881 ein 45 Jahre altes Exemplar ſeines Forſtgartens zu citieren. Ganz all— gemein wurde das deutſche Intereſſe für dieſen ſchönen Baum aber doch erſt durch F. Booths bekannte, dankenswerte Schrift über die nordamerikaniſchen Wald- bäume angeregt, und bald waren die Import- und Kulturverſuche mit der Douglasfichte das Tages— geſpräch aller dendrologiſchen und forſtmänniſchen Kreiſe. Mit fieberhafter Eile wurde geſät, gepflanzt und beobachtet, und ſelbſt die preußiſche Forſtver— waltung beſchloß, mit vielen anderen Gehölzen auch unſere Fichte zu ausgedehnten Kulturverſuchen in nicht weniger als 90 Oberförſtereien anzupflanzen. Seitdem ſind etwa 10 Jahre ins Land gegangen. Eine Flut von Broſchüren hat unſeren Baum bald in den Himmel gehoben, bald zu allen Teufeln ge— wünſcht, und „von der Parteien Gunſt und Haß entſtellt, ſchwankt ſein Charakterbild in der Geſchichte!“ Decken wir den Mantel der Liebe über dieſe ganze Streitſchriftenlitteratur, welche um die Douglasfichte ſich ſtreitet als um des Kaiſers Bart. Woher aber dieſe widerſprechenden Reſultate, Erſcheinungen und Anſichten? Ich ahnte längſt den Grund und meine Ahnung hat mich, wie ich beweiſen werde, nicht getäuſcht. Als Beſitzer der größten Sammlung lebender Gehölzformen in Deutſchland, wenn nicht der größten, welche überhaupt exiſtiert, hielt ich es vor einigen Jahren für meine moraliſche Pflicht gegenüber den deutſchen Dendrologen, mein Arboret ſo lange der Wiſſenſchaft als „Nationalarboretum“ zu Gebote zu ſtellen, bis endlich eine Staatsanſtalt die in dieſen Beziehungen noch immer vorhandene, empfindliche Lücke in unſerem wiſſenſchaftlich-volkswirtſchaftlichen Leben ausfüllen würde. Dieſes Eintreten für den Staat legte mir wiederum die Verpflichtung auf, einer dendrologiſch-volkswirtſchaftlich ſo hochwichtigen Frage, wie die Aecclimatiſation der Douglasfichte iſt und bleiben wird, näher zu treten. Als alterfahrener Baumzüchter war mir längſt die Ueberzeugung ge— worden, daß jeder Acclimatiſationsverſuch ein Umher— tappen im Dunkeln, ein Hazardſpiel bleiben muß, ſolange die Lebensbedingungen und Gewohnheiten der einzubürgernden Pflanze in ihrem Vaterlande nicht gründlich ſtudiert und die Provenienz des be— nutzten Samens nicht genau bekannt geworden, da— mit dem erzielten Nachwuchſe auch hier von vorn— herein diejenigen Lebensbedingungen gewährt werden könnten, deren er zum fröhlichen Gedeihen unbedingt bedürftig ſein mußte. Wie dieſe conditio sine qua non auch von unſeren ſonſt fo vorſichtigen Staats- behörden ſo wenig beachtet werden konnte, wird mir ſtets ein Rätſel bleiben; dieſe Nichtbeachtung hat ſich, wie es ſcheint, ſchon jetzt ſchwer gerächt, wird ſich aber noch weit ſchwerer rächen, wenn in Zukunft einmal die Holzerträgniſſe hinter allen gehegten Er— wartungen zurückbleiben. Alsdann wird aber nicht der Baum, ſondern nur der Importeur und Pflanzer der ſchuldige Teil ſein. Ich entſchloß mich, um zuverläſſige Kunde über alle einſchlagenden Fragen und vor allem zuverläſſiges Saatgut zu erhalten, im Frühjahr 1887 eine bo— taniſche Expedition nach der Urheimat der Douglas— fichte zu entſenden. Die Reſultate waren höchſt merkwürdige und ſehr wohl geeignet, nicht nur über die Urſachen der widerſprechenden Erfahrungen helles Licht zu verbreiten, ſondern auch mehr wie wahr— ſcheinlich zu machen, daß der größte Teil der bisher auf die Acelimatiſationsverſuche aufgewendeten Koſten nutzlos verausgabt worden ſei. Es hat ſich nämlich herausgeſtellt, daß zwei ganz verſchiedene Raſſen, wenn nicht Arten, der Douglas— fichte exiſtieren, von denen die eine allerdings höchſt wertvoll, die andere aber mehr oder weniger wert— los iſt; und es iſt ſo gut wie ſicher, daß der größte Teil der bei uns Gedeihen zeigenden Douglasfichten der minderwertigen Raſſe angehört, an deren Stelle wir wohl beſſer gethan hätten, nach wie vor unſere einheimiſche Fichte zu pflanzen, während jene Pflanzen, welche ſich gegen unſere Winter nicht wider- ſtandsfähig zeigten, eventuell zu der edlen Raſſe gehören könnten. Profeſſor Sargent, in ſeinem großen Werke „Re— port on the forests of N. America“, iſt noch der Anſicht, daß der ſtrenge Unterſchied, welchen die Holzfäller und Sägemüller zwiſchen der yellow fir und der red fir, d. h. der gelbholzigen und der rotholzigen Douglasfichte machen, wahrſcheinlich nur 134 Humboldt. — April 1889. durch Altersunterſchiede derſelben Baumart bedingt ſei, eine Annahme, die durch die Nachforſchungen meiner Reiſenden durchaus entkräftet wird, welche feſtſtellten, daß nur an wenigen Stellen red fir und yellow fir nebeneinander wachſen, während unab- ſehbare Wälder ausſchließlich von der einen oder der anderen Raſſe gebildet werden. Morphologiſch durchgreifende Unterſchiede, welche den Botaniker, nach den heutigen, die anatomiſch⸗ phyſiologiſchen Verhältniſſe der Pflanzen bei der Art⸗ begrenzung nicht oder noch nicht berückſichtigenden Standpunkte der beſchreibenden Wiſſenſchaft veranlaſſen könnten, hier zwei verſchiedene Arten anzunehmen, ſind nicht feſtzuſtellen geweſen, um ſo mehr aber anatomiſche, habituelle und phyſiologiſche ). Die red fir, die Douglasfichte mit rotem Holze, iſt die Fichte des trockenen Landes, der centralen Gebirgsketten und des Oſtabhanges der Küſtengebirge, welche von den warmen, regenbringenden Seewinden nicht oder nur wenig berührt werden, und verirrt ſich nur hier und da in die regenreichen Küſtenebenen. Sie hat ein verhältnismäßig ſo geringwertiges Holz, daß die Sägemüller der trockenen Gegenden es nur verarbeiten, wenn ſie gar kein beſſeres mehr haben! Dieſe red fir iſt es, welche in der Hauptkette der Rocky Mountains bis hinauf zum Peacefluß an der Nordgrenze von Britiſh Columbia große Wälder bil⸗ det, dann weſtlich die trockene Region zwiſchen Fraſer⸗ und Columbiafluß neben Pinus ponderosa var. scopulorum Hngelm. bedeckt und dann am trockenen Oſtabhange der Kaskade Ranges von Waſhington Territory bis nach Kalifornien ſich hinabzieht, nur hier und da in das Gebiet der yellow fir, der gelbholzigen Douglasfichte hinübergreifend, welche im übrigen faſt ausſchließlich auf die Kaskade Ranges von Britiſh Columbia, weſtlich vom Fraſer, auf den Weſten von Waſhington Territory, Oregon und Nordkalifornien beſchränkt iſt, nur hier und da mit den Flüſſen etwas weiter hinaufziehend, wo ihr Feuchtigkeitsbedürfnis durch die Dunſtatmoſphäre der Flußthäler und die durch die Gebirgslücken nach⸗ dringenden Seewinde geſtillt werden kann. Die red fir findet ſich noch an Standorten mit ſibiriſcher Winterkälte, während die yellow fir nur in dem vom Kuro Siwo, dem Golfſtrome des ame⸗ rikaniſchen Nordweſtens, mit einem iriſchen Klima beſchenkten Küſtenſtriche gedeiht und nur ſelten in höhere Gebirgslagen hinaufſteigt, in denen ein dem unſerigen näher kommendes Klima herrſchen dürfte. Die red fir wächſt noch auf dem ſterilſten und feſteſten Felsboden; die yellow fir gelangt nur auf einem Boden zu normaler Entwickelung, welcher aus Glacialkies oder Moränenſchutt mit reichlicher Humus⸗ ) Ich habe leider die umfaſſenden Herbarien meiner Reiſenden noch nicht erhalten, bemerke aber, daß mir Prof. Dippel⸗Darmſtadt in ſeinem Forſtgarten zwei ganz ver⸗ ſchiedenartige Douglasfichten zu beſitzen erklärte, deren Verhalten gegen klimatiſche und Bodenverhältniſſe ver⸗ muten laſſen, daß hier die beiden Raſſen vorliegen. beimiſchung oder Auflagerung beſteht und einen ab⸗ ſolut durchläſſigen Untergrund hat. Die red fir wird 20 bis höchſtens 60 m hoch und 0,50 —1,00 m dick; die yellow fir bis 90 m hoch und bis 3,50 m dick. Die red fir hat knorriges Holz, iſt in allen Teilen kleiner und dürftiger und ihre Nadeln zeigen häufig eine graugrüne Färbung. Sie fruktifiziert bereits an ganz jungen Exemplaren, deren Samen ſehr leicht zu erreichen ſind und daher vorwiegend zum Export kommen; die yellow fir hat dagegen aſtreines, feinkörniges Holz, iſt in allen Teilen üppi⸗ ger, fruktifiziert faſt nur in höherem Alter, und von den rieſigen, oft bis zu Turmhöhe unbeäſteten Stäm⸗ men ſind die Zapfen meiſt nur durch Fällen der Bäume zu erreichen. Da aber im Hochgebirge, welches kaum für Men⸗ ſchen, geſchweige denn für Pferde gangbar iſt, noch nirgends, alſo auch nicht an den wenigen, mit yellow fir beſtandenen Stellen Sägemühlen vorhanden ſind, ſo ſtammt der wenige, überhaupt in den Handel kommende Samen der echten, wertvollen yellow fir nur aus den Holzſchlägen der Küſtenebene, welche mit ihrem faſt winterloſen Klima ein für Deutſch⸗ land kaum brauchbares Saatgut erzeugen kann. Die red fir zeigt ſchließlich nach offictellen Er⸗ mittelungen beim Verbrennen einen Aſchenrückſtand von 0,11 (Montana) bis zu 0,16 und 0,18 % (Colo⸗ rado und Utah), während die yellow fir der coz lumbiſchen Küſte einen Aſchenrückſtand von 0,02 bis 0,09 % zeigt; ein Abſtand, der für den, der verſtehen will, eine deutliche Sprache redet. Während die yellow fir nach meinen Ermitte⸗ lungen niemals freiwillig ſich in der eigentlichen dry region, dem trockenen Höhenlande, welches der red fir vorbehalten blieb, angeſiedelt hat und, dahin verpflanzt, kein Gedeihen zeigt, kommt, wie geſagt, die red fir hier und da mit yellow fir benachbart im feuchteren Küſtenlande vor, wie ich dieſes z. B. vom Burrard Inlet in Britiſh Columbia, von Hill⸗ hurſt bei Tacoma und von der Gegend von Port Dis⸗ covery in Waſhington Territory am Südende der Puget Sundes in ſichere Erfahrung brachte. Ein alterfahrener Sägemüller in Alderton, Waſh⸗ ington Territory, verſicherte uns beſtimmt, daß nach ſeiner Erfahrung die red fir nur im trockenen Ge⸗ birge, die yellow fir nur in der feuchten Nie⸗ derung vorkomme; dagegen finden ſich bei Hillhurſt in einer weiten, nur wenig welligen Ebene mit kieſigem und ſandigem Boden beide Raſſen vereint, aber derart verteilt vor, daß die yellow fir die fruchtbaren, die red fir die trockenen Lagen des Tieflandes inne hat; ein Verhältnis, wie es nach Ausſage des rühmlichſt bekannten Botanikers, Pro⸗ feſſor Bolander in Portland, in der Regel als das normale Verhältnis angenommen wird. Bei Port Discovery nimmt wiederum, nach Ausſage eines Ver⸗ treters des größten dortigen Holzgeſchäftes, welches ſogar eigene Eiſenbahnen baut, um das Holz von ſeinen Quadratmeilen großen Holzſchlägen nach der Humboldt. — April 1889. 135 See zu ſchaffen, die red fir ausſchließlich die troce- nen Höhenlagen ein. Die in der dry region der Rocky Mountains intenſiv rötliche Farbe des Holzes iſt hier durch die Einwirkung des reichen Bodens des feuchten Seeklimas und der dadurch veränderten Wachstumsverhältniſſe eine fleiſchfarbene geworden, und gilt, in Stücken von größeren Dimenſionen als Bauholz verwendet, als dem der yellow fir faſt gleichwertig, während letztere für Bretter und ge— hobelte Ware entſchieden vorgezogen wird. Er fügt hinzu, „daß er nicht ſagen könne, ob fruchtbarer Boden die Eigenſchaft beſitze, nach langen Jahren das Holz der red fir auch ſo feinfaſerig und zähe wie das der yellow fir zu machen, doch bezweifle er das nach ſeinen Erfahrungen.“ Jedenfalls erhellt aus dieſen Ausführungen, daß erſtens die Annahme Sargents, daß red und yellow fir Altersklaſſen desſelben Baumes ſeien, unhaltbar iſt; daß zweitens beide von den Landesbewohnern ſtreng geſondert werden, ſtets getrennt wachſen und anatomiſch wie habituell von den Kennern leicht von- einander unterſchieden werden, daß alſo ſozuſagen doch zwei, wenn nicht morphologiſche, ſo doch phyſiologiſche Arten vorliegen, die ich zwar als ſolche nicht in die Syſtematik einführen will, obſchon auch dieſe meines Wiſſens ſchon einmal eine rein phyſiologiſche Baumſpecies zugelaſſen hat“), wohl aber den Herren Forſtmännern zur Anerkennung und zum Studium warm empfehle. Steht doch auch die auf unſere Douglasfichte begründete Gattung , Pseudo- tsuga“ morphologiſch auf recht ſchwachen Füßen und iſt trotzdem von ihren nächſten Verwandten Picea und Tsuga ſtreng zu trennen, weil, wie neuer- dings nachgewieſen worden iſt, anatomiſche Verhält— niſſe ſie in den allernächſten phylogenetiſchen Zu— ſammenhang mit den „Taxaceen“ ſtellen. Wie iſt nun beim Import der Douglasfidte nach Deutſchland verfahren worden? Statt durch eigens dazu ausgeſandte ſachkundige Samenſammler zunächſt die Lebensbedingungen des Baumes in der Heimat ſtudieren und für jedes einzelne für die Kultur beſtimmte deutſche Waldterrain ein Saatgut direkt ſammeln zu laſſen, deſſen Erzeuger unter klima⸗ tiſchen und Bodenverhältniſſen groß geworden, welche mit denen der verſchiedenen deutſchen Gebiete we— nigſtens einigermaßen in Einklang ſich befanden, hat man ſich begnügt, die Lieferung des Samens einem Unternehmer zu übergeben, der bei dem gar nicht anzuzweifelnden allerbeſten Willen ſich ſeinerſeits doch erſt wieder an amerikaniſche Vermittler wenden mußte, auf deren Zuverläſſigkeit abſolut nicht zu rechnen iſt. Es fällt keinem Yankee auch nur im Traume ein, ſein Leben zu riskieren oder auch nur einen Cent mehr auszugeben, um aus dem Norden oder dem Hochgebirge oder anderen paſſenden Lokalitäten das *) Quercus occidentalis Gay aus Portugal, von der Nymann richtig ſagt: Species magis physiologica quam morphologica et recenter pro statu Q. Suberis cum maturatione bienni, a diversitate climatis et temperiei pendente, habita. beſtellte Saatgut zu beſchaffen, wenn er es billiger und bequemer aus der nächſten und zugänglichſten Lokalität, und wäre ſie für den Konſumenten auch noch ſo unpaſſend, ſich verſchaffen kann. Was an Douglasfichtenſamen nach Europa kommt, geht faſt ausſchließlich durch die Hände einiger großer Samen— händler in San Francisco, Philadelphia, Newyork rc. Aus San Francisco erhalten wir Saatgut, welches offenbar aus den zahlreichen Holzſchlägen ſtammt, welche die Sägemühlen der Küſten von Kalifornien oder Oregon bedienen und wohl mit Beſtimmtheit zu % aus yellow fir beſteht, die für uns, ihrer Provenienz wegen, abſolut unbrauchbar iſt. Die öſtlichen Samenhandlungen dagegen beziehen, ſo weit fie nicht auch erſt von San Francisco aus be- dient werden, ihr Saatgut aus der Umgebung der nächſtgelegenen Bahnſtationen der Pacificlinien, aus dem trockenen Gebiete der Rocky Mountains mit der wirtſchaftlich höchſt geringwertigen red fir oder zum kleineren Teile aus der Gegend des ſchon genannten Hillhurjt*) oder ähnlichen Lagen des Nordweſtens, ſowie neuerdings aus Victoria“) auf Vancouver. Die aus dem red fir-Samen der Felſengebirge ge— zogenen Pflanzen lohnen die Anpflanzung in Deutſch— land für den Forſtbetrieb in keiner Weiſe, und gerade aus dieſer Provenienz werden jene deutſchen Anpflanzungen zur Mehrzahl entſtammen, welche ſich eines winterharten, mehr oder weniger gut ge— deihenden Pflanzenbeſtandes rühmen, während die Provenienzen aus dem Waſhington Territory und Vancouver auf allen Kulturſtellen Deutſchlands ab— geſtorben ſein oder ein elendes Daſein führen wer— den, wo nicht eine außerordentlich milde und geſchützte Lage, verbunden mit einem durch— läſſigen Boden, der aus reichlich mit Humus durchſetztem, rezenten oder diluvialen Mo— ränenſchutt oder Gletſcherſand beſteht, das Gedeihen ermöglichen. Solche Lokalitäten ſind es, welche allein die ſpärlichen Gewinne zu verzeich— nen haben, welche bisher aus dem großen Hazardſpiel, genannt „Acclimatiſation der Douglasfichte“, heraus— ſprangen. Der Landmann bezieht fein Saatgetreide längſt mit Vorliebe aus dem Norden, aus kälteren, rau- heren Gegenden, um durch die Vererbung der Wider— ſtandsfähigkeit ein auch gegen unſeren Winter wider- ſtandsfähigeres Material zu erzielen. Der Rüben⸗ bauer wählt mit ängſtlicher Sorgfalt die zuckerreichſte Rübe zur Vermehrung, um eine immer einträglichere Raſſe zu erzielen; überall wird anerkannt, daß die Vererbung der durch Anpaſſung erworbenen Eigen— ſchaften ein Hauptfaktor der Fortentwickelung der organiſchen Welt und, weiſe benützt, das mächtigſte Rüſtzeug zur Hebung des Nutzwertes auch volfs- wirtſchaftlich wichtiger Kulturpflanzen und Tiere iſt. Warum iſt alſo gerade bei den Acclimatiſationsver⸗ ſuchen mit ausländiſchen Gehölzen dieſe Thatſache ) Minimaltemperatur des Januar — 70 C. **) Minimaltemperatur des Januar — 40 C. 136 Humboldt. — April 1889. ſo wenig berückſichtigt und auf die Provenienz und die aus der Provenienz reſultierenden Eigenſchaften und Zukunftsgarantien der verwendeten Samenquan⸗ titäten ſo wenig geachtet worden? Ich bin der feſten Ueberzeugung, daß ſchon die Druckkoſten der zahl⸗ reichen Broſchüren über die bei den Acclimatifations- verſuchen gemachten Beobachtungen, welche bei dem zur Verwendung gekommenen, wohl abſolut unzu⸗ verläſſigen Samenmaterial nur zu den gefährlich⸗ ſten, folgenſchwerſten Trugſchlüſſen führen konnten, genügt haben würden, um die Vorſtudien und die Einſammlung zuverläſſigen Saatgutes, die zu einem Gelingen der Verſuche abſolut notwendig geweſen wären, reichlich zu bezahlen! Was ich zu thun vermochte, um durch meine Abgeſandten nunmehr ein brauchbares Saatgut zu beſchaffen, habe ich gethan, und meine Leute haben mit größter Aufopferung oft ſelbſt ihr Leben in die Schanze geſchlagen, um ein Saatgut der echten yellow fir aus einer Gebirgslage zu beſchaffen, deren klimatiſche und Bodenverhältniſſe wenigſtens mit de⸗ nen einer Anzahl von der Natur begünſtigter Diſtrikte Deutſchlands harmonieren. Ich wählte zu dieſen Verſuchen das Thal des mittleren Fraſer, eine Lo⸗ kalität, welche noch immer von allen Standorten der yellow fir das rauheſte Klima aufweiſt und von dem aus der Baum auch, den Nebenflüſſen folgend, bis zu etwa 3000 Fuß Seehöhe ins Gebirge hinauf⸗ ſteigt. Der erſte Verſuch wurde von Yale am Fraſer aus gemacht. Da der Abhang des Kaskadengebirges einen äußerſt ſchwierigen Anſtieg bietet und mit einem Urwalde bedeckt iſt, der eigentlich nur für Indianer gangbar iſt, ſo wurden zunächſt einige braune Jäger ausgeſandt, um gegen hohen Lohn feſtzuſtellen, ob in höheren Lagen die Koniferen über⸗ haupt Zapfen angeſetzt hätten. Nach drei Tagen kehrten ſie reſultatlos zurück, dem Hungertode nahe, denn in der ganzen Zeit hatten fie nur ein Wald⸗ huhn und ein Murmeltier zur einzigen Nahrung er⸗ beutet. Eine zweite Expedition, diesmal Chineſen, wurde abgeſandt, die wiederum faſt verhungerte und als einzige Beute einige Gramm Samen der yellow fir mitbrachte, aus einer Höhe, welche das Auftreten einer Winterkälte bis zu 30° C. vorausſetzen ließ. Dieſen Samen verehrte ich ſpäter zum größten Teile unſerem Herrn Reſſortminiſter. Noch immer ließen meine Leute den Mut nicht ſinken. Sie forcierten, von Indianern geleitet, weiter nördlich von Lytton aus ſelbſt den Anſtieg in nord⸗ weſtlicher Richtung als die erſten Weißen, welche überhaupt in dieſe Gebirgswildniſſe einzudringen ver⸗ mochten. Es war umſonſt! Zahlreicher junger An⸗ flug bewies, daß im Vorjahr bis zur Waldgrenze reichlicher Same zur Reife gelangt war, aber in dieſem Jahre zeigten ſich alle Zapfen durch die Sommerfröſte vernichtet. Dagegen fanden ſich in dieſer jungfräulichen Alpenregion Scharen von Berg⸗ ſchafen (Ovis montana) und Bergziegen (Aplocerus montanus), und der Chef meiner Expedition, Herr Albert Purpus, würde als ein Opfer ſeiner Hingebung unter den Tatzen und Zähnen eines grauen Bären fein Leben ausgehaucht haben, wenn nicht ein In⸗ dianer todesmutig ſich zwiſchen ihn und die Beſtie geworfen hätte. Der zerſchoſſene Bärenſchädel ziert jetzt meinen Schreibtiſch. Ich ſah ein, daß unter fo erſchwerten Verhält⸗ niſſen die Kraft eines Privatmannes nicht ausreichen würde, um zum Ziele zu gelangen, und da meine Ziele doch eminent gemeinnützig und wiſſenſchaftlich intereſſant waren, ſo wagte ich im darauffolgenden Winter die finanzielle Unterſtützung unſeres land⸗ wirtſchaftlichen Miniſteriums, ſowie die der Akademie und anderer Stiftungen anzurufen. Das erſtere konnte mir beim beſten Willen nicht helfen, weil keine ſtaatlichen Reiſefonds exiſtieren, während die wiſſenſchaftlichen Inſtitute meines Vaterlandes mich aus anderen Gründen abweiſen zu müſſen glaubten). Der Hochherzigkeit Henri Villards, des bekannten deutſchamerikaniſchen Mäcenas wiſſenſchaftlicher For⸗ ſchungen, verdankte ich allein die Möglichkeit der Fortſetzung der begonnenen Forſchungen um ein weiteres Jahr, aber ſo ſchöne Erfolge auch in ver⸗ ſchiedener Richtung erzielt wurden, ſo machte auch dieſes Jahr wieder ein unglücklicher Zufall meine Hoffnungen auf Erlangung brauchbaren Samens der Douglasfichte zu nichte. Auf Herrn Villards wohl⸗ begründetes Anraten hatte ich mein Augenmerk auf die Standorte der yellow fir in den Kaskade Ranges des Waſhington Territory, die weit zugänglicher ſind als die von Britiſh Columbia, gerichtet und Herrn Albert Purpus dorthin abgeordnet, während ſein in Columbia verbliebener vorjähriger Begleiter, Herr Richard Hoyer, ein beſonders geographiſch talen- tierter Mann, in den im Vorjahre beſuchten Lokalitäten ſein Glück verſuchen ſollte. Es ergab ſich, daß in dieſem Jahr gerade im Waſhington Territory ſämt⸗ liche Koniferen der höheren Gebirgslage durch Sommer⸗ froſt am Zapfenaufſatz behindert wurden, während dieſelben in den Bergen am Fraſer die reichſte Ernte verſprachen. Da wollte das Unglück, daß Herrn Hoyer 14 Tage vor Beginn der Samenreife die notgedrungen knapp zugemeſſenen Mittel gänzlich ausgingen, fo daß er, reſigniert, von allen Sammelverſuchen abſtehen mußte, da ich ja, bei der weiten Entfernung, ihn unmög⸗ lich rechtzeitig mit den nötigen neuen Mitteln verſehen konnte. Wenige hundert Mark uns bewilligter öffent⸗ licher Gelder hätten das Ziel erreichen laſſen und die Beſchaffung eines Saatguts ermöglicht, welches ſeiner *) Daß meine Reiſenden in den verſchiedenſten Zweigen der wiſſenſchaftlichen Forſchung ganz Hervorragendes Leifte- ten, ſteht feſt. In ethnographiſcher Richtung beweiſen das die für das Muſeum der Völkerkunde in Berlin gemachten Sammlungen, ſowie die Sitzungsberichte des letzten Amerikaniſtenkongreſſes; in geographiſcher Beziehung ſind Kartenſkizzen von gänzlich unbekannten Gebieten geliefert, welche ſich der höchſten Anerkennung von Autoritäten er⸗ freuen und die noch zur Publikation kommenden fauni⸗ ſtiſchen und floriſtiſchen Arbeiten werden die Wiſſenſchaft gleichfalls ſehr weſentlich bereichern und zum Teil ganz neue Geſichtspunkte eröffnen. Humboldt. — April 1889. 137 Zeit eine Wiederaufnahme der Acclimatiſationsver— ſuche auf ſoliderer Grundlage ermöglicht haben würde! Nachdem ich an dem bisher befolgten Acclimati— ſationsſyſtem ſo ſcharfe Kritik geübt, wird man billigerweiſe erwarten müſſen, daß ich mich nicht mit unfruchtbarem Tadel begnüge, ſondern auch poſitive Vorſchläge mache, wie künftig Fehler zu vermeiden und ein beſſer begründetes Verfahren zu befolgen ſei. Wer Pflanzen acclimatiſieren will, muß der prak— tiſchen Ausführung eine theoretiſche Erwägung nach— ſtehender Fragen vorausgehen laſſen: 1. Iſt das Vorkommen der einzuführenden Pflan— zenart ein lokales, oder erſtreckt ſich dasſelbe über weite Landſtrecken und über durch klimatiſche oder phyſikaliſch⸗geographiſche Verhältniſſe getrennte ver— ſchiedene Florengebiete? 2. Welches ſind die vorherrſchenden geologiſchen Formationen des Verbreitungsgebietes? 3. Wie ſteht es mit der jährlichen Regenmenge, wie mit der mittleren Winter-, Sommer- und Jahres- temperatur des Gebietes, und liegt das Gebiet, aus welchem die Pflanze eingeführt werden ſoll, mit dem, in welches ſie eingeführt werden ſoll, unter gleichen Iſothermen, Iſochimenen oder Linien gleicher jährlicher Wärmeſchwankung? Die Prüfung dieſer Fragen iſt das Minimum von Vorarbeit, welches jeder Acclimatiſationsverſuch erfordert, und welches auch bei unſerer Fichte uns nicht erſpart bleiben kann. Die großen Fortſchritte, welche die deutſche Karto— graphie in der Neuzeit machte, erleichtern uns dieſe Arbeit ungemein, denn faſt alle hervorragenden At— lanten gewähren uns Einblick in dieſe Verhältniſſe. Sehen wir nun einmal von der red fir ganz ab, welche ob ihrer Geringwertigkeit nur für ſolche Gebiete empfohlen werden könnte, die überhaupt nur zur Bedeckung und Beſchattung kahler Höhen irgend eine genügſame Holzart brauchen, und wenden wir uns zur yellow fir. Dieſe für uns national— ökonomiſch allein in Betracht kommende Raſſe gehört einem einzigen Florengebiete, der nordpacifiſchen Küſtenflora an, dem ſie etwa in einer Ausdehnung vom 40. bis zum 53. Breitengrade folgt. Die vor— herrſchende geologiſche Formation iſt die der alt— kryſtalliniſchen und metamorphiſchen Geſteine, ſtark durchſetzt mit Eruptivgeſteinen, wie Melaphyr, Baſalt, Porphyr und Andeſit, während faſt alle Thäler und Tiefebenen aus Moränenſchutt und humoſem Glacial— ſand gebildet oder damit überlagert ſind. Die jähr— liche Regenmenge ſteigt von circa 80 em an der kalifor— niſchen Küſte bis weit über 200 em am Puget Sund. Die mittlere Julitemperatur des Gebiets ſchwankt zwiſchen + 12° und 20° C., die mittlere Januar— temperatur zwiſchen 0° und 10 C., die mittlere Jahrestemperatur zwiſchen + 6° und + 15°C. Die jährliche Wärmeſchwankung iſt um 3—5° geringer als in Deutſchland. Wenn wir ferner noch erfahren, in welcher Ge— gend des Gebietes und in welcher Seehöhe das er— hältliche oder erhaltene Saatgut geſammelt iſt, ſo Humboldt 1889 können wir uns endlich anſchicken, diesſeitige Accli— matiſationsverſuche zu erwägen. Schließen wir wiederum eine kaliforniſche oder oregoniſche Saatprovenienz ganz aus, deren Erzeuger, außer an unbedeutende Nachtfröſte, kaum an die Un— bill eines Winters ſich zu gewöhnen nötig hatten, und deren Samen daher vielleicht für den ſüdlichen Apennin, Weſtirland oder die Vorberge Aſturiens ſich eignen würden, aber nimmermehr für Deutſch— land. Nehmen wir dafür an, daß ein glücklicher Zufall uns Samen in die Hand führte, welcher auf einer der Gebirgsſtationen der Northern Pacifiebahn am Weſtabhange der Kaskade Ranges geſammelt worden ſei, wo ſtatt der Maximalwinterkälte der Ebene von Waſhington Territory von — 8 C. eine ſolche von — 12° C. und eine mittlere Jahres- temperatur von circa + 8° C. anzunehmen ſein dürfte, ſo würden wir in Deutſchland ſchon verſchie— dene paſſende Gegenden für einen Verſuch finden. Ich nenne in erſter Reihe die wärmeren Thäler der Vogeſen, des Schwarzwaldes und des bayriſchen Waldes. Dieſe drei Gebirge beſtehen vorwiegend aus altkryſtalliniſchen Geſteinen, zum Teil durchſetzt mit Eruptivgeſteinen, und in ihrem Umkreis fehlt es nicht an Moränenſchutt und Glacialſandboden. Ihre mittlere Regenmenge ſteigt über 200 em und ihre Temperatur- verhältniſſe ſtimmen wenigſtens annähernd mit denen der Samenprovenienz überein. In zweiter Reihe wären als ebenſo regenreich die karniſchen Alpen, das Salzkammergut und die Augsburger Gegend zu empfehlen; doch wäre in den beiden erſtgenannten Lokalitäten das Gebiet der dort häufig auftretenden triaſſiſchen, juraſſiſchen und tertiären Kalkgeſteine zu meiden, da die yellow fir augenſcheinlichſt alle Böden mit ſtarkem Kalk-, Lehm- und Thongehalt flieht, während die Stadt Augsburg mit ihrem merkwür— digen Reichtum an Niederſchlägen ſich ein Verdienſt um die deutſche Waldkultur erwerben würde, wenn ſie es übernähme, humoſe Sandſtrecken des Lechthales mit yellow fir zu bepflanzen, die dort unzweifelhaft gedeihen würde, vorausgeſetzt, daß die Kulturen nicht länger andauernden Ueberſchwemmungen oder ſonſt ſtehender Näſſe ausgeſetzt wären, welche die Douglas— fichte nicht verträgt. Dasſelbe gilt auch in hervor— ragender Weiſe für den Diluvialſand des weſtlichen Schleswig-Holſtein, ſoweit die Stürme dort den Holzwuchs geſtatten, und für die übrige deutſche Nordſeeküſte, ſoweit dieſelbe aus durchläſſigem, frucht— barem Sandboden beſteht. Gelänge es aber, ein noch widerſtandsfähigeres Saatgut aus den Gebirgen am Fraſer, in welchen meine Bemühungen einen ſo betrübenden Mißerfolg fanden, zu erlangen, ſo ſtände nichts im Wege, auch die Thäler der regenreichen Urgebirgskomplexe am Oberharz (Brocken), am Rieſenkamme in Schleſien, im Erzgebirge und Fichtelgebirge, den centralen Teil des Thüringer Waldes und — last not least — das Schmerzenskind der preußiſchen Regierung, näm— lich die hohe Venn und Eifel, mit echter und edler Douglasfichte anzupflanzen, denn alle dieſe Gegenden 18 138 Humboldt. — April 1889. bieten bei hinreichender Regenmenge genügende kli— matiſche und kulturelle Garantien. Dagegen wäre es ein vergebliches Beginnen, die yellow fir in den ſchweren Lehm des elſäſſiſch-pfälziſchen Rheinthales und der öſtlichen Provinzen oder in den armen Sand der centralen und nordweſtlichen Provinzen Preußens oder gar in den fränkiſchen Jura, welche Gegenden bekanntlich zu den regenärmſten Mitteleuropas ge- hören, verpflanzen zu wollen. Was jetzt etwa in dieſen Gegenden fröhlich zu gedeihen ſcheint, iſt ſicher die wertloſe red fir der „dry region“ Ame⸗ rikas, und wenn hier und da triumphierend, als Zeichen beſonderen Gedeihens, gemeldet wird, daß ſchon ganz junge Stämme fruktifizieren, ſo iſt mit um ſo größerer Beſtimmtheit anzunehmen, daß die red fir vorliegt, welche ſich gerade durch frühes Fruktifizieren auszeichnet. Ich ſchließe meine Ausführungen in der Hoff- nung, nicht nur etwas mehr Licht über die Douglas⸗ fichte verbreitet, ſondern auch dem einen oder anderen meiner Leſer den Wunſch eingeflößt zu haben, meinen Spuren folgend, meine Forſchungen und Bemühungen in Nordweſtamerika ſelbſt fortzuſetzen, damit wir endlich den echten Baum unſerer Sehnſucht in unſere Kulturen einführen und unter rationeller Pflege ge⸗ deihen ſehen können, als das, was die yellow fir ift und ſtets ſein wird, als die Königin der Wälder. Für mich ijt es zu ſpät. Ich habe meine Rei⸗ ſenden entlaſſen, denn meine Opferfreudigkeit für das ideale Ziel, welches ich mir geſteckt hatte, wird ſich ſchwerlich zu einem dritten Verſuche aufraffen. Ich habe mit meinen braven Leuten mehr als meine Pflicht gethan, mögen nun diejenigen, welche an der definitiven, erfolgreichen Acclimatiſation des edelſten aller Waldbäume in Deutſchland ein näheres Intereſſe haben, das Ihrige thun! Ich muß mich begnügen mit dem elegiſchen Ausruf Tibulls: Est nobis voluisse satis!“) ) Der Eifer und die Rührigkeit, mit welcher Herr Dr. Dieck unter Anknüpfung ungemein zahlreicher Bez ziehungen die deutſche Dendrologie zu fördern beſtrebt iſt, und welche in dieſer Zeitſchrift bereits im Jahrgang 1887 (S. 235) von ſeiten des Herrn Dr. W. O. Focke gebührende Würdigung fanden, laſſen den lebhaften Wunſch gerechtfertigt erſcheinen, daß durch Botaniker und Sammler ſeine Be- ſtrebungen in derſelben uneigennützigen, wiſſenſchaftliche und praktiſche Zwecke in erſter Linie im Auge behaltenden Weiſe gefördert und unterſtützt werden möchten, mit der er ſelbſt ihnen obliegt. Wir möchten deshalb an dieſer Stelle nicht unterlaſſen, alle diejenigen, welche intereſſante Gehölz⸗ ſämereien aus gemäßigten Zonen zu ſammeln oder zu be— ziehen Gelegenheit haben, zur Einſendung derſelben an Herrn Dr. Dieck nachdrücklich aufzufordern. Es knüpfen ſich in der That ſehr vielſeitige und allgemeine Intereſſen an die Vermehrung und Vervollſtändigung der ſchon jetzt ſo überaus reichen Sammlung lebender Holzgewächſe des freien Landes, die von Herrn Dr. Dieck in verhältnismäßig kurzer Zeit zuſammengebracht worden iſt, und die unzweifel⸗ haft, wenn es noch einmal zur Gründung einer dendro⸗ logiſchen Reichsanſtalt für Deutſchland kommen ſollte, in irgend einer Weiſe als Grundſtock derſelben zu verwenden ſein wird. Zur Zeit müſſen thatſächlich die Dieckſchen Anpflanzungen als ein deutſches Nationalarboret angeſehen werden, welches als Bezugsquelle einer großen Zahl ſeltener und neuer Gehölze, als reiche Fundgrube für wiſſenſchaft⸗ liche Studien und als Stätte wichtiger praktiſcher Er⸗ fahrungen die Beachtung und Förderung von ſeiten der Botaniker verſchiedener Richtung, der Dendrologen, Gärtner, Forſtleute und Gehölzfreunde verdient. Die Redaktion. Zur Aetiologie der Infektions krankheiten. Don Dr. Meiſſen in Falkenſtein i. T. Seitdem wir nicht mehr bloß vermuten, ſondern wiſſen, daß lebendige Gifte, niederſte pflanzliche Lebeweſen die Erreger der verbreitetſten und wichtigſten Krankheiten ſind, iſt die Medizin in eine ganz neue Phaſe ihrer Entwickelung eingetreten. Sie darf wohl als die bedeutſamſte bezeichnet werden, welche dieſe Wiſſenſchaft ſeit ihrem Beſtehen durch⸗ gemacht hat. Nichts ſpricht dagegen, die neue Lehre, welche nach naturwiſſenſchaftlicher Methode wohlbegründet iſt, als eine definitive zu betrachten, von welcher alle weitere Forſchung ausgehen muß. Es liegt in der Natur der Dinge wie des Menſchen, daß der Eindruck der Ent⸗ deckungen der letzten Jahre, der geſicherte Nachweis einer ganzen Anzahl ſolcher Krankheitserreger, ihre künſtliche Züchtung außerhalb des menſchlichen oder tieriſchen Körpers und die experimentelle Erzeugung der entſprechenden Krank⸗ heiten vielfach ein überſchwenglicher war. Für jede Krank⸗ heit mußte ja nun alsbald der entſprechende Pilz auf⸗ gefunden werden, und ebenſo ſchien es nicht ſchwer, wo⸗ möglich durch ſyſtematiſche Verſuche im großen, für jeden Pilz ein entſprechendes Gegenmittel zu finden, durch welches man die Krankheit alsdann kurzer Hand beſeitigen würde. Nur langſam beginnt dieſe Hochflut weitgehendſter Erwartungen ſich zu verlaufen, indem die nüchterne Ueber— legung an die Stelle des anfänglichen Enthuſiasmus tritt. Man hatte eine Zeitlang vergeſſen, daß der Fortſchritt der menſchlichen Erkenntnis ſtets nur langſam geſchah, alſo wohl auch nur langſam geſchehen kann. Wie der Wanderer im Gebirge oftmals ſein Ziel erreicht glaubt, wenn er die gerade vor ihm liegende Höhe erſtiegen hätte, aber dort angelangt erſt die vielen anderen Höhenzüge erblickt, die er noch zu überwinden hat, ſo erging es auch in der Wiſſenſchaft von den Infektionskrankheiten. Der Gegen⸗ ſtand zeigte ſich ungleich verwickelter, ſchwieriger und ſpröder, als es anfänglich den Anſchein hatte. Mit jedem Schritte vorwärts ergeben ſich neue Fragen, die der Löſung harren, eröffnen fic) neue Richtungen, in denen die For⸗ ſchung ſich bewegen muß. Schon der einwurfsfreie Nach⸗ weis der ſpecifiſchen Krankheitserreger geſtaltet fic) nicht * Humboldt. — April 1889. ſo einfach, wie man nach der vollendeten Technik der mo— dernen bakteriologiſchen Unterſuchungsmethoden denken könnte. Er fehlt bekanntermaßen noch heute gerade für die bekannteſten Infektionskrankheiten, wie Scharlach, Diphtherie, Maſern u. a. Ferner iſt die Möglichkeit einer Bekämpfung dieſer Krankheiten durch ſpecifiſche Gegen— mittel allerdings vorhanden, da wir einzelne ſolcher Arznei— ſtoffe, beiſpielsweiſe das Chinin gegen Malaria, ſchon lange empiriſch kennen gelernt haben und anwenden. In— deſſen ſind die Hoffnungen, die ſich an die neue Lehre knüpften, gerade auf dieſem Gebiete bislang völlig ge— ſcheitert. Wir kennen wohl Mittel, welche das Gedeihen der Mikroparaſiten auf einem künſtlichen Nährboden hemmen und vernichten; allein dieſelben würden den Kranken noch weit ſicherer töten, wenn wir ſie ihm zur Beſeitigung der Krankheitsurſache in genügender Menge beibringen wollten. Durch die bloße Kenntnis der Krankheitserreger und ihrer biologiſchen Eigenſchaften außerhalb des menſchlichen Organismus wird überhaupt nur die eine Seite, aller Wahrſcheinlichkeit nach überdies die am wenigſten ſchwierige, der zu löſenden Frage von der Natur der Infektions— krankheiten beleuchtet. Die Verhältniſſe, unter denen wir die pathogenen Mikroben in Reinkulturen züchten, ent— ſprechen nicht ohne weiteres den Vorgängen bei der In— fektion des menſchlichen oder tieriſchen Körpers. Unter der Vorausſetzung, daß der Nährboden ein genügender iſt, ſtehen dort dem Wachstum der Pilze nur äußere Umſtände entgegen, wie Beſchränktheit des Nährmaterials, zu hohe oder zu niedrige Temperatur oder ähnliches. Hier aber befindet er ſich gegenüber den lebendigen Kräften eines anderen Organismus, der den Geſetzen des Lebens zufolge in ſeiner Integrität auf alle Weiſe ſich zu erhalten ſucht. Die Infektionskrankheiten entſtehen alſo nicht durch die einſeitige Wirkung der Mikroparaſiten, ſondern erſt durch die Wechſelwirkung zwiſchen ihnen und dem befallenen Organismus. Wenn, ſo äußert ſich Nägeli, niedere Pilze in den menſchlichen Körper gelangen, ſo treten ſie in Kon— kurrenz mit den lebenden Zellen desſelben. Es beginnt ein Kampf ums Daſein in ganz ähnlicher Weiſe, wie er in einer Nährlöſung zwiſchen zwei verſchiedenen Pilz— gattungen geführt wird. Im letzteren Falle handelt es ſich darum, welcher von den beiden Pilzen den Nährboden zu beherrſchen, aus demſelben die Nährſtoffe zu beziehen und ſie zu zerſetzen vermag. Im erſteren Falle kommt es ebenfalls darauf an, ob die Lebenskräfte des Organismus oder die des eingedrungenen Pilzes die Flüſſigkeiten des Körpers zu beherrſchen, aus ihnen Nahrungsſtoffe zu ent— nehmen und in ihnen die entſprechenden Umſetzungen zu bewirken vermögen. Es ergibt ſich aus dieſer kurzen Betrachtung, daß die Erforſchung der Infektionskrankheiten in zwei verſchiedenen Richtungen geſchehen kann und muß. Die eine beſchäftigt ſich mit den Krankheitserregern, die andere mit dem Verhalten des Organismus ihnen gegenüber. In bei— den Richtungen eröffnen ſich der forſchenden Betrach— tung an Bedeutung ebenbürtige Gebiete der Thätigkeit, die beſtimmt find, ſich gegenſeitig zu ergänzen. Die For- ſchung der letzten Jahre hat ſich weſentlich der erſteren zugewendet, der Unterſuchung der Mikroparaſiten. Ueber den glänzenden Entdeckungen namentlich Robert Kochs 139 ſcheint ſie freilich manche fruchtbare Anregung nach der anderen Richtung faſt vergeſſen zu haben, die der Gegen- ſtand der nachfolgenden Unterſuchung ſein ſoll. Daß wir bei der Bekämpfung der Infektionskrankheiten einen höheren Geſichtspunkt einnehmen müſſen, daß das Hauptgewicht unſerer Beſtrebungen nicht im Auffinden ſpecifiſcher Mittel gegen die Mikroben zu ſuchen iſt, lehrt gerade ein unlängſt von Koch ſelbſt gehaltener Vortrag über dieſen Gegenſtand. Anſchließend an die Art der Verbreitung der Krankheits- keime in Luft, Waſſer und Boden, wie ſie ſich aus ſeinen Forſchungen ergeben hat, zeigt er hier die Mittel und Wege, um wenigſtens dem Ueberhandnehmen dieſer Krank— heiten, namentlich der Kriegsſeuchen, durch Verhinderung der Ausbreitung dieſer Keime wirkſam entgegenzutreten. Wenn wir die ungeheure Vermehrungsfähigkeit der Mikroparaſiten erwägen, derzufolge beiſpielsweiſe ein ein— ziger Spaltpilz bei genügender Nahrungsmenge in ſieben bis acht Stunden über 100 000 Nachkommen erzeugen kann, die demnach diejenige der höheren Lebeweſen ganz unver— gleichlich übertrifft, ſo muß es zunächſt verwunderlich er— ſcheinen, daß nicht längſt das Menſchengeſchlecht durch irgend eine Seuche vernichtet iſt. Da wir nun trotz der Spaltpilze uns doch ſchon eine lange Reihe von Jahr- tauſenden erhalten haben, ſo dürfen wir mit Recht auf eine mächtige Gegenwirkung des menſchlichen Organismus den mikroparaſitiſchen Krankheitserregern gegenüber ſchlie— ßen. In der That muß im allgemeinen der erſtere, wenn in ihm die Verhältniſſe normal ſind, obſiegen, weil er zu dieſem Zwecke angepaßt iſt. Für gewöhnlich erſcheint der Menſch im Kampfe mit den Baciller und Genoſſen als der Stärkere. Wie die Wiederherſtellung von der Krank— heit, ſo beruht auch die Erhaltung der Geſundheit auf der Ausgleichsfähigkeit des Organismus gegenüber den all— täglichen phyſiologiſchen wie pathologiſchen Störungen. Beobachten wir nun, was die gewöhnlichſte Erfahrung lehrt, daß die Infektionskrankheiten aus der Zahl der an— ſcheinend Geſunden einzelne befallen, während andere, auf welche das infizierende Agens ohne Zweifel gleichfalls ge— wirkt hatte, verſchont bleiben, fo müſſen die Gründe hier— für in der Organiſation dieſer anſcheinend Geſunden liegen. Es müſſen bei ihnen zeitlich oder örtlich Störungen vorhanden ſein, welche die Energie der Lebenskräfte herab— ſtimmten und dadurch den Infektionskeimen die Oberhand ließen. Denn nur bei Inſuffizienz der natürlichen Regu— lation kann die Krankheit erfolgen. Wenn man den Aus— führungen Nägelis folgt, ſo ſetzt dieſer Sieg der Pilze nicht einmal eine in die Augen fallende eigentliche Schwächung des Organismus voraus, ſondern nur eine ſolche Ver— änderung, daß die Pilze nun die Stärkeren werden. Es iſt ſogar denkbar, daß dieſe Veränderung an ſich für den Organismus eine günſtige iſt, ganz abgeſehen davon, daß in einem geſund und kräftig ſich fühlenden Menſchen bei der Kompliziertheit des Organismus doch ein beſtimmtes Organ, auf das es bei der Infektion ankommt, verändert ſein kann, ohne daß die Kraftfülle des ganzen Körpers vermindert iſt. Wir müſſen ſogar ganz kleinen und an— ſcheinend unbedeutenden Störungen der Funktionen Ge— wicht beilegen, da ſie, beiſpielsweiſe einfache Erkältungen oder Indigeſtionen, unter Umſtänden den letzten Anlaß zum Haften der Krankheitserreger abgeben können. 140 Humboldt. — April 1889. Mit dieſen Betrachtungen ſteht die experimentelle Er— zeugung der Infektionskrankheiten nicht in Widerſpruch. Denn wir bringen hier das Gift gewaltſam und ver— hältnismäßig maſſenhaft in den Körper, ſtellen demnach ganz andere Anfangsbedingungen her, als ſie in der Natur vorkommen. Es iſt nicht zu verwundern, daß ein Or— ganismus den Angriffen weniger Pilze ſiegreich widerſteht, während er einer größeren Anzahl erliegt. Auch iſt es wahrſcheinlich, daß es für jeden Geſundheitszuſtand eines Organismus eine beſtimmte Zahl von Spaltpilzen gibt, welcher er nicht mehr widerſteht, und daß ſelbſt der kräftigſte Organismus durch eine genügend große Menge derſelben zu Grunde gehen oder doch erkranken muß. Wir bezeichnen die verſchiedene Empfänglichkeit der höheren Organismen den Krankheitserregern gegenüber kurz als Dispoſition. Häufig wird ſie an ſich ſchon einen krankhaften Zuſtand vorſtellen, daher wir auch von krankhafter Anlage ſprechen. Wie wir geſehen haben, iſt dies aber durchaus nicht mit ihrem Begriffe notwendig verknüpft. Wir verſtehen unter Dispoſition nichts weiter als die Geſamtheit derjenigen Verhältniſſe, welche als Ge⸗ legenheitsurſache das Wirkſamwerden der Krankheitserreger, das Haften der Mikroparaſiten erſt ermöglichen. Sind wir zur eingehenden Erkenntnis dieſer Verhältniſſe vor⸗ gedrungen, ſo daß wir ſie beherrſchen, ſo werden wir ſie auch modifizieren und beſeitigen, und das künſtlich und abſichtlich herbeiführen können, was gewiſſermaßen der normale Zuſtand in unſerem Verhalten den Spaltpilzen gegenüber iſt, nämlich die Seuchenfeſtigkeit oder Immu⸗ nität, d. h. die Unempfänglichkeit gegenüber den Ein⸗ wirkungen der Mikroben. Die Dispoſition erſcheint als die Brücke, ohne welche die Krankheitserreger nicht zur Entwickelung im Organismus gelangen können. Daß in der That ein derartiges Verhältnis obwaltet, ergibt ſich am deutlichſten aus der auch dem Nichtarzte bekannten Erfahrung, daß das Ueberſtehen gewiſſer Infektionskrank⸗ heiten, wie Maſern, Pocken, Scharlach, für eine zweite Er⸗ krankung mindeſtens längere Zeit, oft für immer unem⸗ pfänglich macht. Die Brücke war alſo unterbrochen worden, daher konnten die Keime nicht mehr haften. Dieſe eigen⸗ tümliche Immunität nach dem einmaligen Ueberſtehen einer Infektionskrankheit iſt zwar bis jetzt noch völlig unerklärt, da keine einzige der aufgeſtellten Hypotheſen einigermaßen genügt. Sie hat aber rein empiriſch durch die Erfindung und Einführung der Schutzimpfung gegen Pocken eine außerordentlich ſegensreiche Wirkung gehabt. Es iſt ſehr möglich, daß wir durch ähnliche Schutzimpfungen gegen andere Krankheiten ähnlichen Nutzen erreichen. Freilich würde dieſer nicht zu erwarten ſein bei denjenigen In⸗ fektionskrankheiten, wie Rotlauf, Malaria, Tuberkuloſe, wo einmaliges Ueberſtehen für wiederholte Erkrankung noch empfänglicher macht. Bei der hier erwähnten Tuberkuloſe iſt übrigens der Begriff der Dispoſition oder Anlage ein ganz populärer, und war es lange, bevor man dieſe ver— breitetſte aller Infektionskrankheiten mit Sicherheit als ſolche erkannt hatte. Aber auch bei vielen anderen an⸗ ſteckenden Krankheiten tritt ſelbſt für den Laien die Dis⸗ poſition als Brücke, als Zwiſchenglied hervor, welches den Bakterien den Sieg im Kampfe ums Daſein erleichtert. Bei der Cholera beiſpielsweiſe ſcheint, übereinſtimmend mit älteren Erfahrungen, eine Störung in der Magenthätigkeit dieſe Vorbedingung zu ſein, da der für dieſe Krankheit als ſpecifiſch angenommene Kommabacillus vom geſunden (ſauren) Magenſaft ſehr bald zerſtört wird. Daher gelang auch die Uebertragung der Cholera auf Tiere erſt, nachdem man durch Einführung alkaliſcher Löſungen ihren Magen⸗ inhalt vollſtändig neutraliſiert hatte. Daß Ueberanſtrengung und Erhitzung, Durchnäſſung und Erkältung, unrichtige Bekleidung und Ernährung, Unmäßigkeit die eigentlichen Feinde des Europäers in den Tropen find, da fie den fiebererregenden Spaltpilzen den Weg bahnen, iſt eine bez kannte Erfahrung, die zugleich von großer praktiſcher Be- deutung iſt für die Möglichkeit einer europäiſchen Beſiede⸗ lung dieſer Gegenden. Manche Analogie zu dieſem Verhältnis der Gelegen- heitsurſachen finden wir auch in der unorganiſchen Natur, namentlich in der Chemie, wo der Stoffe Haſſen und Lieben auch ſelten unmittelbar zur Geltung kommen kann, wie ſchon in dem alten Satze ausgeſprochen liegt: Corpora non agunt nisi soluta. Viele Metalle bleiben trotz ihrer Verwandtſchaft zum Sauerſtoff blank an trockener Luft und in gewöhnlicher Temperatur, während ſie in feuchter Luft oder in der Hitze ſich leicht oxydieren. Eiſen beiſpielsweiſe roſtet nur im Feuchten und bedeckt ſich beim Glühen ſofort mit Oxyd. Chlor und Waſſerſtoff vereinigen ſich trotz der großen Affinität direkt erſt durch die Einwirkung der Licht⸗ ſchwingungen. Die Beiſpiele ſind leicht zu vermehren. Es entſteht nun die Frage, und wir gelangen damit zum eigentlichen Gegenſtande unſerer Betrachtung, ob wir dieſem allgemeinen Begriffe der Dispoſition, wie er ſich aus dem Weſen der Infektionskrankheiten mit Notwendig⸗ keit ergibt, einen beſtimmteren, praktiſch verwertbaren In⸗ halt geben können. Obwohl die Forſchung ſich hier noch in den erſten Anfängen befindet, können wir dieſe Frage inſofern bejahen, als ſich immerhin mancher nicht une intereſſante Anhalt ergeben hat. Daß die Dispoſition im allgemeinen nicht etwas beſtimmt und dauernd Gegebenes iſt, folgt aus den obigen Betrachtungen von ſelbſt. Sie wechſelt nach Lebensalter, Geſchlecht, Lebensweiſe und Lebensgewohnheiten, jest ſich zuſammen aus einer Summe verſchiedenartigſter Verhältniſſe äußerer und innerer Um⸗ ſtände. Sie kann ebenſowohl eine angeborene oder er⸗ erbte wie eine erworbene ſein. Die Vererbung der Dis— poſition als einfache Thatſache gedacht iſt ein allgemein anerkanntes und geläufiges Verhältnis, ohne daß wir mehr davon wiſſen als über den geheimnisvollen Vorgang der Vererbung überhaupt. Die mannigfaltigen allgemeinen Geſetze der Vererbung kommen deshalb auch hier zur Gel— tung. Unterſuchen wir etwas näher, was nun eigentlich den Körper mehr oder weniger empfänglich für die Krank⸗ heitserreger macht, ſo ſind es zunächſt diejenigen Funk— tionen des Organismus, welche die Entfernung der von außen herankommenden Krankheitsgifte bewirken, Sekre— tionen der Haut und der Schleimhäute, Flimmerbewegung, Nieſen, Huſten, Brechen u. ſ. w. Hieran ſchließen ſich die— jenigen mechaniſchen Hinderniſſe, welche durch den Bau der Organe und durch die Feſtigkeit und Unverſehrtheit der Epidermis und der Epithelien dem Eindringen und Haften der Mikroben entgegenwirken. Wix dürfen dieſe Schutzvorrichtungen nicht für gering anſehen und vernach- Humboldt. — April 1889. 141 läſſigen, ſeit wir wiſſen, daß die Krankheitserreger nicht, wie man früher annahm, Miasmen gasförmiger Beſchaffen— heit, ſondern, zwar ſehr kleine, aber doch jedenfalls feſte Körperchen ſind. Deshalb können ſie in der angegebenen Weiſe ſehr wirkſam abgehalten werden, und es liegt hierin höchſt wahrſcheinlich der Hauptgrund, warum für gewöhn— lich überhaupt nur eine ſehr geringe Zahl von Krankheits— keimen in den Körper eindringen kann. Dies iſt um ſo wichtiger, als, wie wir geſehen haben, einer genügend großen Anzahl von Keimen alle ſonſtigen Schutzkräfte des Organismus nicht mehr Herr werden. Auch hier finden wir in anderen Verhältniſſen der Natur manche Analogien. Mooſe und Flechten wachſen am reichlichſten an Bäumen mit rauher, riſſiger Rinde, wo ſie aus einfach mechaniſchen Gründen am leichteſten haften können. Man vergleiche beiſpielsweiſe eine Lärche oder Pappel mit einer Buche oder Tanne. Aus dem gleichen Grunde bedecken die genannten Pflanzen haupt— ſächlich die Wetterſeite der Bäume, die unter den atmo— ſphäriſchen Einflüſſen die rauheſte wird und der überdies die Keime dieſer Gewächſe am reichlichſten zugeführt werden. Die eigentliche organiſche Gegenwirkung des menſch— lichen oder tieriſchen Körpers den Krankheitserregern gegen— über iſt offenbar in der chemiſchen Miſchung ſeiner Säfte, namentlich im Chemismus ſeines Zellenlebens zu ſuchen. Anders würde die Seuchenfeſtigkeit keine ſo vollſtändige ſein können, daß unter Umſtänden ſelbſt die künſtliche Impfung mit pathogenen Spaltpilzen erfolglos bleibt. So ſind z. B. Ratten dem ſonſt ſo verderblichen Milzbrand— bacillus gegenüber faſt völlig immun, und man glaubt neuerdings in der erheblichen Alkaleſcenz ihres Blutes den Grund hierfür gefunden zu haben. Bekanntermaßen iſt die Empfindlichkeit der Spaltpilze und der niederen Pilze überhaupt bezüglich der chemiſchen Miſchung ihres Nähr— bodens auffallend groß, bei ihrer ſonſtigen Lebefähigkeit faſt erſtaunlich. Wenn man nach Nägeli in beſtimmte zuckerhaltige Nährlöſungen, welche neutral reagieren, Keime von Spaltpilzen, Sproßpilzen und Schimmelpilzen hinein- bringt, ſo vermehren ſich nur die Spaltpilze und bewirken Milchſäuregärung. Setzt man aber der nämlichen Löſung 0,5% Weinſäure zu, ſo vermehren ſich nur die Sproß— pilze, und bei Zuſatz von 4—5 7% Weinſäure erhält man bloß Schimmelbildung. Man ſieht, wie ſelbſt kleine Diffe— renzen in der chemiſchen Miſchung darüber entſcheiden konnten, ob die Zellen des Organismus oder die Krank— heitserreger das in erſterem vorhandene Nährmaterial be— herrſchen werden, Differenzen, die thatſächlich auch bei an— ſcheinender Geſundheit unſeres Körpers vorkommen können und vorkommen müſſen. Mit den Zellen gelangen wir aber an ein Grenz— gebiet unſerer Forſchung. So wünſchenswert und not— wendig es iſt, gerade hier unſere Kenntnis zu erweitern, tiefer einzudringen in den Bau und die Funktionen dieſer Elementarorganismen, aus denen unſer Körper zuſammen— geſetzt iſt, ſo ſind doch unſere Hilfsmittel vorläufig noch gar zu unvollkommen und nichts weniger als ausreichend, um zu ſicheren Ergebniſſen zu führen. Merkwürdigerweiſe, als ob die Schwierigkeit reizte, wird trotzdem gerade dieſes Gebiet in unſerer Zeit mit Vorliebe bebaut. Jedenfalls verfrüht, denn man fängt da an, wo die Forſchung endigen 1 ſollte. Der mechaniſchen Auffaſſung der Lebensvorgänge iſt man in weiten Kreiſen vielleicht mehr als gut iſt zu— geneigt, während man die gröberen Verhältniſſe des Me— chanismus, um welche es ſich handeln ſoll, der Erforſchung kaum für wert hält. Und doch bildet offenbar die Kenntnis dieſer gröberen Verhältniſſe die Vorbedingung, um die Konſtitution des Organismus zu beurteilen und daraus Schlüſſe auf ſein Verhalten den Krankheitserregern gegen— über zu ziehen. Auch bei den Maſchinen unſerer Technik hängt Solidität und Exaktheit der Leiſtung zuletzt aller— dings von der Güte des verwendeten Materials, von deſſen molekularer Beſchaffenheit ab. Eine Maſchine aus Stahl wird eine kräftigere „Konſtitution“ haben als eine ſolche aus Gußeiſen. Zunächſt aber entſcheidet über die Leiftungs- fähigkeit einer Maſchine die richtig abgepaßte Form und Größe der gröberen Teile. Die gleiche Betrachtungsweiſe müſſen wir alſo auch bei der menſchlichen Maſchine in Anwendung bringen. Der Maßſtab, nach welchem nun die Kräftigkeit der phyſiologiſchen Konſtitution zunächſt beur⸗ teilt wird, iſt der äußere Habitus, wie er ſich aus— ſpricht in Knochenbildung, Muskulatur, Inkarnat. Bezüg— lich der Knochen und Muskeln kommt weniger die Länge als die Dicke in Betracht. Daher finden wir bei kräftiger Konſtitution zwar meiſt einen mindeſtens mittelgroßen Wuchs, doch iſt Rieſenwuchs erfahrungsmäßig durchaus kein Zeichen von Kräftigkeit und Widerſtandsfähigkeit. Auf der anderen Seite ſind kleine Menſchen meiſt zugleich zierlich und zart. Aus der Färbung des Geſichtes und der Schleimhäute ziehen wir Schlüſſe auf die Beſchaffenheit des Blutes, namentlich auf die Färbekraft und die Zahl der roten Blutkörperchen, ſo daß wir in der äußeren Er— ſcheinung des Menſchen nicht unwichtige Anhaltspunkte zur Beurteilung ſeiner Konſtitution beſitzen. Kräftige Konſtitutionen erliegen zahlreichen Krankheitseinflüſſen wenig oder gar nicht. Werden ſie von ihnen affiziert, ſo überwinden ſie dieſelben leichter und raſcher; die Reaktion erfolgt ſtürmiſcher. Allerdings fällt es oft auf, daß von gewiſſen Krankheiten, wie Cholera, Typhus, gerade die kräftigen Konſtitutionen ſcheinbar vorzugsweiſe befallen werden. Abgeſehen davon, daß ſolche Menſchen ſich mehr zumuten, ſich dreiſter Gefahren ausſetzen, möchte aber hierin wohl nur der Beweis liegen, daß, was uns nach dem äußeren Eindruck als kräftige Konſtitution erſcheint, dies in Wirklichkeit gewiſſen Krankheitserregern gegenüber nicht zu ſein braucht. Der Beurteilung der Widerſtandsfähigkeit des Orga— nismus im Kampfe mit äußeren Schädlichkeiten liegen uralte, immer wiederholte Erfahrungen zu Grunde, daher ſie den geübten Blick ſo leicht nicht trügt. Freilich ergibt ſie zunächſt nur einen allgemeinen Eindruck. In mehr— facher Beziehung deckt fic) der Begriff einer guten Konſti— tution mit dem, was wir wohlproportioniert nennen. Wir treten damit der Sache ſchon etwas näher. Denn wie die Kenntnis einer Dampfmaſchine und die Beurteilung ihrer Leiſtungsfähigkeit nicht denkbar iſt, ohne die Kenntnis der abſoluten und relativen Größe der einzelnen Beſtandteile, ſo iſt zur Beurteilung der Konſtitution des Menſchen die Kenntnis der relativen Größenverhältniſſe der einzelnen Organe Vorbedingung. Beneke iſt der einzige, der ſich mit der Löſung dieſes Problems praktiſch befaßt hat. Mit 142 Humboldt. — April 1889. ſeinem Tode iſt freilich das begonnene Werk faſt gänzlich liegen geblieben, obwohl er zu einzelnen wertvollen Er- gebniſſen gelangt war, die zur Beſtätigung oder Wider⸗ legung anregen. Nach Beneke zeigt ſich bei den Krank- heitsformen mit dem allgemeinen Charakter der Hyper- plaſie in den ſcharf ausgeprägten Fällen ein großes Herz, weite arterielle Gefäße, eine große oder ausgiebig funk— tionierende Leber, ein langer Dünndarm von großer Kaz pazität; bei denen mit dem Charakter der Hypoplaſie ein kleines Herz, enges arterielles Gefäßſyſtem, große Lungen, kleine Leber, ein kurzer Dünndarm. Auf dem Grund und Boden der erſten Kombination entwickeln ſich eine große Anzahl der rachitiſchen Krankheitsformen, die Hyper— plaſien des Bindegewebes, die Fettſuchten, gewiſſe Haut- krankheiten, die Careinome. Bei der zweiten Kombination treten vorwiegend auf Skrofuloſe und Tuberkuloſe, chro⸗ niſche Anämien. Die Unterſuchungen Benekes werfen auch einiges Licht auf die Frage von der Vererbung der Krank⸗ heiten. Die Frage iſt einfach und klar da, wo es ſich um die direkte Uebertragung der Krankheit vom Erzeuger auf den Nachkommen handelt; der Krankheitserreger, welcher erſteren krank machte, infizierte zugleich den Embryo des letzteren. Viel häufiger aber ſehen wir eine Vererbung der Krankheitsanlage. Niemand zweifelt an dieſer Thatſache. Die Begriffe über das, was ſich forterbt, ſind aber noch ſo wenig geklärt, daß mit der ganzen bisherigen Erblichkeitslehre nicht viel anzufangen iſt. Sie iſt einſt⸗ weilen faſt nur ein Deckmantel unſerer pathologiſchen Un⸗ wiſſenheit, ein Beruhigungsmittel für den verzweifelnden Therapeuten. Was ſich forterbt, würde alſo nach Beneke die anatomiſche Grundlage der Konſtitution, das beſtimmte relative Größenverhältnis der einzelnen anatomiſchen Appa⸗ rate ſein. Die Entwickelung der Krankheit hängt erſt von weiteren Bedingungen ab, und zwar, wie wir heute wiſſen, in erſter Linie von der Einwirkung der Mikroparaſiten. Man wird zugeben, daß wir auf dieſem Wege zu ſehr wichtigen Aufſchlüſſen über das Weſen der Dispoſition ge⸗ langen könnten. Freilich iſt hier ſeit Beneke ſo gut wie nichts mehr geſchehen, weil das Intereſſe für die bakterio⸗ logiſchen Forſchungen zu ſehr in den Vordergrund trat. Bemerkenswert ſcheint eine Entdeckung von Schottelius, der ein anatomiſches Subſtrat zur Erklärung der auf⸗ fallenden Thatſache fand, um wie viel häufiger Meer⸗ ſchweinchen, Kaninchen, Schafe, überhaupt Pflanzenfreſſer an Lungenkrankheiten, beſonders Tuberkuloſe leiden, als Carnivoren, beſonders Hunde. Nach Schottelius ijt die Eintrittsſtelle der kleinſten Bronchien in das eigentliche Lungengewebe bei Hunden ſtark trichterförmig verengt, bei Kaninchen dagegen auffallend weit, während die menſch⸗ liche Lunge in dieſer Hinſicht eine mittlere Stellung ein⸗ nimmt, welche individuell in ſehr beträchtlichen Grenzen ſchwankt. Die Folge hiervon muß offenbar ſein, daß bei einem Bau der Bronchien nach dem Typus der Herbivoren viel leichter Krankheitserreger in das Lungengewebe ge— langen müſſen als bei dem anderen Typus, der Hundelunge. Alle dieſe Verhältniſſe, welche geeignet ſind, das Ver⸗ halten auch den Spaltpilzen gegenüber zu beſtimmen, be⸗ ziehen fic) auf den Bau und die Anordnung der Organe. Es entſteht nun die Frage, ob wir nicht für die Beur⸗ teilung der Funktion derſelben, die ſich hieraus ſchon zum Teil ergibt, noch weitere Anhaltspunkte haben, ohne uns auf das unſichere Gebiet der feinſten und ſubtilſten Unter— ſuchungen über das Zellenleben zu begeben. Guſtav Jäger iſt hier allem Anſcheine nach der Urheber eines wertvollen Gedankens geweſen. Bedauerlicherweiſe hat er ihn nur in der Richtung des Wollkoſtüms nebſt Zubehör fort- geführt, ſo daß ſein Buch über Seuchenfeſtigkeit und Kon⸗ ſtitutionskraft weniger geleſen wird, als es wohl verdient. Jäger ſieht ein weſentlich disponierendes Element in dem Waſſer⸗ und Fettgehalt der Körpergewebe. Daß das Fett, ſowie es ein gewiſſes Maß überſchreitet, für den Körper ein mindeſtens unnützer Ballaſt, der die Energie der or— ganiſchen Funktionen hindert und herabſetzt, iſt ohne weiteres klar. Jäger kam auf ſeine Idee durch Meſſungen und Wägungen von Soldaten während ihrer drei Dienjt- jahre. Es ift nun bekannt, daß die Rekruten eine be- trächtlich größere Morbiditäts- und Mortalitätszahl haben als die ſpäteren Jahrgänge. Aus Jägers Unterſuchungen ergab ſich nun, daß die militäriſche Abhärtung, wie ſie durch den Dienſt erreicht wird, eine beträchtliche, vom zweiten zum dritten Dienſtjahre noch fortſchreitende Er⸗ höhung des ſpecifiſchen Gewichtes der Leute zur Folge hat, die nicht anders erklärt werden kann, als durch Entfettung und Entwäſſerung und den teilweiſen Erſatz dieſes Ab⸗ gangs durch Eiweiß und Salze. Wenn nun hierdurch, und zwar weſentlich durch die Entwäſſerung, die Chancen der Mikroparaſiten, im Organismus zur Entwickelung zu gelangen und Krankheiten zu erregen, vermindert werden, ſo muß dieſelbe umgekehrt dem Organismus zu gute kommen. Seine Anſchauung faßt Jäger demnach in dem Satze zuſammen: Alle übrigen Beſtandteile nach Quale und Quantum gleichgeſetzt, muß die Immunität des Or- ganismus gegen Infektion um ſo größer ſein, je geringer ſein Waſſergehalt iſt. Eine Reihe von Umſtänden ſcheint für die Richtigkeit dieſer Idee zu ſprechen. Wie empfindlich die niederen Pilze bezüglich der Beſchaffenheit ihres Nährbodens ſind, wurde bereits erwähnt. Dies gilt auch für die Konzen⸗ tration desſelben, mag er ſonſt auch ganz geeignet ſein für ihr Wachstum. Eine ſtarke Zuckerlöſung wird bekannt⸗ lich nicht mehr von den Hefepilzen zerſetzt, die den Moſt, eine dünne Zuckerlöſung, mit Leichtigkeit zur Gärung bringen. Es beruht darauf das Konſervieren (Einmachen) in Zucker. Friſches Fleiſch fault durch Spaltpilze; bis auf einen gewiſſen Grad getrocknet, kann es nur noch ſchim— meln. Umgekehrt kann die Konzentration des Nährbodens auch eine zu geringe ſein, um dem Pilz die Vegetation zu geſtatten. Ein beſtimmter Pilz bedarf zur flotten Ent⸗ wickelung eines beſtimmten Sättigungsgrades ſeiner Nähr⸗ ſtofflöſung; Zunahme wie Abnahme wirken nachteilig. Hierin werden ſich die verſchiedenen Pilzarten wahrſchein— lich ſehr verſchieden verhalten. Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß der Waſſergehalt bei verſchiedenen Organismen und auch bei demſelben Organismus je nach Lebensweiſe, Alter, Geſchlecht, Jahreszeit erheblichen Schwankungen unterworfen iſt. Ebenſo iſt es nach den betrachteten Eigenſchaften der Mikroben ſehr wohl denkbar, daß ſchon mäßige Entwäſſerungsgrade hinxreichen können, das Zünglein der Wage zu Gunſten des Organismus zu neigen. Denn im ganzen wird eine möglichſt ſtarke Kon⸗ Humboldt. — April 1889. 143 zentration der Gewebsflüſſigkeiten für den Organismus am günſtigſten ſein. Hierdurch würde ſich vielleicht er— klären, daß anſcheinend ſehr kräftige, blühende, von Ge— ſundheit ſtrotzende Menſchen von gewiſſen Infektionskrank— heiten faſt mit Vorliebe befallen werden. Solche vollſaftige Menſchen befinden ſich eben nicht im beſten Abhärtungs— zuſtande. Ein wirklich abgehärteter, trainierter Menſch iſt nicht vollſaftig, ſondern eher mager, ſehnig, mit feſten Muskeln, wie wir es auch bei Rennpferden beobachten. In viele andere Erſcheinungen bei den Infektionskrank— heiten eröffnet die Jägerſche Hypotheſe eine gewiſſe Ein— ſicht, ebenſo wie manche Erfahrung auf dieſem Gebiete ſie zu beſtätigen ſcheint. Wir würden alſo in der Be— ſtimmung des ſpeeifiſchen Gewichtes des Menſchen unter einigen Vorbehalten und nach Ausſchaltung einiger Fehler— quellen vielleicht ein äußerſt wertvolles Mittel haben, um ſeine Widerſtandsfähigkeit den verderblichſten Feinden gegen- über zu meſſen und zu beurteilen. Die Idee iſt aber bis jetzt nicht weiter geführt worden. Ein Hauptgrund dafür liegt wohl in der Schwierigkeit der Herſtellung eines Apparates, der die Beſtimmung des ſpeeifiſchen Gewichtes am lebenden Menſchen leicht und raſch ermöglicht. Indem wir hier abbrechen, müſſen wir uns freilich geſtehen, daß wir in der Erforſchung des Weſens der Dis— poſition uns noch in den erſten Anfängen befinden. Der Weg iſt aber beſchritten, und es fehlt, wie wir ſahen, ſchon jetzt nicht an genügendem Anhalte, wo die künftige Forſchung einzuſetzen hat. Aber ſchon die klarere Einſicht in das Weſen der Infektionskrankheiten ſtellt einen erheb- leber die Abſtammung lichen Fortſchritt vor. Das, was wir Krankheit nennen, erſcheint uns als ein Vorgang, der im Kampfe ums Daz ſein, dem Grundprinzipe des Lebens im Verkehr mit der Außenwelt, die außer dem Menſchen noch eine ganze Reihe anderer Lebeweſen enthält, welche bezüglich ihrer Exiſtenz teilweiſe ausſchließlich auf den Herren der Schöpfung an⸗ gewieſen ſind, mit Notwendigkeit ſich vollziehen muß. Ein goldenes Zeitalter, das von Krankheit frei wäre, können wir alſo wohl träumen, werden es aber nie gewinnen. Wohl aber erkennen wir, in welchem Umfange die fort- ſchreitende Wiſſenſchaft es uns ermöglichen wird, die Ver— hältniſſe zu unſeren Gunſten zu geſtalten. Die Verſuche zur Bekämpfung der fertigen Krankheit durch arzneiliche Gegenmittel hat bisher keineswegs zu ermutigenden Er— gebniſſen geführt. Mehr würden wir ohne Frage gewinnen, wenn es uns gelänge, der Ausbreitung und Vermehrung der Infektionskeime in den uns umgebenden Medien ent— gegen zu treten. Das höchſte Ziel würden wir erreichen, wenn wir die Verhältniſſe, welche das Haften der Krank: heitserreger bedingen, beherrſchen und geſtalten könnten, wenn wir imſtande wären, den Menſchen gegen die Ein— wirkung dieſer unſichtbaren Feinde „feſt“ zu machen. Die Lehre von der Verhütung der Krankheiten und von der Erhaltung und Vervollkommnung der Geſundheit wird ſicherlich der Menſchheit größere Dienſte zu leiſten imſtande ſein, als die nur mit der Wiederherſtellung der geſtörten und zerrütteten Geſundheit beſchäftigte traditionelle prak— tiſche Medizin. Wenn nicht alles trügt, werden dieſe Be— ſtrebungen die Zukunft dieſer Wiſſenſchaft beherrſchen. des Meerſchweinchens ). Von Profeffor Dr. Alfred Nehring in Berlin. Wie bei den meiſten Haustieren, ſo iſt auch beim Meerſchweinchen (Cavia cobaya Marcgr.) die Abſtammung zweifelhaft, und es hat ſich bis heute noch keine Ueber— einſtimmung in betreff der wilden Stammart jenes nied— lichen Haustieres und in betreff ſeines eigentlichen Heimat- landes herausgeſtellt. Daß das Meerſchweinchen aus Südamerika ſtammt, darüber find wohl alle Autoren einig“). Denn einer— ſeits leben dort alle wilden Verwandten desſelben, und andererſeits iſt letzteres erſt nach der Entdeckung Amerikas in Europa bekannt geworden. Die Frage iſt nur, ob Cavia cobaya eine ſelbſtändige Art bildet, oder ob es von irgend einer wilden Art abgeleitet werden kann, und von welcher? Viele Autoren betrachten das Prea (Preya, Cavia aperea Eraleben), welches bekanntlich in Braſilien, Para⸗ guay und Argentinien eine weite Verbreitung hat, als wilde Stammart des Hausmeerſchweinchens; dagegen haben andere Autoren, wie Rengger und nach ihm Henſel, dieſe Anſicht verworfen. *) Der Hauptinhalt dieſer Abhandlung wurde bereits mündlich in der Sitzung des Berliner Amerikaniſten⸗Kongreſſes vom 5. Oktober 1888 vorgetragen. ) Vergl. Blafius, Säugetiere, S. 430. Meine eigenen Studien haben mich dahin geführt, Peru als die eigentliche Heimat des Hausmeer— ſchweinchens und die alten Peruaner als diejenigen anzuſehen, welchen wir die Domeſtikation jenes kleinen Haustieres zu verdanken haben. Als wilde Stammart iſt wahrſcheinlich das in Peru verbreitete wilde Meerſchweinchen (Cavia Cutleri King reſp. Tschudi) zu betrachten, eine dem braſilianiſchen Prea ſehr nahe ſtehende Species“). Im übrigen iſt es nicht ausge- ſchloſſen, daß auch in anderen Ländern Südamerikas (z. B. in Guiana und Braſilien) ſelbſtändige Domeſtikationen von Cavien ſtattgefunden haben; aber dieſelben ſcheinen doch keinen größeren Umfang gehabt und auf die Herausbildung von Farbenvarietäten keinen Einfluß ausgeübt zu haben. Die Peruaner waren das einzige Volk Südamerikas, welches eine höher entwickelte, mit großer Liebe und offen— barem Verſtändnis betriebene Tierzucht beſaß ““). Das- jenige, was wir über ihre Lama- und Alpakazucht wiſſen, beweiſt dieſes zur Genüge!“ “). Außerdem kann man es ) Die bisher unterſchiedenen Arten der Gattung Cavia (im engeren Sinne, exkl. Kerodon) ſtehen einander ſehr nahe, namentlich im Schädel und Gebiß, ſo daß es ſchwer iſt, ſcharfe Grenzen zwiſchen ihnen zu ziehen. ) Vergl. Max Steffen, Die Landwirtſchaft bei den altamerikaniſchen Kulturvölkern, Leipzig 1883, S. 118 ff. ***) Steffen, a. a. O., S. 120, 128. 144 Humboldt. — April 1889. auch ſchließen aus den Thatſachen, welche ich ſelbſt vor einigen Jahren über die Raſſen der alt⸗peruaniſchen Haus⸗ hunde nach den Grabfunden der Herren Reiß, Stübel und Macedo feftftellen konnte “). Daß die alten Peruaner ſchon in der vorſpaniſchen Zeit das Meerſchweinchen züchteten, darf als völlig feſt⸗ ſtehend angeſehen werden. Wie Steffen unter Berufung auf die alten Chroniſten angibt, „hielt man es in den Hütten und benutzte es ſowohl zur Nahrung, als auch zum Opfern. So ſoll man im Auguſt (Yapaquiz) tauſend Meerſchweinchen (Cuyes) zu Ehren des Froſtes, der Erde und des Waſſers verbrannt haben, um eine reiche Ernte zu erlangen. Die Collas opferten ſie auch der Sonne. Wie Wiener be⸗ hauptet, hätten die Schwänze der Tierchen den Malern als Pinſel gedient.“ Letztere Behauptung Wieners iſt offen⸗ bar unrichtig, denn die Meerſchweinchen haben bekanntlich gar keinen Schwanz. J. J. v. Tſchudi ſagt in ſeiner Fauna Peruana p. 251 über das Meerſchweinchen folgendes: „Es iſt ſchwierig zu entſcheiden, ob dieſe Tierchen vor der ſpaniſchen Invaſion den Peruanern ſchon bekannt waren; wir ſind geneigt zu glauben, daß ſie ſchon von den älteſten Zeiten her aus dem Flachlande Braſiliens zu den Indianern am obern Amazonenſtrome gekommen und von da allmählich über ganz Peru verbreitet wurden!). Gegenwärtig find ſie ein ſehr beliebtes Haustier der Indianer der Sierra, und man trifft daſelbſt ſelten eine Küche, in der ſie nicht ſcharenweiſe herumlaufen. Sie vertragen das kälteſte wie das heißeſte Klima mit Leichtigkeit; denn ſie kommen bei 14 000 Fuß ü. M. noch vortrefflich fort.. .. Die Ein⸗ geborenen nennen das Meerſchweinchen Cuy und bereiten aus dem Fleiſch mit ſpaniſchem Pfeffer eines ihrer Lieblings⸗ gerichte.“ Nach meinen eigenen Unterſuchungen kann es kaum noch irgend einem Zweifel unterliegen, daß die Peruaner ſchon in der vorſpaniſchen Zeit das Meerſchweinchen als Haustier züchteten. Es liegen mir eine Anzahl mumifi⸗ zierter, mit Haut und Haar erhaltener Meerſchweinchen aus alt⸗peruaniſchen (vorſpaniſchen) Gräbern des Toten⸗ feldes von Ancon bei Lima vor, welche den Ausgrabungen der Herren Dr. Reiß und Dr. Stübel entſtammen. Die⸗ ſelben beweiſen, daß die Bewohner des Inca-Reichs oder doch gewiſſe Stämme unter ihnen die Gewohnheit hatten, den Toten außer Hunden, Lamas und Alpakas auch Meer⸗ ſchweinchen mit ins Grab zu geben. Zuweilen hat man auch nur die Köpfe als Grabbeigaben verwendet, ebenſo wie dieſes nicht ſelten hinſichtlich der Hunde, Lamas und Alpakas geſchehen iſt. Die mir vorliegenden Exemplare ſind durchweg von mittlerem Alter und mäßigen Dimenſionen; nur eines iſt geradezu als jung zu bezeichnen. Alte, ſtarke Exemplare ſind nicht vertreten; die Totallänge des Schädels variiert ) Siehe meine Abhandlung „über Raſſebildung bei den Inca⸗ Hunden aus den Gräbern von Ancon“ in der Zeitſchr. „Kosmos“, 1884 Bd. I, S. 94—111. Sitzungsbericht d. Geſ. naturf. Freunde in Berlin, 1885, S. 5—13. 1886, S. 100 ff. 1887, S. 139 ff. Reiß und Stübel, das Totenfeld von Ancon in Peru, Taf. 117 und 118 nebſt Text. ) Vergl. Tſchudi, a. a. O., S. 195, wo die abweichende Anſicht der peruaniſchen Indianer erwähnt wird, nach welcher das zahme Meer⸗ ſchweinchen Perus von der in Peru ſelbſt einheimiſchen wilden Art (Cayia Cutleri Hing) abſtammt. zwiſchen 55 und 59 mm, während fie bei alten, ſtarken Hausmeerſchweinchen der Jetztzeit zuweilen bis 67 mm beträgt. Die Behaarung gleicht im allgemeinen der unſerer gewöhnlichen Hausmeerſchweinchen; dagegen weicht die Färbung inſofern ab, als fie eine gewiſſe Annähe— rung an diejenige der wilden Cavien zeigt. Ein Exemplar erſcheint einfarbig braun), doch jo, daß viele einzelne Haare von ihrer Baſis bis zur Spitze hellere und dunklere Nüancierungen des Braun zeigen. Ein jüngeres Exemplar iſt einfarbig gelbweiß. Drei andere (erwachſene) Exemplare zeigen als Hauptfarbe ein rötliches, ſtellenweiſe mit ſchwarzen Haarſpitzen überflogenes Braun und dazwiſchen gelbweiße Flecken von unregelmäßiger Form. Ein ſechſtes Individuum, das nur durch einen Kopf nebjt Hals repräſentiert wird, zeigt am Kopf eine feinmelierte Haarfarbe, ähnlich derjenigen der Cavia aperea, während die Haare des Halſes gelb ſind. — Schwarze Flecken oder ſonſtige ſchwarze Zeichnungen kann ich an den mir vor⸗ liegenden Exemplaren nicht beobachten, während ſolche bei unſeren heutigen Hausmeerſchweinchen ziemlich häufig be⸗ obachtet werden. Auch in der Schädelform und Gebißbildung zeigen mehrere der alt-peruaniſchen Meerſchweinchen eine deutliche Annäherung an die wilden Cavien, jo z. B. in der Geſtalt der Naſenbeine und in der Form des letzten oberen Backenzahns. Die von Rengger ) und im Anſchluß an ihn von Henſel ***) geltend gemachten Unterſchiede in der Schädel⸗ bildung des Hausmeerſchweinchens und der Cavia aperea kann ich nicht als ſpeeifiſche anerkennen; fie beruhen größten⸗ teils auf den Folgen einer langedauernden Domeſtikation; zum Teil ſind ſie aber rein individuell. Sie laſſen ſich gegen die Abſtammung des Hausmeerſchweinchens von jeder beliebigen wilden Species der Gattung Cavia (im engeren Sinne) geltend machen. Es liegt mir (abgeſehen von den alt⸗peruaniſchen Exemplaren) eine große Zahl von Schädeln wilder Cavien aus Braſilien und Paraguay und daneben eine ſehr an⸗ ſehnliche Zahl von Schädeln des Hausmeerſchweinchens aus Deutſchland und Braſilien vor. Dieſelben zeigen, daß zwar im allgemeinen diejenigen Unterſchiede, welche Rengger und Henſel in Bezug auf die Schädelform der Cavia aperea und der Cavia cobaya hervorheben, vorhanden ſind, daß ſich aber zugleich deutliche Uebergänge zwiſchen beiden beobachten laſſen. Im allgemeinen iſt der Schädel des Hausmeer- ſchweinchens, namentlich wenn es in enger Gefangenſchaft gezüchtet iſt und reichlich genährt wird, breiter, niedriger, plumper und kurzſchnauziger als derjenige der Cavia aperea oder anderer verwandter, wilder Arten. Aber dieſes iſt eine Differenz, welche wir in analoger Weiſe bei den meiſten Säugetieren finden, wenn wir die domeſtizierte. Form mit der entſprechenden wilden Art vergleichen. Man ſtelle z. B. den Schädel eines Wildſchweins (Sus scrofa ferus) ) Auf der Rückenſeite und am Kopfe dunkelbraun, an der Bauch⸗ ſeite hellbraun. **) Rengger, Säugetiere von Paraguay, Baſel 1830, S. 275 ff. ) Henſel, Beiträge zur Kenntnis der Säugetiere Südbraſiliens, Berlin 1872, S. 59 f. Humboldt. — April 1889. 145 mit dem eines Hausſchweins (Sus scrofa domesticus) zuſammen, und man wird dieſelben, ja noch viel deut- lichere Unterſchiede finden als zwiſchen den Schädeln von Cavia aperea und den nahe verwandten wilden Arten einer— ſeits und denen des Hausmeerſchweinchens andererſeits. Die wilden Cavien benutzen den vorderen Teil ihres Kopfes vielfach als Keil beim Hindurchſchlüpfen durch Gras und Geſtrüpp, ſowie auch bei Herſtellung von Löchern und Gängen im Erdboden. Dieſe Benutzung des Schnauzen— teils von Jugend auf hat einen analogen Einfluß auf die Form desſelben, wie das Wühlen auf die Schädelform des Wildſchweins. Unter der Einwirkung von Muskelzug und Muskeldruck bilden ſich die Knochen des Geſichtsſchädels länger, ſchmaler und ſchärfer heraus, als es bei dem meift zu völliger Unthätigkeit verdammten, in enger Gefangen— ſchaft aufwachſenden Hausmeerſchweinchen der Fall ift. Dieſes zeigt ſich am auffälligſten in der Form der Naſenbeine. Dieſelben find bei den wilden Cavien, nament— lich bei Cavia aperea, meiſt länger, ſchmaler, gewölbter als bei Cavia cobaya, und fie ragen gewöhnlich mit einer ge— meinſamen Spitze in die Stirnbeine hinein, während ſie bei dem letzteren hinten meiſtens geradlinig quer abgeſchnitten ſind. Aber es iſt dieſes kein abſolut conſtanter Unter— ſchied; denn unter den mir vorliegenden Schädeln alt— peruaniſcher Hausmeerſchweinchen befinden ſich mehrere, an denen die Naſenbeine hinten mit einer gemeinſamen Spitze, wie bei Cavia aperea, in die Naſenbeine hinein- ragen und relativ lang und gewölbt erſcheinen. Und um— gekehrt zeigt ein aus Paraguay ſtammender Aperea-Schädel unſerer Sammlung die hintere Grenze der Naſenbeine ebenſo geradlinig, wie es bei Cavia cobaya meiſt der Fall iſt. Ebenſowenig, wie ich die von Rengger und Henſel betonten Unterſchiede in der Form der Naſenbeine als konſtante und ſpecifiſche anerkennen kann, iſt mir dieſes in Bezug auf die ſonſt angeführten Differenzen möglich. Dieſelben ſind entweder völlig inkonſtant, wie z. B. der von Henſel betonte Unterſchied in der Form des letzten oberen Backenzahns, oder ſie laſſen ſich nach Analogie anderer Species ohne Zwang auf die Folgen der Domeſti— kation zurückführen. Henſel ſagt zwar, daß man hieran nicht denken könne: aber ich ſehe nicht ein, warum man bei dem Meerſchweinchen nicht analoge Folgen der Domeſti— kation annehmen darf wie bei anderen Haustieren. Manche von den Unterſchieden, welche Rengger her— vorhebt, muß ich geradezu als unzutreffend bezeichnen, wie z. B. die angeblich verſchiedene Farbe des Cements der Backenzähne, oder die Differenzen der Apereas und der Hausmeerſchweinchen in Bezug auf das Verhalten gegen Feuchtigkeit und Kälte. Indem ich mir vorbehalte, dieſes ganze Thema, welches in mehr als einer Beziehung von Intereſſe iſt, unter Beifügung von Abbildungen und unter genauerer Berück⸗ ſichtigung der Litteratur demnächſt an einem andern Orte zu erörtern, faſſe ich hier nochmals die bisher erlangten Reſultate meiner bezüglichen Unterſuchungen kurz zuſammen: 1) Die Bewohner Perus beſaßen das Meerſchweinchen bereits in der vorſpaniſchen Zeit als Haustier; für andere Länder Südamerikas iſt dieſes, ſo viel ich weiß, noch nicht mit Sicherheit nachgewieſen ). 2) Die alt-peruanijden Meerſchweinchen vermitteln ſowohl in der Färbung des Haarkleides, als auch in der Schädelbildung zwiſchen den heutigen Hausmeerſchweinchen und den als Stammarten in Betracht kommenden wilden Cavia⸗Species. 3) Wahrſcheinlich iſt die in Peru verbreitete Cavia Cutleri King reſp. Tschudi, welche der braſilianiſchen Cavia aperea Hraleben nahe verwandt ift, als wilde Stammart des alt-peruaniſchen Hausmeerſchweinchens anzuſehen. Cavia Cutleri ſoll nach Waterhouſe ſchon im wilden Zuſtande hinſichtlich der Schädelbildung zwiſchen Cavia aperea und Cavia cobaya vermitteln. 4) Hiernach iſt wahrſcheinlich Peru als die Heimat des Hausmeerſchweinchens anzuſehen. Zum Schluß möchte ich alle diejenigen, welche in Peru Ausgrabungen veranſtalten, im Intereſſe der Wiſſenſchaft bitten, die etwa gefundenen Haustierreſte nicht zu ver— nachläſſigen, ſondern der Wiſſenſchaft zugänglich zu machen. Dieſelben ſind geeignet, zur Aufklärung vieler wichtiger Fragen beizutragen. Dasſelbe gilt von den Ueberreſten der alt⸗mexikaniſchen Haustiere. ) Nach Oviedo ſcheint das Hausmeerſchweinchen damals allerdings auch ſchon auf Haiti und in Venezuela verbreitet geweſen zu fein. Sortidvitte in den Katurwiſſenſchaften. Geophyfik. Dr. Emil Rudolph in Straßburg i. E. Säkulare Hebungen und Senkungen. Gebirgsbilbung. Das Zufi-Plateau. Die Gebirgsbildungstheorie von T. Mellard Reade. Vulkanismus. Der Lavaſee im Krater des Kilauea. Erdbeben. Das Erdbeben vou Charleſton. Seismometrie. Dulfantheorie von J. D. Dana und F. fowl. Unterſeeiſche Abdachung der Feſtländer. Seismologie. Erdbeben von Iſchia. Submarine Chdler. Das andaluſiſche Abraſion. Eine der auffallendſten Erſcheinungen, welche an den Steilküſten der Feſtländer beſonders in der nördlichen Hemiſphäre dem aufmerkſamen Beobachter jo häufig ent- gegentritt, beſteht in den Spuren eines älteren Strandes, die ſich oft in bedeutender Höhe über dem heutigen Mteeres- ſpiegel unabhängig von der Geſteinsbeſchaffenheit und dem Bau der Küſte rings um das Feſtland und die vorliegen— Humboldt 1889. den Inſeln hinziehen. Während man früher zur Erklä— rung dieſer hochgelegenen alten Strandlinien eine Ver— minderung in der Geſamtmaſſe des Meerwaſſers annahm, kam durch L. von Buch und Lyell die Erhebungstheorie empor, nach welcher die ſäkulare Hebung des feſten Landes die Urſache der anſcheinenden Senkung des Meeresniveaus ſein ſollte. Dieſe Theorie ſtützte ſich hauptſächlich auf die 19 146 Humboldt. — April 1889. angebliche Schaukelbewegung, die man an der ſkandinaviſchen Halbinſel und Grönland beobachten wollte. Daneben machte ſich aber auch die Anſchauung geltend, daß infolge einer abwechſelnden Anhäufung von Eismaſſen an den Polen die Waſſermaſſen eine periodiſche Verſchiebung von einem Pol zum andern erführen oder daß ſie ſich ſymmetriſch zu beiden Seiten des Aequators lagerten. Bei dieſem Widerſtreit der Meinungen hat es E. Süß im zweiten Bande ſeines nach einem großartigen Plane angelegten Werkes) „Das Antlitz der Erde“ unternommen, die Frage der ſäkularen Schwankungen der Erdrinde noch einmal einer eingehenden Erörterung zu unterziehen. Freilich beſchränkt ſich der Verfaſſer nicht auf dieſen einen Punkt, ſeine Hauptaufgabe iſt vielmehr, die ſo außerordentlich wechſelnde Ausbreitung der Meere in den früheren Epochen der Erdentwickelung zu erklären und die Frage zu ent⸗ ſcheiden, ob die Verbreitung und Beſchaffenheit der Sedi⸗ mente in den älteren geologiſchen Formationen auf ört⸗ liche oder allgemeine Veränderungen hinweiſen. Zu dem Zweck verſucht Süß die Art der Entſtehung der großen Züge im Relief der Erdoberfläche, der Kontinente und oceaniſchen Becken darzulegen, um danach die Art und das richtige Maß der Abhängigkeit oceaniſcher Bewegungen von den telluriſchen bemeſſen zu können. Der Waſſerſtand des Oceans wird durch die Gezeiten, die Temperatur, den Luftdruck, durch Winde und Ver⸗ dunſtung in verſchiedenem Grade beeinflußt, aber alle dieſe durch telluriſche und kosmiſche Kräfte verurſachten Schwankungen des Meeresniveaus müſſen vor jenen Be⸗ wegungen weit zurücktreten, welche durch Neubildung von oceaniſchen Tiefen oder durch Erweiterung der ſchon be⸗ ſtehenden Meeresbecken infolge von Anfügung neuer Sen⸗ kungsfelder hervorgerufen werden. Ein Vergleich zwiſchen dem Bau der Umriſſe des atlantiſchen und pazifiſchen Weltmeeres läßt nun aber ſofort erkennen, daß unjere heutigen großen oceaniſchen Becken wahre Senkungsfelder ſind. Beachtet man nämlich die Beziehungen zwiſchen den Umriſſen der Kontinente und den Gebirgen auf denſelben, ſo laſſen ſich zwei Gebiete unterſcheiden, in welchen die Grenzen der Meeresbecken in einem weſentlich verſchiedenen Grade der Abhängigkeit von den Gebirgsketten der Feſt⸗ länder ſtehen. Rings um den pazifiſchen Ocean findet, zwiſchen dem Verlauf der Küſte und dem Streichen der Gebirge eine unverkennbare Wechſelbeziehung ſtatt. Mit geringen Ausnahmen werden die Umgrenzungen des Paz zifie durch gefaltete Gebirge bezeichnet, deren Faltung gegen den Ocean gerichtet iſt, ſo daß ihre äußern Falten⸗ züge entweder die Begrenzung des Feſtlandes ſelbſt ſind oder vor demſelben als Halbinſeln und Inſelzüge liegen. Das iſt der pazifiſche Küſtentypus. Um den ganzen Atlantiſchen Ocean mit Ausnahme der Kordillere der An⸗ tillen und des Gebirgsſtückes bei Gibraltar wird nirgends die Außenſeite eines gefalteten Gebirges für den Umriß beſtimmend; die Innenſeite von Faltenzügen, zackige Riasküſten, welche das Verſinken von Ketten anzeigen, Bruchränder von Horſten und Tafelbrüche bilden die mannigfaltige Umgrenzung des Atlantic. Das iſt der atlantiſche Küſtentypus. An der Mündung des *) Humboldt, Bd. VI, S. 59. Ganges berühren ſich beide Küſtentypen. Dieſer Gegen- ſatz zwiſchen den Umriſſen der Meeresbecken und dem Ge— füge der Feſtländer zeigt aufs deutlichſte, daß die Meeres- becken Senkungsgebiete ſind. Durch Betrachtung der wiederholten wechſelnden Wus- breitung der Meere der Vorzeit läßt ſich nun aber auch noch der fernere Nachweis liefern, daß die heutigen Oceane von verſchiedenem Alter ſind. Dies geht ſchon aus der Thatſache hervor, daß nicht dieſelben Ab⸗ teilungen der meſozoiſchen Schichtenreihe an dem Aufbau der Meeresküſten teilnehmen. Rings um den Pazifie ſind marine Ablagerungen der Triasformation in die großen Faltenzüge eingefaltet; an den Küſten des Indiſchen Oceans beginnt die Serie mit dem mittleren Jura, im atlantiſchen Gebiete erſt mit der mittleren Kreide und überall liegen die Schichten horizontal. Erkennt man den Oceanen den Charakter von Senkungsgebieten zu, ſo muß man die zwiſchen denſelben liegenden Feſtländer als Horſte anſehen, und die nach Süden keilförmig zulaufende Geſtalt von Oſtindien, Afrika und Grönland deutet auf das Zuſam⸗ mentreffen von zwei oder mehreren Senkungsfeldern hin. Aus der verſchiedenen Schichtfolge in Grönland, die an dem öſtlichen Ufer einen aſiatiſch-arktiſchen Charakter an ſich trägt, an dem weſtlichen dagegen die atlantiſche Anlagerung zeigt, kann man erkennen, daß die beiden Ränder des Keiles höchſt wahrſcheinlich von verſchiedenem Alter ſind. Die Geſchichte der paläozoiſchen Meere gibt ferner die Erfahrung an die Hand, daß zwei Feſtländer exiſtier⸗ ten: die Atlantis an der Stelle des nördlichen Atlantic — Grönland iſt ein Reſt derſelben — und Gondwäna⸗ land, das heute noch in drei Stücken, in Afrika, Indien und Auſtralien erhalten iſt. Der Untergang dieſer Feſt⸗ landsmaſſen, der ſich ſtückweiſe vollzog, mußte eine allge⸗ meine negative Bewegung, d. h. Senkung des Meeres⸗ ſpiegels herbeiführen und dadurch andere Strecken vom Meere entblößen. Mit dieſen Bewegungen wechſeln poſi⸗ tive Veränderungen, d. h. Transgreſſionen ab, welche gleichförmig über weite Gebiete und in außerordentlich langen Zeiträumen vor ſich gegangen ſind. Die Lehre von den ſäkularen Schwankungen der Kon⸗ tinente vermag die wiederholten Ueberflutungen und Trocken⸗ legungen des feſten Landes nicht zu erklären; die Ver⸗ änderungen ſind viel zu ausgedehnt und gleichförmig, als daß fie in Bewegungen der Erdrinde ihren Grund haben könnten. Die Faltung der Gebirge und die Entſtehung der horizontalen Strandlinien ſind zwei völlig verſchiedene Erſcheinungen, denen auch beſondere Urſachen zu Grunde liegen müſſen. Süß ſieht eine ſolche in dem Einſinken der Erdrinde; in die dadurch entſtandenen Räume legt ſich das Meer. „Der Exdball fink ein; das Meer folgt,“ lautet ſeine Lehre. Von den verſchiedenartigen Veränderungen, denen die Höhe des Strandes unterworfen iſt, laſſen ſich zunächſt ſolche abtrennen, welche annähernd in gleicher Höhe, in poſitivem oder negativem Sinne über die ganze Erde hin ſich äußern; dieſe Gruppe von Bewegungen wird als euſtatiſche Bewegungen bezeichnet. Die Bildung der Meeresbecken veranlaßt epiſodiſche, euſtatiſche, negative Bewegungen. Fortwährend werden aber Sinkſtoffe dem Humboldt. — April 1889. Meere zugeführt, teils mechaniſch bewegt, um als klaſtiſches Sediment rund um die Küſten abgelagert zu werden, teils chemiſch gelöſt, um als Kalk ausgeſchieden zu werden. Dieſe ſtetige Zufuhr von Sedimenten muß eine ununter— brochene, euſtatiſche, poſitive Verſchiebung der Strandlinie zur Folge haben. Die euſtatiſchen Bewegungen allein ge- nügen jedoch nicht, um eine ungezwungene Deutung aller geologiſchen Thatſachen zu erlauben. Aus der Art der Schichtfolge laſſen fic) nämlich zahlreiche kleinere Oscilla⸗ tionen entnehmen, die nicht mit euſtatiſchen Bewegungen zu vereinigen ſind. Eine andere Schwierigkeit bieten die negativen Spuren der Strandlinienverſchiebung. Die- ſelben kommen unter allen Breiten vor, in den Tropen ſo gut wie in den höheren Breiten der nördlichen und ſüdlichen Hemiſphäre. Wollte man ſie auf euſtatiſche negative Vorgänge zurückführen, ſo müßte man eine große, gleichförmige Senkung des Meeresſpiegels in allerjüngſter Zeit annehmen. Süß hält es für wahrſcheinlicher, daß die hochliegenden negativen Spuren unter den Tropen nicht dasſelbe Alter beſitzen, wie jene der höheren Breiten und daß eine ſelbſtändige oceaniſche Bewegung vorhanden iſt, welche in ſehr großen Zeiträumen durch abwechſelnde Anhäufung des Waſſers an den Polen und am Aequator poſitive und negative Phaſen aufeinander folgen läßt. Welche kosmiſche oder telluriſche Kraft es aber iſt, die dieſe Verſetzung der oceaniſchen Waſſermaſſen bedingt, darauf erhalten wir leider keine Antwort. Im engſten Zuſammenhang mit der ſoeben in Kürze wiedergegebenen Lehre von den Verſchiebungen der Strand— linie ſtehen die Anſichten, welche Süß in Bezug auf die Gebirgsbildung vertritt. Das Weſentliche derſelben iſt die abſolute Negierung jeder aufſteigenden Bewegung des Feſten mit Ausnahme jener, welche etwa mittelbar aus der Faltenbildung hervorgeht, und die Annahme der Entſtehung der Falten- oder Kettengebirge durch einen einſeitig wirkenden horizontalen Schub. Beſonders der erſte Punkt dieſer Theorie hat bei allen Forſchern mehr oder weniger lebhaften Widerſpruch gefunden; die ameri— kaniſchen Geologen ſind bei der Unterſuchung der Hoch— gebirge des weſtlichen Nordamerika zu der diametral ent— gegengeſetzten Auffaſſung geführt. Der Gegenſatz der Meinungen kann wohl nicht ſchärfer zum Ausdruck ge— bracht werden, als es in der höchſt intereſſanten Schilde— rung geſchieht, welche Cl. E. Dutton“) von der Struktur und Tektonik des Zußi-Plateaus entwirft. Dasſelbe iſt im Staate Neu-Mexiko, etwas weſtlich vom oberen Laufe des Rio Grande gelegen. Mitten aus den faſt horizontal gelagerten paläozoiſchen und meſozoiſchen Schichtentafeln erhebt ſich hier ganz unvermittelt ein mächtiges Gewölbe, deſſen Kern aus archäiſchen Geſteinen beſteht, um den ſich ein Mantel von Sedimentärgeſteinen legt. Von dem höchſten Teile der großen Wölbung ſind die meſozoiſchen Schichten bis aufs Karbon durch Eroſion weggeſchwemmt und treten die granitiſchen Geſteine des Kernes zu Tage. Bezeichnend für den ganzen Verlauf der Bildung des Ge— birges iſt nun der Umſtand, daß in demſelben Maße, wie durch die Denudation der Druck der auf dem Kern lagern— *) VI. Annual Report U. St. geological Survey 1884—1885, S. 113—198. | den Geſteinsmaſſen vermindert wurde, die gejamte Maſſe eine Aufwölbung erfuhr, die im Centrum am intenſivſten wirkte. Von dieſem Punkte aus fallen die älteren jedi- mentären Schichten, Karbon und Perm unter ſteilerem Winkel, die jüngeren Ablagerungen, Trias und Jura unter flacherem Winkel nach allen Seiten hin ein, bis endlich die Kreide faſt horizontal gelagerte Tafeln bildet; gleichzeitig treten dieſelben terraſſenförmg in immer größe— ren Kreiſen eine nach der andern von dem Centrum zu— rück. Wo das Granitmaſſiv über die Sandſteinumhüllung des oberen Karbon hervorragt, ſcheint die Geſteinsmaſſe gleichſam herausgequetſcht zu fein und iſt der Sandſtein— mantel in ein porphyritiſches Geſtein metamorphoſiert. Zu demſelben Typus von Gebirgen rechnet Dutton die einzelnen Gebirgszüge des Felſengebirges, ferner den Waſatch und die Ketten des ſog. Großen Beckens (Great Baſin) zwiſchen dem Felſengebirge und der Sierra Nevada von Californien. Die gebirgsbildende Kraft iſt in allen in gleicher Weiſe, wenn auch in verſchiedenem Grade thätig geweſen. Die horizontal wirkende Kraft, welche die Alpen, den Jura und die Appalachen zu mächtigen Falten— gebirgen aufgetürmt hat, iſt dem Weſten des nördlichen Amerika faſt gänzlich fremd: die Gebirge des Weſtens ver— danken ihre Entſtehung einer vertikal von unten nach oben wirkenden Kraft. Wo dennoch antiklinale und ſyn— klinale Schichtenſtellung vorkommt wie in den Baſin Ranges, ergibt ſich ſtets, daß Gebirgsbildung und Faltung zwei zeitlich vollkommen getrennte Vorgänge ſind: die Schichten— beugung gehört einem älteren Akte der Störung an und fällt in die meſozoiſche, teilweiſe ſogar paläozoiſche Zeit, die Gebirgserhebung iſt jüngeren Datums und fand noch in ſpättertiärer Zeit ſtatt. Danach müßten wir die bis— her allgemein verbreitete Vorſtellung, daß Gebirgsbildung und Faltung nur verſchiedene Bezeichnungen für ein und denſelben dynamiſchen Vorgang ſeien, aufgeben. T. Mellard Reade*) gründet ſeine Gebirgsbildungs— theorie auf die bekannte Thatſache der Ausdehnung des Geſteins infolge von Erwärmung. Den mittleren Aus— dehnungskoeffizienten des Geſteinsmaterials, aus dem die Erdrinde beſteht, beſtimmte derſelbe durch eine Reihe von Experimenten zu „19% se auf 1° F. oder 2,75 engl. Fuß auf die Meile für je 100“ F. Die Urſache der verſchie— denen horizontalen und vertikalen Spannungen, welche zur Bildung eines Gebirges führen, ſieht M. Reade in dem Steigen der Iſogeothermen infolge der Zunahme der Temperatur innerhalb der feſten Erdkruſte. Dieſe letztere iſt ihrerſeits wiederum durch die Anhäufung von Sedi— ment bedingt, welche an manchen Stellen der Erdober— fläche in bedeutender Mächtigkeit und großer Ausdehnung vor ſich gegangen iſt. Infolge des ganz allmählichen Anſteigens der Temperatur haben die am tiefſten gelege- nen Sedimentmaſſen das Beſtreben, ſich nach allen Seiten hin auszudehnen. Da aber der ſeitlichen Ausdehnung der Maſſen durch die nicht erwärmten Teile der Erdrinde feſte Grenzen gezogen ſind, ſo müſſen in den Sediment— maſſen ſelber Preſſungen entſtehen, die in Faltungen, Ueberſchiebungen und ſchließlich auch Hebungen ihre Aus— löſung finden. Während demnach die unteren Schichten *) The Origin of Mountain Ranges. London 1886. 359 S. 148 ſich im Zuſtande dev Kompreſſion befinden, werden die höheren Lagen, welche immer weniger und weniger an der Temperaturerhöhung teilnehmen, je näher ſie der Erdoberfläche liegen, eine Streckung erfahren, die zu Brüchen und Verwerfungen Veranlaſſung gibt. An ſolchen Stellen iſt den durch Verminderung des Druckes flüſſig gewordenen Geſteinsmaſſen die Möglichkeit gegeben, an die Erdoberfläche zu treten. Dieſe Magmamaſſen ſind es, welche die Granitkerne der Gebirge bilden oder unter Umſtänden als Lavaſtröme ſich ergießen. Beſonders in dem Falle, wenn Vulkane in einem ſolchen in Hebung begriffenen Gebiet entſtehen, werden der lokal erwärmten Stelle der Erdrinde durch andauernde Eruptionen große Wärmemengen entzogen, — der in Fortgang begriffene Prozeß der Hebung kommt zum Stillſtand. Gleichzeitig mit der Aufwölbung ſind aber auch die erodierenden und denudierenden Kräfte in Thätigkeit getreten, die Iſogeo⸗ thermen ſinken tiefer und tiefer und die geſamte aufge⸗ türmte Gebirgsmaſſe kontrahiert ſich. So wechſeln Perio⸗ den der Gebirgsbildung mit ſolchen, in denen die Un⸗ ebenheiten wieder zuſammenſchrumpfen und abgetragen werden. Bei Beurteilung dieſer Theorie iſt vor allem zu be⸗ denken, daß die Verſuche über die Ausdehnung der Ge⸗ ſteine und Metalle bei einfachem Atmoſphärendruck an⸗ geſtellt wurden; die dabei gewonnenen Reſultate geſtatten aber auf keinen Fall einen Schluß auf das Verhalten des Erdrindenmaterials in einer Tiefe von mehreren Meilen unter der Erdoberfläche. Gibt man aber auch die Mög⸗ lichkeit der nach der Theorie erforderlichen Ausdehnung zu, ſo kann eine Hebung des Meeresbodens nur ſo lange ſtatt⸗ finden, als ſtets neue Sedimente abgelagert werden; hat die Mächtigkeit der letzteren den Meeresſpiegel erreicht, ſo hört das Anſteigen der Iſogeothermen auf und damit auch jede fernere Hebung. Die ſo äußerſt verwickelten Lage⸗ rungsverhältniſſe der Schichten in den jetzigen Gebirgen findet durch Mellards Theorie keine ausreichende Erklärung. Unter den vulkaniſchen Ereigniſſen nimmt vor allem das Verſchwinden des großen Lavaſees im Krater des RKilauea*) auf den Hawaiinſeln unſer Intereſſe in An⸗ ſpruch. Der Krater hat eine elliptiſche Geſtalt mit der größeren Achſe von Nordoſt nach Südweſt. Der, Boden iſt mit mächtigen Blöcken ſchwarzer Lava ſogenannter Pahoehoe bedeckt, im allgemeinen von Südweſt nach Nordoſt geneigt und liegt 120—150 m unter dem am nordöſtlichen Rande des Kraters in ca. 1350 m Höhe erbauten Volcano Houſe. In der ſüdweſtlichen Ecke des Kraters befindet ſich der Halema'uma'u, eine Einſenkung im Kraterboden, deren tiefſte, gerade im Centrum gelegene Stelle bis zu 300 m unter dem Niveau des Volcano Houſe reicht. In dieſem Becken war vom Ende des Jahres 1885 an bis in den Anfang März des nächſten Jahres die Lavamaſſe ſo hoch geſtiegen, daß ſie überfloß und ſtellenweiſe den Boden des größeren Kraterbeckens überflutete. Am 6. März 1886 gaben die Wände des Halema'uma'u dem ungeheuren Druck der Lavaſäule endlich nach und im Verlauf von einer Stunde verſchwand die ganze Maſſe in der Tiefe. Im Juli desſelben Jahres war in der centralen Vertiefung des ) American Journal of Science XXXIII, 1887, S. 87. Humboldt. — April 1889. Halema'uma'u eine allgemeine Hebung eingetreten und an einigen Stellen wieder flüſſige Lava erſchienen, die im Oktober ſchon wieder zu einem See angeſchwollen war. Derartige Entleerungen des großen Lavaſees im Rie laueakrater wiederholen ſich mit einer gewiſſen Periodi— zität. Die Thatſachen, welche die Beobachtungen bei den Eruptionen des Kilauea zu Tage gefördert haben, ſind nun von ſolcher Bedeutung für die Frage nach der Urſache des Vulkanismus, daß J. D. Dana ) es für angebracht er⸗ achtet, die Anſichten über die vulkaniſchen Erſcheinungen an der Hand der neueren Erfahrungen einer kritiſchen Be⸗ ſprechung zu unterziehen. Bei jeder Eruption laſſen ſich zwei von einander ganz verſchiedene Vorgänge unterſcheiden: 1) das Emporſteigen der flüſſigen Magmamaſſe aus dem Herde in den unter⸗ irdiſchen Zuleitungskanal des Vulkans; 2) das Ausſtoßen der Lava von der Oberfläche der Lavaſäule entweder über die Kraterwälle oder durch Spalten. Iſt infolge anhal⸗ tender Eruptionen der Vulkanſchlot zeitweilig leer, ſo ſtürzen die centralen Teile des Kegels ein. Dadurch entſteht die Krateröffnung, deren Wände durch etwa folgende Aſchen⸗ auswürfe und langſames Ausfließen von Lavaſtrömen ſich allmählich wieder aufbauen. Der eigentliche eruptive Akt vollzieht ſich bei jedem Vulkan in drei Stadien, dem ruhigen Entweichen von Dämpfen, dem Auswurf von Lavaſtücken und dem Ausfließen von Lava. Die Vorgänge am Kilauea laſſen nun erkennen, daß die Kraft, welche die Laven em⸗ portreibt, äußerſt langſam wirkt, mithin ihren Sitz in großer Tiefe haben muß. Eine wichtige Rolle bei dem Aufſteigen der Laven ſchreibt Dana den in Blaſen von der Oberfläche der Lavaſäule entweichenden Dämpfen zu. Dieſelben ſind ſeiner Anſicht nach zum geringeren Teile integrierende Beſtandteile des Magma und rühren haupt⸗ ſächlich von dem in die Erde eingedrungenen meteoriſchen Waſſer her. In Bezug auf die Frage nach dem Urſprung der in den Laven enthaltenen Dämpfe vertritt F. Lowl**) den gerade entgegengeſetzten Standpunkt. Aus der Be⸗ ſchaffenheit der ausgeworfenen Stoffe ſchließt derſelbe auf eine mehr oder minder reiche Durchtränkung des Magmas mit geſättigten Löſungen. Der in der Tiefe der Erdrinde herrſchende Gebirgsdruck und die bis auf über 100 Meilen ſteigende Entfernung mancher Vulkane vom Meere ſpricht gegen die Annahme einer klaſtiſchen oder kapillaren Waſſer⸗ zufuhr aus dem Ocean, dieſelben müſſen alſo dem Magma eigentümlich ſein. Die Ausſcheidung der Gaſe und Dämpfe kann aber nicht als die letzte Urſache des Vulkanismus angeſeheu werden. Die Beſchränkung der Vulkane auf Bruchregionen legt nach Löwl vielmehr die Annahme nahe, daß die treibende Kraft in dem örtlich geſteigerten Druck der Erſtarrungskruſte liegt. Wodurch aber die Druckunter⸗ ſchiede hervorgerufen werden, bleibt auch für Löwl ein ungelöſtes Problem. Die ſeismologiſche Forſchung erſtreckt ſich über zwei verſchiedene Gebiete, die ſich gegenſeitig ergänzen. Im Vordergrunde ſtehen die Einzeldarſtellungen der bedeuten⸗ deren Erdbeben der letzten Zeit. Ueber die Erdbeben von ) Ebenda S. 102. ) Jahrb, der k. k. geolog. Reichsanſtalt. Bd. 36, S. 315. Humboldt. — April 1889. 149 Iſchia, beſonders über die beiden letzten vom Jahr 1881 und 1883 ijt durch die reich mit Photographien und Karten ausgeſtattete Monographie von H. J. Johnſton-Lavis *) die Diskuſſion nunmehr als geſchloſſen anzuſehen. Das ſeismiſche Centrum war bei beiden Erſchütterungen das gleiche und beſtand in einer faſt in gerader nordſüdlicher Richtung von Lacco an der Nordküſte über Caſamicciola nach Fraſſo am Nordabhange des Epomeo verlaufenden Linie. Die Thatſache, daß die letzten, hiſtoriſch beglaubigten Eruptionen ebenfalls an der Nordſeite des Epomeo ſtatt— fanden, läßt die Annahme, daß die ſeismiſche Linie mit einer vertikalen Vulkanſpalte zuſammenfalle, allerdings ſehr wahrſcheinlich erſcheinen. L. Palmieri! ) beſtreitet den vul— kaniſchen Charakter der Erdbeben von Iſchia gerade nicht, hält aber ein Wiedererwachen der vulkaniſchen Thätigkeit im Epomeo für unwahrſcheinlich. Eine ſolche pflegt ſich beim Veſuv und Aetna durch fortwährende, jahrelang anhaltende und ſtetig zunehmende ſeismiſche Erregung anzukündigen, die in dem Oeffnen einer Spalte ihr Ende findet. Im Gegenſatz dazu treten die Erdbeben von Iſchia in großen Zwiſchenräumen auf und find auf das Gebiet der Inſel allein beſchränkt. Das andaluſiſche Erdbeben vom 25. Dezember 1884 betrachten T. Taramelli und G. Mercalli***) auf Grund eines eingehenden Studiums der geologiſchen Verhältniſſe des ſüdlichen Spaniens als ein tektoniſches und ſtellen es auf gleiche Stufe mit den perimetriſchen Erdbeben des ſüd— lichen Italiens. Ueber das verheerende Erdbeben, welches am 31. Au— guſt 1886 den Oſten Nordamerikas heimſuchte und Char— leſton in Trümmer legte, haben Cl. E. Dutton und Ev. Hayden ) einen vorläufigen Bericht erſtattet. Der Um— ſtand, daß die Erſchütterung ſich über ein ungeheuer großes Gebiet erſtreckte, das auf weite Strecken hin nur dünn bevölkert iſt und in dem vor allen die ge— eigneten Beobachter gänzlich fehlten, zwang die Verfaſſer, ſich darauf zu beſchränken, wenigſtens über den Zeitpunkt des Eintreffens des Erdbebens ſowie über die relative In— tenſität des Stoßes möglichſt zuverläſſige Angaben zu er— halten. Die auf Grund der genaueſten Daten entworfene Karte der Iſoſeiſten und Koſeismen läßt auf den erſten Blick zwei Eigentümlichkeiten in der Verbreitung der Cr- ſchütterung hervortreten. Die erſte beſteht darin, daß Flächen geringerer Intenſität inſelartig innerhalb ſolcher größerer Stoßſtärke liegen wie in Indiana und Illinois. Ferner iſt der äußerſte Süden der Appalachen und das Gebiet im Weſten derſelben ſtärker betroffen als die in größerer Nähe beim Epicentrum gelegenen Strecken. Dieſe Thatſache beweiſt, daß das Gebirge den in der Tiefe ſich fortpflanzenden Wellen kein Hindernis entgegenſtellte, ſon— dern nur die Art der Oberflächenverbreitung beeinflußte. Als Epicentrum wurde ein elliptiſch geſtaltetes Gebiet 14 bis 16 Meilen weſtnordweſtlich von Charleſton ermittelt, ) Monograph of the Earthquakes of Ischia. London 1885. 112 S. **) Atti R. Accad. delle Sc. fis. e matem. di Napoli I, 1888, Nr. 4. ***) Atti R. Accad. dei Lincei III. Roma 1886. — Ebenda Ren- diconti I, 1885, S. 450, 522. +) Science IX, 1887, S. 489, die Berechnung ergab für die Tiefe des Erdbebenherdes ca. 12 Meilen. Einen ſehr wichtigen Zweig der ſeismologiſchen For— ſchung bilden die experimentellen Verſuche und die inſtrumentelle Meſſung der einzelnen ſeismiſchen Elemente. Als Begründer dieſer Seite der Erdbeben— forſchung haben wir M. S de Roſſi und John Milne ) anzuſehen; beſonders der letztere iſt ſeit einer Reihe von Jahren in Tokio thätig, die Beobachtungsmethoden feſtzu— ſtellen und die Ergebniſſe der Berechnung zugänglich zu machen. Mit Hilfe von ſelbſtregiſtrierenden Seismometern iſt es ihm gelungen, den mechaniſchen Charakter eines Erdbebens klar darzulegen und das Weſen desſelben dem Verſtändnis näher zu bringen. Die gerade in Tokio ſo häufig auftretenden Erdbeben bieten Gelegenheit genug zu Beobachtungen; daneben werden durch Dynamitexploſionen, die in verſchiedener Entfernung von den ſeismometriſchen Stationen und in verſchiedenartigem Boden vorgenommen werden, künſtliche Erſchütterungen hervorgerufen. Die Beobachtungen erſtrecken ſich auf die Zahl der Erdbeben— wellen in beſtimmten Zeitabſchnitten, Periode und Ampli— tude der Wellen, Geſchwindigkeit und Intenſität. Von den beiden Bewegungskomponenten eines Erd— bebens tritt die vertikale nur dann deutlich hervor, wenn der Urſprung der ſeismiſchen Erregung in der Nähe der Beobachtungsſtation liegt; dieſelbe iſt ſtets kleiner als die horizontale Komponente, im Mittel iſt das Verhältnis beider wie 1:6. Ein gleiches gilt von der Periode und Dauer der vertikalen Bewegung im Verhältnis zur horizontalen. — Ueber die Entſtehung des Schallphänomens, von dem faſt jedes Erdbeben begleitet iſt, find J. Milne und C. G. Knott **) verſchiedener Anſicht; letzterer ſieht die Urſache in der vertikalen Bewegung der Erdpartikel bei einer äußerſt kurzen Periode, erſterer in den dem eigentlichen Erdbeben vorausgehenden Schwingungen, deren Periode zu kurz iſt, als daß ſie von den Seismometern wiedergegeben werden könnten. Die gewöhnliche Reihenfolge der Phänomene, aus denen ein tuypiſches Erdbeben ſich zuſammenſetzt, ijt nach Milne zuerſt eine Reihe von kurzen, ſchnell aufein— ander folgenden Erzitterungen, darauf folgen ein oder mehrere Stöße, die durch mehr oder minder unregelmäßige Bodenſchwingungen getrennt ſind, den Schluß bilden wieder zitternde Schwingungen, die ſchnell an Intenſität abnehmen. Die Tiefenmeſſungen, welche auf dem engliſchen Schiff „Buccaneer“ zum Zwecke der Kabellegung von J. M. Bue danan***) rund um die Küſte des Golfs von Guinea vor— genommen wurden, enthüllen uns zum erſtenmal den Cha- rakter der Abdachung des Feſtlandes zu den Tiefen des Oceans. Im allgemeinen iſt der Abfall des Konti— nents ein terraſſenförmiger. Die Küſtenterraſſe bis zu 200 m hat eine Breite von 12—15 Seemeilen, dann folgt ein Steilabſturz mit einem Maximum zwiſchen 400 und 800 m. Zwiſchen 1000 und 2000 m wird die Böſchung geringer und enthält bei ca. 1400 m eine deutlich ausge— ſprochene Terraſſe. Nach einem zweiten ſchroffen Abfall zwiſchen 2000 und 2400 m flacht der Boden allmählich zur eigentlichen Tiefſee aus, ſtellenweiſe noch einmal von einer ) Transactions of the Seismological Soc, Japan X, 1887, S. 1. **) Ebenda XII, 1888, S. 53, 107, 115. ***) Scott, geograph. Magazine III, 1887, S. 217. Humboldt. — April 1889. 150 ſteileren Böſchung unterbrochen. Auf der Strecke von Porto Novo in 2° 30“ 5. L. bis nach St. Paul de Loanda iſt der Charakter der ſubmarinen Abdachung durch die un⸗ geheuren Schlammmaſſen verhüllt, welche vom Niger und Congo dem Meere zugeführt ſind. Die Entſtehung dieſer Küſtenterraſſen ſchreibt Buchanan der abradierenden Wirkung der Wellen zu. Dieſelben liefern den Beweis, daß das relative Niveau von Feſtland und Meer ſeit langer Zeit konſtant geblieben iſt. Eine bemerkenswerte Thatſache beſteht nun darin, daß dieſe Küſtenterraſſe an drei Stellen durch ſubmarine Thäler“) unterbrochen iſt, auf der Höhe von Gr. Baſſan durch die ſogenannte „Bodenloſe Tiefe“, öſtlich von Lagos durch „Avon's Tief“ und vor der Mündung des Congo durch deſſen ſubmarinen Canon. Das erſte Thal liegt 14 See⸗ meilen weſtlich von der Mündung des Akba, als deſſen Fortſetzung es angeſehen werden kann und von deſſen La⸗ gune es nur durch eine ſchmale Nehrung getrennt iſt. Avon's Tief reicht nicht bis an die Küſte, während der Cafion des Congo den Fluß aufwärts fic) erſtreckt und noch 20 Meilen oberhalb der Mündung ca. 300 m Tiefe hat. Von einer Eroſion des Flußwaſſers kann dieſe unter⸗ ſeeiſche Fortſetzung des Flußbettes nicht herrühren, da die Strömung des Congo ſich nur ca. 35 m tief erſtreckt und weiter hinaus auf offener See nur eine dünne Oberflächen⸗ ſchicht bildet. Vielmehr iſt anzunehmen, daß der konſtante Zufluß ſüßen Waſſers vom Fluß her einen konſtanten Unterſchied zwiſchen dem Gewicht einer Waſſerſäule im oberen Teile des Aeſtuariums und dem einer gleich großen Säule im unteren Teile bedingt. Der Ausgleich zwiſchen beiden verſchieden ſchweren Waſſermaſſen geſchieht durch einen Unterſtrom von der ſchwereren Säule des Seewaſſers nach der leichteren des Flußwaſſers, alſo zum Lande hin. ) Ebenda S. 222. Dieſe Zirkulation des Waſſers in vertikaler Ebene ver— hindert die Sedimentablagerung in der Achſe des Fluß— bettes. Der Cafion iſt demnach nicht ausgehöhlt, ſondern aufgebaut durch Sedimentanhäufung zu beiden Seiten dieſer Strömung. Unter Abraſion verſteht J. Thoulet“) die medja- niſch abnutzende Wirkung, welche durch bewegte Luft mit Hilfe feſter Geſteinspartikel, meiſt Quarzſand, auf Steine ausgeübt wird, während er dieſelbe Wirkung als Eroſion bezeichnet, wenn ein anderes Agens wie Waſſer oder Eis dabei beteiligt iſt. Das Phänomen der Abraſion hat nun Thoulet künſtlich nachgeahmt, um ſeine Intenſität unter verſchiedenen Bedingungen zu meſſen. Die Reſultate ſeiner zahlreichen Unterſuchungen laſſen ſich folgendermaßen zu⸗ ſammenfaſſen: Die Abraſion iſt direkt proportional der Menge des zum Abradieren benutzten Sandes und der Stärke des Windes. Je ſenkrechter die der Abraſion ausgeſetzte Ge— ſteinsfläche zur Richtung des abradierenden Materials ſteht, um ſo energiſcher wirkt die Abraſion, ſie nimmt dagegen ſehr ſchnell an Intenſität ab, ſobald die Neigung unter 60° beträgt. Großen Einfluß auf das Maß der Abraſion üben die Härte und Zuſammenſetzung des Geſteins aus; bei gleicher Härte widerſtehen homogene Geſteine beſſer als klaſtiſche. Für jeden feſten Körper kann man den abſo⸗ luten Wert des Widerſtandes gegen die Abraſion durch eine Zahl ausdrücken, wenn man als Einheit den Wider⸗ ſtand annimmt, welchen eine Quarzfläche leiſtet, die ſenk⸗ recht zur optiſchen Achſe ſteht. Aus der Leichtigkeit, mit der eckige Sandkörner durch die Benutzung zur Abraſion ſich abrunden, entnimmt Thoulet den Beweis gegen die Annahme einer äoliſchen (ſubasriſchen) Bildung des Löß in China, deſſen Quarzkörner ſtets eckig ſind. ) Annales des Mines Mém. XI, 1887, S. 199. DWhvfiologie. Don Profeffor Dr. J. Gad in Berlin. Wertigkeit der Atome und Giftwirkung. Atomgewicht und Geſchmack. Giftigkeit der Oralſäure und ihrer Homologe. Anäſtheſierende Wirkung der Benzoylderivate. Mittel und Leberzellen. Alkaliſcher Harn bei Muskelermüdung. a Inſekten. Lichtbrechung in Muskelfaſern. Phyſiologiſche Wirkung von Körpern der Lupetidinreihe. Säurebildung in roten und weißen Muskeln. Spannungsentwickelung im Spreizer des Seigefingers. Curareähnliche Wirkung des Chinotoxin. Gallentreibende Rote und weiße Muskeln bei Geſetzmäßige Beziehungen aufzudecken zwiſchen chemiſcher Konſtitution verſchiedener Subſtanzen und ihrer phyſio⸗ logiſchen oder toxikologiſchen Wirkungsweiſe iſt ein hohes Ziel. Viele einzelne Erkenntniſſe ſind auf Grund ſorg⸗ fältiger Detailforſchungen ſchon gewonnen worden, aber nur ein verſchwindend kleiner Teil derjenigen, welche werden vorliegen müſſen, um allgemeine Abſtraktionen zu ermöglichen. Ein alter Pionier auf dieſem Gebiet, deſſen erſte hierhergehörige Arbeiten in das Jahr 1839 zurück⸗ reichen, J. Blake, iſt anderer Meinung. Seine Unter⸗ ſuchungen beziehen ſich auf die Giftwirkungen anorganiſcher Salze und er behauptet in einigen neueren Publikationen“), *) Arch. de Physiol. (4) 1, 4, S. 445 und Zeitſchr. für phyſi⸗ kaliſche Chemie II, 11, S. 769. auf dieſem Gebiet allgemeinere Geſetzmäßigkeiten feſtgeſtellt zu haben. Nach ihm ſollen dieſe Salze, wenn die Atome der in ihnen enthaltenen Metalle einwertig ſind, auf die Lungenarterien wirken, wenn zweiwertig auf das Brech⸗ centrum, die willkürlichen Muskeln und den Herzmuskel, wenn dreiwertig auf die Centren für Vaſomotion, Atmung und Hemmung, die Herzganglien und die Lungenarterien, wenn vierwertig außerdem auf das Gehirn und das ver⸗ längerte Mark. Herr Blake beklagt ſich, daß das Rejultat ſeiner Arbeiten zu wenig Beachtung gefunden habe und er vermutet den Grund hierfür darin, daß ſie „zu chemiſch für die Phyſiologen und zu phyſiologiſch für die Chemiker geweſen ſeien“. Die Zurückhaltung, welche die Phyfiologen gezeigt haben, iſt aber wohl eher dadurch zu erklären, daß Herrn Blakes Verſuche, die Vergiftungserſcheinungen auf Humboldt. — April 1889. 151 die von der Einwirkung direkt betroffenen Gewebe zurück— zuführen, nicht den Anforderungen entſprechen, welche unter Berückſichtigung der jetzigen phyſiologiſchen Kennt⸗ niſſe und Unterſuchungsmethoden erhoben werden müſſen. Um nur Weniges in dieſer Beziehung anzuführen, ſo müßte eine ſpecifiſche Einwirkung auf die Lungenarterien genauer begründet werden, als es geſchehen iſt, um angeſichts der Gleichheit des Gewebes dieſer Arterien mit dem anderer Blutgefäße Anerkennung zu finden, die Trennung der Wirkung auf die Medulla oblongata von derjenigen auf Vaſomotion, Atmung und Brechakt widerſtreitet wohl— begründeten phyſiologiſchen Vorſtellungen von der Loka— liſation der Centren für die genannten Funktionen und dergleichen mehr. In ähnlicher Weiſe hat Haycrajt*) neuerdings auf einem verwandten, gewiß ſehr intereſſanten Gebiete ver— frühte Verallgemeinerungen auf Grund unzulänglicher Er— fahrungen aufzuſtellen verſucht. Er will eine Analogie zwiſchen den Geſchmacksempfindungen und den Gehörs- und Geſichtsempfindungen herſtellen. In— dem er eine einfache Beziehung zwiſchen Atomgewicht und Molekularſchwingungen annimmt, meint er, daß eine An— ordnung der Elemente vom leichteſten bis zum ſchwerſten Atomgewichte einen analogen Sinn haben könne, wie die— jenige der Aetherſchwingungen vom Ultraviolett bis zum Ultrarot und daß die Qualität der Geſchmacksempfindung in einer ähnlichen Abhängigkeit vom Atomgewichte ſtehe, wie die Geſichtsempfindung von der Schwingungszahl. Allein wenn man das abſolute Atomgewicht zu Grunde legt, tritt eine ſolche Beziehung nicht hervor und der Verfaſſer greift deshalb auf die Thatſache der Atomgewichtsregelmäßigkeiten zurück und benutzt als Baſis ſeiner Beweisführung die von Mendelejeff gegebene Anordnung der Elemente in Gruppen, welche je Stoffe von ähnlichen chemiſch-phyſikaliſchen Eigen⸗ ſchaften bei differenten und innerhalb der Gruppe pro- greſſiv anſteigenden Atomgewichten enthalten, ſo zwar, daß die Art der Progreſſion in jeder Gruppe wiederkehrt. Ver⸗ faſſer findet nun, indem er von den acht Gruppen drei auswählt, daß die Salze der Elemente je einer Gruppe ähnlichen Geſchmack haben, welcher jedoch von den leichteren zu den ſchwereren Gliedern zum Teil gewiſſe geringe Ver— änderungen zeigt, während die Salze der Elemente ver— ſchiedener Gruppen different ſchmecken. Allein die von ihm angeführten Beiſpiele laſſen keineswegs differente Grundempfindungen erkennen — entweder ſalzig oder bitter, oder ſüß oder ſauer —, ſondern nur gewiſſe Ab— ſtufungen von Miſchgeſchmäcken, derart, daß die einen mehr ſalzig⸗bitter, die anderen mehr bitter-jaljig find, wobei Eigenſchaften, wie ſtechend u. ſ. w., die gar nicht in das Gebiet der Geſchmack-, ſondern der Taſtempfindungen ge- hören, in der gedachten Richtung mit verwendet werden. Sobald es ſich dagegen um Unterſchiede einfacher Grund— empfindungen handelt, kann Verfaſſer keine einzige That⸗ ſache für ſich anführen. Das in der Gruppe der bitter— ſalzig ſtechenden Subſtanzen ſtehende Beryll ſchmeckt ſüß. Bei den organiſchen Subſtanzen begnügt ſich Verfaſſer mit dem Nachweis, daß die ſauer ſchmeckenden Stoffe ein ge— meinſames Radikal COOH, die ſüß ſchmeckenden ebenfalls Brain, Juli 1887. S. 145. ein ſolches CH Ol enthalten, während von den Atom— gewichten nicht mehr geſprochen wird. Die bitteren Al— kaloide werden wegen ungenügender chemiſcher Grundlage außerhalb der Betrachtung gelaſſen. Es kann alſo die Durchführung des an ſich berechtigten Verſuches nicht als gelungen bezeichnet und es muß mit Bedauern konſtatiert werden, daß die chemiſch⸗phyſikaliſchen Daten hierfür zur Zeit noch unzulänglich ſind. Erfreulicherweiſe fehlt es aber auch in neueſter Zeit nicht an hierhergehörigen Unterſuchungen, die, weil das ihnen geſteckte Ziel innerhalb der Grenzen des Erreichbaren liegt, ſehr nützliche Kenntniſſe gefördert haben. So hat Heymans), ausgehend von der Thatſache der hochgradigen Giftigkeit der Oxalſäure, ihrer ſelbſt ſowohl, wie ihres Natronſalzes, die Frage behandelt, wie fic) die nächſtver— wandten Körper, die Malonſäure, die Bernſteinſäure und die Brenzweinſäure hierzu verhalten. Jede der vier ge— nannten Säuren beſitzt zweimal die Carboxylgruppe COOH. Unmittelbar mit einander verbunden in dem Molekül der Oxalſäure, ſcheinen die beiden Carboxylgruppen gegenfeitig ihre Aeidität zu verſtärken. Die Oxalſäure iſt eine ſogenannte ſtarke Säure und dieſe Aeidität nimmt ſchrittweiſe durch die Einſchaltung der Methylengruppe, einfach in der Malon- ſäure, zweifach in der Bernſteinſäure, dreifach in der Brenz— weinſäure, ab: Oxalſäure Malonſäure Bernſteinſäure Brenzweinſäure COOH COOH COOH COOH | | | | COOH CH? (CH?) (CH?)3 | | COOH COOH COOH Während ſich die Molekulargewichte der vier Säuren zu einander verhalten wie 100: 115,5: 136: 147,4, ergaben ſich die für einen Froſch von 25 g Körpergewicht lethalen Doſen beziehentlich zu 1; 2 — 2,5; 4,5—5; 66,5 eg. Die Giftigkeit dieſer homologen Säuren iſt alſo weder pro— portional ihrer Molekülenzahl, noch ihrem Molekulargewicht, ſondern ſie nimmt viel ſchneller ab und zwar vorausſichtlich in einem gewiſſen Verhältnis zur Abnahme der Aeidität. Bemerkenswert ijt ferner, daß während das neutrale oxal- ſaure Natron giftig iſt und zwar ebenſo giftig wie die freie Säure (lethale Doſis der letzteren 1 eg, des Natron- ſalzes 1,25 — 1,50 eg, enthaltend etwa 1 cg freie Säure), die übrigen homologen Säuren ihre Giftigkeit durch Neu⸗ traliſation mit Natron verlieren, wie es ſcheint vollkommen. Einen wertvollen Beitrag zur Kenntnis des Zuſammen— hanges zwiſchen Molekularſtruktur und phyſiologiſcher Wirkung lieferte auch W. Filehne“ ). Aus Atropin, welches ſchwach lokal-anäſtheſierende Eigenſchaften hat, kann Tropa⸗ ſäure und Tropin, aus dem Homatropin, welches eine weſentlich ausgeſprochenere lähmende Wirkung auf die Enden der ſenſiblen Nerven äußert, kann Mandelſäure und Tropin, aus Cocain endlich Benzosſäure und Eegonin abgeſpalten werden. Mandelſäure ſteht chemiſch in der Mitte zwiſchen Benzosſäure und Tropaſäure, die Ver⸗ kuppelung des Ecgonins gerade mit der Benzoöeſäure ſcheint aber das weſentliche Moment bei der ſo erheblichen anäſthe— ſierenden Eigenſchaft des Cocalns zu ſein, da das Eegonin ) du Bois⸗Reymonds Arch. 1889, Heft 1/2, S. 168. ) Berl. klin. Wochenſchr. 1887, 7, S. 107. 152 Humboldt. — April 1889. ſelbſt in dieſer Beziehung wirkungslos iſt und ſo ergibt ſich anſcheinend eine ſteigende Reihe bezüglich der Wirkſamkeit von der Tropaſäure durch die Mandelſäure zur Benzos⸗ ſäure. Verfaſſer vermutete deshalb, daß eine Subſtitution der Tropa: reſpektive Mandelſäure durch Benzosſäure wirkſamere Anäſthetika erzeugen würde, als Atropin und Homatropin find. In der That rechtfertigte das herge⸗ ſtellte Benzoyltropin ſeine Erwartung. Es wurde nun eine Reihe anderer Alkaloide an die Benzosſäure gebunden und alle dieſe Benzoylderivate erwieſen ſich als von cocain- artiger Wirkung. Ihrer praktiſchen Verwertung ſteht nun freilich im Wege, daß ſie anfänglich erhebliches Brennen im Auge verurſachen, mit Ausnahme des Benzoyltropins, welches aber ſtark atropinartig wirkt — doch mindern dieſe praktiſchen Unzuträglichkeiten nicht den theoretiſchen Wert des Unterſuchungsergebniſſes. Gaule hat eine Anzahl von Körpern der Lupetidin⸗ reihe durch ſeinen Aſſiſtenten, Herrn Gürber, einer ver⸗ gleichenden phyſiologiſchen Bearbeitung unterziehen laſſen!). Es handelt ſich um das Lupetidin, das Copellidin (ſym⸗ metriſches Trimethylpiperidin), das Parpevolin (ſymmetriſches Aethyllupetidin), das ſymmetriſche Propyllupetidin und das ſymmetriſche Iſobutyllupetidin. Das Lupetidin iſt ein doppeltmethyliertes Piperidin und hat die Formel: R cH CHa OH CH—CH, Ze NH Die übrigen Körper unterſcheiden fic) von dem Lupetidin durch die ſubſtituierten Alkoholradikale, die an der mit R bezeichneten Stelle eintreten. Als gemeinſamen Kern enthalten ſie das Piperidin oder Hexahydropyridin. Die Alkoholradikale befinden ſich in der Orthoſtellung zu ein⸗ ander. Von ähnlichen Giften war bisher das Coniin, das Gift der Schierlingspflanze, das ein Iſopropylpiperidin iſt, unterſucht. Sämtliche Körper ſind giftig und alle verur⸗ ſachen den Tod unter Lähmungserſcheinungen. Es iſt aber nicht dasſelbe Gift, welches am raſcheſten Lähmungen her⸗ beiführt und deſſen kleinſte Doſis den Tod bringt. Dies deutet auf verſchiedene Angriffspunkte der verſchiedenen Körper. Die direkte Erregbarkeit des Muskels bleibt bei allen erhalten, die indirekte Erregbarkeit des Muskels vom Nerven aus ſchwindet zuerſt bei dem Lupetidin, bei dem Copellidin teilweiſe, bei den höheren Gliedern der Reihe iſt ſie noch ganz erhalten, während ſchon eine vollſtändige Lähmung aller willkürlichen Bewegungen eintritt. Bei den höheren Gliedern iſt alſo die Lähmung eine centrale und jie wird erſt bei längerer Dauer und ſteigender Doſis eine peripheriſche, bei den niederen Gliedern iſt ſie zuerſt eine peripheriſche und wird ſpäter eine centrale. Das Lupetidin gleicht alſo in ſeinem Angriffspunkte dem Curare, das Hexyllupeditin den Narkoticis, indem es die Centralorgane lähmt; es erſtreckt auch wie dieſe ſeine Wirkſamkeit auf das Herz, das es raſch in Mitleidenſchaft zieht. Dieſe An⸗ gaben gelten für den Kaltblüter: Warmblüter verhalten ) Zentralblatt für Phyſiologie II, 15, S. 373. ſich ganz anders. Wird der Froſch auf die Temperatur des Warmblüters gebracht, ſo wird er von ganz kleinen Doſen gelähmt und getötet. Was der unter Gaules Leitung angeſtellten Unter⸗ ſuchung ein beſonderes Intereſſe verleiht, ijt eine regel mäßige Beziehung zwiſchen der chemiſchen Konſtitution der genannten Subſtanzen und hiſtologiſch nachweisbaren Ver⸗ änderungen gewiſſer zelliger Gewebselemente, welche nach Einverleibung der Subſtanzen in den Organismus eintraten. Es handelte ſich um Veränderungen der Zellen des Mus⸗ kels, der Leber, der Milz und des Blutes und zwar waren dieſelben am auffälligſten in den roten Blutkörperchen, in welchen helle, auf partielle circumſkripte Zerſetzung der Blut⸗ körperchenſubſtanz deutende Stellen auftraten. Es konnte fonftatiert werden, daß die Zahl und Größe dieſer Stellen beim Lupetidin am beträchtlichſten war und mit wachſendem Alkoholradikal abnahm, jo daß das Hexyllupetidin nur noch ganz kleine und ſchwer zu entdeckende Stellen hervor⸗ brachte. Aber auch die Gruppierung war eine verſchiedene, indem einmal eine Sternform, das andere Mal eine Linien⸗ form vorwog. Gefärbte Präparate zeigten, daß auch die Kerne der Blutkörperchen (vom Froſch) an dem Auftreten der hellen Stellen beteiligt ſind. Bei dem Copellidin ſind die Kerne länglich, faſt ſtäbchenförmig, bei dem Lupetidin klein, faſt punktförmig. Alſo auch die Nucleinſubſtanz des Kernes wird von dem Gifte angegriffen und wahrſcheinlich ſind es gerade die Vorgänge in ihr, die die Veränderungen in dem Zellleib des Blutkörperchens, beziehungsweiſe dem Blutfarbſtoff überhaupt einleiten. Daß die gemeinſame Urſache dieſer Veränderungen in dem allen dieſen Giften gemeinſamen Piperidinkern zu ſuchen ſei, ſchien wahrſcheinlich und Herr Gürber hat auch in der That gefunden, daß zwei Körper, welche denſelben Kern enthalten, nämlich das Piperidin ſelbſt und das Coniin, dieſelben Wirkungen auf die Blutkörperchen haben wie die Lupetidine. Die farbloſen Stellen ſind alſo eine Wirkung des Piperidinkernes, ſie können in ihrer Größe, Zahl und Gruppierung modifiziert werden durch die Alkyl⸗ radikale, die in dieſen Kern eintreten, und zwar in der Art, daß ſie bei dem höchſten Radikal, dem Hexyl, faſt ver⸗ ſchwinden. Dieſe Wirkung iſt aber wahrſcheinlich keine direkte. Wenn man die betreffenden Körper mit dem aus der Ader gelaſſenen Blut miſcht und digeriert, ſo erhält man die charakteriſtiſchen Veränderungen nicht, auch wird das Auf⸗ treten derſelben nicht weſentlich beſchleunigt, wenn man das Gift direkt in die Blutbahn, ſtatt in die Lymphſäcke oder in die Bauchhöhle bringt. Immer erfolgt das Auf- treten erſt, nachdem die Lähmungserſcheinungen bereits vollſtändig entwickelt find und das Maximum wird er⸗ reicht, wenn die Lähmungen wieder verſchwunden find. Es iſt daher wahrſcheinlich, daß unter dem Einfluß des Giftes ein in dem Muskel oder in dem Zentralnerven⸗ ſyſtem ſich bildender Stoff es iſt, welcher, in das Blut übergehend, dieſe Veränderungen der Blutkörperchen bewirkt. Daß aber dieſer Stoff in einer ſehr nahen Beziehung zu dem Gift ſtehen muß, beweiſt die Abhängigkeit der Ver⸗ änderungen von der Struktur der wirkenden Körper. Ueber die Tragweite der aufgeführten Unterſuchungs⸗ Ergebniſſe äußert ſich Herr Gaule wie folgt: „Dieſe Be⸗ Humboldt. — April 1889. 153 funde fügen ſich, obgleich merkwürdig, doch unſeren ſeit⸗ herigen Anſchauungen zwanglos ein. Daß ein gegebener chemiſcher Körper auf die chemiſchen Körper, welche die Zelle zuſammenſetzen, eine von ſeiner eigenen Struktur abhängige Wirkung ausübt, iſt im Grunde natürlich, wenn man ſich deutlich vorſtellt, daß die Zelle eben doch nur ein Komplex von chemiſchen Körpern iſt. Das Wunderbare aber, das uns weit hinaus in die Zukunft blicken macht, iſt, daß die chemiſchen Veränderungen hier zu mikroſkopiſch ſichtbaren werden, daß wir in der Zelle ſehen können, ob in dem chemiſchen Körper, der auf ſie gewirkt hat, die Atome in dieſer oder jener Weiſe miteinander verbunden waren. Mit anderen Worten: Die im Bereich des wirken— den chemiſchen Körpers theoretiſch angenommene, jeden— falls in unmeßbar kleinen Dimenſionen ſich vollziehende räumliche Anordnung wird in dem chemiſchen Komplexe der Zelle zu einer wirklich ſichtbaren. Ob die eine dabei ein Abbild der anderen iſt, jet dahingeſtellt. „Dieſer Befund kam mir nicht unerwartet. Die Ver— änderungen, welche Herr Stolnifow *) an den Kernen der Leberzellen bei der Phosphorvergiftung erhielt, noch mehr das veränderte Ausſehen, welches die Leberzellen bei Er— nährung mit Zucker oder mit Pepton annahmen, dann die ganz veränderten Bilder, welche Herr Klikowicz in noch nicht veröffentlichten Verſuchen mit Selen bekam, brachten mich zu der Ueberzeugung, daß das Ausſehen der Zelle, d. h. ihr morphologiſches Bild, jedesmal der Aus— druck ihrer chemiſchen Zuſammenſetzung ſein müſſe. Aen⸗ dern wir etwas an der chemiſchen Zuſammenſetzung, ſo muß auch das Bild ſich ändern. Daraus erwächſt aber die Hoffnung, dieſe Zuſammenſetzung der Zelle, welche ja den eigentlich chemiſchen Methoden vorerſt unerreichbar bleibt, einſtmals mit Hilfe der mikroſkopiſchen Bilder zu ergründen, denn wenn ich einmal entdecke, daß eine be— ſtimmte Stelle in einer beſonderen Zellenart zu einem be— ſtimmten chemiſchen Körper in einer beſonderen Beziehung ſteht, ſo kann ich mir denken, daß man das auch einmal für alle Stellen wiſſen werde und daß dann die Beziehung dieſer Körper zu einander etwas lehren wird über die Beziehungen der verſchiedenen Teile der Zelle zu einander. Die organiſchen Körper, welche ganz beſtimmte Reſultate ergeben haben, wie das Pilocarpin, das Herr Ogata unter— ſuchte, das Antipyrin von Fräulein Iwanoff, die Lupetidin⸗ reihe von Herrn Gürber ſind noch zu wenig zahlreich, um daraus ſich ergebende Hypotheſen weiter auszuführen.“ Zu dieſer Unterſuchung über die Körper der Lupetidin— reihe ſtehen zwei andere neuere Arbeiten in näherer Be— ziehung, die eine, von G. Hoppe⸗Seyler ausgeführte, in- ſofern ſie ebenfalls Körper mit curareähnlicher Wirkung behandelt, die andere, inſofern ihre Autoren, Ellenberger und Baum, den morphologiſchen Veränderungen ihre Auf— merkſamkeit geſchenkt haben, welche die Leberzellen unter der Einwirkung gewiſſer Arzneiſtoffe erkennen laſſen. Seit der Angabe von Brown und Fraſer, daß die Methyl- und Aethylverbindungen verſchiedener Alkaloide curareähnliche Wirkung beſitzen, hat die Abhängigkeit der Curarewirkung von der Anweſenheit der Methyl- und Aethylgruppen im Molekül wiederholt den Gegenſtand von *) du Bois⸗Reymonds Arch. 1887, Supplementheft. Humboldt 1889. Unterſuchungen gebildet und Bufalini hat geradezu das Tetramethyl- und das Tetraäthylammonium als Erſatz für Curare vorgeſchlagen. Von Chinolinderivaten hatte bis jetzt nur Bochefontaine beim Oxäthylchinoleinammonium⸗ chlorür Curarewirkung gefunden. Dagegen wirken Methyl-, Aethyl- und Amylchinolin nicht ſo. Das von Oſtermayer zuerſt dargeſtellte Chinotopin, eine in feinen Nadeln kry— ſtalliſierende, in wäſſeriger, verdünnter Löſung blauviolett fluoreszierende, mit Alkalien eine blutrote Färbung gebende Subſtanz von intenſiv bitterem Geſchmack, iſt das Dimethyl— ſulfat des Dichinolins und hat Herrn G. Hoppe-Seyler !) bei ſeiner Anwendung auf Fröſche und Säugetiere Wir— kungen gezeigt, welche denen des Curare ſehr nahe ſtehen. Bei Fröſchen ſcheint die Wirkung auf die Lähmung der Nervenendigungen in den Skelettmuskeln beſchränkt zu ſein, bei Warmblütern iſt ſie etwas komplizierter, hier zeigen ſich als Initialſymptome der Vergiftung ſtarkes Zittern, reichliche, aber mühevolle Kot- und Urinentlee— rungen und ſtarker Speichelfluß. Zur Lähmung der mo— toriſchen Nervenendigungen ſind beim Froſche und nament- lich bei den Warmblütern weit ſtärkere Gaben als vom Curare erforderlich. Ellenberger und Baum) haben ſich, um ſich ein Urteil über die Wirkungsweiſe der Mittel zu bilden, welchen eine Einwirkung auf die Gallenabſonderung zugeſchrieben wird, zunächſt Kriterien zur Unterſcheidung ruhender und thätiger Leberzellen verſchafft. Die Verſuche wurden an Pferden angeſtellt, deren Leber ſechs Stunden nach reichlicher Fütterung als im Zuſtande der Thätigkeit be- trachtet wurden. Der Zellleib der thätigen Leberzelle iſt größer als der der ruhenden und ſcharf begrenzt; er färbt ſich ſtärker mit Eoſin und enthält weniger Pigmentkörnchen. Im Protoplasma finden fic) Glykogenſchollen, die Zwiſchen⸗ räume zwiſchen den thätigen Zellen ſind größer. Im Zell⸗ leibe der ruhenden Zelle ſind wenig Glykogeneinlagerungen; der Zellleib iſt eine gleichmäßige, gekörnte Protoplasma- maſſe, welche reich an Pigmentkörnchen iſt. Der Kern fehlt häufiger in der thätigen als in der ruhenden Zelle; in der thätigen Zelle iſt er dicht, fein und gleichmäßig gekörnt und enthält faſt immer ein Kernkörperchen, wel— ches in der ruhenden Zelle öfters fehlt. Die Auswande— rung des Kernkörperchens aus dem Kern iſt in ruhenden Zellen häufiger zu beobachten als in thätigen; es finden ſich deshalb in ruhenden Zellen häufig freie Kernkörperchen (Plasmoſomen) und blaſſe, untergehende Kerne. Die Ver- faſſer ſchließen aus dieſen Erſcheinungen, daß Kerne und Zellen, oder Teile der letzteren für die Gallenbildung ver- braucht werden, während der Ruhe entſtänden neue Kerne aus den emigrierten Kernkörperchen (Plasmoſomen, Karyo⸗ blaſten, Kernkeimen); ſie glauben, daß Reſte der Zellen beſtehen bleiben, welche zu neuen Zellen heranwachſen und neue Kerne erhalten. In der thätigen Leber ſind auch ruhende Zellgruppen enthalten, ſie iſt nie in allen ihren Teilen in demſelben Stadium. Die von Ellenberger und Baum unterſuchten Arznei⸗ mittel teilen ſich in zwei Gruppen, je nachdem unter ihrer Einwirkung die Leberzellen das Bild der Thätigkeit oder ) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. XXIV, 45, S. 241. **) Arch. f. wiſſenſch. u. prakt. Thierheilk. XIII, 4. u. 5. 20 154 der Ruhe zeigen. Die Wirkung der erregenden Mittel wurde feſtgeſtellt, indem dieſelben hungernden Pferden verabreicht wurden. Die Lebern der eirca 24 Stunden nach der letzten Fütterung getöteten Tiere ſollten das Ruhebild zeigen, aber durch den Einfluß der Mittel wurde das Thätigkeitsbild hervorgerufen. Die hemmenden Mittel wurden regelmäßig gefütterten Pferden verabreicht, deren Lebern eirea ſechs Stunden nach der Fütterung unterſucht wurden; dieſe ſollten das Thätigkeitsbild zeigen, aber der Einfluß der Mittel rief das Ruhebild hervor. Stark an⸗ regend wirkten: Pilocarpin, Muscarin, Aloe; ſchwach an⸗ regend: ſalicylſaures und benzoeſaures Natron und Rha⸗ barber; ſtark hemmend wirkten: Atropin und eſſigſaures Bleioxyd; ſchwach hemmend: Bitterſalz, Salmiak, Kalomel und ſchwefelſaures Kupferoxyd. Eine fundamentale, den Chemismus der Muskel⸗ arbeit betreffende Frage hat durch eine Arbeit von V. Aducco ) neues Licht erhalten. Man hatte bisher ange⸗ nommen, daß der Harn bei angeſtrengter Muskelarbeit ſaurer werde. Dieſe Annahme beruhte aber auf Beobachtungen, bei denen der Einfluß der Mahlzeiten nicht ausgeſchloſſen war oder welche nur die totale in 24 Stunden gelieferte Harn⸗ menge betrafen. Aducco ſtellte ſeine Verſuche bei Hunden an, welche 24 Stunden vorher gefüttert waren. Er ließ ſie in einer eigenen Vorrichtung andauernd mit gleicher Geſchwindigkeit laufen, entnahm nach jeder Stunde Laufen Harn zur Unterſuchung und gab ſo viel Waſſer zu ſaufen, als der Gewichtsverluſt betrug. Vor dem Laufe war die Reaktion des Harns ſtets ſauer, nach der erſten Stunde Laufens (zehn Kilometer etwa) nahm die Aeidität ab oder machte einer, zuweilen intenſiv⸗alkaliſchen Reaktion Platz; in den folgenden Laufſtunden wurde der Harn entweder immer weniger ſauer, bis zur vollſtändigen alkaliſchen Reaktion, oder er dauerte fort, mehr oder weniger alkaliſch zu ſein. In der erſten Ruheſtunde blieb er alkaliſch oder wurde wieder ſauer; in der zweiten Stunde wurde er konſtant ſauer. Genauere Unterſuchungen ergaben, daß die Alkalescenz des Urins laufender Hunde der Gegen⸗ wart von zum Teil feſten, zum Teil flüchtigen alkaliſchen Kohlenſäureſalzen zuzuſchreiben iſt und hieraus folgt, daß während der anſtrengenden Muskelthätigkeit vorzugsweiſe jene Subſtanzen verbraucht werden, die Kohlenſäure als letztes Produkt ihrer Umwandlung im Organismus liefern, nämlich Glykogen, Zucker und Fette. Hierfür und gegen die Beteiligung von Eiweißkörpern an der Beſtreitung der zur Muskelarbeit erforderlichen Energie ſpricht auch, daß der Prozentgehalt an Harnſtoff im Harn der laufenden Hunde manchmal ſehr beträchtlich abſank. Einen ferneren Beitrag zur Muskelchemie lieferte Gleiß nk). Auf Anregung Grützners ſtellte er Unter⸗ ſuchungen über die Milchſäurebildung in den roten und weißen Muskeln während der Thätigkeit und der Totenſtarre an. Zuerſt wurden die Muskeln von Fröſchen und Kröten unterſucht; ſie wurden von den Nerven aus er⸗ regt und hoben Gewichte; nach der Arbeit wurden ſie in mit Kochſalz geſättigter Lackmuslöſung zerquetſcht, ihr Säure⸗ gehalt wurde nach dem Grade der eintretenden Rötung ) Giornale della R. Accademia di Torino, Nr. 1 u. 2, 1887. ) Pflügers Arch. f. Phyſiologie XXXXI, S. 69. Humboldt. — April 1889. beurteilt. Der den weißen Typus repräſentierende Froſch⸗ muskel mit ſchnellerem Zuckungsverlauf, geringerer Span⸗ nungsentwickelung und raſcher eintretender Ermüdung entwickelte während der Thätigkeit mehr Säure, als der Krötenmuskel; bei den ruhenden Muskeln konnte kein Unter⸗ ſchied gefunden werden. Die Brühe von thätigen Froſch⸗ muskeln färbte verdünnte Eiſenchloridlöſung deutlich gelb wie Milchſäure, die von Krötenmuskeln rief keine ſo deut⸗ liche Gelbfärbung hervor. Auch bei den weißen und roten Muskeln der Säugetiere beſteht der gleiche Unterſchied, der weiße Muskel war immer infolge der Thätigkeit ſaurer als der rote, die Eiſenchloridreaktion ſprach dafür, daß mehr Milchſäure im weißen Muskel gebildet wurde. In der Totenſtarre war der Unterſchied nicht ſo bedeutend. Daß nicht nur bei Wirbeltieren, ſondern auch bei Inſekten Muskeln vom Typus der roten und weißen vorkommen, hat Rollett*) nachgewieſen. Die Beuger und Strecker, welche den Femur des hinterſten Beinpaares bewegen, verhalten ſich funktionell bei Dyticus den (flinken) weißen, bei Hydrophilus den (trägen) roten Wirbeltiermuskeln analog. Auch hier finden fic) typijde hiſtologiſche Unterſchiede. Die Beinmuskeln von Dyticus zeigen auf dem Querſchnitt verlängerte, radiär angeordnete Cohnheimſche Felder und beſitzen daher platte, band⸗ artige „Muskelſäulchen“. Die entſprechenden Muskeln von Hydrophilus dagegen zeigen polygonale Cohnheimſche Felder des Querſchnittes, und in der Mitte jedes Feldes eine Lücke; hier ſind alſo die Muskelſäulchen prismatiſch und hohl. Die Verhältniſſe der Lichtbrechung in Muskel⸗ faſern von Fröſchen und Käfern hat S. Exner“) mit Hilfe eines von ihm konſtruierten Mikrorefraktometers genauer unterſucht, als es bisher geſchehen war. Als Reſultat von bedeutender Tragweite hat ſich herausgeſtellt, daß die Lichtbrechung ſich weſentlich anders verhält in lebenden ruhenden oder thätigen Käfermuskeln einerſeits und den in Osminumſäure oder Alkohol gehärteten andererſeits. Man hatte bisher angenommen, daß die bei Einwirkung der genannten Mittel entſtehenden und durch dieſelben fixierten Faſerverdickungen normalen Kontraktionswellen entſprächen, und man hatte von der hiſtologiſchen Zer⸗ gliederung ſo gewonnener Präparate Aufſchlüſſe über die die normale Kontraktion bedingenden Umlagerungen in der Muskelfaſer erwartet. Dieſe Annahme iſt alſo hin⸗ fällig. Der Brechungsindex der lebenden Muskelfaſern des Hydrophilus ſchwankt um die Größe 1,363, der des Froſchſartorius beträgt etwa 1,369; es läßt ſich bei dieſen letzteren auch eine wenigſtens ungefähre Angabe über die Differenz der Brechungsindices für den ordinären und extraordinären Strahl (bei Lichtdurchgang ſenkrecht zur Längsachſe der Faſer) machen, und zwar würde der erſtere als 1,368, der letztere als 1,370 anzunehmen ſein. An friſchen Muskelfaſern des Hydrophilus piceus zeigt ſich weiter, daß die kontrahierten Stellen, welche an den abgeriſſenen Enden der Faſern, vielfach auch im Ver⸗ lauf derſelben auftreten, einen bedeutend höheren Brechungs⸗ ) Denkſchr. der Wiener Akad. d. Wiſſenſch. LIII. ) Pflügers Arch. f. Phyſiologie XXX, S. 360. Humboldt. — April 1889. 155 index beſitzen, als die noch lebenden, nicht kontrahierten Partien. Jedoch lehren weitere Beobachtungen, daß dieſe Kontraktion, deren allmähliches Fortſchreiten ſich unter dem Mikroſkop verfolgen läßt, keine normale iſt. Sie löſt ſich nämlich nicht wieder, ſondern bleibt dauernd beſtehen. Normale, wieder in Erſchlaffung übergehende Kontraktionen laſſen ſich aber auch beobachten und zwar in zwei Formen, teils als ſchnelle Zuckungen, teils als über die Faſern langſam hinlaufende Kontraktionswülſte. Bei den Zuckungen machen die Faſern, unter dem Mikro— refraktometer geſehen, den Eindruck des Wogens und des Flimmerns; beſſeren Aufſchluß dagegen geben die lang— ſam ablaufenden Kontraktionswülſte, bei welchen an jeder einzelnen Stelle die Zuſammenziehung nur kurz dauert. Hier kann mit Sicherheit feſtgeſtellt werden, daß der Brechungsindex ſich nicht merklich, d. h. jedenfalls nicht mehr als um einige Einheiten der vierten Dezimale ver— ändert. Die Zunahme des Brechungsindex iſt aber charak— teriſtiſch für die dauernde Zuſammenziehung im Gegenſatz zur zeitweiligen. Vermutlich iſt das darauf zurückzuführen, daß bei der dauernden Kontraktion eine erhebliche Menge Flüſſigkeit von geringem Brechungsindex aus der Muskel- faſer ausgepreßt wird, was ſich durch Beobachtung mit dem Refraktometer direkt nachweiſen läßt. Auch die Här— tung mit Osmiumſäure oder Alkohol, wie man ſie zur Fixierung von Kontraktionswellen zu verwenden pflegt, bewirkt Flüſſigkeitsaustritt und Zunahme des Brechungs⸗ index, fixiert alſo nicht die normale Kontraktion. Sehr intereſſante Meſſungen der Spannung, welche ein einzelner menſchlicher Muskel bei nerhinderter Verkürzung entwicken kann, hat Fick“) ausgeführt. Die maximale Spannung des Spreizers des Zeigefingers ging bei willkürlicher Innervation am Spannungszeiger bis zu 2 kg, woraus ſich, den Hebelüberſetzungen entſprechend, für den Muskel ſelbſt eine Spannung von 10 kg in der Faſer⸗ richtung ergibt. Wurde die Muskelerregung durch elektriſche Reizung erzeugt, ſo ging die tetaniſche Maximalſpannung bis über das Zehnfache des bei der künſtlichen Einzelreizung beobachteten maximalen Wertes hinaus. Der bei will— kürlicher Thätigkeit erreichbare Spannungsgrad übertraf bei weitem den Effekt des bis zu unerträglicher Schmerzhaftig— keit geſteigerten künſtlichen Tetaniſierens. Die durch ein⸗ zelne Induktionsſchläge erhaltenen Spannungen addieren ſich zu der Spannung der willkürlichen Innervation in jedem Spannungsgrade, ſolange letzterer noch nicht mari- mal iſt. Dann jedoch folgt der elektriſchen Reizung nach einem Zeitverluſt von einer Zehntelſekunde ein kurzdauern⸗ der Spannungsnachlaß, welcher der Größe des Zeitver— luſtes gemäß als eine reflektoriſche Hemmung der will— kürlichen Erregung betrachtet werden kann. ) Pflügers Arch. f. Phyſiologie XXXXI. S. 176. Kleine Mitteilungen. Anwendung der Geißlerſchen Röhren zum Sehen ſonſt unſichlbarer Naturerſcheinungen. Bekanntlich hat ein Ausflußſtrahl einen durchſichtigen kontinuierlichen Stamm, einen trüben, jedoch ebenfalls kontinuierlich erſcheinenden und einen in Tropfen aufgelöſten Teil. Da nach der Optik eine durchſichtige Subſtanz durch Miſchung mit Luft un⸗ durchſichtig wird (Beiſpiele: Schnee, Seifenſchaum u. ſ. w.), ſo hielt man ſchon früh den zweiten Teil des Ausfluß— ſtrahls ebenfalls für in Tropfen aufgelöſt, nur in einer für das bloße Auge zu feinen Weiſe; auf optiſchem und akuſti— ſchem Wege hat man dieſe Auflöſung mehrfach unzweifelhaft nachgewieſen, es fehlte aber bisher ein Mittel, die That- ſache einem großen Zuhörerkreiſe zu demonſtrieren. Dies Mittel findet nun Izarn (Comptes rendus 1888, Bd. 106, S. 543) in den Geißlerſchen Röhren, indem er von der Thatſache ausgeht, daß eine Bewegung nicht wahrgenommen wird, wenn nur momentane Beleuchtung ſtattfindet, und eine ſchwingende nicht, wenn die Beleuchtung im Tempo der Schwingungen geſchieht. So erſcheint auch der Wag— nerſche Hammer des Ruhmkorffſchen Funkeninduktors ruhend, wenn er von dem Funkenſtrom des Apparates allein beleuchtet wird. Ebenſo erſcheinen die Tropfen des unklaren Flüſſigkeitsſtrahlteiles nicht fallend oder ſteigend, wenn neben dem Strahl eine leuchtende Geißlerſche Röhre geſtellt wird, ſondern ruhend und deutlich in ſeine Tropfen zerlegt. Man ſieht vollkommen das Bild, das manche Lehr- bücher an der betreffenden Stelle enthalten. Am deut— lichſten erſcheinen die Tropfen an dem Teil, welcher dem kontinuierlichen Stamm am nächſten iſt, weil hier die Fall⸗ bewegung am ſchwächſten iſt. Das Bild iſt bei Fernhal⸗ tung von Störungen ſo feſt und beſtändig, daß es ſogar zur Photographie geeignet iſt, zeigt aber eine große Em⸗ pfindlichkeit gegen alle Geräuſche, wenn man die Induk⸗ tionsſpule leitend mit Hahn und Ausflußrohr verbindet. Auch bei dem Meldeſchen Faden, der meiſt als dauernder Doppelbauch, fiſchähnlich, erſcheint, und bei vielen ähnlichen Erſcheinungungen erkennt man mit der Geißler-Röhre deutlich das Vorhandenſein von Schwingungen. R. Kobalt und Nickel enthalten, wie G. Krüß in einer vorläufigen Notiz (Ber. 22, 11) mitteilt, eine gewiſſe Menge eines noch unbekannten Elementes, welches bei allen bisherigen Unterſuchungen dieſer Metalle überſehen worden iſt. Dieſe bemerkenswerte Thatſache ergab ſich bei Ver- ſuchen zur Neubeſtimmung der Atomgewichte des Kobalts und des Nickels. Eine Zeitlang war man der Anſicht, daß beiden Elementen gleiche Atomgewichte zukommen; Unter ſuchungen von Cl. Zimmermann ſprachen indes dafür, daß die Atomgewichte zwar ſehr nahe beieinander liegen, aber doch verſchieden find (Co 58,74, Ni = 58,56). Dieſe Werte ſuchte nun Krüß dadurch zu kontrollieren, daß er die Atomgewichte zu dem von ihm mit großer Genauigkeit feſtgeſtellten Atom⸗ gewicht des Goldes (f. dieſe Zeitſchr. VII, 14) in Beziehung brachte. Eine Löſung von Goldchlorid wurde durch ge— wogene Mengen metalliſchen Kobalts und Nickels in Gold um die Halogenverbindungen dieſer beiden Elemente um- geſetzt und das ausgefällte Gold gewogen. Trotz Benutzung der reinſten Ausgangsmaterialien und Einhaltung aller Vorſichtsmaßregeln wurden jedoch ſehr ſchwankende Rejul- tate erhalten. Zunächſt zeigte ſich, daß es nicht möglich iſt, aus einer neutralen Goldchloridlöſung durch Kobalt oder Nickelmetall eine äquivalente Menge abſolut reinen Goldes quantitativ auszufällen, da durch Polarijations- erſcheinung umgekehrt aus der entſtandenen Kobalt- bezw. Nickelchlorürlöſung minimale Mengen von Kobalt, bezw. Nickel ausgefällt und ſo dem Golde beigemengt werden. Der hierdurch hervorgerufene Fehler konnte in der Weiſe eliminiert werden, daß das ausgefällte Gold nochmals in 156 Humboldt. — April 1889. Königswaſſer gelöſt und mit ſchwefliger Säure wieder aus- gefällt wurde. Beim Auswaſchen des ſo erhaltenen Goldes zur Entfernung der kleinen Mengen von Kobalt⸗, bezw. ſickelchlorid trat nun die eigentümliche Erſcheinung auf, daß die Waſchwäſſer zum Schluß eine ſchwach grünliche Färbung annahmen. Beim Eindampfen lieferten dieſe Lö⸗ ſungen ein farbloſes Metallchlorid, welches Reaktionen zeigte, die keinem bekannten Metalle zukommen. Durch Alkalien wird aus der Chloridlöſung ein weißes Hydroxyd gefällt, welches dem Zink- und Aluminiumhydroxyd ſehr ähnlich iſt, ſich aber in einem Ueberſchuß des Fällungsmittels nicht auflöſt. Durch Elektrolyſe oder durch Reduktion des Chlo⸗ rides im Waſſerſtoffſtrom erhält man das neue Metall als ſchwarze Maſſe, welche in Säuren auflöslich iſt. Die Iſo⸗ lierung des neuen Elementes geſchieht am einfachſten durch Behandlung von Kobalt⸗ und Nickeloxyd mit ſchmelzendem Alkali. Hierin iſt das geſuchte Oxyd löslich, während Ko⸗ balt und Nickeloxyd unlöslich find. Aus 50 g Nickeloxyd konnten auf dieſe Weiſe ungefähr 1g weißes Oxyd ge- wonnen werden. Al. Der Schweif des Kometen 1887 a hat Bredichin in Moskau zu einer Unterſuchung veranlaßt (Bulletin de la Soc. Imp. des Naturalistes de Moscou, 1888, Nr. 2, 3). Bekanntlich zeichnete ſich dieſer am 18. Januar 1887 von Thoma in Cordova entdeckte Komet durch die Abweſen⸗ heit jedes Kernes, geringe kleinſte Entfernung von der Sonne, ſowie durch geradlinige Geſtalt, Länge und Schmal⸗ heit des Schweifes aus. Den letzteren rechnet Bredichin zu ſeinem dritten Typus, bei welchem die ſchweifbildende Kraft p. nahezu jo groß iſt, wie die Gravitation (= 1), jo daß 1—p ein ſehr kleiner Bruch iſt. Beim erſten Ty⸗ pus der Kometenſchweife iſt u negativ, 1— u eine größere Zahl (9, 10 2c), die Teilchen werden von der Sonne ab⸗ geſtoßen; beim zweiten Typus iſt h nur klein, 1l—p. der Einheit nahe. Bredichin bringt die Kometen mit Schweifen vom erſten Typus, alſo mit großer Rupulſivkraft in Ver⸗ bindung mit Waſſerſtoff, die mit Schweifen des gewöhn⸗ lichen zweiten Typus dagegen mit Kohlenwaſſerſtoff, wäh⸗ rend er in Schweifen, wie der des Thomaſchen Kometen ſpecifiſch ſchwere Elemente, wie Gold, Queckſilber, Blei vermutet. Bei ſolchen der Sonne ſehr nahe kommenden Kometen erfolgt die Ausſtrömung der Materie vorwiegend in der Sonnennähe, und da dieſer Komet erſt eine Woche nach dem Durchgange durch das Perihel entdeckt wurde, fo erklärt es ſich, daß die leichten Beſtandteile fo ſtark ver⸗ dünnt waren, daß fie ſich der Wahrnehmung entzogen, daher weder Kopf noch Kern ſichtbar wurden, und nur die ſpecifiſch ſchwereren Teile im Schweife zurückblieben. 6-1. Ueber intereſſante Verſuche zur Photographie von Nebeln berichtet Prof. Pickering im 18. Band der An⸗ nalen der Sternwarte des Harvard⸗Collegs in Boſton. Es wurde dazu ein Fernrohr mit photographiſcher Doppel⸗ linſe von 8 Zoll (20 em) Oeffnung und 44 Zoll (112 em) Brennweite benutzt, die Platten waren quadratiſch von 10 Bogengrad Seite und wurden auf die Oriongegend gerichtet. Die Bilder waren genügend ſcharf bis etwa 3½“ von der Mitte der Platten. Es wurden bei dieſen Verſuchen 12 neue Nebel entdeckt; 14 Nebel waren auf den Platten ſichtbar, die ſich in Dreyers Katalog der Nebelflecke finden, während umgekehrt 4 im Katalog ver⸗ zeichnete Nebel ſich nicht auf den Platten abgebildet fanden. Eine derartige Durchmuſterung des ganzen Sternhimmels würde unzweifelhaft eine Menge neuer Nebel kennen lehren, aber auch über 400 Platten erfordern. GH. Die Bahn des periodiſchen Kometen von Winnecke in den Jahren 1858 —86 ijt von Freiherrn v. Haerdtl in Innsbruck einer genauen Unterſuchung unterworfen worden, aus welcher ſich ergibt, daß die mittlere Bewegung dieſes Kometen keine Zunahme von einem Umlauf zum nächſten erfährt, alſo keine Verkürzung der Umlaufszeit, wie ſie beim Enckeſchen vorhanden iſt. Bekanntlich hat auch Möller beim Fayeſchen Kometen keine ſolche gefunden. Damit iſt aber die aus der Beſchleunigung des Enckeſchen Kometen gefolgerte Exiſtenz eines widerſtehenden Mittels im Welt⸗ raume noch nicht ernſtlich in Frage geſtellt, denn dasſelbe wird ſich jedenfalls in der Nähe der Sonne dichter an⸗ häufen als in größerer Ferne; es kann alſo wohl die Be⸗ wegung des Enckeſchen Kometen beeinfluſſen, welcher ſich der Sonne bis auf ein Drittel des Erdbahnhalbmeſſers nähert, während es ohne Wirkung iſt auf den Fayeſchen und den Winneckeſchen Kometen, deren geringſte Abſtände von der Sonne 1,69 und 0,77 Erdbahnhalbmeſſer betragen. Aleber Rünſtliche Erzeugung von gefüllten Blüten und anderen Bildungsabweichungen. Die Urſache der Entſtehung gefüllter Blüten war bisher in tiefes Dunkel gehüllt. Nach den Erfahrungen der Gärtner ſuchte man ſie in Störungen im Ernährungsvorgange. Referent hatte darauf hingewieſen, daß möglicherweiſe mangelnder Inſektenbeſuch zur Vermehrung des Schauapparates ge⸗ führt habe. Magnus zeigte, daß Pilze unter Umſtänden eine Füllung hervorrufen können. Nun iſt es Peyritſch gelungen, an beſtimmten Pflanzen willkürlich mit abſoluter Sicherheit gefüllte Blüten zu erzeugen. An einem in der freien Natur aufgefundenen Exemplar der Valeriana trip- teris mit gefüllten Blüten fand er deformierte Blattknoſpen, welche von Phytoptus bewohnt waren. Dieſe degenerierten Knoſpen brachte er auf Knoſpen anderer Valerianaceen, einer Anzahl Kruciferen, Serophulariaceen und Com⸗ melinaceen. War nun die Verſuchspflanze eine geeignete Nährpflanze des Phytoptus, ſo erhielt ſich derſelbe und pflanzte ſich fort, im andern Fall war der Aufenthalt auf eine kurze Zeit beſchränkt. Je nach der ſpeeifiſchen Natur der Pflanzenart können Vegetations- und Repro⸗ duktionsorgane, oder etwa nur Laubblätter oder nur Blüten affiziert werden. Wurden die Pflanzen nur in geringerem Grade infiziert, ſo bekamen ſie abnorm geformte Blätter und einzelne oder mehrere oder zahlreiche gefüllte Blüten mit verſchiedenen Graden der Blütenfüllung (Peta⸗ lodie der Staubgefäße und Carpiden, überzählige Füll⸗ blätter oder auch ſproſſende Blüten), je nach dem Einzel⸗ falle, wenn wenige oder mehrere Phytoptusindividuen übertragen wurden. Als ſehr geeignete Nährpflanzen er⸗ wieſen fic) Valeriana tripteris, officinalis, supina, Centranthus Caleitrapa, macrosiphon und Fedia Cornu- copiae, als weniger geeignete: Valeriana saxatilis, celtica, saliunca, tuberosa, Valerianella Szovitsiana und vesi- carla und die Kruciferen. Peyritſch experimentierte auch mit jenem Phytoptus, der auf Corylus die bekannten Knoſpendegenerationen veranlaßt und übertrug deformierte Corylus-Knoſpen, die er vorher geſpalten hatte, auf Brassica nigra, Sisymbrium austriacum, Capsella bursa pastoris und Myagrum per- foliatum. Bei Sisymbrium, Capsella und Myagrum erhielt er Stützblätter von Blüten, bei Myagrum außerdem noch ſchwach gefüllte Blüten. Bellis perennis, welches er mit dem Phytoptus auf der Valeriana tripteris, Corylus und Campanula Tenorii infiziert hatte, verhielt ſich dieſen verſchiedenen Paraſiten gegenüber im weſent⸗ lichen gleich. Die Roſettenblätter erſchienen abnorm be⸗ Haart, jedoch ohne Erineum, einige Blüten des Discus waren gänzlich, die Involukralſchuppen etwas verlängert. Bei Linaria Cymbalaria erhielt Peyritſch nach der In⸗ fektion mit Valeriana-Phytoptus metaſchematiſche Blüten. Die Verſuche zeigen in anſchaulicher Weiſe, daß durch den Verkehr der Organismen miteinander neue Krank⸗ heiten entſtehen und ſie machen auf eine bisher weniger beachtete Seite der Symbioſe aufmerkſam, ſie geben eine weitere Stütze für die Lehre, daß weitaus die meiſten Krankheiten und Bildungsabweichungen durch paraſitiſche Organismen bewirkt werden. Te Die Sahl der gegenwärtig Gekaunten hanero- gamen. Th. Durand zählt in ſeinem für Syſtematiker und Pflanzengeographen hochwichtigen Werke: , Conspectus Humboldt. — April 1889. 157 generum phanerogamorum“ alle bis Ende 1887 ver- öffentlichten Gattungen auf, im Anſchluß an Bentham und Hookers „Genera plantarum“ und mit Angabe der Zahl ihrer Arten und ihres geographiſchen Areals. Danach ſind auf der Erde vorhanden: : Familien. Gattungen. Arten. Dikotylen: 172 6784 78200 Monokotylen: 35 1587 19600 Gymnoſpermen: 3 46 2420 Summa: 210 8417 100220 Hierbei find die Arten im Sinne Linnés, alſo gut unterſcheidbar, umgrenzt. Die folgenden 12 Familien haben jede mehr als 2000 Arten: Kompoſiten 10 200; Leguminoſen 7000; Orchideen 5000; Rubiaceen 4500; Gramineen 3500; Euphorbiaceen 3000; Labiaten 2700; Metaſtomeen 2500; Liliaceen 2300; Cyperaceen 2200; Myrtaceen 2100; Serophulariaceen 2000. Dresden. Dr. Reiche. Ein karnivorer Bilz iſt von Zopf (Nov. Act. Acad. Leop.-Carol. LII. Nr. 7, 1888. Biol. Centr. VIII. Nr. 23) in dem Schimmelpilz Arthrobotrys oligospora nachge— wieſen worden, welcher die Fähigkeit hat Aelchen (Nema— toden) zu fangen und zu verzehren. Der Pilz entwickelt zahlreiche Kurzzweige, welche ſich krümmen und Schlingen bilden, an denen meiſt noch durch weitere Kurzzweige und Anaſtomoſen eine ganze Anzahl von Schlingen und Oeſen entſteht. In dieſen Schlingen werden die verſchiedenſten Nematoden gefangen, deren Fett dem Arthrobotrys zur Nahrung dient. Daß es ſich um eine Falle für die Nema- toden handelt, hat Zopf experimentell zu zeigen verſucht. Exemplare des Weizenälchens, welche den Kulturen zuge— ſetzt wurden, gerieten in großer Zahl ſehr bald in die Schlingen und wurden feſtgeklemmt; auf nematodenreichem Pferdemiſt kann man zuletzt nur noch mit Mühe leere Oeſen auffinden. Die Würmchen ermatten bald und find nach etwa zwei Stunden ſchon bewegungslos. Es ſproßt dann von der Schlinge aus binnen kurzem ein Keim— ſchlauch hervor, der den Wurm ſehr raſch ſeiner ganzen Länge nach durchwächſt (in 1 Stunde beobachtete Zopf eine Verlängerung um 46 b.). Die Organe des Wurmes wer- den von dem Pilz völlig aufgelöſt, indem durch Vermitt— lung des Pilzes die Gewebe in Fett umgewandelt werden. Das ſtrotzende, den Wurm zuletzt ganz ausfüllende Mycel treibt dann nach außen neue Fangzweige. Lud w. Vorſicht bei der Behandlung der Giſtpflanzen im naturgeſchichtlichen Anterricht gebietet eine Mit- teilung von Dr. J. Schrodt in Berlin (Ber. d. Geſ. naturf. Freunde z. Berlin 16. Okt. 1888 und Zeitſchr. f. math. naturw. Unt. 1889, 1 Heft, S. 15 ff.). Dr. Schrodt hatte im Unterricht an mehreren Exemplaren der Herbſtzeitloſe die Perigonröhre mittelſt der Fingernägel der Länge nach geöffnet, um die tief herabſteigenden Staubwege zu zeigen. In der Meinung, daß es mit der Wirkung geringer Gift— mengen dieſer Pflanze nicht viel auf ſich habe, aß er in der folgenden Pauſe ein Butterbrot ohne die Nägel von dem angetrockneten Safte gereinigt zu haben. In der folgen— den Stunde (9— 10) ſtellten ſich jedoch plötzlich heftige Leibſchmerzen ein. Mit größter Anſtrengung erreichte Schrodt noch das Konferenzimmer, wo er auf dem nächſten Stuhl zuſammenbrach, heftig nieſte und reichlich Schleim und Speichel abſonderte. Die nach etwa 25 Minuten herbei— kommenden Aerzte fanden ihn ohne Atem und ohne Puls. Wiederbelebungsverſuche hatten erſt nach einer halben Stunde Erfolg. Schrodt kam ſo weit zu ſich, daß er den Anweſenden auf ihre Fragen Auskunft geben konnte. Das Sehvermögen blieb jedoch bis 4 Uhr nachmittags geſtört, wo es ſich dann ziemlich plötzlich wieder einſtellte, und auch die Kräfte mit der teilweiſe geſtörten geiſtigen Thätig— keit wiederkehrten. Die Aerzte beſtätigten dieſe Symptome (namentlich die Lähmung der Herzthätigkeit und des Ge— ſichtsſinnes) als unzweifelhafte Zeichen einer Colchiein— vergiftung. Schrodt war von ſeinen Kollegen bis zum Eintreffen der Aerzte in ſitzender Lage feſtgehalten worden, was unter den obwaltenden Umſtänden verkehrt war. Dies wie auch weitere Erörterungen veranlaſſen Schrodt zu dem ſehr be- herzigenswerten Vorſchlag, daß mindeſtens zwei zum Lehr— körper einer Schule gehörige Mitglieder einen Lehrgang über die erſte Hilfe bei Unglücksfällen durchmachen ſollten. Es dürfte dies zum Wohle der Schüler dringend notwendig und eine nicht länger aufzuſchiebende Pflicht gegen die Eltern ſein. Ludw. Aeber das Gleiten der Schnecken an der Ober- fläche des Waſſers. Im 9. Heft des Jahrganges 1888 dieſer Zeitſchrift wird eine Arbeit von Willem über das Gleiten der Schnecken an der Oberfläche des Waſſers (Schwimmen) beſprochen. Man geſtatte mir, darauf hin⸗ zuweiſen, daß ich die gleiche Erklärung früher ausführlich gegeben habe (Bewegung des Cyclostoma elegans und der einheimiſchen Schnecken überhaupt. Zeitſchrft. f. wiſſenſch. Zool. XXXVI. 1881 und Leipziger Realſchulprogramm 1882). Das Schleimband, das von einzelligen, auf der ganzen Sohlenfläche zerſtreuten Drüſen gebildet wird und zum Waſſer im Verhältnis der Kapillardepreſſion ſteht, braucht bei den Süßwaſſerpulmonaten oder Branchio— pneuſten (Limnäen, Planorben, Phyſen) nicht von feſten Körpern auszugehen, ſondern kann auch bei ruhigem Waſſer von dem vermöge der Lungenluft an der Ober—⸗ fläche gehaltenen Tiere gebildet werden. Freilich findet dann eine ſchnellere Gleitbewegung erſt ſtatt, wenn der Schwimmer, den gelegentlich Cycladen und Clepſinen zum Klettern an der Oberfläche benutzen, eine gewiſſe Größe und Stabilität erlangt hat. Dieſelbe Bewegungsart durch das Schwimmband kommt aber auch, wenngleich ſeltner, bei Vorderkiemern, jungen Paludinen, ja ſelbſt bei den dick— ſchaligen Neritinen vor; nur bei den Melanien und Me— lanopſen ſcheint die Sohle im Verhältnis zur Schale zu klein, um einen genügenden Schwimmer zu bilden. Land— lungenſchnecken, die ins Waſſer fallen, bleiben vermöge des geringen ſpeeifiſchen Gewichtes zwar auch an der Ober— fläche, beſitzen aber die Fähigkeit nicht, ihre Sohle nach oben zu drehen und weiter zu gleiten, mit einer Ausnahme, Succinea. Dieſe, deren kleinere Arten (bei uns oblonga) vom Waſſer entfernt, deren größere aber amphibiſch an und in Gräben leben, iſt nach ihrer Anatomie und vor allem nach der Art ihrer Bewegung mit geordneten Querwellen in der Sohle eine echte Landſchnecke, welche, einem Seehund oder Fiſchotter vergleichbar, nachträglich die Waſſerbewegung wieder erlernt hat. Bei ihr wird der Schwimmer von der großen, vorn vor der Sohle münden— den Fußdrüſe erzeugt. Simroth. Leipzig. Zerittene Ameiſen. Es gibt in Siam eine kleine, matt grauſchwarz gefärbte Ameiſenart, welche ſich vorzugs— weiſe an feuchten Orten, z. B. in Baderäumen aufhält, wo man ſie häufig in breiten Kolonnen von beträchtlicher Länge ſich fortbewegen ſieht, irgend einer Nahrungsquelle zu. Sie leben von Stoffen animaliſchen Urſprungs. Das Arbeitervolk mißt an Körperlänge etwa die Hälfte unſerer gewöhnlichen Waldameiſe. Inmitten der Kolonne mar- ſchieren nun in gewiſſen Abſtänden einzelne, bedeutend größere Exemplare. Ab und zu aber erſcheint, langſam und bedächtig im Zuge einherſchreitend, ein wahrer Ameiſen⸗ koloß, ein Elefant an Größe im Vergleich zu den übrigen. Sein dicker, glänzend ſchwarzer Kopf iſt größer als der ganze übrige Körper, und auf ſeinem Rücken reitet oder ſitzt zeitweiſe eine der kleinen Arbeiterameiſen! Von Zeit zu Zeit kommt plötzlich mehr Bewegung in das Reittier: es durchbricht die marſchierende Kolonne und rennt mit ſeinem Reiter außerhalb derſelben eine Weile wie beſeſſen umher, um darauf wieder in Reih und Glied zurückzukehren und ſich zu beruhigen. Wie ſoll man dieſen ſonderbaren Vorgang erklären? Iſt der kleine Berittene vielleicht ein Ameiſengeneral, der ſich beim Inſpizieren der Truppen eines Reittieres bedient? Jedenfalls iſt die Erſcheinung eine den Siameſen längſt wohlbekannte Thatſache, von welcher übrigens auch der berühmte Ethnograph Baſtian in ſeinem Werke über die 158 Völker des öſtlichen Aſiens berichtet. Stark angezweifelt, wird die Ameiſenxeiterei von Ludwig Büchner in ſeinem Buche „Aus dem Geiſtesleben der Tiere“. Er führt hier die Beobachtung Baſtians kurz an und verſieht ſie mit Ausrufungs- und doppeltem Fragezeichen. Der Grund weshalb Baſtian, der doch als gewiſſenhafter Forſcher alle Glaubwürdigkeit verdient, ein weniger zuverläſſiger Ge— währsmann ſein ſoll, als die vielen übrigen, welche von Büchner für andere, mitunter recht ſeltſame Geſchichten aus dem Ameiſenleben angeführt werden, iſt nicht recht erſichtlich. Jedenfalls kann ich das thatſächliche Vorkommen der Ameiſen⸗ reiterei aus wiederholter eigener Beobachtung verbürgen. Auch will mir nicht einleuchten, warum dieſelbe gerade für Ludwig Büchner eine beſonders hervorragende Leiſtung der Ameiſenintelligenz bedeuten müßte. Warum ſollen dieſe Tiere, von denen uns die bei Büchner angeführten Be⸗ obachter zu glauben zwingen, daß ſie beiſpielsweiſe wohl⸗ disciplinierte Heere und auch Polizei unterhalten, neben Infanterie nicht auch Kavallerie, wenigſtens berittene Haupt⸗ leute eingerichtet haben? Oder warum ſollte das bewährte Inſtitut der berittenen Schutzleute nicht auch bei ihnen beſtehen können? Jedenfalls bleibt hier der Phantaſie wie der nüchternen Forſchung genügender Anlaß zur Thätigkeit. Falkenſtein i. T. Karl Meißen. Aeber die Kriechtiere Transkaſpiens hat Dr. O. Bött⸗ ger nach den Sammlungen von Dr. Walter eine intereſſante Studie veröffentlicht, aus der wir einige biologiſche An⸗ gaben veröffentlichen. Das Gebiet ſelbſt iſt den Leſern des Humboldt bekannt (vergl. Jahrgang 1887 S. 457); es beherbergt 2 Arten Schildkröten, 25 Eidechſen, 19 Schlangen und 2 ungeſchwänzte Amphibien; nur 3 Arten ſind dem Gebiet eigentümlich, die übrigen teilt es mit benachbarten Gebieten, beſonders mit Perſien. Es iſt a priori zu er⸗ warten, daß ein Land, welches ein ſo exceſſives Klima hat wie Transkaſpien, das zu mehr als / aus öder Sand⸗ wüſte beſteht, von veränderndem Einfluß auf ſeine Be⸗ wohner geweſen iſt. Für den Aufenthalt in Steppen⸗ und Wüſtengebieten iſt die Schnelligkeit der Ortsbewegung von beſonderem Werte; dieſelbe wird geſteigert durch ſchlanke Körperform bei Eidechſen (Eremias, Scapteira, Able- Pharus), durch peitſchenförmige Geſtalt bei einer Schlange, ſowie überhaupt durch einen langen Schwanz, der zahl⸗ reichen Arten des Gebietes zukommt. Die Haut iſt bei vielen Arten gegen Temperaturwechſel und Trockenheit durch dickere Schuppen, Platten u. dgl. geſchützt; die Wüſten⸗ und Sandreptilien haben überhaupt ein geringes Bedürfnis nach Waſſergenuß. Andere Arten ſchützen ſich zum Teil gegen die hohe, nachts erfolgende Abkühlung, zum Teil gegen die Sonnenglut durch Eingraben; die Grabfähigkeit iſt bei faſt allen Arten in hohem Grade entwickelt, ſei es, daß ſie wie Eidechſen und Schildkröten ſtarke Grabkrallen beſitzen oder wie einige Schlangen eine eigens zum Graben umgebildete Schnauze u. einen auffallend kurzen Schwanz. Als Anpaſſung an das Sandleben muß es betrachtet werden, daß zwei Arten von Eremias große Subtibialſchilder be⸗ ſitzen, die die Tiere vor dem Einſinken in den Sand ſchützen; andere haben ſtark verbreiterte Zehen oder lange Franſen an den Seiten der Zehen. Sehr intereſſant ſind auch die Vorrichtungen, welche die Tiere vor dem ewig fliegen⸗ den und rieſelnden Sand ſchützen: wir finden bei den im Sande wühlenden Schlangen und Eidechſen die Naſenlöcher ſo geſtellt, daß niemals Sand in dieſelben hinein kann, bei gewiſſen Schlangen finden ſich auch komplizierte Klappen⸗ verſchlüſſe; in analoger Weiſe iſt auch das Auge geſchützt, teils durch ſtarke Lider oder durch ein exceſſiv vergrößertes Lid oder durch Verwachſung der Lider bei gewiſſen Eidechſen; in letzterem Falle, der bekanntlich bei den Schlangen ein⸗ getreten iſt, werden die Lider ganz durchſichtig und funktio⸗ nieren wie eine Hornhaut. Die Ohrſpalten ſind entweder verſchmälert oder durch franſenartige Vorhänge geſchützt. Bei Phrynocephalus aber iſt, wie ſonſt nur bei Schlangen, die äußere Ohröffnung ganz geſchwunden. Die Färbung iſt ebenfalls der Umgebung angepaßt: rein grüne Farben kommen gar nicht vor, ſelbſt Rana esculenta und Bufo Humboldt, — April 1889. viridis ſind dort nur matt graugrün; bleiche Farben ſind ſelten, dagegen ſpiegelt ſich faſt überall der gelbe, gelb- graue, gelbrote oder gelbbraune Sand in Färbung und Zeichnung der Haut wieder. Noch unerklärt ſind die nicht ſelten auftretenden, lebhaft roten oder blauen Flecke bei manchen Arten; man könnte an Schreckfarben oder auch an Nachahmung kleiner Blüten denken. Die Anpaſſungen, welche der Autor als zum Zwecke des Nahrungserwerbes geſchehen anführt, ſind in ihrer Deutung noch zu ſtrittig. Jedenfalls hat, wie bemerkt wird, das kleinſte Schüppchen wie das kleinſte Farbenklexchen in dem Haushalt der Natur ſeine Bedeutung, aber nur ſelten liegt die Erklärung dieſer Bedeutung ſo nahe wie am Kleide der Sand- und Steppen⸗ bewohner, bei denen jeder kleinſte Vorteil aufs äußerſte ausgenützt erſcheint. B. Widerſtands fähigkeit gegen Krankheiten bei blon⸗ den und brünetten Verſonen. Die in Nordamerika während des Seceffionstrieges zum Zwecke der Truppen⸗ aushebung von 605,000 Individuen, die im Alter von 18—45 Jahren ſtanden, vorgenommenen Unterſuchungen haben ergeben, daß von 1000 unterſuchten Perſonen, die dem blonden Typus (blondes Haar, blaue Augen und heller Teint) angehören, durchſchnittlich 385 wegen körper⸗ licher Defekte oder Krankheit militäruntauglich befunden wurden, daß dagegen von 1000 brünetten (ſchwarzes Haar, dunkle Augen und dunklen Teint aufweiſenden) Per⸗ ſonen bei der beſagten Gelegenheit durchſchnittlich nur 332 für dienſtuntauglich erklärt wurden. Wenn auch dieſe Statiſtik gewiſſe Mängel aufweiſt, ſo glaubt de Candolle im Hinblick auf obiges Verhältnis doch annehmen zu müſſen, daß der blonde Typus, wenn auch geiſtig dem brünetten Typus überlegen, doch in geſundheitlicher Hinſicht, ins⸗ beſondere hinſichtlich der Widerſtandsfähigkeit gegen Krank⸗ heiten, demſelben nicht gleichkommt. de Candolle will auch die Beobachtung gemacht haben, daß die der weißen Raſſe zugehörigen Frauen Nordamerikas zur brünetten Bevölke⸗ rung im allgemeinen ein größeres Kontingent liefern als die Männer, und daß da wo in einer Ehe der Vater dunkeläugig und die Mutter helläugig iſt, oder umgekehrt, die Mehrzahl der Kinder ſtets dunkle Augen aufweiſt. — Anknüpfend an obige Mitteilung ſei hier noch erwähnt, daß die Sterblichkeitsſtatiſtik der Vereinigten Staaten einen weſentlichen Unterſchied zwiſchen der weißen und farbigen Bevölkerung der Republik ergeben hat. Während bei den Weißen auf 1000 Perſonen jährlich im Durchſchnitt 14,7 Todesfälle kommen, beträgt die Sterblichkeitsziffer bei den in den Vereinigten Staaten lebenden Farbigen (Neger und Miſchlinge von Negern) durchſchnittlich 17,3 per 1000, diejenige der Indianer ſogar 23,6 per 1000. Die That⸗ ſache, daß die nordamerikaniſchen Lebensverſicherungs⸗ geſellſchaften von den Farbigen höhere Prämien verlangen als von gleichalterigen Weißen, ſpricht zu Gunſten der Annahme, daß die relativ größere Sterblichkeit der erſteren nicht etwa durch ungünſtige Exiſtenzverhältniſſe — denn die Farbigen, die ihr Leben verſichern, gehören doch jedenfalls zu den Beſſerſituierten ihrer Klaſſe — bedingt wird, ſon⸗ dern daß die höhere Sterblichkeitszahl in der Raſſe liegt. (Vergl. L. Heimann in der Zeitſchrift für Ethnologie 1888 S. 69.) A. Ueber die Verbreitung der TuberRelbacillen außer⸗ halb des Körpers ſind jüngſt von Cornet in der Zeit⸗ ſchrift für Hygiene Band V Unterſuchungen von hoher praktiſcher Bedeutung veröffentlicht worden. Derſelbe ent⸗ nahm an Wänden, vorſpringenden Leiſten, Bilderrahmen abgelagerten Staub in mit Schwindſüchtigen belegten Sälen verſchiedener Krankenhäuſer, ſowie in einer großen Anzahl. von Privatwohnungen tuberkulöſer Kranker und verimpfte dieſe Staubproben auf Meerſchweinchen. Das Ergebnis war in der überwiegenden Mehrzahl der Verſuche ein Er— kranken der Verſuchstiere an Tuberkuloſe und zwar trat dieſes Ereignis um ſo ſicherer ein, je weniger reinlich dieſe Kranken ſich hielten, insbeſondere je unvorſichtiger ſie mit ihrem Auswurfe umgingen. Cornet fand, daß Humboldt. — April 1889. 159 überall da, wo die Kranken denſelben auf den Boden oder ins Taſchentuch entleerten, ſich infektionstüchtige Tuberkel⸗ bacillen im Staube der Wohnung fanden, welche ſomit, ſowie dieſer durch Umhergehen im Zimmer rc. aufgewirbelt wurde, zur Anſteckung weiterer Perſonen Veranlaſſung geben konnten. Bei denjenigen Phthiſikern dagegen, welche ſich zur Entleerung ihres Auswurfes regelmäßig eines Spuck— napfes bedienten, gelang es niemals, vermittelſt des in der Wohnung geſammelten Staubes Tiere tuberkulös zu machen. Ferner wurde an ſolchen Oertlichkeiten, in welchen Phthiſiker ſich nur zufällig oder zeitweilig aufhalten, Poli⸗ kliniken, Hörſäle, öffentliche Gebäude, Straßen, gleichfalls Staub entnommen, jedoch konnte auch hier durch die Tier— i niemals der Tuberkelinfektionsſtoff nachgewieſen werden. Da es eine feſtſtehende Thatſache iſt, daß niemals die ausgeatmete Luft der Träger des Infektionsſtoffes ſein kann, ſo gewinnen die mitgeteilten Unterſuchungen eine beſondere Bedeutung, ſofern ſie dem Leidenden wie ſeinen Angehörigen den Weg zeigen, wie ſie ſich und andere vor der Infektion zu ſchützen haben. Die praktiſche Schluß⸗ folgerung Cornets gipfelt mit Recht in dem Satze: Der Phthiſiker fet reinlich mit ſeinem Auswurf, er ſpucke nie⸗ mals auf den Boden, noch weniger ins Taſchentuch. Da— | mit begegnet er der Zerſtäubung der infektiöſen PEN und fo der Gefahr für ſeine Umgebung. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Zoologiſche Station für das Studium der Süß⸗ wafferfauna. Ueber die Chancen des ſchon mehrfach im „Humboldt“ erwähnten Planes von Dr. O. Zacharias, an einem unſerer großen Binnenſeen ein zoologiſches Ob— ſervatorium zu errichten, verlautet neuerdings folgendes. Dank freundlichen Entgegenkommens des Magiſtrats der Stadt Plön im öſtlichen Holſtein, mit welchem Dr. Za⸗ charias in jüngſter Zeit unterhandelt hat, ſoll dem Unter— nehmen ein dicht am großen Plöner See gelegenes Haus ſtädtiſcherſeits koſtenfrei zur Verfügung geftellt werden. Da— gegen find die eigentlichen Betriebskoſten (4000 — 5000 Mark pro Jahr) anderweitig aufzubringen. Wie wir hören, haben ſich einige größere Fiſchereivereine bereit erklärt, Jahres— quoten in der Höhe von etlichen Hundert Mark zu bewilligen, wenn Ausſicht vorhanden fet, daß auch der Fiſchfaung in ihren biologiſchen Verhältniſſen Beachtung geſchenkt werde. Ebenſo haben einige namhafte Perſönlichkeiten in Leipzig der zu gründenden Station ihre finanzielle Beihilfe zuge— ſichert, ohne daran irgend welche Bedingungen zu knüpfen, ſondern lediglich aus Intereſſe für die Sache und im Vertrauen zu dem Urheber des Planes, der durch eine Reihe von Arbeiten auf dem Gebiete der lacuſtriſchen Zoologie bewieſen hat, daß er den rechten Eifer für dieſen Zweig der Naturforſchung beſitzt. Im übrigen bleibt es Freunden und opferwilligen Gönnern der Wiſſenſchaft unbenommen, ihr Intereſſe für die Errichtung der zoologiſchen Station am Plöner See durch Zuwendungen an den Tag zu legen, welche Herr Bürgermeiſter Kinder in Plön ſtets gern ent- gegennehmen wird. In den letztverfloſſenen Monaten haben ſich zahlreiche deutſche und ausländiſche Zoologen ſympathiſch für den Zachariasſchen Vorſchlag ausgeſprochen. Im Auslande ſind es hauptſächlich Leop. Maggi in Pavia, Jules de Guerne in Paris, A. Wierzejski in Krakau und F. A. Forel in Morges (Lauſanne), welche der Errichtung eines la⸗ cuſtriſchen Obſervatoriums das Wort reden. Von Anfang an hat ſich auch Prof. R. Leuckart in Leipzig mit dem Plane von Dr. Zacharias einverſtanden erklärt; ebenſo be⸗ kanntlich Prof. A. Gruber in Freiburg, der ſeine Anſicht im Aprilheft des „Humboldt“ von 1888 ſpecieller ent⸗ wickelte. Die Wahl von Plön als Ort für die Anlage der projektierten Station erſcheint uns wegen der Nähe der Univerſitätsſtadt Kiel ſehr glücklich getroffen zu ſein, weil von da aus im gegebenen Falle inftrumentelle und litte⸗ rariſche Hilfsmittel immer leicht beſchafft werden können. Ebenſo würden aber auch die jungen Zoologen der Uni— verſität Kiel in Plön eine günſtige und raſch zu erreichende Gelegenheit haben, ſich in der Erforſchung der einheimiſchen Binnenſeefauna zu üben, jo daß die Entſcheidung für die genannte oſtholſteiniſche Stadt, welche an einem 50 qkm großen See liegt, in doppelter Hinſicht Billigung Das | Zoologiſche Station an der ordfeekifie. Der Deutſche Fiſchereiverein, bezw. die für Küſten- und Hod): ſeefiſcherei beſtimmte Abteilung desſelben hat einen ſchon lange gehegten Plan, demzufolge an der Nordſeeküſte eine zoologiſche Station errichtet werden ſollte, im Jahre 1888 zur Ausführung gebracht. Der Ort, an welchem ſich die Station befindet, ſoll ebenſo wechſeln, wie die ihr vor- geſchriebene Aufgabe, da die auf der Station vorzuneh— menden wiſſenſchaftlichen Arbeiten den verſchiedenen Ge— bieten der Fiſcherei zu gute kommen ſollen. Die erfte „wandernde“ Station wurde im Auftrage des genannten Vereins 1888 durch Dr. Ehrenbaum aus Berlin in Ditzum am Dollart eingerichtet, um dort die Naturgeſchichte der Nordſeegarneele zu ſtudieren. Die umfaſſenden Arbeiten, die Dr. Ehrenbaum vornahm, konnten im Laufe des erſten Sommers nicht abgeſchloſſen werden, und der Verein hegt deshalb die Abſicht, die Station von Oſtern 1889 ab während des ganzen Jahres, alſo auch im Winter, in Thätigkeit zu laſſen. 1B}: Eine botaniſche Station wurde vergangenes Jahr im einfachſten Maßſtabe auf der den Engländern gehörigen Inſel St. Lucia, einer der kleinen Antillen, errichtet. Ein zur Kontrollierung der von Mr. John Gray geleiteten Anſtalt eingeſetzter Ausſchuß berichtet, daß in Anbetracht der großen Schwierigkeiten, die ſich einem ſolchen Unter— nehmen in den Weg ſtellen, der beſonderen Bodenbeſchaffen— heit und der zu Gebote ſtehenden Mittel, das bisher Ge— leiſtete zufriedenſtellend ſei. Am erfreulichſten ſei es, daß die Landleute des Bezirkes an den Fortſchritten der Station Anteil zeigen, inſofern ſie immer häufiger den Rat des Vorſtehers in Anſpruch nehmen und ſich Samen von ihm geben laſſen. Bereits iſt die Nachfrage nach Cocaz, Kaffee- und Muskatnuspflanzen fo groß, daß man neues Land zur Vergrößerung des Gartens wird erwerben müſſen. Breſſa-Preis. Die kgl. Akademie der Wiſſenſchaften in Turin macht in Uebereinſtimmung mit den von Dr. Ceſare Aleſſandro Breſſa letztwillig getroffenen Beſtim— mungen und gemäß dem am 7. Dezember 1876 ver— öffentlichten Programm bekannt, daß die Friſt für den Wettbewerb auf Grund wiſſenſchaftlicher, in den Jahren 1885 —88 gemachter Arbeiten und Entdeckungen, zu welchem nur Italiener zugelaſſen waren, am 31. Dezember 1888 abgelaufen iſt. Die Akademie bringt nunmehr zur Kennt⸗ nis, daß am 1. Januar 1887 die neue Friſt für die Be- werbung um den ſiebenten Breſſa-Preis begonnen hat, zu welcher Forſcher und Erfinder aller Nationen zugelaſſen ſind. Derjenige Forſcher oder Erfinder, gleichgültig welcher Nation er angehöre, der während der Jahre 1887 —90 nach dem Urteil der königlichen Akademie der Wiſſen⸗ ſchaften in Turin die wichtigſte und nützlichſte Entdeckung Ms. 160 gemacht oder das wertvollſte Werk über Gegenſtände der Phyſik, Naturgeſchichte, Mathematik, Chemie, Phyſiologie, Pathologie, Geologie, Geſchichte, Geographie oder Statiſtik veröffentlicht hat, erhält den Preis. Die Bewerbung wird am 31. Dezember 1890 geſchloſſen. Die Höhe des Preiſes beträgt 12 000 Lire. Er darf keinenfalls an italieniſche Mitglieder der Turiner Akademie verliehen werden. M—s. Eine ungariſche ethnographiſche Geſellſchaft ijt in Budapeſt in der Bildung begriffen. Der Zweck derſelben iſt das Studium über Urſprung und Geſtaltung, Entwicke⸗ lung und Miſchung der heimiſchen Volksſtämme, deren ethniſchen und anthropologiſchen Charakter, über die Aeuße⸗ rungen der Volksſeele und des Volkslebens, kurz über alles, was die Wiſſenſchaft unter dem Namen Folklore zuſammen⸗ faßt. Präſident der Geſellſchaft ft Paul Hunfalvyv. D. Ein internationaler phyſtologiſcher Kongreß tritt im September in Baſel zuſammen. Unter ſeinen Leitern befinden ſich von deutſchen Gelehrten Prof. Heidenhain in Breslau und Prof. Henſen in Köln. Eine Nordpolfahrt werden die Privatdocenten Dr. Walther und Kükenthal in Jena Anfang März unter⸗ nehmen. : Mit der zoologiſchen Erforſchung des Littoralgebietes von Korſika und Tunis wurden von der franzöſiſchen Re⸗ gierung H. Fol und Barrois betraut. Eine chineſiſche wiſſenſchaftliche Expedition unter der Führung des gelehrten Miao langte im Dezember 1888 in Irkutsk an. H. Rruhstorfer hat eine zoologiſche Sammelreiſe nach Ceylon, Malakka und Borneo angetreten, nachdem er vor neun Monaten von einem mehrjährigen Aufenthalt in Braſilien zurückkehrte. H. D. Bflanzen aus Kleinaſten. Garteninſpektor J. Born⸗ müller in Belgrad hat ſeine Stellung am botaniſchen Garten daſelbſt aufgegeben und unternimmt behufs Anlegung von Pflanzenſammlungen eine Reiſe in das nordöſtliche Klein⸗ aſien. Bornmüller hat bereits früher aus Iſtrien, Dal⸗ matien, Montenegro, Griechenland, Türkei, Kleinaſien, Bul⸗ garien und Rumänien innerhalb ſieben Monaten reiche Sammlungen mitgebracht. Während ſeines Aufenthalts in Serbien hat er ſich die orientaliſchen Sprachen ſpeciell die türkiſche, zu eigen gemacht. Er wird auf ſeiner jetzigen Reiſe Standquartier in Amaſia nehmen und die Diſtrikte Kleinaſiens erforſchen, welche außer Kotſchy (und dieſer nur im Fluge) noch kein Botaniker betreten hat. Die Be⸗ ſtimmung der Phanerogamen wird Prof. Haußknecht in Weimar, die der Flechten Garteninſpektor Stein in Breslau übernehmen. Abnehmer ſind gebeten, ihre Wünſche Herrn Dr. H. Möckel in Leipzig, Marienſtraße bekannt, zu geben. —s. Neues Werk über BflanzenKrankheifen. Prof. G. Brioſi und Dr. F. Cavara vom Instituto botanico zu Pavia beabſichtigen die Herausgabe eines Werkes unter dem Titel: Funghi parassiti delle piante coltivati od utili (Die paraſitiſchen Pilze der Kultur- oder Nutzpflanzen). Das Werk wird enthalten: Die getrockneten Pflanzen, eine Zeichnung davon, eine Beſchreibung und eine Zuſammen⸗ ſtellung der Heilmittel der durch die Pilze verurſachten Krankheiten. Es wird in Fascikeln von je 25 Exemplaren ausgegeben werden. Der Preis des Fascikels beträgt für Italien 6,50 Lire, für das Ausland 7,50 Lire. Im ganzen werden etwa 20 Fascikel erſcheinen, alle Jahr 4—5. M—s. Zoologiſche Sammlung. Mr. Francis Day (Kenil⸗ worth Houſe, Pittville), welcher erſt kürzlich dem Muſeum in Cambridge eine ſchöne Sammlung indiſcher Vögel ſchenkte, hat jetzt den Reſt ſeiner zoologiſchen Sammlung dem Britiſh Muſeum übergeben. Die Sammlung enthält etwa 1500 Exemplare indiſcher Fiſche, wovon 500 ausgeſtopft, die übri⸗ gen in Spiritus konſerviert ſind. Auch viele engliſche Fiſche, teils ausgeſtopft, teils in Spiritus, befinden ſich in der Sammlung. Ferner enthält dieſelbe etwa 1000 Exemplare Humboldt. — April 1889. von Kruſtaceen aus allen Gebieten Indiens und Birmas, ſowie einige aus England. Unter den indiſchen Fiſchen ſind Exemplare aus der berühmten Sammlung des Dr. Jordan, und unter den britiſchen Fiſchen finden ſich nament⸗ lich intereſſante hybride Salmoniden aus Sir James Mait⸗ lands Fiſchereifarm zu Howietown in Schottland. M—s. Sammlung von Photographien. Prof. Muſchke⸗ toff hat der ruſſiſchen geographiſchen Geſellſchaft eine in⸗ tereſſante Sammlung von 175 Photographien zum Geſchenk gemacht, welche die Wirkungen des letzten großen Erd⸗ bebens von Wjernoje darſtellen. Sie zeigen mit großer Genauigkeit den an den Häuſern verurſachten Schaden, ſowie auch mehrere geologiſche Veränderungen, die infolge des Erdbebens eingetreten ſind. Ms. Ein zvologiſches Muſeum für die Univerſität Upſala, welches eine vollſtändige Darſtellung von der Fauna Skan⸗ dinaviens, nebſt Neſtern, Lagern u. ſ. w. gibt, wird von Dr. Kolthoff eingerichtet. Es iſt dies das einzige Muſeum der Art in Schweden. Ms. Der „Cercle floral“ in Antwerpen ijt mit der Organiſation einer internationalen Ausſtellung für Bflanzengeographie beſchäftigt, welche im Laufe des Jahres 1890 ſtattfinden ſoll. Eine wertvolle anatomiſche und pathologiſche Samm⸗ lung wurde der Univerſität Göttingen vom braunſchwei⸗ giſchen Miniſterium zum Geſchenk gemacht. Die „Colorado Ornithological Association“ hat ſich zu einer Vereinigung mit weiteren Zielen umgeſtaltet und den Namen „Colorado Biological Association“ an⸗ genommen. Der Zweck ihrer Thätigkeit iſt namentlich die genaue Erforſchung der Fauna und Flora Colorados. Die Geſellſchaft hofft die höchſte Autorität zu werden in allen Dingen, die ſich auf die Biologie des Staates beziehen, ſowohl hinſichtlich der wiſſenſchaftlichen, als der wirtſchaft⸗ lichen Geſichtspunkte, und ſie wird ſich in den Dienſt des Publikums ſtellen, um demſelben über Fragen Auskunft zu erteilen und eingeſandte Tiere und Pflanzen zu be⸗ ſtimmen. Ms. Verkauf von Herbarien. Herr B. Fleiſcher, evangeliſcher Pfarrer in Sloupnice bei Leitomiſchl (Böh⸗ men) ſtellt ein Herbarium von ca. 5000 Arten mit 10600 Exemplaren zum Verkauf. Die Pflanzen ſtammen aus Oeſterreich, Böhmen, Mähren, Ungarn, Schweiz, Tirol, Kärnten, Steiermark, Dalmatien, Italien, Griechen⸗ land u. ſ. w. Ferner wird der Verkauf eines Herbariums angekün⸗ digt, welches aus etwa 11500 Arten in 65000 Exempla⸗ ren beſteht, größtenteils aus Nordeuropa, Spitzbergen, Nowaja Semlja ꝛc. Etwas mehr als ein Tauſend Arten gehören zur Flora Kleinaſiens und Nordafrikas. 600 Arten exotiſcher Farne ſind darunter. Käufer wollen ſich wenden an Dr. Elmquiſt in Oerebro (Schweden). —s. Vermächtnis. Der verſtorbene Herr Samuel Mile ler zu Lynchburg, U. 8., vermachte der Univerſität von Virginia 100000 Dollar, mit der Beſtimmung, daß die Zinſen dieſes Kapitals verwendet werden ſollten „zur För⸗ derung der Landwirtſchaft als Wiſſenſchaft und praktiſche Kunſt durch Belehrung der Jugend des Landes in dieſem Fach und den damit in Verbindung ſtehenden Wiſſenſchaf⸗ ten“. Ein Teil der Zinſen ſoll zum Nutzen der bereits an der Univerſität betriebenen Agrikulturchemie verwendet werden; der größere Teil aber iſt zur Förderung biologi⸗ ſchen Unterrichts und Forſchens beſtimmt. Es wird ein biologiſches Laboratorium hergeſtellt, ſo daß die Schüler neben den Vorleſungen Gelegenheit zu praktiſchen Arbeiten haben. Der Unterricht erſtreckt ſich auf allgemeine Biolo⸗ gie, Zoologie, vergleichende Anatomie und landwirtſchaft⸗ liche Biologie. Leiter des Inſtituts iſt Albert H. Tuttle, bisher Profeſſor der Biologie an der Ohio-Univerſität zu Columbus. 5 Humboldt. — April 1889. 161 Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im April 1889. (Mittlere Berliner Zeit.) 1419 6 Libre 1189 Y Cygni 16" 245 E 1724 U Corone 857" Venus in Konjunktion mit Stern 8.8 Grösse 1426 U Ophiuchi 14" 37" NU. II E 15° 36" 16 50 „ 155 51 { A el 19> 31™ 5 A III 7* 30m B. d.) BAC 1563) 88 R Canis maj. 1048 U Ophiuchi 11!8 Y Cygni Sb 460 f. h. 9 5 | 1688 U Cephei 1281 R Canis maj. 9” 51m Bad. d Genin. 10" 57” A. h. 6 1127 Y Cygni 144 6 Libre gn 43" ff. 10 36 Cancri} 12 31 E. f. 7 © Cancri 12 54 P., .) BAG 2995 1574 U Ophiuchi 10h 45 f. h. 16% 13 19 fl. J. 6 130 21 A. . 1 6 ½ 1185 U Ophiuchi 14° 57m E, f, „ 8 Leonis | 1581 U Coron 1624 U Cephei 1 5 15 40 K. h. 6 FE. fl. 37 Peonis] 1127 X Cygni 15 29" 17" 10" 2 5 8 yeni 2 01 Ten e ye eae ( 17 44m 5 anis maj. 11 53˙⁰ 14 30 N OT 1120 R Canis maj. 1186 Y Cygni 1682 U Ophiuchi 1223 U Ophiuchi UBS Sees Oa e 1420 6 Libre 1651 U Cephei 1125 Y Cygni 1218 U Corone 6710 S Cancri Mira Ceti im kleinsten Licht 147 40 A 1 E 1629 U Ophiuchi 17°27" f. l.) BAC 6088 18 10% A, fl. § 6 974 Algol 1185 Y Cygni 131 U Ophiuchi 13% 3, i 1 505 5255 1518 U Cephei 135 57 f fl. 6 982 U Ophiuchi 16" 4 E. 75 BAC 6878 17h Om A. f. 1 6 ½ F 928 R Canis maj. 1386 6 Libra 14 57™ U III E 17° 16" E. H. & n Capric. 18% Sm A. fl. { 53/2 1124 X Cygni 1085 U Corone 1328 U Ophiuchi 1584 U Cephei 1020 U Ophiuchi 1133 Y Cygni 16> 33" NI E 13 43" a A eI 5 15 596 1183 Y Cygni 1382 6 Libre 857 R Canis maj. | 1426 U Ophiuchi 1571 U Cephei y Cygni im grössten Licht Merkur kommt am 25. in obere Konjunktion mit der Sonne und bleibt daher den ganzen Monat dem bloßen Auge unſichtbar. Venus, im Sternbild des Widders, geht am 9. von der rechtläufigen in die rückläufige Bewegung über und eilt nun raſch zur Sonne, mit welcher ſie am 30. in untere Konjunktion kommt. Mars geht auch in dieſem ganzen Monat eine Viertelſtunde nach 8 Uhr unter und fängt an, gegen Ende des Monats in den Sonnenſtrahlen zu verſchwinden. Jupiter geht im Sternbild des Schützen am 24. von der rechtläufigen in die rückläufige Bewegung über. Er geht anfangs um 1¾ Uhr morgens, zuletzt kurz vor Mitternacht auf. Am 20. ijt er bei ſeinem Aufgang noch nahe beim Mond, welcher ihn drei Stunden vorher bedeckt hatte. Saturn, im Stern- bild des Krebſes, geht am 14. aus der rückläufigen in die rechtläufige Bewegung über. Er geht anfangs um 4 Uhr, zuletzt um 2 Uhr morgens unter. Uranus, rückläufig im Sternbild der Jungfrau, kommt am 9. in Oppoſition mit der Sonne und iſt die ganze Nacht ſichtbar. Neptun iſt noch rechtläufig im Sternbild des Stiers. Von den Veränderlichen des Algoltypus verſchwindet „ Tauri nun in den Sonnenſtrahlen. Algol ſelbſt läßt bei der einzigen gebotenen Gelegenheit am 20. ſein kleinſtes Licht wegen ſehr geringer Höhe über dem Horizont und wegen baldigen Untergangs während der Lichtzunahme nicht genau feſtlegen. Die Minima von U Cephei beginnen gegen Ende des Monats aus beiden Zweigen der Lichtkurve ſich beſtimmen zu laſſen. Der bald ſeit 300 Jahren durch David Fabricius bekannte veränderliche Stern Mira im Walfiſch erreicht ſein kleinſtes Licht um die Mitte des Monats; er bleibt im Fernrohr als ein Stern 9. Größe von faſt gleicher Helligkeit mit ſeinem ſehr nahen Begleiter ſichtbar. Am Ende des Monats erlangt der ſeit 200 Jahren bekannte, von G. Kirch entdeckte veränderliche Stern im Halſe des Schwans, / Cygni, ſeine größte Helligkeit. Dr. E. Hartwig. Humboldt 1889. 21 162 Humboldt. — April 1889. Vulkane und Erdbeben. Am 27. Dezember vormittags iſt im ſüdlichen Nor⸗ wegen bei Mandal auf Flekbero, in Torrisdal und an mehreren anderen Orten ein Erdbeben verſpürt worden. Am Morgen des 18. Januar wurden die Bewohner von Edinburg und Umgegend durch einen ziemlich hef— tigen Erdſtoß beunruhigt. Um 7 Uhr morgens wurden viele geweckt durch ſchaukelnde Bewegung ihrer Betten und das von loſen Gegenſtänden wie Geſchirr, Uhren u. ſ. w. verurſachte Geräuſch. In Portobello ſtürzte die Decke einer Kirche herunter. In Gogar wurde ein Knabe aus dem Bette geworfen. Das Erdbeben war von einem raſchelnden Geräuſch begleitet. Es iſt bemerkenswert, daß, während aus Comrie im Hochland häufig Erdbeben ge⸗ meldet werden, dieſes ſeit vielen Jahren das erſte in Edinburg verſpürte iſt. Die Temperatur war für die Jahreszeit außerordentlich hoch, 138° C. im Schatten. Dabei raſte ein fürchterlicher Sturm aus Weſten. Am 24. Januar wurde Sparta in Kleinaſien von einem verheerenden Erdbeben heimgeſucht, durch welches 300 Häuſer zerſtört wurden. In Klagenfurt wurde am 27. Januar abends 10 Uhr 49 Min. in beinahe allen Stadtteilen eine auf⸗ fallende heftige wellenförmige Erderſchütterung in der Dauer von mehreren Sekunden beobachtet. Ziemlich über⸗ einſtimmend wird die Richtung des Stoßes von Weſt nach Oſt angegeben. Das Gebäude des dortigen Benediktiner⸗ kollegiums wurde derart erſchüttert, daß die Gegenſtände in den Zimmern in Bewegung kamen. In Laibach wurde am ſelben Tage ein von Süd nach Nord gehender Erdſtoß mit nachfolgender 1 Sek. ſchaukelnder Bewegung, die mit einem unterirdiſchen Ge— räuſch verbunden war, wahrgenommen. Auch nach dieſem wiederholten ſich ſpäter ſchwache Oszillationen. Am 27. Januar machte ſich zu Ala in Südtirol ein ſchwacher Erdſtoß bemerklich. Es ſtellte ſich nach demſelben plötzlich Scirocco ein. In Franz bei Cilli wurde am 27. Januar abends 10 ¾ Uhr ein ziemlich heftiges Erdbeben in der Richtung von Nordoſt nach Südweſt verſpürt, welches etwa 5 Sekun⸗ den anhielt. In Ottendorf bei Mittweida in Sachſen wurde am 31. Januar nachmittags ½4 Uhr ein heftiger Erdſtoß verſpürt, der mit einem Geräuſch verbunden war, welches mit dem Rollen des Donners Aehnlichkeit hatte. Am 4. Februar wurde um 5 Uhr morgens ein Erd⸗ beben im „Hotel Semmering“ auf dem Semmering deutlich wahrgenommen, welches von einem ſtarken unter⸗ irdiſchen Getöſe begleitet war. Sämtliche Bewohner er- wachten infolge der Erſchütterung, welche die Möbel in Bewegung ſetzte und die Gläſer in den Kaſten klirren ließ. Auf der Inſel Vulkano fanden am 12. Februar innerhalb 7½ Stunden 99 und am 14. Februar inner⸗ halb 8 Stunden 112 vulkaniſche Exploſionen ſtatt, doch wurde dabei gar keine Erſchütterung des Bodens wahr⸗ genommen. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Februar 1889. Der Monat Februar iſt charakteriſiert durch kaltes, trübes, vielfach unruhiges Wetter mit häufigen Schnee⸗ fällen. Hervorzuheben ſind die Gewittererſcheinungen am 2. und 6. insbeſondere für das nordweſtliche Deutſchland und die von Verkehrsſtockungen begleiteten Schneefälle zu Anfang und Ende des Monats. In den erſten Tagen des Monats zeigte der Luftdruck und mit ihm die atmoſphäriſchen Erſcheinungen Aenderungen, wie ſie ſehr ſelten vorkommen mögen. Ein tiefes Minimum, als am 2. nördlich von den Shetlandsinſeln ein neues Minimum erſchien, welches über den britiſchen Inſeln Weſt⸗ und Nordweſtſtürme erzeugte, die von erheblicher Abkühlung begleitet waren, welch letztere ſich bis zum folgenden Tage oſtwärts über Deutſchland hinaus bis nach Rußland hin ausbreitete, während ſtürmiſche Winde nicht zur Entwickelung kamen. Bemerkenswert ſind die Gewittererſcheinungen, welche am 2. nachmittags auf der Strecke Helgoland-Berlin ſtattfanden und die jedenfalls mit der raſchen Abkühlung in Zuſammenhang ſtehen. N —— N 30 ap y & @ 5 N 1 =e * 2 75 5 5 * = DV ä \ iS} N = ** AO O = Y Febr. /889. 26. Febr:/889. == 176 cia =| Sam. a 2 2) 3) aw welches am Vortage über Nordſchottland erſchienen war, ſchritt bis zum 1. morgens mit ungewöhnlicher Geſchwindig⸗ keit und begleitet von heftigen Stürmen bis nach den ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen fort, wobei an der deutſchen Küſte die Winde von Südweſt nach Nord drehten und überall einen böigen Charakter annahmen. Kaum war dieſes Minimum nach dem Innern Rußlands verſchwunden, Das Froſtwetter trat am 3. in dem größten Teile des nordweſtlichen Deutſchlands ein und verbreitete ſich dann mit zunehmender Intenſität raſch über das ganze deutſche Gebiet. Am 4. verlief die Froſtgrenze von Borkum über Altkirch nach Steiermark hin, am 5. war ſchon faſt ganz Frankreich in dem Froſtgebiet aufgenommen. Schneefälle waren in den erſten Tagen des Monats Humboldt. — April 1889. 163 häufig und vielfach ergiebig, ſo daß mit eintretendem Froſte ſich bald eine beträchtliche und ausgedehnte Schneedecke über Deutſchland gebildet hatte. Hervorzuheben iſt die außerordentlich ſtarke Schwankung des Luftdruckes, wie er in vielen Jahren nicht vorgekommen iſt. In 24 Stunden ſank der Luftdruck am 1. in Sum—⸗ burghead um 21 wm, am 5. in Veſtervig um 20 mm, in Hamburg um 17 mw, in Swinemünde um 19 mm, am 3. ſtieg er in Sumburghead um 30 mm. Ein tiefes Minimum, von Nordweſten kommend, lag am 9. morgens über Dänemark, bis zum Nordfuße der Alpen ſtürmiſche Luftbewegung mit ausgebreiteten Schnee— fällen hervorrufend. Am Abend, als die ſüdweſtlichen Winde in nordweſtliche übergingen, fanden an der deutſchen Nordſeeküſte Gewitter ſtatt. In Großbritannien ſtellte ſich nach andauernd milder Witterung ſtrenge Kälte ein, dabei fanden allenthalben heftige Schneeſtürme ſtatt, welche vielfache Verkehrsſtörungen veranlaßten. In Deutſchland nahm hauptſächlich wegen des Vorhandenſeins der Schnee— decke die Kälte ſucceſſive zu. Am 12. ſank in Memel die Temperatur auf — 14“, in Hamburg auf — 14“, in Chem- nig auf — 13“ C.; am 13. in Memel und Wiesbaden auf —17°, in Hamburg auf — 14“, in Kaſſel auf — 18“ und in Münſter auf — 20 C. Die Schneehöhe betrug am 11. in Hamburg 27, Wilhelmshaven 20, Berlin 13, Wies— baden 29 und Bamberg 15 em; am 12. in Rügenwalder— münde 20, Hamburg 27, Wiesbaden 40 und Bamberg 25 em; am 13. in Kaſſel 28 em. Durch dieſe ſehr ſtarken Schneefälle wurden die Verkehrsſtörungen hervorgerufen, welche ſich über faſt ganz Deutſchland erſtreckten und die noch in unſerer friſchen Erinnerung ſind. Die Wetterlage am 9., welche die ſtrenge Kälte dieſes Zeitraumes einleitete, haben wir durch obige kleine Wetter— karte veranſchaulicht. Das Tauwetter, welches am 14. im weſtlichen Deutſch⸗ land eintrat, wurde veranlaßt durch eine tiefe Depreſſion, welche raſch über die nördliche Nordſee und Südſkandi— navien hinwegzog und ſtürmiſche Luftbewegung über Weſt⸗ deutſchland hervorrief, unter deren Einfluß die Temperatur ſchnell ſich erhob. Indeſſen rückte die Froſtgrenze nur ſehr langſam oſtwärts fort, erſt am 19. wurde ganz D en froſtfrei. Jedoch hatte das Tauwetter nicht langen Beſtand: ſchon am 21., als über Centraleuropa unter der Wechſel— wirkung eines barometriſchen Maximums im Weſten und einer Depreſſion am Rigaiſchen Buſen über Deutſchland nördliche Winde wehten, ſetzte der Froſt wieder ein und drang mit zunehmender Intenſität raſch weiter oſtwärts vor. Am 25. war ganz Frankreich und Oberitalien von der Froſtgrenze eingeſchloſſen, in Chemnitz wurden ſogar — 20° C. beobachtet. Das Wetter war andauernd trübe, Schneefälle waren ſehr häufig und zum Teil ergiebig, ſo daß am Monats⸗ ſchluſſe ſich eine erhebliche Schneedecke angeſammelt hatte. Die Schneehöhe betrug am 26. in Königsberg 26, Neu⸗ fahrwaſſer 22, Swinemünde 9, Raffel 15 und Berlin 20 em. Die Wetterlage am 26., bei welcher namentlich ſtarke Schnee— fälle ſtattfanden, iſt durch obiges Kärtchen dargeſtellt. Der Monat Februar ſchloß mit einem erheblichen Wärme— mangel ab. Die nachſtehende Tabelle gibt eine überſichtliche Dar— ſtellung der Abweichungen der Temperatur von den Nor⸗ malwerten von 5 zu 5 Tagen, ſowie der Niederſchlagsmengen und Niederſchlagstage für den Monat Februar 1889: 1) F für 8 Uhr morgens 1 Zeit⸗ Swine⸗ Kar Min raum Memel miinde bug, Borkum Kaſſel Berlin Breslau aue chen. 1.5. 0% , ,s 0,3 0, 73/0 s 25 5,5 6.— 10. +0,3 —1,2 —2,2 +0,0 —2,4 —1,3 +0,6 —1,6 —0,7 11.—15. —4,7 —5,5 —6,2 —3,1 —8,4 —6,3 —2,9 —5,6 —3,3 16.—20. +1,5 +0,8 41,2 72,6 +1,3 -+2,3 +3,2 +2,8 73,7 21.—25. +0,1 —1,2 —4,3 —2,5 —6,2 —3,5 —3,2 —3,8 —6,8 26.—31. --3,1 — 2.9 —4,6 —3,7 —7,2 —5,3 —6,7—10,6 —9,3 Mittel —0,9 —1,2 —2,6 —1,0 —3,8 —1,8 —0,8 —2,7 —1,8 Monatsſummen (mm). 79 70 56 67 75 3) e der iederfslagstage 1 7 16 18 21 Einen Meberblſ über die Aale und Nieder- 2) 0 Denton ne man BGs 39 ſchlagsverhältniſſe des ganzen verfloſſenen Winters gibt folgende Tabelle: 1) Temperatur. Swine⸗ Ham: Karls. Mün Borkum Kaſſel Berlin Breslau ruhe chen. Monat Memel münde burg Dezemb. +1,2 1,0 +1,2 1,3 0,5 +0,8 +1,3 —2,0 —1,6 Januar —1,1 —1,2 —2,2 —1,3 —2,3 —2,6 —2,5 —1,8 —1,0 Februar —0,9 —1,2 —2,6 —1,0 —3, 6 at Si Ss „7 —1,8 2) Riederfd la gemenge (Monatejummen). Dezemb. 17 38 22 16 14 12 Januar 18 10 10 30 4 22 16 18 ily) Februar 39 10 7 79 70 56 en ia 5 Rieverfiptanstaae. Dezemb. 6 9 8 4 4 Januar 6 4 = 3 5 8 15 15 9 Februar 11 9 20 7 Dr 22 21 Hamburg. . W. J. 55 Sebber. Biographien und perſonalnotizen. Privatdozent Dr. Ketteler in Bonn iſt zum Profeſſor der Phyſik an der dortigen Univerſität ernannt worden. Freih. v. Richthofen, Profeſſor an der Univerſität Berlin, wurde von der Societa Geografica in Rom die große goldene Ehrenmedaille verliehen. Dr. Hergeſell, Lehrer am proteſtantiſchen Gymnaſium in Straßburg, habilitierte ſich an der dortigen Uni— verſität für Erdkunde und wurde von der Landes— regierung mit der Leitung und Bearbeitung der meteorologiſchen Angelegenheiten von Elſaß-Lothringen beauftragt. Dr. Klemens Hartlaub wurde zum Aſſiſtenten bei dem Zoologiſch-zootomiſchen Inſtitut in Göttingen ernannt. O. Lehmann, Profeſſor für Elektrotechnik in Dres— den, wurde als Profeſſor der Experimentalphyſik an die Technische Hochſchule in Karlsruhe berufen. Profeſſor Dr. Stöhr in Würzburg wurde zum Profeſſor der Anatomie an der Univerſität Zürich ernannt. Hildebrand, Hans, wurde auf den neu errichteten Lehrſtuhl für vorgeſchichtliche Archäologie an der Uni— verſität Stockholm berufen. Dr. Nanſen erhielt von der Geographiſchen Geſellſchaft in Stockholm die Vega-Medaille. Dr. Carl M. Fürſt iſt zum außerordentlichen Profeſſor Dr. für Anatomie an der Univerſität Lund ernannt worden. engliſche Geologiſche Geſellſchaft hat folgende Me— daillen und Stipendien vergeben: die Wollaſton-Me⸗ daille an Prof. T. G. Bonney; die Murchiſon-Me⸗ daille an Prof. James Geikie; die Lyell-Medaille an Prof. Boyd Dawkins; die Bigsby-Medaille an Mr. J. J. Harris Teall. Dr. G. F. Mattei, zweiter Aſſiſtent des Botaniſchen Inſtituts in Bologna, iſt zum erſten Aſſiſtenten be- fördert worden; als zweiter Aſſiſtent iſt Dr. Pio Bolzani aus Treviſo eingetreten. Dr. F. Morin in Bologna iſt zum Profeſſor der Botanik an der Univerſität in Saſſari ernannt worden. P. Johann G. Hagen (S. J.) wurde bei dem neu er⸗ richteten Georgetown College in Waſhington, D. C. zum Direktor der Sternwarte ernannt. Toten ſbiſte. Vigelius, W. J., Zoolog, Mitarbeiter an dem Jahres— bericht der Zoologiſchen Station in Neapel, ftarb 3. Dezember 1888 in Haag. Zſigmondi, Wilhelm, Bergwerkstechniker und bekannter 164 glücklicher Quellenfinder, ſtarb 21. Dezember 1888 in Budapeſt. Scheit, Dr. Max, Lehrer an der höheren Bürgerſchule in Sonneberg, ſtarb, 30 Jahre alt, am 22. Dezember 1888 zu Markſuhl bei Eiſenach. Der Verſtorbene hat ſich namentlich durch ſeine Abhandlung über die Waſſerbewegung im Holze bekannt gemacht. Hennecart, Neſtor der franzöſiſchen Botaniker, geb. 1797, ſtarb in Paris 23. Dezember 1888. Humboldt. — April 1889. Mrs. Merrifield, die mehrere Arbeiten über Algen und verwandte Gegenſtände veröffentlicht hat, ſtarb 4. Ja⸗ nuar im Alter von 85 Jahren. Meninghini, G., ſeit 1849 Profeſſor der Geologie in Piſa, ſtarb daſ. 29. Januar, 78 Jahre alt. v. Dechen, Oberberghauptmann, Mitglied des preußiſchen Staatsrats, bedeutender Geolog, ſtarb 15. Febr. in Bonn. Ybaßez, ſpaniſcher General, Präſident der Internatio— nalen Geodätiſchen Geſellſchaft, ſtarb in Madrid. Litterariſche Rundſchau. Julius Maier u. W. H. Breece, Das Telephon und deſſen praktiſche Verwendung. Mit 304 in den Text gedruckten Holzſchnitten. Stuttgart, Ferdinand Enke. 1889. Preis 9 M. Das vorliegende Buch muß als eine bedeutungsvolle Erſcheinung auf dem Gebiete der elektrotechniſchen Litteratur bezeichnet werden, die auch dem Phyſiker vom Fache und dem Laien, der für dieſen Zweig der angewandten Pyſik Sinn beſitzt, Intereſſe abgewinnen und ſehr belehrend wirken wird. Der in dieſem Berichte über den gegen⸗ wärtigen Stand der Telephonie — ſo läßt ſich wohl das Buch bezeichnen — gehäufte, mit großem Geſchicke ver⸗ arbeitete Stoff bezieht ſich unter anderen auf eine Reihe von Einrichtungen und telephoniſchen Apparaten, die noch nicht bekannt gemacht wurden, und aus dieſem Grunde, ſowie wegen des Umſtandes, daß von den vorhandenen Syſtemen und Anordnungen für das Buch nur jene aus⸗ gewählt werden mußten, welche praktiſche Erfolge aufzu⸗ weiſen hatten, war die Aufgabe, welcher die Verfaſſer ſich unterzogen, keine leichte. Es iſt faſt durchwegs auf die neueſten Formen der telephoniſchen Einrichtungen, die ſich in der Praxis bewährt haben, Rückſicht genommen worden, doch wurden bemerkenswerte ältere Erfindungen, die außer Gebrauch ſtehen, wenigſtens skizziert; auch der geſchichtlichen Entwickelung der Telephonie iſt am paſſenden Orte gedacht worden. Im erſten Teile findet man akuſtiſche Erörte⸗ rungen über Schall und Sprache, über die Grundgeſetze der Induktion im allgemeinen, über die Einrichtung des Belltelephons, der Kohlentelephone und Mikrophone; in klarer Weiſe wird die Theorie des Telephons und des Mikrophons zu geben verſucht. Die heute am meiſten ver⸗ breiteten Empfänger, ſowie die Sender oder Transmitter werden beſprochen und durch deutliche Figuren dargeſtellt. Dabei wird auf die Apparate beſondere Rückſicht genommen, mit welchen die elektriſchen Ausſtellungen der letzten Jahre beſchickt wurden. Von ſpeciellen Telephonen werden jenes von Reis, der Handempfänger von Gray, der Elektro⸗ motograph von Ediſon, das Queckſilbertelephon von Breguet, die Radiophone und Photophone, das Termotelephon von Preece und der Ediſonſche Phonograph eingehend beſprochen. Die Erörterung der relativen Leiſtungsfähigkeit einiger Transmitter bildet den Schluß des erſten Teiles. Nachdem im folgenden die Beſchaffenheit des zum Telephonieren ge⸗ eigneten Drahtes, die Hilfsapparate zur Einrichtung einer Fernſprech⸗ oder Endſtelle, die Zwiſchenſprecher, ſowie die Centralſtellen beſchrieben wurden, wenden ſich die Verfaſſer zur detaillierten Darſtellung der verſchiedenen telephoniſchen Syſteme, der Einſchaltung mehrerer Fernſprechſtellen in eine und dieſelbe Leitung, des Telephonierens auf weite Entfernung unter beſonderer Berückſichtigung des Syſtems von Ryſſelberghe. Von beſonderem Intereſſe ſind die Be⸗ merkungen über Multipeltelephonie. Von den weiteren Anwendungen des Telephons find jene für den Telegraphen⸗ betrieb, für die Muſikübertragung, für ärztliche Zwecke (Berückſichtigung der Apparate von Bondet) hervorgehoben worden. Die Verwendung der Induktionswage von Hughes zu Tauchervorrichtungen, zum Auffinden von Torpedos u. ſ. w. ebenjo jene des Telephons für militäriſche Zwecke iſt in überſichtlicher Weiſe zur Darſtellung gelangt. — Der letzte Abſchnitt iſt der Skizzierung des Rechtszuſtandes der Telephonie in den verſchiedenen Ländern gewidmet; auch wird ein ſtatiſtiſcher Nachweis über beſtehende Telephon- netze gegeben. Wir können das vortreffliche Buch, deſſen reichen Inhalt wir nur in allerkürzeſter Weiſe namhaft machen konnten, aufs beſte den Freunden der Naturwiſſen⸗ ſchaft im allgemeinen, den der Elektrotechnik Befliſſenen im beſonderen empfehlen. Troppau. Direktor J. G. Wallentin. Karl von Fritſch, Allgemeine Geologie. Mit 102 Abbildungen. Bibliothek geographiſcher Hand⸗ bücher, herausgegeben von F. Ratzel. Stuttgart, Engelhorn. 1888. Preis 14 M. Das vorliegende Werk ijt dem von zahlreichen hervor- ragenden Geographen geäußerten Wunſche entſprungen, ein Handbuch zu beſitzen, in welchem die Lehren der allgemeinen Geologie in gründlicher und dabei doch überſichtlicher Weiſe, zugleich mit beſonderer Rückſicht auf das Bedürfnis des Geographen behandelt werden. Der durch ſeine Arbeiten ſowohl auf geographiſchem als geologiſchem Gebiet rühm⸗ lichſt bekannte Verfaſſer war gewiß am meiſten berufen und am beſten in der Lage, dieſer Aufgabe gerecht zu werden. Wie er im Vorwort ſagt, hat er das Werk „in der Ueberzeugung geſchrieben, daß naturwiſſenſchaftliche Lehren nie auf Theorien und Hypotheſen begründet werden ſollen, ſondern nur auf Erfahrungen und Beobachtungen“. Er geht deshalb in ſeiner Betrachtung nicht, wie es ſonſt in den Lehrbüchern der Geologie vielfach üblich iſt, von der Kant⸗Laplaceſchen Theorie über die Entſtehung der Erde aus, ſondern von der der Beobachtung zugänglichen Erdoberfläche, nicht von unbewieſenen Dogmen, ſondern von feſtſtehenden Thatſachen. Im erſten Teil, der Geo⸗ phyſiographie, betrachtet er die Stellung des Erdkörpers im Sonnenſyſtem, ſowie ſeinen Beſtand aus Erdfeſte, Meer und Atmoſphäre, und die allgemeinen Erſcheinungen, welche dieſe darbieten, wie Relief- und Temperaturverhältniſſe, Luft⸗ und Meeresſtrömungen, Niederſchläge, ſpeeifiſches Gewicht und magnetiſches und elektriſches Verhalten des Erdballs. Im zweilen Teil, der Geotektonik oder Lage⸗ rungslehre, wird der Aufbau der Erdfeſte aus Gebirgs⸗ gliedern behandelt, im dritten Teil, der Geochemie, werden die Geſteine und ihre Bildung, im vierten Teil, der Geo— mechanik oder phyſikaliſchen Geologie, die Veränderungen, welche die Erdfeſte durch Eroſion, Hebungen und Senkungen, vulkaniſche Vorgänge und Erdbeben erleidet, und die Kräfte, welche dieſelben hervorrufen, beſprochen. Im letzten Teil, der Geogenie oder hiſtoriſchen Geologie, folgt dann ein Ueberblick über das, was über die früheren Zeiträume der Erdgeſchichte und insbeſondere über die Veränderung der organiſchen Welt und der Erdoberfläche nach den Beob- achtungen an den während derſelben erfolgten Ablagerungen wirklich bekannt iſt, und werden ſchließlich einige allgemeine Fragen über die Urzuſtände der Erde und die phyſikaliſchen und klimatiſchen Verhältniſſe in den früheren Zeiträumen diskutiert. Eine tabellariſche Ueberſicht über die in der hiſtoriſchen Geologie unterſchiedenen Zeiträume und Ta⸗ bellen zur Benennung der maſſigen Geſteine, auch ein kurzer Litteraturnachweis ſind dem Hauptteil vorangeſtellt. Eigen⸗ artig und deshalb gewiß vielen auffallend iſt die Einteilung Humboldt. — April 1889. der Geſteine; auch des Verfaſſers Anſichten über die Bil⸗ dung des Granits und verwandter kryſtalliniſcher Geſteine, welche er als in früheren Zeiträumen gebildete kryſtalliniſche Sedimente anſehen möchte, ebenſo die Annahme, daß die Kontaktzonen (Hornfelsgürtel) um granitiſche Stöcke in den meiſten Fällen lediglich durch wäſſerige, an den Geſteins— grenzen eirkulierende Silikatlöſungen entſtanden ſeien, dürften ſich nicht allgemeiner Zuſtimmung erfreuen. Im übrigen aber enthält das mit großer Sorgfalt ausge— arbeitete, durchaus originelle Werk des Belehrenden und Anregenden ſo viel, daß es nur auf das wärmſte empfohlen werden kann. 2 Straßburg. Profeſſor Dr. Bücking. E. A. Schäfer, Hiſtologie für Studierende. Nach der zweiten engliſchen Auflage überſetzt von W. Krauſe. Leipzig, Thieme. 1889. Preis 9 M. Das vorliegende Buch ſoll dem Studierenden An— leitung zur mikroſkopiſchen Unterſuchung der Gewebe geben und zugleich als elementares Lehrbuch der Hiſtologie dienen; gleiche Zwecke verfolgende Bücher beſitzt die deutſche Litte- ratur bereits; abgeſehen von den älteren in mehreren Auflagen erſchienenen Werken von Frey kann auf Orths Kurſus der normalen Hiſtologie (bereits 5. Aufl.) und Ph. Stöhrs Lehrbuch der Hiſtologie ev. mikroſkopiſche Tech— nik verwieſen werden. Es unterliegt nun keinem Zweifel, daß dem Ueberſetzer die genannten und andere deutſchen Werke über Hiſtologie bekannt ſind und ſo muß man von vornherein in dem engliſchen Werk etwas beſonderes er— warten. Es unterſcheidet ſich, wie der Ueberſetzer hervor— hebt, von anderen Lehrbüchern der Hiſtologie vermöge des phyſiologiſchen Hauches, der dasſelbe durchweht! Ferner iſt in dem Buche zum erſtenmale das Prinzip verfolgt, durch die Anzahl der Abbildungen einen großen Teil der Beſchreibungen überflüſſig zu machen. Das erſtere dürfte kaum als neu zu bezeichnen ſein, da z. B. in Landois' Phyſiologie die Hiſtologie einen beträchtlichen Raum ein- nimmt und gerade auf dieſer Verbindung die große Be— liebtheit des Werkes des Greifswalder Phyſiologen mit Recht beruht, und was Abbildungen anbelangt, ſo geizen andere Bücher damit auch nicht, da der hohe Wert der— ſelben längſt anerkannt iſt. Gibt man jedoch zu, daß eine Lücke vorhanden iſt, ſo wird dieſelbe vortrefflich ausge— füllt; Text wie Abbildungen entſprechen allen Anforde— rungen und die Figuren ſind faſt durchweg als naturgetreue und vorzüglich ausgeführte zu bezeichnen. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. G. Steinmann, Elemente der Valäontologie. Unter Mitwirkung von Dr. L. Döderlein bearbeitet. 1 1155 Leipzig, Engelmann. 1888. Preis 0 M. Entſprechend Credners Elementen der Geologie wird hier ein gut ausgeſtattetes Werk über Paläontologie vor- gelegt, das in erſter Linie für den Studenten geſchrieben iſt; wir beſitzen zwar das ausgezeichnete Handbuch von Zittel, doch iſt dasſelbe für Studenten, wenigſtens den größten Teil derſelben, zu groß. Der Verfaſſer hat ſich der Mitarbeiterſchaft des bekannten Reiſenden und Zoo— logen L. Döderlein in Straßburg zu verſichern gewußt, der die Wirbeltiere bearbeiten wird. Für die Auswahl des enorm angewachſenen Stoffes war es maßgebend, nur dasjenige zur Darſtellung zu bringen, das in zoologiſcher oder ſtratigraphiſcher Hinſicht vor allem wiſſenswert er— ſchien; zahlreiche, faſt durchweg ſehr gute Abbildungen er— läutern den klar und überſichtlich angeordneten Text; die meiſten Figuren find neu gezeichnet, einige wenige Clichés aus Zittel. Der Text bringt zuerſt eine Einleitung, die über Paläontologie und Foſſilien im allgemeinen handelt; hier vermiſſen wir einen wenn auch noch jo kurzen Ab— ſchnitt über das Verhältnis der ausgeſtorbenen zu den recenten Organismen; dann folgen Protozoa (S 19—44), Spongia (45— 73), Coelenterata (73—113), Vermes (113116), Echinodermata (117 188), Molluseoidea d. h. Bryozoa und Brachiopoda (189—228) und Mol- . 165 lusca (228—336). Die zweite Hälfte, welche den Reſt der Evertebraten, die Vertebraten und Pflanzen umfaſſen ſoll, wird Anfang 1889 erſcheinen. Wir können das Werk allen Intereſſenten nur angelegentlichſt empfehlen. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. Z. Stilling, Schädelbau und Kurzſichtigkeit. Eine anthropologiſche Unterſuchung. Wiesbaden, J. F. Bergmanns Verlag. 1888. Preis 4,6 M. Der Verfaſſer hat ſeine Unterſuchungen über die Ent- ſtehung der Kurzſichtigkeit durch Augenhöhlenmeſſungen erheblich vervollſtändigt. Von dem Gedanken ausgehend, daß die durch Nahearbeit erzeugte Kurzſichtigkeit durch Wachstum unter Muskeldruck zu ſtande komme und daß insbeſondere der obere ſchräge Augenmuskel (m. obliquus superior) bezw. der Winkel, unter welchem der beſagte Muskel an den Augapfel ſich anſetzt, ſowie auch die Lage der Trochlea (jenes Knochenvorſprungs, um den der Mus— kel vor ſeinem Anſatz an das Auge ſich herumſchlingt) auf die Entſtehung der Kurzſichtigkeit einen wichtigen Einfluß ausübe — von dieſem Gedanken ausgehend und indem er zugleich in Erwägung zog, daß für die Art und Weiſe, wie der obere ſchräge Augenmuskel ſich ans Auge anſetzt und für die Lage der Trochlea die Form der knöchernen Augenhöhle ausſchlaggebend fein müſſe, hat Stilling neuev- dings bei einer beträchtlichen Anzahl von Kurdzſichtigen, Ueberſichtigen und Normalſichtigen die Höhe und Breite der knöchernen Augenhöhle bezw. das Verhältnis des größ— ten Vertikaldurchmeſſers zum größten Horizontaldurchmeſſer der Orbita beſtimmt. Er gelangte hierbei zu dem Schluſſe, daß die Chamäkonchie (niedrige Augenhöhlenform) zur Kurzſichtigkeit, die Hypſikonchie (im Verhältnis zur Breite beträchtliche Höhe der Augenhöhle) zur Ueberſichtigkeit bezw. zur Normalſichtigkeit disponiert. Selbſtverſtändlich iſt die Form der knöchernen Augenhöhle nicht das einzige Mo⸗ ment, welches hierbei in Betracht kommt; der größere oder geringere Grad der Hornhautkrümmung iſt vielmehr ebenfalls von Wichtigkeit. Was die Beziehungen der Ge— ſichtsform zu den Refraktionszuſtänden des Auges anlangt, ſo ergaben die Unterſuchungen, daß im allgemeinen die Breitgeſichtigkeit (Chamäproſopie) zur Kurzſichtigkeit, die Schmalgeſichtigkeit (Leptoproſopie) zur Normal- und Ueberſichtigkeit disponiert, woraus dann nach Stilling weiter folgt, daß die Kurzſichtigkeitsfrage im weſentlichen als eine Raſſenfrage zu betrachten iſt. Das beſonders häufige Vorkommen von Kurzſichtigkeit bei demjenigen Teile der Bevölkerung Rußlands, welcher Nahearbeit ver— richtet, ſoll bedingt ſein durch die bei den Slawen vorherr⸗ ſchende Chamäkonchie und Chamäproſopie, und umgekehrt wird der von Prieſtley Smith durch ſtatiſtiſche Feſtſtel⸗ lungen erbrachte Nachweis, daß unter den Engländern Kurzſichtigkeit ein relativ ſeltenes Vorkommnis iſt, von Stilling damit in Zuſammenhang gebracht, daß in Eng⸗ land die Individuen mit hohen Augenhöhlen (Hypſikon⸗ die) und langgeſtreckter ſchmaler Geſichtsform (Leptopro- ſopie) vorherrſchen. Kaſſel. Dr. M. Alsberg. C. Mehlis, Studien zur älteſten Geſchichte der Nheinlande. 10. Abteilung mit 4 lithogr. Tafeln, herausgegeben vom Altertumsverein zu Dürkheim. Leipzig, Duncker & Humblot. 1888. Preis 3 M. Das vorliegende Buch enthält 14 Eaſſys, welche vor- wiegend die Prähiſtorie der mittelrheiniſchen Gegenden betreffen. Im erſten Aufſatz werden zwei vorgeſchichtliche Feſtungsanlagen, deren Kenntnis wir dem Verfaſſer ver- danken, geſchildert, nämlich ein unweit der von Birkenfeld nach Neumagen im Moſelthal führenden Straße gelegener Ringwall, das ſogenannte „Vorkaſtell“, ſowie jene Befeſti⸗ gungen, welche auf dem „Glasbläſerkopf“ oder „Gauskopf“ (unweit Kirn am rechten Naheufer gelegen) an einem an und für ſich ſchon faſt unzugänglichen Punkte angelegt ſind. In einem folgenden Aufſatz wird die unweit Dürk⸗ heim a. H. befindliche Ringmauer beſprochen. Gewiſſe be⸗ feſtigte Punkte am Mittelrhein ſcheinen, wie in einem fol⸗ 166 Humboldt. — April 1889. genden Artikel dargelegt wird, dem germaniſchen Stamme der Eimbern ihre Entſtehung zu verdanken. Ein weiterer Abſchnitt behandelt die Ringmaueranlagen am Haardtgebirge und den Kemmersberg bei Wachenheim (Rheinpfalz). Weiter⸗ hin wird die Honbirg, jenes unweit Hersbruck (Oberfran⸗ ken) gelegene, in vorgeſchichtlicher Zeit ſtark befeſtigte Bergplateau, ſowie die daſelbſt aufgefundenen keramiſchen Ueberreſte geſchildert. In einem folgenden Abſchnitt wer⸗ den die Befeſtigungen des Rothenberges (unweit Nürn⸗ berg) beſprochen, welche eine Verbindung des prähiſtoriſchen Abſatzwalles mit der römiſchen Anlage von Wall und Graben darſtellen. Weiterhin werden noch die Ergebniſſe von auf der Heidenburg (bei Kreimbach in der Pfalz) unternommenen Ausgrabungen mitgeteilt, die Beziehun⸗ gen, in denen das Schloß bei Biebermühle und die Ruine Schloßeck zur Prähiſtorie ſtehen, erörtert und die aus der Geſamtheit der im Vorhergehenden beſprochenen vorgeſchichtlichen Forſchungen ſich ergebenden Schlüſſe ge- zogen, wobei auch darauf hingewieſen wird, wie aus dem mit der Zeit immer komplizierter werdenden Bau des prä⸗ hiſtoriſchen Refugiums der Grundriß der deutſchen Burg hervorgegangen iſt. Die Beſchreibung eines bei Erpolz⸗ heim (Pfalz) gemachten Urnenfunds, eines unweit Odern⸗ heim aufgefundenen prähiſtoriſchen Schmuckes, ſowie der prähiſtoriſchen Eiſenbarren aus dem Mittelrheinlande — welche letztere ſowohl hinſichtlich der Form wie des Ge⸗ wichtes eine höchſt bemerkenswerte Uebereinſtimmung mit den von V. Place zu Khorſabad (Aſſyrien) ausgegrabenen Eiſenluppen aufweiſen — dieſe Erörterungen bilden den Schluß des Buches, welches ebenſowohl für den Scharf⸗ ſinn des Verfaſſers, wie für deſſen umfaſſende Kenntnis der griechiſchen und römiſchen Autoren ein glänzendes Zeugnis ablegt. Kaſſel. Dr. Ml. Alsberg. Bibliographie. Bericht vom Monat Februar 1889. Allgemeines. Beiträge zur Fauna und Flora von Aſchaffenburg. 2. Mittheilung des naturwiſſenſchaftlichen Vereins daſelbſt. Aſchaffenburg, Krebs. M. 2. Lauchert, F., Geſchichte des Phyſiologus. Straßburg, Trübner. Mt. 7. Ruß, K. Das heimiſche Naturleben im Kreislauf des Jahres. 1 fg. Berlin, Oppenheim. M. —. 80. Vaihinger, H., Naturforſchung und Schule. Eine Zurückweiſung der Angriffe Preyers auf das Gymnaſium vom Standpunkte der Ent⸗ wickelungslehre. Ein Vortrag. Köln, Ahn. M. —. 80. Shyfik. Häuſelmann, J., Kleine Farbenlehre für Volts: und kunſtgewerbliche Fortbildungsſchulen. Auszug aus „Populäre Farbenlehre“. Zürich, Orell, Füßli & Co. M. 1. 40. Lehmann, O., Molekularphyſik mit beſonderer Berückſichtigung mikro⸗ ſkopiſcher Unterſuchungen und Anleitung zu ſolchen, ſowie ein An⸗ hang über mikroſkopiſche Analyſe. 2. Bd. Leipzig, Engelmann. M. 20. Riecke, E., Rudolf Clauſius. Rede. Göttingen, Dieterich. M. 2. 40. Chemie. Hoffmann, C., Beitrag zur Kenntnis der (40 Nitro⸗Iſophtalſäure. Baden⸗ Baden, Spies. M. 1. 20. Oſtwald, W., Ueber die Affinitätsgrößen organiſcher Säuren und ihre wae zur Zuſammenſetzung und Konſtitution derſelben. Leipzig, Virzel. ~ Bs Philips, B., Ueber einige unſymmetriſche ſekundäre Hydrazine der aro⸗ matiſchen Reihe. Tübingen, Fues. M. —. 80. Schürmann, E., Ueber die Verwandtſchaft der Schwermetalle zum Schwefel. Tübingen, Fues. M. —. 80. Astronomie. Braun, K., Ueber Kosmogonie vom Standpunkt chriſtlicher Wiſſenſchaft, mit einer Theorie der Sonne und einigen darauf bezüglichen philo⸗ ſophiſchen Betrachtungen. Münſter, Aſchendorff. M. 4. 50. Ende, J. F., Geſammelte mathematiſche u. aſtronomiſche Abhandlungen. 3. (Schluß⸗) Bd. Aſtronomiſche und optiſche Abhandlungen. Berlin, Dümmler. 2 5 Ephemeriden, Aſtronomiſch⸗nautiſche, für das Jahr 1890. Deutſche 0 Red. v. F. Anton. III. Jahrgang. Trieſt, Schimpff. „ Pao 00 Foerſter, W., und Lehmann, P., Die veränderlichen Tafeln des aſtro⸗ nomiſchen und chronologiſchen Teiles des königl. preußiſchen Normal⸗ kalenders für 1890. Nebſt einem allgemeinen ſtatiſtiſchen Beitrage v. E. Blenck. Berlin, Statiſtiſches Bureau. 5 BY, Hirn, G.-A., Constitution de l'espace céleste. Colmar, Barth. M. 16. Meißel, E., Tafel der Beſſelſchen Funktionen Ik und Uk von K = O bis K = 15,5 berechnet. Berlin, Reimer. M. 2. Peter, B., Monographie, der Sternhaufen G. C. 4460 und G. C. 1440, ſowie eine Sterngruppe bei o Piscium. Leipzig, Hirzel. M. 4. Geographie, Ethnographie. Geiſtbeck, M., Leitfaden der mathematiſchen und phyſikaliſchen Geographie für Mittelſchulen und Lehrerbildungsanſtalten. 10. Aufl. Freiburg, Herder. M. 1. 50. Poſewitz, Th., Borneo. Entdeckungsreiſen und Unterſuchungen. Gegen⸗ wärtiger Stand der geologiſchen Kenntniſſe. Verbreitung der nutz⸗ baren Mineralien. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 15. Weber, W., Der arabiſche Meerbuſen. 1. Th. Hiſtoriſches und Mor⸗ phologiſches mit einer Tiefenkarte. Marburg, Ehrhardt. M. 2. Mineralogie. Geologie, Paläontologie. Abhandlungen, Allgemeinverſtändliche naturwiſſenſchaftliche. 5. Heft. Das „glaziale“ Dwykakonglomerat Südafrikas von F. M. Stapff. Berlin, Riemann. M. 1. Abhandlungen zur geologiſchen Spezialkarte von Preußen und den thüringiſchen Staaten. 6. Bd. 4. Heft. Die Fauna des ſamländiſchen Tertiärs von F. Noetling. 2. Thl. Berlin, Schropp. M. 10. Abhandlungen der großherzoglich heſſiſchen geologiſchen Landesanſtalt zu Darmſtadt. 1. Bd. 4. Heft. Beitrag zur Kenntniß des körnigen Kalkes von Auerbach —Hochſtädten an der Bergſtraße (Heſſen⸗Darm⸗ ſtadt). Von F. v. Tchihatchef. Darmſtadt, Bergſträßer. M. 2. 50. Haas, H. J., Die geologiſche Bodenbeſchaffenheit Schleswig⸗Holſteins mit beſonderer Berückſichtigung der erratiſchen Bildungen in ihren Grund⸗ zügen. Kiel, Dipſius & Fiſcher. M. 3. Handmann, R., Kurze Beſchreibung (Charakteriſtik) der häufigſten und wichtigſten Tertiärkonchylien des Wiener Beckens. Münſter, Aſchen⸗ dorff. M. 2. 40. Jacobi, G. H., Der Mineralog Georgius Agricola und ſein Verhältnis zur Wiſſenſchaft ſeiner Zeit. Werdau, Anz. M. 1. 20. Stremme, E., Beitrag zur Kenntnis der tertiären Ablagerungen zwiſchen, Raffel und Detmold, nebſt einer Beſprechung der norddeutſchen Pecten⸗ arten. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. 1. Vater, H., Tabellariſche Ueberſicht über die wichtigeren Minerale. Frei⸗ berg, Cray & Gerlach. M. —. 75. Meteorologie. Ladendorf, A., Das Höhenklima in meteorologiſcher, phyſiologiſcher und therapeutiſcher Beziehung. 1. Thl. Das ſolare Klima. Das Höhen⸗ klima. Berlin, Groſſer. M. 1. Planté, G., Die elektriſchen Erſcheinungen der Atmoſphäre. Deutſche Ausgabe, beſorgt von J. G. Wallentin. Halle, Knapp. M. 5. Botanik. Engler, A., und Prantl, K., Die natürlichen Pflanzenfamilien nebſt ihren Gattungen und wichtigeren Arten, insbeſondere den Nutzpflanzen. 27. und 28. Ifg. Leipzig, Engelmann. à M. 1. 50. Gerhardt, C., Heilkunde und Pflanzenkunde. Berlin, Hirſchwald. M. —. 60, Kerner, A., Schedae ad floram exsiccatam austro-hungaricam. V. Wien, Frick. M. 2. 80. Lackowitz, W., Flora von Berlin und der Provinz Brandenburg. 7 Aufl. Berlin, Friedberg & Mode. M. 2. 25. Migula, W., Ueber den Einfluß ſtark verdünnter Säurelöſungen auf Algenzellen. Breslau, Preuß & Jünger. M. 1. Sellwanoff, Th. v., Phytochemiſche Unterſuchungen. Göttingen, Vanden⸗ hoeck & Ruprecht. M. 1. Strasburger, E., Hiſtologiſche Beiträge. II. Heft. thum vegetabiliſcher Zellhäute. Jena, Fiſcher. M. 7. Wagner, H., Pflanzenkunde für Schulen. I. Kurſus. 9. Aufl. Bielefeld, Velhagen & Klaſing. M. 1. 20. Ueber das Wachs⸗ 7 Zoologie. Böcker, W., Der Sproſſer oder die Aunachtigall (Luscinia major). Voll⸗ ſtändige Naturgeſchichte und faßliche Anleitung zur Pflege und Be⸗ handlung des Sproſſers in der Gefangenſchaft. Minden, Köhler. —. 40 Dreyer, F., Die Pylombildungen in vergleichendanatomiſcher und ent⸗ wickelüngsgeſchichtlicher Beziehung bei Radiolarien und bei Protiſten überhaupt, nebſt Syſtem und Beſchreibung neuer und der bis jetzt bekannten pylomatiſchen Spumellarien. Jena, Fiſcher. M. 8. Grotrian, R., Praktiſche Anweiſung zum Ausſtopfen von Vögeln und Säugetieren. 2. Aufl. Leipzig, Siegismund & Volkening. M. 1. e C., Die Hautarterien des menſchlichen Körpers. Leipzig, Vogel. 2 12 Mohnike, O., Affe und Urmenſch. Münſter, Aſchendorff. M. 4. Müller, R., Die Kennzeichen unſerer Vögel. Eine naturgeſchichtliche Beſchreibung unſerer einheimiſchen, ſowie der ſich zeitweiſe bei uns aufhaltenden fremden Vögel. Leipzig, Ruſt. M. 5. Ondemans, J. T., Beiträge zur Kenntnis der Chiromys Madagas- cariensis Cuv. Amſterdam, Müller. M. 2. Schenkling, C., Etiketten für Käferſammlungen. 2. Tauſend. Leipzig, Leiner. M. 1. 50. 5 a Humboldt. — April 1889. 167 Stöhr, Ph., Lehrbuch der des Menſchen, mit Einſchluß der mikroſkopiſchen Technik. Jena, Fiſcher. San Vries, H. de, Intracellulare Pangeneſis. Jena, Fiſcher. M. 4. Bhyſtologie. Bunnemann, O., Ueber den Wert der zum Salzſäurenachweis im Magen— 3 0 1 Farbenreaktionen. Göttingen, Vandenhoeck & Rup⸗ recht. —. 80. iſtologie und der mikroſkopiſchen Anatomie 3. Aufl. Geppert, J., Ueber das Weſen der Blauſäurevergiftung. Berlin, Hirſch⸗ wald. M. 3. Magnus, H., Die Entſtehung der reflektoriſchen Pupillenbewegungen. Für den akademiſchen und Selbſtunterricht. Breslau, Kern. M. 1. 60. Oberdieck, G., Iſt die Placenta durchgängig für Mikroorganismus? Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. —. 80. 4 Anthropologie. Binder, Das Morelſche Ohr. Eine pſychiatriſch⸗anthropologiſche Studie. Berlin, Hirſchwald. M. 1. 60. Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Darſtellung der künſtlichen organiſchen Farb- ftoffe IV. — Azofarbſtoſfſe. Die Azofarbſtoffe bilden eine ſcharf geſonderte Gruppe von Farbkörpern, welche ihren Farbſtoffcharakter ſämtlich der in ihnen enthaltenen Gruppe — N: N— verdanken. Werden durch dieſe Gruppe zwei Benzolreſte miteinander verbunden, ſo entſteht ein ge— färbter Körper, z. B. das tiefrot gefärbte Azobenzol CgH5N : NCgH5. Azobenzol iſt aber kein eigentlicher Farb— ſtoff, denn es vermag ſich nicht mit der Faſer zu ver— einigen. Erſt durch den Eintritt von Gruppen, welche den Azokörpern baſiſche oder ſaure Eigenſchaften verleihen, wird dieſe Verwandtſchaft zur Faſer vermittelt. Wahre Farbſtoffe ſind daher z. B. CgH3N : NCgHyNHy Amidoazobenzol, CgH5N : NCgHyOH Oxyazobenzol. Die Darſtellung der Azofarbſtoffe geht ganz allgemein von den Diazoverbindungen aus. Wird ſalzſaures Anilin mit ſalpetriger Säure behandelt, fo entfteht ſalzſaures Diazobenzol: CSHSNH HCI + HNO» = CgHsN :NCl = 21H20. Das Diazobenzol iſt der einfachſte Vertreter einer großen Gruppe von Verbindungen, der Diazoverbindungen, denn alle aromatiſchen Verbindungen, welche die Gruppe NH enthalten, find befähigt, mit ſalpetriger Säure Di⸗ azoverbindungen zu liefern. Eine allgemeine Eigenſchaft dieſer Diazoverbindungen iſt nun die, mit Phenolen und Aminen ſehr leicht zu Oxy- und Amidoazokörpern zu⸗ ſammenzutreten. CgH3N : NCI + CgH;0H = CHN: NC,HyOH =- Hl. Auf dieſe Reaktion gründet fic) die Darſtellung der Azofarbſtoffe. 11. Anilingelb. Als Anilingelb kurzweg bezeichnet man das oben erwähnte Amidoazobenzol. CHN 5 NC,HyNHo. Die Vereinigung von Diazobenzol mit Anilin nimmt man bei Gegenwart eines Ueberſchuſſes von Anilin vor, welches als Löſungsmittel dient. 65 g Anilin werden in einem Kölbchen mit 15 cem ſtarker Salzſäure vermiſcht. Während man das ſo bereitete Gemiſch von Anilin mit ſalzſaurem Anilin etwas abkühlen läßt, löſt man 7 © fal- petrigſaures Natron in etwa der doppelten Menge Waſſer auf. Dieſe Löſung wird dann unter Umſchütteln mit der erſteren vereinigt. Die jetzt eintretende Reaktion macht ſich ſowohl durch die Gelbfärbung als auch durch die Er— wärmung der Flüſſigkeit bemerkbar. Nach einigen Minuten nimmt die Gelbfärbung nicht mehr zu und die Reaktion iſt beendet. Das entſtandene Amidoazobenzol befindet ſich in dem überſchüſſigen Anilin gelöſt. Um es in feſter Form zu erhalten, fügt man noch etwa 100 cem Waſſer hinzu und neutraliſiert das Gemiſch mit 100 cem ſtarker Salzſäure. Beim Erkalten kryſtalliſieren glänzende Nädel— chen mit blauem Flächenſchimmer, welche man von der Mutterlauge durch Filtrieren trennt. Der ſo gewonnene Körper iſt das ſalzſaure Salz des Amidoazobenzols CgH5N 2 NCSœHNH HCl. In Waſſer ſchwer löslich, gibt es mit Alkohol eine inten- fiv gelb gefärbte Löſung, welche ein ſehr ſtarkes Färbver— mögen beſitzt. Beiläufig ſei bemerkt, daß bei dem eben beſchriebenen Verſuche das Amidoazobenzol nicht direkt aus Diazobenzol und Anilin gebildet wird, ſondern daß dabei erſt ein Zwiſchenprodukt, das ſogenannte Diazoamidobenzol OGH N 7 NNHC,H; entſteht, welches ſich in einer zweiten Phaſe in Amidoazo- benzol umlagert. Obwohl das Amidoazobenzol ſelbſt wegen ſeiner Schwerlöslichkeit in Waſſer als Farbſtoff wenig geeignet iſt, bildet es ein wichtiges Ausgangsmaterial für die Dar- ſtellung verſchiedener anderer Farbſtoffe. Zu dieſem Zweck führt man es durch Behandlung mit Schwefelſäure in waſſerlösliche Sulfoſäuren über. Dieſe Verbindungen, z. B. SO3HC.H,N 8 NCgH NH werden durch ſalpetrige Säure nochmals in Diazoverbin- dungen übergeführt, welch letztere bei der Vereinigung mit Naphtolen und Naphtolſulfoſäuren Tetrazokörper, wertvolle rote Farbſtoffe wie das Biebricher Scharlach und das Crocein, liefern. Ueberhaupt ſind die Farbſtoffe aus Diazoverbindungen und Naphtolen wegen ihrer Farbenſchönheit und ihres Färbevermögens von beſonderer Wichtigkeit. Aus der großen Zahl der hierher gehörigen Verbindungen ſei ein Beiſpiel ausgewählt: 12. Azobenzol B naphtol. CgH5N : NC;gHgOH. Die Vereinigung des Diazobenzols mit B Naphtol erfolgt noch leichter als die oben geſchilderte Syntheſe des Amidoazo— benzols. Es genügt, eine kalte wäſſrige Löſung von Di— azobenzol mit einer Auflöſung von 8 Naphtol in Alkali zu miſchen, um ſofort eine quantitative Menge des Farb— ſtoffs zu erhalten. C.H5N :NCl —— C10H OH — CGHeN 8 NCIOBEOH —— HCl. Man loft 14g B Naphtol (deſſen Gewinnungsweiſe bei Verſuch Nr. 10 näher ausgeführt wurde) mit dem gleichen Gewicht feſten Aetznatrons in etwa 200 cem Waſſer, indem man die Auflöſung durch gelindes Erwärmen auf dem Waſſerbade unterſtützt. Darauf wird die Löſung in einem 21 faſſenden Kolben auf etwa 500 cem verdünnt und ſorgfältig, womöglich mit etwas Eis, abgekühlt. An⸗ dererſeits bereitet man fic) eine Löſung von 9 g Anilin in 30 cem konzentrierter Salzſäure und etwa 500 cem Waſſer. Zu dieſer ebenfalls gut gekühlten Löſung fügt man eine Auflöſung von 7 g ſalpetrigſaurem Natron. Die durch die Salzſäure in Freiheit geſetzte ſalpetrige Säure verwandelt das Anilin augenblicklich in Diazobenzol. Man vereinigt nun die Diazobenzollöſung mit der alkaliſchen Löſung des Naphtols, indem man die erſtere auf einmal in die letztere eingießt. Faſt momentan erfüllt ſich die Flüſſigkeit mit einem lebhaft gelbrot gefärbten Nieder— ſchlage. Wegen der Leichtigkeit, mit welcher ſich hier aus wenigen ungefärbten Subſtanzen ein Farbſtoff bildet, macht dieſer Verſuch einen überraſchenden Eindruck. Wie das Anilingelb findet das Azobenzol B naphtol ſelbſt als Farbſtoff keine Verwendung, dagegen gehört ſeine Sulfoſäure (Orange II) zu den wichtigſten Azofarbſtoffen. 13. Anilinſchwarz. Zu den merkwürdigſten gefärb⸗ ten Umwandlungsprodukten des Anilins gehört das Anilin⸗ ſchwarz. Dieſe Subſtanz, welche ſich durch ihre dunkle Färbung und ihre Unlöslichkeit in den meiſten Lojungs- mitteln auszeichnet, entſteht faſt immer, wenn Anilinſalze in ſaurer Löſung mit Oxydationsmitteln behandelt werden. Die Konſtitution des Anilinſchwarz iſt noch unbekannt, ſeine Zuſammenſetzung entſpricht der einfachſten Formel CeH;N, woraus alſo hervorgeht, daß es aus Anilin, CollzN, durch Waſſerſtoffentziehung gebildet wird. Da für das Anilinſchwarz ein geeignetes Löſungsmittel fehlt, ſo 168 wird es nicht wie die übrigen Farbſtoffe in den Fabriken fertig dargeſtellt, ſondern ſtets auf der Faſer erzeugt. Die damit erzielten Färbungen ſind faſt unzerſtörbar. Zur Darſtellung von Anilinſchwarz oxydiert man das Anilin beiſpielsweiſe mit chlorſaurem Kali bei Gegenwart von Kupferſalzen, welche dabei als Sauerſtoffübertrager wirken. Um Anilinſchwarz in Subſtanz darzuſtellen, ver⸗ fährt man folgendermaßen: In einem 21 faſſenden Glaskolben Loft man 20 g chlorſaures Kali, 30 g Kupfervitriol und 16 g Salmiak in 500 cem kaltem Waſſer auf. Weiter bereitet man eine Löſung von 30 g Anilin in 50 cem konzentrierter Salz⸗ ſäure und etwa 100 cem Waſſer und vereinigt dieſe Löſung mit dem Oxydationsgemiſch. Man erwärmt jetzt auf dem Waſſerbade; nach kurzer Zeit beginnt die grün⸗ liche Flüſſigkeit Flocken abzuſcheiden und nach etwa ½ Stunde geſteht die Maſſe unter Aufblähen und Aus⸗ ſtoßen ſtark riechender Dämpfe zu einem dunkel gefärbten Brei von Anilinſchwarz. Die abgeſchiedene dunkelgrüne Maſſe iſt das ſalzſaure Salz der Baſe (CgH5N)x, welcher im freien Zuſtande eine dunkelviolette, faſt ſchwarze Fär⸗ bung zukommt. Die Bildung von Anilinſchwarz auf der Faſer zeigt folgender Verſuch: 3 cem Anilin werden in etwa 11 kaltem Waſſer in einem Becherglaſe durch eirka 5 cem konc. Schwefelſäure in Löſung gebracht und dieſe mit einer Auflöſung von 5g Kaliumbichromat in 100 cem Waſſer verſetzt. In der Kälte erfolgt keine Einwirkung, dagegen tritt bei gelindem Erwärmen Bildung von Anilin⸗ ſchwarz ein. Bringt man nun in die kalte Löſung einen Streifen ungefärbtes Baumwollenzeug, welches vorher mit Waſſer benetzt wurde, und erwärmt langſam auf dem Waſſerbade, ſo wird das entſtehende Anilinſchwarz auf der Faſer niedergeſchlagen und ſo feſt damit vereinigt, daß es nicht wieder durch Waſchen entfernt werden kann. 14. Indulin. Unter der Bezeichnung Induline und Nigroſine faßt man eine Reihe von Farbſtoffen zuſammen, welche bei der Einwirkung von Nitrokörpern und Azo⸗ körpern auf Anilin gebildet werden und denen ſämtlich eine blaugraue oder ſchwarzblaue Färbung zukommt. So entſteht beim Erhitzen von Amidoazobenzol mit Anilin auf 160 unter Ammoniakaustritt ein Indulin von der Zu⸗ ſammenſetzung CygH;5N3. Ein Gemenge von Indulinen bildet ſich, wenn Anilin mit Nitrobenzol behandelt wird. Dieſer Prozeß, welcher vorzugsweiſe zur Darſtellung der Indulinfarbſtoffe benutzt wird, iſt in der Art ſeiner Aus⸗ führung der Fuchſinſchmelze (ſ. S. 43) ſehr ähnlich. Eine kleine Retorte von etwa 200 cem Inhalt wird mit 17 cem Anilin, 17 cem Salzſäure, 20 cem Nitro⸗ benzol und 2 g Eiſenfeile beſchickt. Das Eiſen dient auch hier zur Einleitung der Reaktion. Man treibt zunächſt durch vorſichtiges Erhitzen das Waſſer aus, welches von der Salzſäure herrührt. Das etwas Nitrobenzol ent⸗ haltende Deſtillat fängt man in einer kleinen Vorlage auf. Nach Entfernung des Waſſers hält man das Gemiſch in ganz ſchwachem Sieden, jo daß langſam Tropfen für Tropfen überdeſtilliert. Die Schmelze färbt ſich zunächſt rotviolett, nach Verlauf von / —1 Stunde verdickt ſie ſich beträchtlich, während die Färbung in Schwarzblau übergeht. Der Verſuch wird jetzt unterbrochen und die Schmelze in eine Reibſchale ausgegoſſen. Einen Teil der gepulverten Schmelze kocht man mit Alkohol aus; dadurch gehen die Induline mit tief ſchwarzblauer Farbe in Löſung. In Waſſer iſt das Produkt unlöslich, es wird daher, um einen verwendbaren Farbſtoff zu erzielen, mit Schwefelſäure in waſſerlösliche Sulfoſäuren übergeführt. Die Konſtitution der Induline iſt noch nicht genügend aufgeklärt. 15. Anilinviolett. Ein Farbſtoff, welcher heute kaum noch dargeſtellt wird, aber doch ein gewiſſes Intereſſe be⸗ anſprucht, weil er der erſte iſt, welcher überhaupt aus Anilin gewonnen wurde, iſt das Anilinviolett oder Mau⸗ vein. Perkin beobachtete 1856 die Bildung dieſes violetten Farbſtoffes bei der Behandlung des Anilins mit Oxyda⸗ tionsmitteln in neutraler Löſung. Die Konſtitution des Mauveins iſt noch unbekannt. Ein dem Mauvein ſehr Humboldt. — April 1889. ähnlicher, vielleicht ſogar damit identiſcher Farbſtoff ent⸗ ſteht in ſehr einfacher Weiſe, wenn eine wäſſrige Löſung von Anilin mit Chlorkalklöſung verſetzt wird. Man löſt 1—2 cem Anilin in etwa 500 cem Waſſer und fügt hiezu etwa 50 cem einer filtrierten Löſung von Chlorkalk. Die Flüſſigkeit nimmt alsbald eine tief pur⸗ purviolette Färbung an. Dieſe Reaktion wurde ſchon 1835 von Runge beobachtet, ſie dient wegen ihrer Schärfe noch heute allgemein zur Erkennung des Anilins. Al. Zur Kultur Kleiner Organismen auf Objektira- gern. Eine Einrichtung, um auf Mikroſkop⸗Objektträgern Rädertiere, Algen u. ſ. w., welche im Waſſer leben und einen häufigen Wechſel desſelben erfordern, zu kultivieren, be- ſchreibt Selmar Schönland in den „Annals of Botany“ (Bd. II. Nr. VI). Der Objektträger A überragt den Objekttiſch auf beiden Seiten und wird mit einem Stück Löſchpapier B bedeckt, welches ſeine Ränder eben frei läßt. Das Papier hat in der Mitte ein Loch und an einem Ende eine dreieckige Verlängerung B', welche abwärts gebogen iſt. In dem mit Waſſer gefüllten Glaſe D hängt ein Ka⸗ pillarrohr E, welches ſo weit iſt, daß alle 20 Sekunden ein kleiner Waſſertropfen auf das Papier fällt. Das Waſſer wird auf der anderen Seite abgeführt durch die dreieckige Verlängerung BY. Eine um⸗ gekehrte, mit Waſſer gefüllte Flaſche F berührt mit ihrer Mündung die Oberfläche des Waſſers in dem Glaſe D und hält erſteres auf demſelben Niveau. Das Objekt wird innerhalb des Loches E auf 7 den Objektträger gelegt und mit einem Deckglaſe, welches etwas größer iſt als das Loch, bedeckt, indem man das Deck⸗ yi | glas zuerſt auf das völlig mit BR Waſſer geſättigte Papier legt, 5 langſam über das Loch ſchiebt und den Raum zwiſchen jenem und dem Objektträger allmählich mit Waſſer füllt. Soll das Waſſer ſchneller fließen, ſo ſchneidet man in das Löſchpapier einen engen Kanal von dem Loch bis zu der Stelle, wo das Waſſer aus dem Kapillarrohr herab⸗ tropft. Bei der hier geſchilderten Einrichtung kann man nur ſchwache Vergrößerungen (bis zu Zeiß' Ocular 5, Ob⸗ jektiv D) gebrauchen. Für ſtärkere Vergrößerungen wird das Loch etwas größer gemacht als das Deckglas, ſo daß letzteres dem Objektträger näher kommt. Die das Loch umgebenden Ränder des Papiers werden mittels einer Nadel ausgefaſert und die ausgefaſerten Teile mit dem Rande des Deckglaſes in Berührung gebracht. Dies ge⸗ nügt, um das Waſſer unter letzterem vor dem Faulen zu bewahren und das Austrocknen zu hindern. Nach einigen Tagen wird indeſſen das Deckglas von Waſſer überflutet. Das Papier muß nach etwa 20 Tagen erneuert werden. Dazu bringt man zuerſt reichlich Waſſer auf das Papier, entfernt das Deckgläschen, ſobald es zu flottieren beginnt, und nimmt mittels eines Stückchens Löſchpapiers das Waſſer ſo viel wie möglich rings um das Objekt weg. Dann hebt man das Löſchpapier vorſichtig auf und erſetzt es durch ein neues von genau derſelben Geſtalt. Wäh⸗ rend der ganzen Prozedur beobachtet man das Objekt be⸗ ſtändig mit ſchwacher Vergrößerung, ſo daß man es, ſelbſt bei geringer Bewegung, nicht aus dem Auge verliert. Schönland führt beiſpielsweiſe an, daß er eine Kultur von Pediastrum Boryanum Menegh., var. granulatum Rabh. vom 2. Juni bis 5. Juli unterhielt. Bis dahin hatten ſich drei Generationen der Alge entwickelt, und es konnte nachgewieſen werden, daß aus der oben bezeich⸗ neten Varietät das echte Pediastrum Boryanum (genuinum Kirchner) oder wenigſtens eine Varietät, welche nicht die var. granulatum iſt, hervorgehen kann. Ms. 4 Die Beſtimmung der Schneegrenze. Don Profeffor Dr. Eduard Richter in Graz. Zurch Rabel und Brückner iſt in den letzten Jahren die Diskuſſion über den Begriff der Schneegrenze wieder in Fluß gekommen. Da in meinem jüngſt erſchienenen Buche über die Gletſcher der Oſtalpen die Feſtſtellung der Schneegrenze eine der wichtigſten Aufgaben der For— ſchung war, ſo konnte auch ich mich einer eingehenden Ueberlegung über die Bedeutung des Wortes und der Sache nicht entziehen. Auch durfte ich hoffen, durch die Betrachtung vieler Hunderte von Einzelfällen einen Ueberblick zu gewinnen und mich vor Abirrungen zu bewahren, in welche die rein theoretiſche Ent— wickelung ſolcher Fragen leicht verfällt. Ich bin daher der Aufforderung der Redaktion dieſes Blattes gerne gefolgt, die Ergebniſſe meiner Unterſuchungen über die Schneegrenze im allgemeinen hier noch ein— mal kurz zuſammenzuſtellen. Die Exiſtenz einer Schneelinie an den Gebirgen unſerer Erde iſt eine Folge der Abnahme der Wärme mit der Höhe. Es wird ſich daher eine ſolche auf allen Gebirgen vorfinden, welche in Regionen hinauf— reichen, die den größeren Teil des Jahres nur feſte Niederſchläge erhalten, fo daß die Wärme des Som— mers nicht ausreicht, den in der kälteren Jahreszeit gefallenen Schnee zu ſchmelzen. Daraus ſchon wird die doppelte Abhängigkeit der Erſcheinung einer— ſeits von der Temperatur, andererſeits von der Menge des feſten Niederſchlages erſichtlich. Je größer die Schneemengen, um deſto höhere Sommertemperaturen ſind nötig, ſie zu beſeitigen, während ſehr niedrige Wintertemperaturen der Entwickelung großer Schnee— mengen nicht günſtig ſind, daher in ſolchen Gegen— den ſchon eine geringe Wärme genügt, den wenigen Schnee zu beſeitigen. Da die Temperaturen wie die Niederſchläge im großen und ganzen in hiſtori— ſcher Zeit unverändert geblieben ſind, oder doch nur langſame und nicht ſehr beträchtliche Schwankungen Humboldt 1889. durchmachen, ſo muß auch die Höhe der Schneegrenze für eine beſtimmte Erdgegend im allgemeinen die gleiche bleiben. Soweit liegt die Sache klar und bietet keine Schwierigkeiten. Trotzdem iſt es eine faſt unlösbare Anforderung im Einzelfall, wie ihn etwa der Reiſende im Gebirge erlebt, die Höhe der Schnee— grenze mit Sicherheit anzugeben; ja ſelbſt, wenn man eine Karte des Gebirges im größten Maßſtab, mit genauer Einzeichnung aller dauernden Schnee- und Eisanſammlungen, mit Höhenſchichtenlinien und zahl— reichen Einzelhöhen vor ſich hat, ſteht man noch vor den ernſteſten Schwierigkeiten, und ſehr verſchiedene Auffaſſungen ſind möglich. Der Grund hierfür liegt einzig und allein in dem, was Ratzel die „orographiſche Begünſtigung“ genannt hat, nämlich darin, daß die Geſtalt des Gebirges für die Erhaltung des Schnees an manchen Stellen günſtige Umſtände erzeugt, an anderen un— günſtige. Beſtünde das Gebirge aus großen hori— zontalen Stufen, ſo würde, wie es die Theorie verlangt, nur die der betreffenden Höhenſtufe zukom— mende Wärmemenge dafür maßgebend ſein, welche Stufe bei gleicher Schneemenge noch dauernd ver— ſchneit bleibt und welche ſchneefrei wird. So aber fehlen horizontale Stellen in den meiſten Gebirgen faſt gänzlich. Man hat es ſtets mit mehr oder weniger ſteilen Lehnen zu thun. Dadurch wird überall auf der Erde, die Aequatorialgegenden ausgenommen, eine Begünſtigung oder Benachteiligung durch ver- ſchiedenen Grad der Beſonnung hervorgerufen. Es gibt dauernd beſonnte und dauernd beſchattete Ge⸗ hänge, deren Wärmeverhältniſſe ſich ganz verſchieden geſtalten müſſen. Auf den Schattenſeiten wird ſich der Schnee viel länger erhalten als auf der Sonnenſeite. Die Bodenunebenheiten beeinfluſſen aber auch die Menge des am einzelnen Orte aufgehäuften Schnees, indem ſie eine ungleiche Verteilung desſelben bewirken. 22 170 Von ſteilen Hängen gleitet der friſch gefallene Schnee hinab und ſammelt ſich in Keſſeln und Schluchten; von hohen Kämmen, der Windſeite ausgeſetzten Schnei⸗ den wird er weggeblaſen, im Windſchatten aufgehäuft. Wärme und Niederſchlag werden alſo durch den Ge— birgsbau ungleichmäßig verteilt, und die Vorſtellung einer Linie oder Fläche, „oberhalb welcher die Sommer⸗ wärme nicht mehr ausreicht, den Winterſchnee abzu⸗ ſchmelzen“, ſchwindet dahin vor einer Wirklichkeit, die zwar im allgemeinen eine Zunahme der Schnee⸗ bedeckung nach oben aufweiſt, aber nirgends eine be⸗ ſtimmte Abgrenzung nach unten bietet, ſondern nur größere und kleinere Schneeanſammlungen, welche von vielen ſchneefreien Stellen auch hoch oben noch unterbrochen werden. Dieſe Störungen können aber den Begriff jener klimatiſchen Fläche ebenſowenig aufheben, als ſie uns von der Pflicht entbinden können, ſie zu ermitteln, wenn wir über die klimatiſchen Verhältniſſe, unter denen das Gebirge beſteht, oder über deſſen Ver⸗ gletſcherung uns genau unterrichten wollen. Rabel hat jene klimatiſche Fläche, „oberhalb welcher die Sommerwärme nicht mehr ausreicht u. ſ. w.“, die klimatiſche Schnee- oder Firngrenze genannt. Er ſtellt ihr die orographiſche Firngrenze gegen⸗ über, als die untere Grenze der geſellig auftretenden Schneeanſammlungen, welche unterhalb der klima⸗ tiſchen Schneegrenze durch orographiſche Begünſtigung ſich erhalten. g Den logiſchen Gegenſatz dieſer letzten Beſtimmung bildet aber eigentlich die „normale Schneedecke“ Kerners jun. (Denkſchriften der Wiener Akademie 1887.) Dieſer verſteht nämlich darunter die äußerſte obere Grenze, bis zu welcher die Schneebedeckung auf Ge⸗ hängen, Gipfeln und anderen exponierten Plätzen zu⸗ rückweicht. Man kommt damit auf Höhen, bei denen ſelbſt die äußerſte Ungunſt der Lage, alſo das Gegen⸗ teil der orographiſchen Begünſtigung, nicht mehr aus⸗ reicht, den Schnee dauernd fern zu halten. Man könnte dieſe Linie daher vielleicht am zutreffendſten die „abſolute Schneegrenze“ nennen. Geht man darauf aus, die klimatiſche Schnee⸗ grenze zu ermitteln, ſo wird alſo die richtige Ab⸗ ſchätzung des orographiſchen Faktors das Wichtigſte ſein. Es wird dabei freilich ſtets bei der Schätzung bleiben. Ob und in welchem Grade der Beſtand eines gewiſſen Gletſchers oder Firnfeldes von Be⸗ ſchattung und Lawinengang bedingt oder beeinflußt iſt, wird im Einzelfall ſelbſt in der Natur ſchwer zu ſagen ſein, um ſo ſchwerer nach der Karte. Wir müſſen uns damit beſcheiden, daß auch hier lange Uebung den Blick ſchärft und daß wir hie und da einzelne lehrreiche und ſprechende Fälle vorfinden, welche uns Grenzwerte und Maßverhältniſſe an die Hand geben. So war es mir doch möglich, aus dem Verhältnis der Schneebedeckung zu gewiſſen, kennlich gemachten Iſo⸗ hypſen, aus zahlreichen Profilen und nebeneinander⸗ geſtellten Detailkärtchen, Photographien u. ſ. w. über das relative Höhenverhältnis der Schneelinie in den verſchiedenen Gebirgsteilen eine ganz beſtimmte Vor⸗ Humboldt. — Mai 1889. ſtellung zu gewinnen. Dieſes relative Verhältnis war viel ſicherer feſtzuſtellen als die abſolute Höhe der klimatiſchen Schneegrenze. Iſt es ſomit für denjenigen, welcher nur nach flüchtigen Reiſeeindrücken eine Schneegrenzhöhe feſt⸗ ſtellen ſoll, ſchon ſchwer genug, groben Irrtümern auszuweichen, ſo wird die Benützung derartiger An⸗ gaben noch dadurch erſchwert, daß man in der Regel nicht weiß, welche Vorſtellung der Reiſende mit dem Wort Schneegrenze verbunden hat. Denkt er an die orographiſche Firngrenze oder an die klimatiſche Schneegrenze? Genügt ihm das Auftreten einiger Firnflecken, um ein Gebirg in die Schneeregion zu verſetzen, oder läßt er dieſe erſt bei den großen zu⸗ ſammenhängenden Firnpolſtern beginnen? Genaue Angaben über die Beſchaffenheit der vorgefundenen Anſammlungen werden dem Kundigen beſſer dienen, als voreilig ausgeſprochene Zahlen ohne nähere Er⸗ läuterung. j Die Schwierigkeit, den wirklichen Verlauf der Schneegrenze in der Natur feſtzuſtellen, hat zu ver⸗ ſchiedenen Verſuchen geführt, ſie durch Rechnung aus meteorologiſchen Daten zu ermitteln. Man hat aber auf dieſe Weiſe nicht viel Brauchbares erreicht. Der franzöſiſche Phyſiker Bouguer, welcher bei einem Aufenthalte in Ecuador die ſcharf und geradlinig abgegrenzte Schneeregion der Andesvulkane kennen gelernt hatte, vermutete, daß die Schneegrenze mit der Iſotherme von O° zuſammenfalle. Dagegen ſprach ſich ſchon Sauſſure und ſpäter Humboldt aus, der auf die Wichtigkeit der Sommertemperaturen und die Gleichgültigkeit der Wintertemperaturen für die Erhaltung des Schnees hinwies. Renou nahm an, die Schneegrenze liege bei der 0° Iſotherme der wärmeren Jahreshälfte. Gegen alle dieſe Anſichten ſpricht aber die Beobachtung, daß die Temperatur der Schneelinie verſchieden ſein muß je nach den Schnee⸗ mengen, die geſchmolzen werden ſollen, wie ja dauernde Schneedecken noch bei ſehr verſchiedenen Jahrestempe⸗ raturen vorkommen. Aus demſelben Grunde ſcheint auch die Anſicht Stapffs nicht haltbar, daß die 0° Iſotherme der Boden temperatur das Entſcheidende für die Erhaltung der Schneedecke ſei. Eine eigentümliche Rechnung ſtellte Sonklar an. Wenn an einem Orte mit der Jahrestemperatur t und der Schneemenge 8 die Schneegrenze n Meter hoch liegt, jo kann man berechnen, wie hoch fie bei der Temperatur t. und der Schneemenge 8, liegen muß. Er nahm die Höhe der Schneegrenze für ge— wiſſe Teile der Schweizer Alpen als ſicher ermittelt an, ebenſo die Schneemengen und die Temperaturen für alle Höhenſtufen der Alpen. Eines war aber ſo unrichtig wie das andere. Selbſt heute iſt die Schneegrenzhöhe für die Schweizer Alpen noch keines⸗ wegs irgendwie ſichergeſtellt, und von den Regen— mengen und Temperaturen der Alpen hatte man vor 25 Jahren nur ſehr unvollkommene Kenntnis. Sonklars ſo ermittelte Zahlen ſind alſo vollkommen unbrauchbar. 5 Seit den Unterſuchungen des Solothurners Hugi Humboldt. — Mai 1889. 