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IM HERZEN. VON AFRIKA.

REISEN UND ENTDECKUNGEN

IM

CENTRALEN AEüUATORIAL-AFßlKA

WÄHREND DER JAHRE 1868 BIS 1871

VON

Dr. GEORG SCHWEINFURTH.

DEUTSCHE ORIGINALAUSGABE.

ZWEITER THEIL.

Mit einer Karte und 47 Holzschnitten.

LBIPZIti: F. A. BROCKE AUS.

LONDON:

SAMPSÜN LOW, MARSTON, LOW, AND SEARLE.

CBOWN BUILDUiOS, 188, FLEET 8TBEET.

1874.

i)af Rtekt dir U9btr99t»ung itt torhtkalitn.

Inhalt.

Seite

DREIZEHNTES KAPITEL.

Die Niamiiiam oder Sandeb. Alte Sagen vou geschwänzten Men- schen. Bedeutung des Namens „Niamniam". Allgemeine Cha- rakteristik. Ausgeprägte Nationalität. Hautfarbe und Tätu- wirung. Zeitraubende Haarkünstelei. Frisur a la gloire. Beliebter Schmuck. Bewafihunf? der Niamniam. Chevalereske Haltung der Krieger. Ein Volk von Jägern, dessen Frauen Ackerbauer sind. Das beste Bier in Afrika. Culturpflanzen und Hausthiere. Der Niamniamhund, Zubereitung von Maisbrei. Menschen- tresserei. Analogie mit den Fan der Westküste. Bauart der Hütten. Die Macht der Fürsten und ihr Haushalt. Vorgänge wälirend des Kriegs. Der weisse Mann soll freien Abzug haben. Althistorische Kriegserklärung. Rücksichtslose Vertilgung der Elefanten. Köder für Wildhülmer. Kunstfertigkeit und In- dustrie. Begrüssungsformeln. Stellung des Weibes bei den Niamniam. Ein echt afrikanisches Unterhaltungsspiel. Be- geisterung lür Musik. Sänger und Spassmacher von Profession. Gebetsmascliinen und Augurium. Trauer um Verstorbene. Be- stattung der Todten. Stammbaum der regierenden Niamniam- türsten . . 1

VIERZEHNTES KAPITEL.

Mohammed^s Freundschaft mit Munsa. Einladung zur Audienz. Festliches Geleite zu den Hallen des Königs. Ich antichambrire, und der König macht mir zu Ehren Toilette. Bauart der Halle. Grossartige Ausstellung von Prunkwaffen. Phantastischer Staat des Herrschers. Neronische Züge. Nichts wird bewundert, üeberreichung der Geschenke. Einfache Toilette von Munsa's Weibern. Wie der König raucht. Gebrauch der Colanusp. Musikalische Productionen. Der Hofnarr. Ein Eunuch. Munsa hält eine Rede. Die Monbuttuhymne. Munsa's bescheidene Dank- barkeit. Ein Haus geschickt als Gastgeschenk. Zudringlichkeiten

VI Inhalt.

Seite

der Neugierigen. Ein Schädeln) arkt. Boten eines Niamniam- königs langen an. Hellfarbige Eingeborene. Munsa^s Frauen in unserm Lager. Mein weibliches Gefolge ruft „Hosanna^S lieber- raschung im Bade. Auffindung der Swordbean. Munsa^s Privat- wohnung und Hofburg. Geographische Geheimthuerei. Piaggia's See existirt nicht. Munsa verlangt meine Hunde. Tausch gegen einen Pygmäen. Ziegenrassen der Momwu. Zubereitung von Fleischextract. Chartumer Stationen im Moubuttulande. Mo- hammed's Plane, nach Süden vorzudringen. Perspectiven ins Innere von Afrika. Glück und Geld. Grosses Siegesfest. Der rasende Cäsar. Munsa's Besuche in unserm Lager. Das Guineaschwein 40

FÜNFZEHNTES KAPITEL.

Das Volk der Monbuttu. Erste Nachrichten von den Monbuttu. Bevölkerungsdichtigkeit. Die Grenzvölker. Landschaftscharakter. Nachlässigkeit des Ackerbaues. Bodenproducte. Jagdausbeute. Geberdensprache. Begrüssungsformeln. Zubereitung der Spei- sen. Allgemeiner Kannibalismus der Bewohner. Nationalstolz und kriegerischer Geist. Macht des Königs. Seine Gewohn- heiten. Der königliche Haushalt. Culturstufe der Monbuttu. Rasseneigenthümlichkeit. Blonde und hellfarbige Monbuttu. Aehnlichkeit mit den Fulbe. Zubereitung des Rindenzeugs. Nacktheit der Weiber. Ihre sonderbare Bemalung. Haar- tracht bei Männern und Weibern. Keine künstliche Verunstal- tung ist bekannt. Bewaffnung der Krieger. Eisenindustrie. Die Monbuttu kannten das Kupfer von früher. Platin scheint vorzukommen. Vervollkommnete Werkzeuge. Holzschnitzerei. Schemel und Bänke. Schönheit der Wasserflaschen. Kühne Construction der Hallen. Vorliebe für Anpflanzungen und Zier- pflanzen. Der Begriff eines höchsten Wesens ist bekannt . . 85

SECHZEHNTES KAPITEL.

Die Pygmäen. Nubische Erzählungen. Anklage an das clas- sische Alterthum. Homer, Hcrodot, Aristoteles. Meine erste Bekanntschaft mit den Pygmäen. Adimokü, der Akkä. Scharfes Verhör. Krißgstanz. Besuch von mehrem Akkä. Mümmeri's* Pygmäencorps. Mein adoptirter Pygmäe. Nsewue's Leben und Tod. Zwerghafte Rassen in Afrika. Berichte früherer Autoren : Battel, Dapper, KöUe. Analogie der Akkä mit den Busch- männern. Grösse und Hautfarbe. Haar und Barte. Körper- gestalt. Hässlicher Gang. Zierlichkeit der Hände. Schädel-

Inhalt. VII

Seite bildung. Form der Augen und Ohren. Lippen. Gesticuliren.

ünartikulirte Sprache. Geschicklichkeit und Hinterlist. Mtmsa's

Protection für die Rasse 131

SIEBZEHNTES KAPITEL.

Umkehr nach Korden. Tikkitikki's Angst bei der Abreise. Ueber- gang über den Gadda. Sondimng des Kibali. Der Käpili- flusB. An den Katarakten des Kibali. Kubbi verweigert die Boote ZOT Ueberfahrt. Nutzloses Warten. Menge der Hippo- potami. Möglichkeit, den Floss mit Gewalt zu überschreiten. Ursprung und Zugehörigkeit des Kibali. Scheidung von Hoch- und Tiefland in Afrika. Geographische Ausdrucksweise der Araber und Nubier. An den Mohammedanern ist alles ver- kehrt. Rückzug zu Nembe. Nachtlager in der Grenzwildniss. Wachs als Speise. Kriegserklärung der Niamniam. Parla- mentiren mit den Feinden. Mein Mistrauen gegen die Führer. Yerrätherischer üeberfall auf Mohammed. Seine lebensgefahr- hohe Verwundung. Offener Krieg. Abgeschnittene Köpfe. Wir- kung der Pfeile. Mohammed verhöhnt die Feinde. Grosser Angriff auf unsern Verhau. Verfolgung der Feinde durch Bongo. Vorbeidefiliren von 10000 Mann. Schlechtes Augurium für Uando. Meine Niamniam befragen das Schicksal. Schnelle Heilung von Mohamroed^s Wunde. Sonnenphänomen. Auf- gespiesste Hunde. Zwei Frauen gefangen. Rührende Anhäng- Uchkeit der Niamniam an ihre Frauen. Calamität des Calamus. Der Oberlauf des Mbruole. Gelassenheit einer gefangenen Frau. Wechsel des Landschaftscharakters. Ankunft am Na- bambisso 15C

ACHTZEHNTES KAPITEL.

Einsame Tage und Hongerleiderei. Wohlthaten eines Termiten- hügels. Ideale Genüsse und materielle Noth. Versuchung zum Epikurismus. Ausflug nach Osten. £m Papyrussumpf. Ekelhafte Speisen der Niamniam. Merdjän's Seriba. Jagd be- treibende Hyänen. Verirrung im Walde. Gute Aufnahme in Tuhämi's Seriba. Die Landschaft Mondu. Giabir's Verheirathung. Entdeckung der Djurquelle. Der Berg Baginse. Anklänge an die abyssinische Hochgebirgsflora. Cyanitgneis. Mohammed^s Kriegszug gegen Mbiö. Drei Bongo von Niamniam aufgefressen. Geschichte der Schädel Nr. 36, 87 und 38. Gleichgültigkeit der Nubier gegen den Kannibalismus der Niamniam. Haarsträubende Scene von Kannibalismus. Veränderter modus vivendi. Vcr- theidigung meines Betts gegen Ameisen. Eigenthümliches Ver-

Vni Inhalt.

Seite

fahren zur Ueberschreitung des Ssueh. Eine Hiobspost aus dem Niamniamlande. Grosses Jagdglück. Nährwerth des Fleisch- extracts. Ankunft der Langvermissten. Erzählung der Kriegs- abenteuer. Itinerar von Rikkete zu Kanna's Residenz. An- kauf eines Hundes und sein tragisches Schicksal. Kgauje's ge- ringer Einfluss auf seine Untergebenen. Construction einer Hängebrücke über den Tondjfluss 201»

NEUNZEHNTES KAPITEL.

Trennung unserer Karavane in zwei Hälften. Abstecher nach Osten. Charakteristik des afrikanischen Elenns. Bambus- waldungen, ein neuer Landschaftscharakter. Die Seriba Mbomo am Lehssi. Komreichthum der Gegend. Itinerar zwischen Küddu und Mbörao. Grosse Maiscultur. Der geschirrte Busch- bock. Ein Leopard im Triumph herbeigetragen. Leopard und Panther. Das Volk der Babückur. Durchstochene Lippen der Frauen. Nächtliche Ueberraschung des Lagers durch wilde Büffel. Misgeschick beim Durchschwimmen des Lehssi. Land- streicher der Wildniss. Büffel im Busch. Die Maschirrhtigel. Wiedersehen von Tamarinden. Wilde Datteln. Tikkitikki. Er- staunen beim Anblick einer Rinderheerde. Allgemeines Resume über die Reise. Nachricht von den grossen Planen des Vice- königs. Hunger auf dem Weitermarsche nach Norden. Müh- selige Passage des Tondj. Kürbise empfehlen sich zur Her- stellung von Fähren. Neuer Flor des Ghattas'scheii Etal lisse- ments. Ankunft der ersehnten Vorräthe. Ein verwirklichter Traum. Ausflug nach Kurkur. Hyänenhunde. Scheu der Nii- bier vor klarem Wasser. Zwei Soldaten von Dinka -erschlagen. Vergebliche Pflege eines jungen Elefanten. Meine Menagerie.

, Misgeschick beim Pfeilschiessen. Viehseuchen. Meteorologisches. Ausflug zum Djur. Besorgniss um Giabir's Schicksal. Trau- rige Nachrichten von Mohammed 2()2

ZWANZIGSTES KAPITEL.

Der unglücklichste Tag meines Lebens. Vereitelte Mühe beim Retten vor dem Feuer. Anblick der Brandstätte bei Nacht. Meine trostlose Lage. Winterliches Aussehen der verbrannten Gegend. Neubau der Seriba. Ursache des Brandunglücks. Idris' Energielosigkeit. Ein exceptioneller Regentag. Unglücks- boten von den Niamniamzüglers. Meine Methode des Schritt- zählens. Aufbruch zum Djur. Gute Aufnahme bei Chalil. Meine Kleidung. Der kühlste Tag in Centralafrika. Kornrequisitio- nen der ägyptischen Truppen. Sklavenhandel der Militärs.

Inhalt. IX

Seite

Vorschläge zur Verbesserung der Transportmittel in Central- afrika. Der chinesische Schiebkarren. Grosse Niederlage der Chartumer durch Ndöruma. Die Nubier kämpfen nicht gegen- Blei. Ein Löwe geschossen. Nächtliche Aufregung um nichts. Uebersicht über das Regime des Djurflusses. Jagd auf Nilpferde. Verhalten der Thiere im Wasser. Hippopotamusfett. Nil- peitachen. Merkwürdiges Schicksal eines Manuscripts. üeber den Charakter der Nubier. Ihre abergläubischen Vorstellungen und Vorurtheile. Ausbruch eines blutigen Streits im ägyp- tischen Lager 3()(i

EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Beginn neuer Wanderungen. Sonderbare Heilmethode der Djur. Krokodile im Getti. Erinnerung an Fräulein Tinne. Ihr früherer Wohnsitz. Eine Musterwirthschaft des Schmuzes und der Un- ordnung. Bekanntschaft mit den Baggära-Risegät. Mein Zeich- nen misfällt einem Fanatiker. Der Pängofluss. Grenze des Bongor und Gologebiets. Ein Büffelkalb erlegt. Idris Wod Defter's Seriba. Eigenthümliche Kornspoicher der Golo. Der Kurufluss. Der Ziegenbach. Zunehmende Seehöhe und Quell- reichthum des Terrains. Stadtartiges Aussehen von Siber's Hauptseriba Dem Nduggu. Verzweiflung der Türken im wilden Lande. Ekelhafte Eindrücke. Siter's Hof halt. Besuche am Lager des Schwerverwundeten. Grossartige Schwindeleien Ibra- him-Effendi's. Gründung der Dem. Chartumer Elfenbein- händler als Concurrenten der Sklavenhändler. Bevölkerungs- verhältnisse in Dar-Fertit. Der Ueberlandweg nach Kordofan. Schekka, ein Tlauptf-tapelplatz des Sklavenhandels. Die Route nach den Kupfergruben. Form und Preis des käuflichen Roh- kupfers. Roher Betri«»b in den Kupfergruben der Furianer . 350

ZWEIÜNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Grosse Cycadeen als Unterholz. Eigenthümliche Mühle der Kredj. Verirrung im Walde. Ueberschreitung des Biri. Ungast- licher Empfang bei Mangür. Menge der zu kreuzenden Bäche. Die grosse Stadt des Sklavenhandels. Der höchste und west- lichste Punkt meiner Routen. Galerienwaldung bei Dem Gudju. Mein skorbutartiges Leiden. Sonderbare Traumbilder und ihre Verwirklichung. Jumma's Liebenswürdigkeiten. Reste ehe- maliger Gebirgszüge. Der Oberlauf des P&ngo. Eingezogene Nachrichten über den fernen Westen. Der grosse Fluss von Dar-Abu-Dingä. Fühlung mit dem Gebiete der Barth'schen Erkundigungen. Prinjogenitur des Bachr-el-Arab. Erster Um-

X Inhalt.

Seite

schlag der Witterung. Elefantenjäger aus Darfur. Das Volk der Ssehre. Jagdreichthuro der Gegend bei Dem Adlan. Cultur- pflanzen der Ssehre. Die zauberkräftige Knolle „Karra". Wasser- mangel auf dem Rückzüge nach Osten. Obdachlose Regennacht. Unverwüstliche Lustigkeit der Ssehre. Starke Senkung des Lan- des nach Osten zu. Atjumm, ein Gebirge en miniature. Wander- ratten. Der Riesenbaum in Muhdi und die That eines bösen Blicks. Jagd auf Zebra-Ichneumonen und Rohrratten. Rück- kehr zu Chalil 391

DREIÜNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Die gemalten Dörfer der Katharina II. Tauschobjecte der Sklavenhändler. Die Agenten der grossen Sklavenhändler. Niederträchtigkeit der Fakis. Haarsträubendes Beispiel von Grausamkeit. Staunenswerther Eifer im Menschenschacher. Die Gastfreundschaft leistet der bösen Sache Vorschub. Die drei Klassen der Gellabas. Verkehr der Sklavenhändler mit Mofio. Preise beim Aufkauf von Sklaven. Relative Werthe der Rassen. Die Kategorien der zum Privatgebrauche der Kubier dienen- den Sklaven. Freiwilliger Sklavenzuzug. Die Sklavenweiber der Nubier. Bedeutung der Murhaga für den Sklavenhandel. Skla- ven zum Feldbau. Bevölkerungsverhältnisse des Gebiets. Die fünf grossen Quellen des Sklavenhandels in den Nilländem. Repressivmassregeln des chartumer Gouvernements. Sklaveu- jagden unter Mehemed-AIL Langsame Fortschritte der Hu- manität. Die Vollbringung des halben Werks. Aegyptens culturhistorische Mission. Vom Islam ist nichts zu hoffen. Aufhebung der Sklaverei ist Neugeburt des Orients. Die Entvölkerung Afrikas, ein Verlust für die ganze Menschheit. Aufregende Wahrnehmungen des Reisenden. Mittel zur Unter- drückung des Sklavenhandels. Sklavencommissare. Chinesische Einwanderung. Gründung und Protection grösserer Neger- staaten 427

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Unglaubliche Neuigkeiten. Zwei Monate der Jagd. Jälo-Auti- lopen. Jagd auf Rohrratten. Lebensweise des Aulacodus. Flussaustern. Soliman's Ankunft. „Das Land mit den wenig Leuten." Etappen der vorrückenden Jahreszeit. Enthauptung eines Rebellen. Rückkehr^ zur Seriba Ghattas\ Hässliche Ein- drücke. Allagäbo's Abschied von seiner Familie. Feuersgefahr. Antrieb zur Rückkehr der Barken. Hartebeests in der Brunst. Manöver der Nubier auf der Viehrazzia. Zwei Verräther an

Inhalt. XI

Seite ihrem Volk. Angst and Eile ohne Grund. Reste der Hütten

der alten Schol. Aussätzige und äklaven. Innerer Conflict

gegenüber der Sklavenfrage. Itinerar der Fahrt auf dem

Gazellenstrome. Die Balaeniceps erwarten uns. Ein Nilpferd

im Verenden. Anrufung der drei Schatzheiligen der Schiffer.

Ein grauenvolles Ereigniss bei Nacht. Unnöthige Furcht vor

den Schilluk. Ankunft eines Dampfers. Im Lager des Mudirs.

(>00 Sklaven und 200 Nubier auf zwei Böten. Specificirung

und Confiscation der Sklaven. Angenehme Ueberraschung in

Faschoda. Sklavenkaravanen am Ufer. Mein Einzug in Char-

tum. Telegramm nach Berlin. Misgeschick meiner Diener.

Meine Vorstellungen beim Generalgouverneur. Die Opfer der

Jetzten Fiebersaison. Tikkitikki's Tod. OaXarrot, ^aXarta . . 462

ANHANG I. Höhen einer Anzahl aof dieser Reise berührter Punkte .... 510

ANHANG U.

Acht Itinerare zur Aufhellung der Gegenden im Westen and im Süden meiner Routen 515

ANHANG m.

Verzeiebniss der von mir auf den Touren landeinwärts vom Ga- zellenfiusse beobachteten Säugethiere mit Angabe der einheimi- schen Namen 525

ANHANG IV.

Anmerkung za der Schilderung des Sonnenphänomens im Band I, Seite 355 , 538

Index 538

Verzeiclmiss der Abbildungen.

König Munsa in vollem Staat (Titelbild).

Tätowirung der Sandeh unter der Brusthöhle 6

Merkwürdiger Haarputz bei den Niamniam 7

Messer, Säbel, Trumbasche und Schild der Niamiiisi.. . . . . 10

Niamniamkrieger 11

Junge Niamniam in Kriegsrüstung 12

XII Inhalt.

Seite

Thonpfeifen der jS'iamuiam . 15

Niamniamhund 1<>

Kornspeicher der Niamniara 22

Bamogih , Hütte für die Knaben 23

Industrieerzeugnisse der Niamniam 2J>

Rindviehrasse bei den Monbuttu <;*)

Munsa'8 Residenz * C>\)

Ziege der Mömwu 74

König Munsa tanzt vor seinen Weibern . 80

König Munsa's Schüssel 84

Monbuttukrieger 111

Monbuttuweib 113

Waffen der Monbuttu 115

Lanzenspitzen 119

Beil, Spaten und Fassbinderbeil der Monbuttu 120

Hölzerne Signalpauke 122

Schemel der Monbuttuweiber 12.)

Lehnkrücke 124

Wasserflaschen . 125

Bongoweib. Dinkaweib. . 130.

Bömbi, ein Akkä 131)

Nsewue, ein Akkä . 141

Dinkapfeife 155

Ansicht der Landschaft am Kibuli bei Kubbi . ..... 1G8

Galerienwald im Lande der Monbuttu 177

Mohammed verhöhnt seine Feinde ll'O

Tägliche Lagerscene während der Niamniamcampagne. 242

Uebergang über den Tondj 2H0

Hörner vom centralafrikanischen Elenn. . . 265

Goloweib . 308

Kornspeicher der Golo 369

Kredjhütte 393

Kornspeicher der Krcdj . 394

„Karra", eine Zanberknollo 417

Ein Bongoconcert . . 421

Sklavenhändler aus Darfur 429

Babückursklave .... 437

Sklavin bei der Arbeit . 442

Jagd auf Rohrratten 460

Rohrratte . 467

Bongodorf bei Gir 4SI

DREIZEHNTES KAPITEL.

Die Niamniam oder Saudsh. Alte Sagen von geschwänzten Menschen. Bedeutung des Namens „Niamniam". Allgemeine Charakteristik. Aus- gepräprto Nationalität. Hautfarbe und Tätowirung. Zeitraubende Haar- künstelei. Frisur ä la gloire. Beliebter Schmuck. Bewafihung der Niam- niam. Chevalereske Haltung der Krieger. Ein Volk von Jägern, dessen Frauen Ackerbauer sind. Das beste Bier in Afrika. Culturpflanzen und Hausthiere. Der Niamniamhund. Zubereitung von Maisbrei. Menschenfresserei. Analogie mit den Fans der Westküste. Bauart der Hütten. Die Macht der Fürsten und ihr Haushalt. Vorgänge während des Kriegs. Der weisse Mann soll freien Abzug haben. Alt- historische Kriegserklärung. Rücksichtslose Vertilgung der Elefanten. Köder für Wildhühner. Kunstfertigkeit und Industrie. Beg^rüssungs- formeln. Stellung des Weibes bei den Niamniam. Ein echt afrika- nisches Unterhaltungsspiel. Begeisterung für Musik. Sänger und Spassmacher von Profession. Gebetsmaschinen und Augurium. Trauer um Verstorbene. Bestattung der Todtcn. Stammbaum der regierenden

Niamniamfürsten.

Lange Zeit, bevor noch jene epochemachenden Ex- peditionen zur Erforschung der Nilquellen, welche Mehemed Ali den Weissen Nil hinauf sandte, einen tiefen Stich in das unbekannte Innere des Welttheils gethan, bevor nooh die erste Segelbarke jene schwimmenden Grasdecken durchfurchte, welche sich auf den Gewässern des Gazellenflusses ausbreiten, zu einer Zeit, als europäische Reisende noch kaum die Grenzen des vom Islam beherrschten Centralafrika überschritten hatten und die heidnischen Negerländer im Süden derselben erst Nebelflecken gleich am weithin schwindenden Horizont unserer

SoHWBnrriTBTH. II. 1

2 Dreizehntes Kapitel.

geographischen Erkenntniss aufzudämmern begannen, da war bereits zu uns die Kunde von der Existenz eines Volkes ge- langt, an dessen Namen die mohammedanischen Bewohner des Sudan alle Vorstellungen von Wildheit zu knüpfen pflegten, deren ihre reiche Einbildungskraft fähig erschien. Bilden heutzutage im gesitteten Europa Fragen einen Gegenstand der täglichen Unterhaltung, welche den vom AflFen abzu- leitenden Ursprung des Menschen behandeln, so galten im Sudan schon damals die Niamniam, ausgestattet mit den unvermeidlichen Attributen des Urmenschen, als Gemein- plätze aller darauf bezüglichen Ideen, ein Volk, dessen Dasein, hervorgerufen aus nächtlicher Begattung von Hexen und Waldkobolden, sich im sagenhaften Dunkel der Urwälder verloren hätte, wäre demselben nicht in Alexander Dumas' an höherm Blödsinn reichen Schrift „L'homme ä queue" noch zur rechten Zeit ein kleines Denkmal errichtet worden. Den Schleier, welchen ein märchenhafter Zauber über dieses Volk ausgebreitet, gelüftet zu haben, war das Verdienst meines Vorgängers Piaggia, jenes schlichten, aber unerschrockenen Italieners, welcher den Muth gehabt hatte, ein volles Jahr allein unter den Niamniam auszuharren, um uns den ersten Einblick in ihre Sitten zu eröfl'nen. *) Bald nach ihm. führte auch mich ein gütiger Stern in die Mitte dieser „Menschen- . fresser", und indem ich so den Uebergang aus dem Zeitalter der Sage in das der positiven Erkenntniss bewerkstelligte, fand ich, dass die Niamniam, abgesehen von einigen Privi- legien, welche unserm Geschlecht eigen sind, so lange es noch unbewusst an den Brüsten seiner grossen Mutter Natur zu hangen hat, Menschen seien wie wir alle, und in gleichem Grade ergeben den Gefühlen des Schmerzes und der Freude. Mit ihnen habe ich manchen Spass gehabt und mich oft an

*) Der Marquis 0. Antinori hat nach mündlichen Berichten des Reisenden alles Wissenswerthe über Piaggia's Erlebnisse und Wahr- nehmungen im Lande der Niamniam aufs gewissenhafteste zusammen- gestellt tm „Bolletino della Soc. geogr. Italiana*' (18G8), p. 91 108.

Bedeutung des Namens Niamniam. 3

ihren kindlichen Spielen erfreut, unter den Schlägen der Kriegspauke so gut wie unter den anspruchslosen Klängen ihrer Mandoline.

Der Name Niamniam ist der Sprache der Dinka ent- lehnt und bedeutet „Fresser, Vielfresser", auf den Kannibalis- mus dieses Volkes anspielend. Dieser Name hat sich im Arabischen des gesammten Sudan bereits in so hohem Grade eingebürgert, dass es nicht rathsam erscheint, ihn durch denjenigen zu substituiren, welchen sich das Volk selbst er- theilt; letzterer lautet „Sandeh". Da die Mohammedaner des Sudan an den Namen Niamniam (Plural Niamäniam) hauptsächlich die Vorstellung des Menschenfressens zu knüpfen pflegen, so findet sich bei ihnen derselbe auch zuweilen für andere Völker in Gebrauch, welche mit den eigentlichen Niamniam, den Sandeh, nichts gemein haben, ausser den Kannibalismus. Verschiedene Bezeichnungen für dieses Volk haben die Nachbarn. Die im Norden sind die Bongo, welche die Niamniam bald Mundo, bald Manjanja nennen; hinter ihnen lagern Djur und Dinka, welche den Niamniam den Namen 0-Madjäka ertheilen. Die östlichen Nachbar- völker der Niamniam, die Mittu, geben ihnen die Bezeich- nung „Makkarakkä oder Kakkarakä", bei den Gölo heissen die Niamniam Künda, die Monbuttu schliesslich nennen sie Babüngera. Die grösste Masse des Niamniamlandes fällt zwischen den 4. und 6. Grad nördl. Br., in seiner ganzen von Ost nach West gerichteten Mittellinie mit der Wasser- scheide zwischen Nil- und Tsadbecken zusammenfallend. Auf

meinen Wanderungen habe ich nun zwar ausschliesslich den östlichen Flügel dieses Landes durchzogen, welcher nach Osten zu vom obersten Laufe des Tondjiflusses begrenzt er- scheint; soweit die eingezogenen Nachrichten indess reichen, sind mir allein 35 selbständige Häuptlinge bekannt, welche gegenwärtig den von chartumer Handelscompagnien durch- zogenen Theil des Niamniamgebiets beherrschen. Ueber die Ausdehnung zur Westgrenze hin vermochte ich keine

4 Dreizehntes Kapitel.

bestimmten Angaben zu erzielen, soweit aber das. Land den Nubiern bekannt zu sein sclieint, muss es zwischen fünf und sechs Grade in seiner Längenausdehnung umfassen, einem Flächenraume von allein 48000 Quadratmeilen entsprechend. Die Einwohnerzahl in diesem bekanntern Theile des Niam- niamlandes muss mindestens 2 Millionen betragen, eine Schätzung, welche ich sowol auf die den Häuptlingen auf der bereisten Strecke zur Verfügung stehende Zahl waffen- fähiger Mannschaft, als auch auf die übereinstimmenden Be- richte von der Macht derselben in den westlichen Territorien zu stützen Gelegenheit fand.

Wer sich zum ersten mal von einer Anzahl echter un- verfälschter Niamniam umgeben sieht, wird gestehen müssen, dass im Vergleich zur fremdartigen Wildheit ihrer äussern Erscheinung alles gleichgültig und langweilig erscheint, was ihm bis dato an Völkerstämmen in Afrika unter die Augen gekommen. Angesichts des bunten Völkergemisches, welches im Gegensatze zur sonstigen Monotonie der gesammten Natur- beschaflfenheit das Gebiet des Gazellenstroms auszeichnet, wird der Reisende vor allem an dem Anblicke der Niamniam mit ganz besonderm Staunen haften. Ihre Stammesmerk- male unterscheiden sie von ganzen Reihen afrikanischer Völ- ker aufs leichteste. In jeder Beziehung ein Volk von scharf ausgeprägter Eigenartigkeit, wird er im Stande sein, den Niamniam selbst aus weiter Entfernung sofort unter Hun- derten herauszuerkennen. Ein Beispiel gebe hiervon Zeug- niss. Als ich eines Tages damit beschäftigt war, an einem Trupp von Bongoträgern meine Körpermessungen vorzuneh- men, stiess ich, beim Anführer der Bande angelangt, auf die charakteristischen Merkmale des Niamniamtypus. „Wie kamst du dazu, dich einen «Njere» (Districtschef) der Bongo zu nennen, wenn deine Schädelform dich zum Niamniam stempelt?" fragte ich ihn, und zum Erstaunen der Anwesen- den erwiderte dieser: „Zwar bin ich von Niamniamältern geboren, doch als Kind bereits kam ich ins Land der Bongo.^^

Scharf auscprgägto Kigonartigkeit düs Volks. 5

Man wird nach dem Gesagten leicht begreifen, wie auf- fallend die rasselichen Merkmale des Niamniamvolkes sein müssen, wenn mau mit derartiger Gewissheit nach ihnen die Diagnose eines Negers zu stellen vermag, welche in der Hegel allein in der Tracht und den äussern Zierathen sichere An- haltspunkte aufzuweisen hat.

Fassen wir nun alle Merkmale ihrer äussern Jirschei- nung, physiognomische sowol wie osteologische, zusammen, dazu die in Tracht und Kleidung dargebotenen Stammes- eigenthümlichkeiten, so erhalten wir folgendes Bild: Lange Haarflechten und Zöpfe, stets das feingekräuselte Haar der sogenannten echten Negerrasse, welche weit über die Schul- tern und bis zum Nabel herabhängen können, bedecken den runden breiten Kopf, dessen Proportionen sich auf den un- tern Stufen der Brachycephalie bewegen; eine beispiellose Grösse und OlBFenheit der mandelförmig geschnittenen, etwas schräggestellten Augen, welche, von dicken, scharf abgezir- kelten Brauen beschattet, in ihrem weiten Abstände von- einander eine ebenso ausserordentliche Schädelbreite ver- rathen, ertheilt dem Gesichtsausdruck ein unbeschreibliches Gemisch von thierischer Wildheit, kriegerischer Entschlossen- heit und dann wieder Zutrauen erweckender Ofl'enheit; dazu die wie nach einem Modell geformte Nase, welche von gleicher Breite und Länge eine geringere Höhe darthut, schliesslich der zwar von sehr breiten Lippen berandete, aber selten die Nasenbreito überragende Mund, ein rundes Kinn und wohl- abgerundete , wohlausgepolsterte Wangen vervollständigen die rundliche Gestalt des Gesichtsumrisses; ein untersetzter, zur J'ettbildung geneigter Körper ohne scharf ausgeprägte Muskulatur, der die durchschnittliche Höhe mittelgrosser Europäer nur selten übersteigt (1,8 Meter war die grösste gemessene Körperhöhe der Niamniam), verbunden mit einem unverliältnissmässigen üeberwiegen der Länge des Ober- körpers, welche allen ihren Bewegungen einen durchaus fremd- artigen Charakter ertheilt, ohne sie indess an der bei ihren

6 Dreizehntes Kapitel.

WafTeiitäiizen entwickelten SprunggewancltLeit zu hindern. Von geringerer Bedeutung erschien die Hautfarbe, welche, im allgemeinen derjenigen der Bongo entsprechend, am besten mit dem matten Glanz der Tafelchocolade verglichen werden kann. Unter den Frauen fanden sich die ins Kupfer- rothe spielenden Nuancen noch häufiger als bei den Bongo. Die Grundfarbe ist dieselbe: ein erdiges Roth, im Gegen- satze zum Bronze der äthiopischen (kuschitischen) Völker Nubiens. Als Stammesmerkmal haben alle Sandeh drei oder >ier mit Punkten ausgefüllte, Schröpfnarben ähnliche Qua- drate auf Stirn, Schläfen und Wangen tätowirt, ferner stets, gleich der Cartouche einer Mumie, eine x-förmige Figur _.^'^'^'\^v^-^^. .r<yj£rccy^:,^^^ unter der Brusthöhle von

\ 'g^'^'^^^^M^j ^ti ' f,^':/^ - ''y jf beistehender Gestalt. Ausser-

"^.X^wv I ^ %^/'/' ^®"^ tragen sie noch als in-

^'^f^x \ / f^VS,^"^ dividuelle Erkennungsmerk-*

/jT "^ ^^S S"^^ \ \ male mancherlei Muster in

<>f:X^;;>''''^C:C:;i^^^^ Gestalt von strichen, Punkt-

Tätowirung der Sandeh unter der Brust- rcihenundZickzacklinicn auf

Oberarm und Brust tätowirt. Verunstaltungen am Körper werden weder vom weiblichen, noch vom männlichen Geschlechte vorgenommen, ausgenommen etwa das sich auch bei andern Völkern Centralafrikas wieder- holende Spitzfeilen der Schneidezähne, was zum Zweck hat, in Einzelkämpfen und beim Hingen wirksam in die Arme des Gegners eingreifen zu können. Ihre gewöhnliche Klei- dung (nur ausnahmsweise ein Stück des in diesem Lande seltenen ßindenzeuges der Urostigma) besteht in Fellen, welche, im Gürtel hängend, malerisch um die Hüften drapirt sind. Es sind meist schöne bunte Felle, welche hierbei Verwendung finden, am häufigsten die von Genetten und Colobus, und der lange schwarze Schwanz des Quereza hängt auch gewöhnlich an der entsprechenden Körperstelle. Nur Häuptlinge und solche von fürstlichem Geblüt beanspruchen das Recht, auch das Haupt mit einem Felle zu bedecken, zu

TätowiruDg und Kleidanß. 7

welchem Zwecke in der Regel das des Scrvul zu dienen pHegt. TAn grösseres Fell von Antilopenhaut wird während der Regen- zeit getragen, um in den Morgenstunden durch die thau- triefenden Steppen zu streifen. Um den Hals gehängt, reicht es einer Schürze gleich bis über die Knie und schützt den Körper vor der empfindlichen Kühle und Nasse des Hoch- grases. Einen prachtvollen Schmuck bietet im Verein mit

solchem Nutzen vor allem das Fell des geschirrten Busclibocks (A. Scripta) mit seinen bleudend weissen Streifen und Strichen auf ledergelbem Grunde. Die Söhne eines Häuptlings tragen ihre Kleidung stets auf der einen Seite hoch aufgeschürzt, sodass das eine Bein ganz cntblösst wird. Auf den Haar- putz verwenden die Kiamniam, und unter ihnen vorzugsweise die Männer (denn das weihliche Geschlecht sieht sich nach der Anschauungsweise der Naturvölker durch Betrachtung

g Dreizehntes Kapitel.

der dasselbe im Thierreiche auszeichnenden Einfachheit und Schmucklosigkeit zu einer bescheidenen Anspruchslosigkeit aufgefordert), alle erdenkliche Sorgfalt, und es wäre schwierig, eine neue Form ausfindig zu machen, das Haiir in Flechten zu legen und diese zu Zöpfen und Knäuel aufzuhäufen oder wieder in Toupets aufzulösen, welche nicht bereits von ihnen ersonnen worden wäre. In der Regel ist die Anordnung der Frisur eine derartige, dass der Scheitel in der Mitte das Haupthaar in zwei gleiche Hälften theilt. Ueber der Stirn nimmt von einem dreieckigen Felde ein feines Zöpfchen sei- nen Ursprung, welches, in die Furche des Scheitels gelegt, nach hinten zum Hinterkopfe zurückgeschlagen ist. Rechts und links gruppiren sich nun radial eine Anzahl von Haar- wülsten, gleich den Rippen einer Melone gerundet. Die ein- zelnen Wülste sind an den Schläfen zu Knäueln drapirt und geknotet, von denen aus wiederum kleine lange Zöpfchen, geflochten gleich Schnüren, büschelweise rings um den Nacken hängen. Zwei bis drei der längsten Flechten hängen vorn über die Schulter frei zur Brust herab. Im allgemeinen ist auch bei den Weibern eine gleiche Anordnung des Haars zu beobachten, indess vermisst man an ihnen meist die auf- fallende Länge der Zöpfe und Flechten. Die abenteuerlichste Haartracht, welche mir vorgekommen, nahm ich an Männern wahr, welche aus dem Gebiete des Kifa zu mir gekommen waren. Beistehendes Porträt vergegenwärtigt dieselbe. Aus der Beschreibung der ersten Reise Livingstonc's wird dem Leser ein ganz ähnlicher Haarputz erinnerlich sein, welchen derselbe bei den Ba-Londa*), dem Volke von Louda am Zambese, vorfand. Wie aus einer Betrachtung des Bildes hervorgeht, ist der Kopf des Mannes von einem strahlenartigen Gebilde, gleich der Glorie eines Heiligenbildes, umgeben. Die- ser Strahlenkranz ist aus des Mannes eigenem Haar herge-

*) Die Ba-Londa erinnern in ihrer Haartracht auch hinsichtlich der radialen Anordnung ihrer Haarflechten in hohem Grade an die Niamniam.

Mannichfaltigkcit der Hiiarfrisuren. 9

stellt, indem feine Flechten von der ganzen Seitenperipherie des Hauptes ihren Ursprung nehmen und an einem Reifen, der wiederum mit Kaurimuscheln geziert ist, befestigt aus- gespannt wurden. Dieser Reif wird durch vier Drähte an dem untern Rande des Hutes befestigt. Beim Schlafengehen werden die Drahtstäbe herausgezogen, und der ganze Strahlen- kranz lässt sich zurückschlagen. Jedenfalls erfordert eine derartig kunstvolle Frisur grosse Schonung und wahrschein- lich viele Stunden mühsamer Arbeit, um sie herzustellen.

Nur die Männer tragen eine Kopfbedeckung. Vermittels grosser Haarnadeln von Elfenbein, Kupfer und Eisen, welche an ihrem Kopfende in zierliche Figuren, Halbmonde, Neptuns- gabeln, Knöpfe u. s. w. auslaufen, wird ein cylindrischer, an der Sjiitze vierkantiger Strohhut ohne Schirm auf dem Scheitel befestigt, den stets ein lang herabÜatternder Federbusch ziert. Die beliebtesten Zierathen, die am Körper getragen werden, bestehen aus Thier- und Menschenzähnen. Ein sehr wertli- voller Schmuck wird aus den Reisszähnen des Hundes her- gestellt, welche man auf eine Schnur gereiht über die Stirn längs der Grenze des Haarwuchses befestigt. Von verschie- denen Nagethieren erhält man einen Zahnschmuck, der feinen Korallenschnüren gleicht. Sehr häufig und von prachtvollstem Effect indess sind die von Elfenbein imitirten Reisszähne des Löwen, welche aufgereiht einen vom dunkeln Grunde der Haut grell abstechenden, blendend weissen Strahlenkranz über die ganze Brust werfen; ein soliderer Schmuck als die Spitzenkragen der Ritterzeit, und recht entsprechend dem Chai-akter eines kriegerischen Jägervolkes. In weit geringerm Grade, als bei den übrigen Völkern des Gebiets, sind Glas- perlen geschätzt. Nur die auf dem chartumer Markte „Mandjur" genannte lasurblaue Art erfreut sich einiger Po- pularität bei den Niamniam. Kaurimuscheln dienen häufiger zu Gürtel- und Kopfputzverzierung.

Die Hauptwaffen der Niamniam sind Lanze und Trum- basch; dies ist der in Sennaar für eine der vielen Wurfwaffen

DnjiEchnteB Kajiitel.

Waffen der NiBiniiiaDi.

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der Negervölker gebräuchlicho Ausdruck, den ins Arabisch des Sudan adoptirt Iiah Eigentlich gilt der Name nur für das flache echueidige Wurf holz, eine Art Bumarong, mit welchem daselbst

wildes Geflügel, Hasen und andere kleine Vierfüssler erlegt werden; die Wurfwaffe von Eisen licisst daselbst „Kulbeda". DerNiamniamtrumbasch*)bestehtaus einem mehrschenkeligen,

•) Auf der beigegebenen Tafel, auf welcher die Waffen der Niam- Diam zuBamineDgestellt sind, sieht mau fünf vcracbicdene Formen •olcher WurfeiseD.

12 Dreizehntes Kapitel.

mit spitzen Zacken versehenen, an den Rändern geschärften Eisen. Aehnlicho Wurfeisen finden sich bei den Völkern des Tsadbeckens wieder; namentlich bei den Marghis und Musgu ist eine im Princip dem Niamniamtumbasch gleichgestaltete WafiFe, der „Changer-manger", in Gebrauch. Dieses Wurfeisen wird stets an der Innenseite der aus spanischem Rohr ge- flochtenen Schilde befestigt. Letztere sind von länglicher Ovalform und decken zwei Drittel der Körperlänge. Das stets mit hübschen Mustern*) schwarzweiss gezierte Geflecht ist von derartiger Leichtigkeit, dass es den Kämpfenden nicht im geringsten in seinen wilden Sprüngen und Sätzen hemmt. Während des Sprunges selbst ist ein gewandter Niamniani im Stande, seine Extremitäten momentan den dahersausenden Waffen zu entziehen. Bogen und Pfeile, welche den Bongo und Mittu eine gewisse kriegerische Ueberlegenheit über ihre Nachbarn verleihen, sind bei den Niamniam nicht allgemein in Gebrauch, wohl aber verschiedene grosse Messer mit sichel- artiger KKnge, und säbelförmige Gebilde von fremdartiger Gestalt. Einen Theil dieser Wafl'en erhalten sie von den ihnen in der Schmiedekunsl überlegenen Monbuttu, denen sie ihrerseits wieder eine gewisse Gattung schwerer Lanzen zur Büfl*el- und Elefantenjagd im Tausche darzubieten pflegen. Vergegenwärtigen wir uns indess noch einmal die äussere Erscheinung des Niamniam, wie er im seltsamen WaflFen- schmuck, die Lanze in der einen, das mit dem Kreuze ge- zierte Schild und die Zickzackwafl*e in der andern, den Dolch im Gürtel, um die Hüften mit langschwänzigen Fellen ge- schürzt und mit den Trophäen, die er seiner Jagd- und Kriegsbeute entnommen, den aufgereihten Zähnen der Er- schlagenen geziert auf Brust und Stirn, in herausfordernder Stellung dem Fremden entgegentritt, die langen Haarflechten ihm wild um Hals und Schultern fallen, wie er mit weit-

*) Die Form des Kreuzes ist bei diesen Verzierungen, wie bei solchen, die an den Häusern angebracht werden, besonders beliebt.

IL JDHaS NIAMSIAU IN EKIBOHROüTE'KO. 9. 13.

Chevalereske Haltung der Krieger. 13

aufgerissenen Augen die dicken Brauen furcht, im Munde die blendende Reihe spitzer Krokodilzähne hervorleuchten lässt so haben wir in seinem ganzen Wesen alle Attribute einer ungefesselten Wildheit, so recht entsprechend den Vorstellun- gen, welche unsere kühnste Phantasie an die Person eines echten Sohnes afrikanischer Wildnisse zu knüpfen vermag, und wir begreifen leicht den tiefen Eindruck, welchen jede Begegnung mit den Niamniam auf das phantastische Gemüth der sudanischen Araber hervorzurufen nicht verfehlte. Ich habe wilde Bischarin und andere Beduinen der nubischen Wüsten gesehen, habe den stolzen Kriegsschmuck der Abys- sinier bewundert und meine Blicke an den aalglatten Qe- stalten berittener Baggära- Araber geweidet, nirgends aber kam mir ein Volk in Afrika unter die Augen, welches in allen Stellungen, im Gange wie in der ganzen Körperhaltung, in so hohem Grade seine Vertrautheit mit Krieg und Jagd verrathen hätte, w^ie diese Niamniam. Allen fehlte der thea- tralische Aplomb, den man von ihren Bewegungen zu er- warten sich berechtigt glaubte, nur die Niamniam machten Posen !

Es ist schwer bei der Charakterisirung eines Volkes wie die Niamniam, zu entscheiden, ob man es hier mit einem Jägervolke oder mit Ackerbauern zu thun habe, denn beide Beschäftigungen gehen hier Hand in Hand, indem sie sich nach den Geschlechtern theilen. Die Männer sind Jäger von Profession, der Ackerbau wird allein von den Frauen besorgt Ausser den gelegentlich auf seinen täglichen Streif- zügen durch die Wälder aufgegriffenen Baumfrüchten, Wur- zeln und Pilzen liefert der Mann nur das erbeutete Wildpret zum Unterhalte seiner Familie. Im Vergleiche zum Areal des Ackerlandes bei den Bongo, und unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl, welche im Gebiete der Niamniam durch- weg weit höhere Ziffern auf die Quadratmeile ergibt, ist dio Bodenbestellung des letztgenannten Volkes eine entschieden geringere, und bei der grössern Fruchtbarkeit des Bodens,

14 Dreizehntes Kapitel.

welche in vielen Districten eine unerschöpfliche genannt werden kann, ist die Arbeit selbst eine unbedeutende. Dazu bietet das Land an spontanen Hülfsniitteln zum Unterhalte des Menschen, namentlich was animalische und vegetabilische Fette anlangt, eine grosse Menge. Eine bei den bisher be- sprochenen Völkern nur schwach vertretene Getreideart, die Eleusine-coracana, bildet hier den Hauptgegenstand der Cultur, während Sorghum in den meisten Gegenden des Niamniamgebiets gänzlich zu fehlen scheint, auch Mais nur in geringem Umfange angebaut zu werden pflegt.

Wie in Abyssinien *), wo man ihr Product Tocusso nennt, liefert auch hier die Eleusine ein wohlschmeckendes Bier, auf dessen Bereitung die Eingeborenen viel Fleiss und Mühe verwenden. Im mohammedanischen Sudan bereitet man aus gegorenem Sorghummehlteig auf kaltem Wege die vielge- rühmte Merissa, auf warmem Wege und mit grösserer Mühe den Bilbil der Tokarir; beide Getränke sind jedoch nach unsern BegriflFen nicht viel besser als gesäuerter Kleister, und selbst die Busa der Aegypter ist nur ein solcher von Weizenmehl; das aus Eleusine hergestellte Getränk verdient aber in der That, und beansprucht vermöge seiner Bereitungs- art, ein Bier genannt zu werden. Es ist völlig klar, von rothbrauner Farbe, wird aus regelrecht gemalztem Korn ge- braut und hat auch ohne anderweitige Zuthat eine ange- nehme Bitterkeit aufzuweisen, welche demselben die dunkle Schale des Korns ertheilt, welche allerdings dem Brei und der aus demselben bereiteten Polenta einen sehr widerwär- tigen Beigeschmack gibt. In wie hohem Grade die Niam- niam dem Biergenusse ergeben sind, geht aus der Art, wie sie ihre Kornvorräthe aufspeichern, zur Genüge hervor. Auf

*) Die Bierbereitung aus gemalztem Elevreinekorn ist in vielen heidnischen Negerländern gebräuchlich; so verwenden z. B. die Ma- kalaka in Südafrika, ein Stamm der grossen Banturassc, ganz besondere Sorgfalt darauf.

Du beste Bier in Afrika.

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jedes Wohnhaus kommen nämlich in der Regel drei Korn- speicher, und von diesen enthalten nur zwei das zur Mehl- kost erforderliche Korn, der dritte aber ist auBschliesslich mit solchem in gemalztem Zustande angefüllt.

Mit geringer Mühe werden Manioc, süsse Bataten, Jams und Colocasien gehaut; alle von vorzüglicher Qualität. Ba- nanen, hei den östlichen Niamniam nar in geringem Umfange angepflanzt, werden unter den bereisten Längegradeo erst

mit dem 4. Grade nördl. Br. die Basis der menschlichen Kahrung. Zuckerrohr und Oelpalmen fehlen dem Östlichen Flügel des Niamniamlandes vollständig, sollen aber in den Kifa'schen Territorien ebenso häufig sein, wie bei den Mon- bnttu.

Taback ist überall bei den Niamniam im Gebrauch, und de sind unter allen Völkern des Bachr-el-Ghasal-Gebiets und der anstoBsenden Gegenden das einzige, dessen Sprache ein eigenes Wort für diese Culturpflanze hat; Gnndeh nennen

16 Dreizebntea Kapitel

sie die Nicotiana tabacum, wahrend die andere Art, N. ru- stica, die wiederum m den Sprachen der Nachbarvölker eine eigene Benennung hat, was auf die Indigenität dieses Ge- wächses in Centralafnka hinzuweisen scheint, im Niamniam- lande völlig unbekannt ist Die Niamniam rauchen den

Taback aus kurzen Thonpfeifen von eigenthümlicher Gestalt, ohne Rohr; das Kauen desselben ist bei ihnen, wie bei allen NegervÖIkem, die noch vom Islam unberührt geblieben sind, nicht in Gebrauch

Vieh jeder Art fehlt dem Lande, die einzigen Haus- tliiere, deren Zucht sich the Niamniam angelegen sein lassen, sind Hühner und Hunde Letztere gehören einer kleinen,

Niamniamhund. 1 7

dem Spitz nahe stehenden, aber kurz- und glatthaarigen Rasse an, mit grossen, stets aufgerichteten Ohren und kurzem, dür- rem, nach Art eines Ferkelchens stets aufgerolltem Schwanz. Die Farbe ist immer ein helles Ledergelb, auf dem Nacken ist eine weisse Binde befindlich. Die sehr spitze Schnauze ist plötzlich vom gewölbten Kopfe abgesetzt. Die Beine, ziemlich hoch und gerade, beweisen, dass diese Rasse nichts mit dem Dachshunde auf altägyptischen Tempelbildern zu thun hat, dessen afrikanische Herkunft bisher noch nicht nachgewiesen werden konnte. Auch ihnen fehlt, wie bei allen Hunderassen des Nilgebiets, die Afterklaue an den Hinter- füssen. Den Hunden hängt man aus Holz geschnittene Glocken um den Hals, angeblich zu dem Zwecke, damit sie sich nicht im Grase der Steppe verlaufen. Die Thiere sind, wie ihre Herren, ausserordentlich zur Fettbildung geneigt, was von letztern auch ganz besonders beabsichtigt wird, da Hunde- fleisch einen ihrer vorzüglichsten Leckerbissen ausmacht. Ziegen und Kühe sincl den Niamniam meist nur vom Hören- sagen bekannt, zuweilen erbeuten sie solche auf ihren llaubzügen gegen ihre östlichen Nachbarn, die Babuckür, Mitta u. s. w.

Für das Schaf fehlt es ihrer Sprache an einer eigenen Benennung, ebenso für Esel, Pferde und Kamele, die schon mehr zu den sagenhaften Thieren ihrer Vorstellung gehören. Im allgemeinen sind die Niamniam, obgleich sie einige recht sorgfältig zubereitete Speisen zu machen wissen, in der Aus- wahl des Essbaren ebenso wenig wählerisch, wie die Völker im nördlichen Theile des Bachr-el-Ghasalgebiets, mit eminenter Ausnahme der Dinka. Das beste und schmackhafteste Ge- richt der Niamniamküche ist der Brei von frischem Mais- korn, welches in noch saftigem, milchendem Zustande auf dem Mahlsleine fein gerieben, von der Kleie gereinigt und dann nach einer ingeniösen Methode gekocht wird, welche das Anbrennen am Boden des Kochtopfs verhindert und die des Mittheilens nicht unwerth erscheint. Man thut etwas Wasser

SoswsniFUKTn. II. 2

18 Dreizehntea Kapitel.

in den Topt und schüttet, sobald dieses nufkocht, den rolicn Brei in Form von kleinen, mit der Hand zusammengeballten Klumpen oder Knödeln hinein, lässt diese, locker aufeinander- geschichtet, einige Zeit durchdämpfen und rührt sie erst nachträglich zusammen. Fletschkost gilt ihnen indess als das höchste aller irdischen Güter, und Fleisch, Fleisch ist das Losungswort, das bei ihren Kriegszügen erschallt. Da nun der Wildreichthum zu gewissen Jahreszeiten und in bestimmten Strichen ein ausserordentlicher ist, kann man sich leicht vorstellen, wie die Sorge um Jagdvorkehrungen aller Art ihr tägliches, nur auf Fleischerwerb gerichtetes Dichten und Trachten zu beherrschen vermag. Nichts kann bezeichnender für die Lebensweise der Völker sein, als die Art, nach welcher in den Sprachen der Bongo und Niamniaiti Essen und Speise im allgemeinen bezeichnet zu werden pflegt. Während die Bongo als Volk von Ackerbauern das Wort „monj" sowol für Sorghum vulgare, die Basis ihres Feld- baues, als auch für Speise, xax' ^^o^'i^'v, gehrauchen und es noch dazu als Zeitwort für „essen" verwenden, entlehnen die Niamniam diesen Ausdruck dem Worte Fleisch, „puschiü", welches auch für W^ild im allgemeinen gilt; die Speise heisst hei ihnen „puschje".

Auf den untersten Stufen des Thier- und Pflanzenreichs erfreut den Erforscher des kleinsten Lebens die elementare Einfachheit aller Verhältnisse, welche uns zum Verständniss tausendfältig complicirter Gebilde geführt hat. Aehnlich verhält es sieb mit dem Studium der Völkerkunde, und eben deshalb gewährt die Betrachtung des Völkerlebens auf der untersten Stufe menschlicher Gesittung dem Keisenden einen so hohen Genuss Hier erst tritt ihm klar und unverhüllt das ewig Uenschliche vor die Augen, und oft gerade anders und nicht da, wie und wo er es erwartet

Der von alters her wohlbegründete Ruf des Kannibalis- mus, den alle Völker, zu welchen die Kunde von der Existenz der Niamniam gedrungen, an ihren Xamen geknüpft haben,

Kannibalismus der Niamniam. 19

wird niemand in Frage stellen wollen, der sich über den Ursprung eines grossen Tkeils meiner Sckädelsammlung unterrichten will. Zwar gibt es Ausnahmen von der Regel, hier wie allerwärts, so erfuhr ich von andern Niamniam- züglern, welche die ehemals Tombo'schen und Basimbeh'schen Territorien im Westen meiner Route besucht hatten, ohne daselbst auf Anzeichen von Kannibalismus gestossen zu sein, und Piaggia, welcher gleichfalls diese Gegenden kennen lernte, war während seines dortigen Aufenthalts nur einmal Zeuge, dass auf einem Kriegszuge das Fleisch der erschlagenen Feinde, doch, wie er angibt, nur aus Hass und wilder Blut- gier, verspeist wurde. Auch kann ich aus eigener Erfahrung Häuptlinge namhaft machen, welche selbst den Genuss von Menschenfleisch verabscheuen, wie Uando z. B., trotzdem uns seine Kriegslust wiederholte Verlegenheiten bereitete; im grossen und ganzen aber darf man getrost die Niamniam als ein Volk von Anthropophagen bezeichnen, und wo sie Anthropophagen sind, sind sie es ganz und ohne Reserve, um jeden Preis und unter jeder Bedingung. Die Anthropo- phagen rühmen sich selbst vor aller Welt ihrer wilden Gier, tragen voll Ostentation die Zähne der von ihnen Verspeisten, auf Schnüre gereiht, wie Glasperlen am Halse und schmücken die ursprünglich nur zum Aufhängen von Jagdtrophäen be- stimmten Pfähle bei den Wohnungen mit Schädeln ihrer Opfer. Am häufigsten und von allgemeinstem Gebrauche wird das Fett von Menschen verwerthet. Dem Genüsse an- sehnlicher Quantitäten schreiben sie allgemein eine berau- schende Wirkung zu; es gelang mir nicht, die Ursache, welche zu dieser sonderbaren Vorstellung Veranlassung gegeben hat, zu erspähen, so oft mir auch von Niamniam selbst die Sache mitgetheilt wurde. Verspeist wurden im Kriege Leute jeden Alters, ja die alten häufiger noch als die jungen, da ihre Hülfslosigkeit sie bei Ueberfällen zur leichtern Beute des Siegers gestaltet. Verspeist femer werden Leute, die eines plötzlichen Todes starben und in dem District, wo sie lebten,

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20 Dreizehntes Kapitel.

vereinzelt und ohne den Anhang einer Familie dastanden; es ist dies jene Kategorie von Menschen, welche bei uns der Anatomie verfallen. Die Nubier wollen sogar Fälle con- statirt haben, in denen Träger von ihren Karavanen, welche, den Strapazen der Reise erliegend, unterwegs verscharrt wurden, aus ihren Gräbern geholt worden sind, und einer meiner Gewährsmänner dieser Angaben, der von Anfang an alle Niamniamexpeditionen der Chartumer mitgemacht, hat, ¥rie ich bereits früher berichtet, einen Theil seiner Aussagen buchstäblich mit seinem Leibe bestätigen müssen. Nach den von Niamniam selbst eingezogenen Nachrichten und Er- ' klärungen verabscheuen diejenigen, welche überhaupt Anthro- pophagen sind, nur dann den Genuss von Menschenfleisch, wenn der Körper einem an ekelhaften Krankheiten Verstor- benen angehörte. Andere wiederum betheuerten, dass bei ihnen zu Hause das Menschenfressen in so hohem Grade Gegenstand des Abscheues sei, dass jedermann sich weigere, mit einem Anthropophagen aus einer Schüssel zu essen. Ueberhaupt sind die Niamniam in dieser Hinsicht nicht selten ziemlich scrupulös. Wenn mehrere zusammen trinken, so sieht man sie den Rand des Krugs nach jedesmaligem Gebrauche abwischen.

In neuerer Zeit, da die Kunde von den centralen Theilen Afrikas sich von Jahr zu Jahr mehr erweitert, haben sich zahlreiche und wohl verbürgte Angaben über den Kannibalismus seiner Bewohner wiederholt, welche den Horror dieses noch ungelösten Räthsels der Völkerpsychologie weder durch die Annahme, als diene der scheussliche Brauch den Zwecken eines heidnischen Cultus, noch durch diejenige, welche den- selben aus Mangel an Fleischkost zu erklären sucht, zu mildem vermögen. Von allen bekannten Völkern Afrikas, deren Kannibalismus notorisch feststeht, sind es die Fan an der äquatorialen Westküste, welche in dieser Hinsicht mit den wilden Begierden der Niamniam am meisten wetteifern. Uebereinstimmende Berichte von Augenzeugen haben con-

Analogie mit den Fans an der Westküste. 21

statirt, dass die Fan sich ihre eigenen Todten gegenseitig zum Verspeisen austauschen, und auch bei ihnen hat man Fälle erlebt, wo bereits verscharrte Cadaver zu demselben Zwecke wieder ausgegraben wurden. Die Fan, welche nach ihren eigenen Aussagen von Nordosten her an die Küsten- striche eingewandert sind, scheinen in mehr als einer Hin- sicht ein den Niamniam stammverwandtes Volk zu sein. Ihre Tracht und die Volkssitten sprechen dafür. Auch sie feilen die Schneidezähne spitz, sie tragen Rindenzeuge, färben sich den Körper mit Rothholz, ihre Häuptlinge bedienen sich des fürstlichen Leopardenfells als Zeichen des Ranges, sie verwenden ebenso viel Mühe und Fleiss auf ihren mit vielen Zöpfen versehenen Haarputz. Die Grundfarbe ihres Körpers ist das nämliche Kaffeebraun. Von ihren Gebräuchen erinnern die beim Erscheinen des ersten Mondviertels üblichen Tanz- feste und nächtlichen Orgien am meisten an die Niamniam- sitten. Dies sind dieselben unsteten Jägervölker, von welchen die alten portugiesischen Schriftsteller unter dem Namen „Jagas" so viel zu berichten wussten, und welche zu Beginn des 1 7. Jahrhunderts das Königreich Loango verheert haben. Dörfer oder gar Städte in unserm Sinne gibt es im Gebiete der Niamniam nirgends. Die Hütten, zu kleinen Weilern gruppirt, finden sich weithin über das Culturland der bewohnten Districte zerstreut. Letztere sind voneinander durch Wildnisse von oft mehrern Meilen im Durchmesser getrennt. Bereits in einem frühern Kapitel haben wir die Einrichtung der Wohnhäuser und Niederlassungen besprochen und auf die verschiedenen Arten des Baustils aufmerksam gemacht. Auch der Wohnsitz oder der Hof eines Fürsten bestellt nur aus einer grössern Anzahl der von ihm und seinen Weibern bewohnten Hütten, welche durch nichts aus- gezeichnet scheinen von den Behausungen der übrigen Sterb- lichen, umgeben von den zu seinem Unterhalte dienenden Feldern. Der Hof eines Niamniamfürsten wird „Mbanga" genannt, die im Umkreis desselben errichteten Hütten seiner

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Dreizehntes Kapitel.

Weiber heissen „Bodimoh"*), der Harem im Sinne des Orients.

Die Bauart der Niamniarahütten entspricht im östlichen Theile des Landes im allgemeinen ganz der vorherrschenden Kegelform in andern Gegenden Centralafrikas , nur ist das Kegeldach von höherer und spitzerer Gestalt, als bei den Hütten derBongo ündDinka, und springt mit horizontal ausgebreitetem Rande am untern Ende etwas weiter über die Thonmauer, der ea zum Schutze gegen den Regen dient, vor. Dieser vorspringende Theil des Dachs wird von Pfosten ge- tragen, welche das Gebäude mit einer Art niederer Ve- randa umgeben. Die zum Feuern und Koclien be- stimmten Hütten haben ein spitzeres Doch, als die zum Schlafen. Eigenthümlich ge- formte kleine Hütten mit glockenförmigem Dach und auf einem Fuss errichtetem, völlig becherrörmigem Unter- bau von Thon, zu welchem nur eine ganz kleine Oeffnung führt, werden eigens für die halbwüchsigen Knaben der Vornehmen errichtet, welclie ab- gesondert von den Erwachsenen und wohlgeschützt gegen den Angriff eines Raubthiers daselbst die Nacht verbringen. Derartige Hütten heissen „Bamoglh". Es geschieht dies aus Gründen der Moral, zur Ueberwachung des Knaben gegen

<iiiip«icliar dgt Niuuuiani.

•) DicB ist zugleich der Name de» I'apynio in der S8ndeh8i)rauhe.

Bsaart der Hütten. Macht der FÜraten. 23

vorzeitiges Eindringen in die Geheimnisse des Geschlechts- lebens.

Die Macht eines souveränen FiirBten, der den Titel „bjiä" (fast wie das französische bien ausgesprochen) führt, beschränkt sich auf den Oberbefehl aller waffenfähigen Männer des Landes, die er beliebig versammelt, auf höchst eigeuhäadige Vollstreckung von Todesurtheilen durch den Strang, auf freie Verfügung über Krieg und Frieden. An Abgaben erbebt er von den Bewohnern seines Gebiets, deren Freizügigkeit nicht selten durch die Feindselig- keiten einander benachbarter Districte und Iiand estheile beschränkt ist, ausser Elfen- bein, welches ihm ausschliess- lich zufällt, nur die Hälfte des Fleisches von der Beute der gemeinschaftlichen Jagd. In den westlichsten Landes- theilen, wo auf Kosten unter- drückter Sklavenstämme, welche keine echten Sandcli sind, der Handel mit Knaben und Mädchen florirt, wird

ein Theil der Abgaben auch in Gestalt einer Art Aushebung eingetrieben. Die Aeltern der eingeforderten Kinder erhalten indesB häufig einen Theil des von den Sklavenhändlern aus Darfur bezahlten Preises. Die übrigen Lebensmittel, Korn und andere Bodenproducte erzielt er selbst von den Feldern, welche seine Sklaven, nicht selten sogar seine Weiber be- stellen, deren er eine grosse Zahl um sich zu scharen pflegt. Ein Haufe Trabanten umgibt stets den Häuptling, und die Mbanga, den Hof erkennt man von weitem an den daselbst an Pfählen und Baumstämmen aufgehängten Schilden, welche,

24 Dreizehntes Kapitel.

malerisch gruppirt und mit dem Leopardenfell gefüttert, von welchem der glänzende Trumbasch sich prächtig abhebt, der Tag und Nacht den höchsten Befehlen harrenden Leibwache angehören. Alles fürstlichen Pomps ermangelnd und selbst jeden fremdartigen Putz und Schmuck hartnäckig ver- schmähend, ist die Autorität eines Häuptlings doch die voll- kommenste bei den Niamniam, und ohne seinen Befehl würde ein Untergebener es sich nie einfallen lassen, auf eigene Hand Krieg zu beginnen oder Frieden zu schliessen.

Die herrische und herausfordernde Haltung beim Gange gibt allein dem Niamniamfürsten einen grossen äusserlichen Aplomb. Viele derselben könnten an würdevollem Benehmen, an majestätischer Haltung und Tournure mit allen Fürsten der Erde wetteifern ; um so unerklärlicher erscheint dagegen das wüthige Gebaren, mit welchem sie Furcht und Schrecken unter ihrer Umgebung zu verbreiten suchen. Von einigen wird behauptet, dass sie an Wuthanfällen leiden, dass sie dieselben sogar absichtlich fingiren, um durch willkürlich aus der. Menge herausgerissene Opfer, denen sie mit eigener Hand die Schlinge um den Hals werfen und ihnen alsdann mit dem hakigen Säbelmesser einen tödlichen Streich in den Nacken versetzen, dem Volke einen Beweis von ihrer Macht über Leben und Tod beizubringen. Ein solcher Grad von afrikanischem „Cäsarenwahn" erinnert lebhaft an die letzten Regierungstage Theodor's von Abyssinien.

Nach dem Tode ist der erstgeborene Sohn der Erbe seiner Macht, die Brüder werden unter dem Titel „Bäki"*) mit einzelnen Districten belehnt, wo sie den Unterbefehl über die waffenfähige Mannschaft führen und- meist einen Theil der Jagdgerechtsame erhalten. Die Souveränetät des Erst- geborenen wird aber oft von den übrigen Brüdern nicht an- erkannt, und während die einen sich um dieselbe streiten, erklären andere sich zu selbständigen Häuptlingen in den

*) Sprich nach französischer Orthographie „bainqui".

Benehmen und Haltung der Fürsten. 25

Districten, wo sie „Bäki" waren. Hieraus erklären sich zur Genüge die unaufliörlichen Streitigkeiten, Ueberfälle und Gewaltthätigkeiten. Von den 35 selbständigen Häuptlingen, welche über ein Gebiet von 48000 Quadratmeilen herrscheu, verdienen nur wenige die Bezeichnung König. Die mächtig- sten sind Kanna und Mofio, und ihre Gebiete kommen einem ganzen Dutzend der übrigen gleich.

Eine auffällige Erscheinung bot bei dem kriegerischen Geiste der Niamniam mir die Sitte, dass ein Häuptling nie selbst in den Kampf zu gehen pflegt, sondern in ängstlicher Erwartung in der Nähe seiner Mbanga ausharrt, um schlimm- stenfalls mit Frauen und Schätzen das Weite zu suchen und sich in unzugänglichen Waldsümpfen, im hohen Grase ab- gelegener Steppen u. dgl. zu verbergen. Nur selten hört man davon reden, dass ein Häuptling selbst seine Leute in den Kampf geführt hätte. Beim Angriff sind die einzelnen Lanzenchargen stets von dem wildesten Kriegsgeschrei be- gleitet; jeder einzelne, so oft er zum Wurfe ausholt, ruft den Namen seines Häuptlings dem Feinde zu. Bei Pausen im Gefechte werden in sicherer Entfernung alle sich dar- bietenden Terrainhöhen, als welche vorzüglich die 10 15 Fuss hohen Termiten häufen benutzt werden, welche aus dem Hoch- grase hervorragen, bestiegen und die feindlichen Parteien rufen sich alsdann stundenlang die lächerlichsten Schimpf- reden und Herausforderungen zu. Als wir an der Südgrenze des Uando'schen Gebiets uns einige Tage in einem Verhau gegen die AngriflFe der Eingeborenen zu vertheidigen hatten, hörte man solche Rufe stündlich. „Alle Türken" (so lassen sich die Nubier in den Negerländern allgemein nennen) schrien sie, „sollen umkommen, keiner soll aus dem Lande hinaus, sie sollen nie wiederkommen, in den Kochtopf mit den Türken! Fleisch! Fleisch!" Und dann wiederholten sie die Versicherung, dass mir selbst kein Leid zugefügt werden solle. „Der weisse Mann", hiess es, „da er zum ersten mal zu uns gekommen, er soll allein abziehen dürfen, ihm thuu

26 Dreizehntes Kapitel.

wir nichts zu Leide!" Ich brauche kaum zu erwähnen, dass ich unter den Verhältnissen, in welchen ich mich gerade be- fand, wenig Neigung verspürte, mich ihrer Grossmuth auf Gnade und Ungnade zu übergeben. Noch will ich der sinnig symbolischen Art und Weise Erwähnung thun, in welcher uns, als wir auf dem Rückwege von Süden her die Grenzen des Uando'schen Gebiets wieder betraten, der Krieg erklärt wurde. Hart am Pfade und jedem so recht in die Augen springend, fanden sich an einem Baumaste drei Gegenstände aufgehängt. Diese waren: ein Maiskolben, eine Hühnerfeder und ein Pfeil. Lebhaft erinnert an die herausfordernde Bot- schaft, welche dem grossen Perserkönige zuging, als er bis zum Herzen des Scythenlandes vorgedrungen war, ward mir bald die Bestätigung in den Erklärungen unserer Führer geboten: „Lasst ihr euch's einfallen, auch nur einen Mais- kolben zu knicken oder ein Huhn zu greifen, so werdet ihr durch diesen Pfeil sterben." Indess waren die Niamniam nicht so .geduldig, das erstere abzuwarten, sondern machten noch am nämlichen Tage einen verrätherischen Ueberfall auf uns.

Zur Jagd bedienen sich die Niamniam in der Regel der- selben Vorrichtungen, Fallen, Gruben und Schlingen, welche das Einfangen des Wildes erleichtern, die wir bei den Bongo kennen gelernt haben, nur die Treibjagd auf grosse Thiere wird von ihnen systematischer und im grössern Massstab betrieben. Bei jeder Weilergruppe, namentlich bei den Mbanga der Districts- und Ortschefs, die man „Bor- rumbänga" nennt, d. h. Herren de^ Hofs, befindet sich eine sehr grosse Holzpauke, welche aus einem hohlen Baumstamme mit vier Füssen besteht. In kunstvoller Weise ausgehöhlt, zeigt ein solches Instrument nur auf der Oberseite einen langen schmalen Spalt, die Aushöhlung ist in der Art an- gebracht, dass die beiden Hälften ungleich dicke Wände darstellen, sodass sie beim Anschlagen zwei Töne von sich geben. Mit diesen zwei Tönen werden, je nachdem man sie

Rücksichtslose Vertilgung der Elefanten. 27

wiederholt oder in welchem Takt man sie wechseln lässt, dreierlei Signale gegeben; 1) zum Kriege, 2) zur Jagd, 3) zur Festversammlung. Von den Mbänga des Häuptlings aus- gehend, werden in wenigen Augenblicken die Signale auf allen Pauken eines Districts wiederholt und in kürzester Frist Tausende bewaffneter Männer zusammengeschart. Das ge- schieht vor allem, wenn sich Elefanten gezeigt haben, zu deren Vernichtung die dichtesten und vom stärksten Graswuchse erfüllten Steppen eigens geschont und vor dem Steppen- brande in Acht genommen zu werden pflegen. Dahinein nun treibt man die Thiere, umstellt den ganzen Bezirk mit Leuten, welche Feuerbrände bei sich führen, und der Brand beginnt von allen Seiten, bis die Elefanten, theils betäubt vom Rauche, theils durch Feuer selbst lahm gelegt, eine wehrlose Beute des Menschen werden und ihnen durch Lanzenwurfe der Rest gegeben wird. Da bei solchem Vernichtungskampfe nicht nur die mit grossen, werthvoUen Stosszähnen bewehrten Männchen, sondern auch ihre Weibchen und Jungeii schmäh- lich zu Grunde gehen, kann man leicht begreifen, in wie hohem Grade die Ausrottung dieses edeln Thiers, das sich der Mensch nutzbar machen könnte, zumal in einem Lande, wo es an Lastthieren und andern Gommunicationsmitteln gänzlich fehlt, von Jahr zu Jahr vorschreiten muss. Die Häuptlinge, deren Gewinnsucht durch die mit Kupfer zum Einkaufen des Elfen- beins beladenen Züge der Nubier, dem einzigen Werthe, welches ausser Eisen die Niamniam zu schätzen wissen, er- regt wird, verdoppeln ihre Anstrengungen bei der Elefanten- jagd, während ihre Untergebenen, lüstern nach den grossen Fleischvorräthen, die sie sich bei derartigen Treibjagden leicht erwerben, das Ihrige thun. Oft sah ich Leute, welche ich mit einem grossen Bündel Brennholz beladen ihren Hütten zuschreiten glaubte, sie trugen ihren Antheil am Elefanten- fleisch, welches, in lange Striemen geschnitten und über dem Feuer gedörrt, ganz das Aussehen von Holz und Reisig an- genommen hatte. In mehrern Theilen des Landes, zunächst

28 Dreizehntes Kapitel.

in den der Nordgrenze benachbarten Territorien, wo der Elfenbeinhandel bereits seit 12 13 Jahren florirt, werden bereits Elefanten gar nicht mehr erlegt, und nicht schwer wäre es, in Abständen von fünf zu fünf Jahren die entsprechen- den Zonen quer durch das ganze Gebiet des Gazellenstroms zu zeichnen, innerhalb welcher diese Thiere vor der Masseu- verfolgung theils sich zurückgezogen, theils gänzlich ver- schwunden sind.

Die Uferdickichte dieses Landes wimmeln von wildem Geflügel mannichfaltiger Art, denen die Eingeborenen mit Schlingen nachstellen. Am häufigsten sind Perlhühner und kleine Frankoline. Diese sah ich mit einem sonderbaren Mittel ködern. Man bediente sich dazu nicht ausgestreuter Getreide- körner, sondern kleiner Stückchen einer fleischigen Stapelia, welche an trockenen Stellen der Steppe, am häufigsten um Termitenhügel herum wuchert. Diese kleine Succulentpflanze kann auch von Menschen im rohen Zustande genossen werden , und muss ein beliebtes Futter für die Hühner abgeben. Die Anwendung eines solchen Köders war so allgemein, dass ich die Stapelia, welche auch in Arabien und Nubien wächst, häufig bei den Hütten der «Eingeborenen angepflanzt fand, um zu jeder Zeit einen Vorrath davon zur Hand zu haben. Die Kunstfertigkeit der Niamniam erstreckt sich auf Eisenarbeiten, Töpferei, Holzschnitzerei, Hausbau und Korb- flechterei. Felle verstehen sie ebenso wenig zu gerben, wie die übrigen Völker in diesem Theile von Centralafrika. Ihre irdenen Gefässe sind fast immer von tadelloser Regelmässig- keit der Form; sie stellen Wasserkrüge von enormer Grösse her, formen die zierlichsten Trinkkrüge und verwenden auf die kunstvolle Verzierung ihrer Pfeifen eine erstaunliche Sorgfalt, dagegen verstehen sie es so wenig wie ihre Nach- barn dem Thone durch Auswaschen der Beimengung von Glimmerblättchen und durch Hinzufügen von Sand eine grössere Festigkeit zu geben. Aus dem weichen Holze meh- rerer Rubiaceen schnitzen sie Schemel und Bänke, grosse

Knder tut Wildhuhner. Kunstfertigkeit der Ninmiiiam. 29

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30 Dreizehntes KapiteL

Schüsseln, Näpfe, welche, obgleich stets aus einem Stücke gehauen, in der complicirten BeschafiFenheit ihres Fussgestells eine unendliche Fonnenverschiedenheit an den Tag legen. Ich sah derartige Kunstgebilde, welche ihrem Meister gewiss viel Kopfzerbrechen verursacht haben, bevor er sich über die Symmetrie der einzelnen Theile und über ihre verwickelte Anordnung klar geworden war.

Da Lanzen, Trumbasch und Dolchmesser, welche letztem am Gürtel in einer Lederscheide getragen werden, zur Aus- rüstung eines jeden gehören, beschäftigt die Herstellung dieser Waffen eine grosse Anzahl von Schmieden, die sich bei Vervielfältigung der Formenmannichfaltigkeit gegenseitig den Rang der höchsten Geschicklichkeit abzugewinnen suchen. Die Lanzenspitzen der Niamniam unterscheiden sich von denen der Bongo durch das Vorwalten hastater Formen, wie die Botaniker die folia hastata im Gegensatze zu den folia lan- ceolata zu nennen pflegen. Alle Waffen haben ihr nationales Gepräge, und man kann beim Betrachten eines jeden einzel- nen Stücks mit Sicherheit über ihre Provenienz urtheilen. Alle Lanzen, Messer, Klingen u. s. w. der Niamniam sind durch Blutrinnen gekennzeichnet, welche den entsprechenden Erzeugnissen der Bongo- und Djurschmiede fehlen.

Die Bewillkommnung ist bei den Niamniam an eine völlig stereotype Redensart gebunden. Bei jeder Begegnung auf dem Wege ruft man sich gegenseitig ein „Muijette" zu, im Hause dagegen begrüsst man sich mit dem Worte „Mu- kenöte" oder „Mukinän". Ihr Adieu heisst „Minäpatiröh". Als Versicherung der Freundschaft ruft man in zweifelhaften Fällen: „Bädja, Bädja, Muie", d. h.: „Gut Freund! komm her!" Stets reicht man sich zum Grusse die rechte Hand, und dies geschieht in der Weise, dass man dreimal hintereinander die mittlem zwei Finger der einen mit denen der andern Hand schnalzen lässt. Man winkt sich zu, indem man die Hand von oben nach unten bewegt, wie von Neapel an bis zum äussersten Osten Asiens hin sich alle Völker zuzuwinken

Begrüssungsformeln. Stellung der Weiber. 31

pflegen, nach unsern Begriffen eine abwehrende Bewegung machend. Frauen pflegen von fremden Männern nie begrüsst zu werden; während die Bongofrauen zutraulich sind wie die Männer, die der Monbuttu sogar im höchsten Grade nase- weis, vorlaut und zudringlich-neugierig erscheinen, weicht eine Niamniamfrau, der man auf engem Pfade begegnet, von weitem bereits vom Wege ab und umgeht auf einem Umwege die Stelle, als hätte sie in einem Harem Zucht und feine Sitte, nach den Begrifien des Islam, gelernt. In der That steht dies mit der mehr sklavischen Stellung des Niamniam- weibes, verglichen mit denen vieler anderer Negervölker, im Zusammenböge.

Das Freien um Weiber wird in diesem Lande durch keine Tributforderung erschwert, welche der Vater der Braut nach sonst weit in Afrika verbreiteter Sitte an den Freier zu stellen pflegt. Will jemand heirathen, so wendet er sich in der Kegel an den König oder an einen der Uuterhäupt- linge, welcher ihm alsbald eine Frau nach seinem Geschmack verschafft. So zwanglos diese Sitte auch erscheinen mag, so büsst deshalb die Ehe trotz der unbeschränkten Viel- weiberei, welche hier herrscht, doch nichts von der Strenge und Heiligkeit ihrer Verpflichtungen ein. Untreue wird häufig mit sofortigem Tode bestraft. Es wurde bereits oben auf die auffällige Schüchternheit der Niamniamweiber aufmerk- sam gemacht; für ihre Ehrenhaftigkeit liefert auch schon das im Lande allgemein bestehende Institut liederlicher „Nsangah^^ den besten Beweis. Die letzgenannten rekrutiren sich grossentheils aus kinderlos gebliebenen Frauen, die von ihren Männern weggejagt wurden. Kindersegen ist bei den Niamniam das beste Siegel unverbrüchlicher Liebe und An- hänglichkeit, und Mutter vieler Kinder zu sein die grösste Ehre und Auszeichnung. Es ist ein schöner Vorzug der Niamniam, dass sie an ihren Frauen mit grenzenloser Liebe hängen ; in einem spätem Kapitel werde ich einige rührende Beispiele anzuführen Gelegenheit haben, die hiervon Kunde

32 Dreizehntes Kapitel.

geben. Besondere Festlichkeiten beim Eingehen einer Ehe fehlen; erwähnt zu werden verdient nur der Brautzug, eine Art Procession, welche unter Anführung des Häuptlings und von Musikern und Spassmachern und Sängern geleitet, die Braut in das Haus ihres künftigen Herrn einführt, eine Sitte, welche bei den Kaflfern mit vielen Förmlichkeiten ver- knüpft ist. Dann gibt es zur Hochzeit auch noch einen ge- meinschaftlichen Schmaus; für gewöhnlich pflegen nämlich die Frauen allein für sich in ihren Hütten zu speisen. Die Hauptbeschäftigung des Niamniamweibes besteht ausser der ihr zufallenden Pflege des Ackers, von Kinderpflege ist unter diesem glücklichen Himmel wenig die Red^, in der Zubereitung der Speisen, im Bemalen und Frisiren des Man- nes. Säuglinge werden allerorten in schärpenartigen Binden von ihren Müttern mitgetragen.

Ein Lieblingsspiel aller Niamniam ist von erstaunlicher Verbreitung in. Afrika. Noch heutigentags kennen jes die mohammedanischen Nubier, welche doch bis vor den letzten Decennien keinen Verkehr mit den heidnischen Negerländem des Südens gepflogen haben. Ein ähnliches Vermächtniss ihrer centralafrikanischen Heimat bildet die Harfenguitarre, deren ich im neunten Kapitel gedacht habe. Das Spiel, welches ich im Sinne habe, wird in Nubien „Mangala" genannt. Es ist unter allen Völkern des Gazellenstromgebiets bekannt, und weiter hinein ins Innere, nicht minder bei den Mon- buttu; bis zur Westküste scheint es sich bei allen Neger- völkem eingebürgert zu haben. Die Peulhs widmen ganze Tage diesem viel Calcul erfordernden Spiel; sie nennen es Uri; auch bei den Fulahs, den Jolofs, den Mandingo am Senegal, und selbst zwischen Tsad und Benuc wurde es noch bei den Kadsche angetroffen. Die Mangala*) ist ein läng-

*) Dieses Wort ist arabisch und wird von nagal, verstellen (trans- portare e loco in locum), abf?eleitet, ebenso wie manfral, der transportable Kochherd der Araber. Eine Abbildung des Spielbrets der Kiamniam

Ein afrikanisches Unterhaltungsspiel. 33

lieber Holzblock, in welchem zwei Reihen Gruben ausge- schnitten sind (in Nubien 16, bei den Niamniam 18); jeder Spieler hat etwa zwei Dutzend Steine, welche aus einer Grube in die andere hin- und herverlegt werden. Oft wird in Er- mangelung des Spielbrets auch der blosse Boden genommen, indem man die Löcher in demselben anbringt. An solchen kleinen Dingen lässt sich am besten die grosse Einheit der Mehrzahl aller afrikanischen Völker ermessen.

War vorhin von ihrer Kunstfertigkeit die Rede, so sei in Nachfolgendem der Beweis geboten, dass auch Genüsse idealerer Natur, als Kriegsüberfälle und Elefantenjagd dar- zubieten vermögen, den Niamniam nicht fremd seien. Auch sie haben den lustinct der Kunst. Die Musik erfreut ihr Gemüth, und bei den feinklimpernden Klängen ihres Lieblings- instruments, der Mandoline, mögen auch die feinern Saiten ihres Innern zuweilen in Schwingung gerathen. Wahrhaft erstaunlich ist die Ausdauer, mit welcher sie sich ihren mu- sikalischen Froductionen hinzugeben pflegen. Bereits Piaggia, mein Vorgänger, hat berichtet, dass ein richtiger Niamniam im Stande, Tag und Nacht beim Spiele zu verharren und dabei auf Speise und Trank zu verzichten. Ich glaube kaum, dass er zuviel gesagt habe, so gross auch die sprichwörtliche Gefrässigkeit sein möge, die diesem Volke eigen ist. Das Saiteninstrument der Niamniam ist eigentlich ein Mittelding zwischen Harfe und Mandoline; mit ersterer hat es die in Gestalt von Bogensehnen frei ausgespannten Saiten und ihre verticale Stellung auf die Fläche des Instruments, mit letz- terer die Form des Resonanzbodens, den Hals und die zum Anspannen der Saiten dienenden Schrauben gemein. Der nach allen Regeln der Akustik construirte Resonanzbodeji ist aus Holz geschnitzt und oberseits mit einem Stück Haut überspannt, das zwei Schalllöcher hat. Die Saiten bestehen

findet sich anter Figur 14 der Tafel, welche die Geräthschaften dieses Volkes illostrirt.

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34 Dreizehntes EapiteL

aus feinen Bastfäden und den dicken drahtartigen Haaren des Giraffenschwanzes. Ein murmelndes, näselndes, weiner- liches Recitativ begleitet das ewige Einerlei der Accorde, aus welchem sich kaum eine bestimmte Melodie heraushören lässt. Arm in Arm sah ich nicht selten sich Freunde diesem still- vergnügten Genüsse der Kunst hingeben, unter beständigem Schütteln ihres Kopfes dem Schwirren der Saiten folgend. Auch findet man bei den Niamniam Sänger und Musiker von Profession, welche in abenteuerlichem Federputze und be- hangen mit wunderwirkenden Hölzern und Wurzeln, mit den Emblemen der hohem Magie, wie Klauen von Erdferkeln, Schildkrötenknochen, Adlerschnäbeln, Yogelkrallen, Zähnen u. s. w. dem Fremden entgegentreten, seine Erlebnisse und weiten Wanderungen in schwungvollem Recitativ feiernd, schliesslich seine Freigebigkeit geflissentlich hervorstreichen: „Ringe, Kupfer und Perlen sind mein Lohn!^^ Minnesänger nennt sie die Phantasie Baker's und anderer Reisenden, sie finden sich wieder unter den verschiedensten Verhältnissen in allen Theilen Afrikas, aber richtiger und bezeichnender belegt sie der Araber des Sudan mit dem CoUectivnamen „Haschäsch'S d. h. Spassmacher, „Nsangä^^*) nennen sie ebenso bezeichnend die Niamniam selbst, ihnen die gleichen Namen gebend, wie jenen Frauen, die nie das heilige Feuer der Vesta geschürt und deren Gewerbe sich bei den Niamniam und den übrigen Völkern Afrikas wiederfindet, so gut wie in Paris und London.

Die Niamniam- oder vielmehr die Sandehsprache gehört nebst den übrigen des Bachr-el-Ghasal-Gebiets dem grossen Sprachstamme Afrikas nördlich* vom Aequator an, speciell der nubisch-libyschen Gruppe. Obgleich die Aussprache deut- lich erscheint, ist sie dennoch im Munde ein- und desselben

*) Alle Teufelsbanner und Zauberer werden in Loango „Ganga'^ genannt, eine Bezeichnung, welche mit dem Worte der Sandehsprache eines Ursprungs zu sein scheint.

Sänger der Niamniam. Sandehsprache. 35

Individuums ausserordentlichen Schwankungen innerhalb der Grenzen gewisser Laute unterworfen. Eigenthümliche Nasal- laute, wie ä und ih verleihen ihr einen vom Bongo durch- aus fremdartigen Charakter, desgleichen die aus der Tiefe der Kehle ausgestossenen Laute gewisser Vocale. An gram- matikalischen Formen scheint die Sandehsprache ärmer zu sein, als die der Bongo; es fehlen in ihr solche Formen für die einzelnen Zeiten des Yerbums. Seltsame Häufungen von Consonanten kommen in ihr vor; im allgemeinen ist sie wieder vocalisirter als die Bongosprache. An abstracten BegrifTen ist sie nicht minder arm. Zur Bezeichnung der Gottheit bedienen sich manche Dolmetscher des Wortes „Gumbä", welches zugleich Blitz bedeutet. Nach andern wäre ,3ongmböt- tumü'^ der richtige Ausdruck; ich vermuthe indess, dass dieses Wort nur als Umschreibung des mohammedanischen Begriffs des Propheten, des Gesandten Gottes „Rassül^^ diene, da man einen gewöhnlichen, sehr sterblichen Sendboten gleichfalls mit „Mbottumu" titulirt.

Obgleich die Eingeborenen im Gesammtgebiete des Bachr- el-Ghasal keinerlei eigentlichen Cultus besitzen , so fehlt es in den betreffenden Sprachen doch nicht an Ausdrücken, welche uns ein Aequivalent für das „Beten'S d. h. Ausüben einer religiösen Handlung, bieten, wie sie es bei den Mo- hammedanern wahrnehmen. So nennen die Niamniam das Beten derselben „börre". Dieses „börre" ist indess nur ein Augurium, um sich bei den unsichtbaren Mächten bei wich- tigen Unternehmungen Rath über bevorstehendes Glück oder Unglück zu erholen. Dies geschieht nun vorzugsweise nach folgendem Modus: Aus dem Holze des von ihnen „Dämma" genannten Sarcocephalus Russegeri wird eine Bank mit vier Füssen, ähnlich den kleinen Schemeln, deren sich die Frauen bedienen, jgeschnitzt, die eine platte, ebene Oberfläche dar- bietet. Dann wird von demselben Holze ein Pflock geschnitten, dessen Ende gleichfalls glatt abgestutzt ist. Nun benetzt man die Holzfl'äche mit ein paar Tropfen Wasser und beginnt,

3*

36 Dreizehntes Kapitel.

den Pflock fest in die Faust nehmend, auf dem Brete mit demselben hin- und herzufahren. Rutscht der Pflock leicht hin und her, gleitet derselbe ungestört auf der Holzfläche, so ist Glück für das bevorstehende Unternehmen dem Be- treffenden unzweifelhaft. Es kommt aber zuweilen vor, dass das Hin- und Hergleiten bei diesen der Handhabung einer Hobelbank gleichenden Bewegungen unmöglich wird und beide Hölzer so fest aneinanderhaften, dass, wie die Niam- niam sagen, nicht zwanzig Menschen im Stande sind, den Pflock von der Stelle zu bewegen, dass derselbe wie ange- wachsen erscheint: das gilt dann als Zeichen böser Vorbe- deutung. Dieses Hin- und Herrutschen nennen sie „börru", und da sie diesen Aujsdruck auch auf das Beten der Mo- hammedaner ausdehnen, so zeigen sie damit an, dass es bei ihnen wirklich als eine religiöse Handlung betrachtet wird, ja einzelne gaben sogar auf die Frage, was in der Niam- niamsprache Beten hiesse, geradezu an: „Wir machen nur so", dabei die Bewegung des Hobeins ausführend.

Diesen Gebetsapparat pflegen die Nianmiam sorgfältig vor den Augen der Mohammedaner zu verbergen, auch spielte derselbe eine grosse Rolle zur Zeit unsers Kriegs mit ihnen, als meine eigenen Niamniam unser Schicksal zu befragen sich anschickten, und das Resultat, welches hierbei für meine Person erzielt wurde, trug nicht wenig dazu bei, meine Umgebung mit grossem Zutrauen zu meinem Glücke zu er- füllen. Von noch grösserer Bedeutung ist das so vielen andern Negervölkem geläufige Augurium vermittels eines Huhns. Dieses wird einer Art Gottesurtheil ausgesetzt. Ein Fetischtrank von rothem Holze, „Bengje" genannt, wird dem Huhne beigebracht. Stirbt es, so bedeutet sein Tod unfehl- bares Unglück im Kriege und Lebensgefahr, bleibt es am Leben, so bedeutet es Sieg. In andern Fällen nimmt man einen Hahn, packt denselben beim Halse und duckt seinen Kopf unter Wasser. Nach einiger Zeit, wenn der Hahn be- täubt und starr geworden, läsdt man ihn wieder los. Kommt

Gebetsmaschinen und Auguriam. 37

er alsdann zu sich und belebt er sich von neuem, so hat man ein glückbedeutendes, im andern Falle ein unheilvolles Zeichen. Kein Niamniamhäuptling tritt einen Kriegszug an, ohne auf diese Art den Rath der unsichtbaren Mächte ein- geholt zu haben. Unerschütterlich ist ihr Glaube an das Ergebniss eines solchen Auguriums, welches auch in solchen Fällen Anwendung findet, wo über Schuld oder Unschuld eines Menschen abgeurtheilt werden soll. Uando z. B., unser Widersacher, griff selbst unsere Karavane nicht an, obgleich er bereits zwei Districte gegen uns alarmirt und zu offenen Feindseligkeiten angetrieben hatte, blos weil sein Huhn durch das Bengje im Augurium getödtet wurde. Alle erwarteten wir einen energischen Angriff, da er beständig damit gedroht hatte, dennoch liess er sich nirgends blicken, sondern zog sich vielmehr aus Furcht, ihn möchte sein Geschick ereilen, in die unzugänglichsten Wildnisse zurück. Uns allen hätte es schlimm ergehen können, wie die Niederlagen unserer detachirten Corps im Westen der Route bestätigten. Die zu uns haltenden Niamniam selbst behaupteten steif und fest, dass wir nur durch den Tod des Huhns unserm unver- meidlichen Untergange entgingen. Auch Hexen werden einem derartigen Gottesurtheil ausgesetzt und Schuld oder Unschuld vermittels Beibringung des Bengje an einem Huhn ausser Zweifel gestellt. Bei den Niamniam spielen böse Geister und Waldkobolde eine ebenso grosse Rolle, wie bei den Bongo und andern Völkern Centralafrikas. Immer ist es der Wald, in dessen schauervolles Dunkel der Sitz der dem Menschen feindlichen Mächte verlegt wird, wo im gespenstischenRauschen des Laubes die Geister ihre Zwiegespräche halten.

Auch der Aberglaube ist ein Kind des Bodens, wie jede Religion, entsprosst der Erde wie die Pflanze des Feldes, welche das Geheimniss ihres Innern ausspricht. Im hohen Norden, im Schatten eines bleifarbigen düstern Himmels, die hohen Mauern voll Spuk und Gespenster, hier der Wald mit sichtbaren Eulen, Fledermäusen und fliegenden HundeU; da-

38 Dreizehntes Kapitel.

zwischen Völker ohne Wald (die romanischen und die Orien- talen) unter dem heitern Blau ihres klaren Himmels, frei von Gespensterfurcht den offenen Blicken der Sonne preis- gegeben, sich selbst aber vor bösem Blicke fürchtend. Auch die Religionen gehören mit zur Erdbeschreibung!

Zum Schluss noch einiges über die Bestattung ihrer Todten. Jeder Niajnniam pflegt der Trauer um den Verlust eines nahen Angehörigen dadurch Ausdruck zu verleihen, dass er sich das Haar schert und den kostbaren Haarputz, seinen Stolz, seine Freude und die Frucht langwieriger Mühe- waltung von liebenden Frauenhänden, rücksichtslos zerstört Die abgeschnittenen Flechten und Zöpfe werden auf den Pfaden der Wüdniss weithin ausgestreut. Der Körper des Todten wird festlich geputzt mit Fellen und Federn und mit Rothholz bunt eingerieben. Vornehme werden bald sitzend auf ihren Bänken, bald in einem ausgehöhlten Baumstamme, sargartig verschlossen, beigesetzt, nachdem man sie auf ihrem gewöhnlichen Schurze gebettet. Man schüttet nicht unmittelbar Erde auf den Begrabenen, sondern stellt vermittels eines Holzverschlags eine seitliche Kammer her, in deren Hohl- raum die Leiche abgestellt wird, ohne von der Erde gedrückt zu werden, gerade wie es die Vorschriften des Islam er- heischen. *) Ein ähnliches Verfahren wiederholt sich indess in verschiedenen Theilen des heidnischen Afrika. Auch die Niamniam beobachten bei der Beisetzung ihrer Todten die Himmelsrichtung, nur in anderer Weise als die Bongo, indem die Männer mit dem Antlitz nach Osten, die Weiber aber westwärts gekehrt bestattet werden. Ueber der aus fest- gestampftem Thon geformten Grabdecke errichtet man eine Hütte, welche sich durch nichts von den Behausungen der Lebenden unterscheidet und, vernachlässigt und vereinsamt, ebenso rasch dem Untergange durch Steppenbrand und Fäul- niss preisgegeben ist, vne diese.

*) Die NiamDiam übeu nicht den Brauch der Beschneidung.

Bestattung der Todten. Stammbaum der Niamniamfursten. 39

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VIERZEHNTES KAPITEL.

Mohammed's Frcundschafl mit Munsa. Einladung zur Audienz. Fest- liches Geleite zu den Hallen des Königs. Ich antichambrire, and der König macht mir zu Ehren Toilette. Bauart der Halle. Grossartige Ausstellung von Prunkwaffen. Phantastischer Staat des Herrschers. Neronischc Züge. Nichts wird bewundert. Ueberreichung der Ge- schenke. Einfache Toilette von Munsa's Weibern. Wie der König raucht. Gebrauch der Colanuss. Musikalische Productionen. Der Hofnarr. Ein Eunuch. Munsa hält eine Hede. Die Monbuttuhymne. Munsa*s bescheidene Dankbarkeit. Ein Haus geschickt als Gastgeschenk. Zudringlichkeiten der Neugierigen. Ein SchÄdelmarkt. Boten eines NiamniamküniJ;s langen an. Hellfarbige Eingeborene. Munsa's Frauen in unserm Lager. Mein weibliches Gefolge ruft „Hosanna". Ueber- raschung im Bade. Auffindung der Swordbean. Munsa's Privatwohnung und Hofburg. Geographische Geheimthuerci. Piaggia's See existirt nicht. Munsa verlangt meine Hunde. Tausch gegen einen Pygmäen. Ziegenrassen der Momwu. Zubereitung von Fleischextract. Chartumer Stationen im Monbuttulande. Mohammed's Plane, nach Süden vor- zudringen. Perspectiven ins Innere von Afrika. Glück und Geld. Grosses Siegesfest. Der rasende Cäsar. Munsa's Besuche in unserm

Lager. Das Guineaschwein.

Munsa hatte die Ankunft der Chartumer mit Ungeduld erwartet, in seinen Speichern lagerte hoch aufgestapelt das Elfenbein, die Jagdausbeute eines ganzen Jahres, jetzt sollten ihm die Reichthümer des Nordens von neuem erschlossen und in der königlichen Schatzkammer neue Massen des rothen, klangvollen Metalls zu den alten gehäuft werden. Es war Mohammed's dritter Besuch im Lande der Monbuttu.

Mohammed's Freundschaft mit Munsa. 41

Der König war ihm wohlgesinnt und seine Freundschaft nicht blos eine in egoistischer Absicht erheuchelte, sie hatten Blut miteinander getrunken und nannten sich Brüder. Mo- hammed, welcher im vergangenen Jahre nach Chartum ge- gangen, hatte das Commando über die letzte Expedition seinem Bruder Abd-el-Fetach übertragen gehabt, zum grössten Leidwesen des Königs, dem die hochmüthige und berechnende Zurückhaltung, welche den Stellvertreter auszeichnete, durch- aus nicht sympathisch erschien. Abd-el-Fetach war ein Moslem vom reinsten Wasser, ein gleisnerischer Fanatiker, dem jede Berührung mit einem Kafir als verunreinigend galt und der sich die Nigger immer auf zehn Schritt vom Leibe zu halten wusste. Für ihn gab es in Afrika weder Könige noch Fürsten, und wenn von ihren Frauen die Rede war, so nannte er sie seine Sklavinnen. Gerade das Gegentheil hiervon war Mo- hammed-, bei allen Eingeborenen war er schon unter dem anspruchslosen Namen des „Mbali^^ (d. h. der Kleine) bekannt und im Verkehr mit ihnen die Gemüthlichkeit selbst. Gern weilte er hinter gefüllten Bierkrügen an der Seite seines heidnischen Blutsfreundes, ihm von den Wundern der Welt erzählend oder auf seine kannibalischen Neigungen stichelnd. Wenn er nun noch mit dem volksthümlichen Rokko der Monbuttu umgürtet und den rothen Federbusch auf seinem Haupte sich dem Volke sehen liess, so musste er vollends alle Herzen gewinnen.

„Wo ist Mbali, wann wird Mbali kommen?" war Munsa's tägliche Frage an die bei ihm stationirten Soldaten Mo- hammed's gewesen, und es war zugleich die Botschaft, mit welcher Munsa den Fremden seinen königlichen Gruss ent- bieten liess, als wir uns anschickten, den grossen Fluss zu überschreiten. Mohammed hatte daher alsbald nach unserm Eintreffen nichts Eiligeres zu thun gehabt, als die mitge- brachten Geschenke zusammenzuraffen und sich schleunigen Schritts zum Könige zu begeben. Alle bei der Errichtung des Lagers zu treffenden Anordnungen hatte er dem Gut-

42 Vierzehntes Kapitel.

dünken seiner Hauptleute überlassen, so gross iwar seine Eile. Unter den mitgenommenen Geschenken für Munsa spielte ein ganzes Sortiment grosser Kupferschüsseln die Hauptrolle; in diesem entlegenen Erdenwinkel war es indess keineswegs ihre Bestimmung, culinarischen Zwecken zu dienen: fortan hatten sie ihre Kraft als Tonwerkzeuge gewaltiger. Art in den weiten Hallen der königlichen Residenz zu er- proben. Erst spät am Abend kehrte Mohammed in das grosse Lagerdorf zurück, welches mittlerweile aus dem Ur- walde emporgezaubert worden war; Hörner- und Pauken- schall begleiteten seine Schritte, und grosse Proviantvorräthe sammelten sich, auf Befehl des Königs von Tausenden her- beigetragen, mit staunenswerther Schnelligkeit. Mir selbst war eine Audienz beim Könige und ein feierlicher Empfang in seiner Pruukhalle für den folgenden Morgen zugestanden. Erwartungsvoll der Dinge, die nun kommen sollten, legte ich mich zur Buhe.

Bevor ich noch %des andern Tags erwachte es war der 22. März 1870 war Mohammed schon wieder zum Könige hinübergeeilt. Ein Blick auf den grossen rothen Freiplatz, welcher sich am jenseitigen Thalgehänge zwischen den Hallen des Königs und den Behausungen seines Hof- gesindes ausdehnte, überzeugte mich von der gewiss unge- wohnten Lebhaftigkeit des Menschengetreibes, welches nun daselbst herrschte. Da sah man dichte Massen von schwarzem Volk sich unstet hin- und herbewegen, durchbrochen von eilenden Gruppen, und der dumpfe Schall wilder Pauken- schläge drang bis zu unserm Lager. Munsa versammelte seine Trabanten und hielt Heerschau über seine Elefanten- Jäger; von nah und fern strömten die Familienältesten her- bei, um den Elfenbeinmarkt zu beschicken und mit Mohammed Lieferungsverträge über Lebensmittel abzuschliessen. Voll Ungeduld stand ich vor meinem Zelte, in der Erwartung, jeden Augenblick gerufen zu werden; allein es ging bereits auf Mittag, bis mir von Mohammed die Botschaft wurde.

