l.^' ■ A a a a b-" m CD ^^^=^ □ ^sssg -C ^ Oa CP Co _□ fo 7 HYDRA. "-' ^XJXoJ^ EINE ANATOMISCH -ENTWICKLUNGSGESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNG VON D« NICOLAUS KLEIJVENBERG. MIT VIEE LITHOGßAPHIETEN TAEELN, LEIPZIG, VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. ]872. V HERRN PROFESSOR ERNST HAECKEL GEWIDMET. |t-'6-IB.RA- VORBEMERKUNG. L'ie Untersuc'lmngen , welche der nachstellenden Abhandlung zu Grunde liegen Avaren bereits zu Ende des Jahres 1S70 abgeschlossen — andere Ar- beiten, die meine Thätigkeit rücksichtslos in Anspruch nahmen, und dann un- erwartete, von mir nicht abhängige Umstände haben die YeröfFentlichung bis jetzt Aerzögert. Unterdessen hat Franz Eilhard Schulze in seiner schönen Monographie der Cordylophora lacustris ausführliche neue Beobachtungen über den Bau der Hydra bekannt gemacht. Hätte ich früher auf diese Rücksicht nehmen können, so würde die Fassnna,- des anatomischen Theils meiner Arbeit avoI manche Ver- änderung erlitten haben, namentlich dürften einige Erörterungen gekürzt oder AA'eggelassen AAorden sein, und die Uebereinstimmung der Resultate wäre in der Form von Bestätigungen herAorge treten. Aber abgesehen davon, dass mein Manuscript schon druckfertig Avar, erschien mir eine Umarbeitung desselben um so weniger geboten, als der methodische Gang beider Untersuchungen ein Aer- schiedener ist und ich in der Hauptsache, nämlich in Bezug auf die Structur und die physiologische Bedeutung der GeAvebe des Ectoderms, zu einer Auf- fassung gekommen bin, Avelche von jener Schulze's durchaus abAveicht. So habe ich denn die ursjjrüngliche Darstellung beibehalten. Die Yergleichung Avird leicht ergeben, Avas der einen und Avas der andern Arbeit eigenthümlich ist: in den streitigen Fragen möge die Entscheidung bald erfolgen. Ich Avill nur noch aussprechen, dass ich mich der Ansicht, welche Schulze über die Fvmction, 63473 VI der mit den Nesselkapselzellen in Verbindung stehenden Härchen aufgestellt bat, ohne Weiteres glaube anschliessen zu müssen, zumal ich auch von der Unhaltbarkeit der Möbius'schen Erklärung der Entladung überzeugt bin. Die erste Hälfte des grossen Tubularien -Werkes von All man erhielt ich gleichfalls zu spät, um es noch benutzen zu können. Es finden sich im all- gemeinen Theil desselben einige Bemerkungen über die EntAvicklung der Hy- dren, die im wesentlichen den Angaben Ecker's entsprechen — auch Allman hat die Furchung verkannt und hält die sonderbaren Dotterelemente für Zellen. Zu der interessanten Entwicklungsgeschichte der Tubularien fehlen leider bis jetzt noch die Abbildungen und aus der Beschreibung allein ist mir nicht alles klar geAvorden. Anatomie. Von allen Leistungen des vorigen Jahrhunderts auf dem Gebiete der niederen Thiere ist wot keine von so eingreifendem Einfluss für die Entwickkmg der Wissenschaft gewesen, wie die Entdeckung der wunderbaren Lebenseigenschaften der Süsswasserpolypen. Nicht nur, dass der experimentellen Untersuchung ein ganz neues und wichtiges Arbeitsfeld eröffnet wurde: die Erscheinungen, welche jenes kleine Thierchen darbot, warfen ein helles Licht auf viele bis dahin unverstandene Vorgange im Leben der höchst organisirten Geschöpfe. Mit Recht be- zeichnet daher Karl Ernst v. Baer in einer seiner schönen Reden das Erscheinen der meisterhaften TREMBLEv'schen Arbeit als den Beginn einer neuen Epoche der gesammten Physiologie. Und so genau waren die Beobachtungen Tremblev's, so umfassend und von so strenger Kritik ge- leitet seine Versuche, dass alle die vielen Nachfolger seine Untersuchungen kaum in ihrer Vollständigkeit zu wiederholen, noch weniger aber ihnen Neues hinzuzufügen vermochten. Nur der Nachweis der geschlechtlichen Fortpflanzung des Thiers durch Pallas und Ehrexberg ist als ein wesentlicher Fortschritt zu betrachten. Denn Tremblev hatte die Eier und die samen- bereitenden Organe wol gesehen, jedoch in ihrer Bedeutung durchaus verkannt. Dagegen blieb das Studium des feinern Baus, der Hydra der neuern Zeit vorbehalten, die, im Besitz ausreichender Untersuchungsmittel und von den massgebenden Gesichtspunkten der Zellenlehre ausgehend, sich auch bald des interessanten Stoffs bemächtigte. Die erste Mittheilung ist freilich eher eine Mystification als eine wissenschaftliche Arbeit zu nennen. CoRDA beschrieb den Körper des Thiers aus drei Schichten zusammengesetzt, von denen die äussere, die Cutis, von einer oberflächlichen Lage grösserer und einer tiefern Lage kleiner Zellen gebildet ist; dann folgt ein mittleres Stratum musculare aus Zellen bestehend, die mit farbigen Körnern angefüllt sind, und hierauf als unvollständige Auskleidung des Darms die tunica villosa mit pallisadenförmigen theils geschlossenen, theils au ihrer Spitze offenen Zellen. Die Tentakeln sind häutige Röhren, welche an gewissen Stellen Anschwellungen haben, in denen die Cilia und Hastae eingebettet liegen. An der Innenfläche dieser Röhren verlaufen vier, in ihrem Bau gänzlich von dem Stratum musculare des Körpers verschiedene Längsmuskeln, die extensores tentaculi, welche unter einander durch tranversale Muskeln von derselben Beschaf- fenheit, die adductores tentaculi, verbunden werden '. Es genüa;! aber einen Blick auf die ' Acta Acad. C. Leop. Carol. Nat. Cur. V. XVIII. p. 299. Kleinenberg, Hydra. Tafeln zu werten, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, dass, trotz der ausdrücklichen gegen- theiligen Behauptung des Autors, die Bilder nicht nach der Natur gezeichnet, sondern ganz willkiihrlich coniponirt sind — ein Verfahren, dessen Corda sich auch bei anderen Arbeiten bedient und dadurch die ebenso berechtigte wie scharfe Kritik Schleiden's lienorgerufen hat. Unter dem Einfluss der DujARDiN'schen Sarcodelehre studirte Ecker ' den Bau der Hydra und kam zu dem Resultat , dass der Körper nicht aus Zellen besteht, sondern aus einer zu- sammenhängenden Masse einer äusserst elastischen und contractilen, netzförmig durchlirochenen Substanz, die er »ungeformte contractile Substanz« zu nennen vorschlägt. Abgesehen von ihren äussern Forniverhältnissen und dem Besitz der eigenthümlichen Nesselorgane wäre Hydra dem- nach in nahe Beziehung zu den Infusorien und Rhizopoden zu bringen. In einer spätem Ab- handlung'^ bespricht Ecker die Genese seiner ungeforniten contractilen Substanz. Er behauptet, dass die aus der Furchung des Eies hervorgehenden Embryonalzellen keine wesentliche Be- deutung für den Aufbau des Embryonalleibes hätten, sondern, dass die Köipersubstanz der Hydren »Intercellularsubstanz« sei. Diesen Angaben Ecker's trat Leydig mit aller Entschiedenheit entgegen, indem er nach- wies, dass der Körper der Hydren durchweg aus Zellen und Zellenderivaten zusammengesetzt ist, und zugleich die Irrthümer Ecker's aus der angewandten Untersuchungsmethode erklärte '. Leydig erkannte ferner, dass wie bei allen andern Coelenteraten, so auch bei Hydra der Körper aus zwei anatomisch und physiologisch verschiedenen Blättern gebildet ist, welche durch eine homogene Memljran getrennt werden. Wichtige Angaben über einzelne Theile brachte dann Külliker ^: er fand in der von Leydig beschriebenen structurlosen Lamelle eine Muskelschicht. Der letzte , der die Hydra verarbeitet hat , ist Reichert \ Seine Ergebnisse führten überraschender Weise zu einen Compromiss zwischen Ecker und Leydig. Der erstere soll in Bezug auf das Ectoderra Recht haben, der andere in Bezug auf das Entoderm. Jenes besteht aus einer continuirlichen Masse ungeformter contractiler Substanz, oder wie sie nun heisst, proto- zootischer Substanz — dieses ist ein wirkliches Epithel. Die protozootische Substanz geht aus Zellen hervor, wahrscheinlich durch Verschmelzung der persistirenden Membranen, während der Zellinhalt schwindet. Zwischen beiden Schichten befindet sich als inneres Skelet eine homogene StUlzlamelle. Eine übereinstimmende Organisation findet Reichert bei den andern Coelenteraten und den Bryozoen, und auch die Amoeben, Polythalamien und Gregarinen sollen nach diesem 1 Zeitsclirifl f. wiss. Zoologie. B. I., p. 218. 1848. 2 Entwicklungsgeschichte der grünen Armpolypen. 1853. 3 Müllers Archiv. Jahrgang 1854, p. 270. * Icones Histiologicae. II. Ablheil. 1865. * lieber die contractile Substanz (Sarcode Protoplasma) und ihre Bewegungserscheinungen, Abh. d. Akad. d. Wiss. zu Berlin, 1866; und Vergleichend anatomische Untersuchungen über Zoobotryon pellucidus, Abh. der Berliner Akademie, 1869. Plan gebaut sein, nur mit dem Unterschiede, dass sie kein inneres Epithel besitzen, sondern »die Wand des thierischen Holilkörpers ausschhessHch durcii die protozootische Substanz ge- bildet ist«. Es werden daher alle die genannten Thiergruppen als «niedrigste wirbellose Thiere« in eine Abtheilung zusammengefasst. Meine Untersuchungen haben mich vor allem zur Bestätigung der Angabe Leydig's, dass der Körper der Hydren durchweg aus Zellen besteht, geführt. Indem ich von dieser Grundlage aus den Bau der beiden constituirenden Blätter einem genauem Studium unterwarf, bin ich dagegen zu einer wesentlich abweichenden Auffassung der Beschaffenheit und der Leistungen der Gewebe gelangt. Das Entoderm. Die Hohlräume des Hydrakörpers — die Leibeshöhle, an welcher man gewöhnlich die Stielhöhle und den sogenannten Magen unterscheidet, und die mit dem letztern com- municirenden Canäle der Tentakeln — sind überall mit einem einschichtigen Epithel aus- gekleidet. Dies besteht aus fest an einander haftenden, kernhaltigen, membranlosen Zellen, welche in den verschiedenen Regionen des Körpers in Bau und Function einige nicht unbedeu- tende Unterschiede darbieten. Ihre Form wechselt natürlich je nach dem Zustande des über- all leicht beweglichen Körpers. Befindet sich das Thier ausgedehnt in Ruhe, so bildet das Entoderm des freien Endes der Tentakeln eine gleichmässige dünne Schicht, in welcher oft weder die Zellgrenzen noch die Kerne wahrnehmbar sind; gegen das angeheftete Ende zu lassen sich die einzelnen Zellen immer deutlich erkennen, da sie sich nur im Umfange der breiten Basis, mit welcher sie der Muskellamelle aufsitzen, berühren, während ihre freie Fläche halbkuglig in die Höhle hineinragt: der Canal erscheint dadurch im optischen Längsschnitt regelmässig eingeschnürt und im Querschnitt sternförmig. Die Auskleidung des oralen Theils der Leibeshöhle wird dagegen von dicht gedrängt stehenden, piismatischen Zellen gebildet, deren Höhe immer und zuweilen bis auf das sechsfache grösser ist, als ihi- Durchmesser (Taf. I. Fig. 3). Im Fuss sind die Zellen wieder niedriger und breiter, ähnlich denen der Basis der Tentakeln (Taf. I. Fig. 1 .) Diese beiden Regionen gehen entweder allmählich in einander über, so stets bei" H. viridis, oder die Form der Zellen ändert sich ganz plötzlich, wie bei wohlgenährten Exemplaren von H, aurantiaca und grisea und dadurch erscheint auch äusserUch eine sehr scharfe Abgrenzung von Fuss und Magen. Von den Zellen des Entoderms sind nun die des basalen Theils der Tentakeln und die der Fusshöhle constant Plasmaschläuche, welche einen grossen, mit wässriger Flüssigkeit gefüllten Hohlraum, eine Vacuole, einschliessen. Die Dicke des hellen, fein und leicht graimlirten Plasmas ist nicht überall gleich: an der der Muskellamelle angedrückten Basis sowie an den u. Seiten ist die Schlauchwendung meist sehr dünn, an der freien Kuppe dagegen hat sie regel- mässig eine beträchtlichere ^lächtigkeit und springt oft nach innen gewölbt in den Vacuolen- raum ein. Ausserdem wird die Innenfläche des Schlauchs vielfach durch verschiedene in seine Masse eingelagerte feste Köiper vorgetrieben und uneben gemacht. Der kuglige oder ellipsoi- dische Kern, der niemals im basalen oder freien Theil, sondern stets in der Seitenwand der Zelle eingebettet ist, übertrifft die Dicke des Schlauchs um das mehrfache, und da er nie in unmittelbare Berührung mit der Vacuolenflüssigkeit steht, sondern stets mit einer, wenn auch oft ausserordentlich dünnen, Plasmaschicht überzogen ist, so liegt er wie in einer Einstülpung des Hohlkörpers. Dazu kommen bei H. viridis die überall im Entoderm verbreiteten Farb- körner-Kügelchen von ca. 0,007 ""^ Durchmesser. Sie bestehen aus einer dichten sehr eiweiss- reichen Grundmasse, die sich mit Jod dunkelbraun, mit Karmin oder Anilin tief roth färbt, und einem aufgelagerten, unmessbar dünnen Ueberzug eines grünen Farbstoffs, welcher seinem chemischen und optischen Verhalten nach mit dem Chlorophyll identisch ist oder ihm wenigstens doch sehr nahe steht. Diese Kügelchen entsprechen also in Bezug anf ihre Zusammensetzung genau dem Chlorophyllkörper der Pflanzenzellen. Bei einem Theil derselben ist die Oberfläche ganz glatt, andere erhalten durch Furchen und Risse ein segmentirtes Aussehen. An diese schliessen sich kleinere theilweise im Zerfall begriffene Körperchen, welche eckige Formen und anstatt dei- reingrünen eine schmutzige dunklere Färbung haben und allmählich in ganz kleine, häufig zu Haufen zusammengeballte, dunkelbraune bis schwarze Körnchen übergehen. Die Menge aller dieser Körper wechselt erheblich je nach den Ernährungsverhältnissen des Thiers. Die grünen finden sich vorherrschend in den Seitentheilen der Zellen und nur, wenn sie besonders zahlreich sind, in dem basalen Theil ; sie sitzen dem Zellschlauch zuweilen wie angeklebt an, scheinen aber doch immer einen ganz dünnen Plasmaüberzug zu haben. Das freie Ende der Zellen enthält niemals Chlorophyllkörner, dagegen sind hier die braunen und schwarzen Körnchen angehäuft. Bei H. aurantiaca und grisea fehlen im Entoderm der Fuss- und Tentakelhöhlen mit den Chlorophyllkörnern der H. viridis vergleichbare Formelemente, es finden sich nur orange, biaune und schwärzliche rundliche oder eckige Körperchen, welche alle eine bedeutende Re- sistenz gegen chemische Agentien zeigen. Das Epithel der Magenhöhle enthält aber — wenigstens bei gut genährten Exemplaren — farblose runde oder ovale dichte Eiweisskörper- chen, welche sich, abgesehen von dem Mangel des Chlorophylls, ganz wie die Farbkörner der H. viridis verhalten und auch dieselben Uebergänge zu den dunklen Körnchen darbieten. Ausser diesen Körpern sind den Entodermzellen aller Arten noch feste Fettstückchen und Oeltropfen, oft in sehr bedeutenden Massen, eingelagert. Die letztern sind bei H. viridis und grisea ungefärbt oder gelblich, bei H. aurantiaca zum Theil lebhaft orange gefärbt. Alle diese Einschlüsse liegen im Plasma. Der Innenraum der Zellen ist von einer ganz klaren Flüssigkeit erfüllt, die sich gegen alle Reagentien wie fast reines Wasser verhält. Ich erwähnte jedoch schon, dass das Vorkommen dieses centralen Flüssigkeitsraums nur bei den Zellen des basalen Tentakelendes und denen der Fusshöhle constant ist. Hier wechselt zwar die Dicke der Plasmaschläuche, die bei Thieren, welche in der Gefangenschaft auf schmale Kost gesetzt sind, ausserordentlich dünn werden, während sie bei wohlgenährten Exemplaren beträchtlich zunehmen ; aber die Vacuole wird niemals ganz ausgefüllt. Die Entodermzellen der freien Tentakelenden sind dagegen häufig zu flachen Plättchen reducirt und jene des oralen Theils der Leibeshöhle enthalten nur bei schwachgenührlen Thieren eine Vacuole; sonst siml sie ganz sohde Plasraaprismen, und die festen EinschUisse. welche in ihnen immer am reich- lichsten vorhanden sind, liegen gleichmässig durch ihre ganze Masse vertheilt. In allen Theilen der Leibeshöhle und ihrer Anhänge tragen einzelne Entodermzellen eine, selten zwei, sehr zarte Wimpern, deren Länge bis 0,03 "" beträgt. Sie sitzen auf den Spitzen der Zellen (Taf. I. Fig. 61 und bewegen sich, langsam hin und heischlagend. nach Art der Geissei der Flagellaten. Am unverletzten Thier konnte ich sie nie wahrnehmen, man be- merkt in den Tentakeln der beiden durchsichtigen Arten nur eine Bewegung der in der Flüs- sigkeit, welche den Canal erfüllt, suspendirten Körperchen, die auf das Vorhandensein von Wimpern schHessen lässt, auch gelang mir nicht diese durch Reagentien deutlich zu machen und zu erhalten ; aber auf feinen Querschnitten des lebenden Thiers kann man sie bei ihien trägen und aussetzenden Bewegungen mit -aller Deutlichkeit beobachten. An solchen Präparaten schien es mir, als ob die Geissein, nachdem sie eine Zeit lang bestanden haben, allmählich wieder eingezogen werden, während sie auf benachbarten Zellen neu entstehen. Sie wären demnach keine fixen Gebilde, und dann würde sich auch ihr Verschwinden beim Absterben des Thiers erklären./ Jedenfalls ist das Entoderni nicht mit einem continuirlichen Flimmerbesatz, sondern mit isolirten Geisselzellen (im Sinne Häckels' versehen — ein Factum, das in Bezug auf das ausschliessliche Vorkommen dieser Form des vibratilen Gewebes bei den Spongien nicht ohne Interesse ist. Leydig hat die Geissein bei Hydra zuerst bemerkt. Reichert konnte sie später nicht auffinden. Nach Leydig soll je ein äusserst feines Flimmerhärchen auf einem sehr kleinen blassen Kügelchen sitzen und diese Gebilde auf gewisse Gegenden der Leibes- und Armhöhlen beschränkt sein ^ Ich habe mich dagegen, wie gesagt, überzeugt, dass die Geissein aus den grossen Entodermzellen unmittelbar hervorgehen, und dass sie in allen Regionen des Körpers vorkommen, aber nur auf einzelnen Zellen. In wesentlicher Weise weicht die Darstellung, welche ich von dem Bau dei' Entoderm- zellen gegeben habe, von der Levdig's ab. Er gibt an. diese Zellen besässen dicke Membranen, welche, mit einander verschmolzen, ein elastisches Fachwerk herstellen, in dessen Lücken der wasserklare contractile Zelfinhalt liegt. In der Membran selbst eingeschlossen befinden sich die dunklen Körnerhaufen sowie die farblosen Eiweisskiigelchen oder die grünen Körner dei- H. viridis. Ob der zu jedem Zellraum gehörige Kern auch in die Membran eingeschaltet oder ihr nur angeheftet ist, wiid aus der Beschreibung nicht ganz klar, jedoch scheint das erstere gemeint zu sein K Die Angaben hat Gbeef im Wesentlichen für seine Protohydra bestätigt. Er sagt, dass er eine die Leibeshöhle auskleidende Epithelialschicht nicht finden konnte, sondern »ein das ganze Parenchym durchsetzendes continuirliches Zellnetz« ^. Die Innenschicht besteht 1 1. c. p. 278. 2 1. c. p. 279. ^ Protohydra Leukarti Zeitschr. f. wiss. Zool. B. XX.. p. 46. u. f. aus rundlichen liellen kernhaltigen Zellen. Das zvvischenliegende Netzwerk konnte Greef auf keine Weise in einzelne Zelleni)ezirke zerlegen und nimmt daher ein allseitiges Verschmolzen- sein der Fäden desselben an. Er meint, in diesem Falle wären wir nicht genöthigt, »die Wandungen der einzelnen Felder des Netzes als integrirende Theiie der Zellen anzusehen, sondern wir haben ein zusammenhängendes Fach werk vor uns, von denen jedes Fach resp. jeder Hohlraum eine Zelle einschliesst, d. h. Protoplasma mit einem Kern« '. Mir waren die Angaben Leydig's schon deshalb bedenklich, weil sie ohne alle Analogie dastehen. Denn es ist bisher noch nirgends beobachtet worden, dass Zellmembranen, abge- schiedene Plasmaproducte, die stets der eigentlichen Vitalität entbehren, der Sitz jenes Assi- milationsprozesses sein sollten , der sich in den Umwandlungen der eiweissreichen farblosen und grünen Körner deutlich genug ausspricht — abgesehen davon, dass weder bei thierischen noch bei pflanzlichen Zellen der Kern jemals in der Membran angetrotlen wird. Die Unter- suchung zeigte auch bald, dass von einem zusammenhängenden Fachwerke gar nicht die Rede sein kann. Schon beim lebenden Thier, noch besser aber nach kurzer Einwirkung der Sal- petersäure von 0,5%, welche die leichte Ablösung des Ectoderms ermöglicht, das Entoderm aber eine Zeit lang ganz unverändert lässt, erkennt man mit starken Vergrösserungen oft sehr deutlich inmitten der Scheidewand, welche zwei an einander liegende helle Räume trennt, eine feine Linie, die sich als der Ausdruck der Berührungsfläche zweier verschiedenen Zellen ange- höriger Schichten betrachten lässt (Taf. I. Fig. 2) . Ganz klar wird das Verhältniss jedoch erst, wenn man Macerationsmittel, besonders die Essigsäure von 0,25 — 0,05 %, in Anwendung bringt. Das Entoderm zerfällt dann in lauter einzelne Zellen, zwischen denen Nichts von einem Fachwerk übrig bleibt, und alle diese Zellen bestehen aus einer dichten durch die Säure getrübten Aussen- schicht und einem hellen Innenraum, so dass kein Zweifel darüber bestehen kann, dass das Bild des Netzwerks nur durch die enge Aneinanderlagerung der stärker lichtbrechenden Aussen- schichten der Zellen hervorgerufen wird. Ebenso bestimmt muss ich gegen die Auffassung dieser Schicht als Zellmembran opponiren. Sie ist im Gegentheil der eigentliche den Kern umschliessende Zellkörper. Gegen alle Reagentien verhält sie sich wie Plasma, mit Essigsäure behandelt schrunipft sie und trübt sich, starke Salpeter- und Schwefelsäure sowie caustische Alkalien lassen sie erst quellen und lösen sie dann, mit Jod, Karmin und Anilin färbt sie sich lebhaft. Endlich entscheiden die amoeboiden Bewegungen isolirter Stücke für ihre plasmatische Natur. Was dagegen die helle innere Masse der Zellen anbetrißt, so rufen weder Säuren noch Alkalien eine Veränderung ihrer optischen Beschaffenheit hervor, sie fcirbt sich weder mit Jod, noch mit Karmin. Unter Einwirkung von Säuren, Alkohol, Zuckerlösung u. s. w. tritt sie je nach dem Concentrationsgrade des Zusatzes schneller oder langsamer exosmotisch durch den Plasraaschlauch, und dieser fällt faltig zusammen. Levdig behauptet, diese innere Sub- stanz quelle durch Essigsäure, die Membran reisse in Folge dessen, und der Inhalt trete ' Protohydra Leukarti, Zeilschr. f. wiss. Zool. B. XX., p. 48. heraus '. Es ist das ein Irrtlium. Lässl man verdünnte Essigsäure langsam hinzutreten, so nehmen die Zellen gleichmässig und alimalilich au Grösse ab und man kann gar nicht auf den Gedanken kommen, dass dabei durcJi einen Riss in der Aussenschicht die Innenmasse entleert werde, sondern man hat ein ruhiges exosmotisches Ueberjströmen vor sich ; wirkt starke Säuie dagegen plötzlich, dann freilich wird die Druckdill'erenz auf einmal so bedeutend, dass die Aussenschicht reisst und ihren Inhalt ganz austreten lasst, aber man sieht auch dann Nichts von einer iiervorquellenden Masse, sondern es erfolgt eine augenblickliche Vermischung der austliessenden Flüssigkeit mit dem umgebenden Wasser. Aus diesem ganzen Verhalten geht hervor, dass die Innenmasse dei' Entodermzellen am wenigsten Plasma . überhaupt abei- keine eiweisshaltige Substanz, sondern nur Wasser oder eine ausserordentlich dünne Salzlösung sein kann. Levdig hat diese Vacuolenflüssigkeit für, contractu, Ja füi- das einzige contractile Element des Hydrakörpers erklSit, eine Täuschung, welche besonders auf der falschen Auffassung der beim Zerreissen des lebenden Thiers isolirten amoeboiden Körpei', in denen er die ausge- tretene Innenmasse zu erkennen glaubt, beruht. Die Angaben Levdig's waren schon durch Reichert vielfach berichtigt. Reichert erkannte die Zusammensetzung des Entoderms aus Zellen ohne Zwischensubstanz und wies nach, dass die netzförmige Zeichnung nicht von Zellmeml)ranen herrührt. Nach ihm bestehen die Ento- dermzellen aus einer Zelhuembran, einer eiweisshalligen Mantelschicht und einer centralen Kern- masse. Die ^lembran soll unmessbar fein und leicht zerstörbar sein -. Ich glaube , dass sie mehr ein Product von Reichert's Zellendogma als das Resultat von Beobachtungen ist, ich wenigstens habe bei den verschiedenartigsten Behandlungsweisen nie etwas gesehen, was als Zellmembran hätte gedeutet werden können. Die Mantelschicht ist mit dem schlauchförmigen Zellkörper identisch, und wenn Reichert angiebt, dass sie in den Zellen des Magens und des Kopfstückes schwierig nachzuweisen ist, so liegt das daran, dass hier die ganze Zelle aus »Mantelschicht« besteht. Von seiner Kernmasse sagt er: »sie fliesst nach Zerstörung der Zell- membran in Tropfen aus unil erhält sich in Tiopfenform im Wasser, in Chromsäure, in schwacher Natronlösung, in Essigsäure, Jodwasser, es sind keine Körperchen darin suspendirt. Kein Reagens für eiweissartige StolYe bringt eine Veränderung an ihr hervor; durch chemisch reine Schwefelsäure wird sie aufgelöst. Es lässt sich vorläufig nur aussagen, dass die fragliche Substanz kein Eiweiss ist und kein Eiweiss enthält" '•'. Ich möchte hier etwas genauer auf die Beschaffenheit der Gewebsbruchstücke einsehen, welche man duich Zerreissen oder Zerquetschen einer lebenden Hydra bekommt. Sie scheinen mir von Ecker's Arbeit an viel Verwirrung angerichtet zu haben. Zunächst will ich bemerken, dass man nicht sichei- wissen kann, von welchem Blatt des Körpers sie abstanmien, wenn man die Manipulation nicht unter dem Microscope vornimmt; denn wenn auch häufig die Ein- ' 1. e. p. 277. 2 1. c. p. 26.5. ^ ibid. p. 266. 8 Schlüsse die Zugehörigkeit unzweifelhaft machen, so kommen doch eben so oft Körper vor, denen dieselben ganz fehlen, oder wo man keine Garantie hat, dass sie nicht erst nach dem Freiwerden aufgenommen sind. Abgesehen von den andern Verschiedenheiten kann man zwei Formen unterscheiden , von denen die erste aber mit der Zeit immer in die zweite übergeht : amoeboide und kuglige Körper. Die erstem, welche durch ihren Formwechsel characterisirt sind, stammen sowohl vom Ectoderm als auch vom Entoderm her: von diesem sind sie häu- figer. Sie bestehen aus der plasmatischen Grundsubstanz, die neben Färb- und Excretkörnchen oder Nesselkapseln immer eine, oft aber noch mehrere Vacuolen einschliesst. Die Formver- änderungen, welche sie zeigen, müssen meiner Meinung nach auf zwei verschiedene Vorgänge zurückgeführt werden. Einmal entstehen solide Plasmafortsätze , die in ihrer Beschaffenheit und in der Art ihrer Bildung genau mit den Pseudopodien der Amoeben übereinstimmen. Sie kommen bei Hydra nicht besonders häufig vor und sind meist kurz und dick, während nach Greef bei Protohydra diese Bildungen praevaliren und lang und dünn sind. Andererseits werden hyaline Blasen liruchsackartig vorgetrieben. Sie entstehen durch Translocation der Vacuolen, die. nui' von einer dünnen Plasmaschicht überzogen, über die Oberflächen hinaus- geschoben werden. Wenn man diese Bildungen des äussern Formwechsels wegen auch Pseudo- podien nennen will, so muss man doch die Verschiedenheit des Entstehungsmodus anerkennen : die wirklichen Pseuilopodien sind der unmittelbare Ausdruck activer Bewegungen des Plasmas, die rundlichen Hervorwölbungen bestehen dagegen aus Flüssigkeitsansammlungen, welche durch den wechselnden Druck ihrer Umgebung bald vorgetrieben werden , bald wieder unter das Niveau der Oberfläche zurücksinken. Die amoeboiden Körper sind meist aus dem Zusammen- hang gelöste ganze Zellen, aber ich habe mich auch überzeugt, dass selbst kleine Stückchen von diesen die Fähigkeit der Formveränderung für einige Zeit beibehalten. Die kugligen Körper bieten grössere Verschiedenheiten in ihrer Beschaffenheit dar. Zum Theil schliessen sie Körner und Nesselkapseln ein, zum Theil entbehren sie derselben. Von den letztern l)estehen einige aus einer hellen leicht granulirten Masse. Sie sind durchweg gleichartig und immer nur von einem einzigen Contoui- umgeben. Mit Jod und Karmin färben sie sich, in Essigsäure, Alkohol und Zuckerlösung schrumpfen sie und werden dunkler. Es sind solide Plasmakugeln. Neben ihnen finden sich Plasmakugeln, die eine häufig excentrisch gelegene Vacuole einschliessen, und endlich solche, die zuerst kaum von den soliden Kugeln zu unterscheiden . sind. Auf der Oberfläche erscheinen sie gleichfalls leicht granulirt, stellt man aber genau auf die Mitte ein, so sieht man, dass sie von einem äusserst feinen, aber deutlich doppelten Contour begrenzt sind, welcher eine durchaus klare ungekörnte Masse einschliesst. Ihr Entstehen ist leicht zu beobachten. Unter Druck oder nach Zerrungen bilden sich an ein- zelnen Stellen der Gewebe blasige Auftreibungen der Zellen, welche zuerst noch dicke Wan- dungen haben. Allmählich dringt mehr Flüssigkeit vor und, indem ihre Wandung mehr und mehr ausgedehnt wird, nimmt die Ausstülpung Kugelform an, bis sie sich zuletzt von der Masse, aus der sie entstand, ganz ablöst und frei wird. Denselben Vorgang beobachtet man an Thieren, die auf dem Objecttriiger, ohne einem Druck ausgesetzt zu sein, absterben. Hier löst sich langsam dei- ganze Körper in Kugeln auf, deren grösserer Theil aber aus ganzen Zellen mit deutlichem Kern besteht. Das Verhalten der doppelt contourirten Kugeln gegen Reagentien ist von dem der soliden Plasmakugeln ganz verschieden. In Tinclionsmitteln bleiben sie unverändert oder erhalten doch nur einen sehr leichten Farbenton, der von der gefärbten dünnen Hülle herrührt, während die ganze Innenmasse wasserhell bleibt. Nur bei längerem Verweilen in wässeriger Jodlösung nimmt auch die Innenmasse eine gelbliche Färbung an, was wol auf den endosmotischen Austausch der Flüssigkeiten zu beziehen ist. Durch wasserent- ziehende Agentien ziehen sie sich rasch sehr stark zusammen , wobei die Plasmaschicht zu- sehends dicker wird, und bei plötzlichei' Einwirkung platzen die Kugeln und fallen, indem sich ihr Inhalt mit der umgebenden Flüssigkeit mischt, wie leere Blasen zusammen. Es ergiebt sich hieraus, dass alle die kngligen Körper, die man aus einer lebenden Hydra isoliit, Plasmamassen sind, dass aber bei den zuletzt beschriebenen, durch excessive Wasseransammlung im Innern, das Plasma zu einem äusserst dünnen Häutchen ausgedehnt ist und sie in Folge dessen leicht als Tropfen einer durchweg gleichartigen nicht eiweisshaltigen Substanz erscheinen können. Die Behauptung Reichert's, dass die fragliche Substanz in Schwefel- säure gelöst werde, ist leicht zu' erklären. Schwefelsäure löst das Plasma, die soliden Kugeln quellen auf und schwinden dann, bei den Blasen, die aus einer so dünnen Plasmaschicht be- stehen, wird diese plötzlich zerstört und das eingeschlossene Wasser mischt sich unmerklich mit dem umgebenden, so dass es wol den Anschein haben kann, als ob das ganze Gebilde sich aufgelöst hätte. Reichert behauptet, dass das freie Ende der Tentakeln keine innere Zellenschicht be- sässe, und er scheint hierauf besonderes Gewicht zu legen '. Jedoch ist dies im Allgemeinen nicht richtig. Bei H. viridis ist der Tentakelcanal immer bis zu seinem äussersten Ende von einer Schicht ausgekleidet, welche Chlorophylkörner enthält. Einzelne Zellen kann man frei- lich nicht unterscheiden. Bei frischen und kräftigen lebenden Exemplaren der beiden andern Arten sieht man dagegen, auch während des Maximums der Extension, die deutlichen flachen Entodermzellen in zusammenhängender Lage bis an das Ende der Tentakeln reichen. Aller- dings kommen aber auch Fälle vor, die für Reichert's Angabe sprechen. Es sind dies meist verhungerte, lange in der Gefangenschaft gehaltene Thiere. Hier werden die Entodermzellen, welche an der Basis der Tentakeln deutlich sind, gegen das Ende zu immer flacher und gehen zuletzt in sehr dünne hyaline Schicht über. Ich will nicht entscheiden, ob lües bloss die Muskellamelle und das Entoderm völlig geschwunden ist, oder ob doch noch eine zarte Lage desselben die Höhle auskleidet — soviel ist aber gewiss, dass diese Fälle als Abnormitäten zu betrachten sind, während die Regel ist. dass Leibes- und Tentakelhöhlen überall eine Epithelschicht besitzen. ' 1. c. p. 24.5. 