171 (um 1840) iſt der Ausdruck Firnlinie aufgekommen und zwar in dem Sinne, daß damit die Grenzlinie bezeichnet wird, an welcher auf den großen Gletſchern die Eiszunge aus dem Sammelgebiet, dem Firnfeld, austritt. Damit ſchien ein ſehr ſicherer Anhalts— punkt für die untere Grenze der dauernden Schnee— anſammlungen gefunden zu ſein. Doch zeigte ſich bald, daß der friſchgefallene Schnee auf altem Schnee länger liegen bleibt als auf dem ſchneefreien Erd— boden, und man glaubte zu beobachten, daß infolgedeſſen die Firnlinie ſtets etwas tiefer liege als die eigent— liche Schneegrenze. Sonklar hat dieſe Differenz ein für allemal auf 200 m angeſetzt. Aber auch das iſt nicht haltbar. Es gibt gar keine beſtimmte Ab— grenzung von Firnfeld und Eiszunge auf den Glet— ſchern. Die Verengung des Sammelbeckens, die bei den meiſten Gletſchern zu ſehen iſt, braucht mit der Trennungslinie vom Sammel- und Schmelzgebiet gar nicht zuſammenzufallen, und ebenſowenig beweiſt die Neuſchneedecke, welche man in einem gegebenen Momente auf dem Firn antrifft, während die Zunge vielleicht ſchneefrei iſt. Im Spätſommer zerreißt der Schneemantel auch auf den Firnfeldern; an zahlreichen Stellen tritt das blanke Eis zu Tage, und von einer Firnlinie kann nicht mehr geſprochen werden. Es gibt ebenſowenig eine jederzeit auffindbare Firnlinie, wie es eine als ſichtbare Linie verlaufende Schnee— grenze gibt. Alle Beobachtungen der Höhe der Firn— linie geben alſo nur einen momentanen, zufälligen Zuſtand an, und die daraus abgeleiteten Schnee— grenzhöhen ſind wertlos. Solchen Spekulationen gegenüber erſcheint die Abſchätzung eines geübten Beobachters noch immer als eine vertrauenswürdige Methode, und es werden die nicht weiter belegten Zahlenangaben eines Sauſſure, v. Buch, Wahlenberg oder Schlagintweit ohne Zweifel brauchbarer ſein, als Sonklars weitausgreifende, aber ſchlecht fundierte Rechnungen. Es fragt ſich nun, was uns an Beobachtungs— methoden noch bleibt, wenn wir uns doch über das bloße empiriſche Schätzen erheben wollen, und was wir in dieſer Richtung etwa aus Karten zu entnehmen vermögen. Es iſt da zunächſt zu erwähnen die Beob— achtung kleiner Schneeanſammlungen, welche gerade noch oberhalb der Schneegrenze liegen, und ihr Vergleich mit ähnlich gebauten, nur wenig niedrigeren Gebirgsteilen, welche nicht mehr vergletſchert ſind. Ein älteres von Simony und Partſch herrührendes Beiſpiel dieſer Art zu ſchließen iſt: Auf dem nur 116,9 m hohen Drachenſtein bei Mondſee finden ſich Spuren eines eiszeitlichen Gletſchers, folglich muß die Schneelinie damals ſo tief gelegen haben, daß auf dieſem Berge unterhalb des Gipfels noch Raum zur Firnbildung war, alſo etwa bei 1000 m. Tiefer kann ſie wohl nicht angeſetzt werden, da Berge von 1000 m Gipfelhöhe oder weniger keine Spuren ſelbſtändiger Eisanſammlung zu tragen pflegen. Ein anderes Beiſpiel aus der Gegenwart: Auf dem Steinernen Meere und den Leoganger Steinbergen finden fic) Plateauſtücke von 2300 — 2400 m Höhe. Sie beherbergen keine zuſammenhängende Schneedecke, ſondern nur Firnflecken. Die Hochfläche der über— goſſenen Alpe (ebenſo des Dachſteingebirges), welche bis 2800 m hinaufreicht, iſt über 2500 m herab mit Firn bedeckt; die des Platt an der Zugſpitze bis unter 2400 m. Folglich muß die Schneegrenze um 2500 m liegen. Die Anwendung dieſer kombinatoriſchen Methode erfährt ihre Einſchränkung durch die orographiſche Begünſtigung, welche in Rechnung gezogen werden muß. Ohne Fehler und Korrektion wäre ſie eigentlich nur bei horizontalen Plateauabſchnitten anwendbar. Je ſtärker die orographiſche Begünſtigung, um deſto unſicherer werden die Schlüſſe. Man wird alſo mit einiger Beruhigung nur recht frei gelegene, vielleicht ſonnſeitige Schneelager, die nicht von allzu hohen Gipfeln umſtanden ſind, heranziehen können, dann aber noch immer einen den Umſtänden angepaßten, nach der Erfahrung bemeſſenen Aufſchlag für die orographiſche Begünſtigung machen müſſen. Schnee⸗ freiheit der Gipfel iſt bei der in unſeren Central— alpen und wohl auch ſonſt meiſt vorherrſchenden Grat— oder Zackengeſtalt nicht beweiſend. Sehr empfehlens— wert iſt neben der gerade in dieſer Richtung unſchätzbaren Autopſie die Herſtellung von Profilen, welche die Neigungswinkel der Schneelager und ihrer Umrahmung ſichtbar machen, und dadurch eine Be— urteilung der Inſolationsverhältniſſe und des Lawinen— ganges geſtatten. Man findet da nicht gar ſo ſelten überaus lehrreiche und für einen weiten Umkreis bezeichnende Einzelfälle von ganz beweiſender Natur. Man ſieht, daß wenn man nur um 50 oder 100 m iiber einen beſtimmten Anſatz hinaufgeht, der Beſtand eines Gletſchers völlig unbegreiflich würde, da er dann ſeiner Hauptmaſſe nach unter der Schneegrenze läge. Das ſind feſte Punkte in unſeren Kombina⸗ tionen, an welche man anderes anſchließen kann. Große Gletſcher mit weiten Firnfeldern und langen Eiszungen ſind für dieſe Art Rechnung un— geeignet, weil ihre untere Abgrenzung durch die aus dem Firnfeld heraustretende Eiszunge gewiſſermaßen verſchleiert iſt, überhaupt durch die ſtarke und raſche Bewegung, der dieſelben unterliegen, die Verhältniſſe der urſprünglichen Lagerung zu ſtark verſchoben werden. Daß die „Firnlinie“ hierfür keinen Erſatz bietet, wurde ſchon angedeutet. Auch die kleinen Kahr- und Gehängegletſcher haben ihre Bewegung, ihre kurzen Eiszungen, oder doch einzelne lappenartig vorgeſchobene Teile, mit denen ſie über ihre urſprüngliche Lagerung hinausgreifen. Doch ſind dieſelben im Verhältnis kurz und die Höhe der reihenweiſe lagernden kleinen Gletſcher gewährt ein gutes Bild von den unteren Grenzen der Vereiſung eines Gebirgsteiles. Ueber dieſe Ver— hältniſſe kann man ſich durch nichts anderes ſo gut belehren als durch die Hervorhebung einer in der Nähe der geſuchten Schneegrenze verlaufenden Iſo— hypſe auf einer guten Karte. Ich habe auf den mir zur Verfügung geweſenen photographiſchen Kopien der Originalaufnahme des öſterreichiſchen militär— 172 geographiſchen Inſtitutes gewöhnlich die Schichtenlinie von 2600 m mit roter Farbe nachgezogen und da— durch ſofort einen Ueberblick über die Höhe der Schneegrenze erhalten. Wenn wir z. B. bemerken, daß in der ſüdlichen Oetzthalergruppe die genannte Höhenlinie durchaus über Grasboden läuft, ohne auch nur ein einziges Mal ein Schneelager zu berühren, während ſie in den Rauriſertauern durchaus auf Firn verläuft, außer wo ſteile Felswände die Firn⸗ lagerung überhaupt unmöglich machen, ſo iſt das doch eine ſprechende Thatſache und es erübrigt uns nur, an geeigneten Beiſpielen einen ziffermäßigen Aus⸗ druck für Verhältniſſe zu ſuchen, deren thatſächlicher Beſtand nicht mehr zweifelhaft ſein kann. Freilich ſetzt dieſe Methode, wie die vorige, den Beſitz ſehr genauer, in großem Maßſtab und mit Höhenſchichten gezeichneter Karten voraus. Man ſieht dann mit aller Deutlichkeit, wie die Schneebedeckung in einer Gebirgsgruppe über die bekannte rote Linie weit hinabgreift, in einer anderen ſie hie und da berührt, in einer dritten ſich weit von ihr zurückzieht. Hier werden die großen Gletſcher hoch oben in den Firn⸗ feldern, dort in den Zungen, anderswo ganz knapp an den Enden oder vielleicht gar nicht mehr getroffen. Ich bin durch dieſe Methode zuerſt von dem ſchweren Irrtum Sonklars, der den Tauern eine höhere Schnee⸗ grenze gab als der Oetzthalergruppe, überzeugt worden. An den Beſtand richtig gezeichneter Höhenſchichten⸗ linien knüpft ſich dann eine weitere, beſonders von Brückner angewendete Methode. Wenn man nämlich den Flächenraum kennt, welcher in einer beſtimmten Gebirgsgruppe mit dauernden Schneeanſammlungen bedeckt iſt, ferner auch die Flächenräume, welche innerhalb gewiſſer Iſohypſen liegen, ſo iſt leicht zu berechnen, welcher Iſohypſe die Umgrenzung der Schneedecke, wenn man dieſe als zuſammenhängende Fläche auffaßt, entſpricht; freilich iſt damit die klima⸗ tiſche Schneegrenze noch keineswegs gegeben. Denn einerſeits ſind bei der Geſamtbedeckung mit Schnee und Eis auch die Eiszungen mit eingerechnet, welche einen örtlich verſchobenen Teil der urſprünglichen Schneedecke vorſtellen, und deren Zurechnung das klimatiſch in der Schneeregion gelegene Gebiet zu groß erſcheinen läßt; andererſeits ſind alle jene, innerhalb der klimatiſchen Schneegrenze gelegenen Räumlichkeiten nicht mit eingerechnet, welche wegen ihrer Steilheit oder ſonſtigen Beſchaffenheit nicht ge⸗ eignet ſind, dauernd von Schnee eingehüllt zu werden. Denn bei der planimetriſchen Abmeſſung der Glet⸗ ſcher werden ſie ſachgemäßerweiſe ausgeſchieden. Brückner hat nun vorgeſchlagen, für die Eiszungen ein für allemal ein Viertel der Geſamtvergletſcherung abzurechnen, weil bei den großen Gletſchern das Ver⸗ hältnis vom Schmelz⸗ zum Sammelgebiet gewöhnlich wie 1:3 fet. Befinden ſich in einem Gebiete viele große Gletſcher, ſo dürfte man mit dieſer Annahme ſo ziemlich das Richtige treffen. Wiegen aber die kleinen Gletſcher vor, ſo iſt es zu viel, ein Viertel ab⸗ zurechnen. Noch ſchwerer zu eliminieren iſt der andere Fehler. Brückner hat in ſeinen Berechnungen der Humboldt, — mai 1889. Schneegrenze in den Hohen Tauern die ſchneefreien Stellen überhaupt ignoriert, infolgedeſſen aber durch— wegs zu hohe Anſätze für die Schneegrenze erhalten. Ich habe bei Stichproben gefunden, daß der ſchnee⸗ freie Raum zwiſchen den Gletſchern ſelbſt in ſtark vergletſcherten Gebieten noch ein Drittel bis ein Viertel des ſchneebedeckten ausmacht. Doch iſt dieſes Ver⸗ hältnis ohne Zweifel bei den einzelnen Gruppen ein ſehr verſchiedenes und hängt wieder mit dem Gebirgsbau zuſammen. Der Raum oberhalb der klimatiſchen Schneegrenze kann in einer Gruppe nur durch ſteile ſchmale Kämme gebildet ſein, in einer anderen durch ein großes Plateau. Beide ergeben alſo vielleicht bei der Vermeſſung denſelben Flächen⸗ raum oberhalb derſelben Iſohypſe, ſie haben auch vielleicht dieſelbe klimatiſche Schneegrenze, doch kann im zweiten Fall die Vergletſcherung ſehr ausgedehnt, im erſten ganz unbedeutend ſein. Nach der obigen Berechnungsmethode werden wir aber in beiden Fällen ſehr verſchiedene Höhen für die klimatiſche Schnee⸗ grenze erhalten, die doch dieſelbe iſt. Man könnte vielleicht verſuchen, die beiden Fehler ſich ſelbſt kompenſieren zu laſſen, da bei ſtarker Nei⸗ gung der Kämme und Gehänge auch die Eiszungen ſtärker entwickelt ſein müſſen, und weder die Eiszungen abrechnen, noch die ſchneefreien Kämme dazuſchlagen. Doch wird die ganze Rechnungsweiſe dadurch fo problematiſch, daß ſie an Sicherheit der Ergebniſſe hinter der früher beſprochenen weit zurückbleibt. Ich habe ſie nur für eine Anzahl beſchränkter Fälle angewendet. Nämlich für die großen Thal⸗ gletſcher. Es wurde angenommen, daß das Sammel⸗ gebiet zum Schmelzgebiet fic) wie 3 : 1 verhalte, und berechnet, welche Iſohypſe den Gletſcher in dieſem Verhältnis teilt. Innerhalb der einzelnen Gruppen hat ſich in der Regel eine leidliche Uebereinſtimmung gefunden, welche eine gewiſſe Bürgſchaft dafür zu bieten ſcheint, daß das oben angenommene Verhältnis ſich von der Wirklichkeit nicht allzuweit entferne. Bei den großen Thalgletſchern ſind auch die beiden oben beſprochenen Fehlerquellen am wenigſten zu fürchten. Das angenommene Verhältnis 3: 1 gilt ja in erſter Linie für die großen Gletſcher; anderer⸗ ſeits ſind hier ſchneefreie Gehänge nicht ausgelaſſen, weil man es nur mit einem geſchloſſenen Firnbecken zu thun hat, deſſen ſchneefreie Umrahmung, ebenſo wie etwaige Felsſtufen u. dgl. man leicht mit ein⸗ rechnen kann. Ich habe ſo recht annehmbare Reſul⸗ tate erzielt, und beſonders bei manchen Gletſchern, bei denen die Grenzgegend von Schmelzgebiet und Sammelgebiet gerade auf wenig geneigten Abſchnitten der Eiszunge zu liegen kommt, die Meereshöhe dieſer Grenze bis auf einige Dutzend Meter genau ermit⸗ teln können. Ausnahmen von dem mehr erwähnten Verhältnis erklären ſich meiſt leicht durch die Be- ſchaffenheit der Firnfelder in orographiſcher Beziehung. Es find nämlich immer die Gletſcher mit ſteil ge- neigten, ſtark beſchatteten Firnfeldern, bei welchen die Teilungslinie (8: 1) tiefer liegt, als dem Gruppen⸗ mittel entſpricht. Daraus geht hervor, daß ein ſolcher Humboldt. — Mai 1889. Bau eine verhältnismäßige Vergrößerung der Zunge, alſo des Schmelzungsraumes nach ſich zieht. Auch darf man vielleicht den Umſtand in Rechnung ziehen, daß gerade bei ſteilen Gletſchern der Fehler in der Flächenabmeſſung ſtark wirkſam iſt, welcher durch die Horizontalprojektion der Karten hervorgerufen wird. Mißt man die wirkliche Oberfläche anſtatt deren Projektion auf die horizontale Ebene, ſo wird hauptſächlich das geneigte Firnfeld gewinnen, während die meiſt flacher im Thal liegende Zunge nur wenig vergrößert erſcheinen wird, wodurch ſich die Ver— hältniſſe denen anderer Gletſcher ähnlicher geſtalten. Bei Gebirgen, von welchen ganz genaue Aufnahmen in großem Maßſtab vorliegen, wird man durch An— wendung der beſprochenen Methoden zu leidlich be— friedigenden Ergebniſſen gelangen. Man wird be— ſonders das Verhältnis der Schneegrenzhöhen auf Nord⸗ und Südſeiten, das Anſteigen oder Abſinken derſelben in gewiſſen Richtungen deutlich zu erkennen vermögen, wenn auch den einzelnen Zahlenangaben für die klimatiſche Schneegrenze ſtets etwas Unſicheres anhaften wird. Hat man es aber mit Gebirgen zu thun, von welchen gar keine, oder nur unzulängliche Karten vorhanden ſind, ſo wird der Forſcher etwa auf folgende Punkte hauptſächlich zu achten haben (vorausgeſetzt iſt, daß er in einer Jahreszeit beob— achtet, die dem Minimum der Schneebedeckung nahe liegt): Beſtehen die Anſammlungen alten Schnees unter erſichtlicher orographiſcher Begünſtigung? Können ſie von Lawinen herrühren, oder ſind es Schneegruben, in denen der von den Kämmen abgewehte Schnee zuſammengetragen worden iſt? Derlei Anſammlungen müſſen ſtets als unter der klimatiſchen Schneegrenze liegend betrachtet werden. Der Gletſcher am Picacho de Veleta in der ſpaniſchen Sierra Nevada, die Schneegruben am Libanon gehören in dieſe Gattung. Finden ſich hingegen eigentliche Firnhauben auf Gipfeln, 173 oder auf Gipfelterraſſen und ſtärkeren Leiſten, welche nicht dauernd beſchattet ſind, ſo wird man ſchließen können, daß ſie oberhalb der klimatiſchen Schneelinie liegen. Bei großen Thalgletſchern iſt beſonders auf die Austrittsſtellen der Eiszungen aus dem Firnfeld zu achten. Man findet da nicht ſelten ſchneefreie Halden, deren Berückſichtigung vor dem, bei großen Gletſchern nächſtliegenden Fehler ſchützt, die Schnee— grenze zu tief anzuſetzen. Hat man es mit kleinen Gletſchern ohne Zunge und mit nicht allzu hoher Umrahmung, alſo nur geringer orographiſcher Be- günſtigung zu thun, ſo wird man beſonders auf die Höhe der oberen Teile des Firnlagers zu achten haben. Sie wird die klimatiſche Schneegrenze wahr— ſcheinlich in ſich faſſen. Nord- oder Südlage ſind in Rechnung zu ziehen. Ebenſo das Auftreten der ver- ſchiedenen Art Schneebedeckung; blankes graues Eis, Spalten und Abbrüche, zungenartige Abſenkungen der Schneelager deuten auf dauernde Anſammlung. Auch iſt auf ſchuttbedeckten Stellen aus der friſchen ſcherbenartigen Beſchaffenheit der Geſteinsbruchſtücke auf eine den größten Teil des Jahres dauernde Firn- bedeckung zu ſchließen. Solche Stellen unterſcheiden ſich ganz auffallend von jenen, die etwa durch den Rückzug einer Eiszunge frei geworden ſind. Bei dieſen liegt der blanke, zu Rundbuckeln abgeſchliffene Fels⸗ boden zu Tage; in den Vertiefungen ſind Grundmoränen— geſchiebe und reichlicher Schlamm zuſammengeſchoben, Moränenblöcke ſind darübergeſtreut; dort ſieht man ſcharfkantige, wenig verwitterte, ungeſchichtete und unſortierte Trümmer und Geſteinsſcherben. Möchte kein Forſchungsreiſender, der Gebirge fremder Kontinente zu bereiſen beabſichtigt, verſäumen, in unſeren Alpen, die ſeit einem Jahrhundert die Schule für die Erforſchung aller Gebirgserſcheinungen geweſen find, fic) einer oder mehreren Ausbildungs⸗ reiſen zu unterziehen. Ueber phänologiſche Beobachtungen, ihre verwertung und die Art ihrer Anſtellung. Profeffor Dr. Müttrich in Eberswalde. enn es nach dem Vorſtehenden auch noch zweifel— haft ſein mag, in welcher Form am beſten die Abhängigkeit zwiſchen der Vegetationsentwickelung und den Wärmeerſcheinungen ausgedrückt wird, ſo iſt doch das Vorhandenſein dieſer Abhängigkeit jedenfalls un- zweifelhaft und wird durch die phänologiſchen Beob— achtungen ein Material zuſammengebracht, welches bei der Beantwortung einer Reihe verſchiedener Fragen aus dem Gebiet der Pflanzengeographie benutzt werden kann. Bei Betrachtung der Anwendungen, welche die phänologiſchen Beobachtungen erfahren, kann nicht unerwähnt bleiben, daß ſie auch bei allen Verſuchen, welche fic) auf die Acclimatiſation beziehen, von großer Wichtigkeit find. Im allgemeinen wird jede Pflanzen- art innerhalb eines Gebietes vorkommen, welches im Norden und im Süden von Linien begrenzt iſt, zu welchen verſchiedene Wärmeſummen gehören. Innerhalb der dieſen Grenzen entſprechenden Wärmeverhältniſſe, iſt die betreffende Pflanzenart imſtande, ihre jährliche Entwickelung zu durchlaufen, während ſie außerhalb derſelben nicht mehr zur vollſtändigen Entwickelung gelangen oder zu Grunde gehen wird. Dabei treten aber die verſchiedenen Phaſen der Entwickelung nicht 174 Humboldt. — Mai 1889. immer unter denſelben Verhältniſſen auf, denn in den kälteren Klimaten iſt für ſie eine geringere Wärme⸗ ſumme ausreichend, während in den wärmeren Kli⸗ maten eine größere Wärmeſumme dazu erforderlich iſt. Weil dieſe Fähigkeit der Pflanzen, ſich innerhalb gewiſſer Grenzen den verſchiedenen Verhältniſſen an⸗ zupaſſen, von der Pflanze ſelbſt auch auf den Samen übertragen wird, fo wird es bei der Aeclimatiſation der Pflanzen nicht gleichgültig ſein, von wo ſie oder der zur Ausſaat beſtimmte Samen herſtammt. Eine große Anzahl von Beiſpielen läßt ſich für dieſe Be⸗ hauptungen anführen und namentlich wird die Fähig⸗ keit der Pflanzen, fic) den verſchiedenen Verhältniſſen innerhalb der Zone ihres Gedeihens anpaſſen und ihre Natur nach dieſen Verhältniſſen ändern zu können, dadurch ſo recht deutlich gezeigt, daß in nördlicheren Gegenden erzeugte Pflanzen, nach ſüdlicheren verſetzt, anfangs den hier erzeugten voraneilen und erſt nach mehreren Jahren ihre Entwickelung gleichzeitig mit dieſen durchlaufen, ebenſo wie umgekehrt Pflanzen, welche aus ſüdlicheren Gegenden ſtammen und nach nörd⸗ licheren verſetzt werden, hinter den hier einheimiſchen anfangs zurückbleiben und erſt nach längerer Zeit eine gleichzeitige Entwickelung zeigen. Ein gleiches Verhalten tritt ein, wenn eine Pflanze, welche im Gebirge heimiſch iſt, nach dem Tiefland oder umgekehrt eine im Tiefland einheimiſche Pflanze ins Gebirge verſetzt wird. Mehrere hierher gehörige Beobachtungen führt Linßer aus dem Werke von F. C. Schübler: „Die Kulturpflanzen Norwegens“ in ſeinen Unterſuchungen über die periodiſchen Lebenserſcheinungen der Pflanzen an, von denen eine hier wiedergegeben werden ſoll. Im Jahre 1852 wurde gelber Hühnermais, deſſen Samen aus Hohenheim bei Stuttgart ſtammte, am 26. Mai geſäet und nach 120 Tagen geerntet. Nach jährlich fortgeſetzter Kultur, bei welcher er nach jeder Ernte etwas früher zur Reife kam, ſäete Schübler den 1855 gewonnenen Samen abermals, am 25. Mai 1857, und erhielt nach 90 Tagen reifes Korn, während Samen aus Breslau von derſelben Varietät und gleichzeitig ausgeſäet erſt wieder in 122 Tagen reifte. Das in der Zwiſchenzeit von fünf Jahren in Chriſtiania erzeugte Korn hatte alſo Pflanzen hervorgebracht, welche einen ganzen Monat früher zur Reife kamen als diejenigen, welche ſich aus dem urſprünglich ein⸗ geführten Samen entwickelt hatten. Aehnliche Erfahrungen hat man auch im Süden gemacht. So führt Linßer als Beſtätigung der An⸗ ſicht, daß bei der Acclimatiſation der Pflanzen die ſtufenweiſe Gewöhnung die Hauptſache ſei und daß eine Pflanze in einem Klima allmählich leben lernt, in welchem ihre Mutterpflanze gekränkelt hätte und dem die Großmutterpflanze unterlegen wäre, den Pflanzengarten von Teneriffa an. Dieſer wurde im vorigen Jahrhundert hauptſächlich zu dem Zweck ge- gründet, um ſüdlichere Pflanzen hier erſt an ein weniger heißes Klima zu gewöhnen und damit für die Folge die Möglichkeit ihrer Kultur in Südeuropa anzubahnen. Außer der Einwirkung der Wärme darf bei Be- handlung der Fragen über die Aeclimatiſation die der Feuchtigkeit nicht unberückſichtigt bleiben, denn erſt dadurch wird eine ganze Reihe von Erſcheinungen ihre Erklärung finden. In dem Klima von Neapel geſtaltet ſich z. B. der Gegenſatz zwiſchen einer Ge⸗ birgs⸗ und einer Flachlandspflanze anders wie in den Alpen. In Neapel beſchleunigen im Frühjahr die Pflanzen der Ebene den Prozeß ihrer Entwickelung, um der trockenen Hitze des Sommers zu entgehen, während bei den Gebirgspflanzen, in deren Heimat die Sommerwärme zwar geringer, der Niederſchlag aber größer iſt, eine derartige Beſchleunigung nicht ſtattfindet. Infolgedeſſen wird hier gerade umge⸗ kehrt wie in den Alpen eine aus dem Gebirge in die Ebene verſetzte Pflanze hinter den Pflanzen der Ebene zurückbleiben und eine aus der Ebene ins Gebirge verſetzte Pflanze den Gebirgspflanzen voraus⸗ eilen. Ebenſo wird durch den gleichzeitig auftretenden Einfluß von Wärme und Feuchtigkeit z. B. erklärt, daß die Alpenflora Abeſſiniens ihren Cyklus mit der zurückkehrenden Wärme im Frühjahr beginnt; tiefer herab erwartet die Vegetation den Eintritt der Regen⸗ zeit im April, in den Bogosländern im Juni, und im ſüdöſtlichen Nubien, wo die Regenzeit auf den Auguſt fällt, entwickeln die Bäume auch erſt um dieſe Zeit ihre neuen Triebe. Außer dem Umſtande, daß ſich die Pflanzen je nach ihrer urſprünglichen Heimat den klimatiſchen Einflüſſen gegenüber verſchieden verhalten, iſt bei der Acclimatiſation namentlich bei Bäumen auch noch zu berückſichtigen, daß ſie in vorgeſchrittenerem Lebens⸗ alter gegen unzuträgliche Witterungseinflüſſe meiſtens widerſtandsfähiger ſind als in den erſten Lebensjahren. Da nun aber bekannt iſt, daß oft eine längere Reihe von Jahren ſich ebenſo durch hohe Temperaturen und überhaupt durch günſtige Witterungsverhältniſſe aus⸗ zeichnen, wie ſie zuweilen auch durch auffallend niedrige Temperaturen und ungünſtige Witterung charakteriſiert find, jo wird die Aeclimatiſation zuweilen mißglücken, wenn ſie während einer ungünſtigen Periode ſtattfand, ohne daß daraus geſchloſſen werden dürfte, daß ſie überhaupt nicht möglich ſein ſollte. Nachdem in vorſtehendem angegeben iſt, bei welchen Unterſuchungen die phänologiſchen Beobachtungen eine Rolle ſpielen, iſt es noch erforderlich, auf die Art und Weiſe, wie dieſe Beobachtungen anzuſtellen ſind, kurz einzugehen. Auf den erſten Blick ſcheint nichts leichter zu ſein, als das Datum anzugeben, an welchem eine beſtimmte Entwickelungsſtufe ihren An⸗ fang nimmt, und erſt demjenigen werden die Schwierig⸗ keiten derartiger Beobachtungen klar werden, welcher ſie ſelbſt auszuführen unternimmt. Um dieſe Schwierig⸗ keiten zu überwinden, ſind Inſtruktionen entworfen, welche zunächſt Anleitung geben ſollen zu einer zweck⸗ mäßigen Ausführung der Beobachtungen, außerdem aber auch dafür ſorgen ſollen, daß die Beobachtungen nach einem einheitlichen Plane an beſtimmten und auf allen Stationen gleichen Pflanzen angeſtellt werden. Als Kennzeichen einer guten und praktiſchen Inſtruktion gibt Ihne in ſeiner Geſchichte der pflanzenphäno⸗ Humboldt. — Mai 1889. 175 logiſchen Beobachtungen in Europa an, daß die Be— obachtungspflanzen nicht zu zahlreich ſein dürfen, daß die anzugebenden Phaſen ihrer Entwickelung unſchwer zu erkennen und bis auf den Tag genau zu beſtimmen ſein müſſen, daß die gewählten Species allgemein verbreitet, leicht und unzweifelhaft identifizierbar, die anzuſtellenden Beobachtungen kalendariſch geordnet ſein und die ganze Vegetationsperiode umfaſſen müſſen. Die älteſte Inſtruktion ijt die von Linne, welcher verlangte, daß die Zeit der Keimung, der Blattent- faltung, der Blüte, der Fruchtreife und der Cnt- laubung angegeben werde. Später ließ Quetelet eine Inſtruktion folgen, in welcher er das erſte Stadium, die Zeit der Keimung, fortließ, die andern dagegen beibehielt und ihre Beobachtung für 170 Spe- cies verlangte, von denen 20 ganz beſonders em— pfohlen wurden. Der Wunſch Quetelets, eine internationale In— ſtruktion zur Anſtellung phänologiſcher Beobachtungen einzuführen, iſt bis jetzt unerfüllt geblieben. Nach⸗ dem er und Fritſch auf dem internationalen ſtatiſtiſchen Kongreß zu Wien 1857 mit der Ausarbeitung einer derartigen Inſtruktion betraut waren, wurde zwar dem nächſten Kongreß zu London 1860 dieſe In— ſtruktion vorgelegt und auch angenommen, aber bei Anſtellung von phänologiſchen Beobachtungen im all— gemeinen doch nicht berückſichtigt. Später wurde noch einmal der Verſuch gemacht, eine internationale Inſtruktion aufzuſtellen, indem auf dev internatio- nalen Konferenz für land- und forſtwirtſchaftliche Meteorologie im Herbſt 1880 in Wien der Entwurf einer derartigen Inſtruktion für angemeſſen erklärt und ſeine Ausarbeitung einem Komitee von 3 Mit— gliedern übertragen wurde. Nachdem aber ſeit dieſer Zeit über die Inſtruktion nichts weiter zu hören ge— weſen iſt, kann kaum angenommen werden, daß ſie überhaupt noch zuſtande kommen wird. Die Inſtruktion Quetelets beſitzt einen Nachteil, der darin beſteht, daß nicht beſonders ausgeſprochen iſt, welche Phaſen der Entwickelung bei den einzelnen Species beobachtet werden ſollen, und daß es daher den Anſchein hat, als ob bei allen Species auch alle Phaſen beobachtet werden ſollen. Dadurch würden aber die Beobachtungen ſowohl wegen der großen Zahl der verlangten Aufzeichnungen unnütz erſchwert werden, als auch zum Teil zu Ungenauigkeiten Ver⸗ anlaſſung geben, indem dabei manche Beobachtung verlangt wird, die überhaupt nur ſchwer und nicht mit der erforderlichen Präciſion ausgeführt werden kann. Trotzdem hat die Inſtruktion von Quetelet allen folgenden Inſtruktionen zur Grundlage gedient, und wenn auch im Laufe der Zeit verſchiedene Aende— rungen in der Auswahl und der Anzahl der zu beobachtenden Pflanzen eingetreten ſind, ſo ſind doch die von ihm verlangten Entwickelungsphaſen der Hauptſache nach bis auf den heutigen Tag beibehalten worden und iſt nur der Unterſchied eingetreten, daß nicht bei jeder Species die Beobachtung aller Ent- wickelungsphaſen verlangt wird. Die einzige Aende— rung, welche in der Wahl der zu beobachtenden Ent— wickelungsphaſen eingeführt iſt, beſteht darin, daß Profeſſor Hoffmann ſtatt der Beobachtung der allge— meinen Entlaubung die der allgemeinen Laubverfärbung empfohlen hat, da ſich für dieſe die Zeit ihres Ein— tretens mit größerer Sicherheit angeben läßt als für die Entlaubung, die zum Teil von Wind- und Froſt⸗ verhältniſſen abhängig iſt. Als erſte Inſtruktion, welche auf der von Quetelet fußend veröffentlicht wurde, iſt die Inſtruktion für Vegetationsbeobachtungen von Fritſch vom Jahre 1853 zu nennen. Nachdem ſie mehrfach vereinfacht war, wurde fie in der im Jahre 1859 veröffentlichten Form den Beobachtungen in Oeſterreich zu Grunde gelegt. Ebenſo wurden für die meiſten Länder ſpezielle Inſtruktionen entworfen, welche faſt alle der Queteletſchen nachgebildet waren und ſich meiſtens nur durch die Auswahl der zu beobachtenden Pflanzen von ihr unterſchieden. In Deutſchland iſt auf den von Profeſſor Hoffmann ins Leben gerufenen Stationen von 1857 an eine Inſtruktion eingeführt, welche im weſentlichen auf der 32. Verſammlung deutſcher Natur⸗ forſcher und Aerzte zu Wien 1856 von Cohn, Fritſch und Hoffmann entworfen war und die Beobachtung der vier Stadien: Erſtes Sichtbarwerden der Blatt⸗ oberfläche (B. O. ſ.), erſte Blüte (e. B.), erſte Fruchtreife (e. F.) und allgemeine Laubverfärbung (a. L. V.) an 31 beſtimmten Species verlangt. Der Aufruf von Profeſſor Hoffmann und Dr. Ihne fordert zur Beobachtung von 52 Erſcheinungen an 32 Species auf, und zwar ſoll beinahe bei allen die erſte Blüte, bei mehreren jedoch alle oder einige der vier angegebenen Entwickelungsſtufen beobachtet werden. Zur beſſeren Ueberſicht der Beobachter ſind die zu beobachtenden Phaſen mit dem Datum ver- ſehen, welches ſich für ihr Eintreffen als Mittel für Gießen aus mehrjährigen Beobachtungen ergeben hat, und ſind dann nach dieſem Datum geordnet. Für Gießen umfaſſen dabei die Beobachtungen den Zeit— raum vom 10. Februar bis zum 20. Oktober. Bei der unter Mitwirkung der Herren Profeſſor Dr. Hoff— mann und Dr. Ihne im Herbſt 1884 von dem Verein deutſcher forſtlicher Verſuchsanſtalten entworfenen Inſtruktion ſind von den in dem eben erwähnten Aufruf aufgeſtellten 32 Species nur 22 beibehalten, während die anderen 10 durch 13 Bäume, 2 Ge— treidearten und die Stachelbeere erſetzt ſind, ſo daß die Beobachtungen für 38 Species verlangt werden. Dieſelben beziehen ſich auf die oben angegebenen vier Entwickelungsphaſen B. O. ſ.; e. B.; e. F. und a. L. V., denen noch bei einzelnen Bäumen die all- gemeine Belaubung, bei ganzen Beſtänden (Buchen und Eichenbeſtänden) die Zeit, wann der Wald grün ge— worden, bei den beiden Eichenarten das Beginnen des Schälens und bei den Getreidearten der Beginn der Ernte hinzugefügt iſt. Außer daß dieſe Species in der Inſtruktion in alphabetiſcher Ordnung nebſt den bei jeder von ihnen zu beobachtenden Entwickelungsphaſen angegeben ſind, ſind die letzteren auch noch in dem zum Aufſchreiben der Beobachtungen beſtimmten Schema nach der Zeitfolge ihres Eintreffens in Gießen, 176 Humboldt. — Mai 1889. fo weit ſie dort der Beobachtung unterworfen wurden, aufgeführt, damit der Beobachter gleich durch die Reihenfolge der zu beobachtenden Erſcheinungen darauf aufmerkſam gemacht wird, auf welche er zunächſt ſeine Aufmerkſamkeit zu richten habe. Die Schwierigkeiten, welche bei den Beobachtungen ſelbſt auftreten können, beſtehen vorzugsweiſe darin, daß manche Erſcheinung, 3. B. die erſte Blattent⸗ faltung bei einzelnen Pflanzen, nicht in einem be⸗ ſtimmten Zeitmoment eintritt und daher der Be⸗ obachter im Zweifel ſein kann, ob dieſelbe bereits eingetreten oder noch zu erwarten iſt. Es würde deshalb für das perſönliche Urteil der Beobachter unter Umſtänden ein gewiſſer Spielraum bleiben, durch welchen eine Ungenauigkeit in den Beobachtungen hervorgerufen werden könnte. Aus dieſem Grunde eignen ſich nicht alle Pflanzen gleichmäßig gut zur Anſtellung von phänologiſchen Beobachtungen und bei denen, welche dazu brauchbar ſind, werden auch wieder nicht alle Stadien mit derſelben Sicherheit angegeben werden können. Die wichtigſten Beob⸗ achtungen ſind die Zeit der erſten Blüte und der erſten Fruchtreife und bei zweckmäßiger Auswahl der Pflanzen, für welche bei Aufſtellung der neueren Inſtruktionen die Erfahrung von bereits jahrelang fortgeſetzten Beobachtungen verwertet werden konnte, wird es nicht ſchwer halten, dieſe mit hinreichender Genauigkeit anzugeben. Es bleibt dabei freilich zu unterſcheiden, ob zur Vergleichung verſchiedener Be⸗ obachtungsſtationen derjenige Tag beſtimmt werden ſoll, an welchem z. B. im allgemeinen das Aufblühen an den einzelnen Orten beginnt, oder ob durch die Beobachtung der erſten Blüte der Witterungscharakter eines beſtimmten Jahres auf einer einzelnen Station ermittelt werden ſoll. Im erſten Fall kommt es weſentlich darauf an, daß die Beobachtung nicht an einem Exemplar gemacht wird, welches eine ganz beſonders frühe oder ſpäte Entwickelung beſitzt, und wird man daher gut thun, nicht bei der erſten Blüte ſtehen zu bleiben, ſondern auch noch eine zweite oder dritte womöglich an verſchiedenen Standorten abzu⸗ warten. Im zweiten Fall, wo aus der Aufblühzeit auf den Witterungscharakter eines beſtimmten Jahres geſchloſſen werden ſoll, werden die Reſultate genauer werden, wenn ſie jahraus jahrein an ein und dem⸗ ſelben Individuum gemacht ſind. Um die Beobachter auf die hauptſächlichſten Geſichtspunkte aufmerkſam zu machen, welche bei den Beobachtungen zu berück⸗ ſichtigen ſind, ſind in der von dem Verein deutſcher forſtlicher Verſuchsanſtalten entworfenen Inſtruktion noch einige allgemeine Regeln über die Beſtimmung der verſchiedenen Entwickelungsphaſen, ſowie über die Auswahl der Beobachtungsbezirke und Pflanzen an⸗ gegeben. Erwähnt muß noch werden, daß ebenſo wie die phänologiſchen Beobachtungen in Bezug auf die Ent⸗ wickelung der Vegetation angeſtellt werden, ſie meiſtens auch gleichzeitig auf die Erſcheinungen im Tierleben ausgedehnt werden. Als ſolche ſind in allen Inſtruktionen die Zeit des erſten Erſcheinens beziehungsweiſe des letzten Geſehenwerdens einer An— zahl bekannter Zug- und Strichvögel, ſowie die Zeit des erſten Geſanges beziehungsweiſe Rufens allgemein verbreiteter Vogelarten wie der Lerche, Wachtel, des Kuckucks ꝛc. aufgeführt. Dieſen Beobachtungen iſt in der von dem Verein deutſcher forſtlicher Verſuchs⸗ anſtalten entworfenen Inſtruktion noch die Beobachtung der Zeit hinzugefügt, in welcher eine Reihe von wichtigen, forſtſchädlichen Käfern zu ſchwärmen an⸗ fängt, ſowie die Beobachtung über das zeitweiſe Vorkommen der ſchädlichſten Schmetterlinge und deren Auftreten als Raupe, Puppe und Falter. Eine beſondere Angabe über die Art der Aus⸗ führung dieſer Beobachtungen aus dem Tierleben iſt nicht erforderlich, indem es nur nötig iſt, mit Aufmerkſamkeit das Eintreffen der zu beobachtenden Erſcheinungen zu verfolgen, und wenn ein einzelner allein nicht in der Lage iſt, mit Sicherheit das Ein⸗ treffen der Zugvögel feſtſtellen zu können, noch andere Beobachter dabei zu Hilfe zu nehmen. Die phänologiſchen Beobachtungen und zwar ebenſowohl die, welche ſich auf die Entwickelung der Vegetation, als auch die, welche ſich auf die Cr- ſcheinungen aus dem Tierleben beziehen, ſind nicht nur in Bezug auf die Löſung wiſſenſchaftlicher Fragen von Wert, ſondern find auch dazu geeignet, dem ge- bildeten Publikum eine angenehme Beſchäftigung zu gewähren und den Sinn für die Erſcheinungen in der Natur zu wecken und zu fördern. Infolgedeſſen dürfte vielleicht mancher durch die Lektüre vorſtehender Arbeit dazu angeregt werden, derartige Beobachtungen ſelbſt anzuſtellen, was um ſo dankbarer aufzunehmen wäre, als jede Gegend ihren beſonderen Witterungscharakter beſitzt, der auch in enge begrenzten Territorien bei den phänologiſchen Erſcheinungen zur Geltung kommt und es daher nicht als eine überflüſſige Arbeit ange⸗ ſehen werden kann, wenn auch an nahe gelegenen Orten derartige Aufzeichnungen ausgeführt werden. Dadurch würde es unter Umſtänden ſogar möglich fein, die Beobachtungen von dem Einfluſſe des per⸗ ſönlichen Urteils über die Zeit, in welcher das Ein⸗ treten einer Entwickelungsphaſe angenommen werden muß, zu befreien und auf dieſe Weiſe zuverläſſiger zu machen, als wenn ſie nur von einem Beobachter an einem Orte ausgeführt werden. Um für die Beobachtung in Privatkreiſen den nötigen Anhalt für die zu beobachtenden Pflanzen und deren Entwickelung, ſowie für die Beobachtung der Erſcheinungen aus dem Tierleben zu geben, ſoll noch zum Schluß das darauf Bezügliche aus der von dem Verein der deutſchen forſtlichen Verſuchsanſtalten aufgeſtellten Inſtruktion mitgeteilt werden. Nach derſelben iſt zu notieren: A. An Pflanzen. An Bäumen und Sträuchern iſt das Datum des Eintrittes folgender Entwickelungsphaſen zu notieren: a) Die erſte Blattentfaltung im Frühjahr: B. O. ſ.; b) die allgemeine Belaubung der Holzbeſtände bezw. vieler Exem⸗ plare: a. Bel.; c) a 11 5 voülftändig entwickelten Blüten, Beginn der Blüte eit: B.; d) die völlige Reife der erſten Früchte: e. 8 ; e) die allgemeine Laubverfärbung: a. Humboldt. — Mai 1889. 177 Regeln zur Beſtimmung obiger Entwickelungs— phaſen. ad a) Die Aufzeichnung über den Beginn der Belaubung hat dann zu geſchehen, wenn an mehreren Individuen einer Art die erſten Blatt⸗ oberflächen ſich ſo weit entwickelt haben, daß die grünen, oberen Blatt⸗ ſeiten frei dem Himmel zugekehrt find, bei den Nadelhölzern dann, wenn die erſten Nadeln ſich trennen. — Weil jedoch die am Stamm ſich an⸗ ſetzenden Knoſpen in Folge reflektierte Licht⸗ und Wärmeſtrahlen früher zur Entwicklung kommen, als jene an Zweigen, ſo iſt die erſte Blatt entfaltung erſt dann zu notieren, wenn dieſe Erſcheinung an freien, der Luft ausgeſetzten Zweigen vorkommt, die in hinreichender Entfernung vom Stamm ſich befinden. ad b] Die Zeit der allgemeinen Belaubung ſoll notiert werden, wenn über die Hälfte der Blätter der betreffenden Holzart entfaltet iſt. ad e) Der Beginn der Blütezeit wird dann eingetragen, wenn ſich die erſten Blüten an einzelnen Exemplaren vollſtändig entfaltet haben, event. die Antheren (Staubbeutel) ſich öffnen, das Pollen austritt, in manchen Fällen beim Schütteln ſtäubt. ad d) Bezüglich der erſten Fruchtreife iſt zu beachten, daß die (ſchein⸗ bare) Reife nicht die Folge einer verkümmerten Entwickelung, Krankheit der Pflanze oder Inſektenſtichs oder das etwaige Abfallen die Folge von Trocknis, Stürmen, Hagelſchlag, Fröſten rc. fei. Es iſt zu notieren bei den ſaftigen Früchten? vollkommene und definitive Verfärbung einzelner normaler Früchte; bei den Kapſelfrüchten: ſpontanes Aufplatzen der Kapſeln. Ferner iſt noch bei den Waldbäumen anzugeben, ob der Samenertrag groß, e oder gering war, ob alle Bäume Samen trugen oder nur einzelne. ad e) Die allgemeine Laubverfärbung wird notiert, wenn über die Hälfte der Blätter der Mehrzahl der Exemplare der betreffenden Pflanzen⸗ art eine von der normalen grünen abweichende Farbe angenommen hat. Da ſich nicht alle Bäume und Sträucher gleichmäßig dazu eignen, um an ihnen mit Genauigkeit ſämtliche 5 erwähnten Entwickelungsphaſen zu beobachten, ſo iſt in dem unten folgenden Verzeichnis der zu beobachtenden Pflanzen bei jeder derſelben bemerkt, welche Entwickelungsphaſen derſelben notiert werden ſollen. 2. Bei landwirtſchaftlichen Kulturpflanzen iſt zu notieren: a) Das Erſcheinen der erſten Blüten, p) der Beginn der Ernte. Die Blüte wird bei den Getreidearten durch das Hervortreten der Staubgefäße aus den Blütenſpelzen angedeutet. Alphabetiſche Zuſammenſtellung der Pflanzen, welche ſich gu phänologiſchen Beobachtungen eignen, nebſt Angabe der bei den einzelnen Arten zu notierenden Entwickelungs⸗ phaſen. Abies excelsa, Fichte Abies pectinata, Weißtanne B. .= Acer platanoides, Spitzahorn 1 5 Acer Pseudoplatanus, Bergahorn e. B. Aesculus Hippocastan., Roßkaſtanie B. O. ſ. — a. Bel. —e. B. — e. F. — a. L. V. Alnus glutinosa, Schwarzerle e. B. (Austreten d. Pollens). Avena sativa, gem. Hafer e. B. — Anfang der Ernte. Betula pubescens Hhrh., Ruchbirke, B. O. ſ. —e. B. (Austreten Schwarzbirke des Pollens) — a. L. V. Betula alba L. Koch Syn. (B. verrucosa B. O. ſ. — e. B. (Austreten Ehrh.), gem. Birke, Warzenbirke, Rauhbirke des Pollens) — a. L. V. Carpinus Betulus, Hainbuche B. O. f. —e. B. (Verfärben der Antheren). Corylus Avellana, Haſelnuß e. B. (Stäuben d. Anth.). Crataegus oxyacantha, Weißdorn e. B. Cytisus Laburnum, Goldregen . B Fagus sylvatica, Rotbuche B. O. ſ. — a. Bel. — a. L. V. Fraxinus excelsior, gem. Eſche e. B. Larix europaea, Lärche B. O. ſ.— e. B. (gelbe Blüten ſtäuben) — a. L. V. Ligustrum vulgare, gem. Liguſter e. B. — e. F. Pinus sylvestris, gem. Kiefer B. O. ſ.—e. B. (Pollen ſtäubt). Prunus avium, ſüße Kirſche e. B. 5 Padus, Traubenkirſche e. B. — e. F. — spinosa, Schlehdorn e. B. Pyrus communis, gem. Birne e. B. Pyrus Malus, gem. Apfel E. B. 2 Quercus pedunculata, Stieleiche B. O. ſ.— Beg. d. Schälens d. Wald grün —e. B. —a. L. V. Quercus sessiliflora, Traubeneiche B. O. ſ.— Beg. d. Schälens — d. Wald grün —e. B. — a. L. V. Ribes Grossularia, Stachelbeere be „ rubrum, Johannisbeere e. B. — e. F. (Einzelfrucht rot oder gelb). Robinia Pseudoacacia, weiße Akazie e. B. Rubus idaeus, Himbeere e. B. — e. F. Sambucus nigra, gem. Holunder e. B. — e. F. (Einzelfrucht ganz ſchwarz). Sarothamnus vulgaris (Spartium sco- parium), Beſenpfrieme 2 Secale cereale hibernum, Winterroggen e. B. — Anfang der Ernte. Sorbus aucuparia, Vogelbeere e. B. — e. F. (Einzelfrucht ganz rot, auf d. Querſchnitt 8 gelbrot, Samenſchalen braun) — a. L. V. Syringa vulgaris, ſpaniſcher Flieder e. B. Tilia grandifolia, Sommerlinde B. O. ſ. — e. B. „ parvifolia, Winterlinde B 45 . Triticum vulgare hibernum, Winterweizen e. B. — Anfang der Ernte. Vitis vinifera, gem. Weinſtock (nicht Spalier⸗ pflanze) B. O. ſ. — e. B. Humboldt 1889. Auswahl der Beobachtungsbezirke und Pflanzen. 1. Was die Auswahl der für die Reſultate der Beobachtung fo über⸗ aus wichtigen Standorte und Expoſitionen betrifft, welche zu den größten Fehlern Veranlaſſung geben kann, ſo hat ſich der Beobachter den eigentlichen Sinn der zu löſenden Aufgabe klar zu machen. Es handelt ſich nämlich nicht um Aufzeichnung exceptionell früher oder ſpäter Phänomene, ſondern um die Ermittlung der durchſchnittlichen Verhältniſſe einer Station. Es hat daher der Beobachter, namentlich auch mit Rückſicht auf die Vergleichbarkeit mit anderen Orten, ſolche Wuchsorte zu bevorzugen, welche nach ſeinen Erfahrungen den durch ſchnittlichen Charakter der ge⸗ ſamten Umgebung am beſten repräſentieren. Insbeſondere find alle ab- normen Standorte (exponierte Freilagen, verſchloſſene Tief- und Froſtlagen, ſteile Hänge, flachgründige Rücken, ebenſo rings von Häuſern und Mauern umſchloſſene Gärten und Gehöfte, Spaliere ꝛc.) zu vermeiden, andererſeits bei den beſtandsbildenden Holzarten aber die Beobachtungspflanzen thunlichſt ad dem Beſtandsinnern, nicht vom Rande oder aus der Freiſtellung zu nehmen. 2. Bei den Holzarten wähle man hinreichend ausgewachſene Individuen, die ſich in einem mannbaren Alter befinden. Sie dürfen ſich nicht durch eine beſonders zeitige oder ſpäte Entwickelung auszeichnen. 3. Für jede Station (nicht aber für den Standort der einzelnen Pflanzen) iſt einleitungsweiſe eine generelle Charakteriſtik vorauszuſchicken, welche enthält: a) Lage und zwar Meereshöhe, Expoſition, wenn eine ſolche vor⸗ herrſchend iſt, Schutz gegen verſchiedene Himmelsrichtungen durch vorliegende Berge, Hauptſtreichungsrichtung der Thäler; b) Boden und zwar die phyſikaliſchen Verhältniſſe im allgemeinen, namentlich in Begug auf Bodenfeuchtigkeit und Bodenwärme, ferner die Gebirgs- und Bodenart. B. An Tieren. Die zur Beobachtung ausgewählten Erſcheinungen des Tierlebens ſind: a) Zeit des erſten Erſcheinens bezw. des letzten Geſehenwerdens einer Anzahl bekannter Zug⸗ und Strichvögel. b) Zeit des erſten Geſangs bezw. Rufens der Lerche, Wachtel, uckucks, Turteltaube 2c. e) Beginn der Schwärmzeit einer Reihe der wichtigſten forſtſchäd⸗ lichen Käfer. d) Das zeitweiſe Vorkommen der ſchädlichſten Schmetterlinge und deren Auftreten als Raupe, Puppe und Falter. Um den Beobachter auch darauf hinzuweiſen, in welcher Reihenfolge er auf die einzelnen Erſcheinungen ſeine Aufmerkſamkeit zu richten habe, folgt noch eine Angabe über die Zeit, zu welcher die zu beobachtenden Erſcheinungen im Durchſchnitt vieler Jahre nach den Beobachtungen von Prof. Dr. H. Hoffmann in Gießen eintreten. Liegen in einzelnen Fällen für Gießen keine Beobachtungen vor, ſo iſt das Datum aus⸗ gelaſſen. A. Yflanzen. 588 ae Zu notierende iin N Namen der Pflanze Entwickelungs⸗ m Mittel a für Gießen“) phaſen Februar 10 Corylus avellana, Haſelnuß e. B.“) (mas. ſtäubt) März 15 Alnus glutinosa, Schwarzerle e. B. (mas.) April 3 Larix europaea, Lärche e. B. 1 8 Larix europaea, Lärche B. O. . 5 10 Aesculus hippocastanum, Roßtaſtanie B. O. ſ. it 11 Ribes grossularia, Stadjelbeere e. B. bi 12 Acer platanoides, Spitzahorn e. B. A. 13 Ribes rubrum, Johannisbeere e. B 4 16 Tilia grandifolia, Sommerlinde B. v. . i? 17 Carpinus betulus, Hainbuche B. O. ſ. — e. B. (mas.) 1 17 Aesculus Hippocastanum, Roßkaſtanie ‘a. Bel. 15 17 Betula pubescens, Ruchbirke 75 7 Betula pubescens, Ruchbirte 1 17 Betula alba, gem. Birte Fe 18 Prunus avium, ſüße Kirſche 65 19 Betula alba, gem. Birke a 19 Prunus spinosa, Schlehdorn 15 2¹ Fraxinus excelsior, gem. Eſche 55 28 Prunus padus, Traubenkirſche Fr 23 Pyrus communis, gem. Birne 1 25 Fagus sylvatica, Rotbuche 1 28 Pyrus malus, gem. Apfel Vitis vinifera, gem. Weinſtock Acer pseudoplatanus, Bergahorn 5 pedunculata, Stieleiche uercus sessiliflora, Traubeneiche Syringa vulgaris, ſpan. Flieder Abies excelsa, Fichte B. 5 Fagus sylvatica, Rotbuche Buchwald grün uercus pedunculata, Stieleiche Beginn des Schälens uercus sessiliflora, Traubeneiche Beginn des Schälens Aesculus Hippocastanum, Roftajtanie e. B. B. O. ſ. e. B. Antheren platzen e. B. (Antheren platzen) e i. r E ae 5 DDD aed 0 ee — 7 ) Eine vergleichend phänologiſche Karte über Mitteleuropa iſt von Prof. H. Hoffmann im Januarheft 1881 von Petermanns geographiſchen Mitteilungen publiziert. Gotha, Perthes. M. 1. 50. **) e. B. = erfte Blüte, B. O. ſ. Blattoberfläche ſichtbar, a. Bel. = allgemeine Belaubung, e. F. = Fruchtreife, a. L. V. = allgemeine Laubverfärbung. 23 Humboldt. — Mai 1889. Zeitfolge Zu notierende pe 55 0 Namen der Pflanze Entwickelungs⸗ für Gießen phaſen Mai 9 Crataegus oxyacantha, Weißdorn e. B. ” 9 Abies Pectine ata, Weißtanne B. O. ſ. ” 11 uercus pedunculata, Stieleiche e. B. (mas. ) ” = uercus sessiliflora, Traubeneiche e. B. (mas.) „ = Pinus sylvestris, gem. Kiefer B. O. f. „ 12 Spartium scoparium, Beſenpfrieme e. B. ” 14 Cytisus laburnum, Goldregen e. B. „ 14 uercus pedunculata, Stieleiche Eichwald grün 14 uercus sessiliflora, Traubeneiche Eichwald grün „ 15 Pinus sylvestris, gem. Kiefer e. B. (mas. ſtäubt) ” 16 Sorbus aucuparia, Bogelbeere e. „ 28 Sambucus nigra, gem. Holunder 8 1 28 Secale cereale hib., Winterroggen Robinia pseudoacacia, weiße Akazie Rubus idaeus, Himbeere Vitis vinifera, gem. Weinſtock Triticum vulgare hibern., Winterweizen Ribes rubrum, Johannisbeere „ 2¹ Ligustrum vulgare, gem. Liguſter 22 Tilia grandifolia, Sommerlinde 26 Tilia parvifolia, Winterlinde 29 Avena sativa, gem. Hafer 4 4 19 e ska kee, Juli Prunus adus, Traubenkirſche " Rubus idaeus, Himbeere e. F. 1 Secale cereale hibern., Winterroggen Anfang der Ernte „ 30 Sorbus aucuparia, Vogelbeere e. F. (Einzelfrucht ganz rot, auf dem Quer⸗ ſchnitt gelbrot, Samenſchale braun) Auguſt + Triticum vulgare hibern., Winterweizen Anfang der Ernte ” 11 Sambucus nigra, gem. Holund er e. F. (Einzelfrucht ganz ſchwarz) " Avena sativa, gem. Hafer We der Ernte Septbr. 9 Ligustrum vulgare, gem. Liguſter „ 12 Sorbus aucuparia, Vogelbeere a. 85 V. " 16 Aesculus hippocastanum, Roßkaſtanie 8 F. (platzt) „ 19 Quercus pedunculata, Stieleiche e. F. (fällt) Zeitfolge Zu notierende pe wafer Namen der Pflanze Entwickelungs⸗ für Gießen phaſen Septbr. — Quercus sessiliflora, Traubeneiche e. F. 0 Oktober 10 Aesculus hippocastanum, Roßtaſtanie a. L. 2 fr 11 Larix europaea, Lärche a. L. 5. i 12 Betula pubescens, Ruchbirke a. L. V. if 13 Betula alba, gem. Birte a. L. V. 15 15 Fagus sy lvatica, Rotbuche a. L. V. 1 20 Ge deus pedunculata, Stieleiche a. L. V. 1 20 Quercus sessiliflora, Traubeneiche a. L. V. B. Bogel. Datum Namen der Vögel Zu beobachten Februar — Fringilla coelebs, Buchfint Erſter Geſang i 18 Alauda arvensis, Feldlerche Erſter Geſang „ = Sturnus vulgaris, Star Ankunft März — Milvus regalis, rote Gabelweihe, Ankunft in = Scolopax rusticola, Waldſchnepfe Eintreffen u. Wegzug ip 1 Motacilla alba, ave Bachſtelze Ankunft „ 8 Ciconia alba, € Ankunft " 24 Ruticilla tithys, Hausrotſchwanz Ankunft 15 — Turdus merula, Schwarzamſel Erſter Geſang April 16 Hirundo rustica, nee 1 05 21 Cuculus canorus, Stuctu Erſter Ruf rt 26 Sylvia luscinia, Nachtigall Erſter Geſang 1. 27 Cypselus apus, Mauerſchwalbe Ankunft Mai 10 Oriolus galbula, Piro Erſter Ruf 10 = Columba turtur, Turteltaube Erſter Ruf Auguſt 1 Cypselus apus, Mauerſchwalbe Wegzug " 13 Ciconia alba, Storch Wegzug 15 = Sturnus vulgaris, Star Wegzug Septbr. 26 Hirundo rustica, Rauchſchwalbe Wegzug 15 = Milvus regalis, rote Gabelweihe Wegzug Die veränderlichkeit der Beſtäubungseinrichtung bei pflanzen derſelben Art. Von Dr. E. Loew in Berlin. eitdem Darwin im Jahre 1877 die erſte zuſammen⸗ faſſende Darſtellungk) über das Vorkommen ver⸗ ſchiedener Blütenformen an Pflanzen der nämlichen Art verſucht hat, ſind von zahlreichen Forſchern neue Beobachtungen über die Beſtäubungseinrichtungen der Pflanzen gemacht worden, welche teils den von Darwin aufgeſtellten Geſichtspunkten eine breitere, auf größere Pflanzenreihen ſich erſtreckende Unterlage gaben, teils aber über den Rahmen des genannten Werkes hinaus⸗ griffen und allmählich eine bei weitem größere Viel⸗ geſtaltigkeit der Beſtäubungseinrichtung zu Tage treten ließen, als Darwin ſelbſt geahnt hatte. Gerade dieſe letzteren für die Erkenntnis des urſächlichen Zuſammen⸗ hangs zwiſchen Beſtäubungsart und Blüteneinrichtung höchſt wichtigen Variationen ſind es, welche der folgende Aufſatz an der Hand einiger neuerer Specialarbeiten zur Beſprechung und damit zur Kenntnis weiterer Kreiſe bringen will. Da es ſich für dieſen Zweck vorwiegend um allgemeine Geſichtspunkte und zu⸗ ſammenfaſſende Schlußfolgerungen handelt, ſo habe ich auch in dem nicht ſeltenen Falle, daß die Beob⸗ achter bei Mitteilung ihrer Unterſuchungsergebniſſe zu allgemeineren Schlüſſen nicht gelangt ſind, trotzdem ſolche aus dem vorhandenen Beobachtungsmaterial auf Grund meiner eigenen Anſchauungen gezogen. Zur *) Different Forms of Flowers on Plants of the same Species. London 1877. Vermeidung von Mißverſtändniſſen mag dies aus⸗ drücklich bemerkt ſein und damit zugleich die Unſicher⸗ heit angedeutet werden, mit welcher wir auf einem ſo neuen Beobachtungsfelde durch die Natur des zum Teil ſehr ſchwer beſchaffbaren Unterſuchungsmaterials vorzugehen gezwungen ſind. Bereits durch Linné, Sprengel, Darwin, Delpino, Hildebrand, H. Müller und andere Forſcher ſind zahl⸗ reiche Fälle bekannt geworden, in welchen ein und dieſelbe Pflanzenart entweder auf demſelben Stocke verſchieden ausgebildete Blüten trägt oder ſich in mehrere Gruppen von Individuen ſpaltet, die ſich in ihrer Blüteneinrichtung unterſcheiden. Man pflegt in erſterem Fall von pleomorpher Blütenbildung, in letzterem von Bildung pleomorpher Blüten⸗ raſſen zu reden. Zu erſterem Fall gehört das Vor⸗ kommen von offenen Zwitterblüten neben ſtets ge⸗ ſchloſſenen, auf ausſchließliche Selbſtbeſtäubung an⸗ gewieſenen (Chasmo⸗Kleiſtogamie); ebenſo gehören alle Fälle der ſogenannten Monöcie hierher, bei welcher die Blüten desſelben Stockes dem Geſchlecht nach von doppelter Art ſind; die Blüten können je nach Umſtänden zwittrig und männlich (Andromonöcie) oder zwittrig und weiblich (Gynomonöcie) oder zwittrig und geſchlechtslos oder männlich und weiblich oder endlich gleichzeitig männlich, weiblich und zwittrig (Trimonöcie) ſein. Bei Ausbildung pleomorpher Blütenraſſen können die verſchiedenen Individuen ſich Humboldt. — Mai 1889. 179 zunächſt durch die Befruchtungsweiſe unterſcheiden, indem manche Individuen vorwiegend der Selbſt— befruchtung, andere der Kreuzbefruchtung angepaßt ſind (Auto-Allogamie) oder indem die eine Raſſe ihre Antheren und Narben gleichzeitig zur Reife bringt, d. h. homogam iſt, während die andere eine ungleich— zeitige Entwickelung dieſer Teile ausgeprägt hat (Homo- Dichogamie) oder auch dadurch, daß die eine Individuen— reihe ſich einer beſtimmten Beſtäubergruppe, die zweite einer anderen Art von Beſuchern anpaßt. Ferner können nach der Stellung der Geſchlechtsorgane un— gleiche Blumenraſſen entſtehen, wobei entweder zwei Arten von Individuen, nämlich kurz- und langgrifflige (Heterodiſtylie) oder drei Arten von ſolchen, d. h. lang-, mittel- und kurzgrifflige (Heterotriſtylie) oder gleich- und ungleichgrifflige Formen(Homo-Heteroftylie) gebildet werden. Bisweilen unterſcheiden ſich die ver— ſchiedenen Individuen einer Pflanzenart durch die Reihenfolge in der Entwickelung ihrer Geſchlechtsorgane (Heterodichogamie). Am häufigſten endlich ſind die Fälle, in denen ſich die verſchiedenen Exemplare einer Pflanzenart durch ihr Geſchlecht unterſcheiden (Polyöcie); entweder treten dann männliche Blüten auf einem Stock, zwittrige auf einem anderen (Androdiöcie) oder weibliche Exemplare neben zwittrigen (Gynodiöcie) oder männliche und weibliche Stöcke (eigentliche Diöcie) oder auch zwittrige, männliche und weibliche Indivi— duen zugleich (Triöcie) auf. Schon Darwin macht in dem angeführten Werk die Bemerkung, daß manche dieſer mit beſonderem Namen belegten Gruppen durch Uebergänge mit ein— ander verbunden erſcheinen. Ganz beſonders gilt dies für die Geſchlechterverteilung bei pleomorphen Blüten und Blütenraſſen, ſo daß beiſpielsweiſe eine andromonöciſche Art auch androdiöciſch, eine gynomonöciſche auch gynodiöciſch, eine trimonöciſche auch tridcifd) u. ſ. w. auftreten kann, — ein Fall, den wir der Kürze wegen im folgenden als Pleogamie?) bezeichnen werden. Für alle die genannten Arten der Pleomorphie ſind unter den Arten unſerer einheimiſchen und daher in biologiſcher Beziehung näher unterſuchten Pflanzen⸗ welt mehr oder weniger zahlreiche Beiſpiele bekannt, deren Aufzählung weit über den Rahmen des vor⸗ liegenden Aufſatzes hinausgehen würde. Hier knüpft ſich unſer Intereſſe zunächſt an die Frage, in welchem Zuſammenhange die ſo überraſchende Variabilität der Blüteneinrichtung etwa mit gewiſſen äußeren biologiſchen Faktoren, beiſpielsweiſe mit dem Klima oder mit der Inſektenfauna in den verſchiedenen Gebieten ſtehen möchte, welche von einer beſtimmten Pflanzenart be— wohnt werden. Daß ein derartiger Zuſammenhang exiſtiert, hat vor längerer Zeit bereits H. Müller“) an Primula farinosa gezeigt, welche in Pommern vorzugsweiſe von Hummeln, in den Alpen dagegen *) Dieſer Ausdruck bedeutet wörtlich Mehrehigkeit und deckt ſich nicht mit dem bereits von Linné eingeführten Begriff der Polygamie oder Vielehigkeit. **) Ueber die Beſtäubung der Primula farinosa. Sitzungsber. d. Botan. Ver. d. Prov. Brandenburg. XX. Jahrg. (1878), S. 102107. von Schmetterlingen beſucht und gekreuzt wird und dementſprechend auch zwei durch Enge des Blumen— eingangs verſchiedene Blütenraſſen an den beiden, weit voneinander entfernten Stellen ihres Vor⸗ kommens zur Ausprägung gebracht hat. In größerem Umfange hat die geſtellte Frage zuerſt Warming) beantwortet, indem er bei einem Aufenthalte in Grön⸗ land (1884) und im arktiſchen Norwegen (1885) — alſo in Ländern, welche durch klimatiſche Ungunſt und durch Armut an Inſekten von den Gebieten Mittel⸗ europas ſtark abweichen — vorzugsweiſe nach Blüten— einrichtungen geſucht hat, in welchen ſich die arktiſchen Exemplare einer Species von ihren mitteleuropäiſchen Artgenoſſen unterſcheiden. Unter den von Warming in dieſer Beziehung ſtudierten Pflanzen haben beſonders ſolche Arten für uns ein beſonderes Intereſſe, die auch in Deutſchland wachſen, wie z. B. Bartsia alpina, die in den Alpen und Sudeten, ſowie im ganzen nördlichen Europa und auch in Grönland vorkommt. Während Müller an den alpinen Exemplaren dieſer Pflanze feſtgeſtellt hatte, daß die Griffel derſelben weit aus der Blütenöffnung hervorragen und ihre Narben ſchon empfängnisfähig ſind, ehe die Antheren den Blütenſtaub entlaſſen, ſo daß ſie ganz auf Fremd— beſtäubung (Allogamie) angewieſen ſind, fand War— ming in Finmarken und in Grönland neben Exemplaren, deren Blüten denen der Alpen glichen, auch andere, welche in der Griffellänge ſtark variierten. Bisweilen ragte der Griffel überhaupt nicht aus der Krone hervor, und die Narbe lag auf den Staubbeuteln, Jo daß bei ihnen Selbſtbeſtäubung (Autogamie) un— vermeidlich eintreten mußte. Warming ſelbſt konnte eine regelmäßige Beziehung zwiſchen den beiden Formen und den äußeren Faktoren nicht feſtſtellen, aber Ober⸗ lehrer Nyhuus in Tromſö fand auf dem Dalfjäld in Marknäsdalen, daß die kurzgrifflige Form von Bartsia daſelbſt in größerer Berghöhe (zwiſchen 1500 — 2500 Fuß) allein vorkommt, während an niedriger gelegenen Standorten die langgriffligen Blüten überwiegen. Eine zweite Beobachtung Warmings betrifft den durch einen größeren Teil von Europa verbreiteten und auch in Grönland wachſenden Fieberklee (Menyanthes tri- foliata). Derſelbe iſt von europäiſchen Standorten nur als ungleichgrifflig (heteroſtyl) bekannt, während Warming auf Grund ſeiner Unterſuchungen zu dem Schluſſe kommt, daß dieſe Pflanze in Weſtgrönland zwiſchen 61—69° n. Br. nur in einer homoſtylen Form verbreitet iſt, bei welcher die Narbe mit den Antheren ſich in gleicher Höhe befindet. Auch hier tritt wie bei Bartsia dieſelbe Hinneigung zur Selbſt⸗ beſtäubung bei einer ſonſt allogamen Pflanze auf, und es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß dieſer Wechſel der Blumen- und Beſtäubungseinrichtung mit der Inſektenarmut Grönlands in Beziehung ſteht, da *) Biologiske Optegnelser om gronlandske Planter. Botanisk Tidsskrift, 15. B. 1. H. (1885). — Om Bygningen og den formodede Bestövningsmaade af nogle grönlandske Blomster. K. D. Vidensk. Selsk. Forhandl. (1886). — Om nogle artiske Vaxters Biologi. K. Svenska Vet. Akad. Handlingar. B. 12. Afd. III. N. 2. 180 Humboldt. — Mai 1889. Warming auch bei anderen Pflanzen, wie Azalea procumbens, Saxifraga oppositifolia, Vaccinium Vitis idaea u. a. ähnliche Thatſachen auffand, die ſämtlich auf die gleiche Beziehung, d. h. auf eine größere Hinneigung der grönländiſchen Pflanzen zur Selbſtbeſtäubung im Vergleich mit ihren europä⸗ iſchen, allogamen Artgenoſſen hinweiſen. Unterſtützt wird dieſe Schlußfolgerung dadurch, daß die Zahl der inſektenblütigen (entomophilen) Pflanzenarten im Vergleich zu den Windblütern (Anemophilen) über⸗ haupt in den hochnordiſchen Ländern mit der An⸗ näherung an den Pol abnimmt. Nach einer Zählung von Aurivillius beträgt der Prozentſatz der Anemo⸗ philen vom Geſamtbeſtande der Flora im ſüdlichen Schweden 25,5, in Finmarken 33, auf Island 38, in Grönland 38,8, auf Nowaja-Semlja 32,4 und auf Spitzbergen 37; ſelbſt für die ſonſt entomophilen Weiden nimmt Warming in Grönland Windbeſtäubung an. Zu bemerken iſt jedoch hierbei, daß für die anemophilen Pflanzen die Beſtäubungsbedingungen im weſentlichen dieſelben ſind, mögen ſie in Grönland oder auf Spitzbergen oder den Hochregionen der Alpen leben. Ein weiterer Grund für die Annahme einer größeren Neigung zur Selbſtbeſtäubung bei den grön⸗ ländiſchen und überhaupt hocharktiſchen Pflanzen liegt in der größeren Zahl autogamer Arten bei Gattungen, welche mit nächſtverwandten, aber allogamen Species auch in Mitteleuropa auftreten. Einen direkten Beweis endlich liefert das von Aurivillius angeführte Vor⸗ kommen von hummelblütigen Pedicularis-Arten (P. hirsuta L. und P. lanata W.) auf Spitzbergen, wo die Hummeln fehlen und trotzdem die genannten Arten reichlich fruftifizieven. Der genannte Forſcher ſchließt daraus, daß dieſe Pflanzen ſich auf Spitzbergen ſeit unendlich langer Zeit ſelbſt beſtäuben mußten. Aus den genannten Beiſpielen iſt erſichtlich, daß die von Warming in Angriff genommene Frage zwar ein großes Intereſſe hat, daß aber zugleich die Sicher⸗ heit ihrer Beantwortung von dem Standpunkt der Kenntniſſe abhängt, welche wir über die Blüten⸗ einrichtungen der in Europa einheimiſchen Pflanzen⸗ arten haben. Denn es wäre nicht undenkbar, daß z. B. Bartsia alpina auch in den Alpen in einer kurzgriffligen, autogamen Form vorkäme oder daß Menpyanthes in anderen ſüdlicheren Gebieten ebenſo wie in Grönland in homoſtylen Exemplaren gefunden würde. Ein beſtimmtes Urteil darüber iſt zur Zeit unmöglich, und doch beruht ein Teil der Schluß⸗ folgerungen Warmings auf der Vorausſetzung, daß jene beiden Pflanzen eben nur in hocharktiſchen Gegenden mit abweichender Blüteneinrichtung auf⸗ treten. Es ſind demnach Unterſuchungen über die Blüteneinrichtung und beſonders die Variationen der⸗ ſelben unter den verſchiedenſten Klimaten und fauni⸗ ſtiſchen Verhältniſſen notwendig, ehe eine abſchließende Beantwortung der einſchlägigen Fragen geſtattet ſein wird. Warming“) ſelbſt hat nach dieſer Richtung *) Smaa biologiske og morfologiske Bidrag. Botan, Tidsskrift. 1877. 3 R. Bd. 2. ſchon früher Studien in der däniſchen Flora gemacht, ebenſo Lindmann ) auf dem Dovrefjäld in Norwegen, Mac Leod ) in der belgiſchen Flora, Kirchner **) in der Umgebung von Stuttgart, mit beſonderer Griind- lichkeit neuerdings auch A. Schulz) in der Flora von Halle und im Rieſengebirge. Hauptſächlich die Unterſuchungsergebniſſe letztgenannten Forſchers laſſen eine viel größere Variabilität der Beſtäubungseinrich⸗ tungen bei Pflanzen der nämlichen Art hervortreten, als früher angenommen wurde. Auf die von ihm aufgefundenen Thatſachen begründen ſich daher auch unſere weiteren Erörterungen. Es iſt längſt bekannt, daß die Dichogamie, d. h. die ungleichzeitig eintretende Vollreife von Antheren und Narben derſelben Blüte ſelbſt bei nahverwandten Blumenarten einen ſehr verſchiedenen Grad haben kann. Eine ſehr ſtarke Proterandrie liegt vor, wenn die Narbe erſt nach dem Abfallen ſämtlicher Antheren zur Reife gelangt, eine ſehr ſtarke Proterogynie, wenn jene vollſtändig eingeſchrumpft ſind, ehe ein Staub⸗ gefäß ſeinen Pollen entläßt. Nicht ſelten tritt jedoch der Fall ein, daß in einer proterandriſchen Blüte die während der Blütenöffnung noch nicht empfängnis⸗ fähige Narbe zu einer Zeit ihre Reife erreicht, wo noch nicht ſämtlicher Blütenſtaub aus den Antheren entfernt iſt, oder daß in einer proterogynen Blüte die Narbe trotz ihrer frühzeitigen Entwickelung doch noch befruchtungsfähig iſt, wenn die Antheren bereits ausſtäuben. Da eine vollkommen ausgeprägte Dicho⸗ gamie unzweifelhaft ein ſicheres Mittel zur Herbei⸗ führung von Fremdbeſtäubung bildet und umgekehrt eine Abſchwächung jener die Möglichkeit der Auto⸗ gamie ſteigert, ſo erſcheint es von vornherein wahr⸗ ſcheinlich, daß Pflanzen, deren geſamter Blütenbau Selbſtbeſtäubung erleichtert ohne Fremdbeſtäubung auszuſchließen, auch am meiſten zu Schwankungen in dem Grade der Dichogamie neigen oder ſogar zwiſchen Homo- und Dichogamie wechſeln werden, je nachdem lokale oder weiteren Gebieten eigentümliche Einflüſſe mehr eine Tendenz zu Selbſt⸗ oder zu Fremdbeſtäubung hervorrufen. Andererſeits kann eine im übrigen Blüten⸗ bau auf ausſchließliche Fremdbeſtäubung eingerichtete Pflanze ſehr wohl die auf ſie vererbte Dichogamie entbehren und allmählich wieder homogam werden. In dem Grade der Proterandrie ſchwanken z. B. (nach Schulz) Stellaria media, Rhamnus Frangula, Galium boreale, Sweertia perennis u. a., in dem Grade der Proterogynie: Pulsatilla alpina, Geum montanum, Bartsia alpina an Exemplaren des Rieſen⸗ gebirges (nach Schulz) und der Alpen (nach Müller), *) Bidrag till kannedomen om skandinaviska fjellvaxternas blomning och befruktning. K. Svenska Vet. Akad. Handl. Bd. 12. Afd. III. N. 6 (1887). ) Nouvelles recherches sur la fertilisation de quelques plantes Phanérogames. Ext. des Archiv. de Biologie. T. VII (1886), p. 131—166. ) Neue Beobachtungen über die Beſtäubungseinrich⸗ tungen einheimiſcher Pflanzen. Stuttgart 1886. 1) Beiträge zur Kenntnis der Beſtäubungseinrichtungen und der Geſchlechtsverteilung bei den Pflanzen. Kaſſel 1888. Humboldt. — Mai 1889. zwiſchen Homogamie und Proterandrie: Butomus umbellatus, Rumex sanguineus, Galium Cruciata, Viscaria vulgaris, Echium vulgare, Anemone narcissiflora, ſowie viele Labiaten und Alſineen, zwiſchen Homogamie und Proterogynie: Plantago lanceolata, Pl. media, Chenopodium murale, Geum urbanum, Clematis Vitalba, Epilobium parviflorum, Sedum alpestre, Trientalis europaea, Streptopus amplexifolius ꝛc., zwiſchen Homogamie, Proterandrie und Proterogynie: Erodium cicutarium, Ajuga reptans, Armeria vulgaris, Colchicum autumnale u. a. Hiernach ift die Unterſcheidung von Wichtigkeit, ob das Schwanken zwiſchen Homo- und Dichogamie in einer Blumenform von hochgradiger Anpaſſung wie einer Labiate, Borraginee u. a. oder in Blüten mit ſchwach ausgeprägter Anpaſſung eintritt; in erſtem Falle werden wir die Dichogamie als Regel, die Homogamie als Ausnahme, im zweiten Fall das umgekehrte Verhältnis zu erwarten haben, womit im allgemeinen die Beobachtungen übereinzuſtimmen ſcheinen. Der Verluſt der Dichogamie kann bisweilen durch Ueberflüſſigkeit derſelben bei Vorhandenſein ander⸗ weitiger Mittel zur Sicherung der Fremdbeſtäubung erklärt werden, während gleichzeitige Homo- und Dichogamie bei niedrig organiſierten Blumenformen darauf ſchließen laſſen, daß die betreffende Art auf erhöhte Fremdbeſtäubung hinarbeitet. Das Vorkommen von homogamen und proterandriſchen Blüten auf dem⸗ ſelben Pflanzenſtock wie bei Cerastium triviale (im Rieſengebirge nach Schulz) oder ſogar von allen drei möglichen Blumenformen, nämlich von homogamen, proterandriſchen und proterogynen, an Exemplaren von Tormentilla erecta deutet die Art und Weiſe an, in welcher urſprünglich die Dichogamie entſtanden ſein mag. Die anfangs nur in einzelnen Blüten ein⸗ tretende Ungleichzeitigkeit in der Entwickelung von Narbe und Antheren ſteigerte ſich allmählich dadurch, daß kräftigere Nachkommenſchaft immer nur von den dichogamen Blüten erzielt werden, und daher die homogamen Blüten mehr und mehr verſchwanden. Wenn ferner Pflanzen wie Clinopodium vulgare, Salvia pratensis, Geum urbanum u. a. in einer groß- und kleinblumigen Raſſe auftreten, jo ſind es faſt immer die großblütigen und die Beſtäuber ſtärker anlockenden Exemplare, welche ſich durch ſtarke Dicho— gamie auszeichnen, während die kleinblumigen mehr oder weniger in Homogamie zurückfallen — ein deut⸗ licher Beweis dafür, daß eine derartige Pflanze ſich ſowohl die Vorteile der Fremdbeſtäubung als die der Autogamie zu ſichern ſucht. Eine lokale Ab—⸗ ſonderung der homo- und dichogamen Form einer Pflanze, z. B. von Gentiana germanica, die in Mitteldeutſchland nach Schulz mehr oder weniger proterandriſch, in den Alpen nach Ricca völlig homogam erſcheint, läßt darauf ſchließen, daß an den beiderlei Standorten auch verſchiedene klimatiſche oder fauniſtiſche Umſtände herrſchend ſind, welche Auto- oder Allogamie begünſtigen. So erklärt es ſich, weshalb z. B. Stellaria uliginosa im Rieſengebirge vorwiegend in der homo- gamen Form auftritt, während ſie bei Halle in ver— 181 ſchiedenem Grade proterandriſch ſich zeigt; im Herbſt, wenn die Inſekten ſpärlich ſind, wird auch an den mitteldeutſchen Exemplaren die Homogamie zur Regel. Aehnlich wie Inſektenarmut ſcheint auch Kultur unter abweichenden Lebensbedingungen auf dichogame Pflan— zen zu wirken und in denſelben Neigung zur Homo- gamie hervorzurufen. Vielleicht hängt es hiermit zuſammen, daß unter den einheimiſchen Umbelliferen, die ſonſt ausgeprägt proterandriſch find, gerade die— jenigen homogame Blüten haben, welche wie Orlaya grandiflora, Caucalis daucoides, Turgenia latifolia, Torilis infesta und Scandix Pecten Veneris vov- zugsweiſe auf Standorten wie Aeckern und dergl. wachſen, wo die Ausſicht auf reichlichen Inſektenbeſuch viel geringer iſt als auf nicht kultiviertem Terrain. Inſektenarmut auf hohen Gebirgen oder in arktiſchen Ländern bedingt vermutlich auch eine größere Zahl von homogamen Arten oder wenigſtens das Auf⸗ treten zahlreicherer homogamer Varietäten bei ſonſt dichogamen Pflanzen als an inſektenreicheren Lofalt- täten des mitteleuropäiſchen Tieflandes, wofür die oben erwähnten Beobachtungen Warmings in Grön— land zu ſprechen ſcheinen. Aehnlich wie das Auftreten homo- und dichogamer Blüten an demſelben Pflanzenexemplar den wahr⸗ ſcheinlichen Ausgangspunkt für die Entſtehung ge- trennter homo- und dichogamer Blumenraſſen gebildet hat, läßt ſich aus dem Variieren einer Blumenart in der Griffellänge die Bildung homo- und hetero— ſtyler Individuen herleiten. Von dem Grade, in welchem die homoſtyle Form erhalten blieb oder bei immer mehr geſchwächtem Erfolg der Selbſt⸗ beſtäubung zu ſchließlichem Ausſterben gezwungen wurde, hängt es ab, ob eine Pflanze als rein heteroſtyl oder als ſchwankend zwiſchen Homo- und Heteroſtylie erſcheint. Ein Beiſpiel für die Vereinigung von lang⸗ und kurzgriffligen Blüten auf derſelben Pflanze neben dem Vorkommen derſelben auf getrennten Stöcken bietet Erythraea Centaurium, während bei der ver- wandten E. ramosissima bereits ein Vorherrſchen der kurzgriffligen Form in beſtimmter Gegend (z. B. nach Schulz bei Halle) nachweisbar iſt. Auch die Griffellänge von Thesium alpinum wechſelt, was vielleicht mit dem Vorkommen rein heteroſtyler Blüten bei anderen Thesium-Arten zuſammenhängt. Bei Anchusa officinalis variiert in Mitteldeutſchland die Griffellänge verſchiedener Exemplare in der Weiſe, daß die Narbe entweder mit den Antheren in gleicher Höhe, ſeltener etwas tiefer ſteht oder daß ſie die Staubbeutel etwa um 1 mm überragt; in Dänemark beobachtete Warming dagegen Stöcke mit entſchieden lang⸗ und kurzgriffligen Blüten, die jedoch noch durch Mittelglieder verbunden erſchienen; ein völliges Aus⸗ ſterben der Mittelformen würde die genannte Pflanze in Dänemark zu einer rein heteroſtylen Art machen. Das merkwürdige Auftreten einer kurzgriffligen, auf Selbſtbeſtäubung angewieſenen Form bei Bartsia alpina in Grönland und Norwegen, ſowie einer homoſtylen Raſſe von Menyanthes trifoliata in Grönland wurde bereits erwähnt. Da die erſtgenannte Pflanze im 182 Humboldt. — Rieſengebirge (nach Schulz) und in den Alpen (nach Ricca) in verſchiedenem Grade proterogyn iſt, ſo muß für dieſelbe ein von dem Standort abhängiges Schwanken zwiſchen homo- dichogamer und homo ⸗heteroſtyler Blütenbildung angenommen werden. Eine ausgeprägte Dichogamie der in Grönland wachſenden Form würde die von Warming an derſelben feſtgeſtellte Auto⸗ gamie als unmöglich erſcheinen laſſen; auch die An⸗ nahme, daß die ungleichgriffligen Formen im hohen Norden zur Sicherung der Fremdbeſtäubung aufgetreten ſeien, iſt aus dem gleichen Grunde ausgeſchloſſen. Vielmehr iſt es wahrſcheinlich, daß die von Warming beobachtete Kurz- oder Langgriffligkeit von Bartsia nicht mit der gewöhnlichen Heteroſtylie auf eine Stufe zu ſtellen iſt, ſondern daß in dieſem Falle eine Re⸗ duktion der Griffellänge direkt durch Einwirkung äußerer Lebensumſtände in den der Allogamie un⸗ günſtigen Gegenden des hohen Nordens ſtattgefunden hat. Wie das Schwanken zwiſchen homo- und dicho⸗ gamer Blüteneinrichtung ſcheint demnach auch das Variieren der Griffellänge von dem Grade abzuhängen, in welchem Fremdbeſtäubung unter beſtimmten Stand⸗ ortsbedingungen erleichtert oder erſchwert iſt. Eine Pflanze, die wie Menyanthes unter normalen Ver⸗ hältniſſen vollkommen heteroſtyl auftritt, kann in hochnordiſchen, inſektenarmen Gegenden dieſe Eigen⸗ ſchaft wieder verlieren und zur Autogamie zurückkehren, während umgekehrt Pflanzen, welchen in beſtimmten Verbreitungsgebieten reichlicher Inſektenbeſuch zu teil wird, unter Umſtänden allmählich zur Ausprägung ungleichgriffliger Formen veranlaßt werden können. Es ſcheint letzteres beſonders bei Pflanzen zu geſchehen, welche wie Erythraea oder Anchusa mit ausgeprägt heteroſtylen Arten verwandt ſind. Weiteren Unter⸗ ſuchungen muß es vorbehalten bleiben, auch das Ver⸗ halten der Narbenpapillen und der Pollenkörner, in welchen die ächt heteroſtylen Formen ſtark abweichen, bei derartigen in der Griffellänge variierenden Arten genauer feſtzuſtellen. Soviel läßt ſich jedoch ſchon jetzt aus den Thatſachen ſchließen, daß eine Variation der Griffellänge ſowohl bei Arten, deren Blüten in der Regel homoſtyl ſind, als auch bei ausgeprägt heteroſtylen Arten eintreten kann. In erſtem Fall werden wir die Abänderung als Verſtärkung der Allo⸗ gamie, in letzterem als Sicherung von Autogamie zu deuten haben. Da eine gleiche, nach zwei entgegen⸗ geſetzten Seiten gerichtete Anpaſſung auch in dem Variieren der Blüten zwiſchen Homo- und Dichogamie ſich ausſpricht, ſo gelangen wir zu der Anſchauung, daß es ein Geſetz der vermiedenen Selbſtbeſtäu— bung eigentlich nicht gibt, ſondern daß Pflanzen mit variabler Blüteneinrichtung ſich je nach Umſtänden bald auf Autogamie, bald auf Allogamie einzurichten vermögen, und daß dementſprechend die Pflanzen mit ſtationär gewordener Blumeneinrichtung eine Reihe bilden, an deren beiden äußerſten Enden rein auto⸗ game und rein allogame Formen ſtehen, welche durch zahlreiche Mittelglieder und Zwiſchenſtufen miteinander verbunden ſind. Für eine ſolche Auffaſſung ſprechen auch die merk⸗ mai 1889. würdigen Thatſachen, welche über kleiſtogame, d. h. bei geſchloſſener Blumenkrone ſich ſelbſtbeſtäubende Blüten durch Mohl, Kuhn, Batalin, Aſcherſon, Hilde⸗ brand, Ludwig und andere Forſcher ſeit längerer Zeit bekannt ſind. Auch hier wiederholt ſich das Verhältnis, daß die kleiſtogamen Blüten entweder auf demſelben Stocke mit offenen (chasmogamen) Blüten auftreten, oder daß die beiden Blütenformen auf verſchiedene Exemplare verteilt ſein können. Manchmal kann eine Art in einem beſtimmten Gebiete, z. B. Juncus bu- fonius bei Petersburg, ausſchließlich kleiſtogame Blüten mit geſchloſſenen Antheren hervorbringen, deren Pollen⸗ ſchläuche die Wandung jener durchwachſen müſſen, während dieſelbe Art an märkiſchen Standorten neben einzelnen kleiſtogamen Terminalblüten auch halb- geöffnete, ſich ſelbſt beſtäubende Blüten, deren Staub⸗ beutel den Pollen in gewöhnlicher Weiſe ausſtäuben laſſen, und zahlreiche, vollkommen chasmogame Blüten hervorbringt. Der Grad der Kleiſtogamie kann demnach in⸗ ſofern wechſeln, als bei vollkommener Ausbildung derſelben Blumenkrone, Antheren und Pollen eine ſehr ſtarke Reduktion erfahren, ſo daß die gewöhnliche Oeffnungsart der Beutel unterbleibt und die in der Zahl ſtark verringerten Pollenzellen ihre Schläuche direkt durch die Antherenwandung zu den Narbenpapillen hinſenden, während bei Hemikleiſtogamie zwar unver⸗ meidliche Selbſtbeſtäubung bei geſchloſſener oder halb⸗ geöffneter Blumenkrone ſtattfindet, aber das Auf⸗ ſpringen der Antheren und die erzeugte Pollenmenge normal bleiben. Beide Formen der Pollenübertragung kommen auch bei mehreren kleiſtogamen Viola- und Helianthemum⸗Arten nebeneinander vor. Nicht ſelten eilen z. B. bei Lamium amplexicaule die kleiſto⸗ gamen Blüten den chasmogamen im Auftreten voraus, in anderen Fällen kommen ſie mit denſelben, in noch anderen z. B. bei Oxalis Acetosella, den Viola Arten nach denſelben zur Ausbildung. Vielfach z. B. bei genannter Oxalis, bei Vicia angustifolia u. a. zeigen die hierhergehörigen Pflanzen die Neigung, die mit kleiſtogamen Blüten verſehenen Sproſſe zur Sicherung der Ausſäung in die Erde einzugraben; in anderen Fällen werden die Samen durch Schleudervorrichtungen weit umher geſtreut. Bisweilen ſcheint das Auftreten kleiſtogamer Blüten direkt von der Jahreszeit abzu⸗ hängen, fo daß fie im Frühjahr oder im Herbſt (3. B. bet Galium uliginosum nach Schulz) ausſchließlich vorhanden ſind; desgleichen werden ſie durch lang⸗ andauerndes Regenwetter in einzelnen Fällen (z. B. bei Juncus squarrosus) hervorgerufen. Auch die Armut der Wüſte an Blumenbeſuchern ſcheint bei ägyptiſchen Helianthemum-⸗Arten (3. B. H. kahiricum) die Bildung kleiſtogamer Blüten veranlaßt zu haben. In anderen Fällen iſt jedoch ein derartiger Einfluß der äußeren Lebensbedingungen auf die Erzeugung kleiſtogamer Blüten nicht nachweisbar. Die von letz⸗ teren produzierten Samenkörner weichen nach Darwin von den in chasmogamen Blumen entſtandenen — wenigſtens in den genau unterſuchten Fällen — weder durch Zahl noch in der Größe ab. Jedenfalls löſen Humboldt. — Mai 1889. 183 die kleiſtogamen Blüten in einfachſter Weiſe das Problem, eine reichliche Menge von Samen mit dem geringſtmöglichen Aufwande von Pollen und plaſti— ſchem, zum Aufbau der Blüte nötigen Material zu produzieren. Da derartige Blüten bei Pflanzen ver— ſchiedenſter ſyſtematiſcher Stellung und ebenſo an inſektenblütigen als windblütigen Gewächſen auftreten, fo iſt die Annahme wahrſcheinlich, daß ihre erſte Ent⸗ ftehung ſich unabhängig von einer beſtimmten Be⸗ ſtäubungsart vollzogen hat. Sobald fie aber aus vor⸗ läufig unbekannten Urſachen einmal entſtanden waren, konnte ſich die erblich gewordene Neigung zur Bildung ausſchließlich autogamer, zwittriger Blüten in demſelben Grade erhalten und ſteigern, wie die Tendenz zur Allo— gamie bei den Vorfahren von Pflanzen, welche gegen— wärtig die Fähigkeit der Selbſtbefruchtung gänzlich ein- gebüßt haben. Da es Pflanzen mit ausſchließlich allo- gamen Blüten in vielfacher Zahl gibt, ſolche mit ausſchließ— lich kleiſtogamen Blüten jedoch bisher nicht aufgefunden ſind, ſo folgt daraus, daß in unſerer gegenwärtigen Blumenwelt die Tendenz zur Fremdbeſtäubung ein Uebergewicht über die einſtmals vielleicht viel größere Neigung zur Autogamie gewonnen hat. Aber die Thatſache, daß oft gerade der Fremdbeſtäubung aus⸗ gezeichnet angepaßte Blüten, wie die der Labiaten, Papilionaceen, Violaceen, Serophulariaceen fic) der fleijtogamen Blütenform als eines ſichern Mittels für Erzielung reichlicher Samen bedienen müſſen, be- weiſt uns, daß ausſchließliche Fremdbeſtäubung keines⸗ wegs das der Natur bei Hervorbringung der Blüten— einrichtungen vorſchwebende Ideal iſt, wenn ſie auch in vielen Fällen dem bekannten Satz Darwins Recht zu geben ſcheint, daß ſie beſtändige Selbſtbefruchtung auf das äußerſte verabſcheut. Der Paraſitismus unſerer Süßwaſſermuſcheln. Don Profeffor Dr. M. Braun in Roſtock. n unſeren ſüßen Gewäſſern, ſtehenden wie fließen den, leben in wenigen Arten, aber ſehr zahl— reichen Exemplaren zwei Gattungen von Muſcheln, Unio und Anodonta, die durch die Art ihrer Entwicke— lung auch das Intereſſe weiterer Kreiſe erregen dürften. Als Vertreter dieſer Gattungen iſt gewiß jedem die Malermuſchel (Unio pictorum) bekannt, an die ſich andere Arten (U. tumidus, batavus), ſowie die Arten der Enten⸗ oder Teichmuſchel (Anodonta anatina, piscinalis, complanata 2c., anſchließen; hier und da, beſonders in Gebirgsbächen lebt die Flußperlmuſchel (Margaritana margaritifera). Von der Entwickelung dieſer Tiere kannte man bis vor kurzem nur die embryonale. Anton Leeuwen⸗ hoek gebührt das Verdienſt, die Embryonen der Muſcheln in den Kiemen des mütterlichen Tieres zuerſt (1695) geſehen zu haben; ihn frappierte beſonders die Rota⸗ tion des Embryos, die ihm dermaßen wunderbar vor⸗ kam, daß er ſeinen eigenen Augen nicht trauen wollte und Frau und Tochter herbeirief, um das Geſehene zu beſtätigen. In gleicher Weiſe war 1828 Fr. Bauer über dieſes Phänomen erſtaunt, ſo daß er ſein Dienſt⸗ mädchen in das Mikroskop ſehen und ſich das Ge- ſehene beſchreiben ließ. Die Urſache für die Drehung des Muſchelembryos ſuchte der letztere in einem kleinen Wurm, der an dem Embryo fraß und dabei dieſen mit ſich im Kreiſe herumbewegte, freilich ſo ſchnell, daß man den Wurm ſelbſt nicht ſehen könne; bald darauf (1831) wurde von C. G. Carus die Bewegung der Muſchelembryonen mit der von Rotatorien und gewiſſen Infuſorien verglichen, und damit war der richtige Weg für die Deutung der Erſcheinung ge- geben — in beiden Fällen ſind Wimpern die Urſache für die Drehung. Den Bau des reifen Embryos hat 1797 Rathke der Aeltere ſtudiert und ihn ſo abweichend von dem des mütterlichen Tieres gefunden, daß er die Meinung begründen konnte, die vermeintlichen Muſchelembryonen ſeien Paraſiten und keine Embryonen; 1828 ſchloß ſich ihm in dieſer Hinſicht L. Jacobſon völlig an und adoptierte den von Rathke dem Paraſiten gegebenen Namen: Glochidium parasiticum. Trotz einer Reihe zum Teil ganz richtiger Beobachtungen, für die nur die richtige Erklärung mangelte, hat dieſe Meinung, die auch gegen alles verſtieß, was andere Autoren (Poli, Bojanus, Treviranus, Cuvier 2c.) in dieſer Beziehung angegeben hatten, ſich nicht lange halten können. Nachdem de Blainville und Raspail ihre Gegengründe publiziert hatten, gelang es C. G. Carus den Nachweis zu führen, daß dieſe Glochidien ſich zweifellos aus Eiern der Muſcheln in den Kiemen der letzteren entwickeln, alſo keine Paraſiten, ſondern die Jungen der Muſcheln ſeien. Immerhin blieb die Verſchiedenheit zwiſchen dem Bau der Jungen und der Mutter recht beträchtlich, auch kannte man die einzelnen Phaſen der Entwickelung, ja den Bau des Embryos noch lange nicht genügend, und ſo folgen eine Reihe von Arbeiten verſchiedener Autoren, von denen R. Leuckart (1848) den Verſuch machte, die Uebereinſtimmung der Muſchelembryonen mit denen anderer Mollusken zu zeigen, während O. Schmidt (1856/57), F. A. Forel (1867), H. v. Ihering (1874), W. Flemming (1875) und C. Rabl (1876) die Em⸗ bryonalentwickelung im ganzen oder in einzelnen Punkten darſtellen. Durch alle dieſe Arbeiten ge- langten wir zu einer im ganzen befriedigenden Cin- ſicht in das Werden und den Bau des Muſchelembryos und wir können nun dazu übergehen, den letzteren in ſeiner Organiſation zu ſchildern, wobei wir fret- lich nur Hauptpunkte berühren und zum Teil ſpätere Arbeiten in Betracht ziehen müſſen. Im großen Ganzen find die Embryonen bet Unio 184 Humboldt. — Mai 1889. und Anodonta gleichgebaut, die vorhandenen Unter⸗ ſchiede können hier füglich übergangen werden. Die Embryonen ſind von einer paarigen, kalkhaltigen und poröſen Schale umgeben; von der Seite geſehen unterſcheidet man an jeder der dreiſeitigen gewölbten Schalenhälften (Fig. 2) eine faſt gerade Seite und zwei gebogene, und überzeugt ſich auch leicht, daß die beiden Schalen nur an den geraden Seiten zuſammenhängen. Man hat mit Rückſicht auf die Organiſation des er⸗ wachſenen Tieres niemals daran gezweifelt, daß dieſe Seite die Schlußſeite, d. h. der Rücken des Embryos iſt; demnach iſt die entgegengeſetzte, wo die Schalen ſich öffnen können, die Bauchſeite. Im geöffneten Zuſtande (Fig. 1. 3) erkennt man am freien (ventralen) Rande der Schalenhälften je einen „Schalenaufſatz“, der mit der Schale ſelbſt innig zuſammenhängt und wie dieſe eine Kutikularbildung iſt. Im ganzen auch von etwa dreiſeitiger Form, iſt der Aufſatz in ſeiner Mittelzone und außen mit zahlreichen größeren und kleineren Dornen oder Spitzen verſehen und derart angebracht, daß er ſtets bei Schluß der Schalen nach innen gezogen wird, ſo daß dann die bedornten Flächen der Aufſätze ſich berühren. War es leicht, Rücken- und Bauchfläche des bilateral⸗ ſymmetriſchen Tierchens zu erkennen, ſo ſind die Charaktere für vorn und hinten nicht ſo offen liegend; wohl erkennen wir, daß die beiden freien Ränder jeder Schale nicht ganz gleich ſind, ſo daß wir alſo einen kürzeren und einen längeren Rand haben, und wohl wiſſen wir, wenn wir die erwachſene Muſchel berückſichtigen, daß der kürzere Schalenrand dem Vor⸗ derende, der längere dem Hinterende entſpricht, da am erſteren im Tier der Mund und am letzteren der After gelegen iſt; doch im Muſchelembryo fehlen dieſe Kennzeichen, und ſo iſt es nicht wunderbar, wenn man nicht ſicher wußte, wo vorn und hinten bei dem Em⸗ bryo zu ſuchen iſt. Während Forel den größeren Schalen⸗ rand als den vorderen bezeichnete, legen Flemming, Rabl und ich das Vorderende nach der anderen Seite, alſo nach dem kleineren Rande. Die Folge hat ge⸗ lehrt, daß wir im Irrtum waren: als Vorderende muß man mit Forel dasjenige bezeichnen, welches nach dem längeren Schalenrande zu ſieht; dafür ſpricht vor allem die ſpätere Umwandlung des Embryos in die junge Muſchel, wobei die Organe ſich in der bleibenden Weiſe anlegen. Was die Weichteile anlangt, die in den konkaven Schalenhälften liegen, ſo wäre zuerſt zu erwähnen, daß eine Lage großer Zellen den Innenraum aus⸗ kleiden (Fig. 1. 3); wir können ſie als embryonale Mantelzellen bezeichnen, doch liegen dieſelben den inneren Flächen der Schalen nicht völlig an, ſondern laſſen Raum frei für andere Organe, ſo für den einen ſehr großen Schließmuskel, einige andere Muskelfaſern, den ſogenannten Byſſus, beſſer Klebfaden, und ein Darmſäckchen. Der Schließmuskel (Fig. 1. 2. 3) kommt beim Embryo nur in der Einzahl vor, während wir bei der erwachſenen Muſchel einen vorderen und einen hinteren Adduktor unterſcheiden können (Fig. 4); er hat die Aufgabe, durch ſeine Zuſammenziehung die beiden Schalenhälften zum Schließen zu bringen. Aus der Mitte des geöffneten Embryos ſieht man einen langen Faden hervortreten (Fig. 1. Kl. f.), das Pro⸗ dukt einer ſchlauchförmigen Drüſe; der lange, ganz hyaline Faden zeichnet fic) durch große Klebfähigkeit aus und iſt mit ſeinem inneren Ende um den Schließ muskel gewunden. Man hat ihn früher allgemein als Byſſusfaden bezeichnet, doch iſt es richtiger, dieſen Namen aufzugeben, da er wohl kaum den Byſſusfäden der Lamellibranchier direkt verglichen werden kann — wir nennen ihn Klebfaden. Nach Schierholz kommen beim Embryo außer dem Schließmuskel noch ſechs Muskelzellen in jeder Körperhälfte vor; eine derſelben (Fig. 2. mz.), von F. Schmidt entdeckt, hat die Aufgabe, beim Schluß der Schalen den Mantel und mit ihm die Schalenaufſätze nach innen zu ziehen. Eine andere inſeriert ſich an einer anderen Stelle des Mantels und bewirkt nach Schier⸗ holz jederſeits die lange bekannte „ſeitliche Grube“ (Fig. 1. s. Gr.). In der Nähe dieſer findet ſich in der Mittellinie eine andere, aber unpaare Vertiefung in dem Mantelepithel, die Mundbucht, die jedoch beim reifen Embryo keine Verbindung mit dem be⸗ nachbarten, völlig abgeſchloſſenen Darmſäckchen zeigt. Zwiſchen Mundbucht und Darmſäckchen macht der Mantel eine kleine Hervorwölbung, die man den Fuß wulſt nennt. Noch ſind in jeder Mantelhälfte vier Sinneshärchen tragende Zellen (Fig. 1. B. 2.) zu erwähnen, von denen drei in der Nähe der Schalen⸗ aufſätze, eine mehr nach dem Rücken beim Klebfaden ſteht. Neuerdings hat Schierholz in einer Arbeit, auf die wir gleich zu ſprechen kommen, noch angegeben, daß der Embryo auch noch Gehörbläschen (Unio) und die Anlagen des Nervenſyſtems beſitzt, jedoch haben andere Forſcher hiervon nichts gemeldet. Wie dem auch ſei, ſicher iſt, daß die reifen, bis ho Linien großen Embryonen, die bis dahin in ihren Eiſchalen in den Fächern der beiden äußeren Kiemen der Mutter gelegen haben, nun geboren werden. Die Trächtigkeitszeit iſt verſchieden: Die Anodonta-Arten, ausgenommen Anodonta complanata, deren Embryo⸗ nen durch den Mangel des Klebfadens nach Schierholz ausgezeichnet ſind, beſitzen im Winter reife Embryonen und ſtoßen dieſelben im erſten Frühjahr aus, die Unionen, ſowie Anodonta complanata ſind im Sommer trächtig. Das Ausſtoßen der Embryonen haltenden Eier geſchieht nicht, wie man es oft ange⸗ geben findet, in Kuchen oder größeren Maſſen, ſon⸗ dern einzeln; erſteres kommt zwar auch vor, iſt je⸗ doch pathologiſch; die Muſchel befreit ihr äußeres Kiemenpaar von den Eiern, wenn ſie in ſauerſtoff⸗ armem Waſſer ſich befindet, und das iſt in ſchlecht oder gar nicht durchlüfteten Aquarien faſt immer der Fall, daher auch hier dieſer abnorme Gebärakt ſo oft beobachtet wird. In gut durchlüfteten Aquarien und in der Natur werden die Eier einzeln mit dem Atem⸗ waſſer ausgeſtoßen, wie das Forel, Schierholz und ich beobachtet haben. Die Eier fallen auf den Boden und hierbei platzt die zarte Eihülle, ſo daß der Em⸗ bryo nun frei wird. Da das Muttertier ſeinen Ort Humboldt. — Mai 1889. nur ſelten zu dieſer Zeit wechſelt, ſo kommen immer eine ganze Anzahl junger Tierchen nebeneinander zu liegen; teils halb, teils ganz geöffnet liegen ſie auf dem Rücken und laſſen ihren Klebfaden frei im Waſſer flottieren (Fig. 1); oft verkleben die Fäden benachbarter Tiere, und ſo entſteht eine Art Netz, das ſich über die Unebenheiten des Bodens, über Pflanzen u. dergl. ausbreitet. Eine weitere Entwickelung findet jedoch unter den erwähnten Verhältniſſen niemals ſtatt; die jungen Tierchen, die man als Larven bezeichnen muß, beſitzen eine für das freie Leben ſehr un— günſtige Organiſation, fehlt ihnen doch ein Darmkanal, Lokomo⸗ tionsorgane 2c.; auch iſt ihre Schale ſo ver— ſchieden von der der erwachſenen Tiere, daß man ſich mit Recht fragen mußte, ob etwa die Larvenſchale abge- worfen und die defi⸗ nitive Schale mit ihren drei Schichten neu ge- bildet wird und ob überhaupt eine direkte Umwandlung der Larve zur Muſchel ſtattfinde. In dieſer Beziehung hatte man einige Beob— achtungen, ſo ſchon von C. Pfeifer, der in ſeiner „Naturgeſchichte deutſcher Land- und Süßwaſſer⸗ mollusken“ (Weimar 1825) bereits mitteilte, daß die Larvenſchalen auf den Wirbelnkleiner Muſcheln wie ein klei⸗ nes Hütchen aufſitzen. Freilich war dieſes Fak⸗ tum vergeſſen worden, und Kobelt und Heyne- mann mußten 1870 den Fund noch einmal machen; damit war es ſicher, daß eine direkte Umwandlung der Larve in das aus— gebildete Tier vor ſich geht. Aber wo geſchieht dies? Niemand hatte ſo junge Muſcheln im Freien gefunden. Unterdeſſen hatte jedoch F. Leydig, dem wir ſo zahlreiche Beobachtungen verdanken, an den Floſſen von Fiſchen des Mains Cyſten gefunden (in F. Noll: Der Main, 1866), in denen kleine Zweiſchaler ſaßen, die er unbedenklich als Larven von den großen Süßwaſſermuſcheln erklärte. Die Beobachtung fand ſchon ein Jahr ſpäter in F. A. Forels Diſſertation (Würzburg 1867) ihre Beſtätigung, der auch einige wenige Angaben über die Veränderungen der Larven machte. So war es ſicher geſtellt, daß Humboldt 1889. Fig. 1. Reife Larve von Anodonta piscinalis, ſtart vergrößert. Ad. = durch den Mantel ſchimmernder Schließmuskel. B. 2. Borſtenzellen auf dem Mantel. Kl. f. = Klebfaden. 8. Gr. = ſeitliche Grube, in der Mittellinie die Mund⸗ bucht. Sch. aufs. = Schalenaufſätze. (Nach Schierholz.) Fig. 2. Teil einer Fiſchfloſſe mit der anſitzenden Muſchellarve (Anodonta), 24 Stunden nach der Aung; die Fiſchhaut beginnt die Larve zu umwuchern (HI.). Schl. m. = Anſatzſtelle des Larvenſchließmuskels. (Nach F. Schmidt.) 185 die Muſchellarven auf die Haut von Fiſchen kommen, daß ſie hier in Cryſten eingeſchloſſen, wie Paraſiten leben müſſen, wenn fie ihre weitere Ent⸗ wicklung durchmachen ſollen. Wie lange dieſer Auf— enthalt dauert und welche Veränderungen während desſelben ſtattfinden, war ganz unbekannt. So lagen die Verhältniſſe, als ich ſelbſt im Februar 1878 im Würzburger zoologiſchen Inſtitute eine Beobachtung machte, welche mich zur Anſtellung direkter Infektionsverſuche veranlaßte. Ich hatte die Abſicht, die Entwickelung von Knochenfiſchen zu ſtu— dieren, und wollte als Objekt die Eier des Rhodeus amarus, des Bitterlinges, benützen, der dieſelben bekannt⸗ lich in Muſcheln ab- ſetzt, in deren Kiemen die Eier ſich dann weiter entwickeln; Fiſche wie Muſcheln (Anodonta und Unio) waren be⸗ reits im Winter in Aquarien geſetzt wor⸗ den, und eines Tages entdeckte ich am Boden eines Behälters eine kleine Quantität bräun⸗ licher ſchleimiger Maſſe, t. l. aufgeklappt und von der Bauchſeite geſehen; die bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung ſich als reife Embryonen einer Muſchel erwies; die Jahreszeit ſprach für Anodonta, da dieſe allein im Winter trächtig iſt. Ich änderte nichts an der Beſetzung des Aquariums und konnte ſchon am nächſten Mor⸗ gen konſtatieren, daß die kleinen Muſchel⸗ larven auf die Fiſche gelangt waren, auf deren Haut ich ſie ſchon mit unbewaffnetem Auge als gelbliche Knöpfchen erkennen konnte. Um die noch ganz dunkle Entwickelung während des Paraſi⸗ „ Schl.re. tierens verfolgen zu können, infizierte ich Fiſche künſtlich mit Anodonta- Brut, indem ich über eine Anzahl derſelben, die in wenig Waſſer in einer Schale ſich befanden, reife, den Kiemen entnommene Embryonen einer Anodonta ausſäte (9. Februar 1878); in kurzer Zeit hatten ſich zahlreiche Embryonen an die Fiſche angeheftet und es gelang mir ohne beſondere Mühe, die Fiſche wie ihre Paraſiten ſo lange zu erhalten, bis die letzteren abfielen; das geſchah 71— 73 Tage nach der Infektion — am Boden meiner Aquarien fand ich dann ganz kleine Muſcheln (Fig. 4), welche die Größe der Larven 24 186 Humboldt. — Mai 1889. noch nicht überſchritten, wohl aber ihre Organiſation erhalten hatten. Noch 14 Tage lang konnte ich dieſelben in Miniaturaquarien halten, Nahrungsaufnahme und Größenwachstum konſtatieren — dann aber gingen die kleinen Muſcheln zu Grunde. Selbſtredend be- nützte ich die Gelegenheit zum Studium der während des Paraſitierens ſtattfindenden Veränderungen und konnte wenigſtens eine Reihe derſelben bei meinen Publikationen) über dieſen Gegenſtand anführen, wohl wiſſend und auch ausdrücklich betonend, daß mir noch manches unklar geblieben ſei. Gleichzeitig mit mir hat C. Schierholz auf An⸗ raten von Prof. E. v. Martens in Berlin die Frage unterſucht, jedoch mißlangen ihm Infektionsverſuche, und ſo mußten im Frühjahr 1878 friſche Fiſche nach paraſitierenden Anodontenlarven abgeſucht werden, was ſelbſtredend kein ſo kontinuierliches Beobachtungs⸗ material liefern konnte, als bei meiner Methode. Trotzdem erkannte Schierholz manche Punkte beſſer Sch. Kc Fig. 3. aes durch eine Larve von Anodonta im aufgeklappten Zuſtande; ſtark E. a = vergrößert. „ embryonaler Schließmuskel. e. mt. z,. = embryonaler Mantel. mz. Muskelzelle zum Einziehen des Mantels. R — Riicenjeite. Sch. aufs. = Schalenaufſätze. (Nach F. Schmidt.) als ich (vergl. deſſen vom September 1878 datierte Mitteilung in der Zeitſchrift für wiſſenſchaftliche Zoologie 1878 S. 482 - 484), während er in anderen nach meiner Meinung fehlte. Die von uns beiden ausgeſprochene Abſicht, die Beobachtungen zu wieder⸗ holen, konnte ich nur zum Teil ausführen, veran⸗ laßte jedoch meinen Schüler F. Schmidt, die Arbeit zu übernehmen, der darüber im Archiv für Natur⸗ geſchichte (1885 S. 201234, mit 2 Taf.) Aus⸗ führlicheres mitteilte, während C. Schierholz erſt im eae 1888 ſeine ausführliche Arbeit publiziert at ). Leider ſtimmen die Reſultate beider Autoren nicht in allen Punkten überein, doch ſoll auf das Detail der Differenzen hier nicht eingegangen werden, wir wollen vielmehr nur das Sichere, ſowie das biologiſch Intereſſante hier anführen. Eine der erſten Fragen iſt wohl die nach der Art und Weiſe, wie die Muſchellarven auf Fiſche gelangen und ſich hier feſthalten; dieſelben liegen mit offenen Schalen auf dem Rücken, wenden alſo ihre Bauch⸗ *) Sitzungsberichte der phyſ.⸗med. Geſellſchaft in Würz⸗ burg, Sitzung am 4. Mai 1878, ferner: Zoolog. Garten. XIX. Jahrg. 1878 Nr. 6 und in den Jahrbüchern der malakozool. Geſ. V. 1878. ae Denkſchriften der Wiener Akad. d. Wiſſ. 55. Bd. ſeite nach oben dem Waſſer zu; gleichzeitig find häufig, wenn auch nicht immer eine größere Zahl der Larven, durch ihre Klebfäden in Verbindung, ſo daß, wenn eine Larve etwa emporgehoben wird, die anderen fol⸗ gen. Ab und zu ſchließen ſich die Larven recht ener⸗ giſch, wodurch ſie eine freilich kaum in Betracht kommende Lokomotion ausführen. Früher glaubte man, daß der Faden, von deſſen Klebfähigkeit man ſich leicht überzeugen kann, allein die Uebertragung auf einen Fiſch vermittelt; es ſcheint jedoch, daß dies nicht immer, vielleicht nur in der Minderzahl oder gar nicht geſchieht. Wenn die Larven, wie es Schier⸗ holz angibt und Schmidt und ich auch geſehen haben, ihre Fäden zur Bildung eines Netzes benützen, können dieſe jedenfalls nicht ausſchließlich für die Uebertragung in Betracht kommen. Ich denke mir, daß eine oder die andere von den offen daliegenden Larven früher oder ſpäter von irgend einem Fiſche berührt wird und dann außerordentlich ſchnell ihren D Fig. 4. Fig. 5. Fig. 4. Junge Anodonta, 3 Wochen nach dem Verlaſſen der Fiſchhaut, von der Seite geſehen. (Vergrößerung.) m. ad. ant. = Anſatzſtelle des vorderen, bleibenden Schließ ⸗ muskels. m. ad. post. = Anſatzſtelle des hinteren, bleibenden Schließmuskels. sch. = neugebildete Schale am Vorder⸗ und Hinterende. (Nach F. Schmidt. Fig. 5. Junge Anodonta, 8 Tage nach dem Verlaſſen der Fiſchhaut, von der Bauch, feite geſehen. (Vergrößerung.) F- Fuß. K. — Anlage der inneren Kieme. Sch. aufs. Schalenaufſätze. V. ad. = vorderer Schließmuskel. (Nach F. Schmidt.) Schließmuskel zuſammenzieht, ſich ſelbſt alſo ſchließt und hierbei ein Stückchen der Oberfläche des Fiſches zu faſſen bekommt, das dann nicht mehr losgelaſſen wird. Zweifellos helfen hierbei die weit empor⸗ ragenden Sinneszellen, auf deren Berührung ſchon die Kontraktion erfolgt. Iſt ein Fiſch erfaßt, ſo zieht derſelbe gleich das ganze Netz, alſo eine größere An⸗ zahl von Larven mit ſich, und wenngleich, wie Schier⸗ holz geſehen hat, die feſtſitzende Larve abgeriſſen wird, Jo iſt doch zugleich die Möglichkeit zur Anſiede⸗ lung mehrerer Exemplare auf demſelben Fiſche oder auf anderen gegeben. Jedenfalls geſchieht dies recht häufig, da man zu geeigneter Jahreszeit ziemlich alle kleineren Fiſche mit Larven beſetzt findet. Daß dem Klebfaden nicht die Aufgabe allein zugefallen ſein kann, die Uebertragung zu vermitteln, lehrt die inter⸗ eſſante Beobachtung von Schierholz, nach welcher die Larven von Anodonta complanata gar keinen Kleb⸗ faden haben, alſo mit anderen Mitteln auf Fiſche gelangen müſſen. Es darf auch daran erinnert werden, daß wie bei anderen Tieren ſo auch hier die enorme Produktions⸗ fähigkeit der Muſcheln darauf hinweiſt, daß die Brut zahlreichen Gefahren ausgeſetzt iſt; ich habe ſelbſt ge⸗ ſehen, daß Fiſche die Muſchellarven ganz gern ver⸗ Humboldt. — Mai 1889. zehren, ſchon dadurch geſchieht Abbruch; es iſt auch ſicher, daß zahlreiche Larven nicht an Fiſche gelangen und dann abſterben. Die Anheftung erfolgt, wie ſchon erwähnt, da⸗ durch, daß die Larve ſich raſch ſchließt, ſo daß ein Teil der Fiſchhaut, gewöhnlich an den bauchſtändigen paarigen und unpaarigen Floſſen, zwiſchen die Schalen⸗ hälften zu liegen kommt; hierbei ſchlagen die Schalen— aufſätze nach innen und die zahlreichen Dornen der⸗ ſelben dringen in die weiche Fiſchepidermis ein. Da an den Floſſen die Haut dünn iſt und dicht unter derſelben die feinen Floſſenſtrahlen verlaufen, ſo wird faſt ausnahmslos ein Teil der Strahlen mitgefaßt. Nach Schierholz' Angaben ſiedeln ſich die Larven der Unionen ausſchließlich an die Kiemen der Fiſche an, die der Anodonten vorzugsweiſe auf der Körperoberflächez das erſtere beſtätigt eine An— ſicht, die ich mir bereits im Sommer 1878 bei einigen Infektionsverſuchen mit Unio-Larven gebildet hatte, wobei ich dieſelben ſtets nur an den Kiemen der zum Verſuch benützten Fiſche fand, niemals an der Körper⸗ oberfläche. Dagegen haben ſowohl F. Schmidt wie ich Anodontenlarven ſowohl auf der Epidermis und zwar vorzugsweiſe den Floſſen angeſiedelt gefunden, als in der Mundhöhle und an den Kiemen. Die nächſte Veränderung, die man bei künſtlich infizierten Fiſchen konſtatieren kann, iſt eine von ſeiten der Epidermiszellen ſtattfindende Umwachſung der anſitzenden Muſchellarven (Fig. 2), fo daß jede derſelben in einem Hohlraum liegt, deſſen Wandung von einer mehrfachen Lage von Epithelzellen gebildet wird; Schierholz gibt an, daß die Cyſte bei kleinen Fiſchen bereits in 2—3 Stunden, ſonſt in etwa 24 Stunden fertig gebildet ſei, während Schmidt und ich beob— achteten, daß hierzu 2—3 Tage gehören; vielleicht hat die äußere Temperatur hierauf ebenſo wie auf die Dauer des Parafitismus einen Einfluß, oder die Ausbildung der Cyſte geht bei verſchiedenen Fiſch— arten, vielleicht ſogar bei den einzelnen Individuen verſchieden raſch vor ſich. Die Cyſtenwand und die dauernde Zuſammenziehung des Schließmuskels be— dingen die ſtets geſchloſſene Haltung der Muſchel— larve. In der Folge verſchwindet ein Teil derjenigen Organe, welche die Larve auszeichnen, ſo ſchon am zweiten Tage der Klebfaden mit ſeiner Drüſe, bis zum vierten die Sinneszellen und bis zur dritten Woche der Schließmuskel. Schmidt und ich haben bei wiederholten Unterſuchungen über dieſen Punkt immer nur den völligen Schwund des Schließ— muskels erweiſen können und ebenſo die von letzterem ganz unabhängige Neubildung der beiden bleibenden Ad— duktoren (Fig. 4), während Schierholz nur den größten Teil des Larvenmuskels ſchwinden, den anderen in den vorderen bleibenden Adduktor übergehen ließ. Neuer⸗ dings freilich ſcheint ſich Schierholz mit unſeren An⸗ gaben mehr befreundet zu haben, da er ſeine Behaup- tung nicht mehr ſo poſitiv hinſtellt, jedoch immer noch einen Zuſammenhang eines minimalen Teiles des Larvenmuskels mit dem bleibenden vorderen Schließ— 187 muskel ſehen will: erſterer ſoll ein differenzierter vor— derer Muskel ſein, obgleich nach Schierholz ſein größter Teil verſchwindet! Auch der Larven mantel wird reſorbiert, jedoch erſt ſpäter; er wächſt zuerſt jederſeits zu einem „pilz— förmigen Körper“ aus, von welchem ich angab, daß demſelben die Reſorption von Kalkſalzen aus dem Floſſenſkelet der Fiſche obliege; ſicher iſt, daß man die erfaßten Teile der Floſſenſtrahlen nach Ausbildung des pilzförmigen Körpers immer im Zerfall und im Schwund ſieht, und ſicher ſchien es mir, daß Larven, welche nicht an Floſſen ſitzen, ſchließlich abſterben. Letzteres iſt ſchon mit Rückſicht auf die Unionen nicht richtig, auch konnte es Schierholz bei Anodonten nicht beſtätigen, doch wird man, da dieſer Körper ſich erſt während des Paraſitierens bildet und gegen Ende desſelben ſchwindet, denſelben nicht als bedeutungslos anſehen können — ich glaube wie auch Schierholz, daß er zunächſt mit der Aufnahme von Nahrung aus der Umgebung betraut iſt, freilich nicht allein von Kalkſalzen; dieſelbe muß man wohl bei einem Tier vorausſetzen, das mehrere Wochen eneyſtirt lebt und lebhafte Wachstumsvorgänge erkennen läßt, denen allerdings Zerfall und Reſorption eigner Organe gegenüber ſtehen. Von den neu auftretenden Organen iſt frei— lich kaum eins als Neubildung im wörtlichen Sinne zu betrachten, denn alle laſſen ſich mehr oder weniger direkt auf Organe oder Zellgruppen der Larve zurück— führen; ſo wächſt der „Fußwulſt“ allmählich zum Fuß (Fig. 5) aus, das Darmſäckchen ſtreckt ſich in die Länge, gibt durch zwei Ausbuchtungen den Lebern ihren Urſprung und ſetzt ſich mit der Mundeinſtülpung auf der einen Seite und mit der Haut auf der an— deren Seite in Verbindung, ſo daß ein einheitlicher Darmkanal am Ende der paraſitiſchen Periode vor— handen iſt, der ſeine typiſche Windung im Fuß macht. Auch Herz und Nieren, namentlich die letzteren laſſen ſich auf bereits im Embryo nachweisbare Zell— gruppen nach F. Schmidt zurückführen, ebenſo die Anlage der inneren Kiemen auf die hintere Wan- dung der „ſeitlichen Gruben“. Von den beiden Schließmuskeln, von denen der hintere nach F. Schmidt bereits am zehnten Tage des Paraſi— tierens auftritt, iſt ſchon oben die Rede geweſen; gegen Ende dieſer Periode bildet ſich der Mantel in ſeiner bleibenden Form aus und ſecerniert, wie ich ſchon vor elf Jahren zeigen konnte, auf ſeiner äußeren Fläche die Prismenſubſtanz der neuen Schale, welche ſich direkt an die Innenfläche der Larvenſchale anlegt. Am freien Rande des Mantels entſteht ein Spalt, von deſſen Zellen die erſte Lage des Perioſtrakums, des Ueberzuges der bleibenden Schale, abgeſondert wird. Auch hat während dieſer ganzen Zeit eine durch das Emporwachſen des Fußes bedingte Verſchiebung der mittleren Partie der Larve nach vorn zu ftattge- funden, wodurch Mundöffnung und Oeſophagus ihre normale Lage erhalten haben. Es fehlen dem Para⸗ ſiten noch die Geſchlechtsorgane, die äußeren Kiemen, 188 Humboldt. — Mai 1889. die Lippentaſter und das Nervenſyſtem; von den genannten Teilen werden die drei zuerſt genannten erſt ſpäter, nach Beendigung der paraſitären Lebens⸗ weiſe gebildet; in Bezug auf Nervenſyſtem und Sinnes⸗ organe, von denen nur Gehörorgane in Betracht kommen, herrſchen zwiſchen Schmidt und Schierholz große Differenzen. Der letztere erkennt bei den Em⸗ bryonen von Anodonta bereits die Kiemenganglien, ſowie die Gehörbläschen, letztere beſonders deutlich bei jungen Embryonen von Unio und läßt die Pedal⸗ und Cerebralganglien in der erſten Zeit der paraſi⸗ tiſchen Lebensweiſe entſtehen, während Schmidt dieſe Anlagen im Embryo nicht geſehen hat, vielmehr alle Ganglienpaare ſowie die Gehörbläschen zum Teil erſt in der vierten Woche aus ſoliden zapfenförmigen Wucherungen des Epithels der Haut ſich bilden ge⸗ ſehen und dieſe Bildung Schritt für Schritt verfolgt hat. In Bezug auf die Gehörorgane iſt es mir ganz ſicher, daß das, was Schierholz Gehörbläschen beim Embryo nennt, nicht die Gehörbläschen der paraſi⸗ tierenden Larve ſind, denn ſchon nach der Beſchreibung von Schierholz handelt es ſich gar nicht um Bläs⸗ chen, ſondern um zwei große Zellen, die ein glänzen⸗ des Korn beſitzen und vielleicht vorübergehende Hör⸗ zellen der Larven darſtellen, aber ſicher keine Bläschen, deren Entſtehung Schmidt deutlich genug beſchrieben hat. Weniger ſicher bin ich über das Nervenſyſtem, obgleich ich geneigt bin, den klaren Bildern, welche Schmidt, deſſen Originalpräparate ich geſehen habe, publiziert, mehr Glauben entgegenzubringen als den Angaben von Schierholz, welche durch nichts weniger als klare Abbildungen belegt werden. Eine Erklärung hierfür gibt vielleicht die Thatſache, daß Schierholz vorzugs⸗ weiſe an ganzen Objekten, Schmidt dagegen an Schnit⸗ ten gearbeitet hat; zwar hat erſterer neuerdings auch Schnittſerien angefertigt, doch wenn die einzelnen Schnitte nicht beſſer als die Abbildungen ſind, ver⸗ dienen ſie keinen Glauben. Die wichtige Frage nach der Zeit der Entſtehung des Nervenſyſtems bleibt zur Zeit noch in Schwebe; ſicher iſt, daß am Ende des Paraſitierens die jungen Muſcheln ihr Nervenſyſtem in der bleibenden Form beſitzen. Zu dieſer Zeit beginnt auch die Wandung der Cyſte dünner zu werden und bricht endlich auf, fo daß die jungen Muſcheln nun frei werden und auf den Boden der Gewäſſer fallen, wo ſie, wenigſtens nach meinen Beobachtungen in Gefangenſchaft, ziem⸗ lich lebhafte Kriechbewegungen vollführen. Der Mantelrand bildet nun neue Schalenſubſtanz, die ſich in Form von zwei ſichelförmigen Plättchen an die Larvenſchale anlegen (Fig. 4) und bei weiterer Vergrößerung, wie es Schierholz gelang im Freien zu beobachten, auch äußerlich dem jungen Weſen das Ausſehen einer kleinen Muſchel geben. Schon be⸗ kannt war es, daß junge Unionen auf ihrer Schale Reihen von großen Höckern erkennen laſſen, die man auch bei älteren Tieren noch ſehen kann. Was nun die Dauer der paraſitiſchen Periode unſerer Süßwaſſermuſcheln anlangt, ſo hängt dieſelbe, was ich ſchon früher angegeben habe, von der Temperatur ab; Schierholz beſtätigt dies durch eine größere Zahl von Beobachtungen an künſt⸗ lich und natürlich infizierten Fiſchen, doch fand er nicht wie ich, daß das Abfallen innerhalb weniger Tage vor ſich geht, ſondern wenigſtens in der kälteren Jahreszeit mehrere Wochen in Anſpruch nimmt. Bei Unionen, die vom Mai bis Juli ſchmarotzen, ſinkt die Zeit des Paraſitismus von 40 Tagen im Mai auf nur 14 Tage im Juli! Ueber das Wachstum der Muſcheln in der Zeit nach dem Abfall von Fiſchen hat Schierholz einige Beobachtungen gemacht: die Anodonten, die in der Natur im April abfallen, erreichen bis zum Oktober eine Länge von 14 mm, die Unionen von Ende Juni bis Ende Oktober 3 mm; im Winter iſt das Wachs⸗ tum gleich Null, nur wird ein „Jahresring“ in der Schale gebildet; im nächſten Sommer wachſen die kleinen Entenmuſcheln bis auf 20, die Unionen auf 10 mm. Von den noch fehlenden Organen treten nach Schierholz die Lippentaſter zuerſt — es ſcheint im erſten Lebensjahre — auf, erſt im zweiten und dritten bei Anodonta die äußeren Kiemen und die Geſchlechts⸗ organe, ein Jahr ſpäter bei Unio; geſchlechtsreif ſind die erſteren im vierten, die letzteren im fünften Jahre. Das Alter der Flußperlmuſcheln ſchätzt v. Heßling auf 70— 80 Jahre, die übrigen Arten mögen nach Schierholz 20—30 Jahre erreichen. Der letztere Autor vergleicht noch die Entwickelung der Najaden (d. h. Unio und Anodonta) mit der anderer Muſcheln und ſtellt eine Reihe von Organen der Larve als ſekundär erworbene hin, hierin im ganzen mit Rabl und F. Schmidt übereinſtimmend; es ſind dies alle jene Organe, die während des Paraſitierens ſchwinden. Auch die Frage über den Zweck des Paraſitismus wird angeregt, jedoch ſcheint es mir, daß wir uns bei Beurteilung dieſes Punktes noch große Reſerve auflegen müſſen: die Zahl der Arten von Unio und Anodonta, die wir entwickelungsgeſchichtlich kennen, ift eine ſehr geringe; die meiſten Arten derſelben oder nahe verwandter Gat⸗ tungen ſind uns embryologiſch ganz unbekannt; nur von einigen kennen wir durch J. Lea (1858) wenig⸗ ſtens die Form der reifen Embryonen und danach ſcheint es, als ob einem Teil dieſer nordamerikaniſchen Arten die Schalenaufſätze fehlen, woraus man den Schluß ziehen kann, daß dieſe nicht in derſelben Weiſe paraſitieren, wie die europäiſchen Arten, viel⸗ leicht überhaupt kein Schmarotzerſtadium durchmachen werden. Hier dürfte der Punkt gegeben ſein, deſſen exakte Unterſuchung uns den Weg klar legen könnte, auf welchem ein Teil der Najaden zu dem auffallen⸗ den, nur zeitweiligen Paraſitismus gelangt iſt. Schließlich macht Schierholz noch einen beachtens⸗ werten Vorſchlag zur Hebung der Flußperlmuſchel⸗ zucht; er meint, daß es nicht nur überflüſſig, ſondern geradezu ſchädlich ſei, wenn man, wie es geſchieht, die großen Exemplare, die keine Perlen mehr liefern, in den Bächen läßt, angeblich damit ſie Brut abſetzen; das letztere iſt nach Schierholz allerdings nur ſpärlichen Humboldt. — Mai 1889. 189 Beobachtungen nicht der Fall, und fo find die alten Tiere vom Standpunkt des Menſchen nur überflüſſige Konkurrenten der jüngeren, unter Umſtänden Perlen bildenden Individuen. Die Zahl der letzteren läßt ſich aber vermehren, wenn man Fiſche künſtlich mit der reifen Brut von Perlmuſcheln infiziert, da er⸗ fahrungsgemäß auf ſolchem Wege viel mehr Larven ſich an Fiſche anſetzen als im Freien. Die Fiſche müßten dann an geeigneten Orten ausgeſetzt und die abfallenden jungen Muſcheln ſich ſelbſt überlaſſen werden, da deren Aufzucht in Aquarien nach allen bisherigen Erfahrungen unmöglich iſt. Sortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Elektrotechnik. Don Dr. V. Wietlisbach in Bern. Die Wechſelſtrommotoren. Der Motor von Tesla. Die Elektrolyſe durch Wechſelſtröme. Die Unterſuchungen von Hertz über die Fortpflanzung elektriſcher Wirkungen. Der alternierende Weg von Lodge. Die Cheorie der Blitzableiter. Wird in einen Gleichſtrommotor ein Wechſelſtrom geleitet, ſo zeigen ſich an den Bürſten auch bei günſtiger Stellung derſelben viele und ſtarke Funken, welche mit der Beanſpruchung wachſen; das Eiſen von Anker und Schenkel wird ſtark erhitzt, auch wenn es auf zweckmäßige Weiſe in Lamellen zerſchnitten iſt, und der Nutzeffekt bleibt bedeutend unter demjenigen, den der gleiche Motor mit Gleichſtrom betrieben gibt. Dieſe Erſcheinung erklärt ſich leicht, wenn man berückſichtigt, daß die Wicklungen der Armatur jedesmal kurz geſchloſſen werden, wenn die 3u- gehörigen benachbarten Kollektorſegmente unter den Bürſten weggleiten; ſie bilden dabei einen Stromkreis von ſehr kleinem Widerſtande, und es genügt eine relativ kleine elektromotoriſche Kraft, um einen kräftigen Strom zu er⸗ zeugen, der dann, wenn das eine Kollektorſegment die Bürſte verläßt und die Strombahn unterbrochen wird, einen kräftigen Funken bildet. Bei den Gleichſtrommotoren werden die Bürſten ſo geſtellt, daß der Kurzſchluß in einer homogenen Gegend des magnetiſchen Feldes erfolgt. Während des kurzen Weges, auf welchem die Wicklung im Neben⸗ ſchluß liegt, ändert ſich dann die Zahl der Kraftlinien, welche die Wicklung durchſchneiden, nicht, und es findet daher auch keine Induktion ſtatt; die Wicklung bleibt nahe ſtromlos und erzeugt beim Oeffnen keine Funken. Wird nun aber in denſelben Motor ein Wechſelſtrom ge- ſandt, ſo befinden ſich alle Teile des magnetiſchen Feldes in einer beſtändigen Veränderung und es iſt daher un— möglich, eine funkenloſe Bürſtenſtellung zu finden. Eine große Schwierigkeit bietet im ferneren dem Betriebe der Motoren mit Wechſelſtrom der Umſtand, daß Motor und Generator ſynchron mit einander laufen müſſen, um eine Wirkung zu erzielen; in beiden Maſchinen muß gleichzeitig die Armatur die Stellen des Maximums und des Mini- mums des magnetiſchen Feldes paſſieren. Als eine Folge hiervon kann endlich der Motor nicht ſelbſtändig ſich in Gang ſetzen, ſondern muß durch andere Kräfte angetrieben werden, bis er die gleiche Geſchwindigkeit wie der Gene- rator erreicht hat. Iſt der ſynchrone Gang einmal herge- ſtellt, ſo wird er durch jede ſtarke Beanſpruchung des Motors wieder gefährdet. Schon eine kleine durch Zu- fälligkeiten des Betriebes veranlaßte Abweichung vom Gange des Generators genügt, um den Motor in kurzer Zeit ganz zum Stillſtande zu bringen, worauf er wieder von neuem angetrieben werden muß. Dieſe Schwerfälligkeit des Betriebes machte eine all⸗ gemeine Verwendung des Wechſelſtroms zum Motoren— betrieb bisher unmöglich. Erſt in neueſter Zeit iſt ein Wechſelſtrommotor von Nik. Tesla?) erfunden worden, welcher die erwähnten Nachteile zum großen Teile ver⸗ meidet; er wird von der Weſtinghouſe Company, welche mit Transformatoren elektriſche Energie verteilt, zur Kraft- übertragung an die an ihr Netz angeſchloſſenen Teilnehmer benützt. Das bei ſeiner Konſtruktion verwendete Prinzip iſt weſentlich von dem den Dynamomaſchinen zu Grunde liegenden verſchieden. Er beſteht zwar auch, wie jene, aus zwei verſchiedenen Teilen, einem feſtliegenden und einem beweglichen. Während aber bei den erſteren der aus dem Verteilungsnetze oder einem beſonderen Generator entnommene elektriſche Strom beide Teile durchfließt, und die Wechſelwirkung dieſes primären Stromes in denſelben die Kraftwirkung erzeugt, ſo fließt im Teslamotor der primäre Wechſelſtrom nur durch den feſtliegendeu Teil, und erzeugt ſeinerſeits durch Induktion im beweglichen in ſich geſchloſſenen Anker ſekundäre Ströme; die Kraft⸗ äußerung entſteht durch die Wechſelwirkung des primären und des induzierten ſekundären Stromes. Verſuche, die Wechſelſtröme auf ähnliche Weiſe zur Erzeugung von fon- tinuierlichen Rotationsbewegungen zu benützen, wurden ſchon früher von Elihu Thomſon und J. Wightmann**) angeſtellt, ohne aber zu einem praktiſchen Reſultate zu führen. Die Haupteigentümlichkeit des Teslamotors beſteht darin, daß er ein ſehr raſch rotierendes magnetiſches Feld beſitzt, welches den beweglichen Anker mit fic) zu nehmen ſtrebt. Er iſt in ſeiner einfachſten Form in Figur 1 ſchematiſch dargeſtellt. Das magnetiſche Feld wird durch vier Elektromagnete gebildet, welche in zwei verſchiedene Stromkreiſe I und II eingeſchaltet find. Beide Stromkreiſe werden durch ganz gleich beſchaffene Wechſel— ſtröme geſpeiſt, welche ſich nur dadurch unterſcheiden, daß ihre Phaſen um eine Viertelwellenlänge voneinander ver⸗ ſchieden ſind. Wenn alſo der erſte Strom die Werte + A, O - A, 0 hat, jo hat der zweite Strom die Werte 0, + A, O—A, wo A die Amplitude oder die größte Intenſität des Wechſel⸗ ) Elektrotechniſche Zeitſchrift, Berlin, Januar 1889. — Centralblatt für Elektrotechnik, S. 140. 1889. ) Centralblatt für Elektrotechnik, S. 925. 1888. 190 ſtromes bedeutet. In einem beſtimmten Zeitmomente werden daher die vier Elektromagnete nach Figur 1 mag⸗ netiſiert fein. Der obere Magnetpol iſt ein Nordpol, der untere ein Südpol, während die horizontal liegenden durch den Strom II gar nicht magnetiſiert werden. Nach einer Viertelperiode hat der erſte Strom den Wert Null, der zweite den Maximalwert erreicht, das magnetiſche Feld wird durch Figur 2 dargeſtellt. Figur 3 und 4 zeigen das magnetiſche Feld im zweiten und dritten Viertel der Phaſe. Wenn alſo die zwei Wechſelſtröme in der angegebenen Weiſe die beiden Elektromagnetpaare durch⸗ fließen, ſo bilden ihre vier Pole ein ringförmiges magne⸗ tiſches Feld, welches mit einer Geſchwindigkeit rotiert, die von der Umdrehungszahl des Generators abhängig iſt. Für jeden vollſtändigen Stromwechſel bewegt ſich der magnetiſche Ring einmal im Kreiſe herum. Wenn innerhalb desſelben ein in der Form einer Magnetnadel geſchnittenes Eiſenſtück frei beweglich aufgeſtellt iſt, ſo wird es der Bewegung des magnetiſchen Ringes folgen und ſich ebenfalls drehen. ö Man kann das Eiſenſtück mit ö einem dicken iſolierten Kupferdrahte 1 1 i | 5 8 f Rk ae ANG Humboldt. — Mai 1889. Drehmoment gleich groß. Wenn die Belaſtung klein ijt, ſo wird ſich der Anker ſehr raſch drehen, ſelbſt raſcher als das magnetiſche Feld. Je größer ſie wird, um ſo lang⸗ ſamer wird die Bewegung. Dieſer Motor iſt alſo nicht mehr an den ſynchronen Gang gebunden, ſondern er wird ſich in Bewegung ſetzen, ſolange die Belaſtung bei irgend einer Geſchwindigkeit durch die Leiſtung des Motors über⸗ wunden werden kann, und er würde in dieſer Beziehung den praktiſchen Bedürfniſſen entſprechen. Der Hauptnach⸗ teil beſteht darin, daß zu ſeinem Betriebe zwei verſchiedene Ströme mit einer Phaſendifferenz von einer Viertelwellen⸗ länge notwendig ſind. Es müſſen alſo zwei Leitungs⸗ ſyſteme verlegt werden, welche ſich allerdings unter ge⸗ wiſſen Umſtänden durch drei Leitungen erſetzen laſſen, wo dann die eine die gemeinſchaftliche Rückleitung zu bilden hat. Auch auf der Centralſtation ſind beſondere Vor⸗ kehrungen zur Lieferung dieſer beiden Ströme notwendig. Wenn dem Teslamotor daher vorläufig kaum eine große praktiſche Verwendung in der gegenwärtigen Form in Ausſicht ſteht, ſo wird doch durch die neuartige Konſtruk⸗ tion ein Weg eröffnet, der vielleicht zu dem lang erſtrebten Ziele führen kann. = e Wt Dasſelbe Prinzip läßt ſich in verſchiedener Weiſe zur Konſtruktion von Meß⸗ apparaten für Wechſelſtröme benützen (z. B. Schallen⸗ = berger, Borel u. a.). = Man iſt gewöhnlich der 0 Jig. 2. adi Fig. 3. 5 Fig. 4. Meinung, daß es unmöglich ö gnetiſches Feld des Wechſelſtrommotors von Telsa. ſei, mit Wechſelſtrömen elek⸗ ö I bewickeln, deſſen Enden miteinander | trolytijde Erſcheinungen hervorzurufen, da der nach verbunden ſind, ſo daß er eine ge⸗ ſchloſſene Strombahn bildet; in der⸗ ſelben wird durch die Aenderungen des magnetiſchen Feldes ein Strom induziert, der das Eiſenſtück magnetiſiert und zur Verſtärkung der Wirkung beiträgt. Man erhält dann den von Tesla als ſynchronen bezeichneten Motor. Es iſt nämlich klar, daß ſein Anker genau ſo raſch rotieren muß, als der magnetiſche Ring. Wird die Belaſtung für die durch die Anzahl der Stromwechſel des Generators beſtimmte Geſchwindigkeit zu groß, ſo ſteht er ſtill; er wird aber, wenn die Belaſtung verkleinert worden iſt, ſich wieder ſelbſtthätig in Bewegung ſetzen. Tesla hat nun aber auch noch eine Konſtruktion ange⸗ geben, welche den ſynchronen Gang nicht mehr vorausſetzt. Der Anker wird ſtatt mit einer einzigen mit mehreren Drahtwicklungen in ſymmetriſcher Anordnung verſehen; man kann z. B. eine Siemens⸗Trommel verwenden, bei welcher die Kollektorſegmente entfernt wurden. Es beſteht dann der Hauptunterſchied gegenüber einem gewöhnlichen Motor nur noch darin, daß die Wicklungen des Ankers unter ſich wohl eine zuſammenhängende Strombahn bilden, im übrigen aber vollſtändig iſoliert ſind, alſo weder mit dem Schenkel des Motors noch mit der Hauptleitung in irgend welcher Verbindung ſtehen. Die gegenſeitige Einwirkung des rotierenden magnetiſchen Feldes und des magnetiſierten Ankers erzeugt ein Drehmoment, welches dem Anker die gleiche Bewegung zu erteilen ſucht. Infolge des ſymme⸗ triſchen Baues des Ankers iſt in allen ſeinen Lagen dieſes der einen Richtung hin verlaufende Stromimpuls durch den in der entgegengeſetzten Richtung unmittelbar darauf folgen⸗ den in ſeiner elektrolytiſchen Wirkung aufgehoben werde. Für ſchwache Ströme iſt dieſe Anſchauung richtig. Es gelingt aber, wie Manoeuvrier und Chappuis) gezeigt haben, durch ſtarke und ſehr raſch undulierende Ströme, alle Er⸗ ſcheinungen der gewöhnlichen Elektrolyſe hervorzubringen. Allerdings beſteht dabei das Eigentümliche, daß die elektro⸗ lytiſchen Niederſchläge nicht an einer, ſondern an beiden Elektroden ſich ausſcheiden. Bei der Zerſetzung von ange⸗ ſäuertem Waſſer entwickelt ſich an beiden Elektroden ein Gemiſch von Waſſerſtoff und Sauerſtoff oder Knallgas; ebenſo erſcheint bei der Zerſetzung von Salzlöſungen an beiden Elektroden der Metallniederſchlag, aber der Vorgang wird durch ſekundäre Einflüſſe gewöhnlich getrübt und bleibt daher für techniſche Zwecke wohl nicht verwertbar. So merkwürdig dieſe Erſcheinungen ſind, ſo hat man doch, wie mir ſcheint, die Bedeutung derſelben überſchätzt. Aus der von Hittorf und Clauſius entwickelten Theorie der Elektrolyſe läßt ſich ohne weiteres Rechenſchaft von den⸗ ſelben geben. Wenn die Stromwechſel ſo langſam aufeinander folgen, daß die Ueberführung der gelöſten Jonen ſtatt⸗ finden kann, bevor der Gegenſtrom kommt, und wenn die Stromdichte an den Elektroden nicht zu groß iſt, ſo wer⸗ ) Comptes Rendus, vol. 107, Nr. 1 u. 2. 1888. — Central⸗ blatt für Elektrotechnik, S. 672, 773, 793. 1888. Humboldt. — Mai 1880. den die Jonen wirklich ausgeſchieden, und der Gegenftrom wird nur einen Teil derſelben wieder vernichten können, den anderen Teil des chemiſchen Aequivalents wird er anderen Stücken der Elektroden entnehmen, ſofern der Ausfall nicht aus der Löſung ſelbſt gedeckt wird. Die ge— nannten Experimentatoren mußten daher bei der Elektro— lyſe von angeſäuertem Waſſer durch einen Strom von 2,5 Amp. mit 133 Stromwechſeln in der Sekunde die Elektrodenfläche auf 6 qmm reduzieren, um eine ſicht⸗ bare Gasentwickelung zu erzeugen. Bei einer Steigerung der Stromwechſel mußte entweder die Stromſtärke ver— größert oder die Elektrodenfläche verkleinert werden. Die ausgeſchiedenen Gaſe ſind naszierender Waſſerſtoff und Ozon. Das Gemiſch derſelben explodiert ſehr leicht. Die Experimentatoren haben gefunden, daß die Exploſion auf⸗ trete, wenn die Elektroden, bei Fortgang der Waſſer⸗ zerſetzung immer weniger tief in die Flüſſigkeit eintauchend, durch Vergrößerung des elektriſchen Widerſtandes zu einer Temperatur erhitzt werden, welche die Exploſion einzuleiten imſtande iſt. Uebrigens hat ſchon de la Rive im Jahre 1837 die Elektrolyſe der Gaſe durch Wechſelſtröme und deren ſchließliche Detonation beobachtet, ohne ſich aber von der Erſcheinung vollkommen Rechenſchaft geben zu können. Hervorragende Bedeutung iſt den Unterſuchungen von Hertz über die Ausbreitungsgeſchwindigkeit der elektriſchen Wirkungen zuerkannt worden. In einer erſten Abhandlung“) beſchäftigt er fic) mit der Ausbrei⸗ tungsgeſchwindigkeit der elektrodynamiſchen Wirkungen. Hierzu werden ſehr raſch oscillierende elektriſche Wellen ver- wendet, welche bei Funkenentladungen entſtehen. Die von Thomſon und Kirchhoff ausgearbeiteten Theorien der Ent— ladung von Kondenſatoren zeigen, daß dieſelbe aus einer großen Zahl raſch aufeinander folgender hin und her gehender Wellen beſteht. Fedderſon hat im rotierenden Spiegel den Funken in die einzelnen aufeinander folgen— den Schwingungen zerlegt und v. Helmholtz hat eine Methode angegeben, um die Amplituden der einzelnen Oszillationen und deren Schwingungsdauer mit dem Pendel⸗ myographium zu meſſen. Die letztere iſt von der Kapaci⸗ tät und der Selbſtinduktion des Leiters abhängig, und ſie kann daher zwiſchen allen möglichen Werten verändert werden. v. Helmholtz beobachtete bei der Entladung von gewöhnlichen Leidener Flaſchen und Induktionsſpulen Schwingungen von etwa ½ 000 Sekunden Oscillations⸗ dauer. Da die Geſchwindigkeit der Elektricität etwa 300 000 km beträgt, ſo war alſo die Länge dieſer Wellen 150 km. Hertz erzeugte nun aber Schwingungen von bloß ½0 b 000 Sekunden Dauer, deren Länge alſo nur noch circa 2 m beträgt, und er reduzierte dadurch die Wellen auf eine Länge, welche im Laboratorium be- quem unterſucht werden kann. Dieſe Wellen können durch den folgenden Apparat erzeugt werden: Zwei Metallplatten von 40 em Länge werden parallel nebeneinander aufgeſtellt und durch einen 60 em langen Draht verbunden, der in der Mitte eine Funkenſtrecke enthält. Die Enden dieſer Funken⸗ ſtrecke ſind mit einem großen Induktorium in Verbindung, durch deſſen Entladung die Oscillationen im Apparate er⸗ ) Wiedemanns Annalen 34, S. 551. 1888. 191 regt werden. Neben der einen dieſer Platten A ſteht eine dritte Metallplatte B, welche mit einem langen, zur Erde abgeleiteten Draht in Verbindung ſteht. Durch Induktion zwiſchen den Platten A und B überträgt ſich die Oscil⸗ lation in den langen Draht, in welchem fortſchreitende Wellen entſtehen. Es können aber auch ſtehende Wellen erzeugt werden; dazu iſt nur notwendig, daß die Länge des Drahtes ein Vielfaches der Wellenlänge beträgt. Es bilden ſich dann längs des Drahtes Knoten und Bäuche. Um die Lage derſelben zu beſtimmen, benützte Hertz einen dritten Leiter mit einer Funkenſtrecke von der gleichen Schwingungsdauer wie der primäre. Im vorliegenden Falle wurde er durch einen kreisförmigen Draht von 35 em Radius gebildet. Derſelbe wurde längs des Drahtes hin— geführt. An den Stellen, wo die ſtehenden elektriſchen Wellen Bäuche bildeten, entſtand ein lebhaftes Funken— ſpiel, an den Stellen der Knoten verſchwand dasſelbe. Die Länge der ſtehenden Wellen, d. h. die Entfernung zweier Knoten oder Bäuche wurde zu 2,8 m gefunden. und da die Schwingungsdauer zu ¼00 000000 Sekun⸗ den beſtimmt war, ſo ergab fic) als Fortpflangungs- geſchwindigkeit der Elektrieität in dem betreffenden Drahte zu 200 000 km. Dieſe Geſchwindigkeit blieb angenähert gleich groß, wenn der Durchmeſſer des Drahtes abgeändert, oder wenn der Kupferdraht durch einen ſolchen aus Eiſen oder Zink erſetzt wurde. In einem anderen Verſuche wurde der kreisförmige Leiter gleichzeitig der Einwirkung der fortſchreitenden Wellen im horizontalen Drahte und der im primären Drahte verlaufenden Oscillationen ausgeſetzt. Dieſe beiden Wellenbewegungen erzeugten wie zwei zuſammentreffende Lichtſtrahlen Interferenzen. Wenn der kreisförmige Leiter bewegt wurde, jo traf er auf Stellen, wo das Funkenſpiel lebhaft wurde, auf andere, wo es verſchwand, und aus der Lage dieſer Stelle konnte gerade wie in der Optik die Länge der interferierenden Wellen berechnet werden. Es ergab ſich die Wellenlänge zu 4,5 m, was bei der erwähnten Schwingungsdauer einer Geſchwindigkeit von 320 000 km entſpricht. Die Fortpflanzungsgeſchwindig— keit der elektriſchen Wellen iſt alſo in der Luft erheblich größer als in den Metallen. Durch dieſe Verſuche iſt zum erſtenmal auf ſtreng experimentellem Wege die Faradayſche Anſchauung be- ſtätigt, daß die elektriſchen Kräfte ſelbſtändig im Raume beſtehende Polariſationen ſeien, und die Hypotheſe, daß die Lichtwellen elektrodynamiſche Wellen ſeien, erhält eine neue Stütze durch den Nachweis der Exiſtenz ſolcher elek— triſcher Transverſalwellen im Luftraume, und durch den Umſtand, daß dieſe ſich mit ähnlicher Geſchwindigkeit wie jene ausbreiten. In ſeiner zweiten Arbeit: Ueber elektrodynamiſche Wellen im Luftraume und deren Reflexion“), gibt Hertz eine weitere intereſſante Anwendung ſeiner Methode. Der oben beſchriebene primäre Leiter wird gegenüber einer leitend gemachten Wand aufgeſtellt, welche die von ihm ausgehenden Wellen reflektiert; dadurch bilden ſich im Luftraume ſtehende Bäuche und Knoten, deren Lage beſtimmt werden kann. Die Wellenlänge ergab ſich zu ) Wiedemanns Annalen 34, S. 609. 192 4,8 m gegen die 4,5 m, welche wie oben angeführt durch Interferenz gefunden wurden, eine mit Rückſicht auf die Schwierigkeit dieſer Meſſungen befriedigende Ueberein⸗ ſtimmung. Durch die Verſuche von Hertz wurden zahl- reiche andere Forſcher zu ähnlichen Unterſuchungen ange- regt. In England und Amerika unternahm man ſie namentlich für die Theorie der Blitzableiter zu ver⸗ werten ). Es erſcheint aber noch recht fraglich, ob beim Blitze ähnliche Oscillationen vor fic) gehen, wie in dem Schließungsbogen einer Leidener Flaſche oder einer Funken⸗ ſtrecke. Solange man noch über die elementaren Grund— lagen der Blitzbildung, über die Länge und Dauer des Blitzes, die Höhe der Gewitterwolken über der Erde, die Spannung und die Menge der fließenden Elektricität im ungewiſſen iſt, ſcheint es nicht lohnend, die mehr oder weniger große Wahrſcheinlichkeit theoretiſcher Spekulationen über die dabei möglichen Vorgänge abzuwägen **). Einiges Aufſehen haben die Verſuche von Lodge über den ſogenannten alternierenden Weg gemacht. Wenn eine Funkenſtrecke parallel zu einer Drahtſpirale ge⸗ ſchaltet wird, und die Verzweigungspunkte mit einer Elektriſiermaſchine verbunden werden, ſo läßt ſich für jede beſtimmte Drahtſpirale eine Länge der Funkenſtrecke finden, bei der die elektriſche Entladung ebenſo leicht durch die Funkenſtrecke als durch die Spirale zu paſſieren ſcheint“! “). Wird die Funkenſtrecke kürzer gemacht, ſo findet die Aus⸗ gleichung nur noch durch die Spirale ſtatt, wird ſie verlängert, ſo verſchwinden die Funken ganz. Der Verſuch zeigt, daß weder der Widerſtand, noch die Magnetiſierbarkeit eine weſentliche Rolle ſpielen, indem für einen dicken Kupfer⸗ draht und für einen dünnen Eiſendraht die Funkenſtrecke faſt gleich lang ausfällt. Dies erklärt ſich leicht, wenn man berückſichtigt, daß man es mit ſehr raſchen Oscil⸗ lationen zu thun hat; durch dieſelben wird der Ohmſche *) Bath Meeting of the British Association. Zahlreiche Ab⸗ handlungen von Lodge, Varley, Acheſon in Electrician London und Electrical Engineer New-York. 1888. **) Elektrotechniſche Rundſchau, S. 16. 1889. — Lumiere electrique, 6. Oftober 1888. ) Centralblatt f. Elektrotechnik, S. 76, 1889 u. S. 872—885 v. 1888. Humboldt. — Mai 1889. Widerſtand der Leiter vollſtändig verändert. Die Oscil- lationen folgen ſich aber auch ſo raſch, daß das Eiſen ſich nicht mehr magnetiſieren kann, und es verhalten ſich da- her Eiſen- und Kupferdrähte denſelben gegenüber ähnlich. Dagegen wird die Länge der Funkenſtrecke weſentlich durch die Länge des Drahtes (ſeine Selbſtinduktion und Kapa⸗ cität) beſtimmt. Anſtatt anzunehmen, die Entladung gehe einmal durch die Funkenſtrecke, das andere Mal durch die Drahtſpirale, kann man übrigens den Verſuch auch noch jo interpretieren, daß der größere Teil des Entladungs⸗ ſtromes immer der gutleitenden Drahtſpirale folge; die heftige Bewegung erzeugt in derſelben Extraſtröme, welche durch die Funkenſtrecke ſich entladen. Die Extraſtröme in kurzen Drähten und im gut leitenden Kupfer ſind ſtärker, erſtens weil die Entladung raſcher vor ſich geht, und zweitens weil die Induktionsſtröme wegen des kleineren Widerſtandes ſtärker ausfallen müſſen. Der Schluß wird aber dann umgekehrt; je kürzer die Funkenſtrecke einge⸗ ſtellt werden muß, um ſo ſchlechter leitet die Spirale, und nicht, wie Lodge glaubt, um fo beſſer. Dieſe von Preece*) aufgeſtellte Erklärung ſcheint allen Thatſachen zu ent⸗ ſprechen, welche bis jetzt auch von anderen Forſchern (Swinburne, Acheſon), beobachtet wurden. Denſelben iſt übrigens anzuempfehlen, die klaſſiſchen Verſuche von Rieß zu ſtudieren. Sie würden die meiſten ihrer Entdeckungen antizipiert finden. Der Unklarheit in der Deutung der Thatſachen ent⸗ ſprechend führt die Anwendung der Hypotheſen die engli— ſchen Techniker und Gelehrten zu ganz entgegengeſetzten Anſichten über die Konſtruktion der Blitzableiter, je nach⸗ dem der Blitz als eine oseillatoriſche Ausgleichung oder als eine plötzliche Entladung angeſehen wird. Vor der Hand ſcheint die letztere Anſicht noch die größere Wahr⸗ ſcheinlichkeit für ſich zu haben und es iſt daher kein Grund vorhanden, von den bisher als richtig erkannten Prinzipien bei der Konſtruktion der Blitzableiter abzuweichen. Das ſchlimme iſt nur, daß diejenigen Techniker, welche ſolche herſtellen ſollen, jene Prinzipien gewöhnlich gar nicht kennen. ) Discussion on Lighting Conductors at the British Asso- ciation. Industries Nr. 9. 1888. Zoologie. Von Dr. Kurt Lampert in Stuttgart. Neuere Schinodermen⸗Litteratur. Die Niere der Seeigel. Sängsmuskeln der Echinothnriden. Beweglichkeit der Platten bei dieſen und foſſilen Seeigeln. Pedizellarien und Sinnesorgane der Seeigel. Globiferen und Spharidien. Meſodermanlage bei Synapta. Die bilateralen Sarvenformen der Schinodermen und ihre Wimperſchnüre. Phylogenetijche Bedeutung. Die Urkeimzellen der Echinodermen und ihre Beifungsſtätten. mäßigen Seeigel. ſowie des Steinkanals nebſt Bildung des Waſſergefäßſyſtems. Abſtammung derſelben. Eifurchung der unregel⸗ Anlage der primären und ſekundären Tentakel, Hypothetiſche Stammform der Schinodermen. Echte Fahne beim Schnabeltier. Bedeutung des Gebiſſes für die Stammesgeſchichte der Säugetiere. Perſiſtierendes Gebiß und Milchgebiß. Regenerationsfähigkeit. Beziehung zur ungeſchlecht⸗ lichen Fortpflanzung durch Unoſpung und Teilung. von Sidechſenſchwänzen. Augmentation und Propagation. Ein Fall von Neubildung eines Eidechſenfußes. Abweichende Schuppenbildung bei der Regeneration Beziehung der Kegenerationsfähigkeit zur Metamerenbildung. Das Studium der Stachelhäuter hat in neuerer Zeit gegen früher ganz bedeutende Fortſchritte gemacht. Während lange Zeit die ſyſtematiſche Bearbeitung in den Vorder⸗ grund trat und nur wenige Arbeiten, wie vor allen Baurs „Beiträge zur Naturgeſchichte der Synapta digitata“ und J. Müllers Publikationen über Larven und Metamor⸗ phoſe der Echinodermen hiervon eine Ausnahme machten, wurde erſt mit Ludwigs, Ende der ſiebziger Jahre er⸗ ſchienenen „Morphologiſchen Echinodermenſtudien“ erfolg⸗ reich eine andere Richtung eingeſchlagen, indem dieſer Forſcher auf Grund eigener anatomiſcher Unterſuchungen das Chaos ſich widerſprechender früherer Angaben über den Bau der Echinodermen ſichtete und hierüber eine Reihe wertvoller zuſammenhängender, die einzelnen Klaſſen be⸗ Humboldt, — Mai 1889. treffender Mitteilungen gab. Seitdem iſt auch auf dieſem Gebiet die Zahl der Arbeiten gewachſen, teils kleinere Unter- ſuchungen, teils umfaſſende Publikationen darſtellend; die in dem Aufenthalt an zoologiſchen Stationen gegebene Mög— lichkeit, mit friſchem Material zu arbeiten und die Fort⸗ ſchritte der zoologiſchen Technik haben die Klarlegung wich— tiger, oft ſehr ſchwierig und an, in gewöhnlicher Weiſe konſerviertem Material kaum zu verfolgender, anatomiſcher, hiſtologiſcher und entwickelungsgeſchichtlicher Fragen geſtattet. Es iſt in dieſen Blättern“) beiſpielsweiſe ſchon be— richtet worden über den P. und F. Saraſin gelungenen Nachweis von Augen bei Seeigeln und deren Zuſammen— ſetzung. In neueren Publikationen geben beide Autoren Mitteilungen über intereſſante Unterſuchungen an Asthe- nosoma urens P. et F. Sarasin, einem zu der merk— würdigen Familie der Echinothuriden gehörigen Seeigel, der, wie von genannten Forſchern ſchon früher erwähnt wurde, hohe giftige Eigenſchaften beſitzt. Die eine der gedachten Unterſuchungen!“) beſchäftigt ſich mit dem bräun⸗ lichen Gebilde, welches den Steinkanal in ſeinem Verlauf vom Waſſerring zur Madreporenplatte begleitet. Dieſes ſo mannigfach gedeutete Organ, auf deſſen nähere hiſto— logiſche Schilderung hier nicht eingegangen werden ſoll, wird von den beiden Forſchern als Niere angeſprochen und iſt als Anhang des Waſſergefäßſyſtems anzuſehen, wobei zu bemerken iſt, daß Hartog !“) in neuerer Zeit die excre- toriſche Natur dieſes Organſyſtems überhaupt betont hat. Aus den anderen Mitteilungen heben wir die Schilde⸗ rung der Längsmuskeln von Asthenosoma hervor t). An den Grenzlinien der Ambulacra und Interambulacra vev- laufen paarweiſe 10 Längsmuskeln, die von der Seite ge- ſehen die Form eines Halbmondes beſitzen, die aber nicht einfache glatte Bänder ſind, ſondern ſich aus zahlreichen, radiär verlaufenden Muskelbündeln zuſammenſetzen, welche an den äußerſten Enden der Ambulacralplatten entſpringen. Bei den hartgepanzerten Seeigeln fehlen dieſe Muskeln; ſie wären, da die Schalenſtücke gegenſeitig unbeweglich jind, völlig unnütz. Bei den Echinothuriden find dagegen die Schalenplatten gegeneinander verſchiebbar und die ge— ſchilderten Muskeln ermöglichen daher eine Bewegung des Körpers, wie auch thatſächlich an lebenden Echinothuriden wurmfömige Kontraktionen beobachtet wurden. Dieſe Mus— keln ſind von größter Bedeutung für die Verwandtſchaft der Seeigel und Seewalzen, eine Bedeutung, die noch da— durch erhöht wird, daß die Echinothuriden ſich als die niedrigſten, an die Paläechiniden ſich anſchließenden leben- den Seeigelformen erweiſen. Bei dieſen nur aus paläo— zoiſchen Schichten bekannten älteſten Formen griffen die Skelettplatten dachziegel- oder ſchuppenförmig übereinander, ſo daß ſie im Leben der Tiere jedenfalls auch gegenſeitig verſchiebbar waren. Es iſt bemerkenswert, daß auch bei ) Humboldt, Jahrg. VI, Heft 9. ) P. und F. Saraſin, Ueber die Niere der Seeigel, Zoologiſcher Anzeiger, Jahrg. XI 1888, Nr. 277, und Ergebn. nat. Forſch. a. Ceylon, Bd. I, Heft 3, 1888, S. 105-123, Tafel XV—XVII, Fig 42. ***) Hartog, The true nature of the ,Madreporic System“ of Echinodermata with Remarks on Nephridia, Ann. and Magaz. of Nat. Hist., 5. series, Vol. XX, p. 321—326. +) P. und F. Saraſin, Die Längsmuskeln und die Stewartſchen Organe der Echinothuriden, Zoolog. Anzeiger, Jahrg. XI 1888, Nr. 273, und Ergebn. ꝛc. I. e. S. 92—99, Tafel XII u. XIII. Humboldt 1889. 193 Seeigeln jüngeren Alters ſich dieſe Eigentümlichkeit findet. So konnte Döderlein?) konſtatieren, daß bei Cidariden von St. Caſſian die Interambulacralfelder mit zugeſchärftem Rand über den ebenfalls ſcharf verlaufenden Rand der Ambulacralfelder bis nahe zur äußeren Porenreihe hinüber— greifen. Während aber bei den paläozoiſchen Formen, ſo— weit bisher beobachtet, die Ränder glatt ſind, tragen bei den St. Caſſian⸗Seeigeln die Interambulacralplatten Quer- leiſtchen, die in entſprechenden Gruben der Ambulacral— platten artikulieren. Selbſt unter den juraſſiſchen See— igeln z. B. aus Lias und Dogger finden ſich noch Cidariden, die eine übergreifende Randfläche angedeutet haben, wäh— rend bei den cretaceiſchen und der überwiegendſten Mehr— zahl der recenten Seeigel die Randfläche zur Ober- und Unterſeite der Platten ſenkrecht ſteht. Ob die verſchiedenen Stufen in der Entwickelung der Randflächen wirklich auf beſtimmte Perioden verteilt ſind, iſt nach dem bisher unterſuchten ſpärlichen Material noch nicht zu entſcheiden. Die letzten Jahre haben uns beſonders eine Reihe höchſt wertvoller Beiträge zur Hiſtologie der Echinodermen von O. Hamann!) gebracht, die nicht nur die Hiſtologie der Seewalzen, Seeſterne, regelmäßigen und unregelmäßigen Seeigel geben, ſondern in deren Verlauf der Verfaſſer auch zu anatomiſchen Unterſuchungen geführt worden ift und auch hier wichtige neue Thatſachen berichten kann. Es fei aus dem letzten Heft ***) nur erinnert an die Schil⸗ derung der Verbindung der Sinnesorgane mit den Pedi— zellarien und an die Entdeckung der Globiferen. Die Pedi— zellarien, kleine, auf der Oberfläche eines Echinidenkörpers ſich findende, mit Greifzangen verſehene Organe, werden ihrer Form nach ſchon länger in verſchiedene Gruppen eingeteilt, trifoliate, tridactyle und gemmiforme Pedizella— rien, und ihnen die Aufgabe zugeſchrieben, die Schale von Fremdkörperchen zu reinigen. Dies trifft bei der kleinſten Form, den trifoliaten Pedizellarien auch zu, die andern beiden dienen auch zum Feſthalten an Fremdkörpern bei der Bewegung, zunächſt aber ſprechen die zahlreichen Nerven— endigungen im Kopfteil und Stiel der Pedizellarien für eine Funktion derſelben als Taſtorgane; allen drei Formen kommen nach Hamann exquiſite Sinnesorgane zu, von ihrem Entdecker „Taſthügel“ genannt, die ſich mit ſtarren Borſten beſetzt und oft kompliziert gebaut als kiſſenförmige Erhebungen auf der Innenſeite der Greifzangen finden. Die bei den nackten Holothurien in der Haut gelegenen Sinnesorgane ſind alſo bei den beſtachelten Echiniden auf einen höher gelegenen Punkt, auf die geſtielten Pedizellarien gerückt. Mit Globiferen bezeichnet Hamann von ihm ent⸗ deckte Organe, welche, mehrere Millimeter groß, mit dem bloßen Auge als weiße, erhabene Punkte kenntlich, bei einigen wenigen Seeigelgattungen (3. B. Centrostepha- nus longispinus Pet. und Sphaerechinus granularis Lk.) über der ganzen Körperoberfläche zerſtreut ſitzen. Die auf einem Stiel ſitzenden, jeglicher Greifzangen entbehrenden kugligen Gebilde enthalten drei Drüſen; ihrer Funktion ) L. Döderlein, Eine Eigentümlichkeit triaſſiſcher Echinoideen, Neues Jahrbuch für Mineralogie 1887, Bd. II, S. 1—4, Taf. I. „) O. Hamann, Beiträge zur Hiſtologie der Echinodermen, Heft 1—3. Jena, G. Fiſcher, 1884—1887. ) Anatomie und Hiſtologie der Echiniden und Spatangiden, 1887, S. 1—176, Taf. I—XIII. 25 194 Humboldt. — Mai 1889. nach hält Hamann ſie für Waffen. Sie ſind wohl aus den Pedizellarien, von denen ja die gemmiformen auch Drüſen beſitzen, hervorgegangen zu denken, ähnlich wie die eigentümlichen, ihrer Bedeutung nach noch unklaren, von ihrem Entdecker Lovén Sphäridien genannten Hautorgane der Seeigel durch den von Hamann an ihrer Baſis wie an der Baſis der Stacheln aufgefundenen Nervenxing ſich als modifizierte Stacheln erwieſen haben. Aus neueſter Zeit iſt aus der Echinodermenlitteratur über einige entwickelungsgeſchichtliche Arbeiten zu berichten. Während eines längeren Aufenthaltes in Neapel ſtudierte Semon !) die Entwickelungsgeſchichte der Synapta digitata, die ſchon J. Müller, Baur, Metſchnikoff und Selenka als Objekt ihrer grundlegenden Studien gedient. Semon ſetzte mit ſeinen Unterſuchungen erſt bei dem Auricularia ge⸗ nannten Larvenſtadium ein, für die frühere Entwickelung auf die Befunde Selenkas verweiſend. Bekanntlich iſt nach dieſem die Furchung des Synapta⸗Eies eine äquale und zwar von einer Regelmäßigkeit, wie ſie bisher bei keinem tieriſchen Ei beobachtet worden iſt. Noch nicht unbeſtritten klar gelegt iſt von den Vorgängen bis zum Auricularia⸗ Stadium nur die Bildung des Meſenchyms, indem der Anſicht Selenkas, daß bei den Echinodermen das Meſenchym auf zwei ſymmetriſch gelegene „Urzellen des Meſenchyms“ zurückzuführen ſei, die mit den „Urzellen des Meſoblaſts“ bei Würmern, Mollusken, Arthropoden u. ſ. w. zu ver⸗ gleichen ſind, von Metſchnikoff heftig widerſprochen wird. Semon hat übrigens bei der Unterſuchung von Echiniden⸗ gaſtrulä auch Bilder erhalten, die mit den Figuren Selenkas übereinſtimmen, und Referent, der früher vielfach Gelegen⸗ heit gehabt, Selenkas Präparate zu ſtudieren, kann ſich auch nur deſſen Anſicht anſchließen. Daß den Angaben Selenkas entſprechend und entgegen Metſchnikoff die Ring⸗ muskellage des Oeſaphagus von Meſemchymzellen gebildet wird, während die übrigen Muskeln umgewandelten Epi⸗ thelzellen ihre Entſtehung verdanken, iſt neuerdings be⸗ wieſen worden durch die von Hamann“) aufgefundenen thatſächlichen Unterſchiede im Bau der Muskelfaſern, indem zwiſchen Muskelfibrillen und kontraktilen Faſerzellen (Muskel⸗ faſerzellen) zu unterſcheiden iſt. Das gleichzeitige Vor⸗ kommen ſolcher Muskeln beiderlei Bildungsweiſen iſt bis jetzt unter den Enterocöliern nur bei den Echinodermen nachgewieſen. Selenkas Studien über die Eifurchungs⸗ vorgänge verſchiedener Echinodermen haben neuerdings eine Ergänzung erfahren durch die Beobachtung ſeines Aſſiſtenten Fleiſchmann *) über die Entwickelung des Eis des irregu⸗ lären Seeigels Echinocardium cordatum.. Das Gi von Echinocardium bietet ein Beiſpiel für „äquale Furchung mit polarer Differenzierung“, wie Selenka f) dieſe Art von Furchung bezeichnet. Während nämlich bei „äqualer Furchung“ (Synapta) jede Phaſe gleichzeitige Halbierung aller Furchungszellen bewirkt, ſo daß dieſe bis zum Ablauf ) R. Semon, Die Entwickelung der Synapta digitata und ihre Bedeutung für die Phylogenie der Echinodermen, Jenaiſche Zeitſchrift für Naturwiſſenſchaft, Bd. XXII 1888, S. 175—310, Taf. VI XII. ) Hamann, Beiträge ꝛc., Heft 1: Die Holothurien. ) A. Fleiſchmann, Die Entwickelung des Eies von Hchinocardium cordatum, Zeitſchrift für wiſſenſchaftliche Zoologie, Bd. XLVI 1888, S. 131-142, Taf. XIV. 15) Selenka, Studien über Entwickelungsgeſchichte der Tiere, 2. Heft: Die Keimblätter der Echinodermen. der Furchung während jeder Teilungsphaſe gleich groß ſind und ihre Zahl ein Multiplum von 2 iſt, gelangen bei „äqualer Furchung mit polarer Differenzierung“ bei einer beſtimmten Entwickelungsphaſe für den weiteren Ver⸗ lauf der Furchung Polzellen zur Differenzierung. Bei den regulären Seeigeln, den Echiniden, die Selenka für dieſen Modus als Paradigma gedient, werden zu einer beſtimmten Zeit am animalen Pol vier Zellen abgeſchnürt, die von der gemeinſamen Teilung ausgeſchloſſen werden und erſt in ſpäterer Zeit treten ſolche Polzellen auch am vegetativen Pole auf; bei den irregulären dagegen (Echinocardium) tritt nach Fleiſchmann die polare Differenzierung auch am vegetativen Pol ſchon frühzeitig auf und wird weiterhin beibehalten. Somit laſſen die bisher bei den Echinodermen beobachteten Furchungsweiſen noch keine beſtimmten Be⸗ ziehungen zu einander erkennen. Zwiſchen „äqualer“ und „äqualer Furchung mit polarer Differenzierung“, wie ſie Echinocardium zeigt, ſtehen die Furchungsvorgänge der Echiniden mitten inne, ohne daß eine ſolche Stellung durch anatomiſche und paläontologiſche Thatſachen, wie Fleiſch⸗ mann beſonders hervorhebt, als ein phylogenetiſcher Hin⸗ weis zu betrachten wäre. Für die Schilderung der Teilungs⸗ vorgänge führt Fleiſchmann einige neue Namen ein. Die Teilungsebenen, welche parallel der vertikalen einſchneiden, nennt er Orthoplane, und ſolche, die dem Aequator parallel laufen, Iſoplane, ſchief gerichtete Teilungsebenen wären dann als Klinoplane zu bezeichnen. Betreffs der Entſtehung des Meſenchyms, deſſen Bildung bei Echinocardium wie bei den Echiniden und Ophiuriden der Einſtülpung des Urdarms vorhergeht, bei den Holothurien (Synapta) da⸗ gegen derſelben folgt, kommt Fleiſchmann zu der Annahme, daß die vier Urmeſenchymzellen, welche den Boden eines von der Furchungshöhle aus gegen den vegetativen Pol ſich einſenkenden, bis in nächſte Nähe der Oberfläche reichen⸗ den Trichters ſchließen, die letzten deutlichen Reſte der vegetativen Polzellen ſeien. Dieſe Urmeſenchymzellen ſchnüren bei lebhafter Rotation der Keimblaſe in den Hohlraum des Trichters die Meſenchymzellen ab, welche ſich rechts und links in zwei parallele Reihen ſtellen. Sobald dieſe Reihen frei ins Blaſtoderm⸗Innere ſchauen, treten die Meſenchym⸗ zellen auseinander und legen fic) an die gegen den vege- tativen Pol ſanft abfallenden Wände der oblongen Keim⸗ blaſe, ſo daß die Meſenchymzellen in ihrer geſamten Anordnung das Bild eines ausgeſpannten Regenſchirmes gewähren, deſſen Spitze im vegetativen Pol ſteckt, während ſeine Wand dem Ectoderm fic) anſchmiegt. Eine Ab⸗ ſchnürung von Zellen an anderer Stelle der Blaſtulawand konnte Fleiſchmann an normalen Eiern nicht beobachten, ſo daß die Keimſtätte des Meſenchyms einzig und allein in den am oralen Pol gelegenen Urmeſenchymzellen zu ſuchen iſt. Wenden wir uns zu dem als Muricularia bekannten Larvenſtadium der Synapta und kehren damit zu Semons Arbeit zurück! Die mit verſchiedenen Namen bezeichneten bilateralen Larvenformen der einzelnen Echinodermenklaſſen charakteriſieren ſich durch die ſchnurförmige Anordnung ihrer Wimpern. Den Plukeuslarven der Seeigel und Schlangenſterne wie der Auriculariaform der Seewalzen wurde bisher nur eine einzige, in ſich zurücklaufende zuſammenhängende Wimperſchnur zugeſchrieben, während Humboldt. — Mai 1889. 195 bei den für die Seeſterne charakteriſtiſchen Larvenformen Bipinnaria und Brachiolaria zwei getrennt laufende Wimper- ſchnüre erkannt wurden. Dieſer befremdliche Unterſchied zwiſchen den verſchiedenen Larvenformen der Echinodermen exiſtiert nach Semons Unterſuchungen thatſächlich nicht, indem ſich bei allen den aufgezählten Larven zwei Wimper⸗ ſchnüre finden. Auch Pluteus und Auricularia beſitzen außer der längſt bekannten longitudinalen Wimperſchnur eine zweite adorale, die den Mund in engerem Kreis um— gibt und eine Schlinge in den Vorderdarm hineinhängen läßt. Der Unterſchied iſt nur der, daß bei den Larven der Seeſterne von dieſer adoralen Wimperſchnur auch der Wimperſaum, der das vordere Ventralfeld umzieht, ge— bildet wird, während dieſer bei den Schlangenſtern-, Seeigel- und Seewalzenlarven einen Teil der andern Wimper— ſchnur darſtellt. Von den weiteren Befunden Semons', dem wir natürlich nicht ins Einzelne folgen können, heben wir noch die Anlage der Tentakel und des Kalkrings hervor. Als erſte Anlage der Tentakel erſcheinen fünf leichte Hervor— buchtungen an der Konvexität des bohnenförmigen Hydro— cölbläschens; ein feiner Kanal, der primäre Steinkanal, ſetzt das Innere des Bläschens durch den Rückenporus mit der Außenwelt in Verbindung. In dieſen Ausſtül⸗ pungen iſt die erſte Andeutung der fünfſtrahligen Gliederung des Echinoderms zu erblicken, und Semon vermag be— ſonders in dem Hinweis auf die bei allen Echinodermen— klaſſen interradiale Lage des Steinkanals und des Rücken— porus (Madreporenplatte) Beweisgründe dafür anzuführen, daß dieſe Ausſtülpungen als primäre Tentakel aufzufaſſen und den primären Tentakeln der übrigen Echinodermen homolog zu ſetzen ſind. Durch die primären Tentakel ſind die Radien der Holothurie beſtimmt und interradial, nämlich zwiſchen dem 3. und 4. Primärtentakel mündet der Steinkanal aus. Ebenfalls interradial in den Zwiſchen— räumen der Primärtentakel kommen in Geſtalt von fünf Kalkſtäbchen die erſten Glieder des Kalkrings zur Ablage— rung, zu derſelben Zeit und am gleichen Ort, wo an dem ſpäter zum Waſſergefäßring werdenden Teil des Hydrocölbläschens fünf weitere Ausſtülpungen auftreten. Dieſe ſekundären Ausſtülpungen, aus denen die Körperwaſſergefäße werden, treten ſpäter über die erwähnten Kalkringſtücke über, um dann nach unten umzubiegen. Indem ſich währenddeſſen neben dem erſt angelegten Kalkſtück in jedem Interradius ein zweites eingeſchoben hat, die ſekundären Ausſtülpungen aber ihre Lagebeziehungen zum erſt angelegten Glied des Kalkrings behalten, liegen ſie jetzt nicht mehr genau inter— radial, ſondern interradial mit radialer Verſchiebung. Die gegebene eingehende Schilderung dieſer Verhältniſſe wird gerechtfertigt durch deren Bedeutung für den verwandt- ſchaftlichen Nachweis zwiſchen den einzelnen Echinodermen— klaſſen. Bei allen Echinodermen werden die Radien durch die als Primärtentakel bezeichneten fünf Ausſtülpungen beſtimmt Während aber bei den Crinoiden und Aſteriden aus dieſen Primärtentakeln direkt die Körperwaſſergefäße entſtehen und ſich dieſe bei den Echiniden in der Verlängerung jener, alſo auch radial anlegen, bilden ſie ſich bei den Holothurien aus den Sekundär-Ausſtülpungen, treten alſo nach dem Vorhergehenden interradial auf und nehmen im Ver⸗ lauf der Entwickelung eine adradiale, nie aber eine radiale Lage an. Dieſer fundamentale Unterſchied, der die Körperambu⸗ lacren der Holothurien den Interradien der Seeſterne und Seeigel entſprechen läßt und deſſen Bedeutung noch dadurch erhöht wird, daß das Nervenſyſtem in ſeiner Lage dem Waſſergefäßſyſtem ſich durchaus anſchließt, läßt es alſo unmöglich erſcheinen, daß die Holothurien aus einer der anderen Echinodermenklaſſen, etwa aus echinidenähnlichen Formen, wie öfters angenommen wird, ſich entwickelt haben, ſondern zwingt zu der Annahme, daß die Holothurien von den anderen Echinodermenklaſſen ſich abgezweigt haben zu einer Zeit, wo überhaupt noch kein Ambulacralwaſſergefäß— ſyſtem entwickelt war, ſondern das Hydrocöl nur aus Ringkanal und fünf Primärtentakeln beſtand. Dieſe Er⸗ kenntnis geſtattet zugleich bei der Frage nach der Ver— wandtſchaft der Holothurien unter ſich, in den fußloſen Synaptiden die einfachere, urſprünglichere Form zu ſehen, als in den füßigen Holothurien, während man bei der Annahme einer Abſtammung der Holothurien von einer anderen Echinodermenklaſſe in den Synaptiden ohne ander- weitige zwingende Gründe rückgebildete Formen ſehen mußte. Weitere Studien über den Stammbaum der Echino— dermen laſſen Semon zu Schlüſſen kommen, die be— trächtlich von der ſonſt heute giltigen Anſicht abweichen. Zwar ſteht Semon nicht allein mit ſeinem Widerſpruch gegen die große Zahl Zoologen und beſonders Geologen, die in den Crinoiden, beſonders den Cyſtideen, alle Organi⸗ ſationsverhältniſſe des Echinodermtypus am urſprünglichſten gewahrt und in ihnen daher die Urgruppe ſehen, während Semon gerade umgekehrt in den Crinoiden die am meiſten umgebildete, von der Stammform in faſt allen Punkten am meiſten abweichende Gruppe erblickt. Auch Hamann?) und die Saraſin !“) faſſen die Crinoiden nicht als Stamm- form auf. Während aber Hamann die Aſteriden als die der Stammform der Echinodermen am nächſten ſtehende Gruppe anſieht, gleichen Alters mit den ſich divergierend aus der Stammform entwickelnden Crinoiden und von den Aſteriden die Ophiuriden, Echiniden und Holothurien ableitet und die Saraſin in den fußloſen Holothurien die Urwurzel aller Echinodermen ſehen, kommt Semon zu dem Schluß, daß überhaupt bei keiner der fünf Echinodermen— klaſſen eine Entwickelung der einen Klaſſe aus einer andern nachzuweiſen iſt, ſondern daß ſchon auf einem phylogenetiſch frühen Stadium die Wege ſich getrennt haben, die zur Bildung der fünf Klaſſen führten. Dieſe Urform des Echino⸗ dermentypus finden wir wieder in einem von allen Echino⸗ dermen durchlaufenen Larvenſtadium, dem Semon die Bezeichnung Pentactula-Larve beilegt und welches dadurch charakteriſiert ijt, daß durch Ausbildung der fünf Primar- tentakel die radiäre Gliederung auftritt. Zu dieſem Ent⸗ wickelungsſtadium führen alle die verſchiedenen, als Pluteus, Auricularia, Bipinnaria, Brachiolaria, bezeichneten bilateral— ſymmetriſchen, von Semon unter dem Kollektivnamen der Dipleurula zuſammengefaßten Larvenformen hin, um von dieſem aus wieder zu divergieren. Was die Herkunft einer hypothetiſchen Stammform (Pentactäa), auf welche die Pentactula-Larve zurückweiſt, ſelbſt betrifft, ſo wirft ihr zwar einfacher, aber doch ſchon entſchieden nach dem Plan des Echinodermentypus angelegter Bau kein Licht ) Hamann, Beiträge ꝛc., Heft 3. **) P. u. F. Saraſin, Ergebn. ꝛc. 1. C. S. 129—154. 196 auf die Entſtehung des Typus felbft. Faßt man bei Beurteilung dieſer Frage das Dipleurula-Larvenſtadium ins Auge, an deſſen verſchiedene Glieder (Pluteus, Auricularia u. ſ. w.) man bei Erwähnung einer Echino⸗ dermenlarve wohl zunächſt denkt, ſo ſehen wir an dieſer Form zwar vielerlei cönogenetiſche Modifikationen, allein die Hartnäckigkeit, mit welcher das bilaterale Stadium in der Entwickelung feſtgehalten wird, deutet darauf hin, daß in ihm keine einfache Larvenanpaſſung, ſondern eine phylo⸗ genetiſche Reminiscenz zu ſehen iſt, und dasſelbe ſomit auf bilaterale Vorfahren weiſt. Der Uebergang des bilateralen Baues in den radiären iſt möglicherweiſe durch ſitzende Lebensweiſe hervorgerufen worden. Ein weiteres Eingehen auf die Frage, auf welche bilaterale Enterocölier die Echino⸗ dermen zurückzuführen ſind — denn daß Formen mit typiſchem Enterocöl ihnen am nächſten ſtehen, darf als ausgemacht gelten — würde uns hier zu ſehr auf das Gebiet der reinen Spekulation führen. Bekanntlich wird bei der Frage nach den Ahnen der Echinodermen wurm⸗ ähnlichen Enterocöliern die meiſte Anwartſchaft zugeſchrieben. Ueber einige Fragen iſt Semon in ſeiner umfang⸗ reichen Arbeit, aus welcher wir nur das für die Stammes⸗ geſchichte der Echinodermen Wichtige hervorgehoben haben, zu keinem Reſultat gekommen. Hierzu gehört auch die Entſtehung der Genitalorgane; hierüber veröffentlicht Hamann!) neuerdings intereſſante Beobachtungen, die zwar auch noch lange zu keinem abſchließenden Reſultat geführt haben, aber nicht unerwähnt bleiben ſollen. Hamann weiſt in ſeiner Arbeit darauf hin, daß bei allen Echinodermenklaſſen bezüglich der Geſchlechtsorgane be⸗ ſonders in hiſtologiſcher und anatomiſcher Beziehung große Uebereinſtimmung exiſtiere. Zu ſehr früher Zeit ſchon legen ſich im Kreis der Echinodermen die Geſchlechtszellen, die Urkeimzellen, wie Hamann ſie bezeichnet, an, aus denen ſich Ei- wie Spermazellen entwickeln, entweder in verſchiedenen Individuen, oder wie bei der hermaphro⸗ ditiſchen Synapta in ein und demſelben Tier. Die Urkeim⸗ zellen ſind amöboid bewegliche, in allen Gruppen unge⸗ fähr 0,008 —0,01 mm große Zellen, welche fic) durch einen bis 0,007 mm großen Kern auszeichnen. Wo ſie entſtehen, gedenkt Hamann ſpäter nachzuweiſen; Semon vermutet ihre Entſtehung aus Zellen des Cölomepithels, die in das unten liegende Bindegewebe einwandern und ſich zu Keimzellen entwickeln. Sie liegen bei allen Grup⸗ pen in Kanälen, den „Genitalröhren“, die in einem ſtets in Schizocölräumen gelagerten Bindegewebsſeptum liegen. Bei den Crinoiden liegen dieſe Genitalröhren in den Armen, bei Ophiuren teils in der Rückenwand, teils in den Wandungen der als „Burſae“ bekannten Einſtül⸗ pungen der centralen Körperwand, welche Brutbeutel dar⸗ ſtellen, bei Aſteriden und Echiniden in der Dorſalwand der Scheibe, bei Holothurien iſt ihre Auffindung noch nicht gelungen. Die Genitalröhren ſind aber nicht die Reifungsſtätten der Urkeimzellen, ſondern dieſe wandern aus, um an andern Körperſtellen, den Genitalorganen, ihre Reifung zu finden. Dieſe Reifungsſtätten ſind wieder für die einzelnen Klaſſen verſchieden; bei den Crinoiden ) Hamann, Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungs⸗ ſtätten bei den Echinodermen, Zeitſchrift für wiſſenſchaftliche Zoologie, Bd. XLVI 1888, S. 80—98, Taf. XI. Humboldt. — Mai 1889. findet die Reifung ſtatt in den Pinnulis, örtlichen Aus⸗ ſtülpungen der Genitalröhren, bei den Ophiuren treten die Keimzellen in die Wandungen der Burſae, bei Aſteriden und Echiniden ſind die Geſchlechtsorgane, die Reifungsſtätten der Urkeimzellen, wiederum die Ausſtülpungen der Genitalröhren, welche bei erwachſenen Echiniden völlig verſchwinden, ohne eine Spur zu hinterlaſſen. Aehnlich mag das Verhältnis bei den Holothurien ſein, bei denen, wie erwähnt, noch keine Genitalröhren nachgewieſen ſind, und die meiſt zwei, zu den beiden Seiten des dorſalen Meſenteriums liegende Bündel bildenden Geſchlechtsſchläuche ſehr früh auftreten. Wenn bei den Aſpidochiroten nur zu einer Seite des Meſenteriums ein Bündel Generationsorgane zur Entwickelung kommt, ſo iſt dies zweifellos eine ſekundäre Bildung. Daß übrigens die Ausbildung der als Burſae bezeichneten Bruttaſchen nicht auf die Ophiuren beſchränkt iſt, beweiſt die Auffindung ſolcher Gebilde durch Levinſen“) und durch den Referen⸗ ten“) bei einer arktiſchen und einer antarktiſchen Cucumaria⸗ Art. Nur konnte in beiden Fällen keine Verbindung der Geſchlechtsſchläuche mit den Bruttaſchen nachgewieſen werden, während bei den Ophiuren die Generationsſchläuche den Bruttaſchen als Säckchen aufſitzen und nach Hamanns Nachweis dadurch entſtehen, daß durch Wucherung der Ur⸗ keimzellen die Burſalwand knoſpenartig emporgetrieben wird. Zu einem anderen Typus des Tierreichs führt uns eine weitere, ebenfalls für die Stammesgeſchichte ſehr be- deutſame entwickelungsgeſchichtliche Arbeit: der Poulton ***) gelungene Nachweis des Vorkommens echter Zähne beim Schnabeltier. Dieſer Vertreter der niederſten Gruppe der Säugetiere, der Kloakentiere, von deſſen Leben in der Freiheit von Lendenfelder) neuerdings uns eine kurze Schilderung gegeben hat, iſt bekanntlich ausgezeichnet durch die Umbildung des Mundes zu einem entenförmigen Schnabel. Von Zähnen findet fic) beim erwachſenen Schnabeltier keine Spur, dagegen trägt jeder Kiefer vier hornige, zahn⸗ artige Vorragungen. Gleichzeitig mit Haackes Aufſehen erregender Entdeckung, daß der Ameiſenigel, der andere Repräſentant der Kloakentiere, eierlegend iſt, iſt durch Caldwell auch für das Schnabeltier die ovipare Fortpflan⸗ zung nachgewieſen worden ir) und damit ein weiterer Be⸗ weis für die ſchon in der Perſiſtenz der Kloake und dem Vorhandenſein eines Gabelbeines angedeutete Verwandt⸗ ſchaft des Schnabeltieres mit Reptilien und Vögeln er- bracht worden. Um ſo wichtiger iſt die Entdeckung echter Säugetierzähne, welche die Vermutung als richtig beſtätigt, daß der Mangel der Bezahnung und die ſchnabelförmige Geſtalt der Kiefer einem ſekundären Verhältniſſe entſpricht. Die Tiere, bei denen Poulton in Serienſchnitten durch den Kopf echte Zähne nachweiſen konnte, beſaßen die Größe von etwas über 8 em; im Oberkiefer fanden ſich jederſeits drei beträchtlich entwickelte und große Zähne hintereinander ) Levinsen, Kara-Havets Echinodermata, Dijmphna-Togtets zoologisk-botaniske Udbytte. Kjoebenhayn 1887, p. 383—387, T. XXXIV. ) Humboldt, Jahrg. V, Nr. 9. ) Edward B. Poulton, The true teeth and the horny plates of Ornithorhynchus, Quart. Journal of microscop. science, new series, Vol. XXIX, Part 1 1888, p. 9—48, T. II—IV. +) v. Lendenfeld, Bilder aus dem auſtraliſchen Urwald, 1. Das Schnabeltier, Zoologiſcher Garten, Jahrg. XXIX 1888, Nr. 1. +1) Haacke, Eierlegende Säugetiere, Humboldt, Jahrg. VI 1887, Heft 6. Humboldt. — Mai 1889. 197 und ein vierter kleiner, in ſehr frühem Entwickelungs- Reihe von Beuteltieren das Stadium in der Entwickelungs⸗ ſtadium befindlicher unmittelbar hinter dem letzten der größeren Zähne und nach innen gerückt; im Unterkiefer konnten, der Lage nach den drei letzten Zähnen des Ober— kiefers entſprechend, zwei große und ein kleiner Zahn jederſeits nachgewieſen werden; möglicherweiſe befinden ſich aber auch im Unterkiefer jederſeits vier Zähne. Die Stel- lung der Zähne, wie ihre Struktur, Zahnpulpa, Dentin und Schmelzſubſtanz, entſprechen völlig den bei den Säuge— tieren gültigen Verhältniſſen. In der Form laſſen ſich die erſten und größten Zähne ſpeciell mit den vielhöckerigen Molarzähnen von Myrmecobius vergleichen. Bei den unterſuchten Exemplaren fanden ſich Zähne nur im hinteren Teil der Kiefer, nicht im vorderen; jüngere Exemplare werden vielleicht auch hier Zahnſpuren zeigen. Für die Beurteilung des Verhältniſſes der Zähne zu den Hornplatten kommen alſo bis jetzt nur die hinteren Platten in Betracht, und fand Poulton den Vorgang in der Weiſe, daß die im Wachstum zurückbleibenden Zähne zunächſt von einer von der Epidermis gebildeten Hornſchicht überzogen und am Durchbruch verhindert werden; allmählich tritt dann eine Reſorption der Zähne ein, die der Hornſchicht geſtattet, in deren Alveolen einzuwachſen und dieſelben auszufüllen. Die Konturen der aus der Verſchmelzung der einzelnen, urſprünglich getrennt angelegten Hornpartien entſtandenen Hornplatten werden in ihren kleinen Erhöhungen und Vertiefungen im großen und ganzen durch die anfangs unter ihnen befindlichen höckerigen Zähne bedingt. Dieſes vorübergehende Auftreten echter Zähne bei einem in der ſonſtigen Organiſation ſich in mehreren Punkten von den übrigen Säugetieren unterſcheidenden Lebeweſen, wie es ſich ja auch bei den Bartenwalen findet, beweiſt die hohe Bedeutung, die das Gebiß der Säugetiere für deren Stammesgeſchichte beanſpruchen darf. Es ſei hier nur auch aus der neueren odontologiſchen Litteratur an die Publikation von Oldfield Thomas) erinnert, der verſucht, für die nach allgemeiner Annahme reich bezahnt geweſenen Vorfahren der Säugetiere das Gebiß nach Zahl, Form und Anordnung der Zähne zu rekonſtruieren, und eine tabellariſche Zuſammenſtellung der Zahnentwickelung der Säugetiere gibt, die außer für die Maſurpialier auch für die Gruppe der Edentaten eine frühe Abzweigung vom Hauptſtamm erkennen läßt. In der Beurteilung des rudi— mentären Zahnwechſels der Beuteltiere, der auf den Wechſel eines einzigen prämolaren Zahnpaares beſchränkt iſt, kommt Thomas entgegen der Mehrzahl aller Forſcher zu der An— ſicht, daß hierin nicht etwa ein ſekundärer Schwund der urſprünglich reichen Milchbezahnung zu ſehen ſei, ſondern ein primäres Verhältnis, der erſte Anfang eines bei den höheren Säugern zu reicher Ausbildung gelangten Zahn— wechſels. Ueberhaupt hält Thomas gleich Flower die Per- ſiſtenz der Zähne für das urſprüngliche Verhältnis, die Erwerbung eines Milchgebiſſes und damit verbundenen Zahnwechſel für ſekundär und findet in den Wachstums— erſcheinungen des erſten oberen Schneidezahnes bei einer *) Oldfield Thomas, On the homologies and succession of the teeth in the Dasyuridae, with an attempt to trace the history of the evolution of Mammalian teeth in general, Philos. Trans- actions of the Roy. Soc. of London (B.) Vol. CLXXVIII 1888. P. 443—462, T. XXVII und XXVIII. geſchichte des Gebiſſes feſtgehalten, welches den erſten Hin— weis auf Erwerbung eines Milchgebiſſes enthält. Es gelang ihm nämlich, bei halbwüchſigen Individuen verſchiedener Arten der Didelphyden, Perameliden und Daſyuriden eine auffallende Verzögerung im Wachstum des erſten oberen Schneidezahnes nachzuweiſen, welches denſelben gerade erſt durchbrechen läßt zu einer Zeit, in welcher die anderen drei Schneidezähne ſchon voll im Gebrauch ſind, obwohl ſie bei erwachſenen Individuen dem erſten gegenüber an Größe bedeutend nachſtehen. Thomas erblickt in dieſem Verhalten das erſte Zeichen der Tendenz einer ſpäteren Ausbildung der perſiſtierenden Zähne, vor denen ſich dann die Milchzähne einſchieben; dieſe beim erſten Schneidezahn der Beutler angedeutete Tendenz iſt in dieſer Tiergruppe nur erſt bei einem Zahn, dem erſten Prämolar, zur Aus— führung gelangt, während ſie bei den jüngeren Säugetier— gruppen zum völligen Zahnwechſel geführt hat. An die ſkizzierten entwickelungsgeſchichtlichen Arbeiten ſeien einige neuere Publikationen angereiht, die ſich mit der Regenerationsfähigkeit der Tiere beſchäftigen. Eine große Anzahl der verſchiedenartigſten Organismen zeichnet ſich bekanntlich durch dieſe Fähigkeit aus, ja man kann ſagen, daß dieſelbe in beſtimmtem Maße eine Eigentümlichkeit aller Tiere iſt. Die einen vermögen durch Neubildung beſtimmter Gewebspartien nur relativ kleine Verletzungen zu heilen, andere ſind imſtande, verloren gegangene Beine, Fühler und ſonſtige Körperanhänge zu regenerieren, eine dritte Gruppe vermag ſelbſt wichtige Organſyſteme neu zu bilden, und bei vielen endlich genügt ein kleines oft beliebiges Bruchſtück des Individuums, um aus dem— ſelben den ganzen Organismus ſich wieder aufbauen zu laſſen. Je weiter wir im Tierreich herabſteigen, je weniger ein Organismus centraliftert ijt, um jo weiter geht die Regenerationsfähigkeit. In jedem Fall iſt in der Regene— rationsfähigkeit eine eminente Schutzeinrichtung zu ſehen, die das Individuum und die Art vor Untergang zu be— wahren geeignet iſt. In den Fällen, in welchen aus Teil- ſtücken wieder ganze Tiere entſtehen, führt der Vorgang zugleich zu einer Multiplikation, zu einer Vermehrung der Individuen, und wenn mit der Regenexationsfähigkeit die Fähigkeit der Selbſtteilung Hand in Hand geht, ſo haben wir einen beſtimmten Fortpflanzungsmodus vor uns. Wie J. v. Kennel“) zuerſt begründet hat und wie A. Lang**) in ſeiner neueſten, gedankenreichen Schrift, dem Ideengang Kennels ſich anſchließend, ausführlich er— örtert, iſt aber überhaupt für die ungeſchlechtliche Fort— pflanzung durch Knoſpung und Teilung wenigſtens bei den Metazoen im Regenerationsvermögen der Ausgangspunkt zu erblicken. Zunächſt allerdings iſt Fortpflanzung und Vermehrung ſcharf auseinanderzuhalten. Die erſtere, Pro- pagation, wird von v. Kennel definiert als „der im Weſen und in den Lebensvorgängen des Organismus begründete und ausgelöſte Fortpflanzungsvorgang, mit oder ohne Ver- ) J. v. Kennel, Ueber Teilung und Knoſpung der Tiere, Feſtrede zur Jahresfeier der Stiftung der Univerſität Dorpat am 12. Dez. 1887. 40, S. 1--26. Dorpat, Schnackenberg, 1887. ) A. Lang, Ueber den Einfluß der feſtſitzenden Lebensweiſe auf die Tiere und über den Urſprung der ungeſchlechtlichen Fortpflanzung durch Teilung und Knoſpung. Jena, G. Fiſcher, 1888. 198 Humboldt. — Mai 1889. mehrung“; von ihr zu unterſcheiden iſt die Augmentation, „die durch äußere Eingriffe irgend welcher Art direkt ver- anlaßte Vermehrung, welche nur durch Lebensfähigkeit und Bildungsfähigkeit einzelner Teile durchgeführt wird“. Das ſchon erwähnte Vorkommen ſpontaner Selbſtteilung mit nachfolgender Regeneration der Teilſtücke, wie dies mehr= fach, z. B. von Synapta und Seeſternen, ſowie gewiſſen Borſten⸗ und Strudelwürmern bekannt iſt, liefert aber einen Fingerzeig dafür, wie aus der Augmentation die Propagation ſich gebildet haben mag. Mit der durch lang andauernde Vererbung immer mehr fortſchreitenden Aus⸗ bildung der Regenerationsfähigkeit mag bei den erwähnten Tieren Hand in Hand gegangen ſein die Erwerbung einer gewiſſen Feinfühligkeit gegen widerwärtige von außen kommende Einflüſſe, auf die ſie mit Zerfall in Teilſtücke reagierten. Traten ſolche äußere Einflüſſe regelmäßig, periodiſch auf, ſo war die Folge auch eine regelmäßige Selbſtzerſtückelung und aus dem urſprünglich anormalen, durch rohen, gewaltſamen Eingriff bedingten Vorgang wurde eine normale Vermehrungsweiſe. In einzelnen Fällen kennen wir die äußeren Einflüſſe, welche zur Selbſtver⸗ ſtümmelung und damit zur Regeneration führen, oder können fie wenigſtens mit annähernder Sicherheit mut⸗ maßen. Wenn z. B. bei Lumbriculus der freiwillige Zer⸗ fall im Freien nur während beſtimmter Monate vorkommt, fo ſcheint die Temperatur hierbei eine Rolle zu ſpielen. Bei vielen Selbſtteilungserſcheinungen kennen wir zwar den äußeren Anſtoß nicht, ohne daß wir aber hierdurch ein Recht hätten, denſelben zu leugnen, — wir wiſſen eben noch viel zu wenig über die Exiſtenzbedingungen der meiſten Tiere; in ſolchen Fällen haben wir keinen Anhaltspunkt zur Entſcheidung, ob es fic) um Augmentation oder Pro⸗ pagation handelt. Bei einer großen Anzahl durch Selbjt- teilung ſich fortpflanzender Tiere find aber thatſächlich keine äußeren Einflüſſe für die Abſchnürung der Teilſtücke auch nur anzunehmen, und wir haben es dann mit richtiger Propagation in dem definierten Sinn zu thun. In dieſen Fällen werden die Teilungs- oder Knoſpungserſcheinungen, die ſich bei den ſich vermehrenden Tieren finden, ſtatt von äußeren Einflüſſen von inneren Einflüſſen ausgelöſt. Wir können annehmen, daß die hochgradige Dispoſition zur Losſchnürung einzelner Teile, die beſtimmte Tiere ſchon auf uns geringfügig erſcheinende äußere Einflüſſe reagieren läßt, auch dazu führte, auf beſtimmte in der Entwickelung des Individuums liegende Momente, z. B. bei beſtimmten Ernährungszuſtänden, zu reagieren. Daß eine ſolche Ueber⸗ brückung der Kluft zwiſchen Augmentation und Propagation, ein Erſatz äußerer Einflüſſe durch innere Urſachen, that⸗ ſächlich ſtattfindet und in der Natur ſich nachweiſen läßt, zeigen bei gewiſſen Tieren mit Selbſtverſtümmelung ge⸗ troffene Einrichtungen, welche das Eintreten der Teilung zu erleichtern geeignet ſind. Es mögen anfangs ſolche auf ſpätere Teilung hinzielende Vorgänge beiſpielsweiſe nur in Einſchnürungen beſtehen, ſo daß bei der Ablöſung keine oder keine bedeutenden Wundflächen entſtehen. Denken wir uns ſolche Erſcheinungen immer weiter rückwärts ver⸗ legt, ſo treten dann auch ſchon ein Teil und endlich alle Neubildungen am einheitlichen Organismus auf, welche ſonſt erſt nach der Trennung in einzelne Stücke an diejen zum Vorſchein gekommen waren, und wir haben echte Knoſpung. Solche Uebergänge liegen, wie Kennel, dem wir dieſe Ausführungen entnehmen, angibt, thatſächlich vor bei Lumbriculus, Ctenodrilus monostylus, Ctenodrilus pardalis, Nais, Chaetogaster ꝛc., indem das Auftreten von Knoſpungszonen bei ſich durch Knoſpung fortpflanzen⸗ den Tieren als ein die vollſtändige Trennung vorbereiten der Vorgang zu deuten ijt. Lang gibt hierzu weitere Bei- ſpiele aus der Reihe der Turbellarien. Die Richtigkeit der Annahme, daß aus hoch entwickel⸗ tem Regenerationsvermögen ungeſchlechtliche Fortpflanzung durch Teilung und Knoſpung hervorgegangen, findet auch darin ihre Beſtätigung, daß dieſe Fortpflanzung ſich nicht findet in Tierabteilungen, deren Regenerationsvermögen nur gering iſt und nicht zur Erneuerung wichtiger Organ— ſyſteme, wie Centralnervenſyſtem, Herz u. ſ. w., führt. Solche Abteilungen ſind die Weichtiere, Gliedertiere und Wirbeltiere. Allerdings kommt auch dieſen Tieren ein Regenerations⸗ vermögen zu, aber in nur beſchränktem Grad, höchſtens handelt es ſich um Wiedererſetzung verloren gegangener Körperanhänge. Selbſtverſtändlich iſt jedoch auch in dieſem beſcheideneren Umfang das Reproduktionsvermögen von hohem Wert und ſo iſt es erklärlich, daß es auch unter dieſen Tieren in mehreren Fällen zur Selbſtverſtümmelung geführt hat. Wie Würmer ihre hohe Empfindlichkeit gegen ihnen unangenehme Einflüſſe durch Zerfall des ganzen Körpers in Teilſtücke dokumentieren, ſo finden wir unter den Mollusken, Arthropoden und Wirbeltieren Beiſpiele der freiwilligen Aufgabe von Körperanhängen, wenn die Tiere ſich bedroht fühlen. Eine philippiniſche Landſchnecke, durch langen Schwanz ausgezeichnet, ſchleudert dieſen ab, wenn ſie rauh angefaßt wird; beſtimmte Krabben, Spinnen und Inſekten ſchütteln in gleicher Lage oft ihre ſämtlichen Gehwerkzeuge ab und allbekannt iſt, mit welcher Leichtig⸗ keit die Eidechſen, wenn man fie am Schwanz zu erhaſchen ſucht, denſelben zurücklaſſen und fliehen. In all dieſen Fällen werden die abgeworfenen Teile wieder erſetzt, ſie ſelbſt dagegen führen zu keiner Regeneration, ſondern gehen zu Grunde. Dieſe Fähigkeit höherer Tiere, verloren gegangene Körperanhänge zu erſetzen, bietet noch ein beſonderes Intereſſe, indem wir wenigſtens von Amphibien und Rep⸗ tilien durch Fraiſſesk) und Anderer Unterſuchungen über die näheren Vorgänge unterrichtet ſind. Die Regeneration iſt in vielen Fällen dem biogenetiſchen Grundgeſetz unter⸗ worfen und rekapituliert im allgemeinen Prozeſſe, welche in der ontogenetiſchen Entwicklung der korrelaten Organe vorhergegangen waren; gelegentlich allerdings wird das ver⸗ lorene Organ nicht ſeinem morphologiſchen Werte, ſondern der Funktion nach erſetzt, ein als „funktionelle Anpaſſung“ bezeichneter Vorgang, von dem wir in der Bildung eines un⸗ gegliederten Knorpelrohrs im regenerierten Schwanz der Ei⸗ dechſen ein Beiſpiel ſehen. Es iſtſomit die Regeneration „weder eine reine Rekapitulation ontogenetiſcher oder phylogenett- ſcher Entwickelungsvorgänge, noch iſt ſie allein erklärbar durch die Verhältniſſe der funktionellen Anpaſſung; fie muß viel⸗ mehr als eine Vererbungserſcheinung aufgefaßt werden, *) Fraiſſe, Die Regeneration von Geweben und Organen bei den Wirbeltieren, beſonders bei Amphibien und Reptilien. Kaſſel und Berlin 1885. Humboldt. — Mai 1889. 199 bei welcher beſondere, oft ſehr komplizierte Anpaſſungen der Gewebe mitwirken, ebenſo wie die Geſetze der kor— relativen Entwickelung“ (Fraiſſe). Die Bedeutung des Regenerationsvorgangs für die Stammesgeſchichte zeigt ſich leicht erkennbar bei der Regeneration von Eidechſen⸗ ſchwänzen, indem hier die Beſchuppung des regenerierten Schwanzes häufig von der normalen Form abweicht und an die Schuppenform anderer Arten ſich anſchließt, ein Hinweis auf verwandtſchaftliche Beziehungen. Boulenger !), der hierauf aufmerkſam macht, hebt beſonders zwei markante Fälle hervor. In dem einen Fall handelt es ſich um die zu den Teyiden gehörige Gattung Gymnophthalmus, die wegen der dachziegelförmig gelagerten Körperſchuppen früher zu den Seineiden geſtellt wurde, jedoch ihrem ſonſtigen Bau nach in die Nähe des Teyidengenus Heterodactylus gehört, wie Boulenger nachgewieſen; die Verwandtſchaft findet ihren deutlichen Ausdruck bei der Regeneration des Schwanzes, der, von der Beſchuppung des Körpers völlig abweichend, in dieſem Fall die gleichen, in Wirtel geord- neten, länglichen Schuppen zeigt, wie ſie Heterodactylus beſitzt. Umgekehrt zeigt bei der den Blindſchleichen nahe— ſtehenden Gattung Pseudopus, die in Wirteln angeordnete rhombiſche Kielſchuppen beſitzt, der regenerierte Schwanz nicht dieſe Schuppenform, ſondern glatte Dachziegelſchuppen. Die erwähnten Gattungen vereinigen alſo bei der Rege— neration der Schwänze zwei grundverſchiedene Charaktere der Beſchuppung, die ſich ſonſt auf getrennte Abteilungen verteilen. Eine ähnliche Abweichung in der Beſchuppung ergab die von Egger“) unternommene Unterſuchung eines regene— rierten Hinterbeines von Lacerta vivipara, dem etwa der halbe Unterſchenkel nebſt Fuß fehlte. Aeußerlich erſchien dieſe Regeneration als ein über 6 mm langer Stummel, der nicht nur durch die Form den Vergleich mit einem ſchwanzähnlichen Gebilde wachrief, ſondern auch durch die ) Boulenger, On the scaling of the reproduced tail in Lizards, Proceed. of the Zoolog. Society of London 1888, Part 3, p. 351—353. *) E. Egger, Ein Fall von Regeneration einer Extremität bei Reptilien, Arbeiten aus dem Zool. Inſtitut in Würzburg, Bd. VIII, Heft 2. 1887, S. 201—211, Taf. XII. Schuppen, die völlig abweichend von der normalen Be- ſchilderung des Beines in 9 Querreihen oder Wirteln ſich angeordnet zeigten und den Stummel mit geringerer oder größerer Regelmäßigkeit umgürteten. Die innere Unter⸗ ſuchung ergab, daß die unteren Epiphyſen von Tibia und Fibula miteinander verwachſen waren und dann ohne weiteres in ein röhrenförmiges Knochengebilde übergingen. Gegen das freie Ende des Stummels zog ſich dieſe Knochen— röhre in einen ſoliden Knorpelſtab aus, der an der Stelle, wo ſich die Neubildung äußerlich geknickt zeigte, in drei unterſchiedene, durch deutliche Gelenkflächen artikulierende Knorpelſtücke zerfiel. Die Knickung iſt rein mechaniſch als eine Folge der fortwährenden Berührung des Bodens anzuſehen, nachdem das Tier angefangen, ſich des Stum— mels zum Gehen zu bedienen. Der Fall lehrt aber ferner, daß bei Eidechſen nicht allein beim Schwanz, wie man bis— her angenommen, ſondern auch bei Extremitäten eine Re- generation möglich iſt. Endlich ſei bei Beſprechung der Bedeutung der Re— generationsfähigkeit nach verſchiedenen Richtungen hin noch des Verſuches von Hubrecht“) gedacht, auch die Metameren- bildung mit der Regenerationsfähigkeit in Beziehung zu ſetzen. Je gleichmäßiger die wichtigſten Organſyſteme im Körper verteilt ſind, ſo daß bei einem Zerfall in Stücke jedes Stück Teile von ihnen enthält, um ſo geſteigerter wird natürlich die Regenerationsfähigkeit ſein. Bei einem in die Länge geſtreckten, bilateralen Tier wird aber das Ziel einer möglichſt gleichmäßigen Verteilung in einer in der Längsrichtung verlaufenden Wiederholung der wichtig— ſten Organe erreicht werden und ſo Metamerenbildung eintreten. Die erſten Anfänge ſolch regelmäßiger Wieder- holung beſtimmter Organe und weitere Etappen auf dem von den gegliederten Tieren zurückgelegten, zur Segmen— tation führenden Weg findet Hubrecht in der Organiſation unterſchiedlicher Nemertinengattungen feſtgehalten, ſo daß die Hypotheſe durch thatſächliche Nachweiſe eine bedeutende Stütze erhält. ) Hubrecht, Report on the Nemertea collected by H. M.S. „Challenger“, Report on the scientific results of the voyage of H. M. S. „Challenger“ Zoology, Vol. XIX 1887. Kleine Mitteilungen. Neptunsmond. Marth hat vor einigen Jahren darauf aufmerkſam gemacht, daß die Neigung der Bahn und der aufſteigende Knoten des Neptunsmondes gleichmäßig fortſchreitenden Veränderungen unterworfen ſind. Es ergibt ſich dies aus einer Vergleichung der Beobachtungen von Laſſell und Marth auf Malta in den Jahren 1852 und 1864 mit den in Waſhington von 1874 bis 1884 ange⸗ ſtellten. Während nämlich die Neigung der Neptunsbahn im Jahre 1852 148,38“ betrug, war fie 1883 nur noch 142,33“ und die Länge des Knotens iſt in dieſer Beit von 176,20“ auf 184,81“ gewachſen. Marth hat keine Theorie dieſer Veränderungen gegeben, ſondern nur zu weiteren Beobachtungen aufgefordert; das letztere hat auch ſpäter Aſaph Hall gethan, welcher ſyſtematiſche Fehler in den früheren Beobachtungen vermutete. Neuerdings aber hat Tiſſerand der Pariſer Akademie dargelegt (Comptes rendus, 19. November 1888), daß dieſe Veränderungen ſich durch eine geringe Abplattung des Neptuns erklären. Der Winkel zwiſchen der Aequatorebene des Planeten und der Bahnebene des Mondes würde dann konſtant bleiben und der Pol der Bahn in mehr als 500 Jahren einen Kreis um den Pol des Planeten beſchreiben. Der Nei— gungswinkel ijt beträchtlich, wahrſcheinlich größer als 20°, die Abplattung aber nur unbedeutend, ſo daß ſie der direkten Meſſung entgeht. G—I. Aeber einen Moſchuspilz, d. h. einen Pilz, welcher in Nährlöſungen einen nach Moſchus riechenden Körper erzeugt, berichtet im „Centralblatt für Bakteriologie und Paraſitenkunde“ (V. Bd. Nr. 21) Dr. Kitaſato aus Tokio, z. Z. im Laboratorium des Stabsarztes und Dozenten Dr. Löffler. Der aus Heuaufguß iſolierte Pilz, welcher als Urheber des intenſiven Moſchusgeruches ermittelt wurde, gehört zur Schimmelgattung Fusisporium und wird F. moschatum benannt. Seine Kultur gelang leicht auf den verſchiedenſten Nährböden, auf Fleiſchwaſſerpepton⸗ 200 gelatine, Agar-Agar, Brot, Kartoffel-, Reisbrei, in den Infuſen von Erbſen, Bohnen, Linſen, Weizen, Hafer, Roggen, ja ſogar in einfachem ſteriliſierten Waſſer. Auf Brot, Reis- und Kartoffelbrei erſcheint anfangs ein weiß⸗ liches Mycel; ſehr bald aber wird die Kultur rötlich und nach Verlauf von etwa 5—8 Tagen ziegelrot. Man ſieht dann vielfach hahnenkammartige Erhebungen, namentlich auf dem Reisbrei in der Kultur. Auf allen Subſtraten entwickelt der Pilz einen deutlichen Moſchusgeruch, beſon⸗ ders rein in Bouillon und Getreide-Infuſen. Der Riech⸗ ſtoff läßt ſich durch Alkohol ausziehen. Es dürfte dies der erſte Fall für das Vorkommen des Moſchusgeruches bei einem kryptogamiſchen Gewächs ſein, während ja bekannt⸗ lich bei Blütenpflanzen derſelbe nicht allzu ſelten vorkommt, wir erinnern an Erodium moschatum, Malva moschata, Mimulus moschatus, Adoxa moschatellina 2c. Ludwig. Vorkommen des Hausſchwammes im Walde. Von verſchiedenen Seiten iſt der unſere Wohnungen gefährdende Hausſchwamm, Merulius lacrymans, als eine Pflanze bezeichnet worden, welche gegenwärtig nur noch als heimat⸗ loſer Begleiter der Kultur aufgefunden würde. In einem Aufſatz in Nr. 24 der „Naturwiſſenſchaftlichen Wochen⸗ ſchrift“ berichtet nun P. Hennings über Funde dieſes Pilzes im Walde. Schon früher habe ich über ein gleiches Vorkommen berichtet (ſo in dem Bericht der Kommiſſion für die Flora von Deutſchland der Deutſchen botaniſchen Geſellſchaft 1886, Band IV, Heft 11, Sette CCLXXI). Ich habe den Pilz um Greiz mitten im Walde an lebenden Stämmen, ſowie auch an Bäumen der aus dem Walde kommenden Holzfuhren gefunden. Ebenſo iſt derſelbe von Krieger in den Waldungen des Königreichs Sachſen früher im Freien gefunden worden. Ludwig. leber die Blaſenroſte der Kiefern. Von Ende April bis Anfang Juli kann man hier und da auf Kiefern einen Roſtpilz beobachten, welcher der anſehnlichſte unter ſeinen Verwandten iſt und wegen ſeiner Lebensgeſchichte und ſeiner forſtwirtſchaftlichen Bedeutung wohl das Inter- eſſe weiterer Kreiſe in Anſpruch zu nehmen verdient. Aus Nadeln oder Rinde brechen um dieſe Zeit die blaſenförmi⸗ gen, lebhaft fleiſchroten Aecidien hervor, die namentlich auf der Rinde eine erhebliche Größe erreichen und durch ihr herdenweiſes Beiſammenſtehen ſehr auffällig werden, und entleeren beim Erſchüttern ſtarke Wolken des orange⸗ farbenen Sporenpulvers, in ähnlicher Weiſe, wie die männ⸗ lichen Blüten der Kiefern ihren gelben Staub, und wie dieſer durch den Wind zu den weiblichen Blüten getragen werden ſoll, um ſie zu befruchten, ſo ſoll jenes verbreitet werden, damit einzelne Körner, ein verſchwindend kleiner Bruchteil der verſtäubten, eine andere Nährpflanze, nicht eine Kiefer, finden, auf welcher ſie ſich zu einem ganz an⸗ deren, mit dem Blaſenroſte kaum eine Aehnlichkeit zeigen⸗ den Pilze entwickeln; denn die Blaſenroſte gehören, wie der bekanntere Getreideroſt, zu den heteröeiſchen Schma⸗ rotzern, die, um ihren ganzen Entwickelungsgang zu voll⸗ enden, zweier verſchiedenen Nährpflanzen bedürfen. Aber welches iſt der zweite Wirt? In den 70er Jahren hat R. Wolff), veranlaßt durch die Thatſache, daß er in der Nähe der mit Blajenrojt behafteten Kiefern ſtets die Kreuz⸗ kräuter (Senecio) mit dem Roſte Coleosporium Senecionis bedeckt fand, Ausſaaten der Sporen auf Senecio gemacht und in der That das Coleosporium daraus erhalten. Seitdem wurden die Blajenvofte der Kiefer (Peridermium Pini) allgemein als Aecidien des Coleosporium Sene- cionis aufgefaßt. 1886 teilte Cornu!) mit, daß er durch Ausſaat der rindebewohnenden Form des Pilzes (Peri- dermium Pini corticola) das Coleosporium auf Senecio nicht habe erhalten können, wohl aber auf der in der Nähe der kranken Bäume häufigen Schwalbenwurz (Cynanchum Vincetoxicum) das Cronartium asclepiadeum ; zu Coleo- sporium Senecionis gehöre als Accidium ausſchließlich der * *) Landwirtſchaftl. Jahrbücher 1877, S. 723. ) Comptes rendus 1886, S. 930. Humboldt. — Mai 1889. Roſt der Nadeln (P. Pini acicola). 1887 und 1888 hatte der Verfaſſer Gelegenheit eine Epidemie zu beobachten, welche in der Umgegend Bremens und im Oldenburgiſchen durch einen rindebewohnenden Blaſenroſt auf der Wey⸗ mouthskiefer (Pinus Strobus) verurſacht wurde. Dabei ſtellte ſich heraus, daß dieſer Blaſenroſt von dem der ge⸗ meinen Kiefer durch zwar feine aber wohl definierbare Merkmale verſchieden und daher als beſondere Art (Peri- dermium Strobi) anzuſehen ſei ), und außerdem gelang es, durch Ausſaat ſeiner Sporen auf Blättern der ſchwarzen und roten Johannisbeere das Cronartium ribicola her⸗ vorzurufen, einen Pilz, der auch auf anderen Ribes-Arten in der Nähe der kranken Kiefern überall angetroffen wurde“). Wenn nun dadurch in Betreff der Roſte der gemeinen Kiefer die Angaben Cornus an Wahrſcheinlich⸗ keit gewinnen, die noch dadurch erhöht wird, daß ſich zwiſchen den Sporen des Rinden- und des Nadelpilzes beſtimmte Unterſchiede finden, ſo ſpricht doch der Umſtand dagegen, daß der Rindenvoft an vielen Orten vorkommt, wo Cynanchum Vincetoxicum und Cronartium ascle- piadeum vollſtändig fehlen. Der von mehreren Mycologen ausgeſprochenen Vermutung, daß es zwei Rindenroſte der gemeinen Kiefer gebe, widerſpricht der Umſtand, daß bis⸗ lang noch keine ſcharfen Unterſchiede zwiſchen den zwei vermutlichen Formen gefunden werden konnten. Der Nadelpilz hat auf das Gedeihen der Kiefern keinen erheblichen Einfluß, dagegen können die Rindenroſte außerordentlich ſchädlich werden, namentlich für jüngere Bäume. Schon aus dieſem Grunde wäre es, abgeſehen von dem rein wiſſenſchaftlichen Intereſſe, wünſchenswert, daß die Naturgeſchichte dieſer Pilze zu einem Abſchluſſe geführt würde. Dazu können an den verſchiedenſten Orten angeſtellte Beobachtungen unter Umſtänden erheblich nützen. Verf. möchte dazu angeregt haben und wird Mitteilungen jederzeit dankbar entgegennehmen. Bemerkt jet noch, daß über die Entwickelungszeit der Spermogonien des Peridermium Pini noch nichts bekannt tft; die des Peridermium Strobi ſind Ende Juli reif und entleeren alsdann einen deutlich ſüß ſchmeckenden Saft. Die günſtigſte Zeit für die Beobachtung der Pilze auf den Zwiſchenwirten iſt Juli bis September. Bremen. Dr. H. Klebahn. Verbreitung des Sproſſers. In der Februar⸗ Sitzung der deutſchen ornithologiſchen Geſellſchaft ſprach Dr. Golz über das Vaterland der beſten Sproſſer. Dieſe herrlichſten unſerer Sänger werden ab und zu noch auf dem Durchzuge in den Anländern der Donau, in Sieben⸗ bürgen, in der Bukowina, in Böhmen und Sachſen ge⸗ fangen. Brutvögel, ausgezeichnet im Baß und Moll, gibt es nur in Rußland, namentlich in Weſtſibirien. Sied⸗ lungen dieſer Vögel finden ſich bei Saratow an der Wolga, bei Kiew und Pinsk; aus den moraſtigen Kämpen der letzteren Gegend erhalten die Moskauer Sproſſer-⸗Enthu⸗ ſiaſten ihre beſten „Trompeter“. Alle anderen pommer- ſchen, polniſchen, ungariſchen und ruſſiſchen Sproſſer find ordinäre Hacker oder gar nachtigallähnliche ſogenannte „Zweiſchaller“. Die guten Sproſſer werden in Rußland mit 150—200 Rbl. Silber bezahlt, der Händler Veſſely exportiert ſolche für 100 G. pro Stück. Deutſchland be⸗ herbergt einen Sproſſer, der minder gut im Geſange, doch unſere Nachtigal noch übertrifft. In Pommern, Ofte und Weſtpreußen brütet er. Aus Polen ſind keine Brutſtätten bekannt, weil es dort an zuverläſſigen Beobachtern voll- ſtändig fehlt. Der Ausſchuß für Beobachtungsſtationen der Vögel Deutſchlands beabſichtigt die Verbreitung der deutſchen Vogelarten kartographiſch darzuſtellen. Ueber die Verbreitung der Raben-, Nebel- und Saatkrähe in Deutſchland iſt bereits eine Karte erſchienen. Für die Nachtigall, den Sproſſer und die Wachholderdroſſel wird jetzt Material geſammelt. Es wird hierdurch an alle Vogel⸗ freunde die dringende Bitte gerichtet, Notizen über ſichere ) Abhandl. des Naturw. Vereins zu Bremen, X, S. 145. ) Berichte der Deutſchen botan. Geſ., VI, S. XLV. Humboldt. — Mai 1889. 201 Brutſtätten der drei genannten Arten an Herrn M. Mat⸗ ſchie, Pankow bei Berlin, einzuſenden. Namentlich ſind Angaben erwünſcht, ob und wo der Sproſſer in Schleſien, Poſen, Mecklenburg, Sachſen und Thüringen brütet, wo die Nachtigall in Schleswig-Holſtein, Mecklenburg und im ſüdlichen und mittleren Deutſchland brütend gefunden wor⸗ den iſt. Dankbar wird auch die kleinſte Mitteilung an⸗ genommen werden. D. Sehr umfaſſende Unterſuchungen über die Vererbung der Haarfarbe bei Pferden hat Wilckens in Wien angeſtellt. Die Beobachtungen beziehen ſich auf 5743 Paarungen, von denen 4882 auf engliſche Voll- und Halb- blutzuchten, 861 auf arabiſche Voll- und Halbblutzuchten entfallen. Die Ergebniſſe waren folgende: Engliſche Vollblutpferde vererben auf je 1000 Paarungen gleich— farbiger Eltern (Farbenreinzucht) 856mal ihre Haarfarbe; nach 1000 Paarungen ungleichfarbiger Eltern (Farben⸗ kreuzung) erben 437 Fohlen die Farbe des Vaters, 508 die Farbe der Mutter, 55 andere Farben. Eng— liſche Halbblutpferde vererben auf je 1000 Paarungen gleichfarbiger Eltern 873mal ihre Haarfarbe; bei Farben- kreuzung erben nach 1000 Paarungen 367 Fohlen die Farbe des Vaters, 555 die Farbe der Mutter, 78 an— dere Farben. Arabiſche Voll- und Halbblutpferde vererben auf je 1000 Paarungen gleichfarbiger Eltern 837mal ihre Haarfarbe, bei Farbenkreuzung erben nach 1000 Paarungen 313 Fohlen die Farbe des Vaters, 566 die Farbe der Mutter, 121 andere Farben. Die engliſchen Voll- und Halbblutpferde vererben bei Farbenreinzucht am häufigſten die Fuchsfarbe, bei Farbenkreuzung die braune Haarfarbe. Am ſeltenſten wird bei Farbenkreuzung die Rappfarbe ver- erbt. Die arabiſchen Pferde vererben bei Farbenreinzucht am häufigſten die Schimmelfarbe; bei Farbenkreuzung eben⸗ falls die Schimmelfarbe, dann die braune Farbe. Am ſeltenſten wird auch hier bei Farbenkreuzung die Rappfarbe vererbt. Das Auftreten anderer Haarfarben als die der Eltern iſt in der Regel die Folge eines Rückſchlages auf die Haarfarbe eines der Voreltern. Wohl am häufigſten wird die Fuchsfarbe durch Rückſchlag oder Ahnenerbſchaft übertragen. Die Haarfarbe vererbt ſich ungleich nach dem Geſchlechte der Nachkommen. Es entfallen: Auf 1000 braune Hengſte 1091 braune Stuten, auf 1000 Schimmel⸗ hengſte 948 Schimmelſtuten, auf 1000 Fuchshengſte 1013 Fuchsſtuten, auf 1000 Rapphengſte 1036 Rappſtuten. In der Mehrzahl der Fälle vererbt eines der ungleichfarbigen Eltern mit ſeiner Haarfarbe auch ſeine Körperform. Ms. Die Schwankungen der Geburtenzahl nach den verſchiedenen Tageszeiten. Durch die in Berlin, Ham⸗ burg, Edinburg, Brüſſel und im Kanton Zürich vorge- nommenen ſtatiſtiſchen Erhebungen wurde nach V. Göhlert (Biologiſches Centralblatt VII, S. 725) übereinſtimmend feſt⸗ geſtellt, daß das Maximum der Geburten auf die Nacht⸗ ſtunden von 12— 2 Uhr fällt und von 2 Uhr ab allmäh⸗ lich ſinkt, bis es ſich im Verlaufe von 12 Stunden in ein Minimum zur Zeit der Nachmittagsſtunden von 12 bis 2 Uhr verwandelt, von welcher Zeit an wiederum eine allmähliche Steigerung bis zum Maximum ſtattfindet. Die nachgewieſene Regelmäßigkeit der Schwankungen, die ſchon vor 60 Jahren in gleicher Weiſe wie heutzutage und an verſchiedenen Orten ſtattgefunden haben, läßt auf konſtante Urſachen ſchließen; aber ob dieſelben in der Lebensthätig⸗ keit des Individuums oder in telluriſchen Einflüſſen be⸗ gründet ſind, läßt ſich zur Zeit noch nicht entſcheiden. A. Die Vorſtellung von einer Saugwirkung des Säugetierherzens unterzogen H. N. Martin und F. Do⸗ naldſon einer experimentellen Kritik. (Studies from the Biol. Lab. John's Hopkins Univ. IV p. 1.) Von der Anſicht ausgehend, daß das Herz möglicherweiſe unter normalen Bedingungen eine das Einſtrömen des Venen⸗ blutes fördernde aktive Saugkraft ausüben könne, indem die blutgefüllten, elaſtiſchen Gefäßverzweigungen im Herz⸗ muskel dieſen nach Beendigung der Syſtole zu dehnen Humboldt 1889. ſtreben und ſo die Ventrikel erweitern, unternahmen die Verf. Verſuche an Hunden, bei welchen nach Eröffnung des Thorax Herz und Lungen künſtlich mit defibriniertem Blute durchſtrömt wurden. Bei Erhaltung künſtlicher Re- ſpiration wurde die obere Hohlvene nach Unterbindung aller anderen Venen mit einem Blutreſervoir in Verbin- dung geſetzt, welches zugleich auch durch ein langes Rohr mit der abſteigenden Aorta verbunden wurde. Da ſämt⸗ liche aus dem Anfangsteil der letzteren entſpringenden Gefäße mit Ausnahme der Coronararterien verſchloſſen waren, ſo ſtrömte das Blut nur durch die Lungen und das Herz ſelbſt, welches, vor Abkühlung geſchützt, unter dieſen Umſtänden ſtundenlang ſeine normale Thätigkeit fortſetzte. Der rechte Vorhof konnte nach Abſperrung des in die obere Hohlvene eingeführten Zuflußrohres beliebig mit einem blutgefüllten Manometerrohr in Verbindung geſetzt werden, ſo daß ſich an demſelben eine etwaige ſaugende Wirkung des rechten Herzens hätte leicht erkennen laſſen müſſen. Es zeigte ſich jedoch, daß der rechte Vor— hof niemals Blut aus dem Manometer aufnahm, außer wenn dasſelbe unter einem wenn auch nur geringen pofi- tiven Druck ſtand. G. Ein neues Verfahren zur Beobachtung der Wellen- bewegung des Blutes hat J. v. Kries ausgebildet (du Bois⸗Reymond's Arch. f. Phyſiol. 1887 S. 254). Das Verfahren beruht auf dem Prinzipe des Gasſphygmoskopes und Plethysmographen. Ein Zylinder, ähnlich dem des Plethysmographen, nimmt den Arm auf und iſt mit einem Gasbrenner in Verbindung, welcher durch eine beſondere Leitung mit Leuchtgas geſpeiſt wird. Die Verbindung des Zylinders mit dem Brenner iſt ſo weit, daß der Fort— pflanzung der durch die Pulsbewegung bedingten Bewegung in der Luft des Zylinders möglichſt geringe Widerſtände entgegenſtehen. Ebenſo iſt die Konſtruktion des Brenners ſo gewählt, daß zwar die Flamme noch ruhig brennt, aber dennoch keine zu großen Widerſtände bietet. Das wurde erreicht durch Auflöthen einer Platte mit zentraler Oeff— nung von 1 mm Weite auf ein Rohr von 8—10 mm Lichtung. Man beobachtet, wenn Hand und ein Teil des Unterarmes im Zylinder ſind, an der brennenden Gas— flamme leicht Bewegungen von mehreren Zentimetern. Die Methode wurde dadurch in eine regiſtrierende verwandelt, daß die Gasflamme auf einer bewegten lichtempfindlichen Platte photographiert wurde. Zum Unterſchiede von den Sphygmogrammen, welche die Druckſchwankungen des Arterienrohres, und den Plethysmogrammen, welche die Volumſchwankungen angeben, nennt v. K. dieſe Kurven Tachogramme. Die Methodik geſtattet einen Schluß auf die Stromſtärke in der Arterie, welche das Blut zum Zylinder zuführt, an jener Stelle, wo der Arm in der Manſchette liegt. G. Aeber die Waſſerausſcheidung des menſchlichen Körpers durch Haut und Nieren bei thermiſch in- diſſerenten Bädern machte L. Rieß (Arch. f. exper. Pathologie XXIV. S. 65) wichtige Beobachtungen. Cnt- gegen der allgemeinen Annahme, daß die Waſſerausſchei⸗ dung durch die Haut während des Aufenthalts des Körpers im Bade ſehr ſtark verringert oder aufgehoben, diejenige durch die Nieren vermehrt ſei, konnte Verf. für länger dauernde (ſogenannte permanente) Bäder von lauwarmer Temperatur feſtſtellen, daß die Waſſerausſcheidung durch die Haut während des Bades durchaus nicht vermindert iſt, und daß ſolche Bäder die Urinmenge, wenn man größere Zeiträume in Betracht zieht, nicht allgemein vermehren. Verf. beobachtete bei Herzfehlern, bei Emphyſematikern und Nephritikern ein Schwinden hartnäckiger Oedeme während der Anwendung warmer Bäder ohne gleichzeitige Vermeh— rung der Urinmenge oder ſogar unter Verminderung der— ſelben; auch bei Geſunden konnte Verf. im Gefolge des permanenten Bades (neben gleichzeitiger Abnahme des Körpergewichts) eine Urinverminderung eintreten ſehen. Es muß in ſolchen Fällen wohl während des permanenten Bades eine reichliche, meiſt ſogar geſteigerte Waſſeraus— 26 202 ſcheidung durch die Haut ſtattgefunden haben. Durch unter geeigneten Kautelen angeſtellte Chlorbeſtimmungen des Badewaſſers vor und nach der Badeperiode konnte dies mit Sicherheit bewieſen werden. G. Der Tertiärmenſch von Thenay und die Bewohner der Andamanen⸗Inſeln. Die von Abbé Bourgeois in miocänen Schichten von Thenay (Landſchaft Beauge in Frankreich) aufgefundenen, zum Teil eine Einwirkung von Feuer aufweiſenden Kieſel haben bekanntlich auf den Kon— greſſen zu Paris und Brüſſel zu lebhaften Diskuſſionen der daſelbſt verſammelten Anthropologen Veranlaſſung ge⸗ geben. Während Bourgeois und mit ihm eine Anzahl namhafter Forſcher die beſagten Steinobjekte als von Menſchenhand bearbeitete Artefakte und ſomit als einen Beweis für die Exiſtenz des Menſchen während der Mittel⸗ tertiärzeit betrachtet, haben andere Anthropologen ſich bis⸗ her geweigert, die in Rede ſtehenden Kieſel als von Menſchen⸗ hand bearbeitete Objekte anzuerkennen. Um nun zu be⸗ weiſen, daß dieſe Kieſel wirklich Artefakte ſeien, beruft fic) de Quatrefages (Materiaux pour Vhistoire primi- tive et naturelle de l'homme 1888) auf die Bewohner der Andamanen, welche noch jetzt Steinblöcke dem Feuer ausſetzen, bis ſie zerſpringen, und auf dieſe Weiſe Bruch⸗ ſtücke zum Zuſpitzen, Schabſteine, ſowie lanzettförmige Splitter gewinnen, die keine weitere Bearbeitung erheiſchen. In derſelben Weiſe iſt wahrſcheinlich auch der Menſch vor⸗ gegangen, der zur Tertiärzeit die Ebenen von Beauce be⸗ wohnte, und nur einzelne beſonders intelligente Individuen mögen bereits den Feuerſtein und das ſonſtige Stein⸗ material zugehauen haben, woraus ſich erklären würde, daß die zugehauenen Stücke nur in geringer Anzahl ſich finden. 5 A. Foſſile Muſcheln und Zähne als Schmuck. Im Februarheft des Humboldt 1889 führt Herr Dr. C. Mehlis von Dürkheim ein paar Funde neolithiſcher Schmuckgegen⸗ ſtände (Monsheim, Aurignac, Lot) auf, unter welchen ſich durchbohrte Muſchelfragmente von Perlmutterglanz finden. Ferner berichtet er, daß unter den im Grabfeld von Kirch⸗ heim a. d. Eck ſüdlich von Monsheim aufgefundenen Gegen⸗ ſtänden ſich gleichfalls ein jedoch undurchbohrter Wirbel einer perlmutterglänzenden Muſchel, welcher als prähiſtori⸗ ſcher Schmuck aufgefaßt wird, vorgefunden habe. Die bei⸗ gegebene Abbildung dieſes Muſchelfragmentes iſt ſo getreu gegeben, daß es leicht iſt, das Foſſil ſofort zu erkennen. Es iſt der Wirbel ſamt Schloßfeld der Perna Sandbergeri Desh., welche ſchöne und große Meeresmuſchel allerdings in den marinen und in den unterſten Brackwaſſer⸗Schichten des rheinheſſiſchen Tertiärs vorkommt. Im Mittelmeer iſt dagegen Perna nicht heimiſch und die Arca diluviana oder diluvii iſt eine von Lamarck aufgeſtellte miocäne Meeresmuſchel. Jene Perna kann nun wohl im Diluv verſchwemmt, alſo auf zweiter Lagerſtätte vorkommen, und es kann auch zutreffend ſein, daß das Schloßfeld der Perna Humboldt. — Mai 1889. von Kirchheim, wie die Perna in der Sammlung der Pol- lichia von Dürkheim ſolche verſchwemmte Stücke ſind. Von Intereſſe iſt, aus jener Mitteilung zu erſehen, daß Foſſilien zu prähiſtoriſchen Schmuckgegenſtänden ver⸗ wendet worden ſind. Dr. C. Böttger teilt mir mit, daß noch vor wenigen Jahrhunderten ſich die Indianer zur Herſtellung von Halsketten foſſiler Haizähne bedient haben, die an den Ufern des unteren Miſſiſſippi eocänen Schichten entnommen waren. Dr. Rinkelin. Frankfurt a. M. Künſtliche Höhlen. Die Forſchungen im nordöſt⸗ lichen Oberfranken nach künſtlich geſchaffenen Felſenhöh⸗ len, wie ſie in Südbayern feſtgeſtellt ſind, laſſen bereits intereſſante Ergebniſſe verzeichnen. Wenn auch nicht außer acht zu laſſen iſt, daß gerade im bayriſchen Vogtland im Mittelalter häufig nach Erzen gegraben wurde, ſo berech⸗ tigen doch die bisher feſtgeſtellten künſtlichen Höhlen, in das Hornblendegeſtein u. ſ. w. eingetrieben, vielfach zu Zweifeln, daß man es hier mit verlaſſenen Stollen zu thun habe. Der Eingang iſt überall auffallend eng, im Innern aber ſind die Höhlen bedeutend erweitert. Vom Meierhofer „Quarkloch“ an der Selbitz mit ſeinem nur 1 m hohen, ſich ſofort abwärts neigenden Eingang ſagt man, daß es innen ſo hoch ſei wie ein Scheunenthor, in einer andern, noch ununterſuchten Höhle klang der Laut einge⸗ hetzter Hunde wie in einer weiten Kirchenhalle. Wollte man annehmen, daß dieſe bedeutende innere Erweiterung vom Ausbau eines angetroffenen Eiſenſteinneſtes herrühre, ſo wäre doch gleichzeitig für Erweiterung des Einſchlupf⸗ loches Sorge getragen worden, ohne welche die Förderung des Materials kaum denkbar wäre. Es liegen dieſe Höh⸗ len ſtets bald höher, bald tiefer an ſteil anſteigenden, meiſt waldigen Wänden, unter denen ein Fluß oder Bach hinzieht. Die Stellen ſcheinen gewählt worden zu ſein, um den einſtigen Höhlenbewohnern Waſſer und Fiſche zu ſichern. Teilweiſe tragen dieſe Felſengänge den Namen Zwerglöcher (volkstümlich Quarklöcher), teils ſind ſie ohne Namen. Erſt kürzlich wurde an der Lamitz wieder eine ſolche Höhle aufgefunden. Das Moſchendorfer Quarkloch an der Saale iſt 56 Schritt weit durch den Grünſtein gebrochen. Vielfach knüpfen ſich Sagen an dieſe Höhlen. Gegebenenfalls würde die Auffindung einer Anzahl künſt⸗ licher Felſenhöhlen, denen bergmänniſche Zwecke nicht zu⸗ geſprochen werden können, ein bedeutſames Ergebnis ſein. Sind die im Gange befindlichen Unterſuchungen abge⸗ ſchloſſen, ſo wird ein umfaſſender Bericht in den „Beiträgen zur Anthropologie und Urgeſchichte Bayerns“ erſcheinen. D. Rieſenbaum. Der ſtärkſte bis jetzt bekannte Baum dürfte eine Wellingtonia (Sequoia) gigantea ſein, welche kürzlich in der Nähe der Quelle des Kameah River in Kalifornien entdeckt wurde. Dieſelbe hat in etwa 1,5 m Höhe über dem Boden den koloſſalen Umfang von 53 m. iN Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Die Kaiſerl. Japaniſche Aniverſttät in Tokio. Ende vergangenen Jahres erſchien der Jahreskalender der Kaiſerl. Japaniſchen Univerſität in Tokio, deſſen Durch⸗ ſicht einen intereſſanten Einblick in die Organiſation dieſer jüngſten Hochſchule des fernen Oſtens gewährt. Die in ihrer heutigen Verfaſſung durch Kaiſerl. Dekret vom 1. März 1886 gegründete Kaiſerl. Japaniſche Univerſität (Teikoku Daigaku, Imperial University of Japan) iſt entſtanden durch Verſchmelzung der ſeither Univerſität genannten wiſſenſchaftlichen Anſtalt mit dem einem Polytechnikum entſprechenden College of Engineering. Die Univerſität beſteht aus „Colleges“ und „University Hall“. Der auf Grund des Beſitzes eines Reifezeugniſſes einer höheren Mittelſchule zum Beſuch der Univerſität zugelaſſene Student tritt bei ſeinem Eintritt einem College bei, deren nach den Lehrfächern, unſern Fakultäten entſprechend, fünf unter⸗ ſchieden werden: Jurisprudenz („College of Law“), Me⸗ dizin („College of Medicin“), techniſche Wiſſenſchaften („College of Engineering“), Philoſophie („College of Literature“), Naturwiſſenſchaften („College of science“). Jede Fakultät umgreift verſchiedene Fächer („Courses“), deren Wahl dem Studierenden freiſteht. So zerfällt die Juris⸗ prudenz in Rechtswiſſenſchaft („Law“) und Staatswiſſen⸗ ſchaft („Polities“); die medieiniſche Fakultät unterſcheidet Medizin und Pharmakologie; die techniſchen Wiſſenſchaften lehren folgende Fächer: Civilingenieurkunde, Maſchinen⸗ Humboldt. — Mai 1889. 203 lehre, Schiffsbau, Technologie der Waffen, Elektrotechnik, Architektur, angewandte Chemie, Technologie der Exploſiv⸗ ſtoffe, Berg⸗ und Hüttenweſen; in der philoſophiſchen Fakultät finden wir verzeichnet: Philoſophie, japaniſche Litteratur, chineſiſche Litteratur, Geſchichte, vergleichende Philologie, engliſche Litteratur, deutſche Litteratur; die Fächer der naturwiſſenſchaftlichen Fakultät endlich ſind: Mathematik, Aſtronomie, Phyſik, Chemie, Zoologie, Botanik, Geologie. Für Vollendung des Studiums ſind beim Fach der Medizin vier Jahre, bei allen übrigen Fächern drei Jahre vorgeſehen. Das Verzeichnis der Vorleſungen für die ein- zelnen Fächer erinnert ſehr an einen deutſchen Lektions— katalog, weniger dagegen an deutſche Verhältniſſe die ſociale Stellung der Studierenden der Colleges, bei deren Regelung die engliſchen Colleges das Vorbild geweſen ſein mögen. Es iſt nicht nur für jedes Fach bis ins einzelne der Studien— gang vorgeſchrieben, wodurch die Colleges zu einer Art Fachſchulen werden und Examina am Ende und während des Studienjahres haben über die Fortſchritte des Einzelnen Aufſchluß zu geben, ſondern die nach Vorſchrift uniform gekleideten Schüler der Colleges müſſen auch unter Aufſicht eines Inſpektors in beſtimmten, mit den einzelnen Fakul⸗ täten verbundenen Gebäulichkeiten (Dormitories, Schlaf— häuſer) gemeinſam Wohnung nehmen. Die Hausgeſetze da- ſelbſt ſind gleich denen eines deutſchen Gymnaſialſeminars, nur weiſt die Pflege der körperlichen Spiele auf den eng— liſchen Einfluß hin. Nach Beendigung der vorgeſchriebenen Studien und Ablegung einer Schlußprüfung hat der Be— ſucher der Colleges das Recht auf ſtaatliche Anſtellung als Lehrer an einer höheren Mittelſchule, Juſtizbeamter, In⸗ genieur, Militär- oder Spitalarzt u. ſ. w. Zugleich erhält er einen Grad verliehen, der für die einzelnen Fakultäten (in obiger Reihenfolge) folgendermaßen lautet: Jus, Ho— gakuſhi; Medizin, Igakuſhi; Pharmakologie, Yakugakuſhi; techniſche Wiſſenſchaften, Kogakuſhi; Philoſophie, Bun⸗ gakuſhi; Naturwiſſenſchaft, Rigakuſhi. Demjenigen examinierten und graduierten Studenten, welcher nach Abſolvierung der Colleges noch in keine Stellung eintreten will, iſt geſtattet, noch weitere zwei Jahre an der Univerſität zu bleiben und nach freier Wahl Vor⸗ leſungen zu hören (,,post-graduate studies“). Zugleich ſteht dem graduierten Studenten der Eintritt in die „Uni— versity Hall“ offen, deren Beſuch ähnlich wie der unſerer Laboratorien und Univerſitätsſeminarien unter Leitung eines Profeſſors die Ausführung eigener Unterſuchungen und Verfolgung beſtimmter Aufgaben ermöglichen ſoll. Die Ablegung eines Examens nach fünfjährigem Studium an der Univerſity Hall iſt mit Verleihung des Hakuſhi-Titels verknüpft. Der dritte und höchſte von der Tokio⸗Univerſität zu verleihende Grad, Daihakuſhi, wird nur honoris causa verliehen. Alle Grade werden gleich den engliſchen (B. A., M. A. u. ſ. w.) dem Namen nachgeſetzt. Mit der Univerſität verbunden ſind zwei Spitäler, eine Sternwarte, ein botaniſcher Garten, eine marine zoologiſche Station an der Bucht von Tokio und eine Bibliothek. Die Gliederung des Lehrkörpers iſt in gleicher Weiſe wie in Deutſchland durchgeführt; das Verzeichnis enthält ordentliche und außerordentliche Profeſſoren, Privatdozenten und Aſſiſtenten (,, Professors, Assistant-Professors, Lec- turers, Assistants“). Jede Fakultät wählt einen Direktor und „Chief- Professor“; an der Spitze der ganzen, dem Unterrichtsminiſterium unterſtehenden Univerſität ſteht als „President“ gegenwärtig Hiromoto Watanabe. Die Zahl ſämtlicher Docenten und Aſſiſtenten beträgt 138, unter denen nur noch 16 Ausländer zu zählen ſind. Sämtliche übrigen 122 Stellen konnten bereits mit einheimiſchen Gelehrten beſetzt werden; die Frequenz im letzten Studien⸗ jahr betrug 788 Studierende. Die im vergangenen Jahr ausgeführte Fertigſtellung eines neuen Lehrgebäudes für die techniſchen Wiſſenſchaften und eines chemiſchen Labora⸗ toriums, die zuſammen 340 000 yen (= 1190000 Mk.) koſteten, ſowie die geplante Errichtung weiterer großer Baulichkeiten in nächſter Zeit beweiſen das hohe Intereſſe, welches die japaniſche Regierung an dem raſchen Wuf- ſchwung ihrer Univerſität nimmt. (Imperial University of Japan [Teikoku Daigaku]. The Calendar for the year 1888—89. XXII XXIInd year of Meiji, Tokyo. Published by the University. 1888. 8°. 193 p.) —p. Der Internationale Geographiſche Kongreß, welcher vom 5.— 10. Auguſt in Paris ſtattfindet, wird in folgende Sektionen zerfallen: Mathematiſche, phyſikaliſche, ökono— miſche, hiſtoriſche, didaktiſche Geographie, Forſchungsreiſen, ethnographiſche Geographie. Bis jetzt haben ſich 225 ge— lehrte Geſellſchaften angemeldet. Eine Sektion der Societa Botanica Italiana hat ſich in Rom gebildet. Präſident iſt Profeſſor Pirotta, Vicepräſident Profeſſor Cuboni. Die zweite allgemeine Verſammlung der Geſellſchaft wird kommenden Herbſt in Rom abgehalten werden. Eine Viologiſche Station, beſonders zur Beförderung der Fiſcherei, ſoll mit einem Koſtenaufwand von 40000 Mk. und einer jährlichen Beihilfe von 9600 Mk. in Dänemark errichtet werden. Das Zootomiſche Inſtitut der Univerſität Wien, welches unter der Leitung des Profeſſor Dr. C. B. Brühl fteht, hatte im Winterſemeſter 1888 —89 in 8 Vorleſungs— cyklen eine Hörerfrequenz von 1426 beiderlei Geſchlechts. Die Vorleſungen ſind teils öffentliche, unentgeltliche, teils entgeltliche. Seit ihrer Begründung im Jahr 1863 hat dieſe in ihrer Art in Europa einzige Anſtalt 29 162 Hörer gehabt. Zoologiſche Stationen für das Studium der Süß waſſerfauna. Beiträge zur Förderung des Planes des Dr. Zacharias werden entgegengenommen von Herrn Bürger— meiſter Kinder in Plön; von der Verlagshandlung der „Illuſtrirten Zeitung“, J. J. Weber in Leipzig; von der Verlagshandlung G. Schwetſchke („Die Natur“) in Halle a. S.; von der Redaktion des „Humboldt“. Vreisaufgaben. Das R. Istituto veneto di scienze, lettere ed arti hat u. a. folgende Preisaufgabe geſtellt: Es wird ein Handbuch der Chemie verlangt, welches den Zweck verfolgt, die Studierenden in die Praxis des Laboratoriums und der Analyſen einzuführen, mit beſon⸗ derer Berückſichtigung der Pharmacie und Medizin. Ab— lieferung bis 1. Dezember 1889. Preis 1500 Lire. Die Arbeit kann italieniſch, lateiniſch, franzöſiſch, deutſch oder engliſch geſchrieben ſein und muß franco an den Sekretär des Inſtituts mit Motto und verſchloſſener Namensangabe eingeſendet werden. Sie bleibt Eigentum des Inſtituts, doch kann der Autor Abſchrift nehmen. Die Académie des sciences in Paris hat für das Jahr 1890 u. a. folgende Preisaufgaben geſtellt: Damoiſeau-Preis (3000 Fres.): Vervollkommnung der Theorie von den Störungen mit langen Perioden, welche durch die Planeten in der Bewegung des Mondes hervor— gebracht werden. Serres-Preis (7500 Fres.): Ueber allgemeine Embryologie in ihrer größtmöglichſten Anwen- dung auf Phyſiologie und Medizin. Dusgate-Preis (2500 Fres.): Für das beſte Werk über die diagnoſtiſchen Kennzeichen des Todes und die Mittel, einer verfrühten Beerdigung vorzubeugen. Pourat-Preis (1800 Fres.): Ueber Eigentümlichkeiten und Funktionen der Nervenzellen, welche mit den Sinnesorganen oder einem dieſer Organe verbunden find. Für das Jahr 1891: Gama Machado— Preis (1200 Fres.): Ueber die gefärbten Partien des Integumentſyſtems der Tiere oder über den befruchtenden Stoff der Lebeweſen. — Die Arbeiten ſind bis 1. Juni des betreffenden Jahres einzuſenden, und es iſt anzugeben, in welchem Teil desſelben die Entdeckung beſprochen iſt, auf welche ſich die Anſprüche ſtützen. Die eingereichten Arbeiten werden nicht zurückerſtattet. 204 Humboldt. — Mai 1889. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. 822 U Corone 1122 Y Cygni 15> 36™ 17 525% A 1 1122 Y Cygni 1125 U Ophiuchi 726 U Ophiuchi 745 R Canis maj. h m 155 95 ö 9| 0 III “1180 Y Cygni 1087 U Ophiuchi 125 567 N I E 1257 6 Libre 112 9m P, 11 05 Caner 12 10 m l l. 5 64/2 gh Om 11883 5 9) @ I 14 5 1 F. fl. 5 BAC 3996 15 207 A. J. 6 1253 U Ophiuchi Aſtronomiſcher Kalender. 147 U Cephei 14" 6" N II E Himmelserſcheinungen im Mai 1889. (Mittlere Berliner Zeit.) 1524 U Ophiuchi 11" Saturn nahe beim Mond 1181 Y Cygni 1414 U Cephei 1611 U Ophiuchi 854 U Ophiuchi 11* 58" 10 14 A 61 1029 Y Cygni Sh 10 E. H. BAG 5408 | 11> 36 9 461 J 6% 14 14 5 A n 1380 U Ophiuchi 982 U Ophiuchi 1088 Y Cygni 16" Jupiter nahe beim Mond 11> 55™ P. 155 6699 | 1485 U Corone 12 50m A. fl. H 6 ½ 1087 Y Cygni 14 50 A TE 1223 8 Libre D 19" 35™ 12 42" f. d.) 0 Libre 13" 38™ f. h. 6 1420 U Cephei 155 16™ F. h. ö BAC 6343 16 22 A. d. 6 13" 58" P.. 26 Savittari 14 36m Ad. 1387 U Cephei 17> 5” Bh. 26 Sagittari 17 52 d. 5 6 14 7m B. I. ö BAC 6727 145 44 Af.) 6½ 13 51 16˙ↄ 8 1129 6 Libre 1401 138 U Ophiuchi 989 U Ophiuchi 145 12 16 50™ bo el 1086 Y Cygni Merkur in grösster östlicher Ausweichung am Abendhimmel sichtbar 1222 U Corone 1324 U Cephei 1086 Y Cygni 1426 U Ophiuchi 1027 U Ophiuchi 1124 6 Libre 135 6m A I E 10h 130 1230 b 1 1320 U Ophiuchi 115 5" N. II E 1085 Y Cygni 1583 U Ophiuchi Merkur wird in der zweiten Hälfte des Monats am Abendhimmel tief im Nordweſten bet ſehr klarer Luft dem bloßen Auge wohl ſichtbar; in ſeine größte öſtliche Ausweichung gelangt er am 24. Am 31. befindet er ſich etwa vier Monddurchmeſſer nördlich von der ſchmalen Mondſichel. Venus kommt ſchon bald als Morgenſtern aus den Sonnenſtrahlen wieder zum Vorſchein und geht am Ende des Monats ſchon faſt 1½ Stunden vor der Sonne auf, hellſtrahlend in der Morgendämmerung. Mars iſt in den Sonnenſtrahlen verſchwunden. Jupiter wird nun in bequemeren Abendſtunden ſichtbar, indem er anfangs kurz vor Mitternacht, zuletzt um 9¼ Uhr aufgeht. Er befindet ſich rückläufig im Sternbild des Schützen. In der Nacht vom 17. auf 18. wird er vom Monde für ſüdlicher gelegene Orte bedeckt. Saturn kommt am 3. in Quadratur mit der Sonne. Er iſt rechtläufig im Sternbild des Krebſes und geht anfangs um 2 Uhr morgens, zuletzt um Mitternacht unter. Am 7. geht der Mond zwei Monddurchmeſſer nördlich von ihm vorüber. Uranus iſt rückläufig im Sternbild der Jungfrau. Neptun iſt unſichtbar und kommt am 22. in Konjunktion mit der Sonne. Von den Veränderlichen des Algoltypus find Algol und J Tauri in den Sonnenſtrahlen verſchwunden, R. Canis maj. verſchwindet in denſelben. Von 8 Cancri fallen Minima nur auf Tagesſtunden. Am 31. März wurde von Barnard auf der Lick⸗Sternwarte (Mount Hamilton in Kalifornien) ein neuer teleſkopiſcher Komet an der Grenze der Sternbilder Stier und Orion entdeckt, deſſen Rektaſcenſion täglich 13 Bogen⸗ minuten abnahm und deſſen Deklination 2 Bogenminuten zunahm. Der Ort des Kometen war: um 9u 12m 4s Lick⸗Sternwarte 80 Grad 12 Min. 25 Sek. Rektaſcenſion, 16 Grad 7 Min. 0 Sek. nördliche Deklination. Eine angenäherte Bahnberechnung aus den erſten Beobachtungen vom 31. März bis 5. April ergibt den Durchgang durch die Sonnennähe (Perihel) am 26. Mai bei einem ſehr kleinen Abſtand von der Sonne (0,04 der Entfernung Erde — Sonne) und eine gegen die Ekliptik nahe ſenkrechte Bahnlage. Rektaſcenſion und Deklination nehmen ab und fo verſchwindet der Komet bald nach ſeiner Entdeckung in den Sonnenſtrahlen. Dr. E. Hartwig. Humboldt. — Mai 1889. 205 Vulkane und Erdbeben. In Bologna wurden am 8. März früh gegen 4 Uhr zwei Erdſtöße verſpürt, die jedoch keinen Schaden anrich⸗ teten. Faſt in allen Städten und Dörfern von Oſt⸗Lan⸗ caſhire iſt am 10. Februar nachts 10 Uhr 40 Minuten ein Erdſtoß verſpürt worden, welcher bewirkte, daß die Fenſter heftig erzitterten. Zwei oder drei Sekunden ſpäter erfolgte ein zweiter und zugleich ſtärkerer, der ſtellenweiſe die Leute aus den Häuſern laufen ließ; ihm folgte 20 oder 30 Sekunden ſpäter ein ſchwacher, aber noch deutlich wahrnehmbarer. Schaden wurde nicht verurſacht. Die Stadt Jaciente in Kalifornien und deren Um⸗ kreis wurden von einem Erdbeben heimgeſucht, welches, obwohl es keine verhängnisvollen Folgen hatte, viel Be⸗ ſtürzung verurſachte. Im Stadthauſe fand ein Ball ftatt, als der erſte Stoß verſpürt wurde, und die Tänzer, 200 an der Zahl, ergriffen ſchleunigſt die Flucht. Vor den Ausgängen entſtand ein ſolches Gedränge, daß viele Per⸗ ſonen aus den Fenſtern ſprangen und Verletzungen da⸗ vontrugen. Das Erdbeben dauerte glücklicherweiſe nicht lange. (Datum unbekannt.) Am 13. Februar fand zu Fleurier im Juragebirge ein Erdſtoß ſtatt, der eine große Anzahl Häuſer zerſtörte. Am 14. Februar erfolgte in Sparta in Kleinaſien eine heftige Erderſchütterung, welche an 50 Kaufläden in Trümmer legte. Anderweitige Erderſchütterungen wurden im Bezirke Bod run verſpürt, deſſen erſchreckte Bevölkerung maſſenhaft in die Berge flüchtete. Zu Ka ſina in Kroatien wurde am 23. Februar mit⸗ tags ein Erdbeben verſpürt. Dasſelbe äußerte ſich in einem ziemlich heftigen kurzen Stoß und einem kurz darauf folgenden Fibrieren der Erde. Zu Aquila in den Abruzzen wurde in der Nacht vom 27. Februar bis früh 5 Uhr vom 28. Februar fünf verſchiedene Erdſtöße, darunter zwei heftige verſpürt. Schaden haben dieſelben nicht angerichtet. Am 8. März früh gegen 4 Uhr wurden in Bologna zwei Erdſtöße verſpürt, die jedoch keinen Schaden an- richteten. Am 10. März um 1 Uhr nachmittags wurde in Aquila ein ſtarkes Erdbeben verſpürt. Schaden iſt nicht verurſacht worden. Am 11. März erfolgten in Aquila ſechs Erdſtöße, darunter 3 heftige, ohne Schaden anzurichten. Am 12. März, nachts 2 Uhr 29 Minuten (Ortszeit) fand in Idſtein, Auroff und Görsrod bei Nordweſtſturm und Schneegeſtöber ein Erdbeben ſtatt. Einem dumpfen Schlage, gleich dem Auffallen eines ſehr ſchweren Gegen— ſtandes, folgte ein dumpfes Rollen von einigen Sekunden. Die Häuſer erzitterten und die Bewohner wurden unſanft aus dem Schlummer geweckt. Auch vor dem Schlage ſoll ein Schwanken von Zimmergeräten und Klirren der Fenſter beobachtet worden ſein, ebenſo wollen einige Leute ſchon abends um halb 9 Uhr einen Erdſtoß wahrgenommen haben. Die Richtung der Erderſchütterung ging von Weſt nach Oſt. Am 13. März, morgens 3 Uhr 59 Minuten erfolgte in Idſtein noch ein Stoß von geringer Stärke. Ueber das große Erdbeben, das in der Nacht vom 29. zum 30. Dezember einen großen Teil der Republik Coſta Rica, insbeſondere die Hauptſtadt San Joſé heimſuchte, liegen jetzt ausführliche Berichte vor. Von den Vulkanen der Kordilleren, die man als völlig erloſchen anſah, ſind, wie es ſcheint, die bedeutendſten, wie der Jrazu, der Barba und der Poas, wieder zu neuer Thätigkeit erwacht. Während des ganzen Monats Dezember wurden leichte Erderſchütterungen verſpürt, welche die Einwohner beun⸗ ruhigten, zumal man die Gewißheit erlangt hatte, daß der Srazu neue Krater gebildet hatte und ſich in voller Thätigkeit befand. Am Abend des 29. Dezember brachte ein heftiger Erdſtoß die ganze Stadt in Aufregung. Drei Stunden ſpäter, um 11 Uhr, folgte ein zweiter Stoß, der viel ſtärker war als der erſte und die Bevölkerung aus den Häuſern trieb. Um 4 Uhr 20 Minuten am Morgen des 30. kam ein dritter Stoß, der die Städte San Joſé, Heredia, Alajuela, Barba, Santa Barbara, San Rafael de Heredia, Grecia, Santo Domingo und eine Menge Ortſchaften ſchwer beſchädigte und mehrere Menſchen unter den Trümmern umgeworfener Häuſer be- grub. In der Hauptſtadt San Joſé iſt faſt kein Haus unverſehrt geblieben. Viele Straßen waren von den Trümmern zuſammengeſtürzter Häuſer geſperrt und der Eiſenbahnverkehr wurde unterbrochen, bis eine Kommiſſion von Ingenieuren die Brücke unterſucht hatte. Zwei Leguas von Alajuela, an einem Punkte, „Laguna“ genannt, hob und ſenkte ſich der Boden in ſo ſtarken Wellenbewegungen, daß das Ausſehen des ganzen Geländes ſich verändert hat. Der Boden iſt mit tiefen Spalten durchzogen und einige Berge ſollen ihren Platz verändert haben. In Cartago wie in Puntarenas iſt das unterirdiſche Getöſe und Rollen nur unbedeutend geweſen. Seitdem haben noch mehrere Erderſchütterungen ſtattgefunden. Wie es ſcheint, iſt der Mittelpunkt des Erdbebens der feuerſpeiende Berg Barba geweſen, da ein Regierungskommiſſar, der ſofort in die Umgebung der oben genannten Berge ent- ſandt wurde, die Wellenbewegung von Oſten nach Weſten von dieſem Berge aus genau verfolgt haben will und ſelbſt noch am Morgen des 1. Januar zwei Stöße, die vom Barba ausgegangen ſeien, in ſeinem Lager einige 200 m vom Krater des Poas verſpürt hat. Földtani Kötzlöng, Zeitſchr. der ungar. geolog. Geſellſchaft, enthält in Jahrg. 1889, Heft 1—3: „Ueber die Erdbeben der Karpathen und Karſtländer. Bericht über die kroatiſch⸗ſlawoniſch-dalmatiniſchen, ſowie über die bosniſch⸗herzegowiniſchen Erdbeben in den Jahren 1884 1886 von Dr. Kispatik. Berichte über die ungariſchen Erdbeben in den Jahren 1885 und 1886 von Dr. Schafarzik.“ Et. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat März 1889. Der Monat März iſt charakteriſiert durch kaltes, meiſt trübes Wetter mit ſchwacher Luftbewegung. Hervorzuheben ſind die von Verwüſtungen begleiteten Ueberſchwemmungen im öſtlichen Deutſchland am Monatsſchluſſe. Zu Anfang des Monats war der Luftdruck am höchſten über Nordeuropa, dagegen am niedrigſten im Süden dieſes Erdteils, fo daß nördliche bis öſtliche Winde über Central⸗ europa vorherrſchend waren, welche kaltes Wetter bedingten. Allmählich verlegte ſich das barometriſche Maximum nach Nordoſt⸗, dann nach Oſteuropa, während die Minima ſich über Weſteuropa nordwärts fortbewegten, wodurch ſüd⸗ öſtliche Winde über Centraleuropa hervorgerufen wurden. Am kälteſten war der Zeitraum vom 3. bis zum 8. für Deutſchland, indem die Temperatur vielfach um 12° ©. unter den normalen Wert herabſank. Vom 1. bis zum 6. verlief die Froſtgrenze ſüdlich von den Alpen und um- ſchloß den größten Teil von Frankreich und Großbritannien, in den folgenden Tagen zog ſich die Weſtgrenze des Froſt⸗ wetters langſam oſtwärts zurück; am 7. verlief ſie von Utrecht nach Genua, am 8. von Sylt nach Friedrichshafen, am 9. von Skagen nach Wien, erſt am 12. wurde auch das öſtliche Deutſchland froſtfrei. Dieſe ſtrenge und 206 Humboldt, — Mai 1889. lange anhaltende Kälte in den erſten Tagen des März tft hauptſächlich dem Vorhandenſein einer Schneedecke zuzu⸗ ſchreiben, die ſich größtenteils ſchon im vorhergehenden Monat gebildet hatte. Einige der tiefſten Temperatur⸗ angaben der Deutſchen Stationen mögen hier eine Stelle finden: am 4. Memel und Chamnitz — 14, Bamberg — 15, Breslau —16° ©., am 5. Chemnitz und München — 15, am 6. Bamberg — 15, Königsberg — 16, Neufahrwaſſer und Rügenwaldermünde — 17 C., am 7. Wuſtrow und Breslau — 16, Rügenwaldermünde und München — 17° C., am 8. Breslau — 16° C. Der Umſchlag der Witterung für das weſtliche Mittel⸗ europa wurde veranlaßt durch eine tiefe Depreſſion, welche, auf ihrer Südſeite von ſtürmiſchen Winden begleitet, vom 8. bis zum 10. von der Kanalgegend nordoſtwärts nach dem norwegiſchen Meere fortſchritt, und hierdurch ſchien für unſere Gegenden eine Periode milden Wetters einge⸗ leitet; indeſſen war dieſe Depreſſion nicht, wie dieſes ge⸗ wöhnlich der Fall iſt, von weiteren Depreſſionen gefolgt, ſondern auf ihrer Rückſeite breitete ſich ein Gebiet hohen Luftdruckes aus, während die eben erwähnte Depreſſion in ein Gebiet niedrigen Luftdruckes über ging, welches ſich am 11. von Nordſkandinavien ſüdwärts nach der Alpen⸗ gegend und Südfrankreich erſtreckte, ſo daß die oceaniſche Luft von unſerem Kontinente ganz abgeſchloſſen war. Das bavometrifde Maximum im Weſten nahm an Inten⸗ ſität zu und breitete ſich immer mehr oſtwärts aus, während das Depreſſionsgebiet oſtwärts nach Rußland und von dort nach der Balkanhalbinſel wanderte. Dementſprechend drang die Froſtgrenze wieder raſch weſtwärts vor, am 15. bis nach Mittelfrankreich, am 16. bis nach dem Biskayiſchen Buſen und den Pyrenäen und am 17. über die Pyrenäen hinaus. Ein tiefes Minimum, von etwa 730 mm, lag am 20. über England, in ſeiner ganzen Umgebung ſtarke Luft⸗ bewegung verurſachend. Mit raſch abnehmender Tiefe wanderte dasſelbe ſüdoſtwärts nach Frankreich, gefolgt von einem Gebiete hohen Luftdruckes, welches im Nordweſten der britiſchen Inſeln zuerſt erſchien und dann ſüdwärts nach den Biskayiſchen Buſen ſich verlegte. Die Wanderung der Depreſſionen in Weſteuropa nach Südoſten hin ſind in dieſer Jahreszeit nicht ſelten und pflegen insbeſondere dann ſtattzuhaben, wenn der Luftdruck im übrigen Nordoſt⸗ und Oſteuropa hoch und die Temperatur niedrig iſt, da⸗ gegen bei hohem Luftdruck und größerer Wärme im Weſten. Auf der Nordſeite des eben erwähnten barometriſchen Maximums, über Nordeuropa, traten nun tiefe Depreſſionen auf, die ſich oſtwärts fortbewegten und die ihren Wirkungs⸗ kreis immer weiter nach Süden hin ausbreiteten, ſo daß die oceaniſche Luft immer weiter in den Kontinent vor- drang und überall hin wieder feuchtes mildes Wetter brachte. Am 25. war ganz Deutſchland froſtfrei, in den centralen Gebietsteilen waren ſogar 5» Wärme Ueberſchuß. Indeſſen mit dem Auftreten eines neuen Maximums über Weſteuropa ging in unſeren Gegenden die Temperatur wieder erheblich herab, ſo daß faſt überall Nachtfröſte vor⸗ kamen. Mit der Verſchiebung des barometriſchen Maxi⸗ mums nach Süden, nach dem Biskayiſchen Buſen hin, trat wieder Erwärmung ein, ſo daß der Monat März für Deutſchland durchſchnittlich mit einem geringen Wärme⸗ überſchuß abſchloß. Die folgende Tabelle gibt eine überſichtliche Dar⸗ ſtellung der Abweichungen der Temperatur von den Nor⸗ malwerten von 5 zu 5 Tagen, ſowie der Niederſchlagsmengen und Niederſchlagstage für den Monat März 1889: 1) Temperaturabweichungen für 8 Uhr morgens (0 C.). m Karls Min Beit: Swine Ham⸗ raum Memel münde burg Borkum Raffel Berlin Breslau ruhe chen. 1.—5. 9,2 —6,3 —5,1 —5,4 —11,2 —7,1 —8,7 —8,9 —8,7 6.— 10. —7,5 —7,6 —4,6 —1,4 —4,7 —5,5 —6,5 —2,3 — 7,9 11.—15. —1,7 —3,1 —3,0 — 1,1 —2,1 —1,6 —0,8 —2,7 —1,9 16.—20. —7,4 —2,9 —2,7 —1,1 —2,5 —1,6 —2,6 —4,3 —4,4 21.—25. —0,2 —0,0 —0,9 +0,4 —2,1 +1,5 +1,8 +2,9 —1,5 26.—31. —0,4 —1,4 —1,4 41,0 —0,1 0,0 +1,6 —2,2 —2,3 Mittel 4,4 —3,4 3,2 1,3 3,8 2,4 —2,6 —28 —4,4 2) Niederſchlagsmenge, Monatsſummen (mm). 18 20 48 33 54 38 59 70 3) Anzahl der Niederſchlagstage. e nee 10 18 12 16 Bemerkenswert ſind noch die Ueberſchwemmungen, welche am Monatsſchluſſe im öſtlichen Deutſchland ſich er⸗ eigneten und die von vielfachen Verwüſtungen begleitet waren. Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. Biographien und Perfonalnotizen. Profeſſor Schottelius in Freiburg erhielt den daſelbſt neu errichteten ordentlichen Lehrſtuhl für Hygiene. Profeſſor Dr. Henke in Tübingen iſt als Profeſſor der Anatomie nach Graz berufen worden. Profeſſor Dr. K. von der Mühll in Leipzig wurde als Profeſſor der mathematiſchen Phyſik nach Bajel berufen. Profeſſor Fiſcher in Würzburg wurde als Profeſſor der Chemie nach Heidelberg berufen. Privatdocent Dr. Bonnet in München wurde zum Pro⸗ feſſor der Akademie in Würzburg ernannt. Privatdocent Dr. Stenger in Berlin wurde als Profeſſor der Elektrotechnik an das Polytechnikum nach Dresden berufen. Profeſſor Dr. Kräpelin wurde zum Direktor des Natur⸗ hiſtoriſchen Muſeums in Hamburg erwählt. Dr. H. Rauff habilitierte ſich als Privatdocent für Minera⸗ logie in Bonn. Dr. Wigs habilitierte ſich als Privatdocent der Zoologie in Bonn. Die Berliner Akademie der Wiſſenſchaften vergab zur För⸗ derung naturwiſſenſchaftlicher Forſchungen eine Reihe von Stipendien. Es erhielt Prof. Richard Lepſius in Darmſtadt zur Fortführung der geologiſchen Kar⸗ tierung von Attika 2500 Mark; Privatdocent Dr. Dahl in Kiel 600 Mark zu Unterſuchungen über die niedere Süßwaſſerfaung der Elbmündung, Dr. Wort⸗ mann in Straßburg i. E. zu Unterſuchungen an Meeresalgen, die er an der zoologiſchen Station von Prof. Dohrn in Neapel betreiben wird, 700 Mark. Dr. S. Schönland, Aſſiſtent am botaniſchen Inſtitut zu Oxford, iſt zum Kurator des Albany-Muſeums in Grahamstown, Südafrika, ernannt worden. Die Berliner Akademie der Wiſſenſchaften hat die Profeſ⸗ ſoren der Chemie Beilſtein in Petersburg, Can niz⸗ zaro in Rom, Freſenius in Wiesbaden, Meyer in Tübingen und die Profeſſoren der Phyſik Wüllner in Aachen und Hertz in Karlsruhe zu korreſpon⸗ dierenden Mitgliedern ernannt. Die Geſellſchaft der Wiſſenſchaften in Göttingen ernannte zu auswärtigen Mitgliedern Karl Klein in Berlin, Graf zu Solms-Laubach in Straßburg, Guſtav Wiedemann in Leipzig, zu Korreſpondenten Simon Newcombe in Waſhington, A. Brill in Tübingen, H. Hertz in Karlsruhe, H. Vöchting in Tübingen und E. Warming in Kopenhagen. Karl von den Steinen wurde von der Societa Geo- grafica Italiana zum korreſpondierenden Mitglied, von dem Verein für Geographie und Statiſtik in Frankfurt a. M. zum Ehrenmitglied und von der Italieniſchen Geſellſchaft für Anthropologie, Ethno⸗ graphie und vergl. Pſychologie in Florenz zum korr. Ehrenmitglied ernannt. Dr. F. G. Gade iſt als Demonſtrator der Mikroſkopie am anatomiſchen Inſtitut und Dr. H. Geelmuyden Humboldt. — Mai 1889. 207 als Aſſiſtent am phyſiologiſchen Inſtitut der Univer⸗ ſität Chriftiania angeſtellt worden. M. Berthelot wurde an Stelle Paſteurs von der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften zum Secrétaire perpé- tuel pour les sciences physiques ernannt. Frl. G. Cattani iſt zur Privatdocentin der allgemeinen Pathologie der mediziniſchen Fakultät in Turin ernannt worden. E. v. Regel in St. Petersburg wurde von der Univer⸗ ſität Bologna zum Doktor honoris causa ernannt. Totenliſte. Fedorenko, Iwan, Profeſſor der Aſtronomie in Charkow, ſtarb daſ. 26. Dezbr., 62 Jahre alt. Worm⸗-Müller, Dr., J., Profeſſor der Phyſiologie an der Univerſität Chriſtiania, ſtarb 11. Januar, 54 Jahre alt. J. Ch. Puls, Entomolog, der ſich beſonders mit dem Studium der Hymenopteren beſchäftigte, ſtarb 13. Januar in Gent. v. Trautvetter, Ernſt Rudolf, einer der hervorragend— ſten ruſſiſchen Botaniker, 1866— 75 Direktor des botaniſchen Gartens in Petersburg, Verfaſſer zahl— reicher Schriften über die Flora Rußlands, ſtarb in Petersburg 24. Januar im 81. Lebensjahr. Fiſcher, J. G., Herpetolog und Ichthyolog, ſtarb in Ham— burg 24. Januar. v. Schlicht, E., Oekonomierat, bekannt durch ſein großes Werk über die Foraminiferen des Septorienthons von Pietzpuhl, ſtarb in Potsdam 31. Januar, 81 Jahre alt. G. Seguenza, Profeſſor der Geologie an der Univerſi— tät Meſſina, durch ſeine paläontologiſchen Unter— ſuchungen und botaniſchen Durchforſchungen Siziliens und Kalabriens bekannt, ſtarb 3. Febr. Uljanin, Waſſili, Profeſſor der vergleichenden Anatomie und Embryologie an der phyſik.-mathem. Fakultät in Warſchau, ſtarb 5. Februar, 49 Jahre alt. Schneider, Ludwig, Bürgermeiſter a. D., Verfaſſer der ausgezeichneten „Beſchreibung der Gefäßpflanzen des Flurengebiets von Magdeburg, Bernburg und Zerbſt (1877)“, ſtarb 80 Jahre alt am 9. Februar in Schönebeck. Jahn, C. L., ehemaliger Lehrer, in Berliner botaniſchen Kreiſen, namentlich als Kenner der Waſſerpflanzen, geſchätzt, ſtarb am 14. Febr., 81 Jahre alt. Krukenberg, F., Profeſſor der vergleichenden Phyſiologie in Jena, ſtarb 18. Febr. in Gera. Lindberg, Sextus Otto, Profeſſor der Botanik und Direk— tor des Botaniſchen Gartens und Muſeums in Helſing⸗ fors, einer der bedeutendſten Bryologen, ſtarb daſelbſt 20. Februar im 53. Lebensjahr. Brock, Johannes, Profeſſor der Zoologie in Göttingen, vor kurzem nach Dorpat berufen, ſtarb, 38 Jahre alt, 20. Febr. in Göttingen. Soyka, Iſidor, Profeſſor der Hygiene an der deutſchen Univerſität in Prag, ſtarb daf. 23. Febr. im Alter von 39 Jahren. Gſcheidlen, R., Profeſſor der Phyſiologie in Breslau, geb. 26. Febr. 1842 und durch eine Reihe von Arbeiten aus dem Gebiete der phyſiologiſchen Chemie, durch ſeine „Phyſiologiſche Methodik“ und als Herausgeber der „Breslauer ärztlichen Zeitſchrift“ rühmlichſt be⸗ kannt, ſtarb 4. März in Breslau. Martins, Charles, Profeſſor der Botanik an der medi- ziniſchen Fakultät zu Montpenſier, Verfaſſer vieler botaniſcher Werke, auch um die Meteorologie ver- dient, ſtarb im Alter von 83 Jahren 10. März in Paris. Petrovit, Dr. Sava, Sanitätsoberrat und Nachfolger von J. Pandié auf dem Lehrerſtuhle der Botanik in Belgrad, iſt 47 Jahre alt geſtorben. Er hat auch um die Erforſchung der Flora von Niss große Ver⸗ dienſte erworben. Conteß-Lacour, Ed., Direktor der Schule von Roa in Neu⸗ Kaledonien, hervorragender Botaniker, auch verdient um den Gartenbau Frank⸗ reichs, ſtarb in Marſeille. Tempel, Profeſſor Wilhelm, Direktor der Sternwarte in Florenz, ſtarb daſ. 16. März. Er war geboren 4. Dezember 1821 in Niederkunersdorf in Sachſen, erlernte die Lithographie und widmete ſich 1854 der Aſtronomie. Er wurde Leiter der Sternwarte zu Marſeille und ging, 1870 von dort vertrieben, nach Italien, wo er zuerſt in Mailand, ſeit 1873 in Arcatri bei Florenz beobachtete. Tempel entdeckte 5 Aſteroiden, mehrere Kometen und machte ſich beſonders auch durch ſeine Beobachtungen und Zeichnungen von Nebel— flecken verdient. Peyritſch, J., Profeſſor der Botanik in Innsbruck, ſtarb 14. März in Gries bei Bozen. landwirtſchaftl. Bi blio graph Bericht vom Monat März 1889. Allgemeines. Böhner, A. N., Monismus, bie Naturwunder in ihrer Einheit mit dem Leben des Geiſtes nach den großen Entdeckungen der Neuzeit. Bertelsmann, Gütersloh. M. 2. 50. Fricke, K., Der biologiſche Unterricht an höheren Lehranſtalten, ſein Gang und ſeine Bedeutung für eine allgemeine höhere 0 nach b pädagogiſchen Grundſätzen. Leipzig, Fock. Graber, V., Ueber den zoologiſchen Unterricht an den böſerreichſchen Miitelſchllen. Leipzig, Freytag. 50. Hum oldt s A. v., geſammelte Werke. Gotta, Stuttgart. 1. Efg. M. 0. giefling, F. u. E. Pfalz, Wiederholungsbuch der Naturgeſchichte. Hs (3.—5. Schulj.) 2. Aufl. Braunſchweig, Bruhn. M. —. renner, P., Leitfaden für den chemiſchen und mineralogiſchen iter richt an Ghmnaſien. Leipzig, Fues. M. 1.—. Stinde, J., Aus der geheimen Werkſtatt der Natur. Streifzüge durch Gelb und Flur, Haushalt, Wiſſenſchaft und 5 2. Aufl. 1. Bochn. Dresden, Hönſch & Tiesler. M. 1. — Shyſik. Elſter, J., u. H. Geitel, Ueber die Elektricitätserregung beim Kontakt verbininter Gaſe mit galvaniſch glühenden Drähten. Leipzig, Freytag. M. Jann „ G., Die Glimmentladungen in Luft von normalem Druck. Leipzig, Freylag. M. 1.—. Krauſe, H., Ueber Abſorption und N von Kohlenſäure an blanken Glasflächen. Leipzig, Fock. M. 2. — 3 O., Berechnung des mechaniſchen Lichtäquivalents aus den n des Herrn Julius Thomſen. Leipzig, Freytag. M. —. 30. Krug, Die Energie der Wärmeſtrahlung bei der Weißglut. Lelpiig, Freytag. M. —. 50. Wroblewski, S. v., ER Sulammendvidbartit des Waſſerſtoffes. Leipzig, Freytag. M. Chemie. 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Kiel, Gnevkow & v. Gellhorn. M. 1. 20. Mankowsky, A., Ueber die F Beſtandtelle der Radix Bryoniae 11 Dorpat, Karow. M. Meyer, L., u. K. Seubert, Das nallrliche Syſtem der Elemente. Nach den zuverläſſigſten Abeing wicken zuſammengeſtellt. Leipzig, Breit⸗ kopf & Härtel. Souchay, 0 „Zur a der Wurſtvergiftung. Tübingen, Moſer. M. — Ziegler, i Zur Kenntnis der Wurſtvergiftung. Tübingen, Moſer. M. Darmſtadt, Bergſträßer. 208 Aſtronomie. Brow, Ph. „Bahnbeſtimmung d. Kometen 1867 III. Leipzig, Freytag. 50. Goletſcher, Rs 0 d. Planeten (118) Peitho. 3. Teil. Leipzig, Freytag. M Konkoly, N. Dey, Schach tungen angeſtellt am aſtrophyſikaliſchen Obſer⸗ vatorium in SGyalla (Ungarn). 10. 5 „enth. Beobachtungen vom Jahre 1887. Halle, Schmidt. M. N Paliſa, A., Beſtimmung der Bahn d. Planeten (211) Iſolda. Leipzig, reytag. M. —. 60. wate des aſtrophyſikaliſchen Obſervatoriums zu Potsdam. Nr. 23. Inhalt: Beſtimmung der mittleren Dichtigkeit der Erde mit Hilfe eines Pendelapparates von J. Wilſing. 2. Abhandlg. Leipzig, Engelmann. M. 5. —. Spoerer, G., Ueber die Periodicität der Sonnenflecken ſeit dem Jahre 1618, vornehmlich in Bezug auf die heliographiſche Breite derſelben, und Nachweis einer erheblichen Störung dieſer Periodicität während eines langen Zeitraumes. Engelmann Leipzig. M. 2.— ce der, zu jeder Stunde des Jahres. Ausgabe für Mittel⸗ Europa. 6. Aufl. Frankfurt, Klodt. Transparent als Lichtſchirm M. 1. 75 Geographie und Ethnographie. Baſtian, A., Die Kulturländer des alten Amerika. 3. Bd. Nachträge und Ergänzungen aus den Sammlungen des Ethnologiſchen Muſeums. 2. Abteil. Berlin, Weidmann. M. 4. Beobachtungen, magnetiſche, des Tifliſer phyfikatiſchen Obſervatoriums im Jahre 1886-1887. Herausgegeben von J. e Ruſſiſch und deutſch. Eggers & Ko., Petersburg. M. 8 zur deutſchen Landes und Volkskunde. een ehen von A. Kirchhoff. 3. Bd., 5. Heft. Inhalt: Die deutſche Beſiedlung der öſtlichen Alpenländer insbeſondere Steiermarks, Kärntens und Krains, nach ihren geſchichtlichen und örtlichen Berbitnijen. Bon F. v. Krones. Stuttgart, Engelhorn. M. 5. 6 Meyer, G., Erdkunde, Geographie und Geologie, einander 5015 zu anderen Wiſſenſchaften. Straßburg, J ihre . zu H. Ed. Heitz. M. Schmidt, sai Ueber einige geographiſche Veranſchaulichungsmittel. (Ein Globus, ein Tellurium, ein Apparat zur Erläuterung des 1 ſchen Pendelverſuches, graph. Darſtellungen.) Wien, Hölzel. M. 3. — Mineralogie, Geologie, Paläontologie. Abhandlüngen, allgemein ⸗verſtändliche naturwiſſenſchaftliche. 7. Heft. Inhalt: Die ſyſtematiſche Zugehörigkeit der verſteinerten Hölzer (oom Typus Araucarioxylon) in den paläolithiſchen Formationen. Von H. Potonié. Berlin, Riemann. M. 1. — ed te zur geologiſchen Spezialkarte von Elſaß⸗Lothringen. Heft. Inhalt: Die Fauna d. Bathonien im ober⸗ 1 Tieflande. Von A. O. Schlippe. Straßburg, Straß⸗ burger Druckerei. M. 12. —. Abhandlungen der 88 ber cdu he geologiſchen Landesanſtalt zu Darmſtadt. 1. Bd. 3. Heft. Inhalt: Der Meeresſand zwiſchen Alzey Hig Kreuznach. Von H. Schopp. Darmſtadt, Bergſträßer. M. 2.5 Geinitz, . 10. und 11. Beitrag zur Geologie Mecklenburgs; Neue Tertiärvorkommniſſe in und um Mecklenburg. Güſtrow, Opitz & Ko. M. 1. 80. Greppin, E., Description des fossiles de la grande oolithe des environs de Bile. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 12.—. Loriol, P. de, Etudes sur les mollusques des couches corralli- genes de Valfin (Jura). Précédées d'une notice stratigraphique par E. Bourgeat. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 28. 80. Luedecke, O., Ueber Datolith. Eine mineralogiſche Monographie. Halle, Tauſch & Grofje. M. 6. Toula, F., 1 Anterſüchungen im centralen Balkan. Freytag. Meteorologie. Pernter, J. M., Meſſungen der Ausſtrahlung auf bee Hohen Sonnblick im Februar 1888. Leipzig, Freytag. M. —. 50. Botanik. n allgemein⸗verſtändliche naturwiſſenſchaftliche. 6. Heft. Inhalt: Die Bakterien und die Art 1 — Unterſuchung von R. Mittmann. Berlin, Riemann. M. Braſt, 1 Die Zelle, das Element der organiypet ‘Welt. Leipzig, Thieme. Leipzig, Verk Frage 5: Ich beabſichtige, an mein Mikroskop einen Beleuchtungsapparat anbringen zu laſſen. Da ich nur ein mittleres Stativ beſitze, ſo iſt der Abbeſche Apparat nicht gut anwendbar. J. Klönne und G. Müller in Berlin empfehlen in ihrem Preisverzeichnis einen nach Abbe be⸗ rechneten Apparat eigener Konſtruktion mit zwei⸗ und drei⸗ gliedrigem Linſenſyſtem. Ich erlaube mir die Anfrage, ob vielleicht jemand Erfahrung mit demſelben gemacht hat, beziehentlich ob ſich der Apparat in der Praxis be⸗ währt hat. Herrn A. E., Brünn. Auf Ihre Frage: „Wirkt ein Eiſenbahnzug, der von Weſten gegen Oſten fährt (wenn auch in unendlich kleinem Maße), hemmend auf die Um⸗ Humboldt. — Mai 1889. Correns, C. E., Zur Anatomie und Entwicklungsgeſchichte der 8 210 nuptialen Nectarſen von Dioscorea. Leipzig, Freytag. 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Schäff, Gebiß⸗ Tafeln zur k ere mu des Reh⸗, Rot⸗ und Schwarzwildes. Berlin, Parey. M. — Pictet, A., Locustides nouveaux ou peu connus 110 musée de Geneve. Baſel, Georg. M. 5. 60. Rütimeyer, L., Ueber einige Beziehungen zwiſchen den Säugetierſtämmen, alter und neuer Welt. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 4. 80. Singer, J., u. E. Münzer, Beiträge zur Kenntnis d. Sehnervenkreuzung. Leipzig, Freytag. M. 4. —. Vhyſtologie. Bibliothek, internationale wiſſenſchaftliche. Inhalt; a Die fünf Sinne des Menſchen. Von A. Bernſtein. 2. Aufl. 5. —. — 67. Die Sinne und das geiſtige Leben der Tiere, lnsbeſündere der Inſekten. Von Sir J. Lubbock. Ueberſetzt von W. Marſhall. M. 6. —. Leipzig, Brockhaus. Braune, W., u. O. Fiſcher, Die Rotationsmomente der M. am Cübogengelent des Menſchen. Leipzig, Hirzel. Glum, F., Beitrag zur Kenntnis der Einwirkung oe Scl auf die Hornabſonderung. Kiel, Lipſius & Tiſcher. 8 ene J. v., Ueber Teilung und Knoſpung der Sy 12. u. 67. Bd. M. 11. —. Dorpat, Karow. Lüdy, E., Ueber die Spaltung d. Fettes in den Geweben u. das Vorkommen der freien Fettſäuren in denſelben. Bern, Huber & Ko. M. —. 50. Lutz, L., Ueber die Verminderung des Hämoglobingehalts des Blutes während des Kreislaufs durch die Niere. Dorpat, Karow. M. 1.—. Mantegassa, P., „Phyſiologie des Genuſſes. 2. Aufl. Styrum, Spaarmann. Sticker, G., Die Bedeutung des Mundſpeichels in phy h en und pathologischen Zuſtänden. Berlin, Groſſer. M. ale 4 e h r. drehung der Erde?“ iſt zu erwidern: Ein Eiſenbahnzug, der von Weſten nach Oſten fährt, alſo im Sinne der Umdrehung der Erde, kann natürlich auf die letztere nicht hemmend wirken. Aber auch ein Zug, der ſich in ent⸗ gegengeſetzter Richtung bewegt, wirkt ebenſo wenig hemmend auf die Erdumdrehung, als dies eine Perſon thut, die auf einem in Bewegung begriffenen Schiffe vom Vorderteil nach dem Hinterteil geht. Es iſt etwas anders mit der Flutwelle, welche durch eine Kraft, die außerhalb der Erde ihren Sitz hat (die Anziehung von Mond und Sonne), gegen die Richtung der Bewegung der Erde um die letztere t wird und gegen die öſtlichen Ufer der Feſtlande anpra Entwickelungsgeſchichte des Kaſpiſchen ſeiner Bewohner. Don Profeffor Dr. Ed. Brückner in Bern. Meeres und Jer Hauptzweck der geologiſchen Unter ſuchung der Umgebung des Kaſpiſchen Meeres iſt einerſeits die Erforſchung der Geſchichte dieſer tiefſten kontinentalen Sen andererſeits die Erklärung der Entſtehung ihrer Fauna. Obwohl eine große Zahl von Forſchern ſeit dem vorigen Jahrhundert dieſen Zweck verfolgt hat, fo ijt man heute doch noch weit vom Ziel ent- fernt. In jüngſter Zeit hat nun N. Andruſſow die bisherigen Reſultate, zu denen er durch eigene Unter— ſuchungen beizutragen Gelegenheit hatte, zuſammen— gefaßt und eine Skizze der Entwickelungsgeſchichte des Kaſpiſchen Meeres und ſeiner Bewohner in ruſſiſcher Sprache veröffentlicht“), über welche wir hier einen Bericht folgen laſſen. Morphologiſch ſtellt das Kaſpiſche Meer eine ge— waltige Depreſſion dar, welche ſich von den übrigen Landſeen durch ihre Größe unterſcheidet. Der tiefſte Punkt derſelben liegt 1124 m unter dem Niveau des Schwarzen Meeres. Das Kaſpiſche Meer hat gegen- wärtig keinen Abfluß, und der tiefſte Punkt der Waſſerſcheide, die es von den benachbarten Waſſer⸗ becken trennt, findet ſich im Thal des Manytſch, 10 m über dem Aſowſchen und 36 m über dem Kaſpiſchen Meere. Der Waſſerſpiegel des letzteren liegt alſo 26 m unter dem Spiegel des Schwarzen Meeres, eine Thatſache, die uns das Recht gibt, das Kaſpiſche Becken mit R. Credner zu den echten Depreſſionen zu zählen. Das Kaſpiſche Meer zerfällt ſowohl nach dem Verlauf ſeiner Küſten, als auch nach ſeinem Boden⸗ relief in zwei Teile. Als Scheide zwiſchen dem ) Isweſtija der Kaiſerlich Ruff. Geogr. Geſellſchaft Bd. XXIV, Heft 2, S. 91. St. Petersburg 1888. Humboldt 1889. nördlichen und ſüdlichen Teil erſtreckt ſich von der Halbinſel Apſcheron im Weſten nach Krasnowodsk im Oſten ein unterſeeiſcher Rücken, über welchem die Tiefe nirgends 200 m überſteigt. Die größte Tiefe des ſüdlichen Teiles beträgt 1098 m und liegt ex— centriſch, ungefähr auf dem 39° nördlicher Breite und 1° öſtlich von Baku. Der nördliche Teil ijt flacher; ſeine größte Tiefe übertrifft nicht 898 m und befindet ſich in der Nähe des Kaukaſiſchen Ufers, ungefähr dem Schach-Dagh gegenüber. Ufer⸗ und Bodenformen des Kaſpiſchen Meeres ſtehen in engſter Beziehung zum geologiſchen Bau der Umgebung. Das beigegebene Kärtchen Figur 1 möge die Verhältniſſe illuſtrieren. Als eines der wichtigſten orotektoniſchen Elemente erſcheint die lineare An— ordnung der Bergketten, die von einem Ufer zum anderen hinüberſetzen. Im Oſten des Kaſpiſchen Meeres ſind es die Ketten des Kopet-Dagh, des Kjurjal⸗Dagh, der beiden Balchane und des Kuba⸗ Dagh, im Weſten der Kaukaſus. Süß hält in ſeinem „Antlitz der Erde“ alle dieſe Bergketten für Teile eines einheitlichen Kettenſyſtems, zu dem auch Krim, Balkan, Karpathen, Alpen u. ſ. w. ge⸗ hören. Vom Kuba-Dagh im Often bis zum Balkan im Weſten ſtellt dieſes Syſtem einen nach Norden hin gekrümmten Bogen dar, der im allgemeinen an ſeiner Nordſeite, der Außenſeite, von nach außen hin geneigten meſozoiſchen Schichten zuſammengeſetzt iſt, während die Südſeite, die Innenſeite, von Senkungs⸗ gebieten begrenzt wird. Vielfach treten hier am ſüd⸗ lichen Abhang große Brüche auf. Dort, wo dieſe Ketten von Seebecken unterbrochen werden, zeigt doch das Bodenrelief der letzteren, daß trotzdem ein unterſeeiſcher Zuſammenhang beſteht. Die Schichten⸗ lagerung längs der ganzen Linie ſpricht dafür, daß 27 210 Humboldt. — Juni 1889. die Auflöſung des Syſtems in ſeine einzelnen heu- tigen Teile ſchon in der Juraperiode (Krim) begann und ſich bis zum Beginn (Krim) und bis in die Mitte der Kreideperiode fortſetzte (Kopet⸗Dagh). Am Anfang der Tertiärzeit vollzog ſich dann auf der ganzen Strecke ein Hebungsprozeß; noch ſpäter fällt die Entſtehung der Senkungsgebiete im Süden. Am öſtlichen Ende des Kaukaſus auf der Halbinſel Ap⸗ ſcheron dauern die Dislokationen ſogar bis in die Pliocänzeit fort. Das Gebirgsſyſtem des Balkan, der Krim, des Kaukaſus, des Kuba⸗Dagh ꝛc. teilt das ganze ponto- kaſpiſche Gebiet in zwei Teile, deren Geſchichte meiſt getrennt verläuft. Der nördliche Teil zeichnet ſich durch das Fehlen von bedeutenden Dislokationen aus und beſteht aus in ungeheuer große und flache Mulden gelegten Kreide- und Tertiärſchichten. Solcher Faltung infolge von tangentialem Schub entſtanden. Daß die beiden Becken des Kaſpiſchen Meeres nicht gleichaltrig ſind, darauf deutet auch die Fauna des⸗ ſelben hin. Dank den Beobachtungen von Eichwald, Kowa⸗ lewski, Dybowski, O. Schneider und beſonders Grimm iſt uns die Fauna des Kaſpiſchen Meeres gegen- wärtig gut bekannt. Dieſelbe ſetzt ſich zuſammen aus Formen von ſcharf ausgeſprochen marinem Charakter, dann aber auch aus Süßwaſſerformen, ſowie aus Formen, die urſprünglich Bewohner des Meeres ſind, denen man jedoch heute ſowohl in ſalzigem als in ſüßem Waſſer begegnet. Andruſſow ſcheidet die Fauna des Kaſpiſchen Meeres in folgende Gruppen: A) Formen, die dem Kaſpiſchen Meer und ſeinen Flüſſen eigentümlich ſind. B) Formen, die ſich auch außerhalb des Kaſpiſchen Wy , Fig. 1. Die tektoniſchen Verhältniſſe des ponto kaſpiſchen Gebietes. 1 Karpathiſcher Bogen. 2 Balkan. 3 Tauriſche Berge. 4 Kaukaſuskette. 5 Kuba⸗Dagh und Gr. Balchan. 6 Kopet⸗Dagh. 7 Falten des irano⸗tauriſchen Syſtems. 8 Falten von Sſory⸗bab und Tujar-fyr. 9 Höhen der Halbinſel Maugiſchlak. 10 Berge der Dobrudſcha. 11 Bogdo. 12 Höhen am Donetz. 13 Falten der Halbinſel Kulandy. abe Gebiete gefalteter miocäner Schichten. apy Gebiete der meotiſchen Ablagerungen. d Falten der Jergenih. e Gebiet pliocäner Dislokationen. mm Nordgrenze des untermiocänen Meeres. un Plateau des Uſtjurt. A Poſttertiäres Senkungsgebiet. B Gebiet der kurz vor der ſarmatiſchen Periode beginnenden Senkung. Mulden laſſen ſich z. B. im Norden der Krim zwei unterſcheiden. Die ſüdliche Partie des ponto⸗kaſpiſchen Gebietes wird dagegen von einer Reihe von Senkungs⸗ feldern eingenommen, die ſich nur durch den Betrag der Senkung voneinander unterſcheiden. Solche Senkungs⸗ gebiete ſind Rumelien, das ſüdliche Schwarze Meer, Transkaukaſien und der ſüdliche Teil des heutigen Kaſpiſchen Meeres. Aus dem oben Angeführten geht hervor, daß die beiden Becken des Kaſpiſchen Meeres nicht gleichzeitig und einheitlich, ſondern auf verſchiedene Weiſe ent⸗ ſtanden. Während das nördliche Becken eine ſeit ur⸗ alten Zeiten beſtehende Geoſynklinale darſtellt, bildete ſich das ſüdliche Becken durch Einbruch eines bedeuten⸗ den Teiles der Erdoberfläche. Das nördliche Becken entſpricht dem Aſowſchen Meer und dem nordweſt⸗ lichen flachen Teil des Schwarzen Meeres, das ſüd⸗ liche dem ſüdlichen, tiefen Teil des letzteren. Der unterſeeiſche Rücken, der beide Becken voneinander trennt, iſt nur ein unter den Meeresſpiegel geratenes Stück jenes gewaltigen Gebirgsſyſtems und durch Meeres und ſeines Einzugsgebietes finden. Unter den letzteren kann man wieder 1) weit verbreitete Formen unterſcheiden und zwar marine Formen (Rotalia veneta Sd., Bowubankia densa Farne, Cardium edule L., Orchestia littorea Mont., Corophium longicorne Fab., Glyptonotus entomon L., Mysis relicta Lob.), ſowie Süßwaſſer⸗ formen (Dreissena polymorpha van Ben., Silurus glanis L., Esox lucius L. und eine Menge anderer Fiſche), andererſeits 2) Formen mit beſchränkter Verbreitung und zwar Formen, die man außer dem Kaſpiſchen Meer nur im Schwarzen Meer, beſonders in ſeinen Limanen, findet (3. B. verſchiedene Cardien und eine Menge Fiſche [beſonders Acipenser]); ferner Formen, die außer im Kaſpiſchen Meer nur im Aralſee vorkommen (3. B. Cardium vitreum); Formen, die nur in den ins nördliche Eismeer mündenden Flüſſen gefunden werden (3. B. Luciotrutta leucichthys) und endlich ſolche, die man in den in die Oſtſee mündenden Flüſſen antrifft (z. B. Acipenser ruthenus). Humboldt. — Juni 1889. 211 Dieſe Zuſammenſetzung der Fauna des Kaſpiſchen Meeres iſt bei den gegenwärtigen geographiſchen Ver- hältniſſen nicht leicht zu erklären. Wenn man auch etwa eine Ueberſiedelung von Tierformen aus den Zuflüſſen des Kaſpiſchen Meeres in das letztere annehmen und andererſeits das Vorhandenſein der Luciotrutta leuc- ichthys in den Flüſſen des nördlichen Eismeeres und des Acipenser ruthenus in den Flüſſen der Oſtſee als Reſultat einer Ueberſiedelung aus den Flüſſen des Kaſpiſchen Meeres betrachten kann, ſo fordert doch das Auftreten von weitverbreiteten marinen Formen, ſowie von Formen des Schwarzen Meeres und des Aralſees einen engen Zuſammenhang des Kaſpiſchen Meeres mit dem Pontus und dem Aralſee vor ver— hältnismäßig kurzer Zeit und eine direkte oder in⸗ direkte Verbindung des Kaſpiſchen Meeres mit dem Ocean. Will man ſodann auch eine bedeutende Zahl oe Fig. 2. Sarmatiſches Meer. der autochthonen Formen als Reſultat einer Diffe- renzierung der aus den Flüſſen ſowie aus dem Pontus zur Zeit ſeines Zuſammenhanges mit dem Kaſpiſchen Meer eingewanderten Formen anſehen, jo läßt ſich doch das Auftreten vieler Arten bei den gegenwärtigen geographiſchen Verhältniſſen überhaupt nicht, ſondern nur durch die Entſtehung des Kaſpiſchen Meeres aus den tertiären Meeren erklären. Wir wenden uns daher der Betrachtung der letzteren zu, welche durch das Kärtchen Figur 2 unterſtützt wird. Das Gebiet der heutigen kaſpiſchen Niederung war in der oberen Kreideperiode mit Waſſer bedeckt und ein Teil eines großen und tiefen Oceans, der das ganze ſüdliche Rußland überſchwemmte, mit Aus⸗ nahme der ſüdruſſiſchen Granitzone und der Inſeln, die ſich an der Stelle der heutigen Krim und des Kaukaſus erhoben. Die Ablagerungen der oberen Kreide zeigen im allgemeinen in einiger Entfernung von den Ufern jener Inſeln durchaus Tiefſeecharakter. Mittelmiocänes Meer (II. Medi⸗ terranſtufe). Doch kann man nach den Beobachtungen von Sinzow an der unteren Wolga, von Gurow bei Charkow und von Andruſſow auf der Halbinſel Mangiſchlak deut- lich erkennen, daß dieſes nicht für den ganzen Schichten⸗ komplex gleichmäßig gilt, ſondern daß das obere Kreidemeer zuerſt ziemlich flach war, dann bedeutend tiefer wurde und am Ende der Kreideperiode ſich wieder verflachte. Bei Beginn des Tertiärs war der Meeresſpiegel ſo weit geſunken, daß viele Teile, die früher vom Waſſer bedeckt geweſen waren, trocken dalagen und der Eroſion ausgeſetzt wurden. Spuren dieſer Eroſion zeigen ſich in der Krim. Während des mittleren Eocäns nimmt jedoch das Meer faſt wieder die früheren Dimenſionen an und ſteht in Verbindung mit dem Atlantiſchen und dem Indiſchen Ocean und mit dem Eismeer. Die ungenügende Kenntnis der alttertiären Schichten ny, So 5 = = : i ining 2 Die tertiären Meere des ponto⸗kaſpiſchen Gebietes. Mittel pliocänes = kaſpiſches Becken. J Pontiſches Becken. Meotiſche Becken. geſtattet nicht mit Sicherheit die geographiſche Ver⸗ breitung und das fernere Geſchick des Eocänmeeres zu verfolgen. Auch die Grenzen des Oligocän— meeres im aralo⸗kaſpiſchen Becken laſſen fic) nicht beſtimmen. Noch weniger wiſſen wir über den Zu— ſtand des letzteren am Ende der Oligocän- und am Anfang der Miocänperiode und wir haben keine poſitiven Beweiſe dafür, daß das aralo⸗kaſpiſche Becken ſich damals unter Meeresbedeckung befand. Wie dem auch ſei, ſo iſt doch ſicher, daß bald nach jener Zeit die vorher exiſtierende Verbindung mit dem Ocean aufhörte. In das Mittelmiocän fällt der Beginn der Iſolierung des aralo-kaſpiſchen Beckens. Wenn bis zu dieſem Zeitpunkt ſeine Geſchichte mit derjenigen der Meere, welche Teile Europas und Aſiens bedeckten, verknüpft war, ſo wird ſie von nun an ſelbſtändig. Während der ganzen Neogenperiode ijt das aralo— kaſpiſche Becken faſt immer vom Ocean abgetrennt 212 und tritt nur felten und auf kurze Zeit mit dem⸗ ſelben in Verbindung. Die Forſchungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß das miocäne Mittelmeer, dasjenige der II. Medi⸗ terranſtufe, welches auch das öſterreichiſch-ungariſche Becken erfüllte, nicht nur in Galizien, Polen, Wo⸗ lhynien, Beſſarabien und in die untere Donauniederung eindrang, ſondern ſich auch von dort aus in einem langen und ſchmalen Arm längs dem nördlichen Fuße der Berge der Krim und des Kaukaſus hinzog und hier den Boden des aralo⸗kaſpiſchen Beckens erreichte. So ſtand das Gebiet des Pontus und des Kaſpiſchen Meeres während des Mittelmiocäns noch mit dem Ocean in loſer Verbindung. Doch waren die phyſiſchen Be⸗ dingungen des krimo⸗kaukaſiſchen Meeresarmes wenig günſtig für das Eindringen der Mittelmeerfauna des Weſtens. Das Waſſer war wahrſcheinlich weniger ſalzig und dieſer Umſtand geſtattete nur wenigen, gegen die Veränderung des Salzgehaltes unempfind⸗ lichen Arten ſich hier anzuſiedeln. Außerdem aber treffen wir hier im Mittelmiocän eine ganze Reihe von Formen, die weiter im Weſten fehlen und deren Exiſtenz Andruſſow wenigſtens durch eine Hypotheſe zu erklären ſucht. Am Ende des Oligocäns nämlich und am Anfang der Miocänperiode, als das Meer im ſüdlichen euro⸗ päiſchen Rußland vollkommen zurücktrat, da mag es ſich im aralo⸗kaſpiſchen Gebiet in einem kleinen iſolierten Baſſin gehalten haben und in dieſem einige Ueberreſte der oligocänen Fauna, aus denen ſich eine neue Fauna entwickelte. Als dann der krimo⸗kaukaſiſche Meeresarm des Mittelmiocäns nach Oſten vordrang und das aralo⸗kaſpiſche Becken erreichte, da ſiedelte dieſe Fauna in denſelben über und miſchte ſich dort mit den von Weſten kommenden Arten. Die Fauna dieſes mittelmiocänen krimo⸗kaukaſiſchen Meeresarmes hat dem allgemeinen Habitus nach ſchon große Aehn⸗ lichkeit mit der brackiſchen ſarmatiſchen Fauna; wenn ſich auch keine gemeinſame Arten finden, ſo ſind die Formen doch ſehr nahe verwandt. Die folgende Periode des Obermiocäns, der ſarmatiſchen Stufe, iſt durch eine außerordentliche Ausdehnung des Meeres ausgezeichnet. Dasſelbe erſtreckte ſich über die mittlere und untere Donau⸗ ebene, über das ganze ſüdliche Rußland bis zum Becken von Turkeſtan, beſpülte im Süden den Fuß der Berge der Krim, des Kaukaſus und des Kopet⸗ Dagh und ſandte längs dem nördlichen Fuß der Karpathen einen Buſen nach Norden hin. Im Süden drang es einerſeits auf noch unbekannten Wegen ins Gebiet des Marmara⸗Meeres ein, andererſeits erſtreckte es ſich ſüdlich vom Kaukaſus bis in das heutige Per⸗ ſiſche Meer und bis zum Elburs. Die bisher im Weſten beſtehende Verbindung mit dem Ocean hatte aufgehört und ein breiter, trockener Streifen trennte das ſarmatiſche Meer von dem Mittelländiſchen. Die Fauna des ſarmatiſchen Meeres beſteht aus dreierlei verſchiedenen Elementen: 1) aus Ueberreſten der weſteuropäiſchen mittelmiocänen Fauna; 2) aus Humboldt. — Juni 1889. Fauna und 3) aus Formen, die von den beiden anderen abſtammen. Die Lebensdauer des ſarmatiſchen Meeres war übrigens nur kurz. Es nahm bald an Dimenſionen ab und zerfiel in einzelne noch mehr ausgeſüßte Becken, in denen ſich die Brackwaſſerſchichten bildeten, für welche Andruſſow den Namen „meotiſche Schich⸗ ten“ vorgeſchlagen hat. Dieſe Ablagerungen, welche den Uebergang von der ſarmatiſchen zu der pontiſchen Stufe repräſen⸗ tieren, ſind auf die tiefſten Partien des nördlichen Teiles des ponto⸗kaſpiſchen Beckens beſchränkt, auf die Bucht von Odeſſa einerſeits, welche die Moldau, Beſſarabien und das Gouvernement Cherſon umfaßt, und auf die Gegend des Aſowſchen Meeres mit der Halbinſel Kertſch ꝛc. andererſeits. Beide Gebiete der meotiſchen Ablagerungen, deren Grenzen noch nicht ſcharf gezogen werden können, ſind durch einen Strich von einander getrennt, auf dem ſie fehlen und wo die pontiſchen Schichten daher unvermittelt auf den ſarmatiſchen liegen. Aehnliche Verhältniſſe bietet uns das Gouvernement Stawropol, wo längs des Manytſch pontiſche Kalkſchichten unmittelbar auf erodiertem ſarmatiſchem Kalkſtein auflagern. Vielleicht daß im Oſten noch ein drittes Gebiet meotiſcher Ab⸗ lagerungen ſich fand, das auf das dritte große Becken des ponto⸗kaſpiſchen Gebiets, auf den nördlichen Teil des heutigen kaſpiſchen Beckens, beſchränkt war, heute aber zum Teil verſunken iſt. Aus den meotiſchen Seen entwickelten ſich durch Ausdehnung der Waſſerfläche die Gewäſſer der pon⸗ tiſchen Stufe, deren Fauna ſchon viel Aehnlichkeit mit derjenigen des heutigen Kaſpiſchen Meeres hat. Einige pontiſche Arten haben ſich ſogar bis zum heutigen Tage im Kaſpiſchen Meere erhalten. Dabei zeigt gleichzeitig die pontiſche Fauna eine enge Ver⸗ wandtſchaft mit den Faunen der vorhergehenden Perioden. Sie iſt ein Gemiſch von veränderten Ueberreſten der ſarmatiſchen bezw. meotiſchen Fauna und zum Teil veränderten, zum Teil unveränderten Süßwaſſeranſiedlern, die offenbar zuſammen den Keim der heutigen Fauna des Kaſpiſchen Meeres bilden. Wo fic) aber die kaſpiſche Faung aus der pontiſchen entwickelte, iſt heute noch nicht nachgewieſen, da im ganzen kaſpiſchen Becken echte pontiſche Ab⸗ lagerungen zu fehlen ſcheinen. Dagegen finden ſich an den ſüdlichen Geſtaden des Kaſpiſchen Meeres, auf der Halbinſel Apſcheron und weiter öſtlich in der Ebene ſüdlich vom großen Balchan Schichten mit Cardium und Dreissena, die unzweifelhaft pliocänen Alters ſind. Die paläontologiſchen und ſtratigraphi⸗ ſchen Verhältniſſe derſelben find jedoch noch wenig be- kannt und nicht ſicher iſt es, ob die Schichten bei Baku mit Cardium (Monodacna) intermedium Hichw. direkt mit den pontiſchen Schichten des Weſtens paralleli⸗ ſiert werden müſſen oder ob ſie jünger ſind. Geo⸗ logiſche und paläontologiſche Unterſuchungen der neogenen Ablagerungen in der Niederung des Kur und zwiſchen Balchan und Atrek werden uns vielleicht Ueberreſten der krimo-kaukaſiſchen mittelmiocänen zeigen, wie fic) hier die gegenwärtige kaſpiſche Fauna Humboldt. — Juni 1889. 