Audienz bei Munsa. 43

jetzt wäre der König zu sprechen, ich möchte binüberkommen. Mohammed^s schwarze Leibgarde und die Musikanten waren mir entgegengeschickt worden, um unter Abspielung der türkischen Reveüle mir ein festliches Geleit zum Wohnsitze des Königs zu geben.

Schnell warf ich mich nun in ein feierliches Schwarz, indem ich nach dem längst vergessenen Tuchrock langte und mir die schwerbeschlagenen hohen Schnürstiefel eines Alpen- touristen anlegte, welche meiner leichten Figur durch die vermehrte Wucht der Tritte einen mehr imponirenden Cha- rakter verleihen sollten. Uhr und Kette liess ich zurück, es sollte an mir kein metallener Sckmuck wahrzunehmen sein. So schritt ich ledig einher, gefolgt von drei schwarzen Knappen, die mir Büchsen und Revolver nachtrugen, ein vierter schwenkte den unvermeidlichen Rohrstuhl in seinen Armen; dies entsprach ganz den Sitten des Landes, denn die Monbuttu muthen niemand zu, sich auf den ebenen Boden zu setzen. Mit erwartungsvoller Schweigsamkeit folgten auch meine chartumer Diener, angethan mit Festgewändern von überraschender Weisse; diese hielten die längst zurechtgelegten Geschenke für den König in ihren Händen.

Von unserm Lagerplatze gelangte man in einer halben Stunde zu dem Residenzdorfe des Königs. In sanftem Ab- stieg führte der F£ad zum waldumstandenen Bache, schlän- gelte sich dort durch die verworrenen Dickichte der Nie- derung und stieg auf der andern Seite inmitten ausgedehnter Pisangpflanzungen zu der offenen Fläche des grossen Frei- platzes an, welche in weitem Halbkreise von Wohnhütten verschiedener Bauart begrenzt erschien. Als wir die Bach- niederung erreicht hatten, fanden wir die sumpfigen Dschun- gels mit frischgefällten Baumstämmen belegt und grosse Balken als Brücke über das Wasser geworfen. Diese Vor- kehrungen hatte der König mir zu Ehren treffen lassen, um mich trockenen Fusses hinüberzuführen, eine Aufmerksam- keit, welche er selbst schwerlich ersonnen haben konnte und

44 Vierzehntes KapiieL

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die ich einem wohlmeinenden Winke Mohammed's zu ver- danken hatte, denn er kannte die Beschaffenheit meiner Fussbekleidung. Diese erheischte, als ein Unicum in der afrikanischen Welt, eine gewisse Schonung, und brachte beim Aus- und Anziehen viel Zeitverlust mit sich. Leider sollte das alles dem thörichten Glauben der Monbuttu neue Nah- rung verleihen, meine Füsse seien mit Bocksklauen versehen. Nach einer andern Version sollte die feste Lederhülle mit meinem Körper verwachsen sein. Die Vorstellung von Bocks- f üssen knüpften sie als ein Analogen an den gewohnten Ver- gleich meines Haupthaars mit dem eines Ziegenbocks, natür- licher Instinct hatte den Glauben an einen Parallelismus der Formen ihrem innersten Bewusstsein einverleibt; allerdings hatte die Hartnäckigkeit, mit welcher ich mich, so oft ihre Neugierde befriedigt werden sollte, geweigert, meine Füsse zu entblössen, sie in ihrem Verdachte nur bestärken müssen. Da wir uns nun den ersten Hütten näherten, wurden die Trommeln gerührt und die Trompete schmetterte ihre lustige Weise, das zusammengelaufene Volk Hess für uns einen schmalen Durchgang frei, indem es sich neugierig zu beiden Seiten herbeidrängte. Wir wandten unsere Schritte der zweitgrössten der königlichen Palasthallen zu, welche, einem Schuppen gleich, an beiden Giebeln offen erschien. Hier harrte einer der Beamten des königlichen Hauses meiner, er schien die Rolle eines Ceremonienmeisters zu spielen, auch sah ich ihn bei späterer Gelegenheit wiederholt als ersten Festordner bei öffentlichen Feierlichkeiten fungiren. Schwei- gend ergriff er meine rechte Hand und geleitete mich ins Innere, mitten durch die Reihen Hunderter von Trabanten und den Vornehmen des Volks hindurch, welche in vollem Waffenschmucke auf ihren zierlichen Bänken dasassen, in Reih und Glied geordnet nach Rang und Würden; das Ganze glich der Zuhörerschaft in einem Ck)ncerte. Am entgegen- gesetzten Ende der Halle war ein freier Raum übrig gelassen, dort stand die Thronbank des Königs, welche vor den übri-

Festliches Geleite nach den Hallen des Königs. 45

gen Sitzen keinen andern Schmuck vorauszuhaben schien, als eine Fussmatte, die man darunter ausgebreitet Dagegen war hinter der Bank eine kolossale zweischenkelige Lehne gestellt, welche gesondert für sich auf drei Füssen ruhte und am obern Ende in zwei Arme auslief, welche als Krücken, um Rücken und Arme des Sitzenden zu unterstützen, dienten. Die Lehne war über und über mit kupfernen Ringen und Nägeln beschlagen. Einige Schritte zur Seite der Thron- bank liess ich meinen Stuhl hinstellen und nahm Platz, meine Leute hockten oder stellten sich hinter mich und die nubi- sehen Soldaten bildeten um den freien Platz eine Art Spalier. Die meisten derselben hatten ihre (Gewehre in den Händen, meinen schwarzen Knappen, die noch keinen derartigen Ge- walthaber wie König Munsa von Angesicht zu Angesicht ge- schaut hatten, mochte das Herz in gespannter Erwartung pochen, und wie sie mir später gestanden, haben sie bei dieser Gelegenheit manche Angst ausgestanden. Ein Wink Ton Munsa, hatten sie gedacht, und unsere Glieder stecken am Bratspiess.

Angesichts des leerstehenden königlichen Sitzes hatte ich mich nun auf ein langes Warten gefasst zu machen, dazu erfuhr ich von meinen Dienern, dass der König soeben erst draussen gesehen worden sei ; in seinem gewöhnlichen Costüm wäre er vom Markte nach den Innern Wohnhütten der Hof- burg geeilt, jetzt werde er- jedenfalls von seinen Weibern frisch gesalbt, frisirt und geputzt, um sich mir in vollem Staat zu prilsentiren. Ich sass also da, ergeben in Geduld und in spannungsvoller Erwartung. Wer hätte sich da wol beschweren können, und was hätte einer mehr noch verlan- gen können, als dass der König dem fremden Gaste zu Ehren so sorgfältig Toilette machte?

Mittlerweile hatte sich in der Halle gewaltiger Lärm erhoben, ein wildes Toben der Kesselpauken und das Gebrüll der Homer erschütterte den luftigen Bau. Mit heitern Klän- gen verkürzten sich die versammelten Trabanten die Zeit,

46 Vierzehntes Kapitel.

und laute Reden erschollen von allen Seiten. Es konnte mir nicht lange verborgen bleiben, dass ich selbst der Haupt- gegenstand ihrer Ausgelassenheit war. Aller Blicke waren auf mich gerichtet, obgleich ich der grossen Mehrzahl mei- nen Rücken zukehrte. Bei der respectvoUen Entfernung des an seine Sitze gefesselten Publikums störte mich das wenig in meiner Ruhe und Beschaulichkeit Ich hatte Zeit mich umzusehen und nach Belieben meine Notizen niederzu- schreiben.

Vor allem fesselte meine Aufmerksamkeit die Halle selbst, in welcher wir uns befanden. Sie hatte 100 Fuss Länge, 40 Fuss Höhe und 50 Fuss Breite. Dieser Bau war erst vor kurzem vollendet worden und bot einen sehr freundlichen Anblick dar, denn er strahlte von Glanz und Helligkeit Alles Holzwerk an ihm schien glänzend braun polirt und vrie frisch gefirnisst; das war aber nur die natürliche Farbe des zum Bau verwandten Materials. Ein zweiter noch um- fangreicherer Bau, der dicht daneben sich erhob und den die höchsten Oelpalmen nur mit ihren Kronen überragten, trug dagegen bereits deutliche Spuren seines Verfalls an sich, obgleich derselbe erst vor fünf Jahren errichtet worden war. Der letztere war von allen Seiten geschlossen, in seinem In- nern daher sehr dunkel und zu öffentlichen Versammlungen minder geeignet. Beide waren kleine Weltwunder in ihrer Art, und für die Gultur Centralafrikas merkwürdig genug, um diesen Ausdruck zu rechtfertigen. Mit unsern Baumitteln, es sei denn man hätte Fischbein in Anwendung gebracht, wäre man nicht im Stande gewesen, etwas Aehnliches von gleicher Leichtigkeit und solcher Widerstandsfähigkeit hinzu- stellen gegen das Toben der Tropenorkane, wie die Königs- hallen Munsa's. Das in einem breit abgerundeten Spitzbogen kühn gewölbte Dach der Audienzhalle ruhte auf drei langen Pfostenreihen, welche aus Baumstämmen von dem geraden Wüchse der Fichte hergestellt waren. Die zahllosen Rippen und Sparren des Dachstuhls dagegen sowie alle übrige Con-

Bauart der Empfangshalle. 47

struction war ausschliesslich aus den Blattschäften der Wein- palme (Kaphia vinifera) zusammengefügt. Diese glänzend braunen Stäbe werden der Mittelrippö des 25 35 Fuss Länge erreichenden Blattes der genannten Palme entnommen, welche im Monbuttulande in allen Uferwaldungen anzutreffen ist. Sie geben in Centralafrika das beliebteste Baumaterial ab. Der Fussboden der Halle war mit einem dunkelrothen Thon- estrich überzogen, fest und wohlgeglättet wie Asphalt. Eine niedrige Brustwehr aus gleicher Masse bildete die Seiten- einfassung, indem sie unter dem bis nahe zur Erde reichen- den Dache noch einen Raum freiliess, welcher auch von den Seiten Licht und Luft in die Halle hineinliess. Hunderte von schaulustigen Eingeborenen, wahrscheinlich das „schwarze Volk" von Monbuttu, das im Innern keine Sitzplätze erhal- ten konnte, lehnte von aussen an die Seitenbrüstung und guckte schaulustig zu dieser Oeffnung herein. Aufseher mit langen Stöcken machten, um Ordnung zu schaffen, die Bunde, hieben, wo es noththat, wacker auf die Menge ein. Kna- ben, welche sich unberufen in den Festsaal geschlichen, wurden von ihnen schonungslos hinausgepeitscht.

So hatte ich wol bereits eine Stunde, vertieft in das Anschauen aller dieser Herrlichkeiten, auf meinem Sitze ausgeharrt, als endlich lauter Hörnerklang, Yolksgeschrei und verdoppelter Donner der Pauken das Nahdh des Herr- schers zu verkünden schien. Es war indess wiederum nur ein Präludium, denn Munsa lag immer noch in den Armen seiner Schönen, die ihn schminkten und bemalten. Grosse Rührigkeit machte sich am Eingange der Halle bemerkbar, wo eine grossartige Ausstellung von Prunkwaffen hergerichtet wurde. Ich sah daselbst Pfosten in den Erdboden einram- men und darüber verquer lange Stangen befestigen, um an diesem improvisirten Gerüst viele Hundert ganz aus Kupfer geschmiedeter Lanzen und Spiesse in allen Formen und Grössen zu befestigen oder kreuzweise daran anzulehnen. Die Strahlen der äquatorialen Mittagssonne verbreiteten über

48 Vierzehntes Kapitel.

diese Anhäufung von rothglänzendem Metall einen blenden- den Schein, und ein Glühen wie von flammenden Fackeln ging von allen Lanzeilispitzen aus, deren symmetrische Reihen einen prächtigen Hintergrund für den Thronsitz des Herrschers abgaben. Es war in der That eine wahrhaft königliche Pracht, die da entfaltet w^urde, für centralafrika- nische Begriflfe Schätze von unberechenbarem Werth, und alles bisher Gesehene weit in den Schatten stellend.

Erst nach beendeter Aufstellung der Prunkwaffen schien es Ernst mit dem Kommen des längst avisirten Königs wer- den zu wollen. Ein Hin- und Herrennen entstand von Aus- rufern, Platzmachern und Festordnern, die Volkshaufen drängten nach dem Eingange zu jetzt, still! da kommt der König. Voran schreiten Musikanten, welche auf kolos- salen, aus ganzen Elefantenzähnen geschnitzten Hörnern blasen, und andere, die in ihren Händen plumpe, aus Eisenblech roh gehämmerte Glocken schwingen. Den Blick gleichgültig vor sich hin gerichtet naht endlich derben Schritts der roth- braune Cäsar, gefolgt von einer Schar seiner Lieblingsweiber, in Putz und Haltung wild, romantisch, malerisch. Ohne mich eines Blicks zu würdigen, wirft er sich auf die niedere Thronbank und betrachtet seine Füsse. Mohammed war seinem königlichen Freunde gefolgt und setzte sich mir gegenüber abf die andere Seite neben den König auf einen ihm dargereichten Schemel. Zur Feier des Tages hatte auch er seine besten Kleider angelegt, so sass er da im theatrali- schen Staat eines Obersten der Amanten.

Wohl hafteten meine Augen an der phantastischen Figur des Kannibalenherrschers, nicht satt sehen konnten sie sich an diesem seltsamen, wilden Gesellen, von welchem gesagt wurde, dass er täglich Menschenfleisch esse. Mit Ringen und Ketten und vielem fremdartig geformten Schmuck an Armen und Beinen, an Hals und an Brust, auf dem Scheitel einen grossen Halbmond, alles aufs glänzendste geputzt und geschliffen, erstrahlte der Herrscher in seiner schweren

Phantastischer Staat des Königs. 49

Kupferpracht wie im rothen Schimmer einer sonntäghchen Küche, ein Staat, der freilich nach unsern Begriffen eines königlichen Schatzes unwürdig erschien, er erinnerte gar zu sehr an jene Rüstkammern bürgerlicher Opulenz. Sein An- blick hatte indess etwas über alle Massen Bizarres, denn alles, was er an sich hatte, trug den unverfälschten Ge- schmack Centralafrikas zur Schau, und nur die Kunsterzeug- nisse des eigenen Landes werden hier als würdig erachtet, die Majestät eines Königs der Monbuttu zu schmücken.

Ein imposanter Federhut beschattete das Haupt und sass über 1 y^ Fuss hoch auf der Höhe des Scheitels, indem er, wie es die Monbuttumode vorschreibt, den obern Theil des Chignons deckte. Dieser Hut bestand aus einem schmalen Cylinder von feinem Rohrgefleclit und war aussen mit drei Etagen von rothen Papageifedern besetzt, grosse Feder- büschel derselben Art krönten die Spitze. Einen Schirm hatte der Hut nicht, wohl aber war vorn über dem Scheitel nach Art der Schirmwehr am Normanncnhelme der erwähnte kupferne Halbmond angebraucht. Die durchbohrten Ohr- muscheln trugen fingerdicke Kupferstäbe. Am ganzen Leibe * war der König mit der landesüblichen Schminke von Farb- holz eingerieben, welche seinem ursprünglich hellbraunen Körper die antike Färbung pompejanischer Hallen verlieh. Seine einzige Kleidung, gleichfalls durch nichts von der all- gemeinen Mode des Landes abweichend, nur von ausgesuch- ter Eleganz und Feinheit, .bestand in einem grossen Stück verarbeiteter Feigenrinde, welche mit demselben Farbstoff iraprägnirt war, der als Schminke dient, und umhüllte in äusserst kunstvollem Falten würfe den halben Körper, Knie- hosen und Leibrock zugleich darstellend. Fingerdicke stiel- runde Riemen von Büffelhaut, welche im Schose zu einem kolossalen Knoten verschlungen waren und an den Enden schwere Kupferkugeln trugen, hielten als Gürtel das schön-, besäumte Rindenzeug an den Hüften zusammen. Dieser Stoff war so sorgfältig behandelt worden, dass er ganz das Aus-

SCHWMWFUaTH. ü. 4

50 Vierzehntes Kapitel.

sehen von schwerem Moire antique erhalten hatte. Um den Hals hing ein feingegliederter Kupfer schmuck, der einen Strahlenkranz über die ganze Brust warf, und an den nack- ten Armen wareh sonderbare, mit Ringen beschlagene Cy- linder befestigt, ähnlich den Trommelschlägeln, welche ein Tambour an sich trägt An den Gliedmassen des Unterarms und des Schienbeins waren spiralige Kupferringe bis zur halben Länge hinaufgewunden, und unter dem Knie je drei glänzend hornartige, aus Hippopotamushaut geschnittene und gleichfalls kupferbeschlagene Ringe befestigt. In der Rechten schwang Munsa als Scepter seiner Würde den sichelförmigen Monbuttusäbel, an diesem Platze eine Luxuswaffe von purem, lauterm Kupfer.

Als der König Platz genommen hatte, wurden ihm zur Rechten und zur Linken zwei schön geschnitzte Schemel oder Tischchen hingestellt, welche das beständige Naschbedürfniss mit Servietten von Feigenrinde sorgfältigst bedeckt bargen. Wirklich kunstvolle Flaschen von porösem Thon enthielten sein Trinkwasser.

Das war also Munsa, Selbstbeherrscher der Monbuttu, ein Abglanz jener halbmythischen Majestäten von Central- afrika, von denen bisher nur die Namen nach Europa ge- drungen waren, eine Art Muata-njamvo oder Gross-Mokoko, den ich nun von Angesicht zu Angesicht erschaute, so recht ein wilder König, ohne jede Spur eines europäischen oder orientalischen Schmucks; nichts Unechtes und Erborgtes war an ihm zu finden.

Munsa mochte ein Mann von nahe an die Vierziger sein, seine ziemlich hohe Gestalt war schlank, aber kräftig, der Wuchs stramm und gerade, wie bei jedem Monbuttu. Durchaus nicht einnehmend waren seine Gesichtszüge, ob- gleich dieselben den nicht unschönen Typus dieses Volkes auf- . wiesen. Sie hatten etwas Neronisches an sich, etwas wie von Ueberdruss und Uebersättigung. Ein ziemlich dichter Knebelbart sass am Kinn, auch die Backen waren mit eini-

Neronische Züge und das „Nil admirari". 51

gern Haarwuchs bekleidet. Eine völlig kaukasische Nasen- hildung schloss sich dem fast orthognathcn Profile an, nur die besonders stark aufgeworfenen und wulstigen Negerlippen standen hierzu in lebhaftem Contrast. In den Augen aber brannte ein wildes Feuer thierischer Sinnlichkeit, und um den Mund ging ein Zug, den ich bei keinem der übrigen Monbuttu wiedergefunden; da lagen HaTbsucht und Gewalt- thätigkeit höhnend auf der Lauer, und die Freude am Grau- samen; nie sah man ihn zu einem Lächeln sich verziehen. Aus diesen Zügen sprach kein Herz.

Eine geraume Zeit war verstrichöTi, bis zwanglose Blicke vom Könige zu mir herüberstrahlten, zu dem nie gesehenen Blassgesichte mit dem schulterlangen Haar, dem Manne in der knappen, schwarzen Hülle. Eine Begrüssung war meiner- seits noch nicht erfolgt, ich hielt den Hut in den Händen, da ich aber sah, dass jedermann auf seinem Sitze verblieb, als der König eintrat, so that ich desgleichen, und musste warten, bis ich gefragt wurde. In der Halle tobten die wil- den Fanfaren der Kannibalen. Munsa, der, während aller Augen auf ihn gerichtet, in nachlässiger Haltung vor sich hin zum Boden starrte, erhob ab und zu sein Haupt, und wenn er seine Augen scheinbar gleichgültig durch die Ver- sammlung schweifen Hess, so bestrich ihr unheimliches Feuer auch meine Person, so tropfenweise seine Neugierde befrie- digend. Wer in aller Welt, frage ich, hatte diesen wilden Afrikaner solche Fassung und Selbstbeherrschung gelehrt, wer den königlichen Aplomb und die Gravität seiner Schritte?

Nach und nach begann er einige Fragen an mich zu richten, welche sein erster Dolmetsch (der die Hauptperson in allem unsern Verkehr mit den Eingeborenen spielte, da er der Sandehsprache mächtig war) einem meiner beiden Niamniam übermittelte, welcher mir die Worte arabisch wiedergab. Indess, sie waren sehr gleichgültiger Natur und berührten weder den Zweck meines Kommens, noch das Land meiner Herkunft. Munsa's Fragen vergegenwärtigten mir

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den barschen Empfang, den einst Friedrich der Grosse Rein- hold Forster, dem Begleiter des unsterblichen Cook, bereitet. „Hat er schon einmal einen König gesehen?" „Ja Majestät", war die Antwort, „zwei zahme und drei wilde." Ueberhaupt schien Munsa sehr ängstlich an dem Grundsatze der Orien- talen festzuhalten: „Nil admirari", sich durch nichts aus der Fassung bringen zu lassen. Die gleiche Einsilbigkeit beob- achtete er auch bei meinen spätem Besuchen, wo es ohne jegliches Ceremoniel herging.

Nun trugen meine Diener die Geschenke herbei und breiteten sie vor den Füssen des Königs aus. Dieselben be- standen aus einem Stück schwarzen Tuchs, einem Fernrohr, einem als weisses Eisen betrachteten silbernen Teller, eini- gem für Elfenbeinschnitzerei gehaltenen Porzellangeschirr, dann aus wirklichem Schnitzwerk aus Elfenbein, um einen Begriff von der Verwendung dieses Materials zu geben, einem Buche in Goldschnitt, bei dessen Ueberreichung ich lebhaft der Scene von „Kamrasi's first Icsson in the bible" gedenken musste, die Speke beschreibt, einem Doppelspiegel, der ver- grösserte und verkleinerte, schliesslich, und das war die Hauptsache, aus einem grossen Sortiment venetianischer Glasperlen, unter welchen sich allein dreissig Halsschnüre befanden, von denen eine jede wiederum aus einigen dreissig voneinander gänzlich verschiedenen Stücken der feinsten Art zusammengesetzt war, sodass Munsa über 1000 verschiedene Glasperlen erhielt. Diese kleinen Kunstwerke hatte ich von meinem Freunde, dem Venetianer Miani, erhalten, für den sie einige Jahre zuvor, als er. eine neue Expedition projec- tirto (deren Zustandekommen allein an der Misgunst der äg}'ptischen Regierung scheiterte), von seinen Mitbürgern eigens zusammengestellt worden waren. Schiesswaffen den eingeborenen Machthabem zu schenken, verbot die allgemein von den Nubiern befolgte Maxime. Munsa betrachtete alles mit grosser Aufmerksamkeit, ohne indess viel dabei zu sagen ; desto häufiger Hessen sich aus seiner nächsten Umgebung

Ueberreicliung der Gescheuke. Munsa's Weiber. 53

halbunterdriickte Laute des Staunens vernehmen, denn hinter dem Sitze des Königs hatten sich seine Weiber, einige fünfzig an Zahl, auf netten Schemehi in ßeih und Glied niederge- lassen. Auch der Doppelspiegel ging daselbst von Hand zu Hand, und seine Verzerrungen erzeugten ein Jauchzen und ein Schluchzen der Freude.

Die anwesenden Frauen waren blos die Weiber ersten Ranges, die zur Intimität des Königs gehörten, denn mit den fünfzig wäre ihre Zahl noch lange nicht erschöpft. Auch sie unterschieden sich von den übrigen des Volks nui* durch grössere Eleganz, es schien das Land der hergebrachten, un- umstösslichen Mode zu sein. Die Tracht der Moubuttuweiber besteht eigentlich nur in dem grossen Chignon und der Be- malung des Körpers mit schwarzen Mustern, welche bei der meist hellem und gelblichem Hautfarbe dieses Geschlechts in sehr greller Weise absticht; alles übrige an ihnen er- schien als ein gleichgültiges Anhängsel. Zu letzterm kann man das kleine, nur wenige Quadratzoll grosse Stückchen Feigenrinde rechnen, welches als Schürze umgehangen wird. Hüte tragen sie gleichfalls nicht, wohl aber alle möglichen Arten von Haarnadeln und, wie die Männer, in ihren aus- geschnittenen Ohrmuscheln Holzstücke von der Grösse einer Cigarre. Von sonstigem Schmuck war wenig an ihnen zu erblicken, da Glasperlen im Lande noch ziemlich unbekannt waren und die Männer das Kupfer für sich behielten.

Nach einiger Zeit griff Munsa zu den bereit liegenden Erfrischungen. Diese bestanden in unkenntlichen, auf Laub- blätter gehäuften Breiklumpen von Bananenmehl und Tapioca, getrockneten Bananen und einer Frucht, die ich zu meiner Ueberraschimg sofort als die vielgepriesene Colanuss des Westens erkannte. Munsa schnitt sich von den rosaschaJigen Kernen einige Stückchen ab und kaute daran in den Zwischen- pausen nach jeder Pfeife Taback, die ihm ein in seiner Nähe aufgestellter, eigens mit diesem Dienste betrauter Tschibuk- tschak in Gestalt eines 6 Fuss langen Eisenrohrs reichte.

54 Vierzeliutes Kapitel.

Sehr bemerkenswerth erschien mir die Art, wie Munsa rauchte. Zunächst brachte der König sich in eine richtige Positur, er warf sich weit nach hinten zurück, stützte den rechten Fllnbogen in die Armlehne, schlug ein Knie über das andere und ergriff dann mit der Linken das Rohr. In dieser stolzen Attitüde that er bedächtig einen einzigen langen Zug, gab ebenso stolz und gelassen die Pfeife zurück und Hess dann den Rauch langsam aus dem Munde gleiten. Es ist eine Gewohnheit aller vornehmen Türken, nie mehr als einige wenige Züge aus der dargereichten Pfeife zu thun; wer hatte, musste ich wieder fragen, den Kannibalen diese feine Sitte gelehrt?

Ich bat um eine Colanuss, und der Herrscher reicht« sie mir höchst eigenhändig. Ich äusserte nun gegen Mohammed meine Verwunderung, hier diese Frucht als einen Gruss vom fernen Westen bei den Monbuttu wiederzufinden, erzählte ihm von dem hohen Werthc, welchen sie als unschätzbares Reizmittel (die Colanuss enthält nach Liebig mehr Coffein als die kräftigste Kaffeebohne) in Lorim besässe, dass man sie daselbst mit Silber aufwäge, und sprach: „Jetzt weiss ich, dass der Celle jener Fluss von Baghirmi ist, den sie Schari nennen, diese Nuss als ein Anklang an die dortigen Sitten ist mir ein erwünschter Schlüssel zu dem Räthsel, dessen Lösung ich suche." Dann zu Munsa gewandt, wies ich mit der Hand in der Richtung zum Tsadsee und liess ihm sagen: „Ich kenne wohl diese Frucht, dort essen sie die vornehmen Leute." Ich hoffte, es würde sich hieraus ein Gespräch ent- wickeln, aus welchem mir geographische Aufklärungen er- wachsen könnten, aber der nichts bewundernde König ging nicht w^eiter darauf ein, und liess sich auch ebenso wenig bei späterer Gelegenheit über geographische Dinge ausfragen; ich erfuhr nur, dass die Colanuss im Lande wild vorkäme, dass die Monbuttu sie „Nanguüh" nannten und die Gewohn- heit hätten, davon während des Rauchens zu kauen.

Endlich nahmen die Vorstellungen zu unserer Unter-

^ Die Colauuss, Musikulischc rruduutioDen. 55

haltung ihren Anfaug. Zunächst producirten sich ein paar Hornbläser, welche Solopiecen vortrugen. Virtuosen in ihrer Art, thaten sie solche Kraft, Umfang und Lenkbarkeit ihrer Stirammittcl kund, dass sie durchdringend heftige Brülltöne, gleich dem Brüllen des hungernden Löwen oder dem Trom- petengeschmetter eines gereizten Elefanten, hervorbringen konnten und dieselben gleich wieder mit den zartesten Flöten- stimmen abwechseln liessen, die nur dem leichten Säuseln des Morgenwindes vergleichbar erschienen, oder einem heim- lichen Liebesgeflüster. Der eine verstand auf dem gewaltigen Ilorn von Elfenbein, das er kaum in der horizontalen Lage zu erhalten vermochte, so sicher und so zart zu trillern, als hätte er eine kunstvolle Flöte in den Händen.

Es folgten darauf diverse Spassmacher und Sänger von Profession, auch ein Hofnarr war da, ein kleiner kugelrunder Fettklumpen, dessen Extremitäten wie Windmühlenräder umherfuchtelten ; auch er machte die lustigsten Sprünge. Er war über und über mit buschigen Quasten und Schweins- Bchwänzen behangen, und. schien unermüdlich in seinen Spässen und Albernheiten. Auf mich machte er in der That einen so komischen Eindruck, dass ich zu des Königs gröss- ter Befriedigung in ein herzhaftes Lachen ausbrechen musste. Ich nannte ihn einen Hofnarren, und diese Bezeichnung ver- diente er in mehr als einer Hinsicht. Kaum traute ich mei- nen Augen, als ich in seinem Gürtel einen Monbuttusäbel aus Holz geschnitzt stecken sah, die Nubier machten mich darauf, als etwas durchaus Neues, aufmerksam; auch durfte er sich gegen jedermann, sogar gegen Munsa selbst, die grössten Freiheiten herausnehmen. So kam er unter an- derm auf den König zugehüpft, ihm die Rechte entgegen- streckend ; wie Munsa dreinschlagen wollte, zog er sie schnell wieder zurück und machte mit einem Satze kehrt. Kurz vorher waren mir einige frischgeröstete Maiskolben, die ersten 'der Saison, vorgesetzt worden; da kam der Narr und bat mit drolliger Geberde, davon zu essen; ich warf ihm aber

56 Vierzehutes Kapitel.

nur die einzelnen Körner in den oflfengesperrten Rachen, und er. fing dieselben unter wunderlichem Augenverdrehen auf, das rief dann ein allgemeines Gejubel hervor. Dann kam noch ein Verschnittener, man wusste mir nicht zu sagen, woher sicli Munsa diesen verschafft hätte, und ich konnte nur erfahren, dass er in den innern Räumen der Hofburg diente. Dieser Eunuch war die Zielscheibe des allgemeinen Witzes und eine possirliche, wohlgemästete Figur; wenn er sang, so hatte er etwas von einem grunzenden Pavian, und, wie verächtlich für die nubischen Gäste, Munsa hatte ihm einen rothen Fez aufgesetzt, so war er der einzige in der grossen Versammlung von Eingeborenen, der etwas Fremd- ländisches an sich trug.

Das Beste hatte Munsa für den Schluss aufgespart; er hielt eine Rede. Während das Volk in unei-schütterlicher Ruhe auf seinen Schemeln und Sitzbänken verharrte (kein Monbuttu sitzt am Boden), erhob sich der König mit einem Satz, zupfte an seinen Schössen, räusperte sich und begann das lautschallende Wort. Natürlich verstand ich nichts da- von, konnte mir bei der Weitläufigkeit einer zweifachen Ver- dolmetschung auch nichts davon berichten lassen, was ich aber hörte und sah war genug, um zu begreifen, dass Munsa seine Worte wählte und mit Kunst zu sprechen bemüht war, denn oft hielt er inne, verbesserte sich, und es schien mir sogar, als mache er Kunstpausen, um den Jubel des Volkes auf die Kraftstellen zu häufen. „Ih, Ih, tschupi, tschupi ih, Munsa ih", schallte es aus allen Kehlen, und ein Höllenlärm ging von den Tonwerkzeugen aus. Auf solchen Hymnus liess der König mehrmals, gleichsam zur Ermunterung des Ge- tobes, ein schnarrendes „Brrr" hören*), ein Brrr, dass die

*) In der Scharaancnspraelie bedeutet das brrr' „seid gegrüsst", auch hier war es gewiss ein Gruss, denn es folgte darauf der Mon- buttuhymnus zum zweiten mal, der die Glorification des Königs be- deutet.

Munsa hält eine Rede. 57

Palmstäbe des Dachstuhls zu vibrireu schienen und die Schwalben angsterfüllt ihren Nestern enteilten.

Die Pauken, jetzt rhythmisch von den Hörnern begleitet, schlugen in lebhafterm Tempo einen neuen Takt an, und Munsa, zu einem neuen Zeichen seiner Würde greifend, schlug den Takt dazu und dirigirte mit dem Ernste eines Kapell- meisters das Höllenconcert. Sein Taktstock bestand in einer Art Klapper, wie damit bei uns die kleinen Kinder spielen; eine aus Korbgeflecht hergestellte Kugel ist mit Muscheln und Steinchen gefüllt und an einem Stiele befestigt. Das- selbe Instrument ist auch am Gabon an der Westküste ge- bräuchlich.

Die Rede dauerte eine volle halbe Stunde und gewährte mir ausreichende Müsse, von dem redenden Könige eine de- taillirte Skizze zu entwerfen, die diesem Buche beigefügt worden ist. Der Hunger zwang mich zuletzt, den König König sein zu lassen und zum Lager zurückzueilen. Zum Abschiede sprach Munsa zu mir: „Ich weiss nicht, was ich dir für deine vielen Gaben bieten soll; ich bin recht betrübt, dass ich nichts habe und so arm bin." Entzückt von solcher Bescheidenheit und in der Erwartung um so grösserer Ge- schenke erwiderte ich: „Was es auch sei, ich bin deshalb nicht gekommen; ich brauche kein Elfenbein, das kauft man sich bei uns selbst; die Türken holen es und wir zahlen sie mit gelbem Blei und mit weissem Eisen, wir machen weisses Zeug, Pulver und Flinten. Nur um zwei Dinge bitte ich: um ein Schwein (Potamochoerus) und um einen Schimpanse." „Daran soll es nicht fehlen", sprach Munsa, allein ich war der Getäuschte, und von Schwein und Schimpanse sah ich nichts, trotz meiner täglichen Mahnungen. Als ich die Halle verliess, schickte der König sich von neuem dazu an, eine Rede zu halten. Ermüdet von dem vielen Lärm verbrachte ich den Rest dieses denkwürdigen Tages in meinem Zelte.

In früher Morgenstunde weckte mich der Ruf meiner Leute, ich solle herauskommen, um zu sehen, was mir der

58 Vierzehntes Kapitel.

König schicke. Ich trat also vor mein Zelt und schaute hinunter auf den Weg. Da erblickte ich einen Knäuel zu- sammengedrängter Monbuttu, welche mit vielem Geschrei etwas mir durchaus Unverständliches die Anhöhe hinauf zu bewegen schienen. Mohammed kam ihnen vorausgeeilt und gab mir die überraschende Erklärung: „Ich habe Munsa ge- sagt, dass deine Sachen unter freiem Himmel lägen und vor nächtlichem Regen keinen Schutz fänden, jetzt schickt er dir ein Haus als erstes Gastgeschenk." So unglaublich dies auch klang, so überzeugte mich der Augenschein doch bald von der Wahrheit seiner Aussage und dass er keinen blossen Scherz gethan; in der That nahm ich jetzt einige zwanzig Eingeborene wahr, welche auf ihren Schultern das vierkantige Untergestell eines Häuschens trugen, eine geringere Anzahl folgte dahinter mit dem Dache. Das leichte korbartige und mit Spanischrohr fest zusammengenähte Gestell glich einer grossen Schachtel, das Dach war der Deckel dazu und liess keinen Regentropfen durch. In wenigen Minuten waren sie oben und stellten das Häuschen neben meinem Zelte auf. Es war einige 20 Euss lang und immerhin geräumig genug, um meine Vorräthe aufzunehmen; namentlich musste es mir für die Handhabung der zum Pflanzentrocknen dienenden Papierballen von grösstem Nutzen sein.

Ich erfreute mich also meines neuen Bürgerrechts als Hausbesitzer im Monbuttulande, und demnach gestalteten sich auch meine Beziehungen zu diesem Volke von Tag zu Tag intimer. Beständig war mein Zelt von Scharen Neugieriger umringt. Die Angesehenem unter ihnen kamen mit ihren Bänken und stellten diese reihenweise vor den Eingang, schweigsam und forschenden Blicks mich in meinem Thun und Treiben beobachtend. Immer war es mehr meine Per- sönlichkeit, welche ihr ganzes Nachdenken zu absorbiren schien, als das viele fremdartige Geräth, das mich umgab und welches ihnen doch ebenso räthselhaft erscheinen musste. Anfänglich hatte ich meinen Spass an diesen vielen Besuchen,

Eiu Curiositäten- und Schüdelmarkt. 59

ich empfing sie mit schiueicheludeu Gesten; ich kämmte und rasiite mich „iu cospectu omnium". Jede Minute brachte mir neue Ueberraschungen; da gab es viel zu betrachten und zu zeichnen, nur das sich gegenseitig Verständlichmachen hatte seine grosse Schwierigkeit. Ab und zu gelang es mir, aus dem Haufen der Versammelten einige Leute herauszu- greifen, welche das Sandeh sprachen, sodass ich mit Hülfe meiner Niamniam einiges zu erfragen und die Menge über meine Wünsche zu verständigen vermochte. „Bringt Waffen und kunstvolles Geräth, Schmucksachen und Utensilien aller Art", liess ich ihnen sagen, „ich will euch andere schöne Sachen dafür geben; dann schafft herbei Felle und Schädel von Thieren, die Früchte des Waldes, die Blätter, welche dazu gehören, nicht zu vergessen, vor allem aber bringt Menschenschädel, soviel als ihr deren von euern Mahlzeiten erübrigt, euch taugen sie doch zu nichts, ich aber gebe euch Kupfer/' Dies Hessen sich viele nicht zweimal sagen, und im Handumdrehen entwickelte sich ein förmlicher Curiosi- tätenmarkt mit schwungvoll betriebenem Tauschhandel.

Die Menge der mir solchergestalt in den ei-sten Tilgen herbeigeschleppten Gebeine war erstaunlich und musste mei- nem immer noch schüchternen Glauben an die Allgemeinheit kannibalischer Sitte in diesem Lande zu völliger Ueber- zeugung verhelfen. Da lagen Haufen von Knochen aller Art, Unterkiefer, Schädelfragmente, die meist der Zähne be- raubt waren, um sie als Halsschnure zu verwerthen; sie glaubten, es wäre mir nur um die Masse zu thun. Solchen Lidicien gegenüber musste auch die hartnäckigste Zweifel- sucht verstummen. Ich hatte Mühe, den Leuten begreiflich zu machen, dass ich nur intacte Schädel gebrauchen könnte, nur für solche würde ich Kupfer hergeben, ich verspräche aber für jedes vollständige Stück mit einem grossen Armring zu zahlen. Die meisten Schädel waren nämlich zertrümmert, um das Hirn bequemer herausnehmen zu können. Von allen Schädeln, die mir nun in der Folge zugingen, es waren ihrer

60 Vierzehntes KapiteL

•an 200, las ich einige vierzig intacte Exemplare aus und ver- packte sie woliletikettirt zum Transport nach Europa. In allen Fällen wussten die Ueberbringer mir Herkunft und Geschlecht, ob weiblich oder männlich, mit grosser Bestimmt- heit anzugeben, was allein erst den Werth der Sammlung bedingt. In dieser Hinsicht müssen viele grosse Schädel- sammlungen zum Theil völlig zwecklos erscheinen, denn was lässt sich beispielsweise für die vergleichende Ethnologie und Anthropologie von einem Negerschädel erwarten, welcher über seine Herkunft keinen andern Nachweis ertheilen kann, als die Aufschrift „Brasilien" oder „Ostafrika". Die meisten Schädel, welche mir die Monbuttu brachten, gehörten den Völkern an, die im Süden ihres Gebiets ihre Wohnsitze haben und den beständigen Raubzügen der erstem ausgesetzt sind, nur wenige stammten von den Monbuttu selbst. Der Zustand, in welchem ich viele Stücke empfing, gab aufs leich- teste zu erkenneu, dass sie in Wasser gekocht und mit Mes- sern abgeschabt worden waren, einige schienen direct von den Mahlzeiten der Eingeborenen zu kommen, denn sie waren noch feucht und trugen den Geruch von frisch Gekochtem an sich, viele hatten das Aussehen, als wären sie unter altem Kehricht und Küchenabfällen aufgelesen worden, die wenig- sten hatte man am Wasser gefunden und waren vom Flusse ans Land gespült worden. Den Ueberbringern liess ich sa- gen, die Schädel würden bei uns gebraucht, um auch aus der Ferne die Menschen kennen zu lernen, die hier wohnten; wir besässen die Kunst, aus der Schädelform Art und Sinn der Menschen zu erkennen, sowie ihre Vorzüge und Fehler, dazu sammele man sie aus allen Ländern des Erdballs. Die Chartumer hatten nämlich, da sich das Sammeln von Schä- deln nun bereits ins zweite Jahr hinzog, den Glauben ver- breitet, dieselben dienten mir zur Bereitung der feinsten Gifte. Unter dem stupidem Theile der Eingeborenen hin- gegen mochte sich die Ansicht geltend machen, die Knochen würden alle als Speise verwandt. Solchen Irrthümem musste

Boten aus weiter Ferne. 61

ch, um die Ehre Europas zu retten und der Wissenschaft KU Liebe, in deren Dienst ich stand, freilich auch den Leh- ren GalFs ungeziemenden Weihrauch spenden.

unter den Leuten, die tagtäglich in unser Lager kamen, lim mir die Ehre ihres Besuchs zu schenken, fanden sich luch Gäste aus weiter Ferne ein; unter andern Abgesandte des benachbarten Niamniamköuigs Kanna, dessen Territorien sich im Westen und Nordwesten der Monbuttu ausdehnen. In jener Gegend lag das Reich des Kifa, eines mächtigen Herrschers, dessen unerschöpfliche Elfenbeinvorräthe das bisher indess nur selten erreichte Ziel aller Expeditionen der Chartumer ausmachten. Kifa, der den Beinamen Ntikima führte, hatte zwei Jahre vor unserer Campagno auf einem Kriegszuge gegen die Maböde, ein schwarzes Negervolk im Südwesten der Monbuttu, seinen Tod gefunden, und die vier ältesten Söhne desselben hatten sich in seine ausge- dehnte Macht getheilt. Den grössten Länderbesitz hatte Kifa's Sohn Kanna erworben, und von diesem waren die Boten gekommen, welche Mohammed einladen sollten, sein Land zu besuchen. Dieser hatte inzwischen bereits dem während des Vormarsches nach Süden detachirten Corps das Land Kanna's als Endpunkt seiner Operationen angewiesen ; uns selbst gestattete die Zeit einen derartigen Abstecher nach Westen nicht. Er würde für sich allein mehrere Mo- nate in Anspruch genommen haben. Von diesen Sendboten des Niamniamköuigs erhielt ich verschiedene Angaben über die Gegenden im Westen, welche mir einiges Licht über den Unterlauf des Uellestroms und über den andern grossen Fluss im Norden desselben verbreiteten, welcher aus der Vereinigung mehrerer Gewässer, die im Gebiete Uando's ihren Ursprung nehmen, schnell zu bedeutender Wasserfülle anzuwachsen scheint. Zwischen beiden Flüssen, dem Uclle und dem sogenannten Flusse von Uando, der sich unterhalb Kanna's Gebiet mit dem erstgenannten vereinigt, lag die Re- sidenz des verstorbenen Kifa, woher die Angabe stammt, sie

62 Vierzehntes Kapitel.

läge auf einer Insel, was ganz der arabischen Ausdrucks- weise entspricht. Die Lage dieses Platzes wurde mir von den Niamniam in Nordnordwest von Munsa's Residenz an- gegeben und nach ihrer Aussage musste er mindestens 40 Meilen in dieser Richtung entfernt sein.

Ich erkundigte mich bei diesen Leuten nach dem weissen Manne (Piaggia), den die Nubier vor einigen Jahren ins Land gebracht hätten und der behauptet hätte, auch Kifa's Resi- denz besucht zu haben. Meine Gewährsmänner aber ant- worteten, sie hätten wol von diesem Manne reden hören, aber in ihre Gegend wäre derselbe nicht gekommen, was ganz mit den Angaben übereinstimmte, welche mir die Leute von der Ghattas'schen Compagnie, die Piaggia bis zu Tombo be- gleiteten, gemacht hatten.

Alles, was Piaggia über die Niamniam mitgetheilt hat, ist sehr gut und bleibt unbeanstandet, allein zum Vorwurf gereicht ihm die Erzählung fingirter Reiserouten. Auch ist ersichtlich, dass er die Niamniamf ürsten in falscher Reihen- folge anführt, z. B. auf Malingde oder Malindo unmittelbar Kifa folgen lässt und nur zwei Tagereisen Distanz angibt, welche Antinori, sein Berichterstatter, ohne weiteres mit G5 Meilen interpretirt. Ich gratulire einer Compagnie, die mit dem grossen Tross ihrer Träger 15 Wegstunden am Tage zurückzulegen gedenkt und auf dieser Strecke ein Dutzend Sümpfe und Bäche zu passiren hat, von denen manche allein eine halbe Stunde Passagezeit erfordern. Von dem fremdartigen Volke, welches sich in den südlichen Gegen- den unter die Niamniam mengt (bei Indimma ist die Be- völkerung zur Hälfte gemischt, und in den Territorien Kifas sind die Niamniam in der Minorität), hat Piaggia, der sonst nicht wenig Beobachtungstalent an den Tag legte, nicht das Geringste mitgetheilt.

Unter allen Vornehmen des Volkes, die mich in meinem Zelte besuchten, war es besonders einer von Munsa's Söhnen, dessen auffällige Persönlichkeit meine Aufmerksamkeit fes-

Bunsa, ein Albino. G3

sclte. Dieser hiess Bunsa und gehörte zu den hellfarbigsten Individuen der Monbutturasse, die mir zu Gesichte kamen. Seine Hautfarbe war die eines Bewohners von Mittelägypten, sein Haar von einem schmuzigen Blond. Der hohe Chignon glich so ziemlich einem Bündel Hanf und stand im grellsten Contrast zu den schwarzen Haarsträngen, welche, der Mon- butturaode entsprechend, gleich Zwirnfäden von Ohr zu Ohr über die Stirn gespannt waren. Da das Haar in der Schläfen- gegend zu diesem Behufe häufig nicht lang 'feenug auswächst, bedienen sich die Monbuttu meist falschen und erborgten Haars, und da die blonden im Lande als eine grosse Rarität erschienen, so mochten sie wol nicht käuflich zu erwerben gewesen sein. Dieser junge Mann, von welchem ich eine sorgfältige Skizze entwarf, trug ausserdem alle Anzeichen eines ausgeprägten Albinismus zur Schau, und zwar in einer Weise, wie man es nicht selten an hellblonden Individuen semitischen Stamms, Juden sowol wie Arabern, zu beobach- ten Gelegenheit hat. Die Augen schienen lichtscheu und schielten unstet und willenlos umher, dabei wackelte das von einem dürren Halse getragene Haupt ebenso unwillkür- lich, oder es ruhte in abnormen Stellungen. Bunsa erinnerte mich lebhaft an ein blondes und fast weisses Brüderpaar, das mir am Rothen Meere begegnete; sie waren Fischer aus Dschidda und glichen sich in ihrer sonderbaren Eigenthüm- lichkeit wie ein Ei dem andern. Sowenig ich mich auch befugt glaube, weitere Consequenzen an diese Beobachtung zu knüpfen, so kann ich an dieser Stelle doch nicht die Be- merkung unterdrücken, dass die Monbuttu überhaupt in ihrem Gesichtsausdruck ein durchaus semitisches Gepräge verrathen, wobei besonders die keineswegs negroide Nasen- bildung (Bunsa hatte z. B. eine vollständige Adlernase) mit- zuwirken scheint.

Von den übrigen Mitgliedern des hohen Königshauses von Monbuttu liessen sich nur Munsa's Frauen und die älteste Schwester im Lager blicken. Die letztere war eine

G4 Vierzehntes Kapitel.

alte garstige Person und schien nichts von der Amazonen- natur ihrer verstorbenen Schwester Nalengbe zu besitzen, welche mit Mannstracht angethan vor Jahren die Monbuttu in den Kampf geführt. Ihre Eitelkeit machte sie zum Ge- spött der Fremden und Eingeborenen, und vergebens durch- lief sie das Lager, die Soldaten mit schamlosen Anträgen verfolgend. Von mir erbettelte sie einiges Blei, welches ihr die Nubier aus Rücksichten der höhern Politik vorenthielten. Dieses Metall war noch im Monbuttulande eine solche Ra- rität, als wäre es eben erst entdeckt und zum ersten mal dargestellt worden. Munsa's Schwester hämmerte aus den Flintenkugeln schön glänzende Ohrgehänge.

Eines Morgens fanden sich gegen dreissig der königlichen Lieblingsfrauen im Lager ein, um von Mohammed die ihnen zugedachten Geschenke in Empfang zu nehmen. Es waren lauter jugendliche, kräftige Gestalten von tadellosem Wuchs und meist hoher Statur, w^enn auch nicht von einnehmender Gesichtsbildung. Wie gewöhnlich wetteiferten sie in üppiger Entfaltung des Haarschmucks und kunstvoller Bemalung des Körpers. Zwei dieser Damen liessen sich bewegen, mir be- hufs Zeichnung und Porträtaufnahme zu sitzen, die Genos- sinnen bildeten um uns einen Kreis, alle sassen auf den kleinen, runden und einfüssigen Schemeln, die sie selbst mit- gebracht, und hatten im Sitzen eine Binde über den Schos gelegt. Auch in ihrer Mitte zeichneten sich einzelne durch helle Hautfarbe und blonden Haarwuchs vor den übrigen aus, mehrere erinnerten geradezu an die Färbung des Milch- kaffees. Als ich meine Zeichnung vollendet hatte, wollte ich durch Darreichung eines Geschenks an Glasperlen meine Dankbarkeit für ihre so hart auf die Probe gestellte Geduld an den Tag legen, erhielt aber die Perlenschnüre zurück; die Frauen des Königs, liessen sie mir sagen, wären nur autorisirt von Mohammed Abd-es-Ssammat, von Mbali Ge- schenke abzuholen ; auch vom Mbarik-päh welche in Empfang zu nehmen, dazu hätten sie keinen Befehl, „das könnte Ver-

Besuch von Munsa^s Frauen. ß5

dacht erregen, und Verdacht wäre bei Munsa gleichbedeu- tend mit Tod", setzten die Dolmetscher hinzu.

So lebhaft auch in der ersten Zeit das rege Menschen- getümmel um mich herum mein Interesse in Anspruch ge- nommen hatte, so begann es auf die Dauer doch sehr er- müdend und langweilig zu werden. Ich war bereits am zweiten Tage nach unserer Ankunft genöthigt gewesen, mein Zelt mit einer Dornhecke zu umgeben, um den Andrang der Neugierigen zurückzuhalten, aber viele dachten nicht daran, diese zu respectiren, sondern brachen rücksichtslos durch und rückten mir förmlich auf den Leib. Jede Minute sah ich mich in meiner Arbeit unterbrochen. Ich spritzte im Unmuth oft Wasser unter die Leute und ersann allerhand Schreckmittel; Pulverminen und Brj\ndgranaten wurden ver- sucht, um die Eingeborenen durch Furcht zu zwingen, eine gewisse Distanz innezuhalten, alles erwies sich als vergebliche Mühe. Schliesslich blieb mir kein anderer Ausweg, als der, bei meinem Zelt beständig einige Wachen auszustellen, wel- chen von Mohammed befohlen wurde, Gewehr in Arm jeden Zudringlichen zurückzuweisen. Dieses Mittel half dann leid- lich; kaum aber hatte ich mein Asyl verlassen, als ich mich auch schon von einer ganzen Schar begleitet sah. In solchen Fällen waren es vorwiegend Weiber, die mir auf Schritt und Tritt folgten und mir viele meiner botanischen Excursionen arg verleideten. Selbst inmitten des Urwaldes hielten sie Stand und brachten mich durch Zertreten seltener Blüten, welche ich mir mühsam zusammensuchen musste, zu wahrer Verzweiflung. Wenn ich so gefolgt von hundert Frauen über die offene Fläche zur Bachniederung hinabschritt, kam ich mir vor, wie an der Spitze eines Triumphzugs. Wo wir Weiler und Gehöfte zu passiren hatten, wuchs mein Gefolge beständig an. War ich aufgelegt, so erlaubte ich mir wol auch einige Spässe, indem ich einige Worte, die ich von ihrer Sprache aufgeschnappt, unter die Menge warf, diese wurden alsdann wie eine Parole mit Begeisterung von Munde

ScnwxnrFUBTB. II. 5

GG Vierzehntes Kapitel.

ZU Munde getragen. Rief ich z. B. „liosanna", d. h. „ist nicht", ein Ausdruck, der sich mir bei meinem imaginären Triumphe besonders leicht aufdrängen musste, so riefen alle Weiber hinter mir eine Viertelstunde lang „hosanna, hosanna" in einem Athem. Auch schwierige deutsche Worte gab ich ihnen zum besten, und ergötzte mich an ihrer Gewissen- haftigkeit, die zungenbrechenden Laute nachzuahmen. Am liebsten aber bediente ich mich der vielen onomatopoetischen Namen von Thieren, welche die Monbuttusprache den ihnen eigen thümlichen Lauten nachgebildet, wie z. B. „Memmeli" für „Ziege". Einst sass ich umringt von Weibern und zeich- nete zwei Ziegen, da riefen es sich diese unaufhörlich als Schlagwort zu und begrüssten eine jede neuhinzukommende mit dem wohlaccentuiii;en „Metnmeh-eh", das erklärte die Situation. „Was ist los, was gibt's?" war ihre Frage, „Eine Ziege, eine Ziege" die Antwort. Alle Monbuttuweiber waren in weit höherm Grade zudringlich als ich es an ihrem Ge- schlechte bei irgendeinem andern Volke wahrgenommen; so oft ich aber selbst zu ihren Wohnplätzen kam und ihre Be- hausung in Augenschein nehmen wollte, so verschlossen sie sich ängstlich im Innern der Hütten und verrammelten unter vielem Geschrei alle Thüren.

Unten am Bache gab es Plätze, wo, umgeben von einer bezaubernden Fülle von tropischem Pflanzenwuchs, spiegel- klare Bassins zu einem gefahrlosen Bade in den murmeln- den Fluten einluden, ein langentbehrter Genuss nach den zahllos überstandenen Schlammbädern des Niamniamlandes. Alle Bedingungen schienen daselbst miteinander zu wett- eifern, um die Scenerie mit zutraulichen Reizen auszustatten. Bei jeder Krümmung des Baches war von hohen Laubkronen domartig überwölbt und mit lang herabwallenden, blüten- duftenden Sträuchen umhangen ein völlig abgeschlossener Teich gebildet. Ein grotesker Kranz von prächtigen Farrn, dazwischen die grossen Blätter der Aroideen und Ingwer- gewächse, umgab den Rand der Wasserfläche. Riesige, mit

Ueberrasclmng im Bade. Swordbean. 67

zartem Moospolster bekleidete Baumstämme fanden sich über das Wasser gestürzt und dienten als Badestege von idealer Vollkommenheit. Aber auch diese paradiesischen Schlupf- winkel sollten nicht frei sein von menschlicher Qual, denn nach des Dichters Worten ist die Natur nur da frei und vollkommen, wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual, und diese Qual kam hier in Gestalt schaulustiger Monbuttu- frauen, welche sich auf allen umliegenden Anhöhen postirt hatten, wo diese nur immer einen Einblick in die Ufer- dickichte gestatteten, um sich an den Lichtcontrasten eines pittoresken Waldinterieurs zu ergötzen; denn weithin leuch- tete meine Gestalt aus dem nächtlichen Dunkel der Ge- büsche.

Selten verging ein Tag, an welchem ich nicht einen in- teressanten Fund gemacht hätte. So fand ich einst auf einem Waldpfade den grossen Samenkern einer mir unbekannten Leguminose. Ich zeigte ihn den Eingeborenen, und sie nann- ten mir die Pflanze,, zu welcher er gehören sollte, „Moroköh". Nach einiger Zeit erhielt ich die ganzen Hülsen und erkannte sie als die Frucht der Entada scandens, welche in West- indien unter dem Namen „Swordbean" bekannt ist. Sie erreichten eine Länge von 5 Fuss und hatten die Breite einer Spanne. Die flachen und abgerundet vierkantigen Samenkerne sind, abgesehen von den Früchten einiger Pal- men, die grössten, welche man kennt, denn sie nehmen nicht selten einen Flächenraum von 3 Quadratzoll ein. Eine der- artige Massivität befähigt ihre Keimkraft, monatelang den Einflüssen des Seewassers zu widerstehen, sodass sie sich, von Meeresströmungen fortgetragen, über den grössten Theil des Erdballs verbreiten konnten. Man fand die Swordbeans wiederholt in arktischen Regionen und noch neuerdings an den Nordgestaden von Nowaja-Semlja. Innerhalb der Tro- pen hat sich die Pflanze auf den Inseln des Stillen Oceans und an den Gestaden beider Indien angesiedelt, ihre riesigen Bohnen gehörten zu den auffälligsten Zeugen des Golfstroms.

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68 Vierzehntes Kapitel.

Ihre eigentliche Heimat scheint das tropische Afrika zu sein, wie ihr Vorkommen im Lande der Monbuttu, gleich weit ent- fernt von beiden Oceanen, beweist. Zur Aufsuchung des Mo- roköh unternahm ich einen eigenen Ausflug, der mich zwei Stunden vom Lager in südöstlicher Richtung führte. Wir kreuzten mehrere Bäche und kamen durch viele von Oel- palmenhainen aufs aumuthigste beschattete Gehöfte. Ueberall folgten meinen Schritten helle Haufen des Volks, und ob- gleich sie mit unsern Bongos und den andern Negern der Karavane nicht _selten in Streit geriethen, so benahmen sie sich mir gegenüber doch immer sehr respectvoU und liebens- würdig. Man sollte meinen, Hülsen von 5 Fuss Länge müss- ten an Bäumen von ebenso gigantischem Wüchse zu finden sein; mit nichten. Die Entada scandens bildet ein schwaches und hinfälliges Schlinggewächs, welches in den Niederungen der Bäche an niederm Strauchwerk emporklimmt und sich festonartig über seine Zweige ausspannt.

Die zwanzig Tage unsers Aufenthalts an diesem inter- essanten Platze verstrichen mir nur zu schnell, es folgten daselbst Ueberraschungen auf Ueberraschungen. Wie ich mit den Pygmäen Bekanntschaft machte, soll in einem spä- tem Kapitel erzählt werden. Grosse Festlichkeiten in den Hallen des Königs, dann wieder allgemeiner Jagdallarro, wenn Büflfel oder Elefanten sich in der Nachbarschaft blicken Hessen, schliesslich tributbringende Vasallen, die mit ihren Kriegern feierlichen Einzug in die llesidcnz des Königs hiel- ten , immer zeigte sich mir das Volk der Monbuttu von einer neuen Seite seiner nationalen Eigenthümlichkeit. Wieder- holt besuchte ich den König, den ich bald in seinen Vor- rathskammern mit Austheilen von Lebensmitteln an seine Untergebenen, bald in den innern Gemächern seines spe-, cicUen Hofhalts antraf. Eines Nachmittags wurde mir die Erlaubniss zutheil, an Mohammed's Seite alle Piecen der Hofburg zu durchmustern. Der Ceremonienmeister und der oberste Küchenmeister geleiteten uns. Mohammed, welcher

MuDBa's PrivatwoliDung und Hofburg. ß{|

bereits mit allen Einrichtungen vertraut war, konnte mir jede nöthige Auskunft ertheilen. Hofbarg nenne ich einen für sich abgeschlossenen Complex von Hütten, Hallen nnd Schuppen, welche, von einem Palissadenzaune umfriedigt, nur vom Könige und den Beamten seines Haushalts betreten werden darf. Alle Öffentlichen Geschäfte besorgt der König in den äussern Hallon. Bäume waren in Reihen um den Zaun gepflanzt und ertheilten dem Ganzen einen zutraulichen und wohnlichen Charakter. Ausser Oelpalmen waren auch

andere nutzbare Bäume auf den freien Plätzen angepflanzt, die Stabilität des Königssitzes anzeigend, im Gegensätze zu den unsteten Wohnsitzen der Niamniamhäuptlinge.

Alsdann wurde ich zu einem runden Hause mit immen- sem Kegeldach geführt, welches als Arsenal mit Waffen- vorräthen aller Art angefüllt war. Hier durfte ich mir eine Anzahl Klingen und Lanzen, die mir besonders gefielen, aus- suchen, es sollte das G^engeschenk des Königs sein. Die mich begleitenden Hofbeamten und Waffenaufseh,er beein- trächtigten mich indess gar sehr ia der freien Auswahl der

70 Vierzehntes Kapitel.

Stücke; jedesmal, so oft ich etwas Absonderliches bemerkt hatte, wollten sie mir die Aushändigung verweigern; ich musste nachträglich an die königliche Freigebigkeit appel- liren, um diese Prachtstücke behalten zu, dürfen. Durch den Tauschhandel vor meinem Zelte beträchtlich vermehrt, brachte ich so ein ganzes Sortiment von Messern, Säbeln, Lanzen, Spiessen, Pfeilen, Bogen und Schilden zusammen, von denen ich indess nur die Metalltheile (infolge der Feuersbrunst, die mich später betroflfen) als Proben des Kunstfleisses der Monbuttu mit mir nach Europa zu bringen vermochte. An diesem Tage sah ich auch die prächtigen Rinder, welche Munsa von einem befreundeten Könige im Südosten seines Reichs zugeschickt erhalten hatte und deren ich bereits im zwölften Kapitel des ersten Bandes Erwähnung that. Ich gebe hier die Zeichnung eines schwarzweiss gescheckten Bullen, deren Fetthöcker an Grösse alles bisher Gesehene weit übertraf.

Alle meine Versuche, von Munsa selbst geographische Aufschlüsse über die Länder im Süden seines Reichs zu er- langen, — von seinen Untergebenen war nichts in dieser Sache herauszubringen, sie schwiegen wie das Grab , schei- terten an der Geheimthuerei der afrikanischen Herrscher- politik, und die Schwierigkeiten der doppelten Verdolmetschung waren für Munsa eine erwünschte Veranlassung zu Um- schweifen und ausweichenden Redewendungen. Zunächst lag mir am meisten daran, Gewissheit darüber zu erlangen, ob ein grosser Binnensee, wie ihn Piaggia angegeben, in dieser Gegend existire oder nicht. Ich gewann die positive Ueber- zeugung, dass die Eingeborenen nichts von der Existenz eines solchen wussten. Wenn man den Mangel eines Ana- logons berücksichtigt, an welchem ich ihn hätte demonstri- ren können, so wird man begreifen, wie schwer es mir fiel, den Begriff eines Sees den Eingeborenen als eines grossen stehenden und süssen Gewässers, das ein ganzes Land aus- fülle, zu erklären; auch der Sprachschatz selbst, über wel- chen die Dolmetscher geboten (Arabisch und Sandeh), erwies

Piaggia's See exisiirt nicht. 71

sich in dieser Hinsiebt als völlig unzureichend. In Aegypten und im ägyptischen Sudan hat man keinen Ausdruck dafür, birket, fula, tirra u. s. w. bezeichnen Teich, Regenteich, Sumpf. Piaggia, der, wie ich nachgewiesen, nicht selbst bei Kifa war, berichtete nur vom Hörensagen, und zwar nach den Er- zählungen von Nubiern, zu denen die Kunde von Baker^s Entdeckungen als dumpfes Gerücht gelangte, oder aber nach den Aussagen von Eingeborenen, die von einem grossen Wasser (Fluss) überhaupt sprachen, das in der That ganz nahe von Kifa's Residenz vorbeifliesst. Weder Monbuttu noch Niamniam hatten eine Ahnung vom Weltmeer, alles Gegen theilige, was darüber nach den Aussagen von char- tumer Abenteurern in die OeflFentlichkeit *) gelangte, kann ich getrost als eitel Schwindel und orientalische Phantasie bezeichnen. Die Fabel von Dampfern und mit Weissen be- mannten Schiffen, welche nach den Erzählungen der Ein- geborenen den Fluss heraufgekommen seien, oder von Ab- bildungen derselben, welche man in ihren Häusern gefunden haben wollte, ist allerdings unter allen Niamniamzüglern verbreitet, indess ohne jeden nachweisbaren Grund.

Nach vielem Hin- und Herreden erklärte der Dolmetsch des Königs zu meiner grössten Ueberraschung, ja, er wisse im Lande ein solches stehendes Gewässer, er zeigte mir das- selbe in der Richtung von Westsüdwest und nannte den Platz „Madinmio", dort befände sich zugleich der Geburts- ort des Königs Munsa. Die Niamniam nannten den Platz i,Gilli". Als ich nun weiter fragte, wie gross ungefähr und von welcher Ausdehnung jenes Wasser wäre, erhielt ich die enttäuschende Antwort: „So gross wie Munsa's Palast."

Ich nährte die stille Hoffnung, durch Erwähnung von Namen, die an etwas den Monbuttu bereits Bekanntes an- klängen, ihre Schweigsamkeit zu brechen, liess daher den

*) Vj^l. Dr. Ori's Brief an Marquis Antinori in „Bollctino della Socicta Geografica Italiana**, I, 188.

72 Vierzehntes Kapitel.

König fragen, ob er etwas wisse vom Lande Ulegga, dessen König Kadschoro hiesse, oder vom König Kamrasi, dessen Reich hinter dem grossen Wasser und hinter den Bergen der Malegga läge, indem ich gen Südosten deutete. „Kam- ras, Kamras", wiederholte ich den Namen in der Weise, wie ihn die Chailumer aussprechen, aber Munsa und sein Dol- metsch blieben stumm oder sprachen von andern Dingen. Dabei entging mir nicht ein Augenblinzeln, welches während dieser Unterredung der König mit dem Dolmetsch austauschte, ich musste daraus die Vermuthung schöpfen, sie hatten in der That etwas von Kamrasi gewusst.

Bei einer spätem Begegnung machte mir Munsa in der ungezwungensten Weise Vorwürfe darüber, dass ich ihm so wenig Kupfernes geschenkt. Derartige Nachforderungen längst von einem afrikanischen Herrscher erwartend, hatte ich mich nur gewundert, dass er sie nicht bereits früher geltend ge- macht. „Mohammed", sprach Munsa, „hat mir so viel Kupfer gegeben, der ist ein grosser Sultan, aber ich weiss, du 'bist auch ein grosser Sultan" (sie), „brauche aber auch kein Elfenbein", setzte ich hinzu. Der König entliess mich in Gnaden, sandte aber bald darauf Boten zu mir, welche um die beiden Hunde baten, die ich mitgebracht hatte. Es waren zwei ganz gemeine Bongoköter von kleinem Wuchs, im Vergleich zu der winzigen Rasse der Niamniam- und Monbuttuhunde aber immerhin auffallend genug, um die Habsucht des Königs zu erwecken. Er hatte Hunde von solcher Grösse noch nie gesehen und verlangte sie nicht als leckem Bissen, sondern um sie bei sich zu halten. Ver- geblich betheuerte ich, die Hunde wären mir ans Herz ge- wachsen, es wären meine Kinder, um keinen Preis seien sie mir feil, lieber wollte ich ihm die Haare von meinem Haupte schenken; es half nichts, Munsa hatte es sich einmal in den Kopf gesetzt, die Hunde musste er haben. Tagtäglich wurde die Forderung wiederholt und mir der Reihe nach allerlei absonderliche Geschenke ins Zelt geschickt, die mich indess

Austausch der Hunde gegen einen Akkä. 73

nicht erweichten. Als aber sogar Sklaven und Sklavinnen vorgeführt wurden, brachten diese mich auf einen neuen Gedanken. Ich beschloss nachzugeben und den einen Hund gegen ein Individuum der Akkärasse einzutauschen. Munsa ging willig darauf ein und sandte mir zwei derselben, konnte aber zuvor den Witz nicht unterdrücken: „Vorhin sprachst

du, die Hunde seien deine Kinder, was fängst du nun an,

*

wenn ich sage, die Akkä sind meine Kinder." Ich behielt den kleinern Akkä, welcher ein Alter von 14—15 Jahren haben mochte, um ihn als einen lebenden Beweis für die Wahrheit tausendjähriger Mythe mit mir nach Europa zu nehmen. Nsewue hiess der kleine Pygmäe, und ich betrach- tete ihn fortan als ein Adoptivkind. Er wurde bekleidet und meine Leute mussten ihn bedienen, als wäre er mein eigener Sohn.

Es war übrigens hohe Zeit, dass ich einlenkte und die Geduld des kannibalischen Cäsars nicht zu arg auf die Probe stellte. Der Tausch wandte mir wieder die königliche Gnade zu, und das Verbot, welches die Eingeborenen daran ver- hinderte, mir wie früher täglich Marktwaaren und Curiosi- täten zu liefern, wurde zurückgenommen. Ich erhielt jetzt solche Quantitäten von reifen Bananen, dass ich mir einen gehörigen Vorrath von Wein aus denselben herstellen konnte; ein äusserst liebliches und gesundes Getränk, welches man nach vieründzwanzigstündiger Gärung erzielt.

Während dieser Zeit hatte Mohammed am Platze keine ausreichenden Vorräthe mehr aufzutreiben vermocht, um die Menge seiner Träger und den ganzen grossen Tross der Karavane ernähren zu können; eine Abtheilung derselben wurde daher zurück zu Isingerria, jenseit des üelle beordert, um daselbst Kornvorräthe und andern Proviant zu beschaffen. Ich selbst hatte nicht einmal Eleusinekorn mehr zu meinem Brot und war auf die zähen Fladen von Manioc- und Ba- nanenmehl angewiesen. Da im Monbuttulande keinerlei Vieh- zucht existirte, so wäre ich nur auf die einförmigste Kost

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Vierzebntcs Kapital.

von Vcgetabilien beschränkt geblieben, wenn icb nicht in Erfahrung gebraclit hätte, dass von dem letzten Raubzuge gegen die Mömwu her noch viele Ziegen im Lande aufzu- treiben wären. Ich machte daher den König zum Vermittler eines Zicgenhandeh und schickte ihm für jedes Stück drei grosse Armringe Kupfer (etwa 1 Pfund an Gewicht). So

^rJ

Zl«g< der Möi

erhielt ich nach und nach ein Dutzend sehr fetter Ziegen geliefert. Schönere Exemplare waren mir, seit ich Cbartum verlitssen, nicht unter die Augen gekommen. Die Ziegen ge- hörten zwei verschiedenen Rassen an. Die einen glichen vollkommen der durch einen mähnenartigen Behang um Brust und Schulter gekennzeichneten Bongorasse, die wir bereits kennen gelernt haben, die zweite wich von allen bis- her gesehenen durch das gleichmässig langhaarige Vlies,

Ziegenrassen der Mömwu. 75

welches wie eine Decke über die kurzbehaarten Extremitäten herabhing, und durch eine gebogene Schnauzenbildung be- deutend ab. Die gewöhnliche Färbung dieser schönen Thiere, von welchen hier eine wohlgelungene Abbildung gegeben ist, w^ar ein gleichmässig glänzendes Schwarz. Alle Ziegen im Lande wurden ausschliesslich mit Bananenblättern gefüttert, eine Kost, bei welcher sie sich sehr wohl zu befinden schie- nen. Als ich ein halbes Dutzend beisammen hatte, liess ich sie alle auf einmal schlachten, die Fleischmasse von Knochen und Sehnen sorgfältig absondern und dieselbe von meinen Trägem, die jetzt ohne Beschäftigung waren, auf Bretern fein zerhacken. In grossen Töpfen wurde nun die Masse gekocht, die Brühe filtrirt, nach dem Kaltwerden entfettet und zuletzt bis zur Verdickung eingedampft. Der auf diese Art gewonnene Fleischextract sollte als Vorrath für die Rück- reise dienen und bewährte sich in der Folge in lohnendster Weise. Das Product war keiner Zersetzung unterworfen und sollte allein in der spätem bösen Zeit mein Leben fristen helfen, denn meiner harrten Tage der Noth und elenden Hungers.

Ausser Mohammed Abd-es-Ssammat pflegten seit den letzten Jahren noch zwei andere Compagnien das Gebiet der Monbuttu zu besuchen, die Leute des Agad und Poncet (die letztgenannte Gompagnie ging später in Ghattas^ Hände über). Dem Abkommen gemäss mussten diese Compagnien ihren Elfenbeinhandel auf die östlichen Monbuttulande beschränken, wo Degberra König war. Alle pflegten nach ihrem Abzüge eine kleine Anzahl von Söldnern im fremden Lande zurück- zulassen, damit diese die Handelsinteressen ihrer Gesellschaft wahrten und jeder unbefugten Concurrenz die Stirn böten. Agad's und Poncet's Soldaten waren bei den ünterhäupt- lingen des Degberra, die sich Kubbi und Benda nannten, in Garnison und kamen nun zu unserm zwei Tagereisen ent- fernten Lager herüber, um Freunde und Bekannte aus Char- tum wiederzusehen und Neuigkeiten aus der Heimat zu er^

76 Vierzehntes Kapitel.

fahren. Allen schien die Luft des Monbuttulandes wohl zu bekommen, sie sahen kräftig und wohlgenährt aus, während sich dies von denen in den Seriben des Nordens durchaus nicht sagen Hess. Sie hatten Weiber und Kinder im Lande, klagten nur über Einsamkeit und Langeweile, auch über die fremde und ungewohnte Kost, was aber bei diesen fanatischen Mohammedanern am meisten sagen wollte: alle sprachen mit Bewunderung und Hochachtung von den Eingeborenen, ob- gleich ihnen doch nichts verabscheuenswerther sein musste, als der allgemeine Kannibalismus derselben. Auch Mohanuned hatte eine Anzahl seiner Leute bei Munsa stationirt. Es war den Fremden gestattet, Seriben zu bauen, und ihnen Land angewiesen, das sie mit Bataten, Manioc und Bananen- päanzungen zu ihrem Unterhalte bestellen durften. Weiter allerdings erstreckten sich ihre Privilegien nicht, und über die Einwohner des Landes hatten die Fremden unter keinem Titel irgendwelche Macht. So gering auch die Zahl der Insassen. (10 20 an der Zahl) war, so reichte doch der Schutz ihrer Palissaden aus, sie bei einiger Wachsamkeit vor jeder Ueberrumpelung seitens der Eingeborenen völlig sicherzustellen. Die afrikanischen Wilden sind nicht wie die Indianer Amerikas, denen es auf einige Todte nicht ankommt, welche beim ersten Angriff fallen, wenn nur der Erfolg gewiss ist und eine grosse Beute in Aussicht steht. Nicht als ob die Afrikaner den Vortheil ihrer numerischen Uebermacht unterschätzten oder an dem Heldenmuth der Nubier nicht zweifelten, sie wissen aber, dass jede Attake sie der Even- tualität aussetzen muss, einige von den ihrigen einzubüssen. Da nun ein solches Opfer jeden treffen kann, niemand aber selbst ein solches Opfer sein will, so genügt die Furcht vor zwei oder drei Todten, einen Haufen von Tausenden vor jeder Unternehmung zurückschrecken zu lassen, wenn es die Verhältnisse nicht absolut gebieten.

Als Mohammed wahrnahm, dass die Elfenbeinvorräthe des Königs erschöpft seien, begann er auf Mittel und Wege

Mohammed will nach Süden vordringen. 77

iu sinnen, mit seinem Zuge weiter nach Süden vorzudringen, im daselbst auf eigene Hand einen neuen Markt zu eröffnen. begeistert schloss ich mich seinen Planen an. „Bis ans Ende ler Welt, hast du gesagt", rief ich ihm ermunternd zu, „also mn vorwärts!" Diesem Vorhaben aber standen leider die jrössten Hindernisse im Wege. Einerseits stiess es auf den mtschiedensten Widerspruch des Königs, welcher nicht ohne jrand befürchten musstc, bei weiterm Vordringen der Char- ;umer den Werth des Kupfers, über welches er sich einer .\rt Monopols erfreute, in den südlichen Gebieten schnell erniedrigt zu sehen; andererseits wäre es ohne Munsa's Bei- stand für Mohammed schlechterdings unmöglich gewesen, interwegs für den Unterhalt einer derartigen Menschen- nenge auf die Dauer den genügenden Proviant zu beschaffen. Fürs erste wurde daher ein Neffe Mohammed's mit der Lei- :ung einer versuchsweise nach Süden entsandten Expedition getraut. Dieselbe drang in südöstlicher Richtung drei Tage- reisen vor und gelangte bis zum Wohnsitze eines dem Munsa tributpflichtigen ünterhäuptlings, Namens Mümmeri, am Flusse S^omäjo, welcher sich mit dem Uelle vereinigt. Auf halbem Wege hatte die Expedition Numa, einen andern Unterhäupt- ling, besucht. Mummeri und Numa waren beide leibliche Brüder Munsa's. Niemand hatte den auf Befehl des Königs verbotenen Elfenbeinhandel mit den Fremden auf eigene Ciefahr hin aufnehmen wollen ; so mussten die Leute unver- richteter Sache wieder zurückkehren. Zu meiner grössten Betrübniss sah ich alle die kühnen Hoffnungen auf ein weiteres Vordringen zu Wasser werden, und, was mich nicht minder enttäuschte, den auf die Dauer mehrerer Wochen festgesetzten Aufenthalt bei Munsa schnell verkürzt, denn Mohammed wollte, über den Uelle zurückgehend, den Ver- such eines weitern Vorgehens nach Süden von den östlichen Monbuttudistricten aus erneuern; das letztere aber erschien in noch höherm Grade zweifelhaft.

Eine Zeit lang stand mein Entschluss fest, allein mit

78 Vierzehntes Kapitel.

den Soldaten, welche dazu bestimmt waren, den Platz zu halten, bei Munsa zurückzubleiben, um das interessante Land sorgfältiger erforschen und eine passende Gelegenheit ab- warten zu können, die mich weiter ins Innere geführt hätte. Dies wollte mein Protector durchaus nicht zugeben, auch von meinen eigenen Leuten hätte sich keiner dazu ent- schliessen mögen, bei mir auszuhalten. Wann wir wieder abgelöst werden würden, qb im nächsten oder im übernächsten Jahre oder noch später, war zweifelhaft. Meine nöthigsten Dinge reichten kaum für die Rückreise, der Salzvorrath war erschöpft Die schönen Sammlungen, die ich erworben, setzte ich, sobald ich sie andern zur Beförderung übergab, einer täglichen Gefahr der Durchnässung aus; behielt ich sie bei mir, so konnte ich alles verlieren. Die Aussicht, mich bei wciterm Vordringen von den Monbuttu selbst ins Schlepptau nehmen ' lassen zu müssen, hatte etwas Verzweifeltes. Ich hätte mich ihren Raubzügen nach Menschenfleisch anschliessen, ein täglicher Zeuge ihrer kannibalischen Grausamkeiten sein müssen. Mit einem Wort, bei ernsterer Ueberlegung erschien mein Vorhaben unausführbar.

Ganz andere Perspectiven ins geheimnissvolle Innere des Continents liättcn sich mir freilich eröffnet, wäre ich einer von denjenigen Reisenden gewesen, welche über grosse Geld- mittel verfügen konnten. Allein Glück und Geld scheinen auf Afrikareisen nicht selten in ähnlichem Verhältniss zu- einander zu stehen, wie Kraft und Zeit in den Lehren der Physik. Was man an dem einen erspart, büsst man am andern ein. Die glücklichen und gesunden Reisenden hatten gewöhnlich nur beschränkte Mittel (Karl Manch, Gerhard Rohlfs), während die reichen auf bösartige Hindernisse stiessen, kränkelten oder ihren Tod fanden (Baron von der Decken, Fräulein Tinne). Eine Expedition, im Massstabe der Speke'- schen ausgerüstet, hätte von Munsa aus unaufhaltsam in südwestlicher Richtung vordringen können, den Widerstand des Königs würden grosse Kupfermassen ohne Zweifel ge-

Perspectiven ins Innere von Afrika. 79

brochen haben, auf eigene Kraft vertrauend und jeder dro- henden Gewalt die Gewalt entgegensetzend, wäre man von den einheimischen Fürsten überall freundschaftlich, das heisst so gut wie von Mtesa und Kamrasi, empfangen worden ; aber grosse Kupfervorräthe hätten zu Gebote gestanden haben müssen. Mit 200 chartumer Soldaten, die kein Fieber zu Grunde richtet und die jede Art Kost vertragen, mit den auf alle Schliche und Chicanen afrikanischer Häuptlinge ab- gefeimten Anführern könnte man überhaupt in jeder be- liebigen Richtung vordringen, es handelt sich eben nur darum, diese unersetzlichen Strolche fiir sich zu gewinnen. So hätte ich mit 10000 Thalern in der Tasche oder in Chartum deponirt unfehlbar meinen Führer veranlassen können, nach Bornu zu gehen, eine gleiche Summe hätte genügt, um seine Söldner dazu zu bewegen, dann wäre ich Herr der Situation gewesen, Moliammed hätte für das Elfen- bein einen ausreichenden Ersatz gefunden.

Diese Andeutungen mögen genügen, um darzuthun, dass man mit Hülfe der chartumer Compagnien unendlich weit in Centralafrika umherkutschiren könnte, ohne sonderlich grosse Summen verausgaben zu müssen. Allein ich fürchte, die günstigen Verhältnisse, wie sie sich mir dargeboten haben, werden nicht so bald wiederkehren.

Munsa^s Besuche im Lager und grosse Festlichkeiten, welche sich an die siegreiche Rückkehr Mümmeri's von einem Zuge gegen die Mömwu anschlössen, brachten viel Abwech- selung in unser Lagerleben. Mümmeri war gekommen, um dem Könige den schuldigen Tribut an Elfenbein, Sklaven und Ziegen zu Füssen zu legen; er blieb, da der Unterhalt seines grossen Gefolges schwer wog im Haushalte des Königs, welcher bereits für so viele Fremde zu sorgen hatte, nur einen Tag am Platze, am folgenden wurde zur Verherrlichung der Siege ein glänzendes Fest ins Werk gesetzt. Es war ein kühler und regnerischer Tag, als mit frühem Morgen der Lärm einer jauchzenden Menge bis zu unserm Lager herüber-

80 Vierzelinles Kapitel.

zuschallen begann. Gegen Nachmittag wurde mir gemeldet, jetzt sei es Zeit, hinüberzugehen, das Fest stände auf der Höhe seiner Lust und der König tanze in höchsteigener Person vor seinen Weibern und Trabanten. Die Wittenmg war immer noch trübe. Ein langer schwarzer Paletot war das beste Kleid, das ich zur Feier des Tags anzulegen wosste, in diesen gehüllt, eilte ich durch den feinen Sprühreg^ hinüber und betrat den von Sang und Klang widerhallenden Festsaal. Hier erwartete mich ein grossartiges SchauqpieL Im Innern der Halle war ein weiter Raum freigelassen worden und achtzig Weiber des Königs sassen händeklatschend da auf ihren kleinen Schemeln und umgaben ihn mit einem ein- reihigen Quarree. Hinter den Weibern, welche heute in abenteuerlichster Weise bemalt erschienen, standen die Krieger in vollem WaflFenschmuck, und ein Wald von Lanzen starrte zur Decke. Alle musikalischen Kräfte, über welche der König verfügte, waren aufgeboten worden, Kesselpauken und Holzpauken, Hörner und Pfeifen aller Art, Schellen und Glocken. In solcher Umgebung tanzte König Munsa; welch ein Anblick!

Die afrikanischen Gewalthaber lieben es, sich bei jedem Feste in einem neuen Staate den Blicken ihres Volks sn präsentiren *, Munsa bcsass an solchen phantastischen Trach- ten, die ganz aus Fellen und Federn zusammengesetzt waren, ein Haus voll. Diesmal beschattete sein Haupt ein gewaltiger Aufsatz von langhaarigem Pavianfell, der Bärenmütze eines Grenadiers vergleichbar, von dessen Spitze lange Fedor- büschel herabflatterten, die Arme waren mit Genettschwänzen behangen und an den Handgelenken grosse Bündel von Schweinsschwänzen befestigt. Ein dichter Schurz von ver- schiedenen Thierschwänzen umgürtete die Hüften, die nackten Beine waren mit klirrenden Ringen besetzt. In diesem Auf- zuge sah man den König umherspringen im rasenden Tanz, die Arme wie ein Besessener nach allen Richtungen von sich schleudernd, aber im Takte der Musik. Die Beine schnellten

Munsa tanzt vor seinen Weil)em und Trabanten. 81

nach Art eines Kosackentanzes bald horizontal am Boden hin und her, bald wurden sie hoch in die Luft geworfen. Dazu tobte die Musik in wüstem, unermüdlichem Einerlei:

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Mit erhobenen Armen begleiteten alle Weiber diese Klänge, die flachen Hände aufeinanderschlagend und den Takt dazu klatschend. Wie lange der Tanz bereits gewährt, blieb mir unklar, nur soviel wurde ich gewahr, dass Munsa in einer Ekstase durch die Halle raste, welche an die Wuth eines kreisenden Derwisches von Kairo zu erinnern schien. Jeden Augenblick musste man erwarten, er werde hinstürzen und mit schäumendem Munde in epileptische Zuckungen ver- faUen; indess die Centralafrikaner hatten stärkere Nerven als die Haschischiten des Nordens. Alle halbe Stunden wurde etwas pausirt, dann ging es von neuem los, unerschöpflich, unermüdlich !

Die versammelte Menge war in so hohem Grade erregt und mit sich selbst beschäftigt, dass nur wenige meine An- wesenheit bemerkt hatten, aber auch diese Hessen sich durch mich nicht im geringsten stören. So fand ich Müsse, die grossartige Scene zu Papier zu bringen und in ihren Haupt- zügen zu skizziren. Zu dem Toben der Menscheü gesellte sich schliesslich noch das Toben der Elemente, ein Orkan brach herein mit allen Schrecken der Tropengewitter. An- fänglich schien die Versammlung auch von diesen Vorgängen keine Notiz nehmen zu wollen, aber bald peitschte der Sturmwind den strömenden Regen bis in die halbe Halle hinein, das wirkte denn abkühlend, die Musik verstummte und es wichen die Paukenschläge dem rollenden Donner. Nach und nach verzog sich die erschöpfte Menge, selbst der rasende Cäsar war urplötzlich aus ihrer Mitte verschwunden.

Der flutende Regen nöthigte jpich, am Platze zu bleiben, und ich benutzte die Gelegenheit, um ungestörter als ge-

SCHWXWFUBTB. Q

82 Vierzehntes Kapitel.

wohnlich mir das Innere der andern, grössern Halle anzu- sehen, welche mir gegenüber lag. Eine niedere Thür führte in den 50 Fuss hohen und 150 Fuss langen, nur durch wenige Spalten erhellten Raum, dessen Decke von fünf Pfostenrcihen getragen wurde. Auf der einen Seite befand sich ein Balken verschlag, welcher ein kleines Cabinet vom grossen Räume absonderte. Hier pflegte der König, der nach echter Cäsarenart die Gewohnheit hatte, häufig sein Lager zu wechseln, ab und zu Nachtruhe zu halten. Ein überaus massiv zusammengezimmertes Gerüst, das Elefanten hätte tragen können, diente als Bettstelle, und zu beiden Seiten erhoben sich mehrere Säulen, die aus iaufeiiiander- ge^tapelten schmiedeeisernen Ringen von riesiger Grösse und je einem halben Centner Gewicht zusammengesetzt waren. Ausserdem bemerkte man im königlichen Schlafgemach noch mancherlei barbarischen Schmuck. Die Pfosten und das Gebälk waren in rohester Weise mit bunten Mustern bemalt, welche Ringe und Dreiecke darstellten. Der Decorations- maler hatte übrigens nur über drei Farben zu verfügen ge- habt: roth von Blut, gelb von Eisenocker und weiss von Hundekoth (album graecum).

Zweimal beehrte der König selbst unser Lager mit seinem Besuche. Das Herannahen des Gewaltigen verrieth sich bereits von weitem durch einen Haufen lärmenden Volks, welcher ihn auf seinem Wege umringte. Beim Betreten unsers Lagers begrüsste ihn die deutsche Flagge, welche ich vor meinem Zelte an einer hohen Stange aufhissen Hess. Munsa, der verwundert fragte, was das zu bedeuten habe, erhielt Zweck und Sinn der Flagge (unter Berufung auf das tragische Beispiel König Theodor's) erklärt. Sehr zufrieden war ich damit, dass er weder mein Zelt betrat, noch das Innere des grossen Grasschuppens zu besichtigen verlangte, welcher zu meiijer grössern Bequemlichkeit in den letzten Tagen errichtet worden war. Munsa verrieth dadurch weit geringere Habsucht, als ich bei ihm vorausgesetzt hatte. Zur

Munsa^s Besuch im La^er. 83

Anerkennung dafür suchte ich ihn durch Vorzeigung meiner Bilder zu unterhalten, unter anderm legte ich ihm sein eigenes Porträt vor, welches ihn im Glänze seiner Kupfer- pracht, wie er sie am ersten Audienztage zur Schau getragen, darstellte. Es waren die ersten Bilder, die ihm üherhaupt zu Gesicht gekommen, daher musste sein Staunen gross sein. Lebhafte Grimassen verriethen die stumme Freude seines Innern, und der Sitte des Landes gemäss bedeckte er ein mal über das andere den geöffneten Mund mit beiden Händen, ein Zeichen des Staunens und der Bewunderung. Zum Schluss musste ich ihm noch meine Brust entblössen und die Hemds- ärmel aufstreifen, da konnte er einen Schrei der Verwunderung nicht unterdrücken. Der Besuch endete, wie gewöhnlich * unsere Zusammenkünfte, mit dem keineswegs willfahrenen V^^unsche, ich möchte mir die Stiefel ausziehen.

Der Tag unserer Abreise rückte heran, und noch immer hatte ich keinen Schimpanse und kein Guineaschwein.*) Die erstem schienen weit und breit in der Gegend zu fehlen, dazu war sie viel zu bevölkert, waren die Waldungen an den Bachufern viel zu sehr gelichtet und von begangenen Pfaden durchkreuzt. Die genannten Schweine aber wurden in halb» wildem Zustande in der unmittelbaren Nähe des Königssitzes gehegt. Munsa brauchte nur Leute hinzuschicken, um sie cinfangen zu lassen. Statt dessen erlaubte er mir, sie selbst zu holen, wo ich ihrer habhaft werden konnte. Dies war aber für den Uneingeweihten keine leichte Sache, und ver-

*) Das Guineaschwein (Potamoclioerus penicillatus) nennen die Monbuttu „Napäso" (gleichbedeutend mit „Fett") und betrachten sein Fleisch als den köstlichsten Leckerbissen. Diese Thiere, welche bei weitem nicht so wild sind als die Warzenschweine (die Vlagvark der südafrikanischen Boers) und einen gewissen Grad von Zähmbarkeit an den Tag legen, scheinen durch das ganze tropische Afrika, von der Westküste bis nach Sansibar, verbreitet zu sein; Burton traf sie in Ugogo an. Bereits in älterer Zeit wurde das Guineaschwein nach Brasilien verpflanzt.

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- 84 Vierzehntes Kapitel.

gebens durchsuchte ich alle Dickichte, die Büchse in den Händen. Nur einmal, ea dämmerte bereits der Abend und ein feiner Staubregen erfüllte gleich einem Nebel den Wald, kam mir ein solches Schwein zu Gesicht. Der rothborstigp Kopf mit den langen, spitzen Ohren, welche denselben wie zwei Federbüsche umflatterten, guckte eben unter einem umgestürzten Baumstamme liervor, und ich glaubte das Thier bereits schussrecht, als auch im gleichen Augenblick zwei der mich begleitenden Eingeborenen Uberrannt wurden und naseblutend zu Boden stürzten. Von meinen eigenen Leuten, die eben keine grossen Helden waren, wagte sich daher keiner mehr zum Fange des Wildschweins heran; so musste ich auch auf diese Beute verzichten.

Nachmittags und in den Morgenstunden unternahm ich täglich Streifzüge in die Umgegend und bereicherte meine Sammlungen durch zahlreiche Funde von überraschender Neuheit. Die Mitt^szeit wurde immer mit allcrtiand häus- lichen Geschäften ausgefüllt. Der Tag der grossen Wasche war herangekommen, da sah ich mich vergeblich nach einem Gefäss um, welches alle die einzuweichenden Stücke zu fassen vermochte. Wiederum wusste Mohammed Rath, denn er ver- schaffte mir leihweise König Munsa's riesige Speiseschüssel, welche eher einem Troge als einem Tischgeschirre zu ver- gleichen war, Sie hatte 5 l'uss Länge und war aus einem einzigen Holzblocke gehauen.

FÜNFZEHNTES KAPITEL.

Das Volk der Monbuttu. Erste Nachrichten von den Monbuttu. Be- volkerungsdichtigkeit. Die Grenzvölker. Landschaftscharakter. Nach- lässigkeit des Ackerbaues. Bodenproduete. Jagdausbeute. Geberden- sprache. Begrüssungsfonucln. Zubereitung der Speisen. Allgemeiner Kannibalismus der Bewohner. Nationalstolz und kriegerischer Geist. Macht des Königs. Seine Gewohnheiten. Der königliche Haushalt. Calturstufe der Monbuttu. Rasseneigenthümlichkeit. Blonde und hell- farbige Monbuttu. Aehnlichkeit mit den Fulbe. Zubereitung des Rindenzeugs. Nacktheit der Weiber. Ihre sonderbare Bemalung. Haartracht bei Männern und Weibern. Keine künstliche Verunstfiltung ist bekannt. Bewaffnung der Krieger. Eisenindustrie. Die Monbuttu kannten das Kupfer von früher. Platin scheint vorzukommen. Ver- vollkommnete Werkzeuge. Holzschnitzerei. Schemel und Bänke. Schönheit der Wasserflaschen. Kühne Constructiou der Hallen. Vor- liebe für Anpflanzungen und Zierpflanzen. Der Begrift' eines höchsten

Wesens ist bekannt.

iVurze Zeit vor meinem Aufbruche von Chartum, es war im December 1868, erhielt ich auf einem seltsamen Umwege die erste Kunde von der Existenz eines Volkes, Namens .Monbuttu, welches im Süden der Niamniam seine Sitze haben sollte. Dr. Ori, der Medicinalchef von Chartum, hatte in einem Schreiben an den Marquis Antinori ausführlich die letzthin erkundeten Züge der Elfenbeinhändler im fernsten Süden des Bachr-el-Ghasal-Gebiets besprochen, ausserdem hatte er auch die von Jules Poncet über jene Gegenden ein- gezogenen neuen Erkundigungen im Auszuge mitgetheilt, welche bald darauf in der „Zeitschrift der pariser geogra-

86 Fünfzehntes Kapitel.

phischeu Gesellschaft" veröflFentlicht wurdeu. Diesen Brief Ori's fand ich im ersten Bande des „Bolletino della Societa Geografica Italiana" abgedruckt, welcher mich durch des Jlarquis Antinori thätige Vermittelung noch kurz vor meiner Abfahrt nach dem Gazellenfiusse erreichte.

Ori's und Poncet's Berichte hatten, ungeachtet nutzlos gemachter Anstrengungen, Klarheit und Zusammenliang in die verworrenen Aussagen ihrer rohen und unwissenden Ge- währsmänner zu bringen, doch das grosse Verdienst erworben, die Geographie mit einigen gewichtigen Thatsachen bereichert zu haben, welche durch Autopsie zu erhärten mir vorbehalten bleiben sollte. Nachgewiesen war worden: 1) dass man ini Süden der Niamniam auf nach Westen strömende Gewässer stosse; Heuglin hatte bereits ähnliche Erkundigungen 1863 eingezogen, jetzt erfuhr man, dass in der That ein dem Weissen Nil ebenbürtiger Strom in jenen Gegenden cxistire; 2) dass dieser Strom nicht mehr dem Nilgebiete tributär sei lind 3) dass derselbe an Seinen Ufern von einem fremden, von der gewöhnlichen Negerrasse weit verschiedenen Volks- stamme mit brauner Hautfarbe bewohnt sei, welcher eine für Centralafrika überraschend hohe Culturstufe verriethe.

Dieses Volk wurde als Monbuttu, der demselben von den nubischcn Elfenbeinhändlern beigelegte Name als Guru- guru bezeichnet, einem arabischen Worte entlehnt, welches die daselbst geübte Sitte des Durchlöcherns der Ohren an- deuten sollte.

Als ich nun, im eigentlichen Gebiete des Bachr-el-Ghasal angelangt, mit den Anführern der verschiedenen Elfenbein-^ compagnien aus Chartum in Verkehr getreten war, fand ich, dass in den Gesprächen und Erzählungen der letztern das Volk der Monbuttu immer eine ganz besonders hervorragende Rolle zu spielen pflegte. Alle rühmten den Elfenbeinreich- thum des Landes, die Grossartigkeit seiner Natur, den Pomp des Beherrschers, die Mannichfaltigkeit der daselbst ange- troffenen Producte, vor allem aber concentrirte sich die Be-

Erste Nachrichten von den Monbuttu. Bevölkerungsdichtigkeit. 87

wunderung meiner Gewährsmänner in den Schilderungen von der grossen Kunstfertigkeit dieses Volkes in der Herstellung von Waflen und Geräthschaften, ja in der Regel pflegte sich dieselbe bis zu dem kühnen Vergleich mit unserer abend- ländischen Cultur zu versteigen; die Monbuttu, hiess es, seien wie Franken und ihre Kunsterzeugnisse nur den unserigen vergleichbar.

Die Erreichung dieses räthselhaften Landes gestaltete sich daher von Tag zu Tage mehr als das Ziel meiner kühn- sten Wünsche, und freudig begrüsste ich in Abd-es-Ssammat den Mann, welcher mir als Entdecker dieser fernsten Nebel- flecke auf unsern K<irten als der zuverlässigste Führer zu denselben erschien. Heute bin ich in der Lage, selbst als Augenzeuge Bericht zu erstatten und von dem Volke zu er- zählen, welches wie auf einer Insel im Meere unstet hin- und herflutender Völkerbewegungen das ultima Thule unserer geographischen Kenntniss von Afrika darstellt, umgeben von völlig heterogenen Rassen, eingekeilt in ein Geschiebe be- ständig sich bekriegender, stets sich verdrängender Stämme von den untersten Stufen autochthoner Culturentwickelung. Zwar scheint das Land der Monbuttu, im Centrum des afri- kanischen Continents gelegen, kaum einen Flächenraum von 4000 Quadratmeilen zu umfassen, was Bevölkerungsdichtigkeit anbelangt aber gehört es zu den bevorzugtesten Theilen des Welttheils. In dem durchreisten, von ununterbrochenen Culturstrecken bedeckten Theile des Landes, übersäet von Weilergruppen oder kleinern Dörfern, muss diese Dichtigkeit mindestens 250 Einwohner auf die Quadratmeile ausmachen, was eine Bevölkerung von ungefähr 1 Million ergeben würde. Die Lage des Landes fällt zwischen den 3. und 4. Grad nördl. Br. und ungefähr zwischen den 28. und 29. Grad östl. L. von Greenwich. Im Norden des Landes fliesst ein ausserordentlich wasserreicher Strom, der Kibali, vereinigt sich mit dem von Südosten kommenden Gadda und tritt als Uelle, der unterhalb des Zusammenflusses eine Breite von

88 Fünfzehntes Kapitel.

800 und selbst in der trockensten Jahreszeit eine Tiefe von überall 15 Fuss besitzt, gen Westen in die austossenden südlichsten Niamniamgebiete, durch Aufnahme zahlreicher Zuflüsse aus den südlichen Theilen des Monbuttulandes und der benachbarten Gebiete schnell zu den grössten Dimen- sionen anwachsend. Dies ist ohne Zweifel der Oberlauf des östlichen der beiden Flussarme, welche sich in Baghirmi als Schari vereinigen, dem der Tsadsee seine Entstehung ver- dankt.

Zwei Häuptlinge, welche man, berücksichtigt man den Umfang ihrer Gebiete und die Kriegermenge, über welche sie gebieten, wol Könige nennen könnte, denn ihre Macht erstreckt sich noch weit über die von Monbuttu bevölkerten Terri- torien hinaus, theilen sich in die Herrschaft des Landes. Den östlichen Theil beherrscht Degberra, den westlichen, weit umfangreichern, Munsa, ein Sohn Tikibo's, der, vor 13 Jahren

I

von Degberra, seinem Bruder, erschlagen, bis dahin das ganze Gebiet der Monbuttu beherrscht hatte.

Unterhäuptlinge, welche Vasallen gleich in einzelnen Theilen des Landes herrschen und sich mit einem ähnlichen Pompe zu umgeben pflegen, wie der König selbst, sind im Reiche Munsa's dessen drei Brüder Isingerria, Mummen und Numa. Unter Degberra herrschen dessen Söhne Kubbi, Benda, Kupa und Jangara.

Im Norden und Nordwesten bildet das Niamniamland die Grenze des Monbuttugebiets, d. h. staatlich die Territorien Kanna's und Indimma^s, der Söhne des einst mächtigen Kifa, ferner die an Isingerria's District angrenzenden Ge- biete Malingdi (oder Marindo), und schliesslich, mehr nach Osten zu, Uando's Land. Eine mehrere Meilen breite Grenz- wildniss trennt überall die Länder in der Breite von ungefähr zwei Tagereisen. Im weiten Halbkreise umgeben im Süden das Land der Monbuttu eine Anzahl Völker von typischer Negerrasse, welche die Monbuttu mit dem Gesammtnamen Momwu bezeichnen, einem verächtlichen, die tiefe Culturstufe

Die Grenzvölker. 89

dieser letztern andeutenden Ausdruck ihrer Sprache. Von diesen Stämmen nmss indess das, wie vielleicht überall in Afrika die sogenannten Pygmäen angetroffen werden, enclaven- artig eingeschlossene zwergartige Volk der Akkä ausgeschlossen werden, welclie in Südsüdwest von den Monbuttu des Munsa die Grenznachbarn sind. Ein Theil derselben, denn es ist ein, wie es scheint, volkreicher Stamm, der ausserdem noch von mehrern unabhängigen Häuptlingen beherrscht wird, ist dem Munsa unterworfen und dem Mümmeri, seinem Vasallen, zinspäichtig. Nach Aussage einiger Nubier, welche die letzten Jahre bei den Monbuttu verlebt hatten, soll sich bei den Momwuvölkern die Sprache der Babückur wiederfinden. Diese Aussagen stützten sich auf die Thatsache, dass Babückur- sklavinnen im Stande waren, sich mit den Eingeborenen im Süden der Monbuttu zu verständigen, was nicht ohne Belang zur Ermittelung der letzten Völkerbewegungen in diesem Tbeile Afrikas erscheinen mag. Da die Babückur nur noch an der östlichen Grenze des Niamniamgebiets zu zwei 60 Meilen voneinander entfernten Enclaven versprengt und von feindlichen Nachbarn eingekeilt erscheinen, deutet dieser Umstand in Verbindung mit den oben angeführten That- sachen entschieden auf ein Vorrücken der Monbuttu und Niamniam in östlicher Richtung.