247. Kleinenberg, Hydr.i. 10 Das Ectoderiii. Gegenüber der einfachen Zelllage des Entoderms erscheint das äussere Blatt des Hydrakörpers als eine coniplicirte Bildung. Nicht allein, dass ein Theii seiner Zellen eine sehr eigenthümliche Dift'erenzirung erlangt hat — mit Ausnahme der Fussscheibe ist es überall aus zwei formell und functionell ganz verschiedenen Geweben zusammengesetzt, die sich morphologisch und genetisch als integrirende Bestandtheile eines heteroplastischen Organs, des Ectoderms erweisen. Beim lebenden Thier ist das Aussehen der KörperoberHäche je nach den Contractions- zuständen sehr verschieden. Während der Erschlaffung stellt das Ectoderm eine gleich- förmige zusammenhängende Masse dar, in welcher die grossen und kleinen Nesselkapseln ein- gebettet sind. Von Zellengrenzen und Kernen kann man nur an der Basis der Tentakeln zuweilen einige, nicht sehr bestimmte, Andeutungen sehen. Bei mittlerer Contraction entsteht dagegen das Bild eines epithelialen Baues, indem die Oberfläche in vieleckige Feldei- zerfällt, die durch starke breite Grenzlinien abgetheilt werden, und durch die Seitenansicht überzeugt man sich, dass jedes dieser Felder einem papillenartigen Vorsprung entspricht. Schreitet die Verkürzung des Körpers fort, so verlieren sich die breiten Grenzlinien wieder, die Felder werden in der Richtung des Körperumfangs zu gestreckt Hiombischen oder linsenförmigen Wülsten zusammengedrückt, und indem ihre Oberfläche sich stärker erhebt, stellen sie schmale hohe Falten dar , die einzeln oder zu Gruppen vereinigt dem Ectoderm das Ansehen einer gefalteten Membran verleihen. Von den mannigfachen Methoden, die ich für die Untersuchung des Entoderms an- wandte, sind mir zwei von besonderem Werth gewesen. Einmal die Erhärtung des Thiers durch ein- bis dreitägige Einwirkung der Chromsäure von 0,02o7o zum Zweck der Anfertigung von Querschnitten und tiann die Maceration in 0,23 — 0,05 procentiger Essigsäure (eine viertel oder eine halbe Stunde lang). Man erhält zwar bei diesem Verfahren die Thiere inuuer im Contractionszustande , doch ist das durchaus kein Uebelstand. Die Präparate wurden mit Fuchsin gefärbt und in verdünntem Glycerin aufbewahrt. Auf dem Querschnitt (Taf. I Fig. I und 7) findet man nach aussen, die Oberfläche bil- dend, eine einfache Lage grosser Zellen mit grossen ellipsoidischen Kernen (Fig. 7 h), dann unter und zwischen diesen eine Menge kleinerer Zellen, die theils je eine Nes.selkapsel , theils nur einen verhältnissmassig beträchtlichen Kern enthalten [ig) und endlich dem Entoderm dicht anliegend eine schmale helle Zone in welcher senkreclit verlaufende feine Fäserchen eingebettet sind {ml) . Die vollständige Erkcnntniss der Formverhältnisse dieser Zellen ist jedoch erst durch die Isolation derselben möglich. 'Man sieht, dass die grossen Zellen meist nur mit ihren verbreiterten Grundflächen sich gegenseitig berühren. Von dieser Basis aus verjüngt sich der Zellkörper bald ziemlich plötzlich, bald ganz allmählich und geht entweder gleichmässig sich verschmälernd in einen derben Fortsatz aus (Taf. I Fig. 1 0 (/) oder er spaltet sich dichotomisch und löst seine Masse in zwei Fortsätze auf, die, indem sie weitere secundäre und tertiäre Spaltungen erleiden. 11 das centrale Ende der Zelle mehrfach verzweigt erscheinen lassen (Taf. 1 Fig. 9;. Die Hohe, auf welcher die Spaltung beginnt, ist sehr verschieden, und ebenso wechselnd ist die Form der Fortsätze : neben massigen, welche in ihrem Verlauf sich zuspitzen und weiter verzweigen, ent- stehen sehr dünne, die vom Ausgangspunkt an in ihrem ganzen Verlauf dieselben Dimensionen beibehalten. Alle diese Fortsätze verlaufen divergirend, bis sie das Entoderra erreicht haben, dann biegen die feinsten derselben scharf im rechten Winkel um , ohne dass an der Um- biegungsstelle eine Dimensionsveränderung entsteht ; die andern sowohl als auch die zugespitzten Enden der ungetheilten Zellkörper gehen in eine, meist aber in zwei rechwinklig gestellte feine Fasern aas, die immer der Längsaxe des Körpers parallel nach oben und unten verlaufen. Auf diese Weise entsteht eine dem Entoderm anliegende einfache Lage längsgerichteter zarter Fasern. Die Länge der einzelnen Faser ist schwer zu bestimmen , weil die Spaltbarkeit des Gewebes in querer Richtung viel grösser ist, als in der Längsrichtung, so dass beim Zerzupfen die longitudinalen Fasern gew'öhnlich zerreissen ; die längste, welche ich an solchen Präparaten gemessen habe, hatte 0.08""". Dagegen lassen sich aus der später zu beschreibenden Eihulle diese Zellen des Entoderms sehr leicht isoliren und zeigen Fortsätze von zuweilen mehr als 0.2Ö """ Länge (Taf. II Fig. U . Alle diese Fasern, welche ich Muskelfortsätze nennen will, sind nun durch reichliche Zwischensubstanz zu einer zusammenhängenden Haut, der Muskellamelle, verbunden, die überall zwischen Entoderm und Ectoderm eingeschaltet ist. Das Bindemittel füllt aber nicht bloss die Räume zwischen den Fasern aus, sondern, gegen das Entoderm an Mächtigkeit zunehmend, bildet es eine zusammenhängende dünne Membran. Durch Maceration und Zerzupfen gelingt es zuweilen diese Membran von den Muskelfortsätzen abzulösen und für sich allein darzustellen. Sie ist während des Lebens otl'enbar sehr weich, klar und farblos, ohne alle körnigen Ein- lagerungen ; in reinem Wasser scheint sie zu quellen und schwindet allmählich , Säuren von massiger Concentration trüben sie und geben ihr eine feste Consistenz, in concentrirter Schwefelsäure und kaustischen Alkalien quillt sie beträchtlich und löst sich dann, Karmin and Jod färben sie gar nicht , dagegen erliält sie durch Goldchlorid einen strohgelben Ton. Am lebenden Thiere erkennt man während der Contraction deutlich, dass die Zellkörper an ihrer, die Oberfläche bildenden Basis einen verdichteten Plasmasaum besitzen, der sich ziemlich scharf gegen die hellere und weniger consistente innere Masse abgrenzt ; an den Seitenflächen ist er nicht vorhanden. Der Basalsaum ist keineswegs als gesonderte Membran anzusehen, und ebensowenig liegt eine Uebereinstimmung mit dem Bau der Entodermzellen vor, denn diese sind, wie ich gezeigt habe, Plasmaschläuche mit wässrigem Inhalt, die grossen Ectodermzellen dagegen solide Plasmakörper, wenn gleich an der erwähnten Stelle eine be- trächtliche Differenz des Wassergehalts sich merklich macht. Der Basalsaum zeigt während des Lebens eine grobe Körnelung, welche, wie ich glaube, nicht von eingestreuten heterogenen Körperchen, sondern von kleinen circumscripten Condensationen der Substanz herrührt. Diese Erscheinung schwindet merkwürdiger Weise beim Absterben des Thiers fast immer vollständig. 12 nur nach Behandlung mit Goldchlorid von c. 0,25 7o erhält sie sich und tritt noch schärfer hervor. Das übrige Plasma des Zellkörpers entbehrt grösserer körnigei- Einschlüsse, es ist hell und ganz fein granulirt. Das Plasma der Muskelfortsätze stimmt in seiner Beschaffenheit mit dem des Zellkörpers überein, nur erscheint es besonders an Essigsäurepräparaten um ein Weniges stärker lichtbrechend. Der Kern, welcher immer vorhanden ist, enthält ein, seltener zwei Kernkörperchen ; seine Form ist gewöhnlich ellipsoidisch mit c. 0,0i6 '"'" grösstem Durch- messer. Er befindet sich nie an der Basis des Zellkörpers oder in einem Fortsatz, sondern liegt mehr in der Mitte, meist gerade unter der ersten Theilung. In Folge der eigenthümlichen Gestaltung dieses Gewebes entsteht zwischen den an einander gefügten Basen der Zellkörper und ihren zu einer Membran verbundenen Muskelfort- sätzen ein System von communicirenden Lücken. Diese werden ausgefüllt von einem Gewebe, welches ich seiner topographischen Beziehung zu dem andern wegen als interstitielles Gewebe des Ectoderms bezeichnen werde. Seine Vertheilung ist aus dem Gesagten klar. Es bildet keine vollkommene Schicht, sondern ein Netzwerk, dessen Maschen von Theilen des andern Gewebes eingenommen werden. An der Muskellamelle zwischen den Theihmgen ist es am reichlichsten, oft mehrfach geschichtet, in die Interstitien der Zellkörper schieben sich nur wenige vereinzelte Zellen hinein (Taf. I Fig. 7) . Diese Zellen sind spindelförmig oder zu kleinen Plättchen ausgebreitet, ihr Plasma ist dicht und körnig und umgiebt einen relativ grossen, oft die Hauptmasse bildenden Kern (Taf. I Fig. 1 2 a.b). Neben diesem entstehen in einzelnen Zellen der tiefern Lagen des interstitiellen Gewebes jene eigenthümlichen Organe, die Nessel- kapseln. Es bildet sich seitlich vom Kein ein zuerst nicht scharf umschriebener kugliger heller Raum, der allmählich die definitive Form der Nesselkapsel anninnnt und einen doppelten Con- lour erhält (Taf. I Fig. 12/). Dann entsteht im Innern desselben der spiralig aufgewundene äusserst zarte Faden. Die Einzelheiten des Entwicklungsganges sind mir unbekannt geblieben, weil die Kleinheit und grosse Vergänglichkeil der jungen Kapseln die Untersuchung ausser- ordentlich erschweren. Einige Zeit nach vollendeter Ausbildung der Kapsel schwindet, wie mii- scheint, ganz regelmässig der Kern der Bildungszelle, diese verliert ihre Spindelform, ihren körnigen Inhalt und umgiebt als kuglige oder eiförmige Hülle die Kapsel. Die zur Entladung reifen Nesselkapseln werden von ihrer tiefern Bildungsstätte gegen die Oberfläche vorgedrängt, wo sie zwischen den grossen Zellkörpern oder auch ganz in das Plasma derselben eingebettet liegen. Hier findet sich an vielen derselben ein ziemlich steifes feines und spitziges Härchen, welches etwas seitlich vom Eröffnungspol aufsitzt. Diese Borste ist jedenfalls kein ausgetre- tenes Stück des Nesselfadens, und eben so wenig gehört sie zu den grossen Zellkörpern ; ich möchte sie, ohne jedoch ganz in's Reine gekommen zu sein, für einen Fortsatz der plasma- tischen Hülle der Kapsel halten. In Bezug auf den Bau der fertigen Nesselkapseln habe ich dem Bekannten nichts Wesentliches hinzuzufügen, nur fand ich, dass, während der Faden der grössern birnförmigen Kapseln bis auf die Haken" am untersten Theil ganz glatt ist, jener der kleinern mit zwei gegenläufigen Spiralen ungemein kurzer und feiner Härchen versehen ist. 13 Der Bau der Fusstläche weicht von dem eben beschriebenen des iiljrigen Korpers be- sonders darin ab, dass hier das interstitielle Gewebe und dem entsprechend auch die Nessel- kapseln gänzlich fehlen. Die grossen Zellkörpei' Taf. I Fig. I 1 haben eine prismatische oder keulenarlige Gestalt mit kuppenförmigem äusseren Ende. Sie bleiben immer ungetheilt, aber ihi- stumpf abgeschnittenes inneres Ende läuft seitlich in eine kleine Spitze aus. die in einen ein- fachen Muskelfortsatz übergeht. Die Zellkorper haben keinen Basalsaum, ihre ganze Masse ist gleichartig und bedeutend dichter als bei denen des Körpers, so dass die Fussscheibe innner am dunkelsten erscheint. Im Ectoderm der Tentakeln praevalirt wieder das interstitielle Gewebe. An der Basis ist es zwischen den grossen flachen Zellkörpern in ähnlicher Weise wie am Körper vertheilt, weiterhin besteht es fast nur aus Nesselkapselzellen vorherrschend mit kleinen Kapseln, welche dicht gedrängt, unterhalb der grossen Zellkörper und in dem Plasma derselben selbst liegend, zugespitzte Wulste bilden, die spangenförmig ein bis zwei Drittheile des Umfangs des Tentakels umgreifen. Diese Nesselpolster sind bei H. viridis am schwächsten, sehr stark bei H. gri.sea ausgebildet. Sie sind ganz fixe Gebilde, welche bei den Bewegungen ihre Form nur wenig ändern. Während der Extension flachen sie sich etwas ab und werden in dei' Längsrichtung breiter, zugleich aber weichen sie von einander, so dass sie, durch weite Zwischenräume ge- trennt, ganz vereinzelt stehen; verkürzt sich der Tentakel, so erheben sie sich wie Falten und rücken bis zur gegenseitigen Berührung zusammen. Leydig beschreibt das Ectoderm der Hydra als eine einfache Epithellage. Die cylin- drischen oder keulenförmigen Zellen der Fussscheibe sollen gegen das orale Ende hin an Länge abnehmen und in die rundlichen flachen Zellen des Körpers und der Arme übergehen '. In diesen Zellen werden auch die Nesselkapseln erzeugt. Wenn er also auch die Zusammen- setzung des Ectoderms aus zwei verschiedenen Geweben nicht erkannte, so scheint mir doch aus seinen Abbildungen mit Bestimmtheit hervorzugehen, dass er isolirte Zellen beider Gewebe gesehen hat. Die Figur 1 0 der Tafel (Fig. 8 des Textes) stellt einen grossen Zellkörper der Fussscheibe dar, welchem freilich jede Andeutung des Muskelfortsatzes fehlt ; Fig. 9 (7) zeigt dagegen nicht die entsprechenden Zellen des Körpers, sondern einige Zellen des interstitiellen Gewebes. Der Irrthum ist leicht erklärlich, wenn man berücksichtigt, dass es Levdfg bei seiner Untersuchung doch besonders nur darauf ankam, die histiologische Structur des Thiers im Grossen und Ganzen, ohne Rücksicht auf Einzelheiten und Eigenthünilichkeilen, aufzuklären, und dass er zu diesem Zweck seine Reagentien und besonders die Essigsäure in starken Lösungen angewandt hat, wie das damals, als man den grossen Werth der hohen Verdauungen noch wenig anerkannt hatte, allgemein gebräuchlich war. Dann erhält man zwar ein gutes Bild des zelligen Baus der Fussscheibe, aber am übrigen Körper werden die natürlichen Ver- hältnisse bis zur Unkenntlichkeit verändert. Nicht nur, dass durch die eintretende starke Con- • 1. c. p. 272. 14 traction die grossen Zellkörper sehr zusammen gepresst werden, bei ihrem bedeutenden Wasser- gehalte schrumpfen sie auch durch den Einfluss der Säure und werden von den Zellen des interstitiellen Gewebes, die wegen ihres festen Plasmas consistenter und formbeständiger sind, zerdrückt und verdeckt. Zerzupft man das so misshandelte Gewebe, so isolirt man als deutlich zellige Elemente freilich nur die grossen Zellkörper der Fussscheibe, deren Muskel- fortsatz abgerissen ist, und Zellen des interstitiellen Gewebes und kann zu der Meinung kommen, dass ausser den letztern gar keine andern Zellen im Ectoderm des Körpers vorhanden wären. Die Schwierigkeit, dies Resultat der Praeparation mit dem Ansehen des Ectoderms am lebenden Thiere in Einklang zu bringen , wäre einem so ausgezeichneten Beobachter wie Leydig wol auch aufgefallen, wenn er nicht noch eine andere irrige Vorstellung vom Bau des Ectoderms gehabt hätte. Er glaubte nämlich, eine das Ectoderm überziehende homogene Cuticula wahr- genommen zu haben. »Es geht am lebenden Thier eine scharfe Contour über die Zellen als Grenzlinie weg, die bei der Contraction der Arme oder noch merklicher am Fusse an Dicke gewinnt und bei dem zuletzt genannten Körpertheil in starke Querfalten sich legt und dann etwa 0,0012 """ im Durchmesser hat. Auf der Fusscheibe scheint sie zu mangeln«'. Ich habe mich bestinmit überzeugt, dass solch eine Cuticula nicht vorhanden ist, und glaube in der An- nahme nicht zu irren, dass Leydig die 'Basalsäume der grossen Zellkörper für ein besonderes structurloses Oberhäutchen und dem entsprechend die Vorwölbung derselben bei der Contraction für Faltenbildungen gehalten hat. Die Muskellamelle hat Leydig wol gesehen, er sagt aber nur : »Unterhalb der Zellenlage der Haut folgt abermals eine scharfe Linie, die auf eine homo- gene Membran bezogen werden kann, und die an der Fussscheibe am dicksten ist« 2. Der Entdecker der Muskulatur der Hydren ist Kölliker. Seine Mittheilung ist jedoch aphoristisch und sollte durch eine ausführlichere Darstellung vervollständigt werden, die aber bis jetzt nicht erschienen ist. Er giebt an, die Muskelfasern »finden sich in allen Theilen des Körpers, sind 0,043 "" lange, feine, der Länge nach verlaufende Fäserchen, die zwischen beiden Epithellagen des Leibes ihren Sitz haben. Ich glaube ausserdem gefunden zu haben, ohne jedoch für einmal mit voller Bestimmtheit mich aussprechen zu können, dass jede Faser oder Fibrille einzeln für sich im Innern eines schmalen Basalfortsatzes der Zellen des Ento- derms sich entwickelt. Diesem zufolge besitzt auch Hydra für die stärkeren Bewegungen be- sondere Elemente, inunerhin wäre es leicht möglich, dass auch die Zellen der beiden Epithel- lagen, vor allem die der äussern Schicht, im Stande wären, langsam ihre Form zu verändern, wie dies schon Wright angedeutet hat« ^. Auf der Tafel XVII Fig. 3 desselben Werks ist auch der Querschnitt eines in Chromsäure gehärteten Thiers abgebildet, auf dem man die in einer schmalen lichten Zone eingebetteten kreisförmigen Durchschnitte dieser muskulösen Elemente deutlich erkennt. Kölliker hat ihnen aber den Character selbständiger Zellen beigelegt, denn 1 1. c. p. 275. 2 1. c. p. 276. •'' Icones histiologicae. 11. Abtheilung, p. 105, 106. 1865. 15 er sagt an einer andern Stelle, bei allen Hydroidpolypen läge zwischen dem Innern die verdauende Höhle begrenzenden und dem äussern die Oberfläche bekleidenden Epithel, wie es scheint, ohne Ausnahme eine Lage von Muskelzellen, die überall zuerst eine longitudinale ist'. Ich habe mich dagegen überzeugt, dass die contractilen Elemente von Hydra nicht besondere Zellen, sondern eigenthümlich angeordnete und mit einander verbundene Zellfortsätze sind und als solche stets in Zusammenhang mit den grossen Zellkörpern des Ectoderms bleiben. Trotz des fundamentalen Gegensatzes der EcKEn'schen Anschauung über den Bau des Hydrakörpers zu der meinigen, trotz der wesentlich abweichenden Auffassung, zu welcher ich durch meine Untersuchungen gegenüber Leydig gekommen bin, sind mir die betreffenden Ar- beiten doch verständlich und der Würdigung zugänglich gewesen. Ich habe die Sicherheit gewonnen, dass unsere Meinungsdifferenzen allein auf Verschiedenheiten der Untersuchungs- methoden, welche, wie ich behaupten darf, bei- beiden, besonders bei Ecker, unzugänglicher und unvollkommner waren als die meinigen, zurückzuführen sind. Anders steht es mit Reichert's Arbeit. Er hat die Ergebnisse der Vorarbeiten genau gekannt, er hat die meisten der technischen Hülfsmittel gebraucht, welche auch ich benutzt habe, und kommt doch zu Re- sultaten, die sich mit den meinigen auf keine Weise vereinigen lassen. Und zwar sind es nicht bloss seine Deutungen und Folgerungen, welche die Unvereinbarkeit begründen, sondern es ist die Darstellung des objectiven Thatbestandes. Reichert beginnt mit der Beschreibung der contractilen Schicht (Ectoderm) der Ten- takeln im ausgedehnten Zustande und, da er die Masse, in welcher die Nesselkapseln einge- bettet sind, durchsichtig und ohne Contouren von Zellen oder Zellkernen findet, schliesst er schon ohne Weiteres: »die contractile Schicht darf also nicht als Epithel aufgefasst und dar- gestellt werden« ^. Es dürfte Reichert , der sich lange genug mit der Histiologie abgegeben hat, doch unzweifelhaft bekannt sein, dass die Differenz der Brechungsexponenten verschiedener Gewebstheile, besonders zwischen Kernsubstanz und Plasma ausserordentlich oft zu gering ist, um durch unsere Microscope wahrgenommen zu werden. Im Gegensatz zu der ganzen heu- ligen Wissenschaft den Grundsatz aufstellen: was man am frischen Theil nicht sieht, ist über- haupt nicht da, heisse die ' Gewebelehre um mehr als ein Jahrhundert zurückversetzen. Bei massiger Contraction verändert sich das microscopische Bild, die contractile Schicht verdickt sich und die äussere Begrenzungslinie wird wellig; »dasselbe findet aber auch an der Berührungsfläche mit der Stützmembran statt und bewirkt, dass die zwischen Stützmembran und contractiler Schicht im optischen Querschnitt sichtbare Linie körnig ersc4ieint« ■'. Das letztere verstehe ich nicht, ich weiss weder, was für ein Bild gemeint ist, noch wie durch die Verdickung und wellige Begrenzungslinien körnige Linien hervorgebracht werden sollen. Die Substanz erscheint jetzt auch auf der Flächenansicht granulirt: »Dieses körnige Ansehen kann ' Icones histioloiiicae. II. Ablheikins;. p. 88. 2 .üeber die contractile Substanz a. d. W. p. 247. ' ibid. p. 2i7. 16 demnach nur als optischt^r Ausdi-uck kleiner, durcli die Contraction herbeigetüliiter papillen- arliger Erhebungen angeselien werden« ' — wirküche Körnchen sollen nur hin und wieder in der Gegend der Fussscheihe vorkommen. Die betreffenden papillenartigen Erhebungen müssen aber sehr wandelbarer Natur sein, da sie nur in der Flächenansicht erscheinen, während bei der Seitenansicht, in welcher Hervorragungen an der Oberfläche doch deutlicher hervorzutreten pflegen, keine Spur von solchen auCzufinden ist. Das Ectoderni des Fusses und der Fussscheibe soll im ausgedehnten Zustande auch durchaus homogen sein. Reichert giebt jedoch zu, dass man dann doch zuweilen polyedrische Felder sieht, die nicht auf die Grenzen der Entodermzellen bezogen werden können. Seine Erklärung dieses Bildes ist originell : "Die befestigten Endflächen der Zellen liefern ein sehr regelmässiges, einem Plattenepithel ähnliches Bild. Gleichzeitig oder auch nur bei geringer Senkung des Focus werden die Begrenzungslinien der Prismen untei- einander sichtbar und combiniren sich zu einer gemeinhin weniger regelmässigen netzförmigen Zeichnung mit mehr in die Länge gezogenen Maschen« -. Da an den Basalflächen der Entodermzellen doch nur durch die Brechungsdifferenz ihrer Beriihrungslinien die netzförmige Zeichnung hervorgerufen wird und diese sich in den Seitenflächen bis an das freie Ende continuirlich fortsetzt, kann natürlich von, denselben Zellen angehörigen, getrennten, über einander liegenden Bildern gar keine Rede sein. Die während der Contraction am Körper erscheinende Zeichnung des Ectoderms ist auch nach Reichert einem Epithel so ähnlich, dass »man nur mit Mühe von dem Gedanken sich los- machen kann, dass ein wirkliches Epithel vorliege«^, kann aber doch wegen der Beschaffen- heit der Schicht bei der Ausdehnung nicht ein solches sein und rauss auf Contractionsformen der zusammenhängenden Substanz, namentlich auf die »papilläre Contractionsform«, bei welcher abgegrenzte rundliche Erhebungen entstehen, bezogen werden. Da die erwähnte Zeichnung an der Fussscheibe immer vorhanden ist, so schliesst Reichert ganz consequent, dass dieser Theil sich unausgesetzt im contrahirten Zustande befindet. Nun nimmt Reichert auch Reagentien, besonders Chromsäure und Essigsäure, zu Hülfe und findet: »Unter Umständen, namenthch, wenn die contractile Substanz bei Erhärtung sich in papillenaitigem Contractionszustande befand, erscheinen viele polyedrische Stücke von nahezu gleicher Grösse, die sich bei flüchtiger Beobachtung wie Epithelplättchen ausnehmen, wobei die Nesselorgane odei' die Lücken, worin letztere gesessen haben, als Kerne gedeutet werden. Wer die Eigenschaften der contractilen Schicht im lebenden Zustande kennt und den Gang der Zerstückelung genau verfolgt hat, kann in einen solchen Irrthum nicht verfallen« *. Ueber den Gang der Zerstückelung wird weiter nichts als die sehr einfache Thatsache gemeldet, dass das ^ Ueber die contractile Substanz a. d. W. 2 ibid. p. 2.50. ä ibid. p. 2.36. * ibid. p. 2.57. 17 , mit Säuren behandelte Gewebe bei Anwendung von Druck zuerst in grössere Parthieen, dann in die polyedrisclien Plättchen und unter stärkerer Pressung schliesslich in körnerartige Stückchen zerfällt. Wie dies gegen den zelligen Bau des Ectoderms entscheiden soll , ist mir nicht zu- gänglich. Aber die Kerne fehlen. Was Leydig und Andere für Kerne hielten, sind Nesselkapseln oder die Lücken, die nach dem Herausfallen derselben nachbleiben. Nein — Reichert weiss auch noch eine dritte Quelle des Irrthums aufzuschliessen : es können auch Nesselkapseln sein, bei denen der Faden noch nicht entwickelt ist '. Wirkliche Kerne sollen in Ectoderm nie vorkommen. Bei der Contraction dienen, sagt Reichert, die Nesselorgane als Centra, um welche sich die contractile Masse ansammelt, die spangenförmigen Wülste der Tentakeln entstehen, indem Gruppen von Nesselorganen die Substanz aus ihrer Umgebung anziehen, während am Körper und Fuss einzelne Kapseln diese Rolle übernehmen, so dass die Masse des Ectoderms in stumpfe Kegel sich gruppirt , deren jeder »mit seiner breiten Basis der Stützmembran an- liegt und an der abgerundeten freien Spitze das Nesselorgan trägt« l Durch diese eigenthüm- liche Erscheinung ist die irrige Ansicht vom zelligen Bau des Ectoderms veranlasst worden. Gleich darauf führt Reichert wieder aus, wie das beschriebene Verhalten der Nesselorgane nur eine von den Formen sei, unter welchen sich die Thätigkeit der contractilen Substanz zu er- kennen gebe, und vielleicht auch etwas ganz Zufälliges sein könne, weil an der Fussscheibe die Nesselorgane gänzlich fehlen, trotzdem aber sein papillenartiger Contractionszustand hier immer vorhanden ist - — ich möchte hinzufügen, abgesehen davon, dass nicht die Spur eines Grundes vorliegt, den Nesselkapseln eine anziehende Kraft auf das Plasma zu vindiciren, dass stets nur sehr vereinzelte Papillen auf ihrer Spitze eine Nesselkapsel tragen, der Regel nach diese aber zwischen den Zellgrenzen liegen. Interessant ist die Stelle, weil sie einen klaren Einblick in den Mechanismus REiCHERT'scher Beweisführung giebt. Um einen Irrthum Leydig's wahrscheinlich zu machen und die Zellen für Contractionspapillen, deren Kerne für Nesselkapseln erklären zu können, braucht Reichert durchaus die Behauptung, dass im Entoderm des lebenden Thiers kernhaltige Zellen wahrnehmbar seien: da nun Niemand diese Angabe gemacht hat, fingirt Reichert sie einfach und widerlegt dann in seiner Weise, trotzdem er wissen musste, dass Leydig — auf den es doch nur ankommen kann — ausdrücklich hervorhebt, wie die Kerne des unverletzten Ectoderms nicht sichtbar sind und erst nach Einwirkung der Essigsäure er- scheinen! Wie steht es nun mit diesen durch Säure deutlich gemachten Kernen, die sich in so grosser Zahl finden? Dass Reichert sie gesehen hat, unterliegt um so weniger einem Zweifel, als er die unverkennbarsten Kerne in der Fig. 1 3 der Tafel VII selbst gezeichnet oder von Herrn Dünitz hat zeichnen lassen. Es sollen aber doch keine Kerne sein. Er hat sich ent- schlossen, auch diese Gebilde für Nesselkapseln zu erklären. Die Verwechselung der aus chitin- artiger Substanz bestehenden, doppelt contourirten, einen aufgerollten Faden einschliessenden, ' Ueber die contractile Substanz, p. 251. 