213 allmählich aus der pontiſchen entwickelt hat. Solch ein Uebergang läßt ſich jedenfalls nirgends nördlich einer Linie vom Kopet-Dagh nach der Krim hin nachweiſen. Auf dem ganzen Gebiet, in welchem die pontiſchen Schichten entwickelt ſind, findet man in ihrem Hangenden größtenteils Süßwaſſerablage— rungen, ſo die levantiſchen Schichten Rumäniens und den roten Lehm der Krim, und nur an zwei Stellen beobachtet man in denſelben Ueberreſte einiger pon- tiſcher Formen. Die nördlich vom Schwarzen Meer gefundenen Cardienarten ſind alſo nicht die Vor— eltern der kaſpiſchen Formen, ſondern vielmehr die ausſterbenden Nachkommen der pontiſchen Fauna. Das Schickſal des ſüdlichen Teiles des Schwarzen Meeres während des Pliocäns iſt für uns bis heute ein verſchloſſenes Buch. Süß ſchreibt die Bildung des tiefen Baſſins des Schwarzen Meeres, wie dte- jenige anderer analoger Baſſins, einer Beckenſenkung zu, die am Anfang der Diluvialperiode ſtattgefunden haben ſoll. Wenn man auch zugeben muß, daß die Senkung des Bodens des Schwarzen wie auch des Kaſpiſchen Meeres ſeine gegenwärtige Tiefe erſt in jüngſterz Zeit erreichte, fo läßt es fic) nach Andruſſow doch auch wiederum nicht leugnen, daß dieſe Senkung lange vor Ende der Tertiärzeit begann. Die ſar— matiſchen Ablagerungen von Warna, an den Geſtaden der Propontis und im Thale des Rion ſprechen wenigſtens dafür, daß das Meer ſchon während der ſarmatiſchen Periode ins Gebiet des ſüdlichen Pon⸗ tus und des ſüdlichen Kaſpiſchen Meeres eindrang. Von der ſarmatiſchen Periode an bis zum Ende des Tertiärs war das Becken des Schwarzen Meeres vollkommen von dem Mittelländiſchen Meer getrennt. Bei Beginn der Diluvialzeit ändern fic) die Ver- hältniſſe und es tritt faſt gleichzeitig das Becken des Schwarzen Meeres mit dem Kaſpiſchen Meere und mit dem Mittelmeer in eine, freilich nicht offene, Verbindung; denn die beiden erſteren Meere zeichnen ſich trotz der Kommunikation mit dem Ocean durch geringen Salzgehalt aus. Das ägäiſche Feſtland, das bis zu dieſem Zeitpunkt einen Damm zwiſchen dem Mittelländiſchen und Schwarzen Meer bildete, war unter den Meeresſpiegel geſunken. Zugleich ſtieg das Waſſer im Mittelländiſchen, Schwarzen und Kaſpiſchen Meer bedeutend, wie die diluvialen Schichten zeigen, die mehr oder weniger hoch über der heutigen Strandlinie abgelagert ſind. Da nach Andruſſows Anſicht ſchon vor der Ver—⸗ einigung des Schwarzen Meeres mit dem Mittel⸗ meer ſich der Waſſerſpiegel des nur ſehr wenig fal- zigen Kaſpiſchen Meeres weit über ſeinen heutigen Stand erhoben hatte und durch eine Meerenge im heutigen Manytſchthal mit dem gleichfalls ſüßen Aſowſchen Meer und dadurch auch mit dem nord— weſtlichen Winkel des Schwarzen Meeres in Ver⸗ bindung getreten war, ſo konnte die kaſpiſche Fauna z. T. ins Schwarze Meer überſiedeln, ſo daß wir heute deren foſſile Ueberreſte im ſüdlichen Beſſarabien und auf der Halbinſel Kertſch finden. Später erft ſtrömte das ſalzige Waſſer des Mittelländiſchen Meeres durch das Marmara-Meer ins Schwarze Meer ein und drängte die kaſpiſche Fauna in die Limane des nördlichen Pontus zurück und zu gleicher Zeit wanderten einige Formen der mittelländiſchen Fauna durch die Meerenge des Manytſch ins aralo— kaſpiſche Becken ein (Cardium edule, viele Fiſche u. ſ. w.). Dann beginnt das Waſſer zu fallen, zuerſt trennt fic) das Schwarze Meer vom aralo- . kaſpiſchen und etwas ſpäter zerfällt auch dieſes in Aralſee und Kaſpiſches Meer. So erklärt ſich denn ungezwungen die Entſtehung des größeren Teils der kaſpiſchen Fauna. Zu erklären bleibt jedoch noch die Exiſtenz der arktiſchen Formen im Kaſpiſchen Meere. Dieſelbe wurde lange als Beweis für einen hypothetiſchen Zuſammenhang des Kaſpiſchen Meeres mit dem Eis⸗ meer gedeutet. Allein es iſt doch die Zahl der ark— tiſchen Formen im Kaſpiſchen Meer ſehr gering. Einige von ihnen können durch die Flüſſe in das- ſelbe eingedrungen ſein (Glyptonotus entomon, Luciotrutta leucichthys); dann aber kommen vor allem arktiſche Formen auch im Schwarzen Meer vor. In beide Meere dürften dieſelben wohl auf Um— wegen durch das Mittelmeer eingedrungen ſein. Wiſſen wir doch, daß ſchon am Ende des Pliocäns die Meere der nördlichen Halbkugel zu erkalten be- gannen, und daß die arktiſche Fauna ſich mehr nach Süden ſchob. Das Maximum der Erkaltung fiel in die Eiszeit, wo arktiſche Mollusken ſogar bis ins Mittelmeer eindrangen und mit ihnen zugleich andere Organismen der arktiſchen Zone, die dann aus dem Mittelmeer ins Schwarze und Kaſpiſche Meer wandern konnten. Faſſen wir die Ergebniſſe Andruſſows kurz zu⸗ ſammen. Die erſte Iſolierung des Kaſpiſchen Meeres fällt in die mittlere Miocänperiode. Es eriſtierte zu jener Zeit im Norden vom heutigen frimo- kaukaſiſchen Bergſyſtem, das ſich ſchon damals als eine bedeutende Bergkette darſtellte, ein ſchmales, marines Becken; die krimo⸗kaukaſiſche Bergkette aber erſtreckte ſich an dem nördlichen Rande eines breiten Feſtlandes, das im Süden bis Kleinaſien und Perſien reichte. Dieſer Meeresarm, der zuerſt tief war, wurde allmählich flacher, teils infolge von Ausfüllung durch Ablagerungen, teils durch eine negative Be— wegung der Strandlinie und die Verflachung hatte eine Verwandlung der rein marinen Fauna in eine brackiſche, die der ſarmatiſchen nahe verwandt iſt, zur Folge. Am Ende des Mittelmiocäns er— reicht die Verflachung ihr Maximum. Sie zeichnet ſich durch die Ablagerung von eigentümlichen Spa- niodon-Schichten und großen Lagern von Gips aus, die im Norden und Oſten vom Karabugas liegen. Während der oberen Miocänperiode wird das Meer nördlich vom krimo⸗kaukaſiſchen Gebirgsſyſtem wieder tief und ſchiebt ſeine Ufer weit hinaus. Zur ſelben Zeit vollziehen ſich ſüdlich jenes Gebirges bedeutende Senkungen und das ſarmatiſche Meer kann in den ſüdlichen Teil des pontiſchen und kaſpiſchen Gebietes eindringen. Die ſarmatiſche Fauna, die ſich aus 214 der Fauna derjenigen Gewäſſer entwickelt hat, deren Stelle das ſarmatiſche Meer einnahm, enthält ſchon die erſten Elemente der kaſpiſchen Fauna. Groß⸗ artige tektoniſche Prozeſſe im Kaukaſus und in Trans⸗ kaukaſien heben mächtige Flächen ſarmatiſcher Ab⸗ lagerungen über den Meeresſpiegel empor, zum Teil in Form von Falten wie die Halbinſel Kertſch, Dagheſtan, Transkaukaſien und Georgien, bewirken ein Zerfallen des ſarmatiſchen Meeres in einzelne abgeſchloſſene Becken und unterbrechen die Verbindung des Kaſpiſchen Meeres mit dem Ocean bis zum Ende der Tertiärperiode. Zahl und Konfiguration dieſer poſtſarmatiſchen oder meotiſchen Becken ſind bis jetzt unbekannt. Am Anfang des Pliocäns erweitern ſich die meotiſchen Becken und werden durch das der pontiſchen Stufe erſetzt, das mit ähnlichen Seen im Süden Europas in Verbindung tritt. Hier entwickelt ſich eine Fauna, die ſchon die charakteriſtiſchen Merkmale der kaſpiſchen beſitzt. Die Geſchichte der Umwand⸗ lung der pontiſchen Fauna in die kaſpiſche vermag man nicht im Detail zu verfolgen. Es iſt möglich, daß ſich dieſe Entwickelung im kaſpiſchen Gebiet voll⸗ zog. Jedenfalls war am Ende der Tertiärperiode der Waſſerſtand ſowohl des Kaſpiſchen als des Schwarzen Meeres wahrſcheinlich niedriger als heute. Als die Vergletſcherung Rußlands in der Diluvial⸗ zeit begann, hob ſich der Waſſerſpiegel dieſer beiden Becken bedeutend infolge des Ueberwiegens der Die veränderlichkeit der Beſtäu Humboldt. — Juni 1889. Waſſerzufuhr über die Verdunſtung und das Kaſpiſche Meer ſchob ſeine Ufer weit nach Oſten und Norden vor und vereinigte ſich durch die Manytſch-Niederung mit dem Aſowſchen Meer; etwas ſpäter drangen die Fluten des Mittelmeeres durch den Boſporus ins Schwarze Meer ein. Mit dem Herannahen der Gegenwart macht ſich eine umgekehrte Bewegung des Waſſerſpiegels geltend; das Kaſpiſche Meer trennt ſich zuerſt vom Schwarzen Meer und ſpäter vom Aralſee. Die nördliche Hälfte des Kaſpiſchen Meeres bildete ſich ſchon während des mittleren Miocäns, die ſüdliche dagegen während des oberen Miocäns in der ſarmatiſchen Zeit. Die erſten charakteriſtiſchen Elemente der kaſpiſchen Fauna erſchienen im ſar⸗ matiſchen Zeitalter, aber der hauptſächlichſte und wichtigſte Moment ihrer Entwickelung fällt in die pontiſche Periode. Die gegenwärtige Fauna des Kaſpiſchen Meeres beſteht aus einem Gemiſch von alten autochthonen Formen, die es aus den Becken der pontiſchen und der ihr folgenden Perioden ge- erbt hat, und von eingewanderten Formen, die aus den ins Kaſpiſche Meer mündenden Flüßen und aus dem Schwarzen Meer ſtammen oder doch durch das letztere einwanderten, und endlich aus neuen autochthonen Formen, d. h. aus ſolchen Formen, die ſich aus den beiden erſten Elementen ſchon nach der endgültigen Iſolierung des Kaſpiſchen Meeres ent⸗ wickelt haben. bungseinrichtung bei Pflanzen derſelben Art. Don Profeffor Dr. E. Loew in Berlin. II. . leitende Gedanke läßt uns die überaus große Mannigfaltigkeit verſtehen, welche in der Geſchlechterverteilung der Pflanzen und deren Abänderungsformen hervortritt. In dieſer Beziehung variierende (pleogame) Pflanzen, welche zwittrige und eingeſchlechtige Blüten in verſchiedener Art der Verteilung auf demſelben Stock oder auf getrennten Stöcken zur Ausbildung bringen, zeigen in der Regel auch einen mehr oder weniger ausge⸗ prägten Grad von Dichogamie, während rein homo⸗ game Arten viel ſeltener pleogame Blüten oder Blütenraſſen erzeugen. Unter 170 von Schulz in der Umgebung von Halle und im Rieſengebirge auf ihre Blüteneinrichtungen unterſuchten Pflanzen finde ich 85 Arten, welche gleichzeitig dicho- und pleo⸗ gam ſind, aber nur 9 homogame und zugleich pleogame Species, nämlich: Tunica prolifera, Are- naria serpyllifolia, Stellaria nemorum, Sagina Linnaei, Spiraea Ulmaria und Filipendula, ſowie 3 der obengenannten, auf Aeckern wachſenden Um⸗ oder heteroſtyle Zwitterblüten, teils ſind ſie wie Rubus Chamaemorus rein diöziſch. Unter den dichogam-hermaphroditen Arten findet ſich eine Anzahl von ſolchen, welche wie Scabiosa suaveolens und lucida in einzelnen Blüten die Neigung zur Verkümmerung der Staubgefäſſe oder zur Reduktion der Narben (Reseda lutea) oder zu beiden zugleich (bei Genista germanica in Thüringen) zeigen und alſo im erſten Fall den Anfang des Gynomonöcis⸗ mus, im zweiten des Andromonöcismus, im dritten den des Trimonöcismus zur Anſchauung bringen. Einige andere dichogame Pflanzen der genannten Gruppe (z. B. Ranunculus aconitifolius) variieren auch in auffallender Weiſe in der Blumenkrone oder wie Rhamnus Frangula in der Griffellänge oder wie die bisweilen ſchwach proterandriſche Erythraea Centaurium in beiden. Wir können aus dieſen Thatſachen die allgemeine Regel ableiten, daß vorzugsweiſe die dichogamen oder homodichogamen Pflanzen die Neigung zur belliferen. Die übrigen Arten haben teils dichogame | Bildung pleogamer Blüten und Blütenraſſen oder we⸗ Humboldt. — Juni 1889. 215 nigſtens zu anderweitigen Blütenvariationen erkennen laſſen, während rein homogame Arten dieſe Ten- denz in viel ſchwächerem Grade und teilweiſe auch in anderem Sinne entwickeln. Die Pleogamie er⸗ ſcheint ſomit als eine Steigerung der Dichogamie, und wenn wir letztere als ein Mittel zur Sicherung der Fremdbeſtäubung aufzufaſſen gewohnt ſind, wird dies auch für erſtere Geltung haben. Betrachten wir nun die von uns als pleogam be- zeichneten Pflanzen näher, ſo zerfallen ſie in zahl— reiche, durch deutliche Uebergänge verbundene Grup— pen. In manchen Fällen kommen z. B. bei Stellaria media an zwitterblütigen Stöcken einzelne weibliche Blüten (Gynomonöcie) oder auch männliche Blüten (Andromonöcie), z. B. bei vielen Umbelliferen, Galium Cruciata, Rumex conglomeratus und mari⸗ timus u. a. vor. Viel häufiger treten gyno— monöciſche Arten zugleich gynodiöciſch, ſowie andro— monöeiſche Pflanzen gleichzeitig androdiöciſch auf. Erſteres findet z. B. bei vielen Labiaten, Alſi⸗ neen, bei Scleranthus perennis, Geranium pra— tense, Echium vulgare u. a. ſtatt, bei welchen in der Regel dreierlei Arten von Individuen vor⸗ kommen, nämlich rein zwitterblütige, ferner ſolche mit Zwitterblüten und einzelnen weiblichen Blüten und endlich rein weibliche. Bisweilen treten die verſchiedenen Raſſen in geographiſch getrennten Be— zirken oder wenigſtens ſtrichweiſe geſondert auf, was jedesmal eine Vererbungsfähigkeit des abweichenden Geſchlechtscharakters und einen Zuſammenhang des— ſelben mit beſonderen Lokalurſachen vermuten läßt; ſo findet ſich z. B. Alsine verna bei Halle nur in der zwittrigen Form, während ſie im Teufelsgärtchen im Rieſengebirge gynomonöeiſch und gynodibeiſch iſt. Die Verbindung von Andromonöcie und Androdiöcie kommt z. B. bei Pulsatilla alpina, Geum rivale, montanum und urbanum, Veratrum Lobelianum u. a. vor und führt ebenfalls zur Bildung von dreierlei Raſſen, nämlich rein zwitterblütigen, gemiſcht männlich- und zwitterblütigen und rein männlichen Stöcken. Vielfach verbindet ſich die Proterandrie zwitterblütiger Arten mit einſeitiger Ausbildung weiblicher Blüten und Individuen, ſowie Protero- gynie mit einſeitiger Förderung des männlichen Ge— ſchlechts, jedoch kann wie bei vielen Umbelliferen auch die umgekehrte Verbindung: Proterandrie mit Andro⸗ monöcie und Diöcie eintreten. Die Abſtammung der pleogam monöeiſchen oder diöciſchen Formen von der zwitterblütigen Stammform läßt ſich in manchen Fällen dadurch beweiſen, daß die erſteren nicht nur ſeltener auftreten, ſondern auch gewiſſe Eigentümlichkeiten der Stammraſſe durch Vererbung feſthalten. Iſt z. B. wie bei Pulsatilla alpina die Stammform proterogyn fo zeigt fic) dies auch an den männlichen Blüten der⸗ ſelben durch ſehr ſpätes Ausſtäuben der Antheren nach erfolgter Blütenöffnung; iſt die zwitterblütige Stammform proterandriſch, wie z. B. bei Coronaria flos cuculi, fo zeichnen ſich auch die männlichen Blüten dadurch aus, daß fie nach dem Ausſtäuben der An⸗ theren noch lange Zeit friſch bleiben und dadurch ihre Abſtammung von Blüten mit ſpät ſich entwickelnden Narben dokumentieren. Bisweilen verknüpft ſich die Pleogamie auch mit ungleicher Blütezeit, indem die geſchlechtlich abweichenden Blüten und Blüten⸗ raſſen ſpäter auftreten als die normalzwitterblütigen. Erſcheint in den bisher genannten Fällen die Aus⸗ bildung eingeſchlechtiger Blüten und Blütenraſſen vor⸗ wiegend einſeitig, indem entweder nur männliche oder nur weibliche Blüten ſich bilden, ſo tritt bei zu— nehmender Steigerung der Pleogamie eine Spaltung zwitterblütiger Arten in der Weiſe ein, daß ein Teil der Blüten oder Individuen männlich, ein anderer Teil weiblich wird, während die Zwitterblüten in verſchie— denem Grade ebenfalls erhalten bleiben; ſo finden wir z. B. bei Viscaria vulgaris rein zwitterblütige Stöcke, ferner rein weibliche Individuen und ſchließ— lich auch Stöcke mit Zwitterblüten und einzelnen männlichen Blüten. Bei manchen Umbelliferen z. B. Pimpinella magna und P. Saxifraga, erſcheinen die pleogamen Raſſen auch in getrennter Verbreitung, indem dieſelben in Mitteldeutſchland andromonöeiſch, in Südtirol gynodiöciſch auftreten. Dieſe Neigung zu triöciſcher Pleogamie, deren erſte Spuren wir bereits bei Genista germanica antrafen, kann in verſchiede— nem Grade ſich äußern, indem entweder drei Raſſen, nämlich zwittrige, rein männliche und rein weib- liche Exemplare (3. B. bei Melandryum rubrum, M. album, Coronaria flos cuculi) oder vier, ja ſelbſt fünf verſchiedene Arten von Individuen auftreten; in letzterem Falle kommen zu den genannten Formen noch ein oder zwei Raſſen, die auf demſelben Stocke zwittrige und weibliche (3. B. bei Thymus Chamae- drys) oder zwittrige und weibliche auf dem einen, zwittrige und männliche Blüten auf einem zweiten Exemplare (z. B. bei Sweertia perennis, Silene inflata, Geranium silvaticum u. a.) erzeugen. Da⸗ mit iſt dann der höchſtmögliche Grad der Divergenz erreicht, der jedoch ſofort dadurch eine Abſchwächung erhält, daß die verſchiedenen Formen in ſehr un- gleicher Häufigkeit und bisweilen auch in geſonderter Verbreitung vorzukommen pflegen. So ſind die zwitterblütigen Stöcke von Melandryum album ſehr ſelten, desgleichen die andromonöciſchen Exemplare von Coronaria flos cuculi und Silene Otites, ſowie die gynomonöciſchen von Thymus Chamaedrys, deſſen männliche Form außerdem bisher nur in England und in Italien beobachtet wurde. Aehnliches gilt für die rein männlichen Exemplare von Geranjum silvaticum im Rieſengebirge, während am Albula⸗ paß alle möglichen Uebergänge zur gewöhnlichen Form vorkommen. Vereinzelt treten auch die gynomonö— eiſchen und andromonöeiſchen Formen von Silene inflata bei Halle, ſowie die rein männlichen und rein weiblichen Stöcke von Plantago media auf. In dieſem ſehr ungleichen Verhalten prägt ſich jedoch die Regel aus, daß im allgemeinen eine Verein— fachung der Formen angeſtrebt wird, ſo daß bei voll— kommenem Erlöſchen der ſeltenen Nebenformen ent— weder reine Diöcie (3. B. bei Melandryum album) oder reine Triöcie reſp. auch Gynodiöcie oder Wndro- 216 diöcie zur Ausprägung gelangen müßte. Hat da- gegen eine Art, wie dies für Plantago media wahr⸗ ſcheinlich erſcheint, noch nicht die volle Höhe ihrer geſchlechtlichen Divergenz erreicht, ſo wird ſich dies in dem Vorherrſchen der zwittrigen und monöeiſchen Form bei Seltenheit der zdiöeiſchen zeigen müſſen. Wie wir ſahen, können auch einzelne rein homogame, urſprünglich auf Selhſtbeſtäubung veranlagte Arten ſich in pleogame Raſſen ſpalten; in dieſem Falle unter⸗ bleibt jedoch die Ausbildung eines größeren Formen⸗ kreiſes, wie er für ſo viele dichogame Arten charakte⸗ riſtiſch iſt, und die betreffenden Pflanzen begnügen ſich in der Regel mit einſeitiger Gyno- oder Andromonöcie reſp. Diöcie, um damit ihre verſtärkte Neigung zur Allogamie auszudrücken. Aus den bisher erwähnten Thatſachen geht als all⸗ gemeine Schlußfolgerung die Vorſtellung hervor, daß an zwitterblütigen Pflanzenſtöcken urſprünglich die Neigung zur Unterdrückung einzelner Staubgefäße oder Stempel oder beider Geſchlechtsorgane gleichzeitig in verſchiedenen Blüten eingetreten ſein muß, welche ſich hierauf zunächſt zu Andro⸗ oder Gynomonicie reſp. Trimonöcie entwickelte. Durch dieſe Variation wurde, falls die betreffende Pflanze bei Beginn der Geſchlechterſpaltung bereits Dichogamie beſaß, Fremd⸗ beſtäubung um ſo mehr verſtärkt, als die rein weiblichen Blüten ſtets nur durch den Pollen fremder Blüten beſtäubt werden konnten und auch die einzeln auf⸗ tretenden männlichen Blüten in vielen Fällen das Material für die Beſtäubung gleichzeitig vorhan⸗ dener Zwitterblüten liefern mußten. Die bisherigen Beobachtungen reichen nicht aus, um über die Frage zu entſcheiden, ob eine Verbindung von Proterandrie mit Gynomonöcie, ſowie von Proterogynie mit Andromonöcie Fremdbeſtäubung beſſer oder weniger gut ſichert als eine Verbindung in umgekehrtem Sinne. Wahrſcheinlich hängt dies von der Aufblühfolge und Blütendauer der Zwitter⸗ und eingeſchlechtigen Blüten, von dem Grade der Dichogamie, endlich auch von beſonderen Bedingungen der Pollenübertragung ab, ſo daß wir nicht imſtande ſind, die für die einzelne Art am meiſten vorteilhafte Einrichtung an⸗ zugeben. Die Thatſachen ſprechen aber augenſchein⸗ lich dafür, daß ein Stehenbleiben bei monöeiſcher Pleogamie, die in vielen Fällen nur zur Beſtäubung einer Blüte durch den Pollen einer zweiten des⸗ ſelben Stockes (Nachbarbeſtäubung) führen mußte, vielen dichogamen Pflanzen nicht genügt hat, ſondern daß ſie nach Mitteln zur Erreichung von Stockkreuzung (Kenogamie) geſtrebt haben; daher iſt bei fo zahl⸗ reichen Arten diöeiſche Pleogamie zur Geltung gekom⸗ men. Bei manchen wurde dann die urſprünglich vorhan⸗ dene Dichogamie mehr oder weniger überflüſſig, da durch die auf getrennten Stöcken auftretenden weiblichen Blüten Fortpflanzung der Art durch Kreuzung voll- kommen geſichert war, oder andererſeits unter gewiſſen Umſtänden ſogar eine nebenhergehende Selbſtbeſtäu⸗ bung von Vorteil ſein konnte. Aus dem zwiſchen monöciſcher und diöciſcher Pleogamie ſchwankenden Zuſtande der Pflanzen entſtanden ſchließlich bei Er⸗ Humboldt. — Juni 1889. haltung zwitterblütiger Stöcke die triöciſch-polygamen Raſſen, bei denen die Arbeitsteilung zwiſchen ver⸗ ſchieden individualiſierten Zeugungskreiſen und da⸗ mit die Sicherung der Kreuzung zwiſchen Blüten ungleicher Stöcke den höchſtmöglichen Grad erreichte. Inſofern als bei reiner Diöcie die Kreuzung immer nur zwiſchen zwei Kreiſen mehr oder weniger ent⸗ fernter Individuen ſtattfindet, erſcheint dieſelbe gegen die Triöcie als Rückſchritt, bei welcher im Falle aus⸗ bleibender Stockkreuzung doch immer noch im Not⸗ falle Selbſtbeſtäubung, bei Erhaltung monöbeiſch-pleo⸗ gamer Raſſen auch Nachbarbeſtäubung verwirklicht werden konnte. Ob aber reine Dibcie, ſofern fie aus Zwitterblütigkeit entſtand, immer aus ſolchen Mittelzuſtänden von triöeiſcher Pleogamie ſich her⸗ ausgebildet hat, muß vorläufig dahingeſtellt bleiben. Wir haben bisher die Veränderlichkeit der Blumen nur in Bezug auf ihr Geſchlecht und die damit direkt zuſammenhängende Einrichtung der Dichogamie be⸗ trachtet, alſo Abänderungen, welche durch das ganze Reich der Phanerogamen an windblütigen Pflanzen ſowohl wie an ganz einſeitig ausgeprägten Formen der Inſektenblumen hervortreten. Es gibt jedoch eine zweite Reihe von Variationen, welche nur die mit einer gefärbten, alſo auf Anlockung der Be⸗ ſtäuber berechneten Blütenhülle verſehenen Pflanzen eingehen und vorzugsweiſe die Größe, Farbe und Geſtalt der Blumenkrone abzuändern ſtreben. Von derartigen Veränderungen kommen hier nur diejenigen in Betracht, welche in einer mehr oder weniger deutlichen Beziehung zum Inſektenbeſuch und alſo auch zum Beſtäubungsvorgang ſtehen. Das bekannteſte Beiſpiel einer derartigen Pleomorphie der Blumen⸗ krone bietet unſer einheimiſches Stiefmütterchen, das in zwei durch Blüteneinrichtung und Beſtäubungs⸗ weiſe ganz verſchiedenen Formen vorkommt. Die eine Raſſe trägt große violett oder blau gefärbte, mit bunter Saftmalzeichnung verſehene Blüten, deren kug⸗ liger Narbenkopf ſeine Oeffnung nach außen kehrt, ſo daß aus dem Antherenkegel herausfallende Pollen⸗ körner nicht von ſelbſt in dieſe Oeffnung gelangen können; außerdem verhindert ein lippenförmiger An⸗ hang am untern Rande der Narbenöffnung einen aus dem honighaltigen Sporn ſich zurückziehenden Inſektenrüſſel daran, die Blüte mit ihrem eigenen Pollen zu befruchten, während genannter Anhang von einem eindringenden, mit fremdem Blütenſtaub be⸗ hafteten Inſektenrüſſel dieſen Pollen abſtreift. Die zweite Raſſe hat kleinere, weißgelbliche, mit wenig ausgeprägtem Saftmal verſehene Blüten, deren Nar⸗ benöffnung nach innen gerichtet iſt, ſo daß Pollen⸗ körner von ſelbſt in dieſelbe hineinfallen können, und denen der lippenförmige Anhang ganz fehlt. Die erſte, allogame Form wird reichlich von lang⸗ rüſſeligen Inſekten beſucht, und iſt für ihren eigenen Pol⸗ len unfruchtbar, während die zweite, autogame Raſſe nur ſpärliche Beſuche empfängt und durch Selbſtbefruch⸗ tung keimfähigen Samen hervorbringt. Aehnliche Verhältniſſe kehren auch bei Lysimachia vulgaris, Euphrasia officinalis, Rhinanthus major u. a. wieder. Humboldt. — Juni 1889. 217 Dieſe Vorkommniſſe bilden inſofern den extremſten Fall der Pleomorphie, als hier die Bildung zweier Raſſen mit völlig entgegengeſetzter Beſtäubungsart ſtattfindet. Eine verwandte, aber nicht auf gleicher Stufe ſtehende Erſcheinung tritt uns z. B. bei Iris Pseudacorus, welche auf getrennten Stöcken zwei Blumenformen bildet, von denen die eine für langrüſſelige Fliegen, die andere für Hummeln eingerichtet erſcheint, und auch bei der ſchon erwähnten, in Pommern hummel⸗ blütigen, in den Alpen falterblütigen Primula farinosa entgegen. In dieſen beiden Fällen hängt die Verſchiedenheit im Blütenbau der Raſſen offen⸗ bar mit ſpeciellen Körpereinrichtungen der Beſtäuber zuſammen. Es kann daher nicht auffallen, daß auch die Blütengröße bei manchen Pflanzenarten deshalb einer Abänderung unterworfen wird, weil dieſelbe Blumenart gleichzeitig von großleibigen und kleinwüchſigen Inſekten, wie beſonders Hummeln und Bienenarten, beſucht und gekreuzt wird. Die Unterſchiede in der Größe und im Zuſammenhang damit auch in der Rüſſellänge bei verſchiedenen Bienen⸗ arten, ſowie bei den verſchiedenen Ständen derſelben Art ſind ſo bedeutend, daß oft nahe verwandte Formen nur wegen abweichender Körpergröße und Rüſſel⸗ länge zum Beſuch verſchiedener Blumenformen ge⸗ zwungen find. Dieſer Ungleichheit ihrer Kreuzungs⸗ vermittler kommen einzelne Pflanzen durch gleichzeitige Bildung verſchieden großer Blüten teils auf demſelben Stock, teils auf getrennten Exemplaren entgegen. Vorzugsweiſe ſind es auch hier wieder die pleogamen Arten, bei welchen eine derartige Pleomorphie der Blumenkrone beobachtet wird. Ein von Ludwig und ſpäter von Schulz näher unterſuchtes Beiſpiel dafür bietet Erodium cicutarium, deſſen zwittrige Stamm⸗ form in einer homogamen und in einer ausgeprägt proterandriſchen Blütenraſſe auftritt. Die erſtere beſitzt im normalen Fall kleine, regelmäßige Blüten ohne Saftmal, die zweite ſehr große, ausgeprägt zygomorphe Blüten mit ſcharf abgegrenztem Saft⸗ mal, ſo daß die erſte Raſſe als autogam, die zweite als allogam bezeichnet werden könnte, wenn nicht Uebergänge zwiſchen beiden vorhanden wären. Es finden ſich nämlich auch bei der erſten Form bis⸗ weilen ſchwach proterandriſche, ſehr ſelten proterogyne Blüten, ſowie umgekehrt homogame Blüten, die zygo—⸗ morph ausgebildet und mit Saftmal verſehen ſind. Die Art iſt demnach in der Züchtung zweier ungleich großer und ungleich ausgerüſteter Blumenraſſen noch nicht ſo weit vorgeſchritten, daß die Mittelformen ausgeſtorben ſind, aber ſie läßt den Einfluß der Be⸗ ſtäuber auf die Bildung einer großblumigen, zygomor⸗ phen, proterandriſchen Raſſe bereits deutlich erkennen. Daneben kommen bei genannter Pflanze noch gyno⸗ monöciſche und rein weibliche, ſowie andromonöeiſche und rein männliche Exemplare vor, die ſich in ähn⸗ licher Weiſe auch bei der Varietät pimpinellifolium (nach Schulz) wiederholen, deren Zwitterblüten jedoch nach dieſem Autor bereits ganz auf Fremdbeſtäubung angewieſen ſind und wahrſcheinlich aus Vererbungs⸗ urſachen das Variieren zwiſchen Zygomorphie und Humboldt 1889. Regelmäßigkeit der Blumenkrone, ſowie Auftreten und Fehlen der Saftmalpunkte feſtgehalten haben. Im ganzen exiſtieren ſomit in dieſem Falle etwa ein Dutzend verſchiedene Raſſen von ein und der⸗ ſelben Art nebeneinander. Aus der Anpaſſung an Beſtäuber von verſchiedener Rüſſellänge oder un⸗ gleicher Größe erklärt ſich auch das von Schulz im Rieſengebirge konſtatierte Auftreten von Primula minima in einer groß⸗ und kleinblumigen Form, die beide heteroſtyl ſind, desgleichen die Bildung großer und kleiner Zwitterblüten bei Clinopodium vulgare oder die Ausprägung von großen und kleinen Blumenformen überhaupt bei Salvia pratensis, bei welcher ſowohl die Zwitterraſſen, als die weiblichen und gynomonöeiſchen Raſſen nach der Blumengröße in doppelter Reihe auftreten und ſomit ſechs verſchiedene Individuen ſich unterſcheiden laſſen. Die großen Zwitterblüten ſind in dieſem und in ähnlichen Fällen proterandriſch, die kleinen dagegen mehr oder weniger homogam. Bisweilen treten mit deutlichem Hinweis auf den Urſprung einer derartigen Abänderung große proterandriſche und kleine homogame Zwitterblüten auf demſelben Individuum auf. Bei einer zweiten Salvia-Art (S. verticillata) iſt die Blütengröße eben⸗ falls ſehr variabel, ohne daß ſich beſtimmt getrennte Formgruppen unterſcheiden ließen, was auf die Ent⸗ ſtehung derartiger Größenunterſchiede Licht wirft, wäh⸗ rend bei Salvia silvestris außer den ſechs genannten Raſſen noch eine ſiebente Form mit mittelgroßen Blüten und ſehr kurzem Stempel ſich findet, die von Schulz als möglicher Uebergang zu einer männlichen Blüte gedeutet wird. Auch die weiblichen Exemplare von Echium vulgare erzeugen große oder kleine Blu⸗ men, desgleichen die Zwitterſtöcke von Geranium pra⸗ tense, Thymus Chamaedrys, Stellaria graminea, ſo⸗ wie die zwittrigen und weiblichen Stöcke von Dianthus superbus je nachdem ſie der Ebene oder dem Gebirge (var. grandiflorus) angehören. Daß die Variation der Blütengröße und die Pleogamie urſprünglich nichts mit⸗ einander zu thun haben, geht vor allem daraus her⸗ vor, daß Pleogamie z. B. bei Arenaria serpyllifolia auch ohne Variation der Blütengröße und umgekehrt die Aus⸗ bildung ungleichblumiger Formen ohne gleichzeitige Entwickelung pleogamer Raſſen vorkommt (ſ. oben) Schließlich verdient noch die Thatſache beſondere Er⸗ wähnung, daß bei pleogamen Raſſen in der Regel die weiblichen Blumen kleiner ſind als die männlichen und dieſe wieder kleiner als die zwittrigen, wie ſich dies deutlich z. B. bei Silene inflata und Melandryum rubrum oder unter gynodiöciſchen Pflanzen bei Stellaria Holostea, Cerastium arvense u. d. zeigt. Auch hierbei finden Ausnahmen ſtatt, indem z. B. bei Dianthus Carthusianorum die weiblichen Blumen nicht kleiner als die Zwitterblüten ſind, und die Blüten von Holosteum umbellatum in der Größe ohne Zuſammenhang mit der gyno-monöciſchen oder diöciſchen Geſchlechterverteilung variieren. Aber immer⸗ hin ſteht die Thatſache feſt, daß die weiblichen Blüten vieler pleogamer Pflanzen auffallend kleiner als die männlichen oder die zwittrigen Blumen derſelben 28 218 Humboldt. — Juni 1889. Art find. Selbſt bei rein diöciſchen Arten pflegt ſich dasſelbe Verhältnis zu wiederholen. Keinesfalls kann die Ungleichheit in dieſem Fall durch eine An⸗ paſſung an verſchieden große Beſtäuber erklärt werden, da offenbar dieſelben Beſtäuber von den zwittrigen oder männlichen Blüten auf weibliche gelockt werden müſſen, wenn auf letzteren Fremdbeſtäubung ſtattfinden ſoll. Vielmehr ſcheint die Abſtufung in der Blumen⸗ größe auch die Reihenfolge anzugeben, in welcher die Inſektenbeſuche in dem für die Fremdbeſtäubung günſtigſten Falle ſtattfinden müſſen. Beginnt ein blumenſteter Beſucher wie etwa eine Hummel zu⸗ nächſt mit der Ausbeutung der am auffallendſten er⸗ ſcheinenden und in dieſem Fall auch meiſt ausgeprägt dichogamen Zwitterblüten, ſo wird ereine gewiſſe Anzahl von Kreuzungen bewirken; geht er dann zunächſt auf die in der Blütengröße folgenden männlichen Blüten über, ſo beladet er ſich mit reichlichem Pollen, den er ſchließlich bei den zuletzt ſich darbietenden kleinſten weiblichen Blüten mit günſtigſtem Erfolge abſetzen wird. Selbſtverſtändlich wird hierbei ein gleichzeitiges Nebeneinander der drei Blumenraſſen vorausgeſetzt. Beſucht er die genannten Blumenformen regellos, oder beginnt er ſeine Beſuche an den weiblichen Blumen, ſo wird der Prozentſatz der erfolgreich be⸗ ſtäubten Blüten wahrſcheinlich geringer ausfallen, in⸗ dem er in dieſem Falle eine größere Zahl nutzloſer Beſuche an den weiblichen Blüten machen wird. „Damit in Uebereinſtimmung ſteht auch die Erfahrung, daß kleinblumige Formen von blumenſteten Beſuchern oft erſt dann aufgeſucht werden, wenn ſie vorher die großblumigen genügend ausgebeutet haben. Ueber⸗ dies wirkt noch ein zweiter, vielleicht noch entſcheiden⸗ derer Umſtand auf die Verkleinerung der weiblichen Blüten ein, nämlich die Samenknoſpenentwickelung und Samenproduktion derſelben, welche eine Reduktion der übrigen Blütenteile im Gefolge zu haben pflegt. Eine ähnliche Wachstumskorrelation findet auch zwiſchen der Erzeugung vegetativer Teile und der Blütenorgane am Jahrestriebe und in vielen ähnlichen Fällen ſtatt. Nicht ſelten erſcheinen die rein weiblichen Exemplare pleogamer Pflanzen kräftiger und ſtärker als die männ⸗ lichen und zwittrigen, und in dieſem Falle wird eine Kreuzung mit denſelben für die Nachkommenſchaft beſonders vorteilhaft ſein; auch begünſtigt magerer Boden bei diöciſchen Pflanzen häufig die Entſtehung männlicher Individuen. Hierin liegen Andeutungen, welche uns die Ausbildung kleinblütiger, aber ſamen⸗ reicher und vegetativ kräftiger Individuen auch bei pleo⸗ gamen Pflanzen verſtändlich machen, obgleich Aus⸗ nahmen davon keineswegs fehlen. Weshalb die Zwitterblüten nicht ſelten größer als die rein männ⸗ lichen Blüten ausfallen, hat wohl darin ſeinen Grund, daß auch letztere nur durch Reduktion anderer Blüten⸗ teile und korrelate Ausbildung größerer Pollenmengen zuſtande kommen können. Bei manchen pleogamen Pflanzen, z. B. bei Thymus Chamaedrys, ſcheint nach Beobachtungen von Schulz die hermaphrodite Form weniger reifen Samen zu produzieren wie die weibliche, was mit einer phyſiologiſchen Verkümmerung des Stempels in den Zwitterblüten zuſammenhängen könnte. Aus der vorangehenden, nur einige Hauptmomente ſtreifenden Darſtellung läßt ſich unſchwer erkennen, daß die Veränderlichkeit der Blüteneinrichtung in unſerer einheimiſchen Pflanzenwelt einen bedeutend größeren Umfang hat, als man bisher anzunehmen gewohnt war. Leider fehlt es jedoch vorläufig an einer größeren Zahl von Unterſuchungen, welche die Beſtäubungsverhältniſſe der Pflanzen in beſtimmten floriſtiſchen Specialgebieten nach dem Muſter der Arbeiten von A. Schulz unter einem einheitlichen Ge⸗ ſichtspunkte darſtellen. Es wird unerläßlich ſein, hier⸗ für die Thätigkeit der Floriſten herbeizuziehen, wie es bereits in einer neuerſchienenen Flora durch Kirchner“) geſchehen iſt, der in derſelben eine größere Reihe bisher nicht unterſuchter Blüteneinrichtungen näher beſchreibt. Erſt wenn die geſamte geographiſche Verbreitung der einzelnen bei einer Art vorkommen⸗ den Raſſen, ſowie die näheren Umſtände ihres Auf⸗ tretens in Mitteleuropa, auf Hochgebirgen und in arktiſchen Gegenden vollſtändig erforſcht ſein werden, läßt ſich ein wahrheitsgetreues Bild dieſer mannig⸗ faltigen, auch auf die Entſtehung neuer Arten ein überraſchendes Licht werfenden Form- und Geſchlechts⸗ variationen gewinnen. Unſer Aufſatz ſoll daher nur eine vorläufige Orientierung ermöglichen und auch dieſem oder jenem Specialfloriſten zu blütenbiologiſchen Beobachtungen Anregung geben. Daß derartigen Unterſuchungen über die Beſtäubungseinrichtungen überdies eine eminent praktiſche Bedeutung zukommt, geht unter anderem auch aus den Beobachtungser⸗ gebniſſen Rathays ) über die Geſchlechtsverhältniſſe der Weinrebe hervor, welche auch bei dieſer Kultur⸗ pflanze die Pleogamie als Mittel zur Sicherung der Fremdbeſtäubung erkennen laſſen. *) O. Kirchner, Flora von Stuttgart und Umgebung mit beſonderer Berückſichtigung der pflanzenbiologiſchen Verhältniſſe. Stuttgart 1888. **) E. Rathay, Die Geſchlechtsverhältniſſe der Reben und ihre Bedeutung für den Weinbau. Wien 1888. Jernmeßinduktor. Dr. Mönnich in Roſtock hat unter dem Namen Fern⸗ meßinduktor ein Inſtrument angegeben, welches allgemeine Verwendung zur elektriſchen Fernübertragung der Angaben von Meßinſtrumenten verſchiedenſter Art finden kann, ſo⸗ fern dieſelben nur eine kleine drehende Zeigerbewegung auszuführen vermögen. Wir geben eine Beſchreibung der Vorrichtung nach der „Zeitſchrift für Inſtrumentenkunde“, April 1889. Auf der Station A, wo das Meßinſtrument (Metallthermometer, Barometer ꝛc.) aufgeſtellt iſt, deſſen Angaben nach einem entfernten Ort E hin übertragen Humboldt. — Juni 1889. 219 werden ſollen, befinden fic) zwei mit dünnen, gut iſo⸗ lierten Drähten verwickelte Spulen, eine größere 8, deren Rahmen ringförmig iſt, und eine kleinere s. Die größere Spule ſteht feſt, während die kleinere, im Innern der größeren befindliche um eine Achſe a leicht gedreht werden kann. Mit der kleineren Drahtrolle ſind der Hebel u und der Zeiger 2 durch die Achſe a feſt verbunden. Das be— treffende Meßinſtrument (auf der Figur nicht vorhanden) dreht nun vermittelſt dieſes Hebels die kleinere Spule und zugleich mit derſelben den auf eine Skale weiſenden Zeiger, welcher durch ſeine Stellung den jeweiligen Stand des Meß— inſtrumentes zu erkennen gibt. Da die kleinere Spule mit dem Zeiger feſt verbunden iſt, ſo muß jede einzelne Lage derſelben auch einer ganz beſtimmten Angabe des Meß— inſtrumentes entſprechen. Schickt man nun durch die größere feſtſtehende Spule 8 einen intermittierenden elektriſchen Strom, ſo werden in der kleineren Spulen s fortdauernd Induktionsſtröme er— Die Intenſität dieſer Ströme hängt weſentlich ab Die zeugt. von der Lage der beiden Drahtſpulen zu einander. Induktionsſtröme errei— chen ihr Maximum, wenn die Windungs-Ebenen beider Rollen einander parallel ſind, d. h. wenn die kleinere Rolle ſich ganz innerhalb der grö— ßeren befindet. Die Stärke der ströme nimmt aber bei der Drehung der kleineren Spule fort⸗ während ab, wenn die beiden Drahtrollen ſich mehr und mehr der Lage nähern, wo ihre Windungsebenen zu einander ſenkrecht ſind. Iſt dieſe letztere Stellung erreicht, ſo verſchwinden die In⸗ duktionsſtröme gänzlich; dieſelben erſcheinen jedoch wieder, allerdings in entgegengeſetzter Richtung fließend, ſobald bei fortgeſetzter Drehung die ſenkrechte Lage überwunden iſt, um dann von neuem allmählich anwachſend, bis zum zweiten Maximum nach Wiedereintritt der Parallelität der Windungsebenen geſteigert zu werden. Aus dem ſoeben Geſagten folgt, daß einer jeden be- ſtimmten Stellung der kleineren Spule, alſo auch jeder beſonderen Angabe des betreffenden Meßinſtrumentes, eine relativ ganz beſtimmte Intenſität der Induktionsſtröme entſprechen muß. Um nun die Angaben des Meßinſtru— mentes von einem entfernten Orte aus kontrollieren zu können, iſt folgende Einrichtung getroffen worden. An der Beobachtungsſtation E befindet ſich ein ähn⸗ liches Rollenſyſtem wie am Orte A. Die Spulen S; und s; ſtimmen mit den am Orte A befindlichen Spulen 8 bezw. s in allen Teilen genau überein. Die größere Rolle Si ſteht feſt, die kleinere mit dem Zeiger 21 verbundene läßt ſich dagegen nach Belieben mit der Hand um die Axe af drehen. Die Skale, auf welche der Zeiger 21 weiſt, iſt der Größe nach genau dieſelbe, wie die am Orte A befindliche. Auf jeder Station haben Skale und Zeiger gleiche relative Lagen zu dem Rollenſyſtem. Schickt man nun durch die beiden größeren ſtationären Spulen S und 8, welche durch die gut iſolierte Drahtleitung L hintereinander verbunden ſind, von der Beobachtungs⸗ ſtation E aus mittels der mit einem elektromagnetiſchen Stromunterbrecher U kombinierten Batterie B einen inter⸗ mittierenden Strom, fo müſſen, wie aus dem vorher— gehenden leicht erſichtlich, die inducierenden Kräfte dieſer beiden Spulen jederzeit einander genau gleich ſein. Daraus folgt nun ohne weiteres, daß die Induktionsſtröme, welche in den kleinen drehbaren Rollen s und sy entſtehen, ſtets — aber auch nur dann — dieſelbe Intenſität beſitzen müſſen, wenn die relativen Stellungen dieſer beiden Spulen dieſelben ſind, d. h. wenn die Zeiger an beiden Stationen genau auf die gleichen Skalenteile weiſen. Bei der Kontrolle der Angaben des auf der Station A aufgeſtellten Meßinſtrumentes vom Orte E aus han⸗ delt es ſich alſo nur darum, diejenige Stellung des Zeigers 21 zu finden, bei welcher der in der Spule sy entſtehende Induktionsſtrom mit dem am Orte A erzeugten genau dieſelbe Intenſität beſitzt. Die zu dieſem Zwecke not— wendige 1 der Stromgleichheit läßt ſich nun ſehr einfach in folgender Weiſe ausführen. Man verbindet die beiden Spulen s und s durch die gut iſolierte Doppelleitung ! mitein⸗ ander und zwar in der Art, daß die beiden Induktionsſtröme den Stromkreis in entgegen- geſetzter Richtung durch⸗ fließen müſſen. Sind die Ströme einander gleich, ſo heben ſie ſich gegenſeitig auf, und die Leitung erſcheint alsdann voll⸗ ſtändig ſtromlos. Als Galvanoſkop verwendet man am beſten ein mit den kleinen Spulen s und sz in denſelben Stromkreis eingeſchaltetes Telephon T. Selbſt bei ver- hältnismäßig nur geringen Unterſchieden in den beiden Stromſtärken läßt das Telephon ein deutlich hörbares knatterndes Geräuſch vernehmen, welches jedoch vollſtändig verſchwindet, ſobald Stromgleichheit eingetreten iſt. Um eine Ableſung mit dem Apparat vorzunehmen, verfährt man folgendermaßen. Nachdem mittels der Batterie B der elektromagnetiſche Stromunterbrecher U in Thätigkeit geſetzt worden, hält man das Telephon an das Ohr und dreht, wenn ein Geräuſch vernehmbar, die Spule 81 mit der Hand jo lange um die Achſe ay, bis das Telephon vollſtändig verſtummt iſt. Der Zeiger 24 weiſt dann genau auf denjenigen Skalenteil, welcher dem jeweiligen Stande des Meßinſtrumentes auf der Station A entſpricht. Wie aus dem Vorhergehenden erſichtlich, erfolgt die Uebertragung durch den Fernmeßinduktor in kontinuier⸗ licher Form, d. h. für alle nur möglichen beliebigen An⸗ gaben des Meßinſtrumentes, und nicht ſprungweiſe, etwa nur von Grad zu Grad, wie dies bei den meiſten, ähn⸗ lichen Zwecken dienenden Vorrichtungen der Fall iſt. Dieſer Umſtand dürfte neben der großen Einfachheit des Apparates noch als ein beſonderer Vorzug desſelben gelten. Die bis⸗ 220 her angefertigten Inſtrumente haben ihre Zuverläſſigkeit und praktiſche Brauchbarkeit zur Genüge bewieſen. Selbſt bei verhältnismäßig nur kleinen Rollendimenſionen werden die Angaben ohne jegliche Schwierigkeit für den Beobachter mit großer Genauigkeit übermittelt, ja man könnte ſagen mit Haarſchärfe. Das im vorſtehenden erörterte Prinzip des Fernmeß⸗ induktors hat Mönnich für einen Apparat zur Ueber⸗ tragung von Thermometerangaben verwertet. Dieſer Apparat eignet ſich vortrefflich auch für praktiſche Zwecke, und ein Exemplar funktioniert in der Brauerei „Friedrichshain“ in Berlin zu voller Zufriedenheit. In dem großen Saale der Brauerei befinden ſich je drei Aufgabeinſtrumente an den beiden Längswänden und eines an einer Querwand, und ſämtliche Apparate werden von der Centralheizungs⸗ ſtelle aus durch einen und denſelben Kontrollapparat ab⸗ geleſen. Die Benutzung des Telephons involviert, wie die Er⸗ fahrungen in der Praxis bewieſen haben, keineswegs eine Unbequemlichkeit. Gewöhnliche Arbeiter vermögen ohne jeg⸗ Humboldt. — Juni 1889. liche Uebung genaue Beobachtungen mit dem Apparat an⸗ zuſtellen. Sollten aber Umſtände eintreten, welche die Zu⸗ hilfenahme des Ohres ausſchließen, ſo kann das Telephon, wie Fröhlich“) gezeigt hat, auch zur ſichtbaren Darſtellung benutzt werden, indem man die Schwingungen der Telephon⸗ membran auf eine kleine Gasflamme überträgt und dieſe dann im rotierenden Spiegel beobachtet. Solange das Telephon noch von elektriſchen Strömen durchfloſſen wird, ſetzt die ſchwingende Membran die Gasflamme in entſpre⸗ chende kleine Zuckungen, welche das zu einem Streifen auseinander gezogene Spiegelbild der Flamme am oberen Rande gezackt erſcheinen laſſen. Dieſe Zacken verlieren ſich jedoch ſofort, ſobald nach dem Verſchwinden der Induktions⸗ ſtröme die Telephonmembran zur Ruhe gekommen iſt. ) Fröhlich, Optiſche Darſtellung der Vorgänge im Telephon mit Anwendungen. Elektrotechniſche Zeitſchrift 1887. S. 210. — Ferner Der⸗ ſelbe, Handbuch der Elektricität und des Magnetismus, Berlin 1887. S. 291. — Vergl. auch Wallentin, Neuere Forſchungen in der Phono⸗ graphie und Telephonie. Elektrotechniſche Rundſchau 1888 und Central⸗ zeitung für Optik und Mechanik 1888. Jortſchritte in den Laturwiſſenſchaften. Aſtronomie. Don Profeffor Dr. C. F. W. Peters in Königsberg i. Pr. Sonnenfinfternis vom J. Januar 1889. Linien des Sauerftoffs im Sonnenſpektrum. Ungleiche Verteilung der Sonnenflecken auf der nördlichen und ſüdlichen Halbkugel. Parallaxe der Sonne. Oberfläche des Mars. Neue Planeten. Beſchaffenheit des Saturnringes und heller Fleck auf demſelben. Bedeckungen von Fixſternen durch Planeten. Neue Kometen. Winneckeſcher Komet. Parallaxen von Fixſternen. § Cancri. Derdnderliche Sterne. Spektrum von Mira Ceti und R Cygni. Am 1. Januar 1889 fand eine totale Sonnen⸗ finſternis ſtatt, deren centrale Linie den nordweſtlichen Teil der Vereinigten Staaten durchſchnitt und deren Beobachtung vom Wetter ſehr begünſtigt wurde. Für die Unterſuchung der mit einer Sonnenfinſternis verbundenen Phänomene war dieſelbe inſofern nicht beſonders geeignet, als die Dauer der Totalität überall nur eine kurze war und nirgends zwei Minuten erreichte. Infolgedeſſen hat man ſich großenteils darauf beſchränkt, die Beobachtungen auf photographiſchem Wege anzuſtellen, und da die Linie der Centralität viele günſtige Plätze für die Beobachtung darbot, welche in großer Zahl von geübten Beobachtern und Photographen beſetzt waren, ſo iſt zu erwarten, daß das genauere Studium der Geſamtheit der photographiſchen Aufnahmen zu ſehr intereſſanten Reſultaten führen wird. Die meteorologiſchen Verhältniſſe ſind in Kalifornien während des Winters im allgemeinen aſtronomiſchen Be⸗ obachtungen nicht gerade ſehr günſtig; es muß daher als ein ganz beſonderer Glückszufall betrachtet werden, daß, ſoweit bis jetzt bekannt iſt, nur auf zwei Stationen die Beobachtungen infolge bewölkten Himmels vereitelt ſind. Einen Erſatz für dieſen relativ geringen Verluſt bietet die außerordentlich große Anzahl von Photographien, welche auf anderen Stationen erhalten wurden. Die Aufgaben, welche die amerikaniſchen Aſtronomen ſich geſtellt hatten, und deren Löſung auf photographiſchem Wege angeſtrebt wurden, waren namentlich folgende: Es ſollte vor allem die Natur der Corona möglichſt feſtgeſtellt werden. Zu dieſem Zwecke erſchien es wünſchens⸗ wert, von derſelben möglichſt viele, raſch aufeinander folgende Aufnahmen auf verſchiedenen Stationen zu er⸗ halten. Da nun der innere (hellere) Teil der Corona nur einer ſehr kurzen Expoſitionszeit von wenigen Sekunden, der äußere und lichtſchwächere dagegen einer weit längeren bedarf, ſo mußten Aufnahmen von ſehr verſchiedener Ex⸗ poſitionszeit gemacht werden, um möglichſt allen Be⸗ dingungen zu genügen. Während der Kürze der Zeit war nicht zu erwarten, daß das Spektrum der Corona durch direkte Meſſungen genau unterſucht und namentlich die Lage der darin ſicht⸗ baren Linien mit genügender Sicherheit beſtimmt werden könnte. Aus dieſem Grunde haben die in Willow ſtatio⸗ nierten Aſtronomen der Sternwarte der Harvard College in Cambridge es vorgezogen, von dem Spektrum der Corona ebenfalls photographiſche Aufnahmen zu machen. In der That gelang es ihnen, 20 ſolche Photographien zu erhalten, deren genaue Unterſuchung vorausſichtlich zu wichtigen Reſultaten führen wird. Eine Anzahl von Beobachtern hat ſich darauf be⸗ ſchränkt, die Umgebung der Sonne photographiſch aufzu⸗ nehmen, zu dem Zwecke der Aufſuchung etwa vorhandener intramerkurieller Planeten. Die Erfahrungen während der letzten totalen Sonnenfinſterniſſe haben gezeigt, daß die Zeit der Totalität der Finſternis nicht ausreichend iſt, um Humboldt. — Juni 1889. nach ſolchen Planeten zu ſuchen und die Lage verdächtiger Objekte zu fixieren. Außer den genannten Aufgaben liegen natürlich noch viele andere vor, wie z. B. photometriſche, polariſkopiſche, meteorologiſche u. ſ. w., die in ihrer Geſamtheit nur durch eine große Menge von Beobachtern und Apparaten gelöſt werden können. An dieſen hat es nun bei der letzten Finſternis nicht gefehlt, waren doch z. B. in Cloverdale allein 30 photographiſche Apparate in Thätigkeit. So iſt denn die Anzahl von Aufnahmen auch eine ſehr bedeutende geworden, und an manchen Stationen ſind gegen 200 Photographien erhalten. Es wird natürlich geraume Zeit dauern, ehe das geſamte Material an geſammelten Be— obachtungsdaten einheitlich verarbeitet ſein wird. Aus den bisher eingegangenen ziemlich ſpärlichen Nachrichten iſt im weſentlichen nur zu erſehen, daß die Corona ähnlich der— jenigen der Jahre 1868 und 1878 war, woraus man auf einen Zuſammenhang ihrer Beſchaffenheit mit der elf- jährigen Sonnenfleckenperiode ſchließen könnte. Bezüglich der chemiſchen Zuſammenſetzung der Sonnen— atmoſphäre hat Janſſen eine intereſſante Unterſuchung ausgeführt, welche beweiſt, daß die Linien des Sauer— ſtoffs, welche man bisher im Sonnenſpektrum gefunden hat, ihre Exiſtenz nur der irdiſchen Atmoſphäre verdanken. Er begab ſich nämlich im Oktober v. J. auf die Grands Mulets und beobachtete auf dieſer 3000 Meter über dem Meere befindlichen Höhe das Sonnenſpektrum. Das Re- ſultat war, daß ſelbſt bei dieſer im Vergleich zu der Höhe der Atmoſphäre geringen Erhebung ein großer Teil der Linien des Sauerſtoffs vollſtändig verſchwand, und die anderen derartig geſchwächt wurden, daß man auch ſie mit größter Wahrſcheinlichkeit der Wirkung der Atmoſphäre zuſchreiben kann. Während wir uns einem Minimum der Sonnen⸗ flecken nähern, welches vielleicht ſchon im Laufe des jetzigen Jahres eintritt, haben, wie Spoerer gezeigt hat, während der letzten 6 Jahre die Sonnenflecken der ſüd— lichen Sonnenhalbkugel ein ſehr merkliches Uebergewicht über die der nördlichen erreicht, ſo daß ſich ihre Zahl wie 20 zu 11 verhält. Schon in früheren Zeiten ſcheinen ähn⸗ liche Verhältniſſe ſtattgefunden zu haben, während von dem Ueberwiegen der Flecken auf der nördlichen Halbkugel bisher nur ein Beiſpiel (1845 — 1849) bekannt ijt. In der Verſammlung der American Association for the Advancement of Science, welche im Auguſt 1888 in Cleveland (O.) ſtattgefunden hat, berichtete Herr W. Harkneß aus Waſhington über die Reſultate der photo- graphiſchen Aufnahmen des Venusdurchganges vom Jahre 1882. Obgleich dieſelben noch nicht definitiv ſind, da die Reduktion der Poſitionswinkel der Venus gegen den Sonnenmittelpunkt noch nicht vollendet iſt, ſo ſcheint doch in dem bisher erlangten Reſultat, welches vorwiegend auf den gemeſſenen Diſtanzen beruht, ſchon eine große An- näherung an die wahre Sonnenparallape erreicht zu fein. Der gefundene Wert iſt 8,847 mit einem wahr⸗ ſcheinlichen Fehler von 0,012, und entſpricht einer mitt⸗ leren Entfernung der Erde von der Sonne im Betrage von 149 Millionen Kilometern mit einem wahrſcheinlichen Fehler von 1,8 Millionen. Auf der Oberfläche des Mars ſind während der 221 letzten Jahre zwei ſehr merkwürdige Beobachtungen gemacht worden, nämlich die zeitweilige Verdoppelung der „Kanäle“, welche Schiaparelli, und das Verſchwinden des „Kontinents“ Libya, welches Perrotin im April und Mai 1888 beobachtet hat. Ueber ſolche Phänomene werden wahrſcheinlich die fortgeſetzten Beobachtungen auf der Sternwarte des Mount Hamilton, die durch ungewöhnlich klaren Himmel begünſtigt und mit dem lichtſtärkſten Fernrohr der Erde ausgerüſtet iſt, im Laufe der Zeit Klarheit verſchaffen. Leider haben die vorjährigen Beobachtungen des Mars auf dieſer Stern- warte erſt im Juli begonnen werden können, während die günſtigſte Zeit ſchon in den April fiel; indeſſen iſt das erlangte Reſultat trotzdem nicht unwichtig, daß weder eine Verdoppelung der Kanäle noch eine Veränderung des Aus⸗ ſehens der „Libya“ bemerkt worden iſt. Bezüglich der höchſt intereſſanten Unterſuchungen, welche Schiaparelli im Laufe der letzten Jahre über die Oberfläche des Mars ausgeführt hat, möchten wir auch an dieſer Stelle auf einen für weitere Kreiſe beſtimmten und in der Zeitſchrift „Himmel und Erde“ veröffentlichten Bericht des genannten Gelehrten verweiſen, welcher mit aller eines hervorragen⸗ den Mannes der Wiſſenſchaft würdigen Reſerve abge— faßt iſt und ſich von allen weitgehenden Hypotheſen fern hält, die von anderen Seiten an ſeine Beobachtungen ge— knüpft ſind. Seit dem letzten, im Oktoberhefte v. J. dieſer Zeit⸗ ſchrift abgedruckten Berichte ſind folgende kleine Planeten entdeckt worden: Planet (279), entdeckt am 25. Oktober von Paliſa in Wien; Planet (280), entdeckt am 29. Oktober von Paliſa in Wien; Planet (281), entdeckt am 31. Oktober von Paliſa in Wien; Planet (282), entdeckt am 28. Januar von Charlois in Nizza; Planet (283), entdeckt am 8. Februar von Charlois in Nizza. Der Planet (279) zeichnet ſich dadurch aus, daß er unter allen kleinen Planeten die größte Entfernung von der Sonne hat. Dieſelbe beträgt 4,31 Erdbahnhalbmeſſer, während die mittlere Entfernung des Jupiter von der Sonne 5,20, die der Flora 2,20 und die des Mars 1,52 Erdbahnhalbmeſſer beträgt. Die Reſultate photometriſcher Unterſuchungen des Saturn, welche Prof. Seeliger in München während der letzten Jahre angeſtellt hat, ſprechen ſehr für die Richtigkeit der von D. Caſſini zuerſt aufgeſtellten Theorie, wonach die Ringe dieſes Planeten aus einer großen An⸗ zahl diskreter Teile beſtehen, welche ſämtlich ſelbſtändige Bahnen um den Hauptplaneten beſchreiben. Aus welcherlei Stoffen dieſe Teile, ſowie die ganze Maſſe des Saturn beſtehen, darüber läßt ſich nicht einmal eine Vermutung äußern, es iſt nur ſoviel gewiß, daß ſie von denjenigen Stoffen, aus welchen die Erde im Mittel zuſammengeſetzt iſt, ſich ſehr bedeutend unterſcheiden, da die mittlere Dichtigkeit des Saturn bei weitem noch nicht die Dichtig⸗ keit des Waſſers erreicht. Wenn nun die einzelnen Teile der Ringe ſo dicht gedrängt ſind, daß ſie uns in ihrer Geſamtheit wie eine gleichmäßig erleuchtete Scheibe er⸗ ſcheinen, fo werden gelegentliche Zuſammenſtöße benach⸗ barter Teile nicht ausbleiben können, und in ihrem Ge- folge werden lokale Temperaturerhöhungen auf dem Ringe notwendig ſtattfinden müſſen. Wenn dieſe einen ſolchen Betrag erreichen, daß Teile des Ringes in glühende Dämpfe übergehen, ſo wird ſich dies durch die Anweſen— 222 Humboldt. — Juni 1889. heit heller Linien im Spektrum des Saturnringes nach⸗ weiſen laſſen. In der That glaubt N. Lockyer, auf einer Photographie des Ringſpektrums helle Linien gefunden zu haben. Auf eine ſolche lokale Temperatuxerhöhung ſchien auch die Nachricht zu deuten, daß F. Terby in Löwen am 6. und 12. März einen hellen Fleck auf dem Saturnring geſehen habe, eine Beobachtung, welche ebenfalls von C. H. Mac Leod in Montreal gemacht wurde. Indeſſen geht aus der näheren Beſchreibung, welche Terby über das von ihm geſehene Phänomen gemacht hat, hervor, daß dasſelbe entweder rein optiſcher Natur iſt, oder die oben erwähnte Annahme über die Beſchaffenheit der Saturn⸗ ringe gänzlich fallen gelaſſen werden muß. Aus einer Zeichnung des hellen Fleckes, welche in Nr. 2887 der „Aſtr. Nachr.“ nach Terby's Beobachtung mitgeteilt iſt, ſind die einzelnen Teile des Fleckes von ſo verſchiedener Entfernung von dem Centrum des Saturn geweſen, daß ſich, wenn man von einem feſten Zuſammenhang zwiſchen ihnen abſieht, unter Zugrundelegung des 3. Keplerſchen Geſetzes und der bekannten Umlaufszeit der Saturnſatelliten, für einzelne Teile des Fleckes eine Umlaufszeit von un⸗ gefähr 8, dagegen für andere von 15 Stunden ergibt. Daraus würde alſo folgen, daß in wenigen Stunden der Fleck ſeine Form gänzlich geändert haben müßte, während Terby ihn am 12. März nicht nur von nahezu gleicher Form und Größe, ſondern auch an derſelben Stelle wie vor ſechs Tagen fand. Wenn demnach eine wirkliche Ver⸗ änderung eines Teils des Ringes ſtattgefunden hätte, ſo würde man annehmen müſſen, daß der Ring ein ſtarrer Körper ohne merkbare Rotation iſt, während ſchon Laplace nachgewieſen hat, daß unter dieſer Vorausſetzung nur ein labiles Gleichgewicht des Ringes ſtattfinden kann. Die Rechnungen des Herrn Berberich über Bez deckungen von Fixſternen durch Planeten haben im vorigen Jahre zu der Beobachtung einer Stern⸗ bedeckung durch Jupiter auf der Sternwarte des Mount Hamilton und in Winſor (Neu⸗Südwales) geführt, welche intereſſante Ergebniſſe über die phyſikaliſche Beſchaffen⸗ heit der Jupiteratmoſphäre ergeben hat. Es iſt ſehr zu wünſchen, daß derartige Beobachtungen häufiger aus⸗ geführt werden, namentlich wäre es wichtig, einige Beobachtungen über Fixſternbedeckungen durch Saturn zu erhalten. Von dem am 7. Auguſt von Brooks entdeckten Ko⸗ meten 1888 hat Dr. H. Kreutz folgende Bahnelemente berechnet: Zeit des Perihels: 31. Juli 1888. Abſtand des Perihels vom aufſteigenden Knoten 590 19“ Länge des aufſteigenden Knotens 1019 33“ Neigung der Bahn 740 120 Kürzeſte Entfernung von der Sonne 0,903. Der Komet konnte bis zur Mitte des Oktober mit lichtſtarken Fernröhren beobachtet werden. Am 2. September wurde von Barnard auf der Lick⸗ Sternwarte des Mount Hamilton ein neuer Komet (e 1888) entdeckt, der dadurch merkwürdig iſt, daß er wahrſcheinlich mit einer kurzen Unterbrechung im Frühjahr ein ganzes Jahr hindurch wird beobachtet werden können, wodurch es möglich ſein wird, ſeine Bahn mit ungewöhnlich großer Schärfe zu beſtimmen. Folgende Bahnelemente, welche ſich auf Beobachtungen vom 4. September bis 17. Februar ſtützen, ſind von A. Berberich abgeleitet worden: Zeit des Perihels: 31. Januar 1889. Abſtand des Perihels vom aufſteigenden Knoten 3400 29 Länge des aufſteigenden Knoten 3570 260 Neigung der Bahn 1669 22 Kürzeſte Entfernung von der Sonne 1,815. Ferner wurde, ebenfalls von Barnard, am 30. Oktober ein Komet (£1888) entdeckt, deſſen Bahnelemente nach R. Spitalers Rechnung folgendermaßen lauten: Zeit des Perihels: 13. September 1888. Abſtand des Perihels vom aufſteigenden Knoten 2910 1° Länge des aufſteigenden Knotens 1370 36 Neigung der Bahn 560 25“ Kürzeſte Entfernung von der Sonne 1,533. Am 14. Januar fand W. Brooks in Geneva (N. Y.) einen ſchwachen Kometen (à 1889) in 18" An Rekta⸗ ſcenſion und 210 20“ ſüdlicher Deklination, der aber in⸗ folge ungünſtigen Wetters und eintretenden Mondſcheines nicht wieder aufgefunden iſt. Endlich wurde am 31. März von Barnard ein Komet (b 1889) entdeckt, von dem von Hepperger folgende vorläufige, allerdings noch ziemlich unſichere Elemente berechnet hat: Zeit des Perihels: 27. Juli 1889. Abſtand des Perihels vom aufſteigenden Knoten 2579 27° Länge des aufſteigenden Knotens 3089 30° Neigung der Bahn 1620 46 Kürzeſte Entfernung von der Sonne 1,973. Von Schäberle auf Mount Hamilton ſind dagegen nach einer eingetroffenen Depeſche ſtark abweichende Ele⸗ mente berechnet worden. Freiherr von Härdtl, Privat⸗ docent in Innsbruck, hat ſich in der letzten Zeit mit einer ſehr genauen Bearbeitung des periodiſchen Winneckeſchen Kometen beſchäftigt. Bekanntlich hat der Enckeſche Komet mehrfach zwiſchen auf einander folgenden Erſcheinungen eine Acceleration in ſeiner Bewegung gezeigt, welche ſeinen erſten Berechner auf die Annahme führte, daß hierin die Wirkung eines widerſtehenden Mittels im Welt⸗ raum zu erblicken ſei. Der Fayeſche Komet hat nach den Rechnungen von A. Möller in Lund ähnliche Anomalien nicht gezeigt, indeſſen war dies nicht beſonders auffällig, da er von der Sonne immer um mindeſtens 1,7 Erdbahn⸗ halbmeſſer entfernt bleibt, während der Enckeſche Komet ſich ihr bis auf 0,33 Erdbahnhalbmeſſer nähern kann, und weil doch anzunehmen iſt, daß die Dichtigkeit eines widerſtehenden Mittels bei größerer Entfernung von der Sonne abnimmt. Der Winneckeſche Komet kommt der Sonne bedeutend näher als der Fayeſche, wenn auch nicht ſo nahe wie der Enckeſche, und ſo war es intereſſant zu unter⸗ ſuchen, ob ſich bei ihm ähnliche Anomalien in der Be⸗ wegung nachweiſen laſſen wie bei dem Enckeſchen Kometen. Das Reſultat iſt aber ebenfalls ein durchaus negatives geweſen, im Gegenteil fand ſich anſtatt einer Acceleration eine Retardation in der Bewegung, welche aber bei einer wenig veränderten Annahme über die Maſſe des Jupiter vollſtändig verſchwand. Letztere fand ſich aus den Unter⸗ ſuchungen von Händtls zu 104% s der Sonnenmaſſe, ſehr nahe übereinſtimmend mit einem Wert, den Schur aus zahlreichen heliometriſchen Meſſungen der Jupiter⸗ trabanten abgeleitet hatte. . Dr. Elkin, Aſtronom der Sternwarte des Pale College in New Haven, hat durch Heliometerbeobachtungen eine Reihe von Parallaxenbeſtimmungen hellerer Sterne ausgeführt und folgende Reſultate gefunden: Humboldt. — Juni 1889. 223 Jährl. Wahrſch. Jährliche Stern Parall. Fehler Eigenbew. d Tauri + 0,116“ 0,029 0,202“ a Aurigae + 0,107 0,047 0,442 a Orionis — 0,009 0,049 0,022 a Canis min. + 0,266 0,047 1,257 Geminor. + 0,068 0,047 0,628 a Leonis + 0,093 0,048 0,255 a Bootis + 0,018 0,022 2,287 a Lyrae + 0,034 0,045 0,344 a Aquilae + 0,199 0,047 0,647 a Cygni — 0,042 0,047 0,010 Bemerkenswert ift die geringe Parallaxe des Sterns * Bootis (Areturus), der eine ſehr ſtarke, ſchon von Halley im Jahre 1718 entdeckte Eigenbewegung hat; — ein negativer Betrag für die Parallaxe bezeichnet natürlich nur, daß ſie gänzlich unmerklich iſt. Das dreifache Sternſyſtem “ Cancri iſt ſeit mehreren Jahren der Gegenſtand eingehender Unterſuchungen von Profeſſor Seeliger in München geweſen, der jetzt den Nachweis geführt hat, daß die ſcheinbar verwickelten Bewegungen des einen der Komponenten ſich in unge— zwungener Weiſe durch die Annahme eines vierten, einſtweilen unſichtbaren Sternes in dem Syſtem erklären laſſen. Bezeichnen wir die drei ſichtbaren Sterne mit A, B und C, und den unſichtbaren mit 8, fo bewegen ſich A und B um ihren gemeinſchaftlichen Schwerpunkt, und ebenſo C und S um den ihrigen. Eine gegenſeitige Cin- wirkung der beiden Sternpaare auf einander iſt ebenfalls nachweisbar, der Betrag derſelben iſt aber in Anbetracht der relativ geringen Genauigkeit der Beobachtungen noch nicht mit großer Sicherheit abzuleiten. Von J. M. Schäberle iſt die Bahn des Doppelſterns 25 Pegaſi, der im Jahre 1878 zuerſt von Burnham als doppelt erkannt wurde, berechnet worden, und die Um⸗ laufszeit zu 22,3 Jahren, die halbe große Achſe der Bahn zu 0,96“ gefunden worden. Unter Annahme der von Brünnow für dieſen Stern gefundenen Parallaxe von 0,054" ergibt ſich danach die Summe der Maſſen 11,3 mal ſo groß wie die Sonnenmaſſe. Ein im März 1887 von Eſpin bei 26 Cygni entdeckter Veränderlicher “), der allmählich ſchwächer wurde und in der Mitte des Jahres 1887 gänzlich verſchwand, iſt im Auguſt 1888 wieder ſichtbar geworden und war von der 8. Größe; er gehört demnach zu den periodiſch veränderlichen Sternen. Die Periode des Veränderlichen R. Lacertae, deſſen Helligkeit zwiſchen der 9. Größe und gänzlicher Unſichtbarkeit ſchwankt, iſt von Deichmüller neuerdings zu 302,4 Tagen beſtimmt, und es iſt das nächſte Maximum am 27. September d. J. zu erwarten. Während des vorigjährigen Maximums der Helligkeit des Veränderlichen Mira Ceti iſt das Spektrum dieſes Sternes mehrfach unterſucht, und hat ſich als eines vom III. Typus mit mehreren hellen Linien gezeigt, von denen einige mit den häufig in Kometenſpektren vorkommenden Linien zuſammenfallen. Zu demſelben Typus gehört das Spektrum des Veränderlichen R. Cygni, in dem aber früher keine hellen Linien beobachtet ſind, während im Auguſt v. J. von Eſpin eine ſehr helle Linie (korre— ſpondierend mit der F Linie des Waſſerſtoffs) darin be- merkt wurde. Seit wann dieſe Linie ſich in dem Spektrum befindet, iſt nicht nachzuweiſen; eine plötzliche Aenderung der Helligkeit des Sternes hat während der letzten Jahre nicht ſtattgefunden. *) Humboldt. Jahrg. 1887. S. 307. Meteorologie. Don Dr. W. J. van Bebber in Hamburg. Beſtrebungen im Auslande. Allgemeine atmoſphäriſche Bewegungen, Arbeiten von Helmholtz und Gberbeck. Geographiſche Verteilung der Windgeſchwindigkeit in den Vereinigten Staaten und im Ruſſiſchen Reiche. Häufigkeit ſtürmiſcher Winde in Großbritannien, an der deutſchen KHüſte und an der Adria. ſtimmung der wahren Lufttemperatur. ſteigendem Barometer. Aequatorkalgrenze des Schnecfalls. Barometriſche Höhenformel. land. Condoner Nebel. Sonnenſtrahlung und elektriſche Erſcheinungen. Blitzableiter. Klimatiſche Derhaltniffe. Grundwaſſer. Wettertypen für den Monat März. Taupunkt und nächtliches Minimum. Kegenverhältniſſe Indiens. Schneefall in Griechenland. Tau und Reif. Verbreitung der Nebel in Deutſch— Sonnenſtrahlung und Strahlungsmenge. Be- Niederſchläge bei fallendem und Gewittererſcheinungen und abſolute Feuchtigkeit. Blitzgefahr und Sehr erfreulich für die Entwickelung der meteoro- logiſchen Wiſſenſchaft ſind die Beſtrebungen im Auslande, welche gegenwärtig von verſchiedenen Seiten gemacht werden. In Auſtralien ijt eine meteorologiſche Geſell— ſchaft gegründet worden, welche bereits 12 meteorologiſche Stationen beſitzt und ſich auch die Aufgabe geſtellt hat, meteorologiſche Beobachtungen von Schiffen zu ſammeln und zu verwerten. In neuerer Zeit werden in Auſtralien tägliche Wetterkarten veröffentlicht, welche den ganzen auſtraliſchen Kontinent, Neuſeeland und Tasmanien um⸗ faſſen, wobei von 75 Stationen täglich Wetterdepeſchen einlaufen. — In Italien tagte vom 14. bis 21. September 1888 die Italieniſche meteorologiſche Geſellſchaft, wobei, außer den geladenen Gäſten, 104 Mitglieder er⸗ ſchienen waren. Die Beratung einer Reihe von meteoro— logiſchen Gegenſtänden, ſowie die Vorträge zur Unter- weiſung des Publikums werden jedenfalls einen guten Erfolg nicht verfehlen. Seit dem 1. Auguſt funktionirt an der portugieſiſchen Küſte ein Sturmwarnungs— ſyſtem, indem durch optiſche Telegraphen den auf offener See vorbeifahrenden Schiffen auf Wunſch Witte⸗ rungsnachrichten aus den benachbarten Meeren gegeben werden. — Von den periodiſch erſcheinenden Publikationen heben wir insbeſondere hervor das Jahrbuch des meteoro- logiſchen Inſtitutes von Rumänien, die Annalen des meteorologiſchen Amtes in Argentinien und die Viertel⸗ jahrsrundſchau der Seewarte. Eine ſehr wichtige Arbeit über allgemeine atmo- ſphäriſche Bewegungen iſt von Helmholtz veröffentlicht worden *). Helmholtz gelangt zu dem Ergebniſſe, „daß die hauptſächlichſte Hemmung der Cirkulation unſerer Atmo⸗ *) Aus den Sitzungsberichten der Kgl. preuß. Akademie der Wiſſen⸗ ſchaften, 31. Mai 1888; ſiehe auch Met. Zeitſchr. 1888, S. 329. 224 Humboldt. — Juni 1889. ſphäre, welche verhindert, daß dieſelbe nicht außerordentlich viel heftigere Winde erregt, als es thatſächlich der Fall iſt, nicht ſowohl in der Reibung an der Erdoberfläche, als in der Vermiſchung verſchieden bewegter Luftſchichten durch Wirbel gegeben iſt, die durch Aufrollung von Diskontinui⸗ tätsflächen entſtehen. Im Innern ſolcher Wirbel werden die urſprünglich getrennten Luftſchichten in immer zahlreicheren und deshalb immer dünner werdenden Lagen ſpiralig um⸗ einander gewickelt, und iſt daher hier durch die ungeheuer ausgedehnte Berührungsfläche ein ſchneller Austauſch der Temperatur und Ausgleichung ihrer Bewegung durch Rei⸗ bung möglich.“ — Eine andere Arbeit von Oberbeck behandelt die Bewegungserſcheinungen der Atmoſphäre auf allgemeinem analytiſchen Wege im Anſchluß an die Ausführungen von W. Siemens, woraus ſich einige wichtige Reſultate in Bezug auf Luftſtrömungen in den verſchiedenen Breiten und Höhen ergeben!). Ueber die geographiſche Verteilung der Wind⸗ geſchwindigkeit, ſind in neueſter Zeit zwei wertvolle Unterſuchungen veröffentlicht worden, eine von Waldo“) für die Vereinigten Staaten und eine andere von Kiers⸗ nowskij z) für das ruſſiſche Reich. In den Vereinigten Staaten zeigt ſich eine merkliche Zunahme der Wind⸗ geſchwindigkeit, an der atlantiſchen Küſte an den am meiſten exponierten Orten. Die mittlere Geſchwindigkeit beträgt für dieſe Küſte 14,1 Meilen per Stunde. Im Golf von Mexiko beträgt ſie 10,4, alſo nur 75 Proz. der erſteren, an den Seenſtationen 9,4 und an den der atlantiſchen Küſte nahegelegenen Stationen 8,3 Meilen per Stunde. Windgeſchwindigkeit wächſt mit der geographiſchen Breite, jedoch in einem unregelmäßigen Verhältniſſe, welches haupt⸗ ſächlich in der ſehr verſchiedenen Aufſtellung der Anemo⸗ meter liegen dürfte. Was die Jahresperiode der Wind⸗ geſchwindigkeit betrifft, ſo finden wir im Oſten der Vereinigten Staaten die meiſten Maxima im März und die meiſten Minima im Auguſt, während an den hochgelegenen weſt⸗ lichen Stationen viele Maxima im April eintreten, aber in ſo großer Unregelmäßigkeit, daß eigentlich der Auguſt und September die einzigen Monate ſind, in denen für einige Stationen Maxima nicht vorkommen. — Für das ruſſiſche Reich zeigt ſich, daß die Jahresmittel der Wind⸗ ſtärke an allen Orten, an welchen die Windfahne mit Stärketafel oder die Anemometer ſich in derſelben Höhe befanden und die Beobachtungen regelmäßig angeſtellt waren, nur ſehr wenig variierten. Die größten Jahres⸗ mittel der Windſtärke haben die Küſtenſtationen, wo der ſtärkere, vom Meere her wehende Wind noch nicht durch die Reibung am feſten Boden erheblich abge⸗ ſchwächt worden iſt, beſonders groß iſt die Windſtärke an der Weſtküſte der Oſtſee wegen des Vorherrſchens der Weſtwinde (6,3 M. p. Sek.). An den nordweſtlichen Ufern des Schwarzen und Aſowſchen Meeres iſt die Windſtärke erheblich größer als an den Oſtufern (5,7 : 3,5). Ferner ergaben ſich folgende Windſtärken: Wladiwoſtok 5,3 M. p. Sek., Ladogaſee 4,8, Onegaſee 5,4, ſüdliches europäiſches Ruß⸗ land 4,3, nördlicher centraler Landſtrich der nordweſtlichen ) Naturwiſſenſchaftliche Rundſchau 1888, Juni, und Met. Zeitſchr. 1888, S. 305. **) Met. Zeitſchr. 1888, S. 285. ***) Repert. der Meteorologie, Bd. XII, Nr. 3, Petersburg 1889. Die und ſüdweſtlichen Gouvernements 2,6, Nordoſt⸗Rußland 4,1. Kaukaſus und Transkaukaſien 2,4, Nordweſt⸗Sibirien 3,5, Oſt⸗Sibirien 1,6. Aus allem dieſem geht alſo hervor, daß die Windſtärke mit Annäherung an das Meer wächſt. Im Winter nimmt die Windſtärke im ganzen Gebiete ſehr bedeutend zu, mit Ausnahme der Küſten des Kaſpiſchen Meeres, Oſt-Transkaukaſien und Oſt⸗ Sibirien, woſelbſt dieſelbe im Gegenteil ſich zum Minimum abſchwächt. Im Sommer tritt die entgegengeſetzte Erſcheinung zu Tage, indem die Windſtärke ſich im ganzen Reiche abſchwächt, außer im ſüdlichen Teile des Kaſpiſchen Meeres, im ſüd⸗ lichen Teile des Kaukaſus und in Oſt-Sibirien. Frühling und Herbſt bilden, wenigſtens für das europäiſche Rußland, die Uebergangszeiten für die Windſtärke, und zwar der Frühling vom Sommermaximum zum Sommerminimum und umgekehrt der Herbſt. Bezüglich der Tagesperiode der Windſtärke gelangt der Verfaſſer zu dem bereits früher erkannten Reſultat, daß eine größere oder kleinere Tages⸗ amplitude der Windſtärke von einer größeren oder geringeren Bewölkung und dementſprechend einer mehr oder weniger ſtarken Inſolation des Bodens, welche auf- und abſteigende Luftſtrömung erzeugt, abhängig iſt. Die Tagesamplitude In p. m. [7 a.m. + 95 p. m. ]) ift am kleinſten (1,2) für die Oſtſee, am größten (1,8) für Oſt⸗Sibirien, ſo daß alſo auch hier die Amplitude mit der Entfernung vom Meere zunimmt. Die Häufigkeit der ſtürmiſchen Winde an den Küſten der britiſchen Inſeln iſt für den Zeitraum 1871 bis 1885 beſtimmt worden!). Wir fügen dieſen Zahlen⸗ werten noch diejenigen von einigen Stationen der deutſchen Küſte und der Adria!) hinzu, wobei ſich die letzteren auf Dauer in Stunden beziehen (überhaupt ſind dieſe Zahlen nur als Relativzahlen zu betrachten). Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Jahr Großbr. 0% 17 12 12 4 1 1 1 3 6 13 16 14 (Maximum: Minimum, d. h. tf Borkum „ 10 6 12 4 6 9 3 8 9 19 17 14 9,8 amburg „ 14 13 10 4 6 2 6 8 5 13 14 16 92 arne. „ 17 15) 19 ? , tae Memel „ 16 11 11 4 5 2 4 7 8 17 15 19 10,0 ola 42 18 50 25 34 4 7 7 17 30 29 34 295 eſina 45 33 62 78 62 24 15 14 22 51 60 50 518 Eine einfache, für die Praxis ſehr zu empfehlende barometriſche Höhenformel, welche ohne Tafel und ohne Nachſchlagen der Konſtanten barometriſche Höhen⸗ beſtimmungen ſowohl, als die Reduktion von Barometer- ſtänden auf das Meeresniveau mit dem geringſten Auf⸗ wand von Rechnung und mit einer für gewöhnlich genügenden Genauigkeit vorzunehmen ermöglicht, iſt von Köppen ge⸗ geben worden *). Die Formel lautet: pp pp h = 60 (B—b) X Fos BD 650 X 60 267 + t wobei bezeichnen: B den Barometerſtand im Meeresniveau, b denjenigen in der Höhe h und t die mittlere Tempe⸗ ratur der ganzen betreffenden Luftſäule, wobei wegen Abnahme der Temperatur mit der Höhe eine beſtimmte Annahme gemacht wird (gewöhnlich 0,58° C. für jede 100 m). Schon häufiger hatte ich Gelegenheit, in dieſer Zeit⸗ ſchrift auf gewiſſe Wetterlagen aufmerkſam zu machen, welche für die Witterungsvorgänge in unſeren Wintern *) Rep. of the Met. Counc. for the year ending March 1887. ) Annalen der Hydrographie 2c. 1888, Heft 7. ***) Met. Zeitſchr. 1888, S. 369. Humboldt. — Juni 1889. 225 charakteriſtiſch find (vergl. dieſe Zeitſchrift, Jahrg. 1888, S. 222). In neuerer Zeit hat Teiſſerene de Bort“) ſich die Aufgabe geſtellt, auch für die Frühlingsmonate ſolche Wettertypen aufzuſtellen, und zwar zunächſt für den Monat März. Es zeigte ſich, daß die für dieſen Monat aufge— ſtellten Typen auf die Wintertypen ſich zurückführen laſſen, nur iſt ihr Charakter wegen der veränderten Inſolation ein etwas anderer. Bisher wurde angenommen, daß, wenn die Tempe— ratur der Sonne ſinken würde, auch die Energie der Ausſtrahlung abnehmen müſſe. Auf Grund der Thatſachen, daß die Strahlungskraft mit der Form des Materials ver- änderlich iſt, daß die Elemente weniger Wärme ausſtrahlen als ihre Verbindungen und bei hohen Temperaturen zu— ſammengeſetztere Verbindungen in einfachere übergehen, zeigte Witfen**), daß die Temperatur der Sonne und ihre ausgeſtrahlte Wärmemenge einander nicht proportional zu fein brauchen. Alſo je heißer die Sonne, deſto ein— facher ihre Molekular-Konſtruktion und um ſo geringer verhältnismäßig ihr Ausſtrahlungsvermögen. Die Beſtimmung der wahren Lufttemperatur iſt mit ſehr erheblichen Schwierigkeiten verknüpft und dieſem Gegenſtande hat man in neueſter Zeit von vielen Seiten eine große Aufmerkſamkeit zugewandt. Eine eingehende und in vieler Beziehung lehrreiche Studie über die Beſtimmung der wahren Lufttemperatur iſt von Köppen veröffentlicht worden **). Es ergibt fic) als zweckmäßig, das Thermometergefäß möglichſt klein zu nehmen und ebenſo die Beſchirmung von möglichſt geringer Maſſe, ſo daß dieſelbe nur die Abhaltung der Niederſchläge ermöglicht. Die Aufſtellung geſchehe auf einem beſchatteten und der Luftbewegung möglichſt ausgeſetzten Orte, ſo daß eine Auf— ſpeicherung der Wärme am Thermometer und in deſſen Nähe möglichſt vermieden wird. Bekanntlich wird die Ermittelung des Taupunktes viel⸗ fach angewandt zur Vorherſage des Nachtfroſtes. Auf Veranlaſſung einer Unterſuchung von Wolny, welche auf einem halbjährigen Beobachtungsmaterial beruhte und die zu ungünſtigen Reſultaten führte, hat Lang eine ſehr um— faſſende Arbeit veröffentlicht ), in welcher derſelbe darthut, daß das Temperaturminimum der Luft im Durchſchnitte bei weitem nicht ganz auf jenen Betrag ſinkt, welchen es nach dem gleichzeitigen Taupunkte erreichen könnte, vielmehr nach dem zehnjährigen Durchſchnitte der vier Monate April, Mai, September und Oktober, in denen die Nachtfroſt— periode überhaupt angezeigt erſcheint, dem um 8 Uhr abends beſtimmten Taupunkte vollkommen gleichkommt. „Dieſe Thatſache ſtellt ſich nicht etwa dadurch heraus, daß die algebraiſche Summe aller Abweichungen des Taupunktes vom Temperaturminimum zwar nahezu — 0 iſt, aber die Abweichungen nach jeder Seite hin groß ſind; vielmehr iſt die Anzahl derſelben unter 2,5“ weitaus überwiegend und dabei die Anzahl der negativen Abweichungen (d. h. Temperatur wie Taupunkt) etwas größer, ihr Zifferbetrag alſo kleiner als jener der entgegengeſetzten Art. Die Grund- *) Annales du Bur. centr. mét., de France, Paris 1885. **) Proc. of the Roy. Soc, of Edinburgh 1888. ***) Aus dem Archiv der Seewarte 1888, Nr. 2. +) Beobachtungen der meteorologiſchen Stationen im Königreich Bayern, Bd. X. Humboldt 1889. lage der Nachtfroſtprognoſe iſt demnach als zu Recht be- ſtehend feſtgeſtellt und der auch im Vorhergegangenen übrigens noch eigens bewieſene Satz ſelbſtverſtändlich: Die durch Ermittelung des Taupunktes zu ſtellende Nacht⸗ prognoſe läßt nur in äußerſt ſeltenen Fällen das Herab— ſinken des Temperaturminimums unter den Gefrierpunkt nicht erkennen, iſt alſo eine hinreichend ſichere.“ Ueber die Regenverhältniſſe Indiens iſt eine umfaſſende und bedeutſame Unterſuchung von Blanfort gemacht worden, die wir im Jahrgange 1888 dieſer Zeit— ſchrift ausführlich beſprochen haben, ſo daß wir hier auf dieſe Beſprechung verweiſen können. — Intereſſant iſt eine kleine Zuſammenſtellung über das Verhältnis des bei fallendem und ſteigendem Barometer ftattfin- denden Niederſchlages für die Station Laibach in dem Zeitraume 1866 bis 1879, die wir hier wiedergeben wollen“): Oktbr.⸗März April⸗Sept. Jahr Zahl der Tage mm mm mm 1) Fallendes Barometer 1556 795 2351 53 2) Fall.⸗ſteig. Barometer 465 831 1296 27 3) Steigendes Barometer 916 2279 3195 72 4) Steig.⸗fall. Barometer — 68 68 2 5) Stationäres Barometer 70 247 317 7 Es fallen alſo hier (für Süddeutſchland und die Nordalpen gilt dasſelbe) die Niederſchläge vorwiegend bei ſteigendem Barometer, eine Regel, die für das nördliche Deutſchland jedenfalls nicht gelten dürfte. — Die Aequatorial-⸗ grenze des Schneefalls iſt von H. Fiſcher behandelt worden **). Es zeigt ſich ein ziemlich ſcharfer Gegenſatz zwiſchen der Nord- und Südhemiſphäre. Ein Vergleich der Schneefallsgrenzen mit dem Verlauf der Iſothermen des kälteſten Monats zeigt, daß auf der Nordhemiſphäre die mittlere Schneefallsgrenze auf dem Atlantiſchen Ocean ungefähr den Januar-Iſothermen 8 bis 9° C., auf dem Pacifiſchen denjenigen von 6 bis 9 C. folgt, während die äußerſte Schneefallsgrenze ſich faſt durchweg den Iſothermen von 16°C. anſchmiegt. Auf der ſüdlichen Hemiſphäre daz gegen entſpricht die Lage der mittleren Schneefallsgrenze ungefähr der Juli-Iſotherme 10˙6., die der äußerſten Schneefallsgrenze der Juli-Iſotherme 12 bis 14 C. — Nach A. Philippſon “) reicht in Attika der Schneefall nur an wenigen Tagen des Jahres bis zum Meeresniveau und bleibt dort nur einige Stunden liegen, indeſſen ijt der Schneefall ein jedes Jahr eintretendes Phänomen. Viel ſchneereicher ſcheint ſchon die böotiſche Niederung zu ſein. Eine wichtige Wetterſcheide ſtellt die Gebirgsreihe des Kithäron, Parnaſſos und Pentelikon dar, welche mit oſtweſtlicher Richtung Böotien von Attika ſcheidet, ins- beſondere dann, wenn der Schnee bei Nordwind fällt. Während in Attika und Korinthia faſt jedes Jahr bis zum Meeresniveau Schnee fällt, iſt an der Oſt-, Süd- und Weſtſeite Schneefall ein beſonderes Ereignis. Höhen über 1500 m find im Winter in der Regel in einen Schnee— mantel gehüllt und zwar von Mitte Dezember bis Mitte März, Mitte Mai haben ſelbſt die höchſten Berge des Peloponnes (2400 m) keine zuſammenhängende Decke, ſondern nur noch Schneefelder aufzuweiſen, indeſſen halten ) Met. Zeitſchr. 1888, S. 372, **) Inauguraldiſſertation, Leipzig, in: Mitteilungen des Vereins für Erdkunde, 1888. ) Met. Zeitſchr. 1889, S. 59. 29 226 ſich dieſe im Hochgebirge länger, als wir es in entſprechender Höhe bei der ſüdlichen Lage des Landes erwarten ſollten. Man bezeichnet den Reif gewöhnlich als gefrornen Tau, indeſſen ſind die Bedingungen, unter welchen ſich dieſe beiden Formen des Niederſchlages bilden, ſehr ver— ſchieden, wie Aitken in einer ſeiner neuern Unterſuchungen nachgewieſen hat). Wenn Eis durch irgend ein Mittel auf dieſelbe Temperatur abgekühlt worden iſt, wie Waſſer, ſo iſt ſeine Dampfſpannung geringer als die des Waſſers. Haben wir alſo eine Oberfläche von Waſſer und eine von Eis von derſelben Temperatur, dann wird der Dampf vom Waſſer zum Eis übergehen, weil der Dampfdruck des Waſſers größer iſt als der des Eiſes. Die Luft, welche für eine Waſſeroberfläche geſättigt iſt, iſt überſättigt für eine Eisfläche. Etwas Aehnliches geſchieht bei der Reif- bildung. Wenn die Luft ſich abkühlt, dann erfolgt Konden⸗ ſation an den Staubteilchen, die ſtets in derſelben ſchweben, und es entſteht Nebel. Dieſe in der Luft kondenſierte Feuchtigkeit ſcheint immer die flüſſige Form zu haben, wenigſtens bemerkt man auch bei Froſtwetter nichts, was darauf hinweiſt, daß die Teilchen gefroren ſind. Kein optiſches oder ſonſtiges Phänomen exiſtiert, wie es vom gefrornen Nebel in der Atmoſphäre zu erwarten wäre. Daß die Temperatur der Luft weit unter dem Gefrier⸗ punkte liegt, iſt kein Beweis, daß die Nebelteilchen feſt ſein müſſen, da bekanntlich Waſſer, ſelbſt in Berührung mit feſten Oberflächen und mit günſtigen Kernen, um Gefriercentra zu bilden, noch bei einer Temperatur weit unter dem Gefrierpunkte flüſſig bleibt. Dünne Häute und kleine Tropfen ſcheinen ſchwer zu frieren; oft ſieht man die Nachtſtrahlungs-Thermometer viele Grade unter dem Gefrierpunkte abgekühlt und doch die an ihrer Ober⸗ fläche kondenſierte Haut im flüſſigen Zuſtande. Hiermit ſcheint es alſo in Uebereinſtimmung, daß die Nebelteilchen beim Froſtwetter flüſſig ſind. Wenn nun Waſſerteilchen bei froſtigem und nebligem Wetter in der Atmoſphäre herumfliegen und der Druck des Dampfes in der Luft ſomit dem einer flüſſigen Oberfläche entſpricht, ſo wird er größer ſein als der Dampfdruck für Eis bei derſelben Temperatur. Unter dieſen Umſtänden wird die Luft ſich raſch von einem Teile ihres Dampfes entlaſten, wenn ſie mit einer Erdoberfläche in Berührung kommt. Dieſes ſcheint der Grund zu ſein, warum der Rauhreif nach der Richtung hin wächſt, aus welcher die Luft anlangt, weil die Luft, da ſie überſättigt iſt, mit der erſten Eisfläche, mit welcher ſie in Berührung kommt, ſich des Waſſerdampfes entledigt und nicht wie bei der Taubildung erſt durch be⸗ ſondere Umſtände veranlaßt zu werden braucht, ihren Dampf abzugeben. Während dieſes extreme Fälle ſind, gibt es noch Zwiſchenzuſtände, in denen ſich ſowohl Tau als Reif in faſt gleicher Weiſe zu bilden ſcheinen. An exponierten Glas⸗ platten findet man in manchen Nächten eine ſehr ſtarke Reifbedeckung auch an allen Kanten, dagegen bildet ſich in anderen Nächten kein Reif an den dem Winde zugekehrten Kanten; die Luft muß erſt eine Strecke über die Platte ziehen, um ſich für die Ablagerung der Feuchtigkeit genug abzukühlen. Erſteres tritt ein bei Windſtille, wenn die Luft ) Proc. of the Roy. Soc. of Edinburgh, Vol. XIV, nr. 123, P. 121. Naturwiſſenſchaftliche Rundſchau 1888, Nr 22, S. 278. Humboldt. — Juni 1889. nahezu geſättigt iſt, letzteres bei lebhafterem Winde, blauem Himmel und nicht geſättigter Luft. Dicker Nebel ſcheint die allgemeine Bedingung für das Wachstum des Rauhreifes zu ſein, und nach der oben gegebenen Erklärung iſt er notwendig. Da die Strahlung durch den Nebel gehindert wird, ſo entſteht in jenen Nächten, in denen ſich der Reif reichlich bildet, wenig oder gar kein Tau. Die Taubildung verlangt als erſte Bedingung klare, die Ausſtrahlung und Abkühlung der Körper begünſtigende Luft, die Rauhreif⸗ bildung Nebel, wobei die Strahlung keine Rolle ſpielt. Ueber die Verbreitung der Nebel in Deutſchland, insbeſondere an den deutſchen Küſten hat H. Meyer eine intereſſante Arbeit veröffentlicht). Die jährliche Zahl der Nebeltage iſt insbeſondere von der lokalen Lage des betreffenden Ortes abhängig; ſo hat Hamburg 130, Kaſſel 123, aber Berlin nur 18 Nebeltage im Jahre. Die folgende Tabelle gibt die mittlere Anzahl der Tage mit Nebel, die Verteilung der Nebeltage auf die Jahres⸗ zeiten in Prozenten der Geſamtzahl des Jahres und die mittlere Länge der Nebelperioden, d. h. die mittlere Anzahl der einander ohne Unterbrechung folgenden Tage mit Nebel: a Mittlere Zahl der Verteilung Mittlere Länge Nebeltage der Nebeltage der Nebel in Prozenten = 2 3 2 8 8 2 2 „ e Fee Borkum 48 20 8249445 21 | 8 | 253,823 1,723 | 2,7 he 24 6112435615 3261814121416 Hamburg 52 22 10,45 13041 8 | 35 3318132624 HES 6 8525 8*| 23 7741 20 11 292.2 1,7151819 Warnemünde 26 12 413 5547 21) 82320 1,5 131617 Swinemünde. 26 10 718 624217 1229 2,0141516 1,7 gsf oer 98 7410298025 1234 1213 1,214 13 Kaſſel . . 28 26,3188 12323 21 | 25 312,7 1,7232622 Berlin. . . 10] LW} 1} 5] 1856 8 6301.4 1,1101213 Breslau 28 9 2} 28 674114 342 2,2 1,4112120 Karlsruhe. 17 2˙ 311 3350 9 352,106,113 | 1,7 | 1,7 Friedrichshafen 16] 5 3°| 13} 3642 13 8372112121818 Die folgende Tabelle veranſchaulicht die wahrſcheinliche Nebeldauer pro Nebeltag in Stunden: Winter Frühling Sommer Vest Jg Borkum. . 8,9 5,3 3,7 „9 Sylt - 11,6 15,4 18,8 99 arog Hamburg 8,4 3,8 2,87 6,2 5,3 iel! 90 3,6 2,2* 4,4 4,8 Warnemünde . 10,5 5,4* 5,8 7,4 7,3 Swinemünde 10,0 7,1 Phe 6,5 6,6 Neufahrwaſſer . 9,3 7,1 3,0 8,3 6,9 ila 1 iA . — 3,6 2,2 Berlin 82 1,5 1,37 5,6 2,9 Breslau . 3,8 272 4,0 2,2* 2,9 Karlsruhe . .10,4 6,0 0,9 5 6,7 Friedrichshafen 11,7 4,1 0,9* 7,3 6,0 Nach einem Vortrage Rufjells**) werden die Lon⸗ doner Nebel durch mechaniſche Verbindungen von Waſſer⸗ teilchen mit feinen Kohlen- oder Rußteilchen erzeugt. Sie entſtehen bei Windſtille, niedrigerer Temperatur am Erd⸗ boden als in der Höhe von einigen 100 Fuß, großer relativer Feuchtigkeit der Luft, wolkenloſem Himmel und freier Ausſtrahlung in den Weltenraum. Die Dunkelheit und die eigentümliche Färbung ſind am ſtärkſten, wenn in den Häuſern eine große Menge Kohlen verbrannt wird, in den Nachtſtunden und an warmen Sommertagen fehlt gewöhnlich dichterer Nebel. Gewöhnlich ſind die erſten Morgenſtunden im Sommer die einzigen, in denen man ) Annalen der Hydrogaphie und mar. Met. 1888, S. 155. ) Nature, Bd. 39, S 34, Refer. in Met. Zeitſchr. 1889, S 33. Humboldt. — Juni 1889. 227 einen guten Ueberblick über die Stadt haben kann, dann | ift, welche auf der Erdoberfläche und auf den in der an ſchönen Nachmittagsſtunden im Sommer, da Herdfeuer [ Atmoſphäre ſchwebenden flüſſigen oder feſten Partikelchen nicht brennt. „Die Entſtehung eines Londoner Nebels iſt verteilt iſt. Da dieſe Partikelchen immer wieder zur Erde wahrſcheinlich dieſe: Gewöhnlicher weißer Nebel deckt die zurückfallen, fo kann unſere Erde ihre Ladung nicht ändern, Stadt um 6 Uhr morgens; etwa eine Million von Feuer- wohl kann die Elektricität örtlich zeitweiſe ſehr verſchieden herden wird kurz nachher geheizt, die Luft füllt fic) mit | fein. — E. Berg fand, daß Gewittertage von gewitter— ungeheueren Rauchmengen, Verbrennungsgaſen, welche loſen durch eine hohe abſolute Feuchtigkeit ausgezeichnet Kohlenteilchen mitführen. Sobald ſich dieſe Partikelchen auf | waren und daß ſtets ein Maximum der abſoluten Feuchtig— die Lufttemperatur oder noch unter dieſelbe abgekühlt keit kurz vor Vorübergang des Gewitters oder vor ſeinem haben werden, ſetzen ſich die ſchon vorhandenen Waſſer- [Maximum ſich zeigte. Zwei aufeinander folgende Gewitter kugeln und wohl noch kondenſierter Waſſerdampf an. Eine waren ſtets durch ein relatives Minimum der abſoluten dicke Schichte folder Partikeln hält das Licht ab; ſehr Feuchtigkeit geſchieden?). Einen Zuſammenhang der geringe Mengen fein verteilter Kohle können das Sonnen- Schwankungen der Blitzgefahr mit denjenigen des licht ganz verdecken, wie eine Rußſchicht auf Glas. Der Niederſchlages bezw. des Grundwaſſerſtandes hat Lang Rauch verhindert die ſchief auffallenden Sonnenſtrahlen, aufgefunden“). Dem Anſteigen von Niederſchlag oder den weißen Nebel am Boden zu erreichen und aufzulöſen; | Grundwajfer in der Zeit von 1856—71 und 1874 —77 der Nebel ſtrahlt Wärme gegen den Weltenraum und gegen entſprechen Senkungen der verheerenden Blitze und den den kälteren Erdboden aus, ohne Erſatz von den Sonnen- Senkungen der erſteren 1844 —47, 1850-57, 1861-65, ſtrahlen zu erhalten.“ Auf die Lebenskraft der Bevölkerung | 1867 und 1874 und 1881-85 Steigerungen der Blitzgefahr. Londons muß der Lichtmangel von großem Einfluſſe ſein. Bekanntlich iſt der trockene Erdboden für die Elektricität In den drei Wochen vom 24. Januar bis zum 14. Februar ein ſchlechter Leiter; es wird alſo bei gleich großer elektriſcher der großen Nebel von 1880 war in London der Ueberſchuß Spannung der ſucceſſive Ausgleich um jo mehr behindert, an Todesfällen 2994, während wohl zehnmal ſo viele Krank- dagegen aber die Energie der ſprungweiſen Entladungen, heitsfälle durch das Zuſammenwirken von Rauch und Kälte | d. h. der Blitzſchläge, um fo mehr geſteigert werden, je mäch— veranlaßt wurden (1. bis 7. Februar Zahl der Todesfälle tiger die iſolierende Schicht iſt, was ja vom Stande des durch Keuchhuſten 248, durch Bronchitis 1223). Grundwaſſers abhängt. Es iſt eine bekannte Thatſache, Ueber den Einfluß der Sonnenſtrahlung auf daß in den meiſten Gebietsteilen Centraleuropas die Blitz— die elektriſchen Erſcheinungen in der Atmoſphäre gefahr ſeit 1856 in raſcher Zunahme begriffen iſt, ohne hat Svante Arrhenius eine intereſſante Abhandlung ver- daß ein analoges Sinken des Grundwaſſers vorhanden iſt. öffentlicht, welche zu folgenden Hauptreſultaten führte“): [Es muß daher dieſe raſche Zunahme der Blitzgefahr in Die Luftelektricität iſt viel größer bei klarem als bei be- | einer andern Urſache geſucht werden. — In der Verſamm— wölktem Himmel, was mit den Erfahrungen aller anderer lung der Britiſh Aſſociation zu Dath 1888 fand im An— Beobachter übereinſtimmt. Die Luftelektricität ſcheint in] [ſchluß an zwei Vorträge von O. Lodge eine eingehende keinem einfachen Zuſammenhange mit der relativen Feuch- Diskuſſion über Blitzableiter ſtatt, deren Reſultat ſich tigkeit zu ſtehen, indem das Hygrometer ungefähr die- kurz folgendermaßen fo faſſen läßt: Zahlreiche Blitzableiter ſelbe Stellung hat bei den Maxima wie bei den Minima bieten der Fläche Schutz. Man ſollte, wenn möglich, das der Luftelektricität. Dagegen zeigt ſich eine ſehr aus- ganze Land mit Blitzableitern ſchützen, um den Entladungen geſprochene Beziehung zwiſchen Luftelektricität und Ge- vorzubeugen. Wenngleich für Verbeſſerungen noch Raum iſt, witter, indem das eine Phänomen ſein Maximum hat mit ſo iſt man doch mit den Blitzableitern auf dem beſten dem Minimum des anderen. Noch ausgeprägter iſt der Wege. Parallelismus zwiſchen dem Gange des Aktinometers und Ueber die klimatiſchen Verhältniſſe der ver— demjenigen der Luftelektricität, indem die Sonnenſtrahlung [ſchiedenen Länder, insbeſondere der Tropengegenden, nach Anſicht des Verfaſſers der wichtigſte Faktor für den | find zahlreiche, meiſt kleinere Arbeiten erſchienen, über Transport der negativen Elektricität der Erde auf die welche in der meteorologiſchen Zeitſchrift meiſtens referiert Wolken ijt. Der Verfaſſer nimmt an, daß unſere Erde | worden ift, weshalb wir auf dieſe verweiſen. mit einer gewiſſen Quantität negativer Elektricität geladen“ — ) Repert. für Meteorologie, Bd. XI, Nr. 13, Petersburg 1888. ) Met. Zeitſchr. 1888, S. 297, 348. *) Meteorol. Beobachtungen in Bayern, Bd. IX, München 1887. Oceanographie. Von Kapitänlieutenant a. D. Rottok in Berlin. Strömungen in der Oſtſee. Weitere oceanographiſche Beobachtungen in der Oſt- u. Nordſee. Tiefſeelotungen im Atlantiſchen, Stillen und Indiſchen Ocean. Riffe und Alippen. Flutwelle im Bismarck-Archipel und Kaijer-Wilhelms-Land. Strömungen in der Oſtſee. Seitdem vor vier | werden daſelbſt auf dieſem Schiffe außer meteorologiſchen Jahren zwiſchen den Inſeln Bornholm und Rügen zur auch regelmäßige Strombeobachtungen angeſtellt, welche bei Bezeichnung des dort in der frequenten Waſſerſtraße der freien Lage des Feuerſchiffes, mitten in der Oſtſee, in liegenden, für die Schiffahrt gefährlichen Adlergrundes von | der Mitte zwiſchen der deutſchen und ſchwediſchen Küſte ſeiten der kaiſerlichen Marine ein Feuerſchiff ausgelegt iſt, [und entrückt den lokalen Einflüſſen des Landes beſonders 228 geeignet erſcheinen, über die horizontale Waſſereirkulation dieſes Baſſins Aufſchluß zu erteilen. Die Unterſuchungen der Beobachtungen des erſten Jahres), welche einen Zeit⸗ raum von 294 Tagen umfaſſen, in welchen der Strom alle zwei Stunden gemeſſen wurde, liefern ſchon recht intereſſante Reſultate und geben im beſonderen wertvolle Beiträge zu der Kenntnis der Abhängigkeit der Meeres⸗ ſtrömungen von den Winden. Die Beobachtungen wurden mittels eines Arvidſonſchen Strommeſſers und eines Stromrichtungszeigers von Irminger in einer Tiefe von 5 m ausgeführt. Aus den Beobachtungen geht zunächſt hervor, daß eine regelmäßige, vorwiegend nach einer beſtimmten Richtung gehende Bewegung des Waſſers nicht ſtattfindet, daß viel= mehr die Strömungen in Richtung, Stärke und Dauer vollkommen unregelmäßig wechſeln, in den meiſten Fällen den vorherrſchenden Winden folgen und von ihnen ab⸗ hängig ſind. Von 269 gemeſſenen Strömungen fallen 78 in die Richtung zwiſchen Nord und Oſt, 116 zwiſchen Oſt und Süd, 53 zwiſchen Süd und Weſt, 46 zwiſchen Weſt und Nord. Entſprechend dem Vorherrſchen weſtlicher Winde waren die ſüdöſtlichen Strömungen ſowohl der Zahl als der Stärke nach die vorwiegendſten. Die Stärke der Strömung war in den meiſten Fällen eine ſehr geringe, bei zwei Drittel der Zahl blieb der Betrag unter 10 km in 24 Stunden. — Die Abhängigkeit der Stromrichtung von der des herrſchenden Windes trat in der eklatanteſten Weiſe hervor. Wenn diejenigen Strömungen, welche von der Richtung des Windes um mehr als 90° abweichen, als nicht mit dem Winde gleichlaufend angeſehen werden, dagegen diejenigen Strömungen, deren Richtungsabweichung von dem Winde weniger als 90° beträgt, als mit dem Winde gleichlaufend, ſo waren von 226 beobachteten Fällen 194 oder 86 % gleichlaufend, 32 oder 14% nicht gleich⸗ laufend. Das Verhältnis wird ein noch ſchrofferes, wenn nur diejenigen Tage in Betracht gezogen werden, an welchen die Windſtärke nicht weniger als 3 und die Strom⸗ geſchwindigkeit nicht weniger als 6 km in 24 Stunden betrug. In 131 ſolcher Fälle wurden 126 oder 96% mit dem Winde gleichlaufender Strömungen, 5 oder 4% entgegengeſetzter beobachtet. Um auch eine etwaige Ab⸗ hängigkeit des Stromes von dem Winde des vorher⸗ gehenden Tages feſtzuſtellen, da eine ſolche Nachwirkung in einer Tiefe von 5 m unter der Oberfläche, in welcher ſich der Meßapparat befand, nicht unwahrſcheinlich war, wurde eine ähnliche Zuſammenſtellung mit dieſen Winden gemacht, wobei ſich allerdings ein Gleichlaufen von Wind und Strom in 72% aller Fälle herausſtellte, was jedoch in vielen Fällen in der Uebereinſtimmung des Windes desſelben und des vorhergehenden Tages ſeinen Grund haben mag. Das letztere wird wahrſcheinlich bei einem Vergleich beider, d. h. der Uebereinſtimmung der Strom⸗ richtung mit der herrſchenden und mit der vorhergehenden Windrichtung; hierbei ergibt ſich eine bedeutende Ueber⸗ legenheit, 85% zu 15%, der erſteren, ſelbſt bei plötzlicher großer Aenderung der Windrichtung folgt der Strom als⸗ bald dieſer Drehung. Jedenfalls iſt es als ſicher anzu⸗ ) Bearbeitet von L. Dinklage, Abteilungsvorſteher der deutſchen Seewarte. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie 1888. Humboldt. — Juni 1889. ſehen, daß der Einfluß des Windes auf die Stromrichtung ſich an dem erſten Tage bis zu einer Tiefe von mindeſtens 5 m bemerkbar macht. Bei näherer Unterſuchung über den Grad der Ueber— einſtimmung oder Abweichung zwiſchen Wind- und Strom⸗ richtung konnte feſtgeſtellt werden, daß eine genaue Ueber⸗ einſtimmung allerdings ſelten ſtattfindet, vielmehr der Strom in der Regel nach rechts, im Durchſchnitt um 28°, von der Richtung des herrſchenden Windes abweicht. Zu dieſen Unterſuchungen wurden nur diejenigen Fälle heran⸗ gezogen, in denen der Wind den Tag über beſtändig war und Strom: und Windrichtung um weniger als 90° differierten. Von 194 ſolchen Tagen wich die Stromrichtung von derjenigen des Windes an 150 Tagen nach rechts, an 34 Tagen nach links ab, an 10 Tagen war keine Ab⸗ weichung (d. h. unter 5°) vorhanden. Die mittlere Ab⸗ weichung nach rechts betrug 37°, die nach links 239. Das Ueberwiegen der Rechtsabweichung gegen die Linksabwei⸗ chung tritt noch entſchiedener hervor, wenn nur die Tage mit größerer Windſtärke (über 3) und Stromgeſchwindig⸗ keit (über 6 km in 24 Stunden) berückſichtigt werden; von 126 ſolchen Tagen weicht der Strom 107 mal nach rechts, 13mal nach links vom Winde ab, Emal ſtimmen Strom und Wind überein; die mittlere Abweichung nach rechts beträgt 36°, diejenige nach links 13°. — Da dieſe vorwiegende Abweichung der Stromrichtung nach rechts nicht wohl durch lokale Beeinfluſſung oder den Verlauf der umgebenden Küſten begründet werden, auch nicht als Nachwirkung vorhergegangener Winde angeſehen werden kann, da die Winde bekanntlich in unſeren Breiten in den meiſten Fällen von links nach rechts drehen, demgemäß eine entgegengeſetzte Abweichung des Stromes nach links von der herrſchenden Windrichtung zur Folge haben müßten, ſo ſcheint die Annahme, daß jene Rechtsabweichung auf die Erdrotation zurückzuführen iſt, eine wohlberechtigte. Auch zwiſchen der Geſchwindigkeit der Strömung und der Stärke des Windes läßt ſich ein enger Zuſammenhang erkennen, und geſtatten die Beobachtungen ein beſtimmtes Verhältnis zwiſchen beiden abzuleiten. Nach denſelben er⸗ gibt ſich für eine Windſtärke von 0—2 3 km 2,5—3 55 3,5—4 7 4,5—5 10 5,5—6 13 „ 6,5—7 15 „ 7,5—8 1 8,5 —9 21 als mittlere Stromgeſchwindigkeit in 24 Stunden. Weitere oceanographiſche Beobachtungen in der Oſt⸗ wie Nordſee zur Bereicherung unſerer Kenntnis über die phyſikaliſchen Eigenſchaften dieſer Ge⸗ wäſſer hat im vorigen Sommer Sr. Maj. Kadettenſchul⸗ ſchiff „Niobe“, unter Kommando des Kapitäns zur See Aſchenborn, auf ihren Kreuztouren ſowohl in See als auch während ihres Aufenthaltes in verſchiedenen Häfen an der deutſchen, däniſchen, norwegiſchen und britiſchen Küſte ausgeführt. Die Beobachtungen erſtreckten ſich außer auf Tiefenmeſſungen auf Beſtimmung der Temperatur und Humboldt. — Juni 1889. des ſpecifiſchen Gewichtes des Waſſers an der Oberfläche und auf dem Meeresboden ſowie ſeiner Durchſichtigkeit. Die Lotungen konnten bei dem flachen Waſſer (die größte gemeſſene Tiefe betrug 102 m) alle mit dem gewöhnlichen Bleitieflot angeſtellt werden, nur zu Verſuchszwecken fanden gleichzeitig noch beſondere Tiefenmeſſer Verwendung, die Waſſertemperaturen wurden durch das bekannte Umkehr⸗ thermometer Negretti-Zambraſcher Konſtruktion, das ſpeci⸗ fiſche Gewicht mittelſt Aräometer beſtimmt. Zu den Unter- ſuchungen über die Durchſichtigkeit des Waſſers wurde eine weiß gemalte Segeltuchſcheibe von 2 m Durchmeſſer benutzt, indem dieſelbe bei ſtillliegendem Schiff auf der Schattenſeite desſelben an einer Lotleine verſenkt und die Tiefe beſtimmt wurde, bis zu welcher ſie dem Auge ſichtbar blieb. Die Oberflächentemperatur des Waſſers variiert naturgemäß mit der Lufttemperatur, im Auguſt lag dieſelbe ſowohl in der Oſt⸗ wie Nordſee zwiſchen 14° und 17° C., während die Temperatur am Meeresboden der Oſtſee — in der Nordſee iſt dieſelbe nicht gemeſſen — von 3,7“ bis 5,9“ ſchwankte; die letztere nahm von Weſten nach Oſten ab ohne ſichtbaren Grund — die Tiefen waren unweſentlich verſchieden — die Oberflächentemperatur des Waſſers bei den Meſſungen war im Oſten ſogar noch etwas höher als im Weſten. Das ſpeeifiſche Gewicht des Waſſers an der Ober— fläche zeigte die bekannte Abnahme mit dem Fortſchreiten nach Oſten, und zwar von 1,0064 bis 1,0052, während das Nordſeewaſſer unregelmäßiger hin und her ſchwankte zwiſchen den Grenzen 1,0252 und 1,0270. Die in ge⸗ nannter Weiſe über die Durchſichtigkeit des Waſſers an⸗ geſtellten Beobachtungen ergaben ſehr verſchiedene Werte der Sichttiefen von 3,5 bis 22 m; das geringſte Maß der Durchſichtigkeit, 3,5 bis 4,5 m, zeigte das Waſſer in dem Hafen von Kiel und auf der Rhede von Cowers, welches durch Zuflüſſe vom Lande und durch den Schiffsverkehr wahrſchein— lich am meiſten verunreinigt war, die größten Werte wurden in der Iriſchen See erreicht, wo die Scheibe bis zu einer Tiefe von 17—22 m ſichtbar blieb, während das Maximum der Sichttiefe in der Oſtſee (Kieler Föhrde) 16 m betrug. An Tiefſeelotungen im Atlantiſchen, In⸗ diſchen und Stillen Ocean iſt die Meereskunde durch amerikaniſche und britiſche Kriegsſchiffe bereichert worden. Das amerikaniſche Schiff „Albatroß“, unter Kommando des Lieutenant-Kommander Tanner, hat auf der Reiſe von New Pork nach San Francisco eine ganze Reihe von Tiefenmeſſungen, allerdings der Mehrzahl nach in der Nähe der Küſte und ſomit auf verhältnismäßig flachem Waſſer ausgeführt, an der nordamerikaniſchen Küſte zwiſchen der Cheſapeakebai und der Bucht von New York, zwiſchen den Kleinen Antillen, an der Atlantiſchen Küſte Südamerikas entlang bis zur Magellanſtraße, in der letzteren und weiter im Stillen Ocean an der Weſtküſte des ſüdamerikaniſchen Kontinents bis Panama, von hier nach den Galapagosinſeln und an der Küſte von Mexiko und Kalifornien entlang. Auf der letzteren Tour wurde nach einer in den Karten auf ca. 4° nördlicher Breite und 85,5 weſtlicher Länge eingezeichneten Untiefe (Rivadinera), über deren Exiſtenz Zweifel obwalteten, geforſcht, dieſelbe jedoch nicht gefunden, vielmehr an der betreffenden Stelle und in ihrer unmittelbaren Nähe 3442, 3030 und 3153 m Waſſertiefe gelotet. 229 In Ergänzung der oben genannten ſtellte das ameri— kaniſche Schiff „Blake“, Kommandant Lieutenant Pillsburg, zwiſchen und bei den Antilleninſeln, „Alliance“ unter Kommando des Kommanders Pigman an der oftpatago- niſchen Küſte, das ebenfalls amerikaniſche Schiff „Swatara“, Kommander John Me. Gowan, an der Küſte Braſiliens Lotungen an. Von den letzteren haben ein beſonderes Intereſſe die auf und bei der in 18° ſüdlicher Breite und 36° weſtlicher Länge liegenden Hotſpurbank gewonnenen Tiefenmeſſungen, durch welche konſtatiert wurde, daß ſich die Bank in der Richtung Oſt-Weſt bedeutend weiter aus- dehnt, als in den Karten verzeichnet, wie dies bereits vor Jahren durch den Kommander Rodjers berichtet worden iſt. Das britiſche Schiff „Egeria“, Kommandant Kapitän Pelham Aldrich, hat im Indiſchen und Stillen Ocean in bedeutenden Tiefen oceanographiſche Beobachtungen, nicht nur Tiefenmeſſungen, ſondern auch Temperaturbeſtim⸗ mungen von der Oberfläche bis zum Meeresboden aus- geführt. Die gemeſſenen Tiefen des Indiſchen Oceans liegen zwiſchen 1778 und 5651 m, die letztere größte Tiefe fällt in 15° 38“ nördlicher Breite und 93° 53“ öſtlicher Länge, bei einem aus Radiolarienſchlamme beſtehenden Meeresboden und einer Grundtemperatur von 1,6“ C. Die Beobachtungsroute der „Egeria“ erſtreckte ſich vom Kap Guardafui nach der Nordweſtſpitze von Java und von hier nach der Chriſtmasinſel und den Kokos oder Keelinginſeln; dieſe beiden noch wenig bekannten Inſel⸗ gruppen wurden beſucht und daſelbſt intereſſante und wertvolle Forſchungen über die Natur des Landes angeſtellt. Von den Kokosinſeln ging es ſüdweſtlich bis auf ungefähr 90° öſtlicher Länge, dann weſtlich auf dem 20. Breiten- parallel entlang nach Mauritius, von hier ſüdwärts bis zu ungefähr 37° ſüdlicher Breite und 51“ öſtlicher Länge, dann oſtwärts, bei den Inſeln St. Paul und Amſterdam vorbei und an der Südküſte Auſtraliens entlang. Auf dieſer Route wurden von Java an in Intervallen von ca. 150 Seemeilen Beobachtungen angeſtellt, während ſie auf der erſten Strecke zwiſchen Kap Guardafui und Java ſpärlicher ſind. Im ſüdlichen Stillen Ocean hat die „Egeria“ zwei Tiefen gefunden, welche alle bisher daſelbſt geloteten über— treffen, und zwar ſüdlich der Freundſchaftsinſeln in 24° 37“ ſüdlicher Breite und 175° 8“ weſtlicher Länge 8101 m und ungefähr 12 Seemeilen ſüdlich von dieſer Stelle eine zweite Tiefe von 7855 m. Die größte bisher auf der ſüdlichen Hemiſphäre bekannte Tiefe betrug 5523 m; dieſelbe wurde von der deutſchen Korvette „Ga— zelle“ im Indiſchen Ocean erlotet. Auch auf der nörd— lichen Erdhalbkugel gibt es nur drei Meerestiefen, welche die von der „Egeria“ gemeſſenen überſteigen, nämlich 8513, 8341 und 8174 m, von denen die erſten beiden in den Stillen, die dritte in den Atlantiſchen Ocean fallen. Nicht weit von der obigen Stelle machte die „Egeria“ die Entdeckung, daß ein daſelbſt gelegenes, früher über Waſſer emporragendes Riff verſchwunden war. Dasſelbe war im Jahre 1861 vom Kommodore Seymour in 22° 57“ ſüdlicher Breite und 176° 25’ weſtlicher Länge entdeckt und nach dem von ihm befehligten Schiffe Pelorus— riff genannt. Von demſelben war nichts mehr zu ſehen, nur deutete an der Stelle eine hellgrüne Waſſerfarbe auf 230 flaches Waſſer, was daſelbſt auch gefunden wurde, jedoch fielen die flachſten Stellen eigentümlicher Weiſe nicht in das hellgefärbte Waſſer, ſondern daneben in dunkleres. Die geringſte Tiefe betrug 25,5 m, der Meeresboden be⸗ ſtand aus lockerer Aſche und vulkaniſcher Schlacke. Der hieraus gezogene Schluß des Kapitäns Aldrich, daß die Untiefe ſich infolge vulkaniſcher Eruption aus dem Meeres- boden erhoben und dabei ſich auf der Spitze derſelben die angegebenen lockeren Beſtandteile abgelagert, letztere aber durch die Wirkung der Wellen allmählich abgeſpült ſeien, erſcheint durchaus berechtigt. Die umgekehrte Entdeckung, d. h. die Entdeckung einer neuen Klippe, iſt im Atlantiſchen Ocean ſüd⸗ lich der Azoren im November vorigen Jahres von dem italieniſchen Schiff „Savina“ gemacht. Dieſelbe, auf 37° 20,5“ nördlicher Breite und 31° 47,5“ weſtlicher Länge liegend, ragt etwa 5 m über Waſſer empor und hat die Form eines Kegels. Aus dem Bismarck-Archipel und dem Kaiſer Wilhelms-Land find Nachrichten eingegangen“) über eine Flutwelle, welche die Küſten jener deutſchen Schutz⸗ gebiete am 13. März v. J. heimgeſucht hat und der leider zwei deutſche Forſcher, von Below und Hunſtein, zum Opfer gefallen ſind. Dieſelben lagerten in der Nacht vom 12. auf den 13. März am Weſtſtrande Neu⸗Pommerns und ſind daſelbſt von der gegen Morgen vor Tagesanbruch hereinbrechenden Flutwelle überraſcht worden. Von dem Lagerplatz war außer einigen abgeſchnittenen Bambus⸗ ſtämmen keine Spur mehr zu finden; Seeſand, Steine und Geröll bedeckten den Strand. Nach den angeſtellten Meſſungen hatte die Flutwelle eine Höhe von 12 m; ſie ) Nachrichten über Kaiſer Wilhelms⸗Land und den Bismarck⸗Archipel 1888, Heft III. Humboldt. — Juni 1889. hat die dicht bewaldete Küſte in einer Breite von ca. 1 Km vollkommen glatt raſiert, teilweiſe verſumpft und mit Baum⸗ ſtämmen, Seeſand und Korallenfelſen bedeckt. In Hatz⸗ feldt-Hafen drang um 6 Uhr 40 Minuten morgens eine Flutwelle aus Norden ein, welche 2 m über die höchſte Flutmarke ſtieg, dann zurückweichend das ganze Waſſer des Hafens mit ſich zog, worauf regelmäßige ſtarke Niveau— ſchwankungen folgten, die bis zum Abend anhielten. Un⸗ gefähr um dieſelbe Zeit wurde die Erſcheinung an dem Stationsort Kelana bei Kap König Wilhelm beobachtet; hier folgten 20 Wellen auf einander in Intervallen von etwa drei Minuten; die vierte Welle war die größte; ſie drang 35 Fuß ins Land ein. An der Südoſt- und Nordſeite von Matupi traten von 8 bis 11 Uhr vormittags Niveauſchwankungen bis zu 15 Fuß über und unter dem normalen Waſſerſtand auf. Ein in Habfeldt-Hafen vor dem Eintreten des Er⸗ eigniſſes gehörtes ſchußartiges Getöſe in nordnordöſtlicher Richtung und die Meldung aus Natupi, daß das Waſſer in ſeinen Tiefen aufgerührt ſchien, trüb ausſah und ſchmutzigen Schaum trug, legen die Vermutung nahe, daß wir es hier mit einer ziemlich bedeutenden unterſeeiſchen vulkaniſchen Eruption zu thun haben, welche zwiſchen Neu⸗ Guinea und dem Bismarck-Archipel ſtattgefunden hat. Dieſe Vermutung wird beſtärkt durch zwei Meldungen aus Arica und Sidney über außergewöhnliche Wellenbewegungen. In Sidney markierten dieſelben ſich vom 15. bis 17. März am ſelbſtregiſtrierenden Pegel, in Arica drangen am 14. März gegen 5 Uhr nachmittags vier raſch auf einander folgende hohe Wellen auf die Küſte herein, welche unter den dort zu Anker liegenden Schiffen großen Schaden an⸗ richteten. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß dieſe Erſchei⸗ nungen mit jenem Seebeben in Zuſammenhang ſtehen. Kleine Mitteilungen. Cichterſcheinungen durch mechaniſche Einwir⸗ kungen. Eine namentlich an anorganiſchen Subſtanzen (Borſäure, Flußſpat, Steinſalz u. ſ. w.), aber auch an Kohlenſtoffverbindungen, wie Weinſäure und Zucker beob⸗ achtete, jedoch noch nicht genügend aufgeklärte Eigen⸗ ſchaft feſter Körper iſt das Leuchten infolge mechaniſcher Einwirkungen, wie Zerbrechen oder Zerſtoßen. Einige hochmolekulare Benzolderivate, welche Krafft (Ber. 21. 2266) neuerdings dargeſtellt hat, zeigen dieſe Erſcheinung in aus⸗ gezeichneter Weiſe. Dieſe Körper gehören der Klaſſe der Ketone an und werden durch Behandlung der Chloride höherer Fettſäuren mit Benzol oder Toluol bei Gegenwart von Aluminiumchlorid dargeſtellt. So entſteht aus dem Chlorid der Palmitinſäure und Toluol das Pentadecyl⸗ paratolylketon C15 Hg. CO CHI. CHz, aus dem Chlorid der Stearinſäure und Toluol das Heptadecylparatolylketon Cy7H35-COCgHy.CH3. Schmilzt man eine von dieſen Sub⸗ ſtanzen auf warmem Waſſer in einer Porzellanſchale zu einer mehrere Millimeter dicken Schicht und kühlt die Schale durch Einſetzen in kaltes Waſſer ab, ſo begibt ſich in der Regel der größere Teil der Subſtanz als mikro⸗ kryſtalliniſche harte Kruſte an die Wandungen der Schale. Wenn man nun die wiedererſtarrte Subſtanz zerbricht oder zerſchneidet, ſo hat dies eine ſo intenſive Lichterſcheinung an den Trennungsſtellen zur Folge, daß man im dunkeln oder halbdunkeln Raume den Eindruck eines lebhaften Funkenſprühens erhält. Die kleinſten Fragmente beſitzen ſelbſt nach mehrwöchentlichem Liegen dieſe Eigenſchaft noch; ebenſo übrigens auch das trocken geſchmolzene und wieder⸗ erſtarrte Keton. Man hat es hier in ſehr ausgeprägter Form mit einer Erſcheinung zu thun, die in früherer Zeit weit mehr Beachtung gefunden hat, als in den letzten Jahren. Schon 1811 wurden derartige Lichterſcheinungen von Hein⸗ rich als Folge aufgehobener Kohäſion betrachtet und mit dem Namen „Trennungslicht“ bezeichnet. Gmelin äußerte ſich 1844 dahin, daß die meiſten farbloſen oder ſchwach gefärbten ſtarren Körper beim Reiben oder Schlagen leuchten, und für „Lichtentwickelung durch mechaniſche Ge⸗ walt“ zählt er in ſeinem Handbuch eine Reihe mehr oder weniger bekannter Beiſpiele auf. Wie oben erwähnt, be⸗ ſitzen wir indes für dieſe Erſcheinung bis jetzt keine hin⸗ reichende Erklärung. Al. Entwickelung von Chlor bei der Darſtellung von Sauerſtoff aus Kaliumchlorat. Es iſt bekannt, daß die Entwickelung von Sauerſtoff aus Kaliumchlorat durch Zu⸗ ſatz gewiſſer Subſtanzen wie Braunſtein oder Eiſenoxyd weſentlich beſchleunigt wird. In allen dieſen Fällen iſt aber der gewonnene Sauerſtoff chlorhaltig. Nach F. Bel⸗ lamy (Mon. scientifique [4.] 1. 1145) ſtehen beide Erſchei⸗ nungen in urſächlichem Zuſammenhange. Alle Subſtanzen, welche die Zerſetzung des Chlorats begünſtigen, ſind ſaurer Natur oder vermögen nach Aufnahme von Sauerſtoff die Rolle von Säuren zu ſpielen, wie die Oxyde von Mangan, Humboldt. — Juni 1889. 231 Eiſen, Kobalt und Nickel; andere wieder verdanken ihre Wirkſamkeit fremden Beimengungen ſaurer Natur, wie Colcotar, welches oft baſiſches Sulfat enthält. Die Super⸗ oxyde geben abwechſelnd Sauerſtoff ab und nehmen wieder Sauerſtoff auf. Aus Manganſuperoxyd bildet ſich bei- ſpielsweiſe vorübergehend übermanganſaures Salz, indem Chlor frei wird: KCIO03 + MnO) = KMnO, + O + Cl. Wird dagegen das Chlorat mit einem baſiſchen Oxyd, mit Kalk, Magneſia oder Natron verſetzt, ſo beobachtet man keine Entwickelung von Chlor aber auch keine beſchleunigte Zerſetzung des Chlorats. Al. Chlorſinallgas. Mit Hilfe eines Stromes von zwei Bunſenſchen Elementen kann nach M. Roſenfeld (Ber. 20. 1154) eine ſehr ergiebige Entwickelung von Chlorknallgas erzielt werden, wenn man eine Miſchung gleicher Volumina Salzſäure und Waſſer, welche in der Hitze mit Kochſalz geſättigt wurde, elektrolyſiert. Der Elektrolyt befindet ſich in einem Cylinder, welcher von einem Mantel umgeben iſt, durch den während der Elektrolyſe Waſſerdampf hin- durchgeleitet wird. Die Gasentwickelung iſt ſo lebhaft, daß ſchon nach wenigen Minuten eine an dem Ableitungs— rohr befeſtigte Glaskugel zur Exploſion gebracht werden kann. Die Hofmannſche Kugelröhre, mit welcher der ex— perimentelle Beweis ausgeführt wird, daß ſich Chlor und Waſſerſtoff ohne Volumveränderung miteinander vereinigen, iſt nach zehn Minuten langem Einleiten vollſtändig mit Chlorknallgas gefüllt. Die Wirkung des Lichtes bei der Vereinigung von Chlor und Waſſerſtoff iſt Gegenſtand einer eingehenden Unter— ſuchung von E. Pringsheim (Ann. Chem. Phyſ. 32, 384). Wir entnehmen derſelben folgendes: Bei ſtarker aber kurz andauernden Belichtung, namentlich mittels des elektriſchen Funkens, iſt die erſte Wirkung des Lichtes eine plötzliche Volumvermehrung des Gasgemiſches, welche nach der Be— lichtung ebenſo ſchnell wieder verſchwindet. Die Größe der Volumvermehrung iſt proportional der Intenſität des Lichtes. Die Volumvermehrung iſt unabhängig von dem Zuſtande, in welchen das Knallgas durch etwa vorange— gangene Belichtung gebracht worden iſt, und ebenſo von der Menge der gebildeten Salzſäure. Wenn eine Reihe elektriſcher Funken das Gemiſch beleuchtet, ſo entſteht Salz— ſäure mit wachſender Geſchwindigkeit, und das Volum ver— mindert ſich kontinuierlich, weil die Säure von dem als Sperrflüſſigkeit benutzten Waſſer aufgenommen wird. Da⸗ neben beobachtet man aber bei jedem Funken die momentan vorübergehende Volumvermehrung. Bei einmaliger kurz andauernder Belichtung mit nicht zu ſtarker Intenſität er⸗ ſcheint das Volum nach der vorübergehenden Vergröße— rung ungeändert, zum Zeichen, daß Salzſäure in merklicher Menge nicht gebildet wurde. Die momentane Volum⸗ vermehrung rührt wahrſcheinlich nicht von einer Erwär⸗ mung des Gaſes durch die abſorbierte Lichtenergie her, ſon— dern iſt vermutlich die Folge der Bildung einer unbekannten Zwiſchenſubſtanz durch Einwirkung des vom Lichte dis— ſociierten Chlors auf den Waſſerdampf. Dieſe Zwiſchen⸗ ſubſtanz bildet in einem weiteren Stadium des Vorganges mit dem Waſſerſtoff Salzſäure unter Rückbildung von Waſſer. Die Beteiligung des Waſſerdampfes folgt aus einigen weiteren Beobachtungen. Wenn man Chlorknall⸗ gas mit möglichſt konzentrierter Chlorwaſſerſtofflöſung ab— ſperrt, anſtatt mit reinem Waſſer, ſo iſt die Wirkung des Lichtes bereits 50 mal geringer, und möglichſt trockenes Knallgas iſt gegen nicht ſehr intenſives Licht unempfind— lich. Durch Einwirkung ſehr ſtarker Lichtquellen kann je⸗ doch trockenes Chlorknallgas ebenſo zur Exploſion gebracht werden wie feuchtes. Al. Reinigung von Queckſilber. In Luft und Waſſer behält Queckſilber, wenn es rein iſt, ſeinen metalliſchen Glanz, iſt es aber durch fremde Metalle verunreinigt, ſo überzieht es ſich allmählich mit einer grauen Haut. In⸗ dem man nun durch das Queckſilber längere Zeit Luft hindurchleitet, kann man dasſelbe von ſeinen Beimengungen befreien. Für 20 kg Queckſilber genügt ein 48ſtündiges Durchleiten. Die fremden Metalle finden ſich vollſtändig in dem gebildeten Oxyd, und das ſo behandelte Queckſilber verändert ſich nicht mehr an der Luft. Al. Das Funſteln und Farbenwechſeln der Hixfterne als Wetterprognoſe. Bekanntlich ſind die genannten beiden Erſcheinungen um fo ſtärker, je tiefer der Fixſtern ſteht. Denn der Strahl des Sterns trifft dann auf häu⸗ figeren Dichtigkeitswechſel der Luft als in den hohen Schichten der Atmoſphäre, muß alſo auch häufiger ſeine Richtung verändern. Der Farbenwechſel wird von manchen beſtritten, er ſcheint noch von anderen Umſtänden abzuhängen, mehr ſubjektiv zu fein. Der Sirius, der überall als weiß be- zeichnet wird und den ich jetzt auch ſo ſehe, erſchien mir vor 40 Jahren nur grün und rot ſchillernd. In einer etwas poetiſch angeregten luſtigen Geſellſchaft von jungen Herren und Damen wanderte ich damals eines Abends nach Hauſe, machte auf den genannten Farbenwechſel aufmerk— ſam und erklärte ihn für ſubjektiv. Da man das Objek⸗ tive für ſchöner hielt, ſo wurde beſchloſſen, jeder ſolle den Wechſel ausrufen, den er ſähe, und man erwartete, daß alle gleichzeitig grün und dann gleichzeitig rot im Chore rufen würden. Da aber völlige Verwirrung entſtand, war die Sache entſchieden. Offenbar iſt aber zur Wahrnehmung des Farbenwechſels junges, feuriges Blut nötig; der Farben- wechſel wird demnach als ſubjektiv wenig brauchbar zur Prognoſe ſein. Dagegen beobachtet wohl jeder, daß die Erſcheinung mit Luftzuſtänden, mit dem Wetter ſich ändert. Sagt ja ſchon der alte Littrow: „Ein heftiges Funkeln der Sterne iſt nach Kämtz ein Vorbote ſtürmiſchen Wetters.“ Montigny hat nun auf dem Brüſſeler Obſervatorium nach langjährigen Beobachtungen feſtgeſtellt: Drei Stunden vor einem Sturm iſt Glitzern und Farbenwechſel ungemein ſtark, ſo daß hierdurch eine beſſere Sturmprognoſe als die meteorologiſche gegeben iſt. Es ſcheint dies auch ganz natürlich, da das Herannahen eines Minimums ſtarke Dichtigkeitswechſel der Luftſchichten hervorbringt, die ja das Funkeln erzeugen. R. Neue Saturnringe. Eine merkwürdige, allerdings anderweitig noch nicht beſtätigte Beobachtung hat Dom Lamey, Direktor der Priorei St. Jean in Grignon, in der Nähe des Saturn gemacht. Schon 1868, als er dieſen Planeten in Straßburg mit einem vierzölligen Re— fraktor beobachtete, glaubte er jenſeits des bekannten Ring- ſyſtems, welches den Saturn umgibt, mehrere leuchtende Ringe zu bemerken, und ſeit dem 12. Februar 1884 iſt es ihm in der klareren Luft der Sternwarte von Grignon mit einem Refraktor von 16 em Oeffnung wiederholt ge— lungen, dieſe Objekte zu ſehen. Es ſind ſeiner Mitteilung an die Pariſer Akademie (Comptes rendus) zufolge vier gut begrenzte, elliptiſch erſcheinende Ringe, welche den Saturn in dem Raume zwiſchen dem bekannten äußerſten Ringe und dem fünften Monde, Rhea, umgeben. Die Halbmeſſer der Mitten der hellſten Regionen derſelben ſind 2,45 + 0,05, 3,36 + 0,02, 4,90 + 0,50 und 8,17 + 0,23. Am hellſten ijt der dritte, die Bahn des dritten Mondes, Tethys, berührende, am ſchwächſten der vierte, zwiſchen den Bahnen des vierten und fünften Mondes, Dione und Rhea, gelegene Ring. Dieſe Ringe ſind ſelten in ihrem ganzen Umfange ſichtbar, aber nicht ſelten überſtrahlen ſie an Glanz den nächſten Mond, und da ſie überhaupt in der Nähe eines Mondes am hellſten erſcheinen, ſo kann man die Beobachtungen nicht wohl als Kontraſtwirkungen erklären. Wie Lamey angibt, haben übrigens auch zwei ſeiner Gehilfen dieſe Gebilde geſehen. G—l. Einfluß des Kampferwaſſers auf die Keimkraft der Samen. Vogel hatte 1873 behauptet, daß Kampfer im Stande ſei, Samen, welche durch langes Liegen in ihrer Keimkraft ſtark gelitten hatten, ihre Keimkraft wieder zu verleihen und den Keimungsprozeß zu beſchleunigen. So- gar Samen, welche unter normalen Verhältniſſen überhaupt nicht mehr keimten, ſollten durch Kampfer ihre Kraft wieder 232 erlangen. Wilhelm und Nobbe wiederholten die Vogel'ſchen Verſuche und gelangten zu dem Reſultat, daß Kampferwaſſer die Keimfähigkeit vermindere. Nun hat Burgerſtein (Landw. Verſuchsſtation XXXV. S. 1) Verſuche mit 1600 Samen an⸗ geſtellt und gefunden, daß eine vierundzwanzigſtündige Quellung in Kampferwaſſer ſowohl bei gut als ſchlecht kei— menden Samen (gegenüber deſtilliertem Waſſer) die Keim⸗ prozente vermindert und den Keimprozeß verzögert; auch das Längenwachstum wurde gehemmt. Meiſt wird ſogar ſchon durch zwölfſtündige Aufnahme von Kampferwaſſer die Keimkraft geſchwächt. Bei ein- bis ſechsſtündiger Quell⸗ dauer ließen von 27 Keimverſuchen 8 eine Beſchleunigung, 9 eine Verzögerung der Keimung erkennen; in 10 Fällen war ein Unterſchied gegenüber deſtilliertem Waſſer nicht er⸗ kennbar. Keimten die Samen in Kampferwaſſer ſchneller als in deſtilliertem, ſo entwickelten ſich in der Regel auch deren Keimlinge ſchneller und umgekehrt. Dieſe Beobachtungen beziehen fic) aber nur auf die erſten 8—14 Tage. Eine Wiederbelebung der Keimkraft durch Kampferwaſſer bei Samen, welche dieſelbe verloren hatten, konnte niemals konſtatirt werden. D. Den Druck, welchen quellende Samen ausüben, hat Gréhant (Compt. rend. Soc. Biol. 1888, 8. V. 850) zu meſſen verſucht. Er füllte Bohnen in eine Flaſche, welche einen mit Queckſilber gefüllten Kautſchukballon ent⸗ hielt, aus dem eine 2 m lange Röhre hervorragt. Bei feſtem Verſchluß der Flaſche zirkulierte ein Waſſerſtrom zwiſchen den Bohnen. Nach 24 Stunden war das Queckſilber aus dem Ballon herausgedrückt: die Flaſche war zertrümmert. Die quellenden Bohnen hatten alſo den Druck einer 2 m hohen Queckſilberſäule überwunden. Bei einem anderen Ver⸗ ſuch enthielt der Kautſchukballon Waſſer und das Rohr führte zu einem Bourdon'ſchen Manometer, welches nach 24 und 48 Stunden in einem Fall 4, in einem andern 5 Atmoſphären anzeigte. Dieſer Druck erhielt ſich mit ge⸗ ringer Abnahme einige Tage. Getreidekörner ergaben bei Quellung einen Druck an kaum 0,1 Atmoſphäre. D. Der Japantalg, welcher aus dem Fruchtfleiſch, dem Meſokarp, von Rhus succedanea L. gewonnen wird, it ſeit Eröffnung der japaniſchen Häfen im Jahr 1854 Handels⸗ artikel geworden; er wird nach China, Amerika, London, Hamburg, auch nach Holland und Frankreich exportiert und Humboldt. — Juni 1889. zur Kerzenfabrikation, auch als Erſatz des Bienenwachſes benutzt. Seine Neigung, ranzig zu werden, hat die dauernde Verwendung in der Pharmacie ausgeſchloſſen. Der Japan⸗ talg beſteht weſentlich aus Palmitin und enthält nach Eber⸗ hardt (Inauguraldiſſertation, New-⸗York 1888) außerdem eine der Oxalſäurereihe angehörende Säure CygHy, (00092 ſowie Iſobutterſäure, die den üblen Geruch des ranzigen Fettes bedingen dürfte, und unverſeifbare Subſtanzen von vaſelinartiger Beſchaffenheit. Als Schmelzpunkt fand Eber⸗ hardt 52 — 530. D. Hymenoconidium petasatum Zuwkal, die neue kürzlich in dieſer Zeitſchrift erwähnte merkwürdige Pilz⸗ form von den faulenden Blättern und Früchten der Olive, ſcheint einer Mitteilung von V. Fayod zufolge nur ein Jugendzuſtand des am gleichen Orte wachſenden Maras- mius hygrometricus Brig. zu ſein. Das vermeintliche Conidienlager auf der oberen Hutſeite ſoll die erſte An⸗ lage der Cuticula der Hutoberfläche darſtellen. Letztere zeigt auch bei anderen Blätterpilzen (z. B. den von Brefeld abgebildeten Coprinus-Arten) die ſporenähnlichen Zellen. Greiz. Prof. Dr. F. Ludwig. Eine eigentümliche Anpaſſung an das Seben in Waſſerfällen und Stromſchnellen zeigen die Larven der Haarflüglergattung Grumichella, von welcher bisher eine Art in Braſilien bekannt war, zwei neue von einem jungen Braſilianer Julio Trajano de Moura im Orgelgebirge entdeckt worden ſind. Die Larven dieſer Gattung unter⸗ ſcheiden ſich von denen aller anderen Haarflügler da⸗ durch, daß ſie vor der Verpuppung nicht ihre Gehäuſe, ſondern deſſen Deckel an die Felſen der Waſſerfälle ꝛc. befeſtigen. Vor dem Auskriechen löſt das Inſekt den am Felſen zurückbleibenden Deckel und wird mit dem ſchützenden Gehäuſe von dem reißenden Waſſer fortgeführt, um dann an einer ruhigen Stelle auszuſchlüpfen. Die eine der von de Moura entdeckten Arten, welche Fritz Müller, dem ich auch Exemplare derſelben verdanke, Grumichella rostrata genannt hat, dürfte die zierlichſten unter allen bekannten Haarflüglergehäuſen überhaupt haben. Dieſelben ſind hornig ſchwarz glänzend, glatt, ſchwach kegelförmig, gekrümmt, mit ſtumpfem Ende, 9—10 mm lang, oben 1,5—2 mm breit. Der kreisrunde feſte Deckel iſt mit einem 3 mm langen Stiel verſehen. Greiz. Prof. Dr. F. Ludwig. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ete. Der achte Deutſche Geographentag tagte vom 24. bis 26. April in Berlin. Die erſte Sitzung wurde vom Miniſter von Goßler mit einer Anſprache er⸗ öffnet, worauf Profeſſor Freiherr von Richthofen Worte des Dankes und der Begrüßung ſprach und einen Rück⸗ blick auf die Geſchichte des Geographentages warf, der 1881 durch Nachtigall begründet wurde. Den erſten Vor⸗ trag hielt Dr. v. d. Steinen über Erfahrungen zur Entwickelungsgeſchichte der Völkergedanken. So mannigfaltig und formverſchieden auch die Typen des menſchlichen Geſchlechts zu ſein ſcheinen, ſo führte der Redner aus, ſo ſei doch von Sprachforſchung und Völker⸗ kunde gleichermaßen die Einheit und die gemeinſchaftliche Abſtammung der Menſchheit anerkannt. Um jo verwunder⸗ licher müſſe es erſcheinen, daß ſowohl die Linguiſtik wie die Ethnologie von vornherein durchaus nicht Beweiſe für dieſe Einheit erbrächten. Seitdem die vergleichende Sprach⸗ forſchung aus dem kindlichen Alter herausgetreten ſei, ſchließe ſie aus dem zufälligen Gleichklang zweier Worte in den Sprachen zweier räumlich getrennter Völker durch⸗ aus nicht mehr auf deren Verwandtſchaft, ſondern erkläre ſolche Uebereinſtimmung als das Ergebnis derſelben Ort⸗ und Zeitverhältniſſe in den betreffenden Ländern. Auch die Ethnologie ſchließe aus der Gleichheit der ver⸗ ſchiedenen Völker verſchiedener Erdteile nicht mehr darauf, daß dieſe Völker verwandt ſeien. Ein Beweis dafür, wie ganz komplizierte Gedankenreihen in ganz verſchiedenen Völ⸗ kern ſich gleichartig entwickeln können, ſei z. B. die Ge⸗ ſchichte des Schwirrholzes. Dies ovale, an einer Schnur befeſtigte Stück Holz, das durch die Luft ſchwirrend, einen brummenden Ton von ſich gibt, iſt bei uns nur noch ein Spielzeug für Kinder. Der Redner hat es aber bei ver⸗ ſchiedenen Stämmen im Innern Braſiliens auf die mannig⸗ faltigſte Art in Gebrauch gefunden. Von einem bloßen Muſikinſtrument, das beim Tanzen geſchwungen wird, hat Humboldt. — Juni 1889. 233 es ſich bet verſchiedenen Stämmen zu einem Gegenftande religiöſer Verehrung entwickelt und man glaubt, daß Frauen, die es erblicken, ſterben müſſen. Je mehr man nämlich die Frauen vom Tanze ausſchloß, deſto mehr galt das Brummen des beim Tanz geſchwungenen Holzes als eine Warnung für die Frauen, ſich zu entfernen, und führte ſchließlich zu abergläubiſcher Furcht. Auf die gleiche Weiſe war es auch ſchon bei den alten Dionyſosfeſten in Gebrauch und doch wird niemand daraus auf eine direkte Verwandtſchaft zwiſchen Griechen und Indianern ſchließen. Der Umſtand aber, daß ſo ähnliche Bräuche ſich bei verſchiedenen Völkern entwickeln, ſpricht für ihre innere Verwandtſchaft. Man muß daher auch nicht immer nach einem „Erfinder“ ſuchen. Es gibt z. B. keinen Erfinder des Feuers. Die Schimu— Indianer, welche tagelang bei ihren Arbeiten die uns ungewohnte Arbeit des Bohrens und Quirlens betreiben, entdeckten, daß beim Quirlen eines Holzes gegen ein anderes ſchließlich rauchendes Pulver abfliegt, welches Zunder in Brand verſetzt, lernten aber keine andere Art des Feuermachens. Andere Stämme kennen nur die Methode des Reibens zweier Hölzer gegeneinander, weil alltägliche Beſchäftigung ſie dazu geführt hat. Der Nutzen des Feuers wird ihnen durch Buſchbrände bekannt; an dem Fleiſch verkohlter Tiere lernten ſie die konſervierende Eigenſchaft des Feuers kennen. Gerade die Schimu— Indianer lehrten dem Redner, der ſie genau ſtudiert hat, auch die richtige Beurteilung anderer gemeinſamer Völker⸗ gedanken. Anfangs war er erſtaunt darüber, daß dieſe Menſchen nicht nur im Bilde, ſondern wirklich den Regen— bogen für eine Waſſerſchlange, die Sterne für Flöhe u. ſ. w. hielten, daß ſie glaubten, alle Dinge hätten einmal eine Sprache gehabt, ſelbſt die Fußſpuren der Menſchen. Dies läßt ſich folgendermaßen erklären: ſteht der Menſch noch auf dem Standpunkt des Tieres, ſo kennt er nur ein „Ich“, ſein eigenes. Wächſt ſeine Erkenntnis, lehrt ihn die Sprache Gedanken ſeines Mitmenſchen kennen, ſo ahnt er eine ſeiner eigenen gleiche Seele in jenem. In natür⸗ licher Uebertreibung aber glaubt er nun jedes außer ihm befindliche Ding mit einer Seele, ja mit einer Sprache begabt, und der Stein, der ins Waſſer fällt, ſcheint ihm wirklich „plumps“ zu ſagen; zum Bewußtſein, daß er über den Dingen ſteht, gelangt der Menſch erſt, wenn er ſelbſt Dinge anfertigen lernt. Mit der Erfindung der Werk⸗ zeuge kommt ihm erſt die Frage nach der Urſache der Dinge. Er kann nun ſelber ſchaffen und fragt daher jetzt: wer hat mich, wer hat die Welt geſchaffen? Dadurch kommt er zu der Vorſtellung eines höheren Weſens. Auch der Begriff des Todes kommt erſt mit dem Wachſen der Erkenntnis. Das Sterben iſt dem Naturmenſchen nur ein Uebergang in einen anderen Zuſtand, eine Verwandlung. Sein Unſterblichkeitsglaube iſt aber ohne jede ethiſche Betz miſchung. Auch die Vorſtellung eines höchſten Weſens iſt frei von allem Ethiſchen, Gott ſchafft die Welt mittels eines Werkzeuges, wie der Menſch die Dinge. Nach dem Urſprung des Werkzeuges wird nicht gefragt. Ethiſche Gedanken erweckt erſt die höhere Erkenntnis des Eigen— tums, welche Ackerbau und Viehzucht, Handel und Gewerbe mit ſich bringen. Dann entſteht die Religion und was man früher für wahr hielt, verlegt man jetzt in die Ver⸗ gangenheit. So bilden fic) Sagen und Märchen. Keines⸗ Humboldt 1889. wegs aber entſteht die Religion etwa aus dem Grauen vor den Naturkräften, das dem Naturmenſchen unbekannt iſt. Auch iſt die Kenntnis des Naturmenſchen oft größer als fein Erkenntnisvermögen. Kann der Schimu-Indianer z. B. nur bis zwei zählen, fo hat er doch eine erſtaunliche Kenntnis ſeiner Umgebung. Nur fehlen ihm alle höheren Begriffe. Er kennt jede Palmenart, hat aber keine Worte für den Begriff Palmen u. ſ. w. Auf jeden Fall muß die Forſchung zu dieſen Naturmenſchen herabſteigen und nicht bloß aus der Kenntnis indogermaniſcher Völker das Urvolk konſtruieren. So lehrt z. B. eine Vergleichung der Karaiben⸗ ſprachen, daß keineswegs Verbalwurzeln, wie die indo- germaniſchen Sprachen vermuten laſſen, die Urſtämme der Sprachen bilden. Der Indogermane muß ſich daran ge— wöhnen, im Buſchmann und im Botokuden das Urbild ſeiner eigenen Vergangenheit zu ſehen. Darauf gab Admiralitätsrat Dr. Neumeyer (Hamburg) eine Ueberſicht über das gegenwärtig vorliegende Material für erd- und weltmagnetiſche Forſchung. Nach einem Ueberblick über die zahlreichen Reiſen, welche in der letzten Zeit gerade dieſen Teil der Wiſſenſchaft gefördert haben, führte er an der Hand des vorliegenden Materials aus, daß die bisherigen, von Gauß, Weber und Ermann auf— geſtellten Theorien über Iſodynamen, Iſogonen und Iſo— klinen mit den 24 Gaußſchen Konſtanten nicht ganz in Einklang zu bringen ſeien, und daß an der Hand neuen Materials dieſe Theorien zu prüfen ſeien. In der zweiten Sitzung berichtete Profeſſor von Richt⸗ hofen über das für Nachtigall zu errichtende Denkmal und Profeſſor Kirchhoff über die Thätigkeit der Central— kommiſſion für wiſſenſchaftliche Landeskunde in Deutſchland. Es ging aus ſeinen Mitteilungen hervor, daß mit einem bisher unerhörten Eifer in allen deutſchen und vielen außerdeutſchen Ländern daran ge: arbeitet wird, bibliographiſche Ueberſichten über die Landes⸗ kunde der einzelnen Gegenden zu liefern, und er ſprach die Hoffnung aus, daß auch Oeſterreich nicht zurückbleiben werde. Sodann teilte der Redner mit, daß die Kommiſſion Dr. Hans Fiſcher und Dr. Uhle Unterſtützungen zu Forſchungszwecken gewährt und daß ſie dem Dr. Eſchert die Reiſekoſten vergütet habe zu einer erdmagnetiſchen Aufnahme des Harzes, welche Beobachtungen von all— gemeinem Intereſſe geliefert habe. Weitere umfaſſende Kartenaufnahmen der erdmagnetiſchen Verhältniſſe Nord- oſtdeutſchlands ſtehen in Ausſicht. Als eine wichtige Aufgabe betrachtet es ferner die Kommiſſion, die Richtig— ſtellung der Ortsnamen, welche auch auf den deutſchen Generalſtabskarten oft ungenau ſind, zu befördern, und ſetzt deshalb einen Preis von 400 Mark auf die beſte, bis zum 1. März nächſten Jahres eingelieferte Arbeit über Namen⸗ berichtigung der Berge und Ortſchaften des Deutſchen Reiches. Nach dieſem Bericht hielt Profeſſor Suphan (Gotha) einen eingehenden methodiſchen Vortrag über ſpecial⸗ geographiſche Litteratur. Ausgehend von dem Unterſchied zwiſchen allgemeiner und fpecieller Geographie, führte er aus, wie das Intereſſe ſich immer mehr der erſteren zuwende, während die letztere gegenwärtig nur langſame Fortſchritte mache. Er erörterte ferner, wie die Forſchung in der „allgemeinen Geographie“ ſich zu— 30 234 Humboldt. — Juni 1889. ſammenſetze aus einer beobachtenden und einer ſpekulativen Thätigkeit, während die ſpecielle Geographie nur auf Be⸗ obachtung beruhe, wenn ſie nicht etwa ſklaviſch ſich an vorhandene Quellen halte und nur kompilatoriſch zu Werke gehe. Doch ſieht der Redner einen weiteren Fortſchritt der ſpeciellen Geographie darin, daß von der Horographie die Horologie losgelöſt werde, d. h. man ſolle ſich nicht damit begnügen, eine geographiſche Oertlichkeit zu be⸗ ſchreiben, ſondern man ſolle den Einfluß derſelben auf die Bewohner ermitteln, ſoweit dies ſtreng kritiſch möglich iſt. Und wie die Weltgeſchichte etwas höheres ſei als eine bloße Zuſammenſtellung von Einzelgeſchichten, ſo könne auch, wenn man größere Ländergebiete ins Auge faſſe, eine große Wiſſenſchaft der Horologie entſtehen, welche, ohne in philoſophiſche Abſtraktion zu verfallen, etwas mehr ſei als ein bloßer Haufe von ſpeciellen Orts⸗ beſchreibungen. . Den letzten Vortrag hielt Profeſſor Richter (Graz) über eine beſſere Stoffverteilung in den Zeit⸗ ſchriften. Es ſollen die geographiſchen Zeitſchriften ſich darüber einigen, in welcher Weiſe ſie das Gebiet der Forſchung unter ſich verteilen können, ſo daß jede einzelne ein abgeſchloſſenes Gebiet für ſich erhält. Redner bean⸗ tragte, eine Kommiſſion von drei Mitgliedern zu wählen zur Vorberatung. Nach einer längeren, ſehr lebhaften Beſprechung ließ man die Wahl einer Kommiſſion fallen, namentlich da ſich die anweſenden Redakteure geographiſcher Zeitſchriften weigerten, einer ſolchen Kommiſſion beizu⸗ treten. Die Wahl des nächſten Verſammlungsortes wurde auf eine ſpätere Sitzung vertagt, doch lud Profeſſor Penck aus Wien ſchon jetzt die Verſammlung ein, die nächſte Sitzung, falls dieſelbe im Jahre 1891 erſt ſtatt⸗ finden ſollte, in Wien abzuhalten. Auch die für dieſe Sitzung geplante Statutenänderung wurde vertagt. In der dritten Sitzung ſprach Profeſſor Penck (Wien) über das Endziel von Eroſion und Denudation. Von den geiſtvollen Ausführungen des Redners waren namentlich ſeine Exemplifizierungen auf unſere größeren Flüſſe, wie Rhein, Weichſel rc., von allgemeinerem Intereſſe. Daß ſogenannte Wildwaſſer, Flüſſe mit großem Gefälle, wie die Iſar, eine bedeutende mechaniſche Kraft ausüben, die ſich durch Eroſion und Denudation des Terrains kund⸗ gibt, iſt klar. Aber auch ſogenannte Stillwaſſer, wie Rhein, Weichſel, alſo Flüſſe mit geringem Gefälle, zeigen noch dieſe mechaniſche ſpülende und löſende Kraft, obwohl die erſtere beim Rhein etwa nur ein Zehntauſendſtel der ganzen Thätigkeit des Fluſſes ausmacht, bei Wildwaſſer dagegen ein Drittel. Der Fluß hört erſt auf, mechaniſch wirkſam zu ſein, zu erodieren und denudieren, in dem Augenblicke, in welchem er nicht mehr imſtande iſt, mit⸗ geführte kleinſte Schlammteilchen zu tragen. Waſſer mit zwei Decimeter Geſchwindigkeit in der Sekunde können noch Schlamm tragen, alſo auch noch mechaniſch wirken. Ein Gefälle von 16 mm pro Kilometer übt noch gerade eine kleine mechaniſche Wirkſamkeit aus, aber nur auf ſandigem Boden. Auf felſigem Boden müßte das Gefälle mindeſtens 40 mm pro Kilometer betragen. Hierbei iſt immer ein Fluß von 1 m Tiefe vorausgeſetzt. Bei Waſſern von geringerer Tiefe muß natürlich das Gefälle ein viel bedeutenderes ſein, wenn ſie noch erodierend wirken ſollen. Setzt man, um theoretiſch zu ſprechen und andere Einflüſſe außer acht zu laſſen, für die Thätigkeit der Flüſſe Aſiens eine hinlängliche Zeit an, ſo werden dieſelben imſtande fein, das ganze aſiatiſche Hochland bis auf ca. 100 m Meereshöhe abzutragen. Bei dieſer Denudation und Eroſion bildet ſich mithin eine Grenze des unterſten Denudations- Niveaus, da ſchließlich das Gefälle des Fluſſes zu gering wird, um die Denudation fortzuſetzen. An zweiter Stelle ſprach Profeſſor Dr. Brückner (Bern) über das Thema: „Inwieweit iſt das heutige Klima konſtant?“ Daß das Klima von der Tertiärzeit bis zur Eiszeit und von der Eiszeit bis heute ſich geändert hat, iſt zweifellos. Es fragt ſich aber, ob eine Klima⸗ änderung in hiſtoriſcher Zeit zu beobachten iſt. Die Ant⸗ wort darauf lautet verſchieden. Den Meteorologen iſt die Konſtanz des Klimas bis zu einem gewiſſen Grad Axiom, während die Geologen, Geographen, Hydrographen anderer Meinung ſind. In eine neue Phaſe trat der Streit zwi⸗ ſchen den beiden Richtungen, als man das meteorologiſche Material auf die Auf- und Abſchwankungen der Witterung in längeren Perioden zu unterſuchen begann. Da zeugen zunächſt die Gletſcherſchwankungen in den Alpen für eine Aenderung des Klimas. Der Wechſel in der Be- ſtandsmaſſe der Alpengletſcher geht Hand in Hand mit regenreichen und kalten, wie regenarmen und warmen Pe— rioden. Einen gleichen Wechſel dieſer Perioden ergeben hydrographiſche Unterſuchungen am Schwarzen Meer, am Kaſpiſchen Meer und an der Oſtſee, mit denen Perioden hohen und tiefen Waſſerſtandes zuſammenfallen. Meteoro⸗ logiſche Beobachtungen, die auf 600 meteorologiſchen und hydrographiſchen Stationen in 30 000 Beobachtungsjahren gemacht ſind, ergeben ein Bild der Klimaſchwankungen auf der ganzen Erde. Zunächſt ſind durch dieſelben die Schwan⸗ kungen des Regenfalles von Schottland über Mitteleuropa bis zur Oſtküſte der alten Welt und in Amerika feſtgeſtellt. Die bezüglichen Kurven ergeben, daß in dieſem Jahrhundert die 40er bis 50er Jahre regenreich waren, um 1860 eine trockene und um 1870 —80 bereits eine regenreiche Periode herrſchte. Wenn auch die Maxima und Minima dieſer Perioden nicht abſolut gleich ſind, ſo ſteht doch feſt, daß kein Maximum in ein Minimumgebiet fällt und umgekehrt. Ausgenommen ſind nur einige Gebiete, in Unteritalien, Sizilien, Südſpanien, die Oſtküſte Amerikas, die unter dem Einfluß des Atlantiſchen Oceans ſtehen. Je weiter die Schwankungen in das Innere des Kontinentes vordringen, um ſo mehr verſchärfen ſie ſich. Ein weiteres Material für die Klimaänderungen bieten neben der Dauer der Eis⸗ bedeckungen der einzelnen Flüſſe die direkten Temperatur⸗ kurven der einzelnen Jahre. Und dabei finden wir, daß ſich die Schwankungen der Temperaturkurven mit denen des Regenfalles decken. Dieſe Schwankungen laſſen ſich bis ins vorige Jahrhundert, für Rußland bis 1700, fiir das Kaſpiſche Meer ſogar bis 1685 verfolgen. Intereſſante beſtätigende Reſultate ergaben die Regiſter über die Termine der Weinernte in Frankreich und der Schweiz, die von 1550 an zahlreicher da ſind, ſo daß die Aufzeichnungen einer Nation die der anderen kontrollieren. In kühlen, feuchten Jahren iſt die Weinreife ſpät, in warmen trockenen früher. Dieſe Schwankungen fallen mit den großen Tem⸗ peraturſchwankungen zuſammen. Fragt man nun nach der * Humboldt. — Juni [889. * Endurſache dieſer Aenderungen und Schwankungen, fo läßt ſich nur für die des Regenfalles eine Erklärung in den Windverhältniſſen und ihren Aenderungen finden, die wiederum abhängig ſind vom Luftdruck. In trockenen Perioden iſt der Luftdruck auf dem Lande größer und ſteigert ſich bis zum Ueberdruck, deſſen Vermin— derung in den naſſen Jahren der kühlenden und be— feuchtenden Wirkung des Meeres größeren Einfluß ge— ſtattet. Die praktiſche Bedeutung der Klimaſchwankungen liegt auf der Hand, denn mit dem Steigen und Sinken der Flüſſe und Seen, mit Regenarmut und Regenreichtum hängt Handel und Verkehr, Hungersnot und üppiger Er— trag eng zuſammen. Im weiteren Verlauf der dritten Sitzungen ſprach Dr. Götz (München) über die dauernde Abnahme fließen— den Waſſers auf dem Feſtlande. Nach den neueſten Unterſuchungen der Waſſeraufnahmefähigkeit des Humus ſaugt derſelbe nicht weniger als 86 Prozent der Niederſchlags— menge des Jahres auf. Die Kulturarbeit alſo des Men— ſchen, durch die ein großer Teil des Humus erzeugt wird, trägt einen nicht geringen Anteil an der Verminderung des Waſſers. Unſere Bäche werden ſchwächer, unſere Quellen minder zahlreich, minder perennierend; aber die Erdober— fläche hält von dem aufgenommenen Waſſer eine hin⸗ reichende Menge feſt, daß die Gefahr, wir könnten aus- trocknen, auf Jahrtauſende hinaus noch fernliegt. In der vierten Sitzung ſprachen Dr. Wahnſchaffe (Berlin) über die Bedeutung des Baltiſchen Höhen— rückens für die Eiszeit, Dr. Schenk über Glacial— erſcheinungen in Südafrika und Dr. von Drygalsky (Berlin) über die Bewegungen der Kontinente zur Eiszeit undihren Zuſammenhang mit den Wärme— ſchwankungen der Erdrinde. Verſchiedene Anzeichen deuten darauf hin, daß in der präglacialen Zeit die Tem⸗ peratur eine höhere war als heute. Wenn nun die Cr- kaltung des Bodens begann, fo mußte dieſe eine Kon⸗ traktion bewirken. Ein Niederſinken unter der Laſt des Eiſes konnte dann als möglich erſcheinen. Dadurch wird die tiefe Lage der Länder unſeres Erdteils während und am Schluß der Eisperiode erklärt. Mit dem Abſchmelzen der Gletſcher begann eine Durchwärmung des Bodens, und da der Raum, den die geſunkene Scholle einnahm, kleiner war als derjenige, den ſie auf der Höhe eingenommen hatte, ſo waren die nunmehr eintretenden Ausdehnungen von um ſo größerer Wirkung. An der Beſprechung der letzten Vorträge beteiligten ſich namentlich Dr. Stapf und Profeſſor Penck und dann erhielt Dr. Hotz Linder (Baſel) das Wort, um über Ver⸗ wertung der Schulausflüge zu ſprechen. In warmen Worten empfahl er, den Schülern auch in der Geographie möglichſt einen Anſchauungsunterricht zu teil werden zu laſſen. Wie der Zoolog und der Botaniker, ſollte auch der Geograph mit ſeinen Schülern „Exkurſionen“ unternehmen. Vielleicht ließe ſich dies mit den eigentlich nur zur Er— holung dienenden Schulausflügen verbinden. In der Schweiz gebe es Stiftungen für Schülerausflüge. So beſitzt das Realgymnaſium zu Baſel ein Vermögen, deſſen Zinſen zu dem genannten Zwecke verwandt werden. Dort ziehe öfters ein Lehrer mit den Schülern für 8 und 14 Tage auf den 235 und Brot lebe und Ausflüge unternehme. Doch auch in beſcheidenerem Maßſtabe laſſe ſich viel erreichen. Auf Spaziergängen auch in minder von der Natur begünſtigten Gegenden könne der Lehrer an Flußläufen oder an Berg und Thal, an Seen und Sümpfen ſeinen Schülern das in kleinem Maßſtabe zeigen, was ſich in der Natur oft in jo gewaltigen Kräften äußert. Selbſt ein wenig Ethno⸗ graphie laſſe ſich dabei treiben. Profeſſor Tiſcher erwähnt hierzu, daß, um dies höchſt erſtrebenswerte Ziel zu errei— chen, vor allem eine beſſere Vorbildung der Lehrer not— wendig ſei. Den Schluß der Sitzung macht ein kurzer Hinweis des Profeſſors Penck auf die Notwendigkeit geo- graphiſcher Bilderſammlungen. Er legt ein Werk ſeines Vorgängers in Wien, Simoni, vor, der noch im 70. Lebensjahre die Photographie erlernt und ſeinen Ap⸗ parat auf die Höhe des Dachſteins getragen, um von dort aus die Umgegend aufzunehmen und die einzelnen Bilder dann zu einem Buche zuſammenzuſtellen. Dies Beiſpiel fet allge- meiner Nachahmung wert, und Simonis Wunſch ſei es geweſen, auf die Anlage geographiſcher Bildermuſeen hinzuwirken. In der fünften Sitzung führte Profeſſor Reyer (Wien) in kurzen Zügen Typen der Eruptivmaſſen und Gebirgstypen vor, erläuterte dieſelben durch Modelle und wies nach, wie man die in der Natur vorkommenden Quetſchungen, Zerreißungen und Faltungen der Gebirgs— maſſen durch Experimente verſinnbildlichen kann. Oberbergrat Huiſer berichtete darauf über den jetzigen Stand der Unterſuchungen über die Wärme im Erd— innern. Erſt nachdem man Bohrlöcher von auferordent- licher Tiefe angelegt hat, iſt man imſtande, die frühere Behauptung, daß in einer gewiſſen Tiefe die Temperatur wieder abzunehmen beginne, endgültig zu widerlegen. Eine derartige Veränderung der Wärme hat ihren Grund in zufälligen Verhältniſſen gehabt. Man ſtellt die Bohrlöcher jetzt durch Stoßen mittels durchbohrter Stangen her. In den Hohlraum dieſer Stangen, der den Bohrſtaub enthält, leitet man dann und wann von oben her Waſſer. Da⸗ durch wird der Bohrſtaub verſchlämmt und läßt ſich als feſte Säule herausheben. Man muß nun jedoch die ab- kühlende Wirkung des Waſſers, die verſchiedene Wärme⸗ leitung des verſchiedenartigen Geſteins u. a. bei Berech⸗ nung der Erdwärme in Betracht ziehen. Obgleich die in den einzelnen Bohrlöchern gewonnenen Zahlen nicht un— erheblich voneinander abweichen, läßt fich vorläufig an⸗ nehmen, daß das im Bohrloche von Schladenbach ermittelte Ergebnis, eine Erwärmung um 1“ R. in einer Tiefe von 46,9 m, maßgebend iſt. Die Seehöhe des Bohrloches hat keinen Einfluß, auch vulkaniſcher Einfluß ſcheint nicht vor⸗ handen zu fein, da gerade die in vulkaniſchem Geſtein ge- legenen Löcher geringere Erwärmung zeigen als einige andere von vulkaniſchen Bedingungen weit entlegene Bohrungen. Profeſſor Jordan (Hannover) ſprach über die Me⸗ thoden und die Ziele der verſchiedenen Arten der Höhenmeſſung. In der Exörterung äußerte dabei Profeſſor Wagner verſchiedene Wünſche, u. a. daß auf unſeren ſonſt ſo vortrefflichen Karten, z. B. im Stielerſchen Handatlas, bei Städten u. ſ. w. auch die Höhenlage durch Zahlen angegeben werden möge, und erklärte, daß die Gipfel einer Alp, wo man Wirtſchaft führe, von Milch [ganze Angelegenheit einer beſonderen Sitzung während 236 des nächſten Geographentages wert fet. Im Anſchluß an eine Einladung zum Beſuche der Centralbetriebsſtation (am Stadtbahnhof Börſe gelegen) der Geſellſchaft zur e in⸗ heitlichen Regelung der Uhren erklärte Profeſſor Förſter (Berlin), daß demnächſt, dank der durch die Reichs⸗ poſtverwaltung geſtatteten Benutzung des Telephonnetzes, in ganz Deutſchland eine einheitliche Regelung der Zeit zu erhoffen ſei. Dieſe Angelegenheit ſtehe in Verbindung mit der Frage der Weltzeit, welche hoffentlich auf die Tages⸗ ordnung des nächſten Geographentages kommen werde. Den letzten Vortrag hielt ſodann Dr. Böhm (Wien) über die Genauigkeit orometriſcher Maßberechnungen. In der letzten Sitzung wurden die betreffs des Nachtigal⸗ denkmals gemachten Vorſchläge angenommen und einer Humboldt. — Juni 1889. Kommiſſion zur Ausführung überwieſen. Profeſſor Richter zog ſeinen Antrag, betreffend die beſſere Stoffverteilung in geographiſchen Zeitſchriften zurück. Im übrigen wurde beſchloſſen, die Oſterwoche als Verſammlungsort beizu⸗ behalten, aber von jetzt ab den Geographentag in der Regel nur alle zwei Jahre abzuhalten. Alle übrigen Statuten- änderungsanträge Profeſſor Wagners wurden im Block angenommen. Sodann erfolgte der Kaſſenbericht und die Wahl des Centralkomitees, das ſich jetzt aus Geh. Admira⸗ litätsrat Neumeyer, Profeſſor Fiſcher (Marburg) und Geheimrat Bütow zuſammenſetzt. Als Ort für die nächſte Verſammlung im Jahre 1891 wurde Wien gewählt. Darauf ſchloß Profeſſor v. Richthofen den achten deutſchen Geo⸗ graphentag. Die Deutſche Meteorologiſche Geſellſchaft hielt ihre vierte allgemeine Verſammlung vom 24. bis 26. April im Anſchluß an den 8. deutſchen Geographen⸗ tag in Berlin. In der erſten Sitzung ſprach zuerſt Dr. Lang (München) über die Fortpflanzungsgeſchwin⸗ digkeit der Gewitter in Süddeutſſchland wäh⸗ rend des zehnjährigen Zeitraums von 1879 bis 1888. Unter Beibringung eines reichen graphiſchen Materials kommt Vortragender zu folgenden Ergebniſſen: Die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Gewitter beträgt im Süden Deutſchlands durchſchnittlich 38,4 Kilometer pro Stunde. Dieſes Mittel kann aber als wahres oder zuver⸗ läſſiges nicht hingeſtellt werden, denn im Laufe der Jahre hat ſich die Geſchwindigkeit weſentlich geändert. Von 1879 bis 1884 nahm ſie zu, von da an wiederum ging ſie herab. Dieſe Schwankung findet ein Analogon in der Ver⸗ legung der 4. und 5. van Bebberſchen Depreſſionsbahn. Die Bahn der 4. Depreſſion war 1879 am weiteſten nach Norden gelegt, dann ging ſie allmählich tiefer und be⸗ rührte 1884 das Gebiet Süddeutſchlands; von 1885 ging ſie wieder mehr nordwärts. Die 5. Bahn machte eine ähnliche Pendelbewegung nach und von dem Beobachtungs⸗ gebiete durch. Es ſcheint danach ein Zuſammenhang zu beſtehen zwiſchen der Bahn der Depreſſionen und der Fort⸗ pflanzungsgeſchwindigkeit der Gewitter. Die Hagelhäufig⸗ keit zeigte eigentümlicherweiſe von 1879 bis 1888 faſt genau das entgegengeſetzte Verhalten, woraus man aber nicht den Schluß ziehen darf, daß die Hagelhäufigkeit bei den langſam ziehenden Gewittern des Sommers am größten ſei, viel⸗ mehr bringen die ſchnellziehenden Wintergewitter am öfteſten Hagelſchlag. Was die Veränderung von Monat zu Monat betrifft, ſo hat die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Ge⸗ witter ein ausgeſprochenes Maximum im Winter; dann ſinkt ſie raſch bis Mai, um langſam, mit einer erneuten Depreſſion im September, bis zum Winter zu ſteigen. Auch hier läßt ſich der Einfluß der Depreſſionsbahnen auf die Geſchwindigkeit genau feſtſtellen. Die Geſchwindigkeit iſt am größten bei den aus Weſten kommenden Gewittern; ein zweites ziemlich flaches Maximum findet im Oſten ſtatt. Die Abweichungen einzelner Jahre, die übrigens gering ſind, laſſen ſich auch hier wieder aus dem pendelnden Gange der Depreſſionsſtraßen erklären. Was den Einfluß der geographiſchen Verteilung der Gewitter auf die Ge⸗ ſchwindigkeit betrifft, ſo zeigt ſich bei einer Einteilung des Beobachtungsgebiets in vier Zonen, daß ſich von Norden nach Süden eine zuerſt ſehr geringe, dann beim Ueber⸗ gang in das alpine Gebiet ſehr raſche Abnahme vollzieht. Eine Beobachtung des täglichen Ganges ergibt, daß die Geſchwindigkeit der Gewitter um Mitternacht am größten, um die Mittagszeit am geringſten iſt. Der zweite Vortrag, den Dr. Horn (München) über die Gewitter und Hagelſchläge in Bayern während der Jahre 1880/88 hielt, ſtand in engem Zuſammenhange mit dem erſten Vortrage und gründete ſich auf die Verarbeitung von 46367 Gewitter- und 2734 Hagelmeldungen. Dieſe Phänomene ſind nach ihrer ſeku⸗ laren, jährlichen, monatlichen und täglichen Verteilung unterſucht, ferner iſt das Verhältnis des Hagelſchlages zu dem Gewitter beobachtet und die geographiſche Verteilung von Gewitter und Hagelſchlag feſtgeſtellt. Es ſtellte ſich hierbei heraus, daß Gewitter und Hagelſchlag im allge⸗ meinen ziemlich gleichlaufend ſind. Die Unterſuchung des Verlaufs nach Monaten ergibt für beide ein Maximum im Juli, doch hat der Hagel noch ein zweites, das erſte faſt erreichendes Maximum im Mai. Beobachtet man die Gewitter nach Pentaden, ſo tritt das erſte Maximum An⸗ fang Juni ein, dann folgt ein tiefer Abſturz, das Haupt⸗ maximum findet in der zweiten Julipentade ſtatt; Mitte Auguſt folgt nach jähem Abſturz abermals eine kleinere Erhöhung. Der Hagel hat ſein abſolutes Maximum in der erſten Julipentade, geringere Erhebungen gegen Ende Auguſt und in der erſten Hälfte des November. Der täg⸗ liche Verlauf der Gewitter ebenſo wie der Hagelſchläge zeigt ein ſtarkes Maximum in der Zeit von 3—4 Uhr, ein Minimum in den Morgenſtunden von 7—8 Uhr. Ein Frühmaximum prägt ſich im allgemeinen nicht aus, weil dasſelbe in den einzelnen Jahren zwiſchen Mitternacht und Morgen ſchwankt. Berückſichtigt man lediglich die Winter⸗ gewitter, ſo ergibt ſich, daß das Maximum bereits zwiſchen 2 und 3 Uhr nachmittags eintritt. Der Bemerkung des Vortragenden, daß im ſüddeutſchen Beobachtungsgebiete niemals ein Hagelſchlag ohne elektriſche Entladung feſt⸗ geſtellt ſei, wurde von Herrn Dr. Aßmann entgegen⸗ gehalten, daß im preußiſchen Gebiete derartige Fälle mehr⸗ fach beobachtet ſeien. Humboldt. — Juni 1889. Nachdem der Vorſitzende noch auf die Bemühungen der Profeſſoren Abereromby und Hildebrandſon betreffend die Klaſſifikation und Nomenklatur der Wolkenformen hingewieſen und eine Sammlung von Aquarellen, welche prägnante Wolkenformen darſtellen, vorgezeigt hatte, folgte ein Vortrag von Dr. Hellmann (Berlin) über die tägliche Periode der Nieder— ſchläge. Die Beobachtungen über die Verteilung der Niederſchläge auf die einzelnen Stunden bezw. Tageszeiten ſind nicht ſehr häufig und ausſchließlich erſt neueren Datums. Leider wird dieſem Zweige der Meteorologie noch zu wenig Beachtung geſchenkt; es gibt nach des Vortragenden Meinung mehr verſchiedene Konſtruktionen ſelbſtregiſtrierender Regen— meſſer als Beobachtungsreihen an derartigen Inſtrumenten. Aus der immerhin nicht unbeträchtlichen Zahl von Beobach— tungen 90 verſchiedener Stationen gibt der Vortragende ein großes Bild von der Verſchiedenheit, die bezüglich der täglichen Niederſchlagsperiode in den einzelnen Erdteilen und Zonen herrſcht. Konſtruiert man die tägliche Periode genauer, ſo ergibt ſich, daß die Lage des Ortes zum Meere und die Jahreszeit die beſtimmenden Faktoren ſind, welche die Periode beeinfluſſen. An der Küſte findet bei uns das Maximum in der Nacht, das Minimum am Tage ſtatt. Geht man mehr landeinwärts, ſo erhält man ein ſekundäres Nachmittagsmaximum; letzteres überwiegt, je mehr man ſich von der Küſte entfernt, allmählich das nächtliche Maximum. In Mitteleuropa findet im Winter das Maximum nachts ſtatt, während nachmittags ein ſe— kundäres Maximum beobachtet wird; im Sommer über— wiegt das Nachmittagmaximum, eine Folge des Gewitter— maximums am Nachmittag. Charakteriſtiſch ſind für uns die geringen Niederſchläge, welche vormittags fallen. In einer ſich anſchließenden Geſchäftsſitzung wurde an Stelle Hamburgs Berlin zum Vorort der deutſchen meteorologi— ſchen Geſellſchaft und Profeſſor v. Bezold zum Vorſitzenden der Geſellſchaft gewählt. In der zweiten Sitzung ſprach Dr. Pernet (Berlin) über Barometervergleichungen. Die Entwickelungs— geſchichte der beiden Hauptinſtrumente der Meteorologie, des Thermometers und des Barometers iſt eine durchaus verſchiedene. Während es gelungen iſt, die Thermometer bis auf hundertſtel Grade genau zu konſtruieren, ſind die Barometer bis in die neueſte Zeit unzuverläſſig geblieben, daß die Normalinſtrumente der einzelnen Centralſtellen untereinander bis zu 0,75 mm differieren. Die Urſache dieſer längſt bekannten Abweichungen iſt noch nicht in der richtigen Weiſe gewürdigt; fie beſteht in der Kapillarde— preſſion der Queckſilberſäule. Man hat die Kapillardepreſſion genau berechnet und gefunden, daß die Gefäßbarometer zu niedrig (um 0,14 bis 0,15 mm), die Heberbarometer zu hoch (um 0,10 bis 0,20 mm) ſtehen. Vortragender gibt eine von ihm konſtruierte Formel zur Berechnung der Kapillardepreſſion, die auch für die Beſtimmung des Va⸗ cuums von Wichtigkeit iſt, an und führt aus, wie not⸗ wendig es ſei, die Normalbarometer überall zu vergleichen und zu korrigieren, was allerdings eine größere Reihe von Beobachtungen vorausſetze. Demnächſt ſprach Dr. Ule (Halle) über das Ver- hältnis von Niederſchlag zum Abfluß in dem Stromgebiet der Saale. Dieſes Gebiet eignet ſich, 237 wie Vortragender ausführt, beſonders zu einer derartigen Unterſuchung, weil es in orographiſcher, geologiſcher und landwirtſchaftlicher Beziehung ſehr gleichmäßig geſtaltet iſt. Genaue Meſſungen haben ergeben, daß in dieſem Gebiete, welches mit dem Eintritt der Saale in das Norddeutſche Flach— land abgeſchloſſen wurde, pro Sekunde 108 Kubikmeter Waſſer abfließen. Nach den an 45 Stationen ange— ſtellten Niederſchlagsbeobachtungen betrug die durchſchnitt⸗ liche Höhe der in dieſem Gebiete jährlich gefallenen Nieder— ſchläge 606 mm. Vergleicht man die Geſammtſumme der Niederſchläge mit der des abgefloſſenen Waſſers, ſo ergibt ſich, daß nur 30,1 Prozent der Niederſchläge durch die Saale abgingen. Das übrige Quantum kann nach des Vortragenden Meinung nur zum Teile verdunſtet ſein; eine große Menge muß im Haushalte der Natur verbraucht ſein, worauf beſonders der Umſtand hinweiſt, daß in der Entwickelungsperiode des Frühjahrs der Prozentſatz des abfließenden Waſſers ſehr gering iſt, ebenſo auch im Auguſt nach der Erntezeit. Den dritten Vortrag hielt Dr. Kremſer (Berlin) über Beſonnung und Beſchattung der an den Nord— wänden von Häuſern angebrachten Thermometer— gehäuſe. Während man früher die Thermometer frei an der Wand anbrachte, umgibt man ſie jetzt, um ſie vor den Strahlungen, den Niederſchlägen ꝛc. zu ſchützen, viel- fach mit einem Gehäuſe. Dieſes iſt aber, zumal es nötigt, das Thermometer weiter von der Wand zu entfernen, keineswegs geeignet, die direkte Strahlung abzuhalten. Die Sonne kann im Sommer das Thermometer um ſo eher mit ihren über das Haus reichenden Strahlen treffen, je weiter dieſes von der Wand entfernt iſt. Man nahm bisher an, daß eine Höhe der Wand ausreichend ſei, welche das Gehäuſe zur Zeit des höchſten Sonnenſtandes am Mittag ſchützt. Dieſe Annahme iſt, wie Vortragender aus— führt und rechneriſch feſtſtellt, nicht richtig, da auch bei niedrigerem Sonnenſtande das Thermometer unter Be— ſtrahlung leiden kann. Auch die Beſtrahlung am Morgen und Abend iſt bei Thermometern um ſo größer, je weiter ſie von der Wand entfernt ſind. Am günſtigſten iſt für die Wand eine Neigung von 15° nach Weſten, bei welcher das Thermometer um 7 Uhr morgens bereits im Schatten und um 2 Uhr noch nicht in der Sonne iſt. Sehr feſſelnd war der demnächſt folgende Vortrag von Dr. van Bebber (Hamburg) über Sturmwarnungen. Das Beſtreben, ſturmbedrohte Küſten vor Schädigung zu ſchützen, führte zur Wettertelegraphie und Sturmwarnung. Man hielt es früher, als man noch glaubte, daß die Stürme ſich in der Richtung ihres Weges fortpflanzen, für leicht, dem Sturme durch den elektriſchen Strom vorauseilend, Warnungen zu erteilen. Nachdem jedoch von Buijs⸗Ballot das Geſetz der Wirbelbewegung der Luft: maſſen aufgeſtellt war, erſchien die praktiſche Verwertbarkeit der Wettertelegraphie in der angegebenen Richtung beinahe illuſoriſch. Man glaubte ſich aber trotz der Unzulänglich— keit der Hilfsmittel der Ausübung des Sturmwarnungs— dienſtes im Intereſſe der Küſtenbewohner nicht entziehen zu dürfen. Die Erfolge, welche das preußiſche Netz an der Oſtſee und ein von Hannover, Oldenburg, Bremen und Hamburg an der Nordſee organiſierter Dienſt erzielte, waren allerdings kaum nennenswert. 1875 nahm die 238 Humboldt. — Juni 1889. deutſche Seewarte den Wettertelegraphendienſt auf und es wurden zuerſt von 72 (darunter 36 ausländiſchen), jetzt von 103 Orten (darunter 70 ausländiſchen) tägliche Wetter⸗ telegramme von 8 Uhr morgens eingeſendet. Daneben wurden noch Nachmittagsdepeſchen für 22 Stationen ein⸗ gerichtet, und ſeit 1882 iſt auch noch ein Abenddienſt ein⸗ geführt, der 28 Stationen umfaßt. Leider finden oft die auf Grund der Abendbeobachtungen abgeſandten Sturm⸗ warnungen wegen frühen Depeſchenſchluſſes keine Ver⸗ wertung mehr. Neun inländiſche Beobachtungsſtationen ſind Normalſtationen; dieſelben ſind mit Regiſtrierappa⸗ raten ausgerüſtet. Signalſtellen hat die Seewarte 51 er⸗ richtet; ihre Zahl hat ſeit zehn Jahren nur um 13 zuge⸗ nommen, weil die Kaiſerliche Admiralität die Errichtung derartiger Stationen den Provinzen, Regierungen 2c. über⸗ laſſen will. Das Bedürfnis nach Sturmwarnungen hat nun auch Behörden und Private bereits zur Errichtung von 29 derartigen Signalſtellen veranlaßt. Die Frage, von welchem Erfolge die Sturmwarnungen begleitet ge⸗ weſen ſind, läßt ſich ziffermäßig ſehr ſchwer beantworten. Im allgemeinen haben ſich für 1877—1888 55 Prozent Treffer ergeben, das ſind, da die Wahrſcheinlichkeit des Eintritts ſtürmiſcher Winde für die ganze Küſte 10 Prozent beträgt, 45 Prozent über den zufälligen Eintritt. Teilt man die Warnungen nach ihrem Erfolg in 5 Klaſſen, von denen 1 vollſtändig gelungen, 5 vollſtängig verfehlt iſt, ſo ergibt ſich für die Nordſee die Ziffer 2,3, für die weſtliche Oſt⸗ ſee die Ziffer 2,0, für die öſtliche Oſtſee 2,1. Im all⸗ gemeinen kann man ſagen, daß die beſtehenden Einrich⸗ tungen von der doch maßgebenden Küſtenbevölkerung mit Befriedigung angeſehen werden. Der Fortſchritt des Sturmwarnungsdienſtes iſt naturgemäß ein lang⸗ ſamer, aber er iſt bedeutend und darf nicht unterſchätzt werden. Erforderlich iſt ein beharrliches Weiterarbeiten auf dem eingeſchlagenen Wege. Dr. Hellmann (Berlin) berichtete über die gegen⸗ wärtig herrſchende Kälteperiode, die anfangs 1885 begonnen hat und beſonders ſeit Ende 1886 ſcharf ausgeprägt iſt. An einer graphiſchen Darſtellung der Temperatur⸗ abweichungen einzelner Stationen zeigte der Vortragende, wie nur wenige Monate dieſer Periode einen Wärmeüber⸗ ſchuß hatten, während die meiſten, zum Teil erheblich, zu kalt waren. Aus früherer Zeit ergeben ſich nur zwei Gruppen ähnlich kalter Jahre, nämlich 1784/1887 und 1837/1839. Es muß nun, wenn die Beobachtungen Sammlungen aus deutſchen Schutzgebieten. Der deutſche Bundesrat hat beſchloſſen, daß die ethnographiſchen und naturwiſſenſchaftlichen Sammlungen, welche von den auf Reichskoſten nach den deutſchen Schutzgebieten aus⸗ gerüſteten Expeditionen eingehen, nach Ausſonderung der Dubletten den Berliner Muſeen für Völker⸗ und für Naturkunde, bez. den botaniſchen Anſtalten der Berliner Univerſität gegen Erſtattung der Anſchaffungs⸗, Ver⸗ packungs⸗ und Transportkoſten eigentümlich überlaſſen, daß den Bundesregierungen auf deren Wunſch die Ver⸗ zeichniſſe der eingehenden Gegenſtände, einſchließlich der Dubletten, in Abſchriften mitgeteilt und daß die letzteren den wiſſenſchaftlichen Sammlungen der einzelnen Bundes⸗ ſtaaten gegen Erſtattung der vorerwähnten Koſten zur Verfügung geſtellt werden. Ferner ſollen die auf Reichs⸗ koſten ausgeſandten Forſchungsreiſenden angewieſen werden, ihre Einſendungen von ethnographiſchen oder naturwiſſen⸗ anderer Erdteile ꝛc. vorliegen, unterſucht werden, wie weit dieſe Anomalie gereicht und ob irgendwo eine Kompenſation ſtattgefunden hat. Eine abſolute Klima⸗ ſchwankung in kosmiſchem Sinne liegt nach des Bor- tragenden Meinung nicht vor, ſondern nur eine Witterungs⸗ anomalie. Darauf ſprach Dr. Leß über die Theorie der Gewitterelektrieität, welche von Profeſſor Sohnke (Karlsruhe) entwickelt iſt und als Urſache der Elektrieität der Atmoſphäre die Reibung zwiſchen Waſſer und Eis an- nimmt. Den Nachweis, daß eine Gelegenheit zu derartigen Reibungen vorhanden ſei, nahm Profeſſor Sohnke zunächſt aus den Temperaturbeobachtungen bei Ballonfahrten, auch wurden die Ergebniſſe meteorologiſcher Stationen, ſoweit ſolche raſche Temperaturabnahmen aufwieſen, berückſichtigt. Vortragender wurde durch einen hier im November 1888 beobachteten Schneefall bei 11 bis 9° Wärme, der ſich nur durch raſche Temperaturabnahme nach oben hin erklären läßt, dahin gebracht, die Sohnkeſche Theorie an den Winter⸗ gewittern und den ſie begleitenden Niederſchlägen zu prüfen. Es ergab ſich dabei, daß wie an jenem Novembertage, an dem vielfach in Deutſchland Gewitter ſtattfanden, ſo auch bei der großen Mehrzahl anderer Tage mit Wintergewittern Niederſchläge in Form von Regen und Schnee beobachtet wurden. Dabei iſt feſtgeſtellt, daß die Wintergewitter nur bei hoher Temperatur vorkommen und ganz ver⸗ ſchwinden, ſowie das Waſſer ſich nicht mehr in flüſſiger Form in der Atmoſphäre befindet. Die Sohnkeſche Theorie hat alſo bei der Unterſuchung der Wintergewitter Stich gehalten. Endlich berührte noch Dr. Glan (Berlin) die Durch⸗ ſichtigkeit der Luft in Berlin. Beobachtungen am Moritzplatz haben ergeben, daß ½ der urſprünglichen Durchſichtigkeit bei ſenkrechtem Eintritt der Sonnen⸗ ſtrahlen verloren gegangen waren, während im freien Lande nur 4/5 fortgenommen wird. Beobachtungen bei Vollmond um 11 Uhr abends haben ergeben, daß 0,588 zurückgehalten wurden. Die Durchſichtigkeit nimmt alſo abends erheblich zu, was daraus erklärlich iſt, daß die Rauchbildung der Fabriken 2c. mit dem Ein⸗ bruch der Feierſtunde aufhört, immerhin aber iſt die Luft auch nachts noch doppelt ſo undurchſichtig wie im Freien. Hiermit ſchloß die zweite Sitzung und die Meteoro⸗ logiſche Geſellſchaft tagte nun weiter mit dem Geographentag. ſchaftlichen Gegenſtänden thunlichſt in der von den Bundes⸗ regierungen gewünſchten Zahl von Exemplaren zu be⸗ wirken. : Ein Hilfskomitee zur Bflege der bayeriſchen Bolks- Runde hat ſich in München unter dem Vorſitz von Pro⸗ feſſor Dr. Joh. Ranke und Großhändler Th. Stützel gebildet. Zweck dieſes Komitees iſt, in Anlehnung an die vorge⸗ ſchichtliche Sammlung des Staates und die Sammlung des bayeriſchen Nationalmuſeums in ergänzender Weiſe ein darſtellendes Bild bayeriſcher Ethnographie zu ſchaffen, um die Eigenart des bayeriſchen Volkes nach Stammes⸗ und Gaugliederung, nach Tracht und Schmuck, nach Bau und Einrichtung zur Anſchauung zu bringen. Der ſeit 1881 in Berlin beſtehende, bisher beſonders rein wiſſenſchaftlichen Arbeiten zugewandte Dentſche Verein zur Förderung der Cuſtſchiſſfahrt bereitet neuerdings unter dem Vorſitze des Meteorologen Humboldt. — Juni 1889. 239 Dr. Aßmann eine planmäßige Unterſuchung der Luft⸗ ſchichten bis zu 600 Meter Höhe vor, welche mittels eines kleineren Feſſelballons und photographiſch ſelbſtthätiger Werkzeuge zunächſt nur für Luftwärme und Luftdruck ausgeführt werden ſoll. Ein anziehender, durch Vorfüh— rung von Muſtern unterſtützter Vortrag des Inge— nieur Bartſch von Siegsfeld in der letzten Vereins— ſitzung, gab ein anſchauliches Bild von der hohen Wichtigkeit dieſes Planes. Gegen 30 möglichſt langwährende Auffahrten des Ballons ſollen den nötigen Beobachtungsſtoff liefern. Der Plan fand im Verein und auch außerhalb lebhafte Unterſtütz— ung; aus der Vereinskaſſe wurden 500 Mk. bewilligt, eine Liſte zur Zeichnung freiwilliger Beiträge bedeckte ſich ſchnell mit Unterſchriften, der Vortragende übernahm auf ſeine Koſten die Beſchaffung aller ſelbſtanzeigenden Vorrichtungen, einige der bedeutendſten Großinduſtriellen haben dem Verein für den Bedarf an Stahldrahtkabel, Ballonſeide u. ſ. w. bedeutende Preisermäßigungen an⸗ geboten. So dürfte die Ausführbarkeit des wichtigen Unternehmens als geſichert erſcheinen. Die Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin be⸗ willigte 1000 Mk. dem Dr. Franz Stuhlmann, Gehilfen am Zoologiſchen Inſtitut in Würzburg, zur Fort- führung ſeiner fauniſtiſchen Studien auf Sanſibar, ferner 1200 Mk. dem Dr. Guſtav Weigand in Leipzig zu ſeinen linguiſtiſch-ethnographiſchen Forſchungen im Gebiet der Zinzaren auf der Balkanhalbinſel. D. Zu den Alpen- und ähnlichen Gebirgsvereinen wird nunmehr auch ein Krimſcher Gebirgsklub hinzutreten. Die von dem verdienten Krimforſcher Liſtof und dem Odeſſaer Profeſſor Kamenski ausgearbeiteten Satzungen des Vereins beſtimmen als Zweck desſelben neben der wiſſenſchaftlichen und artiſtiſchen Bereiſung des Gebirges, die Förderung der Landwirtſchaft, des Gartenbaues und der kleinen Induſtriezweige des Gebirges. Als Mittel zum Zweck ſollen Vorträge und Abhandlungen, die in einem beſonderen Organ des Vereins erſcheinen werden, Sammlungen, Reiſeerleichterungen, Wegebeſſerungen, Ord— nung eines Führerweſens u. ſ. w. dienen. Die Errichtung eines Zoologiſchen Gartens in Waſhington iſt von dem Kongreß der Vereinigten Staaten beſchloſſen worden. Es wird zu dieſem Zwecke ein Land— ſtrich von 90 Hektar angekauft, welcher unmittelbar an die Stadt grenzt. Es iſt dies das Thal des Rock-Creek, eine der maleriſchſten Oertlichkeiten, die je zu einem ſolchen Zwecke beſtimmt wurden. Es enthält eine Anzahl von Felſenklippen, Fichten-, Eichen-, und Buchenhaine, und mehrere kleine Waſſerläufe, welche die ſteilen Thal— wände hinab in den Creek fließen. Ein neues Aſtronomiſches Obſervatorium wird auf dem Gipfel des Wilſons Peak in Kalifornien (1750 Meter Höhe) erbaut werden. Bei Alvan Clark iſt augen⸗ blicklich das Objektiv des Fernrohrs in Arbeit, es ſoll 40 Zoll im Durchmeſſer halten, würde alſo noch 10 em (im Durchmeſſer) größer ſein als das der Lick-Sternwarte, bisher das größte der Welt. Eine Astronomical Society of the Pacific wurde im Februar 1889 in San Francisco gegründet. Die Hälfte der Verſammlungen ſoll in dieſer Stadt, die andere Hälfte während der Sommermonate auf der Lick-Stern⸗ warte ſtattfinden. Ein Votaniſches Muſeum zur Förderung der öko⸗ nomiſchen Botanik und zur Belehrung im Acker- und Gartenbau hat die Acclimatisation Society of Queens- land in Brisbane erbaut. Der Garten unter Leitung von Soutter hat an Mitglieder der Geſellſchaft 17000 Nutz⸗ und Zierpflanzen abgegeben. Die Société botanique de France läßt an alle Botaniker die Einladung ergehen, ſich bei Gelegenheit der Weltausſtellung in Paris in der zweiten Hälfte des Auguſt zu einem Kongreſſe zu vereinigen. Die Mit⸗ glieder desſelben können Gegenſtände der von ihnen be— arbeiteten Gebiete zum Vortrage bringen und zur Diskuſſion ſtellen. Die Geſellſchaft will bei dieſer Gelegenheit die gemeinſchaftliche Bearbeitung allgemein wichtiger Fragen anregen wie z. B. unter den verſchiedenen botaniſchen Ge— ſellſchaften und Muſeen ein Uebereinkommen zu erzielen ſuchen zur Herſtellung genauer Karten über die geographiſche Verbreitung der Gattungen und Arten. Eine Ausſtellung von Karten, Büchern, Photographieen u. ſ. w., die auf Pflanzengeographie Bezug haben, wird im Sitzungsſaale ſtattfinden. Diejenigen, welche den Kongreß zu beſuchen wünſchen, haben den Sekretär des Vereins, P. Maury, Rue de Grenelle 84, Paris, bis zum 1. Juni zu benach— richtigen, worauf ihnen durch dieſen eine nähere Mittei— lung zugehen wird. Auf Veranſtaltung der Société zoologique de France ſoll auch ein internationaler zoologiſcher Kongreß während der Weltausſtellung ſtattfinden. Er ſoll am 5. Auguſt in Paris eröffnet und am 10. geſchloſſen werden. Der Geſchäftsausſchuß hat folgende Gegenſtände zur Erörterung vorgeſchlagen: 1) Annahme von Regeln über die Nomenklatur der Organismen. Annahme einer internationalen wiſſenſchaftlichen Sprache. 2) Beſtimmung der Erdgegenden, deren Fauna ungenügend bekannt und der Erforſchung bedürftig iſt. Aufgabe der Forſchungs— methoden und des Verfahrens bei der Präparation und Konſervierung der Tiere. 3) Die von der Embryologie der Klaſſifikation der Tiere geleiſteten Dienſte. 4) Ueber die Beziehungen zwiſchen der jetzt lebenden und der foſſilen Fauna. Die an der Verſammlung teilnehmenden Forſcher werden gebeten, die von ihnen zur Erörterung vorge— ſchlagenen Fragen ſo bald wie möglich an den Sekretär der Geſellſchaft, Raphael Blanchard, Paris, Rue du Luxem⸗ borg 32, einzuſenden. Kongreß für Hygiene und Demographie. Der Geſchäftsausſchuß des 7. internationalen Hygienekongreſſes, welches während der Weltausſtellung zu Paris ſtattfinden wird, hat den Teilnehmern an dem Kongreß folgende Fragen zum Studium empfohlen: 1) Die adminiſtrativen und ärztlichen Maßregeln, welche in den einzelnen Ländern zum Schutz der Geſundheit und des Lebens der erſten Kindheit getroffen ſind. 2) Ueber die Wegſchaffung und Nutzbarmachung des feſten Detritus (Dünger, Schmutz, Küchenüberreſte u. ſ. w.) in den Städten und auf dem Lande. 3) Regelung und Verteilung der Temperatur in der Wohnung. 4) Wirkung des Bodens auf die krank— heiterregenden Keime. 5) Sicherung der Waſſerläufe und des Grundwaſſers gegen Verunreinigung durch Fabrikrück— ſtände. 6) Aſſanierung der Häfen. 7) Unfälle, die her⸗ vorgerufen werden durch Nahrungsmittel tieriſchen Ur— ſprungs, welche giftige Alkaloide enthalten. 8) Statiſtik der Todesurſachen in den Städten. : Der Geſchäftsausſchuß der im Jahre 1890 in Ant⸗ werpen abzuhaltenden internationalen Ausſtellung der geographiſchen, kommerziellen und induſtriellen Bo- tanik hat beſchloſſen, bei dieſer Gelegenheit das 300ſte Jahresfeſt der Erfindung des Mikroſkops zu feiern. Es wird beabſichtigt, eine „retroſpektive“ Mikroſkopausſtellung, ſowie eine Ausſtellung von mikroſkopiſchen Inſtrumenten und Mikrophotographieen lebender Fabrikanten zu ver- anſtalten. Zu gleicher Zeit wird eine Reihe von Vor- trägen mit Benutzung des photoelektrographiſchen Mikro— ſkops gehalten werden. Dieſelben ſollen ſich auf folgende Gegenſtände erſtrecken: Geſchichte des Mikroſkops; Gebrauch des Mikroſkops; das Projektionsmikroſkop und die Mikro⸗ photographie; die mikroſkopiſche Struktur der Pflanzen und Tiere; die Mikroben; die Verfälſchung der Nahrungs- mittel u. ſ. w. Die amerikaniſche Naturforſcherverſammlung wird in dieſem Jahre zu Toronto abgehalten werden und zwar vom 27. Auguſt bis 3. September. Vorſitzender iſt Pro- feſſor Mendenhall. M—s. Die franzöſiſche Naturforſcherverſammlung wird vom 8.—15. Auguſt in Paris abgehalten. Ms. Das franzöſiſche Unterrichtsminifterium hat beſchloſſen, an der Ecole des Hautes Etudes zu Paris ein Cabora- forium der pathologiſchen Phyſtologie zu errichten. Direktor wird Frangois Franck, Aſſiſtent des Phyſiologen Marey am College de France. Se 240 Prof. F. Exner aus Wien, welcher ſich einige Monate zum Studium der atmoſphäriſchen Elektricität in Ceylon aufgehalten hat, iſt nach Europa zurückgekehrt. Der ruſſiſche Reiſende Groubtſchewsky iſt von ſeiner Pamirreiſe nach St. Petersburg zurückgekehrt. Er hat eine reiche naturwiſſenſchaftliche Ausbeute mitgebracht. Von der franzöſi ſchen Regierung iſt C. Deschamps nach den Lakediven, und F. Gréhant nach Chili geſandt worden, um dieſe Gebiete zu durchforſchen und daſelbſt wiſſenſchaftliche Sammlungen anzulegen. Ferner iſt Chaffanjon mit der Erforſchung der Cordilleren zwiſchen Venezuela und Columbien, ſowie des Maracaibo⸗ ſees betraut, und der Chemiker Charpentier nach Madagaskar entſandt worden, um die induſtrielle An⸗ wendung gewiſſer einheimiſcher Gummiarten zu ſtudieren. M. Leichtlin in Baden-Baden rüſtet ſoeben zwei neue botaniſche Expeditionen nach Kleinaſien aus; die eine wird Th. Pichler nach Lyeien, die andere P. Sintenis in das Gebiet von Damaskus bei Kharput ausführen. Auf Anregung von Dr. E. Halacjy in Wien und Dr. Th. v. Heldreich in Athen begibt ſich Chriſtos Leonis auf die Cykladen, um dort zu botaniſieren. Die Pflanzen werden käuflich zu erwerben ſein. Die Verteilung wird durch v. Halacjy (Wien VII, Schrankgaſſe 1) erfolgen. G. N. Kusnezof, der im Sommer 1888 mit natur⸗ wiſſenſchaftlichen — namentlich botaniſchen — Unterſuchungen und Beobachtungen auf der Nordſeite des Kauka ſus thätig war, wird ſich zur Fortſetzung ſeiner Studien auch in dieſem Sommer nach jenem Hochgebirge begeben. Unter der Führung von W. H. Dietkens und auf Koſten der „Central Australian Exploring Association“ ſoll von Adelaide aus eine neue Expedition in das Innere von Auſtralien geſendet worden. Von der Station Alice Springs, am Fuße des Me. Donnell⸗Gebirges (unter dem Wendekreiſe) ſoll ſich die Expedition weſtwärts wenden, um namentlich die Umgebung des Lake Amadeus auf ihre Natur⸗ beſchaffenheit und ihre Hilfsquellen zu durchforſchen. Die ruſſiſche geographiſche Geſellſchaft ſendet in dieſem Sommer folgende Expeditionen aus: W. Fauſſek, der Erforſcher der ruſſiſchen Nordprovinzen, begibt ſich zur Fortſetzung ſeiner Studien an die Küſte des Weißen Meeres. Der Geolog Andruſſof wird einen Aus⸗ flug nach dem öſtlichen Kaukaſus machen. A. v. Krasnof, bekannt durch ſeine geobotaniſchen Forſchungen im Tien⸗ſchan, wird diesmal eine botaniſche Durch⸗ ſtreifung der mittleren Provinzen des ruſſiſchen Reiches machen. Die Profeſſoren der Petersburger Uni⸗ verſität, A. Woeikof und S. Glaſenos nebſt anderen Mitgliedern der geographiſchen Geſellſchaft wollen zwei Seen des Lugaer Kreiſes im Petersburger Gouvernement unterſuchen, die ſich durch mancherlei Eigentümlichkeiten auszeichnen. Im Gouvernement Charkow ſollen Be⸗ obachtungen über lokale magnetiſche Anomalien angeſtellt werden. Endlich hat die Geſellſchaft beantragt, einer vom Miniſterium der Reichsdomänen ausgerüſteteten Ex⸗ pedition in das Timangebirge einen Vertreter bei⸗ geſellen zu dürfen, der aſtronomiſche Ortsbeſtimmungen ausführen und karthographiſches Material ſammeln würde. Ms. Herbarien. Lars Romell in Stockholm (Karla⸗ vägen 28) beabſichtigt ein Werk unter dem Titel Fungi exsiccati praesertim scandinaviei herauszugeben, falls ſich genügend Subſkribenten finden. Die Pilze werden auf loſe Blätter geheftet, um dann nach Belieben geordnet werden zu können. Von 1889 ab bis auf weiteres würden jährlich 1—3 Fascikel von je 100 Arten oder Formen erſcheinen. Der Preis für jedes Fascitel ijt 11 Mk., die Frachtkoſten nicht mitgerechnet. Die Subſkription, welche vor 1. Mai 1889 geſchehen ſoll, kann auf ein, mehrere oder alle Fascikel ſtattfinden. — Der Kardinal⸗Erzbiſchof Dr. L. Haynald hat ſein großes Herbarium, ſowie ſeine wertvolle botaniſche Fachbibliothek dem National- muſeum in Budapeſt geſchenkt. — Michel Gan doger in Arnas (Rhone) wünſcht gegen andere Pflanzen ſolche Arten auszutauſchen, welche namentlich aus Südeuropa Humboldt. — Juni 1889. und der Mittelmeerregion (Spanien, Sizilien, Kalabrien, Algerien, Syrien, Südrußland, Kaukaſus u. ſ. w.) ſtammen. Die meiſten dieſer Pflanzen haben zu den Beſchreibungen ſeiner Flora Europae terrarumque adjacentium ge- dient. Von L. M. Underwood und O. F. Cooks „Hepaticae Americanae“ ſind die dritte und vierte Dekade erſchienen. Es ſollen jährlich wenigſtens zwei Dekaden erſcheinen, wenn das notwendige Material vorhanden iſt. Je zwei Dekaden koſten 1,25 Dollars. Zu erhalten von L. M. Underwood, Syracuſe, N. . — Das Herbarium des verſtorbenen Lehrers C. L. Jahn iſt von der Witwe desſelben (Berlin, Holzmarktſtraße 9) zum Verkauf geſtellt worden. Dasſelbe enthält die Formen der einheimiſchen Flora und viele Dubletten. Die Characeen ſind von Alexander Braun beſtimmt. — Von dem Exſiccatenwerke A. Kerner, „Flora exsiccata Austro-Hungarica“, herausgegeben vom Botaniſchen Muſeum der k. k. Uni⸗ verſität ſind Centurie XIX und XX erſchienen. Dieſelben enthalten 100 Phanerogamen und 100 Kryptogamen. — Von dem Exſiccatenwerke „Flora Lusitanica essiccata“, herausgegeben vom Botaniſchen Garten in Coimbra unter der Leitung von Henriquez, iſt eine Fortſetzung, enthaltend Nr. 500—599, erſchienen. — Pringle, der von einer zehnmonatlichen Forſchungsreiſe durch Nord⸗Mexiko zurück⸗ gekehrt iſt, will aus ſeiner Sammlung etwa 300 ſeltenere Arten abgeben. Preis pro Centurie 10 Dollars. Die Verteilung erfolgt durch Hrn. K. Keck in Aiſtersheim. — E. Reverchon in Bollene (Frankreich) verſendet die auf ſeiner letzten Reiſe in Spanien geſammelten Pflanzen, etwa 400 Arten zum Preiſe von 35 Fres. pro Centurie. — Huter in Sterzing hat das Verzeichnis derjenigen Pflanzen veröffentlicht, welche von ihm 1889 zu beziehen ſind. Es ſind namentlich Pflanzen aus Serbien, Griechen⸗ land, Dalmatien, Siebenbürgen, Italien, Balearen, Tirol. — Von C. Roumouguéres ,Fungi selecti exsiccati* ift Centurie 47, von V. F. Brotherus ,Musci Fenniae exsiccati“ Fascikel 9 herausgegeben. Preisaufgaben. Das Reale Instituto Lombardo hat für 1889 und 1890 folgende Aufgaben für den Cagnola⸗Preis geſtellt: 1) Ordentliche Konkurrenz. Man ſoll irgend eine der bis jetzt wenig zahlreichen Reihen der triſubſtituierten Derivate des Benzols vervollſtändigen; die gegenſeitigen Beziehungen und die zu den biſubſtituierten Derivaten, aus denen ſie erhalten werden, ſind zu ſtudieren und dadurch eine Geſamtheit von Thatſachen zu gewinnen, welche die etwaigen Regelmäßigkeiten der Eigenſchaften und der Kon⸗ ſtitution zu erkennen geſtattet. Der Arbeit müſſen Proben der neu erhaltenen Körper beigefügt ſein. Es können auch Arbeiten eingereicht werden, über welche die Verfaſſer bereits vorläufige Mitteilungen ver⸗ öffentlicht haben. Ablieferung ſpäteſtens 30. April 1890, 3 Uhr nachm. Preis: 2500 Lire und eine goldene Denkmünze im Wert von 500 Lire. 2) Außerordentliche Konkurrenz. Gefordert wird eine phyſiſch-phyſiologiſche Monographie eines der größeren lombardiſchen Seen. Die Unterſuchung muß ausgeführt ſein gemöß den von Profeſſor Forel in Lauſanne gegebenen Vorſchriften, welche nach dem Beſchluß der geographiſchen Geſellſchaft in St. Petersburg auch bei dem Studium der ruſſiſchen Seen befolgt werden und von der Kaiſ. Akademie der Wiſſen⸗ ſchaften 1887 veröffentlicht worden ſind. Ablieferung bis zum 1. Mai 1890. Preis: 2500 Lire und eine goldene Denkmünze im Werte von 500 Lire. 3) Von dem Stifter ſelbſt beſtimmte Aufgabe. Es wird gefordert eine gut erwieſene Entdeckung: Ueber die Heilung der Pellagra, oder: Ueber die Natur der Miasmen und Kontagien, oder: Ueber die Lenkung der Luftballons, oder: Humboldt. — Juni 1889. 241 Ueber Mittel, die Fälſchung einer Schrift zu verhindern. Ablieferung bis zum 31. Dezember 1889, 3 Uhr nachm. Preis: 2500 Lire und eine goldene Denkmünze im Werte von 500 Lire. Die Preisarbeiten müſſen in italieniſcher, franzöſiſcher oder lateiniſcher Sprache abgefaßt ſein. Sie ſind franko an den Sekretär des Instituto, Palazzo di Brera, Mailand, einzuſenden, und zwar anonym unter Beifügung eines mit einem Motto verſehenen und durch ein Siegel verſchloſſenen Zettels mit dem Namen und Wohnort des Einſenders. Secco-Commeno-Preis: „Die Theorie Drapers über die fortſchreitende Entwickelung der Lichtſtrahlen von einem Körper, deſſen Temperatur allmählich ſteigt, ijt be- ſtritten worden durch Beobachtungen und Verſuche des Profeſſor Weber. Es ſoll eine möglichſt vollſtändige erperi- mentelle Unterſuchung der Erſcheinung ausgeführt werden, um die Geſetze derſelben feſtzuſtellen, wobei der perſön⸗ liche Einfluß des Beobachters auf die Deutung der ſich ihm darbietenden Erſcheinungen ausgeſchloſſen iſt.“ Termin der Ablieferung: 1. Mai 1893.— Preis 864 Lire. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Zuni 1889. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 989 U Corone 1024 Y Cygni 1135 U Ophiuchi 1 3 1120 6 Libre 3 4 1083 Y Cygni 1227 U Cephei 14.47 N III Eintritt 1520 9) ILE 4 5 UP ge 5 14h 93m f A 1 6 3 122 U Ophiuchi Venus im grössten Glanze als Morgenstern 6 7 1022 X Cygni 13" 40 N II E 15 31™ Venus in Konjunktion mit Stern 91 7 9 8 4im ) 1284 U Cephei 85 11» 21 § 9 e II 10 1021 Y Cygni 1086 3 Libre 10 11 1320 U Ophiuchi 11 12 921 U Ophiuchi 14" In ? 12 16> 17™ 9 Al 13 ® 2h 51m 1020 Y Cygni 115 23" A I E 13 14 8h 296 4 1 1220 U Cephei 14 10° 46™ h m „ i ae 0 h F a 8 ee = 16 1020 X Cygni 195 995 kf A @ Il 1318 U Ophiuchi 16 17 9t9 U Ophiuchi 1072 6 Libre 17 19 € 989 Y Cygni 1127 U Cephei 19 20 13° 17 A1 E 20 21 10h 23" 1455 U Ophiuchi 21 12 40m t A 22 928 X Cygni 1087 U Ophiuchi 15 275 ö A @ III 22 E h m 24 927 6 Libre 1183 U Cephei Jupiter in Opposition mit der Sonne 24 25 987 X Cygni 10 40 9} II Austritt 1389 U Corone 25 26 1523 U Ophiuchi 26 27 D 1124 U Ophiuchi 27 28 986 Y Cygni 12 17 28 14 gan A 01 29 9» 40m A IV Eintritt 1048 A IVAustritt] 11"52™ 9} I Austritt 1120 U Cephei 29 den ganzen Monat unſichtbar. Glanz. in den Sonnenſtrahlen zu verſchwinden. in die rechtläufige Bewegung über. aufmerkſam gemacht. Merkur iſt am 19. mittags in unterer Konjunktion mit der Sonne und bleibt für das unbewaffnete Auge Venus, im Sternbild des Widders, erreicht als Morgenſtern am 6. ihren größten Mars kommt am 17. in Konjunktion mit der Sonne und bleibt in dieſem Monat noch unſichtbar. Jupiter, im Sternbild des Schützen, kommt am 24. in Oppofition mit der Sonne; er geht anfangs um 9¼ Uhr, zuletzt um 7½ Uhr auf und im ganzen Monat nicht vor Beginn der Morgendämmerung unter. Sternbild des Krebſes rechtläufig, geht anfangs kurz vor Mitternacht, zuletzt um 10 Uhr unter und fängt alſo an, Uranus, im Sternbild der Jungfrau, geht am 25. aus der rückläufigen Neptun iſt in den Sonnenſtrahlen verborgen. Am 27. iſt eine ringförmige Sonnenfinſternis, welche aber nur in Südafrika ſichtbar iſt. Eine ſichtbare Bedeckung von Sternen heller als 64/2. Größe durch den Mond findet in dieſem Monat nicht ftatt. Von den Verfinſterungen der Jupiterstrabanten, welche wegen der Oppoſition des Planeten ſehr nahe bei der Scheibe vor ſich gehen, iſt die des IV. Trabanten am 29. von beſonderem Intereſſe. Auf die Möglichkeit einer Bedeckung eines Sternes von 9. Größe durch die Venus am 7. wird beſonders Saturn, im Der am 31. März von Barnard entdeckte Komet erreicht nach neueren Rechnungen erſt in dieſem Monat ſeine Sonnennähe. Humboldt 1889. Dr. E. Hartwig. 31 242 Humboldt. — Juni 1889. Vulkane und Erdbeben. Am 18. Februar kurz nach 6 Uhr morgens wurde das ſüdöſtliche Japan von einem heftigen Erdbeben, dem ſtärkſten ſeit langen Jahren, heimgeſucht. In Poko⸗ hama wurden viele Häuſer beſchädigt. In Tokio be- ſchränkten ſich die Wirkungen aufs Herabfallen von Bildern, Spiegeln, Uhren, Umfallen von Flaſchen, Lampen und das Aufſpringen von Thüren. Auch waren in den höher ge— legenen Stadtteilen von Tokio die Wirkungen ſchwächer als in den tiefliegenden. Die Dauer des Erdbebens war 6 Mi⸗ nuten 12 Sekunden und die Richtung von Südweſt nach Nordoſt. Die größte horizontale und vertikale Bewegung 20,3 mm in 2,2 Sekunden, bez. 7 mm in 0,6 Sekunden. Die Neigung der Linie, in welcher die bewegende Kraft wirkte, betrug 60 0. Nach den bis jetzt vorliegenden Mach: richten wurde das Erdbeben ſogar in dem 45 geographiſche Meilen nördlich von Tokio liegenden Sendai geſpürt, wenn auch nur ſchwach. Noch am ſelben Vormittag wurden vier ſchwächere Stöße bemerkt, desgleichen einzelne an den folgenden Tagen. An der ganzen ecuatorianiſchen Küſte bis nach Buen⸗ aventura in Kolumbien haben in den letzten Tagen des Februar wiederholte heftige Erderſchütterungen ſtattgefun⸗ den. Am 27. März abends 9½ Uhr wurde in Guayaquil, Santa Elena u. a. O. der erſte Stoß verſpürt, dem am folgenden Tage, 11½ Uhr vormittags, ein zweiter folgte. Am 1. März trat Ruhe ein. Am 2. kam aber um 11 Uhr abends ein ſehr heftiger Stoß, der un⸗ gefähr 15 Sekunden dauerte und in der Richtung von Oſten nach Weſten ging. In der Nacht folgten dann noch mehrere, jedoch ſchwächere. In der Nacht zum 9. März wurde die Bevölkerung von Bologna durch ein ſehr ſtarkes Erdbeben, dem leb⸗ haftes Blitzen und bedeutendes Donnerrollen vorherging, erſchreckt. Viele Perſonen kamen halbangekleidet auf die Straße und riefen um Hilfe. Allgemeine Verwirrung herrſchte. Ueber dieſes ungewöhnlich ſtarke Erdbeben gibt der Direktor des Obſervatoriums bekannt, daß dasſelbe zuerſt ſtoß⸗, dann wellenförmig etwa 7 Sekunden ange⸗ dauert habe, worauf nach 3 Minuten Pauſe wieder eine ſtoß⸗ und wellenförmige Bewegung von 4 Sekunden Dauer eingetreten ſei, während welcher die Glocken der Türme dumpf zu läuten begannen und die Möbel in den Zimmern zu wanken anfingen. — Die Frage über den Zuſammenhang der Elektrieität mit den Erdbeben hat in den letzten Jahren beſonders die italieniſchen Naturforſcher eingehend beſchäftigt, weil man bei heftigen Erdbeben viel⸗ fach auch elektriſche Erſcheinungen, welche erſteren voran⸗ gegangen, beobachtete. Ueber die Erdbeben in Aquila am 10. und 11. März wird von dort folgendes gemeldet: Schon ſeit einem vollen Monat beängſtigt uns ein faſt ununterbrochenes Erdbeben nach etwa einjähriger Ruhe. Kein Tag vergeht und namentlich keine Nacht ohne ſchwächere oder heftigere Erſchütterungen. Bisher beſtand die Wirkung freilich nur im Erdröhnen der Mauern, Fenſtergeklirr, Zuſammen⸗ ſchlagen von Taſſen und Gläſern, Erklingen von Glocken und Hin- und Herſchaukeln der Schlafenden in ihren Bett⸗ ſtellen. Bemerkenswert iſt, daß die Stöße nicht in allen Teilen der Stadt gleich heftig ſind. Im höchſt gelegenen Stadtteile z. B. verſpürt man ſie bedeutend weniger als in einigen der etwas niedriger gelegenen. Man behauptet, er jet von unterirdiſchen Felsgrotten unterhöhlt und will daraus die Erſcheinung herleiten. Auf dem meteorologiſchen Obſerva⸗ torium ſind die ſeismographiſchen Inſtrumente in fortwäh⸗ render Bewegung. Die Bevölkerung iſt alarmiert. Viele ver⸗ laſſen die Häuſer, ſammeln ſich auf den freien Plätzen und rufen den heiligen Emidius an. Seit dem Erdbeben von 1703, bei dem halb Aquila einſtürzte, habe dieſer Heilige, ſo ſagte nämlich ein erzbiſchöflicher Erlaß, die Stadt vor den ſchrecklichen Gefahren des Erdbebens getreulich geſchützt. Am 20. März 10 ¾ Uhr abends wurde in Smyrna ein ſtarker, mehrere Sekunden dauernder Erdſtoß geſpürt. Am 28. März wurde Port de Paix von einem Erdbeben heimgeſucht, wodurch viele Häuſer zertrümmert wurden und zahlreiche Perſonen Verletzungen davontrugen. Zu Zvornik in Bosnien wurden am 2. April vor⸗ mittags 10 Uhr 32 Minuten heftige Erdſtöße in ſüdöſtlicher Richtung in der Dauer von etwa 8 Sekunden wahrgenommen. Et. In Athen wurden am 3. April ſtarke Erderſchütte— rungen verſpürt. Auch auf Zante und Megara fanden Erdbeben ſtatt, ohne indes erheblichen Schaden anzurichten. Am 27. April abends 8 Uhr 35 Minuten wurde in Agram ein etwa vier Sekunden dauerndes ziemlich hef— tiges Erdbeben verſpürt. Auf der Weſtküſte von Sumatra hat ein alter vul⸗ kaniſcher Krater, der ſeit mehreren Jahrhunderten geruht hatte, Mitte Februar ſich wieder eröffnet. Auf dieſer Inſel ſind übrigens Erderſchütterungen ſo gewöhnlich, daß man ſich gar nicht mehr um dieſe kümmert. Aeber das vogtländiſche Erdbeben am 26. De- zember 1888 hat Credner in den Berichten der Königlich Sächſiſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften eine Unterſuchung veröffentlicht, deren Ergebniſſe ſich kurz in folgender Weiſe zuſammenfaſſen laſſen. Das Erdbeben wurde an 73 Orten beobachtet, welche ſich hauptſächlich auf die Gegend zwiſchen Lengenfeld, Mißlareuth und Hundsgrün bei Oelsnitz kon⸗ zentrieren, wo auch das Erdbeben im allgemeinen am inten⸗ fivften geweſen iſt. Die Längsachſe des Erſchütterungs⸗ gebietes (63 km Länge, 35 km Breite) liegt in oſtnord⸗ öſtlicher Richtung, alſo in derjenigen des erzgebirgiſchen Falten- und Bruchſyſtems. Das Erdbeben erfolgte 15 Mi⸗ nuten nach 12 Uhr in der Nacht vom 25. zum 26. Dezember. Man hat eine, an manchen Orten zwei, ſelbſt drei ſchnell aufeinander folgende, ziemlich heftige, kurze Stöße beob⸗ achtet, durch welche die Erdoberfläche in eine wenige Se— kunden dauernde, wellenförmige, ſchaukelnde Schwankung oder in eine vibrierende Bewegung verſetzt wurde. Die Richtung dieſer Bewegung wird als eine im allgemeinen nord⸗ ſüdliche angegeben. Donnerrollen, Dröhnen, Krachen ging dem Erdbeben vorauf und folgte demſelben. Die Wirkungen dieſes Erdbebens waren heftiger als bei irgend einem der früher ſtattgehabten vogtländiſchen, obwohl nirgends Schaden angerichtet wurde. An einigen Orten des Erſchütterungs⸗ gebietes find mehrere Stunden nach dem Erdbeben noch⸗ mals zum Teil ziemlich energiſche Stöße verſpürt worden. Kaum irgend ein anderer Teil Deutſchlands iſt in ſolchem Maße tektoniſchen Störungen durch ſeitliche Druck⸗ wirkungen ausgeſetzt geweſen, wie das oſtthüringiſch-vogt⸗ ländiſche Schiefergebirge und mit dieſem der Schauplatz des Erdbebens vom 26. Dezember 1888. In das Chaos von Schichtenſtauchungen und Gebirgszerſtückelungen, wel⸗ ches jenes Areal vorzuſtellen ſchien, haben K. Th. Liebes Unterſuchungen Klarheit gebracht“). Danach iſt jenes Gebiet der Kernpunkt, in welchem ſich der Faltenwurf von nicht weniger als fünf Sattelungen kreuzt. Am engſten ſcharen ſich die dem erzgebirgiſchen Faltenſyſtem angehörigen, nordöſt⸗ lich verlaufenden, ſteil zuſammengeſchobenen Sättel. Etwas weniger intenſiv iſt die nach Nordweſten gerichtete Franken⸗ walder Faltung. Neben dieſen beiden, den geologiſchen Bau allgemein beherrſchenden Zuſammenſchüben der Schichten, machen ſich in ſchwächerem Maße oder innerhalb engerer Grenzen noch drei andere Sattelungsrichtungen geltend: eine nordnordöſtliche, eine oſtſüdöſtliche und endlich eine mit der Entſtehung des Fichtelgebirges zuſammenhängende oſtweſtliche. Jede dieſer Stauchungen hatte die Aufreißung von ihnen parallel verlaufenden Spalten und dadurch er- möglichte Verwerfungen im Gefolge, welche das vogt⸗ ländiſche Gebirge durchkreuzen, wenn auch unter ihnen die erzgebirgiſche Richtung vorzuherrſchen pflegt. Liebes Unterſuchungen hat E. Weiſe im ſächſiſchen Vogtlande weitergeführt und in deſſen Tektonik eine voll⸗ kommene Uebereinſtimmung mit den ſkizzierten Grundlinien *) Liebe, Schichtenaufbau Oſtthüringens. Abh. zur geolog. Special⸗ karte von Preußen. V. 4. Berlin 1884. Humboldt. — Juni 1889. 243 des weſtlich angrenzenden Nachbarlandes nachgewieſen “). In dieſem Areale kommt neben dem ergzgebirgiſchen und Frankenwalder Hauptfaltenſyſtem auch die oſtweſtliche und eine nordſüdliche Sattelung zu ſchärferem Ausdruck. Sie ſtehen gleichfalls ſämtlich mit Verwerfungen in Verbindung, durch welche die Gebirgskeile ſowohl vertikale, wie hori— zontale Verſchiebungen erlitten haben, und welche dieſes vogtländiſche Terrain in ſolcher Unzahl durchſetzen und zer— ſtückeln, daß dasſelbe einer Rieſenbreccie vergleichbar wird. Mit der neueren Anſchauung über die Urſächlichkeit der Mehrzahl der Erdbeben, welche die letzteren als direkte Aeußerungen oder als ſekundäre Folgen des gebirgs— bildenden Schubes anerkennt, ſteht es im Einklang, daß gerade ſolche ganz beſonders intenſiv geſtauchte, zerborſtene und in ihren Einzelteilen verſchobene Gebirgsmaſſen zum Ausgangspunkte von Erderſchütterungen werden. Dieſer Auffaſſung entſpricht es vollkommen, wenn gerade das Vogtland häufiger von Erdbeben betroffen wird, als irgend ein anderer Teil von Mitteldeutſchland. Seit 1875 konnten nicht weniger als 8 Erdbeben nachgewieſen werden. Auf Grund obiger Darlegungen darf man alle dieſe ſeismiſchen Vorgänge zur Gruppe der tektoniſchen Erd— erſchütterungen rechnen. Bei dem oben beſchriebenen Erd— beben vom 26. Dezember v. J. offenbart ſich dieſe ſeine Zugehörigkeit in faſt allen ſeinen Einzelheiten: 1. Die Längsachſe ſeines Erſchütterungsareals liegt in oſtnord— öſtlicher, alſo erzgebirgiſcher Richtung, ſonach in derjenigen der auch im Vogtlande vorherrſchenden Sattelungen und Verwerfungen. 2. Die Mehrzahl der Beobachter geben ) Erläuterungen zu Sektion Plauen-Oelsnitz der geolog. Special= karte von Sachſen. Leipzig 1887. Nordſüd als die ungefähre, allgemeine Himmelsrichtung der Erdbebenbewegung an. Es weiſt dies darauf hin, daß der Anſtoß zu der Erderſchütterung in einer, wenn auch höchſt geringfügigen Verſchiebung auf erzgebirgiſchen Spalten oder entlang einer erzgebirgiſchen Schichtenſtauchung zu ſuchen iſt, von wo aus ſich die ſtoßförmig ſchütternde Be— wegung rechtwinkelig nach ungefähr Nord und Süd aus— breitete. 3. Die mehrfach konſtatierten Abweichungen der Erdbebenrichtung von der Nordſüdlinie laſſen fic) auf Ab— lenkungen der ſeismiſchen Wellen durch größere Bruch— flächen zurückführen. So erklärt ſich die nordöſtliche Richtung der Erdbebenbewegung in Plauen und in dem benachbarten Dorfe Thiergarten dadurch, daß dieſe beiden Orte an der großen nach Nordoſt verlaufenden Elſterthal— Verwerfung liegen, auf welcher das Oberdevon bis in das Niveau des Unterſilurs abgeſunken iſt. 4. Die Crdbeben- bewegung hat die innerhalb des vogtländiſch-erzgebirgiſchen Schichtengebietes gelegenen Granitmaſſivs entweder um— gangen und jie ganz verſchont, oder ſie in weit ſchwächerem Maße betroffen, als die benachbarten Komplexe der Phyllit-, Silur- und Devonformation. Inmitten des verhältnis— mäßig ſchmalen Schieferſtreifens zwiſchen drei Granitinſeln liegen die Orte Auerbach, Sorga und Rodewiſch, von denen aus die widerſprechendſten Berichte über die Richtung der Erdbebenbewegung eingelaufen ſind. Es liegt nahe, die Urſache dieſer Erſcheinung in der Brechung und Ab— lenkung der innerhalb des Schiefergebirges erzeugten und ſich in demſelben fortbewegenden Erdbebenwellen an den benachbarten Granitmaſſivs zu ſuchen. Auf dieſe Weije erklärt ſich auch die Wahrnehmung, daß die Erdbebenwelle am Nordweſtrande des Kirchberger Granites (Voigtsgrün) in der Richtung von Südweſt nach Nordoſt verlief. D. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat April 1889. Der Monat April iſt charakteriſiert durch meiſt trübes Wetter mit geringen Niederſchlägen und ſchwacher Luftbewegung aus variabler Richtung. Die Temperatur war durchſchnittlich normal. Hervor— zuheben ſind die häufigen Gewitter, welche in den letzten 10 Tagen des Monats in den verſchiedenen Diſtrikten Deutſchlands niedergingen. Eine breite Zone niedrigen Luftdruckes mit naßkalter, vorwiegend trüber Witterung erſtreckte ſich am Anfang des Monats von der norwegiſchen Küſte ſüdwärts nach dem weſt— lichen Mittelmeergebiete, während über Südweſt- und Südoſt— europa der Luftdruck am höchſten war. Nach und nach nahm dieſe Zone eine weſtöſtliche Lage an, wobei ein Maximum nach Nordeuropa, das andere nach der Alpengegend ſich ver— legte, ſo daß alſo Centraleuropa im Gebiete des niedrigen Luftdruckes liegen blieb. Dabei hatten ſich aber im Weſten über den Britiſchen Inſeln und im Oſten zwiſchen dem Bal— tiſchen und dem Schwarzen Meere Depreſſionen ausgebildet; zwiſchen beiden lag Deutſchland, und ſo herrſchte hier, wie es bei dieſer Situation faſt immer der Fall iſt, ruhiges, ſonniges Wetter, wobei aber häufige Nachtfröſte vorkamen. Am 5. morgens war an Stelle des barometriſchen Maximums über Südeuropa ein umfangreiches Depreſſions— gebiet getreten, welches faſt ganz Mittel- und Südeuropa überdeckte und mehrere Stellen niedrigſten Luftdruckes aufwies, in deren Umgebung allenthalben trübes Wetter mit Niederſchlägen herrſchte. Dabei war das barometriſche Maximum im Norden unverändert geblieben und dieſes erhielt ſich mit geringen Schwankungen bis zur Mitte des Monats. Dieſer Druckverteilung entſprechend waren für Centraleuropa, insbeſondere für die nördlichen Gebietsteile nördliche bis öſtliche Winde vorwiegend, welche indeſſen überall nur ſchwach auftraten. Unter ihrem Einfluß er— hielt ſich bei trüber Witterung und meiſt geringen Nieder⸗ ſchlägen die Temperatur anhaltend unter dem Normalwerte, nur in den ſüdlichen und öſtlichen Gebietsteilen lag ſie vielfach etwas über derſelben. Am 11. nachmittags ging nördlich von den Alpen ein unſcheinbares Minimum vorüber, welches am Bodenſee einen heftigen Gewitterſturm erzeugte lam Abend wurde in Chemnitz und München Wetterleuchten beobachtet). Dasſelbe Minimum erzeugte am folgenden Tage auf ſeinem Wege nach der öſt— lichen Oſtſee bei Königsberg Gewitter, wobei 18 mm Regen fielen, während auch in Bayern unter dem Einfluß einer anderen Depreſſion elektriſche Erſcheinungen ſtattfanden. Um die Mitte des Monats verlegte ſich der hohe Luftdruck im Norden nach Oſten hin, während ein neues Maximum, von Nordweſten kommend, über dem Ocean weſtlich von den Britiſchen Inſeln ſich lagerte, wo es bis zum 19. faſt ſtationär blieb. Oſteuropa war jetzt der Tummelplatz für die barometriſchen Minima, die im hohen Norden zuerſt erſchienen und dann in raſcher Aufeinander— folge ſüdoſtwärts fortſchritten. Durch dieſe Situation waren für Centraleuropa nördliche und nordweſtliche Winde be- dingt, welche zeitweiſe, wenn die Gegenſätze in der Druc- verteilung im Weſten und Oſten ſich verſchärften, ziemlich ſtark auftraten. Unter ihrem Einfluß war das Wetter allenthalben trüb und kalt. Am kälteſten war es am 16., 17. und 18., an welchen Tagen in Deutſchland faſt überall Nachtfröſte vorkamen. Am 17. morgens lag die Temperatur um 8° unter dem normalen Werte. — Bemerkenswert iſt eine Depreſſion, welche vom 16. auf den 17. über Oberitalien nach dem Schwarzen Meere hin fortſchritt und von heftigen Regengüſſen begleitet war: in Nizza fielen in 24 Stunden 27, in Trieſt 34 mm Regen. Indem das barometriſche Maximum langſam ſüdwärts fortwanderte und ſich über Südeuropa ausbreitete, kamen die Depreſſionen über Nordeuropa wieder zur Geltung und dieſe breiteten ihren Wirkungskreis raſch ſüdwärts bis zu den Alpen aus, ſo daß jetzt wieder ſüdliche bis weſtliche Winde zur Herrſchaft kamen, unter deren Einfluß ſich die Temperatur raſch über ihren Durchſchnittswert erhob. Dabei war das Wetter vielfach heiter, und durch die ſtarke Einſtrahlung erreichte die Tagestemperatur im ſüdlichen und mittleren Deutſchland nicht ſelten 20%. 244 Humboldt. — Juni 1889. Dieſe Wetterlage war indeſſen nicht von langer Dauer: die Druckverteilung geſtaltete ſich in der Weiſe um, wie ſie am Anfang des Monats geweſen war, nämlich De⸗ preſſionen über den britiſchen Inſeln und über Südoſt⸗ europa, fo daß der Luftdruck über Südweſt- und Nord⸗ oſteuropa am höchſten war. Centraleuropa ſtand meiſtens unter dem Einfluß des Depreſſionsgebietes im Südoſten und daher waren in dieſem Gebiete nordweſtliche Winde bei naßkalter Witterung vorwiegend. Nur im öſtlichen Deutſchland erhielt ſich die Temperatur bei heiterer Witte⸗ rung erheblich über dem Normalwerte. Hervorzuheben ſind die häufigen Gewitter, welche in den letzten 10 Tagen des Monats in den verſchiedenen Diſtrikten Deutſchlands niedergingen, meiſt von nicht ſehr erheblichen Niederſchlägen begleitet. Die folgende Tabelle gibt eine Ueberſicht der Tempe⸗ Biographien und Profeſſor Dr. V. Meyer in Göttingen geht als Nachfolger Bunſens nach Heidelberg. Profeſſor Dr. E. Fiſcher in Würzburg hat den Ruf nach Heidelberg abgelehnt. Profeſſor Dr. Bonnet an der Tierarzneiſchule in München wurde als Profeſſor der Anatomie nach Würzburg berufen. Dr. P. Schiefferdecker, Privatdocent und Proſektor am Anatomiſchen Inſtitut in Bonn, wurde zum außer⸗ ordentlichen Profeſſor ernannt. Die Privatdozenten Dr. H. Ambronn, Dr. A. Fiſcher und Dr. v. Schubert⸗Soldern in Leipzig wurden zu außerordentlichen Profeſſoren der philoſophiſchen Fa⸗ kultät ernannt. W. Mönkemeyer, Obergärtner am Botaniſchen Garten in Göttingen, iſt am 1. April in gleicher Eigenſchaft in die neugeſchaffene Stelle am Botaniſchen Garten in Leipzig eingetreten. Dr. P. Uhlitzſch tft an Stelle des nach Java übergeſiedelten Dr. F. Benecke als Botaniker an der Kgl. Sächſiſchen Verſuchsſtation in Möckern angeſtellt worden. Dr. Fr. v. Höhnel wurde zum außerordentlichen Profeſſor für techniſche Mikroſkopie und Warenkunde an der Techniſchen Hochſchule in Wien ernannt. Profeſſor Dr. Holl in Innsbruck iſt als Profeſſor der Anatomie nach Graz berufen. Profeſſor Mandino wurde zum Direktor des Phyſiolo⸗ giſchen Laboratoriums in Palermo ernannt. B. Haſſelberg, bisher in Pulkowa, wurde als Nach⸗ folger von Edlund zum Direktor des Phyſikaliſchen Inſtituts der Akademie der Wiſſenſchaften zu Stock⸗ holm und zum Mitglied dieſer Akademie gewählt. Jakſic iſt zum Profeſſor der Botanik und Direktor des Botaniſchen Gartens in Belgrad ernannt worden. H. William E. Hoyle iſt zum Kuſtos des Mancheſter Muſeums, Owens College, ernannt worden. Dr. J. W. Spencer, Profeſſor der Geologie an der Univerſität von Georgia, iſt zum Staatsgeologen von Georgia ernannt worden. r, Douglas H. Campbell iſt zum Aſſociate⸗Profeſſor für Botanik an der Indiana⸗Univerſität zu Bloomington Ind., ernannt. Roland Thaxter wurde zum Mykologiſt an der Connecticut Agricultural Experiment Station zu New⸗ Haven ernannt. Toten liſte. Vaizey, J. Reynolds, Botaniker, ſtarb in jugendlichem Alter in Cambridge (England). Puls, Jacques Charles, Chemiker in Gent, ein tüchtiger Hymenopterolog, ſtarb 13. Januar. Er war Beſitzer einer umfangreichen entomologiſchen Bibliothek. Piſſis, Aimé, Geograph und Geolog, Verfaſſer der großen topographiſch⸗geologiſchen Karte von Chile und anderer Dr. St. Dr. raturverhältniſſe, der Regenmenge ſowie der Regenhäufig⸗ keit für den diesjährigen April und für die einzelnen Diſtrikte Deutſchlands. 1) Temperaturabweichungen für 8 Uhr morgens (0 C.). Beit: „ Karls. W wine⸗ Ham raum Memel münde burg Borkum Kaſſel Berlin Breslau ruhe chen 1.—5. —1,3 —1,4 —3,1 —0,1 —2,7 —1,2 —0,9 —2,5 —2,9 6.— 10. —0,6 —3,1 —3,1 —1,4 —0,8 —1,6 71,1 —0,9 —2,2 11.—15. +1,6 —2,9 —2,9 —1,2 —1,1 —1,1 +1,7 —1,3 —1,0 16.— 20. —3,2 —2,5 —2,9 +0,1 —3,4 —2,9 —2,8 —3,6 —3,6 21.—25. +0,3 +2,0 +1,6 +1,5 +0,5 +15 +3,4 +0,1 +0,8 26.—30. +3,4 +4,6 +0,8 +1,6 —0,3 +3,7 +3,1 —1,6 —2,5 Mittel —0,0 —0,6 —1,6 —1,3 —1,6 —0,3 770,9 —1,6 —1,6 2) Niederſchlagsmengen, Monatsſummen (mm). 4 19 3 7 31 40 78 3) Anzahl der Niederſchlagstage. : 7 9 8 17 12 10 13 15 Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. perſonalnotizen. Werke über die geologiſchen und topographiſchen Ver⸗ hältniſſe von Südbraſilien, Bolivia und Chile, ftarb 20. Januar zu Santiago. Dalton, Dr. Hohn Call, Phyſiolog, ſtarb 12. Februar zu New York, 64 Jahre alt. Wiegand, Garteninſpektor in Eiſenberg, welcher zum Nachfolger von J. Müller in Altenburg ernannt war, ſtarb vor Antritt dieſes Amtes Mitte Februar. Mongeot, Antoine, Arzt, bekannter Mykolog und Kenner der Vogeſenflora, ſtarb 20. Februar zu Bruyere (Vosges), 74 Jahre alt. James, U. P. Paläontolog, Specialiſt für Foſſilien der Cineinnatigruppe, ſtarb 25. Februar zu Loveland, Clermont Co., Ohio. N. J. W. Scheutz, bekannter ſchwediſcher Botaniker, Spe⸗ cialiſt für Roſaceen, ſtarb 26. Februar zu Vexiö, im Alter von 53 Jahren. Weißenborn, Dr. B., der Zoolog der Station in Ka⸗ merun, früher Aſſiſtent am Zoologiſchen Inſtitut in Jena, Teilnehmer der erſten Streifzüge der Expedition Kund⸗Tappenbeck, ſtarb 28. Februar in Kamerun. Wood, Rev. John George, Verfaſſer populär⸗naturwiſſen⸗ ſchaftlicher Werke, ſtarb auf einer Vorleſungsreiſe am 3. März in Coventry. Deſchmann, Carl, Kuſtos am krainiſchen Landesmuſeum, ſtarb 11. März. Er hat ſich um die botaniſche Er⸗ forſchung Krains große Verdienſte erworben. Mann, Joſef, bekannter Lepidopterolog, ſtarb am 20. März zu Wien, 85 Jahre alt. Geyler, Dr. Hermann Theodor, Lehrer der Botanik am Senckenbergſchen Inſtitut in Frankfurt a. M., Direk⸗ tor des Botaniſchen Gartens, Mitredakteur des „Bo⸗ taniſchen Jahresberichts“, bekannt durch ſeine Arbeiten über die foſſile Flora Aſiens, am 15. Januar 1835 in Schwarzbach in Sachſen-Weimar geboren, ſtarb 22. März in Frankfurt. Hüttig, O., Gartenbaudirektor a. D., thätiger Schrift⸗ ſteller auf dem Gebiet der Gärtnerei, Pflanzenkultur, ſtarb 31. März in Niederſchönhauſen bei Berlin. Grote, Apotheker in Braunſchweig, bekannt als Chemiker und Mineralog, Docent an der Techniſchen Hochſchule in Braunſchweig, ſtarb daſ. 4. April. Keyſerling, Eugen, Graf, einer der bedeutendſten Arach⸗ nidenforſcher, ſtarb 4. April zu Ernsdorf in Schleſien. Vatke, Wilhelm, Botaniker, bekannt durch ſein reiches 1 ſtarb 6. April in Berlin im 40. Lebens⸗ jahre. Chevreul, Michel Eugene, bis 1879 Profeſſor der Chemie am College de France in Paris, ſtarb daſelbſt 9. April. Er war 31. Auguſt 1786 zu Angers geboren und lieferte 1823 eine epochemachende Unterſuchung über die Fette. Später beſchäftigte er ſich hauptſächlich mit der Lehre von den Farben und mit der Färberei, die er ſehr weſentlich förderte. Humboldt. — Juni 1889. 245 Litterariſche Rundſchau. Ira Remfen, Grundzüge der theoretiſchen Chemie. Mit beſonderer Berückſichtigung der Konſtitution chemiſcher Verbindungen. Autoriſierte deutſche Ausgabe. Tübingen, H. Laupp. 1888. Preis 5 M. Der Verfaſſer, rühmlichſt bekannt durch ſeine „Ein— leitung in das Studium der Chemie“ und durch ſein Werk „Die Kohlenſtoffverbindungen“ hat ſich in denſelben nicht nur als ausgezeichneter Forſcher, ſondern nicht minder als trefflicher Lehrer, der auch ſchwierigere Partien in klares Licht zu rücken weiß, eingeführt. Von demſelben Geſichtspunkte aus, wie die beiden erwähnten Bücher iſt auch das vorliegende verfaßt. Die Darſtellungs— weiſe des Gebotenen wird bewirken, daß das Buch nicht nur dem Chemiker vom Fache, ſondern ebenſoſehr — wenig— ſtens in gewiſſen Teilen — dem Molekularphyſiker Intereſſe abgewinnen wird. An die Spitze der Betrachtungen wird das Geſetz der Erhaltung des Stoffes, dieſes Grundgeſetz der theoretiſchen Chemie, geſtellt. Dem folgen Erläute— rungen des Geſetzes der beſtimmten Proportionen und der multiplen Proportionen, welches letztere zur Aufſtellung der Atomtheorie, deren Weſen im folgenden dargelegt wird, führte. Die Unterſuchung gasförmiger Elemente und Verbindungen von Gay-Lufjac und Humboldt führte zur Aufſtellung der berühmten Volumgeſetze, welche nebſt den Anſchauungen von Avogadro und den aus deſſen Hypotheſe gezogenen Schlüſſen eingehend gewürdigt werden. Die wichtige Frage nach der Anzahl der Atome im Moleküle wird ausführlich zur Sprache gebracht. Die Forſchungen von Dulong und Petit bezüglich der Atomwärmen leiten zu einer weiteren Beſtimmungsmethode der Atomgewichte, welche nun dargelegt wird; die Bedeutung des Iſomorphis— mus für die Beſtimmung der Atomgewichte beſpricht der Verfaſſer ebenfalls. Von beſonderem Intereſſe wird dem Leſer der Abſchnitt erſcheinen, in welchem die Eigenſchaften der Elemente als Funktionen der Atomgewichte und das von Mendelejeff entdeckte periodiſche Geſetz beſprochen wird, welches ſchon heute den Anlaß zu Entdeckung gegeben hat. Die Wertigkeit der Elemente und die Methoden zur Be— ſtimmung derſelben, ebenſo die Frage nach der Konſtanz oder Variabilität diefer Größe wird im folgenden dis— kutiert. Die nächſten Abſchnitte enthalten wichtige Be— merkungen über die Konſtitution der chemiſchen Ver— bindungen im allgemeinen, der verſchiedenen Klaſſen von Verbindungen im beſonderen; es werden auch die phyſi— kaliſchen Methoden zur Beſtimmung der Struktur chemiſcher Verbindungen erwähnt, was ebenſo wie die in den folgenden Abſchnitten angegebenen Betrachtungen über die chemiſche Affinität und über den Zuſammenhang zwiſchen der chemiſchen Konſtitution und den Eigenſchaften der Ver— bindungen von allgemeinem Intereſſe iſt. Es ſei die vor— liegende Schrift aufs beſte jenen empfohlen, welche über die neueſten Fortſchritte der theoretiſchen Chemie ſich ein klares Bild erwerben wollen. Troppau. Direktor Dr. J. G. Wallentin. Karl Schwalb, Die naturgemäße Konſervierung der Vilze mit einer einleitenden Exkurſion behufs Einführung in die Pilzkunde. Wien, A. Pichlers Witwe & Sohn. 1889. Preis 6 M. Auf einer Exkurſion durch Feld und Wald führt der Verfaſſer den Leſer in die Pilzkunde ein, indem er ihm an der Hand der gefundenen Arten die Hauptgruppen der Baſidiomyceten, ſowie einige Ascomyeeten erklärt. Bis auf die ſtellenweiſe etwas zu überſchwengliche Rede- weiſe läßt ſich gegen dieſe Einführung nichts ſagen, da Verfaſſer die Beiſpiele im allgemeinen gut ausgewählt hat. Nur ſcheint dem Referenten die Ausrüſtung zu der Exkurſion: ein Träger mit einem Korbe zum Tragen der geſammelten Pilze, mit einigen Meſſern zum Ausheben der Pilze, meh— reren Bogen Papier zum Einpacken derſelben, ſowie mit einem Gefäße mit Waſſer und einigen Abwiſchtüchern behufs etwaiger Reinigung der Hände doch etwas ſehr ſeltſam. Die vom Verfaſſer vorgeſchlagenen Konſervierungs— methoden ſind zum großen Teil neu. Meiſt wird der friſche Pilz mit einer erſtarrenden Maſſe umgeben, von der er feſtgehalten wird und in der er trocknen muß. Dieſe Maſſen ſind Lehm, Mehl, Leim, Schekoter Lack (ein vom Verfaſſer gebildetes Wort, abgekürzte Benennung der den Lack bildenden Beſtandteile: Schellack, Kolophonium und Terpentin), Wachs, Stearin und Stearin-Mehlmaſſe. In einer dritten Abteilung führt Verfaſſer die häufigſten Pilze auf, mit Angabe des ſpeciell für die einzelnen am beften geeigneten Konſervierungsverfahrens. Sollte fic) das Ver— fahren des Verfaſſers bewähren, ſo würden Pilzſammlungen, nach dieſer Methode hergeſtellt, für Schulen ꝛc. recht wert— voll ſein; der Fachmann aber wird ſich mit der viel weniger zeitraubenden Methode, welche Hennings anwendet (ſ. Hum— boldt 1888.) vollſtändig befriedigt erklären dürfen, zu— mal ſie eine Sammlung liefert, welche nicht den zehnten Teil des Raumes beanſprucht, wie eine nach der Schwalb— ſchen Methode angefertigte. Berlin. Dr. Udo Dammer. Ernſt Schaeff, Leitfaden der Zoologie für Stu⸗ dierende der Naturwiſſenſchaften und der Medizin. Stuttgart, E. Schweizerbartſche Verlagsbuchhand— lung (E. Koch). 1888. Preis 3 M. Das Hauptgewicht iſt in dieſem neuen Leitfaden auf Morphologie und Anatomie gelegt und charakteriſtiſche Abbildungen unterſtützen die Beſchreibungen. Bei der Be— arbeitung der Wirbeltiere iſt in dankenswerter Weiſe der Oſteologie ein breiter Raum gewährt und mögen beſonders die Schädelabbildungen hervorgehoben ſein. Bei den ein— zelnen Gruppen iſt auch der wichtigſten, foſſilen Verwandten vorübergehend gedacht, auf die Syſtematik der recenten Formen jedoch nur ganz kurz eingegangen. Der Leitfaden, der mit einer überſichtlichen Darſtellung des Wiſſenswer— teften von der Zelle, den Geweben nnd Organen, ſowie einer Beſprechung der verſchiedenen Fortpflanzungs- und Entwicklungsweiſen eingeleitet wird, iſt beſonders Medi— zinern als Repetitorium zu empfehlen. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Ernſt Flothow, Die ſchädlichen Arten der Motten und deren radikale Vertilgung mitſamt ihrer Brut (Eier, Raupen, Puppen). Berlin, Selbſtverlag des Verfaſſers. 1888. Preis 1 M. Verfaſſer iſt der Erfinder giftfreier Präparate, die nach ſeinen Angaben ſich unbedingt wirkſam erweiſen gegen alles mögliche Inſektenungeziefer in Haus und Hof, Stall und Garten. Auf Grund eigener Erfahrungen ein Urteil zu fällen, hat Referent keine Gelegenheit. Das Schriftchen Flothows, welches auf wiſſenſchaftlichen Wert keinen An⸗ ſpruch erhebt, enthält eine ausführliche Gebrauchsanweiſung dieſes Allheilmittels nebſt allgemeinen Anmerkungen über die Entwickelung der ſchädlichen Motten. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. H. Ladhmann, Das Terrarium. Magdeburg, Creutzſche Verlagsbuchhandlung. 1888. Preis 3 M. Auf Grund langjähriger Erfahrungen in der Pflege von Reptilien und Amphibien gibt der Verfaſſer eine praktiſche Anleitung zur Einrichtung und Unterhaltung von Terrarien mit Berückſichtigung der Litteratur, eine Be⸗ ſchreibung der in Frage kommenden Tiere und der für die Bepflanzung empfehlenswerten Gewächſe und manchen guten Wink für die Pflege der Tiere. Beſonders inte— reſſant ſind die Verbindungen von Aquarien mit Terrarien für Amphibien. Recht ſaubere Abbildungen, freilich meiſt oft geſehene Cliches aus andern Werken, werden vielen Leſern willkommen ſein. Friedenau. Dammer. 246 Humboldt. — Juni 1889. Bibliographie. Bericht vom Monat April 1889. Allgemeines. Ackermann, K., Bibliotheca hassiaca. Repertorium der landeskundl. Litteratur f. den königl. preuß. Reg.⸗Bez. Kaſſel. 2. Nachtrag. Kaſſel, Keßler. M. 1. — Archiv d. Vereins der Freunde der 518 in Mecklenburg. 42. Jahrg. 1888. Güſtrow, Opitz & M. 6. — Diebolder, J., Darwins Grundprinzip ne Abſlammungelehre, an der Hand zahlreicher Autoritäten kritiſch beleuchtet. St. Gallen, Köppel. M. —. 80 Jahresbericht, 72. u. 73 der 05 1 50 Geſellſchaft in Emden. 188688. Emden, Haynel. M. Oſtwald's Klaſſiker der exatten Wiſßenſchaften. Nr. 1. Inhalt: Ueber; die Erhaltung 80 Kraft. Von H. Helmholtz. Leipzig, Engel⸗ mann. M. —. Schriften d. naturwiſſenſchaftlichen Vereins des one in Wernigerode. 3. Bd. 1888. Wernigerode, Nüttner⸗ M. 2. 6 Verhandlungen d. naturhiſtoriſchen Vereines der r Rheinlande, Weſtfalens u. d. Reg.⸗Bez. Osnabruck. Hrsg. von Ph. Bertkau. 45. Jahrg. Neue Folge. 5. Jahrg. Bonn, Cohen & Sohn. M. 9.— Shy fit. Exner, K., Ueber eine Konſequenz des Fresnel⸗Huyghensſchen Prinzips. Leipzig, Freytag. 8 20. Faraday, M., Experimental⸗ Untersuchungen üb. Elektricität. Ueberſ. v. S. Kaliſcher. 1. Bd. Berlin, Springer. 12.— Fritſche, W., Die Gleichftrom-Dynamomaſchine, 1 1 Wirkungsweiſe und Vorausbeſtimmung. Berlin, Springer. M. Miller⸗Hauenfels, A. R. v., Richkigſtellung Ree in 1 bisheriger Faſſung unrichtigen mechaniſchen Wärmetheorie u. Grundzüge e. allgemeinen Theorie der Aetherbewegungen. Wien, Manz. M. 4. 80. Projektions⸗Kunſt, die, f. Schulen, Familjen u. öffentliche Vorſtellungen nebſt einer Anleitung zum Malen auf Glas u. Beſchreibung opt., magnet., chem. u. elektr. Verſuche. 9. Aufl. Düſſeldorf, Lieſegang. M. 5.— Stewart, B., u. H. Gee, Praktiſche Phyſik für Schulen und jüngere Studierende Ueberſ. v. K. Noack. I. Tl. Elektrieität u. Magnetis⸗ mus. Berlin, S M. 2. 50. Straubel, R., Ueber die Berechnung der Fraunhoferſchen Beugungs⸗ erſcheinungen durch Randintegrale mit beſonderer 1 i 0 der Theorie der Beugung im Heliometer. Jena, Pohle. M. 1. 50. Chemie. Calm, A., u. K. Buſchka, Die Chemie des 1 us 9 Derivate. il, Lief. Braunſchweig, Vieweg & Sohn. M. Jorban, N., Vergleichende Unterſuchungen der wichtigeren zum Nachweiſe von Arſen i in 1.50 u. Geſpinnſten empfohlenen Methoden. Dorpat, Karow. M. 1. Vortmann, G., Anleitung zur 1 2 Analyſe organiſcher Stoffe. 1. Hälfte. Wien, Deuticke. M. 4 Astronomie. Publikationen der v. Kuffnerſchen Sternwarte in Wien u (Ottakring). Hrsg. v. N. Hertz. 1. Bd. Wien, Frick. M. 15. Geographie und Ethnographie. Nachtigal, G., Sahara u. Sudan. Ergebniſſe ſechsjähr. Reiſen in Afrika. 3. Teil. brag v. E. Groddeck. Leipzig, Brockhaus. M. 15. — Veröffentlichung des königl. preuß. geodätiſchen Inſtituts. Polhöhen⸗ beſtimmungen aus dem Jahr 1886 für 20 Stationen nahe dem Meridian des Brockens vom Harz bis zur däniſchen Grenze. Ge⸗ legentlich ausgeführte Polhöhen⸗ und Azimutbeſtimmungen aus den Jahren 187884. Berlin, Stankiewicz. M. 10.— Wiſſmann, H., Unter deutſcher Flagge quer durch Afrika von Weſt nach Oſt. Von 1880—83 ausgeführt v. P. Pogge u. H. Wiſſmann. 4. Aufl. Berlin, Walther & Apolant. M. 12. — Meteorologie. Frey, E. v., Der Kohlenfäuregehalt der Luft in und bei Dorpat, be⸗ ſtimmt in den Monaten September 1888 bis Januar 1889. Dorpat, Karow. M. 1.— Hann, J., Unterſuchungen über die tägliche Oscillation des Barometers. Leipzig, Freytag. M. 4 Jahrbuch der meteorologlſchen Ean der Wetterwarte der Magde⸗ burgiſchen Zeitung. Hrsg. v. A. W. Grützmacher. Jahrg. VII. 1888. Magdeburg, Faber. M. 6. — Krebs, A., Beiträge zur Kenntnis und Erklärung der Gewitter⸗Erſchei⸗ nungen auf Grund der Aufzeichnungen über die Gewitter Hamburgs in den Jahren 1878—87. Stuttgart, Maier. M. 1. 50. Nießl, 85 00 „Ueber das Meteor vom 22. April 1888. Wien, Hölder. M. Singer e für Süddeutſchland. München, Ackermann. 3.— Mineralogie, Geologie, Paläontologie. 0 Veſuvian⸗Pyroxen⸗Fels vom Piz Longhin. Wien, Hölder. Diener, C., zum 80 der „Central maſſe des Wallis“. Freyt ag. M. —. Sric, A., Studien im ene der böhmiſchen Kreideformation. Paläon⸗ tologiſche Unterſuchungen der einzelnen Schichten. IV. Die Teplitzer Schichten. Dorpat, Karow. M. 6. — Jahreshefte, Geognoſtiſche. 1. Jahrg. 1888. Hrsg. von der geognoſt. Abteilung des Königl. bayr. Oberbergamts in München. Kaſſel, Fiſcher. M. 8. — Leipzig, Jahrbuch der Königl. preuß. geologiſchenzLandesanſtalt u. Bergakademie zu Berlin für das Jahr 1887. Berlin, Schropp. M. 20. — Jerofeieff, M., u. P. Latſchinoff, Der Meteorit von Nowo⸗Urei. Petersburg, Eggers & Ko. M. 6.— Mohr, C. A., u. K. Bamberg, geologiſche Schulwandkarte v. Deutſch⸗ land in 20 Blättern. Chromolith. Berlin, Chun. M. 16. — Specialkarte, geologiſche, von Elſaß⸗ Lothringen. 1:25 000. Hrsg. v. der Kommiſſion für die geolog. Aue ann eeuc Elſaß⸗ Lelhrengen. Sekt. 5. 6. 11. 16. 22. 23. Mit Erläuterungen. Inhalt: 5. Sierck. Mit Erläuterungen von L. van Werveke. — 6. Merzig. Mit Er⸗ läuterungen von H. Grebe und L. van Werveke. — 11. Groß⸗ Hemmersdorf. Mit Erläuterungen v. L. van Werveke. — 16. Buſen⸗ dorf. Mit Erläuterungen von L. van Werveke. — 22. Bolchen. Mit Erläuterungen von G. Meyer. — 23. Lubeln. Mit Erläute⸗ rungen v. G. Meyer. Berlin, Schropp. a M. 2.— Stoffert, A., Die Bohrungen in der Schweiz auf Steinkohlen u. Steni⸗ ſalz, beſonders bei Rheinfelden und Zeiningen. Baſel, Sallmann & Bonacker. M. 2. 40. Botanik. Bibliotheca botanica. Abhandlungen aus dem Geſamtgebiete der Botanik. Hrsg. v. O. Uhlworm u. F. H. Haenlein. 13. Heft, Inhalt: Neue Beiträge zur Moosflora von Neu⸗Guinea. Von A. Geheeb. Kaſſel. Fiſcher. M. 10. — Engler, A., u. K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien nebſt ihren Gattungen und wichtigeren Arten, insbeſondere den Nuhpflangen. 31/32. fg. Leipzig, Engelmann. a M. 1. 50. Ettingshauſen, C. Frhr. v., u. F. Krafan, Beiträge zur Erforſchung der ataviſtiſchen Formen an lebenden Pflanzen u. ihre Beziehungen zu den Arten ihrer Gattung. 2. Folge. Leipzig, Freytag. M. 3. 60. Fritſch, K., Beiträge zur Kenntnis der Chryſobalangceen. I. Conspectus generis Licaniae. Wien, Hölder. M. 1. 60. Jäger, H., u. L. Beißner, Die Siergeholie der Gärten u. Parkanlagen. 3. Auflage. Weimar, Voigt. M. 7. Kitt, Th., Bakterjologiſche und patholcgiſch⸗ hiſtiologiſche Uebungen für Tierärzte u. Studierende der Tierheilkunde. Wien, Pertes. M. 7.— Lichinger, F., Die offizinellen Kroton⸗ u. Digsmeenrinven ber Sani des Dorpater pharmaceutiſchen Inſtitutes. Dorpat, Karow. M. 1.— Lorinſer, F. W., Die wichtigſten eßbaren, verdächtigen und giftigen Schwämme. 4. Auflage. Wien, Hölzel. M. 6. — N 1 50 „Etiketten f. Pflanzenſammlungen. Kaiſerslautern, Gotthold. M. 1 Meixner, x Der Wald u. ſeine Bedeutung. Minden, Köhler. Mt.—. 75. Migula, W., Ueber den Einfluß ſtark verdünnter Sſurelöſungen auf Algenzellen. Breslau, Köhler. M. 1. — Pauſe, Die Naturgeſchichte des eee e 05 des ihm verwandten Scharlachpilzes. Dresden, Pierſon. M. 2. Seidel, L. E., Das Pflanzenleben in Ghaatiecivie und abgerundeten Gemälden. Langenſalza, Greßler. M. 4 Stephany, E., Die e e WE Behandlung und ihre Pflege. Petersburg, Schmitzdorff. Wächter, Ch., Methodiſcher ie für den Unterricht in der Pflanzen⸗ kunde. Altona, Reher. M. 1. Wallnöfer, A., Die Laubmooſe beer Syſtematiſch zuſammengeſtellt. Klagenfurt, Kleinmayr. Wiesner, J., Elemente der wiſſenſchaftlicen Botanik. 3. Bd. Biologie der Pflanzen. Mit e. Anh.: Die hiſtor. Entwickelung der Botanik. Wien, Hölder. M. 8. — Zoologie. Auchenthaler, F., Ueber den Bau der Rinde v. Stelletta Grubii 0. S. Wien, Hölder. M. 1. 40 Bibliotheca zoologica. Original-Abhandlungen aus dem Geſamt⸗ gebiete d. Zoologie. Hrsg. v. R. Leuckart und C. Chun. 4. Heft. oy Unterſuchungen über die G a u. Lebensgeſchichte Distomum macrostomum v. G. A. Heckert. Kaſſel, Fiſcher. Berlin, Mit 2 Dewitz, H., Weſt⸗ Bit aki Tagſchmetterlinge. Friedländer. M. 2 Hedinger, H., Ueber den Bau der Malpighiſchen Gefäßknäuel der Niere. Breslau, Köhler. M. 1. — Hürthle, K., Miniter e ee über die Innervation der Hirngefäße. Breslau, Köhler. 8 Marenzeller, E. v., Ueber d die adriatiſchen Arten der Schmidtſchen Gattungen Stellata und Ancorina, Wien, Hölder. M. 2. 60. Marſhall, W., Zoologiſche 50 1. Heft. Die Papageien (Psittaci). Leipzig, Freche, M. 1 5 Mondeville, H. v. „ omnutoniog Nach e. Handſchrift der königl. Bibliothek zu Berlin pom Jahre 1304, zum erſtenmale hrsg. von Pagel. Berlin, 9915 M. 1.— Rieſenthal, Kennzeichen der Vögel Mitteleuropas. II. Die en Al Waſſervögel (Sumpf⸗ und Schwimmvögel) nebſt kurzer Anleitung zur Jagd. Berlin, Mückenberger. M. 6. — Vhyſtologie. Beaunis, H., Der künſtlich hervorgerufene Somnambulismus. Phyſio⸗ logiſche e hehe Studien. Deutſch von L. Frey. Wien, Deuticke en 0 die vitalen Eigenſchaften iſoljerter Organe. Dorpat, arow Bul Brügelmanu, W., Ueber den e und ſeine Verwertung in der Praxis. Neuwied, Heuſer. M. —. 75. Humboldt. — Juni 1889. Döhring, W., Ueber den lokalen Einfluß der Kälte und Wärme auf Haut und Schleimhäute. Königsberg, Koch. M. 1 Fahrenholtz, G., Beiträge zur Kritik der Meiſchuitoffſchen Phagoeyten⸗ lehre auf Grund eigener Infektionsexperimente mit Milzbrandſporen. am Froſch. Königsberg, Koch. M. 1. — Lewin, L., Ueber Areca catechu, Chavica betle und das Betelfauen. Stuttgart, Enke. 6.— Stern, R., Ueber die Wirkung der e auf den tieriſchen Organismus. Breslau, Köhler. M. Uffelmann, J., Handbuch der 1 1 8 Schwarzenberg. M. 10.— 1 Hälfte. Wien, Urban & 247 Weismann, A., Ueber die 99 1 1 shes Vererbung von Some. Vortrag. Jena, Fiſcher. Ape Masta, K. J., Lößfunde bei Brünn und der diluviale Menſch. Neu⸗ titſchein, ager M. 1.— Stübel, A., W. Reiß u. B. Koppel, Kultur und e ſüdameri⸗ kaniſcher Völker. Nach den im Beſitze d. Muſeums f. Völkerkunde zu Leipzig befindlichen Sammlungen. Text und Beſchreibung der Tafeln von M. Uhle. 1. Bd. Alte Zeit. Berlin, Aſher & Ko. M. 80. — Weisbach, A., Einige Schädel aus Oſtafrika. Wien, Hölder. M. 1. 40. Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Der Joucaultſche Vendelverſuch läßt ſich nach einer von Prof. Dr. Mauritius (Hoffmanns Zeitſchr. f. ma— themat. naturwiſſenſchaftl. Unterſ. VIII. S. 475 ff.) an⸗ gegebenen Methode auch im Zimmer und bei Vor— trägen ꝛc. in einem ſolchen mit Pendeln von etwa Meterlänge in vollkommen deutlicher und befriedigender Weiſe anſtellen. Es wird das an einem Draht befeſtigte (ca. 25 Pfund ſchwere) Pendelgewicht ſenkrecht zu einer Wand in Be- wegung geſetzt. Hinter dem Draht bringt man eine ſehr helle Lichtquelle an, welche zuerſt den Schatten des Drahtes als ſcharfe Linie ſichtbar macht. Zunächſt bemerkt der Be— obachter gar keine Veränderung, nach 1—2 Minuten fängt der Schatten jedoch zu pendeln an — die Schwingungs— ebene hat ſich merklich gedreht, und zwar ſieht man als— bald in welchem Sinn, da der Schatten breiter wird, wenn ſich der Draht dem Lichtpunkt nähert. Die pendelnde Bewegung wird nun immer beträchtlicher und nach fünf Minuten oder gar länger iſt ſie für alle Zuhörer deutlich zu erkennen. Es iſt ihnen der Beweis für die Achſen— drehung der Erde von Weſten nach Oſten geliefert. Der Verſuch geſtattet aber auch die Größe der Drehung der Pendelebene zu meſſen. Bezeichnen wir die Entfernung des Lichtes von der Wand mit J, die Größe der beiden Schatten— exkurſionen an der Wand (in der gleichen Horizontalebene) mit a und b und den Drehungswinkel der Pendelebene mit 6, fo zeigt eine elementare geometriſche Betrachtung, daß 1 (ab) 2 ab wird, woraus ſich 2 ergibt. Bei einem der Verſuche von Mauritius war beiſpielsweiſe die Entfernung des Licht— punktes vom Draht 19,4 em, von der Wand 4,31 m, Ver⸗ ſchiebung des Schattens nach der einen Seite 2,5 em, nach der anderen 3,6 em, Zeit 10 Minuten, Pendellänge 110 em, Exkurſion nach jeder Seite 3,7 em. Daraus ergab ſich der Winkel der Drehung 6 = 1° 59‘, während die Theorie 6 = 1° 53“ verlangte. — Man wird leicht über eine größere nutzbar zu machende Länge des Pendels bis zum Geſichtsfeld verfügen können, fo daß die Empfind⸗ lichkeit noch weiter wächſt. Als Lichtquelle kann man den Lichtkegel eines Sonnen- mikroſkopes oder eines Sciopticons mit Kalklicht oder elektriſchem Licht benutzen. Man läßt die Spitze des Licht- kegels nicht ſehr weit vom Draht abſtehen. — Um die An⸗ fangsbewegungen des Pendels genau zu regulieren, legt man nach Mauritius einen Draht in meridionaler Rich- tung ſenkrecht zur beabſichtigten Schwingungsebene um das Gewicht herum, verbindet deſſen oberſten und unterſten Punkt durch einen Faden und befeſtigt an dieſem den ziehenden Faden, der mittels eines Nagels an der Wand ſo hoch befeſtigt wird, daß der Faden eine Tangente an dem Kreisbogen bildet, welcher den Schwerpunkt des Pen⸗ dels bei der Schwingung beſchreibt. Man zieht dabei den Faden unter Vermeidung der Torſion ſo weit an, als die entſprechende Exkurſion des Pendels herauskommt. Nach⸗ dem alles zur Ruhe gekommen brennt man den Faden ab. Selbſtverſtändlich muß man bet Verwendung von Sonnen- licht vor der Meſſung die mit dem veränderten Sonnen⸗ ſtand eingetretene Drehung des Lichtkegels wieder rück⸗ gängig machen. cote 6 Eine einfachere, jedoch noch völlig zweckentſprechende Beobachtungsweiſe gibt Mauritius a. a. O. S. 479. Man befeſtigt auf einem Tiſch mittels eines Nagels ein dreh— bares Brett, ſo daß die 55 des über dem Tiſch hängenden Pendels durch den Drehungspunkt geht. Auf dem Brett wird ein Gasbrenner (Schnittbrenner) arfge- ſtellt, ſo daß die Flamme mit der Kante nach dem Draht gewendet iſt und denſelben auf die Wand projiziert. Um den Schatten beſſer ſichtbar zu machen, ſchiebt man über den Draht ein Stück eines thönernen Pfeifenrohres, darauf ſetzt man das Pendel in der früheren Weiſe in Bewegung. Die Deutlichkeit wird erhöht, wenn man vor der Flamme noch einen Spalt anbringt, ſo daß das Licht von einer Linie ausgeht (Cylinderlinſe). Nach einiger Zeit dreht man die Lichtquelle in die neue Schwingungsebene, indem man das Brett ſo weit dreht, daß der Schatten wieder ruhig erſcheint. Den Winkel, um welchen fic) die Schwingungs— ebene gedreht hat, findet man demnach hierbei direkt. Greiz. Profeſſor Dr. Ludwig. Aleber eine zweckmäßige Konſervierungsmethode getrockneter Pflanzen ſprach Prof. Harz im „Botaniſchen Verein“ in München. Privatleute leiden ſehr häufig an den Mißſtänden der gewöhnlichen Aufbewahrungsart. Dieſe beſteht bekanntlich darin, daß die in Papier befindlichen Objekte gruppenweiſe zwiſchen zwei Deckeln aus Pappe feſt eingebunden werden. In günſtigeren Fällen werden die Faseikel in wohl verſchließbaren Schränken aufbewahrt, in der Regel aber liegen dieſelben direkt auf offenen Re— poſitorien, höchſtens von einem Vorhange bedeckt. In dieſem Falle werden Pflanzen und Papiere ungemein durch Staub geſchädigt; ein Wohnraum, in welchem zahlreiche Pflanzen— präparate in dieſer Art aufbewahrt werden, leidet ſchließlich bis zur Unerträglichkeit durch Schmutz und Staub, ſelbſt wenn allwöchentlich ein- bis zweimal das geſamte Herbar abgewiſcht wird. Ueberdies leiden Möbel, Teppiche, Kleider u. ſ. w. durch die nicht mehr zu beſeitigenden Motten und dergl. in ganz ungewöhnlichem Grade. Eine Menge von Tieren dringen überall ungehindert ein und ſind raſtlos beſtrebt, die Pflanzen zu benagen und in Stücke und Pulver zu verwandeln. So Papierläuſe, Milben, Käfer— und Schmetterlingslarven, gelegentlich ſelbſt Mäuſe. wiſſe Familien ſind hierbei beſonders bevorzugt: Kompoſiten, Umbelliferen, Salikaceen; gemieden wird keine einzige. Manche Polypori und andere Pilze werden durch die Larven einer Motte oft innerhalb einiger Wochen total zu Pulver zerfreſſen. Dieſe wenigen Andeutungen dürften genügen, auf die Nachteile der gewöhnlichen Aufbewahrungsweiſe hinzuweiſen. Sehr fleißiges Durchſehen ſchützt gegen dieſe Mißſtände nur wenig, der Zeitpunkt der völligen Vernich- tung wird nur hinausgeſchoben, nicht beſeitigt. Dabei geht eine enorme Zeit für ſolche rein mechaniſche Arbeit verloren, ſelbſt wenn die Sammlungen einen nur mäßigen Umfang erreichen. Manche ſuchen ſich damit zu behelfen, daß ſie ihre Pflanzen mit Sublimat vergiften. Dies iſt aber ein durchaus verwerfliches Syſtem. Die Pflanzen leiden dadurch ſehr, der Studierende der Sammlung noch mehr, und die Pflanzen werden ſchließlich dennoch verzehrt. Harz gibt an, er habe z. B. Agarieinen und Boleti in Händen gehabt, welche mit einer Kruſte von Sublimat überzogen, dadurch für wiſſenſchaftliche Unterſuchung ganz 248 unbrauchbar geworden und dennoch von Anobienlarven zerfreſſen und durchlöchert worden waren. Man kann ſich noch einigermaßen dieſer läſtigen Feinde erwehren, wenn man von Zeit zu Zeit die Sammlungen in wohl ver⸗ ſchloſſenen Kiſten mit Schwefelkohlenſtoff behandelt. Aber dies müßte mindeſtens zweimal im Jahre geſchehen und würde dennoch nicht imſtande ſein, den Inſektenfraß völlig auszuſchließen. Die Pflanzenſammlungen aber für die Dauer derartig in Kiſten verpackt aufzubewahren, hindert jedenfalls in ungebührlicher Weiſe die Benutzung derſelben. Eine Pflanzenſammlung ſoll, wenn irgendwie möglich, auch in Privaträumen ſo aufgeſtellt ſein, daß der Beſitzer oder Benützer jeden Augenblick in bequemer Weiſe das Ge⸗ wünſchte zu erreichen vermag. Seit circa 10 Jahren be⸗ dient ſich nun Harz eines einfachen Verfahrens, welches die oben angeführten Mißſtände ziemlich beſeitigt und welches jedem zu empfehlen iſt, der ſich nicht großer paſſender Schränke oder ſonſtiger beſſerer Vorrichtungen zum Auf⸗ bewahren ſeiner Sammlungen bedienen kann. Harz benutzt rechteckige Blechſchachteln aus gewöhnlichem Weißblech in drei verſchiedenen Größen. Der (ſelbſtverſtändlich aus der⸗ ſelben Subſtanz hergeſtellte) Deckel ſchließt möglichſt gut an und greift mit 6 bis 10 em hohem Rande über. Zweckmäßig erwieſen ſich folgende drei Größen: I. 45 em lang, 30 em breit, 25 em hoch II. 39 0 uw 24 ” 1 30 u 1 III. 30 0 ” 21 1 0 15 ” u Selbſtverſtändlich läßt ſich jedermann dieſe Behälter in der ihm paſſenden Größe anfertigen. Die Größe I verwendet Harz für Gefäßpflanzen; die Größe II für Boleti, die meiſten Agarieinen, für größere Algen, Mooſe u. dergl.; die Nummer III für kleinere Objekte, ſo für viele Poly⸗ pori, kleine Agaricinen, überhaupt kleinere Pilze (Uredineen, Uſtilagineen, Ascomyceten) u. ſ. w. So aufbewahrt, kann man die Pflanzenſammlung überall bequem aufſtellen; Staub, Inſekten u. dergl. vermögen nicht einzudringen. Auch die Feuchtigkeit wirkt auf ſie nicht leicht ein. Es iſt hierbei zu beachten, daß die Objekte nicht in feuchtem Zuſtande eingereiht werden. Friſch getrocknete oder friſch aufgeklebte Pilze läßt Harz z. B. 8 bis 14 Tage, zwiſchen Papier locker gehäuft, in einem trockenen Zimmer ver⸗ weilen, ehe ſie in die Blechbehälter kommen. Die Gefäß⸗ pflanzen, welche während des Sommerſemeſters ꝛc. geſam⸗ melt wurden, bleiben in derſelben Weiſe bis zum Herbſt loſe zwiſchen Papier und Pappendeckel liegen; an und für ſich ſehr trockene Pflanzen, wie holzige Polypori, Lenzites, Marasmii u. dergl. werden unbedingt ſofort untergebracht. Bei den ſelbſt geſammelten, wie bei den von anderwärts erhaltenen Pflanzen braucht vor dem Einreihen in die Sammlung gar nicht darauf geachtet zu werden, ob ſie durch Inſektenfraß leiden, da das folgende Verfahren gegen alle derartigen weiteren Beſchädigungen ſchützt. Es befindet ſich nämlich in den Blechbehältern je eine Proberöhre (ſogen. Reagensglas), in welche nach jeder Einreihung neuer Pflanzen circa 20 bis 30 ee Schwefelkohlenſtoff gebracht werden. Man verſchließt ſofort mit dem Deckel und ſtellt die Pflanzenſchachtel wieder an ihren gewohnten Ort. Befanden ſich Eier oder Larven irgend eines Tieres an den Pflanzen, ſo werden ſie nach 1 bis 3 Tagen durch die entweichenden Dämpfe des Schwefelkohlenſtoffes ſicher getötet. Man kann die Wirkung des Schwefelkohlenſtoffs etwas verſtärken, indem man die ihn enthaltende Probierröhre mit einem Wattepfropf locker verſchließt. Hierbei entweicht Schwefelkohlenſtoff etwas langſamer, und der Luftraum im Innern des Blechbehälters bleibt 8 bis 10 Tage lang mit deſſen Dämpfen bereichert. Wer zufällig genötigt ſein ſollte, ſeine Pflanzen in Wohn⸗, Speiſe⸗ oder Schlafräumen aufzube⸗ wahren, dürfte nicht zu viele Fascikel auf einmal in dieſer Weiſe behandeln, oder er würde dieſelben einige Tage lang irgendwo unterzubringen haben, wo der Geruch nicht unange⸗ nehm empfunden wird. Einige wenige Nummern ſo behandelt, beläſtigen in keiner Weiſe. Man kann z. B. in einem geräumi⸗ gen Arbeitszimmer, welches ein- bis zweimal täglich gelüftet wird, 15 bis 20 Blechſchachteln gleichzeitig in obiger Weiſe Humboldt. — Juni 1889. behandeln, ohne daß der Aufenthalt darin unangenehm wird. — Jeder Behälter kann endlich, wenn ſolches zufällig einmal geboten wäre, ſofort geruchlos gemacht werden, indem man ihn einfach öffnet und den etwa noch vorhan⸗ denen flüſſigen Schwefelkohlenſtoff beſeitigt. Der Schwefel⸗ kohlenſtoff iſt ſehr billig, momentan erhält man 1 keg für 70 Pfg.; damit kann man ein großes Herbarium für lange Zeit verſorgen. Er hat nur die beiden Nachteile, ſehr unan⸗ genehm zu riechen und ſehr brennbar zu ſein. Aus letzterem Grunde ſoll die Anwendung desſelben möglichſt bei Tage ſtattfinden; wer indeſſen ſorgſam damit umgeht, kann jederzeit, auch bei Gas- und Lampenlicht, mit Schwefel⸗ kohlenſtoff unbeſorgt arbeiten. Der Schwefelkohlenſtoff wirkt in keiner Weiſe nachteilig auf Metallgegenſtände ein, was für gewöhnliche Wohnräume von beſonderem Werte iſt. Da endlich bei einer wohlgehaltenen Sammlung die Behandlung mit Schwefelkohlenſtoff nur ſehr ſelten, ſozu⸗ ſagen ausnahmsweiſe erforderlich wird, ſo kann von einer wirklichen Beläſtigung auch in einer kleineren Wohnung nicht die Rede ſein. D. Zum Hixteren der Sporen der Hymenomyceten auf Papier bediente ſich Harz früher bei farbigen Sporen eines ziemlich einfachen Verfahrens: Er ließ dieſelben auf beliebiges weißes Papier fallen, was je nach dem Objekt eine bis einige Stunden bis zu einem halben oder ganzen Tag 2. Zeit erfordert. Nach dem Abnehmen des Pilzes ließ er kurze Zeit behufs Abtrocknen an der Luft liegen, worauf die Rückſeite mit einer Auflöſung von Canada⸗ balſam in abſolutem Alkohol derartig mit Vorſicht beſtrichen wurde, daß durch etwa zu reichlich eindringende Flüſſig⸗ keit keine Ueberſchwemmung des Sporenpräparates ſtatt⸗ fand. Auf dieſe Weiſe gelang die Herſtellung reſp. Fixierung einfach und raſch. Bei farbloſen Sporen ſtieß Harz auf Schwierigkeiten inſofern, als es ſchwer gelingt, ein paſſendes, gut geglättetes farbiges Papier zu erhalten, deſſen Farb⸗ ſtoff in Alkohol unlöslich iſt. Herpell ſuchte dem Uebel⸗ ſtand durch Anwendung von Aether und Maſtix ꝛc. abzu⸗ helfen; indeſſen gelang es Harz wenigſtens nicht immer, befriedigende Präparate aus weißem Sporenmaterial zu gewinnen. Folgendes Verfahren hat Harz ſeit zwei Jahren erprobt gefunden: Man löſt 1 Vol. Canadabalſam in 4 Vol. Terpentinöl, indem man ganz gelinde im Waſſerbade oder über freier Flamme erwärmt. Mit dieſer Löſung können die Sporen aller Farben gleich den farbloſen auf jedes beliebige weiße oder farbige Papier raſch fixiert werden. Für farbige Sporen benutzt Harz irgend ein glattes, holz⸗ freies Schreib-, Concept: oder Poſtpapier; zu weißen bezw. farbloſen Sporen kann jedes beliebige Glanzpapier Ver⸗ wendung finden. Blaues und ſchwarzes eignet ſich hierzu beſonders gut; aber auch gelbe, rote, grüne u. ſ. w. Glanz⸗ papiere liefern ſchöne Präparate. Die Anwendung der obigen Löſung iſt ſehr einfach: mit einem weichen Haar⸗ pinſel wird jene auf die Rückſeite des ſporenbeſäeten Papieres dünn aufgeſtrichen; allzu reichliches Auftragen iſt zu ver⸗ meiden, damit keine Ueberſchwemmung der Sporen verurſacht wird. Schon nach 2 bis 4 Tagen iſt das Präparat ſo weit abgetrocknet, daß man es ungefährdet zwiſchen Papier auf⸗ bewahren kann. Ganz trocken (daß z. B. die Finger der Hand nichts mehr abwiſchen) wird dasſelbe erſt nach 4 bis 6 Wochen. In einigen Fällen bedarf das Verfahren einer kleinen Korrektion: 1. Wenn die Sporen ſich überaus reichlich entleert haben, thut man gut, das Bepinſeln nach 1 bis 2 Tagen noch einmal zu wiederholen, oder man bereitet fic) zu dieſem Zweck eigens eine Löſung von 2 Vol. Canadabalſam in 5 bis 6 Vol. Terpentinöl. 2. Fallen zumal die ſogen. weißen Sporen ſehr ſpärlich auf das Papier, ſo bedient man ſich einer Löſung von 1 Vol. Canadabalſam in 6 bis 8 Vol. Terpentinöl. Es iſt wohl ſelbſtverſtändlich, daß irgend ein anderer in Ter⸗ pentinöl löslicher Balſam, z. B. Terpentin oder ein ſich darin löſendes Harz dieſelben Dienſte leiſten wird. Auch könnte man das Terpentinöl dabei durch irgend ein anderes äthe⸗ riſches Oel erſetzen. D. Ueber das Grenzgebiet zwiſchen Elektricität und Optik. Don Direktor Dr. J. G. Wallentin in Troppau. I. wiſchen den Erſcheinungen des Lichtes und der Elektricität beſteht ein merkwürdiger 05 BY 850 Zuſammenhang, auf den zuerſt von Fa⸗ raday aufmerkſam gemacht wurde und der durch neuere Forſchungen, von denen einige im fol— genden hervorgehoben werden ſollen, unzweifelhaft erwieſen iſt. Das Gebiet der „Elektrooptik“, in der dieſer Zuſammenhang erörtert wird, iſt vornehm— lich durch die tiefſinnigen Forſchungen Maxwells mathematiſch beleuchtet worden, und dieſem Forſcher iſt die Aufſtellung der ſogenannten „elektromagne— tiſchen Lichttheorie“, auf die wir am Schluſſe der Abhandlung zurückkommen werden, zu danken. Die älteren Beobachtungen einiger Phyſiker, z. B. Zantedeſchis, Sommervilles u. a., daß das Sonnen⸗ ſpektrum im Violetten und Ultravioletten vermögend ſei, Stahlnadeln zu magnetiſieren, erwieſen ſich als unrichtig. Daß unter dem Einfluſſe des Lichtes aller- dings die Körper eine Aenderung in ihrer Molekular— konſtitution erfahren, iſt bekannt, und die Unter⸗ ſuchungen über das Selen, welches, in einem gewiſſen Molekularzuſtande den Lichtſtrahlen ausgeſetzt, Aen— derungen ſeines elektriſchen Leitungswiderſtandes er⸗ fährt, ebenſo die von Pellat gemachte Beobachtung, daß das Licht Einfluß auf die elektromotoriſche Kraft eines Daniellſchen Elementes nimmt, daß ſpeciell der Sitz dieſer Wirkung, infolge der die elektromotoriſche Kraft eine Variation von 1— 2% erfahren kann, auf der Kupferplatte zu ſuchen iſt und von den brech—⸗ barſten Strahlen bedingt wird, haben einen derartigen Zuſammenhang zwiſchen Molekularverhalten der Körper und dem Lichte unzweifelhaft gemacht. Die Arbeit von Faraday „über die Magne— tiſierung des Lichtes und die Beleuchtung der magnetiſchen Kraftlinien“, welche am 6. No— vember 1845 der Königlichen Geſellſchaft der Wiſſen— Humboldt 1889. ſchaften zu London übermittelt wurde, iſt für das Studium der Elektrooptik bahnbrechend geweſen, letz— tere wurde durch dieſe Arbeit inauguriert. Wir wollen in aller Kürze die von Faraday gemachte Entdeckung darſtellen und eingehender der ſpäteren Forſchungen über dieſen Gegenſtand gedenken. Als ein Stück „ſchweren Glaſes“, das vorzüglich aus borſaurem Blei beſteht, zwiſchen die Pole eines ſtarken Elektromagneten gebracht wurde, zeigte ſich, daß ein von Pol zu Pol gehender polariſierter Lichtſtrahl eine Drehung ſeiner Schwingungsebene durch das Glas erleidet. Aus dieſen und anderen von Faraday angeſtellten Verſuchen, welche auch mit anderen dia— magnetiſchen Subſtanzen ausgeführt wurden, ergab ſich, daß in allen diamagnetiſchen Subſtanzen die Polariſationsebene des Lichtes in derſelben Richtung gedreht wird, in der ein Strom um den Strahl eir— kulieren müßte, um den herrſchenden Magnetismus der angewandten Elektromagnete zu erzeugen. Wurde das Glasſtück von den Kraftlinien ſenkrecht zum Strahle durchſetzt, fo trat keine Drehung der Polariſations— ebene ein. Die Zunahme der Drehung mit der In— tenſität des magnetiſchen Feldes und mit der Dicke der durchſetzten Subſtanz wurde ebenfalls von Fa— raday gezeigt; ebenſo wurde dargethan, daß eine Drehung der Polariſationsebene eines Diamagneti— kums auch dann eintritt, wenn die „Magnetiſation des Lichtſtrahles“ allein durch Ströme veranſtaltet wurde. Es machte ſich aber ein Unterſchied geltend, je nachdem die Drehung der Polariſationsebene durch einen Magnet oder Strom erzeugt wurde; im er- ſteren Falle beobachtete man ein allmähliches Auf— leuchten des Geſichtsfeldes, wenn der Elektromagnet erregt wurde, und beim Aufhören des Stromes trat augenblickliche Dunkelheit ein; im letzteren Falle er— ſchien das Licht augenblicklich. Dieſe Erſcheinungen 32 250 haben darin ihren Grund, daß im erſteren Falle der Magnetismus der weichen Eiſenkerne erſt all⸗ mählich anwächſt, während im zweiten Falle, in wel⸗ chem keine magnetiſierungsfähige Maſſe vorhanden iſt, die drehende Wirkung den Maximalwert ungleich ſchneller erreicht. Von Belang iſt auch noch jene Unterſuchung, welche den Unterſchied zwiſchen natür⸗ licher und magnetiſcher Drehung der Polariſations⸗ ebene zeigt: Verſilbern wir die Enden eines Stückes einer durchſichtigen diamagnetiſchen Subſtanz, welche die Polariſationsebene des Lichtes an und für ſich drehen kann, derart, daß ein durch die Vorderfläche tretender Lichtſtrahl auf der Endfläche des Stückes reflektiert wird, von der Vorderfläche abermals reflek⸗ tiert wird und durch eine in der Endfläche ange⸗ brachte Oeffnung in der ſpiegelnden Subſtanz aus⸗ tritt, ſo wird bei gekreuzten Nicols der Strahl ausgelöſcht erſcheinen. Wird aber eine magnetiſche Drehung der Polariſationsebene erzeugt, ſo erſcheint in dem beſchriebenen Verſuche die Drehung verdop⸗ pelt, bei mehrfacher Reflexion vervielfacht. Den Faradayſchen Unterſuchungen folgten jene von Wiedemann über die magnetiſche Drehung von Flüſſigkeiten, dann die ausführlichſten Verſuche von Verdet, der in ſinnreicher Weiſe die Intenſität des angewendeten magnetiſchen Feldes beſtimmte: Es wurde eine Drahtſpirale von 28 mm äußerem und 12mm innerem Durchmeſſer und 15 mm Länge ſo angeord⸗ net, daß man ſie um eine Linie ſenkrecht zu ihrer Achſe um 90° drehen konnte; der dadurch entſtandene Induktionsſtrom, veranlaßt durch die Variation der magnetiſchen Kraftlinien, welche die Windungen der Spirale durchſetzten, gab ein Maß für die Stärke des magnetiſchen Feldes ab, welche mit jener der Erde verglichen werden konnte. Verdets Experimente mit dem ſchweren Glaſe und mit Schwefelkohlenſtoff lie⸗ ferten im allgemeinen dieſelben Reſultate wie die Verſuche Faradays; es ergab ſich das präciſe Reſul⸗ tat, daß die Drehung der Polariſationsebene bei ge- gebenem Medium und gegebener Farbe zwiſchen zwei Punkten des Strahles der Differenz der magnetiſchen Potentiale in dieſen beiden Punkten proportional iſt. Die Größe der Drehung in einer gegebenen Sub⸗ ſtanz von der Dicke gleich der Längeneinheit, wenn die Einheit der Intenſität des magnetiſchen Feldes vorhanden iſt und die magnetiſchen Kraftlinien die⸗ ſelbe Richtung wie die Lichtſtrahlen beſitzen, welche die Subſtanz durchſetzen, hängt nur von der Beſchaffen⸗ heit des Mediums ab und wird die Verdetſche Kon⸗ ſtante desſelben genannt. Dieſelbe iſt im allgemeinen für diamagnetiſche Subſtanzen poſitiv, für manche paramagnetiſche Subſtanzen (wie z. B. für Löſungen von Eiſenchlorid) negativ. Für Schwefelkohlenſtoff beträgt die Verdetſche Konſtante in den Einheiten des C. G. S.⸗Syſtems 1,5235 105, wie aus den ge⸗ nauen Verſuchen Gordons hervorgeht; um die an⸗ gegebene Größe, als Grade ausgedrückt, wird ein polariſierter Strahl grünen Lichtes (einer Thallium⸗ flamme) gedreht, wenn die Potentialdifferenz an der Ein⸗ und Austrittsſtelle des Strahles in die Sub⸗ Humboldt. — Juli 1889. ſtanz gleich der Einheit iſt. Es wird gewöhnlich die Drehungskonſtante des Schwefelkohlenſtoffes als Ein⸗ heit angenommen, dann iſt die Drehung des Waſſers per Einheit der Potentialdifferenz 0,308, jene des Flintglaſes 1,422. Es folgten nun die Verſuche von Edmond Bee— querel, welcher das ſpäter nicht ganz genau befundene Geſetz aufſtellte, daß die Drehung der Polariſations⸗ ebene unter ſonſt gleichen Umſtänden dem Quadrate der Wellenlänge des angewandten Lichtes umgekehrt proportional iſt. — Aus ſpäter angeſtellten Experi⸗ menten Henri Becquerels folgte, daß der Erdmagne⸗ tismus auch eine drehende Wirkung beſitzt. Würde ein Kanal von einer Meile Länge in der Richtung Nord⸗Süd in Kew geführt fein, der mit Schwefel⸗ kohlenſtoff erfüllt wäre, dann würde ein Strahl grünen Lichtes, welcher durch dieſe Subſtanz geht, eine Drehung der Polariſationsebene infolge des Erd⸗ magnetismus von 50° erfahren. Henri Becquerel war es auch, der die Beziehung zwiſchen dem Drehungs⸗ vermögen einer Subſtanz und deren Brechungsexpo⸗ nenten aufſtellte. Die 1879 von Kundt und Röntgen gemachten Verſuche zeigten, daß auch den Dämpfen und Gaſen eine magnetiſche Drehung der Polariſationsebene zu⸗ komme. Schwefelkohlenſtoffdampf von 100 C. war in einer Röhre von 1m Länge enthalten, welche von einer Drahtſpirale umgeben war, die 2400 Windungen hatte und in welche ein Strom von 65 Bunſenſchen Elementen geſchickt wurde; die erzeugte Drehung der Polariſationsebene wurde auf ungefähr 0,5“ geſchätzt. Auch in gasförmiger ſchwefeliger Säure bei 100° C. und bei dem Drucke von 20 Atmoſphären, ebenſo in Schwefelwaſſerſtoff bei demſelben Drucke und bei ge⸗ wöhnlicher Temperatur konnte eine magnetiſche Drehung erwieſen werden. — Spätere von Henri Becquerel mit vollkommeneren Mitteln angeſtellte Verſuche lehr⸗ ten unter anderem, daß die Drehung in Sauerſtoff eine negative, alſo eine der im Schwefelkohlenſtoffe und auch im unterſuchten Leuchtgaſe entgegengeſetzte iſt. — Kundt und Röntgen nahmen die Unterſuchung nochmals auf und wieſen nach, daß atmoſphäriſche Luft, Sauerſtoff, Stickſtoff, Kohlenoxyd, Kohlenſäure, Leuchtgas, Aethyl, Sumpfgas die Polariſationsebene des Lichtes in der Richtung des magnetiſierenden Stromes drehen und daß unter ſonſt gleichen Um⸗ ſtänden die Drehung mit der Gasdichte zunimmt. — Da der Erdmagnetismus ebenfalls nach den früheren Bemerkungen eine die Polariſationsebene drehende Wirkung beſitzt, ſo muß ein polariſierter durch Luft gegangener Lichtſtrahl gedreht erſcheinen; dieſe Dre⸗ hung muß nach der angeſtellten Rechnung für eine 253 km in der Nord⸗Süd⸗Richtung gelegene Luft⸗ ſchichte 1° betragen. Becquerel hat thatſächlich be⸗ obachtet, daß das Himmelslicht in einer Ebene pola⸗ riſiert iſt, welche durch die Sonne, den Beobachter und die beobachtete Himmelsſtelle geht, daß aber ein Abweichen dieſer Ebene, der „Sonnenebene“, von der wirklichen Polariſationsebene vorhanden iſt und durch den Erdmagnetismus erklärt wird. Humboldt. — Juli 1889. Nach den Anſchauungen Faradays ruft der mag— netiſierende Strom in den diamagnetiſchen, von Licht— ſtrahlen durchſetzten Körpern analoge Erſcheinungen hervor, wie in den magnetiſchen Körpern, nur in an⸗ derem Grade; in letzteren iſt nach der Ampereſchen Theorie dieſer Zuſtand ein „Stromzuſtand“ (state of current), in den durchſichtigen Diamagnetika ein „electric tension tending to a current“. Nach Fresnel iſt ein geradlinig polariſierter Licht— ſtrahl zwei entgegengeſetzt vor fic) gehenden civfular- polariſierten Lichtſtrahlen äquivalent, welche mit derſelben Geſchwindigkeit fortſchreiten, deren Schwin⸗ gungsdauer dieſelbe und deren Schwingungsamplitude halb fo groß iſt wie jene der geradlinig reſultieren— den Schwingung. Zur Erklärung der magnetiſchen Drehung muß man annehmen, daß beim Durchgange der beiden eirkularpolariſierten Lichtſtrahlen durch das aktive, den magnetiſchen Kräften unterworfene Me— dium der eine der Strahlen gegen den anderen einen Vorſprung erlangt, daß ſie alſo nicht mehr mit der— ſelben Geſchwindigkeit ſich fortpflanzen. Dies iſt wohl durch Experimente von Cornu, auf die hier nicht ein— gegangen werden kann, erwieſen worden. Die Phaſen— differenz zwiſchen den beiden Lichtſtrahlen kann einer Variation der Schwingungsdauer und der Fortpflan— zungsgeſchwindigkeit zugeſchrieben werden; erſteres würde erklärt werden können, wenn man annimmt, daß das vom Lichte durchſetzte Medium ſelbſt in einer beſtimmten Richtung in rotatoriſcher Bewegung iſt. Das Eiſen beſitzt ebenfalls eine merkwürdige, 1884 von Kundt entdeckte photomagnetiſche Eigenſchaft; dieſer Forſcher zeigte, daß eine Eiſenſcheibe, welche ſo dünn iſt, daß ſie durchſcheinend wird, und welche von den Kraftlinien eines magnetiſchen Feldes durch— ſchnitten wird, die Polariſationsebene des durch— gehenden Lichtes beträchtlich nach jener Seite dreht, nach welcher der magnetiſierende Strom fließt; dieſe Erſcheinung dürfte als eine neue Stütze der Ampere— ſchen Theorie des Magnetismus betrachtet werden können und ihre Erklärung in der Rotationsbewe— gung der elektriſierten Materie zu ſuchen ſein. Die— ſelben Erſcheinungen hat Kundt (1886) bei durch— ſichtigen Schichten von Kobalt und Nickel gefunden, wenn dieſelben normal zu dem magnetiſchen Felde aufgeſtellt ſind. Er zeigte, daß die Drehung der Polariſationsebene im Eiſen mit wachſendem Mag— netismus wächſt, jedoch in einem Felde von ungefähr 17000 C.G.S.-Einheiten den Maximalwert erreicht, daß ferner die Maximaldrehung der Dicke der Schichte proportional ijt, daß Kobalt und Nickel qualitatin ſich wie Eiſen verhalten. In einer neueren Arbeit von H. E. J. G. du Bois (1887) wird mit auf elektrolytiſchem Wege niedergeſchlagenen Schichten der drei erwähnten Metalle gezeigt, daß in Metallſchich— ten die magnetiſche Maximaldrehung der Polariſations— ebene des durchgehenden Lichtes der Dicke proportional iſt, daß weiter in magnetiſch weichen Kobalt- und Nickelſchichten die Drehung der Polariſationsebene des durchgehenden Lichtes der Transverſalmagnetiſie— rung proportional iſt, daß endlich in ähnlicher Weiſe 251 wie bei den durchſichtigen diamagnetiſchen Subſtanzen das Theorem gilt: „Die magnetiſche Drehung der geradlinigen Schwingungskomponenten der in belie— biger Richtung durch einen iſotropen, weichen, lamellar magnetiſierten Körper gehenden Strahlung iſt alge— braiſch gleich der Zunahme des Magnetiſierungs— potentiales von der Eintritts- zur Austrittsſtelle, multipliziert mit einer Konſtanten, welche poſitiv für magnetiſche Elemente, negativ für diamagnetiſche Ver⸗ bindungen iſt, welche keine Beſtandteile enthalten, die in freiem Zuſtande magnetiſch ſind.