Die Nachbarn im Südwesten von Munsa's und im Süden von Kanna's Reich sind die Maböde, dieselben, welche Kifa, Kanna's Vater, genannt Ntikima, zu bekriegen pflegte, bis er daselbst seinen Tod fand. Durch die Maböde und Akkä getrennt, schliessen sich weiter in Südsüdwest von Munsa's Gebiet die Massansa als Nachbarvolk an, welche ein ge- fürchteter Häuptling, Namens Kiso, beherrscht. Im Süden und Südosten des Landes hausen die Nemeige, Bissangä und Domondü, ein bereits bergiges Gebiet bewohnend, vielleicht das westliche Gesenke jenes bedeutenden Gebirgsstocks dar- stellend, welchen Baker im Nordwesten des Mwutansees als Blaue Berge angegeben hat. Die letztgenannten Stämme

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90 Fünfzehntes Kapitel.

bilden das gewöhiiliclie Ziel der Raubzüge der Moubuttu. Eiuige bei Munsa zurückgelassene nubische Söldner, welche seine Razzien begleiteten, schildern den vorherrschenden bergigen Charakter der dortigen Landschaft und geben an, dass daselbst Ziegen, welche weder von den Nianiniam noch von den Monbuttu gezüchtet werden, in Menge erbeutet wurden. Auch die Babückur haben, ungeachtet der häufigen Raubzüge, welche ihre lleischbegierigen Nachbarn aus gleicher Veranlassung in ihr hart bedrängtes, dichtbevölkertes und von allen Seiten umstelltes Land zu unternehmen pflegen, sich immer noch einen unerschöpflichen Bestand au Ziegen erhalten. Viele Tagereisen weit von Munsa im Süden und Südosten sind die Sitze der Maoggu, dort herrscht ein mäch- tiger Köpig, welcher mit Munsa Verkehr gepflogen zu haben scheint, wie die von jenem als Geschenk zugeschickt erhal- tenen prachtvollen Rinder beweisen, die ich sah; Maoggu ist vielleicht dasselbe, was Malegga, ein Volksname, welcher sich jenseit der Blauen Berge auf Baker's Karte über ein grosses Land (Ulegga) geschrieben findet, dessen König Kadjoro heissen und wo die Rinderzucht eingebürgert sein soll. Nachdem wir so die Nachbarn der Monbuttu kennen gelernt, wollen wir nun zunächst das Land betrachten, dass sie bewohnen, denn eine Landschaft ist der Hintergrund zu dem Gemälde des menschlichen Lebens. Im Monbuttulande begrüsst uns ein irdisches Paradies. Endlose Bananen- pflanzungen bedecken die Gehänge der sanft gewellten Thal- niedcrungen, die Oelpalme, unvergleichbar an Schönheit und all die übrigen dieser Fürsten des Pflanzenreichs, welche der Welttheil beherbergt, an Pracht überstrahlend, bildet aus- gedehnte Ilaine längs den Bächen und Flüssen^ baut schattige Dome über den idyllischen Behausungen der Eingeborenen. Das Land, welches eine durchschnittliche Meereshöhe von 2300—2500 par. Fuss darthut, besteht aus einem beständigen Wechsel von tief eingesenkten Bächen und Flüssen und sanft ansteigenden Höhen, die mehrere hundert Fuss über die

Landschaftscharaktcr. ' 91

ohle der Gewilsser ansteigen. Im ganzen genommen eint hier der Boden weit stärker diflFerenzirt, als es in durchreisten Theile des östlichen ^'iaraniamgebiets ;euommcn wird. Wie dort ist der Quellreichtlium des QS an eingesenkten Stellen, die Menge der am dichten enietze sich betheiligenden „Desaguadcros" eine der- 5, dass mau das ganze Land mit einem Schwämme ver- len könnte, welcher zur Entstehung ansehnlicher Flüsse •eschräuktem Räume die Hand bietet. Der einer recen- 1 Formation angehörigc, stets in seiner Fortbildung flfene Kaseneisenstein dehnt sich auch noch im Monbuttu- uud noch weithin in südlicher Uichtung aus, denn die Erde scheint den grössten Theil des centralafrikanischen landes einzunehmen. In der Tiefe der Niederungen :i wie im Niamniamlande, hier nur durch Ausholzung inlage von BauanenpÜanzungen, Mais- und Zuckerrohr- ren, wie es sich bei solcher Bevölkerungsdichtigkeit er- in lässt, häutiger gelichtet, Bäume von erstaunlicher und im Stammumfang so gewaltig, wie man sie nirgends n nördlichen Theilen des Nilgebiets anzutreffen vermag, sante Bestände, in deren Schutze sich die kleinen Ge- jn im wirrsten Gemenge stufenweise abgliedern. In m Aeussern scheint das Land auffallend der Beschreibung itsprechen, welche Kapitän Speke von Uganda entworfen allein die Sitten der Eingeborenen, die Verschiedenheit Rasse und die grosse Abgeschlossenheit von allem 3hr mit handeltreibenden Völkern drücken demselben

durchaus neuen Stempel auf. Es fällt schwer, einem Volke die Bezeichnung von Acker- en zu ertheilen, welches sein Dasein an den fast mühe- Erwerb von Baumfrüchten und Erdknollen knüpft, die e der Cerealien aber verschmäht. Sorghum und Peni- ia, in den meisten Ländern Centralafrikas Hauptgegen- des Ackerbaues, fehlen bei den Monbuttu gänzlich, die ine wird in einzelnen Ausnahmefällen angebaut und

92 * Fünfzehntes Kapitel.

Dur dem Mais (im Monbuttu „Nendöli") in der Nähe der Wohnungen, gleichsam als Gartengemüse, einige Aufmerk- samkeit geschenkt. Der Anbau der Banane (Musa sapieii- , tium) macht wenig Mühe; man steckt die jungen Schösslinge in das vom Regen erweichte Erdreich, die alten sterben von selbst ab und die Pflanzung ist bestellt. Die Monbuttu ver- fügen über gewisse KunstgrifiFe in der Bananencultur, um welche sie mancher europäische Gärtner beneiden würde. Unter anderm wissen sie es den jungen Sprossen ohne wei- teres anzusehen, ob sie zum Fruchttragen bestimmt sind oder nicht, darnach treffen sie alsdann ihre Auswahl beim An- pflanzen. Das Ausstecken der Wurzelknollen von Maiiioc (oder Cassaven), von Bataten, Jams (Neggu) und Colocasien erfordert ebenso geringe Mühe. Wenige Pflanzen bilden Gegenstand eines wirklichen Ackerbaues, und ihre Gultur be- schränkt sieh auch nur auf geringe Strecken. Zu letztem gehört der Sesam (Mbellemöh), die Erdnuss, das Zuckerrohr und vor allem der Taback. Der virginische Taback, welcher von den Monbuttu „E-Tobbu" genannt wird und hier wie in den meisten Ländern des tropischen Afrika durch seinen Namen die amerikanische Herkunft verräth, ist die einzige bekannte Art; Nicotiana rustica, so häufig bei den Bongo, Djur und Dinka, fehlt in diesem Lande.

Das Zuckerrohr wird in den gelichteten Uferwaldungen der Bachniederungen ohne besondere Sorgfalt angebaut. Diese nur als Naschwerk verwerthete Cultur erschien nirgends von besonderer Ausdehnung, die Qualität war mittelmässig. Von grosser Bedeutung für die Ernährung des Volkes ist die in erstaunlicher Menge in allen gelichteten Niederungen ge- deihende Cassave (Manihot utilissima). Die Cultur der süssen Bataten ist ebenfalls sehr verbreitet, erfordert aber mehr Sorgfalt und beansprucht das sonnige Terrain der hohem, weniger von Bananenpflanzungen occupirten Thalgehänge, zunächst der Bachniederung. Bataten sowol wie Cassaven (Manioca) erreichen hier den höchsten Grad der Vollkoomien*

Bodenproducte. 93

t, was Grösse und Qualität anbelangt. Die Basis der hrung bei den Monbuttu ist aber die Banane. Diese wird ist in grünem Zustande verwandt, getrocknet, als Mehl rieben und zu Mus gekocht, seltener reif getrocknet, um längere Zeit aufbewahrt zu werden. Es gibt wenige nder der Welt, wo die Häufigkeit dieser Frucht in Ver- idung mit den meteorologischen Verhältnissen ein derarti- } Product zu erzielen gestattet. Die im Reifezustande ge- rrte Frucht ist ein Leckerbissen ersten Ranges. Wein- tige Getränke sah ich nur selten im Lande der Monbuttu s der Banane zubereiten.

Den Monbuttu sind gewebte Stoflfe aller Art, dank ihrer lligen Abgeschlossenheit, in welcher sie sich bis vor weni- Q Jahren gegen die christliche sowol wie gegen die mo- mmedanische Welt erhielten, noch unbekannt. Ihre Klei- ng liefert hier wie in vielen andern Gebieten des Innern rikas ein Feigenbaum (Urostigma kotschyana), dessen ndenbast zu einem dauerhaften wollartigen Zeuge ver- beitet wird, ohne die Kunst des Webens, welche sie bei ifertigung gewisser Binden und Zeugstreifen verrathen, in aspruch nehmen zu müssen. Der genannte Feigenbaum blt bei keiner Hütte, scheint sich aber in diesem Lande u* in cultivirtem Zustande zu finden. Nie tragen die Mon- ittu Felle im Gürtel nach Art der Niamniam; eine abn- ähe Tracht findet nur ausnahmsweise als phantastischer itz der Tanzenden Anwendung.

Die Cultur der Oelpalme (Elais guineensis) ist südlich »m Uelle weit verbreitet; dieser an der ganzen afrikani- hen Westküste sehr verbreitete Baum ist bisher noch in jiner zum Nilgebiet gehörigen Gegend gefunden worden, id bietet daher wie die Colanuss, welche die Vornehmen 5r Monbuttu zu kauen pflegen, einen deutlichen Beweis für 3n vorwaltend westafrikanischen Charakter des Landes im nschluss an die Volkssitten; den Monbuttu ist jede Art )ii Viehzucht fremd, und wenn man von den daselbst all-

94 P'unfzelintes Kapitel.

verbreiteten kleinen Hunden („Nessi" genannt) von der Xiam- niamrasse, und Hühnern („Naale") absehen will, so fehlt es ihnen an Hausthieren jeder Art. Von Schweinen besitzen sie indess hin und wieder, wie bereits erwähnt, im halb domesticirten Zustande den Potamochoerus. Auf den Kriegs- zügen, mit welchen sie die Völker im Süden ihres Gebietes heimsuchen, erbeuten sie häufig grosse Mengen von Ziegen, allein sie züchten sie nie. Den nöthigen Fleischbedarf deckt ihnen in ausgiebigstem Masse die Jagd, welche vorzugsweise auf Elefanten, Büffel, Wildschweine und grosse Antilopen gerichtet ist. Obgleich die Bevölkerung des Landes eine Anhäufung von derartigen Wildmengen ausschliesst, wie sie den nördlichen Ländern und andern minder cultivirten Thei- len von Centralafrika eigenthümlich sind, so würde die Jagd- ausbeute ihren Erfordernissen dennoch genügen, da die zu gewissen Jahreszeiten in Menge erbeuteten Fleischvorräthe meist in getrocknetem Zustande aufbewahrt werden und daher für lange Zeit geniessbar bleiben. Es wäre demoach eine durch nichts gerechtfertigte Annahme, ^ behaupten zu wollen, die Monbuttu würden durch Fleischmangel zum Kan- nibalismus getrieben. Nach den bei Munsa aufgehäuften Vorräthen an Elfenbein zu urtheilen, welches ihm als Regal von den mit Aufgebot aller waffenfähigen Mannschaft an- gestellten Jagden zufällt, muss die erbeutete FleischmeDgc von diesen Thierkolossen allein ausreichend erscheinen, die nothwendigsten Bedürfnisse an animalischer Kost zu decken. Audi ist die Menge der in allen W^ohnungen angetroffenen Hühner keineswegs zu unterschätzen, desgleichen die Zahl der Hunde, welche bei den Niamniam Gegenstand einer eigentlichen Zucht bilden, da diese Völker dem Hundefleiscb einen ganz besondern Vorzug zu geben pflegen. Ein weit- verbreiteter Vogel im Monbuttulande ist der graue Papagei (Fsittacus erythacus), dessen hochrothe Schwanzfedern die Eingeborenen als Kopfputz verwerthen, und welchem des wohlschmeckenden Fleisches wegen sehr häufig nachgestellt

Jagdausbeute. Geberdensprache. 95

wird. Im übrigen ist die Jjigd auf Vogel von geringem Be- lang; Perlhühner, Frankoline und Trappen werden vermit- tels Schlingen gefangen. Das Kraut der Tephrosia Vogelii, welches wie eine verwandte Art dieser Gattung in West- indien, wohin die Sitte durch Sklaven verbreitet wurde, zum Vergiften der Fische dient und sich in allen Dörfern ange- baut findet, beweist, dass auch aus dieser Klasse des Thier- reichs reichliche Beiträge den Kochtöpfen der Monbuttu zu- fliessen.

Während den Weibern die Bestellung des Bodens und die Herrichtung des Eingeärnteten zufällt, verbringen die Männer, solange sie weder durch Jagd, noch durch Kriegs- züge von Hause ferngehalten werden, ihre Tage in Müssig- gang; Taback rauchend findet man sie zu früher Morgen- stunde in behäbiger Ruhe auf ihren schönen Raphiabänken und im Schatten der Oelpalmen beschaulich dasitzen, die Beine lang vor sich hinstreckend und mit dem einen Arme auf das als Lehne dienende Holzgestelle gestützt. Die Mittags- zeit verplaudern sie mit ihren Freunden in den offenen küh- len Hallen, welche als gemeinschaftliche Versammlungsplätze dienen. Lebhaft gesticulirend sieht man sie da ihre Gedan- ken austauschen. Die Geberdensprache der Monbuttu besitzt manche Eigenthümlichkeit, so z. B. die Gewohnheit als Aus- druck des Staunens die Hand vor den geöfl'neten Mund zu halten, etwa wie wir es beim Gähnen thun. Von den In- dianern Nordamerikas wird erzählt, dass sie in ganz ähn- licher Weise ihr Erstaunen au den Tag zu legen pflegen.

Wie bei den meisten Bewohnern Afrikas Avird die Töpferei das Schmiedehandwerk ist naturgemäss auf die Männer beschränkt ausschliesslich von Weibern ausgeübt, mit den Künsten der Holzschnitzerei und Korbflechterei sind beide Geschlechter vertraut. Musikalische Instrumente werden nie von Weibern gehandhabt.

Die allgemeine Begrüssungsformel in der Monbuttu- sprache lautet „Gassiggi", unter Darreichung der Rechten.

9G Fünfzehntes Kapitel.

Dabei lässt man die mittlem Finger gegenseitig voneinander abschnellen, sodass sie schnalzen. Beide Geschlechter ver- kehren anscheinend in einem hohen Grad von Zwangslosig- keit miteinander. Im Gegensatz zu dem züchtigen und zurück- haltenden Wesen der Niamniamfrauen sind hier die Weiber ausnahmslos von einer überraschenden Zudringlichkeit und Ungenirtheit. Die Monbuttuweiber fielen mir tagtäglich durch ihr vorlautes Gebaren ausserordentlich zur Last, verfolgten mich in grossen Trupps bis in die tiefsten Dickichte der Wälder; bald umlagerten sie scharenweise mein Zelt, bald belästigten sie mich beim Baden im schattigen Bach mit ihren neugierigen Blicken. Ihren Männern gegenüber be- anspruchen sie einen hohen Grad von Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Das Verhältniss der erstem zu ihnen gab sich deutlich zu erkennen, so oft sie um den Verkauf irgend- einer Merkwürdigkeit angegangen, mir erwiderten: „Frage meine Frau, der gehört es."

Die Vielweiberei scheint in diesem Lande schrankenlos zu sein. Auch auf die eheliche Ehre gibt der Monbuttu wenig, wie ich als tagtäglicher Zeuge im Lagerleben der Nubier mich überzeugen konnte. Da gab es Weiber, welche vor aller Welt, und selbst in voller öffentlicher Versammlung, sich nicht entblödeten, vermittels einer obscönen Finger- sprache und unter Geberden von mehr als plastischer Natur die schamlosesten Anträge an den Fremden zu richten. Es überraschte mich um so mehr, dies bei einem Volke von der Culturstufe der Monbuttu wahrzunehmen, nachdem ich bis- her bei den wildesten Negervölkern solches nirgends beob- achtet hatte. In wie vortheilhaftem Lichte dagegen erschie- nen die Bongofrauen, welche ihren Männern gegenüber doch durchaus keine sklavische Stellung einnehmen. Mehr als leicht gekleidet, erschienen diese laubumgürteten Gestalten dennoch geschützt durch jene Schamhaftigkeit und Würde, durch welche wir uns genöthigt finden, die cai)itolinische Venus oder jene "von Milo mit züchtigem Auge zu betrach-

Vielweiberei. Zubereitung der Speisen. 97

ten. Ganz anders freilich präsentiren sich die fast voll- ständig nackten Monbuttuweiber, denn ihnen kann nicht ein- mal die Naivetät des allerniedrigsten Naturzustandes zur Entschuldigung dienen.

Die Weiber haben die Gewohnheit sich ausschliesslich einfüssiger Schemel zu bedienen, nur die Männer sitzen auf Bänken. Wenn sie einen Besuch machen, oder zur allge- meinen Versammlung erscheinen wollen, lassen sie sich von Sklaven die Sitze nachtragen, da kein Monbuttu gewohnt ist, auf dem flachen Boden zu sitzen, auch wenn man denselben zuvor mit Matten bedeckte.

Grosse Sorgfalt scheint dieses Volk auf die Bereitung seiner Speisen zu verwenden, hier in Innerafrika ein untrüg- liches Merkmal von hoher Stufe der äussern Cultur. Die meist unreife» Früchte der Banane und der allerorten mühe- los angebaute Manioc ersetzen ihnen das fehlende Korn. Die Behandlung des Manioc ist bei ihnen dieselbe wie in Süd- amerika, um das Stärkemehl (Tapioca) daraus zu gewinnen. Als Gewürze dienen ihnen Capsicum, der Malaguettapfeffer, und die Früchte zweier unbeschriebenen Solaneen, für die ich bedauere, den Namen S. anthropophagoruni nicht wählen zu können, weil derselbe für eine Pflanze der gleichfalls menschenfressenden Fidschi-Insulaner (Cannibal-salade) be- reits vergeben ist. Diese Früchte besitzen einen abscheulich widerwärtigen Geschmack, der weder an den der Tomate, noch an Melongena erinnert Auch Pilze sind bei Zube- reitung der Saucen allgemein in Gebrauch.

Alle Speisen werden mit dem Gel der Oelpalme versetzt. Das ungereinigte, durch Auspressen der frischen Fruchthülse gewonnene Palmöl ist von hochrother Farbe und dicklicher Consistenz; es besitzt in den ersten Tagen einen angenehmen Geschmack, der indess nach kurzer Zeit unangenehm ins Kanzige übergeht. Aus den Kernen wird über dem Feuer nachträglich ein schlechtes und brenzliches Gel gewonnen, welches als Beleuchtungsmittel Verwendung findet. Von an-

SOSWiaVFUBTH. II. 7

98 Fünfzehntes Kapitel.

«

deni vegetabilischen Fetten liefern den Monbuttu Erdnüsse, Sesam und die Frucht eines Waldbaums (Lophira' alata\ reichliche Vorräthe. Aus den fetten dicken Leibern der männlichen Termiten sieden sie ein helles, durchscheinendes und nicht übel schmeckendes Fett.

Von allgemeinstem Gebrauch indessen ist bei ihnen das Fett der Menschen; dies führt unsere Betrachtung zu dem Inbegriflf aller ihrer culinarischen Genüsse. Der Kannibalis- mus der Monbuttu übertriflft den aller bekannten Völker in Afrika. Da sie im Rücken ihres Gebietes von einer Anzahl völlig schwarzer, auf niederer Culturstufe stehender und da- her von ihnen verachteter Völker umgeben sind, so eröffnet sich ihnen daselbst die willkommene Gelegenheit, auf Kriegs- und Raubzügen sich mit hinreichend grossen Vorräthen von dem über alles geschätzten Menschenfleische* zu versorgen. Das Fleisch der im Kampfe Gefallenen wird auf der Wahl- statt vertheilt und in gedörrtem Zustande zum Transport nach Hause hergerichtet. Die lebendig Eingefangenen trei- ben die Sieger erbarmungslos vor sich her, gleich einer er- beuteten Hammelheerde , um sie ^später einen nach dem an- dern als Opfer ihrer wilden Gier fallen zu lassen. Die er- beuteten Kinder verfallen nach allen Angaben, die mir gemacht wurden, als besonders delicate Bissen der Küche des Königs. Es ging während unsers Aufenthalts bei Munsa das Gerücht, dass fiir ihn fast täglich kleine Kinder eigens geschlachtet würden. Jedenfalls bot sich den Blicken der Fremden nur sehr selten Gelegenheit dar, Augenzeuge von Mahlzeiten der Eingeborenen zu sein. Mir selbst sind nur zwei Fälle be- kannt, wo ich die Monbuttu mitten bei der Arbeit über- raschte, Menschenfleisch als Speise herzurichten. Dajs eine mal stiess ich auf eine Anzahl junger Weiber, wie sie eben damit beschäftigt waren, vor der Thür ihrer Hütte auf dem geglätteten Estrich von Thon die ganze untere Hälfte eines Cadavers durch Brühen mit kochendem W^asser von seinen Haaren zu säubern. Durch diese Behandlung war die schwarze

Allgemeiner Kannibalismus der Bewohner. 99

Hautfarbe einem fahlen Aschgrau gewichen. Der ekelliafte Anblick erinnerte mich lebhaft an das Abbrühen unserer Mastschweine. Ein anderes mal fand ich in einer Hütte den noch frischen Arm eines Menschen über dem Feuer hän- gend, um ihn zu dörren und zu räuchern. Sichtbare Spu- ren und untrügliche Anzeichen von Kannibalismus fanden sich übrigens auf Schritt und Tritt in diesem Lande. Eines Tages, als ich in Gesellschaft Mohammed's allein bei Munsa weilte, brachte ersterer geflissentlich die Rede auf Menschen- fleisch, und interpellirte den König geradezu mit der Frage, er möge angeben, weshalb gerade jetzt, wo wir im Lande wären, keine Menschen geschlachtet würden. Munsa erklärte offen, er wisse, es sei dies für uns ein Greuel, und deshalb würde alle Menschenfresserei, solange wir anwesend seien, verheimlicht. Ueberhaupt lag es durchaus nicht im Zuschnitt der Sitten dieses Volkes, die Mahlzeiten mit Fremden zu theilen. Die unsere Karavane begleitenden Bongo und Mittu waren von vornherein bei ihren Mahlzeiten ausgeschlossen, weil sie als nicht beschnitten für „Wilde" galten; die Nu- bier wiederum verzichteten ihrerseits aus unverhohlenen reli- giösen Gründen auf eine derartige Gemeinschaft von Men- schenfressern. Die angeführten Thatsachen beweisen, dass die Monbuttu in weit liöherm Grade dem Kannibalismus zu- gethan sind, als das unstete Jägervolk der Niamniam. Sie bieten nicht das erste Beispiel der Art, dass oft gerade Völ- ker Anthropophagen sind, welche sich durch eine auffällig hohe Culturstufe von solchen unterscheiden, die den Genuss von Menschenfleisch verabscheuen (z. B. Fidschi-Insulaner, Karaiben). Ich brauche nicht die Erzählungen der nubischen Söldner wiederzugeben, welche mir von ihren persönlichen Erlebnissen auf den in Gemeinschaft mit den Monbuttu unter- nommenen Raubzügen erzählten, wie Menschenfett gewonnen wird, wie das Fleisch in lange Striemen geschnitten und auf Gestellen über dem Feuer gedörrt, und wie es als Speise zubereitet zu werden pflegt, oder dergleichen mehr; ich brauche

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nur auf die grosse Sammlung der ihren Mahlzeiten entlehnten Schädel aufmerksam zu machen, die ich Stück für Stück um Kupfer erstand und die gegenwartig dem anatomischen Museum zu Berlin einverleibt worden sind, um die Wahrheit meiner Angabe zu verbürgen, dass der Kannibalismus der Monbuttu seinesgleichen suche in der ganzen Welt, und doch sind die Monbuttu eine edlere Rasse von Menschen, ein Volk, das sogar einen gewissen Nationalstolz an den Tag legt, Menschen in einem Grade begabt mit Verstand ^nd Vernunft, wie wenige Bewohner der afrikanischen Wild- nisse; Menschen, die Urtheilskraft besitzen, mit denen sich vernünftig reden lässt und die auf das, was man sie fragt, eine vernünftige Antwort zu geben wissen; wie denn auch die Nubier, welche einige Jahre bei ihnen gelebt haben, nicht genug des Rühmenden zu berichten wissen von ihrer Zu- verlässigkeit im freundschaftlichen Verkehr, wie von ihrer im Staatsleben offenbarten Ordnung und Sicherheit.

Auch hinsichtlich ihrer kriegerischen Tüchtigkeiten ver- lauteten Ansichten, welchen zufolge die Nubier den Monbuttu ein Ueberge wicht über sich selbst zuzuerkennen schienen. Oft stritten die bei Munsa ansässigen Soldaten mit ihren Genossen über diesen Punkt. „Du fürchtest dich nicht vor ihnen, ich fürchte die Monbuttu, ja ich sage dir, dass man sich allerdings vor ihnen fürchten muss", waren ihre Worte. Die Monbuttuwaffen haben übrigens vor einigen Jahren einen Strauss mit den chartumer Elfenbeinhändlern zu bestehen gehabt. Ein Jahr bevor Abd-es-Ssammat, welcher sich bis dahin auf die Niamniamgebiete Nganje's und Uando's be- schränkt hatte, durch eigens von Munsa abgesandte Boten zu einer Ausdehnung seiner Unternehmungen nach Süden aufgefordert wurde, hatte der nubische Anführer Abderach- män Abu-Gurün, welcher von den Territorien Kifa's aus gen Südosten zu den Monbuttu vordringen wollte, nördlich vom Uelle einen Angriff durch feindliche Monbuttuscharen zu bestehen, die ihm den Eintritt in ihr Gebiet verwehren wollten.

Nationalstolz und kriegerischer Geist. 101

Damals herrschte noch Munsa's Vater Tikibo über die gesaminteD MoDbuttulande , und eine Schwester des jetzigen Königs, die inzwischen gestorbene Nalengbe, lebt noch heute in aller Erinnerung fort, weil sie in voller Rüstung, bewaflf- net mit Schild und Lanze und umgürtet vom Rokkoschurz der Männer, mit grosser Bravour an der Spitze der Mon- buttuscharen gefochten, welche damals zum ersten mal die Wirkung der Feuerwaffen an sicherprobten; ich traf Augen- zeugen aus jener Zeit, welche mir von der Tapferkeit der merkwürdigen Amazone Wunderdinge zu berichten wussten. Der unternehmende Abu-Gurün vennochte jenes Jahr die Monbuttulande nicht zu erreichen, sondern musstc mit em- pfindlichen Verlusten den Rückweg einschlagen. Erst im folgenden Jahre, 1867, kam Mohammed Abd-es-Ssammat, vom König selbst eingeladen, als erster Entdecker der Monbuttu ins Land, und über den Uelle vordringend eröffnete er auf friedlichen Grundlagen seinen bis dato durch keinen Con- tlict gestörten Elfenbeinhandel.

Bei den Äfonbuttu erstreckt sich die Macht des Herr- schers auf viel weitere Gerechtsame, als solche den Niam- niamf ürsten zu Gebote stehen, denn hier werden ausser dem stets monopolisirten Elfenbein auch Abgaben an Boden-, producten regelrecht erhoben. Ein Tross von Trabanten umgibt ausser der speciellen Leibwache beständig den Herr- scher, und gross ist die Anzahl der Beamten und Ortsvor- steber, welche in den einzelnen Districten des ausgedehnten Landes die königliche Macht zur Geltung bringen. Als Unterhäuptlinge fungiren unter Munsa dessen Brüder Isin- ^gerria, Mümmeri und Numa, diese gebieten wiederum über eine Anzahl kleinerer Unterhäuptlinge zweiten Ranges, die Verwalter der einzelnen Districte.

Neben den Unterhäuptlingen, welche mit Vorliebe aus der grossen Schar der leiblichen Königsbrüder gewählt zu werden pflegen, nehmen die vornehmsten Reichsräthe den nächsten Rang ein. Diese sind im Monbuttulande fünf an

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der Zahl: 1) der Intendant über die Waffen; 2) derjenige über die Ceremonien und Feste; 3) der Speisomeistcr des königlichen Hofhalts und oberste Magazinier; 4) der Haus- meister über alle königlichen Frauen; 5) der Dolmetsch im Verkehr mit den Fremden und benachbarten Herrschern.

Munsa verlässt nie seine Residenz ohne von einem Tross mehrerer Hunderte umgeben zu sein. Paukenschläger, Horn- bläser und Leute mit grossen eisernen Glocken, wie solche bei vielen centralafrikanischen Häuptlingen als ein Attribut ihrer Würde Verwendung finden, eröffnen alsdann den könig- lichen Zug. Achtzig Frauen von jugendlichem Alter gehören zur intimen Umgebung des Königs und bewohnen mit den Sklavinnen, die zu ihrer Bedienung angestellt sind, ebenso viele Hütten, welche in einem weiten Kreise um die könig- lichen Palasthallen und Privatwohnungen erbaut sind. Sie umschliessen einen weiten, wohlgesäuberten freien Platz, auf welchem die rothe Erde, festgestampft und geglättet, einen schönen Contrast zu dem tiefen Grün der Oelpalmen, Brot- fruchtbäume, Cordien, Cecropien, den Vitex, ürostigmen und andern Bäumen darstellt, welche ihn stellenweise be- schatten. In grossen bahnhofähnlichen Hallen versammelt Munsa die Vornehmen des Volkes zur Raths Versammlung, dort ertheilt er zu gewissen Tageszeiten Audienz, und ab und zu werden daselbst, wie ich vorhin geschildert. Feste mit Tanz und Musik in grossartigster Weise gefeiert.

Die königlichen Frauen zerfallen entsprechend den Alters- stufen und nach ihrer ehelichen Anciennetät in mehrere Klas- sen. Die altern bewohnen in einigem Abstand von der Re- sidenz eigene Dörfer, denn ihre Anzahl steigt in die Hmi- derte, da Munsa ausser seinen eigenen Weibern erster und zweiter Klasse auch die ererbten Frauen seines Vaters und selbst die eines verstorbenen Bruders zu verpflegen hat. Nach echt afrikanischer Sitte behält nämlich nach dem Absterben eines Königs sein Nachfolger alle seine Frauen, und dann nimmt er selbst noch sehr viele dazu. Im vorvorigen Jahr-

Der königliche Haushalt. 103

hundert schätzte man die Zahl der Frauen, welche der Kö- nig von Loango sein eigen nannte, auf 7000.

So oft der König des Nachts seine Privatwohnung ver- lässt, um den Frauen Besuche abzustatten, erschallt lauter Jubel der Trabanten mit Pauken und Hörnerklang. Man hört alsdann die Monbuttuhymne schallen: „Ih, ih, Munsa tschupi, tschupi ih." Augenzeugen wollen behaupten, gesehen zu haben, dass bei nächtlicher Weile der König aus einem der Frauenhäuser in das andere gegangen sei , ohne sonder- lich lange in den einzelnen verweilt zu haben. Das geschieht alsdann im strengsten Incognito und unter dem Deckmantel der Nacht. Zu seiner Hofhaltung gehören ausser den Tra- banten eine ganze Anzahl zu bestimmten Diensten verwandter Männer. Er hat seine eigenen Kammermusici (Hornbläser und Trompeter), deren Productionen von grosser Ausdauer und Mühe bei den einstudirten Piecen zeugten, Eunuchen und Spassmacher, Bänkelsäoger und Tänzer, die bei festlichen Versammlungen zur allgemeinen Kurzweil dienen und den Glanz seines Hofes vermehren. Festordner sorgen für Ord- iiung in der Versammlung des Volkes und halten unter An- wendung des Stocks die Zudringlichkeit der Jugend fern.

Die Privatwohnung des Königs besteht aus einer Gruppe von verschiedenen grossen Hütten, gleich einer Seriba um- friedigt von einem Palissadenzaun , und von wohlgepflegteu Baumpflanzungen beschattet. Jeder seiner täglichen Ver- richtungen ist hier eine eigene Hütte eingeräumt.

Ausschliesslich für die Bereitung seiner Küche ist immer eine seiner Frauen beordert, welche sich in bestimmten Zeit- räumen zu diesem Zweck untereinander abzulösen haben.

Munsa pflegt ausschliesslich für sich und allein zu spei- sen, niemand darf den Inhalt seiner Schüssel zu sehen be- kommen, und alles, was er übrig lässt, wird in eine eigens dazu bestimmte Grube geschüttet. Alles, was der König be- rührt hat, gilt als unantastbares Heiligthum, nicht einmal von dem Feuer, welches vor seinem Sitze brennt, dürfen die

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Gäste eine Kohle nehmen, um sich die Pfeife anzustecken; es wurde beliauptet, ein solcher Versuch würde als Majestäts- beleidigung betrachtet und vom Könige sofort mit dem Tode bestraft werden.

Da mir die Vergünstigung zutheil wurde," die innere Einrichtung der königlichen Hofburg in Augenschein zu neh- men, so konnte ich alle die einzelnen Hütten der Reihe nach durchmustern. Die Garderobe des Königs allein beanspruchte den Kaum mehrerer Piecen. In der einen gewahrte ich nichts als Hüte und Federschmuck in den verschiedensten Formeo. Besondern Werth legen die Vornehmen des Landes auf rothe Papageifedern, aus denen man grosse kugelrunde Büschel formt.

Dann folgte eine Hütte, wo sich bündelweise Civetten- uud Genetten-, Potamochoerus - und Giraflenschwänze, Felle und ta^usenderlei der seltsamsten Zierathen, die der Herr- scher zu tragen pflegt, aufgehängt fanden. Zu langen Schnü- ren aufgereiht sah man die Zähne von seltenen erbeuteten Thieren hängen; Reisszähne des Löwen, von denen ich über hundert an einem einzigen Schmuckgehänge zählte, bildeten gewiss ein kostbares, von Vater auf Sohn überkommenes Erb- stück. Hier war es auch, wo ich zum ersten mal die Felle des Galago Demidofii antraf, einer bisher nur in Westafrika beobachteten Thierart.

In einer kleinen Kegelhütte zeigte man mir das Heilig- thum des königlichen Aborts, des einzigen in seiner Art, der mir in Gentralafrika zu Gesicht gekommen ist, obgleich alle heidnischen Negervölker in dieser Hinsicht >veit mehr Decenz an den Tag legen als die Mohammedaner, welche bei aller zur Schau getragenen Prüderie ihrer Attitüden den- noch in der nächsten Umgebung ihrer Behausungen wenig auf Fernhaltung von beleidigenden Einflüssen auf die Geruchs- nerven bedacht zu sein pflegen. Wie zufällig entsprach die erwähnte Localität ganz den in türkischen Häusern wahr- genommenen Einrichtungen. An einem andern Tage ward

Einrichtungen der Hofburg. 105

ich durch die königlichen Rüstkammern geführt, wo die vor- handenen Waffenvorräthe hauptsächhch aus zusammenge- schnürten Packen von 200—300 Lanzen bestanden, die im Falle eines Kriegsausbruchs zur Vertheilung an die waflfön- fähige Mannschaft bestimmt sind, auch Säbelklingen und Hackmesser, wie sie die Monbuttukrieger führen, sah man da haufenweise aufgeschichtet. An diesem Orte wurden auch die Prunk- und Luxuswaffen, welche bei festlichen Gelegen- heiten in den Palasthallen des Königs ausgestellt werden, aufbewahrt. Sie bestanden hauptsächlich aus riesigen Lanzen ; Schaft sowol wie Spitzen aus reinem Kupfer geschmiedet und aufs prächtigste polirt.

Die Vorrathskammern und Kornmagazine befinden sich unter wohlgezimmerten und regendichten Dächern. In den verschiedenen Gemächern derselben verbringt Munsa einen Theil seiiier den öfifentlichen Geschäften gewidmeten Tages- zeit, die Eintheilung und Anordnung der Vorräthe selbst überwachend.

Aus allen diesen Angaben wird einleuchten, dass die Monbuttu einen monarchisch constituirten Staat darstellen, wie es nur wenige von gleicher Bedeutung in Centralafrika geben mag, dessen Einrichtungen an viele Erzählungen hus alter Zeit anzuklingen scheinen, welche uns längst unter- gegangene Negerreiche schildern.

Das halb mythische Reich des mächtigen Muatajamwo, dessen Einfluss sich ohne Zweifel, wie aus manchem hervor- geht, bis auf die Monbuttuländer erstreckt hat, mag für diese Einrichtungen in gewisser Hinsicht vorbildlich gewesen sein. Als Thatsache dürfte anerkannt werden, dass die Mon- buttu unter allen Völkern Centralafrikas, die man kennt, diejenigen sind, welche, berücksichtigt man, dass sie nicht den geringsten Einfluss von christlicher oder mohammeda- nischer Welt erfahren haben, in äusserer Cultur die höchste Stufe einnehmen. Ihre hervorragenden Merkmale zeigen, dass sie einer Gruppe von Völkern sich anschliessen, welche

106 Fünfzehntes Kapitel.

den innersten Kern von Afrika bewohnen und welche für die Erdkunde erst an seiner äussersten Peripherie aufzu- dämmern beginnt.

D;is von Livingstone besuchte Land der Manujema und die Muatajamwöstaaten, welche die portugiesischen Handels- züge besuchen, bilden jetzt die südwestlichen und südöst- lichen Grenzen dieses immensen Gebiets, das au Flächen- raum die Hälfte des europäischen ßussland übertrifft.

Was nun die ßassenmerkmale dieses Volkes betrifft, so scheinen sich die Monbuttu zunächst von fast allen bekann- ten Völkern Centralafrikas durch ihre hellere Hautfarbe zu unterscheiden, deren Gruudton der des gemahlenen Kaffees ist, und hierin liegt bereits ein grosser Unterschied von den Niamniam, welche im grossen Ganzen um mehrere Schatten dunkler gefärbt sind, und für welche die Farbe der Tafcl- chocolade oder der reifen Olive als das Bezeichnendste au- gesehen werden kann. Der Reisende muss sich freilich wun- dern, bei allen Völkern Afrikas zu gleicher Zeit schwarze, rothe und gelbe Individuen anzutreffen, während doch in Asien die gelben Rassen, in Amerika die kupferfarbenen überall sowol eine mehr gleichartige Tiefe der Hautfarbe, als auch nur eine Art des Farbentons zu erkennen geben. Bei den Marghi beispielsweise beobachtete Barth eine gleiche Verschiedenheit der Farbentiefe. Er sah bald schwarze und dann wieder kupferrothe Individuen (rhabarberfarbig, wie er sie im Gegensatz zu einer andern Färbung bezeichnet, welche er der Milchchocolade vergleichbar nennt).

Falsch wol dürfte seine Vermuthung sein, als sei eine Mischung des Bluts der alleinige Grund einer solchen Man- nichfaltigkeit, denn es scheint ein eigener Vorzug der mit rothem Grunde der Hautfarbe ausgestatteten Afrikaner zu sein, dass ihre Haut eine sehr grosse Verschiedenheit in der Farbentiefe darthut

Von den Niamniam unterscheiden sich die Monbuttu auch noch durch geringere Muskelfülle der Glieder, ohne

Rasseneigenthümlicbkeiten. 107

indessen den Eindruck der Schwächlichkeit hervorzurufen, auch sind sie bei gleicher Fülle des Haupthaars, wie jenen eigen, durch einen weit stärker entwickelten Bartwuchs ausgezeich- net. Allein die Monbuttu sind noch durch eine ganz be- sondere Rasseneigenthümlichkeit ausgezeichnet.

Nach den Hunderten zu urtheilen, welche alltäglich mein Zelt zu umstehen pflegten, um das Wunder eines weissen Mannes mit schlichten Haaren anzustaunen, nach den Tau- senden zu schliessen, welche auf diese Art während der bei Muusa verlebten Wochen meinen Blicken sich darboten, müssen wenigstens fünf Procent der Bewohner blondhaarig sein.

Die letztern erscheinen indess stets mit dem fein ge- kräuselten Wollhaar der sogenannten Negerrasse ausgestattet und waren zugleich die am lichtesten gefärbten Menschen, welche mir, seitdem ich Unterägypten verlassen, unter die Augen kamen.

Dieses Blond hat indess nichts mit dem unserigen ge- mein, es erscheint von unreiner und wie mit grau gemischter Färbung, dem Hanf vergleichbar. Besonders hellfarbige In- dividuen verriet hen in ihren Augen fast immer etwas Krank- haftes und gaben manche Merkmale von ausgesprochenem Albinismus zu erkennen. In dieser Hinsicht erinnerten sie an eine Schilderung, welche Isaak Vossius in seinem Buche vom Ursprünge des Nils von den weissen Männern entworfen hat, die bei dem König von Loango gesehen wurden: „Auch sind sie sehr schwach und blöde von Gesicht und drehen die Augen, eben als wenn sie schielten." Im vorigen Kapitel habe ich einen Sohn des Königs Munsa, Bunsa mit Namen, in ähnlicher Weise beschrieben.

Dass hiar mit einer Verringerung des Hautpigmentes zugleich eine lichtere Haarfärbung verknüpft ist, stellt diese Rasse in einen gewissen Gegensatz zu allen hellfarbigen Be- wohnern des nördlichen Theils von Afrika, mit alleiniger Ausnahme der Berberrasse Marokkos, unter denen Blond- haarige häufiger vorzukommen scheinen.

108 Fünfzehntes Kapitel.

Es wurde schon früher darauf hingewiesen, dass der pliysiognomische Ausdruck der Schädelbilduug bei den Mon- buttu in vielen Fällen an den typischen Charakter der se- mitischen Völker erinnere. Namentlich ist es die Nasen- bildung, die von der gewöhnlichen Form der Negerrassen häufig durch ihre grössere Länge und Krümmung auffalleDd abzuweichen scheint.

Alle diese Rasseneigenthümlichkeiten scheinen auf eine Verwandtschaft mit der grossen Völkergruppe der Fulbe hinzudeuten, und als solche zählen die Monbuttu vielleicht mit unter die Zahl der „Pyrrhi Aethiopes" des Ptolemäus. Dies wäre indess nur eine vage Vermuthung, stände dersel- ben nicht die gewichtige Thatsache zur Seite, dass die Fulbe östlichen Ursprungs sind, obschon ein Theil derselben in späterer Zeit vom Senegal aus sich in retrograder Bewegung nach Osten gewandt hat. Ich denke hierbei durchaus nicht an eine Brücke, um die von Eichwaldt vermuthete Verwandt- schaft der Fulbe mit den Malaien zu befürworten und sei- nem angeblich in Gestalt von Meroe dargebotenen Binde- gliede in solch einer Völkerbewegung ein neues hinzufugen zu wollen.

Barth betrachtet die Fulbe als ein Mittelding einerseits zwischen den Arabern und Berbern, andererseits zwischen den Berbern und Negern, und dieser Vergleich trifft auch für die Monbuttu zu, erscheint indess von allzu vager Be- grenzung, um hierbei weitere Berücksichtigung zu verdienen.

Durch Verlust aller meiner Sprachproben, die ich mit grosser Mühe und doppelter Verdolmetschung von den Mon- buttu eingesammelt, sehe ich mich leider ausser Stande, hin- reichenden Aufschluss über ihre Sprache ertheilen zu kön- nen. Ich weiss daher nach den wenigen Proben, die mir geblieben, nur so viel zu sagen, dass die Monbuttusprache dem grossen Sprachstamme Afrikas nördlich vom Aequator sich anreihe; ein grosser Theil der Monbuttu wörter gehört nachweislich speciell zur nubisch-lybischen Sprachgruppe.

Aehnlichkeit mit den Fulbe. Zubereitung des Rindenzeugs. 109

In noch grössern Gegensatz als durch ihre Hautfarbe, stellen sich die Monbuttu zu sämmtlichen Nachbarvölkern durch Tracht und Volkssitten. Dies scheint das Land der unumstösslich hergebrachten Mode zu sein, welche das ein- förmige Niveau unserer modernen Cultur über alle Klassen der Bevölkerung zu ziehen bestrebt ist.

Dank ihrer völligen Abgeschlossenheit sowol gegen die mohammedanische als auch gegen die christliche Welt, in welcher bis vor wenigen Jahren die Monbuttu verharrt haben, sind ihnen gewebte Stoflfe aller Art völlig unbekannt. Hier, wie in vielen andern Gebieten von Innerafrika, liefert ein Feigenbaum (UrostigmaKotschyana) den einzigen Bekleidungs- stoflF. Dieser Baum fehlt bei keiner Hütte, scheint sich im Monbuttulande jedoch nur in angebautem Zustande vorzu- finden. Wenn der Stamm die Stärke eines Mannsleibes er- langt hat, so ist seine Rinde am brauchbarsten. Man ent- schält merkwürdigerweise den ganzen Stamm 4—5 Fuss lang vermittels zweier Ringschnitte, ohne dadurch ein Absterben hervorzurufen, denn von dem Rande des obern Schnittes aus gewahrt man nach einiger Zeit eine eigenthümliche Wucherung, eine Art Granulation in Gestalt einer neugebil- deten Bastschicht, die das Aussehen junger Wurzelfasern hat und herabsteigend das blossgelegte Splintholz wieder beklei- det. Diese räthselhafte Erscheinung, welche in unsern Zo- nen nirgends ihresgleichen aufzuweisen hat, findet nur in der Annahme Erklärung, dass nicht die gesammte Bastschicht beim Abschälen der Rinde verloren* ging, vielmehr zarte, lebensfähige Theile am Cambium noch hängen blieben. Eine ähnliche Neubildung der Rinde nach völliger Entschälung des Stammes beobachtete Livingstone auch am Baobab ^^ (Adansonia), aus welcher die Matelele sich ihr Material zu Stricken verschaflfen. Am Stamme des Rokkobaums ist sie nach Verlauf von drei Jahren beendet, und die Rinde kann von neuem abgeschält werden. Wäre ein solcher alle drei Jahre stattfindender Ersatz nicht geboten, so hätte das An-

110 Fünfzehntes Kapitel.

pflanzen des Baumes bei den Gehöften der Eingeborenen keinen Zweck.

Die Rokkorinde hat eine gewisse Aehnlichkeit mit der Lindenrinde, welche in Ru§sland einen so grossen Handels- artikel bildet; allein die Bastfasern bilden nicht derartig flache oder so papierdünne Platten in ihrem Verlauf, wie bei der Linde, sondern verweben sich untereinander, als wären sie geflochten. Durch theilweise Maceration und vieles Klopfen verstehen die Monbuttu der Rinde ganz das Aussehen eines dichten und sehr geschmeidigen Gewebes zu ertheilen. Im rohen Zustande hat der Stoff ein graues Aussehen, mit einem Farbholzdecoct imprägnirt nimmt er eine braunrothe Fär- bung an, sodass er an ordinäres Wollenzeug erinnert. Durch einen Gürtelstrick zusammengehalten, bedeckt ein solches Uindenstück in seltsamem Faltenwurf den ganzen Körper von den Knien bis zur Brust, wie man es an den beiden Kriegern auf der beigegebenen Abbildung wahrnehmen kann.

Die Frauen dagegen gehen fast vollständig nackt, indem sie nur ein handgrosses Stück Bananenlaub oder ein ähn- liches Stück von RindenstoflF in der Schamfuge an der Gürtel- schnur befestigen, die keiner fehlen darf, ausserdem aber den ganzen Körper auf das sorgfältigste mit einem schwarzen Safte zu bemalen pflegen, welcher der Frucht des „Blippo*^ (Randia malleifera) entnommen wird. Während die Weiber der mit ihrer Nacktheit als einem Vorzuge der MännliGli- keit sich brüstenden Dinka schamhaft vorn und hinten mit zwei langen Fellen umhüllt erscheinen, während die Bongo- und Mittufrauen stets grünes Laub im Gürtel zu tragen pflegen und ein Schurz von Fellen die Niamniamweiber um- gibt, verzichten gerade die Weiber der unter allen Völkern des von mir bereisten Gebietes am sorgfältigsten gekleideten Monbuttu fast auf jede Körperbedeckung.

Die Frauen tragen indess, wenn sie ausgehen, einen fussbreiten Streifen über den Arm geschlagen, welchen sie beim Niedersetzen quer über den Schos zu legen pflegen.

Nucktheit der Weiber. 111

Diese Streifen oder Scliärpeii haben gewölinlicli die Breite einer Spanne unti bestellen aus einem Gewebe gröbster und

dauerhaftester Art; an Sattelgurte erinuernd, bilden sie hier die ersten Versuche in der Kunst des Webcns, sie dienen den Frauen auch dazu, ihre Kinder auf dem Rücken zu befestigen.

112 Fünfzehntes Kapitel.

Tätowirte Figuren verlaufen bandartig in der Richtung der Achseln über Brust und Rücken der Weiber, um indi- viduelle Unterschiedsmerkmale abzugeben. Die mühsame Bemalung des Körpers mit Gardeniasaft bietet dem Be- schauer eine unerschöpfliche Mannichfaltigkeit der verschie- densten Muster. Bald sind es Sternchen und Malteserkreuze, bald Blumen und Bienen, die dargestellt erscheinen, dann wieder finden sich streifenförmige Zeichnungen zebraartig über den ganzen Körper vertheilt, Tigerflecken und gescheckte Muster von unregelmässiger Form, marmorirte Adern und schachbretartige Karrirung u. dgl. Jede Monbuttufrau sucht bei festlichen Zusammenkünften ihre Rivalin an derartiger Erfindungsgabe auszustechen. Die mit der beschriebenen Tinte ausgeführten Muster besitzen eine Haltbarkeit von zweitägiger Dauer, dann werden sie sorgfältig abgerieben und durch neue ersetzt.

Ganz abgesehen von der Bemalung der Frauen, bedie- nen sich die Männer einer aus pulverisirtem Rothholz berei- teten Schminke, indem sie dasselbe mit Fett zusammen- gerieben gleichmässig über den ganzen Körper vertheilen. Die Niamniam dagegen beschmieren mit diesem Pulver, in Gestalt unregelmässiger Striche und Flecken, sich Gesicht und Brust, .um den wilden Ausdruck ihrer Erscheinung zu vermehren. Die Haartracht ist bei Männern und Weibern dieselbe und besteht aus einem langen cylindrischen Chignon, welcher, aus den Haaren des Scheitels und des Hinterkopfes geformt und durch ein Rohrgestell im Innern festgehalten, in schräger Richtung nach hinten emporstarrt, während am Vorderkopf die Haare, in Gestalt dünner Fäden zusammen- gedreht, in der Quere über die ganze Stirn, von Schläfe zu Schläfe, verlaufen und bis zum Scheitel hinauf ein Faden neben dem andern fest aneinandergelegt und dem Schädel angeschmiegt werden. Dieser letztere Theil des Kopfputzes, da zu demselben die eigene Haarlänge nur selten ausreicht, wird oft durch erborgtes Haar von im Kriege Gefallenen,

Baartracht bei Männern und Weibern. 113

oder, da es auch Gegenstand des Handels im Lande ist, durch gekauftes ersetzt. Die llännner setzen auf diesen Cliignon einen Strohhut mit Federbusch, welcher keinen Scbirmrand hat, und ton cylindrischer Gestalt oben in vier Ecken ausläuft, 'während er an der Basis rund ist. Der an den Hüten am meisten beliebte Schmuck besteht in kugel-

runden Bündeln aus feuerrothen Schwanzfedern*) des grauen I'apageis (Psittacus eiythacus) zusammengesetzt, oder aus der Länge nach durchgerisseneu Falken- und Adlcrfedern, welche lang herunterflattern. Chignon und Hut sind in der dia- gonalen Richtung des Kopfes angebracht, schrikg nach hinten etwas überhängend. Dieser Kopfputz der Monbattumäuner

*) Vitl. da« Bild, welcbea Munsa in vollem Stnate darstellt, w tolcher Fcdi^rschinuck auf dem lluli' des Kuiiigs xu arhen ist.

114 Fünfzehntes Kapitel.

erinnert auf das täuschendste an denjenigen, dessen die Frauen der Ischogo in Westafrika sich bedienen. Im Mon- buttulande dagegen pflegen die Frauen ausnahmslos ihren Chignon frei zu tragen, ohne Strohhut und blos geziert mit kleinen Haarnadeln, auch mit Kämmen versehen, die man aus den Stacheln des Stachelschweins zusammensetzt.

Diese Angaben charakterisiren die äussere Erscheinung der Monbuttu zur Genüge, und wenn ich hinzufüge, dass die einzige Verstümmelung des Körpers in einer Durch- löcherung der innern Ohrmuschel besteht, um einen Stah von der Grösse einer Cigarre durchstecken zu können, so ist alles gesagt, was die Mode in diesem Lande erheischt, und von welcher abzuweichen sich der einzelne nicht erlauben darf. Weder ein Ausbrechen der untern Schneidezähne, welches die schwarzen Völker der nördlichen Flussebenen charakterisirt, noch das Spitzfeilen derselben, wie es bei den Niamniam Gebrauch ist, noch weniger das Durchbohren* der Lippen, wie wir es an den Frauen der Bongo und Mittu kennen lernten, findet in diesem Lande irgendwelche Nach- ahmung. Wenn man von der im ganzen Lande geübten Beschneidung absieht, welche nach der Aussage aller heid- nischen Negervölker des äquatorialen Afrika ein uraltes Herkommen ist, das sie von ihren frühesten Vorältern empfangen, so bleibt die Durchbohrung des Ohrs, wie gesagt der einzige Eingriff in die Natur, der den Monbuttu zulässig erscheint. Diese letztere Sitte gab Veranlassung zu der den Monbuttu von den chartumer Elfenbeinhändlern anfänglich ertheilten Benennung, indem sie ihnen im Gegensatz zu den Niamniam im engern Sinne (denn Niamniam ist im Sprach- gebrauch der Sudanesen ein CoUectivname für alle Menschen- fresser, abgesehen von jeder rasselichen Verschiedenheit) den Namen „Guru-Guru" beilegten (von „meargar oder gurgur*', durchlöchern).

Sehr complicirt ist die Bewaffnung der Monbuttukrieger, indem sie ausser Schild und Lanze auch Bogen und Pfeile

Die Giiru-Guru. BewnSnung der Krieger.

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mit sich führen, eine Zusammensteniiiig, welche sich bei wenigen Völkern von Afrika wiederholt. Ausserdem haben sie im Gürtel sichelartig gekrümmte Säbelmcsser stecken, andere bedienen sieb grosser Dolcbe und spatelförmiger Hackmesser, deren Form und Grösse sebr verscbieden sein kann. Das Wurfeisen der Niamniam ist im Lande der Mon- buttu nicht gebräuchlich.

Da die Monbuttu Bewohner derselben rothen Eisenerde sind, welche sieb vom Gazellenflusse aus über einen grossen Tbeil von Geutralafrika zu erstrecken scheint, so nimmt das Scbmiedebandwerk unter ihren Kunstfertigkeiten eine hervor- ragende Stellung ein, und sie übertreffen darin in der Tbat alle übrigen \'blker des von mir bereisten Gebiets, während die übrigen Zweige ihrer Gewerbthätigkeit allen Vergleich mit den übrigen Völkern ausschliessen, selbst die moham- medanischen Völker Nordafrikas nicht ausgenommen. Die

116 Fünfzehntes Kapitel.

Gewinnung des Eisens als ein Röstungsprocess der einfachsten Art ist dieselbe, wie ihn alle Reisenden in den verschieden- sten Theilen von Afrika bereits geschildert haben. Dieses gilt namentlich für die ursprüngliche Einfachheit ihres Ge- bläseapparats, welcher, da die Einrichtung eines Ventils unbekannt geblieben, stets aus zwei Thongefässen zusammen- gesetzt sein muss, um einen continuirlichen Luftstrom hervor- bringen zu können. Die Monbuttuschmiede bedecken die Oeffnungen der Thongefässe (zum Luftpumpen) mit abge- brühtem Bananenlaub, welches durch derartige Behandlung mit heissem Wasser eine seidenartige Geschmeidigkeit an- nimmt, während die andern Völker dieselben mit weichen Häuten überziehen. Kneifzangen, Feilen und Hämmer unserer Art fehlen ihnen, dennoch sind die Monbuttuschmiede ihren Nachbarn durch die Anwendung anderer Werkzeuge über- legen, welche eine weit sorgfältigere Bearbeitung des Eisens ermöglichen. Sic sind die einzigen, welche statt eines Ambosses von Stein zum Hämmern sich eines solchen von Schmiede- eisen, wenngleich en miuiature, bedienen. Vermittels des Meisseis wird hier eine jede Waffe in der Contour geformt und durch Hämmern die nöthige Schärfung hervorgebracht. Unsere Feilen ersetzt ihnen ein feinkörniger Sandstein oder eine Gneisplatte, um die Waffen zu wetzen und zu schärfen. Eine die Stelle des geprägten Geldes ersetzende Gestaltung wird dem käuflichen Eisen gewöhnlich nicht gegeben, wie dies bei andern Völkern der Fall ist. Als eine Art eisernes Geld könnte man höchstens die grossen halbkreisförmigen Barren betrachten, welche sich im Schatze des Königs vor- finden und in ihrer Gestalt an die rohen Kupferringe er- innern, welche aus den darfurer Gruben in den Handel ge- bracht werden. Aehnliche Eisenringe schwersten Kalibers cursiren auch in Wandala, südlich von Bornu, im Handel. Weder Eisenplatten noch runde Spaten (Meloten) sind im Gebrauch; faustgrosse Eisenklumpen bilden das Rohmaterial, aus welchem der Künstler seine Waffen formt. Ihre Ge-

Eisenindustrie. 117

scbicklichkeit ist bewundernswürdig, und ihre Gewandtheit, in kürzester Frist aus einem solchen Klumpen Spaten und Lanzen zu formen, ohne Beispiel; in unserm Lager, wo ich sie häufig in Gemeinschaft der mitgebrachten Bongoschmiede arbeiten sah, hatte ich Gelegenheit, mich genugsam von ihrer ausserordentlichen Ueberlegenheit in dieser Kunst zu überzeugen.

Das Meisterstück eines Monbuttuschmiedes sind die feinen Eisenketten, die als Schmuck getragen werden, und welche, was Formvollendung und Feinheit anbelangt, mit unsern besten Stahlketten concurriren können. Der Process des Stählens ist ihnen natürlich unbekannt, und die Härtung wird nur durch fortgesetztes Hämmern erzielt. Nach dem Urtheil von Sachverständigen brauchen diese Gebilde einer autochthonen Kunst keinen Vergleich mit den Producten unserer gewöhnlichen Schmiede zu scheuen. Das welliger durch einen vollständigen Schmelzungsprocess, als vielmehr durch ein mühsames Zusammenschweissen der dargestellten einzelnen Eisenpartikelchen gewonnene Material ist von vor- züglicher Homogenität und Bildsamkeit.

Das Kupfer war den Monbuttu bereits früher bekannt, und ihr König besass grosse Massen davon, bevor noch die ersten Nubier sein Land betraten. Da andere Verbindungen mit der mohammedanischen Welt vordem nicht bestanden haben, es sei denn ausnahmsweise bei Gelegenheit der an- geblich im Jahre 1834 bewerkstelligten grossen Razzia der Furaner, über welche uns Barth berichtet hat, so lässt sioh nicht ohne Grund vermuthen, dass die Kupferminen in An- gola und Loango, oder andere aus den südwestlichen Theilen von Südafrika, bis hierher ihre Schätze gespendet haben. Da fast alle künstlichen Zierathen, die der Monbuttu an sich trägt, von Kupfer hergestellt werden, so ist der Bedarf an diesem Metall kein geringer. Am häufigsten wird dasselbe in Gestalt klafterlang ausgezogener und flach geschlagener Drähte angewandt, um die Handhaben an Säbeln und Messern,

118 Fünfzehntes Kapitel.

die Lanzenschäfte, Bogen u. dgl. damit zu umwickeln. Von Kupfer und Eisen sind auch die agraflfenartigen Klammern, welche, theils um die Holzschilde gegen Spaltung und Risse zu schützen, theils um sie zu verzieren, angebracht werden. Lange Halsketten von Kupfer sieht man häufig, und Kupfer- beschlag fehlt weder an den aus Büffelhaut geschnittenen Ringen, noch an den dicken Gürtelriemen. Die durch die Ohren gesteckten, ungefähr 10 Millimeter langen und tinger- dicken Stäbe sind auf gleiche Art verziert, und überhaupt jeder Schmuck, an welchem sich Kupfer anbringen oder be- festigen lässt. Vornehme Personen bestellen sich eigens aus Kupfer geschmiedete Prunkwaffen.

Ausser Kupfer und Eisen dagegen sind alle übrigen Metalle den Monbuttu unbekannt. Sicherlich gilt dieses für Silber und Gold. Der silberne Teller, den ich dem Könige geschenkt hatte, wurde als weisses Eisen erklärt und ein Unterschied des Metalls von meinen übrigen Blechgeschirren nicht wahrgenommen. Zinn und Blei haben die Monbuttu von den Nubiern als Merkwürdigkeiten gelegentlich geschenkt bekommen; beides war vordem in diesem Lande noch von keinem gesehen w^orden. Es scheint indess aus einer An- deutung, die mir von eineüi Niamniam zuging, sehr wahr- scheinlich zu sein, dass in diesen Ländern Platin, angeblich in höhnen- und erbsengrossen Stücken („ein weisses Metall von der Härte des Eisens", welches so schwer sein soll wie das Blei, mit welchem sie durch die Kugeln der Nubier be- kannt gemacht wurden), stellenweise gefunden worden sei; es soll aber vor den Fremden mit abergläubischer Furcht verheimlicht werden. Ich sehe mich durch keinen Grund gezwungen, den Werth dieser Angaben in Zweifel zu ziehen, da sie von Leuten ausgingen, die auf keinem andern Wege von der Existenz eines Metalls Kunde erlangt haben konnten, welches selbst den Nubiern bisher ebenso fremd geblieben ist, wie den Monbuttu oder Niamniam Gold und Silber.

Die unglaubliche Mannichfaltigkeit in den Formen ihrer

Muthmassliclies Vorkommen von Platin. Lanzen und Pfeile. 119

Lanzen- und Pfeilspitzen lässt sich ohne beigefügte Abbil- dungen nicht erläutern, ich will hier nur darauf aufmerksam machen, dass die symmetrische Anordnung der einzelnen Widerhaken, Zacken und Dornen, die an ihnen in Menge angebracht zu werden pflegen, von tadelloser Vollendung erscheint. Unter den Lanzenspitzen herrscht die hastate Form vor, während bei den Pfeilen spateiförmigen Spitzen der Vorzug gegeben wird, um eine reichlicher blutende Wunde hervorzurufen , als spitze Pfeile zu erzeugen im Stande sind. Alle Klingen, Lanzen- und Pfeilspitzen sind bei Monbuttu und Niamniam mit Blutrinnen versehen, welche den Waffen der Bongo und Mittu u. s. w. fehlen. Ein Kenner ist leicht im Stande, bei der Besichtigung ver- schiedener Lanzen und Pfeile auf ihre Provenienz schliessen zu können, nach den feinen Details urtheilend, die sich in der Form ven-athen. Die Monbuttupfeile haben Schäfte von Rohrgras und unter- scheiden sich von allen andern

des Bongogebiets dadurch, dass sie an der Basis der Schäfte geflügelt sind. Diese Flügel werden aus dem Fell der Genette, oft auch aus Stücken von Bananenblättern geschnitten. Der Bogen der Monbuttu ist im allgemeinen denen der Bongo und Mittu in Form und Grösse entsprechend (1 Meter lang), hat aber zur Sehne einen Strang von einfach gespaltenem spanischen Rohr, der an Spannkraft jede Schnur übertrifl't. Ein eigenthümlicher Apparat zeichnet indess diese Bögen vor

Lanzenepitzcn.

120

Fünfzehntes Kapitel.

allen andern aus, indem zum Schutze des Daumens gegen den Zurückprall der Seline in Gestalt eines Weberschiffchens ein ausgehöhltes Hölzchen angebracht ist; der Pfeil gleitet beim Zielen stets durch die mittlem Finger hindurch.

Die Vervollkommnung ihrer Werkzeuge befähigt die Monbuttu auch zu einer grossem Entwickelung von Kunst- fertigkeit in der Holzschnitzerei. Sie sind das einzige Volk, welches mir in Afrika begegnete, selbst die heutigen Aegypter nicht ausgenommen, welches den Gebrauch des einschneidigen Messers kennt, ein Fortschritt in der Holzschnitzerei lässt

Beil, Spaten und Fassbiiidcrhcil der Monbutta.

sich daher hier durch die Anwendung solcher Messer erklären, deren Vortheil auf der Hand liegt, da die Unterstützung des Zeigefingers beim Schnitzen eine im Detail weit sicherere Handhabung ermöglicht. Das zum Schnitzen verwandte Holz wird in der Regel dem riesigen Stamme einer Ilubiacee (Uncaria) entnommen; die weiche, risselose Textur desselben erinnert am meisten an Pappelholz. Das Fällen dieser rie- sigen Bäume, deren Stämme bei einem auf ungefähr 40 Fuss Länge astfreien und geradlinigen Verlauf eine Dicke von 6 8 Fuss Durchmesser erreichen, wird durch mühsames Aushauen mit ihren kleinen Beilen bewerkstelligt. Diese sind von derselben Art wie in ganz Centralafrika, und be- stehen aus einem geschärften Eisenkeil, welcher durch das

Holzschnitzerei. 121

verdickte Ende einer knorrigen Keule gesteckt wird. Diese Keile sitzen daher bei jedem Hiebe immer fester in ihrem Stiele, statt sich zu lockern, wie die Eisen unserer Beile. Die Zahl der zum Fällen solcher Baumriesen erforderlichen Hiebe steigt in die Tausende, dennoch sah ich im Urwalde nicht selten Stämme daliegen, die regelmässig wie mit einem Messer durch- geschnitten erschienen, was für das vorzügliche Augenmass dieser Wilden spricht und wodurch sich der Neger im all- gemeinen ebenso vortheilhaft vor dem Araber und Nubier auszeichnet, wie durch Tonsinn und musikalisches Talent. Den grössern Klötzen wird vermittels einer Art Dechsel oder Fassbinderbeil (s. nebenstehende Abbildung) die erste rohe Gestaltung gegeben. Ursprünglich weiss, schwärzt man die aus dem Holze der Uncaria gehauenen Gegenstände mit Hülfe des Feuers, oft aber auch allein durch Liegenlassen in dem schwarzen Humusmoder der Bäche.

Schüsseln, Schemel, Pauken, Boote und Schilde bilden den Hauptgegenstand dieser Industrie. Am untern Schari sind gezimmerte und aus Planken zusammengenähte Boote im Gebrauch, hier am Uelle dagegen nur Canots aus einem einzigen Baumstamm gehauen, welche an Zweckmässigkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Ich sah dergleichen von 10 Meter Länge und 1,73 Meter Breite, auf welchen man ganz bequem Pferde und Rinder hätte übersetzen können.*) Die grossen hölzernen Signalpauken der Niamniam fehlen in keinem Monbuttudorfe. Aus einem Stück gehauen, werden sie von vier oder auch von zwei Füssen gestützt, wie man letzteres an der beigegebenen Zeichnung wahrnimmt. Ein ganz ähnliches Instrument findet sich auch an der afrika- nischen Westküste. Eine andere, kleinere Art Pauken ist von halbkreisförmiger Gestalt und liach zusammengedrückt, oben mit einem Henkel versehen, und der Schallspalt ist

*) Ein solches Boot findet sich abgebildet auf der Ansicht der Stromschnellen des Kibali im siebzehnten Kapitel.

122 Fonfiehntes Kapitel.

bei dieser Art uacb unteu gerichtet, einer zusammengedrückteD Glocke vergleichbar.

Die Schemel, deren Benutzung ausschliesslich den Frauen zusteht, sind in ihrer Form von unerschöpflicher Mannich- faltigkeit GleichEalls aus dem Block geschnitzt (kein Volk in Centralafrika versteht die Kunst, einzelne Holztheile zu- sammeu zufügen, d. h. es fehlt eine eigene SchrelDerkunst), bBsteht dieser Schemel aus einer kreisförmigen Sitz&cheibe, die etwas concav ausgehöhlt igt, aus einem zierlich ge- schnitzten FuBSstiel und dem entweder gleichfalls kreisrunden oder polygonalen Fusse; hart am Itande der Sitzscheibe ist

ein dreieckiger Ausschnitt angebracht, welcher als Griff dient In der Regel haben sie eine Höhe von 30 40 Ceutimeter und sind von gewissen SchUssetn nicht zu unterscheiden, die hier als Tisch und als Teller zugleich dienen können. Holz- schüsseln gibt es in jeder herstellbaren Grösse. Eine Art Holzschüsseln hat zwei ringförmige Griffe, andere sind auf vier Fusse gestellt, an unsere zierlichsten und modernsten Muster erinnernd. Auch bankförmige, langgestreckte Schemel mit vier Füssen sind im Gebrauch. Alle Geräthscbaften der Niamniam und Monbuttu werden mit Füssen versehen, selbst die aus Kinde zusammengenähten cylinderfurinigen Schachteln, welche als Necessaires für Kleinigkeiten dienen. Die ge- wöhnlichen Bänke der Männer aber werden ausschliesslich aus den Blattschäften der Raphiapalme zusammengesetzt

Schemel und Bänke.

123

Sie bleiben sich ihrer Form nach immer gleich, und hierbei scheint allerdings ein erster Versuch zur Schreiuerkuust ge- macht. Diese Monbuttuhänke sind bei 1,5 Meter Länge und entsprechender Breite von solcher Leichtigkeit, dass auf uusern Reisen ein Träger ohoe Anstrengung ihrer sechs fort- zuscliaffen vermochte, dessenungeachtet sind sie von ausser- ordentlicher Festigkeit, die Art und Weise, in welclier die einzelnen Theile zusammengefügt erscheinen, ist im höchsten Grade ingeniös. Bänke und Häuser werden von den Mon- buttu nicht mit Nägeln und Päöcken gezimmert, sondern zusammengenäht, indem fein gespaltenes spanisches Rohr als Heftmaterial dient, welches auch hier seine unverwüstliche Zälügkeit ebenso gut bewahrt, nie an unsern Kohr&tühlen.

Lehnen sind an den Sitzen der Monbuttu nicht ange- bracht; da sie trotzdem für ihren Comfort unentbehrlich erscheinen, so müssen ge- sciipmei i^r Moiii.uiiuwBii]or.

sondert aufetellbare Krücken

dafür einen Ersatz bieten. Diese Lehnkrücken werden aus solchen Theilen eines jungen Baumes geschnitten, an welchen vier Aeste quirlartig ungefähr aus einem Punkte entspringen, man stellt sie alsdann in der Art auf, dass der Hauptstamm und zwei der Aeste die drei Füsse des Gestells, die zwei andern aber die Stützen für die Arme und den Rucken ab- geben. Sehr geeignet zu diesem Bchufe ist das Holz des Baurawollenbaums oder „Cottontree" (Eriodendron).

Die Sclnlde der Krieger werden mit dem Beil aus den dicksten Stämmen zugehauen, sind von iJiugUch viereckiger Gestalt und bilden ein vollkommen ebenes und nur ''/j Zoll dickes Bret, das gewöhnlich zwei Drittel der ganzen Körper-

124 Fünfzehntes Kapitel.

länge deckt. Geflochtene Schilde sind bei den Monbuttu nicht im Gebrauch. Diese unförmlichen Schutzwaffen, bei denen der Leichtigkeit jede Solidität geopfert wird, sind nur dadurch vor Rissen und Sprüngen zu wahren, dass man über die ganze Breite derselben parallele Nähte von Rotang ver- laufen lässt und sie am obern und untern Rande mit zwei stärkern Borten von Rotanggeflecht einkantet. Eine kiel- artige Verdickung verläuft verquer in der Mitte des Schildes, um seine Festigkeit zu vermehren. Geziert werden diese Schilde durch angehängte Schwänze vom Guineaschwein, und

sie sind stets gleichmässig tief geschwärzt. Vorhandene Risse und Sprünge werden ausserdem durch zierliche Klammem von Eisen und Kupfer zusammenge- halten.

Die Töpferarbeiten bezeichnen im Monbuttulande einen für die Cultur Afrikas deutlich ausge- sprochenen Fortschritt Obgleich ihnen der Gebrauch der Dreh- scheibe ebenso fremd ist, wie den übrigen Völkern Afnkas, so übertreffen ihre Erzeugnisse in dieser Kunst dennoch an Formvollendung, namentlich aber an bedeutend verbesserter Qualität der Masse alles bisher Wahrgenommene. Alle Töpfe und Krüge afrikanischer Völker verdienen eher die Bezeich- nung Urnen, da sie henkellos sind und sich von der Kugel- gestalt wenig entfernen; die Monbuttutöpfo indess geben hierin eine auffallende Vervollkommnung zu erkennen, indem bei ihnen nicht nijr eine durch Figuren rauh gemachte Ober- fläche die fehlenden Henkel. ersetzt, sondern gelegentlich auch symmetrische Eindrücke (namentlich an den Oelkrügen) an- gebracht sind, welche den Fingern als Ruhepunkte dienen sollen. * Am meisten Kunst verwenden sie auf die Wasser- flaschen, welche die vielgepriesenen Erzeugnisse Oberägyptens

J65.-«=

LehukrUcke.

Wasaerflaachcn. Art, zu rauchen. 125

in den Schatt«n stellen können; ihre Formen und Verzierungen verrathea eine ungewölinlicbe Erfindungsgabe. Die bei- gegebenen Holzschnitte fübren uns zwei der schönsten Wasserflaschen vor die Augen, die gegenwärtig im ethno- graphischen Museum von Berlin aufgestellt sind. An der einen, welche von dreigegliederter Form erscheint, sind Henkel angebracht, die einzigen, welche mir an ähnlichen Geräthen zu Gesicht gekommen sind.

Pfeife üköpfe , auf welche andere Völker so viel Sorgfalt verwenden, sind bei den Monbuttu nicht im Gebrauch, da

nian den virginischen Taback aus einem Apparate höchst primitiver Art zu rauchen pdegt; die lange Mittelrippe eines Bananenblattes dient als Rohr, nachdem sie der Länge nach durchbohrt worden; kurz vor dem untern dickern Ende der- selben wird dann ein kleiner Einschnitt gemacht, welcher das durchbohrte Innere freilegt. In diesen Einschnitt steckt man eine mit Taback angefüllte Düte, aus dem Blatte der- selben Pflanze geschnitten, und wechselt beim jedesmaligen Gebrauch mit dem Taback zu^eich auch die Düte. Auf diese Art verrichtet die Pfeife der Monbuttu voUstäntlig die Dienste eines Nargileh. Derartige Pfeifenrohre sind bei den

126 Fünfzehntes Kapitel.

Monbuttu in so hohem Grade beliebt, dass Vornehme sogar aus Eisen und Kupfer dieselben nachformen lassen, der Tabacksdüte aber immer den Vorzug vor einem soliden Pfeifenkopfe geben.

Die Zurichtung der Felle zu Leder durch Gerben, über- haupt jede Behandlung derselben mit Rindenextracten, ist in diesem Lande ebenso unbekannt, wie im gesammten Bachr- el-Ghasal-Gebiete.

Körbe und Matten werden aus Rotang geflochten. Lasten werden in Körben fortgeschafft, welche, am Rücken befestigt, ausserordentlich an die Tragkörbe der Thüringer erinnern.

Der Kopfputz der Monbuttu lässt natürlich ein Tragen vermittels des Hauptes als unzulässig erscheinen. Aus Rohr und Gräsern werden auch verschiedene Zierathen geflochten, welche um Arme und Beine wie Ringe getragen werden und die Bestimmung haben, beim Gehen ein rasselndes und klapperndes Geräusch zu verursachen. Mit Steinchen und Muschelschalen gefüllte Klappern, genau wie sie sich an der Westküste finden, dienen auch in diesem Lande den Fest- gebern dazu, den Takt der Hörnerbläser und Paukenschläger zu dirigiren. Viel Sorgfalt wird auf die feinen Flechtarbeiten der Hüte und Chignonhalter verwendet.

Die musikalischen Instrumente der Monbuttu verdienen keine besondere Besprechung, da ihnen die hübschen Man- dolinen der Niamniam fehlen, sowie andere Saiteninstrumente, und die vielgestalteten Hörner, Flöten und Pauken sich überall in Afrika wiederholen. Hölzerne Hackbreter (Ma- rimbas), wie in Südafrika, sind bei ihnen nicht im Gebrauch.

Die technische Gewandtheit dieses Volkes bekundet sich aber vor allem im Häuserbau, auf welchem Gebiete sie, man kann getrost sagen, für afrikanische Verhältnisse Unglaub- liches leisten. Die grossen Hallen Munsa's haben bis zu 150 Fuss Länge, 60 Fuss Breite und 50 Fuss Höhe, also die Dimensionen kleiner Bahnhöfe, und verbinden in voll- kominenster Weise Leichtigkeit des Stils mit Solidität der

Construction der Hallen und Häuser. 127

Bauart. Das Material, welches hierzu die Hand bietet, sind die bereits öfter genannten Blattschäfte der Weinpalme. Die natürliche Oberfläche ist glänzend, und die schöne braune Färbung dieses Materials verleiht allen Constructionen etwas überraschend Zierliches und Elegantes. Im gesammten äqua- torialen Westafrika herrscht im Stil der Häuser der hori- zontale Dachbau (im europäischen Sinne) vor, während im östlichen und nördlichen Centralafrika Kegelhütten aus- schliesslich verbreitet sind ; die Monbuttu verrathen auch in dieser Hinsicht ihre Verwandtschaft mit den westlichen Völ- kern (namentlich den Ischogo, Aschango, Bakalai, Aschiva, Gamma, Mpongwe und Fan), ein Zusammenhang, der voll- ständig dem physikalischen Charakter dieses Landes entspricht, dessen Gewässer sich nach Westen, statt nach Norden be- wegen; indess haben die Monbuttu mitunter auch solche und zum Theil sehr grosse Kegelhütten, die hauptsächlich als Küchen, um den Rauch höher hinaufsteigen zu lassen, und als Vorrathskammern benutzt werden, welche eines besondern Schutzes gegen Regen bedürfen.

Die Wohnhäuser der Monbuttu sind von beschränkter Grösse und in der Regel zwischen 15 20 Fuss breit und 25 30 Fuss lang, das Dach ist weit vorspringend, mit schwach gebogenen Seitenflächen, entsprechend der natür- lichen Krümmung des Palmenblattes, welches zu seiner Con- struction dient und die Dachrippen abgibt. Wasserdicht macht man die Dächer vermittels einer Fütterung von Ba- nanenblättern, auch deckt man sie mit Stroh, Gras oder Rinde. Die Wände der Wohnhütten sind gewöhnlich 5—6 Fuss hoch, geschlossen und aus gleicher Fütterung und Rinden- decke vermittels feingespaltenen spanischen Rohrs zusammen- genäht, wie das an der äquatorialen Westküste allgemein üblich ist. Solche Construction der Dächer und Wände ver- leiht den Häusern eine ausserordentliche Widerstandsfähigkeit gegen die Gewalt der Elemente; von Pfostenreihen getragene Schuppendächer und ofi<0lie Hallen müssten naturgemäss der

128 Fünfzehntes Kapitel.

plützlicli hereinbrechenden Wucht des Tropenorkans weni^ Widerstand entgegenzusetzen vermögen; dennoch sieht man sie sich beim Ausbruch von Gewittern weder neigen noch schwanken, nur ein leichtes Zittern der Wände verräth die Gewalt des über sie hinflutenden Luftstroms.

Eine becjueme Thüröffnung bildet den einzigen Zutritt für Licht und Luft, und wird durch ein solides Bret aus einem Stück geschlossen. Im Innern befinden sich in der Regel zwei Abtheilungen, von denen die hintere als Vorraths- kammer dient.

Häufig findet man Baumpflanzungen, und noch häufiger absichtlich stehen gelassene Sträucher, welche von Nutzen sind, als Ueberreste einer vom Menschen ausgerotteten Ur- waldung in der nächsten Umgebung der stets oflFen zugäng- lichen Gehöfte. Indess nicht blos schattige Bäume und nutz- bringende Sträucher, wie z. B. die beim Fischfange behülf- liche Tephrosia Vogelii, die zum Bemalen des Körpers dienende Randia malleifera, deren grosse weisse Trichterbluten einen prachtvollen Schmuck der Gebüsche darstellen, sondern offen- bar auch Gewächse, die nur zur Zierde und zur Vermehrung ihres häuslichen Wohlbehagens zu dienen scheinen, finden sich djiselbst geschont vor, so z. B. die wundervolle Mussaenda" in ihrer feuerrothen Bracteenpracht, angepflanzte Orchi- deen u. dgl. Hier fand ich auch, was nicht unerwähnt bleiben darf, das grasartige, Rasen bildende Chlorophytum mit variegirten (halb weiss, halb grün gezeichneten) Blättern, dessen sich die Niamniam als Zaubermittel, um Diebe ab- zuhalten, bedienen, ähnlich wie auf den Plantagen von Ja- maica und Haiti nach einer gleichfalls weit über Afrika ver- breiteten Sitte die „overlook" oder „horse-bean" genannte Canavalia ensiformis angepflanzt wird.*)

*) Besonders sind es die Maispflanzungen, welche, da sie den arbeitsscheuen Bewolinern des Landes am meisten Muhe machen, eines hesondeni Schutzes peüfcn Diebe bedürltn. Dies ist der Grund, weshalb man sie nur dicht neben den Wohnhütten antritTt. Kines eigenthum-

Vorliebe für Anpflanzungen und Zieriiflanzen. 129

Dörfer und Städte in unserm Sinne gibt es auch bei den Monbuttu nicht, nur die Residenz Munsa's verdient den Namen eines grossen Dorfs. Die Häuser reihen sich, familien- weise als Weiler gruppirt, zu langen, von Oelbaumpflanzungen unterbrochenen Ketten aneinander, dem Thalgesenke der Bäche folgend, von der Tiefe des Thals durch Bananen- l^flanzungen getrennt und auf der andern Seite an die Ba- taten- und Colocasiafelder anstossend, welche die mehr trockenen Terrains auf der Höhe beanspruchen.

Von einem Reisenden zu verlangen, nach fünfwöchent- lichem Aufenthalte unter einem Volke von derartiger Eigen- artigkeit sein Urtheil über die religiösen Vorstellungen des- selben zu geben, wird niemand im Ernst verlangen können; hier ist der Speculation ein unbegrenztes Gebiet eingeräumt, um in Dinge einen Sinn hineinzulegen, über deren Absicht- lichkeit oder Zufälligkeit zu entscheiden dem Fremden nicht zukommt. Ich enthalte mich daher aller Schlussfolgerungen, welche man aus der bei den Monbuttu allgemein geübten Beschneidung ziehen könnte; sie wird an Knaben zur Zeit der Pubertät vollzogen und steht sicherlich weder mit der Lehre Mohammed's, noch mit den Wanderungen derjenigen Völker, welche sie verbreiteten, in Zusammenhang. Bei allen Völkern liess ich es mir indess wenigstens angelegen sein, beim Einsammeln von Sprachprobeu auf präcise Uebertragung eines eventuell vorhandenen Gottesbegriffs zu achten, sowie auch alle diejenigen Vorstellungen kennen zu lernen, welche die Naturvölker an das Walten unsichtbarer Mächte und an ihren vermeintlichen Einfluss auf die Geschicke der Menschen knüpfen.

Die Monbuttu wussten es sehr gut zu begreifen, was die Mohammedaner, welche in ihr Land kamen, unter Kniebeugen und indem sie sich auf den Boden warfen, als „Allah" an-

lichen Kunstgriflfs bedienen sich hierzulande, wo die Fussspuren so leicht den üebclthater verrathen, alle Diebe. Sie befestigen Krücken an ihre Schenkel, auf welchen sie unerkannt in die Maisfelder hinein- stelzen können. Solche Stelzen nennen die Niamniam „Ballarüh". ScnwxxvrVBTiL II. 9

130

Funfzeliiitee Kapitel.

zurufen pSegteo. Die Bezeichnung, welche sie für Gott gebrauchen, als Einheit des höchsten Wesens gedacht, eröffnet merkwürdige Perspectiven in dio verwandtschaftlichen Be- ziehungen der afrikanischen Volker. Noch lieute heisst im Mahäsdialekte der Kubier Gott „Nor"; und mit Nöro über- setzte mir die doppelte Dolmetschung meiner Gewährsmänner da3 Wort „Allah". Auf die Frage, wo Nüro sich befinde, deutete der der Niamniamsprache kundige Monbuttu gen Himmel, und wusste auf die weitere Frage, ob er ihn denn gesehen, nnr durch Lächeln zu antworten. Den Nachweis zu liefern, ob die Augurien vermittel» HUhnern und „Damma" bei den Monbuttu eine ebenso grosse Rolle spielen, wie bei den Niamniam, dazu bot sich mir in diesem Lande bei meinem kurzen Aufenthalt keine Gelegenheit dar.

SECHZEHNTES KAPITEL.

Die Pygmäen. Kubische Erzählungen. Anklänge an das classische Altertbum. Homer, Herodot, Aristoteles. Meine erste Bekanntschaft mit den Pygmäen. Adimokü, der Akkä. Scharfes Verhör. Kriegs- i^nt. Besuch von mehrern Akkä. Mümmeri's Pygmäencorps. Mein adoptirter Pygmäe. Nsewue's Leben und Tod. Zwerghafte Rassen in Afrika. Berichte früherer Autoren : Battel, Dapper, Kölle. Analogie der Akkä mit den Buschmännern. Grösse und Hautfarbe. Haar und Barte. Körpergestalt. llässlicher Gang. Zierlichkeit der Hände. Schädel bildung. Fornx der Augen und Ohren. Lippen. Gesticuliren, Ünartikulirte Sprache. Geschicklichkeit und Hinterlist. Munsa's Pro- tection für die Rasse.

\\o drei Aegypter versammelt sind, kann man jede Wette eingehen, dass ihre Unterhaltung sich um Marktpreise drehe, oder um die Begriffe von theuer und billig in tausend- fältiger Gestalt; anders, wenn sich die romantischen Söhne des nubischen Nilthals zusammenfinden. Gelegenheit zu diesem Vergleiche boten mir die langen Abende auf den Gewässern des obern Nils, und mit vielem Vergnügen ge- denke ich jener Stunden, da ich aus meinem Versteck im Hifttertheil der Barke, ein unbemerkter Zeuge, den Gesprächen zulauschte, mit welchen meine nubischen Begleiter sich ihre Zeit zu kürzen pflegten. Sie erzählten sich von den Wundern der Welt, die einen von der Pracht der Kalifenstadt, andere

ii *

132 Sechzehntes Kapitel.

vom Suezkanal und den grossen Schiffen der Franken, der dankbarsten Zubörei-schaft hatten sich aber diejenigen zu erfreuen, welche, herangewachsen auf abenteuerlichen Wander- zügen von Jagd und Krieg, von den wilden Thieren und den noch wildern Bewohnern Centralafrikas zu berichten wussten.

Nicht Märchenerzähler im Sinne von Tausend und Eine Nacht waren diese Nubier, nicht Vorleser, wie sie den kai- riner Ramahdan verherrlichen in nächtlichem Mokkagenoss geweihten Hallen, , die hatte ich längst verlassen. Auch selten nur noch hörte mau hier als letzte Anklänge an die arabische Welt das Lied vom Scheich Abd-el-Kader oder vom Helden Abu-Sejed. Odysseisch war der ganze Zuschnitt meines damaligen Lebens, zu seiner Ausschmückung gehörte sich nun auch ein homerisches Lied, und ein solches wurde mir in der That geboten. Sollte doch der Nil, welcher mit jedem Tage nach Süden zu breiter und wassen*eicher. zu werden schien, dem Ocean entströmen, welcher Afrika um- floss; zu ihm führte uns der Weg, wie die Kraniche, um die Pygmäen zu bekämpfen. Ja, von Cyklopen, Automolern und Pygmäen sprachen diese Nubier, und wenn sie auch andere Namen dafür hatten, so war dies doch thatsächlich Gegen- stand ihrer Erzählungen.

Da waren etliche, welche mit ihren eigenen Augen das Völklein der unsterblichen Mythe geschaut hatten, und Män- ner, um deren Bekanntschaft mich Herodot und Aristoteles beneidet haben würden, waren meine Diener.

In einem südlich vom Gebiete der Niamniam gelegenen Lande hätte man Männchen gesehen, die nie über 3 Fnss Höhe erreichten, einen langen weissen Bart bis an die Knie trügen und mit guten Lanzen bewaffnet den Elefanten unter den Leib schlüpften und ihn so leicht zu erlegen vermöch- ten, da er mit seinem Küssel ihrer nicht habhaft werden könnte. Sie verkauften den Händlern viel Elfenbein und wurden Schebber-digintu genannt, ein Name der eigentlich Leute mit spannenlangem Bart bedeutet, denn merkwürdiger-

Aelteste Nachrichten von den Pygmäen. 133

weise knüpfen die Sudanesen, wie wir, an das Bild, welches sich ihre Phantasie von Zwergen gestaltet, stets die Vor- stellung von Männlein, die mit langen Barten versehen sind. Je häufiger ich diesen Geschichten zuhorchte, je mehr der weitgereisten Abenteurer ich einer schweigsamen und ver- borgenen Kritik unterzog, zu welcher mich meine Eigenschaft als Fremdling, dem man so gern Märchen aufbindet, zwang, desto häufiger stiess ich auf die Pygmäensage, und mein Staunen über ihre Erfindungsgabe mehrte sich mit jedem Tage, denn was wussten diese Leute von Homer und Ovid, was von Juvenal, Nohnus, Oppian und Statins und all den andern aus der alten Dichterschar, welche es nicht übers Herz bringen konnten, eine so schöne Geschichte unverwerthet zu lassen, indem sie in ihren Gedichten bald den Kranichen, bald den Pygmäen den Sieg zuzuwenden pflegten. Dies war meine erste Bekanntschaft mit der Pygmäensage, und was ich aus Büchern gelernt, stand mir nun frei auch im Leben zu verwerthen. Das früheste Zeitalter der griechischen Li- teratur besass bereits die Pygmäensagc, und der Sänger der Uiade spricht von den Pygmäen, wie von einem Volke, das den Griechen längst zuvor bekannt gewesen: „Mit vogelarti- gem Geschrei, gleich dem Geschrei der Kraniche, die fliehend vor Winterkälte und Regen krächzend den oceanischen Strö- men zueilen, um den Ellenmännchen (Pygmäen) Tod und Verderben zu bringen, so stürzten die Troer in den Kampf" (Iliade, HI, 2). Ausser den vielen griechischen und römi- schen Dichtern verwertheten auch Geschichtschreiber und Geographen den poetischen Stoff dieser Sage, oder versuchten das Thatsächliche, welches derselben zu Grunde lag, in Con- jecturen der mannichfaltigsten Art zu begründen. Gehalt und Form aber erhielt der Begriff der Pygmäen bereits Tiurch Aristoteles, welcher mit dürren Worten berichtet (Historia animalium, I, VHI, 2): „Die Kraniche ziehen bis an [die Seen oberhalb Aegyptens, woselbst der Nil entspringt; dort- herum wohnen die Pygmäen, und zwar ist dies keine Fabel,

134 Sechzehntes Kapitel.

sondern die reine Wahrheit; Menschen und Pferde sind, wie die Erzählung lautet, von kleiner Art und wohnen in Höh- len." Schon Herodot hatte kleine Männer von nicht einmal mittlerer Grösse erwähnt, denen die Nasamonen, nachdem sie die lybischen Wüsten durchzogen, als ersten Bewohnern der jenseitigen Landstrecken begegnet sein wollten. Der Weise von Stagyra muss, dem citirten Wortlaut nach zu schliessen , positivere Nachrichten von der Existenz des Pyg- mäenvolkes in Afrika erhalten haben, sonst hätte er nicht die Wahrheit seines Berichtes besonders betheuert; indess scheint die Verrauthung gerechtfertigt, dass auch er der Kraniche an derselben Stelle, wo er von den Pygmäen spricht, nur deshalb erwähnt, weil ihm die Stelle der Ilias vor- schwebte und ihm bekannt war, dass die Kraniche im Winter nach Afrika ziehen. Bezweifeln möchte ich freilich, ob sie bis zu den Seen Victoria und Albert gelangen; am Rothen Meere sah ich sie unter dem 20. Grad nördl. Br.; Brehm beobachtete sie in Sennaar; den Weissen Nil hinauf und weiter landeinwärts fand ich nur noch die daselbst einge- bürgerten Kronenkraniche, welche Aristoteles wol schwerlich gemeint haben mag. Doch lassen wir die Kraniche beiseite, ob sie im Stande waren, gegen die. Pygmäen zu kämpfen oder nicht, ob die homerische Sage, wie Pauer versucht, aus altägyptischer Symbolik herzuleiten sei (symbolisch als Kampf

der nach Süden vordringenden Kraniche gegen die fallenden

16 Ellen der Nilschwelle), bleibt sich gleich; von allem kann für unsern Gegenstand nur die Thatsache Interesse haben, dass man bereits im 3. und 4. Jahrhundert v. Chr. in Griechenland eine Kenntniss von der Existenz solcher Völker besass, die, durch unnatürlich kleinen Wuchs ausge- zeichnet, in den Quellgegenden des Nils lebten, und diese Thatsache dürfte es rechtfertigen, den Namen der Pygmäen nicht als ellenhoher Männchen, sondern als Pygmäen im Sinne des Aristoteles unmittelbar auf die Zwergvölker im äquatorialen Afrika zu übertragen.

Kraniche und Pygmäen. 135

Solange ich mich in den Seriben des Bongogebietes auf- . hielt, und so häufig ich Nachrichten über die südlichen Aequa- torialländer einzuziehen Gelegenheit fand, beständig begleir tete mich der romantische Zauber der Pygmäensage, und sie wurde mir durch die vielen Erzählungen von Augenzeugen immer familiärer. Die Niamniamzügler berichteten mir Wun- derdinge von der Pracht des kannibalischen Hofhaltes der wilden Könige, von Zwergen, welche bei ihnen das Amt von Hofnarren bekleideten, und suchten sich in phantastischer Ausschmückung der von ihnen entworfenen Schilderungen zu überbieten. Ich war anfänglich davon überzeugt, und meine Reiseberichte geben davon Kenntniss, dass es sich hier nur um pathologische Erscheinungen handeln könnte, die gleichsam als Naturmerkwürdigkeiteu von den Königen ge- halten würden, denn ich erinnerte mich lebhaft dabei der von einem Porträt begleiteten licbensgeschichte des Zwerges Kimenja, den Speke am Hofe Kamrasi's kennen lernte und welchen er in seiner Reisebeschreibung schildert (Seite 550); dass es aber in der That eine ganze Reihe von Yölkerstäm- men gäbe, deren durchschnittliche Körpergrösse weit unter das mittlere Mass der bekannten Bewohner von Afrika zu stehen kommt, davon sollte ich mich erst bei Munsa durch den Augenschein selbst überzeugen.

Mehrere Tage hatte ich bereits in der Residenz des Monbuttukönigs verlebt, und noch immer waren mir nicht die vielbesprochenen Zwerge zu Gesicht gekommen; meine Leute aber hatten sie gesehen. „Warum habt ihr sie mir nicht gleich mitgebracht!" war meine vorwurfsvolle Frage. „Sie fürchten sich", hiess es. Da erscholl eines Vormittags lauter Jubel durch das Lager; Mohammed hatte die Pygmäen beim Könige überrascht, und schleppte nun trotz allen Sträubens ein seltsames Männlein vor mein Zelt, das hockte auf seiner rechten Schulter, ängstlich hielt es Mohammed's Kopf um- klammert und warf scheue Blicke nach allen Seiten. Jetzt sass es vor mir auf meinem Ehrenplatz, zu seiner Seite der

136 Seclizelintes Kapitel.

königliche Dolmetsch, und ich konnte nun meine Augen weiden an der handgreiflichen Verkörperung tausendjähriger Mythen, ihn zeichnen und ausfragen. Beides war nicht so leicht gethan als gedacht; ihn vorläufig zum Sitzen zu brin- gen, war nur dem Erfolge zu danken, welchen die von mir mit grosser Eilfertigkeit ausgekramten Geschenke erzwangen. In meiner Angst, es würde sich keine zweite Gelegenheit darbieten, griff ich zu jedem Mittel; ich beschenkte den Dolmetsch und bat ihn, dem Furchtsamen Mulh zuzu- sprechen und ihm Zutrauen zu mir zu erwecken; was also im Laufe von zwei Stunden geschehen konnte, das geschah: er wurde gemessen, porträtirt, gefüttert, beschenkt und bis zur Erschöpfung ausgefragt.

Sein Name war Adimokü, und er war das Haupt einer Familie, welche eine halbe Stunde von der Residenz eine kleine Pygmäencolonie bildete, aus seinem eigenen Munde erfuhr ich die Bestätigung, dass ihr Yolksname „Akkä^^ seL Die Akkä bewohnen ausgedehnte Gebiete im Süden der Mon- buttu, ungefähr zwischen dem 1. und 2. Grad nördl. Br. Ein Theil der Akkä ist dem Monbuttukönige unterworfen, und dieser, indem er die Pracht seines Hofes durch eine Sammlung aller ihm zugänglichen Naturmerkwürdigkeiten zu erhöhen sucht, hatte auch einige Familien des Pygmäenvolkes in seiner Nähe angesiedelt. Meine Niamniam gaben mir Satz für Satz dasjenige wieder, was der Monbuttudolmetsch, der nur diese Sprache gelernt hatte, von Adimokü erfuhr: „Wo ist denn dein Land?" Er zeigte nach Südsüdost: ,-,Am ersten Tage kommst du zu Mümmeri's Dorf, am zweiten Tage zum Flusse Nälobe, und von dort am dritten zu den ersten Dörfern der AJckä." „Wie heissen die Flüsse deines Landes?" „Nälobe, Kamerika und Eddüpa." „Gibt es einen Fluss bei euch, der so gross ist wie der Uelle?" „Nein, sie sind klein und sie gehen alle in den üelle."

„Seid ihr ein Volk, oder zerfallt ihr in viele einzelne Stämme?" Ein plötzliches Handaufheben sollte ihre Menge

üntorreduDg mit Adimokü. ' 137

veranscbaulicheD, und dann zählte er auf als Stämme: „Na- vrapukä, Nawatipeh, Wabingisso, Awadsubeh, Awagauumba, Bandöa, Mamomü, Agbundä.^^

„Wie viel Könige haben denn diese Männer?" Antwort: „Neun"; ich konnte nur von ihm die Namen herausbringen: „Gfilima, Bedde, Tindaga, Masembe." Mir lag nun zunächst daran, zu wissen , ob etwa die von andern Reisenden in Er- kundigung gezogenen Namen von angeblichen Zwergvölkern, deren Wohnsitze in diesen Theil von Afrika fallen müssen, bekannt waren; ich frug daher zunächst nach den Mala- Gilage, welche nach Escayrac de Lauture weit im Süden von Bagirmi angegeben worden sind; er wusste darauf nur zu antworten mit einer Geste, die einen hohen Grad komischer Ironie verrieth, und man übersetzte mir seine Erwiderung mit: „Was ist das, das habe ich noch nie gehört, was ist das?" „Weisst du etwas von den Kenköb und Betsän" (nach Kölle). Wieder: „Was ist das, was soll das heissen?" Hiermit war die geographische Kritik erschöpft, die ich aus Petermann's und Hassenstein's Karte von Centralafrika ge- schöpft hatte, welche so reich ist an nützlichen Fingerzeigen jeder Art. Die übrigen Antworten, welche ich erhielt, waren zu unklar und unbestimmt, als dass sie verdienten wieder- gegeben zu werden. Schliesslich war Adimoku s Geduld er- schöpft; er sprang auf, zum Zelt hinaus und wollte ent- Hiehen, aber da standen die Scharen der neugierigen Nubier und Bongo, und vorläufig musste er noch bleiben. Auf vieles Zureden Hess er sich denn bewegen, einige W^fifentänze zum besten zu geben. Er war nach Art der Monbuttu costürairt, mit Rocko und Federhut, und mit Lanze, Bogen und Pfeilen bewaffnet, alles en miniature, denn er hatte nur eine Höhe von 1,5 Meter; dies war jedenfalls das durchschnittliche Mass.

Hatte ich wiederholt bereits den Waflfentänzen der Niam- niam meine grosse Bewunderung gezollt, so war diesmal der Eindruck zunächst eine grenzenlose Heiterkeit. Trotz

138 Sechzehntes Kapitel.

seines grossen Hängebauches , trotz seiner kurzen dürren Säbelbeine leistete Adimoku, der, beiläufig gesagt, bereits bejahrt zu sein schien, wahrhaft Unglaubliches an Sprung- kraft und Gewandtheit, und mit solchen Männern wollten die Kraniche kämpfen? Seine Sprünge und Attitüden waren dabei von einer Lebhaftigkeit des Gesichtsausdrucks unter- stützt, dass alle Anwesenden sich den Bauch vor Lachen halten mussten. Und dazu riefen die Dolmetscher der Niam- niam: „Wie Heuschrecken hüpfen die Akkä im Grase herum; die Elefanten sehen schlecht, und die Akkä sind flink, sie schiessen ihre Pfeile ihnen in die Augen und jagen ihnen ihre Lanzen in den Bauch/^ Ich komme später auf die Gesten der Akkä zurück, die in so hohem Grade an alle Schilderungen erinnern, welche uns die Reisenden von den Buschmännern gegeben haben. Reich beschenkt machte sich Adimokü auf den Heimweg. Sie sollten kommen, alle seine Stammesgenossen, rief ich ihm zu, ich würde sie königlich belohnen.

Bereits am folgenden Tage erfreute ich mich des Be- suchs von zwei jungen Männern, die ich zeichnete und von welchen das eine Porträt gerettet wurde, das ich hier bei- gefügt habe. Nachdem ich . ihnen alle Furcht benommen hatte, erhielt ich fast täglich Besuche von Akkä. Auch grössere Exemplare fanden sich ein, und jedesmal, wenn ich mich nach dem Grunde dieser Verschiedenheit erkundigte, erfuhr ich, dass es das Resultat einer Vermischung mit den Monbuttu sei,* in deren Mitte sie lebten. Leider war unser Aufbruch von Munsa unerwartet plötzlich, bevor ich noch die mir sich darbietende Gelegenheit zum eingehenden Stu- dium dieses Volkes ausgiebig erschöpft hatte. Ich bedauere namentlich, keines einzigen Weibes dieser Rasse ansichtig geworden zu sein, auch den Besuch ihrer Wohnungen von Tag zu Tag hinausgeschoben zu haben, bis es zu spät war.