2 ibid. p. 252. Kleinen berg, Hydra. , 18 birn- oder eiförmigen Kapseln mit den gianulirten eiweisshaltigen Kernen, welche ein oder zwei Kernkörperchen enthalten, ist mit einem halbwegs brauchbaren Microscope kaum möghch, und jeder, der die Nesselkapseln einmal gesehen hat, wird zugeben, dass die als solche be- zeichneten Körper der Fig. 1 3 Taf. VII , wenn sie nicht ganz falsch gezeichnet sind , keine Nesselkapseln sein können. Ein derartiges Versehen Leydig zuzumuthen ist gewiss etwas stark. Das hat Reichert denn wohl auch selbst gemerkt und sich daher noch die erwähnten beiden andern Auswege eröffnet. Die Lücken, welche beim Herausfallen der Nesselkapseln nachbleiben (Taf. I Fig. 12 f.), lassen sich als solche besonders, wenn man die Zelle hin und her bewegt, sehr leicht erkennen, und bei dem Mangel jedes Körpers, der ein Kernkörpeichen vortauschen könnte, ist nur eine absichtliche Verwechslung mit Kernen möglich. Bleiben noch die unent- wickelten Nesselkapseln. Aber ebenso wenig wie in der ganzen Schrift der leicht erkennbare Bau der fertigen Nesselkapseln und ihr auffalliges optisches Verhalten erwähnt ist, ebenso wenig hat Reichert es zweckmässig gefunden, .seine Beobachtungen über die Entwicklung der Nessel- kapseln mitzutheilen oder die Dinge, von denen er als von Nesselkapseln, bei welchen der Faden noch nicht ausgebildet ist, spricht, abzubilden oder sonst irgendwie kenntlich zu machen. Ich bin überzeugt, dass er die unentwickelten Kapseln gar nicht gekannt hat, er hätte sonst einsehen müssen, dass sie fast noch weniger als die ausgebildeten Aehnlichkeit mit Kernen haben. Er hat wirkliche Kerne, ohne sich weiter um ihre Genese und ihr Verhältniss zu den Nesselkapseln zu kümmern, einfach als Nesselorgane mit unentwickelten Fäden be- zeichnet und damit die Verwirrung vollendet, die nothwendig war, um zu dem Resultat zu gelangen , dass das Entoderm der Hydra aus einer continuirlichen Masse contractiler Sub- stanz besteht. Die Muskelfortsätze hat Reichert theilweise gesehen und richtig erkannt, dass sie in Zusammenhang mit dem Ectoderm stehen. An Flächenansichten von Chromsäurepräpaiaten und mit Essigsäure behandelten Querschnitten des lebenden Thiers will er sich jedoch überzeugt haben, dass der Verlauf der Fasern ein vorherrschend radiärer, von der Aussentläche der con- tractilen Schicht zu seiner Stutzlamelle, ist. Der Character einer ^Muskulatur dürfte ihnen nicht zuerkannt werden, und weil man sie am lebenden Thier während der Ausdehnung nicht be- merken kann, dürften sie auch nicht fixe Bildungen sein, sondern zeitweilig an der Innen- fläche der äussern Schicht auftretende papilläre (^ontractionsformen oder Pseudopodien. Die Schicht, welche ich als .Muskellamelle beschrieben habe, wird füi' eine structurlose, weiche und elastische »Stützmerabran«, die als eine Art inneres üSkelet«' aufzufassen ist, erklärt. Ich ver- weise dem gegenüber auf meine Darstellung und auf das Object selbst. Auf das neueste Werk der REicHERT'schen Aluse einzugehen, in welchem den Bryozoen die längst bekannte Muskulatur, das Nervensystem und das Hautepithel abgestritten werden — .auch der Körper der Bryozoen soll nur im Verlauf des Darmkanals und an den Tentakeln aus einem Epithel bestehen, während alles übrige contractile Substanz, oder wie sie jetzt heisst, 19 »protozootische Substanz«* ist — dazu liegt wo! keine Veranlasssung vor. um so weniger, als hier mit Thatsaciien nicht mehr zu streiten ist und der Angriff sich gegen den Autor richten müsste. Wie über den Bau der Hydra, so haben sicli auch (Ue Ansichten über die physiolo- gischen Leistungen der Körpertheile und speciell über den Sitz der activen Bevveghchkeit sehr verschieden gestaltet. Ecker, der das Thier für eine zusammenhängende Sarcodemasse hielt, nimmt dem entsprechend die (lontractilität aller Theile an , jedoch sollte diese Eigenschaft in hölierm Grade der grünen Schicht (dem Entoderm also zukommen. Er schliesst dies aus der Beobachtung, dass von den durch Zerreissen isolirten Stuckchen jene, welche grüne Farbkörner enthalten, die lebhaftesten amoeboiden Bewegungen zeigen '. Leydig geht weiter und bezeichnet entschieden das Entoderm als das allein contractile Gewebe, an dessen Bewegungen das Ecto- derm nur passiv Theil nimmt. Von dem ersten heisst es dann weiter: »Es nehmen diese Zellen unsere Aufmerksamkeit desshalb besonders in Anspruch, weil die eigentlich contractile Substanz in Form eines halbflüssigen Zellinhaltes auftritt. .Mir will es nämlich vorkommen, als ob die mit einander verschmolzenen Zellenwände letliglicli elastisch wäien, der wasserklare Inhalt aber die allein kontractionsfähige Substanz sei« -. In seinem Handbuch der Histologie nennt Leydig denn auch das Entodermepithel der Hydra ein .Aluskelgewebe, de.ssen Zellen in der Bla.senform verharren '. Dies ist schon desshalb incoi'i-ect, weil das Entoderm in unzweifelhafter Beziehung zur Nahrungsaufnahme steht, indem es die Resorption vollzieht. Ein flimmerndes Gewebe, das Nahrungssäfte und Excrete liefert, kann nicht als Muskel bezeiclmet werden, selbst wenn die Formveränderungen seiner Zellen ausschliesslich die Bewegungen des Körpers bedingten. Gewiss ist Leydig auch darin im Irrthum. dass er im Inhalt dei- Entodermzellen das activ bewegliche Element sucht. Welche Erscheinungen am unverletzten Thier ihn zu dieser Annahme verleitet haben, weiss ich nicht — mir ist im Gegentheil aufgefallen, dass bei diesem gar keine An- haltspunkte gegeben sind, die Activität der einen oder der andern Schicht zuzusprechen — und was er aus den Veränderungen isolirter Gewebstheile schliesst , ist nicht haltbai'. Die amoeboitlen Körper sind nicht, wie Leydig glaubt, dei- ausgetretene Inhalt der Entodermzellen, »der zufällig allerlei Anderes , was beim Zerreissen des Thieres ebenfalls frei werden kann, wie die gefärbten Köinchen und selbst Nesselorgane einschliesst« , sondern sie sind, wie ich gezeigt habe, lo.sgerissene Zellen sowol des Entoderms als auch des Ectoderms, oder abgelöste Plasmastückchen, die Vacuolen enthalten. Die contractile Substanz Leydig's ist Nichts als Wasser. Davon abgesehen ist noch zu bemerken, dass die amoeboiden Bewegungen jener Körper beim unverletzten Thier sicher nicht vorkommen, also wol nur durch den widernatürlichen allseitigen * »eine liislologische Substanz , die in der organologisclien Pla.stilv unter versciiiedener äusserer Form gleicii- sam verarbeitet sich darstellt». Vergleichende anatomische Untersuchungen über Zoobotryon pelliiridus, \i. 30*. ' Zeitschr. f. wiss. Zoo). B. I, p. -234. - Müllers Archiv 1854. p. 278. 3 p. »36. 20 Contact mit dem Wasser bewirkt werden — sei es, dass der Reiz des Wassers vitale Re- actionen hervorruft, sei es, dass die Formveränderungen Erscheinungen des Absterbens sind, ein Ausdruck der Zersetzungsvorgänge im Plasma — und daher auch nicht ohne Weiteres in Be- ziehung zu den normalen Bewegungen des Thiers gebracht werden dürfen. Indem Kolliker die Fasern, welche er zwischen Ectoderm und Entoderm aufgefunden hatte, als muskulöse Elemente deutete, entschied er die Frage in einer eben so sehr von der Auffassung Ecker's wie von jener Ansicht, die Levdig vertrat, abweichenden Weise: wenn er immerhin auch das Zugeständniss machte, dass die Fasern vielleicm nur die stärkeren Be- wegungen ausführten , w ogegen langsamere Formveränderungen des Körpers auch durch die Epithelien des Entoderms und besonders des Ectoderms bewerkstelligt werden könnten, bi- dessen lässt die Darstellung Kolliker's etwaigen Zweifeln doch zu grossen Sjiielraum. Die Fasern, welche er beschreibt, zeigen mit unzweifelhaften Muskelelementen nicht die genügende Uebereinstimmung der Form und des Baues, um einen Analogieschluss auf ihre Function von vorn herein gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Um über ihre Natur ins Klare zu kommen, erscheint der Nachweis ihrer physiologischen Leistung nothwendig, und einen solchen hat Kolliker nicht geliefert. Es ist daher erklärlich, wenn Reichert in den Fortsätzen unter keinen Umständen bevorzugte Bewegungsorgane sehen will, wobei er sich auf seine freilich unrichtige Beobachtung stützt, dass der Verlauf der betreffenden Fasern vorherrschend radiär ist. Sie sollen nur zur Befestigung der äussern Schicht an die (fast flüssige !) Stutzlamelle dienen und die mögliche Ablösung derselben bei der Contraction verhindern. Durch die morphologische Deutung, welche Reichert dem Ectoderm giebt, ist dessen Function als Bewegungsorgan prae- judicirt. Die Beobachtungen aber, welche Reichert zur Stütze seiner Ansicht vorbringt, sind werthlos. Die Papillen und Wülste, die bei dei- Contraction am Ectoderm hervortreten, können gewiss ebenso gut durch Corapression wie durch eigene vitale Thätigkeit ihrei- Substanz ei- zeugt werden, und was er sonst von Pseudopodien sagt, welche an der Überfläche des Ecto- derms entstehen, ist unrichtig. Am Tentakel sah er, jedoch nur ein einziges Mal, eine Pseudo- podie, welche auf ihrer Spitze eine Nesselkapsel trug. Ich habe solche Fortsätze, die immer nur in Zusammenhang mit Nesselkapseln entstehen, häuiig genug vor Angen gehabt — sie sind aber nichts weniger als Pseudopodien, sondern die Ueberreste der Bildungszelle der Kapsel, die mit dieser zusammen heraus gepresst sind, aber dem Körper noch adhäriien und, indem sie bei den Bewegungen des Thiers fadenförmig ausgezogen werden, entweder reissen oder sich im Wasser auflösen. Ebenso entstellen die angeblichen Pseudopodien an der Fussscheibe nur dadurch, dass die festhaftenden Flächen des zähen Zellplasmas bei plötzlicher Zerrung sich in Spitzen ausdehnen. Ich legte meinen Untersuchungen ein einfaches Experiment zu Grunde. Bei den Be- wegungen des unverletzten Thiers gehen die Formveränderungen dei' Gewebe der Körperwan- dung meist so vollkommen gleichzeitig uml gleichmässig vor sich, dass, wie gesagt, absolut keine Verschiedenheit im Verhalten der Schichten zu erkennen ist. Vorausgesetzt, dass eine 21 solche dennoch besieht, indem nur die eine Schicht sich activ contrahirt, während die andere bloss comprimirt wird, nmss die Verbintlung beider in der Weise stattfinden, dass der Druck- widerstand der comprimirten Theiie sehr vollständig und schnell überwunden werden kann, und in der Form der Bewegung gar nicht zum Ausdruck gelangt. Denn sonst wurde nicht nur eine Verkürzung in der Richtung der Kraft, sondern gleichzeitig auch eine Krümmung der passiven Schiclil erfolgen. Es erschien mir wahrscheinlich, dass die Krümnnmg am Körper durch die feste Verijindung des Ectoderms mit dem Entoderm an der Muntlöllnung und an der Fussscheibe verhindert werde. Ich durchschnitt daher das Thier unterhalb der TentakclansUtze und oberhalb der Fussscheibe und erhielt so einen cylindrischen Körper, an dessen beiden Enden Entoderm und Ectoderm freilagen. Das Stück dehnte sich bald vollkommen aus, und es konnte constatirt werden , dass die Schnitttlachen beider BIfttter sich in derselben Ebene befanden. Nun leizte ich den Körper an dem einen Ende mit einer Nadel ; es erfolgte schnell eine starke Contraction, aber sie ging nicht wie am unverletzten Thier vor sich, das Entoderm nahm nicht in gleicher Weise an der Verkürzung des Ectoderms Theil, sondern schlug sich in Form einer Ringfalte nach aussen über und bildete so eine Duplicatur, welche mehr als den vierten Theil der Lange des ganzen contrahirten Stückes ausmachte. In andern Füllen löste sich bei der Contraction sogar die Verbindung beider Blätter an der Schnittfläche, und indem das EiAoderm sich zusammenzog, lief es über das Entoderm hinweg, so dass dieses unverkürzt blieb und in grössei-er Ausdehnung bloss gelegt wurde. Bei Wiederholung dieses Versuchs stellte sich jedoch heraus, dass es nicht immer das Entoderm war, das sich an der Ver- kürzung des Körpers unvollständig betlieiligte, sondern noch häufiger stülpte sich l)ei der Con- traction das Ectoderm mehr oder weniger tief in die Leibeshöhle hinein, wodurch das Ende eine knopfförmig aufgetriebene Form erhielt. Es geht hieraus hervor, dass unter den gegebenen Umständen sich die beiden Schichten bei der Zusammenziehung des Körpers allerdings nicht gleichmässig betheiligen und zwai' bald das Ectoderm stärker contrahirt erscheint, während das Entoderm das Bestreben zeigt, seine anfängliche Au.sdehnung beizubehalten, i)aid wieder umgekehrt das letztere der mehr verkürzte Theil ist. Diese Thatsache entscheidrt gegen Levdig und Reichert, da sie beweist, dass weder ^las Entoderm noch das Ectoderm im au.s- schliesslichen Besitz der Contractilität sein können: dagegen lässl sich nicht leugnen, dass sie für sich genommen die Möglichkeit der EcKer'schen Ansicht nicht völlig ausschliesst. .Man wäre dann aber genöthigt, zuzugeben, dass, tr-otz der gleichen (Jontraclionsfähigkeit, doch zur Zeit immer nur eins der beiden Blätter thätig ist, und dass unter Umständen, die so weit die Controle reicht, als wesentlich gleichartig betrachtet werden müssen, bald nui- ilas Entoderm. bald v^ieder nur das Ectoderm auf ilen Reiz reagirt. Die grosse Unwahrscheinlichkeit eines solchen Verhaltens wiril aber ausserdem noch in so erheblichem Maasse verstärkt durch die anatomischen Thatsachen,- wonach das Entoderm. seines ausgesprochen epithelischen Characters und des eigenthümlichen Baues seiner Zellen wegen, zur Bewirkung der energischen Be- wegungen, die das Thier ausführt, durchaus unfähig erscheint .- da.ss es unmöglich ist, die 22 EcKER'scIie Ansicht aufrecht zu erhalten. Dann bleibt nur die Möglichkeit übrig, dass; die Be- wegungen des Entodeiins und aucli des Ectodenns bei der Verkürzung des Körpers immer passive sind und hervorgerufen werden durch active (]ontraction eines zwischen beiden einge- schalteten Köipertheils, der Muskellamelle. Indem die Fasern derselben sich zusammenziehen, entsteht eine Verschiebung der Masse beider Blätter, die gerade in der Richtung der Kraft und mit gleichzeitiger Annäherung und (irössenzunahme im Dickendurchmesser erfolgen rauss, weil der Zug, den das Entoderm nach aussen und das Ectoderm nach innen erleidet , durch die feste Verbindung beider Blätter aufgehoben wird. Wo diese zerstört wird, treten dann natür- lich auch Krümmungen ein. Der Grund , weswegen am ausgeschnittenen Stück einmal die Krünmumg des Innern Blattes, ein anderes Ma! die des äussern stattfindet , scheint einerseits in der Art der Schnittführung zu liegen, andererseits ist die Beschallenheit der Gewebe ver- schiedener Individuen sehr verschieden ; bei Thieien , welche vor kurzem reichliche Nahrung aufgenommen halien, sind die Zellen des Entoderms sehi- stark mit den festen Produclen des Stoffwechsels angefüllt , wodurch sie weniger verschiebbar werden und das Blatt sich eher krümmt und umschlägt . als dass es gerade der Richtung des Zuges dei' Muskelfasern folgt ; bei andein ist das feste interstitielle Gewebe im Ectoderm sehr mächtig entwickelt und l)e- sonders in Folge dei' Einlagerung zahlreicher Nesselkapseln schwerer comprimirbar. Am un- verletzten Thier können diese Differenzen wegen des antagonistischen Verhältnisses der beiden Schichten nicht zur Geltung kommen. Wenn ich somit zur Bestätigung von Kollikkr's Ansicht gelangt bin, gewinnt die Tliat- sache doch eine wesentlich verschiedene Bedeutung. Kolliker sieht in dem Ectoderm ein Epithel und hält die contractilen Elemente für faserförmige Muskelzellen. Dies ist, wie ich nachwies, nicht richtig, sondern die Muskellamelle besteht aus Zellfortsätzen, die stets in Zu- sammenhang mit den grossen Zellkörpern des Ectoderms bleiben und unter einander durch ein reichliches Bindemittel zu einer Membran vereinigt sind. Aus dem Vorhergehenden ist aber klai', dass nur die Fortsätze Gontractilität besitzen, die dazu gehörigen Zellkörper dagegen bei den Bewegungen sich passi^ verhalten. Man kann daher auch nicht die ganze Zelle als Mus- kelzelle auffassen. Wie soll man sie dann aber deuten? Ich glaube nicht, dass man berechtigt ist, das aus ihnen zusammengesetzte Gewebe morphologisch einem dei' bekannten Gewebe anderer Thiere gleichzusetzen oder ihm physiologisch nur eine Function zuzuerkennen : es er- scheint mir am consequentesten und allein den Ihatsachen entspiechend, das betretTende Ge- webe des Ectoderms der Hydra als den niedrigsten Entwicklungszustand des Nei-ven-Muskel- systems zu betrachten, in welchem eine anatomische Sonderung der beiden Systeme in der Weise, wie sie bei allen höhern Thieren vorkommt, noch nicht stattgefunden hat. sondern jede einzelne Zelle die Trägerin jener doppelten Function ist, indem die Theile derselben, die als lange Fortsätze in der Mitte der Körperwandung verlaufen, contractil sind und als Muskel functioniren , während der Zellkörper, von welchem sie ausgehen, der in unmittelbarer Be- rührung mit dem umgebenden Medium steht, Reize leitet und durch Uebertragung derselben 23 auf die Fortsatze die Contractionen dieser auslöst, d. li. als iiiolorisoher Nerv wirkt. Ich schlage daher vor. diese Zellen Neuronuiskelzellen zu nennen. Je mehr sich die genaue niicroscopische Analyse über alle Classen des Thierreichs aus- gebreitet hat, desto bestimmter hat sich herausgestellt, dass überall, wo eine Muskulatur in die Organisation des Körpers eingreift, auch ein Nervensystem entwickelt ist. Es giebt wedei- Thiere, die .Muskeln haben und der Nerven entbehren, noch solche, die ein Nervensystem ohne .Muskulatui- besitzen. Die einzige Au.snahme, welche man mit einem gewi.ssen Maasse von Be- rechtigung die.sem Gesetz entgegenstellen könnte, bieten die Vorticellen dasr deren Stiel in der Art seiner Function einer .Vlu.skelfaser allerdings nicht unähnlich erscheint, .ledoch ist die Genese des Körpers der Infusorien nhd speciell der Vorticellen gänzlich unbekannt , ja wir wissen nicht einmal, ob sie einzellige oder vielzelli.Lie Organismen sind; es fehlt al.so jede Möglichkeit der morphologischen Werthschätzung ihrer Organe und des Vergleichs mit andern Thieren. Es war daher nicht allein die functionelle Abhängigkeit beider Systeme von einander, sondern auch ihie sich als Thatsache ergebende morphologische Zusammengehörigkeit, was die Frage nacli der Art der Verbindung \on Ner\ und Mu.skel . welche gewöhnlich als die Frage nach der motorischen Nervenendigung gefasst wird, zu einer ebenso nahe liegenden wie wich- tigen machte und in den letzten dreissig Jahren eine lange Reihe von Untersuchungen hervor- rief. Leidei- beschränken sich dieselben mit geringen Ausnahmen auf Wirbelthiere und Arthro- poden. Im Allgemeinen läs.st sich von diesen .\rbeiten sagen, ilass sie einen innigem Zusam- menhang zwischen Nerv und Muskel nachgewiesen haben, als früher angeiu)iumen wurde, und so vielfach sie auch unter einander in Widerspruch stehen, kann doch für die ijuergestreifte Muskulatur als festgestellt betrachtet werden: I. dei- grosse Reichthum an Nervenenden und die häuHgen Theilungen der Axencylinder, 2. der continuirlichu Uebergang der Nervenscheide in das Sarcolemm, 3. die unmittelbare Berührung der Substanz des Nerven mit jener der Muskelfaser. Die wichtigste Frage, ob diese Berührung weiterhin in eine wiikliche Continuität übergeht, oder ob die Nersen mit bestimmt abgegrenzten Enden aufhören, scheint mir dagegen zur Zeit noch nicht ent.schieden. Die Meinungen ilarüber haben hin und her geschwankt, bis neuerdings besonders KihnE in entschieden.ster Weise für die letztere Ansicht eingetreten ist. Ei- lehrt, dass nicht nur keine Verschmelzung der Substanzen .stattfindet, .sondern, dass auch die Nervenendigungen immer nur der Oberfläche des Muskelfadens aufliegen und nie in das Innere desselben hineindringen. Seine Beweise sind jedoch nicht unangreifbar, wenn auch zugegeben werden muss, dass das Verhalten der Nervenenden im Froschmuskel, wie er es schildert, von nicht geringem Gewicht für seine Auffassung ist. Was er abei' als physiologischen Beweis gegen die Continuität vorbringt . dass nämlich die Erregung nur vom Nerv auf den Muskel, jedoch nicht umgekehrt von diesem auf jenen übertragen werden kann, scheint inii- ausser allem Zusammenhang mit der in Rede stehenden Frage. Bei den glatten Muskeln ist man übereinstimmenil zu einem andern Resultat gekonnnen : hier dringen die feinen Verzweigungen der .\xencvlinder in die contractile Substanz ein. sollen 24 diese durchsetzen und sich weiter bis in die Kerne oder selbst bis in die Kernivörperclien ver- folgen lassen — Verhältnisse, die eine viel innigere Verbindung des leitenden und contractilen Gewebes bekunden, als Kihne für die quergestreiften Muskeln zugeben möchte, aber über Endigung oder Vereinigung auch noch keinen genügenden Aufschluss geben. Es ist eine überraschende Thatsache, dass die Ansichten über die physiologische Zu- sammengehörigkeit von Nerv und Muskel sich in einem ganz ähnlichen Zustande befinden. Nachdem Haller die Frage nach der hritabilität des Muskels aufgeworfen und bejahend be- antwortet hatte, herrschte diese Lehre, bis seine Beweise, besonders durch den Nachweis der v^ollkommnen Innervation jener Tlieile. welche Haller für nervenlos gehalten hatte, ihre über- zeugende Ki-aft verloren. Dazu kamen noch physiologische Thatsachen, die sehr bestimmt auf die Abhängigkeit der Muskelzuckung von der Erregung der Nerven hinweisen, und genügend erscheinen, die h-ritabilitätslehre ganz fallen zu lassen, hi letzter Zeit trat wiederum eine Re- action zu Gunsten derselben ein, und im AugenbUck gehöi't wol die grosse Mehrzahl der Physiologen zu entschiedenen Vertheidigern der selbständigen Erregbaikeit des Muskels. In- dessen ist nicht zu verkennen, und dies wird auch ziemlich allgemein zugestanden, dass ein unantastbarer Beweis noch nicht geliefert ist. So schlagend auch einige Versuche dem ersten Blick entgegentreten, können sie zu einem sichern Schluss doch nicht führen, weil das Ver- halten der Endverzweigungen der Nerven, speciell das jenes unterhalb des Sarcolemms gelegenen Theils, sich bisher der Controle entzogen hat, und erfahrungsmässig feststeht , dass der Effect eines und desselben Agens auf die verschiedenen Districte des Nervensystems sehr verschieden ausfallen kann. Immerhin unterliegt es keiner Frage, dass vom Standpunkt der heutigen Experimentalphysiologie aus die Irritabilitätslehre besser begründet erscheint als die gegentheilige Behauptung, der, zufolge das Zustandekommen der Muskelzuckung unabänderlich an die Nervenerregung gebunden ist. Daran zweifelt dagegen Niemand, dass innerhalb der Bedingungen, welche im unverletzten Körper — der höhern Thiere wenigstens — gegeben sind, die Thätigkeit der Muskeln immer in causaler Abhängigkeit von der Erregung dei- moto- rischen Nerven steht. Diese Thatsache, so bedeutungsvoll sie auch ist, beeinträchtigt den grossen principiellen Werth der experimentellen Untersuchungen der isolirten Gewebe natürlich nicht im Geringsten. Wäre nachgewiesen, dass bloss gewisse accidentelle Einrichtungen im Körper der höhern Thiere das Zustandekommen der directen Reizung der Muskeln verhindern, während der Muskel an sich irritabel ist , so wäre der Fall eines Thiers mit ausgebildeter Muskulatur ohne Nervensystem gar nicht besonders wunderbar: stünde dagegen andeierseits fest, dass die Zuckung immer nur der Ausdruck des auf den Muskel übertragenen Zustandes der Nervenerregung ist, dann wäre consequenterweise eine Muskulatur ohne Nerven überhaupt nicht denkbar. Ich habe die Ansichten über die Endigungen der motorischen Nerven der höhern Thiere und die Irritabilitätslehre hier berührt, um zu zeigen, dass sowohl die Art der Verbindung von Nerv und Muskel als auch ihre physiologische Zusammengehöiigkeit als otYene Fragen be- 25 trachtet werden können und ein Praejudiz nach keiner Seite vorHegt. Was feststellt, ist nur der innige Zusammenhang Ijeiilei- Gewebe und ilir gleichzeitiges Auftreten im Körper aller bis jetzt genau untersuchten Thiere. Wenn wir uns nun mit dieser Thatsache auf den Standpunkt der Descendenztlieorie stellen, entsteht die Frage : Auf welche Weise haben Muskel und Nerv sich entwickelt? Wie differenzirten sich aus den Geweben nuiskel- und nervenloser Thiere Organe, von denen das eine nur die Function einer bestimmten Bewegung übernimmt, wahrend das andere nur Reize leitet und Übertrügt'^ Die vergleichende Anatomie hat uns bisher ohne Antwort gelassen. Der Bau des Muskelgewebes und der dazu gehörigen Nerven erscheint , so weit die Erfahrungen reichen, bei allen Thierklassen wesentlich idjereinstimmend, und wenn man wol auch einzelne Ver- schiedenheiten gefunden liat , so sind doch Formen , die als entschieden niedrigere oder ur- sprüngliche Ausbildungszustände angesprochen werden könnten, nicht bekannt. Auch die Ge- schichte der individuellen Entwicklung vermag keinen Aufschluss zu geben. Die wichtigste Arbeit ist die von Hensen über die Entwicklung des Gewebes und der Nerven im Schwanz der Frosch- larve '. Zwar hat Hexsen die Muskelnerven gar nicht berücksichtigt und auch die Entstellung der Nerven, die zu den Epithelien gehen, nicht direct beobachtet, aber die Verhältnisse, welche er an den jungen Geweben constatirte, liesonders die Vei-breitung der Nervenfasern, veranlassten ihn, in Opposition zu treten gegen die altere Ansicht, nach welcher ein Auswachsen der Nerven von den Centralorganen zu den Endapparaten hin stattfinden soll. Er stellt dagegen als Ver- rauthung auf, »dass die Endzelle iler Nerven zu keiner Zeit von dem Ursprungsganglion getrennt ist, {]. h. dass die ersten Zellen des Rückenmarks sich bei ihrer Theilung nicht vollständig von einander trennen, sondern durch einen Faden, den Nerven, stets mit einander im Zusammen- hang bleiben« -. Trotz der etwas misslichen unvollkommnen Trennungen lässt sich nicht leugnen, dass die Hypothese in Bezug auf die Entstehung der Nervenstämme und der peripherischen Ganglien nicht allein den Thatsachen nicht widerspricht, sondern dieselben auch besser erklären könnte als die andere Ansicht. Auf die Entstehung der Verbindung der Nerven mit Epithelien und Muskeln kann ich sie dagegen nicht für anwendbar halten, weil es nicht möglich ist, alle Gewebe , welche mit Nerven versehen sind , durch unvollständige Theilung von den Ganglien- zellen des Rückenmarks sich entwickeln zu lassen. Bei diesem Mangel empirischer Anhalts- punkte bleibt uns Nichts übrig, als die Möglichkeiten, welche für das Entstehen des vereinigten Muskel-Nervensystems gedacht werden können, in's Auge zu fassen. .Man könnte meinen, es hätten sich bei niederen Thieren zuerst Muskeln für sich allein entwickelt, und die.->e waren dann s|)ater in Verbindung mit andern Gewebstheilen getreten, welche, indem sie ihre bisherige Funclion aufgaben, sich zu motorischen Nerven umbildeten. Abgesehen davon, dass eine solche Annahme von der unerwiesenen Prämisse der Irritabilität ' Virchow's Archiv. 3 1 Üiirul, p. ."51. - Ibid. ]). 67. K 1 e i r e n b p r i: , Hydrn . 26 ausgeht, scheint sie ohne jede, wenn auch nur indirecte, thatsächhche Stütze, und obendrein bedürfte sie noch einer weitern Hypothese in Bezug auf den Vorgang des Zusanunentretens der präexistirenden Muskulatur mit dem in Abhängigkeit von ihr enslehenden Nervensystem. Andererseits lässt sich annehmen, dass contractile und leitende Gewebstheile gleich- zeitig und zwar in ursprünglichem Zusammenhange und functioneller Abhängigkeit von einander entstanden — mit andern Worten, dass aus den einzelnen indifferenten reizbaren und beweg- lichen Zellen einer Körperschicht ein primitives Nervenmuskelsystem hervorging, indem sich in jeder- Zelle die Function der Bewegung auf einen Theil ausschliesslich übertrug, welcher da- durch, dass seine Bewegungen sich auf den einen Modus der Verkürzung des Längsdurch- messers mit proportionaler Zunahme des Querschnitts beschränkten, zu einer Muskelfaser wurde, während der andere Theil derselben Zelle die Fähigkeit ausgiebiger Formveränderung verlor, dafür aber in besonderm Maasse die Eigenschaft erhielt, Reize zu leiten und durch Ueber- tragung seines Erregungszustandes auf den muskulösen Theil die specifische Bewegung des- selben auszulösen. Hieraus könnten die anatomischen und physiologischen Beziehungen des Muskel- und Nervensystems auch der höhern Thiere wol erklärt werden, und die Annahme hätte noch den grossen Vorzug, die Entwicklung der Functionen dieser specialisirten Gewebe direct ohne alle Zwischenglieder auf die fundamentalen Eigenschaften des indifferenten Plasmas zurückzuführen. Aber mit derartigen Hypothesen ist nicht viel gewonnen — eigentlich besteht ihr ganzer Werth darin, dass sie die Untersuchung auf bestimmte Bahnen leiten. In anderm Licht er- scheinen sie dagegen, sobald sie sich auf Thatsachen gründen. Und diese glaube ich bei der Hydra gefunden zu haben. Das Thier scheint keine Spur eines gesonderten Nervensystems zu haben, besitzt jedoch eine morphologisch und physiologisch streng characterisirte ^luskulatur in Form von Fasern, die inmitten der Körperwandung verlaufen. Diese Fasern sind aber nichts anderes als Fortsätze der grossen Zellkörper des Ectoderms. Die letztern sind nach- weisbar nicht contractu. Sie bilden die äussere Begrenzung des Körpers, stehen also in un- mittelbarem Contact mit der Aussenwelt. Alle Reize, die von aussen her wirken, treffen daher den nicht contractilen Theil der Zelle direct und können nur durch seine Vermittlung auf die im Innern des Körpers ganz geschützt gelegenen contractilen Fortsätze übergehen. Diese Ver- hältnisse gestatten keine andere Auffassung als die, in dem nach aussen gelegenen nicht con- tractilen Zellkörper den Leitungsajjparat für seine muskulösen Fortsätze, d. h. das motorische Nervenelement zu erblicken und die ganze Zelle als primitive Neuromuskelzelle zu bezeichnen. Es kann daher von einem besondern Muskel- oder Nervensystem bei Hydra nicht die Rede sein: beide Systeme erscheinen in dieser niedrigen Ausbildungsform als untrennbare morpho- logische Einheit. Ob nun, wie ich glaube, das Neuromuskelgewebe der Hydra als Ausgangspunkt der compli- cirten und scheinbar so verschiedenartigen Muskulatur und des motorischen Nervensystems der höhern Thiere zu betrachten ist, ob auch bei diesen beide Gewebe als ein einziges System, die 27 Mu!?keln als die contractilen Endausbreitungen der Nerven aufzufassen sind, darüber werden wei- tere Untersuchungen die sichere Entscheidung zu bringen haben. Wenn man an der unbestreit- baren Homologie des Ectoderms der Coelenteraten mit dem äussern Blatt der Embryonen höherer Thiere festhiilt , kann man nur erwarten, dass auch bei diesen der primäre Vorgang die Bildung eines einheitlichen Nervenmuskelsystems ist. und von da aus liesse sich die Ent- stehung der Centralorgane und der sensiblen Nerven wol erklären. — Fassen wir die vorliegenden Untersuchungen kurz zusammen, so ergiebt sich als Re- sultat: Das Entoderm des Hydra, welches die Höhlungen des Körpers überall auskleidet, ist ein einschichtiges Geisseiepithel, das Verdauungssäfte liefert, die gelösten Nahrungsstoffe re- sorbirt, umsetzt und Auswurfsstotfe ausscheidet, wahrscheinlich auch den Gasaustausch besorgt ; das Ectoderm besteht aus zwei Geweben, aus dem Neuromuskelgewebe und dem interstitiellen Gewebe; das letztere bildet in seinen Zellen die Nesselkapseln, und aus ihm gehen die Geschlechtsorgane hervor. Beide Gewebe sind keine Epithelien. — Der gänzliche Mangel eines äussern Epithels muss sehr auffallend erscheinen , und ich gestehe , dass dieser Umstand mich selbst gegen meine Auffassung des Ectoderms misstrauisch machte. Die Ent- wicklungsgeschichte löste das Räthsel. Ganz ebenso wie bei den hohem Thieren ent- steht bei Hydra als erste Difterenzirung des gefurchten Keimes eine äussere Epithelschichl (Hornblatt). Diese verwandelt sich in die bekannte sogenannte Eischale und wird beim Ausschlüpfen des jungen Thieres abgeworfen. Eiitwiekliingsgeschichte. Die am frühesten erkannte und am häufigsten beobachtete Fortpflanzungsweise der Hydren ist die ungeschlechtliche durch Knospen. An irgend einer Stelle des Magentheils des Körpers entsteht , ohne dass eine merkliche Veränderung in der Beschaffenheit der Gewebe vorhergeht, eine anfänglich niedrige kegelförmige, bei weiterem Wachsthum cylindrische Aus- stülpung der ganzen Wand. Hat diese eine gewisse Grösse erreicht, so bilden sich an ihrem blinden Entle zuerst ein oder zwei, dann in unregelmässiger Aufeinanderfolge mehr kleine hohle Fortsätze, welche zu Tentakeln auswachsen. Hierauf erhält die Knospe eine Mund- öffnung, indem die zwischen den Tentakeln gelegene Wand durchbrochen wird. Während- dessen bleibt die Communication zwischen den Leibeshöhlen des Mutter- und Tochterthiers eine völlig freie, und die Nahrung dringt von dem einen Schlauch in den andern. Ist die Nahrung 4* 28 reichlich, so enlwickehi sich gleichzeitig oder in kurzen Zwischenräumen bis fünf Knospen, an diesen vollzieht sich derselbe Process, ohne seinen Abschluss erreicht zu haben, und es kommt zu Stockbildungen, die in einer betrachtlichen Anzahl von Individuen zwei big vjer Generationen repräsentiren. Allmählich beginnt die Abtrennung. Die Verbindungsstellen der Einzelthiere scheinen in der Ernährung gestört zu werden , es zeigt sich eine lingförmige Verdünnung, welche nach innen