“ Eine weitere Beziehung zwiſchen Elektricität und Licht wurde 1875 von Kerr in Glasgow gefunden: Glas und andere dielektriſche Körper, einer ſtarken elektriſchen Spannung ausgeſetzt, werden doppelt- brechend und erlangen die Fähigkeit, geradlinig polariſiertes Licht in elliptiſch polariſiertes Licht zu verwandeln. Als Clektricitätsquelle wurde eine In⸗ duktionsſpule verwendet, deren beide Pole in die optiſch unterſuchte Subſtanz eingeführt waren. Bei Verwendung von Glas waren die Erſcheinungen die— ſelben, als ob dasſelbe in der Richtung der eleftro- ſtatiſchen Induktionslinien ausgedehnt worden wäre; dieſelbe Eigenſchaft zeigten Schwefelkohlenſtoff, Pa⸗ raffin, Benzol, Terpentinöl und Olivenöl; fette Oele animaliſchen oder vegetabiliſchen Urſprunges verhiel— ten fic) fo, als ob fie in der Richtung der Induktions— linien eine Kontraktion erfahren hätten. Erſtere Körper wurden von Gordon, der dieſe Unterſuchun— gen wieder aufgenommen hat, poſitive, letztere nega— tive genannt. Röntgen wiederholte 1879 dieſe Ver— ſuche und wir heben aus ſeinen diesbezüglichen Experimenten nur jenes heraus, durch welches er die optiſchen Effekte der elektriſchen Spannung dadurch nachahmen konnte, daß er die Flüſſigkeit (ſpeciell Schwefelkohlenſtoff, den er unterſuchte) durch die Glaszelle in einem ſtarken Strome trieb. Aus allen dieſen Verſuchen ergab ſich das Reſultat, daß die elektrooptiſche Aktion eines gegebenen Dielektrikums per Einheit der Dicke wie das Quadrat der reſul⸗ tierenden elektriſchen Kraft variiert. Es erſcheinen die Anſichten Faradays und Clerk Maxwells über die Wirkung des Dielektrikums beim Durchſenden der elektroſtatiſchen Kräfte durch dieſe Thatſachen der Elektrooptik ſtreng beſtätigt. — Quincke hat die ebenerörterten Phänomene mittels elektroſtatiſcher Dilatationen und Kontraktionen erklärt und hierbei der älteren Verſuche von Fontana gedacht, durch welche gezeigt wurde, daß das innere Volumen einer geladenen Leidner Flaſche größer wurde, und jener von Duter, nach welcher dieſe ſcheinbare Wus- dehnung der Dicke des Glaſes umgekehrt proportio— nal iſt und wie das Quadrat der Potentialdifferenz wächſt. Kerr hat eine weitere Thatſache der Elektrooptik entdeckt: Ein polariſierter Lichtſtrahl wird bei der Reflexion an der Oberfläche eines Magnetes oder Elektromagnetes in ſeiner Schwingungsebene gedreht; bei der Reflexion von dem Pole eines Elektromag⸗ netes erfolgt die Drehung der Polariſationsebene ent⸗ 252 gegengeſetzt der Richtung des magnetiſierenden Stro⸗ mes. Es wurde dafür Sorge getragen, daß die Polariſationsebene des einfallenden Lichtes, das den Magnetpol traf, entweder parallel oder ſenkrecht zur Einfallsebene war, damit das reflektierte Licht nicht nach der Reflexion den Charakter des elliptiſchpola⸗ riſierten Lichtes annehme. Eine Wiederholung dieſer Experimente wurde von Gordon vorgenommen. — Als Kerr das Licht von den Seitenflächen des Mag⸗ neten reflektieren ließ, fand ſich die Drehung der Polariſationsebene des reflektierten, geradlinig polari⸗ ſierten Lichtſtrahles weſentlich — was die Richtung derſelben betrifft — von dem Einfallswinkel und der Einfallsebene abhängig. War die Polariſationsebene des polariſierenden Nicols parallel zur Einfallsebene, jo wird die erſtere in der Richtung des magnetiſie⸗ renden Stromes gedreht; ſind hingegen die erwähn⸗ ten Ebenen ſenkrecht zu einander, ſo erfolgt die Ro⸗ tation in derſelben Richtung wie der magnetiſierende Strom für Einfallswinkel zwiſchen 85° und 75° und in der entgegengeſetzten Richtung für Winkel zwiſchen Humboldt. — Juli 1889. 75° und 30%. Erwähnt fei im Anſchluſſe an dieſe Beobachtungen, daß dieſelben in neueſter Zeit von A. Right wiederholt und daß für die erhaltenen Ge- ſetze eine Deduktion aus theoretiſchen Geſichtspunkten gegeben wurde. Es wird von dieſem Phyſiker ge— zeigt, daß Polariſeur und Analyſeur ihre Rolle wechſeln, wenn man von ſenkrecht zur Einfallsebene polariſiertem Lichte zu parallel dazu polariſiertem ein⸗ fallenden Lichte übergeht, und daß dementſprechend die zur Einſtellung auf das Minimum der Helligkeit erforderliche Drehung des Polariſeurs im erſten, des Analyſeurs im zweiten Falle dieſelbe iſt. Righi unterſuchte auch den Fall von mehrfachen Reflexionen an parallelen Polen entgegengeſetzter Polarität und fand in gewiſſen Fällen das reflektierte Licht gerad⸗ linig polariſiert, ſo daß die Kerrſche Erſcheinung ſich einfach auf die Drehung der Polariſationsebene redu⸗ ziert. — Auch der Fall, daß eine Lamelle aus einer durchſichtigen Subſtanz auf einem Magnetpole liegt und von der erſteren Licht reflektiert wird, findet in der Righiſchen Abhandlung Erörterung. Die Litrifikation des Stickſtoffs im Boden. Profeffor Dr. Robert Sachße in Leipzig. Wi. in einem früheren Artikel *) gezeigt worden iſt, iſt die Salpeterſäure wenn auch nicht die einzige, ſo doch eine der hauptſächlichſten Quellen für die Ernährung der Pflanze mit Stickſtoff. Der Pro⸗ zeß, durch welchen das in dem Boden durch Fäulnis entſtandene Ammoniak in Salpeterſäure übergeht, der ſogenannte Nitrifikationsprozeß, iſt daher einer der wichtigſten Prozeſſe, die ſich im Boden abſpielen, und von der Schnelligkeit und Ausgiebigkeit, mit welcher derſelbe verläuft, hängt in den meiſten Fällen die Ausnutzung des in den Boden gebrachten Kapi⸗ tals an Stickſtoff ab. Die Darſtellung unſerer heu⸗ tigen Kenntniſſe über dieſen Nitrifikationsprozeß im Boden ſoll den Gegenſtand des nachfolgenden Ar⸗ tikels bilden. Ehe wir auf denſelben eingehen, wird es am Platze ſein, kurz die Bedingungen zu ſchildern, unter welchen außerhalb des Bodens und unter rein willkürlich gewählten Verhältniſſen die Umwandlung des Ammoniaks in Salpeterſäure ſtattfinden kann. Die einfache Vergleichung der chemiſchen Formeln des Ammoniaks NH, und der Salpeterſäure HNO; zeigt, daß es ſich bei dem Uebergange von jenem in dieſe um eine Verbrennung handeln muß. In der That gelingt die Verbrennung des Ammoniaks, wenn dieſes mit reinem Sauerſtoff gemiſcht einer höheren Temperatur ausgeſetzt wird. Indes ſind dies Be⸗ dingungen der Verbrennung, die in der freien Natur nicht eintreten können, da hier ſowohl der reine Sauer⸗ ſtoff, als auch die notwendige hohe Temperatur fehlt, bei gewöhnlicher Temperatur aber die Einwirkung ) Siehe Jahrg. 1889, S. 92. des gewöhnlichen atmoſphäriſchen Sauerſtoffs auf das Ammoniak unmerkbar wird. Es ſcheint, daß bei ge- wöhnlicher Temperatur nur eine einzige Möglichkeit vorliegt, Ammoniak durch Sauerſtoff zu oxydieren, d. h. wenn dieſer in Form von Ozon angewandt wird. Leitet man ozoniſierten Sauerſtoff durch eine ver⸗ dünnte Ammoniaklöſung, fo erheben fic) nach Carius ſofort weiße Nebel von Oxydationsprodukten über der Flüſſigkeit, und nach längerem Durchleiten laſſen ſich in derſelben Salpeterſäure und ſalpetrige Säure und endlich auch Waſſerſtoffſuperoxyd nachweiſen. Wir lernen ſomit das Ozon als das einzige Oxyda⸗ tionsmittel des Ammoniaks kennen. Die Einwirkung des gewöhnlichen Sauerſtoffs iſt in dieſer Richtung unmerkbar. Wie ſteht es nun mit der Nitrifikation im Boden? Wer noch vor nicht allzulanger Zeit über dieſen Punkt ſich unterrichten wollte, hörte von drei Bedingungen, die hierzu nötig ſeien, nämlich eine mäßige, nicht zu niedrige Temperatur, die Gegenwart von Sauerſtoff und die Gegenwart von Alkalien oder Alkalikarbo⸗ naten, z. B. kohlenſaurem Kalk ꝛc. Erſtere beiden Bedingungen ſind eigentlich mit Rückſicht auf das, um was es ſich bei der Nitrifikation handelt, ſelbſt⸗ verſtändlich, die letztere, deren ausführliche Erörte⸗ rung uns hier zu weit von unſerem eigentlichen Zweck abführen würde, wollen wir einfach als eine durch die Thatſachen begründete Erfahrung hinnehmen. Seit einer Reihe von Jahren iſt nun zu den drei eben erwähnten Bedingungen für die Nitrifikation noch eine vierte hinzugekommen, nämlich die Gegen⸗ wart von Fermenten. Man nimmt an, daß im Humboldt. — Juli 1889. Boden Mikroorganismen vorkommen, denen man das ſpecifiſche Vermögen zutraut, durch ihre Lebensthä— tigkeit die Umwandlung von Ammoniak in Salpeter⸗ ſäure unter den ſonſt günſtigen Bedingungen zu be— wirken, und die man deshalb als Nitrifikationsfermente bezeichnet. In der That können ſchon längſt bekannte That— ſachen aus der Praxis der Salpeterplantagen im Sinne einer ſolchen Hypotheſe gedeutet werden. In Ländern, wo ſolche im Betriebe ſind oder waren, weiß man ſehr wohl, wie ſchwierig es oft iſt, eine richtige Nitrifikation einzuleiten, und man benutzt dazu mit Vorliebe die ältere, wenn auch ſchon ausgelaugte Salpetererde, d. h., im Sinne der Fermenthypotheſe geſprochen, man benutzt die in dieſer noch vorhan— denen Fermente, um die Nitrifikation in den friſch angeſetzten Salpeterhaufen in Gang zu bringen. In demſelben Sinne ſprechen aber auch Verſuche, die, viel- fach wiederholt, immer zu ein und demſelben Reſultate geführt haben. Die Anordnung derſelben iſt ſehr einfach, jie beruht auf dem Gedanken, daß die Nitri— fikation, wenn ſie eine Fermentwirkung iſt, eintreten muß, fobald man einer ammoniakhaltigen Subſtanz bei ſonſt günſtigen Verhältniſſen das Ferment hinzu⸗ fügt, und daß ſie aufhören muß, wenn man durch Gebrauch antiſeptiſcher Mittel die Fermente zerſtört. Natürlich iſt hier nicht der Ort, die nach dieſem Prin— zipe ausgeführten Verſuche bis ins einzelne und aus⸗ führlich zu verfolgen, ſondern wir beſchränken uns auf ein oder zwei Beiſpiele. Schlöſing und Müntz ließen durch eine weite mit Quarzſand und etwas Kalk gefüllte Glasröhre Abfallwaſſer mit bekanntem Ammoniakgehalt langſam hindurchſickern. Erſt nach längerer Zeit trat in dem abfließenden Waſſer Sal— peterſäure auf, zum Zeichen, daß die Nitrifikation begonnen hatte, bald aber wurde dieſelbe ſo lebhaft, daß nunmehr das Ammoniak ganz durch Salpeter- ſäure erſetzt wurde. Die Fermente, im Sinne der Hypotheſe geſprochen, hatten ſich in der Zwiſchenzeit lebhaft vermehrt, und dieſer Vermehrung entſprach eine ebenſo lebhafte Nitrifikation. Als nun aber der Inhalt der Glasröhre mit Chloroformdämpfen ge— ſchwängert wurde, hörte die Salpeterſäurebildung ſo— fort auf und begann auch nicht wieder, nachdem das Chloroform beſeitigt war, ſondern erſt dann, als außer⸗ dem noch eine Spur fruchtbarer Gartenerde zugeſetzt wurde. Statt des Chloroforms kann man auch Schwefelkohlenſtoff, Karbolſäure anwenden, oder man erhitzt den Boden auf 100°. Der Erfolg iſt immer derſelbe, inſofern als alle dieſe Mittel, welche dem Leben der Mikroorganismen feindlich ſind, auch der Nitrifikation ſich als hinderlich erweiſen. Dies ſind im weſentlichen die Verſuche, auf welche die heutige Fermenthypotheſe ſich ſtützt. Fragen wir nun, ob dieſelben ſo eindeutig ſind, daß ſie uns zu deren Annahme unweigerlich zwingen, und wenn dies nicht wäre, ob wir wenigſtens Veranlaſſung haben, die fragliche Hypotheſe als die beſte unter anderen möglichen zu erklären. Der Boden ijt jedenfalls ein fo verwickelter Gegen- 253 ſtand, daß wir, wie uns ſcheint, die erwähnte Wir— kung antiſeptiſcher Mittel noch nicht mit Notwendig— keit als eine Wirkung auf ſpeeifiſche Nitrifikations⸗ fermente aufzufaſſen haben. Nehmen wir z. B. nur eins. Bekanntlich verlaufen in dem Boden auch noch andere Oxydationsprozeſſe, welchen die fohlenftoffhal- tige Subſtanz desſelben, der ſogenannte Humus, zum Opfer fällt. Auch dieſe Oxydationsprozeſſe werden beſchleunigt durch niedere Organismen, welche die or— ganiſchen Subſtanzen aſſimilieren, in ihrem Leibe in— folge der Atmung verbrennen und als Kohlenſäure ausatmen. Es iſt alſo eine lebhafte Oxydation im Boden im Gange. Verallgemeinert man, ſo könnte man ſagen: Iſt dieſe Verweſung eine Oxydation, ſo wird es dabei ſich wohl verhalten wie bei allen an— deren Oxydationsprozeſſen, welche zur Bildung von Ozon Veranlaſſung geben. Die Möglichkeit einer Entſtehung von Ozon bei der Verweſung zugegeben, würde dann weiter die Oxydation des Ammoniaks im Boden vollkommen und zwar in derſelben Weiſe, wie ſie oben bei dem Verſuche von Carius geſchildert wurde, erklärlich ſein, ohne daß wir nötig hätten, eine direkte Mitwirkung von Fermenten anzunehmen. Nur indirekt, und damit ſetzen wir zugleich unſere Anſchauung in Einklang mit dem Reſultat der Ver⸗ ſuche, würden dieſe beteiligt ſein. Inſofern als mit der Unterdrückung der Verweſung durch antiſeptiſche Mittel auch die Ozonbildung unterdrückt wäre, wie mit deren Wiederbeginn auch die letztere und mit ihr die Nitrifikation wieder aufleben müßte. Dies iſt wenigſtens eine Möglichkeit. Freilich hat noch niemand Ozonbildung bei dem als Ver— weſung bezeichneten Oxydationsvorgange nachgewieſen, ebenſowenig wie jemand bewieſen hat, daß eine ſolche hierbei nicht ſtattfindet und unmöglich iſt. Als Wn- deutung einer Bildung von Ozon bei der Verweſung könnte man allenfalls eine ſchon 1834 gemachte Be- obachtung von Th. v. Sauſſure gelten laſſen, welcher gefunden hat, daß Waſſerſtoff über verweſenden Sub⸗ ſtanzen in einer ſauerſtoffreichen Luft allmählich ver— ſchwindet. Eindeutig würden die Verſuche über die Ferment⸗ wirkung bei der Nitrifikation nur dann genannt wer- den dürfen, wenn es gelingen ſollte, aus jedem gut nitrifizierenden Boden beſtimmte Mikroorganismen, nennen wir fie der Kürze wegen Bakterien, zu tfo- lieren und reine Ammoniaklöſungen nach Zuſatz der ſonſt den Bakterien nötigen Nährſtoffe dadurch zur Nitrifikation zu bringen, alſo die Nitrifikationsbak⸗ terien rein zu züchten. Das ſcheint indes zunächſt großen Schwierigkeiten zu unterliegen, da unter ſo und ſo viel mißlungenen Verſuchen nur eigentlich ein einziger oder zwei mit poſitivem Reſultate zu ver- zeichnen iſt. Es bringt dies beinahe auf den Ge- danken, als ob die nitrifizierenden Organismen, ob- wohl ihre Exiſtenz nicht geleugnet werden kann, doch nicht die allgemeine Verbreitung haben, die ſie haben müßten, wenn die größere Menge der in dem frucht⸗ baren Boden vorhandenen Salpeterſäure unter ihrer Mitwirkung entſtanden wäre. Weder Frank noch 254 Warington wollte die Reinzüchtung deutlich nitrifi— zierender Bakterien gelingen, und letzterer geſteht zu, daß eine kleine Menge wirklichen Bodens, zu einer Ammoniaklöſung hinzugeſetzt, einen unvergleichbar ſtärker nitrifizierenden Einfluß hat, als alle Mikro⸗ organismen in iſoliertem Zuſtande zuſammengenommen. Nicht ganz ſo beſtimmt ſpricht ſich Adametz über den gleichen Punkt aus. In dem mit einer kleinen Menge Ackererde verſetzten Gefäß hatten ſich allerdings nach drei bis vier Wochen kleine, quantitativ nicht be- ſtimmbare Mengen von Salpeterſäure gebildet, die im Kontrollgefäß nicht vorhanden waren, aber dieſe Salpeterſäureſpuren erfuhren im Laufe der Zeit keine Zunahme, auch dann nicht, wenn ſonſtige Bedingun⸗ gen für das Wachstum der Organismen möglichſt günſtig geſtaltet wurden. Ein ſolches Reſultat wäre übrigens nach der vorhin entwickelten Anſchauung von der Bedeutung der allgemeinen Verweſungs⸗ fermente für die Nitrifikation recht verſtändlich, denn dann müßte ja die letztere ſehr bald zum Stillſtand kommen, ſobald die geringe Menge organiſcher Nah—⸗ rung für dieſe erſchöpft wäre, was bei einer geringen Menge Ackererde ſehr bald geſchehen kann. Nur Heräus und namentlich Hueppe ſcheint es gelungen zu ſein, einen Organismus mit ganz beſtimmt nitri⸗ fizierenden Eigenſchaften ausfindig zu machen, einen Fall, auf den wir weiter unten in anderem Zuſam⸗ menhang zurückkommen werden. Das Beſtreben, an der Pflanzenzelle eine nitrifi⸗ zierende Funktion aufzufinden und damit eine ſichere Grundlage für die Fermenthypotheſe zu ſchaffen, war für Berthelot und Andrs die Veranlaſſung zu Unter⸗ ſuchungen über die Herkunft der Salpeterſäure in den ſogenannten Sal peterpflanzen. In gewiſſen Pflanzen (Amaranthus, Borago, Tabak, Kartoffel und anderen) häufen ſich gelegentlich in dem Safte der Zellen des Stengels und anderer Organe die Nitrate ſo maſſenhaft an, daß ſich die eben gebrauchte Bezeichnung allerdings rechtfertigt. Nach Berthelot und André ſoll dieſe Salpeterſäure innerhalb der Pflanzenzelle aus anderen Stickſtoffverbindungen, wahrſcheinlich aus Ammoniak, entſtanden fein, wo- bei ſich die Genannten auf folgende Gründe ſtützen: Nach dem Reſultate der Einzelanalyſen wurden einem mit Borago officinalis beſetzten Hektar entzogen 120 kg Salpeter, einem mit Amaranthus caudatus beſtan⸗ denen Hektar 140 kg und endlich demſelben ſogar 320 kg Salpeter, wenn er mit Amaranthus gigan- teus beſtanden war. Dagegen enthielt derſelbe Boden bis zu 0,3 m Tiefe, ſo weit reichten ungefähr die Wurzeln hinab, nur 54 kg Salpeter, folglich, ſo ſchließen Berthelot und André, muß die Differenz zwiſchen dieſer Zahl und den oben angegebenen durch Neubildung von Salpeter in der Pflanze erklärt werden. Das iſt nun freilich eine kaum glaubliche Logik, die doch nur dann gelten könnte, wenn die Pflanzen ihren Salpeter gerade an dem Tage hätten entnel- men müſſen, an welchem der Boden die 54 kg ent⸗ hielt. Verteilt ſich aber dieſe Aufnahme, wie ſelbſt⸗ Humboldt. — Juli 1889. verſtändlich, auf Wochen und Monate der Vegetation, dann würde ein Boden, der jeden Tag 54 kg ver- fügbar hat, weil er den Verluſt daran durch Neu— bildung infolge fortſchreitender Nitrifikation erſetzt, jedenfalls imſtande ſein, noch weit größere Mengen von Nitraten abzugeben, als dies thatſächlich geſchehen iſt. Hierbei iſt noch ganz außer acht gelaſſen, daß den Wurzeln auch beſtimmt nicht bloß die Salpeter— ſäure zur Verfügung ſteht, welche in der Bodenſchicht vorhanden iſt, bis zu welcher ſie hinabreichen, ſondern auch die Salpeterſäure tieferer Schichten. Da die Salpeterſäure nicht abſorptionsfähig iſt, ſo beſitzt ſie eine freie Beweglichkeit im Boden und kann ebenfo- wohl durch Kapillarität nach oben gehoben werden, wie ſie in die Tiefe verſchwindet. Es gibt vorderhand keine einzige Thatſache, welche uns nötigte, eine Nitratbildung in der höheren Pflanze anzunehmen. Auch die Pflanzen, welche ſehr reich an Nitraten ſind, zeigen keine Spur davon, ſobald ſie in einem Boden wurzeln, der ihnen die Aufnahme von ſolchen unmöglich macht. U. Kreusler fand ge— legentlich ganz abnorm hohe Beträge von Salpeter in dem jüngeren Kraute von Kartoffeln (bis über 80% Kaliumnitrat in den getrockneten Stengeln einer gewiſſen Periode). Als dieſelben Kartoffeln aber in Sägeſpänen zur Entwickelung gebracht worden waren, ließ ſich zu derſelben Entwickelungsperiode keine Spur mehr davon nachweiſen. E. Schulze beobachtete das Auftreten geringer Nitratmengen in keimendem Lu⸗ pinen⸗ und Kürbisſamen, welche in reinem Sande gezogen waren und nur deſtilliertes Waſſer erhalten hatten; aber auch hier erklärt ſich dieſes auf den erſten Blick etwas wunderliche Vorkommen nach Schulze beſſer durch die aus dem Samen während der Kei⸗ mung in den Sand übergehenden ſtickſtoffhaltigen Beſtandteile, die dort nitrifiziert und dann als Ni⸗ trate wieder aufgenommen werden, als durch die Hy⸗ potheſe einer in dem Samen ſtattfindenden Nitrifi⸗ kation. Wir dürfen ſomit annehmen, daß alle Salpeter⸗ ſäure, die wir in der Pflanze finden, von außen erſt aufgenommen iſt. Finden ſich größere Mengen dev- ſelben vor, ſo handelt es ſich entweder um eine Auf⸗ ſpeicherung derſelben, die nach und nach verſchwindet, wenn der Bedarf der Pflanze ſteigt, oder um eine Luxuskonſumtion, d. h. die Pflanze hat mehr auf⸗ genommen, als ſie bedarf, was bei der Aufnahme⸗ fähigkeit der Nitrate in die Wurzel leicht möglich iſt. Wie ſollen wir uns überhaupt die direkte Mit⸗ wirkung pflanzlicher Organismen bei der Bildung von Salpeterſäure aus Ammoniak erklären? Das wäre nur auf zwei Wegen möglich: Entweder die Zelle nimmt das Ammoniak auf, oxydiert es in ihrem Inneren und ſcheidet es als Salpeterſäure wieder aus, oder aber die Zelle ſcheidet infolge ihrer Lebensthätigkeit Stoffe aus, welche geeignet ſind, das Ammoniak in der Umgebung zu oxydieren. Den erſten Fall können wir ſchlechtweg als Atmung bezeichnen, wobei das Ammoniak das Atmungsmaterial, die Salpeterſäure das Atmungsprodukt wäre, analog wie in dem ſchon Humboldt. — Juli 1889. 255 oben berührten Falle der Verweſungsfermente die Humusſubſtanz und die Kohlenſäure als ſolche be— zeichnet werden können. Wie hier die kohlenſtoff— haltige Humusſubſtanz aſſimiliert und, nachdem ſie in veränderter Form Beſtandteil des Pflanzenleibes ge— worden iſt, wieder bei der Atmung zu Kohlenſäure verbrannt wird, fo müßte bei den Mitvififationsfer- menten das Ammoniak aſſimiliert, in Proteinſubſtanz übergeführt werden, um dann zu Salpeterſäure bei der Atmung verbrannt in dieſer Form wieder aus⸗ zutreten. Es wäre dies eine Form der Atmung, die bis aufs letzte von der gewöhnlichen Atmung der Pflanze verſchieden wäre. Bei dieſer werden ent⸗ weder die ſtickſtofffreien Stoffe allein verbraucht, oder, worüber die Meinungen noch geteilt ſind, es werden allerdings die ſtickſtoffhaltigen (Protein-) Stoffe an⸗ gegriffen, aber nur in der Weiſe, daß dabei eine Spal- tung derſelben in kohlenſtoffhaltige und ſtickſtofffreie und in kohlenſtoff- und zugleich ſtickſtoffhaltige Stoffe (Amide) eintritt, daß erſtere vollſtändig verbrennen, während letztere der Pflanze verbleiben, um dann mit neuer, in der Nahrung aufgenommener kohlenſtoff— haltiger Subſtanz wieder zu dem urſprünglichen Pro— teinmolekül zuſammenzutreten. Bei dem angenom- menen Atmungsprozeſſe der Nitrifikationsfermente würde dies umgekehrt ſein. Hier würde gerade die ſtickſtoffhaltige Gruppe des Proteinmoleküls und zwar bis zu Salpeterſäure verbrennen, die ſtickſtofffreie würde vermutlich bleiben, um mit neu in der Nah— rung aufgenommenem Ammoniak wieder Protein— ſubſtanz erzeugen zu können. Man kommt ſomit auf ganz eigentümliche Vorſtellungen, deren Möglichkeit nicht ohne die dringendſte Notwendigkeit zugegeben werden darf und die um ſo eigentümlicher berühren, je weniger man einen Zwang einſehen kann, der die Nitrifikationsfermente zu der Anpaſſung an ſo ſonder— bare Verhältniſſe gebracht haben könnte. Indes haben wir in der letzten Zeit einen Fall kennen gelernt, der als vollkommenes Analogon für das gedachte Verhalten der Nitrifikationsbakterien gelten kann, und zwar ſind dies die ſogenannten Schwefelbakterien, unter denen die Gattung Beggiatoa die bekannteſte ſein dürfte. Dieſelben finden ſich in Ab— wäſſern von Fabriken, in faulenden Wäſſern, aber auch in Mineralquellen und vorzüglich in allen ſchwefel— haltigen Thermen, in welchen ſie entweder als weiße, ſchleimige Maſſen den Boden überziehen oder in ſchlei— migen Flocken umherſchwimmen, die aus Kolonien von Fadenbakterien beſtehen. Die Faden zeigen ſich häufig mit dunklen Körnchen vollgeſtopft, welche aus reinem Schwefel beſtehen, häufig ſind ſie auch leer. Man hat zunächſt dieſe Beggiatoen als Urſache des Schwefelwaſſerſtoffs angeſehen, der ſich in den Schwe— felwäſſern findet, indem man die Reduktion von Sul- faten des Waſſers durch die Beggiatoen annahm. Neuere Unterſuchungen zeigen indes, daß das Ver— hältnis gerade das umgekehrte ſein muß. Nicht die Beggiatoa ruft die Bildung des Schwefelwaſſerſtoffs hervor, ſondern der Schwefelwaſſerſtoff bewirkt nach Winogradsky die Anſiedelung der Beggiatoen, da er dieſen kleinen Lebeweſen unentbehrlich iſt und ihnen als Atmungsmaterial dient. Der Schwefelwaſſerſtoff wird im Inneren der Zelle zunächſt partiell unter Abſcheidung von Schwefel verbrannt, ſpäter wird auch dieſer verbrannt und zwar zu Schwefelſäure. Hieraus erklärt es fic), warum die Zellen zum Teil mit Schwefel gefüllt, zum Teil leer find. Die entſtan— dene Schwefelſäure tritt nun mit den Karbonaten des umgebenden Waſſers in Wechſelwirkung und bildet unter Austreibung der Kohlenſäure Sulfate. Fehlen Karbonate, fo bleibt auch der Schwefel unoxydiert und die Sulfatbildung hört auf. Hier hat man alſo einen Atmungsprozeß, der in Bezug auf das ver— atmete Material (Schwefelwaſſerſtoff) und auf das Atmungsprodukt (Schwefelſäure) an Wunderlichkeit dem oben angenommenen Atmungsprozeß der Nitri— fikationsbakterien in nichts nachgibt, ſogar mit dieſem gemeinſam hat, daß er die Gegenwart von Karbonaten in der Umgebung der Zelle behufs ſeiner Vollendung zur Vorausſetzung hat, und endlich auch mit Bezug auf die Eigentümlichkeit der chemiſch-phyſiologiſchen Prozeſſe, die er ahnen läßt, nicht minder bemerkens⸗ wert iſt als der Nitrifikationsprozeß. Wie Wino- gradsky anzunehmen geneigt iſt, iſt dieſe eigentümliche Atmung von Beggiatoa als eine Anpaſſung an die örtlichen Verhältniſſe anzuſehen, unter denen ſie lebt. Es iſt ſchon ſchwer begreiflich, wie ein chlorophyll— freier Organismus in den an aſſimilierbaren Kohlen— ſtoffverbindungen fo armen Schwefelwäſſern fo gut wachſen kann, noch unbegreiflicher würde dies aber ſein, wenn ein großer Teil des aſſimilierten Kohlen— ſtoffs wieder veratmet werden müßte. Um dieſen Verluſt zu vermeiden, hat ſich die Beggiatoa zur Schaffung der ihr notwendigen aktuellen Energie all— mählich gewöhnt, ein anderes Material zu veratmen, als welches unter obwaltenden Umſtänden nur der Schwefelwaſſerſtoff ſich darbot. Daß dieſer Grund für die im humushaltigen Boden im Ueberfluß von Kohlenverbindungen ſchwelgenden Nitrifikationsbakte— rien, wie ſchon oben angedeutet, wegfallen würde, iſt ſelbſtverſtändlich. Anhangsweiſe ſei die Bemerkung geſtattet, daß mit den Schwefelbakterien oder auch mit den Nitrifikationsbakterien die Reihe der bis jetzt be— kannten eigentümlich atmenden Weſen noch nicht er— ſchöpft iſt. Wir haben in den von Winogradsky ent— deckten Eiſenbakterien, die auch in dieſem Blatte Erwähnung gefunden haben ), nicht minder ſonder— bare Weſen vor uns, deren Betrachtung uns indes über den Rahmen unſerer Aufgabe hinausführen würde. Faſſen wir nunmehr die zweite der oben ange— deuteten Möglichkeiten für eine direkte Mitwirkung der Pflanzenzelle bei der Nitrifikation ins Auge: die Pflanze ſcheidet Stoffe aus, die das Ammoniak in ihrer Umgebung oxydieren, wobei wir nach Lage der Sache unter dieſen Stoffen nur Sauerſtoff verſtehen können. Eine Sauerſtoffentwickelung aus Pflanzen iſt, wenigſtens nach dem Standpunkte unſerer bis— *) Siehe Jahrg. 1888, S. 353. 256 Humboldt. — Juli 1889. herigen Kenntniſſe, nur möglich unter dem Einfluſſe des Lichtes und wäre daher nur an der Oberfläche des Bodens denkbar. Abgeſehen davon, daß hier⸗ durch eine nicht gerade wahrſcheinliche Lokaliſierung des Nitrifikationsprozeſſes bedingt wäre, ſprechen auch manche Beobachtungen geradezu gegen eine Begün⸗ ſtigung desſelben durch Beleuchtung. Das Licht übt einen hemmenden Einfluß auf die Nitrifikation, was nicht gerade unwahrſcheinlich iſt, denn am Lichte ſtellt ſich leicht eine grüne Vegetation ein, die andererſeits konſumierend auf die Salpeterſäure wirkt, ſo daß deren wahrnehmbare Menge, die doch nur aus der Diffe⸗ renz zwiſchen der konſumierten und produzierten Menge beſtehen kann, kleiner werden muß. Indes haben wir vielleicht Urſache, jetzt unſere Anſichten über den Ein⸗ fluß des Lichtes auf die Sauerſtoffproduktion durch die Pflanzen etwas zu ändern, worauf die Unter⸗ ſuchungen von Engelmann über die Purpurbakterien und von Hueppe über gewiſſe farbloſe Bakterien hin⸗ deuten. Die Purpurbakterien ſind durch einen im Proto⸗ plasma verteilten purpurrötlichen Farbſtoff, das Bak⸗ teriopurpurin, mehr oder weniger gefärbt, enthalten aber, wie die ſpektroſkopiſche Unterſuchung lehrt, keine Spur von Chlorophyll. Trotzdem vermögen die Purpurbakterien aſſimilatoriſch thätig zu ſein und Sauerſtoff zu entwickeln, und zwar ſind es vorzugs⸗ weiſe gewiſſe ultrarote, nicht mehr ſichtbare Strahlen, welche am meiſten hierzu geeignet find. Dadurch ijt der Beweis geliefert, daß der bisher für ſtreng richtig gehaltene Satz, daß die Sauerſtoffausſcheidung aller Pflanzen an die Einwirkung der ſichtbaren Strahlen gebunden ſei, unrichtig iſt, und daß auch dunkle Strahlen, Sauerſtoff entwickelnd, aſſimilatoriſch thätig ſein können. In dem Falle der Purpurbakterien ſind es ſpeciell die ultraroten Strahlen, welche wirken, es iſt aber kein Grund vorhanden, weshalb es nicht auch Organismen geben könnte, die durch andere unſicht⸗ bare Strahlen zur Kohlenſäurezerlegung veranlaßt werden könnten, und man wird ſich jetzt nicht mehr wundern dürfen, wenn farbloſe Formen gefunden wer⸗ den, die im Dunklen Kohlenſtoff aſſimilieren und Sauer⸗ ſtoff entwickeln. In der That haben nun ganz neuer⸗ dings Hueppe und Heräus nachgewieſen, daß gewiſſe farbloſe Bakterien im Dunklen aus kohlenſaurem Am⸗ moniak ein der Celluloſe ſehr nahe ſtehendes Kohlen⸗ hydrat herzuſtellen vermögen, wobei indes nach außen kein Sauerſtoff entwickelt wird, weil derſelbe gleich zur Oxydation des Ammoniaks zu Salpeterſäure ver⸗ braucht wird. Hier hätten wir alſo die recht eigentlichen Nitri⸗ fikationsfermente vor uns, die alles das leiſten, was die Hypotheſe von ſolchen verlangt. Dürfte man die Exiſtenz ſolcher Weſen im Boden in hinreichender Menge vorausſetzen, ſo würde damit die Berechtigung zu letzterer vollauf erwieſen ſein. Nur die bisherigen Verſuche, von denen wir oben nach Schlöſing und Müntz ein Beiſpiel brachten, nötigen noch nicht zur Annahme der Fermenthypotheſe, weil ſie nicht hin⸗ reichend eindeutig ſind. Eine andere Frage iſt nun freilich, ob die Fermentprozeſſe, wenn ſie, wie zuge— ſtanden, beſtehen, eine größere Bedeutung beanſpruchen dürfen, oder ob wir darin nur einen Specialfall ſehen müſſen, der vorkommen kann, aber nicht vorzukommen braucht, da anderweite mehr anorganiſche Prozeſſe (Oxydation des Ammoniaks durch Ozon) bereits das vorhandene Bedürfnis an Salpeterſäure hinreichend decken. Die Frage läßt fic) natürlich in ihrer All⸗ gemeinheit nicht beantworten, nur eines möchten wir betonen, daß eine der mächtigſten Bildungen von Ni⸗ traten, die wir überhaupt auf der Erde kennen, wahr⸗ ſcheinlich ohne Mitwirkung von Fermenten zuſtande gekommen iſt. Wir meinen die landwirtſchaftlich ſo bedeutenden Nitratlager an der Weſtküſte von Süd⸗ amerika. Wir finden den ſogenannten Chiliſalpeter etwa von dem 20° ſüdlicher Breite an abwärts auf der Hochebene Atacama, welche landeinwärts von der großen Cordillere, ſeewärts von der ſteil nach der Küſte abfallenden kleinen Cordillere begrenzt wird, und zwar in Geſellſchaft mit Kochſalz, Bitterſalz, Bora⸗ ten 2c. den Boden bedeckend. Landſchaftlich bietet die Gegend ein äußerſt trauriges Bild. Glühende Hitze oder dichter Nebel oder wütende Staubſtürme, welche die feinen Salzteile alles durchdringen machen, ver⸗ zehrende Trockenheit, abſolutes Fehlen von Vegetation und ein fortwährendes Mißbehagen, das durch einen Ueberfluß von elektriſcher Spannung zum höchſten Maße geſteigert wird, herrſchen dort jahraus, jahrein. Zu gewiſſen Zeiten bringt jede Berührung der Haare nach Sonnenuntergang ein Funkenmeer hervor, und ein Strich über den Rücken eines Hundes hüllt dieſen in ein Feuermeer ein. Ueber die Bildung dieſes Chiliſalpeters iſt viel⸗ fach geſtritten worden. Die nachfolgende Anſicht hat den Vorteil, daß ſie von einem Manne herrührt, der die Verhältniſſe an Ort und Stelle genau unterſucht hat, von C. Ochſenius. Die Frage nach der Ent⸗ ſtehung zerfällt übrigens in zwei, nämlich, woher das Alkali, welches jetzt die Baſe der Nitrate bildet, und woher der Stickſtoff der Salpeterſäure. Erſtere Frage beantwortet Ochſenius mit Hinweis auf die auf den Höhen der großen Cordillere vorkommenden Salz⸗ lager, deren Abraumſalze, zum Teil durch vulkaniſche Kohlenſäure zu Karbonaten umgearbeitet, ausgewaſchen wurden, die Abhänge hinabfloſſen, und, nachdem ſie auf der regenloſen Hochebene zum Stehen kamen, vollſtändig austrockneten. In der That zeigen denn auch die die Nitrate begleitenden Salze die größte Aehnlichkeit mit den von Staßfurt her bekannten ſo⸗ genannten Abraumſalzen. Zu dieſen ausgetrockneten Salzmaſſen iſt nun Stickſtoff hinzugetreten und zwar in Form der leichteſten (ſtickſtoffreichſten) Teilchen von Guano, die durch den Wind von den der Küſte vor⸗ gelagerten Guanoinſeln eingeweht worden ſind und die ſich heute noch ſtellenweiſe als leichter Guano⸗ anflug auf dem Geſteine zeigen. Der Guano iſt dann oxydiert worden, und ſein Stickſtoff bildet nun⸗ mehr die Salpeterſäure der Nitrate. Das ſind in kurzem die Grundzüge der Hypo⸗ Humboldt. — Juli 1889. 257 theſe von Ochſenius, bezüglich deren Einzelheiten wir auf das Original verweiſen müſſen ). Für unſere Zwecke am wichtigſten iſt die Thatſache, daß hier eine Verbrennung von Stickſtoff zu Salpeterſäure vorliegt mitten unter antiſeptiſchen Mitteln erſten Ranges. Bei aller Anerkennung für die Ausdauer der Fer— mente dürfen wir doch erwarten, daß die konzentrierte Löſung von Chlornatrium, Bitterſalz, Chlormagneſium, Boraten ꝛc., in der fie hier ihre Wirkſamkeit hätten entfalten müſſen, die wir aber an anderen Orten ge— legentlich anwenden, ihrer Wirkſamkeit ein Ziel zu ſtecken, die Wirkung von Fermenten unmöglich ge— macht haben müſſen. Wir nehmen daher an, daß die Salpeterſäure des Chiliſalpeters ohne Mitwirkung von Organismen auf rein anorganiſchem Wege ent— ſtanden ſein muß, wozu wir in der oben berührten elektriſchen Spannung der Atmoſphäre und der daraus folgenden lebhaften Ozonbildung einen ausreichenden Grund haben. Es erübrigt noch ein kurzes Wort über die ſoge— nannte Reduktion der Nitrate, das heißt über das Verſchwinden derſelben und Umwandlung in Ammo— niak, freien Stickſtoff oder organiſche Subſtanz. Auch *) Die Bildung des Natronſalpeters aus Mutter— laugenſalzen. Stuttgart, 1887. hierüber hat man überflüſſigerweiſe ähnliche Verſuche angeſtellt, wie ſie oben bei der Nitrifikation geſchil— dert wurden, und hat auch ähnliche Reſultate erhal— ten, d. h. man hat gefunden, daß eine Erde die Fähigkeit, Nitrate zu reducieren, verliert, wenn ſie mit Chloroformdämpfen behandelt oder erhitzt wird, und wiedergewinnt, wenn man dann wieder etwas nor— male Erde beimiſcht. Es iſt dies in dieſem Falle ſehr leicht verſtändlich, denn die Reduktion von Ni— traten kann überhaupt nur eintreten in humusüber— reichen Schichten des Bodens, die der Fäulnis aus— geſetzt ſind; daß die Fäulnis ebenfalls begünſtigt wird durch Mikroorganismen und daß bei derſelben brennbare Gaſe entſtehen, iſt bekannt und darum be— greiflich, daß durch dieſe brennbaren Gaſe gelegentlich eine Reduktion von Salpeterſäure zu Ammoniak oder gar zu freiem Stickſtoff eintreten kann, ebenſo wie es begreiflich iſt, daß dieſe Reduktionserſcheinungen ſich vermindern müſſen, wenn man die Entwickelung der brennbaren Gaſe durch Unterdrückung der Fäulnis— fermente hemmt. Eine Umwandlung des Salpeter— ſtickſtoffs in organiſchen Stickſtoff kann in einem ſolchen Boden eintreten durch Organismen, welche Salpeterſäure konſumieren und den Stickſtoff der— ſelben zum Aufbau ihres Protoplasmaleibes ver— brauchen. Einiges über die Brandpilze. Profeffor Dr. F. Ludwig in Greiz. u den Pilzen, deren ſyſtematiſche Zugehörigkeit 50 auch von dem Laien leicht erkannt werden kann, deren Beſtimmung nach einem Pilzbuche (Rabenhorſt— Winter, Die Pilze Deutſchlands ꝛc., Schröter, Die Pilze Schleſiens, Saccardo, Sylloge, Bd. VIII) leicht zu bewerkſtelligen iſt und die ſich aus dieſem Grunde für den Anfänger zum mikroſkopiſchen Studium be— ſonders empfehlen laſſen, gehören neben den Roſt— pilzen, die wir früher eingehender behandelt haben, beſonders die Brandpilze oder Uſtilagineen. Wer den Flugbrand mit ſeinem ſchwarzen Sporenpulver in den Riſpen des Hafers ſich einmal genauer an— geſehen hat, der dürfte wenigſtens die gewöhnlich— ſten Brandpilze leicht als ſolche erkennen, und wenn er ſeine Aufmerkſamkeit den gleichen Vorkommniſſen beſonders zuwendet, bald eine kleine Sammlung ſolcher Pilze zuſammenbringen, welche dann das Material zu dem erſten mikroſkopiſchen Studium derſelben abgeben und ſpäter durch Kauf und Tauſch aus den bekannteren Tauſchvereinen (Schleſiſcher bo— taniſcher Tauſchverein ꝛc.) leicht vervollſtändigt werden könnte. Wie bei den Uredineen die Teleutoſporen, ſo geben auch hier die Dauerſporen, welche jenes be— kannte ſchwärzliche Brandpulver der meiſten Arten bilden, wichtige Kennzeichen bei der Beſtimmung der einzelnen Arten ab. Ihre Unterſuchung ſoll uns Humboldt 1889. daher zunächſt beſchäftigen. Schon die einfachſten Formen der Gattungen Ustilago und Tilletia, deren Sporen iſoliert in dem Fruchtlager vorkommen, bieten eine große Mannigfaltigkeit in Größe und Form. Man zeichne fic) einmal in geeigneter Ver— größerung nach folgenden Maßen die Sporenformen einiger der verbreiteteren Brandpilzarten (in Form von Kreiſen oder, wo zwei Durchmeſſer angegeben ſind, Ellipſen) ineinander, um die Mannigfaltigkeit in der Größe zu veranſchaulichen: Ustilago hypodytes 4 h. (der ägyptiſche Ustilago Phoenicis hat ſogar nur Sporen von 3—3,5 p. Durchm.) U. longissima 5 % lang, 4 p breit; U. bromivora 8 h; U. flosculorum 9,5 ; Tilletia ostriaeformis 11 h; U. anomala und U. utricu- losa 12 hñ; U. Cardui 13 » lang, 16 h breit; U. Caricis 22 b.; Tilletia controversa 23 h;: T. sepa- rata 26 h. und U. ornithogali 25 p» lang, ca. 15 breit. Die Mannigfaltigkeit in der Form be— zieht ſich hauptſächlich auf die eigentümliche Skulptur. Neben Arten mit ganz glatten Sporen finden ſich ſolche, deren Sporen warzig, ſtachelig oder mit einem Netz von Leiſten verſehen ſind. So beſitzt die faſt farbloſe Spore von U. utriculosa (auf Polygonum lapathifolium) ſehr deutliche ſchwarzblaue Leiſten und Stacheln, U. anomala (auf Polygonum dume- torum) blaßbraune Sporen mit einem ſehr ſchwachen 33 258 Netz. Die große Spore der T. controversa ijt ſtachlig wie die des U. Cardui von einem weiten, wenig maſchigen Netz bedeckt, während die des U. Holostei ſehr zahlreiche und feine Maſchen hat, welche der Spore faſt das Ausſehen eines facettierten Inſektenauges geben. Die winzige T. striaeformis beſitzt nur ſehr feine, aber deutlich hervortretende Stacheln, während z. B. U. echinata (auf den Blättern des Bandgraſes Degraphis arundinacea) derbe dicke Stacheln trägt. Die Uſtilagineenſporen erinnern mit dieſen verſchiedenen Skulpturen ſehr lebhaft an die Pollenkörner der Blütenpflanzen. Die Netzleiſten gleichen bei manchen Arten, z. B. denen der Pollenkörner von Cichorium ꝛc., und ſtehen offenbar in beiden Fällen dieſe Skulpturen in Beziehung zum Trans⸗ port der Zellen von Pflanze zu Pflanze. Hier wie dort haben wir neben den glatten leichten anemo⸗ philen Zellen ſolche, die der Inſektenverbreitung an⸗ gepaßt erſcheinen. Für die Pollenkörner iſt dies eine bekannte Thatſache; für die Uſtilagineen ergibt ſich eine gleiche Deutung und zwar ſchon auf Grund ſtatiſtiſcher Reſultate. Die leichten glatten, z. T. winzigen Sporen von Ustilago und Tilletia gehören überwiegend ſolchen Arten an, die ſich of fen an Stengeln, Blättern, Blütenſtänden wind— blütiger Pflanzen entwickeln, während die netz förmigen, ſtachligen, höckerigen Sporen an verdeckten Orten und beſonders häufig in den Blütenſtänden ſolcher Pflanzen gebildet werden, deren Blüten durch die Vermittelung von Inſekten beſtäubt werden. So ſchmarotzen in den Antheren: Ustilago violacea (bei Sileneen), U. Holostei (bei Holosteum umbellatum), U. Scabiosae, U. intermedia, U. Succisae, U. Beto- nicae, U. major (Silene Otites), U. Scorzonerae, U. capensis 2c., ſie alle haben netzförmig angeord- nete Leiſten. Die Sporen des bekannten fleiſchfarbenen bis bräunlichen Brandpulvers in den Blütenköpfen unſerer Wieſenſkabioſe Knautia arvensis find fein papillös; ebenſo ſind die in den Antheren und Ovarien von Gagea, Muscari (U. Vaillantii), Tur- nera (U. Urbaniana), Cerastium (U. Duriaeana), Scleria (U. Scleriae 2c.) vorkommenden Arten warzig. Die pollenähnlichen Sporen treten ja dabei meiſt ſogar an die Stelle der Pollenkörner und der ganze Lock⸗ und Schauapparat der Blumen wird einfach für den Pilz, anſtatt für die Pflanze ſelbſt wirkſam. Doch kehren wir zu den verſchiedenen Sporenformen zurück. In der Gattung Urocystis ſind die eigentlichen Sporen von mehreren kleineren, oft farbloſen Zellen umgeben — beim Vergleich mit den Pollenkörnern der Phanerogamen wird man an die Nebenzellen des Pinuspollens erinnert. Ob die⸗ ſelben der Windverbreitung dienen, mag dahingeſtellt bleiben, jedenfalls ſinden ſich dieſe Arten meiſt an Blättern, Stengeln ꝛc., wo keine Inſekten hinkommen (3. B. U. Anemones, U. Colchici, Polycystis occulta 2c.). Bei Sorosporium find ebenſo wie bei Tubur- einia (auf Trientalis und Paris) mehrere Sporen zu zuſammenhängenden Ballen vereinigt. Bei Humboldt. — Juli 1889. Sphacelotheca (T. Hydropiperis anf Polygonum Hydropiper) ſind die Sporen zu einem Fruchtkörper vereinigt, welcher eine helle Mittelſäule umgibt und eine helle, ebenfalls aus rundlichen Zellen zuſammen⸗ geſetzte Wand beſitzt. Bei Doassansia (3. B. D. Sagittariae) finden ſich die Sporenballen von einer braunen Hülle von dickwandigen Palliſadenzellen um— geben in den Atemhöhlen der Blätter. Die reichſte Differenzierung der Fruchtkörper beſitzt die Gattung Graphiola, deren Arten — die bekannteſte G. Phoenicis findet fic) auf den Dattelblättern — äußer⸗ lich an die Phaeidiaceen unter den Ascomyeeten oder an die Aecidien der Roſtpilze erinnern, von welchen letzteren fie aber ſchon durch die kohlſchwarze äußere Peridie (das Innere iſt weißlich) unterſchieden find. Thatſächlich hat man Graphiola früher bald zu der Gattung Phacidium, bald zu Roestelia ge- ſtellt, bis Ed. Fiſcher den Pilz genauer unterſucht und (Bot. Ztg. 1883) beſchrieben hat. Bei ihr, wie bei den Gattungen Schizonella (Sch. melanogramma auf Rietgräſern und Schroeteria (Sch. Delastrina in den Früchten der Ehrenpreisarten) ſind die Sporen zu zweien verbunden. Die Verbreitung der Brandkrankheiten über das Pflanzenreich iſt keine fo weite als die der Roſtkrank⸗ heiten. Man kennt von erſteren jetzt 400 Arten, von letzteren über 1000 Arten. Wie von den letzteren werden auch von den Brandpilzen beſonders die Graz mineen, Cyperaceen ꝛc. befallen; ſo beherbergt die Gattung Panicum allein 13 Arten (11 von Ustilago, 1 Tilletia, 1 Tolyposporium), Andropogon 9 Arten (5 von Ustilago, 2 Tilletia, 1 Sorosporium, 1 Cere- bella), Carex 13 Arten (6 Ustilago, 2 Tilletia, 1 Cintractia, 1 Sorosporium, 1 Tolyposporium, 1 Schizonella, 1 Urocystis), Juncus 9 Arten (4 Ustilago, 1 Cintractia, 2 Entorrhiza, 1 Tolypo- sporium, 1 Thecaphora). Zu den am meiſten von Brand heimgeſuchten Pflanzenfamilien gehören auch die Polygoneen, von denen die Gattung Poly- gonum allein die folgenden Uſtilagineen beherbergt: Ustilago utriculosa, U. anomala, U. austroameri- cana (Argentinien), U. ocrearum (Indien), U. emodensis (Aſien und Queensland), U. marginalis, Sphacelotheca Hydropiperis. (Von Uredineen fanden ſich auf Polygonum: Uromyces Polygoni, Puccinia Polygoni, P. Bistortae, P. mammillata, Milesia P.), die an Uredineen noch reichere Gattung Rumex beſitzt gleichfalls 5 verſchiedene Brandarten. Brand⸗ krankheiten kommen aber auch ſonſt in den ver⸗ ſchiedenſten Familien vor, ſelbſt bei Krypto⸗ gamen (Ustilago Osmundae Peck. auf dem Königs⸗ farn in Nordamerika, Cordalia persicina 2c. in den Lagern der Uredineen). In vielen Fällen befallen ſie Stengel und Blätter, häufig aber auch ganz beſtimmte Organe ausſchließlich. So befallen viele die Früchte, die zuletzt völlig von dem Sporen⸗ pulver erfüllt werden. Ustilago Phoenicis Cord. bildet ein ſchwarzbraunes Pulver in den Datteln, das zuletzt den Kern völlig (an Stelle des Frucht⸗ fleiſches) umgibt. Ustilago Ficuum Reich findet Humboldt. — Juli 1889. 259 ſich in Kleinaſien in dem Fruchtboden der Eßfeige Ficus Carica. Andere Uſtilagineen bewohnen, wie bereits früher hervorgehoben wurde, ausſchließlich die Staubgefäße und innere Blütenteile; noch andere finden ſich ausſchließlich in den Wurzeln, ſo die Arten der Gattung Schinzia oder Entorrbiza, welche in den Wurzeln der Juncaceen eigentümliche An— ſchwellungen „Wurzelknöllchen“ verurſachen, ferner Urocystis Orobanches (Fr.) Fisch. an den Wur- zeln der Orobancheen und U. (?) Monotropae (Fr.) Fisch. in denen von Monotropa. Die Brandpilze ſind echte Paraſiten und ſind als ſolche an ganz beſtimmte Wirtspflanzen gebunden, auf denen ſie ihre charakteriſtiſchen Sporenlager, in ſelteneren Fällen noch beſondere ſchimmelartige Conidiengene— rationen zur Entwickelung bringen; erſt Brefeld*) iſt es gelungen, nachzuweiſen, daß dieſelben auch außer— halb der Nährpflanze eine ſehr üppige Vegetation zu bilden vermögen, die man ihrer abweichenden Formgeſtaltung halber bisher zu den Hefen- u. a. Pilzformen gerechnet hat. In Pflaumendekokt und anderen Nährlöſungen (hauptſächlich auch in ſteri— liſiertem Miſt) kommen alle Brandſporen, deren Keimung im Waſſer bisher nur ſehr unvollkommen oder gar nicht zuſtande kam, zu üppiger charakteri— ſtiſcher Entwickelung. Die Keimſchläuche erzeugten meiſt Conidienſproſſungen in unerſchöpflicher Fülle, die erſt wieder zu Keimſchläuchen auswuchſen, als die Nährlöſung erſchöpft war. Die Conidien waren von beſtimmter Form und Größe, aber von charak— teriſtiſcher Eigenart für die einzelnen Formen der Brandpilze. Sie wurden bei einer Anzahl von Formen unter Flüſſigkeit gebildet, z. B. bei Ustilago Carbo, U. cruenta, U. Maydis, die als Flug⸗, Hirſe- und Beulenbrand bekannt ſind, bei anderen, z. B. bei dem Steinbrand des Weizens, Tilletia Caries hingegen über der Flüſſigkeit, in Luft. Bei dieſem Pilz und Verwandten wuchſen weiterhin in Nährlöſungen aus den Conidien der Sporenkeimung große, reich verzweigte Myeelien aus, welche als ſeitliche kurze Austreibungen wiederum dieſelben Conidien in unbegrenzter Fülle hervor— brachten; es entſtanden förmliche ſchimmelähnliche Raſen. Bei den erſtgenannten, unter Flüſſig⸗ keit gebildeten Conidien verlief die Weiterentwicke— lung nicht ſchimmelähnlich, vielmehr vermehrten ſich die an dem kurzen Keimfaden der Brandſporen ge— bildeten Conidien beſtimmter Größe und Form in eben dieſer Größe und Form durch direkte Aus— ſproſſung an beiden Enden in rapider Art ins End— loſe. In der Nährlöſung kam nie etwas anderes zum Vorſchein, als dieſe Hefeſproſſungen — ein Be— weis, daß das in Reinkultur fortgeſetzte Auftreten derſelben Sproßpilzformen noch kein Beweis iſt für *) Brefeld, Unterſuchungen aus dem Geſamtgebiete der Mykologie Bd. V 1883, Bd. VIII 1889; ferner Neue Unterſuchungen über die Brandpilze und Brandkrankheiten. Nachrichten aus dem Klub der Landwirte zu Berlin 1888 Nr. 220 — 222. deren ſpecifiſche Selbſtändigkeit. — Abgeſehen von dieſen Formen der Brandpilze, welche gleich der Tilletia große Mycelien mit Conidien, oder gleich Ustilago Carbo Conidien in unendlicher Sproſſung in Hefeform bilden, gibt es nun noch weitere Formen, welche an den Fruchtträgern der auskeimenden Brandſporen, an den Promyeelien, Conidien bilden, die nicht direkt ſproſſen, ſondern immer erſt wieder zu neuen Promyeelien auswachſen, bis die Conidien— ſproſſung an dieſen von neuem anhebt; ſo iſt es bei Ustilago longissima auf Poa aquatica, U. grandis auf Phragmites communis mit vielzelligen und bei U. bromivora mit zweizelligen Bromycelien. Endlich finden ſich noch Formen wie z. B. U. Crameri und U. hypodytes, deren Brandſporen, in Nährlöſungen keimend, gar keine Conidien bildeten, ſondern nur ſterile Keimfäden, welche ſich zu reich verzweigten, auch in der Folge ſteril bleibenden Myeelien ausbildeten, die auch in der Folge an Conidien unfruchtbar blieben. Dieſelben ſaprophytiſchen Bildungen kommen unter natürlichen Verhältniſſen im Freien zur Ent— wickelung und der Landwirt muß ihnen offenbar Rechnung tragen, wenn er die Kulturpflanzen vor Brandinfektion ſchützen will (Desinfektion des Düngers ꝛc.). Der unermüdliche Mykolog O. Brefeld hat nun auch weiter die Infektion der Nährpflanzen durch die ſaprophytiſch erzeugten Sproßkeime nachgewieſen und unterſucht. Er fand hierbei einmal, daß die Fähigkeit der Conidien, Keimſchläuche zu bilden und von neuem eine paraſitiſche Lebensweiſe anzufangen, bei fort— geſetzter ſaprophytiſcher Sproßvermehrung allmählich abgeſchwächt wird und ſchließlich ganz verloren geht, und dann zweitens, daß die Infektion nur an be— ſtimmten Teilen der auserſehenen Nährpflanzen vor ſich geht und von Erfolg begleitet iſt. Es ſind dies nämlich nur die ganz zarten jugendlichen Organe. Bei den Pflanzen, die wie der Mais an allen jugendlichen Teilen vom Brand befallen werden können, gelingt an ſolchen die Infektion ohne wei— teres, die betroffenen Stellen werden direkt brandig, der Pilz wächſt aber nicht in die anderen Teile hinein, ſo daß dieſe von der Krankheit verſchont bleiben. Anders verhielt ſich der Flugbrand des Hafers und der Hirſe. Hier gelang die Infektion nur an ganz jungen Pflanzen (am beſten, wenn man die Samen in einer mit den Pilzkeimen verſetzten Miſchung von Erde und Dünger austreiben ließ). Nur im erſten Keimſtadium vermögen die Pflanzen die Pilzkeime aufzu⸗ nehmen, ſpäter werden ſie gegen die Krankheit „immun“. Die Infektion gelingt dann ſelbſt nicht, wenn man die ganze Stammſpitze mit den Pilzkeimen beſprengt; die letzteren dringen zwar ein, aber ſie kommen im Innern nicht weiter zur Entwickelung, weil ſie die eigentliche Vegetations— ſpitze, wo die Riſpe gebildet wird, nicht mehr er— reichen können und doch in letzterer allein der Brand zum Vorſchein kommt. Die Keime je— 260 Humboldt. — Juli 1889. doch, welche in die Achſe ganz junger Pflanzen etwas oberhalb des Wurzel⸗ knotens eindringen, wachſen im Innern des Stengels fort, wobei die Pflanze äußerlich geſund ausſieht, bis plötz⸗ lich nach einer Inkubationszeit von 4 Monaten der Brand in der Riſpe zur Entfaltung gelangt. Uns ſcheinen bei den in vorſtehendem beſprochenen Entdeckungen Brefelds folgende Punkte eine beſondere, wir möchten ſagen, fundamentale Bedeutung zu haben. 1. Echt paraſitiſche Pilze, welche in ihren ver⸗ ſchiedenen Generationen ſich ausſchließlich auf der Nährpflanze weiter entwickeln können, beſitzen die Fähigkeit, außerhalb der Nährpflanze beſondere abweichende Fortpflanzungs⸗ formen zu bilden, die ſich endlos wieder- holen — wenn nicht von neuem die Bedingungen zur paraſitären Lebensweiſe geboten werden — und eben deshalb als beſondere ſelbſtändige Pilz⸗ formen erſcheinen. Brefeld hat den Nachweis geführt, daß viele der als, Hefen“ bekannten Formen nichts als ſolche ſaprophytiſche Formen der Brandpilze, der Baſidiomyceten (Tremelli⸗ neen) 2c. find, und er macht es wahrſcheinlich, daß die eigentlichen durch innere Sporenbildung ausgezeichneten „Alkoholhefen“ auch nichts anderes als derartige Formen von Ascomyeeten ſind (ogl. auch meine Arbeit über die Alkoholgärung und den Schleimfluß lebender Bäume, Tagebl. d. Natur⸗ forſcherverſ., Berlin 1886, in der ich die Zugehörig⸗ keit echter Alkoholhefen zu einem Ascomyceten, En- domyces Magnusii, erörtert habe). Brefeld hat weiter den Nachweis geführt, daß auch andere charakteriſtiſche Pilzformen, die Oidiumformen, 3. B. Oidium lactis, ähnlich wie die Hefen ſapro⸗ phytiſche Formen höherer Pilze (Agaricineen, Poly⸗ poreen ꝛc., Ascomyceten) ſind und bei deren Ent⸗ wickelung in Nährlöſung oft endlos und ausſchließ⸗ lich auftreten. Ihm gilt es auch nicht als unwahr⸗ ſcheinlich oder wenigſtens als unmöglich, daß die Bakterien ebenſo wie dieſe Oidien und Saccharo⸗ myceten unſelbſtändige Organismen ſind — trotz aller Reinkulturen in Nährgelatine rc. 2. Gewiſſe Pflanzen, deren Blütenteile allein brandkrank werden, können nur zu beſtimmter Zeit, in früheſter Jugend infiziert werden — ſind ſpäter immun und die Krankheit bleibt bis zur Entwickelung der betreffen— den Blütenteile rc. latent. 3. Die ſaprophyten Entwickelungsformen ſind nicht alle auch wieder auf Nährpflanzen ent⸗ wickelungsfähig, ihr Infektionsvermögen wird bei fortgeſetzter ſaprophyter Lebens⸗ weiſe geſchwächt und geht ſchließlich ganz und gar verloren. Kommen wir zum Schluß auf die Verwandtſchaft der Uſtilagineen zu ſprechen, ſo iſt es auch hier Brefeld geweſen, der endlich Licht gebracht hat. Gehen wir zunächſt auf die eigentlichen Brandſporen ein, ſo hat Brefeld nachgewieſen, daß die gleichen Sporen— bildungen — er nennt ſie Chlamydoſporen — von den niederſten Pilzen an ſich finden. Zuerſt bei den Schimmelpilzen, wo Brefeld die Chlamydoſporen bildenden Arten als Chlamydomucor ausgeſchieden hat. Sie finden ſich aber auch bei den höheren Pilzen. — Seit Corda iſt ein kugliger, zuletzt in braune Sporen verſtäubender Pilz als Ptychogaster albus bekannt geweſen, den die Syſtematiker bald zu den Myxomyceten, bald zu den Gafteromyceten geworfen haben. Ich habe zuerſt den Nachweis ge— führt, daß dieſer Pilz nichts iſt als ein Löcherſchwamm, ein Polyporus, der ſich aber in der Regel in einer eigen— tümlichen anderen, eben jener Chlamydoſporenform erſchöpft, nur ſelten unterſeits Polyporusröhren bildet. Ich hatte dieſen Pilz Polyporus Ptychogaster ge- nannt. Brefeld hat dieſen Polyporus, welcher von allen bekannten Arten durch dieſe Chlamydoſporen— form ausgezeichnet iſt, mit einigen nachträglich ent: deckten Arten zu einer beſonderen Gattung Oligoporus geſtellt und darauf aufmerkſam gemacht, daß die Chlamydoſporengeneration dieſes Pilzes in allen Einzelheiten wie eine freilebende Uſtilaginee ſich ver— hält. Er nennt ihn Oligoporus ustilaginoideus. Die Bildung ſeiner Chlamydoſporen und der Brandſporen iſt abſolut die gleiche, ſie entſtehen beide gemmenartig im Verlaufe der Fäden oder auch an deren Enden, und hier wie dort löſt ſich nach der Ausbildung der Sporen die ganze Fruchtanlage in Sporen auf. Die Verknäuelung der ſporenbildenden Fäden, die Ver⸗ gallertung, kurz alles iſt bei beiden gleich. Die kleineren Agaricineen Nyctalis asterophora und N. parasitica, welche auf faulenden Ruſſula⸗ arten ſchmarotzen, bilden gleichfalls in täuſchender Aehnlichkeit mit den Brandſporen Chlamydoſporen, und ſchließlich finden ſich dieſelben auch bei dem Leberpilz Fistulina hepatica. Die Chlamydo⸗ ſporen der Baſidiomyceten entſprechen dem Brandſporenlager der Uſtilagineen. Bei den niederen Pilzen (Chlamydomucor racemosus) gelang es Brefeld, den Nachweis zu führen, daß die Chlamydoſporen nichts als unentwickelte Frucht⸗ (Sporangien-) Anlagen find, die ſich individualiſieren und als Sporen funktionieren. Mit der Auskeimung der Brandſporen kommt in Wirklichkeit die Frucht⸗ form zur Erſcheinung, deren Bildung durch die Chlamydoſporen als „Fruchtanlagen“, die erſt ſelbſt zur Spore geworden ſind, unterbrochen wurde. Sieht man fic) die Fruchtträger bei den auskeimenden Brand⸗ ſporen näher an, ſo machen ſich zwei Formtypen bemerkbar. — Die erſte Form von Fruchtträgern hat kurze, horizontal geteilte Träger mit ſeitlich ſtehenden Sporen; hierher gehören die meiſten Formen der Gattung Ustilago, z. B. U. Carbo, U. Maydis, U. cruenta, ferner Schizonella melanogramma. Die zweite Form von Fruchtträgern hat ungeteilte Träger, welche die Sporen an ihrer Spitze köpfchen⸗ artig tragen; zu dieſen zählt die Gattung Tilletia (einſchließlich Entyloma, das nicht den Wert einer Gattung beſitzt) und Uroeystis, Neovossia, Tubur- Humboldt. — Juli 1889. 261 cinia, Thecaphora 2c. Die Fruchtkörper der beider— lei Typen zeigen hier bei den Brandſporen bereits, vergleichend beurteilt, ganz genau die beiden Form— typen von Conidienträgern, welche wir in der Klaſſe der Baſidiomyceten zu noch beſtimmterer Geſtalt und zu beſtimmter Zahl von Sporen, zur Baſidienform geſteigert, antreffen, wie ſie dieſe Klaſſe in der Baſidienfruktifikation charakteriſiert. Bei den Uſti— lagineen ſteht die Chlamydoſporenbildung auf der Höhe der Entwickelung, in den bei der Keimung der Chlamydoſporen auftretenden Fruchtkörpern iſt aber nur eine Formbildung erreicht, welche zwar an die Baſidie nahe heranreicht, aber noch nicht typiſch ge— worden iſt, in welcher alſo die Baſidie der Baſidio— myceten noch nicht vollkommen zur Ausbildung gekommen iſt. Bei letzteren iſt hingegen die Chla— mydoſporenbildung noch typiſch vorhanden bei den Uredineen (die Verfaſſer auf Grund ſeiner Arbeiten wohl nicht mit Unrecht zu den Baſidiomyeeten ſtellt. Die Teleutoſporen ꝛc. find die Chlamydoſporen, das vierzellige Promycelium entſpricht der Baſidie der Protobaſidiomyceten), dagegen bei den höheren Ba— ſidiomyceten nur noch ſpärlich (in der Oidienform und bei den oben genannten Gattungen Nyctalis, Oligo- porus und Fistulina) vorhanden. Die Baſidien ſind durch Brefeld aus den Conidien— trägern der niederen Pilze — und die Conidienträger ſind nichts als Träger einſporiger Sporangien — durch Entwickelung zur konſtanten Sporenzahl her— vorgegangen (neben den typiſchen Baſidien finden fic) z. B. noch bei dem Trametes radiciperda Hayt., Heterobasidion annosum Bref., wie auch bei Tomen- tella flava 2c. eigentliche Conidienträger vor) — wie der Ascus des Ascomyceten das zu beſtimmter Sporenzahl fortgeſchrittene Sporangium iſt. Alle Angaben von Sexualität bei den Uſtilagineen, wie überhaupt bei den höheren Pilzen, beruhen nach Brefeld auf falſchen Beobachtungen oder irrtümlicher Auffaſſung der gegebenen Verhältniſſe. Geſchlechtliche Fortpflanzung kommt nach ihm nur bei den niederſten Fadenpilzen, den Phycomyceten vor, deren beide Klaſſen die Zygomyceten (Schimmelpilze im ſtrengen Sinn) und Oomyceten (die Verwandten der Peronos- pora infestans und Saprolegnia ferox) zu den Zygoſporen und den Ooſporen in den nächſten Be— ziehungen ſtehen. Von dieſen niederen ſexuellen Thallophyten haben zwei getrennte Entwickelungs— richtungen im Pflanzenreich begonnen. Die eine führt von den grünen Algen nach den Mooſen und von da nach den Gefäßkryptogamen hinüber und er— reicht den Höhepunkt in den ſamentragenden Pflanzen, während die nicht grünen Formen, alſo die Pilze, durch die Vorſtufen der Uſtilagineen zu den beiden verſchiedenen Formtypen der höheren Pilze, den Ascomyceten und Baſidiomyeeten übergehen, um in den wunderbar gegliederten höchſten und mächtigſten Bildungen dieſer überaus formenreichen Klaſſen den natürlichen Höhepunkt der anderen Rich— tung zu bezeichnen. In der grünen, in den Phanerogamen endigenden Entwickelungsrichtung iſt es die geſchlechtliche Fort— pflanzung, welche die ungeſchlechtliche überwiegt, und dieſe endlich gleichſam zum Verſchwinden bringt, in der nicht grünen Reihe der Pilze iſt das Entgegen— geſetzte der Fall. Hier iſt es die ungeſchlechtliche Fruktifikation allein, welche unter mancherlei Spal— tungen zu der wunderbaren Höhe der morphologiſchen Differenzierung, wie ſie in den höchſten Schwämmen, Trüffeln und Morcheln, Phalloideen und Agari— cineen ꝛc. gegeben iſt, fortſchreitet. Jortſchritte der Biologie. Von Dr. C. Düſing in Aachen. Nichts iſt beſtändig, ſondern alles iſt dem Wechſel unterworfen. Beſonders die Wiſſenſchaften ſind es, die ſelbſt im Laufe kurzer Zeiträume ihr Ziel und ihre Wege verändern. Vielleicht iſt es gerade der ſchnelle Fortſchritt, den die exakten Wiſſenſchaften in dieſem Jahrhundert ge— nommen haben, welcher dies bewirkt hat. Eine einzige wich— tige Entdeckung kann eine vollſtändige Umwälzung in der Entwickelung einer Wiſſenſchaft zur Folge haben. Als der Chemiker Wöhler durch die künſtliche Dar— ſtellung des Harnſtoffs das alte Vorurteil vernichtete, daß nur die Natur imſtande ſei, organiſche Verbindungen zu erzeugen, da legte er den erſten Grund zu einem neuen Zweig der Chemie, der organiſchen Chemie, welcher ſich als— dann immer mehr Chemiker zuwandten. Und augenblick— lich nimmt die Darſtellung organiſcher Verbindungen faſt alle Chemiker ſo ſehr in Anſpruch, daß man geradezu von einer Vernachläſſigung der anorganiſchen Chemie ſprechen kann. Aehnlich verhält es ſich in der Phyſik. Seit der Begründung der mechaniſchen Wärmetheorie geben ſich die meiſten Phyſiker in ſolchem Maße mathematiſchen Berech— nungen hin, daß es oft den Anſchein gewinnt, als ver— diene die Phyſik eher den Namen einer angewandten Mathematik als den einer experimentellen Wiſſenſchaft. Die Mineralogen hat der Mangel an Stoff dazu ge— bracht, ihre Forſchung in andere Bahnen zu lenken. Es werden nur wenige neue Mineralien entdeckt und alle bekannten ſind in ihren Eigenſchaften faſt genügend be- ſchrieben. Die jetzigen Mineralogen beſchäftigen ſich daher entweder mit der Erforſchung von Geſteinen, oder ſie ſind Phyſiker geworden, welche die Geſetze der regelmäßigen Lagerung der kleinſten Teile in den Kryſtallen ergründen wollen. Welche Umwandlungen Zoologie und Botanik ſeit dem Auftreten Darwins durchgemacht haben, iſt genugſam bekannt. Seine anfangs lebhaft bekämpfte Abſtammungs⸗ 262 Humboldt. — Juli 1889. theorie wurde nach und nach anerkannt, und augenblicklich ſind die Zoologen faſt ausſchließlich damit beſchäftigt, dieſe Abſtammung der Tiere feſtzuſtellen, gleichſam als gäbe es in der Zoologie nur eine einzige Frage zu beantworten, nämlich die der Abſtammung. In mehreren dieſer Wiſſenſchaften aber beginnen ſich bereits neue Keime zu regen. In der Chemie z. B. hat die Aufſtellung des periodiſchen Syſtems der Elemente und die Entdeckung mehrerer neuen Elemente den Anſtoß gegeben, von neuem die anorganiſche Chemie in Angriff zu nehmen. In der Phyſik macht ſich eine ähnliche Wand- lung geltend, die Induſtrie, namentlich die Elektrotechnik ſtrebt ſo ſehr nach fortgeſetzter Verbeſſerung ihrer Appa⸗ rate und nach Erfindung neuer, daß die Phyſiker ſich dieſer Aufgabe nicht gewachſen zeigten und man zahlreiche Erfindungen Privatperſonen verdankt. Um ihre Leiftungs- fähigkeit zu erhöhen, beginnt man daher, die Profeſſuren für Phyſik in mehrere zu zerlegen. An den Polytechniken iſt ſchon lange eine ſolche für Elektrotechnik vorhanden, und außerdem errichtet man an den Univerſitäten einen Lehr⸗ ſtuhl für mathematiſche Phyſik neben einem ſolchen für experimentelle Phyſik. Wenden wir uns wieder zur Zoologie, ſo ſehen wir, daß 25 Jahre hindurch ihr Streben ausſchließlich dahin gegangen iſt, die Abſtammung der Tiere mit Hilfe ihrer morphologiſchen Eigenſchaften feſtzuſtellen. Die Blüte der Morphologie wurde beſonders noch durch den Umſtand begünſtigt, daß während dieſer Zeit eine Unzahl bisher unbekannter niederer Tiere entdeckt worden iſt, deren Ver⸗ wandtſchaft zu andern zunächſt nur ihren morphologiſchen Eigenſchaften entſprechend beurteilt werden konnte. Dieſe Verhältniſſe werden nicht ſtets dieſelben bleiben; die Zeit iſt nicht fern, wo es immer ſchwerer ſein wird, neue Tiere zu entdecken, und wo die bekannten Tiere genügend genau beſchrieben ſind. Welche Richtung die Forſchung alsdann nehmen wird, läßt ſich jetzt ſchon mit Beſtimmtheit ſagen, weil bereits eine Reihe von Forſchern dieſe Wege be⸗ ſchritten hat. Im Gegenſatz zu ihren morphologiſchen Eigenſchaften iſt über die Lebensweiſe der meiſten Tiere noch ſehr wenig bekannt. Namentlich bei neu entdeckten Tieren kann zu⸗ nächſt nur die äußere Geſtalt und die innere Organiſation erkannt werden, erſt ſpäter kann man an die viel ſchwie⸗ rigere Aufgabe ſchreiten, die Lebensverhältniſſe dieſer Tiere zu erforſchen, eine Aufgabe, die nicht nur längere Beob- achtung vieler Tiere dieſer Art, ſondern auch ein beſon⸗ deres Beobachtungstalent erfordert, welches von dem Be⸗ obachtungstalent für morphologiſche Eigenſchaften gänzlich verſchieden iſt. Dieſem Forſchungskreiſe der Biologie haben ſich be- reits mehrere Forſcher zugewandt, und namentlich höhere Tiere, deren morphologiſche Eigenſchaften längſt bekannt waren, ſind es, denen ſie ihre Studien gewidmet haben. Die meiſten übrigen Forſcher dagegen beharren in der Richtung, welche die Zoologie ſeit dem Auftreten Dar⸗ wins eingeſchlagen hat. Die morphologiſchen Eigenſchaften der Tiere, ihre äußere Geſtalt und ihre innere Organi⸗ ſation ſtellen fie feſt und zwar zu dem Zweck, die Ab⸗ ſtammung dieſer Tiere, die Phylogenie, aufzufinden. Bei dieſer jetzt herrſchenden Richtung iſt es auch zu verſtehen, daß vor einigen Jahren an der Univerſität Jena ſogar eine „Profeſſur für Phylogenie“ errichtet worden iſt, deren Beſtimmung es alſo wäre, wie ſchon der Name ſagt, aus- ſchließlich dieſer Richtung zu dienen. Recht bezeichnend iſt es jedoch, daß gerade der In— haber dieſer Profeſſur, A. Lang, ebenfalls zu denjenigen gehört, welche das alte bequeme Fahrwaſſer der Zoologie verlaſſen und fic) der Biologie zugewandt haben. Seine neueſte Arbeit „Ueber den Einfluß der feſtſitzenden Lebensweiſe auf die Tiere und über den Ure ſprung der ungeſchlechtlichen Fortpflanzung durch Teilung und Knoſpung“ (Jena, G. Fiſcher, 1889) iſt eine durchaus biologiſche. Er ſtellt ſich die Aufgabe, zu unterſuchen, durch welche Eigentümlichkeiten fic) die feſtſitzenden Tiere von nahe ver⸗ wandten freilebenden unterſcheiden. Hierbei betrachtet er jedes Organſyſtem für ſich und läßt bei jedem der Reihe nach ſämtliche Gruppen von feſtſitzenden Tieren Revue paſſieren. Einzelne Organe ſind bei ihnen unnütz geworden, z. B. die Augen und beſonders die Lokomotionsorgane. Entweder fehlen dieſe gänzlich, oder ſie ſind nur in der Jugend vorhanden, oder ſie ſind zu anderen Funk⸗ tionen, z. B. zur Nahrungsaufnahme, umgewandelt. An⸗ dere Organe bilden ſich neu, ſehr viele Tiere ſitzen mittels Stielen feſt, einige bilden Schalen, andere Röhren zu ihrem Schutze. Die Haut folder in Schalen oder Röhren woh⸗ nenden Tiere iſt ſehr zart, die Muskulatur der Bewegungs- organe iſt zurückgebildet, dagegen die Längsmuskeln, welche den Körper bei Gefahr in die Wohnung zurückziehen, ſtark entwickelt. Eigentümlich iſt die Lage des Afters, an der Schutzhülle bildet ſich nicht etwa eine zweite Oeffnung für den Auswurf unverdauter Stoffe, vielmehr tritt eine Um⸗ lagerung ein, und der After ſowohl wie der Ausgang der Geſchlechtsprodukte liegt in der Nähe des Mundes; der Schutz des Körpers iſt um jo vollkommener, je gleich⸗ mäßiger der Körper überall von einer Schutzhülle um⸗ geben, je geringer die Zahl der Oeffnungen iſt. Dieſe eine Oeffnung kann meiſtens noch durch einen Deckel ver⸗ ſchloſſen werden, ſobald ſich das Tier bei Gefahr in die Wohnung zurückzieht. Die meiſten freilebenden Tiere verſchaffen ſich ihre Nahrung durch aktive Bewegung. Jedes feſtſitzende Tier hat alſo an und für ſich geringere Chancen des Nahrungs⸗ erwerbs, und daher iſt es wichtig, daß ſeine Organe zur ſcahrungsgufnahme verbeſſert werden. Bei den meiſten bildet ſich ein Sammel- und Fangapparat, der oft die Form eines Trichters beſitzt, in deſſen Grunde der Mund liegt, fo z. B. bet den Röhrenwürmern, den Seelilien u. a. Zu den Schutzmitteln, welche das Individuum und die Art vor dem Untergang bewahren, gehört auch das Regenerationsvermögen, welches bei faſt allen feſtſitzenden Tieren in geringerem oder größerem Maße ausgebildet iſt. Die ſedentären Tiere ſind in hohem Grade ſchädlichen Einflüſſen ausgeſetzt, denen ſie ſich nicht durch Fortbe⸗ wegung entziehen können. Infolge des Regenerations⸗ vermögens können fie aber nicht nur von Feinden ab⸗ gebiſſene oder durch den Wellenſchlag zerſtörte Teile in kurzer Zeit wiederherſtellen, ſondern es iſt häufig ein kleiner Reſt imſtande, den ganzen Körper mit den wichtigſten Organen neu zu bilden. Von vielen Tieren iſt bekannt, Humboldt. daß, wenn ihr Körper künſtlich oder zufällig in zwei oder mehrere Stücke zerteilt wird, ein jedes Stück ſich wieder zu einem vollſtändigen Tiere ergänzt, alſo aus einem In— dividuum mehrere Individuen entſtehen. Hier beginnt ein ganz neuer Teil der Langſchen Arbeit. Er legt in Uebereinſtimmung mit einer bereits früher gehaltenen Rede von v. Kennel überzeugend dar, wie ein Uebergang denkbar iſt von einer zufällig durch ungünſtige Umſtände herbeigeführten Teilung eines Wur— mes und einer regelmäßig um dieſelbe Zeit wiederholten Teilung, alſo einer Vermehrung durch Teilung. Dieſe Vermehrung durch Teilung iſt nach ihm hervorgegangen aus dem Regenerationsvermögen. Bei vielen Tieren, z. B. den Meduſen, findet ein regelmäßiger Wechſel von Generationen ſtatt. Die eine Generation vermehrt ſich durch befruchtete Eier, die andere durch Teilung. Letztere iſt neu aufgetreten und hat ſich der geſchlechtlichen Fortpflanzung hinzugeſellt, und zwar verdankt ſie ihren Urſprung einem großen Regenerationsvermögen. Die Vermehrung durch Knoſpung, ferner die Strobi— lation der Bandwürmer wird in derſelben Weiſe erklärt. Doch müſſen wir hier auf die Arbeit ſelbſt verweiſen, welche neben ſtrenger Wiſſenſchaftlichkeit auch den Vorzug eines angenehmen Stils hat. Es iſt dies der erſte Verſuch, die Entſtehung der un— geſchlechtlichen Fortpflanzung durch Teilung oder Knoſpung und den Generationswechſel zu erklären. Und dieſe Er— klärung iſt nur möglich geweſen auf Grund der Erforſchung der biologiſchen Verhältniſſe der Tiere. Wir haben hier wieder ein Beiſpiel, daß die Biologie uns Aufklärung über Verhältniſſe gibt, wozu die morphologiſche Forſchung allein niemals imſtande geweſen wäre. — Juli 1889. 263 Denken wir nur an die großartige Schöpfung Dar— wins, welche die Morphologie allein niemals hervorgebracht haben würde. Letztere war nur imſtande, die Verwandt— ſchaft der Tiere feſtzuſtellen, wie ſie dies auch immer ge— than hatte. Bei dieſer ſyſtematiſchen Zuſammenſtellung zeigte ſich, daß ſich die Tiere in ihren Eigenſchaften wie die Glieder einer Kette aneinanderreihen und in ihrer Geſamtheit gleichſam einem weitverzweigten Baume ähneln. Auf Grund dieſer Thatſache konnte die Morphologie ſelbſt die Behauptung aufſtellen, wie dies Lamark auch gethan hat, daß die Tiere dieſer Verwandtſchaft entſprechend aus— einander hervorgegangen ſein könnten. Auf welche Weiſe dies aber vor ſich gegangen ſei, dieſe Frage konnte die Morphologie nicht beantworten, und der Verſuch Lamarks, dieſe Erklärung zu geben, ſcheiterte. Erſt der biologiſche Scharfblick Darwins war hierzu imſtande. Er erkannte zuerſt, daß die Tiere einen Kampf ums Daſein kämpfen, daß die mit beſſeren Eigenſchaften ausgeſtatteten die andern überleben und mehr Nachkommen erzeugen, daß auf dieſe Weiſe die Arten ihre Eigenſchaften ändern und neue Arten entſtehen können. Dieſer biolo— giſchen Grundlage hat die Deſcendenztheorie ihre allge— meine Anerkennung zu verdanken. Mit Zuverſicht darf man daher hoffen, daß die Zahl der Forſcher, welche ſich der Biologie zuwenden, ſich immer mehren wird. Da aber biologiſche und morphologiſche Zoologie ſowohl in ihren Zielen wie in ihrer Methode vollſtändig verſchiedene Wiſſenſchaften ſind, ſo wird es dazu kommen, daß, ähnlich wie dies mit den Profeſſuren für Phyſik zum Teil ſchon geſchehen iſt, auch die Profeſſur für Zoologie in eine ſolche für Morphologie und eine ſolche für Biologie zerlegt wird. Sortidvitte in den Katurwiſſenſchaften. Anthropologie. Dr. M. Alsberg in Kaſſel. Die Menſchenraſſen in ihrem Verhalten gegenüber den Wundkrankheiten. Univerſalkraniometer. Pithekoide Merkmale des menſchlichen Schädels. Die Baucheingeweide bei verſchiedenen Menſchenraſſen. der Bevölkerung Guyanas und Venezuelas. Bevölkerung Vorarlbergs. typen Südfrankreichs. Hilfsmittel der anthropologiſch-vorgeſchichtlichen Forſchung. pflanzen. Pſeudonephrite in der Schweiz. > Verbreitung der Schädelformen in Norwegen. Gibt es eine rote Raſſe? Virchows Unterſuchungen über das Os Incae. Umwandlung der Langſchädel in Aurzſchädel. Domeſtizierte prähiſtoriſche Hunde und Hunde der Quartärzeit. Die Steinzeit Aegyptens. Thongeſchirr der Mammutzeit. Anthropologiſche Sigentümlichkeiten Schädelformen der Geographijche Verbreitung der Schädelformen in Italien. Ddlfer- Die Verbreitung verſchiedener Haustierraſſen als Abſtammung der altägyptiſchen Haustiere und Nutz— Auffindung gefärbter Schädel. Bearbeitung und Verwendung von Eberhauern in vorgeſchichtlicher Seit. In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit beſpricht Max Bartels das verſchiedene Verhalten, wel⸗ ches verſchiedene Raſſen den Wundkrankhei⸗ ten gegenüber an den Tag legen. Bekanntlich haben Prunières und Broca über gewiſſe in Frankreich aufgefundene Schädel des prähiſtoriſchen Menſchen berichtet, welche deutlich erkennen laſſen, daß an den betreffenden Sn- dividuen zu Lebzeiten die Trepanation des behaarten Kopfes ausgeführt worden iſt, und daß dieſelben die Operation glücklich überſtanden haben. Auch wird der nämliche chi— rurgiſche Eingriff noch jetzt von gewiſſen Cingebornen- ſtämmen der Südſeeinſeln als Mittel gegen Kopfſchmerz, Neuralgie, Schwindel u. dergl. vorgenommen. Zieht man nun in Erwägung, daß ungeachtet des überaus primitiven chirurgiſchen Verfahrens von den Eingebornen, welche ſich dieſer Operation unterziehen, doch noch ungefähr die Hälfte mit dem Leben davonkommt und daß andererſeits vor Einführung der antiſeptiſchen Wundbehandlung von den trepanierten Europäern nur ein ganz geringer Prozent- fas die Operation überſtanden hat, ſo ergibt ſich hier— aus der Schluß, daß die Naturvölker gegen operative Cin- griffe und die durch letztere bedingten Wundkrankheiten bei weitem widerſtandsfähiger ſind als die Kulturvölker. Zu gunſten dieſer Annahme ſpricht auch z. B. die That- ſache, daß jene furchtbaren Verletzungen, welche die An— gehörigen gewiſſer unciviliſierter oder halbeiviliſierter Völker 264 Humboldt. — Juli 1889. teils aus religiöſem Fanatismus (Selbſtkaſteiungen), teils um eine Probe ihres Mutes und ihrer Standhaftigkeit ab- zulegen, ſich ſelbſt beibringen — daß dieſe Verletzungen, welche das Leben des Europäers in Gefahr bringen wür⸗ den, von den Naturvölkern faſt regelmäßig mit Leichtigkeit überſtanden werden. Man muß annehmen, daß die Matur- völker gegenüber der Einwirkung jener Spaltpilze, welche die Wundkrankheiten erregen, eine bedeutendere Wider⸗ ſtandsfähigkeit beſitzen, als die europäiſchen Völker. Dies gilt auch für andere auf Einwirkung von Spaltpilzen be⸗ ruhende Krankheiten. So ſind z. B. die Negerſtämme gegen Malaria und Gelbfieber bei weitem weniger em⸗ pfänglich als die Weißen, und bei den Haida-Indianern Nordweſtamerikas, den Farbigen Südafrikas und gewiſſen Stämmen Centralafrikas, Aſiens und Occaniens tritt die Syphilis gar nicht oder nur in der leichteſten Form auf. Maſern und Tuberkuloſe richten freilich unter den Natur⸗ völkern hier und da furchtbare Verheerungen an. Im alle gemeinen iſt man jedoch berechtigt zu ſagen: Je höher die Raſſe, deſto geringer iſt die Toleranz, und je niederer inner⸗ halb der gleichen Raſſe der Kulturzuſtand iſt, deſto größer iſt die Toleranz. Ein von Aurel v. Török hergeſtellter Apparat) dürfte wohl eine vollſtändige Umwälzung der kraniometriſchen Technik hervorrufen. Bekanntlich war letztere bisher derart mangelhaft, daß man nicht einmal die einfachſten Linjenmaße ſämtlich mit Präeiſion und Leichtigkeit be⸗ ſtimmen konnte. Auch hat die „Frankfurter Verſtändigung“ jene Schwierigkeiten nicht zu überwinden vermocht, welche ſich daraus ergeben, daß ein kraniometriſcher Apparat, dev für den einen Schädel ganz gut paßt, bei einem anderen nur mit Hinderniſſen ſeine Arbeit leiſtet. v. Török be⸗ hauptet nun von ſeinem neuen, auf dem Prinzip der Pa⸗ rallelen beruhenden Inſtrument, daß dasſelbe die beiden wichtigſten der bisher gebräuchlichen Meßinſtrumente, näm⸗ lich den Schieber- und Taſterzirkel, überflüſſig mache, in⸗ dem es wie ein kombinierter Schieber- und Taſterzirkel wirke. Mit Hilfe desſelben konnte v. Török zuerſt den präciſen Nachweis liefern, daß auch beim normalen Schädel keine vollkommene Symmetrie beider Hälften exiſtiert. Ebenſo wie aus älteren Unterſuchungen ſich ergeben hat, daß Schiefſtellung der Augenhöhlen, der knöchernen Naſe und des Kiefers ein überaus häufiges Vorkommnis ijt, zeigt und mißt das Univerſalkraniometer ebenſowohl die Inklinationsaſymmetrie (verſchiedene Neigung beider Schä⸗ delhälften zur ſagittalen Ebene bezw. Schiefheit in horizon— taler Richtung), wie die Deklinationsaſymmetrie (Drehung um die vertikale Achſe bezw. Schiefheit der Frontalfläche). Auch it es ein beſonderer Vorzug des neuen Apparats, daß man mit Hilfe deſſelben jeden beliebigen Schädel- und Geſichtswinkel ohne Schwierigkeit und Zeitverluſt genau meſſen kann. P. VBelfanti**) hat die folgenden Charaktere, die bei den Affen konſtant, bei den niederen Menſchenxaſſen häufig und bei den höheren Menſchenraſſen nur ſelten vorkommen, als die wichtigſten pithekoiden Merkmale des ) Ueber ein Univerſalkranjometer. Zur Reform der kraniometriſchen Technik. Leipzig 1888. **) Studi sur alcuni caratteri regressivi del cranio humano. Archivio per 1’Anthropologia, 1888. menſchlichen Schädels angegeben, nämlich: 1) aus⸗ geſprochene Vieleckigkeit des Schädels; 2) Atrophie der Naſenbeine; 3) Fehlen des Naſenſtachels; 4) Hufeiſenform des knöchernen Gaumens; 5) ſehr entwickelte Knochen— leiſten; 6) Einfachheit der Knochennähte; 7) bedeutende Entwickelung des processus frontalis des Schläfenbeines; 8) rückwärts gebogene Keilbeinflügel; 9) Wormſcher Knochen am Keilbein; 10) der Reihe nach zunehmende Größe der Molarzähne. Unter dem Titel: ,Quelques notes sur la Splanch- nologie des races humaines“ *) hat Chudzinski einige vorläufige Meſſungen über die Größenverhältniſſe der Baucheingeweide bei verſchiedenen Men- ſchenraſſen veröffentlicht. Ueber die Länge des Darm— kanals bei verſchiedenen Raſſen und Individuen liegen bis jetzt nur wenige Unterſuchungen vor. Nach Cuvier ſoll die Geſamtlänge des Darmes das Sechs- bis Sieben- fache der Körperlänge, nach Sappey die Darmlänge bei Weißen von mittlerer Statur durchſchnittlich 9600 mm bez tragen, wovon 8000 mm auf den Dünndarm, 1600 auf den Dickdarm kommen. Dagegen betrug bei neun von Chudzinski unterſuchten Negern die Geſamtdarmlänge durch— ſchnittlich 8667 mm, alſo faſt 1000 mm weniger als bei den von Sappey unterſuchten Weißen. Andererſeits be— weiſen die Meſſungen Chudzinskis, daß die einzelnen Indi- viduen hinſichtlich der Darmlänge ſich ſehr weſentlich von— einander unterſcheiden. Wenn überhaupt die Darmlänge durch die Körperlänge beeinflußt wird, fo kann dieſer Ein⸗ fluß doch nur ein ganz untergeordneter ſein. Daß die Geſamtlänge des Darmes beim Neger beträchtlich geringer iſt als beim Weißen, beruht auf der relativen Kürze des Dünndarmes der ſchwarzen Raſſe; denn der Dickdarm iſt beim Schwarzen ſogar noch etwas länger als beim Weißen. Wichtige Reſultate ergaben ferner die Meſſungen und Wägungen der Leber. Der Durchmeſſer dieſes Or— gans in der Richtung von vorn nach hinten beträgt beim Weißen durchſchnittlich 200 mm, beim Neger nur 165 mm; der Querdurchmeſſer der Leber beträgt beim Weißen durch⸗ ſchnittlich 280 mm, beim Neger 273 mm. Die beiden ſoeben erwähnten Leberdurchmeſſer ſind beim Orang ein wenig geringer, nämlich 150 bezw. 260 mm. Das mitt⸗ lere Gewicht der Leber beläuft fic) beim Weißen durch⸗ ſchnittlich auf 1451, beim Neger nur auf 1266 g. Die durchſchnittliche Länge der Milz iſt beim Weißen 123 wm (Sappey), beim Neger 98 mm (Chudzinski), die Dicke dieſes Organs beim Weißen 82, beim Neger 60 mm, das durchſchnittliche Gewicht der Milz beim Weißen 195, beim Neger 171g. Auch die Nieren zeigen ebenſo wie Leber und Milz beim Weißen bedeutendere Dimenſionen und ein höheres Gewicht als beim Neger, wobei noch beſonders zu bemerken iſt, daß bei den neun von Chudzinski unterſuchten Negern die linke Niere regelmäßig etwas größer und ſchwerer war als die rechte. Die Niere des Orang iſt ſehr viel kleiner und leichter als die des Menſchen und mehr der Kugelform ſich annähernd. Die Nebennieren beſitzen allem Anſcheine nach beim Neger ein größeres Volumen als beim Weißen. *) Revue d' Anthropologie, 16. Année, Serie III, Tome 2, P. 158 ete. Humboldt. — Juli 1889. 265 Behufs Ermittelung der geographiſchen Ver— breitung verſchiedener Schädelformen in Nor⸗ wegen“) hat C. Arbo an 5000 bis 6000 Bewohnern dieſes Landes Meſſungen vorgenommen. Die Bevölkerung Norwegens zerfällt in eine ganze Anzahl größerer und kleinerer Gruppen, die entſprechend der geographiſchen Konfiguration des Landes mehr oder weniger iſoliert ſind. Im öſtlichen Norwegen findet ſich eine ausgeſpro— chene dolichokephale Bevölkerung neben einer meſokephalen. Nahe der äußerſten Südſpitze des Landes muß man eine brachykephale Bevölkerung unterſcheiden und eine mehr im Innern wohnende meſokephale Bevölkerung; nur in einigen abgelegenen Thälern finden ſich hier zerſtreute Reſte der dolichokephalen Bevölkerung. Von Siriaa bis zur Grenze von Sönhardaland prädominiert die kurzköpfige Raſſe. In der Provinz Bergen muß man eine ſüdlich wohnende Küſtenbevölkerung von meſokephaler Schädelform und eine meſokephale oder dolichokephale Bevölkerung des Innern der Fjorde von dem mehr im Norden anſäſſigen brachykephalen und zugleich dunklen Volkselement unter- ſcheiden. Nördlich von Bergen erſtreckt ſich die Brachy— kephalie von der Küſte bis ins Innere der Fjorde, um noch weiter nördlich fic) auf die Küſte zu beſchränken, wo- bei ſie der meſokephalen Kopfform das Innere des Landes bis Nordmöre überläßt. In den von den Langköpfen be— wohnten Territorien weiſt die Bevölkerung in intellektueller und phyſiſcher Hinſicht die größte Gleichmäßigkeit auf, in⸗ dem die Bewohner dieſer Gebiete durch hohe Statur, blondes Haar und im allgemeinen höhere Kultur vor denen anderer Gegenden ſich auszeichnen. Die von Meſokephalen bewohnten Diſtrikte ſind am zahlreichſten und nehmen die Hauptmaſſe des Landes ein. Sie weiſen ebenſo wie die von Brachykephalen bewohnten Gegenden zahlreiche Va⸗ riationen des körperlichen Typus auf; die Haarfarbe iſt bei der Bevölkerung dieſer Gebiete weniger blond, die Statur nicht ſo hoch, der Prognathismus mehr ausge— ſprochen als bei dem langköpfigen Volkselement. Wälder und Gebirgskämme bilden die Grenzen der verſchiedene Schädelform und Körperbildung aufweiſenden Gruppen, während die Hochplateaus keine ſcharfe Scheidung bewirken. In ſeinen in Guyana und Venezuela ausge⸗ führten anthropologiſchen Unterſuchungen““) proteſtiert Ten Kate gegen die Annahme einer beſonderen roten Raſſe und bemerkt, daß die Haut der verſchiedenſten Indianerſtämme, die er in Nord- und Südamerika unter— ſucht hat, dieſelben Farbennüancen aufweiſt wie die Haut der gelben Raſſen. Eine ziegelrote oder mahagoniähnliche Hautfärbung hat Ten Kate nur bei Weißen angetroffen, die ſtark von der Sonne verbrannt waren. Im allgemeinen herrſcht der brachykephale Typus bei den Eingebornen Guyanas vor; unter denſelben ſind zwei verſchiedene Typen in ungleichen Proportionen verteilt, wovon der eine dem eigentlichen Indianertypus entſpricht, während der andere einen deutlich ausgeſprochenen mongoloiden Charakter aufweiſt. Bei den Indianern und Carboeger Guyanas iſt die Hautfarbe der Neugebornen mattgelb und *) La carte de IIndice céphalique en Norwége. d’Anthropologie, Paris 1888, S. 257 2c. ) Observations anthropologiques recueillies dans la Guyane et le Vénézuéla. Ebendaſelbſt S. 44 2c. Humboldt 1889. Revue ſehr viel heller als diejenige der Erwachſenen. Die Wugen- farbe der Indianer und Indianermiſchlinge in dieſem Ge- biete iſt regelmäßig dunkel, bisweilen mit einem Stich ins Rotbraune. Das Haar iſt immer ſchwarz und bisweilen wellig — letzteres auch dann, wenn gar keine Miſchung mit Negerblut ſtattgefunden hat. Weißes oder graues Haar hat Ten Kate bei den Eingebornen Guyanas niemals angetroffen, ebenſowenig Kahlköpfigkeit. Die „Mongolen⸗ falte“ (herabhängende Falte des oberen Augenlides) findet ſich häufig bald nur angedeutet, bald vollkommen ent— wickelt. Die beiden häufigſten Geſichtsformen der In⸗ dianer Guyanas ſind das ovale Geſicht und das kurze Breitgeſicht. Die Lippen ſind gewöhnlich von mittlerer Dicke und wohlgeformt. Die Schneidezähne ſtehen ſelten ſenkrecht und ſind bisweilen etwas nach hinten gerichtet. Der Abſtand der großen Zehe von den übrigen Zehen iſt meiſt recht bedeutend; der Zwiſchenraum zwiſchen erſter und zweiter Zehe iſt in der Regel trapezförmig. Die In— dianer zeigen große Ausdauer beim Marſchieren, Rudern u. dergl., aber nur geringe Widerſtandsfähigkeit gegen Krankheiten. Die Buſchneger (Abkömmlinge der in die Wälder Guyanas entwichenen Negerſklaven) ſchildert Ten Kate als eine kräftige Raſſe mit ſcharf hervortretender Mustu- latur und herkuliſchem Körperbau. Da andererſeits die mit dem Dynamometer angeſtellten Meſſungen keine hohen Zahlen ergeben haben, ſo ſpricht Ten Kate die Vermutung aus, daß die Muskeln des Buſchnegers durch die Aktion der Nerven nur in einen unvollkommenen Erregungszu— ſtand verſetzt werden. Von hohem Intereſſe ſind die Unterſuchungen “), welche Virchow über das Os Incae s. epactale, d. i. die Abtrennung der Hinterhauptsſchuppe vom Reſt des Hinterhauptsbeins, wodurch erſtere zu einem ſelbſtändigen Knochen wird, angeſtellt hat. Das Os Incae entſteht durch die Erhaltung der Sutura trans- versa occipitis — einer Naht, die in der gewöhnlichen Entwickelung ſchon lange vor dem Schluß des Fötallebens geſchloſſen wird und deren Offenbleiben demnach eine weit in das Intrauterinleben zurückreichende Hemmung anzeigt. Die Quernaht, welche die Hinterhauptsſchuppe vom Körper des Hinterhauptsbeins abtrennt, erſcheint gewöhnlich als eine direkte Verlängerung der Schuppennaht des Schläfen— beins, und ſie bildet in dieſer Verlängerung faſt ein Kreuz mit der Lambdanaht. Dies iſt gerade an Peruanerſchädeln (daher der Name: Os Incae) beſonders gut zu ſehen; nur gibt es ſowohl an ihnen wie an andern Schädeln mit perſiſtenter Quernaht gewiſſe Varietäten, indem die Lambdanaht bald in ihrem unterſten Abſchnitte kurz über dem Kreuzungspunkt ſich mehr querſtellt bezw. mit der zuvor erwähnten Quernaht eine fortlaufende Linie bildet, gegen welche der obere längere Teil der Lambdanaht faſt unter einem rechten Winkel ſich anſetzt, oder indem der Inkaknochen überhaupt nach unten durch keine Quernaht, ſondern durch zwei unter ſpitzem Winkel aufeinanderſtoßende ſtark gezackte Nähte, welche ſich jederzeit an einen Schenkel der Lambda— naht inſerieren, begrenzt wird. Die zuletzt erwähnte Ab⸗ weichung, bei der auch noch auf der rechten Seite dicht unterhalb der Inſertionsſtelle ein größerer Wormſcher ) Zeitſchrift f. Ethnologie, Jahrgang 1888, S. 470 ꝛc. 34 266 Knochen (Schaltknochen) neben dem Inkaknochen zu liegen kommt, konſtatierte Virchow bei einem aus dem neolithiſchen Steinkiſtengrabe von Blumberg entnommenen Schädel, welcher dem orthodolichokephalen Typus angehört. Eine höchſt bemerkenswerte Abweichung fand Virchow ferner bei einem Schädel, den er einem am Fuße der Pyramide von Hawara (Aegypten) gelegenen Gräberfelde entnommen hat. Bei dem letzterwähnten Schädel iſt der Inkaknochen unten durch eine Naht begrenzt, die nur auf der rechten Seite an die Stelle, wo die Nähte des Seitenwandbeins, Schläfenbeins und Hinterhauptsbeins zuſammenſtoßen (ſeit⸗ liche hintere Fontanelle), links dagegen über der Mitte des Lambdaſchenkels ſich inſeriert. Damit hängt es zuſammen, daß die beſagte Naht nur bis zur Mitte der rechten Hälfte horizontal verläuft, dann aber in einem nach oben kon⸗ vexen Bogen anſteigt, darauf gegen die Mitte zunächſt wieder ſinkt, um zuletzt ganz ſteil zur Inſertion an die Lambdanaht aufzuſteigen. Holl hat fonftatiert*), daß in noch höherem Grade, wie dies bei der Bevölkerung Tirols der Fall iſt, bei derjenigen Vorarlbergs die Kurzſchä⸗ delform vorherrſcht. Von mehr als 900 Schädeln, welche von Holl gemeſſen wurden, gehören 50,3% dem brachy⸗ kephalen, 36,2 dem hyperbrachykephalen, 12,6% dem meſokephalen und nur 0,65% dem dolichokephalen Schädel⸗ typus an. Nach Holl unterliegt es keinem Zweifel, daß in den europäiſchen Alpenländern, wo heute der kurzköpfige Typus vorherrſcht, einſt die Dolichokephalen, wie ſie in den fränkiſch⸗alemanniſchen Reihengräbern angetroffen wer⸗ den, ſowie die Meſokephalen prädominiert haben. Als Be⸗ weis für letztere Annahme beruft ſich Holl auf die von Zuckerkandl angeſtellten Unterſuchungen, welche ergeben haben, daß unter den Erwachſenen Inneröſterreichs die Brachykephalie, unter den Kindern des nämlichen Gebiets die Meſokephalie (mittellange Schädelform) vorherrſcht. Die im Verlaufe der Jahrtauſende in Süddeutſchland und den Alpenländern ſtattgehabte Umwandlung der Lang⸗ ſchädel in Kurzſchädel ſoll nach Holl hauptſächlich darauf beruhen, daß das weit vorſpringende pyramidenförmige Hinterhaupt im Laufe der Zeiten großenteils verloren ge⸗ gangen iſt. Während der Schädel des erwachſenen Tiro⸗ lers und Vorarlbergers faſt durchgängig durch die enorme Kürze des retroaurikularen (hinter der Ohröffnung gele⸗ genen) Anteiles des Schädels charakteriſiert iſt, findet man bei der nämlichen Bevölkerung am Schädel des Neugebornen die retroaurikulare Länge faſt gerade jo groß als die präaurikulare (vor der Ohröffnung gelegene), und jene Abflachung des Hinterhauptes, wie ſie den erwachſe⸗ nen Kurzſchädel in den beſagten Gebieten kennzeichnet, iſt beim jugendlichen Individuum noch nicht ſichtbar. Jener kindliche Langſchädel ſtellt nach Holl eine Reminiscenz dar an einen längſt überwundenen Zuſtand, ebenſo wie auch vergangene Phaſen der ontogenetiſchen Entwickelung des Menſchen und der Säugetiere in der Entwickelung des Fötus ſich widerſpiegeln. Betreffend die geographiſche Verbreitung der Schädelindices in Italien hat R. Vwi ge⸗ ) Mitteilungen der Anthropologiſchen Geſellſchaft in Wien, 1888, S. 1 z. Humboldt. — Juli 1889. funden !), daß dieſelben im allgemeinen in der Richtung von Süden nach Norden immer mehr zunehmen, um im Novd- weſten ein Maximum zu erreichen. Während in Süd⸗ italien, insbeſondere auf Sizilien, in Calabrien, ſowie in einem Teile der Inſel Sardinien, die dolicho- und meſo⸗ kephale Schädelform prädominiert, gewinnt, wenn wir in der angedeuteten Richtung fortſchreiten, die Kurzſchädel— form (Brachykephalie) immer mehr die Oberhand. In Piemont hat eine Miſchung zweier Volkselemente ſtattge⸗ funden, wovon das eine (Kelten) brachykephal, des andere (Ligurer) dolichokephal geweſen iſt. In dem von Ligurern bewohnten Teile der Emilia iſt der Index kleiner als da, wo keine Ligurer fic) angeſiedelt haben. Der Norden Tos⸗ canas unterſcheidet ſich vom Süden der Provinz, wo die Körpergröße bedeutender iff und wo die Brachykephalie vorherrſcht, was darauf beruhen mag, daß im Norden die Bevölkerung vorwiegend etruskiſchen, im Süden mehr umbriſchen Urſprungs iſt. Ueber die Völkertypen, welche Südfrank⸗ reich, insbeſondere das Perigord, bewohnen, hat Lafite Mitteilungen!) gemacht. Derſelbe hat im ſüdweſtlichen Frankreich folgende Raſſentypen konſtatiert: 1) Leute von hohem Wuchs, die zugleich durch Magerkeit, dunkle Haut, rotbraune Färbung der Wangen, dunkles und glänzendes Haupthaar und ebenſolchen Bart gekenn⸗ zeichnet ſind. Der beſagte Menſchenſchlag findet ſich in nicht gerade bedeutender Anzahl in den Departements La Charente, La Charente⸗Inférieure und in einem Teil der Gironde. 2) Ein Menſchenſchlag mit dichtem Bart, der bis zu den Augen hinaufreicht, deſſen Haare zwar ſehr ſchwarz ſind, aber nicht in dem Maße glänzen wie bei dem erſterwähnten Raſſentypus, und der außerdem durch mattweißen Teint und eine kleine unterſetzte Statur mit maſſigem Hals charakteriſiert iſt. Angehörige des letzterwähnten Typus finden ſich in allen ſüdweſtlichen Departements Frank⸗ reichs; dieſelben unterſcheiden ſich weſentlich von den Bas⸗ ken dieſer Gebiete und ſind nach Lafite vielleicht Reſte einer in dieſen Gegenden ehemals anſäſſigen liguriſchen Bevölkerung. — Eine eigentümliche Bevölkerung (brachy⸗ kephaler oder ſubbrachykephaler Schädel, Haut bisweilen dunkel, bisweilen hell, Haar in der Regel ſchwarz, bis⸗ weilen aber blond oder braun, zartgebaute Extremitäten, dünne Finger, kräftige, wenn auch nicht voluminöſe Mus⸗ keln) bewohnt nach Lafite die als Landais bezeichnete fran⸗ zöſiſche Provinz und ſcheint zu den Iberern der pyre⸗ näiſchen Halbinſel in verwandtſchaftlichen Beziehungen zu ſtehen. Ueber domeſtizierte prähiſtoriſche Hunde, ſowie über Hunde der Quartärzeit ſind von ver⸗ ſchiedenen Forſchern Unterfuchungen***) angeſtellt worden. Nach Bourguignat finden wir zuerſt im mittleren Quartär einen wilden Hund mit allen Eigentümlichkeiten der Ca⸗ niden, nämlich den Canis ferus Bourg. Masta hat in diluvialen Schichten der Grotte von Certova (Mähren) Reſte eines Caniden aufgefunden, den er als Canis Mikii ) LIndice cefalico degli Italiani. pologia 1888. ) Les Types du Perigord. Revue d’Anthropologie, Paris 1888, S. 243. ***) Revue d' Anthropologie, 1888, p. 213. Archivio per l'Anthro- Humboldt. — Juli 1889. bezeichnet und für den älteſten der bis jetzt bekannten Quartärhunde hält. Woldrich hat noch eine dritte quar- tive Hunderaſſe, den Canis hercynius, entdeckt und be— ſchrieben. Eine Domeſtikation des Hundes hat während der Quartärzeit höchſt wahrſcheinlich noch nicht ſtattgefun— den. Schon vor jedem Verſuche der Domeſtikation gab es verſchiedene Hunderaſſen, die durch ihre Eigentümlich— keiten an den Wolf, den Schakal oder den Fuchs er— innern. Da es in Europa autochthone wilde Hunde ge— geben hat, ſo braucht man nicht anzunehmen, daß eine von auswärts nach unſerem Erdteil eingeführte Hunderaſſe daſelbſt zuerſt domeſtiziert worden ſei. Unter den domeſti— zierten Hunden der Prähiſtorie ſind zu unterſcheiden Canis palustris (Steinzeit), C. familiaris Spalletti (Uebergang von der Steinzeit zur Bronzezeit), C. familiaris matris optimae (Bronzezeit) und C. familiaris intermedius (Eiſenzeit). Lafite*) glaubt, daß das Studium der Verbrei- tung verſchiedener Haustierraſſen zu wichtigen Ergebniſſen bezüglich der vorgeſchichtlichen Wanderungen der Völker führen werde. Der Pyrenäenhund, der in der Größe einem Kalbe und in der Wildheit dem Wolfe nahe kommt, iſt nach Lafite wahrſcheinlich mit den Goten nach Südfrankreich gelangt und vielleicht ein naher Verwandter der Neufundlanddogge, die vermutlich aus Skandinavien ſtammt und von den ſkandinaviſchen Entdeckern Nordame— rikas (um 970 vor Chriſti) nach Neufundland eingeführt wurde. Da die Goten urſprünglich in Schweden gewohnt haben, läßt ſich die Einführung dieſer Hunderaſſe ins Pyrenäengebiet leicht erklären. Durch Völkerzüge iſt viel— leicht auch zu erklären, daß das Pferd mit gebogenem Kopf (cheval à téte busquée) im Norden Europas wie in Andaluſien vorkommt und daß zwiſchen den Rindern der Maraichineraſſe (die in der Umgebung von Aunis, der Gegend, wohin während der Völkerwanderung die Alanen vordrangen, ſich findet) und derjenigen der unga— riſchen Steppen eine bemerkenswerte Aehnlichkeit beſteht. Von hervorragender Wichtigkeit find die Unterſuchun— gen!“ ), welche Virchow mit Schliemann über die Prä— hiſtorie Aegyptens und der ſüdlich angrenzen— den Gebiete angeſtellt hat. Die bisher in Aegypten aufgefundenen Steinwerkzeuge und Geräte ſind vorwiegend aus Feuerſtein, Hornſtein, Jaspis u. dergl. hergeſtellt und im allgemeinen charakteriſiert durch wenig ſorgfältige Be— arbeitung. Man unterſcheidet „geſchlagene“ (durch auf den Steinkern geführte Schläge erzeugte) und „gemu— ſchelte“ (durch Abbrechen kleiner Stücke vom Rande des Steinkerns erzeugte) Geräte. Geſchliffene (polierte) Werk- zeuge, wie fie bei dem europäiſchen Steingerät als Grund— lage für die Annahme einer neolithiſchen Zeit dienen, fehlen in Aegypten und Nubien gänzlich. Unter den Tief—⸗ funden verdienen beſondere Erwähnung die Objekte von Arcelin und von Pitt Rivers, ferner die von Mook in der Nähe von Helwan und die von Schweinfurth im Wadi Sſanur und Wadi Uarag gefundenen. Bei keinem dieſer Funde läßt ſich nachweiſen, ob die Verfertiger der Dilu- vialzeit oder der gegenwärtigen Erdepoche angehören. Die ) Ebendaſelbſt S. 243. ) „Die vorhiſtoriſche Zeit Aegyptens“ in der Zeitſchrift für Ethno⸗ logie, 1888, Heft 5. 267 von Schweinfurth aufgefundenen Kieſelſplitter und Stein⸗ kerne, wegen ihrer Form „Eſelshufe“ genannt, finden ſich nicht auf urſprünglichen Lagerſtätten, ſondern ſind von höher gelegenen Flächen in die Thaleinſchnitte hinabgeſpült worden. Die viel zahlreicheren Oberflächenfunde kommen öſtlich und weſtlich vom Nil vor und ſind offenbar in den am Abhang des Gebirges gelegenen Arbeitsſtellen ange— fertigt worden. Neben zahlloſen Kieſelſplittern finden ſich daſelbſt Steinmeſſer, prismatiſche Späne, ſägeförmig aus⸗ gezackte Werkzeuge, ſteinerne Lanzen- und Pfeilſpitzen, Schabſteine und Nuklei. Eine erheblichere Kunſtfertigkeit verraten nur die von Brugſch beſchriebenen „Sichelmeſſer“ und die von Paſſalacqua aufgefundenen „geſtielten Hau— meſſer“. Auch große kugelförmige „Behauſteine“, meiſt aus Hornſtein oder Diorit beſtehend, ferner halbkugelige, zuweilen brotlaibförmige Steine mit platter Grundfläche, keulenförmige Steine u. dergl. wurden aufgefunden. Ge— wiſſe Proceduren wie z. B. die Beſchneidung und die der Leicheneinbalſamierung vorausgehende Eröffnung der Bauch— höhle wurden im hiſtoriſchen Aegypten noch regelmäßig mit Hilfe des Steinmeſſers vorgenommen; mit Feuerſtein⸗ ſplittern ritzte man Hieroglyphen und andere Zeichen in weiche Geſteine ein, und „geſchlagene“ Feuerſteine haben damals noch zur Herſtellung von „Dreſchſchlitten“ und „Dreſchtafeln“ gedient. Wenn übrigens nach Virchow im Nilthale die prähiſtoriſche Kultur ohne einen Wechſel der Bevölkerung in die hiſtoriſche übergegangen iſt, und wenn auch Steinwerkzeuge im geſchichtlichen Aegypten teilweiſe noch Verwendung gefunden haben, ſo darf man doch nicht annehmen, daß die Mehrzahl der gegenwärtig in Aegypten aufgefundenen Steingeräte der hiſtoriſchen Epoche dieſes Landes angehört; vielmehr beweiſt die geringe Kunſt— fertigkeit, mit der dieſelben im allgemeinen hergeſtellt ſind, den prähiſtoriſchen Urſprung der Geräte. Daß die Kultur im Nilthale außerordentlich alt iſt, beweiſen die in den Jahren 1851 bis 1854 daſelbſt vorgenommenen Bohrungen, wobei noch aus ſehr beträchtlicher Tiefe gebrannte Ziegel und andere Kulturreſte zu Tage gefördert wurden. An— dererſeits laſſen ſich dieſe Bohrungen allerdings nicht zu einer genauen Abgrenzung und chronologiſchen Beſtim— mung der einzelnen Abſchnitte in der Vergangenheit des Pharaonenlandes verwerten. Die von Virchow und Schlie— mann unterſuchten kegel- oder pyramidenförmigen Er⸗ höhungen von Medinet-Madi, welche durch ihr Aeußeres an die Nuraghen der Inſel Sardinien erinnern, ſind nicht, wie anfänglich angenommen wurde, prähiſtoriſche Grab— ſtätten, ſondern müſſen anderen Zwecken gedient haben. Die von den beſagten Forſchern ausgegrabenen Gefäß— ſcherben, bezüglich deren es freilich zweifelhaft iſt, ob und wie weit dieſelben der prähiſtoriſchen Epoche Aegyptens angehören, ſind hauptſächlich von zweierlei Art: die einen zeigen eingedrückte und eingeritzte Ornamente, die anderen ſind bunt bemalt. Alle dieſe Scherben ſind nur mäßig gebrannt, blättern infolge von Verwitterung leicht aus- einander und zeigen auf dem Durchſchnitt jene ſchwärzlich— graue Mittelſchicht, die bei den hiſtoriſchen Scherben Europas die Regel bildet. Die Oberfläche der Gefäße iſt zuweilen rauh, jedoch meiſt geglättet, offenbar durch Ueber⸗ ſtreichen einer Flüſſigkeit, die mit feinem eiſenhaltigen Schlamm durchſetzt war. Zum Schluſſe ſpricht Virchow 268 die Ueberzeugung aus, daß die Mehrzahl der altägyptiſchen Haustiere und Nutzpflanzen aus Aſien ſtammt und daß die altägyptiſche Kulturraſſe, welche wahrſcheinlich ſchon in vorgeſchichtlicher Zeit in das Nilthal eingewandert iſt, von dorther nach Aegypten eingeführt wurde. Eine von Stapff gemachte Mitteilung!) betreffend das Vorkommen von Pſeudo-Nephriten in der Schweiz iſt geeignet, über die Frage nach der Herkunft der vorgeſchichtlichen Nephritgeräte bezw. des Materials, aus dem dieſe Objekte hergeſtellt ſind, Licht zu verbreiten. In dem uralten verlaſſenen Steinbruch von Scara Orell oberhalb Tremola, ſowie an einem anderen Punkte des Val Tremola finden ſich nämlich aus pyroxenartigen Mineralien hervorgegangene Serpentine, die häufig ge⸗ bleicht und ohne merkliche Einbuße ihrer Härte apfelgrün, aſchgrau, gelblich, ſelbſt bläulich gefärbt ſind. Da das be⸗ ſagte Geſtein ſowohl in ſeiner makroſkopiſchen Erſcheinung wie auch bei der Dünnſchliffunterſuchung (bei letzterer hauptſächlich infolge ſeines Gehaltes an Tremolitnadeln) dem echten Nephrit außerordentlich ähnlich bezw. von dem⸗ ſelben kaum zu unterſcheiden iſt, ſo darf man wohl an⸗ nehmen, daß ein Teil der nach bisheriger Anſicht aus Nephrit hergeſtellten Objekte in Wirklichkeit nur aus dem in der beſagten Weiſe veränderten Serpentin beſteht. Die Frage, ob der paläolithiſche Menſch bereits Thon⸗ geſchirr angefertigt habe, wurde bisher vielfach verneint. Dagegen laſſen Unterſuchungen “n) von J. Fratpont in den knochenführenden Höhlen Belgiens keinen Zweifel, daß bereits in der Mammutzeit (unteres Quartär) der da⸗ malige Bewohner Belgiens irdenes Geſchirr angefertigt hat. In der Grotte von Spy ſind in der mittelſten der dortigen knochenführenden Schichten, welche ſämtliche für die Mammutzeit charakteriſtiſchen Tierknochen enthielt, vier Fragmente von mit der Hand geformtem Thongeſchirr gefunden worden, und ebenſo fand ſich in der Höhle Petit⸗ Modave in der unterſten der dortigen knochenführenden, ebenfalls aus der Mammutzeit ſtammenden Schichten in 7 m Tiefe zuſammen mit roh zugehauenem Steingerät vom Le Mouſtier⸗Typus das Fragment eines rohgefertigten runden Thongefäßes; der abgeflachte Boden iſt durch den Druck des Daumens, deſſen Spur noch ſichtbar, hergeſtellt worden. Die Farbe des Bruchſtückes iſt ziegelrot, hier und da mit ſchwarzen Stellen durchſetzt; auf der Bruch⸗ ſtelle hat dasſelbe eine ſchwärzliche Färbung. Die Maſſe beſteht aus einem plaſtiſchen Thon, der nur mit wenig Sand vermiſcht iſt. Sowohl bei dem in Rede ſtehenden Fragment, wie bei den in der Spygrotte aufgefundenen Gefäßſcherben iſt die Möglichkeit vollſtändig ausgeſchloſſen, daß die Thongeſchirre etwa nachträglich in die mammut⸗ zeitlichen Höhlenablagerungen gelangt ſein könnten. Eine in der zweiten der drei Engishöhlen (derſelben, wo Schmer⸗ ) Zeitſchrift für Ethnologie, 1888, S. 424 ꝛc. **) Revue d' Anthropologie 1888, p. 385 etc. Humboldt. — Juli 1889. ling ſeiner Zeit den berühmt gewordenen Schädel ausgegraben hat) mit Silexgerät vom Le Mouſtier-Typus aufgefundene Scherbe gehört einem Gefäß an, deſſen Höhe 90 em be⸗ tragen hat. Die Gefäßwand iſt an einzelnen Stellen dünn, an anderen dicker. Die an der Scherbe wahrnehmbaren Dendriten beweiſen das hohe Alter des Gefäßes, deſſen äußere Oberfläche gut gebrannt iſt, während das Innere der Thonmaſſe noch ſo gut wie roh iſt. Im Gegenſatz zu den Thongeſchirren der Renntierzeit und neolithiſchen Periode, bei denen der Thonmaſſe zur Vermehrung der Dauerhaftigkeit häufig kleine Kieſelſtücke und Quarzfrag⸗ mente beigemiſcht ſind, iſt das Gefäß der Engishöhle nur aus Thon und Sand geformt. Pigorini hat feſtgeſtellt, daß während der neolithiſchen Periode bei gewiſſen Völkern der Gebrauch vorherrſchend war, die Toten erſt beizuſetzen, nachdem man bei den⸗ ſelben das Fleiſch von den Knochen gelöſt hatte. Dieſe Sitte war verbreitet in Italien, Sizilien und auch nörd⸗ lich von den Alpen. In einem Grabe bei Sgurgola fand man zuerſt einen Schädel, deſſen Geſichtsteil mit Zinnober rotgefärbt war, und auch aus anderen neolithiſchen Gräbern und Grabhöhlen (z. B. aus ſolchen in Baouſſé-Rouſſé) wurden rotgefärbte Schädel und ſonſtige gefärbte menſch⸗ liche Skelettreſte zu Tage gefördert ). Ueber die Bearbeitung und Verwendung von Eberhauern in vorgeſchichtlicher Zeit hat Olshauſen kürzlich Unterſuchungen angeftellt**). Außer zu kunſtvollen Doppelknöpfen, wie ſolche unlängſt im Moor unweit Mellentin aufgefunden wurden, diente der Eber⸗ zahn im Bronzezeitalter zur Herſtellung von einfachen Knöpfen, die nach V. Groß für die Kleidung beſtimmt waren. Einfach durchbohrte Eberhauer wurden ebenſo wie Bärenzähne als Anhänger — ſowohl als Zierat für Menſchen wie zur Verzierung von Pferdegeſchirr — her⸗ gerichtet, und zwei geſpaltene und nahe der Spitze je einmal gelochte Hauer aus dem Pfahlbau von Wismar haben allem Anſcheine nach eine Art von vorgeſchichtlichem Diadem ge⸗ bildet. Nach Schliemann und Voß haben die Eberhauer auch zur Verzierung bezw. Verſtärkung der Bronzehelme gedient. Eberzahn wurde auch als Material benutzt zur Herſtellung von Haar-, Kleider- oder Stricknadeln, zur Anfertigung von Nähnadeln und Angelhaken, Löffeln und gewiſſen anderen Geräten, bezüglich deren es zweifelhaft iſt, ob ſie als Weberſchiffchen oder Strickwerkzeuge zu be⸗ trachten ſind. Meißel, kleine Aexte und insbeſondere Meſſer von Eberzahn ſind ebenfalls unter den worgeſchichtlichen Funden vertreten. Auch findet die Verwendung der be⸗ ſagten Subſtanz zur Herſtellung von ſchneidenden Werk⸗ zeugen ihre Erklärung in der großen Härte des Zahn⸗ ſchmelzes, der ſelbſt guten Feilen bedeutenden Widerſtand leiſtet. *) Matériaux pour Vhistoire primitive et naturelle de Vhomme 1888. **) Zeitſchrift für Ethnologie, 1888, S. 440. Humboldt. — Juli 1889. 269 Experimentelle Wiydologie. Don Dr. Hugo Münſterberg in Freiburg i. Br. Statiſtik der Träume. Die Unterſchiedsſchwelle beim Geſichtsſinn. Die Helligkeitsempfindung im indirekten Sehen. Vergleichung gehobener Gewichte. Bewegungsempfindungen. Neue Verjuche an den Ohrbogengängen. Die Funktionen des Großhirns. Blinde Tauben und Hühner. Wirkung des Lichts auf die Tiere. Statiſtik der Träume. Friedrich Heerwagen in Dorpat verſuchte, durch Verteilung ſorgfältig ausgearbei— teter Fragebogen und Zuſammenſtellung der entſprechenden Antworten ſtatiſtiſche Mitteilungen über einige Schlaf und Traum betreffende Punkte zu erhalten. Er konnte das Material von über 400 ausgefüllten Bogen verwerten. Die Hauptreſultate dürften folgende ſein. Die Lebhaftigkeit der Träume nimmt zu mit ihrer Häufigkeit. Je häufiger die Träume ſind, deſto leiſer iſt der Schlaf. Die Frauen haben im allgemeinen einen ſehr viel leiſeren Schlaf als die Männer und träumen ſehr viel mehr. Ohne Unter— ſchied des Geſchlechts werden mit zunehmendem Alter die Träume ſeltener, der Schlaf aber leiſer. Denjenigen Per— ſonen, welche häufig träumen, ſind die Träume ſehr viel beſſer erinnerlich als jenen, welche ſelten träumen; ebenſo ſind die Träume den Perſonen mit leiſem Schlaf beſſer erinnerlich als denen mit tiefem. Auf die Schlafdauer ſcheint beim männlichen Geſchlecht die Häufigkeit der Träume und die Tiefe des Schlafes keinen Einfluß zu haben. Beim weiblichen Geſchlecht dagegen ſchlafen die, welche häufig träumen, faſt eine Stunde länger als die, welche ſelten träumen, und die mit leiſem Schlaf faſt eine halbe Stunde weniger als die mit tiefem Schlaf. Das Schlaf— bedürfnis iſt bei den Frauen größer als bei den Männern. Wer häufig träumt und leiſen Schlaf hat, gebraucht zum Einſchlafen längere Zeit als andere. Die Fähigkeit, nach Belieben am Tage einzuſchlafen, iſt ſelten, in der Jugend häufiger als im Alter. Perſonen, welche ſelten träumen, ſind am Morgen und am Vormittag zu geiſtiger Arbeit beſſer disponiert als die, welche häufig träumen. Bei leiſem Schlaf und vielem Träumen iſt die Nervoſität ſtärker verbreitet. Tiefer Schlaf und ſeltene Träume cha⸗ rakteriſieren den Phlegmatiker. Verheiratete Frauen träu— men etwas ſeltener als unverheiratete. Schullehrer haben leiſen Schlaf und häufige Träume, Univerſitätsprofeſſoren träumen ſelten und ſchlafen tief! Die Unterſchiedsſchwelle beim Geſichtsſinn. Die Frage nach dem eben merklichen Intenſitätsunterſchied zweier Lichtreize, reſpektive dem Verhältnis dieſer Unter- ſchiedsgröße zum gegebenen Reiz wurde von A. König **) bei einer ungewöhnlich ausgedehnten Reizſkala genauer Prüfung unterzogen. Die Helligkeit konnte von der Stärke eins, welche eben wahrnehmbarem Lichteindruck entſprach, bis zur Stärke zweihunderttauſend variiert werden; letztere erzeugte ſchon ſchmerzhafte Blendung. In überaus prak- tiſcher Anordnung wurde die Abſtufung der Reize bis zu eben merkbarem Unterſchied dadurch ermöglicht, daß mit Hilfe eines doppelt brechenden Kalkſpates die eine Hälfte des beleuchteten Geſichtsfeldes Licht erhielt, das in zwei ) Wundts Philoſoph. Studien, Bd. V, S. 301. ) Sitzungsber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiſſ. 1888, S. 917. aufeinander ſenkrechten Ebenen polariſiert war, die an— dere dagegen nur eine dieſer beiden Lichtarten. Wird nun durch Drehung eines analyſierenden Nicols die Helligkeit des zweiten Feldes von voller Lichtſtärke bis zur Dunkel⸗ heit variiert, während das erſte Feld unverändert bleibt, ſo läßt ſich aufs exakteſte die Unterſchiedsſchwelle ermitteln. Es ergab ſich, daß dieſe Schwelle, d. h. das Verhältnis des eben merkbaren Reizzuwachſes zum Reiz bei einer zwiſchen zweitauſend und zwanzigtauſend liegenden Inten— ſität konſtant bleibt, darüber hinaus und darunter aber zunimmt. Bei ganz geringer Lichtintenſität war überdies die Zunahme der Schwellenwerte eine viel ſchnellere für Licht mit größerer als für Licht mit kleinerer Wellenlänge, während die Wellenlänge im allgemeinen ohne Einfluß auf die Unterſchiedsſchwelle zu ſein ſchien. Die Helligkeitsempfindung im indirekten Sehen. Das indirekte Sehen, d. h. das Sehen mit den Seitenteilen der Netzhaut hat praktiſch bekanntlich eine ungeheure Bedeutung; nicht nur beim Leſen u. ſ. w. hat die ſeitliche Netzhaut ihren Wert, ſondern ohne ihre Mit— wirkung können wir uns überhaupt nicht ſicher orientieren. Während wir uns aber von den Empfindungen, welche durch die Erregung der zentralen Netzhaut ausgelöſt wer— den, in genaueſter Weiſe Rechenſchaft zu geben vermögen, arbeiten wir mit der ſeitlichen Netzhaut meiſt dunkler be- wußt; ſo bedarf es denn beſonderer Anſtrengung, um die durch die Erregung derſelben entſtehenden Empfindungen zu iſolieren, und man iſt leicht geneigt, der herkömmlichen Annahme zuzuſtimmen, daß die Empfindlichkeit der Netzhaut im allgemeinen nach der Peripherie hin abnehme. Daß dieſe Annahme nach einer gewiſſen Seite hin ungerecht— fertigt iſt, beweiſen die Experimente von Kirſchmann !), welche ſich ausſchließlich mit der Empfindungsintenſität befaſſen. Es iſt ja ſelbſtverſtändlich, daß, wenn eine Licht⸗ quelle von der Mitte des Blickfeldes zur Seite hin ſich bewegt, eine objektive Intenſitätsabnahme der Lichtwirkung parallel geht, da die Maſſe des eindringenden Lichtes beim ſeitlichen Einfallen kleiner ſein muß. Beſäße die Netzhaut nun an allen Stellen die gleiche Empfindlichkeit, ſo müßte die Lichtempfindung, welche ein Gegenſtand verurſacht, an Intenſität ſtets abnehmen, wenn das Objekt, dieſelbe Cnt- fernung vom Auge beibehaltend, aus dem Blickpunkt des Geſichtsfeldes entfernt würde. Eine gleichmäßig erhellte Fläche müßte infolgedeſſen an der fixierten Stelle am hellſten erſcheinen, nach den Seiten hin aber müßte ihre Helligkeit ſcheinbar abnehmen. Dies iſt nun aber keines⸗ wegs der Fall; wir ſehen die indirekt geſehenen Gegen— ſtände zwar in der Farbe modifiziert und undeutlicher in ihren Umriſſen, aber wir glauben ſie in derſelben Helligkeit wahrzunehmen. Es iſt ſomit anzunehmen, daß für die ) Wundts Philoſoph. Studien, Bd. V, S. 447. 270 Humboldt. — Juli 1889. ſeitlichen Teile eine geringere Stärke des Reizes genügt, um die gleiche Intenſität der Empfindung hervorzurufen. Zu näherer Prüfung waren vor einer gleichmäßig erhellten grauen Wand zwei rotierende Scheiben angebracht, die aus beweglichen ſchwarzen und weißen Sektoren beſtanden, durch deren Verſchiebung jede beliebige Helligkeitsſtufe her⸗ geſtellt werden konnte. Der Beobachter ſchloß nun das eine Auge und fixierte mit dem anderen die Mitte der erſten anderthalb Meter entfernten Scheibe, während er ſeine Aufmerkſamkeit zum Vergleich der Helligkeiten auch auf die indirekt geſehene zweite Scheibe lenkte, welche in wech— ſelndem Winkelabſtand aufgeſtellt war. Waren beide Scheiben objektiv gleich, ſo erſchien die indirekt geſehene heller; dieſer wurde nun ſo lange Schwarz zugeſetzt, bis ſubjektive Gleichheit erlangt war. Wurde die zweite Scheibe in der Horizontallinie verſchoben, fo ergab fic) beiſpiels⸗ weiſe, wenn die fixierte Scheibe 180° weiß und 180° ſchwarz enthielt, daß ſubjektive Gleichheit dann vorhanden war, wenn die indirekt geſehene Scheibe bei einem Winkel⸗ abſtand von 5° nur 172° weiß, bei 10° nur 165° weiß und bei 20° ſogar nur 153° weiß, mithin 207° ſchwarz enthielt. Die Tabellen der überaus zahlreichen Verſuche ergeben im allgemeinen, daß in dem horizontalen Meridian die Helligkeitsempfindlichkeit ihr Maximum in einer Ent⸗ fernung von 22° bis 25° vom Centrum hat, während in der vertikalen Richtung dieſes Maximum ſchon bei 12°—15° liegt. Außerdem iſt der Empfindlichkeitszuwachs in der horizontalen ein weit bedeutenderer als in der vertikalen und in der letzteren iſt die obere Hälfte der Netzhaut wie⸗ der im Vorteil gegen die untere. Offenbar entſprechen dieſe Verhältniſſe ganz den Bedürfniſſen unſeres Sehor⸗ gans. Die Lage der Objekte im Raum bedingt es, daß die durch die ſeitlichen Netzhautpartien vermittelten indi⸗ rekten Geſichtswahrnehmungen eine größere Bedeutung für uns beſitzen als das Sehen mit den oberen und unteren Regionen. Die Bedeutung der unteren Hälfte des Ge⸗ ſichtsfeldes iſt andererſeits aber wieder größer als die der oberen. Unterhalb des Horizontes befinden ſich für uns meiſt eine Menge von Gegenſtänden, auf die wir achten müſſen, auch wenn wir ſie nicht fixieren. Ueber dem Hori⸗ zonte befinden ſich dagegen meiſt nur entferntere Gegen⸗ ſtlände, ausgedehnte helle Flächen wie der Himmel oder die Stubendecke. Es könnte daher nur ſtörend für den Geſichtsſinn ſein, wenn jene Partien der Retina, welche dieſem meiſt ſehr erhellten Teile des Sehfeldes ent⸗ ſprechen, mit einer ähnlich hohen Empfindlichkeit ausge⸗ rüſtet wären, wie ſie in der Richtung des horizontalen Meridians zweckentſprechend iſt. Vergleichung gehobener Gewichte. Bei der Unterſuchung der Beziehungen zwiſchen Reizzuwachs und Empfindungszuwachs wurde der Vergleichung gehobener Ge⸗ wichte ſtets beſondere Beachtung geſchenkt. Hier zeigte ſich ja ganz beſonders deutlich, daß jenes allgemeine Geſetz zutrifft, demzufolge der Unterſchied zweier Empfindungs⸗ paare dann gleich iſt, wenn die entſprechenden Reizpaare im gleichen Verhältnis ſtehen; zu hundert Gramm müſſen dreißig hinzukommen, um einen eben merkbaren Empfin⸗ dungszuwachs hervorzurufen, während bei tauſend Gramm dieſer eben merkliche Empfindungszuwachs erſt bei einer Zulage von dreihundert Gramm eintritt. Bei allen ſolchen Verſuchen iſt nun aber die Wahrnehmung eines gehobenen Gewichtes gewiſſermaßen wie eine einfache Empfindung behandelt, ohne beſondere Rückſicht darauf, ob dieſe Em— pfindung von der Kraftanſtrengung oder von der Muskel⸗ ſpannung oder von dem Hautdruck u. ſ. w. herſtammt, und ebenſowenig iſt dabei ins Auge gefaßt, ob nicht ſonſtige Bedingungen wie Zeitfolge, Raumlage, Nachwirkung früherer Verſuche u. ſ. w. die Reſultate beeinfluſſen. Es war daher höchſt dankenswert, daß G. E. Müller und Fr. Schumann in gemeinſamer Arbeit!) die pſychologiſchen Grundlagen der Vergleichung gehobener Gewichte einer experimentellen Arbeit unterzogen. Folgendes ſei aus derſelben hervorgehoben. Es wurden zunächſt Verſuche angeſtellt, bei denen das Grundgewicht von 676 g in unregelmäßigem Wechſel mit den Vergleichsgewichten von 626, 676, 726, 776, 826 und 876 g verglichen wurde und zwar mit jedem dieſer Gewichte fünfmal zur Vergleichung kam, wobei das Grund⸗ gewicht ſtets mit der rechten Hand und ſtets zuerſt ge⸗ hoben wurde. Das Vergleichsgewicht von 876 g erſchien in allen Fällen größer als das Grundgewicht, 826 g er⸗ ſchienen viermal größer und einmal gleich. Hierauf wurde dreißigmal als Vergleichsgewicht eine Belaſtung von 2476 g gehoben, und als darauf wieder zu den alten Gewichten zurückgegangen wurde, erſchienen jetzt nicht nur 826 und 876 g, ſondern ſogar 926 f jedesmal kleiner als 676 g. Es liegt nahe, dieſes überraſchende Ergebnis fo zu er⸗ klären, daß es als Wirkung der bei den ſchweren Gewichts⸗ hebungen erhöhten Bluteirkulation aufzufaſſen wäre. Mit der Steigerung des Blutumlaufes, könnte man annehmen, ſei eine Zunahme der Muskelerregbarkeit verbunden, ſo daß der motoriſche Impuls in dem auf das ſchwerere Ge- wicht eingeſtellten Arm eine intenſivere Muskelerregung und energiſchere Muskelkontraktion zur Folge hat, durch welche das Gewicht ſchneller emporgehoben wird; dieſe größere Hubgeſchwindigkeit würden wir dann gewohnheits⸗ mäßig als Folge geringerer Belaſtung deuten. Daß dieſes aber den weſentlichen Punkt nicht trifft, ergibt ſich einfach daraus, daß die Einſtellung dieſelben Wirkungen wie beim zweihändigen Verſuchsverfahren auch beim einhändigen Ver⸗ fahren erkennen läßt; es müßte dann ja im letzteren Fall auch das Grundgewicht entſprechend verkleinert erſcheinen. Die Verfaſſer erklären dieſe Täuſchungen der Gewichts⸗ vergleichung durch das Prinzip der Uebung. Nachdem bei den Einſtellungsverſuchen zwei motoriſche Impulſe von beſtimmtem Intenſitätsverhältnis oft hintereinander dem Arm zugeſchickt worden find, haben die motoriſchen Nerven⸗ centren durch dieſe Uebung eine Tendenz angenommen, auf ähnliche Anregungen wieder mit einer Aufeinander⸗ folge von Impulſen zu reagieren, die in demſelben In⸗ tenſitätsverhältnis zu einander ſtehen. Unter gewöhnlichen Umſtänden wird beim Vergleichen zweier Gewichte bei beiden Hebungen derſelbe motoriſche Impuls erteilt, ohne daß uns die Stärke der Impulſe zum Bewußtſein kommt, und wir vergleichen nun lediglich die Effekte miteinander, d. h. im allgemeinen die Geſchwindigkeiten der eintreten⸗ den Bewegungen, wobei wir ſo verfahren, daß wir auf Grund der gemachten Erfahrungen das ſchneller empor⸗ ſteigende Gewicht für das leichtere halten. ) Pflügers Archiv f. d. geſ. Phyſiologie, Bd. XLV, S. 37 ꝛc. Humboldt. Umfangreiche Verſuchsreihen beſchäftigten ſich dann mit der Frage, welchen Einfluß die Reihenfolge hat, in der zwei Gewichte verglichen werden. Die Reſultate laſſen ſich dahin zuſammenfaſſen, daß die Zeitlage ein Unterſchätzen des zu zweit gehobenen Gewichtes bewirkt; nur bei ver— hältnismäßig ſchweren Gewichten iſt ein ſolcher Einfluß der Reihenfolge nicht bemerkbar. Dieſes Verhalten des Zeitfehlers erklären die Verfaſſer ſo, daß bei dem benützten Tempo der Arm äußerſt raſch von dem einen Gewicht zu dem andern überſpringen mußte, und daß daher die mo— toriſchen Organe wohl noch in Erregung waren, als der Impuls zum Heben des zweiten Gewichtes auftrat; das zweite Gewicht wurde demgemäß mit größerer Energie ge— hoben als das erſte und infolgedeſſen wieder unterſchätzt. Weitere Verſuche ergaben, daß die ſich allmählich ein— ſtellende Ermüdung gerade im gegenteiligen Sinne wirkt, das zweite Gewicht alſo ſchwerer erſcheinen läßt. Im all— gemeinen wird alſo der Zeitfehler nach einer größeren Reihe ſich langſam durch die Ermüdung ausgleichen und ſchließlich ins Gegenteil umſchlagen. Die ſonſtigen Unter— ſuchungen hier zu verfolgen würde zu weit führen. Bewegungsempfindungen. Die Frage, aus welcher Quelle unſere Wahrnehmung der Gliederbewegung ſtammt, hat immer noch keine endgültige Antwort gefun— den. Bald ſollten es die Muskeln, bald die Haut, bald die Sehnen, bald die Gelenke ſein, deren Alteration uns bei der vollzogenen Bewegung bemerkbar wird, ganz ab— geſehen von dem Streit, ob bei der aktiven Bewegung wir nur den Bewegungsvollzug oder auch die centrale motoriſche Innervation wahrnehmen. Goldſcheider *) prüft die Frage unter neuen, freilich nicht einwandsfreien Ver— ſuchsbedingungen. Bei fixierter Hand wurde zunächſt die Empfindlichkeit für paſſive Bewegungen im zweiten Ge— lenk des Zeigefingers geprüft, indem die Spitze des Fin— gers in einer alle Druckempfindungen möglichſt abhal— tenden Kautſchukhülſe durch Zug eines über eine Rolle laufenden Gewichtes gehoben wurde. Als Grenzwert der ſchon wahrnehmbaren Gelenkbeugung ergab ſich eine Knickung von etwa anderthalb Grad. Daß die Bewegungsempfindung dabei nicht durch den Druck auf das gehobene Fingerglied ausgelöſt wird, ergibt ſich daraus, daß der merkbare Beu⸗ gungswinkel nicht größer wird, wenn das gehobene End— glied durch ſtarke Induktionsſtröme in einen Zuſtand her- abgeſetzter Empfindlichkeit verſetzt wird. Läßt man nun aber dieſe Induktionsſtröme durch das bei der Beugung beteiligte Gelenk und ſeine nächſte Umgebung fließen, ſo wird die Empfindlichkeit für ſolche paſſive Bewegungen in hohem Maße herabgeſetzt; es geht daraus hervor, daß die bei der Bewegungsempfindung beteiligten peripheren Er— regungen aus der Gegend des gebeugten Gelenkes ſtammen. Daß nun die das Gelenk bedeckende Haut nur ſekundär beteiligt iſt, ließ fic) ebenfalls beweiſen. Es wurde näm⸗ lich die Senſibilität der umgebenden Haut ſo weit abge— ſtumpft, daß Nadelſtiche nicht mehr gefühlt wurden, und trotzdem wurden Beugungen von etwa drei Grad noch deutlich empfunden. Das Gefühl der Bewegung muß ſo— mit nach Goldſcheiders Anſicht hauptſächlich in den tieferen Gelenkteilen angeregt werden. Außerdem ergab ſich, daß ) Zeitſchrift f. kliniſche Medizin, Bd. XV, Heft 1. Juli 1880. 271 die Deutlichkeit, mit welcher eine Bewegung wahrgenom— men wird, nicht nur von der Winkelgröße der Bewegung, ſondern auch von der Geſchwindigkeit abhängt. Ganz ähn⸗ liche Verhältniſſe fand er ſchließlich bei aktiven Beme- gungen. Auch hier wird die Empfindlichkeit für Bewegungen durch den faradiſchen Strom herabgeſetzt, woraus folgen ſoll, daß die deutliche Wahrnehmung einer aktiv ausge- führten Bewegung ebenfalls von der peripheriſchen Sen— ſibilität des Gelenkes abhängig iſt, dem ſogen. Inner⸗ vationsgefühl und der vorangehenden Vorſtellung der be— abſichtigten Bewegung ſomit keinerlei Bedeutung beizulegen iſt. Jedenfalls ſtehen die Bewegungsempfindungen eines Gliedes nicht in direkter Beziehung zu den Lageempfin— dungen desſelben; wir empfinden alſo nicht dann eine Bewegung, wenn wir nacheinander verſchiedene Lage— empfindungen haben, ſondern das Bewegungsgefühl iſt eine beſondere eigenartige Empfindung. Neue Verſuche an den Ohrbogengängen. Wir hatten kürzlich von den Preyerſchen Experimenten berichtet, denen zufolge die Funktion der Ohrbogengänge in der Fähigkeit beſtehen ſoll, die Schallempfindungen zu lokali— ſieren. Die neueſte die Ohrbogengänge betreffende Publi- kation von Breuer“) in Wien knüpft dagegen wieder an das Tierexperiment an und ſtudiert ſomit nicht die ſub— jektiven, ſondern die objektiven Leiſtungen jenes Apparates, die als Bewegungen ſichtbar werden. Es bleibt weiteren Unterſuchungen der experimentellen Psychologie vorbehalten, zu prüfen, ob jene ſubjektive und dieſe objektive Funktion wirklich einander ausſchließen, oder ob ſie ſich nicht viel— mehr in dem Sinne ergänzen, daß gerade die reflektoriſch ausgelöſten Kopfbewegungen zum Maß für die räumliche Lage der Schallquelle werden. Baginsky hatte die Be— wegungsfunktion der Bogengänge angezweifelt; er meinte, daß die bisherigen Verſuche keine Beweiskraft haben, weil ſeiner Anſicht nach eine iſolierte Verletzung der Bogen— gänge ohne Rückwirkung auf das Gehirn nicht möglich ſei; nichts berechtige, aus Veränderungen, die ſich nach der Bogengangsläſion an Tieren zeigen, Schlüſſe zu machen auf die Funktion der Bogengänge, weil eine Verletzung derſelben jedesmal eine Verletzung des Gehirns involviert. Breuer gelang es nun, Reizverſuche an frei präparierten, aber völlig unverletzten knöchernen Ampullen anzubringen, ſo daß von einer Mitverletzung des Gehirns nicht die Rede ſein kann. Als Verſuchstiere dienten ihm Tanz ben, welche für dieſe Unterſuchungen ſo viele treffliche Eigenſchaften beſitzen, daß ſie wohl die bevorzugten Ver— ſuchstiere für die Bogengänge bleiben werden, ſo wie die Fröſche es für die allgemeine Nervenphyſiologie ſind. Die Reize waren teils thermiſch, z. B. ein Tröpfchen Eis⸗ waſſer, teils elektriſch, wobei als Elektroden feinſte ver⸗ goldete Nähnadeln dienten, teils mechaniſch. Es ſtellte ſich dabei als unzweifelhaft heraus, daß von jedem Bogen- gang aus Kopfbewegungen in der Ebene des betreffenden Ganges ausgelöſt werden, ohne daß eine direkte Reizung des Kleinhirns dabei ſtattfindet. Die Bewegungen wurden bei einigen der Verſuche durch Endolymphſtrömungen her— vorgerufen, deren Richtung die Richtung der Kopfbewe— gungen beſtimmt. Daß vom Kleinhirn aus die charak⸗ ) Pflügers Archiv f. d. geſ. Phyſtologie, Bd. XLIV, S. 135. 272 Humboldt. — Juli 1889. teriſtiſchen Bewegungen auch ausgelöſt werden können, bezweifelt Breuer natürlich nicht; nur ſieht er in dem ge— ſamten Vorhof des Gehörorgans einen peripheren Wahr⸗ nehmungsapparat für Bewegungen und Lage des Kopfes, deſſen zugehöriges Centrum wahrſcheinlich im Kleinhirn liegt. Durch elektriſche Reizung desſelben ſoll auch der galvaniſche Schwindel entſtehen, ähnlich wie das galva⸗ niſche Lichtphänomen durch Reizung der Netzhaut. Die Funktionen des Großhirns. Die üblichen Darſtellungen von den pſychiſchen Funktionen des Groß⸗ hirns gehen bekanntlich dahin, daß dem Großhirn das Wahrnehmen und das Wollen, d. h. die Intelligenz zu⸗ kommt. Die Hauptquelle dieſer auch pſychologiſch unhalt⸗ baren Vorſtellung bildete, ohne daß man ſich immer deſſen bewußt war, die Flourensſche Schilderung der entgroß⸗ hirnten Tauben. Ein Vogel ohne Großhirn ſoll ein Tier ſein, das zum ewigen Schlafe verdammt iſt; keines ſeiner Sinne mächtig, bleibt er ſtehen, wo man ihn hinſtellt, und bewegt ſich niemals von ſelbſt; Verdauen, wenn man ihn gefüttert hat, Schlafen bei der Verdauung, von Zeit zu Zeit einen Schritt machen ohne Ziel, beſtimmt durch die Ermüdung der Füße, das ſoll der ganze Lebenslauf ſein; alle Wahrnehmungen, alle Inſtinkte, alle intellektuellen Fähigkeiten ſind verloren. Schrader“) nimmt nun die Verſuche mit entgroß⸗ hirnten Tauben wieder auf, und zwar mit Methoden, welche in höherem Maße als bei Flourens und anderen Garantie dafür gewähren, daß wirklich das ganze Groß⸗ hirn und nichts als das Großhirn bei der Operation ent⸗ fernt iſt. Keines ſeiner Beobachtungstiere zeigte länger als die erſten vier Tage jenen ſchlafähnlichen Zuſtand, wie ihn Flourens beſchrieben hat. Sind die erſten paar Tage aber glücklich überſtanden, ſo wird das Bild ein weſentlich anderes. Die Zeiten ſchlafähnlichen Zuſtandes werden immer kürzer, den größten Teil des Tages ſieht man jetzt das Tier unermüdlich im Zimmer umherwan⸗ dern, und zwar ſind von Anfang an dieſe Bewegungen von Geſichtseindrücken beſtimmt. Mit abſoluter Sicherheit werden alle Hinderniſſe vermieden, welche man dem Tiere in den Weg ſtellen mag, ſelbſt leicht beſtaubten Glasplatten oder ganz durchſichtigen Glasglocken wurde ebenſo ſicher ausgewichen wie Tiſch⸗ und Stuhlbeinen. Geriet die Taube in eine Zimmerecke, fo flatterte jie in die Höhe, bis fie eine Holzleiſte erreichte, auf der ſie ſeitlich weiterkletterte. Schon bei dieſen Kletterverſuchen aber zeigte ſich, wie voll⸗ kommen die Bewegungen auch nach Taſteindrücken reguliert und wie exakt alle Gleichgewichtsveränderungen durch die entſprechenden Bewegungen kompenſiert werden. Daß es ſich bei dieſen und ähnlichen Ortsveränderungen nicht um Reizbewegungen handelt, die etwa durch die Verwundung hervorgerufen werden, ſondern wirklich um die erhalten gebliebene normale Ortsbewegung und den normalen Er⸗ regungszuſtand des centralen Nervenſyſtems, das wird durch die Thatſache bewieſen, daß ſolche Tauben, welche ſich bei Tag lebhaft umhertreiben, die Nacht hindurch feſt ſchlafen. Noch überraſchender aber iſt es, daß die Taube, wenn ſie auf einen erhöhten Punkt geſetzt iſt, den Weg zum Baum in einzelnen Etappen zurücklegt und dabei ) Pflügers Archiv f. d. geſ. Phyſiologie, Bd. XLIV, S. 175. zwiſchen den gebotenen Ruhepunkten eine Auswahl trifft; ſteht in einiger Entfernung eine Stuhllehne, ſo fliegt fie auf dieſe, iſt aber in gleicher Höhe eine Stuhllehne und ein Tiſch vorhanden, ſo zieht ſie ſtets den letzteren vor, ſelbſt wenn er einige Meter weiter entfernt iſt als der Stuhl. Die entgroßhirnte Taube beweiſt durch dieſes Verhalten, daß ihre ſpontanen Bewegungen nicht nur nez gativ durch die Geſichtseindrücke beſtimmt ſind, indem ſie die Gegenſtände der Außenwelt als Hinderniſſe vermeidet, ſondern auch poſitiv, indem ſie dieſelben als Ruhepunkte erſtrebt. Zweitens, daß die ſenſoriſche Verarbeitung der optiſchen Erregungen nicht nur zu einer vollkommen richtigen Verwertung der Form, Größe, Diſtanz der Außendinge führt, ſondern dieſer auch eine entſprechende Feinheit der motoriſchen Innervation folgt, welche geleitet ſein muß von der ausgiebigſten Verarbeitung aller derjenigen Er⸗ regungen, welche zur Beurteilung der eigenen Bewegung in Beziehung ſtehen. Schrader deutet die Geſamtheit ſeiner Unterſuchungen folgendermaßen: „Das entgroßhirnte Tier bewegt ſich in einer Welt von Körpern, deren Lagerung im Raume, Größe und Geſtalt die Form ſeiner Bewegungen beſtimmen, die aber unter ſich im Verhältnis zu dem Tiere ſämtlich vollkommen gleichwertig find.” Aus letzterem foll hervorgehen, daß „alle Handlungen den ganz unverkenn⸗ baren eigenartigen Eindruck machen, welchen die Bewe⸗ gungen eines Automaten hervorrufen.“ Blinde Tauben und Hühner. Eine Menge Fragen, welche auf die pſychophyſiſchen Leiſtungen Bezug haben, können der Erledigung nähergeführt werden, wenn der Verſuch gemacht wird, dem Gehirn die Quellen der ſenſoriſchen Erregung abzuſchneiden. Schrader?) experi⸗ mentierte in dieſem Sinne mit geblendeten Tauben und Hühnern. — Die blinde Taube geht breitſpurig, geduckten Körpers mit faſt wagerecht ausgeſtrecktem Hals und Kopf. Wild rennt ſie in alle Hinderniſſe hinein. Eine blinde Taube, welche über ein halbes Jahr in einem Verſchlage des Laboratoriums gehalten wurde, zeigte auch dann noch keine Spur von Kenntnis dieſes Raumes. In der auf⸗ fallendſten Weiſe waren Tauben und Hühner unfähig, ſich mit dem erhaltenen Taſtſinn zu orientieren: immer wieder rennen ſie gegen dieſelben Wände. Für den gewohnten Futterplatz ſcheinen die Hühner einiges Gedächtnis zu be⸗ ſitzen. Eine blinde Henne legt auch meiſt ihr Ei in das⸗ ſelbe Neſt, in das ſie es ſehend gelegt hat; nur fand man es öfters zerſchmettert auf dem Boden, was früher nicht vorgekommen war. Der hochgradige Mangel an Spon⸗ taneität bekundet ſich bei der blinden Taube dadurch, daß ſie mit angezogenem Kopf ruhig daſitzt und, außer nach längerer Hungerzeit nie von ſelbſt auffliegt. Wenn fie alle zwei bis drei Tage künſtlich gefüttert wird, ſo frißt ſie während der ganzen Zeit kein Korn aus eigenem Antrieb. — Eine Steigerung des Unterſcheidungsvermögens auf Grund von Taſteindrücken wurde infolge der Erblindung nicht beobachtet. Der Taſteindruck der Füße beim Stehen auf einem Körnerhaufen genügt nicht, den Freßakt aus⸗ zulöſen, wie es der Geſichtseindruck eines Kernes bei der normalen Taube thut. Dem Klappern der Erbſen folgen blinde Tauben auf einige Meter Entfernung nur mit ſehr ) Pflügers Archiv f. d. geſ. Phyfiologie, Bd. XLIV, S. 232. Humboldt. — Juli 1889. 273 geringer Sicherheit. — Einen tiefgreifenden Unterſchied ſetzt die Erblindung in Bezug auf das geſellige Leben. Der Geſelligkeitstrieb ſcheint ausgelöſcht, das blinde Tier wird vollkommen zum Einſiedler. Als ein Hahn geblendet wurde, ſtand er wie eine Statue im Stall, während die Hennen mit lockenden Tönen um ihn herum gingen, ohne an dem Tag den Stall zu verlaſſen; am nächſten Tag trieb ſich das Hennenvolk allein auf dem Hofe herum, der blinde Hahn war verlaſſen und die Führung auf dem Hühnerhof hatte er verloren. Als auch noch ein zweiter Hahn ſeiner Augen beraubt wurde, war für die beiden, die früher, fo oft fie zuſammen in den Hof gelaſſen wur- den, in erbittertem Kampfe lebten, nun alle Feindſchaft verſchwunden; ohne ſich umeinander zu kümmern, lebten ſie im gleichen Stall. Der bei normalen Hühnern ſo ſtark ausgeſprochene Trieb zur Geſelligkeit iſt vollkommen er— ftorben, obwohl das Gehör, wie man denken follte, einen Verkehr ermöglichen könnte. — Ein blinder brünſtiger Täuber umwarb eine Taube, wenn ſie in ſeine Nähe kam; er vermochte aber nicht, ſie zu verfolgen. Später wurden ſie zuſammengeſperrt und die Taube auch geblendet; ob— wohl das Männchen lebhafte Geſchlechtsempfindung verriet, vermochte es nicht, ſein Ziel zu erreichen. — Beim Ka— ninchen macht es dagegen im Zuſammenleben zwiſchen Männchen und Weibchen gar keinen Unterſchied, ob eins oder beide blind oder ſehend ſind. Ebenſowenig zeigt ſich im Verkehr der Hunde eine Störung, wenn einer ſeine Augen verloren hat. Wirkung des Lichts auf die Tiere. Loeb“) hat verſucht, durch Experimente feſtzuſtellen, ob die Tiere in ihrer Stellung und Bewegung geſetzmäßig vom Licht beeinflußt werden, wie die Phytophyſiologie es ja für die Pflanzen bewieſen hat. Er kommt zu dem Reſultat, daß bei bilateral-ſymmetriſchen Tieren im allgemeinen die Ein— ſtellung ſo erfolgt, daß die Medianebene in die Richtung desjenigen Lichtſtrahles fällt, welcher durch den Standort des Tieres geht, und zwar kehren die einen Vorderteil und Bruſtſeite, die anderen Hinterteil und Rückenſeite der Lichtquelle zu. Genaue Prüfung ergab, daß dabei nur die ſtärker brechbaren Strahlen des Sonnenlichtes einen ſtark richtenden Einfluß beſitzen; die richtende Wirkſamkeit der ſchwächer brechbaren Strahlen nimmt in der Tierreihe mit zunehmender Differenzierung der Organe zu, ohne indeſſen die Wirkſamkeit der ſtärker brechbaren Strahlen ganz zu erreichen. Die Orientierung der Tiere gegen eine Lichtquelle wird durch die Richtung bedingt, in welcher die Lichtſtrahlen die tieriſchen Gewebe durchſetzen und nicht durch die Unterſchiede in der Lichtintenſität auf den ver- ſchiedenen Seiten des Tieres. Der zeitliche Verlauf und die Genauigkeit der Richtungsreaktion hängt von der In- tenſität des Lichtes ab; unterhalb beſtimmter Intenſitäts⸗ grenzen fehlt fie völlig. Daß es ſich wirklich um Licht-, nicht um Wärmewirkung handelt, reſultiert aus mannig- faltigen Kontrollverſuchen. ) Sitzungsber. d. Phyſ.⸗med. Geſ. zu Würzburg. 1888, Nr. 1. Kleine Mitteilungen. Schwarze Gewäſſer. In den Wequatortalgegenden Südamerikas findet man Waſſerläufe, z. B. gewiſſe Neben⸗ flüſſe des Orinoko und des Amazonenſtroms, deren Waſſer auffallend dunkel erſcheint (aguas negras). Bereits Hum— boldt hat über dieſe Erſcheinung berichtet. In großen Maſſen ſieht das Waſſer kaffeebraun oder grünlichbraun aus, im Schatten ſchwarz wie Kaffeeſatz und in einem Glaſe mehr oder minder gelblichbraun. Dabei iſt es vollkommen klar und wird mit Vorliebe getrunken. Das Geſtein, welches von dem Waſſer beſpült wird, wird nicht geſchwärzt, ebenſo verſchwindet die Färbung gänzlich, ſobald das Waſſer ſich mit farbloſem Waſſer miſcht. Muntz und Marcano haben neuerdings das ſchwarze Waſſer analyſiert. Hier— nach enthält dasſelbe im Liter 0,028 g organiſche Subſtanz, faſt ausſchließlich aus jenen braunen, wenig definierten Säuren beſtehend, die ſich in Torflagern bilden und gewöhn— lich als Humusſäuren bezeichnet werden. Das Waſſer rea- giert deutlich ſauer und iff arm an Mineralſubſtanzen (0,016 g im Liter). Kalk und Nitrate fehlen gänzlich. Die Abweſenheit der Nitrate ſteht ebenfalls im Zuſammen— hang mit der Eigenſchaft des Waſſers, ſeine dunkle Far- bung längere Zeit beizubehalten. Salpeterbildung würde auch mit der Verbrennung der organiſchen Subſtanz Hand in Hand gehen. Daß beim Vermiſchen mit gewöhnlichem Waſſer die Färbung verſchwindet, beruht darauf, daß die freien Humusſäuren durch den in dem letzteren enthaltenen Kalk abgeſtumpft werden, worauf die organiſche Subſtanz ſehr raſch der Oxydation anheimfällt (Compt. rend. 107, Kia Fata Morgana wird meiſtens für eine ſpeeifiſche Erſcheinung der heißen Gegenden oder doch der heißen Jahreszeit gehalten. In Wirklichkeit kommt ſie in den Polargegenden im Eiſe ebenſogut vor, wie in der Sahara. Im ungariſchen Flachlande habe ich ſie im März vormittags Humboldt 1889. : beobachtet, nachdem morgens eine Temperatur von —9°R. geherrſcht hatte. Mein Weg führte mitten durch den Hanſag und rechts und links lagen zahlreiche größere und kleinere (zugefrorene) Waſſertümpel. Stundenlang war ich außer ſtande, die wirklichen Waſſer (Eis-) ſpiegel von den ſchein⸗ baren Spiegeln zu unterſcheiden. Endlich fand ich, daß in den Scheinſpiegeln fic) eventuell am jenſeitigen (ſchein— baren) Ufer befindliche Bäume oder Häuſer, wenn auch ſehr unvollkommen, ſpiegelten, während in den echten Spiegeln eine ſolche Spiegelung nicht ſtattfand. Da ich zu Fuß war, erſtieg ich mehrere der dort zahlreichen Tumuli („Hünengräber“), ohne die mindeſte Aenderung im Bilde durch die Höhe des Standpunktes zu erkennen. Es kam vor, daß von einem großen Spiegel die Hälfte fic) als wirkliches Waſſer, die andere Hälfte als Schein⸗ waſſer erwies. In einer Entfernung von 200 — 300 Schritten war eine Unterſcheidung noch nicht möglich, ob⸗ gleich ich ſehr ſcharf ſah. Gleichzeitig zeigte ſich aber noch eine andere Erſcheinung, die ich in Ungarn öfters bemerkt habe. Der Himmel ſchien ſich in ſeiner ſüdlichen Hälfte auf eine Sekunde plötzlich wie ein bleigrauer Vorhang etwa 10° hoch vom Horizont abzuheben, und man blickte in einen blendend ſilberweißen Glanz. Es herrſchte da— mals vollkommen reiner Sonnenſchein. Die Erſcheinungen blieben ſich über die Strecke von drei Meilen, die ich ging, vollkommen gleich. Ueber das Wort „Hanſag“ ſei hier eine Bemerkung eingeſchaltet. Die Silbe „ſag“ iſt ein Suffix, und das Wort bedeutet Han —ſchaft. In loco ſagt man aber nie: ich gehe in den (oder die) Hanſag, ſondern ſtets: ich gehe in den Hany. Das Wort „Hany“ müßte man aber in fran⸗ zöſiſcher Orthographie „hagne“ ſchreiben. Hany iſt kaum ein ungariſches Wort, und es erinnert an Hanna, die waſſerreiche Niederung der March. Ob man auch Hennegau 35 274 in Vergleich ziehen kann, weiß ich nicht. — Mitten durch den Hanſag führt ein breiter Fahrdamm, der ſeine Ent⸗ ſtehung der Galanterie eines Fürſten Eſterhazy gegen eine hohe Dame verdankt. Peſt. Profeſſor K. v. Fuchs. Klingender Hand wird in der Litteratur zuerſt im Jahre 1876 erwähnt und zwar von Meyn in ſeiner „Geo⸗ gnoſtiſchen Beſchreibung der Inſel Sylt“. Nach ihm gibt der Quarzſand des juraſſiſchen Gebirges auf Bornholm bei jedem Schritt, namentlich bei etwas träger, ſchleifender Bewegung, einen ſchrillen, kreiſchenden Ton von ſich. Auch der Strandſand zu Colberg in Pommern ſoll, wie Meyn mitteilt, unter dem Tritt des Wanderers tönen. Nach G. Berendt beſitzt auch der Sand am oſtpreußiſchen Strande, zumal auf der Kuriſchen und der Friſchen Nehrung, wie am ſamländiſchen Strande, die Eigenſchaft, bald lauter, bald leiſer zu klingen, jedoch nicht zu jeder Zeit. „An der⸗ ſelben Stelle, wo Tags zuvor der ſchrille Ton mit Leich⸗ tigkeit derart zu ſteigern war, daß die Begleiter ſich die Ohren zuhielten und ſelbſt das Toſen der Brandung das pfeifende Kreiſchen nicht ganz zu übertönen vermochte, ge⸗ lang es in den folgenden Tagen trotz aller Bemühungen nicht, auch nur das leiſeſte derartige Tönen hervorzurufen.“ Berendt fand, daß ſich der Ton am eheſten hervorbringen ließ, ſobald bei nachlaſſendem Winde oder Zurücktreten der See der Strand friſch entblößt und im Sonnenſchein und Winde ſchnell getrocknet war, daß alſo der eigentliche Grund des Klingens oder Nichtklingens in gewiſſen phyſikaliſchen Bedingungen der Lagerung und des Trockenzuſtandes des Sandes, nicht aber in ſeiner Zuſammenſetzung beruhe. Zu einem ähnlichen Ergebniſſe iſt Profeſſor Carring⸗ ton Bolton aus New York gelangt, welcher den in der Nähe von Suez vorkommenden und aus Reiſebeſchreibungen ſchon länger bekannten tönenden Sand näher unterſucht und eine vorläufige Mitteilung über ſeine Erfahrungen in der Egyptian Gazette veröffentlicht hat. Der 1808 von Seitzen beſchriebene und ſpäter mehrfach, u. a. auch von Ehrenberg, beſuchte „tönende Berg“ liegt etwa 4½ Stun⸗ den von dem der Oſtküſte des Meerbuſens von Suez ent⸗ lang verlaufenden Gebirge Schebel el Tor entfernt, iſt 3 Meilen lang und etwa 1200 Fuß hoch und beſteht aus weißem Sandſtein, an welchen auf der Weſt⸗ und Nord⸗ ſeite des Berges verſchiedene mächtige Lager von feinem, gelbem Flugſand angelehnt ſind. Eins von dieſen Lagern, welches unter einem Winkel von 31“ einfällt und bei einer Höhe von 394 Fuß unten etwa 260 und am Gipfel 5 bis 8 Fuß breit iſt, hat die Eigentümlichkeit, einen tiefen Ton von ſich zu geben, ſobald der Sand, entweder durch den Wind oder künſtlich, mit Hand oder Fuß bewegt, den Abhang hinabgleitet. Der Ton iſt ganz verſchieden von dem hellen Ton des klingenden Küſtenſandes; er erinnert vielmehr an den tiefen Baß einer Orgelpfeife oder einen entfernten ſtarken Donner. Bei den Beduinen herrſcht der Aberglaube, daß die Töne von einem im Innern des Berges verborgenen Kloſter herrühren und zwar von einer Handtrommel (Nagous), wie fie noch jetzt in dem Sinai⸗ kloſter benutzt wird. Sie nennen den tönenden Berg des⸗ halb Schebel Nagous. Es gelang Carrington Bolton am 6. April dieſes Jahres, auch noch an einer anderen Stelle tönenden Sand aufzufinden und zwar in dem Wadi Werdan an einem von Beduinen mit dem Namen Ramadan bezeichneten Hügel. An den abſchüſſigen Stellen dieſes Berges, der aus Kon⸗ glomerat, Sandſtein und Gips beſteht und durch ſteile Felsbildungen ausgezeichnet iſt, hat ſich unter dem Einfluß des Nordwindes feiner Flugſand abgelagert, oben etwa unter 31°, weiter unten unter 20° oder einem noch klei⸗ neren Winkel geneigt. Ueberall, wo der feine Sand unter einem Einfallwinkel von etwa 31“ abgelagert iſt, beſitzt derſelbe eine ganz eigentümliche Beweglichkeit, derart, daß jede in dem Sand hervorgerufene Vertiefung durch Zu⸗ ſammenfließen desſelben ſofort wieder ausgefüllt wird. Da⸗ bei entſteht dann ein tiefer Ton, zwar nicht ſo laut wie am Schebel Nagous, aber immer noch auf 100 Schritt Humboldt. — Juli 1889. Entfernung deutlich vernehmbar. Als der Sand ziemlich gründlich aufgewühlt wurde, konnte am folgenden Tage, nach einer recht kalten Nacht, kein Tönen mehr hervor⸗ gerufen werden. Carrington Bolton hält den tönenden Sand für eine, zumal in der Wüſte, nicht gerade ſehr ſeltene Erſcheinung. Er iſt der Anſicht, daß allenthalben da, wo Lager von trockenem, feinem Sand mit einer Neigung von 31“ vor⸗ kommen, bei Bewegung des Sandes ein Tönen entſtehen müſſe, und bittet alle diejenigen, welche Gelegenheit haben, derartige Sandbänke zu unterſuchen, ihre Erfahrungen ihm mitteilen zu wollen (Shepheards Hotel, Kairo). Einſchleppung und Verbreitung des Kohlweiß⸗ lings in Amerika. Wie manche amerikaniſche Inſekten nach Europa gelangt ſind, um hier bald einen ſchlimmen Ruf als Schädlinge zu erhalten, ſo ſind auch umgekehrt europäiſche ſchädliche Inſekten nach Amerika verſchleppt worden und haben ſich dort raſch acclimatijiert. Eine Studie Scudders zeigt, wie unſer allbekannter Kohl⸗ weißling in ein paar Decennien den Oſten der Vereinigten Staaten erobert hat und zum Teil ſchon ſehr ſchädlich auf⸗ getreten iſt. (Scudder, The introduction and spread of Pieris rapae in North America 1860—85 in: Memoirs of the Boston Soc. Nat. Hist. Vol. IV. Nr. 3. Sept. 1887.) Im ganzen laſſen fic) vier Orte der Einſchleppung nach⸗ weiſen: Quebec (1860), New York (1868), Charleſton (1873) und Florida (1874). Die beiden erſtgenannten Punkte gewannen die Bedeutung von Hauptverbreitungscentren und ihre Gebiete vereinten ſich bald. In New Pork ſoll die Einführung durch einen deutſchen Lepidopterologen erfolgt ſein, dem friſchausgeſchlüpfte Exemplare entkamen. Die Verbreitung erfolgte zuerſt hauptſächlich nach Oſt und Südoſt, weniger raſch nach Weſten längs des Lorenzoſtromes; ſo⸗ bald jedoch das Thal des Miſſiſſippi erreicht war, wurden in kurzer Zeit die Miſſiſſippiſtaaten überſchwemmt. Wie gewöhnlich bei der Einführung ausländiſcher Arten die Vernichtung einheimiſcher, nächſtverwandter Formen erfolgt, ſo war auch mit der Verbreitung von Pieris rapae in Amerika die Zurückdrängung der heimiſchen, ziemlich un⸗ ſchädlichen Weißlinge Pieris oleracea und Pontia protodice verbunden. =: Ein Stridulationsorgan bei Schmetterlingen. Die ſchon von Réaumur gemachte Angabe, daß der bekannte piepende Ton des Todtenkopfes durch Reibung entſtehe, wurde von Landois mit der erweiternden Erklärung beſtätigt, daß die innere Fläche der Palpen, dem bloßen Auge nackt und glatt erſcheinend, eine große Anzahl feiner Reifen trägt, durch deren Reibung an dem Rüſſel der Ton hervorgebracht wird. Nach Unterſuchungen, die Enzio Reuter an zahlreichen, 200 bis 300 Arten umfaſſenden Schmetterlingen des finnländiſchen Faunengebietes anſtellte, kommt ein ſolcher nackter Fleck an der inneren Fläche der Palpen allen Schmetterlingen zu und iſt daher dieſer Baſalfleck, wie ihn Reuter nennt, der ganzen Ordnung typiſch; er nimmt gewöhnlich die baſale Hälfte des erſten Palpengliedes ein, bisweilen jedoch ſich weiter ausdehnend und manchmal auch ſich auf eine ge⸗ ringere Fläche beſchränkt zeigend. Faſt ſtets ſind auch die von Landois entdeckten Reifen oder Rillen vorhanden, bei vielen Arten zwar ziemlich undeutlich und unvollkommen, wenigen jedoch nur gänzlich fehlend. Daß in dieſem Or⸗ gan ein Stridulationsapparat der Schmetterlinge zu ſehen iſt und zwar demnach ein ziemlich allgemein verbreiteter, ergibt deſſen Lage, die geſtattet, daß der die Reifen tra⸗ gende Baſalfleck leicht an die mit einer erhöhten Leiſte ver⸗ ſehene Baſis des Rüſſels angedrückt werden kann. Das Organ iſt bei den Kleinſchmetterlingen ebenſo gut, oft ſelbſt weit beſſer ausgebildet wie bei den Großſchmetterlingen. Neben den Reifen fand Reuter auf dem Baſalfleck noch eine Art eigentümlicher Haargebilde, kegelförmige, am Grund von einer Ringmembran umſchloſſene chitinöſe Ge⸗ bilde, mit Nerven in Verbindung ſtehend, die vor dem Eintritt in dieſe Kegel eine gangliöſe Anſchwellung erken⸗ nen laſſen, Organe, ähnlich den auf den Fühlhörnern auf⸗ tretenden, als Geruchsorgane gedeuteten Kegeln. Viele Klein⸗ ai Humboldt. — Juli 1889. 275 ſchmetterlinge beſitzen ſtatt dieſer Kegel Gruben, wie fie ähnlich auch ſchon als an den Fühlern vorkommend be— ſchrieben find. Jedenfalls find in beiden Gebilden ſpecifiſche Sinnesorgane zu ſehen, über deren beſondere Funktion je— doch noch keine Entſcheidung gefällt werden kann. Bemer— kenswert iſt noch die Thatſache, daß, wenigſtens bei den Tagſchmetterlingen, die Reifen ſowohl wie die kegelförmi— gen Haargebilde bei dem Männchen beträchtlich größer und höher entwickelt ſind, als bei dem Weibchen. (Reuter im Zool. Anz., S. 288, 17. Sept. 1888.) —p. Aeher das Borkommen der Wilchſäure im Blute und ihre Entſtehung im Organismus ſtellt M. Ber⸗ linerblau (Arch. f. exper. Pathologie XXIII. S. 332) Un⸗ terſuchungen an. In Uebereinſtimmung mit Gaglio ver— mochte Berlinerblau Fleiſchmilchſäure im Blute nachzuweiſen. Im Kaninchenblute fand er bis 0,0723 Prozent. Um die Quelle der Milchſäure kennen zu lernen, machte er Durch— blutungsverſuche an den hinteren Extremitäten friſch ge— töteter Hunde und Kaninchen. Der Milchſäuregehalt des Blutes nahm infolge der Durchſtrömung zu: größer war der Zuwachs, wenn dem Blute zuvor Traubenzucker und Glycerin zugeſetzt worden waren. Berlinerblau glaubt des— halb, daß die Kohlehydrate der Gewebe, ſpeciell das Gly— kogen die Quelle der Milchſäurebildung ſind. G. Noch einmal „Joſſile Muſcheln als Schmuck“. Die Korrektur von ſeiten des Herrn Dr. Kinkelin zu mei— nem Artikel im Februarheft dieſer Zeitſchrift, wonach ſtatt Arca, die Angabe im mineralogiſchen Kabinett der Pol— lichig, zu ſetzen iſt: Perna Sandbergeri, beſtätigt kein anderer als Prof. Dr. v. Sandberger ſelbſt. Derſelbe be— ſuchte die Pollichig Mitte April 1889 unter des Referenten Leitung und verbeſſerte bei dieſer Gelegenheit den Irrtum des betreffenden früheren Konſervators. Den Fundort Sulzheim erklärte Prof. v. Sandberger für richtig. An der Korrektur wurde der Referent durch ein Reiſe bisher verhindert. In der Sammlung der Pollichia befinden ſich von Perna Sandbergeri aus Sulzheim 23 Stück. Es dürfte nun die Anregung am Platze ſein, es möchte auch in anderen anthropologiſchen Sammlungen Deutſch— lands nachgeſehen werden, ob nicht Muſchelſchmuck auf foſſilen Urſprung zurückgeht wie zu Monsheim und Kirchheim. Bei dieſer Gelegenheit darf weiter konſtatiert werden, daß der Verfaſſer bei Nachgrabungen in prähiſtoriſchen Tu— mulis beſonders der Bronzezeit, der Hallſtatt-, ſowie der La-Tene- Zeit in den Mittelrheinlanden, ſowie im Huns— rück, nicht ſelten in der Nähe der Graburnen, ſowie inner- halb der Grabkammern Verſteinerungen, Rhein— kieſel, Roſenquarzſtücke, ſogenannte Lößkindel und andere herbeigebrachte Raritäten vorfand, welche am ſelben Platze nicht lagerhaft vorkommen, ſondern aus weiterer Entfernung bezogen oder dort geſammelt worden waren. Von früher Zeit an hat jedenfalls der Menſch an ſol— chen auffallenden Naturprodukten ſeine Freude gehabt und obige Objekte, wenigſtens zum Teil, zu Schmuck benutzt, ſo daß man ihm ſolche ſogar in das Grab mitgab. Hä— matit und Ockerbrocken, welche ſich gleichfalls in Tumulis vorfinden, ſcheinen als Stoff zu Bemalungen beigegeben worden zu ſein. Vielleicht klingt auch aus der Notiz Cäſars über die galliſche Beerdigungsweiſe (de bell gall. VI, 19): om- nia, quae vivis cordi fuisse arbitrantur, in ignem in— ferunt eine Beziehung auf ſolche Grabgebräuche noch durch. Im Mittelrheinland wohnten ja Gallier bis auf Julius Cäſar. Dürkheim. Dr. C. Mehlis. Berichtigung. In dem Artikel „Meteor mit Wirbelwind“ (S. 115) iſt ſtatt Geisdorfer Spitze Schlagendorfer Spitze und in dem Artikel Wirbelwind Peggau ſtatt Peggon zu leſen. In dem Artikel „Anthropometriſche Pfeife“ (S. 113) lies ſtatt der vierfachen Wellenlänge ein Viertel der Wellen— länge. LKaturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verfammlungen etc. Die BlankKtonexpedition der Humboldtſtiftung. Von Profeffor Dr. Victor Henſen in Biel. Nachdem die Vorbereitungen für dieſe Expedition nach mehreren Richtungen hin einen Abſchluß erfahren haben, erlaube ich mir, darüber einen Bericht zu geben. Es war ziemlich ſchwierig, das geeignetſte Fahrzeug zu wählen. Nachdem mehrere Fahrzeuge als nicht recht geeignet, zu klein und auch zu teuer verworfen worden waren, ſtand ſchließlich ein damals noch in Bau begriffenes Fahrzeug einer Hamburger Reederei und ein in vorigem Jahr erbautes Schiff einer Kieler Reederei zur Frage. Es war für mich ſchwer, lediglich nach vorgelegten Plänen und Maßen die Wahl zu treffen und doch konnte ich in der Hauptſache niemand zu Rate ziehen, da man ſich bei ſolchem ungewöhnlichen Unternehmen in erſter Linie auf das eigene Urteil verlaſſen muß. Es iſt beachtenswert, auf wie große Unſicherheiten man bei Entſcheidung ſolcher Fragen ſtößt. Die Maße, nach denen auf der hier in Be— tracht kommenden Roſtocker Werft gebaut wird, ſind ledig— lich engliſche und die üblichen Bezeichnungen der Ka— pazität eines Schiffes ſind Tonnen. Bei bezüglichen Angaben gehen aber Gewichtstonnen zu 1000, eigentlich 984 kg, Maßtonnen zu 40 —42 engliſche Kubikfuß und Regiſter⸗ tonnen zu 100 ſolchen Kubikfuß, ſei es brutto oder netto, endlich Gewichtstons Deplacement und dead weight ziem⸗ lich durcheinander, ſo ſehr, daß ich von meinen Hamburger Reedern die Angabe erhielt, daß die Regiſtertonne etwa 80 Kubikfuß engliſch betrage. Die officiellen Meßbeſtim⸗ mungen ſind auch verwickelte und halten wohl kaum mit den Neuerungen im Schiffsbau Schritt. Es ergab ſich ſchließlich, daß das Hamburger Schiff, obgleich es die für einen Frachtdampfer gute Geſchwindig⸗ keit von 11 Seemeilen per Stunde in Ballaſt hatte, doch zu klein war, da es bei einem Tagesverbrauch von 8 Tons Kohlen nicht recht die Kohlenmenge faſſen konnte, welche es zur Deckung des größten Bedarfs an Kohlen bei einem für Ballaſt genügenden Reſt haben mußte. Dieſe Schiffe haben jetzt zwar alle Waſſerballaſt, d. h. ſie können in den doppelten Schiffsboden eine erhebliche Menge von Waſſer einlaſſen und nach Bedarf auspumpen, aber dieſe Maſſe dünkt doch dem jedesmaligen Kapitän nicht groß genug, um bei hoher See die Schraube ſo arbeiten zu laſſen, wie es ihm wünſchenswert erſcheint; hier liegt, glaube ich, ein kleiner Kampf zwiſchen Kapitänen und Reedern vor, da erſtere die Koſten des Ballaſtes gern ganz vermeiden wollen. Eine Anfrage bei dem Norddeutſchen Lloyd in Bremen hatte zu keinem Reſultat geführt, ich habe alſo das Kieler Schiff „National“ der Reederei Paulſen und Ivers ge- nommen, dies um fo lieber, als die Bedingungen die giin- 276 ftigften find, die mir, unter Berückſichtigung der verſchie⸗ denen Umſtände und der ſehr geſteigerten Frachten, überhaupt geboten wurden. Uebrigens hat Herr Kapitän zur See Dittmer die Güte gehabt, mir ein Gutachten über das Schiff abzugeben, und dasſelbe als beſonders geeignet für das Unternehmen bezeichnet. Ich möchte verſuchen, einen Begriff von dieſem Schiff zu geben; um dergleichen brauchte man ſich zwar nicht zu kümmern, wenn ein Marinefahrzeug für ſolchen Zweck her- gegeben werden würde, dies wäre jedoch, für eine jo kurze Fahrt mindeſtens, in Berückſichtigung des Kapitalwerts der Kriegsſchiffe ein Luxus, auch wohl nicht für die Einrich⸗ tungen unbedingt bequemer und zweckmäßiger. Das Schiff verdrängt beladen 1700000 1 Waſſer und trägt dabei 1 140 000 kg Ladung (dead weight). Der Raum iſt vermeſſen zu 23642671, davon entfällt jedoch ein Teil auf die Kohlenbehälter und Logis der Bemannung, jo daß der netto Laderaum nur 17178101 beträgt, d. h. das Schiff iſt 835,43 Regiſtertons brutto und 607 Regiſter⸗ tons netto groß. Es iſt von Stahl, während die Schiffe bis vor kurzem meiſtens von Eiſen gebaut waren. Der Vorteil des Stahls liegt in der größeren Federung (viel⸗ leicht auch größeren Leichtigkeit) des Schiffs. Das hat ſich bewährt, da das beladene Schiff vor kurzem in der Schelde feſtkam und von der Strömung vorn und hinten ganz unterſpült wurde. Ein eiſernes Schiff wäre wohl zer⸗ brochen, während dies Schiff mit einigen durchgebogenen Platten davonkam. Man ſagt, daß Stahl leichter durch⸗ roſte, aber eine dagegen angewendete Farbe ſoll dieſe Ge⸗ fahr beſeitigen. Da das Schiff eine Tripelexpanſionsmaſchine hat, fährt es bei 10 Seemeilen in Ballaſt mit 11 Atmoſphären und nur 6 Tons Kohlenverbrauch. Das früher erwähnte 150 Regiſtertons kleinere Schiff würde bei 11 Seemeilen und 8 Tons Kohlenverbrauch der Zeiterſparnis halber bil⸗ liger fahren, wenn es nicht wegen der notwendig wer⸗ denden ſtärkeren Belaſtung und der größeren Kleinheit in etwas hoher See in Wirklichkeit weniger Fahrt machen könnte als das langſamere, aber doch immerhin recht raſche größere Schiff. Außer der Ankerwinde hat das Schiff noch drei Dampf⸗ winden, eine unerläßliche Bedingung für ſolche Expedition, die man aber in der Regel auf Kriegsſchiffen nicht vor⸗ findet. Der Dampf wird aus allen Apparaten wieder kondenſiert, ſo daß wir hoffen, genügend Waſſer in Ballaſt⸗ räumen mitnehmen zu können, um ohne Aufnahme von Salzwaſſer auszukommen; bei der hohen Dampfſpannung immerhin eine angenehmere Lage. \ Das Verdeck, auf ſolchen Schiffen häufig von Eiſen, iſt hier größtenteils von Holz, was für eine Fahrt in den Tropen unerläßlich ſein ſoll. Ueber dem Hauptdeck, welches den Raum des Schiffsrumpfes überkleidet, findet ſich ein zweites Deck, das aber in der Mitte des Schiffs mangelt. Durch dieſe Eigentümlichkeit wird uns ein Arbeitsraum von 80 qm Fläche geſchaffen, wo wir im Freien unſere Fänge verarbeiten können, ohne von dem über das Deck hinſtreichenden Wind irgend beläſtigt zu werden, weil der Raum 2½ m tiefer als das obere Deck liegt. Letzteres iſt ein ſogenanntes Sturmdeck, d. h. es iſt nur von einem Gitter umgeben, ſo daß das Waſſer, welches auf Deck kommt, den möglichſt freien Abfluß findet. Die vertiefte Lage unſeres Arbeitsplatzes bringt es mit ſich, daß jede Welle, welche über Bord ſpült, ſich in dieſen Raum er⸗ gießt, aber der Kapitän ſagt, daß auf dieſer Reiſe fein Schiff kein Waſſer übernehmen werde. Es galt nun auf dem Schiff ſich einzurichten. Ehe darüber berichtet wird, muß über das Perſonal Rechenſchaft gegeben werden. Nach dem Plan können ſechs wiſſenſchaft⸗ liche Teilnehmer die Fahrt mitmachen, außerdem die not⸗ wendige Bedienung. Es nehmen teil Herr Profeſſor Brandt, der namentlich die Meeresrhizopoden zu ſeinem Studium gemacht hat, und Herr Dr. Dahl, Aſſiſtent des Zoologiſchen Inſtituts in Kiel, der die erſten Beſtimmun⸗ gen der Tiere und deren Konſervierung im Verein mit Herrn Brandt übernimmt. Als Botaniker geht Herr! Humboldt. — Juli 1889. Dr. Schütt, Docent der Botanik in Kiel, mit, der ſeit Jahren ſeine Aufmerkſamkeit den Diatomeen und Dino— flagellaten, ſowie den Meeresalgen zugewandt hat, auch ſoeben erſt von der zoologiſchen Station in Neapel zurück— kehrt. Für die phyſikaliſchen Studien auf dem Ocean tritt der Geograph, Herr Profeſſor Krümmel hier ein, der be— reits vielfach oceanographiſche Fragen bearbeitet hat. Bei dem raſchen Klimawechſel auf der Reiſe erſchien es er— wünſcht, einen Arzt an Bord zu haben. Der hieſige Pro⸗ feſſor der Hygiene, Stabsarzt Dr. Fiſcher, begleitet als Arzt die Expedition, da er infolge früherer bezüglicher Studien mit beſonderem Intereſſe die im Meere vorkom— menden, bis dahin faſt gar nicht beachteten Meeresbak— terien verfolgt und von dieſer Gelegenheit Förderung unſerer Kunde erhofft. Für die ganze Sache iſt ſeine Be⸗ gleitung um ſo wertvoller, als er in ſeiner Funktion als Marinearzt die Tropen ſchon vielfach kennen lernte. Es legte ſich nahe, bei dieſer Gelegenheit auch der Kunſt einen gewiſſen Vorteil zuzuwenden, doch iſt die Mitnahme eines Künſtlers von mir ſeiner Zeit nicht vor- geſehen worden. Auf meinen bezüglichen Wunſch war ein ſchleswig⸗holſteiniſcher Grundbeſitzer bereit, ſich mit dem Plan des Unternehmens vertraut zu machen, und hat dann bereitwilligſt die für den Künſtler erforderlichen Unter⸗ haltungskoſten zur Verfügung geſtellt. Es wird auf Grund einer Empfehlung des Senats der Akademie der Künſte in Berlin der dortige Marinemaler Herr R. Eſchke die Ex⸗ pedition begleiten. An ſonſtigem Perſonal gehen ein Fiſcher, ein Takler und ein Mechaniker (für Inſtandhaltung, Ueberwachung und Reparatur der Apparate, ſowie für Lötungen unſeres Materials an Blechbüchſen), endlich ein Stewart mit. Die Bemannung des Schiffs beſteht aus 16 Mann, davon 7 für die Maſchine. Es war ausgeſchloſſen, ein Paſſagierboot zu nehmen; dasſelbe bietet zwar ausreichende Unterkunft für uns, aber es iſt ungleich teurer, braucht viel zu viel Kohlen, ohne dafür genügenden Raum zu haben, und eignet ſich vor allem nicht für die Vornahme der erforderlichen Arbeiten, ſowie die Unterbringung des recht voluminöſen Gerätes. Ein Frachtdampfer hat dagegen keine Kajüten für Paſſagiere und iſt nicht für heiße Gegenden eingerichtet. Solche Ein⸗ richtung iſt bis zu einem gewiſſen Grade unentbehrlich. Ein genügendes Sonnenſegel, luftige Schlafräume müſſen alſo beſchafft werden und zwar ſo, daß ſie binnen kürzeſter Friſt (um Liegekoſten zu vermeiden) angebracht und weg⸗ genommen werden können. Das hintere Zwiſchendeck, von 82 Regiſtertons Größe, wird demnach ſo benutzt, daß hier 9 Räume und ein Mittelraum beſchafft werden. Dieſelben dienen 1) als Meſſe für Offiziere und für uns, 2) als Vorratskammer, 3—9) als Kajüten für unſere Gehilfen und für uns; der Mittelraum trägt den Namen Salon. Mit einer Ausnahme wird jeder von uns eine eigene Ka⸗ jüte bekommen können, da dies bei längerer Reiſe für die Erhaltung der Arbeitskraft notwendig erſcheint und kaum größere Koſten macht. Für feinere mikroſkopiſche Arbeiten mußte ein kleines Deckhaus mit genügend großen Fenſtern erbaut werden. Die Grundfläche des ganzen Raumes be⸗ trägt 110 qm. Bezüglich des Apparates ſei zunächſt erwähnt, daß durch die hieſige Firma v. Bremen in entgegenkommend⸗ ſter Weiſe für elektriſches Licht an Bord geſorgt wird. Dies iſt für unſere Arbeiten höchſt erwünſcht, da zum Teil auch in der Dunkelheit Fänge zu machen ſein werden. Namentlich ſoll aber verſucht werden, etwas Beſtimmtes über die Wirkung des Lichts auf die Tierwelt des Oceans zu erfahren. Die Sache iſt unklar und hat ein weiter— gehendes Intereſſe. Was ich darüber geleſen und ge- legentlich ſelbſt beobachtet habe, erſcheint mir unſicher und unbefriedigend. Ich habe auf freier Oſtſee bei Bogenlicht an Deck zwar Heringe und kleine Fiſche um das Schiff herum ſpielen ſehen, aber ob das Licht anzog oder ob überall in jener Gegend viele Fiſche vorhanden waren, ließ ſich nicht ermitteln. Ueber den Erfolg von Fängen bei elektriſchem Licht lauten die Angaben bisher verſchieden. Humboldt. — Juli 1889. 277 Wie ich zu bemerken glaubte, dient das Licht dazu, daß die Fiſche das Netz ſehen und ihm ausweichen, wodurch alſo eine durch das Licht geſetzte Anlockung mehr wie kom— penſiert werden dürfte; auch iſt zu fürchten, daß eine Reihe von Tieren ſich von dem beleuchteten Schiffskörper ſchrecken laſſen und in einer gewiſſen Entfernung davon ſtehen bleiben werden. Beobachtungen in Aquarien dürften erſt recht unſicher bleiben, weil die Tiere hier immer zu ent— fliehen trachten, namentlich ſtets die niederen Formen. Der Expedition werden ſowohl Glühlampen wie Bogen- lichtlampen in einer zum Ein- und Untertauchen geeigne— ten Form mitgegeben. Es ſteht zu hoffen, daß bei ruhiger See die Waſſeroberfläche ſo durchleuchtet werden kann, daß namentlich von einem in der Nähe ſich haltenden Boot aus Beobachtungen zu machen ſein werden. Man würde ſich dann an verſchiedenen Orten ein Urteil über die Häu— figkeit derjenigen beweglicheren Formen bilden können, die durch das Licht angezogen werden. Abgeſehen aber von der Häufigkeit und Dichte ſolcher durch Licht zu lockender Tiere iſt die Frage, ob das Licht entſchiedene Anziehung auf die Tiere des Oceans entwickelt, von beſonderem theo— retiſchen Intereſſe. Es leuchtet ſelbſt eine große, ja über— wiegende Menge der Tiere des Oceans. In den meiſten, ja ich glaube in allen Fällen, geſchieht dies Leuchten nur auf äußeren Reiz, welcher zu den leuchtenden chemiſchen Prozeſſen führt. Wenn man die mindeſtfordernde Annahme macht, daß das Leuchten mit gewiſſen Umſetzungen einer, für den Stoffwechſel niederer Tiere geeigneten Subſtanz verknüpft ſei, wird ſich doch die Frage erheben, ob dieſe Verknüpfung nicht im Laufe der Zeiten mit anderen Funk— tionen und zu Gunſten der Organismen ausgenutzt worden ſei. Es iſt meines Wiſſens nur bekannt, daß eine Reihe von Inſekten, die aber ſpontan zu leuchten ver— mögen, dieſe Fähigkeit für ſexuelle Zwecke ausnutzen. Wenn der Zwang, bei Anſtoß zu leuchten, Bedeutung hat, ſo ſcheint dieſe eben darin zu liegen, daß auf die Leuchttiere aufmerkſam gemacht wird. Dies dürfte aber für die be— treffenden Gefahr bringen, wie es aber z. B. den feſt— ſitzenden Seefedern und ähnlichen Polypen, die ſehr ſtark zu leuchten pflegen, irgend einen Nutzen bringen ſollte, iſt nicht einzuſehen. Man müßte ſchon annehmen, daß das Leuchten ein Zeichen des Vorhandenſeins von Subſtanzen ſchädlicher Eigenſchaften ſei, alſo abſchrecke. In dieſem Fall würde dann das Licht abſtoßend — ganz allgemein geſprochen — wirken müſſen, ſo daß eine Feſtſtellung über ſeine wirkliche Wirkung, wie geſagt, theoretiſch wichtig iſt. Für diejenigen freibeweglichen Tiere, welche Sehorgane be— ſitzen, kann die leuchtende Eigenſchaft natürlich zu Beleuch— tungszwecken Verwendung finden, aber dann müſſen ſie freiwillig leuchten können. Trifft dies nicht zu, ſo würde man das Leuchten wohl als einen Nachteil und als eine Eigenſchaft zu niederer Kompoſition aufzufaſſen haben. Dieſen Schluß wird man zunächſt nicht gern machen wollen, aber nicht auf den Willen, ſondern auf die etwa ermittelten Thatſachen kommt es allein an. Wir werden alſo abwarten müſſen, auf welche Wege uns das elektriſche Licht hinweiſt. Das Licht ſoll außerdem noch einem Taucher beige— geben werden, für den uns wiederum Herr L. v. Bremen den ganzen Apparat koſtenlos zur Verfügung ſtellt. Die Gelegenheit, einen Taucher zu verwenden, wird ſich natür— lich nur während der kurzen Aufenthaltszeit an den In— ſeln oder dem Feſtland ergeben, dann aber wohl ſich gut lohnen; außerdem kann gar zu leicht einmal eine Ver⸗ wickelung der Seile an dem Schiff oder der Schraube ſtatt— finden, wo dann der Taucher ſehr hilfreich werden kann. Die Inſtallation des elektriſchen Lichts iſt, wie alles mit Schiffen Verknüpfte, recht teuer, ſie koſtet 5000 Mk., jedoch wird ein Teil von den Reedern getragen, ein Teil wird eventuell ſpäter von ihnen übernommen oder von der Firma zurückgenommen, ſo daß die Koſten erträglich ſind. Bei aller Sparſamkeit wird die erſte Pflicht doch ſein, für möglichſt gute Ausſtattung der Expedition einzutreten. Sind einem der Lefer Unglücksfälle der Taucher durch Hai- fiſche bekannt geworden? wir haben darüber bisher nichts ermitteln können. Ich habe mit Erwähnung von Apparaten begonnen, die noch am eheſten entbehrlich wären. Wichtiger ſind die Einrichtungen für die Handhabung der verſchiedenen Schlepp— netze, obgleich auch dieſe noch nicht in erſter Linie ſtehen. Glücklicherweiſe liegt in dem Werk des amerikaniſchen Ma⸗ rineoffiziers Sigsbee: Deep Sea Sounding and Dred- ging. 1880, eine Arbeit vor, welche in einer, wie ich glaube ſagen zu dürfen, in ſeiner Weiſe und für dieſe Zeit ſchlecht— hin unübertrefflichen Vollendung und Klarheit die Materie darlegt. Um in großen Tiefen zu fiſchen, iſt Tauwerk nahezu unbrauchbar. Das Tau muß notwendig recht dick genom— men werden, um die Reibung, das eigene Gewicht und das des anhängenden Netzes aushalten zu können. Da— durch wird die Maſſe desſelben, wenn man auch nur eine Länge von 6000 m annehmen wollte, fo groß, daß ſie keine Winde aufzunehmen vermag, die Reibung im Waſſer wird ſo erheblich, daß das Netz außerordentlich ſchwer genommen werden oder das Tau vor dem Netz ſehr belaſtet werden muß, um den Grund zu erreichen, daß Strömungen dies dennoch ganz verhindern können, der Zug nur außerordentlich langſam vor ſich gehen kann, die Aufnahme eine Maſſe von Händen beſchäftigt und kaum Kriegsſchiffe die Arbeit zu bewältigen vermögen. Dieſe Schwierigkeiten fallen fort, wenn man Stahldrahtſeile be— nutzt. An meinem dünnſten Stahldrahtſeil von 7 mm Durch— meſſer kann ſich die ganze Beſatzung des Schiffes hängen, ohne daß es reißt, die Reibungsfläche iſt für 6000 Meter nur 150 qm, allerdings noch groß genug, aber gegenüber einer Tautroſſe von gleicher Haltkraft mit etwa 3 em Durchmeſſer ganz verſchwindend. Hierzu kommt, daß ſol— ches Stahltau infolge ſeiner ſpecifiſchen Schwere leicht und raſch ſinkt, was bei Hanftau durchaus nicht zutrifft. Dem gegenüber treten allerdings gewiſſe Nachteile hervor. Ein Stahltau reißt verhältnismäßig leicht, weil es viel weniger elaſtiſch iſt, als Hanftau, daher jeder Stoß dasſelbe viel ſtärker beanſprucht als jenes. Dieſe Gefahr mindert ſich jedoch bei großen Längen. Dagegen tritt die Gefahr, daß das Stahltau ſich zuſammendreht, verwickelt und Kinken bekommt, die die Haltbarkeit auf die Hälfte herabſetzen, ſehr in den Vordergrund. Dem iſt nur dadurch zu ent— gehen, daß das Seil fortwährend ſtraff erhalten wird. In der Regel macht ſich dies ſchon durch das eigene Gewicht des Seils, aber weun es einige 1000 Faden tief auf den Grund kommt, kann man das an Bord nicht merken und es fällt bei weiterem Nachgeben in Buchten über— einander und verwickelt ſich unheilbar, wie dies ſowohl bei den amerikaniſchen als auch den franzöſiſchen Verſuchen im Anfang paſſiert iſt. Um dieſe Gefahr zu vermeiden, kommt ein ſehr ausgebildeter Apparat zur Verwendung, deſſen Weſen darin beſteht, daß man zunächſt die Tiefe ge— nau beſtimmt, über der man liegt, alsdann genau wiſſen muß, wieviel Drahttau ausgegeben iſt, um den Augenblick daraus zu kennen, wann das Netz den Grund berühren wird. Man würde einwenden können, daß es viel ein— facher ſei, das Seil raſch auszugeben, während das Schiff vorwärts oder wenn möglich rückwärts geht, alſo etwa ſo, wie der Challenger mit ſeinem Hanftau verfuhr, dies iſt aber für Stahltau nicht zweckmäßig. Wenn das Tau fent- recht herabgeht, hat es nur Reibungswiderſtand zu über— winden, wozu ſeine Schwere vollauf genügt; fällt es da- gegen wagrecht, ſo hat es ſeiner ganzen Oberfläche entſprechend das Waſſer zu verdrängen, man kann nicht wiſſen, wann das Netz den Boden berührt, und das Tau kann ſo tiefe Ausbuchtung bilden, daß es ſich zuſammendreht und da- durch große Unordnung entſteht. Das rationelle Verfahren iſt offenbar das von Sigsbee angegebene: das Netz wird bis etwa 30 m an den Grund hinabgelaſſen, dann geht das Schiff rückwärts und die erforderliche Menge Drahttau wird nachgegeben. Die Manipulation beſteht demnach in folgendem. Zunächſt lotet man mit der Sigsbeelot—⸗ maſchine. Dieſe iſt ein ſehr vollkommener Apparat, der auf Principien beruht, die den bei gewöhnlichen phyſika⸗ liſchen Apparaten zur Verwendung kommenden ziemlich fern ſtehen, obgleich ſie dem Seemann nahe liegen. Es handelt ſich darum, an Bord zu fühlen, wann das Lot in 278 Humboldt. — Juli 1889. der Entfernung von nahe einer deutſchen Meile den Grund berührt. Wenn man in einer Tiefe von etwa 20 m angelt, wird das Gefühl, ob unten ein Fiſch an der Angel zerrt oder nicht, bereits ſehr unſicher, weil das Waſſer durch ſeine Reibung der Fortpflanzung von Stößen ſehr hinder— lich wird. Die ſich bei dem Loten ſtellende Aufgabe iſt alſo nicht leicht zu löſen, um fo weniger, als das Lot mit nen— nenswerter Geſchwindigkeit fallen muß, um keinen großen Zeitverluſt und ſomit ſtarke Veränderung des Schiffsorts, folglich Lotung in geneigter Richtung zu veranlaſſen. Der nach Thomſens Vorgang dazu gebrauchte, ſtets geſpannt zu erhaltende Klavierdraht hat in 40 bis 50 Sekunden 200 m zu durchlaufen, wobei das Rad, welches ihn trägt, für je 1,8 m fic) einmal dreht. Die Drehung des Rades wird bewirkt durch das Gewicht des Lots und das des abgelaufenen Drahts, würde ſich aber wegen der Träg— heitsmomente von Rad und fallendem Draht noch fortſetzen, wenn dieſe Gewichte ihm plötzlich abgenommen würden. Um den erforderlichen ſofortigen Stillſtand bei Abnahme des Lots herbeizuführen, wird um die halbe Peripherie des Rades eine Schnur gelegt, welche ſo kräftig angezogen wird, daß ein Teil des Zuges, welchen das Lot für ſich allein ausüben würde, verwendet werden muß, um die Reibung der Schnur zu überwinden. Wenn z. B. das Lot 50 Pfund wiegt, muß es zur Ueberwindung der Reibung 10 Pfd. ver⸗ brauchen, dreht alſo das Rad nur noch mit der Kraft von 40 Pfd. Schneidet man das Lot ab, ſo wird die Bewe— gung mit einer Kraft = 10 Pfd. gehemmt, was einen faſt augenblicklichen Stillſtand herbeiführt. Bei dem Loten tritt zu dem Gewicht des Lots noch dasjenige des ab— laufenden Drahts hinzu, etwa 7 Pfd. pro 1000 w; die- ſes Gewicht wird nod ziehend auf das Rad wirken, wenn- ſchon das Gewicht ſelbſt den Boden berührt; ſein Zug muß alſo fortwährend durch Vermehrung der Reibung kompen⸗ ſiert werden. Geſchieht dies, ſo ſteht das Rad feſt in dem Augenblick, wo das Gewicht den Boden berührt. Das untere Ende des Drahts iſt durch 10 Faden Tau von dem Draht ge- trennt, käme der Draht unten auf den Boden, fo würde er ſo⸗ fort ſich aufrollen, zu Kinken Veranlaſſung geben und brechen. Da dies nicht geſchieht, iſt, wenn das Gewicht ſich beim Auf⸗ ſtoßen mit Hilfe einer einfachen Vorrichtung vom Lot ge⸗ trennt hat, der Beweis gegeben, daß die Lotung mindeſtens bis auf 10 Faden richtig war, wenn der Draht ſenkrecht ſteht. Die Länge des auslaufenden Drahtſeils muß ähnlich gemeſſen werden, wie die Länge des auslaufenden Drahts, nähmlich durch Zählung der Drehungen einer Scheibe be— ſtimmten Umfanges, um welche das Seil läuft; dies ge- ſchieht natürlich durch einen entſprechenden Zählapparat. An ſolchen praktiſch bewährten Einrichtungen muß ohne Not nichts geändert werden. Die Amerikaner hatten für ihre Apparate beſondere Dampfwinden gebaut, während ich Relief des Nieſengebirges. Seitens der Regierung beſteht die Abſicht, in Hirſchberg oder in einer anderen ſchleſiſchen Stadt nach dem Muſter des in Innsbruck er⸗ richteten, eine eigenartige Sehenswürdigkeit der Stadt bil⸗ denden Reliefs der Tiroler Alpen, ein ſolches vom Rieſen⸗ gebirge aufzuſtellen. Nach einem beſtimmten, nicht zu kleinen Maßſtabe wird ein gänzlich naturgetreues Modell aus Erde hergeſtellt und die Oberfläche desſelben durchweg mit Stücken desjenigen Geſteins bekleidet, aus welchem die betreffenden einzelnen Gipfel und Kämme des Rieſengebirges und ſeiner Vorberge beſtehen. Die Geſtalt der Berge und Thäler ſoll hierbei der Wirklichkeit getreu nachgebildet, die verſchiedenen Geſteinsarten aber ſollen nicht bloß locker aufgelegt, ſondern mit Zementmörtel untereinander verbunden werden. Sei⸗ tens der Regierung wird die unentgeltliche Ueberlaſſung eines geeigneten Platzes von 200 Quadratmetern zur Aus⸗ führung dieſes Bauwerkes gewünſcht. D. Die zehnte Seſſion des internationalen Kongreſſes für Anthropologie und prähiſtoriſche Archäologie wird vom 19— 26. Auguſt in Paris abgehalten werden. Prä⸗ ſident iſt Quatrefages. Folgende Fragen ſind auf die Tagesordnung geſetzt worden: Ausgrabungen und Füllung der Thäler, Füllung der die gewöhnlichen feſten Schiffswinden verwenden muß, wo- durch einige Abänderungen erforderlich werden. Der Lot— apparat wird von der kaiſ. Marine hergegeben und iſt et— was einfacher, aber ſonſt genau wie der von Sigsbee. Eine weſentliche Aenderung des Drahtſeils ſchien mir geboten zu fein. Es wurde bisher für die Fiſcherei mit der Draht- troſſe eine ſolche von 1½¼ Zoll engl. Umfang verwendet, dies war für die mannigfachen Zwecke, wozu ich die Troſſe zu verwenden habe und für zum Teil leichtere Apparate zu ſchwer. Jenes Tau von Sigsbee hatte eine Schwere von 2118 kg bei 6500 m im Waſſer und eine Haltekraft von 4700 kg, es trägt daher, bis zu genannter Länge herab- gelaſſen, an Deck noch eine Belaſtung von 2582 ke; käme dieſe Mehrbelaſtung am Meeresboden an das Seil, fo würde es an Deck zerreißen und die ganze Länge ginge verloren. Ich habe für meine 6500 m Seil die Dicken von ſucceſſive ½ bis “/s und 1 Zoll Umfang genommen, da ich überhaupt ganz ſchwere Netze nicht nehme. Bei dieſer Anordnung wird das ganze Seil in Waſſer höchſtens 1033 ke wiegen, ich behalte an Deck eine Haltekraft von 2867 kg, da das dickſte Seil 3900 ke tragen kann. Bei 2757 ke Belaſtung an Deck wird das dünnſte Tau an ſeinem oberen Ende reißen; dieſes kann dort 1961 kg tragen. An Bord wird alſo das Tau kaum reißen können, was höchſt ge⸗ fährlich iſt und deshalb jedenfalls ausgeſchloſſen ſein muß. Bei dieſer Anordnung hat man alſo mit weniger Gewicht zu arbeiten und behält doch eine größere Kraft an Bord. Das ſchwerſte Netz wird ſtark belaſtet nur 100 kg wiegen, es iſt ſo eingerichtet, daß es bei einer Ueberfüllung von etwa 1000 ke fic) unten umkehrt und größtenteils entleert. Eine noch nicht genügend geklärte Frage iſt die Länge des Taus, welche bei den verſchiedenen Tiefen gegeben wer⸗ den muß. Bei flachen Tiefen gibt man etwa ½ zu, je größer jedoch die Tiefen werden, deſto weniger Zuſchuß wird nötig, weil das Tau ſelbſt mit ſolchem Gewicht ge— rade nach abwärts zieht, daß ſeine Bucht nur gering wird. Immerhin wäre es wünſchenswert, einen gewiſſen Maßſtab dafür zu haben, wieviel Tau bei den verſchiedenen Tiefen ausgegeben werden muß, damit beim Schleppen mit höch⸗ ſtens 5000 m in der Stunde Fahrt das Netz ſich nicht vom Boden hebt. Es wäre mir lieb, darüber theoretiſche Anhaltspunkte zu gewinnen. Wenn das Netz ſich füllt, wird es dem Zug mehr Widerſtand entgegenſetzen, aber es wird auch ſchwerer werden; es fragt ſich, ob es ſich in dieſem Fall hebt, was nicht unangenehm wäre, oder ob es feſter in den Grund eingreifen wird und ferner wie über⸗ haupt die Kurve des Taus bei genannter Geſchwindigkeit und größeren Tiefen ſich etwa geſtalten werde? Ich finde augenblicklich nicht die Mittel, dieſe Frage zu löſen. Ueber die etwa intereſſierenden Apparate hoffe ich ſpäter noch berichten zu können. Höhlen, in ihren Beziehungen zum Alter der Menſchen. Periodicität der Gletſcher-Phänomene. Die Kunſt in den Alluvionen und in den Höhlen. Wert der paläontologi⸗ ſchen und archäologiſchen Klaſſifikationen in der Qugternär⸗ epoche. Chronologiſche Beziehungen zwiſchen den Kulturen der Stein-, Bronze- und Eiſenzeit. Beziehungen zwiſchen den Kulturen von Hallſtatt und anderen Donauſtationen einerſeits, und denjenigen von Mykenä, Tiryns, Hiſſarlik und des Kaukaſus andererſeits. Kritiſche Prüfung der quaternären Schädel und Knochenreſte, welche in den letzten 15 Jahren gefunden wurden. Ethniſche Elemente, welche den verſchiedenen Perioden der Stein-, Bronze- und Eiſen⸗ zeit in Mittel- und Weſteuropa eigentümlich ſind. Ethno⸗ graphiſche Ueberbleibſel, welche auf den Zuſtand der primi⸗ tiven Bevölkerungen von Mittel- und Wefteuropa einiges Licht werfen können. Bis zu welchem Punkt können die archäologiſchen und ethnographiſchen Analogieen die Hypo⸗ theſe von prähiſtoriſchen Beziehungen und Wanderungen rechtfertigen? Nähere Auskunft bezüglich des Kongreſſes gibt H. Henry, Generalſekretär des Komitees, 40 rue de Lubeck, Paris. Ms. Das Meteorological Department der indiſchen Regierung ſucht beſtändig das meteorologiſche Beobachtungs⸗ k Humboldt. — netz nach Weſten hin auszudehnen, um zu einem Anſchluſſe an die europäiſchen Beobachtungsnetze zu gelangen. Nach— dem ſchon früher meteorologiſche Stationen in Quettah, Buſhire und Aden errichtet worden waren, iſt nun auch eine ſolche in Bagdad eröffnet worden. Auf Anregung des Meteorological Council in London bei der indiſchen Regierung wird wahrſcheinlich auch in Perim eine Station eröffnet werden. Inſtrumente ſind nach Meſhed an der perſiſch⸗afghaniſchen Grenze geſendet worden, jo daß aus dieſer meteorologiſch ganz unbekannten Gegend nun bald Beobachtungen erwartet werden können. Desgleichen wur— den auf Anregung der Regierung des Pendſchab Inſtru— mente nach Khar in Oſt-Beludſchiſtan abgegeben. M—s. Eine illuſtrierte Monographie der britiſchen Hieracien wird von F. J. Hamburg vorbereitet. Sie ſoll in viertel— jährlichen Ausgaben erſcheinen und das Ganze wird in fünf Jahren vollendet ſein. Der jährliche Subſkriptionspreis beträgt 24 Shillings für kolorierte, 16 S. für unkolorierte Ausgaben. Subſkriptionen nimmt der Autor entgegen (69, The Common, Upper Clapton, London). Profeſſor Dr. Kamienski (Botaniſches Inſtitut der Univerſität Odeſſa) arbeitet an einer Monographie der Atricularien und bittet die Herren, welche Herbarexem— plare von Utricularien (beſonders der tropiſchen) aus ver— ſchiedenen Gegenden beſitzen, ſowie diejenigen, welche die Möglichkeit haben, friſches oder Spiritus- Material oder keimfähige Samen zu ſammeln oder zu erwerben, ihm die— ſelben zukommen zu laſſen. Sendungen und Auslagen werden auf Wunſch bald zurückerſtattet. Vreisaufgaben. Die gl. däniſche Akademie der Wiſſenſchaften ſtellt für 1889 folgende Preisaufgaben: 1. Chemie. In der Reihe der zahlreichen Verbin— dungen von Alkoholradikalen mit Metallen fehlen noch einige. Wir kennen z. B. keine Verbindungen von Alkohol— radikalen mit Kupfer, Silber oder Gold, während Zink, Arſen, Selen, Cadmium, Zinn, Antimon, Tellur, Queck— ſilber, Thallium, Blei diejenigen Metalle ſind, deren Ver— bindungen mit Alkoholradikalen man am beſten kennt. Die Auffindung analoger Verbindungen mit den drei erſt⸗ genannten Metallen würde von großer Wichtigkeit für die theoretiſche Chemie ſein. Auch ſind die Verbindungen der polyvalenten Alkoholradikale mit den Metallen gänzlich un— bekannt; ſie würden aber, wenn ſie exiſtierten, gewiß eine große Verwendung für wichtige Syntheſen finden. Die Akademie beſtimmt demgemäß ihre goldene Medaille (im Werte von 320 Kronen) für eine Arbeit, welche dazu bei— trägt, in hervorragender Weiſe unſere Kenntniſſe in der angedeuteten Richtung zu erweitern. 2. Aſtronomie. Bei einem aus zwei Punkten A und B gebildeten Doppelſtern (A und B von gleichen Maſſen) ſind die beſchriebenen Bahnen kreisförmig. Ein dritter Punkt C, deſſen Maſſe unendlich klein iſt, bewegt ſich in der Ebene der Bahnen von A und B in der Art, daß er ſich im Anfange auf der Verlängerung A B befindet, in einer Entfernung von A, welche gleich iſt der Hälfte der Entfernung zwiſchen A und B, und daß er beim Verlaſſen dieſer Poſition eine kreisförmige Bahn um A beſchreiben würde, wenn B nicht exiſtierte. Im Anfange geſchehen alle Bewegungen in gleichem Sinne. — Die Berechnung muß wenigſtens ſo weit ausgeführt werden, daß C einen Umlauf um A vollendet hat, wie auch B einen Umlauf um A. Die Reſultate ſollen zum Teil in Geſtalt einer Tabelle dargeſtellt werden, mit einer Genauigkeit von ungefähr 5 Ziffern 950 für die Momente, welche dem Beginn und dem Ende entſprechen, ſollen intermediäre Bahnen mit Kontakten dritter oder einer höheren Ordnung gegeben werden. — Der Preis beſteht gleichfalls in einer goldenen Medaille im Werte von 320 Kronen. 3. Preis Claſſen. A. Es wird verlangt eine che— miſche Unterſuchung der Fettſäuren, welche ſich in der Fett⸗ ſubſtanz der Butter finden, und deren jede in befriedigen der Weiſe iſoliert und beſtimmt werden muß. Da voraus⸗ zuſetzen iſt, daß dieſe Unterſuchung auch Aufklärung liefern Juli 1889. 279 wird über die verhältnismäßigen Mengen dieſer Fettſäuren, ſo ſoll auch, wenn es angemeſſen iſt, eine Darſtellung der über dieſen Gegenſtand gemachten Beobachtungen gegeben werden und man ſoll beſonders achten auf die Beziehungen, welche beſtehen zwiſchen den Mengen der Oelſäure und denen der Palmitinſäure und ihren höheren Homologen. Preis: bis 600 Kronen. B. Die Akademie verlangt eine Unterſuchung über die Mycorhizen der Buchen, wobei beſonders folgende Fragen beantwortet werden ſollen: a) Beſteht ein merklicher Unterſchied in dem Auftreten dieſer Mycorhizen in den verſchiedenen Humusarten (dä— niſch: „Muld“ und , Mor”)? b) Beſteht irgend ein morphologiſcher Unterſchied zwiſchen dem Mycelium der Pilze und den Mycorhizen an— derer Amentaceen, und zwiſchen dieſen und denen der Fichte? e) Bietet die Struktur des Myceliums in den Mycor— hizen der Amentaceen einen Anhalt für die Beſtimmung der Hauptgruppe, Familie oder Gattung von Pilzen, denen dieſes Mycelium zugezählt werden muß? d) Iſt Urſache anzunehmen, daß die Mycorhizen der Buchen die Rolle ſpielen, welche Kamienski ſchon 1881 für die Mycorhizen der Monotropa feſtgeſtellt hat, oder voll— zieht ſich in der That eine wechſelſeitige Symbioſe, indem der Pilz als Mittel dient, um die aſſimilierbaren Humus— ſubſtanzen zu abſorbieren und der Pflanze zuzuführen? Preis bis zu 600 Kronen. Die Abhandlungen können in däniſcher, ſchwediſcher, engliſcher, deutſcher, franzöſiſcher oder lateiniſcher Sprache abgefaßt ſein. Sie ſind mit einem Motto zu verſehen und der Name des Verfaſſers (nebſt Stand und Adreſſe des— ſelben) iſt in einem verſchloſſenen Umſchlag beizufügen. Die däniſchen Mitglieder der Akademie können nicht am Wettbewerbe teilnehmen. Mit Ausnahme der zweiten Frage des Preiſes Claſſen, für welche der Ablieferungstermin erſt am 31. Oktober 1891 abläuft, müſſen ſämtliche Abhand— lungen bis zum 31. Oktober 1890 an den Sekretär der Akademie Dr. H. G. Zeuthen, Profeſſor an der Univerſität in Kopenhagen, eingeſendet werden. Die Preiſe werden im Februar des folgenden Jahres exteilt werden, worauf die Verfaſſer ihre Abhandlungen zurückziehen können. Die Academia delle scienze fisiche e mate- matiche in Napoli ſchreibt einen Preis von 500 Lires aus für die beſte Monographie der tubikolen Annaliden des Golfes von Neapel. Es wird verlangt, daß in dieſer Monographie für jede Art enthalten jet: 1. Die zoologiſch— anatomiſche Beſchreibung mit den Synonymen; 2. die An— gabe der Fortpflanzung und deſſen, was man von der Entwickelung und Metamorphoſe weiß; 3. die genau nach dem Leben gezeichnete Abbildung ſowohl des ganzen Tieres und der reſpektiven Hülle als derjenigen Teile, welche größtenteils beitragen können, um die Art zu illuſtrieren und zu erkennen. Die Abhandlung muß ferner mindeſtens von zwei in Spiritus konſervierten Exemplaren der be— ſchriebenen Objekte begleitet ſein, welche im Zoologiſchen Muſeum der Univerſität von Neapel deponiert werden ſollen. Die Abhandlungen können italieniſch, lateiniſch oder franzöſiſch abgefaßt ſein und ſind dem Sekretär der Akademie bis zum März 1890 einzuſenden mit Motto und verſchloſſenem Namen des Autors. Die gekrönte Preis— ſchrift wird in den Atti der Akademie abgedruckt und der Autor erhält 100 Abzüge. Alle andern Bewerbungs— arbeiten werden im Archiv der Akademie aufbewahrt und es wird nur den Einſendern geſtattet, eine Abſchrift zu nehmen. Die Société de physique et d'histoire naturelle de Genéve wünſcht die Monographie einer Gattung oder Familie. Die Manufkripte können in Lateini- ſcher, franzöſiſcher, deutſcher (mit lateiniſchen Lettern), engliſcher und italieniſcher Sprache abgefaßt ſein und müſſen frankiert vor dem 1. Oktober 1889 unter der Adreſſe: M. le Président de la Société de physique et d'histoire naturelle de Genéve, à l|’Athénée, Genéve (Suisse) eingeſendet werden. Die Mitglieder der Geſell— ſchaft ſind von der Bewerbung ausgeſchloſſen. Der Preis beträgt 500 Frs. 280 Humboldt. — Juli 1889. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Juli 1889. (Mittlere Berliner Zeit.) 923 6 Librie 986 X Cygni 1126 U Corone 1282 U Ophiuchi 13 167 N. II A 883 U Ophiuchi 9 An l III A 925 Y Cygni 1086 U Cephei 1589 Tauri 14 12 16 29m ö A1 dh 58 P. Ay 80 Virg, | 18> 47 OF TA Ot e Oo DOr S Co Do 10, 5m A. J. 6 ; 94 Y Cygni 8h 41™ 1320 U Ophiuehi He 10 58% A % 5 818 6 Libre 91 U Ophiuchi Sh 41™ H. fl. ö 0% Libre gh 5Qm Ths h 6 983 U Corone 1043 U Cephei 147 J Tauri 983 Y Cygni 13" 28 9] TIT A S 23 1 ell 12h 36m P. d. ö BAC 6343 | 14h 9m B. fl. 0 20 Sagittarii HI Be 13 29™ J. h. 6 15h 47 A. U. 6 ® Solar 1905 6699 | 10> Sm Bh. is Sagittarii 10 1 2 B. H. / BAC 6727 1340 Algol 9 55» ge 16™ A. l. 5 6% 11% 5 fd. 6 11 14 lf. 6% 1357 U Ophiueni Sichtbare partiale Mondfinsternis 922 X Cygni 989 U Ophiuchi 11" In F. I.) lr Capricorn! 1326 * Tauri 100 U Cephei 10 35 e * ephei 5 12 52 5 A. el 864 6 Libre 10°10" A 1A 951 Y Cygni 1485 U Ophiuchi h 1 1 h m 1086 U Ophiuchi 190 59 5 9 @ U 980 Y Cygni 986 U Cephei 13" 29" Venus in Konjunktion mit Stern 7. Grösse 124 30m 14 47™ ö A. 1 820 6 Libre 90 Y Cygni TBE By ML TT AN 1583 U Ophiuchi h m h. 1 1 95 165 1 0 1 1124 U Ophiuchi 785 U Ophiuchi 923 U Cephei 145 55 t A @ IV meow co ~] D — — — do 889 Y Cygni 1585 U Corone 10" 22m A II A 1680 U Ophiuchi h . 1 h m hi f 1 888 Y Cygni 110 955 0 A @ III 1282 U Ophiuchi 76 8 Libre 833 U Ophiuchi 829 U Cephei Sh 53m 11h 11m ; A @! 887 Y Cygni Merkur kommt am 11. in ſeine größte weſtliche Ausweichung und wird um dieſe Zeit bei ſehr günſtigen Luftverhältniſſen am Morgenhimmel eine Stunde vor Sonnenaufgang dem bloßen Auge ſichtbar. Venus erreicht als Morgenſtern am 9. ihre größte Ausweichung von der Sonne; fie geht anfangs um 14/2, zuletzt um 1½ Uhr morgens auf. Mars beginnt aus den Sonnenſtrahlen aufzutauchen und geht zuletzt um 3 Uhr morgens auf. Jupiter iſt rückläufig im Sternbild des Schützen und iſt mit Beginn der Dämmerung ſchon ziemlich hoch über dem Horizont; fein Untergang erfolgt anfangs um 3 ½, zuletzt um 1½ Uhr morgens. In dieſem Monat am 24. iſt auch einmal der Schatten ſeines vierten Trabanten auf ſeiner Scheibe zu ſehen. Saturn verſchwindet in den Sonnenſtrahlen. Uranus kommt am 9. in Quadratur mit der Sonne. Neptun taucht aus den Sonnenſtrahlen im Sternbild des Stiers wieder auf. 5 Am 12. findet eine ſichtbare partiale Mondfinſternis ſtatt, bei welcher nicht ganz die Hälfte der Mond⸗ ſcheibe verfinſtert wird. Beim Eintritt in den Halbſchatten der Erde iſt der Mond noch unter dem Horizont. Der Eintritt in den Kernſchatten findet um 8 Uhr 36 Min., die Mitte der Verfinſterung um 9 Uhr 47 Min. und der Austritt aus dem Kernſchatten um 10 Uhr 58 Min. ſtatt. Aus dem Halbſchatten tritt der Mond 6 Minuten nach Mitternacht. Auf die Konjunktion der Venus mit einem Stern 7. Größe am 20. wird beſonders aufmerkſam gemacht, wiewohl wegen des noch ſehr tiefen Standes der Venus kurz nach ihrem Aufgang wenig Ausſicht auf eine günſtige Beobachtung geboten iſt. Dr. E. Hartwig. q Humboldt. — Juli 1889. 281 Vulkane und Erdbeben. In Albanien fanden Mitte April ungewöhnlich hef— tige Erdbeben ſtatt, welche in den Diſtrikten Paramgthi und Margariti großen Schaden anrichteten. In Priboj Sandſchak in Bosnien wurde am 18. April um 3 Uhr nachmittags ein 10 Sekunden dauern⸗ des ſtarkes Erdbeben in der Richtung Nordweſt-Südoſt geſpürt. Am 26. April nachts 10 ½ Uhr verſpürte man in Schwyz ein ſtarkes Erdbeben, ebenſo in der Stadt Schaff— hauſen und in Wilchingen. In Agram wurde am 27. April abends 8 Uhr 35 Minuten ein etwa 4 Sekunden dauerndes, ziemlich hef— tiges Erdbeben verſpürt. Am 8. Mai 3 Uhr 43 Minuten nachts wurde zu Plevlje in Bosnien ein ſtarkes wellenförmiges Erdbeben beobachtet. Die Erſchütterung dauerte 3 Sekunden. Richtung der Erdſtöße war von Weſt nach Oſt. Seit Anfang Mai entwickelte der Veſuv eine erhöhte Thätigkeit. In Reſina war das unterirdiſche Getöſe des Vulkans deutlich wahrnehmbar, zugleich von Erderſchütte— rungen begleitet. Am 3. Mai morgens fiel ein Teil des Auswurfshügels, welcher ſich ſeit einem Jahre bis zu einer Höhe von 100 Fuß gebildet, ein, und 12 Stunden ſpäter ſtürzte der übrige Teil zuſammen. Gleichzeitig öffnete ſich eine Spalte am Berge in der Richtung von Pompeji, aus welcher ein Lavaſtrom nach Boscotrecaſe zufloß. Die Maſſe und das langſame Fortſchreiten des Stromes ließen vorläufig die Beſorgnis einer Gefahr für den Ort nicht aufkommen. Die Erderſchütterungen dauerten noch eine Zeit lang anhaltend fort, doch hat der unterirdiſche Donner ſeit Einſturz des Kegels aufgehört. Am 12. Mai brach einer der beiden Vulkane auf der Die Inſel Lipari aus; auch der Vulkan auf der Inſel Strom— boli drohte auszubrechen. Et. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Mai 1889. Der Monat Ma iſt charakteriſiert durch warmes, heiteres Wetter mit ſchwacher Luftbewegung. Her— vorzuheben ſind die anhaltende außerordentlich hohe Wärme und die von heftigen Regengüſſen und Ver— wüſtungen begleiteten Gewitter, welche am 15. und 20. im centralen Deutſchland niedergingen. Wenn wir die meteorologiſchen Beobachtungen der letzten 50 Jahre durchmuſtern, ſo finden ſich nur zwei Maimonate, welche mit dem diesjährigen vergleichbar ſind, nämlich diejenigen der Jahre 1865 und 1868, welche durch ungewöhnlich hohe Temperaturen ſich auszeichneten. In währt wird, wodurch eine Temperaturerniedrigung her— vorgerufen wird. Die Umwandlung der erſteren Wetterlage in die letztere iſt eine ganz gewöhnliche, und hierdurch werden plötzliche Abkühlungen mit feuchtkalten Seewinden zunächſt an unſerer Küſte, dann aber auch im Binnenlande, be— wirkt. Die Luftdruckverteilung war während des ganzen Monats eine ſehr gleichmäßige, und daher die Luftbeme- gung anhaltend ſchwach, meiſt aus öſtlicher Richtung. Ein eigentümliches Verhalten zeigt in unſerer Tabelle die Station Swinemünde, in der ganz abweichend von dieſen Jahren betrug der Temperaturüberſchuß im Mai in Deutſchland durchſchnittlich 4—5° C., und dieſe aufer- ordentlich große Abweichung hatte auch der diesjährige Mai. Der Grund dieſer außergewöhnlichen Wärme iſt aus den täglichen Wetterkarten ganz deutlich erſichtlich: wäh— rend des ganzen Monats finden wir ein barometriſches Maximum über Nord-, Nordoft- und Oſteuropa, während weſtlich von Europa faſt beſtändig Depreſſionsgebiete lagern, ſo daß unſere Gegenden beſtändig von der oceaniſchen Luftſtrömung abgeſperrt, dagegen ſtets von kontinentalen Winden überweht waren. Eine Verlagerung des barometriſchen Maximums weſt⸗ wärts nach Nordweſteuropa hat eine ganz entgegengeſetzte Wirkung, indem bei dieſer Situation den feuchtkalten Nordweſtwinden Zutritt nach dem centralen Europa ge- Humboldt 1889. den übrigen Stationen zwei Pentadenmittel unter den Normalwerten liegen (vergl. die Tab. unten). Die Er⸗ klärung dieſes merkwürdigen Verhaltens geben die Wetter- karten: an der Oſtſeeküſte traten zuweilen Aenderungen der Windrichtung von Südoſt nach Nordoſt oder Nord ein und dieſer Vorgang war dann ſtets mit einer meiſt ſtarken Abkühlung begleitet, wie beiſpielsweiſe am 7., 10. und 11., an welchen Tagen die Morgentemperatur 3—4° unter den Normalwert herabgedrückt wurde. In dem Bereiche des Depreſſionsgebietes wird das Wetter gewöhnlich als trübe und regneriſch dargeſtellt, und dieſes iſt auch in weitaus den meiſten Fällen mit den wirklichen Thatſachen übereinſtimmend, daß aber auch De- preſſionen mit heiterem trockenen Wetter vorkommen können, zeigt die Wetterkarte Fig. 1, nach welcher eine 36 282 Humboldt. — Juli 1889. ſehr umfangreiche Depreſſion mit ruhiger, heiterer und trockener Witterung über Centraleuropa lagert, nur in den ſüdlichen und nordweſtlichen Teilen derſelben fällt etwas Regen. Auch die Karte des folgenden Tages (Fig. 2), an welchem eine Furche niedrigen Luftdruckes ſich von den briti- ſchen Inſeln oſtſüdoſtwärts über Deutſchland hinaus er⸗ ſtreckte, zeigt keine erhebliche Trübung im Depreſſionsgebiete, dagegen iſt ſolche Situation ganz geeignet, die Entwickelung von lokalen Gewittern zu begünſtigen. Am 27. entluden ſich im nordöſtlichen und ſüdweſtlichen Deutſchland, am 28. auf dem Gebiete zwiſchen Karlsruhe-Wien und Memel zahlreiche Gewitter (in Chemnitz fielen 32 mm Regen). Hervorzuheben ſind die von heftigen Regengüſſen be⸗ gleiteten Gewitter, welche am 15. im centralen Deutſchland niedergingen und daſelbſt manchen Schaden, namentlich Betriebsſtörungen, verurſachten. Noch ärger waren die Verwüſtungen, welche am 20. durch die Gewitterregen in Sachſen angerichtet wurden. Nach den Berichten des Chemnitzer Tageblattes hat das Wetter am ärgſten in Lauterbach gehauſt. Ein Wohn⸗ gebäude mit Scheune und Nebengebäude wurde jo voll— ſtändig weggeſchwemmt, daß man kaum die Stelle wieder bezeichnen kann, wo dieſe Gebäude geſtanden. Von zwei Familien, zuſammen 11 Perſonen, wurden 9 Perſonen weggeſchwemmt. Ertrunken ſind von den Familiengliedern 7 Kinder, 1 Mann, 1 Frau. Bei Zwickau und Um⸗ gegend wurden die Bahndämme mehrfach unterſpült, ſo daß an verſchiedenen Stellen die Schienen ſozuſagen in der Luft hingen. Leider ereignete fic) auch unweit Kroſſen und Pöblitz ein Eiſenbahnunglück, indem die Maſchine und mehrere Wagen des ſonſt gegen 7 Uhr in Zwickau eintreffenden Güterzuges unweit Pöblitz an eine Stelle kamen, die ebenfalls infolge des Rutſchens des Erdreiches ſchadhaft geworden war. Die Lokomotive ſtürzte herab und wurde faſt gänzlich zertrümmert. In Rothenbach iſt in viele Gehöfte das Waſſer meterhoch eingedrungen, in dem einen ſind 5 Kühe, Pferde und Schweine ertrunken, in anderen die Menſchen nur mit Mühe gerettet worden. In Lauterbach ſtanden die Felder zum Teil unter Waſſer. In Zwickau ſind Brücken und Wege vielfach zerſtört, Fluren verwüſtet, Bäume entwurzelt, Häuſer beſchädigt, Bahn⸗ ſtrecken, namentlich an der Chemnitzer Linie, unterwaſchen. Die folgende Tabelle gibt eine Ueberſicht der Tem⸗ peraturverhältniſſe, der Regenmenge, ſowie der Regenhäufig⸗ keit für den diesjährigen Mai und für die einzelnen Diſtrikte Deutſchlands: 1) Temperaturabwei chungen für 8 Uhr morgens (ö C). Zeit⸗ Swine⸗ Ham Karls Mün⸗ raum Memel münde 915 Borkum Kaſſel Berlin Breslau ruhe chen 1.—5. 47,4 75,9 74,4 7,9 72,7 44,9 473,7 41,2 +14 6.—10. 43,0 2,1 43,7 4,7 44.0 +38 43,6 2,7 +1,9 11.15. +42 70,9 42,4 43,0 42.6 +43 4,2 +08 +1,9 16.20. 2,3 —1,3 0,5 41,1 42,0 42,7 43,9 +1,0 +0,6 21.—25. 15,6 44,9 45,4 45,8 +45 75,3 +40 41,8 +1.6 26.—30. +8,0 13.5 +34 444 42,4 44.3 +4,8 +1,7 420 Mittel +61 2,0 3,3 +4,6 +3,0 +42 4,2 +14 150 104 27 33 38 74 3) Ane ner inves) @ leas tage 10 4 W. J. ict Brite 2) Riedex{gtagemengen, Monatsfummen (mm). 80 70 Hamburg. Biographien und perſonalnotizen. Profeſſor Dr. Karſten in Kiel wurde auf ſeinen Antrag von der Direktion der Sammlung für die Geognoſie von Schleswig⸗Holſtein enthoben. Die Leitung dieſer Sammlung wurde dem Direktor des Mineralogiſchen Inſtituts, Profeſſor Dr. Lehmann, übertragen. Dr. J. R. Petri, bisher Kuſtos des Hygiene-Mujeums, hat die Leitung der Bakteriologiſchen Abteilung beim Reichsgeſundheitsamt übernommen. Sein Nachfolger am Hygiene-Muſeum wurde Dr. v. Es march. Dr. Anton Reichenow iſt zum Kuſtos des Zoologiſchen Muſeums in Berlin ernannt worden. Dr. E. Koken wurde zum Aſſiſtenten der Geologiſch-palä⸗ ontologiſchen Sammlung der Berliner Univerſität er⸗ nannt. Dr. Arthur Loos von der Zoologiſchen Anſtalt in Leipzig erhielt für Studien über die Gewebsveränderungen bei Tieren, wenn deren Organe Rückbildungen ein⸗ gehen, den diesjährigen Preis der Jablonowskyſchen Geſellſchaft in Leipzig. Profeſſor A. W. v. Hofmann wurde von der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften zum korreſpondierenden Mitglied ernannt. Privatdocent Dr. K. Fraenkel, Aſſiſtent am Hygieniſchen Inſtitut in Berlin, wurde zum korreſpondierenden Mitglied der Akademie in Florenz ernannt. Die Senckenbergiſche Naturforſchende Geſellſchaft in Frank⸗ furt a. M. verlieh Profeſſor Roux in Breslau für ſeine Forſchungen auf dem Gebiete der Entwickelungs⸗ mechanik des Embryos den Sömmeringpreis. Dr. Fritz Magdeburg, Privatdocent, wurde zum Aſſi⸗ ſtenten am Zoologiſchen Inſtitut der Univerſität Berlin ernannt. Privatdocent Dr. H. Ambronn in Leipzig wurde zum außerordentlichen Profeſſor daſelbſt ernannt. Dr. Ferdinand Hueppe in Wiesbaden wurde als Nach⸗ folger Soykas zum Profeſſor der Hygiene in Prag ernannt. Privatdocent Dr. E. Heinricher in Graz wurde zum Profeſſor der Botanik und Direktor des Botaniſchen Gartens der Univerſität Innsbruck ernannt. Für Profeſſor W. Koſter, der aus Geſundheitsrückſichten ſein Amt niedergelegt hat, iſt der Anatom Profeſſor E. Roſenberg nach Utrecht berufen. Die Kgl. Däniſche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften in Kopenhagen wählte zu auswärtigen Mitgliedern Pro⸗ feſſor Gegenbaur in Heidelberg, die Profeſſoren Wundt und Leuckart in Leipzig. Sir Robert Ball, Royal Aſtronomer von Irland, iſt zum Ehrenmitgliede der Royal Society of Edin- burgh erwählt worden. Profeſſor A. Michelſon erhielt von der Amerikaniſchen Akademie der Künſte und Wiſſenſchaften die Rumford⸗ Medaille. An Stelle von Arthur Den dy, welcher als Demonſtrator der Biologie an die Univerſität in Melbourne geht, wurde Francis Arthur Heron vom New College, Oxford, zum Aſſiſtenten an der Zoologiſchen Abteilung des Britiſh Muſeum ernannt. Totenliſte. Domeyko, Ignaz, Profeſſor der Mineralogie und Geo⸗ logie zu Santiago, bekannt durch ſein Buch „La Arau- cania é sus habitantes“ (1845), ſtarb 23. Januar im 87. Lebensjahre. Beraz, Joſeph, der bekannte Quellenfinder, München im 46. Lebensjahre. Signoret, Dr. Viktor, ausgezeichneter Hemipterolog, ſtarb am 3. April. Kidder, Dr. J. H., Direktor des internationalen Aus⸗ tauſchamtes der Smithſonian-Inſtitution in Waſ⸗ hington, früher Mitglied der Fiſchkommiſſion, ſtarb 8. April in Waſhington. De la Rue, Warren, Phyſiker, bekannt durch ſeine Ar⸗ beiten über die Phyſik der Sonne und die Anwen⸗ dung der Photographie auf aſtronomiſche Erſcheinungen, geb. 18. Januar 1815 auf Guernſey, ſtarb 19. April. Progel, Auguſt, Bezirksarzt in Waldmünchen, um die bryologiſche Erforſchung des ſüdöſtlichen Bayerns vev- dient, ſtarb 26. April im Alter von 61 Jahren. Barfoed, Profeſſor der Chemie und langjähriger Di- ſtarb in Humboldt. — Juli 1889. rektor des großen Chemiſchen Laboratoriums der Kgl. Tierarzneiſchule und Landbauhochſchule in Kopenhagen, ſtarb im Alter von 74 Jahren 29. April. Meyer, Dr. H. A., Geſchäftsmann, Verfaſſer der , Fauna der Kieler Bucht“ und der „Beiträge zur Phyſik des Meeres“, lange Jahre Vorſitzender der Kommiſſion zur Erforſchung der deutſchen Meere, geb. 10. Sep- tember 1822 in Hamburg, ſtarb 1. Mai in Forſteck. Damon, Robert, Geolog, Beſitzer der Sammlungen des Muſeum Godeffroy und einer großen Sammlung foſſiler Fiſche, ſtarb 4. Mai im 75. Lebensjahre. Reichenbach, Profeſſor Dr. Heinrich Guftav, lang— jähriger Direktor des Botaniſchen Gartens in Ham- burg, höchſt verdient um die Orchideenkunde, ſtarb im 66. Lebensjahre 6. Mai. Wells, William, verdienſtvoller Förderer der Anwen— dung der Chemie auf die Landwirtſchaft, ſtarb im Alter von 71 Jahren nach Mitteilung aus London vom 7. Mai. Thomſon, Rev. J. H., Vikar von Cradley, Beſitzer eines reichen und wertvollen Herbariums, ſtarb kürzlich. 283 v. Braam-Houckgeeſt, Profeſſor der Anatomie in Gro- ningen, iſt geſtorben. Newall, R. Stirling, deſſen Name mit der Erfindung und Fabrikation der Telegraphenkabel verknüpft iſt, ſtarb kürzlich im Alter von 77 Jahren. Sagot, Dr., früherer franzöſiſcher Marinearzt, bekannt durch ſeine Erforſchung der Pflanzenwelt von Guyana, iſt kürzlich zu Cluny in Frankreich geſtorben. Planté, Gaſton, franzöſiſcher Phyſiker, bekannt durch ſeine wiſſenſchaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Gleftricitat und die Erfindung der ſeinen Namen tragenden Accumulatoren, ſtarb 22. Mai in Paris. Jeſſen, Karl, außerordentlicher Profeſſor an der Uni— verſität Berlin, Botaniker und Aeſthetiker, früher Docent in Eldena, ſtarb im 68. Lebensjahr 28. Mai in Berlin. Homeyer, Eugen v., Ornitholog, Beſitzer einer der größten privaten Vogelſammlungen, langjähriger Prä⸗ ſident der Deutſchen Ornithologiſchen Geſellſchaft, verdient um die Ornis von Deutſchland, geboren 11. November 1809 bei Anklam, ſtarb 1. Juni in Stolp. Litterariſche Rundſch au. Aug. Zuſtus Liebig und Friedrich Wohlers Brief wechſel in den Jahren 1829— 73. Unter Mit⸗ wirkung von Fräulein Emilie Wöhler, heraus— gegeben von A. W. Hofmann. Zwei Bände. Braunſchweig, Fr. Vieweg & Sohn. 1888. Preis 16 M. Herr Profeſſor v. Hofmann hat ſich durch die Heraus— gabe dieſes Briefwechſels ein großes Verdienſt erworben, denn es iſt darin ein hochwichtiges Stück Geſchichte der neueren Chemie vor unſeren Augen entrollt, deren Ent— wickelung mit den Namen der beiden berühmten Forſcher eng verknüpft iſt. Er war hierzu wie kein anderer be— fähigt, weil er, einſtmals ſelbſt Schüler und Aſſiſtent Lie— bigs, beiden Männern Zeit ihres Lebens durch die Bande der Freundſchaft nahe ſtand. Selbſt ein älterer Chemiker, der, wie es dem Schreiber dieſer Zeilen vergönnt war, Liebig und Wöhler perſönlich gekannt, und ihre Arbeiten faſt ſeit ihrem Anfang vor Augen gehabt hat, empfindet beim Leſen ihrer Briefe ein Intereſſe ganz beſonderer Art, wie es ihre Schriften und Abhandlungen an ſich nicht erregen können. Denn in dieſen Arbeiten ſind zwar die ſtaunenswerten Reſultate, welche die Wiſſenſchaft ihnen verdankt, der Nachwelt aufbewahrt, und zum Gemeingut aller geworden, jeder kennt ſie und weiß ſie zu würdigen, aber nur aus dem brieflichen Ver— kehr lernt man die Umſtände näher kennen, unter welchen jene Arbeiten entſtanden, nur auf dieſem Wege erfährt man, welchen Einfluß hierbei der eine auf den anderen gehabt hat und welche Meinungsverſchiedenheiten zwiſchen ihnen zeitweilig obgewaltet haben. Als der briefliche Verkehr zwiſchen beiden Männern begann, war Liebig bereits Profeſſor in Gießen, Wöhler jedoch Lehrer der Chemie an der durch den Oberbürger— meiſter v. Bärenſprung gegründeten und von Klöden ge— leiteten Friedrichswerderſchen Gewerbeſchule in Berlin, von wo er ſpäter in ähnlicher Stellung nach Kaſſel und zuletzt als Profeſſor nach Göttingen überſiedelte. i In dieſe ſpätere Periode, in welcher das Gießener Laboratorium ein Sammelpunkt junger Chemiker aus allen Ländern wurde, fällt die Vereinigung beider zu größeren wiſſenſchaftlichen Arbeiten, wie ſolche in den epochemachen— den Forſchungen über die Harnſäure und die Benzoylver— bindungen ans Licht traten. Und dieſe gemeinſame Tha- tigkeit wurde erſt unterbrochen, als Liebig ſeine ganze Thätigkeit auf Phyſiologie und Agrikultur in ihren Be⸗ ziehungen zur Chemie richtete, und zu einer geiſtigen Be- wegung auf dieſen Gebieten den Anſtoß gab, welche weit . über die engeren Kreiſe der Wiſſenſchaft hinaus ihre Wellen ſchlug. Ganz abgeſehen von dem wiſſenſchaftlichen Inhalt gibt der Briefwechſel ein klares Bild von der Perſönlich—⸗ keit und dem Charakter beider Männer. Liebig, der ſcharfe Denker, iſt lebhaft, entſchieden, leicht gereizt und deshalb nicht ſelten im Streit mit Fachgenoſſen. Wöhler iſt ruhig, bedächtig, verſöhnend, immer zu milder Beurteilung ge— neigt, und nicht ſelten äußerſt humoriſtiſch. Und wie viele Stellen ihrer Briefe berühren nicht ihr Familienleben, ihre Ferienreiſen, Liebigs ſpätere Stellung in München und ſo manches, was auch für den Nichtchemiker von Intereſſe iſt. Der Herausgeber, Herr v. Hofmann, hat ſchon früher in beſonderen Denkreden das Leben und die wiſſenſchaft— liche Bedeutung ſeiner beiden Freunde geſchildert. Näm⸗ lich in: The Life-Work of Liebig. A discourse delivered before the Fellows of the Chemical Society of London (als Faraday Lecture for 1875) und: Zur Erinnerung an Friedr. Wöhler. In den Berichten der Deutſchen Chemi- ſchen Geſellſchaft von 1882. Beide finden ſich auch in der kürzlich von Herrn v. Hofmann unter dem Titel „Zur Er— innerung an vorangegangene Freunde“ herausgegebenen Sammlung von Denkreden (3 Bde. Braunſchweig 1888). Berlin. Geheimerat Profeſſor Dr. Rammelsberg. Bernſteinſammlung. Geſchichte des Bernſteins, an Belegſtücken erläutert von Dr. R. Klebs. Königs⸗ berg, Stantien & Becker. Preis 20 M. Kaum ein anderes Mineral erregt im größeren Pu— blikum ſo viel Intereſſe wie der Bernſtein, deſſen eigen— tümliches Vorkommen am Strande als Geſchenk der See, deſſen Abſtammung von ausgeſtorbenen Bäumen und deſſen Schönheit, die ſich bei der Verarbeitung zeigt, allgemein feſſeln. Wer aber nicht Gelegenheit hat, Muſeen zu be— ſuchen, deſſen perſönliche Bekanntſchaft mit dem Bernſtein beſchränkt ſich wohl auf ein „recht ſchönes“ Stück, welches am Strande gefunden wurde, auf ein gelegenes Schauſtück bei einem Händler und auf die Perlen, Cigarrenſpitzen ꝛc. Man lieſt von Inſekten, die im Bernſtein eingeſchloſſen vorkommen und wunderbar gut erhalten ſind, aber nur wenigen Glücklichen iſt es vergönnt, derartige Einſchlüſſe zu ſehen und genau zu unterſuchen. Unter ſolchen Ver— hältniſſen kann es als ein überaus glücklicher Gedanke der großen Bernſteinfirma Stantien & Becker in Königsberg betrachtet werden, dem größeren Publikum eine Bernſtein⸗ ſammlung anzubieten, welche für alle in Betracht kommen⸗ den Verhältniſſe inſtruktive Belegſtücke enthält. In ele⸗ gantem Karton verpackt enthält die Sammlung: Blaue 284 Erde und Rohbernſtein in verſchiedenen Formen, wie eckige Stücke, Tropfen, ſchalig und zapfig gefloſſenen Bernſtein, dann ſchaumigen, knochigen und buntknochigen, Halbbaſtard, Wolkenbaſtard und Baſtard, flohmigen und klaren Bern⸗ ſtein, durch Holzmulm verunreinigten Bernſtein, 12 Stücke mit eingeſchloſſenen Käfern, Ameiſen, Mücken, Fliegen, Spinnen ꝛc., endlich als Nr. 28 Gedanit. Die Stücke find recht anſehnlich und bis auf wenige geſchliffen, um die Struktur und die Einſchlüſſe zu zeigen. Eine Beilage aus der Feder von Dr. Klebs gibt auf 3 Druckſeiten die nöti⸗ gen Erklärungen, ſowie Notizen über die Verwendung der einzelnen Sorten. Die Sammlung iſt durch die Filialen der genannten Firma in Berlin, Hamburg, Frankfurt a. M., Dresden und durch die Drogenhandlung von Klebs & Co. in Königsberg zu beziehen. Wir empfehlen ſie aufs beſte allen Freunden des Bernſteins, namentlich auch den Miz neralienſammlern. Friedenau. Arnold Sang, Cehrbuch der vergleichenden Ana- fomie zum Gebrauche bei vergleichend anatomiſchen und zoologiſchen Vorleſungen. 9., gänzlich um⸗ gearbeitete Auflage von E. O. Schmidts Hand⸗ buch der vergleichenden Anatomie. 1. Abteilung, mit 191 Abbildungen. Jena, G. Fiſcher. 1885 Preis 5 M. Wenn der Verfaſſer ſein Buch als eine „gänzlich um⸗ gearbeitete Auflage von E. O. Schmidts Handbuch“ be⸗ zeichnet, ſo hat er damit eine faſt übergroße Beſcheiden⸗ heit an den Tag gelegt, denn es handelt ſich dabei geradezu um ein neues Werk von zum Teil höchſt origineller Anlage. Von beſonderem Wert erſcheinen die der vergleichend⸗ anatomiſchen Betrachtung der einzelnen Tierkreiſe voran⸗ geſchickten ſtyſtematiſchen Ueberſichten, ſowie die entwicke⸗ lungsgeſchichtlichen Ausblicke, wodurch dem Studierenden der Medizin eine raſche Orientierung ermöglicht wird. Wie dringend notwendig aber dieſelbe iſt, davon weiß jeder ein Liedchen zu ſingen, welcher ſich die Mühe geben will, dem mediziniſchen Vorexamen in der Abteilung für Zoologie einmal anzuwohnen. Die Verarbeitung des Stoffes zeugt von dem praktiſchen Sinne des Verfaſſers, welcher die Bedürfniſſe der Studierenden recht wohl zu würdigen weiß. Daß er in der Einleitung bezüglich allgemeiner biologiſcher Fragen (Anatomie und Phyſiologie der Zelle und Gewebe) etwas weiter ausholt als man dies von früheren Werken gewöhnt war, kann dem Buch nur zum Vorteil gereichen, warum aber dabei der ehrenwerte deutſche Name Binde⸗ ſubſtanz durch „Connectivgewebe“ erſetzt werden mußte, iſt nicht einzuſehen. Wenn ſich auch, wie oben ſchon erwähnt, Referent mit der Anordnung und Bear⸗ beitung des Stoffes im allgemeinen einverſtanden erklären Dammer. Humboldt. — Juli 1889. kann, ſo iſt er doch der Meinung, daß die Beſprechung der Protozo0en etwas zu weit vorangeſtellt wurde. Warum wurde nicht an den Bau und die Phyſiologie der Zelle die Betrachtung der Geſchlechtszellen, die Befruchtung und die geſchlechtliche Fortpflanzung der Metazoén gleich ange— ſchloſſen, und dann erſt — nach zuvor gebotener breiterer Grundlage und unter ſcharfer Her— vorhebung der Gegenſätze — der Kreis der Proto- zoeén abgehandelt? Auf dieſe Weiſe wären die letzteren in ein ungleich ſchärferes Licht gerückt worden und es hätten fic) dann Parallelen zwiſchen der Kopulation veſp. Konjugation und der Befruchtung der Metazoén in ge⸗ eigneterer Weiſe durchführen laſſen. Auch die geſchlecht⸗ liche Fortpflanzung der Volvoxkolonien würde dadurch in ihrer Darſtellung gewonnen haben. Daß weder im Litteraturverzeichnis noch im laufenden Text, ſoweit es ſich um die Protozoen handelt, der Name Auguſt Gruber er⸗ wähnt wird, iſt höchſt befremdend, und es iſt zu hoffen, daß der Herr Verfaſſer in einer zweiten Auflage, welche wir für ſein Buch in nicht allzuweite Ferne gerückt ſehen möchten, dieſe Unterlaſſungsſünde wieder gut macht. Außer den Protoz0én behandelt die 1. Abteilung des Langſchen Werkes die Coelenteraten, welche in ihren Unterab⸗ teilungen (Gastraeodae, Porifera, Cnidaria) einzeln zur Betrachtung gelangen. Mehr als die Hälfte des Buches iſt der Anatomie der Würmer gewidmet, und gerade dieſer Abſchnitt zeichnet ſich durch eine beſonders lichtvolle Dar⸗ ſtellung aus. Die zahlreichen in Zinkographie ausgeführten Abbildungen find faſt durchweg muſtergültig, wie denn die Verlagsbuchhandlung durch die Ausſtattung des Werkes im allgemeinen die größte Anerkennung und den Dank des wiſſenſchaftlichen Publikums verdient. Freiburg i. B. Prof. Dr. R. Wiedersheim. H. fe Die Hiftſchlangen Europas, be⸗ ſchrieben und in ihrer Lebensweiſe geſchildert. Magdeburg, Creutzſche Verlagsbuchhandlung. 1888. Europa iſt nur von wenigen Giftſchlangen heimge⸗ ſucht: die Halysſchlange, Sandviper, Aſpisviper, Hornviper (deren Vorkommen übrigens zweifelhaft) und die Kreuz⸗ otter, ſind die einzigen gefährlichen Schlangen Europas, von denen in Deutſchland nur die Kreuzotter in Betracht kommt. Von all dieſen gibt Verfaſſer in populärer, ſchlichter Darſtellungsweiſe eine Beſchreibung mit Angaben der Ver⸗ breitung, welche nur bei der Kreuzotter an der Hand der neueren hierüber erſchienenen Publikationen mehr im Ein⸗ zelnen hätten gehen dürfen. Angaben über Fang und Halten von Giftſchlangen mögen demjenigen willkommen ſein, der die immerhin beſondere Liebhaberei hegt, ſein Terrarium mit Giftſchlangen zu bevölkern. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Bibliographie. Bericht vom Monat Mai 1889. Allgemeines. Hahn, E., Illuſtrierte acta 50 die Volksſchule 3. u. 4. Aufl. Mannheim, Bensheimer. 2 Hirts, F., Realienbuch. Größere Sane (B.). 2. Aufl. Inhalt: Pflanzen⸗ und Tierkunde, bearbeitet von J. G. Pauſt und F. Stein⸗ bon M. —.55. Phyſik, Chemie und 40 bearbeitet n J. G. Pauſt. Breslau, Hirt. M. —. Jahrbuch der dai enſchaften 1888-1889. mann. ene urg, Herder. M. 6.—. Schillings, S., Grundriß der 1 el 1. 310 Das Tierreich. 16. Bearbeitung beſorgt von F. C. M. 3.3 — Dasſelbe. 3. Teil. Das Miberairerch. Ausg. ne 2 Teile. 14. polltanbig neue Bearbeitung von A. Mahrenholtz. Inhalt: 1. Orykto⸗ gnoſie. 2. Petrographie und Geologie. Breslau, Hirt. M. 2. 70. Schlenker, G., Ueber den naturgeſchichtlichen Anſchauungsunterricht an den unferen Klaſſen der Gymnaſien unb Lyceen. I. u. II. Tübingen, ues . —.80. Vorbereitungen und Entwürfe aus dem geſamten Unterrichtsgebiete der deutſchen Volksſchule. Hrsg. von A. Sprockhoff. Inhalt: 16. Anthro⸗ pologie und Zoologie von A. Sprockhoff und J. G. Pauſt. 19. 20. Phyſik, 1 0 108 f und Technologie von E. Kienaſt, W. Lichtb lau, A. Sprocthoff, R. Waeber. Breslau, Hirt. M. —. 50. 9250 von M. Wilder⸗ Shyſill. Calgary, A., und J. N. Teufelhart, Der ee Telegraph. Umgearbeitet vi Ergänze von H. Leeb. 2. Aufl. Wien, Staats. druckerei. M. Crüger, J., G der Phyſik, mit Rückſicht auf Chemie, als Leit⸗ (ann fiir die mittlere phyſikaliſche 2 methodiſch bearbeitet. Aufl. Leipzig, Amelang. 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Heidelberg, Winter. made Brümmer, Die Bedeutung des phosphorſauren Raltes für die Ernäh⸗ rung, Geſundheitserhaltung und Leiſtungsfähigkeit unſerer Haustiere. Oſterwieck, Zickfeld. M. 1. 50 Einer, * e Studien über den Zeitſinn. Dorpat, Karow. M Franck, E. Ueber die zeitlichen Verhältniſſe des Weſtektwriſchen und will⸗ kürlichen Lidſchluſſes. Königsberg, 5 15 Luck, A., Ueber e nber v und kranker Arterien⸗ wände. Dorpat, Karow. Mantegazza, P., Die Hygiene der Alimate Leipzig, Siew: M. 1.—. Moll, A., Der Hypnotismus. Berlin, Fiſcher. M. 4. Münſterberg, H., Beiträge zur experimentellen Pipchologie 1. Heft. Freiburg, Mohr. M. 4.—. — Gedankenübertragung. Vortrag. Freiburg, Mohr. M. —. 80. Anthropologie. Buchan, G., Ueber prähiſtoriſche Gewebe und Geſpinnſte, Unterſuchungen über ihr Rohmaterial, ihre Verbreitung in der prähiſtor. Zeit im Bereiche des heutigen Deuiſchland, ihre Technik, ſowie über ihre Ver⸗ änderung durch Lagerung in der Erde. Kiel, Gnevkow &v. Gellhorn. M. 2. 50. Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Neue Wellenmaſchinen von Profeſſor Dr. K. Fuchs in Preßburg. Die Wellenlehre iſt an und für ſich keines— wegs ſo kompliziert, daß man mehr als Tafel und Kreide brauchte, um ſie zum Verſtändnis zu bringen. Dennoch werden ſeit langem immer neue Verſuche gemacht, die intellektuelle Auffaſſung durch künſtliche Bewegung ma- terieller Punktreihen zu unterſtützen. Im folgenden ſoll ein Syſtem von Wellenmaſchinen beſchrieben werden, das | an Einfachheit und vielſeitiger Verwendbarkeit wohl von keinem älteren Syſtem übertroffen wird. 1. Die ein fache Transverſalwelle (Fig. 1). Man nimmt einen Rahmen von wenigſtens 1 m Seiten⸗ länge. An der vorderen Seite am innern Umfange ſind in gleichen (vom Centrum aus gemeſſenen) Winkelabſtän⸗ den 16 ganz kleine Klöbchen eingeſchraubt. Im Centrum befindet fic) ganz frei eine Scheibe mit ebenfalls 16 Klöb⸗ 286 chen am Umfange und ebenſoviel Stiften, analog den Stiften, mit welchen im Klaviere die Saiten geſpannt werden. Von dieſen Stiften aus gehen durch die peripheriſchen Klöbchen und die Rahmenklöbchen Fäden, deren Enden aber in der Zeichnung als abgeriſſen gezeichnet ſind. Auf der hinteren Seite des Rahmens an der oberen Leiſte nach unten zu find in gleichen Abſtänden 16 oder 24 16 Klöbchen eingeſchraubt. Sie ſind an der oberen Kante angedeutet, befinden ſich aber thatſächlich an der unteren Kante der oberen Leiſte. In der Zeichnung iſt auch die Numerierung dieſer Klöbchen angedeutet. Die Fäden gehen nun aus den Rahmenklöbchen der vorderen Seite durch die gleichnummerigen Klöbchen der hinteren Seite und tragen ſodann, vertikal nach unten hängend, in gleicher Höhe Bleikugeln. Wenn man vorn 2X16 Klöbchen hat, Humboldt. — Juli 1889. 7 = — 7 23 11 dann braucht man auch 2>< 16 Fäden, und in der centralen Scheibe 2X 16 Stifte, welche zur Regulierung der Faden⸗ längen dienen. Wenn man nun die Centriſcheibe nach ir⸗ gend einer Seite verſchiebt, ſo ſtellen ſich die Kugeln in eine Wellenlinie, und zwar iſt die Strecke, um welche man die Scheibe aus dem Centrum verſchoben hat, gleich der halben Amplitude der Welle. Wenn man die Centri⸗ ſcheibe um den Rahmenmittelpunkt in beliebigem Abſtande im Kreiſe dreht, dann erhält man laufende Wellen, deren Amplitude gleich iſt dem Durchmeſſer des beſchriebenen Kreiſes. Wenn man aber die Centriſcheibe nur in irgend einer Richtung geradlinig hin und her bewegt, dann erhält man ſtehende Wellen von der Amplitude der Verſchiebungs⸗ ſtrecke. Dieſer einfache Apparat liefert alſo nach Belieben ſtehende oder laufende Wellen von beliebig variierbarer Humboldt. — Juli 1889. 287 Amplitude. Wenn man keine hinreichend ſichere Hand hat, um die Kreisbahn der Centriſcheibe zu treffen, dann kann man durch den Mittelpunkt des Rahmens eine Leiſte legen, durch welche eine Achſe geht, die mittels eines verſtellbaren Armes und einer Kurbel die Centriſcheibe genau im Kreiſe führt. Interferenz zweier einfachen Wellen (Fig. 2). In denſelben Rahmen kann man, wenn man ihn etwa 1 dm breit macht, leicht dasſelbe Fadenſyſtem in zwei Exemplaren einſetzen. Man hat dann zwei Centriſcheiben Lund II, und die Kugeln erſcheinen in zwei Reihen hinter- einander, Ry und Ro. Es iſt gut, den beiden Kugelreihen verſchiedene Farben zu geben. Die Centriſcheiben bewegt man mittels einer durch einen Querbalken gehenden Achſe und zwei an den beiden Enden derſelben verſtellbaren Armen. Je zwei korreſpondierende Kugeln tragen nun eine nach unten gehende Schleife, welche durch einen Ring geht. Durch denſelben Ring geht auch ein Faden, welcher aus einem Klöbchen e an der unteren Leiſte des Rahmens entſpringt und an ſeinem überhängenden Ende wieder eine andersgefärbte Kugel Rz trägt. Wenn man dann oben beiſpielsweiſe die linke Kugel um 3 em hebt, dann hebt ſich auch die untere Kugel um 3 em. Wenn dann die rechte Kugel um 5 em ſinkt, dann ſenkt ſich auch die untere Kugel um 5 cm; kurz, die untere Kugel zeigt als Abweichung die algebraiſche Summe der Abweichungen der beiden oberen Kugeln. Das heißt aber nichts anderes, als daß die untere Kugelreihe die Interferenzwelle der beiden oberen Kugelreihen zeigt. Wenn man die Länge der Scheibenarme und den Winkel, den dieſelben mitein— ander bilden, variiert, dann erhält man alle möglichen Typen der Interferenz zweier laufenden Wellen von gleicher Länge aber verſchiedener Amplitude und beliebiger Ver— ſchiebung gegeneinander. Wenn man Wellen von ver— ſchiedener Länge, alſo auch verſchiedener Schwingungsdauer interferieren laſſen will, dann kompliziert ſich die Führung der Centriſcheiben, da ſie mit verſchiedener Geſchwindigkeit kreiſen müſſen. Wir wollen dieſe Komplikation in der vorliegenden orientierenden Abhandlung übergehen. Elliptiſche Transverſalſchwingungen mit be— liebiger Excentrieität und beliebiger Lage der Achſen. Transverſalſchwingungen mit drehbarer Schwingungsebene (Fig. 3). Man nimmt zwei Rahmen, welche einen Winkel von etwa 40“ miteinander bilden. In den linken Rahmen ſind wie im vorhergehenden Apparate zwei Fadenſyſteme geſpannt. Die Fäden des zweiten Syſtemes (zur Centriſcheibe II gehörig) ſind aber oben, wo die Rahmen klaffen, in den zweiten Rahmen hinübergeleitet. Die aus den beiden Oberleiſten tretenden Fäden treffen ſich je zwei ſchräg unter einem rechten Winkel, wo ſie die Kugel K tragen. Die Scheiben werden wieder mittels einer Achſe geführt, welche an ihren beiden Enden nach Länge und Winkel verſtellbare Arme trägt. Wenn man Länge und Winkel der Arme variiert, erhält man elliptiſche Transverſalſchwingungen von bebiebiger Excentri— eität und Achſenlage. Wenn man beiſpielsweiſe die Arme den Winkel O° oder 180° bilden läßt und variiert nur ihre Länge, dann erhält man geradlinige Schwingungen, aber von beliebiger Lage der Schwingungsebene. Wenn man die Arme gleich lang ſein läßt, aber unter einen Winkel von 90° ſtellt, dann erhält man kreisförmige Schwingungen. Wenn man dann die Armſtellungen ver- Werk Fragen und Anregungen. Herr A. E., Brünn. Denken wir uns vor allem die hindernde Luftſchicht um die Erde fort, ſo wird ein fahren— der (d. h. ein mit der nötigen lebendigen Kraft verſehener) Eiſenbahnzug, wenn man von der Durchbiegung der Schie⸗ nen abſieht, natürlich nicht auf die Erde wirken; denn ſämtliche von der Maſchine geleiſtete Arbeit wird durch die gleitende Reibung in den Achſen ꝛc., ſowie durch die rol— tauſcht, dann dreht man hierdurch die Richtung der Kreis— bewegung um 2¢. Polariſation des Lichtes (Zerlegung einer Welle in zwei aufeinander ſenkrecht ſchwin— gende Wellen (Fig. 4). Der Apparat iſt nur eine kleine Abänderung des vorigen. Die erſten 16 Kugeln fungieren wie oden beſchrieben. Die zweiten 16 Kugeln ſind durch je zwei Kugeln in folgender Weiſe erſetzt. Die eine Kugel Ky wird links vom Syſtemfaden getragen, rechts aber von einem Hilfsfaden hy von unveränderlicher Länge, welcher an der rechten Seite entſpringt. Die zweite Kugel Ky hingegen wird umgekehrt rechts vom Syſtemfaden getragen, links aber von einem Hilfsfaden hy von konſtanter Länge. In der Figur ſind dieſe beiden korreſpondierenden Kugeln übereinanderliegend gezeichnet; in Wirklichkeit liegen ſie in derſelben Höhe. Die erſten 16 Kugeln zeigen dann die gegebene Welle, die zweiten 16 Kugelpaare hingegen liefern die beiden aufeinander ſenkrecht ſtehenden Wellen— komponenten. Es ſchwingt aber nicht die eine Welle ver- tikal, die andere horizontal, ſondern beide mit einer Nei— gung von 45°. In der Mitte, wo die Einzelkugeln in Kugelpaare übergehen, iſt die Oberfläche des polariſierenden Mediums zu denken. Waſſerwelle (Fig. 5). Wir haben wieder in einem Rahmen zwei Fadenſyſteme. Die zwei Klöbchenreihen liegen aber getrennt an einer langen Leiſte, wenn auch nicht vollkommen in einer Geraden. Die gleichnummerigen Fäden vereinigen ſich unter einem rechten Winkel, wo ſie die gemeinſchaftliche Kugel tragen. Die Scheibenführung iſt dieſelbe, wie in den letzten Apparaten. Die Kugeln beſchreiben dann je nach der Stellung der Arme der Achſe Ellipſen von verſchiedener Excentricität in einer Ebene. Kompoſition von zwei beliebigen, beliebig im Raume gelegenen elliptiſchen Schwingungen (Fig. 6, 7). Drei gleich große Zahnräder Ay Ay Ag von von wenigſtens 2 dm Durchmeſſer werden durch das Zahn— rad Ci getrieben, während die ganz gleichen Räder By By Bs durch das mit Cy verbundene Rad Cy getrieben werden. Oi und On find auswechſelbar (und folglich die Achſe ver— ſtellbar), ſo daß man die Umlaufszeiten von A und B in ein beliebiges Verhältnis ſetzen kann. Jedes Rad trägt einen nach Winkel und Radius verſtellbaren Arm, wie er etwa in Fig. 8 gezeichnet iſt. Von deſſen Armen aus gehen Fäden in wenigſtens 1 m Entfernung durch ſechs Klöbchen ssy, von dort durch ſechs Klöbchenpaare 31 Sy og, welche nach den Ecken eines gleichſeitigen Drei— eckes von 2—3 m Seitenlänge in die Zimmerdecke ge— ſchraubt ſind (Fig. 7). Von dieſen Klöbchen aus gehen die Fäden durch Ringe ry rp rz und vereinen ſich. Von dieſen Ringen aus gehen drei Fäden cy cg eg, welche ſich rechtwinklig treffen und die Kugel K tragen. Die Klöbchenpaare müßten etwas auseinandergerückt ſein, ſonſt verzwirnen fic) die Fäden. Wenn man die Fäden b feſthält (etwa um einen Nagel ſchlingt) und nur die Fäden a ſpielen läßt, indem man die Axe von C Cy dreht, dann beſchreibt K eine Ellipſe. Durch geeignete Wahl der Arm— ſtellungen an den A-Rädern kann man dieſer Ellipſe eine beliebige Lage, beliebige Größe und beliebige Excentricität von 0 bis 1 geben. Eine zweite beliebige Ellipſe liefern die B-Räder. Läßt man alle ſechs Fäden ſpielen, dann zeigt K die Summe der beiden Ellipſen. e h r. lende auf den Schienen verbraucht und fo in Wärme um⸗ gewandelt. Sobald wir jedoch nun den Luftwiderſtand in Betracht ziehen, ſehen wir, daß der Zug einen Druck nach rückwärts erhält, der ſich natürlich auch auf die Schienen und ſo auf die Erde erſtreckt und dieſelbe entgegengeſetzt der Zugrichtung zu drehen ſucht. Allerdings wird nun auch die umgebende Luft durch den Zug in Bewegung geſetzt und wirkt ſo in der Richtung des Zuges drehend auf die Erde, jedoch iſt dieſe Kraft geringer, da ein großer Teil 288 Humboldt. — Juli 1889. durch Reibung unter ſich und an dem Erdkörper in Wärme umgewandelt wird. Man kommt jo zu dem Schluß: daß der Zug allerdings bei ſeiner Fahrt von Weſt nach Oſt hemmend auf die Erdrotation wirkt, in entgegengeſetzter Richtung natürlich fördernd. Ganz andere Verhältniſſe wirken bei der Anfahrt und beim Bremſen, weil hierbei die Maſſe des Zuges in Bewegung geſetzt werden muß, und hierdurch die Erde eine entſchieden entgegengeſetzte, reſp. gleichgerichtete (jedoch dann kleinere) Drehung erhält. Dasſelbe trifft natürlich auch beim Schiffe zu. Ein außer⸗ irdiſcher Standpunkt iſt hierzu nicht nötig, denn ſchon das Heben einer gewiſſen Maſſe wirkt hemmend auf die Erde, weil dieſelbe ein größeres Trägheitsmoment erhält. — Im Februarheft befindet ſich eine Verurteilung eines Veranſchaulichungsbeiſpiels der Erdrotation, welches Prof. Schmidt, Stuttgart, angegeben habe. Hierzu iſt zu be⸗ merken, daß das Schwungrad genau ſo wie der Pendel das Beſtreben hat, in einer Ebene zu verharren (Kreiſel). Natürlich würde auch hier, wie bei dem Foucaultſchen Ver⸗ ſuch, durch die Luft und Steifigkeit des Aufhängedrahtes (ev. die Trägheit der Schneiden der cardaniſchen Auf⸗ hängung) ein Zurückbleiben (durch die Reibung am Waſſer) hinter dem theoretiſchen Werte ſtattfinden, welche Differenz man jedoch im Verhältnis zur ſcheinbaren Drehung durch genügend raſche Rotation des Schwungrades beliebig klein machen könnte. Dresden. Thiele. Herrn A. E. Brünn. Wenn ein Eiſenbahnzug mit konſtanter Geſchwindigkeit von Weſt nach Oſt fährt, alſo eine konſtante Umdrehungsgeſchwindigkeit größer als die normale Umdrehungsgeſchwindigkeit der Erde beſitzt, dann wird gleichzeitig für die ganze Dauer der Eiſenbahnfahrt die Erde eine konſtante Umdrehungsgeſchwindigkeit kleiner als die normale Umdrehungsgeſchwindigkeit beſitzen. Wenn der Zug ſtehen bleibt, dann erhält die Erde ihre normale Um⸗ drehungsgeſchwindigkeit wieder zurück. Durch dieſe Fahrt iſt der Zug ſeiner Zeit vorgeeilt, wie ja allgemein bekannt iſt; die Erde aber iſt gleichzeitig in der Zeit zurückgeworfen, ſie hat ſich verſpätet, wenn auch um eine unendlich kleine Zeit. Es exiſtiert auch ein Apparat (ich glaube von Wal⸗ tenhofen), welcher dieſe überraſchenden Konſequenzen des Prinzips der Erhaltung der Flächengeſchwindigkeit demon⸗ ſtriert. Wenn dieſe Reaktion des Zuges nicht beſtünde, könnte man ja der Erde eine beliebige Umdrehungsgeſchwin⸗ digkeit geben, d. h. den Tag beliebig kurz machen. Man brauchte nur (praktiſche Abſurditäten ſind in der Mathe⸗ matik erlaubt) die ganze Maſſe der Erde mit Ausnahme einer dünnen Oberflächenhaut zu Lokomotiven zu verar⸗ beiten und dieſe auf der übrig gebliebenen Haut ſchnell nach Oſten fahren zu laſſen. Das Beiſpiel mit dem Schiffe iſt nicht richtig ent⸗ wickelt. Wenn ein Schiff im widerſtandloſen Weltraume ſeiner Trägheit folgend mit konſtanter Geſchwindigkeit ge⸗ radlinig dahinſchwebte, und der Steuermann ginge vom Hinterteil nach dem Vorderteil, dann würde ſo lange, als der Steuermann geht, d. h. vermehrte abſolute Geſchwin⸗ digkeit beſitzt, das Schiff verminderte Geſchwindigkeit zeigen. Nur der Schwerpunkt des Syſtemes Steuermann⸗Schiff würde ſich mit unvermindeter Geſchwindigkeit bewegen, während der Schwerpunkt des Steuermanns vergrößerte, der des Schiffes verminderte Geſchwindigkeit zeigt. Das iſt ja der Sinn des bekannten Satzes, daß durch innere Kräfte die Geſchwindigkeit des Syſtemſchwerpunktes nicht verändert wird. Sobald der Steuermann ſtehen bleibt, erhält das Schiff ſeine urſprüngliche Geſchwindigkeit zurück; er iſt aber definitiv vorgeeilt, d. h. befindet ſich abſolut weiter vorn, als wenn er hinten ſtehen geblieben wäre erreicht ein even⸗ tuelles Ufer früher), während das Schiff definitiv zurück⸗ geworfen iſt, (d. h. ein eventuelles Ufer um einen Moment ſpäter erreicht, als wenn der Steuermann ſtehen geblieben wäre). Preßburg. Profeſſor K. Fuchs. Frage 6. Wenn man eine Flüſſigkeit im Strahl in eine andere fallen läßt, ſo verſpritzen kleine Tropfen. Woraus beſtehen dieſe, aus einer der beiden Flüſſigkeiten und aus welcher, oder aus einer Miſchung beider? Antwort. Die Frage nach dem Urſprung der Tröpf⸗ chen, welche aufſpringen, wenn ein Flüſſigkeitsſtrahl in einen Flüſſigkeitsſpiegel fällt, iſt wohl hauptſächlich mit Rückſicht auf Waſſer geſtellt. Für dieſen Fall iſt es leicht, ein qualitatives Reſultat zu erzielen. 1. Einen Strahl von reinem Waſſer läßt man aus einem hochgeſtellten Gefäß in ein großes Becken fallen, deſſen Waſſer man mit Schwefelſäure ſchwach angeſäuert hat. Sodann belegt man die Unterſeite eines Brettchens mit naſſem, blauem Lackmuspapier und ſetzt dasſelbe den auf⸗ ſpritzenden Tröpfchen aus. Die Tröpfchen röten dann, ſoweit man mit dem Auge urteilen kann, das Lackmuspapier ebenſo ſchnell und ebenſo energiſch, wie wenn man das Papier mit direkt dem Becken entnommenem Waſſer be- ſprengt. Hieraus folgt, daß die aufſpringenden Tröpfchen wenigſtens zum größten Teile dem Becken, und nicht dem Strahle entſtammen. 2. Man läßt einen Strahl von Waſſer, das man mit Schwefelſäure angeſäuert hat, in ein großes Becken mit reinem Waſſer, das man fortwährend umrührt, einfallen, und fängt die aufſpritzenden Tröpfchen abermals mit ge⸗ bläutem feuchtem Lackmuspapier auf. Die Tröpfchen wirken dann ſehr ſchwach rötend, woraus folgt, daß ſie von der Flüſſigkeit des Strahles nur ſehr wenig enthalten können. 3. Man läßt einen Strahl geſäuerten Waſſers in ein kleineres Becken fallen, in deſſen Waſſer man etwas Am⸗ moniak gegoſſen hat. Der Strahl bleibt dann immer gleich ſauer; aber das Waſſer im Becken fließt bald über, und hierdurch, ſowie durch die einfallende Schwefelſäure wird der Gehalt an freiem Ammoniak immer kleiner. Wenn man nun die Tröpfchen mit gerötetem Lackmuspapier unter⸗ ſucht, dann findet man, daß die Tröpfchen augenſcheinlich etwa ebenſo lange bläuend wirken, wie Tröpfchen, die man etwa mittels eines Glasſtäbchens direkt dem Becken entnommen hat. Hieraus folgt abermals, daß die fraglichen Tröpfchen mindeſtens zum größten Teile aus der Flüſſig⸗ keit des Beckens beſtehen. Wir hoffen, bei ſpäterer Gelegenheit erſchöpfendere Daten über dieſe Erſcheinung mitteilen zu können. Preßburg. Profeſſor K. Fuchs. Schwungrad. Im Februarheft des Humboldt be⸗ zweifelt Dr. Ludwig die Behauptung, daß ein Schwung⸗ rad auf einem Floße die Foucaultſche Drehung zeigen würde, indem er vermutet, daß das Schwungrad eine mit der Erde harmonierende Trägheitsbewegung beſitzt, wie das Waſſer in einem Schaff. Dr. Ludwig irrt wohl. Einem Schwungrade, welches ſich um eine horizontale Achſe dreht, kann man keine Drehungsgeſchwindigkeit um eine vertikale Achſe aufzwingen, die es vermöge ſeiner Trägheit behalten würde. Der Widerſtand, den es jeder ſolchen Drehung ent⸗ gegenſetzt, iſt ja die frappanteſte Erſcheinung des Foucaultſchen Kreiſels. Der Verſuch würde ſich aber auch ohne einen Mann und einen Teich im Laboratorium machen laſſen, wenn man in ein Schaff auf ein Floß einen kleinen Elektromotor ſamt Batterie oder eine kleine Schuldampfmaſchine ſtellt. Preßburg. Profeſſor K. Fuchs. Frage 7. Pallas macht in ſeinen Reiſebeſchreibungen die Temperaturangaben nach dem heute gänzlich vergeſſenen Delisleſchen Thermometer und ſetzt deſſen offenbar abſon⸗ derliche Konſtruktion als bekannt voraus. Sehr wichtige Stellen werden hierdurch unverſtändlich. Wie iſt die Skala des Delisleſchen Thermometers eingeteilt? Frage 8. Man ſagt, ein fallender Körper ſei leichter als ein ruhig aufliegender, ein Mann in einem nieder⸗ gehenden Aufzugskorbe drücke mit ſeiner Sohle den Boden des Korbes ſchwächer, als wenn der Korb ruht, oder der niedergehende Korb ſpanne das Seil ſchwächer als der ruhig hängende Korb. Wie verhält ſich die Sache? Ueber das Grenzgebiet zwiſchen Elektricität und Optif. Don Direktor Dr. J. G. Wallentin in Troppau. We hin Verſuch, auf theoretiſchem Wege den Zuſammenhang zwiſchen Elektricität und Licht zu erörtern, iſt von Maxwell in deſſen — „elektromagnetiſcher Lichttheorie“ gemacht orden. Nach Maxwell ſind die Erſcheinungen der Gravitation der magnetiſchen und elektriſchen Kräfte durch ein zwiſchen den aufeinanderwirkenden Körpern befindliches Medium, das wahrſcheinlich der Lichtäther iſt, verurſacht. Schon Faraday hatte dieſe Anſicht ausgeſprochen und das Zwiſchenmedium mit einem zuſammengepreßten Stabe oder einem geſpannten Seile verglichen; es ſoll dieſes Zwiſchenmedium, etwa die iſolierende Subſtanz einer Leidner Flaſche, in einem Zuſtande mechaniſcher elektriſcher Spannung ſein. Durch eine äußere Kraft werden in einem Dielektri— kum analog wie in einem Magneten die Elemente polariſiert, und es hört dieſer Polariſationszuſtand auf, ſobald die Scheidungskraft aufhört. Die Po— lariſation beſteht in einer elektriſchen Verſchiebung in dem betreffenden Elemente, welche die Richtung der ſcheidenden Kraft hat. Maxwell nennt das Ver- hältnis der letzteren zur entſprechenden Verſchiebung den „Koeffiecient der elektriſchen Clafticitat” in dem betrachteten Medium. Die Folge der elek— triſchen Verſchiebungen iſt ein elektriſcher Strom. — Aus der Mapwellſchen Theorie folgt, daß die elektro⸗ magnetiſche Induktion durch Deformationen oder Schwingungen desſelben Aethers, welcher die Licht— ſchwingungen erzeugt, räumlich fortgepflanzt wird oder daß Licht ſelbſt eine elektromagnetiſche Störung iſt. Die erſte Aehnlichkeit zwiſchen den Arten der Fort— pflanzung des Lichtes und der elektromagnetiſchen In duktion iſt die, daß — wie mathematiſch auf Grund der von Maxwell aufgeſtellten Gleichungen gezeigt wird — in beiden Fällen die Störung unter rechten Winkeln zur Richtung der Fortpflanzung ſtattfindet. Die Richtungen der magnetiſchen ſowohl als auch der elektriſchen Störungen befinden ſich ebenſo unter rechten Hun kboldt 1889. Winkeln zu den Kraftlinien, wie die Lichtſchwingun— gen zum Strahle. Die nächſte Frage war die, ob die Geſchwindigkeiten der Fortpflanzung des Lichtes und der elektromagnetiſchen Induktion identiſch ſind. Cornu hat im Jahre 1874 die Geſchwindigkeit des Lichtes per Sekunde im Maximum zu 3,004 >< 10 em beſtimmt, was für den lufterfüllten Raum 3,0031 10 em gibt; nach G. Forbes beträgt die Ge— ſchwindigkeit des roten Lichtes 2,9826 >< 10 cm. Andererſeits lieferten die neueſten Beſtimmungen des Verhältniſſes der elektroſtatiſchen und elektromagne— tiſchen Einheit für die Geſchwindigkeit der elektro— magnetiſchen Induktion die ſehr nahe Zahl 2,9857 >< 10˙ cm. Dieſes Verhältnis beſitzt die Dimen— ſion einer Geſchwindigkeit und zwar iſt dies jene Ge— ſchwindigkeit, mit welcher ſich zwei Elektricitätsteilchen nebeneinander bewegen müſſen, damit die von ihnen hervorgerufene (durch Rowlands Verſuche gefundene) elektrodynamiſche Anziehung gerade der zwiſchen ihnen ſtattfindenden elektroſtatiſchen Abſtoßung gleichkomme. Es iſt alſo die Geſchwindigkeit des Lichtes in Luft und die Geſchwindigkeit der elektromagnetiſchen In— duktion faſt gleich. Aus der elektromagnetiſchen Theorie des Lichtes folgt noch das bemerkenswerte Reſultat, daß das ſpecifiſche Induktionsvermögen oder die Di— elektricitätskonſtante eines dielektriſchen Körpers im Verhältniſſe zur Dielektricitätskonſtante der Luft gleich dem Quadrate des auf Luft bezogenen Bre— chungsexponenten dieſer Subſtanz iſt. Zum Begriffe der Dielektricitätskonſtante gelangt man auf folgende Weiſe: Ein Kondenſator, zwiſchen deſſen Bewegungen ein dielektriſcher feſter oder flüſſiger Körper ſich be— findet, nimmt unter beſtimmten Bedingungen eine gewiſſe Elektricitätsmenge auf; derſelbe Kondenſator würde mit Luft zwiſchen ſeinen Belegungen weniger Elektricität aufzunehmen haben, damit die Potential— differenz ſeiner Belegungen dieſelbe wie im erſten 37 290 Humboldt. — Auguſt 1889. Kondenſator wäre. Die Kapazität oder Aufnahme⸗ fähigkeit eines Kondenſators mit einem feſten oder flüſſigen Dielektrikum als Zwiſchenſubſtanz iſt daher bedeutender als jene eines Luftkondenſators von den⸗ ſelben Dimenſionen und derſelben Beſchaffenheit. Die Zahl, mit welcher man die Kapazität eines Luft⸗ kondenſators multiplizieren muß, um jene desſelben Kondenſators, der mit dem Dielektrikum erfüllt iſt, zu erhalten, wird nun nach Faraday das ſpeeifiſche Induktionsvermögen des dielektriſchen Körpers ge⸗ nannt. Durch ausgezeichnete Experimentalforſchun⸗ gen, welche von Cavendiſh begonnen worden, wurde die Dielektricitätskonſtante verſchiedener Dielektrika beſtimmt. Die Brechungsexponenten dieſer Subſtan⸗ zen konnten nach verſchiedenen Methoden mit großer Genauigkeit angegeben werden, und fo war es mög— lich, das oben angegebene Ergebnis der Theorie zu beſtätigen. Selbſtverſtändlich muß auf die Farben⸗ zerſtreuung der brechenden Medien Rückſicht genom⸗ men werden. Es iſt bekannt, daß der Brechungsindex ſich mit der Wellenlänge des Lichtes ändert, und es iſt daher angezeigt, jenen Wert des Brechungsexpo⸗ nenten in Erwägung zu ziehen, welcher der größten Wellenlänge entſpricht. Bei Paraffin — um ein Beiſpiel dieſer Art zu geben — variieren die Bre⸗ chungsexponenten der äußerſten Lichtſtrahlen von 1,43 bis 1,45; die Quadratwurzel aus dem ſpecifiſchen Induktionsvermögen dieſes Körpers iſt 1,51, alſo nicht ſehr viel von dem Brechungsindex desſelben ver⸗ ſchieden. Es iſt bei derartigen Vergleichungen auch zu erwägen, daß die nicht einfache Beſtimmung der Dielektricitätskonſtanten viele Fehlerquellen in ſich birgt. Nicht immer iſt die Uebereinſtimmung zwiſchen dem Experimente und dem theoretiſch vorhergeſagten Ergebniſſe eine ſo gute, wie in dem eben angegebenen Falle; meiſt findet man den Wert der Dielektricitäts⸗ konſtante etwas größer, als das Quadrat des Bre⸗ chungsexponenten. Für Gaſe, als Dielektrika ange⸗ wendet, hat ſich aus den Verſuchen Boltzmanns eine große Uebereinſtimmung der Dielektricitätskonſtanten und dem Quadrate des Brechungsexponenten ergeben; bei den Gaſen iſt die Brechung geringer, und es kann in denſelben die Farbenzerſtreuung vernachläſſigt wer⸗ den. Es wurden auch Körper unterſucht, die in ver⸗ ſchiedenen Richtungen verſchiedene Elaſticitätsverhält⸗ niſſe darbieten und demzufolge in dieſen Richtungen verſchiedene Brechungsindices beſitzen müſſen. Als einen ſolchen Körper wählte Profeſſor Boltzmann eine Kugel aus kryſtalliniſchem Schwefel und fand nach einer ſehr ingeniöſen Methode die Dielektricitäts⸗ konſtanten des Schwefels in den drei Hauptrichtun⸗ gen: 4,773, 3,970, 3,811. Nach der oben aufge⸗ ſtellten Beziehung wurden die Dielektricitätskonſtanten in den oben angegebenen drei Hauptrichtungen be⸗ rechnet und für dieſelben die Werte: 4,596, 3,886, 3,591 gefunden; man erkennt leicht, daß der Unter⸗ ſchied der berechneten und beobachteten Werte kein erheblicher iſt. Außer dem oben bezeichneten Um⸗ ſtande der Schwierigkeit der Beſtimmung der Die elektricitätskonſtanten muß auch noch darauf aufmerk⸗ ſam gemacht werden, daß nach mehreren Verſuchen die Dielektricitätskonſtante in bemerkenswerter Weiſe eine Verminderung erfährt, wenn die Elektriſierung länger andauert. Es iſt, wie von Mascart in tref— fender Weiſe bemerkt wird, nun „die Periode der elek— triſchen Schwingungen, welche man zur Erklärung der Lichterſcheinungen annehmen muß, ganz außer Verhältnis mit dem kleinſten Zeitintervalle, welches man in den Verſuchen bei der Beſtimmung der Di— elektricitätskonſtanten anwenden kann“. — Unter allen Umſtänden kann man dieſe Verſuche als eine hübſche Beſtätigung der elektromagnetiſchen Lichttheorie be⸗ trachten. Die Erörterung der aus der elektromagnetiſchen Theorie des Lichtes entwickelten Gleichungen liefert auch das merkwürdige Reſultat, daß ein Lichtſtrahl in einem Medium einen Druck parallel zur Fort⸗ pflanzungsrichtung ausübt, und daß demzufolge eine ſehr leicht bewegliche, etwa drehbare Metallplatte, welche in den Gang der Lichtſtrahlen geſtellt wird, eine Repulſion erfahren wird. Vielleicht hat man wenigſtens zum Teile in dieſem Effekte der Lichtſtrahlen eine Erklärung für die Bewegung der Radiometer. Eine weitere Konſequenz der elektromagnetiſchen Lichttheorie iſt die, daß in verſchiedenen Medien die Abſorption des Lichtes zunehmen muß, wenn die elek⸗ triſche Leitungsfähigkeit der betreffenden Körper zu⸗ nimmt. Die Metalle ſind nun thatſächlich in dickeren Schichten opak und ausgezeichnete Elektrieitätsleiter. Allerdings darf man dieſe Relation nicht als voll⸗ kommen genau anſehen, denn man weiß, daß gewiſſe Metalle, z. B. Gold, in ſehr geringer Dicke durch⸗ ſichtig ſind und daß umgekehrt mehrere Dielektrika Undurchſichtigkeit beſitzen. Eine Beſtätigung des theo- retiſch vorhergeſagten Reſultates iſt die von Sylvanus Thompſon gemachte Beobachtung, daß bei mehreren Kryſtallen, welche die Cleftricitat in einer Richtung beſſer leiten als in einer anderen, die Undurchdring⸗ lichkeit für Licht demzufolge eine verſchiedene iſt. Die Verſuche wurden mit Turmalinkryſtallen gemacht; farbige Sorten derſelben leiten die Elektricität recht⸗ winkelig zur Längenachſe des Kryſtalles beſſer, als in dieſer ſelbſt. Dieſe Turmalinkryſtalle ſind für Licht, welches in der Kryſtallachſe ſich fortpflanzt, weitaus undurchſichtiger, als für Licht, welches rechtwinkelig zur Längenachſe des Kryſtalles ſich fortpflanzt. Wenn die Lichtſtrahlen ſenkrecht zur Achſe des Kryſtalles gehen, werden die Oscillationen ſenkrecht zur Achſe ſtärker abſorbiert, als jene, welche parallel zur Achſe ſind, und daraus folgt, daß das durchgehende Licht polariſiertes Licht iſt. Auch die oben ausführlich erörterte magnetiſche Drehung der Polariſationsebene des Lichtes wird von Maxwell durch ſeine elektromagnetiſche Theorie und zwar durch „Molekularwirbel“ erklärt. Es ſcheint übrigens, daß dieſe Erſcheinungen mit einer von Hall entdeckten Thatſache im engſten Zuſammenhange ſtehen. Läßt man einen kräftigen Magnet auf einen Strom wirken, welcher in einem ſehr dünnen Metallſtreifen fließt, ſo ſind die Linien gleichen Potentiales, wie Humboldt. — Auguſt 1889. Hall gezeigt hat, nicht mehr rechtwinkelig zu den Strombahnen oder Stromlinien. Schneidet man aus einem ſehr dünnen Goldblatte etwa ein Kreuz und verbindet die horizontal geſtellten Enden desſelben z. B. mit den Polen einer Batterie, die Enden des vertikalen Kreuzteiles mit einem Galvanometer, ſo kann man leicht bewirken, daß kein Teil des Stromes durch das Galvanometer fließt. Bringt man dieſen Leiter in ein ſehr intenſives magnetiſches Feld, ſo daß deſſen Kraftlinien perpendikulär zur Ebene des Kreuzes ſind, ſo zeigt eine permanente Ablenkung der Galvanometernadel an, daß das Galvanometer von einem konſtanten Strome durchſetzt wird. Bei gleich— bleibender Richtung des Batterieſtromes und gleich— bleibender Richtung der magnetiſchen Kraftlinien iſt der in dem Blatte entſtehende Strom, wenn dieſes Blatt aus Gold, Silber, Platin oder Zinn iſt, von derſelben Richtung; iſt hingegen das Blatt aus dün— nem Eiſen, ſo erfährt der Strom unter denſelben Bedingungen eine Umkehrung ſeiner Richtung. Wird die Dicke des Blättchens vergrößert, ſo hört die Wir⸗ kung auf, merklich zu ſein. Es iſt der Koefficient der transverſalen Verſchiebung der Stromlinien, welche das magnetiſche Feld erzeugt, bei Gold ſchwach po— ſitiv, bei Wismut ſtark poſitiv, hingegen bei Eiſen negativ. Das Phänomen von Hall würde auch dar— thun, daß entgegen der allgemein angenommenen Mei— nung, in den elektromagnetiſchen Erſcheinungen die Wirkung ſich nicht nur auf die Stromleiter, ſondern auch auf die Ströme ſelbſt erſtreckt. Jedenfalls iſt aus der erörterten Thatſache zu erſehen, daß ein mag— netiſches Feld im ſtationären Zuſtande eine elektro— motoriſche Kraft entwickelt, welche Elektricität im Sinne der elektromagnetiſchen Wirkung fortzuführen ſtrebt. Daß bei Eiſen der Strom die entgegenge— ſetzte Richtung annimmt, iſt dem Umſtande zuzu— ſchreiben, daß zufolge der Magnetiſierung im Inneren einer Eiſenplatte der Sinn der Kraftlinien und die Richtung der elektromagnetiſchen Kraft ihre Zeichen gewechſelt haben. Zum Schluſſe der vorliegenden Abhandlung mögen noch einige neu entdeckte Thatſachen der Elektrooptik in Kürze Erwähnung finden: Die von Becquerel gegen die Mitte unſeres Jahrhundertes gefundene Erſcheinung, daß zwei mit friſchem Silberchlorür über⸗ zogene Silberplatten, die in Waſſer geſtellt und mit einem Galvanometer verbunden werden, einen Strom anzeigen, wenn die eine der beiden Platten von Licht beſtrahlt wird, wobei dieſe als negativer Pol fun⸗ giert, iſt in den letzten Jahren vielfach beobachtet worden und zeigt den Einfluß des Lichtes auf die Molekularkonſtitution der Körper, welche von dem— ſelben getroffen werden, ebenſo an, wie die Verſuche mit Selen, Tellurium und Kohle, welche Subſtanzen für das Licht empfindlich ſind und unter dem Ein⸗ fluſſe des letzteren ihren Leitungswiderſtand ändern. Die ſpeciellen von Smith und Adams gemachten Ver⸗ ſuche mit kryſtalliniſchem Selen, welche darthun, daß die Aenderung des elektriſchen Widerſtandes der Quadratwurzel aus der Lichtintenſität der Lichtquelle 291 direkt proportional iſt, ſind bekannt, ebenſo der auf dieſer Thatſache gegründete Apparat, das Pho— tophon, mittels deſſen die Uebertragung von Schall— wellen in die Ferne durch eine beſtrahlte Selenzelle und ein mit derſelben verbundenes Telephon ermög— licht wird. Vor ganz kurzer Zeit hat N. Heſehus in Petersburg und unabhängig von demſelben S. Kaz liſcher im phyſikaliſchen Inſtitute zu Berlin bemer- kenswerte Verſuche mit der Selenzelle vorgenommen. Kaliſcher konſtruierte Selenzellen, in welchen das Licht eine elektromotoriſche Kraft hervorrief; zu dieſem Zwecke mußte das Selen auf 190 — 1955 erhitzt, etwa eine halbe Stunde auf dieſer Temperatur er—⸗ halten werden, dann mußte eine allmähliche Abküh— lung erfolgen; öfters zeigte eine Wiederholung dieſes Vorganges den gewünſchten Erfolg. Es zeigte ſich, daß die elektromotoriſche Erregbarkeit einer ſolchen Zelle mit dem (bedeutenden) Widerſtande derſelben Hand in Hand geht. Zur Erzeugung einer elektro— motoriſchen Kraft der Zelle mußte eine ſtarke Licht— quelle in Anwendung gebracht werden. Sowohl Zellen mit Elektroden aus Drähten verſchiedener als auch gleicher Subſtanz waren erregbar, letztere aller— dings weniger. Kaliſcher iſt der Meinung, daß die gemachten Beobachtungen mit der Hypotheſe Siemens von einer metalliſchen Modifikation des Selens ſtim— men. — Noch eine andere Eigenſchaft des Selens wurde bei dieſen Verſuchen gefunden. Wenn die im zerſtreuten Tageslichte befindliche Selenzelle, deren Elektroden Kupferdrähte bildeten, durch intenſives Licht beleuchtet wurde, ſo entſtand ein ſtarker Gal— vanometerausſchlag, welcher die Verringerung des Widerſtandes anzeigte; dieſer Ausſchlag kehrte ſich bald um und nach Abblendung der Lichtquelle ging der Lichtfleck weit über die urſprüngliche Ruhelage hinaus. Es war ſomit die Selenzelle nun ſchlechter leitend geworden als vor der Einwirkung des Lichtes. Kaliſcher, der alle Vorſicht gebrauchte, um die Wärme— ſtrahlen abzuhalten, bezeichnet dieſe Erſcheinung als eine Nachwirkung des Lichtes; es brauchen die unter dem Einfluſſe des Lichtes affizierten Selen— moleküle nach Aufhören des Lichtes noch eine Zeit, um die Gleichgewichtslage einzunehmen. Die Ver— ſuche deuteten Kaliſcher an, daß es für die Dauer der Belichtung eine Grenze gibt, jenſeits welcher hier— durch eine dauernde Verbeſſerung der Leitungsfähig— keit bewirkt wird. Die Erſcheinung der Nachwirkung im Selen iſt unabhängig von der Stromrichtung. Immer ſtellte ſich heraus, daß ſtarkes Licht eine augenblickliche Abnahme des Widerſtandes bewirkte, daß ferner unmittelbar darauf, wenn auch die Ein— wirkung des Lichtes fortdauerte, der Widerſtand zu— nahm und erſt in der Dunkelheit ſeinen anfänglichen Wert erreichte; es erfolgte auch die Rückkehr in die anfängliche Lage nicht ſogleich nach Abblendung des Lichtes, ſondern es ſchlug die Nadel noch ſehr kurze Zeit in derſelben Richtung aus, bevor ſie umkehrte. Es ijt alſo dies eine der oben beſchriebenen Licht— nachwirkung entgegengeſetzte. Es iſt zu bemerken, daß nur einige Selenzellen, welche Kaliſcher in der 292 angegebenen Weiſe konſtruierte, das mitgeteilte Ver⸗ halten zeigten, und es wäre weiter zu unterſuchen, ob die Beſchaffenheit der Elektroden dieſes eigentüm⸗ liche Verhalten des Selens beeinflußte. Sehr merkwürdig iſt eine von Might 1888 ge- machte Entdeckung: Eine vertikale Meſſingſcheibe wird parallel und dicht vor ein Drahtnetz geſtellt und beide mit den Quadrantenpaaren eines Elektrometers ver⸗ bunden, deren Nadel elektriſch geladen iſt. Das Drahtnetz iſt permanent zur Erde abgeleitet; wird dies für einen Augenblick mit der Scheibe gethan, ſodann dieſelbe von Magneſium- oder elektriſchem Lichte, überhaupt von ultravioletten Strahlen, ge— troffen, ſo ſchlägt die Elektrometernadel aus; Righi nennt eine derartige Kombination wie z. B. Zink⸗ ſcheibe und Meſſingdrahtnetz, ein photoelektriſches Clement; er verbindet mehrere derart, daß er das iſolierte Netz des erſten Elementes mit der Platte des zweiten u. ſ. w. vereinigt. Auch dann, wenn kein Netz angewendet war, ſondern nur eine vorher zur Erde abgeleitete, dann mit dem Elektrometer ver⸗ bundene Metallplatte beſtrahlt wurde, zeigt ſich ein langſam zunehmender poſitiver Ausſchlag. Iſt die Metallſcheibe mit kryſtalliniſchem Selen bedeckt, ſo iſt es negativer als Retortenkohle und kann mit anderen Metallen photoelektriſche Elemente bilden. Es iſt auch von Fritts in New Pork der Einfluß der Lichtſtrahlung auf Selen dargethan worden; er zeigte durch ſehr ſubtile Verſuche, daß in einer Selen⸗ platte, durch die einmal ein Strom gegangen ift, unter der Lichteinwirkung ein neuer photoelektriſcher Strom erreicht werden kann; dunkle Wärmeſtrahlen wirkten nicht ſtromerregend. — Dem Selen chemiſch ſehr ähnlich iſt der Schwefel; Bidwell hat die Ein⸗ wirkung des Lichtes auf die elektriſche Leitungsfähig⸗ keit dünner Schwefelplatten unterſucht: Er breitete auf einer Kupferplatte eine dünne Schicht Schwefel⸗ kupfer aus und befeſtigte auf dem Schwefelkupfer eine Schicht Schwefelſilber. Die Elektroden beſtanden aus Silberdrähten, welche auf das Kupfer aufgelötet und mit den Schwefelmetallen bedeckt wurden; das Ele⸗ ment, in den Stromkreis einer galvaniſchen Batterie und eines Galvanometers gebracht, wurden mit Mag⸗ neſiumlicht beleuchtet, und es zeigte ſich nun ein be⸗ deutenderer Ausſchlag der Galvanometernadel. Die Herſtellung feiner Selenzellen wurde von Edlund ſehr vervollkommnet: er ſchmilzt das Selen auf einer Metallplatte, mit der es ſich chemiſch ver⸗ bindet, ſo daß die Dicke der Selenſchicht kaum 0,03 mm beträgt. Auf dieſe Schicht wird Schaum⸗ gold aufgepreßt und dieſes den Sonnenſtrahlen aus⸗ geſetzt, welche in das Selen eindringen. Es entſteht dadurch ein photoelektriſcher Strom, welcher in der Richtung der durch das Selen gehenden Lichtſtrahlen verläuft. Merkwürdig verhielt ſich der Widerſtand einer ſolchen Selenzelle gegen einen durchgehenden Strom; erſterer iſt von der Stromrichtung abhängig und kann beim Durchgange des Stromes vom Gold zum Selen zwanzigmal ſo groß werden als in der entgegengeſetzten Richtung. Humboldt. — Auguſt 1889. Eine Beziehung zwiſchen dem Magnetismus und dem Lichte wurde von Fievez wahrgenommen: Durch magnetiſche Kräfte zeigte ſich eine Verbreiterung der gelben Linie im Spektrum des Natriums, und es ev- ſchien in der Mitte der hellen breiten eine dunkle Linie. Die rote Linie des Kaliums, ebenſo die role und rotgelbe des Lithiums, die grüne Linie des Thal- liums zeigten analoge Erſcheinungen. Man brachte in den erſten Verſuchen die Natriumflamme zwiſchen die Polſchuhe eines Elektromagneten. Zum Schluſſe der vorliegenden Abhandlung ſei noch einer Relation zwiſchen Elektricität und Licht gedacht, welche von H. Hertz vor ganz kurzer Zeit gefunden wurde: Der Strom von 6 Bunſenſchen Ele⸗ menten wurde durch zwei Induktorien geleitet; die entſtandenen Induktionsſtröme wurden durch das Ueberſpringen von Funken zwiſchen zwei Metallſtäben in dem einen Induktionsapparate, zwiſchen den Ku⸗ geln eines Riesſchen Funkenmikrometers in dem an⸗ deren erſichtlich. Werden die letzteren auf die Maximal⸗ ſchlagweite eingeſtellt, fo zeigt ſich dieſelbe bedeuten⸗ der, wenn die Funken einander ſehr nahe ſind, als wenn dieſelben voneinander entfernt werden. Der Funke zwiſchen den Metallſtäben wird von Hertz als der aktive, der andere als der paſſive bezeich⸗ net. Wird ein Schirm zwiſchen die beiden Funken geſtellt, ſo hört die Einwirkung der beiden Funken aufeinander auf; eine Oeffnung im Schirme bewirkt wieder die Erſcheinung, Schirme von verſchiedener Beſchaffenheit erweiſen ſich verſchieden wirkſam. Es werden durchwegs von dem Funken die Geſetze der Lichtbewegung befolgt. Metalle erſcheinen undurch⸗ läſſig, Steinſalz und Kalkſpat teilweiſe durchläſſig, Bergkryſtall und Gips vollſtändig; ebenſo Waſſer, während Aether und Alkohol weniger durchläſſig, Benzol ganz undurchläſſig iſt. Auch Gaſe wurden auf dieſe Eigenſchaft als Schirme unterſucht. Die Wirkung des aktiven Funkens konnte an glatten Flächen eine Reflexion, ebenſo eine Brechung erfah⸗ ren. Es zeigte ſich aus dieſen und anderen Beobach⸗ tungen, deren Beſchreibung uns zu weit führen würde, daß die erwähnte Wirkung von den ultravioletten Strahlen erzeugt wird, die vom aktiven Funken aus⸗ gehen. Dieſe Anſicht wurde auch dadurch beſtätigt, daß ſtatt des aktiven Funkens verſchiedene Lichtquel⸗ len, welche viele ultraviolette Strahlen beſitzen, z. B. das Licht des elektriſchen Bogens und des verbrennen⸗ den Magneſiums, dieſelbe Wirkung auf den paſſiven Funken ausübten, während Lichtquellen, in denen dieſe Strahlen in der Minderheit vorkommen, z. B. Sonnen⸗ licht, Phosphorlicht, dieſe Wirkung nicht hervorriefen. Wir haben im vorſtehenden nur die weſentlichſten älteren und neueſten Verſuche der Elektrooptik berück⸗ ſichtigt; es iſt aus denſelben die Vermutung, daß der Aether, durch deſſen Vibrationen die Lichterſcheinungen entſtehen, auch als der Träger der elektriſchen Phä— nomene betrachtet werden müſſe, hervorgegangen, und neuere Verſuche über dieſen Gegenſtand werden dazu beitragen, die beiden phyſikaliſchen Disziplinen einmal von einem einheitlichen Geſichtspunkte zu betrachten. Humboldt. — Auguſt 1889. 