Unvergesslich war mir ein Rencontre, wo ich Gelegen- heit finden sollte, mehrere Hunderte von Akkäkriegem zu

Adimtikü'a KHegstani.

139

seilen; icli hätte sie geuau in Augenschein nehmen können, wären die Umstände danach gewesen. Mümmeri, der Bru- der des Königs Munaa, der über den südlichen Theil des ' Landes herrschte und dem die Akkä zunächst zinshar sind, war von einem siegreichen Feldzuge gegen die schwarzen Momwu aa das Hoflager gekom- meu. Von einer grossen Kriegerachar begleitet, brachte er einen Theil der Beute seinem kö- Diglicben Herrn, und ein ganzes Corps von Pygmäen befand sieb in seinem Gefolge. Ich hatte an jenem Ti^e einen weiten Äusäug gemacht, auf welchem mich meine Niamniam begleiteten; die Sonne war bereits ihrem Un- tergangenahe, als mich der Rückweg durch das grosse Residenzdorf führte. Ich wuaste nichts von Mümmeri's An- kunft; da sah ich mich auf dem weiten, freien bsium, am Akks,

Platze vor den könig- lichen Hallen plötzlich von einem Haufen übermütbiger Knaben umringt, welche ein Scheingefecht zu meinem Empfange im- provisirteo, ihre Pfeile auf mich richteten und in einer Weise mich umschwärmten, dass ich diese Zudringlichkeit mindestens für unziemlich, meiner Person gegenüber, betrachten musste:

140 Sechzehntes Kapitel.

„Da sind ja Tikitiki", riefen meine Niaraniam aus (so heissen die Akkä bei ihnen), „du glaubst wol, es seien Kinder, das sind Männer, die zu fechten wissen!^' Die Begrüssang Müm- meri's entzog mich dieser denkwürdigen Scene; ich nahm mir vor, am folgenden Morgen das Lager der Ankömmlinge zu besichtigen, aber ich hatte mich verrechnet: Münmieri hatte beim frühesten Morgengrauen bereits den Platz ver- lassen, und mit ihm die Pygmäen. Einem phantastischen Traumgebilde gleich waren sie wieder zurückgesunken in die Nacht, welche das innerste Afrika umfangen hält, so nah und doch so unerreichbar!

Da ich bei dem hohen Interesse des Gegenstandes auch die geringsten Umstände nicht verschweigen wollte, welche mich mit dem merkwürdigen Volke der Mythe in Beziehung brachten, so habe ich fast jeder einzelnen Begegnung mit den Akkä eigens erwähnt. Sechs erwachsene Individuen hatte ich gemessen (keiner über 1,5 Meter), aber alle meine Notizen darüber sind mir verbrannt, und auch von den Zeichnungen habe ich mehrere eingebüsst.

Ich muss nun zum Schluss desjenigen Pygmäen Erwäh- nung thun, welchen ich als treuen Begleiter auf allen meinen Wanderstrassen bis zum fernen Nubien mit mir führte. Unter meiner Pflege vortrefflich entwickelt und an meine Person attachirt wie ein Sohn, hatte ich mich IV2 Jahre lang sei- nes Besitzes zu erfreuen. Munsa, dem ich den hohen Werth begreiflich gemacht hatte, welchen meine Landsleute darauf legen würden, den Repräsentanten eines Volkes mit eigenen Augen zu sehen, auf welchen unsere ältesten Sagen hindeu- ten, hatte mir einen Akkfi von 15 Jahren geschenkt. Ich erleichterte ihm die Trennung durch Wohlleben und Ehren, soviel ich ihrer zu vergeben hatte.

Nsewue, so hiess er, war von da ab der tägliche (jenosse meiner Mahlzeiten, eine Auszeichnung, die ich noch keinem in Afrika zutheil hatte werden lassen. Nur sein körperliches Wohl und seine Zufriedenheit vor Augen, Hess ich mir von

NBÜwui.', der „Sohn äee CliawügA".

141

ihm alle die zahlreichen Unarten und kleinen Teufeleien, welche seiner Rasse eigen waren, ohne Murren gefallen. Den Nubiem erschien diese Zuneigung unhegreiflich. In Ghartum kleidete ich ihn aufs sorgfältigste, und er erschien da wie ein kleiner Pascha. Wenn ich mit ihm durch die Strassen

ging, zeigte man mit Fingern auf ihn und sprach: „Das ist der Sohn des Ghawüga" (weil er hellbraun war); sie über- sahen sein Alter, denn so populär war die Pygmäensage in Chartum noch nicht geworden. In den Seriben war er in noch höherm Grade Gegenstand der allgemeinen Bewunderung Trotz aller angewendeten Sorgfalt und Pflege er-

142 Sechzehntes Kapitel.

lag er doch in Berber einer langwierigen Dysentrie, zu wel- cher weniger der Wechsel der Lebensweise, als vielmehr eine schrankenlose Unmässigkeit, die ich nicht genugsam zu über- wachen vermochte, den Keim gelegt hatte.

Mein Pflegling hatte im Laufe der letzten zehn Monate an Körpergrösse nicht zugenommen, ich vermuthe daher, dass die Länge von 1,4 Meter, welche er bei seinem Tode erreicht hatte, die definitive Körpergrösse war. Das beige- gebene Bild ist ein sorgfältiges Porträt dieses echten Typus seiner Rasse. Habe ich auch wenige Individuen in den Kreis meiner Beobachtungen zu ziehen- vermocht, so hatte ich doch um so mehr Gelegenheit, mich in die Eigenthümlichkeiten eines einzelnen zu vertiefen; ich werde daher, wo meine sonstigen ErAihrungen nicht ausreichen, auf dieses Individuum häufiger zurückzukommen haben.

Die Akkä scheinen ein Glied zu bilden in der langen Kette von Zwergvölkern, welche, mit allen Anzeichen einer Urrasse ausgestattet, sich quer durch Afrika längs des Aequa- tors erstreckt. Wir besitzen eine Menge von Erkundigungen, welche die weiter ins Innere vorgedrungenen Reisenden über Völkerstämme von geringer Körpergrösse eingezogen haben. Die Mehrzahl dieser Berichte hat das Uebereinstimmende, dass diese sogenannten Zwergvölker sich nur durch die im Durchschnitt geringere Köq)ergröss6 von den umwohnenden Hassen unterscheiden, dass sie also nicht Zwerge seien im Sinne der Mythe, oder wie solche sich bei uns für Geld sehen lassen. Auch darin stimmen die meisten Nachrichten überein, dass die kleinen Leute durch einen röthlichern oder heilem Ton in der Hautfarbe von ihren Kachbarn ausge- zeichnet erscheinen. Abweichungen dagegen treten zu Tage, wo es sich um die Behaarung handelt. Der einzige Rei- sende, der vor mir mit einem Theil dieser Rassen in Be- rührung kam, war Du Chaillu; er fand innerhalb des Ge- bietes der Aschongo ein wanderndes Jägervolk, Obongo ge- nannt, von denen er eine Anzahl gemessen hatte. Er neout

Zwerghafte Ürvölker in Centralafrika. 143

sie „not ill shaped", heller als die Nachbarn (pale yellow brown), mit kurzem Haar, aber mit starker Haarentwickelung am Körper; als mittlere Höhe gibt er an 4 Fuss 7 Zoll. Ab- gesehen von der Behaarung des Körpers stimmt seine Be^ Schreibung vortrefflich zu den Eigenthümlichkeiten der Akkä- rasse. Nach Battel (in „Purchas bis Pilgr.", H, 983, Lon- don 1625) soll im Nordosten vom Lande Jobbi, welches nörd- lich vom Settefluss liegt, ein Zwergvolk hausen, das Matimbos oder Dongo genannt wird, gerade in derselben Gegend, wo Du Chaillu die zwerghaften Obongo fand. Portugiesische Gewährsmänner aus dem vorvorigen Jahrhundert berichten sogar über ein Zwergvolk Namens Bakka-Bakka; auch bei Dapper findet sich Nachweis darüber. Alles, was uns dieser Compilator von zwergartigen Völkern erzählt, erinnert in hohem Grade an die Akkä, deren eigener Name bereits da- mals (im 16. Jahrhundert) bis an die äquatoriale Westküste gedrungen war, denn das vorgesetzte B bedeutet eben nur, dass der Name eines Volkes genannt sei und nicht der eines Landstrichs. * Nachdem uns Dapper von den Jaga erzählt, welche in alten Zeiten Furcht und Schrecken bis an die Loangoküste verbreiteten, und^ die Wohnsitze dieses Volkes in einer Entfernung von 100 Meilen landeinwärts in Nord- osten von Loango angegeben, auch hinzugefügt, dass die Karavanen von diesem Küstenplatze aus bis zu den Jaga hin und zurück eine Marschdauer von drei Monaten erforder- ten, gibt er an, dass noch weiter landeinwärts das meiste Elfenbein von den Mimos oder Bakkebakke geholt werde, welche dem grossen Makoko zinsbar seien. „Diese kleinen Menschen", heisst es S. 571, „sollen sich, wie die Jaga er- zählen, durch eine gewisse Teufelskunst unsichtbar zu machen und also mit geringer Mühe die Elefanten zu schiessen wissen." An jeder Stelle in diesen Berichten, wo von den Bakkabakka die Rede ist, wird ihre Gewandtheit im Erlegen der Elefan- ten besonders hervorgehoben, gerade so wie es in den Er- kundigungen bemerkbar wurde, welche ich selbst von Augen-

144 Sechzeliutes Kapitel.

zeugen über das Leben der Akktä eingezogen habe. Da, wo Dapper den Hofstaat des Königs von Loango schildert und der Zwerge Erwähnung thut, welche vor seinem Throne sitzen (S. 527), sagt er: „Die Schwarzen berichten, dass in einer Landschaft oder Wildniss lauter solche Zwerge wohnten, welche daselbst die meisten Elefanten zu schiessen pflegten. Man nennt sie allda gemeiniglich aBakkebakke», und ander- wärts auch ttMimos»." S. 573 ist vom Reiche des grossen Makoko die Rede, welches hinter dem Königreiche Kongo, nördlich vom Zaireflusse 200 250 Meilen landeinwärts an- gegeben wird: „In den Wildnissen dieses Königreichs befin- den sich die obengenannten kleinen Menschen, welche den grössten Handel mit Elfenbein im ganzen Königreiche zu thun pflegen." Ausdrücklich wird gesagt, dass das Elfenbein daselbst gegen Salz von Loango einge^uscht werde. Nun ist aber das Seesalz oder das gemeine Salz in allen von mir besuchten Gegenden Centralafrikas nirgends Gegenstand des Tauschhandels, alle Völker daselbst behelfen sich mit selbst- gewonnenem Aschensalz. Als ich bei Munsa war, erhielt ich aber aus dem Munde der daselbst angesiedelten Chartumer die Nachricht, dass dieser König von den Akkä Tribut in echtem, guten Salz entrichtet erhalte, dasselbe werde weit von Süden herbeigebracht. Im Hinblick auf die Dapper'sche Nachricht scheint daher die Vermuthung nicht ungerecht- fertigt, dass noch lieutigentags eine Handelsverbindung von der Westküste her bis in jenen innersten Centralkem von Afrika reiche, in welchem die Akkä ihre Wohnsitze haben.

Einen weit deutlichem Hinweis als die Nachrichten von den Matimbas und Bakkabakka, um bereits früher dem Na- men nach bekannt gewordene abnorm gestaltete Völker mit meinen Akkä in Verbindung zu bringen, geben die Berichte von Eingeborenen aus den obern Scharigegenden. Escayrac de Lauture (in „Bulletin.de la soc. de geogr. de Paris" tom. X, 1855) erfuhr von einem See „Koei-dabo", welcher

Die Kenköb und Betsän. 145

zwei Monate in Südsüdosten von Masena, der Hauptstadt Baghirmis, die Quellzuflüsse des Schari vereinigen soll, also ziemlich in derselben Gegend, wo nach den Angaben der Monbuttu der Uellefluss sich zu einer unbegrenzten Wasser- fläche ausbreiten soll. Etwas w^estlich von diesem See wur- den ihm die Wohnsitze der Mala-G ilageh (das heisst Schwanz- träger) angegeben, welche klein von Statur, röthlich von Hautfarbe (nach afrikanischer Redeweise gleich „weiss") und mit langem Haarwuchse bekleidet seien. Die hinzugedich- teten Schwänze muss man freilich als eine licentia poetica, oder als ein Zugeständniss an die im ganzen Sudan ver- breitete Fabel bei diesem Berichte mit in den Kauf nehmen. In denselben Theil von Centralafrika sind auch die Wohnsitze der zwerghaften Kenköb und Betsfin zu verlegen, über welche dem Rev. Koelle („Polyglotta africana", S. 12) in Sierra- Leone Äugenzeugen berichteten. Auch in ihren Angaben spielt der grosse Quellsee eine Hauptrolle, diesen nannte der eine der Gewährsmänner Koelle's „Liba''. Er hatte eine Gesandtschaft begleitet, welche dem Könige, der über die Ufergegenden an jenem See herrschte, ein Geschenk an Salz abliefern sollte. An diesem See wohnte auch das Volk der Kenköb, Leute von nur 3—4 Fuss Höhe, aber sehr stark und die besten Jäger. Ein anderer Gewährsmann, •welcher dem Rev. Koelle berichtete, wusste in jener Gegend zwar nur von einem Flusse Riba, wahrscheinlich aber hatte auch er den obengenannten Libasee im Sinne, welcher von der geographischen Kritik vielfach mit dem Schari in Ver- bindung gebracht worden ist. 1 und r sind in fast allen Negersprachen äquivalent, und die Begriff*e von Fluss und See werden von den meisten Afrikanern nicht minder häufig verwechselt. An diesem Ribaflusse nun, gab er an, wohne ein kleiner Menschenstamm, nur 3 5 Fuss hoch, Namens Betsän; diese seien die geschicktesten Jäger, sie hätten lange Barte und handlanges Haupthaar, und lebten ganz vom Er- trage der Jagd. Auch die Niamniam, so oft sie mir von

8cnW«IXFUBTU. II. 1(J

146 Sechzehntes Kapitel.

den Zwergen erzählten, welche im Südwesten ihres Gebiets hausen sollten, pflegten stets die langen Barte derselben zu betonen, obgleich ich selbst solche an den Akkä, die mir zu Gesichte gekommen waren, nicht zu beobachten Gelegen- heit fand.

Auch aus den östlichen Gebieten des tropischen Afrika sind wiederholt Nachrichten über Volksstämme von zwerg- haftem Wuchs zu uns gedrungen, am häufigsten nennen die Berichte die Doko, w^elche südlich von Enarea und Kaffa am obern Djubflusse wohnhaft sein müssen. Krapf, der am ausführlichsten die Aussagen von Sklaven, welche aus jener Gegend in Menge nach Schoa gebracht werden, zusammen- gestellt hat, gibt ihre Wohnsitze unter dem S.Grad nördl.Br.an. Die Grösse der Doko wird mit derjenigen zehnjähriger Kna- ben verglichen, und selbst Augenzeugen, die sie gesehen und ihre Zwerghaftigkeit bestritten (wie z. B. A. d'Abbadie), haben dargethan, dass sie von weniger als mittlerer Grösse seien, gerade wie die Akkä. An der Ostküste selbst, auf Sansibar und zu Brava, wo viel Verkehr mit den von den Doko be- wohnten Gegenden unter Vermittelung der mohammedani- schen Ssomali stattfindet, sind Erzählungen von diesem Zwerg- volke in jedermanns Munde, man nennt sie daselbst „Beri- Kimo", d. h. Leute von 2 Fuss.

Um den üeberblick über alle bisher in Erkundigung gezogenen Zwergvölker von Afrika zu vervollständigen, müssten wir noch der Kimos von Madagascar gedenken, über welche von der Mitte des 17. Jahrhunderts an bis auf unsere Tage die widersprechendsten Berichte und Erzählungen in die Welt hinausgesandt worden sind. Madagascar muss aber bei der ausgeprägten Eigenart seiner ganzen Natur als etwas für sich allein Bestehendes betrachtet werden, und der Zu- sammenhang seiner Bewohner mit denen Centralafrikas er- scheint mehr als zweifelhaft. Begnügen wir uns daher mit dem Angeführten ; eine Kette von unsteten und ihrer völligen Auflösung entgegengehenden Völkerresten von unvollkommen-

Verwandtschaft mit den Buschmännern. 147

ster Rassenbeschaflfenheit eröffnet sich unsern Blicken, von Meer zu Meer gezogen durch die ganze Breite des Aequa- torialgürtels von Afrika. Es unterliegt wol keinem Zweifel, dass alle diese Völker zusammengenommen nur als die ver- sprengten Reste einer im Aussterben begriffenen Urbevölkerung zu betrachten sind, ganz ähnlich wie die Buschmänner in Südafrika, wie das ihre sporadische, enclavenartig einge- sprengte und von allen Seiten bedrängte Existenz darthut. Afrika hat in den letzten Jahrtausenden viele Einwanderun- gen gesehen, die sich nachweisen lassen; Völker drängten sich gegen Völker, und ein beständiger Wechsel der äussern Lebensbedingungen, Vermischungen und Unterjochungen er- zeugten das buntscheckige Resultat eines Yölkerlebens, wel- ches wir unter unsern Augen gleich einer Zelltheilung ins Unendliche, wie sie die Entwicklung der Pflanze uns vor- führt, unaufhaltsam in stets neue Phasen treten sehen.

Wir haben soeben die Buschmänner erwähnt, die be- rühmten Waldmenschen Südafrikas, die ihren Namen einem instinctiven Vergleiche verdanken, welcher den ersten hollän- dischen Colonisten mit Affen als Urbildern des Menschen- geschlechts sich aufdrängte; ihre Analogie mit den äquatorialen Pygmäen ist so auffallend, dass man, einmal darauf aufmerk- sam gemacht, eine solche in mehr als einer Hinsicht sofort erkennt. Fritsch, dem wir ein mustergültiges Werk über die eingeborenen Völker Südafrikas verdanken, machte mich zuerst auf die grosse Aehnlichkeit aufmerksam, welche meine Akkäbilder mit dem Tyi^us der Buschmänner verriethen. Indem ich mich daher nun zu einer Beschreibung der Körper- beschaffenheit der Akkä wende, werde ich den Nachweis zu fuhren suchen, dass alle diese Völker, deren gemeinsames Merkmal die geringe Körpergrösse bildet, rasselich zusam- menzugehören scheinen.

Nach Fritsch ist die Durchschnittsgrösse der echten Buschmänner 1,44 Meter, die Masse der beiden erwachsenen Akkä, von denen ich das Porträt beigefügt habe, waren 1,235

10*

148 Secb zehntes Kapitel.

und 1,34 Meter, grössere Akkä als 1,5 Meter habe ich nicht gesehen. Die Färbung der Akkä ist ein mattes Kaffee- braun, d. h. die Farbe von schwach gebranntem Kaffee, und entspricht nach meiner wohlerwogenen Erinnerung einer Farbenstufe, die zwischen 7 und 8 der aut Tafel 49 des Fritsch'schen Werkes eingetragenen Proben zu liegen kommt; es ist die Farbe der Buschmänner. Von ihren nächsten Nach- barn , den Monbuttu, unterscheiden sich die Akkä nur wenig durch die Hautfarbe,\da erstere eine sehr differenzirte Scala derselben darthun. Im allgemeinen möchte ich behaupteD, dass der richtigste Unterschied in einem mattern Ton der Farbe seinen Grund hat, etwa wie ein Vergleich zwischen Nr. 8 und 2 der angeführten Tafel nachweisen kann.

Haupthaar und Bartwuchs sind schwach entwickelt, das Kopfhaar jedenfalls von beschränktem Wuchs, denn die Akkä, welche ich sah, waren nach der Monbuttumode costümirt und trugen den cylinderförmigen Strohhut; dennoch vermochten sie nicht aus ihrem kurzen Wollhaar einen Chignon zu formiren, wie die Monbuttu. Die Farbe des Haars entspricht der Körperfarbe; ich vergleiche sie am besten mit dem „Werch" genannten Abfall von altem Tauwerk. Ein Bartwuchs wurde nicht wahrgenommen, wie ein solcher auch den Buschmännern gänzlich zu fehlen scheint. Dennoch erzählten mir die Nubier viel von Zwergen, welche, durch lange Barte ausgezeichnet, an den Höfen der Niamniamfürsten gehalten würden; von einzelnen war die Rede, welche nach Art westafrikanischer Völker sich mit Pech einen langen, spitzen Knebelbart steiften; jedenfalls datirt daher der Ausdruck „Schebber- Digintu". Ich vermochte aber nichts Genaueres über die Rassenstellung dieser Art Zwerge zu erfahren. In Bezug auf die braune Färbung des Kopfhaars entsprechen die Akkfi einem grossen Theil der Monbuttubevölkerung, während andere Völker, bei denen ein röthlicher Ton der Haut häufig vor- kommt, dies am Haar durchaus nicht zu erkennen geben.

Was mir in der gesammten Erscheinung der Akkä am

Eigenthümlichkeiten des Körperbaues. 149

meisten in die Augen fiel, und was mein Pflegling Nsewue ebenso deutlich zur Schau trug, waren folgende Merkmale: ein verhältnissmässig grosser Kopf, auf einem schwächlichen und dünnen Halse balancirend, auffallige Abweichungen in der Schulterpartie von der gewöhnlichen Configuration , die andern Negervölkern eigen (wahrscheinlich besonders hervor- gerufen durch den abweichend grossem Raum, welchen die Schulterblätter auf der ßückenfläche einnehmen), ein auf- fälliges Ueberwiegen der Länge des Oberkörpers in Ver- bindung mit langen Armen, ein nach oben zu plötzlich und flach verengter Brustkorb, dessen untere Opertur sich übermässig erweitert, um einem Hängebauche als Halt zu dienen, welcher selbst bejahrten Individuen das Aussehen arabischer und ägyptischer Kinder verleiht. Dem letzten Merkmal entsprechend, zeigen alle Akkä eine ausserordentlich starke, fast C-förmige Ausschweifung der hintern Körper- contour, dies ist vielleicht die Ursache einer grossen Beweg- lichkeit der Lendenwirbel bei diesen Rassen, da die Wirbel bei jedesmaliger Magenfüllung durch die mehr nach vorn vorrückende Verlegung des Schwerpunktes beeinflusst er- scheinen und die C-Krümmung der Rückencontour mehr oder minder concav gestaltet. Fast alle diese angeführten Eigen- thümlichkeiten gibt die Figur 69 im Werke von Fritsch, welche einen alten Buschmann darstellt, aufs deutlichste zu erkennen.

An den Extremitäten fallen zunächst die eckig vor- ragenden Gelenke, die plumpen, grossscheibigen Knie und die stets mehr einwärts als gerade vorwärts, wie bei den andern Völkern Afrikas, gelichteten Füsse auf. Der Gang hat etwas unnachahmlich Watschelndes, und jeder Schritt ist von einem Wackeln begleitet, das unwillkürlich alle ihre Glieder durchzuckt; mein Nsewue war nicht im Stande, eine gefüllte Schüssel zu tragen, ohne den Inhalt zu verschütten. Das Schönste am Körper waren die Hände, die eine be- wunderungswerthe Zierlichkeit an den Tag legten; die ge-

150 Sechzehntes Kapitel.

feierte Schmalheit der Daraenhand, die in den Romanen ver- herrlicht wird, die aber Vogt als Afifentypus gebrandmarkt hat, sei hier nicht gemeint. Beim Anblick meines todten Lieblings erfüllte mich nichts so sehr mit Rührung, wie seine kleinen und zierlichen Händchen nochmals zu bewundem; wie oft ruhte mein Blick auf dieser seltsamen Gestalt, so haben sich ihi'e kleinsten Details unauslöschlich meinem Ge- dächtniss eingeprägt.

Alle Rasseneigenthümlichkeiten aber culminiren im Bau des Schädels, zum Theil sogar im physiognomischen Charakter des Kopfes. Kann man auch alle andern Merkmale auf den Einfluss der Lebensweise zurückführen, obgleich in der That die Geschichte keines einzigen Volkes bei fortschreitender Degradation zugleich eine Abnahme der Körpergrösse auf- zuweisen hat, so muss doch jeder Versuch unzulässig er- scheinen, die Scliädelbildung auf Klima und Ernährung zu- rückführen zu wollen.

Die Hauptmerkmale der Schädelbildung aller Akkä sind: ein hoher Grad von Prognathie (die beiden Zeichnungen weisen Gesichtswinkel von 60 und 66 Grad nach), schnauzen- artiges Vorspringen der Kiefer, schwache Kinnprominenz, eine breite und der Kugelgestalt genäherte Schädelwölbung, tiefe Einsenkung der Nasenbasis. Dies sind dieselben Merk- male, welche die Buschmänner von den Hottentotten unter- scheiden, und einer solchen Uebereiustimmung gegenüber erscheinen die physiognomischen Abweichungen geringfügig, welche die Akkä von dem Typus der Buschmänner verrathen,

Aire Nachrichten, welche über dieses seltsame Volk des südlichen Afrika vorliegen, stimmen darin überein, dass ihre Augen durqh stark contractirte Augenlider und sehr schmale Lidsplatten ausgezeichnet sind. „Die Augen", sagt Lichten- stein, „sind klein, tief eingesenkt und so zusammengekniffen, dass man sie kaum sehen kann." Fritsch betont diese Eigen- thümlichkeit der Buschmänner ausdrücklich, macht aber zu- gleich auf die Uebereiustimmung aufmerksam, welche im

Schädelbildung. Form der Augen. 151

Gesichtsausdruck Hottentotten und Buschmänner einander minder unähnlich erscheinen lassen. Nun aber haben die Akkä grosse breitgespaltene und offene Augen, die ihnen ein aztekenartiges Vogelaussehen ertheilen (und erinnert Borabi's Porträt nicht ganz an die Azteken, die vor einigen Jahren in Europa gezeigt wurden?). In der ganzen Reihe überein- stimmender Merkmale ist dies der einzige auffallendste Unter- schied zwischen Akkä und Buschmännern. Da indess Fritsch die rasselichen Verschiedenheiten zwischen Hottentotten und Buschmännern anderweitig in völlig befriedigender Weise nachgewiesen hat, so lässt sich mit Recht vermuthen, dass die angeführten Abweichungen lediglich auf den Einfluss der Lebensweise und auf klimatische Ursachen zurückzuführen seien. Was macht das Gesicht des erfahrenen Seemanns so verwettert?

In ganz ähnlicher Weise sah ich diesen Einfluss bei den Bewohnern der ägyptisch-nubischen Wüste sich bemerkbar machen, ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die Ababde und Bischarin, welche die dürrsten Landstriche inne- haben, sich gerade durch die reiche Faltenbildung der Augen- lider von ihren südlichen Stammesgenossen, deren Rassen- einheit unbezweifelbar ist, unterscheiden.

Hierbei muss ich noch darauf aufmerksam machen, dass ich die welke Beschaffenheit der Haut, welche die Busch- männer auszeichnet und die von Fritsch so eingehend be- schrieben worden ist, bei den Akkä nirgends wahrgenommen habe; überhaupt erschienen sie nicht in so hohem Grade dürr und mumienhaft, wie es bei den Buschmännern stets ausdrücklich hervorgehoben worden ist; die Akkä waren knochig und eckig an allen Gelenken, aber diej[laut, ent- sprechend der Altersstufe, ohne Ausnahme nicht runzeliger als bei andern Völkern.

Trotz der Verschiedenheit der Augen bietet der Kopf der Akkä dennoch andere Denkmale dar, welche die im Schädelbau ausgeprägte Aehnlichkeit mit den Buschmännern

152 Sechzehntes Kapitel.

in noch hölierm Grade überraschend machen. Die Akkfi sind von allen Stämmen, die ich in Centralafrika kennen lernte, durch eine auffallend grosse Ohrmuschel gekennzeichnet. Die zierliche und regelmässige Configuration dieses kunst- vollen Köq)ertheils kann als ein ästhetischer Vorzug der vielgeschmähten Negerrasse im grossen und ganzen nicht genug hervorgehoben werden ; Akkä und Buschmänner haben an diesem Vorzug keinen Antheil.

Dem hohen Grad der Prognathie entsprechend sind die Lippen weit hervorragend, sie sind lang und convex ge- schweift, ohne dass ihre Ränder indess breit umgeschlagen erschienen. Die sehr lang gezogene^n Lippen der Akkä sind sogar schmaler berandet, als es bei den meisten Negervölkern die Hegel zu sein scheint. Eigenthümlich ist die scharf- kantige Begrenzung des äussern Lippenrandes, welcher an die spaltförmige Mundbildung der Affen erinnert; und eine derartige Andeutung lassen die breit und abgerundet auf- geworfenen Lippen der Neger keineswegs als Merkmal thie- rischer Inferiorität betrachten. Die spaltartige Beschaffenheit der Lippenränder scheinen die Akkä mit den Buschmännern gemein zu haben, wenigstens erkennt man dies deutlich an den Profilporträts von Fritsch. In dieser Beziehung unter- scheiden sich die Akkä wesentlich von den Monbuttu.

Der wechselvolle Ausdruck des Mienenspiels, welcher, wie Lichtenstein sagt, die Buschmänner den Affen ähnlicher macht, als den Menschen, trifft bei den Akkä in hohem Grade zu, dasselbe Hin- und Herziehen der Augenbrauen beim Sprechen, aber hier noch gehoben durch die ausser- ordentliche Lebhaftigkeit der Augen, die Gesten mit Hand und Fuss, fyenn sie si)rechen; ein ununterbroclienes Wackeln mit dem Kopfe habe ich schon bei Adimokü's Besuch zu schildern versucht, um den komischen Eindruck zu recht- fertigen, den er auf mich machte.

Nichts weiss ich von der Sprache der Akkä, die wenigen Aufzeichnungen, die ich besass, sind mir verloren gegangen.

Lippenbildung. Unartikulirte Sprache. 153

Erinnerlich ist mir nur noch das Unartikulirte ihrer Aus- sprache. Mein Liebling war nicht capabel, im Laufe der anderthalb Jahre, die er bei mir verlebte, so viel Arabisch zu lernen, um sich auch nur nothdürftig darin verständlich zu machen, während meine andern eingeborenen Begleiter sich in wenigen Monaten eine bewunderungswürdige Copia Tocabularum zu eigen machten. Nsewuü hat es nie weiter gebracht, als einige Bongophrasen zu lallen, die nur mir und meiner täglichen Umgebung verständlich waren. Ganz ähnlich lauten die Berichte über die Buschmänner.

Ob die Beschneidung, welche nach der Versicherung meiner Gewährsmänner von den Akkä, geübt wird, ein indigenes Institut sei oder nur auf eine Nachahnmng der Monbuttu- sitten beschränkt, welche die bei Munsa angesiedelten Akkä beobachten, vermag ich nicht zu entscheiden.

Die Akkä sind an Sinnenschärfe, an schlauer und wohl- berechneter Geschicklichkeit und Beweglichkeit den Monbuttu weit überlegen, denn sie sind ein Jägervolk xat' eSoxTfjv. Diese Schlauheit ist indess nur der Ausdruck eines in ihrem inner- sten Wesen wurzelnden Naturtriebes, der seine Freude an Bosheiten hat. Nsewue machte sich ein besonderes Ver- gnügen daraus, nächtlicher Weile gefährliche Pfeilschüsse auf Hunde auszusenden; er quälte Thiere. Als wir uns im Kriege befanden, schien ihn nichts mehr zu amusiren, als die abgeschnittenen Köpfe der A-Banga; während ein Theil meiner Diener die Hälfte ihres Verstandes verloren hatten infolge der Angst, lief er jauchzend durch das Lager: „Ba- kinda nowä?" rief er. „Wo ist Bakinda?" (ein Spottname). „Baklnda hi he kotoh' „Bakinda ist im Topf'/' (ich kochte die Schädel). Ein solches Volk excellirt selbstverständlich in einer teuflischen Erfindungsgabe, um Fallen zu stellen und dem Wilde Schlingen zu legen. Menschenscheu sind sie, das ergibt sich aus meinem ersten llencontre zur Genüge, wie Obongo und Buschmänner.

Das einzige Hausthier, das sie besitzen, ist das Huhn.

154 Sechzehntes Kapitel.

Eine Mosaik aus Pompeji, welche ich im Nationalmuseum zu Neapel zu bewundern Gelegenheit fand, stellt die Pygmäen dar, umgeben von ihren Häuschen und Hüttchen, alles voll Hühner!

Von Nubiern, welche bei Munsa längere Zeit verweilt hatten, erfuhr ich auch, dass dieser König Salz als Tribut von den Akkä geliefert erhielt, und zwar soll es Kochsalz gewesen sein, welches sie brachten. Dieses ist, wie erwähnt, im Gesammtgebiete des Bachr-el-Ghasal und im Lande der Niamniam wie in dem der Monbuttu gänzlich unbekannt. Obgleich nun die Akkä von Natur an Bosheit den Busch- männern nicht im geringsten nachzustehen scheinen und wir von den Buschmännern wissen, dass alle Südafirikaner ihnen als Wald- und Affenmenschen der gefährlichsten Sorte Tod und Verderben geschworen haben, sahen wir die Akkä unter der Herrschaft der Monbuttu sich einer ähnlichen Protection erfreuen, wie eine solche nach Du Ch^illu die Obongo von Seiten der Aschango geniessen. Die Buschmänner von Aequatorialafrika erscheinen nicht als gemeinschädliche Un- holde, welche die rasselich vollkommenem Nachbarn gleich einer Schlangen- und Otternbrut zu vernichten bestrebt sind. Hier spielen sie vielmehr die Rolle wohlwollender Kobolde Heinzelmännchen , die für die andern arbeiten. Sie ver- helfen den bequemern Monbuttu zu reichlicherer Jagdaus- beute. Wahrscheinlich würde das Verhältniss ein ungünstigeres sein, falls die Monbuttu Viehheerden besässen, denn die Akkä würden dieselben als ebenso jagdberechtigte Beute betrachten, wie die Buschmänner, und ihre Freude daran haben, ihre spitzen Pfeile und Lanzen in die breiten Leiber der Kühe zu jagen.

Munsa versieht die bei ihm augesiedelten Akkä aufe beste mit Speisen und Getränken, und mein Nsewue wusste des Rühmens nicht genug zu sagen von den stets gefüllten Bierkrügen, dem Bauanenwein, den Maiskolben u. s. w., die seine Stammesgenossen in Fülle erhielten. Dank werden es

Munsa protegirt die Akkä. 155

iJle Ethnologen dem grossmüthigen Monbuttükönige wissen, <iass er sich dieses kostbaren Restes einer dem Untergange j)rei8gegebenen Urbevölkerung so liebreich angenommen hat, -imi ihre Existenz bis zu der Zeit gesichert zu stellen, wo £anz Inuerafrika offen gelegt sein wird.

Dinkapfoifo (s. Beschreibung Bd. 1, S. 171).

SIEBZEHNTES KAPITEL.

Umkehr nach Norden. Tikkitikki's Angst bei der Abreise. Uebergaug über den Gadda. Sondirung des Kibali. Der Käpilifluss. An den Katarakten des Kibali. Kubbi verweigert die Boote zur Ueberfahrt Nutzloses Warten. Menge der Hippopotami. Möglichkeit, den FIubs mit Gewalt zu überschreiten. Ursprung und Zugehörigkeit des Kibali. Scheidung von Hoch- und Tiefland in Afrika. Geographische Aus- drucksweise der Araber und Nubier. An den Mohammedanern ist alles verkehrt. Rückzug zu Nembe. Nachtlager in der Grenzwildniss. Wachs als Speise. Kriegserklärung der Niamniam. Parlamentiren mit den Feinden. Mein Mistrauen gegen die Führer. Verrätherischer Ueberfall auf Mohammed. Seine lebensgefährliche Verwundung. Offener Krieg. Abgeschnittene Köpfe. Wirkimg der Pfeile. Mohammed ver- höhnt die Feinde. Grosser Angriff auf unsern Verhau. Verfolgung der Feinde durch Bongo. Vorbeidefiliren von 10000 Mann. Schlechtes Augurium fürUando. Meine Niamniam befragen das Schicksal. Schnelle Heilung von Mohammed's Wunde. Sonnenphänomen. Aufgespiesstc Hunde. Zwei Frauen gefangen. Rührende Anhänglichkeit der Niam- niam an ihre Frauen. Calamität des Calamus. Der Oberlauf des Mbruole/ Gelassenheit einer gefangenen Frau. Wechsel des Land- schaftscliarakters. Ankunft am Nabambisso.

iNach einer Rast von drei Wochen war der 12. April als Termin zum Aufbruch unserer Karavane festgesetzt; an diesem Tage wurde das Lager bei der Residenz des Mon- buttukönigs geräumt, und schweren Herzens musste ich den Rückzug antreten, um meine Schritte wieder nach Norden zu lenken. Was ich hinter mir gelassen an grossen Fragen der Erdkunde, deren Beantwortung von mir gefordert werden konnte, dessen war ich mir wohlbewusst, hätte mich doch

Ungelöste Fragen der Erdkunde. 157

eine verhältnissmässig kurze Wanderung in die Quellgebiete der drei grossen Flüsse des Westens zu führen vermocht, den einzigen des Continents, welche sich zur Zeit noch absolut unserer geographischen Erkenntniss verschliessen : Benue, Ogowai und Congo. Nur noch 450 Meilen von Livingstone's äusserstem Punkte entfernt, sah ich von Munsa's Residenz aus im Geiste eine Linie gezogen gen Südwest, und eine Bahn eröffnete sich meinen Blicken, die führte zum Congo, zu den Staaten des grossen Muatajamvo, und sie schien mir alle noch übriggebliebenen ßäthsel von Afrika zertheilen zu wollen, wie das Schwert Alexander's des Grössen den Gordischen Knoten. Eine solche Strecke, wie ich sie bereits vom Gazellenflusse aus zurückgelegt, in der ange- deuteten Richtung überwunden, und die Lösung wäre gefunden gewesen. Da kam es mir freilich besonders» hart an, auf halbem Wege umkehren zu müssen.

Auf die Hindernisse, welche sich unserm weitern Vor- dringen entgegenstellten, habe ich schon hingewiesen, möchte aber nochmals betonen, dass ich davon überzeugt war, ein einzelner Reisender, falls nicht mit allzu üppiger Leibes- beschaffenheit gesegnet (denn Fettsein wäre der Tod), könnte unangefochten den Uellefluss stromabwärts marschiren bis nach Baghirmi, weil die Bevölkerung wirklich friedlich dem weissen Fremden gegenüber erschien, nur hätte eine ganze Karavane bei solchem Vorhaben auf König Munsa's ent- schiedensten Widerspruch gestossen. Sein unmittelbarer Ein- fluss reichte zweifelsohne so weit, dass mit seiner Hülfe die Reisenden bis zum 2. Grade nördl. Br. hätten vordringen können; durch ein grossartiges Geschenk an Kupfer wäre sein Widerstand zu brechen gewesen.

Grosse Geschäftigkeit herrschte in der Frühe unter den Nubiern unserer Karavane, denn Mohammed hatte eine Seriba gegründet, zu deren Besatzung 28 Mann zurückgelassen werden mussten; es verstrich daher eine Stunde nach der andern, bevor die nöthige Aushebung vollendet wurde. Jeder

158 Siebzehntes Kapitel.

freute sich natürlich, mich ausgenommen, auf die bevor- stehende Heimkehr, und es erschien als ein schweres Opfer, an diesem entlegenen Platze unter den Menschenfressern ein, zwei, vielleicht mehrere Jahre zurückbleiben zu müssen. So wurde die den einzelnen treffende Wahl fast immer mit dem grössten Unwillen aufgenommen, und das Geschrei und Streiten schien kein Ende nehmen zu wollen. Durch versöhnende Worte, Aussicht auf reichen Lohn, wol auch unter Vor- spiegelung des lustigen Lebens mit den durchaus nicht prüden W^eibern der Monbuttu, wurden die Renitenten zum Bleiben bewogen. Es war Mittag geworden, als die Colonnen sich endlich in Bewegung setzen konnten. Unter rührenden Um- armungen trennten sich die Braunen, die Schwarzen machten sich schweigsam und gleichgültig wie immer auf den Marsch. In gfossen Scharen umstanden die Monbuttu den Lagerplatz und schauten unter vielem Geschwätz auf die mit tausend und aber tausend Grüssen nach Chartum Abziehenden. Bei ihrem Anblick schien meinen kleinen Tikkitikki, so nannten die Niamniam den Pygmäen, welchen ich erst wenige Tage zuvor erhalten hatte, die ganze Macht des Heimwehs zu überwältigen ; sein seltsames Heulen und Wehklagen machte mich eine Weile unschlüssig, ob ich ihn mitnehmen sollte, aber bald wich besonnenere Ueberlegung diesem unklaren Herzenszuge, nur den - Uneingeweihten konnte sein Anblick rühren. Nicht den Verlust der Heimat bejilagte der Tikki- tikki, nicht die Trennung von seinen Angehörigen, denn was wusste er, wo diese geblieben, und jene wilden Gesellen, die ihm da mit so eigenthümlicher Geberde zum Abschiede winkten, schienen seiner doch nur zu spotten ; nur die Furcht vor den Fremden war es, welche den Kleinen bewegte, die Angst, -von ihnen gefressen zu werden. Da es im Monbuttu- lande nur sehr selten vorkam, dass Eingeborene als Sklaven an die Nubier abgegeben wurden, so musste nach landes- üblicher Vorstellung jede Schenkung eines Menschen nur im culinarischen Sinne aufgefasst werden. Um Tikkitikki mit

Tikkitikki's Angst. 159

gutem Humor vom Platze zu bringen, rausste demselben ver- mittels allerlei Leckerbissen zugesetzt werden, das schöne Seidenhemd allein, in welches ich ihn gekleidet, vermochte ihm die Furcht vor seiner definitiven Verwendung nicht zu benehmen. Wenige Tage an meiner Seite und in meinem Zelte mit den ausgesuchtesten Speisen des Landes versehen, liessen ihn bald seine ganze Vergangenheit vergessen , denn nun galt er für einen kleinen Prinzen.

In den prachtvollen Dickichten der Bäche, welche unser Pfad zu kreuzen hatte,* suchte ich zuguterletzt noch aufzu- raffen, was mir unter die Hände kam, um von der Flora dieses entlegenen Landes soviel als möglich Proben zu er- langen; während des ganzen Rückzugs waren daher meine Papierballen in ununterbrochener Arbeit. Etwas über 5 Meilen weit verfolgten wir die auf dem Hinwege verfolgten Pfade in nordöstlicher Richtung, bis die Gneiskuppen erreicht waren, welche sich vor dem dritten Bache hinzogen. Ich bog zur Linken vom Wege ein und erstieg diese kleine An- höhe, welche mit schönen Feigenbäumen bestanden war. Zu meinen Füssen hatte ich den endlosen Zug unserer Karavane, welche sich einem Heerwurme gleich durch das freudige Grün der Pisangplan tagen hinschlängelte, hin und wieder vom Schatten der Oelpalmen verdeckt und schliesslich im Dunkel der anstossenden Galerien sich verlierend.

Inzwischen waren alle Bache im Lande angeschwollen, und ihre Passage verursachte zeitraubende Stockungen im Zuge. Die Hitze war selbst im nächtlichen Schatten des Urwaldes empfindlich, wo man im engen Spalt des Pfades, einer hinter dem andern durch das Wasser watend, oft lange zu warten hatte. Da that ein Zug aus der mit Bananenwein gefüllten Calebasse wohl, so nass und feucht auch alles im Umkreise erschien; ab und zu wurde auch zur Pfeife ge- griffen. Im ganzen genommen war es aber ein reizender Spaziergang durch paradiesische Landschaften. Nach kurz hintereinanderfolgender dreimaliger Bachpassage bogen wir

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zur Rechten in einen neuen Pfad ein und gelangten durch offene Steppe und immer hart am Rande einer grossen Galerie, die sich nordostwärts zum Flusse hinunterzog, bei einbrechender Dunkelheit zu einigen Gehöften in der Nähe des Gaddaflusses.

Frühmorgens aufgebrochen, erreichten wir den Fluss . nach' halbstündigem Marsche. Der Gadda hatte ungefähr die Dimensionen des Wau kurz oberhalb seiner Vereinigung mit dem Djur, ohne indess die Periodicität der Wassermenge in so hohem Grade an den Tag zu legen, wie jener. Sein Bett, das ich mit der Messschnur zu 155 Fuss rheinisches Mass feststellte, ist das ganze Jahr von Wasser erfüllt. Die Tiefe betrug an diesem Tage (13. April) indess nur 3 Fuss, die Stromgeschwindigkeit mass 57 Fuss die Minute. Die von lichten Waldungen umschlossenen tjfer gaben, bei Ausschluss jeder weitern Inundationsniederung , nur sanfte Senkungen des Terrains zu erkennen ; die Uferwände selbst zeigten Flut- marken, welche eine Steigungsdifierenz von 20 Fuss ver- riethen. Zwei Meilen von der Stelle unsers Durchzugs ver- einigt sich der Gadda, welcher, das Gebiet des Monbuttu- königs Degberra durchströmend, weit von Südosten herzu- kommen scheint, mit dem Kibali; den vereinigten Fluss nennen alsdann die Eingeborenen Üelle.

Nachdem wir das sandige Bett des Gadda ohne jeglichen Zeitverlust durchfurtct, setzten wir den Marsch in Nordost fort und gelangten bereits nach einer halben Stunde an das linke Ufer des Kibali, welcher an dieser Stelle ungefähr denselben Charakter zur Schau trug, wie der Uelle da, wo wir ihn überschritten, allein die Ufer erschienen näher und enger aneinandergerückt, denn die Messung, welche ich trigonometrisch ausführte, ergab nur eine Breite von 325 Fuss rheinisch.

Auf des Königs Befehl waren alle Boote zum Ueber- setzen unserer Karavane in Bereitschaft gesetzt und die Fähr- männer besorgten ihr Geschäft sehr prompt und gescliickt; in drei Stunden war die ganze Passage vollendet. Unter-

Der Gadda und Käpili. Ißl

dessen fand ich Zeit, auf einem eigenen Canot die Strom- geschwindigkeit und Wassertiefe zu messen, ein Geschäft, bei welchem mich der in solchen Dingen etwas erfahrenere Mohammed Amin, mein Diener, der früher Schiflfsreis gewesen, aufs beste unterstützte. In der Nähe des nördlichen, rechten Ufers war auch hier die Strömung eine weit bedeutendere, gerade so wie im üelle; das Verhältniss beider Strömungen zueinander war 75 zu 85, entsprechend der Anzahl Fuss, welche von dem ausgeworfenen Kürbis in einer Minute zu- rückgelegt wurden, den ich zur Messung verwendete. Die Tiefe betrug durchweg 12 13 Fuss rheinisch; an dieser Stelle zeigte der Fluss weder Sandbänke noch Felsen auf dem Grunde seines Bettes.

Grosse Haufen von Eingeborenen belästigten mich beim Ordnen des Gepäcks; wir standen im hohen Grase. Durch Minen und Geschosse eigens erdachter Art suchte ich sie mir in gewohnter Weise vom Halse zu schaffen, auch warf ich Patronen mit glühendem Feuerschwaram unter die Menge, so gross war ihre Zudringlichkeit. Ihre Neugierde stieg aufs äusserste, als sie mich, nachdem die letzten Träger den Ufern des Kibali den Rücken gekehrt, noch allein im Boote den Fluss hin- und herfahren sahen; die Fergen waren meine eigenen Diener, und wir hatten uns des Fahrzeugs auf eigene Hand bemächtigt, trotzend auf die Ueberlegenheit unserer Feuerwaffen. Zudem musste ihnen die unvergleichliche Schwimmgewandtheit der Nubier, die sich gleich Enten im Wasser umhertummeltcn^ tauchten und mir Erdproben vom Grunde hervorbrachte», einen nicht geringen Respect ein- flössen. Mich sahen sie den Grund selbst prüfen und mit dem Senkblei sondiren, als gäbe es da einen „Nibelungen- schatz" zu heben. In um so erwartungsvollerer Spannung schauten sie daher vom hohen Ufer meinem Treiben zu.

An den Gehöften des Districtsvorstehers Parra vorüber

setzten wir den nordwärts gerichteten Marsch bis zum Bache Mbula fort und schlugen bei den Weilern daselbst unser

SCHWWKTÜBTH. II. H

162 Siebzehntes Kapitel.

Lager auf, wenige Meilen vom Flusse. Den Rest des Tags verbrachte ich in den Dickichten, wo meiner eine interessante botanische Ausbeute harrte. Hier waren namentlich präch- tige Blattpflanzen reichlich vertreten, Philodendren und metallisch schimmernde Calladien und Maranthen. Unter reichlicher Bierspende seitens des Districtsvorstehers wurde bei den Hütten der Eingeborenen ein grosser Theil der Nacht in gemüthlichem Beisammensitzen verbracht. Die Neugierde der Insassen an meinem schlichten Haar und die Freude an dem Zauber der Schnellfeuerei durch Zündhölzchen schien unersättlich. Sie nannten mich einen guten Mann, den der Himmel ihnen herniedersandte, seine Ankunft bedeute Glück und Frieden.

Ohne einen Bach zu kreuzen, führte uns unsere nörd- liche Marschrichtung am folgenden Tage durch eine vor- herrschend ofl'ene Landschaft bis an den Bumbabach, nach dessen wiederholter Passage wir bei Bongua wieder auf die alte Strasse kamen. Ich marschirte mit meinen wenigen Leuten am äussersten Ende des Zugs, durch botanische Funde beständig aufgehalten, denn die Gegend war sicher. Die Weiler, bei welchen wir vorüberkamen, boten erwünschte Rastplätze dar, überall spendeten prachtvolle Laubkronen reichen Schatten, und die Eingeborenen erquickten uns mit frischen Bananen, dazu murmelte der Bach mit seinen spiegel- klaren kühlenden Fluten.

Bei Bongua machten wir einen Rasttag, damit die Schmiede ihre unterbrochene Arbeit wieder aufnehmen und die Kupferstangen zu Tausenden von Hingen umgestalten konnten. Für mich gab es genug zu zeichnen und zu sam- meln. Die Verproviantirung der Karavane bot erneute Schwierigkeiten, denn die Zeit der Aussaat war gekommen und alles, was die Eingeborenen an Wurzeln und Knollen vom vergangenen Jahre übrig behalten, bereits aufs neue der Erde übergeben worden. Der Mangel wurde uns erst recht sichtbar, als Jams zu Markte gebracht wurde, welcher be-

Ankunft bei Nembe. 1G3

reits aiisgesteckt, nun in treibendem Zustande und mit fri- schen Sprossen versehen zu unserm Mahle dienen sollte.

Auf gewohnten Pfaden und nach den sechs uns schon bekannten Bachübergängen erreichten wir Nembe's Platz, wo wir die während unsers frühern Verweilens errichteten Lager- hütten noch in ziemlich gut erhaltenem Zustande antrafen und sofort ein Obdach fanden. An diesem Tage unternahm ich einen weitern Ausflug in die Umgegend und besichtigte die Zuckerrohrpflanzungen in den benachbaren Uferwildnissen. Auf den ersten Anblick hatten sie das Aussehen von wildem ürase, es wurde mir aber wiederholt gesagt, dass dieses Ge- wächs sich nirgends in urwüchsigem Zustande vorfände und ohne Zuthun des Menschen nicht gedeihe.

Die Art und Weise, in welcher unser Rückzug durch die Territorien Uando's zu bewerkstelligen sei, wurde nun ein Gegenstand ernstlicher Berathung. Mohammed hatte sich anfangs dazu entschlossen, das feindselige Land auf einem mehr östlichen Pfade zu umgehen und dann von der Haupt- seriba am Nabambisso aus einen eigenen Kriegszug gegen Uando einzuleiten, damit das bei ihm in Depot befindliche Elfenbein nicht verloren ginge. Dieser Weg war indess den Xubiern noch gänzlich unbekannt, und da derselbe ausschliess- lich durch unbewohnte Wildnisse führte, hätte der Karavane auf demselben viel Hungerleiderei bevorgestanden. In jedem Falle wären zuverlässige Führer von nöthen gewesen , um zu bestimmter Zeit ans Ziel gelangen zu können.

Mohammed entschloss sich zunächst zu dem Versuche, in das östliche Monbuttuland einzudringen, zu welchem Ende der Kibali abermals überschritten werden musste. Nembe war dem Könige Degberra, der über diesen Theil der Mon- buttu herrschte, zinsbar, daher war Mohammed zunächst bis zu diesem Platze zurückgegangen. Die erbitterte Feindschaft, die zwischen Munsa und Degberra herrschte, ver-svehrte uns den nächsten Weg von einem Lande zum andern.

Wir überschritten also mit unserm ganzen Tross den

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164 Siebzehntes Kapitel.

Kussumbobach und wandten uns nach Südosten, durch eine offene Steppe ziehend, bis wir nach Verlauf einer Wegstunde zu einer tiefen Schlucht gelangten, aus welcher ein dem Kussumbo tributäres Quellwasser seinen Ursprung nahm. Es war einer jener in diesem Theile von Afrika so häufig an- getroffenen Erdstürze, hervorgerufen durch allmähliche Unter- spülung der Raseneisensteindecke, w^clche an dieser Stelle mindestens eine Mächtigkeit von 50 Fuss hatte. Der durch den Erdsturz entstandene Spalt hatte eine Tiefe von 80 Fuss, und die tiefbeschatteten, von dichtem Gebüsch umfriedigten Wände verriethen die grösste Homogenität der Gesteins- masse; sie waren mit dem frischen Schmuck einer noch unbe- kannten Farrnart (Adianthum sp.) aufs anmuthigste bekleidet, welche an solchen Localitäten die tropfenden Felsen wie mit einem Flaum von zarten Federn zu überziehen pflegt

Eine halbe Stunde fortgesetzten Marsches duirch die Steppe brachte mich unversehens an die Ufer eines wasser- vollen Flusses, welcher 8 Meilen weiter in Südwesten" in den Kibali fälllt. Ueberrascht von dem Anblick des rauschenden Gewässers, richtete ich an die Monbuttuführer die für ähn- liche Fälle auswendig gelernte Frage: „Na-eggu ruko dassi?" (wie heisst das Wasser?), „Käpili", antworteten sie mir, „nicht Kibali". Der ähnliche Klang der Namen zweier un- mittelbar nebeneinander üiessender Gewässer lieferte mir einen neuen Fingerzeig, wie sorgfältig der Reisende auf eine cor- recte Wiedergabe des Gehörten gerade da, wo es sich um Flussnamen handelt, zu achten habe. Gleichgültig schreitet die Zeit über die Namen afrikanischer Häuptlinge zur Tages- ordnung, nichts haftet an den Stätten, wo sie gehaust, nur die Gewässer nennt der Afrikaner'') und vererbt ihre Namen

*) Dies trifft für manche Theile Cenfralafrikas allerdings nicht zu, und in offenbarem Widergpruch zu obiger Behauptung scheint sich das Urtheil Barth's zu stellen, welcher (Bd. 3, S. 2G6) zwölf Beispiele anführt, um zu beweisen, dass alle den Flüssen von verschiedenen

Der Käpilifluss. 165

von Geschlecht zu Geschlecht, solange als die Sprache sich unverändert erhält und die Wohnsitze des Volkes; hernach fällt freilich auch dies der Vergessenheit anheim. Der Kä- pili, dessen reissende Strömung von Nordost nach Südwest gerichtet war, hatte an dieser Stelle zwar nur eine Tiefe von 4 Fuss, allein das über 40 Fuss breite Bett war von 40 Fuss hohen und sehr steilen Wänden eingeschlossen, welche auf ein starkes Steigen dieses beträchtlichen Nebenflusses hin- deuteten. Wo kämen alle diese Flüsse her, die sich auf so beschränktem Räume miteinander vereinigten, dachte ich, wenn nicht aus einer stark ansteigenden Gebirgsgegend in Osten, welche in nicht allzu grosser Entfernung vorhanden sein musste, so wenig man auch in der nächsten Umgebung davon gewahr wurde. Jedenfalls nimmt der Käpili seinen Ursprung in geringem Abstände von der Djurquelle und aus einem der Bergzüge, welche sich südostwärts dem Baginse anreihen. Jene Gegend scheint der Knotenpunkt einer ganzen Reihe von Quellgewässern zu sein, welche sich von dort aus nach Norden und Westen hinbewegen.

Nach einem erquickenden Bade in den rauschenden Fluten, während dessen die Karavane sich an die Passage des Flusses machte, die auf einem mächtigen, als Steg von Ufer zu Ufer reichenden Baumstamme mit grosser Vorsicht bewerkstelligt werden musste, wurde der Marsch in Ostsüd- ost durch eine offene Steppenfläche fortgesetzt. Löwenspuren frischesten Datums geleiteten uns auf der ganzen Strecke bis zum nächsten Gewässer, dieselben waren so scharf und genau in die rothe Thonerde getreten, dass die Eingeborenen,

Völkern im mittlem Sudan gegebene Namen keine weitere Bedeutung hätten, als eben die allgemeine von Wasser, Fluss. Allein, haben die Araber im östlichen Sudan nicht auch ihren Atbara, Ssobat u. s. w.? Jedenfalls machen die Völker der von mir bereisten Gebiete, vor allen die JNiamniam und Monbuttu, eine eminente Ausnahme, denn sie be- nennen alle Localitäten nach den benachbarten Bächen und Flüssen, nicht umgekehrt.

166 Siebzehntes Kapitel.

welche ihr besonderes Augenmerk auf Jagdvorkommnisse zu richten pflegten, in dem räuberischen* Wanderer von ver- gangener Nacht ein bejahrtes männliches Individuum zu er- kennen vorgaben; die Gegend war natürlich überaus wild- reich, da die Steppen sich weit am rechten Kibali-Ufer aus- dehnten, ohne von menschlichen Niederlassungen unterbrochen zu werden. Mehrere Rudel von Leucotis- Antilopen belebten die Fläche, und ich widmete eine Stunde der Jagd. Schweiss- triefend wie im Gewühle einer heissen Schlacht durchstrich ich das hohe Gras der Savanne, planlos und ziellos den Ein- gebungen des Augenblicks folgend, denn die afrikanische Jagd ist ein Kreisen und Schwärmen ohne Ende, aus ^iner Ueberraschung stürzt man in die andere, die Menge des Wildes verwirrt den Blick und macht jede Ruhe zu Schan- den. Unter grosser Erschöpfung ward schliesslich ein Bock erbeutet, zur grossen Verwunderung der Eingeborenen, welche in einer Beobachtungslinie aufgestellt vom fernen Pfade aus meinen Bewegungen folgten. Ein grosser Theil derselben schien immer noch hartnäckig an der Wirkung der Feuer- waffen zu zweifeln. Ein zweites von mir nur angeschossenes Exemplar wurde von ihnen verfolgt, meilenweit vom Jagd- platze entfernt mit Sonnenuntergang umstellt und durch Lanzen erlegt. Mitten in der Nacht weckte man mich, um mir die Kugelwunde am Schenkel zu zeigen; ich dachte etwas ganz Ausserordentliches wäre vorgefallen, da wies man mir das Mal, mit dem Finger in demselben herumsondirend, als bekäme ich selbst so etwas zum ersten mal zu sehen. Auf- fallend differenzirt war das Terrain am Kambele, einem klei- nen quelligen Bache, welcher sich durch ein tiefeingeschnit- tenes und mit vielen Seitentheilchen versehenes Hügelgesenke hinschlängelte. Die Thalwände waren zum Theil hoch hin- auf von wild verworrenen Dschungels bedeckt, aus welchen die grossen Blätter des Trompetenbaums (Cecropia) hell, wie leuchtende Fächer, hervorstachen. Eine neue Palmenart von der Verwandtschaft des Rotang durchschlang das Dickicht

Jagd am Kambele. 167

mit klafterlangen, hechtangelartig bestachelten Ruthen, in welche die Spitze eines jeden Blattes ausläuft. Aus dieser Talme schneiden sich die Monbuttu Rohrstöcke von Armes- dicke, die für unzerbrechlich gelten und häufig als Kraft- probe der Männer zu Wetten verschiedener Art Veranlassung geben. Ueber dem Urwalde umsäumte ein Kranz von zier- lichen Hütten und Häuschen das im kleinen so äusserst wildromantische Thal des Kambele. Es war ein Plätzchen, so lieblich und traut, dass jedermann da wol auch selbst Hütten bauen mochte. Hier stiessen Leute zu unserer Kara- vane, welche Kubbi, der ein Unterhäuptling unter Degberra war und jenseit des Kibali seinen District hatte, mit Elfen- bein entgegengeschickt hatte, um einen Markt mit Moham- med einzuleiten. Dies war aber für. den letztern durchaus kein gutes Zeichen, und berechtigte uns keineswegs zur Hoff- nung auf einen gastfreien Empfang bei Kubbi, vielmehr sollte ein derartiges Entgegenkommen auf halbem Wege nur zur Ausflucht dienen, um die später verweigerte Ueberfahrt über den Fluss nicht als feindschaftliche Gesinnung auslegen zu lassen. Solch ein afrikanischer Herrscher sucht sich eben auf alle Fälle eine Hinterthür offen zu halten, solange der Friede mehr Nutzen in Aussicht stellt als der Krieg.

Je mehr wir uns nun dem grossen Flusse wieder näherten, desto mehr nahm die Senkung des vielfach coupirten Terrains an Tiefe zu. Wir hatten noch mehrere Ravinen und Erd- spalte mit quelligem Wasserfluss zu überschreiten, bis wir, beständig das Rauschen der grossen Katarakte zur Seite, nach vielem unnützen Hin- und Herziehen im Uferwalde längs des Flusses einen passenden Lagerplatz ausfindig zu machen wussten.

Der Kibali erfüllte (18. April 1870) hier ein Bett von 1200 Fuss Breite, und mehr. Die Hauptströmung folgte dem südlichen linken Ufer, denn auf der südlichen Seite dehnten sich mächtige Gneisbänke hin, welche bald weite Platten bildeten, bald wie ans Land geworfene Eisschollen sich zu

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unzähligen Trümmern von allen Dimensionen aufthürmten. Die Ufergehänge hatten auf der gegenüberliegenden Seite die gewöhnliche Höhe von 40—50 Fuss, auf der unseligen dagegen stiegen sie bis zu 100 Fuss in die Höhe and waren mit dem prachtvollsten Hochwalde bestanden. In der Bich- tung stromaufwärts gewahrte man, wie ein Blick auf die beigefügte an Ort und Stelle genau entworfene Zeichnung darthut, viele mit Gebüsch überdeckte Inseln, denn der Strom gliederte sich daselbst in zahlreiche Kanäle, welche tdch, durchsetzt von einer Menge Riffe und Klippen, an welchen der Wellenschlag schäumend emporspritzte, zwischen den Buschdickichten verloren. Das Kauschen des Strome& war .weithin vernehmbar, dennoch schienen einige dieser Kanäle für die Canots der Eingeborenen wohl befahrbar, und hurtig erblickte man die ungastlicliep Bewohner der Inseln Ton einer zur andern rudern, auch guckten aus dem Dickicht hin und wieder die spitzen Kegeldächer der Fischerhütten. Dies waren die „Kissingah" genannten Stromschnellen, auf Monbuttu schlechtweg „die Inseln".

Von den zalilreichen Fischerkähnen wollte indess keiner nach unserm Ufer herüberkommen, ebenso wenig liessen sidi die Boten blicken, welche wir von Kubbi erwarteten, um Anstalten zur Ueberführung der Kai-avane zu tre£fen. Aus allem leuchtete nur zu bald die Absicht hervor, unser Vor- dringen zu hindern. Der Grund zu dieser Zurückhaltnug war leicht gefunden. Bei Kubbi hatte nämlich die Poncet^sdie (später Ghattas'sche) Compagnie eine Seriba, und die dort den Platz haltenden Nubier zwangen den Häuptling, uns keine Boote zu liefern, denn sie fürchteten Mohammed's Con- currenz im Elfenbeinhandel und beanspruchten diesen District als ihre eigene Domaine.

Nutzlos für Mohammed's Zwecke und ohne Aussicht auf eine weitere Förderung meiner Reiseplane verbrachten wir den ganzen folgenden Tag in der Wildniss, beständig auf die Ankunft der Kähne wartentl; da nun die Lebensmittel

KissiDgah, die Stromschncllcu des Kibali. 169

p waren und keine neuen in der menschenleeren Gegend esebaffen schienen, wurde der Rückzug zu Nembe be- ssen.

Ich benutzte den Tag so gut ich konnte, die Wildnisse [Ibali absuchend. Ein duftendes Crinum, in Gestalt und se der w^eissen Gartenlilie vergleichbar, fesselte daselbst neisten meine Aufmerksamkeit. Unerschöpflich schien ^'^orrath der Flora an neuen Baumformen, unter denen ror allen die Mannichfaltigkeit der Feigenbäume (ich im Gebiete einige 40 verschiedene Arten) und Anona- bewunderte. Ueberraschend war die Menge der Nil- e, welche sich im Strome umherturamelten und einen is von seiner Bedeutung und Wassermenge abgaben, »wohnter Weise belustigte ich mich, über die Felsplatten in den Fluss hineinkletternd, an diesen Thierkolossen Virkung meiner Kugeln zu erproben. Mein Munitions- tth war gross, und die eigentliche Jagd erheischte nur gen Aufwand ; so feuerte ich stundenlang und liess nftine bosse auf der weiten Wasserfläche tanzen. Unter den eborenen, welche auf der andern Seite, uns selbst frei- unsichtbar im Schutze der Dickichte, jedenfalls unser r beständig mit sorgsamer Neugierde beobachteten, brachte bäufig grosse Bestürzung hervor, denn von der weiten Fähigkeit meiner Schusswaffe hatten sie keine Ahnung, die gewöhnlichen Flinten der Nubier reichten nicht auf lalbe Distanz.

Die Gewässer des Kibali scheinen auch ein merkwürdi- leschöpf zu beherbergen, welches bisher noch in keinem Nilbassin gehörigen Flusse beobachtet wurde. Nubier, s gesehen, haben das räthselhafte Thier, da sie gleich »lamen zur Hand sind für Dinge, welche über den engen zont ihres W^issens gehen, „Charuf-el-bachr" genannt, Flussschaf, und beschreiben es in einer Weise, die kaum 1 zweifeln lässt, dass es sich hier um einen Manatus Lamantin (wahrscheinlich der M. V'ogelii) handelt, wel-

170 Siebzehntes Kapitel.

eher in den zum Atlantischen Ocean führenden Gewässern Westafrikas eine grosse KoUe spielt. Mein kurzer und von so ungünstigen Verhältnissen begleiteter Aufenthalt am Ki- bali schloss die Möglichkeit aus, eines dieser interessanten Vertreter des Robbengeschlechts in den Binnengewässern der Tropen habhaft zu werden.

Ich war davon überzeugt, dass, wenn Mohammed es ge- wollt, er den Uebergang über den Kibali auch zu erzwingen vermocht hätte, denn die Vertrautheit seiner Leute mit dem nassen Element konnte alle Hindernisse, welche der Fluss bereitete, zu Schanden machen. Die Flinte auf dem Kopfe hätten ja die Nubier, falls sie muthvoller gewesen wären, leicht das jenseitige Ufer erreicht und die daselbst versteckten Canots ausfindig gemacht, welche, zu gross und zu schwer, um über Land transportirt werden zu können, in den XJfer- dickichten geborgen Ovaren. Icli führe dies nur an, um zu zeigen, dass die grossen Flüsse in Afrika, solange man mit NuWern reist, an und für sich kein Hinderniss zum Fort- kommen sein können.

Wie ich schon erwähnt, ist der Kibali als der Haupt- fluss zu betrachten, der weiter unterhalb den Namen Uelle annimmt; bevor wir ihn verlassen, wollen wir uns daher den geographischen Fragen zuwenden, die sich an diese Ent- deckung knüpfen. Dieser Fluss wird in den Nachrichten, welche Poncet von seinen Agenten eingezogen und publicirt hat, 13ura oder Babura*) genannt. Da ich diese Flussnamen nirgends gehört, so kann ich nur annehmen, dass jene Ge- währsmänner das richtige Wort Kibali oder Kibari (denn r und 1 ist gleich wer thig) in ihrer Weise verdrehten. Auch von der Existenz eines Königs Kaguma und eines Volkes Onguru habe ich nicht das Geringste erfahren. Die Nubier behalten die einlieimischen Flussnamen nie im Gedächtniss;

*) „Ba" bedeutet in mchrern Sprachen Centralafrikas , z. B. im Baghirmi und im Bongo, „Fluss'* im allgemeinen.

ürspruDg und Zugehörigkeit des Kibali. 171

auch alle übrigen Namen verdrehen sie ausserordentlich in der Aussprache. Aus diesem Grunde haben ihre Angaben so geringen Werth für die geographische Kritik, was nament- lich in Betreff der weitgereisten und mit vorzüglicher Landes- kenntniss ausgerüsteten Anführer der chartumcr Banden mit besonderm Bedauern constatirt werden muss; im entgegen- gesetzten Falle könnte man mit ihrer Hülfe sehr detaillirte Karten entwerfen.

Der höchste Grad von Wahrscheinlichkeit, dass der Kibali und Uelle identisch seien mit dem Oberlauf des Schari, scheint zu erhellen, wenn wir die Gegenfrage aufwerfen: wenn dies nicht der Schari ist, wo kommt alsdann der Schari her? Alle nördlichen und nordwestlichen Länder- strecken reichen, soweit wir ihre Natur kennen, nicht aus an Wasservorrath, soweit wir ihre Natur nicht kennen, nicht aus an Spielraum zur Entwickelung eines Quellennetzes für einen Fluss, welcher an seiner Mündung eine halbe Meile breit ist und einen See von dem Flächenraume Belgiens füllt. Da- bei braucht indess die Möglichkeit eines zweiten Hauptzufiusses aus noch südlichem Breiten, als solche der Kibali durch- strömt, nicht ausgeschlossen zu bleiben, um das frühzeitige Anschwellen des Schari im Märzmonat erklären zu können; denn der Uelle steigt erst im April. Die beiden Zuflüsse, welche der Fluss von seiner linken Seite aus den südlichen Territorien des Reiches. Munsa's aufnimmt, Nälobe und No- mäjo, sollen, im Vergleich zum Ilauptstrom, nur unbedeu- tende Gewässer sein.

üeber den Ursprung des Kibali kann wenig Zweifel ob- walten. Obwol ich nun diesem Flusse auf meiner Karte eine Stellung angewiesen habe, als käme er direct aus der nord- westlichen .Ecke des Mwutansees hervor, so lag mir doch nichts ferner, als einer solchen Annahme, das Wort zu reden. Weder die Natur des Flusses und seiner Tributäre, noch die vielseitig miteinander confrontirten Aussagen der Ein- geborenen würden mich im entferntesten zu einer solchen

172 Siebzehntes Kapitel.

Vermuthung berechtigen. Im Gegentheil bin ich völlig von der Richtigkeit der Baker'schen Ansicht überzeugt, welche den Mwutan als Hauptsammelplatz der Quellgewässer des Nils bezeichnet und den Bachr-el-Gebel als seinen einzigen Aus- fluss. Dass der Mwutan seiner Wasserfülle halber mehrere Ausflüsse haben müsse und unter andern auch der Jei ein solcher Ausfluss des Sees sei, ist als ein geographisches Un- ding zu betrachten, welches, in der Alten Welt wenigstens, ohne Analogen dastände und für welches sich nur dilettan- tische Systemmacher begeistern konnten.

Nach Baker's Messungen hat der Mwutan eine Meeres- liöhc von 2720 engl. Fuss; diejenige der Stromschnellen des Kibali muss aber, nach der Meereshöhe von Munsa^s Resi- denz zu schiessen, die von mir gemessen und mit allen Hülfs- mitteln der Wissenschaft später berechnet wurde, allein schon mindestens das gleiche Mass wie der Mwutan darthun, worin wol der beste Beweis geboten scheint, welcher gegen einen Ausfluss aus dem Mwutan zeugt, denn die directe Entfernung beträgt gegen 170 Meilen.

Alle bei meiner Reise in Betracht kommenden Flüsse scheinen in ihrer Quellrichtung auf die südwestliche Terrasse des Galla-abyssinischen Hochlandes zu deuten, welche der Bachr-el-Gebel im Madilande durchbricht; soweit sie zum Nilsystem gehören, deuten sie auf die Berge von Koschi im Norden des Mwutan, soweit sie als dem Schari tributär er- scheinen, auf die „Blauen Berge" Bakcr's im Nordwesten des Sees. Dieses Bergsystem scheint im Anschluss an den Mfumbiroknoten im Norden des Tauganjikasees, welcher als das sogenannte Mondgebirge Speke's eine gewisse geographi- sche Berühmtheit erlangt hat, ein Glied in jener merkwür- digen Terrassenkette zu bilden, welche (mit alleiniger Aus- nahme des Nigerquellgebiets und der hohen, aber isolirten äquatorialen Küstengebirge) den Continent von Afrika, ganz gegen die herrschende Ansicht, nicht in eine nördliche und südliche, sondern in eine östliche und westliche Hälfte von

Scheidung von Hoch- und Tiefland in Afrika. 173

Hoch- und Tiefland scheidet. Das Hochland schliesst eine grosse Anzahl zum Theil sehr umfangreicher, zum Theil, wie es scheint, abflussloser Binnenseen in sich, von denen meh- rere hart an seinem westlichen Rande gelegen sind. Ausser dem Kibali scheint von bekannten Flüssen auch der Luälaba, der bei den Bergen von ßua seinen Durchbruch hat, vom Hochland aus in westlicher Richtung dem Tieflande zu- zuströmen. Denken wir uns über den ganzen Continent, in der Richtung von Massaua nach Mossamedes, einen grössten Kreis gehend, so fällt diese Linie fast genau mit der ange- deuteten Terrasse zusammen, analog der Scheidungslinie zwischen Hochland und Tiefland in Südamerika, diesem um- gekehrten und Jüngern Afrika, das seine Küstengebirge auf der Westseite hat.

Aufgewachsen an den Ufern der Düna, knüpfen sich meine frühesten Erinnerungen an den Anblick eines majestä- tischen Stroms mit rauschenden Wogen, mit um so gehobe- nerm Gefühle blickte ich daher auf die Fluten, die vor mir keines Weissen Auge geschaut.

Unvergesslich aber wird mir der letzte Abend bleiben, welchen ich am Ufer des Kibali verbrachte, wo Ort und Zeit besonders dazu aufforderten, sich in geographischen Contro- versen zu ergehen. Die Nubier sprechen gern über Flüsse, ihren Ursprung und Zusammenhang untereinander erwägend. Dabei aber lassen sie sich ausschliesslich von ihrer vagen Phantasie leiten und denken immer an ihren einzigen, un- vergleichlichen Nil, welcher nach ihrer Vorstellung der Welt- fluss par excellence ist, der Sammelplatz aller süssen Ge- wässer auf dieser Erde. Eine Zusammenstellung aller ihrer von den unserigen so sehr abweichenden geographischen Vor- stellungen würde ein interessantes Studium abgeben und manchen Aufschluss für geographische Mythen vergangener Zeit ertheilen können. . Es ist unter anderm bekafint, dass von den Bewohnern des heutigen Nubien, den mohammeda- nischen Sudenesen im allgemeinen, den Arabern u. s. w. das

174 Siebzehntes Kapitel.

Land zwischen dem untern Laufe zweier zusammenfliessender Ströme immer Insel genannt wird, wie z. B. die Insel Sennaar als das Land zwischen dem Weissen und Blauen Nil; die Alten nannten in ähnlicher Weise Meroe eine Insel, als das Land zwischen Nil und Atbara. Ich konnte mich aber oft auch davon überzeugen, dass die Nubier den Eintritt eines Nebentiusses in den Hauptstrom immer als Theilung des letztern in zwei Arme bezeichneten; daher die häufigen An- gaben von Stromarmen auf Grundlage der Nachrichten von solchen Gewährsmännern. Auch die Alten nannten den Zu- sammenfluss beider Nile bei Chartum eine Theilung (ubi Nilus iterum bifurcus), vielleicht nur im Anschluss an den indigenen Sprachgebrauch, welcher sich im Laufe der Jahr- hunderte nicht geändert zu haben scheint.

Der auffallendste Unterschied jedoch von unserer Aus- drucksweise findet sich bei der den genannten Völkern eige- nen Bezeichnung der Stromrichtung. Sie ist gerade das Umgekehrte von der unserigen. Die Leute sagen: der Nil geht zum Berge, nicht: er kommt vom Berge; ja am Ufer des Kibali selbst sitzend und mit dem vielgereisten Moham- med Abd-es-Ssammat und seinen Leuten über Stromsysteme streitend, um Auskunft über manche hydrographische Rätbsel zu erhalten, die mir zur Zeit meiner Reise noch ungelöst erschienen, ertappte ich ihn in flagranti über handgreiflichen Widersprüchen. „Gut denn'*, rief ich endlich ausser mir, „so zeige mir doch jetzt einmal die Art, wie du zu sprechen pflegst von Flüssen, hier ist ein Beispiel, der Klbali, zeige mir mit deiner Hand: von woher kommt er und wohin geht er?" Darauf deuteten alle nach Osten und sagten: „Dahin geht er", und dann wieder nach Westen zeigend: „Von dort her kommt er, so sprechen war." Ich hätte aus der Haut fahren mögen.

„Nein", rief ich aus, „bei euch, ihr Moslemim, ist alles verkehrt und verdreht. Wie muss es da erst in euern Köpfen aussehen! Ihr schreibt nach links; was uns als eine Sünde,

Verkehrtheit der Mohammedaner. 175

erscheint euch als verdienstliches Werk; den Tag nennt ihr Nacht (Sprechweise im Arabischen des Sudan: an diesem Tage, d. h. heute = in der Nacht); ihr fastet bei Tage (im Ramadanmonat), wir in der Nacht; wenn ihr an einem frem- den Ort anlangt, so verlangt ihr, dass euch die Dortigen ihre erste Visite machen; bei Festen gebt ihr als Wirth den Dienern der Gäste ein Trinkgeld; ihr als Gäste hebt die Tafel auf, nicht der Wirth ; bei euch muss der Freier zahlen, statt eine Mitgift zu fordern; ihr unterscheidet so streng zwischen rein und unrein, und seid so schmuzig (si pur et si malpropre); grün und grau (achdär), und blau und schwarz (äsrak) ist euch ganz einerlei Ding; die Trommel heisst bei euch drombeta, und die Trompete tambür; beim Schlafen wickelt ihr euch alles Zeug um den Kopf und liegt mit nackten Füssen da. Ich könnte noch hundert verkehrte Dinge anführen, ihr seid verdreht, durch und durch, und es wundert mich nur, dass ihr nicht auf dem Kopfe steht und mit den Füssen esst."

Bei so unglaublicher Begriffsverwechselung sind freilich weitschweifige Auseinandersetzungen von nöthen. Das Näm- liche bestätigt Kapitain Speke*), indem er sich über die geographischen Irrthümer seiner Begleiter beschwert.

Der Rückzug zu Nembe wurde auf demselben Wege wie hin angetreten; bevor wir diesen Platz wieder erreichten, hatten wir indess noch einen kleinen Conflict mit den Bewohnern der Weiler, an welchen der Weg vorüberführte. Einige Träger nämlich, da die ganze Karavane schon längst auf Hungerrationen gesetzt worden, konnten es nicht über sich gewinnen, beim Vorübergehen von den Maniocs, die daselbst angepflanzt waren, etliche Wurzeln auszuraufen. Sofort sah man die Weiber der Eingeborenen mit grosser Entschlossen- heit dagegen Einspruch erheben und unter Schreien und Fluchen auf die Uebelthäter losstürzen. Eine Stockung ent-

♦) „Journal", S. 90.

176 Siebzehntes Kapitel.

stand im Zuge; in solchen Fällen war man auf alles geiasst^ denn die Hintern konnten nie wissen, was an der Tete vor- ging. Auf das Geschrei eilte demnach Mohammed von wner Leibgarde begleitet sofort herbei, und wie er die SitnafioB überschaute, beschloss er ein Exempel zu statuiren, JwäUklß einen guten Eindruck auf die Eingeborenen machen . ioOlBL Er packte die Maniocdiebe und ectheilte ihnen an Qrt-nd Stelle die nöthigen Kurbatschhiebe eigenhändig, währfmA!& Monbuttuweiber immer noch schimpfend und gestilnifiMnid die Scene umstanden. . .

Bei Nembe angelangt, fanden wir die Grashütten üiMn Lagerplatzes in hellen Flammen, die Ortsinsassen hatten oe eben angezündet, um dadurch anzuzeigen, dass sie hbmib f ürdern Verbleibs in ihrem Districte satt seien und wBoidi- ten, dass wir das Land verliessen. Wir setzten daher den Marsch ohne anzuhalten nordwärts fort, überschritten npdi- mals den Kussumbo und kamen bei einbrechender FinstenisB auf dem alten Wege zu den nördlichsten Dörfern diesseH der Grenzwildniss. In dem grossen Schuppen des Ortsror- steliers fand ich mit allem Gepäck und allen meinen Leuten ein bequemes Unterkommen für die Nacht. Hier erfuhren wir jetzt von den drohenden Kriegsrüstungen Uando*8| dem es nun Ernst sein sollte mit dem feindlichen Empfiainge ra unserm gänzlichen Untergange. Die ganze Bevölkerung der Grenzdistricte, so hiess 6s , befände sich bereits auf Ktiegi* fuss und alle Weiber und Kinder wären daselbst läa^sfr.iii Sicherheit gebracht worden.

Da Mohammed weder Führer noch ausreichende Profiai^ .Ton*äthe aufzutreiben vermochte, um seinen frühem Pitt einer Umgehung des feindlichen Gebiets auf einem nolir östlichen Wege zur Ausführung zu bringen, so wurde die alte Strasse durch die Grenzwildniss von neuem betreten* Mittlerweile hatte die Nässe durch wiederholte Regengüsse derart in diesen Niederungen überhand genommen, dass die Schwierigkeiten bei Passage der offenen Sumpfgewässer jetzt

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Wilde Pracht des Galerienwaldcs. 1*^7

1 um ein Beträchtliches vermehrt erschienen. Der breite nzbach der Monbuttuterritorien mit seiner grossartigen aldscenerie erforderte allein so viel Zeit, um die Karavane lurchzubringen , dass ich währenddessen hinreichende se fand, eine Zeichnung zu entwerfen, welche indess nur ungenügende Vorstellung von der wilden Pracht und etationsf üUe einer solchen Galerie gewähren konnte. Der egebene Holzschnitt, welcher wegen allzu starker Reduc- nur wenig Detail zu erkennen gibt, soll einen Blick der Höhe des mit Pisangplantagen erfüllten Galerien- ies in das tiefe Dunkel dieses grossartigen Waldinterieurs Dschaulichen. Die gewaltigen, mit wildem Pfeffer dicht achsenen Stämme, welche sich aus der Tiefe erheben, en ein mit Bartmoosen klafterlang behangenes Astwerk, dem das merkwürdige Farrnkraut wuchert, welches ich antenohr nannte; hoch an den Zweigen haften die tonnen- sen Bauten der Baumtermite. Andere Stämme, abge- ben und der Fäulniss preisgegeben, dienen als Stütze für kolossalen Gehänge der Mucuna und bilden, mit undurch- glichen Festons überhangen, Lauben, die so gross sind Häuser und in denen die volle Finsterniss der Nacht seht. So beschaffen ist das Revier, auf welchem der mpanse haust.

Die Sonne stand noch hoch am Himmel, als wir bereits r erstes Lager in der Wildniss formirten, am dritten rienbache. Während unserer Abwesenheit hatten die Idickichte durch neuhinzugetretenen Blütenschmuck ihren •akter bedeutend verändert. Jetzt leuchteten allenthalben imposanten Blütenbüschel eines Combretums mit grossen rothen Bracteen aus der Tiefe der Gebüsche hervor, wie ge Fackeln aus dem Dunkel der Kacht. Mit ihnen wett- te die Pracht der Spathodeen, auf jeder Astspitze einen n Thyrsus grosser orangegelber Blütenglocken tragend, im Urwalde auf der Jagd nach allem Essbaren umher- ärmenden Neger unserer Karavane machten hier einen

HWmTFUBTH. II. 12

178 Siebzehntes Kapitel.

ausgezeichneten Fund. Das vielstimmige Triumphgeschrei derselben lenkte meine Schritte zur Stelle hin, wo sie um einen Baumstamm zusammengeschart standen und sich mit Feuerbränden an demselben zu schaffen machten. Sie hatten in dem hohlen Stamme eine grosse Menge Honig entdeckt und schickten sich nun dazu an, mit grosser Selbstverleugnung ihren Schatz zu erobern. Honig, Wachs und selbst die kleinen Leiber der im Kampfe gefallenen Producenten dieser Stoffe wurden von den Negern ohne Unterschied verschlungen. Wem es gelänge, die Einwohner Centralafrikas von der Un- sitte des Wachsschlingens abzubringen, der würde sich um die Cultur dieses Welttheils ein nicht geringes Verdienst erworben haben. Dem Handel dieser so wachsreichen Länder, deren sonstige Producte mit alleiniger Ausnahme des Elfen- beins die Kosten des mühseligen Exports nicht lohnen, wäre dadurch eine neue Absatzquelle von nie versiegender Fülle geschaffen. Abyssinien und Benguela sind bisjetzt die einzigen ergiebigem Productionsländer dieses kostbaren Handelsartikels geblieben. Die Nachfrage nach echtem Bienenwachs in den Ländern der griechisch-orthodoxen Kirche, deren Vorschriften den Gebrauch eines jeden andern Surrogats zu Kirchen- lichtern ausschliessen, ist eine fast unbegrenzte.

Das breite Wiesenwasser, wo wir auf der Hinreise bei strömendem Regen eine so unerquickliche Nacht verbrachten, dass uns beim Anblick der verfallenen Grashütten ein neuer Schauder überlief, bereitete jetzt noch grössere Schwierig- keiten, um durchzukommen.. Diesmal reichten die ausgerauften Blattpflanzen nicht aus, es mussten Bäume gefällt werden, um einen Steg herzustellen. Trotzdem musste man, sorgsam mit den Füssen tastend, immer noch bis an die Hüften im Schlamme waten. Wie thöricht doch erschienen da die wilden Feinde, dass sie aus solch einer Localität keinen Nutzen für den Angriff zu ziehen wussten, den sie auf uns vorbereiteten.

Da wir uns am zweiten Tage den feindlichen Grenzen

Eine afrikanische Kriegserklürunof. 179

ZU nähern und unsere Erwartungen auf den kriegerisclien Empfang bereits das höchste Mass der Ungeduld erreicht hatten, wurde der Aufbruch mit dem frühesten Morgengrauen bewerkstelligt. Gegen Mittag stiessen wir auf die ersten Spuren der Feinde, die Fussspuren der uns beobachtenden Vorposten waren auf dem ganzen Wege zu sehen gewesen. Hart am Pfade, sodass niemand vorübergehen konnte, ohne stutzig zu werden, hingen von einem Baumaste drei Gegen- stände herab, welche eine Art afrikanischer Kriegserklärung bedeuteten, ein Maiskolben, eine Hühnerfeder und ein Pfeil. Die Erklärung zu dieser lleminiscenz aus der Geschichte des Alterthums habe ich schon im dreizehnten Kapitel, w^o die Kriegsgebräuche der Niamniam besprochen wurden, gegeben. Als wir nun in gespannter Erwartung den eigentlichen Grenz- bach erreicht hatten, wo die unwegsamen Dickichte in hohem ürade verhängnissvoll werden konnten, wenn man sich un- bedacht mit dem ganzen Trosse in dieselben vorwagte, wurde ein allgemeines Halt commandirt, denn unser umsichtiger Führer wusste allen Eventualitäten zweckdienlichst vorzu- beugen.

Zunächst wurden kleinere Abtheilungen der Bewaffneten vorausgeschickt, um rechts und links vom Pfade zu recog- nosciren und die Luft rein zu halten. Günstige Hornsignalo gestatteten alsdann den Vormarsch der ersten Trägercolonne, es folgte im Centrum die grosse Schar der Weiber, w^elche diesmal nicht im Gänsemarsche, sondern, um Eaum zu sparen, in einem dichten Haufen sich fortbewegte, alle Hindernisse der Vegetation vor sich niedertretend. Ein unbeschreibliches Chaos kreischender Stimmen, begleitet von obligatem Ge- klapper der Kürbisschalen und Eisenpfannen, dazu die Flüche, Commandorufe der Nubier, die in der einen Hand die Flinte, in der andern Stock oder Kurbatsch schwangen.

Nachdem die Uferwaldung mit der ganzen Karavane glücklich durchschritten und die nächstfolgende Grassteppe erreicht war, wurden wir der ersten Vorposten des Feindes

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180 Siebzehntes Kapitel.

ansichtig und machten stehenden Fusses halt. Hin und wieder ein aus dem Hochgrase hervorglänzender Speer, hier ein schwarzer Wollkopf, dort der buschige Federhut eines Niamniam, danach erkannten wir die Aufstellung der Feinde, welche, einen weiten Bogen um unsern Standplatz herum bildend, in gänzlich gedeckter, meist völlig versteckter Lage am Boden kauerten. Da ein solches Gebaren auf ein Ver- langen, zu parlamentiren , schliessen liess, wurden die Dol- metscher auf die ersten zugeschickt, an ihrer Spitze der Trompeter Ingleri, ihnen folgte Mohammed, und sofort ent- spann sich ein Zwiegespräch, bei welchem die Betheiligten ziemlich genau die Tragweite der chartumer Gewehre be- obachteten und eine Distanz innehielten, welche zu halb- wegiger Verständigung ausreichend erschien.

In dem Grade, als wir die Parlamentäre sich einander nähern sahen, konnten wir übrigen einen günstigen Fort- schritt der Verhandlungen erwarten; die Männer, mit denen wir es hier zu thun hatten, sprachen im Namen der nächsten Districte der A-Banga, der Nabanda-Juru, und behaupteten, an den kriegerischen Demonstrationen Uando's, ihres Landes- herrn, keinen Antheil genommen zu haben. Sie wollten sich auf diese Art vor den unausbleiblichen Repressalien schützen, welchen ihre Dörfer, als der nächstliegende Kriegsschau- platz, offenbar ausgesetzt waren, und sprachen daher pro domo. Mohammed, welcher von vornherein geneigt war, auf ihre Vorstellungen einzugehen, gerieth dadurch nur zu leicht in die Versuchung, die Rechnung ohne den Wirth zu machen. Die eigentlichen Friedensstörer nämlich kamen erst während der Unterhandlung herbei, und indem sie auf alle Ab- machungen in Betreff eines friedlichen Durchzugs einzugehen vorgaben, suchten sie unter der .Vorspiegelung, sie wüssten den Ort zu zeigen, wo Uando alles zurückgelassene Elfen- bein Mohammed's verborgen hätte, sich dem letztgenannten als Führer aufzudrängen.

Während Mohammed, von seinen Getreuen umstanden

Parlamentiren mit den Feinden. 181

aber das Gewehr ia der Hand, die Dolmetscher sich be- sprechen Hess und in einlenkendem Sinne seine Instructionen ertheilte, trat ich zu ihm heran und machte ihn auf den Vortheil der Situation aufmerksam, er möchte sich, rieth ich ihm, lieber gleich am Platze aller dieser Männer als Geiseln bemächtigen, um wenigstens etwas Sicheres in Händen zu haben; er aber schlug alle meine Worte in den Wind, meinte, die Wilden seien feig und fürchteten den Krieg, und war davon überzeugt, dass sich noch alles zum Besten wenden würde.

In der That zogen wir bald darauf, von allen ver- sammelten A-Banga begleitet, nach ihren Weilern jenseit des nächsten Bachs, den wir anstandslos durchschritten. Obwol bei den Hütten weder Frauen noch Kinder zu el*- blicken waren, in jedem Fall ein Zeichen von Mistrauen und tückischer Vorsorge, so wurden wir doch noch am nämlichen Abend reichlich mit Lebensmitteln versorgt. Grosse Elen- antilopen waren tags zuvor von den Eingeborenen erlegt worden, von deren Fleische ein guter Vorrath in meine Hände gelangte. Zwar hätten wir mit den Bewohnern dieser Gegend noch von der Zeit unsers neulichen Durchmarsches her ein ernstes Wort zu reden gehabt wegen der massakrirten Sklavinnen, die Hoffnung auf eine friedliche Passage mit Rücksicht auf das viele Gepäck und die Elfenbeinvorräthe bestimmte indess Mohammed zur Versöhnung.

Am folgenden Tage, es war der 23. April und einer der wenigen Unglückstage im Verlaufe meiner so glücklichen Reise, ward alles vor Sonnenaufgang in Marschbereitschaft gesetzt. Als wir den nächsten Bach überschreiten wollten, passirte mir, gleichsam als Vorspiel zu grössern Ereignissen, ein kleines Malheur, indem ich unversehens in eine tiefe Sumpf lache fiel, um mich, bis auf meinen Hut, der sich allein dem abscheulichen Bade entzog, in schwarzer Um- hüllung von Schmuz und Schlamm wieder aufs Trockene zu schleppen. Mein Geschrei nach trockenen Kleidern sollte

iy2 Sicbzehutcs Kapitel.

die Meilligen schnell herbeilocken, verursachte aber statt dessen einen Alarm, der den ganzen Nachtrab zu atheni- loser Eile antrieb und in kurzer Zeit die halbe Karavane auf einen Haufen zusammenführte. Jeder dachte, es gäbe da einen Ueberfall zu bekämpfen und ich wäre verwundet worden. Als sich der Zug wieder geordnet hatte, ging es weiter, indem wir von dem auf der Hinreise begangenen Wege abbogen, durch Culturland in nördlicher Richtung und an vielen Weilern vorüber. Bei den Hütten des nächsten Bezirksvorgesetzten wurde halt commandirt, um die infolge der Terrainverhältnisse von neuem zerstückelte Karavane zu sammeln und das Frühstück einzunehmen. Nach erfolgtem Aufbruch der Karavane eröfifnete Mohammed, von seinen kleinen Gewehrträgern begleitet und gefolgt von einem Theile seiner schwarzen Leibgarde, selbst aber ohne Waflfen in den Händen den Zug; neben ihm her schritten die Männer, die sich uns gestern als Führer und Friedensvermittler angeboten hatten. Ich war von Mistrauen gegen sie erfüllt und trug an diesem Tage w^der Gewohnheit mein Lieblingsgewehr in der eigenen Hand. Bei unserm Durchzuge durch die folgen- den Weiler musste es besonders auffallen, dass die Einge- borenen, Männer, Weiber und Kinder durcheinander, in hellen Haufen zusammengeschart am Wege standen und den Zug ruhig an ihren Blicken vorbeidefiliren Hessen, als wäre alles im tiefsten Frieden.

Eine halbe Stunde Wegs vom letzten Ilasti)l&tze an ge- rechnet mochten wir so einhergezogen sein, ich befand mich im Abstände von wenigen Hundert Schritten hinter Mohammed, unmittelbar an der Tete der Trägercolonne,. als plötzlich mehrere schnell aufeinanderfolgende Schüsse anzeigten, dass etwas Ungewöhnliches vorgefallen sein müsse. In demselben Moment erblickte ich zu meiner Rechten eine Anzahl Ein- geborener mit Windeseile durch die Steppe fortstürzen ; sofort wurde auf die Fliehenden ein allerdings zweckloses Feuer eröffnet. Ihr gellendes Geschrei verrieth zwar, dass sie ver-

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Mohammed wird verwundet. 183

wundet seien, allein sie entflohen in rasendem Lauf. Gleich darauf sah ich Mohammed, von seinen Leuten getragen, dem Zuge entgegenkommen, ein breiter Blutstreifen zog sich über seine weisse Leibbinde, am Wege lagen die zwei kleinen Gewehrträger, durchbohrt von Lanzen, die ihnen durch den Kücken gestossen waren; wimmernd wälzten sie sich auf dem Bauche, es war ein entsetzlicher Anblick. Indem ich herzutrat und dem Mohammed mit meinem Messer die Kleider durchschnitt, konnte ich fast augenblicklich nach stattgehabter Verwundung die beste Hülfe leisten.

Der Zufall wollte, dass ich gerade an diesem Tage eine Schachtel mit Insektennadeln bei mir trug, welche wohl- geeignet erschienen, um damit die grosse Wunde zusammen- zuheften, welche ein Lanzenstich in die Lenden meinem Freunde zugefügt hatte. Auch frisches Trinkwasser war zur Hand, da es unterwegs beständig mitgetragen wurde, die Musselinbinde Mohammed's lieferte das nöthige Materiid zum Waschen und Verbinden: sechs der stärksten Nadeln durch die frischen Wundränder gebohrt und mit Garn umwickelt näherten die letztern so vollständig einander, dass sie primo contactu zusammenheilten.

Der Vorgang war folgender gewesen. Einer der Führer, als er sich gerade zwischen Mohammed und seinen Gewehr- trägern befunden, hatte urplötzlicli die Lanze erhoben und sie mit den W^ortön auf ihn geschleudert: „Die Leute von Juni wollen Frieden mit dir, wir aber wollen Krieg." Im gleichen Augenblicke waren seine Hintermänner über die beiden Gewehrträger gestürzt, denselben ihre Lanzen unter das Schulterblatt jagend, dass sie sofort zu Boden stürzten. Mohammed selbst aber hatte instinctiv eine Seitenwendung gemacht, die ihm das Leben rettete. Die gewaltige Lanze, deren Spitze anderthalb Fuss Länge mass, sass tief in seinem Fleische, der Getroffene aber hatte augenblickHch nach ihr gegriffen und sie beherzt aus der Seite gerissen, um schliess- lich mit immer noch kraftvoller Faust die Wurfwaffe auf

Ig4 Siebzehntes Kapitel.

den fliehenden Attentäter zurückzuschleudern, dann erst war er bewusstlos zur Erde gesunken. Das Herausreissen der mit zolllangen Widerhaken versehenen Lanze hatte leider die an und für sich umfangreiche Verletzung um das Doppelte vergrössert. Die Wunde war so breit und tief, dass man die ganze Hand in dieselbe legen konnte. Um eines Haares Breite wäre die Niere gespalten worden, welche aus dem klaffenden Fleische hervorschaute.

In ihrer ersten Ueberraschung hatten die nächsten aus dem bewaffneten Gefolge Mohammed's blindlings ihr Feuer auf die nach allen Seiten auseinanderstiebenden Eingeborenen abgegeben, darunter einige volle Ladungen grober Posten, die auch ihr Ziel erreichten, ohne indess die Fliehenden zum Fall zu bringen. Nun ging die Hetzjagd nach allen Rich- tungen unverweilt vor sich, und auf der ganzen Linie unsers Zugs knatterte das Gewehrfeuer, während ich mit dem Ver- bände der Wunde beschäftigt w'ar.

Den Trägern musste augenblicklich halt commandirt werden, und die Golonnen sammelten sich auf dem Platze, wo wir uns gerade befanden. Die Lasten wurden haufen- weise zusammengelegt, und nun war von selbst das Signal zum Plündern gegeben, ein längst ersehnter Moment für die schlaflfen Magen unserer Bongo nach den Entbehrungen der letzten Tage.

Gleich nachdem der tückische Ueberfall auf Mohammed geschehen, und dies deutete auf ein P^inverständniss der Eingeborenen untereinander, waren alle Gaffer vom Wege verschwunden, hier und da verfolgten die Nubier die Weiber und Kinder, um sich nach ihren Begriffen wohlberechtigtc Beute an Sklaven zu verschaffen; ich bemerkte aber nur geringen F.rfolg, und nur an einigen gefangenen Knaben, die, sobald man sie losliess, von neuem die Flucht begannen, trotz Flintenschüssen und Lanzen, die ihnen folgten. Manch schuldloses Opfer deckte da das Hochgras mit verschwiegener Hülle und entzog mir den scheusslichen Anblick der Ster-

Formiruug eines Lagers. 185

benden ; die Erde sog ihre letzten Seufzer auf, übertönt vom wilden Schlachtruf vieler Hunderte.

Es währte keine halbe Stunde, so brannten alle Dörfer und Gehöfte im weiten Umkreise*, ebenso eilig wurden die in den Kornkammern enthaltenen reichen Vorräthe zusammen- gerafft und bei unserm Sammelplatze zu hohen Haufen auf- gethürmt. Von den nächsten Hütten wurden die Kegel- dächer abgehoben und zur Formirung des plötzlich impro- visirten Lagers verwandt. Dieses wurde mit einem soliden Verhau umgeben zum Schutze gegen die zu erwartenden Angriffe, das dazu nöthige Holzwerk lieferten die zahlreichen Wohnhütten der Nachbarschaft. Das alles geschah mit er- staunlicher Geschwindigkeit.

Die Eingeborenen, welche sich an verschiedenen Stellen zusammengeschart hatten, um den Kampf mit den Fremden aufzunehmen, hielt unterdessen unsere gesammte Waffen- niacht vom Lager fern, wo unsere eigenen Neger im bunten Getümmel mit dem Einheimsen ihrer vorläufigen Beute voll- auf beschäftigt waren. Inzwischen hatten einzelne Streiter, welche sich am Kampfe bereits betheiligt, dem verwundeten Anführer, der im Schatten eines Baumes auf seiner Ruhe- bank ausgestreckt dalag, um mit kalten Wasserumschlägen behandelt zu werden, die ersten Siegestrophäen zu Füssen gelegt, abgeschnittene A-Banga-Köpfe. Diese sollten eine Sühne sein für sein vergossenes Blut. Im ersten Eifer herbei- geschafft, blieben sie indess die ersten und die letzten, welche der Krieg zur Bereicherung meiner Schädelsammlung ein- brachte. Die Köpfe lagen da, jeder konnte mit ihnen macheu, was er wollte, weshalb sollte ich sie nicht für wissenschaft- liche Zwecke verwerthen dürfen. Später gab es deren keine mehr, obgleich im ganzen einige zwanzig Eingeborene im Verlaufe dieser Affaire gefallen sein mochten. Zu meiner Verwunderung bemerkte ich bald, dass die barbarische Sitte des Kopfabschneidens im übrigen durchaus nicht beobachtet wurde, der erwähnte Vorfall fand nur in der momentanen

186 Siebzehntes Kapitel.

Erregtheit der Gemüther beim Beginn des Kampfes seinen Grund. Eine abergläubische Furcht verhinderte die Neger unserer Karavane überhaupt, den Getödteten die Köpfe ab- zuschneiden, und die Nubier wieder hätten es aus Stolz um keinen Preis gethan, so hassten sie die unreine Berührung mit den heidnischen Männern. |

Der Platz, an welchem sich alle diese Dinge ereigneten, lag auf Büchsenschussweite vom Rande der Uferdickichte entfernt, in welche, tief eingesenkt, ein wasserreicher Bach nach Norden abfloss, der sich nicht weit davon mit dem

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Assika vereinigte. Am jenseitigen Hügelgesenke, das viel höher anstieg als dasjenige auf unserer Seite, sah man eine Menge kleiner Weiler gruppenweise über die buschfreien Flächen zerstreut, dazwischen bewegten sich grosse Haufen Bewaffneter in anscheinend planloser Geschäftigkeit. Ein Theil der Nubier, darunter die entschlossensten Männer des Abd-es-Ssamniat'scheu Corps, hatte sich zusammengethan, um den Bach zu forciren, dessen Dschungels voll Eingeborener staken, und den Angriff auf die andere Seite zu übertragen. Das Terrain schien ausserordentlich günstig zur Umzingelung der Feinde, wegen des vielfach verzweigten Netzwerks von Bächen und Gräben, zwischen welchen offene Grasparcellen sich ausbreiteten. Hätten die Nubier überlegter gehandelt, so wäre ihnen die beabsichtigte Beute an eingeborenen Weibern sicherlich nicht entgangen. Da jetzt alles bereits angekaufte Elfenbein, welches auf der Hinreise an vielen Stellen im Lande zurückgelassen worden war, verloren schien, so gab es eben nur dies eine Mittel, die Eingeborenen zu seiner Wiederherausgabe zu zwingen. Das Umzingeln von den Bächen aus war aber für die Nubier nicht ausfülirbar, denn sie fürchteten gerade diese Terrains am meisten, weil ihre Kugeln nur nutzlos an den Baumstämmen vergeudet wurden und die Feinde selbst im Uferwalde nirgends sichtbar waren. Daselbst äusserten Lanzen und Pfeile weit sicherer ihre Wirkung, als die Feuerwaffen.