vorschreitend den Verbindungscanal einschnürt und endlich das Ablallen der Knospe herbeiführt. Die Communicationsöflhung wird dabei vollkommen geschlossen, sodass auch die jüngsten eben frei gewordenen Thiere keine Oeffnung in der Fussscheibe haben. Unter günstigen Umständen verläuft die Entwicklung in zwei bis drei Tagen, dagegen habe ich in Gläsern, in welchen sehr wenig Nahrung sich vorfand, Stöcke länger als ein halbes Jahr im Zusammenhang erhalten. Es zeigte sich hier eine eigenthümliche Erscheinung. Ich setzte die sehr grossen und kräftigen, reichlich knospenden Exemplare von H. viridis im October 1869 ein. Fast keine der Knospen löste sich, und doch war nach einigen Wochen die Individuenzahl der Stöcke merklich kleinei' geworden. Bei aufmerksamer Beobachtung fand sich, dass ein vollkonimner Schwund der Knospen eintrat, während das Mutterthier kaum merklich an Grösse abnahm. Die Reduction begann mit einer Verkürzung des Knospenleibes, welche im weitern Verlauf wunderbare Monstrositäten hervoirief: an Stelle der cylindrischen Knospen sassen dem Leibe des !Mutterthiers flache runde Scheiben dicht an, von denen die in Zahl und Grösse wohl erhaltenen Tentakeln wie die Speichen eines Rades abgingen. Darauf atrophirten auch einzelne Tentakeln gänzlich, und es blieb ein unförmliches Knötchen mit einem einzigen langen Tentakel nach, bis auch tlieser letzte Uel)errest der Knospe von dem 3Iutter- körper resorbirt wurde. Ich ersehe aus dem GRENACHER'schen ISericht lür 1 869, dass Baidelot äluiliche Beobach- tungen gemacht und zur Erklärung der Senkfäden des Siphonophoren benutzt hat. Leider war mir die Originalabhandlung nicht zugänglich. Als einen zweiten Vermehrungsmodus haben Tremblev, Rusel und Lairent die spontane Theilung bezeichnet. An irgend einer Stelle des Körpers findet Verdünnung statt, bis zum Zerreissen in zwei Theile, und diese ergänzen sich zu vollständigen Thieren, indem das eine Stück Tentakeln treibt, das andere einen neuen Fuss bildet. Die Seltenheit dieser spontanen Theilung, die auch von den genannten Beobachtern hervorgehoben wird, könnte erklären, wie allen übrigen Forschern die Constatirung des Vorgangs nicht möglich war. Darauf hin die Angabe bestreiten zu wollen, erscheint mir unberechtigt, besonders in Berücksichtigung der künstlichen Theilung der Hydren und der sichern Fälle spontaner Theilung bei andern Coelenteraten wie Kölliker sie für Stomobrachium mirabile und in neueier Zeit Greef für seine Piotohydra be- schrieben haben. Bei der letztern soll sogar die Theilung die einzige Form der ungeschlecht- lichen Fortpflanzung sein. Vor einigen Jahren ist ein Aufsatz von Gustav Jäger erschienen, in welchem eine ganz neue und unerhörte Fortpflanzungsweise der Hydren als wahrscheinlich aufgestellt 29 wird '. Der Vorgang, den Jager "Diasporogenesis« nennt, soll darin bestehen, dass nach voll- endeter Geschlechtsthätigkeit das Thier in seine einzelnen Zellen zerfällt : diese nehmen die Form von Amoeben an, vermehren sich durch Theilung, encystiren sich , überwintern — und im Frühjahr entwickelt sich vielleicht aus jeder deiselben eine Hydra. Diese ganze Hypothese beruht auf dem brdium, dass Jäger Amoeben für Hydrazellen gehalten hat. Schon seine Ab- bildungen machten mii- die Abstammung der fraglichen Korpei- von den Gewebselementen der Hydra sehr zweifelhaft, weil ihr Plasma eine dift'use gelbliche Farbe besitzt, das der Hydra- zellen dagegen immer ganz farblos ist. Als ich den Zerfall der Gewebe beim Absterben ge- schlechtsreifer und nichtgeschlechtsreifer Thiere verfolgte, stellte sich bald heraus, dass alle un- zweifelhaften Hydrazellen ausnahmslos in kurzer Zeit zu Grunde gehen, dass aber allerdings sich unter diesen oft amoebenartige Bildungen in beti-achtlicher Anzahl linden, welche mit den von Jager beschriebenen im Wesentlichen übereinstimmen und auch dieselben Veränderungen durch- machen, lieber ihre Herkunft blieb ich längere Zeit im Unklaren, bis sich herausstellte , dass dieselben Organismen schon wäin-end des Lebens in den Hohlräumen des Hydrakörpers vor- handen sind. Besonders häufig beobachtete ich sie ' im Basaltheil des Tentakelcanals von H. aurantiaca; im Fiühjahr kamen sie bei fast allen den Bewohnern eines kleinen Tümpels vor. Sie bestehen aus gelblichem Plasma und enthalten neben dem zuweilen cachirten Kern gewöhnlich mehrere dunkle eckige Körperchen, die grosse Aehnlichkeit mit den Excretkörnchen der Hydra haben, bilden breite lappenförmige Pseudopodien und bewegen sich lebhaft, indem sie bald auf der hinenwand des Tentakels umherkriechen, i)ald in der Flüssigkeit des Canals durch die Contractionen hin und her gelrieben werden. So häufig diese eigenthümlichen Parasiten in den Hydren einiger ^Gewässer waren , eben so wenig konnte ich sie jemals in andern auffinden und bei diesen letztem zeigten sich auch niemals nach dem Verfall die sich theilenden und encystirenden Kör[)er. Wenn hiermit die Identität der fraglichen Organismen festgestellt ist, so scheint es mir auch sicher, dass sie keinesfalls in genetische Beziehung zu den Geweben der Hydra gebracht werden dürfen — ich muss sie für parasitisirende Amoeben erklären. Die geschlechtliche Fortpflanzung der Hydren wurde lange Zeit verkannt. Während Bernard de Jussieu bald nach der Entdeckung des Thieis die »Eieiklumpen« gesehen und dann später Pallas sogar das Auskriechen der jungen Hydra direct l)cobachtet hatte, vertraten Tremrley, Rösel, Schrenk, Dljardin, van der Hoeven und Andere die Ansicht, dass die zeitweilig entstehenden Pusteln und Kugeln Gebilde pathologischer Natur oder Parasiten seien, bis endlich Ejirenrerg die Frage durch eine gutie Beschreibung der Eier und Samenkapseln definitiv ent- schied -. Seitdem sind von mehreren Forschern einzelne Angai)en übei- die Eibildung und Entwicklung der Hydra gebracht worden, und Ecker hat eine ausführlichere Entwicklungs- 1 Voher das spontane Zerfallen der Siisswasserpolypen. Sitzunijsber. d. mattiem.-naturw. Gl. der Akad. d. Wiss. zu Wien. B. XXXIX, p. 32). 2 Abtiandl. der Berliner Akadenüc vorn .lahre 1836. p. Mti, H7. 30 geschichte geliefert '. Diese Arbeit ist von vornherein ungünstig beeinflusst durch die Anschau- ungen Ecker's in Bezug auf den histologischen Bau des Thiers, aber ausseidera ist sie lücken- haft und in ihren Einzelheiten meist unrichtig. Meine Untersuchungen beziehen sich auf H. viridis, aurantiaca und grisea. Die Jahres- zeit, in welcher die Geschlechtsreife eintritt, scheint nach den Species verschieden, aber keines- wegs ganz constant zu sein. Für H. viridis wird allgemein der Frühling angegeben; für H. aurantiaca von Rosel und Leydig der Herbst (September, October), von Ehrenberg Anfang Juni; für H. grisea von Tremblev, P.\ll.\s, Lalrent und J.\ger Herbst und Winter, von M.^x ScHiLTZE der Mai. Ich fand H. viridis vom April bis zum October, die beiden andern Arten vom September bis zum Januar geschlechtsreif. Ich möchte jedoch bemerken, dass die Hydren nicht überall alljährlich Eier pioduciren, denn während zweier auf einander folgender Jahre hat die H. aurantiaca in einem Teich der Umgebung Jena's mich vergebens auf ihre Geschlechts- reife warten lassen — eine Abnormität, die nach einer Bemerkung von Leydig^ auch bei H. viridis zuweilen vorzukommen scheint. Die sexuelle Thätigkeit beginnt in der Regel mit der Bildung der Hoden. Sie entstehen am oralen Theil des Körpers, ziemlich diclit unterhalb der Tentakeln und sitzen zerstreut neben und über einander. Ihre Zahl wechselt von zwei bis zwanzig. Die Ovarien entwickeln sich tiefer, ungefähr . in der Mitte des Körpers. Bei H. viridis entsteht nur ein einziges, in äusserst seltenen Fällen zwei ; bei den beiden andern Arten ist dagegen die Mehrzahl Regel , und ich habe gleichzeitig bis zu acht gefunden; dann sind auch reichliche Hoden vorhanden und diese oft nicht nur auf den oralen Theil beschränkt, sondern sie stehen zwischen den Ovarien, soear unter denselben auf dem Fusstheil. Ausnahmsweise finden sich aber auch Thiere, welche wol Eier, aber gar keine Hoden entwickeln. Die Hodeu iiucl die Saiuenkörper. Die Bildung der samenbereitenden Organe wird eingeleitet durch ein auf rundlich um- schriebene Stellen beschränktes stärkeres Wachsthum der Zellen des interstitiellen Gewebes des Ectoderms. Diese Zellen vergrössern sich beträchtlich und nehmen die Form polyedrischer Plättchen an, ihr Plasma erscheint heller; der kuglige Kern tritt deutlich hervor (Taf. I Fig. Ha). Dann theilen sie sich, und indem sich dies mehrmals wiederholt, gehen sie in kleine unregel- mässig gestaltete, wie es scheint, amoeboide Zellen über, die dicht zusammen gedrängt einen mehrschichtigen compacten linsenförmigen, zuweilen gelappten Körper bilden. Dies Organ — der Hoden — markirt sich äusserlich zuvörderst nur als flache beulenförmige Erhebung und durch seine weissliche Farbe; in Folge des fortschreitenden Dickenwachsthums, welches sich ' Entwicklungsgeschichte des grünen Annpolypen. Akademisclies Programm. Freiburg i. Br. 18153. 2 Müllers Archiv. Jahrg. 1834, p. 280. 31 späterhin mit einer Fliissigkeitsausscheidung zwischen der äussern Fläche des Organs und der dasselbe bedeckenden Lage des Neuromuskelgewebes combinirt , wird das letztere aber all- mählich zu einem ziemlich hohen Cylinder oder Kegel aufgetrieben, dessen Spitze in einen oder zwei seitlich geneigte Zipfel ausgeht. Die Neuromuskelzellen verlieren dabei ihre Form und atrophiren bedeutend, so dass von ihnen nur eine dünne Plasmaschicht als äussere Decke des Hoden nachbleibt, in welcher die Zellengrenzen, anfangs noch als vorspringende Leisten an der Innenfläche kenntlich, später ganz schwinden. Unterdessen gehen in den Hodenzellen die Kerne zu Grunde : ihre Substanz wird körnig, und sie zerfallen in mehrere dunkle Körperchen, die dann auch undeutlich werden Tat'. I Fig. 1 ib). An Stelle derselben erscheinen später 1 — 4 scharf contourirte, sehr staik lichtbrechende kuglige oder ovale Körperchen. Ob diese durch üniwanillung aus den erstem hervorgehen, also von Kernen abstammen, oder ob sie Neubildungen sind, habe ich nicht entscheiden können. Die Zelle nimmt dabei zuerst eine eiförmige Gestalt an (Taf. I Fig. 1 3), und darauf verwandelt sie sich in eine zarte wasserhelle Kugel Taf. I Fig. lic). Aus dieser bildet sich direct das Sper- matozoid. An iigend einer Stelle der Kugeloberfläche entsteht ein feiner Plasmafortsatz, der bald kiäftige schlagende Bewegungen ausführt. Eine Verbindung dieser Cilie mit dem im Innern der Zelle gelegenen glänzenden Körperchen ist auch mit den stärksten Systemen nicht wahrnehmbar. Die Entwicklung der Samenkörper beginnt in der oberflächlichsten Lage des Hoden- gewebes, und zunächst bleiben die Zellkügelchen noch in einer Schicht vereinigt, während die frei in den FlUssigkeitsraum hineinragenden Cilien schon gleichmässig auf- und abschwingen, so dass sich ein manchen Flimmerepithelien sehr ähnliches Bild darbietet. Durch die an- dauernden Bewegungen wird indessen die Verbindung gelockert, die jungen Samenkörper lösen sich einzeln, meist aber in grössern zusammenhängenden Gruppen ab und treiben — alle noch mit der kugligen Bildungszelle versehen — in der Flüssigkeit hin und her. Derselbe Vorgang wiederholt sich in der nächst tiefern, blossgelegten Schicht, und so löst sich das ganze Hoden- gewebe in eine Masse einzelner oder zu mehreren vereinigter Kügelchen auf, deren jedes eine lange Ciiie trägt Taf. I Fig? 1 4 c/ . Nun erfolgt die Trennung der reifen Saraenkörper von ihren Mutterzellen. Die Cilie hat sich mit dem inmitten der Zelle gelegenen Körperchen ver- bunden. Zwai' konnte ich auch jetzt nicht die Verbindung innerhalb des durchsichtigen, Kugelchens erkennen; dass sie vorhanden ist, lässt sich aber während des Actes der Abtren- tmng constatiren: mit einer kräftigen Bewegung der Cilie wird das Körperchen herausgezogen, und das fertige Spermatozoid Taf. 1 Fig. 1 4 e) , das aus dem stark lichtbrechenden , etwas länglichen Kopf und dem sehr zarten langen am Ende zugespitzten Faden besteht, entfernt sich von der Bildungszelle, welche bald darauf aufgelöst wird. Die Entleerung des Samens geschieht in das Wasser durch eine OetTnung in der Spitze der Hodendecke, die wol in Folge verstärkten Innern Druckes entsteht. Doch tritt zunächst nur ein Theil der Spermatozoiden aus, die Decke fällt darauf etwas zusammen und schliesst 32 sich wieder, bis die erneuerte Füllung eine neue Sprengung herbeiführt und eine zweite Portion des Samens entlassen wird. Diese Eruptionen wiederholen sich, bis der Sainenvorrath ei- schöpft ist. Der Eierstock. Die Anlage des Eierstocks stimmt im Wesentlichen mit der des Hoden überein. Auch hier ist das interstitielle Gewebe der Ausgangspunkt der Neubildung. hl einer Zone, welche fast die Hälfte des Körperumfangs umfasst, vermehren sich die Zellen der zwischen den Neuromuskelzellen liegenden kleinen Züge und treten in einzelne un- regelmässig geformte einschichtige Gruppen zusammen (Taf. II Fig. 1 ig]. Dabei nehmen sie an Grösse ab, und besonders auffallend ist das Missverhältniss zwischen Kern und Zellkürper; beim ersten Anblick möchte man glauben, dicht an einander gedrängte freie Kerne vor sich zu haben, die hin und wieder durch ein wenig körnige Zwischensubstanz geschieden sind; nach Behandlung mit verdünnter Essigsäure und Präparation mit der Nadel erkennt man jedoch leicht, wie jeder der Kerne eine besondere Plasmahülle besitzt, die freilich oft von so geringer Mächtigkeit ist, dass sie nur als ein dunkler doppelter Contour er.scheint. .Mit fortschreitendem Wachsthum treten die Zellgruppen mit einander in Verbindung, die Zwischenräume füllen sich aus, indem die Neuiomuskelzellen nach aussen und seitlich verdrängt werden, und so entsteht an Stelle des netzförmigen Gewebes zwischen Entoderm und Neuromuskelschicht eine voll- kommene einschichtige Zellplatte von länglicher Form. Die Zellvermehrung dauert fort , be- schränkt sich aber auf die beiden langen, dem oralen und aboralen Ende des Körpers zuge- wandten Seitentheile des Organs : da sich hier die kleinen Spindelzellen mehrfach über einander schieben, erheben sich die Ränder in Form von zwei anfangs parallelen, dann an den Enden bogenförmig sich verbindenden Wülsten, zwischen denen eine flache Furche verläuft Taf. II Fig. 3). Die Zellen, die den Grund dieser Furche bilden, theilen sich nicht mehr; dagegen wachsen sie beträchtlich und nehmen die Gestalt rundlicher oder eckiger Plättchen an; ihr Plasma hellt sich auf und scheidet eine Menge stark lichtbrechender Körnchen aus, die sich um den Kern herum ansammeln, wälnend die Peripherie frei bleibt (Taf. II Fig. 4). Gleichzeitig ordnen sich sämmtliche Zellen zu einfachen, an einander liegenden Reihen an, welche alle wie ungleich lange Radien gegen annähernd denselben Mittelpunkt convergiren, und so den Bau des Organs deutlich strahlig erscheinen lassen. Jetzt ist ilies auch dem un- bewaffneten Auge als eine quer zur Kürperaxe gestellte niedrige, in der .Alitte etwas eingesenkte Erhebung von c. 1 """ Länge und 0,25 '"" Breite erkenntlich und hebt sich durch seine weisse Farbe scharf von der durchsichtigen Umgebung ab. Die vorliegende Schilderung bezieht sich auf die Bildung des Eierstocks von H. viri- dis; bei den beiden andern Arten ist der Vorgang ganz derselbe, nur entstehen hier fast immer mehrere Ovarien zu gleiclier Zeil, und tliese nehmen zusammengedrängt den ganzen Umfang des mittleren Theils des Körpers ein; hierdurch wird die Präparation der vollständigen Organe erschwert um! die Ueber^icht der histologischen Details einigei-massen behindert. Ich habe die Zellverniehrung, die ziii- Hlntwickhing des Eierstocks fiihit, einfach als das Resultat oft wiederholter Theilungen der iirsprünglicli im Bereiche des Bildungsfeldes befind- lichen Zellen des interstitiellen Gewebes bezeichnet, und gewiss ist di(;s aucli zum giossen Theil richtig; einige Umstände, namentlich die zuweilen sehr auffallende Harefaction dieses Gewebes in der Umgebung des in der Bildung begriffenen Organs, haben mich aber auf ilic Verniuthung gebracht, dass vielleicht in dem Stadium, wo es zui- Verdickung der Seitenninder kommt, noch ein zweites Moment zu der localen Zellenanhiiufung beitragt: nämlich die Ein- wanderung von Zellen aus entfernteren Regionen des Ectoderms. Bestimmt behaupten will ich das jedoch nicht, weil directe Beobachtungen sich nicht anstellen liessen und ich nicht einmal weiss, ob die Zellen des interstitiellen Gewebes überhaupt die Fähigkeit activer Orts- veränderung besitzen. Gegenbahr fasst die Eierstöcke der Hydra als Knospen auf, in welchen sich je ein Ei entwickelt '. Ich möchte mich dieser Ansicht nicht anschliessen, weil die Genese des Eierstocks so sehr verschieden von jenei- der Knospen ist . dass die Zusammenfassung beider Bildungen unter einen Gesichtspunkt nicht durchführbar sein dürfte. Durch eine andere Betrachtung würde sich aber, wie ich glaube, der scheinbaie Gegensatz, der dann zwischen der Hydra und den Medusen oder medusiforme Gemmen eizeugenden Hydroiden hervortritt, ausgleichen lassen. Ursprünglich scheint bei den Hydromedusen allgemein das Verhältniss bestanden und sich auch bei Hydra erhalten zu haben , dass die aus tlen Eiern hei-vorgegangenen Individuen selbst niemals Eiei' und Samenkörper produciren, sondern sich nur ungeschlechtlich durch Knospung oder Theilung fortpflanzen und eist die nächste oder eine spätere ungeschlechtlich erzeugte Generation wieder geschlechtsreif wird. Wenn nun die Knospen mit dem Mutterthier und unter sich im Zusammenhang bleibend einen- Stock bilden,, so ist die Gelegenheit zur Arbeitstheilung gegeben, welche sich vor Allem in jener spccifischen Umbildung und Ausbildung dei- Eier und Samen producirenden Knospengeneration ausdrückt, die wir so schön in den Gonophoreo und den freien Medusensprösslingen \ieler Hydroiden erkennen. Wo dagegen, wie bei Hydra, die Knospen sich regelmässig gleich nach ihiem Entstehen abtiennen , erwacht die Geschlechls- function in den für sich altein lebenden Einzelthieren einer spätem Generation, und diese haben, da sie selbst in jeder Hinsicht für ihre Erhaltung sorgen müssen, auch keine Umbildung zu Gunsten ihrer geschlechtlichen Thätigkeit erfahren, sondern stimmen in Bau und Form ganz mit den andern überein. Die Veigicichung würde sich demnach einerseits auf die Stöcke der Hydroiden, andrerseits auf die Indi\iduenreilie der Hydra beziehen können, welche- mit einem aus dem Ei entwickelten Mutterthier beginn! unil niil i\r\- in Einzelthiere aufgelösten wieder geschlechtsreifen Generation abschliesst, und dann wäre auch nicht der Eierstock der Hydra, sondern jedes einzelne geschlechtsreife Thier einer Ge.schlechtsknospe der stockbildenden Hydroiden gleich zu stellen. ' Grundzüge d. vergl. Aiialoniio. •>. .\iifl. p. 118, K 1 e i II e II l» e V g , Hydra. 34 Die Thalsache, dass bei Hydra Eiei; iiiul Samenkörper ans Zeilen des Ectodernis iier- vorgehen, steht in Widerspruch mit dem Ge?;elz der Organbildung, das Häckel für die (^oe- lenteraten aufgestellt hat : »Die aus dem Entoderm oder der innern Bildungshaut hervor- gegangenen Zellen vermitteln bei den Spongien ebenso wie bei den Acalephen die vegetativen Functionen der Ernährung und Fortpilanzung. Die aus dem Ectodenn oder der äusseren Bil- dungshaut entstandenen Zellen vermitteln dagegen die animalen Functionen der Bewegung und Empfindung und dienen ausserdem als schützende Decken und stutzende Skelettheile für den ganzen Körper. Es dürfte daher nicht unpassend erscheinen, bei allen C.oelenteraten, d. Ii. bei allen Spongien und Acalephen das Entoderm oder die inneie Bildungszellenschicht) als vege- tatives Keimblatt und das Ectoderm oder die Süssere Bildungszellenscliicht als animales Keim- blatt zu bezeichnen«'. Die Eier und Zoospermien sind nichts als sexuell dilferenzirle Zellen des EntodermepiUiels, und Häckel ist geneigt, in Anbetracht der Uebereinstimmung des i^]nto- derms und Ectoderms der Coelenteraten mit dem innern und äussern Keimblatt der Embryonen höherer Thiere, dieselben fundamentalen Beziehungen für das ganze Thierreich anzunehmen. Da ich diese weittragende Ansicht kannte und mir kaum denkbar schien, dass selbst bei so primitiven Geschöpfen, wie die Coelenteraten sind . in einem Fall das innere, in einem andern dagegen das äussere Blatt der Ausgangspunkt der (ieschlechtsorgane sein sollte, so habe ich, als sich mir von vornheiein die Ueberzeugung des genetischen Zusammenhangs der Ovarien imd Hoden mit dem Ectoderm aufdrängte, jede Möglichkeit, welche eine Täuschung hervor- rufen könnte, in's Auge gefasst und der Untersuchung ganz besondere Sorgfalt zu Theil werden lassen. Jedoch sind die Verhältnisse bei Hydra so klar, Entoderm und Ectoderm so voll- kommen trennbar und ihre Zellen nach Form und Beschatienheit so leicht kenntlich, dass, in- dem ich die Entwicklung des Ovariums von der ersten merklichen Veränderung des inter- stitiellen Gewebes bis zur definitiven Ausbildung des Organs , und die Umwandlung einer Zelle desselben zum reifen sich furchenden Ei verfolgte, jeder Zweifel an der Abstammung des Eies von einer Ectodermzelle mit der grössten Bestimmtheit zurückgewiesen wuide. Und eine »locale Substitution« des einen Blattes für das andere, wie Häckel sie in einzelnen Fällen zugeben möchte, erscheint mir im Allgemeinen schon höchst bedenklich, bei Hydra kann davon gar nicht die Rede sein, weil Entoderm und Ectoderm in der ganzen Ausdehnung des Körpers als ununterbrochene Lagen vorhanden sind und ihre typische Anordnung in völliger Reinheit bewahrt haben. Aber auch abgesehen von dieser Thatsache ist die Berechtigung des H.\cKEL'schen Ge- setzes sehr fraglich. Geben wii- die Bestimmungen »animal« und »vegetativ« auf und bezeichnen die Keimblätter einfach nach ihrer Lage als äusseres und inneres (Ectoderm und Entoderm). Es werden sich dann aus diesem räumlichen Verhältniss einige allgemeine Folgerungen in * Ueber den Organismus der Sctiwänime und ihre Verwaiidlsoliafl mit den Corallen. .lenaisclie Zeilsciirifl. Bd. V. p. 221. 35 . Bezug auf die pliysiologisclien Leistungen der Blatter und der \on ihnen abstammenden Organe ableiten lassen. Das äussere Blatt steht in unmittelbarem Contact mit der Aussenwelt, die Beziehungen des thierischen Indi\i(luums zur Aussenwelt werden in erster Instanz durch Re- actionen ausgedrückt, die, indem sie anf bestimn)t abgegrenzte Theile localisirt werden, zur Ausbildung des Nerven-^iuskelsystems führen. Eben.so liegen den Schutz- und Stützeinricli- tungen des Körpers äussere Veranlassungen zu Grunde : es werden daher auch die Integument- bildungen und das Skelet aus dem äussern Blatt hervorgehen. Aber der Organismus' besitzt ausser den Beziehungen zur Aussenwelt auch Beziehungen zu sich selbst, d. h. Functionen, welche nicht von aussen her, sondern von innen angeregt werden, die von äussern Umständen relati\ unabhängig in der eigenartigen Beschall'enheit des lebendigen Plasmas ihren Grund halben. Hierlier gehört der StotTwechsel : ein Vorgang, der sich in sofern jedoch auch auf die Aussen- welt richtet, als er durch die Assimilirung von aussen her bezogener Stoffe für die Erhaltung jedes Körpei'theils, für seine Ernährung, sorgt. Die Ernähi-ung in ihrer Grundbedeutung ist natürlich nicht localisirbar, jede Zelle verlangt zui' Erhaltung eine ihren Ausgaben entsprechende Einnahme, zum Wachsthum einen Ueberschuss der Einnahmen. Da aber zum Zweck voll- ständiger Ausnutzung die Nährstoffe in den Hohlraum des Körpers aufgenommen werden, so konunen wegen der concentrischen Lagerung der Keimblätter die Zellen des äussern nicht in Berührung mit jenen Stoffen , sie sind also angewiesen, ihre Nahrung durch Vermittelung des inneren Blatts zu beziehen, dies bemächtigt sich des ganzen Materials, um den grossen Ueber- schuss, den es zur Erhaltung seiner eigenen Zellen nicht braucht, an die übrigen Körpertheile abzugeben, und zwar in einei- für diese direct verwerthbaren Form. So ist denn einleuchtend, dass sich alle Verdaunngsorgane aus dem Innern Blatt entwickeln. Eine entsprechende Deduction der Bildung der Geschlechtsorgane scheint mir dagegen in Anbetracht unserer völligen Unkenntniss des Wesens der sexuellen Fortpflanzung nicht aus- führbai-. Die Dehnition der Fortpflanzung als Function der Erhaltung der Art ist Nichts als eine teleologische Umschreibung der Thatsache, wobei ausserdem noch die Ait als höheres Individuum angenommen wird, in dessen Diensten das Einzelthier die Rolle eines Organs- spielt. Ebenso liegt in der Auffassung, nach welcher die Foripllanzung ein Wachsthum des Organis- nuis über sein individuelles Maass hinaus ist , keine Erklärung, sondern nur eine Behauptung, die ziemlich inhaltslos ist, so lange die Wachsthumsgrenzen der Individuen nicht bekannt sind, und unerklärt bleibt, wie aus einfachem Wachsthum die specifischen Bildungen der Eier und Samenkörper hervorgehen können. Unzweifelhaft spricht sich in der Bildung der Geschlechts- organe ein eigenthümlicher Ernährungsprocess aus, dass aber hierin ein Hinweis auf den gene- tischen Zusammenhang dieser Organe mit dem Innern Blall zu suchen ist, wie H.icKEL an- deutet, dürfte um so weniger zuzugeben sein, als dies Blatt mit allen seinen Abkömmlingen notorisch nur der Verdauung dient und eine nähere Beziehung der Geschlechtsthätigkeit zur Verdauung sich doch wol kaum annehmen lässt. Die höchst unvollständigen und oft einander widersprechenden Erfahrungen, die wir 36 über die erste Anlage tier Geschlechtsorgane in den verschiedenen Classen des Thierreichs besitzen, erscheinen auch nicht geeignet, das HÄcKEL'sche Gesetz zu stützen. Für die t^oelen- teraten, bei denen die Untersuchung durch die während des ganzen Lebens deutlich erhaltene Trennung der Keimblätter und das periodische Neuentstehen der Sexualorgane sehr erleichtert wird, giebt es noch die meisten positiven Angaben. Allman behauptet, die Abstammung der Eier und Samenkörper der Hydroiden von Zellen des Entoderms '. ebenso Kölliker ^ und H.\ckel für die Geryoniden ' und Kalkscinvämme^ dagegen stimmen mit meiner Beobachtung an Hyilra Keferstein und Ehlers für die Siphonophoren überein \ Die Abstammung der Geschlechts- organe der Würmer, Echinodermen, Mollusken und Arthropoden ist gänzlich unbekannt; bei Wirbelthieren ist die erste Anlage in neuerer Zeit mehrfach untersucht worden, und die Er- gebnisse stimmen mit einer Ausnahme darin uberein, dass die Geschlechtsorgane \om äussern Blatt gebildet werden. So hat Hensen in einei' vorläuHgen Mittheilung für das Kaninciien be- stimmt eine Einstülpung des Hornblatts angegeben '', nach His fmdet die Bildung der Geschlechts- diüsen beim Hühnchen vom Axenslrang aus statt und dieser enthält »unzweifelhaft reichlichere Bestandtheile des oberen als des unteren Keimblattes, vielleicht gehört es sogar jenem aus- schliesslich an« ', W.\LDEVER sagt.- »mit grosser Wahrscheinlichkeit lässt sich indessen noch die Behauptung verfechten, dass der ursprüngliche Heerd der Urogenitalanlage im oberen Keimblatte liegt« *•; nach van Bambeke entwickeln sich die Geschlechtsorgane von Pelolates fuscus aus einem Theil des äussern Blattes, welches durch die Analspalte in das Innere des Embryonalkörpers hinein geschlagen ist ■'. Nur Götte verlegt den Ausgangspunkt in's innere Blatt, indem er das sogenannte mittlere Keimblatt, welches die Geschlechtsorgane entwickelt, von jenem herleitet '". Das Ei. Wenn das Ovariura die beschriebene Entwicklung erreicht hat, beginnt eine Zelle, die gewöhnlich fast genau im Mittelpunkt des Organs gelegen ist, sich durch stärkeres Wachsthum vor den andern auszuzeichnen. Diese Zelle ist das junge Ei. Da es zunächst noch in seiner Beschaffenheit durchaus mit den übrigen Zellen des Ovariums übereinstimmt und unter diesen ' Kepoit Oll Ihe present State of our kaowledge of the reproduclive System in tlio Mydroida. 'Reporl ol llie Britist) Association for llie Advancement of Science for 1863 . p. 385. 