293 Phyfiologie des Gerbſtoffs. Von Profeſſor Dr. Robert Sachße in Leipzig. oC über wenige Punkte in der Pflanzenphyſio— logie gehen die Anſichten ſo weit auseinander, wie über die Bedeutung des Gerbſtoffs. Es hat dies zum Teil ſeinen Grund in dem getrennten Vor— gehen der an der Frage beteiligten Kreiſe. Während die Gerbſtoffanalytiker eine zahlloſe Maſſe von Einzel—⸗ beſtimmungen förderten ohne genaue Berückſichtigung der anatomiſchen Verhältniſſe, kann man andererſeits den Botanikern den Vorwurf machen, daß ſie die quantitativen Verhältniſſe allzuſehr vernachläſſigten. Eine vor kurzem erſchienene Arbeit von Kraus), welche mit ausführlicher Behandlung der chemiſchen Seite eine genaue Berückſichtigung der phyſiologiſch— anatomiſchen Verhältniſſe verbindet, dürfte daher mit Freuden als ein Markſtein unſerer Kenntniſſe in der ganzen Frage zu begrüßen ſein. Der Gerbſtoff entſteht, wenigſtens zum größten Teile, in den Blättern, und zwar hier unter Be— dingungen, welche denen der gewöhnlichen Aſſi— milationsprodukte ganz gleich zu ſein ſcheinen. Die Blätter vermehren ihren Gerbſtoffgehalt im Lichte und nicht im Dunkeln. Indes tritt doch der Ein— fluß der Lichtintenſität ſtärker hervor als bei der ge— wöhnlichen Aſſimilation. Will man kräftige Aus⸗ ſchläge bei den Verſuchen erzielen, ſo muß man warme Tage und vor allem direktes Sonnenlicht benutzen. Auch in dem überaus ungleichen Gerbſtoff— gehalt von Licht- und Schattenblättern derſelben Pflanze ſpricht ſich der Einfluß der Lichtintenſität aus. Die Blätter einer Pflanze ſind ungleich reicher an Gerbſtoff, wenn ſie frei am Rande des Baumes oder Buſches oder an aufrechtfreien Zweigen ſtehen, als wenn fie, von anderen bedeckt, im Innern des Exem—⸗ plars verborgen ſind. Auch das Chlorophyll ſteht wie zu der Kohlenſtoffaſſimilation, ſo auch zu der Gerbſtoffproduktion in Beziehung, wie ſehr deutlich daraus hervorgeht, daß nicht grüne (panachierte) Blätter, an ſich ärmer an Gerbſtoff, auch nicht fähig ſind, denſelben zu erzeugen. Endlich unterbleibt auch in kohlenſäurefreier Luft unter Beleuchtungsverhält— niſſen, die in gewöhnlicher Atmoſphäre zur Gerbſtoff— erzeugung führen, in grünen Blättern dieſelbe voll— ſtändig. So vereinigt ſich ſcheinbar alles zu dem Schluſſe, daß der Gerbſtoff ein Aſſimilationsprodukt der Chlorophyllkörner ſei. Und dennoch iſt es ſicher, daß die beiden Prozeſſe, Kohlenſtoffaſſimilation und Gerbſtoffproduktion, nur koincidieren, nicht wechſel— ſeitig miteinander verknüpft ſind. Der Beweis dafür liegt in den zahlloſen Pflanzen, die alle Kohlenſäure aſſimilieren und nie in ihrem Leben Gerbſtoff er— *) G. Kraus, Grundlinien zu einer Phyſiologie des Gerbſtoffs. Leipzig, W. Engelmann. 1889. zeugen, oder andererſeits in den gerbſtoffhaltigen Pflanzen, welche aſſimilieren können, ohne, wie ſchon oben angedeutet, dabei immer Gerbſtoff erzeugen zu müſſen. Der im Lichte ſich anhäufende Gerbſtoff ver— ſchwindet im Dunkeln und zwar, wie ſich beſtimmt nachweiſen ließ, nicht durch chemiſche Veränderung, ſondern durch Ableitung. Bei den Stauden, deren Blätter unmittelbar am Boden ſitzen, gelangt der Gerbſtoff zuſammen mit dem Reſervematerial in den mehr oder minder entwickelten Wurzelſtock. Während aber das letztere im nächſten Jahre zur Bildung neuer Organe verbraucht wird, bleibt der Gerbſtoff nicht nur in dem Wurzelſtock unvermindert liegen, ſondern er vermehrt ſogar ſeine Menge durch Neu— bildung im Dunkeln. Der Gerbſtoff in den Rhizomen hat ſomit zweierlei Urſprung, er iſt einmal aus den Blättern zugeleitet, dann im Rhizom ſelbſt ent— ſtanden. Nennt man den zugeleiteten Gerbſtoff den primären, dann hat man den bei der Organentfaltung entſtandenen als ſekundären zu bezeichnen. Was wird nun ſchließlich aus dem Gerbſtoff, wenn er im Rhizom liegen bleibt? Zum Teil dient derſelbe zur Erzeugung der rot und braun gefärbten Stoffe, welche die Membranen der Rhizome durch— tränken, zum größeren Teile geht er aber einfach mit demſelben zu Grunde. Seine Bedeutung möchte ſich Kraus am liebſten als Schutzeinrichtung denken, d. h. er bietet vermöge ſeines adſtringierend unan- genehmen Geſchmacks Schutz gegen Tierfraß, oder aber er verhindert nach ſeiner bekannteſten Eigentüm⸗ lichkeit, zu gerben, den Eintritt der Fäulnis. Der Gerbſtoff würde, wenn er bloß in dieſer Richtung in Betracht käme, Bedeutung genug beſitzen. Verwickelter als bei den Stauden find die Ver— hältniſſe bei den Holzgewächſen. Der in den Blättern erzeugte Gerbſtoff fließt aus dieſen alltäglich durch die Blattrippen und die Blattſtiele in die Aeſte ab, aus denen er im Stamme ſich ſammelt. Der in den Zweigen abgelagerte Gerbſtoff erleidet während der Wintermonate keine Veränderung. Im Frühling beim Aufbrechen der Knoſpen findet ſogar eine kleine, aber deutliche Steigerung der Gerbſtoffmenge ſtatt. In ganz analoger Weiſe verhalten ſich auch die aus— dauernden Blätter während des Winters, bezw. im Frühling beim Erwachen der Vegetation. Im Laufe des Winters findet hier ebenfalls keine Veränderung, im Frühling keine Verminderung alſo auch keine Ver— wendung, im Sommer offenbar eine Vermehrung des Gerbſtoffs in der vorjährigen Nadel ſtatt. Es häuft ſich alſo der Gerbſtoff offenbar an, und dies zeigt ſich ſehr ſchön an der Thatſache, daß der Gerbjtoff- gehalt zweijähriger Nadeln durchweg größer iſt als der der einjährigen. Auch im Laubblatte findet meiſt 294 während des Sommers eine Vermehrung von Monat zu Mongt ſtatt, in anderen Fällen bleibt der Gerb- ſtoff ſcheinbar unverändert, weil der abfließende Gerb⸗ ſtoff ſich mit dem neu erzeugten kompenſiert. Was aber namentlich zeigt, daß die Pflanze auf den Gerb⸗ ſtoff keinen Wert legt, iſt, daß in allen Fällen in dem herbſtlich abgetrennten Blatte noch ſo viel davon vorhanden iſt, wie zur beſten Vegetationszeit. Nach Wigand ſteht bekanntlich der Gerbſtoff in Beziehung zu dem ſogen. Erythrophyll herbſtroter Blätter, ein Satz, der ſich durch die Beſtimmungen von Kraus allerdings nicht ſtützen läßt. Es zeigte ſich nämlich, daß herbſtlichrot werdende Blätter an Gerb⸗ ſtoff nicht abnehmen, ſondern beträchtlich zunehmen, und daß umgekehrt beim Ergrünen winterlichrot gefärbter Blätter der Gerbſtoff nicht zunimmt, ſon⸗ dern abnimmt. Indes ſind doch die gefundenen That⸗ ſachen nicht eindeutig genug, um ein beſtimmtes Urteil über die Anſchauung von Wigand fällen zu können. Weitaus der größte Teil des Blattgerbſtoffs geht in die mehrjährigen Achſenteile, in Aeſte, Stamm und auch Wurzel. Von dem Hauptſtrome, der ſich im Baſte bewegt, geht der Gerbſtoff, offenbar in den Markſtrahlen, in zwei Hauptlager, von denen eines, das reichhaltigere, außen in der Rinde, das andere innen im Holze liegt. An beiden Orten wird Gerb- ſtoff nicht bloß in der neu entſtandenen Holz- und Baſtlage niedergelegt, derſelbe fließt auch den Rinden⸗ und Holzlagen früherer Jahre noch zu. Die Folge davon iſt, daß in der Rinde, beſonders deutlich aber im Holze centrifugal vom Cambium eine Zunahme des Gerbſtoffgehaltes zu konſtatieren iſt. Dieſer Zu⸗ nahme folgt ſpäter eine Abnahme offenbar unter Zer⸗ ſetzung des Gerbſtoffs. Die auffallendſten Spaltungs⸗ produkte desſelben ſind in der Rinde die bekannten Phlobaphene, im Holz aber die wichtigen Stoffe, die als Kernſtoff oder Xylochrom die Verkernung des Holzes bewirken. Bei der Keimung von Eicheln und Roßkaſtanien im Dunkeln wird nicht nur kein Gerb⸗ Humboldt. — Auguſt 1889. ſtoff verbraucht, derſelbe nimmt ſogar zu und dient alſo dem Wachstume nicht. Nach dem Standpunkte unſerer Kenntniſſe vom Stoffwechſel dürfte es zur Zeit ganz unmöglich ſein, etwas Näheres über die Abkunft des Gerbſtoffs und über die Art ſeiner Entſtehung auszuſagen, und es laſſen fic) nur größere oder geringere Wahrſcheinlich— keiten ausfindig machen. Von den beiden Modali⸗ täten, unter denen wir den Gerbſtoff auftreten ſehen, iſt offenbar die, wo derſelbe in austreibenden Organen zum Vorſchein kommt, am wenigſten geeignet, Licht über ſeine Abkunft zu verbreiten. Etwas beſſer machen ſich die Ausſichten auf Entſcheidung bei der Bildung im Blatte. Wir dürfen wenigſtens den Prozeß der Kohlenſtoffaſſimilation mit voller Beſtimmtheit von jeder Beziehung zum Gerbſtoff ausſcheiden. Indes wird von vielen Seiten jetzt noch ein anderer Prozeß in das grüne Blatt verlegt, der ebenfalls unter den Aſſimilationsbedingungen verläuft, nämlich die Bildung der Eiweißkörper. Iſt dieſe Anſchauung richtig, dann würde man die Gerbſtoffbildung nur mit der Syntheſe der Eiweißkörper verknüpfen können. Man kann annehmen, daß auf dem Wege zur Eiweißbildung Molekülgruppen (aromatiſche Verbindungen) gebildet werden, die einerſeits in den Bau der Eiweißmole⸗ küle eintreten, andererſeits aber — überſchüſſig und überflüſſig — zu Gerbſtoff geformt werden. Die Gerbſtoffpflanzen unterſcheiden ſich alſo von den anderen bloß darin, daß bei ihnen während der Syntheſe der Eiweißmoleküle ein aromatiſcher Teil im Ueberſchuß gebildet und in Form von Gerbſtoff als Nebenprodukt erhalten würde. Bei dieſer Anſchauung würde man natürlich auch die Gerbſtoffbildung in austreibenden Organen nicht mit der Kohlehydratmetamorphoſe in Beziehung ſetzen wollen, ſondern folgerichtig auch hier an Vorgänge bei der Eiweißmetamorphoſe denken, am eheſten natürlich daran, daß auch hier bei der Syntheſe der Eiweißkörper aus den Amiden der Gerbſtoff abfalle. Extranuptiale Saftmale bei Ameiſenpflanzen. | Don Profeffor Dr. F. Ludwig in Greiz. m verfloſſenen Sommer wurden es gerade 100 Jahre, ſeitdem Conrad Chriſtian Sprengel, der mit ſeinem Werke „Das entdeckte Geheimnis der Natur im Baue und der Befruchtung der Blumen (Berlin 1793)“ ſpäter den Grundſtein zur modernen Pflanzenbiologie gelegt hat, bei der Unterſuchung der Blume des Vergißmeinnichts (Myosotis palustris) auf die Vermutung kam, daß der gelbe Ring, welcher die Oeffnung der Kronenröhre umgibt und gegen die himmelblaue Farbe des Kronenſaumes fo ſchön ab⸗ ſticht, dazu dient, den beſtäubenden Inſekten den Weg zum Nektarium zu zeigen. Heute weiß man, daß die farbigen Flecken, Strichelchen und Zeichnungen der Blumenkronen, welche ſich immer am Eingang zum Honigbehälter befinden oder nach demſelben hin zuſammenlaufen, thatſächlich keine andere Bedeutung haben — man bezeichnet dieſe Blüteneinrichtungen allgemein als Saftmale. Demſelben großen Pflanzenbiologen fiel es bei unſerer Zaunwicke (Vicia sepium) auf, daß dieſe Pflanze nicht nur in ihren Blüten, ſondern auch am Grunde der Blätter, an ihren Nebenblättern für die Inſekten Honiggrüb⸗ chen bildet, welche letzteren regelmäßig durch Ameiſen beſucht und ausgebeutet werden. Man hat ſpäter dieſe Nektarien als extraflorale oder extranuptiale (Delpino) bezeichnet und weiß jetzt, daß ſie zur Speiſung der Ameiſen dienen, ſei es daß letztere dadurch von der Ausplünderung der Blume abge⸗ Humboldt. — Auguſt 1889. 295 halten werden oder, was zumeiſt der Fall iſt, zum Schutz der Pflanzen gegen gefräßige Inſekten und deren Larven herangezogen werden. Die Litteratur über die Ameiſenpflanzen iſt ja neuerdings ganz in den Vordergrund getreten und hat die über ſonſtige Schutzeinrichtungen, über Beſtäubungs- und Verbrei— tungseinrichtungen faſt ganz zurückgedrängt. Merk— würdigerweiſe iſt es aber bisher nicht bemerkt worden, daß auch zu dieſen extranuptialen oder Ameiſen— nektarien beſonders gekennzeichnete Wege oder Saft— male führen. Als ich im letzten Juli die Gartenzäune in Schmalkalden in Thüringen einer Unterſuchung auf Fig. 3. Fig. 4. Fig. 1. Zweigſtück mit den Blattſtielen von Viburnum Opulus. Die dunklen Linien und Stellen kennzeichnen das rote Saftmal (in den folgenden Figuren mit s bezeichnet). d Nektarien. K Knoſpen. bl Blattſtiele. Fig. 2. Dasſelbe von Sambucus racemosa s Dunkle Drüſenpunkte. Fig. 3. Haare des Saftmals von Impatiens Balsamina, ſtark vergrößert. Fig. 1. Zweig von Impatiens cristata, h Höcker und s die dunklen Drüſenpunkte, welche den Saftweg zum Nektarium n weiſen (n gegenüber, an der anderen Seite des Blattſtiels finden ſich wie unten drei, hier nicht ſichtbare Höcker, von denen die punktierte Saftlinie dann gleichfalls auf der anderen Seite nach oben läuft). 2 Junger Seitenzweig mit beidſeitiger Punktreihe. Ameiſenbeſuch unterwarf, fand ich die extranuptialen Nektarien an den Blattſtielen und deren Baſis beim Schneeball (Viburnum Opulus) von zahlreichen Ameiſen beſucht. Die ſechs Stengelkanten dieſer Pflanze trugen an dieſem Standort lebhaft rote Linien, welche mit der roten Oberſeite der Blattſtiele, auf denen die Nektarienſchüſſeln den Nektar bilden, in ununterbrochener Verbindung ſtehen. Da fie be- ſonders die Wege bildeten, auf welchen die Ameiſen von Stengelknoten zu Stengelknoten ſteigen, ſo blieb mir keine andere Erklärung übrig, als daß ſie hier die gleiche Funktion haben wie die Saftmale der Blüten. Eine Beſtätigung für dieſe Vermutung fand ich in der eigentümlichen Verteilung der roten Zeich— nung in der Nähe der Nektarien ſelbſt (ek. Fig. 1), eine weitere Beſtätigung enthalten die Mitteilungen Schimpers über den Farbenſinn der Ameiſen (in deſſen „Wechſelbeziehungen zwiſchen Pflanzen und Ameiſen im tropiſchen Amerika“, Jena 1888). Schimper hat durch ſeine Beobachtungen und Verſuche nachge— wieſen, daß nur die Farbe, nicht aber Geruch u. dergl. als Erkennungszeichen der extranuptialen Nektarien für Ameiſen dient. Wir teilen den Be— richt über den einen Verſuch, weil er uns beſonders wichtig erſcheint, wörtlich mit (J. c. p. 82). „Rote Ameiſen bewohnten den Boden am Fuß einer Weide, auf deren Stamm ſie ſich mit der Pflege von Blatt— läuſen abgaben; ſie liefen daher vielfach auf letzterem auf und ab und boten mir dadurch“ — ſo berichtet Schimper — „günſtige Bedingungen für meine Ver— ſuche. Ich klebte auf die Rinde eine große Anzahl Stückchen von rotem, violettem und gelbem Glanz— papier von etwa 0,5—1 gem, die teils von drei— eckiger, teils von viereckiger Geſtalt waren; letztere wurden mit einer dicken Zuckerlöſung beſtrichen, während erſtere trocken blieben. Die Ameiſen wurden bald dieſer Spende gewahr und kamen in großer Anzahl, um den Zucker zu verzehren. Am erſten Tag waren ihre Bewegungen noch ſehr ziellos; ſie ſchienen den Zuſammenhang zwiſchen Farbe und Zuckervorrat noch nicht aufgedeckt zu haben. Schon am zweiten Tage jedoch und noch mehr an den folgenden, waren jie des letzteren offenbar ganz be- wußt; in einer Entfernung von etwa einem halben Centimeter liefen fie meiſt direkt auf die Papier⸗ ſtückchen, und zwar ſowohl auf die mit Zuckerlöſung verſehenen als auf die trockenen. Letztere wurden vielfach ſorgfältig durchſucht, bevor ſie wieder ver— laſſen wurden. Eine Bevorzugung irgend einer be— ſtimmten Farbe kam dabei nicht zum Vorſchein. Ich verſuchte auch feſtzuſtellen, ob die Ameiſen die Vor— ſtellung von Zucker mit einer beſtimmten Farbe ver- binden würden; Ausſicht auf Erfolg ſchien a priori vorhanden zu ſein, da nach den ſorgfältigen Ver— ſuchen Lubbocks nicht daran gezweifelt werden kann, daß die Ameiſen ein ſehr ſcharfes Unterſcheidungs— vermögen für Farben beſitzen. Zu dieſem Zwecke wurden auf eine andere, ebenfalls viel von Ameiſen beſuchte Weide rote, violette und gelbe Papierſtück— chen geklebt, von welchen die erſteren allein und zwar nur zum Teil mit Zuckerlöſung beſtrichen wurden. Das Ergebnis war ein durchaus negatives, indem die Ameiſen immer wieder ſämtliche Papierſtückchen aufſuchten. An von der Rinde abweichend gefärbte Stellen knüpften die Ameiſen die Vorſtellung von Zucker. — Der Verſuch wurde auch dadurch variiert, daß ich die nicht roten Papierſtücke mit einem Tropfen reinen Waſſers verſah, während die roten wiederum Zuckerlöſung erhielten. Der Unterſchied zwiſchen beiden Flüſſigkeiten wurde von den Ameiſen offen— bar erſt am Geſchmack bemerkt. Gewiſſe derſelben ſchienen am reinen Waſſer Gefallen zu finden, wäh— rend die meiſten dasſelbe nach dem erſten Schluck verließen.“ 296 Humboldt. — Auguſt 1889. Daß die Nektarien ſelbſt in vielen Fällen von der Umgebung abweichende Färbung haben, haben ſowohl Delpino als Schimper u. a. hervorgehoben. So find die extranuptialen Nektarien rot bei Zan- thoxylum, Alchornea, Prunus Laurocerasus 2¢., weiß bet Clerodendron fragrans, violett bei Ca- talpa, Melampyrum pratense 2c. Ein wohl unterſchiedenes rotes Saftmal fand ich ferner bei Sambucus racemosa, wo ſowohl die Gegend unterhalb der Stipularnektarien (vgl. Fig. 2) als auch der Weg zum nächſten Blattpaar deutlich gekennzeichnet iſt. Bei Impatiens glandulifera Bogl. (im botan. Garten zu Jena) traf ich die zu den Nektarien führenden Stengel z. T. ganz rot, z. T. rot ge⸗ ſtrichelt, mit der Hauptſtrichelung auf den fünf Kanten. In den erwähnten Fällen, die ſich zweifels⸗ ohne bei weiterer Beachtung der entſprechenden Ver⸗ hältniſſe bei anderen Ameiſenpflanzen vermehren laſſen, ſcheint es ſich um eine Lokaliſation der auch ſonſt im Pflanzenreich nicht ſeltenen Rotfärbung be⸗ ſonders junger Triebe zu handeln, wie ſie z. B. bei Cornus sanguinea, Acer campestre, Carpinus Be- tulus 2c. fic) finden (und mit der Ablagerung von Gerbſäure in Verbindung ſtehen dürften). Es wäre nicht unmöglich, daß dieſe Färbung auch ohne das gleichzeitige Vorkommen von Nektarien die Ameiſen anlockte — ſo traf ich letztere ſehr häufig an Acer campestre, meiſt allerdings mit den daſelbſt vor⸗ kommenden Blattlauskolonien beſchäftigt. Stahl hat neuerdings die Möglichkeit hervorgehoben, daß dieſe Färbung zum Schutz gegen Schnecken dienen könnte, welche der Gerbſäure beſonders abhold ſind. Mag es auch ſein, daß ſie im allgemeinen dieſe oder eine andere Bedeutung für das Pflanzenleben hat, in den angeführten Fällen ſcheint mir kaum eine andere Deutung als die von mir gegebene zuläſſig. Viburnum Opulus zeigt bei uns nicht allent⸗ halben jenes ausgeprägte Saftmal. So traf ich bei Greiz, wo die Pflanze ſeltener vorkommt als bei Schmalkalden, einzelne Sträucher, deren Zweige völlig grün waren, aber auch des Ameiſenſchutzes entbehr⸗ ten; während bei Schmalkalden kaum ein verſehrtes Blatt zu finden war, waren an den grünen Greizer Exemplaren häufig die ſämtlichen Blätter bis auf die Blattnerven, vermutlich durch die Larven von Gale- ruca Viburni Ph. zerfreſſen. Eine Ameiſe war hier nicht zu ſehen. In den Blumen wird das Saftmal zuweilen durch farbige Haarleiſten gebildet (3. B. in dem Rachen des Löwenmaules und Leinkrautes). Auch die extranuptialen Saftmale dürften z. T. durch Umgeſtaltung von Trichomen entſtanden ſein, welche urſprünglich (ähnlich wie dies auch für die Nektarien ſelbſt nachgewieſen iſt) anderen Zwecken dienſtbar waren. Zunächſt fiel es mir bei der Unterſuchung der hübſchen roten oder gelben, aus den unteren Blattzähnen entſtehenden Nektarien unſerer Garten⸗ balſamine (Impatiens Balsamina L.), die in meinem Garten zahlreiche dem Nektar nachgehende Ameiſen anlockte, auf, daß die Zweige in der Nektarienregion wie mit feinem Staub bedeckt erſchienen, der aber wegen ſeiner regelmäßigen, zur Verteilung der Nek— tarien in deutlicher Beziehung ſtehenden Verteilung als Teil der Pflanze ſelbſt betrachtet werden mußte. Lupe und Mikroskop zeigten in der That, daß dieſer „Anflug“, als welcher er von weitem erſcheint, aus ſehr zierlichen Gliederhaaren beſteht, welche ſich durch lebhafte rote Färbung auszeichnen. Die Haare ſind einfach oder wenig verzweigt und ihre Zellen ſind nicht ſelten abwechſelnd farblos und mit dem lebhaft roten Pigment erfüllt, ſo daß ſie auch unter der Lupe ein auffällig gekörneltes Anſehen zeigen (val. Fig. 3). — Sieht man von der charakteriſtiſchen Ver⸗ teilung dieſer Trichome ab, die ſie als zu den Nek⸗ tarien gehörig kennzeichnet, ſo könnte man im erſten Augenblick meinen, ſie gehörten zu den Schutzmitteln, welche nach Stahl die aufkriechenden Schnecken ab⸗ halten können. Dem widerſpricht aber einfach die Thatſache, daß dieſe Haare, welche dem Stengel dicht anliegen, nach oben gerichtet ſind. Es dürfte dies ein ſicheres Kriterium ſein, wenn es ſich um die Unterſcheidung von Lock und Schutzhaaren handelt. Aehnliche rote Trichome finden ſich auch am Grunde der Seitenfiederchen von Sambucus nigra in der Nähe der ebenda befindlichen Nektarien, und es ſcheint mir nach den bisherigen Beobachtungen, als ob innerhalb derſelben Gattung Sambucus wie auch innerhalb der Gattung Impatiens verſchiedene Mittel zur Ausbildung gekommen wären, welche den Ameiſen den Weg zu den Nektarquellen zeigen. R. von Wettſteink) hat kürzlich für die Gattung Cen- taurea u. a. in ähnlicher Weiſe gezeigt, daß die Schutzmittel in ungleicher Weiſe zur Ausbildung ge- kommen find. Während einzelne Arten wie Cen- taurea rupestris, C. Scabiosa durch die Beſchaffen⸗ heit (ſtarre Dornen, trockenhäutige harte und borſtige Anhängſel) der Hüllſchuppen des Blütenkopfes die Sexualorgane ſchützen, ſind die Hüllſchuppen bei anderen wie bei Centaurea alpina zart, aber fie ziehen durch beſondere extranuptiale Nektarien regel⸗ mäßig eine Schutzgarde von Ameiſen an, welche jenen Schutz erſetzen. Exemplare der letzten Art fielen, wenn v. W. die Ameiſen davon abhielt, zum guten Teil den Zerſtörungen beſtimmter Inſekten anheim. Ein ſolches „Vikarieren“ der Schutzmittel fällt am meiſten bei der Gattung Impatiens ins Auge. Während bei I. glandulifera, bei welcher Blatt⸗ ſerratur und Stipulä in kleinere und große (verkehrt eiförmige) rote Honigdrüſen umgewandelt ſind, der kahle Stengel durch rote Streifung die Schutzameiſen zu den letzteren leitet, fällt bei I. Balsamina den rotgekörnelten Haaren dieſe Funktion zu und das merkwürdigſte Saftmal einer dritten Art beſitzt die gleichfalls von mir im botan. Garten zu Jena be⸗ *) Richard Ritter v. Wettſtein, Ueber die Kompoſiten der öſterreichiſch-ungariſchen Flora mit zuckerabſcheidenden Hüllſchuppen. Wien 1888. 4 Humboldt. — Auguſt 1889. 297 obachtete Art Impatiens cristata Wallr. Der am Grunde feingeſtrichelte Stengel dieſer Pflanze trägt am Grund der Blattſtiele auf der einen Seite eine große, 3—4 mm breite, dunkelrote, nierenförmige Honigdrüſe, auf der anderen Seite drei kleine rote Höcker, die ich nicht in Nektarſekretion traf. (Dieſe Nektarien haben genau die Divergenz der Blätter = ½). An der Randlinie der herablaufen— den Blätter finden ſich in Entfernungen von 1—3 mm in ſchnurgerader Richtung winzige punktförmige dunkelrote Drüſen, welche an den unteren ſtärkeren Stengeln von den er— wähnten Höckern zum nierenförmigen Nekta— rium, alſo einſeitig verlaufen. Nur an den oberen zarteren Zweigen der Blütenregion verlaufen ſie beidſeitig — einer doppelten Knopfreihe vergleich— bar (vgl. Fig. 4). Es ſcheint dieſes höchſt merkwürdige Saftmal urſprünglich aus Serraturen des herab— laufenden Blattrandes entſtanden zu ſein. In der Region der dichteſten Nektardrüſen ſind auch die Kelche der Blütenknoſpen lebhaft rot gefleckt, offenbar weil hier die Pflanze des Ameiſenſchutzes am nötigſten bedarf. Dieſe Färbung der Knoſpen— kelche wie auch das Vorkommen von Saftmalen bei Impatiens Balsamina-Haaren mit ſtengelaufwärts gerichteter Spitze beweiſen, daß diejenigen Unrecht haben, welche die Nektarien in der Blütenregion (bei Impatiens) als Schutzmittel gegen Ameiſen betrachten und meinen, daß durch ſie die Ameiſen abgeſpeiſt und von den Blüten ferngehalten würden. Wozu dann die Fleckung der jungen Knoſpenkelche und das Saftmal? — Impatiens cristata beſitzt außer den aufgeführten mit ihrer Myrmekophilie in Verbindung ſtehenden Eigentümlichkeiten auch noch (ungefärbte) Borſtenhaare, mit nach unten gerichteten Borſten — vielleicht als Schutzmittel gegen Schnecken. Gab es früher Wälder auf Sylt! Von Dr. Paul Knuth in Kiel. Wem auf den weſtfrieſiſchen Inſeln (alſo den niederländiſchen Nordſeeinſeln) außer anderen Waldpflanzen Pirola rotundifolia L. in großer Menge vorkommt und „nicht wenig zu dem ſchönen Pflanzenkleid dieſer Inſeln beiträgt*)“, wenn die— ſelbe Pflanze ſich auch auf den oſtfrieſiſchen (hannover— ſchen) Inſeln zuſammen mit Monotropa glabra /., die ſonſt in dunklen Wäldern zu wachſen pflegt, findet, ſo iſt es undenkbar, „daß dieſe Pflanzen von ihren fernen und zerſtreuten Standorten auf dem Feſt— lande aus nach den Inſeln gewandert ſein ſollten, um ſich dort unter ſo weſentlich verſchiedenen phyſi— kaliſchen Bedingungen anzuſiedeln und die für jene Standorte doch ganz beſonders geeigneten Salz- und Sandpflanzen einzuſchränken! )“. Viel ungezwungener und ſelbſtverſtändlicher wird dieſes Vorkommen von Waldpflanzen in der Weiſe erklärt, daß man frühere Wälder auf jenen Inſeln annimmt, welche durch irgendwelche Exeigniſſe ver- nichtet worden und von denen jene Pflanzen als Ueberreſte zurückgeblieben ſind. Die geologiſchen und klimatiſchen Verhältniſſe der weſt⸗ und oſtfrieſiſchen Inſeln einerſeits und der nordfrieſiſchen (ſchleswigſchen) andererſeits ſind im großen und ganzen ſo gleichartige, daß man ſchon von vornherein wie auf den erſteren, ſo auch auf letzteren die Exiſtenz früherer Wälder anzunehmen berechtigt iſt. Vergebens ſucht man hier aber nach charakteriſtiſchen Waldpflanzen; Strand-, Heide⸗, Marſch-, Moor- und Sumpfgewächſe ſetzen die Flora ) F. Holkema, De Plantengroie der Nederlandſche Noordzee Eilanden. Amſterdam 1870. S. 243. ) F. Buchenau, Flora der oſtfrieſiſchen Inſeln. Norden und Norderney 1881. S. 23. Humboldt 1889. * derſelben zuſammen, die häufig zu ganz eigentüm— lichen Pflanzengemeinſchaften zuſammentreten, aber Waldpflanzen finden ſich nicht. Wenn wir auch auf den nordfrieſiſchen Inſeln ſolche vermiſſen, ſo ſind doch direkte Beweiſe für die ehemalige Exiſtenz von Wäldern auf ihnen und in ihrer Umgebung vorhanden. Nicht nur findet man an der Weſtküſte von Sylt ſowie in dem Meere zwiſchen Föhr und dem Feſtlande ausgedehnte Torf— moore mit Reſten von Waldbäumen, ſondern auch zahlreiche Spuren untermeeriſcher Wälder. So ſind z. B. zwiſchen Römö und dem Feſtlande, bei der Hallig Oland, unter der Marſch bei Tondern und bei Huſum viele Stämme verſchiedener Hölzer, be— ſonders von Föhren, Eichen und Birken, gefunden worden, wodurch der Beweis geliefert, daß hier einſt Wälder geſtanden haben, welche dem Meere zum Opfer fielen). Nach L. Meyn!) ruht die Föhringer Marſch zum größten Teile auf einem Torfmoore, welches trotz der Zuſammenpreſſung durch die jetzt darauf ruhenden Erdſchichten noch 1 m mächtig und ganz mit Wurzeln, Zweigen, Baumſtämmen, Früchten gefüllt iſt; ſelbſt Hirſchgeweihe und Eberzähne ſind darin gefunden, ein Beweis für die ehemalige große Ausdehnung jener Wälder. Viele Chroniſten berichten, daß noch in hiſtoriſchen Zeiten Wälder in Nordfriesland beſtanden haben; *) Vgl. P. H. K. von Maack, Urgeſchichte des ſchles— wig⸗holſteiniſchen Landes. Kiel 1869. S. 19 und G. Forch⸗ hammer, Ueber die veränderte Waſſerhöhe an den däni— ſchen Küſten (Zeitſchrift für allgemeine Erdkunde; neue Folge, erſter Band; Berlin 1856, S. 475). **) L. Meyn, Inſel Sylt, S. 691 (87). 38 298 allein es iſt hier ſicherlich, wie L. Meyn!) ſich treffend ausdrückt, Geſchichte aus der Naturbeobachtung ge- macht worden. Der Untergang jener Wälder ge- ſchah viel früher, wie ich weiter unten nachweiſen werde. Beſonders intereſſant und für die Beurteilung der ehemaligen Wälder wichtig iſt der vorhin erwähnte untermeeriſche Torf, der den Frieſen jahrhundertelang als Brennmaterial gedient hat. L. Meyn erzählt?), daß noch im Winter 1870 — 1871 mehr als 400 Fuder desſelben vom Strande in die Dörfer gefahren ſind und daß ähnliches ſchon ſeit den älteſten Zeiten ge⸗ ſchah. Heutzutage hat die gewerbsmäßige Ausbeutung jener Torfmoore ganz aufgehört: die Steinkohlen ſind jetzt ſo bequem zu beziehen, der bare Verdienſt auf Sylt ſo leicht zu haben, daß es ſich nicht mehr lohnt. Wat ſtarken Stürmen findet man am Strande große Stücke Tuul angeſchwemmt. Es ſind nicht nur blätterige Maſſen mit unverkennbaren Sphagnum- Reſten, welche dem Torfe der Moore des Feſtlandes vollſtändig gleichen, ſondern es laſſen ſich zahlreiche Reſte von Holzgewächſen darin nachweiſen. Ich fand außer noch nicht näher beſtimmten Holzfragmenten und Pflanzenſamen zahlreiche Stücke Birkenholz, mehrere Kiefernzapfen und namentlich häufig Zapfen der bisher in Schleswig⸗Holſtein noch nicht ſicher nachgewieſenen Fichten). L. Meyn), welcher gleich⸗ falls dem untermeeriſchen Torfe ſeine Aufmerkſamkeit zugewandt hat, erklärt ihn bis in die kleinſte Faſer identiſch mit dem Torfe des Binnenlandes. Dieſer Forſcher hat noch Erlen- und Eichenzweige, ſowie Haſelnüſſe im Tuul aufgefunden, ſo daß ſich aus dieſen und aus meinen Beobachtungen die ehemaligen Wälder Sylts rekonſtruieren laſſen. Es waren gemiſchte Beſtände von Fichten, Kiefern und Eichen, an den Waldrändern wuchs der Haſelſtrauch, und die feuchten Stellen des Waldes waren mit Birken und Erlen beſtanden. Die Waldungen erſtreckten ſich einerſeits weit über die jetzige Weſtküſte hinaus, andererſeits bedeckten ſie die Landbrücken, welche die nordfrieſiſchen Inſeln mit dem Feſtlande verbanden und einen großen Teil des Feſtlandes ſelbſt. Als jene Wälder exiſtierten, müſſen die klimatiſchen Verhältniſſe der Weſtküſte Schleswig⸗Holſteins anders als jetzt geartet geweſen ſein. Jetzt verhindert der raſende Weſtſturm und der wandernde Dünenſand das Aufkommen von Wäldern; nur unter dem Schutze von Häuſern oder Mauern, von Wällen oder Hünen⸗ gräbern, überhaupt einer Erhöhung, können Bäume *) A. a. O., S. 738 (134). **) A. a. O., S. 673 (69). wes) In dem interglacialen Torflager bei Lauenburg an der Elbe hat K. Keilhack einen Fichtenſamen gefunden, der wohl nicht genügen dürfte, um die frühere Exiſtenz der Fichte in Schleswig-Holſtein nachzuweiſen, da er durch irgend einen Zufall dorthin gekommen ſein kann. Weitere Unterſuchungen jenes interglactalen Torfes haben keinen Fichtenſamen wieder entdecken laſſen. T) Inſel Sylt, S. 673 u. 674 (69, 70). Humboldt. — Auguſt 1889. und Sträucher, die man anpflanzt, ihr Daſein friften*). Welches war nun der Grund der Aenderung des Klimas, alſo der Grund des Unterganges jener Wälder? Früher nahm man und auch heutzutage nehmen manche Forſcher eine plötzliche Senkung größerer Partien des Landes an, durch welche jene Wälder unter den Spiegel des Meeres ſanken und ſo vernichtet wurden. Allein die Geologen wollen zum Teil nichts von alluvialen Hebungen oder Senkungen an den Küſten der Nordſee wiſſen ). Es iſt nämlich keineswegs feſtgeſtellt, ob Hebungen und Senkungen des Landes oder Niveauänderungen des Meeres ſtattgefunden haben. Da die endgültige Cnt- ſcheidung dieſer Frage noch lange auf ſich warten laſſen wird, ſo will ich verſuchen, das Verſchwinden der nordfrieſiſchen Wälder auf eine andere Urſache zurückzuführen, nämlich auf den während der Allu⸗ vialzeit erfolgten Durchbruch des Kanals zwiſchen Frankreich und England. Sowohl geologiſche als auch botaniſche Gründe ſprechen dafür, daß die Bildung des Kanals erſt nach der Eiszeit erfolgten *). In der Glacialzeit wurde die während der Tertiärperiode in England ein- gewanderte Pflanzenwelt ebenſo wie in Norddeutſch— land bis auf die wenigen Glacialpflanzen vernichtet und vertrieben f). Nach dem Verſchwinden des Eiſes rückten dann die vor dem Eiſe nach Süden und Weſten geflüchteten Pflanzen wieder vor, überſchritten die Landbrücke zwiſchen dem jetzigen Frankreich und England und machten ſich dort ſeßhaft. Ebenſo machten ſich die im Oſten vorhandenen Pflanzen auf den Weg, um die wieder eisfrei gewordenen Gebiete zu beſiedeln, doch hatten dieſe teils arktiſchen, teils ſibiriſchen, teils Steppen⸗, teils endlich Waldpflanzen einen weiteren Weg zurückzulegen, ſo daß manche derſelben nicht mehr nach England gelangen konnten, weil unterdeſſen die Landbrücke durch die Flutwelle des Ozeans zerſtört wurde 1). „Daher fehlen dieſe Pflanzen in England, wiewohl ſie auf dem Kontinent allmählich auch im Weſten häufiger geworden ſind.“ Englert) nennt 19 im übrigen Mitteleuropa häufige, in England fehlende Pflanzen: Anemone ranun- culoides L., Hepatica triloba Chaix., Thalictrum angustifolium Jacg., Corydalis cava Schweigg. et Kort, C. fabacea Pers., Viola mirabilis L., Dian- thus superbus L., D. Carthusianorum ., Tiha platyphyllos Scop., Geranium palustre L., Acer platanoides L., Genista germanica I., Astragalus Cicer L., Lathyrus vernus (L.) Bernh., Potentilla alba L., Sambucus racemosa L., Melampyrum ) Vgl. P. Knuth, Botaniſche Beobachtungen auf der Inſel Sylt („Humboldt“, VII, 3, S. 104). *) Vgl. E. Sueß, Das Antlitz der Erde; Prag, Wien, Leipzig 1888, II, S. 541. e) O. Peſchel im Ausland 1867, Nr. 8, S. 673; ſowie Unterſuchungen von O. Krümmel. +) A. Engler, Verſuch einer Entwickelungsgeſchichte der Pflanzenwelt. Leipzig 1879, I, S. 181 u. 182. +t) Vgl. Engler, a. a. O. Tir) A. a. O., S. 182. Humboldt. — Auguſt 1889. nemorosum L., Abies alba Mill., Picea excelsa (Link.) Lk. Welchen Einfluß hatte nun die Entſtehung des Kanals auf das Klima und ſomit auch auf die Pflanzendecke der Weſtküſte Schleswig-Holſteins? Solange die Landbrücke zwiſchen England und Frank— reich exiſtierte, trug die Nordſee den Charakter eines Binnenmeeres, eines Mittelmeeres zweiter Ordnung, etwa den der heutigen Oſtſee. Die unmittelbare Folge des Durchbruchs des Kanals war das Eintreten der gewaltigen atlantiſchen Woge in die Nordſee; Ebbe und Flut, welche ſonſt nur nördlich um die britiſchen Inſeln herum in geſchwächtem Grade in die Nordſee drangen, liefen jetzt durch den Kanal direkt auf die nordfrieſiſchen Küſten zu. Die tägliche Fluthöhe wurde eine höhere als früher, ein großer Teil der Weſtküſte wurde alſo andauernd unter Waſſer geſetzt. Dieſe Flutwelle wurde noch weſentlich unterſtützt durch den jetzt faſt konſtant weſtlichen Wind, welcher die Waſſermaſſen mit verheerender Gewalt gegen die Küſten wirft. Die Brandung „wirkt um ſo zer— ſtörender als die gegen das Ufer geſchleuderten Waſſer unter der anſtürmenden nächſten Welle ſich zurück— ziehen und den Strand im Rücklauf aufreißen !).“ Durch die unabläſſige Thätigkeit des Meeres werden die zahlloſen Felstrümmer und Geröllſtücke zu immer feineren Teilen zerrieben, bis ſie ſchließlich als feiner Sand am Ufer des Meeres ausgebreitet werden. „Solange die Sandkörnchen noch naß ſind, haften ſie ziemlich feſt aneinander; ſobald ſich jedoch das Meer zurückzieht, ſei es, daß die Ebbe wiederum eintritt, ſei es, daß der Seeſturm nachläßt, ſo werden ſie trocken gelegt und es entſteht ein loſer Sand— haufe, der vom Seewinde landeinwärts getrieben wird).“ Die infolge des Durchbruchs des Kanals eintretende regelmäßige, weſtliche Windrichtung ver— hinderte es, daß die Sandmaſſen ſich regellos zer— ſtreuten, bewirkte vielmehr, daß die Bildung der Dünen erfolgte. Kein Wunder alſo iſt es, daß Land und Wald dieſen Feinden nicht zu wiederſtehen vermochten. Ebbe, Flut und Brandung nagten an der Küſte, Spring— und Sturmfluten zerriſſen das Land, das Meer drang tief in dasſelbe, zerſtörte die Landbrücken und riß die Inſeln vom Feſtlande los. Die auf dem über— fluteten und zerſtörten Lande ſtehenden Wälder gingen unter, die anderen wurden durch Sturm und den Salzſtaub der Brandung geſchädigt und ſchließlich bereitete ihnen die wandernde Düne ebenfalls den Untergang. Die Hügelketten der Dünen werden durch den Wind, der ſie aus dem Seeſande ſchuf, bekanntlich nicht nur in ihrer Form und Höhe fortwährend ge— ändert, ſondern zum Wandern gezwungen. Die Düne rollt ihr ungeheures Gewicht landeinwärts, langſam aber unaufhaltſam, Felder und Dörfer, ) G. Leipolt, Phyſiſche Erdkunde, nach den hinter— laſſenen Manuſkripten Oskar Peſchels bearbeitet. Leipzig 1884. I. Bd., S. 463. *) G. Leipolt, a. a. O. 299 Gärten und Wälder unter ihrem Fuße begrabend, ſie nach Jahrhunderten wieder am Strande heraus— gebend, ſie unrettbar dem Meere überliefernd. So führte die Düne den Untergang der Wälder herbei; ſie war es, welche die Moore unter das Meer drückte. Mit welcher Geſchwindigkeit das Vorrücken der Dünen erfolgt, hat man an verſchiedenen Punkten feſtzuſtellen vermocht. Die um das Jahr 1650 um 200 Ruthen oſtwärts verlegte Kirche von Ording in Eiderſtedt lag im Jahre 1777 bereits wieder am Fuße der Dünen; ſo läßt ſich als Mittel des jähr— lichen Vorrückens etwa 1,5 Ruten = 7 m ableiten, alſo für das Jahrtauſend etwa eine Meile. Ungefähr dieſelbe Geſchwindigkeit ergibt ſich auch für die Dünen der Inſel Sylt). Wie viel Jahrtauſende die Dünen der Nordſeeküſte beſtanden haben, alſo wie viel Meilen weiter weſtlich die Weſtküſte ehemals gelegen hat, wage ich nicht zu entſcheiden; die Annahme L. Meyns**), etwa 2— 3000 Jahre, iſt offenbar zu niedrig gegriffen. Frägt man nach der Zeit, wann jene Sylter Wälder exiſtiert haben, ſo kann die große Zahl der aufgefundenen Fichtenzapfen hierüber vielleicht einen Anhalt geben. Bisher ſind in den alten Torfmooren Schleswig-Holſteins immer nur Kiefernreſte beobachtet worden, niemals oder doch zweifelhaft Fichtenreſte, nämlich in dem vorhin erwähnten interglacialen Torf— moore bei Lauenburg ein Fichtenſame. Bedenkt man, daß das zweite Inlandeis, von Oſten kommend, nur bis zur Weſtgrenze der heutigen öſtlichen Hügelland— ſchaft Schleswig-Holſteins vorrückte“ ), fo iſt es denkbar, daß jene Wälder trotz der Nähe (ſie waren etwa 70 km entfernt) fo gewaltiger Eismaſſen be— ſtehen konnten, da auch heutzutage in den Hoch— gebirgen beſonders Nadelhölzer in unmittelbarer Nähe der Gletſcher gedeihen. Sollte meine Annahme, daß während des zweiten Inlandeiſes Sylt und deſſen Umgebung eisfrei geweſen ſei, geologiſch keine Be— ſtätigung finden, ſondern das von Norwegen aus— gehende, noch bis zur engliſchen Oſtküſte ) vor— rückende Eis auch die ganze Nordſee bedeckt haben, ſo ſind nach obigem die Sylter Wälder offenbar nach der zweiten Eiszeit, aber vor dem Durch— bruche des Kanals entſtanden. Als ſich dann das Eis zum zweitenmal und für immer zurückzog, folgten die Pflanzen dem Fuße des abſchmelzenden Gletſchers. Zuerſt breitete ſich die Kiefer aus; ſie war aber dem Untergange ge— ) Leipolt⸗Peſchel, a. a. O. *) Inſel Sylt, S. 698 (94). ) Vgl. Gerard de Geer, Ueber die zweite Ausbreitung des ſkandinaviſchen Landeiſes. Ueberſetzt von F. Wahnſchaffe (Zeitſchrift der deutſchen geologiſchen Geſellſchaft, 37. Bd., Berlin 1885, S. 177—206, Tafel 13). +) Vgl. Neumayr, Erdgeſchichte II, S. 590 und J. Reinke, Algenflora der weſtlichen Oſtſee deutſchen Anteils (Separatabdruck aus dem 6. Bericht der Kommiſſion zur Unterſuchung der deutſchen Meere. Kiel 1889, S. 96). Dieſe Angabe ſteht mit der in der vorigen Anmerkung angeführten Karte in Widerſpruch. 300 weiht, da die Schmelzmaſſen des Eiſes zuerſt große Waſſerläufe bildeten, aus denen ſich beim Geringer- werden des Zufluſſes ausgedehnte Sümpfe bildeten, welche der Kiefer verderblich wurden. Das milder werdende Klima ließ auch wärmebedürftigere Wald⸗ bäume aufkommen, die Eiche nahm größere Areale in Beſitz und bildete große gemiſchte oder reine Be⸗ ſtände. An der Weſtküſte aber erlagen ſie, als der Kanal entſtand, wie vorhin geſchildert, dem Sand— fluge, den Meereseinbrüchen und dem Sturmwinde. Die Eichengebüſche der nordſchleswigſchen Heide, die fog. „Kratts“ find wohl Ueberreſte jener früheren Eichenwälder ). Auf Anhöhen der Heide trifft man nämlich auf oft ſich weithin erſtreckende, niedrige Gebüſche, die vornehmlich aus Quercus pedunculata beſtehen, welcher ſich Populus tremula und Frangula Alnus, ſowie Prunus spinosa, Sorbus aucuparia, Rubus sp., Salix sp., Lonicera Periclymenum, ſelten Juniperus communis als Holzgewächſe zu⸗ geſellen. Die Eichen dieſer Gebüſche ſind freilich nicht jene ſtolzen Bäume, welche uns die Eiche als das Sinnbild der trotzigen Kraft erſcheinen laſſen, ſondern es ſind Zwerge ihres Geſchlechtes, welche ſich vor den Weſtwinden jener Gegenden ducken und ſich dem Boden möglichſt nahe anſchmiegen. Treten dieſe Büſche einzeln auf, ſo erreichen ſie kaum die Höhe von einigen Decimetern, „die knorrigen, arm⸗ dicken Aeſte liegen im Heidekraut nieder und breiten die Zweige horizontal aus. Treten ſie maſſiger auf, ſo bilden ſie auf weite Strecken ein faſt undurch⸗ dringliches Gewirr, das nur kleine Plätze übrig läßt. Hier ſchmiegen ſich die Stämmchen nicht ſo ängſtlich an den Erdboden, ſondern erreichen eine Höhe von 1—2,5 m *). ) Vgl. P. Knuth, Die „Kratts“ der nordſchleswig⸗ ſchen Heide („Natur“, neue Folge, 14. Jahrg., Nr. 22, S. 258). **) P. Prahl, Eine botaniſche Exkurſion durch das Humboldt. — Auguſt 1889. Durchſtreift man dieſe Kratts, ſo kommt einem der Gedanke, daß jie die Ueberreſte ehemaliger hoch— ſtämmiger Eichenwälder ſind, welche den von der Nordſee kommenden raſenden Weſtſtürmen nicht haben widerſtehen können und daher zu ſolchen krüppel— haften Gebüſchen geworden ſind. Sie beherbergen nämlich außer ſpecifiſchen Heidegewächſen auch eine Anzahl von Pflanzen, welche man ſonſt nur in ſchat⸗ tigen Wäldern antrifft. Als Waldpflanzen, welche in dieſen Kratts von früher übrig geblieben ſind, können folgende gelten: Ranunculus polyanthemos L., Hypericum montanum L., Lathyrus niger (L.) Bernh., L. montanus Bernh., Trientalis europaea L., Plathantera bifolia Rehb., P. montana Hub. fil. (= chlorantha Custer), Orchis maculata L., Majanthemum bifolium Schmidt, Convallaria ma- jalis L., Polygonatum multiflorum 4%, P. offi- cinale Al/., von denen Plathantera bifolia Mchb. und Orchis maculata L. auf den weft und oft frieſiſchen Inſeln, Convallaria majalis L. auf Texel vorkommen. Während im Weſten die Eiche elementaren Ge⸗ walten erlag, mußte ſie im Oſten den Kampf mit der Buche aufnehmen, unter deren Schatten ſie nicht zu gedeihen vermag. Bis in die Jetztzeit wird dieſer Kampf fortgeführt; in den Buchenwäldern der ſchles— wig⸗holſteiniſchen Oſtküſte trifft man noch vereinzelt alte Eichen“) an; hier und da ſteht noch ein Rieſen⸗ ſtamm als Ueberreſt ehemaliger Urwälder. nordweſtliche Schleswig nach der Inſel Röm (Schriften des naturwiſſenſchaftl. Vereins für Schleswig⸗Holſtein, II, 1, S. 20). *) Bruhn nennt in ſeinem „Führer durch die Um⸗ gegend der oſtholſteiniſchen Eiſenbahnen“ (Eutin 1874), 87 Eichen von einem Umfange von 8,60 —4,25 m. Einige derſelben ſind in E. Mielck, „Die Rieſen der Pflanzen⸗ welt“ (Leipzig und Heidelberg 1868) abgebildet. Anthropologie und verbrechertum. Von Dr. H. Hurella in Ahrweiler. P Lombroſo in Turin hat in allen europäiſchen Ländern eine bisher unbekannte Menſchenraſſe nachgewieſen. Dieſe Menſchenraſſe zeigt in Deutſch⸗ land wie in Italien, kurz unter den verſchiedenſten Nationen, dieſelben charakteriſtiſchen Züge. Die ſorg⸗ fältigſte Anwendung der modernen anthropologiſchen Methoden hat Lombroſo befähigt, einen beſtimmt charakteriſierten Raſſentypus aufzuſtellen, und den fo gewonnenen morphologiſchen Merkmalen ſtellt ſich eine entſprechende Reihe phyſiologiſcher und biologiſcher Merkmale zur Seite. Unter den biologiſchen Merkmalen hat Lombroſo mit dem feinen Blick des geſchulten Pſychiaters beſonders die pſychologiſchen ſorgfältig ge— ſammelt und ſcharf analyſiert. Vergleichen wir dieſe neue Lombroſoſche Raſſe mit den anderen, durch ganz Europa zerſtreuten, wohl abgegrenzten Raſſen, den Israeliten und den Zigeunern, ſo ſcheinen dieſe drei Typen alle gleich ſcharf ausgeprägt. Der Lombroſo⸗ ſchen Raſſe aber fehlt ein die andern beiden auszeich⸗ nendes Moment, nämlich die Gemeinſamkeit der Ab⸗ ſtammung. Ein Individuum dieſer Raſſe kann z. B. auf einer oſtfrieſiſchen Inſel von Eltern reinſter ger⸗ maniſcher Raſſe gezeugt worden ſein, ein anderes in der Campagna von einer Campagnolenfamilie, ein drittes in Paris in einer ariſtokratiſchen Familie rein⸗ ſten Bluts. An Individuen fo verſchiedenartiger Ab- ſtammung weiſt Lombroſo eine Fülle gemeinſamer Züge nach, die fie als Individuen derſelben Raſſe er⸗ ſcheinen laſſen. Gewiß mag eine ſolche Raſſe rätſel⸗ haft und wunderbar erſcheinen, aber die Löſung des Humboldt. — Auguſt 1889. Rätſels liegt nach Lombroſo in dem Atavismus, deſſen Auftreten unter den verſchiedenſten europäiſchen Stäm— men von Zeit zu Zeit den Typus des Urmenſchen, den Typus einer Raſſe, aus der ſich die europäiſchen Nationen einſt entwickelt haben, wiedererſcheinen läßt. Iſt dieſe Entdeckung erſtaunlich genug, ſo iſt es noch viel merkwürdiger zu erfahren, daß dieſe Raſſe längſt als eine beſondere Menſchenklaſſe bekannt iſt, die freilich bisher den Biologen kaum, den Juriſten um ſo mehr beſchäftigt hat. Die große Mehrzahl der Gewohnheitsverbrecher gehört der Raſſe an, und jedes Mitglied der Raſſe iſt ein Gewohnheits verbrecher. Lombroſo bezeichnet dieſen ſeinen Typus als ,,Delin- quente nato“ und hat ihn bei 43 Prozent aller Ge— wohnheitsverbrecher nachgewieſen, wobei er, was ſpeziell das Studium der Schädelformen angeht, über 383 ſkelettierte Schädel und 3939 Köpfe lebender Ver— brecher disponieren konnte. Für Schädel und Gehirn ſpeciell hat er noch das kleinere Material, welches Fleſch und Benedict zur Verfügung ſtand, hinzugezogen. Bei dem Reſt der durch ihn unterſuchten Gewohnheits— verbrecher hat er faſt jedesmal einige der Merkmale finden können, die ſich bei dem vollkommenen Typus des delinquente nato zuſammen nachweiſen laſſen. Es würde daraus hervorgehen, daß die überwiegende Mehrzahl der Gewohnheitsverbrecher eine Organiſa— tion beſitzen, die ſie unfähig macht, ſich in unſere geordneten ſocialen Verhältniſſe zu finden, regelmäßig zu arbeiten, und ihre Triebe und Neigungen in Ein— klang mit den Beſchränkungen zu bringen, welche die heutige Civiliſation erfordert. Je nach dem Tem— perament, der Umgebung, dem Einfluß der Erziehung, der körperlichen Geſchicklichkeit und Kraft wird der einzelne Repräſentant dieſes allgemeinen Typus den fpecielleren Typus des ſicilianiſchen Briganten, des Londoner pick-pocket oder des Berliner Bauern— fängers annehmen. Ehe wir auf die nähere Prüfung der im engeren Sinne anthropologiſchen Aufſtellungen Lombroſos ein— gehen, ſoll hier noch kurz erwähnt werden, daß Lombroſo in ſeinem delinquente nato nicht nur den mehr oder weniger hypothetiſchen, mit dem früheren Beſitzer des Neanderthalſchädels mehr oder weniger identiſchen Urmenſchen, viele Merkmale heutiger melaneſiſcher und polyneſiſcher Naturvölker wiederfindet (Atavis⸗ mus), ſondern auch zwei weitere, ganz andersartige Elemente. In der mir vorliegenden vierten Auflage des italieniſchen Originals erklärt er den delinquente nato für identiſch mit dem pazzo morale, d. h. dem an fogen. moraliſchen Irreſein leidenden Geiſteskranken, und in der neuerſchienenen deutſchen Ausgabe!) ijt der Verbrecher gleichzeitig Epileptiker. Nach einem be— kannten geometriſchen Grundſatze würde daraus folgen, daß die europäiſche Urraſſe in allen ihren Individuen an moraliſchem Irreſein und Epilepſie gelitten hat, — das iſt ein wenig viel. ) Cesare Lombroso. L’uomo delingente. IIIZa. Ed. Turin. Fratelli Bocca. 1884, ©. Lombroſo. Der Verbrecher. In deutſcher Bearbeitung von Dr. M. O. Frankel, Hamburg, J. J. Richter 1887. 301 Der Charakter dieſer Zeitſchrift erlaubt es mir nicht, eine eingehende Kritik der pſychiatriſchen Dar— ſtellung der Verbrechernatur zu geben. So eingehend auch der Zuſammenhang zwiſchen Geiſtesſtörung und Verbrechen in letzter Zeit diskutiert worden iſt, ſo be— deuten doch die Forſchungsreſultate Lombroſos auf dieſem Gebiete einen erheblichen Fortſchritt. Die bisher ſo vagen Vorſtellungen von moraliſchem Irreſein und originärem Schwachſinn haben durch den Nachweis von Schädeldifformitäten und anderer auf Entwicke— lungshemmung deutender körperlicher Anomalien erſt einen wiſſenſchaftlichen Wert gewonnen, und das ſog. moraliſche Irreſein, repräſentiert durch Lombroſos delinquente nato, erſcheint nicht mehr als ein er— worbener Krankheitszuſtand, ſondern als das durchaus phyſiologiſche Produkt eines in ſeiner Anlage ver- fehlten Gehirns. Die komplizierteſten Gehirnfunktio— nen, nämlich das Gefühlsleben und ſein Einfluß auf unſer Handeln, ſind nur in einem vollkommen nor— malen Gehirn möglich und wie eine, den Geſunden treffende plötzliche Geiſteskrankheit zunächſt dieſe Funk— tionen ſchädigt und den Kranken bei gegebener Ge— legenheit zum Verbrecher macht, fo wird der delin- quente nato zum Verbrecher, weil die organiſche Grund— lage der Sittlichkeit ihm von vornherein fehlt. In dieſem Sinne, und dieſe Auffaſſung iſt erſt durch Lombroſos anthropologiſche Unterſuchung verbrecheriſcher Schwach— ſinniger ermöglicht, iſt die Verbrechernatur identiſch mit dem angeborenen „moraliſchen“ Schwachſinn, und für die praktiſche Beurteilung iſt es ziemlich gleich— gültig, ob man in gewiſſen Entwickelungsſtörungen ataviſtiſche oder pathologiſche Erſcheinungen ſehen will. Ich will in dieſer Beziehung auf einen eminent wichtigen Punkt aufmerkſam machen, den Lombroſo nur flüchtig berührt. Nach der von mir in dieſer Zeitſchrift entwickelten Theorie der Gefühle?) ijt die reflektoriſche Erregbarkeit des Gefäßcentrums die Grundlage des Gemütslebens und damit der Sittlich— keit. Lombroſo hat nun mit Hilfe des Plethys— mographen bei zahlreichen Verbrechern nachgewieſen, daß ihre Gefäßreflexe außerordentlich ſtumpf ſind, und daß ſie ferner, was wir als eine Folge der erſten Thatſache anſehen, gegen Schmerz in hohem Grade unempfindlich ſind. Lombroſo hält dieſe Erſcheinung, unter Berufung auf die Unempfindlichkeit der meiſten heutigen Naturvölker gegen grauſame Torturen, für ein Zeichen des Atavismus, und aus dem mangeln— den Gefühl für eigenen leitet er die Empfindungs— loſigkeit gegen fremden Schmerz, die Grauſamkeit und Brutalität des Verbrechers her. Wie Lombroſo die den Verbrechern und Natur- völkern gemeinſame Unerregbarkeit gegen ſonſt ſchmerz— hafte Eindrücke dem Atavismus zuſchreibt, ſo ver— wertet er in gleichem Sinne, zum Teil als eine Folgeerſcheinung der Schmerzloſigkeit, die beiden Klaſſen gemeinſame Neigung zur Tättowierung des ganzen Körpers. Was er von Einzelheiten auf dieſem Gebiete anführt, iſt unerhört und haarſträubend, und *) S. dieſe Zeitſchrift 1888. Heft 2. 302 Humboldt. — Auguſt 1889. hier, wie faſt in jedem Kapitel des Buches, findet ſich eine unerſchöpfliche Menge höchſt überraſchender, ſonder— barer Einzelheiten, die dem ſcheußlichen Bilde des delinquente nato ſeine unvergeßliche Lebendigkeit und Deutlichkeit geben und Lombroſos Buch zu dem vielleicht merkwürdigſten Buche dieſes Jahrhunderts ſtempeln. Die Hauptzüge dieſes ſo anſchaulich geſchilderten Typus ſind: ein großer, ſchwerer Körper, ein kleiner Kopf mit plattem, ſchiefem, niedrigem Schädel, ſtark zurückliegender Stirn, gewaltig aufgetriebener Stirn⸗ höhle, ſtark hervorſtehenden Augenbrauenbogen, großen Augenhöhlen, vorſtehenden Backenknochen, ſehr langem Geſicht, enormen Kinnbacken. Die Weichteile des Kopfes zeigen dichtes, weiches, tief in die Stirn ge- wachſenes Haar, große rechtwinkelig am Kopf ſitzende Ohren, die reich an allerlei Formabweichungen ſind, ſchiefſtehende Augenöffnungen, ſchiefe, große, auf— geſtülpte Naſe, ganz bartloſes Geſicht. Das Geſicht iſt zudem meiſt ſtark aſymmetriſch, der Teint braun, aber blaß; blonde Verbrecher ſind ſelten. Dieſer allgemeine Typus des „delinquente nato“ verdankt ſeine Anſchaulichkeit und Einheit zunächſt der lebhaften Darſtellungsweiſe ſeines Entdeckers, und die im höchſten Grade eigentümliche Kunſt der Charakter⸗ zeichnung feiert glänzende Triumphe in den Einzel⸗ bildern, die Lombroſo von den morphologiſchen und pſychologiſchen Eigentümlichkeiten der verſchiedenen Verbrecherſpecialitäten gibt. Leider erinnert ſeine Methode bei der Schilderung der Phyſiognomie und der Gefühle, Triebe und Leiden⸗ ſchaften der Verbrecher allzuſehr an die Lavaters; einer exakten Nachprüfung ſind ſeine Schlußfolge⸗ rungen in dieſer Hinſicht überhaupt kaum zugänglich, und wir verzichten deshalb hier ganz auf den Ver⸗ ſuch einer ſolchen, indem wir es dem Leſer überlaſſen, die zahlreichen Portraits des Buches zu betrachten. Es läßt ſich nicht leugnen, daß man dabei den Ein⸗ druck eines ziemlich einheitlichen, unheimlich-beſtiali⸗ ſchen Typus gewinnt und nicht exakt geſchulte Leſer wird dieſer vage aber tiefe Eindruck wohl über⸗ zeugen). Eine exakte Kritik wird dagegen an dem anthropometriſchen Material des Buches ein durchaus kommenſurables Objekt finden, um ſo mehr, als die in den romaniſchen Ländern weit verbreitete Schule (die Vertreter des „poſitiven Strafrechts“ oder der „kriminellen Anthropologie“) noch viele hundert an— dere Verbrecher anthropologiſch unterſucht hat“). Die geringſte Beweiskraft beſitzen die Thatſachen, die ſich auf den Atavismus beziehen. Lombroſo begeht hier einen bei älteren Ethnologen früher oft zu findenden Fehler, die heutigen Naturvölker mit dem Urmenſchen gleichzuſetzen, und noch ſchwerer iſt es zu begreifen, daß er im Sinne des Atavismus den Ver⸗ ) Unbegreiflicherweiſe enthält die deutſche Ausgabe des Werkes (von Dr. Fränkel, Hamburg, Richter 1887) nicht eine der Illuſtrationen des Originals. **) S. die neueſte Publikation von Marro: I caratteri dei delinquenti. Torino 1887, in der ein Material von 542 Verbrechern behandelt wird. ; brecher mit dem Chineſen vergleicht, einem Typus, den eine uralte Kultur geſchaffen hat. Die Ver— gleichung der Skelettmerkmale des Verbrechertypus mit den ſpärlichen Reſten des Urmenſchen gibt der ataviſtiſchen Theorie auch nur eine ſehr ſchwache Stütze. Vielleicht wird das von Lombroſo faſt intuitiv Erfaßte ſich beſtätigen, wenn mehr Verbrecher und eine größere Anzahl prähiſtoriſcher Menſchen unter- ſucht worden ſind; heute iſt die Antwort auf die Frage ein: non liquet. Wenn 53 Prozent der Ver⸗ brecher die „fliehende Stirn“ mit dem Neanderthal— Schädel gemeinſam haben, ſo ſchließt die Möglichkeit eines doppelten Urſprungs dieſes Merkmals — durch geringe Entwickelung der Stirnlappen des Hirns, oder durch übermäßige Größe der Stirnhöhlen — die unmittelbare Verwertung dieſes Befundes aus. Bei der anthropologiſchen Unterſuchung der Weich— teile des Schädels führt Lombroſo die häufige Bart⸗ loſigkeit des Verbrechers als einen Beweis ſeiner nahen Verwandtſchaft mit niedrig ſtehenden Naturvölkern an; bekanntlich könnte man aus einem beſonders üppigen Haarwuchs (neben dem Kopfhaar) genau denſelben Schluß ziehen. Ein anderes Merkmal, daß die Armbreite (Spann⸗ weite) bei den Verbrechern größer iſt, als die Körper⸗ länge, iſt zwar unbeſtreitbar, aber das ijt ein durch⸗ aus normales Verhältnis). Einige andere Merkmale: Körperlänge, Gewicht, find in fo hohem Maße in— dividuell oder am Individuum ſelbſt variabel, daß ſie ſich zu Charakteren eines Typus durchaus nicht eig- nen. Vor allem müßte man zur Beurteilung des Gewichtes wiſſen, ob die Verbrecher in der Freiheit oder im Zuchthaus gewogen worden ſind. Die wichtigſten Angaben des Buches auf anthro- pometriſchem Gebiet beziehen ſich auf die Formver⸗ hältniſſe des Kopfes. Es iſt ja von vornherein klar, daß die Handlungen des Menſchen Funktionen ſeines Schädelinhaltes ſind, und daß Abnormitäten der einen irgendwie durch Abnormitäten des andern be- dingt ſein müſſen. Das Material dafür iſt in dem Hauptwerk Lombroſos nicht einheitlich zuſammengefaßt; ein Kapitel handelt von 383 ſkelettierten Verbrecher⸗ ſchädeln, ein anderes ergänzt dieſe Angaben durch „Maße an 3939 lebenden Verbrechern“; hier findet ſich u. a. eine längere Abhandlung über den Kopf— umfang lebender Verbrecher; der größte Umfang findet ſich bei Fälſchern, Räubern und Mördern, der kleinſte, wo Brandſtiftung und Diebſtahl vorliegen; in Süd⸗ italien, wo ſich die Mörder aus den höheren, die Räuber aus den unteren Klaſſen rekrutieren, iſt der Schädelumfang der Mörder größer als der der Räuber. Köpfe mit großem Umfang kommen bei der normalen Bevölkerung dreimal häufiger vor, als bei Verbrechern; wo ſich bei letzteren ſehr große Um— fänge fanden, handelte es ſich um Mörder oder Fälſcher. Umfänge unter 550 mm kamen bei einer Meſſungsreihe unter Verbrechern noch einmal ſo häufig vor, als bei Normalen. ) S. die deutſche Ueberſetzung Tab. 24, p. 211. Humboldt. — Auguſt 1889. Dieſe Ergebniſſe ſtützen ſich nun auf die fo un— ſichere Meſſung des Umfanges am behaarten Kopf, der man kaum irgend einen Wert beilegen kann und dazu kommt, daß die verſchiedenſten Gewährsmänner, die gewiß nicht nach einheitlichen Methoden gemeſſen haben, citiert werden. Aus den Zahlen über den Umfang des ffelettierten Schädels ergibt ſich aber überhaupt kein formulierbares Reſultat. Ich ſetze eine der Tabellen hierher. Umfang bei Normalen Verbrechern Irren mm Proj. Proj. Proz. 476—480 485-490 1.9 1,8 1,2 491—500 12,6 1,3 9,6 501—510 20,0 8,5 22,9 511—520 31,1 22,0 22,9 521—530 22,6 18,2 24,1 531-540 13,0 18,2 8,4 541—550 4,8 11,5 9,6 551—560 5,5 1,2 561—570 0,6 571—579 0,5 1,8 Die Angabe über Schädelkapacität bei lebenden Verbrechern ſtützt ſich auf Berechnungen aus linearen Meſſungen verſchiedener Beobachter; bekanntlich ſind hierfür verſchiedene Formeln in Gebrauch. Lombroſo gibt keine dieſer Formeln an und kommt zu dem Reſultat, daß die Kapacität bei Verbrechern und Irren kleiner iſt, als bei normalen Menſchen. Für den ſkelettierten Schädel citiert er eine große Anzahl von Autoren verſchiedener Nationen zum Teil älteren Datums und vergleicht ſomit Befunde, die ſtreng genommen nicht vergleichbar ſind, weil ſie ſich auf ganz verſchiedene Methoden ſtützen. Er ſelbſt hat ſich zur Volumetrie des Schädels des Sandes be— dient und der Wert dieſer Meſſungen iſt deshalb leider ſehr zweifelhaft, ſie geben auch kein beſtimmtes Reſultat, nur in den Minimalkapacitäten zeigt ſich ein Ueberwiegen der Verbrecher, bei denen auch die hohen Zahlen (über 1700 Kubikcentimeter) faſt ganz fehlen. Eine Einteilung dieſer Schädel nach der Art des Verbrechens zeigt, daß die Minimalkapacitäten ſehr häufig bei Dieben, ſelten bei Mördern vorkom— men, und hohe Zahlen um das Dreifache häufiger bei letzteren als bei erſteren; dies beſtätigt alſo das Re— ſultat der Cubage bei Normalen. Es folgen dann nach Weisbach Angaben über 175 Verbrecherſchädel, verglichen mit 216 Schädeln Normaler, und hier zeigt es fic), daß die Minimalkapacitäten (1000 — 1300 Kubikcentimeter) mit 6,1 Prozent bei Normalen, mit 51,2 Prozent bei Verbrechern vertreten ſind; es folgen dann noch mehrere andere Meſſungsreihen, deren Reſultate ſich zum Teil widerſprechen, und dann der Schluß, daß „im ganzen der Schädelraum der Ver— brecher, namentlich der Diebe, kleiner als derjenige Geſunder iſt“. Leider erlaubt eine ſorgfältige Nach— rechnung nicht, dies Reſultat zu teilen, man hat immer ein Gefühl von Verworrenheit und Inkonſequenz in den Einzelangaben und es läßt ſich höchſtens ſagen, daß abnorm große und abnorm kleine Schädelräume bei Verbrechern ſehr häufig ſind. Die Angaben über ein mit dem Schädelraum korreſpondierendes Maß, das Hirngewicht, ergeben ebenſowenig ein beſtimmt formuliertes Reſultat. 303 So ſchwer es demnach auch iſt, aus den kraniometri⸗ ſchen Angaben das Bild eines kraniologiſchen Ver— bredjertypus*) zu entwerfen, fo überaus ergiebig find auf der andern Seite die Anomalien in den Form— verhältniſſen des Schädels und Gehirns. Hier ift das Material ſo maſſenhaft, daß es ſich kaum über— ſehen läßt, und man ſteht den Thatſachen als An— thropolog mit einer gewiſſen Ratloſigkeit gegenüber, mit dem Gefühl, daß hier ein ungeheures Forſchungs— gebiet liegt; dies Gebiet aber gehört nicht mehr der Anthropologie, ſondern der Pathologie an. Denn es iſt ſicher kein anthropologiſches Merkmal, das zur Charakteriſierung eines Typus dienen könnte, wenn ſich bei 50 Prozent der bisher unterſuchten Verbrechergehirne Meningitis (Hirnhautentzündung) fand; manche andere Hirnanomalien, beſonders Eigen— tümlichkeiten in der Anordnung der Windungen ſind nicht während des Lebens durch Krankheitsprozeſſe erworben, ſondern deuten zum Teil auf ataviſtiſche Prozeſſe, zum Teil auf Entwickelungshemmungen. In einen beſtimmten Zuſammenhang mit den Schädel— anomalien laſſen ſie ſich nicht bringen, obwohl natür— lich manches, wie die mittlere Hinterhauptsgrube der Form des Kleinhirnwurmes, einander entſpricht. Wie ich oben angedeutet habe, gibt Lombroſo ferner eine große Reihe von Angaben über die Phyſiognomie, den geſamten körperlichen und geiſtigen Habitus des Verbrechers. Dieſe Angaben ſind einer exakten Nach— prüfung nicht zugänglich, und es iſt unmöglich, Kapitel für Kapitel dieſem rieſigen Material nachzugehen. Trotzdem gewinnt man mehr bei dieſen, als bei den anthropologiſchen Angaben den Eindruck, daß es in der That einen wohl charakteriſierten Typus des Gewohnheitsverbrechers gibt. Zum großen Teil mag die Einheitlichkeit dieſes Typus, die Monotonie, mit der ſich beſtimmte Merkmale unter allen Kulturvölkern bei allen Verbrecher-Unterarten finden, zurückzuführen ſein auf die den Verbrechern gemeinſamen Exiſtenz— bedingungen, ich möchte faſt ſagen, auf den Einfluß der Konvention, dem auch der Verbrecher in ſeinem Kreiſe unterliegt. Was aber pſychologiſch genommen dem Typus ſeine Einheit gibt, iſt der allen Verbre— chern gemeinſame Schwachſinn. Wo ein ſtumpfes Gefühlsleben, eine leiſtungsunfähige Intelligenz mitten in den Kampf ums Daſein hineingeſtellt ijt, da kommt es mit Notwendigkeit zu Konflikten mit der ſocialen und ſtaatlichen Ordnung. Verbindet ſich, wie ſo häufig, dieſer Schwachſinn mit epileptiſchen Krämpfen oder mit deutlicher Verworrenheit, mit Sinnestäuſchungen oder Wahnideen, ſo kommt der Ver— brecher auch dem Richter oder den Gefängnisbeamten abnorm vor und es wird das Gutachten eines Irrenarztes eingeholt. Die ſich in den letzten Jahrzehnten häu— fenden Fälle dieſer Art haben in Deutſchland eine immer lebhafter werdende Diskuſſion darüber hervor— ) Aehnlich urteilt Benedikt (Kraniometrie, Wien 1888, p. 129): „Die Narren, Epileptiker, die degenerierten Verbrecher u. ſ. w. bilden vorerſt noch eine einzige kranio— metriſche Familie, deren Glieder aber kliniſch und forenſiſch nicht zuſammengeworfen werden dürfen.“ 304 Humboldt. — Auguſt 1889. gerufen, was mit den „irren Verbrechern“ und den ziehung 2c. zu Verbrechern Gewordenen aus der „verbrecheriſchen Irren“ geſchehen ſoll. Dieſe bisher in den Fachkreiſen erörterte Frage hat durch die Unterſuchungen Lombroſos eine uner⸗ wartet ernſte Geſtalt bekommen. Er hat nachgewieſen, daß neben den unzweifelhaft irren, an einer klaſſiſchen Geiſtesſtörung leidenden Verbrechern eine ungeheure Zahl abnormer Indivi⸗ duen in unſern Gefängniſſen ein- und ausgehen; was ſie ſocial charakteriſiert, das Verbrechen, beruht auf ſchweren Störungen und Hemmungen der Hirnthätig⸗ keit, und dieſe find wieder auf körperliche Monſtruo⸗ ſitäten zurückzuführen, die ſich durchaus nicht auf den Schädel beſchränken, ſondern das ganze Individuum als tiefſtehend, tieriſch charakteriſieren. Mit bewundernswertem Fleiß, mit unermüdlicher Ausdauer hat Lombroſo durch ſeine Aufſtellung eines Typus des „delinquente nato“ Einheit in das un⸗ geheure Material zu bringen verſucht; er hat dabei neben durchdringendem Scharfſinn eine merkwürdige Gabe der Divination gezeigt, und die Aehnlichkeit des Verbrechertums mit den Typen des Epileptikers, des „fou moral“ erſt gefühlt, dann nachgewieſen. Seine Arbeiten haben ſeit einigen Jahren eine große Schule der „kriminellen Anthropologie“ unter den Naturforſchern, des „poſitiven Strafrechts“ unter den Juriſten ins Leben gerufen. Wir ſtehen mitten in der Diskuſſion dieſer Fragen und die Spuren der Ideen Lombroſos werden nie wieder aus dem mo⸗ dernen Leben verſchwinden können. Es iſt nicht unmöglich, daß nach Ausſcheidung aller Epileptiker und Irren, ſowie aller durch den Druck äußerer Verhältniſſe, durch Alkoholismus, Er⸗ Schar der Gewohnheitsverbrecher ſich dauernd eine Gruppe gewinnen läßt, die dem Typus des „delin— quente nato“ entſprechen. Es iſt auch möglich, daß dieſer Typus ſich als ein Produkt nicht genügend behutſamer Induktion herausſtellt. Lombroſos unſchätzbares Verdienſt um das furcht— bare Problem von der Entſtehung und Unterdrückung des Verbrechens bleibt auch dann ungeſchmälert. Stellen wir uns vor, es wäre erſt einmal vom Staate und von den Juriſten anerkannt, daß die überwiegende Mehrzahl der Verbrecher durch ihre Organiſation notwendigerweiſe zum Verbrechen ge— drängt werden, fo liegt auf der Hand, daß der ein- mal als ſolcher erkannte, „geborene Verbrecher“ nicht Gegenſtand der Strafe fein kann, daß er aber eben⸗ ſowenig in Freiheit gelaſſen werden darf. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Anlage zum Verbrechen ſich vererbt, daß dieſe Anlage durch das Beiſpiel verbrecheriſcher Eltern zur vollen Ent⸗ wickelung kommt. Haben die Ideen Lombroſos erſt einmal dahin geführt, daß der Verbrecher durch dauernde Einſchließung an der Gründung einer Fa⸗ milie gehindert wird, ſo eröffnet ſich damit der menſchlichen Geſellſchaft die Ausſicht auf ein Ver— ſchwinden zahlreicher, ihren Beſtand bedrohender Elemente. Wenn es einmal in ferner Zukunft ein Gemeinweſen ohne Gewohnheitsverbrecher geben wird, ſo wird es Lombroſo zu ſeinen größten Wohlthätern rechnen. Mögen die Socialökonomen berechnen, ob es ſich lohnt, auf dieſe Perſpektive hin unſere Straf⸗ anſtalten in Häuſer zur permanenten Einſchließung antiſocialer Individuen zu verwandeln. Fortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Mineralogie. Don Profeffor Dr. H. Bücking in Straßburg i. E. Pyrargyrit und Prouſtit. Datolith. Neue Mineralien: Roſenbuſchit, Hiortdahlit, Barkevikit, Sudidpmit, Nordenſkiöldin, Melanocerit, Dahllit, Rhodotilit, Heliophyllit, Baryfil, Pyrrhoarſenit, Auerlith, Berylonit, Awaruit, Sperrylit, Papofit, Quenftedtit, Sulfohalit, Riebeckit, Ineſit. Von wichtigeren monographiſchen Bearbeitungen ein⸗ zelner Mineralien iſt in der letzten Zeit eine ſolche über den Pyrargyrit und Prouftit von H. A. Miers*) und eine über den Datolith von O, Lüdecke veröffentlicht worden. Miers hat die vor einigen Jahren erſchienene Ab⸗ handlung über das Rotgiltigerz von Rethwiſch'*) nach vielen Richtungen ergänzt und, wo es nötig war, berichtigt. Er iſt dabei, geſtützt auf ſehr ſorgfältige Beobachtungen an dem reichen Material in der Sammlung des Britifh Muſeums und auf zahlreiche von G. T. Prior ausgeführte Analyſen, mit einer ſolchen Genauigkeit und Umſicht vor⸗ gegangen, daß ſeine Angaben allen weiteren Unterſuchungen über den Pyrargyrit und Prouſtit als ſichere Grund- ) Zeitſchr. f. Kryſt. 1889, 15, 129 2c., ſowie Min. Mag. London, 1888, 8, 37. ) Vergl. Humboldt, Jahrg. 1887, S. 263. lage dienen werden. Die wichtigſten Reſultate, zu welchen er gelangt, ſind folgende: Prouſtit und Pyrargyrit ſind zwei ſtets zu unter⸗ ſcheidende Species. Prouſtit hat den Rhomboederwinkel 7212“, das ſpecifiſche Gewicht 5,57; Pyrargyrit hat den Rhomboederwinkel 7122“ und das ſpeeiſiſche Gewicht 5,85. Die beiden Mineralien können vollkommen durch die Farbe ihres Pulvers unterſchieden werden; das des Prouſtit iſt ſcharlachzinnoberrot, das des Pyrargyrit purpurrot. Pyrargyrit iſt zweifellos, Prouſtit wahrſcheinlich hemimorph. Von den Formen ſind einige dem Prouſtit, andere dem Pyrargyrit eigentümlich, während eine Anzahl beiden gemeinſam ſind. Einige Formen ſind dem oberen, andere dem unteren Ende des Kryſtalls eigentümlich, andere find beiden Enden gemeinfam. Die meiſten Pyrargyrite enthalten Arſen und einige Humboldt. — Auguſt 1889. 305 Prouſtite Antimon. Solche Varietäten liefern nur felten genau meßbare Kryſtalle. Iſt der Prozentgehalt ein be- trächtlicherer, ſo wird er gewöhnlich durch eine erkennbare Verwachſung von Pyrargyrit und Prouſtit bewirkt und veranlaßt eine wirre Kryſtalliſation. In den Fällen, in welchen die Beimengung nur gering iſt und die Kryſtalle gut meßbar ſind, bringt das Vorhandenſein von Antimon im Prouſtit und von Arſen im Pyrargyrit keine merkliche Aenderung im Rhomboederwinkel hervor. Die Hauptzonen des Pyrargyrit ſind ſehr reich an Vieinalflächen und Formen mit hohen Indices. Dieſe Zonen werden beſtimmt durch die Rhomboeder R und — ½ R und das Prisma 1. und 2. Ordnung. Die Vi⸗ cinalflächen beſitzen Poſitionen, welche als regelmäßige Funk⸗ tionen der Indices jener ausgedrückt werden können!“). Am reichſten an Vieinalflächen ſind jene Teile der Haupt— zonen, welche denjenigen Flächen der Formen des primären Rhomboeders und des Prismas 1. und 2. Ordnung be— nachbart ſind, welche nicht in der betreffenden Zone liegen. Alle typiſchen Formen gehören zu Zonen mit einfachen Symbolen, welche entweder + R oder — ½ KR enthalten. Die beiden Mineralien ſind ſtreng rhomboedriſch und keine der typiſchen Formen tritt in poſitiver und nega— tiver Stellung auf. Bemerkenswert iſt, daß Miers ſich genötigt ſah, eine große Zahl (29) von den früher als ſicher angenommenen Formen (111) auszumuſtern. Viele dieſer ausgeſchiedenen Formen waren von Lévy**) aufgeführt worden, aber be— kanntlich ohne genauere Beſchreibung. Da nun beim Ver— gleich der Lévyſchen Originalſtücke, welche jetzt einen Teil der in der Royal School of Mines befindlichen Ludlam— ſchen Sammlung bilden, mit ſeiner Beſchreibung ſich ergab, daß die letztere ſehr ungenau iſt und die Figuren ſehr oft nur wenig den Kryſtallen gleichen, wurden alle auf Levys Autorität beruhenden Formen geftriden. Auch bei anderen Mineralien, beſonders Topas und Diamant, ſoll Lévys Beſchreibung ſehr ungenau befunden worden fein. Die Monographie Lüdeckes über den Datolith (Halleſche Zeitſchr. f. Naturwiſſ. 1888, Bd. 61, 235 ꝛc.) enthält eine vollſtändige Ueberſicht über die vielen bis jetzt am Datolith angeſtellten Unterſuchungen und iſt reich an neuen Beobachtungen. Lüdecke gibt einen hiſtoriſchen Ueberblick über die Entwickelung der Kenntnis von dem Datolith, diskutiert das Achſenverhältnis und findet, daß das von Dauber angegebene im großen und ganzen ſich als richtig erwieſen hat, daß es aber bei Kryſtallen von verſchiedenen Fundorten etwas variiert, zum Teil derart, daß einzelne Kryſtalle ein genau rechtwinkeliges Achſenſyſtem beſitzen und dann nur an ihrem optiſchen Verhalten als ſicher monoſymmetriſch erkannt werden können (ſo z. B. einzelne Kryſtalle vom Wäſchgrund bei Andreasberg). Die Zahl der für den Datolith feſtgeſtellten Kryſtallformen beträgt 116; unter dieſen ſind die Pyramiden am zahl— reichſten, die Klinodomen und Prismen am ſparſamſten vertreten. Was die Typen des Datoliths anlangt, ſo unter— ſcheidet der Autor einen regelmäßigen bezw. ebenmäßigen ) Vergl. Humboldt, Jahrg. 1887, S. 263. ) Description d'une Collection ete., 1837. Humboldt 1889. 4 Typus, wenn die drei Hauptdimenſionen des Kryſtalls faſt die gleichen ſind — er findet ſich an Kryſtallen von Arendal, Toggiana und auch Andreasberg —, ferner einen ſäuligen Typus, bei welchem die Kryſtalle teils nach der e-Achſe geſtreckt erſcheinen (Andreasberg, Arendal, Caſarza, Hirſchkopf und Zanchetti), teils durch Vorwalten eines Klinodomas nach der a-Achſe (Bergenhill), teils nach der poſitiven Hemipyramide (Caſarza, Bergenhill), und ſchließ— lich einen tafelartigen Typus, bei welchem entweder das primäre negative Orthodoma (Theiß, Seiſſer Alp, Katha rina Neufang) oder die Baſis (Andreasberg, Niederkirchen, Arendal, Caſarza) oder das Orthopinakoid (Zanchetti, Caſarza) vorwaltend ſind. Jedoch iſt dieſe Unterſcheidung der ſogenannten Typen ohne beſondere Wichtigkeit, da, wie der Verfaſſer ſelbſt ſagt, man häufig in einer und derſelben Druſe die mannigfachſten Typen beobachten kann. Die Beſchreibung der einzelnen Vorkommen und ihrer Kombinationen, welche einen wichtigen Teil der Abhand— lung bildet, iſt mit vielen kritiſchen Bemerkungen über die älteren Beobachtungen durchwebt. Am meiſten Intereſſe verdienen hierbei die ſehr eingehenden Unterſuchungen über die verſchiedenartigen Datolithvorkommniſſe aus der Um— gegend von St. Andreasberg am Harz, zu welchen das überaus reiche Material aus der Sammlung der Berg— akademie zu Clausthal und aus der alten, nunmehr in Greifswald befindlichen Hausmannſchen Sammlung be— nutzt werden konnte. Auch das optiſche Verhalten der Datolithkryſtalle wurde an einzelnen Vorkommniſſen, zumal von Andreas— berg, Bergenhill, Arendal und von der Seiſſer Alp ein— gehender geprüft. Aus der großen Zahl von Mineralbeſchreibungen, welche entweder nur einzelne beſonders ſchön ausgebildete Kryſtalle oder die an einzelnen Orten zuſammen auftre— tenden Mineralien in mehr überſichtlicher Weiſe behandeln, mögen hier nur genannt werden die Arbeiten von E. Ar— tint über die flächenreichen Quarzkryſtalle von Val Maz lenco“) und über die Zeolithe von Monteechio maggiore (Heulandit und Apophyllit)* ), von Vrba über den Ber— trandit, Tantalit, Monazit, Xenotim, Pharmakoſiderit und Sympleſit aus dem Rieſenpegmatit von Piſek, über den Redruthit von Joachimsthal und den Pariſit von Neu— granada***), von Gräff ß) über die Mineralien der Druſenräume in dem Buntſandſtein von Waldshut in Baden (Carneol, Quarz, Caleit, Baryt, Fluorit, Dolomit ꝛc.), von Zimänyi über den Baryt und Cöleſtin vom Dobogs— berge, über Angleſit von Mexiko und Peru, über Epidot vom Achenthal und Hollersbach im Salzburgiſchen, und über Pyrit aus Colorado (Földtani Közlöny, 1888, 437), von Strüver über den Idoeras (Veſuvian), aus der Graz natbank und aus der Idocrasbank im Serpentin der Testa clarva im Alathal in Piemont t). Etwas ausführlicher ſollen dagegen die im letzten Jahr bekannt gewordenen neuen Mineralien behan⸗ delt werden, deren Zahl eine überraſchend große iſt. Es ) Memorie, Reale Accad. d. Lincei, Roma 1888. **) Ebenda, Rendiconti ꝛc., 1888, 536. ***) Zeitſchr. f. Kryſt. 1889, 15, S. 194 ꝛc. +) Ebenda, S. 376. ++) Memorie, Reale Acc. d. Lincei, Roma 1887 und 1888. 39 306 haben nämlich in Skandinavien und im Weſten Nord- und Süd⸗Amerikas, in den an ſeltenen Mineralverbindungen ganz beſonders geſegneten Landſtrichen, ebenſo wie an einigen anderen Orten fortgeſetzte Durchforſchungen eine nicht geahnte Menge von neuen Verbindungen aß das Licht gebracht, welche zum Teil von großer Wichtigkeit für die Auffaſſung und ſyſtematiſche Stellung mancher ſchon länger bekannter Mineralien geworden ſind. So hat Brögger bei ſeinen Unterſuchungen der mine⸗ ralreichen grobkörnigen Gänge der ſüdnorwegiſchen Augit⸗ und Eläolithſyenite außer den bereits im letzten Auguſt⸗ heft des „Humboldt““) erwähnten Lavenit und Cappelenit noch mehrere andere neue Mineralien aufgefunden, welche er in einer allerdings nur kurzen, vorläufigen Mitteilung!) etwas näher charakteriſiert. Das von ihm als Roſenbuſchit bezeichnete Mineral iſt ſowohl in Kryſtallen als in radialſtenglichen, bis 1,5 em langen Maſſen zuſammen mit Aegirin, Glimmer, Zirkon, Feldſpat, Eläolith, Sodalith, Leukophan ꝛc. gefunden worden. In ſeiner Kryſtallform und in ſeinen Kohäſions⸗ verhältniſſen nähert ſich der lichtorangegraue, ſchwach pleochroitiſche Roſenbuſchit dem Wollaſtonit, in der chemi⸗ ſchen Zuſammenſetzung dem Pektolith, inſofern neben CaO auch noch NaoO (10,15%) vorhanden iſt; es iſt aber in dem neuen Mineral ein ziemlich beträchtlicher Teil der Kieſelſäure erſetzt durch 210 (18,69%) und Tid, (6,07%); ferner ſind noch Sesquioxyde vorhanden: Fe,03 (1,15), TiyO3; (1,31) und LagO3 (2,38%). Brögger reiht den Roſenbuſchit als einen „Zirkonpekto⸗ lith“, ebenſo wie den früher beſchriebenen Laͤvenit und den niobhaltigen Wöhlerit, auf Grund der kryſtallogra⸗ phiſchen Eigenſchaften in die Gruppe der Pyroxene ein, in welcher dieſe Mineralien eine beſondere Abteilung, die der Zirkonpyroxene, derjenigen Pyroxene alſo, in welchen die SiO) zum Teil durch ZrOy vertreten iſt, bilden. In dieſe Gruppe gehört ſehr wahrſcheinlich auch der Hiortdahlit Brögger's, ein dem Wöhlerit zwar ſehr ähnliches, aber doch von ihm verſchiedenes Mineral, welches in einem ſchmalen Gang auf der kleinen Inſel Arö im Langſundsfjord erſt vor kurzem entdeckt worden ift***), Die dünnen, linealförmigen, bis 1 em langen Kryſtalle ſind gelb oder gelblichbraun, haben die Härte und das Ausſehen des Wöhlerits und ganz ähnliche Winkeldimen⸗ fionen; ſie ſind aber aſymmetriſch, trotzdem ihr Habitus — infolge wiederholter Zwillingsbildung — ein rhom⸗ biſcher iſt. Auch im optiſchen Verhalten ſind ſie vom Wöhlerit verſchieden. Wiewohl eine Analyſe nom Hiort⸗ dahlit noch nicht vorliegt, ſo dürfte er doch, wegen ſeiner großen Aehnlichkeit mit dem Wöhlerit, dieſem analog zu⸗ ſammengeſetzt ſein. Es würde dann in der neuen Ab⸗ teilung der Zirkonpyroxene auch ein aſymmetriſches Glied vorhanden ſein. In die Amphibolgruppe ſtellt Brögger den Barke⸗ vikit. Dieſes in den Augitſyeniten ziemlich häufig vorkommende neue Mineral ſteht in chemiſcher Beziehung dem Arfvedſonit ſehr nahe, unterſcheidet ſich aber von *) 1888, S. 302. ) Geol. Foren. i Stockholm Förh. 1887. S. 247 2c., und Nyt Mag. f. Naturvidensk., Chriſt. 1888. ) Nyt Mag. f. Naturvidensk., Chriſt. 1888. Humboldt. — Auguſt 1889. dieſem durch ſeine optiſchen Eigenſchaften, unter anderem durch mehr braune als blaugrüne Abſorptionsfarben. Auch der von Breithaupt aufgeſtellte Aenigmatit (Kölbingit), der bisher als ein epidotähnliches monoſym— metriſch kryſtalliſierendes Mineral angeſehen wurde, wird von Brögger, der beſſere Kryſtalle dieſes Minerals als aſymmetriſch erkannte, zu den Hornblenden und zwar in die Nähe des aſymmetriſchen Coſſyrits geſtellt. Für den Fall, daß in dem letzteren der Titanſäuregehalt überſehen, bezw. die Titanſäure mit der Kieſelſäure zuſammengefaßt worden iſt, würden Aenigmatit und Coffyrit identiſch fein. Der Gehalt an TiO, in jenem Mineral beträgt 7,57%. Ein neuer Zeolith iſt der Eudidymit. Er hat ſich mit anderen Zeolithmineralien (Analeim, Natrolith und Apophyllit) zuſammen — und wie dieſe offenbar ein Zerſetzungsprodukt vornehmlich des Eläoliths — auf der Inſel Arö im Langeſundsfjord in Druſenräumen des Eläolithſyenits gefunden. Die weißen bis farbloſen, glasglänzenden Kryſtalle ſind monoſymmetriſch und tafel⸗ förmig nach der Baſis; nach dieſer vollzieht ſich eine voll⸗ kommene Spaltbarkeit. Die chemiſche Zuſammenſetzung entſpricht nach den Analyſen von Flink und Nordenſkiöld der Formel BeNaHSiz0g. Die Härte iſt 6, das ſpeeifiſche Gewicht 2,55. Ein Mineral von ſehr eigentümlicher Zuſammenſetzung iſt der Nordenſkiöldin. Derſelbe enthält nach einer Analyſe von Prof. Cleve 53,75% SnOg, 0,9% E102, 20,45% CaO und 25% 203 (aus dem Verluſt be- ſtimmt), entſpricht demnach etwa der Formel Casn B06. Die Kryſtalle find hexagonal-rhomboedriſch und haben eine auffallende Aehnlichkeit in ihrer Form und in ihren Winkel⸗ dimenſionen mit manchen Kryſtallen von Kalkſpat; nur iſt hier eine vollkommene Spaltbarkeit nach der Baſis vorhanden. Immerhin deutet die Aehnlichkeit in den Winkeln bei Kalkſpat, Natronſalpeter, Rotgültigerz und Nordenſkiöldin ganz eigentümliche Beziehungen zwiſchen dieſen Mineralien an. Die Härte des ſchwefelgelben, dem Melinophan äußerlich ähnlichen Nordenſkiöldin iſt 5,5—6, das ſpeeifiſche Gewicht 4,20. Der Melanocerit, ein Mineral von tiefbrauner Farbe, der Härte 5 bis 6 und dem ſpecifiſchen Gewicht 4,11 bis 4,15, kryſtalliſiert rhomboedriſch in tafelförmig nach der Baſis ausgebildeten Kryſtallen. Er iſt ein höchſt kompliziert zuſammengeſetztes Mineral, deſſen wichtigſte Beſtandteile nach der Analyſe von Prof. Cleve folgende find: 13% SiO», 3,7% Ces, 3,65 Ta,05, 3,19 Be Oz, 5,78 Fl, 7,67 DiyO3, 20,76 Ce,03, 12,94 Laz0g, 9,17 Yo03, 8,62 CaO, 3,01 HoO. Außerdem enthält das Mineral in geringer Menge nod) ZrOy, ThOy, COs, P05, AlyO3, Fe,03, MngO03, MgO und Na O. Das, was bisher als Erdmannit beſchrieben worden iſt, iſt zum Teil ein Umwandlungsprodukt dieſes Melanocerits. Ferner hat Brögger aus den eben erwähnten Gängen als neu noch einen Caleiothorit und einen Natron⸗ katapleit namhaft gemacht, ohne beide jedoch eingehender zu beſchreiben. Intereſſant durch ſeine Zuſammenſetzung iſt der erſt kürzlich durch Brögger und H. Bäckſtröm aufgefundene Dahllit, ein bis jetzt nur in feinfaſerigen Aggregaten als Ueberzug auf Apatit beobachtetes Mineral von Oede⸗ Humboldt. — Auguſt 1889. 307 garden im Kirchſpiel Bamle in Norwegen*). Es iſt gelb- lichweiß bis rotgelb, hat das ſpeeifiſche Gewicht 3,053 und iſt optiſch einachſig. Kryſtalle würden alſo dem hexagonalen oder tetragonalen Syſtem zugehören. Vollkommen friſches homogenes Material löſt ſich in Salzſäure unter ſtetigem Entweichen von Kohlenſäure, und entſpricht etwa der Buz ſammenſetzung 4CazP,0g + 2CaCO3 + HyO, wobei ein geringer Teil des Ca durch Fe, Nay und Ky vertreten ift. Der Dahllit iſt demnach die einzige bis jetzt bekannte Ver— bindung eines Phosphats mit einem Carbonat, offenbar entſtanden aus dem Apatit unter dem Einfluß kohlenſäure— haltiger Löſungen. Eine reiche Fundſtätte für Mineralien iſt auch die Harſtigsgrube bei Pajsberg in Schweden. Im letzten Jahre war dort der Harſtigit entdeckt worden); nun werden von G. Flink noch zwei andere neue Mineralien von dort beſchrieben, der Rhodotilit und der Heliophyllit, ſowie von A. Sjögren und Lundſtröm ein drittes, der Baryſil“ **). Der Rhodotilit bildet ſtengliche oder ſtrahlige Ag— gregate von roſenroter Farbe, der Härte 4 bis 5 und dem ſpecifiſchen Gewicht 3,03, welche gewöhnlich mit Rhodonit und Granat zuſammen vorkommen. In ſeinem Habitus und auch in ſeiner Haltbarkeit erinnert der Rhodotilit an den Wollaſtonit, doch gehört er auf Grund ſeiner optiſchen Eigenſchaften in das aſymmetriſche Syſtem. In chemiſcher Beziehung zeigt er eine gewiſſe Verwandtſchaft mit dem Rhodonit; er läßt ſich, da ſeine Zuſammenſetzung etwa der Formel 2(Mn, Ca) Si03 + HyO entſpricht, gleichſam als ein Hydrat des Rhodonits auffaſſen. Der Heliophyllit iſt dem früher von Nordenſkiöld beſchriebenen tetragonalen Ekdemit aus den Langbans- gruben, dem einzigen bis jetzt in der Natur vorgefundenen Salz der arſenigen Säure (Pb;As,Og + 2 Pb Cle), in ſeinem Verhalten gegen chemiſche Reagentien völlig gleich, beſitzt auch eine nur wenig abweichende Zuſammenſetzung, ent— ſprechend der Formel PAS 207 + 2 PbCly, iſt aber durch ſein optiſches Verhalten, welches ihn in das rhombiſche Syſtem verweiſt, von jenem wohl unterſchieden. Der Heliophyllit beſitzt wie der Ekdemit eine ſehr vollkommene Spaltbarkeit, hat eine ſchwefelgelbe Farbe, die Härte 2, das ſpecifiſche Gewicht 6,886. Er iſt ein ſehr ſelten vor— kommendes Mineral. Der Baryſil, der ſich mit Kalkſpat, Granat und Tephroit zuſammen findet, iſt ſilberweiß, perlmutterglänzend und bei einer krummblätterigen Struktur in friſchem Buz ſtande dem Muskovit nicht unähnlich, von dieſem aber durch das hohe ſpeeifiſche Gewicht 6,55 wohl unterſchieden. Die Härte iſt 3, das Kryſtallſyſtem hexagonal. Die Zu— ſammenſetzung entſpricht der Formel 3PbO . 28102, doch ijt ein Teil (4—8 % des PbO erſetzt durch MnO, FeO, CaO und MgO. Es find demnach von eigentümlichen Bleiſilikaten von Pajsberg, bezw. von den Langbansgruben und Jakobsberg bis jetzt im ganzen 4 bekannt, nämlich außer dem eben erwähnten der früher von G. Lindſtröm beſchriebene Melanotekit von Gangban, deſſen Zuſammen⸗ ſetzung ungefähr der Formel Fez0g. SiO, +2PO. Sid, ) Kongl. Vet. Ak. Förh., Stockholm 1888. **) Humboldt, 1888, S. 303. ) Kongl. Vet. Ak. Förh. Stockholm 1888, S. 571 zc. und 7 zc. entſpricht, der von Nordenſkiöld entdeckte Ganomalith von Längban, den ſpäter A. Sjögren auch in Jakobsberg auf⸗ gefunden hat, mit der Zuſammenſetzung 3PbO. 28102 + 2RO . SiO, (R = Ca, Mn, Mg, Ky), und der ebenfalls zuerſt von Nordenſkiöld an Stufen von Langban beobachtete Hyalotekit. Der letztere iſt neuerdings von G. Lindſtröm analyſiert worden!) und enthält außer Kieſelſäure, Blei, Barium und Calcium (und etwas Mn, Be, Mg, Ka und Na) auch noch an früher überſehener Borſäure 3,73%, ent— ſprechend der Formel 12(RO . 28102) + 3RO . 28203 + RFI. Von Antimonio-Arfeniaten, welche die Gegend von Pajsberg und Sjögrufvan im Kirchſpiel Grythyttan in Schweden in größerer Zahl geliefert hat, hat der im letzten Jahrgang des Humboldt (1888, S. 301) erwähnte Pyr— rhoarſenit nach einer Analyſe von Högbom die Zu— ſammenſetzung 20(Ca, Mg, Mn)3As90g + CagSb.07, während ein von L. J. Igelſtröm neuerdings“ ) unter- ſuchtes hell-ſtrohgelbes, ebenfalls als Pyrrhoarſenit bezeichnetes Mineral von Sjögrufvan der Zuſammenſetzung 100 Ca, Mg, Mn)3As9Og + CaySby0; entſpricht. Dieſes letzte Mineral enthält alſo doppelt ſo viel Antimonſäure als das von Högbom analyſierte, iſt aber im übrigen jenem ſehr ähnlich, insbeſondere in gleicher Weiſe wie jenes iſotrop. Nur kommt es unter etwas andern paragenetiſchen Verhältniſſen vor, nämlich in ziem— lich reinem Dolomit, ohne Begleitung von Baryt und Hausmannit. Der Streit über die Natur des ſo überaus ſeltenen Thaumaſit von ZBjelke in Areſkuſtan in Schweden, der von franzöſiſchen Gelehrten bisher für ein Gemenge ge— halten wurde, iſt nunmehr endgültig beſeitigt, da nach erneuter Prüfung gerade von jener Seite feſtgeſtellt wurde, daß die Hauptmaſſe des Minerals einheitlich und optiſch einachſig tft***). Das Mineral findet demnach ſeine Stelle in der Nähe des Cancrinit und Kainoſit, iſt aber hin— ſichtlich ſeiner Zuſammenſetzung CaCO3 . CaSiOg3. CaSO, . 14H20 noch intereſſanter als jene. Eine gleichfalls höchſt intereſſante Verbindung iſt in dem Auerlith von Henderſon Co., Nord-Carolina, durch die amerikaniſchen Mineralogen Hidden und Mackin— toſh kürzlich aufgefunden und beſchrieben worden ). Das im ganzen ſeltene Mineral hat ein Wachs- oder folo- phoniumartiges Ausſehen, iſt halbdurchſcheinend bis un- durchſichtig, oberflächlich gelblichweiß, innen blaßzitrongelb bis orange und tiefbraunvot, ſehr brüchig und leicht zer— bröckelnd und hat die Härte 2,5 bis 3, das ſpecifiſche Ge— wicht 4,4 bis 4,77. Es haben ſich bis jetzt nur Kryſtalle gefunden, welche ganz das Ausſehen von Zirkon beſitzen, aber von ſehr rauhen und unebenen Flächen eingeſchloſſen werden, die eine Meſſung nicht geſtatten. Da überdies die Kryſtalle in lockerem granitiſchem Geſtein innig ver— bunden mit Zirkon vorkommen, wurden ſie längere Zeit ) In den letzterwähnt. Förh., 1887, S. 589 ꝛc. **) Neues Jahrb. f. Min. 1889, I. 48 ꝛc. ***) Zeitſchr. f. Kryſt. 1889, 15, S. 99. +) Ebenda, S. 295. 308 als ſolcher angeſprochen, bis die chemiſche Analyſe über ihre abweichende Zuſammenſetzung Aufſchluß gab. Aus mehreren Analyſen geht hervor, daß der Auerlith der Formel 8ThSiO,; + ThP,O7 + 61H20, mithin einer Ver⸗ bindung eines waſſerhaltigen Thoriumſilikats mit einem waſſerhaltigen Thoriumphosphat, oder etwa einem Thorit entſpricht, in welchem ein Teil der Kieſelſäure durch die ihr äquivalente Menge Phosphorſäure vertreten iſt, eine Ver— tretung, wie ſie auch bei den in den Thomasſchlacken auf⸗ tretenden Kryſtallen (unter anderen bei den in diejen vorkommenden künſtlichen Apatitkryſtällchen) von Bücking und Linck früher!) nachgewieſen worden iſt. Jedenfalls iſt dieſes Vorkommen eines Thoriumphosphats das erſte Beiſpiel einer derartigen Verbindung in der Natur, und ſcheint nach den Autoren in direktem Zuſammenhange mit dem Vorkommen des Thoriums im Monazit zu ſtehen. Sie ſind der Anſicht, daß das Thorium im Monazit nicht lediglich mechaniſch eingeſchloſſenen Beimengungen von Thorit zuzuſchreiben ſei, ſondern auch an Phosphorſäure gebunden zugegen ſein könne. Ein dem Triphylin analog zuſammengeſetztes Phos⸗ phat haben E. S. Dana und Horace L. Wells mit dem Namen Beryllonit belegt! k). Es hat die Zuſammen⸗ ſetzung NaBeP O gehört wie der Triphylin in das rhom⸗ biſche Syſtem, iſt aber ſowohl durch die Winkeldimenſionen, wie durch die Ausbildung der Kryſtalle, welche häufig ver⸗ zwillingt erſcheinen, von jenem Mineral recht wohl zu unterſcheiden. Der im ganzen ſeltene Beryllonit findet ſich in der Nähe von dem durch ſeinen Mineralreichtum berühmt gewordenen Stoneham in Maine und zwar in einem gangartig auftretenden granitiſchen Geſtein, zu⸗ ſammen mit Orthoklas, Albit, Rauchquarz, Glimmer, Columbit, Zinnſtein, Beryll, Apatit und Triplit, meiſt in derben Maſſen und nur zuweilen in Kryſtallen bis zu 50 Gramm Gewicht. Man hielt ihn anfänglich für farb⸗ loſen Quarz; von dieſem iſt er aber durch eine ſehr voll⸗ kommene baſiſche Spaltbarkeit gut unterſchieden. Es iſt bemerkenswert, daß der Beryllonit nur wenige Meilen entfernt von dem in kryſtallographiſcher Beziehung ihm etwas ähnlichen anderen Berylliumphosphat, dem Herderit, gefunden worden iſt, in einer Gegend, in welcher auch das ſeltene Berylliumſilikat Phenakit vorkommt. Von den übrigen in der letzten Zeit entdeckten neuen Mineralien beanſpruchen die folgenden noch kurz erwähnt zu werden. Awaruit, ein telluriſches Nickeleiſen, iſt in Form von kleinen Plättchen und Körnchen in den Goldſeifen des Gorge River und benachbarter Flüſſe im Awarua⸗ diſtrikt an der Weſtküſte der Südinſel von Neuſeeland aufgefunden und von G. Ulrich unterſucht worden k). Es enthält 67,63% Ni und 31,02% Fe, außerdem noch etwas Kobalt, Schwefel und Silicium; die Härte iſt 5, das ſpe⸗ cifiſche Gewicht 8,1. Als Muttergeſtein ijt ein in dem ſogenannten Red Hill anſtehender, antigoritartig ausſehen⸗ der Serpentin erkannt worden. Der Sperrylit, beſchrieben von H. L. Wells und ) Stahl und Eiſen. Jahrg. 1887, Nr. 4. ) Zeitſchr. f. Kryſt. 1889, 15, S. 275 2c. ) Sitzungsber. der Niederrh. Geſ. Bonn, 44, S. 289. Humboldt. — Auguſt 1889. S. L. Penfield*) iſt ein Arſenplatin von der Zuſammen— ſetzung PtAsy, in welchem ein kleiner Teil des Platin durch Rhodium, Eiſen und Palladium, und etwas Arſen durch Antimon erſetzt iſt. Der bei der Analyſe gefundene ziemlich hohe Gehalt an Zinnoxyd SnOy (4,6 %) rührt von mechaniſch beigemengtem Zinnſtein her. Das Mineral hat die Farbe und das Ausſehen des Platins, das ſpeeifiſche Gewicht 10,60, die Härte 6 bis 7 und kryſtalliſiert, ganz analog dem Eiſenkies und Glanzkobalt, regulär-pentagonal⸗ hemiedriſch. In Königswaſſer iſt es nur ſchwer löslich. Bis jetzt hat ſich der Sperrylit nur in Körnchen von 0,05 bis 0,5 mm Durchmeſſer, die zum Teil ſehr ſtark glänzende Kryſtallflächen tragen, gefunden, und zwar in der Vermillion-Mine im Diſtrikte von Algoma, Provinz Ontario in Canada, wo er zuſammen mit Gold, Eiſen— kies, Kupferkies und Magnetkies vorkommt. Der Papoſit Darapskys !) iſt ein neues Glied der Copiapitgruppe, welches in radialfaſerigen, ſtark glän⸗ zenden, leicht zerbrechlichen, dunkelroten Kryſtallen mit, einer ſehr deutlichen Spaltbarkeit in der Mine Union im Diſtrikt Reventon bei Papoſa in Atakama im Kupfervitriol eingewachſen vorkommt. Nach ſeiner Zuſammenſetzung, für welche die Formel 2Fe 03 3 803 + 10H20 ange⸗ geben wird, reiht ſich der Papoſit dem Fibroferrit und Raimondit an. Auch der Quenſtedtit Linck's gehört in dieſe Reihe. Er iſt ein dem Coquimbit naheſtehendes Sulfat von der Zuſammenſetzung Fe203 . 3 803 + 101120, kryſtalliſiert aber monoſymmetriſch in tafelartigen, gipsähnlichen Kry⸗ ſtällchen von rötlichvioletter Farbe!“). Die Härte iſt 24/2, das ſpeeifiſche Gewicht 2,16. Der Fundort des Quen⸗ ſtedtits iff Tierra amarilla bei Copiapô im nördlichen Chile, derſelbe Ort, von welchem auch der Coquimbit, der Copiapit und der Stypticit zuerſt bekannt geworden find. Bezüglich der Parageneſis, ſowie der Zuſammenſetzung und der Kryſtallform dieſer und einer Reihe von weiteren Sulfaten von Copiaps werden in der Abhandlung von G. Linc ſehr ſchätzenswerte, genaue Angaben gemacht. Danach gehört der Coquimbit in die rhomboedriſche Ab⸗ teilung des hexagonalen Syſtems, der Copiapit in das monoſymmetriſche, der Styptieit wahrſcheinlich in das monoſymmetriſche, der Roemerit und wahrſcheinlich auch der Halotrichit in das aſymmetriſche Syſtem. Die ge⸗ nannten Sulfate, außer welchen zu Tierra amarilla auch noch Eiſenvitriol, Kupfervitriol, Keramohalit und Gips vorkommen, verdanken ihre Entſtehung der Zerſetzung von Eiſenkies. Sobald der Impuls zur Umſetzung des Eiſen⸗ kieſes in Eiſenvitriol gegeben iſt, vollzieht ſich dieſelbe unabweisbar ſelbſt in einer nur ſehr wenig Feuchtigkeit enthaltenden Atmoſphäre, während ſich gleichzeitig das Eiſenvitriol an der Luft in ſchwefelſaures Eiſenoxyd ume fest. Die dabei ſich bildende freie Schwefelſäure wirkt auf das umgebende Geſtein ein und bildet mit deſſen Baſen Salze, wie den Halotrichit, Keramohalit, Gips x. Grit auf dem Wege nochmaliger Zerſetzung entſtehen im Laufe der Zeit unter dem Einfluß der eingeſchloſſenen oder um⸗ *) Am. Journ. of Sciences, Jan. 1889, und Zeitſchr. f. Kryſt. 1889, 285 2c. ) Neues Jahrb. f. Min. 1889. I. 23. ) Zeitſchr. f. Kryſt. 1889, 15, 1 2c. Humboldt. — Auguſt 1889. 309 gebenden Geſteinsmaſſen aus den neutralen Oxydſulfaten teilung kleiner Riebeckitnadeln in der Feldſpatmaſſe des baſiſche Salze. Granits ſchließt A. Sauer, daß dieſelben ſekundär aus Ein neues Sulfatochlorid, dem ſeltenen engliſchen [dem Feldſpat entſtanden ſeien; für die größeren bis hexagonalen Connellit vergleichbar, iſt von Hidden und [4 mm langen Kryſtällchen nimmt er dagegen keine ſekun— Mackintofh mit dem Namen Sulfohalit bezeichnet | dave Bildung an. worden“). Es findet ſich in gut ausgebildeten, bis 2 em Ein waſſerhaltiges Manganſilikat von fleiſchroter großen regulären Rhombendodekaedern aufgewachſen auf Farbe, welches auf der Manganerzlagerſtätte der Grube Hankſit von San Bernadino County, Kalifornien, hat das | Hilfe Gottes bei Dillenburg von A. Schneider zuerſt be— ſpecifiſche Gewicht 2,49, die Härte 3,5, und ſtimmt in obachtet worden iſt, hat den Namen Ineſit erhalten“). Farbe und Anſehen ſonſt im allgemeinen mit dem Hankſit | Es bildet radialſtrahlige Maſſen, in welchen einzelne Faſern überein. Eine ſorgfältig ausgeführte Analyſe ergab die eine Länge von 20 und eine Dicke von 1 bis 2 mm er— Zuſammenſetzung reichen. Die friſchen Teile dieſer Aggregate beſitzen die 3NagsOg. 2 NaCl. Härte 6, das ſpeeifiſche Gewicht 3,10, haben Glasglanz, Der Sulfohalit gehört demnach einer bisher nur von dem ſind lebhaft fleiſchrot bis roſenrot und an den Rändern Connellit allein repräſentierten Gruppe von Mineralien an. durchſcheinend. Einzelne der Faſern find nach den Unter— Der Riebeckit, welchen A. Sauer in einem ziem- ſuchungen von R. Scheibe von Kryſtallflächen bedeckt und lich grobkörnigen Granit von der Inſel Socotra aufge- entſprechen in ihrem geometriſchen und optiſchen Verhalten funden und näher unterſucht hat“), iſt ein Glied der [dem aſymmetriſchen Syſtem. Nach 2 nahezu ſenkrecht zu Hornblendegruppe, welches eine vor wenigen Jahren durch einander ſtehenden Flächen der Prismenzone erfolgt eine die Unterſuchungen Lorenzen's aufgedeckte Lücke wieder Spaltbarkeit, nach der einen ſehr vollkommen, nach der ausfüllt. Lorenzen hatte damals nachgewieſen, daß infolge andern weniger deutlich. Der Ineſit iſt nach einer Ana— einer eigentümlichen Verwechſelung alle bis dahin für den | Ile von C. Bärwald ein waſſerhaltiges Calciummangan— Arfvedſonit angeführten Analyſen nicht mit dieſem Mine- ſilikat, bei welchem die Hälfte des Waſſers (etwa 4,5°%/o) rale als einer in der Zuſammenſetzung dem Aegirin ana- ſchon bei 110“, die andere Hälfte aber erſt bei ziemlich logen Hornblende, ſondern wirklich mit dem augitiſchen hoher Temperatur entweicht. Die Zuſammenſetzung ent— Aegirin ſelbſt vorgenommen worden waren, daß Arfved- ſpricht etwa der Formel R(OH),Si,0; + H,O, wobei ſonit von der bis dahin angenommenen Zuſammenſetzung | R = Mn und Ca; der Gehalt an MnO beträgt 37,87, der überhaupt nicht exiſtiere, ſondern eine Hornblende mit bei an CaO 8,40%. Von dem Rhodonit, an welchen der weitem niedrigerem Gehalt an Kieſelſäure, höherem Ge- Ineſit durch Farbe und Spaltbarkeit erinnert, weicht das halt an Thonerde und insbeſondere hohem Gehalt an | Mineral ſowohl in optiſcher als in geometriſcher Beziehung Eiſenoxydul fei. Dieſe Hornblende behielt den Namen ab; dagegen ſcheint es, insbeſondere in ſeiner chemiſchen Arfvedſonit, und Sauer war deshalb genötigt, die dem | Zuſammenſetzung, eine gewiſſe Aehnlichkeit mit dem Hydro— Aegirin in ihrer Zuſammenſetzung vollkommen entſprechende [rhodonit von Längbanshyttan zu haben. Sehr auffallend Hornblende aus dem Socotraner Granit mit einem neuen iſt die faſt vollſtändige Uebereinſtimmung der chemiſchen Namen zu belegen. Der Riebeckit erſcheint in ſchwarzen, [Zuſammenſetzung und der Form des Ineſits und des oben glänzenden, zuweilen längsgeſtreiften, ſäulenförmigen Kry⸗ erwähnten Rhodotilits, fo daß die Vermutung nahe liegt, ſtallen, die in ihren Winkeldimenſionen der echten Horn— daß beide Mineralien identiſch ſind. Leider iſt aber über blende ſehr nahe ſtehen und nur in ihrem optiſchen Ver— die Temperatur, bei welcher das Waſſer aus dem letzteren halten gewiſſe, durch die abweichende Zuſammenſetzung Mineral entweicht, nichts Näheres angegeben, auch wurde des Minerals zu erklärende Eigentümlichkeiten zeigen. | Dev Waſſergehalt desſelben um 2% niedriger gefunden, Beſonders intereſſant iſt der ſtarke Pleochroismus zwiſchen und ferner ijt die optiſche Orientierung auf den beiden dunkelblau und grün. Aus dem Auftreten und der Ver- Hauptſpaltflächen gerade die umgekehrte wie bei dem Ineſit. ) Zeitſchr. f. Kryſt. 1889, 15, 294. *) Jahrb. der geolog. Landesanſtalt, Berlin 1888, 482 zc. u. Zeitſchr. ) Zeitſchr. d. D. geolog. Geſ. 40, 138 ꝛc. d. Deutſch. geol. Geſ. 39, 833. Botanik. Von Profeffor Dr. Ernſt Hallier in Stuttgart. Mrkorrhiza⸗Symbioſen. Serſetzungsprodukte der Eiweißſtoffe. Bedeutung der Keſerveſtoffe für den Baum. Durchdringlichkeit des Plasmas für Harnſtoffe. Entſtehung des Pallijadenparenchyms. Die Kohlehydrate als Produkte unvollſtändiger Oxydation der Eiweißſtoffe. Phyſio— logie der Gerbſtoffe. Abſteigender Waſſerſtrom. Purpurbakterien. Lichtſtellung der Blätter. Oberhaut der Ceſta bei Capsicum. Entſtehung der Aleuronkörner. Wachstum der Sellmembran. Sin merkwürdiger Hutpilz. Oralſäuregärung durch einen Saccharomyces. Oelbehälter der Doldengewächſe. Cumarin in Ageratum mexicanum. Die Fälle von Mykorrhiza-Symbioſen find in [B. Frank hat ſich auch des Weiteren über die phyſiologiſche neuerer Zeit, nämlich ſeit Franks Unterſuchungen (D. B. G. [Bedeutung der Mykorrhiza (D. B. G. 1888, S. 248269) 1887, S. 395) bis zu denjenigen von A. Schlicht (D. B. G. ausgeſprochen, aber wir verſchieben ein erneuertes Ein— 1888, S. 269 — 272), welcher eine ganze Reihe von Pflanzen- gehen auf ſeine Anſichten, obgleich wir dieſelben für ganz arten mit Mykorrhiza aufzählt, bedeutend vermehrt worden. | richtig halten, nicht nur deshalb, weil dieſe Angelegenheit * 310 in dieſer Zeitſchrift ſchon zur Sprache gebracht wurde, ſondern auch deshalb, weil die Forſcher ſich noch nicht alle über eine gemeinſame Aufſaſſung geeinigt haben. Eine eingehende Unterſuchung über die Zerſetzungs— produkte der Eiweißſtoffe in den Pflanzen bei Ab- weſenheit von freiem Sauerſtoff (D. B. G. 1888, S. 296 bis 364) verdanken wir Palladin. Derſelbe faßt die Haupt⸗ ergebniſſe ſeiner Arbeit folgendermaßen zuſammen: 1) Bei der Eiweißzerſetzung in den Pflanzen bilden ſich bei Abweſenheit von freiem Sauerſtoff ſtickſtoffhaltige Zerſetzungsprodukte in einem anderen quantitativen Ver⸗ hältnis als bei der Zerſetzung in der freien Luft. 2) Das Aſparagin entſteht bei Abweſenheit von freiem Sauerſtoff in ſehr geringer Menge, ähnlich dem, wie beim Erhitzen der Eiweißſtoffe durch Säuren und Alkalien. 3) Die Hauptprodukte der Zerſetzung bei Abweſenheit von freiem Sauerſtoff ſind Tyroſin und Leuein. 4) Aſparagin, welches in den Pflanzen während der erſten Tage in einem ſauerſtoffleeren Raum gebildet wird, verſchwindet nach dem Tode der Pflanzen, indem es in bernſteinſaures Ammoniak übergeht. 5) Bei der Eiweißzerſetzung in Gegenwart des atmo— ſphäriſchen Sauerſtoffs beim Weizen iſt das Aſparagin faſt das einzige ſtickſtoffhaltige Zerſetzungsprodukt. 6) Die Anhäufung einer großen Menge von Aſpa⸗ ragin bei der Eiweißzerſetzung in den Pflanzen kann nur neben der Aſſimilation des atmoſphäriſchen Sauerſtoffs vor ſich gehen und iſt alſo Folge einer Oxydation der Eiweißſtoffe, aber keiner Diſſociation. Schon in einer früheren Arbeit (D. B. G. 1888, S. 205 — 213) hatte Palladin gezeigt, daß die Eiweißzer⸗ ſetzung in der Pflanze vom atmoſphäriſchen Sauerſtoff unabhängig iſt, daß im ſauerſtoffleeren Raum während der erſten 20 Stunden für gewöhnlich kein Eiweißverluſt ſtatt⸗ findet, vielmehr nur dann, wenn die Pflanzen vorher im Dunkeln geſtanden hatten und daß die Eiweißzerſetzung im ſauerſtoffleeren Raum das Leben der Pflanzen auf einige Zeit zu friſten vermag. Nach Robert Hartig (B. Z. 1889, Nr. 52) dienen die Reſerveſtoffe der Bäume (der Buche) denſelben hauptſächlich zur Samenerzeugung. Aus ſeinen Verſuchen geht hervor, daß in Samenjahren beſonders viel Reſerve⸗ nahrung, hauptſächlich aber Stickſtoff verbraucht wird. Der Jahresringzuwachs iſt dem entſprechend in ſolchen Jahren nur unbedeutend. Der Harnſtoff gehört bekanntlich zu denjenigen Sub⸗ ſtanzen, welche von der pflanzlichen Zelle bei gehöriger Verdünnung aufgenommen und verarbeitet werden. An⸗ geſichts dieſer Thatſache war der Nachweis von Wichtigkeit, daß das Plasma für Harnſtoffe durchdringlich iſt. Hugo de Vries hat dieſen Nachweis geliefert (B. Z. 1889, Nr. 19. 20). Es tritt jedoch in den verſchiedenen Zellen bezüglich der Aufnahmefähigkeit ein beträchtlicher Unterſchied hervor, ſo z. B. iſt das Plasma der violetten Oberhautzellen von Tradescantia discolor für Harnſtoff in weit geringerem Grade durchläſſig wie für Glycerin. Den iſotoniſchen Koefficienten für den Harnſtoff beſtimmte Vries zu 1.70. Schon wiederholt hatten wir Anlaß, darauf hinzuweiſen, mit wie außerordentlichen Schwierigkeiten der Nachweis verknüpft ijt, daß beſtimmte Strukturverhältniſſe der Ge⸗ Humboldt, — Auguſt 1889. webe und gewiſſe Funktionen derſelben durch Anpaſſung an äußere Einflüſſe erworbene Eigenſchaften find. Bezüg⸗ lich des Palliſadenparenchyms hatte Stahl den Nach⸗ weis zu führen geſucht, daß dasſelbe unter dem unmittel⸗ baren Einfluß des Lichtes entſtehe. Zu einer etwas anderen Anſchauung iſt O. Eberdt gekommen (D. B. G. 1888, S. 360 ff.). Nach ihm darf man nicht das Licht als die noch gegenwärtig wirkſame Urſache der Palliſadenbildung betrachten, vielmehr iſt dieſe eine durch Erblichkeit er⸗ worbene Eigenſchaft, welche durch das Zuſammenwirken von Verdunſtung und Aſſimilation begünſtigt wird. Sowohl hiſtologiſche als auch phyſiologiſche Arbeiten haben in neuerer Zeit immer mehr der Anſicht Geltung verſchafft, daß Kohlehydrate Zerſetzungsprodukte der Eiweißſtoffe ſind. Zu dem nämlichen Refultat führen auch Palladins Unterfuchungen. Derſelbe betrachtet (D. B. G. 1889, S. 126— 130) die Kohlehydrate als Pro⸗ dukte unvollſtändiger Oxydation der pflanzlichen Eiweißſtoffe. Seit den Arbeiten Theodor Hartigs über das von ihm ſo genannte Gerbmehl haben viele Forſcher über die Gerbſtoffe gearbeitet, aber erſt in neuerer Zeit haben dieſe Bemühungen zu größerer Klarheit und Ueberſichtlichkeit geführt. Hermann Möller verdanken wir eine Zuſammen⸗ ſtellung derjenigen Pflanzen und Pflanzengewebe, in welchen, überhaupt Gerbſäure nachgewieſen werden konnte (D. B. G. 1888, S. LXVI-LXXXII). Gregor Kraus hat das ganze Gebiet, auf welchem er fo viel gearbeitet hat, zuſammenge⸗ faßt in ſeinen „Grundlinien zu einer Phyſiologie des Gerb= ſtoffs“ (Leipzig, Engelmann, 1889), über welche bereits berichtet worden iſt. Die Bewegung des Waſſers in der Pflanze hat ſeit geraumer Zeit ſo zahlreiche Forſcher beſchäftigt, daß man glauben ſollte, es könne auf dieſem Gebiet kaum noch etwas weſentlich Neues zum Vorſchein kommen. Und doch iſt das der Fall. Da nach Uebereinſtimmung fat aller Forſcher die Haupttriebfeder für den aufſteigenden Waſſerſtrom durch die verdunſtenden Oberflächen darge⸗ boten wird, ſo lag die Erwägung nahe, daß bei der ſehr ungleichen Verteilung dieſer Oberflächen und bei ihrer ſehr verſchiedengradigen Undurchläſſigkeit der Strom in ver⸗ ſchiedenen Gegenden des Pflanzenleibes mit ſehr verſchie⸗ dener Stärke auftreten müſſe, ja ſtellenweiſe wohl gar ins Stocken geraten oder ſogar in eine Rückwärtsbewegung übergehen könne. So einfach, ja eigentlich ſelbſtverſtändlich auch dieſe Sache ſein mag, ſo hat doch früher niemand ihre experimentelle Erörterung verſucht. Dem ebenſo unermüd⸗ lichen wie geiſtvollen Phyſiologen Julius Wiesner war es vorbehalten, das Vorhandenſein eines abſteigenden Waſſer⸗ ſtroms und ſeine phyſiologiſche Bedeutung nachzuweiſen (B. Z. 1889, Nr. 1. 2). Taucht man einen Trieb des Weinſtocks mit dem Sproßgipfel im Waſſer unter, läßt aber die Blätter transſpirieren, ſo welkt das Sproßende, obgleich es vom Waſſer umgeben iſt. Dieſe und ähnliche Erſcheinungen bei anderen Pflanzen ſind nach Wiesner Folge des abſteigenden Waſſerſtroms, hervorgerufen durch die Verdunſtung. Die Bildung ſympodialer Laubſproſſe bei Holzgewächſen, welche nur bei wendelſtändiger Blatt- anordnung auftritt, iſt Folge jenes abſteigenden Stroms. Sie tritt nur da auf, wo ſtarke Verdunſtung ſtattfindet und die Blätter raſch hervorwachſen. Der Gipfel wird Humboldt. — Auguſt 1889. 311 abgeworfen oder er vertrocknet oder wird gänzlich unter- drückt, weil dem Waſſerbedarf der unter ihm befindlichen Blätter vom Boden aus nicht genügt wird. Man hat durch Regulierung des Verdunſtungsſtromes das Abwerfen oder Bleiben des Endtriebes in ſeiner Gewalt. Es handelt ſich alſo nicht, wie man bisher annahm, um eine erbliche Erſcheinung, ſondern um eine unmittelbare Folge äußerer Einflüſſe. Auffallend iſt es, daß Wiesner nur den Holzpflanzen mit Wendelſtellung eine ſympodiale Sproßentwickelung zu— ſchreibt. Stark transſpirierende Blätter hemmen die Ent— wickelung der in ihren Achſeln befindlichen Sproßanlagen derart, daß dieſe zu überwinternden Achſelknoſpen werden; bei gehemmter Verdunſtung dagegen entfalten ſie ſich ſo— fort zu Achſelſproſſen. Sproßanlagen in den Achſeln von Dornblättern (Berberis, Grossularia) entwickeln ihr Laub unter gewöhnlichen Verhältniſſen als einziges Laub der betreffenden Sproſſe, weil die Dornen nur ſehr ſchwach verdunſten. Bringt man Pflanzen, welche unter gewöhn— lichen Verhältniſſen Achſelknoſpen tragen, in einen beinahe, aber nicht ganz, mit Waſſerdampf geſättigten Raum, ſo entfalten dieſelben, ſo lange der Trageſproß noch in der Entwickelung begriffen iſt, belaubte Sproſſe. Der Ruhezuſtand der Achſelknoſpen wird durch Waſſer— armut der Organe herbeigeführt. Die intrapetiolare Knoſpen— bildung wie bei Philadelphus, Platanus u. a. iſt eine Schutzvorrichtung gegen Verdunſtung. Aehnlicher Schutz gegen Verdunſtung durch den Blattgrund kommt auch bei Endknoſpen vor, ſo z. B. bei Acer campestre. Bei manchen Pflanzen, fo bei Azalea, Capsella u. a. gelang es Wiesner bei Kultur in feuchter Luft, die Kurz— triebe in Langtriebe zu verwandeln. Dieſe Erſcheinungen unterliegen dem von Wiesner aufgeſtellten Geſetz der Koineidenz im Organismus, „welches darin beſteht, daß jede Erſcheinung — oder Thätigkeits— äußerung — der Pflanze uns als ein einheitliches Ganzes entgegentritt und doch gewöhnlich auf verſchiedenen mecha— niſchen Urſachen beruht, die im Organismus ſich in der mannigfaltigſten Weiſe kombinieren, aber doch auch wieder ſubſtituieren können, ſo daß dieſelbe Erſcheinung auch in vereinfachter Weiſe verurſacht werden und auf mechaniſch verſchiedene Weiſe zu ſtande kommen kann.“ Unter den neueren phyſiologiſchen Arbeiten nehmen W. Th. Engelmanns Unterſuchungen über die Purpur— bakterien und ihre Beziehungen zum Licht (B. 3. 1888, Nr. 42—45) eine der erſten Stellen ein. Von ganz beſonderem Intereſſe ſind die Beobachtungen über Schreck— bewegungen. Bei plötzlicher Abnahme des Lichtes ſchießen nämlich die freiſchwimmenden Formen plötzlich unter ent— gegengeſetzter Umdrehung des Körpers eine Strecke weit — oft das Zehn- bis Zwanzigfache ihrer Länge — rück— wärts. Bei fortgeſetzter Dämpfung des Lichtes nehmen ſie nach und nach ihre normale Vorwärtsbewegung und Geſchwindigkeit wieder auf, ebenſo, wenn wieder mehr Licht zutritt. Engelmanns Unterſuchungen liefern ferner aufs neue den Beweis, daß das Vermögen, im Lichte Sauerſtoff frei zu machen, nicht die ſpecifiſche Fähigkeit eines beſtimmten Farbſtoffs iſt. Das Vakteriopurpurin verdankt nicht etwa beigemengten Chlorophyllſpuren ſeine aſſimilatoriſche Wir— kung; denn während das Chlorophyll im ultraroten Licht durchaus unwirkſam iſt, entfaltet das Bakteriopurpurin in demſelben gerade ſeine höchſte Wirkſamkeit. Bezüglich der Lichtſtellung der Laubblätter ſtehen ſich noch immer zwei verſchiedene Anſichten gegenüber. Das veranlaßte Vöchting zu neuen, eingehenden Unter— ſuchungen über dieſen Gegenſtand (B. Z. 1888, Nr. 32 bis 34). Als Unterſuchungsobjekte benutzte er vorzugs— weiſe die Blätter der Malvaceen. Malva verticillata be- ſitzt am oberen Ende des Blattſtiels ein allmählich in die Spreite übergehendes Gelenk. Der dorſiventral gebaute Stiel zeigt auf dem Querſchnitt ſechs faſt regelmäßig in einem Kreiſe liegende, völlig getrennte Gefäßbündel. Im Gelenk dagegen befindet ſich nur ein großes kreisrundes Bündel in der Mitte. Während der Stielumfang mit einer Lage von Kollenchym verſehen iſt, zieht ſich dieſes im Gelenk auf den Umfang des mittleren Bündels zurück. Es iſt der dicke Baſtmantel, welcher ſich kollenchymatiſch ausgebildet hat. Außerdem findet ſich in der Mitte des Bündels ein Strang kollenchymatiſch verdickter Zellen. Ein großer Teil der Tracheiden des Stranges iſt mit teils chlorophyllführendem, teils chlorophyllfreiem Inhalt erfüllt. Die Frage, ob dieſer Inhalt Thyllen angehöre, blieb un— entſchieden. Dieſelbe Beſchaffenheit zeigt der Xylemteil der Gefäßbündel der großen Blattnerven. Das Parenchym des Gelenks befindet ſich gegenüber dem centralen Strang in ſtarker poſitiver Spannung und ſtellt ein kräftiges Schwellgewebe dar. Die Lichtlage wird beim ausgewachſenen Blatt nur durch das Gelenk bewirkt; nur während ſeines Längenwachsthums nimmt auch der Stiel teil daran. Die obere und untere Gelenkhälfte zeigen einen Unter— ſchied, welcher an analoge Verhältniſſe bei der Sinnpflanze erinnert: „bei der direkten Beleuchtung erſcheint nämlich die Unterſeite als die allein gegen die Lichtdifferenzen empfindliche, während das Verhalten der oberen Hälfte lediglich durch die untere beſtimmt wird. Entfernt man in vorſichtiger Weiſe das Gewebe der unteren Gelenk— hälfte bis auf den centralen Strang, ſo erfolgt eine raſche und ſtarke Streckung des oberen Polſters, die ſo weit geht, daß die Blattfläche ſenkrecht nach unten gerichtet iſt, oder auch noch weiter, bis ſie ſelbſt mit ihrer Unterſeite den Stiel berührt. Aus dieſer Lage wird die Lamina fortan nicht mehr entfernt, da die obere Gelenkhälfte hin— fort keine Verkürzung eingeht,“ ſelbſt das direkte Sonnen— licht bringt keine Zuſammenziehung zuwege. „Anders aber, wenn man das obere Polſter entfernt, dann hebt ſich die Blattfläche, bis ſie nach oben gerichtet iſt oder vornüber neigt. Nun iſt eine Bewegung, wenn gleich eine beſchränkte, möglich. Durch künſtliche Beleuch— tung der unteren Gelenkhälfte kann man eine nicht un— beträchtliche Kontraktion derſelben herbeiführen und unter dem gewöhnlichen Lichtwechſel zeigt das Blatt einige Zeit nach der Operation das Beſtreben, die Lichtlage wieder anzunehmen, was freilich nur teilweiſe erreicht werden kann, aber doch mehr und mehr gelingt.“ Bei der Entwickelung ſteht das Blatt anfangs auf— recht, dann infolge des einſeitig zunehmenden Wachstumes der Oberſeite des Blattgrundes öffnet ſich der Winkel, der Stiel wird abſtehend und zuletzt abwärts gerichtet. 312 Dieſe Bewegung iſt unabhängig vom Licht. — „Während der Periode, in welcher der Stiel mit der Achſe einen Winkel von 30 bis 60 bildet, it er am beweglichſten; er führt nicht nur die regelmäßigen Schlafbewegungen aus, ſondern iſt auch in hohem Grade an der Herbei— führung der Lichtſtellung der Blattfläche beteiligt. Später dagegen, wenn der Stiel ſtarrer wird, iſt es mehr und mehr und endlich ausſchließlich das Gelenk, welches die Lichtlage der Lamina bedingt. Nun erſt tritt die Be⸗ deutung des Gelenkes als Bewegungsorgan am klarſten zu Tage.“ Aus Vöchtings Verſuchen geht hervor, daß die Blatt⸗ fläche ſelbſt ſich ſenkrecht zum einfallenden Lichtſtrahl ſtellt, daß ſie alſo (in einer noch unbekannten Weiſe) leitend mit dem Blattgelenk verbunden iſt. Die Richtung des Stiels hängt, wie Verſuche am Klinoſtat zeigen, zum großen Teil vom Geotropismus desſelben ab, die Richtung der Blattfläche aber nur vom Heliotropismus. Auch das Eigen⸗ gewicht der Blattfläche iſt für den Heliotropismus der⸗ ſelben bedeutungslos. Vöchting hat alſo die ältere An⸗ ſicht über die Lichtſtellung der Blätter wieder zu Ehren gebracht. In der Zellenlehre wie in der Hiſtologie find be- kanntlich manche fundamentale Fragen noch als offene zu betrachten, obgleich ſie ſeit Jahrzehnten in das Bereich der Forſchung aufgenommen wurden. So iſt man be⸗ züglich des Aufbaues der Zellwand in neuerer Zeit faſt wieder zur alten Appoſitionslehre zurückgekehrt. In einem ähnlichen Fall befindet man ſich in Bezug auf die foge- nannte Cuticula. Hanauſeck machte neuerdings die Ober⸗ haut der Samenſchale der Capsicum-Arten zum Gegenſtand von Unterſuchungen (D. B. G. 1888, S. 329 bis 332), aus denen hervorgeht, daß die gemeinſame Außen⸗ lage der Oberhautzellen keine Cuticula im gewöhnlichen Sinne des Wortes ſein kann, denn ſie beſteht ganz oder zum großen Teile aus Celluloſe. Auf Grund dieſer Wnter- ſuchung beſtreitet Hanauſeck überhaupt die Richtigkeit der allgemein verbreiteten Anſicht von der Cuticula. Ueber die Natur der Aleuronkörner arbeitete Werminski (D. B. G. 1888, S. 199—203). Die Reſultate ſeiner Unterſuchung ſind nicht gerade neu, gewähren aber eine wertvolle Beſtätigung der Pfefferſchen Anſicht, welche Julius Sachs in ſeinem Lehrbuche (vierte Auflage, S. 57) folgendermaßen ausſpricht: „Die Entſtehung der Aleuron⸗ körner iſt einfach eine Diſſociation, welche durch Waſſer⸗ verluſt des Samens zu ſtande kommt.“ Nach Werminski bilden ſich nämlich die Aleuronkörner beim Austrocknen von Geweben, ſo z. B. beim Reifen der Samen, aus Vacuolen mit gelöſten Eiweißkörpern, indem dieſe langſam ihr Lö⸗ ſungswaſſer verlieren. Zacharias lieferte eine wichtige Beobachtung über Wachstum und Entſtehung der Zellhaut (D. B. G. 1888, LXIII f.). Er beobachtete nämlich die Neubildung einer Innenſchicht an der Spitze der „Wurzelhaare“ von Chara foetida durch eine Schicht feiner Körnchen, aus welcher eine Schicht zarter Stäbchen mit Celluloſereaktion hervorgeht. Auf dem Gebiete der Pilzkunde hat Zukal durch die Auffindung eines kleinen Hutpilzes, den er Hymenoco- nidium petasatum nennt (B. Z. 1889, 61), eine Ent⸗ Humboldt. — Auguſt 1889. deckung gemacht, welche vielleicht für die Morphologie der Pilze bedeutſam werden kann. Das Mycelium lebt in Olivenfrüchten als ein polſterförmiger Körper, welcher zwiſchen Runzeln der Oberhaut der Frucht, auch auf der Rückſeite der Blätter, Auftreibungen verurſacht. Dieſe kommen erſt bei Beginn der Fäulnis zur Weiterentwicke— lung, indem die Hyphen zahlreiche ſenkrechte Aeſte in dich—⸗ ten Reihen aufrichten, welche nach oben keulig anſchwellen. Die Oberhaut wird nun geſprengt und das Polſter tritt in Form einer flachen Kuppel hervor. Das kolbenförmige Ende grenzt ſich durch Querwand ab und wird zur „Spore“ mit aus feinen Stacheln hervorgehenden Wärzchen. Die „Sporen“ löſen ſich langſam von ihren Trägern ab. Unter dem Sporenlager kommt bisweilen nachträglich ein Stiel zur Entwickelung. Unterbleibt die Entwickelung des Stiels, fo zeigen die auf dem Subſtrat ſitzenden Hymenien auf⸗ fallende Aehnlichkeit mit den „Styloſporenhaufen“ der Ure⸗ dineen. Sollte auch, wie Fayod (B. Z. 1889, 155. 159) vermutet, das Hymenoconidium nur eine unentwickelte Form von Marasmius hygrometricus ſein, jo würde da— durch das morphologiſche Intereſſe an dieſer ſeltſamen Pilzform kaum abgeſchwächt werden. Zopf hat bei einem Saccharomyces, den er S. Han- seni nennt (D. B. G. 1889, S. 94), Oxalſäuregärung nachgewieſen. Derſelbe iſt im ſtande, ſowohl Kohlehydrate der Traubenzuckergruppe, wie der Rohrzuckergruppe, als auch mehrwertige Alkohole zu Oxalſäure zu oxydieren. Die Oelbehälter der Umbelliferenfrüchte ſind ſchon mehrfach Gegenſtand entwickelungsgeſchichtlicher Unterſuchungen geweſen. Einen neuen Beitrag dazu liefert Arthur Meyer (B. Z. 1889, Nr. 21. 22), indem er die Entſtehung der Scheidewände aufzuklären ſucht, welche ſich in manchen dieſer Behälter vorfinden. Schon Treécul, Berg und andere haben die Querwände bei manchen Dol- denfrüchten beobachtet. Rach A. Meyer find die Oelbehälter im Innern von einem Wandbeleg ausgekleidet und auch die Scheidewände ſind ein Erzeugnis dieſes Wandbelegs. Dieſer iſt eine beſondere, aber wie eine Cuticula feſt mit den Zellwänden des Epithels zuſammenhängende Haut, welche in Form eines dichten Schlauches das Sekret einſchließt. Die in den meiſten Fällen vorhandenen Fachwände hängen mit dem Schlauche innig zuſammen und beſtehen aus dem nämlichen Stoff. Dieſer Stoff iſt eine Subſtanz oder ein Gemiſch von Subſtanzen, deſſen mikrochemiſche Unter⸗ ſuchung ergibt, daß es ſich dabei weder um ein Kohle⸗ hydrat, noch um ein fettes Oel, noch um ein Gemiſch von beiden, noch um ein Harz oder einen kautſchukartigen Körper handelt. Die Bildung der Scheidewände betrachtet A. Meyer als einen mechaniſchen Vorgang, dadurch bedingt, daß aus der Wand der Epithelzellen zweierlei Subſtanzgemiſche in den Behälter dringen, nämlich eine wäſſerige Flüſſigkeit und das ätheriſche Bel. Beide können nur in Form ſehr winziger Tröpfchen eindringen, und da die Maſſe des ätheriſchen Oels bedeutend überwiegt, ſo wird dieſes, ine dem es Tropfen bildet, die wäſſerige Löſung einhüllen. Aus dieſen einfachen Vorbedingungen folgt für Meyer die Scheidewandbildung als eine Notwendigkeit. Büsgen (D. B. G. 1888, LV ff.) hat den Zweifel gelöſt, ob die Blaſen der Utricularia wirklich als Fang⸗ Humboldt. — Auguſt 1889. 313 apparate und nicht vielmehr als Schwimmapparate zu deuten ſind. Nach ſeiner Unterſuchung iſt die Funktion der Blaſen als Schwimmapparate mindeſtens eine unter- geordnete; dagegen geht aus ſeinen Fütterungsverſuchen hervor, daß man nicht nur gezwungen iſt, ſie als Fang— apparate anzuſehen, ſondern daß der Tierfang auch wirk— lich der Utricularia zu gute kommt. Wir ſchließen unſeren diesmaligen Bericht mit dem Hinweis auf eine Arbeit von Moliſch und Zeiſel (D. B. G. 1888, S. 353358), aus welcher hervorgeht, daß die Vlätter von Ageratum mexicanum Sims. Cumarin enthalten, welches in beträchtlicher Menge daraus gewonnen, werden kann, aber höchſt wahrſcheinlich nicht in der leben⸗ den Pflanze vorgebildet iſt, ſondern erſt nach dem Tode aus irgend einer leicht zerſetzlichen Verbindung gebildet wird. Kleine Mitteilungen. Desinfeſitionsmittel. Unter dem Namen „Creolin“ wird bekanntlich eine Flüſſigkeit in den Handel gebracht, welche eine große Desinfektionskraft beſitzt und in dieſer Beziehung noch die Karbolſäure übertreffen ſoll. Dasſelbe iſt ein Produkt der Teerdeſtillation und zwar ein Gemiſch von Teerölen, welchen noch etwas Karbolſäure beigemengt iſt. Einige Chemiker fanden im Creolin auch gewiſſe Mengen von Harz- und Fettſeifen. Das Creolin ſtellt wahrſchein— lich den Rückſtand dar, welcher bei der Reindarſtellung der niedrig ſiedenden Phenole (Karbolſäure) ausgeſchieden und einer Klärung unterworfen worden iſt. Ein zweites wert— volles Desinfektionsmittel iſt die Schwefelkarbolſäure. Dieſelbe wird in der Weiſe bereitet, daß gleiche Gewichts- teile roher Schwefelſäure und 25prozentiger roher Karbol— ſäure gut durchgemiſcht und kurze Zeit erhitzt werden. Das ſo erzielte Produkt, ein Gemenge von Phenolſulfo— ſäuren, iſt in Waſſer löslich und tötet in 2prozentiger Lö— ſung noch die widerſtandsfähigſten pathogenen Mifroorga- nismen. Durch Miniſterialerlaß iſt dieſes Desinfiziens zum Desinfizieren der Wohnungen im Ueberſchwemmungs⸗ gebiet empfohlen worden. Die Karbolſchwefelſäure hat auch in Miſchung mit Kieſelgur als Desinfektionspulver Ber- wendung gefunden (Chem. Ind. 1888, S. 345). Al. Thätigkeit der Sonne im Jahr 1888. Aus den von Tacchini veröffentlichten Zahlen geht hervor, daß das Minimum der gegenwärtigen 11jährigen Sonnenflecken— periode nahe bevorſteht; die Flecke ſind im vorigen Jahre gering an Zahl und klein an Ausdehnung geweſen und auf niedere heliographiſche Breiten beſchränkt geblieben. Wiederholt gab es längere fleckenleere Perioden, die z. T. in Zwiſchenzeiten von ungefähr einer halben Sonnenrotation aufeinander folgten, was dafür zu ſprechen ſcheint, daß gewiſſe heliocentriſche Längen der Entwickelung der Flecke beſonders günſtig ſind. So wie nach einem Minimum der 11jährigen Periode die Fleckenentwickelung zunächſt in höhe— ren Breiten zu beginnen pflegt und dann allmählich gegen den Aequator vorſchreitet, fo traten auch nach größeren Pauſen im vorigen Jahre die Flecke zunächſt in höheren Breiten auf, ſo im November auf der nördlichen Halbkugel in 11“ Breite und im September auf der Südhalbkugel in — 16°, während im allgemeinen die Fleckenentwickelung auf die Zone zwiſchen 5—6 nördl. und 9—10° ſüdl. Breite beſchränkt war. Wie überhaupt ſeit 1882 waren auch im vorigen Jahre die Flecke am häufigſten auf der Südhalb— kugel. Durch Spörer iſt neuerdings feſtgeſtellt worden, daß es auch früher ſchon Perioden gegeben hat, in denen die Sonnenflecke überwiegend auf der Südhemiſphäre ent— wickelt waren, jo insbeſondere die Zeit von 1621 — 1625 und die Periode von 1672—1713. Fackeln waren im vorigen Jahre ſtark entwickelt zur Zeit der Fleckenhäufig⸗ keit im September, während die Protuberanzen gerade zur Zeit geringer Fleckenhäufigkeit, im März und April ihre größte Entwickelung erreichten. Die größten Protuberanzen, welche Tacchini in Rom beobachtete (10. Jan. und 7. Febr.), hatten 2 Bogenminuten (86500 km) Höhe. Im übrigen gab ſich auch in der Abnahme der Höhe der Chromoſphäre und in der Entwickelung der Protuberanzen das Heran— nahen des Minimums kund. G-. Humboldt 1889. Der infrarote Teil des Sonnenſpektrums. S. P. Langley veröffentlichte im American Journal of Science einen kurzen Bericht über die Ergebniſſe ſeiner neueren auf der Alleghany-Sternwarte ausgeführten Unterſuchungen über den infraroten Teil des Sonnenſpektrums, aus dem hervorgeht, daß er mit einem verbeſſerten Apparat (Bolo— meter) dieſes Spektrum von der Wellenlänge von 3000 Milliontel-Millimeter bis über 18 000 hinaus hat verfolgen können. Merkwürdig und in meteorologiſcher Hinſicht von hoher Bedeutung iſt das Reſultat bezüglich des Verhält— niſſes der Wärme im Sonnen- und Mondſpektrum: wäh⸗ rend die Wärme im ſichtbaren Teil des Sonnenſpektrums un- gefähr 5000 mal fo groß iſt als im Mondſpektrum, beträgt in der erwähnten unſichtbaren Region die Sonnenwärme weniger als das 500 fache der Mondwärme. Gl. Zu einer Neubeſtimmung der Zupitersmaſſe ijt kürz⸗ lich Freiherr v. Haerdtl bei ſeinen weiterhin zu erwähnenden Unterſuchungen über die Bahn des periodiſchen Winneckeſchen Kometen von 54/2 Jahr Umlaufszeit gelangt. Es ſtellte ſich dabei heraus, daß man zu keiner einigermaßen befriedigenden Darſtellung der Beobachtungen dieſes den Störungen des Jupiter in hohem Grade ausgeſetzten Kometen in den Er— ſcheinungen von 1858, 1869, 1875 und 1886 gelangt, wenn man für die Jupitersmaſſe einen von 1/1047, der Sonnen— maſſe merklich abweichenden Wert annimmt. Als endgültigen Wert für die Jupitersmaſſe findet v. Haerdtl 1/1047, 242, welcher merklich kleiner iſt als die früher von andern Be— rechnern gefundenen Werte (Möller aus den Störungen des Faye-Möllerſchen Kometen 1/1047 88s, Backlund aus den Störungen des Enckeſchen Kometen 1868 —1885 1/1047,86s, Krüger aus Aſteroidenſtörungen 1/1047,53s, Schur aus 161 Meſſungen Beſſels an den vier Jupiterstrabanten 1/1047, %, derſelbe aus 28 Trabantenbeobachtungen von Luther 1/1047,817, Kempf aus 68 Beobachtungen der beiden äußerſten Trabanten durch Vogel 1/1047,767, derſelbe aus 35 Beobachtungen des vierten Trabanten durch Airy 1/1047,641), ſich dagegen nahe anſchließt an den Wert 1/1047, 282, welchen Schur aus 176 von ihm ausgeführten Meſſungen der vier Jupitersmonde abgeleitet hat. Aus 533 Umläufen des viel beſprochenen, ſeit Mitte des Jahres 1879 beobachteten roten Fleckes in der ſüd— lichen Aequatorzone des Jupiter zwiſchen 28. Dez. 1887 und 5. Auguſt 1888 findet Denning in Briſtol die Um⸗ laufszeit dieſes Gebildes gleich 9 St. 55 Min. 40,34 Sek., was nur um ein geringes kleiner iſt als die aus 609 Rotationen der vorhergehenden Oppoſition (1886/87) ab- geleitete Umlaufszeit von 9 St. 55 Min. 40,5 Sek. Eine Vergleichung der Beobachtungen vom 23. November 1886 und 5. Auguſt 1888 (1500 Umläufe) gibt eine Rotations- dauer von 9 St. 55 Min. 39,7 Sek. Dies zeigt, daß die Umlaufszeit ſich ſeit der Oppoſition von 1885/86, wo ſie (aus 659 Rotationen beſtimmt) 9 St. 55 Min. 41,1 Sek. betrug, vermindert hat. Beim erſten Erſcheinen des Fleckes im Herbſt 1879 betrug ſie nur 9 St. 55 Min. 34 Sek., nahm aber dann zu bis 1885/86. Die anfäng⸗ liche Zunahme und darauf folgende Abnahme der Rotations— zeit des roten Fleckes iſt natürlich nicht durch eine Aende— rung der Rotationsdauer des Planeten ſelbſt zu erklären, 40 314 ſondern durch eine ſelbſtändige Bewegung des Fleckes gegen den Kern des Jupiter, und zwar erſt in der einen, dann wieder in der entgegengeſetzten Richtung. Auch bei anderen Flecken, weißen wie auch dunklen, ſind früher ſchon von Schmidt u. a. ſelbſtändige Bewegungen gegen die Umgebung wahrgenommen worden. G—l. Aeber den Buntſandſtein im Haardtgebirge (Nord⸗ vogeſen) veröffentlicht Dr. A. Leppla ein Stück in den „Geognoſtiſchen Jahresheften“ Bd. 1, Kaſſel 1888. Er charakteriſiert zuerſt auf Grund neuer Lokalunterſuchungen das Grundgebirge, das aus Biotitgneiſen, durchzogen von mächtigen Eruptivgängen, beſteht. Darauf lagert ſich das Rotliegendkonglomerat, das aus altem Ufergerölle beſteht und bei Albersweiler eine Vertikalhöhe von 145—200 m beſitzt. Dieſen Geröllen folgen echte Schiefer und thonige Sandſteine, welche auf Grund des Befundes mariner Doppelſchaler (Schizodus truncatus und Schizodus obscurus) als Zechſteingebilde erklärt werden oder als Vertreter des oberſten Perm. Damit fällt Gümbels un⸗ terer Buntſandſtein weg. Dieſe Entdeckung wird nicht ver⸗ fehlen, in geognoſtiſchen Kreiſen Aufſehen zu erregen. — Im weiteren Verlaufe der exakten Unterſuchung wird der Hauptbuntſandſtein mit ſeinen Geröllbänken geſchildert. Ihm ſchließt ſich der in der Nordoſtpfalz vertretene obere Buntſandſtein und dieſem der Muſchelkalk im Weſtrich an. Die Entfärbung der Schichten längs des Gebirgsrandes durch Maſſen von Kohlenſäure betrachtet ein weiterer Ab⸗ ſchnitt. C. M. Eine intereſſante Zuſammenſtellung der Dimen⸗ ſtonen der größten foſſilen Säugetiere gibt Gaudry in den Comptes Rendus (Bd. 107, Nr. 5, 30. Juli 1888). Nach ihm iſt das größte bisher bekannte ganze Skelett eines foſſilen Säugetieres das im Pariſer Muſeum befind⸗ liche Skelett eines Elephas meridionalis aus dem Pliocän von Durfort, deſſen Höhe bis zum Widerriſt 3,77 m und deſſen Geſamthöhe 4,22 m beträgt; die Länge mißt mit Aus⸗ ſchluß der Zähne 5,36 m. Das Skelett des bekannten, 1799 im Eiſe der Lena erhalten gefundenen Mammut beſitzt eine Geſamthöhe von 3,42 m; noch etwas geringer iſt die Höhe eines von Warren erwähnten amerikaniſchen Maſtodon⸗ Skelettes, die 3,35 m beträgt. Einzeln gefundene Knochen deuten auf eine noch gewaltigere Größe dieſer foſſilen Säuge⸗ tierrieſen. So mißt ein im Pariſer Muſeum befindlicher Humerus von Elephas antiquus 1,30 m, während die Länge dieſes Knochens an dem erwähnten Skelett von E. meridionalis nur 1,24 m beträgt und die Tibia eines Dinotherium ijt 0,94 m lang, am Elephas⸗Skelett jedoch nur 0,80 m. Nach dieſen Anhaltspunkten läßt ſich die Größe eines Elephas antiquus auf 4,42, die eines Dino⸗ therium ſelbſt auf 4,96 berechnen. Dieſes erſcheint dem⸗ nach als das größte dieſer foſſilen Ungeheuer, die zum Teil noch mit dem Menſchen zuſammengelebt haben und von dieſem trotz ſeiner primitiven Feuerſteinwaffen bekämpft wurden. P. Die Gartenbohne. Nachdem Wittmack vor Jahren auf Grund der Funde bei altperuaniſchen Mumien die Anſicht ausgeſprochen hat, daß unſere Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) nicht, wie man bis dahin ange- nommen hatte, aus der Alten, ſondern aus der Neuen Welt ſtammt, haben Körnicke, Aſa Gray und Hammond Trumbull weiteren Stoff zur Stütze dieſer Behauptung beigebracht. Neuerdings hat nun Wittmack, wie er in den Berichten der Deutſchen Botaniſchen Geſellſchaft mit⸗ teilt, prähiſtoriſche Samen der Gartenbohne unter den Funden entdeckt, welche von der Hemenway⸗Expedition in Arizona (Nordamerika) gemacht und von den Pro⸗ feſſoren Ed. Morſe und Sylveſter Baxter bei Gelegenheit des vorjährigen Amerikaniſtenkongreſſes in Berlin aus⸗ geſtellt worden waren. Durch dieſe Entdeckung wird die amerikaniſche Heimat der Gartenbohne zweifellos. Was die Alten unter phaselos, phaseolus u. f. w. verſtanden, iſt wahrſcheinlich die chineſiſche Faſel- oder Heilbohne Humboldt. — Auguſt 1889. (Dolichos chinensis) oder eine Abart derſelben, Dolichos melanophthalmos. Auch für die Kürbiſſe nimmt Witt⸗ mack auf Grund der altperuaniſchen Gräberfunde Amerika als Heimat in Anſpruch. Die in der Bibel vorkommenden Kürbiſſe ſind nach der Anſicht von Aſcherſon und Magnus Melonen (Cucumis Chate), eben dafür hält Schweinfurth die auf den Darſtellungen ägyptiſcher Opfergaben ſich findenden Cucurbitaceenfrüchte. Dagegen gab es nach Gray und Trumbull Kürbiſſe in Nordamerika bis zum Lande der Huronen ſchon vor Ankunft der Europäer. D. Eine rote Waſſerblüte, verurſacht durch Cyclops rubens Jurine. Gewöhnlich bezeichnet man als Waſſer⸗ blüte alle plötzlich auftretenden und meiſt auch ebenſo plötz⸗ lich verſchwindenden grünen und roten Färbungen des Waſſers. Zumeiſt werden dieſelben durch Algen, wie Ana- baena flos aquae, A. circinalis, Polycistis aeruginosa 2c. oder durch Spaltpilze (Purpurbakterien), wie Beggiatoa roseopersicina 2¢. verurſacht; doch können auch niedere Tiere die Urſache der Färbung fein, wie z. B. Huglena viridis und E. sanguinea häufig die Urſache der Grün⸗ oder Rotfärbung der Gruben und Teiche ſind. In den er⸗ ſten Tagen des Mai wurde in einer größeren durch Ueber⸗ ſchwemmung entſtandenen Waſſerlache in Rotenthal bei Greiz eine lebhaft und intenſiv zinnoberrote Färbung des Waſſers beobachtet, welche durch einen in enormen Mengen auftretenden Büſchelkrebs (Copepoden), den Cyclops rubens Jurine*), verurſacht wurde. Das Waſſer ſchien in, kochender Bewegung“ zu ſein. Die kleinen Krebschen erinnerten durch die ganz ungewöhnlich große Häufigkeit lebhaft an die mäch⸗ tigen Schaummaſſen der Artemia, welche auf Paphos als Dungmittel verwendet werden und zur Entſtehung der Aphrodite die Veranlaſſung gegeben haben jollen. Greiz. Prof. Dr. F. Ludwig. Auftreten des Schneewurms bei Greiz. Am frühen Morgen des 12. März bemerkten Arbeiter aus Daßlitz bei Greiz, welche nach dem benachbarten Ort Langenwetzendorf, gingen, daß auf eine weite Strecke hin die Schneedecke eine auffallend dunkle Färbung angenommen hatte. Bei einer Unterſuchung dieſer unerklärlichen Erſcheinung ſtellte es ſich heraus, daß über Nacht Raupen, welche eine zum Teil graue, ſchwarze, gelbe und rötliche Färbung zeigten, übri⸗ gens ein häßliches Ausſehen hatten, in zahlloſen Mengen ſich niedergelaſſen bezüglich eingefunden hatten. Gegen Mittag waren die Tiere außer einzelnen Exemplaren faſt ſämtlich wieder verſchwunden. Die Erſcheinung hatte in der ganzen Gegend Aufſehen erregt, fo daß ich Veranlaſ⸗ ſung nahm, ihr auf den Grund zu gehen. Es handelte ſich um die Larve des braunen Warzenkäfers, Telephorus fuscus L., von dem Fälle ähnlichen Auftretens (bis zum Jahre 1672 zurück) von Taſchenberg in Brehms Tierleben be- richtet werden. Tritt im Januar, Februar oder März Tau⸗ wetter mit reichem Waſſerfluß ein, fo wird der ſogenannte Schneewurm aus ſeinen Winterquartieren urplötzlich vertrie⸗ ben und tritt dann zuweilen in ſo großen Maſſen auf dem Schnee auf. So wurden dieſe Larven im Februar 1811 in Sachſen und am 30. Januar 1856 in der Schweiz beob⸗ achtet. In Mollis (Glarus) trieben ſie ſich in einer Größe von 13—33 mm auf der Schneedecke eines 25-30 000 Quadratruten haltenden Flächenraumes in ſolcher Menge umher, daß ungefähr 5—6 Stück auf die Quadratklafter kamen, ja in der Nähe des Waldes 12 — 15. Einzelne fan⸗ den ſich ſogar auf den Dächern des Dorfes. Der Aber⸗ glaube betrachtet dieſe meiſt am Ausgang eines ftrengen Winters auftretende Erſcheinung als Vorzeichen von Hun⸗ gersnot, Seuchen und Krieg. Eine Frage iſt es noch, ob man dieſe Schneewürmer, die Feinde der Schnecken, Regen⸗ würmer und anderer Raupen, ſchützen, oder ob man fie ver⸗ tilgen ſoll, da ſie — allem Anſchein nach bei Mangel an *) Dr. Otto Zacharias erkannte in dem kleinen Copepoden den Cy- clops rubens ne, obwohl die Gliederzahl der Antennen eine abwei⸗ chende war, Letzteres wird von ihm nach Poppe damit erklärt, daß die beobachteten Krebschen ſich erſt im vorletzten Stadium ihrer Entwickelungs⸗ geſchichte befanden. Humboldt. — Auguſt 1889. 315 tieriſcher Nahrung — ihre Lebensweiſe ändern und zuſam— men mit den Larven von Telephorus obscurus nach Mitte Mai 5—15jährige Eichen befallen. Greiz. Prof. Dr. F. Ludwig. Ein neues Vorkommen von Halarachne hali- choeri Allman. Kürzlich erhielt ich durch die Güte der Direktion des weſtpreußiſchen Provinzialmuſeums den roh abgefleiſchten, ſchon ziemlich ſtark von der Verweſung ergriffenen Schädel einer erwachſenen weiblichen Kegel— robbe, welche kurz vor Palmſonntag d. J. (alſo in der zweiten Aprilwoche) unweit Danzig in der Oſtſee gefangen worden iſt. Beim Präparieren dieſes Schädels entdeckte ich in dem hinteren Teile der Naſenhöhle zahlreiche Larven, ſowie auch einige ausgebildete Exemplare der merkwürdigen Naſenmilbe, Halarachne halichoeri Allman. Leider hat die Mehrzahl derſelben von der Fäulnis gelitten; aber man kann ſie trotzdem mit voller Sicherheit beſtimmen, da die Kopfteile und die Beine unverſehrt erhalten ſind. Die ausgebildeten Exemplare beſitzen 4, die Larven nur 3 Beinpaare. Hiermit habe ich die Halarachne halichoeri Allman zum zweitenmale bei einer Kegelrobbe der Oſtſee beobachtet. (Ueber meinen erſten Fund vergleiche man den Sitzungs— bericht d. Geſ. naturf. Freunde zu Berlin, v. 15. April 1884.) Die Sache iſt immerhin erwähnenswert, da jene eigentümliche Milbe, ſoviel ich weiß, vor mir nur zwei— mal, nämlich 1837 von Dr. O'Brien Bellingham (Dublin) und 1847 von Allman, wiſſenſchaftlich beobachtet worden iſt, und zwar bei Kegelrobben der irländiſchen Küſte. Die Geſtalt der ausgebildeten Exemplare ergibt ſich aus der nachſtehenden Figur. Halarachne halicoeri AZ7man, Najenmilbe der Kegelrobbe. 15|1 nat. Größe. Von der Rückenſeite geſehen. Berlin. Prof. Dr. A. Nehring. Mimicry nach Tungenſchnecken. Nur wenige Bei— ſpiele ſind anzuführen, daß auf dem Gebiet der Mimiery auch die Nachahmung von Schneckenhäuſern eine Rolle ſpielt, was bei dem großen Schutz, den das Gehäuſe der Schnecken zu bieten vermag, auffallend iſt. Bekannt ſind die ſpiraligen Rau— penſäcke beſtimmter zu den Pſychiden gehöriger Schmetterlings— larven (Psyche helix) und auch unter den Köcherfliegen— larven finden ſich Formen, die ihrem aus kleinen Geſteins— ſtückchen zuſammengeſetzten Gehäus die Geſtalt eines Schnek— kenhauſes zu geben wiſſen. Wurde doch ſogar das Larven— gehäus einer, ſpäter Helicopsyche Shutleworthi Bremi genannten Phryganide thatſächlich für eine Schneckenſchale gehalten und von dem nordamerikaniſchen Schneckenkenner Yea einer Valvata arenifera bezeichneten Art zugeſchrieben; ähnliche Gehäuſe von Phryganidenlarven, die an Valvata piseinalis erinnern, ſammelte Simroth im nördlichen Por— tugal, in Oporto. Von dem gleichen Forſcher wird aber ein weiterer Fall von Mimicry nach Schneckenhäuſern an— gegeben, der darin beſteht, daß bei Raupen von beſtimmten Kleinſchmetterlingen, nämlich Coleopteriden, deren graue längliche Geſpinſte ganz die Form und Größe kleiner Clauſilienarten angenommen haben. Daß es ſich um thatſäch— liche Mimiery handelt, beweiſt das Vorkommnis der Schmetter— lingsraupen und der Schnecken, indem beide, faſt als ein— zige Bewohner, hohe mit Flechten, ihrer Nahrung, bewach— ſene Porphyrwände in der Nähe von Grimma als Wuf- enthaltsort miteinander teilen. Bei ſolch iſoliertem und auffälligem Vorkommen muß die Imitation der Schnecken— gehäuſe den Schmetterlingslarven thatſächlich ein Schutz ſein. (Sitzungs-Ber. d. Naturforſcher-Geſ. zu Leipzig, 13. und 14. Jahrgang, 1888, S. 45.) —p. Käſerlarven und shmetterfingsranpen als menſch⸗ liche Nahrung. Daß die Larven beſtimmter Käfer, be— ſonders die im Holz lebenden Larven großer Bock- und Rüſſelkäfer an mehreren Punkten der Erde den Ein— geborenen zur Nahrung dienen, iſt ſchon mehrfach von Reiſenden berichtet worden. Als neuere Beiſpiele hierfür ſeien nur wenige Angaben reproduziert. So erzählt Kappler in ſeinem Buch über Surinam (Stuttgart, Cotta 1887, S. 165), daß daſelbſt die feiſten, etwa daumen⸗ großen Larven des Palmenrüſſelkäfers (Rhynchophorus palmarum) in heißem Schmalz gebacken und dann mit Salz und Pfeffer beſtreut gegeſſen werden, eine der Hauptdelikateſſen des Landes bildend, wie Kappler, den Geſchmack der Eingeborenen hierin teilend, hervorhebt. Aehnlich verfahren die Eingeborenen der Guineg-Inſel S. Thomé (Weſtafrika) mit der Larve eines Bockkäfers (Macrotoma edulis Karsch), die auch in Palmöl geſchmort wird (Karſch in Berl. entomol. Zeitſchr., Bd. 30, 1886, S. XXIII), und aus Innerafrika liegt eine neuere Mitteilung hierüber von Baumann vor, nach welchem manche Bakongo-Stämme mit Vorliebe dicke weiße Maden eſſen, die in den faulenden Blätterdächern leben. (Beitr. z. Ethnographie d. Kongo in Mitt. anthropol. Geſ. Wien, Bd. 17, III/ IV. Heft, 1887, S. 163.) In Auſtralien ſpielen neben Käferlarven auch noch gewiſſe Schmetterlingsraupen eine, und zwar nach den Angaben v. Lendenfelds hierüber gar nicht unbedeutende Rolle als Nahrungsmittel der Eingeborenen. v. Lendenfeld fand nämlich bei ſeinen Forſchungsreiſen in den auſtraliſchen Alpen in ungeheurer Menge die im Erdreich der Alpenmatten von Wurzeln lebende Larve eines von den Eingeborenen „Bogong“ genannten Nachtſchmetterlings, welche von den Einge— borenen gegeſſen wird. „Dieſe Raupen werden, ehe ſie ſich einpuppen, ſehr groß und feiſt und dienen im Hoch- ſommer durch 2—3 Monate den Eingeborenen zur aus- ſchließlichen Nahrung. Die Leute wandern um dieſe Zeit ins Gebirge und bleiben fo lange oben, als Raupen in genügender Menge zu finden ſind. Die Eingeborenen ge— deihen hierbei ſehr gut und kehren im Herbſt wohlgenährt von ihrem Alpenaufenthalte in das Tiefland zurück.“ (vb. Lendenfeld, Forſchungsreiſen in den Auſtraliſchen Alpen, in Petermanns Mitteilungen, Ergänzungsheft Nr. 87, 1887, S. 10.) Die enorme Häufigkeit dieſer Schmetterlinge lernte v. Lendenfeld außerdem durch die Beobachtung eines großen Schwarmes derſelben kennen, den er im Januar, zu welcher Zeit die „Bogong“-Motten ausſchlüpfen, über die Spitze des nach den Schmetterlingen von den Eingeborenen ſo be— nannten Mount Bogong wegziehen ſah. Die Schmetterlinge flogen mit einer Geſchwindigkeit von 12 km ſo dicht wie ein Schneegeſtöber bei einer Zugbreite von 0,5 km und einer Höhe desſelben von etwa 20 m; die erſten wurden um 6 Uhr 30 M. nachmittags beobachtet, und noch um 8 Uhr konnte kein Abnehmen der wandernden Schmetterlingsmaſſe beob— achtet werden, während das Sauſen und Brauſen des Zuges bis 10 Uhr vernehmbar war. Die Angaben v. Lendenfelds erhalten eine Beſtätigung und teilweiſe Präciſierung durch eine Notiz im American Naturalist (XXII, März 1888, S. 262), wonach die Eingeborenen Auſtraliens außer im Holz lebenden Bock- und Rüſſelkäferlarven auch die haar⸗ loſen Raupen der Schmetterlingsgattungen Zelotypia, Hepialus, Charagia und Pielus verzehren. —P. Varthenogeneſis des Totenkopfes. Im Zoolog. Garten, XXX, S. 63, teilt Dr. L. v. Heyden folgendes mit. Nach Camillo Maſſas Bericht (Bull. Soc. Entom. Ital. 1888, S. 64) beobachteten zwei eifrige Blumen— freundinnen Riccioli im Frühjahr 1886 im Botan. Garten zu Modena auf verſchiedenen Pflanzen (Volkameria, Gelsemium, Heliotropium) Raupen, die mit großer Be— gierde die Blätter dieſer Pflanzen fraßen. C. Maſſa er- kannte ſie als Atroposraupen und fütterte ſie hauptſächlich mit Volkameriablättern. In den erſten 14 Tagen des Juni 1887 hatte von den 7 zur Verpuppung gelangten Raupen eine einzige einen weiblichen Schmetterling ge— liefert; die anderen Puppen waren vertrocknet. Dieſes 316 Humboldt. — Auguſt 1889. in Ermangelung hoher Niſtplätze in den von Uferſchwalben eine Weibchen legte nach kurzer Zeit 20 Eier, wobei jede Möglichkeit ausgeſchloſſen iſt, daß ein Männchen Zugang zu dieſem einzelnen Weibchen finden konnte. Nach einigen Tagen waren dieſen Eiern 2 Räupchen entſchlüpft, die jedoch nur wenige Tage lebten; die anderen Eier lieferten keine Räupchen, ſondern trockneten bald ein. Bei den Schmetterlingen iſt parthenogenetiſche (jungfräuliche) Fortpflanzung ſchon lange bekannt und bei einigen Familien, z. B. den Pſychiden- und den Bombyeiden⸗ Gruppen, bei denen die Weibchen ungeflügelt ſind oder wenigſtens nur Flügelſtummeln beſitzen, auch die Männchen meiſtens ſehr ſelten ſind, iſt dies faſt die Regel. Bei den hochentwickelten Schwärmern iſt eine ähnliche Beobachtung ſeither unbekannt geblieben. Acherontia Atropos findet ſich auch in Mitteleuropa, in manchen Jahren häufiger, auf dem Kartoffelkraut; es werden ſtets nur faſt er⸗ wachſene Raupen gefunden, die ſich dann verpuppen und im Herbſt den bekannten Totenkopf liefern. Im Freien gehen wohl alle Puppen zu Grunde; noch nie iſt es ge⸗ lungen, die Fortpflanzung zu beobachten oder die Tiere, die ſich in der Gefangenſchaft entwickelten, dazu zu be⸗ wegen. Acherontia Atropos iſt ein Zugvogel, der jedes Jahr aus ſüdlichen Ländern neu zufliegen muß, um es in unſern Ländern zu einer Sommergeneration zu bringen. D. Der Sungenfifh. Die Zahl der bekannten Exem⸗ plare des merkwürdigen Lungenfiſches Lepidosixen paradoxa Fitzinger iſt unlängſt von S. Baur in einer hiſtoriſchen Skizze mit vollſtändigem Litteraturverzeichnis feſtgeſtellt worden (Zoolog. Jahrbücher, 2. Bd., 2. Heft, 1887) und hat dann durch Mitteilungen von Giglioli eine Vermehrung erfahren (Nature, 1888). Während neuerdings Zweifel laut geworden ſind, ob es überhaupt in Braſilien einen Lungenfiſch gebe (die andern beiden Gattungen ſind be⸗ kanntlich in Afrika, reſp. Auſtralien heimiſch), ſtellt Baur feſt, daß drei Exemplare mit ſicherem Fundort aus Braſi⸗ lien bekannt ſind. Hierzu kommt noch ein viertes Exem⸗ plar unbekannten Fundorts, ſo daß bis vor kurzem nur 4 Exemplare dieſes merkwürdigen Geſchöpfes ſich in den Muſeen von Wien und Paris vorfanden. Neuerdings hat Giglioli in Florenz durch Rodriguez in Mangos zwei weitere Exemplare erhalten, von denen das eine bei Mangos, das andere zu Autaz in der Nähe des Madeira⸗Fluſſes erbeutet wurde. So ſehr ſelten das Tier augenſcheinlich auch iſt und ſo nahe das völlige Ausſterben desſelben bevorſtehen mag, ſo iſt doch ſchon durch die Erwerbung Gigliolis die Hoff⸗ nung Baurs erfüllt, daß bei beſſerer Erforſchung dieſer der Wiſſenſchaft kaum noch erſchloſſenen Gegenden noch weitere Exemplare von Lepidosiren ſich finden laſſen werden. 1 Aenderungen im Neſtbau der Vögel. Für die längſt bekannte Thatſache, daß auch im Neſtbau die Vögel ſich häufig den Verhältniſſen anzupaſſen wiſſen und ihre Gewohnheiten abändern, ſeien im folgenden aus der neue⸗ ren Litteratur einige Beiſpiele angeführt. So berichtet Ritzema Bos (Biolog. Centralblatt, Bd. VIII, Nr. 10, Juli 1888), daß im baumloſen Norden der Provinz Nord⸗ holland der ſonſt ſtets auf Bäumen horſtende Reiher, Ar- dea cinerea, fein Neſt zwiſchen Rohr und ſonſtigen Sträu⸗ chern an einem kleinen See macht. Selbſt von der Ringel⸗ taube, Columba palumbus, die ſtets hoch zu niſten pflegt, und von der Altum das Niſten in nur 1,3 m Höhe ſchon als einen ganz außergewöhnlichen Fall bezeichnet, fand Ritzema Bos einmal ein Neſt auf der baumloſen Nord⸗ ſeeinſel Ameland; das Neſt war auf dem Dünenboden aus kleinen Heideſträuchern und aus Sandweizen aufge⸗ baut. Das Vorkommen der Ringeltauben auf dieſer und anderen, faſt baumarmen Inſeln zu einer Zeit, wo das Brutgeſchäft noch nicht beendigt iſt, läßt vermuten, daß der Fund nicht als ein Unikum anzuſehen iſt. In ähn⸗ licher Weiſe baut nach Schalow (Novemberſitzung 1888 d. allg. ornithol. Geſellſch. Berlin) der Turmfalke auf Rügen gemachten Röhren fein Neſt, und die gleiche Gewohnheit, in Röhren zu niſten, hat der Sperling auf Neuſeeland angenommen, indem er an Stellen, wo Bimsſteinſchichten durchſchnitten ſind, ſich die hier vorhandenen Löcher als Niſtplätze wählt und dieſelben vielleicht ſelbſt noch vertieft, denn es werden Löcher bis zu 6 Fuß Tiefe gefunden (Zool. Garten 1889, Nr. 3). — Eine hübſche, die Ver— wendung des Materials betreffende Abänderung des Neſt— baues teilt endlich Mützel mit (Journal f. Ornithologie Jahrg. 36, 1888, p. 100), der in Saßnitz auf Rügen weiße, aus Schlemmkreide hergeſtellte Neſter der Haus— ſchwalbe und Rauchſchwalbe antraf. — p. Das Dunenneftkleid der Vögel. Die Dunen, welche das Neſtkleid der Vögel zuſammenſetzen, ſind nach Landois (Zoolog. Anzeiger 1888, Nr. 295) nicht Gebilde für ſich, ſondern beſtehen einzig und allein aus den Endigungen der oberen Strahlen der ſich nachſchiebenden Umrißfedern. An der Verbindungsſtelle dieſes Bündelchens Strahlenſpitzen der erſten Contourfedern mit dem übrigen Teil derſelben ſind die Strahlen feſt verkittet und nur durch Behandlung mit ſtarken Laugen zu trennen. Die ſog. Dunen werden von den Umrißfedern emporgehoben und fallen bald ab. Von einem Neſtdunenkleid der Vögel im eigentlichen Sinne kann alſo nicht die Rede ſein. —p. Acclimatiſation von Bronze-Trutwild. Einen in⸗ tereſſanten Acclimatiſationsverſuch machten im Frühjahr 1888 die Herren v. Homeyer und v. Bornſtädt mit der Ausſetzung von Bronze-Trutwild (Meleagris Gallopavo L.) In Murchin und Relzow wurden gemeinſchaftlich 1 Truthahn und 4 Hennen ausgeſetzt. Eine Henne wurde nach wenigen Tagen nahe einem Telegraphendraht ver⸗ endet gefunden, die anderen drei aber kamen zum Brüten und zwei von dieſen brachten die Eier glücklich aus, jede derſelben erzielte ca. 10— 12 Junge. Der Verſuch iſt jo- mit über alle Erwartungen günſtig ausgefallen, wobei noch zu erwähnen iſt, daß das Territorium ein ungünſtiges iſt, indem es zum Teil ein beliebter Ausflugsort iſt und an⸗ derſeits ſtark von Raubzeug heimgeſucht wird. In dieſem Jahre wird das Trutwild noch geſchont, im nächſten Jahre hofft v. Homeyer beſtimmt, daß einige Hähne zum Ab⸗ ſchuß kommen werden. —p. Die Seckrankheit äußert ſich nach Gronen (Zoolog. Garten, XXX, S. 60) bei Tieren in ſehr verſchiedener Weiſe. Alle Tiere ohne Unterſchied werden auf dem Meere zahmer, ſelbſt die wildeſten ſcheint ein Gefühl von Schwäche zu überfallen. Affen haben viel von der Seekrankheit zu leiden, auch den Vögeln ſetzt das Meer bedeutend zu, denn ſie ſingen während der Fahrt gar nicht. Hühner und Gänſe werden ſehr bald mager; die Hähne krähen nicht mehr, die Tauben ſterben, wie man behauptet, die Enten aber bleiben munter und gefräßig. Katzen und Hunde zeigen ſich ſehr unruhig; die erſteren werden ſehr ſcheu und ängſtlich und halten fic) oft halbe Tage lang ver⸗ ſteckt; die Hunde drängen fic) gern an die Menſchen, ſcheinen ſehr aufgeregt zu werden und verlieren die Freß⸗ luſt vollſtändig. Die ſtarrköpfigſten Ochſen, Büffel und Pferde gewöhnen ſich auf dem Meere bald an ihre Wärter. Einzig Schweine und Schlangen ſcheinen von jeder Beein⸗ fluſſung frei zu bleiben. ; D. Auf eine eigentümliche Bißart mancher Nagetiere, welche nur wenig bekannt zu fein ſcheint, hat J. Kunſt⸗ ler (Ann. d. sc. nat. Zool. IV. p. 150) neuerdings wie⸗ der die Aufmerkſamkeit gelenkt. Murmeltiere, Ratten, Mäuſe und einige andere Nagetiere, nächſt Meerſchweinchen, Haſen, Kaninchen, zernagen feſte Körper von kleinem Quer⸗ ſchnitt zwiſchen den beiden unteren Schneidezähnen, welche mit großer Schnelligkeit und Kraft gegeneinander bewegt werden; die oberen Schneidezähne dienen bei dieſer Art des Nagens nur als Widerlager. G. 9 Humboldt. — Auguſt 1889. 317 Das Verhalten der Harnabſonderung während der Nacht unterſuchte C. Posner (du Bois-Reymonds Arch. f. Phyſiologie, 1887, S. 389). Zur Entſcheidung der Frage, ob die ſtärkere Konzentration des Morgenharnes auf einer in der Blaſe ſtattgehabten Reſorption oder in einem Ein⸗ fluß des Schlafes auf die Harnausſcheidung ſelbſt (Quincke) beruht, hat Posner Unterſuchungen an mehreren Perjonen angeſtellt, deren Schlaf während der Nacht zu dem Zwecke der Harngewinnung unterbrochen wurde. Harnmenge und ſpecifiſches Gewicht wurden beſtimmt, aus letzterem der Ge— halt an feſten Beſtandteilen geſchätzt. Es ergab ſich, daß während der Nacht anfangs ein ſchwerer und ſpärlicher, all— mählich ein immer dünnerer und leichterer Harn abgeſondert wird und daß Unterbrechung des Schlafes die Harnabſon⸗ derung ſteigert. Die Beſchaffenheit des Morgenharnes ijt demnach nicht durch reſorptiven Waſſerverluſt, ſondern durch Herabſetzung der Harnabſonderung im Schlafe zu erklären. G. Daß dioptriſche Fehler des Auges als Hilfsmittel der monokularen Tieſenwahrnehmung dienen können, entwickelt J. Löb (Pflügers Arch. f. Phyſiol., XLI, S. 371). Die inſtinktive Bewegung, mit welcher beide Augen einem ſich nähernden oder ſich entfernenden Objekte folgen, rührt her von der Verſchiebung der Netzhautbilder beider Augen nach entgegengeſetzter Richtung. Fixiert man aber nur mit einem Auge, ſo braucht das Netzhautbild keine Ver— ſchiebung zu erleiden, wenn ſich der Abſtand des Körpers vom Auge ändert, doch aber folgt die accommodative Ein— ſtellung des Auges in inſtinktiver Weiſe, wie beim mon- okularen Sehen. Löb iſt der Anſicht, daß die Aenderun— gen der Einſtellung in dem einen oder dem anderen Sinne Folgen der Veränderungen ſind, denen die Geſtalt der Zerſtreuungskreiſe im aſtigmatiſchen Auge unterliegen. Die Zerſtreuungsfiguren ändern ſich bei der Annäherung in einer anderen Richtung als bei der Entfernung. G. Bei einer Hinrichtung durch die Guillotine mach⸗ ten P. Regnard und P. Loye (C. R. Soe. de Biologie, Juillet 2, 1888, p. 433) folgende Beobachtungen: Bis zu ſeinem letzten Augenblick zeigte das Individuum den größ— ten Mut. Das Antlitz erblaßte nicht, wie es bei den Hin— richtungen gewöhnlich vorkommt, ſobald der Verbrecher auf dem Brett feſtgeſchnürt wird, ſondern blieb bis eine Mi— nute nach der Enthauptung rötlich gefärbt. Zwei Sekun— den nach der Enthauptung wurde nicht mehr das mindeſte Zeichen von Bewußtſein im Kopfe wahrgenommen. Bis ſechs Sekunden nach der Enthauptung konnte aber der Corneal— reflex hervorgerufen werden. Die Herzkammern ſchlugen noch 25 Minuten weiter fort und die Vorkammern eine ganze Stunde lang. Die überdauernden Bewegungen der Augen, der ſtarke Schluß des Unterkiefers und das Spritzen aus den Karotiden waren die einzigen Zeichen, daß man wirklich einen lebendigen Mann und nicht einen Kadaver geköpft hatte. Dieſer ſanfte Tod, frei von agoniſtiſchen Erſcheinungen, erinnert an den Hemmungstod, welchen Brown -Ségquard durch gewiſſe Reizungen des Central— nervenſyſtems bei Tieren hervorgerufen hat. (Ge Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. An der Univerſität Jena werden vom 23. Sep— tember d. J. an zweiwöchentliche Fortbildungsſurſe für Tehrer Deutſchlands und Oefterreidjs abgehalten, die ſich auf folgende Gegenſtände erſtrecken: 1) Pſychologiſche Grundlagen des Unterrichtsverfahrens von Prof. Rein. 2) Anleitung zu chemiſchen Experimenten von Prof. Rei— chardt. 3) Anleitung zu phyſikaliſchen Experimenten von Prof. Schäffer. 4) Anleitung zu botaniſchen Beobachtungen und pflanzenphyſiologiſchen Experimenten von Prof. Det- mer. 5) Ausgewählte Kapitel aus der Tierbiologie von Prof. Lang. 6) Schulhygiene von Prof. Gärtner. 7) Phy— ſiſche Geographie und Koloniſation von Prof. Pechuel— Löſche. Anmeldungen nehmen entgegen und nähere Aus— kunft erteilen Prof. Rein und Prof. Detmer. Die Kurſe ſind nach dem Wortlaute der Ankündigung für akademiſch gebildete Lehrer beſtimmt. Die Dozenten hatten urfpriing- lich die Abſicht, ſich an die geſamte deutſche Lehrerſchaft zu wenden, die Regierung legte ihnen jedoch dieſe Ein— ſchränkung auf. Es iſt aber wohl vorauszuſehen, daß man bei Beurlaubungen und Unterſtützungen für den Beſuch der Kurſe nicht zu ſtreng auf den Weg der Vorbildung ſehen wird. D. Expedition in die Nordſee. Die Sektion des Deutſchen Fiſchereivereins für Küſten- und Hochſeefiſcherei wird im Auguſt und September d. J. eine fünf- bis ſechs— wöchentliche praktiſch-wiſſenſchaftliche Expedition in den öſtlichen Teil der Nordſee unternehmen, wozu aus Reichs— mitteln die Summe von 18,000 ME. bewilligt iſt. Die Fahrt wird auf einem Geeſtemünder Fiſchdampfer des Reeders und Fiſchgroßhändlers Buſſe ausgeführt werden. Ihr Hauptzweck iſt, an der deutſchen und jütiſchen Küſte Treibnetzfiſcherei-Verſuche anzuſtellen, um das Vorkommen größerer Heringsſtämme in dieſem Teile der Nordſee zu erforſchen. Gleichzeitig ſollen etwaige Laichplätze des He— rings aufgeſucht und Beobachtungen über das Vorkommen von Fiſchbrut auf hoher See gemacht werden. Außerdem wird die Expedition mit allen Mitteln ausgerüſtet werden, welche für eine wiſſenſchaftliche Meeresunterſuchung nach der chemiſch-phyſikaliſchen, zoologiſchen und botaniſchen Seite erforderlich ſind. Leiter der Unterſuchungen wird Oberlehrer Dr. Fr. Heincke in Oldenburg ſein, welcher zu Oſtern d. J. einen zweijährigen Urlaub zur Fortführung und Abſchließung ſeiner Studien über den Hering angetreten hat. Weitere wiſſenſchaftliche Teilnehmer ſind Dr. Ernſt Ehrenbaum für Zoologie und Major a. D. Reinbold für Botanik. Außerdem werden ein Fiſchereibeamter und ſechs praktiſche Fiſcher mitgehen. D. Der alle zwei Jahre ſtattfindende Aftronomen- ſtongreß, der 1887 in Kiel vereinigt war, wird diesmal vom 10. bis 12. September in Brüſſel zuſammentreten, wo gleichzeitig die Einweihung der neuen Sternwarte in Uccle bei Brüſſel ſtattfinden dürfte. Die dritte Verſammlung der anatomiſchen Gefell- ſchaft findet vom 10. bis 12. Oktober in Berlin ſtatt. Kongreß für phyſtologiſche Pſychologie. In den Tagen vom 5. bis 10. Auguſt findet in Paris ein inter- nationaler Kongreß ſtatt, der, als der erſte in ſeiner Art, auch in Deutſchland ungewöhnliches Intereſſe erwecken wird: ein Kongreß für „Phyſiologiſche Pſychologie“. Von den zur Verhandlung in Ausſicht genommenen Fragen ſind folgende hervorzuheben: der Muskelſinn, der Einfluß der Gefühle auf die Aufmerkſamkeit, die Triebe der Idi— oten, die Bedeutung der Bewegungen für die Geftaltung der Phantaſievorſtellungen, die Vererbung von Gemüts— erregungen, die Statiſtik der Hallueinationen, die Ver— erbung techniſcher, künſtleriſcher und wiſſenſchaftlicher An— lagen und manches andere. Außerdem aber vor allem eine ganze Reihe von Problemen aus dem Gebiete des Hypnotismus. Das Präſidium hat Charcot übernommen. Zu dem internationalen Ehrenpräſidium gehören aus Deutſchland Helmholtz, Wundt und Preyer, aus Oeſter— reich Exner, Hering und Meynert. Nähere Auskunft er— teilt Prof. Ch. Richet (Paris, Rue de l'Univerſité 15), der zugleich Beitrittserklärungen entgegennimmt. M. Sternwarte im Vatikan. Auf die von dem bez kannten Aſtronomen Pater Denza vor mehr als einem Jahr geäußerten Wünſche hat der Papſt beſtimmt, daß die Arbeiten für das aſtronomiſche Obſervatorium, welches 318 Humboldt. — Auguſt 1889. im Vatikan errichtet werden ſoll, ſogleich in Angriff zu nehmen ſeien. Die Koſten ſind auf eine Million Lire geſchätzt worden. M—s. Zu den früher erwähnten Sorfhungsreifen, die in dieſem Jahre in Rußland ausgerüſtet werden, iſt noch folgendes hinzuzufügen: Die von dem Miniſterium der Reichsdomänen nach dem nördlichen Rußland entſendete Expedition hat die Aufgabe, geologiſche Arbeiten vor⸗ zunehmen und die mineralogiſchen Reichtümer jenes Landes zu unterſuchen. Leiter der Expedition iſt Tſcherny⸗ ſcheff. Eine nach dem nördlichen Ural gehende geologiſche Expedition ſteht unter Führung von Fedoroff und Iwanoff. Behufs ethnographiſcher Studien bereiſt Iſtomin die Petſchora-Gegenden. Beobachtungen über die Beſtim⸗ mung der Schwerkraft wird Wilkizky in Lipezk, Orel und Saratow ausführen. Ms. Dr. Carl Jorsſtrand wurde von der Univerſität Upſala und der Schwediſchen Geographiſchen Geſellſchaft ausgefandt, um die marine Fauna der weſtindiſchen Inſeln während des gegenwärtigen Sommers zu ſtudieren. Das Herbarium des verſtorbenen Rev. Dr. Joſeph Blake iſt zu verkaufen. Die Pflanzen ſind faſt ſämtlich aufgeklebt und von ausgezeichneter Beſchaffenheit. Die Sammlung enthält beinahe 2500 Arten der Vereinigten Staaten, außerdem gute Kollektionen aus anderen Ländern. Nähere Auskunft erteilt Mrs. J. Blake, Andover, Maſſ., United States. Eine große Zahl ſibiriſcher Herbarpflanzen, geſam⸗ melt von F. Karo und beſtimmt von J. Freyn, iſt zu ver⸗ kaufen. Die einzelnen Kollektionen umfaſſen 280, 277, 267, 253 und weniger Arten. Preis für die Centurie 18 Gulden. Reflektanten wollen ſich an Hrn. Lajos Richter in Budapeſt, Andraſſyſtraße 3, wenden. Das Herbarium Boiffiers, des berühmten Verfaſſers der „Flora orientalis“, iſt nebſt demjenigen von Barbey, Boiſſiers Schwiegerſohn, jetzt in einem beſonderen Gebäude untergebracht worden, welches der Letztgenannte in Les Jordils bei Genf hat bauen laſſen. Dieſes zugleich ma⸗ leriſch ausgeſtattete, wie praktiſch eingerichtete Gebäude ift ganz aus Stein und Eiſen erbaut. Es umfaßt zwei Flügel. In dem einen befinden ſich die Arbeitsſäle und die reiche Bibliothek, der andere enthält den Herbaxienſaal. Mit größter Liebenswürdigkeit ſtellt Barbey ſeine Schätze den Botanikern zur Verfügung. Diejenigen, welche am Ort ſelbſt arbeiten wollen, finden einſichtige Unterſtützung in ihrer Arbeit durch den Konſervator Eug. Autran. Aber auch nach außerhalb werden Pflanzen des Herbariums an Spezialiſten zur Unterſuchung abgegeben. Der Weiler Les Jordils liegt eine gute halbe Meile von Genf entfernt. Letztere Stadt, in welcher ſich auch die Herbarien Decan⸗ dolles und Deleſſerts befinden, kann hinſichtlich der Be⸗ deutung ihrer botaniſchen Sammlungen mit Berlin, London und Paris wetteifern. Die Inſektenſammlung des verſtorbenen A. F. Shep⸗ pard wurde am 25. und 26. März in London verſteigert. Die Sammlung enthielt 27000 Exemplare und brachte 400 Pfd. Sterl. 100 Pfd. Sterl. kamen allein auf die Schmetterlinge. Es wurden u. a. verkauft zwei Exemplare von Vanessa Antiopa für 28 Shill.; 30 Lycaena dispar für 55 Pfd. Sterl. (zwei Pärchen in beſonders vorzüglicher Erhaltung für je 6 Pfd. Sterl.); zwei Exemplare von Deiopeia pulchella brachten 30 Shill., 12 Lobophora poly- grammata 5 Guineen, 18 Noctua subrosea 20 Pfd. Sterl. Ein Pärchen der letzteren ging für 3 Pfd. 5 Shill. fort. Vreisaufgaben. Vreisaufgabe der Fürſtlich Fablonowsktiſchen Geſellſchaft in Leipzig für das Jahr 1892. Seitdem Bergmann und Leuckart zum erſtenmal eingehender auf die Bedeutung hingewieſen haben, welche die Größen⸗ verhältniſſe der Flächen und Maße für das Verſtänd⸗ nis der tieriſchen Organiſation und Leiſtungsfähigkeit be⸗ ſitzen, haben die Beſonderheiten des Flächenbaues ver— ſchiedentlich bei den Forſchern Beachtung gefunden. Nichts: deſtoweniger aber fehlt es faſt gänzlich an planmäßig und methodiſch ausgeführten Unterſuchungen, wie groß die abſolute und relative Ausdehnung der Flächen ſind, welche dem Tiere für Aufnahme und Abſcheidung zu Gebote ſtehen. Die Geſellſchaft wünſcht deshalb „eine auf exaktem Wege (durch Meſſung und Wägung) gewonnene Darſtellung des Flächenbaues — wenn auch zunächſt nur des Darmes, der Reſpirationsorgane und der Nieren — bei verſchieden großen und leiſtungsfähigen höheren und niederen Tieren. Die Auswahl der Arten bleibt dem Bearbeiter überlaſſen.“ Preis 1000 Mark. Einſendung anonym, mit Motto und mit dem Namen in verſiegeltem Kouvert, bis ſpäteſtens 30. November 1892 an den Sekretär der Geſellſchaft (für, das Jahr 1889 Prof. Dr. Wilh. Scheibner, Schletterſtr. 8). Die Arbeiten können in deutſcher, lateiniſcher oder fran⸗ zöſiſcher Sprache abgefaßt ſein und müſſen paginiert und deutlich geſchrieben ſein. Die Ergebniſſe der Prüfung der eingegangenen Schriften werden durch die „Leipziger Zei⸗ tung“ im März und April des folgenden Jahres bekannt gemacht. Die gekrönten Bewerbungsſchriften werden Eigen⸗ tum der Geſellſchaft. Ms. Die Kgl. Belgiſche Akademie der Wiſſenſchaſten veröffentlicht für 1890 folgende Preisausſchreiben: 1) Man ſoll durch neue Verſuche die Theorie der Reaktionen begründen, welche die Körper im ſogenannten status nascendi zeigen. 2) Man ſoll unter Zugrundelegung neuer Experimente die auf die kinetiſche Gastheorie bezüglichen Arbeiten dar⸗ legen und erörtern. 3) Man ſoll die Theorie der approximativen Inte⸗ gration vervollkommnen in der doppelten Beziehung auf die Strenge der Methoden und die Leichtigkeit der An⸗ wendungen. 4) Es werden Unterſuchungen verlangt über die em⸗ bryonale Entwickelung eines Säugetiers aus einer in Be⸗ zug auf ihre Embryogenie nicht oder nur wenig ſtudierten Familie. 5) Es ſollen paläontologiſch und ſtratigraphiſch die Beziehungen klar gelegt werden, welche zwiſchen den von Dumont zu ſeinen ,,Systemes lackenien et tongrien“ ge- rechneten Ablagerungen beſtehen. 6) Neue Unterſuchungen über die Bildung der Rich⸗ tungskörperchen bei den Tieren. Der Wert der als Preis für jede Arbeit beſtimmten goldenen Medaille beträgt 1000 Fr. für Frage 4, 800 Fr. für Frage 1, 600 Fr. für die übrigen Fragen. Die Abhandlungen müſſen lesbar geſchrieben ſein und können franzöſiſch, flämiſch oder lateiniſch abgefaßt ſein. Sie find vor dem 1. Auguſt 1890 an M. Liagre, Secré- taire perpétuel, au Palais des Académies, Bruxelles, franko einzuſenden. Die Akademie fordert große Genauigkeit in den Ci⸗ taten; die Verfaſſer haben Ausgabe und Seite der citierten Schriften anzugeben. Die Einſendung erfolgt anonym mit Motto und Bei⸗ fügung eines verſchloſſenen Couverts, in dem ſich Name und Adreſſe des Verfaſſers befindet. Die Arbeiten verbleiben im Archiv der Akademie, doch können die Einſender auf ihre Koſten Abſchriften nehmen. Hayden Memorial Geological Fund. Mrs. Emma W. Hayden hat der Akademie der Naturwiſſenſchaften in Philadelphia die Summe von 2500 Dollars übergeben, welche zum Andenken an ihren Gatten, den verftorbenen Profeſſor Hayden, den Namen „Hayden Memorial Geologi⸗ cal Fund“ führen ſoll. Nach den Abſichten der Schenkerin ſoll jährlich eine Bronzemedaille, ſowie der Ueberſchuß der Zinſen aus dem Fonds für die beſte Schrift, Erforſchung, Entdeckung oder Unterſuchung auf dem Gebiete der Geo⸗ logie und Paläontologie, verliehen werden. Die Zu⸗ erkennung des Preiſes iſt nicht auf amerikaniſche Natur⸗ forſcher beſchränkt. —8. Humboldt. — Auguſt 1889. 319 Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Auguſt 1889. (Mittlere Berliner Zeit.) 1437 Algol 1289 U Ophiuchi 886 U Cephei 12h 24™ 15 95m A @ Hl 885 Y Cygni h m TTD nnn 853 U Cephei 854 Y Cygni 17» 36" OF rea stan et 17 500 A. d. 6 814 Y Cygni 749 U Cephei 12 18 Q I Austritt qh 13" 9 30 A 1 856 U Corone 786 U Cephei 785 U Ophiuchi 821 X Cygni 9 e f Ie! 11> 25™ 722 U Cephei 24 820 Y Cygni 26 27 719 X Cygni 28 689 U Cephei 14" 47 Venus in Konjunktion mit Stern 7. Grösse 1382 U Corone 856 X Cygni A 28 b. 10 BAC 5758 12 36™ K. J. 6 10" 23 N. I Austritt 988 U Ophiuchi 1089 U Coron h m 10 45A 6 1 1026 U Ophiuchi 813 Y Cygni 822 Y Cygni 19 21% HOT 10 37 III Eintritt 8h 42™ 9} J Austritt 872 U Ophiuchi Neptun in Quadrutur mit der Sonne 10" 10 9} II Austritt 90 U Ophiuchi 10" 48™ 0 13 Gm 0 . 0 I 1327 U Ophiuchi 144 U Ophiuchi \ 33 Piste, 10% 6™F§, a 5 10" 48” K. fl. 9 30m OL III Austritt 1144 U Ophiuchi 14" 30" P. H. ) BAC 1563 15 285 l. fl. 57/2 1281 U Ophiuchi 1322 Algol 1229 U Ophiuchi 12 59 9} II Austritt 14 20% Venus in Kon- junktion mit Stern 9. Grüsse — 8 0 — fon) Hm Co DOR — — Viele Sternschnuppen Perseiden BAG 17 12" 39m E. at 3 13" 47 A, ll. 15 5 R. H. ) n Cancri 160 23m Ai) 6 29 980 U Ophiuchi 30 788 Y Cygni h 290m i 1 0" fo) Merkur iſt am 7. in oberer Konjunktion mit der Sonne und bleibt den ganzen Monat dem bloßen Auge unſichtbar. Venus geht anfangs ½ nach 1 Uhr, zuletzt kurz vor 2 Uhr morgens auf und durchwandert das Sternbild der Zwillinge. Mars entfernt ſich immer mehr aus den Sonnenſtrahlen, indem er zwar bis zuletzt noch nach 3 Uhr morgens aufgeht, aber durch den ſich immer mehr verzögernden Aufgang der Sonne noch vor der Dämmerung über dem Horizont ſichtbar wird. Jupiter, im Sternbild des Schützen, geht am 24. aus der rückläufigen in die rechtläufige Bewegung über. Er geht anfangs nach 1 Uhr, zuletzt ½ Stunde vor Mitternacht unter. Am 7. wird er für uns bequem ſichtbar zwiſchen 8 und 9 Uhr abends vom Monde bedeckt. Saturn kommt am 16. in Konjunktion mit der Sonne und iſt unſichtbar. Uranus iſt rechtläufig im Sternbild der Jungfrau und geht anfangs um 10 Uhr, zuletzt um 8 Uhr unter. Neptun, nahe den Hyaden, kommt am 27. in Quadratur mit der Sonne. Unter den Veränderlichen des Algoltppus fällt bei 6 Libre kein Minimum auf eine Abendſtunde, bei * Tauri keines auf eine Morgenſtunde, S Cancri und R Canis majoris find in den Sonnenſtrahlen verborgen. Mira Ceti ift in dieſem Monat in ſeinem größten Licht und iſt mit bloßem Auge leicht aufzufinden. In den Nächten des 10. bis 12. ſind viele Sternſchnuppen zu erwarten, welche ihren Radiationspunkt im Sternbild des Perſeus haben. Drei günſtige Konjunktionen der Venus mit Sternen 7. und 9. Größe finden ſtatt, bei welchen eine Be— deckung der Sterne durch die Venusſcheibe möglich iſt. Am 24. Juni wurde von Barnard auf der Lick-Sternwarte in Kalifornien ein ſchwacher Komet im Sternbild der Andromeda entdeckt, welcher nach den Bahnentwürfen aus den erſten Beobachtungen im Juli ſeine Sonnen— nähe paſſiert, aber ſich ſeit der Zeit der Entdeckung von der Erde entfernt und ſchwächer wird. Im Auguſt iſt der für unſere Breiten cirkumpolare Komet ſchon auf die Hälfte der Helligkeit bei ſeiner Entdeckung herabgeſunken. Um Mitternacht des 6. auf 7. Juli wurde in Geneva (New York) auf der Smith-Sternwarte von Brooks im Sternbild des Waſſermanns ein neuer Komet entdeckt, deſſen Ort um 12 Uhr 16 Minuten dortiger Zeit war: 356015“, Rektaſcenſion und 9° 10“ ſüdlicher Deklination, erſtere Koordinate täglich 15’ zunehmend und letztere täglich 5“ abnehmend. Dr. E. Hartwig. 10" 37 N J Austritt 14 54™ Venus in Konjunktion mit Stern 9. Grösse 320 Humboldt. — Auguſt 1889. Vulkane und Erdbeben. Seit dem 28. März fand in der Gegend von Tokio eine ganze Reihe von Erdbeben ſtatt. Den Anfang machte ein ziemlich heftiger, mehrere Minuten dauernder Stoß am Morgen des 28. März, welcher jedoch nicht die Stärke desjenigen vom 18. Februar d. J. erreichte. An demſelben und den darauf kommenden Tagen folgten weitere Er- ſchütterungen mit abnehmender Stärke. Im Volke, das doch an Erdbeben gewöhnt iſt, herrſchte Beſorgnis vor einer Wiederholung der Kataſtrophe vom Jahre 1855. Am 11. April trennte ein Erdbeben eine der kleinen Inſeln Japans in der Meerenge Niphon von Sikoka. Zwiſchen den beiden Ortſchaften liegt jetzt eine 1000 Fuß lange und 3 Fuß breite Kluft. Im mittleren Kalifornien und auch in San Francisco machte ſich am 19. Mai ein Erdſtoß fühlbar, der am heftigſten im Thale des San Joiquinfluſſes auftrat. Am 30. Mai abends zwiſchen 8 Uhr 15 Min. und 8 Uhr 30 Min. wurden in der ganzen Gegend zwiſchen Paris und Havre, ferner in Cherbourg, Caen, Rouen, Pont⸗Audenier, Breſt, ſowie auf den Inſeln Wight und Guernſey Erdſtöße verſpürt. In Paris wurden dieſe Stöße, obwohl ſie ſchwächer als an der Küſte waren, von vielen Perſonen deutlich wahrgenommen und ſchienen von Nordweſt nach Südoſt zu gehen. Ein Beobachter der Er⸗ ſcheinung unterſchied zwei Stöße mit einer Zwiſchenpauſe von mehreren Sekunden. In dem nahen Taverny wurde das Erdbeben um 8 Uhr 28 Min. dortiger Bahnzeit ver⸗ ſpürt. Hingegen wurde auf dem Eiffelturme und im Meteorologiſchen Bureau, das ſich ebenfalls auf dem linken Seineufer, in der Rue de l'Univerſité befindet, keine Schwankung wahrgenommen, man erfuhr ſie zuerſt durch die Depeſche der Leuchttürme von Havre und Caen. An der untern Seine und auf der Inſel Guernſey waren die Stöße am ſtärkſten; man zählte deren dort auf der Inſel um 8 Uhr 15 Min. Häuſer ſchwankten und die Bewohner ſtürzten erſchreckt auf die Straße, doch wurde niemand verletzt. Eine Depeſche aus Havre behauptet, die Er⸗ ſcheinung habe 5 Min. 14 Sek. gedauert. Vor den Wein⸗ häuſern klirrten die Gläſer der Gäſte gegeneinander, ein Mädchen verlor das Gleichgewicht, fiel zu Boden und ſchrie vor Angſt. Die Telegraphenbeamten konnten das Erd⸗ beben deutlich feſtſtellen. In Cherbourg verſpürte man drei ſtarke Erſchütterungen, infolge deren das Geſims der Kirche Trinité herabſtürzte. Auch in Rouen herrſchte über dies Ereignis große Aufregung. In Arica (Peru) hat Anfang Juni ein ſtarkes Erd⸗ beben ſtattgefunden, welches großen Schaden anrichtete. Inquique iſt jedoch verſchont geblieben. Am 7. Juni haben in Madrid und in Jaen (Anda⸗ luſien) Erdbeben ſtattgefunden. Am 7. Juni nachmittags 1 Uhr 15 Min. wurde ein heftiges Erdbeben in Breſt in der Richtung von Nord nach Süd verſpürt. Die Erſchütterung war von lautem, einem ſchweren Kanonenſchuß ähnlichem Getöſe begleitet. Im Rhonddathale in Wales wurde am 22. Juni bei Tagesanbruch ein heftiger, von lautem Geräuſch be⸗ gleiteter Erdſtoß verſpürt, der in verſchiedenen Ortſchaften die Einwohner aus dem Schlafe weckte, aber ſonſt keinerlei Schaden angerichtet zu haben ſcheint. Nach Berichten aus Japan ereignete ſich am 13. und 14. April auf der Oshima⸗Inſel ein vulkaniſcher Ausbruch, wodurch 300 Häuſer zerſtört und 470 Perſonen durch Ver⸗ ſchüttung unter den Trümmern zerſtörter Gebäude ihren Tod fanden. Hunderte entrannen dem Untergange, indem ſie nach den benachbarten Inſeln hinüberfuhren. In Tokio ſind laut Bericht der Meteorologiſchen Geſellſchaft von Japan während der letzten 9 Jahre 592 Erdbeben (im vorigen allein 181) verſpürt worden. Das Waſſer und der Waſſerdampf bei Vulkanaus⸗ brüchen ſpielen nach den Erklärungen vieler Geologen eine hervorragende Rolle. Studien, welche J. G. Bornemann am Hochofen der Stollberger Hüttenwerke gemacht hat, ſtehen jedoch mit dieſen Anſchauungen nicht in Einklang. An jenem Hochofen bot ſich beim Ablaſſen von Bleiſchlacken ein Schauſpiel, welches aufs täuſchendſte, aber natürlich in ſehr kleinen Verhältniſſen, Lavaſtröme und vulkaniſche Auswurfskegel dem Beſchauer vorführte. War die Ober⸗ fläche der flüſſigen Schlackenmaſſe erſtarrt, ſo bildeten ſich bald in derſelben Riſſe durch Zuſammenziehung der Kruſte und Ausdehnung des noch flüſſigen Magmas. Aus den Riſſen, die ſich oft unter rechten Winkeln kreuzten, quoll bald flüſſige Schlacke nach und erſtarrte, Rippen oder deckenartige Ausbreitungen blieben zurück und ſchloſſen ſo die Spalten wieder. Selten blieb mehr als eine Stelle offen, die ſich dann ausrundete, und hierdurch wurde ſtets neue Maſſe herausgetrieben, die über den Kraterrand über⸗ floß. Wurde der Kegel höher, ſo ergoß ſich die Schlacke auch nicht mehr allſeitig herab, es bildeten ſich getreue Modelle von Lavaſtrömen. Allmählich kam das ruhige Ausfließen zu Ende und kleine Exploſionen, die einzelne Tropfen oft weit herausſchleuderten, ſtellten ſich ein, bis ſchließlich auch dieſes Spiel ſein Ende fand und dem kleinen Vulkanſchlunde nur noch der Rauch von Metalloxyden ent⸗ ſtieg, der ſich als weiße Kruſte am oberen Rande der ſchwarzen Mündung feſtſetzte. Eine ſolche weiße Umran⸗ dung hat J. Schmidt bei Auswurfskegeln ſüdeuropäiſcher Vulkane beobachtet. Die Bildungen, welche die Stollberger Kegel zeigten, entſtanden völlig ohne Mitwirkung von Waſſer oder Waſſerdampf, und dadurch iſt die Möglichkeit erwieſen, daß auch ähnliche Vorgänge an Vulkanen ohne Mitwirkung des Waſſers fic) abſpielen können, oder viel- mehr, wie Bornemann mit Recht betont, daß die Wirkung des Waſſers und des Waſſerdampfes bei den vulkaniſchen Erſcheinungen nicht die Hauptrolle ſpielt, die ihr jetzt meiſt zugeſchrieben wird. Beim Aufſteigen der Lavaſäulen im Kraterſchacht finden gewaltige Reibungen ſtatt, chemiſche Zerſetzungen vollziehen fic) bei der Berührung der glut⸗ flüſſigen Maſſen mit ihrer neuen Umgebung; eine ſtärkere Erhitzung und eine Verflüſſigung des zähen Magmas muß ſtattfinden; Gaſe, aus dem chemiſchen Prozeß entſtehend oder aus der poröſen Umgebung mechaniſch hinzutretend, werden in vergrößerter Menge in der Lava diffundieren, emporfahrende Bomben rühren den Glutbrei durcheinander; der Waſſerdampf aber ſpielt durchaus nicht die Rolle, welche ihm von vielen zugeſchrieben wird, und beſonders weiſen das waſſerfreie Chlorcaleium und die hohen Schmelztemperaturen der Veſuvbomben darauf hin, daß andere chemiſche Vorgänge ſtattfinden. Et. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Juni 1889. Der Monat Juni iſt charakteriſiert durch warmes, heiteres Wetter mit ſchwacher Luftbewegung. Be⸗ merkenswert iſt eine große Häufigkeit der Gewitter, welche vielfach von heftigen Regengüſſen begleitet waren. Die Wetterlage, welche im Monat Mai vorgewaltet hatte, dauerte auch in den Juni hinein fort: der Luft⸗ druck war hoch über Nordeuropa, relativ niedrig über Südeuropa, jo daß öſtliche und nordöſtliche Winde vor⸗ walteten, unter deren Einfluß die Temperatur hoch und die Witterung heiter und trocken blieb. Nur traten nicht ſelten Gewitter auf, welche ſtellenweiſe von heftigen Regen⸗ güſſen begleitet waren. Große Regenmengen fielen am 2. in Altkirch (78 mm), am 3. in Kiel (20 mm), in Humboldt. — Auguſt 1889. 321 München 27 mm), in Bamberg (61 mm); am 4. in Mün- ſtunde. In einer Stunde fielen in Magdeburg nicht weniger chen (31 mm), in Chemnitz (36 mm). An den beiden | als 30 mm Regen, oder ebenſoviel Liter auf den Quadrat⸗ letzten Tagen gingen in Reichenbach und Zwickau Wolfen= | meter. brüche nieder, welche in der Umgegend große Verwüſtun⸗ Der 17. und 18. waren für Centraleuropa gewitter⸗ gen verurſachten. freie Tage, dagegen waren in dem Zeitraume vom 19. Der 5., 6. und 7. waren für ganz Deutſchland ge- | bis zum 24. Gewittererſcheinungen wieder ſehr häufig witter⸗ und regenlos, aber am 8., als eine Zone niedrigen [und mitunter von heftigen Regengüſſen begleitet. So Luftdrucks von Skandinavien ſüdwärts nach Südfrankreich | fielen in Begleitung von ſtarken Gewittern große Regen- ſich erſtreckte, ſtellten ſich zuerſt im Weſten, dann aud) | mengen: am 20. in Altkirch (32 mm), in Friedrichshafen im Often Gewitter ein, welche indeſſen nur von mäßigen | (85 mm), am 22. in Altkirch (21 mm), am 22. in Chem- Niederſchlägen begleitet waren. Sehr bedeutend waren | nif (58 mm). die Niederſchläge, welche am 13., 14. und 15. in Be⸗ In den übrigen Tagen des Monats blieb die Luft: gleitung von heftigen Gewittern fielen. Veranlaſſunge druckverteilung eine ſehr gleichmäßige, und daher war hierzu gab eine Depreſſion, welche am 13. über dem weſt⸗ | die Luftbewegung andauernd ſchwach und aus variabler lichen Mittelmeergebiete lag, am 14. nach Süddeutſchland [Richtung. Indeſſen wurde der ruhige Witterungscharakter fic) fortgepflanzt hatte und am 15. über Oſtdeutſchland | jehr häufig durch heftige Gewitter unterbrochen, welche Stunde Hi _|Mug/ 1 | 2 | 3 Richtung! NE |ENE|NNE|NNE| N Anemo- ..-.---Thermograph Barograph, ſich fortbewegte. Am 13. fielen folgende Regenmengen: in Friedrichshafen 22 mm, Kaiſerslautern 3 mm, Karlsruhe 52 mm, am 15. in Chemnitz 38 mm, am 16. in München 25 mm, Karlsruhe 27 mm, Kaſſel 28 mm, Friedrichshafen 32 mm, Magdeburg 39mm und Bamberg 42 mm. Dieſe außerordentlich ſtarken Regenfälle, die vielfach noch von vielfach von ſtarken Regenfällen begleitet waren. Ins— beſondere waren die letzten Tage des Monats ſehr ge— witter⸗ und niederſchlagsreich. Die folgende Tabelle gibt eine Ueberſicht der Tempe- raturverhältniſſe, der Regenmenge, ſowie der Regenhäufig— keit für den diesjährigen Juni für die einzelnen Diſtrikte ſtarken Hagelſchlägen begleitet waren, haben ausgebreitete Deutſchlands: Verwüſtungen und zahlreiche Verkehrsſtörungen verurſacht, F ü o werden aus Sachſen eſien, den eingegenden F . 8 f d Sachſen, Schleſien, den Aheingegend und den Reichslanden mannigfache Schäden gemeldet. Die Figur veranſchaulicht den Gang der meteoro— logiſchen Apparate in Hamburg und Magdeburg am Nach- mittage, zu welcher Zeit zahlreiche Gewitter in Mittel— deutſchland niedergingen. Während in Hamburg, wo Ge— witter nicht zum Ausbruch kamen, die Luftdruck- und Temperaturkurve ſehr regelmäßig verläuft, zeigen diejenigen von Magdeburg während des Gewitters bedeutende Un— regelmäßigkeiten, ein äußerſt raſches Fallen des Thermo— m raum Memel münde burg Borkum Kaſſel Berlin Breslau ruhe 1 99 ö % n ee nr ee es Fale 6.— 10. 14,2 —6,1 6,1 74,6 44,2 +64 74,8 74,1 73,1 11.—15. +3,4 72,3 72,2 1,4 41,7 43,4 73,9 41,1 +0,4 16.— 20. 42,7 —0,1 41,2 71,0 71,6 +0,8 71,3 70,7 +0,7 21.—25. 40,7 +1,0 40,4 771,7 1,8 0,1 71,0 70,0 0,3 26.—30. +0,0 41.2 42,2 42,6 71,5 40,9 +0,0 40,7 70,4 Mittel 73,2 72,8 72,7 2,3 71,4 73,2 72,6 71,3 70,8 2) Niederſchlagsmengen, Monatsſummen (mm). 14 28 27 74 61 31 135 207 3) Anzahl der Niederſchlagstage. meters von 27° C. auf 18° und ein ſehr ſchnelles Anſteigen F000 ea ea hg wes des Barometers um mehr als ein Millimeter in einer Viertel— Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. Biographien und Perſonalnotizen. Profeſſor Dr. Wallach in Bonn wurde zum Profeſſor anatomiſche Abteilung, Dr. F. Kaihel in Straßburg der Chemie in Göttingen ernannt. zum Proſektor für die vergleichend-anatomiſche Ab- Privatdocent Dr. Jacobſon und die Aſſiſtenten am teilung daſelbſt ernannt. chemiſchen Laboratorium in Göttingen, Dr. Demuth Profeſſor Goldſtein wurde als Aſſiſtent an der königl. und Dr. Auwers, werden mit Profeſſor Viktor Sternwarte in Berlin angeſtellt. : Meyer nach Heidelberg gehen. Dr. Möller wurde als Aſſiſtent an der Mineralogiſch— Dr. H. Jahn in Graz habilitierte ſich als Docent für petrographiſchen Sammlung in Berlin angeſtellt. phyſikaliſche Chemie an der Univerſität Berlin. Dr. Eſchenhagen wurde zum Obſervator am Meteoro— Dr. H. Rieſe, Aſſiſtent am Anatomiſchen Inſtitut in logiſchen Inſtitut in Berlin ernannt. Freiburg wurde zum Proſektor für die menſchlich- Profeſſor Dr. E. Du Bois-Reymond wurde von der Humboldt 1889. 4¹ 322 Humboldt. — Auguſt 1889. ſchwediſchen Akademie der Wiſſenſchaften zum korre⸗ ſpondierenden Mitglied erwählt. Profeſſor Dr. Hann, Direktor der öſterreich. Central⸗ anſtalt für Meteorologie und Erdmagnetismus in Wien und Prof. Geikie, Generaldirektor der Geo⸗ logiſchen Landesaufnahme in Großbritannien wurden von der königl. Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin zu Mitgliedern ernannt. Die Akademie der Wiſſenſchaften in Wien verlieh den Baum⸗ gartnerſchen Preis von 1000 Gulden dem Profeſſor Dr. Th. Hertz in Bonn und den Liebenſchen Preis von 900 Gulden dem Profeſſor Dr. Siegmund Exner in Wien. Dr. Nanſen erhielt von der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde die Karl-Ritter⸗Medaille. Profeſſor Dr. Eduard Schönfeld in Bonn erhielt für ſeine Unterſuchungen über die veränderlichen Sterne und für ſeine Thätigkeit im Katalogiſieren der Sterne den Watſon⸗Preis. Dr. L. Emich, Docent am Lyceum in Graz, wurde zum Pro⸗ feſſor der reinen und analytiſchen Chemie an der Techniſchen Hochſchule daſelbſt ernannt. Privatdocent Dr. Wilhelm an der Hochſchule für Boden⸗ kultur in Wien wurde zum Profeſſor der Naturge⸗ ſchichte der Forſtgewächſe daſelbſt ernannt. Profeſſor De Candolle in Genf erhielt die Goldene Medaille der Linnean Society. Lic. philos. A. Vinge wurde zum Docenten der Botanik an der Univerſität Lund ernannt. Dr. J. W. van Wijhe iſt zum ordentlichen Profeſſor der Anatomie an der Univerſität Gröningen ernannt worden. An Stelle des verſtorbenen Aſtronomen Warren de la Rue iſt William Huggins zum „Viſitor“ des Obſer⸗ vatoriums der Univerſität Oxford ernannt worden. Privatdocent Dr. O. Mattirolo an der Univerſität Turin iſt zum außerordentlichen Profeſſor daſelbſt ernannt worden. Dr. Barfurth, Privatdocent und Proſektor am Anato⸗ miſchen Inſtitut der Univerſität Göttingen, wurde zum Profeſſor der vergleichenden Anatomie, Hiſtologie und Entwickelungsgeſchichte an der Univerſität Dorpat ernannt. Fernand Lataſte in Paris geht als Profeſſor der Zoologie an der Mediziniſchen Schule und zweiter Direktor des Naturhiſtoriſchen Muſeums nach San⸗ tiago in Chile. Dr. Theodor Curtius, Privatdocent an der Univer- ſität Erlangen, erhielt einen Ruf als Leiter des Chemiſchen Inſtituts und Profeſſor der organiſchen Chemie an die neu gegründete Clark-Univerſität in Worceſter, Maſſ. Totenliſte. Romanes, Dr. Robert, Profeſſor der Naturwiſſenſchaft am Rangoon College und Examinator der Chemie der birmaniſchen Regierung, ſtarb kürzlich an der Cholera. Lory, Charles, Profeſſor der Mineralogie und Geologie in Beſangon und korreſpondierendes Mitglied der Pariſer Akademie, ſtarb am 3. Mai zu Grenoble. Sein Hauptwerk: „Esquisse d'une Carte géologique du Dauphiné“ erſchien 1857. Perey, John, Arzt, ſpäter Metallurg, geb. 23. März 1817 zu Nottingham, Profeſſor der kgl. Bergſchule in London, bekannt durch ſein Handbuch der Metal⸗ lurgie, ſtarb 19. Juni. Flatz, Profeſſor in Wien, Botaniker, ſtarb 22. Juni in Gmunden. Briſtow, William Henry, engliſcher Geolog, der viele Jahre die geologiſchen Aufnahmen des Vereinigten Königreichs geleitet hat, ſtarb in London 17. Juni, 72 Jahre alt. Mitchell, Maria, Profeſſorin der Aſtronomie am Vaſſar College im Staate New Pork, geb. 1818 als Tochter des amerikaniſchen Aſtronomen William Mitchell, ſtarb kürzlich in New Pork. Litterariſche Rundſchau. Karl Braun, Weher Kosmogonie vom Stano- punkte geiſtlicher Wiſſenſchaft mit einer Theorie der Sonne und einigen darauf bezüglichen philo⸗ ſophiſchen Betrachtungen. Münſter, Aſchendorff⸗ ſche Buchhandlung. 1888. Preis 4 M. 50 Pf. Der Verfaſſer war ehemals Direktor der Erzbiſchöflich Haynaldſchen Sternwarte zu Kalocja und ſein Buch, welches zu der Gruppe derer gehört, welche zwiſchen Naturforſchung und Offenbarung vermitteln wollen, iſt daher mit einem tiefern Sachverſtändniſſe geſchrieben, als man von einem Autor geiſtlichen Standes von vornherein erwartet. Er iſt auch bereit, den gangbaren wiſſenſchaftlichen Hypotheſen von Kant, Laplace u. a. fo weit entgegenzukommen, als ihm irgend möglich iſt, und ſchreckt ſelbſt vor den Folge⸗ rungen eines gemäßigten Darwinianers nicht zurück. Er findet die Anſicht des h. Auguſtin, daß die organiſchen Weſen an den ihnen gewidmeten Schöpfungstagen nicht in Wirklichkeit ſondern nur potentialiter erſchaffen ſein mögen, völlig annehmbar, ſtößt ſich auch nicht an den Schwierigkeiten des Sündflut⸗Berichtes, kurz er beweiſt, daß ein katholiſcher Theolog den Forderungen der Wiſſen⸗ ſchaft gegenüber verſöhnlicher auftreten kann, als mancher lutheriſche Eiferer. In den der Entwickelungsgeſchichte der Erde und der Geſtirne, ſowie dem jetzigen Sonnenzuſtande gewidmeten Kapiteln macht der Verfaſſer manche von den landläufigen Anſichten abweichende Meinungen geltend, die er mit Ruhe und Beſonnenheit begründet, wodurch ſich ſein Buch zum Studium für Aſtronomen, Phyſiker und Geologen empfiehlt, da derartige Einwürfe und Löſungs⸗ verſuche nur klärend und förderſam wirken können. Es iſt aber unmöglich, hier auf dieſe Neuerungen näher einzugehen. Berlin. Dr. Ernſt Rrauſe. Hermann Frerichs, Zur modernen Naturbetrach⸗ tung. Vier Abhandlungen. 2. Aufl. Norden, Hinricus Fiſcher. 1889. Preis 2,50 M. Die vier Abhandlungen betiteln ſich: Zur moniſtiſchen Naturerklärung. — Mechanismus und Zweckmäßigkeit in der Natur. — Kampf und Entwickelung. — Zur Ethik. — Sie gehen darauf aus, die Unzulänglichkeit einer rein mechaniſtiſchen Naturerklärung bei aller Anerkennung ihrer bisherigen Erfolge nachzuweiſen. Die Beweisführung wendet ſich indeſſen an zahlreichen Stellen mehr an das Gefühl als an den Verſtand und gehört infolgedeſſen nicht mehr der rein naturwiſſenſchaftlichen Forſchung an, obwohl ſich dieſelbe einen ſolchen Kritiker gern gefallen laſſen kann. Dr. Ernſt Krauſe. Berlin. A. N. Böhner, Monismus. Die Naturwunder in ihrer Einheit mit dem Leben des Geiſtes, nach den großen Entdeckungen der Neuzeit. Güters⸗ loh, C. Bertelsmann. 1889. Preis 2,50 M. Was der Verfaſſer Monismus nennt, iſt etwas anderes als die Philoſophen gewöhnlich unter dieſem Begriffe ver⸗ ſtehen, nämlich die Verkündigung eines einheitlichen Gottes⸗ reiches. Von Anfang bis zu Ende in gehobener Sprache und in überſchwenglichen Aphorismen geſchrieben, dürfte Humboldt. — Auguſt 1889. ſich das Buch für ſolche Lefer, die in erſter Linie Beleh— rung ſuchen, ſehr unergiebig erweiſen, während diejenigen, welche vorzugsweiſe Erhebung und Erbauung verlangen, ihre Rechnung finden werden. Selbſt einige Wunderberichte ſind dem Kanzelvortrage geſchickt beigemiſcht. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. Silv. V. Thompfon, Die dynamoelektriſchen Ma ſchinen. Ein Handbuch für Studierende der Elektro⸗ technik. 3. Auflage. Deutſch von C. Grawinkel. Mit 378 Abbildungen. Heft 1. Halle, W. Knapp. 1888. Preis 4 M. Beſitzen wir auch in dem Handbuche der Elektrotechnik von Dr. E. Kittler ein Werk, das ſich zum Studium der Theorie und Wirkungsweiſe der Dynamomaſchinen trefflich eignet, ſo kann man dennoch das Erſcheinen einer deut— ſchen Ausgabe des bedeutungsvollen Werkes von S. P. Thompſon nur freudig begrüßen. Seit dem Erſcheinen der erſten Ausgabe des Originals ſind vier Jahre ver- ſtrichen und in dieſem kurzen Zeitraume hat ſich dasſelbe viele Freunde erworben. Die dritte Auflage berückſichtigt die Forſchungen bis zum Beginn von 1888 und man kann wohl erwarten, daß keine bedeutendere Neuerung auf dem Gebiete der Dynamomaſchinen dem Leſer vorenthalten werde. Die deutſche Bearbeitung wird in 6 Heften er— ſcheinen, welche hoffentlich einander raſch folgen werden. Troppau. Direktor J. G. Wallentin. BW. E. Ayrton, Handbuch der praktiſchen Clek- tricität. Autoriſierte deutſche Bearbeitung von Dr. M. Krieg. Mit 197 Illuſtrationen. Jena, H. Coſtenoble. Preis 3,5 M. Dieſes Buch verdankt ſeine Entſtehung den Labora⸗ toriumsverſuchen, welche der Verfaſſer in einem dreijährigen Kurſe mit ſeinen Schülern durchzunehmen pflegt. Die angegebenen Experimente entſprechen dem erſten Jahrgange dieſes Kurſes; weitere meſſende Verſuche, welche auf Elektro— magnetismus, Dynamomaſchinen, elektriſche Motoren, Selbſt— induktion u. ſ. w. Bezug nehmen, werden in einer folgenden Publikation enthalten ſein. Daß man von einem Werke Ayrtons, der in Verbindung mit Perry ſchon ſo manche glän— zende Forſchung durchgeführt hat, nur das Beſte erwarten kann, iſt begreiflich. Die Lektüre des vorliegenden Werkes läßt dieſe Erwartungen nicht ungerechtfertigt erſcheinen. Mit den vielfachſten Mitteln werden die theoretiſchen Grund— lagen der Potentiallehre entwickelt und häufig bedient ſich hierzu der Autor — um den höheren Kalkül zu entbehren, trefflicher hydrodynamiſcher und kaloriſcher Vergleiche, die einer ſchulgerechten Behandlung des Gegenſtandes im vollſten Maße entſprechen. Die Experimente werden mit relativ einfachen Mitteln angeſtellt und wir können mehrere originelle Apparate, wie das ſinnreich konſtruierte Molda- | meter, die Apparate, durch welche das den Bouſſolen zu Grunde liegende Tangenten- und Sinusgeſetz demonſtriert wird, und andere als ſehr benützenswert empfehlen. Als eine wertvolle Beigabe müſſen wir die vielen auf Meſſungen Bezug nehmenden Aufgaben betrachten, welche jedem Ab— ſchnitte beigeſchloſſen ſind; durch dieſelben werden die theoretiſchen Erläuterungen befeſtigt und geklärt. Die einzelnen Abſchnitte enthalten Bemerkungen über den elektriſchen Strom im allgemeinen und die Meſſung der Stromſtärke, über Galvanometer (unter Berückſichtigung auch jener Inſtrumente, welche der Elektrotechnik dienen), über Potentialdifferenz, Elektricitätsmenge, elektriſche Dichte und deren Meſſung, über Widerſtandsbeſtimmungen, Strom⸗ erzeuger, Iſolation. In dem Abſchnitte über Elektrieitäts⸗ menge und Kapacität wird auch ausführlicher und überſicht⸗ licher als es ſonſt zu geſchehen pflegt, der „aufhäufenden Influenzmaſchinen“ gedacht und als bemerkenswerte Typen derſelben der Repleniſher von Thomſon und die Influenzmaſchine von Wimshurſt beſchrieben, welche wohl geeignet iſt, die älteren Maſchinen zu verdrängen. — Mit großer Sorgfalt iſt der Abſchnitt behandelt, in dem die elektrotechniſchen Strom- und Spannungsmeſſer beſchrieben werden. Der letzte Abſchnitt iſt der Erläuterung 323 der Arbeitsverhältniſſe elektriſcher Vorrichtungen gewidmet. Die Darſtellung iſt durchweg klar und korrekt; dem Be— arbeiter der deutſchen Ausgabe gebührt das Verdienſt, daß er wichtige deutſche Apparate, deren Beſchreibung in dem engliſchen Originale fehlte, aufgenommen und dem Werke die erwünſchte Abrundung gegeben hat. Troppau. Direktor J. G. Wallentin. Gaſton Planté, Die elektriſchen Erſcheinungen der Afmoſphäre, autoriſierte deutſche Ausgabe von Dr. Ignaz Wallentin. Halle a. S., W. Knapp. 1889. Preis 5 M. Die Originalausgabe des vorliegenden Buches wurde von Herrn Profeſſor Wallentin bereits in dieſer Zeitſchrift beſprochen, jetzt liegt eine ſehr gewiſſenhafte und geſchmack— volle Ueberſetzung desſelben aus der Feder des Herrn Referenten vor, und es bleibt nur übrig, auf dieſe em— pfehlend hinzuweiſen. Sie wird weſentlich dazu beitragen, die Bekanntſchaft mit der höchſt intereſſanten Arbeit weitern Kreiſen zu vermitteln. Friedenau. Dammer. E. Nichter, Die Gletſcher der Oftatpen. Hand⸗ bücher zur deutſchen Landes- und Volkskunde. III. Band. Stuttgart, J. Engelhorn. 1888. Preis 12 M. Kein Hochgebirge der Erde iſt in Bezug auf die Ver— gletſcherung ſo genau durchforſcht, wie gerade die Alpen. Ein Blick in das vorliegende vorzügliche Werk überzeugt uns aber ſofort, daß ſelbſt in dieſem Gebiete der Special— unterſuchung noch der weiteſte Spielraum gelaſſen iſt und daß jede neue, wenn auch auf ein kleineres Gebiet be— ſchränkte Forſchung geeignet iſt, unſere Kenntnis von dem glacialen Phänomen der Alpen zu vertiefen. Gegenüber Karl von Sonklar, der vor etwa 20 Jahren die Gletſcher der bedeutendſten Gruppen der Oſtalpen beſchrieb, konnte ſich der Verfaſſer bei der Neubearbeitung desſelben Ge— genſtandes auf ein Material ſtützen, durch das erſt die nötige Grundlage für die Darſtellung der Topographie der Gletſcher geſchaffen war, nämlich auf die Original⸗ aufnahme der Oſtalpen durch das k. k. militärgeographiſche Inſtitut. Da die Unterſuchung ſich nur auf ein räumlich beſchränktes Gebiet erſtreckt, ſo ſind mit Ausſchluß aller Fragen über die Phyſik der Gletſcher vor allem jene Punkte mit ausführlichſter Gründlichkeit behandelt, welche ſich auf die Größenverhältniſſe und Höhenlage der Gletſcher, ſowie die klimatiſchen und orographiſchen Bedingungen ihres Auftretens beziehen. Das Hauptgewicht iſt dabei auf die Ermittelung der Höhe der Schneegrenze in den einzelnen Gruppen der Oſtalpen gelegt. Ueber den Begriff der Schneelinie und die Methoden ihrer Feſtſtellung herrſcht jedoch durchaus noch keine Einigkeit; der erſte allgemeine Teil des Werkes handelt deswegen von der Schneegrenze und den Methoden ihrer Beſtimmung. Da der Verfaſſer ſelbſt über dieſe wichtige Frage ſeine Anſicht in den Spalten des „Humboldt“ dargelegt hat, ſo gehen wir ſofort zur Beſprechung des zweiten beſonderen Teiles über. Derſelbe enthält zunächſt die Reſultate einer neuen Vermeſſung des Flächenraumes ſämtlicher einzelnen Gletſcher der Oſtalpen; die zu dem Zwecke notwendige Aufzählung derſelben iſt ſtets von einer kurzen Beſchreibung ihrer Lage und Beſchaffenheit begleitet. Bei allen wichtigeren ſind beſonders die Eigen— tümlichkeiten des orographiſchen Baues betont, die für die Entwickelung des Gletſcherphänomens überhaupt von größtem Einfluß ſind und auf die Höhe der Schneelinie in dem betreffenden Gebiet einen Schluß zulaſſen. Bei den größe⸗ ren Gletſchern wie dem Gepatſchferner, dem Sulden- und Vernagtgletſcher, der Paſterze u. a. ſind die Beobachtungen, welche über die Schwankungen im Gletſcherſtande angeſtellt wurden, in Kürze mitgeteilt. Vorangeſtellt iſt einem jeden Kapitel ein genaues Verzeichnis der Litteratur, der Karten und etwaigen Abbildungen der betreffenden Gruppe; den Schluß bildet jedesmal eine Zuſammenſtellung und Dis- kuſſion der Angaben, welche für die Beſtimmung der Höhe der klimatiſchen Schneegrenze entſcheidend ſind. In dieſer 324 Weiſe find folgende Gruppen behandelt: die nördlichen Kalkalpen, Silvretta-Alpen, Ortlergruppe, Adamello-Pre⸗ ſanellagruppe, Oetzthaler-Alpen, Stubayergruppe, Ziller⸗ thaler Alpen, weſtliche und öſtliche Tauern, ſüdliche Kalk⸗ alpen. Als das wichtigſte Ergebnis ſeiner Unterſuchungen und Berechnungen ſtellt der Verfaſſer den Satz hin, daß das vielfach vorausgeſetzte Anſteigen der Schneegrenze in den Alpen von Weſt nach Oſt nicht beſteht; der ſüdliche Teil der Oetzthaler Alpen und die Ortlergruppe, jene mächtige Maſſenerhebung zu beiden Seiten der oberen Etſch, erweiſt ſich als ein Gebiet ſehr hohen Standes der Schneelinie, welches ſowohl im Norden und Nordweſten, als im Süden von Gebieten mit niedrigerer Schneegrenze umlagert iſt. Trotz ſeines rein wiſſenſchaftlichen Charakters wird die Lektüre des Buches jedem Freunde unſerer alpi⸗ nen Hochwelt einen hohen Genuß bereiten, alte Erinne⸗ rungen in ihm wachrufen und ihn vielleicht ermuntern, dem ſchönſten und erhabenſten Schmuck des Hochgebirges erhöhte Beachtung zu ſchenken. Straßburg i. E. Dr. Rudolph. Alfred Hettner, Neiſen in den kolumbianiſchen Anden. Leipzig, Duncker & Humblot. 1888. Preis 8 M. In allgemein verſtändlicher und doch feſſelnder Sprache ſchildert der Verfaſſer die Erlebniſſe und Eindrücke ſeiner Reiſen in Kolumbien und führt uns in einer Reihe von einheitlichen Bildern in anſchaulicher Weiſe Land und Leute vor Augen. Werden wir auch mit Entdeckungen von großer Bedeutung nicht bekannt gemacht, ſo bietet das Buch doch des Neuen und Intereſſanten in ſolcher Fülle, daß wir vollauf für den Mangel an erſteren entſchädigt werden. In dem erſten Abſchnitt wird die Fahrt auf dem Magda⸗ lenenſtrom von der Küſte bis zu den Stromſchnellen von Honda und der Anſtieg von da auf die Hochebene von Bogota geſchildert. Einen mehrmonatlichen Aufenthalt in der Hauptſtadt des Landes benutzte der Verfaſſer, um die ſocialen Zuſtände der verſchiedenen Volksklaſſen zu ſtudieren und das geiſtige, politiſche und kirchliche Leben der Bogo⸗ taner, ſowie die wirtſchaftlichen Verhältniſſe näher kennen zu lernen. — Der zweite Teil bringt nach einer kurzen Schilderung des Reiſelebens eine Reihe von Bildern aus der Kordillere von Bogota. Drei Höhenſtufen laſſen fic unterſcheiden: Auf die Kulturlandſchaft rings um die Hoch⸗ ebene von Bogota herum folgt der Gebirgswald, daran ſchließt ſich in etwa 3000 m Höhe die Region der Para- mos, weiter Bergeinöden, die bis zur Grenze des ewigen Schnees hinaufreichen. Mitten in der Kordillere liegt die Hochebene von Bogota, deren Naturſchönheiten, Mineral⸗ ſchätze und Bewirtſchaftung beſonders ausführlich behandelt ſind. Von dieſem Centrum Kolumbiens aus begleiten wir den Verfaſſer in weſtlicher Richtung über die Centralkordillere in das Caucathal und öſtlich bis an die Llanos. Den nördlich von Bogota gelegenen Teil der Oſtkordillere lernen wir auf den vielfachen Kreuz- und Querzügen kennen, welche den Verfaſſer durch die Staaten Boyacd und Santander bis nach Cücuta brachten, wo die eigentliche Wanderung ihr Ende erreichte. Den Schluß bildet ein kurzer Abriß der geſchichtlichen Entwickelung Kolumbiens und ein Blick auf die gegenwärtige wirtſchaftliche Lage und den Kultur⸗ ſtandpunkt des Landes. Straßburg i. E. Dr. Rudolply. J. Senft, Der Erdboden nach Entſtehung, Cigen- ſchaften und Verhalten zur Vflanzenwelk. Ein Lehrbuch für alle Freunde des Pflanzenreichs, na⸗ mentlich aber für Forſt⸗ und Landwirte. Hannover, Hahnſche Buchhandlung. 1888. Preis 3,2 M. Der durch ſeine Abhandlungen über die Humusſäuren, die Torf und Limonitbildung, über Fels und Erdboden 2. in weiten Kreiſen bekannte Verfaſſer hat in ſeiner nun über 54 Jahre währenden Lehrthätigkeit mit vielem Er⸗ folge ſeine Schüler, welche in den meiſten Fällen keine Humboldt. — Auguſt 1889. beſonderen Vorkenntniſſe in der Mineralogie und Geologie beſaßen, in der Weiſe in die Bodenkunde eingeführt, daß er jie nur die wenigen, den Wert der Ackerkrume beeine fluſſenden Mineralien und Felsarten, ohne Aufwand eines großen wiſſenſchaftlichen Lehrapparates, kennen lehrte, dann aber die Vorgänge, durch welche in der Natur das ſtarre Geſtein in fruchtbares Erdreich verwandelt wird, in ein⸗ gehender Weiſe beleuchtete. Beſonders war ſein Augen⸗ merk auf die Beziehungen zwiſchen dem Erdboden und dem Pflanzenreich gerichtet, auf den Einfluß, welchen die Pflan⸗ zen bei der Umwandlung feſter Geſteine in Ackerkrume ausüben, auf die Kenntnis aller derjenigen Pflanzenarten, welche die verſchiedenen Zuſtände, phyſiſchen Eigenſchaften und Arten von Nahrungsſtoffen eines Bodens andeuten, da durch dieſe nicht nur die mineraliſche, bezw. chemiſche Zuſammenſetzung des Bodens charakteriſiert, ſondern auch die Art und Weiſe, wie er zur Pflanzenzucht am beſten verwendet werden kann, angedeutet wird. In dem vor⸗ liegenden Werke hat der berühmte Lehrer nun ein Lehrbuch geſchaffen, dazu beſtimmt, allen Freunden des Pflanzenreichs nach der in ſeiner langjährigen Lehrthätigkeit erprobten Methode diejenigen Kenntniſſe darzubieten, mittels deren die Natur des Bodens und ſein Verhalten zur Pflanzen⸗ welt in einfacher Weiſe unterſucht werden kann. In über⸗ ſichtlicher, leicht verſtändlicher Weiſe werden im erſten Teile die mineraliſchen Bodenbildungsmittel, die Felsarten und der Geſteinsſchutt und die vegetabiliſchen (Humus-) Be⸗ ſtandteile des Bodens, ſowie die verſchiedenen Bodenarten beſprochen; im zweiten Teile wird der Erdboden als Wohnſitz und Ernährer der Pflanzen betrachtet und das Verhalten der lebenden Pflanzen zum Erdboden erörtert; ſelbſtver⸗ ſtändlich wird dabei auch der ſogenannten Bodencharakter⸗ pflanzen, der Kalk-, Kali⸗, Kochſalz⸗, und Kieſelſäureanzeiger gedacht. Das Werkchen kann allen, die ſich für den Erdboden und ſeine Beziehungen zur Pflanzenwelt intereſſieren, ſehr warm empfohlen werden. Profeſſor Dr. Bücking. Straßburg. E. Brückner, Die Schwankungen des Waſſer⸗ ſtandes im Kaſpiſchen Meer, dem Schwarzen Meer und der Oſtſee in ihrer Beziehung zur Witterung. Annalen der Hydrographie und mari⸗ timen Meteorologie. 1888, Heft 2. Im Gegenſatz zu den bisherigen Verſuchen, die Schwan⸗ kungen des Waſſerſtandes in Binnenmeeren und mehr oder weniger abgeſchloſſenen Meeresbecken auf die Wirkung des Windes allein zurückzuführen, weiſt der Verfaſſer auf die Aenderung der jährlichen Niederſchlagsmenge als denjenigen Faktor hin, von dem die Waſſerführung der Flüſſe und damit auch die Veränderung des mittleren Waſſerſtandes der Meeresräume in erſter Linie abhängig iſt. Beim Kaſpiſchen und Schwarzen Meer tritt eine innige Beziehung zwiſchen beiden Elementen in der jährlichen Periode deut⸗ lich hervor, weniger bei der Oſtſee. Wichtiger iſt, daß nicht bloß die jährlichen, ſondern auch die ſäkularen Schwan⸗ kungen des Waſſerſtandes in den drei genannten Meeren und deren Zuflüſſen parallel verlaufen. Die Urſache dtefer Erſcheinung ſieht der Verfaſſer in den von Epoche zu Epoche, wechſelnden Niederſchlagsverhältniſſen, d. h. in Schwan⸗ kungen der Witterung. Derartige ſäkulare Klimaſchwan⸗ kungen können ihre Wirkung aber nicht auf ein nur be⸗ ſchränktes Gebiet erſtrecken, dieſelben machen ſich vielmehr in der geſamten Nordhemiſphäre geltend. Sämtliche hydro⸗ graphiſchen Phänomene der Erde nehmen an dieſen Schwan⸗ kungen teil: Flüſſe, Seen und relativ abgeſchloſſene Meeres- becken. Auch die Gletſcher rechnet der Verfaſſer mit Recht zu dieſen Phänomenen. Wenn die periodiſchen Schwankungen dieſer letzteren nicht ſtreng gleichzeitig mit denen der gue erſt genannten Erſcheinungen verlaufen, ſo rührt das da⸗ her, daß auf den Vorſtoß und Rückgang eines Gletſchers außer klimatiſchen Vorgängen auch noch andere Verhält⸗ niſſe von weſentlichem Einfluß ſind. Straßburg. ; Dr. Rudolph. Humboldt. — Auguſt 1889. Siegmund Günther, Die Meteorologie ihrem neueſten Standpunkte gemäß und mit beſonderer Berückſichtigung geographiſcher Fragen dargeſtellt. München, Theodor Ackermann. 1889. Preis 5,40 M. Das vorſtehende Buch iſt beſtimmt in erſter Linie für Studierende der Naturwiſſenſchaften und der Erd— kunde, dann auch für Lehrer an höheren Bildungsanſtalten, welche ihre früher erworbenen Kenntniſſe in der Meteoro— logie wieder auffriſchen möchten. Mit Rückſicht auf die Geographie wurden einige Kapitel, die in den Lehrbüchern ſonſt wenig hervorzutreten pflegen, eingehender abgehandelt, wie beiſpielsweiſe über den Verdunſtungsmeſſer, über die örtlichen Bedingungen der Fallwinde, die Fortpflanzung der Gewitter, Tropen-Hygieine, Einfluß von Wäldern und Gebirgen, Erdbeben ꝛc. Hervorzuheben find die vielfachen geſchichtlichen und litterariſchen Hinweiſe, welche ermöglichen, einzelne Fragen eingehender zu verfolgen. Das Werk gliedert ſich in 4 Hauptſtücke und zwar in 1) Allgemeine Eigenſchaften der Atmoſphäre und deren Beobachtung, 2) die Lehre von den Bewegungen in der Atmoſphäre, 3) allgemeine Klimatologie und 4) ſpecielle klimatiſche Beſchreibung der Erdoberfläche. Hieran ſchließen ſich zwei Anhänge, von denen der erſte die praktiſche Witterungs— kunde und der zweite die meteorologiſche Optik in ziemlich eingehender Weiſe behandelt. Den Schluß bildet ein Namenindex zur leichteren Auffindung der Litteratur. Obgleich das Buch nur den beſcheidenen Raum von 300 Seiten umfaßt, ſo enthält es doch alles Wiſſenswerte aus dem Gebiete der Meteorologie und außerdem noch ein reiches litterariſch-hiſtoriſches Material. Wir glauben das Buch allen Freunden der Meteorologie empfehlen zu können und wünſchen demſelben eine recht große Verbreitung. Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. C. Tuerſſen, Die Jarnpflanzen oder Gefäßbündel Rrpptogamen (Rabenhorſts Kryptogamenflora, III. Band). Leipzig 1889. Ein Zeitraum von 25 Jahren iſt vergangen, ſeit die Gefäßkryptogamen Deutſchlands, Oeſterreichs und der Schweiz durch Milde eine eingehende Darſtellung er— fahren haben; von dem betreffenden dünnen Bändchen Mildes unterſcheidet ſich das Luerſſenſche Werk durch eine noch mehr ins einzelne gehende Diagnoſe der Arten, Varietäten, Formen, Monſtroſitäten (die Darſtellung z. B. von Asplenium ruta muraria umfaßt 10 Seiten), durch Aufſtellung umfänglicher Liſten von Standorten (bei Bo- trychium Lunaria 6 Seiten in Petit⸗Druck) und ſchließ— lich durch die Beigabe von 225 ausgezeichneten Abbildungen (Habitusbilder, Analyſen). In den Analyſen iſt auch der anatomiſche Bau berückſichtigt; die intereſſanten Farn— baſtarde ſind ausführlich erörtert. Beſchrieben werden 88 Arten in 29 Gattungen; bei jeder Art wird die Ver— breitung auf der Erde angegeben. — Soll man dieſem mit erſtaunlichem Fleiße gearbeiteten Werke gegenüber einen Wunſch ausſprechen, ſo wäre es vielleicht der, daß, dem Charakter des Buches als deutſche Flora entſprechend, eine Statiſtik der heimiſchen Farnflora im Vergleich zu den Nachbargebieten, Unterſchiede derſelben in den ver— ſchiedenen Gebietsteilen und Aufzeichnung etwaiger Vege— tationslinien in den Bereich der Darſtellung gezogen wären; der nötige Raum hätte ſich vielleicht durch Kürzungen der Standort⸗Liſten ſchaffen laſſen. — Ein ſorgfältig ausge— arbeitetes Regiſter erleichtert die Benutzung des ſtattlichen Bandes. Dresden. Dr. Reiche. H. Votonié, Illuſtrierte Flora von Nord. und Mitteldeutſchland mit einer Einführung in die Botanik. Vierte, weſentlich vermehrte und ver- beſſerte Auflage. Berlin, Julius Springer. 1889. Preis 6 M. Die vorliegende Flora, deren erſte Auflage 1885 er— ſchien, hat ſich in ſo kurzer Zeit allgemeine Anerkennung 325 erworben, daß es überflüſſig erſcheint, ihre Vorzüge von neuem hervorzuheben. Sie behandelt das Gebiet bis etwa zum 50. Breitengrad und zieht in beſonderen Fällen auch das unmittelbar anſtoßende Gebiet in Betracht. Wertvoll iſt die Beteiligung mehrerer Specialiſten, welche einzelne Familien oder Gattungen bearbeitet haben. Es finden ſich als Mitarbeiter Focke, Beck, Caspary, Chriſt, Freyn, Hackel, Haußknecht, Kerner, Kronfeld, Leimbach, Magnus, Müller, Pax, Peter, Schulz, Taubert, Wittrock, Wittmack, Zimmeter, während Lenz die mediziniſch-pharmaceutiſchen Pflanzen des Gebiets bearbeitete. Ein einleitender Teil des Werkes beſchäftigt ſich mit den Grundzügen der Mor— phologie, Phyſiologie, Pflanzengeographie und Syſtematik und bei den einzelnen Gattungen und Arten finden ſich häufig biologiſche Notizen. Es wäre zu wünſchen, daß der Autor bei einer neuen Auflage dieſe Angaben noch weſent— lich erweiterte und für ſein Gebiet zunächſt mindeſtens ebenſoviel gäbe wie Kirchner in ſeiner Flora von Stutt— gart. Löw gibt in der Einleitung eine Abhandlung über die Beziehungen der Inſekten zu den Blüten, es würde aber ſehr wertvoll ſein, wenn auch bei den einzelnen Pflanzen auf dieſe Verhältniſſe hingewieſen würde. Recht wertvoll ſind auch für den Anfänger die Abbildungen, deren Zahl auf 598 angewachſen iſt. Friedenau. Dammer. J. E. Weiß, Vademecum botanicorum. Verzeich⸗ nis der Pflanzen des deutſchen Florengebietes. Paſſau, Waldbauers Buchhdlg. 1888. Preis 2,5 M. Der Verfaſſer gibt in dem vorliegenden Buche ein alphabetiſch geordnetes Verzeichnis der in Deutſchland, Deutſch-Oeſterreich und der Schweiz vorkommenden Pflanzen— arten mit den häufigſten Varietäten und Baſtarden zum Gebrauch auf botaniſchen Exkurſionen, bei phänologiſchen Beobachtungen und als Herbarkatalog. Er beſpricht die allgemeinen Geſichtspunkte für eine wiſſenſchaftliche Dar— legung floriſtiſcher Notizen und die Normen für Anlegung eines Herbariums und gibt eingehende Anleitung zur fruchtbaren Benutzung ſeines Verzeichniſſes, welches dem Floriſten recht gute Dienſte zu leiſten vermag. Friedenau. Dammer. M. Wolter, Kurzes Nepetitorium der Botanik für Studierende der Medizin, Mathematik und Naturwiſſenſchaften. Anklam, H. Wolter. 1888. Preis 2 M. Das Werkchen behandelt auf 120 kleinen Seiten Or— ganographie der Phanerogamen, Anatomie, Phyſiologie, äußeren Bau ꝛc. und Syſtematik der Kryptogamen, inneren Bau der Kryptogamen, Fortpflanzung der Kryptogamen, Syſtematik des Pflanzenreichs. Sowohl Auswahl des Stoffs als auch Behandlung desſelben verraten, daß der Verfaſſer kein Fachmann iſt. In erſterer Beziehung fehlt jedes Wort über phyſiologiſche Anatomie, die wichtigen Beziehungen der Blumen und Inſekten find kaum er— wähnt, überhaupt fehlt der ganzen Darſtellung jene tiefere, die Erſcheinungen verknüpfende Anſchauung der Natur, welche die neuere Naturwiſſenſchaft kennzeichnet und auch in einem „Repetitorium“ ſich nicht verleugnen dürfte. In ſachlicher Beziehung find bedenkliche Irrtümer zu verzeich⸗ nen; der Bau des Blattes iſt falſch dargeſtellt; über das Dickenwachstum der Wurzel geht der Verfaſſer mit dem kurzen und dabei unrichtigen Satz hinweg: Die Wurzel verhält ſich meiſt ähnlich wie der Stamm. Der größte Teil des Buches iſt der Syſtematik und Aufzählung der Familien gewidmet; beiden fehlt hier, ſoweit es ſich um die Phanerogamen handelt, jede vergleichend morphologiſche Betrachtung. Die Abbildungen ſind nur ſchematiſche Umriß— zeichnungen (übrigens nicht immer vorwurfsfrei) und da- bei von fraglichem Wert. Das Buch enthält weder In— haltsverzeichnis noch Sachregiſter. Nach alledem dürfte es als „Repetitorium“ kaum ſeinen Zweck erfüllen. Dresden. Dr. Reiche. 326 Moritz Alsberg, Anthropologie mit Berückſichti⸗ gung der Argeſchichte des Menſchen. Stuttgart, Otto Weiſert. 1888. Preis 6 M. Das Buch kommt zur rechten Zeit! — Die Anthro⸗ pologie und die Urgeſchichte des Menſchen hat gegenüber den Ausführungen von J. Ranke, in dem großen Werk „Der Menſch“, der weniger von einem großen naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Geſichtspunkte, als von dem Detail der phyſio⸗ logiſchen Betrachtung ausging, eine Ueberſicht notwendig, welche von einem ſcharf begrenzten Geſichtsfelde ausgeht. Dieſer Standpunkt, den Alsberg auf jeder Seite ſeines Buches innehält, iſt der einzig wahre, der der Entwicke⸗ lungslehre. Nur unter dieſem laſſen ſich die einzelnen Kapitel: „Die Stellung des Menſchen im Tierreich“, „Die menſchlichen Raſſenmerkmale“, „Die Entwickelung der Men⸗ ſchenraſſen“, „Die älteſten Menſchenraſſen“, „Der Diluvial⸗ menſch in der Eiszeit“, „Das Alter der Menſchengeſchlechter“, „Die Entwickelung der menſchlichen Sprache“ u. ſ. w. unter eine einheitliche Betrachtung und Erklärung bringen. Die Kapitel Nr. 1—9 werden ſo nicht nur für den fpectellen Anthropologen wichtig, ſondern werden jedem Anhänger Darwins aus der neueſten Litteratur und den Funden der letzten Jahrzehnte wertvolle Ergänzungen zu den Anſchauungen des Meiſters bieten. — Von Kapitel 10 an „Die Gewinnung des Feuers“, Kapitel 11 „Das Werk⸗ zeug“, Kapitel 12 „Aeltere und jüngere Steinzeit“, Kapitel 13 Humboldt. — Auguſt 1889. „Die Küchenabfallhaufen“, Kapitel 14 „Jüngere neolithiſche Fundſtätten“, Kapitel 15 „Die Pfahlbauten der Schweiz“ behandelt der Verf. die vorgeſchichtlichen Perioden und Funde, wobei er der Priorität des Schmiedeeiſens vor der Bronze im allgemeinen und zwar mit Recht das Wort redet. — Von Kapitel 19—24 werden Ueberſichten über die Geſamtkulturverhältniſſe der Urzeit gegeben, ſo über die Thonbildekunſt, die religiöſen Vorſtellungen, Bewaff⸗ nung, Kleidung und Schmuck, Viehzucht und Ackerbau, Handel und Schiffahrt. Daß ſich der kundige Verfaſſer dabei überall auf die neueſten Ergebniſſe der vorgeſchicht— lichen Forſchung, beſonders auf J. Lipperts und V. Hehns Arbeiten ſtützt, verdient alle Anerkennung. — Ein Schluß⸗ abſchnitt behandelt auf Grund von Schraders und Virchows Anſichten (M. Muchs Werk: „Die Kupferzeit in Europa“ ward leider hierbei überſehen) die Urbevölkerung Europas. — Im Gegenſatze zu den ſchwarzen Unken, welche den Darwinismus als Vorboten der moraliſchen Barbarei ver⸗ dächtigen, lehrt der Verf. am Ende ſeiner dankenswerten Ausführungen den hohen ethiſchen Wert der Entwickelungs⸗ lehre, nach der gerade der Egoismus, als Ouelle der Durch⸗ brechung ſittlicher und materieller Schranken, und in ſeinem Gefolge auch alle anderen menſchlichen Schwächen und Laſter ſtreng abzuweiſen find, da ſolche zur Verſchlechterung der Art und zur Schwächung von Familie und Staats⸗ ordnung führen müſſen. — Die Ausſtattung des Buches mit gewählten Illuſtrationen verdient Lob. Dürkheim. Dr. C. Mehlis. Bibliographie. Bericht vom Monat Juni 1889. Allgemeines. Frommann, F. J., Taſchenbuch für 1 0 : Rabel. en Frommann. M. 1. 20 Jahresbericht, 7., des naturwiſſenſchaftlichen Here zu Osnabrück. Für die Jahre 1885—1888. Osnabrück, Rackhorſt. M. 2. 50. Kaltbrunner, D., Beobachtungen auf Reiſen. Syſtematiſcher Frageſteller für Perſonen, welche 580 Länder bewohnen oder bereiſen. Zürich, Wurſter & Co. M. —. Ommerborn, C., Die Nalmlehre in der Volksſchule. Ein Beitrag zu ihrer rechten Würdigung und Begrenzung. Düſſeldorf, Schwann. M. —. 30. Oſtwalds Klaſſiker der exakten Wiſſenſchaften. Nr. 2 u. 3. M. 1. 30. Inhalt: 2. Allgemeine Lehrſätze in Beziehung auf die im verkehrten Verhältniſſe des Quadrats der Entfernung wirkenden Anziehungs⸗ und Abſtoßungskräfte, von C. F. Gauß (1840). Herausgegeben von A. Wangerin. — 3. Die Grundlagen der Atomen Abhandlgn. von J. Dalton u. W. H. Wollaſton (1803-1808). Herausg. von W. Oſtwald. Leipzig, Engelmann. Riedel, A., Die moderne Naturwiſſenſchaft u, der erſte Glaubensartikel, für gebildete Stände erläutert. Augsburg, Huttler. M. 1. 40. Stinde, J., Aus der geheimen Werkſtatt der Natur. Streifzüge durch Feld und Flur, Haushalt, Wiſſenſchaft und Leben. 2. Auflage. 2. Bdchn. Dresden, Hönſch & Tiesler. M. 1 Shik. Czögler, A., Dimenſionen und abſolute mabe der phyſikaliſchen Größen. Leipzig, Quandt & Händel. M. 3. Krebs, G., Lehrbuch der Phyſik für Steals und höhere Bürgerſchulen, 3. Aufl., hrsg. von Gewertefeuten und Seminare. 6. Aufl. Wiesbaden, Bergmann. 3. 60 Münch, P., Lehrbuch der Phyſik. 9. Aufl. Freiburg, Herder. M. 4. Schwartze, Th., „Japing u. A. Wilke, Die Elektrizität. Eine kurze u. verſtändliche Darſtellung der Grundgeſetze ſowie der Anwendungen der Elektrizität zur Kraftübertragung, Beleuchtung, Galvanoplaſtik, Telegraphie u. Telephonie. 50 1 Bearb. von A. Ritter v. Urbanitzty. Wien, Hartleben. M. 1. Zwerger, M., Der ene zuſammengeſetzter Pendel. München, Lindauer. M. 4 Chemie. Analyſe, qualitative chemiſche, in tabellariſcher Ueberſicht. Schmid, Francke & Co. M. 1. Bender, A., Das Furfuran und ſeine Derivate. Berlin, Gärtner. M. 4. Benz, E., Sur 1. ſubſtituierter Karbaminſäurechloride. Tübingen, Bern, Nen 8 Claſſen, ee der analytiſchen Chemie. 1. Tl. Qualitative ub 4. Aufl. Stuttgart, Enke. M. 6. Freſenius, N. Chemiſche Analyſe der eee Quelle zu Bad Driburg. Wiesbaden, Kreidel. M. —. 80. Lubarſch, O., Technik des chemiſchen Unterrichts auf höheren Schulen und gewerblichen Lehranſtalten. Berlin, Springer. M. 4. Olſchanetzky, M., Ueber das Verhalten des Cyanqueckſilbers zu den . 8 6 der fetten und aromatiſchen Reihe. Bern, Huber & Co. Pallop, E., Ueber die Wirkung des fogen. ozoniſierten Terpentinöls. Dorpat, Karow. M. 2. Schweder, D., Ueber Eſerin und Eſeridin. Dorpat, Karow. M. 2. 40. Taſchenbibliothek, deutſche landwirtſchaftliche. 25. Heft. Inhalt: Grundriß der Chemie. 1. Tl. Unorganiſche Chemie. Von E. Alt⸗ mann. 3. Aufl. Leipzig, Scholtze. M. 1. 80. Witt, O. N., Chemiſche Homologie und Iſomerie in ihrem Eiunfluſſe auf Erfindungen aus dem Gebiete der organiſchen Chemie. Berlin, Mückenberger. M. 5. Astronomie. Dieſterwegs populäre Himmelskunde und mathematiſche Geographie. Neu bearb. v. W. Meyer u. B. Schwalbe. 11. Aufl. 1. Liefg. Berlin, Goldſchmidt. M. —. 60. Ritzhaupt, F., Der Sternhimmel mit ſeinen Veränderungen, nebſt. einer Darſtellung über die Verteilung des 60 W auf der Erdoberfläche. Karlsruhe, Macklot. M. — Geographie und Eipnogeeytte. Abhandlungen, geographiſche. Hrsg. v. A. Pend. 3. Bd. 3. Heft Inhalt: Der Einfluß einer Schneedecke auf Boden, Klima und Wetter. Von A. Woeikof. Wien, Hölzel. M. 6. Ehrenburg, K., Die Inſelgruppe von Milos. Verſuch einer geologiſch⸗ geographiſchen Beſchreibung der Eilande Milos, Kimolos, Polivos und 50 auf Grund eigener Anſchauung. Leipzig, Fock. M. 4. Gezeitentafeln für das Jahr 1890. en hoe Amt des Reichs⸗ marineamtes. Berlin, Mittler & Sohn. M. 1 Jordan, P., Beiträge zur Geographie und Statiſtit 5 Gouvernements Eſthland' nebſt einem Anhang: „Ueber die Bauerburgen“. Reval, Waſſermann. M. 4. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. Katzer, F. 9 von Böhmen. 1. Abteilung. Prag, Tauſſig. M. 7. 20. Rifpatic. M., Ueber Serpentine und ſerpentinähnliche Geſteine aus der Fruska⸗Gora (Syrmien). Budapeſt, Kilian. M. —, 80. Krüger, R., Die natürlichen Geſteine, ihre chemiſch⸗ mineralogiſche Zu⸗ ſammenſetzung, Gewinnung, Prüfung, Bearbeitung u. Konſervierung. 2 Bde. Wien, Hartleben. à M. 4 Petrik, Der 00 (Radvanyer) Rhyolith⸗Kaolin. Budapeſt, Kilian. M. —. 80. Schmidt, C. „Zur Geologie der Schweizeralpen. Baſel, Schwabe. M. 1. 60. Schucht, H., Geognoſie des Okerthals. Harzburg, Stolle. M. 1 Woſſidlo, P., Leitfaden der Mineralogie und Geologie für höhere Lehranſtalten. Berlin, Weidmann. M. 2 Bofanik. Engler, A., u. K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien nebſt ihren Gattungen und wichtigeren Arten, 150 b den Nußpflanzen. 34. Lfg. Leipzig, Engelmann. M. 1. 50. 7 Ge Soa ‘Flanjenbiotogijee Schilderungen. 1. Teil. wert. Karſch, Flora der 5 Weſtfalen. Ein Taſchenbuch uu 95 Exkurſionen. 5. Aufl. Münſter, Coppenrath. M. 2. Marburg, Humboldt. — Auguſt 1889. 327 Miller, W. D., Die Mikroorganismen der Mundhöhle. Die örtlichen und allgemeinen Erkrankungen, welche durch dieſelben hervorgerufen werden. Leipzig, Thieme. M. 15. Nevinny, J., Wandtafeln zur Mikroſkopie der Nahrungs⸗ und Genuß⸗ mittel aus dem Pflanzenreiche. 1. Liefg. Wien, Hölder. M. 8. Petry, A., Die Vegetationsverhältniſſe des Kyffhäuſergebirges. Halle, Tauſch & Groſſe. M. 2. Schlitzberger, S., Unſere häufigſten eßbaren Pilze in 22 naturgetreuen und feinkolorierten Abbildungen nebſt kurzer Beſchreibung und An⸗ leitung zum Einſammeln und zur Zubereitung. 4. Aufl. Kaſſel, Fiſcher. M. 1. 60. — Unſere verbreiteten giftigen Pilze, naturgetreu nach ihren Ent⸗ wickelungsſtufen in 18 feinkolorierten Gruppenbildern nebſt Art- beſchreibung ꝛc. Kaſſel, Fiſcher. M. 2. Wilbuſchewicz, E., Hiſtiologiſche und chemiſche Unterſuchungen der gelben und roten amerikaniſchen und einiger kultivierter Java-China⸗ rinden der Sammlung des Dorpater pharmazeutiſchen Inſtituts. Dorpat, Karow. M. 1. 50. Zoologie. Edinger, L., Zwölf Vorleſungen über den Bau der nervöſen Zentral— organe. 2. Aufl. Leipzig, Vogel. M. 6. Fiſcher, E., Etiketten für Schmetterlingsſammlungen. 2. Aufl. Leipzig, Leiner. M. 1. 50. . Hartenſtein, J., Die topographiſche Verbreitung der Vaterſchen Körper⸗ chen beim Menſchen. Dorpat, Karow. 5 Ritter, C., Die Entwickelungsgeſchichte der Reblaus, deren Verbreitung und Bekämpfung. Neuwied, Heuſer. M. 1. Robinski, S., Ein weiterer Beitrag zur Anatomie, Phyſiologie und Pathologie der Augenlinſe. Berlin, Robinski & Co. M. 1. Schoch, G., Anleitung zum Anlegen und Ordnen einer Inſekten⸗ ſammlung für Anfänger in der Entomologie, nebſt ſyſtematiſchem Katalog der häufigſten Inſekten Deutſchlands und der Schweiz. M. 1. 80. Zürich, Wurſter & Co. Ahyſtologie. Anthen, E., Ueber die Wirkung der Leberzelle auf das Hämoglobin. Dorpat, Karow. M. 1. Bertels, A., Verſuche über die Ablenkung der Aufmerkſamkeit. Dorpat, Karow. M. 1. 50. Brinck, J., Ueber Huber & Co. M Burchard, O., Ueber den Einfluß des kohlenſauren reſp. zitronſauren Natrons auf den Stoffwechſel, ſpeziell auf die Stickſtoffausſcheidung. Dorpat, Karow. M. 1. 50. Darjewitſch, C., Ein Beitrag zur Kenntnis der Zuſammenſetzung des arteriellen und venöſen Bluts der Milz und der Niere. Dorpat, Karow. M. 1. Forel, A., Der Hypnotismus, ſeine Bedeutung und ſeine Handhabung. Stuttgart, Enke. M. 2. 40. Glaß, V., Die Milz als blutſtillendes Organ. Dorpat, Karow. M. 1. Hamel, G., Die Bedeutung des Pulſes für den Blutſtrom. Bern, uber & Co. M. —. 50. Müller, F., Ueber Hypnotismus und Suggeſtion, ſowie deren thera⸗ une Anwendung in der ärztlichen Praxis. Wien, Perles. —. 60 yynthetiſche Wirkung lebender Zellen. Bern, . — . 45 Oehrn, A., Experimentelle Studien zur Individualpſychologie. Dorpat, Karow. M. 2. Popoff, N., Ueber die Bildung von Serumalbumin im Darmkanale. Bern, Huber & Co. M. —. 50. Schütz, E., Unterſuchungen über den Bau und die Entwickelung der epithelialen Geſchwülſte der Niere. Dorpat, Karow. M. 2. Spina, A., Experimentelle Beiträge zu der Lehre von der inneren Athmung der Organe. Aus dem Böhmiſchen überſetzt. Prag, Burſik & Kohout. M. 2. Wicklein, E., Experimenteller Beitrag zur Lehre vom Milzpigment. Dorpat, Karow. M. 1. Wilcken, H. v., Vergleichende Unterſuchungen über den Hämoglobin⸗ gehalt im Blute des arteriellen Gefäßſyſtems und der Vena cava inferior vor und nach dem Eintritt der Vena hepatica. Dorpat, Karow. M. 1. Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Silicium und Bor gewann man bisher durch Re— duktion ihrer Oxyde (Kieſelſäure und Borſäure) oder durch Zerlegung der Kieſel- und Borfluoralkalien mittels glühen⸗ den Natriums. Dieſe Reaktionen ſind nicht gerade leicht auszuführen, die Elemente ſelbſt und ihre Halogenverbin- dungen gehörten daher bisher zu den chemiſchen Koſtbar— keiten. Nach Gattermann (Ber. 22 S. 186) gelangt man viel leichter zum Ziel, wenn man ſtatt des Natriums Magneſiumpulver als Reduktionsmittel benutzt. Er⸗ hitzt man Quarzſand und Magneſiumpulver in einem ge⸗ wöhnlichen Reagenzrohre über der Bunſenflamme im Ver⸗ hältnis der Gleichung: Si: + 2 Mg = Si + 2 MgO, fo tritt nach kurzer Zeit eine lebhafte Reaktion ein, die ſich durch eine intenſive Glüherſcheinung, welche die ganze Maſſe durchzieht, zu erkennen gibt. Wendet man gefällte Kieſelſäure oder Infuſorienerde an, ſo wird die Reaktion ſo heftig, daß ein Teil des Reaktionsgemiſches in Form einer blendenden Feuergarbe aus dem Reagenzrohre heraus- geſchleudert wird. Zur Darſtellung von Silicium ver⸗ fährt man zweckmäßig folgendermaßen: 10 g Magneſiumpulver werden mit 40 g gepulvertem und gut getrocknetem Sand innig gemiſcht und in ein nicht zu dünnwandiges Reagenzrohr von 2—3 cm Weite und ca. 15 em Länge eingefüllt. Das Rohr wird zunächſt ſeiner Länge nach in einer mäßig ſtarken Gebläſeflamme vorgewärmt und dann unten mit der Stichflamme kräftig erhitzt, wodurch dann die Reduktion in einer Strecke von ca. 2 em Länge unter Erglühen erfolgt. Indem man von unten nach oben herauf unter ſtetem Drehen des Rohres erhitzt, kann man in wenigen Minuten die geſamte Kieſel⸗ ſäure reduzieren. Das grauſchwarze Reduktionsprodukt läßt ſich leicht aus dem Glaſe entfernen und pulveriſieren. Das benutzte Rohr iſt im Innern mit Siliciummagne— ſium überzogen und muß daher, um eine unvorhergeſehene Bildung von ſelbſtentzündlichem Siliciumwaſſerſtoff zu ver⸗ hüten, ſofort mit Salzſäure übergoſſen werden. Zur Dar—⸗ ſtellung von kryſtalliſiertem Silicium bringt man das Pro⸗ dukt in einen Tiegel, drückt einige Stücke Zink hinein und erhitzt, nachdem der Tiegel mit Lehm verſchloſſen iſt, in einem mäßigen Kohlenfeuer nicht über den Siedepunkt des Zinks. Beim Auflöſen des Zinks in verdünnter Salzſäure hinterbleiben dann die ſchönen ſtahlblauen Nadeln des kryſtalliſierten Siliciums. Siliciummagneſium und Siliciumwaſſerſtoff gewinnt man am beſten, wenn man Quarzſand und Magne— ſium in dem Verhältnis anwendet, wie es folgende Glei— chung verlangt: Si0g + 4 Mg = SiMgy + 2 MgO, alſo etwa 1g Sand und 1,5 g Magneſiumpulver. Man er⸗ hält ein bläuliches halbgeſchmolzenes Reaktionsprodukt, welches alle Reaktionen des Siliciummagneſiums zeigt. Trägt man dasſelbe in konzentrierte Salzſäure ein, jo ent- wickelt ſich ſofort Siliciumwaſſerſtoff, der ſich in bekannter Weiſe an der Luft unter ſchwachen Exploſionen entzündet. Da alle dieſe Reaktionen ſehr leicht auszuführen ſind, ſo eignen ſie ſich auch gut zu Vorleſungsverſuchen. Das Bor ijt ſchon von Geuther mit Hilfe von Mag⸗ neſium und zwar aus Borfluorkalium gewonnen worden. Nach Gattermann bringt man in einen heſſiſchen Tiegel ein Gemiſch von 1 Teil Magneſiumpulver und 2 Teilen geſchmolzenem und pulveriſiertem Borax und über dieſes zum Abſchluß der Luft eine Schicht von Borax allein. Der mit Lehm verſchloſſene Tiegel wird kurze Zeit in Kohlen— feuer erhitzt. Das Produkt wird mit heißem Waſſer aus- gelaugt und zur Entfernung des Magneſiumoxyds mit konzentrierter Salzſäure ausgekocht. Man filtriert, wäſcht die Salzſäure gut aus und trocknet auf dem Waſſerbade. Das erhaltene graubraune Produkt enthält neben Bor als Hauptbeſtandteil noch Borſtickſtoff und Magneſiumverbin⸗ dungen. Erhitzt man dasſelbe mit Aluminium im Kohle⸗ tiegel, fo erhält man leicht das graphitartige Bor in präch⸗ tigen, ſechsſeitigen Tafeln. Der zur Reaktion angewandte Borax muß ſehr ſorgfältig entwäſſert und nach dem Pul⸗ veriſieren ſofort über Schwefelſäure geſtellt werden, da er ſonſt mit Begierde Waſſer anzieht. Die auf die beſchriebene Weiſe erhaltenen Reduktions⸗ gemiſche können direkt zur Gewinnung der Halogenverbin- dungen und anderer Silicium- und Borpräparate benutzt werden. Durch Behandlung mit Chlor werden Silicium⸗ chlorid SiC], und Borchlorid B0lg gebildet. Läßt man Salzſäure auf die Siliciumſchmelze einwirken, ſo entſteht Siliciumchloroform Silz, welches durch Waſſer in die Si- licoameiſenſäure HSiO O übergeführt werden kann. Al. 328 Prüfung des Olafes. Daß das Glas unter dem Einfluß des Waſſers angegriffen wird, verwittert, iſt eine oft beobachtete Thatſache. Die Veränderung, welche hierbei die Oberfläche erleidet, beruht darauf, daß dem Glaſe Alkali entzogen wird. Sehr deutlich zeigt ſich dieſer Vor⸗ gang, wenn wäſſerige Löſungen gewiſſer organiſcher Farb⸗ ſtoffe in Glasgefäßen aufbewahrt werden; eine Lackmus⸗ löſung wird nach einiger Zeit blau, Hämatoxylinlöſung purpurrot. Die Angreifbarkeit des Glaſes darf bei der Ausführung mancher empfindlichen Reaktionen nicht außer acht gelaſſen werden, von Bedeutung iſt ſie ferner bei der Herſtellung phyſikaliſcher Inſtrumente, z. B. den Li⸗ bellen. Die Libellen erleiden nämlich, beſonders wenn zu ihrer Füllung nicht ganz waſſerfreier Aether verwandt wurde, oft dadurch eine namhafte Verminderung ihrer Genauigkeit, daß fic) im Innern der Röhren kryſtalliniſche Gebilde erzeugen, welche die Beweglichkeit der Blaſe ab- mindern. Die verſchiedenen Glasſorten zeigen nun ſehr große Unterſchiede in ihrer Angreifbarkeit durch Waſſer. Leicht ſchmelzbares Glas iſt bei weitem weniger wider- ſtandsfähig als das ſchwer ſchmelzbare fogen. böhmiſche Glas. Um die Widerſtandsfähigkeit eines Glaſes zu prüfen, ſetzt man es nach R. Weber längere Zeit der Einwirkung von Salzſäuregas aus. Die ſich bildenden Metallchloride erzeugen auf der Oberfläche einen Reif, aus deſſen Stärke auf die Beſchaffenheit des Glaſes geſchloſſen werden kann. Eine andere, noch einfacher ausführbare Methode hat F. Mylius angegeben (Ber. 22, 310). Mylius macht das durch Waſſer aus dem Glaſe in Freiheit geſetzte Alkali dadurch kenntlich, daß er es in ein gefärbtes Salz über⸗ führt. Zu dieſem Zweck dient Jodeoſin, deſſen Alkaliver⸗ bindung in durchfallendem Licht pupurrot erſcheint. Man löſt das an ſich ungefärbte Jodeoſin in waſſerhaltigem Aether und bringt die Löſung mit dem zu prüfenden Glaſe in Berührung. Durch die Glasoberfläche wird der Löſung zunächſt das Waſſer entzogen, dann bildet ſich Alkali nach der Gleichung: NayO(Si09)x + HO = 2NaOH + SiO. Letzteres tritt mit Jodeoſin zu dem gefärbten Salz 3u- ſammen, welches ſich, da es in Aether unlöslich iſt, auf der Glaswand ausſcheidet. Da die auf dem Glaſe erzeugte Humboldt. — Auguſt 1889. Färbung dem in Reaktion getretenen Alkali proportional ijt, jo kann aus der Intenſität derſelben auf die Angreif⸗ barkeit des Glaſes geſchloſſen werden. Wegen der Cine fachheit ihrer Handhabung ijt dieſe Methode zur Kontrole der Oberfläche von Glasgefäßen, namentlich von Glas- röhren, in den Laboratorien wohl zu empfehlen. Man ſättigt käuflichen Aether mit Waſſer durch Um⸗ ſchütteln und Loft in 100 cem der Flüſſigkeit 0,1 g Jodeoſin. Die zu prüfenden Glasgegenſtände werden zuvor durch ſorgfältiges Abſpülen mit Waſſer, dann mit Alkohol und zuletzt mit Aether von den nie fehlenden anhaftenden Ver⸗ witterungsprodukten befreit und ſogleich, noch vom Aether benetzt, mit der Eoſinlöſung in Berührung gebracht. Man läßt die Einwirkung etwa 24 Stunden andauern. Je nach der Angreifbarkeit des Glaſes iſt dann die Oberfläche mit einer mehr oder weniger intenfiv gefärbten Schicht bedeckt, welche gewöhnlich homogen und durchſichtig erſcheint; nur bei ſehr ſchlechten Glasſorten iſt die Schicht matt und kryſtalliniſch. Derartige Gläſer zerſetzen ſich mit Waſſer ſo intenſiv, daß ſie durch Abſpülen vom Alkali nicht be⸗ freit werden können, weil es ſich immer wieder von neuem erzeugt. Daher kommt es auch, daß die Eoſinlöſung auf ſolche Gläſer ſogleich einwirkt, während dies bei beſſeren Glasſorten erſt im Laufe einiger Stunden geſchieht Aber auch die letzten Gläſer werden auf friſchen Bruchflächen in der Eoſinlöſung ſogleich rot gefärbt. Man erkennt hieraus, wie locker die Beſtandteile des Glaſes miteinander ver⸗ einigt ſind und wie lebhaft das Beſtreben desſelben iſt, ſich mit Waſſer zu zerſetzen. Als ein weiteres Ergebnis, welches mit Hilfe der beſchriebenen Farbenreaktion erhalten wurde, verdient er⸗ wähnt zu werden, daß ſchlechteren, leicht angreifbaren Gläſern, wenn ſie längere Zeit mit Waſſer behandelt und auf 300 — 400 erhitzt werden, eine völlig widerſtands⸗ fähige Oberfläche gegeben werden kann. Durch die Be⸗ handlung mit Waſſer wird auf dem Glaſe eine Schicht, gebildet, welche hauptſächlich aus Kieſelſäure (nebſt Caleium⸗ ſilikat) beſteht. Unter gewöhnlichen Bedingungen für Waſſer durchläſſig, wird dieſe Schicht beim Erhitzen undurchdring⸗ lich, und vermag alſo das Glas vor dem weiteren Angriff des Waſſers dauernd zu ſchützen. Al. Werte hr Zu Frage 8. Auf den leeren Korb wirken zwei Kräfte: der Zug der Erde (welcher unveränderlich und gleich dem Gewichte des Korbes iſt), und der entgegen⸗ geſetzte Zug des Tragſeiles. Ueber einen Körper, auf den in der Bewegungsrichtung zwei entgegengeſetzte Kräfte wirken, ſtellt nun die Mechanik folgende Sätze auf: 1) Solange der Körper ſich mit konſtanter Ge⸗ ſchwindigkeit bewegt (und hierher gehört auch der Fall, daß der Körper ruht, denn dann hat er die konſtante Geſchwindigkeit Null), ſind notwendig die beiden entgegen⸗ geſetzten Kräfte gleich und heben einander auf. 2) Solange die Geſchwindigkeit des Körpers wächſt, iſt notwendig die fördernde Kraft größer, als die hem⸗ mende Kraft; erſtere wird von letzterer nur teilweiſe auf⸗ gehoben, und der bleibende Ueberſchuß iſt die Urſache der Beſchleunigung. 3) Solange die Geſchwindigkeit des Körpers ab⸗ nimmt, iſt notwendig die hemmende Kraft größer als die fördernde; erſtere wird von letzterer nur teilweiſe aufge⸗ hoben, und der bleibende Ueberſchuß iſt die Urſache der Verlangſamung. Auf den niedergehenden leeren Korb angewendet lauten dieſe drei Sätze folgendermaßen: 1) Solange der Korb ruht oder mit konſtanter Ge⸗ ſchwindigkeit ſinkt, iſt die Spannung des Seiles gleich der Anziehungskraft der Erde, d. h. gleich dem Gewichte des Korbes. 2) Solange der Korb mit beſchleunigter Geſchwin⸗ digkeit ſinkt, alſo während er in Gang kommt, iſt die Spannung des Seiles kleiner, als das Gewicht des Korbes, und dieſer Ueberſchuß der Anziehungskraft der Erde iſt die Urſache der Beſchleunigung des Korbes. 3) Solange der Korb mit verzögerter Geſchwindig⸗ keit ſinkt, alſo während des Anhaltens, iſt die Spannung des Seiles größer als das Gewicht des Korbes; dieſer Ueberſchuß der Spannung iſt die Urſache der Hemmung. Hieraus ergeben ſich die Reſultate: Ein konſtant ſinkender (fallender) Körper iſt ebenſo ſchwer wie der ruhende Körper; ein beſchleunigt ſinkender Körper tt leichter (d. h. drückt die Unterlage oder ſpannt das Trag⸗ ſeil ſchwächer) als der ruhende Körper; ein verzögert fine kender Körper iſt ſchwerer (d. h. drückt die Unterlage oder ſpannt das Tragſeil ſtärker) als der ruhende Körper. Für den im Korb aufſteigenden Mann gelten ganz analoge Sätze. Während des Anganges iſt der Mann ſcheinbar ſchwerer, während des konſtanten Aufſteigens ebenſo ſchwer, während des Anhaltens leichter als während des Stehens auf ruhender Erde. Man fühlt das in Sohle, Knie und Hüfte. Elektriſche Schwingungen. Don Profeffor Dr. A. Oberbeck in Greifswald. Jas einfachſte Beiſpiel einer Schwing ung iſt die hin und her gehende Bewegung einer an einem Faden aufgehängten Kugel, dweblche durch einen Stoß aus ihrer Gleich— i age gebracht worden iſt. Daß der Schall durch ähnliche, pendelartige Bewegungen der tönenden Körper entſteht und ſich durch Schwingungen der Luft fortpflanzt, lehrt der Augenſchein und kann durch viele einfache Verſuche nachgewieſen werden. Daß das Licht nichts anderes iſt als eine Schwingungsbewegung, konnte mit Sicherheit erſt durch die Unterſuchungen einer Reihe hervorragender Phyſiker in der erſten Hälfte dieſes Jahrhunderts feſtgeſtellt werden. Zwar unterſcheiden ſich Licht— ſchwingungen und Schallſchwingungen nicht unweſent⸗ lich: einmal durch das ſchwingende Medium — für die Lichtſchwingungen mußte ein beſonderer Stoff: „der Aether“ angenommen werden, welcher auch den Weltenraum erfüllt —, ferner durch die Anzahl der Schwingungen in der Zeiteinheit — die Licht— ſchwingungen haben eine ganz außerordentlich viel größere Zahl als die Schallſchwingungen —, endlich durch die Schwingungsrichtung. Trotzdem iſt durch die Feſtſtellung der Thatſache, daß es ſich in beiden Fällen um Schwingungsbewegungen handelt, eine weitgehende Analogie zwiſchen Schall und Licht vorhanden, welche beſonders der Entwicke— lung der Optik ſehr vorteilhaft wurde, aber auch für manche Unterſuchungen über den Schall recht nütz⸗ lich war. Seit längerer Zeit weiß man, daß die Elektricität unter gewiſſen Umſtänden in Leitern ſchnell hin- und herſtrömen kann. Demnach müſſen die allgemeinen Geſetze der Schwingungsbewegungen auch hier an— wendbar ſein. Es muß ſich daher bei ſolchen Be— wegungen der Clektricität eine mehr oder weniger große Analogie mit den Schall- und Lichtſchwingungen Humboldt 1889. ergeben. Eine kurze Ueberſicht der auf dieſem Ge⸗ biet bis jetzt erhaltenen Reſultate zu liefern, iſt der Zweck dieſer Zeilen. Zuerſt werden wir hiernach nach den Mitteln fragen, derartige Bewegungserſcheinungen der Elek— tricität zu erzeugen. Die bekannteſten Formen, in denen fic) die Cleftricitat bewegt, find: 1. die plötz⸗ liche Ausgleichung angehäufter Mengen (Funken der Elektriſiermaſchinen, Entladung von Leydener Flaſchen u. ſ. w.), wobei es ſich — wenigſtens dem erſten Ein⸗ druck nach — um einen einzigen, in kurzer Zeit ſich voll- ziehenden Stromſtoß handelt, 2. die gleichmäßige Strömung der Elektricität in den Leitungen galva- niſcher Ketten. Seitdem indes die Induktionsſtröme entdeckt wur⸗ den und mehr und mehr praktiſche Verwendung fan— den, lernte man Elektricitätsquellen kennen, welche ſchnell ihr Vorzeichen wechſeln. Man braucht ja nur die Pole der ſekundären Rolle eines gewöhnlichen Inductoriums zu verbin⸗ den und den Apparat in Thätigkeit zu ſetzen. Es zirkulieren dann in dem ſekundären Kreis die Schließungs- und Oeffnungsſtröme von wechſelnder Richtung. Die Stromwechſel erfolgen ſo oft, als der Unterbrecher den Strom öffnet und ſchließt. Rotiert ein Magnet gleichmäßig im Innern einer Drahtrolle, ſo induziert derſelbe ebenfalls Ströme von wechſelnder Richtung in derſelben. In großem Maßſtab werden Ströme, nach einem ähnlichen Ver⸗ fahren erzeugt, bei den Wechſelſtrommaſchinen prak⸗ tijd) benutzt. Ferner entſtehen bei dem telephoniſchen Sprechen fortdauernd Wechſelſtröme. Die Anzahl der Strom— wechſel wird hier durch die einfallenden Schall— ſchwingungen der Luft bedingt. Die Erfahrung lehrt alſo, daß man auf dieſe Weiſe elektriſche Strom— ſchwingungen herſtellen kann, bei welchen die 42 330 Humboldt. — September 1889. Schwingungszahl mehrere Tauſend in der Sekunde beträgt. Indes iſt es gar nicht notwendig, daß von außen her eine ihr Vorzeichen ſchnell ändernde elektro— motoriſche Kraft wirkt. Vielmehr kann und muß ſich unter gewiſſen Umſtänden eine einſeitig ge⸗ richtete elektriſche Bewegung in elektriſche Schwin⸗ gungen auflöſen. Dies geſchieht z. B., wenn eine Leydener Flaſche durch Verbindung ihrer Belegungen durch einen Metalldraht von mäßiger Länge entladen wird. Bekanntlich wird, wenn die Strömung in einem Draht ſich ändert, nicht allein in parallelen, benachbarten Leitungen, ſondern auch in der eigenen Leitung ein neuer Strom erregt, der im letzteren Fall als Extraſtrom bezeichnet wird. Die Stärke desſelben wird bei der eben beſprochenen Verſuchs⸗ anordnung den erſten Entladungsſtrom überwiegen und daher den Condenſator entgegengeſetzt laden. Dieſer Vorgang wiederholt ſich mit ſtetig abnehmender Intenſität, bis die ganze Ladung erloſchen iſt. Nach⸗ dem ſchon im Jahre 1847 v. Helmholtz dieſe „oseil⸗ lierende oder alternierende“ Form des Ent⸗ ladungsſtromes als ſehr wahrſcheinlich bezeichnet hatte, wurde dieſelbe durch Fedderſen näher unterſucht. Derſelbe ließ den Entladungsſtrom durch eine Funken⸗ ſtrecke gehen und beobachtete das Bild derſelben in einem ſchnell rotirenden Spiegel. Später wurde dasſelbe auch photographiert. Dabei zeigte ſich, daß dasſelbe gewöhnlich nicht aus einem kontinuierlichen Streifen beſtand, ſondern aus Stellen von zu- und abnehmender Intenſität. Aus dem Ausſehen des⸗ ſelben konnte nicht allein geſchloſſen werden, ob man einen einſeitigen oder einen alternierenden Entladungs⸗ ſtrom erhalten hatte, ſondern es konnte auch die Schwingungsdauer der alternierenden Ströme feſt⸗ geſtellt werden. Für dieſelbe ergaben ſich Werte von einigen Hunderttauſendſteln einer Sekunde. Hiernach iſt die Anzahl dieſer Schwingungen zwar erheblich größer als bei Schallſchwingungen, ſteht aber doch noch weit hinter der Anzahl der Licht⸗ ſchwingungen zurück. Eine andere, für feinere experimentelle Unter⸗ ſuchungen ſehr brauchbare Methode, elektriſche Schwingungen zu erregen, hat H. v. Helmholtz ange⸗ geben. Die Enden der ſekundären Rolle eines In⸗ duktionsapparats ſind mit den Belegungen eines Kondenſators verbunden. Bei Unterbrechung des primären Stromes wird derſelbe durch den Induktions⸗ ſtrom geladen. Doch muß ſich die Ladung ſofort wieder ausgleichen. Hierbei löſt ſich der Strom in eine Reihe von kurzen Schwingungen von ſchnell abneh⸗ mender Stärke auf. Da keine Unterbrechung durch eine Funkenſtrecke vorkommt, über deren Einfluß auf den Verlauf der Schwingungen man noch keine ge- naueren Kenntniſſe beſitzt, fo laſſen ſich die Geſetze, denen dieſe Schwingungen gehorchen, vollſtändig aus der Theorie herleiten. Aus derſelben ergibt ſich, daß die Schwingungsdauer von dem Widerſtand der Leitung faſt vollſtändig unabhängig iſt, daß ſie mit der Kapazität der angehängten Kondenſatoren (e) und mit dem Induktionskoeffizienten (p) der Leitung auf ſich ſelbſt zunimmt und nach der Formel: T = «Vpe zu berechnen ift. Ebenſo mannigfaltig, wie hiernach die Mittel ſind elektriſche Schwingungen zu erzeugen, ebenſo viel— ſeitig ſind auch die Methoden, dieſelben näher zu unterſuchen. Zwar kann gerade unſer empfindlichſtes Meß inſtrument, — das Galvanometer —, ohne be— ſondere Hilfsvorrichtungen bei elektriſchen Schwin— gungen nicht verwandt werden, da die ihre Richtung wechſelnden Stromſtöße ſich bei ihrer Wirkung auf die Magnetnadel aufheben. Man kann indes durch geeignete Mechanismen, — Disjunktoren —, nur die Ströme der einen Richtung zur Wirkung kommen laſſen. Ebenſo kann das Elektrometer in Verbindung mit Unterbrechungsvorrichtungen benutzt werden (H. v. Helmholtz, Schiller). Beſonders geeignet ſind ferner das Telephon und das Elektrodynamometer und endlich die Beobachtung elektriſcher Funken. Der Benutzung derſelben verdanken wir die neueſten Unter⸗ ſuchungen auf dieſem Gebiete. Wenden wir uns nun zu den Analogien elek— triſcher Schwingungen mit den Schall- und Licht⸗ bewegungen. Am meiſten charakteriſtiſch für jede Art von Schwingungsbewegungen ſind die Erſcheinungen der Interferenz. Treffen in einem Punkte zwei Schwingungs⸗ bewegungen zuſammen, ſo können ſich dieſelben je nach den Umſtänden verſtärken oder ſchwächen. Werden z. B. Schallſchwingungen von A (Fig. 1) auf zwei verſchiedenen Wegen, über B und C, nach D a geleitet, ſo wird die Schallwirkung in D eta eae a) . 8 = entweder aufgehoben oder verſtärkt. Durch ſinnreiche Verſuche 0 hat v. Bezold ein ab ähnliches Verhalten bei elektriſchen Schwingungen nachgewieſen. Wir be⸗ ſchreiben hier kurz denjenigen Verſuch, deſſen Anord⸗ nung am leichteſten verſtändlich iſt. Der eine Pol eines Induktionsapparats (Fig. 2) iſt zur Erde abgeleitet; der andere mit der einen Kugel eines Funkenmikrometers (A) verbunden. Von der anderen Kugel desſelben gehen zwei Drähte zu einem zweiten Funkenmikrometer, Wird der Apparat in Thätigkeit geſetzt, ſo ſpringen Funken bei A über. Dieſelben verdanken ihre Ent⸗ ſtehung elektriſchen Schwingungen, welche in die Zweige AB und AC hineingetrieben und an den Enden reflektiert werden. Sind die letzteren ungleich lang, fo kommen die Schwingungen in B und C mit ungleichen Phaſen an und geben dort zu einem Funken Veranlaſſung. Bei gleicher Länge der beiden Lei⸗ tungen entſtehen keine Funken. Doch kann man dte- ſelben leicht wieder durch Störung der Gleichartigkeit der Leitungen, etwa durch Berührung mit dem Knopf einer Leydener Flaſche erhalten. Von der, oben zum Vergleich herangezogenen, Humboldt. — September 1889. akuſtiſchen Erſcheinung unterſcheidet fic) der be— ſchriebene Vorgang dadurch, daß die von & aus— gehende, in D anlangende Schallwirkung am größten iſt, wenn die Schwingungen auf den beiden Wegenkeinen Phaſenunterſchied oder einen Phaſenunterſchied von 360“ beſitzen, während umgekehrt gerade in dieſem Fall die Funkenbildung ausbleibt. Von Bezold hat dieſe Verſuche nach den verſchiedenſten Richtungen variiert, indem er dabei hauptſächlich die Lichtenbergſchen Figuren zur Unterſuchung der Entladungen benutzte. Die Verbreitung elektriſcher Schwingungen durch verzweigte Leitungen iſt vielfach unterſucht worden und ſteht mit der Frage der Interferenz in nahem Zuſammenhang; beſonders iſt es von Intereſſe feſt— zuſtellen, wann einzelne Zweige gänzlich frei von Schwingungen bleiben, da dies leicht experimentell durch vollſtändiges Schweigen eines eingeſchalteten Telephons erkannt wird (Wietlisbach). Eine den elektriſchen Schwingungen eigentümliche Er— ſcheinung iſt die von A. Oberbeck ſtudierte,elektrodyna— miſche Interferenz“. Gehen durch zwei benach— barte Drähte oder Drahtrollen zwei elektriſche Schwin— V5} A ioe 7 Lrde Big 2 gungen, fo wirken dieſelben in bekannter Weiſe ver— ſchiebend und drehend auf einander. Da dieſe Wir— kung dem Produkt der Stromintenſitäten proportional iſt, ſo wird ſie Null, wenn die beiden Schwingungen gleiche Dauer, aber einen Phaſenunterſchied von 90° haben. Zu den ſchönſten und intereſſanteſten Erſchei— nungen der Akuſtik gehört die Reſonanz. Während man den Ton einer angeſchlagenen Stimmgabel in einiger Entfernung nicht mehr hört, tritt derſelbe deutlich hervor, wenn man die Stimmgabel vor das eine Ende einer Glasröhre hält, deren Länge einen, zu der Tonhöhe in naher Beziehung ſtehenden Wert hat. Iſt die Länge größer oder kleiner, ſo bleibt die Tonverſtärkung aus. Es kommt hier das allgemeine Geſetz des Mit— ſchwingens oder der Reſonanz zum Ausdruck, welches beſagt, daß ein ſchwingendes Syſtem ein anderes Syſtem, welches ebenfalls fähig iſt, in Schwingungen von beſtimmter Dauer zu gerathen, dann am ſtärkſten anregt, wenn die Schwingungs— zeiten übereinſtimmen. Als ein Syſtem, in welchem elektriſche Schwingungen verlaufen können, kann man eine Drahtleitung anſehen, deren Enden mit den Be— legungen eines Kondenſators verbunden ſind. Wer— den in demſelben elektriſche Schwingungen von be— ſtimmter Schwingungszahl induziert, ſo werden die— ſelben um ſo ſtärker, je mehr die beiden Schwingungs— 331 zahlen übereinſtimmen. Verſuche hierüber hat A. Oberbeck beſchrieben. Die Schwingungen wurden durch ein Induktorium erregt, bei welchem die Anzahl der Unterbrechungen verändert werden konnte. Die In— tenſität der Schwingungen wurde an einem Elektro— dynamometer gemeſſen. Mit großem Erfolg hat H. Hertz die Resonanz elektriſcher Schwingungen zu einer Reihe epoche— machender Unterſuchungen benutzt. Wir beſchreiben zunächſt eine einfache Verſuchsanordnung, welche den Ausgangspunkt derſelben bildete. Die Pole eines kräftigen Induktoriums (Fig. 3) ſind mit den Kugeln A und Beines Funkenmikrometers verbunden. An dieſelben ſchließen ſich die iſolierten Drähte A0 und BD an. Jedesmal, wenn zwiſchen den Kugeln ein Funke überſpringt, entſtehen gleich— zeitig Schwingungen in der Leitung CD, welche er— löſchen, wenn die kurze Verbindung zwiſchen AB auf- hört, welche durch den Funkenkanal unterhalten wird. Neben dem Draht CD be⸗ findet ſich ein weiteres Draht— ſyſtem EFGH mit einer Unter⸗ brechungsſtelle in J. In dieſem Syſtem werden elektriſche Schwingungen induziert, welche Sings: zu einemkleinen e in J Veranlaſſung geben. Jedem der beiden Leitungsſyſteme CD und EFG H kommt eine beſtimmte Schwingungsdauer zu. Bei Uebereinſtimmung beider findet Reſonanz ſtatt, d. h. die Funken in J find von größter Intenſität, wie daran leicht zu erkennen iſt, daß die Funkenſtrecke dort verhältnismäßig groß ge- macht werden kann. Die Benutzung der ſekundären Leiterbahn mit kleiner Funkenſtrecke gab H. Hertz die Möglichkeit, eine Reihe der wichtigſten Fragen über die Aus— breitung und Fortpflanzung elektriſcher Wirkungen zu beantworten. 1. Die Leitung CD iſt nicht in ſich geſchloſſen, d. h. die Endpunkte berühren ſich nicht. Die Wir— kung eines ungeſchloſſenen Leiters konnte bisher nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt werden. Die Verſuche von Hertz zeigen, daß die elektriſchen Schwingungen in derſelben in dem umgebenden Raum elektroſtatiſche und elektrodynamiſche (Induktions-) Wirkungen hervor— bringen, welche ſich mit verſchiedener Geſchwindigkeit ausbreiten. 2. Nach der Faraday-Maxwellſchen Vorſtellung treten die eben genannten Wirkungen nicht allein in Leitern auf, ſondern auch in Iſolatoren. Wenn dies auch für die elektroſtatiſche Wirkung bekannt iſt, ſo war die Frage, ob in Iſolatoren elektrodynamiſche Wirkungen vorkommen, bisher nicht beantwortet. H. Hertz vermochte die Exiſtenz derſelben mit Sicher⸗ Ff, 332 heit nachzuweiſen durch ihre Rückwirkung auf die ſekun⸗ däre Leiterbahn. Allerdings mußten dazu ſtets große Quantitäten der unterſuchten Iſolatoren (Asphalt, Pech, Papier, Holz, Sandſtein, Schwefel, Paraffin, Petroleum) angewandt werden. 3. Wenn die Wirkungen der Elektrieität fic) durch Veränderungen der Iſolatoren von Teilchen zu Teilchen fortpflanzen, ſo liegt es nahe anzunehmen, daß dies in ähnlicher Weiſe auch in der Luft reſp. im Aether ſich vollzieht. Man würde hierfür eine ſehr große, aber jedenfalls endliche Fortpflanzungs⸗ geſchwindigkeit zu vermuten haben. Sinnreiche Ver⸗ ſuche von Hertz beſtätigten dieſe Vermutung. Es konnte der Nachweis geführt werden, daß die Fort⸗ pflanzungsgeſchwindigkeit elektriſcher Schwingungen in einem geradlinigen Kupferdraht merklich kleiner iſt, als die Ausbreitungsgeſchwindigkeit der elektriſchen Wirkungen in der Luft. Für erſtere ergab ſich der Wert von ungefähr 200000 km in der Sekunde, für letztere 320 000 km. 4. Hiernach werden wir uns jetzt alſo mit einiger Sicherheit vorſtellen können, daß jede elektriſche Be⸗ wegung an einer Stelle des Raumes Veränderungen (Polariſationen) in demſelben nach ſich zieht, welche ſich ungefähr mit der Geſchwindigkeit des Lichtes ausbreiten. Handelt es ſich ſpeciell um periodiſche Veränderungen, ſo werden wiederum die Analogien mit Schall und Licht in den Vordergrund treten. Wenn dabei die Iſolatoren die Rolle durchſichtiger Medien ſpielen, ſo ſind die Leiter undurchſichtigen Medien vergleichbar. Man hat daher an ihrer Grenze eine Reflexion der elektriſchen Schwingungen zu er⸗ warten. H. Hertz konnte eine ſolche ſchon an den Wänden des Beobachtungsraumes nachweiſen. Noch beſſer trat dieſelbe auf, als ein großes Zinkblech an der einen Wand befeſtigt wurde. Bei Unterſuchung des Raumes mit Hilfe der Funkenbildung in der ſekundären Leitung konnten deutlich Orte ſtärkſter und ſchwächſter Wirkung beobachtet werden, her⸗ rührend von der Uebereinanderlagerung der direkten und der reflektierten Wellen. 