Angriff auf die Feinde. 187

Indem ich die Augreifenden eine Strecke weit begleitete, fand ich Gelegenheit, mich zum ersten mal deutlich von der Wirkung der Pfeile zu überzeugen. Diejenigen mit hölzernen Spitzen hatten durchschnittlich eine Tragweite von mindestens oOO Schritt, und fielen kaum wahrnehmbar und völlig ge- räuschlos nieder, die mit eisernen Spitzen schwirrten laut durch die Lüfte, konnten aber nur auf halbe Distanz zur Anwendung gelangen, es schien, als bedienten sich die Ein- geborenen der eisernen Pfeile nur da, wo sie sicher waren, ihr Ziel zu treffen. Die A-Banga, deren Tracht und Kriegs- rüstung, vollkommen den Monbuttu entlehnt, sich durch grosse viereckige Holzschilde von weitem leicht yerrieth, hüpften ihrem Kriegsbrauche gemäss und wie tanzend, wie in eitelm Gaukelspiel, hinter den Büschen umher, beständig in gebückter, schleichender Körperhaltung und gelegentlich ihre chicanösen Pfeile entsendend. Der Pfeilhagel, mit ^velchem sie unsere heranrückende Linie empfingen, glich dem Anblick, welchen ein durch den Wald gefahrener Wagen mit Stroh gewährt, wenn der Wind die Halme weithin über alle Büsche treibt. In gleicher Weise glitten die leichten Kohrpfeile durch die Lüfte, in langsamem Fluge und wie getragen vom Winde. Dabei vermochte mein Auge nicht das Geringste von den Feinden zu erblicken, wenn nicht ab und zu einzelne von ihnen ihren Hinterhalt wechselten.

Einer unserer Leute erhielt gleich zu Beginn einen Pfeilschuss eigenthümlicher Art; die eisenharte und ungefähr spannenlange Holzspitze hatte den innern Augenwinkel ge- troffen und blieb an dem glücklichsten Punkte neben der Thränengrube stecken. Der Getroffene musste laut auf- schreien, nahm aber in der Folge keinen Schaden an der erhaltenen Verletzung. Aehnliche Fälle waren auf frühern Kriegszügen häufig vorgekommen, und manche behaupteten, die Eingeborenen zielten mit einer gewissen Vorliebe auf die Augen, als der für ihre erbärmliche W^affe am leichtesten verwundbaren Stelle. Da aber der leichte Holzpfeil stets

188 Siebzehntes Kapitel.

einen weiten Bogen beschreibt, bevor er sein Ziel erreicht, so nehme ich an, dass dies überall nur als ein zufälliger Erfolg zu betrachten ist, wo es an einer absoluten Ruhe des Objects mangelt.

Am Rande des Waldes, wo sich der Eingang zum Pfade öflfnete, boten einige der Beherztesten festen Stand und em- pfingen die ünserigen in herausfordernder Stellung, die Lanze schwingend und trotzig den Federbusch auf ihrem Haupte schüttelnd. Dazu erscholl aus der Tiefe des Dickichts der heisere Schlachtruf der minder kecken Menge, von der an- dern Seite herüber erdröhnte der Klang der Kriegspauken. Vor allen zeichnete einer sich aus, er sprang den Nubiem entgegen, postirte sich mit vorgehaltenem Schilde und hielt auf kurze Distanz eine förmliche Anrede, zusammengesetzt aus den gewöhnlichen Schimpfworten seiner Sprache. Die nächste Folge war die, dass Schild und Brust von einer Kugel durchbohrt wurden und der Mann lautlos zu Boden stürzte. Sobald die Leute den ersten und bald darauf den zweiten aus ihrer Mitte fallen sahen, machten sie kehrt und ver- schwanden im Waldesdunkel. Das laute Rauschen des Lau- bes und die brechenden Aeste in allen Richtungen verriethen eine allgemeine Flucht, und diesen Moment benutzten die Nubier, um in schnellem Laufe die andere Seite zu gewinnen, wo sie widerstandslos in die Gehöfte eindrangen, dabei feuerten sie beständig in die blaue Luft, als gelte es den wieder- kehrenden Mond nach glücklich überstandenem Ramadan feierlichst zu begrüssen.

Da mich nur die Neugierde und keine Rachlust gegen die Treulosigkeit der Eingeboren, denen wur doch zuvor nicht das geringste Leid zugefügt hatten, eine Zeit lang den An- greifenden folgen Hess, so nahm ich für meine Person natür- lich niclit den geringsten Antheil an diesem unschädlichen Scharmützel, obgleich die Augenzeugen nachträglich viel von dem grossen Muth zu erzählen wussten, mit welchem ich auf die Feinde eingedrungen sei. Derartige Gerüchte folgen oft

Flucht der Eingeborenen. 189

jahrelang den Spuren des Reisenden nach, und ein joder, der Augenzeuge gewesen zu sein vorgibt, weiss etwas ganz Absonderhehes den vorhandenen Erzählungen hinzuzudichten. Die Fama malt Schlangen und fügt Füsse hinzu.

Von der Geschwindigkeit einer Gewehrkugel hatten die Wilden noch keine Vorstellung, denn jedesmal, so oft sie das Pfeifen derselben vernahmen, suchten sie durch Nieder- ducken sich derselben zu entziehen. Es nahm sich in der That gar spasshaft aus, zu beobachten, wie plötzlich ganze Reihen von Hunderten gleichsam in den Erdboden versenkt erschienen, ebenso schnell verschwanden die schwarzen Köpfe, welche hin und wieder hinter den Baumstämmen hervor- lugten.

Bis Sonnenuntergang war weit und breit die Gegend von Feinden gesäubert, von allen Seiten her kehrten bei ein- brechender Dunkelheit die Träger reich beladen mit Beute an allem Essbaren, was die Dörfer enthielten, zu unserm Verhau zurück. Zahlreiche Wachen und im Umkreise des Platzes lodernde Feuer sorgten für die nächtliche Sicherheit ^d Ruhe, die nur durch vereinzelte Schüsse unterbrochen wurde. Auf unserer Seite war an diesem Tage, ausser eini- gen Bongoträgern, welche als Marodeure von Profession die verlassenen Weiler durchstöbert und sich gar zu weit vor- gewagt hatten, kein Verlust an Todten zu beklagen gewesen. Zwei Kubier hatten indess schwere Lanzenwürfe in Fuss- gelenk und Knie erhalten und mussten auf einer Bahre ins Lager zurückgetragen werden.

Unter den Eingeborenen war die Ansicht verbreitet, dass Mohammed einer tödlichen Verwundung erlegen sei. Durch frischen Zuzug von Kriegern ermuthigt, war ihnen der Kamm aber über Nacht geschwollen, man vernahm daher aus dem Walde von neuem das Kriegsgeheul der Wilden, aus welchem heraus sich die gemeinsten arabischen Schimpfworte deutlich vernehmen Hessen, die von den Feinden eigens erlernt zu sein schienen, um uns zu ärgern und zu reizen. Mbali's Tod

190 Siebzehntes Kapitel.

war in aller Munde: „Wo ist Mbali", riefen sie, „g^^t uns Mbali, wir wollen Fleisch."

Um ihrem Uebermuthe einen Dämpfer aufzusetzen, liess sich Mohammed nicht abhalten, sowenig es auch der Zu- stand seiner Wunde gestattete, vor das Lager zu treten, auf dass ein jeder von seiner Unverletzlichkeit überzeugt sein möge. Er liess sich zu dem Behufe einen festen Verband anlegen und begab sich ins Freie, wo er den nächsten T»- mitenhügel bestieg, von dessen Spitze seine Gestalt weithin kenntlich wurde.*) Wol eine Viertelstunde lang rief er von seinem hohen Postamente aus, keck den Säbel schwin- gend, sich selbst beim Namen : „Seht, da bin ich, euer Mbali, es fällt mir nicht ein zu sterben, und wenn ihr hundert Lanzen auf mich werfen wollt, kommt nur heran." Dann stimmte er ein in ihren kannibalischen Schlachtruf: „Puschiö, puschiö" (Fleisch, Fleisch) und so spottete er in einem Athem- zuge und aus voller Kehle, alles in der Sprache der Niam- niam selbst, die ihm ziemlich geläufig war.

Mohammed war weithin kenntlich durch einen Monbuttn- strohhut mit grossem feuerrothen Federbusch daran, denn er fand ein besonderes Gefallen daran, sich auf diesen Ex- peditionen das Aussehen eines eingeborenen Häuptlings zu geben, obgleich es seine nubischen Landsleute immer unter ihrer Würde hielten, in ihrer Kleidung irgendwelches Zu- geständniss an die Mode der Wilden zu machen. Um nun die Feinde noch mehr von dem Wohlbefinden des Anführers zu überzeugen, wurde im Laufe des Nachmittags eiij Ausfall unternonmien , an dessen Spitze Abd-es-Ssammat's Neffe im vollen Staate desselben, umgürtet vom faltenreichen Rokko und mit dem hohen Federhute auf dem Kopfe, weit gen Nor- den ins Land eindrang, ohne mit den Feinden nur irgendwo handgemein werden zu können.

*) Der beistehende Holzschnitt veranschaulicht diese Scene, deren Hintergrund eine getreue Wicderga))o des grossartigen Waldgemäldes darstellt, welches sich an diesem Platze vor meinen Blicken entrollte.

Mohammed verhöhnt seine Feinde. 191

Ich verbrachte den Tag in meinem Zelte mit den nöthi- ;en Vorbereitungen, welche der Kriegsfuss erheischte, auf Ä-elchen meine Leute nun gesetzt waren. Es wurden Reh- ;>osten gegossen und grobe Schrote, als das wirksamste Ge- schoss für unkundige Schützen, patronenweise abgemessen. Die Köpfe vom gestrigen Tage wanderten jetzt in die Koch- töpfe, vielleicht dieselben, in welchen unter ihren eigenen Augen einst andere Menscheuköpfe schmorten. Bei diesem Geschäft kam ich mir vor wie die leibhaftige Nemesis. Ob- gleich alle strenggläubigeYi Mohammedaner die Gebeine von Heiden und Ungläubigen für nichts Besseres halten als Tliier- knochcn, so musste ich dabei doch Anstands halber die Vor- geht der Heimlichkeit beobachten und das Präpariren im Innern meines Zeltes vornehmen. Es fiel mir auf, dass meine lunde, obschon sie seit vielen Tagen keine animalische Kost irhalten, von dem gekochten Menschenfleisch nicht das Ge- ingste anrühren wollten.

Als es zu dunkeln begann, wurden wir durch das un- »rwartete Erscheinen grosser Haufen von Eingeborenen alar- nirt. Von einer andern Seite als der gewohnten begannen de diesmal heranzustürmen, denn sie brachen nicht aus dem iValdesdunkel zu unsern Füssen hervor, sondern kamen von Juden auf der alten Heers trasse. Nur der vordersten Reihen connte ich ansichtig werden, da die hintern das hohe Gras md die Gebüsche deckten. Nur das wilde Geheul, einem einbrechenden Wetter gleich heranbrausend, gab eine Vor- stellung von der grossen Zahl unserer Feinde. Die Hälfte iller mit Feuerwaffen versehenen Mannschaft rückte in ge- jchlossener Linie hinaus ins Freie und eröffnete sofort mit /ollen Salven den Kampf in nächster Entfernung. Das Re- mltat war, dass auf der Stelle fünf Todte am Boden lagen, nne veränderte Tonart des Kriegsgeschreis zeugte von der msehnlichen Zahl der GetroflTenen, denn die meisten Gewehre varen mit einer gehörigen Hand voll starker Tosten geladen gewesen, die mussten einschlagen und treffen aufs gerathe-

192 Siebzehntes Kapitel.

wohl. Diesmal war der Angriff auf so geringer Distanz er- folgt, dass wiederum zwei schwere Verwundungen durch Lanzen die Zahl unserer Combattanten verringerte.

Jedesmal, sobald nur der erste Angriff zurückgeschlagen ist und die vordem Reihen der Feinde das Weite zu suchen beginnen, nehmen die Neger der Karavane, welche im Rücken der Schützen auf diesen Moment schon lauern, die Verfolgung der Fliehenden auf. Bei solchen Affairen büssen daher von den Eingeborenen immer weit mehr Leute ihr Leben durch die Lanzen der Träger ein, als durch die Kugeln der Ku- bier. Unsere Träger waren vor dem Aufbruche von Munsa's Residenz sämmtlich mit neuen Waflen ausgerüstet worden. Hierdurch allein konnte unser kleines Corps standhalten gegen die grosse Uebermacht der Feinde, welche ich auf mindestens 10000 Krieger schätze.

Die A-Banga, durch ihre schwerfällige und mannich- faltige Bewaffnung, noch mehr aber durch ihre Tracht am schnellen Laufen verhindert, entledigten sich während der Flucht eines Stückes nach dem andern, sodass die Wahlstatt mit weggeworfenen Schilden, Lanzen und Rindenzeugen wie bedeckt erschien. Es ist sogar vorgekommen, dass Fliehende ihren falschen Chignon mitsammt dem Rohrgestell in seinem Innern hinter sich warfen, um leichter die Luft zertheilen zu können. Dergleichen Beute wurde von unsern Negern im Triumph zurückgebracht, die Chignons hoch auf der Spitze einer Lanze schwingend, was allgemeine Heiterkeit im Lager erregte und immer mit grossem Hallo begrüsst wurde.

Die Attake dieses Tages war die energischste, welche die Eingeborenen ausgeführt, es waren nur A-Banga dabei, eigentliche Niamniam waren bisher auf dem Kriegsschau- platze noch gar nicht erschienen, wir erwarteten aber für den dritten Tag die Ankunft Uando's mit allen seinen Krie- gern. Die Verfolger kehrten erst um Mitternacht von ihrem Streifzuge, den sie bis an die Grcnzwildniss ausgedehnt hat-

Diversion ge^en Uando. 193

ten und wo sie alle Dörfer verlassen fiindeu, mit reicher Beute zum Lager zurück. Die hier aufgehäuften Vorräthe waren so beträchtliche, dass sie unserer Karavane einen vollen Monat hindurch Unterhalt gewähren konnten. In der Frühe wurde die Hälfte unserer Bewaffneten nordwärts dirigirt, um den Bewegungen Uando's zuvorzukommen, besonders aber war es dabei auf die Erlangung einiger Weiber abgesehen, die als Geiseln zum Austausch gegen das verlorene Elfen- bein dienen sollten. Alle bisherigen Versuche in diesem Sinne waren fehlgeschlagen, was Mohammed um so mehr verdriessen musste, als er sich bei frühern Gelegenheiten genugsam davon überzeugt, dass die Kiamniammänner zur Wiederbefreiung ihrer Weiber jederzeit alles Mögliche auf- zubieten bereit waren.

Zwei Stunden nach dem Auszuge der Soldaten eröflfnete sich uns ein Schauspiel eigenthümlicher Art. Auf der Höhe des jenseitigen Thalgehänges, welches durch die Walddepres- sion des Baches von unserm Lager geschieden war, sah man in endlosen Reihen bewafliiete Eingeborene auf den Pfaden der Steppe, die nur im Gänsemarsche begangen werden kön- nen, einherziehen. Aus den grossen viereckigen Schilden, welche im Scheine der Sonne weithin erglänzten, konnte man die A-Bauga erkennen und gewann auf diese Art eine Vor- stellung von ihrer grossen Kriegerzahl, denn das Vorbei- defiliren währte volle drei Stunden lang. Niedrig geschätzt mussten es zwischen 10 12000 Mann sein, die da des Weges einherzogen. Anfänglich glaubten »wir allgemein, dass der Häuptling mit dem Gros seiner Truppen angelangt sei und nun den Versuch mache, unsere Stellung von Westen her zu umgehen, den Bach oberhalb des Lagers zu überschreiten und den Angriff von der gestrigen Seite mit Einbruch der Nacht wiederholen zu lassen.

Da indess keine von diesen Voraussetzungen sich be- wahrheitete, so konnten wir uns das räthselhafte Ausbleiben Uando's, dessen Hülfsvölker mit Leichtigkeit in einem Tagc-

SCHWIIXFUIITH.. II. 13

194 Siebzehntes Kapitel.

marsche von allen Seiten herbeigeeilt hätten sein können, mit diesen Bewegungen schlechterdings nicht zusammenreimen. Alles wurde klar, als die Soldaten in der Dunkelheit der Nacht von ihrer Razzia zurückkehrten und berichteten, sie hätten die versammelte Streitmacht der A-Banga, oflFenbar in gespannter Erwartung des von üando in Aussicht stehen- den Succurses, bei den angegriflFenen Weilern aufgestellt, ihre Stellung jedoch ohne weiteres beim Heranrücken geräumt gefunden. Das waren dann die langen Reihen, welche wir bei uns vorüberziehen sahen, 10000 auf der Flucht vor einigen vierzig Soldaten. In der gleichmässig ab- steigenden Fläche, auf welcher unser Lagerverhau sich be- fand, waren Termitenhügel von 10 Fuss Höhe die einzigen Erhebungen, von denen aus man das Hochgras der Steppe überbUckeu konnte, diese wurden im Verlaufe des ganzen Streits wiederholt von Eingeborenen bestiegen, um die Fremd- linge mit Schimpfreden zu schmähen. Hin und wieder ent- spannen sich auf diese Weise ausführliche Zwiegespräche zwi- schen den beiderseitigen Vorposten, denn Mohammed hatte unter seinen selbstgeschulten Soldaten nicht weniger ab vierzig echte Niamniam, die ihm rücksichtslos ergeben warea Von ihnen erfuhren wir die Klagen der A-Banga über Uando, welcher sie im Stiche gelassen, nachdem er sie selbst zum Ueberfall angereizt hätte. Sie hätten nun davon nichts weiter geerntet, als dass die „Türken" die Ihrigen todtschössen und das ganze Land verwüsteten. Uando selbst, so erzählten sie, hätte sich durch den ungünstigen Ausfall des bei Beginn des Kampfes angeordneten Auguriums veranlasst gesehen, statt selbst den Fremden entgegenzuziehen, sich in die un- zugänglichsten Walddistricte seines Gebiets zu flüchten und alle Bitten der A-Banga um Succurs feige zurückzuweisen. Auch in unserm Lager war das Schicksal befragt worden, und zwar vermittels des „Boru", jenes kleinen Holzbänkchens, dessen Beschreibung im dreizehnten Kapitel gegeben wurde. Meine Niamniam, welche beide keine grossen Helden waren

t)er weisse Mann kann abziehen. 195

und vor der angeblich unwiderstehlichen Macht Uando's grosse Furcht an den Tag legten, schienen fest von der Zu- verlässigkeit ihres Auguriuras überzeugt. Für den einen war der Ausgang ein sehr unglücklicher gewesen, von mir aber hiess es, ich würde mit heiler Haut durchkommen, was wiederum dazu beitrug, die Meinigen von der Unwandel- barkeit meines Glücks zu überzeugen. Zu meinen Gunsten hatten sich auch die Rufe der A-Banga, welche von den Termitenhügeln aus vernommen wurden, geäussert: „Alle Türken", so schrien sie gleich bei Beginn des Kampfes, „sollen umkommen, nur der weisse Mann kann abziehen^. denn er kam zum ersten mal in unser Land." Die Friedlichkeit meiner täglichen Beschäftigungen, meine Freude an allen Eigenthümlichkeiten der wilden Völker, vielleicht auch die imschädliche und harmlose Passion meines vermeintlichen Blattfresserthums schienen mir ihre Herzen gewonnen zu haben.

Der kleine Tikkitikki bewies sich bei allen diesen Vor- gängen so gleichgültig als möglich und gab nicht die ge- ringste Furcht zu erkennen, er tanzte und spielte mit den erbeuteten Kriegstrophäen und stopfte sich seinen Hänge- bauch mit dem delicaten Sesammus, das in Hülle und Fülle zur Verfügung stand.

Als der Morgen des vierten Tages anbrach, waren nir- gends Feinde mehr zu erblicken ; aus der ganzen Umgegend schienen sich die Einwohner weit und breit zurückgezogen zu haben. Die. nubischen Söldner hatten sich bei allen

m

Affairen eben nicht glänzend bewährt, weder hinsichtlich ihres Muthes, als auch was Ausdauer und Selbstverleugnung betraf. Die Hauptaufgabe war immer den schwarzen Sol- daten , den sogenannten Farüchs zugefallen. Letztere waren auch die bessern Schützen, dessenungeachtet erschienen die einen dem Anführer ebenso unentbehrlich wie die andern. Die schwarzen, landeseingeborenen Soldaten sind nützlich durch ihre Ortskenntniss und ihre \ Abhärtung gegen das

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196 SielDzehntes Kapitel.

Klima. An regnerischen Tagen sitzen die Nubier fröstelnd in ihren Grashütten, während den Farüchs die ganze Arbeit zufällt, sich der andringenden Feinde zu erwehren. Die Flinte mit ihrem Tuche umwickelt laufen sie alsdann, selbst gänz- lich entkleidet, im strömenden Regen durch Dickicht und Steppe. Die schwarzen Soldaten haben aber zugleich den Nachtheil für ihren Befehlshaber, dass sie davonlaufen kön- nen, was bei den Nubiern nicht zu befürchten steht, denn der Weg nach Chartum ist zu weit. Dafür sind sie wiederum verweichlichter, häufig kränkelnd, nie aber unbedingt folgsam oder den Befehlen ihres Gebieters ergeben, denn der Hang zu ungebundener Freiheit ist bei ihnen masslos. Viele der Nubier erwiesen sich auch in unsern Kämpfen mit den Wil- den nicht eljpn als Helden, denn die Furcht vor dem Auf- gefressenwerden schien sie beständig zu verfolgen. Es war nicht so sehr der Tod, welchen sie fürchteten, als vielmehr die Aussicht, auf ein richtiges Grab verzichten zu müssen, dessen Einrichtungen zur Erlangung der Palme des Para- dieses vom Koran obligatorisch gemacht werden. Das Schreck- lichste ist für jeden Mohammedaner der Mangel eines Grabes überhaupt, und hier sollten sich die Unglücklichen noch dazu in den unreinen Mägen der Kannibalen gebettet sehen! Mohammed, übermüthig gemacht durch den unerwartet günstigen Verlauf der Heilung seiner Wunde, wollte nicht länger an dieser Stelle warten. Obgleich ich ihm davon abrieth und ihm die Gefahr eines neuen Aufbrechens der so glücklich ohne jede Eiterung geschlossenen Wundränder eindringlichst vor Augen hielt, so bestand er dennoch auf dem Entschluss, in einer Tragbahre die Wanderung durch das feindselige Land fortsetzen zu wollen. Die gänzliche Heilung verzögerte sich infolge dessen um vierzehn Tage; im ganzen genommen war der Erfolg für mich, den dilettan- tischen Heilkünstler, der seine wundärztliche Praxis bisher nur an Pferden und Maulthieren betrieben, immerhin ein äusserst glücklicher.

Aufbruch der Karavane. 197

Mit Sonnenaufgang des fünften Tages unsers Verweilens au diesem ungastlichen Platze befand sich demnach die ganze Karavane in vollem Aufbruche und wälzte sich im bunten Durcheinander dem benachbarten Assikabache zu. Das Lager wurde verbrannt und grosse Haufen von Korn, Sesam, Kindi, Erdnüssen u. desgl. nutzlos am Boden verstreut und schwe- ren Herzens von unsern Negern im Stiche gelassen, welche nun in ungebahnten Wildnissen neuen Entbehrungen ent- g^enzuschreiten hatten. Die Dickichte wurden anstandslos, wenn auch in lästigstem Gedränge der Menschen, überschrit- ten, da nirgends ein Feind sich blicken Hess. Auch hier kamen die Termitenhügel, welche am Rande des Urwaldes immer eine besondere Grösse erreichen, uns vortrefflich zu statten, um einen Theil der Dickichte zu überschauen. Von ihnen herab wechselten die Vorposten ihre Signale, um die Karavane davon zu benachrichtigen, dass der Weg frei sei.

Unser Marsch hielt eine nördliche Richtung inne, die frühere Route während der Hinreise im Osten liegen lassend. Wir hatten auf dieser Strecke noch drei Bäche zu über- schreiten, mit ebenso vielen offenen Grasstrichen abwechselnd. Alle Uebergänge werden immer mit grosser Vorsicht aus- geführt. Unsere Colonnen hatten nur einmal, als der Weg am Rande einer Galerie entlang führte, einen Pfeilhagel zu bestehen; der unsichtbare Feind Hess indess von jedem wei- tern Angriffe ab, als volle Salven blindlings in die Büsche hineinkrachten. Diesmal war die Zahl der wegen einer sehr geringen Distanz in Anwendung gebrachten Eisenpfeile überraschend gross gewesen, dennoch hatte keine einzige ernstliche Verwundung stattgehabt. Es musste zugleich als ein grosses Glück betrachtet werden, dass die Trägercolonnen, . welche den Pfeilen zunächst ausgesetzt schienen, nicht sofort in Verwirrung geriethen, denn vorsorgUch marschirten zu beiden Seiten die Farüchs, welche sich neben dem Pfade Bahn brechen mussten, um die Büsche zu säubern.

Hinter dem dritten Bache vom Assika aus, stiessen wir

198 Siebzehntes Kapitel.

wieder auf einen Culturdistrict und rasteten es war bereits Mittag bei den Weilern. Die Bongo Hessen hier ihrer äffi- schen Zerstörungslust freien Spielraum, indem sie sich ein besonderes Vergnügen daraus machten, alle Maisstauden um- zuhauen. Hierzulande wird eben nicht nur geraubt und geplündert, sondern auch ruinirt und verwüstet, gerade so wie bei uns in Europa Krieg bleibt immer Krieg.

Als die verlassenen Hütten mit kundiger Hand durch- stöbert worden, fand sich eine Partie werthvoUer Elefanten- zähne, an welchen die von Mohammed eingeschnittenen Mar- ken verriethen, dass sie von letzterm bereits bei Uando eingekauft und nachträglich vom Häuptling verschenkt wor- den seien. Gackernde Hühner verriethen sich in einigen Kornmagazinen, wo sie tief im ungedroschenen Eleusinekorn vergraben mitsammt ihren Eiern aufgefunden wurden. Auf diese Weise gelangte ich zu einem Frühstück sehr gewählter Art, denn die Eier sind in allen diesen Gegenden sehr rar, und die Niamniamhühner scheinen ebenso sparsam im Eier- legen zu sein, wie die Dinkakühe im Milchen.

Eine feine Trübung umschleierte um diese Zeit ihres höchsten Standes die Sonne, und der ganze Himmel schien mit leichten Dünsten überzogen aschgrau wie an einem trüben Herbsttage des Nordens. Ein nicht selten in diesen Gegenden beobachtetes Phänomen trat dabei es war der 26. April deutlich hervor, bestehend aus zwei voneinander gesonderten Höfen, welche in Gestalt grosser brauner Schatten- ringe und mindestens ein Drittel des Firmaments bedeckend, die geröthete Sonnenscheibe nach Art der Mondhöfe coft- centrisch umgaben.

Unsere Marschrichtung bog von hier an in Ostsüdost ein, indem sie dem rechten Ufer der Bachniederung folgte, an deren Rande überall Weiler gelegen waren. Hier fanden sich auch, als weithin sichtbare Landmarken, einige vereinzelte Dumpalmen (Hyphaene thebaica), welche nur sehr selten im Niamniamgebiete angetroffen wurden. In einer sehr tiefen

Zwei Frauen werden erbeutet. 199

und jäh abstürzenden Schlucht, welche das Dunkel eines majestätischen Urwaldes erfüllte, überschritten wir weiterhin den Diamvonubacb, kreuzten bald darauf unsere frühere Heerstrasse, welche von nun an zur Linken in West liegen blieb, und stiessen, nachdem wir noch durch vier ähnliche Galerienbäche geschritten, erst am fünften wieder auf Ein- geborene, welche bei ihren Hütten überrascht gleich scheuem Wilde in die benachbarten Uferdickichte zu entschlüpfen strebten. Bei dieser Gelegenheit fielen zwei Niamniamfrauen, die gerade mit Wasserholen am Bache beschäftigt waren, in die Hände des Vortrabs, was nach so vielen vergeblichen Bemühungen mit grosser Freude begrüsst wurde. Die Frauen selbst verhielten sich sehr ruhig und gleichgültig, als wäre nichts vorgefallen, und sie benahmen sich, wie wenn sie seit Jahr und Tag zu der Karavane gehörten, wo es an zahl- reichen Genossinnen ihres Stammes nicht fehlte.

Eine kalte und regnerische Nacht gewährte bei der mangelhaften Beschaffenheit unsers infolge der Verspätung und allgemeinen Ermüdung nachlässig errichteten Lagers geringe Ruhe. In dem aufgeweichten Boden hielten die Zeltpflöcke keinen Stand, die Taue liessen eins nach dem andern los, und beständig drohte der Umsturz meiner leich- ten Behausung. Draussen heulte der Sturm, peitschte der Regen, drinnen heulte ich nach den Dienern, damit sie her- beikämen, die Pflöcke von neuem einzuschlagen, krampfhaft hielt ich fest an der Zeltstange, um meine Habe vor Nässe zu schützen. In solche Situation gerieth ich zu wiederholten malen im Verlauf dieser einzigen Nacht. Im nahen Walde erschollen zu gleicher Zeit die verzweifelten Stimmen der Niamniam, welche nach ihren verloren gegangenen Weibern riefen. Wenn auch von Menschenfressern, wie anzunehmen war, so klang der ununterbrochen und stundenlang gerufene Name doch rührend genug, um die treue Anhänglichkeit an das Weib zu beweisen, welche einen eigen thümlichen Cha- rakterzug der Niamniam ausmacht. Die Nubier rührte das

200 Siebzehntes Kapitel.

alles freilich nicht im geringsten; erst das Elfenbein, dachten sie, dann euere Weiber.

In der Absicht, unsere Route in östlicher Richtung fort- zusetzen, überschritten wir mehrmals die Gewässer, welche in dieser Gegend in unklarer Weise miteinander in Zu- sammenhang standen. Die wiederholte Schleifenbildung der untereinander anastomosirenden Bachläufe, die Engmaschig- keit dieses Netzwerks von Wasseradern, entsprach vollständig dem Bilde, welches Livingstone, indem er den hydrographi- schen Charakter des Landes im Westen vom Tanganjikasee zu schildern versucht, in den Eisblumen an unsern Fenstern zur Winterszeit zu finden glaubte. In jenem centralsten Theile von Afrika beobachtete der unbestrittene Entdecker eines Drittels vom afrikanischen Continent ein ganz ähnliches Quellterrain, durchströmt vom Oberlaufe eines zur Zeit noch sehr räthselhaften, nordwärts strömenden Flusses*) (Lualaba), in welchem er, wahrscheinlich irrthümlicherweise, den eigent- lichen QuellÜuss des Nils zu erblicken wähnte, eine Ver- muthung, die nur durch die unerklärliche Wasserfülle des Mwutansees gerechtfertigt erscheint, während die erforschten Niveauverhältnisse und die Stromrichtungen, sowie der Zu- sammenhang bereits anderweitig erforschter Gewässer (Uelle) ihr Veto gegen dieselbe einzulegen scheinen.

Unsere eigenen Niamniam, welche die Gegend aus" ihrer Erinnerung nur wenig kannten, und eigentliche Führer stan- den uns nicht mehr zu Gebote, veranlassten uns nach einiger Zeit, die angestrebte Richtung zu verlassen. Wir gingen nun entgegengesetzt ein paar Stunden nutzlos gegen Westen und Norden, indem wir dem östlichen Rande einer prachtvollen Galerie folgten, wo silberschimmernde Colobi-Affen in er- staunlicher Menge ihr Wesen trieben. Schliesslich stellte es sich heraus, dass wir in der eingeschlagenen Richtung

*) In einem seiner Briefe nennt Livingstone diesen Fluss einen „lacustrine river", durch diese Bezeichnung seine Natur charakterisirend.

Planloses Marschiren. Grausamkeit gegen Huude. 201

direct auf den Platz gelangen würden, wo wir letzthin Uando angetroffen hatten. Ich ahnte dies sofort, da die Construc- tion unserer bisherigen Route, welche ich im Reisejournal mit mir trug, den heutigen Marsch genau in dieselbe Rich- tung wies. In der That hatten wir uns bereits bis auf drei Meilen Distanz dem Wohnsitze des Niamniamhäuptlings ge- nähert.- Der letztere hatte zwar seine „Mbanga" verlassen, es handelte sich aber für uns, um unbehelligt die Seriba Mohammed's wiederzugewinnen, hauptsächlich darum, dass Uando's Gebiet möglichst weit umgangen werde. Eine ge- raume Strecke wurde daher der Pfad wieder zurück verfolgt

Wir hatten viele Eingeborene, wahrscheinlich nur die Weiber, bei der Bestellung ihrer Felder überrascht, denn der Boden am Rande der Galerie war frisch gegätet worden, um die Bataten auszustecken. Einige Hunde schweiften auf der Ackerfläche planlos umher und wurden von den Mittu, welche in unserer Karavane als Träger dienten, für will- kommene Prise erklärt und unbarmherzig mit den Lanzen aufgespiesst. P]s gewährte wirklich einen herzzerreissenden Anblick, die armen Thierchen, aufgespiesst wie Käfer in einer Insektensammlung, an der Lanze zappeln zu sehen, denn meines Erachtens beansprucht in diesem Lande der Hund seiner häuslichen Tugenden wegen weit mehr Mitgefühl als der Mensch. Ist man doch selbst bei uns zu Hause mitunter nicht abgeneigt, sich ähnlichem Gefühle hinzugeben. Man vergegenwärtige sich z. B. folgendes Bild:

Eine Gruppe von Auswanderern durchzieht die Strassen der Hauptstadt; es ist Sonntag und die festlich geputzten Bewohner erscheinen im grellen Contrast zum zerlumpten Aussehen der Heimatslosen. Was erhöht den Ausdruck des Rührenden an diesem Bilde? Nicht das menschliche Elend, aus dessen Schmuze die Laster hervorschauen, es ist der Hund, der treue Begleiter, der an der Seite des Familien- vaters einherzieht, um mit ihm Freud und Leid und selbst voll Selbstverleugnung das harte Los der Armuth zu theilen.

202 Siebzehntes Kapitel.

Wir waren wieder in die rein östliche Wegrichtung ge- kommen, welche uns über den Diagbe, den Bach, an welchem Uando's Wohnsitz gelegen war, führte, dann marschirten wir drei volle Stunden lang 'über eine unbewohnte Steppen- flache und lagerten am linken Ufer einer grossartigen Ga- lerienwaldung, wo die Vegetation eine derartige Ueppigkeit und Fülle an den Tag legte, dass ich mich, alle Ermüdung vergessend, bis zum völligen Einbruch der Nacht der bota- nischen Ausbeute hingab. Auch an- Wild fehlte es nicht, und für das Nachtmahl standen verschiedene Antilopenbraten zu unserer Verfügung.

Es war ein regnerischer und düsterer Morgen, als wir in der Frühe des folgenden Tages in die trfefenden Dickichte eindrangen, um den Bach zu überschreiten. Durchnässt bis auf die Haut, hatten wir hier die nie enden wollende Cala- mität des Calamus (dies ist der Gattungsname für den Ro- tang) zu bestehen, mit seinen unzähligen Hechtangeln, die sich in Haut und Kleidung verfangen, ohne dass man sie wahrnimmt, denn sie sind an feinen und sehr langen Ruthen befestigt, welche nur zu dem Zwecke über das kleine Busch- werk nach allen Richtungen ausgeworfen erscheinen, um den Wanderer zu angeln. Nach überstandener Passage mar- schirten wir nordwärts, überschritten noch zwei ähnliche Bäche und gelangten dann an die Ufer des Mbrüole, in einer mit Culturen und vielen Wohnplätzen bedeckten Gegend.

Die stundenweit als Vortrab vor unserm Zuge umher- schwärmenden Farüchs hatten bereits den halben District abgesucht und auch in der That neue Beute gewonnen; ein junges Frauenzimmer war in ihre Hände gefallen, welche, überrascht wie die übrigen Bewohner, ihr Heil auf der Flucht in die Uferdickichte suchte wollte, wo sie, regelrecht wie ein Wild umstellt, nach kurzer Jagd in Gefangenschaft gerietb. Diese Dame erschien in einem für ihr Geschlecht höchst phantastischen Putze von aneinandergereihten Zähnen und in prachtvollem Fellschurze; sie musste also unter ihren Be-

Der Mbrüole oder Bachr-el-Uando. 203

wunderem und Courmachern einen grossen Nimrod gehabt haben, denn wie wäre sie sonst in den Besitz so vieler Jagd« trophäen gelangt. Erwachsene Männer werden bei solchen GelegenKeiten nicht aufgegriffen, denn erstlich wehren sie sich in der Regel bis aufs Blut, w:eil sie gewohnt sind, Ge- fangennahme und Tod miteinander zu identificiren, zweitens sind sie im günstigsten Falle als Sklaven nicht zu verwerthen. Auf solchen Handelszügen kommt es selbstverständlich nie- mand in den Sinn, die Scheba, d. h. das Joch, in Anwen- dung zu bringen, um die starken Männer zu bändigen und willenlos mit sich fortzutreiben, das wäre viel zu schwere Arbeit und viel zu viel Mühe, sie beaufsichtigen und führen zu wollen, wo es allein schon gilt, alle Kraft und Ausdauer auf das Gepäck und die Vertheidigung zu concentriren.

Der Mbruole, welcher circa 10 Meilen unterhalb durch Aufnahme einer Menge von Bächen, die ihm von Süden aus zuströmen, zu den Dimensionen eines beträchtlichen Flusses anwächst, war an dieser Stelle nur ein Galerienbach von gewöhnlichem Aussehen, den niemand für den haupt- sächlichen Oberlauf des Flusses gehalten hätte, wäre ihm der Name unbekannt geblieben, denn die Niamniam wissen in dieser Hinsicht wohl zu unterscheiden und beobachten in der Nomenclatur ihrer Gewässer stets eine grosse Genauig- keit. Der Mbniole oder, wie ihn die Chartumer nennen, der Bachr-el-Uando, glich hier einem Graben, welcher, aller- dings von verschiedenen kleinern Wasseradern umgeben, nur in wenigen Fuss Breite genau nach Westen strömte. Die ganze Depression, welche mit hoher Waldung bestanden war, nahm allerdings eine Breite von 1500 Schritten ein.

Berücksichtigte man das unbändige Gebaren, welches gefangene Niamniammänner, stets die Gefahr des Gefressen- werdens vor Augen, zur Schau trugen, so musste das ruhige und gelassene Benehmen der eingefangenen Frau, die uns jede gewünschte Auskunft über die Topographie der Gegend gewährte, sehr auffallen, denn sie verrieth keine Spur von

204 Siebzehntes Kapitel.

Angst. Hieraus möchte ich den Schluss ziehen, dass die Niamniam, wenn sie sich im Kriege anderer Weiber bemäch- tigen, den Vortheil, welcher ihnen aus dem Besitze einer Sklavin erwächst, in der Regel wol der Befriedigung ihrer wilden Fleischgier zu opfern wissen.

Wir überschritten, die erwähnte Frau als Führer, den Mbruole und nahmen von den Hütten am jenseitigen* Ufer Besitz, sodass wir es uns bereits gegen Mittag in einem wohlbestellten Lager bequem machen konnten. Eines nächt- lichen Ueberfalls gewärtig, zu welchem die Nähe der W^aldes- dickichte besonders aufzufordern schien, zog ich es vor, mein Zelt inmitten der Hütten zu errichten und in demselben über Nacht eine brennende Lampe zu unterhalten. Diese An- ordnung hatte nun freilich zur Folge, dass mein transparen- tes Zelt in der Finsterniss wie ein grosses Lampion erschien und die Zielscheibe der aus dem Walde geworfenen Geschosse wurde, denn am folgenden Morgen fanden wir diverse Pfeile in der Spitze des Zeltdachs stecken, die ich als Andenken an unser Nachtlager am Mbruole aufbewahrt habe. Es war nämlich während der Nacht längs der ganzen Kette unserer Vorposten von den Eingeborenen geplänkelt worden, was ein fortwährendes Schiessen von unserer Seite nach sich zog. Obgleich ich allein im Zelte zu schlafen pflegte, so war ich durch Gewöhnungen derartiger Vorkommnisse doch bereits hinlänglich abgestumpft, um mich in meiner Nachtruhe nicht im geringsten stören zu lassen. Bis die Feinde zu mir ins Innere des Lagers vorgedrungen wären, hätten sie zuvor alle um ihre Feuer hockenden Gruppen von Trägern und dann noch die Lagerstätten der abgelösten Soldaten, sowie die meiner eigenen Leute alarmiren müssen.

Um wieder auf den richtigen Weg zu kommen, mussten wir über den Mbruole zurückgehen und am linken Ufer des- selben zwei Stunden westwärts den Marsch fortsetzen, dann wurde der Fluss überschritten und in der Richtung nach Norden auf ansteigendem Terrain und über Cultorflächen

Ueberschreitunji: des Lindukü. 205

gezogen, bis wir zu ausgedehnten Felsplatten von Gneis ge- langten. Das hier anstehende Gestein war das erste Vor- kommen der Art im ganzen Verlaufe unsers bisherigen Rück- marsches; an dieser Stelle, jenseit des Mbruole, mussten aber die Gueisplatten eine um so grössere Bedeutung gewinnen, da sie, weil im Osten des coupirten Terrains zwischen Mbrüole und Lindukü gelegen, welches letztere wir auf dem Hin- marscbe kennen gelernt, zu der Erhebungslinie zu gehören schienen, welche die Wasserscheide des Nilgebiets durch- schneidet. Hinter dieser interessanten Localität überschritten wir in wahrnehmbarer Senkung nach Norden die in dieser Richtung abfliessenden Wiesenwasser, welche sämmtlich dem Lindukü Zufluss gewährten, um ans andere Ufer zu ge- langen, leitete uns kein anderer Pfad, sondern planlos stürzten sich die Haufen des Zuges in das hohe Gras und in die Staudenhorste der Phrj^nien, welche als halbschwimraende Decke über die Tiefen des Sumpfes ausgebreitet waren. Durch Uebung wird der Reisende nach und nach in den Stand gesetzt, bei der Passage solcher Sümpfe ein tiefes Einsinken des Körpers zu vermeiden; man muss nämlich die Füsse langsam vorwärts schieben, ohne sie zu heben, dadurch streckt man die Stauden vor sich nieder, sodass man auf ganze Bündel derselben tritt, die den Körper zu tragen vermögen. An dem letzten Wiesenwasser im Gebiete der Gneis- platten lagerten wir bei den verlassenen Weilern der Niam- niam, welche in dieser Richtung die nächsten Grenznachbarn von den Territorien Mohammed's waren. Unerwartet, wie wir kamen, war auch hier eine allgemeine Treibjagd auf die Überfallenen Insassen vorangegangen, bevor wir mit dem Gros der Karavane anlangten. Obschon infolge der stattgehabten Feindseligkeiten das ganze Land alarmirt war, so gestattete die Beschaffenheit des Terrains und die weiten Wildnisse, welche die Culturdistricte voneinander trennten, dennoch keine vorherige Kenntniss unserer Bewegungen; an keinem Platze waren die Eingeborenen daher vor einem Ueberfalle durch

206 Siebzehntes Kapitel.

uns sicher, da wir jede Stunde die einmal eingeschlagene Richtung ändern konnten und daher die von Spionen er- langte Kunde nichts nützte, man mochte ihrer ausstellen so- viel als man wollte.

Eine zehnstündige Strecke fast ununterbrochener Grenz- waldung trennte uns noch von der sichern und gastlichen Seriba Mohammed Abd-es-Ssammat's ; es wurde nun der nächste Weg dahin eingeschlagen, und in nördlicher Richtung gelangten wir noch früh am Tage zum Lindukü, der bereits bei Schilderung der Hinreise besprochene Nebenfluss des Jubbo, welcher als letztes dem Nilsystem tributäres Gewässer von allen übrigen Flüssen in dieser Gegend durch, seine verkehrte, ostwärts gekehrte Stromrichtung ausgezeichnet ist. An dieser Stelle fanden wir ihn bedeutend angewachsen durch die Aufnahme der vielen Wiesenwasser auf der Wasser- scheide. In einem grabenartigen, 30 Fuss breiten Erdein- schnitte schlängelte er sich zwischen 20 Fuss hohen Wänden durch die flache Steppenniederung, welche nun bald ihr Ende erreichte .und wieder bewaldeten Gegenden Platz machte. Die für die Flora des südlichen Niamniamlandes so charak- teristische Bildung von Uferwaldungen mit westafrikanischen Vegetationstypen erleidet in dieser Gegend eine Unterbrechung. Wir hatten bereits mit den Gneishügeln die Grenze des dichten Buschwaldes betreten, welcher dem gesammten Ter- ritorium Mohammed's in einer Ausdehnung von ungefähr 500 Quadratmeilen eigen ist. Während da, wo Galerien- bildung alle Waldung an die Ufer der Gewässer bannt, die zwischen den Flüssen liegenden Parcellen sich zu einförmigen Grasflächen ohne Gebüsch und Bäume umgestalteten, bleiben hier im Gebiet des zusammenhängenden Waldes alle Wasser- züge, Bäche dnd Flüsse von ofi'enen Niederungen umgeben, wie im Bongolande, und zeigen keinen Uferwald. An die Stelle der mehr periodischen und unbestimmten Wasserzüge, welche im Bongolande jede Terrainfalte benutzen, die sich infolge dessen mit einer den Buschwald beständig unter-

Grenze des Buscliwaldes. 207

brechenden Sumpfwiese bedeckt, nimmt derselbe hier, wo das hydrographische System entwickelter ist und sich auf geregeltem Bahnen zu bewegen scheint, einen mehr continuir- lichen Charakter an. Die den Wasserzügen folgenden Streifen von Steppe und offenem Graswuchs durchziehen das wald- reiche Land wie grüne Flüsse.

Schwimmend gelaugte ich über das schmale, aber wasser- volle Flüsschen, während die Träger unser Gepäck auf Baum- stämmen hinüberschafften, welche von Ufer zu Ufer geworfen waren. In Nordost ging es weiter über zwei Wiesenwasser, bis wir den Jubbo erreicht hatten, dessen Wasser jetzt bei 50 Fuss Breite so angeschwollen war, dass es nicht mehr durchwatet werden konnte. Da keine Baumstämme von aus- reichender Länge aufzutreiben waren, mussten in der Eile Grasflösse construirt werden. Wir hatten jetzt den alten Weg wieder erreicht und kamen nach halbstündigem Marsche an den Use, der auch in dieser Jahreszeit durch eine so geringe Stromgeschwindigkeit ausgezeichnet war, dass sie vermittels des au einem schwachen Faden ausgeworfenen Flaschenkürbises kaum mehr gemessen zu werden vermochte. Das Wasser war 5 Fuss tief und 25 Fuss breit.

Die schon auf der Hinreise an diesem Gewässer beob- achtete Büffelheerde schien sich während der zwei Monate ^ unserer Abwesenheit nicht von der Stelle bewegt zu haben, und eine noch vor Sonnenuntergang auf sie eröffnete Jagd "war von so schnellem Erfolge begleitet, dass bei Einbruch der Nacht drei gewaltige Exemplare in unsere seit langem nicht mehr gefüllten Kochtöpfe wanderten.

In der Frühe des 1. Mai stiesseu einige Niaraniam zu uns, die unter Mohammed's Botmässigkeit standen und in dieser Gegend die Grenzwacht gegen das feindliche Gebiet besorgten. Auf ihren Streifzügen durch die Grenzwildnisse waren sie durch die Schüsse des vorigen Abends herangelockt worden. Die letzte Strecke bis zur Seriba war bald über- wunden, indem wir die reizende Parkwaldung durchschritten.

208 Siebzehntes Kapitel.

durch welche sich die beiden Wiesengewässer Jabo und Jabongo auf unterirdischem Wege unter ihrer frisch grünenden

' Decke bewegen. In dieser Breite (4° 5' nördl. Br.) hatten die stattgehabten Regen noch keinen sichtbaren Einfluss auf. die Gewässer von geringer Längenentwickelung aufzuweisen gehabt' und nur die durch zahlreiche neu hervortretende Gewächse bereicherte Flora gab die vorgeschrittene Jahres- zeit zu erkennen.

Der allgemeine Sammelplatz war an der Stelle unsers ersten Nachtlagers nach dem Aufbruche von der Seriba, zwei Stunden im Westen derselben. Hier wollte Mohammed eine neue Seriba gründen, da die alten Baulichkeiten schad- haft geworden waren und diese Lage den Zwecken seiner Vertheidigung gegen die Feinde im Westen und Süden besser entsprach. Ausser Üaudo hatte er nämlich auf dieser Seite noch einen andern Feind zu bekämpfen, den Bruder desselben ^ Mbiö genannt, welcher als selbständiger Häuptling die Gegen am untern Laufe des Jubbo, vor seiner Vereinigung mit de Ssueh, beherrschte. Ihr combinirter Angriff brachte sein Besitzungen in nicht geringe Gefahr. Dieser vorzubeugeiK sollte zunächst ein Kriegszug gegen Mbiö unternommen werden, um bei weiterm Vorgehen gegen Uando den Ruckes

, frei zu haben. Bis zur Beendigung dieser Unternehmun hatte ich mit den invalid gewordenen Soldaten und de w^enigen Getreuen meines Haushalts den Platz am Nabaurm bisso zu halten.

ACHTZEHNTES KAPITEL.

S;-

iDRamo TaiBfe und Ilungerlcidcrei. Wohlthaton eines Termitenhügels, ueale Genüsse und materielle Noth. Versuoliuno: zum Epikurismus. usflufr nach Ost<?n. Ein Papyrussumpf. Ekelliafte Speisen der »amniam. Merdjän's Seriba. Jagd l)etreil)ende Hyänen. Verirrung M'alde. Gute Aufnahme in Tuhämi's Seriba. Die Landschaft ^idu. Giabir's Verheirathung. Entdeckung der Djurquelle. Der ^ Baginse. Anklänge an die abyssinische Hochgebirgsflora. Cyanit- -*®- Mohammed's Kriegszug gegen Mbiö. Drei Bongo von Niam- ^ aufgefressen. Geschichte der Schädel Nr. 36, 37 und 38. Gleich- ^^&keit der Nubier gegen den Kannibalismus der Niamniam. Haar- •Übende Scene von Kannibalismus. Veränderter modus vivendi. ***^eidigung- meines Betts gegen Ameisen. Eigenthümliches Ver- '^H zur UeberschreituDg des SsuOh. Eine Hiobspost aus dem Niam- blande. Grosses Jagdglück. Sährwcrth des Fleischextracts. An- ^ der Langvermissten. Erzählung der Kriegsabenteuer. Itinerar *tikkete zu Kanna's Residenz. Ankauf eines Hundes und sein ***clie8 Schicksal. Nganjc's geringer Einfluss auf seine Untergebenen. Construction einer Hängebrücke über den Tondjfluss.

Xni dichten Busch walde am Nabambisso erholten wir bei gemächlichem Lagerleben von den Strapazen der ^tandenen Wanderung. Geräumige Grashütten waren '^clitet worden, welche bis zum vollendeten Neubau der ^ba zum Schutz gegen Wind und Wetter dienen sollten. ^ Platz, auf welchem wir, umwogt von grosslaubiger Setationsfülle, in unsern versteckten Grasnestern dasassen, ^^o, ungeachtet des lebhaften Menschengetümmels um mich

210 Achtzehntes Kapitel.

her, etwas unbeschreiblich Zutrauliches und Wohnliches, die Euft war milde und athmete den würzigen Hauch der Blätter, wie nach erquickendem Gewitterregen, ein beständiges Gleich- mass der Temperatur entzückte Herz und Gemüth. Noch vor drei Jahren war es bebautes Land gewesen, aber schnell hatte die Natur die letzten Spuren des Menschen verwischt, und mit verdoppelter Kraft\ waren all die unzähligen Wurzel- sprossen der Bäume und Sträucher, welche der Ackerbau nur fl.üchtig gerodet, von neuem emporgeschossen, mit riesig vergrössertem Laubschmuck die unverwüstliche Regenera- tionskraft der Wildniss verrathend. Der Mensch vermag nur wenig in der grossartigen Beständigkeit der Natur.

In dieser reizenden Umgebung verbrachte ich die ersten Tage des Mai, welcher auch in diesen Breiten ein Wonne- monat genannt werden konnte, denn der Wiederbeginn der Regen hatte allseitig neues Leben und frische Kraft ver- breitet. Nach Herzenslust schlenderte ich vom Morgen bis zum Abend durch die Gebüsche und bereicherte meine Samm- lungen, während Mohammed mit dem Bau seines Pfahlwerks beschäftigt war, zu welchem Hunderte von Eingeborenen die Baumstämme aus der Umgegend zusammenschleppen mussten. Diese wurden dicht nebeneinander in einem tiefen Graben aufgestellt, alsdann ward derselbe gefüllt, und die Seriba war -fertig, ein Palissadenquarre von 100 Schritt im Geviert Die Arbeit wurde so rasch gefördert, dass am fünften Tage bereits das neue Etablissement von den invaliden Soldaten, welche den Platz halten sollten, bezogen werden konnte. Die alte Seriba war inzwischen von den Soldaten geräumt wor- den, und als nun Mohammed mit seiner gesammten mobilen Waffenmacht aufbrach, um den beabsichtigten Kriegszug gegen Uando und Mbiö anzutreten, zog ich es vor, an diesem verlassenen und ruhigen Platze mein Standquartier aufien- schlagen.

Eine lange Zeit der beschaulichen Müsse stand mir hier bevor, auf ein kleines Stückchen Erde beschränkt und mit

Tage der Entbehrunfr. 211

1er ungemüthlichen Aussicht auf eine streng dosirte Diät, lenn die Voiräthe waren erschöpft. Vor zwanzig Tagen lurfte ich auf die Rückkehr Mohammed's nicht rechnen, und la die zurückgelassenen Lebensmittel selbst für die geringe iahl meiner Bedeckung äusserst knapp bemessen waren, so nusste eine genaue Eintheilung in tägliche Rationen vorge- lommen werden, bis ein nächster Succurs zu erwarten stand, yie Rinder waren längst geschlachtet worden, Ziegen nir- gends aufzutreiben, die zu erwartenden Ergebnisse der Jagd gleich Null. Die einzige Fleischkost, auf welche ich ange- lesen blieb, bestand in Hühnern der winzig kleinen Niam- liamrasse. Mohammed's Fürsorge hatte mir, es blieb mir inerklärlich woher, 20 Stück von diesem Geflügel verschafft, luf dass es nun auch für die zwanzig Tage reichte, war neine nächste Sorge, den kostbaren Besitz gegen nächtliche ßäuber zu schützen, zu welchem Zweck ein Käfig construirt »rerden musste. Von unserm geringen Kornvorrath, der aus- schliesslich in Eleusine bestand, ging noch ein empfindlicher rheil an die Hühnchen ab; um jedes Körnchen mussten wir geizen. Meine täglichen Rationen bestanden demnach in 3inem Huhn von der Grösse des Rebhuhns und einem ein- sigen Fladen von bitterm hartkleiigen Eleusinebrot. Bei der gesunden Landluft des Niamniamlandes und der erfrischenden Kühle der Regenzeit war dies aber eine mehr als ungenügende Kost; es begann also für mich eine Zeit aufrichtigsten, un- geheuchelten Hungers. Für die Jagd war die Jahreszeit die lUerungünstigste, ausserdem gestatteten es mir die Verhält- nisse, unter welchen ich lebte, keineswegs, mich weit- vom Platze zu entfernen. In unserm verfallenen und nur mit j^enigen Feuerwaffen ausgerüsteten Pfahlwerke waren wir ibrigens der nicht unwahrscheinlichen Gefahr eines feind- ichen Handstreichs ausgesetzt, da hiess es beständig auf ;eiuer Hut sein.

Ich muss gestehen, dass es mir bis auf heute ein Räthsel jeblieben, womit die Bongo, meine Träger, die bei uns zurück-

14*

212 Achtzehntes Kapitel.

gelassen worden waren, während dieser Zeit ihr Leben fristeten. Jedenfalls besassen sie eine grosse Gewandtheit, aus dem Walde sich allerhand Essbares zu verschaffen. An- geregt durch ein solches Beispiel von naturwüchsigem Er- nährungstrieb, griff auch ich zu manchem Mittel, welches mir die Wildnisse darboten, um meine magern Küchenvorräthe zu completiren. Auf dem Freiplatze der alten Seriba erhob sich in der Mitte ein grosser, alter Termitenbau, dieser wurde in jeder Nacht, welche auf einen starken Regen folgte, zu einer unerschöpflichen Fundgrube für unsere allgemeine Küche, denn alsdann begann sich der rothe Erdenkloss förm- lich zu beleben und wimmelte von Myriaden ausgeschlüpfter Termiten, welche man scheffelweise mit geringer Mühe auf- lesen konnte. Diese gehörten der fettleibigen geflügelten Klasse an, welche aus den „geschlechtlichen Männchen" ge- bildet wird. Sobald sie hervorgekommen, sammeln sie sich nach kurzem Schwärmen in dichten Haufen um den Fuss des Baues, im wirren Gedränge der Leiber brechen sie sich daselbst die Flügel ab, welche nur ein wenig nach vorn ge- richtet zu werden brauchen, um sofort abzugliedern und den schweren, unbeholfenen Leib auf der Erde zurückzulassen. Der Instinct dieser Thiere treibt sie selbst zu dieser Ver- stümmelung an, denn man konnte beobachten, wie sie sich mit Hülfe des vordem Fusspaares die Flügel nach vom schoben, worauf diese sofort abfielen. Vermittels brennender Strohbündel bringt man die eben hervorgeschlüpften, welche noch in der Luft nahe am Bau umherschwärmen, leicht zum Fall,- es regnet alsdann förmlich Termiten, sodass grosse Körbe in kurzer Frist gefüllt werden können. Diese Thierchen gaben theils geröstet auf der Pfanne, theils zu Oel gesotten eine ungemein erwünschte Aushülfe ab bei dem gänzlichen Mangel an Fetten jeder Art. Ich habe sie nicht selten mit rohem Korn gemischt und handvollweise „more avium" zu Munde geführt, als wären es Mandeln. Jeder Regentag hatte solchergestalt ein nächtliches Fest im Gefolge, und alle seg-

Freigebigkeit eines Termitenhügels. 213

neten die unerschöpfliche Freigiebigkeit unsers Termiten- hügels.

Zum Glück besass ich noch einen Vorrath von Fleisch- extract, den mir die Ziegen der Monbuttu geliefert hatten und mit dessen Hülfe ich bei ausreichender Mehl- und Ge- müsekost wol hätte bestehen können ; allein es gab keinerlei Gemüse im Lande; die letzten Knollen waren verzehrt und die Zeit der Kürbise war noch fern. Die Blätter von Kür- bisen als Gemüse verkocht zu geniessen, wie die Eingebore- nen, dagegen empörte sich mein ganzes Innere. Ich suchte mir daher die allverbreitete Melochia der Araber, eine Art Corcliorus, zu verschaffen, welche sich sowol in wildem als auch in cultivirtem Zustande im gesammten Nilgebiete vor- findet. Von diesem Kraute, wie Spinat verkocht, hatte Sir Samuel Baker, wie er selbst angibt, wochenlang und aus- schliesslich gelebt und dazu seinen Thymianthee getrunken, als er vom See zurückkehrend sich in der Wildniss ver- rätherischerweise seinem Schicksal überlassen fand. Zur Zeit meines Aufenthalts am Nabarabisso aber begann die Melochia eben erst in den Wäldern zu sprossen, und mehr als einen Teller voll täglich hatte ich nie zur Verfügung.

Mit Genüssen um so idealerer Natur, als die Trostlosig- keit der realen Wirklichkeit sich immer unerträglicher ge- staltete, entschädigte mich indess der nahe Wald für die Entbehrungen des Leibes, dahin zog es mich um so gewal- tiger, ja in gewissen Momenten bin ich geradezu nur des- halb in die Dickichte geeilt, weil der grossartige Eindruck, den die Vegetationsfülle daselbst gewährte, die Stimme mei- nes Magens zu beschwichtigen vermochte. Ein Botaniker unterliegt schwerlich irgendwo in der Welt der Langeweile, sein Gißist findet Anregung überall, so weit als nur Keime des Lebens verbreitet erscheinen, am wenigsten daher in- mitten eines so reichen Füllhorns der Natur, wie es sich mir am Nabambisso eröffnete.

Ich hatte wenige Bücher bei mir, und diese wenigen

214 Achtzehntes Kapitel.

hatte ich immer wieder und wieder gelesen. Trostreich war mir die Lektüre von Speke's „Journal" und von Baker's Widerwärtigkeiten, sie versetzten mich im Geiste in eine Situation, welche der meinigen völlig entsprach, ich blickte um mich, und da war sie. In meinen einsamen Stunden haschte ich verzweiflungsvoll nach allem Gedruckten, was unter meinen Sachen sich nur irgendwo vorfand. Der grosse Vorrath von grauem Löschpapier, das mir zum Trocknen der Pflanzen diente, war zwar stumm wie das Grab, aber die einzelnen Hefte, zu welchen die Papiere zusammengenäht worden, um im Winde leichter getrocknet werden zu können, hatten auf ihrem Rücken immer einen Streifen bedruckten Papiers, welcher der Naht melir Halt ertheilen sollten. Diese bestanden aus ebenso vielen Spalten der „Times" (bekannt- lich dem besten Papier der Welt) ; die wurden nun abgetrennt und mit gierigen Blicken verschlungen. Auf der einen Seite langathmige Exposes über die brennenden Tagesfragen der grossen Welt und die endlosen Zuschriften an den Redacteur, auf der andern in kurzer, gebundener Form die verlockend- sten Anträge zum Einkaufe der schönsten Dinge. Und ich sass in Centralafrika und litt Tantalusqualen: Hier die hoch- gepriesenen Genüsse desKrystallpalasts, glänzende, rauschende Feste, vielversprechende mit Madame Tiedjen an der Spitze, dort der neue „Mountain port", das ganze Dutzend für 20 Schillinge und ohne den üblichen Zusatz von 5 Procent Alkohol; so schön verpackt in Kistchen zu je 12 Flaschen und wie dazu geschaffen, um von meinen Bongoträgem in die Wildnisse Afrikas getragen zu werden! Da überkam mich immer die volle Gewalt epikurischer Doctrinen, ich ge- dachte des spanischen Sprichworts: „Es ist kein Misgeschick schlimm bei vollem Magen", und wünschte mir die satten Kriegstage im Lande der A-Banga zurück. Das Gleiche dachten meine hungerigen Leute. Nachts träumte ich, ähn- lich wie Baker, von der einen Flasche Pale Ale und dem einen Beefsteak; dann wollte ich sterben, und als Epitaph

Ausflug nach Osten. 215

winkte mir der Spruch des römischen Kriegers aus der Kaiserzeit: „Was ich gegessen, und was ich getrunken, das ist nun alles, was mir bleibt."

Das nächtliche Gaukelspiel der Phantasie bewegt sich in solcher Lebenslage ausschliesslich auf dem Gebiete des Materiellen, keineswegs erhebt es aus dem Elend des irdi- schen Daseins zu höhern Regionen, man träumt immer und immer wieder nur vom Essen und vom Trinken.

Ich habe das alles buchstäblich so empfunden, als ich in dem grossen halb verfallenen Schuppen, welcher die Ver- sammlungshalle der alten Seriba darstellte, einsam meine Tage verlebte. Meine Abgeschiedenheit hatte bereits nahezu den vorgesteckten Termin der drei Wochen erreicht, und von Mohammed war noch immer nichts zu hören. Der Plan war daher kurz gefasst, auf einem Streifzuge nach Osten der zunehmenden Noth auszuweichen, und die nächste Seriba der Chartumer als das Ziel meiner Wanderung festgesetzt. Vierzig Meilen im Osten von Mohammed's Seriba lag eine Nieder- lassung Tuhämi's, und ein besonders hoher Berg, welcher mir in jener Gegend angegeben wurde, nahm mein beson- deres Interesse in Anspruch. Auf dem Wege dahin lag noch eine kleine Seriba Mohammed's, welche sein Territorium im Niamniamlande nach jener Richtung hin abschloss. Die Gegend war sicher, weil sie nur durch sein eigenes Gebiet führte; zehn Träger genügten daher, um mein Gepäck zu befördern. Alle folgten mir willig in froher Aussicht auf ein, Ende ihrer unerträglichen Hungerleiderei.

Am 21. Mai begannen wir den Marsch und überschritten den Boddobach im Osten der alten Seriba, darauf folgten noch zwei kleine Bäche bis zum Huüh. Dieses Flüsschen schlängelte sich- durch einen Wald von auffällig mannich- faltigen Baumformen, unter welchen die südafrikanische Sparr- mannia mich besonders überraschte. Die Ufer selbst waren von dem dichten Buschwerk einei: neuen Stipularia einge- schlossen, deren gehäufte Blüten, in purpurrothen Düten ver-

216 Achtzehntes Kapitel.

steckt, dieser interessanten Pflanze ein sehr fremdartiges Gepräge crtbeilen. Sie gehört zur Charakteristik der Vege- tation an den Ufern aller Flüsse und Bäche dieses Landes.

Hinter dem Huüh kamen wir zu einer 100 Fuss tiefen Schlucht mit einem reizenden Hain von Sauabäumen, über- schritten noch zwei wasservolle Bäche, welche sämmthch nach Norden abflössen, und fanden schliesslich nach einem Marsche von 12 Meilen gastliche Aufnahme bei den Hütten des Gitta, eines Districtsvorstehers der zum Gebiete meines Freundes gehörigen Niamniam. Nach den Entbehrungen der letzten Zeit waren wir von der guten Bewirthung nicht wenig überrascht, welche uns Gitta bereitete. Er Hess Korn für die Träger herbeischaff'en und setzte uns mehrere Krüge mit Eleusinebier vor, eine Aufmerksamkeit, die allen gerechten Ansprüchen genügen musste. Zum grössten Ergötzen der versammelten Dorfbewohner schoss ich mir von den benach- barten Bäumen eine grosse Menge jener mit weissem Hals- bande versehellen Turteltauben zusammen, welche in Central- afrika in keiner Landschaft und zu keiner Jahres;5eit zu fehlen scheinen, obschon sie einzelne Plätze, wie z. B. bei unserer verfallenen Seriba, wo ich gern eine derartige Aus- hülfe für die Küche benutzt hätte, gänzlich zu meiden pfle- gen, dagegen aber in grossen Schwärmen zusammengeschart, aber immer zerstreut über eine Menge einzelner Bäume und Sträucher, gewisse Stellen ausschliesslich bevorzugen.

Das Terrain differenzirt sich in dieser Gegend wieder durch tiefe Erdspalten und zeigt eine abwechselnd ^zellen- förmige und dann wieder von Ravinen und Defiles durch- furchte Oberfläche. Hinter Gitta bog der Pfad in südöst- licher Richtung ein und kreuzte einen tief eingesenkten Bach, weiterhin folgte eine von vielen Gehöften und Weilern be- lebte Gegend, in welcher wir auf einige Sorghumfelder stiessen, die bereits den Einfluss der östlichen Nachbarvölker auf die Sitten der hiesigen Bewohner verriethen. Dieser District hiess Madikamm, nach einem Bache genannt, welcher der

Die Weiler von Madikaram. 217

zweite hinter Gitta's Weilern war. Da die grosse Mehrzahl der waffenfähigen Mannschaft siich dem Kriegszuge Moham- med's angeschlossen hatte, fanden wir bei den Hütten nur Weiber und Kinder, welche sich sehr scheu vor unsern Schritten zurückzogen und in ihren niedlichen Hütten ver- schlossen. Ueberall waren die Votivpfähle vor denselben mit Thierschädeln raannichfaltiger Art behangen, ein Beweis, dass zu gCAvissen Jahreszeiten auch hier die Jagd einen sehr lohnenden Ertrag einbringen musste. Antilopenarten schie- nen indess im allgemeinen weit geringer vertreten zu sein, als im Lande der Bongo und Mittu. Eine Beobachtung, welche verschiedene Reisende in Südafrika wiederholt haben, drängte sich mir auch in diesem Gebiete auf, dass nämlich überall da, wo viele Elefanten hausen, sich die Zahl der Antilopen auffallend verringert, die grossen Ungethüme machen zu viel Lärm im Walde und beunruhigen die ge- wohnten Zufluchtsstätten dieses scheuen Wildes durch ihre nächtlichen Märsche.

Nachdem wir die Weiler von Madikamm hinter uns ge- lassen, befanden wir uns am Rande einer breiten und wasser- reichen Sumpf niederung, welche in ihrer ganzen Breite von 1000 Schritt von einem einzigen, halbschwimmenden Papyrus- horste eingenommen wurde. Der Papyrus heisst bei den Niamniam „bodumöh", und danach wurde auch dieses Ge- wässer genannt, welches nordwärts ins nahe Gebiet der Babückur seinen langsamen Abzug hatte. Das Vorkommen von Papyrus tief im Binnenlande und in so grossem Ab- stände von den beiden Hauptzuflüssen des obern Nils wurde als das einzige Beispiel verzeichnet, das mir vorgekommen, und prägte dieser Localität einen durchaus neuen Stempel auf. Die Papyrusvegetation charakterisirt im besondern das durch solche Sümpfe geradezu verschanzte Gebiet am Ober- laufe des Ssueh, auf welchem der kleine Volksrest der Ba- bückur seine von allen Seiten hart bedrängte Existenz fristet. Eine Wegstunde von der Stelle, wo wir das Sumpfwasser

218 Achtzehntes Kapitel.

überschritteD, gen Norden, führte bereits an die Grenzen der Babückur.

Vom Bodumoh au8 verfolgte unser Pfad bis zu der Seriba Tuhämi, dem Ziele der Wanderung, anhaltend die Richtung von Ostsüdost. Zunächst gelangten wir am jen- seitigen Ufer zu einigen Weilern, wo wir mit nicht geringem Mistrauen von Seiten der Einwohner empfangen wurden, weil die Soldaten der nächsten chartumer Niederlassungen oder solche, welche auf einem Durchzuge durch Mohammed's Ge- biet begriflfen sind, sich häufig Eigenmächtigkeiten heraus- nehmen und die Bewohner brandschatzen. Hinter den letzten Hütten betraten wir offene Steppen mit imposantem Gras- wuchs, welcher verschiedene Stauden in sich schloss, die mir gänzlich neu waren und meine Aufmerksamkeit beständig fesselten. Viele standen in vollem Blütenschmuck ; mit einem prachtvollen Bouquet in der Hand zog ich daher des Weges einher, die Bewahrheitung meines Namens „Mbarikpäh" (d. h. Blattfresser) auch in diese Gegenden tragend. Ein unfreiwilliges Bad in dem nächsten Wiesenwasser verzögerte unsern Marsch. Ich muss nämlich erwähnen, dass nicht jede Passage von Sümpfen sich so leicht mit geduldigem Durch- waten bewerkstelligen Hess, wie ich es wiederholt beschrie- ben, besonders da, wo ich im kleinen Zuge reiste, und vor allem, so oft ich als der Erste an der Spitze desselben den Versuch des Uebergangs allein wagte, ereignete sich manch- mal ein kleines Misgeschick. So war es an der besagten Stelle; ich versank unversehens vollständig in eine durch Surapfgras verdeckte Lache und musste, über und über be- sudelt, erst von meinen Leuten wieder herausgetischt werden. Das Reinigen und Putzen der Geräthschaften an meinem Leibe, das Wechseln der Kleidungsstücke und dergleichen nahm in solchem Falle allein schon eine volle Stunde in Anspruch.

Zähneklappernd und bis in mein Innerstes von frostigem Schauer durchrieselt, denn es war ein bewölkter und windiger

Passage von Sumpf und Fluss. 219

Tag, obgleich die Temperatur immer noch auf der Höhe der deutschen Julitage stand, setzte ich meinen Marsch durch die Steppe fort, welche nach keiner Richtung hin die geringste Aussicht gestattete; man sah eben nur die Graswände zu beiden Seiten des Wegs, und hin und wieder die gross-

blätterigen Stauden, welche mit ihren blauen und rothen Bliitentrauben aus dem wogenden Grün hervorstachen; dann unterbrach ein tiefer, 15 Fuss breiter Bach, Kischi genannt, den Pfad. Wie es üblich war, wurden wegen allzu grosser Tiefe die Zweige einiger Ufergebüsche hinübergebogen, bis sie eine schwankende Brücke bildeten, auf welcher man, sorgfältig balancirend, die Passage vollzog. Der Kischi strömt in schnellem Laufe durch die tischebene Steppe nach Norden in das Babückurland und trägt nach Aufnahme des Bodumoh- gewässers wesentlich zum schnellen Anwachsen des Ssueh bei, welcher in jener Gegend bereits ein ansehnlicher Fluss ist. Hinter dem Kischi beliielt die Steppe immer den gleichen Charakter. An einem kleinen Rinnsal mit klarem Quell- wasser, Namens Nambia, welches zwischen nackten Gneis- platten hinrieselte, wurde kurze Rast gemacht, um dem ver- lockenden Rufe der Perlhühner zu folgen. Ich hatte seit Monaten keine mehr zu Gesicht bekommen, jetzt konnte ich täglich auf einen guten Braten rechnen, denn die ganze Gegend war überreich an solchem Geflügel. Ueberraschend war hier auch der Fund einer Aloe mit grünlichen Blüten, welche sich überall zwischen dem Grase der Steppe bemerk- lich machte, ohne dasselbe zu überragen. Am Nambia wurden wir durch die Ankunft des Districtschefs Merdjfin überrascht, welcher, von meinem Kommen unterrichtet, mir mit mehrern Eingeborenen entgegengegangen war, um mich zu begrüssen. Merdjän war einer aus der schwarzen Leibgarde Mohammed's, dem das Commando an der östlichen Grenze seines Gebiets übergeben war, wo er, nur über drei Gewehre verfügend, eine kleine Seriba besetzt hielt, welche, von schönen Mais- feldern umgeben, am Rande einer wasserreichen Bachniederung

220 Achtzehntes Kapitel.

gelegen war. Bis dahin hatten wir noch eine gute Wegstunde zurückzulegen, welche auf beständig absteigendem Terrain wiederholt durch Ackerland führte. Ein schöner Fernblick eröffnete sich uns bald auf das gesenkte Land, und am süd- östlichen Horizont ^vurde der Baginse, eine imposante Fels- masse, sichtbar, nördlich davor lag ein spitzer Hügel, Damvo genannt, beide 9 10 Meilen von hier entfernt. Auf dieser letzten Strecke des achtstündigen Tagemarsches &nd ich einen der im Gebiete so zerstreuten Standorte des Ence- phalartus, welchen die Niamniam Mwuepiah nennen.

In der kleinen Seriba Merdjän's fanden wir eine ziem- lich gute Verpflegung, die Hütten waren reinlich und zierlich errichtet und gewährten mir wieder einmal genauere Einsicht in die häuslichen Einrichtungen der Niamniam. Die frischen Maiskolben waren für mich eine lang entbehrte Delicatesse, und an Korn für meine Leute fehlte es auch nicht. Nur zwei Dinge \varen nicht aufzutreiben: Salz und jede Art Fett oder Oel. Dasjenige, dessen wir habhaft werden konnten, stand gar zu sehr im Verdacht, mit Menschenfett vermischt zu sein, um nur irgendwelche Berücksichtigung zu verdienen. Ilichän, der Koch, welcher seine Kenntnisse nicht mehr zu verwerthen w^usste, schien mit seiner Geschicklichkeit auch sein Gedächtniss zurückgelassen zu haben, denn er hatte für die unternommene Tour das unerlässliche Salz vergessen ; der Vorrath von Butter war absichtlich nicht mitgenommen worden, um ihn für die Rückreise nach Norden aufzusparen. Die Speisen der Eingeborenen, welche meinen Negern hin und wieder angeboten wurden, erregten oft Ekel und Ab- scheu. Unter den Leuten, welche zur Seriba geeilt waren, um ihre Neugierde an mir zu befriedigen, befand sich ein fetter, wohlbeleibter Alter, der hatte nach Landesbrauch eine Tasche an seiner Seite hängen, welche den Mundvorrath enthielt, ohne welchen kein Niamniam sich eine Stunde vom Hause entfernt. Allagäbo, mein kleiner Bongo, der neugierig hineinschaute, erhielt dafür Schläge, denn die Tasche enthielt

Leckerbissen der Niamiüam. 221

einen grossen Leckerbissen und war mit einem gebackenen Hunde gefüllt, dessen gebräunte Pfoten verlockend wie die eines Spanferkels hervorschauten. Ein anderes mal bot Giabir, mein Niamniamdolmetsch, welcher hier in heimischen (lenüssen schwelgte, demselben Allagäbo eine Schüssel mit Lugma (Kornbrei) an, in welcher etwas, das wie Geflügel aussah, versteckt schien. Wie er davon zulangen wollte, er- fasste er ein Froschbein, da war sein Ekel gross.

Ich verbrachte einen Tag bei Merdjän, indem ich die Umgegend inspicirte und mit grossem Erfolg der Jagd auf Perlhühner oblag, welche meine ganze Gesellschaft mit Fleisch versorgten. Hier erlegte ich auch zum ersten mal den schwarzen Nashornvogel (Tetmoceras abyssinicus) , den ich bereits in den Seriben des Bongolandes angetroffen hatte, wo er zur Belustigung der Leute sich leicht ans Haus ge- wöhnen lässt und durch sein zutrauliches hahnartiges Umher- Stolziren auf dem Ilühnerhofe viel Kurzweil gewährt. Als ich nach Einbruch der Nacht zur Seriba zurückkehrte, hatte ich Gelegenheit, eine interessante Beobachtung zu machen. Zwei grosse Thiere eilten hi der Finsterniss hart an uns vorüber, sodass wir entsetzt nach allen Seiten auseinander- stoben. Es war eine Hyäne, welche eine grosse Antilope verfolgte, und zwar mit solchem Eifer, dass sie uns jedenfalls unbeachtet liess, denn in weitem Bogen kehrten beide Thiere zurück und jagten zum zweiten mal an uns vorüber. Da ich von Jagd betreibenden Hyänen noch nichts vernommen, bezweifelte ich anfangs die Angaben meiner Begleiter und begab mich in der Frühe an den Platz, um die hinterlassenen Spuren zu untersuchen. In der That verhielt sich die Sache, wie gesagt, und die vielfach verschlungenen Fährten, welche von der Wuth der Verfolgung zeugten, gaben aufs deuthchste eine gefleckte Hyäne und ein Hartebeest zu erkennen. Die gefleckte Hyäne (H. crocuta) gehört in diesen tiefen Binnen- ländern des Continents zu den seltenern Thieren, und es ist in hohem Grade wahrscheinlich, dass ihre Existenz, falls die

222 Achtzehntes Kapitel.

Reste von Löwenmahlzeiten nicht ausreichen, hierzulande allein an die Verfolgung lebendiger Thiere ggknüpft ist; selbst in den viehreichen Gebieten der Dinka tritt das Thier nur vereinzelt auf. Diese weit kräftigere und wildere Art, als es die gestreifte Hyäne der nördlichen Wüsten ist, scheint südlich vom 17. Grad nördl. Br. durch den ganzen Continent von Afrika verbreitet zu sein. Die Färbung und Zeichnung des Fells, wie man an den Schürzen der Niamniam, welche sich häufig damit putzen, ^wahrnehmen kann, ist grossen Veränderungen unterworfen, denn die Flecken sind bald hell und undeutlich, bald gänzlich geschwärzt und von scharfer Begrenzung. Indess sprechen die Niamniam von zwei Arten, welche in ihrem Lande vorkommen sollen, einer grossen und einer kleinen. Vielleicht entspricht die letztere der variegirten Hyäne, welche Kapitän Speke an der Ostküste von Afrika beobachtete und die ein Mittelglied zwischen der gestreiften und gefleckten Art zu bilden scheint.

Merdjän gab mir einige Leute als Führer mit, welche uns zu der benachbarten Seriba Tuhämi geleiten sollten, da der Weg der vielen Gewässer halber, die er zu kreuzen hatte, durchaus nicht leicht zu finden war. Zudem führte derselbe durch eine unbewohnte Gegend, und der Verkehr zwischen den Niamniam auf beiden Seiten war ein so geringer, dass in der Seriba selbst noch vor unserm Aufbruch grosse Unklarheit in Betreflf der einzuschlagenden Richtung herrschte, * was mir im voraus die Unzuverlässigkeit der Führer be- kundete. Die vorliegende Strecke bestand aus so flachem und stellenweise . von so hohem Baumwuchs bestandenen Lande, dazu waren die Pfade so eng und schmal, dass selbst die Berge, welche wir am vorigen Tage von der Höhe im Westen der Seriba erblickt und die nur noch 7 Standen entfernt sein konnten, unsern Blicken entzogen waren. In der That brachte uns die Unkundigkeit der Führer in grosse Verlegenheit und setzte uns der nicht geringen Gefahr ans, auf das hart anstossende feindliche Babückui^ebiet zu ge-

Ünzuverlässigkeit von Führern. 223

rathen, wo wir auf Gnade und Ungnade der woblbercchtigten Rache dieses kannibalischen Stammes preisgegeben gewesen wären.

Hart bei der Seriba Merdjän's floss ein kleiner Bach, Namens Nakehmaka, welchem wir ostwärts bis zu der Stelle folgten, wo er sich mit einem grössern, der Malibode hiess, vereinigte. Den letztgenannten überschritten wir mit Hülfe der dichten Ufergebüsche, indem wir wie Vögel über die schwankenden Zweige kletterten. Alle diese Bäche, welche sich an der Bildung des obern Ssueh betheiligen, verfolgen genau eine Richtung von Süd nach Nord und haben starkes Gefälle. Eine Stunde später folgte der Meiuah, und abermals eine Stunde Wegs in Südost der Hauptfluss Ssueh, welcher an dieser Stelle keine grössere Breite verrieth, als die beiden vorigen, 25 30 Fuss. Alle mussten sie durchschwömmen oder mühselig auf improvisirten Brücken überklettert werden.

In einem grossen geschlossenen Walde von Butterbäumen, den ersten und letzten, welche ich im Laude der Niamniam zu Gesicht bekommen, und wo das Unterholz so dicht und grosslaubig war, dass auf' zehn Schritt jede Aussicht ver- sperrt war, verloren unsere Führer die Richtung, und wir irrten planlos umher. Um unser Misgeschick voll zu machen, bewölkte sich dazu noch der Himmel, und ein schweres Wetter war im Anzüge. Jetzt konnte nicht einmal der Schatten uns zum Führer dienen, und ohne Fernblick im dichten Walde war auch die Magnetnadel nicht viel nütze; ausserdem vermag man hierzulande aufs gerathewohl nirgends durch die Büsche und Dickichte zu dringen, sondern man bleibt allein auf die einmal gebahnten Pfade angewiesen, welche sich vielfach winden und verschlingen. Wir waren sehr froh, als wir endlich inmitten der Wildniss zwei ver- fallene und längst verlassene Hütten ausfindig gemacht ^ hatten, welche uns einen höchst nothdürftigen Schutz gegen die hereinbrechenden Kegenfluten versprachen. Diese Hessen auch nicht lange auf sich warten und zwangen uns, an dem

224 Achtzehntes Kapitel.

wilden Platze über Nacht zu bleiben. Im Innern der Hütten wimmelte es von allerhand ekelhaftem Gewürm und Gethier, im Vergleich zu welchem das widerwärtigste Ungeziefer menschlicher Wohnstätten immer noch an den Charakter friedfertiger Hausthiere erinnern musste. Eine hohe Lage von frischem Laub und Gras schützte einigermassen meine Lagerstätte, obgleich das unaufhörliche Knistern der an der- selben nagenden Termiten ein sonderbares Schlummerlied abgab. In dem alten und spinnenwebigen Strohwerk des Dachs rasselte es von Schlangen und Eidechsen, Mäuse huschten am Boden umher; da hiess es Stille und Ruhe beobachten und sich vertrauensvoll den sichern Fesseln des Schlafs hingeben.

Als nun endlich der Morgen graute, plätscherte draussen noch immer der Regen und peitschte wüthend die dicken Lederblätter der Butterbäume, als gösse es Blei. Nüchtern und fröstelnd sass ich auf meinem Graslager, zur engen Thüröflfnung hinausschauend, wo mir aus dem Dunkel der Dickichte wie unter einer Traufe die breiten Rücken unserer mit emsigem Wurzelgraben beschäftigten Neger entgegen- glänzten. Der Hunger trieb uns schliesslich vorwärts, dem Regen zu trotzen und unser Glück zu versuchen, so gut es eben gehen wollte. Zunächst schritten wir einer Gruppe von Gneishügeln zu, welche in einiger Entfernung pittoresk über den Bäumen hervorguckten. Bevor wir noch nöthig hatten, dieselben zu erklimmen, um von der Höhe auszulugen, ge- riethen wir durch Zufall auf einen wohlbetretenen Weg, welcher uns an den Schöbibach und zu bewohnten Stätten führte.

Unser unerwartetes Erscheinen brachte anfänglich grosse Bestürzung hervor, da die Eingeborenen dieser Gegend noch ' nichts von der Anwesenheit eines weissen Mannes wussten und einen feindlichen Ueberfall befürchteten. Meine Niam- niam beruhigten sie indess bald und verschafften mir Führer. Wir gingen nun ,in östlicher Richtung über cultivirtes Acker-

Gastliche Aufnahme in der Seriha Tuhümi. 225

land, wo mich die Menge der Perlhühner aufs angenehmste beschäftigte, lieber den Mossulungubach schreitend, dessen Ufer von Gneisplatten gebildet wurden, gelangten wir noch sehr zeitig zur Seriba Tuhämi, wo es wieder einmal ein rührendes Wiedersehen von Landsleuten in der Fremde gab, denn meine Diener erkannten unter den dortigen Soldaten manchen alten Freund von Chartum \vieder.

Der Verwalter der Seriba nahm mich mit der üblichen Gastfreundschaft auf und räumte seine beste Hütte, welche von einem hohen Pfahlwerk getragen wurde, mir als Woh- nung ein. Er war bereits im Jahre zuvor von seinem Herrn in Chartum, der niemand anders war als der ei-ste Schreiber des Hokkumdarreh, von meinem Kommen benachrichtigt und ihm Liebenswürdigkeiten jeder Art gegen mich zur Pflicht gemacht worden. Die Seriba, in welcher ich weilte, bildete einen Stützpunkt der Elfenbeinexpeditionen Tuhämi's auf der Linie vom Rohl zu den Monbuttu. An der äussersten Ostgrenze des von Niamniam bewohnten Gebiets gelegen, diente sie als Vorposten gegen das Land der Babückur, welches die Tuhämi'sche Compagnie als Kornkammer be- trachtete, um sich auf dem Durchmarsche nach Süden zu verproviantiren. Der beständigen Razzien müde, welche die Babückur von dieser Seite mehr als von den andern zu er- fahren hatten, überfielen sie wenige Tage nach meiner Ab- reise die Seriba, verbrannten dieselbe und vertrieben ihre Bedrücker vom Platze. Viele Nubier und Niamniam büssten dabei ihr Leben ein und nur wenige entkamen zu der be- nachbarten Seriba im Mundo, welche eine gute Tagereise weiter im Osten zwischen den Bergen Silei gelegen war, die wir in langen Ketten und vielfach vorgeschobenen Terrassen am Horizont wahrnehmen konnten. Alle die Etablissements des Tuhämi gingen später käuflich in die Hände Ghattäs', des Sohnes, über.

Der besuchte Platz lag an einem kleinen Bache, welcher

SCHWBIXrUBTB. II. 15

226 Achtzehntes Kapitel.

Annigih genannt wurde, der über die Niamniam der Umgegend gesetzte Häuptling, früher ein selbständiger Fürst, dem die Tuhämi'schen das Land abgenommen, hiess Indimma, einer der vielen Söhne des Renschi und nicht zu verwechseln mit dem mächtigen Könige gleichen Namens, welcher ein Sohn Kifa's ist. Indimma kam selbst zur Seriba, mich zu bewill- kommnen, und theilte mir manche interessante Details über die Gegend mit.

Zwei Meilen im Osten der Seriba befand sich ein kleiner Gneishügel, welchen ich besuchte, um mir von diesem er- höhten Standpunkte aus die interessante Gebirgsgegend im Umkreise des Platzes erklären zu lassen und die Lage der zahlreichen Berge durch wiederholte Peilungen festzustellen. Die vielfach gegliederten Ketten im Osten, deren Meereshöbe ich auf 4 5000 Fuss schätze und die sich 10 15 Stunden im Abstände von meinem Beobachtungspunkte hinzogen, wurden von allen Gewährsmännern einstimmig als die Land- schaft Mundo oder Mondu bezeichnet, der hauptsächlichste Gebirgszug wurde Mbia Silei genannt. Am Fusse desselben lag das Dorf Bedelli's, des eingeborenen Districtschefs, nahe dabei eine Seriba Tuhämi's. Diesseit der Berge und der Seriba strömte der Issufluss, welcher in dieser Jahreszeit nach den Aussagen von Augenzeugen eine Breite von 50 Fuss hatte und den Durchwatenden bis an den Hals reichte. Die Gegend wurde als ein reiches Kornland bezeichnet, das namentlich grosse Mengen von Sorghum hervorbrächte. Am Tage meiner Anwesenheit langten viele Hundert Träger, mit Sorghum beladen, in meinem Aufenthaltsorte an, und ich versorgte mich nach langer Entbehrung mit diesem bessern Mehlstoflfe, welcher im Gebiete der Niamniam so schwer zu beschaffen war. Alle Niamniam, welche ich befragte, er- klärten die Bewohner von Mundo für ein eigenes, von ihnen durch Sprache und Sitten verschiedenes Volk. Seine ethno- graphische Stellung unter den Nachbarvölkern konnte ich nicht feststellen, vermuthe aber, dass es sich im allgemeinen

Das Volk der Mundo. 227

den Mittuvülkern und zunächst den Lubah und Abakah an- schliessen mag, welche seine nördlichen Nachbarn sind.

Dieses Mundo oder Mondu hat nichts gemein mit dem Mundo im Süden der Bongo, welches Petherick am 24. Fe- bruar 1858 besucht haben will; jenes Mundo ist der Name für die westliche Enclave des zersprengten Babückurstammes. Dasjenige Mundo, dessen Berge ich gesehen, findet sich bereits auf Peney's Karte, welcher 1861 von Gondokoro gen Westen bis an den Eji oder Jei vordrang, auch Petherick hat es unter dem Namen „Makrakabergc" auf seiner Karte („Journal of the Royal Geographical Society", Bd. 35) gerade auf der nämlichen Stelle eingetragen, wie ich. Ungeachtet des dagegen von Petherick selbst erhobenen Einspruchs haben manche Geographen beide Mundo miteinander iden- tificirt und daran die willkürliche Conjectur geknüpft, dass der Jei der Oberlauf des Djurflusses sei, ein Irrthum, wel- chen meine Reise zur Genüge aufgehellt hat.

Südlich von der Gebirgslandschaft Mundo, welche gegen Westen vom Oberlaufe des Tondj, der dort Issu genannt wird, begrenzt ist, schiebt sich ein äusscrster Flügel des Niamniamgebiets weit nach Osten zu vor, wie es scheint bis an die Quellgegend des Jei. Der daselbst sesshafte Stamm wird Iddi-o genannt und soll von einem selbständigen Häupt- linge Namens Ringio, einem Bruder des vorhin erwähnten Indimma, beherrscht werden, welcher ehemals ein Dolmetsch der Petherick'schen Station in Neangara gewesen ist. Der durch sein Gebiet fliessende Strom wurde Nsoro genannt. Dies Gebiet von Iddi-o figurirt auf allen Karten unter dem Namen Makarakka; wie bereits früher erwähnt, ist indess dieser Name bei allen östlichen Grenznachbarn der Niamniam nur als CoUectivbezeichnung für das letztgenannte Volk in Gebrauch.

Wir machten einen Rasttag in der gastfreien Seriba, wo wir mit Fleisch und einigem Gemüse gut bewirthet wurden. Die Umgegend bot manchen interessanten Fund dar und bereicherte meine Sammlung mit vielen Novitäten.

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228 Achtzehntes Kapitel.

Eine prachtvolle Zierde des Buschwaldes, welche mir nirgends in solcher Häufigkeit begegnete wie in dieser Gegend, war zu jener Jahreszeit die abyssinische Protea, ein Strauch von 4 bis 5 Fuss Höhe, welcher mit seinen faustgrossen rosenrothen Blütenköpfen täuschend an die Päonien unserer Gärten erinnerte. Die Cussonia, eine Araliacee, welche ander- wäi'ts nur als niedere Staude angetroffen wurde, fand sich hier in baumförmiger Gestalt, ihre aus grossem, gezacktem Fächer- laube gebildete Krone auf 30 Fuss hohem Stamme wiegend. Auch war die Flora durch eine Anzahl auffallend grossblütiger Erdorchideen ausgezeichnet, welche auf den nassen Gras- flächen in der Nähe der Bäche wucherten. Eine weit reichere Ausbeute aber stellte der hohe Berg in Aussicht, welcher mir bereits seit den letzten Tagen als die Krone aller meiner Erwartungen vorschwebte. Fünf Meilen , im Süden der Seriba erhob sich die massive Gestalt des Baginse, weithin sichtbar mit seinen gewaltigen Wänden, die ihn wie eine Insel aus der flachen Gegend emporsteigen Hessen.

Am 27. Mai machten wir uns auf den Weg dahin auf, begleitet von einer Anzahl eingeborener Soldaten aus der Seriba. Für meinen Niamniamdolmetsch gestaltete sich unser Abschied zu einem grossen Feste, denn das Ziel seiner Wünsche, eine Frau, verwirklichte sich vor seinen Augen. Der Ver- walter der Seriba schenkte ihm eine junge Sklavin des Luba- Stammes; er hatte einen reichen Vorrath an diesem Artikel auf Lager, und auf eine mehr oder weniger kam es ihm nicht an. Giabir, mein Niamniam, hatte sich bisher vergeblich nach einer Genossin seines Schicksals umgesehen, vergebhch Mohammed und Ssurrür darum gebeten. Wer ein Weib haben wollte, musstc sich an den Anführer und Herrn wenden, welcher über alle, soweit sein Machtkreis reichte, frei zu verfügen gewohnt war, nur durch den Gewalthaber vermochte er kostenfrei in den Besitz eines Weibes zu ge- langen, im entgegengesetzten Falle handelte es sich für ihn danim, sich zunächst mit dem Vater der Erwählten, wenn

Der Berg Baginse. 229

überhaupt einer da war, käuflich abzufinden; umsonst gab es nicht so leicht eine Frau in Afrika.

Nach zweistündigem Marsche in West und Südwest und uachdem wir wieder die Bäche, welche der Ssueh von seiner rechten Seite aufnimmt, überschritten, befanden wir uns am Fusse der relativ circa 200 Fuss über die Ebene empor- steigenden spitzen Gneiskuppe Damvo, welche ich erklomm, um einen zweiten Beobachtungspunkt zur Feststellung der Gebirgszüge im Osten zu benutzen. Die jähen Felsabstürze waren mit Sanseviera bewachsen und bis auf die Spitze hinan sprossten aus den Spalten des Gesteins die schönsten Bäume und Sträucher. Die Aussicht war prachtvoll und bot zum ersten mal auf dieser Reise eine Gebirgslandschaft den Blicken, welche so recht den Charakter der afrikanischen Orographie zu erkennen gab. Man sah überall unmerklich gehobene und gesenkte Flächen mit mamelonartig daraufgesetzten Berg- kuppen, welche wie Inseln über das ganze Land zerstreut erschienen, alle überragt vom Baginse, einer Bergmasse von 1270 Fuss relativer Höhe mit senkrechten Abstürzen an sei- ner westlichen Seite, nach Norden zu in einen niedern Rücken graduell verflacht. Er erinnerte in seiner Form an viele der Einzelberge des südlichen Nubiens, namentlich der Pro- vinz Taka.

Der Baginse liegt in Südsüdost 4 Meilen vom Damvo entfernt. Um diese kurze Strecke zu überwinden, mussten wir einen beschwerlichen und mit vielen Umwegen verknüpf- ten Marsch über tiefe Erdspalten und wildes Felsgerölle, oft durch riesige Grasdickichte machen. Auf halbem Wege kamen wir zu einem stark strömenden Bache, dessen Ufer einen tiefen, von uns übersprungenen Riss in das Gestein darstell- ten. Es war die Dj Urquelle, die erste wirkliche Quelle von einem der wichtigern Quellflüsse des Weissen Nils, auf welche der Fuss eines europäischen Reisenden getreten.

Meine Begleiter, die Niamniam aus der Gegend, indem sie den Namen Ssueh mit diesem Rinnsal aufs bestimmteste

230 Achtzehntes Kapitel.

iu Verbindung brachten, wollten dadurch oflFenbar andeuten, dass sie die vorliegende Wasserader, so unscheinbar sie sich auch ausnehmen mochte, als den obersten Theil der an der Bildung des Ssueh sich betheiligenden Gewässer zu betrach- ten gewohnt waren. Der Ssueh war der grösste und längste Fluss ihres Landes, der Baginse der höchste Berg, am Ba- ginse dieser Quellbach unter vielen andern, welche seinen Spalten entströmten, der beträchtlichste.

Um nun an den eigentlichen Fuss der vor uns liegen- den Bergmasse zu gelangen, durchschritten wir noch auf schräg ansteigender Fläche einen hochstämmigen Wald und lagerten am Rande einer tiefen Schlucht, in deren Grunde eine klare Wasserader lustig über die bemosten und mit zierlichem Farrnschmucke besetzten Felsen murmelte, hart unter der senkrechten Wand, mit welcher der Berg auf sei- ner Westseite abstürzt. Die vorgerückte Tageszeit gestattete mir nur die Hälfte der Berghöhe zu erklimmen, und zwar auf einem allmählich abstürzenden Ausläufer, den der Baginse von seinem Südende aus nach Nordwest sandte.

Bei den ersten Schritten verriethen sich mir hier die deutlichsten Anklänge an die Flora des abyssinischen Hoch- landes. Massenhaft wucherten auf den schrägen Gneisplatten die schönen Aloes in ihrer gelben und feuerrothen Blüten- pracht, dazwischen breiteten sich mosartige Rasen der Sela- ginella rupestris aus und niedliche blaue Lobelien guckten veilchenartig aus denselben hervor. An einzelnen Stellen starrten, gleich vergrösserten Aloes, die fleischigen und der- ben Blätter einer merkwürdigen Orchidee, einer Eulophia, zwischen den Felsblöcken empor und bildeten ausgedehnt« dichte Gruppen, welche den Berggehängen einen durchaus neuen und überraschenden Charakter verliehen, der seltsam mit der weichen Laubfülle in der schattigen Schlucht an ihren Füssen contrastirte. Auf den höhern Abhängen wuchs als echter Repräsentant der abyssinischen Hochgebirgsflora eine neue Art von Hymenodictyon, ein merkwürdiges Zwerg-

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Flora des Baglnse. 231

bäuixichen aus der durch so beispiellose Formemnannichfaltig- keit ausgezeichneten Klasse der Rubiaceen, welche in diesem Theile von Afrika mindestens ein Zehntel der Gesammtzahl aller Pflanzenarten in sich schliesst.

Ueberall, wo frisches Quellwasser unter den Steinen bervorsickerte und sich in Gestalt einer schimmernden Ader durch das gleichmässige Grau der Felsplatten fortschlängelte, hatte sich die Ensete, die wilde Gebirgsbanane Afrikas an- gesiedelt, welche nirgends auf dem Continent unter 3000 Fuss Meereshöhe herabzusteigen scheint. Man erblickte die zarten, mit purpurrothem Mittelnerv durchzogenen Blätter in allen Grössen, bald als kleine Rosetten, einem Kohlkopfe vergleich- bar, bald nach Art der Pisanggewächse bis zu 20 Fuss Länge auf einem kurzen zwiebelartig verdickten Stammtheile sitzend. Es fiel mir auf, dass diese in unsern Gewächshäusern jetzt so sehr beliebte Pflanze in der Wildniss stets durch sehr kurze Blattstiele ausgezeichnet ist und im Gegensatz zu dem in die Länge geschossenen und gracilen Wuchs ihrer gekünstelten Culturformen hier immer ein sehr compactes Aussehen hatte. Nicht selten erinnerte die Ensete der Berge aufs täuschendste an die jungen Exemplare der Musa sapien- tium, welche in Centralafrika allein angebaut wird. Nur die Zahl ihrer Blätter, ich zählte an einem Exemplar über vierzig, überwiegt immer diejenige der genannten Musa. Am Baginse fand ich die Ensete überall in Blüte, nirgends aber schienen dieselben eine Frucht ansetzen zu wollen. Im blühenden Zustande gleicht die Ensete, so wie sie sich in der Wildniss darbietet, durchaus nicht dem Typus der übrigen Repräsen- tanten dieser Pflanzenklasse. Alsdann hat sie alle ihre Blätter eingebüsst und gleicht einer in die Länge gezogenen Zwiebel, die einen G 8 Fuss langen Schaft getrieben, an dessen überhängender Spitze sich der compacte Blütenknäuel wiegt. Obgleich noch nie an der wilden Ensete Seitensprossen beobachtet worden sind, so erscheint doch die Annahme keineswegs ausgeschlossen, dass sich solche hin und wieder

232 Achtzehutes Kapitel.

bilden mögen, und ein einziger Fall der Art einmal con- ßtatirt, würde die in mancher andern Hinsicht angedeutete Abstammung der Culturbanane Afrikas von der Ensete ausser allen Zweifel stellen.