2 Icones histiologicae, p. 89. ■* Jenaisclie Zeitschrift. Bd. I u. II. ■• Ebendaselbst Bd. V. ■' Zoologische Beiträge, p. 3. '' Max Schultze's Archiv. Bd. III, p. .500. ' Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes. I. iln den Zusätzen und Berichtigungen ain Scliluss.) " * Eierstock und Ei, p. H3. ■' Mem. de l'Academie de Belgique. T. XXXIV. '" Max Schultze's Archiv. B. V. •M liiiiitig nicht unbeträchtliche Grössenschwankungen vorkommen, so ist es erst dann mit Sichor- lieit zu erkennen, \\('nn sein längster Durchmesser sich ungefähr um tlas Anderthalljfache ver- grössert hat und zugleich eine (iestallveränderung eingetreten ist Tal'. II Fig. 5 b]. Die letztere besteht darin, dass die Höhe zunimmt, währenil die Breite relativ geringer wird; auf die.se Weise bildet sich das urspi'ünglich Hache Plättchen zu einem annähernd keilförmigen Körper um. des.sen schärferer Rand iumier nach aussen gerichtet ist. Ausserdem treten an der Ober- fläche — bald nur an einei' Stelle , bald über die Basis und die Seitenränder verbreitet — kuize spitze Fortsätze auf. Bei etwas grössern Eiern gehen diese Fortsätze schon in hielte uniegelmässige Lappen über Taf. II Fig. 6), und jetzt findet sich oft inmitten des Plasmas ein kreisi'undcr oder länglicher heller Raum, der mit klarer Flüssigkeit erfüllt ist und zuweilen \on frei ausgespannten zarten Plasmafäden durchzogen wird. Ob die Bildung einer solchen giossen Vacuole in diesem Entwicklungsstadium des Eies constant stattfindet, kann ich nicht mit Sicher- heit augeben, jedenfalls ist sie aber von sehr kurzem Bestände. Mit dem weitern Wachsthum bis zu 0,15""" Länge nimmt die Höhe nicht niehi' zu, sondern der Eikörper dehnt sich vorheirschend in der Breite aus; dabei entstehen aber regel- mässig zwei tief in das Innere dringende Einschnitte, durch welche das Ei in zwei seitliche, durch ein Mittelstück verbundene Hälften geschieden wird. Die Seitentheile selbst sind auch noch vielfach ausgezackt und zerrissen (Taf. II Fig. 8). Gleichzeitig gehen im Innern der Ei- zelle einige Veränderungen vor. Der stets in der Mitte, im Verbindungsstück, gelegene Kern, das Keimbläschen, hatte bisher seine ursprüngliche Beschaffenheit und Grösse beibehalten, nun fängt er an bedeutend zu wachsen, und mit ihm vergrössert sich das dunkle, scharf umschrie- bene Kernkörperchen. Dies letztere gehl jedoch, nachdem es eine gewisse Grösse erreicht hat, zu Grunde, wenigstens entzieht es sich gänzlich der Wahrnehmung, und der Kern erscheint als ein deutlich doppelt contourirtes Bläschen, welches durchaus gleichmässig mit einer äusserst fein granulirten schwach lichtbiechenden Masse angefüllt ist. Im Innern des Eikörpers entstehen neben den kleinen Plasmakörnchen unregelmässig rundliche Körper von verschiedener Grösse (Taf. II Fig. 7 u. 8). Ihr Aussehen ist glänzend, und sie haben grosse Aehnlichkeit mit festem Fett, wie man es häufig im Plasma findet, sind in- dessen bestimmt nicht fettiger Natur, sondern .scheinen hauptsächlich aus jener eigenthümlichen iMweissverbindung zu bestehen, welche in Form von Krystallen, Kugeln oder Plättchen so weit verbreitet, in den Eiern von Wirbelthieren und Wirbellosen vorkommt, imd die man mit His als Protagon, oder mit Klhne als Vitellin bezeichnen kann. Im Hydraei zerfallen sie bald nach ihrem Entstehen wieder, und es bleiben nur kleine Körnchen im Plasma nach. Weiterhin wächst die Eizelle beträchtlich in die Breite urul die Fortsätze entwickeln sich immer stärker. Gemeiniglich ist die Gestalt des Eies jetzt so , dass man es einem Schmetterlinge mit ausgespannten Flügeln vergleichen könnte : zwei Flügel mit zerrissenen und gezackten Rändern gehen \on einem längern oder kürzern Verbindungstheil ab (Taf. II. Fig. 9). Im Keimbläschen erscheint dicht unter seiner Membran ein heller kreisrunder flacher Körper — 38 dei- Keiuifleck. Selten sind zwei Keiintlecken voilianden und dann liegen sie ziemlich nahe bei einander. Bei Hydra viridis führen die nun folgenden Ausscheidungan im Plasma auf bekannte Dinge zurück; es beginnt die Bildung der Chlorophv likörner. In ganz unregelmiissiger Weise zerstreut, oft zahlreich, oft auch ganz vereinzelt, liegen kuglige Körper im Ei, theils schon vou grüner Färbung, theils, denen ahnlich, die man in den Entodermzellen des Magentheils von H. grisea und aurantiaca antritl't, farblos oder schwach gelblich. Ihr erstes Auftreten kann ebenso gut im centralen Tlieil des Eies wie in den Fortsätzen statttinden. Da sie gleich zu Anfang durch ihr blasses helles Aussehen leicht kenntlich sind, lässt sich constatiren, dass sie alle farblos entstehen und die Ausscheidung des Farbstoffes erst dann eintritt, wenn das Plasma- kügelchen seine definitive Grösse erreicht hat. Es stimmt dies ganz mit den Beobachtungen Hofmeister's über die Entwicklung der Chlorophyllkörper von Vaucheria und Bryopsis überein. Dieser Vorgang scheint mir von einiger Wichtigkeit für die Auffassung des Wesens der Eizelle. Mit der Bildung der Farbkörner hat sich das Ei in entschiedener Weise von seiner Herkunft losgesagt. Denn wir haben gesehen, tlass der Assimilationsprocess, welcher der Er- zeugung derselben zu Grunde liegt, ausschliesslich an die Zellen des Entoderms gebunden ist und selbst bei der abundanfesten Ernährung niemals auf die Elemente des äusseren Blattes übergreift. Dem entsprechend verhalten sich die Zellen des Ovariums und bis zu einem gewissen Punkte seiner Entwicklung auch das Ei. Wenn dies letztere nun mit einem Male in seinem Stoffwechsel eine so eclatante Uebereinstimmung mit jenem der Zellen des Innern Blattes zeigt, so dürfen wir darin den Beweis erkennen, dass das Ei schon frühzeitig, lange vor Eintritt der Befruchtung, mit den physiologischen Traditionen des Gewebes, aus welchen es hervorging, ge- brochen hat; es ist ein Gebilde eigener Art geworden, das consequenter Weise nicht mehr unter die Formelemente eines Blattes eingereiht werden kann, genetisch gehört es dem Ecto- derm an, physiologisch besitzt es eine diesem völlig fremde Beziehung zum Entoderm. Da vorauszusetzen ist, dass das Ei, indem es neue Fähigkeiten erwirbt, doch auch jene, deren es durch seine Abstammung theilhaftig wurde, bewahrt, lässt sich dasselbe in gewissem Sinne als einheitlicher Repräsentant der beiden constituirenden Systeme des Körpers auffassen: ein Verhältniss, das um so bedeutungsvoller ist, als in ihm der Ausgangspunkt der zukünftigen reproductiven Leistungen der Eizelle erscheint. Dass das Ei sich im Laufe seinei- Entwicklung sehr bald von dem einseitigen Character jener Zellen, denen es anfangs gleichwerthig war, entfernen nuiss, um seine Bestimnumg erfüllen zu können, ist a priori klar und darf als all- gemeine Thatsache gelten, meines Wissens tritt aber nirgends die Umwandlung mit solcher Schärfe und solch objectiver Sicherheit hervoi', wie bei dem Ei von H. viridis. Bei den beiden andern Arten verhindert der Mangel gleich auffallender Formbestandtheile, dass der Vorgang mit derselben Prägnanz sich manifestirt, indessen bezeugt das Auftreten der sonst nur in den Entodermzellen \ erbreiteten braunen und gelben Körnchen im Ei deutlich genug das Vorhan- densein durchaus entsprechender Verhältnisse. 39 Die nächste Umwandlung; des Eies hetrift't wieder zugleicli seine Form und seinen Inhalt. Die PlasniaausUiufer halten bisher ihrem Vohnn nach sehr hinter der centralen An- häufung zurückgestanden; nun \\ird das anders; diese Ausläufer machen den Haupttheil des Eies aus, sie entspringen als dicke Stränge dichtgedrängt von dem verhältnissmässig kleinen, ilas Keimbläschen enthaltenden, ('entrum, verzweigen sich dichotom und schieben sich weit \oi . das Gewebe des Eierstockes auseinanderdrängejid und zwischen sich aufnehmend. So wird die Gestalt des Eies eine sein- eigenthiimliche von der gewöhnlichen Eiform abweichende, es ist jetzt exquisit amoebiform. Dabei hat es sich bis zu I """ Durchmesser vergrössert und ist dem unbewaffneten Auge wahrnehmbar als ein inmitten der weissen Masse des Ovariums ge- legener, bei H. viridis grün gefärbter, sternförmiger Körper. Zur selben Zeit entstehen inl Innern des Eies sonderbare Gebilde. Neben ilen Körn- chen unil ('.hlorophyllkörnern liegen im Plasma eingebettet scharf contouiirte kuglige Körper- chen von O.Ol — 0.02""" Durchmesser. Zerdrückt man das Ei und lässt diese Körper in das Wasser austreten, so erkennt man oft schon eine dicke dunkle äussere Schicht , welche einen hellen Raum umschliesst, der zum Theil aber wieder von einer dichtem Masse ausgefüllt ist. Die Einwirkung des Wassers verändert jedoch bald ihi- Aussehen, und an irgend einer Stelle dringt allmählich, ohne dass ein Riss in der Aussenschicht erfolgt wäre, ein wasserklarer Tropfen heraus. Nach Zusatz geringer Menge von Kali- oder Natronlauge erfolgt der Austritt der Innenmasse raschei', und dann löst sich das ganze Gebilde vollständig auf. Durch Behand- lung mit verdünnter Essigsäure erhält uian einen klaren Einlilick in den Bau der Körperchen Taf. II Fig. \":>e l'(ß. Sie besitzen eine dicke Wandung, deren Umfang bei passender Lagerung nicht vollkommen kuglig, sondern an einer Stelle mehr oder weniger deutlich abgeplattet er- scheint. Hier ist die Basis eines der Wand, die hier oft verdünnt ist, dicht aufsitzenden ver- schieden gestalteten, meist zapfenförmigen Körpers, der tief in den Innenraum vorspringt. Der letztere enthält eine klare Substanz, in welcher selten kleine Fetttröpfchen, gewöhnlich dagegen mehrere theilweise in lebhafter .Molecularbewegung begriffene Eiweisskörnchen suspendirt sind, die mit jenen, welche frei im Plasma vorkommen, die grösste Aehnlichkeit haben. FarbstotTe werden von der Hülle und- dem Zapfen energisch ind)ibirt, Joischen denen hin und wieder Tröpfchen eines flüssigen Fettes zerstreut sind. Die festen Partikeln Hessen sich in Kalilauge leicht auflösen, dagegen konnte ich ihre Löslichkeit in Aether nicht mit Sicherheil feststellen. Der microchemische Nachweis von Fett durch Aether ist übrigens oft sehr schwierig, besonders wo man es, wie in diesem Falle, mit Substanzen zu thun hat, die in unlösliche Membranen eingehüllt sind. Ich bin sehr geneigt, die fraglichen Körper für Fett oder doch für jene eigen- thümliche Modification eiweisshaltiger Stoffe, welche wir als sicheren Vorläufer der Verfettung aus so vielen pathologisch veränderten Geweben kennen , zu erklären , und demgemäss den Schwund des Keimbläschens auf eine fettige Degeneration zurückzuführen. Einmal glaube ich in diesem Stadium eine Oelfnung in der Membran gesehen zu haben : wenn dies ein normaler Befund ist, wäre es möglich, dass auch ihr fester Inhalt austritt und in das umgebende Plasma aufgenommen wird. Was aus der .Membran selbst wird, kann ich nicht sagen; jedenfalls ist aber das ganze Keimbläschen schon lange vor Eintritt der Befruchtung bis auf jede S|)ur ver- schwunden. Hand in Hand mit dem Wachsthum des Eies vollzieht sich eine Reihe von Verände- rungen in den umliegenden Geweben. Gleich bei .Beginn der Eibildung vergrössern sich die im Umfang des Ovariums gelegenen Zellen des Entoderms bedeutend und füllen sich dicht mit grossen Massen von Chlorophyllkörnern an. Diese zerfallen, es erfolgen neue Nachschübe, und wenn das Ei seine deflnitive Grösse erreicht hat, bestehen die Entoderrazellen unter ihm zum grösslen Theil ihrer Masse aus den dunklen Excretkörnchen, so dass der ganze Bezirk fast schwarz erscheint — ein hübscher Beleg für den intensiven Stoffwechsel, der sich auf diese Stelle concentrirt. 43 Das Wachsthuin des üvariunis dauert, naclidem das Ei entstanden ist , noch eine Zeil lang fort, jedoch vermehren sich seine Zellen nicht niehi-, sondern die vorliandenen und Ije- sonders jene kleinen in den Randwülsten aufgehäuften Zellen nehmen an Grösse zu und breiten sich in Form von Plättchen aus. Späterhin (juellen sie etwas, ihr Plasma bekommt ein eigen- thümlich glasiges Ansehen, der Kern wird grobkörnig, es scheitlen sich einzelne Fettlröpfchen aus und endlich zerfallen sie, dem Ei offenbar reichlich Nahrung darbietend. Beim Durchbruch des Eies ist das Organ bis auf einige zerstreute spärliche Ueberreste zu Grunde gegangen. Die äussere Schicht des Ectoderms, die das Ovarium überzieht, erfährt nur passive Veränderungen, indem sie durch den Druck des wachsenden Eies sackförmig ausgestülpt wird und so als dichtanliegende Hülle das Ei umschliesst (Taf. II Fig. 16 «). Der zellige Bau dieser Schicht tritt jetzt auch schon während des Lebens sehr deutlich hei-\or. Nun ist aber wol zu beachten, dass das Ovarium und das Ei von Hause aus zwischen jener oberflächlichen Zelllage des Ectoderms und der Aluskellamelle eingeschaltet liegen: bei der enormen Ausdehnung, die das Ei gewinnt, und bei der Abrundung desselben werden die Zellkörper, welche seine Hülle zusammensetzen, weit aus ihrer ursprünglichen Lage verdrängt, und da ihre, in der Lamelle verlaufenden, Muskelfortsätzc auf der innern Seite des Eies sich belinden, so können diese nur entweder von den Zellkörpern abreissen, oder sie müssen, wenn sie dem Zuge der letztem folgen sollen , aus ihrer Verliindung gelöst und zugleich seitlich verschoben werden. Dies findet in der That statt. Nach Behandlung mit verdünnter E.ssigsäure ist es sehr leicht, die Hülle von dem Ei abzuheben; man sieht dann, dass auf der innern Fläche derselben eine Schicht feiner Fasern sich ausbreitet, und isolirt man die einzelnen Elemente, so erhält man lauter Zellen, die einen deutlichen Kern enthalten, und in einen oder mehrere sehr feine oft korkzieherartig gewundene plasmatische Fortsätze auslaufen (Taf. II Fig. 14). Die Länge der- selben variirt beträchtlich, ist aber inuner sehr bedeutend — bis zu 0,2""". Was mir mit Anwendung künstlicher Alittel nie in der Vollkon)menheit gelingen wollte, ist hier auf natürlichem Wege durch den ganz allmählich sich steigernden Druck des wachsenden Eies geleistet: die Neuro- muskelzellen werden mit vollständiger Erhaltung wenigstens eines iMuskelfortsatzes frei präparirt, freilich mit Verlust des noinialen gegenseitigen Lageverhältnisses beider Theile der Zelle. Die Bildungsgeschiclite des Hydraeies war bisher ziemlich unbekannt, und was darüber in einzelnen Angaben vorliegt, ist meist nicht richtig. Dass dem Ei die Bildung eines beson- dern Organs vorausgeht, dass das Ei sich erst aus einer Zelle dieses Ovariums entwickelt und nicht unmittelbar aus einem ursprünglichen Formelement des Körpers, ist von den frühern Be- obachtern übersehen worden. Leydig scheint das Ei in seiner amoeboiden Gestalt gesehen zu haben, denn er sagt : »Unter dei' glashellen farblosen Cutis sannnelt sich nach und nach Dotter- masse an. Letzteres geschieht unter der Bildung von ornamenten-ähnlichen Formen« '. Auch hat er das Keimbläschen aufgefunden -. 1 Die Dotterfurclning n:\cli iliriMii VurkdiiiiiuMi in der- Tliierwoll und n.icli iliirr nmlonliing. Isis I8i8, p. 164. 2 Ml bin liier in dor si-llenon l,:ii;(\ die rHdnliil diT Knldcckniii; oiiios Anlors gegen den .\ulor selbsl verlhei- (i 44 Ecker ist wol \orherr,sclieiul ilurcli die falschen Anschauungen, welche er sicli von dem liau des Hydrakörpers gebildet hatte, veriiindert worden, eine richtige Erkenntniss des Wesens und der Bedeutung des Eibildungsprocesses zu gewinnen. Die erste Anlage des Eies erfolgt nacli ihm durch Ablagerung kleiner Dolterkörnchen, die in der glashellen äussern Körperschicht zerstreut umher liegen »und durch eine sarcodeartige Substanz zu einer zähen Masse verbun- den sind«. Wenn das Ei eine .schwache Erhebung darstellt, treten in dieser Doltermasse helle blaschenföimige Kerne mit Kernkörperchen auf. Diese vermehren sich durch Theilung, und indem sich darauf die Substanz des Eies um die eingestreuten Kerne ansammelt, zerfallt das- selbe allmählich in eine Menge theils kugliger, theils durch gegenseitigen Druck abgellachter |)olygonaler Körper. Dies ist der Furchungsprocess der Hydraeies, und jene Körper sind die Fuichungskugeln. Letztere besitzen zunächst noch keine Membran, aber noch ehe das Ei sicli vollkommen abgerundet hat . umgeben sie sicii mit einer solchen und wandeln sich damit zu Embryonalzellen um, die theils frei, theils »einzeln oder zu mehreren in inselförmigen Massen einer durchsichtigen Intercellularsubstanz einge.schlossen« sind '. Ich habe mir Mühe gegeben, diese Angaben auf wirklich vorhandene Verhältnisse zurück- zuführen, und ich meine, das ist mir auch gelungen. Was Ecker für die erste Anlage des Eies hält, ist das ganze Ovarium. Bei ungenügender Präparation erscheint da.sselbe allerdings als eine dem Ectodeim eingebettete, unregelmässige, dunkelkörnige Masse, und die geringe Grösse der Zellen, namentlich aber ihrer Kerne, sowie die Beschaffenheit des Plasmas erschweren das Erkennen der Stiuctur. Die Kerne , welche im Ei auftreten sollen . sind zwar Kerne, aber weder neuentstanden, noch zum Ei gehörig — es sind die alten,. nur grösser und deuthcher gewordenen der Zellen des Ovariums. Die Annahme freier Kerne kann durch die geringe Mächtigkeit des Zellkörpers begünstigt werden. Das spätere Wachsthum dieser Zellen hat Ecker als Ansammlung von Dottermasse um präformirte Kerne aufgefasst und ilen Process für die Furchung erklärt. Ganz gewiss sind tlie »Furchungskugeln« , die er beschreibt und in Fig. VIII seiner Tafel abbildet, nichts anderes, als Zellen des Ovariums, welche durch den Eintluss von Wasser zu dickern, mehr rundlichen Körpern aufgequollen sein mögen. Dass aus ihnen sich die sogenannten Embi yonalzellen entwickeln, ist eine irrthümliche Annahme, die nur bei Voraussetzung sehr oberflächlicher Beobachtungen erklärlich erscheint. In den Ecker'- schen Embryonalzellen haben wir schon früher jene merkwürdigen Formbestandtheile des Ei- plasmas, die Pseudozellen, erkannt und zugleich ihre Entstehung und Bedeutung angegeben: (ligen zu müssen. Leydig hat niimlich späterhin dem enlsrliieilenen Widerspriicli v. Siebold s, Laurents und beson- ders EcKERS gegenüber seine Behauptung zurückgenonmien und zugegeben, dass er durch ein zufiilMg in die zer- drückte Dottermasse gerathenes zelliges Element getäuscht worden sein könne ;Naturge.schichte der Daphniden, p. 63, Anmerk.j Ich glaube, dass er zu misstraui.sch gegen seine Jugendarbeit gewesen ist. Denn bei der Grösse und leichten Isolirbarkeit des Keimbläschens, bei der Unmöglichkeit, es mit irgend einem andern Formbeslandtheil des Hydrakörpers zu verwechseln, ist es gewiss schwieriger, dasselbe zu übersehen,, als es zu finden. 1 Enlwicklungsg. d. g. Armpolypen, p. H. 2 Ibid. p. 13. 45 die angebliche dicke Zellmembran ist die plasmoide Wand , der wandstandige Kern ist die zapfenförmige Verdickung, und der ziihtlüssige Zellleib ist dei' wiissrige Inhalt derselben. Es ist eine eigenthümliche Tücke des Schicksals, dass Ecker, wahrend er die Existenz aller der verschiedenartigen, den Hydrakörper zusammensetzenden Zellen stricte leugnet, gerade jene Gebilde für Zellen comme il taut anerkennen musste, die weder in ihrer (ienese, noch in ihrem Bau. noch in ihren physiologischen Leistungen irgend wie dem (".haracter von Zellen entsprechen. Neuerdings hat man behauptet , dass die ausgebildeten Eier aller Thieie nicht Zellen, sondern zusammengesetzte Bildungen seien. Mit Rücksicht darauf habe ich auch beim Hjdraei die Möglichkeit eines Zusammentretens geneti.sch ungleichartiger Formbestandtheile fortwahrend scharf in's Auge gofasst. aber ich brauche nur auf den geschilderten Entwicklungsgang hinzu- weisen, um die Thatsache zu begründen, dass das Ei der Hydra, trotz all der wichtigen Um- \\andlungen, die sich in ihm vollziehen, doch den morphologischen Werth, welchen es im Augenblick seines Entstehens aus einer indilferenten Zelle des üvariums besass, durchaus bei- behalt , dass es mit einem Wort eine einfache Zelle Ijleibt — die sich indessen von allen übrigen gerade durch den hohen Grad ihrer ebenso sehi- selbständigen wie vielseitigen Aus- bikhmg und Entwicklungsfähigkeit unterscheidet. Kann demnach jener Satz als allgemeines Gesetz nicht bestehen, so fragt .sich, inwie- weit er überhaupt Berechtigung hat. Die morphologische Gleichwerthigkeit der Eier ist das Fundament der vergleichenden EntvAicklungsgescliichte unti in weiterer Instanz auch das der \eigleichenden Anatomie. Wenn die Entstehung und dei- Bau des Vogeleies derart wtire. wie His angenommen hat, wenn dasselbe wirklich aus einem Hauptdotter und einem Nebendotter bestände, die beide ebenso verschieden in ihrem Ursprünge wie in dem selbständigen Antheil, welchen sie an dem .\ufbau des Embryonalleibes nehmen, sind, dann wäre sein Vergleich mit einer einfachen Eizelle als unstatthaft zurückzuweisen und consequenterweise auch die Gleich- stellung der aus dem einem oder dem andern hervorgegangenen Bestandtheile des Thierleibes höchstens in ganz beschränktem Sinne möglich. Die His'sche Theorie hat in der ausgezeich- neten Arbeit Waldeyer's ihre Widerlegung gefunden, aber von andern Gesichtspunkten aus ver- iheidigt Waldeyer selbst die Lehre vom zusammengesetzten Bau dei' Eier auf's Entschiedenste. Es kann meine Absicht nicht sein, hier eine eingehende Kritik seiner Beweisführung zu ver- suchen, zumal meine Erfahrungen über die Eibildung in den verschiedenen Classen des Thier- reichs nicht umfas.send und vollständig genug sind, um mich auf sie zu berufen. Nur eine Bemerkung möge man mir gestatten. Waldeyer's Hauptgrund ist dei': in das Plasma der jungen Eizelle Primordialei) dringen — wahrscheinlich — Bestandtheile der Granulosaepithel- zellen ein. und diese werden nicht assimiliit, sondern bleiben erhalten und gestalten sich durch einige Veränderungen zu den (nichtzelligen !) Elementen des sogenannten Nebendotters ; folglich ist das reine Ei keine einfache Zelle, sondern ein aus zwei genetisch ungleichartigen Factoren zusammengesetztes eigenthüniliches Gebilde. Ich will annehmen, die Einwanderung solcher Theilchen der Granulosazellen sei eine ausgemachte Thatsache — auch dann erscheint dieser 46 Schluisri durchaus \^illku^lich. Denn es steht Nichts der Auffassung entgegen, die in jenem Vorgang nur einen besondern Modus der Ernährung anerkennen will, durch welchen die ur- sprüngliche morphologische Werthigkeit des Eies in keiner Weise alterirt werden kann. Seit- dem wir wissen, dass die meisten thierischen Zellen nicht in geschlossene feste Membi-anen eingehüllt sind, besteht die Nöthigung nicht mehr, ihre Ernährung nur durch endosmotische Aufnahme von Lösungen vermittelt zu denken. Beobachtung und Experiment haben im Gegen- theil bewiesen, dass viele Zellen feste Körper, die man ihnen darbietet, mit grosser Energie sich einzuverleüjen im Stande sind, und Waldeyer sagt selbst: »Ich halte es für sehr wahr- scheinlich, dass nicht bloss die Epithelzellen der GR.^Ar'schen Follikel, sondern auch die Epi- thelien vieler anderer Organe einen Theil ihres Wachsthums-, Vermehrungs- und Ernähruugs- matei'ials auf diese Weise beziehen und also vom Blute aus nicht bloss getrankt, sondern auch re vera mit fester Kost gespeist werden« '. Wenn daher das Eindringen fester, von benach- barten Zellen abgeschiedener Nährstoffe in den Eikörpei- nichts dem Begriff der Zelle wider- sprechendes ist, so kann doch auch unmöglich darin dieser Widerspruch liegen, dass die auf- genommenen Theilchen nicht gleich verschwinden, sondern längere Zeit formell erhalten bleiben. Warum sollte das bei andern Zellen, wenn ihre Einnahmen über den augenblicklichen Bedarf hinausgehen, nicht auch vorkommen? Und gesetzt, hier läge wirklich ein nur dem Ei eigen- thUmliches Verhalten vor: dürfte dies genügend sein, um dasselbe in der ganzen Bedeutung seiner ursprünglichen morphologischen und physiologischen Individualität wesentüch zu ver- ändern? Ich glaube kaum. Die Thatsache an sich wäre keineswegs wunderbar, sondern leicht verständlich. Um seinen zukünftigen Leistungen nachkommen zu können, ist das Ei genöthigt, so lange die Gelegenheit noch geboten ist, so viel als möglich krafthaltige Stoffe vom mütter- lichen Körper an sich zu reissen. Diese unmittelbai' umzusetzen und zu verwerthen besitzt es in seinem zeitweiligen Zustande keine Veranlassung oder vielleicht nicht einmal die Fähigkeit : sie werden unverändei-t eingespeichert oder in leichter voiläufiger Bearbeitung aufbewahrt, ein wichtiger Reservefond für die reiclilichen Ausgaben kommender Zeiten der Entwicklung. Wo, wie beim Hydraei , die Nahrungsmittel wol ausschliesslich in gelöster Form bezogen werden, auch da sehen wir, wie die Thätigkeit des Zellleibes nicht auf übermässiges ausbreitendes Wachsthum gerichtet, sondern durch innere Ausscheidungen und Condensirungen des aufge- nommenen Stoffes für die Zukunft besorgt ist. Die Durclibreeliuiig der EihüUe und die Befruchtung. Bald nach dem Verschwinden des Keimbläschens zieht sich das Ei zusammen, indem es eine nicht unbeträchtliche Menge wasserklarer Flüssigkeit ausstö.sst, welche sich zwischen seiner Oberfläche und der Eihülle ausbreitet. Regelmässig werden dabei auch ein paar Theil- chen der Eisubstanz selbst herausgepresst, kleine Plasmakügelchen , in welchen meist eine 1 Eiersfwk und Ei, n. 68. Pseudozelle eingebettet ist. Sie sind entwedei- in das Gewebe der Hülle eingedrückt oder liegen frei in dem mit Flüssigkeit erfüllten Flächenraum. Es sind dies die von den Eiern vieler anderen Tliiere bekannten sogenannten Richtungsbläschen; ganz bedeutungslos füi' die weitere Entwicklung des Eies gehen sie langsam zu Grunde. Durch die Ausscheidung der Flüssigkeit ist die Spannung der Eihulle offenbar niclit vermindert, sondern im Gegentheil wahrscheinlich noch erhöht woiden. Denn kurze Zeil darauf weichen die Zellen am Scheitelpunkt der Hülle aus einander, es entsteht eine ziemlich enge Oetl- nung. durch welche die Flüssigkeit sofort abtliesst. Die Hülle legt sich wieder dicht der Ober- lläche des Eies an und übt einen starken Druck auf dasselbe aus. in Folge dessen ein Theil des leicht verschiebbaren Eiplasraas in die Lücke hineingedrängt wird, welche es wie ein Propf verschliesst. Indem immer mehr Masse von innen nachrückt, erhebt sich der austretende Theil des Eies zunächst papillenartig über das Niveau der Hülle, dann rundet er sich kuglig ab. das Ei erhält, in der Mitte eingeschnürt, eine sanduhiförmige Gestalt, und endlich liegt es ganz frei nach aussen. Es ist klar, dass bei diesem Ereigniss das Ei sich durchaus passiv verhält : vermöge der Contractilität ihrer ^luskelfortsätze zieht sich die Hülle zusammen und zugleich über das Ei weg, welches unter bedeutender Aenderung seiner Form durch die vor- her entstandene enge Oeffnung hinausgedrückt wird. Wenn man sich den Vorgang vorstellt, wie das Zusammensinken eines liohlen, an einer Stelle durchbohrten Gummiballes, aus welchem man durch Einstülpen der Wand von einer Seite her alle Luft vertreibt, so hat man zugleich ein ungefähres Bild des schalenförmigen doppelwandigen Organs, das aus der Hülle des Hydia- eies entsteht. In der centralen Oeft'nung der concaven äussern Wand dieses »Fussgestells« oder Eiträgers bleibt ein kleiner in eine Spitze ausgezogener Theil des Eikörpers stecken und wird hier durch den Druck des umgebenden contractilen Gewebes festgehalten ; mir scheint wenig- stens das starke Haften des Eies an dem mütterlichen Körper aus der Ailhäsion der sehr beschränkten Berührungsflächen allein nicht erklärlich. Das frei in das Wasser hineinragende nackte Ei wird nun auch befruchtet. Einzelne Hoden entleeren ihren Inhalt in der früher beschriebenen Weise, die Spermatozoon verbreiten sich im Wasser, und wo sie mit dem Ei in Berührung konmien , setzen sich ihre Köpfe an der Oberfläche desselben fest, während die peitschenden Schwingungen des Fadens noch längere Zeit fortdauern. Ein wirkliches Eindringen der Samenkörper in das Ei habe ich nicht beobachten können. Da.ss. wie M.\x Schlltze beschreibt, das Thier bei der Befruch- tung das orale Ende seines Körpers krümmt und indem es die Hoden gegen das Ei presst, dieses mit Samen übergiesst, mag wol einmal zufällig vorkommen, Regel ist es nicht ; nebenbei ist Max Schultze im Irrthum , wenn er glaubt, in den von ihm beschriebenen Fällen die Be- fruchtung gesehen zu haben, da er bestimmt gar nicht das Ei, sondern den mit einer dicken Schale umgebenen gefurchten Keim vor sich gehabt hat '. Beobachtung der Samentliierchen. der Eibildung, der Selbstbefruclitung und des Auskriechens der Jungen 4S Esi ist eine interessante in der Neuzeit vielfach geprüfte Frage, wo bei Hernia[)hro(liten Selbstbefruchtung, wo wechselseitige Befruchtung stattfindet. Dass die Hydra zu den selbst- befruchtenden Zwittern gehört, kann keinem Zweifel unteiliegen, da auch bei Thieren, die in strengster Isolirhaft sassen, die Eier sich normal entwickelten. Andrerseits kommen, wie ich schon erwähnte, ausnahmsweise Exemplare voi\ .welche gar keine Hoden bilden : wurden diese frühzeitig isolirt, so gingen die Eier, wie vorauszusehen war, zu Grunde, lebten sie dagegen in Gemeinschaft mit herma|)hioditischen Genossen , so vollzog sich der Entwicklungsgang des Eies ganz regelmässig. Hier war also sicher die Befruchtung von einem andern Individuum ausgegangen. Die Furchung. Die Form des Eies von Hydra viridis, wenn es eben die Hülle verlassen hat, ist ge- wöhnlich die eines mehr als halbkugligen Segments, auf dessen Schnittfläche ein in der zurück- gezogenen Hülle steckender, niedriger Kegel aufsitzt. Man kann diese Form im Allgemeinen bestimmen durch drei einander rechtwinklig schneidende Linien, von denen die erste von der Spitze des Kegels zu dem gegenüber liegenden Punkte der Kugeloberfläche geht, also in die Richtung eines Radius des Querschnitts des mütterlichen Körpers fällt; die zweite ein Durch- messer des grössten Kreises des Kugelabschnitts und der Längsaxe des Thiers parallel ; die dritte gleichfalls ein Durchmesser des grössten Kreises, aber der Tangente an dem Berührungs- punkte des Eies mit dem Körper parallel ist. Dei' Bequemlichkeit wegen werde ich diese Linien kurz als ersten, zweiten und dritten Durchmesser des Eies bezeichnen. Die früheste wahrnehmbare Veränderung geht an dem vom Körper abgewandten Ende des ersten Durchmessers vor sich : es entsteht hier eine flache Erhebung, die sich gegen ihre Umgebung deutlich abgrenzt und bald eine glatte Oberfläche, bald eine schwindende und wieder auftretende Runzelung zeigt (Taf. IV Fig. 1 . Nach kurzer Zeit verliert sich die Begrenzung, es lässt sich jedoch nachweisen , dass eine Verlängerung des Eies in der Richtung des ersten Durchmessers stattgefunden hat und fortdauert , so dass dieser Durchmesser , der bisher der kleinste war, der grösste wird und das Ei die Form eines Ellipsoids annimmt, dessen dem Körper zugewandter Pol in eine kleine Spitze au.sgezogen bleibt (Taf. IV Fig. 2). Hat die Ver- längerung des ersten Durchmessers eine Zeit lang gedauert und einen gewissen Höhepunkt er- reicht, so tritt eine rückläufige Bewegung ein ; dei- zweite und diilte Durchmesser vergrössern sich auf Kosten des ersten, und das Ei nähert sich wieder der Kugelform. Indem diese er- reicht ist . oder auch etwas später entstehen plötzlich da , wo die erste Erhebung stattfand, zwei bis drei zarte pseudopodienartige Fortsätze, und gleichzeitig bemerkt man zwischen den- selben eine flache Vertiefung, deren Längsrichtung so verläuft, dass eine obere und untere Hälfte des Eies markirt wird — wenn man nämlich den tentakelti-agenden Theil des Thiers als von Hydra; Anliaiig zu der HoRNScmxH'sctien Uebersetzung von Stee.nstri'p's Untersuchungen über das Vorkommen des Hermaphroditismus in der Natur 1816, p. 117. 