5. Die glänzendſte Beſtätigung der Ausbreitung der elektriſchen Schwingungen nach Art von Schall und Licht lieferten die Verſuche über die Strahlen der elektriſchen Kraft. Wenn eine von einem Centrum ſich ausbreitende Schwingungsbewegung auf ein begrenztes, undurchläſſiges Hindernis ſtößt, ſo wird man von einer Fortpflanzung derſelben in Form von Strahlen ſprechen, wenn die Bewegung ſich nicht oder nicht erheblich über die Grenze des geo⸗ metriſchen Schattens ausbreitet. Daß dies unter den gewöhnlichen Verhältniſſen die Lichtſchwingungen thun, die Schallſchwingungen aber nicht, liegt an der ſo ſehr viel kürzeren Wellenlänge der erſteren im Ver⸗ gleich zu denjenigen der letzteren (einige zehntauſendſtel Millimeter im Vergleich etwa zu einem Meter). Wollte man die Bildung von Schallſtrahlen nach- weiſen, ſo müßte man den undurchläſſigen Körper entſprechend vergrößern. Humboldt. — September 1889. Schwingungen nachgewieſen werden, ſo mußten Schwingungen von möglichſt kleiner Dauer und ent⸗ ſprechend kurzer Wellenlänge benutzt werden. Zur Erzeugung derſelben diente ein cylindriſcher Meſſing⸗ körper von 3 em Dicke und 26 em Länge. Derſelbe iſt in der Mitte durchgeſchnitten; die beiden Hälften ſind an den zugekehrten Enden mit Kugelflächen ver⸗ ſehen. Werden dieſelben mit einem Induktorium verbunden, ſo entſtehen in dem Syſtem Schwingungen von etwa 1,1 tauſendmilliontel Sekunde und 33cm Wellenlänge. Das beſchriebene Syſtem ſteht vertical und ſendet daher Schwingungen aus, deren Bahn ebenfalls ver⸗ tikal iſt. Um die Wirkung derſelben zu beobachten, wird ein vertikaler Kupferdraht von ungefähr ein Meter Länge benutzt. Derſelbe iſt in der Mitte durchgeſchnitten; von den Enden führen horizontale Drähte zu einer Funkenſtrecke von ſehr geringer Länge. Die primäre Schwingung wurde in der Brennlinie eines Cylinderſpiegels von Zinkblech von 2m Höhe und 1,2m Oeffnung befeſtigt. Konnte in dem ſekundärenLeiter der Funke noch in einer Entfernung von etwa 2m beobachtet werden, ſo wurde dieſe Entfernung durch Hinzufügung des Spiegels auf 5 bis 6m vergrößert. Doch traten die Funken nur auf, wenn der ſekun⸗ däre Leiter in der optiſchen Achſe des Spiegels ſtand. Wurde ferner auch die ſekundäre Leitung mit einem Spiegel verſehen, ſo wurde die Wirkung auf noch größere Entfernung wahrnehmbar und es ließen ſich nun alle Verſuche, welche den Geſetzen der Licht⸗ ſtrahlen entſprechen, ausführen. Daß die Strahlen ſich geradlinig fortpflanzen, konnte durch Metallſchirme nachgewieſen werden, welche die Wirkung abſchneiden. Die Strahlen werden regel- mäßig an Metallflächen reflektiert. Ja ſogar die Brechung derſelben konnte mit Hilfe eines koloſſalen Prismas aus Hartpech von 1,5 m Höhe und einer Baſis von 1,2 m Seite nachgewieſen werden. Die hier auftretenden Schwingungen ſind trans⸗ verſal; ihre Richtung iſt bei der bisher beſchriebenen Anordnung vertikal. Sie können alſo als polari⸗ ſiert bezeichnet werden. Wird die primäre Schwin⸗ gungsbahn mit dem zugehörenden Spiegel horizontal angebracht, fo findet keine Wirkung auf die ſekun⸗ däre, vertikale Schwingungsbahn ſtatt. Sind bei der urſprünglichen Anordnung die beiden Spiegel einander zugekehrt und wird ein Drahtgitter zwiſchen dieſelben gebracht, ſo verlöſchen die Schwingungen, wenn die Drähte vertikal ſind; ſie entſtehen, wenn dieſelben horizontal ſtehen. Sind endlich die beiden Schwingungsbahnen, die primäre und die ſekundäre, gekreuzt, jo bewirkt das Gitter unter 45° ein Wieder⸗ auftreten der Funken. Die ganze Reihe der letzten Verſuche findet eine weitgehende Analogie mit den Fundamentalverſuchen über polariſiertes Licht. Der Verfaſſer ſchließt ſeine ſchöne Abhandlung mit den Worten: „Wir haben die von uns unterſuchten Gebilde als Strahlen elektriſcher Kraft eingeführt. Nachträglich dürfen wir dieſelben vielleicht auch als Sollte daher die Strahlenbildung bei elektriſchen Lichtſtrahlen von ſehr großer Wellenlänge bezeichnen.“ Humboldt. — September 1889. 333 Die epiphytiſche Pflanzenwelt der amerikaniſchen Tropenwälder. Von Dr. F. Moewes in Berlin. Die Phyſiognomie des tropiſchen Urwaldes iſt in i erſter Linie durch den Kampf um das Licht be- dingt, deſſen Einfluß in allen Pflanzenformen des Urwaldes zur Geltung kommt, in der ungeheuren Ent— wickelung des Laubes, in der oft ſchirmartigen Ver— zweigung der Bäume, in den tauartigen Lianen, namentlich aber in den Epiphyten, die, den Boden ganz verlaſſend, auf dem Gipfel der Bäume ſich an— ſiedeln. Während der Boden zwiſchen den Baum— ſtämmen, den Lianen und Luftwurzeln oft beinahe keine Pflanzen trägt, prangt über dem Laubdache eine üppige und artenreiche Vegetation, die ſich der Bäume als Stütze bedient hat, um an das Licht zu ge— langen .. . . Bei keiner der biologiſchen Pflanzen— gruppen oder Genoſſenſchaften, in welche die Vege— tation des Urwaldes eingeteilt werden kann, iſt der Einfluß des Kampfes ums Licht ſo ausgeprägt, wie bei den Epiphyten. Dieſe erſcheinen daher beſonders geeignet, uns in die Eigentümlichkeiten der Vegetation des tropiſchen Urwaldes und die Exiſtenzbedingungen in demſelben einzuführen, die Entwickelung ſeiner Be— ſtandteile, die Urſachen ſeiner gegenwärtigen Phy— ſiognomie unſerem Verſtändnis näher zu bringen.“ Schon im Jahre 1884 hatte Profeſſor A. F. W. Schimper auf Grund ſeiner Studien in Weſtindien die Anpaſſungen näher geſchildert, durch welche die Epiphyten auf den Baumäſten das Waſſer und die Mineralſtoffe erhalten, deren ſie zu ihrer Ernährung bedürfen. Dieſer Punkt bildet auch zum Teil den Gegenſtand der kürzlich von Schimper veröffentlichten, erweiterten Arbeit“), aus deren Einleitung wir die obigen Sätze herausgegriffen haben, und in welcher eine Anzahl von Fragen ihre endgültige Erledigung findet. Sieht man das vom Verfaſſer zuſammengeſtellte Verzeichnis der Gattungen durch, aus welchen mit Sicherheit epiphytiſch lebende Arten bekannt ſind, ſo findet man, daß dieſelben nur einer verhältnismäßig geringen Zahl von Familien (34) angehören, daß aber in mehreren dieſer Familien eine auffallend große Menge epiphytiſcher Arten auftritt. Schimper zählt etwa 260 Gattungen auf; unter dieſen ſind nicht weniger als 119 Orchideen, 18 Bromeliaceen, 18 Farne, 16 Gesneraceen, 14 Rubiaceen und 13 Ericaceen. Von Araceen find 5 Gattungen namhaft gemacht, doch iſt ihre Zahl wahrſcheinlich eine weit größere. Da in dem Verzeichnis auch die Epiphyten der nicht amerikaniſchen Tropenländer berückſichtigt ſind, ſo ge— ſtattet dasſelbe auch zu erkennen, daß zwiſchen den Epiphyten der Alten und der Neuen Welt eine große ſyſtematiſche Uebereinſtimmung herrſcht. *) A. F. W. Schimper, Die epiphytiſche Vegetation Amerikas. Mit 4 Tafeln in Lichtdruck und 2 lithographi- ſchen Tafeln. (Jena, Guftav Fiſcher. 1888.) Die Grundbedingungen dafür, daß eine Pflanze der Genoſſenſchaft der epiphytiſchen Gewächſe ange— hören könne, ſind die, daß ihre Samen geeignet ſeien, auf die Höhen der Bäume geführt zu werden, an den Aeſten hängen zu bleiben und ſich daſelbſt die zur Keimung nötige Waſſermenge zu verſchaffen. Dieſen Hauptbedingungen wird in dreierlei Weiſe entſprochen. Einige Samen (und dieſe ſind ſehr zahlreich) beſitzen eine ſaftige Hülle und werden daher von Vögeln, Affen und ſonſtigen baumbewohnenden Tieren mit den Ex—⸗ krementen ausgeſchieden, die leicht an den Baumäſten haften und die Samen außerdem vor dem Austrocknen ſchützen. Andere Samen ſind ſo überaus leicht, daß ſie von dem leiſeſten Luftzug fortgetragen werden, und ſo klein, daß ſie in die Rinde und in die Moos— polſter dringen. (Farne, Orchideen.) Eine dritte Kate— gorie endlich umfaßt die ein wenig größeren und ſchwereren Samen, welche einen Flug- und Haft- apparat beſitzen; dieſer beſteht entweder aus langen feinen Haaren, oder aus einem einſeitig oder beider— ſeitig zugeſpitzten Flügel. Eine Pflanze mit ſchweren Samen, die weder fleiſchige Hüllen noch Flugapparate beſitzen, kann auch nicht epiphytiſche Lebensweiſe annehmen. So begreift ſich das Fehlen ganzer Familien, z. B. das der Le— guminoſen, in der Epiphytengenoſſenſchaft. In Fa⸗ milien mit ſehr verſchiedenartigen Samen oder Früchten haben nur ſolche Gruppen und Gattungen Vertreter unter den Epiphyten, deren Samen den obigen Be— dingungen entſprechen. Andererſeits gibt es freilich Familien, welche keine oder nur wenig Arten mit epiphytiſcher Lebensweiſe enthalten, obgleich ihre Samen in der dazu erforderlichen Weiſe ausgerüſtet ſind; ſo z. B. die Gräſer, die keine einzige, und die Kompo— ſiten, die nur eine epiphytiſche Art enthalten. Die ſyſtematiſche Zuſammenſetzung der Epiphytengenoſſen— ſchaft muß alſo außer durch die Beſchaffenheit der Samen und Früchte noch durch andere Faktoren be— einflußt werden. Verfaſſer nennt als ſolche die Cigen- ſchaften der vegetativen Organe und die Zugehörig— keit der Familien zur Urwaldflora, und erläutert den letzteren Faktor durch den Hinweis auf die Kompo— ſiten und Gräſer, die, wenn auch im Walde nicht fehlend, doch hauptſächlich Bewohner der Savannen und offenen Standorte überhaupt ſind. Aus Erdpflanzen, welche die hier erörterten Eigen— ſchaften beſaßen, ſind nun unter den klimatiſchen Be— dingungen des amerikaniſchen Tropenwaldes die Epi— phyten hervorgegangen. Einige blieben ohne weitere Anpaſſungen, ſo daß ſie zugleich als Erdpflanzen und als Epiphyten vegetieren können; andere dagegen wurden völlig epiphytiſch, indem fie die bereits vor- handenen günſtigen Eigenſchaften noch weiter aus— bildeten oder auch ganz neue Eigenſchaften entwickelten. 334 Die im Dienſte der geſchlechtlichen Fortpflanzung ſtehenden Organe und Vorgänge ſcheinen durch epi- phytiſche Lebensweiſe nicht beeinflußt worden zu ſein, vielleicht mit Ausnahme der Keimung. Kaum anders, als mit der geſchlechtlichen, verhält es ſich mit der vegetativen Fortpflanzung, doch gibt es wenigſtens einen Fall vegetativer Reproduktion, der nur bei epiphytiſcher Lebensweiſe möglich iſt. Die von den Baumäſten nach Art der Bartflechten herunterhängen⸗ den Schweife der Tillandsia usneoides (Bromeliacee), welche Schimper in einem ſchönen Habitusbilde dar⸗ ſtellt, werden nämlich häufig durch den Wind zer⸗ fetzt und fortgetragen; ein Teil der Zweigſtücke ge⸗ langt dabei auf andere Baumäſte, wo ſie ſich ungeſtört weiter entwickeln. In noch höherem Grade aber tragen die Vögel zur Verbreitung der Tillandſiaſproſſe bei, indem ſie dieſelben zum Neſtbau verwenden. Die Sproſſe gedeihen dabei ruhig weiter und im Laufe der Zeit verwandelt ſich manches dieſer Vogelneſter in einen Tillandſiaſchweif, der ſich von anderen in nichts unterſcheidet. Allgemeiner tritt der Einfluß der epiphytiſchen Lebensweiſe erſt bei den Organen der Ernährung und Befeſtigung hervor. In beſonderem Maße kommt die Armut des Standortes an wäſſerigen Nährſtoffen in der Phyſiognomie der Epiphytengenoſſenſchaft zum Ausdruck; in den verſchiedenſten Anpaſſungen ſcheinen die Mittel, dem Waſſermangel zu entgehen, erſchöpft worden zu ſein. Vier biologiſche Gruppen ſind da⸗ nach zu unterſcheiden. Die der erſten Gruppe zugehörigen Epiphyten begnügen ſich damit die an der Oberfläche der Wirts⸗ pflanze befindlichen wäſſerigen Nährſtoffe auszunutzen. Manche Vertreter dieſer Gruppe, z. B. viele Farne, weichen in ihrer Struktur von den am Fuße der Bäume wachſenden Pflanzen nicht weſentlich ab. Bei den meiſten jedoch ſind beſondere Schutzeinrichtungen gegen das Vertrocknen vorhanden. Im einfachſten Falle beſteht der Schutz darin, daß die Pflanze einen beträchtlichen Waſſerverluſt ohne Schaden ertragen kann. Polypodium incanum z. B., ein weit ver⸗ breiteter Farn, ſchrumpft unter den glühenden Strahlen der Aequatorialſonne vollſtändig zuſammen, um bei Regenwetter ſeine Blätter wieder auszubreiten. In der Mehrzahl der Fälle ſind die Pflanzen aber mit beſondern Waſſerbehältern ausgerüſtet, in welchen ſie bei Regenwetter reichlich Waſſer aufſpeichern, um dieſelben in der Trockenzeit zu Gunſten der wichtigen Organe zu entleeren. Als Reſervoir dient entweder ein Waſſergewebe in den Blättern oder das Waſſer wird in anderen Organen, Knollen, Zwiebeln u. ſ. w. aufgeſpeichert. Bei Philodendron cannifolium ſaugt ſich der ſpindelförmige Blattſtiel während des Regens wie ein Schwamm voll, um ſpäter das aufgenommene Waſſer nach und nach an die Spreite abzugeben. Die Orchideen, die teils in den Blättern, teils in den Knollen Waſſer aufſpeichern, ſind mit Luftwurzeln verſehen, welche eine möglichſt ſchnelle Aufnahme des Regen- und Tauwaſſers geſtatten; ſie haben näm⸗ lich eine luftführende, weiße Hülle (Velamen), welche Humboldt. — September 1889. jeden Waſſertropfen wie Löſchpapier aufſaugt. Die Luftwurzeln der Orchideen und der meiſten epiphy⸗ tiſchen Gewächſe enthalten Chlorophyll und vermögen daher zu aſſimilieren; bei einigen Kexanthus-Arten (3. B. A. funalis) haben die Wurzeln an Stelle der fehlenden Laubblätter ganz die Aſſimilation über⸗ nommen. Dieſer Bau erklärt ſich aus dem Prinzip der Verminderung der tranſpirierenden Oberfläche. Die Epiphyten dieſer erſten Gruppe zeigen, da ſie faſt ausſchließlich auf die Nährſtoffe der Rinde angewieſen ſind, auch keine ſehr üppige Entwickelung; es ſind faſt alles Kräuter von geringer oder mittlerer Größe. Anders die der zweiten Gruppe. Dieſe Epiphyten treiben von der Höhe der Aeſte herab Luftwurzeln in den Erdboden. Wir haben alſo hier eine Kombination von terreſtriſcher und epiphytiſcher Lebensweiſe, welche bei einzelnen Pflanzen eine hohe Vollkommenheit erreicht. Es werden nämlich zwei verſchiedene Arten von Wurzeln (übrigens alles Adventivwurzeln) gebildet. Gewiſſe Wurzeln ſind durch poſitiven Geotropismus ausge⸗ zeichnet, d. h. ſie wachſen ſenkrecht nach unten, wäh⸗ rend andere von der Schwerkraft nicht merklich beein⸗ flußt werden. Die poſitiv geotropiſchen Wurzeln wachſen außerordentlich ſchnell, bis ſie in den Boden gelangen, zuweilen aus Höhen von mehr als 100 Fuß; fie find durch ihren hiſtologiſchen Bau als Nähr— wurzeln gekennzeichnet, indem die leitenden Elemente in ihnen vorherrſchen. Die nicht geotropiſchen Wurzeln bilden dagegen rankenartige, höchſtens zwei Fuß lange Haftorgane, welche eine bedeutende Zugfeſtigkeit be⸗ ſitzen, infolge des Vorherrſchens ſtark verholzter Faſern im Gefäßbündel, deſſen leitende Elemente nur ſpär⸗ lich ſind. In dieſen Haftwurzeln, die ſich um ihre Stütze herumkrümmen, hängt der Epiphyt, wie eine Liane in ihren Ranken. Die Monokotylen dieſer Gruppe gehören alle zu den Gattungen Carludovica, Anthurium und Philo- dendron; von Dikotylen ſchildert Verfaſſer die Clusia rosea ſehr eingehend. Dieſe Epiphyten erlangen eine mächtige, oft baumartige Entwickelung. Ihnen ſchließen ſich die epiphytiſchen Feigenbäume an. Die zu der dritten Gruppe gehörigen Epiphyten bilden mit ihren Wurzeln vielverzweigte Geflechte von ſchwammartiger Beſchaffenheit, in und auf welchen ſich allmählich tote Blätter und andere humusbildende Stoffe anhäufen und von den Blättern feſtgehalten werden. Dieſer Humus iſt für den Epiphyten eine beinahe eben ſo reiche Nährquelle wie der Boden ſelbſt. Die oft ſehr große und vogelneſtartige Wurzel⸗ maſſe iſt durch Haftwurzeln befeſtigt. Aufgenommen wird die Nahrung durch Nährwurzeln, welche von unten in die Humusmaſſe hineinwachſen (ſie ſind negativ geotropiſch). Bei Anthurium Hiigelii bilden die ſitzenden, ſteifen Blätter eine mächtige Roſette, welche einen Haufen von mehr oder weniger zerſetzten, nach unten in Humus übergehenden, pflanzlichen Frag⸗ menten umgibt und feſthält; das oft über einen Kubik— fuß mächtige Wurzelgeflecht ſendet zahlreiche Nähr⸗ wurzeln zwiſchen den Blättern hindurch in die Humus⸗ Humboldt. — September 1889. 335 maſſe. Aehnlich verhalten ſich einige große Farne. — Auch die Epiphyten der vierten Gruppe fam- meln ein Nährſubſtrat an, aber ſie nutzen dasſelbe nicht durch Wurzeln, ſondern hauptſächlich durch die Blätter aus. Dieſe bilden häufig einen mächtigen Trichter, welcher nicht nur Humus, ſondern auch Waſſer anſammelt. Es gehören in dieſe Gruppe die epiphytiſchen Bromeliaceen. Die Wurzeln ſind bloße Haftorgane, haben mit der Ernährung nichts zu thun, wie auch daraus hervorgeht, daß Brome— liaceen, die mit anderen Haftorganen verſehen find, der Wurzeln entbehren (Tillandsia usneoides). Die Aufnahme der wäſſerigen Nährlöſung geſchieht durch Schuppenhaare von ſehr merkwürdiger Bildung, welche jeden Waſſertropfen begierig aufſaugen. Bei den— jenigen Bromeliaceen, die mit einem aufſammelnden Blatttrichter verſehen ſind, finden ſich die Schuppen— haare faſt ausſchließlich an der inneren Seite der Blattbaſis: letztere gibt ſich auch durch ihren ſehr ab— weichenden anatomiſchen Bau als Organ der Waſſer— aufnahme zu erkennen, während die Blattſpitze die Funktion gewöhnlicher Laubblätter hat. Diejenigen Bromeliaceen, welche keine waſſeranſammelnden Blatt— roſetten beſitzen, ſind auf ihrer ganzen Oberfläche mit Schuppenhaaren bedeckt und im Innern mit zahl— reichen Waſſerzellen verſehen, die häufig ein mäch— tiges, zuſammenhängendes Gewebe bilden. Da ſich auch bei terreſtriſchen Bromeliaceen verſchiedene Stufen der Waſſeraufnahme durch die Blätter nachweiſen laſſen, ſo iſt letztere als eine Urſache, nicht als eine Wirkung der epiphytiſchen Lebensweiſe vieler Brome— liaceen anzuſehen. Während mithin die Cpiphyten der zweiten und dritten Gruppe durch fortſchreitende Anpaſſung aus ſolchen der erſten ſich entwickelt haben dürften, ſind die der vierten Gruppe direkt aus ter— reſtriſchen Gewächſen hervorgegangen. Die in be— ſcheidenem Maße bereits bei den Erdpflanzen vor— handenen Vorrichtungen zur Waſſeraufnahme durch die Blätter haben dann durch die epiphytiſche Lebens— weiſe eine weitere Züchtung erfahren, bis zur Ent- ſtehung ſo extremer Formen, wie einerſeits die rein atmoſphäriſche, frei an den Aeſten hängende Tillandsia usneoides und andererſeits Tillandsia bulbosa, die mit ihren ſich deckenden Blatträndern das auf ſie fallende Waſſer durch Kapillarattraktion aufſaugt, in die löffelartigen Blattbaſen leitet, aus denen es bei keiner Stellung der Pflanze herausfallen kann, und vermittels der Schuppenhaare ins Innere aufnimmt. Aehnlich wie bei uns ein einziger Baum oft zahl— reiche verſchiedene Arten von Mooſen und Flechten trägt, ſind auch die Bäume des tropiſch-amerikaniſchen Waldgebiets mit ſehr mannigfachen Phanerogamen und Farnen geſchmückt. Welche Arten zuſammen⸗ wachſen, iſt nur bis zu einem gewiſſen Grade durch den Zufall bedingt. Abgeſehen von den Faktoren des Lichts und der Feuchtigkeit kommt für die Glie— derung der epiphytiſchen Vegetation in kleinere Ge— ſellſchaften die phyſikaliſche und chemiſche Be— ſchaffenheit der Rinde der Wirtsbäume in Betracht. Für die meiſten Epiphyten wird eine riſſige Rinde ein beſſeres Subſtrat bilden, als eine glatte. Indeſſen ſind die Anſprüche, welche in dieſer Be— ziehung geſtellt werden, ſehr verſchieden. Am ge— nügſamſten ſind die Bromeliaceen, welche auch auf ſpiegelglatter Oberfläche üppig zu gedeihen vermögen, indem ſie ſich durch Ausſcheidung eines reſiſtenten Kittes befeſtigen und hinſichtlich ihrer Ernährung von dem Subſtrat ganz unabhängig ſind. Die Brome— liaceen ſind daher die zuerſt erſcheinenden Epiphyten; ſie bereiten das Subſtrat für ſolche Pflanzen, die erſt bei etwas größeren Mengen von Nährſtoffen und Feuchtigkeit gedeihen können. Die Wurzelkörper und Stammbaſen größerer Bromeliaceen ſind vielfach von einer Menge der verſchiedenſten Epiphyten über— wuchert. Auch in dem naſſen Humus, den viele Bro— meliaceen in ihren Blattbaſen anhäufen, gedeihen manche Pflanzen, z. B. die braſilianiſche Utricularia nelumbifolia, welche aber keineswegs (wie Griſebach angibt) nur in dieſen Behältern vorkommt. Die reichſte epiphytiſche Vegetation tragen unter den Bäumen des tropiſchen Amerika die Kalebaſſen— bäume (Crescentia Cujete), ſowohl was die Zahl der Arten, als der Individuen betrifft. Die Urſache dieſer Bevorzugung ſcheint teilweiſe in der Beſchaffen— heit ihres Korks zu liegen, der ſich durch große Dicke und Weichheit, ſowie ſchwammartige Beſchaffenheit auszeichnet, ſo daß die Wurzelhaare leicht in den— ſelben eindringen können. Die Palmen tragen in ihren perſiſtierenden Blattbaſen eine ſehr eigenartige Vegetation, in welcher große Farne vorherrſchen. Nicht minder charakteriſtiſch iſt die gleichfalls haupt— ſächlich aus Farnen beſtehende Flora der Baumfarne; vorwiegend ſind auf denſelben die Hymenophyllaceen, unter welchen das Trichomanes sinuosum ſowie ein Zygopetalum ſogar nur auf Baumfarnen vorkommen. Die epiphytiſche Vegetation trägt im ganzen Um— fange des tropiſch-amerikaniſchen Urwaldes einen ſehr gleichmäßigen ſyſtematiſchen und phyſiognomiſchen Charakter. Ihre hauptſächlichſten Beſtandteile ſind überall Bromeliaceen, vorwiegend Tillandſieen, deren grüne Arten faſt ausſchließlich ſchattige Standorte bewohnen, während die auf der ganzen Oberfläche beſchuppten und daher grau oder weiß erſcheinenden Arten das Sonnenlicht aufſuchen. Nach den Tilland— ſieen find die Kechmea-Arten die gewöhnlichſten Epi— phyten; dank ihren mächtigen, in verſchiedenen Farben leuchtenden Blütenſtänden und ihren farbigen Früchten bilden ſie die größte Zierde der amerikaniſchen Epi— phytengenoſſenſchaft. Nächſt den Bromeliaceen bilden Araceen, Orchideen, Farne die Hauptmaſſe der Epi— phytenwelt Amerikas. Die Araceen find zwar nicht ſehr formenreich, doch zeichnen ſich ihre zum Teil ſehr gemeinen Arten häufig durch mächtige Dimenſionen aus. Die Orchideen übertreffen zwar die anderen Familien weit an Artenzahl, ſind aber meiſt klein und unſcheinbar; vorherrſchend ſind die Gattungen Pleurothallis und Epidendron, jede mit mehr als 400 Arten. Von auffallenderem und mannigfaltigerem Habitus als die Orchideen ſind die Farne, welche die Waldbäume meiſt von unten nach oben mit ihren 336 zahlreichen Formen zieren. Die übrigen Epiphyten, namentlich die dikotylen Sträucher und Bäume treten, mit Ausnahme von Clusia und den Feigenbäumen, zurück und beeinfluſſen daher in der Regel nicht weſentlich die Phyſiognomie der epiphytiſchen Vege— tation. 5 Zwiſchen der epiphytiſchen Vegetation der Sa- vannenwälder und derjenigen des Urwaldes ſcheint bei oberflächlicher Betrachtung ein tiefgreifender Unter- ſchied zu beſtehen. Die Epiphytenvegetation der Sa- vannen verdankt ihren eigentümlichen Charakter den hoch ausgebildeten Schutzmitteln gegen das Austrock⸗ nen, welche in der Reduktion der Oberfläche, dem Beſitz dicker oder lederartiger Blätter u. ſ. w. beſtehen. Aber auch im Urwalde ſind dieſe Formen vertreten. In der Epiphytenvegetation des Urwaldes ſind näm⸗ lich drei Etagen zu unterſcheiden. Der Stamm, wenigſtens ſoweit er ſich im Walddunkel befindet, trägt nur ſpärliche und wenig mannigfache Epiphyten. Die Vegetation der dickeren Aeſte iſt die formenreichſte und üppigſte; hier wachſen die Rieſen unter den Epiphyten, ſowie eine Fülle knollentragender Orchi⸗ deen; neben dieſen finden ſich, jedoch nur in geringer Anzahl, Formen, die auch auf Savannenbäumen vor⸗ kommen. Dieſer letztere Beſtandteil wird nach oben hin mit der Zunahme des Lichtes vorherrſchend, und die Endzweige der Baumkrone ſind von denſelben grauen Tillandſieen, den dickblätterigen, meiſt knollen⸗ loſen Orchideen und lederigen Farnen wie Stamm und Aeſte der Savannenbäume überwuchert. Die Savannenepiphyten gehören ſämtlich ſolchen Gattungen an, die auch im Urwalde, und zwar mit viel zahlreicheren Arten, vertreten ſind. Dieſer Um⸗ ſtand im Verein mit der Thatſache, daß in den Sa⸗ vannen die terreſtriſche und epiphytiſche Vegetation keine gemeinſamen Arten haben, während im Urwald ein allmählicher Uebergang zwiſchen beiden vorhanden iſt, geſtatten den Schluß, daß die Savannenepi⸗ phyten aus dem Urwalde ſtammen. Der Ur⸗ wald zeigt uns die Entwickelung des Epiphytismus in allen ſeinen Phaſen, von den zugleich terreſtriſch und epiphytiſch lebenden Pflanzen bis zu den aufs einſeitigſte an das Leben auf den Bäumen angepaßten Pflanzen. Der vollſtändige Uebergang einer Art zur epiphytiſchen Lebensweiſe muß ſo erklärt werden, daß ſie nur dem Umſtande, als Epiphyt zu gedeihen, ihre Erhaltung verdankte. Jede neue Eigenſchaft, die einen Epiphyten in den Stand ſetzte, ſich aufwärts, dem Lichte zu, zu bewegen, wurde im Kampfe ums Da⸗ ſein gezüchtet. So entſpricht die etagenmäßige Glie⸗ derung der epiphytiſchen Urwaldvegetation einer ſtei⸗ genden Vervollkommnung der Anpaſſungen. Damit ging aber die Fähigkeit, ſich auch auf dem Boden zu behaupten, immer mehr verloren. Während die Humboldt. — September 1889. Vegetation des Stammes manche Art mit der des Bodens gemein hat, kommt keine Art einer höheren Etage terreſtriſch lebend vor. Ebenſo können ſich auch die einſeitig angepaßten Epiphyten der Savannen⸗ wälder nicht mit der Bodenvegetation vermiſchen. Wie kommt es nun, daß die Savannen nicht ſelbſtändig Epiphyten hervorbrachten? Die Antwort iſt, daß Epiphyten ſich nur da ent⸗ wickeln können, wo der Dampfgehalt der Luft und die Regenmenge groß genug ſind, um terreſtriſchen Gewächſen das Gedeihen auf Bäumen zu geſtatten. Tropiſche Hitze iſt keine Vorbedingung für epiphy⸗ tiſche Lebensweiſe. Dieſe Sätze werden durch fol— gende Thatſachen erwieſen. Die feuchten ſüdlichen Abhänge des öſtlichen Himalaya ſind bis zu einer Höhe von 5000“ mit einer üppigen Vegetation tropiſcher Epiphyten be- deckt. Dieſen treten ungefähr von 4000“ an Typen der nördlichen temperierten Zone (Rhododendron, Vaccinium, Epheu, Vogelbeerbäume, Evonymus 2c.) bei, die mit der Höhe zunehmen und oberhalb 6000“ weit über die tropiſchen Arten vorherrſchen. Alſo auch die Pflanzen der gemäßigten Zone können bei ausreichender Feuchtigkeit epiphytiſch gedeihen. Aber auch Amerika ſelbſt liefert hierfür einen Beweis. Es gibt nämlich dort neben dem tropiſchen noch einen zweiten, weit kleineren Bildungsherd epiphytiſcher Gewächſe, das antarktiſche Wald⸗ gebiet, wo nach Griſebach die Niederſchläge ſo maſſenhaft fallen und die Tage des Regens und um⸗ wölkten Himmels ſo häufig auftreten, wie es außer⸗ halb der Tropenzone ſonſt nur an wenig vereinzelten Orten vorkommt. Die dichten Wälder, welche hier die Küſte bis nach Feuerland bedecken, enthalten eine ſehr üppige und eigenartige, wenn auch nicht ſehr formenreiche Epiphytenvegetation (Schimper führt 18 Arten auf). Ihr merkwürdigſter Beſtandteil iſt eine Liliaceengattung, Luzuriaga. Auch auf Neu⸗Seeland, das mit Süd-Chile auf gleicher Breite liegt und ihm klimatiſch ſehr ähnlich iſt, hat ſich eine autochthone Epiphytenvegetation ent⸗ wickelt; auch hier iſt der eigenartigſte Beſtandteil der Genoſſenſchaft eine Liliacee (Astelia). Neu⸗Seeland iſt das einzige extratropiſche Gebiet der öſtlichen Halb- kugel, welches über 200 em jährlichen Regens beſitzt. In Gebieten mit geringerer Regenmenge finden wir keine autochthone Epiphyten, wohl aber Aus⸗ wanderer aus den feuchten Gebieten. So haben ſich einzelne Epiphyten der amerikaniſchen Tropen, foweit dieſelben als Angehörige der oberſten Etage des Ur⸗ walds xerophil geworden waren, auch in die Sa= vannen und ſogar außerhalb der Wendekreiſe bis nach Argentinien und den ſüdlichen Vereinigten Staaten verbreitet. Humboldt. — September 1889. Verbreitung und Bedeutung oes Eiſens im animaliſchen Organismus. Von Dr. R. Schneider in Berlin. Do das Eiſen im tieriſchen und menſchlichen Körper eine ſehr wichtige Rolle ſpielt, darüber ſind ſeit langem ſchon alle Forſcher einig. Seine regelmäßige Gegenwart und dementſprechende Bedeutung im Blute beſonders war ſchon frühzeitig gewürdigt worden, und Thatſachen aus der praktiſchen Pathologie ſowohl wie phyſiologiſchen Chemie ergaben, daß es darin unentbehrlich ſei. Daher auch die allgemein verbreitete Anſchauung bei Theoretikern und Praktikern, daß die Blutbildung des Eiſens eigentliche und endgültige phyſiologiſche Beſtimmung im animalen Körper ſei. Uebrigens wurden durch weitere chemiſche Unter— ſuchungen auch Eiſenmengen im Magenſafte, dem Chylus, der Galle, der Milz, im Ei und anderen tieriſchen Sekreten und Subſtraten, aber meiſt nur in wechſelnder, unbeſtimmter Quantität, nachgewieſen. Ueber die eigentliche phyſiologiſche Bedeutung des Elementes, die genauere Form der chemiſchen Verbindungen, in denen es ſeine Wege durch den Organismus nimmt, war etwas allgemein Geſetz— mäßiges bisher kaum ermittelt worden. In meiner vor einem Jahre in den Abhandlungen der Königl. Akademie der Wiſſenſchaften veröffent— lichten umfangreicheren Arbeit“) über natürliche „Eiſen— reſorption in tieriſchen Organen und Geweben“ habe ich die erſten zuſammenhängenden Reſultate langer hiſtologiſcher Verſuchsreihen mitgeteilt, welche beſtimmt ſind, Verhalten und Vorkommen des Elementes in den verſchiedenen Organteilen aller wichtigeren Tier— klaſſen genauer feſtzuſtellen, um ſo womöglich, auf dem Wege der vergleichenden Hiſtologie und Ana— tomie, auch zu Aufſchlüſſen allgemeinerer Natur über Zweck und Verbreitung der Eiſenverbindungen im Körper zu gelangen. Mit Hilfe der Ferrocyankalium-(Berlinerblau— Reaktion ſuchte ich die Wanderung des Eiſens durch die Gewebe zu verfolgen. Zunächſt ließ ſich ſeine Gegenwart auch in den feineren Elementen derſelben, im Plasma und Nucleus vieler ſelbſtändiger Zellen, nachweiſen, ſeine Anteilnahme an der hier ſich voll— ziehenden Stoffbildung; ferner, daß der Kern oft eine gewiſſe überwiegende Reſorptionsneigung für das Eiſen beſitzt, andererſeits aber auch das Prinzip eines Eiſen— austauſches zwiſchen Plasma und Kern (beſonders an ſecernierenden Zellen beobachtet) ſich bemerkbar macht, wobei der letztere wiederum als eine Art Speicher für den fraglichen Stoff erſcheint. Aus zahlreichen Nachweiſen derart ergab ſich, daß bei ſehr vielen Tieren das Eiſen in den konſti— ) Abhandlungen der Königl. Preuß. Akademie der Wiſſenſchaften v. Jahre 1888. Berlin. ; Humboldt 1889. * 5 . tuierenden Geweben, und zwar ſtets in oxydiſcher Form, offenbar eine viel hervorragendere Rolle ſpielt als im Blute ſelbſt. Mit Recht hat ein Reeenſent meiner Veröffentlichungen von hiſtologiſchem Stand— punkte aus es als ganz beſonders wunderbar be— zeichnet, daß lebende Gewebe und Zellen überhaupt fähig ſeien, ſolche oft recht beträchtliche Eiſenmengen in natürlichem Zuſtande und auf natürlichem Wege zu reſorbieren. Es war daher auch ſehr begreiflich, wenn die erſten Präparate, in denen ſich die natür— lichen Eiſenreſorptionen durch lebhafte Blaufärbungen der Gewebe, Zellen oder Zellkerne präſentierten, bei den Fachleuten Verwunderung und Zweifel erweckten; viele waren zuerſt nicht von der Anſicht abzubringen, daß es ſich hier überhaupt nur um künſtliche Färbungen oder Injektionen handle, oder daß wenigſtens Eiſen— löſungen auf gewaltſamem Wege vorher in den be— treffenden Tierkörper eingeführt worden ſeien. Als Geſetzmäßigkeit allgemeinſter Natur hatte ſich ſodann eine ganz beſondere Neigung und Fähigkeit zu ſtarken Eiſenreſorptionen bei waſſerbewohnen— den und unterirdiſch lebenden Organismen her— ausgeſtellt, beides wohl erklärlich aus dem hier ge— gebenen größeren Eiſengehalte und der leichteren Zu— gänglichkeit und Aſſimilierbarkeit desſelben für den Körper. Daß dieſe Erſcheinungen indeſſen einen weit univerſelleren Charakter beſitzen, bewieſen ebenſo regel- mäßige und ſtarke Reſorptionen bei Landbewohnern, wie z. B. Landaſſeln, Landſchnecken u. a. Organologiſch betrachtet, hatten ſich typiſche Eiſen— einlagerungen beſonders in der Leber) und bei Ver⸗ tebraten in der Milz ergeben, dann ſehr allgemein in den verſchiedenen Partien und Gewebelagen des Darmes, ferner in gewiſſen, beſonders peripheriſchen Skelettteilen von Vertebraten, in den Nieren, den Hautdrüſenſyſtemen, den verſchiedenſten Haut— und äußeren Kutikularbildungen, letzteres be— ſonders bei Evertebraten. Daß die Leber als her— vorragendes Speicherorgan für das Eiſen im Tier— körper ſchlechthin anzuſehen ſei, lehrten ſämtliche an Wirbeltieren, Mollusken, Kruſtern und Würmern angeſtellten Verſuche. Nach hiſtologiſcher Richtung hin hatten ſich die verſchiedenſten Gewebe und Gewebeelemente als für die natürliche Eiſenaufnahme zugänglich oder empfäng— lich erwieſen: Epithelien, Sekretionszellen, Knorpel— zellen, Eizellen ſo gut wie ſtrukturloſe Membranen. Entſprechend der auch ſchon vorher bei den Phyſio—⸗ logen giltigen Anſicht von einer vorwiegenden Eiſenab— ſonderung durch die Galle. Vergl. Lehmann, Phyſiolog. Chemie S. 198. 43 338 Als regelmäßig eiſenfrei hatten ſich die eigentlichen ſtuskel- und Nervenelemente herausgeſtellt; dagegen ſchienen die hier wie auch anderenorts be— teiligten Bindegewebe in hohem Maße zu Reſorp⸗ tionen zu neigen. Aus allen dieſen Thatſachen, ſo zahlreich und im einzelnen intereſſant ſie waren, umfaſſende hiſtologiſche Geſetze abzuleiten, war bis dahin noch nicht möglich geweſen. Jetzt, nach Durcharbeitung weiteren um⸗ fangreichen Materiales, iſt es, wie ich glaube, ge- lungen, allgemeine Grundgeſetze derart zu erkennen, und an der Zeit, dieſelben in großen Zügen zu charakteriſieren, welcher Aufgabe vorzugsweiſe dieſe Abhandlung gewidmet iſt. Die ſtrengere und ein⸗ gehendere Erörterung der hiſtologiſchen Einzelheiten behalte ich mir für weitere Specialſchriften vor. Meine neueren Unterſuchungsreihen, beſonders an zahlreichen Würmern, Krebſen, Mollusken und Wirbel⸗ tieren ausgeführt, weiſen nun zunächſt, von vielen der ſchon früher erhaltenen Ergebniſſe unterſtützt, mit Entſchiedenheit darauf hin, daß die bei weitem größte Mehrzahl aller wirklich typiſchen und nach— haltigen Eiſenreſorptionen jenen Gewebearten zu⸗ kommt, die man unter dem Namen der Bindeſub⸗ ſtanzen zuſammenzufaſſen pflegt. Jene ſchon in meiner früheren Arbeit beſchriebenen Reſorptionen in Knorpelzellen und Knochenſub⸗ ſtanz, wie ſie bei Proteus und Fiſchen vorkommen, gehören ja auch in dieſe Kategorie. Neuerdings unter⸗ ſuchte Exemplare von Proteus nun zeigten durch⸗ greifende und ſcharf begrenzte Reſorptionen auch in dem geſamten übrigen (dem gewöhnlichen, fibrillären oder interſtitiellen) Bindegewebe, ein Exemplar gleich⸗ mäßig durch den ganzen Körper; in den großen In⸗ termuskularligamenten, in Perimyſium und Sarko⸗ Lemma, — hier bis zwiſchen die feinſten Muskelfascikel eindringend, — in den Bindegewebskörpern der Peri⸗ tonealhäute, in den Kernen der zur Hautdecke ge⸗ hörigen Bindegewebselemente: ein förmliches Eiſen⸗ netz, welches hier die Bindeſubſtanzen vom Centrum bis zur Peripherie herſtellen. Auch die oft mächtigen Eiſenanhäufungen in Leber, Milz und Darm bei denſelben Tieren (Cumuli*) gehören weſentlich den bindegewebigen Grundlagen dieſer Organe an. Eine wahrhaft großartige Rolle ſpielt das Eiſen in den Bindegeweben der Mollusken. Hier zeigte ſich, daß die Leber (bei Land-, Süßwaſſer⸗Gaſtro⸗ poden und Lamellibranchiaten) in ihren Sekretions⸗ zellen ſehr oft jeglichen Eiſengehaltes entbehrte, die davon vorhandenen Mengen vielmehr ausſchließlich der Bindeſubſtanz eingelagert waren. Am charak⸗ teriſtiſchſten und regelmäßigſten erſcheint die Eiſen⸗ einlagerung in dem die Muskellagen zuſammen⸗ haltenden Gewebe, ſo im Fuße, im Mantel und im Spindelmuskel der Gaſtropoden (Limnaea, Planor- bis, Helix) und hier zwar in den zelligen Elementen und den Fibrillen ſowohl wie in der Zwiſchenſubſtanz; ) Vergl. meine Arbeit über Eiſenreſorption a. a. O. S. 42 und Taf. III, Fig. 7 u. 8 Humboldt. — September 1889. desgleichen in den die Eingeweide umhüllenden Binde— häuten. Das Geſamtmeſenchym (Maſchengewebe, Gallertgewebe nach älteren Autoren) der Najaden (Unio, Anodonta) ijt meiſt von unglaublichen Eiſenmengen durchſetzt, welche ſowohl die verſchiedenen Muskelpartien mit förmlichen Strängen verbinden, als auch ſämtliche Eingeweide, die Eizellen ꝛc. mit ihrem Netzwerk umſpannen; im Mantel ſtellen dieſe Eiſenmaſchen zuſammenhängende Verbindungen zwi⸗ ſchen der inneren und der äußeren Epithelſchicht her. Sehr ſchöne Bilder ähnlicher Art geben Quer- und Längsſchnitt durch den Körper egelartiger Wür⸗ mer (nach meinen bisherigen Unterſuchungen beſonders von Clepsine). Den in dreifacher Richtung ſich kreuzenden Muskelſträngen find hier eiſenhaltige Binde- gewebszellen eingelagert, die fic) je nach der Schnitt⸗ führung in Form ſehr regelmäßiger Ketten oder Netze darſtellen, wobei durch den Eiſengehalt auch der ver⸗ bindenden faſerigen Beſtandteile das Ganze in mehr oder minder geſchloſſenem Zuſammenhange ſteht. Auch meine an Regenwürmern fortgeſetzten Verſuche lehren, daß ſich hier die überhaupt vor⸗ handenen Reſorptionen oft nur auf die Bindegewebs⸗ lagen, im Darme oder der Körpermuskulatur, be⸗ ſchränken. Jene charakteriſtiſche Reſorption in der Bindeſubſtanz der kleineren ſchlammbewohnenden Oli⸗ gochäten, wie Tubifex, Lumbriculus, Criodrilus, habe ich ſchon früher erwähnt und abgebildet). Es mußte auffallen, daß gerade Tierkörper mit außerordentlich entwickelter und ſtark kontraktiler Mus⸗ kulatur wie Mollusken oder Hirudineen vor⸗ zugsweiſe die Erſcheinung der Eiſeneinlagerung in die hier beteiligten Bindegewebsſtraten zeigen. Ueber Zweck und Bedeutung der gerade in der Bindeſubſtanz ſo entſchieden dominierenden Eiſenab⸗ lagerung, einer an ſich ſchon hiſtochemiſch wichtigen Thatſache, nachzudenken, liegt außerordentlich nahe. Da man unter den Begriff Bindegewebe ſehr diffe⸗ rente hiſtogene Elemente zuſammenfaßt, — hat doch Henle die ſogen. Bindegewebskörper allein ſchon eine ſehr gemiſchte Geſellſchaft genannt —, die auch offen⸗ bar von ſehr verſchiedener phyſiologiſcher Bedeutung ſein können, ſo iſt es nicht leicht, hier eine auch auf die Eiſenreſorption ſich erſtreckende gemeinſame Be⸗ ziehung abzuleiten. Beim Anblicke gewiſſer Objekte und Präparate beſonders drängt ſich unwillkürlich die Vermutung auf, daß der Eiſengehalt hier eine Art hiſtomechaniſchen Haltes gewähre, gewiſſermaßen die Bindekraft dieſer Gewebe erhöhe. Nun darf allerdings nicht behauptet werden, daß alle Bindegewebsarten dem ausſchließlichen Zwecke dienten, die mit ihnen in Zuſammenhang ſtehenden Elemente, Gewebe oder Organe zu verbinden; indes wird man doch vielen dieſer Gebilde (den peritonealen oder intermuskulären z. B.) eine verwandte Funktion nicht abſprechen können, wohin auch die Urteile be⸗ währter Autoren, wie Leydig, Gegenbaur oder Häckel gehen, — und dann freilich erſcheint der Um⸗ *) A. a. O. Taf. I, Fig. 6. Humboldt. — September 1889. ftand, daß das Eiſen gerade hier eine Art Haupt- ruhepunkt findet, immerhin beziehungsreich. Die Vorſtellung einer event. feſtigenden oder bin- denden Kraft des Eiſens im tieriſchen Gewebe darf auch nicht, etwa im Anſchluſſe an die ſonſtigen be— kannten Eigenſchaften des Metalles als ſolchen, zu wörtlich genommen werden, inſofern es ſich ja hier gar nicht um Eiſen im reguliniſchen Zuſtande, ſon— dern um oxydiſche, dem Eiweiß angehörige Verbin— dungskomplexe handelt. Nur von dem Standpunkte aus, daß dieſer immerhin anorganiſch-metalliſche Körper der organiſchen Grundlage, welche er durchſetzt, ein widerſtandsfähigeres und dauerhafteres Gefüge ver— leiht (wie es der Kalk in anderen Fällen ebenfalls thut), vielleicht auch im Sinne eines Kittes oder Haftmittels wirkt, wird man dieſe Anſicht vertreten dürfen. Daß Kalk und Eiſen im Tierkörper auch geradezu Hand in Hand gehen können, habe ich ſchon mehrfach nachgewieſen; ſo gehört der Eiſengehalt in den peripheriſchen Bindegeweben gehäuſebildender Gaſtropoden urſprünglich weſentlich den dort ſich ausſcheidenden ſphäriſchen Kalkkonkretionen an, die zur Neubildung der Schale verwendet werden?). Uebrigens dürfte für unſeren Fall auch der Zu— ſammenhang der Bindegewebe mit der Lymphbil— dung (und im weiteren Sinne auch Blutbildung) bemerkenswert ſein. In den Spalten der Binde— gewebe, beſonders der fibrillären, ſammelt ſich eine mit der Lymphe identiſche Flüſſigkeit, und man be— trachtet daher dieſe Spalträume als die Anfänge des Lymphgefäßſyſtemes, deſſen geformte Elemente oder Lymphkörperchen (mit den farbloſen Blutzellen iden— tiſch) wahrſcheinlich überhaupt von Bindegewebszellen abzuleiten find **). Daß dieſe Anſchauung nicht unberechtigt ijt, da- für ſpricht eine Beobachtung, die ich ſoeben an zahl— reichen Larven von Pelobates fuscus Wagler und Bufo cinereus L. (aus den Gräben der Jungfern— haide bei Berlin) gemacht habe. Bei dieſen Ba— trachierlarven iſt bekanntlich das Lymphgefäßſyſtem in auffälligem Maße entwickelt; in allen Bindege— webslagen (der Haut, des Darmes ꝛc.) können die Lymphgänge bis zu den feinſten Ausläufern hin ſcharf verfolgt werden. Alle dieſe Teile der mir vorliegen— den Exemplare nun ergeben außerordentlich lebhafte Eiſenreaktionen. Beſonders an friſchen Hautabſchnitten kann ich deutlich erkennen, daß die in den Gängen maſſenhaft aufgeſpeicherten Lymphkörperchen ſämt— lich eiſenhaltige Zellkerne beſitzen, andererſeits die dazwiſchen im Stroma verbreiteten Bindegewebs— körper ebenfalls eiſenhaltig ſind. Der Eiſengehalt in den feinſten Endigungen der lymphatiſchen Räume ſcheint mit dem der Bindegewebskörper in Konnex zu ſtehen und beides durch Vermittelung feinkörniger Eiſenmengen ineinander überzugehen. Hier wäre alſo eine erſichtliche Beziehung zwiſchen dem Eiſen im Bindegewebe und demjenigen embryonaler Blut- *) A. d. O. Taf. III, Fig. 1. ) Vergl. z. B. Claus, Zoologie 1885, S. 27. 339 bildung gegeben. Daß gerade die Kerne der Lymph- zellen es ſind, welche auch hier wieder das Eiſen in ſich konzentrieren, dürfte ebenfalls, der ſchon oben vertretenen Anſicht entſprechend, den Zellkern als einen Stoffſpeicher erſcheinen laſſen. Ausführliche Erörterung dieſes intereſſanten Falles folgt demnächſt. Aber neben jenem fo ungemein verbreiteten Vor— kommen des Eiſens im Bereiche des Bindegewebes weiſen ähnlich typiſche Ablagerungen dieſes Stoffes in den äußeren Hüllen animaliſcher Körper, alſo beſonders im Hautſyſteme, ebenfalls auf eine beſtimmte zweckentſprechende oder nutzengewährende Funktion hin. Fälle derart habe ich in meiner oben eitierten Arbeit ebenfalls ſchon aufgezählt“) und daran die Vermutung geknüpft, daß das Eiſen gerade hier die Rolle eines ſchützenden, dichtenden oder feſtigenden Subſtrates übernehmen dürfte. So konnte ich als häufig wieder- kehrende Erſcheinung eine oft ſehr intenſive Eiſen— ablagerung konſtatieren in den äußeren Hüllen von Eiern (Daphniden), Eiſäckchen (Cyklopen), Wurm⸗ cocons (ſchlammbewohnende Oligochäten), ſowie der Gemmulae (Winterknoſpen von Spongilla fluvia- tilis L.); ferner im organiſchen Teile vieler Mol— luskenſchalen, den Kutikularüberzügen von Bryozoen und Hydroidpolypen, den Borſten gewiſſer Olt gochäten. Ebenſo typiſche, aber mehr mechaniſch äußerliche Kutikularauflagerungen von Eiſenoxyd zeigten beſtimmte, oft gerade beſonderen Schutzes be— dürftige Körperpartien von Phryganidenlarven und Gammariden aus eiſenreichen Gewäſſern! ). Seitdem iſt mir neues reichliches Material derart, welches den Kreis dieſer fpeciellen Beobachtung und der ſich daran knüpfenden Betrachtungen weſentlich erweitern dürfte, durch die Hände gegangen. Unſer gewöhnlicher Flußkrebs zeigt mit ftereo- typer Regelmäßigkeit eine Reihe von Erſcheinungen, welche, nach verſchiedenen Richtungen hinweiſend und doch im Punkte der Kauſalität ſehr wohl kongruierend, die Bedeutung des Eiſens vielleicht ganz beſonders gut zu beleuchten imſtande ſind. Bei den Weibchen des Astacus nämlich iſt zunächſt die ganze äußere zarte Eihülle ſtark eiſenhaltig, oft ſo ſtark, daß die Eier ſelbſt von einem förmlichen Eiſenmantel um⸗ hüllt ſind. Dieſe Membranen aber ſetzen ſich, der Subſtanz und dem Urſprunge nach mit dieſer durch— aus identiſch, in die kutikulierte Bindehaut fort, welche die Eihaufen an den Pleopoden (Schwimmfüßen) des Abdomens zu befeſtigen hat; auch die Haarborſten der Pleopoden ſind daher überall ſtark von der eiſenhaltigen Bindemaſſe inkruſtiert und verklebt. Dieſes ganze, das Ei umhüllende und verbindende häutige Subſtrat erhärtet aus dem von beſonderen Drüſen zu dieſem Zwecke abgeſonderten Kittſekret. Die kutikulierende Subſtanz hat alſo hier einmal den Zweck, die Eier *) A. a. O. S. 52, 53. **) Erſt kürzlich habe ich aber auch nachweiſen können, daß die ziemlich weiche Kutikula der Libellulidenlarven (aus gewöhnlichem Sumpfwaſſer) eine komplette Eiſendecke trägt; bei Asellus aquaticus L. pflegt dies auch die Regel zu ſein. 340 an den Hinterleib anzukitten, und zweitens den, das einzelne Ei mit einer Art Schutzhülle zu um⸗ geben: — und gerade hier tritt das Eiſen als ein regelmäßiges und an Menge hervorſtechendes Acci⸗ denz ein! Bei genauerer Unterſuchung der einzelnen Krebseier findet man häufig ſolche, denen ihrerſeits wieder ein oder mehrere Eier von Branchiobdella parasita Henle (dem Krebsegel) angekittet find. Die geſamten Hüllen dieſer paraſitiſch anſitzenden Branchiobdella⸗ eier ſind ebenfalls ſehr deutlich eiſenhaltig, ebenſo auch die direkt angekitteten Stiele derſelben, und zwar letztere durch ihre ganze Maſſe. Die gerade als ſtark eiſenhaltig erkannte Subſtanz wirkt alſo auch hier gleichzeitig als ſchützendes ſowohl wie auch als bin⸗ dendes Moment; ſie bezeichnet die Spur einer eigen⸗ tümlichen Wechſelwirkung und -beziehung, da fie dem Krebsei ſowohl wie dem Paraſitenei gleichzeitig Schutz und Halt gewährt. Während der Wurm beim Ab⸗ ſetzen ſeiner Eier ſeinerſeits das Eiſen in die ſchützen⸗ den und ankittenden Schichten mitverarbeitet, thut der Krebs das Gleiche, — und die eiſenhaltige Hülle ſeiner Eier dient ſo event. doppeltem Zwecke: das Krebsei vor etwaigen Einflüſſen der paraſitiſchen Körper zu ſchützen und letztere ſelbſt ſich feſter an⸗ heften zu laſſen. Die Gehäuſe gewiſſer in den Krebskiemen para⸗ ſitierenden Protozoen, beſonders von Vaginicola Pancerii Nini, fand ich auch regelmäßig eiſenhaltig 2. beſonders ſtark unten an dem kurzen Stiele, mittels deſſen der kleine Chitinbecher angeklebt iſt. (Die⸗ ſelben Organismen mit demſelben Eiſengehalte, zu⸗ weilen in fabelhafter Menge, beobachtete ich übrigens auch mehrfach an den Kiemen von Asellus aquaticus.) Auch hier würde die eiſenhaltige Schicht, nach der Analogie des eben erwähnten Falles, ſchützende und feſtigende Funktion haben. Da die organiſche Grund⸗ lage dieſer Gehäuſe durch ihre ganze Maſſe homogen eiſenhaltig iſt (ohne daß man alſo einzelne Partikel oder mechaniſche Einlagerungen beobachten kann), ſo muß das Eiſen ſchon bei der Abſonderung und Bil⸗ dung des Gehäuſes ſelbſt von dem bildenden Sekrete in oxydiſcher Form chemiſch gebunden worden ſein. Da die Kiemengewebe ſelbſt meiſt ſo gut wie eiſenfrei ſind, ſo liegt es nahe, anzunehmen, daß das in dem durchſtreichenden Atemwaſſer enthaltene Eiſen hier verarbeitet wird. Daß überhaupt bei geſellig para⸗ ſitiſchen Protozoen Eiſenreſorptionen derart eine Rolle ſpielen, habe ich ſchon an Vorticellen, Carche— ſien u. a. nachgewieſen ). Die auch gelegentlich an den Kiemenbüſcheln an⸗ geklebten Eier des kleineren Branchiobdella astaci Odier verhalten ſich hinſichtlich der Eiſenreſorption wie die von B. parasita. Intereſſant dürfte auch ) Sie erſcheinen im normalen Zuſtande gewöhnlich licht eitronengelb und werden nach der Ferrocyankalium⸗ Reaktion ſofort ſchön ultramarinblau, ſchon dem bloßen Auge als winzige blaue Punkte wahrnehmbar. ei Oh S 9, 0), Bos Humboldt. — September 1889. die Thatſache fein, daß die regelmäßig in den Krebs— kiemen fic) findenden Thallusfäden (einer Sapro⸗ legniacee?) ihre bräunliche Farbe einem deutlich nach—⸗ weisbaren Eiſengehalte verdanken. Endlich kann noch von Astacus erwähnt werden, daß die zahlreichen Borſten, Haare und Dornen an Kiefern, Bewegungsorganen, Floſſenanhängen 2c. immer mehr oder minder ſtarke Eiſenkonzentrationen zeigen. Bei den meiſten Gruppen dieſer Gebilde handelt es ſich offenbar nur um eine mehr mechaniſche, äußerliche Auflagerung von aus dem umgebenden Medium, alſo dem Waſſer, ausgeſchiedenem Eiſen, wie auch das ganze Skelett eigentümliche, mit der Kalkmaſſe oft in ſehr feſtem Konnexe ſtehende Auf— lagerungen derart zeigt. Jene bräunlichen flexiblen Borſtenbüſchel aber (auch bei Hommarus, Palinurus u. a. marinen Kruſtern vorhanden), welche beſonders an den Greiffingern der Kaufüße, Scheren und vor- deren Beinpaare ſtehen, enthalten das Eiſenoxyd in ihrer ganzen chitinöſen Subſtanz und erſcheinen da⸗ her nach Vornahme der Ferrocyankalium-Reaktion durch und durch tiefblau. Die innere ſcharfe Kante des Greiffingers an den Scherenfüßen (den beiden vor- deren Fußpaaren) ſtellt zwiſchen jenen Borſtenbüſcheln eine fein gezähnelte Leiſte dar, welche ebenfalls durch Eiſenreichtum ausgezeichnet iſt. Man könnte an⸗ nehmen, daß das Eiſen in dieſen Organen den hier mangelnden Kalk erſetze und, unbeſchadet ihrer Ela— ſticität, eine gewiſſe Feſtigung verurſache. Dabei iſt noch als intereſſant hinzuzufügen, daß auch bei ma⸗ rinen Verwandten (an Hommarus, Palinurus, Pa- gurus, Cancer, Careinus bisher beobachtet) die ent⸗ ſprechenden Borſtenſyſteme denſelben typiſchen Eiſen⸗ gehalt beſitzen, während die umgebenden Körper- und Skelettteile meiſt frei davon ſind; ein Hinweis darauf, daß ſelbſt in dem verhältnismäßig eiſenarmen Meer⸗ waſſer hier gerade eine lokale Verwertung des Eiſens, offenbar zu beſtimmtem Zwecke, erſtrebt wird. Neben jenen von mir ſchon mitgeteilten Fällen, wo das Eiſen ſich regelmäßig in die kutikulierte Cocon⸗ hülle, mit welcher gewiſſe Würmer ihre Eier um⸗ geben, einlagert, wie z. B. bei den Oligochäten Lumbriculus und Tubifex, kann ich hier noch den neuerer Zeit beobachteten von Criodrilus lacuum Hoffm., eines z. B. im Spreeſchlamme allgemein ver- breiteten Borſtenwurmes, erwähnen. Die großen, langgeſtreckten Cocons desſelben waren in allen von mir beobachteten Fällen durch ihre ganze häutige Maſſe ſtark eiſenhaltig und rührt alſo die bräun⸗ liche Farbe zum Teil davon her. Bei der Unterſuchung Byſſus abſondernder Lamellibranchiaten fand ſich, daß die kutikulierte Subſtanz dieſes zum Anheften oder gegenſeitigen Verwachſen dienenden Organes mehr oder weniger eiſenhaltig zu ſein pflegt. Bisher konnte ich es bei Dreyssena polymorpha Pallas und Mytilus edu- lis L., der bekannten Miesmuſchel, nachweiſen. Da⸗ bei ließ bei den meiſten zur Unterſuchung gekommenen Fällen der Inhalt der Byſſusdrüſe ſelbſt, ſowie die ſich daran ſchließende Fußfurche deutlichen Eiſengehalt Humboldt. — September 1889. 341 ,fllür Fig. Vu. VID Accumulation. Sekretion. Reſorption. J Afterſuß vom Flußkrebs mit den angetlebten Eiern (ſtart vergr.). Bei Br. paraſitiſche Branchiobdella-Gier; bei ov. ausgetretenes Krebsei. — II Greiffinger vom erſten Jußpaare des Flüßkrebſes. a von der Innenfläche; b von der Seite; e deinzelne Borſten; d eine ſolche im Querſchnitt. (Stärter vergr.) — III Borſtenreihe vom erſten Fußpaare eines Cancer ſſtart vergr). Bei b einzelne Borſte (noch ſtärker vergr). — IV Die tutitulierten Kiemenſtützen von Unio. (Das Epithel nur angedeutet.) (Start vergr.) — IVa Zahnreihe vom Schellfiſch (ſtart vergr.). Bei p Papillen. — Eiſenverbreitung im Körper von Unio. me Mesenchym; im Mantel; m.s Mantelſekret; k Kiemen; d Darm; | Leber. (Halbſchematiſcher Querſchnitt) — VI Eiſenverbreitung im Körper eines Proteus. i Zwiſchenmuskel- Bindegewebe; hb Haut⸗Bindegewebe; s Sartolemma ; dr Hautdrüſen; w Wirbelfaule; p Peritoneum; d Darm; | Leber. (Schematiſcher Querſchnitt.) 3 (Die eiſenhaltigen Teile find in allen Figuren ſchwarz gehalten.) ae 342 erkennen, was dafür ſprechen würde, daß das Sekret als ſolches ſchon eiſenhaltig ausgeſchieden wird. In⸗ deſſen ſcheint mir, hier wie auch bei jenem Kittſekrete des Krebſes, ein Teil wenigſtens des im Byſſus ver⸗ arbeiteten Eiſenoxydes erſt während des äußerlich verlaufenden Spinn- und Kutikulierungsprozeſſes aus dem Waſſer ausgeſchieden und mit dem organiſchen Subſtrate chemiſch verſchmolzen zu werden, letzteres beſonders an den plattenförmigen Enderweiterungen der Byſſusfäden. Ueber den Nachweis kleiner Eiſen⸗ mengen im Byſſusſekrete finde ich übrigens ſchon anderenorts Angaben ). Daß die Schalen Fluß und Teich bewohnender Muſcheltiere wie Anodonta und Unio in ihrer or⸗ ganiſchen Hautlage eiſenhaltig ſind unter beſonderer Anhäufung des Stoffes an den konzentriſchen Ring⸗ linien, iſt nach ſchon früher von mir nachgewieſenen Geſetzmäßigkeiten, Molluskengehäuſe betreffend, ſelbſt⸗ verſtändlich. Wie ſchon oben erwähnt, ſtellt der Körper gerade der Najaden eine wahre Fundgrube und Sammelſtätte für die intenſivſten Eiſenreſorptionen dar, und bei den enormen Eiſenmengen, die hier regelmäßig und dauernd in den Körper aufgenommen werden, erſcheint es begreiflich, wenn ein gewiſſer Teil davon auch immer wieder auf dem Wege der Sekretion abgeſtoßen wird. Dieſer Prozeß vollzieht ſich in der That und in ſehr deutlich verfolgbarer Weiſe an den Mantelrändern, deren Drüſenſekret die von ihm gebildete Schale gleichzeitig mit Eiſenoxyd verſieht, die bei weitem größte Menge davon aber direkt an dem äußerſten Schalenrande und zwar in ſeiner ganzen Ausdehnung, beſonders indes an der Bauchſeite, abſetzt, alſo da, wo die beiden Klappen beim Schluſſe beſonders feſt zuſammengepreßt werden. (Vergl. den Querſchnitt von Unio, Figur 5, bei m. s.) Dieſer äußerſte, ziemlich biegſame und nachgiebige Schalenſaum ergab ſich bei den meiſten der unterſuchten Exemplare als noch ſehr kalkarm, vielmehr im weſentlichen als ein Kutikularſubſtrat mit mächtigem Eiſengehalte. Man könnte meinen, daß durch dieſe elaſtiſche, aber ſehr widerſtandsfähige Verſchlußform ein ſichereres und dichteres Zuſammen⸗ halten der Schalen bedingt wird. Uebrigens kann man ganze Partien des untern Mantelrandes ab⸗ präparieren, an denen noch die friſch ausgeſchiedene, eben erhärtete Eiſenſekretmaſſe, meiſt durch orange⸗ bräunliche Färbung markiert, anſitzt. Es wäre auch denkbar, daß dieſe Eiſenumrandung eine Art Siche⸗ rung gegen zerſtörende und infektiöſe Einflüſſe para⸗ ſitiſcher Organismen aus Tier- oder Pflanzenreich gewährt, wie vielleicht auch in anderen ähnlichen von mir an Waſſertieren nachgewieſenen Fällen. Auch jene zarten, aus kutikuliertem Bindegewebe hervorgegangenen Stäbchen, welche die Kiemen— blätter der Muſcheltiere zu ſpannen und zu ſtützen haben („chitiniſierte Stützen“ nennt fie Leydig ge- radezu! ), find bei Unio und Anodonta immer eiſen⸗ ) Schmarda, Zoologie II, S. 243. ) Leydig, Hiſtologie S. 385. Humboldt. — September 1889. haltig, ſo daß ſie nach Vornahme der Reaktion das Bild eines ungemein zierlichen blauen Gitterwerkes geben, während die umkleidenden Epithellagen farb- los bleiben. Es ſteht die hier ſich geltend machende Eiſenanhäufung in offenbarem Zuſammenhange mit der auffällig ſtarken Neigung des Geſamtbindegewebes bei den Najaden überhaupt, größere Eiſenmengen in ſich abzulagern; gerade jene Organe aber ſind, bei ihrer ſpeeifiſchen Funktion, wohl geeignet, die Be— deutung der Eiſenverwertung im Muſchelkörper zu beleuchten. Von einem intereſſanten Analogon dazu, die Kiemen der Fiſche betreffend, habe ich übrigens ſchon früher berichtet*); auch bei dieſen find die ſtützenden (hier natürlich knöchernen oder knorpeligen) Kiemenſtrahlen und ſchützenden Kiemenſtacheln ſehr häufig eiſenreich, während die weicheren Umhüllungen frei ſind. Ich möchte hier noch hinzufügen, daß die von mir unterſuchten Najaden keineswegs etwa von beſonders eiſenreicher Fundſtätte herrühren, ſondern aus der Spree, dem Schlachtenſee, dem Riemeiſter bei Berlin und ähnlichen Orten. Schon v. Bibra hatte nachgewieſen, daß die ziegelrote bis mattgelbe Färbung des Schmelzüber⸗ zuges an den Nagezähnen vieler Nager (3. B. beim Biber, Eichhörnchen, der Ratte 2c.) von einem ziem⸗ lich bedeutenden Eiſengehalte herrühre, der den Kalk— ſalzen beigemengt iſt; dasſelbe iſt an den ſchwarz⸗ braunen Spitzen der Vorderzähne von Sorieiden der Fall. Gerade dieſe vom Eiſen bevorzugten Ab⸗ ſonderungsſtellen dürften der Anſicht Raum geben, daß dem Eiſen im tieriſchen Organismus mit Vor⸗ liebe die Rolle eines feſtigenden oder ſchützenden Me⸗ diums zufalle. Um ſo mehr hier, wenn man erwägt, daß dieſe Art Zähne einer beſtändigen und verhältnis⸗ mäßig ſchnell ſich vollziehenden Abnutzung und Wieder⸗ neubildung ausgeſetzt ſind. Ich bin aber imſtande, auf Grund breiter und eingehender Unterſuchungen das Geſetz vom Eiſen in den Zähnen bedeutend zu erweitern und zwar fol⸗ gendergeſtalt: Die Zähne aller Fiſche (und zwar ſämtliche der hier fo verſchiedenartigen Zahn⸗ ſorten, ſo auch die Schlund-, Zungen- und Bürſten⸗ zähne), ſowie auch die aller Amphibien (Rana, Salamandra, Triton, Proteus) haben in den Ueber⸗ zügen ihrer Kronen oder Spitzen eine meiſt ſtarke Eiſenreſorption aufzuweiſen. In dieſes hochintereſ⸗ ſante und für unſere Geſamtbetrachtung wichtige Geſetz ſind Süßwaſſer und Meer bewohnende Fiſche gleichmäßig eingeſchloſſen; Aal, Barſch, Wels, Hecht, Lachs und Bitterling ſo gut wie Dorſch, Schellfiſch oder Seeſkorpion zeigen durchgehends dieſe Erſchei⸗ nung. Beſagte auffällige Eiſenkonzentration iſt keines⸗ wegs eine rein mechaniſch oberflächliche, in dem Sinne etwa, daß die hier regelmäßig vorhandenen Eiſen— mengen ſich erſt dem vollentwickelten Zahne aus der äußeren Umgebung anlagern, ſondern dieſelben finden ſich ſchon in den Papillen, alſo den erſt in der Ent⸗ Ne Dy Ss Siri Humboldt. — September 1889. 343 wickelung begriffenen und teilweiſe noch von Epi— thelien bedeckten Zahnkeimen ?), hier meiſt in noch konzentrierterer Anhäufung, um von da aus dann in die äußere Schichtlage der fertigen Kronen, gleich— ſam als ſchützender Mantel, überzugehen. Bei allen dieſer Geſetzmäßigkeit unterworfenen Vertebraten ſind offenbar die Einflüſſe des Waſſer⸗ aufenthaltes beteiligt, entſprechend dem ſchon von mir gegebenen allgemeinen Hinweiſe, daß Waſſerbewohner vorzugsweiſe zu typiſchen und ſtarken Eiſenreſorp— tionen neigen; denn auch die landbewohnenden Am— phibien leben im Larvenzuſtande ja ſämtlich im Waſſer und bringen die Zahnreſorption ſchon aus dieſem Stadium in das der vollkommenen Entwickelung mit. Da ein wirkliches Schmelzorgan den Zähnen der Fiſche und Amphibien fehlt“), fo kann man die Eiſen⸗ hülle eventuell als einen im Waſſer geeigneteren Er— jas für jenes auffaſſen. Gerade hier aber bei Zahn— gebilden, welche beſtändig der Berührung mit dem Waſſer und ſeinen mikroſkopiſchen Bewohnern aus- geſetzt ſind, liegt es nahe, an eine Art Schutzhülle gegen ſeptiſche oder infektiöſe Einflüſſe zu denken, wenn man nicht gleichzeitig eine direkte mineraliſche Feſtigung oder mechaniſche Bindung der Kalkſalze durch das Eiſen annehmen will. Faßt man nun alle dieſe Fälle einer mehr äußer— lichen Eiſenaufſpeicherung an den verſchiedenſten Tier— körpern — und die Reihe ließe ſich noch weſentlich vergrößern — zuſammen, ſo wird man ſich der An— ſchauung nicht verſchließen können, daß das Element hier eine beſtimmte, dem Organismus zu gute kom— mende Funktion zu übernehmen habe; daß es ſich hier um das ſpecielle Prinzip einer größeren Har- tung, Dichtung, Bindung oder Sicherung handle, dafür ſcheinen gerade die zuletzt beſchriebenen That⸗ ſachen mit einer gewiſſen Unabweislichkeit zu ſprechen. Daß die Eiſeneinlagerung alſo ein die Kutiku— largebilde charakteriſierendes Moment iſt, würde von dieſem Geſichtspunkte aus ſehr wohl verſtändlich erſcheinen. In vielen dieſer Fälle aber ſind derartige, meiſt ſehr auffällige äußerliche Eiſenaccumulationen, wie wir geſehen haben, offenbar das Reſultat ſekre— toriſcher Thätigkeit (wie bei Astacus, den Gaſtro— poden oder den Lamellibranchiaten). Die Sekretion des Eiſens, wie ſie beſonders durch die peripheriſchen Deckengewebe, alſo die Hautlagen reſp. deren Drüſen— ſyſteme, ſtattfindet, wird oft zunächſt als Abfuhr über⸗ ſchüſſiger, d. h. im inneren Organismus unverwert⸗ Dieſe Thatſache habe ich ſchon in meiner voran⸗ gegangenen Arbeit an Salamandra und Proteus nach⸗ gewieſen und näher beſchrieben. Vergl. a. a. O. S. 41, 42 und Taf. III. Fig. 10. **) Vergl. Leydig, Hiſtologie S. 302. Nach neueren Unterſuchungen erlangt die Knochenſubſtanz mancher Fiſch— zähne oberflächlich eine ſchmelzartige Dichtigkeit. Vergl. Heincke. Die Zähne niederer Wirbeltiere. Zeitſchr. f. wiſſ. Zoolog. XXIII. 1873. 1 barer Mengen aufzufaſſen fein*), welche aber dafür häufig noch eine äußerliche, dem Körper irgendwie zu ſtatten kommende Verwendung finden. In an- deren Fällen mag, wie auch ſchon angedeutet, die Aufnahme der Haupteiſenmengen durch das betreffende Sekret erſt außerhalb des Körpers aus dem Waſſer oder deſſen Beimengungen erfolgen. (Skelettbildende Protozoen, Bryozoen, vielleicht auch Astacus.) **) Hält man neben dieſe Erſcheinungen jene auch ſo ſehr verbreitete und durchgreifende von der Eiſen— reſorption in den verſchiedenſten Bin degewebs— formen und deren Derivaten (Knorpel, Knochen— gewebe 2c.), wo eine gewiſſe ſtereotype und perſiſtente Gegenwart des Eiſens an innere Feſtigung oder Sicherung irgend welcher Art ebenfalls denken läßt, ſo bekommt man einerſeits ein hiſtologiſches Geſamt— bild von der allgemeinen Verbreitung dieſes Stoffes im Tierkörper, andererſeits eine wenigſtens ungefähre Vorſtellung von der kauſalen Bedeutung der Sache. Dieſe Thatſachen ſind denn doch zu allgemein und in großen Tiergruppen und ganzen Typen zu weit verbreitet, als daß man hier von nur Gelegentlichem oder Zufälligem ſprechen könnte. Daß dabei noch vieles zu klären, durch weitere zahlreiche Experimente zu erhärten übrig bleibt, iſt ſelbſtverſtändlich. Man wird, um ein klares Bild vom wirklichen Verbleibe und der eigentlichen Verwertung unſeres Elementes im Körper zu gewinnen, ſehr genau die verſchiedenen Stadien der Eiſenreſorption hinſichtlich ihrer phyſiologiſchen Funktion reſp. der verſchiedenen Organe und Gewebe, in denen ſich die Reſorption gerade findet, zu unterſcheiden haben. Beſonders werden mehr zufällige oder ausnahms- weiſe Erſcheinungen derart von den typifden und weſentlichen, vorübergehende und labile von den wirk— lich konſtanten und ausdauernden ſtreng zu ſichten ſein. Man wird wohl zu ſondern haben die Wege der Eiſenreſorption durch den Körper von dem eigent— lichen Sitze derſelben. Dünnſchnitte, nach möglichſt verſchiedenen Achſenrichtungen durch ganze Organismen oder ganze zuſammenhängende Organgruppen gelegt und an recht zahlreichen, verſchiedenen Fundſtätten entſtammenden Exemplaren ausgeführt, geben am eheſten und ſicherſten Aufſchluß über dieſe Verhält— niſſe. Das hiſtochemiſch-mikroſkopiſche Experiment iſt fo vielleicht geeignet, auch das wichtige phyſio— logiſche Problem von der Bedeutung des Eiſens im animaliſchen Körper zu löſen. Man wird im allgemeinen drei phyſiologiſche Phaſen, reſp. Status der Eiſenreſorption feſthalten müſſen, die, wie es ſcheint, in ganz beſtimmten Organ⸗ Dafür ſprechen auch meine Beobachtungen über den häufigen Eiſengehalt der Hautdrüſen bei manchen Wür⸗ mern (Hirudineen z. B.), ſowie die frappant ſtarke Eiſenausſcheidung aus den Hautdrüſen eines Proteus, den ich kürzlich unterſuchte und deſſen ganze Oberhaut— ſchicht dadurch mit einer förmlichen Eiſendecke umhüllt war. ) Wie auch Eiweißkörper aus ſelbſt ſehr ſchwach eiſen⸗ haltigen Löſungen das Eiſen ſehr ſchnell chemiſch auf— nehmen und binden. 344 und Gewebegruppen, ihrer Funktion entſprechend, zum Ausdruck kommen und gleichzeitig die Haupt⸗ ſtadien im Kreislaufe des allgemeinen Stoffwechſels repräſentieren. Erſtlich, die urſprüngliche Reſorption im engeren Sinne, d. h. die erſte Aufnahme des Eiſens in den Körper nebſt den fic) daran ſchließen⸗ den unmittelbaren Aſſimilationsprozeſſen. Die Spuren dieſer ſind es wohl weſentlich, die fic) in den inne- ren Lagen des Traktus, eventuell auch in den hepatiſchen Zellen finden. Es wird nicht Wunder nehmen, wenn ſich dieſe Art Reſorptionen nicht immer und überall mit gleicher Regelmäßigkeit antreffen laſſen, ihnen vielmehr ein ambulanter Charakter zu⸗ kommt, je nach dem augenblicklichen Zuſtande der Eiſenaufnahme oder des Eiſenverbrauches. Zweitens die Accumulation, die eigentliche Eiſenablagerung in mehr bleibender, perſiſtenter Form und dementſprechend auch vorherrſchend in hiſtogene Schichten feſterer Struktur, wie beſonders die Binde⸗ gewebe, auch in das der Leber, als hervorragenden Speicherorganes für Eiſen (und das der Milz), ſowie des Darmes. Ebendahin würden aber auch die ſtereo⸗ typen Aufſpeicherungen in den Blutkörpern oder überhaupt dem Blute und in den Genitalproduk⸗ ten, ſpeciell den Eiern, vieler Tiere zu ziehen ſein. Drittens die Sekretion, die Ausſcheidung über⸗ ſchüſſigen Eiſens, wie fie beſonders durch das Haut⸗ ſyſtem zu erfolgen ſcheint und häufig jene Ein- und Auflagerungen an Ober hautdecken und äußer⸗ lichen Kutikulargebilden bedingt. Dabei iſt freilich noch eine direkte innere Eiſen⸗ ſekretion der ſecernierenden Leberzellen hinzuzufügen, wie eine ſolche bei Vertebraten wenigſtens (Fiſchen, Salamandrinen) nach einigen meiner Beobachtungen wohl ſtatthaben kann). Re⸗ ſorption im engeren Sinne und Sekretion berühren ſich alſo in dieſem für die geſamte Eiſen⸗ verarbeitung jo wichtigen Eentralorgane. Der entgegengeſetzte Fall, d. h. eine direkte Eiſen⸗ aufnahme, alſo Reſorption im engeren Sinne, durch die äußeren Hautdecken hindurch, hat ſich bei keinem einzigen meiner bisherigen zahlreichen Verſuche mit Sicherheit ergeben. Eine ſolche wäre denkbar bei gewiſſen niedrigeren und niedrigſten Organismen, bei denen aus Mangel ſelbſtändiger Atmungsorgane eine ausſchließliche Reſpiration der geſamten Körperhaut vorliegt, wie etwa bei Cyklo pen), ) Cbenſo vielleicht auch hin und wieder in gewiſſen Abſchnitten des Traktus, da nicht nur in der Galle, ſon⸗ dern gelegentlich auch im Magenſafte und Chylus Eiſen nachgewieſen worden iſt. — Vergl. a. a. O. S. 47. **) Auf die Möglichkeit einer Beeinfluſſung in dieſem Sinne bei den Kopepoden habe ich ſchon hingewieſen. Vergl. a. a. O. S. 22. Eine neuerdings von mir ge⸗ machte Entdeckung an Hydren ſcheint allerdings auch da⸗ für zu ſprechen. — Auch Winogradsky bringt die Eiſen⸗ ablagerungen der Eiſenbakterien mit eigentümlichen Reſpirationsprozeſſen in Zuſammenhang. Vergl. Bota⸗ niſche Zeitung, Jahrgang 1888 Nr. 17. Humboldt. — September 1889. manchen Würmern, Hydren, Protozoen. Bei allen anderen und beſonders höher organiſierten Tier— körpern aber ſcheint dieſe Möglichkeit völlig ausge— ſchloſſen zu ſein. Es wird hierdurch übrigens die auch von ärztlich-balneologiſcher Seite aufgeworfene und vielfach ventilierte Frage berührt, ob nämlich bei Gebrauch von Eiſenbädern die menſchlichen Haut⸗ ſchichten für das Eiſen durchgängig ſeien. Nach vor⸗ liegenden zoologiſchen Analogien zu ſchließen, wäre dieſe Frage zu verneinen. Selbſt Fiſche, von mir lange Zeit hindurch in ſehr eiſenreichem Waſſer ge— halten, ließen keine nachweisbaren Spuren einer durch die Haut erfolgten Reſorption, dagegen um ſo kräf— tigere einer innerlichen erkennen?). Zu jenem Grundgeſetze, die Verteilung der Eiſen— reſorption betreffend, will ich noch hinzufügen, daß gewiſſe Reſultate neuerer entwickelungsgeſchichtlicher Unterſuchungen über das Eiſen im Schneckenei, mit denen ich augenblicklich noch beſchäftigt bin, auch ihrerſeits, nach ontogenetiſcher Richtung hin, jenes Geſetz zu beſtätigen ſcheinen. Das wunderbare und völlig geſetzmäßige Vorhandenſein von recht erheb— lichen Eiſenmengen gerade in den Schneckeneiern ſichert dem Prinzip der Eiſenreſorption auch für die entwickelungsgeſchichtliche Hiſtochem ie ohne Zweifel eine gewiſſe Bedeutung. An dieſer Stelle will ich vorläufig nur darüber bemerken, daß auch hier ein ganz beſtimmter embryonaler Ver— lauf der Reſorption zu verfolgen iſt, daß dieſe auch hier ſchon an beſtimmte Elemente und Schichten⸗ anlagen gebunden erſcheint, von da aus bis zur völligen Entwickelung des Organismus ſich teils re⸗ duzierend, teils auf gewiſſe charakteriſtiſche Organe konzentrierend. Aus alledem wird jedenfalls hervorgehen, daß Verbreitung und Bedeutung des Eiſens im Tier⸗ körper eine weit allgemeinere und eingreifendere iſt, als man bisher annahm und wußte. Die landläufige Anſicht, daß das Eiſen nur zum Zwecke der Blut⸗ bildung in den animaliſchen Körper aufgenommen werde, daß ſeine Beſtimmung mit der Konſtitution dieſes wichtigen Subſtrates erfüllt und abgeſchloſſen fet, muß danach als mindeſtens ſehr einſeitig ange- ſehen werden. Daß es ſich in den durch alle Körper⸗ teile eirkulierenden und alle ernährenden Säften ganz allgemein und oft in auffälliger Menge findet, iſt zunächſt ganz natürlich, ja unbedingt notwendig. Andererſeits ſind ſehr typiſche Eiſenreſorptionen auch bei Organismen tieferer Stufe nachgewieſen worden, wo von wirklichem Blute noch gar nicht die Rede iſt (Turbellarien, Cölenteraten, Spongillen, Protozoen). Wir werden das Blut nicht als den Endzweck der Eiſenaſſimilation, ſondern mehr als das Mittel zum Zwecke bei den meiſten Tieren zu betrachten haben. Wenn man, trotz der großen Regelmäßigkeit und Häufigkeit dieſer Reſorptionserſcheinungen, beſonders in gewiſſen Tiertypen oder -gruppen auch immer *) A. a. O. S. 40. Humboldt. — September 1889. 345 wieder Exemplare, Arten oder ganze Sippen antrifft, wo jene fehlen oder nur in kaum bemerkenswerten Spuren vorhanden ſind (wie z. B. bei den meiſten Inſekten), ſo kann dies die Gültigkeit des Geſetzes im großen Ganzen nicht umſtoßen, auch im Grunde weiter nicht wunder nehmen. Abgeſehen davon, daß manche dieſer Reſorptionsprozeſſe eben nur gelegent- liche, periodiſche oder temporäre ſind, iſt es ganz wohl denkbar, daß gewiſſe Gruppen, gewiſſe Arten oder ſogar gewiſſe Individuen derſelben Art geringere Fähigkeit, Neigung oder phyſiologiſches Bedürfnis, das Eiſen in charakteriſtiſcher Weiſe zu verarbeiten, beſitzen als andere. Man kann an der Hand aller dieſer Faktoren auch wohl zu der Vermutung kom— men, daß Individuen oder Arten, welche in den dauernden Beſitz typiſcher Eiſenreſorptionen gelangt ſind, ſich vor anderen ſolcher ermangelnden nach irgend einer Richtung hin im Vorteile befinden und ſich, ſo— wie ihre Brut (da z. B., wo die Eier durch Eiſen— membranen geſchützt ſind) gegen gewiſſe ſchädliche, oder zerſtörende Einflüſſe, wie ſie der Kampf ums Daſein mit ſich bringt, beſſer zu ſichern wiſſen als jene. Damit wäre alſo auch ein beſtimmtes phyſio— logiſches Prinzip der Selektion und in wei— terer Konſequenz ein Moment der Abänderung ge— geben“). Eine ſolche Beeinfluſſung ſogar der feineren *) Daß Eiſenablagerung ſogar ein Moment ſexueller Selektion ausmachen kann, dafür ſprechen die neueren Beobachtungen von Girtanner über die roſtfarbenen Federn an der Unterſeite des Lämmergeiers, welche danach das Prachtkleid des Vogels charakteriſieren und deren eiſenhaltige Farbe keineswegs durch äußerliche Umſtände (etwa durch Baden in eiſenhaltigem Waſſer, wie man viel— fach meinte) an das Gefieder gebracht wird, vielmehr einen integrierenden, von der Nahrung abhängigen Beſtandteil ausmacht, ähnlich wie das Kupfer in den bekannten roten Flügelfedern des Turaco oder den grünen des Piſangfreſſers. An Gypaétos-Federn derart, welche mir Profeſſor Krukenberg überſandt hatte, konnte ich nur undeutliche Spuren einer aus dem Innern ſtammenden Eiſenreſorption nachweiſen. — Vergl. Krukenberg: Grund- züge einer vergleichenden Phyſiologie der Farbſtoffe und der Farben. (Vergl. phyſiolog. Vorträge Bd. 1, Heft 3. Heidelberg 1884. S. 97 und 175. Anm. 30 und 31.) Gewebeelemente, wie Plasma und Nucleus, durch einen beſtimmten Stoff, wie ſie im Verlaufe dieſer Arbeiten nachgewieſen worden iſt, läßt in der That auch an eine allmähliche Modifizierung der hiſtogenen Körper— beſtandteile und damit ſchließlich des Geſamtkörpers in chemiſcher oder biologiſcher Beziehung denken. Zum Schluſſe will ich noch bemerken, daß auch die wichtige und vorläufig noch recht dunkle Chloro— phyllfrage, die Beziehung des Eiſens zu jenem organiſchen Stoffe betreffend, durch dieſe hiſtologiſchen Unterſuchungen geſtreift wird und vielleicht von dieſer, der zoologiſchen Seite aus, Klärungen erwarten darf. Daß eine ſolche Beziehung beſteht, dafür ſprechen gewiſſe chemiſch⸗botaniſche Experimente. Daß anderer⸗ ſeits das Eiſen ein integrierend chemiſcher Beſtand— teil des Blattgrüns ſein ſolle, wird von den meiſten auf Grund analytiſcher Ergebniſſe beſtritten. Von mir angeſtellte Beobachtungen, über die ich ſchon in meiner früheren Arbeit kurz berichtete“), haben nun ergeben, daß jene in Infuſorien paraſitierenden chlorophyllhaltigen Algen (Symbionten) unter gewiſſen Bedingungen durch eiſenhaltige oder teilweiſe eiſenhaltige erſetzt werden können. Noch bedeutſamere Erſcheinungen ähnlicher Art boten mir abgeänderte Exemplare von Hydra viridis L. dar, bei denen für verloren gegangenes ſymbiotäres Chlorophyll Eiſen, wie es ſcheint, als Sauerſtoff übertragendes Element eintritt. Daß dem Eiſen im Tierkörper überhaupt dieſe phyſiologiſch-chemiſche Bedeutung, die des Sauerſtoff— übertragers und -vermittlers — eventuell neben jener vorhin erörterten hiſtomechaniſchen — zukomme, dafür ſprechen nicht nur dieſe an niedrigeren Organismen direkt beobachteten Thatſachen, ſondern es würden mit dieſer Vorſtellung auch alle jene Erſcheinungen, welche das Eiſen im Blute, den Lymphkörpern, den Bindegeweben bietet, ganz gut zuſammenſtimmen. Sollten ſich die letzterwähnten, an Protozoen und Cölenteraten geſammelten Erfahrungen in noch wet- terem, überzeugenderem Umfange beſtätigen, ſo würde ſich daraus auch eine gewiſſe indirekte Beziehung des Eiſens zum Chlorophyll im allgemeinen ergeben. ) A. a. O. S. 9. Sortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Chemie. Von Dr. M. Albrecht in Biebrich. Desmotropie. Einfluß des Lichtes auf chemiſche Reaktionen. Neue Synthejen mittels Aluminiumchlorid. Syntheſe der Harnſäure. von Atomgruppen. Grrdation ungeſättigter Verbindungen. Schwefelſäure als Ueberträger Syringin. Wirkſame Beſtandteile der Betelnuß. Mikroſkopiſch⸗chemiſche Analyſe. Desmotropie. Die Erſcheinungen der Iſomerie auf dem Gebiete der Kohlenſtoffverbindungen zeigen im großen Ganzen eine bewunderungswürdige Uebereinſtimmung mit der herrſchenden Strukturtheorie. Es ſind jedoch auch Fälle bekannt geworden, in denen die Thatſachen nicht im Cin- Humboldt 1889. klang mit der Theorie ſtehen. Dieſe Abweichungen von der Regel gehen nach zwei Richtungen. Einmal ſind mehr iſomere Verbindungen darſtellbar, als die Theorie erwarten läßt, das andere Mal geſtattet die Theorie Iſomerien vor⸗ auszuſetzen, welche in Wirklichkeit nicht exiſtieren. Die 44 346 Fälle erſterer Art haben Wislicenus u. a. zur Annahme der „geometriſchen Iſomerie“ geführt. Nach dieſer An⸗ ſchauung kann die Verſchiedenheit zweier chemiſcher Ver⸗ bindungen, wenn bei gleicher Zahl und Art der das Mo⸗ lekül zuſammenſetzenden Atome auch die Reihenfolge gleich iſt, mit welcher ſie untereinander verbunden ſind, nur durch die verſchiedene väumliche Lagerung dieſer Atome erklärt werden. Die ältere van't Hoff'ſche Hypotheſe von der tetrasdriſchen Anordnung der vier Valenzen am Kohlen⸗ ſtoffatom gab für dieſe Erweiterung der Strukturtheorie die Grundlage und durch zahlreiche Arbeiten weiter aus⸗ gebildet, hat die Lehre von der geometriſchen Iſomerie die Erklärung für eine Reihe von Iſomeriefällen geliefert, welche mit der reinen Strukturtheorie im Widerſpruch zu ſtehen ſchienen. Wir kennen nun aber auch eine Anzahl von Fällen, in denen Identität ſtatt erwarteter Iſomerie ſtatthat. Ein⸗ zelne chemiſche Verbindungen zeigen gewiſſermaßen eine Doppelnatur, indem ihr verſchiedenartiges Verhalten bei ſonſt als typiſch geltenden Reaktionen verſchiedenartige Schlüſſe auf ihre Konſtitution geſtattet. Die auf Grund eines ſolchen Verhaltens aufzuſtellenden verſchiedenen Kon⸗ ſtitutionsformeln unterſcheiden ſich durch die verſchiedene Verteilung von Waſſerſtoffatomen im Molekül. Die Er⸗ ſcheinung, mit der wir es hier zu thun haben, wird als Tautomerie oder Desmotropie bezeichnet. Laar (Ber. 18. 648; 19. 730) ſieht als Urſache der Tautomerie einen beſtändigen Platzwechſel der leicht beweglichen Waſſerſtoff⸗ atome an, ſo daß die den ableitbaren Konſtitutionsformeln entſprechenden Verteilungen der Waſſerſtoffatome nur als Phaſen einer intramolekularen Bewegung zu betrachten ſind. Baeyer, Hantſch u. a. vertreten die Anſicht, daß die be⸗ zeichnete Erſcheinung durch die Exiſtenz von labilen Atom⸗ gruppierungen neben den ſtabilen, d. i. normalen Gleich⸗ gewichtslagen zu erklären ſei, daß alſo der Körper in zwei verſchiedenen „desmotropen“ Zuſtänden wirklich zu exi⸗ ſtieren vermag. Man ſieht, daß dieſe Anſchauungsweiſe dem Begriff der Iſomerie ſehr nahe kommt; allein das charakteriſtiſche Kennzeichen der Desmotropie iſt, daß unter beſtimmten phyſikaliſchen Bedingungen nur ein einziger der desmotropen Zuſtände (wenigſtens für den feſten Aggregat⸗ zuſtand) ſtabil erſcheint. Von weitaus der Mehrzahl der tautomeren Körper iſt nur die unter gewöhnlichen Ver⸗ hältniſſen beſtändige Erſcheinungsform bekannt. Hantſch hat uns indeſſen auch mit Verbindungen bekannt gemacht, welche verſchiedene Erſcheinungsformen beſitzen, die durch Veränderung der äußeren Bedingungen ineinander über⸗ gehen. Die eine Form iſt z. B. nur bei gewöhnlicher Temperatur beſtändig, der erwähnte Uebergang findet bei bloßem Temperaturwechſel, ja ſogar bei unter beſonderen Vorſichtsmaßregeln erfolgter Abkühlung durch bloßes Be⸗ rühren ſtatt. Da, wie oben erwähnt, die Formeln tauto⸗ merer Körper ſich nur durch die verſchiedene Verteilung von Waſſerſtoffatomen unterſcheiden, ſo kann man die Des⸗ motropie als einen jpectellen Fall der Iſomerie, als eine Waſſerſtoffiſomerie betrachten. Ein tautomerer Körper zeigt demgemäß in denjenigen Derivaten keine Desmotropie mehr, in welchen die betreffenden Waſſerſtoffatome entfernt oder durch ſtabile Gruppen erſetzt ſind. (Ber. 21. 1754.) Einfluß des Lichtes auf chemiſche Reak- Humboldt. — September 1889. tionen. Eine ätheriſche Löſung von Benzil CgH;.CO. CO. gls bleibt im Dunkeln oder im zerſtreuten Tageslicht völlig unverändert, im direkten Sonnenlicht beginnt nach etwa 4 Stunden freiwillig die Ausſcheidung eines neuen Körpers, welcher die Zuſammenſetzung Crzl1g203 beſitzt und eine Doppelverbindung des um zwei Waſſerſtoffatome rei— cheren Benzoins Coll. CHCOH)CO . CHs mit zwei Mole⸗ külen Benzil darſtellt. Es findet alſo eine partielle Re- duktion des Benzils und zwar auf Koſten des Aethers ſtatt, in welchem es gelöſt iſt. Der hierdurch gebildete Aldehyd kann leicht in der Flüſſigkeit nachgewieſen werden. Phen⸗ anthrenchinon C1411802 wird unter den angegebenen Be⸗ dingungen ebenfalls in kurzer Zeit reduziert und geht voll⸗ ſtändig in Phenanthrenhydrochinon Cy ,He(OH)s tiber. (Klinger Ber. 19. 1862.) Auch das gewöhnliche Chinon C6402 liefert, in alkoholiſcher Löſung dem Sonnenlicht ausgeſetzt, feine Reduktionsprodukte Chinhydron Cl2HSO0 200 H) 2 und Hydrochinon CeH,(OH)g; bei ſehr langer Einwirkung des Lichtes auf eine alkoholiſche Nitrobenzollöſung konnte ſogar Anilin nachgewieſen werden. (Ciamician und Silber, Ber. 19. 2899.) Klinger zeigt ferner (Ann. 249. 137), daß das Licht nicht nur Reduktionen, ſondern auch Subſtitution veranlaſſen kann. Phenanthrenchinon und Acetaldehyd liefern ſchon bei kurzer Einwirkung des Lichtes Mono⸗ acetylphenanthrenhydrochinon CyyHy0, + CH3;CHO = CyyHg(OH)(OC2H30). Aus Phenanthrenchinon und Benzal⸗ dehyd entſteht in gleicher Weiſe Monobenzolylphenanthren⸗ hydrochinon. Bei dieſen beiden Reaktionen wird alſo das Chinon auf Koſten des Aldehyds reduziert, der Aldehydreſt ſelbſt geht in den Säurereſt über, welcher mit dem durch die Reduktion entſtandenen Phenol zu einem Säurereſte zuſammentritt. Bemerkenswert iſt folgendes: Während die Pflanzen am lebhafteſten aſſimilieren, wenn ſie durch Licht, welches der weniger brechbaren Hälfte des Spektrums an⸗ gehört, beleuchtet werden, gehen die erwähnten Syntheſen im blauen Licht (Cuprammoniumlöſung) 30 —40mal leb⸗ hafter als im gelben (Bichromatlöſung) vor ſich. Schramm ſtudierte den Einfluß des Lichtes bei der Einwirkung der Halogene auf aromatiſche Kohlenwaſſerſtoffe. Es iſt bekannt, daß die Halogene in der Kälte in den Kern, in der Hitze in die Seitenkette ſubſtituierend ein⸗ treten. In der nämlichen Richtung wirken nun Dunkelheit und direktes Sonnenlicht. Im Dunkeln erfolgt Erſatz der Waſſerſtoffatome des Kerns, im direkten Sonnenlicht da⸗ gegen, auch wenn für genügende Abkühlung geſorgt iſt, in der Seitenkette. Was die Subſtitution in der Seiten⸗ kette anbetrifft, ſo zeigen ſich jedoch auch Unterſchiede in der Wirkung des Lichtes und der erhöhten Temperatur, inſofern, als die Halogenatome an verſchiedenen Stellen eintreten können. Aus Aethylbenzol und Brom wird am Licht das Dibromäthylbenzol von der Zuſammen⸗ ſetzung CgH;.CBro.CH3, bei Siedetemperatur dagegen C.H;.CHBr.CHyBr gebildet. (Monatsh. f. Chemie 9. 842.) Neue Syntheſen mittels Aluminiumchlorid. Zu den Reaktionen, deren Mechanismus trotz vielfacher Bemühungen noch nicht völlig aufgeklärt werden konnte, gehören die namentlich von Friedel und Crafts bewirkten Syntheſen mittels Aluminiumchlorid. Werden aromatiſche Kohlenwaſſerſtoffe mit Halogenalkylen erwärmt, ſo erfolgt keine Reaktion; wird jedoch dem Gemenge eine geringe Humboldt. — September 1889. 347 Menge Aluminiumchlorid zugeſetzt, fo treten die Alkylreſte in das Benzolmolekül ein. So entſteht aus Benzol und Methylchlorid Tetramethylbenzol, aus Toluol und Methyl- chlorid ſämtliche Homologen vom Dimethylbenzol bis zum Hexamethylbenzol. Auch Säureradicale ſind unter Zu— hilfenahme von Aluminiumchlorid in das Benzolmolekül eingeführt worden, wobei Ketone gebildet werden. Noch merkwürdiger iſt die Wirkungsweiſe des Aluminiumchlorids bei einigen Reaktionen, welche neuerdings ebenfalls von Friedel und Crafts (Ann. Chem. Phyſ. 14. 433) entdeckt worden ſind. Hiernach wirken ſelbſt Sauerſtoff, Schwefel und Kohlenſäure auf Benzolkohlenwaſſerſtoffe ein, wenn Aluminiumchlorid zugegen iſt. Trockener Sauerſtoff wird von einem Gemenge von Benzol und Aluminiumchlorid ſchon in der Kälte abſorbiert; behandelt man dann die Miſchung mit Waſſer, ſo erhält man aus der Löſung direkt reines Phenol: Cells + O = CgH;(OH). Außerdem ent⸗ ſtehen ölige rotgefärbte Verbindungen, welche Umwand— lungsprodukte des Phenols darſtellen. Toluol liefert unter denſelben Bedingungen Kreſol: CIS + O = CzH;(OH). Erwärmt man Benzol mit Schwefel und Aluminiumchlorid, auf 75—80°, fo werden Phenylmercaptan C,.H;SH, Phenylſulfid (Ce Hf) 28 und Phenyldiſulfid (C6 Hg) 282 ge⸗ bildet. Benzol und Kohlenſäure vereinigen ſich unter Mitwirkung von Aluminiumchlorid bei etwa 80° zu Benzosſäure: Cells = COg = Ces. CO 2H. So ein⸗ fach dieſe Reaktionen erſcheinen, ſo iſt doch die Wirkungs— weiſe des Aluminiumchlorids noch keineswegs völlig erkannt. Man vermutet, daß ſich bei allen dieſen Reaktionen zu⸗ nächſt eine beſonders reaktionsfähige metallorganiſche Zwi— ſchenverbindung bildet: CeH6 + AloCle = CgH;Al,Cl; + HCl. Indeſſen find alle Verſuche, dieſelbe zu iſolieren, bisher fehlgeſchlagen. Aehnliche Verhältniſſe wie bei den Reaktionen mittels Aluminiumchlorid mögen in den Fällen obwalten, wo Schwefelſäure die Rolle eines Ueberträgers ſpielt. (Vgl. Neumann, Schwefelſäure als Jodüberträger, dieſe Zeitſchr. 1888 S. 438.) Hierfür hat Jacobſen neue Beiträge ge— liefert (Ber. 20. 896; 21. 2814). Tetramethylbenzol und Pentamethylbenzol werden durch konzentrierte Schwefelſäure ſchon bei gewöhnlicher Temperatur in die nächſt niedriger und die nächſt höher methylierten Benzole übergeführt. Tetramethylbenzol liefert alſo Trimethylbenzol und Penta— methylbenzol: 2 C06 Halt CHg) Y = CgH3(CH3)3 + CgH(CHs);. Pentamethylbenzol gibt Tetra- und Hexamethylbenzol: 2 CgH(CH3)3 = CgHo(CH3), + Cg(CH3),. Die Schwefelſäure übt alſo hier eine differenzierende Wir- kung aus, indem aus einem Molekül der betreffenden Ver⸗ bindung eine Methylgruppe gegen Waſſerſtoff aus einem zweiten Molekül derſelben Verbindung ausgetauſcht wird. Pentaäthylbenzol wird in ganz analoger Weiſe in Tetra— und Hexaäthylbenzol umgewandelt, ſo daß die Länge der Seitenketten kein Hindernis für die Reaktion zu bieten ſcheint. Oxydation ungeſättigter Verbindungen. Unter ungeſättigten organiſchen Verbindungen verſteht man, wie bekannt, ſolche, die fic) von Kohlenwaſſerſtoffen ab- leiten, welche weniger Waſſerſtoff enthalten, als der allge— meinen Formel CyHgn+9 entſpricht. Nach den Lehren . der Strukturtheorie ſind in den ungeſättigten Verbindungen zwei benachbarte Kohlenſtoffatome nicht wie in den geſättig⸗ ten durch eine Affinität, ſondern durch zwei oder drei Affinitäten verbunden. Die ungeſättigten Verbindungen enthalten daher die Gruppe —CH=CH— oder —C=C—. Durch Addition von Waſſerſtoff oder Halogenen gehen die ungeſättigten Verbindungen unter Auflöſung der mehr— fachen Bindungen in geſättigte Verbindungen über. Unter dem Einfluß von Oxydationsmitteln hat man meiſt eine Spaltung der ungeſättigten Verbindungen an der Stelle der mehrfachen Bindung beobachtet. Jeder der losgelöſten Teile wird dann für ſich oxydiert und geht in das unter den gegebenen Verhältniſſen beſtändigſte Oxydationsprodukt über. Eine Reihe neuerer Arbeiten hat nun gezeigt, daß dieſer Vorgang, welcher vor längerer Zeit von Kekulé als Regel aufgeſtellt worden iſt, nur bei energiſcher Oxydation ftattfindet, daß bei vorſichtiger Oxydation die Kohlenſtoff⸗ kette erhalten bleibt. Die erſte Wirkung der Sauerftoff- zufuhr iſt die, daß an die doppelt gebundenen Kohlenſtoff⸗ atome Hydroxylgruppen angelagert werden. Es entſtehen alſo unter Umwandlung der Gruppe —CH=CH— in —CH(OH)—CH(ON)— geſättigte Verbindungen. Dieſer Nachweis wurde für die ungeſättigten Kohlenwaſſerſtoffe und Alkohole der Fettreihe von G. Wagner, für die ungeſättigten Fettſäuren von Saytzeff und von Hazura und für die der aromatiſchen Reihe von Fittig geführt. Die erwähnte Reaktion ſcheint mithin eine ganz allgemeine zu ſein und bietet daher ein Mittel, um zu entſcheiden, welche Kohlenſtoffatome nach unſerer heutigen Anſchaunngsweiſe durch doppelte Bindung verknüpft ſind. Hazura machte beſonders die noch wenig ſtudierten ungeſättigten Fettſäuren, welche in Form ihrer Glycerin— äther die trocknenden Oele bilden, zum Gegenſtand ſeiner Unterſuchung. Die trocknenden Oele, wie Leinöl, Hanföl, Nußöl u. ſ. w., beſtehen aus den Glycerinäthern der Säuren: CisII3402 Oelſäure Cis 3202 Linolſäure, Linolenſäure, CisH3002 Iſolinolenſäure. Dieſelben gehen ſämtlich bei der Oxydation in ge— ſättigte Oxyfettſäuren über, indem ſie ſo viel Hydroxyl— gruppen addieren, als ſie freie Valenzen enthalten. Da die normale Säure der achtzehnten Reihe Stearinſäure iſt, fo werden Oxyſtearinſäuren erhalten. Es liefern alſo: Oelſäure — Dioxyſtearinſäure, Linolſäure — Tetraoxyſtearinſäure, Linolenſäure Iſolinolenſäure Die Oxydation der ungeſättigten Säuren bewirkt auch der Sauerſtoff der Luft. Hierauf und auf der dadurch veranlaßten Ausſcheidung feſter Oxydationsprodukte beruht, wie bekannt, das Trocknen der Oele. Von den eingehen- den Unterſuchungen, welche Hazura auch über dieſen Punkt anſtellte, erwähnen wir nur folgendes: Die Hauptbeſtand⸗ teile der rohen Säuren des Leinöls ſind Linolſäure und Oelſäure; Linolenſäure und Jſolinolenſäure find in geringerer Menge vorhanden. Von dieſen beteiligen ſich am Trocknen nur Linol-, Linolen- und Jſolinolenſäure, — Hexpaoxyſtearinſäure. 348 Oelſäure liefert kein feſtes Oxydationsprodukt. Die rohen Säuregemiſche, wie ſie aus den natürlichen Oelen durch Verſeifen erhalten werden, trocknen um ſo ſchneller, je mehr Linolſäure ſie enthalten. Zwiſchen der Oxydation der trocknenden Säuren und ihrer Salze beſteht kein Unter⸗ ſchied. Werden dünne Lagen der trocknenden Oelſäuren jahrelang der Luft ausgeſetzt, ſo findet nach beendeter Oxydation eine Art Anhydridbildung ſtatt, wobei harzige ätherunlösliche Produkte entſtehen. Beim Trocknen der Oele ſelbſt beginnt die Oxydation bei dem Glycerin und geht dann auf die Säuren über. (Monatshefte für Chemie. 9. 459.) Syntheſe der Harnſäure. Seit Wöhler's Ent⸗ deckung der künſtlichen Bildung des Harnſtoffes hat es nicht an Verſuchen gefehlt, auch die Syntheſe der Harnſäure zu verwirklichen. Dieſe phyſiologiſch ſo wichtige Subſtanz gehört zu den beſtunterſuchten organiſchen Verbindungen, über ihre Konſtitution herrſchte ſeit den Arbeiten von G. Fiſcher kein Zweifel mehr und doch iſt ihr ſynthetiſcher Aufbau erſt ganz neuerdings gelungen. Kleine Mengen von Harnſäure ſind ſchon vor einigen Jahren von Hor⸗ baczewski (Monatshefte für Chemie 8. 201) durch Erhitzen von Harnſtoff mit Trichlormilchſäure künſtlich dargeſtellt worden; eine glatte Syntheſe verdanken wir jedoch erſt Behrend und Rooſen (Ann. 251. 235). Die Harnſäure iſt als ein Säurederivat des Harnſtoffes aufzufaſſen, wie deren bereits eine ganze Anzahl bekannt ſind. Dieſe Ver⸗ bindungen ſind den Säureamiden analog konſtituiert, indem ebenſo wie in dieſen Waſſerſtoffatome des Ammo⸗ niaks, ſo in jenen Waſſerſtoffatome des Harnſtoffes durch Säureradikale vertreten find, z. B. NHo.CoH30 Acetamid 0 Acetylharnſtoff. Auch zweiwertige Säuren können in das Harnſtoffmolekül eintreten und dieſe vermögen wiederum zwei Harnſtoff⸗ moleküle zu ſogenannten Diureiden zu vereinigen. Zu den Diureiden gehört beiſpielsweiſe das in der Allantoisflüſſig⸗ keit der Kühe enthaltene Allantoin, welches das Diureid der Glyoxylſäure darſtellt: NH—CH—NH—CO CO< | | NH—CO NH» Die Harnſäure ſelbſt iſt nun als das Diureid einer Säure C(OH)9: C(OH). COOH (Trioxyacrylſäure) aufzufaſſen. Von Harnſtoff und Aceteſſigäther ausgehend, gelang es Behrend und Rooſen auf einem Umwege, der hier nicht näher ver⸗ folgt ſein möge, ein Ureid darzuſtellen, welches aus einem Molekül dieſer Säure und einem Molekül Harnſtoff beſteht: Allantoin. NH- CH (OE). CO >CO. NH—CO Wird dieſes Ureid mit einem Molekül Harnſtoff und kon⸗ zentrierter Schwefelſäure erwärmt, fo geht es unter Ab⸗ ſpaltung von 2 Molekülen Waſſer glatt in: NH—C—NH CO< Sat aS CO, das iſt Harnſäure über. NH—CO—C-— NH Durch eingehende Verſuche wurde nachgewieſen, daß die ſo erhaltene künſtliche Harnſäure mit der natürlichen Säure in allen Punkten identiſch iſt. Syringin. Zu der im Pflanzenreiche weit ver⸗ Humboldt. — September 1889. breiteten Gruppe der Glukoſide gehört das Syringin, eine in der Rinde von Syringa vulgaris und Ligustrum vul- gare enthaltene kryſtalliſierte Subſtanz von der Zuſammen⸗ ſetzung Cy7HoO9. Das Syringin iſt ſeiner Konſtitution nach ein genaues Abbild des Coniferins Ci6l12208. Dieſes liefert bei der Spaltung Glukoſe und Coniferylalkohol, CH: CH . CH OH CsHs 28" JJ I Austritt 822 Y Tauri 1420 R Canis maj. 987 U Coron 1570 U Cephei 1043 Algol 1670 U Cephei 957 U Ophiuchi 1723 R Canis maj. 1521 Algol 71 Y Tauri 7 24 m P. ae 6576 | 1240 Algol 1486 U Cephei 8 347 A. f. 6 774 U Coronæ ! Merkur, am 15. in unterer Konjunktion mit der Sonne, kommt ſchon am 31. in ſeine größte weſtliche Ausweichung und kann bei ſehr klarer Luft eine Stunde vor Sonnenaufgang tief am Oſtſüdoſthorizont mit bloßem Auge geſehen werden. Venus durchwandert die Sternbilder des Löwen und der Jungfrau und paſſiert in der Nacht des 17. in einer nördlichen Entfernung von 1½ Monddurchmeſſern 8 Virginis. Am 1. paſſiert Venus Mars und es findet eine hübſche Konſtellation der beiden Paare Venus⸗Mars und Saturn⸗Regulus ſtatt. Ihr Aufgang erfolgt anfangs um 3 Uhr, zuletzt um 4½ Uhr morgens. Mars durchwandert das Sternbild des Löwen und geht anfangs wenige Minuten, zuletzt eine Viertelſtunde vor 3 Uhr morgens auf. Jupiter, im Sternbild des Schützen, geht anfangs um 91/4 Uhr, zuletzt um 7è Uhr abends unter. Am 16. iſt der Schatten ſeines IV. Trabanten auf ſeiner Scheibe ſichtbar. Saturn, nahe öſtlich von Regulus, geht anfangs um 2½ Uhr morgens, zuletzt / Stunden nach Mitternacht auf. Uranus kommt am 15. in Konjunktion mit der Sonne und ijt unſichtbar. Neptun iſt rückläufig im Sternbild des Stiers nahe weſtlich von den Hyaden. Die Veränderlichen des Algoltypus bieten alle bis auf 5 Libre, welcher Stern in den Sonnenſtrahlen ver⸗ ſchwunden iſt, Gelegenheit zur Beobachtung ihres kleinſten Lichtes; bei S Cancri iſt nur die aufſteigende Lichtkurve am 15. zu erhalten. Dr. E. Hartwig. | > Vulkane und Erdbeben. Ueber das Erdbeben vom 13. Juni, welches im Sſe⸗ | gallan find drei Brücken zertrümmert. Das Bett der Flüſſe miretſchjegebiet in Mittelaſien ſtattfand, iſt jetzt ein hat fic) geändert, die Ufer find zerriſſen und ſtellen⸗ amtlicher Bericht erſchienen. Nach ihm ſtürzten in Prſhe⸗ weiſe geſunken; aus den Bodenerhebungen trat Waſſer her⸗ walsk alle Schornſteine zuſammen, die Gebäude erhielten vor. Bis Sſaſanowka hat der Weg Riſſe, von denen einige Riſſe und ſonſtige Beſchädigungen. Aehnlich lauten die 1 Arſchin breit und 4 Arſchin tief ſind. In Preobraſhensk Meldungen aus Teplokljutſchinsk und Dſherges. In Dſher⸗ | find Kirche und Schule teilweiſe geborſten, die Station iſt Humboldt. — Oftober 1889. zerſtört, ebenſo die neue Brücke über die Tjura. In Ujtal ſind alle 29 Häuſer und das Magazin zerſtört, 7 Men— ſchen getötet, 4 verwundet. In Sſaſanowka ſind alle 167 Häuſer teils eingeſtürzt, teils ſchwer beſchädigt, 10 Per- ſonen ſchwer, 23 leicht verletzt. In den kirgiſiſchen Ge— meinden Kenſſuikaja und Turanagyrskaja haben 14 Men⸗ ſchen das Leben eingebüßt. Im Gebirge iſt viel Vieh umgekommen. In Werny iſt ein Teil, in Dſcharkane find ſämtliche Gebäude beſchädigt. Bei Pawlodow, wo die Er⸗ ſchütterung zwei Minuten anhielt, geriet der Fluß Irtyſch in ſtürmiſche Bewegung. In den Dörfern Michalowskoje und Seizewskoje wurden viele Gebäude, in Malowsduoſe alle Häuſer zerſtört, in der Karowskaja Landgemeinde ſtürzten in allen Dörfern die Häuſer ein und es kamen 17 Menſchen um. In Werny wiederholte ſich das Erdbeben in der Nacht zum 14. Juli. Starke Erderſchütterungen dauerten ununterbrochen an. Das Centrum der ſtärkſten Erſchütterungen befindet fic) zwiſchen Sſaſanowka und Preobraſhensk, von Kungeij-Alauta gegenüber Werny bis Prſhewalsk. Weſtwärts von Sſaſanowka waren die Er— ſchütterungen ſchwächer. Aus Havanna wird unter dem 5. Juli gemeldet: In der Nähe von Matanzas ſind plötzlich große Riſſe und Spalten in der Erdoberfläche entſtanden, was große Be— ſtürzung unter den in der Nachbarſchaft wohn enden Per— ſonen hervorgerufen hat. Einige dieſer Spalten haben eine Länge bis zu 600, eine Breite bis zu 24 und eine Tiefe bis zu 20 Fuß. Ein mehrere Sekunden dauernder Erdſtoß wurde am 15. Juli abends auf der ſchottiſchen Inſel Arran und an der Weſtküſte von Cantyre verſpürt. Gleichzeitig ver— nahm man ein dumpfes unterirdiſches Geräuſch, während das Wetter zu der Zeit kühl und klar war. Die Leute ſtürzten vor Schrecken aus ihren Häuſern. Ein Erdbeben hat am 16. Juli in Werny (Si⸗ birien) gewütet, bedeutenden Schaden angerichtet und viele Häuſer zerſtört. Die Stöße dauerten über eine Stunde und erſtreckten ſich auf einen weiten Umkreis. Es entſtanden Spalten in der Erde, und die Menſchen konnten ſich nicht auf den Füßen halten. In Peyerbach (Niederöſterreich) wurde am 19. Juli früh 7 Uhr 5 Minuten ein Erdbeben mit zweimaligen Stößen verſpürt. Dasſelbe fand in der Richtung von Nord nach Süd ſtatt und hat 7 Sekunden lang angedauert. Es wurde auch in Reichenau und den umliegenden Ort— ſchaften verſpürt. Von Reichenau wird gemeldet, daß das Erdbeben 7 Uhr 53 Minuten in der Richtung von Oſt nach Weft ſtattfand und unter don nerähnlichem Krachen 5 Minuten dauerte. Nach einer Meldung vom 30. Juli wurde die Stadt Kumamato, auf der japaniſchen Inſel Kiuſiu unweit Nan— gaſaki gelegen, von einem Erdbeben heimgeſucht. Viele Häuſer wurden durch das Naturereignis zerſtört, ungefähr 30 Menſchen getötet und etwa 80 verletzt. In Moſtar in der Herzegowina wurde in der Nacht auf den 17. Auguſt um 1 Uhr 48 Minuten ein 10 Sekunden lang dauerndes Erdbeben wahrgenommen, durch welches auf der Eiſenbahnſtrecke Moſtar-Oſtrojac ein Schienen⸗ bruch und ein Mauereinſturz verurſacht wurde. Gleichzeitig wurde in Konjica ein 5 Sekunden dauerndes Erdbeben verſpürt. In Aquila wurden am 22. Auguſt ſieben Erdſtöße, darunter drei heftige, verſpürt; Schaden iſt nicht angerichtet worden. Der gewaltige Ausbruch des Krakatoa iſt befannt- lich nach der meteorologiſchen und geologiſchen Seite genau ſtudiert worden, aber bis jetzt iſt infolge verſchiedener Umſtände, als welche die große Entfernung und Abge— ſchloſſenheit dieſer Gegenden anzuführen ſind, vielfach die große Wichtigkeit überſehen worden, welche der Thätigkeit dieſes Vulkans bei der Entwickelung der Koralleninſeln in dieſen Gegenden zukommt. Eine intereſſante Abhandlung hat darüber Guppy in dem Scottish Geographical Magazine veröffentlicht. Wir teilen die Beobachtungen des Forſchers über den Anteil mit, welchen der aus dem = 403 Krafatoaausbrud herrührende Bimsſtein an der Bildung der Koralleninſeln zu nehmen berufen zu ſein ſcheint. Guppy hatte ſeine Beobachtungen beſonders an den Cocos- oder Keeling-Inſeln gemacht, zwei kleineren Lagunengruppen im Indiſchen Ocean, 480 km ſüdweſtlich von der Sunda— ſtraße unter 12° ſüdlicher Breite und 96° 50’ öſtlicher Länge von Greenwich gelegen. Der Krakatoabimsſtein, welcher leicht an ſeiner weißen Farbe erkannt werden kann, befand ſich im Jahre 1888 in großer Menge auf dem Strande und in noch größerer auf offener See, durch die Winde hin und her getrieben, bis er ſchließlich an die Küſten geſchleudert wurde, wo er liegen blieb. Ein Ko⸗ rallenatoll beſteht bekanntlich aus einem mehr oder minder ſchmalen kreisförmigen Streifen Landes, welcher eine Laz gune einſchließt, in die durch Oeffnungen des Riffs häufig ein Zugang geſchaffen wird. Der Binsſtein iſt in ſolchen Maſſen angeſchwemmt, daß er die Lagunen von einigen Inſeln teilweiſe ausgefüllt hat und dazu beitragen wird, die Bewohnbarkeit der kleineren Inſelgruppen zu erhöhen. Denn wenn der Binsſtein verwittert, ſchafft er einen ge- eigneten Boden für Pflanzen, welche auf dem ſterilen Korallenboden ſonſt nicht fortkommen würden, wie Guppy überzeugend auf Grund der Erforſchungen älterer Bims— ſteinablagerungen nachweiſt. Die Thätigkeit des Krakatoa und anderer Vulkane an der Sundaſtraße, welche auf der einen Seite ſo viel Unheil anrichtet und zerſtörend auf— tritt, wirkt andererſeits alſo auch neubildend und günſtig. Zur Falbſchen Theorie. Als Entgegnung auf den Artikel des Geheimerat Förſter ſchreibt Rudolf Falb: Im „Deutſchen Reichs- Anzeiger“ hat Herr Profeſſor Dr. Förſter, Direktor der Königlichen Sternwarte in Berlin, anläßlich eines fernen Erdbebens (wahrſcheinlich jenes von Dſcharkent), das ſich in der Nacht vom 11. zum 12. Juli auch auf der Sternwarte in Berlin in ſeinen leiſeſten Schwingungen noch bemerklich machte, auch meiner Auf- faſſung über den Einfluß des Mondes auf dieſe und die atmoſphäriſchen Erſcheinungen gedacht und zwar in einer Weiſe, welche von den gänzlich abſprechenden Urteilen, wie fie noch vor Jahren und zum Teil auch jetzt noch fachlicher— ſeits oft in nichts weniger als akademiſcher Form geäußert wurden, ſehr vorteilhaft abſticht. Ich kann hier nur be- merken, daß ich die in dieſem Artikel geäußerten Anſchau— ungen vollſtändig teile, aber auf Grund meines umfang- reichen Beobachtungsmaterials und meiner zwanzigjährigen Beſchäftigung mit dieſem Gegenſtande einzelnen allgemein gehaltenen Behauptungen durch ſachliche Vertiefung eine beſtimmtere Form zu geben im ſtande bin. So zeigt es ſich z. B., daß Fälle, die auf den erſten Blick gegen die Theorie zu ſprechen ſcheinen, wie jener citierte vom 2. Au⸗ guſt 1855, bei näherer Beachtung des ganzen Verlaufes der damit verbundenen langen Reihe von zahlreichen Er— ſchütterungen am Orte der Kataſtrophe wieder zu Gunſten derſelben Zeugnis geben; ſo daß man ſich zur Annahme gezwungen ſieht, es bewirkten Hinderniſſe, welche durch die inneren Erdſchichten dem mathematiſch genauen Ein⸗ tritte des erſten oder Kataſtrophenſtoßes entgegenſtehen, dieſe Nichtübereinſtimmung; während ſie im durchbrochenen Schlote nicht mehr beſtehen, weshalb ſich dann im Ver⸗ halten der darauffolgenden Stöße nach Zahl und Stärke ein genauerer Anſchluß an die kritiſchen Tage ausſpricht. Auf dieſen Umſtand, den ich fort und fort in verſchiedenen Publikationen betonte, haben nun aber bisher meine Gegner gar keine Rückſicht genommen, ſo daß hier thatſächlich die „Wiſſenſchaft“ auf meiner Seite ſteht. Was wir alſo be⸗ züglich eines beſtimmten Datums wiſſen, beſchränkt ſich auf die Kenntnis des Mondeinfluſſes im allgemeinen, der in Wirklichkeit größer iſt, als meine Gegner zugeben wollen. Und danach haben wir in jedem Einzelfalle von vorn— herein unſer Urteil zu bilden. Die entgegenſtehenden Störungsurſachen ſind unſerer Kenntnisnahme völlig ent— zogen. Demgemäß wird ſich auch die wiſſenſchaftliche Erwartung — und nur mit dieſer habe ich es zu thun — auf das Verhältnis der berechneten Flutwerte beſchränken und ſich konſequenterweiſe in gewiſſen Fällen 404 ſteigern müſſen. Daß dieſer Standpunkt korrekt iſt, wird jeder Unbefangene eingeſtehen, und die Natur ſelbſt ſcheint ſich dieſen Unbefangenen zuzugeſellen. Von einer „überflüſſigen Erregung“ dabei iſt im intelligenten deut⸗ ſchen Publikum nichts zu bemerken. Wo aber, wie bei Humboldt. — Oftober 1889. den Grubenkataſtrophen, noch ſchärfere Ergebniſſe that- ſächlich zur Vorſicht mahnen, wird fic) weder eine über— flüſſige Erregung, noch der prophezeite Humor, ſondern als virtus in medio die überall zweckmäßige Unfallver⸗ ſicherung durch verdoppelte Vorſicht von ſelbſt einſtellen. Witterungsüberſicht für Centralenropa. Monat Auguſt 1889. Der Monat Auguſt iſt charakteriſiert durch ver⸗ änderliches, ziemlich kühles Wetter mit vielfach ſtarken, vorwiegend weſtlichen und ſüdweſtlichen Winden, ziemlich ergiebigen Niederſchlägen und großer Ge⸗ witterhäufigkeit. Hervorzuheben ſind die Windhoſen am 7. bei Cuxhaven und am 17. bei Granada. Am Anfange des Monats war der Luftdruck über Centraleuropa hoch und gleichmäßig verteilt und das Wet⸗ ter ſtill heiter und trocken bei durchſchnittlich normalen Wärmeverhältniſſen. Indeſſen nahmen die Depreſſionen, welche ſich über Nordweſteuropa bewegten, eine immer mehr öſtliche Richtung an, ſo daß ſie immer mehr die Witterungsverhältniſſe unſerer Gegenden beeinflußten. Bemerkenswert iſt eine Depreſſion, welche am 6. über Schottland erſchien und in den folgenden Tagen langſam oſtwärts nach Mittelſchweden fortſchritt, an der deutſchen Küſte ſtürmiſche Böen und zahlreiche Gewitter verurſachend. In Hamburg traten am Vormittag des 7. ſchwere Sturm⸗ böen auf, in welchen die Windgeſchwindigkeit zeitweiſe bis zu 29 m pro Sekunde anſtieg. An der Elbmündung gingen bei heftigem, lang anhaltendem Gewitter wolken⸗ bruchartige Regengüſſe nieder. In Lüdingworth bei Cux⸗ haven raſte eine Windhoſe mit großer Geſchwindigkeit über die Felder, alles mit ſich reißend, was ſie auf ihrer Bahn antraf. Vier Häuſer wurden teils gänzlich umgeriſſen, teils ihrer Dächer beraubt; die Dächer und Hausteile wur⸗ den hoch in die Luft gehoben und weit weggetragen. Die auf dem Felde ſtehenden Kornhocken wirbelten hoch in der Luft umher, und das auf den Weiden befindliche Vieh wurde zu Boden geworfen und fortgeſchleudert. Große alte Bäume wurden entwurzelt und eine Strecke mit fort⸗ getragen. Die Windhoſe kam ſo plötzlich nieder, daß die auf dem Felde beſchäftigten Menſchen ſich nur durch raſches Niederwerfen in Gräben retten konnten, trotzdem haben mehrere Leute durch die herumwirbelnden Steine und Erdmaſſen Verletzungen erlitten. — Am 7. abends und am anderen Morgen traten an der Oſtſeeküſte ſchwere Böen auf. i Hervorzuheben find die großen Regenmengen, welche in dieſen Tagen in verſchiedenen Gebietsteilen niedergingen, meiſt in Begleitung von Gewittererſcheinungen. So fielen am 5. in 24 Stunden in Berlin 27, Cuxhaven 42, Han⸗ nover 70 mm Regen, am 6. auf Helgoland 26 und am 7. in Rügenwaldermünde 23, Hannover 35 mm Regen. Am 12. erſchien ein barometriſches Maximum auf dem Ocean weſtlich von den britiſchen Inſeln, welches ſich in den folgenden Tagen nach Südweſteuropa verlegte, während ſich im Nord- und Oſtſeegebiete tiefe und von ſtürmiſcher Luftbewegung begleitete Minima bewegten, welche in Wechſelwirkung mit dem barometriſchen Maximum Wind und Wetter von faſt ganz Weſteuropa beherrſchten und in Deutſchland Veranlaſſung gaben zu zahlreichen Gewittern und ſehr heftigen Niederſchlägen. Größere Regenmengen fielen am 9. in Karlsruhe 24 mm, am 11. in Wiesbaden 25, Berlin 31, Altkirch 42, Wuſtrow 44, Rügenwaldermünde 48; am 12. in Kaiſerslautern 27, Bornholm 46, Rügenwalder⸗ münde 53 mm. d Ein heftiger Wirbelſturm, der indeſſen keine größere Ausdehnung gehabt zu haben ſcheint, wütete am 17. in der Gegend von Granada in ſo arger Weiſe, daß die Straßen, Plätze und Gärten dieſer Stadt nicht mehr zu erkennen waren. In den Gärten wurden an 200 alte Bäume, manche 60 m hoch, entwurzelt, ziemlich ſtarke Eiſenſäulen der Plaza de Toros wurden zerſtückt und bis auf 100 Schritte weit weggeſchleudert. Die Kuppel der alten Kirche San Felipe wurde von der Gewalt des Windes eingedrückt und faſt ſämtliche Blitzableiter der Stadt zu⸗ ſammengedreht und zerſtört. Die Ernte auf den benach⸗ barten Feldern iſt total verwüſtet, und es wird als ein Wunder anerkannt, daß nur wenige Menſchenleben der Wut des entfeſſelten Sturmes zum Opfer fielen. Das eben erwähnte barometriſche Maximum drang ſehr langſam nach Südoſteuropa vor, während tiefe Mi⸗ nima über dem Nordſeegebiete auftraten, welche über Weſteuropa vielfach ſtürmiſche Luftbewegung hervorriefen. Am 21., als ein tiefes Minimum über Irland oſtwärts fortſchritt, fanden in England heftige Stürme mit wolken⸗ bruchartigen Regenfällen ſtatt, wodurch die Ernte in hohem Maße geſchädigt, teilweiſe zerſtört wurde. Am 22. lag dasſelbe Minimum mit einer Tiefe von etwa 735 mm am Eingange des Skagerraks, von der Nordſee bis zu den Alpen ſtürmiſche ſüdweſtliche Winde hervorrufend, welche vielfach von Gewittererſcheinungen begleitet waren. Mit dem Abgange des Minimums nach Nordoſten hin breitete ſich wieder hoher Luftdruck über Weſteuropa aus, ſo daß unſere Gegenden in einem Depreſſionsgebiete lagen, welches ſich von Skandinavien bis zum Mittelmeere erſtreckte. Das Wetter war anhaltend kühl, veränderlich und regneriſch. Große Regenmengen, über 20 am in 24 Stunden, fielen am 22. in Münſter 22, am 23. in Friedrichshafen 27, am 25. auf Helgoland 22 mm. Am 28. trat eine Aenderung der Wetterlage ein, in⸗ dem ein ziemlich hohes barometriſches Maximum über Frankreich und Süddeutſchland auftrat, welches ſich nach und nach über faſt ganz Weſteuropa ausbreitete, ſo daß ſich dasſelbe in ein umfangreiches Gebiet hohen und gleich⸗ mäßig verteilten Luftdruckes umwandelte. Dementſprechend war in den letzten Tagen des Monats das Wetter ruhig, heiter und trocken bei langſam ſteigender Temperatur. Erwähnenswert iſt, daß in dem Alpengebiet zwiſchen dem Bodenſee und der Enns große Schneemengen ge- fallen ſind. Ueber den Gang der Temperatur, ſowie über die Regenmengen und Regenhäufigkeit in Deutſchland während des Monats Auguſt gibt folgende Tabelle Aufſchluß: 1) Temperaturabweichungen vom Mittel ( C.). am- 1 Beit: Swine . ax raum Memel münde burg Borkum Kaſſel Berlin Breslau ruhe chen. 1.—5. —1,0 —0,3 0,9 0,9 —1,6 +0,4 +0,8 +0,1 +1,0 6.—10. —0,8 —1,6 —2,7 —1,5 —3,0 —0,9 +0,4 —1,1 —0,3 11.—15. —1,3 —3,1 —3,7 —2,6 —3,4 —2,8 —0,8 —4,3 —3,2 16,—20. —0,6 —1,7 —1,1 —0,9 -++0,1 —0,2 +1,3 +0,7 +1,3 21.—25. —0,2 —1,9 —3,4 —2,7 —2,5 —1,3 +0,7 —2,6 —2,6 26.—31. +0,6 —2,2 —2,8 —1,8 —3,5 —1,8 —1,3 —3,2 —2,3 Mittel —0,6 —1,8 —2,4 —1,7 —2,3 —1,1 0,2 —1,7 —1,0 2) Niederſchlagsmengen, Monatsſummen (mm). Summe 41 83 99 134 71 82 79 54 86 Abwei⸗ chung —33 +20 2 +44 +09 +22 +04 —28 —16 3) Anzahl der Niederſchlagstage. 10 15 23 22 19 12 14 11 15 Die Wärme⸗ und Niederſchlagsverhältniſſe für die Sommermonate Juni, Juli und Au guſt find aus folgender Tabelle erſichtlich: Humboldt. — Oftober 1889. 405 C vom F a é 3) Anzahl der Regentage. A a ines Ham arts: n · wine⸗ . Is. iin: Monat Memel münde burg Borkum Raffel Berlin Breslau ruhe chen Monat Memel inde = Borkum Kaſſel Berlin Breslau itd er Juni 3,2 +2,8 +2,7 +2,3 +1,4 +3,2 +2,6 +1,3 -+0,8 Suni 5 7 4 3 12 8 11 17 Juli 1, 1.3 —1,8 1.3 2,2 —14 —0,5 —1,3 —1,1 Juin ie 18 1 18 1 1 18 9 21 Auguſt —0,6 —1.8 —24 —1,7 —2.3 —1,1 40,2 —1,7 —1,9 | Auguſt 10 15 23 e 15 Sommer +0,4 —0,1 —0,5 —0,2 —1,0 +0,2 +0,8 —0,6 —0,4 eae 21 40 42 41 49. 341 39 30 53 wei⸗ chung —S —9 —13 —10 —13 —26 +9 —10 +3 Shit py re gee Menace, 3 eat), 15 37 Der diesjährige Sommer war alſo in Bezug auf ſeine Juli 131 99 120 106 104 75 153 77 161 Wärmeverhältniſſe durchſchnittlich normal, die Regen- Auguſt 1 83 99 131 11 32 7 5 86 mengen waren zu reichlich, die Niederſchlagstage verhältnis⸗ Sommer 186 220 217 271 249 218 203 266 454 mäßig gering und dementſprechend die einzelnen Regenfälle Abwei⸗ ſehr ergiebig. chung 44 —5 +1 +60 +66 +20 +55 +18 +117 Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. 2 2 1 5 Biographien und perſonalnotizen. Geh. Medizinalrat Profeſſor Dr. H. Schaaffhauſen in Bonn iſt zum ordentlichen Honorarprofeſſor an der Univerſität Bonn ernannt worden. Profeſſor Dr. Lang in Jena iſt als Profeſſor der Zoo— logie an die Univerſität Zürich berufen worden. Dr. Fritz Noll, Privatdocent der Botanik und Aſſiſtent am Botaniſchen Inſtitut in Würzburg, wurde zum außerordentlichen Profeſſor an der Univerſität Bonn ernannt. Profeſſor Dr. Roux in Breslau wurde zum Profeſſor der Anatomie an der Univerſität Innsbruck ernannt. Profeſſor Richard Meyer in Reichenberg, ein Bruder von Profeſſor Viktor Meyer, iſt als Profeſſor der Chemie an das Polytechnikum in Braunſchweig be— rufen worden. W. Felix, Aſſiſtent am Anatomiſchen Inſtitut in Würzburg, iſt zum Proſektor am Anatomiſchen Inſtitut in Zürich ernannt worden. Dr. Georg Frank, Aſſiſtent am Hygieniſchen Inſtitut in Berlin, ging als Docent für Bakteriologie an das Laboratorium von Freſenius in Wiesbaden. Lehmann habilitierte fic) als Privatdocent der Agri— kulturchemie an der Univerſität Göttingen. Della Roſa, Privatdocent an der Univerſität Wien, wurde zum außerordentlichen Profeſſor der Anatomie daſelbſt ernannt. K. Wilhelm, Privatdocent an der Hochſchule für Bodenkultur in Wien, wurde zum außerordentlichen Profeſſor der Naturgeſchichte der Forſtgewächſe an dieſer Lehranſtalt ernannt. Hofmann, Adjunkt an der Bergakademie Leoben, wurde zum außerordentlichen Profeſſor für ſpecielle Geologie der Lagerſtätten und analytiſche Chemie an der Berg— akademie in Przibram ernannt. Privatdocent Dr. Moliſch an der Univerſität Wien wurde zum Profeſſor der Botanik an der Techniſchen Hoch— ſchule in Graz ernannt. Dr. Guftav von Lagerheim aus Stockholm, bisher in Freiburg, iſt zum Attaché am Botaniſchen Labora- torium der Techniſchen Hochſchule in Liſſabon ernannt worden. Dr. B. D. Halſted, Profeſſor der Botanik am Iowa Agricultural College zu Ames, iſt zum Profeſſor der Botanik am Rutgart College zu New Brunswick, New Yerfey, ernannt worden. L. H. Pammal, bisher Aſſiſtent an der Shaw-Shool of Botany zu St. Louis, Mo., wurde an das Towa Agricultural College zu Ames berufen. F. H. Blandford iſt an Stelle des zurückgetretenen A. E. Shipley zum Docenten der ökonomiſchen Ento— mologie am Royal Indian Engineering College, Coopers Hill, ernannt worden. Dr. Ringo Miqabe wurde zum Profeſſor der Botanik am Royal Agricultural College zu Sappore in Japan ernannt. Toten liſte. Nuhn, Anton, Profeſſor der Anatomie in Heidelberg, bekannt durch zahlreiche Unterſuchungen (Nuhnſche Drüſe an der Zungenſpitze ꝛc.), ſtarb in Heidelberg, 75 Jahre alt. Vogel, Auguſt, Profeſſor der Agrikulturchemie in München, bekannt durch ſehr zahlreiche Unterſuchungen, ſtarb 14. Auguſt in Roſenheim im 73. Lebensjahre. Jacobſen, Oskar, ſeit 1873 Profeſſor der Chemie an der Univerſität Roſtock, ſtarb 24. Auguſt, 49 Jahre alt. Geuther, J. G. Anton, Profeſſor der Chemie in Jena, ſtarb 24. Auguſt im 56. Lebensjahre. Eggertz, Dr. Viktor, Profeſſor an der Bergbauſchule in Stockholm, bekannter Chemiker, ſtarb im Alter von 72 Jahren 16. Auguſt in Stockholm. Hellwig, Dr. Franz, aus Danzig, der Botaniker der Neuguinea-Compagnie, iſt geſtorben. Govi, Gilberto, ausgezeichneter Phyſiker in Rom, ftarb daſelbſt. Litterariſche Rundſchau. J. B. Balfour, Botany of the island of Socotra. Edinburgb, 1888. In neuerer Zeit widmet man der Inſelflora ein ganz beſonderes Intereſſe, weil ſie beſonders deutlich zeigt, wie ſich einzelne Arten auf beſchränktem Gebiete und im Kampfe ums Daſein verändern, und ſich ſo zu ganz neuen, der betreffenden Inſel eigentümlichen Arten umgeſtalten. Obwohl gar nicht ſo ſehr weit vom Abendlande entfernt, hatte man doch bisher die Inſel Sokotra in botaniſcher Hinſicht faſt ganz vernachläſſigt und mußte daher die Nachricht um ſo freudiger begrüßt werden, daß ein ſo her— vorragender Botaniker wie J. B. Balfour, die Vegetation dieſer Inſel erforſchen wolle. Zwar ſtanden ihm zu einer Unterſuchung der Inſel ſelbſt nur achtundvierzig Tage zur * Verfügung und wäre unſere Kenntnis der Flora von Sokotra infolge deſſen auch fernerhin eine ungenügende, mangelhafte geblieben. Glücklicherweiſe unternahm aber bald nach Balfours Abreiſe Schweinfurth zuſammen mit Reebeck eine Reiſe nach Sokotra und überließ erſterer ſeine ganze botaniſche Ausbeute Balfour zur Bearbeitung. Das Reſultat der letzteren iſt infolge deſſen ein mächtiger Quartband von 476 Seiten und 100 lithographierten Tafeln geworden, durch den die Kenntnis der Flora dieſer Inſel von einer der am wenigſt bekannten zu einer der am beſten bekannten wird. Aus der Fülle des in dieſem Werke aufgeſpeicherten Materials heben wir kurz das fol— gende hervor: Das Flachland der Inſel hat annähernd dieſelbe Flora wie die Sahara und das Pendſchab, wäh— 406 Humboldt. — Oftober 1889. rend in den Thälern des Hochlandes tropiſche Vegetation herrſcht. Auf den Gebirgen findet ſich ein eigentümlicher, fremdartiger Pflanzenwuchs vor: baumartige Kompoſiten, wohlriechende Helichrysum und andere abſonderliche Formen. Die ſchönſten Pflanzen find Adenium multiflorum, die in den Gärten bereits vielfach verbreitete Begonia soco- trana, Crinum Balfourii, Exacum coeruleum 2. Ganz eigentümlich ift eine baumartige Kucurbitacee, Dendrosicyos socotrana. Eine andere Pflanze, deren Verwandte eben⸗ falls meiſt Schlingpflanzen find, Coceulus Balfourii, tritt dort baumartig auf. Der wilde Repräſentant der Granate, Punica protopunica, iſt bemerkenswert durch nur eine Carpellreihe. Das auf der Inſel gewonnene Drachen⸗ blut ſtammt von Dracaena einnabari, einer nahen Ver⸗ wandten von D. Draco. Auch Weihrauch und Myrrhen kommen auf der Inſel vor. Von techniſch verwertbaren Pflanzen möge noch Buxus Hildebrandti genannt ſein, deſſen Holz als Buxbaumholz für Xylographen Verwendung finden dürfte. Die Geſamtzahl der von der Inſel be⸗ kannten Pflanzen beträgt 828, darunter 575 Phanerogamen, 206 davon ſind endemiſch. Berlin. Dr. Udo Dammer. 1. Ignaz G. Wallentin, Lehrbuch der Whyfik für die oberen Klaſſen der Mittelſchulen und ver⸗ wandten Lehranſtalten. 5. veränderte Aufl. Wien, A. Pichlers Witwe & Sohn. 1888. Preis 3,20 M. 2. Derſelbe, Grundzüge der Naturlehre für die unteren Klaſſen der Gymnaſien, Realſchulen und verwandter Anſtalten. Ausgabe für Gymnaſien. 2. veränderte Auflage. Wien, derſelbe Verlag. 1887. Zwei ſachkundig und umſichtig bearbeitete Bücher, welche den phyſikaliſchen Stoff nach dem gegenwärtigen Stande der Wiſſenſchaft, ſoweit derſelbe für die genannten Anſtalten in Betracht kommt, überſichtlich in klarer, prä⸗ ziſer Form zuſammenſtellen und zum Gebrauche beim Unterricht ſowie zum Selbſtſtudium die weiteſte Verbrei⸗ tung verdienen. Nr. 1 erſcheint bereits in 5. Auflage — Beweis genug für den Beifall, den es in Fachkreiſen ge⸗ funden. Der Stoff iſt für den Zweck noch ſehr reich⸗ lich bemeſſen — es iſt ja auch ein „Lehrbuch“ —, der Lehrer wird noch recht viel abkürzen und ganz ſtreichen müſſen zu gunſten eingehender Behandlung und ſicherer Erfolge. Die Behandlung iſt vorwiegend die elementar— mathematiſche, Apparate und Verſuche berückſichtigt ſie mehr andeutungsweiſe. Ein Anhang gibt die Grundlehren der Aſtronomie und mathematiſchen Geographie, ebenſo diejenigen der Chemie. In der Stoffauswahl kann man abweichender Meinung fein. So z. B. würde ich die Ge- ſetze des Schmelzpunktes kürzer behandeln, dagegen die Lichtwirkungen des elektriſchen Stromes, die Telegraphen und Dynamomaſchinen, das Telephon etwas eingehender. tr. 2 ift elementarer gehalten, vor allen Dingen iſt die Behandlung induktiv, die Verſuche bilden die Grundlage. Der Stoff iſt knapper, immerhin wohl auch für die Ober⸗ klaſſen ausreichend. Warum hat der Verfaſſer bei der Atwoodſchen Fallmaſchine nicht konkret angegeben, wie man von den hier benutzten Gewichten und der Beſchleu— nigung zu der wirklichen Beſchleunigung des freien Falles kommt? Es iſt merkwürdig, daß die meiſten Schulbücher hier eine auffällige Lücke zeigen, die eine Un⸗ klarheit in den Köpfen der Schüler zurückläßt, falls ſie der Unterricht nicht etwa ausfüllt. Vielleicht wäre es auch zweckmäßig, wenn an einzelnen Stellen neben den alten neue, beſſere Apparate mehr als bisher Berück— ſichtigung fänden, ſo z. B. bei den Elektriſiermaſchinen (Influenzmaſchinen!), bei der Waſſerzerſetzung, der In- duktion, der Linſenwirkung u. ſ. w. Indes ſind dieſe Wünſche — wie auch der, daß die Figuren in Nr. 2 etwas ſchärfer gedruckt ſein möchten — untergeordneter Art, ſie ſollen das eingangs aus voller Ueberzeugung abgegebene Urteil nicht beeinträchtigen. Dr. Bwick. Berlin. M. Geiſtbeck, Leitfaden der mathematiſchen und phyſikaliſchen Geographie für Mittelſchulen und Lehrerbildungsanſtalten. 10. Aufl. Freiburg i. B., Herderſche Verlagsbuchhandlg. 1889. Preis 1, 5 M. Das Büchlein hat eine ſo weite Verbreitung erlangt, daß es kaum einer Empfehlung bedarf. Seine Angaben ſind kurz, beſtimmt, überſichtlich und durchaus zuverläſſig, dem Lehrer gewähren ſie eine gute Richtſchnur für ſeinen Vortrag, dem Schüler erleichtern ſie die Repetition und feſte Einprägung. Die Ausſtattung iſt vorzüglich. Berlin. Dr. Bwichk. Biblio graph Bericht vom Monat Auguſt 1889. Allgemeines. Haardt, V. v., Phyſikaliſch⸗ſatiſtiſcher Schulatlas. Wien, Hölzel. M. 4. interwaldner, J. Wegweiſer für Naturalienjammler. Wien, Pichler. M. 10; geb M. 11. 20 Oſtwalds Klaſſiker der exalten Wiſſenſchaſten. Nr. 4 u. 5. aM. —. 80. Inhalt: 4. Unterſuchungen üb, das Jod v. Gay⸗Luſſac (1814). Hrsg. von W. Oſtwald. — 5. Allgemeine Flächentheorie (Disquisitiones generales circa superficies curvas) von C. F. Gauß (1827). Deutſch hrag. von A. Wangerin. Leipzig, Engelmann. Plüß, B., Schlüſſel zur Löſung der 0 in den „naturgeſchichtlichen Bildern“. Freiburg, Herder. M. — Shik. Hübl, A. Frhr. v., und A. v. ee Ueber einige elektriſche Ent⸗ COTE F und ihre photographiſche Fixierung. Leipzig, reyta = (Mb Klimpert, R., Lehrbuch der Dynamik fefier Körper G an ae Be⸗ arbeitet nad) Syſtem Reyer. Stuttgart, Maier. M. 13. 50 Klimpert, R., Lehrbuch über die Perkuſſion oder den Stoß feſter Körper. (Sonderdr.) Stuttgart, Maier. M. 3. Krebs, A., Lehrbuch der Induktionselektrieität und ihrer Anwendungen (Clemente der Elektrotechnik). Bearb. nach Syſtem Kleyer. Stuttgart, Maier. M. 6. Koller, H., Ueber den Durchgang pay Elektricität durch ſehr ſchlechte Leiter. Leipzig, Freytag. M. 1. 2 Reis, P., Elemente der Phyſik, Meteovotogie und mathematiſchen Geo⸗ graphie. Hilfsbuch für den Unterricht an höheren Lehranſtalten. Mit zahlreichen Uebungsfragen und -Aufgaben. 4. Aufl. Leipzig, Quandt & Händel, M. 4. 50. Salcher, P., u. e pitch eat 0 5 den Ausfluß ſtark verdichteter Luft. Leipzig, Freytag. M. — Sammlung Lathrwiſſenschaffticher Vorträge, hrsg. v. E. Huth. 3. Bd. Nr. 3. M. —. 60. Inhalt: Ueber Akkumulatoren v. P. Altmann. Berlin, Friedländer & Sohn. Streintz, F., Ueber ein Silber⸗Queckſilberelement und deſſen Beziehung zur Temperatur. Leipzig, Freytag. —. 50. Waeber, R., Leitfaden für den Unterricht in der Phyſik mit beſonderer Berückſicht. der Meteorologie. 6. Aufl. Leipzig, Hirt & Sohn. M. 1. 20. Chemie. Bernards, J., Repetitorium der Chemie für ſtudierende Mediziner und Pharmazeuten, ſowie zum Gebrauche bei 1 2. Tl.: Chemie der Kohlenſtoffverbindungen (organ. eerie). 2. Aufl., bearb. von J. Spennrath. Aachen, Mayer. M. 3. 2 Biſchoff, E., Ueber die Einwirkung von füllte Säure auf Tetra⸗ methyldiamidobenzophenon u. dieſem analoge Körper. Einige Deri⸗ vate d. Desoxybenzoins. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. 1. Ehrhardt, R., I. Zur Kenntnis einiger aromatiſcher Schwefelverbindungen. II. Ueber die“ Einwirkung von Säurechloriden auf Phenoläther bei n Aluminiumchlorid. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. Bale Geben H., Vorträge über Agrikulturchemie mit bef. pets auf Tierphyſſologſe. 4. Aufl. 2 Bde. Köln. Haſſel. M. 7. Harris jun., E. P., I. Ueber die Einwirkung von Samfiotisitor auf aromatiſche Kohlenwaſſerſtoffe. II. Beiträge zur Kenntnis d. Siliciums. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. 1. Haußknecht, G., Ueber die negative Natur organiſcher Radikale. Ueber die Konſtitution gemiſchter Azoverbindungen. Einige neue Reaktionen d. Phenylhydrazins. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. 1. Kayſer, H., u. C. Runge, Ueber die Spektren der Elemente. 2 Abſchn. Berlin,“ Riemer. M. 4. a Knoevenagel, E., Beiträge zur Kenntnis der negativen Natur organiſcher Radikale. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. . —. 80. Lainer, A., Lehrbuch der eG ap Chemie und 0 Photochemie. 1 01 Anorganiſche Chemie. Wien, Lechner. M. Lampe, H., Beiträge zur Kenntnis von Earvol u. Kampher. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. 1. 20. Humboldt. — Oftober 1889. 407 Mitteilungen aus dem pharmaceutiſchen Inſtitute u. Laboratorim für angewandte Chemie der Univerſität Erlangen v. A. Hilger. 1. Heft. München, Rieger. M. 3. Reiſſert, A., Das Chinolin u. ſeine Derivate. Braunſchweig. M. 6. 50. Schmidt, F., Ueber Dioxychinon, ſowie Derivate desſelben. Wiesbaden, Bechtold & Co. M. 1 Schubert, E., u. K. Sudhoff, Paracelſus-⸗Forſchungen. 2. Heft. Hand⸗ schriftliche Dokumente zur Lebensgeſchichte Theophraſts von Hohen⸗ heim. Frankfurt, Reih & Köhler. M. 8. Schwaderer, R, Ueber Piperidein u. Dipiperidein. M. 1. 20. Stierlin, R., Zur Kenntnis der „Benzile“. Ueber einige Derivate d. Benzoyleſſigeſters. Göſtingen, Vandenhoeck K Ruprecht. M. 1. Waſhburn, J. H., Ueber den Rohrzucker d. Maiskorns u. über ameri⸗ kaniſchen Süßmais in verſchiedenen Stadien der Reife. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. 1. Wheeler, H. J., Unterſuchungen über die Xyloſe oder den Holzzucker, die Pentaglykoſe aus Buchen- und Tannenholzgummi, ſowie aus Jute. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. 1. 20. Woroſchilsky, J., Wirkung d. Urans. Dorpat, Karow. M. 1. 50. Aſtronomie. ayn, F., Bahnbeſtimmung d. Kometen 1862 III. Göttingen. M. 2. 80. Reyer, M. W., Die Lebensgeſchichte der Geſtirne in Briefen an eine Freundin. Eine populäre Aſtronomie der Fixſterne. 2. Auflage. Jena, Mauke. M. 4. Mineralogie, Geologie, Paläontologie. Bukowski, G., Grundzüge des geologiſchen Baues der Inſel Rhodus. Leipzig, Freytag. M. 1. 40. Comes, H., Die Laven des Veſuv, ihr Fruchtboden und deſſen Vege⸗ tation. Deutſch von Mohrhoff. Hamburg, Richter. M. —. 50. Fraas, E., Die Labyrinthodonten der ſchwäbiſchen Trias. Stuttgart, Schweizerbart. M. 40. Hilber, V., Geologiſche Küſtenforſchungen zwiſchen Grado und Pola am adriatiſchen Meere, nebſt Mitteilungen über ufernahe Baureſte. Leipzig, Freytag. M. 1. 10. Kraß, M., u. H. Landois, Lehrbuch für den Unterricht in der Natur⸗ beſchreibung. 3. Tl. Mineralogie. Freiburg, Herder. M. 1. 60. Lahuſen, J., Ueber die ruſſiſchen Aucellen. Petersburg, Eggers & Co. M. 4. 80. Lüders, C. W., Der große Goldfund in Chiriqui im J. 1859. Ham⸗ burg, Graefe. M. 1. Mitteilungen aus den königl. techniſchen Verſuchsanſtalten zu Berlin. 1889. Ergänzungsheft II. Inhalt: Unterſuchungen von natürlichen Geſteinen auf Feſtigteit, ſpezifiſches Gewicht, Härtegrad, Waſſerauf⸗ nahme, Kohäſionsbeſchaffenheit u. Wetterbeſtändigkeit. Von Böhme. Berlin, Springer. M. 4. Pantoecſek, J., Beiträge zur Kenntnis der foſſilen Bacillarien Ungarns. II. Tl.: Brackwaſſer⸗Bacillarien. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 90. Petterſen, K., In anſtehenden Fels eingeſchnſttene Strandlinien. Leipzig, Freytag. M. 1. Toula, F., * die mikroſkopiſche Unterſuchung der Geſteine. Wien, ölzel. ea GO: Tſchernyſchew, Th., Allgemeine geologiſche Karte von Rußland. Blatt 139. Beſchreibung des Zentralurals u. d. Weſtabhanges. Petersburg, Eggers & Co. M. 21. ao K. A., Die foſſilen Hyänen des Arnothales. Leipzig, Freytag. . 3. 50 Geographie und Ethnologie. Baumgartner, A., Island und die Faröer. Nordiſche Fahrten. Skizzen und Studien. Freiburg, Herder. M. 8. Bauſer, G. W., Höhenverhältniſſe der Berge, Schlöſſer, Städte, Dörfer, Flüſſe, Seen u. Höhlen Württembergs u. Hohenzollerns. 3. Aufl. Tübingen, Fues. M. 1. 50. Bou, A., Die europäiſche Türkei. Deutſch hrsg. v. der Bous⸗Stiftungs⸗ Kommiſſion der kaiſ. Akademie der Wiſſenſchaften in Wien. 2 Bde. Leipzig, Freytag. M. 19. Gruber, Ch., Die Iſar nach ihrer Entwicklung und ihren hydrologiſchen Verhältniſſen. München, Riedel. M. 4. Lindemann, E., Die Nordſeeinſel Helgoland in topographiſcher, ge⸗ ſchichtlicher, ſanitärer Beziehung. Berlin, Hirſchwald. M. 2. 50. Probſt, J., Ueber einige Gegenſtände aus dem Gebiete der Geophyfit. Stuttgart, Schweizerbart. M. 1. Wiſotzti, E., Hauptfluß u. Nebenfluß. Verſuch e. begriffl. Nachbildg. derſelben. Stettin, Saunier, M. 3. Wiſſmann, H., Unter deutſcher Flagge quer durch Afrika von Weſt nach Oſt. Von 1880 bis 1883 ausgeführt von P. Pogge u. H. Wißmann. 5. Aufl. Berlin, Walther & Apolant. M. 12. Meteorologie. Jahrbuch, Deutſches meteordlogiſches, für 1887. Beobachtungsſyſtem d. Königr. Preußen u. benachbarter Staaten. Ergebniſſe der meteorolog. Beobachtgn. im J. 1887. Hrsg. v. dem königl. preuß. meteorolog. Inſtitut durch W. v. Bezold. Berlin, Aſher & Co. M. 22. Botanik. Bibliotheca botanica, Abhandlungen aus dem Geſamtgebiete der Bo⸗ tanik, hrsg. v. F. H. Haenlein & Ch. Luerſſen. 14. Heft. Kaſſel, Fiſcher. M. 32. Inhalt: Beiträge zur Kenntnis der Fucaceen. Von F. Oltmanns. Brinckmeier, E., Die Zwiebel⸗Zierpflanzen u. die wichtigſten u. belieb⸗ teſten zwiebelähnlichen u. Knollenpflanzen. Praktiſche Anleitung zu ihrer Kenntnis, ihrer Anzucht, Kultur im Freien und im Hauſe und zum Treiben derſelben. 2. Aufl. Ilmenau, Schröter. M. 3. Engler, A., u. K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien nebſt ihren Gattungen und wichtigeren Arten, insbeſondere den Nutzpflanzen. 35. 36. Ifg. Leipzig, Engelmann. à M. 1. 50. Tübingen, Fues. Ettingshauſen, C., Frhr. v., u. F. Kraſan, Beiträge zur Erforſchung der ataviſtiſchen Formen an lebenden Pflanzen u. ihrer Beziehungen 9 2 ates ihrer Gattung. III. Folge u. Schluß. Leipzig, Freytag. Haberlandt, G., Ueber Einkapſelung d. Protoplasmas m. Rückſicht auf die Funktion d. Zellkernes. Leipzig, Freitag. M. —. 50. Jahrbuch d. königl. botaniſchen Muſeums zu Berlin. Hrsg. v. A. Garde u. J. Urban. 5. Band. Inhalt: Lauraceae americanae. Mono- graphice descripsit C. Mez. Berlin, Borntraeger. M. 20. Jungck, M., Flora v. Gleiwitz u. Umgegend. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. 2. 40. Kny, L., Ueber Laubfärbungen. Berlin, Dümmler. M. 1. Lendl, A., Hypotheje über die Entſtehung von Soma u. Propagations- zellen. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 2. J Mit, J., Pflanzenetiketten zur Anlegung von Schülerherbarien. Ausg. f. Deutſchland. Wien, Pichler. M. —. 80. Reinke, J., Atlas deutſcher Meeresalgen. Im Auſtrage d. königl. preuß. Miniſteriums für Landwirtſchaſt, Domänen und Forſten hrsg. im Intereſſe der Fiſcherei von der Kommiſſion zur wiſſenſchaftl. Unter⸗ ſuchg. der deutſchen Meere. 1. Heft. In Verbindg. m. F. Schütt u. P. Kuckuck bearb. Berlin, Parey. M. 30. Möll, J., Unſere eßbaren Pilze in natürl. Größe, dargeſtellt u. beſchrieben m. Angabe ihrer Zubereitung. 2. Aufl. Tübingen, Laupp. M. 2. Schwalb, C., Die nakurgemäße Konſervierung der Pilze, m. e. einleit. 2 Exkurſion behufs Einführg. in d. Pilzkunde. Wien, Pichler. M. 1. 60. Standfeſt, F., Ein Beitrag zur Phylogenie der Gattung Liquidambar. Leipzig, Freytag. M. —. 60. Zoologie. Betrachtungen über die Reblaus nach dem gegenwärtigen Stande der Sache. (Sommer 1889.) Hrsg. vom Rheingauverein f. Obſt⸗, Wein⸗ u. Gartenbau. 2. Aufl. Wiesbaden, Bechtold & Co. M. —. 75. Bronns, H. G., Klaſſen u. Ordnungen d. Tierreichs. 2. Bd. 2. Abt. Coelenterata (Hohltiere). Bearb. v. C. Chun. 1. Lfg. Leipzig, „Winter. M. 1. 50. Bröſike, G., Kurſus der normalen Anatomie d. menſchlichen Körpers. Berlin, Fiſcher. M. 14. Friedlaender, C., Mikroſkopiſche Technik zum Gebrauch bei mediziniſchen und pathologiſch⸗anatomiſchen Unterſuchungen. 4. Aufl. v. C. J. Eberth. Berlin, Fiſcher. M. 6. 50. Groß⸗ Schmetterlinge, Die, d. Leipziger Gebietes, zuſammengeſtellt vom _ entomolog. Verein „Fauna“ zu Leipzig. Leipzig, Heyne. M. 1. Michaelſen, W., Oligochäten d. naturhiſtoriſchen Muſeums in Hamburg. I. Hamburg, Gräfe. M. 1. ia A., Beiträge zur Syſtematik der Phytopten. Leipzig, Freytag. 3 Rall, E., Zur Anatomie der Orchideenluftwurzeln. Leipzig, Freytag. . —. 60. Weſterlund, C. A., Fauna der in der paläarktiſchen Region (Europa Kaukaſien, Sibirien, Turan, Perſien, Kurdiſtan, Armenien, Meſo⸗ potamien, Kleinaſien, Syrien, Arabien, Egypten, Tripolis, Tuneſien, Algerien u. Marokko) lebenden Binnenkonchylien. II. Genus Helix. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 16. Ae O., Bilder u. Stizzen aus dem Naturleben. Jena, Coſtenoble. Zwick, H. Leitfaden f. den Unterricht in der Tierkunde. 1. Kurſ. 10. Aufl. Berlin, Nicolai. M. —. 60. yſtologie. Dreher, E., Der Hypnotismus, ſeine Stellung zum Aberglauben u. zur Wiſſenſchaft. Neuwied, Heuſer. 5 Emmerich, R., u. H. Trillich, Anleitung zu hygieniſchen Unterſuchungen. München, Rieger. M. 6. 75. Exner, S., Durch Licht bedingte Verſchiebungen d. Pigmentes im In⸗ W und deren phyſiologiſche Bedeutung. Leipzig, Freytag. M. —. 50. Fick, A., Myothermiſche Unterſuchungen aus den phyſiologiſchen Labo- ratorien zu Zürich u. Würzburg, von Billroth, Blix, Böhm, Dani⸗ lewsky, Dybkowsky, Fick, Harteneck, Wislicenus, geſammelt hrsg. v. A. F. Wiesbaden, Bergmann. M. 9. Hillebrand, F., Ueber die ſpezifiſche Helligkeit der Farben, Beiträge zur Pſychologie der Geſichtsempfindungen. Leipzig, Freytag. M. 1. 20. Mantegazza, P., Die Phyſiologie der Liebe. Aus dem Ital. Neue deutſche Ausgabe, überſ. und bevorwortet von K. Kolberg. Berlin, Fried & Co. M. 2. Reininghaus, L., Ueber den Urſprung des Milchfettes. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. —. 80. Spitta, H., Die pſychologiſche Forſchung u. ihre Aufgabe in der Gegen— wart. Freiburg, Mohr. M. —. 80. Toldt, C., Die Darmgekröſe u. Netze im geſetzmäßigen u. geſetzwidrigen Zuſtand. Leipzig, Freytag. M. 7. 20. Anthropologie. Feſtſchrift zur Begrüßung der Teilnehmer an der gemeinſamen Verſamm⸗ lung der deutſchen u. Wiener anthropologiſchen Geſellſchaft in Wien am 5.—10. Auguſt 1889. Hrsg. von der anthropologiſchen Geſell⸗ ſchaft in Wien. Red. von F. Heger. Wien, Hölder. M. 4. Hoernes, M., Grabhügelfunde von Glajinac in Bosnien. Wien, Hölder. M. 1. 20. Kanitz, F., Die prähiſtoriſchen Funde in Serbien bis 1889. Aeltere u. neuere Grabdenkmalformen im Königr. Serbien. Wien, Hölder. M. —. 80. Paulitſchke, Ph., Die Wanderungen der Oromd oder Galla Oſtafrikas. Wien, Hölder. M. 2. Schmidel, E., Ausflug der Wiener Anthropologenverſammlung nach Carnuntum am 8. Aug. 1889. Wien, Hölder. M. 1. 50. Undſet, J., Terramaren in Ungarn. Wien, Hölder. M. 2. Weisbach, A., Die Zigeuner. Wien, Hölder. M. 1. 20. 408 Humboldt. — Oktober 1889. Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Zur experimentelleu Darficlung der Tromben be⸗ nutzt Mare Dechevrens ein Gefäß, welches mit Waſſer gefüllt wird, dem ein feines Pulver beigemiſcht worden war. In der Mitte der Waſſerhöhe befindet ſich ein Mühlchen, durch deſſen Rotation bald die Wirbel- und Trombenerſcheinungen hervortreten: die Staubteilchen in der Mitte unter dem Mühlchen geraten zuerſt in aufſteigende Bewegung, die fic) immer weiter nach unten fortpflangt, bis auch die Bodenteilchen trotz ihres gröberen Korns mitgeriſſen werden; die am Boden bleibenden bewegen ſich in radialen Spi⸗ ralen nach der Mitte hin, huſchen dort raſch in die Höhe, werden von der Mühle nach außen geſchleudert und ſinken am Rande herab, ſo daß ſie ein Bild der Wirbelbewegung gewähren. Ueber der Mühle bildet ſich ein Wirbel von entgegengeſetzter Bewegung mit einem hohlen Trichter, aber viel weniger energiſch als der Bodenwirbel. Auch in den Waſſerwirbeln der fließenden Gewäſſer und in den Tromben entſteht zuerſt ein Mittelwirbel, der ſich zu dem energiſch wirkenden Bodenwirbel erweitert, welcher dann die aufſteigende Bewegung entwickelt. Die aufſaugende Wir⸗ kung der Mitte tritt durch das Mühlchen beſonders deut⸗ lich auf; das lebhafte Fortreißen und wirbelnde Auſſteigen der Teilchen macht den Eindruck, als ob dieſelben durch eine ſchmale Oeffnung plötzlich nach oben entſchlüpft wären. R. Mikroſſopierlampe. In „Humboldt“, Jahrg. 8 Seite 128, iſt eine Mikroſkopierlampe, für mittlere Mikro⸗ ſkope ſehr gut geeignet, erwähnt. Sie wird indeſſen von einer Lampe, von Dr. V. A. Poulſen in Kopenhagen an⸗ gegeben, übertroffen. Die Poulſenſche“) kleine elektriſche Lampe iſt in Meſſing (um das Licht aufs beſte zu reflek⸗ tieren) eingefaßt und wird an dem Tiſche des Mikroſkops feſtgeſchraubt. Die Vorzüge dieſer Lampe ſind die, daß keine Rede von Erwärmung der Präparate ſein kann und daß die Lampe beinahe bei einem jeden Stative gebraucht werden kann. Die Lampe iſt von Nyrop in Kopenhagen in den Handel gebracht. J. C. Bay. Kopenhagen. Um zarte anatomiſche und zoologiſche Präparate auf Glas zu montieren, benutzt Dr. J. H. Liſt in Graz eine Gelatine⸗Glycerinmaſſe, die er in folgender Weiſe herſtellt. Käufliche Gelatineplatten werden in kleine Stücke ) In; Meddelelſer fra Botanisk Forening i Kjöbenhavn, Bd. T, S. 144 beſchrieben. geſchnitten und ſucceſſive in ein Becherglas gebracht, in welchem eine Miſchung von gleichen Teilen reinen Gly⸗ cerins und deſtillierten Waſſers auf einem Sandbade zum Kochen gebracht worden. Man fährt ſo lange mit dem Eintragen der Stückchen fort, als noch leicht Löſung er⸗ folgt. Sodann wird die Maſſe unter Umrühren ſo lange gekocht bis ſie vollkommen klar iſt. Dann läßt man ab⸗ kühlen. Soll die Maſſe verwendet werden, ſo ſchneidet man ein Stückchen der Gelatine-Glycerinmajje aus dem Becherglaſe heraus, thut es in ein Reagenzglas und kocht es mit der dreifachen Menge eines Gemiſches von gleichen Raumteilen Glycerin und deſtilliertem Waſſer. Ein Zeichen, daß die Maſſe zum Aufkitten geeignet iſt, iſt die faſt voll⸗ ſtändige Farbloſigkeit derſelben. Das betreffende Objekt wird ſodann aus dem Alkohol genommen und auf Filtrier⸗ papier gelegt, um den überflüſſigen Alkohol wegzunehmen. Unterdeſſen hat man aus der faſt erkalteten Löſung im Reagenzglaſe mittels eines Glasſtabes an verſchiedene Punkte der Glasplatte der Größe des Objektes entſprechende Maſſen der Löſung gebracht, und nun legt man das Objekt, eventuell mit leichtem Drucke, einfach auf die Platte. Um ein raſches Erſtarren der Maſſe zu bewirken, gießt man etwas abſoluten Alkohol auf das Objekt. Die Gelatine⸗Glycerin-Miſchung iſt auch zum Ver⸗ kitten von Glasgefäßen mit Alkoholpräparaten zu verwenden. Stückchen der Maſſe werden mit Glycerin und Waſſer in einem Reagenzglaſe über einer Gasflamme erwärmt, bis die Löſung eine ſchwach weingelbe Farbe annimmt. Die Löſung wird möglichſt warm auf den Rand des Präpa⸗ ratengefäßes gegeben, worauf man den gut aufgeſchliffenen und erwärmten Glasdeckel aufdrückt. Nach I4tägigem Stehen wird die am Rande anhaftende Gelatinemaſſe mittels eines Tuches abgewiſcht, und nun gibt man, um das weitere Austrocknen der Gelatine⸗Glycerinmaſſe zu verhindern, einen Kitt auf den Rand. Dazu dient eine feine Oelfarbe, und zwar Venetianer- oder Kremſer Weiß, welche mit dem Pinſel aufgetragen wird. (Anatomiſcher Anzeiger.) —s. Um einen Riß im Flügel eines Schmetterlings auszubeſſern, empfiehlt Honrath, die ſchadhafte Stelle mit Spiritus zu beſtreichen; ein Aufrollen des Flügels iſt dabei ohne Schaden, da nach geringem Eintrocknen des Spiritus der Flügel ſich leicht zurückrollen läßt. Die Ränder des Riſſes werden ſodann mit Tragantgummi beſtrichen und dicht aneinander gebracht. M—s. Verte dx. Zu Frage 7. Im Jahre 1724 ſtellte Delisle in den Kellern des Pariſer Obſervatoriums einige Alkoholthermo⸗ meter her, an welchen er als Nullpunkt die Temperatur des gefrierenden Waſſers und als 100 die nahezu ſehr konſtante Temperatur des Kellers (= 10.25 R.) ſetzte. Nach ſeiner Ueberſiedelung nach St. Petersburg im Jahre 1726, aber noch vor dem Jahre 1736 begann er mit der Anwendung von Queckſilberthermometern, bei welchen Null den Siedepunkt und 100 den Gefrierpunkt des Waſſers bezeichnet. Er hatte wahrſcheinlich zwei Modelle, und war die Skala fo eingerichtet, daß ſie, vom Siedepunkt ausgehend, anzeigte, um wie viele Zehntauſendteile (petit thermométre) oder Hunderttauſendteile ſich das Queckſilber zuſammengezogen hatte. Die Skala gibt alſo mit Reaumur verglichen: Delisle Reaumur 1500 = + 00 Gefrierpunkt 112.50 = 200 75.00 = 400 Ma) = 609 0.00 = 800 Siedepunkt. Delisle war der erſte nach Fahrenheit, welcher Queckſilber als Expanſionsflüſſigkeit einführte und zwei Fixpunkte mit zwiſchenliegender Teilung anwendete. Speciell gebührt ihm das Verdienſt, den Gefrier- und den Siedepunkt des Waſſers zuerſt direkt als Fixpunkte benützt zu haben. F. E. ’ | Detra-wee 1. (279) Ehn be. Von Paul Lehmann, Aſtronom des Kecheninſtituts der Königl. Sternwarte in Berlin. Jie Anzahl der ſogenannten Kleinen Planeten iſt durch die zahlreichen Entdeckungen der letztvergangenen zwei Jahrzehnte bereits (Februar 1889) zu der ehemals durchaus nicht erwarteten Höhe von 282 angeſchwollen. Auch der mit den einſchlägigen Arbeiten weniger vertraute Laie wird daraus entnehmen, daß eine beharrliche, mit aller zu Gebote ſtehenden Feinheit und Ge— nauigkeit in Bezug auf Rechnung und Beobachtung durchzuführende Verfolgung derſelben nur bei einem außerordentlichen Aufwand an Zeit und Mühe mög— lich iſt. Es iſt keine Frage, daß die Bewältigung einer ſolchen Aufgabe dennoch mit Daranſetzung aller Kraft erſtrebt werden müßte, wenn eine nennenswerte Bereicherung für die Wiſſenſchaft daraus zu erhoffen wäre. Bekanntlich hat ſich denn auch bisher die Be— arbeitung der kleinen Planeten namentlich für die Ausbildung der theoretiſchen Aſtronomie unter der Führerſchaft eines Gauß als außerordentlich frucht— bringend erwieſen. Gegenwärtig liegt nun aber die Sache ſo, daß aus einer rein ſtatiſtiſchen Vermehrung des vorhan— denen Stoffes an kleinen Planeten, worauf eine Be- arbeitung derſelben in der üblich gewordenen Weiſe hinauslaufen würde, zunächſt ein weiterer Fortſchritt der Erkenntnis der Dinge vorausſichtlich nicht zu er— warten iſt. Bei der winzigen Größe dieſer Himmels— körper würde ſogar ihre Geſamtmaſſe, ſelbſt wenn ſie deren mehrere Tauſende umfaßte, in dem Haushalte des Sonnenſyſtems, inſofern dabei eine Einwirkung auf die Bewegungen anderer Himmelskörper in Be⸗ tracht käme, noch keine Rolle ſpielen. Allerdings lehrt uns die Geſchichte der Aſtronomie, daß auch ein auf durchaus ſtatiſtiſchem Wege angeſammelter Stoff für die Folgezeit von Wert werden kann; aber in unſerem Zeitalter, welches auf ſparſames Zuſammenhalten aller Kräfte angewieſen ijt, würde Humboldt 1889. ; ein fo planloſes Vorgehen, wie es in der Kindheit der Aſtronomie nicht ohne Berechtigung geübt wurde, und wie es in dem genügſamen Beſtreben, über die bisherigen Ermittelungen hinaus das Vorhandenſein einer noch größeren Zahl kleiner Planeten feſtzu— ſtellen, gleichfalls ſich bekunden würde, den Charakter einer übel angebrachten Vergeudung von Kräften an— nehmen, wenn man die Fülle der hiermit verbun- denen, unausgeſetzt durchzuführenden Nebenarbeiten berückſichtigt. Von dieſen Geſichtspunkten ausgehend macht ſich daher immer allgemeiner die Anſicht geltend, daß die für die Bearbeitung der kleinen Planeten zur Ver— fügung ſtehenden Kräfte nunmehr zu einer gewiſſen Sammlung berufen, d. h. auf diejenigen Einzelweſen vereinigt und beſchränkt werden ſollen, von denen man hoffen darf, daß aus einer aufmerkſamen Ver⸗ folgung ihrer Bewegungen ſich wertvolle Beiträge zur Beantwortung gewiſſer noch ſchwebender Fragen ergeben werden. Zu den hierbei in Betracht kommenden Gliedern des zwiſchen der Mars- und Jupitersbahn um die Sonne kreiſenden Planetengürtels gehören vornehm— lich diejenigen, welche ſich in den beiden Grenzgebieten des letzteren bewegen. Dieſer Gürtel hat nämlich eine recht anſehnliche Breite. Während im Durch— ſchnitt die mittlere Entfernung der Planetoiden von der Sonne annähernd das Dreifache der Entfernung der Erde von der Sonne beträgt, hat der genannte Gürtel, ohne Rückſicht auf die teilweiſe nicht uner— heblichen Excentricitäten der einzelnen Bahnebenen eine der großen Achſe der Erdbahn gleichkommende Breite. Allerdings iſt die Verteilung in derſelben keine gleichmäßige, indem in der Gegend der Durch— ſchnittsentfernung auch in der That die Mehrzahl der Bahnen zuſammengedrängt erſcheint, während fie an den Rändern des Gürtels nur dünn geſäet 52 410 find; aber, wie geſagt, dieſe Ausnahmeglieder lenken gerade die Aufmerkſamkeit in hervorragender Weiſe auf ſich. Die in der geringeren Sonnenweite ſich bewegen— den Planetoiden können nämlich unter günſtigen Um⸗ ſtänden der Erde ſo nahe kommen, daß zu dieſer Zeit ausgeführte Ortsbeſtimmungen derſelben als nicht unwillkommene Beiträge zur Beſtimmung der Sonnen⸗ parallaxe ſich verwerten laſſen. Andererſeits nähern die in der größeren Sonnenweite den Gürtel begren⸗ zenden kleinen Planeten ſich teilweiſe in ſo erheblichem Maße dem Jupiter, daß man hoffen darf, aus den von dem letzteren Planeten alsdann verurſachten Störungen der Bewegungen jener zu einer genaueren Kenntnis der Jupitersmaſſe als bisher zu gelangen. Von welcher Wichtigkeit gerade die letztere für die Entſcheidung in manchen noch zweifelhaften Fragen, z. B. in der Frage nach der Erfüllung des Welt⸗ raums mit einem ſogenannten widerſtehenden Mittel iſt, hat erſt neuerdings v. Haerdtl in Wien in ſeiner Arbeit über die Bahn des periodiſchen Kometen von Winnecke dargelegt. Zu den kleinen Planeten der letzteren Gattung gehört der am 25. Oktober 1888 von Paliſa in Wien entdeckte Planet (279) Thule. Die Bahnelemente des⸗ ſelben ſind aus einer Reihe von Beobachtungen, welche bis zum 5. Dezember 1888 reichen, ermittelt. Nach denſelben überſchreitet der Planet noch die äußerſten bisher bekannten Grenzen des Planetoidenringes nach dem Jupiter zu. Die Halbachſe ſeiner Bahn iſt nämlich, wenn man die Halbachſe der Erdbahn als Einheit annimmt, gleich 4,2474. Ferner ijt die Ex⸗ centricität der Bahn des genannten Planeten gleich 0,1081, derſelbe erreicht alſo in ſeinem Aphel eine Entfernung von der Sonne im Betrage von 4,7064. Da nun der Sonnenabſtand des Jupiter zwiſchen den Werten 4,9515 und 5,4535 ſich bewegt, ſo würde, wenn ſonſt alle Umſtände günſtig lägen, die An⸗ näherung zwiſchen Thule und Jupiter bis auf 0,2451 herabgehen, d. h. auf eine Entfernung, in welcher die Anziehungsintenſität des Jupiter den 0,27fachen Betrag von der gleichzeitigen Anziehungswirkung der Sonne haben würde. Die Ausſicht einer ſolchen Möglichkeit forderte zu der Unterſuchung auf, wie weit die für das Eintreten derſelben nötigen Be⸗ dingungen erfüllt ſeien. Dieſe Unterſuchung zeigt nun, daß die gegenſeitige Lage beider Bahnebenen eine derartige iſt, daß die äußerſte Grenze der Annäherung beider Planeten für abſehbare Zeit nicht erreicht werden wird. Dieſer Fall würde nämlich eintreten, wenn Thule ihre größte Entfernung von der Sonne nach der Richtung hin erreichte, in welcher Jupiter ſich im Perihel befindet und wenn bei der Annäherung beider Planeten die von ihnen aus nach der Sonne zielenden Geſichts⸗ linien eine gerade Linie bildeten. Obwohl nun die letztere Bedingung nahezu erfüllt iſt, indem die Bahn der Thule bei einer Neigung gegen die Ekliptik von 2,4% und einer Knotenlänge von 75,2 nur 1,3° gegen die Jupitersbahn geneigt iſt, alſo beide Pla— Humboldt. — November 1889. neten überhaupt in nahezu derſelben Ebene ſich be— wegen, ſtehen dagegen die großen Achſen ihrer Bahnen annähernd zu einander ſenkrecht (genauer in einem Winkel von 73,1), jo daß Jupiter jedesmal die Sonnennähe weit überſchritten hat, wenn er ſich dem Aphel der Thulebahn nähert. Da in dieſem letzteren Zeitpunkt der Abſtand des Jupiter von der Sonne wieder auf 5,2644 angewachſen iſt, ſo würden die beiden Planeten, falls dieſelben an den betreffenden Stellen ihrer Bahnen zuſammenträfen, nur die, aller⸗ dings noch erhebliche und bisher ganz einzig daſtehende, Annäherung von 0,56 erreichen. Da nun aber dieſe Annäherung zunächſt nur für die Bahnen und nicht für die Planeten ſelbſt gilt, ſo bleibt noch die Frage zu beantworten, ob auch die Bewegung der letzteren eine ſolche iſt, daß ſie jemals diejenigen gegenſeitigen Stellungen in ihrer Bahn einnehmen, welche jener Annäherung entſprechen? Darüber iſt nun nach den vorliegenden Bahnelementen der Thule folgendes zu bemerken. Die im Vergleich zu benachbarten Stellungen größte Annäherung zwiſchen zwei Planeten findet offenbar in dem Augenblick ſtatt, wo eine durch dieſe Planeten und die Sonne gelegte Ebene auf den Bahnebenen jener ſenkrecht ſteht, oder mit anderen Worten, wenn die beiden Planeten von der Sonne aus geſehen ſich in Konjunktion befinden. Eine ſolche heliocentriſche Konjunktion zwiſchen Thule und Jupiter fand, ohne Rückſicht auf die hier zu vernachläſſigen⸗ den Störungen in der Zwiſchenzeit, zuletzt im Mai 1878 ſtatt. Thule befand ſich damals in der für unſere Zwecke ungünſtigſten Stellung, nämlich gerade im Perihel. Aus ihrer Umlaufszeit und derjenigen des Jupiter um die Sonne, welche bezw. 8,7586 und 11,8622 Jahre betragen, ergibt ſich nun die mittlere ſynodiſche Umlaufszeit beider Planeten zu 33,407 Jahren. Nach dieſem letzteren Zeitraum, d. h. nach annähernd vier Umläufen der Thule und drei Um⸗ läufen des Jupiter, wird alſo, von der vorher ge- nannten Konjunktionszeit an gerechnet, wiederum eine Konjunktion erfolgen, und ſo fort. Der Planet Thule wird dann aber jedesmal an einer anderen Stelle ſeiner Bahn als in der vorhergehenden Kon⸗ junktion mit Jupiter zu ſuchen ſein, nämlich an einem um 66,13 ° entgegen ſeiner heliocentriſchen Bewegungs⸗ richtung verſchobenen Ort. Dasſelbe gilt ſelbſtver⸗ ſtändlich vom Jupiter. Daraus ergibt ſich, daß erſt in der Mitte des Jahres 1978 eine ſolche heliocentriſche Konjunktion beider Planeten eintritt, bei welcher Thule nahezu in die größte Nähe des Jupiter gelangt. Allerdings befindet ſich erſtere alsdann nicht genau im Aphel, fondern in einem Winkel von 16,25 ° in ihrer Bahn⸗ bewegung vor demſelben, doch iſt dieſer Umſtand in⸗ ſofern als günſtig zu betrachten, als gerade in dieſer Gegend, zwiſchen der Richtung nach dem Aphel der Thule einerſeits, von der Sonne aus geſehen, und dem Perihel des Jupiter andererſeits die größte Anz näherung beider Planetenbahnen zu ſuchen iſt, weil hier, von der erſteren Richtung aus gerechnet, die Humboldt. — November 1889. Sonnenabſtände der Thule anfangs langſamer als diejenigen des Jupiter abnehmen. Die Entfernungen beider Planeten von der Sonne | ſind zu der oben genannten Epoche 4,684 und 5,188, und da gleichzeitig die heliocentriſche Breite der Thule in Bezug auf die Jupitersbahnebene 1,0 beträgt, ſo wird der Abſtand beider Planeten von einander gleich 0,54 gefunden. Bei dieſer Stellung beträgt nun allerdings die Anziehungswirkung des Jupiter auf den Planeten Thule nur 0,072 von derjenigen der Sonne, indeſſen darf dieſes Verhältnis für Ermittelungen in dem oben angeführten Sinne, in Anbetracht der bei den kleinen Planeten obwaltenden Umſtände, immerhin noch als ein günſtiges betrachtet werden. 411 beſtimmung der Thule, welche dabei unerläßlich ijt, inſofern nicht günſtig, als der Planet ſehr lichtſchwach iſt, da nach den bisherigen Schätzungen ſeine Hellig— keit zur Zeit der Oppoſition ſich immer zwiſchen den Größen 13,5 und 14,1, alſo nahe an derjenigen Grenze bewegt, wo der Planet für die kräftigſten Inſtrumente der Neuzeit gerade noch ſichtbar iſt. Es wird daher, wenn anders eine ſo weit ausſchauende Fürſorge, wie die vorliegenden Zeitangaben in Aus— ſicht ſtellen, in dieſem Falle angebracht erſcheint, die Mitwirkung ſolcher Anſtalten, wie der ſo muſterhaft ausgeſtatteten und günſtig gelegenen Lickſternwarte in Kalifornien und der ſchönen Sternwarte des Herrn R. Biſchofsheim in Nizza, bei der Beobachtung des Leider liegen die Vorbedingungen zu einer guten Bahn- Planeten vorausſichtlich von großem Nutzen ſein können. Die Artbildung und berwandtſchaft bei den Schmetterlingen. Von Profeſſor Dr. Klunzinger in Stuttgart. 8 den neueren Beſtrebungen, die nun allgemein anerkannte Deſcendenzlehre weiter zu begründen, als durch das Darwinſche Princip der Anpaſſung im Kampf ums Daſein, das eben doch nicht zur Erklärung aller Fälle ausreicht, iſt beſonders die Eimerſche An— ſchauung hervorzuheben, nach welcher Arten entſtehen durch veränderte chemiſch-phyſikaliſche Konſtitution, oder verändertes Wachstum der Lebeweſen infolge von Veränderung der äußeren Lebensbedingungen, und zwar in beſtimmter Richtung: es bilden ſich aus urſprünglich gleicher Maſſe durch veränderte Miſchung der Elemente gleichſam verſchiedene Mutter- laugen, aus welchen verſchiedene Formen, Zeichnungen, Farben gewiſſermaßen herauskryſtalliſieren, wie Kry⸗ ſtalle aus unorganiſchen Flüſſigkeiten, nur daß die Feinheit und Mannigfaltigkeit der organiſchen Prozeſſe auch mannigfaltigere Formen bedingt. Dasſelbe Bild mit der Mutterlauge hat übrigens ſchon 1872 Kölliker gebraucht zur Begründung ſeiner polyphyletiſchen Stammtheorie. Die neu erworbenen Eigenſchaften werden dann in einer beſtimmten Gruppe bleibend („Genepiſtaſe“ — Geſchlechtsſtillſtand), der Kampf ums Daſein macht weiterhin ſeine Ausleſe, und es verliert jene abgeänderte Gruppe durch Verlorengehen der Zwiſchenſtufen oder örtliche Trennung (Iſolirung) ihre Verbindung mit den übrigen Verwandten, welche in der Umbildung weiter ſchreiten. Bald wird auch gegenſeitige Vermiſchung durch Paarung zwiſchen der neuen Gruppe und den alten unmöglich („phyſiologiſche Selection“ nach Romanes), und erſtere iſt zur Art geworden: alſo erſt Abart, dann Art; Abarten ſind werdende Arten. Für die Richtigkeit der Theorie muß freilich nun der Beweis geliefert werden: 1) daß äußere Ein- flüſſe, wie Wärme, Klima, Licht, Ernährung, Art des Aufenthalts (vielleicht auch Gebrauch und Nicht— gebrauch) wirklich die Formen abändern können. Für Entſtehung von Abarten wird auch ohne Bei⸗ hilfe der Ausleſe das nicht bezweifelt, und es gibt eine Menge von Beiſpielen (ſ. Eimer, Entſtehung der Arten S. 93 - 165): z. B. Pigmentloſigkeit bei Pflanzen und Tieren durch Dunkelheit (im Licht gehaltene Proteus werden dunkel), Veränderung vieler Pflanzen und Tiere durch Akklimatiſation, die Verwandlung der Artemia salina in Branchipus durch Verminderung des Salzgehalts nach Schmankewitſch, die ſchon ſeit lange ſelbſt den Knaben bekannte willkürlich mögliche Erzeugung von Vanessa levana und prorsa je nach Einwirkung verſchiedener Temperatur auf die Puppen, Abartung der Euprepia caja und anderer durch ver— ſchiedene Fütterung der Raupen u. ſ. w. 2) Die Ent- ſtehung von Arten auf dieſe Weiſe fest aber die Ver- erbung erworbener Eigenſchaften voraus, was ja gegenwärtig einen Hauptſtreitpunkt unter den Ge- lehrten bildet. Da es nun, folgert Eimer, weſentliche Unterſchiede zwiſchen dem Abändern der Einzeltiere, der Entſtehung der Abarten und Arten nicht gibt, ſo müſſen auch die Urſachen für beide dieſelben ſein. Viele Eigenſchaften der Organismen ſind entſchie— den denſelben nicht nützlich, find gleichgültig; aller- dings können ſie auch nie ſchädlich ſein, da ſolche bald durch den Kampf ums Daſein ausgemerzt würden. Nicht Alles iſt durch Nutzen, durch Anpaſſung ent— ſtanden, wie die Darwinianer ſtrengſter Obſervanz be- haupten. So laſſen ſich, abgeſehen von der Färbung innerer Teile, wie des roten Bluts, die oft mit Schlamm bedeckten Sculpturen z. B. der Schnecken⸗ gehäuſe, und beſonders die mannigfaltigen, in be- ſtimmter Richtung erfolgenden Zeichnungen der vielen Tiere nur zum Teil und oft nur in ſehr ge— zwungener Weiſe mit dem Darwinſchen Zweckmäßig⸗ keitsprinzip als Schutzfarben oder Erkennungszeichen für die Geſchlechter, noch weniger meiſt durch ge— ſchlechtliche Zuchtwahl (welche überhaupt der ſchwächſte 412 Teil der Lehre Darwins ijt) als Schmuck erklären, und gar nicht die erſten Anfänge dieſer Zeich— nungen, oder das häufig vorkommende Schwinden und die Vereinfachung der Zeichnung. Sie ſind, wie Darwin ſelbſt zum Teil einräumt, das Reſultat der chemiſchen Beſchaffenheit, der Konſtitution der Lebeweſen. Die Geſetze dieſer Zeichnungen zu erforſchen hat ſich Prof. Dr. Eimer in Tübingen ſeit 1874 zur Lebensaufgabe gemacht; nach Veröffentlichung ſeiner Beobachtungen über die Mauereidechſe 1874 und 1881, über die Zeichnung der Vögel und Säugetiere 1883 und 1887 erſchien 1888 der I. Teil eines ſeine An⸗ ſchauungen zuſammenfaſſenden Buches: über „Ent⸗ ſtehung der Arten auf Grund von Vererben erwor⸗ bener Eigenſchaften nach den Geſetzen organiſchen Wachſens, ein Beitrag zur einheitlichen Auffaſſung der Lebewelt“. Kaum ein Jahr nach Erſcheinen dieſes inhaltſchweren Buches folgt ein mit vier prachtvollen von ſeiner Frau gemalten Tafeln ausgeſtattetes Werk über „Artbildung und Verwandtſchaft bei den Schmetter⸗ lingen“), das zunächſt der Gegenſtand dieſes Berichtes ſein ſoll. Abgehandelt wird vorderhand nur ein ver⸗ hältnismäßig kleiner Teil von Schmetterlingen, nur die dem Segelfalter ähnlichen Arten der Gattung Papilio. Die Schrift ſoll als weiterer Beleg für die Richtig— keit ſeiner im vorjährigen Buch auseinandergeſetzten Theorie über die Zeichnung der Tiere und für die Verwendbarkeit der Zeichnung zur Erforſchung ihrer verwandtſchaftlichen Beziehungen, alſo der Stammes⸗ geſchichte oder Syſtematik dienen. Gerade bei den Schmetterlingen, wo die Zeichnung der Flügel im Verhältnis zu anderen Merkmalen, wie Zeichnung des Leibes, Form der Flügel eine ſo hervorragende Rolle ſpielt, mußte die Theorie die Prüfung beſtehen, wenn ſie wahr war. In der That zeigt ſich auch hier jene geſetzmäßige Umbildung der Zeichnung in beſtimmter, wie nach einem Plan vorgezeichneter Richtung, wie ſie Eimer ſchon für die Mauereidechſe, die Raubvögel und Raubſäugetiere gefunden hatte: 1) Längsſtreifung, dann 2) Fleckung durch teilweiſe Auflöſung der Streifen, oft auch nur feit- liche Verſchmelzung oder Verkürzung oder teilweiſes oder völliges Schwinden einzelner Binden (z. B. Taf. II). 3) Querzeichnung oder Querſtreifung durch ſeitliche Verbindung der Flecken oder auch der Längsſtreifen (z. B. Taf. IV). 4) Einfärbigkeit durch faſt oder ganz vollſtändiges Zurücktreten der Zeichnung, oder auch durch Verbreiterung der Quer⸗ verbindungen und der urſprünglichen Längsbinden, ſo daß die Grundfarbe ſchließlich ganz oder bis auf Reſte verdrängt wird (z. B. Taf. IV, Fig. 8). Eine poſtero-anteriore Entwickelung, das allmähliche Fortſchreiten der Zeichnung von hinten nach vorn, iſt bei den Schmetterlingen wohl zu er- kennen, indem die Längsſtreifen auf den Flügeln in der Richtung von hinten nach vorn ſchwinden und in der Nähe des Vorderrandes am längſten beſtehen bleiben. Auch treten neue Eigenſchaften (Zeichnungen) ) Jena, Fiſchers Verlag. 1889. Humboldt. — November 1889. nur hinten auf. Das „Undulationsgeſetz“, d. h. wellenförmiges Vorrücken der hinten neu auftretenden Zeichnung nach vorn mit dem Alter kann hier nicht in Betracht kommen, da die Schmetterlinge ſchon fertig aus der Puppe kommen, ein ſolches wäre an der Raupe zu prüfen. Einigermaßen läßt es ſich in⸗ deſſen erkennen bei Zuſammenſtellung verwandter Arten, welche ſich oft verhalten wie jüngere und ältere Einzeltiere einer Art. Das Geſetz der männ⸗ lichen Präponderanz, nach welchem neue Eigen— ſchaften reſp. Zeichnungen ſich zuerſt beim alten Männ⸗ chen zeigen, während die Weibchen auf einer jugend⸗ licheren, niedrigeren Stufe ſtehen bleiben, können wir bei Schmetterlingen nur dann finden, wenn äußere Geſchlechtsunterſchiede vorhanden ſind, wie bei Papilio ajax). Das biogenetiſche Grundgeſetz in Beziehung auf Zeichnung wäre auch nur an den Raupen zu prüfen, die aber aus Mangel an Unterſuchungsmate⸗ rial vorerſt nicht in Betracht gezogen werden konnten. Die große Mannigfaltigkeit der Zeichnung oder Formen (Abarten und Arten) wird weniger durch Auftreten neuer Zeichnungen (aus unſcheinbaren An⸗ fängen) bedingt, als durch Umbildung der alten, indem die eine, z. B. ein gewiſſer Streifen in einer Gruppe ſchwindet, in einer anderen ſich mehr ausbildet, oder indem beides zugleich vor ſich geht, hier Fort⸗ dort Rückbildung, oder endlich indem an Vorder- und Hinterflügel, Ober- und Unterſeite der Schmetter⸗ linge die Veränderung nicht in gleichem Maße vor ſich geht“). Dazu kommt noch als die Mannigfaltig⸗ keit bedingend die Korrelation (Bezüglichkeit): mit der Veränderung einer Eigenſchaft (Zeichnung) treten häufig noch eine andere oder mehrere zugleich auf, z. B. mit der ſchönen Ausbildung der Afteraugen⸗ flecke beim Segelfalter ſteht die Ausbildung der blauen Randbinde in Beziehung. Die Urſache kann, wie dieſer Fall zeigt, im urſprünglichen Zuſammenhang, d. h. der urſprünglichen morphologiſchen und phyſio⸗ logiſchen Gleichwertigkeit der betreffenden Teile liegen, wie auch die Symmetrie von gleicher ſtofflicher Zu⸗ ſammenſetzung und gleicher phyſiologiſcher Thätigkeit der beiden Körperhälften herrührt. Solche korrelativ vor ſich gehende, ſprungweiſe Umbildung ohne Zwi⸗ Mit dieſer männlichen Präponderanz erklärt fic) ebenſogut die häufig größere Schönheit der Männchen bei den Schmetterlingen, wie das auch nicht ſelten vorkom— mende Gegenteil: größere Schönheit der Weibchen. Im erſten Fall iſt die Art in der Ausbildung zu größerem Schmuck, das andere Mal in der Vereinfachung begriffen, und in beiden ſind dann die Männchen voraus. Die Er— klärung dieſer beiden gegenteiligen Fälle durch Darwins geſchlechtliche Zuchtwahl klingt ſehr gezwungen. ) Zeichen des Fortſchritts find: Verſchwinden, Verſchmelzung, Verkürzung, Auflöſung gewiſſer Bänder in Flecken; Ausbildung gewiſſer Zierden. Dieſer Fortſchritt beruht aber nicht überall auf einer Fortbildung im Sinne größerer Vollkommenheit und vollendeterer Schönheit, ſon— dern vielfach auf ausgeſprochener Veveinfachung. Die Zeichen der Rückbildung oder des Stehenbleibens auf niederer Stufe ſind die umgekehrten von obigen. Humboldt. — November 1889. 413 ſchenſtufen kann man nach Eimer auch als „kaleido— ſkopiſche“ bezeichnen: indem bei der Veränderung in den Teilchen auch andere Teilchen in Bewegung kommen, ordnet ſich alles zu einem neuen Ganzen an, wie bei einem Kaleidoſkop. Weniger wird die Mannigfaltigkeit bedingt durch Rückſchlag: indem Streifen oder Flecke, welche ſonſt bei der Art ge— ſchwunden ſind, ganz oder teilweiſe wieder zum Vor— ſchein kommen (z. B. der 7. Streifen bei Pap. Poda- lirius var. undecimlineatus). Solche Erſcheinungen aber finden ſich nur bei Abarten. Je mehr die neuen Eigenſchaften gefeſtigt ſind, d. h. je öfter ſie in der Entwickelung wiederholt worden ſind, je be— ſtimmter die Art geworden iſt, deſto ſeltener tritt Rückſchlag auf. Manchmal findet man auch an entfernten Ver— zweigungen einer Stammform unabhängig von ein— blau gelb Fig. 1. Papilio Alebion Gray. Rechts Unterſeite. ander die nämlichen Eigenſchaften (Zeichnungen) auf— treten, ſei es durch den Einfluß ähnlicher Einwirkungen, ſei es ohne denſelben: „unabhängige Entwicke— lungsgleichheit“ (C. Vogts Konvergenz der Cha— raktere). Dahin gehören auch zum Teil wohl die ſogen. vikariierenden Arten verſchiedener Gegenden. Will man nun die oben aufgeſtellten Grundſätze in der Umbildung der Zeichnung zunächſt bei Papilio verfolgen und prüfen, ſo hat man vor allem außer dem zu der Zeichnung in innigſter Beziehung ſtehen— den Flügelgeäder und ſeinen bekannten Benennungen gewiſſe Hauptzeichnungen und deren von Eimer auf— geſtellte Namen ſich zu merken, wobei man von ge— wiſſen Arten ausgehen kann, wie Papilio Alebion Fig. 1 (und Glycerion), wo die Verhältniſſe ſich am einfachſten und urſprünglichſten zeigen, während bei unſerem Segelfalter P. Podalirius Fig. 2 und ſeinen ſüdlichen Abarten ſchon manche weiter fortgeſchrittene Umbildungen der Zeichnung zu bemerken ſind. P. Alebion zeigt zunächſt an den Vorderflügeln an der Oberſeite 11 dunkle Binden (als Längsſtreifen aufzufaſſen) mit beſtimmter Lage und Beziehung zu gewiſſen Adern. Sie ſtellen den Grundriß dar, auf welchen die Zeichnung aller übrigen in dieſer Arbeit vorkommenden Falter zurückzuführen iſt. Sie werden als Nr. 1—11 bezeichnet. Am beſtändigſten iſt Nr. 1 als äußere, Nr. 3 als innere Randbinde und beſonders Nr. 5 als Mittelzellrandbinde, welche ſich dem Außenrand der Mittelzelle entlang erſtreckt. Nr. 11 erſcheint oft nur als ein kleiner Fleck, ſetzt ſich aber häufig nach hinten fort als „Afterbinde“ der Hinterflügel (A). Auch die Binden 1, 3, 9, 10 ſetzen ſich oft über die Hinterflügel fort. Auf den Hinterflügeln, namentlich auf deren Unter— ſeite, ſind bemerkenswert und von Wichtigkeit die Prachtbinde B, entſtanden durch Spaltung der hieher fortgeſetzten Binde 9 mit Einlagerung von gelber, oft auch roter Farbe. (Bei Alebion ſelbſt wenig ausgeſprochen.) Bei manchen löſt ſich dieſe Prachtbinde in Flecken auf, welche den Flügelzellen entſprechen. Ferner der nach vorn offene Pracht— winkel, deſſen äußerer Schenkel von der eben ge— 21 Mau gelb Fig. 2. Papilio Machaon L. Rechts Unterſeite. nannten Prachtbinde Nr. 9, der innere von Nr. 10 (oder auch vom Verbindungsſtreifen) gebildet wird. Vom hinteren Drittel des inneren Schenkels dieſes Winkels zieht zuweilen gegen die innere Rand- oder Afterbinde A-11 nach vorn hin an der Submedian—⸗ ader unter ſpitzem Winkel der Verbindungs— ſtreifen D. Die Prachtquerbinde EF iſt eine quere hintere Fortſetzung der Prachtbinde und hat eine dieſer ähnliche Färbung. In der hinterſten Randzelle am Flügelrand liegt der meiſt ſehr auf— fallende und ſchöne Afterfleck F, welcher oft durch einen Augenkern zum farbig eingefaßten Augenfleck oder Afterauge wird. Er iſt, wie die Vergleichung von P. Alebion (auch Glycerion) und Podalirius zeigt, aus der Prachtquerbinde entſtanden, indem dieſe durch Quereinſchnürung (P. Alebion) in zwei getrennte Fleckenzeichnungen EP. P fic) umbildete, wobei die äußere Hälfte meiſt ſchwand und ſo nur die von der Prachtbinde getrennte innere Hälfte F blieb (P. Podalirius). In zweiter Linie kann dann der Augenfleck allein ohne Prachtbinde auch auf der Ober⸗ ſeite (. Fig. I u. 2 links) auftreten. Endlich werden die zwei Randbinden der Hinterflügel oft zackig, mit 414 Humboldt. — Wovember 1889. halbmondförmiger Zeichnung zwiſchen ihnen, ſogen. Randhalbmonden G von ſchwarzer, weißer und beſonders blauer Farbe, wie bei P. Alebion und Podalirius, und zwar gewöhnlich auf der Ober- und Unterſeite. Weiß wird durch Luft hervorgerufen, Blau entſteht durch Weiß mit Unterlage von Schwarz bei auffallendem Licht, Schwarz bei bloßer ſchwarzer Unterlage. Dieſe Halbmonde, wie das Afterauge und die Prachtbinde bilden hauptſächlich die Schmuck— färbung. Die „Schwänze“ zeigen bei den ver— ſchiedenen Arten und Abarten verſchiedene Länge, der dunkle Mittelſtreif nimmt oft faſt die ganze Breite des Schwanzes ein. Am Körper zeigt Kopf und Vorder- bruſt oft hellere (gelbe) Seitenlinien; ebenſo der Hinterleib, an welchem ſich zuweilen auch ſchon Quer— ſtreifung entwickelt, den Segmenten entſprechend. Eimer ſucht nun in dem bis jetzt publizierten Teil ſeines Werkes über die Schmetterlinge die fegelfalter- ähnlichen Papilio-Arten aller Erdteile in Gruppen zu bringen, welche je auf einer größeren Anzahl von Verſchiedenheiten in der Entwickelungsrichtung, oder doch auf einer weſentlichen beruhen: Verſchiedenheiten, die ſich hauptſächlich auf die Zeichnung der Flügel oder auch des Leibes, ſowie auf die Grundfarbe, die Geſtalt und den Zuſchnitt der Flügel und Länge der Schwänze beziehen. Es ſollen dann die Grundzüge der wirklichen Verwandtſchaft der Formen feſtgeſtellt werden, um das Syſtem zu dem zu geſtalten, was es wirklich ſein ſoll, zum Ausdruck der Blutsver⸗ wandtſchaft, und es werden für die Arten und Abarten innerhalb jeder Gruppe Stammbäume auf⸗ geſtellt. Vielfach wurden bisher als Arten bezeichnete Formen als Abarten erkannt und umgekehrt: Abarten heißt man ſie, wenn ſie von den nächſtverwandten noch nicht völlig abgelöſt ſind, Uebergänge, Zwiſchenformen zeigen. Um möglichſt die alten Bezeichnungen bei⸗ behalten zu können, wurde die drei- oder vierfache Namengebung angewendet, z. B. Papilio Podalirius Podalirius für unſeren einheimiſchen Segelfalter, Pap. Podal. Feisthameli für die Mittelmeerabart u. dgl. Die Gruppen und einzelne Glieder der Gruppen ſind nun folgende: I. Podalirius -Gruppe. Die elf Binden des Grundplans mehr oder weniger geſondert und nach⸗ weisbar. Die mittleren derſelben erſtrecken ſich ge— wöhnlich nicht über die Mittelzelle hinaus, die äußerſten und innerſten dagegen ſetzen ſich zumeiſt auf die Hinterflügel bis an deren hinteren Rand fort. Grund- farbe gelblichweiß bis weiß. Man hätte die ganze Gruppe nach der urſprünglichen Form auch Alebion- Gruppe nennen können, während der allerdings be⸗ kanntere P. Podalirius ſchon etwas fortgeſchrittenere Verhältniſſe zeigt. Auszugehen bei der Beurteilung hat man jedenfalls von P. Alebion, der mit P. Paphus und Glycerion, drei feltenen Aſiaten a) eine Alebion-Untergruppe bildet: alle elf Binden auf den Vorderflügeln noch getrennt, Prachtbinde und die andern Binden erſt im Entſtehen begriffen, Grundfarbe gelblichweiß. Bei p) der Podalirius-Untergruppe da⸗ gegen, welche nur von P. Podalirius L mit verſchie— denen Abarten und Abänderungen gebildet wird, fehlt Binde 7 (tritt nur als Rückſchlag zuweilen auf, wie bei Var. undecimlineatus), die drei Randbinden an der Oberſeite (nicht oder nicht ganz an der Unterſeite) der Vorderflügel in ſpitzem Winkel hinten vereinigt. Die Zierden: Prachtbinde, Prachtwinkel, Afteraugenfleck, Mondflecke ſchön ausgebildet. Grundfarbe rahmfarbig. Sehr intereſſant iſt die Betrachtung der Abarten des P. Podalirius L. Auch dieſe Abänderungen zu⸗ mal der Zeichnung ſind durchaus geſetzmäßige, und faſt durchweg ſolche, welche auch der Ausbildung neuer Arten in der Podalirius-Gruppe und darüber hinaus zu Grunde liegen: man ſieht ſchon an ihnen die Richtung, welche die phyletiſche Entwickelung nimmt. Richts ijt dabei zufällig, weitaus die meiſten erweiſen ſich als Fortſchritt, einzelne weichen nach rückwärts und ſind auf Rückſchlag zurückzuführen, da die Art noch nicht ſo feſt gebildet iſt, um gewiſſe Eigenſchaften vollſtändig abgeſtreift zu haben. Die Entſtehung dieſer Abarten, welche manche auch als Arten auf⸗ faſſen, iſt auf durch klimatiſche Verhältniſſe beein⸗ flußte, beſtimmte Entwickelungsrichtungen zurückzu⸗ führen, wobei mit einemmal (in kaleidoſkopiſcher Weiſe) eine Anzahl neuer Eigenſchaften zuſammen auftreten, und fo entſtehen zunächſt Jahreszeiten⸗ Abarten (Wärme⸗Abarten ſogen. Saiſondimorphis⸗ mus nach Wallace, Horadimorphismus nach Eimer), dann, bei Fortdauer derſelben äußeren Verhältniſſe, zumal bei örtlicher Trennung, ſtän dige Abarten und endlich Arten, wenn fie nicht mehr durch Zwi— ſchenformen verbunden ſind und ſich nicht mehr un⸗ begrenzt geſchlechtlich vermiſchen können. Die Hod): ſommergeneration oder Wärmeform unſeres Segel- falters, wie ſie aus Wallis erhalten wurde, verhält ſich in der Zeichnung ähnlich, wie die ſüdlichen Abarten: Papilio Podalirius var. Feisthameli, welche die Sommerform des Pap. Podalirius im Mittelmeergebiet ijt und noch weiter im Süden, be⸗ ſonders in Spanien zur Hauptform wird; aus dieſer bildet ſich eine neue Sommerform var. Latteri in Algier heraus, in Meſſina var. Zancliius. Eine andere aſiatiſche Richtung der Sommerform ijt var. smyrnensis, und eine mehr verkümmerte Wüſtenform aus Syrien var. virgatus. Unſer mitteleuropäiſcher Segelfalter Pap. Podalirius Podalirius dagegen ent⸗ ſpricht der Frühjahrsbrut (Kälteform) des Walliſer Segelfalters oder der Winterbrut dieſes Falters aus Brescia: kleiner, mehr ſchwefelgelb (dort heller gelb)), kürzer geſchwänzt, Zeichnung weniger ſcharf begrenzt, Halbmonde kleiner und weniger glänzend blau, After⸗ augenfleck kleiner mit weniger ſchön blauem Kern, die Längsbinden im allgemeinen von hinten nach vorn weniger verkürzt, auch weniger dunkelgelber Vorder— rand der Vorderflügel. Die Sommerbruten (Wärmeformen) und die ſüdlichen Abarten zeigen alſo fortgeſchrittenere Zeichnung, eine höhere Stufe. So erkennen wir ganze Reihen von Abarten oder Arten, welche ſich in der Richtung von kälteren Ge- bieten in wärmere erſetzen, und zwar ſo, daß die Humboldt. — November 1889. 415 höheren Stufen der Entwickelungsrichtung ſtets in den wärmeren Gebieten leben. Es iſt überhaupt auffallend, in wie hohem Grade die geographiſche Verbreitung maßgebend ijt für die Bildung der heute als Arten aufzuſtellenden Formen und beſtimmter Gruppen von Arten. Ab⸗ änderungen der Einzeltiere einer Art (aberratio- nes) führen in zunächſt benachbarten Ge— bieten zu Abarten (varietates) und dann in weiter benachbarten zu Arten (species), wie bei Pap. Podalirius und ſeinen ſüdlichen Verwandten. Man ſtellte ſolche als Arten auf, wenn oder ſo lange die geographiſchen Zwiſchenglieder nicht bekannt waren; und auch wenn man dieſe kennt, iſt die Entſcheidung, ob Art oder Abart, oft unmöglich, weil ja das einzig vollgültige Kennzeichen für die Arten unbegrenzt er— folgreiche Begattung iſt: ein Verſuch, der, an und für ſich ſchwierig, noch dadurch erſchwert oder unmöglich wird, daß ſchon die Glieder einer Art, ſobald ſie äußerlich verſchieden ſind, häufig eine große Abneigung beſitzen, ſich geſchlechtlich zu miſchen. Daß die Arten und Abarten der Schmetterlinge trotz ihrer Flug— fertigkeit ſo ſehr an mehr oder weniger beſchränkte Gebiete gebunden ſind, iſt zum Teil zu erklären durch die Beſtimmtheit der Futterpflanzen, an welche auch die Eier gelegt werden, teilweiſe ſetzt aber auch Klima, Höhe, geologiſche Formation, abgeſehen von der Futterpflanze, Grenzen für das Vorkommen, je nachdem ſie der Entwickelung förderlich ſind oder nicht. So findet ſich Parnassius Apollo nur auf einer ge— wiſſen Höhe auf den Bergen der Alb, und im oberen Neckarthal im Muſchelkalk, nie im Keuper, obwohl die Futterpflanze, Sedum album, überall vorkommt. So findet man in den Thälern der Alpen die Schmetterlingsarten genau nach der Höhenlage ab— gegrenzt. Es gibt aber auch Fälle, wo mitten im Wohngebiet einer Art von Faltern eine neue Art auftritt, welche ihr ſehr verwandt iſt, aus ihr hervorgegangen ſein muß, aber keine Zwiſchenformen zeigt. Die Erklärung mag in gewiſſen äußeren Ein⸗ flüſſen liegen, z. B. der Art der Futterpflanze, An— paſſung an den Untergrund, was freilich bei Schmetter— lingen weniger in Betracht kommen kann als bei Eidechſen. Auch mag es ſich hier um eine kaleidoſkopiſche Entwickelung handeln. Die übrigen Glieder (Untergruppen) der Podalirius- Gruppe ſind Süd- und Mittelamerikaner: Pap. Agesilaus, Protesilaus, Epidaurus, Bellerophon, und ein Nord⸗Indier: Pap. Agetes. Sie haben im all— gemeinen die Neigung zur Umbildung der gelben Grundfarbe der Flügel in einen grünlichen Ton und zum Glashellwerden der Flügel, ſowie an den After— flecken und der Prachtbinde ſtatt Gelb ein ſchönes Rot als Schmuckfarbe zu erhalten. Ihre Anordnung im Stammbaum dürfte ungefähr in der oben aufge⸗ führten Reihe zu geſchehen haben, am urſprünglichſten erſcheint alſo P. Agesilaus, am weiteſten vorge— ſchritten P. Bellerophon und Agetes, welche aller— dings in Beziehung auf die Afteraugenflecke wieder zurückgeblieben ſind. Die Europäer und Amerikaner 1 dürften beide Abkömmlinge einer Urform ſein, welche dem Pap. Alebion-Glycerion nahe ſtand. Und nun machen ſich, wie es ſcheint unabhängig voneinander, im weſentlichen dieſelben Entwickelungsrichtungen bei beiden geographiſchen Gruppen geltend, die oft zu ſehr ähnlichen Formen führt; ſo iſt der Amerikaner Pap. Agesilausalsdieſtellvertretende(vikariierende) Form des europäiſchen Pap. Podalirius zu betrachten. Die II. Hauptgruppe iſt die auf Taf. II des Werkes abgebildete Antiphates -Gruppe, lauter Oſtindier, im allgemeinen ausgezeichnet durch die Breite der Binden, beſonders der Randbinden, welche mehr oder weniger zuſammenfließen, durch Auflöſung der Prachtbinde in Flecken, ohne Rot (außer bei Pap. Dorcus), und durch einen nur ſchwarzen After— fleck. Grundfarbe grünlich oder gelblich weiß. III. Leosthenes-Antierates-Ajax-Gruppe, Taf. III: Randbinden breit, ununterbrochen auf Vorder- und Hinterflügeln, oft durch Querverbin— dungen in den Queradern zuſammenhängend. Zwi— ſchen beiden äußeren Randbinden, beſonders auf den Hinterflügeln Halbmondflecke, welche zuweilen blau find. Auf der Oberſeite ein ſchwarzer Afteraugenfleck. Unterſeite heller in Grundfarbe und Zeichnung. Pracht— binde und Prachtquerbinde vorhanden, in verſchiede— denen Graden der Rückbildung (Auflöſung in Flecken), meiſt mit Rot. Man hat zwei vikariierende Unter—⸗ gruppen zu unterſcheiden: eine indiſch-auſtraliſche und eine amerikaniſche, letztere mit nicht aufgelöſter Pracht— binde. IV. Ajax-Policenes -Gruppe, Taf. IV. Ge⸗ meinſam iſt eine zu der urſprünglichen Längsſtreifung hinzukommende Querſtreifung, wobei ſchließlich die Zeichnung ſo die Oberhand bekommt, daß von der früher herrſchenden Grundfarbe nur noch Flecke übrig bleiben, wie bei dem am weiteſten vorgeſchrittenen Pap. Colonna. Pap. Ajax iſt die urſprünglichſte Form und ſchließt ſich an die vorige Gruppe an. Reſte der Prachtbinde mit Rot in den verſchiedenſten Abſtufungen vorhanden, vor der Prachtquerbinde bleiben ſtets noch zwei Stücke. Keine blauen Rand— halbmondflecke, außer bei Pap. Ajax, weder unten noch oben, unten zuweilen noch weiße. Grundfarbe grünlich, grün oder gelblich. Die Falter alle groß und langgeſchwänzt. 2 Untergruppen: a) Ajax- Philolaus-Rhesus, erſtere 2 Amerikaner, letzterer aus Celebes. b) Policenes-Colonna, Afrikaner. Pap. Ajax zeigt in noch ausgezeichneterer Weiſe als Pap. Podalirius Jahreszeiten-Abarten und zwar 3: 2 Winterformen: Pap. Ajax Walshii und Telamonides, die erſte die frühere und offenbar Grundform, und eine Sommerform Pap. Ajax Marcellus, die vorge— ſchrittenſte. Auch hier zeigt ſich der ſtufenweiſe Fort— ſchritt der Wärmeformen hauptſächlich in Verbreiterung der Binden und in Uebergang der Grundfarbe aus Gelb in Grün. Vorkommen von Virginien bis Mexiko, die geographiſche Verteilung der Abarten iſt bis jetzt noch nicht bekannt. Pap. Ajax ijt auch ein ſchönes Beiſpiel des Geſetzes der männlichen Präpon⸗ deranz, indem die Männchen der 3 Formen ver- 416 ſchiedene, je die nächſthöhere Form kennzeichnende Eigenſchaften zeigen. Pap. Philolaus iſt als eine noch weiter vorgeſchrittene Wärmeform der ſüdlichen Form von Pap. Ajax zu betrachten. So findet man überall ſtrengſte Geſetzmäßig⸗ keit in der Zeichnung der angeführten Schmetter— linge mit Umbildungen in ganz beſtimmter Richtung. Es gibt kein Pünktchen, auch nicht das allerunſchein⸗ barſte, auf einem Schmetterlingsflügel, das nicht auf eine beſtimmte Richtung der Entwickelung zurückzu⸗ führen, durch ſie zu erklären wäre. Die kleinſten An⸗ deutungen einer Zeichnung geben oft die wichtigſten Anhaltspunkte für die Verwandtſchaft, und es muß immer eine größere Anzahl von Tieren jeder Abart und Art unterſucht werden, da ſolche eben nur an⸗ gedeutete neue oder verſchwindende Eigenſchaften nicht an allen Individuen vorkommen. Die Ausführungen Eimers über die Zeichnung der Tiere ſind eine bedeutende, bisher leider zu wenig beachtete Errungenſchaft für die biologiſchen Wiſſen⸗ Humboldt. — November 1889. ſchaften, ſowohl für die Theorie, indem ſie eine Weiterentwicklung und Verbeſſerung des Darwinis- mus bedeuten, als für die Syſtematik, der ſie ein ganz neues Feld eröffnen. Nur darf die Beachtung der Zeichnung bei Beurteilung der Verwandtſchaft nicht zur Hauptſache gemacht werden, ſondern auch die übrige Geſtaltung, der anatomiſche Bau, die Ent⸗ wickelung, die Biologie, und paläontologiſche Geſichts— punkte müſſen gleichberechtigt mitwirken. Sehr begierig wird man durch das Leſen dieſes erſten Teils der Schrift auf die Durchführung des Prinzips auch bei den anderen Schmetterlingen und, wie der Verfaſſer beabſichtigt, durch das ganze Tierreich hindurch. Das Weſen und der Urgrund der Entwickelung der Lebe⸗ weſen wird uns freilich durch das mit den Methoden exakter Wiſſenſchaft noch lange nicht anfaßbare „Heraus⸗ kryſtalliſieren aus durch äußere Urſachen veränderter or⸗ ganiſcher Mutterlauge“ oder organiſches Wachſen eben⸗ ſowenig aufgeſchloſſen, wie durch das Nützlichkeitsprinzip Darwins und das Vervollkommnungsprinzip Nägelis. Ueber die phyſtologiſche und pſychologiſche Bedeutung der Ganglienzellen des Centralnervenſyſtems. Don Dr. H. Kurella in Allenberg. ine der Kardinalfragen in der Phyſiologie des Centralnervenſyſtems iſt die nach den Beziehungen zwiſchen Nervenfaſer und Ganglienzelle und nach den Verbindungen der Ganglienzellen untereinander. So verſchieden auch die allgemein pſychologiſchen Theorien ſind, die auf Grund unſerer heutigen Kennt⸗ niſſe des Gehirnbaus aufgeſtellt wurden, faſt alle kommen in der Vorausſetzung überein, daß die Gang⸗ lienzelle das funktionelle Centrum der in ihr enden⸗ den oder beginnenden Faſer iſt. Von dieſer Voraus⸗ ſetzung aus ſuchen die Hirnanatomen nach den Kernen der einzelnen aus der Maſſe des Centralnervenſyſtems austretenden Nerven; für die Bewegungsnerven ſieht man in der Regel in dieſem Kern den „Urſprung“ des Nerven, das eigentliche Centrum ſeiner Leiſtungen nach außen; hier wird der Willensimpuls in eine koordinierte Bewegung umgeſetzt, indem aus der Maſſe der dem Kern entſpringenden Nervenfasern diejenigen gleichzeitig erregt werden, welche die bei der Bewegung in Frage kommenden Muskelgruppen innervieren, wie etwa durch die Funktion einer Weiche einem Bahn⸗ zuge oder einem elektriſchen Strom durch einen Kom⸗ mutator ſeine künftige Bewegungsrichtung zugewieſen wird. Man kam von dieſer Anſchauung aus zur Annahme beſtimmter Koordinationscentren, z. B. des Atmungscentrums, des Schluckcentrums im verlänger⸗ ten Mark, und verſtand unter dieſen Centren diffe⸗ renzierte Zellengruppen, die ſpecielle, ſich ſtets in gleicher Weiſe abſpielende Bewegungsmechanismen „koordinieren“. Für die Kerne der ſenſibeln Nerven, ganz beſonders der höheren Sinnesnerven, gilt faſt allgemein die Annahme, daß hier der Sitz der be— treffenden Sinnesempfindung und der Wahrnehmung ſei; jede durch Aetherſchwingungen von der Netzhaut aus erregte Faſer des Sehnerven z. B. überträgt ihre Erregung auf ihre Urſprungszelle im Sehnerv- kern. Der Hirnrinde fällt die Funktion zu, dieſe auf ein Zellenmoſaik zerſtreute Wahrnehmung in Form eines einfachen Erinnerungsbildes aufzube⸗ wahren, das an und für ſich weder in Form noch in Intenſität der Wahrnehmung entſpricht, vielmehr als ein blaſſes „Signal“, eine „Spur“ gedacht wird. Dieſe Spur, der „Erinnerungsvorſtellung“ der Pſy⸗ chologen entſprechend, kann man ſich dann wohl in einer einzelnen Zelle untergebracht denken. Sind demnach die Wahrnehmungen in einem Polygon von Kern⸗ zellen gegeben, ſo führen für eine beſtimmte Wahr⸗ nehmung von jedem Punkte dieſes Polygons Faſern zur Hirnrindenzelle, die als Spitze einer Pyramide die über die Wahrnehmung gebietende Vorſtellung beherbergt. So macht Munk, der übrigens die Hirnrinde auch bei der bloßen Wahrnehmung erregt werden läßt, bei einem ſeiner im Hirn operierten Hunde die An⸗ nahme, es wären ihm die meiſten Geſichtserinnerun⸗ gen ausgeſchnitten worden, zufällig wären jedoch zwei Zellen ſtehen geblieben, von denen die eine die Vor⸗ ſtellung Eimer, die andere die Vorſtellung Peitſche enthalten hätte. Daneben hat — immer nach der heut faſt allgemein verbreiteten Hypotheſe — die Humboldt. — November 1889. 417 Kernzelle in den Sinnesnervencentren die wichtige Aufgabe, ihren eigenen Erregungszuſtand auf eine oder mehrere mit ihr leitend verbundene Zellen in den Kernen von Bewegungsnerven zu übertragen, und ſomit eine Reflexwirkung zu verurſachen, die als Zuſammenziehung von Muskelfaſern oder als Ab⸗ ſonderung aus einer Drüſenzelle in die Erſcheinung tritt. Gewöhnlich bedient man ſich zur Erläuterung dieſes Verhältniſſes eines Schemas, das wir hier am einfachſten in der Geſtalt eines lateiniſchen A wieder- geben. Die untere Hälfte ſeines linken Schenkels ſtellt die ſenſible Faſer, ihr Kreuzungspunkt mit der Querlinie die ſenſible Kernzelle, die Querlinie die leitende Verbindung zwiſchen dieſer und der moto— riſchen Zelle (dem Kreuzungspunkt rechts) dar, die ihre Erregung längs der durch die untere Hälfte des rechten Schenkels repräſentierten motoriſchen Faſer in die Peripherie ſendet. Der Gipfel des A ſtellt eine Zelle der Hirnrinde dar, die ſowohl mit der motoriſchen wie mit der ſenſiblen Kernzelle in Ver— bindung ſteht. Das Problem der Hirnanatomie läuft nach dieſer Auffaſſung auf die Aufgabe hinaus, für alle Organe des Körpers den Nachweis der Topo— graphie ihrer zu- und abführenden Nervenfaſern zu führen, die Centren für die Koordination ſeiner Funktionen in den centralen, grauen (Zellen führen— den) Maſſen des Rückenmarks, der großen Hirn— ganglien und der Rinde zu beſtimmen. In der Rinde ſelbſt, die weſentlich aus Ganglien— zellen und den Anfangsſtücken der dazu gehörigen Faſern beſteht, ſucht man Centren für alle ſogenannten willkürlichen Bewegungsimpulſe und, wie oben ange— deutet, für alle Vorſtellungen. Sind die Träger der Vorſtellungen nun einmal in einzelnen Zellen oder gewiſſen, durch den Rhythmus gleichzeitiger Erregung zu Einheiten gewordenen Zellenmoſaiken gegeben, ſo wird alles, was zwiſchen den einzelnen Vorſtellungen geſchehen ſoll, prompt durch „Aſſociationsfaſern“ be— ſorgt und das ganze Syſtem gewinnt durch dieſe Ergänzungshypotheſe einen hohen Grad von Zu— ſammenhang und Plauſibilität. Gewöhnlich liegen den Darſtellungen, die für die ſpeziellen Fälle pſychiſchen Geſchehens von dieſem Standpunkt aus gegeben werden, die Theorien der engliſchen Aſſociationspſychologie zu Grunde. Die engliſche Aſſociationspſychologie, von dem Empiris— mus Lockes ausgehend und ſeit dieſem Forſcher un— unterbrochen bis auf unſere Zeit durch Hartley, Prieſtley, James und Stuart Mill, Bain und Her— bert Spencer weitergebildet, ſucht alle Erſcheinungen des Seelenlebens durch die Geſetze der Vorſtellungs— verknüpfung (Ideenaſſociation) zu erklären; in der That thut ſie das in glänzender Weiſe, und ihre Vorausſetzungen find nur 1) die Exiſtenz einfacher Erinnerungsvorſtellungen im Bewußtſein und 2) die aus der Erfahrung leicht ableitbaren Sätze über den Ablauf der Gedankenverknüpfung. Glaubt man nun, für die einzelnen Sinnesvorſtellungen materielle Trä— ger in den Ganglienzellen der Rinde gefunden zu haben, ſo gilt für die Beziehungen zwiſchen dieſen Humboldt 1889. Zellen einfach die Doktrin der Aſſociationspſychologie. Dann bleibt eigentlich kaum noch etwas zu erklären übrig, und es iſt leicht zu begreifen, mit welchem Eifer ſich dieſe pſychologiſchen Theorien mit den Re— ſultaten der Hirnphyſiologie zu vereinigen ſuchten, und umgekehrt. Uebrigens find die meiſten der deut⸗ ſchen Forſcher ſich über dieſen Urſprung ihrer oft halb unbewußt gemachten pſychologiſchen Voraus— ſetzungen durchaus nicht immer klar. Dieſer letztgenannte Umſtand findet ſich freilich nicht bei den Pſychologen von Fach, wie Wundt; vielmehr macht dieſer Forſcher recht ausführlich auf die Abſurdität der Hypotheſe aufmerkſam, ſich die Vorſtellungen ſchichtenweiſe in Zellenfeldern abgelagert zu denken). Indes hält doch auch Wundt an den traditionellen Vorſtellungen von der centralen Be— deutung der Ganglienzelle feſt, und entwickelt mit Rückſicht auf dieſe Vorausſetzung ſeine geiſtreiche „Theorie der centralen Innervation“; in dieſer Theorie fällt der Ganglienzelle u. a. auch die Rolle der eigent⸗ lichen Werkſtätte jener Stoffe zu, welche die Nerven— maſſe zuſammenſetzen, ſo daß die Ganglienzellen die Vorratsſtätten für künftige Leiſtungen ſind, die in die Organe eintretenden Nerven aber die Hauptver- brauchsorte der von ihnen aufgeſammelten Arbeit. Daneben ſchreibt Wundt der Ganglienzelle die Funktion zu, einer eintreffenden Erregung die Richtung ihrer Fortpflanzung anzuweiſen (J. e. 1. Kap. S. 283 ff.). In viel ſchrofferer Form tritt jedoch die ange— deutete Hypotheſe über die centrale Bedeutung der Ganglienzelle bei den bedeutenden Vertretern der Hirnpathologie und der experimentellen Phyſiologie der Hirnrinde hervor. So ſagt Meynert (Vom Ge— hirn der Säugetiere; Strickers Handbuch S. 694): „die Empfindungsfähigkeit muß als ein allgemeines Attribut der Centralnervenzelle zugelaſſen werden;“ und manche Hypotheſen, die zur Verknüpfung der Symptome Hirnkranker mit dem an ihnen nachge— wieſenen Sektionsbefunde aufgeſtellt worden ſind, be— rechtigen zu Warnungen, wie die Eckhardts ), „uns ſtets zu erinnern, daß wir bei der heutigen ſo warmen Pflege des Ganglienkultus der Gefahr, in Götzen— dienſt zu verfallen, noch nicht mit Sicherheit ent- rückt find’. Sehen wir nun von den Theorien über die Be— deutung des Zuſammenhangs zwiſchen Nervenfaſer und Ganglienzelle ab, ſo war über das Thatſächliche dieſes Zuſammenhangs bis in die neueſte Zeit die folgende Vorſtellung allgemein gültig. Jede Ganglien- zelle hat in der Regel eine größere Zahl von Aus— läufern oder Fortſätzen; dieſe Fortſätze beſtehen — bis auf einen — aus dem Zellprotoplasma, ver- zweigen ſich vielfach und bilden mit dieſen Verzwei⸗ gungen einen dichten Filz feinſter Faſern in der grauen Subſtanz des Centralnervenſyſtems, vor allem alſo in der Hirnrinde; jede Zelle ſteht durch dies Netzwerk *) Grundzüge der phyſiol. Pſychologie. S. 227 de. ) Hermanns Handbuch der Phyſiologie II. 2, S. 19. 53 3. Auflage. 418 in unmittelbarer leitender Verbindung mit einer größeren Zahl mehr oder weniger eng benachbarter Zellen. Jede von ihnen hat daneben einen unver⸗ zweigten Fortſatz, der in ziemlich gerader Richtung den Zellkörper verläßt und zum Achſencylinder einer Rervenfajer wird, um ſich im weiteren Verlauf ſeines Weges mit einer Scheide von Nervenmark und ge⸗ wöhnlich auch mit einer dünnen, feſten Hülle, der Schwannſchen Scheide, zu bekleiden. Damit iſt die Nervenfaſer, wie ſie ſich in den Nervenſtämmen und den Körperorganen findet, und aus Achſeneylinder, Markſcheide und Schwannſcher Scheide zuſammenſetzt, fertig gebildet. Dieſe Vorſtellung iſt nach ihrer näheren Ausge⸗ ſtaltung durch Deiters länger als zwanzig Jahre unangefochten geblieben. In den letzten Jahren?) hat ein italieniſcher Forſcher, Golgi in Pavia, nach⸗ gewieſen, daß zwar jede Ganglienzelle nur einen, ſeiner Funktion nach nervös zu nennenden Fortſatz bildet, daß aber dieſer nervöſe Fortſatz nie ungeteilt nach der Peripherie verläuft. Zellen von, auf anderm Wege feſtgeſtellter, motoriſcher Funktion ſenden einen Fortſatz aus, der nach Abgabe einiger feiner Zweige direkt in den Achſencylinder übergeht; ſenſible Zellen laſſen ihren nervöſen Fortſatz ſehr bald ganz in eine große Zahl zweigförmig austretender feinſter Faſern ſich auflöſen; dieſe feinſten Faſern kommunizieren mit gleichen Beſtandteilen andrer Zellenfortſätze, und erſt aus dieſem komplizierten Netzwerk entſtehen durch Wiederzuſammentreten feinſter Faſern die Achſen⸗ cylinder der Sinnesnerven. Unterſucht man an nach der Methode Golgis behandelten dickeren Hirnſchnitten die nicht nervöſen, protoplasmatiſchen Ausläufer der Ganglienzellen, ſo gelingt es nie, zwei Zellen ſich mit ihren Ausläufern verbinden zu ſehen, vielmehr treten dieſe Ausläufer entweder an die der Ernäh⸗ rung der Nervenelemente dienenden Bindegewebs⸗ zellen oder an die Blutgefäße. Golgi nimmt dem⸗ entſprechend an, daß dieſe Fortſätze mit nervöſen Funktionen nichts zu thun haben, ſondern lediglich der Ernährung dienen. Damit würde die Hauptmaſſe der Ganglienzelle, ihr eigentliches Protoplasma, nur eine vegetative Funktion haben, und ihre Stellung als funktionelles Centrum der Nervenfaſer, als Auf⸗ ſpeicherungsort für die Spuren der Erregungen, iſt damit in Frage geſtellt. Der Verfaſſer dieſer Mit⸗ teilungen hat frühzeitig auf die Bedeutung dieſer Unterſuchungen hingewiejen**), ehe jedoch ſeine eigenen Unterſuchungen über dieſen Gegenſtand zur Veröffent⸗ lichung gelangen konnten, erſchien die Arbeit eines norwegiſchen Zoologen! *), der die Reſultate Golgis beſtätigte und durch nähere Ausführungen ganz erheb⸗ ) Zerſtreute Aufſätze Golgis und ſeiner Schüler in der Rivista sperimentate di Freniatria, Bd. 9— 13. *) Verſch. Mittlgn. i. Centralbl. f. Nervenheilk. 1887. er) Nansen, Nerve elementer, deres structur og sammenhiing i Centralnervesystemet. Nordiskt Medi- einskt Arkiy 1887, Nr. 24. (Nanſen ift ſeitdem durch jeine kühne Grönlandreiſe berühmt geworden.) Humboldt. — November 1889. lich weiterführte. — An Präparaten, die nach Golgi hergeſtellt ſind, bleibt es zweifelhaft, ob die ſich all— mählich von dem nervöſen Fortſatze loslöſenden Fäſerchen ſchon vor der Trennungsſtelle als ſelbſtän⸗ dige Elemente in dieſem Fortſatze vorhanden ſind, d. h. ob der Achſencylinder homogen oder aus erſt parallel nebeneinander fortlaufenden, dann einzeln ſeitwärts abtretenden Elementarfäden beſteht. Nanſen hat zunächſt dieſe Frage unterſucht, und zwar an einem ganz andern Material als Golgi, an Mollusken, verſchiedenen Würmern, Krebstieren, Ascidien und von Wirbeltieren an den tiefſtehenden Arten Amphioxus und Myxine. Nach ſeinen Präparaten ſetzt ſich der nervöſe Fortſatz der Ganglienzelle aus einer härteren Hülle und einem weichen Inhalt zuſammen. Dieſer Inhalt beſteht aus feinen Röhren; die Röhren ſchließen einen dickflüſſigen Inhalt ein. Für die Struktur der Ganglienzellen gibt Nanſen unabhängig von Golgi faſt genau dieſelbe Darſtellung wie dieſer, und teilt ſie nach dem Verhalten ihres nervöſen Fortſatzes in ſolche, deren Fortſatz ſeine Individualität bewahrt, und ſolche, deren Nervenfaſer ſich ganz in feinſte Zweige, eben die Nervenröhren, auflöſt. Faſern des erſten Urſprungs finden ſich in den vorderen Rückenmarkswurzeln und ſind ſomit motoriſch; die ſenſiblen Faſern der hinteren Wurzeln entſtehen aus dem Maſchenwerk, das aus den verteilten Fortſätzen der Zellen zweiter Art ſich bildet; dieſe Zellen find ſomit ebenfalls als ſenſibel zu betrachten. Wenn man nun nach Golgi und Nanſen zugibt, daß die ſenſibeln Ganglienzellen untereinander und mit ſelbſtändigen Nervenfaſern abſolut keine direkte Verbindung beſitzen, ſo kann man die alte Theorie für die reflexvermittelnde Rolle der Ganglienzellen nicht mehr aufrechterhalten. Mit dieſer Theorie fällt dann aber auch die bisherige Annahme von der cen⸗ tralen Bedeutung der Ganglienzellen für die als hoch⸗ komplizierte Reflexe anzuſehenden höheren Leiſtungen des Centralnervenſyſtems, die ſogenannten pfychiſchen Leiſtungen. Auch an ſeinem Material konnte Nanſen den aus⸗ ſchließlichen Zuſammenhang der protoplasmatiſchen Ganglienzellen-Fortſätze mit Blutgefäßen nachweiſen, wodurch der überwiegenden Maſſe der Zellenſubſtanz die Funktion der Ernährung des Achſencylinders zuge⸗ wieſen erſcheint. Hier treffen die Reſultate dieſer neuen anatomiſchen Unterſuchungen zuſammen mit der Theorie Wundts, daß die Ganglienzellen Vorrats⸗ ſtätten künftiger nervöſer Leiſtungen, d. h. Nähr⸗ reſervoire der Nervenfaſern ſind. Betrachtet man nun Zelle und nervöſen Fortſatz als einheitliches Gebilde, ſo iſt es verſtändlich, daß eine gewaltſam letwa durch Druck oder Schnitt) herbeigeführte Trennung im Zu⸗ ſammenhang dieſer Teile zum Abſterben des der Zelle abgewandten Stücks der Nervenfaſer führen muß, und damit iſt die in der Pathologie des Nervenſyſtems ſo wichtige Erſcheinung der ſogenannten ſekundären Degeneration ausreichend erklärt. Speciell erklärt ſich die Erſcheinung der ſogenann⸗ ten aufſteigenden Degeneration in den Hinterſträngen Humboldt. — November 1889. des Säugetier⸗Rückenmarks durch den Nachweis, daß die in den Hinterſträngen zum Gehirn aufſteigenden ſenſibeln Faſern ihr ernährendes Gangliencentrum zum Teil in den ſogenannten Spinalganglien haben. Unter der letzteren Bezeichnung verſteht man an Ganglienzellen reiche Knoten, die bald nach dem Aus⸗ tritt der hinteren, ſenſibeln Nervenwurzeln aus dem Rückenmark in deren Verlauf eingelagert ſind. Wo ſich die meiſten Ganglienzellen finden, in der grauen Maſſe des centralen Nervenſyſtems, da iſt auch das Netzwerk der von beiden Faſerkategorien abgegebenen feinſten Zweige am reichſten entwickelt. Dies centrale Fibrillengewebe würde alſo, wenn die Ganglienzellen nur der Ernährung vorſtehen, als eigentlicher Sitz der centralen Funktionen, in erſter Linie der Aufbewahrung von Sinneseindrücken, d. h. dem Gedächtnis, dienen. Sieht man die Vorſtellungen als reale Objekte an, ſo liegt es ja ſehr nah, ſich dieſe Objekte in den Ganglienzellen aufgeſpeichert oder eingeſchachtelt zu denken. Die rationellere Anſchauung aber, wonach 419 die Vorſtellungen als Nachwirkungen früherer Er— regungen, als Prozeſſe von großer Wandelbarkeit anzuſehen ſind, verträgt ſich beſſer mit der Annahme, daß der Prozeß der Nervenerregung längere Zeit in dem feinen Netzwerk des centralen Fibrillengewebes nachvibriert; in dieſem Gewebe ſind die Bedingungen für Aſſociation der Vorſtellungen und für Ueber— tragung der Erregung von ſenſibeln auf motoriſche Faſern durch Querleitung aufs reichſte gegeben. Es ſoll zum Schluß nur daran erinnert werden, daß auch viele Thatſachen aus der Hirnpathologie, beſonders der Pſychiatrie, ſich erheblich beſſer mit der Nanſen⸗Golgiſchen Ganglienzellen-Theorie vereinbaren laſſen. Hier iſt es vor allem ſehr bedeutſam, daß diejenige Geiſtesſtörung, die ſich par excellence durch rapiden Vorſtellungsverluſt, durch die Unfähigkeit, neue Eindrücke feſtzuhalten und alte zu reproduzieren, auszeichnet, die progreſſive Paralyſe, viel deutlicher in dem Faſergeflecht der Hirnrinde Spuren des Ver— falls zeigt, als in den Ganglienzellen dieſes Central— organs. Hacke und Beil am Mittelrhein zur Steinzeit. Dr. C. Mehlis in Dürkheim. Bei der letzten Kunſtausſtellung zu München feſſelte im Vorraum das Koloſſalwerk eines franzöſiſchen Künſtlers das Auge. Ein rieſiger Gorilla umſchlingt mit dem Arm ein ſchönes nacktes Weib, mit der Linken ſchwingt er einen mächtigen Stein, bereit, damit den Verfolger zu zerſchmet— tern. Und ſolche Bewaffnung bildet keine Erfindung des Künſtlers!“) Wir wiſſen, daß die großen Anthropoiden, Gorilla und Schimpanſe, Stock und Stein als Stütze, Waffe und Werkzeug zu gebrauchen wiſſen. Nur einen Schritt haben dieſe unſere Vettern nicht gemacht, den ſchon der Neanderthaler“) auf dem Wege der Kultur machte, den: das rohe Steinmaterial zur beſſeren Verwendung künſtlich herzurichten. Denn nur in der künſt lichen Aptierung beruht der Fortſchritt des Menſchen gegen— über dem Affen! Bekanntlich ſcheiden die Forſcher eine paläolit hiſche Steinzeit, in der man den Stein nur roh zuſchlug, von einer neolithiſchen, in der man den Stein fein zu— ſchliff, und mit Recht! Trotz des Widerſpruches von Alexander von Ecker und H. Fiſcher !“) iſt es eine That⸗ ſache, daß zwiſchen den roh zubehauenen, klobigen Halb— beilen von Abbeville und den feinen, glatten Aexten aus Pfahlbauten der Schweiz ein himmelweiter Unterſchied beſteht, ungefähr derſelbe wie zwiſchen einem Falkonett des Dreißigjährigen Krieges und einem Hinterlader der ) Bol. „Die Kunſt für Alle“ IV. Jahrgang 1. Heft S. 1 „Der Gorilla“ von Fremiet. ) „Neanderthal-Schädel“ in der Eneyklopädie der Naturwiſſenſchaften (Breslau, 1889): Handwörterbuch der Zoologie, Anthropologie u. Ethno⸗ logie, Bd. V. ) Vgl. Alsberg, „Anthropologie“ (Stuttgart, 1889), S. 165. 1 Gegenwart. Ganz abgeſehen von der Differenz des Klimas und der Fauna, denn jene paläolithiſchen Halbwerkzeuge liegen zuſammen im Löß des Diluviums mit Reſten vom Höhlenbär, Mammut und Ren, dieſe feinen Gewaffen ſind vergeſellſchaftet mit Werkzeugen aus Horn, Bein, Holz mit hübſch verzierten Thongefäßen ), ja ſelbſt mit Ge- räten aus — Kupfer. Man hat fernerhin verſucht, den großen Zeitraum der paläolithiſchen Zeit nach dem Zuſtande der Fauna in Unterabteilungen zu zerlegen. Doch iſt Mor- tillets Verſuch nur für Frankreich gemacht worden. Für die neolithiſche Periode haben die Forſcher bisher ſolchen Verſuch nicht unternommen, und doch wird jedem ein bedeutender Unterſchied in den Formen der Werkzeuge klar, welcher ſich eingehend mit dem Special— ſtudium der Funde aus einem begrenzten Territorium abgibt und die Typen ſtudiert und ſcheidet. Ein ſolcher Scheideverſuch ſoll nun im folgenden auf Grund von Specialſtudien gemacht werden!“). Die Pfalz am Rhein, das ſchöne Land vom Donnersberg im Norden bis zu den Vogeſen im Süden, vom Rhein im Oſten bis zur Saar im Weſten bietet dank ſeiner günſtigen Lage einen beſonderen Reichtum an archäo— logiſchen Objekten aus allen Perioden“ *). Auch an ) Bgl. den von Lindenſchmit unterſuchten Friedhof von Monsheim im dritten Bande des „Archives für Anthropologie“ Taf. 1, und den vom Verfaſſer gemachten Grabfund von Kirchheim a. d. Eck „Studien“ V. Abt. Taf. 2. ) Vgl. Alsberg: „Anthropologie“ S. 173 —174 Anmerkung. ) Vgl. des Verfaſſers „Studien zur älteſten Geſchichte der Rhein⸗ lande“ 1.— 10. Abt. 420 Steinwerkzeugen der neolithiſchen Periode — paläo— lithiſches Material fehlt ganz! — beſitzt die Pfalz einen wirklichen Reichtum. Allein die Sammlung zu Dürkheim hat an 250 geſchliffene Steinwerkzeuge in Verwahrung, das Muſeum zu Speier an 100, die Sammlung des Ver— faſſers gleichfalls 100 und außerdem beſitzen in manchen Ortſchaften des Weſtrichs“) und der Südpfalz noch fo und ſo viel Landleute Steinwerkzeuge, welche ſie als „Donner— keile“ förmlich verehren. Bisher nahm man an, daß nur die Vorderpfalz Steinwerkzeuge in größerer Anzahl beſitze. In den letzten Monaten vorgenommene Unterſuchungen und Erwerbungen a — — — 2 Fig. fa. Fig. 4b Fig. 1 b. | A Steinwerkzeuge der Südpfalz. von mir zeigen dagegen, daß ſelbſt im Hartgebirge ge⸗ ſchliffene Steinwerkzeuge als Reſte früherer, niederer Kultur noch in größerer Anzahl vorhanden ſind. So glückte es, ſolche aus der Gegend von Zweibrücken, von Neualtheim zu konſtatieren. Beſonders reich an ſolchen geſchliffenen Beilen, Meißeln, Hacken, Meſſern u. dgl. iſt jedoch die Gegend weſtlich von dem ſchon den Römern als Tabernae montanae bekannten Bergzabern in der Südpfalz. Dort werden ſolche Erinnerungen der Vorzeit gleichſam als Amulette für heilig gehalten und als Mittel gegen das Schwellen der Kuheuter, ſowie gegen Blitzſchlag hoch ver⸗ ehrt. Es iſt deshalb ſchwierig, in den Beſitz ſolcher „Donnerkeile“ zu kommen. Was den Urſprung derſelben betrifft, ſo glauben viele Leute in den dortigen Ortſchaften ſteif und feſt, dieſelben würden durch Blitzſchlag in den ) Weſtrich = Weſtland. Erdboden getrieben. Humboldt. — November 1889. Ein Bauer zu Birkenhördt, 5 Km weſtlich von Bergzabern, ließ ſich dieſen Glauben nicht ausreden und behauptete, gerade unter einem vom Blitze getroffenen alten Baume habe er ſeinen Donnerkeil ge- funden. So ſpukt der Aber- und Wunderglaube noch bis an das Ende des 19. Jahrhunderts hinein und iſt kaum auszurotten! — Mit Hilfe der Behörden glückte es dem Unterzeichneten, in folgenden Ortſchaften weſtlich von Berg— zabern geſchliffene Steinwerkzeuge feſtzuſtellen: zu Birken⸗ hördt 11 Stück, worunter 3 Hacken, 6 Beile, 1 Meſſer, 1 Glätteſtein; zu Dörrenbach 4 Stück, worunter 1 kleine Hacke, 2 Beile, 1 Fragment (eines der Beile zeigt auf ſeiner Oberfläche ein eingeritztes deutliches Kreuz auf, ein Beweis, daß man das Teufelswerkzeug entſühnen wollte); zu Böllenborn mehrere Stücke, zu Erlenbach 2 Beile. Die Mehrzahl dieſer Steinwerkzeuge beſteht aus Dioritſchiefer, 2 aus Melaphyr. Letzteres Mineral kommt in den nahen Orten Silz und Waldhambach lagerhaft vor und wird jetzt noch techniſch verwendet zu Straßenmaterial. Die Diorit⸗ ſchiefer dagegen ſind nach der Beſtimmung des Herrn Oberbergwerkdirektors Prof. Dr. von Gümbel alpinen Urſprunges und ähneln ſehr dem Material bei Ponte⸗ reſina im Engadin und am Julierpaſſe. Daß ſich in einer ſolchen Gegend auch prähiſtoriſche Befeſtigungen vorfinden müſſen, iſt ſelbſtverſtändlich. Es wurden ſolche Refugien in den letzten Monaten von Unterzeichnetem auf folgenden Bergen aufgefunden: 1) auf der Peternell, 2 km weſtlich von Bergzabern, ein Doppelſteinwall von ca. 200 Schritten Länge und 2—3 Schritten Breite. Die Sage ſieht in ihm die Reſte der Wohnung einer gewiſſen Petronella. 2) Auf dem Hexenplatz, 1,5 km nordweſtlich von Bergzabern, ein kreisförmiger Steinwall von 180 Schritten Durchmeſſer. 3) Auf dem Abtskopf, nordweſtlich von Berg⸗ zabern oberhalb Silz, ein ellipſenförmiger Steinwall von 130 Schritten Länge und 10—15 Schritten Durchmeſſer. Die Aufſchüttung hat bei Nr. 1) noch 11,5 m Höhe, bei 2) und 3) noch 50—80 em Höhe. Roh zubehauene Steinblöcke fanden ſich beim Nachgraben bei Nr. 2), im Innern des Walles, bei Nr. 1) und 3) liegen ſolche auf der Oberfläche der Umwallung umher. Soviel über den thatſächlichen Befund in der be— ſprochenen Gegend der Südpfalz, den Aberglauben, der ſich an die Donnerkeile anknüpft, ſowie über das Material dieſer Steinwerkzeuge. Nun zur techniſchen Verwen⸗ dung derſelben! Von den 12 aus Birkenhördt und Dörrenbach her⸗ rührenden Stücken zeigt keines Durchbohrung. Aller⸗ dings kommt ſolche in der Südpfalz gleichfalls vor, allein nur ſelten. So beſitzt das Muſeum zu Dürkheim eine von der Landauer Gegend herrührende Hammeraxt von 16 cm Länge, 6 em Höhe, 8,5 em Breite mit angefangener centraler Bohrung. Allein irgend eine feſtere Maſſe im Innern des Steines hinderte den Künſtler, die Bohrung zu Ende zu bringen. Im ganzen gehören durchbohrte Aexte in der Pfalz zu den Seltenheiten. Von den 250 Steinwerkzeugen zu Dürkheim zeigen 17 = 7% die Durch⸗ bohrung auf, welche ohne Zweifel das Kennzeichen eines vorgeſchritteneren Stadiums der neolithiſchen Periode bildet und vielfach Kenntnis der Metalle zur Vorausſetzung hat. Bei den jüngſten Unterſuchungen in der Südpfalz Humboldt. — November 1889. ward alſo fein einziges Stück aus dieſem letzten Zeit— raum der neolithiſchen Epoche konſtatiert. Die 12 Werkzeuge von Birkenhördt und Dörrenbach, welche faſt durchgängig aus eruptivem Geſteine beſtehen, ſind ſämtlich wohl geſchliffen und gut erhalten. Es laſſen ſich unter ihnen mit Leichtigkeit zwei ganz verſchiedene Typen unterſcheiden. Zum erſten gehören 4 Stücke, zum zweiten 7 Stücke; das zwölfte Exemplar beſteht aus einem Rheingeſchiebe und zeigt wenig künſtliche Be— arbeitung, ſo daß es füglich übergangen werden kann. Der erſte Typus (ogl. Fig. 2 und 4) wird von den ſo— genannten Flachbeilen repräſentiert. Es ſind flache, oben ſchwach gewölbte, unten faſt glatte Werkzeuge, welche an der Kante und zwar an der Unterſeite eine je nach der Größe des Beiles 1—2 em lange Abſchrägung auf— weiſen (vgl. Fig. 2b das Dreieck a-B-y, in Fig. 2a das⸗ ſelbe Dreieck «-8-7, auch bei Fig. 4a und b iſt dieſe Ab- ſchrägung in die Augen ſpringend). Welchen Zweck hatten nun dieſe flachen, abgeſchrägten Werkzeuge? Zum Spalten eines Gegenſtandes war ihre Kante nicht geeignet, alſo Beile ſind es nicht! Vergegen— wärtigt man ſich die Thatſache, daß ſolcher Typus gerade in Friedhöfen zu Monsheim und Kirchheim ſich vor— fand), deren Beſitzer vormals, nach den beigelegenen Getreidequetſchern zu ſchließen, Ackerbauer waren, ver— gleicht man ferner die auf Samoa vorgefundenen Werk— zeuge von gleicher Form und Abkantung“), fo wird klar, daß dieſe Werkzeuge nicht mit vertikal geſtellter Schneide wirken ſollten, ſondern mit horizontal geſtellter. Dann konnten dieſe Flachbeile aber nicht zu kriegeriſchen Zwecken dienen, ſondern nur zu landwirt— ſchaftlichen, zum Aufreißen des Ackerbodens als Boden— hacke. Solche Bodenhacken ſind an Stelle des Pfluges noch jetzt auf manchen Inſeln des großen Ozeans, wie auf Neu⸗Guinea, in Verwendung, und die Hacke, wie ſie unſere Landleute zu leichteren Bodenarbeiten verwenden, iſt die Fortſetzung der alten prähiſtoriſchen Steinhacke von Monsheim, Kirchheim, Birkenhördt. Wir können demnach dies Bodenwerkzeug, das ſich bald in größerer Form als Hacke (ogl. Fig. 2), bald in kleinerer als Häckchen oder Hohlmeißel vorfindet (vgl. Fig. 4), nicht mehr als Beil, ſondern nur als Hacke bezeichnen, und zwar nach ſeiner typiſchen Form und nach ſeiner faktiſchen Ver- wendung. Wo ſich dieſe Bodenhacken auch finden, ſind ſie Zeugen uralten landwirtſchaftlichen Betriebes aus einer Zeit, die noch nicht das Metall zu benützen ver— ſtand, die aber weit entfernt war, einem rohen, barbariſchen Zuſtande unſerer Vorfahren zu gleichen. Iſt dieſer erſte Typus berechnet auf Verſtärkung der Wirkung der grabenden Hand, ſo der zweite auf Verſtärkung der Wirkung der ſchlagenden Fauſt. Wirkt die Schneide des erſten Typus in horizontaler Richtung, ſo die des zweiten in vertikaler Richtung. Sollten die Werkzeuge der erſten Art den Boden auf— reißen, um in ihm Saat ſäen zu können, ſo ſollten die Werkzeuge der zweiten Holz ſpalten, Leder ſchneiden oder als Waffen mit dem Schädel vom Gegner in unan— ) Vgl. „Archiv für Anthropologie“ 3. Bd. S. 104 und Tafel II. Fig. 14 und 15. ) „Studien“ des Verfaſſers V. Abt. S. 18, Abbildung. 421 genehme Berührung kommen. Sind die Artefakte der erſten Art Hacken und Hohlmeißel zu nennen, ſo die der zweiten Beile, Keile und Meſſer. Dabei zeichnet dieſe Schneid- und Spaltwerkzeuge ſowohl die Mannigfaltig— keit der techniſchen Herſtellung, wie die hübſchere und ge— fälligere Form aus. Den Grundtypus dieſer Art ſtellt Figur 1 dar. Das Werkzeug iſt auf beiden Seiten gleich gewölbt, mit gleichmäßiger Verjüngung des Durchſchnittes nach der Kante, welcher ein gleichſchenkliges Dreieck dar— ſtellt im Gegenſatz zum Durchſchnitt der Hacke, welcher ein faſt rechtwinkliges Dreieck bildet (vgl. Fig. 1b =- und Fig. 2b a-B-7~, im kleineren Maßſtabe ebenſo bei Fig. 3 und 4). Die Schneide hängt bei manchen Exemplaren dieſes Typus in der oberen Partie nach vorn über (val. Fig. 1), ſo daß die Achſe nicht horizontal liegt wie bei den Hacken, ſondern etwas ſchief geneigt iſt. Es ſind ſolche Beile mit überhängender Schneide als Wurfbeile zu be— trachten, welche die Franken ganz beſonders als Franeiska zur Eiſenzeit bevorzugt haben. Solche Wurfbeile gehören allerdings zu den Seltenheiten. Das Gros dieſes Typus wird von keilförmigen Beilen mit gerader Schneide gebildet. Ohne Zweifel fanden ſie ebenſo als Beile wie als Keile zum Spalten und Schlitzen von Holz und Stämmen ihre wirtſchaftliche Verwendung. Unter den 7 Exemplaren des zweiten Typus von Birkenhördt ſind 5 Keile, 1 Beil, 1 Meſſer. Das Meſſer der Steinzeit ſaß ebenſo wie Hacke und Beil in einer aus Horn oder Holz beſtehenden Zwinge, die mit Baſt feſt umſchnürt war. In den Pfahlbauten der Schweiz beſtehen die Meſſer in kurzen ſcharfen Spänen aus Serpentin oder Hornblende, welche in einen ſoliden Hirſchhorngriff eingeklemmt ſind, der beim Gebrauche mit der ganzen Hand umſpannt werden mußte. Unſere mittel- deutſchen Steinmeſſer dagegen ſind deutlich aus dem Beile entſtanden. An Dimenſion ſind fie halb jo ftart wie die Beile, doch iſt die Schneide derſelben verhältnis— mäßig breit, ſo daß die Seitenflächen ſtärker anſteigen als beim Beile (ogl. Fig. 3). Der Kantendurchſchnitt bildet ein langgeſtrecktes gleichſchenkliges Dreieck. Natürlich mußte bei dem kürzeren Hebel — das Beil hatte einen langen Stiel —, an dem das Meſſer ſaß, die Schneide ent— ſprechend breiter und höher geſtaltet ſein, wie der Vergleich von Fig. 1 und 3 deutlich aufzeigt. Dieſe Steinmeſſer kommen verhältnismäßig ſelten am Mittelrhein vor. Aber nicht nur in Form, Gefälligkeit und praktiſcher Geſtaltung unterſcheidet ſich Typus 2 bedeutend — man möchte faſt ſagen grundſätzlich —, ſondern auch in der Wahl des Materiales. Während bei den Werkzeugen vom Typus 1 mit Vorliebe eruptive Geſteine aus der Nähe, ſo in der Pfalz Diorit, Melaphyr, Diabasporphyr, Baſalt, Phonolith u. a. benutzt wurden, wozu in ſeltener Anwendung noch Rheingeſchiebe kamen, iſt das Programm des Typus 2 in dieſer Beziehung reicher und zwar beſonders für die Wurfbeile. Dafür werden außer den aus dem Schwarzwald und der Schweiz ſtammenden Steinarten Serpentin, Hornblende, Gabbro auch Feuerſtein aus der Champagne und die rätſelhaften Nephrit und Jadeit benutzt. Gerade ein ſolches Wurfbeil aus Nephrit von 10 em Länge und 5 em Schneidenbreite | entftammt der Südpfalz und ein ähnliches aus Flint der— 422 felben Gegend. — Die oben bezeichneten Unterſchiede zwiſchen Typus 1 und 2 in Form, Geſtaltung und Material legen von ſelbſt die Frage nach der Zeitfolge beider Typen in der Südpfalz nahe. Auf Grund der Grabfunde von Monsheim, Kirchheim d. d. Eck, Albsheim g. d. Eis kann mit Beſtimmtheit behauptet werden, daß in dieſen Gräbern Exemplare des zweiten Typus nicht vorkommen. Iſt nun auch von der Südpfalz bis jetzt kein analoger Grabfund vorhanden, ſo geht doch aus dieſen nordpfälziſchen Friedhöfen der Steinzeit ein Analogie⸗ ſchluß hervor, deſſen Formel mit derſelben Stärke der Induktion aus obigen allgemeinen Erwägungen abgeleitet werden muß. Wenn auch einzelne Exemplare des Typus 2 beſonders Keile mit vertikaler Schneide in der Periode des Typus 1 vorkommen können, ſo bieten die entwickelten Formen des Typus 2, beſonders die Wurfbeile aus Flint, Nephrit, Jadeſt ſolche Unterſchiede in Form, Ge⸗ ſtaltung, Technik und Verwendung, daß ſie einer kulturell ſpäter liegenden Zeit der neolithiſchen Periode angehören müſſen. Während die Werkzeuge des Typus 1, einfach und hölzern wie ſie ſind, friedlichen Ackerbauern angehören, welche in Kultur und Epoche auf einer Linie mit den älteſten Pfahlbauern der Schweiz ſtehen, gehören die entwickelteren Formen des Typus 2, beſonders Wurf⸗ beil und Steinmeſſer, an das Ende der neolithiſchen Entwickelung, in eine Zeit, in der der Menſch im Rhein⸗ lande ſchon nachweisbar mit fremden Mineralien Bekannt⸗ ſchaft gemacht hatte, in welcher ihm höchſt wahrſcheinlich auch bereits ein Metall auf dem Wege des Handels zu⸗ gänglich ward — das Kupfer. Hat ſich doch auch bei Dürkheim im Moorbruch von Erpolzheim ein Kupferbeil gefunden, deſſen Form ganz analog it*) derjenigen der Kupferbeile, welche aus Ungarn, der Schweiz, der Gegend von Mainz ꝛc. herrühren. *) M. Much: „Die Kupferzeit in Europa“ (Wien 1886), Tafel Fig. 17, 20, 21, 23. Humboldt. — November 1889. Aus der kritiſchen Vergleichung dieſer Steinzeitfunde geht folglich eine thatſächlich nachweisbare Zunahme der Kultur hervor, welche ſich in der Mannigfaltigkeit der Formen des Materials und der Verwendung der Werkzeuge und Waffen zeigt. Der Handel und der Verkehr bringen neue Formen und neue koſtbare Materialien. Die Abgeſchloſſenheit des älteren Stadiums der neolithiſchen Periode, die der hyperboräiſchen Ackerbaugemeinden von Monsheim, Kirchheim, Albsheim hat allmählich aufgehört; neue Werkzeuge und Waffen, neuer glänzender Stoff, kommt aus dem Süden in das bisher abgeſchloſſene Rheinthal. Wenn aber auch die Formen wechſeln, die Bevölkerung bleibt dieſelbe; die Werkzeuge und Waffen beider Typen wurden gebraucht von den Einwohnern des⸗ ſelben Stammes — von den Einwanderern ariſcher Abkunft. Auf Grund von Studien auf kleinſten Raume hat der Verfaſſer den Nachweis zu bringen geſucht, daß es nicht, nur möglich, ſondern geboten iſt, von ſpeciellen prähiſtoriſchen Erſcheinungen aus zu einem allgemeinen Schluß zu gelangen. Dieſer allgemeine Schluß würde je⸗ doch an Erhärtung und Wert gewinnen, wenn von ver⸗ ſchiedenen Seiten prähiſtoriſcher Forſchung auf deutſchem Boden aus ſolche Specialſtudien im Hinblick auf allge- meine Reſultate vorgenommen würden. Dann ließe ſich mit größtem Rechte ein verallgemeinerter Folge- fas aufſtellen. Es muß überhaupt an die prähiſtoriſche Forſchung Deutſchlands das Verlangen geſtellt werden, nicht mehr auf bloß muſeologiſche Forſchungen ſich zu beſchränken, ſondern den Rahmen weiter zu ſtellen und auf Grund eingehender, auf Thatſachen ſich ſtützender Einzelforſchungen mit Hilfe der Vergleichung und der Analogie zu allgemein gültigen Geſetzen und Entwicke⸗ lungsreihen zu gelangen. Erſt dann wird die prä— hiſtoriſche Archäologie anfangen, von einer „rudis in- digestaque moles“ fic) zu erheben zu einer ,disciplina rerum naturalium“. Sortidvitte in den Katurwiſſenſchaften. Yflanzengeographie. Don Dr. Robert Heller in Winterthur. A. Breitfeld: Geographiſche Verbreitung der Khododendroideen. Francois Crépin: Rosae syntylae. Hrajanoff: Vorläufiger Bericht über eine Expedition nach dem Altai und Bemerkungen über die Vegetation des Altai. Martjanow: Materialien zur Flora des Minuſſinskiſchen Landes, Palmen u. Aillmann: Expedition nach Ruſſiſch⸗Lappland. A. Schulz: Die Vegetationsverhältniſſe der Umgebung von Halle. Bericht über neue und wichtigere Beobachtungen aus dem Jahre 1886, abgeſtattet von der Hommiffion für die Flora von Deutſchland. Dr. R. Heller: Wilde Rofen des Aantons Sürich. Breitfeld hat den Blattbau der Rhododen⸗ droideen zum Gegenſtande einer einläßlichen Unter⸗ ſuchung gemacht, deren Reſultate er in Englers Jahr⸗ büchern veröffentlicht. Der V. Teil derſelben befaßt ſich mit der Verbreitung der Alpenroſen in verſchiedenen Floren⸗ gebieten. Die Familie dieſer prächtigen Gewächſe, der wir in zwei Vertretern unſerer Alpenflora den Rang der Königin erteilt, die in kleineren Formen faſt jedes Pflanzenfreundes Blumentiſch mit brennendem Rot oder lichtem Weiß ſchmückt, iſt außerordentlich artenreich. In 267 Arten, die zum größeren Teil der einzigen Gattung Rhododendron zu Humboldt. — November 1889. 423 gezählt werden müſſen, ijt fie faft über die ganze Erde verbreitet. So iſt ſpeciell die Gattung Rhododendron aus allen Erdteilen mit Ausnahme Afrikas in bald größerer bald geringerer Zahl bekannt geworden. Ihr Verbreitungs⸗ gebiet liegt vornehmlich auf der nördlichen Halbkugel, nur auf den Sundainſeln, auf Neu-Guinea und Auſtralien überſchreitet dasſelbe den Aequator. Das arktiſche Gebiet iſt arm an Rhododendron, in— dem nur 6 Arten in ihm getroffen werden. Vier derſelben beſitzen aber ein großes Verbreitungsgebiet, ſo daß ſie der arktiſchen Zone beider Hemiſphären angehören. Beſonders intereſſant aber iſt es, daß eine jener beiden Arten, welche auf das öſtliche Gebiet beſchränkt find, das Rhododendron fragrans, auch auf der Kette des Himalaya ſich findet. Dieſes Vorkommen kann als Beweis dafür dienen, daß die Rhododendron früher im allgemeinen eine mehr nörd— liche Verbreitung 'hatten, daß ſie nach Süden rückend Hochgebirgspflanzen wurden und ſich reich differenzierten. Europa gehören 6 Species an. Vier derſelben, darunter die beiden allbekannten Alpenroſen ſind ihm eigen. Sieben Species bewohnen den Kaukaſus und Vorderaſien, mit einer Ausnahme alles in dieſem Gebiete endemiſche Arten. Reichlich entfalten ſich die Alpenroſen im Hima— laya und dem ſüdlichen China. Während im weſt— lichen Teil des mächtigen aſiatiſchen Hochgebirges nur 9 Arten getroffen werden, ſind aus dem öſtlichen Teile 41 Species bekannt geworden, aus dem ſüdlichen China gar 51. Spärlicher wieder iſt der Alpenroſenflor des extratropiſchen Aſiens, wenn ſchon ein Teil des— ſelben zu den bevorzugteren Gebieten zu zählen iſt. Denn in Japan kommen 22 Arten vor, die wieder in größerem Reichtum im Süden getroffen werden. Bedeutungsvoll iſt die Beobachtung, daß zwiſchen der Alpenroſenflora Japans und jener des atlantiſchen Nordamerika nahe Be— ziehungen beſtehen. Im malayiſchen Gebiete werden 35 Arten gefunden. Die Mehrzahl derſelben hat ſich im Gebiete gleichartig differenziert, ſo daß ſie alle mit einer Ausnahme der gleichen Sektion zuzuzählen ſind, die im Gebiete endemiſch iſt. Im gemäßigten Nordamerika find die Alpenroſen durch 19 Arten vertreten. Die gegenſeitigen Beziehungen der verſchiedenen Florengebiete, alſo die geographiſche Verbreitung gibt uns für eine Vorſtellung ihrer Verbreitung in frühere Perioden der Erdgeſchichte verſchiedene Anknüpfungspunkte. Die große Uebereinſtimmung gewiſſer nordamerikaniſcher Arten mit ſolchen des aſiatiſchen Kontinents machen die eirkum⸗ polare Verbreitung der Gattung während der Tertiärzeit in hohem Maße wahrſcheinlich. Daß zwiſchen beiden Kon— tinenten über die ſchmale Brücke der Aleuten ein Aus— tauſch erfolgt wäre, iſt im höchſten Grade unwahrſchein⸗ lich. Die Samen der Rhododendra find zu wenig ge— eignet, eine ſolche Wanderung zu unternehmen, denn die— ſelben beſitzen durchaus keine Einrichtung, die ſie hierzu befähigten. „Die geographiſche Konſtellation war vermut- lich analog der, die heute Europa mit ſeinen drei ſüd— lichen Halbinſeln zeigt. Von einem nördlich gelegenen Kontinent ſtrahlten nach Süden drei Halbinſeln ab. Auf jenem Kontinente war das Verbreitungsgebiet unſerer Familie; und während ſich die Erde abkühlte, wanderten die Arten auf den drei Strahlen nach Süden, ſich auf a jedem derſelben im Laufe der Zeit auf beſondere Weiſe entwickelnd.“ Crépin, der hervorragende Roſenmonograph, macht uns in einer Darſtellung der Rosa e synstylae nicht nur mit der Syſtematik der Species einer Roſengruppe be— kannt, er gibt auch eine kurze Ueberſicht über die geo— graphiſche Verbreitung ihrer Glieder. Verfaſſer unter— ſcheidet in der Gruppe 11 Species. Im äußerſten Orient iſt die Heimat jener äußerſt zierlichen hin und wieder auch bei uns in botaniſchen Gärten kultivierten Rosa multiflora, deren kleine, an Brombeerblüten erinnernde Blumen in ſehr großer Zahl zu einem pyramidenförmigen Blütenſtand vereinigt ſind. In Japan geht ſie bis zum 40° nördlicher Breite. Auf dem aſiatiſchen Kontinent biegt ſich die Verbreitungslinie gegen Süden. In China und Indien, der Wohnſtätte der Rosa moschata, geht dieſe nur bis zum 30°, in Perſien ſteigt die nördliche Grenze der Gruppe wieder bis zum 36“ und in Europa, wo auch unſere Gegenden in der Rosa arvensis ihren Repräſen— tanten dieſer ſonſt ſüdlicheren Roſen haben, geht dieſe in England ſogar bis zum 56“. In Amerika erreicht das Verbreitungsgebiet dieſer kleinen und intereſſanten Roſen ſeine Grenze gegen den 42° oder 43“ſvnördlicher Breite. Im öſtlichen Teil des aſiatiſchen Kontinents liegt die Süd⸗ grenze etwa bei 20°, die Südgrenze fällt dann im öſtlichen Teil des afrikaniſchen Kontinents bis zu 11“ und erhebt fic) dann wieder im Mittelmeergebiet zu 30—38°. In Nordamerika liegt die Südgrenze in Florida bei etwa 20°, in Texas bei 30°. Es umgibt alſo das Verbreitungs— gebiet der ſynſtylen Roſen die ganze Erde in einem Gürtel, der in ſeiner Breitenausdehnung etwa 10° hat. Wenn die Artenzahl das Schöpfungscentrum beſtimmt, die Region bezeichnet, von der aus die Verbreitung erfolgte, dann muß China mit Tonkin als dasſelbe erachtet werden. Denn dieſer Region gehören 7 Species an und 3 ſind in ihr endemiſch. In einer neueſten Publikation macht uns Crépin mit der Roſenflora des Orients an Hand der Unter— ſuchungen Chriſts bekannt. Wir entnehmen der Arbeit folgende pflanzengeographiſch intereſſante Angaben. Wir treffen im Orient, d. h. dem Florengebiete, das Boiſſier ſeiner Flora orientalis zu Grunde gelegt hat, im ganzen 33 Arten. Die Hälfte derſelben gehört auch dem mittel- europäiſchen Florengebiete an. In Griechenland kommen 9 Arten vor, faſt durchgängig die Species, die durch ihren außerordentlichen Formenreichtum bald die Freude, bald das Kreuz der Jünger der Botanik ſind. Vier derſelben hat Griechenland mit Kleinaſien gemein, in welchem außerdem 5 oder 6 weitere Arten getroffen werden. 11 Species ſind im Kaukaſus getroffen worden, 5 die auch in Griechenland, und 6 die auch in Klein— aſien vorkommen. Auch die Roſenflora des Kaukaſus iſt mit Ausnahme zweier Arten eine europäiſche. Von den 8 perſiſchen Roſenarten ſind noch 3 europäiſch. Profeſſor v. Herder hat ſich der verdienſtlichen Auf— gabe unterzogen, die zahlreichen, für die Pflanzengeographie zum Teil ſehr wichtigen ruſſiſchen Publikationen ruſſiſcher Botaniker durch einläßliche Berichte auch den Fach— genoſſen deutſcher Zunge zugänglich zu machen. Für uns ſind namentlich die Unterſuchungen zweier Botaniker, die— 424 jenigen Kraſanoffs über die Flora des Altai und jene Martjanows über ein Stück der ſibiriſchen Flora am oberen Laufe des Jeniſſei bedeutungsvoll. Die Flora des Altai hat im Verlaufe der Zeit, wie uns die neueſten geologiſchen Forſchungen erkennen laſſen, eine ſehr erhebliche Wandlung durchgemacht, die wohl mit der Veränderung des Klimas Hand in Hand ging. Heute iſt ſein Klima ein rein kontinentales. Daß es einſt einen anderen Charakter beſaß, zeigen die zahlreichen Moränen ehemaliger Gletſcher, die nördlich und ſüdlich der Berge ſich weit in die Ebene hinaus erſtrecken. „Das Klima des Altai war feuchter und gleichmäßiger, die Lebensbedingungen der Pflanzenwelt waren andere als jetzt, und von der Tertiärflora konnten ſich kaum diejenigen Steppenformen erhalten, welche gegenwärtig die charakteriſtiſche Sonderheit der jetzigen Flora ausmachen.“ So radikal veränderte ſich die Flora des Altai, daß an ſeinen Abhängen jetzt derjenige Typus der Pflanzenwelt der herrſchende iſt, welcher, wenn er auch zur Tertiärzeit ſchon vorhanden war, ſo doch jedenfalls damals eine untergeordnete Rolle ſpielte. In der heutigen Flora des Centralaltat laſſen fic) nach Kraſanoff folgende botaniſche Formationen unter⸗ ſcheiden: die Wermutſteppe, die Steppen der ſchwarzen Erde, die Waldflora, die Alpen⸗ vegetation, die Sumpfflora und die Ruderal⸗ flora. Artemisia frigida tt die vorzüglichſte Charakter⸗ pflanze der Wermutſteppe, welche ihren Charakter von den Ufern des Schwarzen Meeres bis zum Nor-Naiſſon ſtreng bewahrt. Es iſt nicht ein zuſammenhängendes Pflanzen⸗ kleid, das ſie deckt. In gewiſſer Entfernung vonein⸗ ander wachſen die Wermutſtauden, indem ſie Zwiſchen⸗ räume brauner, nackter Erde zwiſchen ſich laſſen. Ver⸗ ſchiedene Krueiferen und Tulpenarten bilden den Früh⸗ lingsflor. Später treten Gräſer an ihre Stelle und ſelbſt ſolche Pflanzen werden getroffen, wie z. B. der Xehrenehren- preis (Veronica spicata), „die im europäiſchen Rußland für die Facies der ſchwarzen Erde charakteriſtiſch ſind“. Nicht alle Familien nehmen gleichen relativen Anteil an der Bildung dieſer Steppenflora. Es ſind vor allem Korbblütler, Kreuzblütler und Schmetterlingsblütler, die ſich dem Steppenklima angepaßt haben, ein Umſtand, der nicht als ein urſprünglicher gelten kann, vielmehr eine der neueſten und ſpäteſten Bildungen in der Flora des Altai iſt. Woher ſtammt dieſe Flora? Wenn auch eine genaue Antwort auf dieſe Frage nicht möglich iſt, ſo gibt es immerhin Erſcheinungen, welche auch einiges Licht auf den Urſprung dieſer Steppenflora zu werfen vermögen. Verfaſſer erinnert an einige hochgelegene, jetzt iſolierte Steppen des Altai, die aus verſchiedenen Gründen als einſtige Seebecken anzuſehen ſind. „Zu der Zeit, als dieſe Steppen, die Ueberbleibſel geweſener Seen oder Meerbuſen und die dem Süden zugewandten Felsabhänge ſich mit derſelben Steppenflora bekleideten, gehörten die Pflanzen, welche die nördlichen Abhänge bedeckten, zur Waldflora.“ Vielleicht kann man dieſe Felsabhänge als den Herd vieler Steppenformen anſehen, die ſich dort aus Arten früherer Zeiträume gebildet haben. Manche Species des Altai ſtehen den Formen der feuchten Wälder ſehr nahe. Sie erſcheinen als Abkömmlinge derſelben, deren Humboldt. — November 1889. Veränderung eine Anpaſſung an die Wärme und Trockenheit der Felsabhänge iſt. In ſolchem Verhältnis ſteht z. B. der ſibiriſche Berberitzenſtrauch zu dem gemeinen, der auch, im Gebüſch unſerer Wälder blüht. In der Verringerung der Blattfläche zeigt ſich die Anpaſſung. „Solche wohl: angepaßte Formen begaben ſich wahrſcheinlich zur Steppe, während wieder andere Arten den von ihnen gewählten Territorien treu blieben. Die Abaiſche Steppe gewährt in dieſer Beziehung großes Intereſſe, indem ſie ein deut⸗ liches Bild des Verdrängens von Arten der ſchwarzen Erde durch andere der Wermutſteppe gibt. Offenbar ijt hier die Waldflora im Ausſterben; ganze Flächen ſind noch von Delphinium elatum und intermedium bedeckt, aber in verkümmerten Exemplaren, gleichſam die letzten Mohi⸗ kaner der Waldflora, während ringsum Artemisia kri- gida, Veronica und Nepeta ſich bemühen, das befreite Territorium in Beſitz zu nehmen.“ Anderer Art ſind die Steppen der ſchwarzen Erde, die zum Teil wenigſtens durch ausgezeichnete Fruchtbarkeit charakteriſiert ſind und derart das An⸗ ziehungsmittel der mittelruſſiſchen Bevölkerung werden. Ihr Vegetationscharakter iſt der der Steppen Südruß⸗ lands. Eine beſondere dieſer Vegetationsformation ſich anſchließende Steppe, die namentlich gegen Tomsk auf⸗ tritt, bezeichnet Verfaſſer als die Waldſteppe. Die zahl⸗ reichen ſie deckenden Pflanzenarten ſind zum Teil Species, die bis an die Waldgrenze gehen. Der Charakter der Waldflora, die die Vorberge bekleidet, iſt von der der eigentlichen Berge weſentlich ver⸗ ſchieden. Birken und Lärchen bilden in den tieferen Lagen die Beſtände. Zirbelkiefern, Fichten und Weißtannen treten in den höheren Regionen an ihre Stelle. Der Uebergang von der Flora des Zirbelwaldes zur ſubalpinen Flora vollzieht ſich mehr oder minder un⸗ merklich, und alle Formen der feuchten Alpenwieſen werden ſchon in den Zirbelwäldern der Berge getroffen. Die Alpenvegetation tritt in 3 Typen auf. Die Flora der feuchten Wieſen und Gebirgsbäche weiſt unter anderen folgende Pflanzen auf; Die narziſſen⸗ blütige Anemone unſerer Alpen iſt mit der Trollblume des Altai, mit einer Ackelei, mit Veilchen, Primeln, einer Reihe von Enzianen und Wollgräſern vergeſellſchaftet. Verſchiedene Weidenarten, die zum Teil auch in unſeren Alpen wiederkehren und die niedliche Zwergbirke begleiten die Bachufer. An Felſen und Felsabhängen blüht der Mohn (Papaver nudicaule), verſchiedene Finger⸗ kräuter, die kleinen Dryadenſträucher, die Aſter und das Vergißmeinnicht unſerer Alpen, das Edelweiß, der präch⸗ tige Himmelsherold (Eritrichium rupestre) und andere. An die Schneegrenze reichen wenige Arten, ein Hahnen⸗ fuß, die Sibbaldia, ein Weidenröschen und eine Stein⸗ breche. Eine Eigenartigkeit vieler Vertreter der Bergflora des Altai iſt ihre Neigung, ungewöhnlich tief in die Ebene hinabzuſteigen. Die Alpenaſter, Eiſenhutarten, das Edel⸗ weiß, Schmerkraut und andere Pflanzen, die wir wenig⸗ ſtens zum Teil gewohnt ſind, als die echte Repräſentanz einer hochalpinen Flora zu erklären, gelangten wohl zum Teil durch das Mittel der Bergbäche in die wärmeren Thäler mit Steppencharakter. Einzelnen drückten die ver⸗ änderten Wohngebiete eine neue Phyſiognomie auf. So Humboldt. — November [889. ſah z. B. Kraſanoff im Uimonthal den Alpenmohn blühen. Aber während dieſe Art auf den Alpen nur eine und zur Seltenheit zwei Blüten trägt, iſt ſie hier unten reichlich verzweigt und viele Blüten ſchmücken ſie. Bis zu welchem Grade der Menſch auch in dieſen Gegenden die Pflanzenwelt beeinflußt, zeigt das Verzeichnis der von Kraſanoff geſammelten Unkräuter. 54 Arten werden aufgezählt, zumeiſt Pflanzen, welche auch bei uns den weſentlichſten Beſtandteil der Ruderalflora bilden. Das Gebiet, welches Martjanow in ſeinen Mate— rialien zur Flora des Minuſſinskiſchen Landes zum Gegenſtande einer einläßlichen botaniſchen Studie ge— macht hat, „umfaßt den öſtlichen Teil der Zone des weft: lichen Sibiriens und den weſtlichſten Teil der Zone des öſtlichen Sibiriens, d. h. den Altai und das Sanjan— gebirge mit den dazu gehörigen arktiſch-alpinen und Steppenregionen, zwiſchen welchen beiden die überwiegend aus Koniferen gebildete Waldzone gelegen iſt“. Der all— gemeine Vegetationscharakter entſpricht jenem im vorigen Abſchnitte ſkizzierten, wie denn die große Aehnlichkeit der Flora des Bezirkes Minuſſinsk mit jener des Altai, der ſeine Süd- und Weſtgrenze bildet, ſich namentlich daraus deutlich ergibt, daß von den 777 Phanerogamenſpecies, die in ihm beobachtet wurden, 714 auch dem Altai an— gehören und nur 59 oſtaſiatiſch find und auf dem Altai nicht vorkommen. Dreizehn Prozent der geſamten Flora können als Hochgebirgsflora bezeichnet werden. Sie bez kleidet die höchſten Gipfel der Höhenzüge, welche ſich bis zu 6000-8000 Fuß erheben und nur wenige dieſer Arten ſteigen in die benachbarte Taiga, d. h. in den ſibiriſchen Wald hinunter. Doch machte auch Verfaſſer die Beobach— tung, daß verſchiedene Hochalpenpflanzen in die Ebene, in die Steppe hinunterſteigen, ja dieſe „mit Vorliebe“ be— wohnen (z. B. Anemone narcissiflora). Beſonders reich iſt die Flora der Wälder. 549 Arten, d. h. 70% der Geſamtflora gehören ihr an. Die Mitte hält die Flora der Steppen mit 40% der Geſamtzahl. Bezüglich der Vegetationsformation gilt das den Altai betreffende. Uebereine Expedition nach Ruſſiſch-Lapp⸗ land berichten Palmen und Killman in der Societas pro Fauna et Flora Fennica in Helsingfors (Referat im Botaniſchen Centralblatt). Die bisherigen naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Unterſuchungen dieſes öſtlichſten Teiles des ſkandinaviſchen Florengebietes betrafen faſt nur die Küſten, ſowie den allgemein benutzten Weg längs dem See Imandra. Das Binnenland aber, welches faſt 400 km lang und 250 km breit iſt, wurde bisher von Naturforſchern nicht betreten. Dichter Birkenwald beginnt ſchon 15 km von der Küſte, der weiter im Innern mit Fichten- und Kiefernwald wechſelt. Die Mitte der Halbinſel nimmt der Lujaur-See ein, deſſen Spiegel oft kilometerweit mit reichlichem Ba— trachium, dem weißblühenden Waſſerhahnenfuß, geſchmückt iſt. Sumpfige Niederungen, mit Fichtenwäldern bewachſen, bilden das öſtliche Ufer. Eine iſolierte Hochgebirgsgruppe bildet das weſtliche. Dieſe Berge erheben ſich etwa 700 m über das umliegende Land und erreichen damit allem An—⸗ ſcheine nach die Schneegrenze. Der höchſte Gipfel, faſt ſenkrecht über den Seeſpiegel ſich erhebend, erreicht eine Höhe von 900 m. Den Fuß der Gebirge umgürtet fin- ſterer Fichtenwald, „deſſen lichte Beſtände oft einem ſchönen Humboldt 1889. 425 Parke gleichen, deſſen Boden mit einem ununterbrochenen Teppich von Beerenſträuchern und ſchwarz- und weiß— blütigem Cornus bedeckt iſt“. Eine ausgeprägte Birken⸗ region tritt an dieſen Hängen nicht auf, da die Fichte an ſteileren Stellen faſt eben ſo hoch als Baum geht wie die Birke und als Strauch mit dem kriechenden und wurzeln— den Stamm noch oberhalb der Birkengrenze auftritt. Eine üppige Vegetation gedeiht an Bachufern und in den Schluchten unter den Schneefeldern, zum Teil die Flora, welche die nämlichen Formationen in Grönland ergrünen läßt. Im Oſten iſt der Wacholder das wichtigſte Holz⸗ gewächs; während die Stämme des Birkenwaldes z. B. in der Nähe vom Jokonsk im Maximum 10—15 em im Durchmeſſer haben, tritt der Wacholder in meterhohen Stämmen von bisweilen 30 em Dicke auf. Die Gegend am Ponojfluß iſt flach und ſcheint im Frühjahr nach dem Schmelzen des Schnees einen einzigen Sumpf zu bilden. Auch hier tritt ſpäter Kiefern- und Fichtenwald auf. So iſt alſo die Waldgrenze viel nördlicher zu verlegen als man bisher glaubte. „Sie wird durch eine gebrochene oder ſtark gebuchtete Linie bezeichnet, die mehrere gegen Norden vorſpringende Streifen umfaßt.“ „Die waldloſe Tundra wird ſomit faktiſch auf einen ziemlich ſchmalen Gürtel längs der nordöſtlichen Küſte ein- geſchränkt, der von den wenigſtens ſtellenweiſe gut ent- wickelten Birkenwäldern der größeren Flußufer durchzogen wird. Die Vegetationsverhältniſſe der Halbinſel Kola tragen alſo nicht einen ſo ausgeprägt arktiſchen Charakter, wie man auf Grund der bisherigen unvollſtändigen Kennt⸗ nis des Innern vorausſetzte.“ Die öſtlichen oder rein arktiſchen Florenelemente ſind nicht gleichmäßig über die Halbinſel verteilt. Sie ſcheinen vielmehr auf einen ſchma⸗ len Streifen längs der Küſte eingeſchränkt zu ſein. Einen trefflichen Beitrag zur Geſchichte der Hallenſer Flora liefert Schulz in ſeinen Vegetationsverhalt- nijjen der Umgebung von Halle. Ein verhältnis⸗ mäßig bedeutender Artenreichtum, der das Gebiet aus— zeichnet, mag in der großen Mannigfaltigkeit der Ober— flächengeſtaltung einerſeits, des geologiſchen Aufbaues an— dererſeits ſeine Urſache haben. Hier erheben ſich iſolierte Porphyrhügel, zum Teil klippenreiche, jäh abfallende Hänge gegen die ſie durchſchneidende Saale bildend; dort ſchließen ſich Sandhügel an ſie an. Bäche und Flüſſe beleben das Thal. Ein Binnenmeer in Miniatur kommt dem Gebiet im ſalzigen Mansfelder See zu. Dieſe oro— graphiſche Mannigfaltigkeit wird durch die geologiſche Viel— geſtaltigkeit noch überboten. In den faſt waldloſen Por— phyrkuppen ſind die Eruptivbildungen vertreten. Der größte Anteil am geologiſchen Bau des Gebietes kommt den diluvialen Bildungen zu, vornehmlich dem Loz. Im Aulehm begegnen wir den alluvialen Bildungen. Dieſen reiht ſich das Tertiär an, petrographiſch namentlich durch den Stubenſand und Kapſelthon charakteriſiert. Das Trias zeigt ſich vor allem im bunten Sandſtein und dem Muſchel— kalk. Sehr ungleichartig ſind die faſt 1100 Gefäßpflanzen der Flora von Halle über dieſe Formationen verteilt. Am reichſten iſt das Alluvium bedacht, indem faſt mehr als 4/5 aller Arten in ihm getroffen werden, während auf dem Muſchelkalk nur / der Species wohnen. Diluvium und Tertiär ſtehen dem erſteren nur wenig nach, während hin— 54 426 wieder die übrigen Formationen den Muſchelkalk nur wenig übertreffen. „Der Grund hierfür liegt nicht nur darin, daß jede dieſer drei Formationen ein bedeutend größeres Gebiet beſitzt, in dem der Wald ſchon einen Flächen⸗ raum bedeckt, der den kleineren von jenen Formationen beinahe gleichkommt, ſondern auch darin, daß ſich im Ge— biete der Flora von Halle Verhältniſſe vorfinden, die von denen vieler anderer Florengebiete inſofern abweichen, als Arten, die ſich im Buntſandſtein, im Muſchelkalk und in den kalkreichſten Partien des Rotliegenden und des Zech— ſteins ihrer chemiſchen und phyſikaliſchen Beſchaffenheit nach vorfinden müßten, in ihnen gar nicht vorkommen, dagegen im Porphyr und in einer der drei letzten Formationen, oder doch ſowohl in ihnen als auch im Porphyr und in den drei letzten Formationen.“ So iſt denn auch faſt ½ aller Arten all den verſchiedenen Formationen gemeinſam. Die Zahl der jeder Formation eigenen Arten iſt eine ziemlich geringe. Dem Porphyr ſind 8 Arten eigentüm⸗ lich, dem Rotliegenden und Zechſtein 6, dem bunten Sand⸗ ſtein 3, dem Muſchelkalk 6, dem Tertiär 8, dem Dilu⸗ vium 9. Ein ganz abnormes Verhältnis weiſt ſcheinbar das Alluvium auf, indem 16% der geſamten Flora ihm eigen ſind. Ihm fallen eben faſt alle Arten zu, welche einen feuchten Standort beanſpruchen. Die floriſtiſche Verſchiedenheit der verſchiedenen geo⸗ logiſchen Formationen hat natürlich ihren Grund in der Verſchiedenheit der Formationen in phyſikaliſcher und chemi⸗ ſcher Beziehung. Von den chemiſchen Einwirkungen ſind diejenigen, welche durch das Auftreten des Kalkes und des Kieſels im Boden hervorgerufen werden, die wichtigſten. Es kommt das am ſchlagendſten in den Worten „Kalk-“ und „Kieſelpflanzen“ zum Ausdruck, die allerdings zu viel⸗ fachen Irrtümern führten und eine bedeutende Zahl von Gegnern jeglicher chemiſchen Abhängigkeit der Pflanzen entſtehen ließen. „Eine vorurteilsloſe Unterſuchung zeigt nun aber ſofort, daß die Verteilung der Pflanzen in der That in ſehr vielen Fällen von der chemiſchen Beſchaffen⸗ heit des Bodens abhängig iſt, ſie zeigt aber auch 1) Daß nur die Kenntnis eines größern Gebietes einer Pflanze, vorzüglich mit verſchie— denen klimatiſchen und topographiſchen Verhält⸗ niſſen davor ſchützt, Pflanzen für kalk- reſp. kieſel⸗ bedürftig zu halten, die es nicht ſind, weil ſtellen⸗ weiſe einzelne Pflanzen ſich nur auf einer Boden⸗ art, ſei es Kalk- oder Kieſelboden, in anderen dagegen ſowohl auf Kalk- als auch auf Kieſel⸗ boden vorfinden. 2) Daß der größte Teil der kalk- reſp. kieſel⸗ bedürftigen Pflanzen dieſe Stoffe ſelbſt aus den kalk⸗ reſp. kieſelärmſten Boden entnehmen kann, daß fie aber in vielen Gegenden, wo nebenein⸗ ander kalkreiche und kalkarme, reſp. kieſelreiche und kieſelarme Bodenarten beſtehen, nur auf den kalk, reſp. kieſelreichen, in andern dagegen auf beiden, in noch anderen endlich ſogar nur auf den kalk⸗ reſp. kieſelärmern vorkommen.“ So beobachtete Verf. in der Hallenſer Flora über 60 % aller Arten, die ſtellenweiſe mit einem Boden ſich behelfen, der den Kalk nur in Spuren enthält, und nur eine relativ geringe Artenzahl (17 Species) beanſprucht Humboldt. — November 1889. einen Boden, der 5% und mehr Kalk enthält. Etwa die Hälfte der Species aber findet ſich ſowohl auf kalkarmem wie auf kalkreichem Boden. Einen ſtark kieſelhaltigen Boden verlangen viele Arten, indem ungefähr die Hälfte aller Arten des Gebietes auf einem Boden gedeiht, der einen ſehr hohen Kieſelſäuregehalt (über 80 90) hat. Der ſalzige Mansfelder See gibt dem Verf. zu ein⸗ läßlichen, intereſſanten Erörterungen Veranlaſſung, welche wir an dieſer Stelle nur in ihren wichtigſten Punkten wiedergeben können. Die Ufer dieſes Sees ſind teilweiſe durch ſo erheblichen Chlornatriumgehalt ausgezeichnet, „daß bei anhaltender Trockenheit im Hochſommer der Boden mit einer weißen Salzkruſte bedeckt iſt.“ Dieſe Lokalitäten ſind oftmals ohne jegliche Vegetation, in anderen Fällen über⸗ zieht ſie ein dichter Teppich jener echten Salzpflanzen, wie der Glaux maritima, der Salicornia herbacea ꝛc. In den ſalzhaltigen Wieſen gedeiht nicht minder als längs der Süßwaſſerſeen ein üppiger Flor der durch eine reiche Zahl ſalzbedürftiger und nicht ſalzbedürftiger Arten gebildet wird. Letztere kommen durchſchnittlich in größerer Individuen⸗ zahl vor. Verf. beobachtete auf zwei nicht ſalzbedürftige eine ſalzbedürftige Art. Daraus zieht er die Schlüſſe „J) daß nicht nur die nicht ſalzbedürftigen Pflanzen ſehr gut das Salz vertragen können, ſondern auch 2) daß die ſalzbedürftigen die Konkurrenz mit den nicht ſalzbedürftigen aushalten müſſen und können“. ½ der geſamten Salz⸗ flora Deutſchlands wird in Halle getroffen. Im ſalzigen See wächſt ein Hahnenfuß (Ranunculus Baudotii), ein Verwandter der weißblühenden Arten unſerer Gewäſſer, Häufig decken Spergularia-Arten, eine Melilotus-Art, Apium graveolens, das feine Haſenohr, eine Aſter, eine Artemisia, das Meeresſtrandmilchkraut, der Meerwegerich, ein Cheno⸗ podium, die geſtielte Zannichellia, ein Juncus den Boden des Salzgebietes. Einige andere Arten ſind ſeltener, zum Teil ſehr ſelten. Für eine Reihe anderer Arten wirft Verf. die Frage auf, ob ſie nicht als ſalzbedürftig zu bezeichnen wären. Ja er geht ſo weit, die Standorte unſerer Ru⸗ deralpflanzen, jener zahlreichen, treuen Begleiter der menſch⸗ lichen Wohnſtätten auf ihr Salzbedürfnis zurückzuführen. „Da dieſe Pflanzen in größerer Zahl überall auf Salz⸗ boden auftreten und jene Stellen in der Nähe der menſch—⸗ lichen Wohnungen oder die gedüngten Felder ſtets, infolge des daſelbſt in den Boden eingedrungenen ſtark kochſalz⸗ haltigen Urins ſtark ſalzhaltig ſind, ſo iſt leicht möglich, daß ſie dieſe Stellen nicht der Ammoniumſalze, ſondern des Kochſalzes wegen oder vielleicht auch wegen beider aufſuchen.“ Wann beſiedelte die jetzige Flora das Hallenſer Gebiet? Durch den Eintritt der Eiszeit wurden die Angehörigen einer älteren Flora, ſo weit wenigſtens dieſelben den höhern Pflanzen, vorab den Phanerogamen angehörten, vernichtet. Die widerſtandsfähigeren Elemente verdrängte die den Niederungen zuwandernde Bergflora. Und als die Vereiſung immer größeren Umfang annahm, alſo im Laufe der Zeit „das nordiſche Inlandseis immer weiter vordrang bis zu einer Linie, die von dem mittleren Eng⸗ land durch die Niederlande, Rheinprovinz, Weſtfalen, Hannover, am nördlichen Harz entlang läuft, ſich daͤnn, im weiten Bogen denſelben umgehend, nach dem mittleren Thüringen wendet und von dort durch Sachſen bis zum Humboldt. — November 1889. Rieſengebirge und weiter durch Polen nach Rußland hin— läuft, wurde nördlich dieſer Linie, alſo auch in unſerem Gebiete, jeder Pflanzenwuchs unmöglich. Höchſtens ver— mochten ſich, wie jetzt im Innern von Grönland, auf den aus dem Eiſe ragenden Felszacken einzelne, dieſen Ver— hältniſſen angepaßte Arten zu halten.“ Wie heute den Gletſcherzungen die Flora einen lieblichen Kranz windet, der das nahe Eis in buntem Schmucke umgürtet, ſo mochten auch damals die aus dem Norden vorrückenden Gletſcher die eine und andere Pflanzenart in ihrem Gefolge haben, „welche ſich mit den Pflanzen, die von den mitteleuropäiſchen Ge— birgen herabgeſtiegen waren, miſchten, ſo daß allmählich in Mitteleuropa eine vollſtändige Miſchflora entſtand“. Die Pflanzen, die ein wärmeres Klima beanſpruchen, waren in ihrer Mehrheit auf den Südoſten und Südweſten Curo- pas beſchränkt, im mittleren Teile vermochten ſie ſich nur im Centrum Böhmens und am Rhein in etwas ausge⸗ dehntem Maße zu halten. Und als dann das Eis, das in mächtigen Gletſchern das Inland deckte, ſich zurückzog, da begann ein neuer Kampf um das frei gewordene Terrain, der mit der Vernichtung weitaus der meiſten jener Glacial— pflanzen endete. Da war es die böhmiſche Flora, welche in das Florengebiet von Halle einwanderte. Dieſe letztere Anſicht „gründet ſich nicht nur darauf, daß Böhmen das nächſte Land war, in dem eine Ebene und Hügel bewoh— nende Flora ſofort nach dem Ende der Eiszeit vorhanden war, ſondern vor allem auch darauf, daß wir noch heute in unſerem Florengebiet eine Reihe von Pflanzen antreffen, welche nur aus Böhmen hierher gelangt ſein können, da ſie, dem ſüdöſtlichen Europa faſt ausſchließlich angehörend, ſich allein vereinigt in Böhmen finden“. Folgende Arten bilden dieſe Florula ſonniger Standorte: der illyriſche Hahnenfuß, das zierliche Johanniskraut, der ſchaftloſe Tra— gant, der kleinblütige Klee, der ſteife Salat (Lactuca quercina), der unechte Ehrenpreis, die böhmiſche Schwert— lilie, die ſchmalblütige Weinbergshyacinthe (Muscari tenui- florum) und die nickende Segge. Einläßlicher beſpricht Verf. die Verbreitung von Arten, welche im Hallenſer Ge— biete ihre Grenzlinien haben. Bald ſind es Arten, welche hier ihre Nordgrenze finden, wie z. B. eine Reihe von Kreuzblütlern (Arabis pauciflora, A. auriculata, Draba muralis, Thlaspi montanum, Hutschinsia petraea), zwei Sonnenröschen (Helianthemum Fumana, H. oelan- dicum), Diptam, verſchiedene Papilionaceen (Oxytropis pilosa, Coronilla montana, Lathyrus Nissolia), Kom⸗ poſiten (Achillea nobilis, Senecio spatulifolius, S. ne- morensis, Cirsium eriophorum, C. bulbosum 2c.) u. f. f., — bald Pflanzen, welche im Gebiete oder in der Nähe desſelben ihre Weſtgrenze erreichen, wie der illyriſche Hahnen— fuß, das zierliche Johanniskraut, die pontiſche Artemiſia, die Waldſalbei 2. — bald Arten, die hier ihre Oſtgrenze beſitzen, wie die rundblätterige Minze, das riſpige Fett— kraut, der Felſengoldſtern. Welche Urſachen bedingen dieſe Grenzlinien? Durch Grieſebach wurde der Anſicht Ausdruck gegeben, „daß die Pflanzen eine beſtimmte Mitteltemperatur zur Entwickelung bedürften, und daß durch dieſe Mitteltemperaturen die Wus- dehnung ihres Gebietes bedingt ſei“. Andererſeits geht Drudes Meinung dahin, daß „die Urſache der verſchiedenen Ausbreitung der Pflanzen nicht in dem heutigen Klima, . 427 ſondern in dem Klima der Zeit, in welder fie wanderten, und in der geologiſchen Konfiguration des Landes, in welches ſie einwanderten, zu ſuchen jet.” Für Grieſebachs Anſicht ſpricht das Verhalten zahlreicher Arten nicht, die eine gewiſſe Unabhängigkeit von den Temperaturverhältniſſen aufweiſen. Trotzdem z. B. Halle eine um 1“ C. höhere mittlere Jahres- temperatur hat, als z. B. Arnſtadt, ſo gibt es doch eine ganze Reihe von Arten, welche hier noch getroffen werden, während ſie der Flora von Halle fehlen. Wir nennen unter anderen die Herlitzen, die ſtengelloſe Eberwurz, die ſpaniſche Scorzonera rc. Auch Drudes Anſicht weiſt Verf. zurück. „Es liegen keine Gründe vor — ſagt er — die zur Annahme berechtigten, daß damals Arnſtadt oder der ſüdliche und öſtliche Harz irgendwie höhere Temperaturen beſeſſen habe als Halle.“ Die Bedeutung der geologiſchen Konfiguration, welche unſerem Dafürhalten nach in einer Reihe von Fällen die Art der Verbreitung der Pflanzen beſtimmt, ſchlägt Verf. ebenfalls ſehr gering an. Er ſucht die Eigenartigkeit der Verbreitung, die ſich vielfach nament— lich in der Begrenzung einer Art zeigt, in folgender Weiſe zu erklären: „Wahrſcheinlich waren die meiſten Arten viel weiter, vorzüglich nach Norden zu, nach Deutſchland ge— wandert, als wir ſie heute beobachten, nämlich ſo weit, wie es ihnen die chemiſchen und phyſikaliſchen Verhältniſſe der Bodenunterlage geſtatteten. Später aber ſtarben viele teils im Centrum, teils an der Peripherie aus, ſo daß wir die heutigen Verbreitungslinien erhalten, welche ſomit in ſehr vielen Fällen nicht als Grenzen der durch die Wanderung erreichten größten Ausdehnung, ſondern ledig— lich als Grenzen des heutigen Areales aufzufaſſen ſind.“ Es iſt dies eine Anſicht, der ſicherlich in weitaus den meiſten Fällen durchaus beizupflichten iſt. In ſpäterer, hiſtoriſcher Zeit wurden der Flora noch zwei neue Elemente zugeführt, die Acker- und Ruderal⸗ pflanzen, die ja durch den ſtets wachſenden Verkehr auch heute noch in faſt jedem größeren Florengebiete eine mehr oder weniger bedeutende Bereicherung erfahren. So iſt das Werk ein Muſter einer pflanzengeographi⸗ ſchen Darſtellung, eine treffliche Erweiterung unſerer Kennt— niſſe eines wichtigen Teils der deutſchen Flora. Es iſt hier wohl auch der Ort, des wertvollen Be— richtes über das deutſche Florengebiet zu gedenken, welchen die Kommiſſion für die Flora von Deutſch— land in den Berichten der deutſchen bota— niſchen Geſellſchaft niedergelegt hat. Natürlich liegt es außerhalb des Zweckes dieſer Referate, all die Neu— heiten der 21 Gebiete, über welche die Kommiſſion be— richtet, namentlich aufzuführen. Wir beſchränken uns auf eine Ueberſicht der Neuheiten des ganzen Gebietes und auf eine Beleuchtung der Fortſchritte, welche die Ruderal— flora gemacht hat. So umfangreich die bisherigen Erforſchungen des Floragebietes auch ſchon waren, die Zahl der floriſtiſchen Neuheiten iſt dennoch keine geringe. Sie gehören aller— dings wohl nur zum kleineren Teil den „guten Arten“ der alten Schule an. Wir ſehen vielmehr, daß jenen Arten der größte Anteil zukommt, denen man einen be— ſonderen Grad der Vielgeſtaltigkeit, des Polymorphismus, zuſchreibt, den Gattungen Rosa, Rubus und Hieracium. Ein anderer Teil der Neuheiten wird durch zahlreiche 428 Varietäten und Formen gebildet, welche Monographen und Floriſten alljährlich in mehr oder weniger großer Zahl zu entdecken pflegen. Sofern dieſes Erkennen neuer Varie⸗ täten nicht immer mit einem genauen Studium der in⸗ dividuellen Variabilität Hand in Hand geht, jo lange die Veränderlichkeit innerhalb eines Artkreiſes nicht immer genau erkannt iſt, wird allerdings der Wert der einen und an⸗ deren Form und ſelbſt Art ein fraglicher. In dritter Linie ſind zahlreiche Baſtarde gefunden worden. Aber auch eine Anzahl neuer Arten, die auch in Linnés Schule zu Rechte beſtünden, ſind namentlich in den öſterreichiſchen Küſtenlanden und in Tirol entdeckt worden. So wird aus erſteren der Berberitzenſtrauch des Aetna (Berberis aetnensis) namhaft gemacht, eine Pflanze, deren bisheriges Heimatrecht auf Sicilien, Sardinien und Korſika be⸗ ſchränkt war. Ebenfalls ein Kind einer weſtlicheren Flora iſt ein neues Schneeglöckchen aus der Gegend von Görz, der Galanthus Imperati des centralen und ſüdlichen Italiens. Daß in den verſchiedenen Gebieten die Adventivpflora oft zum Teil eine erhebliche Bereicherung erfahren hat, kann bei dem großen Verkehr, der den Norden mit dem Süden, den Oſten mit dem Weſten verbindet, nicht über⸗ raſchen. Im Gegenteil wäre man wohl eher geneigt, darüber zu erſtaunen, daß die Zahl der für das ganze Gebiet neuen Arten der Adventivpflora eine nicht erheb⸗ lichere iſt. Es iſt vor allem der Norden, das märkiſch⸗ poſenſche Gebiet und Schleswig⸗Holſtein, der an dieſen neuen Arten ſeinen Hauptanteil hat. Jenes weiſt 3 neue Species (Anchusa ochroleuca, Centaurea Sadleriana und Silene wolgensis), dieſes deren 5 auf. Dieſe Ad⸗ ventivpflanzen ſind vorab öſtlichen Urſprunges, aus Ungarn und Südrußland eingewandert. Zum Schluſſe möge eine Arbeit des Referenten, die im Botaniſchen Centralblatt erſchien, in ihrem pflanzen⸗ geographiſchen Teil kurze Erwähnung finden. Anläßlich Humboldt. — November 1889. einer Unterſuchung über die wilden Roſen des Kan⸗ tons Zürich wird die Beziehung der Roſenflora der Ebene zu jener des Jura und der Alpen geprüft. Rosa pomifera, die Apfelroſe, kann als die eigentlichſte Cha— rakterroſe der Alpen angeſehen werden. Wohl fehlt ſie dem Jura nicht völlig. Aber nur in den Alpen tritt ſie in großer Individuenzahl auf, nur in den Alpen kommt ihr Formenreichtum in einer Fülle charakteriſtiſcher Varie⸗ täten zur Entwickelung. Aehnlich die Rosa abietina. Auch Rosa cinnamomea iſt als Charakterroſe der Alpen zu bezeichnen. Von dieſen treten die Rosa pomifera und Rosa cinnamomea, erſtere als entſchiedene Seltenheit in der Ebene auf. Als juraſſiſche Arten haben in erſter Linie die Rosa pimpinellifolia und die Rosa trachyphylla zu gelten. Erſtere konnten wir im Gebiete noch nicht nachweiſen. Daß ſie aber vorkommt, dürfen wir faſt mit Sicherheit annehmen, nachdem einer der hervorragendſten Roſenkenner eine Rosa alpina pimpinellifolia als ſolche verifiziert hat. Die Rosa trachyphylla kommt in unſerem Teile der ſchweizeriſchen Ebene nicht nur an einer Reihe verſchiedener Standorte vor, ſie wurde auch in vier ver⸗ ſchiedenen Formen konſtatiert. So ſprechen alſo dieſe Charakterarten dafür, daß die Roſenflora des ſchweize⸗ riſchen Mittellandes ein Appendix der juraſſiſchen iſt. Fragen wir nach dem Vorkommen aller 66 in unſerem zürcheriſchen Gebiete nachgewieſenen Formen, ſo ergibt ſich, daß 1) etwas über die Hälfte den Alpen und dem Jura gemein iſt, 2) daß etwas über ein Drittel im Jura, nicht aber in den Alpen getroffen wird und 3) daß nur 30% unſerer Roſenflora als ſpecieller Anteil der al⸗ pinen zu bezeichnen ſind. So zeigt uns alſo auch eine ein⸗ läßliche Vergleichung aller Formen, wie ſehr die Roſen⸗ flora des ſchweizeriſchen Mittellandes von der des Jura beſtimmt wird. Sie erſcheint in der That als ein Teil derſelben, welcher nur in ganz wenigen Formen die größere Nähe der Alpen verrät. Zoogeographie. Don Dr. Kurt Lampert in Stuttgart. Häufigkeit der Wölfe in Frankreich und Rußland. Vorkommen des Hamſters in Deutſchland. Sine neue Biberkolonie an der Elbe. Wilde Kamele in Spanien. Derwilderte Binder. und dem Gebiete des unteren Congo. Kuſſiſche Arbeiten über aſiatiſche Säugetiere. Vertikale Verbreitung des Elefanten. Die Büffel Afrikas. Verbreitung der nordamerikaniſchen Wölfe. Säugetiere von Südoſtafrika Verbreitung der Meerſäugetiere. Die Behringsſtraße als Verbreitungscentrum der Floſſenfüßler. Kartographiſche Darſtellung der Verbreitung der Mebelfrahe, der Rabenkrähe und der Saatkrähe in Deutſchland. Verbreitung der Tagraubvögel der Schweiz. Berichte verſchiedener ornithologiſcher Kom⸗ miſſionen Deutſchlands. logiſche Ausbeute Pr3ewalstys. Fur Ornis des Haufajus. Tunis. Centralafrikaniſche Dogelfammlungen. Amphibien. Iſoliertes Vorkommen von Lacerta viridis in Deutſchland. Einwanderung des Steppenhuhns in Deutſchland. Die Vogelwelt Gſtſibriens. Die Verbreitung der weſtpaläarktiſchen Schlangen. Maffenhaftes Auftreten des Rofenftars in Bulgarien. Ornitho⸗ Die Avifaung von Britiſch-Indien. Avifaung von Lokalfaunen deutſcher Reptilien und Geographiſche Verbreitung der beiden Unkenarten. Batrachier und Reptilien aus Griechenland und Hleinafien. Wenn wir den zoogeographiſchen Bericht diesmal mit einem Ueberblick beginnen über die Arbeiten, welche ſich mit der Verteilung der uns zunächſt liegenden Fauna, der Tierwelt Deutſchlands und, des weiteren, Europas be⸗ ſchäftigen, ſo dürfte es ſcheinen, als ob da nicht viel zu erwarten fet, beſonders wenn wir dem zoologiſchen Syſtem uns anſchließen und hier die höchſten Formen zuerſt ins Auge faſſen. Es iſt anzunehmen, daß die höhere Tierwelt Europas, beſonders des weſtlichen Europas, auch in ihrer Verbreitung genügend bekannt iſt, als daß noch etwas Neues zu bringen wäre. Dies iſt im ganzen wohl richtig; jedoch begegnen wir nicht nur in den zahlreichen kleinen Notizen zoologiſchen Inhalts, die ſich in den verſchiedenſten Publikationen, in wiſſenſchaftlichen Zeitſchriften, Vereins⸗ heften oder Jagdzeitungen verſtreut finden, des öfteren bemerkenswerten zoogeographiſchen Thatſachen, ſondern die größere Aufmerkſamkeit, die in den letzten Jahren der Verbreitung der Tiere geſchenkt wird, hat auch zu ſelb⸗ ſtändigen größeren und kleineren zoogeographiſchen Publi⸗ kationen geführt. Bei kleineren Notizen, zoogeographiſchen Humboldt. — November 1889. 