Am Fusse des Baginse hatten wir es uns in schnell improvisirten Hütten aus langem Grase bequem gemacht, welche uns ungeachtet des strömenden Regens, der die ganze Nacht über anhielt, ein durchaus trockenes Nachtlager ge- währten. Bei Sonnenaufgang bedeckten leider immer noch dunkle Gewitterwolken den Himmel, und ein feiner Staub- regen verhüllte uns den grössten Theil der bezaubernden Landschaft. Die Besichtigung des interessanten Berges musste ich wegen Mangels an Lebensmitteln, denn in der benach- barten Seriba herrschte der übliche Nothstand, auf einen Tag beschränken und die Besteigung mitten im Regen be- werkstelligen. Bereits in der Nacht hatten die mitgenom- menen Führer das Weite gesucht, was mich durchaus nicht überraschte, da ich infolge der unfreundlichen Witterung vorausgesehen hatte, dass ich mir den Weg zu der Spitze allein würde suchen müssen. Ich gewann indess auf mannich- fachen Umwegen schliesslich doch die richtige Fährte, indem ich mich dem Nordabhange des Berges zuwandte, welcher in fast gerader Linie vom Scheitel bis zum Fusse hinab- reichte. Da ich indess von unten aus keinen freien Ueber- blick haben konnte, verfehlte ich die gerade Linie und hatte durch angestrengtes Klettern in quellenreichen und von Ge- büsch dicht überwachsenen Spalten zuvor eine grosse Strecke zu überwinden. Meine nubischen Diener waren zurück- geblieben, um sich am Lagerfeuer die fröstelnden Glieder zu 'Wärmen, nur die beiden Niamniam folgten mir in der Entfernung mit den Pflanzenmappen. Der Wind auf der Höhe war so heftig, dass ich meinen grossen Hut, mit Steinen beschwert, unten zurücklassen musste. Von der höchsten Erhebung des Bergrückens aus, welche sich am südlichsten Ende desselben befand, hatte ich eine prachtvolle Femsicht,

Panoramen vom Baginse. 233

besonders in östlicher und nordöstlicher Richtung, wo sich mein Horizont bis auf 50— GO Meilen erstreckte. Von den hundert verschiedenen Bergspitzen, die in dieser Richtung zu unterscheiden waren, nahm ich die wichtigsten Winkel auf, verband sie mit meinen frühern Beobachtungspunkten und zeichnete die sich mir nach den vier Himmelsgegenden hin darbietenden Panoramen. Deutlich aus der Zeichnung der Landschaft heraus liess sich der Lauf des obern Tondj erkennen, hinter welchem die Terrassenbildung des östlichen Landes erst zu beginnen schien. Besonders pittoresk nah- men sich die östlichen und nördlichen Vorhügel des Baginse aus, welche, da die Hebung des flachen Landes an seinem Fusse von oben nicht wahrzunehmen war, wie isolirte Fels-' klumpen aus einer einförmigen Ebene hervorzuragen schie- nen , wie wenige Meilen in Südosten und in einer Linie hinter- einander drei andere Vorhügel völlig isolirt in die Augen stachen; die beiden nördlichem der letztern hiessen Bon- duppo und Nagongo. In dieser Gegend befand sich eine Seriba der Poncet'schen Compagnie, welche einen früher selbständigen Häuptling, Namens Bendo, der auch unter die Schar der Söhne des verstorbenen Renschi zählte, sich unterthan gemacht hatte, wie die Tuhämi'sche den Bruder Indimma.

Die an Ort und Stelle gemachte Messung ergab für die relative Höhe des Baginse 1270 Fuss; leider sind die an der Basis des Berges angestellten barometrischen Beobachtungen verloren gegangen, um die Meereshöhe genau berechnen zu können. Ich glaube aber nicht weit zu irren, wenn ich die Gesammthöhe desselben auf ungefähr 4300 pariser Fuss schätze. Die Felsart, aus welcher die Hauptmasse des Ba- ginse zusammengesetzt war, bestand in einem äusserst glimmerreichen Gneis ^ welcher an den meisten Stellen ganz das Aussehen von eigentlichem Glimmerschiefer anzunehmen pflegte. Eine besondere Eigenthümlichkeit des Gneisgesteins vom Baginse war aber die Menge von Cyanitkrystallen, welche

234 Achtzehntes Kapitel.

dasselbe nach allen Richtungen hin durchsetzte. Eine der- artige Combination, als ein „Cyanitgneis", ist nur selten be- obachtet worden, unter anderm auf dem St.-Gotthardt in der Schweiz. Am Fusse des Berges, da wo die Quellen hervor- traten, hatte sich eine breite Geschiebefläche von gänzlich verwittertem Gestein gebildet, und die Glimmerblättchen und die 1 2 Zoll langen Cyanitprismen erschienen daselbst so rein ausgewaschen und so locker aufeinandergestreut, dass man förmlich in einem Schutte davon zu waten hatte. Ich sammelte verschiedene Felsproben ein, die ich mit nach Europa brachte. In seiner massigen, isolirten und von allen Seiten vom Zahn der Zeit benagten Gestalt kam mir der Baginse vor, wie ein Zeuge früherer Weltepochen und wie ein Ueberrest der hohen Gebirge, welche einstmals das Xil- gebiet nach Süden zu begrenzt haben müssen. Die höhern Partien desselben tragen eine nur dürftige Pflanzendecke, und grössere Bäume fehlen dem ganzen Berge. Zufrieden mit einigen neuen Fujiden, welche die mühsame Tour auch für meine botanischen Sammlungen erspriesslich machte, be- gab ich mich auf den Rückweg. Vier Stunden hatte ich gebraucht, um diesen kleinen Berg zu ersteigen, eine einzige reichte nun aus, um, nachdem ich einmal die nächste Rich- tung erspäht, zu unserm Lager zurückzukehren.

Den Rest des Tages verbrachte ich mit Zeichnen im Dämmerlichte meiner nestartigen Hütte; mit dem Regen aber wollte es kein Ende nehmen. Ich hätte tagelang in der herrlichen Umgegend umherschwärmen mögen; ungeachtet der Nässe verspürte man die Reinheit und Frische einer höhern Luftschicht in noch weit deutlicherer Weise, ab es bereits im ganzen Gebiete der Niamniam überhaupt wahr- genommen werden "konnte, wo die schwächlichen und bei ihrem faulen Seribenleben beständig kränkelnden Nubier, trotz der magern Kost, schnell zu neuen Kräften gelangen, um dick und fett nach Norden zurückzukehren. Meine Begleiter theilten aber leider durchaus nicht dergleichen ideale Genüsse,

Rückkehr nach der Seriba. 235

und ihre Unzufriedenheit bei der zunehmenden Nässe war so gross, dass ich am Morgen des dritten Tages den Rück- zug antreten musste.

So ziemlich den nächsten Weg einschlagend, obgleich beständig im Unklaren über die Wahl des Pfades, erreichten wir nach zweimaliger Passage des Schobi, welcher, an jener Stelle eng von Gneisfelsen eingeschlossen, in einem Knie nach Norden zu abbog, die Felsen im Walde der Butterbäume, wo wir eine so wenig vergnügte Nacht verlebt hatten, und waren bei einbrechender Dunkelheit wieder in der Seriba Merdjän's. Der neunstündige Marsch, durch die vielen W^asser- partien, welche er mit sich brachte, ums Doppelte erschwert, gehörte zu den anstrengendsten meiner ganzen Reise. Nach einem Erholungstage, welcher der verlockenden Jagd auf Perlhühner gewidmet wurde und so reichen Gewinn eintrug, dass meine Leute zwei Tage lang an dem massenhaft er- legten Geflügel satt zu essen hatten, wurde bei beständig regnerischer Witterung der Rückzug auf dem frühern Wege fortgesetzt und am 1. Juni abends wieder die alte Seriba am Nabambisso betreten.

Bei meiner Rückkehr fand ich gute Nachrichten vor von Mohammed, auch hatte sich manches in der Situation zu meinen Gunsten gebessert. Die Kürbise waren inzwischen herangereift, auch frische Maiskolben wurden gebracht, mit den Kornvorräthen aber war es immer noch sehr schlimm bestellt Zum Glück hatten sich nun auch die Perlhühner be(iuemt, in diese Gegend zu ziehen, ich konnte mir daher mit geringer Mühe den täglichen Fleischbedarf verschaffen. Infolge der vielen Regen sprossten allerorten Mengen wohl- schmeckender Pilze aus dem Boden hervor. Mein Ueberfluss war an manchen Tagen ein so grosser, dass ich zu Mittag nichts als Perlhuhnleber und Champignons genoss; die letzt- genannten glichen den unserigen wie ein Ei dem andern. Auch eine grossartige Büfieljagd, zu welcher alle Bongo auf- geboten wurden, fällt in diese Zeit. Ich war tagaus tagein

236 Achtzehntes Kapitel.

das Gewehr in der Hand auf den Beinen. Endlich kehrte die Hauptmacht Mohammed's vom Kriegszuge zurück. Von dem verloren gegangenen Elfenbein war nur ein Theil wieder eingebracht worden. Da Uando sich beharrlich, und in reU- giöser Beobachtung der ihm vom Augurium gemachten Vor- schriften, auf seine Schlupfwinkel in den unzugänglichsten Theilen der Wildniss zurückgezogen, so war der Krieg eigent- lich nur gegen seinen Bruder Mbiö geführt worden. Dieser hatte ganz gegen die Gewohnheit der meisten Niamniam- fürsten persönlich am Kampfe Antheil genommen und eine überraschende Kühnheit an den Tag gelegt. Mohammed hatte besonders bei einer Gelegenheit äusserst schweren Stand gegen die Horden Mbiö's gehabt, als der Angriff in- mitten eines wüthenden Platzregens geschah. Es mussten auf dem Platze Strohdächer errichtet werden, um im Schutze derselben ein regelrechtes Feuer auf die Anstürmenden unter- halten zu können. Merkwürdigerweise benutzen die Ein- geborenen gar zu selten die Chancen, welche sich im vollen Regen oder unter dem Schutzmantel der Nacht ihrer Angriffs- weise darzubieten scheinen, sonst würden sie viel häufiger, als es überhaupt geschehen, den nubischen Eindringlingen gänzlichen Untergang bereiten müssen.

Bevor noch Mohammed selbst zurückgekehrt war, sahen wir uns eines Tages durch eine grosse Aufregung unter den Bongo alarmirt. Diese Träger nämlich, welche bei mir in der alten Seriba zurückgelassen worden waren, pflegten all- täglich die Umgegend zu durchstreifen, um in Wald und Feld nach essbaren Dingen zu suchen. An einem Abende wurden nun drei derselben vermisst und ihre Kameraden hatten die Bewohner eines benachbarten Districts im Ver- dachte, sie überfallen, erschlagen und verspeist zu haben. In der Frühe des folgendes Tages scharten sich alsbald alle Bongo und die bei mir befindlichen Nubier zusammen, um die Umgegend nach den Fehlenden abzusuchen und ihre Spuren zu verfolgen. Auf die Angabe der Bongo begaben

Drei Bongo von Niamniam aufgefressen. 237

sich alle nach Norden zu dem Districte des Maddah, wo die Unthat verübt sein sollte. Allerdings stellte sich die Richtig- keit der erhaltenen Angaben heraus, denn die Spuren führ- ten in einen Wald und endeten in einer schauerlichen Blut- lache. Infolge dessen wurde Maddah gepackt und zur Ver- antwortung in die Seriba geschleppt, er sollte über den Verbleib der vermissten Bongo Rechenschaft ablegen. In sichtbarer Verwirrung und mit vieler Aufregung schwatzte er da viel wirres Zeug zusammen, die Blutlache rühre von einem erlegten Wilde her, welches am Tage zuvor in jener Gegend gejagt worden sei, die erwähnten drei Bongo aber wären durch seinen District in offenbarer Flucht gelaufen, um ihre Heimat wiederzugewinnen. Diese Absicht der Ver- missten leuchtete aber der ihrer unterwegs harrenden Schwie- rigkeiten halber den übrigen sehr wenig ein. Maddah fuhr fort, seine Niamniam hätten den Fliehenden zugerufen : „Ihr Bongo, wo wollt ihr hin?" Als sie die Antwort verweigert, hätten sie nicht müssig zusehen gewollt, wie die Träger ihres Herrn und Gebieters ohne weiteres davonliefen, sondern wären ihnen nachgeeilt, um sie einzufangen. Nachdem sich die Niamniam der Bongo bemächtigt und sie in sichern Gewahr- sam gebracht, hätte ein Theil derselben über Nacht von neuem das Weite gesucht, und das wären die Fehlenden. .

Die Begegnung mit den Niamniam wurde nun zwar auch von den übrigen Bongo eingeräumt, aber die letztern be- standen ausdrücklich darauf, dass sie nur in der Absicht verfolgt worden seien, um ihrer wilden Fleischgier zum Opfer zu fallen. Auch über die Blutlache konnte Maddah keine genügende Aufklärung ertheilen, denn als man die Vorzeigung der vom verzehrten Wilde übriggebliebenen Knochen ver- langte, waren die Niamniam nur im Stande, ganz alte Stücke aufzubringen, denen man es auf den ersten Blick ansah, dass sie einem bereits vor Monaten erlegten Wilde angehör- ten. Kurz und gut, der auf Maddah und seinen Leuten lastende Verdacht erschien wohlmotivirt, und alle waren der Meinung,

238 Achtzehntes Kapitel.

dass es sich in der That so verhalte, wie die Bongo ausge- sagt hatten. Mohammed sollte bei seiner Rückkehr darüber entscheiden, und Maddah wanderte bis auf weiteres in das Joch des Scheba. Ssurrür, sein nächster Vorgesetzter, war leider auch noch nicht am Platze, da er sich mit auf dem Kriegszuge gegen Mbiö befand.

Nachdem Mohammed zurückgekehrt war, beschäftigten ihn so viel wichtigere Dinge, dass er, wie ich annehmen muss, die Verfolgung dieser Sache aus Rücksichten der hohem Politik ganz aufgegeben hat, denn er bedurfte der Niamniam zu einem der gewöhnlichen Raubzüge ins Gebiet der Ba- bückur, um die hungernde Karavane mit neuen Kornvorräthen zu versehen, ohne welches Mittel sie elendiglich hätte durch Hunger zu Grunde gehen müssen. Ohne die Mithülfe der Niamniam, welche er in keiner Weise zu reizen wagte, hätten aber seine eigenen Krieger nichts in dem sumpfigen Lande auszurichten vermocht. Anders freilich hätte er gehandelt^ wäre einer von den Nubiern, oder überhaupt ein Moslem, von den Eingeborenen hingeschlachtet worden, ein grausiges Exempel hätte alsdann statuirt werden müssen.

Da nun grosse Scharen botmässiger Niamniam bei dieser Unternehmung in Verwendung kamen, welche Mohammed nicht selbst begleitete, sondern die von dem Unterhäuptling Ssurrür befehligt wurde, so Hessen sich dabei auch nicht die vielen Schandthaten vermeiden, welche die Wildheit der gegeneinander Kämpfenden naturgemäss mit sich brachte. Ausser der unumgänglich nothwendigen Beute an Korn fielen bei derartigen Zügen natürlich auch Sklavinnen ab, welche die nubischen Söldner als ihr gutes Recht für sich in An- spruch zu nehmen gewohnt waren; aber auch die Niamniam selbst wussten sich hinter ihrem Rücken solche auf eigene Hand zu verschaffen, die sie alsdann ihren Bedürfiiissen entsprechend verwertheten : die jungem für das Haus, die altern für Acker und Hof, die ältesten für die Küche und den eigenen Magen!

Kannibalismus der Niamniam. 239

Die Schädel Nr. »38, 36 und 37 in der Sammlung des anatomischen Museums zu Berlin wissen davon zu erzählen. Diese Schädel brachten mir Eingeborene, wenige Tage nach beendigtem Kriegszuge, in frisch gekochtem Zustande. Sie wussten vom Monbuttulande her, dass ich dafür mit Kupfer- ringen zahlte. Geschehen war geschehen, ich konnte nicht anders, als sie wissenschaftlich verwerthen.

Jedesmal, so oft ich den Mohammedanern meiner Um- gebung Vorwürfe darüber machte, wie sie es dulden könnten, dass solche Dinge sich unter ihren Augen und unter dem Schutze der Fahne mit den Insignien des Propheten Mo- hammed's ereigneten, ward mir erwidert, sie, die Gläubigen, könnten daran nichts ändern, die Niamniam seien Heiden, und solange Gott dies duldete, dürften sie sich nur in sei- nen Willen ergeben, als Heiden könnten sie sich unter- einander auffressen, soviel sie wollten. Ihnen wäre nichts daran gelegen, und ihre Sittenricliter und Lehrmeister seien sie auch nicht.

Ueberhaupt fand ich Gelegenheit, wiederholt die Be- obachtung zu machen, dass die Elfenbeinexpeditionen der Chartumer, welchen doch ein gewisser Grad von Unter- nehmungsgeist nicht abgesprochen werden kann, durchaus nicht das Mindeste dazu beitrugen, Propaganda für den Islam zu machen. Negervölker, einmal zum Islam bekehrt, würden hinfort nicht mehr als Sklaven betrachtet werden können, sondern wären eo ipso Brüder. Um so unverständlicher mussten mir daher die Umstände erscheinen, welche eine fortschreitende Ausbreitung des Islams an andern Orten in Centralafrika ermöglicht haben ; denn wenn es einerseits fest- zustehen scheint, dass dieser Glaube wegen der äussern Vorschriften, deren Befolgung er verlangt (z. B. Beschnei- dung), nur unter Anwendung eines äussern Zwanges andern Völkern aufgedrängt zu werden vermag, die Anwendung eines solchen Zwanges aber andererseits die rücksichtslose Ver- gewaltigung der bekehrten Eigeborenen für alle Zeit aus-

240 Achtzehntes Kapitel.

schliessen musste, so ist nicht einzusehen, ^seshalb nicht dort die mächtigere Partei denselben IndiflFerentismus zur Wah- rung ihrer materiellen Interessen an den Tag gelegt hat, wie in den Ländern, aus welchen sich meine Erfahrung schöpft. Einige Tage nach der Beendigung des Babücknr- kriegszuges war ich auf einem Streifzuge durch die Umgegend Zeuge einer Scene, die mir stets unvergesslich bleiben wird. Als ich ein Gehöft der Eingeborenen betrat, fand ich vor der Thür der ersten Hütte eine alte Frau sitzen, welche damit beschäftigt war, Kürbise zu zerschneiden und zur Speise herzurichten, dabei war sie von einigen Knaben und Mädclien unterstützt. Ihr gegenüber, vor einer andern Hütte, sass gleichgültig ein Mann, sich mit seiner Mandoline die Zeit vertreibend. Zwischen beiden auf einer Matte hinge- streckt lag unbedeckt und den glühenden Strahlen der Mittagssonne preisgegeben ein neugeborenes Kind, es konnte erst in der vergangenen Nacht das Licht der Welt erblickt haben, und war noch so hell und roth wie das frische Fleisch der innern Leibestheile. Alle paar Minuten gab es einen schwachen Athemzug von sich. Meine Begleiter, befragt was das zu bedeuten habe, erzählten ohne Umschweife, es sei die Leibesfrucht einer auf dem letzten Raubzuge erbeuteten Skla- vin, die man nach einem andern Platze gebracht hätte, nach- dem ihr das Kindlein abgenommen worden, dessen Pflege ihre Verwerthung für die Hausai'beit beeinträchtigt haben würde. Das Würmchen musste sie zurücklassen, denn es war dazu bestimmt, als leckerer Braten Verwendung zu fin- den. Man liess es erbarmungslos so lange liegen, bis es verendet sein würde; man fand es ganz selbstverständlich, dabei gelassen den häuslichen Beschäftigungen nachzugehen, bis der Moment gekommen wäre, das Würmchen in den Kochtopf zu stecken.

Ich muss gestehen, dass mich bei diesem Anblick ein Wuthanfall beschlich, und dass ich die Frau, welche dabei sass, sofort hätte todtschiessen mögen, ein Entschluss, den

Haarstraubende Scene. 241

ich auch rücksichtslos ausgeführt haben würde, wenn mir nicht in demselben Moment das Wort der Nubier eingefallen wäre, sie seien nicht ins Land gekommen, 'um die Sitten- richter der Niamniam zu werden; das schien für mich, der ich von der Macht und dem Schutze anderer abhängig war, wol noch eher anwendbar, und welchen Einfluss hätte über- haupt mein einmaliges Einschreiten auf die Volkssitten haben können? Da fänden Missionare ein fruchtbares Feld, den Acker des Herrn zu bestellen, aber entsagungsvolle, selbst- verleugnungsfähige müssten es sein.

Der allgemeine Aufbruch der Karavane, um den Rück- zug nach Norden anzutreten, zog sich unter vergeblichem Warten auf das Eintreffen des mit der Ghattas'schen Com- pagnie nach Westen detachirten Corps mehrere Tage hin, da aber alle Nachrichten über ihr Kommen ausblieben, wurde schliesslich der Vormarsch am 11. Juni ins Werk gesetzt. Ohne Aussicht auf eine Möglichkeit in diesem Jahre von den südlichem Gegenden mehr zu sehen bekommen zu kön- nen, als mir bereits zutheil geworden, musste natürlich die Sehnsucht nach den Fleischtöpfen Aegyptens, als welche die bei der Rückkehr zu meinem alten Standquartier im Bongo- lande zu erwartenden neuen Vorräthe aus Chartum mir vor- schwebten, von neuem aufs lebhafteste in mir erwachen, ausserdem hoflFte ich die Rückreise für meine Zwecke noch gehörig ausbeuten zu können und verschiedene Nebentouren auszuführen, welche meine Landeskenntniss immerhin er- weitern mussten.

Unser erstes Nachtlager hatten ^dr wiederum am Bache bei den Weilern Kulenscho's, an der Nordgrenze der Terri- torien Mohammed Abd-es-Ssammat's. Bis zum Huüh hatte sich nichts im Regime der Bäche geändert. Die letzten Ga- lerien, welchen ich nun für immer den Rücken zukehrte, erschienen durch den inzwischen hinzugetretenen Schmuck der in voller Blütenpracht strotzenden Spathodea; einer der imposantesten Gebilde der gesammten Flora von Afrika, wie

ScHWKnrruETB. II. '16

242 Achtzehntes Kapitel.

in festlicher Gewandung, um mir den Scheidegruss zuzurufen. Der Huüh hatte seine Wassermasse nicht unerheblich ver- mehrt , sein ganzes flaches Bett erfüllend strömte er jetzt in einer Breite von 35 Fuss, und 150 Fuss in der Minute zurücklegend, aber immer noch blos 3— Sy^ Fuss tie£ Die sandige Beschaffenheit seines Grundes bot einen verlockenden Badeplatz dar. Halbwegs zwischen Huüh und Ssueh, gerade da, wo der Buschwald am üppigsten und dichtesten war, wurde unser zweites Lager aufgeschlagen.

Die vorgerückte Jahreszeit brachte mancherlei Abweichun- gen vom bisherigen Modus vivendi mit sich. Des Zeltes be- diente ich mich nicht mehr, denn die Grashütten gefielen mir weit besser, so sehr war ich bereits in der Gewöhnung an die afrikanischen Sitten vorgeschritten, auch war ich es müde geworden, die Zeltstange bei nächtlichem Sturm mit meinen Händen zu stützen und um Hülfe rufend das halbe Lager zu alarmiren. Zum Glück hatte auch cQe volle Regen- zeit ihre Regeln und Gewohnheiten, von denen abzuweichen eine gütige Natur sich nie erlaubte. In den frühen Morgen- stunden bereits entscheidet sich das Witterungsprogramm des Tages, getrost tritt man, sobald der Himmel sich auf- geklärt, den Marsch an, ich in völliger Sicherheit für meine Papiere und Herbarien, die andern für Munition und Palver- vorräthe. Neigt sich die Sonne, und verkündet fernes Ge- witterrollen den herannahenden Guss für die Nachti so wird, etwa gegen 5 Uhr nachmittags, halt gemacht und in der Wildniss für ein passend trockenes Logis gesorgt Kaum sind die Gepäckstücke zusammengestellt und mit den Decken belegt, so werden auch schon die Beile und Messer hervor- geholt, um die „Hausmacher" zu bewaffnen. Dabei herrscht nun folgende Ordnung: „Herbei ihr Diener, ein jeder an seinen Platz, und nun wird aufgepasst, dass die Träger nidit davonlaufen, um sich der Arbeit zu entziehen. Ich brauche vier Mann-, um Gras zu holen, zwei sorgen für lange Banm- ästc, einer genügt, um Bast zu suchen." Nach Yerlanf von

Lagerleben während der Niamniamreise. 243

kaum zehn Minuten sind sie mit dem Gewünschten zurück- gekehrt. Da wird das Gestell errichtet, die Gabeläste an den Holzpfählcn lässt man an der Spitze ineinandergreifen, so bildet sich ein Korb, der wird mit Rindenbast umspannt und nun das klafterlange Gras ringsherum angelehnt, an- gebunden, und zum Schluss eine riesige Garbe zusammen- geschnürt, um sie wie eine Mütze über alles auf die Spitze zu stülpen. In weniger als einer halben Stunde ist der Art eine Kegelhütte geschaflFen, allerdings klein wie ein Nest, aber ausreichend für die Nacht und absolut regendicht. Draussen tobt der Sturm, krachen die Blitze, unbekümmert erfreut sich der müde Wanderer einer wohlverdienten Ruhe. Beim Schimmer einer kleinen Oellampe, die er sich selbst ersonnen und in welcher jenes zweifelhafte Fett brennt, dessen Geruch allein schon mit Mistrauen gegen die Humanität der Eingeborenen erfüllt, schreibt er die Erlebnisse des Tages nieder. Die Neger scharen sich um die Lagerfeuer und schützen die glimmenden Kohlen mit ihrer Brust, während den Rücken der nächtliche Regen peitscht. Dies war der Zuschnitt unsers Lagerlebens während der ganzen Rückreise, und eine Nacht glich der andern.

Das Nachtlager zwischen Huüh und Ssueh hat mir in- dcss die unangenehmste Erinnerung hinterlassen. Als wir nämlich am Morgen des anhaltenden Regens halber mit dem Aufbruche zögerten und ein jeder ängstlich das trockene Plätzchen gegen die Elemente vertheidigte, welches er sich gerade errungen, wurde mein Zufluchtsort unerwartet das Ziel einer grossartigen Ameisenwanderung, und meine auf einer hohen Unterlage von Astwerk und Gras ausgebreitete Matratze, der trockenste und wärmste Platz im meilenweiten Umkreise, von allen Seiten durch den heranrückenden Heer- wurm in Angriff genommen. Rings umgeben von Wasser, welches dicht vor meinem Kopfkissen munter vorbeizurieseln pflegte, wusste ich anfänglich keine Rettung, und versuchte mich in meine Tücher zu hüllen. Da kam mir zum Glück

16*

244 Achtzehntes Kapitel.

ein guter Gedanke, und ich beschloss, die Ameisen durch ausgeworfenen Köder von mir abzulenken. Ich bildete In- seln am Boden meiner Hütte, indem ich unter der Lager- stätte bündelweise das Gras hervorzupfte und neben mir hinwarf, darauf setzte ich was mir von meinem gestrigen Mahle geblieben, und in kurzer Zeit war ich von den un- gerufenen Gästen befreit.

Unterdessen war der grösste Theil der Karavane auf- gebrochen, um die zur Ueberschreitung des Ssueh nöthigen Vorbereitungen zu treffeu. Als ich gegen Mittag an seinen Ufern anlangte, fand ich die Leute bereits in voller Arbeit, mit dem Hinüberschaffen des Gepäcks beschäftigt. Der Fluss hatte am 13. Juni ein völlig verändertes Aussehen, im Ver- gleich zu demjenigen, das er am 8. Februar dargeboten. Bis an den obersten Rand seiner Ufer gefüllt, bewegte sich die 20 Fuss tiefe Wassermasse mit einer Geschwindigkeit von 200 Fuss in der Minute, und obgleich die Breite nur 35 Fuss mass, stellten sich doch unserm Uebergange, des gänzlichen Mangels an Baumstämmen wegen und selbst bei dem Fehlen der gewöhnlichen Ufergesträuche, ungewöhnliche Schwierig- keiten in den Weg.

Die geübten Niamniamzügler hatten zur Ueberbrückung des Flusses ein sehr eigenthümliches Verfahren in Anwendung gebracht. Aus verschiedenen bastreichen Rinden hatten die Träger lange und sehr starke Seile drehen müssen. Die Neger besassen hierin eine ungewöhnliche Gewandtheit, denn der Bedarf an Tauwerk zur Herstellung der Wildgame und Fischernetze war im Bongolande gross. Gewandte Schwimmer zogen nun die Seile von einem Ufer zum andern, befestigten sie an starken eingerammten Pflöcken und spannten sie in der Weise aus, dass sie zwei Lagen bildeten, eine untere im Wasser und eine obere über der Oberfläche des Wassers. Solchergestalt dienten die Seile da,zu, eine aus zehn Mann gebildete Kette zu tragen, welche sich die verschiedenen Lasten aus einer Hand in die andere reichten, bis sie am

Eigen tbümlicber Flussübergang. 24ö

audern Ufer waren. Alle diese Leute waren natürlich Schwimmer ersten Rangs, und sie hatten sich in der Art aufgestellt, dass sie mit den Füssen auf den untern Seilen ruhten, während die obern ihrer Brust als Lehne und Stütze dienten, um in halb schwebender, halb balancirender Stellung schräg gegen den Strom sich stemmend der Gewalt des Wassers Widerstand leisten und doch die Arme frei benutzen zu können.

Ohne Unfall für mein Gepäck, das ich mit klopfendem Herzen auf den dürren Armen der Nubier über die verderben- bringende Flut hinschweben sah, wurde nach Verlauf mehrerer Stunden angestrengter Arbeit die ganze Karavane hinüber- geschafft. Man wird die dargebotenen Schwierigkeiten erst richtig crmessen können, wenn man bedenkt, dass sich in unserer Karavane Elefantenzähne befanden, welche, die grössten bis zu 170 und selbst 180 Pfund schwer, von zwei Männern getragen werden mussten, und dass zwei Drittel aller Neger des Schwimmens völlig unkundig erschienen. Eine Stunde vom Fluss, bei den W^eilern Marra's, blieben wir über Nacht, erst bei völliger Dunkelheit kamen wir in unsere Quartiere. Die Einwohner hatten den ganzen District ge- räumt und ihre halbreifen Maisfelder der Plünderung preis- gegeben, was allerdings verboten war, aber von den Trägern unter dem Deckmantel der Nacht dennoch nach Kräften ausgeübt wurde.

Zur Erholung wurde ein Rasttag angeordnet, und ich benutzte die Zeit, um die weit und breit mit Hütten über- säete Gegend nach Jagdbeute zu durchstreifen, eine Gras- vegetation ohnegleichen. Vom Wege abbiegend, konnte man sich unversehens verirren und meilenweit ohne Plan und Ziel vor Augen uraherstreifen. Als am Morgen des folgenden Tags alles zum Aufbruch bereit war und ich an der Tete des Zugs den Marsch bereits angetreten hatte, wurden wir durch Boten zum Stillstand gezwungen, welche von dem Befehlshaber des in die westlichen Gegenden entsendeten

246 Achtzehntes Kapitel.

Corps einen Brief an Mohammed übjrbracliten. Nach dein Datum zu scliliessen, mussten die mit dem Brief abgesandten Niamniam pro Tag mindestens 40 Meilen zurückgelegt haben, doch war die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sie es bis auf 50 Meilen den Tag gebracht haben konnten.

Es war eine Hiobspost, und der Abd-es-Ssammat'sche Hauptmann Bädri und der Ghattas^sche Agent schrieben in grösster Verzweiflung über ihre von den Feinden hart be- drängte Lage. Seit sechs Tagen auf dem Gebiete Malingdc's umzingelt, nachdem sie beim Durchgang durch eine Galerie einen üeberfall erlitten hätten, zu welchem sich drei Häupt- linge vereinigt und der ausser drei Todten den dritten Theil ihrer bewaffneten Mannschaft durch schwere Verwundungen marschunfähig gemacht, könnten sie sich nur mit Mühe und Noth in einem Verhau der feindlichen Angriflfe erwehren, sie litten bereits den ärgsten Mangel an Lebensmitteln und müssten sich selbst das Wasser unter fortwährenden Ver- lusten erobern. Von ihren 95 Soldaten besässen sie allein 32 kampfunfähige, welche sie nur durch Imstichelassen von 70 Lasten Elfenbein, die sie in einem Waldsumpfe vergraben, auf Tragbahren hätten retten können. Achmed, der An- führer, wäre selbst beim ersten Angrifl* erlegen und uube- erdigt in die Hände der Kannibalen gefallen. Nun verlangten sie schleunige Hülfe von Mohammed, welcher auch sofort entschlossen war, mit zwei Drittel seiner bewaffneten Macht den unverzüglichen Rückmarsch anzutreten.

Die Auswahl der nöthigen Combattanten wurde auf dem Platze ausgeführt; selbstverständlich war es für den Befehls- haber kein Leichtes, den Widenvillen der einzelnen zu brechen, denn wer nicht gerade Freunde und Verwandte unter den Bedrängten hatte, Hess sich eben nicht gern dazu bewegen, so unverhofl't die frohe Aussicht auf das bevorstehende Ende der Expedition mit einer neuen Herausforderung des Schick- sals zu vertauschen. Nach erfolgter Trennung setzten wir übrigen mit allen Trägern es war noch immer früh am

Eine Hiobspost. Trennung der Karavane. 247

Tage, denn Mohammed eilte sehr mit der Aushebung den Weitermarsch nach Norden fort.

Es war ein schöner, heiterer Vormittag, die grüne Steppe stand in ihrer Sommerpracht da und auf dem wohlbetretenen alten Pfade wurden die sechs, nur unmerklich angeschwollenen Wiesenwasser, welche bis zum Hügel Gumango vor uns lagen, überschritten. Die ehemals nackten rothen Steinflächen er- schienen nun von einem zarten Graswuchs überdeckt, Korn- feldern vergleichbar in unserm Sinne, nach afrikanischen Begriffen aber nur freundliche Rasenplätze, welche zu Spiel und Tanz aufzufordern schienen. Nach langer Zeit sah man nun wieder Antilopen, welche in kleinen Rudeln die liebliche Parklandschaft durcheilten, wo viele zerstreute Gebüsche die Jagd ausserordentlich erleichtern mussten. In einiger Ent- fernung vom Wege standen f ünf Hartebeests wie versteinert da und äugten unverwandt auf die vorüberziehende Kette unserer Karavane. Auf meinen ersten Schuss, welcher mir sofort das Gefühl einflösste, dass ich gut abgekommen war, machten die Thiere eine plötzliche Schwenkung kehrtum und verloren sich im Galop zwischen den Büschen; ich hatte auf das Blatt gezielt. Als wir zur Stelle eilten, wo der Anschuss stattgefunden, bezeichnete ein starker Schweiss, dass das Thier schwer krank sein müsse. In der That führte uns eine ungeachtet des Mangels an Hunden (denn die, welche ich hatte, waren unbrauchbar und vorsorglich im Vortrab bei meinen Dienern befindlich) leicht zu verfolgende Schweiss- spur in der Richtung der Flüchtigen, welche indess durch zahllose parallel nebeneinanderlaufende Fährten häufig ver- wirrt wurde. Auf ein kleines Bosket zuschreitend, fielen mir ein paar Milane auf, welche über demselben in geringer Höhe ihre engen Kreise zogen; dies war ein unfehlbares Zeichen, dass hier das kranke Wild rastete. Als ich aber eintrat, sah ich den gelben Körper der Antilope unter den Gebüschen mit einem Satze von neuem mir entschlüpfen, im hohen Grase verrietli aber eine ausgetretene Stelle, wo sie sich nieder-

248 Achtzehntes Kapitel.

gethan. Unbegreiflich erschien mir, wie die Vögel gleich bei der Hand sein konnten, denn es waren Seit dem Schuss noch keine zehn Minuten verflossen. Der afrikanische Jj^er hat indess häufig Gelegenheit, diese Beobachtung zu wieder- holen, vornehmlich an sonn^klaren Tagen, da erscheinen am heitern Himmel, wenige Minuten, nachdem die Jagdbeute gesichert worden, einzelne schwarze Punkte; sie werden grösser und grösser, und nach einiger Zeit erscheinen wiederum andere kleine und feine Punkte, alle entwickeln sie sich in kurzer Zeit zu Milanen, Aasgeiern und einer Schar anderer Vögel, welche sich an ihre Flugbahnen halten, um den ihnen grossmüthig überlassenen Rest auszubeuten. Es ist, ah hätte der Himmel, ganz nach der Vorstellung der Alten, mehrere Etagen, und die Vögel kämen aus den verschiedenen Regionen, die sie bewohnen, herbeigeeilt aus sieben Himmeln.

Ich kehre zu meinem Hartebeest zurück, welches wir unverhofft nach vielem Unihersuchen plötzlich verendet im Grase liegen fanden. Es war ein säugendes Thier, und das mit Milch gefüllte Euter wurde von meinen Niamniam sofort entleert, es gab eine kleine Kürbisschale voll, aus welcher sich die Begleiter nach dem wilden Jägerbrauche ihrer Heimat gegenseitig Muth und Jagdglück zutranken. Das Kalb hatte ich nicht zu sehen bekommen, denn es fehlte bereits beim ersten Anstände.

Aus diesen Details wird der Leser entnehmen können, dass nicht geringe Schwierigkeiten der Jagd entgegenstehen, wo man weder Schweisshunde noch das zur Verfolgung des angeschossenen Wildes geeignete Terrain zur Verfügung hat Es gilt aber ausserdem noch, die vermehrten Schwierigkeiten von Raum und Zeit zu überwinden. Die Käravane hat oft eine Ausdehnung von einer halben Wegstunde, Lücken in derselben müssen vermieden werden, denn der schmale Pfad ist leicht verfehlt. Die Reisenden haben Eile, die Antilopen sind eilig genug; die reisenden Jäger sind unruhig und auf- geregt, die Antilopen sind es erst recht infolge des unge-

Jagdabenteaer. 249

wohnten Anblicks. Im mannshohen Grase der absolut flachen Steppe hat der Jäger nirgends einen freien Blick, nur für Momente tauchen die Gehörne der verfolgten Thiere als ein unstetes Ziel vor seinen Blicken auf, während er nicht schneller vorzuschreiten vermag, als ein Schwimmer in den Fluten des Meeres.

Nachdem ich von dem im Handumdrehen zerlegten Wilde die geröstete Leber gekostet, Hess ich einige Leute als Wache zurück, um den Lagerplatz der Karavane noch bei zeiten erreichen und Träger absenden zu können. Da ich den Weg verfehlt hatte, musste ich mit Hülfe des Kompasses die mir 'bekannte Kichtung anstreben, indem ich eine Stunde lang auf dem holperigen Pfade eines riesigen Elefantenwechsels mühsames Fortkommen hatte. In einer streckenweise unter Wasser gesetzten Niederung lenkten mich Leucotis-Antilopen abermals vom Wege ab. Das Wasser hemmte bald meine Schritte, da gab ich, gleichsam aufs gerathewohl, meinen letzten Schuss auf einen einzeln stehenden Bock ab, die Ent- fernung betrug mindestens 500 Schritt. In demselben Momente war das Thier verschwunden, während rechts und links andere Exemplare über die Sumpftläche davoneilten; das vermisste war wie in den Boden gesunken. Meine Niamniam waren bald zur Stelle und machten mir aus der Entfernung ein freudiges Zeichen ; ich wollte nicht meinen Augen trauen, als sie das erlegte Thier herbeizuschleppen begannen. Die Kugel sass auf dem Halse.

So hatte ein seltenes Jagdglück mir leichten Kaufs einen grossen Fleischvorrath in den Schos gespielt, der nach den Entbehrungen der letzten Zeit allgemeine Begeisterung unter meinen Leuten zu Wege brachte. Indess ich fürchte, den Leser mit neuen Details zu ermüden. Die Liebhaber von Jagdgeschichten und die Bewunderer von unerreichter Schützen- kunst finden in Baker's „Albert Nyanza^' und noch besser in Ilerodian's Schilderung von des Kaisers Commodus Thier- spielen und seiner unglaublichen Zielgewaudtheit das Ge-

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wünschte in reiclierm Masse, als es meine beschränkte Er- fahrung daraubieten vermag.

Das für meine Abendmahlzeit bestimmte Stück in den Händen hatte ich das Lager erst bei einbrechender Dunkel- heit zu erreichen vermocht. Ich fand die Leute bei den ersten Weilern des Bendo'schen Districts, anderthalb Stunden im Süden vom Wohnsitze des Behnki, am Abhänge eines Hügelzugs gelagert. Die halbe Nacht wurde der Zubereitung eines neuen Vorraths von Fleischextract gewidmet, welches ich aus den besten Stücken der Leucotis gewann. Ein grosses Kupfergefäss, welches ursprünglich als Destillirblase gedient hatte, jetzt aber zum Breikochen für die Sklavinnen Mo-* hammed's Verwendung fand, leistete für meinen Zweck die besten Dienste. Aus einer Masse von circa 70 Pfund zarten Fleisches gewann ich den ausserordentlich hohen Betrag von 2y.2 Pfund Extract, so dick wie Honig und von tadelloser Qualität. Das Product war ein unendlich vollkommeneres als das aus dem Fleische der Monbuttuziegen gewonnene, welches auch quantitativ einen weit geringern Ertrag lieferte; es bewies, dass der wiederholt gepriesene Wohlgeschmack des Leucotis-Fleisches von mir nicht aus der Luft gegriffen war. Es war ausserdem vollständig leimfrei und im Ge- schmack durch nichts von demjenigen aus Fray-Bentos zu unterscheiden, ein Vergleich, den ich in der Folge, nachdem mir die neuen Vorräthe aus Ghartum zugegangen waren, bald zu machen Gelegenheit fand. Nur derjenige, welcher, wie ich, monatelang auf eine ungenügende und einförmige Kost oder auf langen Wüstentouren ausschliesslich auf Mehl- kost angewiesen gewesen, ist im Stande, die wunderbar stärkende Wirkung zu begreifen, welche ein nur geringer Zusatz dieses Präparats zu Mehlspeisen und Gemüsen von einer Art, die für die Ernährung ziemlich gleichgültig bleiben muss, auf diese Lebensmittel zu übertragen vermag; da kann es sich nicht mehr um ein Reizmittel handeln, als welches viele den Fleischextract allein gelten lassen wollen, die Er*

Zabereitang von Flcischextract. 251

irung beweist vielmehr, dass es, insofern es den sonst un- •werthbaren Bestandtheilen vieler indifferenter Speisen zu em Lohen Grade von Nährfähigkeit verhilft, in der That Nährmitt<3l sei, und zwar ein solches ersten Ranges. Bevor am folgenden Tage die mühsame Kocharbeit voll- let war, hatte ich Zeit, den benachbarten Hügel zu er- sehen und seine prachtvolle Vegetation zu bewundern, r wilde Wein (Vitjs Schimperi) stand im vollen Trauben- iniuck, und ich labte mich an dieser längst entbehrten be Pomona's. Die Beeren, obgleich minder saftig und von em etwas kratzenden Nachgeschmack begleitet, erinnern ganzen genommen doch an diejenigen unserer Rebe, iserlich sind sie bei ihrer röthlichen oder dunkelbraunen rbuug von den unserigen nicht zu unterscheiden. In Süd- eröffnete sich ein Fernblick auf die Hügel von Babunga, Iche, die Grenze des Babückurgebiets bezeichnend, hier einem Abstände von 10 Meilen sichtbar wurden.

Bei Bendo war ein Neubau aller Hütten seiner Mbanga olgt, welche einen ungewöhnlichen Geschmack im Baustil den Tag legten. Die Strohdächer nahmen sich aus wie rliche Arbeiten von Korbflechterei, mit so vielen Zierathen ren die Spitzen versehen. Ein gehöriger Vorrath von Mais ante inzwischen herangeschafft werden und brachte einige wechselung in die Einförmigkeit schlechter Brotstoffe, von len wir bisher zehrten. Der Aufenthalt auf dem Hofe ndo's gewährte mir viel Unterhaltung. Er selbst war ein rlicher, stets aufs sorgfältigste geputzter Herr, den man j ohne Federhut und nie ungeschminkt einherschreiten sah. Nachdem ich auf dem Gumangohügel eine interessante tanische Ausbeute gewonnen, wurde der Rei wiederum erschritten und der Marsch zu den nahen Weilern Gumba's i;gesetzt. Kaum hatten wir uns daselbst gelagert, als uns Q Mohammed die Botschaft zuging, wir möchten ihn am ütze, wo wir uns befänden, erwarten. Bei seiner Rückkehr r Seriba hatte er nämlich die Soldaten, welche er aus den

252 Achtzehntes Kapitel.

üändeu der Niamniam befreien zu müssen glaubte, bereits wohlbehalten daselbst vorgefunden, denn es war ilinen ge- glückt, sich mit allen Verwundeten bis dahin durchzuschlagen. Aus diesem Grunde blieben wir zwei Tage bei Gumba.

Die Ankunft der langvermissten Freunde brachte viel Leben und Heiterkeit in unsere Karavane, des Fragens und Erzählens wollte es da kein Ende nehmen. Ich hielt mich hauptsächlich an die Angaben des Anführers Bädri, welcher an Stelle des umgekommenen Achmed das Corps geführt hatte, er war mir als zuverlässig bekannt und seine Nach- richten nmssten für mich aus dem Grunde besondem Werih haben, weil sie die Gebiete am untern Laufe aller derjenigen Flüsse, welche ich nur in der Nähe ihrer Quelle oder in ihrem Oberlaufe überschritten hatte, aufzuhellen vermochten. Ueber ihre Kämpfe mit den Niamniam erfuhr ich noch manche nachträgliche Einzelheiten.

Verhängnissvoll wurde ihnen, wie sich erwarten Uess, der Uebergang über einen jener unzugänglichen Waldbäche, welche ich unter der Bezeichnung „Galerien" wiederholt ge- schildert habe; die Bestürzung der wehrlosen Träger und der dadurch im ganzen Zuge hervorgerufene Wirrwarr muss über alle Massen schrecklich gewesen sein. Die erste Lanzen- decharge der Niamniam hatte den Platz mit Todten und

Verwundeten bedeckt, den grössten Verlust an auf der Stdle Getödteten hatten die Trägercolonnen zu erleiden. Bis der Angriff begonnen, waren die Eingeborenen völlig unsichtbar gewesen, ein jeder hatte seinen Stand hinter einem Baum- stämme oder inmitten eines Busches, andere sollen in den Zweigen der Bäume gesessen haben, um von oben herab die Wucht ihrer Geschosse zu verdoppeln. Dabei hatten oe sich, der Länge nach auf dem Bauche liegend, an die dicken Aeste angeschmiegt, welche sich über den Pfad ausbreiteten. Das viele Schlingwerk und die Schmarotzergewächse, welche die Stämme umhüllen, mussten ihi*e dunkeln Leiber im tiefen Schatten des Laubes den Blicken eines Spähenden erst vollends

Erzählung der Kriegsabenteuftr. 253

jntzielien. Bädri's Erzählung erinnerte mich lebhaft an die Schilderung von den wüthenden Indianerkämpfen in den Urwäldern Floridas, wo es ganz ähnliche Situationen gegeben laben muss.

Die chartumer Soldaten tragen beständig eine grosse Menge fertiger Patronen an sich, welche in Gestalt eines Grürtels um den ganzen Leib gereiht sind ; sie sind daher im Stande, ein sehr langes Gewehrfeuer unterhalten zu können. Erst nach anhaltendem Feuer hatten sie es vermocht, in dem wilden Gehölz die Verwundeten zusammenzutragen, die Leichen der Gefallenen aber und der grösste Theil des Gepäcks fiel den Angreifenden in die Hände und wurde von diesen mit der grössten Hast davongeschleift. Alle Versuche, die Todten wiederzugewinnen, blieben erfolglos und scheiterten an der Verworrenheit des Terrains und der selbstverständlichen Plan- losigkeit aller Attaken.

In wilder Flucht und unter Zurücklassung des schweren Elfenbeins hatten die Träger einen benachbarten Hügel in der Steppe gewonnen, nach welchem sich später auch die Nubier zurückzogen, um von der die Ebene beherrschenden Höhe aus sich besser der fortgesetzten Angriffe erwehren zu können. Ein Theil der letztern hatte Kaltblütigkeit genug besessen, das weggeworfene Elfenbein an einer kenntlichen Stelle im Sumpf^asser der Galerie ^u versenken, damit es im kommenden Jahre wieder abgeholt werden konnte. Inzwischen mit den Feinden eingeleitete Verhandlungen er- möglichten am folgenden Tage den Abzug, indem die nun ledig gewordenen Träger zur FortschafiFung der Schwerver- wundeten dienen konnten. Infolge unerwarteter AngriflFe, welche die treulosen Wilden, unterstützt durch den Zuzug aus benachbarten Gegenden, zur gänzlichen Vernichtung der Fremdlinge fortsetzten, sahen sich die Nubier von neuem genöthigt, einen festen Stand zu gewinnen ; sie schleppten in gewohnter Weise Dorngesträuch und Holzwerk zusammen und verschanzten sich auf offener Fläche in einem Verhau.

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Drei Tage lang versuchten nun die Niamniam unablässig Massen angriffe auf die feste Stellung der Nubier zu organi- siren Da drei selbständige Häuptlinge ihre gesammte Waffen- macht aufgeboten hatten, muss die yersammelte KriegermeDge eine ausserordentliche gewesen sein. Erst nach völliger Er- schöpfung ihrer Vorräthe an Lanzen und Pfeilen hatten sie ihre wüthenden Attaken eingestellt und den Abzug der Nu- bier geschehen lassen. Dabei müssen sie eine ungewöhnliche Energie an den Tag gelegt haben, denn es wurde erzählt, dass, nachdem alle Lanzen verworfen worden, die Dechargen vermittels zugespitzter Pfähle fortgesetzt worden seien, welche mit gewaltiger Wucht auf die Nubier geschleudert wurden. Der Vorrath an Lanzen und Schilden, welche sich bei diesen Affairen im Innern des Verhaues angesammelt, soll so gross gewesen sein, dass die Umzingelten während der ganzen Zeitdauer der Belagerung mit nichts anderm ihre Lagerfeuer unterhalten hätten. Die zur Karavane gehörigen K^er hatten in der That grosse Massen von Lanzenspitzen mit- gebracht, welche sie in Bündeln von Hunderten als Beute in ihre Heimat schleppten.

Ich gebe im Nachfolgenden das Itinerar des Abd-es- SsammaVschen Corps auf seinem Zuge durch die Länder im ' Westen und Südwesten von der von mir verfolgten Route durch den östlichsten Theil des Niamniamgebiets. Bei Rik- kete's Dorf, am Atasilli, trennte sich, wie erwähnt, das Corps von unserer Karavane. Auf dem grössten Theil ihrer Wanderung scheinen die Leute eine Wegrichtung von West- südwest verfolgt zu haben. Ein sechsstündiger Marsch führte sie zunächt von Rikkete^s zum Wohnsitze Garia's, eines Bruders von Uando, welcher, wie die Mehrzahl der Söhne des einst länderreichen Basimbeh, nach dem Tode des Vaters ohne Anerkennung der Thronfolgerechte seines erst- geborenen Bruders, als selbständiger Theilfürst einen Theil des Landes behauptet. Von Garia führte der Weg zu Ma- lingde oder Malindo in einem guten Tagemarsche, nach der

Itinerar von Rikkete bis Kanna. 255

eschreibuDg in etwa fünf bis sechs Stunden. Malingde ist der [teste unter den Söhnen Basimbeh's, und sein Gebiet von rösserm Umfange als das der andern Brüder, mit welchen r zur Zeit meiner Anwesenheit auf freundschaftlichem Fusse band. In einem Vormittagsmarsche von ungefähr vier Weg- bunden sind sie alsdann zu einem andern Bruder dieses [äup^lings gekommen, der Moffi genannt wurde und als in Behnki den ihm anvertrauten District unter Malingde's Oberhoheit verwaltet.

In gleicher Eigenschaft fanden sie 2V2 3 Wegstunden n Westen von Moffi einen zweiten Bruder Malingde's, Na- lens Bäsie. Hinter diesem Platze betraten sie eine aus- edehnte Grenzwildniss, welche das Gebiet Malingde's von emjenigen Indimma's trennt. Eine kurze Strecke hinter em Wohnsitze des Bäsie hatten sie einen Fluss zu passiren, reicher an Wassermenge dem Bohl bei A-uri gleichkommen oll und ein Nebenfluss des Mbrüole ist, den dieser auf sei- ler rechten Seite aufnimmt. Ausser dem genannten wurden a der Wildniss noch drei kleinere Flüsse überschritten, ,lle jedenfalls Zuflüsse des Mbrüole. In ^% guten Tage- närschen, die man auf 20 30 Wegstunden veranschla- ;en kann, war von Bäsie aus die Residenz des Indimma rreicht. Dieser, ein Sohn des Kifa und einer der mächtigsten liamniamf ürsten jener Zeit, hatte seinen Sitz auf einem hohen ind isolirt aus der Ebene emporragenden Berge, welcher aus rueis oder Granitmasse besteht. Dieser Berg, welcher nach len Aussagen des einen so hoch wie diejenigen bei A-uri 300 Fuss), nach andern höher als der üohba bei Deragö 500 Fuss) sein soll, breitet sich auf der Höhe zu einem aus- ;edehnten Plateau aus, welches von Ackerflächen bedeckt ist, n deren Mitte die Residenz des Königs gelegen ist, welche lach den Aussagen aller einen stadtähnlichen Umfang haben Lud aus einigen tausend Häusern bestehen soll. Der Berg QU88 mehrere Meilen lang und breit sein, denn der Weg chlängelte sich auf weiten Umwegen hinauf und nöthigte

256 Achtzehntes Kapitel.

die Karavane zu wiederholtem Rasten. Südlich davon soll noch ein kleinerer Berg in der Nachbarschaft liegen, in West aber eröffnet sich ein Femblick auf zahlreiche Höhen- züge, darunter die Gängaraberge. Die Bevölkerung des In- dimma'schen Gebiets ist von gemischtem Stamme und besteht zur Hälfte aus echten Sandeh-Niamniam, zur' Hälfte aas A-Madi, welche, mit den A-Banga stammverwandt, den Mon- buttu im Aeussern völlig gleichen. Von Indimma wandte sich die Karavane zu Kanna, dem mächtigsten der regieren- den Söhne Kifa's. Der Marsch dahin erforderte vier Tage. Ein halber Tagemarsch hinter Indimma^s Stadt wurde ein grosser Fluss überschritten, welchen die Reisenden mit dem Flusse von Uando, dem Mbrüole, identificirten, sie verglichen seine dortige Grösse mit dem des Blauen Nils bei Chartum, bestanden aber darauf, dass es nicht derselbe Fluss, den man auf dem Wege zu Munsa zu passiren hat, also nicht der Uelle gewesen sei. Von der Uebergangsstelle über den genannten Fluss hätten sie noch drei starke Tagemärsche zurückzulegen gehabt, sodass man die ganze Strecke zwi- schen Indimma und Kanna auf ungefähr 25 30 Wegstunden abschätzen kann. Ein Niamniam von Kanna, welcher der Compagnie gefolgt war, gab auf meine Erkundigung nach der Entfernung dieses Fürstensitzes von der Residenz Munsa's an, dass man in fünf Tagemärschen, und zwar so wie die Niamniam zu marschiren pflegen, d. h. die Tagereise zu 8 10 Stunden gerechnet, diese Strecke zurückzulegen ver- mag. Die Himmelsrichtung, welche er dabei angab, war Ostsüdost und Südost. Diese Angabe stimmte zu den Aus- sagen von Abderachmän Abu-Gurün, welcher mir mittheilte, dass seine schwerfällige Karavane auf diesem Wege 15 Tage zugebracht hätte. Eine gleiche Zeitdauer beanspruchte aller- dings auch unsere Karavane auf einer Strecke von ähnlicher Entfernung, nämlich vom Nabambisso zu Munsa. Nach den Schilderungen, welche mir die Leute vom Hofhalte Kanna^s, welcher den Beinamen Bendi führt, machten, moss

Kanna's Gebiet und Hofhaltung. 257

er Zuschnitt der dortigen Sitten in hohem Grade an das .and der Monbuttu erinnern. Auch Kanna hatte seine rossen Palasthallen, in welchen er die Feste mit Tanz und [ömerklang zu feiern gewohnt war und wo die Grossen es Reichs zur Rathsversammlung erschienen. Im Westen on Kanna kamen die Reisenden nach einem Vormittags- larsche, also nach ungefähr vier Wegstunden, zu Bakinge, inem Bruder des Königs, welcher einen eigenen District nter sich hatte. Kurz vor Bakinge war die Karavane ber den grossen Fluss übergesetzt worden, welcher aus dem .ande der Monbuttu von Osten herfliesst, das war der Uelle. .n der üebergangsstelle, etwa 2^1^ Stunden von Kanna's residenz entfernt, befand sich der Wohnsitz des Mbittima, Ines andern königlichen Bruders und Unterhäuptlings. Den luss schildern die Chartumer von der Wasserbreite des iTeissen Nils an seiner Mündung. Der Niamniamdolmetscher, er sie begleitete, von mir nach dem Namen des grossen lusses von Kanna befragt, gab an, er heisse Uelle oder ;i-Uelle; so war die Identität desselben mit dem Flusse von [unsa erwiesen. Das „Bi" heisst in mehrem Negersprachen on Centralafrika „Fluss", ebenso wie „Ba"; ich war sehr berrascht, diese Bezeichnung hier wiederzufinden, welche ie vermuthete Verwandtschaft und den Zusammenhang der ander mit Baghirmi durch ein neues Factum zu erhärten jhien. Der Uelle soll in der Gegend von Kanna einen eiten Bogen beschreiben. An diesem Theile seines Laufes egen die Wohnsitze Mbittima's und Sibba's, letzterer ein ohn Kanna's, der seinen eigenen District befehligt. Die .bd-es-Ssammat'sche Compagnie besuchte auch den Wohn- itz eines andern Bruders des Kanna, Namens Gendua, wel- ber in Nordwest von dem Königssitze nach einem zweitägi- en Marsche erreicht wurde, ohne den grossen Fluss über- 3hreiten zu müssen.

Ich kehre zu unserm Lager bei Gumba zurück, wo wir nsern alten Minnesänger immer noch bei unveinvüstlichem

ScHWsnrruBTH. II. 17

258 Achtzehntes Kapitel.

Humor wieder antrafen , um uns an den Heldengesängeu, mit welchen er die Grossthaten Mohammed's feierte, von neuem zu erbauen. In wenigen Tagen sollte ich vielleiclit für immer vom Niamniamlande Abschied nehmen, daher sah ich mich nach einem Hunde von der merkwürdigen Rasse dieses Landes um , den ich als* eine Novität ersten Ranges für die Rassenzüchter mit mir nach Europa nehmen wollte. Um den Preis von zwei Kupferringen erstand ich eine Hündin, die mir besonders intelligent erschien und die sich in der That sehr schnell an meine Person attachirte. Leider konnte ich mein Vorhaben, die europäischen Rassen mit einem so neuen und fremdartigen Schlage zu bereichem, nicht aus- führen. In Alexandria, bis wohin ich das Hündchen glück- lich gebracht hatte, stürzte es sich aus dem zweiten Stock- werke eines Hotels auf die Strasse, wo es auf der Stelle todt blieb. Mühen und Unbequemlichkeiten von der ver- schiedensten Art hatte ich umsonst verschwendet; nur der- jenige wird daher meinen Gram um diesen Verlust begreifen können, welcher weiss, was es heisst, einen Hund auf dem Rücken der Kamele durch die Wüste zu schleppen oder wiederholt aus den Fluten des Nils an Bord der segelnden Barke retten zu lassen, wie ich es gethan.

Als sich unser endloser Zug durch die wellige Hügel- landschaft zwischen Gumba und Nganje fortbewegte, konnte man vernehmen, dass die Karavane wieder ebenso vollzählig geworden war wie auf dem Hinwege vor 4Va Monaten. Ein grosser Theil der Verwundeten wurde immer noch auf Bah- ren getragen, deren lange Reihe einen seltsamen Anblick gewährte. Darunter befand sich einer, dem ein I^anzenwürf die ganze Sohlenhaut buchstäblich vom Fusse abgeschalt hatte. Auch Ali, der Anführer des Ghattas'schen Corps, hatte zwei schwere Wunden, eine am Halse und eine andere im Schenkel; der baumstarke Neger schien sich aber daraus, obgleich die Wunden noch offen waren, wenig zu machen und schritt munter und gesprächig des Weges einher, jeden

Rasttag bei Nganje. 259

Jatz, den er aussprach, mit der Betheuerung „wollalii, wol- ahi" unterstützend (d. h. bei Gott), eine Angewohnheit, welche die Mehrzahl der Chartumer miteinander theilen. 3iese Leute sind, was das Ertragen von Schmerzen anbe- angt, jedenfalls weit grössere Helden als sie sich im Kampfe selbst zu zeigen pflegen.

Bei Nganje verbrachten die Nubier in Saus und Braus »inen dem afrikanischen Gambrinus geweihten Rasttag, der Häuptling hatte bereits im voraus für ihre festliche Be- K-irthung gesorgt. In der Hütte Mohammed's stand der •iesige Bierkrug des Nganje. Kugelrund und so schwer, lass man zweier Menschen bedurfte, um ihn im vollen Zu- stande von der Stelle zu rücken, war er ein Meisterstück lutochthoner Töpferei. Ich benutzte den Tag zu einem fagdausfluge in westlicher Richtung, welcher zwei kleine \ntilopen und eine Menge Perlhühner eintrug, die ich gross- nüthig unter meine Begleiter vertheilte. Der Häuptling »elbst delectirte sich, als er mich am folgenden Tage be- juchte, an ihrem zarten, während der Regenzeit besonders j^rohlschmeckenden und fetten Fleische.

Von der geringen Macht eines Niamniamhäuptlings konnte ich mich bei Nganje von neuem überzeugen. Er iiatte mir versprochen, für das Zeug von meinem zerschnit- tenen Zelte, sammt Unterfutter, aus welchem sich viele Hun- iert Schürzen schneiden liessen, zwanzig Körbe mit Eleusine- mehl zu liefern, damit die Bedürfnisse meiner Leute für die eor uns liegende Wildniss gedeckt wären, war aber nicht im Stande, mir die Hälfte darbieten zu können, obgleich er öine Menge Frauen und Sklaven besass, welche die ge- wünschte Quantität in der gegebenen Frist wol hätten her- zustellen vermocht. Andere Lebensmittel als die genannte schlechte Kornart waren nicht aufzutreiben, und man musste froh sein, wenn man es überhaupt nur bekam.

Mohammed hatte bereits vor seinem Aufbruche von der Seriba Boten zu Nganje vorausgeschickt, um die Ankunft

17*

260 Achtzehntes Kapitel.

seiner Karavane anzumelden, damit er Zeit gewinnen könne, die zum Uebergang über den Tondj erforderliche Brücke schlagen zu lassen. In der That waren die Arbeiten längst vollendet und eine Hängebrücke höchst eigentiiümlicher Art über das reissende Gewässer geworfen worden. Mit Benutzong einiger gewaltiger Uferbäume, welche als Stützpunkte dienten, waren vielfach Taue über den Fluss ausgespannt worden, welche, durch Querhölzer miteinander verbunden, einen mehr als luftigen Steg herstellten, der unter gefährlichem Schaukel- artigen Hin- und Herschwanken die Passage nur in krie- chender Stellung ermöglichte.

Der Marsch von Nganje^s Wohnsitz bis an den Iilnss führto durch die bereits geschilderten Grasdickichte, welche alles bisher Gesehene an Grossartigkeit weit in den Schatten stellten; jetzt standen sie frisch aufgeschossen in ihrer un- geschmälerten Ueppigkeit und Wildheit da. Die Saison der grossen Elefantenjagd war längst vorüber, und Mohammed war mit den erzielten Resultaten seines Freundes sehr zu- frieden. Wie er mir mittheilte, hatte Nganje, der doch ein weit kleineres, wenn auch an Wildnissen reicheres Gebiet beherrschte, als Munsa, für ihn einen viel grossem Elfenbein- vorrath aufgehäuft, als er von dem mächtigen Monbuttu- könige erzielte.

Die letzte Nacht auf dem Gebiete der Niamniam ver- brachten wir in neuerbauten Hütten des Penio'schen Districts in der Nähe des Flusses. Daselbst war auf einer Strecke von mehrern Meilen Länge die Wildniss frisch gerodet wo^ den, um neues Ackerland nach Erschöpfung der Bodenkräfie des alten zu acquiriren. An solchen Plätzen ist die Blüten- füllc einer Masse von Stauden, deren Gedeihen die Dichtig- keit des Baumwuchses beeinträchtigt, immer eine neuver- jüngte; aller Fesseln ledig ergehen sich daselbst die Stief- kinder der sylvischen Flora in ausgelassenster Lustigkeit und erdrücken den Wanderer mit ihren freundlichen Liebes- gaben.

Uebergang über den Tondj. 261

Am 24. Juni überschritten wir den Tondj; der grösste Theil des Tages verstrich unter Anstrengungen, das Gepäck hinüberzuschaifen. Die Stelle unsers Uebergangs war 4 Mei- len oberhalb und im Osten von der auf dem Hinwege durch- furteten befindlich, wo die geringere Breite des Wassers, die Höhe der Ufer und der höhere Baumwuchs an denselben das Ausspannen einer Hängebrücke besonders zu begünstigen schienen. Die von der letztern überspannte Wasserfläche des Flusses hatte hier eine Breite von 60 Fuss, denn in der Jfähe der beiderseitigen Ufer war der Fluss so voll von ¥imgestürzten Bäumen und Sträuchern, welche mit ihren besten aus den rauschenden Fluten hervorstarrten als wüch- sen sie in denselben, dass das Wasser des eigentlichen Strom- laufs dadurch auf die Hälfte verengt wurde. Die Strom- geschwindigkeit betrug 115 Fuss die Minute, die Tiefe nir- gends unter 10 Fuss.

Das Material, aus welchem die Hängebrücke hergestellt '^Verden war, bestand hier ausschliesslich aus den Reben von Avildem Wein, welche zu dicken Tauen von unvergleichlicher ICraft und Elasticität zusammengeschlungen waren. Etwas ganz Aehnliches hat der französische Reisende d'Abbadie 5iuf seiner Tour nach Enarea wahrgenommen, und auch in Südamerika sind schnell improvisirte Brücken aus ähnlichen Schlingpflanzen in Gebrauch. Um die für die Spannung er- forderliche Höhe gewinnen zu können, war von beiden Seiten her ein förmliches Gerüst aus umgestürzten Bäumen errichtet lÄ'orden, welches zu den als Brückenpfeiler dienenden Bäu- men hinaufführte. Es war ein verzweifeltes Klettern von Ast zu Ast auf diesem verworrenen Bauwerk, nur die un- geschmälerte Gewandtheit eines Waldmenschen schien be- fähigt, solche Hindernisse zu überwinden, welche allein schon durch ihren verwirrenden Anblick geeignet waren, den Rei- senden ausser Fassung zu bringen, auch wenn er sich im -übrigen schwindelfrei und in gymnastischen Künsten erfahren erwies.

NEUNZEHNTES KAPITEL.

Trennung unserer Karavanc in zwei Hälften. Abstecher nach Osten Charakteristik des afrikanischen Elenns. Bambuswaldungeu, ein neuer Landschaftscharakter. Die Seriba Mbomo am Lehssi. Komreichthum der Gegend. Itincrar zwischen Küddu und Mbömo. Grosse Mais- cultur. Der geschirrte Buschbock. Ein Leopard im Triumph herbei- getragen. Leopard und Panther. Das Volk der Babückur. Durch- stochene Lippen der Frauen. Kächtliche Ueberraschung des Lagers durch wilde Büffel. Misgeschick beim Durchschwimmen des I^ehssi. Landstreicher der Wildniss. Büffel im Busch. Die Maschirrhügel. Wiedersehen von Tamarinden. Wilde Datteln. Tikkitikki. Erstannen beim Anblick einer Rinderheerde. Allgemeines Resume über die Reise. Nachriclit von den grossen Planen des Vicekonigs. Hunger auf dem Weitermarsche nach Norden. Mühselige Passage des Tondj. Kürbise empfehlen sich zur Herstellung von Fähren. Neuer Flor des Ghattas'- schen Etablissements. Ankunft der ersehnten Vorrathe. Ein ver- wirklichter Traum. Ausflug nach Kurkur. Hyänenhunde. Scheu der Nubier vor klarem Wasser. Zwei Soldaten von Dinka erschlagen. Vergebliche Pflege eines jungen Elefanten. Meine Menagerie. Mis- geschick beim Pfeilschiessen. Viehseuchen. Meteorologisches. Aus- flug zum Djur. Besorgniss um Giabir^s Schicksal. Traurige Nach- richten von Mohammed.

Am 24. Juni hatten wir den Tondj überschritten. Es war bereits spät am Nachmittag, als wir uns aus dem Dickichte des rechten Flussufers zurückzogen, um einen freien Gras- platz zu gewinnen, welcher zum Sammelplatz der grossen Karavane dienen sollte. Die einzelnen Theile, aus welchen dieselbe bestand, sonderten sich hier in zwei Gruppen ab, denn eine abermalige Trennung musste vorgenommen werden,

Abstecher nach Mbömo. 2ß3

indem Mohammed, bevor er sich zurück nach Ssäbbi wandte, erst einen Abstecher nach Osten zu machen hatte, um die Grenzen seines Mittugebiets zu erreichen und die daselbst aufgestapelten Elfenbeinvorräthe abzuholen. Der grösste Theil aller Träger und Soldaten wurde nordwärts direct nach Ssäbbi dirigirt, mit ihnen auch die meiuigen, welche ich der Leitung meines Dieners Osmän Abubekr anvertraute, während ich mich selbst mit dem unentbehrlichsten Gepäck der nach Osten bestimmten Abtheilung anschloss. Auch das Ghattas'- sche Corps hatte diesen Weg, welcher durch kornreiche Gegenden führte, eingeschlagen und marschirte in Gemein- schaft mit den Unserigen.

Mohammed Abd-es-Ssammat, welcher erst im vergangenen Jahre die an Nganje's Gebiet angrenzenden Mittu unter- worfen, hatte am obern Lehssi, nicht weit von den Dörfern Uringäma's, eines Behnki des Nganje, im vergangenen Februar eine Seriba gegründet, da dieser Platz von den am Rohl ansässigen Compagnien auf ihrem Durchzuge nach den Niam- niamländern häufig besucht wurde und eine wegen der grossen Fruchtbarkeit und Komf ülle der Gegend sehr beliebte Station abzugeben pflegte. Der schlaue und unternehmende Kenusier hatte diese Vorzüge, denen sich noch eine ergiebige Elefanten- jagd hinzugesellte, schnell begriffen und sich wohl zu Nutze zu machen gewusst. Der über die Mittu jenes Districts ge- setzte Ortsvorsteher hiess Mbömo. Mit den benachbarten Niamniam lebten die Soldaten der Seriba in bester Freund- schaft, da die beiderseitigen Landesherren ebenfalls die besten Freunde waren.

Die Seriba Mbömo lag vom Uebergangspunkte über den Tondj 21 Meilen in Ostsüdost, und der Weg bis dahin ver- folgte fast ununterbrochen die gerade Linie in dieser Rich- tung. Gleich bei Beginn des Marsches, wir hatten soeben erst das Waldesdunkel von neuem betreten, wurden wir durch bedeutsame Winke der Vordermänner im Zuge zum Stehen gebracht. In den Gebüschen musste etwas Besonderes

264 NeuDzehotes Kapitel.

vor sich gehen. Leicliten Schrittes schlich ich mich also vor und sah aus dem tiefbeschatteten Laube des Unterholzes die hellen Leiber einiger grosser Thiere hervorschimmern. Es war ein Trupp von fünf riesigen Elenns, welche unbekümmert und ohne irgendwelche Witterung von uns zu haben unter einem grossen Baume in nächster Entfernung ruhig den Boden abtästen. Sie glichen friedlich weidenden Kühen aufs täuschendste. Mit einem der Schwarzen schoss ich a tempo auf den vordersten Bullen, welcher uns seine volle Breitseite darbot. Da konnte man sehen, wie die scheinbar so schwerfälligen Thiere zu rennen verstanden. Herwärts über unsern Weg kameii sie im sausenden Galop gesprungen, und die runden Tonnenleiber flogen förmlich auf ihren schwachen und kurzen Beinen an uns vorüber. Dann erfolgte ein gewaltiger Sturz, und eine Beute war unser, welche die ganze Karavane mit einem guten Abendessen versorgte.

Diese grösste aller Antilopenarten (A. Oreas), welche am Widerriste mitunter über 6 Fuss Bodenhohe misst, ist über den grössten Theil des Continents verbreitet und scheint keiner Gegend des gesammten äquatorialen Afrika zu fehlen. Wahrscheinlich verdankt das stattliche Thier seinen Namen „Eland"der kühnen Phantasie irgendeines belesenen Colonisten, dessen hochnordisches Urbild den holländischen Boers doch wol nur als ein Thier der Mythe und der Heldensage vor- schweben konnte. Sowenig nun auch Färbung und Hörner des Oreas etwas mit dem Elenn gemein haben, so zeigte es mir in seiner Statur immerhin einige Anklänge an das stolze Wild meiner nordischen Heimat. Der kropfartige, zottige Haarbesatz vorn unter dem Halse, die buschigen Borsten- haare auf der Stirn, vor allem der gewaltige schwarzbemähnte Widerrist rechtfertigen einigermasscn diesen Vergleich. Weit auffälliger dagegen ist die Achnlichkeit dieser Thiere mit den Zeburassen der afrikanischen Rinder, die an und für sich den Antilopentypus in hohem Grade verrathen; das kurze Gestell, der aufgetriebene, runde Leib, die lang herab-

Die afrikanische Elcnnantilope.

265

hängende Wamme, der backelartige Widerrist, das isabell- farbige Fell schliesslich sind noch weit bessere Merkmale als die vorhin genannten, die für einen solchen Vergleich plaidiren.

In seiner äussern Erscheinung ist aber das afrikanische Elenn ebenso variabel wie das Hartebeest und andere weit-

Hörner vom contralafrikauiscbeu Elenn.

verbreitete Antilopenarten. Die von mir beobachteten Rassen verdienen daher einige Besprechung. In zoologischen Gärten wird man selten zwei völlig gleiche Individuen antreffen ; am meisCen variabel sind die Gehörne, ich habe daher mit Fleiss die Abbildung zweier Formen derselben aus meiner Samm- lung hier beigefügt, um die grössten Extreme darzuthun, welche mir vorgekommen sind. Das eine divergirende Hörner-

266 Neunzehntes Kapitel.

paar zeigt eiue einmalige, das andere eine anderthalbmalige Spirahvindung. Diese Gehörne erreichen bis 0,91 Meter Länge.

So viele ich ihrer gesehen, waren die Elenn stets durch eine sehr hellledergelbe, an den Seiten isabellfarbene, äusserst kurze und glatte Behaarung ausgezeichnet. Die Mälinen- haare sind aufrecht, schwarz und 3 Zoll lang. In den von- mir bereisten Gegenden scheint das Fell stets deutlich ge- streift zu sein, und dies ist sicherlich kein Merkmal der Jugend, wie einige Reisende verinuthet, da ich sehr alte Exemplare gesehen habe, welche beiderseits je 15 schmale, parallele Querstreifen von reiner weisser Färbung aufzuweisen hatten. Diese Streifen sind nur so breit wie ein Finger, nehmen von der schwarzen Längslinie des Rückens ihren Ursprung und verlaufen bis mitten auf den Bauch herab, welcher oft durch einen grossen schwarzen Fleck markirt ist. Das Fleisch des Elenn gehört zu den bessern Sorten und ist ebenso wohlschmeckend wie dasjenige vom Ilartebeest.

Eine Wegstunde vom Platze mit der Hängebrücke wurde inmitten einer unbeschreiblichen Wildniss gelagert, und un- bekümmert um den flutenden Regen verbrachte ich eine sorglose Nacht in meinem warmen Grasneste. Nicht weit vom Nachtlager in Norden lag eine kleine Gneiskuppe, Namens Manga. Bis wir diese Stelle erreichten, hatten wir zwei Bäche zu überschreiten, welche mit grosser Wasserfülle dem nahen Flusse zuströmten. Der erste derselben plätscherte über glatte Gneisfelsen, umgeben vom reizenden Blumen- schmuck der Auen, die sich, durch eine Waldlichtung windend, auf einem von zahlreichen Quellen berieselten Grunde aus- breiteten. Der Bach liiess Mokungüduli.

Die vor uns liegende, über achtstündige Wegstrecke führte ununterbrochen durch Wald, und das noch weite Ziel zwang uns zu zeitigem Aufbruch, als noch der ganze Wald von Nebeln dampfte und eine dunstige Thauatmosphäre über dem Erdboden ausgebreitet lag. Die interessante Waldflora, welche mich beständig rechts und links vom Wege abschweifen

Neue Pflanzentypen. 267

liess, gipfelte auch in dieser Gegend in dem prachtvollen Schmuck des Eucephalartus, welcher auf der ganzen Strecke von sehr häufiger Verbreitung erschien. Viele neue Gewächs- typen begegneten hier meinen Blicken, unter anderm die ersten krautartigen Euphorbien (Tithymalus), auf die ich im

Gebiete gestossen. Grossblütige Stauden und viele auffallende

Sträucher verliehen dem Walde das Aussehen einer künst- lichen Parkanlage. Einer der häutigsten Waldsträucher, den man ebenso gut einen krüppelhaften Baum nennen konnte, war das Parinarium polyantherum, welches durch grosse w^eisse Blütenbüschel sowie dicke glänzende und brüchige Blätter gekennzeichnet ist.

Auf der vor uns liegenden Strecke hatten wir nicht weniger als acht fliessende Bäche zu überschreiten. Von diesen flössen die drei ersten zum Tondj ab, während die folgenden dem Lehssi tributär waren. Der dritte Bach hiess Bagiäh, der fünfte Ulidjatäbba, auf welchen der von Gneis- felsen umgebene Lehssindah folgte. Eine Stunde rechts vom Wege und im Süden Von der Uobergangsstelle über den Lehssindah, erhoben^ sich mehrere Gncishügel, von denen die beiden höchsten Spitzen Ndimoh und Bondoh genannt wurden. Der Weg, welcher sich bisher in einem horizon- talen Niveau und wahrscheinlich ziemlich hoch über das Thal des Tondj erhalten, senkt sich auf eine Strecke von zwei Stunden zum Moroköh hinab, zugleich ist das mulden- artige Thal dieses breiten und schnellfliessenden Baches von ofl*enen Grasflächen umgeben, die sich diesseits und jenseits gleichmässig zu seinem in mäandrinischen Schlingungen hin- ziehenden Wasser neigen, das ganze Land vor uns in Osten schien sanft und gleichmässig gehoben, denn man sah vom Moroköh aus bereits bis über die rechte Seite des Lehssi hinaus, wo das Verbindungsglied in der Erhebungslinie zu suchen ist, welche sich von den Sileibergen in Mondu aus zwischen Tondj und Roäh nach Nordosten hinzieht.

Der Laudschaftscharakter dieses nach Südwesten schräg

268 Neunzehntes Kapitel.

abfalleuden Geseukes war neu im Hinblick auf das park- artige Aussehen der frühern Waldgebiete. Viele Meilen weit schweifte der Blick über baumfreie Steppenflächen, welche von undurchdringlichen Bambusdschungels, die sich gruppen- weise und in geschlossenen Massen voneinander abgesondert ausbreiteten, unterbrochen wurden. Der lebhafte Contrast zwischen dem hellen Grün der Grasflächen und dem dun- keln Olivengrün der Bambushorste vermehrte die über- raschende Neuheit dieses landschaftlichen Bildes. Unser Pfad verlor sich unmittelbar hinter dem Morökoh, sobald das Terrain anstieg, im Halbdunkel einer solchen Bambus- Waldung. Kurz vorher hatten wir zur Rechten und in nicht grosser Entfernung eine Reihe von von Niamniam bewohnter Weiler, es war Dippoddo's District; eine Stunde weiter nach Südosten lagen -die Dörfer Uringama's, die äusserste Ost- grenze des Gebiets von Nganje bezeichnend, denn der Lehssi bildete die Grenze zwischen Niamniam und Mittu. Wenige Stunden weiter in der angedeuteten Richtung zogen sich die nordöstlichsten Grenzen des Babückurvolkes hin.

Kurz vor Sonnenuntergang waren wir am Lehssi, hart an welchem die Seriba errichtet war, völlig entzogen den Blicken des Ankömmlings durch die Bambusmassen, welche hoch über das Pfahlwerk hinausragten. In einer tiefen Schlucht eingesenkt strömte der Bach in der Richtung nach Nordnordwest. Das spiegelklare Wasser, welches allen von Bambusdschungels umstandenen Bächen eigen ist denn diese Gewächse lieben einen quellig berieselten Grund hatte bei 15 Fuss Breite bis 4 Fuss Tiefe. Der eigentliche Ursprung des Lehssi war nicht fern. Nirgends gab es schöner be- schattete und mehr zum Ausruhen einladende Lauben, als hier, wo sich bogenförmig die schlanken Bambussprossen bis 40 Fuss weit über den Bach neigten, nirgends ein ein- ladenderes Bad auf sauberm Kiesgrunde.

Gleich bei meiner Ankunft in der Seriba wurde mir eine hohe Meinung vom Kornreichthum der Gegend bei-

KorDreichthum bei Mbömo. 269

gebracht durch die Menge der aufgetischten Sorghum-Kissere, die man nun nach langer Entbehrung meinen Leuten haufen- weise vorsetzte. Diese früher so hochmüthig von mir ver- schmähte Kost des Sudans mundete mir jetzt, als wären es die feinsten Brötchen, und ich konnte mich jetzt förmlich satt essen daran, so schwer sie auch im Magen lagen. Ich hatte sie auf der ganzen Niamniamreise überhaupt nur aus- nahmsweise und dann auch immer nur in ängstlich zuge- messenen Quantitäten genossen. Nach langer Zeit gab es hier auch wieder einen richtigen Hammelbraten; da waren alle Strapazen und Entbehrungen leicht vergessen.

Die Seriba Mbömo lag fast genau im Süden und 10 Weg- stunden von Kuddu am Roäh entfernt. Das fehlende Ver- bindungsglied zum Anschlüsse meiner Routen ward mir durch Mohammed's Fürsorge dargeboten, welcher auf dem Hermarsche im Februar des Jahres alle Angaben seines Mittuführers von einem schriftkundigen Mann zu Papier hatte bringen lassen. Die nämlichen Gewährsmänner wieder- holten mir nun hier noch die nöthigen Erörterungen münd- lich, sodass ich die ganze Strecke kartographisch mit ziem- licher Genauigkeit feststellen konnte. Das genannte Itinerar verzeichnet auf der Strecke Kuddu-Mbomo nicht weniger als zwölf Bäche, welche überschritten wurden, alle führten selbst zur trockenen Winterszeit Wasser in ihren Betten. Die Reihenfolge war von Norden nach Süden folgende: Teh, Burri, Malikü, Mariköhli, Mangaua, Uäri.

Alsdann wurde die Wasserscheide zwischen Lehssi und Roäh überschritten, angezeigt durch den auch von mir auf dem spätem Marsche visirten Gerehügel. Weiterhin folgten die Bäche: Kühluma, Magbogba, Makai, Patiöh, Manjinjih, Malühka. Alle diese Gewässer, so nahe auch ihr Ursprung zum linken Ufer des Roäh gerückt erscheint, müssen dennoch auf einem eigenthümlichen Umwege wieder mit diesem Flusse sich vereinigen, denn die fünf letztgenannten Bäche sollen sich im Westen der in Rede stehenden Route zu einem

270 Neunzehntes Kapitel.

grössern Bache Namens Dongöddulu vereinigen, der sich mit dem Tih oder Teh verbindet, dem Bache bei Ngoli's Dorf, welcher als Koddö nahe im Westen bei Ssabbi vorbeifliesst und ein Nebenfluss des Roäh ist.

Auf der Wasserscheide bedecken die Bambusdickichte viele Quadratmeilen Bodentiäche. Est ist dieselbe Art, welche an den untern Terrassen des abyssinischen Hochlandes eine so grosse Rolle spielt, die hier tief im Innern des Con- tinents in noch weit ausgedehntem Beständen auftritt. Diese Dickichte erinnern im Wuchs an Spargelfelder zur Sommer- zeit, die Sprossen, welche zu Hunderten an einer gemein- schaftlichen Basis entspringen und graziös nach allen Seiten bogenartig zum Boden nicken, tragen im allgemeinen ganz den Habitus des indischen Bambus zur Schau, welcher neuer- dings in den Gartenanlagen von Kairo so prächtig gedeiht Die Höhe ist dieselbe und erreicht 40 50 Fuss, aber die Stammbildung ist bei der abyssinischen Art nicht immer von solchem Umfange, wie bei der indischen.

Mbömo's District erinnerte mich an die Gegend von Kuräggera, es ist ein gutbebautes Land, von ausgedehnten Kornfeldern (Mais und Sorghum) bedeckt und dem Anschein nach stark bevölkert. Was mich am meisten in Erstaunen setzen musste, war die Cultur des Maises, welche hier im grossen Massstabe und ganze Ackerflächen einnehmend be- trieben wird. Ich erlangte einen ganzen Vorrath von frischen Maiskolben, welche ich dörren und mahlen liess, sodass ich einige Lasten davon mit auf die Reise nehmen konnte, die zu meinem Unterhalt für die kommenden Wochen ausreich- ten. Selbstverständlich bietet der Mais in diesem Lande den auch in andern Gegenden so empfindlichen Uebelstand im erhöhten Grade dar, dass nämlich das Korn leicht verdirbt, theils durch Schimmelbildung, theils durch Wurmfrass, auch geht das Mehl schneller in Gärung über, als es bei irgend- einer andern Kornart beobachtet werden kann. Die Ein- geborenen besitzen nur ein Mittel, um ihre Maisvorräthe

Maiscultur zu Mbümo. 271

während der Wintermonate zu conserviren, indem sie die Kolben zu riesigen Bündeln zusammengebunden auf hohen freistehenden Bäumen befestigen, wo sie dem Luftzuge und der Trockenheit am meisten ausgesetzt sind, wahrend der Wurmfrass in dieser Lage ausgeschlossen bleibt. Eins der besten Erzeugnisse des Landes ist auch die bei den Mittu mit Vorliebe cultivirte Bohne (Phasaeolus lunatus), die wohl- schmeckendste aller mir bekannten Arten, welche durch grosse Kerne, die meist zu zwei in der kurzen breiten und halbmondförmigen Hülse sitzen, ausgezeichnet erscheint.

Mein' Freund war sehr erfreut über den grossen Vor- rath an Elfenbein, den ihm diese junge Niederlassung wäh- rend der kurzen Zeit ihres Bestehens eingetragen. Drei Tage lang streifte ich die Gegend am Lehssi, und in diese Zeit fällt eine meiner lohnendsten Jagden. Ich erlegte hier den ersten Buschbock, dessen weisse Streifen auf dem leder- gelben Grunde seines Felles aufs täuschendste die Figur eines Pferdegeschirrs nachahmen. Jedes einzelne Individuum ist durch eine kleine Abweichung in der Zeichnung unter- schieden; das eine hat einige Streifen, das andere einige Punkte und Flecken mehr oder weniger auf jeder Seite. Diese Art habe ich immer nur vereinzelt in dichten Ge- büschen angetroffen, und sie scheint scheuer zu sein als irgendeine andere Antilope. So leicht auch das Auge an dem benannten Kleide des Thieres haftet, so ist es doch immer nur ein Moment, dass man es auf demselben ruhen lassen kann; nur ein Zufall lenkte meine Kugel auf den tödlichen Fleck, als der Bock eben mit einem Satze aus dem Busch hervorbrechen wollte, vor welchem ich, durch ein Geräusch auimerksam gemacht, lautlos mit gespanntem Hahne auf dem Anstand war.

Auch das Warzenschwein nimmt mit Vorliebe seinen Auf- enthalt in den Bambushorsten, wo ihm die weichen spargel- artigen Sprossen eine erwünschte Aesung darbieten. Ein auffallender Vogelreichthum zeichnete diese Dickichte aus.

272 Neunzehntes Kapitel.

welche, reich an wohlschmeckendem Korn aus den kugelig gebüschelten A ehren des Bambus, das ganze Jahr hindurch für den Unterhalt der verschiedensten Sperlingsvögel sorgen und so passende und ungestörte Nist- und Brutplätze dar- bieten, wie kein anderer Wald.

Auf einer grossen Treibjagd, welche die Bewohner des benachbarten Niamniamdistricts, da ein Trupp grosser Elenn- Antilopen in ihrer Gegend erschienen, veranstaltet hatten, war durch einen glücklichen Zufall ein Leopard erl^ wor- den, welches Ereigniss als höchster Triumph der Jäger von alt und jung mit lustigem Festgelage gefeiert wurde. Als uns die Meldung gemacht wurde, in der Richtung der Dörfer Uringama's wäre der Klang von Kriegstrompeten vemelun- bar, glaubten wir anfänglich, es handle sich um einen Ueber- fall durch die Babückur, dessen sich die Niamniam, hier eine erwünschte Vormauer für die Besitzungen des schlau be- rechnenden Kenusiers, zu erwehren hätten. Nach einig» Zeit aber hiess es, ein grosser Menschenhaufe nahe sich mit einer Ehrengabe für Mohammed. In der That sahen wir, vor das Thor der Seriba tretend, eine Menge Menschen heranziehen; wie in feierlicher Procession trugen sie auf einer laubgeschmückten Bahre den blutbedeckten Körper eines Leoparden herbei, um diese stolze Jagdbeute im Na- men des Behnki als ein Zeiojien der Freundschaft undVe^ ehrung zu Mohammed's Füssen niederzulegen. In ganz Afrika scheint das prachtvolle Fell des Leoparden als ein Schmuck betrachtet zu werden, der vor allem Personen von fürst- lichem Geblüt zukomme, besonders aber sind es die Niam- niam, welche auf solchen Staat grosse Stücke halten.

Das überbrachte Exemplar, dessen Körperlänge über 3 Fuss mass, war auf eine eigenthümliche Weise den Lanzen der Jäger erlegen. Als der Leopard, welcher sich ^nve^ Sehens auf dem Revier der Antilopen von einer Menge lär- mender Menschen umstellt sah, mit gewaltigem Satze über die ausgespannten Netze hinwegsetzen wollte, fuhren ihm

Ein Leopard erlegt. 273

zwei Lanzen mit solcher Gewalt durch den Leib, dass sie zwischen seinen Knochen sitzen blieben und in einem Dickichte, welches das verfolgte Thier aufsuchte, seine Be- wegungen derartig hemmten, dass es fest an die Stelle ge- bannt weder vor- noch rückwärts konnte. Der Leopard wurde nun so lange mit Geschossen aller Art beworfen, bis er kein Glied mehr zu rühren vermochte.

Alle Individuen, von denen mir in diesem Theile von Afrika Felle unter die Augen gekommen sind, gehörten der robusten und durch grosse breite Flecken (welche, aus zu Rosetten vereinigten Punkten gebildet, gewöhnlich zu fünf Reihen der Länge nach über den Körper verlaufen) aus- gezeichneten Form an, die von einigen Thierkennern als Panther von dem angeblich durch kleinere Flecken und zahl- reichere J^leckenreihen, sowie durch einen schlankem Leib ausgezeichneten eigentlichen Leopard unterschieden wird. Indess geschieht es mit Unrecht, denn aus der langen Formen- reihe dieser Thiere und der zahllosen Nuancen der Fell- zeichnung derselben scheint zur Genüge hervorzugehen, dass in Afrika nur eine Art Leoparden existirt und, wenigstens in diesem Welttheile, es nicht geboten erscheint, einen Unter- schied zu machen zwischen Panthern und Leoparden.

Auf meinen bisherigen Wanderungen hatte ich das be- nachbarte Gebiet der Babückur, welches südwestlich von der Seriba Mbomo durch den Lauf des Tondj begrenzt wird, zu drei Vierteln seines Umfangs umgangen. Hier erhielt ich von den Soldaten der Seriba einige Nachrichten über das Land, dessen Bewohner, unter den Sklavenvorräthen aller Seriben stark vertreten, mir von Angesicht längst bekannt geworden waren.

Die Babückur müssen entweder von Süden her einge- wandert oder der Ueberrest eines durch das Vorrücken der Niamniam in der Richtung nach Norden und nach Osten verdrängten Volkes sein. Ihre Sprache soll sich bei einigen Stammen im Süden der Monbuttu wiederfinden; dieser An-

SOHWBimrUBTH. II. 18

274 Neunzehntes Kapitel.

gäbe entspricht auch der Umstand, dass die Babücknr regel- recht Ackerbau treiben und Ziegen züchten. Hier auf ein Gebiet von kaum. 350 Quadratmeilen beschränkt, hat sich die östliche Hälfte des Volkes der von allen Seiten auf sein Gebiet gerichteten Raubzüge der chartumer Händler sowie der Niamniamhäuptlinge zu erwehren, welche seit Jahren dasselbe als eine Vorrathskammer betrachten, aus welcher sie sich nach Belieben Vieh und Korn zu holen gewohnt sind. Infolge dieser ringsum bedrängten Lage ist die Be- völkerung eine ausserordentlich zusammengedrängte, und eben dieser Volksdichtigkeit verdankt der Stamm seinen Bestand gegen die andringenden Feinde. Die Babückur sind ein ungemein kriegerisches und hartnäckiges Volk; ihre Krieger, in die Enge getrieben, wehren sich bis aufs Blut, und da zum Ueberfluss der Kannibalismus unter ihnen ganz gemein sein soll, begnügen die Eindringlinge sich gewöhnlich mit der flüchtig aufgegriffenen Beute, ohne an eine allgemeine Verfolgung und Unterjochung der Feinde zu denken. Auch die Luba, welche ihre Nachbarn auf der Ostseite sind, kämpfen, selbst von den nordischen Gewalthabern gedrängt, häufig mit den Babückur.

Die andere Hälfte der Babückur hat sich auf das Grenz- gebiet der Bongo und Niamniam zwischen Tondj und Ssueh zurückgezogen, gegen 60 Meilen in Nordwest von dem auf meinen Wanderungen umgangenen Theile. Für die vöUige Rassenidentität beider Theile spricht ausser der für beide in Gebrauch befindlichen Bezeichnung „Babückur", welche die Niamniam diesem Volke erlheilen, vor allem auch die von mir nach eingesammelten Vocabularen constatirte Sprach- gleichheit. Die Bongo nennen den westlichen Theil der Babückur „Mundo".*)

Die Babückur sind ein Volk von typischer Negerrasse

*) Es ist das Mundo Petherick's.

Die Babückur. 275

und sehr dunkler Hautfarbe. Die Sklaven ihres Stammes sind anstellig fürs Haus und von mildem Temperament, aus- dauernd und tüchtig zu jeder Arbeit, aber durchweg von mittlerer Körpergrösse und von unangenehmer, ausdrucks- loser Gesichtsbildung. Die Frauen, sobald sie die erste Ju- gend hinter sich haben, sind in der Regel ein Ausbund von Hässlichkeit, denn ausser der grossen Unregelmässigkeit ihrer Züge erscheinen ihre Gesichter noch durch künstliche Mittel in einem Grade verunstaltet, der alles Aehnliche überbietet. Alle verheiratheten Frauen *) durchstechen sich nicht nur die Ränder der Ohrmuschel, sondern auch die Lippen, sowol die obere als auch die untere, mit einer ganzen Reihe von Grashalmen, die etwa 1 Zoll lang sind. Solcher Halme sitzen je 20 Stück in ebenso viel Löchern an den genannten Körpertheilen. Auch die Nasenflügel werden auf ähnliche Weise tractirt, doch das letztere haben wir bereits bei den Bongoweibern kennen gelernt.

Am 29. Juni trennte ich mich von Mohammed, welcher vor der Rückkehr nach Ssäbbi noch seine Mittuseriben in- spiciren wollte, und schlug mit wenigen Begleitern den näch- sten Weg nach der Hauptseriba ein. Auf dem frühern Pfade, welcher sich wie ein ununterbrochener Laubengang durch die Bambuswaldung zum Moroköh hinabsenkte, gelangten wir, obgleich es beständig regnete, mit fast trockener Haut zu diesem 4 Meilen entfernten Bache und schlugen jenseit desselben eine nordwestliche Richtung ein, indem der jetzt betretene Pfad mit dem auf unserra Hermarsche vom Tondj aus begangenen einen spitzen Winkel darstellte.

Eine menschenleere Waldeinöde lag vor uns, denn bis zu den nächsten Wohnsitzen der Bongo bei Njoli hatten wir in gerader Linie eine Strecke von über 40 Meilen zurück- zulegen, ohne irgendwo Culturland zu betreten. Drei gute

*) Das Porträt eines solchen Babückurweibcs ist dem Kapitel über den Sklavenhandel beigegeben.

18*

276 Neanzelintes Kapitel.

Marsch tage brachten uns zu Njoli. Hinter dem Moroköh überschritten wir vier kleine Wiesenwasser, alsdann den auch an dieser Stelle zwischen Gneisplatten hinströmenden Leh- sindah, und nächtigten eine Stunde weiter an einem der zahlreichen Wiesenwasser, welche in Gestalt grüner Gras- streifen von ungefähr 500 Schritt Breite den überall gleich- artigen Buschwald wie mit einer ausgeholzten Lichtung durch- zogen. Die ganze Strecke war durch grosse Rudel von Hartebeests belebt, und ich, der ich immer an der Spitze des Zuges einherschritt, beständig auf dem Sprunge sie zu verfolgen. Ich habe auf diese Art den Marsch jedesmal ver- dreifacht, aber keinen andern Lohn davongetragen als die dargebotene Unterhaltung, die Thiere in ihren grotesken Sprüngen und Attitüden beobachten zu können. Als es völlig Nacht geworden war und ich es mir eben in meinem Neste bequem gemacht hatte, ereignete sich ein im Verlauf meiner Reise wiederholt vorgekommener Zwischenfall. Ein Dröhnen erschütterte den Erdboden, wie wenn ein Erdbeben heran- zöge, das ganze Lager, welches immer noch ziemlich aus- gedehnt war, da viele Träger mit dem neugewonnenen Elfen- bein mich begleiteten, schien in Verwirrung gerathen, denn von allen Seiten ertönten Flintenschüsse und Geschrei. Eine ungewöhnlich grosse BüflFelheerde war wieder einmal auf ihrem nächtlichen Wechsel mit einem Theil des Lagers in CoUision gerathen und stürmte nun in wilder Flucht nach allen Richtungen durch die Büsche; mehrere Grashütten wurden dabei umgestürzt und die im Schlaf überraschten Insassen einer nicht geringen Gefahr des Zertretenwerdens ausgesetzt.

Am Morgen des zweiten Tages kamen wir zeitig an den jetzt bis zum Rande seines tiefen Bettes gefüllten Lehssibach, dessen Wasser in einer Breite von 40 Fuss und mit einer Geschwindigkeit von GO Fuss in der Minute an dieser Stelle eine westliche Richtung anstrebte. Die Passage gestaltete sich für die Träger genau nach dem beständig wiederkehren-

Ein Schwimmen mit Hindernissen. 277

den Programme unserer gewohnten Ueberbrückungsmanöver, für mich allein war sie von einem Intermezzo unangenehm- ster Art begleitet, auf dass ich mich nicht über die Lange- weile und die zum Ueberdruss gekostete Einförmigkeit wieder- holter Chicane zu beschweren hätte. Meine plumpbeschuhten Füsse hätten in dem verworrenen Astwerk der zur Ueber- brückung des Lehssi gefällten Bäume keinen sichern Halt gefunden, barfüssig wären aber meine eigenen Sohlen, die ich zum fortgesetzten Marsche nöthig genug hatte, arg ver- letzt worden; ich zog es daher vor, die halsbrechende Kletterei aufzugeben und mich entkleidet den Fluten anzuvertrauen. Mit wenigen Stössen hoffte ich am jenseitigen Ufer zu sein, da fühlte ich mich plötzlich auf halbem Wege an allen Glie- dern aufs schmerzhafteste gepackt und gehalten. Ich war in einen jener Mimosenbüsche gerathen, welche in diesen Gegenden die Ufer der fliessenden Bäche hart am Wasser einzufriedigen pflegen. Da sich nun der Bach bis zum Rande gefüllt hatte, waren diese bösen Dornbüsche meinen Blicken entzogen und vom Wasser flach verdeckt worden. Die zahl- losen Stacheln dieses mehrfach von mir erwähnten Strauchs sind von derartiger Festigkeit und Schärfe, dass man sich ihrer kaum mit Lederstiefeln erwehren kann. Bei hundert Gelegenheiten habe ich gänzlich davon abstehen müssen, in ähnliche Districte eindringen zu wollen. Man stelle sich daher die Empfindung vor, welche der Schwimmende beim Stranden auf einem solchen Riflf von Dornen erfährt. Ein Fülterapparat raffinirtester Art hätte vor diesen Mimosen an teuflischer Erfindungsgabe die Segel streichen müssen. Da ich schwimmen musste um jeden Preis, schlug ich mich verzweifelt durch und erreichte schliesslich aus hundert Kratzwunden blutend das Trockene. Mir war zu Muthe, als hätte ich mich am ganzen Leibe schröpfen lassen, die Haut in schmerzhafter Spannung und die Glieder steif, musste indess der Marsch unverzüglich fortgesetzt werden. Wir legten an diesem Tage noch fünf Wegstunden zurück und

278 Neunzehntes Kapitel.

überschritten sechs verschiedene Wiesenwasser und Wald- lichtungen der vorhin beschriebenen Art.

Eine Strecke weit führte auch der Weg über fast nackte rothe Felsflächen, wo wir von einem plötzlichen Regenguss überrascht in grosser Eile das .Gepäck zu bergen suchten, so gut es eben gehen wollte. Dies hinderte mich indess nicht, eine interessante Pflanzenausbeute zu machen. Zwei der zierlichsten Gewächse, welche die Flora dieses Landes aufzuweisen hat, waren hier verbreitet, eine kleine Orchidee (Habenaria crocea) mit safranrothen Blüten, und eine himmel- blaue, der kleinen Meerzwiebel nicht unähnliche Montbretia; beide zu reizenden Teppichmustem verwoben, belebten sie die öde Steinfläche stellenweise mit wohlgepflegten Blumen- beeten, welche durchaus dem Geschmack der modernen Gartenkunst zu entsprechen schienen.

Unser zweites Nachtlager auf dieser Wanderung ist mir durch einen an und für sich geringfügigen Umstand in Er- innerung geblieben, welcher indess anzeigte, dass jene Wald- einsamkeit, so öde und menschenleer sie uns auch erscheinen mochte, dennoch beständig von Eingeborenen durchschwärmt wurde, die daselbst ihr Jagdrevier hatten. In meiner Gras- hütte war beim eiligen Aufbruch in der Frühe ein zum Trocknen aufgehängtes Paar Stiefel vergessen worden. Da ein solcher Verlust für mich nicht zu ersetzen gewesen wäre, mussten eigene Boten zur Stelle zurückgesandt werden, als nach einigen Tagen die Stiefel vermisst wurden. Mittler- weile waren die Hütten unsers Lagers von Landstreichern räthselhafter Art einer genauen Inspection unterzogen wor- den, und längst hatte das spähende Auge des Jägers den seltsamen Fund erbeutet. Man fand indess die Stiefel noch immer am bezeichneten Flecke hängen, nur waren alle Nägel und die vielen kleinen Messingringe, die zum Zusclmüren dienten, behutsam aus dem Leder entfernt worden, um ihrer ungeahnten Bestimmung entgegenzugehen, dereinst an Ohr oder Nase einer schwarzen Schönen zu erglänzen.