49 oben, den Fuss als unten bezeichnet. Die Ränder dieser ersten Anlage der Furche (Taf.IV Fig. 3) erheben sich ein wenig, zahlreichere Fortsätze gehen von ihnen aus, die sich über den Eingang der Furche zusammen wölben und ihn verengen, ohne jedoch einen Verschluss hersustellen. Dabei nähern sich die Ränder einander, so dass aus der flachen Einsenkung eine schmale Rinne entsteht, die in der Profillage als scharfer keilförmig in das Ei eindringender Spalt erscheint. Indem darauf die Furclie peripherisch und in die Tiefe fortschreitet, erweitert sich ihr Grund wieder und flacht sich ab; der scharfe Einschnitt geht in einen breiten rundlichen Ausschnitt über, dessen offene Seite von stumpfzackigen Ausläufern eingefasst undbeti-ächtlich verengt ist (Taf. IV Fig. 4). Dies sehr eigenthümliche Bild ist auch nur von kurzer Dauer, die Fortsätze werden allmählich eingezogen, die Furche wird immer schmäler, bis sie wieder einen feinen, nun aber schon ziemlich tiefen Spalt darstellt. Hat dieser ungefähr den dritten Theil des Eies durchschnitten, so legen sich, von aussen beginnend, seine Seitenflächen an einander und ver- schliessen die Furche bis auf den vordringenden Grund, welcher bei passender Lagerung immer ein offenes Lumen erkennen lässt, die Furche sieht wie ein den Eikörper quer durchbohrender enger Canal aus. Die Trennungsflächen berühren sich in ihrer bei weitem grössten Ausdeh- nung und adhäriren sehr fest, so dass bei dem Versuche, sie aus einander zu ziehen, meist das Plasma einreisst; nach innen bleibt, wie gesagt, nur der Grund der Furche offen, und äusser- lich deutet bloss eine oft schwer wahrzunehmende feine Linie die Trennung an. Die Umgebung des Grundes ist mit mehr oder weniger zahlreichen kommenden und schwindenden Pseudo- podien besetzt, und gegen Ende der Theihmg wird die Furche wiederum breiter und öffnet sich mehr. Schliesslich sind beide Seiten nur durch eine schmale Brücke verbunden, diese wird immer mehr ausgezogen : endlich reisst sie durch und damit ist die Theilung des Eies in zwei Keimzellen vollendet. Mit der Ausbildung der Furche ist eine fortwährende Veränderung der Gesamratform des Eies verknüpft, und zwar findet eine Vergrösserung des zweiten, auf der Trennungsebene senkrecht stehenden, Durchmessers mit proportionaler Abnahme der beiden andern Durchmesser statt. Ich habe eine grosse Reihe möglichst genauer Messungen angestellt, welche beweisen, dass dies Verhalten ein entschieden gesetzmässiges ist, was sich bei jedem Ei, auch der beiden andern Arten, uiit nur sehr wenigen Abweichungen wiederholt. Freilich konnten meistens nur die beiden gleichzeitig zu übersehenden Durchmesser bestimmt werden, den dritten, dessen Richtung in die Axe des Microscops fällt, mit gleicher Genauigkeit zu messen, gelingt nicht immer, da die nothwendige Umlagerung des Eies nicht leicht ist und oft so viel Zeit erfordert, dass die Messung für den Vergleich mit der vorherigen der beiden andern Durchmesser un- brauchbar wird. Soviel lässt sich aber mit völliger Sicherheit constatiren, dass die Tiefe der Furche stets im geraden Verhältniss zur Grösse des zweiten, im umgekehrten zu der des ersten und dritten Durchmessers steht. Die beiden eben entstandenen Keimzellen liegen mit ihren ebenen Trennungsflächen fest an einander und bilden zusammen einen cylindrischen- Körper mit abgerun- deten Enden, dessen Höhe sich zu seinem Durchmesser ungefähr wie 9 : 13 verhält (Taf. III Fig. 1 7). Kleinenberg, Hydra. ~ 50 Der ganze Vorgang vom ersten Erscheinen dei' Furche bis zur vollendeten Theilung dauert 2 — 2V2 Stunden. Dann runden sich gevvöhnhch auch die Trennungstlachen der beiden Zellen ab, diese nehmen Kugelform an, und dadurch wird die gegenseitige Berührung entweder vollständig oder bis auf einen Punkt aufgehoben. In dieser Form ruhen sie eine kurze Zeit, bis neue Bewegungen die Bildung der zweiten Furche einleiten. Zuweilen habe ich jedoch diesen Ruliezustand vermisst und die Keimzellen bereiteten sich unmittelbar nach Beendigung der ersten Theilung zur zweiten vor. Ihre Bewegungen sind jetzt äusserst lebhaft und fuhren nicht allein zu Formveränderungen, sondern auch zu Locomotionen, indem die Lage der beiden Zellen sowohl zu einander als auch zum mütterlichen Körper sich ändert. Die Pseudopodien- bildung ist viel entwickelter als bei der ersten Theilung, sie geht meist von den Trennungs- tlachen aus, und dann sind die Fortsätze zart und dünn, aber auch von den übrigen Flächen erheben sich vielfach niedrige Buckel auf breiter Basis Fig. IV Fig. 8 — M). Bewegungen der festen Einschlüsse des Plasmas lassen sich sehr deutlich wahrnehmen. Während dessen findet eine Verlängerung des dritten Durchmessers statt, und die beiden näher rückenden Zellen legen sich der Länge nach an einander. Der dritte Durchmesser wächst, der erste und zweite nehmen ab. Wenn diese Formveränderung eine gewisse Ausdehnung erreicht hat, beginnt jederseits eine unregelmässige von vielen Pseudopodien besetzte Einsenkung der Innenflächen der beiden Zellen, die sich bald zu einem quer verlaufenden Spalt gestaltet. Das weitere Einschneiden desselben geschieht in ganz ähnlicher Weise wie bei der ersten Theilung, nur steht hier der dritte Durchmesser senkrecht auf der Theilungsebene, und dieser vergrössert sich in dem Maasse, wie die Theilung vorrückt. Die Vollendung der Trennung durch Zerreissen des letzten verbindenden Plasmastranges lässt sich hier genauer beobachten als bei dem ersten Furchungsstadium , wo die zuletzt erhaltene Verbindung von dem Eiträger verdeckt war; man sieht, wie der Strang brückenartig über den Grund der Furche ausgespannt ist. Die Uebergangspunkte desselben in die Masse der entstehenden Zellen entfernen sich von einander, die Furche wird breiter und der Strang länger und dünner. Oft währt diese Be- wegung nicht ununterbrochen fort, sondern die Theile nähern sich wieder, und dann wird das Verbindungsstück auch kürzer und dicker, zuletzt gehen aber die Uebergangss teilen so weit aus einander, dass die Dehnung zu stark wird: an irgend einer Stelle, meist da, wo ein grösserer eingelagerter Körper die Cohäsion des Plasmas beeinträchtigt, reisst der Strang, seine beiden Theile runden sich an den Enden knopfförmig ab und verschwinden rasch in der Masse der Zellen. Die Pseudopodienbildung hört nun auf; die vier eben entstandenen Keimzellen nehmen Kugelform an und liegen, sich nur an einzelnen Punkten berührend, den Winkeln eines Quadrats entsprechend angeordnet in einer Ebene. Die Zeitdauer der zweiten Theilung beträgt 3 — 3V2 Stunden, jedoch verhalten sich beide Seiten nicht ganz gleich — die eine pflegt der andern ujn einige Minuten voraus zu sein. Aus der eben beschriebenen Anordnung der vier Zellen geht durch Verlängerung der- 51 selben in der Richtung des ersten Durchmessers und Verlust des kreisförmigen Umfangs mit gleichzeitigem Auseinanderrücken eine Form des Keims hervor, welche als typisch für die Viertheilung von den Eiern vielei' Thiere bekannt ist : es ist dies eine durch zwei meridionale Furchen zerlegte, aus vier Sectoren zusammengesetzte Kugel Taf. lU Fig. I 8 . Dieser Zustand ist die Einleitung zur Bildung der dritten äquatorialen Furche. Die Entwicklung derselben ist schwer in ihren Einzelheiten zu verfolgen, da sie, wie die zweite meridionale und alle folgen- den, von den nach dem Mittelpunkte des Keims gerichteten Flächen der Zellen ausgeht und durch die Undurchsichtigkeit der Eimasse dem Anblick entzogen ist. Die Pseudopodienbildung ist nicht sehr lebhaft, die Vollendung der Theilungen durch Zerreissen der Brücken geht ebenso wie in den früheren Stadien vor sich. Hierauf runden sich alle acht Zellen zu Kugeln ab und ordnen sich nach den Ecken eines Würfels an. Später rücken sie mehr zusammen und platten ihre Berührungsflächen ab, wählend die Aussenflächen gekrümmt bleiben. Der Keim wird in Folge dessen wieder kuglig. Von jetzt ab lassen sich die Theilungen unmittelbar nicht mehr beobachten, man muss, um eine Uebersicht der immer zahlreicheren, den Keim zusammensetzenden Theile zu gewinnen, das Aneinanderhaften derselben vermittelst verdünnter Säuren beseitigen, und dadurch wird natürlich die Weiterentwicklung aufgehoben, sowie eine, wenn auch im Ganzen nicht bedeu- tende Veränderung der Formen hervorgerufen. Leicht lässt sich indessen feststellen , dass die zunächst entstehenden Theilungsebenen so situirt sind, dass sie zwei in gleichen Abständen vom Aequator verlaufende, Breitenkreisen entsprechende, Furchen darstellen. Die vierte Furchungs- periode führt also zur Bildung von sechzehn Zellen. Doch ist nun die Isochronie der Einzel- theilungen schon beträchtlich gestört: man findet nur selten Keime von sechzehn Zellen, ge- wöhnlich sind neben einer Anzahl Sechzehntel-Zellen noch mehrere Achtel-Zellen vorhanden; letztere zeigen aber immer durch einen mehr oder weniger tiefen Einschnitt, dass sie in Thei- lung begriffen sind und sich nur etwas verspätet haben. Weiter besteht der Keim aus zwei- unddreissig Zellen, dann aus vierundsechzig u. s. w. , woraus hervorgeht, dass auch in den späteren Stadien der Modus der Zell Vermehrung die überall gleichmässige Zweitheilung ist. Die Form des Keims bleibt von der Vollendung der Aequatorialfurche ab im Allgemeinen kuglig, nur hin und wieder drängen sich einzelne Zellen nach aussen vor und machen den Contour unregelmässig; die Gesammtform entspricht also nicht mehr den Formveränderungen der Zellen, die den früher beschriebenen, mit Ausnahme der fast völlig mangelnden Pseudo- podienbildung durchaus analog sind. Bei jeder Zelle ist stets der Durchmesser, welcher auf der Trennungsfläche senkrecht steht, der Tiefe der Continuitätstrennung proportional verlängert. Dass die Uebereinstimraung der Form des Ganzen mit der der constituirenden Theile fehlt, er- klärt sich einfach aus der Anordnung der letzteren, deren Theilungsebem?n nicht mehr parallel liegen können. Die Beschaö'enheit der Oberfläche des Keims wechselt mit der Zahl der Zellen, bei zweiunddreissig hat sie das höckerige Aussehen der »Maulbeerform« (Taf. HI Fig. 19), später 52 wird sie immer feinkörniger und endlich ganz glatt. Diese Ausglättung ist nicht etwa nur scheinbar, hervorgerufen durch extreme Kleinheit der Zellen, diese sind im Gegentheil nach der definitiven Beendigung der Furchung noch verhältnissmässig gross, sondern es findet factisch eine Ausfüllung der Zwischenräume an den Zellengrenzen statt, indem einzelne Zellen mit mem- branösen Fortsätzen auf die runde Oberfläche der benachbarten übergreifen. Ohne Anwendung von Reagentien ist der Keim in diesem Zustande gar nicht von dem ungefurchten Ei zu unter- scheiden. Die Keimzellen sind ihrer Zusammensetzung nach unveränderte Theile des Eies : wie dieses besteht jede derselben aus der plasmatischen Grundsubstanz , welcher Dotterkörnchen, Chlorophyllkörner und Pseudozellen, je nach ihrer Grösse, in grösserer oder kleinerer Zahl ein- gelagert sind. Nur schien mir, dass die Gesammtzahl der Chlorophyllkürner vermindert wäre. Liesse sich dies sicher nachweisen, so wäre wol anzunehmen, dass aus ihnen die relativ gewiss sehr bedeutende mechanische Kraft, die für die zahlreichen und andauernden Theilungen nöthig jSt, durch den Stoffwechsel disponibel gemacht wird. Nach Beendigung der Furchung lassen sich zwei Formen von Keimzellen unterscheiden: die einen sind ziemlich hoch, einem Cylinderepithel ähnlich; sie bilden als einschichtige Lage die Oberfläche des Keims; die andern, polygonal durch gegenseitigen Druck abgeplattet, setzen die innere Hauptmasse desselben zusammen. Alle diese Zellen sind nackte und anfangs auch kern- lose Plasmastücke. Nachdem sie einige Stunden unverändert geblieben sind, bemerkt man, besonders deutlich an den prismatischen Zellen der äussern Lage, einen heflen kreisrunden Fleck, der sich bei näherer Betrachtung als ein kugliger Tropfen einer ganz klaren, stark eiweisshaltigen Flüssigkeit zu erkennen giebt. Bei diesen Zellen liegt er immer nahe unter der freien Oberfläche, bei den andern gleichfalls excentrisch an einer Seite. Später schliesst jeder Tropfen ein stark lichtbrechendes Körperchen ein, zuweilen auch zwei. Es unterliegt wol keinem Zweifel, dass diese Gebilde als Kerne aufzufassen sind, hi Bezug auf ihre Genese habe ich durch vergleichende Messungen und Zählungen festgestellt, dass sie nachträglich in vorher kernlosen Zellen entstehen und sich nicht gleichzeitig in allen Zellen des Keims bilden, sondern zuerst in den oberflächlichen und erst nach und nach in den centralen. Anfänglich erscheinen sie blass und haben keine ganz deutliche Abgrenzung gegen das Plasma, bald aber wird die- selbe sehr scharf, und indem zugleich ihr Lichtbrechungsvermögen zunimmt, setzen sie sich be- stimmt von dem Zellkörper ab. Diese Entstehungsweise entscheidet gegen eine Möglichkeit, die ich berücksichtigen zu müssen glaubte, nämlich die Verwandlung von Pseudozellen in kern- ähnliche Bildungen; eine Annahme, welche dadurch noch besonders nahe gelegt war, dass in diesem Stadium der Entwicklung ein Theil der Pseudozellen zu schwinden beginnt. Fand eine Umwandlung statt, so mussten sich auch Uebergangsformen auffinden lassen. Die Jüngern Zu- stände der Kerne mussten einen doppelten Contour und Ueberreste des Zapfens zeigen. Da dies nun nicht der Fall ist, stammen sie sicher nicht von den Pseudozellen ab. Ebenso wenig dürfen sie mit dem Keimbläschen, dessen Schicksale bis zu seinem frühzeitigen Untergange 53 wir ja verfolgt haben, in Verbindung gebracht werden, sondern sie entstehen, unabhängig von irgend welchen präexistirenden Formelementen in den Zellen, als innere Ausscheidungen einer eiweissreichen Substanz. Eine solche »freie« Entstehung der Kerne hat nichts Befremdendes, sie ist in neuerer Zeit an thierischen Zellen vielfach beobachtet worden, und für die der Pflanzen hat man diese Bildungsweise der Kerne geradezu zum allgemeinen Gesetz erhoben. In Vorstehendem habe ich die formelle Umbildung des Eies zum Keim beschrieben, ich werde nun den Vorgang, der diesen Veränderungen zu Grunde liegt, die Kräfte, welche bei der Furchung thätig sind, zu erörtern versuchen. Von vornherein ist klar, dass, da das Ei eine Zelle ist, der Zerfall desselben in gleich- werthige Theile, die Furchung als eine Zelltheilung aufzufassen ist. Die Theilung besteht in der Aufhebung der Cohäsion an einer oder mehreren Stellen einer Plasmamasse, die zur voll- kommenen Scheidung in gleichartige neue Zellen führt. Die Trennung könnte sowol durch Kräfte, die von aussen her auf das Plasma wirken, als auch durch solche, die in ihm selbst thätig sind, veranlasst werden, und beide dieser Möglichkeiten haben in der Wissenschaft ihre Vertretung gefunden. Zur Zeit, als man die Membran für einen integrirenden Bestandtheil der Zelle hielt, wurde die Zelltheilung durch Scheidewandbildung von der Membran aus für die Norm erklärt und seitens der Botaniker der Vorgang in einer grossen Reihe von Fällen de- tailhrt beschrieben, während die Zoologen allerdings immer genöthigt waren, auf Beobachtungen zu verzichten und ein analoges Verhalten der thierischen Zelle aus theoretischen Gründen zu supponiren. Diese Auffassung, die von vielen Erscheinungen an sich theilenden Pflanzenzellen augenscheinlich gestützt wurde, lag nahe genug, so lange man in dem Plasma nicht mehr als blossen Zellinhalt sah. Mit dem Nachweis membranloser, nur aus einem Plasmaklümpchen be- stehender Zellen wurde aber ihre Allgemeingültigkeit bedenklich in Frage gestellt. Man konnte nur zu der Annahme seine Zuflucht nehmen, dass die nackten Zellen aus membranversehenen hervorgingen oder, dass sich während der Theilung in der nackten Zelle eine nachher schwin- dende Scheidewand bilde ; die Beobachtung widerlegte jedoch diese dogmatischen Constructionen und stellte fest, dass der Theilungsprocess ohne jede Betheiligung einer Membran vor sich gehen könne. Damit wurden denn auch Zweifel angeregt, ob wirklich bei den membranver- sehenen Zellen die Membran das die Theilung Bedingende sei, oder ob nicht auch hier die Theilung vom Plasma ausgeführt werde und die Membranbildung erst nachträglich als etwas Secundäres hinzutrete. Genaue Untersuchungen bestätigten diese Vermuthung so vollständig, dass, wenn auch factisch bei einigen Pflanzenzellen Theilung des Plasmas und Scheidewand- bildung räumlich und zeitlich untrennbar erscheinen, der Satz mit der grössten Sicherheit auf- gestellt werden konnte, dass die Zelltheilung sich überall durch eigene Thätigkeit des Plasmas imabhängig von der Membran vollzieht. Max Schcltze, dem wir so viel für die wissenschaftliche Auffassung des Zellenlebens zu danken haben, war der erste, der mit Entschiedenheit die Furchung für eine Bewegungs- erscheinung des Plasmas erklärte. Die Furche soll entstehen durch erst oberflächlich und cir- 54 cumscript auftretende, allmählich sich verbreitende Contractionen des Dotters '. Was Schlltze unter Contractionen versteht, hat er leider nicht ausgesprochen, doch geht aus seiner Definition des Wortes Contractilität hervor, dass er alle organischen Bewegungen, welche, von der Elasti- cität allein nicht abhängend, nur im lebenden Zustande beobachtet werden, mit diesem Namen belegt. Daran wäre nun nichts auszusetzen, wenn nämlich Contraction eine bestimmte Be- wegungsform bedeutete und der Nachweis geliefert wäre, dass alle Plasmabewegungen nach diesem einen Modus verlaufen. Keine dieser beiden Bedingungen ist aber erfüllt. Der Sprach- gebrauch bedient sich des Wortes Contraction zur Bezeichnung der heterogensten Erscheinungen, nämlich besonders 1 . der Volumverringerung in Folge von Flüssigkeitsaustritt oder durch thermische Einflüsse; 2. der Oberflächenverkleiuerung bei gleichbleibendem Volum, wie sie beim Uebergang in die Kugelform stattfindet; 3. der Formveränderung eines cylindrischen oder prismatischen Körpers, hervorgerufen durch Verkürzung des Längsdiirchmessers mit gleichzeitiger proportio- naler Zunahme des Querschnitts. (Muskelbewegung.) Ohne nähere Bezeichnung lässt sich daher bei dem Ausdruck Contraction gar nichts denken, oder doch, nur ganz willkürlich, einer der angeführten Vorgänge. Vor dieser Alternative stehen alle jene Forscher, welche dies Wort ohne Weiteres für jede Plasmabewegung acceptiren, und in der That haben sie beinahe noch die günstigste Wahl getroffen, wenn sie bald mehr, bald weniger klar ausgesprochen Con- traction und Muskelbewegung identificiren, eine Auffassung, die auch durch den Umstand be- günstigt war, dass man bis vor nicht zu langer Zeit keine andern »lebendigen« Bewegungen als die der Muskeln genauer kannte und daher jedes sich activ bewegende Gebilde für einen Muskel, oder doch wenigstens für »muskulöser Natur« erklärte. Der Nachweis entschieden einzelliger beweglicher Organismen, sowie die folgenreiche Feststellung der wesentlichen Ueber- einstimmung des beweglichen Plasmas der Thier- und Pflanzenzelle beweisen aber unwider- leglich, dass die Beweglichkeit keineswegs ausschliessliches Vorrecht des Muskels, sondern eine fundamentale Eigenschaft der organischen Substanz im Allgemeinen ist. Es wäre unsinnig, eine Amoebe oder eine Pflanzenzelle als Muskel zu betrachten, aber die Behauptung, dass alle activen Plasmabewegungen nach Art der Muskelzuckung verlaufen, wird von den Anhängern der Contractilitätstheorie festgehalten. ■ Ihren schärfsten Ausdruck hat diese Meinung durch Kühne gefunden ^ und insofern auch den berechtigtesten , als er bei den Myxomyceten nach- gewiesen zu haben glaubte, dass die Körnchenströmung in den Stämmen eine passive Be- wegung ist, hervorgerufen durch active Contractionen der peripherischen Ausbreitung, und dass diese letzteren das Kriterium der Muskelcontraction, die Verkürzung unter Zunahme des Quer- schnitts besitzen. Kühne bestätigt damit die schon früher von Brücke ausgesprochene Ansicht, dass die Plasmaströmimgen ein der Contraction des Blutes in den Gefässen vergleichbares Phä- nomen seiend Diese Angaben sind jedoch von den Botanikern (Hofmeister, Nägeli, Sachs) 1 Observationes nonnullae de ovoruni ranarum segmentatione quae »Furchungsprocess« dicitur 1863, p. 10. 2 Untersuchungen über das Protoplasma und die Contractilität 1864. 3 Die Elementarorganisnien. Sitzungsber. d. Acad- d. Wiss. zu Wien. Bd. XLIV, p. 381. 55 so gründlich widerlegt worden, und es ist in der That so leicht, sich an geeigneten Objecten von der Unhaltbarkeit dersejben zu überzeugen, dass es mir genügend erscheint, ohne weitere Erörterungen zu constatiren, dass die Muskelcontraction ein von den Bewegungen der Myxo- myceten, Amoeben, Pflanzenzellen u. s. w. durchaus verschiedener Vorgang ist. Kühne meint : »Man mag einen Unterschied zwischen geformten contractilen Substanzen und ungeformten festhalten, und dabei zwei grosse Gruppen scheiden, solche, welche nur kleine, einfach lichtbrechende Körnchen enthalten, und solche, die doppelt lichtbrechende Dis- diaklasten enthalten, immer wird man anerkennen müssen, dass die eigentliche Grundsubstanz, in welche die kleinen festen Körper eingebettet liegen, in beiden Gruppen einige Eigenschaften besitzt, die wir in der Muskelsubstanz und in den contractilen Theilen aller Thiere und selbst der Pflanzen wiederfinden.« Den letzten Theil dieses Satzes unbedingt zugegeben, scheint es mir doch passender, den wesentlichen Unterschied zwischen geformter und ungeformter »con- tractiler Substanz« oder zwischen Muskelsubstanz und allem andern Plasma in der Verschieden- heit der Bewegungserscheinungen und nicht in dem Vorhandensein oder Mangel von Dis- diaklasten, deren Bedeutung uns vorläufig ganz unbekannt ist, zu suchen. Die . Uebereinstim- mung so vieler chemischer und physiologischer Reactionen beweist, dass wir es überall im Thier- und Pflanzenreich mit einem und demselben lebendigen Stoß", dem Plasma, zu tlum haben, dass Nerv und Muskel, Bindegewebskörperchen und Pflanzenzelle, von Hause aus gleich- artig, nur Modificationen dieser einen Substanz sind. Von diesem Grundsatz au.sgehend stellt sich besonders der Physiologie die Aufgabe, das Specifische einer jeden dieser Modificationen, das, wodurch sie sich von allen übrigen unterscheidet, zu untersuchen und festzustellen. Diese Frage kann für die Muskelsubstanz als gelöst betrachtet werden. Dieselbe ist jedem andern Plasma gegenüber chaiacterisirt durch die Einseitigkeit ihrer Bewegung, welche stets als Ver- kürzung unter Zunahme des Querschnitts sich darstellt. Während bei einer Amoebe, einem Bindegewebskörperchen u. s. w. jedes Theilchen seiner Masse nach jeder Richtung beweglich ist, findet die Lageveränderung der Molecüle des Muskels immer nur in der einen bestimmten Direction statt, und da wir wissen , dass die allseitige Beweglichkeit eine Eigenschaft des in- diff"erenten Plasmas ist, muss ^ die Muskelsubstanz als eine Modification desselben , in welcher eine eigenthümtiche Anordnung der Molecüle eingetreten ist, die alle Bewegungen bis auf eine ausschliesst, aufgefasst werden. Noch schlimmer als mit der Contraction steht es mit der Contractilität. Max Schultze glaubt die Ursache der organischen Bewegungen, wenngleich sie uns ganz dunkel sei, mit einem besondern Namen bezeichnen zu müssen. »Tale nomen est Contractilitatis , quo significamus causam motuum organicorum, qui ex elasticitate sola non dependentes nusquam nisi in statu vitali observantur« '. Zuvörderst wäi'e wol zu fragen, warum gerade die Elasticität ausge- schlossen ist, warum nicht auch die Schw^ere oder die Wärme? Berechtigt wäre diese Aus- 1 1. c. p. 9. 56 Schliessung doch nur in dem Fall, dass etwas Bestimmtes über die Betheiligung der Elasticität bei den vitalen Bewegungen bekannt wäre. Welche wichtige Rolle spielt sie denn aber z. B. bei den Plasmaströmnngen? Wir wissen, dass so wie jeder andere Körper, auch das Plasma einen gewissen — aber äusserst niedrigen — Grad von Elasticität besitzt, inwiefern oder ob diese die vitalen Bewegungen beeinflusst, ist gänzlich unbekannt. Während Max Schultze auf der einen Seite Kenntnisse voraussetzt, die nicht vorhanden sind, ignorirt er auf der andern Seite feststehende Thatsachen. Es ist nicht richtig, dass alle Ursachen der vitalen Bewegungen verborgen sind, denn da wir wissen, dass für das Zustande- kommen der Muskelzuckung — in den" Verhältnissen des unverletzten Körpers wenigstens — die Nervenerregung nothwendige Voraussetzung ist, werden wir diese unzweifelhaft als Ur- sache, und wenn wir unter Ursache das Moment verstehen, durch dessen Eintritt in die un- veränderliche Reihe vorhandener Bedingungen unveränderhch eine bestimmte Wirkung hervor- gerufen wird, als einzige Ursache jener Erscheinung betrachten müssen. Die Ursache der organischen Bewegungen nennt Schultze Contractilität , folglich ist die Nerventhätigkeit Con- tractilität, und. da man unter contractilen Substanzen oder contractilen Geweben sich doch nur solche denken kann, die durch den Besitz der Contractilität ausgezeichnet sind, dürften diese Bezeichnungen wol auf den Nerv, nicht aber auf den Muskel Anwendung finden. So sicher sich aus dem Wortlaut von Schultze's Definition die Consequenz ergiebt, dass der Muskel kein contractiles Gewebe ist, eben so sicher ist dies nicht seine Meinung: er versteht nämlich factisch unter Contractilität nicht die Ursache der organischen Bewegungen, sondern das Ver- mögen — d. h. diejenigen unveränderlichen Bedingungen, durch deren Vorhandensein ein hin- zutretendes Moment zur Ursache einer bestimmten Wirkung wird — gewisser lebendiger Theile derartige Bewegungen auszuführen. In diesem Sinne ist die Muskelsubstanz natürlich contractu. Die Unklarheit und Unbrauchbarkeit der Contractilitätstheorie ist zuerst von Hofmeister erkannt worden \ dem Nägeh und Schwendener sich angeschlossen haben , indem sie sagen : »Es kann Niemand befriedigen, Lebensäusserungen, wie die in Frage stehenden, unter die Rubrik der Contractilitätserscheinungen gestellt zu sehen, aus dem einfachen Grunde, weil damit eigentlich gar Nichts erklärt ist, zumal der Begriff der Contractilität bis jetzt der Klarheit und Fassbarkeit entbehrt« -. In der That ist diese sogenannte Theorie Nichts als die willkürliche Anwendung zweideutiger und leerer Worte auf die verschiedenartigsten Vorgänge und hat da- durch zu einer erschrecklichen Verwirrung geführt, die sich überaus unheilvoll in dei- jede richtige Einsicht hemmenden Identificirung aller activen Plasmabewegungen mit der Muskel- action äussert. Contraction und Contractilität auf Lebenserscheinungen angewandt sind nur in Bezug auf den Muskel bestimmte Begriffe, indem der erste jene eigenthümliche Molecular- bewegung, welche sich in der Verkürzung mit proportionaler Zunahme des Querschnitts aus- 1 Flora 1865. 2 Das Microscop 186-3 u. 68, p. 397. Ol drückt, der andere das (seinem Wesen nach unbekannte, Vermögen zu dieser Thätigkeit be- zeichnet; Plasma, das sich in wesentlicii anderer Weise bewegt, gleichfalls contractu zu nennen, ist auf jeden Fall unlogisch. Weil aber die Plasmabevvegungen verschiedenartig sind, ist eine allgemeine Bezeichnung, durch welche die Form der Bewegung characterisirt werden soll, überhaupt unmöglich ; will man dagegen nur die active Beweglichkeit aller Plasmagebilde, ohne Rücksicht auf die Art der Bewegung, ausdrücken, so wäre es vielleicht am passendsten , das Plasma eine »automatische Substanz« zu nennen — mir scheint, dass durch diesen Namen die augenfälligste Eigenschaft desselben, scheinbar ohne äussere Veranlassung Bewegungen auszu- führen, sowie seine Fähigkeit, fortwährend latente Kraft in lebendige Kiaft umzusetzen, in ganz prägnanter Weise veranschaulicht würden. Da weder von Schiltze, noch von sonst Jemand Thatsachen vorgebracht sind, die ge- eignet wären , die Auffassung der Furchung als eines Contractilitätsphänomens (in dem prä- cisirten Sinne) zu stützen, so dürfte es wol nicht nothwendig sein, den ausführlichen Gegen- beweis anzutreten, zumal die Erscheinung des Faltenkranzes bei der Furchung des Froscheies, auf welche Schiltze grosses Gewicht zu legen scheint, nicht für, sondern gegen seine Ansicht spricht. Denn wenn Bewegungen nach Ait der Muskelzuckung an der Oberfläche des Eies zur Furchenbildung führten, so müssten sie doch senkrecht zur Furche gerichtet sein, und dem ents[)rechend könnten die Falten nur parallel und nicht, wie es factisch der Fall ist, im rechten Winkel zur Furche verlaufen. Die schlagendste Widerlegung bieten aber die Formveränderungen des sich furchenden Hydraeies, bei dem in senkrechter Richtung zur Theilungsebene nicht nur keine Verkürzung, sondern im Gegentheil eine beträchtliche Verlängerung stattfindet. Max Schiltze lässt ausserdem auch den Kern eine eingreifende Rolle bei der Zellthei- lung spielen. Ich verweise dagegen auf die zahlreichen Fälle, wo während der Theilung ein Kern gar nicht besteht, und stelle mich in Betrefl' der andern auf den Standpunkt, den Bricke bezeichnet, w enn er fragt , was man wol darauf antworten wolle , wenn Jemand behauptete, der Kern verhalte sich bei der Theilung ganz passiv? ' Schiltze sagt zwar, »das ungestüm sich theilende« Protoplasma würde »von dem noch ungestümeren Kerne stets von neuem angestachelt« ^t das ist gewiss sehr kraftvoil dramatisch gedacht, eine Beobachtung dieses leidenschaftlichen Verhältnisses liegt aber wol kaum zu Grunde. Eine wesentUch verschiedene Theorie der Zelltheilung ist von den Botanikern aufgestellt worden, ich kann jedoch auch diese nicht anerkennen. Sachs, an dessen Darstellung ich mich besonders gehalten habe, unterscheidet drei Be- wegungsformen des Plasmas der Ptlanzenzelle : 1. .Massenbewegungen, bei denen die Molecüle in unveränderter Lage und Veibindung bleiben, das Ganze aber eine Rotation um eine Drehungsaxe ausführt; 2. Massenbewegungen, die in Translocafionen auf gerader oder krummer ' Die Eleinentarorganismen, p. 398. ** Ueber Muskelkörperchen und was mau eine Zelle zu nennen liabe. Reiclierl's Archiv 1861, p. ü. Kleinenberg, Hyärti. 