429 Miscellen, handelt es ſich der Natur der Sache nach meiſt um Erlegung ſelteneren Wildes, allmähliches Verſchwinden beſtimmter Tierarten oder ungewöhnlich zahlreiches Auf⸗ treten anderer, ſowie um das Erſcheinen fremder Gäſte. Der Ausrottung gehen natürlich am eheſten entgegen die direkt gefährlichen Tiere, die Raubtiere. Von den beiden für Europa in Betracht kommenden gefährlichen Raubtieren, dem Bären und dem Wolf, kommt beſonders letzterer immer noch in relativ großer Anzahl vor. In Deutſch— land werden noch jährlich in deſſen öſtlichſten und weſt— lichſten Provinzen Wölfe erlegt, ſo in Lothringen jährlich ca. 50; geradezu auffallend groß aber iſt die Zahl dieſer Raubtiere noch in Frankreich, wo nach dem amtlichen Be— richt des franzöſiſchen Miniſteriums für Landwirtſchaft 1887 701 Wölfe erlegt wurden; noch höher belief ſich die Zahl der getöteten Wölfe in den vorhergehenden Jahren, ſo daß die Regierung ſich genötigt ſah, hohe Schußprämien auszuſetzen. Dem gegenüber erſcheint es wenig, wenn Norwegen im gleichen Jahr nur 15 Wölfe erlegt. Daß Rußland bei einem Vergleich der europäiſchen Länder mit Bezug auf die Häufigkeit des Raubzeuges nicht in Betracht kommen kann, liegt nahe. Die enorme Ausdehnung des ſpärlich bevölkerten Reiches läßt hier die Grundbedingungen für die Ausrottung der Raubtiere ganz anders erſcheinen, ſo daß von einer eigentlichen Verminderung derſelben nicht geſprochen werden kann. Wie enorm der Schaden iſt, den die Wölfe in Rußland dem Viehſtand zufügen, geht aus einer Broſchüre von Laſarewski “) hervor, nach wel— chem der dem Beſtand an Haustieren jährlich zugefügte Schaden nach ſtatiſtiſchen Angaben ſich auf 15 Millionen Rubel berechnen läßt, thatſächlich aber jedenfalls viel höher iſt; den Verluſt an Wild, der auf Rechnung der Wölfe zu ſetzen iſt, ſchätzt Laſarewski auf 50 Millionen Rubel jqährlich. In den dichter bevölkerten Ländern ſchwinden neben dem Raubzeug auch immer mehr andere Tiere, ſei es, daß ſie dem Feldbau ſich ſchädlich erweiſen und ihnen deshalb der Krieg erklärt iſt, fei es, daß fie die gewohnten Exi— ſtenzbedingungen nicht mehr finden. Unter den Säuge— tieren ſind hiefür Hamſter und Biber für Deutſchland bekannte Beiſpiele. Wohl können ſie ſich, beſonders der noch häufigere Hamſter, unter günſtigen Umſtänden auch wieder einmal zahlreicher vermehren, aber ſofort ſind ſie dann wieder der Verfolgung ausgeſetzt. So wurden im Jahr 1888 in der Gegend der Stadt Aſchersleben 97519 Stück Hamſter gefangen, wofür ein Fängerlohn von 1950 Mark bezahlt wurde ). Eine ſolche Häufigkeit des Hamſters gehört aber zu den Seltenheiten, denn er kommt in großen Teilen Deutſchlands, wie Nieder- und Ober- bayern, Oſt⸗ und Weſtpreußen, gar nicht mehr vor. Da er kürzlich von Struck “““) in Mecklenburg nachgewieſen wurde, bilden Mecklenburg und Pommern die nördlichſten Ausläufer ſeines Vorkommens in Deutſchland. Von dem faſt ganz verſchwundenen Biber wurde kürzlich wieder eine neue Anſiedlung zu Regenwehrsberg oberhalb Ranies nicht ) Im Auszug wiedergegeben von Damian Gronen, Zool. Garten, Jahrg. 29, 1888, Nr. 8. ) Natur, 1889, Nr. 1. %) Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeſchichte in Mecklen⸗ burg, Jahrg. 42, 1888. Güſtrow, 1889. weit von Schönebeck an der Elbe entdeckt“), die unge— fähr 30 Individuen zählt; doch dürfte auch hier ſich ihr Bleiben nicht vereinen laſſen mit den Forderungen der Sicherheit des Dammes, an welchem ſie ihre Kolonie ge— gründet haben. — Bei dieſer Gelegenheit ſei des ſeltſamen ſtändigen Vorkommens eines Fremdlings in Europa Er— wähnung gethan, nämlich der Auffindung einer Herde wilder Kamele in Spanien. Ueber ſie bringt Abel Chap— mann, der fie ſchon 1884 beobachtet, neue Angaben!), die keinen Zweifel mehr zulaſſen. Die Kamele finden ſich in den ſumpfigen Gegenden am untern Guadalquivir, den ſogenannten Manismas, ansgedehnten Wüſteneien, die den größten Teil des Jahres mit Waſſer bedeckt ſind, aus welchem niedere Inſeln mit hartem Schilfrohr, Gräſern u. dergl. hervorragen. Das Vorkommen der Kamele an ſolchem, dem ſonſtigen Aufenthalt dieſer Tiere ſo wenig entſprechendem Ort, iſt zugleich eine auffällige Anpaſſung an veränderte Verhältniſſe. Die Tiere ſind jedenfalls Nachkommen von Kamelen, die etwa 40 Jahre vorher von den Kanariſchen Inſeln her als Laſttiere eingeführt wurden und dann verwilderten. Daß das Kamel früher auch in Europa als Laſttier Verwendung fand, beweiſt eine Notiz Guſtav Freytags***), nach welcher beim Bau des Schloſſes Aachen unter Karl dem Großen das Kamel zum Steintragen diente, und ſeit Jahrhunderten leben völlig eingebürgert auf einer wüſtenartigen Landfläche bei San Roſſore unweit Piſa eine Herde Kamele, die unter anderem auch den Bedarf der umherziehenden Kameltreiber, wie auch vieler zoologiſcher Gärten decken. Daß alle unſere Haustiere verwildern, beſonders leicht Rinder, Schweine, Katzen, Hunde, tft bekannt. Ueber ver— wilderte Rinder hat kürzlich Langkavel ) eine Zuſam⸗ menſtellung gegeben. In größter Anzahl finden ſie ſich in Südamerika, wo zu den halbwilden, zehntauſende an Stücken zählenden Herden an verſchiedenen Punkten, ſo beiſpielsweiſe in Patagonien und zwiſchen Amazonas und Madeira, völlig verwilderte und herrenloſe Rinder in größter Zahl kommen. In ähnlicher Weiſe fand Prze- walſky in Ordos, im dichten Buſchwerk des Hoanghothales, bei dem verlaſſenen Kloſter Schora⸗dſu völlig verwilderte Rinder, die man nun wohlberechtigt zu der dortigen Faung zählen muß. Die Jagd auf ſie iſt ſchwierig, da ſie ebenſo vorſichtig, ſcharfſinnig und leichtfüßig wie die Antilopen ſind. Auch anderweitig verlieren die verwilderten Rinder in kurzer Zeit ihre Unbeholfenheit und werden ihrem Cha— rakter nach ganz andere Tiere, als ihre zahm gehaltenen Genoſſen. Dagegen läßt ſich eine Veränderung der Ge⸗ ſtalt der Tiere ſelbſt bei den ſchon Generationen Hinz durch im wilden Zuſtande lebenden Rindern nicht wahr⸗ nehmen. Nur die Klauen verändern ſich ganz erheblich und ſchnell; ſie werden feſt und hart ſchon nach wenigen Monaten, tiefſchwarz und poliert wie beim Reh, hübſch abgerundet nach Art der Hirſchſchalen, wie dies am beſten die Klauen der auf Hawaii ſeit acht Dezennien wild leben— den Rinder zeigen, die ſie befähigen, ſchnell und ſicher über die ſtark zerriſſenen Lavaſtröme zu flüchten. ) Zoologist, 1888, 3. Ser., Bd. XII, S. 182. **) Field, 3. Nov. 1888. *) Bilder a. d. deutſch. Vergangenh., Bd. I, S. 274. Leipzig, Hirzel. +) Zoolog. Garten, Jahrg. XXX, 1889, Nr. 2. 430 Die Erwähnung Przewalſkys hat uns nach Aſien ge— führt, mit deſſen Erforſchung der Name des unermüdlichen Reiſenden dauernd verknüpft iſt und deſſen Andenken da⸗ ſelbſt jetzt auch äußerlich durch die auf kaiſerlichen Befehl erfolgte Umtaufung der Stadt Karakol, dem Todesort Przewalſkys, in Przewalſk gewahrt bleibt. Auch die goolo- giſchen Ergebniſſe von Przewalſkys Reiſen gehen jetzt ihrer ausführlichen Veröffentlichung entgegen, und iſt der Anfang mit der Publikation der Säugetiere gemacht); bei dem großen Intereſſe, das gerade auch die Saugetierfauna der von Przewalſky durchforſchten, bislang zoologiſch noch völlig unbekannten Gegenden Centralaſiens hat, von deren Seltenheiten auch nur ſchwer etwas in weſteuropäiſche Muſeen gelangt, iſt es doppelt zu bedauern, daß die er—⸗ wähnte Publikation ſchwer zu erhalten ijt, dies wenigſtens dem Referenten trotz verſchiedener Bemühungen nicht mög⸗ lich war. Das gleiche gilt von andern fauniſtiſchen Publi⸗ kationen ruſſiſcher Forſcher; fo von Nikolſkijs Materialien zur Wirbeltierfaung des nordöſtlichen Perſiens und trans⸗ kaſpiſchen Gebietes **) und des gleichen Autors Publikation über die Wirbeltierfauna des Balchaſchſchen Thalkeſſels ““). Es mögen dieſe Arbeiten hier wenigſtens eitiert werden. Von fauniſtiſchen Arbeiten über die Säugetierfaung Afrikas fet zuerſt der Publikation von Pechuel-Loeſche +) über afrikaniſche Büffel gedacht, die leider kurz nach dem letzten Bericht erſt in die Hände des Referenten gelangt iſt. Pechuel⸗Loeſche weiſt darin nach, daß es falſch iſt, den bekannten Kafferbüffel als den afrikaniſchen Büffel nox SS’ zu betrachten, wie dies vielfach geſchieht, ſon⸗ dern daß vielmehr zwei Gruppen afrikaniſcher Büffel ſcharf zu unterſcheiden ſind, die nicht nur in weſentlichen Merk⸗ malen voneinander abweichen, ſondern auch eine durchaus verſchiedene geographiſche Verbreitung zu beſitzen ſcheinen. Jeder Gruppe kommen einige Arten zu. Die erſte Gruppe iſt die der ſchwarzen Büffel, zu denen dunkelfarbige, meiſt ſpärlich behaarte, ſchwer gehörnte Tiere gehören; der Ty⸗ pus iſt Bos caffer L.; die Tiere der zweiten Gruppe, der der roten Büffel, ſind hellfarbig, voll behaart und leicht gehörnt; der Hauptrepräſentant iſt Bos brachyceros Gray, beſſer Bos pumilus Turton, Brooke. Die beiden Gruppen ſind im allgemeinen etwa verſchieden wie Hirſche und Rehe und auch beim flüchtigſten Erblicken und an der Fährte leicht zu unterſcheiden; auch ihre Verbreitung iſt eine verſchiedene. Der ſchwarze Büffel iſt über den größten Teil des öſtlichen Afrika verbreitet, im Sudan vielleicht bis nach Bornu, ſüdweſtlich von den Nilländern bis in das Kongogebiet und zwar im Uellegebiet, ſowie bis zum Nepoko (etwa 2° nördl. Br.); im ſüdlichen Seengebiet weſtwärts bis zum Lualaba, in Südafrika weſtwärts bis zum Okavango und von dort nordweſtwärts vielleicht bis in das Quellgebiet des Kunene. breitung eine noch ausgedehntere, denn Büffel kamen im Anfang des vorigen Jahrhunderts noch in der Nähe der ) Reſultate der von Przewalsky unternommenen Reiſen. Zoolog. Teil, 1. Bd. Die Säugetiere, herausgegeben von Büchner, 1. Lieferung. Petersburg, Eggers & Co. 1886. ) In; Arbeiten der St. Petersburger Naturf. Geſ., T. 17, Heft 1, S. 379 406 (ruſſiſch). ) Daſelbſt Tray. Soc. Natural. St. Pétersb. Sect. Zool., T. 19, Beil. 2, S. 59—188 (ruſſiſch). Früher war die Ver⸗ gehört, aber ſchon in den Norden der ſüdafrikaniſchen Humboldt. — November 1889. Kapſtadt vor; in der wald- und buſchreichen Gegend zwi— ſchen Moſſel- und Algoabay hat ſich der Kafferbüffel in der unzugänglichen Wildnis Knysna noch bis heute zu— ſammen mit dem Elefanten zu halten gewußt, während im übrigen Büffel und Elefant durch die fortgeſetzten Nach⸗ ſtellungen längſt nordwärts gedrängt ſind. Im Nordoſten geſellt ſich zum Bos caffer L. der wohl nur als deſſen Varietät zu betrachtende Bos aequinoctionalis; Exemplare beider werden öfters in einer Herde vereint getroffen. Die zweite Hauptart der afrikaniſchen Rinder dagegen, der rote Büffel, deſſen Hörner flach, jäh verjüngt, abgebogen und viel kürzer als beim ſchwarzen Büffel ſind, iſt ein weſtafrikaniſches Tier. Er iſt konſtatiert in Unterguinea, am Kongo bei Stanley Pool, im Gabun- und Ogawe⸗ gebiet, in Kamerun, am Oldcalabar- und Bonnyfluß, in | Dberguinea am Volta, an der Sklaven- und Goldküſte, ſowie in Liberia. Zu der Gruppe der roten Büffel gehört auch die von Pechuel-Loeſche in Yumba am Kongo und im Süden unfern Muſerra bemerkte und von ihm Zwerg⸗ büffel genannte Art, die auffallend ſchwächer als Bos pu- milus gebaut iſt. Es iſt bis jetzt erſt ein Exemplar zu erbeuten gelungen. Auf die Unterſchiede, die zwiſchen Weſt⸗ und Oſtafrika in der Fauna beſtehen, wurde ſchon im früheren Bericht hingewieſen; Pechuel-Loeſche hebt noch hervor, daß von den größeren Tieren, die im Oſten häufig ſind, im Weſten das Rhinozeros bis zum Kunene gar nicht angetroffen wird, der Löwe wenigſtens nicht in den engeren Aequatorialgebieten. Dafür fehlen im Often bis binnenwärts zum Kongogebiet die anthropomorphen Affen des Weſtens; die untere Grenze des Gorilla iſt Kako⸗ moska am Kuilu; der Schimpanſe kommt am Kuilu bis zur Küſte vor. Weſt⸗ und Oſtafrika gemeinſam iſt gleich dem Hippopotamus auch der Elefant, doch zeigen die Ele⸗ fanten beider Verbreitungskreiſe nach Peſchuel-Loeſche cha⸗ rakteriſtiſche Beſonderheiten in der Bildung der Stoßzähne. Daß weſtafrikaniſche Zähne durch dunkles, etwas in die Oberfläche eindringendes Pigment ſich auszeichnen, wäh⸗ rend den Sanſibarzähnen das Pigment fehlt, iſt Heſſe?) geneigt, der Luft und der Sonne zuzuſchreiben, unter deren Einfluß Elfenbein im Lauf der Jahre ſich braunt. Es iſt nun zu vermuten, daß die Elefanten der Oſtſeite mehr in dem vor der Sonne geſchützten Urwald leben, während die Kongoelefanten vielleicht mehr die Savanne vorziehen. Im allgemeinen iſt Oſtafrika als wildreich, Weſtafrika dagegen als wildarm zu bezeichnen. Ein reiches Material liegt einer neuen Publikation Noacks!) über afrikaniſche Säugetiere zu Grunde; es ſetzt ſich zuſammen aus Sammlungen von Dr. Schinz und von Heſſe. Erſterer ſammelte im Damara- und Ovamboland und der Kalahariwüſte, einem Gebiet, welches zum großen Teil noch dem Süden der oſtafrikaniſchen Subregion an⸗ Subregion eingreift; die umfangreichere Sammlung Heſſes, die ſich durch zahlreiche Spiritusexemplare auszeichnet, ſtammt vom Gebiet des untern Kongo und deckt ſich der Bezirk im großen mit dem von der deutſchen Loango- ) Abgedruckt in der nachſtehend erwähnten Arbeit Noacks S. 110. ) Th. Noack, Beiträge zur Kenntnis der Säugetierfauna von Süd⸗ und Südweſtaſrika in: Zoolog. Jahrbücher (Spengel), Abtlg. für Syſt., 1) Zool. Jahrbücher (Spengel), Abtlg. f. Syſt., Bd. III, 1888, S. 705. Bd. IV, Heft 1, 1889. Humboldt. — November 1889. expedition 1873 bis 1876 erforſchten Gebiete, reicht aber über Boma nach Stanley Pool aufwärts. Neben eingehen— den ſyſtematiſchen Erörterungen enthält die Arbeit auch mancherlei biologiſche Notizen, ſo beiſpielsweiſe die Beſtä— tigung der ſchon von Pechuel-Loeſche gemachten Angabe, daß das im untern Kongo häufige Flußpferd gelegentlich auch bis ins Meer wandert. Derartige biologiſche und auch zoogeographiſche Notizen finden ſich natürlich auch verſtreut in den zahlreichen afrikaniſchen Reiſeberichten, welche uns die Neuzeit gebracht. So iſt es für die Kenntnis von der vertikalen Verbreitung des Elefanten wichtig zu erfahren, daß Ehlers bei der Beſteigung des Kilima⸗Noſcharo noch oberhalb 5000 m Elefantenloſung auf dem Schnee gefunden, der Elefant ſomit nicht an die heiße feuchte Tropenluft der Niederungen gebunden iſt. Betreffs zoogeographiſcher Arbeiten über amerika⸗ niſche Säugetiere wollen wir nur in Kürze erwähnen, daß Langkavel, der früher die Verbreitung der Wölfe in Aſien ſtudiert, dieſer Publikation nun eine Studie über die Ver— breitung der nordamerikaniſchen Wölfe, Canis latrans und Canis occidentalis mit ihren verſchiedenen Varietäten folgen läßt“). Derſelben eingehend zu folgen, würde zu weit führen; aus den zahlreichen Litteraturangaben geht hervor, daß auch in der Neuen Welt die Verbreitung dieſer Raubtiere immer mehr abnimmt. Zwei Autoren haben im vergangenen Jahr die Ver— breitung der das Meer bewohnenden Säugetiere zum Gegenſtand ihrer Studien gemacht. Dr. Rodler) ſchil⸗ dert in populärer Weiſe die „Verbreitung und Geſchichte der Seeſäugetiere“, ſowohl Wale, als Sirenen, wie Floßen— füßer umfaſſend. Die Ordnung der Wale iſt bekanntlich überall verbreitet, doch fehlen die Bartenwale den tropiſchen Meeren; die Sirenen ſind Küſtenbewohner und ſind heute in den beiden noch lebenden Gattungen auf die Küſten des Südatlantiſchen Oceans und des Indiſchen Oceans be— ſchränkt; die Floßenfüßer haben eine ſehr verſchiedenartige Verbreitung, mit welder fic) Balkwill “) eingehender be— ſchäftigt. Das Walroß als einziger Repräſentant der einen Familie iſt heute auf die circumpolaren arktiſchen Gewäſſer beſchränkt; es findet ſich im Oſten Amerikas herab bis zur Hudſonſtraße und in den paeifiſchen Gewäſſern bis zu den Aleuten; früher ging es jedenfalls noch weiter ſüdlich. Die Ohrenrobben fehlen dem ganzen Atlantiſchen Ocean; ſie finden ſich nach Arten ſcharf geſondert an den Küſten des nördlichen Stillen Oceans und in antarktiſchen Ge— wäſſern, bewohnen aber auch die Südſpitze von Amerika, und in beſonderer Häufigkeit Feuerland, ſowie alle in der Nähe gelegenen Inſeln, ſüdlich bis Graham Land gehend; weſtlich gehend finden wir Ohrenrobben in Neuſeeland. Die dritte Familie der Pinnipedier, die Seehunde im engeren Sinne, finden ſich in allen Meeren der gemäßigten und kalten Zone. Vom Norden her gehen ſie weit nach Süden bis in die Breiten Kaliforniens und der weſt— indiſchen Inſeln; auch im Mittelmeer finden fic) bekannt— lich Vertreter der Phoeiden. Von der antarktiſchen See ) Zoolog. Garten, Jahrg. 29, 1888, Nr. 12. ) Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwiſſenſchaftlicher Kenntniſſe in Wien. Bd. 28, 1888. ) On the geographical distribution of Seals in: Zoologist, third ser., vol. XII, 1888, p. 701. 431 her erſtreckt fic) die Verbreitung nordwärts bis Peru. Auf Grund dieſer Verteilung der Pinnipedier betrachtet Balkwill die Behringsſtraße als ihr Verbreitungscentrum; denn nur hier finden ſich Walroß, Ohrenrobben und Phoeiden vereinigt. Von hier werden ſich das Walroß und beſtimmte Phociden durch die Arktiſche See in den Atlan⸗ tiſchen Ocean verbreitet haben. Andere Seehundsarten in Gemeinſchaft mit Ohrenrobben verbreiteten ſich im Stillen Ocean längs der ganzen Küſte Amerikas; teils umwan— derten jie das Kap Horn, und Seehunde zogen die Oft- küſte Südamerikas hinauf vielleicht bis zum Golf von Mexiko; teils aber beſiedelten ſie, der antarktiſchen Trift folgend, Inſeln im ſüdlichen Indiſchen Ocean, keine Art aber gelangte an die Oſtküſte Afrikas, nach Indien oder in den Malaiiſchen Archipel, wie überhaupt im nördlichen Indiſchen Ocean die Floßenfüßer völlig fehlen. Ein an— derer Zweig mag vom gemeinſamen Verbreitungscentrum, der Beringsſtraße, aus zum Japaniſchen Archipel und an die Nordoſtküſte von China gewandert ſein. Ob von dieſem Zweig oder von dem bis zum Kap Horn gelangten die Beſiedelung des ſüdlichen Pacific, Auſtraliens und Neu— ſeelands erfolgte, harrt noch der Entſcheidung. Die Be— ringsſtraße iſt auch die Hauptheimat der Meerotter, En- hydris lutria, dieſer merkwürdigen, dem Leben im Meer ſo völlig angepaßten größten aller Ottern, die leider ihres koſtbaren Pelzes wegen immer mehr ausgerottet wird, und von der, wie an dieſer Stelle zu bemerken dem Referen— ten geſtattet fein mag, das Naturalienkabinett in Stutt- gart kürzlich ein ungewöhnlich großes und altes Männchen mit vollſtändigem Skelett zu erhalten das Glück hatte. In der Publikation von Rodler wie in der von Balkwill finden ſich auch zahlreiche intereſſante Angaben über die Jagd auf die verſchiedenen Seeſäuger. Wenn wir uns nun zu den Publikationen wenden, die ſich mit Verbreitung der Vögel beſchäftigen, ſo ge— denken wir zuerſt der neuerdings immer mehr in Auf— nahme kommenden praktiſchen Methode, die Verbreitung wichtiger Gattungen und Arten oder aller Arten inner—⸗ halb eines beſtimmten Territoriums in überſichtlicher Weiſe kartographiſch darzuſtellen. So iſt im Auftrag der Allge— meinen deutſchen ornithologiſchen Geſellſchaft zu Berlin vom Ausſchuß für Beobachtungsſtationen der Vögel Deutſch— lands eine kartographiſche Darſtellung der Verbreitung der Vögel Deutſchlands in Angriff genommen und der erſte Anfang hiezu von Paul Matchie?) gemacht worden in einer ſchon vor zwei Jahren erſchienenen Bearbeitung der Verbreitung von Corvus corone L., Corvus cornix L. und Corvus frugilegus L. Als Reſultat dieſer Studie ergab fic), daß die Nebelkrähe (Corvus cornix L.) den Oſten, die Rabenkrähe (Corvus corone L.) den Weſten Deutſchlands bewohnt. Der Verbreitungsbezirk, wo erftere - allein und Corvus corone nur ganz vereinzelt vorkommt, umfaßt ganz Pommern, Weſt- und Oſtpreußen, die öſtliche Hälfte von Brandenburg, ſowie Schleſien bis auf den ſüd— weſtlichen Teil des Regierungsbezirkes Liegnitz; umgekehrt findet ſich die Rabenkrähe, von vereinzeltem Vorkommen der Nebelkrähe abgeſehen, als Alleinherrſcherin in folgen- den Gebieten: ſüdweſtlicher Teil von Holſtein, größter *) Journal für Ornithologie, Jahrg. 35, 1887. 432 Teil von Hannover, Oldenburg, Braunſchweig, Regierungs— bezirk Erfurt, Reuß, Sachſen-Koburg, Sachſen⸗Meiningen, Sachſen-Weimar, Schwarzburg, Waldeck, Lippe, Weſt⸗ falen, Heſſen-Naſſau, Rheinprovinz, Heſſen, Bayern, Baden, Württemberg und Elſaß-Lothringen. Das Elb— gebiet wird von beiden Arten bewohnt und ſind hier Baſtardierungen vielfach bekannt. Die Saatkrähe, Corvus frugilegus L., ſcheint in Norddeutſchland nur in der Lüneburger Heide zu fehlen. Sie vermeidet außerdem Gebirge und wird im Harz, Thüringer Wald und im Rieſengebirge nur in den Vorbergen gefunden. Vom Re— gierungsbezirk Trier und Elſaß-⸗Lothringen ſind nur wenige Kolonien bekannt, auch Weſtfalen in ſeinem mittleren Teil ſcheint wie ein Teil von Heſſen-Naſſau die Saatkrähe als Brutvogel zu entbehren. Bayern zeigt nur wenig Kolonien; in Württemberg hatten nur einmal, im Jahre 1879, einige Paare den vergeblichen Verſuch gemacht, ſich anzuſiedelnk), und in Baden findet ſich die Saatkrähe auch nur ſpärlich, z. B. an einigen Punkten des Boden⸗ ſees, als Brutvogel. In gleicher Weiſe, wie die Verbrei—⸗ tung der erwähnten drei Rabenvögel, beabſichtigt Matchie (Adr.: Pankow bei Berlin) in nächſter Zeit die Verbreitung von Luscinia philomela, Luscinia luscinia und Turdus Pilaris zur Darſtellung zu bringen, und erſucht, um eine raſche Fertigſtellung zu ermöglichen, um Nachricht über eventuelles Brutvorkommen der drei Arten, wobei auch negative Angaben wertvoll ſind, ſowie um Mitteilungen von Adreſſen guter Beobachter, eine Bitte, die auch an dieſer Stelle ihre Verbreitung finden möge. Auch die Schweiz iſt an ein ähnliches Unternehmen, wie es das geſchilderte iſt, gegangen. Unter den Auſpizien des eidgenöſſiſchen Departements für Induſtrie und Land⸗ wirtſchaft erſcheint ein Katalog der Schweizeriſchen Vögel, von dem bis jetzt die erſte Lieferung vorliegt, die ſich mit Verbreitung und Biologie der Tagraubvögel beſchäftigt““). Im ganzen werden 32 verſchiedene Arten beſprochen; von 19 der wichtigſten derſelben iſt auf einer Reihe von Farben⸗ karten, deren ſieben in ſehr guter Ausführung beigegeben ſind, eine überſichtliche Darſtellung der Verbreitung ge⸗ geben. Mehrfach iſt durch die Zeichen zugleich ausgedrückt, ob der Vogel an dem betreffenden Punkt erlegt wurde, oder ſich daſelbſt der Horſt befindet, oder ob der Vogel nur fliegend geſehen wurde, wie auch in ähnlicher Weiſe in den farbigen Kreiſen durch Zeichen markiert iſt, ob die betreffenden Vögel Stand⸗, Niſt⸗ oder Zugvögel find und ob ſie als letztere unregelmäßig kommen oder regelmäßig erſcheinen, eventuell als Wintergäſte zu betrachten ſind. Hat man ſich einmal mit den Zeichen vertraut gemacht, ſo iſt eine raſche Orientierung auf ſolche Weiſe ungemein erleichtert. Von beſonderem Intereſſe iſt die Verbreitungs⸗ karte des Gypaetus barbatus. Sie ſtellt die Verbreitung des Lämmergeiers während des 16., 17. und 18. Jahr⸗ hunderts, während der Zeit von 1801 bis 1859 und wäh⸗ rend der letzten 30 Jahre dar, und zeigt, wie der Lämmer⸗ ) S. Dr. Freiherr Richard König⸗Warthauſen in: Jahresbericht d. Ver. f. vaterl. Naturk. in Württemberg, Jahrg. 43, 1887, S. 287. ) Katalog der Schweizeriſchen Vögel. Bearbeitet im Auftrage des Eidgenöſſiſchen Departements für Induſtrie und Landwirtſchaft von Dr. Th. Studer u. Dr. V. Vatio. 1. Lief. Tagraubvögel. Mit 7 Karten⸗ beilagen. Bern, 1889. Humboldt. — November 1889. geier, der zwar zu keiner Zeit in der Schweiz häufig vor⸗ kam, jedoch noch in der erſten Hälfte unſeres Jahrhunderts im ganzen Verlauf der ſchweizeriſchen Alpenkette, wo er Standvogel iſt, ſich fand, allmählich ſo ſelten geworden iſt, daß ſeine Exiſtenz anfängt, dem Gebiet der Sage an⸗ zugehören. Durch die Tagesblätter ging vor ca. zwei Jahren die Notiz, daß mit einem im Kanton Wallis ver⸗ giftet aufgefundenen alten Lämmergeier, einem „alten Wyb“, das dort nach dem Tode des Männchens jahrzehntelang allein gehauſt, der letzte Lämmergeier der Schweiz geſtorben fet; dem entgegen wird in der vorliegenden Schrift be⸗ tont, daß nach den in den letzten Jahren gemachten Be⸗ obachtungen noch hier und da ein oder zwei Individuen vorkommen. Die Verbreitungszone des Lämmergeiers hat aber nicht nur in horizontaler Ausdehnung, ſondern auch in vertikaler ſich verkleinert; während er noch in den vorigen Jahrhunderten ſich auf den Vorbergen fand, iſt er jetzt immer mehr nach den unwirtlichen Höhen der Centralalpen hinaufgedrängt worden. Eine Fülle intereſſanter zoogeographiſcher Notizen, beſonders über den Vögelzug und über das Erſcheinen von ſeltenen Gäſten, enthalten ſelbſtverſtändlich auch die orni⸗ thologiſchen Berichte der einzelnen infolge des 1884 zu Wien ſtattgefundenen internationalen ornithologiſchen Kongreſſes in verſchiedenen Ländern gegründeten ornithologiſchen Kommiſſionen, denen die Aufgabe zugewieſen wurde, ornithologiſche Beobachtungsſtationen zu gründen und die daſelbſt gewonnenen Ergebniſſe zu publizieren. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Herſtellung eines Be⸗ richtes, an deſſen Abfaſſung eine ungewöhnlich große Zahl, weit verſtreuter Mitglieder beteiligt iſt, längere Zeit in, Anſpruch nimmt; ſo werden die auf ein beſtimmtes Jahr ſich beziehenden Berichte gewöhnlich erſt im Lauf des über⸗ nächſten fertiggeſtellt und erſcheinen manchmal auch noch ſpäter. Der letzterſchienene (vierte) Jahrgang der Ornis (1888) enthält mehrere derartige Berichte; erſtlich den Jahresbericht für 1885 des Komitees für Oeſterreich⸗ Ungarn), deſſen umfangreicher, auf die ganze öſterreichiſch⸗ ungariſche Monarchie Bezug nehmender Inhalt das ver⸗ ſpätete Erſcheinen erklärt; in dem gleichen Band finden ſich der Jahresbericht für 1886 aus den ruſſiſchen Oſtſee⸗ provinzen n) und der Jahresbericht aus Dänemark k) für das gleiche Jahr. Die Zuſammenſtellung der Reſul⸗ tate der deutſchen Beobachtungen für 1886 iſt im Journal für Ornithologie gegeben ); ſpeciell für Württemberg hat einen ſich auf das Jahr 1886 beziehenden naturwiſſen⸗ ſchaftlichen, hauptſächlich aber ornithologiſchen Jahresbericht Freiherr Dr. Richard König-Warthauſen ſchon 1887 ver⸗ faßt ) und bereits iſt von dem eifrigen Ornithologen auch ſchon der Bericht für 1887 erſchienen r). Eben⸗ ) Verfaßt von Viktor Ritter v. Tſchuſt zu Schmidhoffen und Dr. Karl v. Dalla-Torre. „) Von E. v. Middendorf. ) Von Oluf Winge. +) Im Auftrag der A. D. O. Geſellſchaft zu Berlin bearbeitet von Dr. R. Blaſius, Vorſitzendem, Dr. A. Reichenow, ſtellvertr. Vorſitzendem, u. den Mitgliedern des Ausſchuſſes in: Journal f. Ornithologie, Jahrg. 36, Nr. 184, Okt. 1888. Tr) Jahreshefte d. Vereins f. vaterländ. Naturkunde in Württemberg, Jahrg. 43, 1887. Ti) Daſelbſt Jahrg. 45, 1889. Humboldt. — November 1889. 433 falls auf 1887 bezieht ſich auch ſchon der letztpublizierte Bericht der Beobachtungskommiſſion im Königreich Sachſen!). Es iſt natürlich völlig unmöglich, aus der Fülle des Materials, welches in dieſen Berichten niedergelegt iſt, einzelnes herauszugreifen oder an der Hand dieſer Berichte die Verbreitung der einen oder andern Art näher zu er— örtern; beides würde weit über den Rahmen dieſes Be— richtes hinausführen, der ſich begnügen muß, das Erſcheinen dieſer Zuſammenſtellungen zu notieren und darauf hinzu⸗ weiſen. Nur von dem Bericht des Freiherrn Dr. König— Warthauſen ſei bemerkt, daß derſelbe zugleich im Anhang eine lebendige Schilderung des Elends gibt, welches der Kälterückſchlag vom 12. März 1887 und das hiermit ver- bundene, bis 21. März währende, über ganz Europa hin wütende Unwetter über die Vögel gebracht und in welcher Weiſe beſonders die gerade eingetroffenen Zugvögel, unter ihnen viele empfindliche Inſektenfreſſer, darunter zu leiden hatten; zugleich gibt Baron König eine ausführliche Dar⸗ ſtellung der von ihm während dieſer Zeit befolgten Me— thode der Fütterung der Vögel unter Beifügung des geſamten Speiſezettels; wohl Hunderten von Vögeln iſt durch dieſe in rationellſter Weiſe durchgeführte Hilfe das Leben erhalten worden. Auch der Winter 1887/88 war wieder ſtreng und hat den Vögeln viel geſchadet. Wenn noch andere Urſachen zur Dezimierung der gefiederten Schar hinzukommen, ſo macht ſich die Verminderung der kleinen Vögel ſehr fühlbar; jo berichtet Buxbaum“) von Raunheim am Main von einer bedeutenden Abnahme der Singvögel im Jahr 1888, die er hauptſächlich der Zu— nahme der Raubvögel, den Angriffen der Rabenkrähen und endlich der Ueberhandnahme der Sperlinge zuſchreibt, die in ihrer Frechheit die Singvögel verdrängen. Nicht unerwähnt wenigſtens darf bei einem Ueberblick über die ornithologiſchen Vorgänge in Europa während des vergangenen Jahres die Invaſion des Steppenhuhnes bleiben, ohne auf Details näher einzugehen, die durch Mitteilungen aller Art zur Genüge bekannt ſind. Eine zuſammenfaſſende und überſichtliche Darſtellung der inter— eſſanten ornithologiſchen Begebenheit haben unter anderen A. B. Meyer **) und Reichenow +) kürzlich gegeben. Aus der Schilderung des letzteren entnehmen wir, daß die wandernde Schar weſtliche Zugrichtung gehabt; durch die oſteuropäiſchen und öſtlichen deutſchen Gebirge iſt dieſe Richtung etwas nach Norden abgelenkt worden, ſo daß die Hauptmaſſe nördlich der Karpathen und Sudeten über die norddeutſche Tiefebene ſich ausbreitete, daher Süddeutſch— land und auch die gebirgigen Teile Weſtdeutſchlands ver— hältnismäßig nur ſchwach von der Einwanderung betroffen wurden. Die Vögel überflogen auch den Kanal und ge— langten bis auf die Orkneyinſeln. Bekanntlich haben ſich, wie die meiſten Ornithologen vorausgeſagt, die fremden Gäſte nicht gehalten, ſondern ſind trotz aller anerkennens— werten Schonung wieder verſchwunden, und es ſind auch nur ganz ſeltene Fälle von Fortpflanzung ſicher konſtatiert ) Von A. B. Meyer u. F. Helm in: Abhandlgn. u. Berichte des Zoolog.⸗Anthropolog.⸗Ethnograph. Muſeums in Dresden, 1888/89, Nr. 1. ) Zoolog. Garten, Jahrg. 29, 1888, Nr. 8. ) Abhandlungen u. Berichte des Zoolog.-Anthropolog.⸗Eihnograph. Muſeums in Dresden, 1888 89, Nr. 1. +) Journal für Ornithologie, Jahrg. 37, Heft 1, Januar 1889. Humboldt 1889. worden. Es hat alſo dieſe Invaſion, in welcher vielleicht Hunderttauſende von Vögeln ihre Heimat verließen, um ſprungweiſe ihre Verbreitung nach Weſten auszudehnen, kein poſitives Reſultat gehabt. Dagegen läßt ſich, wie Schäff“) angibt, nachweiſen, daß das Steppenhuhn in langſamem Vorrücken ſein Gebiet weſtwärts ausdehnt, wie dies ſeine neuerliche Anſiedlung in den Steppen am un⸗ tern Don und an der untern Wolga zeigt. Schäff be— handelt auch in dem gleichen Artikel den „Fall Steppen- huhn“ von einer andern Seite, indem er die Frage auf— wirft, ob wir von einer Einbürgerung des Steppenhuhns bei uns einen direkten Nutzen zu erwarten gehabt hätten. Er kommt dazu, dieſe Frage zu verneinen; abgeſehen da— von, daß über den Wert und den Geſchmack des Fleiſches des Steppenhuhns die Anſichten auseinander gehen, mei⸗ ſtens aber das Urteil nicht günſtig lautet, ſo iſt die Jagd auf den ſehr ſcheuen Vogel eine ſehr ſchwierige, und ferner iſt anzunehmen, daß die Steppenhühner, welche ſich von allerhand Sämereien nähren, ſpeciell auch von Getreide— ſamen, wie die Unterſuchung des Kropfinhaltes vieler Vögel im vergangenen Jahr ergeben hat, ſich der Land— wirtſchaft direkt ſchädlich erweiſen würden. Statt des Steppenhuhnes hat die Wanderluſt dieſes Jahr einen andern ſüdruſſiſchen und aſiatiſchen Vogel er— griffen, nämlich den Roſenſtar, Pastor roseus L. Wie A. B. Meyer, der Direktor des Dresdener Muſeums, in einer Reihe von Blättern veröffentlichte, wurde ihm von Fürſt Ferdinand von Bulgarien unter dem 12. Juni tele⸗ graphiſch gemeldet, daß „ſeit einigen Tagen auf den Stein— halden von Knjajevo, eine halbe Stunde von Sofia, ko— loſſale Schwärme Tauſender von Roſenſtaren“ eingetroffen ſeien. Die Vögel waren ſehr abgemagert und ermattet und bedeckten den Boden, Sträucher und Steine mit einer ſchwarz und roſenfarbenen Decke. Roſenſtare waren da— ſelbſt ſeit 1876 nicht mehr geſehen worden. Da der Roſen⸗ ſtar hin und wieder auch in Deutſchland angetroffen wird und es nicht unmöglich iſt, daß auch dieſes Jahr, in wel— chem irgendwelche Urſachen den Vogel in ſo großer Zahl aus ſeiner Heimat vertrieben haben, ſich mehr oder weniger zahlreiche Exemplare nach Deutſchland verfliegen, ſo wünſcht Meyer auf Anregung des als Ornithologen bekannten Fürſten von Bulgarien die Aufmerkſamkeit der Beobachter ganz ſpeciell auch auf den Roſenſtar zu lenken und bittet, genaue und ausführliche Angaben über ſein eventuelles Auftreten, über die Anzahl der Individuen, ihr Verhalten, ihre Zugrichtung u. ſ. w. ihm einzuſenden. Die Kenntnis der Ornis Aſiens iſt während der letzten Jahre ebenfalls mannigfach gefördert worden, doch harren noch manche Reſultate der Bearbeitung; ſo hat Walter, der Zoolog auf der Raddeſchen Expedition in Transkaſpien, die Bearbeitung der ornithologiſchen Wus- beute in der „Ornis“ angekündigt; ſie wird eine wertvolle Ergänzung zu der ſeiner Zeit erſchienenen Arbeit von Za⸗ roudroi “*) über transkaſpiſche Vögel bilden, in welcher beſonders die Bedeutung der Oaſe von Ahal-Teke für die Zugverhältniſſe der Vögel im weſtlichen Teil Centralaſiens erörtert wird. Przewalſki iſt durch den Tod verhindert ) Zoolog. Garten, Jahrg. 29, Nr. 12, Dezember 1888. **) Oiseaux de la Contrée Transkaspienne in: Bull. Soe. Natural. Moscou 1885, Nr. 2. 55 434 worden, ſeine Abſicht auszuführen und die von ihm wäh—⸗ rend ſeiner vier großen Reiſen geſammelten ornithologiſchen Erfahrungen ausführlich zu bearbeiten und das geſammelte, dem Muſeum der kaiſerlichen Akademie der Wiſſenſchaften überwieſene Material (rund 5000 Exemplare) eingehend zu erörtern. Nur von den wenigen neuen Arten hat er ſelbſt noch in einem Vortrag in der Petersburger Akademie die Beſchreibungen geliefert“). Im ganzen wurden rund 430 Vogelarten von ihm auf ſeinen eentralaſiatiſchen Reiſen beobachtet. — Als dritten Nachtrag zu ſeiner „Ornis caucasica“ hat Radde die Beobachtungsreſultate ſeiner Reiſen in den Hochgebirgen des ſüdlichen Dageſtan niedergelegt“). Das geſamte durchreiſte Gebiet liegt mit Ausſchluß der heißen Zone am ſüdlichen Fuß des Großen Kaukaſus in der basalpinen und alpinen Zone. In der Zeit der Reiſe, im Hochſommer, zeigte fic) die Ornis der Ge- gend arm; hoch im Dageſtan wurden ſelbſt die gewöhn⸗ lichen Arten, z. B. Alpenlerchen und Schneefinken, nirgends häufig angetroffen; doch mag dies auch damit erklärt wer⸗ den können, daß ornithologiſche Beobachtungen nicht der Hauptzweck der Reiſe waren. Ueber die Vogelwelt Oſt⸗ ſibiriens, ſpeciell die der Inſel Ascold bei Wladiwoſtok, berichtet Dörries **) in einer Arbeit, welche 133 Arten behandelt und auch beſonders veich iſt an biologiſchen Be⸗ obachtungen. Von der Ornis der unter britiſcher Herr⸗ ſchaft ſtehenden Länder Aſiens iſt zu berichten, daß Mur⸗ rays Werk: „The Avifauna of British India and its dependences‘ jetzt bis zu Part II des zweiten Bandes gediehen iſt und mit dem nächſten Teil zu Ende geführt werden wird. Zahlreiche Beobachtungen liegen über die Vogelwelt Afrikas vor. Von der des nördlichſten Teiles desſelben berichtet Dr. Königer) in ſeiner „Avifaung von Tunis“. Je nach den topographiſchen Verhältniſſen zerfällt die Fauna und ſpeciell die Avifaung des Landes in vier mehr oder minder ſcharf geſonderte Teile: die fruchtbare Ebene, deren Charakterbaum die Olive iſt, enthält eine andere Tierwelt als die mit Piſtazien und dem Judendorn be⸗ ſtandene Hochlandſteppe; ebenſo kommen dem Gebirg und wiederum der eigentlichen Wüſte, der Sahara, beſondere Formen zu. Wenn auch Tuneſien nur einen Bruchteil eines großen Länderkomplexes bildet, der eine charakte⸗ riſtiſche Avifauna hat, jo gibt es doch einige Vogelſpecies, für welche Tunis zum Brennpunkt ihrer Verbreitung wird. Dies iſt der Fall bet Pratincola Moussjeri Cab., dem Diademrotſchwanz, und wahrſcheinlich auch beim Maurer- finken (Fringilla spodiogenys Bp.); hierzu kommt die Ultramarinmeiſe, und dieſen drei Tunis eigentümlichen Formen mag ſich die Familie der Lerchen anſchließen. Auffallend arm iſt das Land an Adlern, Spechten, Laub⸗ vögeln, Meiſen im beſondern, überhaupt allen denjenigen Vögeln, welche mehr oder weniger an den Wald gebunden ſind; entweder fehlen die Repräſentanten dieſer Gruppen gänzlich oder ſie werden nur als Irrgäſte nach Tunis ver⸗ ſchlagen. Es erklärt ſich dies aus dem Mangel an zu⸗ ) Auszugsweiſe aus dem Ruſſiſchen ins Deutſche übertragen von Karl Detius in: Journal für Ornithologie, Jahrg. 35, 1887, S. 274. ) Ornis, Jahrg. 3, 1887, S. 457 2c. Mit einer Karte. ) Journal für Ornithologie, Jahrg. 36, 1888. +) Journal für Ornithologie, Jahrg. 36, 1888. Humboldt. — Movember 1889. ſammenhängenden Hochwaldungen, wie ſolche in Algier als Korkeichenbeſtände vorkommen und die algeriſche Avi⸗ fauna reicher erſcheinen laſſen. Was die Wandervögel betrifft, jo wird von dieſen Tunis nur ſelten als Suge ſtraße oder Station benützt; es ziehen im Frühjahr — der Herbſtzug iſt dem Verfaſſer unbekannt geblieben — nur zwei Vögel regelmäßig durch Tunis: die Turteltaube und die Wachtel. Deutſche Vögel berühren nach Königs Ane ſicht Tunis auf dem Zug überhaupt nicht, ſondern ziehen alle gen Oſten, Aegypten zu, während die Brutplätze der Tunis beſuchenden Vogelarten bereits an der Nordküſte des Mittelmeers, in Italien, Südfrankreich und Spanien zu ſuchen ſein dürften. Die Zahl der von König in Tunis nachgewieſenen Vögel beläuft ſich auf 200, während die von Algier nach Loche gerade das Doppelte beträgt. Begeben wir uns von Tunis in das afrikaniſche Seengebiet, ſo ſehen wir auch von da die Ornithologie vielfach bereichert. Die von Dr. Fiſcher auf ſeiner letzten Reiſe zum Victoria Njanſa zuſammengebrachte Vogelſamm⸗ lung iſt mit Benützung der Tagebücher des Reiſenden von Reichenow *) bearbeitet worden; es wurden im ganzen 263 Arten geſammelt und beobachtet und die ganze Samm⸗ lung betrifft die im Süden und Oſten des Victoria ge— legenen Landſtriche. Dieſe bilden die Grenze zwiſchen öſtlicher und nordöſtlicher Fauna, und ſo macht ſich zunächſt eine bedeutende Verſchiedenheit der Gebiete des Victoria Njanſa von den ſüdlicheren Diſtrikten Oſtafrikas geltend: im Gegenſatze zu den ſüdlicheren Landſchaften tritt hier ſchon eine ganze Reihe nordöſtlicher Formen auf; ferner aber traf Fiſcher, wie ſchon im letzten Bericht angedeutet wurde, auch ſpeeifiſch weſtliche Formen in den Gebieten des Victoria Njanſa und konnte das Vorkommen des grauen Papageis in den Ländern weſtlich und nördlich des Sees konſtatieren. Daß auch bis zum Tanganjika⸗See weſtliche Formen gehen, wurde ebenfalls ſchon früher an⸗ läßlich der Erwähnung der von Dr. Böhm zuſammenge⸗ brachten Säugetierſammlung erwähnt, und die dort geſam⸗ melten Vögel beweiſen das gleiche. Der von Matſchie !“) beſorgten ſyſtematiſchen Bearbeitung von Böhms ornitho⸗ logiſchem Nachlaß fügt Schalow ***) eine Zuſammenſtellung der zahlreichen biologiſchen Beobachtungen hinzu, die der ſo früh verſtorbene Reiſende vornehmlich im weſtlichen Ufergebiet des Tanganjika angeſtellt hat. Ebenfalls biolo⸗ giſchen Inhalts find ein paar Mitteilungen über central⸗ afrikaniſche Vögel, die Hartlaub ef) aus den Tagebüchern von Emin Paſcha veröffentlicht. Wir verlaſſen die Vögel und wenden uns einigen Ar⸗ beiten über geographiſche Verbreitung der Reptilien und Amphibien zu, auch hier mit der Verbreitung in Deut] d= land beginnend. Daß von mehreren Seiten Zuſammen⸗ ſtellungen der Fundorte von Kriechtieren und Lurchen beſtimmter deutſcher Gebiete vorliegen, hat außer in dem im allgemeinen etwas mehr erwachten zoogeographiſchen In⸗ tereſſe ſeinen ſpeciellen Grund noch darin, daß eine erneute Unterſuchung der Batrachier neben den alten wohlbekannten Arten noch neue Formen nachgewieſen hat, mit anderen ) Journal für Ornithologie, Jahrg. 35, 1887. ) Ibid, Heft 2. ) Ibid, Heft 3. +) Ibid, Jahrg. 36, 1888, Heft 1, u. Jahrg. 37, 1889, Heft 1. Humboldt, — November 1889. 435 Worten, es klargelegt hat, daß bisher unter einem Namen mehrere ſpeeifiſch ſicher zu trennende Arten zuſammengefaßt wurden. Es wurden in dieſen Blättern ſchon die Unter— ſchiede zwiſchen den fünf deutſchen Rana-Arten beſprochen ?); bald nachher wurde von Boulenger “) konſtatiert, daß auch unter Bombinator igneus Laus, dem Namen der allgemein verbreiteten Unke, zwei verſchiedene Arten zu— ſammengefaßt ſind, die jetzt als Bombinator igneus Laur. und Bombinator pachypus Fitz. (= bombinus L.) ge— trennt werden. Bei letzterer Art iſt die Unterſeite ſchwefel— gelb bis orangegelb, der Unterſchenkel mindeſtens ebenſo lang oder länger als der Fuß von Beginn der kleinſten Zehe an; die Männchen beſitzen zur Brunſtzeit ſchwarze Hautwucherungen am Arm, den Fingern und unter der zweiten und dritten Zehe. Ein Kehlſack fehlt. Der Bom- binator igneus ijt am Unterleib viel lebhafter gefärbt, die Flecken find orangerot bis ſcharlachrot; der Unterſchenkel iſt kürzer als der Fuß vom Grund der kleinſten Zehe an; die Männchen beſitzen zur Brunſtzeit nur am Arm und an den Fingern, nicht an den Zehen, ſchwarze Hautwuche— rungen, dagegen zwei Schallblaſen unter der Kehle. Die Spitzen der Finger und Zehen ſind ſchwarz, bei pachypus dagegen gelb. Nachdem ſo das Vorhandenſein verſchiedener Arten konſtatiert war, mußte es natürlich von Intereſſe ſein, die nähere Verteilung der Arten nachzuweiſen, was am beſten durch Aufſtellung möglichſt zahlreicher Lokal— faunen erreicht wird. In dieſem Punkt gebührt ein ſpecielles Verdienſt W. Wolterstorff in Halle a. S., der ſich beſonders mit dem Studium der Verbreitung der Reptilien und Amphibien Deutſchlands beſchäftigt. Seinem von uns ſchon kurz an— gezeigten „Verzeichnis der Kriechtiere und Lurchen Sach— fens ““) iſt jetzt aus ſeiner Feder ein Verzeichnis der Amphibien Weſtpreußens gefolgt F). Außerdem aber liegen noch von verſchiedenen Seiten Zuſammenſtellungen von Lokalfaunen vor, die ein wichtiges Material bilden für die Kenntnis der Kriechtierwelt Deutſchlands. So gibt Geiſen— heyner |) eine Ueberſicht der Wirbeltierfauna von Kreuz⸗ nach unter Berückſichtigung des ganzen Nahegebietes, Haaſe t) berichtet über des Königreich Sachſens Amphibien und Wiedemann) verzeichnet die im bayriſchen Regie— rungsbezirk Schwaben und Neuburg vorkommenden Kriech— tiere und Lurche. Wie die Titel dieſer Schriften angeben, ſind häufig Reptilien und Amphibien zuſammen behandelt. Wir wollen uns zunächſt der Reptilien erinnern, wobei noch eine ausführliche Arbeit von v. Mojſiſovics §8) „über die geographiſche Verbreitung der weſtpaläarktiſchen Schlan— gen unter beſonderer Berückſichtigung der bisher in Oeſter— *) Humboldt 1887. November. **) Proceed. Zool. Soc. 1886, p. 449. ) S. Humboldt, 1889, Nr. 2. +) Schriften der Naturforſchenden Geſellſchaft in Danzig, N. F., Bd. IL, Heft 2, 1889. 4+) I. Teil. Fiſche, Amphibien und Reptilien. Wiſſenſchaftliche Beilage zum Programm des k. Gymnaſiums zu Kreuznach. 1888. ++) Sitzungsberichte u. Abhandlungen d. naturwiſſenſch. Geſellſchaft Iſis in Dresden, 1887, Juli Dez.⸗Abhandlungen, S. 57—65. §) 29. Bericht des Naturwiſſenſch. Vereins f. Schwaben u. Neuburg. Augsburg, 1887. 88) Mitteilungen d. Naturwiſſenſch. Vereins f. Steiermark, Jahrg. 1887, Graz, 1888. reich-Ungarn aufgefundenen Formen“ zu erwähnen iſt. Im ganzen bevölkern dieſes Gebiet, welches beiläufig der erſten und zweiten Tierprovinz der paläarktiſchen Region von Wallace entſpricht, im Norden durch den Polarkreis, nach Often etwa durch den 75.“ ö. L. begrenzt wird, dreizehn Schlangenfamilien. Zwei derſelben, die Unterfamilie der Colubrinae und die Viperidae, gehen in hohe Breiten, die Vipern in Europa bis zum 67.°, alſo geradezu in den arktiſchen Kreis eintretend; ſieben Familien verbreiten ſich vornehmlich über den nördlichen Teil der mediterranen Provinz, zumal über die Balkan- und Kaukaſusländer, die einen relativ großen Formenreichtum entfalten; die ſieben Familien ſind die Typhlopidae, Pteropoda, Colubrinae (subf.), Coronellinae (subf.), Psammophida, Dipsadida und Crotalidae; vier Familien endlich, die Dendrophidae Calamariidae, Elapidae und Dendraspididae, über⸗ ſchreiten nach Norden nicht das ſüdlichſte Mittelmeergebiet, das nördliche Afrika. Ohne in Details einzugehen, möchten wir nur von einigen der in Mojfifovics’ Schrift abgehandelten Schlangen die Verbreitung in Deutſchland anführen. Da iſt zunächſt die Würfelnatter, Tropidonotus tessellatus Laur. und die Aeskulapſchlange, Coluber Aesculapii Host. Beide haben in ihrer Verbreitung in Deutſchland darin eine gewiſſe Aehnlichkeit, daß ihr Vorkommen ein iſoliertes, inſelartiges iſt; zwiſchen den einzelnen Fundorten liegen oft weite Strecken, von denen ſie bis jetzt nicht bekannt ſind. Die Würfelnatter führt Mojſiſovies an vom Lahngebiet bis Ems, bezw. von Naſſau bis Lahnſtein, vom Ahein bei St. Goar und Goarshauſen und bei Boppard, von der Nahe bei Kreuznach; häufig iſt ſie bei Metz, wo ihr wahr— ſcheinliches Verbreitungscentrum für Deutſchland liegt. Die Aeskulapſchlange iſt in Deutſchland wohlbekannt von Schlangenbad und Bad Ems; nach den Zuſammenſtellungen von Mojſiſovies wurde fie ferner im Moſelthal, in Thü⸗ ringen bei Blankenheim und im Harz am Mägdeſprung entdeckt; nach Wiedemann iſt ſie auch in Bayern, am linken Ufer der Donau, zwiſchen Paſſau und Obernzell in einem Wald am Donauſtrand aufgefunden worden. Wie dieſes inſelartig verſtreute Vorkommen der beiden Schlangen zu erklären iſt, ob ihm ein Wandern längs der Flußthäler zu Grunde liegt, oder ob, wie eine bekanntlich ſchon ältere Hypotheſe ſpeciell für die Aeskulapſchlange annimmt, was aber auch für die Würfelnatter gelten kann, eine Ver—⸗ ſchleppung durch die Römer aus ſüdlicheren Verbreitungs- bezirken ſtattgefunden hat, iſt noch zu entſcheiden und for- dert zu weiteren Forſchungen und Angaben über das Vorkommen beider Schlangen in Deutſchland auf. Außer— dem beſitzt unter den deutſchen Schlangen in ihrer Ber- breitung ein beſonderes Intereſſe die glatte oder öſter— reichiſche Natter, Coronella laevis (S austriaca), indem auch Mojſiſovies für kleine Strecken eine vor ein paar Jahren gemachte Angabe Notthafts beſtätigt fand, wonach nämlich die glatte Natter und die Kreuzotter fic) gegenſeitig aus- ſchließen, und zwar nach Notthaft auf ſehr umfangreichen Gebieten. Näheres hierüber durch Sammeln zu erfahren, wäre von großer Wichtigkeit. Eine unbedingte Gültigkeit hat dieſe Beobachtung jedenfalls nicht, denn, wie Referent aus perſönlicher Erfahrung weiß, findet ſich auf den fiid- lichen Ausläufern des Steigerwalds (Hoher Landsberg, 436 Frankenberg) neben der häufigen glatten Natter vereinzelt auch die Kreuzotter. Nach dem Norden Deutſchlands zu verliert ſich die Coronella laevis allmählich, doch wurde fie kürzlich von Struck“) noch in Mecklenburg nachge- wieſen. ö Von den deutſchen Eidechſen iſt Lacerta viridis, die prachtvolle, ſtattlich große Smaragdeidechſe, ihres Vor⸗ kommens wegen bemerkenswert. In Südeuropa häufig, greift ſie von beiden Seiten, Südoſt und Südweſt, um die Alpen herum nach Mitteleuropa ein; im Südweſten geht ſie bis Paris, im Südoſten hat ſie ſich über Ungarn, Galizien und auch nach Deutſchland verbreitet, wo ſie ſich als Seltenheit im Rhein- und Donauthal findet, von Geiſenheyner auch aus dem Nahethal angeführt wird und außerdem noch ganz vereinzelt an einigen völlig iſolierten Punkten ſich findet. So wurde ſie nach Wolterstorff von Nehring am Schiefen Berg bei Helmſtedt gefangen und bekannt iſt ihr Vorkommen auf den Rüdersdorfer Kalk⸗ bergen bei Berlin. Daß ſie hier nicht etwa, wie manch⸗ mal angenommen wird, abſichtlich ausgeſetzt wurde, hat v. Martens *) kürzlich nachgewieſen. Bei einem Ueberblick über die Verbreitung der deut⸗ ſchen Amphibien richten wir unſer Hauptaugenmerk auf die Verbreitung der ſchon erwähnten beiden Unkenarten, die ſich auch in ihrem Vorkommen unterſcheiden. Bom- binator igneus kommt öſtlich vor. Die Art geht vom Süden Schwedens und Dänemarks durch Deutſchland bis nach Ungarn und findet ſich auch in Rußland; die Rana bombina L. ijt, wie die in Upſala befindlichen Original⸗ etiketten nachweiſen, die heute igneus genannte Art. Bombinator pachypus hat weſtliche Verbreitung; dieſe Unke bewohnt Holland, einen Teil Deutſchlands, Belgien, Frankreich, die Schweiz, Italien, Oeſterreich-Ungarn, die Moldauländer und Dalmatien ). In Deutſchland, wo beide Arten vorkommen, ſind ſie, ſoweit die Unterſuchungen hierüber bis jetzt reichen, getrennt. Die gelbbauchige Feuer⸗ kröte (Bombinator pachypus) kommt nach Wolterstorffs Angabe in Deutſchland nur im Hügel- und Bergland vor, weshalb er ſie zweckmäßig als Bergunke bezeichnet. In der norddeutſchen Tiefebene iſt ſie noch nicht nachgewieſen, wohl aber in der rings von Gebirgen eingeſchloſſenen oberrheiniſchen Ebene. Geiſenheyner führt ſie aus dem von ihm unterſuchten Nahegebiet an und die von Wiede- mann für den bayriſchen Kreis Schwaben und Neuburg aufgeführte Unke iſt ebenfalls Bombinator pachypus; da ſie auch anderwärts aus Bayern bekannt iſt und auch die in Württemberg verbreitete Unke zu pachypus zu ftellen iſt, ſo iſt ſie als die ſüdlichere Form in Deutſchland zu bezeichnen, während die rotbauchige Feuerkröte im Norden vorkommt und auf das Tiefland beſchränkt iſt. Haaſe führt fie vom Königreich Sachſen ohne nähere Fundortsangabe auf, Wolterstorff erwähnt ſie vom Alluvium der Elbe und ihrer Zuflüſſe, ſowie aus Weſtpreußen. Unter den Rana- ) Archiv des Vereins d. Freunde d. Naturgeſchichte in Mecklenburg, 42. Jahrg., 1888, S. 189. Güſtrow, 1889. . ) Sitzungsberichte der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin, Jahrg. 1888, S. 118. ) S. Boulenger, Sur la synonymie et la distribution geo- graphique des deux sonneurs européens in: Bull. de la Société zoologique de France. Paris, Juli 1888. Humboldt. — November 1889. Arten iſt beſonders noch die Verbreitung zu ſtudieren von dem ſtattlichen, in Norddeutſchland häufigeren Seefroſch (Rana esculenta var. ridibunda Pall), dem bisher nur im äußerſten Weſten Deutſchlands gefundenen Spring: froſch (Rana agilis) und dem verſtreut vorkommenden Moorfroſch (Rana arvalis Nilss.). Unter den Molchen iſt die Aufmerkſamkeit beſonders auf den an der ſcharf abge- ſetzten Schwanzſpitze kenntlichen Schweizermolch, Triton helveticus Rouz., zu richten, deſſen Verbreitungscentrum in Frankreich liegt und der in Deutſchland nur in Würt⸗ temberg und in den Rheinlanden öfters gefunden wird, nach und nach aber von immer mehr Punkten bekannt wird; ſo wies ihn Wolterstorff im Harz nach, Geiſenheyner von der Waſſerſcheide zwiſchen Rhein und Nahe und Wiede- mann fand ihn nun auch in Bayern, in einem kleinen Tümpel bei Agawang. Wenn im Vorhergehenden die neuere Litteratur der Reptilien⸗ und Amphibienfauna Deutſchlands eingehender, obwohl noch lange nicht erſchöpfend behandelt wurde, ſo mag dies ſeine Entſchuldigung in dem Wunſche finden, daß der eine oder andere Leſer ſich dadurch angeregt fühlen möge, in Einſendungen von Beobachtungen und Sammeln von Belegexemplaren auch ſeinerſeits zur Förderung un⸗ ſerer Kenntnis von der Verbreitung der Reptilien und Amphibien Deutſchlands beizutragen. Leider hat der Bericht ſchon eine zu große Ausdeh⸗ nung angenommen, als daß wir noch auf weitere Arbeiten eingehen könnten. So ſei nur noch hervorgehoben ein von Boettger “) gegebenes Verzeichnis der von Herrn E. v. Oertzen aus Griechenland und aus Kleinaſien mitgebrachten Batrachier und Reptilien. Am Schluß gibt der Verfaſſer eine Ueberſicht vom zoogeographiſchen Stand⸗ punkt aus, indem er die Arten gemäß ihrer Verteilung auf dem griechiſchen Feſtland, dem kleinaſiatiſchen Feſtland und den dazwiſchen liegenden kleinaſiatiſchen und griechi⸗ ſchen Inſeln betrachtet. Unter den Batrachiern ſind dem⸗ nach als autochthone Bewohner des ganzen Gebietes zu betrachten 27 Prozent. Von Süden her war der Natur der Batrachierklaſſe nach kein Zuwachs zu erwarten und hat auch eine Einwanderung von dort aus nicht ſtattge⸗ funden, wohl aber von Weſten, Norden und Often her. Von den Reptilien ſind Autochthonen 22 Prozent. Die Einwanderer von Weſten haben teils Kreta ſchon erreicht, teils noch nicht; als von Oſten her eingewandert ſind zu verzeichnen 25 Prozent, welche die kleinaſiatiſchen Inſeln nach Weſten hin nicht überſchreiten, und zwei Arten ſind bis zu den Cykladen vorgedrungen. Nur zwei Arten ſind es auch, die auf beſtimmte Inſelgruppen beſchränkt find. Auffallend iſt die Reptilienarmut Kretas, welche Inſel von den von Norden und Oſten her einwandernden Formen nicht erreicht wurde; jedenfalls iſt Kreta ſchon ſeit lange außer Feſtlandsverbindung. Dagegen beſitzen die Cytladen auffallend viel Reptilien. Am höchſten ſtellt ſich der Prozentſatz der vorkommenden Arten für die kleinaſiatiſchen Inſeln und für Kleinaſien ſelbſt. Dem Feſtland von Griechenland und dem von Kleinaſien gemeinſame, aber den dazwiſchen liegenden Inſeln fehlende Reptilien gibt es überhaupt nicht. ) Sitzungsberichte der Akademie zu Berlin, 1888, S. 139. Humboldt. — November 1889. Es iſt nicht möglich, in einem Bericht, deſſen Umfang ſelbſtverſtändlich gewiſſe Grenzen geſteckt ſind, auch nur die hervorragenden Arbeiten der geſamten Zoogeographie zu berückſichtigen, und iſt es unſeres Erachtens nach zweck— mäßiger, große Abteilungen eingehender und mit Zurück— gehen auf zwei Jahre zu behandeln, als jährlich das ge— 437 ſamte Gebiet nur kurſoriſch zu durchlaufen. Wenn wir daher dieſes Mal die wichtigſte zoogeographiſche Litteratur der Wirbeltiere überblickt haben, ſo ſoll der nächſte Bericht ausſchließlich den zoogeographiſchen Fortſchritten auf dem Gebiete der wirbelloſen Tiere gewidmet ſein, wo ebenfalls bedeutende Erfolge zu verzeichnen ſind. eine Mitte tlw gen. Erdöl in Neu⸗Seeland. Die Regierung von Neu— Seeland hat kürzlich einen amtlichen Bericht über die Pe- troleumlager im Diſtrikt Taranſaki veröffentlicht, welche wahrſcheinlich eine große Zukunft vor ſich haben. Das Oel kommt an vielen Orten bei New Plymouth an die Oberfläche und durchtränkt den Boden der Gegend ſo ſtark, daß die Farmer es aufgeben mußten, Brunnen zu graben. Der Ingenieur Gordon ſagt in ſeinem erſtatteten Bericht, daß das Petroleum ſich über eine große Fläche erſtreckt und es ſich nur darum handelt, tief genug zu bohren, um an die Quelle zu gelangen. Für Auſtralien, welches jetzt ſein Petroleum von Amerika bezieht, ſind die Lager von hervorragender Bedeutung. D. Säugetiere in der Kreideformation waren bisher nicht bekannt, obwohl die Formation an anderen Wirbel— tieren außerordentlich reich iſt und Säugetiere ſowohl in der Juraformation wie im Tertiär reichlich vertreten ſind. Allerdings kündigte Leidy ſchon 1856 unter dem Namen Ischyrotherium antiquum ein neues Säugetier an, von welchem einige Wirbel in der Kreide von Montana ge— funden worden waren. Jetzt weiß man, daß dieſe Reſte von einem Reptil herſtammen, und Cope hat demgemäß den Gattungsnamen in Ischyrosaurus umgeändert. Dann fand 1882 Wortmann in der Kreide von Dakota einen Backenzahn und das Endſtück eines Oberarmknochens, welche in der That Säugetieren angehörten, weitere Funde aber ſind bis vor kurzem nicht gemacht worden. Im vergangenen Frühling hat nun aber Marſh die ſogenannte Laramie— formation in Dakota und Montana, aus welcher auch die letzterwähnten Säugetierreſte ſtammen, durch Hatcher in ſyſtematiſcher Weiſe durchforſchen laſſen, und ſehr reiche Ergebniſſe erhalten. Es wurden an 100 Stück Säuge— tierreſte entdeckt, Kiefer, Zähne und verſchiedene Skelett— teile, die meiſten ſehr gut erhalten. Sie ſtammen von vielen Einzelweſen, welche alle nur klein waren und zum Teil neuen Gattungen und Arten angehören. Von an— deren Wirbeltierreſten wurden neben ihnen hauptſächlich Dinoſaurier gefunden. Ferner traf man Wirbel des oben genannten Ischyrosaurus, kleine Krokodile, Schildkröten und verſchiedene Fiſche, meiſt zu den Ganoiden gehörig. Die Natur der vorgefundenen Ueberreſte von wirbelloſen Tieren zeigte an, daß die Geſteinsſchichten ſich aus Brack— waſſer oder Süßwaſſer abgeſetzt hatten. Viele der Säugetiere gehören zu der Gruppe der Allotherien, welche eine Reihe bemerkenswerter Formen der Trias und des Jura enthält. Die meiſten der neuen Gattungen zeigen eine nahe Ver— wandtſchaft zu den Trias- und Juratieren. Eine Gattung ſcheint den Inſektenfreſſern anzugehören, mehrere andere geben ſich als kleine Beuteltiere zu erkennen, welche mit einigen amerikaniſchen Tertiärformen oder anderen noch lebenden Beuteltieren nahe verwandt zu ſein ſcheinen. Raubtiere, Nager und Huftiere fehlen gänzlich und ebenſo ihre mutmaßlichen Vorfahren, wenn nicht die Inſekten— freſſer dieſe wichtige Rolle ſpielen, eine durch verſchiedene Thatſachen nahe gelegte Annahme. — Unter den neuen Dinoſauriern befinden ſich einige höchſt merkwürdige For- men. Eine derſelben, Triceratops horridus, trägt ein Paar maſſiver Hornzapfen auf der Spitze des Schädels; ein dritter Hornzapfen ſitzt ihm auf der Naſe und läßt das Tier dem Rhinoceros ähnlich erſcheinen. Vorn iſt der Schädel zu einem Schnabel verlängert, wie man ihn . in ähnlicher Weiſe am Schildkrötenſchädel vorfindet; aber dieſer Knochenſchnabel trug augenſcheinlich einen Horn— überzug, wie ihn unſere Vögel haben. Am Hinterhaupt hat das Tier einen mächtigen, nach hinten gerichteten Kamm, der wie der hintere Teil eines Helmes herab— gebogen iſt und dem Halſe dadurch einen vorzüglichen Schutz gewähren mußte. Der Schädel ſcheint ohne den Hornſchnabel wenigſtens 2 m lang geweſen zu ſein. Bei einer anderen Art, Triceratops flabellatus, iſt der Hinter⸗ hauptskamm nach oben und hinten gerichtet, ſo daß er einem offenen Fächer gleicht; der Rand war mit einer Reihe Hornſpitzen beſetzt. Der Schädel war mehr als 1,8 m lang, 1,2 m ü breit, und die Höhe der Hornzapfen betrug etwa 0,9 m. Das ſind Größenverhältniſſe, welche die bisher von den Dinoſauriern bekannten noch beträcht⸗ lich überſchreiten. Eine dritte Art, Nodosaurus textilis, von welcher der Schädel nicht gefunden wurde, beſaß einen mächtigen Panzer, der von den Rippen geſtützt wurde; das lebende Tier war an 9 m lang. D. Verkehrt eingepflanzte Gewächſe. Es iſt ſchon vielfach behauptet worden, daß man Bäume verkehrt ein⸗ pflanzen kann, d. h. die Krone in die Erde und die Wurzeln nach oben, und daß der Baum dann weiter wächſt. Hin und wieder werden auch alte Bäume gezeigt, von denen die Sage geht, daß die jetzigen Aeſte eigentlich Wurzeln ſeien. So knüpft ſich z. B. an eine alte Linde im Neuen Garten bei Potsdam in der Nähe des Marmorpalais eine ſolche Sage und wohl manchem Leſer werden ähnliche Fälle bekannt fein. Aber Gewißheit hatte man nie und Bor: urteilsfreie waren und ſind wohl meiſt der Meinung, daß dieſe Sagen eben Sagen ſeien, an denen kein Wort wahr iſt. Mit einem einfach abſprechenden Urteil iſt aber nichts gewonnen, und da doch vielfach die Erzählungen mit großer Beſtimmtheit vorgetragen werden, ſo verlohnte es ſich wohl der Mühe, der Frage näher zu treten, um ſo mehr, als dieſelbe ein nicht geringes wiſſenſchaftliches Intereſſe bietet. Kny hat deshalb zur Löſung der Frage 1884 eine Anzahl etwa 3,5 m hoher Exemplare von wildem Wein (Ampelopsis) und Epheu derart eingepflanzt, daß ſowohl die Spitze wie die Baſis des Stammes ſich im Boden befanden, der mittlere Teil aber emporragte. Im Frühjahr 1885 wurde dann bei allen Pflanzen, nachdem die in der Erde befindlichen Spitzen bewurzelt waren, das bogenförmige Verbindungsſtück an ſeinem höchſten Punkte durchſchnitten. Es waren alſo von jetzt an die aufrechte und die verkehrte Hälfte jedes Stockes ſelbſtändig. Im erſten Jahre gingen zwei der verkehrten Sproſſe zu Grunde. Die übrigen aber (12 Exemplare wilder Wein und 14 Exemplare Epheu) wuchſen luſtig weiter und lebten noch im Frühjahre 1889. Zwei derſelben wurden nun zu weiteren Verſuchen verwendet. Es handelte ſich um die Beantwortung der Frage, ob die Umkehrung nur eine rein äußerliche, oder auch eine innerliche geworden ſei. Zu dem Zwecke wurden eine Anzahl Stecklinge aus um⸗ gekehrten Pflanzen geſchnitten und dieſelben teils mit ihrem natürlichen, teils mit ihrem künſtlichen oberen Ende nach oben in die feuchte Kammer gebracht. War die Umkehr eine innerliche geworden, ſo mußte die Wurzelbildung ſtets an dem jetzt unteren Ende ſtattfinden. Es zeigte ſich aber, daß der Callus, aus welchem die Wurzeln ent⸗ ſprießen, an beiden Enden, und zwar ſtärker an dem natür⸗ 438 Humboldt. — November 1889. lichen unteren Ende, gleichgültig ob ſich dasſelbe während des Verſuches oben oder unten befand, gebildet wurde. Wie Kny in den Berichten der Deutſchen Botaniſchen Geſellſchaft ſchreibt, war die Umkehr trotz mehrjähriger erfolgreicher Kul⸗ tur wohl äußerlich, aber noch nicht innerlich vollzogen. Kny beabſichtigt, die noch vorhandenen zehn umgekehrten Exem⸗ plare von wildem Wein und die zwölf umgekehrten Exem⸗ plare von Epheu weiterhin zu kultivieren. Es wäre in⸗ tereſſant, wenn der eine oder der andere der Leſer, dem ein Garten zur Verfügung ſteht, das Experiment mit an⸗ deren Pflanzen nachmachte. Zu empfehlen waren beſonders leichtwurzelnde Gehölze, wie Weiden, Pappeln, Roſen. Der größeren Sicherheit wegen würde man gut thun, gleich Kny mit einer größeren Anzahl von Exemplaren zu experimentieren. D. Ektoderm der Schwammlarven. Verſchiedene Au⸗ toren hatten angegeben, daß das Ektoderm der Schwamm⸗ larven, jpeciell unſerer Süßwaſſerſchwämme, bei der Um⸗ wandlung zum Schwamm, die mit dem Feſtſetzen eintritt, abgeworfen wird, ſo daß ſolche als ektodermlos bezeichnet worden ſind. Die genaue Beobachtung ſolcher Larven, die in beſonders eingerichteten Aquarien bei ſtarker Ver⸗ größerung geſchah, hat einen jungen Forſcher, O. Maas in Berlin, davon überzeugt, daß die aus wimpernden Cy⸗ linderzellen beſtehende Ektodermlage der Larve ihre Wim⸗ pern verliert, ſich allmählich abflacht und in das wimper⸗ loſe Plattenepithel der Schwammoberfläche direkt 5 5 geht. SBandwürmer. Den Bemühungen von Dr. O. Haz mann in Göttingen iſt es gelungen, in unſeren gewöhn⸗ lichen Flohkrebſen (Gammarus pulex) den Zwiſchen⸗ wirt für zwei in Waſſervögeln, Enten, Tauchern, Gänſen rc. lebende Bandwürmer zu finden; es ſind Taenia sinuos Zed. und T. tenuirostris Rd., deren Finnen in der Leibeshöhle des genannten Amphipoden leben. Beide Finnenarten zeichnen ſich wie die Finne aus den Mehl⸗ würmern, eine ſolche aus Nais und aus Silpha, durch den Beſitz eines Schwanzanhanges aus, der die Embryonal⸗ häkchen der zugehörigen Oncosphaera trägt; jie ähneln in ihrer Form ſehr den Larven der Trematoden, den Cerkarien, die jedoch bekanntlich ihren Schwanz als Ruder⸗ organ benützen. B. Brieſſchwalben. In Roubaix hat man den Ver⸗ ſuch gemacht, die Brieftaube durch die Briefſchwalbe zu erſetzen. Die Schwalbe fliegt bekanntlich ſtets nach ihrem Neſte zurück, und zwar höher und ſchneller als die Tauben, ſo daß ſie nicht ſo leicht wie dieſe von Raubvögeln abge— fangen wird, dagegen vermag ſie nicht ſo viel zu tragen. Das franzöſiſche Kriegsminiſterium hat einen Bericht über die Sache eingefordert, und gedenkt, falls die Schwalbe ſich als Bote bewährt, eine Schwalbenſtation auf dem Mont Valérien bei Paris einzurichten. Dieſe Benutzung der Schwalben iſt nicht neu. So heißt es in den „Bildern aus dem altrömiſchen Leben“ von H. W. Stoll: „Ein eigentümliches Mittel, ſeinen Freunden den Sieg in der Ferne aufs ſchnellſte mitzuteilen, hatte der Ritter Caecinna Volaterranus ſich ausgedacht. Als er von einem Gut in Griechenland nach Rom zu den Spielen reiſte, wo ſein Viergeſpann auftreten ſollte, nahm er unterwegs von dem Hauſe eines jeden ſeiner Freunde eine Schwalbe mit. Dieſen band er, da er ſelbſt ſich zu den „Blauen“ zählte, ein blaues Band um den Hals, und wie nun ſein Wagen⸗ lenker nach gewonnenem Siege die goldene Krone aus der Hand des Preisrichters empfing, ließ Caecinna zum unermeßlichen Jubel der Zuſchauer ſeine Schwalben als Siegesboten in ihre Heimat fliegen.“ D. Daß Wale lange Zeit unter Waſſer aushalten können, iſt bekannt, doch fehlen meiſt zuverläſſige Zeitangaben; der durch ſeine nordiſchen Reiſen bekannte Dr. Kückten⸗ thal in Jena beobachtete im Sommer 1886, daß ein har⸗ punierter Weißwal 45 Minuten unter Waſſer blieb und dann erſt auftauchte. B. Aeber die quantitativen Verhältniſſe bei der Kohlenoxydvergiftung ſtellte N. Gréhant (Compt. rend. CVI, 4, S. 289) genauere Unterſuchungen an. Greéhant hatte bereits früher mitgeteilt, daß Kohlenoxyd in einer Atmoſphäre, welche sooo des Gaſes enthält, vom Blute nachweisbar abſorbiert wird, in einer Atmoſphäre mit og Kohlenoxyd iſt bereits die Hälfte des Hämoglobins mit dieſem verbunden. Gréhant vergleicht nun die Gaſe des normalen arteriellen Blutes mit dem von einem Hunde, welcher während einer Stunde durch eine Kautſchukkappe und Waſſerventile Luft mit einem Gehalt von 41000 Kohlen⸗ oxyd geatmet hatte. Er findet in 100 cem Blut: normal nach der Vergiftung Kohlenſäure . . 47 50 Saft 14,2 Gus a o 6 1,5 1,5 Durch Behandlung des vergifteten Blutes mit Eſſigſäure bei 100° wurden 14,4 Kohlenoxyd erhalten, welche mit Hämoglobin verbunden waren. Als toxiſche Doſe fand Gréhant einen Gehalt der Luft an Kohlenoxyd von 450 für Sperlinge, ½ 80 für Hunde, ½8oo für Kaninchen, wenn dieſe Tiere ſich in der Mitte eines geſchloſſenen, durch einen offenen Ofen geheizten Zimmers befanden. G. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Derſammlungen ete. Die 20. Allgemeine Verſammlung der Deutſchen Anthropologiſchen Geſellſchaft tagte vom 8. bis 11. Auguſt in Gemeinſchaft mit der öſterreichiſchen Schweſtergeſellſchaft in Wien. Freiherr v. Andrian⸗Werberg eröffnete die Sitzung mit einer be⸗ grüßenden Anſprache, worauf der Unterrichtsminiſter Dr. v. Gautſch die Verſammlung im Namen der Regie⸗ rung bewillkommnete. Nach weiteren Begrüßungsreden übernahm Virchow den Vorſitz und ſprach über die Natto- nalitätenfrage vom anthropologiſchen Stand— punkt aus. Nicht der Schädel an ſich beſchäftige den Anthropologen, ſondern die Herkunft, die Abſtammung der einzelnen Schädelformen, und wenn man, dieſe verfolgend, rückwärts ſchreite, ſo verblaſſe der Begriff der Nationalität. Derſelbe werde ſchließlich ganz abſtrakt und müſſe ſozuſagen erſt konſtruiert werden. Aber auch für die Gegenwart ſei die Nationalität für den Anthropologen ein ſehr ſchwie⸗ riges Kapitel, welches ſich noch am beſten verfolgen laſſe auf den abgeſchloſſenen Inſeln des Stillen Oceans, deren Bewohner ſich unvermiſcht erhalten haben. Während der Zoolog an einem einzelnen Tiere das ganze Geſchlecht er—⸗ kläre, ſtehe der Anthropolog vor zahlloſen Variationen der Individuen, die allmählich fo groß werden, daß man ſchließ⸗ lich faſt allen Halt verliere. So ſeien die Begriffe deutſch und ſlaviſch noch fo ſchwankend, daß niemand anthropolo⸗ giſch ausdrücken könne, was iſt deutſch und was iſt ſlaviſch, woher ſind die Deutſchen gekommen und woher die Slaven. Die frühere Anſicht von der Blutsverwandtſchaft inner⸗ halb jedes dieſer Völker habe man fallen laſſen müſſen; man wiſſe jetzt, daß manche Slaven anthropologiſch den, Humboldt. — November 1889. 439 Deutſchen weit näher ſtehen als ihren „flaviſchen Brü— dern“. Andererſeits habe man die Schädel vieler nord— deutſcher Gräber, die man urſprünglich für typiſch ger- maniſch hielt, ſchließlich auf Grund der unzweifelhaft ſlaviſchen Beigaben als ſlaviſch anerkennen müſſen, obſchon ſie ſich von denen der fränkiſchen Reihengräber in nichts unterſcheiden. Zwiſchen Czechen und den übrigen Slaven beſtehe in der Schädelbildung der größte Gegenſatz, ähn— lich etwa wie zwiſchen den Alemannen einerſeits und den Frieſen und Hannoveranern andererſeits. Was bleibe da übrig, als mit „Miſchraſſen“ zu arbeiten, alſo verſchiedenes Blut in derſelben Raſſe anzunehmen? Und deshalb denke die Wiſſenſchaft auch einigermaßen kühl über die Nationali— täten und betrachte als nächſte Aufgabe, die anthropologi- ſchen Typen erſt einmal lokal feſtzuſtellen. Uebrigens be— ſchränke ſich dieſe Schwierigkeit durchaus nicht auf Deutſch— land, vielmehr ſtoße man z. B. in Rußland noch auf weit verwickeltere Verhältniſſe; auch Frankreich zeige ſtarke Unter- ſchiede des Südens gegen den Norden, Verſchiedenheiten, Die fic) keineswegs durch den Einfluß der paar eingewan- derten Franken und Römer erklären, ſo daß alſo die Frage der anthropologiſchen Nationalitäten eine völlig internatto- nale ſei. In Oeſterreich ſelbſt, wo ſich die Reſte der alten Nationalitäten weit ſchärfer erhalten haben als in den meiſten anderen europäiſchen Staaten, ſei deshalb auch das Studium der Nationalitäten eine ganz beſonders wich— tige und ausſichtsreiche Aufgabe. Jene ausgeprägtere Cigen- art der öſterreichiſchen Bergvölker habe freilich eine Zeit⸗ lang Anlaß zu einer Auffaſſung der Kulturentwickelung gegeben, der wir uns nicht anſchließen konnten. Man habe in Oeſterreich angenommen, daß die öſterreichiſchen Ge— birge der Ausgangspunkt für die geſamte europäiſche Kultur geweſen ſeien. Dahingegen hätten wir dieſen Ausgangs— punkt in mehr ſüdlichen Gebieten geſucht, und ihn, Redner, habe ſeine jüngſte ägyptiſche Reiſe in dieſer Ueberzeugung beſtärkt. Mindeſtens ſei unſere Kultur durch ſüdlichere Kulturelemente ganz weſentlich beeinflußt worden, wie u.a. neuerdings wieder durch Brugſch und Lehmann beziehentlich der Gewichte und Maße nachgewieſen fet. Auch in Skan— dinavien habe vor Jahren eine Strömung beſtanden, welche die geſamte Kultur des Landes für ſelbſtändig erachtete; auch dort aber jet man inzwiſchen anderer Anſicht gewor— den und niemand glaube mehr, daß etwa die Bronze in Skandinavien erfunden wäre. Andererſeits freilich müſſe auch die indogermaniſche Richtung wieder als überwunden erachtet werden. Wenigſtens ſei es nicht gelungen, Anhalts— punkte dafür zu finden, daß etwa die Centralſtätten der Metallinduſtrie in Indien gelegen haben. Die indiſchen Bronzen haben ſich als Zinkbronzen erwieſen, während die antiken Bronzen bis zur römiſchen Kaiſerzeit hin lediglich Zinn enthalten. Auch die indiſchen Muſter können nicht als die Vorlagen der Muſter antiker oder nordiſcher Bron— zen erachtet werden. So müſſe man denn als nächſtes Ergebnis aller dieſer Forſchungen und Betrachtungen an— nehmen, daß ſchon in ſehr alter Zeit — abgeſehen von den Wanderungen der Völker — ein lebhafter und aus— gedehnter internationaler Verkehr beſtanden habe. In der Sonderſitzung der Deutſchen Anthropologiſchen Geſellſchaft erſtattete Prof. Ranke (München) den wiſſen⸗ ſchaftlichen und Dr. Weismann (München) den rechneriſchen Jahresbericht. Vor Schluß der Sitzung wurde noch ein offenes Sendſchreiben des Hauptmanns a. D. Ernſt Bötticher (München) vorgelegt, in welchem dieſer ſeiner bereits vielfach verfochtenen Anſicht, als ſei der Hügel Hiſſarlik nicht das alte Ilion ſelbſt, ſondern nur die Verbrennungsnekropole Trojas geweſen, unter Bezugnahme auf ſein neuerdings erſchienenes Buch „La Troje de Schliemann une nécro- pole a incinération 4 la maniére assyro-babylonienne“ wiederum Geltung zu verſchaffen ſucht. Virchow bezeich— nete dieſe Anſicht als „furchtbaren Unſinn“ und bemerkte, er wähle dieſen ſtarken Ausdruck, weil Bötticher ſich nicht geniert habe, einen Mann wie Schliemann in taktloſer Weiſe anzugreifen (). In der zweiten gemeinſchaftlichen Sitzung ſprach Dr. Hoernes (Wien) über den gegenwärtigen Stand a der Urgeſchichtsforſchung in Oeſterreich. Major v. Tröltſch-Stuttgart unterbreitete ſodann der Verſammlung einen Vorſchlag zum beſſeren Schutze vorgeſchicht— licher Altertümer. Es jet bekannt, welche zahlloſen vor- geſchichtlichen Reſte der Wiſſenſchaft dadurch verloren gehen, daß die Landleute, Arbeiter u. ſ. w., wenn ſie beim Pflü⸗ gen oder bei Erdarbeiten auf dergleichen ſtoßen, es ver— ſchleudern, zerſtören oder an herumziehende Händler ver— kaufen. Je mehr die Durchwühlung des Bodens durch den Ackerbau, ſowie durch Bauten aller Art vorſchreite, um jo verhängnisvoller werde jener Uebelſtand. Mit ge— ſetzlichen Beſtimmungen allein komme man nicht ſehr weit; Geld anwenden ſei ein weit wirkſameres Mittel, und es empfehle ſich dringend, von ſeiten des Staates in jeder, ſelbſt der kleinſten Gemeinde durch Maueranſchläge bekannt zu machen, daß er, der Staat, für aufgefundene Alter— tümer die beſten Preiſe zahle. Damit aber die Leute auch wiſſen, auf was ſie ihre Aufmerkſamkeit zu richten haben, müſſe der Staat farbige Abbildungen vorgeſchichtlicher (oder frühgeſchichtlicher) Gegenſtände neben jene Ankündigung ſetzen, und zwar in einer Auswahl ſolcher Typen, wie ſie für die betreffende Gegend zunächſt in Betracht kommen. Zur völligen Wirkſamkeit der Maßregel ſei dann etwa noch zu wünſchen, daß Schullehrer und Ortsbehörden an— gewieſen würden, die von den Findern ihnen einzuliefern— den Gegenſtände koſtenlos (bez. auf Staatskoſten) entgegen— zunehmen, zu verpacken und an die ſtaatlichen Sammlungen einzuſenden. Auf Antrag des Prof. Fraas erklärte die Verſammlung, daß es wünſchenswert ſei, wenn der vom Redner erörterte Vorgang auch in anderen Landesgebieten Nachfolge finde. Auch der nächſte Redner, Dr. Much (Wien), behandelte die Frage beſſerer Fürſorge für Erhaltung der vorgeſchichtlichen Altertümer. Er berichtete über die von der K. K. Centralkommiſſion für Kunſt⸗- und hiſtoriſche Denk— male eingeleiteten Maßnahmen zum Schutze vor— geſchichtlicher Altertümer. Auf ihre Anregung ordnete der Miniſter an, daß alle bei Ausgrabungen, Bahn— bauten gewonnenen Gegenſtände an den Staat abzuliefern ſeien, und gegenwärtig hat die Kommiſſion dem Miniſter Vorſchläge unterbreitet, welche weſentlich auf folgendes hinauslaufen. Grundfeſte Altertümer (Ringwälle, Hügel—⸗ gräber u. dgl. mehr) dürfen weder beſeitigt, noch überhaupt angetaſtet werden, ehe ſie nicht von dem Konſervator des be— treffenden Bezirkes bezw. von der Kommiſſion ſelbſt beſichtigt find. Die Kommiſſion kann dann nach Befinden die Cr- laubnis zur Inangriffnahme der Gegenſtände erteilen oder verweigern. Was die beweglichen Altertümer betreffe, ſo bleibe eben kaum etwas anderes für den Staat übrig, als fie anzukaufen und zwar zum vollen Werte (in Oeſterreich hat der Staat längſt auf ſeinen Anteil an den Funden = ½ des Wertes verzichtet). Als bedenklich bezeichne die Kommiſſion die überhandnehmende Neigung zur Begrün— dung von Lokalſammlungen. Die Zerſplitterung des Maz terials in viele ſolche kleinen Sammlungen erſchwere nicht nur in hohem Grade das Studium, ſondern berge auch die Gefahr vieler Verluſte, weil derartige Sammlungen oft keinen genügenden Rückhalt beſitzen, ſondern lediglich auf zwei Augen ſtehen. Was den Abgang von Altertümern ins Ausland anbelange, ſo ſei das eine ganz beſonders heikle Angelegenheit, und jedenfalls könne an ein Ausfuhr⸗ verbot nur nach ſehr reiflicher Ueberlegung gedacht werden Die ſchädliche Raubgräberei ſei ebenfalls unmittelbar nicht zu hindern; als einziges zweckentſprechendes Gegenmittel erſcheine wieder die reichliche Geldaufwendung beim An⸗ kaufe von Funden. Doch könne man dem Mißbrauche von Schurflizenzen dadurch entgegentreten, daß man die Lizen- zen ausdrücklich auf bergbauliche Zwecke beſchränke und ihren Mißbrauch mit Entziehung der Lizenz beſtrafe. Das Wichtigſte von allem ſei und bleibe bei der ganzen Sache die eigene unermüdliche Thätigkeit der Intereſſenten. Dr. Szombatby (Budapeſt) verwies im Anſchluſſe an den Vortrag auf die Geſetzgebung Skandinaviens und das in Schleswig-Holſtein übliche Verfahren, nach welchem der Staat mehr als den vollen Wert für die Altertümer zahlt. Es ſei Pflicht des Staates, dies allgemeiner durchzuführen, 440 Da es ſich beſtens bewähre. Bei Bauten, bezw. Erdarbeiten müſſe den Unternehmern Entſchädigung gewährt werden für den Verluſt an Arbeitslohn, den ſie erleiden, wenn die Arbeiter mit der zeitraubenden Bergung von Alter— tümern belaſtet werden. In der dritten Sitzung ſprach Dr. Naue (München) über die Vorgeſchichte Bayerns und Virchow über die neueſten Ergebniſſe der Durchforſchung des Kaukaſus in vorgeſchichtlicher Richtung. Dieſe For⸗ ſchung beanſprucht um deswillen noch eine beſondere Be⸗ deutung, weil Kaukaſien nebſt Transkaukaſien vielfach als Urheimat der Metallinduſtrie, ja der menſchlichen Kultur überhaupt angeſprochen worden iſt und es nun zu ermit⸗ teln gilt, welche Berechtigung dieſen Vermutungen zukommt. Die Ermittelungen begannen mit der Erſchließung des Gräberfeldes von Koban am Nordrande des Gebirges, ſetzten ſich dann fort in dem von Beyern ſo genannten Gräberfelde von Samtravo, welches etwa an der Stelle von Pfjet, der alten Hauptſtadt Georgiens, liegt, und er⸗ fuhren neuerdings erhebliche Förderung durch die Auf⸗ findung eines großartigen Gräberfeldes ſüdlich der Kura, im Gebiete des Antikaukaſus, welches Beyern nach einem Lager des Generals Repkin benannte. Dieſes Lager be- fand ſich längere Zeit in dortiger Gegend, die ſo reich an Erzen iſt, daß ſie von Beyern „Erzgebirge“ getauft wurde. Die Bibel verlegt in dieſelbe die Erfindung des Metalles, und in der That verdient ſie alſo in dieſer Hinſicht nähere Betrachtung. Was die Bronze betrifft, ſo wird ſie freilich kaum dort erfunden ſein; denn wenn es auch Kupfer genug gibt, jo fehlt doch das Zinn, und es wäre unter dieſen Umſtänden gewagt, das Land als Heimat der Bronze an⸗ zuſprechen. Dagegen tritt die Antimonfrage ſchärfer her⸗ vor. Auf dem Repkin⸗Felde fand man Schmuckſachen aus reinem Antimon, auch Antimonknöpfe, ähnlich denen von Beni Haſſan in Aegypten. In Verbindung hiermit, ſowie mit den antimonhaltigen ägyptiſchen Augenſchminken und dem Antimonſtücke von Tello in Südbabylonien wird man alſo das kaukaſiſche Gebiet betreffs des Antimons noch ſchärfer ins Auge zu faſſen haben. Bemerkenswert, ob⸗ ſchon in der vulkaniſchen Natur des Bodens begründet, iſt das maſſenhafte Vorkommen von Gegenſtänden, namentlich Meſſern und Pfeilſpitzen aus Obſidian in den Gräbern des Repkin⸗Lagers. An einem der gefundenen menſchlichen Skelette machte man eine merkwürdige Beobachtung. Der Unterſchenkel zeigt neben dem unverletzten Schienbein einen Bruch des Wadenbeines, ein ziemlich ſeltenes Vorkommen. Ueber der Bruchſtelle nun, die bei der Verheilung wie ge⸗ wöhnlich mit dem Nachbarknochen verwachſen iſt, enthält das Wadenbein eine Anſchwellung, und inmitten dieſer ver⸗ dickten Stelle ſteckt, beiderſeits ſichtbar, obſchon zum Teil mit Callus überwuchert, eine Obſidian⸗Pfeilſpitze. Was das gegenſeitige Verhältnis der drei bezeichneten Gräber⸗ felder betrifft, deren letztes (Repkin) ſchon im Gebiete des alten Mediens, gegenwärtig nahe der perſiſchen Grenze liegt, ſo zeigt dies letztere zu dem von Koban eine eigen⸗ tümliche Beziehung, inſofern ſich gewiſſe ſtiliſierte Tier⸗ figuren auf den Metallgürteln der Skelette eingraviert finden, in Koban aber auf den Gürtelſchließen, in Repkin, wo die Schließen fehlen, auf den Gürtelblechen ſelbſt. In den Gräbern von Samtravo find dieſe Figuren noch nicht angetroffen worden. Hierauf ſprach Graf Wurmbrand über die Form⸗ verwandtſchaft der heimiſchen und fremden Bronzen. Er bemerkte einleitend, daß die alten Bronze⸗ waffen nach Uchatius gehärtet ſind, ſo daß ſie Eigenſchaften ähnlich der Uchatiusſchen Stahlbronze erhielten. Uchatius behauptet ferner, daß man jetzt nicht imſtande ſei, ſo feine Bronzegüſſe herzuſtellen, wie man ſie bei gewiſſen alten Gegenſtänden, namentlich Schwertern, antrifft. Um ſich einen Begriff von der Technik des alten Bronzeguſſes machen zu können und der Möglichkeit, Bronzegegenſtände umzugießen, wie das ja auch in der Urzeit geübt worden zu ſein ſcheint, hat Redner verſucht, in den einfachen Guß⸗ ſchalen jener Zeit Bronze einzuſchmelzen. Bei ſehr reichem Aufwande an Brennſtoff und ſtarker Gebläſeeinwirkung Humboldt. — November 1889. gelang ihm auch die Schmelzung. Indes ſchmolz nicht die Bronze in ihrer Geſamtheit gleichförmig, ſondern zunächſt traten Zinntropfen aus der Maſſe heraus, und was ſchließ⸗ lich beim Umguſſe übrig blieb, war faſt reines Kupfer. Zu dem eigentlichen Thema übergehend, erörterte Redner, die „primären“ und die „ſekundären“ Formen der Bronje- technik mit beſonderer Bezugnahme auf öſterreichiſche vor⸗ geſchichtliche Verhältniſſe. Unzweifelhaft ſei vielerorts eine eingeborene Technik nachzuweiſen an Formen und Muſtern, wie denn ja auch in anderen Induſtrien oft ſelbſt bei ſonſt zurückgebliebenen Volksſtämmen ein überraſchender Reich⸗ tum an Muſtern in Formen und Farben beobachtet werden könne. So beziehe die Wiener Teppichfabrikation Muſter aus den armſeligſten Gebieten Bosniens. Sicherlich ſei der Verkehr in alter Zeit ein ſehr beträchtlicher geweſen. Man brauche nur auf gewiſſe Erſcheinungen der Jetztzeit in ganz⸗ oder halbbarbariſchen Ländern, z. B. das Mekka⸗ pilgertum, zu blicken, um jedes Zweifels an der Möglich- keit ausgedehnten Verkehres auch unter den ſonſt unent⸗ wickelten Verhältniſſen ſehr alter Zeiten ledig zu werden. Daher erkläre ſich alſo leicht das Vorkommen ausländiſcher Formen ſelbſt an Orten, wo man dieſelben nicht ohne weiteres vermute, und aus dem Einfluſſe dieſer Einfuhr⸗ artikel wiederum das Auftreten von Miſchformen, welche als die ſekundären Formen der betreffenden Landestechnik be⸗ zeichnet werden können. An den Vortrag knüpfte Waldeyer (Berlin) eine ſehr beachtenswerte Bemerkung. Daß die Formgebung bei den Erzeugniſſen verſchiedener primitiver Völker eine jo große Uebereinſtimmung zeige, habe fir den Anatomen nicht gerade viel Ueberraſchendes. Das ein⸗ fache Ornament ſei gewiſſermaßen die Handſchrift der Natur⸗ völker. Nun werde aber die Handſchrift, wie die Leiſtung der Hand überhaupt, weſentlich durch die Anatomie der Hand bedingt, denn die Hand arbeite eben wie eine Ma⸗ ſchine, und da grundſätzlich die Hand des Menſchen doch überall dieſelbe Einrichtung zeige, jo werde auch die ure wüchſige Handzeichnung ſtets dieſelben Formelemente auf⸗ weiſen. Dieſer Einfluß der körperlichen Mechanik ſei weit mehr als bisher bei den verſchiedenſten Gelegenheiten in Rechnung zu ſetzen. Sophie v. Torma ſprach ſodann über die Beziehungen des vorrömiſchen Daciens zu Cypern und Trojg. Die für gewöhnlich lediglich als Fabrikzeichen, Maß- oder Gewichtsmarken, bezw. als bloße Verzierungen erachteten Ornamente und Eingravierungen auf Thongefäßen be⸗ trachtet ſie als hieroglyphiſche Inſchriften, welche Andeutun⸗ gen eines Planetenkultus in ſich ſchließen. Sie ſuchte nun⸗ mehr durch Vorlegung neuer Funde unter Berufung auf das Urteil von Sayce jene Meinung zu ſtützen und erklärte jene Zeichen für Nachbildungen altaſſyriſcher Schrift- zeichen. 5 Von großem Intereſſe war der nachfolgende Bericht des Dr. Martin Kriz aus Steinitz in Mähren über ſeine, Durchforſchung der Höhlen von Kulna und Koſtelik in Mähren. Der Grund dieſer Höhlen iſt mit mächtigen Schichten Löß angefüllt, und in dieſer Ablagerung finden ſich zahlreiche vorgeſchichtliche Tierreſte, zum Teil mit Spuren menſchlicher Einwirkung. Bemerkenswert iſt zu⸗ nächſt die Thatſache, daß zu unterſt nicht Vertreter der Steppenfauna, ſondern gerade die größeren Grasfreſſer in Gemeinſchaft mit den Fleiſchfreſſern liegen, die kleineren Tiere dagegen erſt in den höheren Teilen der Lößmaſſe auftreten. Ferner geht aus den topographiſchen Verhält⸗ niſſen hervor, daß zur Anhäufung der Lößſchichten außer⸗ ordentlich lange Zeiträume erforderlich geweſen ſein müſſen. In der Kulnahöhle liegt ganz unten eine ſtarke Lößſchicht ohne alle Knochenreſte. Es muß alſo lange Zeit während der Lößbildung vergangen ſein, während welcher überhaupt keine Tiere jene Gebiete bewohnten, dann kam eine Weide⸗ und Waldfauna ohne den Menſchen, und erſt in den oberen Teilen der betreffenden Knochenſchichten tritt die Thätigkeit der Menſchen durch eingravierte Zeichnungen, Einſchnitt von Blutrinnen u. dgl. an den Tierknochen zu Tage. Dieſe Ergebniſſe ſtehen mit denen anderer Diluvialfunde in ziemlich ſtarkem Widerſpruch. Humboldt. — November 1889. 441 In der zweiten Geſchäftsſitzung der deutſchen Geſell— ſchaft wurde als Vorwort für das nächſte Jahr Münſter in Weſtfalen gewählt. Dann folgten Berichte über die wiffen- ſchaftlichen Kommiſſionen zur dauernden Betreibung be— ſtimmter wiſſenſchaftlicher Aufgaben. Dieſe Einrichtung hat ſich im allgemeinen nicht bewährt und es wurde em— pfohlen, die Aufgaben der Kommiſſionen lieber in die Hand des Vorſtandes zu legen. In der vierten allgemeinen Sitzung ſprach Dr. Grempler (Breslau) über Hackſilber. Auf der Meſſe in Irbit, die jährlich im Februar abgehalten wird, bedienen ſich die aus den chineſiſchen Grenzländern, namentlich der Mongolei, erſcheinenden Kaufleute als Zahlungsmittel des Silbers, und zwar haben dieſe Silberſtücke die Form von Schiffchen, von Puppenbadewannen oder von Schuhen. Sie ſind mit Stempeln chineſiſcher Käufer und Münzprüfer ver⸗ ſehen und werden in Rußland Jamben genannt. Wegen des Feingehaltes ſchätzt man das Metall dieſer Jamben ſehr; dasſelbe ſoll ſogar meiſt goldhaltig ſein. Ferner geben die Chineſen in Zahlung Bruchſilber, alte Schmuck— ſachen, zerbrochene Geräte u. dergl., auch Münzen und endlich Hackſilber in Form unregelmäßiger Stücke. Nach den Erkundigungen, die Vortragender auf einer Studien- reiſe in Rußland unternahm, läuft in der Mongolei dies Hackſilber noch heute wie in vorgeſchichtlicher Zeit als Zahlungs- und Tauſchmittel um. Die Beſchaffenheit der einzelnen Stücke ſelbſt läßt darauf ſchließen, daß ſich die— ſelben ſchon lange im Verkehr befinden; nach Bedürfnis werden von größeren Stücken kleinere abgehackt, ähnlich wie man vor Jahrhunderten in Rußland Silberſtangen abhackte (weil das Zahlungsmittel im Oſten nicht gezählt, ſondern gewogen wird), weshalb auch das Wort „Rubel“ aus dem ruſſiſchen Worte für „abhacken“ gebildet iſt. Die von ruſſiſchen Kaufleuten auf der Irbiter Meſſe einge— tauſchten Silbermengen werden gewöhnlich nach Moskau gebracht, wo man ſie ſortiert und einſchmilzt. Dieſelben zeigen eine unverkennbare Aehnlichkeit mit Stücken der Hackſilberfunde, die öſtlich der Elbe vielfach in Deutſch— land und jenſeits deſſen Grenzen gemacht ſind. Nach der üblichen Annahme wäre das Hackſilber der vorgeſchicht— lichen Funde durch die Araber nach dem Weſten gebracht worden. Redner iſt auf Grund obiger von ihm ermittelter Verhältniſſe — die Litteratur über Oſtaſien und Mittel- aſien berichtet wohl über die Schiffchenform und das Ab— wägen des Silbergeldes, erwähnt aber des Hackſilbers nicht — der Anſicht, daß jene Annahme zu eng ſei und daß man der Araber als Vermittler des Verkehrs mit Hackſilber nicht bedürfe, daß vielmehr ganz allgemein eine Einfuhr aus dem fernen Oſten, wo es ſchon damals wie heute in Anwendung war, beziehungsweiſe eine unterwegs erfolgte Vermengung der oſtaſiatiſchen Sitberſtücke mit europäiſchen Münzen angenommen werden müſſe. Pröfeſſor Woldrich ſprach über die paläolithiſche Zeit lältere Steinzeit) Europas und ihre Beziehungen zur neolithiſchen Zeit (jüngeren Steinzeit). Redner erörterte die für die Feſtſtellung der verſchiedenen Perioden in der Diluvialzeit maßgebenden Funde von Tierreſten und ſtellte ſich auf den Standpunkt Nehrings, deſſen namentlich aus dem Funde von Thiede gezogene Schluß⸗ folgerungen (nach der Eiszeit zunächſt Steppenzeit, dann Uebergang zur Waldzeit [Weidezeit], endlich Waldzeit ſelbſt) er auf Grund ſeiner Unterſuchungen von Zuglawitz und anderer böhmiſcher bezw. mähriſcher Funde (Bieyskaja, Stramberg) beſtätigen kann. Die in der deutſchen Geſellſchaft vereinbarten Vor⸗ ſchläge zur Verallgemeinerung und gründlicheren Ausfüh— rung wiſſenſchaftlicher Körpermeſſun gen beim Aushebungsgeſchäfte wurden nunmehr der allgemeinen Verſammlung (bezw. der Wiener Geſellſchaft) vorgelegt. Es handelt ſich um die Ausnutzung der militäriſchen Rekruten⸗ unterſuchungen zu anthropologiſchen Ermittelungen derart, daß unmittelbar nach der militäriſchen Unterſuchung jedes Mannes noch eine ergänzende Meſſung ſeitens eines Anthro— pologen vorgenommen wird. Dazu gehört in erſter Linie die Erlaubnis der Militärbehörde, und dieſe wird wiederum Humboldt 1889. 1 = weſentlich davon abhängig fein, daß das Aushebungsgeſchäft durch dieſe zweite Meſſung nicht beeinträchtigt, nicht verzögert wird. Im allgemeinen zeigt ſich die Behörde nicht ſehr geneigt, die Erlaubnis zu erteilen; doch hofft man auf eine allmähliche Umwandlung dieſer ablehnenden Stim⸗ mung, und es fragt ſich, auf welche Meſſungen man ſich beſchränken kann, um bei möglichſt geringem Zeitaufwande (während der eine Mann militäriſch unterſucht wird, muß bei ſeinem Vorgänger die anthropologiſche Meſſung erledigt ſein) doch ein für die Zwecke der Wiſſenſchaft ausreichendes Ergebnis zu erzielen. Beim Militär wird nur die ge— ſamte Körperlänge und der Bruſtumfang (bei ſeitlich aus⸗ geſtreckten Armen) gemeſſen, in Oeſterreich nur die Körper⸗ länge. Es hat ſich indes als wünſchenswert herausgeſtellt, wegen der Beurteilung der Marſchfähigkeit auch die Bein- länge, bezw. die Sitzhöhe zu ermitteln. Man ſieht in letzterer Hinſicht einer baldigen Verfügung der Behörde entgegen. Es würde nun außer dieſen drei Maßen noch erwünſcht ſein die Feſtſtellung der größten Länge und Breite des Kopfes, der Ohrhöhe, der Klafterweite (Cnt- fernung der Fingerſpitzen beider Hände bei ausgeſpreizten Armen), der Höhe des ſiebenten Halswirbels vom Boden oder vom Sitze aus, der Armlänge, Schulterbreite, der unteren Geſichtslänge, der Jochbogenbreite und der Naſen⸗ höhe, dazu kommt dann die Beſtimmung der Farbe von Augen und Haar. Erneute Verhandlungen mit der Be— hörde dürften bei einiger Bereitwilligkeit der letzteren er— geben, wie viel Zeit für die Meſſung verfügbar wird und welche von jenen Maßen ſich in dieſer Zeit feſtſtellen laſſen. Angeſichts der beachtenswerten Reſultate, die von Ammon und Schaaffhauſen bei derartigen Meſſungen erzielt ſind, iſt von dieſen erweiterten Meſſungen Erhebliches zu hoffen. Die Verſammlung genehmigte die obigen Vorſchläge. In der letzten Sitzung ſprach Profeſſor Herrmann (Budapeſt) über Lieder und Volksbräuche in Kärn⸗ ten. Das Heiraten ſei in Kärnten mehr Ausnahme als Regel; nur ein verhältnismäßig geringer Bruchteil der in ehelicher Gemeinſchaft lebenden Paare ſei dort wirklich verheiratet; in einzelnen Bezirken ſteige die Zahl der un— ehelichen Kinder bis ſiebzig vom Hundert und darüber. Die Hochzeit, die faſt lediglich in der Bauernariſtokratie üblich ſei, diene auch mehr einem gewiſſen Standesintereſſe. Denn da bei den Heiraten ſtets unbedingt auf Erhaltung der Güter bezw. des Vermögens geſehen werde und des— halb auch die jungen Leute nur ganz ausnahmsweis aus ihrem Orte herausheiraten, ſo müſſe die in den wohl⸗ habenden Kreiſen ſtattfindende Hochzeit mehr als eine ge— ſetzliche Feſtlegung der Vermögensverhältniſſe betrachtet werden. Wo kein Vermögen iſt, hält man die Förmlichkeit der Trauung für entbehrlich. Die Hochzeiten ſind alſo eine Seltenheit und werden dementſprechend mit großem Aufwande gefeiert; ein Brautkauf, wie bei den umwohnen⸗ den Slovenen, findet nicht ſtatt. Die Verlegung des Weges, wie ſie beim Eintritte der Braut, bei Uebergabe des Brautſchatzes oder auch unterwegs erfolgt, deutet Vor— tragender als einen ſymboliſchen Ausdruck des gegen das Hinausheiraten gerichteten Volksſinnes. In der Kirche wird nach vollzogener Einſegnung ein gefüllter Pokal herumgereicht, was man als „Trinken des Johannisſegens“ bezeichnet. Mit einem Hochzeitsliede ſchließt. das Feſt ab. Schon beim vorigen Kongreſſe hatte Profeſſor Ranke (München) anläßlich ſeines Vortrages über das Mongolen⸗ auge eine Betrachtung über die ſogenannten pithekoiden Eigenſchaften niedrigſtehender Menſchenraſſen, d. h. die vermeintlichen Merkmale der Affenähnlichkeit dieſer Raſſen angeſtellt und war durch Heranziehung des Entwickelungs— ganges vom embryonalen bezw. kindlichen Organismus zu dem des Erwachſenen zu dem Schluſſe gekommen, jene Merkmale ſeien nicht Zeichen der Rückſtändigkeit, ſondern vielmehr ſolche einer gewiſſen Ueberbildung, welche eintrete, wenn nicht die durch jene Entwickelung bedingten Ver⸗ änderungen an einem gewiſſen Punkte zum Stillſtande kommen, ſondern weiter fortſchreiten. Von dieſem Ge- ſichtspunkte aus betrachtete er diesmal den ſogenannten Hoch⸗ ſitz des Ohres, d. h. die zu hohe Stellung des Ohres 56 442 Humboldt. — November 1889. im Verhältnis zu den Augen, bezw. zu der Horizontallinie der deutſchen Art der Schädelmeſſung. Nun ſteht bei An⸗ gehörigen einzelner dunkler Raſſen thatſächlich zuweilen das Ohr — gerade wie beim Affen auch — über dieſer Horizontalen, aber auch dieſes Vorkommen läßt ſich als eine Ueberbildung, als ein Ueberſchreiten der Entwickelungs⸗ grenze auffaſſen, inſofern beim Kinde ſtets das Ohr unter der Horizontalen ſteht und mit dem Wachstume ſich all⸗ mählich bis zu dieſer, in jenen Fällen eben über dieſe hinaus erhebt. Das Verhältnis in der Stellung der Ohr⸗ öffnung zu den Augen weiſt übrigens bei Affen und Menſchen noch weſentliche Unterſchiede auf. Schließlich verdient Erwähnung eine Vergleichung der Placenta bei Affe und Menſch, welche Waldeyer an⸗ ſtellte und welche eine große Aehnlichkeit jenes Organes Aleber die botaniſchen Aufgaben der lakuſtriſchen Stationen veröffentlichte Profeſſor Ludwig in der „Natur⸗ wiſſenſchaftlichen Wochenſchrift“ folgende beachtenswerte Anregung. Merkwürdigerweiſe ijt bisher bei der Erörte⸗ rung des Zachariasſchen Planes immer nur von einer zoologiſchen Station die Rede geweſen, und doch hätten die Botaniker nicht minder Grund, eine planmäßige Er⸗ forſchung des Süßwaſſerlebens vorzunehmen. Botaniker und Zoologen könnten gemeinſam an der geplanten Station arbeiten und ſich dabei ſogar wohl recht oft gegenſeitig in ihren Arbeiten fördern. Die Verbreitung der Waſſer⸗ pflanzen iſt zum Teil noch der eingehenden Unterſuchung bedürftig, welche den Landpflanzen längſt zu teil geworden. Wir erinnern nur an den Nachweis Aſcherſons, daß ver⸗ schiedene Ultricularia⸗Arten eine weitere Verbreitung auch bei uns haben, die man vordem nur aus anderen Ländern kannte. Von den niederen Organismen gilt dies erſt recht. In der Rabenhorſtſchen Kryptogamenflora gehen die ſchwie⸗ rigeren Pilze bereits ihrem Abſchluß entgegen, die Be⸗ arbeitung der deutſchen Algenflora ſteht noch bevor. Welch anderes Bild würde ſich da ergeben, wenn man recht bald eine planmäßige Erforſchung der Seen vornehmen könnte. Welch geringer Teil der Waſſerbecken Deutſchlands iſt bis⸗ her und wie ungenau iſt dieſer erforſcht. Bei den Chara⸗ ceen iſt dies nicht anders. Zwar hat Migula, welcher für die genannte Kryptogamenflora die Bearbeitung dieſer Gruppe übernommen hat, an die Botaniker die Bitte um Mitteilung über die Verbreitung der Characeen gerichtet; aber wie wenig wird auch hier herauskommen, wenn nicht eine planmäßige Durchforſchung der Einzelgebiete vorge⸗ nommen wird. Zur geologiſchen Durchforſchung ſchickt der Staat jährlich zahlreiche Forſcher aus — an eine bota⸗ niſch⸗zoologiſche Durchforſchung ähnlicher Art, an der Hand der Generalſtabskarten iſt leider bisher noch nicht gedacht worden. Ein Anfang dazu würde gemacht werden, wenn ortwechſelnde Stationen im Sinne von Zacharias eine hinreichende ſtaatliche Unterſtützung fänden. Die Mikro⸗ flora würde durch fortgeſetzte Unterſuchung des durch Schlepp⸗ netz eingebrachten Materials gründlich erforſcht werden und welch herrliche entwickelungsgeſchichtlichen Ergebniſſe würde dieſelbe liefern! De Bary und Zopf haben in wenigen Litern Waſſer, das ſie Teichen entnommen haben, durch Aufſtreuen von Pollenkörnern, Sporen, eine ganze Anzahl neuer Phykomyceen gezüchtet und entdeckt. Wenn in glei⸗ cher Weiſe oder durch chemiſche Ködermittel — man denke an die Köderung der Spermatozoen durch Apfelſäure 2c., die Chemotaxie vieler Waſſerorganismen — oder durch Herſtellung von Nährkulturen (Bakterien!) die Organismen der deutſchen Waſſerbecken planmäßig aufgefangen und unterſucht würden, welche Fülle des Neuen würde es er⸗ geben! Und wie anders würde dem angehenden Natur⸗ forſcher die Natur erſcheinen, wenn ihm Gelegenheit ge⸗ boten würde, an der Quelle ſelbſt zu ſchöpfen, zu ſtudieren und das vom Katheder herab ihm überkommene Wiſſen praktiſch zu feſtigen. — Wenn die ſyſtematiſche Durchfor⸗ ſchung eines Landes im Rohen vollendet iſt, dann fängt in der Regel erſt die biologiſche an. In Europa liegt dieſer Zeitpunkt bezüglich der Landlebeweſen weit hinter für beide Geſchöpfe ergab, ferner ein Vortrag Schaaff⸗ hauſens über den jetzigen Stand der Schädellehre, in welchem er auf viele Schädeleigentümlichkeiten hinwies, die bei der Meſſung nicht berückſichtigt werden, dahingegen durch ſachgemäße Betrachtung des Schädels ſich ergeben. Aus den betreffenden Ergebniſſen zog Redner einige be⸗ merkenswerte Schlüſſe, z. B. den, daß es es typiſche Ver⸗ brecherſchädel nicht gebe. Man habe übrigens in der Be⸗ ſtimmung der Schädel bereits eine große Sicherheit ev- langt, ſo z. B. in Bezug auf Alter und Geſchlecht der Schädel. Hierzu bemerkte Virchow, daß bei gewiſſen dunkeln Raſſen die Unterſcheidung der Schädel nach dem Geſchlechte ſehr ſchwierig, oft ganz unmöglich fet. Nach der Erledi⸗ gung der Tagesordnung erklärte Baron von Andrian⸗ Werburg den Kongreß für geſchloſſen. D. uns. Die Namen Sprengel, Hildebrand, Delpino, Herz mann Müller kennzeichnen den Anfang und Höhepunkt dieſer Studien; in Nordamerika iſt man ſpäter zur bio⸗ logiſchen Forſchung gekommen, erſt in der Gegenwart be⸗ ginnt dort ein eifriges Unterſuchen, wie es die zahlreichen und umfangreichen biologiſchen Abhandlungen beweiſen, welche jetzt aus Amerika kommen. In Auſtralien 2c. it man noch völlig in dem ſyſtematiſchen Stadium. In Bezug auf die Waſſerflora geht es uns wie den Amerikanern mit der Landflora; wir fangen erſt an. Als ich meine kleine Arbeit: „Die Beſtäubungsverhältniſſe der Süßwaſſer⸗ pflanzen“ (Kosmos V, 1881) ſchrieb, da war über dieſes Thema faſt nichts bekannt. Hermann Müller hatte mich zur Erforſchung der betreffenden Verhältniſſe aufgefordert. In der Arbeit von H. Schenk: „Die Biologie der Waſſer⸗ gewächſe“ findet ſich eine weitere Reihe neuer Fragen ge⸗ löſt, aber es iſt in der biologiſchen Unterſuchung der Waſſer⸗ pflanzen doch nur ein Anfang gemacht; hier iſt ein weites Beobachtungsfeld für die lakuſtriſchen Stationen. Die Be⸗ ſtäubungsverhältniſſe echt hydrophiler Süßwaſſerpflanzen ſind bisher nur für wenige Pflanzen (für Ceratophyllum demersum 1881 von mir) aufgedeckt worden; die Be⸗ ſtäubungsvermittler der entomophilen Arten ſind nur durch beharrliche längere Beobachtungen an Ort und Stelle zu ermitteln; es iſt hier noch ſehr wenig bekannt. Bei ge⸗ wiſſen Pflanzen, die ohne Zweifel zoidiophil ſind, hat man die Ueberträger des Pollens überhaupt noch nicht ermittelt. So iſt es z. B. für die Waſſerlinſen (Lemna) erwieſen, daß ſie der auf dem Waſſerſpiegel ſich umhertummelnden Tiere zur Befruchtung bedürfen, ob aber Waſſerinſekten oder — wie Delpino vermutet — Schnecken hier und bei Calla palustris thätig ſind, bedarf noch der Unterſuchung. Der Plöner See in Holſtein bietet neben ſeinen zoologi⸗ ſchen Schätzen auch eine reiche Flora, wie dies ſchon eine kleine floriſtiſche Zuſammenſtellung in der Programmabhand⸗ lung von Kuphaldt (Programm der Plöner Gelehrten⸗ ſchule 1883) beweiſt, er erſcheint alſo für den erſten An⸗ fang beſonders geeignet. D. Spenden für das Zoologiſche Obfervatorium in län. Zur Errichtung der von 1 1 905 geplanten Süß⸗ waſſerſtation ſind in jüngſter Zeit namhafte Beiträge beim Bürgermeiſter der Stadt Plön, Herrn Kinder, eingegangen. Ein ungenannter Freund naturwiſſenſchaftlicher Beſtrebun⸗ gen in Dresden ſpendete 3000 Mark und die Kgl. Preuß. Akademie der Wiſſenſchaften beſchloß die Beiſteuer einer Summe von 1500 Mark. Zahlreiche kleinere Beiträge in der Höhe von 200 bis 500 Mark ſind von wohlhabenden Ge⸗ lehrten und Kaufleuten aus Berlin und Leipzig einge⸗ gangen, ſo daß die Begründung des projektierten Beobach⸗ tungsinſtituts geſichert erſcheint. Ueber den von Zacharias erbetenen ſtaatlichen Zuſchuß dürfte wohl demnächſt auch ein definitiver Beſchluß zu Gunſten des von den namhaf⸗ teſten Naturforſchern beifällig aufgenommenen wiſſenſchafk⸗ lichen Unternehmens gefaßt werden. Eventuell würde dann das geplante Obſervatorium im Sommer 1890 eröffnet werden. — Im Anſchluß hieran bringen wir noch die verbürgte Nachricht, daß einer unſerer namhafteſten deut⸗ tl Humboldt. — November 1889. 443 ſchen Optiker ſich erboten hat, das Plöner Obſervatorium koſtenfrei mit vorzüglichen Mikroſkopen neueſter Konſtruk⸗ tion auszurüſten. A. Zur DBeftimmiung der Fufttemperatur in großen Höhen wird demnächſt durch den Berliner Verein für Luftſchiffahrt eine vom Ingenieur Siegsfeld erfundene Methode zur Ausführung gelangen. Siegsfeld benutzt ein Thermometer, welches bei gewiſſen Temperaturen durch Schließung eines elektriſchen Stromes ein Lichtſignal gibt. Es ſollen nun während der Nachtzeit kleine Ballons von 1—2 m Durchmeſſer aufgelaſſen werden, in denen ein ſolches Thermometer angebracht iſt, während ihm gegen— über ein ſogenannter Phototheodolit wirkſam wird. Bei beſtimmten Temperaturen wird dann das Thermometer elektriſch beleuchtet und das davor aufgeſtellte photogra— phiſche Inſtrument nimmt dieſen Augenblick auf, während zugleich die Höhe, die der Ballon zu dieſer Zeit erreicht hat, auf mechaniſchem Wege verzeichnet wird. Auf dieſe Weiſe hofft man zu genaueren Formeln als bisher über das Geſetz der Temperaturabnahme mit der Höhe zu ge— langen. D. Das neue naturhiſtoriſche Ruſeum in Wien wurde am 10. Auguſt eröffnet. Von dem Freiherrn v. Haſen— auer erbaut, enthält der gewaltige, durch eine Kuppel ge— krönte Palaſt nebſt einer Anzahl von Nebenräumen, die der wiſſenſchaftlichen Arbeit oder als Depots oder zur Präparierung der Schauobjekte dienen, 54 weite, zum größten Teile künſtleriſch ausgeſtattete Schauſäle, die dem Publikum zugänglich ſind. In ſeiner gegenwärtigen Ge— ſtalt umfaßt das in mancher Beziehung einzige Muſeum eine zoologiſche, eine botaniſche, eine mineralogiſch-petro— graphiſche, eine geologiſch-paläontologiſche und eine anthro— pologiſch⸗ethnographiſche Abteilung. Die vier erſtgenannten Abteilungen haben allerdings ſchon früher beſtanden, allein ſie haben ſolch einſchneidende Veränderungen erfahren, daß ſie den Eindruck einer Neuheit machen. Die anthropologiſch— ethnographiſche Abteilung iſt aber ganz neu hinzugekom— men und jie bildet vermöge der Reichhaltigkeit und Sel- tenheit der Schauſtücke den bedeutſamſten Teil des Muſeums. Die erſten fünf Säle (I—V) find der mineralogiſch-petro— graphiſchen Abteilung, Saal VI—X der geologiſch-palä—⸗ ontologiſchen Abteilung gewidmet. Mit Saal XI beginnt die prähiſtoriſche Sammlung, und zwar zunächſt die der europäiſchen Funde. Sie beſtehen aus den zumeiſt in Gräbern, dann in Pfahlbauten und anderen alten Wohn— ſtätten aufgefundenen Erzeugniſſen der primitiven, vielfach aber verhältnismäßig ſehr weit vorgeſchrittenen Kultur von Völkerſchaften, über deren Exiſtenz und Lebensverhältniſſe geſchichtliche Nachrichten nicht vorliegen. Den wertvollſten Teil dieſer Sammlung lieferte das Grabfeld von Hallſtatt. In den Sälen XIV— XIX iſt die ethnographiſche Samm— lung untergebracht. Auch die prähiſtoriſchen Funde in außereuropäiſchen Ländern ſind daſelbſt zur Ausſtellung gebracht. Mit den genannten Sammlungen iſt das Hoch— parterre erfüllt. Ueber eine breite Marmorſtiege gelangt man in den erſten Stock, der in 19 Haupt- und 2 Neben⸗ ſälen die geſamte zoologiſche Abteilunng beherbergt. Im zweiten Stockwerke befinden ſich die botaniſchen, ſowie die anthropologiſchen Sammlungen, welch letztere die zur Aufbewahrung geeigneten Materialien für das Studium der körperlichen Eigenſchaften der verſchiedenen ausgeſtor— benen und lebenden Völker und Raſſen des Menſchenge— ſchlechtes, ſo Schädel und Skelette, enthalten. ien. Dr. M. Singer. Die Kolonialkammer für Weinbau in Melbourne be- antragte kürzlich die Errichtung eines Verſuchsweinbergs und einer Weinbauſchule für die Kolonie. Der Miniſter der Ländereien hat dieſen Vorſchlag genehmigt, und es iſt zu dieſem Zweck ein Stück Land bei Rutherglen ausge— wählt worden. Dasſelbe umfaßt 200 Acres. Geeignete Lehrer werden Unterricht erteilen in den erprobteſten Me⸗ thoden des Weinbaus, und es werden Verſuche ausgeführt . werden in der Abſicht, den Wert neuer Pflanzen, welche für Viktoria geeignet ſein ſollen, zu erkunden. s. Ueber die kandwirtſchaftlichen Verſuchsſtationen in den Vereinigten Staaten entnimmt „Nature“ die fol⸗ genden Mitteilungen einer von der Ackerbauabteilung des Privy Council dem Parlamente vorgelegten Denkſchrift. Als ein beſonderer Zweig jener Abteilung iſt ein „Oklice of Experimental Stations“ eingerichtet worden. Der „United States Commissioner of Agriculture“ ſoll im Intereſſe der Gleichförmigkeit der Unterſuchungsmethoden und der Darſtellung der Reſultate, fo weit thunlich, zweck⸗ entſprechende Beſtimmungen treffen und von Zeit zu Zeit diejenige Richtung der Forſchung angeben, welche ihm be⸗ ſonders wichtig ſcheint. Jede Station ſoll jährlich bis zum 1. Februar dem Gouverneur des Staates oder Terri⸗ toriums, zu welcher fie gehört, einen Bericht über ihre Arbeiten und eine Feſtſtellung der Einnahmen und Aus⸗ gaben einliefern. Für die Stationen wurden für das Jahr 1888/89 vom Kongreß 2380000 Mark angewieſen. Hiezu kommen noch 500000 Mark, welche von den ein⸗ zelnen Staaten beigeſteuert wurden. Es gibt jetzt 46 ſolcher Anſtalten in den Vereinigten Staaten, ſo daß im Durchſchnitt jede Station über 60000 Mark jährlich er⸗ hält. Mehrere dieſer Stationen haben indeſſen noch Unter⸗ ſtationen. 370 Perſonen find an den Stationen mit wiſ⸗ ſenſchaftlichen und praktiſchen Verſuchen beſchäftigt. Die erſte landwirtſchaftliche Verſuchsſtation in Amerika wurde 1875 in Connecticut errichtet und die zweite im nächſten Jahre in Californien. Im Jahre 1879 wurde die wohl⸗ bekannte Cornill University-Station und 1883 die gleich⸗ bedeutende Wisconsin-Station errichtet. Das vergangene Jahr brachte einen Zuwachs von 26 Stationen. An der Connecticut-Station find ein Direktor, ein ſtellvertretender Direktor und ein Chemiker angeſtellt. Hierzu kommen drei weitere Chemiker, ein Mykolog und ein praktiſcher Land⸗ mann zur Aufſicht über Felder und Gebäude. An der Dakota-Station iſt ein Direktor, ein Vorſteher der Farm, ein Vorſteher der Wald- und Gartenverſuche, ein Cnto- molog, ein analytiſcher Chemiker, ein Tierarzt, ein Rendant und Stenograph und ein Bibliothekar. Zum Perſonal der Iowa-Station gehören zwei Chemiker, zwei Botaniker, ein Entomolog, ein Tierarzt, ein Gärtner und ein prakti⸗ ſcher Landmann. Die Beamten der Cornill University Station ſind ein Chemiker, ein Tierarzt, ein Botaniker, ein Gärtner, ein Entomolog, ein Kryptogamenbotaniker, ferner je ein Aſſiſtent für Entomologie, Chemie, Veteri⸗ närkunde und Gartenbau. Die Stationen beſchäftigen ſich u. a. mit Dünger⸗, Futter⸗ und Waſſeranalyſen, Drainage⸗ verſuchen, Fütterungsverſuchen, Milchunterſuchungen, Be⸗ ſtimmung ſchädlicher Inſekten und Auffindung von Schutz⸗ mitteln gegen dieſelben, Obſtbauverſuchen, Meteorologie, Samenprüfung, Boden- und Geſteinsanalyſen, Kulturver⸗ ſuchen, Getreide u. ſ. w. Ms. Vreisaufgabe. Die Royal Society of New South Wales be⸗ ſtimmt ihre Denkmünze und einen Geldpreis für die beſte (und genügend verdienſtliche) Abhandlung, welche die Er⸗ gebniſſe von Originalunterſuchungen und beobachtungen über einen der folgenden Gegenſtände enthält: 1) Einzu⸗ ſenden bis 1. Mai 1890: Der Einfluß des auſtraliſchen Klimas (allgemein und lokal) auf die Entwickelung und Modifikation der Krankheiten. Ueber die Silbererzablage— rungen von Neuſüdwales. Ueber das Vorkommen von Edelſteinen in Neuſüdwales. Der Preis für jede dieſer Arbeiten beſteht in der Denkmünze und 25 Pfd. Sterling. 2) Einzuſenden bis zum 1. Mai 1891. Die Meteorologie von Auſtralien, Neuſeeland und Tasmanien. Anatomie und Lebensgeſchichte von Eehidna und Platypus. Mikro⸗ ſkopiſche Struktur der auſtraliſchen Geſteine. Preiſe wie oben. Es können ſich auch Ausländer an der Bewerbung beteiligen. Ms. 444 Humboldt. — November 1889. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im November 1889. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 4h 23m A el 680 4 Tauri 88 Algol 1229 R Canis maj. 1 6 43™ 2 5 Joe ON e 1622 R Canis maj. 2 3 10h 34 E. 110 30 Piso, | 12h 43 F. fl. 5 33 Pisc, | 1023 S Cancri 1872 U Coron 3 11˙ 48 K. l. 5 13" 37™ A. h. 5 1483 U Cephei 4 526 Algol 4 5 724 U Ophiuchi 5 7 ©) 521 U Corone 7h 38 0 E. J. J BAC 987 7 4h 5811 95 37/0 Ae 64/2 8 h 180 20 U Cephei 8 8 965 A 61 1420 p 9 4" 22 5 47™ N J Austritt 6 34 N III Eintritt] 1128 R Canis maj. 9 7h Sm oF 0 II m 10 1520 R Canis maj. 1620 U Corone 16 11™ Venus in Konjunktion mit Stern 9.| 10 11 183 R Canis maj. 11 13 1386 U Cephei Vom 12. bis 14. Sternschnuppen aus dem Lowen (Leoniden) 13 14 14 15 € 1688 Algol 15 16 |. 580 U Ophiuchi 16 17 2h 49m eI 1086 R Canis maj. 14 57™ F. h.) „ irg. 17 1 15h 567 fl. d. ) 4½ 18 1383 U Cephei 1387 Algol 1389 R Canis maj. 18 19 171 R Canis maj. 19 21 578 U Ophiuchi 1085 Algol 21 22 8 985 S Cancri 22 23 1289 U Cephei 5 a 23 h 38™ 4 lgo 24 1 lO! 723 Alg 24 25 95 R Canis maj. 1850 Venus nahe bei d Libre 25 26 685 U Ophiuchi 1227 R Canis maj. | 26 27 160 R Canis maj. t Sternschnuppen aus 27 28 [ ghog™ F. 10 1286 U Cephei der Andromeda 28 10622” K. N. 6 29 2 441 5. 1 | 29 5°54” A. l. 4 : Merkur iff in den erften Tagen eine Stunde vor Sonnenaufgang am Südoſthorizont mit bloßem Auge erkennbar, eilt aber dann raſch nach Süden und geht erſt in heller Dämmerung auf. Venus durcheilt die Stern⸗ bilder der Jungfrau und der Wage, und befindet ſich in den Nächten vom 7. bis 9. in der Nähe von Spica und am Morgen des 26. um Monddurchmeſſerbreite nördlich von Libre. Ihr Aufgang erfolgt anfangs um 4½ Uhr, zuletzt um 5 Uhr morgens. Mars, welcher anfangs kurz nach, zuletzt kurz vor 2½ Uhr morgens aufgeht, befindet ſich rechtläufig im Sternbild der Jungfrau nahe den Sternen 8, in und J Virginis. Jupiter, im Sternbild des Schützen, erhebt ſich langſam aus dem im Oktober durchlaufenen ſüdlichſten Teile ſeiner Bahn, nähert ſich aber ſchon ſehr der Sonne. Sein Untergang findet anfangs um 7½ Uhr, zuletzt um 6 ½¼ Uhr abends ſtatt. Von den Verfinſterungen ſeiner Trabanten und den Vorübergängen ihrer Schatten vor der Jupiterſcheibe ſind nur noch wenige Erſcheinungen zu beobachten. Saturn entfernt ſich in rechtläufiger Bewegung noch von Regulus und geht anfangs eine halbe Stunde nach Mitternacht, zuletzt kurz vor 11 Uhr abends auf. Uranus taucht aus den Sonnen⸗ ſtrahlen wieder auf und befindet fic) etwa ſechs Monddurchmeſſer nordöſtlich von Spica. Neptun iſt rückläufig nahe bei den Hyaden. Von den Veränderlichen des Algoltypus iſt 6 Libre noch in den Sonnenſtrahlen verborgen, und U Ophiuchi nähert ſich denſelben ſchon ſo, daß vollſtändige Beobachtungen des Lichtwechſels nicht mehr gelingen. Die Gelegen⸗ heiten für U Cephei find ſehr günſtig und geſtatten, die vollſtändige Lichtkurve zu erhalten. In den Nächten des 12. bis 14. und des 27. und 28. ſind Sternſchnuppenfälle zu erwarten, von denen die erſteren im Sternbild des Löwen, die letzteren im Sternbild der Andromeda ihren eee Dr. E. Hartwig. Vulkane und Erdbeben. Ueber ein Erdbeben von höchſt ungewöhnlicher Art | Oscillationen aus. Während der Anfang der Erſchütterung berichtet die „Nature“ nach der „Japan Weekly Mail“ folgendes: Dieſes Erdbeben wurde im ſeismologiſchen Ob⸗ ſervatorium der Univerſität Tokio am 18. April d. J. um 2 Uhr 7 Minuten 41 Sekunden nachmittags regiſtriert; es zeichnete ſich durch eine auffallende Langſamkeit der von der gewöhnlichen Art war, nahm die Bewegung all⸗ mählich zu, bis fie 17 mm erreichte; aber der Boden be⸗ wegte ſich ſo wenig, daß die Häuſer nicht merklich ſchwankten, noch die Sinne es empfanden. Eine volle Oseillation dauerte 4 bis 7 Sekunden; eine Erſcheinung, die bisher im Humboldt. — November 1889. 445 Obſervatorium nicht beobachtet worden iſt. Die Bewegung war faſt genau auf die Horizontalebene beſchränkt und meiſt ſüd⸗nördlich, aber es fand auch vertikale Bewegung von gleichfalls langer Periode ſtatt. Dieſer Zuſtand währte 10 Minuten 36 Sekunden. Intereſſant iſt auch die Beobachtung von Weſt. Er beobachtete, wie das Waſſer eines kleinen Teiches von Nord nach Süd oseillierte. In einem Augenblick fiel das Waſſer ungefähr 2 Zoll auf der einen Seite des Teiches, während es nach einigen Sekunden die Ufer nahezu bis zur ſelben Höhe überſpülte und das gegenüberliegende Ufer bloßlegte, und dieſes Wechſelſpiel währte eine Viertelſtunde. Die langſamen Schwankungen, die man Erdpulſationen genannt hat, treten — wie der Bericht in der „Nature“ beſagt — gewöhnlich ein, wenn ein ſtarkes Erdbeben oder eine unterſeeiſche Störung in großer Entfernung ſtattfindet. Daher kann man vermuten, daß ein Land⸗ oder Seebeben von ungewöhnlicher Heftigkeit irgendwo ſtattgefunden hat, und da etwa 60 engliſche Meilen von der Yofohama-Vai entfernt bekanntlich ein hef— tiger vulkaniſcher Ausbruch ſtattfand, ſo ſteht die oben ge— ſchilderte Beobachtung wahrſcheinlich mit dem letzteren in Zuſammenhang. Dr. Markuſe beobachtete während der Nacht vom 11. zum 12. Juli auf der Berliner Sternwarte während der Ausführung von Polhöhenbeobachtungen am Univerſal— tranſit bei dem Ableſen der beiden von Nord nach Süd gerichteten Höhenniveaus ein übereinſtimmendes Hin- und Hergehen beider Blaſen. Dieſe Erſcheinung begann 11 Uhr 27 Minuten mit einem Ausſchlage von 1 Zoll, der jedoch nach wenigen Minuten auf 7 Zoll anwuchs. Um 11 Uhr 37 Minuten betrug er noch 4,5 Zoll, um 11 Uhr 40 Minuten 2,2 Zoll, um 11 Uhr 45 Minuten 0,7 Zoll, um 11 Uhr 53 Minuten 0,3 Zoll, bis wenige Minuten darauf Stillſtehen der Blaſen eintrat. Der Verlauf einer vollſtändigen Schwingung fand dabei höchſt eigentümlich in ſolcher Weiſe ſtatt, daß die ganze Dauer derſelben 19 Sekunden betrug, wovon 5 Sekunden auf die eigentliche hin und her gehende Schwankung kamen, während der übrigen 14 Sekunden dagegen eine relative Ruhe eintrat. Dann wiederholte ſich dieſe eigentümliche Wellenform u. ſ. w. Dieſe Miveau- ſtörung hing mit dem Erdbeben im Semirjetſchask-Gebiet zuſammen. Der Erdſtoß fand in Wjernoje um 11 Uhr 1 Minute (Berliner Beit) ſtatt, während die Crdbeben- welle nach 26 Minuten zur erſten Wahrnehmung gelangte. Uebrigens ſind derartige Störungen auch an anderen Orten zur ſelben Zeit beobachtet worden. Nachdem der von Madagaskar Ende Auguſt einge— troffene Dampfer „Rio Grande“ die Nachricht gebracht, daß der Vulkan Réunion im Ausbruche begriffen ſei, erfährt man jetzt aus einem Schreiben aus Benoit (la Réunion) vom 20. Juli folgendes Eingehendere: Das Schauſpiel, welches ſich ſeit einigen Tagen den von allen Teilen der Inſel auf teilweiſe ſehr mühſamem Wege her— beigeeilten Zuſchauern bietet, iſt ſo überraſchend groß— artig, daß es faſt unmöglich iſt, eine Beſchreibung des gewaltigen Naturereigniſſes zu geben. Man muß den Aus⸗ bruch ſehen, um ſich einen Begriff davon machen zu können. Man ſagt, daß der Ausbruch des Piton de la Fournaiſe diejenigen von 1858 und 1864 an Ausdehnung übertreffe. Mit Hilfe von Fernrohren und Feldſtechern kann man die im vollen Ausbruch befindlichen Krater (2620 m überm Meere), deren mehrere neu entſtanden ſind, betrachten. Es iſt ein wunderbares, unvergleichliches Schauſpiel, wie die geſchmolzenen Maſſen und hellaufleuchtenden Feuergarben brodelnd und ſprühend in ununterbrochener Folge den Kratern entſtrömen, um ſich über 100 m hoch in die Lüfte zu erheben und dann, in Tauſende von leuchtenden Sternen zerſtäubt, in die donnernde Tiefe zurückzufallen. Von der Fahrſtraße aus kann man aus einer Entfernung von ungefähr 12 km mit bloßem Auge den Ausbruch beobachten deſſen Widerſchein die umliegende Gebirgslandſchaft und den weiten Horizont blutig rötet. Am 18. Juli gegen 8 Uhr abends erſchienen plötzlich aus der Seite des dem Vulkan zunächſtliegenden Gebirgsſtockes hervorbrechend zwei neue Lichtpunkte, welche ſich durch ein ſchlangenförmig gewun⸗ = dened, leuchtendes Band vereinigten. Die aus den Krateröff⸗ nungen fließende Lava iſt ſehr flüſſig und ſchreitet mit einer Geſchwindigkeit von 1 km in der Stunde fort. Dieſer Lava⸗ ſtrom iſt der bedeutendſte, den man bis jetzt zu beobachten Gelegenheit hatte. Der majeſtätiſche Anblick des in Feuer gehüllten Berges wird erhöht durch die dunkel glühenden Lavaſtröme, welche ſich in feurigen Adern um den Vulkan ſchlingen und ſich langſam in vier Armen der Fahrſtraße nähern. Ein Arm hält erſtarrt 150 m vor dem Weg, zwei andere von ungefähr 30 m Breite ſind bis auf wenige Meter herangerückt, der vierte hat nur noch 800 m zurückzulegen, um das Meer zu erreichen. Am 16. Auguſt 1 Uhr 48 Minuten nachts fand in Jablinka (Bosnien) ein wellenförmiges 6 Sekunden anhaltendes heftiges Erdbeben ſtatt. Bewegung Südoſt gegen Nordweſt. In Moſt ar wurde ein ſolches 10 Sekunden dauerndes wahrgenommen, durch welches auf der Eiſen⸗ bahnſtrecke Moſtar —Oſtrojac ein Schienenbruch und ein Mauereinſturz verurſacht wurde. Gleichzeitig wurde in Konjica ein 5 Sekunden währendes verſpürt. Am 25. Auguſt wurden heftige Erderſchütterungen wahrgenommen, die ſich über ganz Griechenland er⸗ ſtreckten. Dieſelben haben im allgemeinen nur Schäden ohne Bedeutung verurſacht, ausgenommen auf Patras und in Miſſolonghi, wo einige Häuſer eingeſtürzt, andere ſchwer beſchädigt ſind. Menſchenverluſte ſind nicht vorgekommen. Dieſes Erdbeben hat ſich auf der Berliner Sternwarte be⸗ merkbar gemacht. Als am Abend des 25. Auguſt Dr. Küſtner, vor Beginn der Sternbeobachtungen am großen Meridian⸗ kreiſe das in der Richtung Oſt — Weſt befindliche Achſen⸗ niveau desſelben um 8 Uhr 32 Minuten mittlerer Berliner Zeit ableſen wollte, ſah er die Luftblaſe in regelmäßigen Schwingungen begriffen, deren Größe 4 Zehntel der Bogenſekunde betrug, während die Dauer eines Hin⸗ und Herganges chronographiſch gleich 7,5 Zehntelſekunde ge⸗ funden wurde. Dieſe Schwingungen, welche ſofort an die Wirkung eines fernen Erdbebens denken ließen, wurden bald geringer und unregelmäßiger, jedoch konnte noch feſt⸗ geſtellt werden, daß das in der Richtung Nord — Süd auf⸗ geſtellte Niveau des Südkollimators eine gleiche Bewegung der Größe und Schwingungsdauer nach ausführte, und daß die Blaſe hier nach Süden ſich bewegte, wenn die des Achſenniveaus nach Oſten ging, daß alſo die Wellenbewegung ungefähr in der Richtung Südoſt zu Nordweſt ganz ent⸗ ſprechend dem Urſprunge in Patras verlief. Der eigent⸗ liche Beginn der Erſcheinung ließ ſich nicht mit völliger Sicherheit ermitteln; ſie war aber um 8 Uhr 23 Minuten beſtimmt noch nicht vorhanden, vielmehr befand ſich in dieſer Zeit das Niveau in völliger Ruhe. Nach dem ganzen Verlaufe der Beobachtung iſt der Beginn wahr⸗ ſcheinlich zwiſchen 8 Uhr 30 Minuten und 31 Minuten eingetreten. Den Erdſtoß von Patras hat man nach gut verbürgter Beobachtung am Abend des 25. Auguſt um 9 Uhr 3 Minuten mittlerer Athener Zeit, welches 8 Uhr 21,7 Minuten mittlerer Berliner Zeit entſpricht, empfunden. Die Erſchütterung hat demnach den Weg von rund 1700 km von Patras nach Berlin in ca. 9 Minuten zurückgelegt, oder mit einer Geſchwindigkeit von etwas über 3 km in der Sekunde, ganz in Uebereinſtimmung mit früheren hie⸗ ſigen und ſonſtigen anderswo gefundenen Ergebniſſen. In Los Angelos (Californien) und in Paſſaden wurden am 27. Auguſt heftige Erderſchütterungen verſpürt. Man ſchreibt aus Konſtantinopel vom 1. September: Das kleine 60 km nördlich von Erzerum gelegene Dorf Kantzorik, welches 215 Einwohner hatte, iſt dieſer Tage durch eine furchtbare Eruption zerſtört worden. Das Dorf lag 1600 m über dem Meeresſpiegel an einem Abhange. Als die Einwohner ein unterirdiſches Geräuſch vernahmen und bemerkten, daß die Quellen verſiegten, wandten ſie ſich an die nächſte Behörde, welche ihnen riet, das Dorf zu verlaſſen. Für die meiſten kam jedoch die Warnung zu ſpät, dem gegen Mittag, während die Einwohner ſich zur Flucht rüſteten, ſtürzte ein mit Steinen und Erde ver⸗ miſchter Lavaſtrom aufs Dorf und verſchüttete dasſelbe mit 136 darin befindlichen Perſonen und allen Tieren. Von 446 dem Dorfe ift kaum mehr eine Spur zu ſehen. Der Berg iſt nach allen Richtungen geſpalten. Die Hauptſpalte iſt 400 m breit. Man hört noch unterirdiſches Geräuſch, es erfolgen große Erdrutſchungen, und Staubwolken erfüllen die Luft. In der Nacht vom 2. zum 3. September ſind im Departement Main e⸗et⸗Loire in der Nachbarſchaft von der Fabrikſtadt Cholet mehrere ziemlich heftige Erdſtöße, welche ſich bis Nantes und an die Küſte des Oceans er— ſtreckten, verſpürt worden. Nach einer Meldung aus New York ſind im ganzen Geiſergebiete des Nellowſtone Park heftige Ausbrüche erfolgt. Verſchiedene Geiſer, welche ſeit langer Zeit ge- ruht haben, ſind in wilder Thätigkeit. Der erſte ausführliche Bericht über die großen Erd⸗ beben, von welchen Japan in den Tagen vom 28. Juli bis 3. Auguſt heimgeſucht wurde, iſt jetzt angelangt. Der Gouverneur von Kumamotoken meldet, daß der Mittel⸗ punkt des Erdbebens der Berg Kinpo war, weſtlich von Kumonto, Hauptſtadt der Provinz Higo. Dieſer Berg ge— hört zu der Kette von Vulkanen, die in Verbindung ſteht mit dem Berg Aſo, dem berühmteſten Feuerberg Japans. Der Kinpo hat aber bisher noch nie geſpieen. Am Montag den 28. Juli war das Wetter angenehm kühl, aber bei der Abenddämmerung war der Himmel von blaßrötlichen Wolken verfinſtert und die Atmoſphäre wurde ſehr ſchwül. Ungefähr um zehn Minuten nach 11 Uhr nachts wurde ein donnerähnliches Geräuſch vernommen. Zu derſelben Zeit fing die Erde an, gewaltig zu beben. Da die Be⸗ Humboldt. — November 1889. wegung eine ungewohnte war, fo fingen manche der Be- wohner an, ſich anzukleiden, währenddem andere aus ihren Häuſern herauseilten. Viele von ihnen wurden von den ſtürzenden Bäumen und Mauern zermalmt. Nicht weniger als 53 verſchiedene Erdſtöße wurden verſpürt, zumeiſt in den Kreiſen Schaga Takanami, Mount Kinpo, Kami, Tunaki und Akita. Es hielt ſchwer, von den entfernteren Gegenden verläßliche Meldungen über die Anzahl der ver⸗ lorenen Menſchenleben und über den Wert des vernichteten Eigentums zu erhalten, aber es wird angenommen, dah wenigſtens 600 Menſchen getötet und 3000 Häuſer gänzlich oder halb zerſtört wurden. Nackte verhungerte Menſchen⸗ ſcharen lagern ſeitdem unter freiem Himmel; die Not iſt groß. — Weitere Erdſtöße wurden erwartet, und die Be— völkerung befand ſich im Zuſtande der höchſten Angſt. Aus einem Briefe einer Gräfin de la Vosze, den ein⸗ zuſehen mir vergönnt war, entlehne ich folgendes: Es war in der Nacht der großen Flut dieſes Jahres von Sables d'Olonne (am Atlantiſchen Ocean, Departement Vendée), als im Schloß de la Rabatelière bei St. Fulgent gegen 2 Uhr morgens ein ſchreckliches Geräuſch vernommen wurde, infolgedeſſen alles auffuhr. Die Mauern des Schloſſes ſchwankten hin und her, die Tafelgeſchirre fingen an zu tanzen. Man fürchtete, daß das Schloß zuſammenſtürzen würde. Als die Erſcheinung aufgehört, wiederholte ſie ſich eine Viertelſtunde danach. Am 4. Auguſt gegen 10 Uhr abends fand noch ein Erdſtoß ſtatt, der aber das Schloß nicht bewegte, wenigſtens hat man davon nichts bemerkt. Je mehr man ſich dem Meere näherte, um ſo ſtärker wurde er. 8 Et. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat September 1889. Der Monat September iſt charakteriſiert durch kühles, veränderliches Wetter bei meiſt ſchwacher Luft⸗ bewegung und ziemlich erheblichen Niederſchlägen. Hervorzuheben iſt ein Minimum, welches am 25. über Jütland lag und an der weſtdeutſchen Küſte teilweiſe heftige Stürme aus Süd⸗ und Nordweſt erzeugte. So fielen am 3. in Friedrichshafen 29, in Kaiſerslautern 41 mm, am 4. in Kaiſerslautern 20, in München 21 mm und am 5. in München 21 mm Regen. Am 5. war ein barometriſches Maximum über der Nordſee erſchienen, welches ſich raſch über Nordeuropa ausbreitete und ſich mehrere Tage daſelbſt erhielt. Hier⸗ durch wurden in Centraleuropa öſtliche Winde vorherrſchend, 10 20 30 N N mes eae LLES: =i 722 Zu Anfang des Monats war der Luftdruck über Weſteuropa ziemlich hoch und gleichmäßig verteilt und daher das Wetter ſtill, teils heiter, teils neblig, ohne nen⸗ nenswerte Niederſchläge. Nur im ſüdlichen Deutſchland, wo abweichend von den Wärmeverhältniſſen des Nordens warmes Wetter herrſchte, gingen, vielfach unter Begleitung von Gewittererſcheinungen, ſtarke Niederſchläge nieder. uate Oo Se 8 5 Td g 160 = K = = , Jun, v, ag 0 2 W 3 — welche allenthalben nur ſchwach auftraten und unter deren Einfluß teils heiteres teils nebliges Wetter herrſchte, ohne erhebliche Niederſchläge und bei etwas zu niedrigen Tem⸗ peraturen. Am 10. lag eine breite Zone hohen Luftdruckes über Mitteleuropa, charakteriſiert durch ruhiges, heiteres oder nebliges Wetter, wobei die Temperatur faſt allgemein die Humboldt. — November 1889. normalen Werte überſchritt. Indeſſen wurde dieſe Wetter- lage durch eine Depreſſion, welche am 12. an der oſt⸗ preußiſchen Küſte erſchien, gänzlich umgewandelt, in ganz Deutſchland trat wieder trübe Witterung ein, vielfach mit ſehr erheblichen Regenfällen: in 24 Stunden fielen in Königsberg 20, in Neufahrwaſſer 29 am Regen. Das barometriſche Maximum hatte ſich nach Weſt— europa zurückgezogen, während im Oſten ein umfangreiches Depreſſionsgebiet lagerte. Unter der Wechſelwirkung des hohen Luftdruckes im Weſten und des niedrigen im Oſten wehte über Centraleuropa meiſt ſehr lebhafte nördliche und nordweſtliche Luftſtrömung, unter deren Einfluß die Tem⸗ peratur überall raſch und erheblich herunterging. Be⸗ ſonders kalt war es während der Zeit vom 16. bis 20., wo die Temperatur in den ſüdlichen Gebietsteilen vielfach mehr als 10° C. unter den Durchſchnittswert herabging. Hervorzuheben ſind die erheblichen Schneefälle, welche in dieſen Tagen im Rieſengebirge, in den öſterreichiſchen Alpen ſowie in den bayeriſchen Alpen ſtattfanden. Am 17. und 18. geſtaltete ſich die Wetterlage wieder in der Weiſe um, wie ſie am 10. ungefähr geweſen war, allein die weitere Umgeſtaltung war eine ganz andere, als wie es in dem letzteren Falle geſchehen war. Tiefe De— preſſionen, welche ſich über Nordweſteuropa fortbewegten, breiteten ihren Wirkungskreis immer mehr ſüdwärts aus. Schon am 20. ſtand ganz Weſteuropa unter dem Einfluſſe einer umfangreichen Depreſſion, deren Kern an der nor— wegiſchen Küſte lag. Bis zum folgenden Tage ſchritt dieſer Kern ſüdoſtwärts nach dem ſüdöſtlichen Oſtſeegebiete fort, an der deutſchen Küſte ſtarke, ſtellenweiſe ſtürmiſche weſtliche und ſüdweſtliche Luftbewegung mit ſtarken Regen⸗ fällen verurſachend: zu Wilhelmshaven fielen 24, zu Rügen⸗ waldermünde 27 mm Regen. Vom 22. auf den 23. fan⸗ den im ſüdlichen Deutſchland ergiebige Regenfälle ſtatt (München 20, Friedrichshafen 23 mm). Intereſſant iſt die Entſtehung eines Minimums über der Nordſee und die Entwickelung desſelben zu einer ſehr intenſiven Depreſſion am 24. und 25., welchen Fall wir durch die beiden Wetterkärtchen vom 24. und 25. Sep⸗ tember zur Veranſchaulichung bringen. Am 24. liegt ein unbedeutendes Minimum über der öſtlichen Nordſee, es ſcheint ſich am Vorabend über der Nordſee gebildet zu haben. Auf der Wetterkarte vom 25. September erſcheint dasſelbe als außerordentlich tiefes und intenſives Mini⸗ mum, Wind und Wetter von ganz Weſteuropa beherrſchend. Insbeſondere an der deutſchen Nordſee ſtürmte es aus 447 Südweſt, dann drehte ſich dort der Wind nach Nordweſt, jetzt in heftigen Sturmböen wehend, welche an der Unter- elbe Sturmflut hervorriefen. Bemerkenswert find die aus- gedehnten und ſehr ergiebigen Regenfälle, welche auf den britiſchen Inſeln, im Nordſeegebiete und im nördlichen Deutſchland niedergingen: in 24 Stunden fielen am 24. in Yarmouth 37, Helder 26, Oxö 25, Helgoland 23, Sylt 24, am 25. in Ord 20, Skagen 30, Herndjand 36, am 27. in Rügenwaldermünde 45 mm Regen. In den folgenden Tagen wiederholten fic) dieſe ſtarken Niederſchläge auch im Binnenlande. An den letzten Tagen des Monats ſtand Central— europa unter dem Einfluſſe von Depreſſionen, deren Kern im Nord- oder Oſtſeegebiete lag; das Wetter war trübe, kühl und regneriſch. Ueber den Gang der Temperatur, ſowie über die Regenmengen und Regenhäufigkeit in Deutſchland während des Monats September gibt folgende Tabelle Aufſchluß: 1) Temperatur abweichungen vom Mittel ( C.). Zeit Swine⸗ Ham⸗ Saris: Mün- raum Memel münde durg Borkum Kaſſel Berlin Breslau ruhe chen. 1.—5. 70,5 —1,1 —2,3 —1,0 —1,1 —1,0 —2,3 0,7 +1,9 6.—10. —0,4 —0,1 —1,4 —0,4 1,7 —1,1 —0,8, —2}9) 153 11.—15. —6,1 —0,8 —1,7 —0,5 —1,4 —1,0 —0,2 +0,6 —1,0 16.—20. —5,9 —4,2 —4,2 21.—25. —1,7 —4,4 —4,6 —2,6 —6,5 —4,7 —2,9 —7,8 —6,4 —41 —2,7 —3,4 —3,0 —3,5 —3,7 26.—30. —0,7 —1,8 —1,3 —1,0 —1,0 —1,3 —0,7 —2,3 —1,8 Mitte! —24 —2,1 —1,6 —2,4 —2,1 —1,6 —2,5 —2,5 2) Niederſchlagsmengen, Monatsſummen (mm). Summe 92 51 90 117 51 35 91 44 137 bs +21 —9 +18 +38 +13 —4 +50 —20 +69 3) Anzahl der Niederſchlagstage. e , nae Am Schluſſe der erſten Dekade wütete an der atlan- tiſchen Küſte Nordamerikas ein lange anhaltender, orkan⸗ artiger Sturm, welcher insbeſondere an der Küſte von New Jerſey zahlreiche Schiffbrüche herbeiführte, wobei auch Menſchenleben zu beklagen find. In New York entſtand eine Sturmflut, wie fie in vielen Jahren nicht ſtattgefun⸗ den hat und welche viele Schäden verurſachte. Am Schluſſe des vorigen Monats wurden Nordchina und Japan von einer Reihe von Taifunen von faſt bei- ſpielloſer Gewalt heimgeſucht, wodurch Ueberſchwemmungen und zahlreiche Verluſte an Gut und Menſchenleben hervor⸗ gerufen wurden: 10000 Menſchenleben gingen zu Grunde, 20000 Menſchen wurden obdachlos, der Verluſt an zer— ſtörtem Eigentum war ein rieſiger. Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. Biographien und perſonalnotizen. Die Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin ver⸗ lieh 1500 M. dem Prof. Ludwig Brieger zur Fort⸗ ſetzung ſeiner langjährigen Studien über die Ptomaine; 1200 M. dem Botaniker Dr. Krabbe zur Unter⸗ ſuchung der Cladoniaceen im Harz, 600 M. dem Geo— graphen Dr. von Dankelmann zur rechneriſchen Verwertung der im Finſchhafen auf Neuguinea an⸗ geſtellten Gezeiten-Beobachtungen, und 400 M. dem Meteorologen Dr. Aßmann zu Lufttemperatur⸗ meſſungen auf dem Säntis; 2000 M. zur Drucklegung des Torpedineenwerkes von Prof. Guſtav Fritſch und 1000 M. zur Herausgabe von Dr. Heiders Schrift über die Entwickelung des Hydrophilus piceus. Außerdem erhielten Dr. Stuhlmann in Sanſibar 2000 M. zur Fortſetzung ſeiner fauniſtiſchen For— ſchungen in Oſtafrika, Prof. Lepſius in Darmſtadt 2500 M. zur Fertigſtellung ſeiner geologiſchen Karte von Attika, Prof. Conwentz in Danzig 1000 M. zur Unterſuchung verkieſelter Hölzer auf der Inſel Schonen, Dr. Fleiſchmann in Erlangen 1500 M. zu entwickelungsgeſchichtlichen Forſchungen, und Dr. Za⸗ charias in Hirſchberg in Schleſien zu mikrofauniſti— ſchen Studien. Prof. Dr. G. Schweinfurth wird den Winter in Kairo verleben, um ſpäter nach Dar-Fur, Kordofan und weiter ſüdlich zu gehen. Dr. Felix Auerbach, Privatdozent in Breslau, iſt als außerordentlicher Profeſſor der Phyſik nach Jena be— rufen worden. Dr. Hermann Dingler, Privatdozent in München, iſt zum Profeſſor der Botanik an der Forſtlehranſtalt Aſchaffenburg ernannt worden. Dr. L. Knorr, Privatdozent für Chemie in Würzburg, hat einen Ruf an die Univerſität Jena erhalten. Lorie, italieniſcher Naturforſcher, iſt in Neu-Guinea an⸗ gekommen, wo er mehrere Jahre zu bleiben gedenkt, um das Land wiſſenſchaftlich zu erforſchen. Griesbach von der Geological Survey of India, der kürzlich mit geologiſchen Arbeiten in Afghaniſtan be⸗ ſchäftigt geweſen ijt und auch Geolog der afghant- ſchen Grenzkommiſſion war, iſt nach Belutſchiſtan ge⸗ ſchickt worden, um daſelbſt geologiſche Unterſuchungen über die mineraliſchen Ablagerungen des Landes an— zuſtellen. A. A. Crozier hat ſeine Stellung als Botaniker der Jowa Agricultural Experiment Station aufgegeben. 448 Humboldt. — November 1889. Dr. H. Rusby wurde zum Profeſſor der Botanik und Materia Medica am New Pork College of Pharmacy ernannt. Totenliſte. Bennett, Frau Lydia S., von der Fisk Univerſity (Tenneſſee), durch ihre botaniſchen Forſchungen be⸗ kannt, ſtarb am 16. März. Bate, C. Spence, F. R. S., wohlbekannter Caxreinolog, ſtarb 29. Juli in Plymouth. Loomis, Elias, Profeſſor der Phyſik und Aſtronomie am Pale College in New Haven, Conn., hervorragen⸗ der Meteorolog, beſonders bekannt durch ſeine ume faſſenden Unterſuchungen auf dem Gebiet der ſynopti⸗ ſchen Meteorologie, ſtarb in New Haven 16. Auguſt, 78 Jahre alt. Cellerier, Profeſſor der analytiſchen Mechanik und Aſtro⸗ nomie in Genf, ſtarb daſelbſt im Alter von 71 Jahren. v. Tſchudi, Johann Jakob, bekannt durch ſeine Reiſen in Südamerika, ſtarb 7. Oktober im Alter von 71 Jahren auf ſeinem Gut Jacobshof in Niederöſterreich. Duflos, Adolf Ferdinand, bis 1866 Profeſſor der Chemie und Pharmacie in Breslau, geborner Franzoſe, ſtarb 9. Oktober im 87. Lebensjahr in Annaberg. Bibliographie. Bericht vom Monat September 1889. Allgemeines. Berge, F., Illuſtrierte Naturgeſchichte für die Jugend. Zur e rung u. für den erſten Unterricht. In 2. Aufl. bearb. v. K. G. Lutz. Stuttgart, Loewe. M. 3. 75. Ruß, K., Das heimiſche Naturleben im Kreislaufe des Jahres. Cin Jahrbuch der Natur. Berlin, Oppenheim. M. 10. Schönte, K. A., Kleine Schul⸗Naturgeſchichte. 12. Aufl. Gütersloh, Bertelsmann. M. 1. 40. Stinde, J., Aus der geheimen Werkſtatt der Natur. Feld u. Flur, Haushalt, e x. Leben. 2. Aufl. Dresden, Hönſch & Tiesler. M. 1. Straub, L. W., Der Naturſinn der 1 5 Griechen. M. 1. 60. Vogel, H. 5 Naturgeschichte Für mehrklaſſige Volks⸗ u. . 50. e 3. verb. Aufl. In 3 Stufen. Leipzig, Peter. M. 1. — Phyſik u. Chemie. Für 19 1 0 Volks⸗ u. Töchterſchulen. 2. verb. Aufl. Leipzig, Peter. M. 1. Streifzüge durch 3. Bdchn. Tübingen, Fues. ae Sint Age ett Beiträge, metronomiſche. No. 6. Inhalt: Kapillaritätsunterſuchungen u. ihre Verwertung bei der Beſtimmung der alkoholometriſchen Nor⸗ male von B. Weinſtein. Berlin, Springer. M. 2. Clauſius, R., Die mechaniſche Wärmetheorie, 2. Aufl. der „Abhand⸗ lungen über die mechaniſche Wärmetheorie“. 3. Bd. Entwickelung der beſonderen Vorſtellungen von der Natur der Wärme als eine Art der Bewegung. Herausg. v. M. Planck u. C. Pulfrich. 1. Liefg. Braunſchweig, Vieweg & Sohn. M. 1. 20. Eiben, C. E., Phyſikſtunden, angeſchloſſen an a Erſcheinungen des täglichen Lebens. Hannover, Meyer. M. 1. Fiſcher, H. L., Verſuch einer Theorie der Berühtungselettrizität Wies⸗ baden, Bergmann. M. 1. 60. Heuſſi, J., Lehrbuch der Phyſik 15 Gymnaſien, Realſchulen u. andere höhere i en alien. 5. Aufl. Neue Ausg. Braunſchweig, Salle. M. 4. 2 Mayer, R. v., aes die 50 der Energie. Preyer. Berlin, Paetel. M. Voigt, W., Elementare Miechanit als Einleitung in das Studium der theoretiſchen Phyſik. Leipzig, Veit & Co. M. 12. Chemie. 519 O., Ueber Dikarboxylglutarſäureeſter. Leipzig, Fock. M. — 80. Fogh, J Ueber die chemiſchen Vorgänge bei der Gretta von wäſſeri⸗ gen Chloridlöſungen. Jena, Dabis. M. —. Freſenius, C. R., Chemiſche Analyſe der Soolquele „Louiſe“ im „Bad Oranienplatz“ (Couiſenufer 22), Filiale vom Admiralsgarten⸗Bad zu Berlin, 805 Mitwirkung v. H. Freſenius. Wiesbaden, Kreidel. MW. Herausg. von W. Astronomie. Israel⸗Holtzwart, K., Elemente der theoretiſchen Aſtronomie für Stu⸗ dierende. Neue Ausg. Wiesbaden, Bergmann. M. 16. Plaßmann, Vademecum astronomi. Vollſtändige Sternkarte für das nördliche u. mittlere Europa. Paderborn, Schöningh. M. 3. Sternkarte, drehbare. Der Sternhimmel zu jeder Stunde des Jahres. Ausg. für Mitteleuropa. 7. Aufl. Frankfurt a. M., Klodt. M. 1. 25. Geographie und Ethnologie. 5 H., Geſchichte der wiſſenſchaftlichen Erdkunde der Griechen. Abt. Die Vorbereitungen für die Geographie der Erdkugel. Leipzig, Veit & Co. M. 4. Forſchungen zur deutſchen Landes⸗ u. Volkskunde, herausg. v. A. Kirch⸗ hoff. 4. Bd. 2. Heft. Inhalt: Der Rhein in den Niederlanden v. H. Blink. Stuttgart, Engelhorn. M. 4. 40. Wetzel, E., Kleines Lehrbuch der 590 Heh Geographie. 4. Aufl. Bielefeld, Velhagen & Klaſing. M. Aleteorologie. Bebber, W. J. van, Beitrag zur Kenntnis der täglichen Periode der Windgeſchwindigkeit an unſerer Küſte. Leipzig, Engelmann. M. —.50. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. Woh ame une; M ie, herausg. v. W. Dames u. E. Kayſer. Neue Folge, 1. Bd. 1. Heft. Inhalt: Die Cephalopoden führenden Kalke des unteren Carbon von Erdbach⸗Breitſcheid bei Herborn. Von E. Holzapfel. Jena, Fiſcher. M. 16. Bommeli, R., Die Geſchichte der Erde. M. —. 20 Hochſtetter, F. v., logie für die Apberen affen der Mittelſchulen. 8. Aufl. Hölder. M. 2. Miſchpeter, E., Beobachtungen der Station zur Meſſung der Tempe⸗ ratur der Erde in verſchiedenen Tiefen im Botaniſchen Garten zu 1. Heft. Stuttgart, Dietz. A. Biſching, Leitſaden der Mineralogie u. Geo⸗ Wien, Königsberg. Königsberg, Koch. M. —. 90. Pfeil, L., ai v., Ueber Erdbeben u. Seebeben. Leipzig, Mayer. M. —. 50. Sandberger, F. v., Ueber die Entwickelung der unteren Abteilung des devoniſchen Syſtems in Naſſau, verglichen mit jener in anderen Län⸗ dern. Nebſt einem paläontologiſchen Anhang. Wiesbaden, Berg⸗ mann. M. 5. Spezialkarte, geologiſche, des Königreichs Sachſen. Herausgegeben vom K. Finanzminiſterium. Bearb. unter der Leitung von H. Credner. Sekt. 17. Collmitz. Bearb. von K. Dalmer. Chromolith. qu. gr. Fol. Mit Erläuterungen. Leipzig, Engelmann. M. 3. — Dasſelbe. Sekt. 32. Hirſchſtein. Bearb von Th. Siegert. Cromolith. qu. gr. Fol. Mit Erläuterungen. Daſelbſt. M. 3 Zeiſe, O., Beitrag zur Kenntnis der Ausbreitung, joie beſonders der Bewegungsrichtungen des nordeuropäiſchen Inlandeiſes in diluvialer Zeit. Altona, Harder. M. 1. Botanik. Auguſtin, K. W., Bef emungetelent der 1 e u. Gat⸗ tungen. Hamburg, Epſtein & Engelke. M. 1. Burgerſtein, A., Leitfaden der Botanik für die Saree Klaſſen der Mittelſchulen. 2. verb. Aufl. Wien, Hölder. M. 2. 20. De-Toni, J. B., Sylloge algarum omnium hucusque cognitarum. Vol. I. Sectiones 1 et 2. Chlorophyceae. Berlin, Friedlander & Sohn. M. 73. 60. Dippel, V., Handbuch der Laubholzkunde. 1. Teil. Monocotyleae u. Sympetalae der Dicotyleae. Berlin, Parey. M. 15. Knuth, P., Grundzüge einer Entwiclelungsgeſchichte der Pflanzenwelt in 8 0 Holſtein. Gemeinfaßlich dargeſtellt. Kiel, Lipſtus & Tiſcher⸗ M. 9255 ewe der botaniſchen Kunſtausdrüche ite Gartner. Aufl., von W. Mönkemeyer. Berlin, Parey. M. Ken M., Ueber das Verhalten der Rinde nas Laubbäume während ber, Thätigkeit des Verdickungsringes. Leipzig, Engel⸗ mann. M. Publikationen 5 K. K. Gartenbau⸗Geſellſchaft in Steiermark zu Graz. I. Ein Schulgarten für größere Städte. Berlin, Parey. M. —. 60. Reling, Y., u. J. Bohnhorſt, Unſere Pflanzen nach ihren deutſchen Voltsſamen, ihrer Stellung in der Mythologie u. Volksglauben 2c. 2. Aufl. Gotha, Thienemann. M. 4. 60. Schillings, S., kleine Schul⸗Naturgeſchichte der drei Reiche. Neubearbei⸗ tung durch R. Waeber. Teil II. B. Das Pflanzenreich. 18. Bee arbeitung. Breslau, Hirt. M. 1. 25. Schubert, A. „Pflanzenkunde für höhere Mädchenſchulen der Lehrerinnen⸗ ſeminare. II. Teil. 3. u. 4. Kurſus. Berlin, Parey. M. 2. 50. Wünſche, O., Schulflora von Deutſchland. 1. Teil. Die niederen Pflan⸗ zen. Leipzig, Teubner. M. 4. Zoologie. Boecker⸗Wetzlar, W., Unſere beliebteſten einheimiſchen ee ihre Wartung und Pflege. 3. Aufl. Ilmenau, Schröter. . Fiſcher, E., 1 für Schmetterlingsſammler. 3. Aufl. eie Leiner. M. ‘ Kolbe, H. J., Einführung in die Kenntnis der 1 1 Mit vielen Holzschnitten. 1. Liefg. Berlin, Dümmler. M. Marfhall, W., Zoologiſche Vorträge. 3. u. 4. Heft. der Belen, Leipzig, Freeſe. M. 3. Pabſt, Die Groß⸗Schuppenflügler (Makrolepidopteren) der Um⸗ dae von Chemnitz und ihre eee 2. Teil. O. Noctuae. Chemnitz, Bülz. M. Reichenow, A., Bericht über die Leiſtungen in der Wat egen der Vögel während des Jahres 1886. Berlin, Nicolai. We. Simroth, H., Beiträge zur Kenntnis der Nacitſchnecken. 5 Engel mann. M. 7. Wichmann, J., Ueber das Verhalten des Trichocephalus dispar zur Darmſchleimh aut. Kiel, Lipſius & Tiſcher. M. —. 80. Leben u. Treiben Ueber Swangsdrehung. Von Dr. H. Ulebahn in Bremen. 0 u den intereſſanteſten und bis zu einem 0 N gewiſſen Grade einfachſt zu erklärenden gy. J Bildungsabweichungen der Pflanzen ge— “pbbören die ſogenannten Zwangsdrehungen. Um ſich das Weſen derſelben klar zu machen, führe man folgende einfache Konſtruktionen aus: Man reihe, wie Figur 1 zeigt, eine Anzahl Parallelogramme, ABCD, CDE F, EF G H 2c. von der Befchaffen- heit, daß die Diagonalen B C, D E 2c. zu den kür⸗ , e & Fig. 1. zeren Seiten ſenkrecht ſind, mit den längeren Seiten aneinander und teile die entſtandene Fläche durch die vier Parallelen zu den kurzen Seiten 8, J, 3, s in fünf gleichbreite Streifen. Rollt man nun die Fläche zu einem Cylinder und klebt mittelſt eines ſchmalen Randſtreifens die Kante A G auf die Kante B H, jo daß Punkt C auf B, E auf D, G auf F fällt ꝛc., fo kann dieſer Cylinder das Modell eines geraden fünf— kantigen Pflanzenſtengels darſtellen, an welchem die Blätter 1, 2, 3, 4 2. nach 2 Stellung in der durch die Zuſammenſetzung von A B, CD, EF 2c. ent⸗ ſtandenen Schraubenlinie ſtehen, während , 2, J. 3, = die fünf Kanten oder Riefen darſtellen. Wir wieder— Humboldt 1889 . holen nun genau dieſelbe Konſtruktion, jedoch mit dem Unterſchiede, daß wir die Parallelogrammſeiten A C, BD 2c. um ein erhebliches Stück, xC = By = 2 E, länger wählen (Fig. 2). Wir formen wiederum einen Cylinder, indem wir genau wie zuvor © auf B. E auf D, G auf F kleben. Jetzt zeigt das Modell einen weſentlich anderen Charakter. Die im Ver— gleich zu Modell 1 ſämtlich um das Stück xC ge- wachſenen Riefen haben ſich ſpiralig gekrümmt und zwar entgegengeſetzt der Blattſpirale, dieſe iſt ſteiler aufgerichtet und kann völlig zu einer Geraden geſtreckt fein, wenn das Stück X lang genug gewählt wird. Dieſer Fall tritt ein, wenn, wie eine einfache Ueber- legung zeigt, der Zuwachs xC fo groß wird, daß der IB OCX S A BX, oder, wie daraus folgt, xC = u, cot A Bx . ijt, wo u den Umfang und h die Höhe der Schrauben— windung bedeutet. — Durch verſchiedene Wahl der Strecke xO kann man alle Uebergänge vom völlig ge— raden Stengel bis zu dieſem höchſten Grade der Drehung erhalten. Bei noch weiterem Wachstum der Strecke AC wird nun der Stengel nur noch an Dicke zu— nehmen, wobei die Richtung der Riefenſpirale zur Blattreihe ſich immermehr der ſenkrechten nähert. Noch anſchaulicher werden die Modelle, wenn man das (nicht zu feine) Papier ſo ausſchneidet, daß nur die Linien A B, C D ꝛc. und die Riefen 4, 8, x, 8, ¢ als ſchmale Streifen, ein Netz bildend, übrig bleiben. Die durch Modell Nr. 2 dargeſtellte Veränderung wird als Zwangsdrehung bezeichnet; ſie wird an einem Stengel mit ſpiraliger Blattſtellung eintreten, wenn die Internodien ſich ſtrecken, die benachbarten Blätter aber durch irgend eine Kraft, z. B. durch Verwachſenſein am Grunde, an der Entfernung von— einander gehindert werden, oder wenn wenigſtens dieſe Entfernung mit dem Wachstum der Riefen nicht gleichen Schritt hält. 57 450 Auffälligerweiſe tritt die beſprochene Bildungs⸗ abweichung beſonders häufig an Pflanzen mit dekuſ⸗ ſierter Blattſtellung auf, z. B. bei Galium, Vale- riana, Dipsacus. Trotzdem zeigen die gedrehten Stengel dieſer Pflanzen genau die in den Modellen zur Anſchauung gebrachten Erſcheinungen, d. h. die Blätter, ſowie die gewöhnlich normal entwickelten Achſelſproſſe derſelben ſtehen in einer einzigen Reihe am Stengel, die entweder, bei verhältnismäßig ſchwach gedrehtem Stengel, noch ſpiralig verläuft, oder, bei ſtärkerer Drehung, geſtreckt wird, wobei dann der Stengel, wenn die Verlängerung der Internodien noch weiter geht (ſiehe oben), gewaltig anſchwellen kann, fo daß er eine birn⸗, rüben- oder tonnenför⸗ mige Geſtalt erhält. Die Gefäßbündel im Innern und die Riefen außen am Stengel verlaufen ſpiralig, der Blattſpirale entgegengeſetzt. Die vom 1. Blatt ausgehende Riefe trifft die Blattſpirale zwiſchen Blatt 3 und 4 wieder, und wenn wir ſie weiter verfolgen, erreicht ſie mit einer abermaligen Drehung Blatt 6. Dabei zeigen ſich die Blattbaſen am Grunde meiſt verwachſen; bei dem genauer unterſuchten Galium war eine Geſäßbündelverbindung von jedem Blatte zum folgenden nachzuweiſen, die übrigens nichts weiter iſt, als eine Konſequenz des Verhaltens im normalen Stengelknoten ). Es erſcheint ziemlich unmöglich, dieſe Bildungs⸗ abweichung in einfacher mechaniſcher Weiſe aus der dekuſſierten Blattſtellung abzuleiten, und fo hatte denn ſchon Alexander Braun) die Vermutung aus⸗ geſprochen, daß zunächſt ein Uebergang der Blatt⸗ ſtellung in die ſpiralige ſtattfinden müſſe, worauf dann durch die Verwachſung der Blattbaſen und die Streckung der Internodien die Drehung erfolge. Wahrſcheinlich weil der geforderte Uebergang in die ſpiralige Blattſtellung nicht recht glaublich ſchien, haben verſchiedene Forſcher (Suringar, Magnus) andere Erklärungsverſuche aufgeſtellt, die aber jedenfalls mechaniſch weniger befriedigen. Verfaſſer betrachtete es daher als einen günſtigen Zufall, daß er in der Lage war, an einer vorzüglich ausgebildeten Zwangs⸗ drehung bei Galium den Vegetationspunkt unter- fucjen***) und feſtſtellen zu können, daß derſelbe in der That von einem normalen erheblich abwich, in— dem die Blätter nach der 2, Stellung angelegt wurden, und daß in unmittelbarer Nähe des Vegeta- tionspunktes der Stengel fünfkantig war und die ſeitlichen Glieder in der von der Theorie verlangten Spirale mit j Divergenz trug. Es war damit, wenigſtens für dieſen einen Fall, die Richtigkeit der Braunſchen Hypotheſe bewieſen. ) Abbildungen beſonders intereſſanter Fälle ſiehe Miscellanea curiosa 1683, S. 68, Fig. 14. — Masters, Vegetable Teratology, S. 323. — Nederl. kruidkundig archief 1874. — Berichte der Deutſch. Botan. Geſellſchaft 1888, Tf. XVIII. 1889, Tf. XI. — Flora 1858, Tf. II. 1860, Tf. VII ꝛc. ) Botan. Ztg. 1873, S. 31. e) Ber. d. Deutſch. Botan. Geſ. 1888, S. 346. Humboldt. — Dezember 1889. Der vorliegende Aufſatz befand ſich bereits einige Zeit in Händen der Redaktion, als eine Arbeit von H. de Vries?) erſchien, die eine jo weſentliche Förderung der Zwangsdrehungsfrage enthält, daß ſie hier nicht unerwähnt bleiben darf. Dieſem Forſcher iſt es näm⸗ lich gelungen, die Erblichkeit der Erſcheinung nachzu— weiſen und durch Zuchtwahl nach zwei Generationen eine Raſſe zu erzielen, die 4% gedrehte Exemplare enthielt (an Dipsacus silvester). Unter den 1643 Nach⸗ kommen zweier gedrehten Exemplare von 1885 waren 1887 wieder 2, und unter den 1616 Nachkommen des einen von dieſen beiden 1889 bereits 67 gedrehte Individuen, und zwar traten Rechts- und Links⸗ drehungen darunter in ungefähr gleicher Anzahl auf. Damit war ein reiches Unterſuchungsmaterial gegeben, und obgleich die Beobachtungen von de Vries noch nicht abgeſchloſſen ſind, war es ihm doch ſchon mög⸗ lich, die Richtigkeit der Braunſchen Erklärung, ſowohl was die Blattſtellung als die Verwachſung der Blatt- baſen betrifft, nachzuweiſen, ſowie außerdem eine An⸗ zahl intereſſanter Nebenerſcheinungen zu beobachten, die teils an den gedrehten Individuen (Erben), teils an den wenigſtens im Hauptſtamm nicht gedrehten (Ataviſten) auftraten. Solche ſind Spaltung der Blätter in den verſchiedenſten Graden, Auftreten über⸗ zähliger Blättchen, Verwachſung der Blattpaare zu Bechern, Vorkommen dreizähliger Wirtel. Von be⸗ ſonderem Intereſſe iſt der Umſtand, daß es gelang, durch Operation, und zwar durch Durchſchneiden der Blattverwachſungen, wenn ſie früh genug erfolgte, das Eintreten der Drehung zu verhindern. Zu wünſchen wäre es, daß nunmehr auch über andere Fälle, zumal an Pflanzen mit anderer als dekuſſierter Blattſtellung (3. B. Equisetum), Unter⸗ ſuchungen ausgeführt werden könnten; es iſt leicht einzuſehen, daß die Braunſche Erklärung nur eine ſpiralige Anordnung der Blätter, nicht aber unbedingt die ½ Stellung vorausſetzt. Bei künftigen verein⸗ zelten Funden empfiehlt es ſich, falls es nicht möglich iſt, Samen zu erziehen, mindeſtens den Vegetations⸗ punkt und einen Teil des gedrehten Stengels in Spiritus zu konſervieren, damit dieſe Teile der ana⸗ tomiſchen Unterſuchung zugänglich bleiben. Worin die letzte Urſache der Erſcheinung zu ſuchen iſt, bleibt allerdings trotz aller Erklärung zunächſt eine offene Frage. Die Zwangsdrehung reiht ſich nach dem Voraufgehenden offenbar den auch in den Blütenkreiſen vielfach beobachteten Veränderungen der Zahl und Stellung der Glieder an. Daß bei ſolchen Veränderungen grobe mechaniſche Einflüſſe in Betracht kommen, iſt wohl kaum anzunehmen. Sicher ſind es innere Zuſtände, welche jie hervorrufen, wie die Grb- lichkeit beweiſt. Da aber eine Vermehrung der Zahl der Blätter die Grundbedingung iſt und dieſe die Blattſtellung bedingt, ſo wäre es immerhin möglich, daß Ernährungsverhältniſſe in Betracht kämen. Da⸗ mit betreten wir aber ein Gebiet, welches ſich der Forſchung bislang faſt ganz entzogen hat. ) Ber, d. D. Bot. Geſ. 1889, S. 291. Humboldt. — Dezember 1889. 451 Ueber die Beſtrebungen zur Pebung der deutſchen Fiſcherei. Dr. Arthur Seligo in Heiligenbrunn. or kurzer Zeit wurde im „Humboldt“ darauf hingewieſen, daß die biologiſche Forſchung der Zoologie ein noch wenig bebautes, aber in vielen Richtungen ſehr dankbares Feld biete. Dies gilt nicht nur bezüglich theoretiſcher Erkenntniſſe, ſondern ganz beſonders auch für die Aufgaben, welche die Praxis, namentlich die Tierzucht, der Wiſſenſchaft ſtellt. Die Normen für die Zucht der Haustiere haben ſich allerdings großenteils aus der Praxis ſelbſt ergeben, weil die Haustiere ſeit alter Zeit den menſch— lichen Verhältniſſen angepaßt ſind durch eine Zucht— wahl, welche mehr auf die Bequemlichkeit der Züchter als auf die Bedürfniſſe der Zuchttiere Rückſicht nahm. Die züchtende Einwirkung auf die in Freiheit leben— den Tiere kann offenbar nur unter Berückſichtigung aller Lebensbedingungen dieſer Tiere erfolgen. Wäh— rend nun die auf dem feſten Lande freilebenden Nutz— tiere, die Jagdtiere, in unſerer Gegend kaum noch eine erhebliche volkswirtſchaftliche Bedeutung haben, vielmehr ſich dem Nahrungsproduzenten oft nur unlieb— ſam bemerkbar machen, bringt die Pflege der Nutztiere des Waſſers, die Fiſchzucht, erhebliche Nahrungsmengen hervor ohne jede Schädigung der Nahrungsproduktion des feſten Landes. Die Erforſchung der Lebensbe— dingungen der Waſſertiere und beſonders der Fiſche iſt deshalb auch von großer praktiſcher Bedeutung und deshalb auch Gegenſtand der Bemühungen der praktiſchen Fiſchzüchter. Die Beſtrebungen, welche ſeit etwa 30 Jahren auf die Hebung der Fiſchzucht gerichtet ſind, dürften daher in einigen Beziehungen auch von allgemein naturwiſſenſchaftlichem Intereſſe ſein. Einige Reſultate dieſer Beſtrebungen und die Wege, auf denen man zu denſelben gekommen iſt, ſollen Gegenſtand dieſes Berichtes ſein. Die Meeresfiſcherei und die Binnenfiſcherei unter— ſcheiden ſich ebenſoſehr bezüglich der Gegenſtände und der Art der Ausübung des Fanges, als in volks— wirtſchaftlicher Hinſicht. Unzweifelhaft ijt die Meeres— fiſcherei ſowohl abſolut, bezüglich der Menge des Fanges, als auch relativ, bezüglich der Leichtigkeit, mit der dieſe Fangmenge erworben wird, bedeutend produktiver und deshalb für das Volksvermögen wich— tiger als die Binnenfiſcherei, welche eine im ganzen ge— ringere Menge von Fiſchen darbietet. Bei der Binnen— fiſcherei iſt deshalb mehr der einzelne Beſitzer der durch Fiſcherei zu nutzenden Waſſerfläche, bei der Meeresfiſcherei mehr der Staat intereſſiert. In Be- rückſichtigung dieſes Intereſſes wurde ſeitens des preußiſchen Landwirtſchaftsminiſteriums 1870 eine Kommiſſion eingeſetzt, welche die Mittel zur Pflege der Meeresfiſcherei anzugeben hat und zu dieſem Be— hufe die deutſchen Meere einer gründlichen wiſſen— ſchaftlichen Unterſuchung und dauernder Beobachtung unterzieht, namentlich bezüglich der phyſikaliſchen Ver— . hältniſſe dieſer Meere und der Lebenserſcheinungen in ihnen. Die Arbeiten erſtreckten fic) bis jetzt in der Hauptſache auf die weſtliche Oſtſee, an welcher der Sitz der Kommiſſion, Kiel, gelegen iſt. Eine An— zahl von Beobachtungen wurde auch in einigen Küſten— orten der Nordſee und der ſüdöſtlichen Oſtſee an— geſtellt. In den Stationen werden täglich notiert: die Waſſerwärme an der Oberfläche und in einiger Tiefe, das ſpecifiſche Gewicht des Waſſers (das mit dem Salzgehalt wechſelt), der Pegelſtand, die Be— wölkung des Himmels, die Richtung und Stärke des Windes, die Richtung der Küſtenſtrömung; außerdem an einer Anzahl von Stationen die Zahl der jeweils fiſchenden Boote und Netze und das Reſultat des Fanges. Auf mehreren Orientierungsfahrten durch die Nordſee und den ſüdlichen Teil der Oſtſee wurden die Arten der in dieſen Meeren vorkommenden Tiere und Pflanzen und ihre Verbreitung feſtgeſtellt ſowie Beobachtungen bezüglich der phyſikaliſch-chemiſchen Verhältniſſe der Meere angeſtellt, welche die Reſultate der Beobachtungen der Küſtenſtationen ergänzten. Außer den allgemeinen, grundlegenden Unter— ſuchungen, — deren zoologiſchen Teil Möbius führte, während meiſt Mognus die botaniſchen, Kerſten die phyſikaliſch-klimatologiſchen Unterſuchungen übernahm, wurde von der Kommiſſion bezw. mit ihrer Beihilfe eine Anzahl ſpecieller Forſchungen unternommen, welche mit ſeltener Genauigkeit und Umſicht durch— geführt ſind. Außer mehreren gründlichen Arbeiten über die lokale Fauna einzelner Meeresteile, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, ſind es namentlich die Unterſuchungen über die Lebensver— hältniſſe der wichtigſten unſerer Seefiſche, des Herings, und die Forſchungen Henſens über die Menge der von dem Meere produzierten Nahrung, welche hier intereſſieren. Die Unterſuchungen über den Hering können nur kurz erwähnt werden. Kupffer beobachtete mit Henſen die Laichablage und unterſuchte mit Be— necke die Eientwickelung. Die Kiemenbögen der Larven ſind (wie z. B. auch die der Coregonenlarven) kiemen— blattlos; Kupffer vermutet, daß der flimmernde Darm die Atmung vermittle. Das Blutſerum der Larven iſt farblos und enthält gar keine Zellen. Meyer ſtellte über die Laichzeit und das Wachstum der Heringe Beobachtungen an. Die Nahrung des Herings unter— ſuchte Möbius, welcher fand, daß dieſelbe zum aller— größten Teil aus dem Copepoden Temora longi- remis beſteht. Eine ſehr eingehende, auf zahlreiche genaue Meſſungen geſtützte Unterſuchung der Varie— täten des Herings unternahm Heincke. Nach ihm kommt der Hering an der deutſchen Küſte in 3 Varie— täten vor, die ſich nach Körperform, Lebensweiſe und Aufenthaltsort weſentlich voneinander unterſcheiden. Mit Hilfe der Unterſcheidungsmethode beabſichtigt 452 Heine jetzt den Wanderungen des Herings nachzu⸗ ſpüren, zu welchem Zweck eine neue Unterſuchungs⸗ fahrt in die nördlichen Breiten unternommen werden ſoll. Gegenſtand der Unterſuchungen Henſens iſt, wie geſagt, die Nahrungsproduktion des Meeres. Die praktiſch wichtige Frage, ob das Meer für den Men⸗ ſchen unerſchöpflich fei, jest eine Methode voraus, den Nahrungsreichtum des Meeres überhaupt zu meſſen. Dieſe Methode zu ſuchen unternahm Henſen. Auf Grund eingehender ſtatiſtiſcher Aufnahmen wurde die Größe der an der deutſchen Küſte befiſchten Meeres⸗ fläche ſowie die Zahl der dort fiſchenden Fiſcher und Boote feſtgeſtellt. An einzelnen Stellen der Küſte wurde ferner eine genaue zuverläſſige Fangſtatiſtik geführt, ſo daß mit ziemlicher Sicherheit angegeben werden kann, welche Mengen der einzelnen Fiſcharten dort jährlich im Durchſchnitt gefangen werden. Dieſer ermittelte durchſchnittliche Jahresfang gibt an, wie groß der jährliche Zuwachs an Fiſchen mindeſtens ſein muß. Es ſtellte ſich (1877) heraus, daß z. B. die Meeresgegend, welche von Eckernförde aus be⸗ fiſcht wird, jährlich 15,7 kg Fiſch pro ha liefert, während die Helaer Gegend jährlich 31,6 kg pro ha an Fang ergibt. Vergleicht man dieſe Fangmengen mit der Produktion großer Karpfenteiche, die pro ha 76,5 kg Fleiſch, und mit der des kultivierten Landes, die pro ha im Durchſchnitt 83,5 kg Fleiſch betragen ſoll, ſo ergibt ſich, daß auf gleichen Flächen das Meer ½ — Jo von dem an den Menſchen liefert, was das kultivierte Land und der Teich demſelben bringt. Doch können dieſe Zahlen nur beſagen, wie groß der jähr⸗ liche Zuwachs mindeſtens iſt. — Die Eier einiger der verbreitetſten und wichtigſten Meerfiſche, z. B. die der Flunderarten, des Dorſch und, wie Henſen gelegentlich fand, auch die der Sprotte, ſchwimmen nach ihrer Ablage im Meerwaſſer und verteilen ſich in kurzer Zeit, wie Beobachtungen und Verſuche be⸗ wieſen haben, ziemlich gleichmäßig durch die ganze Waſſerfläche. Es iſt genau feſtgeſtellt, wie viel von zweien dieſer Fiſcharten, dem Butt und dem Dorſch, auf dem Eckernförder Fiſchgebiet jährlich gefangen werden. Es iſt ferner ermittelt, eine wie große Zahl von Eiern jeder dieſer Fiſche jährlich im Durchſchnitt ablegt. Verteilt ſich die Zahl der Eier, welche der Zahl der jährlich gefangenen Fiſche entſpricht, gleich⸗ mäſſig im Waſſer, ſo müßten auf jedem Quadrat⸗ meter Waſſerfläche 17 Butteier und 6,6 Dorſcheier ſchwimmen. Henſen konſtruierte nun Netze, mit welchen er beſtimmbare Flächen des Meeres am Grunde und an der Oberfläche, ſowie Vertikalnetze, mit welchen er eine Waſſerſäule von beſtimmbarer Höhe und be⸗ kannter Grundfläche durchfiſchen konnte. Zahlreiche erſt ſpäter abgeſchloſſene Unterſuchungen mit dieſen Netzen ergaben, daß auf den Quadratmeter Meeres⸗ fläche etwa 84 Butteier und 26,6 Dorſcheier kommen. Da dieſe Zahlen bedeutend höher ſind als die aus dem Jahresfang berechneten, ſo ſchließt Henſen, daß die Zahl der vorhandenen Fiſche um ein entſprechendes die Zahl der gefangenen Fiſche überragt, und zwar, daß 2— Amal fo viel Fiſche im Eckernförder Fiſch⸗ Humboldt. — Dezember 1889. gebiet vorhanden ſind, als gefangen werden. — Die Ausbildung der Methode, aus der Zählung und Be— ſtimmung der an einzelnen Stellen gefundenen Fiſch⸗ eier auf die Menge der im ganzen vorhandenen zu ſchließen, gab Anlaß zu der viel größer angelegten und von Henſen mit kaum glaublicher Ausdauer und Arbeitskraft weitergeführten Unterſuchung über die Menge und Zuſammenſetzung des Plankton, über welche Henſen ſelbſt im „Humboldt“ ) berichtet hat und welche, wie Henſen gleichfalls in dieſer Zeitſchrift? “) mitgeteilt hat, neuerdings aus dem engen Gebiete der Oſt⸗ und Nordſee auf das große des Oceans über⸗ tragen iſt. Die Kieler Miniſterialkommiſſion iſt die einzige vom Staate unterhaltene Inſtitution in Deutſchland, welche den Zweck hat, auf die Meeresfiſcherei fördernd einzuwirken. Im übrigen iſt die Hebung der Meeres⸗ fiſcherei ebenſo wie die der Binnenfiſcherei auf die Pri⸗ vatthätigkeit, namentlich die der Fiſchereivereine, angewieſen. Der älteſte und ohne Zweifel verdienteſte unter dieſen Vereinen iſt der 1870 gegründete Deutſche Fiſchereiverein, in welchem ſich vor einiger Zeit auch eine Sektion zur beſonderen Pflege der Meeresfiſcherei gebildet hat. Das Wirken der Vereine, ſoweit es hier in Betracht kommen kann, beſteht im weſentlichen in der Fürſorge für die Vermehrung der vorhandenen Nutzfiſche und in der Einführung von Fiſchen in geeignete Gewäſſer, in welchen ſie bis dahin nicht vorkamen. Dieſe fördernde Einwirkung auf den Fiſch⸗ beſtand kann naturgemäß nur in den Binnengewäſſern erfolgen. Die Verſuche, ſie auch auf das Meer aus⸗ zudehnen, ſollen ſpäter erwähnt werden. Unter den Binnengewäſſern ſind die fließenden in der Abſicht, die Kraft ihrer Strömung auszunützen, vielfach künſtlich verändert, ſo daß in ihnen die ur⸗ ſprünglichen, von der Natur gebildeten Verhältniſſe meiſt nicht mehr beſtehen und namentlich der Fiſch⸗ beſtand ſehr zurückgegangen, ſtellenweiſe ohne künſt⸗ liche Hilfe gar nicht mehr zu erhalten iſt. Die Ströme, welche früher als die Hauptſtätten des Fiſchfanges angeſehen wurden, haben einen möglichſt geraden Lauf mit unveränderlichen Uferkonturen bekommen, die Alt⸗ wäſſer und die von der Strömung nicht getroffenen Buchten ſind unter dem Einfluß der Stromregulie⸗ rungen im Verſchwinden begriffen. Der Sand des Ufers und des Grundes iſt in ſteter Bewegung be— griffen und geſtattet nirgends die Anſiedlung von Pflanzen. Die Laichplätze, die Plätze für die Winter⸗ ruhe ſind damit vernichtet oder den Fiſchen abge— ſchnitten. Laichen die Fiſche nun am Ufer auf Kies oder den Faſchinen der Buhnen, ſo wird der Laich durch die fegenden Wellen, welche von den Dampf— böten erzeugt werden, an das trockene Ufer geworfen und kommt um. Deshalb iſt der Beſtand der Ströme an Standfiſchen meiſt auf ein Minimum zurückge⸗ gangen, und der Stromfiſcher iſt in ſeinem Erwerb faſt ganz auf die allerdings ſehr wertvollen Wander— ) Jahrg. 1888, S. 256. ) Jahrg. 1889, S. 121 u. 275. | ; Humboldt. — Dezember 1889. fiſche, Lachs, Aal, Stör, Neunauge, welche auf ihrem Wege zu den Laichſtellen, ſei es aus dem Meere oder zum Meere, den Strom paſſieren, angewieſen. Von dieſen benutzt den Strom am anſpruchsloſeſten der Stör, der pflanzenreiche Stellen, gleichviel ob im Strome oder in ſeinen Nebengewäſſern, aufſucht, um an ihnen ſeinen Laich abzulegen. Auch das Neun— auge, das auf überſtrömtem Kies laicht, findet noch an manchen Stellen die Bedingungen für ſeine Laich— ablage erfüllt. Schwerer haben es die andern Wan⸗ derer. Die (in den Binnengewäſſern allein vorkommende) Aalweibchen ziehen bekanntlich im Sommer aus ihren Nährſtätten, den Seen und Flüſſen, ſtromabwärts zum Meere, wo ſie die Männchen treffen, mit denen ſie gemeinſam längs der Küſte dem ſalzigeren Waſſer (aus der Oſtſee wahrſcheinlich in die Nordſee) zuziehen, um dort zu laichen. Im erſten Frühjahr kommen große, dichtgedrängte Scharen kleiner Aale aus der Tiefe des Meeres, ziehen an den Küſten entlang in die Ströme und in dieſen aufwärts, verteilen ſich aus den Strömen in die Nebenflüſſe und aus dieſen in die zufließenden Bäche. Die Stauwerke der Waſſer⸗ mühlen und Rieſeleien ſtellen ihnen aber ſchwer oder gar nicht überwindbare Hinderniſſe bei ihrer Berg— wanderung entgegen. Dieſe hilft man ihnen be— ſiegen, indem man in mit Kies gefüllten Rinnen, durch welche eine geringe Menge Waſſer herabrieſelt, eine für die Aalbrut genügende Verbindung des Un— terwaſſers mit dem Oberwaſſer herſtellt, in welchen die ſchlanken Aelchen ohne große Schwierigkeit ſtrom— aufwärts gelangen. Am ſchwierigſten iſt es, den Lachſen ihre natür— liche Fortpflanzung wieder möglich zu machen. Zwar hat man, um auch ihnen die durch Stauwerke ge— ſperrten Waſſerläufe wieder gangbar zu machen, viel- fach die Stauwerke mit Fiſchleitern verſehen, die in der Hauptſache aus einer Reihe terraſſenförmig über— einander liegender, miteinander verbundener Baſſins beſtehen, in denen das Oberwaſſer allmählich zum Unterwaſſer hinabfällt und in denen der Lachs wie auf den Sproſſen einer Leiter aus dem Unterwaſſer in das Oberwaſſer gelangt. Allein dieſe Einrichtung iſt teuer und wird von dem Staubeſitzer meiſt nicht gern geſehen, weil ſie verhältnismäßig viel Waſſer ſeinem Betriebe entzieht. Auch iſt es ſchwierig und meiſt nicht ohne teure Verſuche und Umbauten zu erzielen, daß die Leiter wirklich zweckentſprechend an— gelegt wird. Kommen die Lachſe aber auch mit oder ohne das genannte Hilfsmittel in ihre Laichgewäſſer, die flachen ſtarkſtrömenden Flüſſe der Höhegegenden, ſo werden die großen Fiſche dort mit Leichtigkeit von Befugten oder Unbefugten fortgefangen. Und ſelbſt wenn ſie wirklich zum Laichen gelangen, ſo ſind ihre großen, roten Eier, welche nicht, wie die der Sommerlaicher, nur eine bis zwei Wochen, ſondern vom Oktober bis in den März unausgebrütet im Waſſer bleiben, der Vernichtung durch zahlreiche tieriſche Feinde, durch Waſſerſchimmel, durch die Abwäſſer der Fabriken ohne Schutz ausgeſetzt. 453 Hier wird nun Aushilfe geſchafft durch Anwen— dung des hauptſächlichen Hilfsmittels der modernen Fiſchzucht, der ſogenannten künſtlichen Fiſchzucht, durch welche nicht nur die Vermehrung des Lachſes in den deutſchen Strömen und Meeren, ſondern auch die vieler anderer Fiſche in fließenden und ſtehenden Gewäſſern, ſowie die Uebertragung von Fiſcharten in neue, von ihnen noch nicht bewohnte Gewäſſer in zahlreichen Fällen erzielt iſt. Bei der Wichtigkeit der künſtlichen Fiſchzucht auch für biologiſche Zwecke wird auf die Entwicke— lung und das Weſen derſelben etwas näher einge— gangen werden müſſen. Unter „künſtlicher Fiſchzucht“ verſteht man zu— nächſt die Befruchtung und Erbrütung von Fiſch— eiern, unter Zuthun des Menſchen. Ein Detmolder Landwirt, Jakobi, erfand dieſe Methode in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, doch wurde ſie damals wenig ausgeübt und geriet in Vergeſſenheit. In Norwegen, Rußland, namentlich aber in Frankreich, wurden ſpäter ähnliche Verfahren entdeckt. Profeſſor Coſte in Paris intereſſierte ſich dafür, und auf ſeine Veranlaſſung wurde 1852 von der franzöſiſchen Re— gierung die Brutanſtalt in Hüningen bei St. Ludwig im Elſaß gegründet, welche 1871 vom Deutſchen Reich übernommen und auf deſſen Rechnung von Direktor Haack fortgeführt wird. Von Deuiſchen wurde zuerſt in München eine Anſtalt für künſtliche Fiſcherbrütung angelegt. Seitdem iſt die Methode beſonders in Amerika, in neuerer Zeit auch in Deutſch— land weitergebildet worden. Zur künſtlichen Befruchtung werden die Eier des reifen Weibchens, welche loſe im Ovar (bei den Salmoniden in der Bauchhöhle) liegen, durch ein ge— lindes Streichen des Bauches herausgedrückt und in einer Schale aufgefangen, eine kleine Menge Samen, welcher in gleicher Weiſe aus den Hoden eines Männ— chen herausgeſtrichen iſt, wird auf die Eier gebracht und durch vorſichtiges Umrühren zwiſchen die Eier verteilt, Waſſer hinzugegoſſen und dann die Schale mit ihrem Inhalt für kurze Zeit ſich ſelbſt überlaſſen. Die Spermatozoen fangen ihre Schwärm- und Bohr— bewegungen an, ſobald ſie mit dem Waſſer in Be— rührung kommen. Die Eier vieler Fiſche ſchwellen durch Waſſeraufnahme auf und ſaugen dabei gewiſſer— maßen die Samenfäden in ſich ein. Auf dieſe Weiſe werden alle reifen Eier in der Schale befruchtet (während bei der Laichablage in der freien Natur eine große Menge der abgeſetzten Eier unbefruchtet bleibt) und ſind nun entwickelungsfähig. Sie können jetzt, wie die im Freien abgelegten Eier, ſofort in die freien Gewäſſer gebracht und dort an geeigneten Stellen, d. h. an Stellen, an welchen die Fiſche ihrer Art laichen würden, ausgeſetzt werden. Allein der Fiſchlaich iſt im Freien unzähligen Gefahren ausge— ſetzt. Faſt alle Waſſertiere, welche ihn bewältigen können, ſtellen ihm nach, ungünſtige Witterung tötet ihn, Wellenſchlag wirft ihn auf das Land. Deshalb iſt es beſſer, ihn ſolange als möglich unter Obhut zu behalten, ihn künſtlich zu erbrüten. Man bringt 454 ihn in Brutapparate. Die Brutapparate find faſt durchgehends ſo eingerichtet, daß in ihnen die Eier von fließendem, klarem, reinem, aber ſauerſtoffreichem und gleichmäßig kühlem Waſſer beſpült werden. In Jakobis Brutkiſte lagen ſie auf Kies, die Kiſte hatte auf den Schmalſeiten Gitter und war ſo in einen Bach geſtellt, daß das Waſſer durch die Gitter über die Eier floß. Coſte legte die Eier auf einen Glas⸗ roſt, der in einem Gefäß ſtand. Solche Gefäße ſtellte er ſtaffelförmig übereinander, fo daß das Waſſer, das in den höchſtſtehenden geleitet war, in den nächſt tieferen floß u. ſ. w. Später wandte man Siebe aus Metall oder Thon an. Die Amerikaner ſcheinen zuerſt Drahtgeflecht zur Aufnahme der Eier ange⸗ wandt zu haben. Dies iſt jetzt die übliche Unter⸗ lage. Man läßt das Waſſer entweder ſeitlich an den Eiern vorbeifließen, oder man richtet die Ap⸗ parate ſo ein, daß das Waſſer von unten her durch die Unterlage und dann durch die Eierſchichten ſtrömt, wodurch das Waſſer am beſten ausgenützt wird. In anderen Apparaten werden die Eier nicht ruhend, ſondern ſchwebend ausgebrütet, indem in das kelch⸗ förmige oder cylinderförmige Brutgefäß ein kräftiger Waſſerſtrahl von unten her eingeleitet wird, welcher die Eier in die Höhe trägt; nach oben hin verteilt ſich der Waſſerſtrom und verliert an Kraft, die Eier geraten in das ruhigere Waſſer an den Gefäßwänden, ſinken hier durch ihre Eigenſchwere hinab und werden von dem Waſſerſtrom unten ſofort in erneutem Spiel in die Höhe getrieben. Dieſe Apparate ſind beſonders für kleinere Eier, wie die der Hechte und Coregonen geeignet. Sie haben unter anderem den beſonderen Vorteil, daß die abgeſtorbenen Eier, welche etwas leichter werden als die lebenden, ſich von den letz— teren abſondern und bei etwas verſtärktem Strome von ſelbſt mit dem durchgeleiteten Waſſer abſchwim⸗ men können. Man nennt ſie deshalb Selbſtausleſer. Eine dritte Methode iſt die Erbrütung in Eis⸗ ſchränken, in welchen die Eier nur von dem tropfen⸗ weiſe herabrinnenden Schmelzwaſſer des über ihnen angebrachten Eiſes feucht und kühl gehalten werden. Dieſe Eisbrutſchränke dienen auch zum Transport von Eiern, welche wochenlang unterwegs ſein müſſen. Man hat in ihnen die Eier fremder Fiſcharten über die Oceane in neue Gebiete, ſelbſt über den Aequator hinaus, eingeführt, z. B. den Lachs der nördlichen Hemiſphäre in auſtraliſche Gewäſſer. Leider iſt die Methode der künſtlichen Befruchtung und Erbrütung nur bei einer beſchänkten Zahl von Fiſcharten praktiſch anwendbar. Der erſte Mangel, den dieſe Methode hat, liegt in der Notwendigkeit, daß die Laichfiſche in dem gerade zur Befruchtung geeigneten Laichreifeſtadium zur Hand ſein müſſen. Einige Fiſche können dieſes Stadium in der Ge⸗ fangenſchaft erreichen. Viele andere aber werden, auch kurz vor der Laichreife eingefangen, in engen Behältern nicht laichreif. Bei anderen Fiſcharten (Karpfen, Braſſen, Stör, Hering und die meiſten anderen Sommerlaicher) quillt der die Eier umgebende Schleim bei der Berührung mit Waſſer zu einer kleb⸗ Humboldt. — Dezember 1889. rigen Subſtanz auf; dieſe Eier ballen ſich zu zähen Klumpen zuſammen, wenn ſie abgeſtrichen ſind, ſo daß die Zuführung von Waſſer und Sauerſtoff zu den im Innern des Klumpens gelegenen Eiern und dadurch ihre Erbrütung unmöglich gemacht wird. Die Eier der meiſten Salmoniden ſind ſehr geeignet zur künſtlichen Erbrütung. Forellen und Lachſe mer- den in Behältern reif, und ihre Eier ſowie die der Coregonen und Aeſchen kleben nur wenig. Gerade dieſe Salmoniden bedürfen aber auch des beſonderen Schutzes in hohem Maße. Ihre Laichzeit fällt, bis auf die der Aeſche, in den Herbſt und den Winter, die Entwickelungsdauer der Eier iſt eine ſehr lange, und die Eier ſind groß und oft lebhaft gefärbt. Da⸗ bei iſt die Zahl der Eier, welche die Salmoniden produzieren, nicht ſo bedeutend, wie die vieler im Sommer laichender Fiſche. Deshalb iſt es nötig, den Laich dieſer Edelfiſche ſo gut als möglich zu ſchützen und ihn künſtlich befruchtet in Bruthäuſern ausſchlüpfen zu laſſen. Wie auf die meiſten andern Lebensverhältniſſe der Fiſche, fo iſt auch auf die Länge der Entwickelungs⸗ zeit der Eier die Waſſerwärme von größtem Einfluß. Je kälter das erbrütende Waſſer iſt, um ſo längere Zeit muß es auf die Eier einwirken, bevor dieſelben ausſchlüpfenk). Die Eier vieler Sommerlaicher ver⸗ tragen dabei nur ſchlecht die Kühle und ſterben im Freien oft ab, wenn das Waſſer auf die Dauer kalt bleibt. Die Eier der Salmoniden dagegen vertragen kaltes Waſſer ſehr gut, am kräftigſten entwickeln ſich die Fiſche aus Eiern, die in eiskaltem Waſſer ge⸗ brütet ſind. Man unterſcheidet während der Brütung der Salmonideneier zwei Hauptperioden. Die erſte reicht von der Befruchtung bis zum Sichtbarwerden der ſchwarzen Augenpupillen des Embryo, und dauert für Lachſe und Forellen bei einer Durchſchnittstempera⸗ tur des Waſſers von 4% R. etwa 3½ Monat; die zweite umfaßt die Zeit bis zum Ausſchlüpfen, ſie dauert bei Lachs und Forelle etwa 2 Monate bei der angeführten Waſſertemperatur. Die Eier der Core⸗ gonen haben eine kürzere Entwickelungsdauer. In der zweiten Entwickelungsperiode ſind alle Salmo⸗ nideneier ziemlich widerſtandsfähig; ſie können dann, auf weiche Unterlage gebettet und mit dieſer feſt ver⸗ packt, weithin verſandt werden und wochenlange, im Eisſchranke ſogar monatelange Reiſen überdauern. Nach dem Ausſchlüpfen ſchwärmen die jungen Core⸗ gonen wie die Brut der meiſten andern Fiſche ſogleich frei umher, obwohl die Bruſtfloſſen noch gar nicht und die Bauchfloſſen erſt als Stummel entwickelt ſind. Die Brut der Forellen und Lachſe dagegen iſt mit einem großen Dotterſäckchen beſchwert, das ihr am Bauche hängt und bei den Schwimmbewegungen anfangs *) Man muß aus den Reſultaten der Unterſuchungen von Barfurth (Jahresbericht des Rheiniſchen Fiſcherei— vereins 1888) allerdings ſchließen, daß die Entwickelungs⸗ dauer der Salmoniden nicht genau in dem Verhältnis verkürzt wird, in welchem man die Waſſertemperatur erhöht, daß vielmehr die Eier in wärmerem Waſſer mehr Wärme verbrauchen als in kälterem Waſſer. Humboldt. — Dezember 1889. 45 hinderlich iſt, weshalb dieſe Tierchen in den erſten Wochen, ohne ſich viel zu bewegen, am Boden der Brutgefäße liegen. Erſt wenn der Dottervorrat ein- geſogen iſt, haben auch ſie freie Beweglichkeit erlangt. Dann iſt es Zeit, ſie in die freien Gewäſſer zu bringen. Wie oben auseinandergeſetzt iſt, gelingt es nicht bei allen Fiſchen, den Laich zur künſtlichen Erbrütung zu verwenden. Wo dies unbequem oder unmöglich iſt, iſt man für die geſchützte Vermehrung der Fiſche darauf angewieſen, die Fiſche das Laichgeſchäft auf natürliche Weiſe in ablaßbaren Baſſins, Teichen oder ähnlichen Behältern, deren Inhalt man in ſeiner Ge— walt hat, vollziehen zu laſſen und die gewonnene Fiſchbrut in geeignetem Alter wie die durch künſtliche Erbrütung gewonnene zu verwenden. Die Teichzucht gehört deshalb auch zur künſtlichen Fiſchzucht, und um ſo mehr, als die künſtlich erbrüteten Fiſche zweck— mäßigerweiſe zuerſt einen Sommer über in einem Teich oder einem ablaßbaren Graben gezogen und erſt, wenn ſie hier zu kräftigen Fiſchchen herangewachſen ſind, in die freien Gewäſſer übertragen werden. Dies gilt beſonders von der zarten kleinen Brut der Coregonen, die zu einer Zeit ausſchlüpft, in der ihre Wohnge— wäſſer, die tiefen großen Seen, noch mit Eis be— deckt ſind. Die Erfolge, welche bis jetzt durch die künſtliche Fiſchzucht erzielt ſind, ſind recht erhebliche. Zunächſt iſt mit ihrer Hilfe der Beſtand an Lachſen nachweis— bar vermehrt worden. Der Lachs hat ſeines hohen Preiſes wegen und weil er verhältnismäßig ſicher zu fangen iſt, große Bedeutung für die Fiſcherei, und zwar ſowohl für die Binnenfiſcherei als auch für die Meeresfiſcherei (wenigſtens in der Oſtſee). Seit 1879 hat ſich nach der holländiſchen Verkaufsſtatiſtik der Ertrag des Lachsfanges in den Rheinmündungen etwa verdoppelt, und dieſe günſtige Aenderung wird mit Recht auf die Ausſetzung zahlreicher Brutmengen in die Nebenbäche des Rheins zurückgeführt. Ebenſo iſt der Lachsbeſtand in der Ems und der Weſer, in denen er ſehr zurückgegangen war, allem Anſchein nach wie— der durch Bruteinſetzungen gehoben worden. In der Elbe iſt der Lachsbeſtand beſonders durch künſtliche Lachszucht in Böhmen vermehrt worden. Im Oder— gebiet liegen die Laichplätze der Lachſe in einigen Nebenflüßchen der Netze, der Drage und der Küddow, wahrſcheinlich, weil den Lachſen der Zutritt zu den Quellgebieten der Oder in Schleſien durch die großen Wehre bei Breslau ſeit langen Zeiten abgeſchnitten iſt, und an dieſen Wehren leider noch keine Fiſchwege angebracht ſind. In der Weichſelmündung hat ſich der Lachsfang infolge der Brutausſetzung in Galizien und Weſtpreußen ebenfalls deutlich vermehrt. Ein dem Lachs nach Körperform, Größe und Lebensweiſe ſehr ähnlicher Fiſch iſt die Meerforelle, die von Metzger für eine Wanderform der Bachforelle gehalten wird. Auch mit ihr ſind durch künſtliche Fiſchzucht, namentlich in den holſteiniſchen Auen, vor— zügliche Reſultate erzielt worden. Die ſtärkſte Vermehrung durch künſtliche Fiſchzucht dürfte der Bachforelle zu teil werden, von der all— jährlich mehrere Millionen künſtlich erbrüteter Jung— fiſche zur Beſetzung von Zuchtbächen und Teichen benutzt werden, um als 2—3 jährige Fiſche zum Ver⸗ brauch ausgefiſcht zu werden. Die Bachforelle iſt auch in Nordamerika eingeführt worden, wo ſie ſich gut akklimatiſiert hat und als Zuchtfiſch ebenfalls ſehr geſchätzt wird. Dafür hat Deutſchland einige für die hieſigen Zuchtverhältniſſe geeignete amerikaniſche Sal— moniden erhalten: den Bachſaibling (Salmo fonti- nalis, verwandt mit dem in den Alpenſeen einheimi— ſchen Seeſaibling), einen Fiſch, der in ſtark ſtrömenden kleinen Bächen ſehr gut gedeiht und ruhelos auf der Jagd nach Nahrung ſich befindet, und die Regenbogen— forelle (Trutta iridea), eine Verwandte unſerer Bachforelle, vor der ſie ſich durch raſcheres Wachstum, durch ſpätere Laichzeit (Februar — März) und raſchere Entwickelung und beſonders durch größere Unempfind— lichkeit gegen Wärme und Unreinigkeit des Waſſers auszeichnet, während ſie allerdings etwas minder feines Fleiſch haben ſoll, auch mehr Wanderfiſch iſt als die Bachforelle. Zwei andere Amerikaner, die durch Max von dem Borne in Deutſchland eingeführt ſind, ſind der Schwarzbarſch (Grystes nigricans) und der Fo— rellenbarſch (Grystes salmonoides), Sommerlaicher aus der Familie der Pereiden, welche ſehr ſchnell— wüchſig, widerſtandsfähig und wohlſchmeckend ſein ſollen. Andererſeits iſt unſer Karpfen in Nordamerika eingebürgert und hat dort eine ſo raſche Verbreitung und ſo vorzügliche Wachstumsverhältniſſe gefunden, daß jetzt das Pfund Karpfen dort etwa 2 Cent koſten ſoll. Von einheimiſchen Fiſchen iſt ferner der Zander zu erwähnen, welcher in die Gebiete des Rheines, der Ems und der Weſer, ſowie in zahlreiche norddeutſche Seen, in denen er bisher fehlte, künſtlich eingeführt iſt. Auch Meeresfiſche hat man durch künſtliche Be— fruchtung und Erbrütung großer Mengen von Eiern zu vermehren geſucht. In Nordamerika, wo eine mit reichen Mitteln ausgeſtattete Fiſchereibehörde exiſtiert, iſt der Shadfiſch in ſchwimmenden, verankerten Brut— kiſten in Menge ausgebrütet worden. In einem auf dem Feſtlande errichteten Bruthauſe in Woods Hall werden jährlich mehrere Millionen Do rj ch eter erbriitet. Auch in Arendal in Norwegen hat man die Anwen— dung der künſtlichen Fiſchzucht für die Hebung der Meeresfiſcherei verſucht. Man hat dort von 48,800,000 Dorſcheiern 27,500,000 junge Dorſche erzielt. Auch die Ausbrütung von Butteiern iſt dort mit Erfolg verſucht worden. Vorzügliche Reſultate ſind mit der Verbreitung der Aalbrut erreicht worden, die in den Mündun— gen des Po und der Flüſſe der franzöſiſchen Ocean— küſte in Menge gefangen wird. Direktor Haack bringt jährlich große Maſſen davon nach Hüningen, von wo die jungen Tiere in feuchtes Kraut verpackt bequem mit der Poſt verſandt werden. Zahlreiche Gewäſſer, welche die Aalbrut auf ihrer Wanderung nicht auf— ſuchen kann, ſind auf dieſe Weiſe mit Aalen bevölkert worden. Auch iſt ein groß angelegter Verſuch ge— macht, das Donaugebiet, das wie alle Flußgebiete 456 des Schwarzen Meeres den Aal bisher nicht beſaß, mit dieſem Fiſch zu beſetzen. Zahlreiche junge Aale ſind in dem oberen Donaugebiet ausgeſetzt worden und die Tiere wachſen dort gut auf. Der größte Teil der eingeſetzten Brut beſtand indeſſen aus Weib- chen, obwohl, wie die Unterſuchung einer größeren Anzahl erwachſener dort gefangener Aale erwies, auch die als Brut eingeführten Männchen ſich gut entwickelt haben. Um die Fortpflanzung zu ſichern, wurde daher eine große Zahl erwachſener Aalmännchen aus der Nordſee in das Schwarze Meer gebracht. Man hofft dadurch den Fortbeſtand der Aale im Gebiete des Schwarzen Meeres geſichert zu haben, obwohl man allerdings bezüglich des eigentlichen Fortpflanzungs— geſchäftes des Aales ſeit Syrski kaum Neues von weſentlicher Bedeutung erfahren hat. Es würde zu weit führen, wenn hier auf die Methoden, deren man ſich bei der künſtlichen Aufzucht der Fiſche bedient, noch näher eingegangen werden ſollte. Nur einige allgemeine Geſichtspunkte zur Be⸗ urteilung der Lebensverhältniſſe der Fiſche im Freien ſeien noch kurz erwähnt. Max von dem Borne, ein ſchon oben erwähnter, um die Hebung der Fiſcherei vielſeitig verdienter Fiſchzüchter, hat auch die Gewäſſer nach den in ihnen charakteriſtiſch vorkommenden Fiſchen eingeteilt, die fließenden in ſolche der Forellenregion, der Aeſchen⸗ region, der Barbenregion und der Bleiregion. Für die ſtehenden Gewäſſer ſind Karauſche, Braſſen und die Maränenarten charakteriſtiſch. Natürlich gehen die einzelnen Regionen allmählich ineinander über, und die in ihnen vorkommenden Fiſche verbreiten ſich teilweiſe (wie Hecht, Barſch, Plötze, Uckley) durch alle Regionen. Doch iſt dieſe Einteilung der Ge⸗ wäſſer zur Bezeichnung der biologiſchen Eigenſchaften eines Gewäſſers gut zu verwerten und wird nament⸗ von den Fiſchzüchtern vielfach angewandt. Die Anſichten über die Objekte, welche die Nah⸗ rung der Fiſche bilden, haben eine weſentliche Aen⸗ derung gefunden durch die Beobachtungen von Suſta in Wittingau, welche durch phyſiologiſche Unterſuchun⸗ gen von Klien in Königsberg beſtätigt ſind, daß Humboldt. — Dezember 1889. nämlich unter unſeren Süßwaſſerfiſchen faſt kein ein- ziger ſich befindet, der ſich direkt von Pflanzen nährt. Der Grund ſcheint darin zu liegen, daß das Ver— dauungsorgan der Fiſche nicht imſtande iſt, rohe Stärke löslich zu machen und zu aſſimilieren. Nur einige Cyprinoiden, Rotauge und Döbel, nehmen nach Suſta Pflanzennahrung zu ſich, doch auch dieſe Ausnahmen ſind zweifelhaft. Suſta unterſcheidet die Fiſche nach ihrer Nahrung als Fiſchfreſſer, Kleintierfreſſer und Pflanzenfreſſer. Die erſtgenannte Klaſſe umfaßt die als Raubfiſche bekannten Tiere. Zu den Kleintierfreſſern gehören faſt alle anderen Fiſche, die ſogenannten Friedfiſche. Die Nahrung dieſer Tiere beſteht, wie der Name ausſpricht, in allem möglichen kleinen Waſſergetier, Fiſchlaich und Fiſchbrut nicht ausgeſchloſſen, namentlich aber in Cope⸗ poden, Daphniden und Dipterenlarven. Es folgt daraus, daß alle im Waſſer befindliche pflanzliche Nahrung notwendig erſt in den Körper eines niederen Tieres übergegangen ſein muß, bevor ſie für den Fiſch nutzbar wird. Die Kenntnis des Stoffwechſels im Waſſer und der phyſikaliſchen Faktoren, welche ihn beeinfluſſen, iſt deshalb von größter Wichtigkeit für die Fiſchzucht. Darauf bezügliche Unterſuchungen, die wohl zuerſt von Forel ausgeführt wurden, haben u. A. ergeben, daß die einzelnen Gegenden eines Waſſerbeckens, welche in ſich gleichartige Exiſtenzbedingungen bieten, auch eine charakteriſtiſche Flora und Fauna enthalten. Namentlich zeigt die Fauna des tiefen Seegrundes und die der freien, jedes feſten Ruhepunktes ent⸗ behrenden Waſſerfläche (die ſogenannte pelagiſche Fauna) ſehr eigentümliche und den Lebensverhältniſſen der Oertlichkeit angepaßte Formen von Lebeweſen. Freilich kennen wir kaum mehr als die äußeren Formen dieſer Weſen; über ihre Lebensbedingungen, namentlich die Nahrung und die Einflüſſe, welche die Witterungs⸗ verhältniſſe auf fie ausüben, weiß man noch wenig. Doch werden vereinte Bemühungen der Praktiker und der Theoretiker in der Waſſerbiologie auch hier⸗ über Aufklärung ſchaffen können. Theorie des Glasätzens. Von Dr. H. Albrecht in Biebrich. Beim Aetzen des Glaſes auf chemiſchem Wege hat man zwei Verfahren zu unterſcheiden, das jogen. Klarätzen und das Mattätzen. Behandelt man Glas mit wäſſriger Fluß⸗ ſäure, fo erzielt man klare Aetzungenz das Glas macht auf das Auge denſelben Eindruck wie nicht geſchliffenes Tafelglas. Der Vorgang iſt hierbei einfach der, daß die einzelnen Beſtandteile des Glaſes der löſenden Wirkung der Flußſäure keinen weſentlich verſchiedenen Widerſtand entgegenſetzen und demgemäß Unebenheiten, welche den Eindruck einer matten Glasfläche hervorrufen könnten, nicht entſtehen. Komplizierter ſind die Vorgänge, welche beim Matt⸗ ätzen des Glaſes ſtattfinden. Das Mattätzen wird ent⸗ weder mit Miſchungen der ſauren Fluoride der Alkalien mit Säuren oder mit einem Gemenge von Flußſpat und Schwefelſäure oder mit gasförmiger Fluorwaſſerſtoffſäure vorgenommen. Der eigentümliche ſchimmernde Ton des matt geätzten Glaſes wird durch dicht nebeneinanderſitzende Er— höhungen und Vertiefungen bewirkt, welche ſchroff inein⸗ ander übergehen und dadurch mannigfache Brechungs-, Beugungs- und Reflexionserſcheinungen hervorrufen. Rei⸗ nitzer (Dingl. polytechn. Journ. 262, 322) hat nun auf mikroſkopiſchem Wege die Form dieſer Unebenheiten unter⸗ ſucht und daraus Rückſchlüſſe auf ihre Bildungsweiſe ge— zogen. Am gebräuchlichſten iſt das Aetzen mit ſauren Al- kalifluoriden. Die Zuſammenſetzung einer ſolchen Aetz— Humboldt. — Dezember 1889. flüſſigkeit iſt z. B. 80 Teile Alkalifluorid, 10 Teile Schwefel— ſäure und 1000 Teile Waſſer. Beim Aetzen mit einer derartigen Miſchung bilden ſich auf der Oberfläche des Glaſes deutlich ausgebildete, erhabene Kryſtällchen der Kieſel— fluoralkalien und des Kieſelfluorcalciums, jo die hexago— nalen Formen des Kieſelfluornatriums und die regulären des Kieſelfluorkaliums. Durch die Wirkung des Aetzbades werden alſo dem Glaſe Kieſelſäure und Calcium entnom— men, welche mit den ſowohl im Aetzbade als auch im Glaſe enthaltenen Alkalien zu Kieſelfluorverbindungen zu— ſammentreten, die ſich kryſtalliniſch abſcheiden. Das Matt wird demnach um ſo feiner und zarter ausfallen, je kleiner dieſe Kryſtällchen ſind, d. h. je ſchwerer löslich ſie im Aetz— bade ſind und je raſcher und aus je konzentrierteren Löſungen ſie ſich bilden. Von den Kieſelfluoralkalien iſt das Kieſelfluorkalium am ſchwerſten, das Kieſelfluornatrium leichter, und das Kieſelfluorammonium am leichteſten löslich. Hierin liegt die Erklärung für die durch die Erfahrung gefundene Thatſache, daß der Erfolg einer Aetzung weſentlich von der Art des angewandten Alkalifluorids abhängig iſt. Weiter ergibt ſich daraus, daß, um dieſelbe Wirkung ju erzielen, bei Anwendung von Ammoniumfluorid das Aetz— bad ſehr konzentriert, bei Natriumſalz minder konzentriert und bei Anwendung von Kaliumſalz noch verdünnter ſein muß. Andererſeits verläuft die Aetzung um ſo raſcher, je konzentrierter das Aetzbad iſt, wodurch ſich erklärt, warum bei allen Schnellätzverfahren Fluorammonium in Anwendung kommt. Die ſauren Alkalifluoride werden ſtets in Gegenwart von Säuren angewandt. Die dadurch freigemachte Flußſäure unterſtützt die beſchriebene Wirkung der Alkalifluoride in der Weiſe, daß jie die zwiſchen den einzelnen Kieſelfluoridkryſtällchen befindlichen Furchen mul— 457 denförmig erweitert. Da dieſe mehr abgerundeten Mulden das Licht nicht ſo zerſtreuen können, wie ſcharfkantige Aetzungen, ſo erſcheint eine Aetzung um ſo durchſcheinender, je mehr dieſe Wirkung der Flußſäure zur Geltung kommt. Hiervon macht man in der Praxis in der Weiſe Gebrauch, daß man die einmal geätzte Fläche noch mehrmals mit verdünnter wäſſriger Flußſäure behandelt. Man erzielt ſo ein Matt in beliebigen Tönen, wie es zur Herſtellung von Bildern auf Glas notwendig iſt. Gasförmige Flußſäure liefert ſehr ungleichmäßige Mattätzungen, iſt deshalb zur Herſtellung matter Flächen ungeeignet und nur zum Einätzen von Zeichnungen zu verwenden. Das mikroſkopiſche Bild einer mit gasförmiger Flußſäure geätzten Fläche zeigt ſpärliche und ſehr ungleich verteilte Kryſtällchen von Kieſelfluornatrium und Kieſel— fluorcaleium, welche in einer feinkörnigen Grundmaſſe liegen. Um ſchöne Mattätzungen durch Auftragen eines Ge— miſches von Flußſpat und Schwefelſäure zu erzielen, muß man die letztere verdünnt (1:4) anwenden und eine Temperatur von 40— 50“ einhalten. Es entſtehen nur muldenartige Vertiefungen, Kryſtallausſcheidungen werden durch den Säureüberſchuß, welchen man gewöhnlich an— wendet, verhindert. Was ſchließlich die Unterſcheidung der beſprochenen Aetzungen auf chemiſchem Wege von den mit dem Sand— ſtrahle oder durch Schleifen erzeugten anbetrifft, ſo gibt auch hierüber das Mikroskop leicht Aufſchluß. Auf mecha— niſchem Wege erhaltene Mattätzungen weiſen ſtets Bruch— flächen von ſehr verſchiedener Richtung und Größe auf, welche alle den charakteriſtiſchen muſcheligen Bruch er— kennen laſſen. Die neueſten Jorſchungen über die Sonne. Von Bergrat Dr. H. Gretſchel in Freiberg. Ueber die auf Anregung der ruſſiſchen phyſiko-chemi— ſchen Geſellſchaft angeſtellten Beobachtungen der totalen Sonnenfinſternis vom 19. Auguſt 1887 iſt im 20. Bande des Journals dieſer Geſellſchaft Bericht erſtattet worden. Hiernach waren ſeitens der Geſellſchaft ſieben Stationen mit Beobachtern und Inſtrumenten beſetzt, aber nur an drei Stationen, nämlich in Petrowsk (Gouverne— ment Orenburg), Krasnojarsk (Ojtfibivien) und in der Poßjetbai (am Japaniſchen Meer) gelangen genauere Be— obachtungen. Das Hauptintereſſe bei dieſer Finſternis war, wie bekannt, auf die Corona gerichtet, den bei to— talen Sonnenfinſterniſſen oft bis auf große Entfernung den Mond umgebenden, oft ſehr unregelmäßig geſtalteten, in mildem Lichte ſchimmernden Strahlenkranz, über deſſen wahre Natur wir noch ſehr im Ungewiſſen find. Es ijt nun M. Chomantof in Krasnojarsk gelungen, während der kurzen Dauer der Totalität 14 photographiſche Auf— nahmen der Corona zu erhalten, und außerdem ſind auch an andern Orten, in der Poßjetbai, auf dem Ural, in Polozk (Weſtrußland) einzelne Photographien gewonnen worden, wozu noch an 100 Handzeichnungen der Corona aus den verſchiedenſten Gegenden der Totalitätszone kom— men, die der genannten Geſellſchaft zugeſchickt worden ſind. Aus dem ſo gewonnenen Material zieht Prof. Egorof in Humboldt 1889. Petersburg folgende Schlüſſe: 1) Die Corona iſt keine bloß optiſche Erſcheinung, ſondern etwas wirklich Beſtehendes. Bis in die neueſte Zeit nämlich haben einzelne Aſtronomen und Phyſiker an der Meinung feſtgehalten, daß die Strahlen der Corona eine Folge der Beugung des Sonnenlichts bei ſeinem Vorübergang an dem mit mannigfachen Uneben— heiten beſetzten Mondrande ſeien. Wäre dies richtig, ſo müßte man erwarten, daß dieſe Strahlen nicht an allen Beobachtungsorten in gleicher Geſtalt auftreten, und daß ſie auch an einem und demſelben Orte beim allmählichen Vorübergange der dunkeln Mondſcheibe vor der leuchtenden Sonnenſcheibe merklichen Veränderungen unterliegen. In der That glaubte man auch bei früheren totalen Sonnen— finſterniſſen derartige Wahrnehmungen gemacht zu haben. Dagegen zeigen aber nicht nur die verſchiedenen in Kras— nojarsk im Verlauf der Totalität erhaltenen Photographien namentlich in den charakteriſtiſchen Lichtauswüchſen der Corona eine auffallende Aehnlichkeit, ſondern die letztere iſt auch vorhanden zwiſchen den Photographien von ſo weit (über 9000 km) voneinander entfernten Orten, wie Polozk und die Poßjetbai. Selbſt auf den Handzeichnungen läßt ſich die Uebereinſtimmung in den Hauptformen er— kennen, wenn auch bei weitem weniger deutlich als bei den Photographien. 0 5 458 Humboldt. — Dezember 1889. Dies rührt wohl daher, daß bet der kurzen Dauer der Totalität der eine Beobachter ſeine Aufmerkſamkeit auf die eine, der andere auf eine andere Einzelheit richtet, dieſe in der Zeichnung feſtzuhalten ſucht und anderes ver- nachläſſigt. So kann es ſogar kommen, daß beim Ver⸗ gleich zweier Handzeichnungen zunächſt die Verſchiedenheit ins Auge fällt. Darin liegt auch die Erklärung der großen Abweichungen, welche bei früheren totalen Sonnen⸗ finſterniſſen, als das Hilfsmittel der Photographie noch nicht zu Gebote ſtand, beobachtet worden ſind. 2) Die Corona von 1887 hat die einem Minimum der Sonnen⸗ flecken entſprechende Geſtalt, wie die von 1867 und 1878, alſo eine vorzugsweiſe äquatoriale Ausdehnung. Den gleichen Charakter trug auch den bis jetzt darüber zu uns gelangten Nachrichten zufolge die Corona bei der in Nord⸗ amerika beobachteten totalen Sonnenfinſternis vom 1. Ja⸗ nuar 1889, über welche in einem ſpäteren Hefte berichtet werden ſoll. 3) Zwiſchen der Verteilung der Corona⸗ ſtrahlen und der Stellung der Protuberanzen findet ein Zuſammenhang ſtatt. 4) Die Helligkeit des Lichts der Corona iſt von derſelben Ordnung wie diejenige des Voll⸗ mondes. 5) Das Spektrum der Corona war kontinuier- lich mit ſchwachen Fraunhoferſchen Linien. Helle Linien waren nicht ſichtbar, mit Ausnahme der grünen Linien, 1474 der Kirchhoffſchen Skala, welche Stonajmviez in Polozk einen Augenblick ſah. 6) Die Polariſation des Coronalichts konnte infolge der Ungunſt der Witterung nicht nachgewieſen werden. 7) Luftdruck und Temperatur nahmen ab während der Finſternis; das Minimum trat etwas nach der Mitte der Totalität ein. Nach den An⸗ gaben von Profeſſor Heſehus betrug die Erniedrigung des Luftdruckes im Durchſchnitt von 25 Beobachtungsſtationen ungefähr 0,2 om; dieſelbe rührt wahrſcheinlich von der Kondenſation des Waſſerdampfes der Luft her. Die Ab⸗ nahme der Temperatur betrug im Schatten etwa 1,6“ C. und das Minimum trat 10 Minuten nach Eintritt der Totalität ein; in der Sonne betrug die Abnahme etwa 8,6“ und wurde ſchon 3 Minuten nach der vollſtändigen Verfinſterung erreicht. Die Einwirkung der Finſternis auf die Tier- und Pflanzenwelt machte ſich ſehr deutlich gel- tend: höher organiſierte Tiere zeigten große Unruhe, in den Moordiſtrikten Sibiriens wie in Jurinsk zeigten ſich wie abends die Moskitos; die Acacia armata faltete ihre Blätter zuſammen, Nikotianen und die Mirabilis jalappa öffneten ihre Blüten. Merkwürdige Geſtalten der Corona zeigt eine der von Pickering während der totalen Sonnenfinſternis am 29. Auguſt 1886 auf Grenada (kleine Antillen) er⸗ haltenen Photographieen. Von einer hellen Hervorragung auf der Weſtſeite der Sonne erhebt ſich ein feiner Strahl bis zur Höhe von 48 Bogenminuten (Sonnendurchmeſſer = 32 Minuten) vom Rand der Sonne und ſpaltet ſich dort in drei Strahlen, von denen die beiden äußeren ſich zur Sonne umbiegen, während der mittlere bis zu 60 Mi⸗ nuten aufſteigt und ſich wieder nach unten umbiegt. Auch ein anderer Strahl weiter nördlich erreicht eine Höhe von 60 Minuten und biegt ſich dann wieder abwärts. Die Frage, ob Sauerſtoff auf der Sonne vor⸗ handen oder nicht, iſt noch immer nicht endgültig ent⸗ ſchieden. Henry Draper in New Pork glaubte 1877 die Anweſenheit des Sauerſtoffs auf der Sonne durch das Auftreten einer Anzahl von hellen Linien im Sonnen— ſpektrum nachgewieſen zu haben, während ſein Bruder ge— wiſſe feine dunkle Linien auf den Sauerſtoff beziehen wollte. Wurden gleich anfangs dieſe Mitteilungen mit Mißtrauen aufgenommen, z. B. von Vogel in den hellen Linien bloße Zwiſchenräume zwiſchen zarten dunkeln Linien vermutet, Jo haben neuerdings von Trowbridge und Hut— chins ausgeführte Verſuche den Nachweis geliefert, daß nur der Mangel an zerſtreuender Kraft in ihren Apparaten die Brüder Draper zu falſchen Schlüſſen verbreitet hat. Trow⸗ bridge und Hutchins photographierten faſt fünf Monate hindurch an jedem günſtigen Tage die mittels eines aus— gezeichneten konkaven Rowlandſchen Gitters entworfenen Spektren der Sonne und des elektriſchen Funkens in der Luft, vermochten aber zwiſchen ihnen keinen Zuſammen⸗ hang zu erkennen; die hellen Linien verſchwanden bei der ſtarken Disperſion des Gitters. Anders verhält es ſich mit einer Anzahl dunkler, einem kälteren Zuſtande des Sauerſtoffs entſprechender Linien im Sonnenſpektrum, welche Dr. Schuſter vor einigen Jahren beobachtet haben will. Dieſe Beobachtung iſt noch nicht widerlegt. Ferner ergaben ſich bei den Verſuchen, welche von Janſſen in Meudon über das Abſorptionsſpektrum des Sauerſtoffs angeſtellt wurden, eine Anzahl dunkler Banden im Rot, Gelb und Blau, ebenſo wie am roten Ende des Spektrums gelegene Liniengruppen A, B, a als dem Sauerſtoff an- gehörig; während aber die Intenſität jener Banden pro⸗ portional iſt dem Quadrat der Dichte des abſorbierenden Sauerſtoffs, ändert ſich diejenige der Linjengruppen im Rot mit der erſten Potenz der Dichte. Damit war die Möglichkeit gegeben, zu entſcheiden, ob jene Banden und Liniengruppen des Sonnenſpektrums ihren Urſprung auf der Sonne haben oder durch Abſorption in der Atmo⸗ ſphäre entſtehen: es war nur nötig, die Beobachtungen in großer Höhe anzuſtellen, wo das Licht nur eine Luftſchicht von geringerer Dichte zu durchlaufen hat. Janſſen unter⸗ nahm nun im Oktober vorigen Jahres eine ſehr mühſelige Beſteigung der Grand Mulets am Mont Blane (über 3000 m hoch) und machte dort am 15. und 16. Oktober unter den günſtigſten Witterungsverhältniſſen eine Anzahl Beobachtungen. Abſichtlich hatte er eine ſo ſpäte Jahres⸗ zeit gewählt, um in möglichſt waſſerdampffreier Luft be⸗ obachten zu können, weil die Abſorptionslinien des Waſſer⸗ dampfes der ſichern Erkennung der Sauerſtofflinien ſehr hinderlich find. In der That fehlten die Waſſerdampf⸗ linien gänzlich, und was die Sauerſtofflinien anlangt, ſo konnte Janſſen am Morgen des 15. Oktober die allmäh⸗ liche Abnahme der Intenſität derſelben beim Aufſteigen der Sonne ſehr ſchön beobachten. Beim Durchgang der Sonne durch den Meridian waren die Banden ganz vere ſchwunden und die Liniengruppen im Rot ſo geſchwächt, daß die Annahme gerechtfertigt erſcheint, auch ſie würden bei höherem Aufſteigen in die Atmoſphäre gänzlich ver— ſchwinden. Iſt nun auch hierdurch der atmoſphäriſche Ur⸗ ſprung jener Banden und Liniengruppen erwieſen, jo tt damit noch keineswegs die Abweſenheit von Sauerſtoff auf der Sonne dargethan; jedenfalls aber gibt ſich derſelbe, wenn er vorhanden iſt, nicht durch die charakteriſtiſchen Linien kund wie der Sauerſtoff unſerer Atmoſphäre. ay,” Humboldt. — Dezember 1889. 459 OTe Rope rar ag, er of e*). Don Carus Sterne in Berlin. Die durch Sidney Martin im Phyſiologiſchen Labo— ratorium der Londoner Univerſität ermittelte Thatſache, daß die Paternoſtererbſe (Abrus precatorius) ein den Schlangengiften in den meiſten Beziehungen ähnliches Gift enthält, erinnert unwillkürlich an die alte Redensart von der „am eigenen Buſen genährten Schlange“, welche ihrer— ſeits aus der von Martial erwähnten Gewohnheit römi— ſcher Damen, ihre Lieblingsſchlange (d. h. wahrſcheinlich die ſehr zahm werdende Aeskulapnatter) in heißen Som— mertagen als kühlendes Halsband um Nacken und Buſen zu tragen, abgeleitet worden ſein mag. Denn die prächtig ſcharlachroten, glänzenden und harten Samen der Pater— noſtererbſe wurden ſeit Urzeiten von den indiſchen Schönen, auf Fäden gereiht, zu Hals-, Arm- und Haarſchnüren be— nutzt, welche unſere Korallenſchnüre an Schönheit über— treffen, und man hat die Pflanze zu demſelben Zweck ſeit alten Zeiten nach dem tropiſchen Amerika und nach zahl— reichen Inſeln der wärmeren Zonen verpflanzt, damit ſich die dunkelhaarigen Naturkinder aller tropiſchen Gebiete mit dieſem ebenſo billigen als ſchönen und für ſie wie geſchaffenen Schmuck verſehen können. Der beſondere, chriſtlich klingende Name der Pflanze entſtammt aber urſprünglich nicht dem chriſtlichen Roſen— kranz, ſondern einer uralten indiſchen Gewohnheit, die darin beſteht, daß die Buddhiſten die Zahl der ihnen vor— geſchriebenen Gebete nach den 108 Perlen einer am Arm getragenen Perlſchnur abzählten, wozu man ſich dann eben beſonders häufig der Samen dieſer Pflanze bediente. Die Indier waren den Europäern ſeit jeher im Beten über, ihre Roſenkränze gelangten erſt im Mittelalter durch Ver— mittelung der Mohammedaner, die ſich derſelben ebenfalls bedienen, nach Europa und wurden dann namentlich durch den hl. Dominikus (1208) und die Dominikaner der Ma— donnenverehrung dienſtbar gemacht. Die Pflanze gehört zu der Familie der Papilionaceen und iſt ein Gewächs mit gefiederten Blättern, welches zum Emporwinden einer Stütze bedarf und Büſchel roſen— roter Blüten in den Blattachſeln erzeugt, woraus ſogen. Schoten (richtiger Hülſen) entſtehen, in denen je vier bis ſechs Samen reifen. Die Schoten biegen ſich bei der Reife eigentümlich zuſammen, ſpringen von ſelber auf und laſſen die glänzend ſcharlachroten Samen ſehen, welche am Nabel, das heißt an der Stelle, wo ſie der Hülſe angewachſen ſind, einen großen, glänzend ſchwarzen Fleck zeigen, der die Schönheit des Ausſehens noch erhöht. Merkwürdiger— weiſe beſitzt die indiſche Pflanzenwelt noch mehrere andere fraut-, ſtrauch- oder baumartige Pflanzen derſelben Familie, welche ganz ähnliche ſcharlachrote Samen mit ſchwarzem Nabelfleck beſitzen, die aber zum Teil größer und verſchieden geſtaltet ſind, wie z. B. eine Art von rotem Sandelholz— baum (Adenanthera pavonina) und die verſchiedenen ) Nach einem vom Verfaſſer eingeſandten Separatabdruck aus der „Täglichen Rundſchau“. Arten des Korallenſtrauchs (Hrythrina), von denen meh— rere wegen ihrer prachtvoll ſcharlachroten Blüten auch in unſeren Ziergärten gezogen werden. Alle dieſe rotſamigen Schmetterlingsblütler wurden dann mit der Paternoſter— erbſe für das Schmuck- und Herzensbedürfnis der neuwelt— lichen Welt- und Nichtweltkinder nach Südamerika ver— pflanzt, und Charles Darwin erinnerte fic) noch in jpa- teren Jahren der Pracht dieſer vegetabiliſchen Korallen— ſchnüre am Halſe und im Haare der ſüdamerikaniſchen Schönen, und ſchrieb an ſeinen Freund Fritz Müller in Blumenau am Itajahy, er möchte ihm doch eine Anzahl Samen von einer dieſer Korallenpflanzen (Adenanthera) ſenden, damit ſeine Töchter ebenſo ſchöne Halsbänder tragen könnten wie die armen Indianer Braſiliens. Verſchiedene Naturforſcher haben ſich mit der Frage beſchäftigt, warum wohl die Paternoſtererbſe und die übrigen „Roſenkranzbohnen“ mit einer ſo prachtvollen Farbe ausgeſtattet ſeien, da eine ſolche für Samen, die doch beſtimmt find, in die dunkle Erde zu wandern, eigent: lich zwecklos und als bloßer Luxus erſcheinen könnte. Wahr— ſcheinlich war Fritz Müller der erſte, welcher dieſe Frage anregte. Von der Eigentümlichkeit ausgehend, daß die Hülſen der betreffenden Arten ſich ſchon auf der Pflanze öffnen und ihre weithin leuchtenden Samen zeigen, ſchloß er, daß dieſe Farbe urſprünglich ein Anlockungsmittel für Vögel ſein möchte, die zur Verbreitung der Samen bei— trügen, und er fragte bei Ueberſendung der gewünſchten Samen von Adenanthera Darwin, ob er nicht wiſſe, wie dieſe Samen ſich ausſäeten. Darwin antwortete darauf in einem Briefe vom 2. November 1867, den mir Fritz Müller freundlichſt mitgeteilt hat, und deſſen Inhalt hier zum erſtenmal veröffentlicht wird, folgendes: „Da Sie gern etwas Näheres über Adenanthera er- fahren wollten, ſo ſchrieb ich dieſerhalb nach Indien. Ich höre nun von Herrn J. Scott, daß die Papageien nach den Samen ſehr begierig ſind, und ſie, ſo wunderbar die Thatſache (nämlich wegen der Härte der Samen. Ref.) iſt, mit ihren Schnäbeln aufſpalten können. Sie ſammeln erſt eine bedeutende Anzahl in ihren Schnäbeln und laſſen ſich dann (irgendwo) nieder, um ſie aufzuſpalten. Während ſie dies thun, fallen viele herunter, weshalb ich nicht daran zweifle, daß ſie auf dieſe Weiſe ausgeſtreut werden, nach demſelben Grundſatze, wie die Eicheln unſerer Eichenbäume über ſehr weite Strecken ausgeſät werden. Ich hoffe, Sie werden in Ihrer Wildnis gedeihen und dort viel Inter— eſſantes zu beobachten finden.“ (Fritz Müller, der Bruder des berühmten Blumenforſchers Hermann Müller von Lipp— ſtadt, war nämlich damals von Deſterro nach der deutſchen Kolonie Blumenau, die unmittelbar am Urwalde liegt, gezogen und hat von da als „Naturforſcher der braſilia— niſchen Regierung“ allerdings ſeit bald einem Vierteljahr— hundert unzählige, allen Gebieten der Naturwiſſenſchaft angehörige Beobachtungen und Entdeckungen zu berichten gehabt.) 460 Humboldt. — Dezember 1889. Die hieraus abzuleitende Anſicht, daß die rote Farbe der Samen als Anlockungsmittel für Vögel dient, welche dieſelben zum erſtenmale für rote Beeren halten mögen, und jo dazu kommen, ſie zu verſuchen, hat ſehr viel Wahr⸗ ſcheinliches, beſonders, wenn man ſie mit den Fällen ver⸗ gleicht, in denen die aufſpringende Frucht einen farbigen Samenmantel zeigt, wie bei der Muskatnuß und dem Pfaffenhütchen, deſſen aufgeſprungene Fruchtſtände, das ſogen. „Rotkelchenbrot“, im Spätherbſt unſre Hecken- und Gartenanlagen zieren. Und ebenſo wie der rote Samen⸗ mantel der Muskatnuß, den wir als ſogen. „Muskatblüte“ in der Küche verwenden, die Gewürztaube anzieht, welche früher das Meiſte zur Verbreitung dieſes geſchätzten Baumes beigetragen hat, ſo mag dasſelbe von der roten Samen⸗ ſchale der genannten Pflanzen gelten. Von den rotſamigen Korallenbäumen (Erythrina) iſt es bekannt, daß die indi⸗ ſchen Arten in der Blütezeit, wenn die faſt blattloſen Wipfel im dunkelſten Scharlachrot ſtrahlen, von den ebenſo gefärbten Lori⸗Papageien beſucht werden, die ſich dazwiſchen gut verſtecken können, aber wie es ſcheint, nur die Blüten freſſen. Die amerikaniſchen Arten, welche man zum Teil zur Beſchattung der Kakaopflanzungen braucht und daher Kakao-madre (Kakaomutter) nennt, ziehen nach Pöppig ebenſo die fruchtfreſſenden Arapapageien an, doch leſe ich nur von der einen Art, der prachtvollen Erythrina Ama- sisa von Peru, daß ſie ihre Früchte freiwillig öffnet und die Samen ſehen läßt. Der Fall bei den Paternoſtererbſen liegt etwas ver⸗ ſchieden. Denn wenn ſie auch trotz des in ihnen enthal⸗ tenen Giftes — weil Schlangengift vom Magen aus nicht ſchädlich wirkt — ebenſo genießbar fein ſollten, wie die roten Adenanthera-Samen, die ſelbſt von Menſchen ge⸗ noſſen werden können, ſo iſt es doch nicht wahrſcheinlich, daß ſie ebenſo zerbiſſen werden könnten, wie die größeren und breiteren Adenanthera-Samen, bei denen die That⸗ ſache ſchon Darwins Erſtaunen weckte. Wenigſtens würden bei dem Verſuche von den kleinen, harten, glatten Samen (die mancher von den Muſchelkäſtchen her kennen wird, auf denen man ſie häufig zur Zierrat zwiſchen den Schnecken⸗ gehäuſen und Muſchelſchalen angebracht ſieht) eine noch viel größere Anzahl fortgeſchnellt werden. Unzerbiſſen verſchluckt gehen fie aber jedenfalls unverdaut ab, wie die Samen jo vieler Beeren, welche die Droſſeln und andere beeren- freſſende Vögel beſtändig ausſäen und zugleich mit der zu ihrem guten Fortkommen ſo nötigen Portion Dünger ver⸗ ſehen. Die Natur iſt darin ſehr erfinderiſch, indem ſie die Samen vieler Gewächſe mit eßbarem Fruchtfleiſch und lockend gefärbten Fruchtſchalen umkleidet, und manche von ihnen wollen gar nicht mehr willig keimen, wenn ſie nicht vorher durch den Darm eines Vogels gegangen ſind, wie 3. B. diejenigen unſeres bekannten Heckenweißdorns, welche erfahrene Gärtner erſt durch den Magen der Truthühner gehen laſſen. In ſeinem 1878 geſchriebenen Buche „Tropical Na- ture“ hat nun A. R. Wallace, wahrſcheinlich ohne Darwins obenerwähnte Nachforſchungen zu kennen, die Anſicht aus⸗ geſprochen, daß die Paternoſtererbſe gewiſſermaßen den Gipfel dieſer Naturliſten darſtelle, da ſie in ihren ſich öffnenden Schalen appetitliche Samen darbiete, welche die Vögel wahrſcheinlich für Beeren halten und demgemäß verſchlucken. Es wäre eine bloße Simulierung von Eß— barkeit, und Wallace meint, wenn auch bloß junge und unerfahrene Vögel ſich täuſchen ließen, ſo wäre für die Verbreitung der Pflanze ſchon Vorteil genug erlangt, Uebrigens ſind ſolche „Scheingerichte“ auf der reich be— deckten Tafel der Natur nicht ſo ſelten, wie Wallace glaubt, denn man kann noch manche Seitenſtücke dazu finden, z. B. bei einer kleinen, häufig in unſeren Gärten und in Töpfen gezogenen Iridee (Anomatheca cruenta), welche ihre dreifächrige Kapſel weit öffnet und die kleinen, ſehr appetitlichen, ſcharlachroten Samen wie auf einem Prä⸗ ſentierteller darbietet, obwohl von dem beerenartig durd)- ſcheinenden Samen wahrſcheinlich wie bei der Muskatnuß nur der äußere Anhang verdaulich iſt. Vielleicht liegt bei der Paternoſtererbſe der Fall noch viel merkwürdiger, als ſelbſt Wallace ahnte, nämlich ſo, daß dieſe ungenießbaren Erbſen mit dem ſchwarzen Nabelfleck auf ſcharlachrotem Grunde nur die gleichgefärbten und gezeichneten genieß⸗ baren Samen ihrer indiſchen Schweſterpflanzen nach⸗ ahmten, um durch Verwechſelungen verſchlungen und verbreitet zu werden. Noch durch eine weitere Anwendung als zum Schmuck zeigen ſich dieſe roten Samen untereinander verbunden. Bei ihrer ziemlich gleich bleibenden Größe und Schwere benutzten die Inder unſere Paternoſtererbſe unter dem Namen Rati früh als Gewichtseinheit, nach welcher namentlich die Wägung der Edelſteine ſtattfand, ſo daß z. B. das Gewicht des berühmteſten indiſchen Digmanten, des „Kohinoor“, früher in Ratis angegeben wurde. Die ähnlichen Samen des indiſchen Korallenbaums gebrauchte man nach Rumpf und Rheede vorwiegend zur Goldwägung und die etwas größeren Schmuckſamen der Adenanthera zur Silberwägung. Es iſt indeſſen nicht ganz ſicher, ob das noch heute in der Gold- und Edelſteinwägung gebräuch⸗ liche Wort Karat wirklich, wie angegeben wird, von Kuara, dem alten indiſchen Namen der Korallenbaumſamen abſtammt. Wenigſtens iſt es ebenſo ſicher, daß die alten Griechen ſich zur Goldwägung der gleich harten und un- veränderlichen Samen des bekannten, am Mittelmeer Het: miſchen Johannisbrotbaumes (Ceratonia Siliqua) bedienten und die betreffende Gewichtseinheit danach Keration (latei⸗ niſch: Siliqua) nannten, welche beiden Worte auch bei beiden Völkern zu Münzbezeichnungen verwendet wurden. Da nun ſeit alten Zeiten indiſche und afrikaniſche Völker ſich der Samen verſchiedener Korallenbäume bedienten — die Abeſſinier z. B. der Samen von Exythrina abessi- nica — fo iſt es am wahrſcheinlichſten, daß Namen und Gebrauch früh von einem Volke zum anderen gebracht und jedesmal auf die Samen einheimiſcher Pflanzen übertragen worden ſind. : In Europa erweckte die Roſenkranzerbſe erft in neuerer Zeit ein tieferes Intereſſe, nämlich ſeit ein in Paris lebender Arzt M. de Wecker im Juni 1882 den Samen von einem braſilianiſchen Geiſtlichen mit der Nachricht empfing, daß ein daraus bereiteter kalter wäſſeriger Auf guß ſeit lange im braſilianiſchen Volke als die beſte Wa- ſchung bei gewiſſen Augenentzündungen gelte, die ſonſt leicht Hornhauttrübungen zurücklaſſen. Die Verſuche des genannten Pariſer Arztes, wie die des Profeſſors H. Sattler in Erlangen beſtätigten die verheißene Wirkung, obwohl Humboldt. — Dezember 1889. das Mittel denjenigen gleicht, auf welche man die Redens— art „den Teufel durch Beelzebub austreiben“ anwendet. Es entſteht nämlich nach der ſchmerzloſen Waſchung oder Einpinſelung nach 10 bis 12 Stunden eine ſehr heftige, eiternde Entzündung der Augenbindehaut, die aber bei richtiger Anwendung ſtets gutartig verläuft und meiſt zur Heilung des Uebels führt, gegen welches das Mittel an— gewendet wurde. Profeſſor Sattler unterſuchte nun den Aufguß und glaubte, da er keinen chemiſchen Stoff von hervortretender Wirkſamkeit darin finden konnte, ſeine Wirkung von einem darin auftretenden Bacillus ableiten zu ſollen, zumal ſich derſelbe auch in der eitrigen Abſcheidung der Augen nach— weiſen ließ. Derſelbe wurde als Bacillus Jequiritiae in die Wiſſenſchaft eingeführt, weil die ſüße Wurzel der Paternoſtererbſe als ſogen. indiſches oder braſilianiſches Süßholz (Jequirity du Brésil) in Frankreich arzneilich wie unſer gewöhnliches Süßholz angewendet wurde, und die Pflanze darnach in Cayenne Süßholz-Liane (la Liane a réglisse) genannt worden war. Auch andere Beobachter, wie Cornill und Berlioz beſtätigten die arzneiliche Wirk— ſamkeit des Jequirity-Bacillus, des einzigen dieſer Sünden— böcke der neueren Medizin, der ſeine beſondere Mutter— pflanze zu haben ſchien. Inzwiſchen machte Dr. B. Schuchard in Gotha darauf aufmerkſam (1883), daß die Ratiſamen ſeit alten Zeiten in Indien eines unheimlichen Rufes genießen, und daß ſie allem Anſchein nach durchaus nicht ſo harmlos ſind, wie es nach den bisherigen Erfahrungen ſcheinen konnte. Man erzählte, daß die Paternoſtererbſe in Indien zu heim: lichen Morden verwendet würde, ſofern das Einbringen einer kleinen Menge in eine unſcheinbare Wunde genüge, einen Menſchen zu töten. Zu dieſem Zwecke würden die Samen 24 Stunden in kaltes Waſſer gelegt, damit man ihnen die verräteriſche rote Schale abziehen könnte, darauf weitere 12 Stunden in Madarmilch (d. h. dem Milchſaft von Calotropis gigantea) geweicht, und ſchließlich zu Brei geſtoßen. Aus letzterem würde dann eine ſpitze Nadel geformt, die in der Sonne getrocknet, hart genug werde, um durch die Haut eines ſchlafenden Menſchen oder Tieres geſtoßen zu werden. Erſt nach etwa 6 Stunden, wenn die gefährliche Maſſe ſich in der Wunde erweicht habe, empfinde der Geſtochene einen Schmerz, als wenn er ſich an einem Dorn geritzt habe. Dann entzünde ſich die Wunde; es bilde ſich eine große bleifarbene Geſchwulſt, und der geſtochene Menſch erliege nach etwa drei Tagen dem Gift unter ſchnellem Verfall der Kräfte und Fieber— erſcheinungen, gerade ſo, als ob er von einer Schlange gebiſſen worden wäre. Verſuche an Hunden, denen man das Gift in einer Wunde beigebracht, ergaben thatſächlich, daß die Tiere alsbald einer großen Mattigkeit und ſtarkem Durſt verfallen, unter Fiebererſcheinungen jede Nahrung verſchmähen und meiſt ſchon nach zwei Tagen ruhig, wie an Entkräftung verenden. Es iſt wohl dasſelbe Gift, von dem in Eugen Sues „Geheimniſſen von Paris“ erzählt wird, daß es ein indiſcher Prinz nach Frankreich gebracht habe, um ſich ſeiner geeigneten Falls zu bedienen. Wahrſcheinlich infolge dieſer Veröffentlichung ſtellte ein engliſcher Arzt Mr. Warden im Berliner Geſundheits— amt neue Verſuche über den wirkſamen Stoff der Pater— 461 noftererbje an und zeigte in einer gemeinſam mit Dr. Wad: dell in Kalkutta veröffentlichten kleinen Schrift (1884), daß der als Uebelthäter beſchuldigte Jequirity- Bacillus, ſobald er von dem Samenaufguß abgeſondert wird, die ihm zugeſchriebenen böſen Eigenſchaften nicht beſitzt. Die Verfaſſer bezeichneten vielmehr einen nicht nur in den Samen, ſondern auch in Stamm und Wurzel der Pflanze enthaltenen Eiweißſtoff, den ſie Abrin tauften, als den eigentlichen Träger der Giftwirkung. Man muß demnach erſchrecken, wenn man daran denkt, wie viel Unheil die als Arzneimittel viel genoſſene Wurzel bei Leuten mit wundem Mund hätte anrichten können. Im Magen ſind, wie bereits erwähnt, die meiſten Blutgifte, wie auch Schlangengift ſelbſt, unſchädlich, weil ſie daſelbſt vor ihrem Uebergang in die Blutbahn zerſetzt und verdaut werden. Dieſe Ergebniſſe ſind im weſentlichen durch eine neue Unterſuchung von Sidney Martin, welche im Phyſiologi— ſchen Inſtitut der Londoner Univerſität ausgeführt und der Royal Society am 16. Mai 1889 vorgelegt wurde, beſtätigt worden, doch haben fic) dabei einige bemerfens- werte weitere Thatſachen ergeben. Es wurden zwei chemiſch trennbare Giftſtoffe, die beide zu den Eiweißkörpern ge— hören und ihrem chemiſchen Charakter nach als Paraglo- bulin und Albumoſe unterſchieden werden, aus den Samen dargeſtellt. Abgeſehen von der Heftigkeit der Wirkung, die bei dem Globulin größer iſt, rufen beide die nämlichen Erſcheinungen im tieriſchen Körper hervor. Ins Auge gebracht, verurſachen beide eine heftige Bindehautentzün— dung, unter die Haut eingeſpritzt, zunächſt örtlichen Schmerz, Blutunterlauf und Geſchwulſt, dann, wenn die Wirkung ſich im Körper verbreitet, heftigen Magenxeiz, der ſich durch ruhrartige Erſcheinungen kundgibt. Die allgemeinen Er— ſcheinungen beſtehen in einem ſtarken Sinken der Körper— wärme, worauf ein Zuſtand von Empfindungsloſigkeit und Taubheit der Glieder folgt, welcher bei hinlänglich ſtarker Gabe in Tod ausgeht. Alle dieſe Wirkungen erinnern in auffälliger Weiſe an diejenigen der Schlangengifte. Auch dieſe gehören zu den Eiweißſtoffen, bringen nach dem Biß zunächſt örtliche Erſcheinungen hervor, dann folgt die ſtarke Herabſetzung der Körperwärme, eine große Mattigkeit und jener Zuſtand der abſterbenden Gliederempfindlichkeit, welcher dem Tode voraufgeht und zu der Sage Anlaß gab, daß die Schlange der Kleopatra (Aspis) einſchläfre oder einen in Tod endigenden Schlaf erzeuge. Ferner ſcheint das Verhalten der Abrus-Gifte gegen feuchte Wärme dem der Schlangen— gifte ähnlich zu ſein. Erhitzt man eine Löſung des Glo— bulins der Paternoſtererbſe, ſo verliert ſie kurz vor dem Kochen (zwiſchen 75 und 80°) ihre Giftigkeit; diejenige der Albumoſe widerſteht etwas länger, wird aber bei 80 bis 85° ebenfalls zerſtört, und ähnlich verhalten ſich verſchiedene in dieſer Richtung unterſuchte Schlangengifte. Ein letzter Punkt von bemerkenswerter Uebereinſtimmung iſt das Flüſſigbleiben des Blutes im toten Körper nach Schlangen— biß und Abrus-Vergiftung, welches ſich im Altertum zu der Sage von der Blutſchlange (Hämorrhois) Libyens verdichtete, von der Lukanus, den Gebiſſenen mit den wohlriechende Wäſſer ausſchwitzenden Bildſäulen der römi— ſchen Theater vergleichend, ſingt: 462 „Aber noch grauſere Schau gewährt mand’ libyſches Sdjeujal. Eine wilde Hämorrhois drückte dem Tullus den Zahn ein, Dem hochherzigen Jüngling und heißen Bewunderer Cato's. Und wie aus allen Gliedern zugleich ſich pflegt zu ergießen Vom koryeiſchen Krokus der Saft, fo alle die Glieder, Strömten anſtatt des Blutes auf einmal rötliches Gift aus. Blut nun waren die Thränen und was für Pfade das Naß kennt, Reichlich rinnt in ihnen das Blut, ausſprudelt der Mund es Und der Nüſtern beide; der Schweiß iſt gerötet; aus allen Adern fließt es und nur noch Eine Wund' iſt der Körper.“ (Pharsalia IX. 777-786.) So vielerlei Uebereinſtimmungen berechtigen wohl zu der Auffaſſung, daß die Roſenkranzerbſe eine Art von vegetabiliſcher Schlange darſtellt, die aus ihren Säften ein ähnliches Gift abſcheidet, wie die Schlange aus ihren Speicheldrüſen, und dieſe Erkenntnis mag vielleicht einmal für die Wiſſenſchaft nutzbar werden, indem man mit ihrer Hilfe möglicherweiſe der Natur und Bildung des Schlangen⸗ gifts näher auf die Spur kommt. Iſt das aber nicht ein ſeltſames Zuſammentreffen, daß in Ländern, wo alljähr⸗ lich Tauſende den Biſſen giftiger Schlangen erliegen, noch mehr Tauſende dieſe Schlangenſamen als Halsſchmuck tragen, ohne zu ahnen, daß in ihren Halsbändern mehr Unheil lauere, als in dem berüchtigten Halsbande der Harmonia, welches ſich in der Familie des Schlangen— kämpfers Kadmos, der die Schlangenzähne in die Erde ſäte, forterbte und allen Trägern Unheil brachte? Andererſeits ſind die neuen Unterſuchungen geeignet, das Grauen vor dem Paternoſterſamen, welches die Mit- teilungen Schuchards erweckt hatten, in etwas abzuſchwächen. Sie zeigten nämlich, daß das Abrus-Gift denn doch nicht ſo ſtark iſt, daß ſchon die Beibringung unmerklicher Mengen töten könnte, und daß ſeine Gefährlichkeit in dieſer Be⸗ ziehung gegen die indiſchen Pfeilgifte und gegen das ge— fürchtete Leichengift erheblich zurückſteht. Bekanntlich ſind die Schlangengifte ſchon unter ſich in der Heftigkeit ihrer Wirkung äußerſt verſchieden, je nach der Gattung, und ſelbſt nach Jahreszeit, Land und Klima bei derſelben Art. Das Gift der gemeinen Kreuzotter iſt im ſüdlichen Europa bei weitem ſtärker als in Norddeutſchland, und der be— kannte Giftforſcher Fontana hat berechnet, daß im Süden die für den Menſchen tödliche Menge des Viperngiftes 0,0021 g für jedes Kilogramm ſeines Körpergewichtes beträgt. Zu einer derartigen Berechnung hat man ſich nämlich bei allen Giften, die verändernd auf das Blut wirken, genötigt geſehen, weil man fand, daß die Wirkung Humboldt. — Dezember 1889. in einem umgekehrten Verhältnis zum Körpergewicht ſteht, d. h. um ſo heftiger auftritt, je leichter die gebiſſenen Perſonen ſind. Bekanntlich iſt aber die Viper weit entfernt davon, zu den giftigſten Schlangen zu gehören. In Bezug auf die von Reiſenden viel erwähnte indiſche Hutſchlange oder Cobra di Capello hat Vincent Richards durch Verſuche an Hunden feſtgeſtellt, daß von ihrem Gifte bereits 0,00079 g (auf das Kilogramm des Körpergewichts berechnet) zur Tötung genügen, wonach alſo ein Hund von 10 kg 0,0079 g zur Tötung erfordern würde. Bei den meiſten Tieren derſelben Abteilung des Reiches kann man in der Regel auf eine ähnliche Wirkung ſchließen, während es große Fehler zur Folge haben würde, wenn man in dieſer Bez ziehung z. B. kalt- und warmblütige Tiere gleichſtellen wollte. Bei der Vergleichung der Gifte unſerer Paternofter- erbſe ergab ſich nun, daß ſelbſt von dem ſtärkeren Gift—⸗ ſtoff derſelben, dem Paraglobulin, 0,01 g auf das Kilo⸗ gramm Körpergewicht zur tödlichen Wirkung erforderlich waren, d. h. etwa die fünffache Menge des Viperngifts und mehr als die zwölffache Menge des Hutſchlangen— giftes, und da nun das Paraglobulin mit ſchwächer wir— kenden und unwirkſamen Stoffen in den Ratiſamen ver⸗ dünnt iſt, ſo würde man die Angaben Schuchards für indiſche Märchen halten müſſen, wenn nicht vielleicht die Zubereitungsweiſe die Wirkung erhöhen kann. Kommen wir zum Schluß nochmals auf unſere obige Betrachtungsweiſe zurück und fragen uns, ob der Pflanze aus dem Giftgehalt ihrer Samen ebenſowohl wie aus der roten Samenſchale ein Vorteil erwachſen könne, ſo müſſen wir antworten, daß unſer derzeitiger Wiſſenszuſtand uns nicht geſtattet, einen ſolchen zu erkennen. Von Früchten, die vom Magen aus tödlich wirken, hat man gemeint, fie könnten durch Tötung kleiner Vögel den mitverſchluckten Samen eine günſtige Keimungsſtätte in den kleinen Leichen derſelben bereiten; auf die Paternoſtererbſen würde dieſer Gedankengang aber keine Anwendung finden, da die Samen ſchwerlich verdaut werden können, und wenn verdaut, wahrſcheinlich nicht ſchädlich wirken würden. Der Nutzen des Giftgehalts für die Pflanze ſelbſt bleibt mithin ihr Geheimnis, während die ſchöne Farbe der Samen ihre wahrſcheinlich richtige Erklärung finden konnte. Der Orientierungsſinn der Tiere äußert ſich häufig in auffallender Weiſe darin, daß die Tiere nicht nur ihren Rückweg auf weite Entfernungen hin zu finden wiſſen, ſondern dabei auch einen anderen Weg einſchlagen, als ſie gekommen ſind. Sie ſtreben in dieſem Falle ihrem Ausgangspunkt in gerader Linie zu. An Haustieren hat man dies häufig beobachten können; aber ſelbſt von Inſekten, wie den Bienen, iſt die Erſcheinung bekannt. Die Amerikaner nennen jene gerade Linie die „Bienenlinie“ (bee-line), da, wie Romanes mit- teilt, in manchen Gegenden die Gewohnheit herrſcht, eine Anzahl herumſchweifender honigtragender Bienen zu fangen und ſie dann von verſchiedenen Punkten ausfliegen zu laſſen. Die Inſekten fliegen dann in gerader Linie auf ihren Stock zu, den fie dadurch den Honigſuchern ver= raten. Worauf dieſes Vermögen der Tiere, welches übrigens auch den Naturmenſchen nicht fehlt, beruht, weiß man nicht. Vielleicht, meint Romanes, bleibt den Tieren eine unbewußte Erinnerung an die Drehungen und Wendungen des Hinwegs, jo daß ſie einen allge- meinen Eindruck ihrer Lage behalten. Daß unter der Zahl der Tiere, bei welchen man dieſes Vermögen beob— achtet hat, auch die Ameiſen nicht fehlen, iſt bei der wunderbaren Begabung derſelben beinahe ſelbſtverſtändlich; in der That hat John Lubbock durch Verſuche nachge—⸗ wieſen, daß die Ameiſen einen ausgeprägten Orientierungs⸗ ſinn beſitzen. Wie ſich derſelbe in der Natur äußert, das Humboldt. — Dezember 1889. zeigen recht deutlich einige Beobachtungen, welche Me. Cook kürzlich in den Troſachs, dem durch ſeine romantiſche Scenerie berühmten Thale in Schottland, an Waldameiſen (Formica rufa) gemacht hat. Er fand dort eine Anzahl von Ameiſenhaufen, welche eine Höhe von 1 m erreichten und von denen einige am Grunde einen Durchmeſſer von 2 m beſaßen. Von dieſen Haufen führten Straßen nach verſchiedenen Punkten in der Umgebung. Als der Beob- achter nun einige dieſer Straßen verfolgte, wurde er durch die Thatſache überraſcht, daß ſie kaum eine Abweichung von der geraden Linie zeigten. Zum Zweck einer ge— naueren Unterſuchung wählte er einen großen Ameiſen— haufen, von welchem drei Straßen ausliefen. Die End— punkte derſelben waren durch drei Eichen beſtimmt, an welchen die Ameiſen, um ihre Kühe, die Blattläuſe, zu melken, hinaufkletterten. Me. Cook ſteckte die Straßen ſorgfältig durch Pfähle ab, die in kleineren Zwiſchen— räumen von einander aufgeſtellt waren. Es zeigte ſich darauf, daß die erſte Straße, welche 21 Schritt lang war, fajt genau in gerader Linie nach dem Endpunkte verlief. Die zweite Straße war 23 Schritt lang und wich weniger als 8 em von der geraden Linie ab. Die dritte Straße war 34 Schritt lang und zog ſich bis auf eine Entfernung 463 von 6 Schritten am Neſte hin; darauf berührte ſie einen alten Baumſtumpf, an dem fie abbog; aber nur, um ſpäter wieder in faſt gerader Richtung bis zu einem Fußſteig, der durch den Wald führte, ſich fortzuſetzen. Hier wurde die Fährte durch menſchliche Fußtritte verwiſcht, aber die Ameiſen ſelbſt drängten in ſehr verbreitertem Zuge über den Pfad. An der anderen Seite desſelben wurde die Fährte wieder aufgenommen, und zwar an einem Punkte, welcher dem, wo ſie aufgehört hatte, faſt genau gegen— überlag. Von hier ſetzte ſie ſich in gerader Linie bis zu dem Baume fort, an welchem ſie endigte. Die Abweichung der ganzen Straße von der geraden Linie betrug in dieſem Falle weniger als 1m; wenn fie mithin auch beträchtlicher war, als in den beiden anderen Fällen, ſo müſſen doch die Länge des Weges und die be— ſonderen Schwierigkeiten desſelben mitberückſichtigt werden. Die Geſchicklichkeit der Ameiſen in der Anlegung dieſer geraden Straßen war um ſo auffälliger, als letztere viel- fach durch das Unterholz und unter anderen Waldpflanzen entlang führte. — Me. Cook ſchließt aus dieſen Beobach— tungen auf das Vorhandenſein eines beſonderen Richtungs— ſinnes bei den Ameiſen, eine Anſicht, der wohl nur ein Tell unſerer Lefer beipflichten wird. M—s. Schädliche Forflinfekten. Welche Aufwendungen die preußiſche Staats-Forjt- verwaltung zur Bekämpfung ſchädlicher Forſtinſekten zu machen hat, geht aus einer Nachweiſung hervor, welche der Miniſter der Landwirtſchaft, Domänen und Forſten dem Bericht an den Kaiſer und König über die Reſultate der Forſtverwaltung in den Jahren 1884-1887 bei— gefügt hat. In der Zeit vom 1. April 1884 bis ult. März 1885 wurden verausgabt 200,550 Mark; in dem darauffolgenden Jahre 171 404 Mark und im Jahre 1886/87 191 645 Mark. Den Hauptteil der Koſten hat Hylobius abietis, der große braune Rüſſelkäfer, mit 107 200 bis 109 300 Mark für ſich in Anſpruch genommen. Dieſe in ziemlich gleicher Höhe regelmäßig wiederkehrende Ausgabe kann leider ohne ſchwere Schädigung der Kulturen nicht erſpart werden, wiewohl die Wahrnehmung niederſchlagend iſt, daß die große Zahl der jährlich vernichteten Käfer zu keiner merklichen Verminderung derſelben führt. Nächſt dem großen braunen Rüſſelkäfer hat Gastropacha pini, die große Kiefernraupe, die erheblichſten Koſten verurſacht, welche zwiſchen 19 115 Mark im Jahre 1885/86 und 35 478 Mark im Jahre 1886/87 geſchwankt haben. Maßregeln bedeuten— deren Umfanges ſind in keinem Bezirke erforderlich ge— worden. Die größte Summe für das Anbringen von Teerringen hat der Regierungsbezirk Frankfurt an der Oder im Jahre 1886/87 mit 13 058 Mark beanſprucht. Zwiſchen 24 000 und 25 000 Mark jährlich find für Vorbeugungs⸗ und Vertilgungsmittel gegen Bostrichus typographus, den 8zähnigen Fichtenborkenkäfer, und Hylesinus piniperda, den Waldgärtner, aufgewendet worden. Dieſe Summe iſt erheblichen Schwankungen nicht unter— worfen, ſo lange es gelingt, die genannten Inſekten, ins— beſondere den Bostrichus, durch geeignete Vorbeugungs— maßregeln, namentlich durch rechtzeitiges Schälen der einge— ſchlagenen Nutzhölzer, in Schranken zu halten. Mit einem vergleichsweiſe geringeren Betrage erſcheinen die Koſten für die Vertilgung des Maikäfers, die nur im Jahre 1884/85, in welchem der Regierungsbezirk Marienwerder für dieſen Zweck 9926 Mark aufgewendet hat, eine Summe von rund 16 000 Mark erreichten. Gleichwohl iſt zur Zeit dieſes Inſekt, namentlich für die Kiefernforſten der mitt- leren und öſtlichen Provinzen, weitaus das verderblichſte und erregt um ſo mehr ernſte Beſorgniſſe, als bisher durchſchlagende Vertilgungsmittel nicht bekannt geworden ſind. Schon Anfang dieſes Jahrzehntes haben in einigen Oberförſtereien Oſtpreußens weitere Kulturen auf den von der Maikäferlarve beſonders ſtark heimgeſuchten Flächen bis auf weiteres eingeſtellt werden müſſen. Leider iſt in dieſer Beziehung eine Beſſerung inzwiſchen nicht eingetreten, und auch aus anderen Teilen der Monarchie werden die Klagen über die Engerlingsſchäden immer lauter. Dies gilt namentlich von Schleswig-Holſtein, dem Regierungs- bezirk Magdeburg, der Mark Brandenburg und Weſtpreußen. Das zur Vertilgung der Larve empfohlene Eingraben von Fangknüppeln hat ſich erfolglos gezeigt. Die verſuchsweiſe angewendete Tiefpflanzung und als Abart derſelben die Pflanzung auf der Sohle der zu dieſem Zwecke hergeſtellten Gräben haben einen genügenden Erfolg nicht gehabt. In Holſtein verſpricht man ſich günſtige Ergebniſſe von der Kultur auf Rabatten, weil angeblich der Maikäfer in dem die oberſte Schicht derſelben bildenden Rohboden, welcher auf Jahre den Unkrautwuchs verhindert, ſeine Eier ungern ablegt. Immerhin wird die Rabattenkultur ſchon mit Rück⸗ ſicht auf ihre Koſtſpieligkeit nur ein beſchränktes Feld be— 464 Humboldt. — Dezember 1889. haupten können, abgeſehen davon, daß der vorliegende Zweck nicht erreicht wird, wenn der Boden ſchon früher durch Maikäfer infiziert worden iſt, wie bei aufzuforſtendem Acker. Man hat endlich empfohlen, kubiſche Löcher von 30 em Seitenlänge oder Gräben auszuheben, dieſe mit halb⸗ verweſtem Laub, Moos rc. zu füllen und die ſich in den- ſelben zuſammenziehenden Larven von Zeit zu Zeit heraus⸗ zunehmen und zu töten. Wenn auch die erſten Verſuche nicht völlig befriedigt haben, ſo verdient das Mittel nament⸗ lich in Anſehung der Gräben doch weitere Erprobung. Die Auffindung eines durchſchlagenden Gegenmittels gegen die Maikäferlarve, etwa in der Art, wie ein ſolches in den Teerringen gegen die große Kiefernraupe zur Ver⸗ fügung ſteht, würde in hervorragendem Maße auf den Dank der Waldbeſitzer Anſpruch machen dürfen. Zwar hat auch in früherer Zeit die Beſchädigung durch Maikäfer⸗ fraß einen erheblichen Umfang gehabt und ſich ſpäterhin wieder bis zur Erträglichkeit vermindert; was aber gegen⸗ wärtig die Kalamität beſonders empfindlich macht, iſt der Umſtand, daß jie durch die Schüttekrankheit der Kiefer und das zahlreichere Auftreten des kleinen braunen Kiefernrüſſelkäfers, Pissodes notatus, noch verſtärkt worden iſt. In einer größeren Zahl von Oberförſtereien gehört gegenwärtig ein beſonderes Maß von Energie dazu, um die Kulturen rechtzeitig zum Schluß zu bringen und den Nachkommen nicht lückenhafte Orte zu hinterlaſſen. Wie bei der Maikäferlarve, jo geſtattet auch bei der Forleule Trachea piniperda, und dem Kiefernſpanner, Pidonia piniaria, die Größe der zur Vertilgung aufgewendeten Summe (durchſchnittlich jährlich 1200 Mark) keinen Schluß auf den Umfang der abgewendeten oder ſtattgehabten Be- ſchädigungen, da es an völlig befriedigenden Gegenmitteln fehlt, zumal das wirkſamſte Mittel, der Eintrieb von Schweinen meiſt nicht in dem gewünſchten Umfange aus- führbar tft. Beide Inſekten verſchwinden in den Kiefern⸗ forſten nie ganz. Die Nonne, Liparis monacha, welche in den Jahren 1853 —1858 in den Regierungsbezirken Gumbinnen und Königsberg 106 777 ha Waldfläche ver⸗ wüſtet hat, ſcheint in der Abnahme begriffen zu ſein; zur Vertilgung wurden nur im Jahre 1885/86 erhebliche Aufwendungen in den öſtlichen Provinzen notwendig (2750 Mark); ſonſt haben die Vertilgungsmaßregeln bei dieſem Inſekt durchſchnittlich jährlich nur 650 Mark be⸗ tragen. Im Jahre 1886/87 haben zur Vertilgung der großen Kiefernblattweſpe, Lyda pratensis, im Regie- rungsbezirk Frankfurt a. O. über 4000 Mark aufgewendet werden müſſen. Die erheblichſten Koſten zur Vertilgung der ſchädlichen Forſtinſekten beanſprucht der Oſten der Monarchie mit ſeinen großen zuſammenhängenden Nadel- holzwaldungen, während der Weſten mit ſeinen über⸗ wiegenden Laubholzwäldern nur wenig von Inſekten zu leiden hat. W. Die Achatinellen der Sandwichsinſeln. Von Dr. W. Kobelt in Schwanheim. Eine der intereſſanteſten zoogeographiſchen Erſchei⸗ nungen iſt die abgeſchloſſene Faung der Sandwichsinſeln und innerhalb derſelben wieder das Auftreten der Gattung Achatinel la Swains., welche auf die Inſeln beſchränkt iſt, hier aber in circa 250 Arten und mindeſtens 1000 Varie⸗ täten auftritt. Die Gattung ſteht ganz iſoliert in der Molluskenfauna und bildet eine Familie für ſich; mit der durch Polyneſien weit verbreiteten Gattung Partula en. hat fie zwar eine äußerliche Aehnlichkeit, aber in der fo wichtigen Zungenbewaffnung ſind beide Gattungen ſehr weit verſchieden und können nicht aus derſelben Wurzel abgeleitet werden. Ueber die Verbreitung der Gattung innerhalb des Archipels von Hawaii war eine auf Autopſie beruhende Ueberſicht bisher nicht gegeben; erſt kürzlich hat eine Arbeit von Hartmann) genauere Details darüber gebracht, denen wir folgende Angaben entnehmen. Die Achatinellen zerfallen in zwei gut verſchiedene Gruppen, Baumbewohner und Bodenbewohner, erſtere durch die bunte, letztere durch die trübe, dunkle Färbung ſofort erkennbar. Die Baumbewohner ſind zum Teil etwas weiter verbreitet und machen nur vor bedeutenderen Terrainhinderniſſen Halt; die Bodenbewohner dagegen ſind in ihrer Ausbreitung äußerſt beſchränkt. Nicht nur, daß jede Inſel ihre eigentümliche Gruppe hat, auch jeder Bergrücken, jede Schlucht dazwiſchen beherbergt eigen⸗ tümliche Arten; aber es iſt von großem Intereſſe, daß *) A pibliographie and synonymie Catalogue of the Genus Achatinella. In: Proc. Acad. Nat. Science, Philadelphia 1888. I. die Bewohner zweier benachbarten Schluchten faſt immer näher miteinander verwandt und durch Varietäten ver— bunden ſind. Wo eine Inſel nur aus einem Centralpik beſteht, deſſen Seiten radiär gefurcht ſind, findet man die Formen nach dem Centrum hin konvergierend, die Acha⸗ tinellen der oberſten Thalenden ſind unter ſich viel enger verwandt, als die der Thalausgänge an der Küſte. Wo aber die Inſel von mehreren Bergketten durchzogen wird, hat jede Bergkette ihre eigentümlich entwickelte Gruppe. Eine wichtige Rolle ſpielt aber auch das geologiſche Alter der einzelnen Inſeln, das bekanntlich ſehr verſchieden iſt. Die älteſte iſt Kauai, dann folgt Oahu, als dritte Maui mit den zugehörenden kleinen Inſeln Molokai und Lanai, am jüngſten iſt Hawaii, auf dem die vulkaniſchen Aus⸗ brüche immer noch fortdauern. Am reichſten an Achatinellenarten iſt aber nicht Kauai, ſondern Oahu, das von zwei getrennten Gebirgsketten durchzogen wird, von denen jede wieder infolge der vor⸗ geſchrittenen Denudation in verſchiedenen Gipfeln kulmi⸗ niert; die Flanken der beiden Ketten werden von einer Maſſe tief eingeriſſener Thäler durchfurcht, zwiſchen denen ſich hohe, meſſerſcharfe Grate erheben, die eine Kommuni⸗ kation nur längs der Küſte geſtatten. Noch ſind bei weitem nicht alle Schluchten von Sammlern beſucht worden, trotz⸗ dem find von Oahu ſchon 227 Arten mit mindeſtens 1000 Varietäten beſchrieben worden; eine gute Anzahl mag noch der Entdeckung harren. Das ältere Kauai dagegen, gleichzeitig die am reichſten bewachſene und feuch⸗ teſte unter den Inſeln, hat nur 23 Arten, von denen Humboldt. — Dezember 1889. 465 keine zu den Baumbewohnern gehört. Dafür hat dieſe Inſel die eigentümliche Gattung Carelia fiir fic) allein, ein Genus, das trotz mancher Aehnlichkeit in der Tracht doch von Achatinella anatomiſch ſehr verſchieden iſt; es ſcheint übrigens im Ausſterben begriffen, denn ſo häufig man die ſieben beſchriebenen Arten ſubfoſſil in den Alluvial— ſchichten der Thalausgänge findet, ſo ſelten ſind lebende Exemplare; auf dem benachbarten Inſelfelſen Nühau hat man bis jetzt nur ſubfoſſile Stücke einer Art gefunden. Die drittälteſte Inſel, Maui, beſteht bekanntlich aus zwei nur durch einen ganz ſchmalen Iſthmus verbundenen Bergmaſſen, von denen man bisher als zweifellos annahm, daß ſie erſt einer ganz modernen negativen Verſchiebung der Strandlinie ihre Vereinigung verdankten. Die Mol— luskenfauna beſtätigt das nicht. Weſt-Maui, das in ſchärfſter Ausprägung einen Centralpik mit radiären Thal- furchen zeigt, hat bis jetzt zwar etwa 30 Arten geliefert, da jedes Thal ſeine eigentümliche Form hat; aber die ſämtlichen Baumbewohner laſſen ſich nach Hartmann auf ſieben Arten zurückführen. Oſt-Maui, faſt ganz von der gewaltigen Maſſe des Haleakala gebildet, iſt bis jetzt nur an ſeinem weſtlichen Abhang durchforſcht, da den öſtlichen ein undurchdringlicher Urwald deckt; aber ſeine 29 Arten ſind entweder identiſch mit denen der Weſthälfte, oder doch ſo eng verwandt, daß die Verbindung der beiden Inſelhälften uralt und früher inniger geweſen ſein muß, als heute. Wäre ſie recent, ſo müßten die beiden Faunen mindeſtens ebenſo ſehr differieren, wie die der beiden kleineren Nachbarinſeln. Von dieſen beſteht Molokai aus einer 30 engl. Meilen langen und nur ein Viertel ſo breiten Bergkette mit furchtbar zerriſſenen Flanken, welche durch ein paar weitere Einſchnitte deutlich in drei Abteilungen geſchieden wird. Jede dieſer Abteilungen hat ihre eigene Achatinellengruppe, und es finden ſich keinerlei Uebergänge von einer Gruppe zur anderen. Hier könnte man alſo eher an eine Verſchmelzung der Inſel aus drei getrennten Beſtandteilen denken, doch iſt das aus andern Gründen ausgeſchloſſen, und die Thatſache bleibt ſchwer erklärlich. — Die andere Nachbarinſel von Maui, Lanai, iſt die kleinſte und dürrſte des Archipels und nur in einem kleinen Teil überhaupt geeignet für Molluskenleben; trotzdem finden wir auf ihr 13 ſämtlich ſehr eigentümliche Arten, und unter dieſen den Rieſen der Gattung, Achatinella magna 4d. In ſchroffem Gegenſatz zu allen anderen Inſeln ſteht die Hauptinſel Hawaii, die allein zwei Drittel des Ge— ſamtareals einnimmt. Nur ſechs Arten ſind von dort beſchrieben worden, darunter trotz der ausgedehnten feuchten Wälder nur eine einzige Baumbewohnerin. Dieſe, gegen— wärtig auf die Kohalaberge beſchränkt, findet ſich übrigens dort in unendlicher Menge und iſt anſcheinend im Begriff, ſich über die ganze Inſel auszubreiten. Hartmann teilt überhaupt nicht die Anſicht der euro— päiſchen Forſcher, welche in den Achatinellen einen im raſchen Ausſterben begriffenen Reſt früherer Faunen ſehen. Hier und da ſind allerdings einzelne Arten durch das Ueberhandnehmen des wilden Rindviehs, das ihnen die Lieblingsnahrung wegfrißt, in ihrer Exiſtenz beeinträchtigt worden, anderen iſt in den eingeſchleppten Ratten und Mäuſen ein ſchlimmer Feind erwachſen; aber in den un— zugänglichen, dicht bewaldeten Schluchten finden die meiſten Arten genügenden Schutz, um ſich ungeſtört vervielfältigen zu können, und Hartmann konnte bei einem nur wenige Tage dauernden Ausflug nach Molokai gegen 5000, bei einem anderen auf Oahu gegen 3000 Exemplare ohne ſonderliche Mühe ſammeln. Die wunderbare Formen- und Farbenmannigfaltigkeit, welche den Syſtematiker zur Verzweiflung bringt, erklärt ſich nach Hartmann nur zum Teil aus der Zerriſſenheit des Terrains, der ſcharfen Sonderung der einzelnen Ver— breitungsgebiete und der Verſchiedenheit der Lebensbedin— gungen am oberen Anfang und am unteren Ausgang der Thäler. Hartmann nimmt vielmehr eine ſehr ausgedehnte Vermiſchung und Baſtardierung der nebeneinander woh— nenden Arten an, bringt aber leider dafür weder beſtimmte Beobachtungen noch experimentelle Beweiſe bei. Es will uns ſcheinen, als mache die von ihm geſchilderte Beſchaffen— heit des Landes die Baſtardierung recht wenig wahrſchein— lich, während ſie andererſeits vollkommen genüge, um die Zerſplitterung in eng verwandte und durch Zwiſchenformen verbundene Lokalarten und beſonders das Konvergieren der Varietäten nach den Höhen hin zu erklären. Jortſchritte in den LNaturwiſſenſchaften. Helminthologie. Von Profeffor Dr. M. Braun in Roſtock. Leucochloridium par adoxum und Distomum macrostomum. Sinſtow, Kompendium der Helminthologie. Bothriocephalus rugosus. Entwickelung der Ceſtoden. Bothriocephalus latus. Gyrocotyle, Amphiptyches. Beurteilung des Bandwurmkörpers. Cerfarien in Landſchnecken. Distomum, Holoſtomeen. In den letzten Decennien hat ein kleiner Nematode durch den großen Schaden, den er der Rübenkultur und da— mit der Zuckerinduſtrie zufügt, die Aufmerkſamkeit auf ſich gezogen; die Blätter der Runkelrüben verlieren ihr friſches Grün, werden matt und vergilben; ein Teil ſtirbt ab, andere ergrünen wieder; die Wurzel zeigt ein geringes Wachstum, ſchrumpft oft ein und der Zuckergehalt der kranken Rüben nimmt bedeutend ab. Anfangs neigte man Humboldt 1889. zu der Anſicht, die nicht unbeträchtlichen Verluſte und Mißernten auf eine Erſchöpfung des Bodens an Nähr— ſtoffen zurückzuführen, und wurde darin durch den Raub— bau, der wegen Steigerung der Fabrikbedürfniſſe betrieben wurde, beſtärkt. Doch haben zahlreiche Beobachtungen es nun ſicher geſtellt, daß die Haupturſache der ſogenannten „Rübenmüdigkeit“ auf Rechnung zahlreicher in und an den Rüben paraſitierender Fadenwürmchen zu ſetzen iſt, welche 59 466 vor 30 Jahren von H. Schacht entdeckt worden find. Dieſer beobachtete an den feinen Seitenwurzeln der Rüben „weiße Pünktchen“ von der Größe eines Stecknadelkopfes, in denen er einen rundlichen, an beiden Enden ſpitz zu— laufenden „häutigen Sack“ fand, der in ſeinem Inneren zahlreiche Eier und Embryonen beherbergte. Da letztere deutlich die Charaktere der Nematoden zeigten, ſo lag es nahe, in dem häutigen Sack die allerdings ſtark umge⸗ formte Mutter mit ihrer Brut zu ſehen. Einige Jahre ſpäter wurden auch die zugehörigen Männchen entdeckt. Doch haben die Beobachtungen Schachts im ganzen wenig Erfolg gehabt, man vergaß fie! Erſt 10 Jahre ſpäter be- ſchäftigt ſich wieder ein Forſcher, Schmidt, mit den Rüben⸗ nematoden und reihte ſie als Heterodera Schachtii dem Syſtem ein. In den letzten Jahren hat beſonders Kühn den Wurm und ſein Leben näher ſtudiert und durch die Empfehlung von Fangpflanzen, an welche die Würmer ebenfalls gehen, praktiſchen Erfolg erzielt. Scheint nun nach dieſer Richtung hin, wenigſtens vorläufig die Frage abgeſchloſſen, ſo hat die zoologiſche Unterſuchung des Wurmes, die Erkenntnis ſeines Baues und ſeiner Entwickelung wenig Fortſchritte gemacht. Aus dieſem Grunde hatte die Leipziger philoſophiſche Fakultät für das Jahr 1886 eine darauf bezügliche Preisaufgabe geſtellt, welche in Adolf Strubell ihren Löſer gefunden hat. Es iſt vor allem zu erwähnen, daß bei Heterodera ein ſtark ausgeprägter geſchlechtlicher Dimorphismus vorkommt: während die 0,8 —1,0 mm langen Männchen in Geſtalt und Bau den Nematoden gleichen und recht lebhaft ſich bewegen, haben die mitunter etwas größeren und im erwachſenen Zuſtande ganz bewegungsloſen Weibchen die Geſtalt einer Zitrone, deren Pole etwas ausgezogen find. Wie ſchon erwähnt wurde, ſitzen dieſe Weibchen in kleinen Geſchwülſten in den Seitenwurzeln der Rüben; infolge der Größen⸗ zunahme platzt die Wurzelepidermis, ſo daß die Weibchen dann mit einem Teile ihres Körpers, und zwar mit dem hinteren herausſehen. In dieſer Stellung werden fie wahr⸗ ſcheinlich begattet, denn es beginnt nun die Produktion der Eier, welche anfangs im Uterus verharren, denſelben aber auftreiben und zum Berſten bringen, ſo daß dann die Eier in die Leibeshöhle der Weibchen fallen, wo ſie ihre Entwickelung durchmachen. Gleichzeitig beginnen Atrophien in verſchiedenen Organen: frühzeitig ſchwindet der Hautmuskelſchlauch, die Generationsorgane, welche dem gewöhnlichen Typus folgen, werden erſchöpft, der Mittel⸗ darm von den zahlreichen in der Leibeshöhle ſich anhäufen⸗ den Eiern zuſammengedrückt und zum Schwund gebracht — mit einem Wort: die mütterlichen Tiere ſterben ab, fallen auch von den Rübenwurzeln ab und ſind alſo, während ſie in der Erde liegen, nur ein aus der Cuticula beſtehender Brutſack, der die Jungen (etwa 350 an Zahl) ſchützt. Bei günſtiger Witterung d. h. genügender Feuchtigkeit und Wärme ſchlüpfen die langgeſtreckten Embryonen aus ihren Eiſchalen heraus und verlaſſen den Brutſack durch die erhalten gebliebene, am hinteren Ende gelegene Ge⸗ ſchlechtsöffnung, kommen alſo auch in die Erde. Hier wandern ſie eine kurze Strecke, bis ſie an ihnen zuſagende, nicht zu dicke (1 mm) Wurzeln von Rüben oder anderen Pflanzen gelangen, an die ſie ſich mit dem Kopfende feſt⸗ Humboldt. — Dezember 1889. ſetzen. Wie die erwachſenen Tiere beſitzt auch die Brut in ihrem Oeſophagus einen Stachel und bedient ſich des⸗ ſelben, um die Epidermis der Pflanzenwurzeln zu verletzen. Iſt dies geſchehen, ſo bohren ſich die Jungen, die man als erſte Larvenform bezeichnen muß, in die weichen Teile der Wurzeln ein. Gewöhnlich wird eine Wurzelfaſer von zahl⸗ reichen Tieren angegriffen und erſcheint dann während der Einwanderung wie geſpickt mit kleinen Heteroderen. Schließlich ſind dieſelben ganz im Parenchym der Wurzeln verſchwunden, leben alſo endoparaſitiſch und kommen nach einer gewöhnlich ſehr kurzen Wanderung zur Ruhe. Eine Häutung folgt und der bis dahin ſchlanke Wurm verkürzt und verbreitert ſich, verliert auch ſeine Bewegungsfähigkeit; dieſe zweite Larvenform ſchwillt nun durch Nahrungsauf⸗ nahme immer mehr an, bis ein Teil der Individuen nad) einer abermaligen Häutung aus der geſtreckt bauchigen in die kugelige Form übergeführt iſt — es ſind djes die Weibchen, die ihre Geſchlechtsorgane entwickeln und infolge des weiteren Wachstums die dünne Epidermisſchicht der Wurzel über ſich zum Platzen bringen; ſo gelangen ſie mit ihrem hinteren Ende, an dem die Geſchlechtsöffnung liegt, nach außen, werden von den ungefähr in gleicher Anzahl vorhandenen Männchen begattet und produzieren nun Eier. Der andere Teil der im zweiten Stadium ſtehenden Larven nimmt nie die aufgeblähte Form der Weibchen an, ſondern ſiſtiert ſein Wachstum ſchon früher, um durch eine ſehr merkwürdige Umwandlung zu Männchen auszuwachſen, was etwa 4—6 Tage in Anſpruch nimmt. Der ganze, durch Fettkugeln getrübte Innenkörper der zweiten Larven⸗ form zieht ſich von der Larvenhaut zurück und liegt in Form einer plumpen Keule in der Cuticula der Larve. Bald aber ſtreckt er ſich in die Länge und formt ſich in kurzer Zeit zu einem ſchlanken Wurme um, deſſen Länge ſo zunimmt, daß er ſich winden muß und 3—4 Schlingen in der alten Larvenhaut beſchreibt. Noch immer befindet ſich dieſes „Puppenſtadium“ im Innern der Wurzel, aber während das Weibchen durch ſeine Turgescenz die Epider— mis der Wurzel zum Berſten bringt, durchbohrt das Männ⸗ chen, nachdem es ſich gehäutet hat, die ſchützende Larvenhaut an der Spitze mit Hilfe ſeines Stachels und dann auch aktiv die Epidermis der Wurzel. Es wird damit frei, ge⸗ langt in die Erde und ſucht ſeinen Weg zum Weibchen, um dasſelbe zu befruchten; bald darauf geht es zu Grunde. Die ganze Entwickelung vom Ei bis zum geſchlechts⸗ reifen Tier verläuft meiſt in 4— 5 Wochen; da dieſelbe aber bereits im Frühjahr beginnt, ſo können im Jahre 6—7 Generationen aufeinander folgen, was bei Annahme der Zahl der Embryonen von 300 nach 5 Generationen eine Deſcendenz von 151 Milliarden Individuen gibt, nach 6 Ge⸗ nerationen eine ſolche von 22781 Milliarden; gelangt auch nur die Hälfte aller Embryonen zur Reife, ſo iſt doch auch dann die von einem Pärchen abſtammende Nachkommen⸗ ſchaft am Ende des Sommers groß genug, um die raſche Verbreitung des gefährlichen Paraſiten zu illuſtrieren. Wenn auch die weſentlichſten Beziehungen zwiſchen Leucochloridium paradoxum und Distomum macro- stomum durch die Forſchungen früherer Autoren klargeſtellt waren, ſo hat doch eine Arbeit von G. A. Heckert, welche wie die vorhergehende aus dem Leuckartſchen Labo⸗ | ratorium in Leipzig hervorgegangen iſt, manche Lücke Humboldt. — Dezember 1889. 