I

Eine Büflfelheerde. 279

Am dritten Tage schritten wir in der Frühe durch den prächtigen Wald von Humbold tien, welchen wir, 10 Meilen in West vom Pfade, bereits bei Beginn der Niamniam- campagne passirt hatten. Aus dem Walde kamen wir wie- der in offene Steppe, wo sich uns eine weite Fernsicht auf den Hügelabfall im Norden eröffnete, den wir nun an einer mehr östlichen Stelle zu übersteigen hatten. Nach Passage des Baches Mab begann der Aufstieg in einer geschlossenen Busch Waldung , wo die Dichtigkeit des Laubschlags nicht auf 5 Schritt freie Aussicht gestattete. Ich war einer der letzten im Zuge, als ich auf eine alte Sklavin stiess, welche am Wege mit bedeutsamer Geberde meiner Ankunft zu har- ren schien. Sie deutete auf einen Fleck, wo ich dicht vor mir einen schwarzen Baumstamm zwischem dem grossen Laube der Anonen hervorstechen zu sehen glaubte. Wäh- rend ich noch nicht wusste, worauf ich anlegen sollte, be- gann die dunkle Masse sich plötzlich zu bewegen, und zwei breite Hörner wurden sichtbar, eine Täuschung auf kaum 10 Schritt Entfernung. In solchen Momenten ist der erste Gedanke des Wanderers Losdrücken, Schiessen; Zielen und die Folge bedenken, das kommt erst hernach. So schoss ich denn instinctmässig, iiber wie ein schweres Wetter sauste es auch in demselben Augenblick an mir vorüber, in dicht- gedrängter Masse ein Trupp von zwanzig grunzenden Büffeln, die Schwänze hoch in die Luft emporgestreckt, rauschend, krachend, wie ein Felsensturz aus Bergeshöhe. Es flinunerte mir vor den Augen, blindlings entlud ich mein Doppelgewehr, die Kugeln mussten einschlagen, gleichviel wo, in Fleisch und Knochen der Thiere; noch ein Moment, und ich er- blickte nichts anderes wieder vor mir als grosse hellgrüne Blätter; verschwunden waren die Büffel, aber fernhin rollte der Donner ihrer Hufschläge.

Die vor uns liegenden Hügel hiessen Maschirr und waren eine Fortsetzung des Mbäla-Ngia genannten Steilabfalls im Westen und zogen sich in Südost zu dem Höhenzuge weiter.

280 Neunzehntes Kapitel.

welchen wir auf unsenn Marsche beständig zur Rechten ge- habt hatten. Auf der Höhe angelangt betraten wir ein, so- weit das Auge reichte, völlig ebenes Plateau, das mit ver- einzelten Boskets und schönen grossen Bäumen geschmückt war und nach Norden zu sich auf eine Strecke von mehrem Stunden graduell zur Depression des Tih hinabzusenken schien. Unter schattenreichen Tamarinden, die wir hier nach langer Zeit zum ersten mal wieder antrafen, wurde kurze Mittagsrast gehalten. Dann ging es weiter über tiefe De- files und kahle Platten. Die Bäche der nächstfolgenden Strecke flössen in östlicher Richtung zum Tih ab, bis zu wejchem wir derer vier zählten. Der erste Bach nördlich von der Höhe bildete einen wasservollen, von Bäumen in Gestalt einer Allee eingefriedigten, Graben; es war der Ober- lauf des Mongolongboh. Zur Linken in West folgte ein Hügelrücken der Richtung unsers Pfades. Hinter dem zwei- ten Bache hatten wir zur Rechten eine circa 300 Fuss empor- ragende rothe Felskuppe. In dieser Gegend zeigten sich wiederholt kleine Trupps von Hartebeests, und eins dieser Thiere erlag, nachdem es durch einen Schuss aus meiner Büchse lahm gelegt, den grausamen Lanzeuwürfen der Bongo. Das arme Geschöpf war derartig durchbohrt und durch- löchert worden, dass ich Mühe hatte, mir einen zusammen- hängenden Braten herauszuschneiden. Der hierdurch ent- standene Zeitverlust hatte zur Folge, dass ich den Rest unsers sehr starken Tagemarsches es blieb noch eine Strecke von mehrern Stunden übrig bei völliger Dunkelheit zurück- zulegen hatte. Sehr erschöpft durch die Irrwege, auf welche ich mit den letzten Nachzüglern gerathen, und durchnässt von wiederholten Sumpfpassagen langten wir mitten in der Nacht im Dorfe Njoli's an, indem uns der weithin hallende Klang der Pauken auf einem weiten Umwege von Osten her zu diesem südlichsten Voi-posten des Bongovolkes geleitete. Bei Njoli wurde ein Tag der Erholung gewidmet Ich fand in der Umgegend den auf dieser Strecke am weitesten

Rückkehr nach Ssäbbi. 281

nach Norden vorgeschobenen Standort der Encephalartus, dessen haselnussgrosse Samen in Menge auf dem Boden zer- streut lagen. In dieser Jahreszeit hatten auch die wilden Dattelpalmen reife Früchte, und ich verschaffte mir eine grosse Menge derselben, um den vergeblichen Versuch zu wiederholen, aus ihnen den in Westafrika gebräuchlichen Pahnenwein zu erzielen. Obgleich die Frucht, welche drei- mal kleiner ist als die kleinsten Datteln, das angenehme Arom mit den letztern gemein hat, so erschien sie doch in jedem Zustande ungeniessbar, und sie blieb immer holzig, trocken und herbe.

Ohne unterwegs auch nur einmal zu rasten, setzten wir am 3. Juli neun volle Stunden den Marsch ununterbrochen fort, bis wir wieder in Ssäbbi waren. Die letzten Weg- standen mussten in triefendem Regen zurückgelegt werden, ausserdem bereitete eine durch die Vorwitzigkeit meiner nicht zurückzuhaltenden Hunde vereitelte Jagd auf die grossen Heerden von Leucotis-Antilopen, welche in dieser Gegend ihr Revier haben, viel Aerger und Verdruss. Unser Einzug in Ssäbbi machte auf das Gemüth meines kleinen Tikkitikki einen berauschenden Eindruck, denn vor dem Thor der Se- riba prangte eine stattliche Rinderschar, die hielt er für ynlde Antilopen und glaubte, dass sie zufällig daselbst ihrer Aesung nachgingen; es wunderte ihn dabei nicht wenig, zu sehen, dass niemand von den dargebotenen Chancen zu einer ergiebigen Jagd Gebrauch machen wollte. Als er später sah, wie man die Kühe melkte, da hat er laut aufgelacht, denn etwas Aehnliches war ihm in seinem Leben noch nicht vor- gekommen.

Diese Reise gehört zu den angenehmsten und glück- lichsten, welche je in einem so entlegenen Theile des Continents unternommen wurde, angenehm dank meiner vortrefflichen Gesundheit und dem tadellosen Klima des Niamniamlandes, glückUch durch die Gunst der äussern Verhältnisse, unter welchen ich reiste. Man stellt sich in

282 Neunzehntes EapiteL

Europa eine solche Reise in Gentralafrika gewöhnlich ak ein Märtyrerthum an unsäglichen Mühen, Strapazen und Entbehrungen vor, dem ist aber nicht so, solange nur der Reisende gesund bleibt und seine Thatkrafb bewahrt. Eher mühsam als mühselig war die Reise zu nennen. Strapazen und Entbehrungen sind überhaupt sehr relative Begriffe und gewöhnlich nur in dem grellen Contrast zu der GemächUch- keit einer gewohnten Lebensweise geboten. Wer an Stra- pazen nur denjenigen Massstab zu legen weiss, welchen un- sere modernen Kriege darbieten mit ihren mehr oder minder vorübergehenden Anstrengungen und Entbehrungen, der wird die meinigen gewiss hoch anschlagen, allein sie erschienen ein Kinderspiel in den Augen dessen, der mit „russischen Posten" gereist ist, wie ich selbst. Die Tagemärsche waren oft von einer Kürze, die mich in Verzweiflung brachte. Un- sere Niamniamcampagne hatte von Ssäbbi aus gerade eine Dauer von 156 Tagen umfasst, und die in dieser Zeit zurück- gelegte Wegstrecke betrug, von den kleinern Biegungen ab- gesehen, 560 Meilen. Dem Reisejournal zufolge hatte die ganze Tour an eigentlicher Marschdauer 248 Wegstunden erfordert.

Nach den forcirten Märschen der letzten Tagereisen that eine fünftägige Ruhe wohl, die ich mir in Ssäbbi gönnte. Alsbald nach meiner Ankunft wurde mir ein dickes Packet Briefe überreicht, und so konnte ich die Tage ungewohnter Müsse in der angenehmen Lektüre der im Laufe von andert- halb Jahren angehäuften Correspondenz verbringen. Hier erfuhr ich zum ersten mal von Sir Samuel Baker's gross- artiger Unternehmung, sowie von dem ersten Versuch der ägyptischen Regierung, auch im Gebiete des Gazellenstromes festen Fuss zu fassen. Einer der chartumer Elfenbeingross- händler, welcher selbst in diesem Gebiete Seriben besass, Kurschuk-Ali mit Namen, ein geborener Osmanli, war vom Generalgouverneur mit dem Titel eines Sandjak bekleidet und an die Spitze zweier Compagnien Regierungstruppen gesetst

GroBsartige Plane des Khedive. 283

den, von welchen die eine aus echten Türken (Baschibozuk), andere aus Kegersoldaten (Nizzaui) gebildet wurde. Die kunft dieser Truppen hatte in allen Seriben grosse Bestür- ig hervorgerufen, denn abgesehen von dem jetzt mehr als in ^e gestellten Grundrecht der verschiedenen Seribenbesitzcr, len sich diese nun auch für die Zukunft allen denjenigen £ten und Abgaben ausgesetzt, welche die Gegenwart von igierungstruppen im Lande zur nothwendigen Folge haben i88te. Kurschuk-Ali's Ziel waren zunächst die berühmten apfergruben im Süden Darfur's. Diese sollte er im Namen 18 Vicekönigs in Besitz ergreifen; allein Ismael Pascha, irch die Vorspiegelungen eines darfurer Priesters geblen- t, welcher jene Localität als sein Eigenthum bezeichnet »tte und darüber eine fingirte Schenkungsurkunde des ver- )rbenen Sultans von Darfur vorzuweisen wusste, sollte die H^hnung ohne den Wirth gemacht haben. Hellali, so hiess »er schriftgelehrte Schwindler, hatte eine Zeit lang als" hreiber am Hofe des Sultans Hussein fungirt, und obgleich ) vertraut mit den Zuständen Darfurs, sich die Animosität Bses Landes gegen den mächtigen Nachbarstaat der Aegyp- r wohl zu Nutze zu machen verstand, so besass er von n Ländern, die er als sein Eigenthum ausgab, doch nicht 3 geringste Kunde und führte die Truppen mit ihrem ndjak auf den beschwerlichen Pfaden kaum dem Namen ch bekannter Gebiete einer ungewissen Bestimmung ent- ;en. Hellali, im Besitze eines viceköniglichen Formans, hatte Compagnie schwarzer. Soldaten unter seinen eigenen Bo- len, der Sandjak die Amanten ; wie der Erstgenannte mit i Seriben sowol wie mit den türkischen Soldaten nach rschuk-Ali's bald darauf erfolgtem Tode in blutigen Con- t gerieth, wird der Leser später erfahren.

Nachdem ich meine Sammlungen von neuem verpackt 1 wasserdicht gemacht, brach ich mit frischen Trägem gerüstet am 8. Juli wieder nach Norden auf, um zu den

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langersehnten Vorräthen zu gelangen, die man mir aus Chartum nachgesandt hatte und die noch auf den trägen Fluten des Gazellenstromes lagerten. Mohammed war in- zwischen bei uns noch nicht eingetroffen, sondern requirirte immer noch Komvorräthe in seinen Mittuterritorien. In- folge dessen herrschte in Ssäbbi der übliche Nothstand, und meine armen Träger entbehrten alles Proviants. Sie haben in der That Unglaubliches auf der anstrengenden fünftägigen Reise geleistet, denn die Scherifi'schen Seriben, die auf dem Wege lagen, waren ebenso ausgehungert wie Ssäbbi sell^ ausserdem standen die dortigen Bongo den meinigen feind- lich gegenüber, auf Gastfreundschaft war daher unterwegs nirgends zu rechnen. Die Träger lebten daher, es klingt fast unglaublich, auf der ganzen Tour ausschliesslich Ton wilden Wurzeln, die sie sich im Walde ausgruben und die nur ihr Magen zu verdauen im Stande war. Die grosse Eile des Marsches vereitelte jedesmal die Jagd, und lüsternen Auges mussten wir im Anblick der friedlich grasenden Elenn- und Wasserböcke vorüberziehen, welche die Waldwildniss be- völkerten.

Am 10. Juli erreichten wir Scheriti's Hauptseriba, ohne indess den Platz zu betreten, da ich offen für Mohanuned Partei genommen hatte und ernstliche Streitigkeiten in Aus- sicht standen, die in der That bald darauf einen sehr schlim- men Verlauf nehmen sollten.

Zum Glück blieben wir bei Tage vom Regen verschont, und der frühere Lagerplatz bei den Sykomoren bot uns emen vollkommenen Schutz unter den dichten und weitausgebrei- teten Laubkronen, als wir uns von einem plötzlich heraof- ziehenden Gewitter überrascht sahen. Die lieblichen Bei« des nordischen Parkwaldes entschädigten mich für den nn- teriellen Mangel; schritt ich doch in sicherer Hoffnung einff angenehmen Zeit der Erholung entgegen, und schliesslicb musste es doch einmal mit den kalten Bädern und den durchnässten Kleidern ein Ende nehmen«

Passage des Tondj. 285

Der Uebergang über den Doggorü bereitete uns viele beit, da wir erst Bäume zu fällen und mit Hülfe des Ufer- büsches eine Brücke zu improvisiren hatten. Das letzte Lchtlager zwischen Doggorü und dem Tondj war durch D gänzlich erschöpften Vorrath meiner Lebensmittel höchst wirthlich. Wir hatten indess Boten zur nächsten Seriba rausgeschickt, um uns den nöthigen Succurs für den fei- nden Morgen zu bestellen, denn die Mehrzahl der Bongo n Ssäbbi war des Schwimmens durchaus unkundig.

Als wir auf der Waldhöhe angelangt waren, von welcher an meilenweit die fast in ihrer ganzen Ausdehnung unter 'asser gesetzte Flussniederung überschauen konnte, hatten ir noch mehrere Stunden zu warten, bis in der Fernp die sehnten Punkte auftauchten, welche uns das Herannahen )n Hülfe, die Brotkörbe und die guten Schwimmer von ^ulongo, verriethen. Meine Träger fielen gierig über die raten Kornsäcke her, welche zu uns ans Trockene geschafft rerden konnten, und verzehrten die Durrakörner ungekocht, ach handvollweise dieselben in den Mund stopfend. Mit hren gesunden Zähnen zermalmten sie das harte, trockene Korn so leicht, als w^äre dieses ihre tägliche Kost, und als wären sie Pferde und Wiederkäuer.

Völlig entkleidet musste ich mich auf den Weg durch lie überschwemmte Niederung machen, und selbst am eigent- ichen Flussufer stand ich immer noch bis über die Knie Wasser. Das Hindurchwaten ging nur sehr langsam von ^tten, da die scharfen Sumpfgräser und die unsichtbaren 'ruften und Löcher besondere Vorsicht erheischten. Zwei ölle Stunden hatte ich in solcher Situation zu verharren, 18 das mühevolle Werk der Ueberfahrt vollzogen war. Ein leines aus Grasbündeln hergestelltes Floss diente als Fähre, ^d dank der angewandten Vorsicht wurden alle Gepäcks- tücke glücklich hinübergeschaflft.

Der Tondj strömte an diesem Tage (12. Juli 1870) mit Tier Geschwindigkeit von 80 Fuss die Minute, die Tiefe des

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weit überfüllten Strombettes betrug 24 Fuss, die eigentliche Breite desselben, welche sich aus dem Abstände der beider- seitigen Schilfeinfassung ergab, mass wenig mehr als 120 Fuss. Bis über 4 Fuss tief war der Fluss über sein Inundations- gebiet ausgetreten, und wiederholt musste unser Zug beim Durchwaten die einzuschlagende Richtung yeriuidem, um nach den flachern Stellen zu tappen und die Löcher zu ver- meiden. So war fast der ganze Tag im Verkehr mit dem nassen Elemente verstrichen, erst bei völliger Dunkelheit begrüssten wir die gastUchen Hütten von Eulongo.

Eine in allen diesen Ländern leicht zu beschaffende Vorrichtung zum Ueberführen des Gepäcks über die nicht furt^aren Flüsse bedauere ich nie in Anwendung gebracht haben zu können, obwol mir der praktische Nutzen derselben beständig vorschwebte. Schon Barth (Bd. 2, S. 254) empfiihl in seiner Reisebeschreibung die Herstellung von Fähren, die. von lauter Kürbisen getragen werden sollten. Ein paar Dutzend mittelgrosser Flaschenkürbise zusammengebunden und mit einer Grasschicht bedeckt würden ein durchaus tragfähiges Fahrzeug für Lasten von mehrem Centnem Ge- wicht abgeben. Vergeblich habe ich die Nubier, obgleid sie den Vortheil einer solchen Fähre wohl begriffen, daranf aufmerksam gemacht; ich möchte daher künftigen Reisenden diesen Fingerzeig nicht vorenthalten, welcher ihnen in man- cher Lage unvergleichliche Dienste leisten kann.

So war ich denn nach acht Monate langer Abwesenhot wieder glückUch in meinem alten Standquartier angelangt Ich fand daselbst wenig verändert, nur die Ghattas^schen Seriben in weit grösserm Flor als ein Jahr vorher. Die aus- gewanderten Bongo, welche das NichtZustandekommen der Niamniamexpedition veranlasst hatten, waren infolge eines Kriegszugs gegen denjenigen Dinkastamm, welcher ihnen auf seinem Gebiete Aufnahme gewährt, nicht nur sammtlich wieder zu ihren frühem Wohnsitzen zurückgeführt worden, sondern noch dreimal mehr Bongo zur Ansiedelung anf

Die Ghattas^schen Seriben. 287

Ghattas'schen Grund und Boden gezwungen worden. Diese Ueberzähligen hatten bereits vor zehn Jahren beim ersten Erscheinen der Fremden das Land verlassen. Ungeheuere Waldstrecken fand ich neu gerodet und grosse Gruppen von Dörfern und Weilern um die Seriben geschart ; der Zuwachs soll allein an die 600 Hütten betragen haben, was mindestens 2500 Seelen gleichkommen würde. ' Während meiner Ab- wesenheit hatte auch der alte Ghattas in Chartum das Zeit- liche gesegnet und sein ältester Sohn war der Haupterbe geworden, dem alle Seriben am obern Nil zugefallen.

Nach so langer Abwesenheit heimelte mich der Land- schaftscharakter der Gegend an, als wäre ich auf vater- ländischem Boden, und ich begriff erst jetzt den vollen WiBrth und Reiz dieser lieblichen Waldgründe, dieser heitern, sonnig beschienenen Culturflächen, welche so vortheilhaft gegen die düstern und unheimlichen Urwälder des Niamniamgebiets abstachen. Es war mir, als empfände ich hier schon die Annäherung an Europa. Das grosse Etablissement mit seiner buntscheckigen Einwohnerschaft, der Anblick wirklich rein gewaschener Kleider, die ungewohnte Mannichfaltigkeit der Lebensmittel, alles gewährte mir nach den Erlebnissen der letzten Zeit den Eindruck einer Stadt; ich glaubte bereits in Chartum zu sein. Allein fern von diesem Ziele sah ich mich durch gewichtige Gründe zum Bleiben veranlasst. Die Reise zur Meschera bot zu jetziger Jahreszeit nichts dar als endlose Sümpfe, der Fluss selbst Fiebermiasmen, und monate- langa Entbehrungen harrten meiner von neuem auf der Fluss&hrt stromabwärts. Ich hatte Grund, zu befürchten, die Widerstandsfähigkeit meiner Constitution gegen das Klima alsdann auf die Spitze zu treiben. Um mit befriedigtem Gefühl an Heimkehr denken zu können, blieben mir noch wichtige Aufgaben zu lösen übi^^g, obgleich ich den von mir selbst entworfenen Reiseplan bereits zur Ausführung gebracht hatte. Eine zweite Niamniamtour war unabweislich, denn ich musste das Eisen schmieden, solange es warm war, und

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spätem Reisenden konnten ja die sich mir darbietenden Yor- theile vorenthalten bleiben. Erst einen Monat nach meiner Rückkunft setzte sich die zur Abholung meiner Effecten be- stimmte Karavane in Bewegung; auch die Ghattas'schen Güter lagerten noch im faulen Schiffsraum der Barke. Ich hatte aber auch vollauf zu arbeiten, um die reichen Ergeb- nisse des letzten Jahres für den weiten Transport gehörig vorzubereiten. Briefe mussten für ein Jahr im voraus ge- schrieben werden, und mein damaliger Fleiss lohnte sich wahrlich; denn was ich 'niedergeschrieben und copirt, die Berichte sowol wie die Karten, boten mir den einzigen Ersatz für den spätem Verlust aller meiner Papiere.

Am 23. August hatte ich die grosse Freude, die neuen Vorräthe zu erhalten. Hatte auch manches durch Nässe und Insektcnfrass gelitten, so war ich doch nun vollständig genug ausgerüstet, um mich getrost an die Ausführung der neuen Reisepläne machen zu dürfen. Die mir bekannten Seriben- verwalter wurden mit Mänteln, Pistolen und Flinten be- schenkt, während ein reicher Vorrath an Perlen und Zei^ mich in den Stand setzte, auch die kleinsten Dienstleistungen nach Gebühr zu belohnen. Die grössten Dienste aber hatte mir Mohammed Abd-es-Ssammat geleistet, und dafür hatte ich kein Aequivalent.

Im Besitze verschiedener Lebensmittel, die im Innern nicht zu beschaffen waren, konnte ich mich nun wieder mit einigermassen europäischem Comfort umgeben, und die vff- besserte Kost entschädigte mich für die ausgestandeneu Ent- behrungen.

Auf mannichfachen Umwegen hatten mich sogar einige Kisten mit Wein erreicht, welche als Geschenk aus dff fernen Heimat mir zugesandt worden wareü. Wovon ich an Nabambisso geträumt, war pun Wahrheit geworden, denn ich hatte nicht nur den vielgepriesenen „Mountain port^ sondern noch manche andere gute Sachen; wie gern hätte ich da einen einsamen Wanderer meiner Art bewirthet, den

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Ein verwirklichter Traum. Ausflug nach Westen. 289

vielleicht der Zufall desselben Wegs einherführte. Wein im innern Centralafrika zu besitzen, war ein so räthselhaftes Glück, dass ich unwillkürlich an die „Rache der Götter" und den „Ring des Polykrates" denken musste, und in der That sollte die Freude nicht von langer Dauer sein.

Den Rest des Jahres 1870 wollte ich einer weitern Erfor- schung desDjur- undBongolandes widmen. In dieser Absicht be- gab ich mich zunächst nach der Seriba Dumukü und verbrachte die erste Hälfte des September auf einem interessanten Aus- flüge nach Kurkur, einer Gegend, welche, wenn jemals diesem Lande eine Geschichte zutheil werden sollte, jedenfalls die ersten Blätter derselben beanspruchen wird. Kurkur, gegen- wärtig eine Seriba Abu-Gurün's, 28 Meilen in Westsüdwest ^on der Ghattas'schen Hauptseriba, ist ein bereits durch J. Petherick bekannt gewordener Name, denn in der Nachbar- schaft des heutigen Platzes hatte dieser erste Entdecker des Glebiets im Jahre 185G eine Handelsstation gegründet, welche gJs Endpunkt seiner das Land dem Handel erschliessenden ßouten zur Ausbeutung der damals an Elfenbein noch sehr ergiebigen Gegend diente. Auf dieser Tour wurden mehrere kleine Zuflüsse, welche der Djur von Osten her aus dem Bongogebiete erhält, wiederholt überschritten, besondere Auf- merksamkeit aber schenkte ich dem Molmul, welcher, bisher nur als Stromarm des Djur betrachtet, als ein selbständiges Gewässer von mir ausser Frage gestellt wurde.

Dieses Flüsschen überschritt ich hart im Westen von Dumukü, und auf dem Rückwege an einer zweiten Stelle, 8 Meilen weiter im Norden. Bei den Bongo führte es den Namen Mai. Die Landschaft zwischen Dumukü und Kurkur gewinnt durch zwei niedere Hügelrücken, welche sich in nordwestlicher Richtung zu beiden Seiten des Njedokü, eines stets wassergefüllten Zuflusses des Djur, hinziehen, einen hübsch differenzirten Charakter, indem mit schönem Busch- wald bestandene Terrainzellen wiederholt mit wohlcultivirten

8onw«niyu»TH. II. 19

290 Neunzehntes Kapitel.

Ackerflächen von grosser Ausdehnung abwechseln. Auf dieser Strecke berührte ich auch zwei kldne Seriben Agäd's, Kere und Neshirr genannt, und kurz vor Kurkur das zu Kurschuk Ali's Besitzungen zählende Nguddu. Die Territorien der verschiedenen Niederlassungen boten ein sehr verworrenes Verhältniss dar, denn überall fanden sich Enclaven einge- sprengt in die ausgedehntem Besitzstrecken, gerade so, wie man es in Deutschland an den thüringischen Herzogthümern wahrnehmen kann.

Die heutige Seriba Kurkur liegt in einer flachen Busch- gegend, welche sehr reich an Wild der mannichfaltigsten Art zu. sein schien. Acht Meilen weiter in Südwest fliesst ein bedeutender Zufluss des Djur, der Legbe, und an diesem Wasser soll Petherick's alte Seriba gestanden haben. Zwölf Meilen weiter nach Süden strömt der Lehko, parallel mit vorigem, dem Djurflusse zu.

Während meines dreitägigen Aufenthalts daselbst wurden zwei Giraffen von den Eingeborenen erlegt. Der Verwalter besass einige lebend eingefangene Thiere von Interesse, welche er nach Chartum expediren wollte, um sie daselbst zu ver- kaufen. Sehr häufig in dieser Gegend ist der gefleckte Hyänenhund (Canis pictus); diese gefährlichen Räuber be- vorzugen den ofi'enen Buschwald und die Steppe, um rudel- weise und in Gemeinschaft miteinander der Jagd auf kleinere Antilopen, namentlich Buschböcke, zu pflegen. Dass sie auch den Menschen angreifen, war in dieser Gegend nicht bekannt Einzelne Exemplare besitzen eine prächtige Zeichnung des Fells und bieten eine seltsam miteinander verwaschene Za- sammenstellung dar an weissen, gelben, rothen und schwarzen Flecken von der unregelmässigsten Gestalt, sodass der Hyänen- hund als das bunteste Säugethier betrachtet werden kann, welches man kennt. In der Seriba sah ich ein in hohem Grade gezähmtes Exemplar, welches seinem Herrn gegenüber die Folgsamkeit eines Hundes an den Tag legte. Das ad einem einfachen Strick befestigte Thier benahm sich sehr

Der Hyänenhund. Dangä. 291

im und gelassen und schien die Richtigkeit einer Angabe ringstone's zu bestätigen, derzufolge die Bewohner der .lahariwüste dieses Kaubthier zu zähmen und zur Jagd surichten verständen, welches interessante Factum er indess rht als Augenzeuge, sondern nur mit allem Vorbehalt mit- theilt hat.

Zwölf Meilen nördlich von Kurkur liegt eine andere iialseriba Abu-Gurün's, Dangä, nach einem Bongochef so aannt, welcher zu Petherick's Zeit daselbst seinen Sitz tte. Ein anderer Capo, dessen Petherick auch schon er- .hnt, heisst Djau und hat seinen Sitz 5 Meilen weiter nach ten. Einer von den wenigen noch lebenden Zeugen dieser hen Vergangenheit, kam Djau selbst herbei, mich zu sehen, d aus seinem Munde vernahm ich die gewöhnlichen Klagen er die Verödung des Landes und seine jetzige Wildarmuth. Dicht bei der Seriba Dangä vorbei fliesst, von dichten tmbusdschungels umfriedigt, der Njedokü, welcher zur tgenzeit 30 Fuss breit und über 10 Fuss tief ist. Das asser für den Bedarf der Seribenbewohner wurde aus diesen uren und lebendigen Fluten geschöpft, und ich machte mir 3se Gelegenheit zu Nutze, indem ich mir meinen ganzen >rrath an Wäsche nachschicken liess, um ihn hier einmal eder gehörig zu restauriren. Von vierzig Seriben, die ich Bucht habe, sind mir kaum drei bekannt, welche fliessendes asser in unmittelbarer Nähe hatten; dasjenige in den ge- »hnlichen Brunnenlöchern ist stets verunreinigt und zum aschen schon der geringen Menge halber untauglich. Die lartumer besitzen eine auffallende Geschicklichkeit in der iswahl der schlechtesten Localitäten zur Errichtung ihrer ablissements. Gewohnt an den Schmuz und Staub ihrer 3imat und an das trübe Wasser des Nilstroms, tragen sie, vortreflf liehe Schwimmer auch alle sind, dennoch stets ae gewisse Scheu vor dem reinen Element bis in diese isserreichen Gegenden mit sich, klagen alsdann, wenn sie bs trübe Sumpfwasser Gentralafrikas für ebenso gut halten,

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292 Neunzehntes Kapitel.

wie das trübe, aber durchaus zuträgliche Nilwasser, über Insalubrität der Gegend, über Guineawürmer, über Pestilenz und Fiebermiasmen, über Krätze, Sj^hilis und Pocken, und fluchen so selbst dem Fluche, der sich an ihre Fersen heftet

Von Dangä aus wandte ich mich wieder nach Osten zurück, besuchte noch die Agäd'sche Filialseriba Dubör, und fasste, nachdem ich die 65 Meilen umfassende Rundtour yoU- endet, wieder in meinem Standquartier Posto.

Während meiner letzten Abwesenheit hatte sich in der Seriba Ghattas' ein Vorfall ereignet, welcher die ganze Gegend in Alarm versetzte und wochenlang reichen Stoff zur Unterhaltung gewährte. Zwei nubische Soldaten der Seriba hatten sich zu einem benachbarten Djurschmied be- geben, um sich von ihm einige Ringe schmieden zu lassen. Während sie diese Arbeit überwachten und unter dem Schuppen des Schmiedeherdes dasassen, wurden sie von einem Haufen Dinkakrieger überrumpelt, welcher die Gegend durch- schwärmte. Die Dinka lauerten nur darauf, wo sie ein paar isolirte Nubier erwischen konnten, um an ihnen blutige Rache für den letzten Raubzug zu nehmen. Von vielen Lanzen durchbohrt, wurden die Unglücklichen zur Seriba zurück- getragen. Obgleich sofort die gesammte Mannschaft aus- rückte, um die Dinka zu erwischen, so hatten diese selbst- verständlich längst den nöthigen Vorsprung gewonnen, der sie vor jeder Verfolgung sicherstellte. Die Umgebung war durch diesen Zwischenfall wieder in Verruf gekommen, und die Leute gingen nie ohne Waffen aus; selbst auf jenai Gängen, welche den intimsten Zwecken des körperlichen Haushalts gewidmet waren, trug ein jeder sein Gewehr unter dem Arm. Diese übertriebene Vorsicht hatte für mich die nachtheilige Folge, dass Idris, der Oberverwalter, unter dem Verwände, er hätte für meine Sicherheit mit seinem Haupte Bürgschaft zu leisten, es durchaus nicht zulassen wollte, dass ich mich ausserhalb der Palissaden der Seriba anbaute, wo ich, um der feuergefährlichen Nachbarschafit so vider

Ein junger Eleüant. 293

Strohhütten auszuweichen, meinen Wohnsitz aufzuschlagen gedachte.

Am 15. September bot mir der Durchzug Mohammed Abd-es-Ssammat's, welcher seine Elfenbeinvorräthe zum Flusse brachte, die erwünschte Gelegenheit dar, neue Nachrichten von mir nach Europa abgehen zu lassen. Die Briefe wurden auf dem schnellsten Wege befördert und waren nach Verlauf von fünf Monaten in den Händen der Adressaten. Fünfzehn Tage hatten für den unermüdlichen Mohammed ausgereicht, um den Weg zur Meschera hin und zurück zu machen und seine Barken nach Chartum zu expediren. Als er wieder bei uns einkehrte, brachte er mir ein Geschenk seltener Art zurück. Sie hatten unterwegs im Walde von Aluädj einen Elefanten trupp angetroffen und zwei derXhiere erlegt, darunter ein Weibchen, welches ein noch zu säugendes Junges mit sich führte. Der junge Elefant war im Zuge der Karavane weiter getrieben worden und wurde nun in meinen Hof ge- führt. Da ich eine Milchkuh besass, so versuchte ich ihn vermittels gewaltsam eingeflösster Milch aufzuziehen, indess ohne Erfolg, denn nach wenigen Tagen erlag er bei der unzureichenden Ernährung den Folgen der anstrengenden Märsche.

Es hatte für mich etwas unendlich WehmuthsvoUes, das bereits kolossale und doch noch so hülf lose Geschöpf mit schweren Athemzügen verenden zu sehen. Wer das Auge des Elefanten genau beobachtet, wird finden, dass trotz seiner Kleinheit und bei aller Kurzsichtigkeit, welche diesen Thieren augeboren ist, doch ein so seelenvoller Blick von demselben ausgeht, wie bei keinem zweiten Vierfüssler. Einen rührenden Anblick gewährte die instinctive Wohlerzogenheit des jungen Elefantenkindes. Bei jeder Pfütze und bei jedem Brunnen, welchen der Weg berührte, pflegte es den Rüssel voll Wasser zu pumpen, um sich vom Staube der Wanderung oder vom Schmuze des sumpfigen Pfades zu säubern. Indem es sich des Rüssels gleich eines Wasserschlauchs bediente, begann

294 Neunzehntes Kapitel.

€S alsdann immer wieder von neuem sich den Körper zu berieseln und zu bespritzen. Zu meinem Vergnügen hatte ich mir auch einige andere Thiere angeschafft, die ich alle in meiner Wohnhütte unterbrachte, um sie beständig beob- achten und beaufsichtigen zu können. Das Innere meiner Behausung hatte hierdurch ein sehr originelles Aussehen erhalten. Vor der Hütte standen angebunden Esel und Kuh. Das Kalb musste zur Schonung seiner Gesundheit bei jedem liegen in die Hütte geschafft werden, da es keine Masse vertrug. Für die Nacht wurde es unter dem hohem Gestell angebunden, auf welchem mein Bett ruhte. Es empfiehlt sich nämlich, besonders während der Regenzeit, in mögUchster Hohe vom Boden zu schlafen, um sich den verderblichen Miasmen, die demselben entsteigen, leichter entziehen zu können. In verschiedenen Ecken der mit allem mögUchen Geräth verkramten Hütte waren meine Hunde, zwei Garacal- Luchse, ein Ratel oder Honigdachs und ein Zebra-Ichneumon untergebracht worden, ein jedes Thier an seinem Platze. Ich hatte aber beständiges Misgeschick mit diesen wilden Insassen, die sich bei jeder Gelegenheit untereinander bekämpften. Am friedlichsten war der Honigdachs, welcher mit dem Ich- neumon im Schnalzen zu wetteifern pflegte, sonst aber keinen Laut von sich zu geben wusste; am unversöhnlichsten er- schienen die Caracals, und einem derselben, so wehrhaft diese Katzen auch erscheinen mochten, wurde von meinem bissigen Bongoköter im Kampfe die Kehle durchgebissen, sodass er augenblicklich verreckte.

Ich besass grosse Vorräthe von Bogen, Pfeilen und Lanzen, die ich mir von den Monbuttu mitgebracht hatte. Um die Leistungsfähigkeit dieser Waffen und die Ge¥randt- heit der verschiedenen Völkerproben, welche die Seriba in sich barg, zu prüfen, veranstaltete ich zuweilen ein allgemeines Zielschiessen. Ein hölzerner Monbuttuschild diente als Ziel- scheibe. Unter allen Schützen zeichnete sich Tikkitikki am meisten aus, seine Gewandtheit war ebenso bewundernswerth

Miflgeschick beim Bogenfiohiessen. 295

als die drolligen Gesten und Attitüden, welche seine Waflfen- übungen begleiteten. Tikkitikki war in der That mein Stolz und meine Freude; viele Chartumer kamen aus entfernten Seriben herbeigereist, nur um den Pygmäen zu sehen.

Eines Abends zog ich mir bei diesen unterhaltenden Uebungen eine kleine Verletzung zu, welche mir leicht hätte verhängnissvoll werden können. Eine eiserne Pfeilspitze war mir in die Stirn gedrungen, und obschon sich nur ein kleiner Stich in die Haut erkennen liess, so war der dadurch ver- ursachte Schmerz doch ein momentan unerträglicher. Ich schenkte dem Vorfall, da die Schmerzen bald nachliessen, keine besondere Beachtung und legte einen Lappen mit Blei- wasser auf die Stirn. Da ich aber meiner Gewohnheit nach

bis tief in die Nacht hinein im Eingang meiner Hütte und der Zugluft ausgesetzt zu schreiben hatte, zog ich mir eine heftige Entzündung zu. Als ich am folgenden Morgen er- wachte, sah ich mich ausser Stande, die Augen zu öffnen. Ich musste einen Spiegel nehmen und mit der Hand die Augenlider aufheben. Da wurde ich gewahr, dass mein ganzes Gesicht hoch aufgeschwollen war. In meiner Angst, es möchte eine Gesichtsrose sich entwickeln, wusste ich keinen andern Rath als den, mir sofort einen Haufen Baumwolle zu verschaffen und damit das Gesicht gänzlich zu umhüllen. Meine ganze Geduld zusammennehmend, verharrte ich nun in dieser Hülle ängstlich auf meinem Lager. Am dritten Tage war die Entzündung gehoben und die Gefahr vorüber. In diesen Gegenden kann der Reisende nicht umsichtig genug bei Behandlung auch der geringsten Verletzungen zu Werke gehen. Schon früher, gelegentlich eines forcirten Marsches durch die Thebaische Wüste, hatte ich etwas Aehnliches er- fahren, als ein unbedeutender Fliegenstich auf dem Fuss- rücken eine äusserst schmerzhafte Inflammation des ganzen Fusses nach sich gezogen, welche mich gezwungen hatte, viele Tage hindurch das Bett zu hüten.

Die Ergebnisse der diesjährigen Viehrazzien unter die

296 Neunzehntes Kapitel.

Dinka waren sehr reiche, denn die Ghattas'sche Gompagnie, welche keinen Niamniamzug zu Stande gebracht hatte, konnte ihre ganze Ej*aft auf diesen einen Zweck concentriren. Ein grosser Viehhof, von vielen Dinkaknechten gehütet, war in der Nähe installirt worden. An Fleisch war daher kein Mangel, und da ich zu den contractlich festgesetzten Preisen soviel schlachten lassen konnte, als ich wollte, so hatten auch alle meine Leute vollauf zu leben. Besonders glücklich machte mich indess der Besitz einer Milchkuh, welche mir ax^ht Monate lang einen allerdings sehr knapp abdosirten Morgentrank spendete und in den spätem Tagen der Noth und des Mangels mein einziger Trost war. Die Hälfte des Rindviehs kränkelte an allerhand innern Gebrechen, und die meisten Thiere, welche geschlachtet wurden, haltten auch an und für sich dem Klima nicht lange mehr zu widerstehen vermocht. Ich machte die Erfahrung, dass der Genuss von Kochsalz, so ungewohnt er auch allen diesen Viehrassen war, den Thieren dennoch neue Kraft und frisches Leben ein- flössen musste. Nur dadurch, dass ich meine Kuh, was anfänglich nur durch Gewalt zu erzielen war, mit diesem Genuss vertraut gemacht, glaube ich ihre andauernd milchende Fähigkeit erhalten und sie vor Abmagerung bewahrt zn haben. Später lief sie mir einer Hand voll Salz wegen nach, wie ein Schoshündchen nach Zucker.

Verschiedene Seuchen decimirten während der Regenzeit des Jahres 1870 die Rinderbestände der Dinka, besonders war der District der Läo stark von ihnen mitgenommen worden, und die alte Schol wurde um einige tausend Stück ärmer. Die häutigste Rinderseuche wurde von den Dinka Atjeng genannt. Dieselbe äusserte sich in spaltförmigen Wunden zwischen den Klauen, welche so aussahen, als wären sie durch einen Lanzenstich hervorgerufen worden. Ein anderes Merkmal der Atjeng-Seuche bestand in einem Wund- werden der Zunge, was den Thieren das Abgrasen der Weide verleidete, sodass sie schnell von Kräften kamen und durch

Yiehseachen. Meteorologisches. 297

kein Mittel mehr eiDährt zu werden vermochten. Eine zweite ilinderseuche wurde Abuott genannt. Dieser fallen nur die ECühe zum Opfer, Sie verrecken gewöhnlich des Nachts inter starker Anschwellung der Genitalien. Eine dritte Seuche, Oduang-Duang genannt, scheint gleichfalls ansteckend, iber nicht so häufig von tödlichem Ausgange begleitet zu jein, wie die vorhingenannten. Im günstigen Falle besteht iie Krankheit nur darin, dass die Thiere zweimal vierund- swanzig Stunden Speise und Trank verweigern, am dritten Tage aber wieder nach Grünfutter verlangen.

Der Charif des Jahres 1870 fand seinen Abschluss mit lern 21. September, von diesem Tage an fiel kein Regen mehr nieder. Am 25. August war ein sehr starker Hagel- Fall mit kirschgrossen Schlössen beobachtet worden, das einzige Beispiel der Art, welches mir auf meinen Reisen innerhalb der Tropen vorgekommen ist, obgleich ich den ^össten Hagelfall, dessen ich mich überhaupt zu entsinnen vermag, ganz in der Nähe des Wendekreises erlebte, an der ägyptischen Küste des Rothen Meeres im Mai 1864.

Die diesjährige Regenzeit war ausgezeichnet durch Stärke der einzelneu Regenfälle und geringe Anzahl der Regentage. Im Laufe des Juli wurden 10, im August 12, im September 10 Regentage gezählt, was fast genau den Aufzeichnungen des Vorjahrs entspricht. Nichtsdestoweniger war die Regen- menge eine so grosse, dass das Sorghumkorn auf allen Acker- niederungen an Fäulniss zu Grunde ging, während auf ab- schüssigem und felsigem Terrain, wo das Wasser leichten Abfluss hatte, gerade ein gegentheiliger Uebelstand zu be- dbachten war, indem an solchen Stellen manche Aecker infolge der durch lange Regenlücken überhandnehmenden Sonnenglut an Dürre litten.

Ein im grossen Haushalt der Natur sehr bedeutungs- roller Tag war in diesem Jahre der 4. October, denn unter liesem Datum steht unter den wenigen Notizen, die ich ge- rettet, der erste Windumschlag nach Nordost verzeichnet.

298 Neunzehntes Kapitel.

An welchem Tage in dieser Gegend die ersten anhaltenden Südwinde sich Bahn gebrochen, konnte ich nicht wissen, da ich um jene Zeit bei den Niamniam und Monbuttu weilte; nehme ich aber für den Windumschlag das Datum des Vor- jahrs an, d. h. den 16. März, so hätte die Periode der yor- herrschenden Südwestwinde im Jahre 1870 sieben volle Mo- nate umfasst haben müssen. Obgleich nun die Nordostwinde in diesem Jahre bereits mit dem 4. October an der Tages- ordnung waren, so wurde eine fühlbare Temperaturemiedrigong doch erst mit dem 20. November bemerkbar. Von diesem Tage an betrug die Temperatur bei Sonnenaufgang im Durch- schnitt gegen +22° C.

Meine täglichen Beschäftigungen hatten, da die Flora dieser Jahreszeit wenig Neues darbot, wieder den gewohnten Modus der vorjährigen Herbstmonate angenommen, und ich verbrachte meine Zeit mit Körpermessungen, linguistischen Studien, Insektensammeln, Präpariren von Schädeln und der jetzt eifrig in Angriff genommenen Jagd auf kleine Vögel Immer aber behielt ich mein neues Reiseproject im Aagd und verwerthete die gesammelten Erfahrungen zu einer m^- liehst zweckmässigen Ausrüstung für die wieder bevtrstehen- den Wanderungen. Da meine Gesundheit noch immer nicht erschüttert schien, ich vielmehr im gesunden Klima der süd- lichen Hochländer unter Strapazen und Anstrengungen, welche ich mir früher selbst nicht zugetraut hätte, mich einer be- deutenden Zunahme an Energie und Körperkraft zu erfirenen gehabt, wurde beschlossen, im Anschluss an die nächste Ghattas^sche Expedition die mir noch unbekannten G^enden im Gentrum des Niamniamgebiets zu besuchen, eine Bdse, welche mir die Erforschung des hydrographischen Systems des Gazellenstroms zum völligen Abschluss zu bringen let- sprach, da ich auf ihr alle diejenigen Flüsse, welche mir bereits in ihrem untern und obern Laufe bekannt geworden waren, nun auch in ihrem mittlem zu überschreiten Gelegen- heit finden musste. Blieb mir das Glück noch fernerhin

Vorbereitungen zu einem nenen Niamniamzoge. 299

günstig, dann würde es nicht fehlen, so hoffte ich, dass man dieses Stück Nilgebiet als für immer abgethan betrachten konnte, um mit Erfolg weiter zu bauen an dem theoretischen Ge- rüst zur Erforschung des unbekannten Restes von Centralafrika.

Um meine Vorräthe durch Tausch und durch Kauf weiter zu completiren, unternahm ich vom 24. October bis zum 4. November einen Ausäug nach der mir bereits von früher her wohlbekannten Hauptseriba Kurschuk-Ali's, jenseit des Djur. Der Besitzer, welcher, wie erwähnt, selbst ins Land gekommen, um eine Truppenabtheilung der ägyptischen Regierung anzuführen, war, bevor er noch mit seinen Leuten tiefer ins Innere hatte vordringen können, dem giftigen Fieberklima des Dinkagebiets erlegen. Ein türkischer Aga, welcher ihm als stellvertretender Commandirendcr beigesellt worden war, hatte den Oberbefehl über die Truppen über- nommen, das Lager im Dinkalande abgebrochen und sich nach Westen ins Innere gewandt.

Die Magazine der Seriba Kui-schuk-Ali's waren mit den gebräuchlichen Vorräthen aufs reichste ausgestattet, und da mir in allen Etablissements der Chartumer ein Credit offen stand, überdies der alte Verwalter der Seriba, Chalil, mir sehr wohlgesinnt war und die gastlichste Aufnahme bereitete, so entledigte ich mich meiner dortigen Geschäfte zur grössten Zufriedenheit. Die zweimalige Passage des Djur, dessen Wasser um 10 Uhr vormittags, bei einer Luftwärme von + 25° G., eine Temperatur von + 33° C. darthat, erhöhte den Nutzen dieser kleinen Wanderung, und ich vervollständigte durch neue Messungen meine Kenntuiss von dem Regime dieses wichtigen Flusses. Die Ueberfahrt geschah auf einem Fahrzeug der miserabelsten Art, einem aus zwei ausgehöhlten und vermittels Stricken aneinandergeknüpften Baumstämmen bestehenden Canot, dessen Kalfaterung von gewöhnlichem Lehm während der Wasserpartie selbst beständig erneuert werden musste, um es mühsam flott erhalten zu können. Es war ein deutlicher Beweis von der Trägheit und Indolenz

300 Neunzehntes KapiteL

der Nubier, die doch gewiss in ihren Reihen manchen des Schiffsbaus Kundigen zählen mussten, dass sie es in den fünfzehn Jahren ihrer Anwesenheit im Lande noch zu keinem ordentlichen Boote gebracht hatten, .um die tagtägliche Passage eines so beträchtlichen Flusses zu erleichtern.

Die Yegetationsverhältnisse dieser Jahreszeit entsprachen so ziemlich denjenigen unsers Spätherbstes, denn die Steppen der Niederungen waren bereits im Absterben begriffen, ob- gleich sich das Wasser noch lange nicht verlaufen hatte. Auch in den Waldungen wurde die Zahl der entlaubten Bäume mit jedem Tage grösser. Nichtsdestoweniger fanden sich, namentUch unter den kleinem und unscheinbaren Kräutern, immer noch viele neue Arten, welche bisher meinen Blicken entgangen oder die erst beim Rücktritt der Gewässer emporzuschiessen gewohnt waren.

Auf dem Rückzuge wurden wir In der kleinen Seriba Djur-Auet mit gebackenen Elefantenfüssen bewirthet Bevor ich die Seriba Abu-Gurün's wieder erreichte, hatte sich ein scherzhafter Vorfall ereignet, welcher die Furchtsamkeit meines altern Niamniam, desselben, dem die A-Banga den Arm durchschossen, mit einem neuen Beispiel erhärtete und zum zweiten mal das Leben eines meiner unentbehrlichsten Gewehre bedrohte.

Giabir hatte sich, der letzte in unserm kleinen Zuge, durch eine Anzahl ledig des Wegs einherziehender Djur, die sich in ihrem Aeussern durch nichts von den Dinka unter- scheiden, so in Furcht setzen lassen, dass er in die onzu- gänglichsten Strecken der Steppe geflohen war, um sich im hohen Grase ängstlich verborgen zu halten, bis die Nacht ihren schützenden Mantel über die Erde ausgebreitet haben würde. Hart an der Grenze der stets feindlichen Dinka, längs welcher der Pfad sich hinzog, lief der sich nordwärts vom Wege auch nur eine halbe Stunde weit verirrende Wanderer Gefahr, auf Gnade und Ungnade den Feinden in die Hände zu fallen. Als wir bei unserer Ankunft den Giabir

Der Held Giabir. Mohammed wird überfallen. 301

Yermissten, war die Besorgniss um sein Schicksal keine geringe, denn wir konnten nicht anders annehmen, als dass er den richtigen Weg verfehlt hätte. Abu-Gurün sandte nach allen Richtungen seine schwarzen Soldaten aus; sie kehrten in der Kacht erfolglos zurück. Des andern Morgens in aller Frühe war nun der Gesuchte zu aller Ueberraschung un- erwartet am Platze. Wohl hatte er den Zuruf der zu seiner Aufsuchung ausgeschickten Leute vernommen, sich dadurch aber von seinem Mistrauen nicht abbringen lassen, da er als Kiamniam keine Hoffnung auf Pardon seitens der Dinka beanspruchen zu dürfen vorgab.

Eine traurige Nachricht erreichte mich hier von meines Freundes Mohammed neulichen Unfällen. Auf dem Rück- zuge von der Meschera nach Ssäbbi hatte er einen nähern Weg durch die Wildniss einschlagen wollen, um die ihm so feindlichen Räuberseriben Scherifi's zu umgehen. Dessen- ungeachtet hatte ihn sein alter Widersacher zum zweiten mal überfallen, nachdem er von dem Kommen der mit reichen Vorräthen beladenen Karavane unterrichtet, mitten im dich- testen Walde einen Hinterhalt bereitete. Der Ueberfall hatte diesmal einen weit blutigem Ausgang als im Jahre vorher. Da die chartumer Soldaten sich wieder passiv verhielten und kein Feuer auf ihre Landsleute, die Wegelagerer, abgeben wollten, so blieb Mohammed nur auf die Hülfe seiner schwar- zen Lanzknechte beschränkt, von denen mehrere nieder- gemacht wurden. Ein Vetter Mohammed's, der die Vorräthe aus Ghartum herbeigeführt hatte, fiel gleich zu Anfang des Kampfes von einer Kugel durchbohrt. Mohammed selbst wurde zu Boden geschlagen und erhielt eine so schwere Menge Säbelhiebe über den Kopf, dass er im Blute schwim- mend als todt am Boden liegen gelassen wurde. Die Bongo Scherifi^s fielen zugleich über die Bongo Mohammed's her und verfolgten sie nach allen Richtungen durch die Wild- niss. Alle Vorräthe fielen in die Hände Scherifi's, der dies- mal die Perlen nicht am Boden verstreute, sondern die ver-

302 Neunzehntes Kapitel.

schiedenen Ballen alles in allem an die 200 Lasten als Beute in seine Seriba scha£fen Hess. Der freche Räuber brüstete sich förmlich mit seiner Unthat und prahlte Tor allen, die ihn besuchten, mit den erbeuteten Schätzen; selbst Mohammed's neue Kleider trug er schamlos und offen Tor aller Welt zur Schau.

Mohammed war in der Nacht in anscheinend leblosem Zustande von seinen getreuen Schwarzen aufgehoben und nach Ssäbbi gebracht worden, wo er erst nach mehrern Wo- chen der Pflege wieder so weit hergestellt war, dass er die schriftliche Kunde von seinem Unglück an die befreundeten Seriben gelangen und durch Zeugen den Thatbestand fest- stellen lassen konnte.

Diese Vorfälle erregten natürlich das grösste Au&ehen, und eine allgemeine Entrüstung herrschte in den SeribsD, deren Verwalter fast ausnahmslos Mohammed wohlgesinnt und ihm befreundet waren, während die augesiedelten Sklaven- händler und ihr Anhang es wiederum mit Schenfi hielten. Dass ein Moslem von einem Glaubensgenossen erschlagen worden, und zwar mit Vorbedacht auf der Strasse, die er friedlich gewandert, war selbst in diesem Lande der Gewalt- thaten und des Faustrechts noch nicht vorgekommen. Was mich aber in der Folge am meisten empörte, war die Gleich- gültigkeit, welche der Befehlshaber der ägyptischen Be- gierungstruppen dieser Sache gegenüber an den Tag l^;te. Als Mohammed in seinem Lager erschien, um Genugthuung für die erlittene Mishandlung und den grossen Schaden zu verlangen, den ihm Scherifl zugefügt, suchte der conmian- dirende Stellvertreter Kurschuk-Ali's alle seine Angaben in Zweifel zu ziehen und machte nicht übel Miene, dem Scherifi, von welchem er verschiedene Geschenke in Empfang genom- men, allen Zeugenaussagen zum Trotz seinen Schutz ange- deihen zu lassen. Was war da von Recht und Ordnung za erwarten, wenn selbst derjenige Vertreter der Staatsgewalt, welcher in diesem herrenlosen Lande zum ersten mal den

Seriba Abu-GurQn. 303

Schutz der Gesetze zur Geltung bringen sollte, mit Habsucht und Willkür verfuhr. Und dabei besass man noch in Char- tum die Frechheit, von „Unterdrückung des Sklavenhandels" zu sprechen!

Abu-Gurün, in dessen Seriba ich einige Tage gastliche Aufoahme genoss, war von früh bis spät mit seinen Vor- bereitungen zur bevorstehenden Niamniamcampagne beschäf- tigt, und es bereitete mir viel Unterhaltung, zu sehen, wie er beim Verpacken und Sortiren der Munitionsvorräthe zu Werke ging. Er forderte mich jetzt auf, bei ihm zu bleiben, um den Vormarsch mit ihm zu eröflfnen, den er in Gemein- schaft mit einigen andern Compagnien anzutreten beabsich- tigte, während die Ghattas'sche, welche gleichfalls mit im Bunde sich der Unternehmung angeschlossen hatte, einige Wochen später nachfolgen sollte.

Abu-Gurün selbst war bei dieser gemeinsamen Unter- nehmung besonders interessirt, da er den vor kurzem er- littenen Verlust einer Seriba im Niamniamlande zu Ijeklagen hatte, wo nach Niedermetzelung der Besatzung alle seine Gewehre und Munitionsvorräthe in die Hände der Söhne Eso's gefallen waren, deren Streitkräfte jetzt durch den Be- sitz dieser gefährlichen Waffen den Nubiem doppelten Re- spect einflössen mussten. Diese Ereignisse hatten sich im Westen meiner Route zugetragen und standen zum Theil mit den gegen Mohammed gerichteten Bewegungen des Niam- niamfürsten Mbiö in Verbindung, welchen die Abu-Gurün'- sche Compagnie in ähnlicher Weise überrumpelt hatte, wie die combinirte Ghattas-Abd-es-Ssammat'sche. Von Mbiö hatte sich alsdann der Krieg auch auf die Gebiete der Söhne Tombo's und Eso's übertragen.

Da ich mein Gepäck noch nicht geordnet hatte und viel Calcul und Ueberlegung erforderlich war, um mit Müsse die Sachen am praktischsten und mit möglichst geringem Aufwand an Trägern für die Bedürfnisse der Reise herzu-

304 Neanzehntes Kapitel.

richten, so konnte ich auf Abu-Gurün's Anerbieten nicht eingehen, obgleich ich ^eit lieber in seiner Gesellschaft, als mit den Ghattas^schen Agenten gereist wäre. Hätte ich mich Abu-Gurün angeschlossen, so wäre ich dem mir bevorstehen- den Brandunglück entronnen, aber ein um so schlimmeres Los hätte meiner in diesem Falle gewartet, nämlich das- jenige mit Abu-Gurün zu theilen, welches ihm in wenigen Tagen bevorstand, einer der ersten beim Ueberfall der Niam- niam zu fallen.

Um diese Zeit waren sämmtliche chartumer Seriben- verwalter damit beschäftigt, eine gemeinschaftlich zu unter- nehmende grossartige Elfenbeinexpedition auszurüsten. Mit vereinter Kraft wollten sie die widerspenstigen Häuptlinge an der Nordgrenze bändigen, welche sich im Laufe der letz- ten Jahre wiederholt Verrath und Treulosigkeit gegen die Nubier hatten zu Schulden kommen lassen. Hauptsächlich war es dabei auf eine Züchtigung Ndöruma's, des verwege- nen Sohnes des Eso, abgesehen. Bei der schnellen Abnahme der Elfenbeinproduction in diesen Gegenden hatten die Niam- niamhäuptlinge nur noch geringen Vortheil von den Zügen der Chartumer zu erwarten, da diese sich jetzt nur noch die Gebiete der mächtigen Könige im Süden des Landes als das eigentliche Ziel ihrer Unternehmungen vorzustecken pflegten. Die kleinen Häuptlinge suchten ihnen daher den Weg dahin zu versperren und sich durch Ueberfälle in den Besitz der Kupferschätze zu bringen, welche ihnen früher, solange sie noch Elfenbein hatten, aus einem friedlichen Handelsverkehre zugeflossen waren. Wie kläglich in jenem Jahre alle Niam- niamzüge an dem kriegerischen Widerstände der Eingebore- nen, welche zum grössten Entsetzen der Chartumer von den geraubten Gewehren einen vortrefflichen Gebrauch zu machen verstanden, scheiterten, sollte ich bald erfahren.

Inzwischen rüstete auch ich mich eifrigst und war mit den Vorbereitungen zur grossen Reise vollauf beschäftigt;

Beabsichtigte Expedition gegen Ndörama. 305

allein es sollte anders kommen. War auch meine Gesund- heit aus allen Gefahren, die mir das Klima bereitet, sieg- reich hervorgegangen, so sollte mir gerade auf der Höhe mein^ Reiseglücks doch nicht der herbe Kelch der Ent- täuschung erspart bleiben, dem noch keiner meiner Vor- gänger in Gentralairika entgangen war.

SOUW UlMW U JITU. II. 20

ZWANZIGSTES KAPITEL.

Der unglücklichste Tag meines Lebens. Vereitelte Mfihe beim Retten vor dem Feoer. Anblick der Biandstatte bei Nacht Meine trostlose Lage. Winterliches Aussehen der verbrannten Gegend. Neaban der Seriba. Ursache des Brandunglücks. Idris' Energielosigkeit Ein exceptioneller Regentag. Unglücksboten von den Niamniarnzögien Meine Methode des Schrittzählens. Aufbrach zum Djur. Gute Auf- nahme bei Challl. Meine Kleidung. Der kühlste Tag in Centralafrib Komrequisitionen der ägyptischen Truppen. Sklavenhandel der ICH tärs. Vorschläge zur Verbesserung der Transportmittel in CcntnJ afrika. Der chinesische Schiebkarren. Grosse Niederlage der Qai tumer durch Ndöruma. Die Nubier kämpfen nicht gegen Blei. Ein Löwe geschossen. Nächtliche Aufregung um nichts, üebersidit über das Regime des DjurÜusses. Jagd auf Nilpferde. Verhalten der Thiere im Wasser. Hippopotamusfett Nilpeitschen. Merkwürdiges Schicksal eines Manuscripts. lieber den Charakter der Nubier. Ihre tber- gläubischen Vorstellungen und Vorurtheile. Ausbrach eines blotigeo

Streits im ägyptischen Lager.

Die grosse Handelsniederlassung der Firma Ghattas, in welcher ich, des Aufbruchs der Karavane gewärtig, mit allen meinen Vorräthen weilte, ist dem Leser bereits aus einer frühern Schilderung bekannt. Zum bessern Verständniss des Folgenden sei wiederholt, dass sie aus einer dichtgedrängten Masse von einigen sechzig Hütten und Schuppen bestand, welche fast durchweg nur aus Stroh und Bambus erbaat waren, dazwischen erhoben sich, aus gleichem Material er- richtet, die umfangreichen Sonnendächer, sogenannte „Bo- kubas^S während hohe Strohzäune, welche die einzelnen 6e-

Mein Unglückstag. 307

höfte umgaben, dazwischen schmale, nur wenige Fuss breite Gassen freiliessen. Man wird sich vorstellen können, wie mit dem Beginn der regenlosen Zeit die drohende Feuers- gefahr für mich bei Tag und Nacht eine Quelle der Sorge sein musste. Immer dichter waren, meiner Vorstellungen ungeachtet, in dem engen Bezirke der Pfahlumzäunung eine Hütte neben der andern entstanden. Es liess sich voraus- sehen, dass im Fall eines Brandunglücks das ganze von tropischer Sonne gedörrte Hüttenlager unrettbar verloren sei. Dies war das nicht ungeahnte Verhängniss, welches mich am 1. December 1870 um die Mittagsstunde ereilte.

Der unglücklichste Tag meines Lebens hatte in dem gewohnten Gleis der letzten Zeit begonnen. Ich war den Vormittag über mit Briefschreiben beschäftigt gewesen, um meine Erlebnisse seit Abgang der letzten Nachrichten zu- sammenzustellen. Eben hatte ich mein bescheidenes Mahl zn mir genommen und das Briefschreiben wieder begonnen, als mich plötzlich der Ruf eines Bongo: „Poddu, poddu" (d. h. Feuer) erschreckte. Dieses schreckliche Wort wird zeitlebens in meinen Ohren widerhallen. Beständig auf dem Sprunge, es zu vernehmen, wusste ich in demselben Moment die ganze Tragweite des Unglücks, ich eilte vor die Thür und erblickte auch schon, nur durch drei Hütten von der meinigen getrennt, die unheilvolle Lohe aus der Spitze eines Kegeldachs emporschlagen. Um jene Tageszeit erreichte der beständig wehende Nordost stets seine grösste Heftigkeit, die Windrichtung führte die Flammen direct zu meiner Behausung, da blieben mir kaum zwei Miüuten Zeit zum Retten.

Sofort kamen alle meine Leute herbeigesprungen, und ohne viel Worte zu machen, griff ein jeder nach demjenigen, was ihm gerade unter die Hände fiel. Die Negerknaben machten sich zunächst an die Zeuge und ihre eigenen Kleider, als dem in ihren Augen WerthvoUsten ; auf diese Art wurde auch mein Bettzeug und zwei der Lederkoflfer ausserhalb der Seriba in Sicherheit gebracht. Ich selbst schleuderte

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308 Zwanzigstes £[apitel.

die für einen solchen Fall bereits zurechtgelegten Manuscripte in einen grossen Holzkasten; es war ein eitles Bemühen. Allerdings gelang es meinen Dienern im Handamdreheo, noch fünf von den Koffern und zwei Kasten hinauszuschaffen und auf den nahen Freiplatz der Seriba zu schleppen, wo sie auch bei der herrschenden Windrichtung genügend ge- sichert zu sein schienen, allein nur zu bald begann der glühende Luftstrom planlos nach allen Seiten hin umzu- schlagen und fegte die Lohe über den ganzen Platz. Da hätte kein Mensch mehr standzuhalten noch Hand zum Retten anzulegen vermocht. Der schleunigste Rückzug war vor- nehmlich durch die Gefahr geboten, welche die von allen Seiten aufflammenden Strohmassen, besonders die von hohen Zäunen eingefriedigten schmalen Gassen darboten. Da schlugen die Flammen hundert Fuss lang aus den mit dürrem Grase überhäuften Sonnendächern hervor und züngelten Verderben bringend weithin über den Boden, während ein Regen von brennenden Halmen durch die Lüfte brauste. Auf der Flucht vor der immensen Gewalt der Flammen die Menschen erschienen wie Mücken an einer brennenden Kerze warf ich noch einen Blick auf den angeblich geretteten Rest meiner Habe, mit Entsetzen aber nahm ich schon wahr, dass die Kasten zu rauchen begannen und die langen Flammensäulen sie bezüngelten. Es war für mich ein hen- brechender Anblick, enthielten doch diese Kasten alle meine Manuscripte, die Reisejoumale und Notizbücher; im Vergleich zu diesem Verlust erschien die Einbusse der von vomher^ den Flammen preisgegebenen Effecten im Hause selbst sehr unbedeutend, und doch waren es zusammen über die hundert Trägerlasten. In meiner Aufregung achtete ich nicht des vom Winde umhergetragenen Funkenregens, der mir das Haar versengte, heulend folgten mir mit verbrannten Füssen die Hunde, und athemlos hielten wir endlich unter einem grossen Baume, um vor der allseitigen Flammenglut und dem Sonnenbrande aus der Höhe Schutz zu suchen. Bei

Die ganze Seriba in Flammen. 309

der Ueberstürzung unserer Flucht hatte ich nicht einmal zu meinem Hute greifen können.

Hinter uns aus dem prasselnden Gewoge der Flammen erscholl das Krachen der zusammenbrechenden Dächer, ab und zu übertönt von dem dumpfen Schall der explodirenden Munitionsballen, während die in den brennenden Hütten zurückgelassenen Gewehre sich entluden und die Fliehenden von allen Seiten bedrohten. Ueberraschend ruhig und ge- lassen benahmen sich die Nubier; hatten doch die meisten von ihnen nur wenig oder nichts zu verlieren, musste doch auch so manches Schuldbuch in den Flammen verschwinden, da war für viele noch auf Gewinn zu hoffen. Nur die mo- hammedanischen Priester heulten und schrien vor ihren Hütten die gewohnten Beschwörungsformeln, mit welchen sie dem Feuer seinen Weg vorzuschreiben wähnten; merkwürdiger- weise blieb gerade der Betplatz mit der weissen Fahne eines daselbst begrabenen Fakis verschont, und wenige Schritte von der Stelle, wo meine Kisten lagen. Der Verstorbene war nun ein echter Heiliger geworden, denn er hatte sich bewährt als ein Schech comme il faut.

Die ganze Seriba stand nun in vollem Brande und die Flammen vollendeten ihren unaufhaltsamen Kundlauf in jeder Richtung, ganze Bündel von glimmendem Stroh führte der Sturmwind mit sich und endzündete in wenigen Minuten auch alle Hüttencomplexe, welche ausserhalb des Pfahlwerks zerstreut lagen. Die längst ausgedörrte Steppe, bisher ab- sichtlich geschont, weil die Kornernte noch nicht beendet war, fing eben so leicht Feuer, und selbst die alten Bäume entflammten sich, das ganze Land schien zu brennen, als wolle alles untergehen in einem Meer von Flammen. Die Katastrophe währte indess kaum eine halbe Stunde; nach Verlauf dieser Frist konnte man bereits zwischen den verkohlenden Gerüsten der Hütten ins Innere der Seriba eindringen, allerdings nur für wenige Momente, da der glühende Boden und die unerträgliche Hitze für die ersten

310 Zwanzigstes Kapitel.

Stunden kein längeres Verweilen an dieser Unglücksstätte erlaubten. Die Leute brachten Wasser in Krügen herbei, um wenigstens einen Theil der glimmenden Kornvorräthe, welche in den thönernen „Gugas^^ enthalten waren, zu retten.

Ich liess mich schliesslich in meinem Garten nieder, welcher, grösstentheils seiner neuen Bambusumzäunung be- raubt, nun einen trostlosen Anblick gewährte. Als die Soniie sank wurde das Nachsuchen nach den etwa noch brauch- baren Resten in der glimmenden Asche meiner Hütte be- gonnen. Ich hatte wenig mehr als das nackte Leben ge- rettet: ohne Kleider, ohne Waffen und Instrumente, ohiie Thee und Chinin stand ich jetzt vor dem Haufen Kohle und Asche, welcher unwiederbringlich verloren die Frucht mehr- jähriger Anstrengungen und im übrigen so beispiellos glück- licher Conjuucturen barg. Meine schöne Ausrüstung für die projectirte Niamniamexpedition, die jüngsten Sammlungen, unter welchen der Verlust der gesammten entomologischen Ausbeute und vieler werthvoUer Erzeugnisse des afrikani- schen Kunstüeisses am meisten zu beklagen war, dann die Handschriften mit allen meteorologischen Beobachtungen, welche ich von meinem Aufbruche von Suakin an täglich gebucht, und die allein gegen 7000 barometrische Ablesun- gen enthielten, die Reisejournale mit den Erlebnissen und Wahrnehmungen von 825 Tagen, die mühsam erlangten Körpermessungen und Vocabularien schliesslich, alles war in wenigen Minuten ein Raub der Flammen geworden. Die Tagebücher und die Insekteusanmilung hatte ich aus Furcht vor den Eventualitäten der weiten Versendung von An£ang an bei mir behalten, jetzt lägen sie freilich ebenso sicha in den Fluten des Nils.

Da sass ich nun zwischen meinen Tabacksstauden anf dem geretteten Bettzeug in stiller Resignation, vor mir als einziger Rest meiner Habseligkeiten die zwei mir übrigge- bUebenen Koffer (mit drei geretteten holosterischen Baro-

Meine VerloBte. 311

meiern und einem Azimutbkompass) und das der Asche ent- nommene Eisengeräth aus der Werkstätten der Monbuttu und Niamniam. Der Abend kam und mit ihm wie gewöhn- lich die Kuh mit dem Kalbe, um mir zwei Gläser Milch zu spenden. Etwas Jams, dem Innern einer verkohlten Riesen- knolle entnommen, die sich noch in der Asche vorgefunden, femer ein ähnlicher Rest von einem grossen Stück Pökel- fleisch vervollständigten mein Mahl, ich zehrte von den letz- ten Ueberbleibseln meiner Vorräthe. Um mich herum heulten die Hunde mit ihren verbrannten Füssen, als jammerten sie über das allgemeine Elend. Die Diener und die Sklaven waren so vergnügt, wie je zuvor, denn was hätten diese zu 'verlieren gehabt. Ich konnte die Häupter meiner Lieben zählen, sieben Vierbeinige und sieben Zweibeinige.

Als es völlig dunkel geworden, glich die ehemalige Se- riba einem glänzenden Kohleufelde. Immer noch brannte der alte Feigenbaum vor dem Haupteingange in seinen höch- sten Aesten mit heller Flamme, und das Pfahlwerk selbst umgab diese schreckliche Illumination wie mit einem Kranze von Lampions. Den Nubiern war der Anblick nichts Un- gewohntes, hatten sie doch selbst so viele Negerdörfer ein- geäschert, jetzt konnten sie an sich selbst erfahren, wie den Verfolgten zu Muthe gewesen, wenn sie, ihrer Vorräthe be- raubt, hungernd sich schlafen legen mussten.

Einen merkwürdigen Anblick gewährte die Landschaft in der Frühe des folgenden Tages, denn nicht allein die Brandstätte selbst, sondern auch die ganze flache Gegend erschloss sich jetzt nach erfolgter Einäscherung der Steppen und Sirchfelder weithin den Blicken. Aus der von freudigem Grün ewig strotzenden Tropenwelt glaubte man sich inmitten der düstern Wintereinöde des Nordens versetzt. Schneeweisse Aschenfelder bedeckten den Boden, abwechselnd mit deü halbverbrannten Kohlenschollen, wie auf einem Moorgrunde der schmelzende Schnee mit aufgeworfenen Torf bügeln. Der auf dem Boden lagernde Rauch, welcher einem dichten Nebel

312 Zwanzigstes Kapitel.

gleich die Landschaft verhüllte, dazu die nach dem Brande mit ihrem dürren Astwerk wie verzweifelt die Arme zum Himmel emporstreckenden Bäume, vervollständigten neben den weissen Aschenfeldem den Vergleich mit einer nordi- schen Winderlandschaft. Schauerlich nahm es sich aus, die schwarzen und braunen Gestalten, gehüllt in ebenso brauoe und geschwärzte Lumpen, durch die verkohlten Trümmer streichen und im Boden umherscharren zu sehen. Da- zwischen lagen die gedunsenen Leiber halbgerösteter Esel und Schafe. Eine grosse Schar wassertragender Sklavimien war immer noch bemüht, die im Glimmen befindlichen Korn- haufen zu löschen. Die einzigen Denkmäler, welche übrig- geblieben, waren jene sonderbaren, jetzt rauchgeschwärzten Thongebilde, welche in Gestalt enormer Krüge und Urnen den Kornvon-ath einer jeden Hütte aufoahmen; „Guga" nen- nen die Nubier diese 5 7 Fuss hohen, aus Häcksel and Thonerde geformten Kornreservoirs, welche die Wohnsitxe der Djur und Dinka bezeichnen. Ihre Menge gab jetzt erst eine richtige Vorstellung von dem bis zum Wahnsinn g^ steigerten Gedränge der Strohbauten im Innern der Seriba.

Die Eingeborenen kamen haufenweise aus der Umgegend herbeigeeilt, um in der Asche nach den zum grössten Theil indess völlig entwertheten Glasperlen zu suchen. Andere errichteten Strohdächer zur vorläufigen Beherbergung der Obdachlosen.

In den nächsten Tagen wurde auch mit dem Wieder- aufbau der Seriba begonnen; Hunderte von Bongo, Djnr und Dinka eilten mit Bambus, Holz und Grasstroh herbei, um die neuen Hütten zu construiren. Im Dprchschnitt ?er- mochten ihrer sechs mit einem Zeitaufwande von nur zwei Tagen eine Hütte fix und fertig' herzustellen, welche das ge- wöhnliche Mass von 20 Fuss im Durchmesser hatte. Von dem erlebten Unglück wollte man nicht die geringste Lehre ziehen, denn die Seriba wurde nicht nur auf derselben Stelle, son- dern auch ganz in derselben gedtüngten Art und Weise

Neabau der Seriba. 313

wieder hergestellt. Die Furcht vor den meuchelmörderischen Dinka galt als der Grund, weshalb man nicht das von Challl, dem Verwalter der Kurschuk-Ali'schen Seriba, gegebene Bei- spiel nachahmen wollte, die Wohnung des Wokils mit den Magazinen allein mit einem PaUisadenwerke zu umfriedigen, alle Soldatenhütten aber draussen und im Umkreise der Seriba zu errichten. Umsonst waren meine täglichen Vor- stellungen wegen der offenkundigen Feuersgefahr, vergeblich alle den Leuten eingeschärften Rathschläge zur Vorsicht ge- wesen, unnütz hatte ich schlaflos in beständiger Angst vor einer solchen Katastrophe manche Nächte durchwacht, das mir einmal bestimmte Verhängniss hatte sich nicht abwen- den lassen. Die nun zu Tage tretende Veranlassung zum Brande der Seriba setzte mich nicht im geringsten in Ver- wunderung. Einer- der Ghattas'schen Soldaten war mit sei- ner Sklavin in Streit gerathen, und indem er sie einer ent- deckten Untreue halber angeblich zur Verantwortung ziehen wollte, hatte er sein Gewehr im Innern der engen Behausung auf sie losgedrückt. Er wollte sie nur in Furcht jagen, um ein Geständniss von ihr zu erpressen. Ich erinnere mich noch des Knalls, den ich vernommen, dem ich aber als etwas durchaus nichts Ungewöhnliches keine Beachtung geschenkt hatte. Zehn Minuten später stand dieselbe Hütte in Flam- men; die glimmende Papierpatroue hatte im Dachstroh so- fort Feuer angefacht. So selbstverständlich dies nun auch erscheinen mochte, die fatalistischen Mohammedaner wurden deshalb noch keinen Augenblick in ihrem Glauben erschüt- tert, dass das Unglück nur als ein zufälliges, aus der Hand der Vorsehung empfangenes zu betrachten sei.

Meine ärgsten Vorwürfe trafen indess keineswegs den Betreffenden, welcher alsbald nach dem Vorfalle den Schau- platz seiner Unthat verlassen hatte. Die alleinige Schuld an allem trug nach meiner Ansicht Idris, der Verwalter, denn weshalb gestattete er überhaupt das wahnsinnige Schiessen innerhalb der Seriba, wie es beim wiederkehrenden

314 Zwanzigstes Kapitel.

Mond und bei hundert andern Veranlassungen beständig eine Quelle meines Unwillens und Aergers gewesen war, wenn man die glimmenden Pfropfen über die dürren Strohdächer hinfliegen sah? Weshalb Hess er es zu, dass jedermann nach eigenem Belieben die Zahl seiner Hütten, Zäune und Rokuben vermehren durfte, wie man Aehnliches in keiner zweiten Seriba wahrzunehmen vermochte? Er, der Wokil, hätte doch jedem seinen Raum anweisen sollen, statt dessen trug er selbst noch sein Möglichstes dazu bei, den Stroh- wirrwarr zu vermehren, indem er dicht vor meinen Hütten eine kolossale Rokuba für sein Pferd aufbauen Hess. Diese unglückselige Rokuba trug auch die eigentliche Schuld daran, dass meine Kisten mit den Manuscripten auf dem früher geräumigen Freiplatze von den Flammen erreicht werden konnten.

Am 11. December hatte ich wieder neuerrichtete Hütten zu meiner Verfügung, und gerade an diesem Tage that eine trockene Zufluchtsstätte doppelt noth, da gegen 4 Uhr früh sich unerwartet ein heftiger Gewitterregen von halbstündiger Dauer einstellte. Dieses exceptionelle Gewitter war von Südost aufgezogen, hatte sich dann nach Süden umgesetzt und war zuletzt nach Südwest übergeschlagen. Der ganze Tag blieb trübe und kalt; ab und zu wiederholten sich leichte Regenschauer. Zum ersten mal flel die Temperatur bei Sonnenaufgang auf -f 19° C, während sie bisher meist zwischen -{- 24 und 26^ C. geschwankt hatte. Es folgte von nun an die kühlste Jahreszeit, welche sich auf eine Dauer von zwei Monaten erstreckte und durch verhältnissmassig niedrige Thermometerstände in der Frühe besonders ausge- zeichnet erschien. Auch die Barometerstände schwankten in dieser Periode in weit bedeutenderer Weise ab, als wäh- rend der vollen Regenzeit.

Der Zerstörung der Seriba folgte auf dem Fusse die Hiobspost von der gänzlichen Niederlage derjenigen Niam- niamzügler, welche bereits den Vormarsch nach dem Süden

UDglüok der Niamniamzügler. 315

TÖffnet hatten. Von diesen hatten, abgesehen von den ein- geborenen Tiügern, allein 150 Mohammedaner ihren Tod gefunden; so war mir auch nach dieser Seite hin jede Mög- ichkeit einer weitern Unternehmung vorläufig abgeschnitten. io herb nun auch das Unglück, das mich betroffen, ersehe!- len mochte, so hätte es mich doch keineswegs davon abzu- lalten vermocht, die projectirte zweite Niamniamreise ins 9^erk zu setzen. Wie aber war solches Vorhaben auszu- 'Uhren, wo mir niemand die eingebüssten Ausrüstungsgegen- itände zu ersetzen vermochte. Ich besass weder Schuhe noch Stiefel, weder Munition noch Waffen, keine Papiervorräthe aocfa Instrumente mehr, ja selbst die unentbehrlichen Taschen- uhren waren verloren. Welchen Zweck hätte da noch eine Eleise in unbekannte Länder gehabt? Von der Nutzlosigkeit einer solchen überzeugt, musste ich mich schweren Herzens sar Rückreise nach Europa entschliesseu. Materielle Hülfe hätte mich erst nach Ablauf einer mehr denn einjährigen Frist zu erreichen vermocht, und auch dann noch war das richtige Eintreffen der erwarteten Unterstützung bei meiner grossen Entfernung von Aegypten mehr als zweifelhaft.

Uebrigens lag vor mir noch über ein halbes Jahr, bevor ich mit den Handelsbarken die beabsichtigte Rückreise auf dem Nil antreten konnte. Diese Zeit nach Kräften noch auszunützen gebot mir die Pflicht. An Fingerzeichen dazu hatte es das Schicksal nicht fehlen lassen, denn unter den wenigen Habseligkeiten, die ich den Flammen entrissen, be- fanden sich Tinte, Schreib- und Zeichenmaterialien, und der Anblick der durch einen glücklichen Zufall zusammen mit meinem Bettzeug geretteten Zeichnungen enthob mich meiner ersten verzweifelten Stimmung, sagte er mir doch, dass ich von neuem anfangen müsse zu beobachten und zu sammeln, um das Gewonnene durch Schrift und Zeichnung festzuhal- ten. So begann ich mit düsterm Sinne meine Arbeit von vorn, mehr als früher mit Mangel und Entbehrung kämpfend, einem Bettler gleich, auf die Gastfreundschaft der Nubier

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angewiesen, von denen viele meine Anwesenheit im Lande mit Mistrauen betrachteten. Mein Elend war nm so grösser, als ich mich gerade während der letzten Zeit durch den neu wiedergewonnenen Gomfort mancher europäischen Genüsse einigermassen verwöhnt hatte.

Ich beschloss nun der unseligen Brandstätte den Rück^ zu kehren, um mich mit meinen Dienern zunächst wieder nach Kurschuk-Ali's *) Seriba jenseit des Djur zurückza- ziehen, bei deren wohlwollendem Verwalter ich nicht TC^ geblich ho£fen durfte, für einige der dringendsten Bedürfiiisse Abhülfe zu finden, soweit solche überhaupt bei den geringen Ansprüchen, welche die Nubier an die Bequemlichkeiten des Lebens zu stellen gewohnt sind, erwartet werden koniiten. Ich wandte mich dahin auf einem neuen südlichem Wege, und verliess, gefolgt von einer kleinen Heerde von Kühen, am 16. December die aus der Asche wieder erstehende Senk Ghattas'.

Meiner mit beispielloser Genauigkeit bereits im dritten Jahr arbeitenden Taschenuhren beraubt (es waren gewöhn- liche genfer Ancres perfectionnees, das Stück zu 25 Tbaler) und ausser Stande, dieselben auf irgendeine Art zu ersetzen denn die Nubier kennen nur die eine grosse Uhr am Fir- mamente, welche man nie aufzuziehen braucht, und deuten, um die Tageszeit zu bezeichnen, mit dem Finger auf die betreffende Stelle am Himmel**), war ich jetzt auf das ein- zige mir noch zur Sicherstellung meiner Boutiers übrigblei- bende Mittel verfallen, meine Schritte zu zählen. In meiner Verzweiflung um die erlittenen Verluste fand ich die nöthige Energie zur Ausführung dieser mühevollen Methode, welcbe auf afrikanischen Reisen vielleicht noch nie zur Anwendung

*) Der türkische Name lautet eigentlich Kutschuk Ali, allein id gebe ihn, wie immer die Namen.

**) Auch die Negervölker Centralafrikas, denen der B^riff der Stunde fehlt , geben auf diese für die AequinocÜalgegendea gewi« sehr praktische Art die Tageszeit an.

Methode des Schrittzählens. 317

kommen war. Sie war in der That der Rettungsanker, wichen ich nach dem grossen Brandunglück ausgeworfen, nn ich kam mir vor wie ein Schiff, das zwar noch seefest, allen seinen Fugen nur noch den Hafen glücklich wieder- winnen konnte, wenn es zuvor alle Ladung über Bord worfen. Ein Schwärmer für Natur und Wildniss war ich isgezogen, ein Schwärmer wäre ich heimgekehrt, es be- irfte erst des Feuers, um mir die Schwingen zu kappen, tzt stand ich hülflos da auf der nackten, ungastlichen *de von Afrika, ohne Mittel im Kampfe gegen eine Welt lysischer und moralischer Hindemisse; an die Stelle der Meisterung aber trat die Geduld, welche jedes Unglück meistert

Zwar drohten die ersten Tagereisen den Rest der mir ch gebliebenen Thatkraft zu vernichten, allein Standhaftig- it lind Geduld führten bald zur Gewohnheit, und ich er- tlte schliesslich eine Uebung, der ich die besten Resultate )iiier Routenaufhahmen verdanke. In den relativen Dimen- »nen der Karte musste diese Methode des Schrittzählens len hohen Grad von Genauigkeit zu Wege bringen, wenn ch bei dem absoluten Längenmass, welches ich auf diese eise gewann, ein Fehler von 5 8 Procent' nicht zu ver- aiden war; denn das Schrittmass an, und für sich ist keine jtstehende Grösse, wie es die Glieder einer Messschnur id. Beim wandernden Menschen pflegt es indess ein weit nstanteres Längenmass abzugeben, als es bei Thieren er- heint. Das Kamel, wenn es angetrieben wird, das weiss der,^ vermehrt nicht die Zahl seiner Schritte, es macht die- Iben nur weit länger, die gewohnheitsmässige Schrittlänge » Wanderers dagegen bleibt immer so ziemlich die- Ibe. Hiervon kann man sich beim Nachmessen der eige- m Schritte im feuchten Ufersande von Flüssen leicht über- fugen. Selbst bei wechselndem Tempo der Marschgeschwin- gkeit bleibt das Mass dasselbe. Das der meinigen variirte nach der Beschaffenheit des Pfades zwischen 0,6 und

318 Zwanzigstes Kapitel.

0,7 Meter, oder 2 Fuss bis 2 Fuss 4 Zoll esglisch. Die Me- thode, welche ich bei der Zählung meiner Schritte befo^te, bestand in Folgendem. Es wurde immer nur bis 100 ge- zählt und die einzelnen Hunderte an den Fingern abgelesexL Waren 500 voll, so wurde auf dem NotizUati ein Siridi vermerkt, das zweite 500 gab alsdann einen zweiten Strich in die Quere, sodass ein Kreuz Entstand, welches 1000 be- deutete. Was über 500 war, wurde zum nächsten Strich hinzugerechnet und zwischen den einzelnen Strichen und Kreuzen die übrigen Notizen über die Wegrichtung und Localität eingetragen. Auf diese Art war jede Mehr- oder Minderzählung ausgeschlossen, und nach vollbrachtem Tage- marsche konnten die Summen mit Ruhe zusammengezählt und ins Tagebuch eingetragen werden. Bis zu meiner Ein- schifFung in der Meschera, welche 6 Monate später stattbndf zählte ich auf diese Weise IY4 Million Schritte.

Der Weg zum Djur führte mich diesmal über Dubör und Dangä. Der Molmul war am 16. December noch wasser^ voll, zeigte aber keine bemerkbare Strömung mehr. Dieser Bach zieht sich hier durch eine sehr bedeutende, wenn aodi nur sanft geneigte Depression, und man überschaut in der Richtung nacff Westen hin sehr weit das gehobene Land bei Dubör. Alle Pfützen und Teiche am Wege waren jetzt völlig trocken. Nur zwei Sumpfstreifen im Westen von Dnbör deuteten auf den Zufluss, welchem der wasserreiche und ton Weinpalmen bestandene Bach bei Okel (vgl. fünftes Kiq^td) seine Entstehung verdankt. Der Njedokü bei Danga mr jetzt auf die Hälfte redudrt, er hatte nur noch eine Breite von 15 Fuss und zeigte 3 Fuss tiefes Wasser, welches immer noch eine lebhafte Strömung verrieth.

Der Njedokü erhält bis zu seiner Einmündung in den Djur noch reichlichen Wasserzuschuss von seiner linken Seite. Indem wir von Dangä aus den Weg in Nordwest fortsetitai) um den Djur zu erreichen, überschritten ' wir zwei in dea Njedokü fliessende Bäche, von denen der grössere KuUa-

Weg zur Seriba Kurschok-Ali'B. 319

kunguh genannt wurde. In einer kleinen Seriba der Gom- pagnie Agäd, Namens Maganja, wurde noch diesseit des Flusses halt gemacht und dann die östliche Thalwand des Djur, welche hier einen 80 Fuss hohen Felsabsturz darstellt, hinabgestiegen. In dem schönen Walde am rechten Strom- ufer schritten wir 4 Meilen weit hart am Wasser zu unserer Linken, ergötzt und unterhalten durch das Treiben der an dieser Flussstelle ausserordentlich zahlreichen Nilpferde.

Bei meinem alten Freunde Ghalil fand ich die gast- lichste Aufnahme. Er that alles Mögliche, nm mir den Auf- enthalt angenehm zu machen, und zeigte aufrichtige Theil- nahme an meinem Schicksale. Da ich bei ihm offenen Credit hatte und seine Magazine mit Zeugen und Munitionsvorrath reich versorgt waren, so konnte er mir für den Verlust einiger nothwendiger Artikel Ersatz bieten. In der Seriba befanden sich einige der Schneiderkunst kundige Leute, mit deren Hülfe ich mich, so gut es eben gehen wollte, von neuem equipirte. Die Kleider schnitt ich selbst zu, indem ich die wenigen Reste, die mir geblieben waren, auseinander- trennte und die Stücke copirte. In allen Seriben war aber kein einziges Stück Leinwand oder irgendein einigermassen haltbarer Stoff aufzutreiben, ich musste mich* mit den leich- ten Baumwollenstoffen begnügen, welche allein der weibischen Tracht der Araber entsprechen. Für den Botaniker und Jäger, den sein Metier tagtäglich in dornreiche Wald- dickichte führt, war dies ein grosser Uebelstand, noch em- pfindlicher blieb mir der Mangel an ordentlichem Schuhwerk, da ich mich nicht so leicht an die weichen Pantoffel der Türken zu gewöhnen vermochte. Der mir unersetzliche Hut war von mir aus zähem Patronenpapier mit grosser Sorgfalt zusammengeklebt und mit weissem Zeuge übernäht worden, er bewährte eine grosse Haltbarkeit und entsprach auch an Leichtigkeit vollkommen dem angestrebten Zwecke. Bei der grossen Aermlichkeit meines Gostüms war ich froh, wenig- stens an Sauberkeit nicht hinter den Ghartumern zurück-

320 Zwanzigstes EapiteL

zubleiben, denn die angesehenem unter ihnen, die Wokile und Agenten der Handelshäuser, pflegten auch in diesen entfernten Niederlassungen nicht selten in prachtvollen orien- talischen Costümen zu prunken, als wären sie in Chartom. Man legte nicht geringen Werth auf ein tadelloses Weiss der Wäsche. Sie besassen sämmtlich Tuchkleider in ägyp- tischer Mamelukentracht, welche bei festlichen Gelegenheiten, bei Besuchen der Nachbarn u. dgl. angethan wurden. Ich für meine Person konnte mich nicht dazu verstehen, ein orientalisches Gostüm anzulegen, auch wusste ich, dass die ärmlichste Tracht in fränkischem Schnitt im gesammten Machtkreise des Vicekönigs von Aegypten weit mehr gflt und höheres Ansehen geniesst als die glänzendsten, ffAi- gesticktesten Gewänder des Orients. In Aegypten selbst ist der Fortschritt in dieser, leider allerdings nur äusserlichen Richtung während der letzten Jahre ein reissender gewesen, denn in dem Zeitraum von 1863 71 nahm ich gerade in dieser Hinsicht die überraschendste Umgestaltung der Yolks- sitten wahr. ^

Am 25. December erlebte ich den kältesten Tag wäh- rend meines Aufenthaltes im tiefem Binnenlande von Afrika^ An diesem Tage standen die Termometer eine halbe Stande vor Sonnenaufgang auf + 16** C. Die beiden Tage vorher war um jene Tageszeit ihr Stand gegen + 17° C. gewesen. Während der nächstfolgenden Zeit wurde ein ähnlich tiefer Stand nicht mehr erreicht. Dessenungeachtet stieg die Hite zur Mittagszeit regelmässig über -f 30"" C. Am 28. Decem- ber hatten wir .mittags draussen im Nordwinde an wohl- beschatteter Stelle -f 35,5° C, während im Innern der Hütten nur -^ SV C. waren. Die constante Gleichmäsaig- keit der Temperatur zu allen Jahreszeiten ist eine merk- würdige Eigenthümlichkeit dieser Binnenländer, weldien weder die hohen Hitzegrade des Tages, noch die medern Temperaturen des Nachts, wie si^ zur Winterzeit die niibi- schen Wüsten und Steppen auszeichnen, eigen ist Im Laufe

Der kälteste Tag in AMka. 321

'on 2y2 Jahren war das niedrigste Wärmemass dieser Lan- ier + 16° C'j CS war dazu noch eine einmalige Erscheinung ron nur ^twa zweistündiger (kurz vor Sonnenaufgang) Dauer. Jm einen Vergleich mit dem verhältnissmässig kühlen Klima les tropischen Amerika zu gewähren, will ich nur anführen, lass in Guatemala nach zwölfjährigen Beobachtungen das Ifittel der gesammten Jahreswärme das nämliche Mass zeigte, wie hier in GentraJafrika das einmalige Minimum von 2Ys Jahren.

Zum Unterhalte der ägyptischen Regierungstruppen, deren Lager weit nach Westen vorgeschoben war und sich jetzt sieben gute Tagemärsche vom Djur befand, wurden alle Se- riben in Contribution gesetzt. Die Regierung zahlte 2 Maria- bheresienthaler pro Ardeb (= 1 Y^ Ctr. Korn) Entschädigung, ia aber die Träger der entferntem Plätze selbst unterwegs lie Hälfte ihrer Lasten und mehr noch verzehrten, oder noindestens denjenigen Seriben, durch deren Gebiet «ie mar- schirten, zur Last fallen mussten, so war diese Entschädigung in den meisten Fällen eine imaginäre. Viele Verwalter such- ten, um den Tribut zu erschwingen, sich auf die Art zu helfen, dass sie Rinderheerden nach den dem Lager näher gelegenen Seriben treiben liessen, um diese daselbst gegen Korn einzutauschen. Es gab aber Seriben, welche bis zu 20 Tagereisen vom Lager entfernt waren und daher auf keine Weise den Korntransport zu ermöglichen wussten. Dazu kam noch der beständige Kommangel in allen Seriben. Der stupide tückische Befehlshaber nahm auf alle di^e Uebel- stande nicht die geringste Rücksicht, und seine unvernünf- tigen Fordemngen drohten den Ruin aller Niederlassungen nur Folge zu haben. Statt Ordnung und geregelte Verhält- nisse im Lande einzuführen, waren die ersten Massregeln des Vertreters der Regiemng nur darauf bedacht, Hass und Un- frieden zu stiften und die bessere, tadellose Seite im Handels- verkehr der Seriben völlig lahm zu legen, während für die Unterdrückung des Sklavenhandels auch nicht das Geringste

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322 Zwansigstes Kapitel.

geschah. Auf der nicht zu verfehlenden einzigen Wasser- strasse freilich, welche der Nil vorzeichnet, war die Unter- drückung des Sklavenhandels mit ebenso vielem Aufinrande von Prahlerei und pomphaften Ankündigungen, als es mit spielender Leichtigkeit geschah, vom Generalgouvemeor in Scene gesetzt worden; hier im Binnenlande aber vmrde die- sem Handel erst recht Thor und Thür geöffnet

Nirgends in der Welt konnte man enragirtere Sklaven- händler sehen, als die Befehlshaber der kleinen ägyptischen Waffenmacht. Wenn sie von Seriba zu Seriba das Land durchzogen, so folgte ihnen ein langer Schwanz schwarzer Waare, welcher sich mit jeder Station verlängerte.

Wiederholt habe ich im Verlaufe meiner Reiseberichte darauf aufmerksam gemacht, dass in diesem Lande die Un- zulänglichkeit der dargebotenen Transportmittel ausserordent- lich den Unterhalt einer grössern, auf einen Punkt concen- trirten Menschenmenge erschwert. Fünfzig Pfund ist das Normalgewicht für die eingeborenen Träger auf weitem Itär- schen; es gehört demnach nicht viel Scharfsinn dazu, um bezeichnen zu können, in wie viel Tagen die Last an Korn- vorrath durch des Trägers eigene Bedürfnisse sich erschöpfen muss. Der Mensch ist also das ungeeignetste Transport- mittel für Lebensmittel dieser Art, sobald mehrtägige Märsche in Betracht kommen. Diesem Uebelstande im bereisten Ge- biete abzuhelfen und dadurch eine sichere Basis für grossere Expeditionen ins Innere zu gewinnen, auf welchen man sich möglichste unabhängig von einer während des Durchmarschei durch menschenleere Wildnisse oder durch das Gebiet feind- seliger Völkerschaften beständig drohenden Eventualität der Erschöpfung aller Lebensmittel zu machen vermöchte, wir daher ein Gegenstand meines beständigen Nachsinnens. Ochsen- wagen nach südafrikanischem Muster in diesen Ländern ein- führen zu wollen, würde grossartige Vorbereitungen und vielen Zeitaufwand erfordern. Zum Abrichten der Thieie müsste man zuvor die Ochsentreiber aus weitentlegenen Ge*

Vorschlage zur Verbetsenuig der Transportmittel. S2B

bieten ins Land befördern, schon der Transport der schweren Wagen würde besondere Vorkehmngen nothwendig machen, und dann würde es immerhin noch zweifelhaft erscheinen, ob auch die Rasse der Dinkarinder Exemplare von aus- reichender Stärke und Befähigung für den beabsichtigten Zweck abzugeben im Stande sei. Ausserdem habe ich bei Schilderung meiner Niamniamreise bereits auf die Unmög- lichkeit eines weitem Vordringens mit Ochsenwagen, als bis za dem fünften Breitengrade, hingewiesen.

Esel, Maulthiere, Pferde und Kamele, das steht er- ÜEihrangsmässig fest, erliegen über kurz oder lang dem Klima. Als Lastthier wäre allein das Rind zu verwenden, nach dem Vorbilde der Sklavenhändler, die aus Kordofan und Darfur herbeiziehend sich auf diese Art bei den Baggära-Arabem beritten machen; man müsste aber die Packochsen von den Baggära importiren, denn das Dinkarind besitzt nicht die *zam Lasttragen qualificirende Körperstärke.

Karren, welche von Menschenhänden bewegt werden, müssen in allen diesen Ländern nothwendigerweise einräderige sein, denn die Pfade, wie ich es oft erwähnt, sind überall von solcher Schmalheit, dass sie nur einem einzigen Gleise einer gewöhnlichen Wagenspur gleichen. Sie sind da, wo sie in das Erdreich eingetreten erscheinen, in den meisten Fallen sogar so schmal, dass eben nur die eine Fusssohle hinter der andern knapp hineinpasst.

Zur Rechten und zur Linken starrt der üppige Gras- wachs empor. Das Resultat meines beständigen Nachsinnens fiber die zweckmässigste Gestalt der Karren war folgendes: Ich nahm mir zum Vorbild den chinesischen Schiebekarren, welcher auf einem grossen und von dem zur Aufnahme des Gepäcks dienenden Gestelle brückenartig überwölbten Rade ruht und der bekanntlich die schwersten Lasten in die Hände eines einzigen Menschen legt. Die für Gentralafrika dienenden Schiebekarren müssten indess von Stahl und Eisen

21*

324 Zwanzigstes Kapitel

construirt werden und eine derartige Einrichtung erhalten, dass sie, um für jedes Terrain applicabel zu sein, Ton zwei Menschen vermittels zweier durchzusteckender Stangen re- giert werden könnten, indem der eine den Karren schöbe, der andere dagegen denselben zöge. Mit derartig constnm^ ten Karren würde man in Centralafrika alle TerrainBchwi^- keiten, man würde die Sümpfe und die überschwemmten Flussniederungen sowol als auch das steinige Terrain der Berggegenden übervrinden können, die dichtesten Wilder so gut wie die offenen, aber schwer mit breiten Wagen xo durchfahrenden Steppen. Ich nehme 5 Caitner als das g^ ringste Gewicht der auf solchen Karren fortzubewegendea Masse an; der Reisende würde daher im Besitze deradbeo die Zahl der zu seinem Fortkommen erforderlichen MeoscboB auf mindestens den fünften Theil beschränkt sehen und könnte zu gleicher Zeit den für den Unterhalt seiner Mann- Schaft nöthigen Bedarf, resp. Proviant selbst befördern. Alf dieses im Princip dem chinesischen Schiebekarren ToUjg gleichende Vehikel habe ich bereits im Jahre 1870 dieAitf- merksamkeit der Afrikareisenden zu lenken gesucht üd dieselben namentlich der im Jahre 1873 ins Leben fetreto' nen deutschen Afrikanischen Oesellschafl zur BeröcUch- tigung anempfohlen, um dadurch das projectirte Eindringen von der Loangoküste aus erfolgreich zu unterstützai.

Während ich in Kurschuk-Ali's Hauptseriba den Rest des Jahres 1870 verlebte, langten positiv Nachrichten iÜMr die grosse Niederli^e an, welche die Niamniam der iv- einigten Waffeiunacht mehrem (Kompagnien bereitet hatte Es waren mehrere nubische Söldner, welche bei trafen und als Augenzeugen Bericht zu erstatten Die aus den drei Compagnien Hassaballa, Abu-Gurdn vd Kurschuk-Ali zusammengesetzte Karavane hatte eine v- gewöhnliche Massenanhäufung von Trägem in das Land dtf Niamniam geführt. Der immense Zug umfasste zotaaMB gegen 2250 Köpfe, darunter allein 300 mit Feuerwaffen ans-

Grosse Niederlage der Chartumer. 325

ästete Krieger. Das Mitschleppen von Sklavinnen, auf i Zügen der frühem Zeit nicht üblich, war ein Uebelstand, eher, von Jahr zu Jahr in der Zunahme begriffen, alle v^ungen der Chartumer erschwerte und im Kriegsfalle

Verwirrung der Massen nur vermehren musste. Ver- glich hatten die Anführer gegen dieöe Unsitte einzuschrei-

gesucht, sie mussten eben, da sie ihre Leute überdies ' mit Mühe zu den mühseligen Wanderzügen zu bewegen mochten, der undisciplinirten Söldnerbande stets den Willen sen. Eine Tagereise nördlich von Ndöruma's, des Sohnes >'& Residenz, war der Angriff erfolgt, als die Karavane iD im Begriff War, mit Sack und Pack durch die dunkle lerie einer Uferwaldung zu marschiren. Die beiden An- irer Abu-Gurün und Achmed Auät, welche sich an der je des Zuges befanden und auf Maulthieren des Weges herritten, befanden sich bereits auf der andern Seite, als ' Angriff geschah. Dieser wurde zum grössten Entsetzen ' Nubier diesmal durch wohlgezielte Flintenschüsse unter- tzt, welche die Niamniam aus der sichern Deckung von dgen- Baumstämmen hervor auf die arglosen Wanderer euerten. Von ihren Leuten abgeschnitten, wurden die den Anführer auf der Stelle niedergemacht. Der eine Gig einem Lanzenwurfe, den andern durchbohrte eine Kugel.

spätem Verlaufe des Kampfes waren es allein die Leute i Abu-Gurün, welche sich mit einer gewissen Tapferkeit lagen. Eine Abtheilung derselben forcirte sogar die Ga- ie, um unter schweren Verlusten den Leichnam ihres führers den Händen der Feinde zu entreissen. Ihm, dem Ml Diener Petherick's, zugleich einem der ersten und er- rensten Niamniamzügler, wurde in der That ein ehr- les Begräbniss zutheil, während die meisten Leichen der "igen Gefallenen im Besitze der Niamniam verblieben, öruma, welcher den Angriff persönlich leitete, verfügte )r mehrere von den Seriben entlaufene Sklaven, die da- i>8t den Gebrauch der Feuerwaffen erlernt hatten; da er

326 ZwaDzigstes Kapitel.

nun vor einigen Monaten Munition und Gewehre erbeutet, fehlte es ihm auch nicht an Leuten, welche sie zu benutzen verstanden und ihre Landsleute im Schiessen unterrichteteiu Die Nubier haben einen heillosen Respect vor Kugeln, und alle Wilden, welche im Verdachte stehen, Gewehre zu be- sitzen, können sicher sein, von ihren Besuchen verschont zu bleiben. Man vergegenwärtige sich nun den stattgehabten Erfolg der Niamniam und die schmähliche Flucht der Ein- dringlinge. Das gesammte Gepäck fiel in die Hände Ndö- ruma's, darunter allein einige hundert Lasten Pulver nnd Munition. Der Kannibalenfürst bewies sich übrigens in der Folge schlau genug, denn er Hess, wie ich vernommen, znr Sicherung dieses kostbaren Schatzes eigens regendichte Vo^ rathskammern errichten und seine Leute sorgfältig in der Uebung der Gewehre unterweisen.