8 58 Linie bestehen ; 3. Bewegung durch moleculare Umlagerung : die Molecüle verändern ihre gegen- seitige Lage, eine Forinveränderung des Ganzen ist gewöhnlich aber nicht nothwendig '. Die Bewegungen der letzten dieser Hauplfornien werden in zwei Unterabtheihmgen geschieden, je nachdem die moleculare Umlagerung sich auf in der Masse gelegene, einfach oder mehrfach vorhandene, sichtbare oder unsichtbare, organische Centra bezieht '\ odei- eine solche Beziehung nicht vorhanden, wenigstens nicht nothwendig ist: jene bewirken die Zelltheilung (und neben manchem anderen auch die freie Zellbildung und die Kernbildungj . diese äussern sich als Plasmaströmungen. Der Vorgang der Zelltheilung wäre demnach folgender: innerhalb der Zellen gelegene »organische Centra« vervielfältigen sich unter Umständen, jedes derselben t)itt in Beziehung zu den Plasmamolecülen seiner Umgebung, was zur Anordnung der .Molecüle in radialen und tan- gentialen Richtungen führt, und diese Umlagerung bewirkt an bestimmten Stellen eine Con- tinuitätstrennung, eine Aufhebung des Zusammenhangs der Molecüle. In Bezug auf die Centra wäre wünschenswerth zu erfahren , was die nähere Bezeich- nung »organisch« bedeuten soll. Da Sach.s doch unmöglich zugenuithet werden darf, dass er unter einem organischen Centrum den Mittelpunkt eines organischen Körpers versteht, so muss wol ein Kraftcentrum geraeint sein , odei-, weil wol keine andere Kraft als die Anziehung in Frage kommen möchte, einfach ein Anziehungsmittelpunkt. Es ist mir befremdlich, dass Sachs diese letztere Bezeichnung consequent vermeidet, um so mehr, als es unverständlich ist, wie ein besonderes »organisches« (Zentrum in eine dem Anscheine nach physikalische Erklärung aufgenommen werden konnte. Ueber das sichtbare organische ("entrum habe ich erst recht nicht in's Klare kommen können. Am nächsten liegt, an den Kern zu denken, und Sachs befördert diese Vermuthung einigermassen , wenn er sagt: »Die neuen Bildungsmittelpunkte können durch vorangehendes Erscheinen von Kernen angedeutet werden oder nicht« '^, doch andrerseits entscheidet sich Sachs mit Recht sehr bestinmit gegen die active Betheiligung des Kerns bei der Zelltheilung: »Der Mitwirkung des Zellkerns hat man wol eine zu grosse Bedeutung beigelegt . unrichtig ist es gewiss , ihn so zu sagen als Anstifter dieser Vorgänge zu betrachten , an denen er als blosser und unwesentlicher Theil des Protoplasmas doch nur Theilnehmer ist völligen Mangel einer Zusammensetzung aus gesonderten Elementen am wahrscheinlichsten, dass sie durch Erhärtung einer Flüssigkeil zu Stande kommt, welche von dem Keim zwischen seiner Oberfläche und der innern Wand der äussern Schale ausgeschieden wird. Die hier gegebene Bildungsgeschichte der Schalen des Kein)s von Hydra viridis weicht sehr ab von dem, was bisher über diesen Vorgang bekannt war. v. Siebold ist der Erste, der ziemlich ausführliche dahin bezügliche Angaben gemacht hat, diese sind jedoch weder klar, noch lassen sie sich mit dem von mir Gefundenen in Einklang bringen. Nach ihm wird das Ei , welches durch Au.seinanderweichen der Cutis nach aussen getreten ist , von einer »sehr zarten Spinnwebehaut" umhüllt, die von dem napfförmigen Organ ausgeht. Bevor sich ein solches Ei von seinem Mutterboden trennt, nimmt die Hülle, welche den Dotter zunächst um- giebt, eine derbere Beschaffenheit an und wird zugleich von einer gallertigen Masse über- zogen, dann wachsen bei H. vulgaris aus ihr rund herum stumpfe Fortsätze hervor, welche sich verlängern, an ihrer Spitze ein- oder mehrmal spalten und so eine zackige Form be- kommen. Die zarte Spinnwebehaut berstet zuletzt, das Ei fällt ab und heftet sich, indem der Gallertüberzug schwindet, irgendwo fest. Aehnlich verhalten sich die Eier vom H. viridis, nur bilden sich hier ganz kurze, sehr dichtstehende Fortsätze auf der Dotterhülle aus '. Diese Darstellung wurde von Ecker für H. viridis bestritten. Ecker erkannte, dass das Ei nackt, ohne besondere Dotterhaut und ohne das SiEBOLD'sche Spinnvvebehäutchen heraustritt. Die sich später bildende Schale ist in polygonale, in der Mitte etwas erhabene Felder getheilt, welche jedoch nicht einer Zusammensetzung aus Zellen entsprechen sollen. Von der Entwick- lung der Schale sagt Ecker, dass sie zuerst als eine structurlose Haut, «in welcher die Grenzen der künftigen Felder nur durch Streifen von Körnchen bezeichnet waren« ^ auftritt. Die Ab- bildungen, welche er von der ausgebildeten Schale des Keims von H. viridis giebl, sind nicht ganz naturgetreu, denn sie besteht nicht aus regelmässigen erhabenen Feldern, sondern nur einzelne derselben ragen vor, während andere eine imprimirte Oberfläche haben. Max ScHiLTZE giebt an, die Keimschalen von H. viridis und vulgaris enthielten kohlen- ' Lelirbucli der vergl. Analoniie d. wirbellosen Thiere, 1848, p. 51. '^ Entw. d. grün. Armpolypen, p. ii. 70 sauren Kalk '. Ich niuss dies entschieden in Abiede stellen, da es mir nie gelang, aus der vorher von anhaftenden Sand- und Schlamintheilchen sorgfaltig gereinigten Schale Kohlensäure- blasen zu entwickeln. Nachdem ich die Schalenbildung von Hydra viridis untersucht hatte , musste es von besonderm Interesse sein , den entsprechenden Vorgang bei den beiden Varietäten von H. vul- garis kennen zu lernen, da sich die fertigen Schalen der beiden Arten sehr auffällig von einan- der unterscheiden. Die Keimschale von H. aurantiaca ist eine im Vergißich zu der von H. viridis dünne Chitinkapsel, welche mit einer Menge ziemlich langer Stacheln ringsum besetzt ist. Einige dieser Stacheln sind in eine feine Spitze ausgezogen, das Ende der meisten ist aber einfach oder doppelt gespalten und läuft in 2 — 4 hakenförmige Zacken aus. Es ist mir gelungen, die Entstehung dieser eigenthümlichen Formen, wie ich glaube, vollständig zu ver- folgen. Die ersten Vorgänge in den prismatischen Zellen der äussern Lage des Keims \on H. aurantiaca sind genau dieselben, wie die vorher geschilderten: die Zellen trennen sich ober- flächlich von einander, ihre Einschlüsse ziehen sich auf das centrale Ende zurück, und die äussere den Kern umgebende Plasmaschicht ist moditicirt in Bezug auf die Lichtbrechung und die Farbstotfimbibition (Tat. III Fig. 3 . Dann tritt aber eine Veränderung ein, welche bei dei- Schalenbildung iler H. viridis ganz fehlt. Dicht unter der freien Oberfläche der Zellen ent- steht ein (zuweilen auch zwei) mit Flüssigkeit erfüllter Raum von linsenförmiger Gestalt ; seine äussere Wand besteht aus einem äusserst zarten Häutchen, das von der Substanz der Zelle abgehoben ist und dieser wie ein starkes gewölbtes Uhrgläschen aufsitzt, sein Boden wird von einer flachen Impression des Zellkörpers gebildet. Die dunkle Keimkugel ist überall mit hellen Buckeln besetzt (Taf. III Fig. 9) und erinnert lebhaft an die Bilder, welche man so häufig künstlich durch die Einwirkung verdünnter Säuren erzeugt. Die einzelnen Räume sind in Bezug auf ihre Grösse sehr ungleich, die in ihnen enthaltene Flüssigkeit ist wasserklar ohne irgend welche Beimischung von Körnchen, die abgehobene Decke geht mit ihrem Umfange ohne jede innere Abgrenzung in die solide Zellmasse über-, deren feinkörnige BeschatTenheit auch noch deutlich an dem dünnen Häutchen erkennbar ist. Indem die Flüssigkeitsausscheidung fort- dauert, wölbt sich die Decke der Vacuole mehr vor, einzelne platzen und ihr Inhalt entleert sich nach aussen. Zu gleichei- Zeit werden an vielen Stellen die sich berührenden Seiten- wände, besonders die kleinern Räume, durchbrochen und ihr Inhalt fliesst zusammen. So entstehen grössere Räume, die über zwei oder mehr Zellen hinwegziehen. Weiterhin wird nicht mehr die Decke ausgedehnt, sondern es erfolgt eine immer tiefer greifende Excavation des den Boden bildenden Plasmas, welches, zur Seite gediängt, mehr oder wenigei- dicke Scheidewände zwischen den Vacuolen herstellt (Taf. III Fig. 4). Diese Scheidewände zeigen auf dem Durchschnitt eine biconcave Form, in der Mitte sind sie verdünnt, nach innen ver- 1 Beobaclil. d. Samenthiercheii u. s. w. 71 breitern sie sich in den formell noch unverändert erhaltenen Theil der Zelle, aussen gehen sie nach allen Seiten in die Decken der anstossenden Vacuolen über. Darauf wird dies Ende der Scheidewände besonders stark gedehnt und spaltet sich in Folge dessen in zwei oder mehr l.amellen, die sich bogenförmig in die Deckblättchen der Vacuolen fortsetzen. Die letztern ver- lieren ihre Wölbung und verschmelzen alle zusammen zu einem sehr dünnen, scheinbar ganz homogenen Häutchen, zugleich werden die plasraatischen Scheidewände imvollständig, indem sich die verschiedenen Zellen angehörigen Tlieile von einander lösen und aus der Form von Platten in die von Säulen übergehen; die bisher einzeln abgeschlossenen Vacuolen vereinigen sich dadurch zu einem zusammenhängenden labyrinthischen Raum. Die Schale besteht also nun aus zwei concentrischen kugligen Lamellen, von denen die innere, dem Keim dicht anliegende und verhältnissmässig dicke auf ihrer Aussenfläche eine Menge von Fortsätzen trägt, die wie Strebepfeiler eines Gewölbes den Raum bis zu dem zarten äussern Schalenhäutchen durch- ziehen und sich in derselben mit gespaltenen bogenförmigen Enden ausbreiten, tier freie Zwischenraum zwischen beiden Lamellen ist von Flüssigkeit erfüllt fTaf. III Fig. 106). Indessen betheiligen sich nicht alle Zellen der äussern Schicht gleichmässig in der angegebenen Weise an der Bildung der Schale, sondern bei vielen erreicht die Vacuole keine grössere Ausdehnung und der Zellkörper schickt keine Fortsätze aus. Abgesehen von der Vacuolenbildung und den durch sie bedingten eigenthümlichen Ge- staltungen stimmen die Veränderungen der Zellen der oberflächlichen Schicht durchaus mit den vorher für H. viridis beschriebenen überein. Das Zurückweichen der festen Einschlüsse nach dem centralen Ende und der allmähliche Zerfall derselben dauert wählend der Stachelbildung fort, ebenso wie das auf der Oberfläche beginnende Hellwerden des Plasmas; in den Fort- sätzen finden sich niemals Pseudozellen oder grössere Eiweisskörnchen, wol aber zuweilen der degenerirende Zellkern. Die Ablagerung von Chitinsubstanz erfolgt, indem zuerst die äussere Lamelle in ein durchsichtiges, homogenes, sprödes Häutchen sich verwandelt, dann nachdem die definitive Form der Schale aus der weichen Plasmaniasse modellirt ist, gleichzeitig auf der ganzen Oberfläche. Es ditferenzirt sich hier sowohl an den Fortsätzen als auch, an den flächen- haft ausgebreiteten Zelltheilen eine dünne Membran, die bald eine bedeutende Consistenz er- hält. Diese Schicht lässt sich leicht auf grössere Strecken im Zusammenhange von dem drunter- liegenden noch weichen Plasma abheben und giebt auch dann noch die Architektonik der Schale xollkommen wieder; von den Fortsätzen, wo das Plasma in der Chitinscheide wie der Finger im Handschuh steckt, wird natürlich die Ausfüllung der umgebogenen Spitzen bei der Manipulation mit abgerissen. Später bildet sich unter dei- ersten eine zweite Membran u. s. w. je nach der Mächtigkeit des betreffenden Theils. So verwandelt sich die ganze äussere Zell- lage des Keims in ein hartes, starres Gebilde, das durchweg aus gleichdicken Lamellen zu- sammengesetzt ist. Da die Richtung dieser Lamellen, wie gesagt, genau der Configuration der Oberfläche entspricht, so haben die Theile eines und desselben Systems eine sehr verschiedene Lage zu einander und liegen nicht, wie bei H. viridis, in der Kugelfläche. 72 Die Grenzen der Zellen sind, bevor die Membranbildung begonnen hat, sehr leicht durch die bekannten Mittel deutlich zu machen, leider wird dabei gewöhnlich die zarte Aussen- wand der Vacuolen, die zu schwach ist, um den geringsten endosmotischen Strom zu ver- tragen, zerstört. Wenn der Erhitrtungsprocess weiter vorgeschritten ist, gelingt dagegen die Isolirung einzelner Zellen nur sehr unvollkommen, weil die Membranen ausserordentlich fest mit einander verbunden sind ; bei der fertigen Schale tritt wieder die Zusammensetzung aus umgewandelten Zellen mit derselben Schärfe wie bei H. viridis hervor. Die aus den verschmolzenen Decken der Vacuolen gebildete äussere Lamelle der Schale ist von nur kurzem Bestände; beim Abfallen des Keims oder auch schon früher zerbricht das äusserst zarte Gebilde; die bisher in den Hohlräumen der Schale befindliche Flüssigkeit fliesst aus und die Stacheln ragen frei nach aussen vor. Es erscheint mir wahrscheinlich, dass Siebold duich dies Häutchen, das auf dem optischen Durchschnitt fast wie einfacher Contoiir sich dar- stellt, zu der Annahme veranlasst worden ist, der Keim werde anfänglich von einer später schwindenden Gallerthülle umgeben. Die innere Keimschale entsteht nach vollendeter Ausbildung der äussern und gleicht durchaus der von H. viridis. Ich habe die Entstehung der äussern Keimschale so ausführlich beschrieben, weil sie mir von Interesse für die Auffassung der Cuticular- und Epidermoidalbildungen zu sein seheint. Die Frage , ob eine an der Oberfläche von Zellen entstehende feste Substanz durch directe Umwandlung des Plasmas, oder durch flüssige, nachträglich erstarrende Ausscheidungen gebildet wird, lässt sich mit Recht nur für bestimmte Fälle — namentlich für die, in welchen die Matrix aus Zellen, die normal mit einer diflferenten Membran bekleidet sind, besteht — auf- stellen, für andere verliert sie sich sehr in's Unbestimmte, da Ausscheidung und Umwandlung nur unter besonders günstigen Umständen als streng geschiedene Vorgänge erkennbar sind. Für die äussere Schale des Hydrakeims, deren Form von dem weichen Plasma auf's genauste vorgebildet wird, scheint es mir inunerhin zweifellos, dass von der Ausscheidung einer erstar- renden Flüssigkeit nicht die Rede sein kann, sondern, dass hier die schichtenweise fortschrei- tende Umsetzung des Plasmas in Chitinsubstanz stattfindet. Von grosser Wichtigkeit ist aber die mit der ersteren zum Theil innig zusammenhängende Frage, ob eine totale Umwandlung der Zellen erfolgt, ob sie auch formell in die Bildung des neuen Organs eingehen, oder ob die Bildungszellen erhalten bleiben und nur gewisse Substanzen nach aussen absetzen. Es ist ersichtlich, dass aus der Antwort die morphologische Werthigkeit der fraglichen Bildungen sich ergiebt. So unterscheiden sich Epidermoidalgebilde und Cuticularbildungen, von denen die ersteren stets einem Gewebe, oder doch wenigstens einer bestimmten Zellengeneration, homolog sind, die andern dagegen den Intercellularsubstanzen und ähnlichen Absonderungsproducten, welche ihre Entstehung dem Stoffwechsel bestehender Zellkörper verdanken, gleichgesetzt werden müssen. Ich kann nicht zweifelhaft sein , in welche dieser beiden Kategorieen die äussere Schale des Hydrakeims unterzubringen ist: sie entsteht durch totale Umwandlung der ganzen 73 äussern einscliiclitigen Zelllage des Keims und jedes der sie zusammensetzenden Elemente ist eine Zelle, die, wenn sie auch in Folge der Umsetzung des Plasmas in CJiitinsubstanz jede Vitalität, jeden eigenen physiologischen Werth verloren hat, dennoch ihre morphologische Aequivalenz behält; die Schale ist daher eine epidermoidale Bildung und in Beziehung zum ganzen Keim ein Gewebe desselben. Die Berechtigung dieser Behauptung gehl wol schon aus der gegel)enen Beschreibung des Bildungsprocesses hervor, in Rücksicht auf die ausserordent- liche Wichtigkeit dieses Verhältnisses für die Auffassung des ganzen Organismus dei- H\(lra will ich aber noch dem einzigen Einwände, den man machen könnte, mit. wie ich glaube, entscheidenden Gründen entgegen treten. Die Thatsache nämlich, dass im Verlauf des Um- wandlungsvorganges die Begrenzung der einzelnen Zellen undeutlich wird, sowie die beginnende wirkliche Verschmelzung der centralen Zellen des Keims konnte meine Darstellung fraglich machen, weil das directe Verfolgen der Veränderungen aller Zellen bis zur Vollendung der Schale dadurch verhindert wird und die .Möglichkeit, dass die Zellen der äussern Lage, wenn sie auch durch Absetzung der Chitinmasse an Volum verlieren, doch erhalten bleiben und bei eintretender Verschmelzung mit in den Keim aufgenommen werden, nicht ausgeschlossen zu sein scheint. Dagegen erwidere ich: I. Ich habe mehrmals nach schon beendigter Ausbildung der Schale die Zellen des Keims noch gesondert gefunden, dabei aber nie solche getroll'en, die als veränderte Zellen der äussern Lage hätten gedeutet werden können, sondern überall lagen die grossen polyedrischen Zellen der Sehale dicht an. Es sind zwar nur seltene Fälle, wo man dies sicher conslatiren kann, aber sie sprechen jedenfalls sehr zu Gunsten meiner Behauptung; 2. wenn es auch nicht gelang, bei fortgeschrittener Umwandlung die betretTenden Zellen zu isoliren, so erkennt man doch noch häufig an einzelnen Stellen die Zellgrenzen deutlich, und da, wo schon die äussere Lage eine gleichförmige zusammenhängende Plasma- schicht zu bilden scheint, während erst ungefähr die Hälfte der Chitinlamellen abgelagert ist, be- weist der Umstand, dass die zweite Hälfte der Schale genau dieselbe Structur besitzt, wie die erste, und zwar eine Structur, die, wie wir gesehen haben , nur durch die Zusammensetzung des Bildungsgewebes aus einzelnen Zellkörpern zu Stande konnnen kann — dass die Ver- schmelzung nur scheinbar -ist; 3. es finden sich fast in jedem Keim einzelne Zellen, bei denen der Mangel oder der frühzeitige Schwund der grössern festen Einschlüsse es möglich macht zu erkennen, dass die erwähnten vorbereitenden Veränderungen nicht bloss einen Theil, sondern die Totalität ihres Plasmas ergreifen, woraus denn sehr wahrscheinlich wird, dass die nachfolgenden Processe auch die ganze Zelle in Anspruch nehmen; 4. die Grösse der die Schale von H. viridis zusammensetzenden Prismen entspricht genau der Grösse der Zellen der äussern Lage des Keims ; da man sich nun zu Beginn des Processes davon überzeugen kann, dass mit der Zunahme der Chitinschicht eine proportionale Abnahme des Plasmas der Zelle verbunden ist und, wie gesagt, die Form der Bildung von Anfang bis zu Ende dieselbe bleibt, so kann kaum ein Zweifel dagegen erhoben werden, dass ilie prismatischen Zellen der äussern Schicht sich in toto in die Elemente der Schale umwandeln. Kleinenberg, Hydr.a. tn Hiermit scheint niii' festgestellt, dass die erste Differenzirung des Keims von Hydra in der Bildung eines peripherischen einschichtigen Blattes besteht, welches, indem seine Zellen absterben und ihr Plasma sich in Chitin umsetzt, zu einer festen Schale wird, die den übrigen Theil des Keims — aus dem allein das junge Thier sich herausbildet — während der langen Zeit der Entwicklung vor Zerstörung schützt. Das erste Organ, das aus dem Hydrakeim her- vorgeht, ist ein provisorisches, embryonales, das an dem Aufbau des deÜnitiven Körpers nicht den geringsten Antheil nimmt und beim Ausschlüpfen einfach abgeworfen wird. Ich werde dies Verhältniss im Zusammenhang mit den andern Entwicklungsvorgängen noch einmal zu berücksichtigen Gelegenheit nehmen. Embryonale Entwicklung. Sobald die Schale fertig ist, löst sich die Verbindung des Keims mit dem mütterlichen Körpe;-, der Keim fällt ab untl sinkt zu Boden. Es ist nicht richtig, dass, wie mehrfach angegeben wii'd, nach der Ablösung des Keims regelmässig der Tod des Mutterthiers erfolgt ; wenn die Existenzbedingungen im Aquarium überhaupt günstig waren, habe ich nicht einmal eine grössere Mortalität unter den Thieren, welche das Fortptlanzungsgeschäft absolvirt hatten, bemerkt, und ich glaube sogar, dass die- selben Individuen im nächsten Jahr wiederum geschlechtsreif werden können. Der Eiträgei- bleibt noch längere Zeit nach dem Abfallen erhalten, erst nach und nach degenerirt er und verwandelt sich in eine schwielenartige Verdickung im Ectoderm, auch diese schwindet, und das Ectoderm bekommt wieder sein normales Aussehen. Die Periode der embryonalen Entwicklung nimmt bei weitem mehr Zeit in Anspruch, als die bisher beschriebenen Vorgänge. Während dei' ganze Process, vom ersten Erscheinen des Eies bis zui' Ausbildung der Keimschalen , meist schon am vierten Tage abgelaufen ist, vergehen von da ab bis zum Auskriechen des jungen Thiers mindestens vier, gewöhnlich aber sechs bis acht Wochen. Schon dieser Umstand macht die Untersuchung unbequem ; in hohem Grade ■ erschwert wird sie aber durch die Undurchsichtigkeit dei- äussern Schale und durch den Mangel jedes äussern Zeichens , welches den Stand der Entwicklung markirte. Die ein- zige anwendbare Untersuchungsmethode ist die Härtung des Keims und die Anfertigung von Schnitten. Als Erhärtungsmittel benutzte ich Chromsäurelösungen von 0,05— 0,025 7o, in welchen der Keim 2 — 3 Tage verbleiben muss. AlKohol — auch absoluter — ist, namentlich für die Stadien, in welchen die Leibeshöhle schon angelegt ist, ganz unbrauchbar, weil er starke Schiunipfung und das Zusammenfallen der Keimblase hervorruft. Das einfache Halbiren des mit Chromsäure behandelten Keims ist leicht und genügt auch so ziemlich für das Er- kennen der wesentlichen Veränderungen, successive dünne Schnitte abzutragen, hat seine Schwierigkeit und verlangt das Einbetten des Objects in eine gut schneidbare plastische Masse. Die Schale des Keims von H. viridis hat häufig ein Merkmal, nach welchem die Richtung des Schnitts sich beurtheilen lässt; an der Stelle nämlich, wo der Keim mit dem Eiträger in Be- 75 rühriing stand, ist die Schale oft etwas verdickt und abgeplattet, oder in z\%ei Blätter ge- spalten, die einen linsenförmigen Hohlraum umgeben. Ein grosser Theil der Keime stirbt während der embryonalen Entwicklung ab. Offen- bar wird schon das nackte Ei durch das Eindringen von Pilzsporen inficirt; indem diese nun innerhalb der Schale keimen, zersetzen und \ erzehren sie das Plasma, und an die Stelle des Keims tritt ein verschlungenes knäultrirmiges Alyeil, dessen Fäden zuletzt sogar die harte Schale durchbohren und so wieder nach aussen gelangen. Diese tödtliche Erkrankung, welche in manchen Gewässern fast die ganze Brut zerstört, mag der Giuml sein, warum so viele Be- obachter vergeblich auf das Ausschlüpfen der jungen Hydren gewartet haben. Von 1500 Keimen, die ich gesammelt hatte, sind ungefähr 1 I 00 vor Beendigung der Entwicklung auf diese Weise zu Grunde gegangen. Die unerwartete Veränderung, welche sich nach vollendeter Ausbildung der Schalen in der Structur des Keims vollzieht, habe ich oben schon berührt; es ist die Verschmelzung sämmtlicher Keimzellen zu einem zusammenhängenden Plasmodium. Die vorher auf "Duich- schnitten vollkommen scharfen Zellgrenzen werden zunächst undeutlich und \ erwaschen, und endlich hören sie ganz auf, erkennbar zu sein, die Zellkerne verschwinden, und der Keim ist wieder dem ungefurchten Ei ähnlich, eine einzige grosse Plasmamasse, welche dicht mit Pseudo- zellen, Chlorophyllkörnern und Eiweisskörnchen angefüllt ist. . Natürlich heisst dies nichts anderes, als dass es mir nicht gelungen ist , am lebenden Keim oder mit Zuhülfenahme aller bekannten Mittel, von denen ich keins unversucht gelassen habe — auch nicht das Erhitzen in Wasser, womit Liebehkihn neuerdings im Stande war, das ausserordentlich fest zusammen- hängende Ectoderm der Spongillen in einzelne Zellen aufzulösen — in diesem Entwicklungs- zustande auch nur die Spur eines zelligen Baues nachzuweisen. Ich gebe zu, dass man dies Zusammenfliessen der Keimzellen zu einer formlosen Masse — nach ünsern heutigen Anschau- ungen ein enormer histiologischer Rückschritt — für ein durchaus unverständliches, ja para- doxes Phänomen der Entwicklung erklären kann, und sehe voraus, dass man dem Befunde jede Beweiskraft absprechen wird, sich berufend auf die Unvollkommenheit unserer optischen und sonstigen technischen. Untersuchungsmittel , vielleicht auch auf die Ungeschicktheit des Beobachters. Ich für meine Person halte es indessen nicht für berechtigt , in einer Wissen- schaft, welche, wie die Entwicklungsgeschichte, der principiellen Durcharbeitung so sehr ent- behrt, zu Gunsten der Theorie, die Realität oder Beweiskraft einer unabweisbaren Beobachtung ohne Weiteres zu bestreiten. Ausserdem wissen wir das ja sichei', das.s ein wirkliches Verschmelzen ursprünglich getrennter Zellen zu einem einheitlichen Körper, welcher dann wiederum simultan in eine Menge von Zellen zerfällt, vorkommen kann: die Strömungen in den Plasmodien der Myxorayceten bekunden unwiderleglich, dass die Zellen, aus denen dieselben hervorgegangen sind, ihre individuelle Abgrenzung absolut verloren haben. Man erinnere sich auch einiger Beobachtungen aus der Entwicklungsgeschichte der höheren Thiere, 'die in neuerer Zeit etwas allzu sehr bei Seite geschoben sintl. Ich meine die Angaben Bischoff's in Bezug 10* 76 auf die Auflösung der Keimzellen beim Meerschweinchen und heim Keli. Bischoff ist gewiss nicht im Recht, wenn er, seinen eigenen Erfahrungen entgegen, denselben Process in die Ent- wicklung aller Stiugethiere einschalten möchte, aber ebenso unzulässig ist das Verfahren seiner Gegner, welche, ohne sich um den |)ositiven Gegenbeweis zu bemühen, die Sache einfach um- drehen und aus dem Verhalten der Keime einiger anderer Säugethiere die Unmöglichkeit des Zusammenfliessens der Keimzellen beim Meerschweinchen und Reh beweisen wollen. Mit solchen Phrasen, wie »der fragliche Vorgang ist undenkbar, weil dadurch der Furchungsprocess zu einem zwecklosen Luxus herabsänke«, ist Nichts gesagt: wir wissen schliesslich doch gar zu wenig von dem Wesen des Zellenlebens und seinen Bedingungen, um nicht dei- Gefahr ausgesetzt zu sein, in einem solchen Urtheil auf einige conventioneile Redensarten hin Etwas für undenkbar und für zwecklosen Luxus zu erkläien, was in Wirklichkeit vielleicht unum- gängliche Nothwendigkeit und weiseste Üekonomie für den entstehenden Thieikörper ist. So wie die Sache liegt, habe ich nach meinen, wie ich glaube, mit genügender Gewissenhaftigkeit ausgeführten Untersuchungen gar keine andere Wahl, als die thatsächliche Vei'schmelzung der Zellen des Hydrakeims zu behaupten. Dagegen scheint es mir keinem Zweifel unterworfen, dass diese Erscheinung in der Entwicklung anderer Hydroiden, welche sogar meinem Beobach- lungsobjecte im System sehr nahe stehen, durchaus fehlt; der Vorgang kann daher auch keine allgemeine Bedeutung für den typischen Gang der Entwicklung haben , sondern wird als eine den Lebensverhältnissen der Species angepasste Eigenthümlichkeit aufzufassen sein. In dieser ; Hinsicht ist nicht uninteressant zu bemerken , dass sowol bei der Hydra wie beim Reh ein 'ganz aussergewöhnlich langer Zeitraum latenter oder doch sehr träger Weiterbildung zwischen tler Furchung und der Differenzirung der Keimblätter liegt. In der compacten Masse des Hydrakeims bildet sich nun eine kleine Höhle. Dies ist die Anlage der Leibeshöhle. Sie entsteht immer excentrisch, nahe der Oberfläche, und wie ich, gestützt auf das oben angeführte ^Merkmal, behaupten möchte, stets an derselben Stelle, nämlich an dem Pol, von welchem die erste Furche des Eies ausging, also dem Anheftungspunkte gerade gegenüber. Ihre Form ist anfänglich die einer flachen biconvexen Linse; mit der fort- schreitenden Vergrösserung dringt ihr Umfang aber schneller in die Masse ein, als der centrale Theil, in Folge dessen erhält ihr Grund eine concave Krümmung und auf dem Längsschnitt erscheint sie sichelförmig. Später gleicht sich das wieder aus, die centrale Masse des Keims schwindet mehr und mehr, bis ein grosser, nach allen Dimensionen ziemlich gleichmässig ent- wickelter Hohlraum entsteht, dessen plasmatische Wand an der Stelle, welche dem Ausgangs- l)unkte der Aushöhlung gegenüber liegt, etwas dicker ist, unil so auch, wie ich glaube, bis zum Schluss der Entwicklung verbleibt. Die Innenfläche der auf diese Weise entstandenen Keimblase (Taf. III Fig. I I) ist nicht glatt, sondern zeigt Vorsprünge und Ausbuchtungen. Die Flüssigkeit, welche die Leibeshöhle erfüllt, ist klar und mischt sich beim Ausschneiden augen- blicklich mit dem umgebenden Wasser, suspendirte feste Körperchen scheinen nicht vorhanden zu sein. Besonders aus den späteren Stadien seiner Entwicklung ist klar, dass der Hohlraum 77 nur durch wirkliche Verflüssigung eines grossen Theils der Substanz des Keims entstanden sein kann, denn die Menge des Plasmas und die absolute Zahl der Pseudozellen hat sicherlich be- trächtlich abgenommen. Ich brauche wohl kaum hinzuzufügen, dass eine Furchungshöhle in dem Sinne und von der Bedeutung, wie Kowalewsky sie für Thiere verschiedener Classen beschrieben hat, bei Hydra nicht existirt ; die aus der Furchung hervorgegangenen Keimzellen lassen nirgends einen freien Raum zwischen sich und verschmelzen zu einem durchaus soliden Körper. Die definitive Leibeshöhle dei- Hydra entsteht , wie wir eben gesehen haben , verhiiltnissmässig spät durch Auflösung der Innern Plasmamasse des Keims. Die Strucfur der Keimblase ist in dei- ganzen Dicke der Wand durchaus gleichmässig; in dem dichten Plasma liegen einzelne Chlorophyllkörner und sehi' zahlreiche Pseudozellen ein- gebettet, die an der glatten Aussenfläche, w eiche der Innern Schale fest angedrückt ist , dicht bis an die überfläche tretend , nur von einer unmessbar dünnen Plasniaschicht umsäumt wer- den, während sie auf der unebenen hinenfläche , sich über das Niveau ihrer Umgebung er- hebend, oft bis zur Hälfte ihres Durchmessers in den Flüssigkeitsraum vorspringen — aber auch hier sind sie stets von einer ganz dünnen Lage des Plasmas, welche sich ihrem Contour genau anschmiegt, übeizogen. In diesem Zustande verbleibt die Keimblase mehrere Wochen. Unterdessen verliert die äussere Keimschale, wahrscheinlich durch die allmähliche Einwirkung des Wassers, sehr merklich an Festigkeit. Man überzeugt sich davon beim Zerdrücken des Keims : anfangs leistet die Schale beträchtlichen Widerstand, und wenn sie bricht, entsteht ein Riss mit scharfen Rändern; gegen das Ende der Entwicklung zerbröckelt sie schon unter leisem Druck in mehrere Stücke. Bei dieser Brüchigkeit genügt nun wol schon eine geringe Ausdehnung des Keims, um die Hülle zu sprengen, die Schale fällt in zwei Hälften aus einander, oder es entsteht ein langer weitklaffender Spalt, durch welchen der Keim hervortritt. Er bleibt jedoch noch von der elastischen durchsichtigen innern Schale überzogen und füllt dieselbe vollkommen aus. An der , nun wieder der unmittelbaren Beobachtung zugänglichen , Keimblase fällt sofort eine Veränderung auf; sie ist nicht mehr wie früher von gleichartigem Gefuge, sondern es lassen sich sehr deutlich zwei Schichten unterscheiden: eine äussere helle, die zunächst noch verhältnissmässig dünn ist, und eine innere, viel dickere, dunkle Schicht. Dei' Unterschied im Aussehen rührt, wie mir scheint, nur davon her, dass die Pseudozellen sich im ganzen Umfange gleichmässig von der Oberfläche zurückgezogen haben; die Chlorophyllkörner ver- bleiben aber in der äussern Schicht. Diese einfache Aenderung in der Vertheilung der festen Einschlüsse des Plasmas ist die erste Andeutung der sich entwickelnden definitiven beiden Keim- blätter: aus der hellen Schicht geht das Ectoderm hervor, aus der dunklen das Entoderm. Beide Lagen erscheinen auf dem optischen Durchschnitt bestimmt von einander abgegrenzt, es ist indessen völlig unmöglich, sie von einander zu trennen, und ich glaube mich aufs Sicherste überzeugt zu haben, dass sie jetzt noch in continuirlicher Verbindung stehen. ^1. 