467 ZIII— T——ͤö d — ausgefüllt und den Gegenſtand in anatomiſcher und ent— wickelungsgeſchichtlicher Beziehung derart gefördert, daß ein Eingehen auf dieſelbe wohl gerechtfertigt iſt. Bekanntlich lebt Leucochloridium paradoxum im Kör⸗ per der größeren Bernſteinſchnecken (Succinea) und iſt eine Trematodenamme, die aus einem Geflecht von Fäden reſp. Schläuchen beſteht, von denen einige eine größere Dicke und lebhafte Färbung erreichen. Dieſe ſind ſehr beweglich und dringen von der Leibeshöhle der Schnecke in die Fühler derſelben ein, um daſelbſt fortwährende Bewegungen nach Art von Inſektenlarven zu vollziehen. In ihrem Innern enthalten die Schläuche junge Diſtomeen, welche in eiſchalenähnlichen Bildungen eingeſchloſſen ſind und, wie v. Siebold zuerſt nachwies, auf gleiche Weiſe entſtehen, wie die Cercarien in den Sporocyſten oder Redien anderer Trematoden. Die auffälligen Bewegungen, welche die bunten Schläuche vollführen, deutete ſchon v. Siebold als zu dem Zwecke geſchehend, die Aufmerkſamkeit von Vögeln zu erregen und damit die Weiterbeförderung der Brut in einen geeigneten Wirt zu veranlaſſen. Siebold vermutete den Wirt in Ralliden; doch ſtellte erſt Zeller, dem wir ſo viele wichtige Beobachtungen über Paraſiten verdanken, durch das Experiment feſt, daß vor allem Singvögel die in Thätigkeit begriffenen Leucochloridiumſchläuche begierig verzehren, indem ſie mit einem Ruck den Schlauch aus dem Fühler der Schnecke herausreißen, und daß die junge Brut nach etwa 6 Tagen beſonders im Darme junger Neſtvögel ſich zu Distomum macrostomum entwickelt. Die- jenigen Bernſteinſchnecken, denen durch Vögel die Schläuche herausgepickt waren, gehen nicht zu Grunde, die Wunde ſchließt ſich und von dem in der Nähe der Leber gelegenen Schlauchwerk des Leucochloridium wachſen in relativ kurzer Zeit andere Schläuche aus, welche bald dasſelbe Spiel beginnen. Heckert experimentierte ebenfalls mit zahlreichen Vögeln und bezeichnet beſonders die jungen Sylvien als die eigentlichen und natürlichen Wirte für Distomum macrostomum, doch gelingt die Infektion auch bet anderen Vögeln, ſo beim Sperling ganz gut, verſagt aber bei den Droſſeln. Daß die Succineen direkt durch die Eier reſp. Em— bryonen des Diſtomum infiziert werden, lag nahe anzu— nehmen; wie Heckert berichtet, verläuft die geſamte Embryo⸗ nalentwickelung im mütterlichen Körper, ſo daß die mit dem breiigen Harn der Vögel nach außen gelangenden Eier bereits den Embryo beſitzen — doch es gelang auf keine Weiſe, die Embryonen zum Ausſchlüpfen zu bringen. Weitere Ueberlegung und daraufhin baſierte Experimente zeigten nun, daß die Eier direkt von den Schnecken auf— genommen werden und, wenn reif, im Darm ausſchlüpfen; das geſchieht ſchon im Magen der Succineen, 10—15 Minuten nach der Fütterung. Die Larven beſtehen aus einem dickeren Vorderkörper mit Kopfzapfen und einem ſteifen, ſchwanz— artigen Anhange und bewegen ſich durch eine Reihe von Wimpern. Beſondere Verſuche Heckerts beweiſen, daß allein der chemiſche Reiz des Magenſaftes die Embryonen zum Ausſchlüpfen veranlaßt, und daß die Eier mehrere Wochen im Harn reſp. Kot der Vögel auf Blättern gelegen haben können, ohne ihre Lebensfähigkeit einzubüßen. Nach einer gewiſſen Zeit des Herumſchwimmens im Magenſaft bohren ſich die Embryonen in die Magenwand ein und durchſetzen dieſelbe, um jedoch bald, ohne größere Wanderungen aus— geführt zu haben oder etwa mit dem Blutſtrom im Körper umher geführt zu ſein, zur Ruhe zu kommen und ſchließlich zur Sporocyſte auszuwachſen. In den erſten Tagen nach der Fütterung erſcheinen die Sporocyſten als kugelige Körper von 0,035 mm Durd)- meſſer, welche nur wenig von dem Vorderkörper des Embryo ſich unterſcheiden. Später tritt ein zentraler Hohlraum bei gleichzeitiger Streckung des ganzen Gebildes auf, in deſſen Wandung Muskelſchichten entſtehen. Gegen Ende der zweiten Woche treten die Anfänge der ſpäter ſo maſſen— haft vorhandenen Veräſtelungen als kleine Buckel und Hervorragungen auf, die bald darauf an Größe zunehmen, ſo daß man in der dritten Woche ſchon mit bloßem Auge kleine Schläuche wahrnehmen kann; in der fünften Woche treiben dieſe primären Aeſte ſelbſt wieder Seitenzweige, die mit 8 Wochen bis auf 3,5 mm Länge herangewachſen ſind. Bis zur völligen Ausbildung der erſten reifen und gefüllten Leucochloridiumſchläuche, welche in die Fühler der Schnecke treten, iſt etwa ein Vierteljahr notwendig; dabei richtet ſich die Größe der Schläuche nach der Größe des beherbergenden Wirtes; auch kann die ganze Amme in der Schnecke 2— 3 mal überwintern und in geeigneter Jahreszeit immer neue Schläuche produzieren, ſo daß die Zahl der aus einem einzigen Ei hervorgehenden Keime (junge Diſtomen) eine enorme iſt. In allen ſolchen Fällen können wir von vornherein auf eine große Vernichtungs— ziffer ſchließen, welche die Brut ſtark decimiert, wie das hier beſonders dadurch gegeben iſt, daß nur junge Neſt— vögel imſtande ſind, das geſchlechtsreife Diſtomum in ihrer Kloake aufzuziehen, daß alſo alle in ältere Vögel gelangen— den Keime gar nicht zur Entwickelung kommen; auch ſind die Chancen für die embryonenhaltenden Eier, von den Suceineen gefreſſen zu werden, relativ geringe, ſo daß eben in der großen Fruchtbarkeit der Ammen ein Ausgleich für die übrigen ungünſtigen Verhältniſſe gegeben iſt. Außer dieſen kurz ſkizzierten biologiſchen Angaben ijt Heckerts Arbeit reich an hiſtologiſchen und entwickelungs— geſchichtlichen Beobachtungen, die mit Sorgfalt und Umſicht angeſtellt ſind und unſer Wiſſen vielfach fördern. Es wäre übrigens von Bedeutung, wenn auch weitere Kreiſe dem hochintereſſanten Paraſiten der Bernſtein— ſchnecken ihre Aufmerkſamkeit ſchenkten, um die Verbrei— tung derſelben feſtzuſtellen, weshalb noch einige Fingerzeige folgen mögen: Ahrens beobachtete 1810 mit Leucochloridium beſetzte Suceineen in der Döllnitzer Aue bei Halle, einer von der Elſter durchfloſſenen Sumpf— niederung, Carus 1835 auf einer Elbinſel bei Pillnitz, Pieper 1851 bei Bernburg (Saale), Siebold 1853 bei Breslau an der Oder, Schumann in der Weichſelniederung bei Danzig, Leydig bei Bonn, Zeller in Winnenthal (Württemberg) und Heckert 18851887 bei Leipzig, ſowie bei Gaſchwitz a. d. Elſter. Ueberall handelt es ſich um feuchte und ſumpfige Niederungen mit Laubwaldungen und Gebüſch, welche den Vögeln geeignete Niſtplätze gewähren; die Bernſteinſchnecke ſelbſt iſt ſehr viel weiter über Deutſch⸗ land verbreitet. Die Zahl der infizierten Schnecken iſt verſchieden: an der einen Lokalität fand Heckert auf 500 Schnecken erſt eine infizierte, an einer anderen ſchon auf 50 — 70. 468 Das v. Linſtowſche Kompendium der Helmin— thologie (Hannover 1878) hat durch den Verf. ſelbſt einen Nachtrag erhalten, welcher die Litteratur von 1878—1889 berückſichtigt (Hannover 1889). Zweifellos wird derſelbe allen Beſitzern des erſten Werkes höchſt erwünſcht ſein, da die Litteratur eine ungemein zerſtreute iſt. Die Einrich⸗ tung des Nachtrages iſt die gleiche wie die des Kompen⸗ diums d. h. unter den ſyſtematiſch geordneten Namen der Wirte ſind alle aus demſelben bekannt gewordenen Hel⸗ minthen unter Angabe von litterariſchen Verweiſen auf⸗ geführt, ſo daß auch der Neuling in der Helminthologie unter Benützung der beiden Linſtowſchen Werke für die Beſtimmung eines in irgend einem Tiere gefundenen Ein⸗ geweidewurmes leicht auf den richtigen Weg gelangen wird. Aber ſelbſt für den erfahrenen Forſcher iſt das Werk als Nachſchlagebuch unentbehrlich. Derſelbe Autor hat in der jüngſten Zeit wie ſchon ſeit Jahren Reſultate eigner, helminthologiſcher Unter⸗ ſuchungen publiziert; von allgemeinerem Intereſſe iſt die Beſtätigung einer ſchon von Olſſon gemachten Beobachtung, daß Bothriocephalus rugosus Rud., welcher in verſchiedenen Dorſch- und Lota-⸗Arten lebt, randſtändige Geſchlechtsöffnungen beſitzt und in dieſer Beziehung unter den Bothriocephalen dieſelbe Ausnahme bildet, wie etwa Taenia lineata und T. litterata unter den Tänien. tac) einer Angabe von F. S. Monticelli ſoll auch bei Bothriocephalus microcephalus Rud. aus Orthagoriscus mola eine ähnliche Verſchiebung des 5 nach der Seite hin ſtattgefunden haben. Durch B. Graſſi und G. Rovelli haben auch unſere Anſchauungen über die Entwickelungsweiſe der Ceſtoden eine Aenderung erfahren; während man bisher ganz allgemein annahm, daß zur Entwickelung eines Band⸗ wurmes ein Zwiſchenwirt (Träger der Finne) und ein Wirt (Träger des aus der erſteren ſich entwickelnden Band⸗ wurmes) notwendig ſind, zeigen die genannten Autoren (Centralbl. f. Bakteriologie V. 1889), daß wenigſtens die Taenia murina aus der Wanderratte ſich ohne Zwiſchen⸗ wirt entwickelt; doch iſt bei ihr nicht etwa das Finnen⸗ ſtadium ausgefallen, dies exiſtiert vielmehr wie bei anderen Ceſtoden, aber es entwickelt ſich in den Darmzotten des Wirtes ſelbſt, wohin die ſechshakigen Embryonen eindringen. Später werden die zu ihrer Entwickelung nur 3—4 Tage brauchenden Finnen frei, gelangen alſo in den Dünndarm der betreffenden Ratte und wachſen in demſelben Tier in 15—20—30 Tagen zu Tänien aus. Eine gleich abge⸗ kürzte Entwickelungsweiſe dürfte auch für die Taenia nana des Menſchen, die in Südeuropa häufiger iſt, als man bisher annahm, gelten, da jie nach Graſſi von der Taenia murina faum zu unterſcheiden iſt. Uebrigens darf man nicht glauben, daß dieſe Angaben ohne weiteres auf andere Tänien anwendbar ſind, deren Cyſticerken wir noch nicht kennen; lehren uns doch dieſelben Autoren die Zwiſchenwirte für folgende Tänien kennen: für Taenia proglottina aus dem Huhn in Limax agrestis, cinereus variegatus; infundibuliformis Goeze ebendaher in der Stubenfliege; cuneata Linst, ebendaher in einem Regenwurm (Lumbricus foetidus); „ leptocephala Cvepl. aus der Ratte in verſchiedenen Inſekten! ” „ 0 1 Humboldt. — Dezember 1889. Auch nach anderer Richtung ſind die Funde Graſſis und Rovellis von Bedeutung, da ſie für die allerdings längſt erkannte Verwandtſchaft der Trematoden und Ceſto⸗ den auch darin einen Beweis bringen, daß fie nahe Be- ziehungen zwiſchen Cerkarien und Cyſticerken auffinden. Nachdem eine ganze Anzahl von Fiſchen bekannt ge- worden ſind, welche das Plerocerkoid (Finne) des breiten Bandwurmes beherbergen (Hsox lucius, Lota vulgaris, Perca fluviatilis, Onchorhynchus Perryi, Salmo umbla, Trutta vulgaris und Thymallus vulgaris), wird es nicht wunder nehmen, daß nach Zſchokke auch Trutta lacustris, im Rhein in Baſel gefangen, hinzuzufügen iſt. Dagegen hat die Unterſuchung von 45 Lachſen trotz beſonderer Auf⸗ merkſamkeit niemals die Finne des Bothriocephalus latus finden laſſen (Verhdl. d. naturf. Geſ. Baſel VIII. 3. 1889); die in dieſen Lachſen gefundenen Helminthen ſind faſt lauter marine Formen, alſo ſchon nach Baſel mitgebracht worden; ſie beſtätigen demnach die beſonders durch Mieſcher belegte Thatſache, daß der Lachs im ſüßen Waſſer keine Nahrung zu ſich nimmt, ſonſt müßte er auch aus dieſer ſtammende Paraſiten beſitzen. F. S. Montieelli, ein jüngerer, mit Erfolg arbeitender Helmintholog, hat auch ein paar zweifelhaften Formen ihre richtige Stellung angewieſen; es handelt ſich um die Gattung Gyrocotyle Dies., reſp. Amphiptyches G. Wagener, welche bald zu den Trematoden, bald zu den Ceſtoden, ja gar zu den Egeln geſtellt worden iſt. Wie ſchon Wagener vor vielen Jahren angab, ſind die Gattungen identiſch; zu ihr gehören 2 Arten: 1. G. rugosa Dies., bekannt aus einer Muſchel, Mactra edulis, und neuerdings von Monticelli im Darm eines Chimaeriden (Fiſch), Callorhynchus antare- ticus von Neuſeeland konſtatiert; 2. G. urna Wagen, im Darm von Chimaera monstrosa des Mittelmeeres lebend. Dieſe Gattung gehört nun nach Monticelli ſicher, wie es ihre Darmloſigkeit, der Bau des Nervenſyſtems und der Embryonen lehrt, zu den Ceſtoden und bildet mit Amphilina (wurde früher als Monostomum ebenfalls zu den Trema⸗ toden geſtellt), Caryophyllaeus und Archigetes eine be⸗ ſondere Gruppe, die der Monozoa, gegenüber den gewöhn⸗ lichen, polyzoiſchen Bandwürmern, die aus Scolex und einer Anzahl Proglottiden beſtehen. Weiter ſpricht ſich Monticelli dahin aus, daß die Gattung Gyrocotyle ſich in ihrem Vorkommen auf Chimgeriden beſchränkt, und daß fie in dieſelben mit gefreſſenen Bivalven gelangt; für G. rugosa iſt dies durch das Auffinden der Art in Mactra edulis ziemlich ſicher und für G. urna dürfte Cyprina islandica oder eine andere Form der Zwiſchenwirt jein. Betrachtungen, die von ganz anderen Geſichtspunkten ausgegangen ſind, haben auch für die Beurteilung des Bandwurmkörpers Wert bekommen; ein junger noch ungegliederter Bandwurm (Scolex), der ſich eben an die Darmwand eines Tieres feſtſetzt, entſpricht einem Jugend⸗ ſtadium eines der oben erwähnten mondzoiſchen Ceſtoden, deſſen im hinteren Teile zu liegen kommender Geſchlechts⸗ apparat noch nicht entwickelt iſt; es erfolgt dann bekannt⸗ lich die unvollkommene Abſchnürung dieſes hinteren Teiles d. h. die Bildung der erſten Proglottis; dann regeneriert ſich der Scoler wieder und wenn genügend Subſtanz vor⸗ handen, entſteht vor der erſten eine zweite Proglottis u. ſ. f. Wie A. Lang (Lehrb. d. vergl. Anat., Jena 1889 Humboldt. — Dezember 1889. S. 164) auseinanderſetzt, iſt es gerade bei Bandwürmern nicht ſchwer, dieſe Strobilation auf Regenerations— erſcheinungen zurückzuführen und damit dem Verſtändnis näher zu rücken; wenn man von Formen, wie etwa einer Amphilina oder eines anderen, eingliederigen Bandwurmes ausgeht und dieſen, wie das niederen Tieren in exquiſitem Maße zukommt, die Fähigkeit, abgeriſſene Stücke zu rege— nerieren, zuſchreibt, ſo kann man verſtehen, daß durch die Bewegungen des Darmes und ſeines Inhaltes das hintere, die Geſchlechtsorgane enthaltende Stück eines ſolchen Para— ſiten oft abgeriſſen und nach außen geſchafft wurde, während das zurückbleibende Vorderende den Verluſt erſetzte, alſo einen neuen Rumpfteil mit Geſchlechtsorganen bildete. Der ganze Vorgang aber gereichte dem Paraſiten nicht zum Nachteil, im Gegenteil nahm die Zahl der Eier zu, die— ſelben wurden weit verbreitet und erhielten damit auch günſtigere Chancen zur Infektion anderer Tiere, während der Kopfteil unter den günſtigen Ernährungsverhältniſſen weiter lebte und ſein Hinterende von neuem regenerierte. Ein noch größerer Vorteil aber war gegeben, wenn aus dieſer eingliederigen Strobila eine vielgliederige entſtand, wozu der Weg ein relativ kleiner iſt, weil dann alle Glieder von den günſtigen Ernährungsverhältniſſen Nutzen ziehen und raſch wachſen konnten; der Scolex wurde damit entlaſtet, weil ein Teil ſeiner Arbeit, Material für die Glieder zu bilden, von dieſen ſelbſt und zwar von früh an übernommen wurde; folglich konnte auch die Zahl der Glieder eine größere werden. Lang weiſt auch auf die Aehnlichkeit in dem Verhältnis hin, wie es einerſeits zwiſchen Lucernaria und der Strobila einer Meduſe und andererſeits zwiſchen einem monozoiſchen und einem poly— zoiſchen Bandwurm exiſtiert. Zu den Trematoden uns wendend, bemerken wir, daß durch Linſtow (Arch. f. Naturgeſch.) die Zahl der in 469 Landſchnecken gefundenen Cerkarienarten wiederum um zwei vermehrt worden iſt, ſo daß jetzt 17 Landſchnecken als Träger von Cerkarien bekannt ſind; es iſt dies um fo auffallender, als dieſe Cerkarien Schwänze beſitzen, dem⸗ nach auf ein wenn auch noch ſo kurzes Leben im Waſſer angewieſen zu ſein ſcheinen, wohin ſie doch wohl nur unter beſonderen Umſtänden gelangen können. Seit Jahren ſtudiert M. Stoſſich die Helminthen der Tiere von Trieſt; unter den zahlreichen neuen Formen ift ein Diſtomum aus Corvina nigra deswegen bemerkens⸗ wert, weil es — der erſte Fall — ſtatt zweier, etwa 24 Hoden beſitzt; wie es ſo oft geht, berichtet nun auch Monticelli (Boll. soe. di natur. Napoli III. 1889) das Gleiche von Distomum Richiardii Lopes aus einem Hai, Acanthias vulgaris, bei dem ferner die Vagina (Laurerſche Kanal) fehlt. Die Familie der Holoſtomeen hat in G. Brandes einen Bearbeiter gefunden (In.-Diſſ. Leipz. 1889); dem Autor iſt es gelungen, die ſehr ſonderbaren und ſchwer zu verſtehenden Formen, welche den Vertretern derſelben zukommen, klar zu erfaſſen und auf eine Grundform zurück— zuführen; auch das Syſtem dieſer Abteilung iſt nun ein beſſeres geworden. Wie ſchon Leuckart berichtet, ſtehen die Holoſtomeen unter allen Diſtomeen durch ihre Ent— wickelung iſoliert da, indem ſie eines Generations— wechſels und eines zweiten Zwiſchenwirtes entbehren; der ſehr hoch entwickelte, den Cerkarien in der Organiſation naheſtehende Embryo wandert in einen Zwiſchenwirt, wandelt ſich hier in die Holoſtomeenlarve (Tetracotyle genannt) um, die nach Uebertragung in den geeigneten Wirt geſchlechtsreif wird. Im letzteren Zuſtande kommen die Tiere beſonders in Vögeln, ſeltner in Säugern und Reptilien und nur vereinzelt in Amphibien und Fiſchen vor. Anthropologie. Dr. M. Alsberg in Haffel. Anthropologiſche Charaktere der Zigeuner. Abſtammung und körperliche Eigentimlichfeiten der Eingeborenen Sumatras. Die Eingeborenen- bevölkerung von Tunis. Anthropologiſche Charaktere der Sirianen, Samojeden und Gſtjaken. Mac-Cluer-Golfs und der angrenzenden Inſelarchipele. Farbe der Augen und Haare bei der Bevölkerung Dänemarks. Körperliche Sigentümlichkeiten der Armenier. Der dritte Condylus. Schienbein des Gorilla, der Neanderthal-Kaſſe, des neolithiſchen Kaſſenmiſchung bei der Bevölkerung Perſiens. Die Bevölkerung des und jetzt lebenden Menſchen. Ektrodaktylie und Polydaktylie. Schädel- und Fußbildung bei Wei- und Kru⸗Negern. Entſtehung der verſchiedenen Schädelformen. Der Rieſenwuchs und deſſen Sigentümlichkeiten. Prähiſtoriſche Gewebe und Geſpinſte in Deutſchland. Bronzegürtel aus einem vorgeſchichtlichen Grabe Cransfaufafiens. Ueber die körperlichen Eigentümlichkeiten der Zigeuner war bisher nur ſehr wenig Zuverläſſiges be— kannt; neuerdings hat aber A. Weisbach an 52 in der öſterreichiſch-ungariſchen Armee dienenden, im Alter von 20 bis 25 Jahren ſtehenden Zigeunern, von denen 39 aus Ungarn, 13 aus Siebenbürgen ſtammen, Unterſuchungen “) vorgenommen. Sie ſind mittleren Wuchſes und Gewichtes, faſt durchaus dem rein dunklen Typus angehörig, mit aus— nahmslos dunkler, nämlich gelblicher bis meiſt brauner Haut, dunklen, zumeiſt ſchwarzen, ſchlichten, oft ſtraffen Haaren und weitaus überwiegend dunklen Augen; ihr Puls ) Feſtſchr. zur Begrüßung der Teilnehmer an der gemeinſ. Verſ. der Deutſchen und Wiener anthrop. Geſellſch. in Wien (Wien 1889). iſt mäßig ſchnell. Ihr ausgeſprochen meſokephaler (mittel- langer) Kopf iſt klein, gegen ſeine Baſis hin etwas ver— ſchmälert, das meſoproſope Geſicht hat eine niedrige Stirne, mäßig hohes Untergeſicht und Kiefergerüſte; die Breite desſelben nimmt von den Jochbogen nach auf- und abwärts allmählich ab; die ziemlich lange Naſe iſt ſchmal, ſehr hoch, die Naſenwurzel ſehr ſchmal, der Mund von mittlerer Weite und das Ohr mäßig lang. Der kurze, ziemlich dicke Hals ſitzt auf einem kurzen, nach abwärts bedeutend verſchmäch— tigten Rumpfe mit mäßig breiten Schultern; der Thorax iſt von geringem Umfange, ſeitlich flach, vorne mehr ge— wölbt; die obere Apertur des Bruſtkorbs iſt kurz und etwas geneigt. Das ſtark geneigte und zugleich flache Becken iſt klein, ſehr ſchmal, zwiſchen den vorderen oberen Darm— 470 Humboldt. — Dezember 1889. beinſtacheln ſehr eng; ſeine Darmbeine ſind ſtark gekrümmt, die Hüften breit. Die Zigeuner haben kurze, dünne Ober- arme, gegen die Knöchel hin nur wenig verſchmächtigte Vorderarme, die im Gegenſatz zu den Oberarmen lang ev- ſcheinen, und breite, ſehr kurze Hände mit langem Mittel⸗ finger, mäßig langem Daumen und ſehr kurzem Hand⸗ rücken. Ihre Beine ſind lang, viel länger als die Arme, die dünnen Oberſchenkel von mäßiger Länge und Kegel— geſtalt, die Knie ſehr dünn, die ſehr dünnen Unterſchenkel länger als die Oberſchenkel, nach abwärts mäßig verſchmäch⸗ tigt; die Füße ſind breit und hoch bei mäßiger Länge und Dicke. Hinſichtlich ihrer geſamten äußeren Erſcheinung ähneln die Zigeuner den Aegyptern; auch rückſichtlich der Schädelform ſtehen ſie letzteren ſehr viel näher als den hochdolichokephalen Hindus, auf die man ihre Herkunft hier und da zurückführen will. Ueber die Abſtammung und körperlichen Eigen⸗ tümlichkeiten der Eingeborenen-Bepölkerung Sumatvras hat Hager Unterſuchungen vorgenommen und hierüber kürzlich der anthropologiſchen Sektion der Natur⸗ forſcherverſammlung zu Heidelberg Mitteilungen“) ge— macht. Die Unterſuchungen Hagers haben ſich auf ca. 400 Eingeborene Sumatras erſtreckt und wurden unter Zu- grundelegung des von Virchow für die Ausführung von Körperunterſuchungen angegebenen Schemas ausgeführt. Zwei alte Kulturraſſen, nämlich die Indier und die Chineſen haben nachweislich ſeit mehr als 2000 Jahren die Inſel beſucht bezw. auf derſelben ſich niedergelaſſen. Die aus der Verheiratung von Chineſen mit eingeborenen Frauen hervorgegangenen Miſchlinge, die ſogenannten Babas geben ſich regelmäßig für Chineſen aus und beſitzen auch das kommerzielle Talent der letzteren, unterſcheiden ſich von denſelben aber in körperlicher Hinſicht. Ebenſo exiſtieren ſehr bedeutende körperliche Unterſchiede zwiſchen den Chi⸗ neſen und der malayiſchen Bevölkerung Sumatras. Der Chineſe iſt ausgeſprochen ſtraffhaarig, das Haar des Ma⸗ layen dagegen iſt in der Regel wellig. Die Menangkabau⸗ Malayen ſind weſentlich verſchieden von den Malayen der Oſtküſte. Erſtere haben mit den anderen malayiſchen Völker⸗ ſchaften des centralen Sumatras, den Battas und Allas, die niedrige Statur, den langen Rumpf, großen Kopf und die verhältnismäßig kurzen Extremitäten gemein. Durch die beſagten Eigentümlichkeiten ſtehen ſie im vollen Gegen⸗ ſatz zu den auf Sumatra zahlreich vertretenen Vorder⸗ indiern. Die Dajaks auf Borneo ſind in körperlicher Hinſicht identiſch mit den Malayenvölkern des centralen Sumatra; dagegen ſind die Malayen der Oſtküſte, ſowie diejenigen des gegenüberliegenden Malakka von letzteren weſentlich verſchieden. Hager hielt es für ſehr wahrſchein⸗ lich, daß die malayiſchen Stämme Central⸗Sumatras ein aus der Kreuzung von indiſchen und mongoliſchen Volks⸗ elementen hervorgegangenes Produkt darſtellen. Während die Indier die lange, die Malayen Central-Sumatras die mittellange Schädelform aufweiſen, ſind die aus der Kreu⸗ zung dieſer beiden Elemente entſproſſenen Miſchlinge in geringem Grade kurzköpfig; dieſe Kurzköpfigkeit beruht auf der Abplattung des Hinterhaupts und iſt nicht durch künſt⸗ ) Tageblatt der 62. Verſ. D. Naturforſcher u. Aerzte zu Heidel⸗ berg (1889). liche Verunſtaltung hervorgerufen; auch zeichnen ſich die Miſchlinge durch Länge des Geſichts aus. Bezüglich der Beziehungen der Nordchineſen zu den Südchineſen bemerkt Hager, daß zwiſchen denſelben ein ſehr bedeutender Unter— ſchied beſteht, und daß letztere nicht wie erſtere als Ver— treter der mongoliſchen Raſſe, ſondern als ein aus Ver— miſchung der Malayen mit anderen Raſſen hervorgegange- nes Kreuzungsprodukt aufzufaſſen ſind. In zwei kürzlich erſchienenen Abhandlungen) teilt R. Collignon die Ergebniſſe ſeiner anthropologiſchen Unterſuchungen über die eingeborene Bevölke— rung von Tunis mit. Dieſelbe zerfällt in zwei große Abteilungen, nämlich: die ſeßhafte Berberbevölke— rung und die nomadiſierende Araberbevölkerung. Unter den Berbern ſind wieder zwei verſchiedene Kate— gorien, nämlich: der brünette Typus (dunkles Haar, dunkle Augen und dunkler Teint) und der blonde Typus (blondes Haar, blaue, graue oder grüne Augen und heller Teint) zu unterſcheiden. Die Blonden treten nur vereinzelt hier und da auf, bilden nur einen kleinen Prozentſatz der Be- völkerung und finden ſich relativ am häufigſten im Li⸗ toral. Bemerkenswert iſt, daß in Tuneſien helle Augen relativ häufiger vorkommen als blonde Haare. Die brü⸗ nette Bevölkerung der Regentſchaft Tunis ſetzt ſich ihrer⸗ ſeits wieder aus zwei Gruppen zuſammen, nämlich: 1) aus kurzköpfigen Individuen mit kleiner Statur, braunem Haar, mittelbreiter Naſenöffnung, orthognather Geſichtsbildung und einem Schädel, deſſen Längenbreitenindex durchſchnitt⸗ lich 81 beträgt und 2) aus einer langköpfigen Gruppe, die ihrerſeits wieder in zwei Unterabteilungen, nämlich in leptorhine Dolichokephale (Langſchädel mit ſchmaler Naſen⸗ öffnung) und in meſorhine Dolichokephale (Langſchädel mit mittelbreiter Naſenöffnung) zerfällt. Erſtere Gruppe weiſt einen Längenbreitenindex von 74 auf, beſitzt eine hohe ſchmächtige Statur, langes Geſicht, eine gerade Naſe, breite Schultern und daneben ein ſchmales Becken. Die Vertreter dieſes Typus ſind über das ganze Land zerſtreut und bilden das eigentliche Gros der tuneſiſchen Bevölke⸗ rung. Intelligent und arbeitſam ſtehen ſie jenem Typus, den man als „ittelländiſche Raſſe“ bezeichnet hat, ſehr nahe, wenn ſie nicht gar mit demſelben identiſch ſind. Die zweite der beiden letzterwähnten Unterabteilungen, die Langſchädel mit mittelbreiter Naſenöffnung weiſen einen durchſchnittlichen Längenbreitenindex von 72 und eine Statur von durchſchnittlich 1,70 m auf; ihr Haar iſt ſchwarz wie Jett, die Naſe aufgeſtülpt, Stirn und Kinn fliehend. Ihr Geſicht läuft in der Regel wie eine Meſſer— ſchneide nach vorn ſpitz zu; der Teint iſt ſchwarzbraun, die Hüften ſind außerordentlich ſchmal, dagegen die Schultern breit und viereckig nach Art der ägyptiſchen Statuen. Der letzterwähnte Typus iſt in der, den äußerſten Süden der Regentſchaft bildenden Oaſe und im Djerid beſonders zahlreich vertreten. Derſelbe würde nach Collignon den Getulern des Salluſt und vielleicht auch den Naphtuhim, des Buches Geneſis entſprechen. Eine weitere Unterart der dunklen langköpfigen Berberbevölkerung von Tunis ſtimmt mit dem letzterwähnten Menſchenſchlag in den ) Vergl. Revue d' Anthropologie 1888; Bull. d. 1. Geographie. hist. et descr, d. comité d. travaux hist. T. I. Paris 1888. Humboldt. — Dezember 1889. 471 meiſten Beziehungen überein, beſitzt aber eine kleine Statur (1,62 m durchſchnittliche Körperlänge); auch iſt für dieſen Typus die bedeutende Breite des Geſichts im Niveau der Jochbogen charakteriſtiſch. Derſelbe ſoll dem unter dem Namen „Cro Magnon-Raſſe“ allgemein bekannten vorge— ſchichtlichen Typus ſehr nahe ſtehen und iſt im gebirgigen Centrum Tuneſiens ſüdlich von Medjerdah (d. i. jene Gegend, wo auch die Dolmen vorkommen) beſonders zahl— reich vertreten. — Unter den Stämmen von arabiſcher Abkunft (Nomadenbevölkerung Tuneſiens) hat man drei verſchiedene Typen zu unterſcheiden, nämlich: 1) die Araber im engeren Sinne des Wortes (Schädel weniger dolicho— kephal als derjenige der Berber und zugleich ſtark lepto— rhin, Naſe adlerförmig gebogen, Geſicht vollkommen oval, Haare glänzend ſchwarz, Zähne blendend weiß, das Hinter— haupt zeigt in ſeiner äußeren Kontur häufig die Form eines Fragezeichens); 2) der aſſyroide Typus (plumpe Körperbildung, Haut dunkler als diejenige des arabiſchen Typus, Naſe plump und etwas gekrümmt, aber nicht adler— förmig, an aſſyriſche Skulpturen erinnernd) und 3) der mongoloide Typus (gelblicher Teint, Naſe leicht abge— plattet, weit herabreichende Naſenlöcher und Augen mit überhängendem oberen Augenlid). — Vom Geſichtspunkte des Prähiſtorikers teilt Collignon Tuneſien in drei Regio⸗ nen ein. Er unterſcheidet 1) den Süden der Regentſchaft, welcher reich iſt an zugehauenem Steingerät, wo aber die megalithiſchen Monumente fehlen, 2) die Gebirgsgegend zwiſchen Medjerdah im Norden und Oued Tecka im Süden, die an Megalithen reich iſt und wo auch der zuvorerwähnte, der Cro Magnon-Raſſe entſprechende Volkstypus beſonders zahlreich vertreten iſt, 3) das Litoral, wo die Dolmen und das zugehauene Steingerät gänzlich fehlen. Der für den Prähiſtoriker intereſſanteſte Teil Tuneſiens iſt aber die Umgebung von Gafſa, wo unter einer 62 m ſtarken Maſſe von quartärem Geſtein Steinäxte von dem bekannten St. Acheul-Typus aufgefunden wurden. Desgleichen wurden Steingeräte, die hinſichtlich ihrer Form dem Le Mouftier- Typus, ſowie den Typen von Solutré und der Magda— lenen⸗Grotte entſprechen, in dem beſagten Teile Tuneſiens nachgewieſen. Die Unterſuchungen “), welche Goren Hanſen über die Farbe der Augen und des Haares bei der Bevölkerung des heutigen Dänemark neuerdings angeſtellt hat, beziehen ſich auf 2000 Individuen, ſämtlich männlichen Geſchlechts. Dieſelben haben ergeben, daß in Dänemark der bei weitem größere Teil der Bevölkerung helle (blaue, graue oder grüne) Augen und Haare von mittelheller Farbe (nußbraun oder dunkelblond) aufweiſt. Der völlig dunkle Typus (dunkles Haar und dunkle Augen) iſt in Dänemark nur mit 2,7%, der völlig helle Typus (hellfarbige Augen und blondes oder rotes Haar) mit 16,2 % vertreten. Im ganzen finden ſich in Dänemark hellfarbige Augen 24 mal jo häufig wie die dunkelfarbigen, während das blonde Haar das dunkle Haar nur um das Siebenfache an Häufigkeit übertrifft. Weiterhin gelangt Hanſen zu folgendem Schluß: Wenn eine Bevölkerung noch ſo vermiſcht und mit fremden Raſſenelementen durchſetzt iſt, wie dies in Europa faſt überall der Fall iſt, ſo wird, *) Revue d' Anthropologie 1888 p. 39 ff. vorausgeſetzt, daß ein blondes und ein dunkles Volksele— ment zu der Raſſenmiſchung beigeſteuert haben, das blonde Volkselement im weſentlichen in der Farbe der Augen, dagegen das dunkle Volkselement mehr in der Farbe des Haares bei der Nachkommenſchaft ſich zu erkennen geben. F. Houſſay, der an der perſiſchen Expedition von Dieulafoy teilgenommen hat, unterſcheidet bei der Be— völkerung Perſiens ſechs verſchiedene ethniſche Gruppen, nämlich: Arier, Mongolen, Mongolo-Arier, Mongolo-Semiten, Semiten und Ario-Negroiden. Als eigentliches Centrum der parſiſchen (ariſchen) Bevölkerung bezeichnet Houſſay die Gegend, welche von Sourmeck im Norden bis zur Südgrenze des heutigen Perſiens und bis Yezd am perſiſchen Golf ſich erſtreckt. Die Südperſer unterſcheiden ſich durch hohen Wuchs, kaſtanienbraunes, bisweilen ſogar helles Haar und gleichfarbigen Bart von den Bewohnern des nördlichen Perſiens. Die Loris (Luren), welche die direkten Nachkommen der Arier Mediens zu ſein ſcheinen, erſtrecken ſich von Hamadan bis in die Nähe von Suſa. Sie ſind von Wuchs noch größer und robuſter wie die eigentlichen Parſen; aber ihre Haut iſt nicht fo hell und blondes Haar iſt bei ihnen ſelten. Sie find da- rakteriſiert durch ausgeſprochene Langköpfigkeit, ſowie durch die außerordentliche Schmalheit der Stirn. Die Mongolen— raſſe iſt in Perſien durch Turkomanen vertreten, welche die Provinzen Ghilan und Maſenderan bewohnen; ihr Längenbreitenindex ſchwankt zwiſchen 81,4 und 86,3. Unter den Mongolo-Ariern nehmen die Hadjemiten die erfte Stelle ein; ſie erſtrecken ſich von Teheran im Norden bis Dehbid im Süden, bewohnen alſo die Gegend zwiſchen Luriſtan und Khoraſſan. Sie ſind Miſchlinge, die bald mehr dem ariſchen, bald mehr dem mongoliſchen Typus ſich nähern. Sie haben glattes und zugleich dickes Haar und eine kleine ſcharfgezeichnete Naſe. Den Hadjemiten ſtehen die Tadjik ſehr nahe. Die in Perſien wohnenden Armenier repräſentieren eine Miſchraſſe, bei der das türkiſche (mongoliſche) Element noch ſtärker hervortritt als bei den Hadjemiten und Tadjik. Ihr Schädel iſt ſtark abgerundet, die Wangenbeine vorſpringend, der Bruſtkaſten vierſchrötig, die Naſe dick und kurz. Die Bakhtyaren, welche die Gebirgsgegend zwiſchen dem Gebiete der Loris und demjenigen der Parſen bewohnen, ſind im weſent— lichen als eine aus Kreuzung von Ariern, Semiten und Mongolen hervorgegangene Miſchbevölkerung, in welcher das letzterwähnte Element prädominiert, aufzufaſſen. Bei denſelben iſt der hohe Wuchs, die lange und gerade Naſe, ſowie das lockige Haar der Arier kombiniert mit der Kurz— köpfigkeit der Mongolen. Die Unterſuchungen, welche Houſſay bei der unweit Suſa im Thale des Euphrat an— ſäſſigen Bevölkerung anſtellte, führten denſelben zu dem Schluß, daß dieſe Bevölkerung eine ſtarke Beimiſchung von Negrito-Blut aufweiſt. Speciell bei den Suſianern weiſt Houſſay eine Miſchung von Charakteren der Negritos mit türkiſchen (mongoliſchen), ariſchen und ſemitiſchen Raſſen— eigentümlichkeiten nach. Im allgemeinen kann man ſagen, daß auf dem Plateau von Iran, welches urſprünglich wohl nur von Ariern und Negritos bevölkert war, gegenwärtig die türkiſchen (mongoliſchen) Volkselemente die Oberhand haben, indem ſich das Gros der heutigen Bevölkerung 472 Perſiens aus türkiſch-ariſchen und türkiſch-ſemitiſchen Miſch⸗ raſſen zuſammenſetzt *). Ueber die am mittleren und unteren Ob wohnenden Zirianen, Oſtjaken und Samojeden hat Sommier Unterſuchungen **) angeſtellt, welche beweiſen, daß dieſe Völker in ihren körperlichen Eigentümlichkeiten erhebliche Unterſchiede zeigen. Die Zirianen ſind von mittlerer Körpergröße (Durchſchnittsmaß der Männer 1,64 m, der Weiber 1,54 m,) wohlgebaut, haben eine helle Hautfarbe, einen mandelförmigen Augenſchlitz, eine hellgefärbte Iris und mittelgroßen Kopfumfang; ihre Schädel ſind brachy⸗ kephal (Längenbreitenindex von 82,4 bis 83,2). — Die am Ob wohnenden Oſtjaken (nicht zu verwechſeln mit den Oſt⸗ jaken des Jenniſſei) ſind klein von Statur (Männer durch⸗ ſchnittlich 1,56 m, Frauen 1,44 m), mager und beſitzen eine ſchlecht entwickelte Muskulatur, was nach Sommier als Raſſencharakter zu deuten iſt, da die in denjelben Verhältniſſen lebenden Samojeden ſehr robuſt ſind und öfters ſogar eine beträchtliche Fettentwickelung aufweiſen. Die Oſtjaken ſind nicht rothaarig, wie man öfters behauptet hat, ſondern beſitzen braunes, mehr oder weniger dunkles Haar. Die Augenbrauenbogen ſpringen häufig vor; die gerade Stirn verengert ſich nach oben; die Wangenbeine prominieren, das Profil iſt faſt geradelinig, der Mund groß, die Lippen wulſtig, die Naſe kurz und konkav mit eingedrückter Naſenwurzel verſehen; ihre Schädel ſind meſo⸗ kephal (Längenbreitenindex 79,0 bis 79,3). Die Samo⸗ jeden ſind von Statur ebenfalls klein (durchſchnittliche Körperhöhe 1,54 m) und von ausgeſprochen brachykephaler bezw. ſubbrachykephaler Schädelform (Längenbreitenindex 83,9 bis 84,4); ihr Geſicht iſt weder groß noch hoch, die wulſtigen Lippen laſſen das Profil prognather erſcheinen, als dies in Wirklichkeit der Fall iſt. Beſonders charakte⸗ riſtiſch für dasſelbe iſt ein Fettwulſt, der ſich vom unteren Augenlid zum Wangenbein und der Naſenlippenfalte er⸗ ſtreckt und der den oberen Teil des Antlitzes plump und dick erſcheinen läßt. Das Auge iſt ganz und gar mon⸗ goliſch, die Naſe klein aber fein geſchnitten, die Naſen⸗ wurzel wenig eingedrückt, die Naſenflügel ſind klein. Das Profil bildet eine gekrümmte Linie, das Kinn iſt klein, die Jochbogen ſind ſtark entwickelt und vorſpringend; die bis jetzt unterſuchten Samojedenſchädel ſind ſämtlich mit breiter Naſenöffnung verſehen; der Bartwuchs der Samo⸗ jeden iſt noch geringfügiger als derjenige der Oſtjaken. Auf Grund der obenerwähnten anthropologiſchen Charak⸗ tere glaubt Sommier die Oſtjaken des Obgebiets nicht wie die beiden anderen im Vorhergehenden beſchriebenen Völker⸗ ſchaften der mongoloiden Raſſe zurechnen zu dürfen. Bei Gelegenheit einer kürzlich durch Kleinaſien unternommenen Forſchungsreiſe hat A. Eliſſéieff Unter⸗ ſuchungen über die anthropologiſchen Charaktere der dor⸗ tigen Völker “) angeſtellt. Als charakteriſtiſche Eigentüm⸗ lichkeiten der Armenier bezeichnet derſelbe die ausgeſpro⸗ chene Brachykephalie (Kurzſchädelform), den hervorſtehenden Schädelvertex, das abgerundete Hinterhaupt, die niedrige viereckige Stirn, die plumpgeformte, gerade oder leicht umgebogene Naſe, den breiten Augenſpalt, das Zuſammen⸗ ) Bull. d. 1. Soc. d' Anthropologie, July 1888. **) Arch, per l’Antrop. e la Etn. XVII, 1 u. 2. ) Bull. d. 1. Soc. Russe de Geographie T. XXIII, fasc. 3. Humboldt. — Dezember 1889. wachſen der Augenbrauen, das kleine Kinn, die ſtark pig⸗ mentierte Haut und die bedeutende Entwickelung des Haar⸗ wuchſes. Dieſe Charaktere entſprechen auch im allgemeinen den Darſtellungen der aſſyriſchen Skulpturen, ſowie den- jenigen der alten Kirchenbilder des armeniſch-gregorianiſchen Ritus. Andererſeits machen es die bei armeniſchen Kindern beſonders häufig vorkommenden blonden Haare, ſowie das relativ häufige Vorkommen von hellgefärbten Augen bei der armeniſchen Bevölkerung wahrſcheinlich, daß der im Vorhergehenden beſchriebene nicht der urſprüngliche ar⸗ meniſche Typus iſt. — Die Kurden Kleinaſiens find nach Eliſſéieff nur eine aus der Kreuzung verſchiedener Stämme hervorgegangene Miſchraſſe. — Unter den Juden Kleinaſiens hat man nach dem beſagten Gelehrten einen plumperen und feineren Typus zu unterſcheiden. Rudolf Virchow berichtete kürzlich der Berliner anthro⸗ pologiſchen Geſellſchaft über die von A. Langen an der Weſtküſte von Neu-Guinea (Mac Cluer-Golf) in den Archipelen der Aru- und Key-Inſeln, im Tenimber⸗ Archipel, auf Babber und Letti (Banda-See), ſowie auf Ceram und Amboina (ſüdliche Molukken) ange⸗ ſtellten anthropologiſchen Unterſuchungen. Dieſes Gebiet bietet deshalb ein beſonderes Intereſſe, weil hier Papua⸗ ſtämme, die von Oſten kamen, mit Malayen des Weſtens und Nordens zuſammengetroffen find, und weil hier zu⸗ gleich die Frage entſteht, ob auf den beſagten Inſeln nicht noch Reſte einer älteren Urbevölkerung vorhanden ſind, welche ſowohl von den Papuas wie von den Malayen ſich unterſcheidet. Auch iſt im Süden die Möglichkeit nicht ausgeſchloſſen, daß auſtraliſche (nigritiſche) Stämme ſich hierher ausgebreitet haben. Zu wichtigen Schlüſſen be⸗ rechtigen die von A. Langen geſammelten Haarproben von Eingeborenen der verſchiedenen Inſeln bezw. Inſelarchipele. Im vollen Gegenſatz zu dem Haar der auſtraliſchen Ein⸗ geborenen bildet das reine Papua-Haar Spirallöckchen; zwiſchen dem langen, faſt ganz ſchlichten, höchſtens etwas lockigen Haar der Amboneſen und dem Haar der Letti- neſen, welches, wenn es nicht kurz geſchoren wird, ſtets lang und glatt erſcheint, beſtehen doch gewiſſe Unterſchiede, wie man denn überhaupt ſagen darf, daß auf keiner der weſtlich von Neu-Guinea gelegenen Inſeln ein gleiches Haar vorkommt. Auch iſt es nach Virchow unzweifelhaft, daß eine breite Zone welliger und lockiger Haarformen ſich zwiſchen die papuaniſchen und malayiſchen einſchiebt — eine Zone, die im Norden an die Wedda (auf Ceylon), im Süden an die Auſtralier anzuſchließen ſcheint. — Be⸗ züglich der Kopfform verdient Beachtung, daß in Neu⸗ Guinea und auf den Aru⸗Inſeln faſt nur Langköpfe vor⸗ kommen, die Kurzköpfigen dort aber gänzlich fehlen. Auf den Key-Inſeln finden ſich noch zahlreiche Langköpfe (31,8 %), aber die mittellange Schädelform hat ein ge⸗ ringes Uebergewicht (36,3 ) und die Kurzköpfigen (Brachy⸗ kephale) und Extremkurzköpfigen (Hyperbrachykephale) ſind zuſammen ebenſo ſtark als die Langköpfigen. Auf Tenimber, Babber, Amboina und Java wurde überhaupt kein Lang⸗ köpfiger angetroffen; nur auf Letti eine Frau und auf Ceram zwei Männer. Auf Java fanden ſich nur Kurz⸗ köpfige; auf den übrigen Inſeln ſtehen ſich die Kurzköpfigen und Mittellangköpfigen gleich; dabei iſt jedoch zu bemerken, daß die Kurzköpfigkeit bei den Frauen im allgemeinen Humboldt. — Dezember 1889. häufiger vorkommt, als beim männlichen Geſchlecht. Im großen und ganzen herrſchen bei den Bewohnern der von Lange beſuchten Inſelgruppen die niedrigen Schädelformen (Chamäkephalie und Hyperchamäkephalie) vor, und zwar ſind es wiederum die Frauen, welche die meiſten niedrigen Schädel aufweiſen. Unter den von Larat eingeſandten Schädeln iſt derjenige eines Kindes im Alter von 18 bis 20 Monaten nach Virchow deshalb bemerkenswert, weil er in vielen Stücken dem Schädel eines jungen Anthro— poiden ähnelt. Als niederes und geradezu pithekoides (affenähnliches) Merkmal fällt an dem beſagten Kinder— ſchädel auf der beiderſeits in voller Ausbildung vorhandene Stirnfortſatz der Schläfenſchuppe. Bei den übrigen Schädeln von Larat verleiht das häufige Vorkommen von Platy- rhinie (bedeutende Breite der Naſenöffnung im Verhältnis zur Naſenhöhe), welche nicht ſelten zuſammen mit gletd- zeitiger Exiſtenz von Pränaſalfurchen auftritt, die exceſſive Prognathie und die mangelhafte Ausbildung des Kinns — dieſe Charaktere verleihen den beſagten Schädeln einen ganz eigentümlichen Geſichtsausdruck. Einer der Schädel von Larat verdient noch beſondere Beachtung wegen des bei demſelben vorhandenen Condylus tertius (dritter Ge⸗ lenkfortſatz des Hinterhauptbeins für die Artikulation des Schädels auf der Wirbelſäule) *). Bezüglich des ſoeben erwähnten dritten Gelenkfortſatzes gelangt Houzé, welcher dieſe im ganzen nur ſelten vor— kommende Anomalie am Schädel eines Hindu auffand, unter Hinzuziehung von anderen Beobachtungen zu fol— genden Schlüſſen: der dritte Condylus kommt in drei ver— ſchiedenen Formen vor, nämlich: 1) als ein in der Mittel— linie gelegener dünner Vorſprung, der ſich über den Rand des Os basilare erhebt und durch Verknöcherung des Liga- mentum medium (d. i. jenes Bandes, welches den Zahn— fortſatz des zweiten Halswirbels mit dem vorderen Rand des Hinterhauptloches verbindet) entſteht. Dieſe Form des dritten Condylus bezeichnet Houzé als tuberculum basio-odon- toideum; 2) die zweite Form iſt charakteriſiert dadurch, daß vor dem Baſion eine kleine Gelenkaushöhlung ſich findet, dazu beſtimmt, den Zahnfortſatz des zweiten Hals— wirbels aufzunehmen. Dieſe Form bildet eine Analogie zum mittleren Condylus der Vögel; 3) die dritte Form des Condylus tertius beſteht in Gelenkfortſätzen, die ſich in der Mittellinie vereinigen, bisweilen auch mit den feit- lichen Condylen verſchmelzen. Dieſe Form des dritten Condylus wurde mehrfach bei den Malayen der Sunda— inſeln, ſowie bei den jenſeits des Ganges wohnenden Hindus nachgewieſen; unter den Völkern Europas ſind es die Basken, bei denen dieſe Anomalie bisher relativ am häufigſten beobachtet wurde“). J. Fraipont hat die Schienbeinknochen der Skelette von Spy (Neanderthalraſſe) mit dem Schienbein der Anthro— poiden und des heutigen Menſchen verglichen und findet, daß die Neanderthalraſſe (Race de Canstatt) hinſichtlich der Beſchaffenheit der Tibia eine Mittelſtellung einnimmt zwiſchen den Anthro— poiden und dem heutigen Menſchen. Wenn man ſich durch die Schienbeine des weiblichen Gorilla, des ) Verhandl. d. Berliner Geſ. für Anthrop., Ethn. u. Urgeſchichte. Zeitſchr. f. Ethnologie 1889. 2. S. 123 ff. ) Bull. d. I. Soc. d'Anthrop. de Bruxelles 1888. Humboldt 1889. 473 Spymenſchen, des neolithiſchen Menſchen (Menſchen der jüngeren Steinzeit) und des heutigen Bewohners von Belgien die Längsachſe entſprechend der Mitte des Körpers der Tibia gezogen denkt, ſo trifft dieſe Längsachſe beim Gorilla und beim Spymenſchen den Gelenkteil des Schien— beinknochens nicht mehr; beim neolithiſchen Menſchen trifft die Achſe den vorderen Teil der Gelenkfläche und beim heutigen Menſchen entſpricht dieſelbe der Mitte der Ge- lenkfläche, was darauf beruht, daß beim Gorilla und ebenſo beim Spymenſchen, der ſich den aufrechten Gang noch nicht vollkommen angeeignet hatte, ſondern mit eingeknickten Knien einherſchritt, der Gelenkteil des Schienbeins mit dem Schienbeinkörper einen nach hinten offenen ſtumpfen Winkel bildete. Eine Andeutung dieſes Winkels iſt auch noch beim neolithiſchen Menſchen vorhanden, während beim jetzt lebenden Menſchen, der vollkommen aufrecht einher- ſchreitet, die Achſe der Gelenkfläche mit der Längsachſe des Schienbeinknochens einen rechten Winkel bildet. Die be- ſagte Konformation des Gelenkteiles der Tibia beim Spy⸗ menſchen bedingte es mit Notwendigkeit, daß die Körper— haltung desſelben auch beim Aufrechtſtehen weniger vertikal war als diejenige des jetzt lebenden Menſchen “). Von großem Intereſſe ſind jene Unterſuchungen **), welche Guyot-Daubes über die Anomalien in der Bildung der Finger und Zehen angeſtellt hat. Derſelbe unterſcheidet verſchiedene Kategorien von Finger- und Zehenmißbil—⸗ dungen, nämlich zunächſt die Ektrodaktylie, d. h. ſolche Abnormitäten, wo die Zahl der Finger bezw. Zehen vermindert iſt, wo alſo nur ein, zwei, drei oder vier Finger bezw. Zehen vorhanden ſind. Die totale Ektrodaktylie (Fehlen jedweden Fingers oder jedweder Zehe) kommt ziemlich ſelten vor. Bei der monodaktylen Form entſpricht der eine vorhandene Finger gewöhnlich dem Zeigefinger, bisweilen aber auch dem Ringfinger. Häufiger ſchon als die Monodaktylie iſt die Didaktylie (zwei Finger oder zwei Zehen), bei der die Stellung der beiden Finger bezw. Zehen eine verſchiedene ſein kann. Häufig ſind die beiden Finger ſo zueinander geſtellt, daß ſie eine Art von Hummerſchere bilden. Am Fuß wurde ein Fall von Zwei⸗ zehenbildung beobachtet, wo zugleich der ganze Metatarſus in zwei koniſche Maſſen geteilt war, dergeſtalt, daß auf dem einen Conus die große Zehe, auf dem anderen die kleine Zehe aufſaß. Die Bildung der tridaktylen Hände iſt eine ſehr mannigfaltige, bald ſind der Daumen und zwei der übrigen Finger vorhanden, und dann iſt die Gebrauchs— fähigkeit der Hand eine bedeutende; bald fehlt der Daumen und es ſind nur drei der übrigen Finger vorhanden; wodurch die Gebrauchsfähigkeit der Hand ſehr eingeſchränkt wird. Bemerkenswert iſt das ſymmetriſche Auftreten der Anomalie (die nämliche Mißbildung entweder an beiden Händen oder an beiden Füßen), ſowie die Zähigkeit, womit eine und dieſelbe Anomalie von Generation zu Generation ſich wiederholt trotz der Verehelichung mit Perſonen von normaler Hand- und Fußbildung. — Neben der Ektro⸗ daktylie iſt die Polydaktylie, d. h. Vermehrung der Finger oder Zehen einer Hand oder eines Fußes über die Zahl fünf hinaus ein häufiges Vorkommnis. ) Vergl. Revue d’Anthropologie 1889, p. 145. ) Ebendaſelbſt p. 534. 60 474 Humboldt. — Dezember 1889. Dabei ſteht der überſchüſſige Finger häufig nur durch eine Hautbrücke mit der übrigen Hand in Zuſammenhang; in anderen Fällen artikuliert derſelbe mit dem Metakarpus des kleinen Fingers; wieder in anderen Fällen kommt die Polydaktylie dadurch zu ſtande, daß ein doppelter Daumen (Spaltung des Daumens in zwei Finger) vorhanden iſt. Ueber die Urſachen der Finger- und Zehenanomalien ſind wir noch nicht völlig im Klaren. Die Ektrodaktylie kann das Reſultat ſein von abnormen Vorgängen während des Fötallebens (intrauterine Fraktur, Druck der Gebärmutter auf die Extremitäten des Fötus u. dergl). Braun glaubt, daß die Ektrodaktylie am Fuße nicht ſelten auf das Fehlen des Musculus peronus zurückzuführen tft. Die Ektro⸗ daktylie ſowohl wie die Polydaktylie ſind in gewiſſen Fällen als ataviſtiſche Erſcheinung (Rückſchlag auf die tieriſchen Vorfahren des Menſchen), in anderen Fällen als Hem⸗ mungsbildung aufzufaſſen. Beide ſind häufig Begleit⸗ erſcheinungen von anderen Anomalien. Im übrigen reicht nach Guyot-Daubes die Darwinſche Lehre zur Erklärung der Erſcheinungen der Ektrodaktylie und Polydaktylie nicht aus. : Houzé und Jacques haben bei den weſtlich vom Tan⸗ ganyika⸗See wohnenden Stämmen der Marungu, Itawa und Watombua ſtark ausgeſprochene Dolichokephalie (Lang⸗ ſchädelform, hohen Wuchs und nur einen geringen Grad von Prognathismus (Vorſpringen des Zahnrandes am Kiefer) angetroffen“). Nach Houzs ſtehen die beſagten Negerſtämme den Amazulus ſehr nahe. Auch eine Zwerg⸗ raſſe iſt in dieſem Teile Centralafrikas vorhanden, die, wie es ſcheint, den Akkas nahe verwandt iſt. Die von Zintgraff während ſeines Aufenthaltes im nördlichen Hinterlande von Kamerun an Wei⸗Negern und Kru⸗Negern vorgenommenen Kopfmeſſungen !) haben für erſtere 40 % ͤ Dolichokephale, 50 % Meſokephale und nur 10 % Brachykephale, für letztere 58 % Dolichokephale, 42% Meſokephale und vollſtändiges Fehlen der Brachykephalie ergeben. Unter den ſchon früher von Zintgraff gemeſſenen Dualla von Kamerun prädominiert die Meſokephalie und fehlt die Brachykephalie ebenfalls gänzlich, während die vor einigen Jahren von L. Wolf an lebenden Baluba und von Virchow an Baluba⸗Schädeln vorgenommenen Meſ— ſungen bekanntlich ein beträchtliches Kontingent von Brachy⸗ kephalen ergeben haben. Die Frage nach der Herkunft der unter den weſtafrikaniſchen Stämmen und ihren öſtlichen Nachbarn hier und da auftretenden Kurzköpfigkeit iſt ſomit zur Zeit noch nicht ſpruchreif. — Eine beſondere Beachtung verdienen die von Zintgraff eingeſendeten Zeichnungen von Fußumriſſen der von ihm unterſuchten Neger. In dieſen Zeichnungen iſt ebenſowohl der wirkliche Umriß (Kontur) des Fußes wie auch die Fußſpur, d. h. jener Teil des Fußes, welcher beim Stehen bezw. Gehen den Erdboden berührt, durch ein beſonderes Verfahren ſichtbar gemacht. Die Fußſpuren der Wei⸗Neger ſcheinen im all⸗ gemeinen mehr zur Breite (Plattfußbildung) zu neigen, als diejenigen der Kru-⸗Neger; bei der großen Mehrzahl der auf ihre Fußbildung unterſuchten Neger tritt die erſte Zehe ſtärker vor als die zweite. Bei etwas mehr als der ) Bull. d. 1. Soe. d’Anthrop. de Bruxelles 1888. ) Zeitſchrift für Ethnologie 1889. S. (85) ff. Hälfte der unterſuchten Neger findet ſich ein mehr oder weniger ausgebildeter Zwiſchenraum zwiſchen erſter und zweiter Zehe, desgleichen iſt bei einigen Individuen ein Abſtand zwiſchen dritter und vierter Zehe zu konſtatieren, und noch weit fremdartiger wird die Geſtalt des Fußes, wenn ſich zwiſchen vierter und fünfter Zehe ein breiter Spalt zeigt. Sehr auffällige Abweichungen treten auch hervor in der Geſamtform des Fußes, namentlich durch, eine ſtarke Einbiegung des inneren Randes— Unter den Plattfüßen zeichnen fic) einige durch eine breit⸗ gerundete Protuberanz unter dem inneren Knöchel aus. Im ganzen hat der Fuß der Wei- und Kru-Neger feine natürliche, vorn breite Geſtalt, doch ſind auch bei einzelnen die Zehen ſtark aneinander gedrängt, wie wenn die betr. Individuen Schuhe oder Strümpfe getragen hätten. Die Größe der Füße bei den beſagten Stämmen ſcheint faſt durchweg eine ſehr beträchtliche zu ſein. Manouvrier und Chantre find durch ihre Unter- ſuchungen über die den verſchiedenen Schädel— formen zu Grunde liegenden urſächlichen Mo- mente“) zu dem Schluſſe gelangt, daß die Entſtehung, der Dolichokephalie und Skaphokephalie in der Mehrzahl der Fälle durch vorzeitige Verwachſung der Schädelknochen in der Pfeilnaht (sutura sagittalis), dagegen andererſeits die Entſtehung der als Brachykephalie und Akrokephalie bezeichneten Schädelformen durch frühzeitige Verwachſung der Kranznaht (sutura coronaria) hervorgerufen oder doch wenigſtens begünſtigt wird. Durch das Verwachſen der Pfeilnaht wird das Wachstum des Schädels in die Breite gehemmt, derſelbe muß daher, um Raum zu ſchaffen für das ſich entwickelnde Gehirn, in ſeiner Längsrichtung ſich vergrößern, während umgekehrt bei frühzeitiger Ver⸗ wachſung der Kranznaht der Schädel nicht länger in der Richtung von vorn nach hinten wachſen kann und daher an Breite zunehmen muß. Ueber Rieſenwuchs hat Emil Schmidt neuerdings Unterſuchungen **) angeſtellt. Derſelbe weiſt auf das häufige Mißverhältnis in den einzelnen Organſyſtemen der Rieſen hin, unter denen das Knochenſyſtem zu einſeitig über⸗ wiegender Entwickelung kommt, während Muskel-, Nerven⸗ und Cirkulationsſyſtem damit nicht gleichen Schritt halten. Die Folge dieſes Umſtandes iſt häufig eine verminderte Widerſtandsfähigkeit gegen äußere Einflüſſe (Rieſen er⸗ reichen ſelten ein höheres Alter). Bei dem zwiſchen Mittel⸗ wuchs und Rieſenwuchs ſtehenden Hochwuchs zeigt ſich in den meiſten Fällen nicht eine Wiederholung der Pro⸗ portionen des Mittelwuchſes; er iſt vielmehr in der Regel bedingt durch ein beſonders ſtarkes Wachſen des Unter- körpers (der obere Symphyſenrand iſt verhältnismäßig weit über die Körpermitte nach oben gerückt). Anderer⸗ ſeits zeigt der Rieſenwuchs im weſentlichen dieſelben Pro⸗ portionen wie der Normalwuchs, dasſelbe Verhältnis zwi⸗ ſchen Oberkörper und Unterkörper, zwiſchen Stamm und Extremitäten. Auch beim Rieſenwuchs laſſen ſich ſchlanke und unterſetzte Formen unterſcheiden; aber die erſteren erreichen nicht die exceſſive Länge der Unterextremitäten, die beim ſchlanken Hochwuchs vorkommen. ) Bull. d. 1. Soc. d' Anthropologie de Lyon T. V. ) Korreſpondenzblatt für Anthropologie 1889. S. 44 ff. Humboldt. — Dezember 1889. Von hervorragendem Intereſſe ſind die von Georg Buſchan über prähiſtoriſche Gewebe und Ge— ſpinnſte angeſtellten Unterſuchungen “). Buſchan prüfte die beſagten Gewebe und Geſpinnſte auf das Rohmaterial, welches zu ihrer Herſtellung gedient hat, auf ihre Ver— breitung im prähiſtoriſchen Deutſchland, auf ihre Technik, ſowie auf ihre Veränderung durch Lagerung in der Erde. Buſchan hat auch das Verdienſt, gewiſſe chemiſche Reak— tionen ausfindig gemacht zu haben, die es ermöglichen, die verſchiedenen Gewebsfaſern, ſeien dieſelben auch noch jo verändert, voneinander zu unterſcheiden. Die älteſten Gewebe, die wir — abgeſehen von denen aus den ſüd— deutſch⸗ſchweizeriſchen Pfahlbauten — aus dem Bereiche des heutigen Deutſchlands kennen, entſtammen den Moor— funden der nordiſchen Bronzezeit; andererſeits lehren die aus den Höhlen von Bayriſch- Franken bekannten, aus Knochen geſchnitzten Gegenſtände, welche wir als Inſtru— mente für Weberei und zum Netzſtricken (Ahlen, Strick— nadeln, Spinnwirtel u. dergl.) erkennen — dieſe Gegen— ſtände lehren, daß bereits der Menſch der jüngeren Stein— zeit Geſpinnſte und Gewebe hergeſtellt hat. Der Kunſt des Webens iſt diejenige des Filzens wahrſcheinlich zeitlich vorausgegangen. Weiterhin faßt Buſchan die Ergebniſſe ſeiner Unterſuchungen in folgende Sätze zuſammen: 1) In der prähiſtoriſchen Zeit Deutſchlands wurden Wolle (meiſtens Schafwolle) und Flachs zu Geweben verarbeitet, dagegen kein Hanf; 2) die Anfertigung der Gewebe aus Wolle ging derjenigen aus Flachs voraus. In der nordiſchen Bronzezeit finden ſich ausſchließlich wollene Gewebe, in der Eiſenzeit neben wollenen auch ſolche aus Leinen, ſpeciell im Anfange der nordiſchen Eiſenzeit nur Wolle; 3) die Wolle der in prähiſtoriſcher Zeit gezüchteten Schafe war ) Archiv für Anthropologie 1889. 475 eine dunkle, keine weiße; 4) die größte Anzahl der Stoffe iſt Köper, nie finden wir atlasartige Gewebe; 5) die Ge— webe haben ſich im Laufe der Zeit im großen und ganzen wenig verändert. Sehr intereſſant ſind die von Buſchan über die älteſten Vorrichtungen zum Weben bezw. über die älteſte Form des Webſtuhls gemachten Unterſuchungen. Die Pfahlbauern am Pfäffiker-, Niederwyler- und Boden- ſee haben die Webekunſt ſchon recht ſchwunghaft betrieben; ſie verſtanden es mit äußerſt großem Geſchick die Flachs⸗ faſer nicht bloß zu groben Schnüren, Fiſchnetzen oder Matten, ſondern auch zu feineren Textilerzeugniſſen, wie: Franſen, Decken, Stickereien und Haarnetzen zu verarbeiten. Ein neuerdings aus einem prähiſtoriſchen Grabe Transkaukaſiens zu Tage geförderter Bronzegürtel, deſſen Zeichnung Rudolf Virchow der anthropologiſchen Sektion der Heidelberger Naturforſcherverſammlung vor— legte, bietet ein zweifaches Intereſſe. Die auf dieſem Gürtel zum Teil eingravierten, zum Teil durch Punzierung hergeſtellten Ornamentmotive beſitzen eine bemerkenswerte Uebereinſtimmung mit den Verzierungen gewiſſer vor- geſchichtlicher Gefäße, wie ſie in Steiermark aufgefunden wurden (Situla von Waatſch u. dergl.) und legen den Schluß nahe, daß zwiſchen der Kultur der kaukaſiſchen Gebiete und derjenigen der Alpenländer in vorgeſchicht— licher Zeit enge Beziehungen beſtanden haben. Die auf dem beſagten Gürtel dargeſtellten Hirſche, deren Figuren zum Teil an den jetzt ausgeſtorbenen iriſchen Rieſenhirſch (Megaceros hibernicus) erinnern, legen zugleich die Frage nahe, ob nicht vielleicht in vorgeſchichtlicher Zeit die be— ſagte Hirſchart im Kaukaſus und in den angrenzenden Ländern exiſtiert habe ). ) Tageblatt der 62. Verſ. D. Naturforſcher und Aerzte zu Heidel= berg 1889. Reine Mitteiſungen. Verdoppelung der Marskanäle. Zu den merk⸗ würdigſten Erſcheinungen auf der Oberfläche des Mars gehört die zuerſt von Schiaparelli beobachtete Verdoppelung der langen dunkeln Streifen, die man nach dem Vorgange dieſes Aſtronomen als Kanäle bezeichnet. Ein vorher ein- facher Kanal erſcheint wenige Tage, vielleicht Stunden, ſpäter aus zwei nahe bei einander liegenden parallelen Streifen zuſammengeſetzt, von denen manchmal, aber nicht immer, der eine ungefähr die Stelle des einfachen Kanales einnimmt. Die Entfernung der beiden Linien iſt von einer Verdoppelung zur andern ſehr verſchieden und kann bis zu 10— 12“ und ſelbſt darüber ſteigen; aber auch bis unter 3° herabgehen; ebenſo ijt die Breite der Streifen bei verſchiedenen Verdoppelungen verſchieden; aber immer haben beide dasſelbe Ausſehen, auch gleiche Färbung. Beobachtungen über alle Einzelheiten des ganzen Vor— ganges liegen noch nicht vor. Schiaparelli aber ſah öfters, wie fic) die beiden Linien aus einer grauen, in der Rich⸗ tung des Kanals ausgebreiteten Nebelmaſſe loslöſten, doch nicht ſo, als habe der Nebel vorher die Streifen verdeckt, vielmehr derart, als ob ſich in der Materie des Nebels die vorher nicht vorhandenen Formen abzeichneten. Direktor Meiſel in Halle hat nun (in Nr. 2904 der Aſtron. Nachr.) verſucht, dieſe Verdoppelung auf rein optiſchem Wege zu erklären. Mit Rückſicht auf den durch ſpektroſkopiſche Beobachtungen nachgewieſenen Reichtum der Marsatmo— ſphäre an Waſſerdampf hält er die von Schiaparelli mit dem Namen „Meere“ belegten dunkeln Regionen für wirk- liche Waſſeranſammlungen und die Kanäle für mit Waſſer gefüllte Rinnen, an deren Oberfläche eine außerordentlich ſtarke Verdunſtung ſtattfinden muß. Denn wenn auch die Intenſität der Sonnenſtrahlung auf dem Mars nur etwa 0,4 von derjenigen auf der Erde beträgt, fo muß doch andererſeits infolge der geringeren Maſſe des Mars (un⸗ gefähr ½ der Erdmaſſe) auch die Dichte der Luft und ſomit der Luftdruck weit geringer fein, alſo der Siede- punkt des Waſſers tiefer liegen und die Dampfbildung reichlicher ſtattfinden. Die von einem Kanal aufſteigenden durchſichtigen Waſſerdampfmaſſen ordnen ſich oberhalb des— ſelben in Form eines halben Cylinders an, deſſen Achſe ungefähr in die Mitte des Waſſerlaufes fällt. Tritt nun infolge irgend welcher Vorgänge in der Marsatmoſphäre eine Ueberhöhung dieſes Halbcylinders ein, fo daß der Krümmungshalbmeſſer ſeines Querſchnitts im Scheitel kleiner iſt als die Höhe des letzteren über der Waſſer— fläche, ſo geben die in der Nähe des Scheitels austretenden Strahlen ein anderes Bild des Kanals als die ſeitlich austretenden, und wir ſehen den Kanal doppelt. Der Abſtand beider Bilder, ſowie ihre Lage gegen das Objekt hängt außer vom Brechungsvermögen des Dampfes und der ihn umgebenden Luft, dem Krümmungsradius der Grenzfläche und ihrer Höhe auch von der ſeitlichen Ver— 476 ſchiebung des Scheitels der Grenzfläche gegen das Objekt ab, und wenn die Verſchiebung ein gewiſſes Maß über⸗ ſchreitet, ſo wird nur noch ein Bild für uns ſichtbar ſein; ja es kann ſelbſt vorkommen, daß die nach der Erde gerichteten Strahlen die Grenzfläche unter ſo ſpitzem Winkel treffen, daß ſie dort total reflektiert werden, in welchem Falle der Kanal unſichtbar wird. Die Rotation des Mars um ſeine Achſe muß auf den Abſtand der parallelen Bilder ungefähr die gleiche Wirkung hervor⸗ bringen, wie die perſpektiviſche Verkürzung. Daß die Ränder der Kontinente und Inſeln nie doppelt beobachtet worden ſind, erklärt Meiſel durch die nahezu horizontale Lage der Grenzfläche der gewaltigen, über einem Meere des Mars aufſteigenden Dampfmaſſe. 61. Scintillometerbeobachtungen auf dem hohen Sonnblick (3095 m) im Februar 1888. Dieſe von J. M. Pernter mit Unterſtützung der kaiſerlichen Akademie der Wiſſenſchaften in Wien ausgeführten Beobachtungen ſollten hauptſächlich die Frage entſcheiden, ob die Sein⸗ tillation der Sterne in den unteren Luftſchichten entſteht und ob die oberen frei davon find, jo daß es zur Ver⸗ meidung des ſtörenden Einfluſſes der Seintillation vor⸗ teilhaft ſein würde, Sternwarten in größeren Höhen zu errichten. Während Liandier, Raspighi u. a. die Ent⸗ ſtehung der Scintillation in die oberen Luftſchichten ver⸗ legen, glaubt Karl Exner neuerdings gefunden zu haben, daß die ſeintillatoriſchen Bewegungen des Sonnen- und Mondrandes nahezu oder ganz mit der Richtung des Windes in den unterſten Luftſchichten übereinſtimmen, und er ſucht daher die Urſache der Seintillation haupt⸗ ſächlich in den unteren Luftſchichten. Die Beobachtungen, welche Pernter auf dem Sonnblick und gleichzeitig W. Tra⸗ bert am Fuße desſelben in Rauris (900 m) mit ein paar von Steinheil nach Exners Angaben ausgeführten Sein⸗ tillometern angeſtellt haben, zeigen aber zweifellos, 1) daß die Erregungsurſachen der Seintillation auch in höheren Luftſchichten öfters vorhanden ſind; 2) daß dieſelben ſogar zuweilen in den höheren Luftſchichten ſtärker ſind, als gleich⸗ zeitig in den unteren, und daß 3) durch Errichtung von Sternwarten in größeren Höhen allein wenig oder nichts gewonnen wäre, um ſie dem ſtörenden Einfluſſe der Sein⸗ tillation zu entziehen. Denn die Seintillation hängt offen⸗ bar ab von den allgemeinen atmoſphäriſchen Bewegungen: Gegenden, welche abſeits liegen von den großen Strö⸗ mungen im Luftmeer, werden geringere Scintillation haben ſowohl in der Niederung als in der Höhe, wo- gegen an Orten innerhalb dieſer Strömungsgebiete die Scintillation ſtärker auftreten wird. G -l. Bhosphorescterende Vilze. Es ijt ſeit lange be⸗ kannt, daß das Mycel des als Baumverwüſter gefürchteten Hallimaſch (Agaricus melleus) im Dunkeln leuchtet, und daß das Phosphorescieren von faulem Holze auf dieſe Ur⸗ ſache zurückzuführen iſt. Man kennt aber auch eine An⸗ zahl von Blätterſchwämmen, deren Hüte phosphorescieren. Als ſolche werden genannt Agaricus igneus von Am⸗ boina, A. Gardneri von Braſilien, A. noctilucens von Manila und A. illudens in Nordkarolina. In Neu⸗ Kaledonien ſoll ein ſolcher phoSphorescierender Blätter⸗ ſchwamm von den jungen Mädchen bei ihren nächtlichen Tänzen als leuchtender Hauptſchmuck verwendet werden. Am bekannteſten ijt das Phänomen von A. olearius, einem goldgelb gefärbten Pilze, der am Fuße der Oel- bäume wächſt und bereits Gegenſtand vieler Unterſuchungen von Delile, Tulasne, Fabre u. a. geworden iſt. Nach Arcangeli erſtreckt ſich bei demſelben die Phos⸗ phorescenz nicht auf die Lamellen des Hutes, ſondern es nehmen auch der Stiel, die Oberſeite des Hutes und das innere Gewebe daran teil. Doch iſt das Leuchten oft in den Lamellen am ſtärkſten. Die reifen Sporen leuchten da⸗ gegen nicht. Auch ſehr junge Pilze leuchten, doch wird die Phos- phorescenz mit der vorſchreitenden Entwickelung ſtärker und hört mit dem Abſterben des Pilzes mehr oder we⸗ Humboldt. — Dezember 1889. niger ſchnell auf. Dies Leuchten war bis auf eine Ent⸗ fernung von 11m wahrnehmbar; es iſt unabhängig von einer vorherigen Beleuchtung des Pilzes durch Sonnen⸗ licht und bei Tag und Nacht zu beobachten. Epiphytiſche oder paraſitiſche Organismen, auf welche das Phosphorescieren zurückzuführen ſein möchte, konnten nicht aufgefunden werden; auch zeigte ſich die Phosphorescenz eng verknüpft mit dem Entwickelungs⸗ cyklus des Pilzes, fie muß alſo von irgend einer phyfio- logiſchen Funktion desſelben abhängig ſein. Die Temperatur, wenn ſie nicht gewiſſe Grenzen überſchreitet, ändert nicht die Phosphorescenz. Einige auf 0° abgekühlte Pilze verloren in Zeit von 92 —1 Stunde ihre Phosphorescenz; als ſie aber nach 5 Stunden wieder auf 14° erwärmt wurden, leuchteten fie wieder mit der urſprünglichen Intenſität. Bei andern auf 0° abgetiihlten und langſam wieder erwärmten Pilzen begann die Phos⸗ phorescenz bei 3—4“ und erlangte ihr Maximum bei 8—10°. Eintauchen in Waſſer von 40° ließ die Phos⸗ phorescenz ſchnell verſchwinden; ſie kehrte aber wieder, ſobald der Pilz aus dem Waſſer gezogen war. Als der Pilz jedoch in Waſſer von 50° getaucht wurde, kam die Phosphorescenz nach dem Herausziehen nicht wieder zum Vorſchein. Wird der Pilz in Waſſer von gewöhnlicher Tem⸗ peratur (14°) getaucht, fo ändert ſich zuerſt die Phos⸗ phorescenz nicht; nach und nach aber wird ſie ſchwächer und ſchließlich verſchwindet ſie. Nimmt man den Pilz, nachdem er einige Zeit im Waſſer gelegen und von ſeiner Phosphorescenz etwas eingebüßt hat, wieder heraus, fo tritt dieſelbe nach wenigen Sekunden mit verſtärkter Energie von neuem hervor. In Waſſer, aus welchem man die Luft durch Kochen ausgetrieben hat, verſchwindet das Leuchten ſchon nach viel kürzerer Zeit. In einer Atmoſphäre von Kohlenſäure, Kohlenoxyd, Stickſtofforydul, Waſſerſtoff oder Stickſtoff erliſcht das Leuchten raſch, um nach dem Herausnehmen des Pilzes, mit verſtärkter Energie zurückzukehren. Hat der Pilz etwa 36 Stunden in einem der genannten Gaſe verweilt, ſo tritt die Phosphorescenz nachher mit geringerer Stärke oder gar nicht wieder ein. In reinem Sauerſtoff nimmt die Phos⸗ phorescenz des Pilzes nicht zu, dauert aber fort, wie in Luft. Der Oelbaumſchwamm zeigt ſtets eine mittels des Thermometers wahrnehmbare Temperaturerhöhung. Zwar beſitzt der Pilz eine niedrigere Temperatur als ſeine Um⸗ gebung, weil durch die Transpiration die in den Geweben des Pilzes entwickelte Wärme gebunden wird. Eliminiert man aber die Transpiration, indem man den Pilz in einer abgeſchloſſenen Atmoſphäre unterſucht, ſo findet man leicht, daß die Temperatur desſelben um 0, —11 höher iſt, als die der Umgebung, wenn dieſe etwa 14° beträgt. Es iſt aus dieſen Verſuchen zu ſchließen, daß die Phosphorescenz des Oelbaumſchwammes auf einer Oxy⸗ dation beruht. Sie ſtammt entweder direkt von der Re⸗ ſpirationsthätigkeit oder ſie rührt von einer mit der At⸗ mung eng verknüpften ſekundären Oxydation her, indem bei der Reſpiration durch Zerſetzung eines Eiweißſtoffes des Protoplasmas eine Verbindung entſteht, welche fähig iſt, ſich zu oxydieren und dabei die Phosphorescenz her⸗ vorzurufen. 5 Ms. Vſirſich- und Aprikofenfteine (Endocarp und Same) werden in Kalifornien als Feuerung benutzt; erſtere bringen 6 Dollar die Tonne, letztere etwas weniger. Früher be— trachtete man ſie als wertloſen Abgang der großen Frucht⸗ konſervenfabriken. Man ſtellt die Pfirſichſteine für den Hausgebrauch der beſten kaliforniſchen Kohle gleich. M—s. Die heilige Lotosblume, Nelumbium speciosum, ijt in einem Teich in New Jerſey eingebürgert worden und erweiſt ſich als widerſtandsfähig, obgleich die Waſſerober⸗ fläche während des Winters gefriert. Eine am Ort auf⸗ genommene Photographie, welche von der Zeitſchrift „Gar⸗ den and Foreſt“ reproduziert wird, zeigt Hunderte von offenen Blüten. M—s. Humboldt. — Dezember 1889. 477 Intelligenz der Bienen. John Lubbock macht in ſeinem vor kurzem in deutſcher Ueberſetzung erſchienenen Werke: Die Sinne und das geiſtige Leben der Tiere, insbeſondere der Inſekten (Leipzig, Brockhaus 1889), darauf aufmerkſam, daß verſchiedene Erfahrungen die Intelligenz der Bienen, die im allgemeinen für ſehr hoch entwickelt gehalten wird, doch als recht eng begrenzt er— ſcheinen laſſen. Er führt zunächſt einige Beobachtungen Fabres mit Cementbienen, namentlich mit Chalicodoma pyrenaica, an. Dieſe Bienen bauen Cementzellen, welche ſie mit Honig anfüllen. Der Beobachter bohrte nun zu verſchiedenen Malen, während die Biene zum Honigſammeln abweſend war, in die eben angefangene oder halb fertige Zelle unterhalb der Stelle, an welcher die Biene gerade arbeitete, ein Loch, durch welches alsbald der Honig hinaus- zufließen anfing. Die zurückkehrende Biene bemerkte das Loch wohl, es fiel ihr aber nicht ein, dasſelbe zu ver— ſchließen, vielmehr fuhr ſie fort, zu bauen und Honig ein⸗ zutragen, der natürlich unten ſo ſchnell auslief, wie er oben eingeſchüttet wurde, legte zuletzt ihr Ei und ver— ſiegelte feierlich die leere Zelle. Daß das Inſekt wohl im ſtande war, das Loch zu verſtopfen, zeigte Fabre, in⸗ dem er einer Biene den kleinen Mörtelballen, den ſie herbeitrug, abnahm und mit Erfolg ſelbſt den Leck ver— ſtopfte. Es beruhte mithin nicht auf einem Mangel an körperlicher Fähigkeit, ſondern an Intelligenz, wenn die Biene dies unterließ. Wenn Fabre an der Stelle, wo die Biene arbeitete, ein Stückchen aus der Wandung herausbrach, ſo beſſerte die Biene bei ihrer Rückkehr ſtets den Schaden wieder aus, da dieſe Handlung in der regel— rechten Folge ihrer Arbeit lag. Ein anderes Experiment, das jedermann leicht ſelbſt ausführen kann, ſtellte Lubbock ſelbſt mit der Honigbiene an. Er nahm ein Glasgefäß von 18 Zoll Höhe mit einer Mundweite von 6½ Zoll, wendete das geſchloſſene Ende gegen das Fenſter und ſetzte eine gemeine Honigbiene hinein. Sie ſummte gegen eine Stunde, bis er ſie, da keine Möglichkeit zu ſein ſchien, daß ſie den Ausweg finden würde, zu ihrem Stocke zurückbrachte. Zwei Fliegen hin- gegen, die er mit ihr hineingethan hatte, gingen ſofort wieder heraus. Er that wieder eine Biene und eine Fliege in dasſelbe Glas, die letztere flog augenblicklich heraus, während ſich die Biene eine halbe Stunde lang mühte, um an dem geſchloſſenen Ende herauszukommen. Als nun aber Lubbock das Glas mit dem offenen Ende nach dem Fenſter drehte, flog die Biene ſofort heraus. Die Fliegen gelten bekanntlich im allgemeinen als dumm. Ver— mutlich hat Lubbock bei ſeinen Verſuchen die Stubenfliege benutzt, und in dieſem Falle wäre es nicht ſchwer, das Verhalten der Verſuchstiere aus den Lebensgewohnheiten dieſes Inſekts zu erklären. Es mag auch darauf hin— gewieſen werden, daß die Bienen ausgeſprochen helligkeits— liebend ſind, während ſich die Stubenfliege nach Grabers Verſuchen gegen Helligkeitsdifferenzen ziemlich gleichgültig verhält. Die Stubenfliege ſcheint alſo in dieſem Falle kein geeignetes Vergleidjsobjett. Blumenbeſuchende Schweb— fliegen, Hummelfliegen u. ſ. w. würden ſich in dem Glas— gefängnis vermutlich nicht anders verhalten als die Biene. Immerhin bleibt die Beobachtung bemerkenswert. M—s. Ueber die Einführung ſchädlicher Inſekten mit indiſchem Weizen hat Mr. Charles Whitehead, landwirt— ſchaftlicher Beirat des Privy Council, eine Denkſchrift veröffentlicht, in welcher er ausführt, daß die mit jenem Weizen gemiſchten fremden Beſtandteile als Vehikel dienen für den maſſenhaften Transport der Inſekten. In dem kurzen Stroh, welches manchen Weizenſorten beigemengt iſt, können die gefährlichſten Getreideinſekten eingeführt werden, wie Isosoma hordei, der „joint worm“, deſſen Erſcheinen in Großbritannien die landwirtſchaftlichen Ento— mologen fürchten. In einem andern unreinen und mit Unkrautſamen gemengten Weizen werden maſſenhaft Korn— käfer mitgeführt, z. B. die gefährliche Calandra oryzae, welche dem Weizen während des Schiffstransports großen Schaden thut. Man berechnet den durch dieſes Inſekt hervorgerufenen Verluſt auf 24/2%. Nimmt man den Wert des exportierten Weizens auf 6 Mill. Pfd. Ster⸗ ling an, fo würde der Verluſt 150000 Pfd. Sterling be⸗ tragen. Ein anderer Kornwurm, die Calandra granaria, wird gleichfalls mit indiſchem Weizen eingeführt; da ſie ſich in England ſchnell vermehrt, ſo iſt die Gefahr ihrer Ver— breitung ſehr groß. Abgeſehen von dem materiellen Ver⸗ luſt, den dieſe Kornwürmer verurſachen, iſt auch das Mehl, welches aus dem von ihnen befallenen Weizen bereitet wird, geſundheitsſchädlich. Ms. Aleber Form und Structur der gchthyoſaurierfinne, ſowie Abſtammung und Febensweiſe der Schthyoſaurier. Einen Einblick in die hiſtologiſche Struktur der Weichteile eines Foſſils aus der Juraformation thun zu können, iſt jedenfalls ein überraſchendes Reſultat paläontologiſcher Studien. Von einem ſolchen glücklichen Erfolg berichtet Dr. Eberhard Fraas in den Jahresheften des Vereins für vaterländ. Naturkunde in Württemberg (Jahrg. 44, 1888, S. 280—303. Taf. VII). Von der klaſſiſchen Fundſtätte für Saurierſkelette, den Poſidonienſchiefern des obern Lias, Quenſtedts Lias E, von Holzmaden in Württemberg er— warb das königl. Naturalienkabinett in Stuttgart zwei Petrefakte, die in überraſchender Weiſe die Unterſuchung der Weichteile der Finne von Ichthyoſaurus geſtatteten. Das eine Stück, aus den Poſidonienſchiefern ſtammend, iſt ein Ichthyosaurus tenuirostris Jéiger (nach OQuen- ſtedts Beſtimmungsmethode triscissus) von mittlerer Größe, an welchem an der vorderen wie hinteren Finne noch deutliche Spuren der Weichteile des Tieres erhalten ſind; das andere, ebenfalls aus den Poſidonienſchiefern Holz— madens, aber nicht aus den Schiefern, ſondern aus den Stinkſteinen ſtammend, ſtellt eine rechte Vorderfinne von Ichthyosaurus quadriscissus dar, an der auf das deut— lichſte die das Knochenſkelett umgebenden Weichteile er— halten ſind. Beide Exemplare laſſen deutlich erkennen, daß die Form der Finne, wie fie im Leben mit den Weich— teilen bekleidet ſich darſtellte, ziemlich ſtark abweicht von dem Bild, das man ſich gewöhnlich macht; die Finne war viel plumper und verhältnismäßig kürzer, als man es nach dem ſchlanken Bau des Knochenſkelettes erwarten ſollte, und entſteht die plumpe Form hauptſächlich dadurch, daß die Finne nach unten ſich nur wenig verjüngt und unten nicht in einer Spitze, ſondern in einer breiten Wölbung ausläuft. Wie die beiden Funde übereinſtimmenden Auf⸗ ſchluß ergaben über die Form der Finne, ſo ergänzten ſie ſich in trefflicher Weiſe zur Unterſuchung der hiſtologiſchen Strut- tur derſelben; denn, veranlaßt durch den vorzüglichen Erhal— tungszuſtand, gelang es Fraas, wenn auch nicht ohne viel Mühe, durch die zarte, hauchförmige, kohlige Maſſe, zu welcher die organiſche Maſſe zuſammengeſchrumpft war, Dünnſchliffe zu machen und unerwartet ſchöne mikroſkopiſche Bilder von Epidermis und Cutis zu erhalten. Ohne auf Details einzugehen, ſei nur hervorgehoben, daß, wie die Funde mit Sicherheit ergaben, die Bekleidung des Ichthyo⸗ ſaurus eine vollſtändig nackte, ſtark pigmentierte Haut dar- ſtellte, im allgemeinen ohne allen Schuppenpanzer, weder Horn- noch Knochenplatten; nur der Vorderrand der Finne war geſchützt durch eine Längsreihe von Hornſchuppen, die in ihrer mikroſkopiſchen Struktur die größte Analogie mit den Epidermisgebilden der Reptilien zeigen, und nicht Cutisbildungen wie die Schuppen der Fiſche darſtellen. Dieſe Schuppen und ihre Entſtehung betrachtet Fraas als eine große Stütze für die Annahme, daß in den Ichthyo— ſauriern echte Reptilien zu ſehen find, die fic) dem Meer- leben völlig angepaßt haben und ſo, wie die recenten Seewirbeltiere hoher Klaſſen dies auch zeigen, ihre Epi— dermisgebilde verloren und als letzten Reſt nur die Schuppen⸗ bekleidung an einer Stelle behalten haben, wo dieſelbe eine wünſchenswerte Stärkung und Feſtigung bildete, nämlich an der nach vorn gekehrten Seite der Finne, wo bei der Bewegung im Waſſer die Hauptwiderſtandskraft erfordert wird. Fraas hebt zugleich hervor, wie die Ichthyoſaurier in ihrer Lebensweiſe völlig an den Aufenthalt im Meer 478 Humboldt. — Dezember 1889. gebunden waren und daß es falſch ift, wenn ſelbſt in berühmten der Schlange ſonſt ſehr ſchwer fallen würde, den zappeln⸗ Rekonſtruktionen ſich einzelne Tiere nach Art der Seehunde am Strand ſonnen. Die Bewegung auf dem Land iſt immer abhängig von Ulna und Radius. Während alle Seeſchildkröten und unter den Seeſäugetieren alle Floſſen⸗ füßer wohlentwickelte, aus dem Rumpf hervorſtehende Armknochen haben, ſo daß das vom Carpus gebildete Ge⸗ lenk ſchon in die eigentliche Finne, in einen Abſtand vom Körper fällt, ſind bei Ichthyoſaurus nicht nur der ganze Carpus, ſondern auch Ulng und Radius zu gelenkloſen Stützplatten der Floſſe umgewandelt, ſo daß eine Be⸗ wegung auf dem Land ebenſo unbedingt ausgeſchloſſen iſt, als wie bei den Cetaceen. Als eine Anpaſſung an die veränderte Lebensweiſe, an das neue Element, iſt es auch aufzufaſſen, daß die Ichthyoſaurier bekanntermaßen lebendig gebärend waren, wie dies Funde zeigen, bei welchen kleine Individuen in oder direkt neben dem Leib größerer Exem⸗ plare liegen. Gleich anderen, recenten Seewirbeltieren, wie Robben, Wale, Delphine, hatten die Ichthyoſaurier augenſcheinlich auch die Neigung geſelligen Zuſammenlebens; denn nur ſo läßt ſich erklären, wie ſie in einer geradezu erſtaunlichen Maſſe und Anzahl eine Formation, wie in Schwaben, erfüllen konnten. Allerdings lag in dieſer ſtrengeren geographiſchen Lokaliſierung für die Ichthyoſaurier auch die größere Gefahr, durch einen energiſch eingreifen⸗ den Feind oder ein Naturereignis leichter und raſcher in ihrer Geſamtheit vernichtet zu werden, wie dies auch that⸗ ſächlich in noch unaufgeklärter Weiſe eingetreten iſt. —p. Die Würfelnatter (Tropidonotus tessellatus) im Terrarium. Im Frühling 1881 befand ſich in meinem Terrarium nebſt einigen anderen Schlangen auch eine Würfelnatter, die ſich ſehr gut eingewöhnt hatte. An dieſer konnte ich öfters beobachten, wie ſie ſich der Fiſche in einem Baffin von 1 qm Oberfläche bemächtigte. Die Würfelnatter hatte ihren bevorzugten Aufenthaltsort, wo ſie ſich zu ſonnen liebte, im Gipfel eines Lorbeerbaumes, von wo ſie ihren Verſteck für die Nacht, einen hoch oben an der Wand befeſtigten hohlen Kirſchbaumklotz, leicht er⸗ reichen konnte. Wenn ſie nun ſtundenlang regungslos auf den Zweigen des Baumwipfels gelegen hatte, kam plötzlich Bewegung in ſie. Ihre Schlingen löſten ſich, ſie kletterte eilfertig vom Baume herunter und begab ſich ohne weiteres in das Baſſin. Sie hielt ſich hier, vollſtändig unter Waſſer, hinter einem Steine und in Waſſerpflanzen wohl verſteckt, längere Zeit ruhig, beſtändig lüſtern züngelnd. Sobald nun ein Goldfiſch in die Nähe kam, machte ſie mit dem Kopfe plötzlich einen Vorſtoß nach demſelben, und zwar ſtets ſo, daß ſie ihn unten am Bauch zu packen ſuchte. Nach manchem vergeblichen Stoß gelang ihr wohl der Fang eines Fiſches. Geſchah dies nicht, jo verließ ſie die Ge⸗ duld, ſie kam plötzlich in großer Aufregung aus ihrem Verſteck hervor und machte unter Waſſer im Schwimmen große Kurven und ſchwamm auf die Fiſche zu. Dieſe ergriffen die Flucht, gefolgt von der Schlange, die ſie nun in eine Ecke des Baſſins trieb, wo ſie ſich in dichtem Gewimmel anhäuften. Ein plötzliches raſches Vorſchnellen mit dem Kopfe, und ſie hatte einen Fiſch gepackt. Regel⸗ mäßig erfaßte ſie den Goldfiſch genau in der Mitte des Bauches und trug ihn nun im Maul aus dem Waſſer ans Land, gerade ſo, wie ein Hund ein Stück Holz ap⸗ portiert. Das merkwürdigſte hierbei iſt, daß der Fiſch, ſobald er ſich von der Schlange erfaßt fühlt, gar nicht durch Zappeln fic) zu befreien ſucht, ſondern ſich an- ſcheinend ſteif macht und vollſtändig bewegungslos verhält, ſo daß man ihn für tot halten könnte. Beunruhigt man die Schlange, ehe ſie den Fiſch zu verſchlingen anfängt, aber nachdem ſie ihn ſchon ans Land getragen hat, mit einemmal, ſo läßt ſie ihn fahren, und man kann ſich überzeugen, daß derſelbe am Bauche, auch da, wo ſie ihn im Maul gehalten hatte, vollſtändig unverletzt iſt und wieder weiterſchwimmt. Es wird offenbar, ähnlich wie ich es bei der Ringelnatter öfters deutlich beobachten konnte, auch durch die Würfelnatter ſo auf die Beute eingewirkt, daß dieſe in einen hypnotiſchen Zuſtand verfällt, weil es | den und fic) windenden glatten Fiſch feſtzuhalten. Sie trägt den erbeuteten Fiſch außerhalb des Waſſers oft weit weg, bis fie einen ſicheren Ort findet, wo fie ihn in Ruhe verſchlingen kann. Zürich. Fiſcher-Sigwart. Fauna des Kariſchen Meeres. Von 1882 auf 1883 wurde von dem däniſchen Schiff Dijmphna eine Forſchungsreiſe im Kariſchen Meer unternommen, deren Reſultate nun in einem mit Unterſtützung der Re⸗ gierung vom Kopenhagener zoologiſchen Univerſitäts⸗ muſeum herausgegebenen Buch vorliegen (Dijmphna- Togtets zoologisk-botaniske Udbytte, udgivet... ved Dr. Chr. F. Lütken. Kjoebenhayn 1887). Wir geben im folgenden hieraus eine kurze Skizze des Geſamtbildes zoolo⸗ giſchen Lebens in der Karaſee, wie es die 190 bis zu 106 Faden Tiefe gehenden Dredgungen zu entwerfen ge— ſtatteten. Während die großen Laminaxrienwälder, die von den Küſten Grönlands, Spitzbergens, Nowaja⸗Semljas und der Behringsſtraße wohl bekannt find, im Kariſchen Meer völlig fehlen, ſind die Pflanzentiere auch hier in größter Zahl vertreten. Beſonders gilt dies von der lebhaft rot ge⸗ färbten Alcyonarie Voeringia fruticosa, den Hydroiden, großen Schwämmen und den Bryozoen, von denen die ſchneeweiße Leieschara durch ihre Menge auffällt. Die Echinodermen, bei denen die Menge der Individuen gegen die Zahl der Arten überwiegt, bieten mehrfach Be⸗ merkenswertes. Die Holothurie Trochostoma boreale wurde auf nicht weniger als 105 Stationen von 20 bis 106 Faden Tiefe gefunden; andere Seewalzen waren weit feltener, unter ihnen iſt jedoch Cucumaria minuta er⸗ wähnenswert, bei welcher die Embryonen ſich in Brut⸗ beuteln entwickeln, eine Eigentümlichkeit, die ſie unter allen Seewalzen nur noch mit einer im ſüdlichen Eismeer vertretenen Cucumaria-Art teilt (ſiehe „Humboldt“ 1886, Septemberheft). Auffallend erſcheint das völlige Fehlen des Seeigels Toxopneustes droebachiensis, der ſonſt in den nordiſchen Meeren ſo allgemein verbreitet iſt und auch ſchon in prähiſtoriſcher Zeit eine Rolle als menſchliche Nahrung geſpielt hat, wie z. B. Kjokkemnoeddings auf den Aleuten ergeben. Unter den Schlangenſternen zeigten ſich Ophiopleura borealis und Ophiocontha bidentata beſonders häufig, welch letzterer Seeſtern von Armen und Scheibe ein blaß⸗ grünliches Licht erſtrahlen ließ, eine für Seeſterne neue Beobachtung. Aus der großen Schar der Krebſe ſeien nur Aſſel⸗ und Flohkrebſe herausgegriffen, die in enormer Maſſe das Waſſer erfüllen müſſen; denn Hundekadaver, die in Säcken als Köder verſenkt wurden, waren, wenn ſie wieder aufgenommen wurden, ganz bedeckt von dieſen kleinen Kruſtern. Paraſitiſche Formen fanden ſich ſelten; von den Rankenfüßern fehlen im Kariſchen Meer alle Balanus- Arten, die Seepocken; unter den Pyknogoniden fand ſich auch der rieſige Collossendeis. Unter den Würmern machten ſich beſonders die Röhrenbewohnenden bemerkbar, während die freiſchwimmenden Formen, die allerdings weit leichter den Fangapparaten zu entgehen vermögen, ſehr zurücktraten; in größter Anzahl fanden ſich die Gehäuſe von Spiochaetopterus, die auf circa 100 Stationen in der Tiefe von 44— 106 Faden erbeutet wurden. Die Mollusken, ſonſt ſo zahlreich und in großer Anzahl vor⸗ kommend, ſcheinen im Kariſchen Meer eine ſehr beſchränkte Verbreitung zu haben; gemein iſt nur Pecten islandicus und allgemeiner verbreitet Natica clausa; von Chephalo⸗ poden wurden nur Arten der Gattung Rossia geſam⸗ melt. Unter den Aseidien ſpielt die Gattung Phallusia die größte Rolle; alle feſtſitzenden Aseidien wurden in der Tiefe von 20—83, meiſt zwiſchen 40—83 Faden ge⸗ funden. Einen Beweis des ſtellenweiſen Reichtums des Kariſchen Meeres mag die Schilderung der Ausbeute eines Zuges unter 70°52’ nördl. Br. und 60° öſtl. L. geben. In 928 Individuen war Glyptonotus entomon vertreten, Humboldt. — Dezember 1889. in 300 G. Sabini; Hippolyte, Munnopsis und Eurysope fanden fic) in je mehr als 200 Stück, Sabinea und Scle- rocrangon wurden mehr als 100 gezählt, und zahlreich waren unter den Kruſtaceen ferner die Gattungen Edotia, Anonyx, Acanthostepheia, Onisimus, Stegocephalus, Nymphon und Colossendeis vertreten; Ophiocontha, Ophiocten, Ophiopleura, Astrophyton, Asterias, Cteno- discus und Trochostoma repräſentierten die Echinoder— men; ihnen gefellten ſich manche Mollusken, zahlreiche Chaetopoden, Gephyreen, Bryozoen, Alcyonien, Hydro— zoen und Schwämme. —p. Seckrankheit der Schweine. Die Notiz auf S. 316 des laufenden Jahrgangs dieſer Zeitſchrift über die See— krankheit bei Tieren erinnert mich an ein eigenes Erlebnis. Während meines Aufenthalts auf Helgoland fuhr ich eines Tages mit einem Helgoländer Fiſcherboobt nach Hamburg. Es war im Spätherbſt und ſeit 14 Tagen hatte ein Sturm | 479 aus Nordweſten gewütet, ſo daß kein Schiff aus der Elbe auszulaufen wagte. Die Lotſen aber trotzen mit ihren kleinen Fahrzeugen oft dem böſeſten Wetter, und wir liefen aus und trafen ſchon nach 4 Stunden auf der Reede von Kuxhafen ein. Dort lagen über 60 große Schiffe, welche zum Teil ſchon wochenlang beſſerer Witte- rung harrten. Unter dieſen befand ſich ein alter engliſcher Raddampfer mit einer großen Ladung nach England be— ſtimmten Schlachtviehs, darunter beſonders Ochſen und Schweine, an Bord. Da der Dampfer ſchon gegen 14 Tage unter furchtbarem Stampfen dem hohen Seegang aus— geſetzt geweſen war, ſo war faſt ſämtliches Vieh von der Seekrankheit ergriffen. Die Ochſen brüllten furchtbar, doch war bei ihnen kein Todesfall vorgekommen; dagegen waren von den Schweinen nach vorhergehendem ſchreck— lichen Todeskampf, in welchem die Tiere ſich aufs gräu— lichſte zerfleiſcht hatten, 25 an der Krankheit geſtorben. H. Katurwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Dezember 1889. (Mittlere Berliner Zeit.) 3 883 R Canis maj. 122 U Cephei | 3 4 1126 R Canis maj. | zt 5 1429 R Canis maj. 5 6 S 22h 45m | 6 8 ee 14 A Gemin, | 1129 U Cephei 1573 Algol 8 In ri 3½ Sternschnuppen 9 15 Zu P. 14 58 Gemin, | 18" Venus nahe bei g Scorpii 9 16'26™ A. f. 6 aus dem Sternbild 10 2 5 7m { A 01 8 49" F. H. ) 7 Caneri 10 E 9° 44 A. fl. 1 6 ½ der Zwillinge 11 888 8 Cancri 1212 Algol 1746 U Coronæ 11 12 1075 R Canis maj. 12 13 1115 U Cephei 137 R Canis maj. 13 14 940 Algol 170 R Canis maj. 14 15 € 15 17 588 Algol 17 18 1122 U Cephei 1513 U Corone 1634 J Tauri 18 20 983 R Canis maj. 20 21 1286 R Canis maj. 21 22 6 1513 J Tauri 1578 R Canis maj. ö Nur in Afrika und Südamerika sichtbare 22 23 1018 U Cephei totale Sonnenfinsternis 23 25 130 U Coronze 25 26 1451 * Tauri | 26 28 3 82 R Canis maj. 1025 U Cephei 1770 Algol 28 29 1124 R Canis maj. 29 30 820 S Cancri 1340 Tauri 1457 R Canis maj. 30 31 5b 58m F. d. 5 BAC 830 1328 Algol 1870 R Canis maj. 31 6" 56™ f. h. 6 | Merkur bewegt ſich in ſehr ſüdlichen Deklinationen; er kommt am 7. in obere Konjunktion mit der Sonne und nähert ſich am Ende des Monats ſeiner größten öſtlichen Ausweichung, bleibt aber dem unbewaffneten Auge unſichtbar. Venus durcheilt die Sternbilder der Wage, des Skorpions und Ophiuchus und tritt zuletzt in das Sternbild des Schützen. Am Morgen des 10. geht ſie ſehr nahe (fünf Bogenminuten) ſüdlich von dem Doppelſtern 8 Scorpii vorüber. Sie geht anfangs um 53/4 Uhr, zuletzt nach 7 Uhr morgens auf. Mars wandert noch im Sternbild der Jungfrau und geht anfangs um 24/4 Uhr, zuletzt kurz vor 2 Uhr morgens auf. Am Morgen des 16. iſt er etwa ſieben Monddurchmeſſer nördlich von Spica. Jupiter beginnt in den Sonnenſtrahlen zu verſchwinden und geht anfangs um 61/4 Uhr, zuletzt um 4¼ Uhr unter. Saturn, im Sternbild des Löwen, geht Mitte des Monats von der rechtläufigen in die rückläufige Bewegung über. Er geht anfangs kurz vor 11 Uhr, zuletzt eine Viertelſtunde vor 9 Uhr auf. Uranus bewegt ſich rechtläufig im Sternbild der Jungfrau unweit von Spica. Neptun iſt noch rückläufig im Sternbild des Stiers zwiſchen Hyaden und Plejaden. Von den Veränderlichen des Algoltypus bietet der aus den Sonnenſtrahlen wieder auftauchende Stern 6 Libre noch keine Gelegenheit zur Beobachtung des kleinſten Lichtes dar. Die Gelegenheiten für U Cephei find noch zur Erlangung der ganzen Lichtkurve günſtig und bequem. U Ophiuchi verſchwindet in den Sonnenſtrahlen. Die totale Sonnenfinſternis am Mittag des 22. iſt nur in Afrika und Südamerika ſichtbar. In den Nächten vom 6. bis 13. ſind viele Sternſchnuppen zu erwarten, deren Radiationspunkt im Stern⸗ bild der Zwillinge gelegen iſt. Dr. E. Hartwig. 480 Humboldt. — Dezember 1889. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Oktober 1889. Der Monat Oktober iſt charakteriſiert durch vor⸗ wiegend trübes, ziemlich kühles Wetter und ergiebige Regenfälle. Hervorzuheben ſind die heftigen, von Verwüſtungen begleiteten Stürme auf den britiſchen Inſeln vom 6. auf den 7., ſowie die Ueberſchwem⸗ mungen im Alpengebiete am Anfange der zweiten Dekade. Ein umfangreiches Gebiet niederen Luftdruckes mit trüber, regneriſcher Witterung lagerte am Anfang des Monats über Centraleuropa, mit einem Minimum an der weſtdeutſchen Küſte. Hervorzuheben ſind die außerordentlich ſtarken Regenfälle, welche am 2. in Sachſen niedergingen: in 24 Stunden fielen in Dresden 60, in Freiburg 64, in Chemnitz 68, in Zwickau 72, in Magdeburg 35 mm Regen, ein Regenfall, welcher zu den bedeutendſten zu vechnen iſt, welche dort überhaupt beobachtet ſind. ! Am 4. verlegte fic) das Depreſſionsgebiet nach Weſten hin, während über Centraleuropa eine gleichmäßige Luft⸗ druckverteilung eintrat. Ein außerordentlich tiefes Minimum von etwa 725 mm erſchien am 7. morgens über Schott⸗ land, ſchwere Stürme an den Küſten der britiſchen Inſeln hervorrufend, welche von Schiffbrüchen und anderen Ver⸗ wüſtungen begleitet waren. An verſchiedenen Stellen der Küſte erreichten dieſe Stürme nahezu die Gewalt eines Orkanes. Faſt zu derſelben Zeit wütete auch in Italien ein heftiger Sturm, welcher namentlich in der Provinz Cagliari ſehr bedeutenden Schaden anrichtete; infolge der anhaltenden Regen ſtürzten in Quarto viele Häuſer ein, wodurch mehrere Perſonen getötet und verwundet wurden. Das Depreſſionsgebiet in Weſten und der hohe Luft⸗ druck im Oſten, welche Wetterlage bis zum 12. anhielt, bedingten über Centraleuropa ſchwache ſüdliche Luftſtrö⸗ mung, unter deren Einfluß die Temperatur wieder ihren normalen Wert erreichte und vielfach überſchritt. Trotz der großen Entfernung vom barometriſchen Minimum waren Regenfälle in Deutſchland nicht ſelten und namentlich fielen im ſüdlichen Deutſchland und im Alpengebiete außerordent⸗ lich große Regenmengen, ſo am 10. in Altkirch 42, am 10. in Friedrichshafen 49, am 11. in Friedrichshafen 29, in Altkirch 72 mm Regen. Infolge der anhaltenden und heftigen Regengüſſe fanden in den Tiroleralpen ausge⸗ dehnte Ueberſchwemmungen ſtatt, welche Einſturz von Brücken, Verwüſtung von Straßen und Betriebsſtörungen hervorriefen. Um die Mitte des Monats hatte ſich eine Zone hohen Luftdruckes über Frankreich und Großbritannien gelagert, welche ſich raſch oſtwärts nach Centraleuropa verlegte und ſich bis zum 17. daſelbſt erhielt. Während ihrer Herr⸗ ſchaft war das Wetter in Centraleuropa ruhig, teils heiter, teils nebelig und, außer im Nordoſten, außerordentlich kühl, ohne nennenswerte Niederſchläge. Im deutſchen Binnen⸗ lande kamen vom 15. auf den 16. und vom 16. auf den 18. vielfach Nachtfröſte vor; in München ſank am Morgen des letzteren Tages die Temperatur ſogar 4° C. unter den Gefrierpunkt. Mit dem Fortſchreiten des Maximums nach Nordoſteuropa erhob ſich raſch wieder die Temperatur und hatte bereits am 18. in Deutſchland faſt überall ihren durchſchnittlichen Wert ſtellenweiſe erheblich überſchritten, fo in Berlin um 4, in Königsberg um 5, in Neufahr⸗ waſſer um 6° C. Durch die Verlagerung des barometriſchen Maximums nach Nordeuropa, welches dort bis faſt zum Monatsſchluſſe verharrte und ſich weſtwärts ausbreitete, war eine andere Wetterlage für Europa eingetreten. Der Luftdruckver⸗ teilung entſprechend, waren in Deutſchland öſtliche Winde vorherrſchend geworden, welche an der Küſte zeitweiſe ſtark auftraten. Unter dem Einfluſſe von Depreſſionen, welche, von Weſten kommend, ſich oſtwärts bewegten, war das Wetter trübe und regneriſch. Eine andere Wetterlage wurde eingeleitet durch einen Vorgang, welcher als ſehr ungewöhnlich angeſehen werden muß. Am 26. morgens lag eine unſcheinbare Depreſſion über der iberiſchen Halbinſel, welche bis zum anderen Morgen nordwärts nach dem Kanal fortſchritt und ſich dabei zu einer intenſiven Depreſſion entwickelte, die über England, der Kanalgegend, ſowie an der deutſchen Nord⸗ ſeeküſte ſtürmiſche öſtliche Winde erzeugte, während der hohe Luftdruck raſch ſüdoſtwärts fortwanderte. Ein ſolcher Vorgang kommt gewöhnlich nur dann vor, wenn die De⸗ preſſionen von der Adria nordwärts nach dem baltiſchen Meere fortſchreiten; dieſe vertiefen ſich dann, werden inten⸗ ſiver und bewirken meiſtens ſtarkes Auffriſchen der öſtlichen Winde, welche insbeſondere für die weſtliche Oſtſee gefähr⸗ lich werden können. Dieſe Wetterlage hatte indeſſen nicht langen Beſtand: das Maximum ſetzte ſeine Wanderung nach Südoſteuropa fort, während über Nordweſteuropa ziemlich tiefe Depreſ⸗ ſionen auftraten, welche der oceaniſchen Luft über unſeren Kontinent freien Zutritt verſchafften. So erhob ſich die Temperatur wieder raſch über ihren Normalwert, ſo daß der Monat Oktober mit einem Wärmeüberſchuß abſchloß. Zum Schluſſe erwähnen wir noch, daß am Anfange dieſes Monats die Inſel Carmen im Golf von Mexiko durch einen furchtbaren Wirbelwind heimgeſucht wurde. Die Zahl der geſcheiterten Schiffe wird auf 27, die der zer⸗ ſtörten Häuſer auf 125 angegeben. Ueber den Gang der Temperatur, ſowie über die Regenmenge und Regenhäufigkeit in Deutſchland während des Monats Oktober gibt folgende Tabelle Aufſchluß: 1) Temperaturabweichungen vom Mittel (8 Uhr e 0 C.). arls⸗ Zeit⸗ Swine⸗ Ham⸗ Mins raum Memel münde burg Borkum Raffel Berlin Breslau ruhe den. 1.—5. 73,7 —1,6 —1,4 —1,0 —1,0 —2,3 —2,1 —3,6 —3,7 6.—10. -+-2,6 —0,0 —0,0 —1,1 —0,0 +0,5 +2,3 0,2 --0,3 11.—15. +4,2 +2,3 —0,7 —1,0 —1,0 +1,2 3,8 —3,1 —1,0 16.—20. +8,2 +1,9 —0,5 —1,6 —2,8 —0,7 +04 —3,3 —3,6 21.—25. —1,6 +1,8 -++1,1 0,3 +06 +1,7 +3,3 +0,0 —1,3 26.—30. —4,1 —1,3 —0,7 —1,6 +0,1 —1,7 —1,4 +1,0 -10,6 Mittel 1,3 —04 —0,4 —1,1 —0,8 —0,2 +1,0 —1,5 —1,4 2) Niederſchlagsmengen, Monatsſummen (mm), Summe 27 97 125 71 55 92 82 74 77 Abwei⸗ chung! —64 +36 +46 —17 +10 50 +48 —12 19 3) Anzahl der Niederſchlagstage. 6 14 18 15 23 14 14 16 21 Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. Vulkane und Erdbeben. Ein neuer Vulkan, der Queccia de Salſa, be⸗ unruhigte im September die Stadt Reggio d' Emilia in Oberitalien. Wochenlang warf derſelbe große Maſſen von Lava, Steinen und Aſche aus, ſo daß die Fluren in ſeiner Umgebung ganz zerſtört wurden. Obgleich der Vulkan 8 km von der Stadt entfernt iſt, hörte man die Ent⸗ ladungen dennoch bis Reggio. Dort herrſchte zeitweiſe eine wahre Panik. Man erinnerte ſich mit Schrecken daran, daß ein aus Reggio ſtammender Gelehrter behauptet hat, ſeine Vaterſtadt werde dereinſt das Schickſal Pompejis teilen. Die Geiſir im Pellowſtone-Park der Vereinigten Staaten Nordamerikas waren im September in großer Thätigkeit, namentlich der „Giant“ und die „Gianteß“, welche ſeit langer Zeit ruhig geweſen ſind. Die Ausbrüche der Geiſir waren von gewaltigen Erderſchütterungen und unterirdiſchen Detonationen begleitet. Humboldt. — Dezember 1889. In Wilkesbarre und Umgebung in Pennſylvanien iſt am 10. September ein Erdbeben verſpürt worden. In Camelford und Boscaſtle in Cornwall wurden am 7. Oktober mehrere Erdſtöße verſpürt. In North Folly, einem Dorfe bei der Eiſenbahnſtation Doublebois, fielen die Teller in der Küche von den Brettern. Das Erdbeben ſcheint die Richtung von Oſten nach Weſten ge— habt zu haben. Im Kärntner Lieſer- und Mallathale wurde am 481 12. Oktober, nachts 10 Uhr 30 Min., ein ziemlich heftiges Erdbeben beobachtet, beſonders in Gmünd, Eiſentratten, im Leobengraben und in Buch. Die Dauer desſelben wird auf zwei Sekunden angegeben, die Richtung von Nordoſt nach Südweſt. Dem ziemlich ſtarken Stoße ging ein deut— lich vernehmbares Sauſen wie ferner Donner voran, das ſich auch nach demſelben vernehmbar machte. Die Gebäude erzitterten, die Bilder an den Wänden wankten und die Gläſer klirrten ſehr laut. Dieſterwegs Vopuläre Himmelskunde und mathe- matiſche Geographie. 11. Auflage. Heraus⸗ gegeben von Dr. M. Wilh. Meyer und Pro— feſſor R. Schwalbe. Berlin, Emil Goldſchmidt. 1889. Vollſtändig in 10 Lieferungen a 60 Pf. Von der neuen Auflage dieſes bekannten Lehrbuches ſind bisher vier Lieferungen erſchienen, aus denen hervor— geht, daß der frühere Charakter desſelben beibehalten iſt. Es iſt vorwiegend ein Leitfaden für den Unterricht und gibt als ſolcher in höchſt zweckmäßiger Weiſe dem Lehrer Anweiſung, den Schülern die Geſetze der Bewegung der Himmelskörper anſchaulich zu machen. Ueberall wird gezeigt, wie man mit einfachen Hilfsmitteln imſtande iſt, ein Bild der Bewegung der Geſtirne herzuſtellen, dabei wird aber mit Recht wiederholt auf die Wichtigkeit der Beobachtung im Freien hingewieſen, welche vorzugsweiſe geeignet iſt, dem Lernenden ein lebendiges Intereſſe an der Himmelskunde beizubringen. Der bisher erſchienene Teil handelt von den ſcheinbaren Oertern und Bewegun— gen der Geſtirne, von der Kugelgeſtalt der Erde und ihrer Achſendrehung. Bei Gelegenheit der Beſprechung des Fou— caultſchen Pendelverſuches wäre es wohl zweckmäßiger ge— weſen, die ſogenannte Konſtanz der Schwingungsebene eines Pendels, welche thatſächlich nur an den Polen ftatt- findet, während an jedem anderen Ort der Erde infolge der Achſendrehung der letzteren eine fortwährende Aende— rung der Lage der Schwingungsebene ſtattfindet, nicht aus dem Beharrungsvermögen herzuleiten, das in Wirk— lichkeit dabei nur eine unweſentliche Rolle ſpielt. Auch würde es zweckmäßig geweſen ſein, ſchon bei Gelegenheit der Erwähnung des „beſtändigen Parallelismus der Erd— achſe“ eine Einſchränkung bezüglich der Wirkung der Prä— ceſſion und Nutation zu machen, infolge deren dieſer Paral— lelismus nur angenähert innerhalb nicht zu langer Zeit⸗ räume ſtattfindet. Von dieſen beiden relativ geringen Bedenken abgeſehen, können wir das Buch, welches ſich nicht nur durch gediegenen Inhalt, ſondern auch nach den vorliegenden Proben durch vorzügliche Ausſtattung aus— zeichnet, zur Anſchaffung in weiten Kreiſen dringend em— pfehlen. Prof. Dr. C. F. W. Peters. Königsberg. Veröffentlichungen der Großherzoglichen Stern- warte in Karksruhe. Herausgegeben von Dr. W. Valentiner. 3. Heft. Karlsruhe, Braunſche Hofbuchhhandlung. 1889. Das vorliegende dritte Heft der Publikationen der Karlsruher Sternwarte enthält die Reſultate mehrerer wertvoller Arbeiten von zum Teil allgemeinerem Intereſſe. Der erſte Teil des Heftes umfaßt die Beobachtungen der gegenſeitigen Lage der Sterne in zwei helleren Sternhaufen, G. C. 1360 (M. 35) in den Zwillingen, und M. 25 im Schützen, und zwar wurden in dem erſteren Sternhaufen 113 und in dem letzteren 53 Sterne ihrer Lage nach be— ſtimmt. Wir können nun hier nicht auf das Detail dieſer ſorgfältigen, von Dr. v. Rebeur-Paſchwitz angeſtellten Meſ— ſungen eingehen, die mit beſonderer Vorſicht angeſtellt werden mußten, da die baulichen Verhältniſſe der nur Humboldt 1889. proviſoriſch errichteten Sternwarte ſolchen Beobachtungen keineswegs ſehr günſtig ſind, und wenden uns zu den folgenden Abhandlungen, die über die Kometen 1882 | (Wells) und 1881 V (Denning) handeln. Der erſte dieſer Kometen iſt im ganzen fünf Monate hindurch beobachtet worden, drei Monate vor und zwei Monate nach dem Perihel. Er nähert ſich der Sonnenoberfläche in beſonders hohem Maße, und es war demnach von Intereſſe, zu unter— ſuchen, ob ſich die Bahn infolge einer etwa vorhandenen Sonnenatmoſphäre zur Zeit des Periheldurchganges ge— ändert haben könnte. Die Unterſuchungen des Dr. v. Re— beur-⸗Paſchwitz haben in dieſer Hinſicht zu einem negativen Reſultate geführt, und wenn ſich auch die ſämtlichen Be— obachtungen nicht gerade ſehr befriedigend durch eine ein— zige Bahn haben darſtellen laſſen, ſo ſind doch die übrig bleibenden Fehler durch die Annahme der Wirkung eines Widerſtand leiſtenden Mediums nicht zu erklären. Die Bahn des Kometen nähert ſich an einem Punkte ſehr be— deutend, bis auf drei Mondbahnhalbmeſſer, der Erdbahn; indeſſen iſt dieſer Umſtand wegen der äußerſt nahe para— boliſchen Bewegung des Kometen ohne beſondere Bedeu— tung. Der Komet 1881 M iſt von Dr. Boy Matthießen bearbeitet; er hat eine Umlaufszeit von 8,7 Jahren und kann ſich unter Umſtänden den Planeten Venus, Erde, Mars und Jupiter erheblich nähern, iſt auch wahrſcheinlich im Jahre 1887 dem Jupiter ſehr nahe gekommen. Die Beobachtungen, aus denen die Bahn gerechnet wurde, um— faſſen die Zeit vom 5. Oktober bis 24. November 1881; die nächſte Wiederkehr des Kometen zum Perihel iſt im Mai 1890 zu erwarten. Prof. Dr. C. F. W. Peters. Königsberg. H. F. Blanford, A practical guide to the Cli- mates and Weather of India, Ceylon and Burmah and the Storms of Indian Seas. London 1889. In keinem Lande der Tropenwelt werden fo um— faſſende meteorologiſche Beobachtungen und Studien ge— macht, als in Indien, ſo daß dieſes Land als das meteoro— logiſche Verſuchsfeld der Tropen angeſehen werden kann. Insbeſondere iſt es der bekannte Meteorolog Blanford, der Vorſteher dieſes intereſſanten Beobachtungsnetzes, welchem wir eine ganze Reihe Kenntniſſe über das Klima der Tropen zu danken haben. In der oben angegebenen Veröffent—⸗ lichung gibt uns Blanford ein Geſamtbild des indiſchen Klimas in gemeinverſtändlicher und feſſelnder Sprache, welches unſer Intereſſe in hohem Maße rege macht. In der erſten Hälfte dieſes Werkes entwirft Blan— ford an der Hand der Beobachtungen ein klares Bild des Verhaltens der meteorologiſchen Elemente, durch welche dort die Jahreszeiten ſcharf geſchieden und charakteriſiert ſind. Die zweite Hälfte beſchäftigt ſich hauptſächlich mit den klimatiſchen Eigentümlichkeiten der einzelnen Gegenden, welche insbeſondere nach ihrer Höhenlage geſchieden werden. Dabei wird den Regenverhältniſſen und den Stürmen eine ganz beſondere Aufmerkſamkeit gewidmet. Schon früher haben wir in dieſer Zeitſchrift (Jahrgang 1888 S. 289 und 323) eine zuſammenfaſſende Darſtellung des Klimas In— diens gegeben; aus der Schrift Blanfords wollen wir nur 61 482 Humboldt. — Dezember 1889. einige wichtigere Punkte hervorheben. In Indien gibt es drei Jahreszeiten, deren zeitliche und räumliche Verteilung für die einzelnen Gebietsteile eine verſchiedene iſt; die kalte Jahreszeit nach Abſchluß der Regenperiode; die heiße Jahreszeit von etwa Anfang April bis zur Regenzeit, und die Regenzeit. eine ſehr regelmäßige. Die nun folgende Abkühlung dauert bis zu Anfang Februar; dann folgt wieder Erwärmung, und es tritt jetzt die heiße Jahreszeit ein, welche im Mai oder Juni ihren Höhepunkt erreicht. Mit dem Eintreten des Sommermonſuns und der Regenzeit erfolgt wieder Abkühlung. Einige mittlere Jahresextreme, welche die höchſten und niedrigſten Temperaturen angeben, die man jedes Jahr durchſchnittlich erwarten kann, der heißeſten Gegenden Indiens mögen hier einen Platz finden. Die abſoluten Extreme ſind in Klammern beigefügt (° Celfius): Peſhawar 46°, — 2° (49 ½ 0, — 4°), Sialkote 47°, 1° (49°, 0°), Lahore 47°, 10 (49, — 1°), Dera Iſhmail Khan 47, — ½0 (49 ½, — 30), Sacobabad48°, 0° (49°, — 2°). Die Windverhältniſſe, welche durch die periodiſch wechſelnde Herrſchaft des Winter- und Sommermonſuns charak⸗ teriſiert ſind, und überhaupt die Witterungserſcheinungen, hängen in Indien hauptſächlich ab von der Verteilung des Luftdruckes und deren Aenderung. Im Januar iſt der Luftdruck am höchſten in den nordweſtlichen Gebiets⸗ teilen und nimmt von dort aus nach Süden hin beſtändig ab, ſüdlich von Ceylon und in der Nähe von Sumatra den niedrigſten Stand erreichend. In dieſem Monat iſt der Wintermonſun, welcher meiſt aus öſtlicher Richtung bläſt, am meiſten ausgeprägt, nur in den nördlichen Ge- bietsteilen ſind Windſtillen am häufigſten. Mit der zu⸗ nehmenden Erwärmung gleichen ſich die Luftdruckdifferenzen aus. Im Frühjahr iſt die Luftdruckverteilung eine außer⸗ ordentlich gleichmäßige, und im Juli haben Maximum und Minimum ihren Ort gewechſelt, ſo daß das erſtere in der Tropenſee, das letztere im oberen Sind liegt. Mit dieſen Umwandlungen in der Luftdruckverteilung ändert ſich auch Windrichtung und Windſtärke, im Frühjahr leichte, langſam nach Weſt umgehende Winde, zuweilen von Gewitter⸗ ſtürmen oder in extremen Fällen von Orkanen unter⸗ brochen, im Sommer lebhafte weſtliche und ſüdweſtliche Winde oder der Sommermonſun, von gewaltigen Regen⸗ fällen, insbeſondere an der Weſtküſte und in der Ganges⸗ gegend, begleitet. Während der Höhe des Sommermonſuns und der Regenzeit iſt auch die Bewölkung am größten und beträgt durchſchnittlich etwa 0,8 (0 = wolkenlos, 1 = bedeckt). Dagegen find im Nordweſten der Oktober, im centralen Indien und im Gangesthal der November, in Bengalen und Aſſam der Dezember und Januar, in den ſüdlicheren Gebietsteilen ſowie in Burmah die erſten drei Monate des Jahres die heiterſten; in dieſen Monaten beträgt die mittlere Bewölkung 0,5 0,2. Die Regen⸗ verhältniſſe Indiens haben wir bereits im Jahrgang 1888 dieſer Zeitſchrift beſprochen, wir fügen hier nur noch einige Angaben über außerordentlich ſtarke Regenfälle aus einer Tabelle von Blanford bei, in welchen Fällen die Regen⸗ menge in 24 Stunden diejenige, welche jährlich durch⸗ ſchnittlich in Deutſchland zu fallen pflegt (etwa 700 mm), übertrifft: Najibabad 724 mm, Danipur 772 mm, Nagina 823 mm, Purneah 889 mm, Cherrapunji 1038 mm. Die Staubſtürme, welche im nordweſtlichen Indien während der wärmeren Jahreszeit vorkommen und öfters von Regen, Hagel oder Schnee begleitet ſind, und welche meiſt nur eine ſehr kurze Dauer haben, ſowie die auf größeres Gebiet ausgedehnten Cyklonenſtürme, die meiſtens von furchtbaren Verwüſtungen begleitet ſind, werden von Blan⸗ ford ausführlich beſprochen. Der zweite umfangreichere Teil beſchäftigt ſich mit dem Klima der einzelnen Gegen⸗ den, unterſchieden nach ihrer Lage im Gebirge oder in der Ebene. Dann folgt eine Beſprechung der drei oben angegebenen indiſchen Jahreszeiten auf Grund der täg⸗ lichen zu Simla veröffentlichten Wetterkarten. Aus der Kenntnis der Stürme in der Umgebung Indiens, ihrer Zugſtraßen und ihrer jährlichen Periode werden für den Seemann praktiſche Folgerungen gezogen. Hieran reiht Im Oktober iſt die Temperaturverteilung ſich eine Anwendung der Statiſtik des Regenfalls und der Verdunſtung auf die Waſſerſtände der Hauptflüſſe In⸗ diens und auf ihre Ableitung, ſowie des Winddruckes auf den Brückenbau. In 4 Anhängen find die klima⸗ tiſchen Elemente von 92 Orten (114 Regenſtationen) in Indien, Ceylon und Burmah, ſowie eine Liſte gut be- ſtimmter Stürme in der Bai von Bengalen mit Angabe ihres Urſprunges und Zuges gegeben. Den Schluß des Buches bildet eine Beſchreibung der in Indien gebräuch⸗ lichen Sturmſignale. Dieſe find: für die Bai von Ben⸗ galen: 1) Ball, Signal für ſchlechtes Wetter; 2) Trommel, eigentliches Sturmſignal mit korreſpondierenden Nacht ſignalen; 3) drei Laternen übereinander als Signal für ſchlechtes Wetter; 4) zwei Laternen als Sturmſignal. Dabei find die Hafenbeamten berechtigt, das Signal für ſchlechtes Wetter je nach den Aenderungen des Barometers, des Windes und der lokalen Wetteranzeichen in das Sturm⸗ ſignal umzuändern. Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. Deulſche Heewarle, Juſtruktion für die Signal- ſtellen der deutſchen Heewarte. Herausgegeben von der Direktion. Dritte Ausgabe. Hamburg 1889. Seit der Einrichtung des Sturmwarnungsſyſtems an der deutſchen Küſte haben ſich die Erfahrungen auf dem Gebiete des Sturmwarnungsweſens ziemlich erheblich ver⸗ mehrt und ſind die darauf bezüglichen Einrichtungen nach und nach erweitert und vervollkommnet worden, wobei insbeſondere die Bedürfniſſe und Wünſche der Küſten⸗ bevölkerung, ſoweit es irgendwie thunlich war, berückſichtigt wurden. Bemerkenswert ijt die Einrichtung des Abend dienſtes, welche während des Tages bis ſpät abends eine faſt fortlaufende Information geſtattete und fo die Wahr⸗ ſcheinlichkeit, von einem Sturme überraſcht zu werden, verringerte, eine Einrichtung, über deren Erfolg die vev- ſchiedenen Jahresberichte der Seewarte eingehende Auf⸗ ſchlüſſe geben. Aus dem der Inſtruktion beigegebenen für weſtliche Richtung =) = a V A 8 s Sturm aus SW Sturm aus NW o & 2 8 für öſtliche Richtung = aS E : v 4 2 Hae a : * ij : Sturm aus SE Sturm aus NE a Atmoſphäriſche Störung vorhanden, ſiehe Extra-Telegramm; vermut Eine Flagge S rechtdrehend, bezw. Ausſchießen (N -S- W.) 90 liches Um. Zwei Flaggen - zurückdrehend, „ Krimpen (N-W-S-E) eee Verzeichniſſe der an den deutſchen Küſten errichteten Signal⸗ ſtellen geht hervor, daß in letzter Zeit eine erhebliche An⸗ zahl neuer Signalſtellen errichtet wurde, eine Thatſache, welche nicht allein als Zeichen für die erhöhte Wür⸗ digung des Sturmwarnungsweſens, ſondern auch als ein Ausdruck für die Vertiefung des Verſtändniſſes des Sturm⸗ warnungsweſens angeſehen werden muß. Dieſe That⸗ ſache erſcheint um ſo bedeutungsvoller, als die Neuerrichtung von Signalſtellen zum größten Teil von Lokalbehörden und Privaten erfolgte, welche das Bedürfnis hatten, den Mitteilungen von Thatbeſtänden und Sturmwarnungen längs der deutſchen Küſte eine größere Ausdehnung zu geben, wodurch das Sturmwarnungsweſen ſich noch erheb⸗ lich wirkſamer geſtaltete. Das Verzeichnis weiſt 45 Signal⸗ ſtellen der Seewarte und 32 ſolche Signalſtellen auf, welche von den Provinzialregierungen und Privaten unterhalten und verwaltet werden, außerdem exiſtiert noch eine Reihe von Orten, welche keinen Signalapparat beſitzen, aber regelmäßig Sturmwarnungen erhalten und verbreiten. Die Aenderungen und Erweiterungen, welche den eigent⸗ lichen Sturmwarnungsdienſt betreffen, ſind im allgemeinen Humboldt. — Dezember 1889. nicht erheblicher Natur. Wir erwähnen hier nur eine Ab— änderung der Signale in der Weiſe, daß die bisher ge— bräuchliche Trommel zum Signaliſieren ſchwerer Stürme in Wegfall gekommen iſt, wie auch auf den britiſchen Inſeln dieſes Signal ſeit geraumer Zeit nicht mehr in Anwendung kommt. Die Signale für die deutſche Küſte find aus vorſtehender Figur erſichtlich *). Hamburg. Dr. W. 5. van Bebber. J. M. Hinterwaldner, Wegweiſer für Naturalien- ſammler. Eine Anleitung zum Sammeln und Konſervieren von Tieren, Pflanzen und Minera⸗ lien jeder Art, ſowie zur rationellen Anlage und Pflege von Terrarien, Aquarien, Volieren 2c. 100 90 Pichlers Witwe & Sohn 1889. Preis Ein ſtattlicher Band von mehr als 40 Bogen bietet dem Sammler eine Fülle von wertvollen Anleitungen, welche wohl geeignet ſind, den ſo oft erlahmenden Eifer ſtets neu zu beleben und friſch zu erhalten. Es iſt hier thatſächlich alles berückſichtigt, was irgend wünſchenswert erſcheint, und der Verfaſſer geht von dem anerkennens— werten Grundſatz aus, daß der Sammler möglichſt alle Arbeiten, welche die Anlage einer Sammlung erfordert, ſelbſt ausführen ſoll. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß eine ſolche Bethätigung hohe innere Befriedigung ge— währt, und daß dadurch die oft verhängnisvolle Koſten— frage in glücklicher Weiſe gelöſt wird. Das Buch iſt in erſter Linie für den fachmänniſchen Privatſammler und für den Lehrer beſtimmt; doch verfolgt der Verfaſſer auch das Ziel, das Verſtändnis, das Intereſſe für Naturobjekte und für Naturgeſchichte im Hauſe, in der Familie zu för— dern und in die richtigen Bahnen zu leiten. Zahlreiche gute Abbildungen ſind ſehr geeignet, anzuregen und das Verſtändnis zu fördern. Das Buch verdient daher in jeder Beziehung wärmſte Empfehlung. Friedenau. Pammer. Heinr. Beckurts und Bruno Hirſch, Handbuch der praktiſchen Pharmacie für Apotheker, Dro- giſten, Aerzte und Medizinalbeamte. 2 Bände. Stuttgart, Ferdinand Enke. Preis 30 M. Die Verfaſſer des bedeutenden Werkes heben mit Recht hervor, daß gegenüber der umfaſſenden Bewegung auf dem Gebiet der Pharmacie, welche die letztvergangenen Jahre kennzeichnet, eine überſichtliche und kritiſche Zu— ſammenfaſſung notwendig geworden ſei. Der beſtändig wachſende internationale Verkehr macht überdies eine or— ganiſche Verbindung der Pharmakopben der einzelnen Kultur— länder wünſchenswert, und ſo erfüllt das vorliegende Werk, welches nicht weniger als 24 Pharmakopben berückſichtigt, ein fühlbares Bedürfnis. Es gibt in ſeinem erſten Teil eine Beſprechung der Apotheke und ihrer Einrichtungen, ſowie der pharmaceutiſchen Buchführung; merkwürdiger— weiſe aber fehlt ein Kapitel über die Laufbahn des Phar— maceuten, ſeine Ausbildung ꝛc., und ein ſolches über die ſtaatliche Stellung des Apothekers, die Reviſionen, das Konzeſſionsweſen 2c, was ungern entbehrt wird. Sehr eingehend und ſachverſtändig ſind die pharmaceutiſch chemiſchen und phyſikaliſchen Operationen beſprochen; nur die Mikroſkopie iſt etwas dürftig behandelt und verdiente wohl eingehendere Berückſichtigung. Die Verfaſſer begnügen ſich, auf die bekannten, für Pharmaceuten beſtimmten Werke über Mikroſkopie zu verweiſen. Den zweiten Teil des Werkes, welcher weitaus den größten Umfang beſitzt, bildet in alphabetiſcher Anordnung eine ganz vortreffliche Beſprechung der in den Apotheken vorkommenden Waren und Arzneimittel nach Vorkommen, Gewinnung, Darftel- lung, Erkennung und Prüfung, ſoweit nötig, auch nach ) In meinem Lehrbuche der Meteorologie (Seite 374) ſind die Signale für NW- und NE-Sturm durch ein Verſehen in der Druckerei irrtümlich angegeben, welchen Fehler ich die Lefer dieſes Buches zu be- richtigen bitte. 483 Doſierung und Aufbewahrung. Hier ſind nicht nur die offizinellen Arzneimittel, ſondern auch ſehr zahlreiche neue berückſichtigt, welche bisher in keiner Pharmakopöe Auf⸗ nahme gefunden haben. Die ſo eminente Leiſtung dürfte allen Anforderungen genügen und enthält in der That einen Schatz pharmaceutiſchen Wiſſens, welcher den Wus- kunftſuchenden nicht leicht unbefriedigt laſſen wird. Sehr willkommen iſt auch die reiche und geſchickt zuſammen⸗ geſtellte Tabellenſammlung, ſowie das fleißige Regiſter der lateiniſchen, ſowie ein zweites der deutſchen, eng— liſchen, franzöſiſchen, rumäniſchen, ſpaniſchen und andern Benennungen. Friedenau. Dammer. Mitteilungen der Kommiſſton für die geologiſche Landesunterſuchung von Elſaß Lothringen. Bd. I. Mit 5 Tafeln. Straßburg i. E., Straß⸗ burger Druckerei und Verlagsanſtalt. 1888. Preis 6,75 M. Die Herſtellung der geologiſchen Karte eines Landes, welche den geologiſchen Aufbau desſelben, ſoweit er ober— flächlich zu Tage tritt, darſtellen ſoll, ſetzt je nach der Mannigfaltigkeit desſelben verſchiedene Vorarbeiten voraus — Detailarbeiten, die ſich mit einzelnen tektoniſchen Fragen, mit den Faunen oder Floren der einzelnen Schichten, mit der petrographiſchen Unterſuchung der Geſteine 2c. befaſſen. So ift ſchon ſeit längerer Zeit die auch in den Reichs- landen in rüſtigem Fortgang befindliche geologiſche Kar— tierung ſamt ſpecieller Erläuterung begleitet von der Her— ausgabe von Abhandlungen über einzelne Themata, die in gewiſſer Beziehung mehr oder weniger das Geſamt— gebiet umfaſſen. Wie die Preußiſche Geologiſche Landes— anſtalt neben Abhandlungen und Karten ſamt Erläute— rungen Jahrbücher herausgibt, ſo erſcheinen ſeit 1886 die „Mitteilungen der Kommiſſion für die geologiſche Landes— Unterſuchung von Elſaß-Lothringen“, in welchen dem Um— fang nach für die Abhandlungen weniger paſſende, alſo kleinere Arbeiten eine Stelle finden. Bis 1889 iſt der I. Band mit 5 Tafeln, beſtehend aus 4 Heften, erſchienen. Dieſelben enthalten neben einer beträchtlichen Zahl ſolcher Detailarbeiten die Jahresberichte über die Organiſation und Vorgänge innerhalb der Anſtalt und die Darlegung der Prinzipien, nach welchen die Kartierung geſchieht. Eine Direktive über Gliederung und Kartierung des Bunt- ſandſteines 2. gibt eine hier eingefügte Abhandlung Prof. Beneckes. Von G. Meyer, Lagerungsverhältniſſe der Trias am Südrande des Saarbrücker Steinkohlengebirges, wird der Nachweis geliefert, daß bald nach Abſatz des Carbons das obengenannte Gebiet von Bewegungen betroffen worden iſt, fo daß die Südoſtflügel der beiden Carbonſättel zer— riſſen und in bedeutendem Grade verworfen wurden — Vorgänge, welche auch nach Trias- und Jurazeit in ähn⸗ lichem Sinne im ſelben Gebiete ſtattgefunden haben. In W. Deecke, Ueber das Vorkommen von Foraminiferen in der Juraformation des Elſaß, findet der Autor beim Ver— gleich dieſer marinen Mikrofaunen aus Lias und Dogger, daß ſie im Elſaß verſchieden waren, während in Lothringen in dieſer Zeit dieſelben Typen durchgehen. E. Haug, Mit— teilungen über die Jurgablagerungen im nördlichen Unter— Elſaß, beſchreibt dieſe Schichten, welche vom Rhät bis zum Dogger inkl. reichen, und gibt die Liſte der zumeiſt von F. Engelhardt daſelbſt geſammelten Foſſilien. B. Förſter, Die oligocänen Ablagerungen bei Mühl— hauſen i. E., weiſt die in bedeutenden Tiefen gelegenen Tertiärſchichten vom Unteroligocän bis ins obere Mittel— oligocän nach. Die Baſalte des Elſaß werden von G. Linck ein⸗ gehend beſchrieben; denſelben fügt Bücking im III. Heft noch ein neues gangförmiges Vorkommen im Kamm— granit von Urbeis bei. Von allgemeinſtem Intereſſe iſt die Kontroverſe — Ueber das Alter des Melanienkalkes und die Herkunft des Tertiärmeeres zwiſchen A. Andreä und W. Kilian. Wäh⸗ 484 rend erſterer einen Eintritt des Meeres von Süden (Flyſch) vertritt, glaubt Kilian, daß das Elſäßer Tertiär in einem nach Süden abgeſchloſſenen Fjord, der mit dem Nordmeer kommunizierte, abgelagert wurde. Wer mit den Verhält⸗ niſſen des Mainzer Beckens vertraut iſt, wird nicht im Zweifel ſein, von welcher Seite der thatſächliche Vorgang dargeſtellt wird. In A. Andreä, Ueber Meeresſand und Septarien⸗ thon, liefert der Verfaſſer den Nachweis, daß innerhalb der Rheinſenke die ſüdliche Facies des Meeresſandes mergelig, die nördliche ſandiger Natur iſt, während umgekehrt die nördliche des Septarienthones mergelig, die ſüdliche wahr⸗ ſcheinlich ſandig iſt. Daß dies für die Andreäſche Vor⸗ ſtellung über die Herkunft des Tertiärmeeres ſpricht, iſt leicht erſichtlich. Hieran anſchließend weiſt Andreä einen nicht unbedeutenden Wechſel der Foraminiferenfauna litho⸗ logiſch verſchiedener Mergel innerhalb des Septarienthones von Flonheim nach. Van Werveke, Das Konglomerat von Malmedy, er⸗ kennt dieſe ungewöhnlich groben Konglomerate als Küſten⸗ facies aus der Zeit des oberen Buntſandſteines. Derſelbe Autor wendet ſich in ſeiner Arbeit über die Verbreitung vulkaniſchen Sandes auf den Hochflächen zu beiden Seiten der Moſel gegen die Behauptung H. Grebes, daß daſelbſt ſolcher Sand durch Luftſtrömungen aufgeſtreut ſei; er hält ſolchen für Schlemmrückſtand aus Lehm und fügt in einem weiteren Artikel zu den ſchon vielfach bekannten kryſtalli⸗ ſierten Sanden Pſeudomorphoſen von Buntſandſtein nach Kalkſpat bei Mühlhauſen in den Vogeſen hinzu. Endlich erörtert van Werveke mehrere bedeutende jün⸗ gere Verwerfungen, die er teils als Längsſprünge, teils als quer zu denſelben in den mittleren Vogeſen erkannte. In „Mineralogiſche Mitteilungen“ beſchreibt H. Siding eingehend einen Arſenkies aus der Arkoſe des Carbon von Weiler bei Schlettſtadt und das Vorkommen von Baryt aus dem Dolomit des unteren Keupers bei Peglingen in Lothringen. Als vorläufige Mitteilung wird von E. Schumacher die Art und Weiſe des Fundes einer diluvialen Säugetier⸗ fauna aus dem Ober⸗Elſaß und von L. Döderlein deren intereſſante Zuſammenſetzung (29 reſp. 24 — 25 Arten) beſprochen. Den tieriſchen Reſten, welche einen weſentlich ſubarktiſchen und Hochgebirgs⸗Charakter beſitzen, waren ver⸗ ſchiedene Feuerſteingeräte, Holzkohlenſtückchen, Topfſcher⸗ ben 2c. beigemiſcht. Eine wichtige Ergänzung zu der umfaſſenden Abhand⸗ lung Andreäs über das Tertiär im Elſaß bildet die Ab⸗ handlung H. Förſters über die Gliederung des Sund⸗ gauer Tertiärs, welche er im Anſchluß an das Profil Kleinkems in Baden ausführte. Einer techniſchen Frage in erſter Linie, der Waſſer⸗ verſorgung von Rappoltsweiler, dient die geognoſtiſche Unter⸗ ſuchung der Umgebung dieſer Stadt durch van Werveke. Von wiſſenſchaftlichem Intereſſe iſt beſonders das Vorkommen von geringfügigen Reſten von Muſchelſandſtein inmitten der kryſtallinen Vogeſen in 740—750 m Höhe, wie das Verhältnis des Gebirges gegen die längs der Hauptſpalte abgeſunkene Landſchaft. Das III. Heft ſchließt mit einer ergänzenden Wuf- zählung der geologiſchen und mineralogiſchen Litteratur von Elſaß⸗Lothringen ab. Die betreffenden Publikationen vom Jahre 1887 an haben eine Beſprechung erfahren. Das IV. Heft beginnt mit zwei paläontologiſchen Ar⸗ beiten. Aus den den unterſten Liasſchichten angehörigen Angulatuskalken der Zaberner Bucht ſtammen zwei Ga⸗ noiden, welche W. Deecke beſchreibt Dem Dapedius cy- cloides ijt eine Tafel gewidmet. Dem folgt B. Förſter und H. Becker, Ueber Schildkrötenreſte aus dem Unter⸗ oligocän des Sundgaues. Mit großer Wahrſcheinlichkeit konnten die Autoren mittels gut erhaltener Bruchſtücke Rücken⸗ und Bauchſchild zuſammenſtellen und dieſelben als einer Testudo angehörig beſtimmen, welche anderen alt⸗ tertiären Formen nahe ſteht. Zwei Tafeln ſind beigegeben. Den Schluß bildet O. Jäckel, Ueber mitteldevoniſche Schichten im Breuſchthal mit einer Profilanſicht. Die Alters⸗ Humboldt. — Dezember 1889. beſtimmung des lange ſchon bekannten Schichtkomplexes ge- lang dem Verfaſſer durch die mit Sprengungen bewirkte Klarlegung des Profils und durch die Ausbeutung der Fauna der foſſilhaltigen Schichten in demſelben. Frankfurt a. M. Dr. Rinhkelin. Engler-Prantl. Die natürlichen Pflanzenfamilien. Leipzig, Engelmann. 188789. Lieferung 1-36. Das erſte Werk, in welchem ſich der Autor die Auf— gabe geſtellt hatte, die ſämtlichen Geſchlechter der offen⸗ blühenden Gewächſe zu beſchreiben und nach der ſyſtemati⸗ ſchen Verwandtſchaft zuſammenzuſtellen, verfaßte ein Deut⸗ ſcher: der durch ſeine bedeutenden Leiſtungen auch auf anderen Gebieten ſo ausgezeichnete Endlicher in Wien. Seine Genera plantarum find heute noch ein ſehr ge⸗ ſchätztes Hilfsbuch, denn in der tiefen Einſicht über den verwandtſchaftlichen Zuſammenhang der einzelnen Pflanzen⸗ familien untereinander iſt Endlicher von ſeinen Nachfol⸗ gern kaum übertroffen worden. Wie es in der Natur der Sache liegt, kann ein derartiges Werk nur kurze Zeit hindurch einen Anſpruch auf Vollſtändigkeit erheben. Als da⸗ her im Jahre 1867 die beiden berühmten Botaniker Bentham und Hooker der Jüngere vereint mit der Herausgabe eines gleich benannten Buches in England hervortraten, wurde dasſelbe von allen Botanikern mit großer Genugthuung begrüßt. Der erſte der erwähnten Autoren hatte durch ſeine Bearbeitung eines der größten Florengebiete, des auſtraliſchen Kontinentes, den hohen Wert kennen gelernt, den knappe und ſcharfe Einteilungen umfangreicher Pflanzen⸗ gruppen für die Beſtimmung derſelben in Anſpruch nehmen müſſen. Indem er ſolche meiſt auf dichotomer Gliederung beruhende Schlüſſel den höheren und niederen Gruppen des Gewächsreiches vorausſchickte, verſtand er es, dieſes vor⸗ zügliche Werk noch bequemer zur Benützung zu machen. Einem ſehr bemerkenswerten Mangel half der dritte Autor der Genera plantarum ab. In ſeiner Histoire des plan- tes bereicherte Baillon das Werk mit einem Schatze vor⸗ trefflicher Abbildungen. Dadurch aber, daß er die Schlüſſel der Familien wegließ, litt das Werk an jener geringeren Ueberſichtlichkeit, daß man wiederum auf die Taſtmethode angewieſen iſt, wenn man mit ſeiner Hilfe eine Gattung ermitteln will, die bei Gruppen mit vielen Gattungen leicht ein Reſultat erzielen kann, welches von dem richtigen entfernt liegt. Noch ehe dieſes Werk eines Franzoſen ab⸗ geſchloſſen vor uns liegt, iſt in Deutſchland wiederum unter dem oben erwähnten Titel eine neue Aufzählung und Beſchreibung ſämtlicher Gattungen des Gewächsreiches begonnen worden. In wahrhaft genialer Weiſe haben die Verfaſſer bei der allgemeinen Anlage des ganzen Werkes aus den Erfahrungen, die man an den früheren Werken machte, Nutzen gezogen. Sie haben es wohl verſtanden, die Vor⸗ züge derſelben zu verbinden und die Mängel derſelben zu vermeiden. Das Gebiet der ſyſtematiſchen Botanik hat ſich ſo außerordentlich vergrößert, daß die Beherrſchung desſelben die Arbeitskraft eines einzelnen Forſchers weit überſteigt und ſelbſt in den Darſtellungen eines ſo vor⸗ züglichen Pflanzenkenners, wie Baillon, der vielleicht gegen⸗ wärtig die umfangreichſten Studien auf dieſem Gebiete gemacht hat, laſſen ſich Spuren für die Richtigkeit dieſer Annahme nachweiſen. Es war deshalb ein vortrefflicher Gedanke, die namhafteſten Botaniker Deutſchlands aufzu⸗ fordern, ſich an dieſer großen Arbeit zu beteiligen, und die meiſten ſind dieſem Rufe gefolgt. Gelehrte, wie Aſcher⸗ ſon, Buchenau, Caſpary, Drude, Eichler, Engler, Hackel, Hieronymus, Magnus, Pax, Pfitzer, Prantl, Graf zu Solms⸗ Laubach, Wittmack, welche ſich in den erſchienenen Heften bereits bethätigt haben, bürgen dafür, daß die von ihnen bearbeiteten Familien ſorgfältig und genau erforſcht und nach dem gegenwärtigen Stande der Wiſſenſchaft bearbeitet worden ſind. „Die natürlichen Pflanzenfamilien“ zeichnen ſich durch eine außerordentliche Vermehrung des Inhaltes vor den anderen gleichen Werken aus. Zunächſt umfaſſen ſie wirklich das ganze Gewächsreich; die Kryptogamen ſind der kundigen Redaktion Prantls anvertraut und find be- reits mit der Darſtellung der Myxomyceten aus der Feder q Humboldt. — Dezember 1889. 485 Schröters begonnen worden. Eine fernere Erweiterung iſt dadurch bewirkt worden, daß dem anatomiſchen Bau, ſoweit er für die Familie charakteriſtiſch iſt, die gebührende Beachtung geſchenkt wird. Die morphologiſchen Verhält— niſſe in der Blütenregion werden mit derjenigen Gründ— lichkeit und Genauigkeit beſprochen, wie wir ſie in keiner der bisherigen Arbeiten dieſer Richtung finden. In allen Gruppen iſt auf die paläontologiſchen Reſte, die aus ihr bekannt find, eingegangen und vom botaniſchen Stand- punkte an den Reſultaten, die man aus ihnen gezogen hat, Kritik geübt. Wie in Bentham und Hookers Genera plantarum werden der Beſchreibung der Gattungen didjo- tomiſche Schlüſſel vorausgeſchickt, welche die Beſtimmung weſentlich erleichtern und die Benützung des Werkes außer— ordentlich bequem machen. Eine ſehr erhebliche Verbeſſerung gegen das genannte Werk liegt aber darin, daß überall die genaueſten und ſorgfältig gezeichneten Analyſen der Blüten die für die Abgrenzung der Gattungen wichtigen Merk— male zur klaren Anſchauung bringen. Neben ihnen iſt das Buch mit einer großen Zahl vortrefflich ausgeführter Habitus⸗ nnd Vegetationsbilder geſchmückt. Der Umfang der Arbeit erſtreckt ſich nicht bloß auf eine Beſchreibung der Gattungen, ſondern es finden auch die wichtigeren Unterabteilungen ihre Behandlung. Damit nicht genug, werden die mediziniſch, techniſch oder ökonomiſch wichtigen Arten vollſtändig aufgezählt und illuſtrirt, ebenſo wie die Pflanzen, welche in unſeren Gärten und Gewächshäuſern ſich finden, erwähnt und beſprochen werden. Für den⸗ jenigen, welcher ſich eine tiefere Kenntnis einzelner Fami— lien verſchaffen will, gibt ein kritiſch geſichtetes Litteratur— verzeichnis den beſten Fingerzeig. Dieſes Werk wendet ſich aber nicht bloß an den Gelehrten, ſondern auch aus— drücklich an die „Lehrer der Naturwiſſenſchaften, Apotheker, Pharmazeuten, Aerzte, Forft- und Landwirte, Gärtner, Reiſende und Koloniſten.“ Auf ſie iſt in erſter Linie ſchon dadurch Rückſicht genommen, daß es deutſch geſchrie— ben und in klarer fließender Sprache abgefaßt wird. Mit Sorgfalt ſind alle techniſchen Ausdrücke, ſofern ſie ſchwerer verſtändlich ſind, gefliſſentlich vermieden. Der Vorrat von unentbehrlichen botaniſchen Bezeichnungen wird in einem gratis beigegebenen Hefte erläutert. Auf ſolche Weiſe iſt in der That das Buch für den Selbſtunterricht vorzüglich brauchbar gemacht worden. Die Ausſtattung iſt der be— rühmten Verlagsanſtalt durchaus würdig und angemeſſen. Die Anzahl, ſowie die prächtige Ausführung der zahlloſen Originalzeichnungen ſtellt dieſes Werk an die Spitze aller ähnlichen Erſcheinungen. Es iſt eine wahre Zierde jeder Bibliothek und ſollte in keiner Bücherſammlung von Pri- vaten, Schulen oder Vereinen fehlen. Ich kann dieſem rühmlichen Zeugniſſe der deutſchen Wiſſenſchaft wie des deutſchen Buchhandels nur die größte Verbreitung wünſchen. Berlin. Dr. K. Schumann. Tudwig Vüchner, Der Wenfd und ſeine Stellung in Natur und Geſellſchaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Oder: Woher kom- men wir? Wer find wir? Wohin gehen wir? Dritte Auflage. Leipzig, Theodor Thomas. 1889. Preis 6 M. Seinem Titel entſprechend zerfällt das vorliegende Werk in drei Teile. Im erſten Abſchnitt beſpricht Ber- faſſer zunächſt jene Thatſachen, welche die tieriſche Ab— ſtammung der Gattung Menſch und ſeine Zugehörigkeit zu den Primaten beweiſen, die zuerſt von Boucher de Perthes beigebrachten Beweiſe für die Exiſtenz des Homo sapiens während der Diluvialperiode und die Thatſachen, welche es wahrſcheinlich machen, daß der Menſch bereits während der Tertiärperiode exiſtiert hat. An der Hand der Ergeb— niſſe der prähiſtoriſchen Forſchung ſchildert Verfaſſer jo- dann den Urzuſtand des Menſchengeſchlechts und erörtert jene Schlüſſe, welche aus den uns erhaltenen Skelettreſten des Diluvialmenſchen bezüglich ſeines Körperbaues ſich er— geben. Im Anſchluß hieran werden die verſchiedenen Ab— ſchnitte der vorgeſchichtlichen Entwickelung des Menſchen— geſchlechts beſprochen und jene bekannte Fabel von dem urſprünglichen Zuſtande der Vollkommenheit, aus dem das Menſchengeſchlecht herabgeſunken ſein ſoll, widerlegt. — Im zweiten Abſchnitt wird zunächſt die zoologiſche Stellung des Menſchen, die Menſchenähnlichkeit der Anthropoiden, ſowie gewiſſe Charaktere, welche die niederen Affen mit den Menſchen gemein haben, erörtert, dann die Uebereinſtimmung zwiſchen Menſch und Tier, wie ſolche insbeſondere im Verlaufe der fötalen Entwickelung ſich zu erkennen gibt, be- ſprochen. Die Verdienſte, welche ſich neben Darwin insbe— ſondere Huxley, Haeckel, Schaaffhauſen und Karl Vogt um die Lehre von der tieriſchen Abſtammung des Menſchen er— worben haben, ſowie jene foſſilen Ueberreſte, welche die zwiſchen dem Menſchen und den übrigen Primaten gähnende Kluft zu überbrücken geeignet find, werden ferner be⸗ ſprochen. Weiterhin werden das Wann? Wo? und Wie? der erſten Menſchenentſtehung, die Frage uach der Ein— heit oder Vielheit des Menſchengeſchlechts, die Entwickelung der Menſchenraſſen und der menſchlichen Sprache und viele andere wichtige Fragen erörtert. — Der dritte Abſchnitt enthält Betrachtungen über die Zukunft des Menſchenge— ſchlechtes, ſowie beachtenswerte Winke betr. die Mängel unſeres geſellſchaftlichen Syſtems, ſowie Vorſchläge betr. die Abſtellung derſelben. Die hervorragende Begabung zur populären Darſtellung, welche die Schriften des Ver⸗ faſſers auszeichnet, und ſeine außerordentliche Beleſenheit und Sachkenntnis machen das vorliegende Buch zu einer ebenſo feſſelnden wie lehrreichen Lektüre. Kaſſel. Dr. M. Alsberg. A. Spannert, Die wiſſenſchaftlichen Benennungen ſämtlicher europäiſchen Großſchmetterlinge mit ſämtlichen anerkannten Varietäten und Aberra⸗ tionen. Berlin, Karl Dunckers Verlag. 1889. Preis 6 M. „Unter den Eulen führt die Gattung Agrotis mit ihren mehr als 120 Arten etwa ein Dutzend, die Gattung Eupithecia unter den Spannern mit über 100 Arten kaum einen einzigen wirklich volkstümlichen deutſchen Namen. Vermochte es bisher die Wiſſenſchaft nicht, mit einer uns allen deutlichen Sprache zu uns herabzuſteigen, ſo ſteigen wir denn endlich hinauf zu ihr, ohne Scheu und mit ruhiger Ausdauer vom Podalirius bis zur Pumilata. Dies Hinaufſteigen erleichtert der Verfaſſer in glücklicher Weiſe durch eine Erklärung der Namen, die dadurch für den Sammler verſtändlich, bedeutungsvoll werden, zumal auch bei jeder Worterklärung angegeben wird, worauf ſich die im Namen ausgedrückte Eigentümlichkeit bezieht (Falcataria S. [Schmetterling], falcatus, ſichelförmig, wegen der entſprechend geformten Spitze der Vorderflügel. Bicuspis R. [Raupe], bi, zwei, in der Zuſammenſetzung, cuspis, Spitze; der After endigt in zwei längeren dünnen Röhrenſpitzen). Indem durch ſolche Worterklärung manche Schwierigkeit hinweggeräumt und das Intereſſe belebt wird, fördert der Verfaſſer den Sammeleifer und trägt dazu bei, daß weniger häufig als bisher die lebhafteſten Anläufe mit der Zeit erlahmen. Friedenau. Dammer. C. G. Friderich, Naturgeſchichte der deutſchen Vögel einſchließlich der ſämtlichen Vogelarten Mittel⸗ europas. 4. Aufl. in 24 Lieferungen a M. 1. — Stuttgart, Julius Hoffmann. 1889. Von dieſem weit verbreiteten und allgemein geſchätzten Werk liegen die 4 erſten Lieferungen einer neuen Auflage vor, welche erkennen laſſen, daß der Verfaſſer ſein Buch auf der Höhe der Wiſſenſchaft zu erhalten bemüht iſt. Beſonders wertvoll iſt für alle Vogelfreunde die Sorgfalt und Ausführlichkeit, mit welcher der Verfaſſer die prak⸗ tiſche Seite ſeiner Aufgabe behandelt. Er berückſichtigt eingehend die jagdbaren Vögel und beſchreibt genau den Fang, die Pflege und die Zucht aller Vögel, welche ſich für die Gefangenſchaft eignen. Einen beſondern Schmuck des Werkes bilden die Farbendrucktafeln, welche gute Ab⸗ 486 Humboldt. — Dezember 1889. bildungen ſämtlicher deutſcher Vögel bringen und gegen die vorige Auflage ſehr ſtark vermehrt ſind. Die uns vorliegenden 4 Lieferungen bringen auf 9 ſehr gut ge⸗ lungenen Tafeln Singvögel, Edelfalken, Wildenten, Rohr⸗ ſänger, Wieſenſchwätzer, Droſſeln und Meiſen in natur⸗ getreuer Darſtellung. Wir möchten das Buch, auf welches wir in der Folge zurückkommen werden, allen Natur⸗ freunden, ſowie auch für Schul- und Familienbibliotheken angelegentlichſt empfehlen. Friedenau. Dammer. N. Vaarmann, Die Schöpfung und das Geiſtige in derſelben. Königsberg, Hartungſche Verlags⸗ druckerei. 1889. Preis 3 Mark. Eine recht originelle Pfadfinderarbeit durch den Ur⸗ wald der kosmogoniſchen, phyſiologiſchen und pſychologiſchen Rätſel von ſeiten eines Einwanderers in dieſe Gebiete. Er denkt ſich einen „Weltgeiſt“, welcher die unerſchaffene Materie vorfand und ſie dann erſt mit phyſiſchen und geiſtigen Kräften ausſtattete. Denn wenn es unbeſtreitbar ſei, was Luthard in ſeinen „Apologetiſchen Vorträgen“ über das Chriſtentum ſagt, daß das Bewußtſein nicht vom Bewußtloſen erzeugt ſein könne, weil es etwas ſchlechthin anderes ſei, ſo müſſe auch des Umgekehrte richtig ſein, und das Bewußtloſe, d. h. die Materie, könne nicht von Gott, der ein Geiſt ſei, herrühren. Man ſieht, daß es dem Verfaſſer nicht an Entſchloſſenheit fehlt, ſich ſeinen Weg mit der Axt zu bahnen, und einen ſolchen rückſichts⸗ loſen, aber doch nicht ununterrichteten Vertreter des ſogen. „geſunden Menſchenverſtandes“ mag ſich ja wohl mancher Leſer wünſchen. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. N G. F. Jechner, Elemente der Pſychophyſik. Zweite unveränderte Auflage. Leipzig, Breitkopf und Härtel. 1889. Preis 16 M. Das berühmte grundlegende Werk des unlängſt ver⸗ ſtorbenen Verfaſſers fehlte ſeit Jahren im Buchhandel. Fechner konnte ſich weder zu einer Neubearbeitung noch zu einem unveränderten Abdruck entſchließen und publizierte neue Arbeiten in beſonderen Schriften. Nach ſeinem Tod hat Profeſſor Wundt die Herausgabe einer neuen Auflage übernommen, aber er war der Anſicht, „daß ein Werk, welches völlig neue Wege der Forſchung einſchlägt, immer in der urſprünglichen Geſtalt, in der es ſeine Wirkung ausübte, auch vorzugsweiſe bedeutſam bleiben wird“ und ſo gab er einen unveränderten Abdruck mit Hinweiſen auf die ſpäteren pſychophyſiſchen Arbeiten Fechners an der ge⸗ eigneten Stelle. Auch wurden von Fechner angegebene Druckfehler und Berichtigungen berückſichtigt. Dem erſten Bande iſt ein Verzeichnis von Fechners zahlreichen Schriften beigegeben. Friedenau. Dammer. H. Aubert, Phyſiologiſche Studien über die Hrien⸗ fierung. Unter Zugrundelegung von V. Delage, Etudes expérimentales ete. Tübingen, Lauppſche Buchhandlung. 1888. Preis 4 M. Die dem vorliegenden Buch zu Grunde gelegte Ar⸗ beit von Yves Delage iſt gleich ausgezeichnet durch die klare und elegante Beweisführung wie durch die mannig⸗ faltigen Experimente, die ſich dem Beweisgang einordnen. Wenige Probleme der phyſikaliſchen Pſychologie bieten der experimentellen Unterſuchung ſo große techniſche Schwierig⸗ keiten wie die hier behandelten; gilt es doch feſtzuſtellen, in welcher Weiſe und mit welchen pfychologiſchen Hilfs⸗ mitteln wir uns im Raume orientieren, ſobald der Körper in wechſelnder Lage ruht, gleichmäßig oder beſchleunigt ſich fortbewegt, ſich dreht, ſich hebt, ſich ſenkt, und allen Frageſtellungen konnte Delages Verſuchsanordnung gerecht werden. Seine Ergebniſſe laſſen ſich in drei Gruppen zuſammenfaſſen. Erſtens ſollen es die Muskelempfindungen des Augenbewegungsapparates ſein, die uns über die Stellung des Kopfes in Beziehung auf ſeine Achſen unter- richten. Zweitens wird eine beſondere Gruppe von Em pfindungen durch Drehbewegungen hervorgerufen; das Organ, welches durch ſeine anatomiſche Bildung am beſten die dabei beobachteten Empfindungen und Täuſchungen erklären kann, ſollen die halbzirkelförmigen Kanäle ſein. Eine dritte Art von Empfindungen ſoll ſchließlich der Fortbewegung charakteriſtiſch ſein; ſie werden hervor⸗ gebracht durch eine Art von Ebbe- und Flutbewegung aller leicht verſchiebbaren Teile unſeres Organismus. Man kann nun die Bedeutung der ſinnxeichen Verſuche vollkommen anerkennen, ohne dieſen Folgerungen durchaus beizuſtimmen. In der That kann es uns kaum entgehen, daß mancher Einwand unberückſichtigt gelaſſen wurde. Der Kontraktionszuſtand der Halsmuskeln wird völlig unterſchätzt, die neuerdings oft betonten Beziehungen zwiſchen Bogengängen und Gehörslokaliſation werden vernachläſſigt, die Gelenkempfindungen ebenfalls, und manches andre wird nicht überzeugend bewieſen. So kann denn auch die Arbeit von Delage nur als ein wertvoller Beitrag zu der vielverzweigten Frage gelten, nicht aber als eine fertige Löſung. Es bleibt ein dankens⸗ wertes Unternehmen des auf dem Gebiet der Bewegungs⸗ empfindung durch eigene Arbeiten hochverdienten Phyſio⸗ logen Aubert, das franzöſiſche Werk in diejenige Sprache übertragen zu haben, in der thatſächlich bisher faſt die geſamte Diskuſſion über jene Frage geführt worden ijt. Eine lichtvolle Einleitung des Ueberſetzers und Anmer⸗ kungen ſind beigefügt; es bleibt nur zu bedauern, daß Aubert auch in dieſen Anmerkungen wieder Gelegenheit nimmt, die Exiſtenz eines Muskelſinns, im Gegenſatz zu Delage, zu beſtreiten. Freiburg i. B. Dr. HJ. Mlünſterberg. A. Herzen, Grundriſſe einer allgemeinen Pſycho⸗ pha teloaie. Leipzig, E. Günther. 1889. Preis 2 M. In klarer, weiteren Kreiſen angepaßter Form ſtellt Herzen diejenigen Thatſachen zuſammen, welche beweiſen, daß kein pſychiſcher Vorgang ohne Erregung des Central- nervenſyſtems abläuft. Er beſpricht unter dieſem Geſichts⸗ punkt vornehmlich die bekannten Zeitmeſſungen pſfychiſcher Reaktionen und die weniger bekannten Tierverſuche über Wärmezunahme der Gehirnteile bei ſenſoriſcher Reizung, um ſchließlich die phyſiologiſchen Bedingungen zu unter⸗ ſuchen, unter denen Bewußtſein auftritt. Das Herzenſche Buch iſt durch die ganze Art der Darſtellung in hohem Maße berufen, an der Klärung der Vorſtellungen über Körper und Seele in den breiteſten Schichten des für Naturwiſſenſchaften intereſſierten Publikums mitzuwirken. Um ſo bedauerlicher iſt es, daß gerade in der prinzipiellen Frage, wie die der inneren Wahrnehmung zugänglichen Bewußtſeinsvorgänge zu den der äußeren Wahrnehmung zugänglichen Bewegungsvorgängen ſich verhalten, durchaus keine einheitliche Auffaſſung zur Geltung kommt. Bald ſoll die Bewußtſeinserſcheinung von dem centralen Be— wegungsvorgang bedingt fein; bald wird die pſychiſche Kraft ſelbſt als Bewegung gedacht. Gänzlich unzureichend aber wird die Beweisführung des Verfaſſers dort, wo er erkenntnistheoretiſche philoſophiſche Fragen berührt; wenn wirklich der abſolute Subjektivismus ſo bequem mit ein paar Sätzen zu widerlegen wäre, fo würde er wohl ſchwerlich jemals denkende Männer ernſt beſchäftigt haben. Trotz alledem verdient das Buch die wärmſte Empfehlung; auch Fachgenoſſen, denen die Thatſachen bekannt ſind, werden dasſelbe mit Vergnügen leſen und dem Verfaſſer für die Mitteilung der Schiffſchen Verſuche dankbar ſein. Hoffent⸗ lich entſchließt ſich der Verfaſſer, auch andere Gebiete der phyſiologiſchen Pſychologie in ſeiner feſſelnden Weiſe zu populariſieren. Freiburg i. B. Dr. H. Münſterberg. Humboldt. — Dezember 1889. Moritz Hörnes, Die Gräberfelder an der Wall⸗ burg von Sf. Michael bei Adelsberg in Krain. Mit vier Tafeln und ſechs Illuſtrationen im Texte. Wien, Hölder. 1888. Preis 4 M. Unter den am Grad von S. Michael (Krain) unweit der Bergkoloſſe Nanos und Triglav gelegenen prähiſto— riſchen Gräbern, welche 1885 aufgedeckt, 1886 und 1887 genauer unterſucht wurden, hat man nach der Lage vier verſchiedene Gruppen, nämlich die Grabfelder von Za Polsno, Pod Kazulem, Pod Matfovcam und Madkove zu unter— ſcheiden. Die Beſtattungsweiſe war eine verſchiedene, nämlich 1) in offenen Brandgruben (20 bis 60 em tiefe, 40 bis 70 em breite, unregelmäßig eylindriſche Gruben, zum Teil mit Steinen rundum ausgelegt und vollſtändig mit Kohlen, Aſche und kaleinierten Knochen gefüllt), 2) in Urnen, welche manchmal mit umgeſtürzten Schalen zuge— deckt waren, 3) in ganzen Skeletten, welche leicht mit Erde und darüber mit flachen Feldſteinen zugedeckt waren und meiſt mit dem Geſichte nach Oſten gerichtet lagen. Unter den Beigaben ſind beſonders bemerkenswert die eiſernen Waffen, nämlich lange gerade Schwerter mit aus dünnem Eiſenblech gearbeiteten Scheiden (La Tene- Form) und einſchneidige krumme Schwerter (Hallſtatt-Form). Auch kürzere „geflammte“ eiſerne Schwerter, eiſerne Meſſer und ſchlanke eiſerne Streitbeile (die „geraden Schmaläxte“ W. Osbornes) wurden aufgefunden. Ferner ſind unter den Beigaben der Gräber eiſerne Schmuckgegenſtände (La Tene-Fibel), Bronzezierat (Brillenfibeln, Bogenfibeln, Handgelenkringe, Halsringe, Schmucknadeln, Kettchen, An— hängſel u. ſ. w.), Bronzeperlen, zum Teil mit Email be— legte Glasperlen, ſowie Thongefäße (Urnen und Schalen) verſchiedener Form und Größe vertreten. Das Grabfeld Pod Kazulem gehört wahrſcheinlich dem Beginn, das von Za Polsno dem Ausgange der Hallſtätter Periode und dem Anfang der La Tene-Periode in Krain an. Während für erſteres Grabfeld das zahlreiche Vorkommen der Brillen— fibel und die ältere einfache Geſtalt der halbkreisförmigen Bogenfibel charakteriſch ijt, iſt das Grabfeld von Za Polsno gekennzeichnet durch die faſt ausſchließliche Herrſchaft der Certoſafibel und die Ausſtattung zahlreicher Gräber mit Eiſenwaffen, welche vorwiegend La Tene-Typen zeigen, aber teilweiſe auch ältere Formen bewahrt haben. Nach Fürſt Windiſchgrätz hatten fic) in St. Michael die Japuden als Ueberreſte einer unvermiſchten und freigebliebenen rein illyriſchen Bevölkerung erhalten. Nach Hoernes waren die Keltenſchwärme, welche vier Jahrhunderte vor dem Beginne der Römerherrſchaft erobernd im heutigen Steiermark, Kärnten, Krain, Friaul und im Küſtenlande vordrangen, wohl militäriſch ſtark genug, um dieſen Gebieten fortan ihren Namen und ihr Geſetz zu geben, allein ſie waren numeriſch und kulturell zu ſchwach, um ihre eigene Kultur (Kultur der La Teéne-Periode) an die Stelle der Hallſtatt— kultur zu ſetzen, und darauf beruht es, daß einige der ſogen. „hallſtättiſchen“ Gräberfelder in eine Zeit hineinragen, die man ſonſt ausſchließlich der La Tene-Periode zuweiſt. Kaſſel. Dr. Moritz Alsberg. E. Hallier, Kulturgeſchichte des neunzehnten Jahr- hunderts in ihrer Abhängigkeit von der Ent⸗ wickelung der Naturwiſſenſchaften. Stuttgart, Ferdinand Enke. 1889. Preis 20 M. Das vorliegende Buch bietet ſo viel des Intereſſanten und enthält ſo vielſeitige Streifblicke und Schilderungen, 487 daß eine auch nur oberflächliche Inhaltsangabe ſchon Seiten füllen würde. Hier ſei nur das Wichtigſte herausgehoben. Der Verfaſſer gliedert ſeine Aufgabe in 3 Abteilungen. Er ſchildert zuerſt, was unſer Jahrhundert ererbte, dann was es ſchuf, und endlich was dieſes für Einwirkung auf die Geſtaltung der Kulturzuſtände unſerer Zeit ausübte. Wie die Buchdruckerkunſt und die Entdeckungen des 15. Jahr⸗ hunderts das Erwachen der Naturwiſſenſchaften und ihrer Geiſter, eines Galilei, Baco von Verulam, Descartes ein— leiten, wie Kepler, Newton und Leibnitz ſich mit ihrer Philoſophie zu der Naturforſchung ſtellen, wie Kopernikus mit ſeinem Weltſyſtem der Wiſſenſchaft neue Bahnen weiſt, Locke und Hume die Sonde der Skepſis anlegen, wie alle dieſe die neuere Weltanſchauung vorbereiten: das ſchildert das erſte Buch. Kant und ſeine Weltanſchauung ſind das Reſultat, nachdem ſich auf dem Boden, den die Vorgänger ebneten, ſchon Chemie, Phyſik und beſonders die beſchrei— benden Naturwiſſenſchaften unter dem Einfluß Linnés ge— waltig entwickelt hatten. In unſerem Jahrhundert erreichen die geſamten Natur- wiſſenſchaften mit allen ihren vielverzweigten Disziplinen den Höhepunkt auf den Schultern Kants und ſeiner Schüler, trotz der ſchädlichen Thätigkeit der Neuplatoniker, Schelling, Hegel und Schopenhauer, die einen Einfluß auf den Gang der exakten Forſchung nicht zu gewinnen vermögen. Hochintereſſant iſt es nun, dem Autor in ſeinen Schilderungen zu folgen; zu ſehen, wie die neuere Chemie, Phyſik, Aſtronomie, die Kenntnis der organiſchen Natur, Zellen- und Gewebelehre, Morphologie und Phyſiologie, und als Krönung des Ganzen die Abſtammungslehre ſich entfalten. Der Einfluß aller dieſer Fortſchritte auf das Kultur— leben, bildet ſelbſtverſtändlich den Hauptabſchnitt des Werkes und nimmt den größten Raum ein. Geſchichte und Statiſtit ſchlagen neue Bahnen ein, die Rechtswiſſenſchaft kann ſich der Einwirkung der Naturwiſſenſchaften nicht entziehen, die mediziniſchen Diseiplinen geſtalten fic) erſt zu Wiſſen— ſchaften, Erziehung und Unterricht werden von neuen Standpunkten aus betrachtet und ausgeübt. Alle Künſte, die Gartenkunſt, wie die Malerei und Plaſtik, die Mimen und die Muſiker, ſelbſt die Dichter erfahren vielſeitige Förderung und Anregung. Wo ſich aber der Einfluß am meiſten bemerkbar macht, das iſt Handel und Gewerbe, der ungeheuer erweiterte Verkehr, der Aufſchwung von Pflanzenbau und Viehzucht; und hier verſteht es der Verfaſſer, in ſpannenden Schilde rungen das Werden unſerer Eiſenbahnen, Dampfer, Tele— graphen, Maſchinen u. ſ. w. vorzuführen. Selbſt um unſere täglichen kleinen Bedürfniſſe, Heizung, Wohnung, Licht, um die Einrichtungen zur öffentlichen Wohlfahrt kümmern ſich die Naturforſcher und helfen beſſern. Sehr anregend iſt das Schlußkapitel des Werkes, in welchem Hallier nach Darlegung ſeiner Weltanſchauung auf die ſoziale Bewegung eingeht, und nach vielen Rich— tungen Ausblicke eröffnet, die jedem Gebildeten Intereſſe abfordern werden. Zur Veranſchaulichung hat der Autor viel durch Auf— nahme von Textfiguren nach Photogrammen beigetragen, wofür ihm mancher dankbar ſein wird. Was aber das Buch beſonders auszeichnet, iſt die Gründlichkeit der Be— arbeitung mit dem vielen Quellenmaterial, und vor allem der hohe Idealismus, von dem das Ganze durchweht und getragen wird, von dem Idealismus, der unſerer deutſchen Jugend ſo nötig zu erhalten iſt, — und gerade das macht das Buch zu einem Werke des Patriotismus. Neapel. Dr. H. CTrautzſch. Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Abbildung von Blättern und anderen Natur- objekten. Um naturgetreue Abbildungen von Laubblättern zu erhalten, verfahre ich in einer ſehr einfachen Weiſe. Vielleicht iſt das Verfahren neu, deshalb teile ich es in Kürze mit. Es beſteht im weſentlichen in einem abge- kürzten photographiſchen Prozeſſe, indem das Objekt ohne 488 weiteres auf das Papier kopiert wird. Jeder kann es mit Leichtigkeit anwenden und ſich durchaus naturgetreue Blattbilder mit äußerſt geringen Koſten ſelbſt anfertigen. Gute, durch ſorgfältige Maceration erhaltene Blattſkelette werden, nachdem ſie gut durchgetrocknet ſind, ganz wie photographiſche Negativplatten weiter behandelt. Man ſpannt dieſelben in das Kopierbrett zwiſchen das lichtempfindliche Poſitivpapier und eine reine fehlerfreie Glasplatte mittels der bekannten Kopierklammern feſt ein und läßt nun auf die Bildfläche das zerſtreute Tageslicht einwirken. Nach ganz kurzer Belichtungszeit, deren Dauer man leicht aus der Erfahrung genauer beſtimmen lernt, haben die Bilder genügende Kraft und müſſen nun entweder ſogleich fixiert oder, wenn man dazu nicht Zeit findet, im Dunkeln bis zur Fixage aufbewahrt werden. Durch einfaches Fixieren mittels der bekannten, in jeder Apotheke käuflichen Fixier⸗ ſalzlöſung erhält man Silberbilder von nicht ganz ange⸗ nehmem Farbenton. Mit geringen Mehrkoſten macht man die Bilder brillanter, indem man ſie durch das ſogenannte Tonen im Goldbade in Goldbilder verwandelt. Sehr em⸗ pfehlenswert iſt das Arbeiten mit dem fertig käuflichen Fixiertonbad, in welchem die belichteten Bilder gleichzeitig fixiert und vergoldet werden. Man hat demnach zur Her⸗ ſtellung unſerer Bilder nur die Anſchaffung eines Kopier⸗ brettes nebſt Klammern und Glasplatte, außerdem noch des lichtempfindlichen Poſitivpapieres und des Fixierton⸗ bades nötig. Alle dieſe Dinge, das Papier auch in ge⸗ wünſchtem Format zugeſchnitten, erhält man in den Ge⸗ ſchäften für photographiſche Artikel zu ſehr mäßigem Preiſe, 3. B. bei J. F. Schippang & Co. in Berlin 8 42, Prinzen⸗ ſtraße 24. Das lichtempfindliche Poſitivpapier aus der Fabrik von Dr. Stolze in Charlottenburg iſt zu empfehlen. Unſere Methode iſt außer zur Abbildung von Blättern auch anderweitig vielfach anwendbar, z. B. auf Inſekten⸗ flügel mit ihrem Geäder, kleine Spinnennetze, die man geſchickt zwiſchen Papier und Glasplatte faßt und vorſichtig von ihrer Stütze durch Abſchneiden der Befeſtigungsfäden löſt. In dieſem Falle darf die Belichtungszeit nur ganz kurz ſein. Von dünnen, gut gelungenen Flächenſchnitten der Bienenwaben und ähnlicher Dinge können gleichfalls, nachdem das Objekt erforderlichenfalls dunkel gefärbt oder undurchſichtig gemacht wurde, gute Bilder erhalten werden. Dieſe Methode liefert, wie auf der Hand liegt, Bilder in Originalgröße, was oft von Vorteil iſt und auf keine andere Weiſe ſo leicht und bequem zu erreichen ſein dürfte. Alle ſo erhaltenen Bilder ſind natürlich negative, doch das ſtört z. B. beim Laubblatt, Inſektenflügel und Spinnen⸗ netz gar nicht, denn für den Naturforſcher handelt es ſich lediglich um genaue Nachbildung der Formen. Er ver⸗ zichtet gern auf getreue Wiedergabe der Abſchattung und Farbe, da farbige Abbildungen ohnehin ſelten natürlich ausfallen. Uebrigens laſſen ſich die Blattſkelette, Inſektenflügel und ähnliche Objekte auch bequem zu Demonſtrationsbildern verwenden, indem ſie, zwiſchen Glasplatten eingeſpannt, mittels des Skioptikon projiziert werden. Derartige ver⸗ größerte Bilder von Blattſkeletten bilden im botaniſchen Schulunterricht eine notwendige Ergänzung der mikro⸗ ſkopiſchen Demonſtration der Blattnervatur. Halle a. S. Dr. J. Blaue. Horizontalmikrofkop. Eine neue eigenartige Er⸗ findung hat Eilhard Schulze, Direktor des Zoologiſchen Inſtituts in Berlin, gemacht; es iſt ihm die Herſtellung eines ſogen. Horizontalmikroſkopes gelungen, welches der zoologiſchen Forſchung gute Dienſte leiſten wird. Der ſinnreich erdachte Apparat beſteht aus drei Teilen: dem auf einem ſenkrechten Ständer lagernden Mikroſkop, dem Aquarium, welches den zu beobachtenden Gegenſtand auf⸗ nimmt, und dem Hohlſpiegel. Das Aquarium beſteht in einem Hohlraum, deſſen Wände von Glasſcheiben gebildet werden, die 10 em hoch und breit ſind, während der Humboldt. Dezember 1889. Hohlraum ſelbſt ein Rechteck von 1 em Tiefe darſtellt. Das Aquarium wird durch das von dem ſeitlich dahinter aufgeſtellten Hohlſpiegel reflektierte Licht erhellt, kann aber durch vorzuſchiebende Blenden bis auf einen kleinen Punkt, durch welchen auf den im Aquarium befindlichen Gegen ſtand Licht einfällt, verdunkelt werden. Das Aquarium iſt auf einem Geſtell in ſolcher Höhe angebracht, daß es dem mikroſkopiſchen Rohre gerade gegenüberſteht. Dieſes Rohr kann nun durch Schrauben in drei verſchiedene Rich⸗ tungen, nach oben und unten, vor- und rückwärts und nach den Seiten vor dem dahinter aufgeſtellten Aquarium Hine und herbewegt werden. Auf dieſe Weiſe kann der im Aquarium befindliche Gegenſtand in allen ſeinen Teilen unmittelbar nach einander mit Leichtigkeit beobachtet werden. Der Apparat iſt insbeſondere beſtimmt für die Beobachtung der Bewegungen kleiner Tiere, welche, wie aus dem Ge- ſagten wohl einleuchtet, mit Hilfe des Apparates vorzüg⸗ lich gelingt. Nach den Angaben von Schulze wird der Apparat von der Berliner Firma Klönne und Müller her⸗ geſtellt. LD. Mifrotom. H. Reinhold, Ingenieur in Amſterdam, hat ein neues Mikrotom konſtruiert, mit welchem man Schnitte von nur 1 h. (0,001 mm) Dicke erhalten kann. Das Inſtrument iſt von J. W. Giltay, Eigentümer der Firma P. J. Kipp und Zonen zu Delft, angefertigt worden. Mit Hilfe dieſes Mikrotoms iſt es Dr. J. W. Moll in Utrecht gelungen, Schnittſerien durch Zellkerne (von Pri- tillaria imperialis) zu erhalten. Er brachte zu dieſem Zwecke Protoplasmateilchen mit den Zellkernen in Cel⸗ loidinlöſung und ließ dieſelbe in dünner Lage feſt werden. Dann ſchnitt er das Celloidin rings um die Protoplasma⸗ teile ab, fo daß er Stücke von etwa 1 dem Größe erhielt. An dieſen wurde unter dem Mikroſkop die Richtung be⸗ ſtimmt, in der man ſchneiden wollte, und dementſprechend aus dem quadratiſchen Stückchen ein längliches zurecht⸗ geſchnitten. Dies wurde dann in Paraffin eingeſchmolzen, wobei es leicht gelang, das Stückchen in die gewünſchte⸗ Lage zu bringen. Hierauf wurden mittels des Mikrotoms die Schnitte gemacht, und zwar genügten ſolche von 1,8 6 Dicke. Ms. Aitzxanographie. Ein höchſt elegantes Verfahren, um die Einwirkung verſchiedener Stoffe auf Mikroorganis⸗ men zu ſtudieren, hat kürzlich W. Beyerinck angegeben. Dasſelbe beruht darauf, daß 1) Gelatine und Geloſe (ge⸗ reinigtes Agar-Agar) an und für ſich die meiſten Mikro⸗ organismen nicht zu ernähren vermögen; daß 2) gelöſte Nährſubſtanzen durch feſte Gelatine und Geloſe faſt ebenjo wie durch Waſſer diffundieren, und daß endlich 3) alle Mikroorganismen zu ihrer Entwickelung mineraliſche Be⸗ ſtandteile, ſtickſtoffhaltige und ſtickſtofffreie Subſtanzen brauchen. Sät man nun z. B. Bakterien in eine Gelatine, welche alle notwendigen Beſtandteile bis auf einen ent⸗ hält, ſo werden ſie ſich nicht entwickeln, bringt man aber auf die Oberfläche der Gelatine den noch fehlenden Be⸗ ſtandteil, fo fangen nach kurzer Zeit in dem Diffuſions⸗ felde dieſes Stoffes die ausgeſäten Keime ſich zu entwickeln an und es entſteht in der durchſichtigen Gelatine ein un⸗ durchſichtiges Feld, welches von den Bakterienkolonien ge⸗ bildet wird. Beyerinck nennt ein ſolches Feld ein Auxano⸗ gramm; die Methode ſelbſt bezeichnet er als Auxano⸗ graphie. Es iſt leicht erſichtlich, daß dieſelbe in mannig⸗ facher Weiſe variiert werden kann. Die Kolonien bilden unter Umſtänden eine ringförmige Figur; dies iſt ein Zeichen, daß die Konzentration im Innern zu groß iſt. Bleibt die Gelatine durchaus durchſichtig, fo iſt die zuges ſetzte Subſtanz nicht aſſimilierbar. Der große Vorzug dieſer Methode iſt, daß man die für die einzelnen Nährſtoffe günſtigſten Konzentrationsgrade nicht zu kennen braucht, wie bei den üblichen Methoden, die deshalb mit Schwierig⸗ keiten verknüpft ſind. Ms. oe für : 3 Maturwillenlhatten Herausgegeben dor Fr. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Vy 1. Heſt. e | 8. Jahrgang. Januar 1889. T und Poſtanſtalten. + Inhalt. » Seite Seite Profeſſor Dr. W. Ofiwald: Ueber Löſungen 1 Forſchungen. — Das Laboratoire d'Expétologie Profeſſor Dr. Th. Noack: Zur Sadugetierfauna der mant⸗ in Montpellier. — Vereinigung zur Förderung des ſchuriſchen Subregion. (Mit Abbildungen) — 8 naturwiſſenſchaſtlichen Unterrichts in den Berliner Dr. U. Dammer: Beitrag zur Kenntnis der Fichten⸗ Gemeindeſchulen. — Preisaufgaben: der hol⸗ formen. (Mit da 16 ländiſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften in Harlem, 5 Be a Petes Sut Frage der Eelbftbefrud- 48 wae gate Hochſchule in pr glia ual der i 90 i den itterſchnecken 8 en Regierung . in den Naturwiſſenſchaſten. Naturwiſſenſchaftliche Gade nen r. H. Münſterberg: Experimentelle gie : Dr. E. Hartwig: Aſtronomiſcher Kalender. — Bul- — ne M. Alsberg: Anthropologie. 20 kane und Erdbeben. — Dr. van Bebber: Witterungs⸗ N Mitteilungen. N Fee a — Der 1 im ubois: Die beiden Marsmonde. — Lüdeking: ebiet des Queis und Bober . 36 Beteiligung des Luftſticſtoffs am Verbrennungspro⸗ 1 ah. — Springs Roften der Eiſenbahnſchlenen. — dee uae PResfoualuotigen os 39 Forel: Unterſeeiſche Thäler. — Potonié: Tylo- Litterariſche Rundſchau. ‘ dendron. — Krafan: Abhängigkeit der Pflanzen Stokes, Das Licht. — Zenker, Verteilung der vom Subſtrat. — Ludwig: Eigentümliche Art der Wärme auf der Erdoberfläche. — Vogel, Praltiſche Samenverſchleppung. — Knuth: Ueberzug von Spektralanalyſe irdiſcher Stoffe. —Clerte, Geſchichte Crambe maritima. — Maiblumen. — Die Reini⸗ der Aſtronomie während des 19. Jahrhunderts. — ger der Meerestüſten. — Gruber: Eine Bemerkung Haberlandt, Ueber die Beziehungen zwiſchen W 9155 uses — ae Sn | Wee e en egies 110 den eee me er Gefangenſchaft ausgeſchlüpfte Larven des Olm. — 0 ie floriſtiſche Litteratur . |. Hod ftetter: e im künſtlichen Sel⸗ Bibliographie. Bericht vom Monat Oktober 1888. . 41 stables lehrins Faung eines majurijden | Aus der Praxis der Naturwiffen{maft. eee Inſtitute, fuletaehmangen, Sende, Ont Be aaa künftlichen Farbſtoff 4 erſammlungen 2c. 3 Profeſſor Dr. W. Förſter: Die Geſellſchaſt Urania zu Beilage. Die 61. e . Saturn Berlin und ihre Veranſtaltungen. — Ozeanographiſche und Aerzte 44 Briefe in redaktionellen Angelegenheiten und Manuſkripte find an den Berausgeber Dr. Dtts Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. e en, BEDHIHLDO | Empfohlen als Weihnachtsgeſchenk! ulturgeſchichte der Menſchheit ar in ihrem organiſchen Aufbau von a a Julius Lippert. | Zwei Bände. gr. 8. geh. Preis broſch. M. 20. —, eleg. in Halbfranzband geb. M. 25. — ö ‘ : (Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart.) . faſſung, wie durch ſchöne klare Sprache, hat fic) in kurzer Zeit den Ruf eines Werkes erſten Ranges auf dieſem Gebiete erworben. Vermöge ſeiner gemeinverſtändlichen Darſtellung iſt das f Julius Lippert's Kulturgeſchichte, ausgezeichnet durch Originalität und Tiefe der Auf⸗ Buch geeignet in den weiteſten Kreiſen der Gebildeten Verbreitung zu finden. Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Seaton amebas: g Das | 1 TELEPHON i und dessen 8 — praktische Verwendung uy von 5 uy Dr. Julius Maier und W. H. Preece, F. R. S. jal in London. Chef des englischen Telegraphenwesens. | é if > Preis 9 Mark. ee eS ee rr — 059 1877 = EEE Mit 304 in den Text gedruckten Holzschnitten. 8. geheftet. 1 44 El Verlag von FERDINAND EN ESE in Stuttgart- Das Süßwaſſeraguarium und feine Bewohner. Ein Leitfaden für die Ess. i 65 WV. Anlage und Pflege von Süß [si 4 7 : waſſeraquarien. Prof. Dr. W. Bek in Hannover. — Mit 105 Abbildungen. — Popeye 8. geh. Preis M. 6. — Eleg. geb. perme M. 7. — 0 die „Gartenlaube“ (1887, Nr. 5) ſagt in ihrem Sprechſaal: Es wundert uns übrigens, daß Sie ein Aqua- rium beſitzen und es unterlaſſen haben, ſich ein Buch zu verſchaffen, welches Ihnen über alle einſchlägigen Fragen Auskunft erteilen würde. Wir raten Ihnen dringend, die geringfügige Ausgabe nicht zu ſcheuen. n Lf G == 2 < Die Winke und Belehrungen, welche Sie in einem N — l 2 8 SS 2 SSeS ſolchen Buche finden, werden Sie vor vielfachem 8 2 recht empfindlichen Schaden bewahren. Wir möchten Der gefleckte Salamander (Salamandra maculata Laur.). Sie namentlich auf das vor kurzem erſchienene Werk: (Abbildung aus „Heß, Das Süßwaſſeraguarium“.) „Das Süßwaſſeraquarium und ſeine Bewohner“ von Dr. W. Heß Stuttgart, Ferdinand Enke) aufmerkſam machen. Das Buch gibt treffliche Ratſchläge über die Einrichtung eines Aquariums, Auswahl und Pflege der Tiere und Pflanzen und ijt mit mehr als 100 Abbildungen geſchmückt. 0 p l | im Dienste der Wissenschaft, der 14 18 Kunst und des praktischen Lebens. In gemein verständlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit iber 200 erläuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. —1 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Der geſtirnte Himmel. Sine gemeinverſtändliche Aſtronomie. Von Prof. Dr. Dalentiner, Direktor der großherzoglichen Sternwarte in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Elegant geb. M. 7. — Eine leichtfaßliche, kurzgefaßte und dabei doch vollſtän⸗ dige Himmelskunde auf moderner Grundlage hat in der naturwiſſenſchaftlichen Litteratur bislang gemangelt; mit dieſem Werke aus der Feder eines berufenen Forſchers und gewandten Schriftſtellers wird dem unleugbaren Mangel in einer Weiſe abgeholfen, welche jedem Freunde dieſes groß⸗ artigen Gebietes unſeres Wiſſens edle Beſchäftigung und volle Befriedigung gewähren wird. Es iſt nicht zu zweifeln, daß dieſes ſchöne Buch bei der ſtets zunehmenden Verehrung der Deutſchen für die Aſtronomie ſich raſch in allen Kreiſen Totale Sonnenfinsternis. : einbürgern wird, zumal vortreffliche Abbildungen, Holzſchnitte (Mluftrationeprobe aus ,Balentiner, Der geſtirnte Himmel“.) und farbige Tafeln dem Texte erklärend zu Hilfe kommen. Empfehlenswerthe Festgeschenke. Neuere Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stutt; O¢ On Handbuch Austibenden Witterungskunde. Geschichte und gegenwar tiger ban der Wetterprognose. Dy. W. J. ae Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte. Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der AUS Ue ME. Mit 12 Holzschn. gr. 8, geh. Preis M II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bände. I. Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9.— Il. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M. 18. — Die Verkehrswege im Dienste des Welthandels Eine historisch- geographische Untersuchung 5 Samt einer Einleitung für eine Wissenschaft der geographischen Entfernungen von Docent Dr. F. Gétz an der technischen Hochschule in München. Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer ted für Studirende der Natur wissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer 5 von Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8 geh. Preis M.7.— HANDBUCH Analytischen Chemie von Prof. Dr. Alexander Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I. Theil: Qualitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4. II. Theil: Quantitative Analyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Druck von Gebrüder Kroner in Stuttgart. 3 4 + Lehrbuch der GEO PHYSIK Physikalischen Geographie Prof. Dr. 5 Gunther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10.- 8 II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. — Handbuch ELEKTROTECHNIK Bearbeitet von 8 : Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 BANDE, I. BAND. ; Mit 524 in den Text gedruckten Holzschni ten. gr. 8. geh. Preis M. 19. — - Handwörterbuch der Zoolo Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Dalla Torre in Innsbruck bearbeitet von ; Dr. Friedrich Knauer in Wien. Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. Preis M. 20. Anleitung zur Darstellung a” Organischer Praparate. Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand geb. 1 4 4, - Lehrbuch der Chem Pharmaceuten. a Mit Desonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehülfe Von . Dr. Bernhard Fischer, Assistent am pharmakologischen Institute der Universitit Ber! Mit 94 Holaschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 13. — Eleg. gebunden Pr ies 7 F fyfffppfR . umb He es \9) ‘Honatsleuitt für die gelamten Malurwiſſenſchalten ses + Herausgegeben vor Dr. Otto Dammer. coe Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. 2. Heſt. a | Februar 1889. 8. Jahrgang. + Inhalt. & S eite Seite Profeſſor Dr. J. G. Wallentin: Demonſtration der tingen. — Das Mineralogiſche Muſeum in Berlin. Erſcheinungen der Magnetoinduktion in körperlichen — Mineralienſammlung des Erzherzogs Stephan. — Leitern. (Mit Abbildungen) 49 Käferſammlung des Dr. Thieme. — Preisauf⸗ Profeſſor Dr. Th. Noack: Zur Säugetierfauna der mant⸗ gaben: des Mailänder Inſtituts für Wiſſenſchaften zc., 5 ſchuriſchen Subregion. III. 2 des amerikaniſchen Journals für Meteorologie .. 74 Profeſſor Dr. Rathay: Die Geſchlechtsverhältniſſe der Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. i eee. it Dr. E. Hartwig: Aſtronomiſcher Kalender. — Vul⸗ 80 art Meißen Giniges see Gitte. | 2 8s kane und Erdbeben. — Das Erdbeben vom 23. Febr. Dr. M. Alsberg: Die Hüttendöden Oberitaliens . 60 1887. — Dr. van Bebber: Witterungsüberſicht für _ Centraleu ropa tet 8 Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Biographien und Perſonalnotizen Pike. orn Profeſſor Dr. H. Bücking: Mineralogie. — Profeſſor Litterariſche Rundſchau. ‘ um ee eas ce latte 9 Everett, Phyſikaliſche Einheiten und Konſtanten. — Kleine Mitteilungen. ’ d 3 Meſſer, Sternatlas für Himmelsbeobachtungen. — Ludwig: Zwei phyſikaliſche Irrtümer. (Mit Ab⸗ Martus, Aſtronomiſche Geographie. — Woll⸗ bildung.) — Spring: Metallglanz. — Sonnen- weber, Der Himmelsglobus. — H. u. E. Lambotte, parallaxe. — Freſenius: Mineralquelle bei Raps Synopsis de la faune des animaux vertébrés. — poltsweiler. — Müller: Ammoniakgehalt des Wolterstorff, Unſere Kriechtiere und Lurche. — Meteorwaſſers. — Credner: Der Seebär in der Bau, Handbuch für Inſektenſammler. II. — Mar⸗ Ofijee. — Zukal: Hymenoconidium petasatum. ſhall, Die Tieſſee und ihr Leben. — Cramer, — Schulz: Reſerveſtoffe in immergrünen Blättern. Aufgaben und Ziel der anthropologiſchen Forſchung. — — Prate: Der Scheintod der Bärtierchen. — Kirn: Schmidt, Anthropologiſche Methoden. — Quatre⸗ Bandwürmer. — Girtanner: Lämmergeier. — ſages, Tératologie et Tératogenie. — Jordan, Matthews: Der durch Gährung erzeugte Druck. — Goethe und noch immer kein Ende. — Starcke, Die Quinquaud: Einfluß der Kälte auf den tieriſchen primitive Familie in ihrer Entſtehung und Entwicke⸗ pe en ane att . ir it lung. — v. Hellwald, Die menſchliche Familie 81 oxyd im Tierkörper. — Mehlis: Diluviale Muſcheln . 5 . als Schmuck verwendet. (Mit Abbildung) . 69 eee Bericht vom Monat November und De— 92 Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, 1 i ; e eee ene aso es Dr. E. Zimmermann: Die 35. Jahresverſamm⸗ ende neff AOU ie een 11 i Farbſtoffe. II. — Die Oberflächenſpannung einer lung der deutſchen Geologiſchen Geſellſchaft. — Gin Flüſſigleitshaut. — Wolkenmeſſung. (Mit Abbildung) 86 neues Muſeum in Berlin. — Phyſtologiſches Inſtitut in Würzburg. — Chemiſches Laboratorium in Göt⸗ | Verkehr. Fragen und Anregungen 88 Briefe in rrdakkionellen Angelegenheiten und Manulkripfe find an den Herausgeber Dr. Pits Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. — —— aR SS — — — — Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben erschien: ee Mit 304 in den Text gedruckten Holzschnitten. 8. geheftet. * Preis 9 Mark. < . A. Treffurth, Jimenau i. Thür. liefert billigſt in durchaus folider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. 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Ein Leitfaden für die, Anlage und Pflege von Süß⸗ waſſeraquarien. Von Prof. Dr. W. Hek in Hannover. — Mit 105 Abbildungen. — 8. geh. Preis M. 6. — Eleg. geb. M. 7. die „Gartenlaube“ (1887, Nr. 5) ſagt in ihrem Sprechſaal: Es wundert uns übrigens, daß Sie ein Aqua⸗⸗ rium beſitzen und es unterlaſſen haben, ſich ein Buch | zu verſchaffen, welches Ihnen über alle einſchlägigen Fragen Auskunft erteilen würde. Wir raten Ihnen dringend, die geringfügige Ausgabe nicht zu ſcheuen. Die Winke und Belehrungen, welche Sie in einem ſolchen Buche finden, werden Sie vor vielfachem recht empfindlichen Schaden bewahren. Wir möchten Der gefleckte Salamander (Salamandra maculata Laur.). Sie namentlich auf das vor kurzem erſchienene Werk: (Abbildung aus „Heß, Das Süßwaſſeraguarium “.) „Das Süß waſſeraquarium und ſeine Bewohner“ von Dr. W. Heß (Stuttgart, Ferdinand Enke) aufmerkſam machen. Das Buch gibt treffliche Ratſchläge über die Einrichtung eines Aquariums, Auswahl und Pflege der Tiere und Pflanzen und iſt mit mehr als 100 Abbildungen geſchmückt. I) Nl 0 0 h vik im Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens. In gemeinverstindlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit uber 200 erläuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. —1. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. i+ Verlag van Ferdinand Euſte in Stuttgart. Der geſtirute Himmel. Eine gemeinverſtändliche Aſtronomie. Von Prof. Dr. Palentinen, Direktor der großherzoglichen Sternwarte in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Elegant geb. M. 7. — Eine leichtfaßliche, kurzgefaßte und dabei doch vollſtän⸗ dige Himmelskunde auf moderner Grundlage hat in der naturwiſſenſchaftlichen Litteratur bislang gemangelt; mit dieſem Werke aus der Feder eines berufenen Forſchers und gewandten Schriftſtellers wird dem unleugbaren Mangel in einer Weiſe abgeholfen, welche jedem Freunde dieſes groß⸗ artigen Gebietes unſeres Wiſſens edle Beſchäftigung und volle Befriedigung gewähren wird. Es iſt nicht zu zweifeln, daß dieſes ſchöne Buch bei der ſtets zunehmenden Verehrung der Deutſchen für die Aſtronomie ſich raſch in allen Kreiſen Totale Sonnenfinſternis. einbürgern wird, zumal vortreffliche Abbildungen, Holzſchnitte (Juuſtrationsprobe auz „Valentiner, Der geſtirnte Himmel“.) und farbige Tafeln dem Texte erklärend zu Hilfe kommen. Neuere Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgar Handbuch der Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und gegenWar Liger Zustand der Wetterprognose. Dr. W. J. ee Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen 88 Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 8. — II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bände. J. Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M. 18. — Die Verkehrswege Dienste des Welthandels Eine historisch- geographische Untersuchung 8 Samt einer Einleitung für eine Wissenschaft der geographischen Entfernungen von Docent Dr. W. Gétz an der technischen Hochschule in Miinchen. Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer Untersuchungen für Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer von Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 7. — HANDBUCH der Analytischen Chemie you Prof. Dr. Alexander Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I. Theil: Qualitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4. — II. Theil: Quantitative Anatyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Lehrbuch GEOPHYSIK J Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Sieg jin Gimnther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M.10.— II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. . ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 BANDE. I. BAND. Mit 524 in den Text gedruckten Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 19. — 2 i, 1 Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von a Prof. Dr. Dalla Torre in Innsbruck bearbeitet von Dr. Friedrich Knauer in Wien. Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Anleitung zur Darstellung Organischer Präparate. Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand geb. M. 4. —# 0 Lehrbuch der chemie ) Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehilfen-bxamel Von f . Dr. Bernhard Fischer, Mit 94 Holzschnitten. _ | Assistent am pharmakologischen Institute der Universitit Berlin. 4 gr. 8. geh. Preis M. 13. — Eleg. gebunden Preis M. 15. =a Mit Beilagen aus 9 0 löbl. Schwetſchke'ſchen Verlage in Halle a. 5. und der Obſt- und Hehoczbaumſchnten des edge, Zöſchen. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. — VT Monatsschrift fi 3. Heft. 1 Mart. | Preis des Hejtes | ree Cay Aal 1 17000 és a kür Die gelamk März 1889. 7 Vt g nN pr — 10 Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. 5 5 te en Nalurmillenſchakken 43 Herausgegeben von Oy. Okto Dammer. 5 Verlag von Ferdirand Duke ix Stuttgart. 8. Jahrgang. Dr. F. Henrich: Ueber die Wärmeverhältniſſe in den tieſſten Bohrlöchern der Erde Profeſſor Dr. R. Sachße: Die neueren Anfdjauungen über die Ernährung der Pflanzen mit Stickſtoff Proſeſſor Dr. M. Braun: Die Momentphotographie und ihre Bedeutung für die Tierkunde. (Mit Abbildungen) Dr. U. Dammer: Zur Entwiclelungsgeſchichte der Rhinanthaceen. (Mit Abbildung)) Profeſſor Dr. J. Gad: Die Sprache als Gegenſtand des Heilverfahrens, der Erziehung und des Unterrichtes Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Dr. Albrecht: Chemie. — Proſeſſor Dr. Bücking: Geologie und Petrographie „ AC Kleine Mitteilungen. Spring: Kompreſſion von feuchtem Pulver feſter Kürper. — Chabry: Farbige Sichtbarkeit der Diffuſion und ihrer Geſetze. — Goppelsröder: Anwendung der Kapillarität zum Reinigen von Flüſ⸗ ſigkeiten. — Prüfung und Beglaubigung der Stimm⸗ gabeln. —Shawu. Turner: Die anthropomcetriſche Pfeife. — Hagenbach u. Forel: Temperatur des Gletſchereiſes.— Göhring Darſtellung von Sauer⸗ ſtoff.— Roſenthal: Zur Theorie der Flamme. — Fuchs: Meteor mit Wirbelwind. — Fuchs: Wirbel⸗ wind. —Schweinfurth und Walther: Schichtbau der libyſchen Wüſte. — Steinmann: Zeit der Ent⸗ ſtehung des Oberrheinthales. — Nathorſt: Das Klima der Tertiärzeit. — Baur: Entſtehungs⸗ geſchichte der Extremitäten der Ichthyoſaurier. — Megatherium. — Schmelck: Bakterien im Gletſcher⸗ eiſe. — Barron: Flora Madagaskars. — Auſtra⸗ liſche Gräſer mit europäiſchen im Kampf. — Wett⸗ ſtein: Zucker abſcheidende Hüllſchuppen bei Kompo⸗ Wess 2S eS aa. Stutty. Seite 103 + Inhalt. + fiten. — Stahl: Pflanzen und Schnecken. — Süß⸗ waſſercölenteraten. — Voigt; Schnecke als Paraſit in Myriotrochus Rinkii. — Ludwig: Schlangen⸗ fterne. — Frieſe: Schmarotzerbienen. — Krandt: Larven der Wohlfahrtfliege im Zahnfleiſch des Men⸗ ſchen. — Noll: Würfelnatter. — Weismann und Iſhiktawa: Zahlengeſetz der Richtungskörperchen Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen 2c. Hygicineanfialt der Univerſität Berlin. — Phyſio⸗ logiſches Inſtitut in Marburg. — Phyſikaliſches Inſtitut in Tübingen. — Aquarium in Wien. — Alexander Raztswekajeff. — Forſchungen über Ko⸗ rallen. — Sternwarte in Tokio. Henſen: Planktonexpedition. — Neue zoologiſche Gärten. — Nationalmuſeum in San Jo Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Vulkane und Erdbeben. — Dr. van Bebber: Wit⸗ terungsüberſicht für Zentraleuropa. — Dr. E. Hart⸗ wig: Aſtronomiſcher Kalendeeeeeee nu Biographien und Perſonalnotizen Litterariſche Rundſchau. Lepſius: Geologie von Deutſchland und den an- grenzenden Gebieten. — Walther: Die Korallen⸗ riffe der Sinaihalbinſel. —-Loew: Pflanzenkunde. — Staudinger und Langhans: Exotiſche Tagfalter Bibliographie. Bericht vom Monat Januar Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Anleitung zur Darſtellung der künſtlichen organi⸗ ſchen Farbſtoffe III. — Eine neue Mitkroſkopier⸗ lampe. (Mit Abbildung.) — Anwendung des elek⸗ triſchen Lichtes bei ſubmarinen Forſchungen . Briefe in redahfionellen Angelegenheiten und Manufkripie find an den Herausgeber Berrn Dr. Pity Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. Seite 0 128 Soeben erschien: E all 0 N Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Hine experimentelle Studie auf dem Gebiete des | | |\Fiypnotismus | | von Prof. Dr. R. v. Krafft-Ebing im Graz. Zweite vermehrte und verbesserte Aujlage. gr. 8. geb. Preis 2 Mark. J. B. Metzlerscher Verlag, Stuttgart. Soeben erschien: Ueber die geographisch wichtigsten Kartenprojectionen insbesondere die zenitalen Entwürfe nebst Tafeln zur Verwandlung von Geograph. Koordinaten in Azimutale yon E. Hammer, Professor am K. Polytechn. Stuttgart. Mit 8 Fig. im Text, 23 Seiten Zahlentafeln und 4 lithogr. Beilagen. — (Preis 5 M.) Kurz zuvor erschien in Autorisierter deutscher Bearbeitung nebst einigen Zusätzen desselben Verfassers: Die Netzentwürfe geogr. Karten 5 nebst Aufgaben über Abbildung beliebiger Flächen aufeinander von A. Tissot. Mit 30 Holzschnitten und 55 Seiten Zahlentafeln. (Preis 5 M.) SAA Soeben erschien: Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Die | Analyse des Wassers. Nach eigenen Erfahrungen bearbeitet von Dr. G. A. Ziegeler. Mit 32 Holzschnitten. 8. geh. M. 3. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Hinleitung in das 3 Studium der Geologie j von Professor Dr. David Brauns 4 in Halle a. S. Mit 12 Holzschnitten. 8. geh. M. 5.— Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart- Lehrbuch der Krystallberechnung. : Mit zahlreichen Beispielen, die mit Hilfe der sphärischen Trigonometrie auf Grand einer stereographischen Projection berechnet wurden. Von 1 Ferdinand Henrich, Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. M. 8. — 5E e Verlag von FERDINAND EN E® in Stuttgart- Das Süßwaſſeraguarium und ſeine Bewohner. Ein Leitfaden für die SSS Anlage und Pflege von Süß⸗ waſſeraquarien. 5 Von Prof. Dr. W. Hef in Hannover. — Mit 105 Abbildungen. — 8. geh. Preis M. 6. — Eleg. geb. M. 7.— FS die „Gartenlaube“ (1887, Nr. 5) ſagt in ihrem Sprechſaal: — Es wundert uns übrigens, daß Sie ein Aqua- 8 rium beſitzen und es unterlaſſen haben, ſich ein Buch. zu verſchaffen, welches Ihnen über alle einſchlägigen “ Fragen Auskunft erteilen würde. Wir raten Ihnen dringend, die geringfügige Ausgabe nicht zu ſcheuen. Die Winke und Belehrungen, welche Sie in einem ſolchen Buche finden, werden Sie vor vielfachem ona hk 5 recht empfindlichen Schaden bewahren. Wir möchten Der gefleckte Salamander (Salamandra maculata Laur.). Sie namentlich auf das vor kurzem erſchienene Werk: (Abbildung aus „Heß, Das Süßwaſſeraquarium“.) „Das Süßwaſſeraguarium und ſeine Bewohner“ von Dr. W. Heß (Stuttgart, Ferdinand Enke) aufmerkſam machen. Das Buch gibt treffliche Ratſchläge über die Einrichtung eines Aquariums, Auswahl und Pflege der Tiere und Pflanzen und iſt mit mehr als 100 Abbildungen geſchmückt. : ih im Dienste der Wissenschaft, der I) l ( i I N Ik Kunst und des praktischen Lebens. In gemeinverstindlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit uber 200 erlduternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. ve Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Der geſtirnte Himmel. Eine gemeinverſtändliche Aſtronomie. Von Prof. Dr. Palentinen, Direktor der großherzoglichen Sternwarte in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Elegant geb. M. 7. — Eine leichtfaßliche, kurzgefaßte und dabei doch vollſtän⸗ dige Himmelskunde auf moderner Grundlage hat in der naturwiſſenſchaftlichen Litteratur bislang gemangelt; mit dieſem Werke aus der Feder eines berufenen Forſchers und gewandten Schriftſtellers wird dem unleugbaren Mangel in einer Weiſe abgeholfen, welche jedem Freunde dieſes groß⸗ artigen Gebietes unſeres Wiſſens edle Beſchäftigung und volle Befriedigung gewähren wird. Es iſt nicht zu zweifeln, daß dieſes ſchöne Buch bei der ſtets zunehmenden Verehrung der Deutſchen für die Aſtronomie ſich raſch in allen Kreiſen Totale Sonnenfinſternis. einbürgern wird, zumal vortreffliche Abbildungen, Holzſchnitte (Juuſtrationsprobe aus „Valentiner, Der geſtirnte Himmel”. und farbige Tafeln dem Texte erklärend zu Hilfe kommen. Neuere Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart, Handbuch Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und gegenwartiger Zustand der Wetterprognose. Dr. W. J. van Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte. Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 8.— II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bande. I. Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M.18. — Die Verkehrswege im ES Dienste des Welt handels- Eine historisch- geographische Untersuchung a samt einer Einleitung für eine 5 Wissenschaft der geographischen Entfernungen von Docent Dr. W. Gotz an der technischen Hochschule in Munchen. 2 Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer Untersuchungen fiir Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer Von Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8, geh. Preis M.7.— HANDBUCH der Analytischen Chemie Prof. Dr. Alexander Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I. Theil: Quatitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4. — II. Theil: Quantitative Analyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Lehrbuch GEO Pp H YSIK Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Se Gimther. ZWEL BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. — II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. Handbuch ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 BANDE. I. BAND. Mit 524 in den Text gedruckten Holzschnitten, gr. 8. geh. Preis M. 19. — Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Dalla Torre in Innsbruck bearbeitet von Dr. Friedrich Knauer in Wien. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Mit 9 Tafeln. Anleitung zur Darstellung 4 Organischer Präparate. Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand geb. M. 4. — Lehrbuch der Chemie Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Forbereitung zum Gehtilfen-Examel, 1 Von 0 Dr. Bernhard Fischen, Assistent am pharmakologischen Institute der Universitit Berlin. Mit 94 Holzschnitten. t gr. S. geh. Preis M.18.— Eleg. gebunden Preis M. 15. E II mbold i ff öonatsſchrit für die geſamken Naturwilſenſchalten Herausgegeben vor Dr. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. 4. geſt. April 1889. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. + Inhalt. + Profeſſor Dr. Müttrich: Ueber phänologiſche Beobach⸗ tungen, ihre Verwertung und die Art ihrer An⸗ CCC Och cet «eee oe we Dr. G. Died: Die Acclimatiſation der Douglas fichte Dr. Meiſſen: Zur Aetiologie der Infektionskrankheiten Profeſſor Dr. Alfred Nehring: Ueber die Abſtam⸗ mung des Meerſchweinchens . . Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Dr. Emil Rudolph: Geophyſik. — Profeſſor Dr. e eee so 2 oe ke Kleine Mitteilungen. Anwendung der Geißlerſchen Röhren zum Sehen ſonſt unſichtbarer Naturerſcheinungen. — Kobalt und Nickel. — Der Schweif des Kometen 1887 a. — Photographie von Nebeln. — Die Bahn des perio⸗ diſchen Kometen von Winnecke. — Ueber künſtliche Erzeugung von gefüllten Blüten u. anderen Bildungs⸗ abweichungen. — Reiche: Die Zahl der gegenwärtig bekannten Phanerogamen. — Ludwig: Ein karni⸗ vorer Pilz. — Ludwig: Vorſicht bei der Behand⸗ lung der Giftpflanzen im naturgeſchichtlichen Unter⸗ richt. — Simroth: Ueber das Gleiten der Schnecken an der Oberfläche des Waſſers. — Meißen: Be⸗ rittene Ameiſen. — Ueber die Kriechtiere Trans⸗ kaſpiens. — Widerſtandsfähigkeit gegen Krankheiten bei blonden und brünetten Perſonen. — Ueber die Verbreitung der Tuberkelbacillen außerhalb des eee e eal = sige Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen 2c. Zoologiſche Station für das Studium der Süß⸗ waſſerfauna. — Zoologiſche Station an der Nord⸗ Briefe in redaklionellen Angelegenheiken und Manuskripte find an den Herausgeber Seite 129 132 138 143 ſeeküſte. — Eine botaniſche Station. — Breſſa⸗Preis. — Ungariſche ethnographiſche Geſellſchaft. — Inter⸗ nationaler phyſiologiſcher Kongreß. — Nordpolfahrt. — Zoologiſche Erforſchung des Littoralgebietes.. — Chineſiſche wiſſenſchaftliche Expedition. — H. Fruhs⸗ torfer. — Pflanzen aus Kleinaſien. — Neues Werk über Pflanzenkrankheiten. — Zoologiſche Sammlung. — Sammlung von Photographien. — Zoologiſches Muſeum. — Internationale Ausſtellung f. Pflanzen⸗ geographie. — Anatomiſche und pathologiſche Samm⸗ lung. — „Colorado Biological Association.“ — Verkauf von Herbarien. — Vermächtnis 2 Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Dr. E. Hartwig: Aſtronomiſcher Kalender. — Vulkane und Erdbeben. — Dr. van Bebder: Witterungsüberſicht für Centraleuropa 8 Biographien und Perſonalnotizen . Litterariſche Rundſchau. Maier und Preece: Das Telephon und dejjen praktiſche Verwendung. — v. Fritſch: Allgemeine Geologie. — Schäfer: Hiſtologie für Studierende. — Steinmann: Elemente der Paläontologie. — Stilling: Schädelbau und Kurzſichtigkeit. — Mehlis: Studien zur älteſten Geſchichte der Rhein⸗ lande „5 Bibliographie. Bericht vom Monat Februar . Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Darſtellung der künſtlichen organiſchen Tarbſoffe LV: — Zur Kultur kleiner Organismen auf Objetttragern. (Mit Abbildung) . Aa Berrn Dr. Hity Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. 8. Jahrgang. rf. v. Humboldts gesammelte Merke (Kosmos. Reise nach den Aequinoktialgegenden. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschienen: Die Suggestions-Therapie und ihre Technik Von Dr. Eduard Baierlacher, prakt. Arzt in Nürnberg. 8. geh. M. 1. 20. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Lehrbuch der Krystallberechnung. Mit zahlreichen Beispielen, die mit Hilfe der sphärischen Trigonometrie auf Grund einer stereographischen Projection berechnet wurden. Von Ferdinand Henrich, Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. M. 8. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Einleitung in das Studium der Geologie von Professor Dr. David Brauns in Halle a. S. Mit 12 Holzschnitten. 8. geh. M. 5.— Neu-Spanien. in neuer vorzüglicher Ausgabe. Qa Probeheft durch allen soliden Buchhandlungen des In- und Auslandes. @aj SSE 52 Se Se eS eS SS 852 Se Se Se SES ESE SES ese See e eee eee Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Die Analyse des Wassers. Nach eigenen Erfahrungen bearbeitet von Dr. G. A. Ziegeler. Ansichten der Natur. 30 Lieferungen à 50 Pf. Cuba. Lebensbeschreibung.) In unserem Verlage erschien soeben: BORNEO. Entdeckungsreisen und Untersuchungen. Gegenwärtiger Stand der geologischen Kenntnisse. Verbreitung der nutzbaren Mineralien. Von Dr. Theodor Posewitz, Mitglied des K. ung. geologischen Institutes in Budapest, Ein Band in gr. 8 mit 4 farbigen Karten in Grossfolio und 29 Profilen und Abbildungen im Text. Preis 15 Mark. In dem Werke hat der Verfasser die wissenschaft- lichen Ergebnisse eines dreijährigen Aufenthaltes auf Bor- neo niedergelegt. In seinen Forschungen und Studien durch die niederländischen Behörden gefördert und unter- stützt, und unter Benutzung der schwer zugänglich ge- wesenen gesammten niederländischen Literatur bietet 5 Posewitz zum ersten Male eine topographisch- geologische Beschreibung der ganzen Insel Borneo, wie sie bisher keine Literatur in dieser Gesammtheit aufzuweisen hatte. R. Friedlinder & Sohn, Berlin NW., Carlstrasse II. B OTA NI | K ER und alle Freunde der Botanik Alphabet. Verzeichnis aller wicklige ren{iber 5000)PFlnzen’nebst Beschreibung und le- menserklarung (oriechfat.deutsch). Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hübsch gebd 5 . Verlag Von TO. WEIGELZIn LEIPZIG. n Verlag von FERDINAND EN EE in Stuttgart. Das Süßwaſſeraguarium ind ſeine Bewohner. Ein Leitfaden für die, oy ( foxy Anlage und Pflege von Siif- 8 waſſeraquarien. Vo n Prof. Dr. W. Hek in Hannover. — Mit 105 Abbildungen. — 8. geh. Preis M. 6. — Eleg. geb. M. 7.— die „Gartenlaube“ (1887, Nr. 5) ſagt in ihrem Sprechſaal: = Es wundert uns übrigens, daß Sie ein Aqua⸗ rium beſitzen und es unterlaſſen haben, ſich ein Bud. zu verſchaffen, welches Ihnen über alle einſchlägigen “ Fragen Auskunft erteilen würde. Wir raten Ihnen dringend, die geringfügige Ausgabe nicht zu ſcheuen. Die Winke und Belehrungen, welche Sie in einem 2 2 olchen Buche finden, werden Sie vor vielfachem i 9 Se: en gapſnpien Schaden bewahren. Wir cen Der gefleckte Salamander (Salamandra maculata Laur.). Sie namentlich auf das vor kurzem erſchienene Werk: (Abbildung aus „Heß, Das Süßwaſſeraguarium“.) „Das Süßwaſſeraguarium und ſeine Bewohner“ von Dr. W. Heß (Stuttgart, Ferdinand Enke) aufmerkſam machen. Das Buch gibt treffliche Ratſchläge über die Einrichtung eines Aquariums, Auswahl und Pflege der Tiere und Pflanzen und iſt mit mehr als 100 Abbildungen geſchmückt. : +1, im Dienste der Wissenschaft, der bie hysik Kunst und des praktischen Lebens. In gemeinverstiindlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit uber 200 erliuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. +; Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. i+ Verlag ton Ferdinand Enke in Stuttgart. Der geſtirute Himmel. Eine gemeinverſtändliche Aſtronomie. Von Prof. Dr. Dalentiner, Direktor der großherzoglichen Sternwarte in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruc. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Elegant geb. M. 7. — Eine leichtfaßliche, kurzgefaßte und dabei doch vollſtän⸗ dige Himmelskunde auf moderner Grundlage hat in der naturwiſſenſchaftlichen Litteratur bislang gemangelt; mit dieſem Werke aus der Feder eines berufenen Forſchers und gewandten Schriftſtellers wird dem unleugbaren Mangel in einer Weiſe abgeholfen, welche jedem Freunde dieſes groß⸗ artigen Gebietes unſeres Wiſſens edle Beſchäftigung und volle Befriedigung gewähren wird. Es iſt nicht zu zweifeln, daß dieſes ſchöne Buch bei der ſtets zunehmenden Verehrung : der Deutſchen für die Aſtronomie ſich raſch in allen Kreiſen Totale Sonnenfinſternis. einbürgern wird, zumal vortreffliche Abbildungen, Holzſchnitte (Illuſtrationsprobe aus „Valentiner, Der geſtirnte Himmel“. und farbige Tafeln dem Texte erklärend zu Hilfe kommen. Neuere Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart. Handbuch der Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und gegenWarter Zustand der Wetterprognose. Dr. W. J. 9 5 Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seew 1 Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 8. — II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bande. I. Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — — Band: Von Descartes bis Robert Mayer. : gr. 8. geh. Preis M. 18. Die Verkehrswege im Dienste des Welthandels Eine historisch- geographische Untersuchung samt einer Einleitung für eine Wissenschaft der geographischen Entfernungen Docent Dr. W. Gétz an der technischen Hochschule in Miinchen. Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Das Zootomische Practicum. Hine Anleitung zur ausführung zoologischer Untersuchungen für Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer von Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 7. — HANDBUOH der Analytischen Chemie Von Prof. Dr. Alexander Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I. Theil: Qualitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4. — I. Theil: Quantitative Analyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Lehrbuch der GEOPHYSIK Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Siegmund Gunther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. — II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. — Handbuch der ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet yon Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 BANDE, I. BAND. Mit 524 in den Text gedruckten Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 19. — Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Dalla Torre in Innsbruck bearbeitet von Dr. Friedrich Knauer in Wien. Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Anleitung zur Darstellung Organischer Präparate Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand geb. M. 4. — Lehrbuch der Chemie Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehilfen-Examen. Von Dr. Bernhard Fischer, Assistent am pharmakologischen Institute der Universitit Berlin, Mit 94 Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M.18.— Eleg. gebunden Preis M. 15. — l / . . . A e ee le al woe ( : ruin bold Tum (onafslchvitt für die gelamfen Maturwilſenſchalken 4 Herausgegeben von Or. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. 5. ett. dan bb ! Wai 1889. Beſtellungen durch und Poſtanſtalten. — Snhalt. — Profeſſor Dr. Eduard Richter: Die Beſtimmung der Schneegrenze . „ e VS eee Profeſſor Dr. Müttrich: Ueber phänologiſche Beobach⸗ tungen, ihre Verwertung und die Art ihrer An⸗ Te dL eet Bo kes 5 eo on Dr. E. Loew: Die Veränderlichkeit der Beſtäubungs⸗ einrichtung bei Pflanzen derſelben Art. I.. Profeſſor Dr. M. Braun: Der Paraſitismus unferer Süßwaſſermuſcheln. (Mit Abbildungen). Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Dr. V. Wietlisbach: Elcktrotechnik. (Mit Ab⸗ bildungen.) — Dr. Kurt Lampert: Zoologie . Kleine Mitteilungen. Neptunsmond. — Ludwig: Ueber einen Moſchus⸗ pilz. — Ludwig: Vorkommen des Hausſchwammes im Walde. — Klebahn: Ueber die Blaſenroſte der Kiefern. — Verbreitung des Sproſſers. — Die Vererbung der Haarfarbe bei Pferden. — Die Schwankungen der Geburtenzahl nach den verſchie⸗ denen Tageszeiten. — Die Vorſtellung von einer Saugwirkung des Säugetierherzens. — Ein neues Verfahren zur Beobachtung der Wellenbewegung des Briefe in redakkionellen Angelegenheilen und Manuſkripfe find an den Brransgeber Seite Blutes. — Ueber die Waſſerausſcheidung des menſch⸗ lichen Körpers durch Haut und Nieren bei thermiſch indifferenten Bädern. — Der Tertiärmenſch von Thenay und die Bewohner der Andamanen-Inſeln. — Rinfelin: Foſſile Muſcheln und Zähne als Schmuck. — Künſtliche Höhlen. — Rieſenbaum Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen zc. Die Kaiſerl. Japaniſche Univerſität in Tokio. — Der Internationale Geographiſche Kongreß. — Eine Sektion der Societa Botanica Italiana. — Eine Biologiſche Station. — Das Zootomiſche Inſtitut. — Zoologiſche Stationen für das Studium der Süß⸗ waſſerfauna. — Preisaufgaben . Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Dr. E. Hartwig: Aſtronomiſcher Kalender. — Vulkane und Erdbeben. — Dr. van Bebber: Witterungsüberſicht für Centraleuropa Biographien und Perſonalnotizen Bibliographie. Bericht vom Monat Marj - Verkehr. ede ae Berrn Dr. Dito Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. alle Buchhandlungen 8. Jahrgang. 2. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung in Stuttgart. rk. v. Humboldts gesammelte Werke (Kosmos. Reise nach den Aequinoktialgegenden. Neu-Spanien. in neuer vorzüglicher Ausgabe. QE Probehest durch alle soliden Buchhandlungen des In- und Auslandes. Ansichten der Natur. Cuba. Lebensbeschreibung.) 30 Lieferungen 4 50 Pf. 4 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschienen: Ueber Areca Catechu, Chavica Betle und das Betelkauen von Docent Dr. L. Lewin in Berlin. Mit 2 lithograph. Tafeln. gr. 8. geh. M. 6.— Neuer Verlag von Breitkopf & Hartel in Leipzig. Das Natiirliche System der Elemente. Nach den zuverlässigsten Atomgewichtswerthen zusammengestellt von Lothar Meyer und Karl Seubert. Steindrucktafel in Umschlag. Preis NMT. 1. SO. Diese Tafel, eine Ergänzung der in gleichem Ver- lage früher erschienenen Tafel der Atomgewichte der Elemente in alphabetischer Anordnung ist, auf einen drehbaren Cylinder aufgezogen, besonders geeignet, die Herleitung des natiirlichen Systems zu veranschaulichen. Flach aufgezogen kann sie im Hörsaale durch ihre Uebersichtlichkeit bei den Vorträgen über anorganische Chemie als systematischer Leitfaden dienen. 2 BeBe Re Se Se Se Se Se Se Se Se Se Me Me Me Me of sss Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) [Soeben erschien: Müller-Pouillet's Leu buehg der Physik und Meteorologie. Bearbeitet von Dr. Leop. Pfaundler, Professor der Physik an der Universitat Innsbruck. III. Band. Elektr. Erscheinungen. Neunte Auflage. Mit Holzstichen. gr. 8. geh. 2. Abtheilung. Preis 6 Mk. 50 Pf. [RRRRRRRRRRRERER ES BOTANISIR -Buchsen, -Mappen, -Stécke, -Spaten, ‘e+ Loupen, Pflanzenpressen 4. jeder Art, Gitterpressen M. 3.—, zum Umhängen M. 4.50, Spateltaschen etc. — IIlustr. Preisverzeichniss frei. Friedr. Ganzenmiiller in Nürnberg. Verlag von 23. F. Voigt in Weimar. Die Praxis der atur geschichte. Ein vollständiges Lehrbuch über das Sammeln lebender und toter Jaturkörper; deren Beobachtung, Erhaltung und Pflege im freien und gefangenen Zustand; Konservation, Praparation und Aufstellung in Sammlungen ete. Nach den neuesten Erfahrungen bearbeitet von Phil. Leop. Martin. In drei Teilen. Erster Teil: e e Taxidermie oder die Lehre yom Beobachten, Konservieren, Praparieren ete. Zweite vermehrte Auflage. Mit Atlas von 10 Tafeln. gr. 8. Geh. 6 Mark. Zweiter Teil: Dermoplastik und Museologie oder das Modellieren der Tiere und das Aufstellen und Er- halten von Naturaliensammlungen. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Nebst einem Atlas von 10 Tafeln. gr. 8. Geh. 7 Mark 50 Pfge. Dritter Teil: Naturstudien. Die botanischen, zoologischen und Akklimatisationsgirten, Menagerien, Aquarien und Terrari ien in ihrer gegenwartigen Entwickelung. — Allgemeiner Naturschutz; Einbürgerung kremder Tiere und Gesundheitspflege gefangener Säugetiere und Vögel. 2 Bände, mit Atlas von 12 Tafeln. gr. 8. Geh. 12 Mark 50 Pfge. Preis des kompletten Werkes 26 Mark. — VPorrätig in allen Buchhandlungen. —— BOTA Ni IKER und alle Freunde der Botanik Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- ren(iiber 5000) Pflanzen’ nebst Beschreibung und le menserklarung (ariech, lat.deutsch)_ Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hübsch gebd.5 M. Verlag don T. O. WEIGEL ‘in. LEIPZIG. Zu beziehen durch Vietor Dietz in Altenburg: EPLERI OPERA OMNI ar) asks e Sa : 8 Bände. 185S—7r in 8 braune Calicobände gebunden (124 M.), ermässigter Preis 32 M. Verlag von FERDINAND EN Ein Stuttgart. Das Süßwa * und ſeine Bewohner. Ein alae für die waſſeraquarien. Von Prof. Dr. W. Hek in Hannover. — Mit 105 Abbildungen. — 8. geh. Preis M. 6. — Eleg. geb. M. 7. die „Gartenlaube“ (1887, Nr. 5) ſagt in ihrem Sprechſaal: = Es wundert uns übrigens, daß Sie ein Aqua⸗ rium beſitzen und es unterlaſſen haben, ſich ein Buch ju verſchaffen, welches Ihnen über alle einſchlägigen Fragen Auskunft erteilen würde. Wir raten Ihnen dringend, die geringfügige Ausgabe nicht zu ſcheuen. Die Winke und Belehrungen, welche Sie in einem ſolchen Buche finden, werden Sie vor vielfachem recht empfindlichen Schaden bewahren. Wir möchten Der gefleckte Salamander (Salamandra maculata Laur.). Sie namentlich auf das vor kurzem erſchienene Werk: (Abbildung aus „Heß, Das Süßwaſſeraguarium“.) „Das Süßwaſſeraguarium und ſeine Bewohner“ von Dr. W. Heß (Stuttgart, Ferdinand Enke) aufmerkſam machen. Das Buch gibt treffliche Ratſchläge über die Einrichtung eines Aquariums, Auswahl und Pflege der Tiere und Pflanzen und ijt mit mehr als 100 Abbildungen geſchmückt. J 0 Ph vik im Dienste der Wissenschaft, der J Kunst und des praktischen Lebens. In gemein verständlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit uber 200 erliiuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. —1 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. i+ Verlag tou Ferdinand Enke in Stuttgart. Der geſtirnte Himmel. Sine gemeinverſtändliche Aſtronomie. Von prof. Dr. Dalentinen, Direktor der großherzoglichen Sternwarte in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruc. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Elegant geb. M. 7. — Eine leichtfaßliche, kurzgefaßte und dabei doch vollſtän⸗ dige Himmelskunde auf moderner Grundlage hat in der naturwiſſenſchaftlichen Litteratur bislang gemangelt; mit dieſem Werke aus der Feder eines berufenen Forſchers und gewandten Schriftſtellers wird dem unleugbaren Mangel in einer Weiſe abgeholfen, welche jedem Freunde dieſes groß— artigen Gebietes unſeres Wiſſens edle Beſchäftigung und volle Befriedigung gewähren wird. Es iſt nicht au zweifeln, daß dieſes ſchöne Buch bei der ſtets zunehmenden Verehrung der Deutſchen für die Aſtronomie ſich raſch in allen Kreiſen Totale Sonnenfinſternis. einbürgern wird, zumal vortreffliche Abbildungen, Holzſchnitte (Ia uſtrationsprobe aus „Valentiner, Der geſtirnte Himmel“. und farbige Tafeln dem Texte erklärend zu Hilfe kommen. Neuere ee aus 5 — 1 von — Enke! in Stutz Han d buch Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und pegewartiger Zustand der Wetterprognose. Dr. P. J. van Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte. Zwei Theile. J. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 8.— II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik : Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bände. J. Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M. 18. — Die Verkehrswege Dienste des Welthandels Eine historisch-geographische Untersuehung Samt einer Einleitung für eine Wissenschaft der geographischen Entfernungen Docent Dir. W. Gétz an der technischen Hochschule in München. Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur 5 Ausführung zoologischer Untersuchungen; für Studirende der Natur wissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer von Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8. geh. Preis M.7.— HANDBUCH der Analytischen Chemie von Prof. Dr. Alexander Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I, Theil: Qualitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4. — If, Theil: Quantitative Analyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Lehrbuch GEOPHYSIK Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Siem Gimther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. II. Baud. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. Handbuch ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 BANDE. I. BAND. Mit 524 in den Text gedruckten Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M.19.— n 1 Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Dalla Torre in Innsbruck rc Paw = bearbeitet von Dr. Friedrich Knauer in Wien. - =" Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. Preis M. 20. — g ; Anleitung zur Darstellung : Organischer Präparate. Von Ms Docent Dr. S. Levy ; in Genf. * Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand geb. M. 4. — 4 Lehrbuch der Chemie 1 Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehülfen-Bxamen, Von 1 Dr. Bernhard Fischer, Assistent am pharmakologischen Institute der Universitit Berlin. Mit 94 Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M.18.— FEleg. gebunden Preis M. 15. — Mit Beilagen von Wilhelm Engelmann. Verlagshandlung in Leipzig, u 5 Justus Perthes, . in Gotha. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. ie ** = 7 5 N N RAT Ny hy’ Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. 6. het. Juni 1889. 8. Jahrgang. 1 Mark. Preis des Heftes | t Inhalt. + Seite Seite Profeſſor Dr. Brückner: Entwickelungsgeſchichte des Berlin. — Krimſcher Gebirgsklub. — Zoologiſcher Kaſpiſchen Meeres und ſeiner Bewohner. (Mit Ab⸗ Garten in Waſhington. — Neues aſtronomiſches ef)! 29 Obſervatorium in Kalifornien. — Astronomical Profeſſor Dr. Loew: Die Veränderlichkeit der Beſtäu⸗ Society of the Pacific. — Botaniſches Muſeum bungseinrichtung bei Pflanzen derſelben Art. II. 214 in Brisbane. — Botaniſcher, Zoologiſcher, Hygie⸗ Dr. Mönnich: Fernmeßinduktor. (Mit Abbildung) . 218 niſcher Kongreß in Paris. — Internationale bo⸗ Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. taniſche Ausſtellung in Antwerpen. — Amerikaniſche Profeſſor Dr. Peters: Aſtronomie. — Dr. van und franzöſiſche Naturforſcherverſammlung. — Las Bebber: Meteorologie. — Kapitänlieutenant boratorium der pathologiſchen Phyſiologie in Paris. Rottok: Oceanograp hie. 220 — Reiſen zu naturwiſſenſchaftlichen Zwecken. — Kleine Mitteilungen. Herbarien. — Preisaufgaben des Reale Instituto Krafft: Lichterſcheinungen durch mechaniſche Ein⸗ Lombardo 3 232 wirkungen. — Bellamy: Entwickelung von Chlor Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. bei Darſtellung von Sauerſtoff aus Kaliumchlorat. — Dr. E. Hartwig: Aſtronomiſcher Kalender. — Roſenfeld: Chlorknallgas. — Reinigung von Vulkane und Erdbeben. — Credner: Das vogt⸗ Queckſilber. — Montigny: Das Funkeln und ländiſche Erdbeben. — Dr. van Bebber: Wit⸗ Farbenwechſeln der Fixſterne als Wetterprognoſe. — terungsüberſicht für Centraleu ropa. 241 5 5 +e seat 5 Biographien und Perſonalnoti zen 244 influß des Kampferwaſſers auf die Keimkraft der 4 8 Samen. — Gréhant: Der Druck, welchen quel⸗ Litterariſche Rundſchau. 17 8 1 Remſen: Grundzüge der theoretiſchen Chemie. — lende Samen ausüben. — Eberhardt: Japan⸗ pe Saag 80 2 5 is Schwalb: Konjervierung der Pilze. — Schaeff: 275„5„5 — Leitfaden der Zoologie. — Flothow: Die ſchäd⸗ — De Moura: Anpaſſung an das Leben in RS 5 6 i 20 be ay der Motten. — Lachmann: Das i Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, . a Verſammlungen 2c. Bibliographie. Bericht vom Monat April. . . 246 Der achte deutſche Geographentag. — Verſamm⸗ Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. lung der Deutſchen meteorologiſchen Geſellſchaft. — Mauritius: Der Foucaultſche Pendelverſuch. — | Sammlungen aus deutſchen Schutzgebieten. — Baye⸗ Harz: Zweckmäßige Konſervierungsmethode ge⸗ riſche Volkskunde. — Verein zur Förderung der trodneter Pflanzen. — Harz: Fixieren der Sporen Luftſchiffahrt. — Akademie der Wiſſenſchaften in an Hymenomyceten auf Papier. 247 Briefe in redakkionellen Angelegenheiten und Manuſkriple find an den Berausgeber Berrn Dr. Dito Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. n N N Nees = Le aste. In der E. Schweizerbart'schen Verlagshandlung in Stuttgart erschien soeben: Charles Darwin's Leben und Briefe mit einem seine Autobiographie enthaltenden Capitel. Herausgegeben von seinem Sohne Franeis Darwin. Aus dem Englischen von J. Victor Carus. Mit Portraits, Schriftprobe und mehreren Holzschnitten Das Werk erscheint in 12 monatlichen Lieferungen a M. 2. — Pflanzengitter pressen u Rich Heunig, Erlangen. Anerkannt und prämiiert als nur praktisch und dauerhaft. Illustrierte Besehreibung gratis und frank o. F 2 Allen Mikroſkopikern beſtens empfohlen: Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. @ Die einfachſten Tebensformen des Thier⸗ und Soeben erschienen: Pflanzenreiches. Naturgeſchichte der mikroſkop. Ueber Süßwaſſerbewohner von B. Eyferth. f i — 2. vermehrte u. umgrarh. Auflage. f Areca Catechu, Chavica Betle e Soline: gene Ie ie + Verlag von Benno Goeritz, Braunſchweig. 3 und das Betelkauen CLASER Se. TASCHEN: T von Docent Dr. L. Lewin in Berlin. Mit 2 lithograph. Tafeln. gr. 8. geh. M. 6. — fu BOTANIKERN und alle Freunde der Botanik A ¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶¶ Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- ~ ren(iber 5000) Pflanzen’ nebst Beschreibung und Na- i Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. menserklarung (griech, lat.deutsch)_ Literatur. N Einleitung Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hibsth gebd.5 M. . Ba Fs Verlag von T. O. WEIGEL in. LEIPZIG. 3 Studium der Geologie ; “a Das Telephon 4 Professor Dr. David Brauns und 0 te eee a dessen praktische Verwendung 3 Mit 12 Holzschnitten. 8. geh. M. 5. — 5 ic yon a : Dr. Julius Maier und W. H. Preece, F. R. 8. Werlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. in London. Chef des englischen Telegraphenwesens. Mit 304 Holzschnitten. 8. geh. M. 9. — ij Soeben erschien: = Sociale Politik im Deutschen Reich. Ihre bisherige Entwickelung und ihre Fortführung unter Kaiser Wilhelm II. Verlag von Ferdinand Enke in Stute Die Erscheinungen ia des 7 2 Erdmagnetis mus Von. Dr. jur. et cam. Karl Wasserrab. in ihrer Abhängigkeit vom Bau der Erdrinde 8. geh. M. 3. — von Die Schrift gibt in knapper, aber äusserst frisch und elegant 1 chene Darstellung einen Ueberblick über den bisherigen ang der socialen Gesetzgebung im Deutschen Reich seit der Bot- schaft Kaiser Wilhelm I., mit yielfachen Ausblicken auf die Zukunft. Dr. Edm. Nawmann, ehemal. Direktor der Topograph.-Geolog. Aufnahme yon Japan. Mit 3 Figuren im Text und einer Karte. gr.8. geb. M. 3. 600. 7 Verlag von FERDINAND EN EE in Stuttgart. Das Süßwa kraguarium und ſeine Bewohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Siif- waſſeraquarien. Von Prof. Dr. W. Beß in Hannover. — Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Eleg. geb. N I = Die „Gartenlaube“ (1887, Nr. 5) ſagt in ihrem Sprechſaal: Es wundert uns übrigens, daß Sie ein Aqua- rium beſitzen und es unterlaſſen haben, ſich ein Buch — zu verſchaffen, welches Ihnen über alle einſchlägigen Fragen Auskunft erteilen würde. Wir raten Ihnen Dringend, die geringfügige Ausgabe nicht zu ſcheuen. Die Winke und Belehrungen, welche Sie in einem ſolchen Buche finden, werden Sie vor vielfachem recht empfindlichen Schaden bewahren. Wir möchten Der gefleckte Salamander (Salamandra maculata Laur.) Sie namentlich auf das vor kurzem erſchienene Werk: (Abbildung aus „Heß, Das Süßwaſſeraquarium“.) „Das Süßwaſſeraquarium und seine Bewohner“ von Dr. W. Heß Stuttgart, Ferdinand Enke) aufmerkſam machen. Das Buch gibt trefflich e Ratſchläge über die Einrichtung eines Aquariums, Auswahl und Pflege der Tiere und Pflanzen und iſt mit mehr als 100 Abbildungen geſchmückt. I) 0 p h ( k im Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens. In gemeinverstiindlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit uber 200 erliuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. —1 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. — Perlag trou Ferdinand Enke in Stuttgart. Der geſtirute Himmel. Eine gemeinverſtändliche Aſtronomie. Von Prof. Dr. Dalentiner, Direktor der großherzoglichen Sternwarte in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Elegant geb. M. 7. — Eine leichtfaßliche, kurzgefaßte und dabei doch vollſtän⸗ dige Himmelskunde auf moderner Grundlage hat in der naturwiſſenſchaftlichen Litteratur bislang gemangelt; mit dieſem Werke aus der Feder eines berufenen Forſchers und gewandten Schriftſtellers wird dem unleugbaren Mangel in einer Weiſe abgeholfen, welche jedem Freunde dieſes groß⸗ artigen Gebietes unſeres Wiſſens edle Beſchäftigung und volle Befriedigung gewähren wird. Es iſt nicht zu zweifeln, daß dieſes ſchöne Buch bei der ſtets zunehmenden Verehrung der Deutſchen für die Aſtronomie ſich raſch in allen Kreiſen Totale Sonnenfinjternis. einbürgern wird, zumal vortreffliche Abbildungen, Holzſchnitte (Juuſtrationsprobe aus „Valenkiner, Der geſtirnte Simmel! und farbige Tafeln dem Texte erklärend zu Hilfe kommen. Neuere Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart, Handbuch Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und BegenWar tee? Zustand der Wetterprognose. Dr. F. J. 2 75 Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seew mate, Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 8.— II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bande. J. Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M. 18. — Die Verkehrswege im Dienste des Welthandels Eine historisch- geographische Untersuchung 5 samt einer Einleitung für eine Wissenschaft der geographischen Entfernungen von Docent Dr. W. Gétz an der technischen Hochschule in Miinchen. Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer Untersuchungen für Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer yon Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8 geh. Preis M.7.— HANDBUCH Analytischen Chemie yon Proj. Dr. Alexander Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I. Theil: Quatitative Andlyse. 8. geh. Preis M. 4. — II. Theil: Quantitative 1 Mit 73 Holzschnitten, 8. geh. Preis M. 8. — Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Sea a Lehrbuch der GEOPHYSIK J Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Siegmund Gimther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. 7% Handbuch der ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 BANDE. I. BAND. Mit 524 in den Text gedruckten Holzschnitten. ¢ gr. 8. geh. Preis M.19.— i Handwörterbuch der Zoologie. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Dalla Torre in Innsbruck bearbeitet von Dr. Friedrich Knauer in Wien. Mit 9 Tafeln. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Anleitung zur Darstellung 1 Organischer Präparate. Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand geb. M. 4. — Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehiilfen- Aan Von Dr. Bernhard Fischer, Assistent am pharmakologischen Institute der Universitit Berlin. Mit 94 Holzschnitten. ; gr. 8. geh. Preis M.18.— Eleg. gebunden Preis M. 15. Monatsſchrirt für die gelamken Herausgegeben von Or. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttg art. Preis des Heftes 1 Mark. 7. Heft. Tuli 1889. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. 8. Jahrgang. + Inhalt. + Direktor Dr. J. G. Wallentin: Ueber das Grenzgebiet zwiſchen Elektricität und Optik. JL. Profeſſor Dr. R. Sachße: Die Nitrifikation des Stick⸗ ſtoffs im Boden oe Sb vee Profeſſor Dr. F. Ludwig: Einiges über die Brandpilze Dr. C. Düſing: Fortſchritte der Biologie Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Dr. M. Alsberg: Anthropologie. — Dr. H. Mii ns ſterberg: Experimentelle Pſycho logie Kleine Mitteilungen. Munk und Marcano: Schwarze Gewäſſer. — Fuchs: Fata Morgana. — Carrington Bol⸗ ton: Klingender Sand. — Seudders: Einſchlep⸗ pung und Verbreitung des Kohlweißlings in Amerika. — Reuter: Stridulationsorgan bei Schmetterlin⸗ gen. — Berlinerblau: Vorkommen der Milch- ſäure im Blut und ihre Entſtehung im Organismus. — Mehlis: Noch einmal foſſile Muſcheln als S GEN gi” ice ele a Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ꝛc. Profeſſor Dr. V. Henſen: Die Planktonexpedition der Humboldtſtiftung. — Relief des Rieſengebirges in Hirſchberg. — Internationaler Kongreß für An⸗ Seite Seite thropologie und prähiſtoriſche Archäologie in Paris. — Meteorological Departement in Indien. — Mono- graphie der britiſchen Hieracien. — Monographie der Utricularien. — Herbarium Boiſſiers. — Preis⸗ aufgaben: Der königl. däniſchen Akademie der Wiſſenſchaften, der Academia delle scienze fisiche e matematiche in Napoli, der Société de phy- sique et d'histoire naturelle de Genève Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Dr. E. Hartwig: Aſtronomiſcher Kalender. — Vulkane und Erdbeben. — Dr. van Bebber: Witterungsüberſicht für Centraleuropa Biographien und Perſonalnotizen Litterariſche Rundſchau. Hofmann: Aus Liebigs und Wöhlers Briefwechſel. — Klebs: Bernſteinſammlung. — Lang: Lehr⸗ buch der vergleichenden Anatomie. — Lachmann: Die Giftſchlangen Europass Bibliographie. Bericht vom Monat Mai 1889 Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Profeſſor K. v. Fuchs: Neue Wellenmaſchinen (mit ara ct a ee ee es we Pete Verkehr. — Fragen und Anregungen Briefe in redaktionellen Angelegenheiten und Manuſkriple find an den Perausgrber Herrn Dr. Dife Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. Zaun,. Stutty. N i BN I 2 Natur willenſchalten N * . N DPB LQOGAL OIL IGEN ODIY2 OALGDG/SAjCN DA OVD ELL O.GAM SWS UO AXA NER) ws 8 SO = 888 se — ZS — OT: — e ADO Oty Oar ADIN Oa Seta Oa Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben erschien: E Analytischen Chemie von Prof. Dr. A. Classen in Aachen. I. Theil: Qualitative Analyse. Vierte verbesserte und vermehrte Auflage Mit 1 Spectraltafel. 8. geh. Preis M. 6. — Eleg. in Leinwand geb. M. 7. — . D e Yer SEL OAj2XOQKD Za — S e SSIS SS) WZ n COB oe O80 Seo eee oo eee So oR He co en eee < SS Ow0tir OSLO OSs OSLO) EER. —— cH Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. | 0 Soeben erschien: Der Hy PH Ot iS Mm Uu Ss seine Bedeutung und seine Handhabung. In kurzgefasster Darstellung vou Professor Dr. A. Forel in Zürich. gr. 8. geh. Preis M. 2. 40. Kulturgeſchichte der Men in ihrem organiſchen Aufbau von Julius L ippert. Zwei Bände. gr. 8. geh. Preis broſch. M. 20. —, eleg. in Halbfranzband geb. M. 25. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart.) Julius Lippert's Kulturgeſchichte, ausgezeichnet durch Originalität und Tiefe der Auf— faſſung, wie durch ſchöne klare Sprache, hat ſich in kurzer Zeit den Ruf eines Werkes erſten Ranges auf dieſem Gebiete erworben. Vermöge ſeiner gemeinverſtändlichen Darſtellung iſt das Buch geeignet in den weiteſten Kreiſen der Gebildeten Verbreitung zu finden. eee Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschienen: Ueber Areca Catechu, Chavica Betle und das Betelkauen von Docent Dr. L. Lewin in Berlin. gr. 8. geh. A 65 — Mit 2 lithograph. Tafeln. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Einleitung in das Studium der Geologie von Professor Dr. David Brauns in Halle a. S. Mit 12 Holzschnitten. 8. geh. M. 5. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart- Soeben erschien: Sociale Politik im Deutschen Reich. Ihre bisherige Entwickelung und ihre Fortführung unter Kaiser Wilhelm II. von Dr. jur. et cam. Karl Wasserrab. 8. geh. M. 3. — Die Schrift gibt in knapper, aber äusserst frisch und elegant geschriebener Darstellung einen Ueberblick über den bisherigen Gang der socialen Gesetzgebung im Deutschen Reich seit der Bot- schaft Kaiser Wilhelm I., mit vielfachen Ausblicken auf die Zukunft. : 5 fur. BOTANIKER, und alle Freunde der Botanik Alphabet. Verzeichnis aller wichtige ren(iber 5000) Pflanzen nebst Beschreibung und Na- menserklarung(griech, lat.deutsch)_ Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hübsch gebd.5 M. Verlag von T..0.WEIGEL’in. LEIPZIG. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Die Suggestions- Therapie und ihre Technik von Dr. Eduard Baierlacher, prakt. Arzt in Niirnberg. 8. geh. M. 1. 20. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Lehrbuch der Krystallberechnung. Mit zahlreichen Beispielen, die mit Hilfe der sphärischen Trigonometrie auf Grund einer stereographischen Projection berechnet wurden. Von Ferdinand Henrich, Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. M. 8. — Verlag von FERDINAND EN EE in Stuttgart- Das Süßwaſſeraguarium und ſeine Bewohner. 2 Ein Leitfaden für die 918 2 8 fe age 8 5 2 Anlage und Pflege von Süß 4 ; ae SS g , waſſeraquarien. 1 N ob 8 Von aN Prof. Dr. W. Hek in Hannover, — Mit 105 Abbildungen. — 8. geh. Preis M. 6. — Eleg. geb. A Toss Die „Gartenlaube“ (1887, Nr. 5) ſagt in ihrem Sprechſaal: Es wundert uns übrigens, daß Sie ein Aqua⸗ rium beſitzen und es unterlaſſen haben, ſich ein Buch zu verſchaffen, welches Ihnen über alle einſchlägigen, Fragen Auskunft erteilen würde. Wir raten Ihnen dringend, die geringfügige Ausgabe nicht zu ſcheuen — Die Winke und Belehrungen, welche Sie in einem ſolchen Buche finden, werden Sie vor vielfachem iss 5 recht empfindlichen Schaden bewahren. Wir möchten Der gefleckte Salamander (Salamandra maculata Laur.). Sie namentlich auf das vor kurzem erſchienene Werk: (Abbildung aus „Heß, Das Süßwaſſeraguarium “.) „Das Süßwaſſeraquarium und ſeine Bewohner“ von Dr. W. Heß (Stuttgart, Ferdinand Enke) aufmerkſam machen. Das Buch gibt treffliche Ratſchläge über die Einrichtung eines Aquariums, Auswahl und Pflege der Tiere und Pflanzen und ijt mit mehr als 100 Abbildungen geſchmückt. I) Ph ik im Dienste der Wissenschaft, der | ( J NI Kunst und des praktischen Lebens. In gemeinverstindlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit tiber 200 erliuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. —1 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. i— xt SS 2 Verlag von Perdinand Enſte in Stuttgart. Der geſtirute Himmel. Eine gemeinverſtändliche Aſtronomie. Von Prof. Dr. Palentinen, Direktor der großherzoglichen Sternwarte in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Elegant geb. M. 7. — Eine leichtfaßliche, kurzgefaßte und dabei doch vollſtän⸗ dige Himmelskunde auf moderner Grundlage hat in der naturwiſſenſchaftlichen Litteratur bislang gemangelt; mit dieſem Werke aus der Feder eines berufenen Forſchers und gewandten Schriftſtellers wird dem unleugbaren Mangel in einer Weiſe abgeholfen, welche jedem Freunde dieſes groß⸗ artigen Gebietes unſeres Wiſſens edle Beſchäftigung und volle Befriedigung gewähren wird. Es iſt nicht zu zweifeln, daß dieſes ſchöne Buch bei der ſtets zunehmenden Verehrung der Deutſchen für die Aſtronomie ſich raſch in allen Kreiſen einbürgern wird, zumal vortreffliche Abbildungen, Holzſchnitte und farbige Tafeln dem Texte erklärend zu Hilfe kommen. Totale Sonnenfinſternis. (Illuſtrationsprobe aus „Valentiner, Der geſtirnte Himmel“ Mit Beilagen von der Berder'ſchen Perlagshandlung in Freiburg und Friedr. Eug. Röhler's Verlag in Gera. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. (onafslchvitt für die gelamt a Herausgegeben vor Or. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. 8. Heſt. | mer. Auguſt 1889. ee 8. Jahrgang. nhalt. + Direktor Dr. J. G. Wallentin: Ueber das Grenzgebiet zwiſchen Elektricität und Optik. II. Profeſſor Dr. R. Sachße: Phyſiologie des Gerbſtoffs Profeſſor Dr. F. Ludwig: Extranuptiale Saftmale bei Ameiſenpflanzen. (Mit Abbildungen . . . Dr. P. Knuth: Gab es früher Wälder auf Sylt? Dr. H. Kurella: Anthropologie und Verbrechertum . Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Profeſſor Dr. H. Bücking: Mineralogie. — Profeſſor Dr. E. Hallier: Botanik. Piet Kleine Mitteilungen. Creolin. — Tacchini: Thätigkeit der Sonne im Jahr 1888. — Langley: Der infrarote Teil des Sonnenſpektrums. — v. Haerdtl: Neubeſtimmung der Jupitersmaſſe. — Leppla: Buntſandſtein im Hardtgebirge. — Gaudry: Dimenſionen der größ⸗ ten foſſilen Säugetiere. — Wittmad: Heimat von Gartenbohne und Kürbis. — Ludwig: Rote Waſſerblüte, verurſacht durch Cyclops rubens. — Ludwig: Auftreten des Schneewurms bei Greiz. — Nehring: Neues Vorkommen von Halarachne halichoeri. (Mit Abbildung.) — Simroth: Mimiery nach Lungenſchnecken. — Käferlarven und Schmetterlingsraupen als menſchliche Nahrung. — v. Heyden: Parthenogeneſis des Totenkopſes. — Baur: Lungenfiſch in Braſilien.—Ritzema Bos: Aenderungen im Neſtbau der Vögel. — Landois: Dunenneſtkleid der Vögel. — v. Homeyer und v. Bornſtädt: Acclimatijation von Bronze⸗Trut⸗ wild. — Gronen: Seekrankheit bei Tieren. — Kunſtler: Eigentümliche Bißart mancher Nage- tiere. — Posner: Harnabſonderung während der Nacht. — Löb: Dioßtriſche Fehler des Auges. — Regnard u. Loye: Hinrichtung durch die Guillotine Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen 2c. Fortbildungskurſe für Lehrer Deutſchlands und Oeſter⸗ reichs. — Expedition des Fiſchereivereins in die Nord- Briefe in redakfionellen Angelegenheiten und Manuſkripte find an den Herausgeber ſee. — Aſtronomenkongreß. — Anatomiſche Geſell⸗ ſchaft. — Kongreß für phyſiologiſche Pſychologie. — Sternwarte im Vatikan. — Ruſſiſche Forſchungs⸗ reiſen. — Dr. Forsſtrand. — Herbarium von Blake. — Sibiriſche Herbarpflanzen. — Herbarium Boiſſiers. — Inſektenſammlung von Sheppard. — Preis⸗ aufgaben: Fürſtlich Jablonowskiſche Geſellſchaft in Leipzig. — Belgiſche Akademie der Wiſſenſchaften. Hayden Memorial Geological Fund . Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Dr. E. Hartwig: Aſtronomiſcher Kalender. — Vulkane und Erdbeben. — Dr. van Bebber: Witterungsüberſicht für Centraleuropa. (Mit Karte) Biographien und Perſonalnotizen Litterariſche Rundſchau. Braun: Kosmogenie. — Frerichs: Zur modernen Naturbetrachtung. — Böhner: Monismus. — Thompſon: Dynamoelektriſche Maſchinen. — Ayrton: Handbuch der praktiſchen Elektricität. — Plants: Die elektriſchen Erſcheinungen der Atmo⸗ ſphäre. — Richter: Gletſcher der Oſtalpen. — Hettner: Reiſen in den kolumbianiſchen Anden. — Senft: Der Erdboden. — Brückner: Schwankun⸗ gen des Waſſerſtandes. — Günther: Meteorologie. — Luerſſen: Die Farnpflanzen. — Potonié: Illuſtrierte Flora. — Weiß: Vademecum botani- corum. — Wolter: Repetitorium der Botanik. — Alsberg: Anthropologie Bibliographie. Bericht vom Monat Juni 1889 Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Gattermann: Darſtellung von Silicium und Bor. — Mylius: Prüfung des Glaſes Verkehr. Berrn Dr. ity Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. „ en Maturmillenlhatten oe — . A Di; PHY Str: im Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens. Herausgegeben von Professor Dr. G. KREBS. 582 Seiten Oktav. 1884. Geheftet M. 10. —, elegant gebunden M. 11.— Mit 259 Holzschnitten. Inhalt: Im photographischen Atelier. Von Prof. Dr. H. W. Vogel. — Spektrum und Spektralanalyse. Von Prof. Dr. E. Lommel. — Eine meteorologische Station. Von Prof. Dr. G. Krebs. — Auf der deutschen Seewarte. Von Dr. J. van Bebber, Abtheilungsvorstand der Seewarte. — Heizung und Ventilation. Von Prof. Dr. J. Rosenthal. — ~ Die Akustik in ihren Hauptbeziehungen zu den musikalischen Instrumenten. Von Prof. Dr. F. Melde. — Die 1 Motoren des Kleingewerbes. Von Ingenieur Theod. Schwartze. — Die elektrischen Maschinen. Von Dr. A. Ritter v. Urbanitzky. — Kerzen und Lampen. Von Prof. Dr. J. G. Wallentin. — Der Kampf des elektrischen Lichtes mit dem Gaslichte. Von Dr. A. Ritter v. Urbanitzky. — In der galvanoplastischen Werkstätte. Von Prof. Dr. J. G. Wallentin. — Die Telephonie und ihre Verwendung im Verkehrsleben der Gegenwart. Von kel. Postrath C. Grahwinkel. — Auf der Sternwarte. Von Dr. E. Hartwig. Urtheile der Presse. Elektrotechnische Rundschau, 1884, Nr. 10: Das vorliegende Buch behandelt in kurzen Zügen die wichtigeren praktischen Anwendungen der modernen Physik Der gereiftere Schüler, der Freund der Natur- Wissenschaften und selbst mancher Fachmann auf betreffendem Ge- biete haben oft nicht die genügende Zeit, sich mit den Zahlreichen Praktischen Vorrichtungen, welche das moderne physikalische Ex- periment bietet, bekannt zu machen. Um sich jedoch einigermassen auf dem Laufenden Zu erhalten, muss er einen Ueberblick über das Wesentlichste der hervorragenden Leistungen gewinnen, und solches beabsichtigte der Herausgeber, unterstützt von einer Anzahl durch Wissenschaftliche Leistungen hervorragender und in irgend einem speciellen Theile der modernen Physik erfahrener Gelehrten, mit dem oben erwähnten Werke. Dass die Wahl der Themata eine glück- liche gewesen und solche vortrefflich durchgeführt wurden, sowie dass insbesondere die Ausstattung des Buches von Seiten der Ver- lagsbuchhandlung eine nach jeder Richtung hin lobenswerthe genannt werden darf, muss besonders betont werden. Wir können daher dasselbe als eine der besten bezüglichen Leistungen der jüngsten Jahre sowohl dem grösseren Publikum, als auch insbesondere Studirenden auf das Wärmste empfehlen. Der Naturforscher, 1884, Nr. 43: Die Idee, ein Buch zu schreiben, welches in kurzen Zügen die wichtigsten praktischen Anwendungen der Physik in der Wissenschaft, Kunst und im praktischen Leben darstellt, ist eine so zweckmassige, dass sich der Herausgeber eines solchen den Dank eines grossen Kreises des für die Naturwissen- schaften sich interessirenden Publikums verdient. Noch mehr ist dies hier der Fall, wo der Herausgeber durch Herbeiziehung einer Reihe von Mitarbeitern am besten Sorge getragen für die populäre und wissenschaftliche Bearbeitung der einzelnen Themata, die er in dem Werke behandeln wollte. » GQulturgeibi in ihrem organiſchen Aufbau von Julius Lippert. Zwei Bände. gr. 8. geh. Preis broſch. M. 20. —, eleg. in Halbfranzband geb. M. 25. — (Verlag von Ferdinand Enke in Bkuttgart.) faſſung, wie durch ſchöne klare Sprache, hat ſich in kurzer Zeit den Ruf eines Werkes erſten Ranges auf dieſem Gebiete erworben. Vermöge ſeiner gemeinverſtändlichen Darſtellung iſt das Julius Lippert's Kulturgeſchichte, ausgezeichnet durch Originalität und Tiefe der Auf⸗ Buch geeignet, in den weiteſten Kreiſen der Gebildeten Verbreitung zu finden. Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben erschien: Eran dadbuch: Analytischen Chemie Prof. Dr. A. Classen 80 in Aachen. Ay in Aachen 435 S — ee I, Theil: Qualitative Analyse. 2 le Wierte verbesserte und vermehrte Auflage. . 0 Mit 1 Spectraltafel. ae AN) 8. geh. Preis M.6.— Eleg. in Leinwand geb. M. 7. — ae Yi (AA 5 8 = an x 5 ä ieee ee 88 JJ EBERLE SSIS IE (Sasso Sosa Soe SSeS SaaS SSS * — eS roe S eS Sr SSeS PSPS PSP Se SP SPS PSPS PSE See oe Seo ese Sree Se See ol Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART 5 Soeben erschien: 0 | Der seine Bedeutung und seine Handhabung. In kurzgefasster Darstellung von Professor Dr. A. Forel in Zürich. gr. 8. geh. Preis M. 2. 40. fi | a | | ern | : Konchylien. Für Sammler oder Händler bietet ſich durch Verkauf der reichhaltigen Hinterlaſſenſchaft eines Konchylienhändlers Ge⸗ legenheit zur Erwerbung vollſtändiger reſp. Komplettierung vor⸗ handener Sammlungen. Außer den Mollusken ſind vertreten die Typen der Echinodermen und Coelenteraten. In Bezug auf die letzteren wird namentlich auf eine Fülle ſeltener, pracht⸗ voller und wohlerhaltener Korallen aufmerkſam gemacht. H. Böſſel, Tübeck, Hüxſtraße 37. LaskR Seer raschken. : tr WORTERBUCH 2 : far A BOTANIKER und alle Freunde der Botanik V Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- ren(iber 5000) Pflanzen nebst Beschreibung und Na menserklarung (griech, lat, deutsch- Literatur. Specialbotanik. $00 Seiten stark. Hibsth gebd.o M. Verlag von T.O.WEIGEL ‘in. LEIPZIG. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Der Irrsinn im Kindesalter. Von Dr. Paul Moreau. Autorisirte deutsche Ausgabe yon Dr. Demetrio Galatti_ 8. geh. Preis M. 8. — A. Treffurth, Ilmenau i. Thür. liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Laboratorien, Sammlungen ꝛc. 2c. Sdluſtrirte Liſte mit vielſachen Anerſtennungsſchreiben gratis, dp Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschienen: Ueber Areca Catechu, Chavica Betle und das Betelkauen yon Docent Dr. L. Lewin in Berlin. Mit 2 lithograph. Tafeln. gr. 8. geh. M. 6. — Von der Zeitschrift „Der Zoologische Garten““, redigiert von Oberlehrer Prof. Dr. F. C. Noll, Verlag von Mahlau & Waldschmidt in Frankfurt a. M., erschien soeben No. 5 des XXX. Jahrgangs für 1889 mit folgendem Inhalt: Mitteilungen über die Kreuzotter; von O. v. Loewis. — Photo- graphie und Zoologie; von dem Herausgeber. Mit 2 Abbildungen. — Zur Geschichte der Mollusken; mitgeteilt von Dr. med. Wilh. Stricker. Fortsetzung u. Schluss. — Verbreitung der Eiche dureh den Eichelheher (Garrulus glandarius E.) in der Gegend von Arnolds- grün b. Schoeneck i. V.; von Dr. F. Helm. — Aus dem Gefangen- Jeben der Baumfalken (Hypotriorchis subluteo); yon C. Coester. Im zoologischen Garten zu Posen; von Ernst Friedel in Berlin. — Korrespondenzen. — Kleinere Mitteilungen. — Eingegangene Bei- träge. — Bücher und Zeitschriften. Verlag von FERDINAND ENTE in Stuttgart. —— in London. SS und dessen praktische Verwendung von Dr. Julius Maier und W. H. Preece, F. R. S. Chef des englischen Telegraphenwesens. Mit 304 in den Text gedruckten Holzschnitten. 8. geheftet. * Preis 9 Mark. < Mit einer Beilage von A. Vichler's Witwe & Sohn, Buchhandlung in Wien. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. a > a Ga. i = ö 11 de 1 2 RAVAN (onatslchvitt für die gelamken Maturwilſenlchakken Herausgegeben vor Dr. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. 9. geſt. September 1889. ye 0 Sw 5 A — ; = N 5 A) E 2 Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. t 3nGbaltf. & Profeſſor Dr. A. Oberbeck: Elektriſche Schwingungen. Bi Abbiegen os Geel Dr. F. Moewes: Die epiphytiſche Pflanzenwelt der amerikaniſchen Tropenwäldee e Dr. R. Schneider: Verbreitung und Bedeutung des Eiſens im animaliſchen Organismus. (Mit Ab⸗ ALU e eeee) e are, * 4 niſcher Garten bei Viktoria. — Bore und frühge⸗ Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. 8 ſchichtliche Sammlungen. — Preisaufgabe: Geo⸗ Dr. Emil Rudolph: Geophyſik. — Profeſſor graphiſche Geſellſchaft zu Dresden und Leipzig.. 400 Dr. J. Gad: Phyſiologie. 38284 1 1 * A Lrg 3 Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Kleine Mitteilungen. D ave f 2 3 1 2 5 r. E. Hartwig: Aſtronomiſcher Kalender. Flückiger: Nachweis kleinſter Mengen von Arſen. Vulkane und Erdbeben. — Zur Falbſchen Theorie. — — Fleitmann: Flüchtigkeit des Eiſens. — Dr. van Bebber: Witterüngsüberſicht für Central⸗ Wünſchendorff: Unterſeeiſche Telegraphenkabel europa. Auguſt 1889 5 402 als Thermometer. — Cohn: Pilze als Brandſtifter. ae 5 1 * — Drude: Platanenhaare. — Chun: Tiefenfaung Biographien und Perſonalnotizgen. 405 des Meeres. — Zacharias: Die Verſchleppung der Litterariſche Rundſchau. Süßwaſſerfauna und Anpaſſungen hieran. — Haaſe: J. B. Balfour, Botany of the island of Die Stinkdrüſen der Schaben. — Richardſon: Socotra. — Ignaz G. Wallentin, Lehrbuch der Monſtröſer Schmetterling. — Tetens: Ueber Phyſik. — Derſelbe, Grundzüge der Naturlehre. — Paraſiten der Kleinzirpen. — Lubbock: Giftigkeit M. Geiſtbeck, Leitfaden der mathematiſchen und der Eidechſengattung N soni 555 phyſikaliſchen Geographhiiaes. 405 Das Känguruh. — Diederich: Geographiſche Ver⸗ ibli ie. f ft 18 breitung der Elſtern. — Lueiani und Piutti: . pee 2 5 e e tls Gaswechſel der Eier von Bombyx mori. — Loeb: Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. hs Ueber den Einfluß des Lichtes auf die Oxydations⸗ Experimentelle Darſtellung der Tromben. — Mitcoſ⸗ vorgänge in tieriſchen Organismen. — Mairet und lopierlampe. — Jarte anatomiſche und joologijde Comlemale: Ueber die ſchädliche Wirkung des Präparate. — Riß im Flügel eines Schmetterlings 408 Alkoholismus auf die Nachkommenſchaft. — Morel: Verkehr. C Briefe in redaklionellen Angelegenheiken und Manuſkripte find an den Berausgeber Berrn Dr. Hifo Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. F Verlag von FERDINAND ENK E in Stuttgart. Soeben erschien: Kulturgeschichte Aue Heuer Cay Neunzehnten Jahrhunderts in ihren Beziehungen zu der Entwickelung der PUN MPAA wo gr. S. 1889. Preis M. 20. — 7 DNA nn gem IN DNA ES aN aU aN AUN AL Naturwissenschaften eschildert you Ernst Hallier. IN ut TL Mit 180 in den Text gedruckten Abbildungen. u (ul W Fi al Verlag von FERDINAND EN in Stuttgart. Soeben erschien: ‘Lehrbuch METEOROLOGIE fiir Studierende und zum Gebrauche in der Praxis yon ‘tie Dr. W. J. van Bebber, e am Be ; ; 8 Abteilungsvorstand der deutschen Seewarte. Mit 120 Holzschnitten und 5 Tafeln. gr. 8. 1889. Preis M. 10. — 3 > DE) > 2 S SSS SS NS — — Oe + — — — 2 — — — 2 SS OCseS Cle S See ee Oe SoCo SO eS Ooo Oe Soe SS My 8 0 Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. 9 ot Da aa So. 18 N sv 102 Soeb schien: Be 5 Oeben erschien 905 We, Ge 5 BASE Sj 216) 5) 0 der a . 2 ©) D 1 Ana ytischen hemie ae a 2 esa) von (ee Prof. Dr. A. Classen 16) 05 in Aachen. 98 a L Theil: Qualitative Analyse. 5 Wierte verbesserte und vermehrte Auflage 55 Mit 1 Spectraltafel. Be ors i S. geh. Preis M.6.— Eleg. in Leinwand geb. M. 7. — ay 8 5 e — Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben erschien; 555 | Fiypnotismus, seine Bedeutung und seine Handhabung. In kurzgefasster Darstellung von uF Professor Dr. A. Forel in Ziirich. gr. 8. geh. Preis M. 2.40. Heroͤer'ſche Berlagshandluing, Freiburg im Breisgau. Soeben iſt erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Epping, 3. 8. J, Aſtronomiſches aus Babylon deere Wen pales, Hee te Mit Copien der einſchlägigen Keilſchrifttafeln und anderen Beilagen. gr. 8°. d H. Landois, Lehrbuch für den Anterricht in der Aaturbeſchreibung. Für Gymmalien, Realgymmnaſien und andere höhere Lehr- anffalter bearbeitet. Dritter Teil (Schluß): Lehrbuch für den Unterricht in der Mineralogie. Mit 108 eingedruckten Abbildungen und 8 Tafeln Kryſtallformennetze. gr. 85. (X u. 128 S.) Mark 1. 60; geb. in Halbleder mit Goldtitel von P. J. N. Straßmaier S. J. (VIII u. 190 S.) Mark 4. — Kraß, Dr. u., und Dr. H. N Mark 1. 95. Früher iſt erſchienen: Erſter Teil: Lehrbuch für den Unterricht in der Zoologie. Mit 219 eingedruckten Abbildungen. Zweite, verbeſſerte Auflage. gr. 8b. (XVI u. 344 S.) Mark 3. 40; geb. M. 3. 90. 5 Zweiter Teil: Lehrbuch für den Unterricht in der Botanik. Mit 234 in den Text gedruckten Abbildungen. gr. 8°, (XVI u. 302 S.) Mark 3. —; geb. Mark 3. 50. g 9 a Mit einem Anhange: Die Grundlehren der Chemie Münch. Dr. N., Lehrbuch der Phyſik. und der mathematiſchen Geographie. Mit 226 in den Text gedruckten Abbildungen und einer Spektraltafel in Farbendruck. Neunte Auflage. gr. 8°. (XVI u. 448 S.) Mark 4. —; geb. in Halbleder mit Goldtitel Mark 4. 50. Werlag von Ferdinand Emke in Stuttgart. SS Die Suggestions-Therapie und ihre Technik von Dr. Eduard Baierlacher, Prakt. Arzt in Nürnberg. 8. geh. M. 1. 20. las ER Je TASCHEN- e, | WORTERBUCH BOTANIKER Vf und alle Freunde der Botanik V Aphabet.Verzeichnis aller wichtige- ren(iber 5000) Pflanzen‘ nebst Beschreibung und Ha: menserklarung (griech, at.deutsch) Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hübsth gebd.5 M. Verlag von T.0.WEIGEL‘in. LEIPZIG. G Die @ Slufirirte Liſte mit vielfachen Anerkennungsſchreiben gratis. ( T. Treffurth, Iimendu i. Thü liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. 0 für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Laboratorien, i Sammlungen 2c. 2c. ee re oe ee Se oe Se se sese Se SeSe5e5e25e5e5e Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. ‘ Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. —$ eee Sociale Politik im Deutschen Reich. Ihre bisherige Entwickelung 1 und ihre Fortführung unter Kaiser Wilhelm II. von 5 Dr. jur. et cam. Karl Wasserrab. 8. geh. M. 3. — Die Schrift gibt in knapper, aber Ausserst frisch und elegant} geschriebener Darstellung einen Ueberblick tiber den bisherigen Gang der socialen Gesetzgebung im Deutschen Reich seit der Bot schaft Kaiser Wilhelm I., mit vielfachen Ausblicken auf die Zukun ft. Sho 5 — Nach eigenen Erfahrungen bearbeitet yon | Analyse des Wassers. i Dr. G. A. Ziegeler. Mit 32 Holzschnitten. 8. geh. M. 3. — — * Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. al Pui bolot: n 7 Ionatsſchrit für Die geſamken Nalurwilſenſchaften⸗ Herausgegeben von Or. Olto Dammer. | Verlag von Ferdinand Duke in Stutts art. Preis des Heftes 1 Mark. ll. geſt. | Beſtellungen durch | November 1889, alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. 8. Jahrgang. + Inhalt. + Paul Lehmann: Planet (279) Thule Profeſſor Dr. Klunzinger: Die Artbildung und Ver⸗ wandtſchaft bei d. Schmetterlingen. (Mit Abbildungen) Dr. H. Kurella: Ueber die phyſiologiſche und pſycho⸗ logiſche Bedeutung der Ganglienzellen des Central⸗ ie tse) tee oo eee yee ew Dr. C. Mehlis: Hacke und Beil am Mittelrhein zur Steinzeit. (Mit Abbildungen Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Dr. Robert Keller: Pflanzengeographie. — Dr. Kurt Lampert: Boogeographie . 0 Kleine Mitteilungen. Gordon: Erdöl in Neu⸗Seeland. — Marſh: Säugetiere in der Kreideformation. — Kny: Ver⸗ kehrt eingepflanzte Gewächſe. — Maas: Ektoderm der Schwammlarven. — Hamann: Bandwürmer. — Stoll: Briefſchwalben. — Kücktenthal: Wale. — Gréhant: Ueber die quantitativen Verhältniſſe bei der Kohlenozydvergiftung 3 Seite 409 411 Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen zc. Die 20. Allgemeine Verſammlung der Deutſchen Anthropologiſchen Gejellidajt . . . . . . Ueber die botaniſchen Aufgaben der lakuſtriſchen Stationen. — Spenden für das Zoologiſche Obſer⸗ vatorium in Plön. — Zur Beſtimmung der Luft⸗ temperatur in großen Höhen. — Das neue natur⸗ hiſtoriſche Muſeum in Wien. — Verſuchsweinberg und Weinbauſchule. — Landwirtſchaftliche Verſuchs⸗ ſtationen in den Vereinigten Staaten. — Preis⸗ aufgabe: Royal Society of New South Wales Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Dr. E. Hartwig: Aſtronomiſcher Kalender. — Vulkane und Erdbeben. — Dr. van Bebber: Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Sept. 1889 Biographien und Perſonalnotizen Bibliographie. Bericht vom Monat September 1889 Seite Brirſe in rrdakfipnellen Angelegenheiten und Manuſkriple find an den Beransgeber Berrn Dr. Hite Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. E7067 ar, BAA. Stutty . Sw uy Mey Cu yy wry Feu neque ey Aen ey Aud ew y seu Kuß Verlag von FERDINAND ENK E in Stuttgart. Soeben erschien: Kulturgeschichte Neunzehnten Jahrhunderts in ihren Beziehungen zu der Entwickelung der Natur wissenschaften geschildert von Ernst Hallier. Mit 180 in den Text gedruckten Abbildungen. gr. 8. 1889. Preis M. 20. — ot, DA Uu e Die hohe und vielseitige Kulturentwickelung unseres Zeitalters ist mit dex Entwickelung der Naturwissenschaften auf das engste verknilpft. — Der Verfasser, einen der hervor- ragendsten Naturforscher und Schviftsteller, legt in dem vorliegenden Werke die tausendfachen Rande und Wege, mittels deren alle iibrigen Wissenschaften aus dem Borne der Naturwissenschaft geschipft haben, offen. Die befruch- Alexander von Humboldt, tenden Wirkungen der Naturwissenschaften auf unsere philo- y 8 2 sophische Erkenntniss, auf die Heil wissenschaften, auf unsere Aus Hallier, Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts. moderne Technik, diesen Haupthebel der Kultur, auf Volks- wirthschaft, Handel und Verkehr, Landwirthschaft und Ge- werbe, kurz auf wiser gesammtes reich entwickeltes modernes Kilturleben, erscheinen in einem laren Bilde vereinigt. Das reichhaltige, in gemeinverstdndlicher Sprache geschriebene Werk wird das grésste Interesse der gebildeten Welt Deutschlands erregen. bee vag NACI Sa DY] IN ll aS a NA is aS aS aS US DS aa NAC 1 . e HA Nn ISAS d Za 2 A. a | is Verlag von FERDINAND EN EE in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch der METEOROLOGIE fiir Studierende ii und zum Gebrauche in der Praxis yon Dr. W. J. van Bebber, Abteilungsvorstand der deutschen Seewarte. SA Mit 120 Holzsechnitten und 5 Tafeln. = gr. 8. 1889. Preis M. 10. — A. Treffurth, Jlmenau i. Thür. liefert billigſt in durchaus folider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Laboratorien, Sammlungen ꝛc. ꝛc. Skuſtrirte Liſte mit vielfachen Anerkennungsſchreiben gratis. dm Entstehung und Bau der Gebirge erläutert am Geologischen Bau des Harzes. Von Dr. J. H. Kloos, ord. Prof, der Mineralogie und Geologie an der Technischen Hochschule arola-Wilhelmina zu Braunschweig. — Mit 21 Figuren und 7 Tafeln. — 8. Preis 3 M. Das vorliegende kleine Werkchen enthalt in gedrangter und all- gemeinverstandlicher Form diejenigen wissenswerthen Resultate der | geologischen Wissenschaft, welche auf dem Gebiete der Entstehung und des Baues der Gebirge durch die neueste Forschung festgestellt sind. Das Buch ist sowohl bestimmt für jene gebildeten Kreise, die | überhaupt ein Interesse an der Geschichte unserer Erde haben, als auch speciell für solche Ingenieure und Techniker, denen ein be- stimmtes Maass von geologischen Kenntnissen unentbehrlich ist. Soeben ist im Verlage von Ferdinand Schöningh in Paderborn erschienen und durch alle Buchhand- lungen zu beziehen: Vademecum astronomi. Vollständige Sternkarte für das nördliche und mittlere Europa, nebst vier stummen Karten zum Einzeichnen von Meteor bahnen, Planetenörtern und Kometen, einer ausführlichen Erklärung der Karten, Anleitung zum Beobachten und Uebersicht der Himmelserschei- nungen, welche vom 1. Oktober 1889 bis zum 1. Januar 1892 mit freiem Auge zu beobachten sind. Für Naturfreunde zusammengestellt von Joseph Plassmann. Plakatformat gefalten in handlicher Mappe mit Text von 56 S. gr. 8. 3 M. Prospekte gratis. | yedigirt von Oberlehrer Prof. Dr. Von der Zeitschrift: „Der Zoologische Garten“, F. C. Noll, Verlag von Mahlau & Waldschmidt in Frankfurt a. M., erschien soeben Nr. 9 des XXX. Jahrgangs für 1889 mit folgen- dem Inhalt: Ueber einige Reptilten des unteren Congogebietes; von P. Hesse. — Sprachwissenschaft und Naturw. issenschaft; von Dr. med. Wil- helm Stricker. — Zur Lebensgeschichte der Faultiere; von Dr. phil. Seitz. — Zoologisches aus Moskau; von C. Crevé. — Kor- respondenzen. — Kleinere Mitteilungen. — Litteratur. — Eingegangene Beiträge. — Berichtigung. Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Soeben erschien: e e ee * Die mechanische Wirmetheorie. Von R. Clausius. Dritter Band. Entwickelung der besonderen Vorstellungen von der Natur der Wärme als einer Art der Bewegung. Zweite um- gearbeitete und vervollstäudigte Auflage des unter dem Titel „Abhandlung über die mechanische Wärmetheorie“ erschienenen Buches. Herausgegeben von Prof. Dr. Max Planck und Dr. Carl Pulfrich. gr. 8. geh. 1. Lieferung. 'S-@f TASCHEN: es ER WORTERBUCH ”” BOTANIKER Sund alle Freunde der Botanik 5 Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- ten(iber 5000) pflanzen nebst Beschreibung und Na- menserklarung (griech, lat.deutsch)_ Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hibsch gebd.5 H. Verlag von T. O. WEIGEL’in. LEIPZIG. Preis 1 Mark 20 Pf. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart- Soeben erschien: Das System der Zoologie. Mit Berücksichtigung der vergleichenden Anatomie zum Gebrauch während der Vorlesungen von Dr. H. Trautzsch. 8. geh. M. 2. 80. Die e des Wassers. E Nach eigenen Erfahrungen bearbeitet von G. A. Ziegeler. Mit 32 Holzschnitten. eo ee en ee eae Verlag von Ferdinand Enke tin Stuttgart. 8. geh. M. FF FCC eee Soeben erschien und steht gratis und franko zu Diensten: Katalog 36. Naturwissenschaften. Geographie. Botanik. Ausschliesslich bessere und gesuchte Werke enthaltend. Riehard Sattler’s Antiquariat, Braunschweig. 1 BUC CHher- Ankauf. In Ferd, Diimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 erschien soeben: Hluführung in die Kenntiis der insekten von H. J. Kolbe, Assistent am Kgl. Museum für Naturkunde zu Berlin. Mit vielen Holzschnitten 8. geh. Lief. 1 u. 2 à 1 M. (vollständig in 6—7 Lief. à 1 M.) Herr Prof. Dr. F. Brauer in Wien hat die 1. 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Bec Dezember 1889, Beſtellungen durch und Poſtanſtalten. + Inhalt. + Dr. H. Klebahn: Ueber Zwangsdrehung. bildungen). = Dr. Arthur Seligo: ueber aN Wedau zur Hebung der deutſchen Fiſcherei A Dr. K. Albrecht: Theorie des Glasakens . . Bergrat Dr. H. Gretſchel: Die i ao über die Sonne. ow Carus Sterne: Die Rajenteanjerbfe.. 7. Dr. F. Möwes: Der Orientierungsſinn der Tiere W. Wickel: Schädliche Forſtinſekten Dr. W. Kobelt: Die Achatinellen der Sandwichsinſeln Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Profeſſor Dr. M. Braun: Helminthologie. — Dr. M. Alsberg: Anthropologie. : Kleine Mitteilungen. Meiſel: Verdoppelung d. Marskanäle.— Pernter: Seintillometerbeobachtungen auf dem hohen Sonn⸗ blick. — Arcangeli: Phosphorescierende Pilze. — Pfirſich⸗ und Aprikoſenſteine. — Die heilige Lotos⸗ blume. — Lubbock: Intelligenz der Bienen. — Whitehead: Einführung ſchädlicher Inſekten mit indiſchem Weizen. — Fraas: Ueber Form und Struktur der Ichthyoſaurierfinne, ſowie Abſtammung und Lebensweiſe der Ichthyoſaurier. — Fiſcher⸗ Sigwart: Die Würfelnatter. — Lütken: Fauna des Kariſchen Meeres. — Seekrankheit der Schweine Naturwiſſenſchaftliche Erſcheinungen. Dr. E. Hartwig: Aſtronomiſcher Kalender. — Dr. van Bebber: Witterungsüberſicht für Central⸗ europa. Oktober 1889. — Vulkane und Erdbeben Briefe in redaktionellen Angelegenheiten und Manuſkriple find an den Berausgeber Seite (Mit Ab- 449 451 456 457 459 462 | 463 Litterariſche Rundſchau. Dieſterwegs Populäre Himmelskunde und mathe- matiſche Geographie. — W. Valentiner, Veröffent⸗ lichungen der Großherzoglichen Sternwarte in Karls⸗ ruhe. — H. F. Blanford, A practical guide to the Climates and Weather of India, Ceylon and Burmah and the Storms of Indian Seas. — Deutſche Seewarte, Inſtruktion für die Signalſtellen der deutſchen Seewarte.— J. M. Hinterwaldner, Wegweiſer für Naturalienſammler. — Heinr. Beckurts und Bruno Hirſch, Handbuch dev praktiſchen Pharmacie. — Mitteilungen der Kom⸗ miſſion für die geologiſche Landesunterſuchung von Elſaß⸗Lothringen. — Engler-Prantl, Die na⸗ türlichen Pflanzenfamilien. — Ludwig Büchner, Der Menſch und ſeine Stellung in Natur und Ge— ſellſchaft, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. — A. Spannert, Die wiſſenſchaftlichen Benen⸗ nungen ſämtlicher europäiſchen Großſchmetterlinge. — C. G. Fridrich, Naturgeſchichte der deutſchen Vögel. — R. Paarmann, Die Schöpfung und das Geiſtige in derſelben. — G. F. Fechner, Ele mente der Pſychophyſik. — H. Aubert, Phyſio⸗ logiſche Studien über die Orientierung. — A. Herzen, Grundriſſe einer allgemeinen Pſychophyſiologie. — Moritz Hörnes, Die Gräberfelder an der Wall- burg von St. Michael. — E. Hallier, Kultur⸗ geſchichte des neunzehnten Jahrhunderts . Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Abbildung von Blättern und anderen Naturobjekten. — Horizontalmikroſkop. — Mikrotom. — Auxano⸗ graphie. Berrn Dr. Htfo Dammer, Berlin, Jriedenau, zu ſenden. e e, | alle Buchhandlungen 8. Jahrgang. A. Treffurth, Ilmenau 1. Th [Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Laboratorien, V Skuſtrirte Liſte mit vielſachen Anerſiennungsſchreiben gratis. Cm iir. liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Sammlungen 2c. 28. WORTERBUCH | = YF BOTANIKER rund alle Freunde der Botanik V Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- ren(iber S000)Pflanzen nebst Beschreibung und Na menserklarung (griech, lat,deutsch)_ Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hibsch gebd.5 l. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. „5! — Soeben erschien: Lehrbuch der METEOROLOGIE fiir Studierende und zum Gebrauche in der Praxis von Dr. W. J. van Bebber, Abteilungsvorstand der deutschen Seewarte. Mit 120 Holzsehnitten und 5 Tafeln, 1889. Preis M. 10. — gr. 8. Verlag von T. O.WEIGEL in. LEIPZIG. E Mir 922 852 892 2 \7 \7 \7 2 85 82 FLUTE UNC i PAC Po RE PC WAR FU FEU Cn wy wn PC AC Yau Says WN PCP WP \7 TAR TA TU Wu DZ Il 2 Ill A HI Verlag von FERDINAND Alexander von Humboldt. Aus Hallier, Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts. werbe, kurz auf unser gesammtes reich entwickeltes modernes Kulturleben, ENKE in Stuttgart. Soeben erschien : Kulturgeschichte Neunzehnten Jahrhunderts in ihren Beziehungen zu der Entwickelung der Natur wissenschaften geschildert von Ernst Hallier. Mit 180 in den Text gedruckten Abbildungen. gr. 8. 1889. Preis M. 20. — Die hohe und vielseitige Kulturentwickelung unseres Zeitalters ist mit der Entwickelung der Naturwissenschaften auf das engste verkniipft. — Der Verfasser, einer der hervor- ragendsten Naturforscher und Schriftsteller „legt in dem vorliegenden Werke die tausendfachen Kandle und Wege, mittels deren alle ubrigen Wissenschaften aus dem Borne dey Naturwissenschaft geschöpft haben, offen. Die befruch- tenden Wirkungen der Naturwissenschaften auf unsere philo- sophische Erkenntniss, auf die Heilwissenschaften, auf unsere moderne Technik, diesen Haupthebel der Kultur, auf Volks- wirthschaft, Handel und Verkehr, Landwirthschaft und Ge- erscheinen in einem laren Bilde vereinigt. Das reichhaltige, in gemein verständlichen Sprache geschriebene Werk wird das grésste Interesse den gebildeten Welt Deutschlands erregen. id iS aS TDN AS ag NALIN ALN AD Sa aN A PS ADS DN aL a wae A = is \ DNA AION e TONS eee ee ee eee eee ii NN Ne cil Em fehlenswerthe Festgeschenke. Neue Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart. Handbuch N der Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und gegenwartiger Zustand der Wetterprognose. Dr. W. J. van Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte. Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 8. — II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bande. I. Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M. 18. — Die Physik im Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens. Herausgegeben unter Redaction von Professor Dr. G. Krebs. Mit 259 Holzschnitten. 8. Elegant gebunden M. 11.—, brochirt M. 10. — Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer Untersuchungen für Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer von Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 7.— HANDBUOH der Analytischen Chemie von Prof. Dr. Alexander Classen. I. Theil: Qualitative Analyse. Vierte Auflage. 8. geh. Preis M. 4.— II. Theil: Quantitative Analyse. Dritte Auflage. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Lehrbuch der GEOPHYSIK Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Siegmund Giimther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. — II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. — Das Telephon und dessen praktische Verwendung von Dr. Julius Maier una W. H. Preece, F. R. S. in London. Chef des englischen Telegraphenwesens. Mit 304 Holzschnitten. 8. geh. M. 9. — Lehrbuch der 4 Krystallberechnung. Mit zahlreichen Beispielen, die mit Hilfe der sphäri- schen Trigonometrie auf Grund einer stereographi- schen Projection berechnet wurden. Von Ferdinand Henrich, Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Das Süsswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Siisswasseraquarien. Von . Prof. Dr. W. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Lehrbuch der Chemie ~ Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehiilfen-Examen, Von Dr. Bernhard Fischer, Assistent am pharmakologischen Institute der Universität Berlin. Mit 94 Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M.13.— Eleg. gebunden Preis M. 15.— Empfehlenswerthe Festgeschenke a Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart. ETHIK. Eine Untersuchung der Thatsachen und Gesetze des Sittlichen Lebens Von Prof. Dr. Withelm Wundt. gr. 8. geh. Preis M. 14. — Fund- Statistik Vorrömischen Metallzeit 1 J Von E. Freiherr von Tréltsch. Mit æahlreichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck. 4. gebunden. 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Nach dem gleichnamigen Werke des Marquis de Nadaillae herausgegeben von W. Schlösser und Ed. Selen. Mit einem Titelbilde u. 70 in den Text gedruckten Holzschnitten. Autorisirte Ausgabe. gr. 8. geh. Preis M. 12. — Der gestirnte Himmel. Eine gemeinverstindliche Astronomie von Professor Dr. W. Valentiner in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Die Verkehrswege Dienste des „„ ‘a Eine historisch-geographische Untersuchung samt einer Einleitung fiir eine Wissenschaft der geographischen Entfernungen von Docent Dr. N. Gétz an der technischen Hochschule in Munchen. Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Das System der Zoologie. Mit Berücksichtigung der vergleichenden Anatomie zum Gebrauch während der Vorlesungen von Dr. H. Trautzsch. S. geh. Preis MI. 2. 80. Handwörterbuch der Gesammten Medizin. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von Dr. A. Villaret. Zwei Bande. I. Band. Brochirt. Lex.-Oct. geh. Preis M. 22, — * Eleg. in Halbfranzbd. on Preis M. 25. —— — —— . ————— ; ——— | * i * ryt tes ae — 1 SMITHSONIAN INSTITUTION WN 088 01300 2878 4 Ml 3 i