78 Die Dicke der hellen äussern Schicht nimmt ganz allmäiilich zu , und sie erreicht so eine bedeutende [Mächtigkeit (Taf. III Fig. 12ec). Dabei zieht sie sich etwas von der Hülle zurück und ihre Oberfläche wird durch kleine körnige Erhabenheiten rauh und matt. Dann zerföllt die ganze Schicht in Zellen. Wie dies geschieht, auf welche Weise die continuirliche Plasmalage .sich in ein zeliiges Blatt umwandelt, darüber habe ich keine Aufklärung gewinnen können. Jedenfalls verläuft der Vorgang sehr rasch und wahrscheinlich gleichzeitig auf der ganzen Oberfläche des Embryo. Ich muss hier auch bemerken, dass ich nur ein einziges Mal den zelligen Bau des äussern Keimblattes schon an dem noch kugelförmigen Embryo bestimmt gesehen habe, und zwar an einem in Chromsäure gehärteten Präparat. Das ganze Blatt be- stand aus einer einzigen Lage annähernd cubischer Zellen, welche ebenso deutlich von einander, wie von der innern noch formlosen Keimschicht abgegrenzt waren. Kerne konnte ich nicht wahrnehmen. Hierauf streckt sich der Embryo und nimmt die Form eines Ellipsoids an, dessen Haupt- axe ungeföhr anderthalbmal so lang ist, wie sein Querdurchmesser (Taf. III Fig. 13). Die elastische Hülle passt sich genau tler neuen Gestalt des Embryo an und umschliesst denselben noch immer ziemlich eng. Nach einiger Zeit erscheint die Umgebung des einen Pols heller als die übrigen Tlieile des Embryonalkörpers , und stellt man das Microscop auf den Längs- schnitt ein, so ist klar ersichtlich, dass eine allmähliche Verdünnung gegen das eine Ende zu, an dessen Spitze sie ihren höchsten Grad erreicht, stattgefunden hat (Taf. III Fig. 14). Oft bemerkt man noch in der Umgebung des hellen Endes, aber von ihm durch dazwischen lie- gende dunklere Partieen geschieden, einige rundliche helle Flecken, welche unzweifelhaft auch der Ausdruck von Verdünnungen der Körperwand sind. Die Abnahme der Mächtigkeit am Ende schreitet schnell fort, jedoch nicht ununterbrochen, sondern von Zeit zu Zeit sammelt sich wieder mehr Masse um den Pol an, um indessen bald darauf desto weiter zurückzu- weichen. Die durchscheinenden Pseudozellen, deren Lage man im Ocularmicrometer bestimmt, rücken abwechselnd vor und zurück, im Ganzen entfernen sie sich aber doch mehr und mehr von dem Pol, so dass hier schliesslich nur ein sehr dünnes durchsichtiges Häutchen nachbleibt. Plötzlich entsteht an der Spitze ein strahliger Riss, und indem die Flüssigkeit der Leibeshöhle, einzelne Pseudozellen und unregelmässig gestaltete Gewebsfetzen mit sich reissend in die Hülle ausströmt, wulsten sich die zackigen Rissränder lippenförmig auf und verschmelzen rasch mit der zusammen sinkenden verdickten Körperwand des Embryos. Die Leibeshöhle hat eine Oeffnung erhalten — der Mund ist fertig. Ich bin überzeugt, dass die Stelle, wo die Ver- dünnung und der schliessliche Durchbruch staltfindet, jenem Theil des Keims entspricht, in welchem ursprünglich die Leibeshöhle als oberflächlicher Hohlraum auftrat. Nachdem die Mundöffnung auf .diese etwas brüske iManier entstanden ist, liegt der zu einem unförmlichen Häufchen zusammengefallene Embryo einige Minuten regungslos wie betäubt da. Dann richtet er sich langsam auf, und nun erkennt man, dass er im Wesentlichen schon die Gestalt des fertigen Thiers besitzt (Taf. III Fig 1 5) . Gleichzeitig mit dem Munde haben sich nämlich 79 auch die Anlagen der Tentakeln gebildet: .stunipfe niedrige kegelförmige Ausstülpungen der Körper- wand, welche, wie diese, aus zwei deutlich geschiedenen Blättern bestehen und durch sehr weite OetJnungen mit der Leibeshöhle communiciren. üeber ihie Entstehung kann ich nur die Vermulhung ausspreclien, dass bei der Zusammenziehung des Körpers, welche die Mundbildung begleitet, eine Ausstülpung jener erwähnten verdünnten kreisförmigen Stellen in der Umgebung des ^lundpols (die ich aber nicht bei allen Embryonen ujit Sicherheit erkennen konnte) ein- tritt. Die Zahl der ursprunglich angelegten Tentakeln ist gewöhnlich vier, jedoch ist dies nicht ausnahmslos der Fall, ich sah unter meinen Augen gleichzeitig sieben entstehen. Der Embryo, dessen Bewegungen noch sehr träge sind, verschluckt nach und nach wieder die ausgestossene Flüssigkeit, in Folge dessen tritt er näher an die Schale heran, sein Leib schwillt kugelförmig auf, die Tentakelausstülpungen werden bis auf kaum wahrnehmbare Andeutungen ausgeglichen und der Mund erscheint fest verschlossen. Dann erfolgt wiederum eine plötzliche Eruption, und das Thier kehit zu seiner normalen Gestalt zurück. Dies Spiel wiederholt sich mehrere Male. Nun streckt sich der Körper in die Länge, und dem ent- sprechend wachsen auch die Tentakeln zu langen dünnen Röhren aus. Die Schale gestattet dem schon recht beweglichen Thier ein gerades Ausdehnen nicht mehr, sondern der Körper ist genöthigt, sich mehrfach zu krümmen und zu biegen. Trotzdem verbleibt der Embryo ge- wöhnlich noch zwei bis drei Tage innerhalb der schützenden Decke. Ein actives Durchbrechen derselben findet eigentlich überhaupt nicht statt: die früher ziemlich lesistente Membran wird allmählich erweicht, ihre Substanz wandelt sich in einen klebrigen, fadenziehenden Schleim um und löst sich endlich im Wasser auf Das frei gewordene junge Thier entspricht, abgesehen von seiner geringern Grösse , vollkommen dem ausgewachsenen : alle Gewebe haben sich zu ihrer definitiven Gestaltung differenzirt, und selbst die Nesselkapseln sind, wenn auch noch spärlich, so doch schon zur Entladung reif, entwickelt. Was ich über die Entwicklung der Gewebe sagen kann, ist leider lückenhaft und dürftig. Wir haben schon gesehen, dass das Ectoderm entstand, indem sich die äussere helle Schicht des Erabryonalkörpers in eine einfache Lage von Zellen umsetzt. Diese Zellen , die anfangs cubische Formen haben, flachen sich bei der Streckung des Körpers ab und werden zu polyedrischen Plättchen (Taf III Fig. 16). Sie enthalten jetzt einen deutlichen, mit einem Kern- körperchen versehenen Kern, häufig aber auch zwei, und neben grösseren Dotterkörnchen bei H. viridis vereinzelte oder zu Häufchen zusammengeballte Chlorophyllkörnei-, während Pseudo- zellen in ilmen ausnahmslos fehlen. Etwas später ist ihre Form bei verkürztem Körper eine rhombisch verzogene, sie haben an Grösse abgenommen, und nun bemerkt man zwischen ihnen auch die ersten Anfänge des interstitiellen Gewebes als verhältnissmässig grosse spindelförmige oder unregelmässig gestaltete Zellen (Taf. III Fig. 18). Noch ist das Ectoderm indessen eigentlich ein einschichtiges Blatt, denn wenn die jungen Zellen des interstitiellen Gewebes auch theil- weise von den grössern Neuromuskelzellkörpern bedeckt werden, liegt doch ein Theil ihrer Oberfläche frei zu Tage. Erst bei altern Embryonen, wo sie sich schon stark vermehrt haben, 80 rücken sie ganz unter die auswachsenden Neuromuskelzellen in die Tiefe hinab. Darnach iässt sich wol kaum daran zweifeln, dass sowohl das Neuromiiskelgewebe als auch das inter- stitielle Gewebe aus ^ entstanden. Das Neuronuiskelgewebe und das interstitielle Gewebe entwickeln sich durch Thei- lung und Ditferenzirung aus der primitiven Zelllage des Ectoderms. Unterdessen ist der Embryo aus seiner kugligen Form in eine ellipsoidische übergegangen; an dem einen Pol verdünnt sich allmählich die Köiperwand, bis hier endlich durch einfaches Zeri-eissen die Mundöffnung ent- steht, und gleichzeitig mit die.ser bilden sich die Anlagen der Tentakeln als Ausstülpungen beider Blätter des Köipers. Wenn darauf der Embryo die innere Keimschale verlässt, ist die Ent- wicklung im Wesentlichen beendigt. Ich darf es wol als ein befiiedigendes Ergebniss dieser Untersuchung bezeichnen gegen- über den Angaben Ecker's, welche für die Hydra eine mit allem Gesetzlichen unvereinbare Entwicklungsweise hinstellten, nachgewiesen zu haben, dass die ersten Entwicklungserschei- nune;en auch dieses Thiers sicli mit Leichti2:keit und vollkommen in den allgemeinen Bildungs- modus des thierischen Körpers einordnen lassen. Wie es von allen näher untersuchten Thieren bekannt ist , so findet auch bei Hydra die Anordnung des durch die Furchung des Eies ge- schatTenen Keimmaterials in zwei concentrisch geschichtete Keimblätter statt , welche die feste Grundlage darstellen, von der alle weiterhin sich vollziehenden Umbildungen und Ausbildungen direct oder indirect ihren Ausgang nehmen. Die hierin ausgesprochene Wesensgleiclilieit sänmit- licher Thiere hat Baer zuerst erkannt und in ihier grossen Bedeutung zu würtligen gewusst — derselbe Mann, der mit unvergleichlicher Energie und bewunderungswürdigem Geist die Lehre von den unabhängigen Typen des Thierreichs nach ihien Entwicklungsformen aufgestellt und durchgeführt hat. Es ist wahr, dass die Vorgänge, durch welche die Keimblätter zu Stande kommen, von der Furchung an in nicht unbeträchtlichem Maasse von einander abweichen, diese Unterschiede des Bildungsmodus aber zur Begründung wesentlich verschiedener Entwicklungsformen benutzen zu wollen, scheint um so weniger gerechtfertigt, als die Maxima der Differenzen nicht nur innerhalb ein und desselben Typus, sondern sogar innerhalb derselben Classe vereint sich linden. .84 "Bei Hydra föllt als besonders störendes Moment das Verschmelzen der Keimzellen auf, ich glaube jedoch, dass es gestattet ist, diesen Umstand, einerseits mit Hinweis auf ilie unwider- legten Angaben über dasselbe Vorkommniss bei tlen Keimen einiger Säugethiere, andrerseits . unter Berufung auf das Fehlen eines ähnlichen Zustands in der Entwicklung nahe stehender Hydroiden, als unwesentlich aus der allgemeinen Betrachtung und Vergleichung zu eliminiren. Wenn aber als Grundgesetz der Entwicklung feststeht, dass bei allen Thieren von den Coelenteraten an die Scheidung des indifferenten Keimmaterials in zwei concentrische Schichten sich vollzieht, und dass allein aus diesen primären Keimblättern der Thierkörper sich aufbaut, so erhebt sich die weiteie Frage, ob überall die Beziehung der beiden Blätter zu den ent- stehenden Geweben eine identische ist, ob jene Träger der wesentlichen Functionen, die Epi- Ihelien, die Muskulatur, die Nerven und das Bindegewebe mit Rücksicht auf die Keimblätter gleichen Ursprungs sind — mit einem Wort die Frage nach der Homologie der analogen ihie- rischen Gewebe. Wir sind weil entfernt, hierauf eine allgemein gültige Antwort geben zu können. Ist doch bisher' die Entstehung der Gewebe fast ausschliesslich bei Wirbelthieren untersucht worden, und Jedermann weiss, dass selbst auf diesem beschränkten Gebiete noch Manches ganz dunkel ist. Vieles zweifelhaft. Weniges unbestritten. Von den Arthropoden, Mollusken, Echinodermen und Würmern ist "trotz einiger neuerer ausgezeichneter Arbeiten zu wenig Positives bekannt, um den Versuch der Vergleichung wagen zu dürfen. Gunstiger steht die Sache für die Coe- lenteraten. Indem Huxley in einer fundamentalen Arbeit den typischen Bau dieser Thieie fest- stellte, wies er zugleich hin auf die Uebereinstimmung der physiologischen Leistungen des Ecto- derms und Entoderms des erwachsenen Coelenteratenkörpers mit denen des äussern und innern Keimblatts der Embryonen höherer Thiere '. Diese Uebereinstimmung schien in der That so klar, dass die HuxLEv'sche Anschauung bald zahlreiche Anhänger sich erwarb, von denen ich nur KuLLiKER und Allman und aus neuester Zeit Häckel zu nennen brauche. Nun darf man aber nicht veigessen, dass mit der Anerkennung der Wesensgleichheit des Ectoderms und des äussern Keimblatts eine noch schwebende wichtige Frage in der Entwicklung der Wirbelthieie principiell entschieden ist, nämlich die Abstammung und Zugehörigkeit des sogenannten mittlem Keimblatts oder doch wenigstens die der' primären Muskelanlage. Denn da die Muskulatur der (Coelenteraten unzweifelhaft dem Ectoderm angehört, so würde sich die ganze Uebereinstimmung in eine rein äusserliche gleiciigültige Aehnlichkeil auflösen, wenn das Muskelgewebe der Wirbel- thiere nicht vom äussern, sondern vom innern Keimblatt seinen Ursprung nähme. Den grössten wissenschaftlichen Werth hat Hlxley's Auffassung aber, sobald nachgewiesen werden kann, dass die prätendirte Gleichhheit nicht nur allgemeine Geltung besitzt, sondern auch im Einzelnen durchführbar ist. Als ich von diesem Gesichtspunkte aus das Ectoderm der erwachsenen Hydra mit dem ' On ttie .\iialomv arui llie Aftinities of the Kiitnilv of tlio Medusiie. l'hil. Tniiisact. 1849, p. l"26. 85 äussern Keimblatt der Wirhelthieie verglich, stellte sich zunächst heraus, dass die Gleichsetzung der Gewebe nicht auszuführen war. Denn wir haben gesehen, dass die oberflächliche Lage des Ectodernis aus sehr eigenartigen Zellen zusammengesetzt ist, deren Körper, wie früher aus- geführt wurde, als reizleitender, nervöser Theil sich darstellt, während ihre contractilen Fort- sätze eine unzweideutige, aber höchst einfache Muskulatur bilden — welchen Elementen des äussern Keimblatts sollten diese Zellen nun entsprechen? Ihrer Lage nach stimmen sie mit dei' epithelialen Schicht des äussern Keimblatts, dem Hornblatt, überein, sie diesem gleichzusetzen ist aber nicht möglich, da Nichts dafür und Alles dagagen spricht, dass echte Epithelien sich je zu muskulösen und motorisch-nei'vösen Elementen umbilden können. Gesetzt, man wollte dies trotzdem thun. so wäre hiermit dennoch von vornherein die Gleichartigkeit aufgehoben, weil dann die Muskulatur der Hydren aus einem Theil des Hornblatts bestände, jene der Wirbel- thiere aber ganz sicher nicht vom Hornblatt herkommt: beide würden also genetisch durchaus verschiedenartig sein. Homologisirt man ilagegen das Neuromuskelgewebe der Hydra mit den vereinigten primären Anlagen tler Muskulatur und der motorischen Nerven der Wirbelthiere, dann fehlt der ersteren jede Andeutung des äussern Epithels und dei- Vergleich verliert sich so wiederum in's Unbestimmte nnd Haltlose. Hier wie überall — die Entwicklungsgeschichte gab den Ausschlag. Wir fanden, dass am Hydrakeim sich zu allererst ein einfaches oberflächliches Blatt differenzirt. und dass dies sich in die chitinisirte Keimschale verwandelt. Dies Moment ist entscheidend. Denn wenn man die Keimschale in Zusammenhang mij, dem l)leibenden Ectoderm als äusserste Schicht desselben betrachtet, ergiebt sich in der That eine klare Uebereinstimmung mit dem äussern Keimblatt und der Muskelanlage der Wirbelthiere. Bei diesen folgen von aussen nach innen aufeinander: 1. Hornblatt, 2. Nervenblatt als äusseres Keimblatt zusammengefasst), 3. Muskel- anlage (mittleres Blatt) ; bei Hydra 1. Keimschale (Hornblatt), 2. Nervenzellenlage, 3. Muskel- lamelle. Die Verschiedenheit liegt bloss im zeitlichen Gang der Entwicklung. Das Hornblatt der Hydra entsteht ganz zuerst, wenn in dem übrigen Keimmaterial noch keine Spur einer Sonderung sich zeigt , und die Anlagen des Ectoderms und Entoderms differenziren sich erst nachdem das Hornblatt schön längst zur Schale geworden ist. Beim Fioschkeim ist indessen doch auch, wie zuerst Stricker besonders hervorgehoben hat, das Hornblatt als einfache Zell- lage erkenntlich, lange bevor die vollständige Sonderung der Keimblätter sich vollzogen hat ; Rynek hat dasselbe Verhältniss am Korellenkeim gefunden. Und wenn beim Keim des Huhns diese Scheidung in der ursprünglichen Anlage des äussern Blatts nicht wahrnehmbar ist, so ist diese doch von Hause aus mehrschichtig und die Trennung in Hoin- und Nervenblatt findet in derselben Weise statt, wie bei den vorgenannten Thieren. nur später. Dem Nervenblatt und der Muskelanlage der Wirbelthiere entsprechend, haben wir nun in gleicher topographischer Beziehung zum Hornblatt das einheitliche Neuromuskelgewebe der Hydra. Die leitenden Theile des.selben befinden sich genau in demselben Lageverhältniss zu den übrigen Schichten, wie dies mit dei' primären Nervenanlage des Wirbelthierembryo der Fall ist; die morphologische 86 Gleichstellung der contractilen Fuitsiatze und der primitiven Muskulatur des VVirbelleibes ist, wie gesagt, nur unter der Voraussetzung möglich, dass die letztere vom iiussern Keimblatt aus sich bildet. Es ist jedenfalls sehr bemerkenswerth , dass durch die Verbindung der Muskel- fortsätze der Hydi-a zu einer geschlossenen Lamelle, eine dem Entoderm dicht anliegende, scheinbar ebenso bestimmt von den äussern Zelllagen des Ectoderms wie vom Entoderm ge- schiedene mittlere Schicht entsteht, die also ganz dieselbe Lage hat, wie das mittlere Keim- blatt der Wirbelthiere — wie ich nachzuweisen versucht habe, ist die Muskellamelle aber in Wirklichkeit keine discrete selbständige Körperschicht, sondern ihre Elemente gehören als Fort- sätze den leitenden Zellkörpern der äussern Lage des Ectoderms an und gehen continuirlich in diese über. Das interstitielle Gewebe, das aus gemeinschaftlicher Anlage sich vom Neuromuskel- gewebe abtrennt, lässf sich vorläufig nicht mit genügender Sichei-heit einem bestimmten Theil der Keimblätter der Wirbelthiere homologisiren. In seinem morphologischen Character nähert es sich dem Bindegewebe, in seinen Beziehungen zu den Leistungen des Gesammtorganismus entfernt es sich dagegen weit von diesem. Eine ganz specifische Bedeutung erhält es durch die Production der Nesselkapseln — jener wunderbaren, völlig unvermittelt dastehen- den Bildungen. Dagt^gen liegt ein fe.ster Vergleichungspunkt in der Thatsache, dass vom interstitiellen Gewebe aus die Geschlechtsorgane sich entwickeln. Und vergleicht man die Darstellung, welche Waldever von der ürogenitalanlage des Hühnchens gegeben hat, mit der Bildungsgeschichle des Ovariums der Hydra, so ist allerdings die fundamentale Uebereinstim- mung nicht zu verkennen. Wenn ich demnach die Homologie des interstitiellen Gewebes der Hydra mit jenen Theilen ties Keims der Wirbelthiere, aus denen die Geschlechtsorgane hervor- gehen, für sehr wahrscheinlich halten muss, so bedarf es doch noch weiterer Untersuchungen, um dies zur Evidenz zu bringen. Die Vergleichung des Entoderms mit dem innern Keimblatt bietet gar keine Schwierig- keit dar: hier liegt die Uebereinstimmung der Genese so klar zu Tage, dass eine besondere Begründung vvol überflüssig wäre. Die wesentliche Eigenthümlickeit der Entwicklung der Hydra ist die Verwandlung der ganzen äussern Epithelschicht des Keims in ein vergängliches embryonales Organ. Während bei den Wirbelthieren das Hornblatt mit in die Organisation des definitiven Körpers aufgenommen wird und als Epidermis eine schützende Decke — gleichsam eine bleibende Sehale — für die ganze äussere Oberfläche des erwachsenen Thiei-s darstellt, geht dasselbe, wie wir gesehen haben, bei Hydra in die Keimschale über, welche nur für die Zeit der embryonalen Entwick- lung als Schutzorgan dient und von dem ausschlüpfenden jungen Thier abgestreift wird. So ist denn wirklich die äussere Begrenzung des Körpers der erwachsenen Hydren nicht von der ursprünglich oberflächlichen Zelilage des Keims gebildet, sondern von der zunächst darunter- liegenden — das Nervenblatt tritt in unmittelbare Berührung mit der Aussenwelt. Dies ausser- gewöhnliche Verhältniss war der Grund, welcher uns früher vei'hinderte, die Homologie der persistirenden Gewebe des Ectoderuis und der analogen Gewebe des äussei'n Keimblatts zu erkennen. Für die hier vertretene Auffassung niuss es natürlich von entsclieidender Bedeutung sein, wie sich die entsprechenden Biidungsvorgiinge bei den übrigen Coelenteraten gestalten. Der Keiinschale ähnliche Bildungen linden sich, soviel ich weiss, ausser bei Hydra im ganzen Stamme nicht. Viele der höheren Formen besitzen dagegen unzweifelhaft ein echtes äusseres Epithel — es ist also anzunehmen, dass bei ihnen ebenso wie bei den Wirbelthieren die Epithelschicht des äussern Blatts erhalten bleil)t. Bei denjenigen der festsitzenden Hydropolypen aber, deren Bau im wesentlichen dem der Hydra gleich zu sein scheint, die jedoch aus einer flimmernden Larve hervorgehen, kommt es darauf an, ob die cilientragende äussere Zellschicht wirklich direct in ein bleibendes Gewebe übergeht. Ehe wir speciell auf diesen Punkt gerichtete Unter- suchungen haben, werden wir die Frage als eine offene betracjiten müssen. Inneihaib der übrigen Thierstämme kommen nui- bei der Entwicklung der Würmer Verhältnisse vor, welche sich denen von Hydra anschliessen. So ist aus der schönen Arbeit von Desor ' bekannt, dass bei Nemertes obscura und Polynoe s(|uamata die oberflächlichste Zellage des Keims, welche bei ersterer überall, bei der andein nur auf einer mittleren Zone flimmert, von der auskriechenden Larve abgeworfen wird. Indessen scheint hier die Larven- haut nicht aus dem ganzen Hornblatt hervorzugehen, sondern bloss aus der obersten Lage der von vornherein mehrschichtig angelegten, epithelialen Schicht des äussern Blatts. Aehnliches mag feiner auch bei einigen Trematoden und Cestoden, vielleicht auch bei Bryozoen sich finden. Vorstehende Betrachtung resumirend möchte ich die zu Anfang aufgeworfene Frage da- hin beantworten, dass die Uebereinstimmung der Entwicklung der Hydra und der Wirbelthiere nicht nur bis zu den primären Keimblättern reicht, sondern dass auch die specialisirten Gewebe die Epithelien, die Muskeln mit den dazugehörigen Nerven und die Geschlechtsorgane bei beiden mit Rücksicht auf die Keimblätter eine wesentlich gleichartige Genese haben. Die Homologie des Ectoderms der erwachsenen Hydra mit dem vereinigten äussern und mittlem Blatt der Wirbelthiere ist aber eine incomplete (im Sinne Gegenbaur'.s) , weil die Epithelialschicht des äussern Blatts der ersteren im Lauf der Entwicklung verloren geht. Die niedrige Stellung der Coelenteraten im System begreift sich vollkommen aus ihrer Entwicklungsgeschichte. Ihr Typus ist bestimmt durch das Erhaltenbleiben der fundamentalen räumlichen Beziehungen der Keimblätter und ihrer dilferenten Schichten zu einander und zur Aussenwelt. Und was von wesentlicher Bedeutung ist — die morphologische. Sonderung der Keimblätter in der Richtung der Fläche fehlt bei den niedern Formen gänzlich und ist bei den höheren doch nur äusserst schwach entwickelt. Wenn auch verschiedene Flächenabschnitte desselben Keimblatts im ausgebildeten Körper häufig Modificationen der jjhysiologischen Leistung ' On the Embryology of Nemertes with nii Appendix on the Enibrvonic Development of Polynoe and Remarks on the Enibryology of Marine Worms in general. Boston Journal of Natural History. T. VI. 1 857. 88 darbieten, so kommt es docli nur ausnahmsweise zur Ditlerenzirung beständiger einheitliclier Organe. Die hiermit gegebene grosse Einfachheit und Gleichförmigiieit des ganzen Körperbaues unterscheidet die Coelenteraten von allen andern Thierstämmen, bei denen der definitive Körper durch weitgehende histologische Sonderungen, hauptsächlich aber durch vielfache Verlegungen und Verflechtungen der Theile der Keimblätter entsteht, sodass die urspriuiglichen Lagenver- hältnisse der Keimblätter an den fertigen Organen meist gar nicht, am Gesammtkürper nur in sehr verwaschenen Umrissen erkennbar sind. Verfolgt man aber die Entwicklungsgeschichte dieser complicirten Organisationen rückwärts, so kommt man, bei den Wirbelthieron und höchst wahrscheinlich auch bei allen übrigen Thierstämmen, schliesslich auf Formen, welche denen der Coelenteraten im wesentlichen entsprechen. Da nun diese Formen bei den höheren Thieren nothwendige, aber vorübergehende Entwicklungszustände sind, auf denen sich dann der specifische Typus aufbaut, bei den Coelenteraten dagegen dieselben Formen unverändert erhalten bleibend den Typus bilden, so ergiebt sich der Schluss, dass nicht bloss bei allen Thieren die Entwicklungsvorgänge bis zu einer gewissen Stufe identisch sind, sondern, dass auch in der individuellen Entwicklung der Uebergang eines Tjpus in den andern wirklich stattfindet, indem der constante Typus der Coelenteraten von allen höhern Thieren als Ent- wicklungszustand durchlaufen wird. Der einfache Typus der Coelenteraten ist die gemein- schaftliche Grundform, auf welche alle die unendlich reichen und mannigfaltigen Gestaltungen des 'Thierkörpers direct oder indirect zuiuckgeführt werden können. 89 Erklärung der Tafeln. Taf. I. Fig. I. Querschnitt durch den oberen Theil des Fusses von Hydra auranliaca , ec. Ectoderm . ml. Muskel- lamelle, en. Entodenii. Chrouisiiureprüiiamt. » 2. Entoderni von der äussern Flüche i;esehen. «. Plasmaschlauch, h. Vacuole. Das Ectoderm ist nach minutenlanger Einwirkung von schwacher Salpetersäure entfernt. Die Grenzen der Zellschläuche sind stellenweise deutlich. H. aurant. n •^. Isolirte Entodermzellen durch Zusatz von \% Essigsaure zusammengefallen. >> \. Solide Entodermzellen aus dem Magentheil. 0,1^ Essigsäure. Entodermzellen nach hingeier Behandlung mit I ^ Salpetersäure kugelförmig aufgequollen. Fig.! — .3. » o. Verg. 310. 1) 6. Freie Enden der Entodermzellen des Fusstheils mit schwingenden Cilien. Nach einem feinen Quer- schnitt vom lebenden Thier. Verg. 840. ■> 7. Querschnitt durch das in Chromsäure von 0,02.5^ gehärtete Ectoderm, n. grosse Zellkörper der äussern Lage mit ihren grossen Kernen, ig. interstitielles Gewebe, ?«/. Muskellamelle mit quer- durchschnittenen Muskelfortsätzen. Verg. 300. » 8. Ectoderm von der Fläche gesehen, ?i. grosse Zellkörper, ly. tlazwischen liegende Züge des inter- stitiellen Gewebes, m. Muskelfortsätze. Chromsäurepräparat. » 9. Neuromuskclzellen des Körpers nach Behandlung mit Essigsäure von 0,02.5 ^. Das interstitielle Gewebe ist entfernt. /?(. Muskclfortsätze. » 10. Isolirte Neuromuskclzellen vom Körper. Essigsäure von 0,03^. » t 1. Neuromuskclzellen von der Fussscheibe, m. Muskelfortsatz. Ebenso behandelt. » 12. Zellen aus dem interstitiellen Gewebe, n. b. ohne Nesselkapseln, c. d. e. mit grossen Nesselkapseln, /. Rest der Bildungszelle, nachdem die Kapsel herausgefallen ist, g. kernhaltige Zelle mit einer gi-ossen , h. eine solche mit einer kleinen Nesselkapsel, i. Zellen mit unentwickelten kleinen Kapseln. I ^6 Essigsäure. Fig. 1 — 12 von H. auranliaca. » 13. Ausgebildete Hoden aus einem Haufen von ovalen kernlosen Zellen bestehend. Nach Behandlung mit 0,5^ Essigsaure isolirt. Fig. 8 — 13. Verg. 310. ' li. Entwicklung der Hodenzellen und der Samenkörper, a. vergrösserle und sich stark vermehrende Zellen des interstitiellen Gewebes, h. dieselben nachdem der Kern zu zerfallen begonnen hat, c. die- selben zu hyalinen Kugeln aufgequollen, d. mit entwickelten Fäden, e. reife Spermatozoiden. Vergl..30O. Fig. 13 u. 14 von H. viridis. Taf. II. » I. Beginn der Bildung des Ovariums. Die Zellen des intersliliellen Gewebes (ig) haben sich bedeutend vermehrt, liegen aber noch in einzelnen Häufchen beisammen. ;;. grosse Zellkörpcr des Ectoderms. » 2. Weiter entwickeltes Stadium. Die vergrösserten Ovarialzellen (oj bilden eine fast vollstimdige Schicht unter den grossen Zellkörpern «). » 3. Das ausgebildete Ovarium vor der Entstehung des Eies. Durch Behandlung mit ö.ö ^ Essigsäuie isolirt. » 4. Einzelne Ovariumzellen. Fig. I — i. Verg. 3IO.i » 5. (/. Ovariumzellen und 6. junges Ei mit Kern und Kernkörperchen aus demselben Eierstock. Verg. öOO. » 6. Ein anderes Ei mit breiten Fortsätzen. » 7. Ei von der Seite gesehen. Um den Kern, aus dem das Kernkörperchen geschwunden ist, liegen unregelmässig geformte dichte Eiweissstückchen. Kleine nberg. Hydra. . - 90 Fig. 8. Dasselbe von oben gesehen. Fig. (i — 8. Verg. 310. I) 9. Ei mit Keimbläschen und Keimfleck, die Bildung der Chlorophyllkörner hat begonnen. V'erg. 240. i> 10. Weiler enlwickeiles Ei mit Chloiophyllkörnern und Pseudozellen angefüllt. Der Keimüeck des Keimbläschens ist in der Fig. nicht zu sehen, war aber noch vorhanden. Verg. 120. » 11. Keimbläschen isolirt aus einem Ei. das ungefähr auf derselben Entwicklungsstufesich befand, wie das der Fig. 10, a. Membran, h. Keimfleck, v. stark lichtbrechendes Körperchen in demselben. » 12. Aelteres Keimbläschen, dessen Inhalt sich verändert hat. Der Keimfleck in einen unregelmässigen Körper übergegangen. » 13. Keimbläschen aus einem halbkugligen Ei in fettigem Zerfall begriffen. Fig. I I — 13. Verg. 600. )) 14. Neuromuskelzellen durch 0,.o Essigsäure aus der EihUlle isolirt. Verg. 310. » 15. A. Entwicklung der Pseudozellen von H. viridis, B. reife Pseudozellen von H. aurantiaca. Verg .500. » 16. Ei (P; kurz vor Durchlirechung der Hülle [n). » 17. Erstes Furchungsstadium. » 18. Zweites Furchungsstadium. » 19. Maulbeerförmiger Keim. Fig. 10 — 19. Vergl. .50. Alle Fig. der Tafel mit Ausnahme von 15ß beziehen sich auf H. viridis. Taf. III. 11 1 . Oberflächliche Zellenlage des Keims |Hornbl;itt) von der Fläche gesehen. Die Zellen haben noch keine Kerne. » 2. A. Zellen desselben Blattes von der Seite gesehen: sie besitzen einen Kern 1 0. Optischer Durchschnitt durch einen älteren Keim von H. aurant. , a. äusseres Schalenhäutchen, b. Flüssigkeitsrauni. c. die Schale mit ihren Stacheln. » 11. Durchschnitt durch die Keimblase von H. viridis, as. äussere Schale, is. innere Schale, b. Plasma- schicbl, Ifi. Leibeshöhle. » 12. Embryo von H. aurant., is. innere Keimschale, ec. Ectodermanlage, en. Entodermanlage. Fig. 9 — 12. Verg. 123. » 1 3. Embryo in die Länge gestreckt. Dieselben Bezeichnungen wie in der vorhergehenden Figur. » 14. is. ec. und en. wie in Fig. 12, m. verdünnte Stelle, an welcher dei' Mund durchbricht. » 15. Embryo nach Durchbruch der Mundöflnung und Ausstülpung der Tentakeln. Fig. 13 — 15. Verg. 80. » 16. Zellen des primären Ectoderms. » 17. Zellen des embryonalen Entodernis. » 1 8. Zellen des interstitiellen Gewebes vor Entstehung der Nesselkapseln. Fig 13—18 von H. viridis. Fig. 16—18. Verg. 310. Taf. l\. Sämmtliche Figuren dieser Tafel sind genaue Umrisszeichnungen zur Versinnlichung der Foi'mver- änderungen bei der Furchung des Eies von Hydra viridis, ^Fig. 1 — 7 stellen Momente aus dem ersten Furchungsstadium dar, Fig. 8 — I I illustriien die Bildung der zweiten Furche. Druck von Ereitkopf & Härtel in Leipzig. laf- J . r.Q- i. F,gZ. r;oi- Fig.::. Ta'-j: :).:)■# .),.) j^^. -^^- .'IjS/ ■\0 f'g-y 4ift f^Dv ''$: '33J' ■■0..- o. /■„y //. \r-0) ••K!>.> f/^ ;;^. ^' r,g l'i -■■•^w^ ""'■ -m 1 ' 0 <:-'.' "i^^ Memeabe^.^e/. . TafIK Fij -,. K'pn;(,lir-;- j.'-: ) f^ Brc'i U-'tr'j; Kleinenber^.^ez