Ndöruma^s Feindschaft gegen die Chartumer hatte übri- gens, nach dem zu urtheilen, was ich von einigen Niamniam erfahren, nicht allein seinen Grund in der Erschöpfung der Elfenbeinproduction seines Landes. Die Nubier, zu knn- sichtig, um die Folgen ermessen zu können, suchen eben nur zu leicht in einem Lande, dass ihnen im friedlichen Handel keinen Gewinn mehr abwirft, zu rauben und zu plündern, wo sich ihnen eine straflose Gelegenheit darzubieten scheint, gerade so, wie sie es ehedem bei den Bongo, Mittu u. 8.w. zu thun gewohnt waren. Da kommen sie aber bei den Niamniam, deren Stärke in einer hohem staatlichen Eini^ keit besteht, eben an die Unrechten. Die Chasuas (Razzien), die sie gelegentlich .von ihren dortigen Seriben ins Werk setzten, entreissen den Bewohnern der Nachbargegenden ihre Frauen und Mädchen; das ergrimmt die Niamniam mehr nls alle andern Völker, denn sie hängen an ihren Weibern mit ausserordentlicher Liebe. Diese dummen Nubier! immer ist es der verteufelte Menschenschacher, welcher die Triebfedff ihrer Handlungen ausmacht und der bereits ihre Besitzungen in so hohem Grade entwerthet hat durch Decinuning der

Furcht der Nubier vor Blei. 327

Bongobevölkerung. Hier der Mangel an Menschenhänden, dort die ebenso selbst verschuldete Wegsperre.

Von den drei zersprengten Compagnien hatte die des Eurschuk-Ali den geringsten Verlust zu erleiden gehabt, da ihre Trägercolonnen den Nachtrab bildeten und bei Zeiten kehrt machen konnten. Von den Soldaten dieser Compagnie aber, welche natürlich ihren Landsleuten zu Hülfe eilen mussten, büssten zehn Mann das Leben ein, während vier schwer Verwundete davongetragen werden konnten. Dem Protokoll zufolge, welches Chalil erhielt, waren sie sämmt- lich von Kugelq getroffen worden. Ganz abgesehen von den momentanen Verlusten und der grossen Einbusse an Waaren, welche die Chartumer erlitten, drohte dieses Ereigniss ver- hängnissvoll für die Zukunft ihres Elfenbeinhandels zu wer- den. Die Verwalter der Seriben waren rathlos der That- Sache gegenüber, dass sich die Niamniam der Feuerwaffe bedient hatten. Wie unter solchen Verhältnissen fernerhin ihre feigen Banden in das gefürchtete Land zu führen seien, dafür wussten sie kein Mittel ausfindig zu machen. Die Soldaten erklärten offen, sie seien für den obem Nil als Söldner gedungen, um gegen Wilde zu kämpfen, das heisst gegen Lanzen und Pfeile Stand zu halten, zum Kampfe gegen Flintenkugeln, gegen Blei seien sie nicht gedungen und da- von stände nichts in ihrem Contracte.

Die Träger, soviele ihrer bei dieser Äffaire mit dem Leben davongekommen, waren in zerstreuten Haufen zu ihren Niederlassungen zurückgeeilt und erregten die Gemüther der Eingeborenen in der Umgebung der Seriben mit alarmiren- den Nachrichten von der erlebten Metzelei. Da mehrere der Seriben gegenwärtig fast von aller waffenfähigen Mannschaft entblösst waren, sahen sich diejenigen an der Dinkagrenze, infolge der herrschenden Aufregung, der nicht geringen Ge- fahr eines Ueberfalls ausgesetzt. Es vergingen daher wenige Tage, als auch schon von der benachbarten Seriba des ver- storbenen Abu-Gurün um bewaffneten Beistand gegen die

328 Zwanzigstes EapiteL

drohende Haltung der Dinka gebeten wurde. Ghalil schickte eine Abtheilung Soldaten zur Unterstützung der wenigen Bewaffneten; welche diesen Platz zu halten hatten.

Durch alle diese Nachrichten an den häufigen Fremden- verkehr in der Seriba gestaltete sich mein Aufenthalt in derselben zu einem minder einförmigen als zuvor. Viele Gelläbas passirten auf ihren Baggära-Ochsen und auf Eseln den Platz, um Geschäfte in lebendigem Ebenholz zu machen. Ihre Concurrenten, die türkischen Soldaten, kamen ab und zu, um Korn von den benachbarten Seriben zn requiriren.

Eines Tages wurden wir durch die Nachricht üb^- rascht, das auf dem Sandbette des zurücktretenden Djor- bettcs ein Löwe geschossen worden sei. Eine Gesellschaft durchziehender Soldaten hatte das Thier in der Frühe des Morgens am Wasser attrapirt, wohin es sich, um seinen Durst zu löschen, geschlichen. Bei der geringen Entfernung hatte ihm selbst ein mittelmässiger Schütze vermittels eines Schusses durch den Kopf leicht den Garaus zu machen ge- wusst. Nun wurde das Fell präparirt, um es als stolze Schabracke zu verwerthen, während der Kopf ausgestopft den Zwecken der höhern Magie dienstbar gemacht wurde.

Ein donnerndes Getöse, auf welches ein grässliches Ge- heul erfolgte und das vom Wehklagen, Kreischen und Sclireien entsetzter Weiber begleitet zu sein schien, brachte eines Nachts alle Welt auf die Beine. Die Soldaten griffen zu den Waffen, und der türkische Wachhauptmann, welcher gerade mit einigen Baschibosuks am Platze war, liess es, um die Aufregung noch zu vermehren, an dem gewohnten Fluchen und Schimpfen nicht fehlen. Leider erfolgte nur zu bald eine arge Enttäuschung für sein wichtig thuendes Gebaren. Ein grosser Baum war in der Nähe der Seriba zusammengestürzt. Man hatte ihn allmählich vermittels Feuer uuterminirt, um ihn auf diese Art mühelos zu fallen. Die des Umsturzes gewärtigen Neger hatten diesen Moment mit

Löwenjagd. Unnützer Alarm. 329

einer nächtlichen Orgie in Verbindung gebracht und tanzten nun wie toll um die rauchenden Trümmer.

Den 25. December benutzte ich zu einem Ausflüge an die Ufer des Djur, sowol um daselbst der Hippopotamus- jagd obzuliegen, als auch das Regime dieses Flusses durch Messungen an zwei neuen Stellen festzustellen. Sechs Meilen in Südsüdost von der Seriba erreichte ich das linke Ufer, welches an dieser Stelle von hohem Schilf umstanden war. Vier Meilen unterhalb überschritten wir den Fluss auf dem Rückwege. Zwischen beiden Stellen befand sich das tiefe Bassin, welches einer grossen Anzahl von Nilpferden zu jeder Jahreszeit die zu ihren Evolutionen erforderliche Wasser- menge darbietet. Ein paar Meilen weiter stromabwärts lagen die zwei frühern Passagestellen. Der Djurfluss verfolgt auf der ganzen Strecke, welche der Raum zwischen meinem nördlichsten und südlichsten Uebergange umfasst, im Durch- schnitt die rein nördliche Richtung, indem er sich abwech- selnd in sanften Windungen bald nach Nordnordost, bald nach Nordnordwest kehrt. Ich gebe nun in Folgendem die Wassermasse an den vier von mir durchfurteten oder über- &hrenen Stellen. Die vier Passagestellen seien in der Rich- tung von Norden nach Süden aufgezählt:

Nr. 1. Das Strombett hatte eine Breite von 400 Fuss, war aber am 28. April 1869 nur auf eine Breite von 80 Fuss von Wasser erfüllt, das zi^ischen 1 und 4 Fuss Tiefe mass. Die Uferränder überragten den Wasserspiegel um 20 25 Fuss.

Nr. 2. Die Messschnur ergab von Ufer zu Ufer 302 englische Fuss. Am 8. Mai 1869 war der Strom wasservoll und 3 4 Fuss tief. Am 27. October und am 1. November 1870 betrug die Wassertiefe an dieser Stelle zwischen 16 und 20 Fuss, während die Uferränder bereits 3 4 Fuss über das Wasser hervorragten. Die Stromgeschwindigkeit betrug am linken und westlichen Ufer 105 englische Fuss (32 Meter) in der Minute, am östlichen dagegen betrug die zurückgelegte Strecke 137Va Fuss (42 Meter). Die 1000—

330 Zwanzigstes Kapitel.

1200 Schritt breite Niederung am linken, und die nur etwa 100 Schritt breite am rechten Ufer wird hier, wie man es an den Flutmarken beobachten konnte, in der vollen Regen- zeit (d. h. im August und September) 3 4 Fuss tief unter Wasser gesetzt.

Nr. 3. Die Messschnur ergab eine Breite von 328 eng- lischen Fuss (100 Meter) für das Strombett. Am 18. und 25 December war das Bett gefüllt. Von dieser Breite hatte am rechten Ufer eine Strecke von 60 Fuss nur die Tiefe von 1 2 Fuss aufzuweisen, die folgenden 100 Fuss massen 2 Fuss, und der Rest am westlichen Ufer war 3 4 Fnss tief. Die Strömung war auch an dieser Stelle am westlichen Ufer eine weit stärkere als am östlichen, während die aus- gedehntem und breitem Strecken der Flussniedemng sich hier in der Regel auf derselben westlichen oder linken Ufer- seite des Stromes ausdehnen, an der gegenüberliegenden da- gegen waldige Felsen bis hart ans Wasser treten, das sie bespült. Bei der Stelle Nr. 3 lagen aber ausnahmsweise auf beiden Seiten gleiche Tlieile der Flussniedemng von circa 600 Fuss Breite.

Nr. 4. Die Messschnur gab die Breite des Strombettes zu 492 englischen Fuss (150 Meter). Am 25. December 1870 war indess das Bett nur zur halben Breite von Wasser er- füllt. Ausserdem zeigte auch das Wasser nur am westlichen linken Ufer, das mit Schilf bestanden war, eine nennenswerthe Tiefe, diese betrug daselbst 4 Fuss, auf dem übrigen Thefl nur 2 Fuss. Die stärkste Strömung ging mitten durch die halbe Wasserbreite. Eine Eigenthümlichkeit des Djurflnsses ist die zu allen Jahreszeiten ein gleiches Mass darbietende Stromgeschwindigkeit, welche weder vom höchsten noch vom niedrigsten Wasserstande beeinflusst erschien.

Ich sass viele Stunden lang am Felsabhange des rechten Ufers, um dem Getümmel der Nilpferde zuzuschauen und gelegentlich auf dieselben Schüsse abfeuernd. Da idi nur eine Büchse leichten Kalibers aus dem Feuer gerettet hatte,

HippopotamoBJagd. 331

so vermochte ich den gewaltigen Thierkolossen mit meinen leichten Kugeln eben nicht viel anzuhaben. Die Schuss weite betrug in der Regel 150 Schritt Von hundert abgefeuerten Kugeln thaten nur wenige den Thieren ernstlichen Schaden, und nur zwei derselben schienen tödlich verwundet. Die Eingeborenen der Gegend machten in der Frühe des folgen- den Tages das von mir durch einen Schuss hinter das Ohr tödlich getroffene Exemplar im Röhricht der Uferniederung ausfindig und verbrachten mehrere Stunden mit dem Zer- legen des riesigen Körpers.

Die Hautfarbe aller Individuen war ein tiefes Fleisch- roth (die Farbe des angeschnittenen Fleisches), welches von grossen schwarzen Flecken in sehr unregelmässiger Weise durchsetzt erschien. Ich wurde hier auch heller gefärbter Exemplare ansichtig, wirkliche weisse, d. h. Albinos, habe ich nicht gesehen. Von der Sonne beschienen, trug die glänzende Körperfläche ein gleichförmiges bläuliches Grau zur Schau. Die Hälfte der ap dieser tiefen Flussstellc (welche ungefähr eine Meile in der Länge mass) angetroffenen In- dividuen schien dem weiblichen Geschlecht anzugehören, denn sie trugen ihre Jungen auf dem Nacken. Die letztern schienen zu dieser Jahreszeit noch sehr unbeholfen und unentwickelt zu sein. Stets einzeln hafteten sie rittlings auf der Ober- seite des kurzen Halses. Die Mütter schienen ihnen zu Liebe weit häufiger aus dem Wasser emporzutauchen, als sie dessen selbst bedurften. Dieses Auftauchen erfolgte in anderer Weise als beim Männchen, von denen man gewöhnlich nur die Nüstern und Muffeln gewahrt. Die Körper der Weibchen traten in der Weise zu Tage, dass nur die Jungen über dem Wasser erschienen, ihre eigenen Köpfe dagegen meist un- sichtbar blieben. Je nach der Jahreszeit scheinen die Thiere verschiedene Laute von sich zu geben, jetzt schnaubten sie und stöhnten dumpf, oder sie grunzten, dagegen liessen sie das eigenthümliche knarrende und röchelnde Gurgeln weniger deutlich vernehmen als im Frühjahr. Vom Sonnenschein

332 Zwanzigstes Kapitel.

«

erhellt, sah man sehr deutlich den feinen Wasserstaub in Gestalt eines aufsteigenden Strahls emporschiessen, den sie aus ihren Nüstern von sich gaben.

Ab und zu sah man Männchen mit ausserordentlichem Ungestüm und mit fürchterlichem, weithin schallendem Ge- brüll sich emporschnellen, sodass die ganze vordere Körpe^ hälfte sichtbar wurde. Es schien, als balgten sie sich förm- lich miteinander, sei es aus Wuth und Eifersucht im Ge- dränge des beengten Raums, sei es infolge erhaltener Kugel- wunden. Sehr beweglich und lenksam erschienen die kleinen spitzlichen Ohren, man sah ganz deutlich, wie sie beständig, als lauschten sie oder als wollten sie Insekten fernbalteD, hin- und herspielten. Alles übrige an diesen Thieren ist zu bekannt, um an dieser Stelle eine wiederholte Besprechung zu verdienen.

Die Ufer des Djur erschienen ebenso belebt wie das von Fischen und Nilpferden erfüllte Wasser. In den Wal- dungen hausten einige Pavianfamilien, welche daselbst zur Winterszeit eine reiche Ernte an süsslichen Baumfrüchten aller Art fanden. Die groteske Gestalt des rothschnäbeligen Nashornvogels wiegt sich auf den zum Theil entlaubten Zweigen lichtgestellter Bäume. Einer der prachtvollsten Vögel von Afrika, die himmelblaue Elminia, ist in diesen Waldungen besonders häufig anzutreffen. Die kahlen Sand- flächen des zur Hälfte trocken gelegten Strombettes geben einen beliebten Tummelplatz ab für Wasservögel aller Art Die drollige Figur des Umbervogels (Scopus umbretta), wekhe gewöhnlich nur vereinzelt an schattigen Sumpfstellen des Waldes gesehen wurde, zeigte sich hier in einem Fluge von 12 15 Stück am Ufer aufmarschirt, melancholisch den lang geschöpften, plumpen Kopf in der Hitze des Tags nieder- senkend, schienen sie in ihrer „braunen Witwentracht^* eher zu den einförmigen Wüsten des Nordens als zu den lachen- den Grasfluren des obern Nils zu passen. Dort stobdrra gravitätisch jene grossen Reihervögel (Mycteria senegalenflis),

Thierleben am Djur. 383

deren silberschimmernde Schwingen über das dunkle Blau des Wasserspiegels hinleuchten und welche die Ghartumer „Abu-Mieh", d. h. „Vater der Hundert" nennen, durch diese Bezeichnung die Freigebigkeit eines Reisenden verewigend, welcher für die ersten Exemplare dieses imposanten Vogels 100 Piaster (5 Dollars) gezahlt haben soll. An andern Stellen sieht man in allen denkbaren Attitüden den heiligen Ibis gruppenweise zusammengeschart, nachdenklich und mit zum Wasser gekehrtem Schnabel unter den senkrechten Strahlen der Mittagssonne bewegungslos verharrend. Die kühlem und trockenem Wintermonate führen ihn, wie die Ghartumer, seine Landsleute, regelmässig in die südlichen Negerländer. Der einsame Schrei des Flussadlers erschreckt aus unsichtbarem Hinterhalt ab und zu den seinen Gedanken nachhängenden Beobachter, und sein gellendes Gelächter scheint der elegischen Stimmung zu spotten. Unsere Störche sind mir in diesen Gegenden nie zu Gesicht gekommen^ während sie doch im centralen Sudan eine so grosse Rolle spielen und in Adamaua hoch verehrt werden. Auch auf meiner Wanderung zu den Niamniam wurde ich ihrer nirgends ansichtig.

Die folgenden Tage hatten wir schwere Arbeit, um die gewaltigen Körpermassen des erlegten Nilpferdes für unsern Haushalt zu verwerthen. Meine Leute sotten grosse Krüge voll Fett aus den dicken Specklagen zwischen den Rippen. Wie gross der Gesammtertrag an Fett gewesen, konnte ich nicht erfahren, da Hunderte von Eingeborenen sich von dem Fleische des Thiers Stücke herausgeschnitten hatten. Das Fett des Nilpferds gleicht ausgesotten dem Schweineschmalz und wird in der warmen Luft Gentralafrikas nie anders als in ölartigem Zustande angetroffen. Unter allen animalischen Fetten scheint es das reinste zu sein, wenigstens bedarf es keiner besondem Läuterung, um für viele Jahre in unver- ändertem Zustande aufbewahrt werden zu können; es wird nie ranzig. Indess hat es einen leichten Anflug von Thran-

334 Zwanzigstes KapiieL

geschmack, an den sich ein Europäer nicht so leicht za ge- wöhnen vermag. In einigen Büchern ist zu lesen, dass Rippenspeck des Nilpferdes ein vorzüglicher Leckerbissen sei, dem kann ich durchaus nicht beipflichten. leb £uid den- selben vielmehr völlig untauglich, da die in schmale Streifen geschnittenen Stücke beim Braten so fest und zähe wurden wie Hanfischnüre. Dasselbe gilt von der Zunge, welche icb wiederholt gesalzen und geräuchert habe. Das Fleisch des- selben ist beispiellos grobfaserig, als bestände es aus einem Geflecht von Sehnen. Viele Hundert Nilpeitschen (Eurbatsch) konnten aus der Haut geschnitten werden, und meine Diener erzielten später in Aegypten einen ansehnlichen Ertrag aas dem Verkauf dieses vielbegehrten Artikels. Bei richtiger Anwendung von Oel, Hitze und Reibung kann man diesen Peitschen eine kautschukartige Geschmeidigkeit ertheilen. Die frische Haut lässt sich so leicht schneiden wie jede andere; die aus derselben geschnittenen Striemen müssen im Querschnitt quadratisch sein. Im halb trockenen Zustande egalisirt man die Kanten mit dem Messer und hämmert sie rund, als ob man die Peitschen aus Eisen schmiedete. Auf diese Art erhält man die gefürchtete Knute des Südei^ deren Länge dem halben Leibumfange des Hippopotamns gleicht Das Stielende kann die Dicke eines starken Fingers erreichen und entspricht der Bückenseite des Thiers, die Peitschenspitze der Bauchseite.

Durch einen merkwürdigen Zufall war bei dem Brande der Seriba Ghattas^ eines meiner wichtigsten Manuscripte gerettet worden. Es enthielt ein umfangreiches Vocabolar der Bongosprache und eine Sammlung von vielen Hundert sorgfältigst übersetzten Redewendungen und Phrasen. Die Explosion eines mit Munitionsvorrath gefüllten Kofifers hatte das Heft mit sich in die Lüfte geführt, sodass es vom aof- steigenden Luftstrom der Feuerglut erfasst und vom Winde mit fortgerissen, weit vom Platze in einem Walde zu Boden fiel. Inzwischen waren viele Tage vergangen; jetzt worden

Scliicksal eines Manuscripts. 335

nir die noch wohlerhaltenen, nur an ihren Rändern ver- sengten Papiere von Eingeborenen ins Haus getragen. Diese iufTorderung, meine sprachlichen Forschungen wieder auf- sunehmen, Hess ich nicht unbeachtet, sondern ich verwandte lie nächste Zeit auf die Wiederherstellung meiner Vocabulare 7on den Sprachen der Djur und Nianmiam. Die Idiome des lernen Ostens und Südens, welche ich mit so vieler Mühe lurch die Schrift zu fixiren gesucht, die Sprachen der Mittu- rölker, der Behl, der Babückur und Monbuttu blieben mir .eider für immer verloren, denn in den Seriben meines spätem Aufenthalts vermochte ich nirgends die betreffenden Dohnetscher aufzutreiben. Der alte Ghalil, welcher seinen Untergebenen mehr Respect einzuflössen und strenger auf Disdplin und Ordnung in seiner Seriba zu achten wusste ils irgendein anderer Verwalter der chartumer Handelshäuser, bereitete mir manche angenehme Stunde der Unterhaltung, [m vertraulichen Geplauder erhielt ich von ihm, dem ältesten Ansiedler im Lande, viele werth volle Winke zur richtigen Beurtheilung der Verhältnisse. Chalil klagte mir seine Noth wt den undisciplinirten Banden, seinen Landsleuten, die ihm aus Chartum nachgeschickt wurden, auch über den Sklavenhandel sprach er sich offen aus, und wenn er auch kein Verständniss für die humanen Bestrebungen unserer ^it besass, so erkannte er doch nur zu gut die materiellen ^achtheile, welche der Sklavenhandel der Seribenwirthschaft Eufügen musste. Er kam häufig in die Lage, den durch- reisenden Händlern auf seinem Grund und Boden einge- liandelte Waare streitig zu machen, wenn sich herausstellte, lass irgendein Bongo oder Djur ältemlose Kinder, über welche er verfügte, an die Gelläbas verkauft hätte. In gleicher Weise suchte er auch seine Untergebenen in den Filialseriben zu beaufsichtigen, diese wussten sich freilich häufig genug seiner Aufmerksamkeit zu entziehen. Chalil wollte eben keine Schädigung seines Bestandes an leibeigenen Eingeborenen luldeiL „Dieser Knabe", so waren seine Worte, mit denen

336 Zwanzigstes KapiteL

er argumentirte, wenn er den Händlern ihre Beute zu ent- reissen suchte, „wird er nicht in drei oder vier Jahren ein Träger sein, der seine 70 Pfund Elfenbein zur Meschera befördern kann? Und dieses Mädchen, wird es nicht naeb kurzer Zeit heirathsfähig sein und Kinder gebären? Wo nehme ich künftighin meine Träger her, wenn ihr mir alle Mädchen aus dem Lande' schleppt, mit wem sollen alsdano meine Bongo und Djur sich verheirathen?''

Mein täglicher, wenn auch noch so zurückhalteBder Verkehr mit den Nubiern gestattete mir einen tiefen Ein* blick in ihr innerstes Wesen. Vielleicht wird es dem Leser unverständlich geblieben sein, wie es mir möglich worden den ausschliesslichen Umgang mit zum grossen Theil so rohem Gesindel jahrelang leichten Herzens zu ertragen. Kan vergegenwärtige sich indess meine exceptionelle sociale Stelr long, die ich unter ihnen eingenommen. Unter rohan und ungebildeten Europäern wäre eine derartige Stellniig bd Laufe von 2^1^ Jahren kaum zu behaupten gewesen, hier aber bot ausser der Verschiedenheit der Sitten auch noch religiöser Fanatismus einen starken Wall dar zur Abw^ jeder Art von Intimität. Bin ich doch Tausenden der dort angesiedelten Nubier zu Gesicht gekommen, ohne auch nur von einem einzigen durch Worte oder Benehmen beleidigt worden zu sein. Nie habe ich daselbst irgencljemand dk Hand zu reichen für nöthig befunden, nie anders als einsam und allein in meiner Hütte geschlafen und nur allein fpr mich gespeist. Trotz alledem musste ich ein beständiger Zeuge aller Scenen im täglichen Leben der Nubier sein, und nichts konnte mir hier verborgen bleiben ; ich halte es daher für angezeigt, an dieser Stelle einige Beobachtungen ober den Charakter meiner alten Beisegenossen folgen zn laneo.

Ich habe mich im Verlaufe der Reisebeachreibung immer der grossem Einfachheit halber des Ausdrucks „NuJbiei^ be- dient, um die heutigen Bewohner des Nilthals zu beseicbneii, im Gegensatze zu den Aegyptern und echten Arabeni (Syro-

Was Nubier sind. 337

iraber) auf der einen und den äthiopischen Beduinenstämmeu nd den echten Negervölkern auf der andern Seite. Nun :ann ich zwar nicht in Abrede stellen, dass die heutige^ (abier, auch wenn man nur die Bewohner der Flussufer im Luge behält, einen ziemlich verschiedenen Rassenursprung errathen, dass abgesehen von den di:ei Idiomen der nubischen Iprache, demjenigen von Dongola, von Kenüs und von Mahäs in welchen man die bis auf den heutigen Tag noch unent- ifferte Sprache der ^altäthiopischen Inschriften vermuthet), ASS, abgesehen von dem allen Nubiern geläufigen Arabisch, lese letztere Sprache in vielen Gegenden, namentlich den 'ddlichern, die eigentliche Muttersprache der Bewohner dar- teilt, welche letztern (z. B. die Scheigieh) in der That aus Lflien eingewandert und der nubischen Sprache bisher un- iindig geblieben sind; dessenungeachtet aber vereinigt sie IIa ein gemeinsames Band der Sitten und des Charakters, fahrend ihre physischen Merkmale durchaus keinen durch- reifenden Unterschied mehr zu erkennen geben. Man muss ben in Erwägung ziehen, dass diese nubischen Nilbewohner Bit Jahrhunderten sich nicht nur durch Heirathen unter- inander, sondern auch durch das Einschleppen von Skla- innen der verschiedensten Provenienz so arg vermischt und ermengt haben, dass sie sich heute nur noch als eine einzige Lasse zu offenbaren scheinen. Die in der obengenannten Begrenzung noch wenig gebräuchliche Bezeichnung „Nubier" rare demnach in mehr als einer Hinsicht gerechtfertigt, und ie hat in der That ihre historische, geographische und eth- ologische Begründung.

Wer die gutmüthigen, friedlichen und die besonders in Jexandrien als zuverlässige Bewacher von Haus und Hof geliebten Berberiner oder Dongolaner (der Aegypter nennt ie- schlechtweg Baräbra) nur in Aegypten kennen gelernt lat, wo sie so geduldig die Antipathien des Volks ertragen, drd den erhaltenen Eindruck, welchen sie in jenem Lande .uf ihn machten, S'chwerlich mit der äusserst ungünstigen

SOSWBDVUBTH. II. 22

338 Zwanzigstes Kapitel.

Schilderung in Einklang zu bringen vermögen, die uns Burckhardt*), der wahrheitsgeta'eue Reisende, welcher sie noch Yor ihrer Unterwerfung unter die ägyptische Herrschaft kennen lernte, von ihren heimatlichen Zuständen und dem Volkscharakter hinterlassen hat.

Mir selbst war es so gegangen, Ich musste unzweifelhaft den Berberinern einen moralischen Vorzug vor den Aegyptern zuerkennen und glaubte die inzwischen eingetretene Ver- änderung (Burckhardt besuchte im Jahre 1813 Berber und Schendi) zum Bessern einerseits dem strengem türkische Regiment, andererseits dem grossem physischen Wohlleben der Berberiner in Aegypten zuschreiben zu müssen; denn auch in ihrer Heimat lernte ich sie nur als ein firiedUches und harmloses Völklein kennen.

Meine Voraussetzungen waren indess nur zum Thefl begründet, im Gebiete des Bachr-el-6hasal, diesem Wdde- lande hungeriger Nubier, wo sie, dem Machtkreise der Be- gierung entrückt, weder mit Gitirungen vor den Divan des Satrapen, noch mit Steuerforderung, Erpressung undBastonnade gequält werden, wo kein Aegypter ihnen das spötüscbe „Baräbra^^ nachruft, da zeigten sie sich in ihrer wahren Natur, und die Grundzüge ihres Gharakters traten offenkundig ans Tageslicht. Letzterer, ein seltsames Gemisch von fw- züglichen Eigenschaften und den verwerflichsten Fehlem and Untugenden, glich nicht einem mechanischen Gemenge solcher Gegensätze, vielmehr erschien in demselben ein jedes einzdne Molecule aus einer innigen Verbindung von beiden zusammen- gesetzt, leider mit entschiedenem Vorwiegen der schlechtem.

Jeder alexandriner Handelsherr wird, über den Charakter seines nubischen Hausknechts („Baab'^ genannt) befragt^ un- gefähr folgenden Bescheid geben: „Mein Thürhüter ist ^in Mann, dem ich mit der grössten Gemüthsruhe ungezähltes

*) „Travels in Nubia by the late John Lewis Burckhardt** (Lon- don 1822).

Charakter der Nubier. 339

Gold anvertrauen möchte, und dennoch bin ich davon über- zeugt, das8 niemand ihm gleichgültiger sei, als ich selbst. Im Momente der Gefahr, darauf möchte ich schwören, würde er kein Glied rühren, mir beizustehen/^ Ein solches Urtheil wäre in der That bezeichnend genug. Die Treue ist hier eben nur von der Feigheit inspirirt, sonst würde sie sich nicht blos auf Geld und ähnliche Dinge beschränken. Ueberall ist Diebstahl dem Nubier etwas durchaus Fremdes, selbst unerhört in dem zügellosen Treiben der Wildnisse am obem Nil. Nie ist mir das Geringste meiner Sachen von Nubiern entwendet worden, solange ich unter ihnen gelebt habe, und hierin war ein greller Contrast geboten zu den traurigen Erfahrungen, die ich an den Aegyptern gemacht. Den die- bischen Sinn der Aegypter im Gegensatze zur Ehrlichkeit des Nubiers hat bereits Burckhardt hervorgehoben. Allein nicht rechtschaffener Sinn treibt den Nubier zur Ehrlichkeit, es ist eben nur der Mangel an Muth, welcher einer jeden seiner Handlungen innewohnt. Muth, sowol zum Guten als auch zum Schlechten, geht ihm gänzlich ab. Ihre rührende Verträglichkeit untereinander, das beschwichtigende Eingreifen bei ausbrechendem Streit, zu welchem sich jedermann be- rufen fiihlt (ob es ihn etwas angehe oder nicht, erscheint ihm gleichgültig), entspringt gewiss derselben Quelle. Der unbändige Freiheitsdrang des Nubiers ist entschieden nur die Aeusserung eines jeder Ordnung, welcher Art sie auch sei, den Reinlichkeitstrieb mit einbegriffen, widerstrebenden Geistes. Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass auch dieser Eigen- schaft ein edlerer Fun&e innewohne, der da heisst: Vater- landsliebe, Nationalgefühl, Nichtanerkennung usurpirter Au- torität, — alles Dinge, für welche der Aegypter kein Ver- ständniss hat.

Lügenhaftigkeit ist dem Nubier zur zweiten Natur ge- worden, die meisten lügen aus Gewohnheit selbst da, wo es ihnen durchaus nicht den geringsten Gewinn bringen kann, die Wahrheit zu verhehlen.

22*

340 Zwanzigstes Kapitel.

Religiöser Fanatismus und Aberglaube offenbart sich in ihrem Leben in den Seriben weit lebhafter als daheim, das beweist am schlagendsten ihr Verhalten den heidnischen Negern gegenüber. Es könnte ein langes Kapitel abgeben, wollte ich alle Seiten ihres Aberglaubens durch Anführung von Thatsachen näher beleuchten, von welchen ich selbst Augenzeuge gewesen bin. Von ihrem unverwüstlichen Hexen- glauben und den periodischen Seelenwanderungen der Hyäne habe ich bereits gesprochen. Das Ungeheuerlichste aber ist das Leberessen, dessen sich einzelne der Söldner (allerdings waren es nur Ausnahmen) im Kampfe gegen die Heiden schamlos zu Schulden kommen Hessen. In Nubien richtet man Hunde zur Jagd durch ein eigenthümliches Mittel ab. Man entzieht ihnen für längere Zeit jede Fleischkost und reicht ihnen bei nächster Gelegenheit, sobald eine Antilope erlegt worden, die noch rauchende Leber zum Frass. Als- dann ist der Hund befähigt, die Spur leicht zu verfolgen, er wird bissig und jagt blutdürstig das Wild. Dieses Vorbild muss den Leberessem vorgeschwebt haben, denn wahrschein- lich hielten sie sich nach dem Genüsse eines solchen Mittels für unüberwindlich im Kampfe, vielleicht* glaubten sie auch, dass ein Theil der Kraft und des Muths von dem Erschlagenen auf diese Weise überginge auf den Sieger.

Aehnliche Begriffe scheinen weitverbreitet zu sein in der mohammedanischen Welt. Bis zu welchen Dingen der blinde Fanatismus eines echten Moslem sich versteigen kann, davon gaben mir die Handlungen eine Vorstellung, derer die Mohammedaner uns Christen für fähig hielten, indem de uns für ebensolche Fanatiker hielten, als sie es selbst waren. Ein Freund von mir, welcher als Gouvemementsarzt in einer Stadt am Rothen Meer fiingirte, wollte eines Tags, um der Natur einer daselbst grassirenden Krankheit näher auf die Spur zu kommen, an einem in seinem Lazareth verstorbenen Pilger die Section vornehmen, der, fremd am Orte, daselbst weder Angehörige noch Bekannte besass. Der Doctor hatte

Aberglaube bei den Nubiern. 341

längst auf eine solche Gelegenheit gelauert, bisher waren ihm nie derartig isolirt dastehende Todte zur Disposition gewesen, nun glaubte er im stillen ohne Aufeehen seinem Wissens- drange Genugthuung verschaffen zu müssen. Sein Vorhaben ward nur zu bald vereitelt« Die Lazarethdiener, welche die Vorbereitungen zur Section sehen und begreifen, stürzen entsetzt zum Gouverneur; die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer durch die kleine Stadt. Die Aeltesten bestürmen mit einer Deputation den Gouverneur, dieser schliesslich be- fiehlt dem Arzt, bei Androhung des Verlustes seines Postens, die Section zu unterlassen. Zum Ueberfluss langt einige Zeit nachher ein rügender Verweis seitens der vorgesetzten Sanitätsbehörde an, welcher den Betreffenden mit Vorwürfen überhäuft, dass er sich einen solchen Verstoss gegen die Sitten des Landes zu Schulden hätte kommen lassen. Die Städter waren nun beruhigt, aber noch lange machte die Schreckenskunde unter ihnen die Runde: „der Doctor habe die Section nur deshalb vornehmen wollen, um sich als Christ eine Gelegenheit zu verschaffen, das Herz eines Moslem zu essen und sein Blut zu trinken*'.

Challl erzählte mir selbst, wie in seiner Heimat allgemein der Glaube verbreitet gewesen sei (er selbst habe daran in seiner Jugend geglaubt und nicht gezweifelt, jetzt glaube er es nicht mehr), dass, wenn ein Moslem ins Land der Franken käme, er daselbst gefangen gehalten und in einem Käfig sorgfältiger Mästung unterzogen werde; wäre nun der Moslem dick und fett geworden, dann setze man ihn lebend auf einem Rost über eine mit Feuer gefüllte Grube; das von seinem Körper heruntertriefende Fett werde unten aufgefangen, und aus diesem Fett der Gläubigen wüssten die Franken ihre feinsten Gifte zu bereiten.

Pferde und Esel werden, wenn sie kränkeln und von Kräften kommen, gezwungen, Stücke von Schweinefleisch zu verschlingen. Dies gilt allgemein in Nubien für ein unfehl- bares Mittel. Da Hausschweine nur in wenigen heidnischen

342 Zwanzigstes Kapitel.

Negerländern zu haben sind, so bedient man sich hierzu ebenso gut des Fleisches von wilden Schweinen (Phacochcems). Dass man Schweine zn den Pferden in die Stalle thut, wie in Zanzibar und an andern Orten der arabischen Halbcultor (zum Zwecke, die Teufel abzuleiten und in die Schweine fahren zu lassen), ist unbekannt, vielleicht nur deshalb, weil es in Sudan überhaupt keine Ställe gibt.

Amulete *) werden nicht nur dutzendweise am Arm der Gläubigen befestigt,^ man hängt sie auch in die. Thür, um das Haus vor Feuer zu bewahren, und was noch sonderbarer klingt, man hängt sie selbst Pferden und Eseln um den Hals. Das Amuletschreiben ist ein Haupterwerb der Faki oder Schriftgelehrten ; in Aegypten ist ihr Bedarf ein ungläcb geringerer als in Nubien. Die Faki von Darfur sind die gef ürchtetsten, und berühmt ist ihre schützende Kraft g^n Kugeln und Blei.

Von ihnen wird behauptet, dass sie das Blei in Dunst aufzulösen oder zu bewirken vermögen, dass der Schuss über- haupt nicht losgeht. Dies ist der Grund, weshalb im ägyp- tischen Sudan die Furcht vor der imaginären Ueberlegenhät der Waffen Darfurs eine so allgemeine ist, dass ein Kriegs- zug gegen diese Vormauer des mohammedanischen Fanatismus nur mit weissen türkischen Truppen ausführbar wäre. Türken, selbst strenggläubige, lachen natürlich über diesen Aberglauben, und aus dem Munde des Gouverneurs Ton Faschoda vernahm ich eine erbauliche Geschichte, welche beweist, bis zu welcher Höhe sich ein solcher Wahn zu ver- steigen vermag. Siber Rächama, der grosse Seribenbesitxer, dessen Territorien au die Südgrenzen Darfars anstossen, hatte selbst, so erzählte der Gouverneur, vor ihm geprahlt, er be- sässe ein Mittel, an welchem die schwarze Kunst der fnm- nischen Fakis zu Schanden werden müsse, er hätte sich in

"") Burckhardt gibt von zwei derselben die Copie: „Tr«v«is^ S. 210 und 211.

Unterschied yoo Blei und Silber. 343

Ghartum 25000 Thaler einschmelzen und aus dem Silber Kugeln formen lassen, die hörten nicht auf den Befehl der Amulete, und gingen durch und durch. Es wurde mir von verschiedenen Seiten bestätigt, was der Gouverneur aus Siber's eigenem Munde vernommen zu haben vorgab, und ich habe keinen Grund, die Thatsache in Zweifel zu ziehen, da mir sowol der Reichthum Siber^s als auch sein Unternehmungs- geist, ebenso aber auch sein blinder Aberglaube nur zu wohl bekannt ist. Will also der Vicekönig Darfur mit Krieg über- ziehen — und wer sollte im Interesse des Fortschritts und der Auf kläxung einem solchen Vorhaben nicht zujauchzen , so vdrd er zuvor für einen gehörigen Vorrath an edelm Metall zu sorgen haben, um die Geschütze und Gewehre seiner Truppen wirksam bedienen zu lassen, bevor er an einen Angriff auf das afrikanische Bokhara denken kann. Das gäbe dann einen kostspieligen Krieg.

Weitverbreitet im mohammedanischen Sudan ist der Glaube an die heilsame Wirkung von genossenem Spülwasser, welches man von den mit Koransprüchen beschriebenen Lese- bretern abgewaschen. Auch bei den Nubiern gilt eine solche Tintensuppe für die wirksamste Arznei.

Nach der Vorstellung der Nubier zerfallen alle Krank- heiten' in zwei Klassen, je nach der Ursache derselben: 1) veranlasst durch „Habüb" (Wind), 2) veranlasst durch „Damm^^ (Blut). Erhitzende Gewürze, Aufgüsse auf Pfeffer, Gewürznelken u. s. w. gelten für blutreinigende und be- ruhigende Mittel.

Kein Tag, kaum eine Stunde verstrich in meinem Leben innerhalb der Seriben, ohne dass ich Zeuge irgendeiner vom crassesten Aberglauben dictirten Handlung gewesen wäre. Der „böse Blick'^ dessen Herrschaft sich ja bekanntlich bis auf alle Völker am Mittelmeer ausdehnt, spielt im geistigen Leben der Nubier die vornehmste Rolle. Niemand wird man allein oder selbst im Geheimen essen sehen, nie wird man eine Schüssel mit Speise offen und unverdeckt über die

344 Zwanzigstes Kapitel.

Strasse tragen sehen. Das einladende „Besmillah", welches überall yernommen wird, wo Leute sich zum Essen nieder- setzen, wird keineswegs aus Mangel an Neid und Eigennutz gerufen. Eine jede Zunge bleibt ungeniessbar, solange nidit die Spitze abgeschnitten ist, an welcher nach ihrer Ansicht alle Plüche und bösen Wünsche haften; Flüche, selbst die eines Schafes und eines Ochsen!

Bei den meisten Hunden ist bekanntlich die äusserste Scliwanzspitze mit weissen Haaren versehen. Diese Spitie' muss abgeschnitten werden, soll anders der Hund gedeihen. Ueberhaupt knüpfen sich an den Hund die sonderbarsten Vorstellungen der Nubier. Sein Hauch erzeugt eingeathmet die schlimmsten innern Gebrechen ; Schwindsucht und Wasser- sucht betrachtet man als die unfehlbare Folge. Jedem Na- hier ist das Heulen der Hunde unerträglich, und es wim- derte mich nicht wenig, auch in diesem fernen Lande einen Glauben verbreitet zu sehen, dem man in verschiedenen Gegenden Europas (z. B. Ungarn) begegnet. Es hiess, wenn die Hunde heulen und das geschah oft, da das häufige Schreien der Esel sie beständig dazu aufforderte , so Te^ kündet das ihrem Herrn den nahen Tod.

Ein ebenso eigenthümliches als unflätiges Mittel, wel- ches angeblich zur Stärkung des Leibes in Anwendung kommt, ist der Schweiss des Pferdes. Die Nubier pflegen nach eiiieni Ritte den weissen Schaum von dem Fell des Pferdes mit der Hand abzustreifen und sich alsdann mit demselben über und über einzureiben, wie sie es mit ihren Salben und Fetten zu thun gewohnt sind, deren Bedarf ein sehr grosser ist Heisst solche Sitte nicht Barbarei? Von rein und unrein haben alle mohammedanischen Völker eigenthümliche Be- griffe. Das Pferd ist kein unreines Thier, also kann aach sein Schweiss den Menschen nicht verunreinigen. Nach ihrer Ansicht kann auch vom Menschen kein Schmuz kommen, denn der Mensch gehört nicht zu den unreinen Thieren. Eine derartige Vorstellung kommt am deutlichsten zur An-

Rein und unrein. 345

schauung, wenn man unterwegs eine Gruppe von Wanderern niederhocken sieht, um sich einen kühlenden Trank zu be- reiten. Mit ihren unsaubern Händen rühren sie ganz un- gezwungen die Tamarindenfrucht im Wasser an, und die Limonade ist fertig. Dass ein Stöckchen denselben Dienst zu thun vermöchte, kommt keinem in den Sinn. Um seinen dienstbaren Geistern den Begriff des Unsaubern am besten zu demonstriren, muss der Reisende einen eigenen Sprach- gebrauch usurpiren, in dem er jeden schmuzigen Gegenstand mit den Worten zurückweist: „Bleibt mir damit vom Leibe, es ist niggis" (d. h. religiös „unrein"), denn die gewöhnlichen Ausdrücke der Araber für Scfamuz sind nur zu oft von un- zureichender Wirkung.

Bei dieser Gelegenheit sei auch erwähnt, dass gewisse Vorurtheile in Betreff der Herstellung europäischer Producte ausnahmslos von allen im Sudan getheilt werden. Das Gummi arabicum wird nur zu dem Zwecke exportirt, weil die Fran- ken aus diesem Material ihre Glaswaaren, vornehmlich die Glasperlen fabriciren; daher ist die Nachfrage nach diesem Artikel in Europa eine so allgemeine. Cigarren werden aus Taback gedreht, welcher in Spiritus gelegen, daher der scharfe Geschmack derselben. Kein Strenggläubiger nimmt aus diesem Grunde je eine Cigarre in den Mund. Alle Con- serven enthalten entweder Schweinefleisch, oder sie sind doch wenigstens mit Schweinefett zubereitet, denn wozu brächte man sie sonst in das Land. Der Käse, ein allen Hirten- völkern in Afrika, von den Berbern am Atlas bis zu den Bi- scharin am Rothen Meere, von den Dinka bis zu den Kaffern, gänzlich unbekanntes Product, wird aus Schweinemilch zu- bereitet, daher die Vorliebe der Europäer für diese Speise.

Ich könnte noch hundert der wunderlichsten Dinge von dem Aberglauben und den Vorurtheilen der Nubier berichten, nachdem ich aber genug der Beispiele gegeben zu haben glaube, will ich nun meinen alten Freunden auch einige Worte des Lobes und der Anerkennung nachrufen.

346 Zwansigstes Kapitel.

Als wirkliche Tugenden der Nubier sind folgende Eigen- thümlichkeiten ihres Charakters zu bezeichnen. Der Nubier ist minder devot als der Aegypter, er beugt sich selbst ausser- lieh nie in so schmachvoller Weise vor einem Gewaltigen, wie jener. Die Titulatur „Sidi", d. h. „Mein Herr**, welche in der Umgangssprache Aegyptens etwas ganz Gebräuch- liches ist, kommt nie über die Lippen eines Nubiers. Einst fragte ich meine Diener, weshalb sie mich immer „Hasjn'* nennten, das sei ein abscheulich verunstaltetes Wort,, m hätten ja in ihrer Sprache das höfliche „Sidi^', ¥rie man es in Aegypten gewohnt sei. Darauf ward mir zur Antwort: „Sidi heisst Herr, und Herr ist nur der eine, allmächtige- Gott!«

Auf den coUegialischen Ton, welcher unter Hoch und Nieder bei den Nubiern herrscht, auf den minder trivialen Inhalt ihrer Gespräche, welche nicht wie in Aegypten sich ausschliesslich um Geld und Geschäfte drehen, sondern einen mehr romantischen Charakter bekunden, habe ich wiederholt aufmerksam zu machen Gelegenheit gehabt. Der schÖDSte Vorzug der Nubier ist ihre Massigkeit im Essen. Sie essen nicht nur wenig, sondern auch sehr schnell. Im Umdrehen haben sie ihr Mahl beendet, es ist oft unglaublich, mit wel- cher Hast und mit welcher Genügsamkeit sie ihre Kissen . hinunter würgen. Auch ist der Nubier nicht naschhaft, er legt keinen Werth auf Leckerbissen, welcher Art sie auch seien. Nie ist mir das Geringste von meinen seltenem Speise- vorräthen durch Nublerhand entwendet worden, während vor echten Negern und Aegyptern stets die Zuckerbüchse in Sicherheit gebracht werden musste. Nur die Masslosig- keit im Trinken ihrer abscheulichen Merissa bildet m&i schlimmen Gegensatz zu ihrer sonstigen Nüchternheit

Von ihren physischen Vorzügen hebe ich besonders ihre

- Ausdauer im Marschiren hervor. Sie sind die besten Fnss-

gänger, die ich kenne, und zum keiseu durch die afirikani-

sehen Wildnisse wie geschaffen. Türken und Aegypter fehl*

Tagenden der Nubier. 347

ten hauptsächlich aus dem Grunde in den Seriben der obern Nilgegenden, weil sie schlecht zu Fuss sind und mit den Nubiem im Marschiren nicht Schritt zu halten vermögen.

Obgleich nun die Nubier lebhafter und geistig weit be- weglicher erscheinen als Türken und Aegypter, so tragen sie doch eine ungleich grössere Trägheit und Arbeitscheu zur Schau als diese. Daher auch der mangelnde Sinn für Ordnung und geregelte Behäbigkeit in ihren Behausungen, weil es Mühe und Fleiss voraussetzt, die ihnen gänzlich ab- gehen. Zwar sind dem Nubier die abscheulichen Laster der Türken (z. B. Opiumessen u. s. w.) gänzlich fremd, aber dieselbe thierische, faule Geilheit und das gleiche Haschen nach Reizmitteln, wo die physischen Kräfte nicht mehr den Anforderungen einer unersättlichen Einbildungskraft zu ent- sprechen scheinen, ist ihnen ebenso sehr zur zweiten Natur geworden, wie bei den entartetsten Völkern des Orients.

In der Ho£fnung, aus dem Nachlasse des verstorbenen türkischen Sandjaks manche mir unentbehrliche Dinge er- stehen zu können (denn ich litt noch immer den empfind- lichsten Mangel an den gewöhnlichsten Gegenständen, und unersetzlich war mir der Verlust des Schuhwerks), beschloss ich, eine Wanderung nach dem Lager der Aegypter anzu- beten. Eine Reihe von chartumer Niederlassungen erleich- terte mir meine Reise nach Westen, welche versprach, mir über die Natur der Grenzländer des obern Nilgebietes auch auf dieser Seite einige Aufklärung zu verschaffen.

Das Lager der Regierungstruppen befand sich bei der grossen Niederlassung des mächtigsten der chartumer Se- ribenbesitzer, Namens Siber Rächama, welcher selbst im Lande anwesend war. Sein Territorialbesitz umfasste das west- lichste Ende des von den Chartumern occupirten Gebiets und grenzte unmittelbar an die südlichsten 'Vorposten des Sultans von Darfur. Ein Ereigniss, welches meiner projec- tirten Tour kein günstiges Prognostiken zu stellen schien, hatte sich wenige Tage vor meinem Aufbruche nach Westen

348

Zwanzigstes Kapitel.

an jenem Platze zugetragen und versetzte alle Seribenbewoh- ner des Gebiets in die lebhafteste Aufregung. Ein Streit war ausgebrochen zwischen den schwarzen Regierungstrappen und den nubischen Söldnern Siber's, die türkischen Baaclu- bosuks hatten sich nicht nur bei der Affaire, welche 20 Nu- biem und vielen Schwarzen das Leben kostete, neutral tot- halten, sondern waren sogar' gegen die letztem eingeschritteiL Auf Befehl des türkischen Anführers war der früher genannte Helläli, der die schwarze Compagnie unter seinem 8pecielk& Befehle hatte, derselbe, welcher unter der Vorspiegelong, ihm gehörten die Eupfergruben im Süden von Darfur nnd sie hätten ihm jährlich 4000 Thaler an Abgaben zu eoi- richten, gefesselt und eingekerkert worden. Da er nun deo ganzen Streit selbst heraufbeschworen, so versöhnte seine Gefangennahme die ansässigen Nubier mit den ägyptisdioi Türken. Der Vorgang war folgender gewesen.

Helläli, welcher sich bei den Chartumem sehr verhasst gemacht hatte, da er ihr Besitzrecht auf den Grund nod Boden ihrer Seriben in Frage stellte und sich für den Hern des gesammten Landesgebiets im Süden von Darfur ans- gegeben, sollte nach Chartum befördert werden, um daselbst Rechenschaft über sein Thun abzulegen. Alle seine Angaben, mit welchen er den Vicekönig zu der Expedition nach dem Gazellenflusse veranlasst, hatten sich als eitel Betrug nnd Schwindel herausgestellt. Helläli hatte nie in diesem G^ biete Land besessen, noch war ihm welches vom Sultan tos Darfur gesctenkt worden. Seit Monaten munkelte man be- reits davon, er wolle mit seinen schwarzen Soldaten dnrcb- gehen und auf das Gebiet dieses Landes retiriren. D& gegen ihn herrschende Verdacht schien die gewaltthaljge Massregel des türkischen Befehlshabers gegen den Günst- ling des Vicekönigs, welcher sich auf Siegel und Unterschrift seiner Hoheit berief, laut welcher er mit der Besitznahiß« aller dieser Länder betraut worden, zu rechtfertigen. Der stattgehabte Conflict gab den Ausschlag.

streit im ägyptischen Lager. 349

Helläli hatte seine Soldaten beordert, Korn von den Eiingeborenen zu reqniriren, welche, zu Siber's Seriba ge- borig, nur ihrem Herrn Lieferungen zu machen gewohnt waren. Als die fremden Soldaten sich mit Gewalt ihrer Speicher zu bemächtigen begannen, waren die nubischen Söldner unter persönlicher Anführung des Siber aus der Seriba herbeigezogen, um sie zu vertreiben. Da hatten die Leute Helläli's sofort Feuer auf die Nubier gegeben, und die erste Kugel durchbohrte das Fussgelenk des Siber. Dies war natürlich das Signal zu einem allgemeinen Kampfe ge- wesen, welcher auf beiden Seiten zahlreiche Opfer gekostet liatte. Das ägyptische Lager, bei der Seriba von allen Sei- ten bedroht, denn alle Nachbarn wollten dem Siber zu Hülfe eilen, und dieser gebot für sich allein über eine Streitkraft ton 1000 Gewehren, hatte in den ersten Tagen einen schwe- ren Stand gehabt und sein Befehlshaber wusste sich nur auf diplomatischem W^e den schlimmsten Consequenzen dieses Zwischenfalls zu entziehen.

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EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Beginn neuer Wanderangen. Sonderbare Heilmethode der Djnr. Eio- kodile im Getti. Erinnening an Fr&ulein Tinne. Ihr früherer Wohn- sitz. Eine Musterwirthschafb des Schmozes und der Unordnung. 8»- kanntschaft mit den Baggära-Risegät. Mein Zeichnen misfallt eiMA Fanatiker. Der Pängofluss. Grenze des Bongo- und Gologebiets. fis Büffelkalb erlegt Idris Wod Defter's Seriba. Eigenthümliche Kofih Speicher der Golo. Der Kurufluss. Der Ziegenbach. Zunehmenda Seehöhe und Quellreichthum des Terrains. Stadtartiges Aussehen foi Siber's Hauptseriba Dem Nduggu. Verzweiflung der Türken im wilte Lande. Ekelhafte Eindrücke. Siber's Hofhalt. Besuche am Lagv des Schwerverwundeten. Grossartige Schwindeleien Ibrahim-Effendfii Gründung der Dem. Chartumer ELfenbeinhändler als ConcorrenleD der Sklavenhändler. Bevölkerungsverhältnisse in Dar-Fertit. Der üeberlandweg nach Kordofan. Schekka, ein Hauptstapelplats am Sklavenhandels. Die Route nach den Kupfergruben. Form und Preii des käuflichen Rohkupfers. Roher Betrieb in den Kupfergrubem der

Forianer.

Zum dritten mal war der Neujahrstag erschienen uid mit ihm der Antritt einer neuen Reise. Am 1. Januar 1871 begann ich meine längst beabsichtigte Wanderung gen Westen. Nur von zweien meiner Diener, den Negerknaben und tt&ea kleinen Häuflein Träger begleitet, welche meine geringeB Habseligkeiten beförderten, brach ich auf, nachdem ich dfli kleinen Tikkitikki der Obhut Ghalil's übergeben. Mdn iiidh stes Ziel war eine 32 Meilen in Nordwest entfernte Sedbi Biselli^s, dieselbe, in welcher sieben Jahre früher FnuleinTiiuifi

Neue Wanderungen. 351

ihr Standquartier genommen. Der Verwalter derselben, den eise Geschäftsreise gerade durch Kurschuk-Ali^s Seriba ge- führt hatte, bot mir die erwünschte Gelegenheit dar, den Weg dahin an der Seite eines Ortskundigen zurücklegen zu können. Er nannte sich Bachit Jussuf und hatte, von Ge- l^urt ein Neger, ehedem in Diensten eines Ungarn, Namens K^leincznick, gestanden, welcher zur Zeit der Tinne'schen K^pedition eine eigene Seriba am Kosangagebirge innehatte ^od nachträglich durch schamlos betriebenen Sklavenhandel ^H Conflict mit den chartumer Behörden gerieth.

Wir überschritten den Waufluss (Njenäm der Djur, Here der Bongo) an derselben waldumstandenen Stelle, wie im April 1869. Während der Regenzeit erreicht der Wau eine Tiefe von 14—16 Fuss, ohne je seine Ufer zu über- fchreiten. Der schöne Waldstrom strömte noch immer in wassererfülltem Bette dahin; die Tiefe betrug in der Nähe der Ufer 3—4, in der Mitte dagegen nur 1—2 Fuss. Die über die ganze Wasserfläche gleichmässig verbreitete Strom- geschwindigkeit zeigte 98 englische Fuss (30 Meter) in der Minute. Ich mass die Breite genau mit einer Schnur und iand 43,3 Meter oder 132 englische Fuss.

Das Culturland jenseit des Flusses durchschreitend, liessen wir die Agäd^sche Hauptseriba links liegen, indem wir einen niedem nach Nordost streichenden Hügelzug über- stiegen und unsem Tagemarsch bis zu den Weilern eines Djurältesten, Namens Dimmoh, fortsetzten, wo wir das Nacht- lager aufschlugen. Ich vermied es absichtlich, die nahe Seriba Wau zu betreten, weil ich mich durch den daselbst stellvertretenden Wokil, einer der wenigen von türkischer Abstammung, welche im Lande ansässig waren, beleidigt fühlte, indem dieser das wichtige Schreiben, in welchem ich mein jüngstes Unglück geschildert und das ich an den ägyptischen Befehlshaber zur Weiterbeförderung auf dem Landwege via Eordofan gelangen lassen wollte, vor kurzem unter dem nichtigen Verwände, dass kein Begleitschreiben

352 Einundzwaiizigstes Kapitel.

für ihn beigelegen habe, hatte retour gehen lassen, wahrend die übrigen Verwalter dasselbe vermittels eigener Boten, wie es üblich war, bereitwilligst von Seriba zu Seriba weiter expedirt hatten. Ich musste nun meine Briefechaften po*- sönlich befördern, um sie einer der nächsten Sklavenkaia- yanen zu übergeben, welche vom ägyptischen Lager in Siber^s Seriba ihren Ausgangspunkt zu nehmen pflegten.

Unser Nachtlager gewährte mir nach langer Zeit wieda einmal einen nähern Einblick in die Dorfidylle des Lebens der Djur. Ueberall war die Sirchernte längst eingebradit» auch das Duchn war bereits fertig gesicjitet und in die Eomurnen der Hütten verschlossen. Jetzt wurde die Nadh lese auf den Aeckern gehalten und das Kindikraut (Hyptis), welches zwischen den Stoppeln wuchert, eingeheimst Die Weiber waren von der mühsamen Reinigung des mohnartigeD Samens vollauf in Anspruch genommen. Auf den Felden lagen überall die sonderbaren cylindrisch gestalteten Melonen, welche nur bei den Djur angetroffen werden, und dem Rinde so holzhart wird, wie an den Flaschenkürbisen. In grosser Menge wurden die bunten, fleischigen Kelche der Sabdariffa auf Vorrath gedörrt. Ihre Säure erhält sich aodi in diesem Zustande und ^rtheilt den Saucen und Sappen der Eingeborenen einen essigartigen Geschmack.

Sehr alte Männer sowol als auch Weiber sah man ia Dorfe, darunter solche von äusserst hinfälligem Aeuseeff) während ich unter den dem Heidenglauben ergebenen Bonp nirgends einmal weisshaarige angetroffen habe.

Eine eigenthümliche Art Wunden zu behandeln wurde ich hier gewahr. Ich sah eine alte Frau die geschundene Kniescheibe eines Knaben mit dem scharfen und äasserii giftigen Safte der Modecca abyssinica behandeln. Nüi Forskäl, welcher die Pflanze in Arabien entdeckte, wo oe „Aden'' genannt wird, soll sie, pulverisirt in einem Gtetrinb gereicht, eine tödliche, von Anschwellen der Glieder beu- tete Wirkung haben. Die Djurfrau schabte von einem Ast-

Dorfidylle im Djurlande. 353

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itücke die Rinde ab und strich den zu Muss verriebenen >aft des weichen Stammtheils auf ein zuvor angefeuchtetes ilatt. Dieses wurde wie ein Pflaster auf die Wunde gelegt ind mit einem zweiten Blatte zugededkt auf derselben be« assen. Von der stattgehabten Wirkung konnte ich mich eider nicht überzeugen.

Auf ansteigendem Felsterrain kamen wir zu einem gegen 100 Fuss betragenden Absturz und überschritten in der riefe eine sehr breite Sumpfniederung, welche mit dem für ihDliche Localitäten so charakteristischen Terminalienwalde bestanden war. Ueberall gewahrte man ausgetrocknete Pfützen und Lachen, welche auf die Bodenlosigkeit des E^fEides zur vollen Regenzeit schliessen Hessen. Bald war dine offene, mit Ackerland bedeckte Fläche, auf welcher die Weiler eines Djurältesteu, Namens Uoll, zerstreut lagen, und mit ihr die Grenze des Biselli'schen Gebiets erreicht. Die iurch ihre fusslangen, papierdünnen und in viele Stücke lerfallenden Hülsen ausgezeichnete Entada sudanica, ein &kazienartiger Baum, welcher sich nur sehr selten und sehr Eerstreut in diesen Ländern vorfindet, kennzeichnet die Busch- iraldungen in der Nähe des Platzes. Die mir von Chalil gestellten Träger wurden hier entlassen, um durch neue, welche auf Bachlt Jüssuf's Befehl herbeikamen, abgelöst zu irerden. Die Leute des Uoll waren jetzt damit beschäftigt, Eisensteine zusammenzutragen, um ihre Schmelzöfen in Be- trieb zu setzen. In der Nachbarschaft befand sich eine ähn- liche Eisengrube wie bei Kurschuk-Ali's Seriba.

Auf felsigem Grunde ging es nun weiter durch dichte Bestände von Buschwaldung, bis wir vor uns eine Art Thal- Diiilde hatten, welche frei von Baumwuchs auf der gegen- überliegenden Seite von einer, entsprechend der Richtung der meisten dem Djur tributären Wasserzüge in dieser Ge- gend, sich nach Nordost hinziehenden Anhöhe begrenzt er- schien. Hier betraten wir eine kleine Seriba Biselli's, welche

SCHWXXlfFURTn. II. 23

354 Einundzwanzigstes Kapitel.

den Namen Kurnuk*) führte, um daselbst bei guter Be- wirthung über Mittag zu rasten.

Am Nachmittage überschritten wir die Waldhöhe, auf welcher der durch seine johannisbrotartigen Früchte so kennt- liche GöUbaum (Prosopis) ganze Bestände darstellte, und stiegen dann zu einem jetzt trockenen, von Gebüsch um- friedigten Chorbett hinunter, jenseit dessen sich Cnltor- strecken ausbreiteten, welche mit zerstreuten Hütten ab- wechselten. Bis wir den nahen Getti oder den kleinen Wau erreichten, hatten wir noch einen prachtvollen Wald Ton Humboldtia zu passiren, dessen hochstämmige Bestände ganz nach Art europäischer Gehölze dichtgeschlossen erschienen und den Pfad in tiefen Schatten hüllten.

Der genannte Bach, an dessen Ufer 6 Meilen weit^ unterhalb das Grab des Dr. Steudner liegt, ergiesst sich in den Djur; er hatte ah dieser Stelle die Bedeutung des Mol- mul bei Abu-Gurün's Seriba. Sein Bett gab eine Breite von zwischen 50 und 60 Fuss zu erkennen, und die Ufer eine Höhe von 10 Fuss. Gegenwärtig fanden wir nur noch einen schmalen Graben vor, dessen Wasser sich nicht zu bewegen schien. Weiter unterhalb unserer Uebergangsstelle soll och der Bach zu breiten, beständig wassergefüllten Lachen er- weitern. So winzig der Getti auch erscheinen mochte, so beherbergte er dennoch Krokodile von einer Solchen Keck* heit (vielleicht nur die Folge des Fischmangels im Bache)) dass sie die ganze Umgegend in Schrecken versetzten. Vor einigen Wochen, als das Wasser noch bis an den Rand der Ufer reichte, war an dieser Stelle ein Djurknabe beim Durch- schwimmen des Baches von einem dieser gefrässigen Saurier weggeschnappt und nie wieder gesehen worden. Man muss oft staunen, mit wie kleinen Pfützen und Lachen das Kro-

*) „Kurnuk" nennen die Nubier und Farianer einen Schuppen, der ^gewöhnliche Ausdruck dafür im Arabischen des Sadan ist „Dachr el-Tor", d. h. Ochsenrücken ; so nennt man überhaupt jedes Dach in unserm Sinne, dessen First horizontal verläuft.

Krokodile im Gctti. 355

kodil zur regeiilosen Zeit vorlieb zu nehmen vermag, um sich tief im Schlamme und im Tkone des Bettes vergraben ein ausreichendes Asyl zu suchen. Die kleinen Bassins in nnscrn Aquarien und zoologischen Gärten erscheinen im Vergleich zu diesen Pfützen immer noch als überflüssige Kaumversclnvendung ; um so unerklärlicher ist das geringe und fast unmerkliche Wachsthum, welches die Krokodile bei uns in der Gefangenschaft zu erkennen geben. Gewiss erreichen diese Thiere ein sehr hohes Alter.

Die Ufer des Getti sind mit den für jedes Üiessende Wasser in diesem Lande charakteristischen Gebüschen be- standen, Morelia senegalensis, Zizygium und Trichilia retusa spielen auch hier die Hauptrolle. Acht Stunden in Südwest Ton der in Rede stehenden Stelle wurde mir die Biselli'sche Hauptseriba angegeben, welche von den Bongo Doggaja- Onduppa genannt wird und am rechten Ufer des Getti ge- legen sein soll. Der Getti bildet hier die Grenze zwischen dem Djurstamme Wau und dem von Bongo bewohnten Ge- biete. Anderthalb Stunden vom Bache, eine Strecke, welche nach Einbruch der Finsterniss und durch eine dichtbewaldete Anhöhe zurückgelegt wurde, langten wir ziemlich ermüdet in der Biselli'schen Seriba an, welche bei den Bongo unter dem Namen Doggaja-morr bekannt ist.

An diesem Platze befand ich mich zum ersten mal auf einem durch die frühere Anwesenheit meiner naturforschenden Voi^änger classischen Boden. Hier war es, wo Theodor Ton Heuglin (vom 17. April 18G3 bis zum 4. Januar 1804) geweilt, in einem nahen Dorfe der Wau war Dr. Steudner*) gestorben und in der Nachbarschaft hatte Fräulein Tinne

*) Dr. Steudner erlajr am 10. April 18G3 nacli kurzem Krankon- lager dem Fieber, wenige Tage, naclidem er seine erste Reise ins Innere angetreten, um gemeinscliaftlich mit Ilouglin das Land im Westen der Mescliora zu erkunden und einen i)a8senden Platz zur Unterbringung dos Tinne*schen Expeditionscorps während der Rogen- zeit auszusuchen.

356 Einundzwanzigstes Kapitel.

ihre trotz allem Reichthum elende Existenz gefristet Jeder Baum und jeder Strauch schien mir ihr Andenken in Er- innerung bringen zu wollen, sobald ich den Fuss zur Thor- schwellä der Seriba hinaussetzte, denn noch standen da alle jene Gewächse, welche Heuglin als erste botanische Daten einer damals noch gänzlich unbekannten Flora eingesammelt und die Dr.Kotschy in seinem Prachtwerke „PlantaeTinneanae" zum Theil nach Fräulein Tinnefs eigenen Handzeichnungen zur Abbildung gebracht hat.

Auch in der Seriba selbst musste ich beständig der unglücklichen Lage dieser in so grossartigem Massstabe ent- worfenen Expedition gedenken. Die Gegend trug alle An- zeichen eines ungesunden Klimas an sich, die vielen stag- nirenden Wiesenwasser und Bäche in der Umgegend erschienen als wahre Brutstätten von Fieberraiasmen. Dort jene grosse, gänzlich verfallene Hütte, jetzt eine Behausung der Ziegen und Schafe, bezeichnete den Platz, an welchem die Gebeine der unglücklichen Mutter des Fräulein Tinne, die hier ein Opfer des Klimas wurde, moderten, bis der Moment gekommen war, da dieselben ihren weiten Weg zu der Heimat antreten durften. Welche elende Ruhestätte für eine Dame, welche unter den ausgesuchtesten Genüssen des Lebens und im vornehmen Weltgetreibe aufgewachsen war!

Bevor wir Biselli's Seriba verlassen hatten, erreichte uns die Nachricht von der Ermordung unserer alten Freundin Schol, jener viehreichen Dinka-Aeltesten, welche wir im dritten Kapitel kennen gelernt haben. Die -Eingeborenen hatten sie beschuldigt, die Türken ins Land gerufen zu haben, und da mehrere von den der Meschera benachbarten Stämmen den Viehrazzien der von Kurschuk-Ali comman- dirten Truppen ausgesetzt gewesen, so richtete sich ihr ganzer Hass auf die langjährige Verbündete der Chartumer, die alte Schol. Von dem im Osten der Meschera sesshaften Stamme der Uadj waren nächtlicher Weile, da die alte Schol allein in ihrer Hütte schlief, ein Trupp Männer herüber-

Ermordung der alten Schol. 357

gekommen, welche unter dem Vorwande, sie hätten mit Kurdjuk, ihrem Gemahl, zu sprechen, an die Thür der Schol pochten. Als diese öffnete, fiel sie unter den tödlichen Streichen ihrer Feinde, welche sofort alle Hütten in Brand steckten und einen grossen Theil der am Platze befindlichen Viehbestände mit sich fortführten. Diese Nachricht vermehrte die ungünstigen Aussichten, welche sich infolge der letzten Ereignisse bei den Niamniam für die Zukunft der Seriben- wirthschaft eröffneten, denn durch den Tod der alten Schol musste die Umgegend der Meschera ihren friedlichen Cha- rakter einbüssen, und für einzelne Barken schien keine Möglichkeit mehr geboten, während der Regenzeit an diesem Platze in Sicherheit liegen zu bleiben.

Ein schöner Spaziergang von circa 6 Meilen führte mich in Nordwest durch einen fast ununterbrochenen, stellenweise recht dichten Buschwald bis zur Hauptseriba Ali-Amuri's*), welche die Eingeborenen mit dem Namen Longo bezeichnen. Die wundervollen Parkiabäume begannen jetzt zu blühen und boten einen unvergleichlichen Anblick dar. Faustgrosse feuerrothe Sammttroddeln glaubt man in dem zartgefiederten Laube der schattigen Kronen aufgehängt zu erblicken; es sind die Blütenknäuel, welche an langen Stielen herunter- hängen. Charakteristisch für den LandschaflsK^harakter war die Häufigkeit der Boscia salicifolia. Die Gegend schien ungeachtet des häufigen Verkehrs zwischen den benachbarten Seriben immer noch äusserst wildreich zu sein, denn überall tauchten Rudel von Hartebeests auf vor den Blicken des Wandernden, während die kleinen Madoqua- Antilopen ge- spenstisch von Busch zu Busch huschten. Das Perlhuhn schien hier so häufig yerbreitet wie in den wildesten Einöden des Niamniamlandes. Der jagdkundige Heuglin hatte sich hier das ergiebigste Revier für seine zoologischen Forschungen

*) Der Name der Firma ist eigentlich Ali-Abu-Amuri, bekannt durch ihre Prellereien im Verkehr mit der Tinnc'schcn Expedition.

358 Einundzwanziprstes Kapitel.

ausgesucht. Vier zur jetzigen Zeit theilweise trocken gelegte Wasserliiufc, welche sich als Okulöh zu einem beträchtlichen Zufluss des Djur vereinigen, kreuzten den Pfad. Ihre Namen waren von Süden nach Norden aufgezählt: Dangjäh, Matscbäh und Minnikinji (d. h. Fisch wasser), alle deuteten in ihrer Ilichtung auf das bedeutende Gefälle der nach Nordost ge- richteten Abdachung an der Grenze des anstehenden Fels- terrains und der Alluvionen der Dj urebene.

Longo war ein Etablissement ersten Rangs und übertraf sogar an llüttenzahl die Seriba Ghattas', es übertraf dieselbe aber auch an bodenlosem Schmuz und Unordnung. Alle Hütten und Zäune waren schief und krumm, und die ver- worrenen Gehöfte so verfallen, als wären sie jahrelang nur von Ratten und Termiten bewohnt gewiesen. Ekelhafte Haufen von Küchenabfällen, Aschenhügel, faulende Strohhaufen, alte Körbe und Kürbisschalen lagen zu Hunderten mannshoch in den engen Gassen der Seriba, haushoch aufgestapelt fanden sie sich draussen vor den Eingängen, überwuchert von Schimmel und Pilzen. Auf Schritt und Tritt stiess man auf die unaussprechlichsten Dinge, in der ganzen mohammeda- nischen Welt sonst unerhört bei solcher Nähe menschlicher Wohnungen, kurz und gut, im ganzen genommen gab es ein P)ild des grässlichsten Schmuzes, des Verfalls und der Un- ordnung, ausreichend, um das Gemüth eines einigermassen ordnungsliebenden Menschen für viele Nächte mit Alpdrücken zu belasten und ihn mit verworrenen Traumbildern der schrecklichsten Art zu verfolgen. Es war eine Musterwirth- schaft undisciplinirter nubischer Banden!

Die zur Seriba gehörigen Ackerländereien erstreckten sich weit im Umkreise über das flache Land. Der Boden erschien hier von ähnlicher Unerschöpflichkeit wie bei der Seriba Ghattas', denn Longo gehörte zu den ältesten Nieder- lassungen des Landes. Die Dörfer der Bongo lagen sämmtlich im Westen des Platzes und in ziemlichem Abstand von der Seriba.

Amuri's Verwalter hiess Selim, ein ehemaliger Nizzam-

Seriba Ali-Amuri. 359

Boldat in türkischen Diensten, dessen Heimat das Land der wilden Baria in den Gebirgen von Taka war. Selim hatte in seiner Abwesenheit für einen guten Empfang gesorgt, und es fehlte mir an nichts, was seine Vorrathskammer zu spenden Yermochte. Eine Anpflanzung von vortrefi'lichem Pisang ver- sorgte^ mich mit einem Vorrath dieser paradiesischen Früchte des Südens.

An diesem Platze halten sich das ganze Jahr über viele Sklavenhändler auf, begleitet von zahlreichen Bjiggära, vom Stamme der ßisegät. Diese wilden Söhne der Steppe lagerten mit ihren abgemagerten und von schädlichen Fliegen ver- folgten Rindern hordenweise im Umkreis der Seriba. Neu- gierig drängten sie sich um mich herum, da sie noch nie einen Christen gesehen. Eine unbeschreibliche Scheu hielt sie auf viele Schritt Distanz von meinem Leibe, als fürch- teten sie den „bösen Blick" des Franken. Erst als ich beim Zeichnen der Rinder ihre Erwartung aufs höchste gebracht nnd ihnen Einblick in meine Skizzen gewährt hatte, wurden sie zutraulicher. Von einem erhöhten Platze aus zeigte ich ihnen diverse Bilder, da war die Wirkung eine unbeschreib- liche, und ein Jauchzen der Freude entrang sich ihren rauhen Kehlen. Schliesslich hatte ich so viel Gewalt über ihre Herzen gewonnen, dass sich einige herbeiliessen, mir behufs Porträt- zeichnung zu sitzen. Es waren schöne hellbraune Bronze- gestalten von schlankem, nervigem Wuchs und tadelloser Regelmässigkeit der Gesichtsbildung, die ich zeichnete. Der Ausdruck ihrer Züge hatte etwas Ofl'enes und Vertrauen- erweckendes, und eine grosse Entschlossenheit sprach aus ihnen, wie es sich von solch einem kriegerischen Jägcr- nnd Hirtenvolke wol erwarten Hess. Das Gesichtsprofil zeigte an allen den vollen rechten Winkel; die Nasonbildung, keines- wegs adlerförraig, sondern mehr abgerundet und zierlich, ertheilte den jungem Gesichtern einen gutmüthigen, fast weiblichen Charakter, ein Ausdruck, welcher durch die gleich- massige Rundung der hochgewölbten Stirn noch gehoben

360 Einundzwanzigstes Kapitel.

wurde. Das lange Haar trugen alle zu dünnen Flechten vereinigt, welche in der Längslinie des Scheitels dicht neben- einander verliefen und hinten über den Nacken herabfielen.

Während ich, umringt von hundert Gaffern, meinem friedfertigen Geschäft nachging, sah ich mich durch einen Lärm in der Arbeit unterbrochen, welcher in den äossern Reihen der Umstehenden grosse Verwirrung anzurichten schien. Ein alter Fanatiker aus Darfur tobte und fluchte daselbst über mein sündhaftes Zeichnen, er könne es nicht ausstehen, nicht mit ansehen, was ich da triebe. „So soll er fort- gehen", rief ich, „und mich ungeschoren lassen." Viele stimmten mir unaufgefordert bei und beschwichtigten den Schreier, andere lachten ihn aus, zuletzt wurde er verhöhnt und unter Spässen beiseite gestossen. Zu seinem Tröste rief ich ihm das Sprichwort nach: „Vertraue auf den Schutz des Allmächtigen, wie auf den Schatten der Akazie, er wird dich beschirmen, aber", setzte ich hinzu, „es müssen bessere Akazien sein als diejenigen, welche in euerm miserabek Lande wachsen 1"

Am 6. Januar setzte ich meine Wanderung nach Süd- westen fort und gelangte in einem starken Tagemarscbe zn der 18 Meilen entfernten Filialseriba Amuri's am Pängoflusse, welche den Namen Damuri führt. Auf der ganzen Strecke herrschte felsiges, von Buschwald bedecktes Terrain vor, welches, vollkommen eben, nicht durch die geringste Thal- senkung unterbrochen wurde. Fünf grösstentheils aus- getrocknete Bäche wurden gekreuzt, welche in dieser Reihe aufeinanderfolgten: Okilleah, mit stehenden Pf ützen, Kulloh, ein grösserer Bach, mit stehendem knietiefen Wasser und von Sizygiumgebüsch umstanden (wonach der Name Kulloh, welcher zugleich als Generalname für ähnliche Gewässer dient), Horoah, ein trockenes Ghorbett, Daboddu, mit Wasser- lachen, Genduh, mit trockenen Pfützen. Alle diese Gewässer sind dem Pängo tributär und ihre Richtung geht nach Nordwest.

Ein Denkmal der Vergangenheit. 361

Halbwegs zwischen EuUuh und Horoah kamen wir zu einem riesigen Feigenbaum (Ficus lutea), welcher, wie wieder- holt im Bongolande angetroffen, als Denkmal der Vergangen- heit die Stätte bezeichnete, wo ehemals ein grosses Dorf dieses Volks gestanden. Der Name des Platzes war Ngukuh. Auf kurzem, von Luftwurzeln dicht in Gestalt eines Netzes umflochtenem Stamme breitete sich eine Krone aus, welche um die Mittagsstunde einen Schatten von gewaltigem Um- fange warf. Ich mass denselben an der Peripherie zu 230 englischen Fuss (70 Meter). Die zweite Hälfte des Wegs war durch das häufige Auftreten von Candelaber-Euphorbien und Calotropis ausgezeichnet. Die letztgenannten Gewächse (arabisch el-Uscher genannt) deuteten auf den mehr nordischen Charakter der Flora, da sie für die Steppengebiete Nubiens, Arabiens und Vorderindiens sehr bezeichnend sind. Ich hatte ne bisher noch nirgends im Gebiete der Seriben angetroffen. Hierher war der el-Uscher offenbar durch die aus dem Norden ins Land wandernden Händler verbreitet worden, und die star- ken Stämme der anderwärts meist nur strauchartigen Pflanze bewiesen den alten und eingebürgerten Verkehr auf dieser vielbesuchten Handelsstrasse. Im Sudan bedient man sich der seidenartigen Samenhülle, welche die faustgrossen und aufgeblasenen Fruchtkapseln erfüllen, als eines Polstermaterials zur Füllung von Kissen, und dieser Umstand erleichtert die weite Verbreitung des el-Uschers. In den nordischen Steppen ist er ein sicherer Wasserprophet, welcher dem Wanderer die Nähe eines Brunnens oder einen verborgenen Quell von süssem Wasser verräth.

Amuri's Seriba Damuri liegt hart am rechten Ufer des Fango, so nennen die Böngo diesen Nebenfluss des Bachr- el-Arab. Auf frühern Karten fand er sich unter dem Namen Kosanga, dies ist indess nur die Bezeichnung für einen kleinen Gebirgsstock, welcher sich einige Wegstunden im Südwesten von Damuri an den linken Ufern des Flusses er- bebt. Th. V. Heuglin hatte am 17. Juli 18G3 diesen Flus^

362 Einundzwanzigsies Kapitel.

«

au der nämlichen Stelle '^) in der Absicht besucht, daselbst auf einer felsigen und trockenen Waldanhöhc ein Lager zum Stand- quartier für die Expedition der MUe. Tinne zu errichten. Dieses Vorhaben, welches, falls es zur Ausführung gelangt wäre, der Expedition .sicherlich manches Opfer an Menschenleben erspart haben würde, welches bei der ungesunden Lage ?oa Biselli's Seriba nicht wundernehmen konnte, unterblieb wegen der allzu grossen Schwerfälligkeit in der Organisation des riesigen Trosses der Reisenden.

Bei der grossen Unbeständigkeit aller Verhältnisse in diesem Lande sah ich mich ausser Stande, den Wohnsitz des verstorbenen Bongoschechs Kulanda mit Sicherheit ausfindig zu machen, dessen Heuglia bei seinem Besuche am Flosse erwähnt; die Uebereinstimmung meines Itinerars mit der Routenaufnahme dieses Reisenden beweist indess, dass ich mich in der That an der von Heuglin berührten Stelle be- funden habe.

Der Pängo, welchen die Ssehre in seinem Oberlaufe Dschih nennen, verfolgt einen nach Nordost gerichteten Stromlauf, nachdem er bald hinter Damuri das Gebiet der Bongo verlassen, durchströmt er dasjenige der Dembo, eines den Djur verwandten Stammes von Schillukabstammung. Aus diesem Grunde führt er bei denChartumern wol auch den Namen Bachr-el-Dembo. Die Dembo sind dem Ali Amnri uuterthan, dessen Territorien sich gegen Nordwest weit über den Fluss hinaus erstrecken und an das Gebiet der Baggäit- el-IIomr angrenzen, seine äussersten Seriben sind am Gebel- Marra gelegen, auf dem Gebiete eines Negerstammes, Namem Bambirri, das wahrscheinlich gleichfalls einen Zweig der grossen Schillukfamilie darstellt. In jener Gegend sollen auch echte Sandeh-Niamniam, die von Süden her ins Land

*) Dieser Punkt war der westlichste, welcheu der Reisende n Centralafrika orreichtc.

Der Fluss Pängo. 363

änderten, ansässig sein, und iiach einer andern Version m es diese, denen der Name Bambirri zukäme. Die Landschaft bei Damuri rief in mir lebhafte Er- rungen an die Ghattas'sche Seriba A-uri wach und hte mir den Rohl wieder ins Gedächtnisse Dieser Fluss 3 in der That die grösste Aehnlichkeit mit dem Pängo Jen Tag. Das rechte östliche Flussufer stösst nämlich

an das waldbestandene ansteigende Felsterrain, auf :hem die Seriba Damuri erbaut ist. Der üferabfall des isthals betrug 1 5 Fuss, dann folgte bis zum Wasser eine zahlreichen Lachen und zurückgebliebenen Altwassern Ute schmale Inundationsfläche, während sich der eigent- 3 Fluss zu dieser Jahreszeit (7. Januar 1871) zwischen mwänden von 10 Fuss Höhe und von 70 Fuss Abstand )inander, 40 50 Fuss breit und in einer Tiefe von nur 3 Fuss langsam fortbewegte. Die Stromgeschwindigkeit dieselbe wie beim Wau. Während aber Wau und Djur diese Zeit noch wasservoll in ihrem Bette hinströmten, der Pängo, im Vergleich zu seiner sonstigen Beschaffen- , bereits eine auffallende Wasserarmuth zu erkennen, 1 es schien ausser allem Zweifel festzustehen, dass er rend des Charifs ganz das Aussehen eines Flusses zweiten ges haben musste. Auf d*er gegenüberliegenden , linken B des Pängo dehnte sich eine mindestens 3000 Schritt te Steppenniederung aus, welche das Inundationsgebiet Flusses darstellte. Die stark entwickelte Periodicität es Flusses wurde mir erst später begreiflich, nachdem mich von der geringen Länge seiner, Stromentwickelung •zeugt hatte, welche von der Quelle bis nach Damuri mter höchstens 200 Meilen betragen konnte. An vielen Stellen der Flussniederung verdrängen ge- ossene Bestände von Stephegyne den offenen Steppen- hs und bilden sumpfige Waldungen, welche, berücksichtigt

den Habitus dieser Bäume, täuschend an die Erlen- ;he des Nordens erinnern. Dicht neben der Seriba mündet

364

Einundzwanzigsies Kapitel.

eine tiefe Schlucht, Gumango genannt, ins Flassthal, aas einem jener vielen Erdstürze dargestellt, welche, dorchQueUen- Unterspülung der Raseneisensteinschichten hervorgeraleo, häufig in diesen Gegenden wahrgenommen werden. Dei unerfahrenen» Reisenden vermögen sie leicht irrezufühio, wenn er sie für das Bett eines periodischen WasserlauSs m. beträchtlicher Grösse zu halten beliebt. Die Gumangoschlodl ist von dichtem Dornwerk und Schlinggewächsen erfüllt Ab Unterholz in allen Waldungen bei Damuri spielt der Tinneur Strauch die erste Rolle. Viele Kräuter, welche als edte Repräsentanten der Flora der schwarzen Nilerde za be* trachten sind, finden sich im trocken gelegten Sande dei Strombettes und geben Kunde von der hjrdrographisdiei Bedeutung des Pängo.

Der Fluss strömt oberhalb Damuri ausnahmsweise 4 Meiki weit in genau östlicher Richtung. Wir folgten seinem lechtei Ufer bei Fortsetzung der Reise stromaufwärts und übo^ schritten ihn da, wo er von Südwesten her in diese Richtoal einlenkt. Das sandige Strombett hatte hier nur die Bieiti von 90—100 Fuss (30 Meter). Die Grasniederung des j«- seitigen Ufers war 400 Schritt breit. An ihrem Rande ff» reichten wir eine verlassene Seriba Biselli's, die gleich&b den Namen Damuri führte, nach der Bongogemeinde, irdcb in dieser Gegend ihre Sitze hat. Die verfallenen Hott« ragten noch zum Theil aus dem Steppengrase hervor. Dt^ Schcch der zur Seriba gehörigen Eingeborenen war der tff* hin genannte Kubanda. Jetzt hatten sich alle Bongo his^ das rechte Flussufer zurückgezogen und der Pängo WH* die eigentliche Grenze des bewohnten Landes und der Vü^ niss. *) Unser Weg bewahrte von nun an die rein weetlki^ Richtung, welche bis zu Siber's grosser Seriba nur ßd^"* Abweichungen erlitt. Das Terrain stieg bedeutend ao, «*

*) Im Sprachgebrauch des Sudan werden diese Gegensitie **" gedrückt durch die Worte: „Dar (Culturland) und Akabsh (WiWlli*^

Passagen von Bächen. 365

inken hatten wir die relativ circa 500 Fuss hohe Gneis- ) Eida, ein nördlicher Ausläufer des Kosangagebirges. iefe Bach Uruporr, welcher vom Eida herabfloss, kreuzte len Weg, seine Ufer waren durch das Auftreten wilder Ipalmen ausgezeichnet. Weiterhin folgte. das trockene ^tt Andimoh, mit Bambus und Gneisklippen an seinen , welche eine tiefe Thalschlucht darstellten, die sich )stsüdost her am Eida hinunterzog. An einer mit den irtigen Polstern der Selaginella bewachsenen sx^härischen platte vorüber gelangten wir zu dem tief eingeschnittenen > Karra, von den Nubiern Chor-el-Ganna genannt, nach »ambusdschungels, welche seine felsigen, cascadenförmig tuften Uferwände umschliessen. Die Eingeborenen be- ten den Karra als den Grenzbach zwischen ihrem Ge- und dem der Golo, ebenso die betreffenden Landesherren muri und Idrls Wod Defter, dessen Seriba, gegen 35 Meilen )amuri entfernt, genau halbwegs auf unserm Marsche lem letztgenannten Platze zu Sibers Hauptseriba ge-

war. Hinter dem Karra führte der Weg über sehr 3nzirtes Felsterrain an den Eia, welcher, gleichfalls aus Reihe tiefer Wasserbecken gebildet, sich in einem tiefen \ hinschlängelte und von uns zweimal überschritten in musste, um schliesslich eine Anhöhe von Rothfels •steigen, mit welcher der vorherrschende Ansteig des 8 ein Ende zu nehmen schien. Wir schritten nun ab-

zu einem von vielen Wasserlachen und den sumpf- jn Suhlplätzen grosser Büffelheerden erfüllten Bache, Vtidoh, um an dieser Stelle für die Nacht zu campiren. iov Einbruch der Dunkelheit gelang es mir, die Büffel öschleichen und eine Gruppe von Kühen mit ihren jrn in meinen Schussbereich zu ziehen. Ein halbwüchsiges [kalb, das auf dem Flecke todt niederstürzte, war die I des Tags, die andern Schüsse schienen ohne Wirkung eiben. Die halbe Nacht wurde mit Braten, Rösten und n des gewonnenen Fleischvorraths verbracht, und meine

3G6 Einundzwanzigstes Kapitel.

kleine Gesellschaft erfreute sieb der besten Stimmung. Die Waldungen, welche auf weite Strecken ausschliessHch aus hohen Humboldtien zusammengesetzt waren, nahmen mit jedem Schritte an Dichtigkeit und Ausdehnung zu, sodass sie den Vergleich mit den schönsten Gegenden des nördlichen Niamniamlandes nicht "zu scheuen hatten. Wir passirten einen halb ausgetrockneten Chor, Namens Nguri, auf welchen der wasserreiche Sumpf bach Akumunah folgte. Beide fliessen zum Mongöno ab, welcher ein grosses, jetzt trockenes Chor- bett darstellend , an der von uns überschrittenen Stelle nnr einen kahlen Sandstreifen von 70 Fuss Breite darzubieten schien. Sobald man aber im lockern Sande etwa 6 Zoll tief mit der Hand wühlte, so erblickte man sofort eine Ansamm- lung von klarem Wasser, welches unterirdisch auf einem Untergrunde von Kies in reichlicher Menge hinzurieseh schien. Der Mongöno muss zur Regenzeit einen flussartigen Charakter annehmen, denn ich stiess auf die Spuren ton Hinterwassern, welche er zurückgelassen, auch zeigten die das Sandbett einfriedigenden Ufer einen Absturz von 6 8 Fnss Höhe. Eine kleine rosablühende Gentianee, die Canscon, ist für solche kleine Ufergehänge sehr charakteristisch, sie wuchert daselbst in ganz ähnlicher Weise, wie ihre Ver- wandten an ähnlichen Stellen unserer Gräben und Bicli& Die Häufigkeit, in welcher an allen Orten die abyssinische Protea auftrat, verrieth mir eine beträchtliche Zunahme (kr Landerhebung, im Vergleich zu den hinter mir liegenden Strecken der WanderuBg. Wir befanden uns hier im Dnrch- schnitt auf 2100 Fuss Meereshöhe.

Ein schmaler Graben voll tiefer Lachen folgte auf den Mongöno, Jau-Jau genannt, jenseit dessen ich eine Gneis- klippe erstieg, von der sich eine weite Fernsicht nach West auf eine wallartige, bewaldete Landerhebung eröffnete. Diese schien sich von Südsüdwest nach Nordnordost hinzuziehen. Der Höhenzug folgte auf der westlichen Seite dem Laufe de» Bachs Atehna, den wir nach Passage zweier kleinerer Bache

Seriba IdrTs Wod Defter. 3G7

erreichten. Das grösstentheils trocken gelegte Bett des Atehna hatte 50 Fuss Breite (15 Meter) und war von Sand und Kies gebildet, in welchem sich streckenweise Wasser- pfützen erhalten hatten. Die Ufer stiegen so steil an, als hätten sie die Bestimmung, einen beträchtlichen Fluss zur Regenzeit einzuschliessen. Nachdem wir noch zwei tief ein- geschnittene Bäche überschritten, erreichten wir das die Seriba Idris Wod Defter's umgebende ausgedehnte Culturland ; fortwährend ansteigend, hatten wir noch 2 Meilen zu mar- schiren, bis wir an diesem Platze waren.

Die jetzige Seriba des obengenannten Theilnehmers am Geschäfte Agäd's wurde drei Jahre früher an dieser Stelle errichtet und setzt sich aus grossen, von hohen Mattenzäunen klosterartig umfriedigten Gehöften zusammen, welche von verschiedenen grössern Sklavenhändlern eingenommen werden, die im Lande ansässig sind. Vier neue Hütten und eine grosse ßokuba sind eigens zur Unterbringung der zahlreichen Passanten hergerichtet, meistens Händler zweiten Banges, welche wie Bündeljuden von Ort zu Ort mit ihren Waaren im Lande umherziehen. Idris selbst hielt sich in seinen Niamniamseriben auf, welche von hier 7 8 Tagereisen entfernt in der Nachbarschaft der Mofiö'schen Residenz ge- legen sein sollen. In geringerer Entfernung von der Haupt- seriba befinden sich noch zwei kleinere. Die eine, in Süd- ost gelegen, soll 4 Stunden von hier am Westabhange des Eosanga befindlich sein, während in Südwest und in gleichem Abstände eine Filialseriba existirt, deren Verwalter Abd-el- Ssid heisst. Dicht bei der Hauptseriba und südwärts von den Gehöften, welche indess keine gemeinsame Pfahlumzäunung umgibt, entsteht aus einer hervorrieselnden Quelle in einem kleinen Erdspalt plötzlich ein munterer Bach mit klarem Wasser, der seinen Abfluss nach Westen zu nimmt.

Die Eingeborenen, welche zum Unterhalt der Seriba dienen, sind durchweg vom Stamme der Golo. In ihrer äussern Erscheinung so gut wie in ihren Sitten verrathen

368 Einnodzwanzigstes Kapitel.

Bie eine grosse Äehnlichkeit mit den Bongo, ihren ösüicbeu Macbbarn, obgleich die Sprache nur geringe und sebr ver- einzelte Anklänge an die der letztgonannten zu erkenui gibt. Die Golosprache ist durch das häufige Vorkom- men der Diphthongen ö und ü vor allen mir bekannt» Negersprachen ausgezeichnet. Auch enthält sie nnnochaliiD- bare Schmalz- und Nasallaute, welche an die südafrikaiii-

sehen Sprachen anzuklingen scheinen und den benaclibirtci Völkern völlig fremd sind. Eine andere Eigentbümlichksf dieser Sprache besteht auch in gewissen BcharftöneDdn Zungenlauten, welche sich sehr häufig wiederholen. \JtUi den letztem spielt das ts und ds eine Hauptrolle. Ai der Seite des Verwalters machte icb einen RondguC durch die Weiler der Umgegend. Die Flora des Basdi- waldes ist durch die Häufigkeit der nur sporadisch im "*"

Das Volk der Golo.

i(e auftretenden Euphorbia venefica cbarakterisirt. Ein siidiiclicn Kordofan und Darfur sovol wie im westlichen d centralen Sudan sehr massgebender Daumtypus, Erio- idron anfractuosum, der „Cottontree" der Colonisten, fand L bei der Seriba zur Zierde angepflanzt. Die Furianer Diien den Baum „rubm". Derselbe ist uuBgezeichnet durcli : quirlartige Insertion der Aeste, welche die Baumkrone igciiartig in mehrere Abtbeiluugen zerlegen, wio wir es au ' Araucaria beobachten können. Diese GesUilt des Ruhm- ims gewährt den heidnischen gern Baghirmis erwünschte Buchtsstätteu gegen die Ver- ;img der auf Sklavenjagd iziebenden Banden der Skia- ijäger. Merkwürdige kegel- mige Stacheln von immenser :ke bedecken den Stamm lau in der Art, wie wir an lendem Holz im Meerwasser Baianusgehäuse wahrneh- n.

Etevor ich Idrie Wod Defter's iba verlassen hatte, langto «Ibst mein alter Freund Mo- K..ra«pcicher der uoio.

mtned Äbd-es-Ssammat an.

Icher sich, begleitet von einem grossen Tross Boogo, 1 Kern beförderten, auf dem Wege zum ägyptischen Lager and. In Gemeinschaft mit ibm setzten wir unsern Marsch ih Westen fort Eine halbe Stunde weit hinter der Seriba Uessen wir das Culturland und betraten von neuem die Idwildniss bei einem üorfe, dessen Golo-Aeltester Kasa iB. Die Aecker waren weit and breit mit süssen Bataten teilt, auch Duchnkorn schien hier in besonderer Menge iebaut zu worden. Bei Kasa sah man mehrere jener -bthümlicheu Kornspeicher, auf deren ebenso kühne Con- 21

370 Einandzwanzigstes Kapitel.

struction die Golo so grosse Sorgfalt verwenden. Zum Schutz gegen die Hatten ruht der von einem breiten, nach Art eines Deckels aufgesetzten Kegeldache beschattete Thon- bau, welcher als Reservoir für das eingeheimste Getreide dient und die Gestalt einer Schüssel oder eines Bechers hat, auf einem kurzen, dicken Pfosten, während sechs kleinere Pfosten wie Strebepfeiler die Seiten unterstützen. Der ganze Bau ist von bewundernswerther Symmetrie, und aufs zier- lichste sind aus der Thonmasse Gesimse ausgeschnitten, welche, stufenweise sich verjüngend, das architektonische Ebenmass derselben erhöhen. Auch die Wohnhütten der Golo*) verrathen in ihrer Bauart manche EigenthümUchkeit und ebenso viel Sorgfalt, Fleiss und Mühe.

Die Seriba in unserm Rücken lag auf der Wasserscheide zwischen den Flüssen Kuru und Pängo. Hinter Kasa's Weilern hatten wir noch das letzte Gewässer vom System des Pängo zu überschreiten; dieses war der immer noch mit 2 Fuss tiefem und 35 Fuss breitem Wasser hinströmende Abbuloh. Weiter- hin durchschritten wir einen tiefschattigen Wald, indem der Pfad graduell zu einer mit Gneisfelsblöcken belegten Anhöhe emporführte, von welcher wir, beständig im Waldesschatten, tief zu einem wasservollen Bache hinabstiegen, der dieselben Dimensionen zeigte, wie vorhin der Abbuloh. Dies war der nordwestwärts dem Kuru zufliessende Bombatta. Eine gleicie Richtung verfolgte der nächste Bach, der Abila genannt und aus einer zusammenhängenden Kette sehr tiefer Bassins ge- bildet wurde. Die nämliche Beschaffenheit hatten die beiden folgenden Bäche, von denen der zweite Ngodduh hiess. Dieser letztgenannte üoss an einer flachen und nackten Gneisknppc

*) In der Bauart erinnern die Hütten der Golo mehr an diejen^a der Niamniam als an den eigenthümlichen Bongostil. Das vorsprin- gende Dach wird ausserhalb der Thonwandung von einer Reihe leichter Pfosten gestützt, welche gleichsam eine Colonnade darstellen. I>« Wände werden mit Ilyänenmist weiss getüncht

Baustil der Golo. Bachr-Kuru. 371

vorbei westwärts dem nahen Kuru zu, an dessen Ufer wir eine Stunde später anlangten. Die Grasflächen in allen Nie- derungen prangten in der himmelblauen Blütenpracht der mit ihnen zu einem schönen Teppich verwobenen Hydrolea, einer Sumpfpflanze, welche die Herbstflor dieser Gegend auszeichnet Bachr-Kuru ist der bei den mohammedani- schen Landeseingesessenen gebräuchliche, wahrscheinlich den Baggära entlehnte Name für diesen bedeutenden Zufluss des Bachr-el-Arab; bei den Golo, deren Gebiet er von dem Lande der Kredj nach Westen zu abgrenzt, heisst er bald Monj, bald Uorri. Die Ssehre nennen ihn Uih. Die Stromrichtung ging an der Passagestelle von Süd- südost nach Nordnordwest, und die Strömung schien eine ziemlich lebhafte zu sein. Die Breite des Flussbetts betrug zwischen 90 und 100 Fuss, davon waren indess nur 60 Fuss mit 1 2 Fuss tiefem Wasser bedeckt. An einer Stelle strömte der Fluss über grosse Gneisblöcke und Platten, die mit moos- artigen Tristichen bewachsen war. Die Uferwände zeigten eine Höhe von 15 Fuss, und obgleich zu beiden Seiten des Flusses dichte Waldungen hart an das Wasser herantraten, so verriethen doch zahlreiche Anzeichen, dass auch der Wald einer periodischen Ueberschwemmung ausgesetzt sei. Ein auf das Trockene gezogenes Canot bewies die Wasserfülle des Kuru zur Regenzeit.

Beständig begegneten uns kleine Trupps von Sklaven- händlern, welche bald auf Eseln, bald auf Ochsen mit ihren Waaren einhergezogen kamen.

Die Bestand bildende Baumart der benachbarten W^al- dungen war hier wie am Tondj die erlenartige Vatica. Eine steil- ansteigende Thal wand hob den Pfad am jenseitigen, westlichen Ufer zu einer zunehmenden Bodenhöhe empor, es folgten nun tiefe Einschnitte mit zum Theil fliessenden, zum Theil trocken gelegten kleinen Bächen von grabenartigem Aussehen. Solcher zählten wir sechs bis an die Ufer des Chor-el-Rennem oder Bio genannten Zuflusses des Biri, des dritten und

372 Einundzwanzigstes Kapitel.

grössten der von mir in Augenschein genommenen Neben- flüsse des Bachr-el-Arab.

Der Chor-el-Rennem (Ziegenbach) führt seinen Namen daher, weil hier beim Uebergange während der Regenzeit eine ganze Ziegenheerde in den reissenden Fluten des schma- len Baches verunglückte. Von äusserst mannichfaltigem Busch- werk und Baumwuchs umstanden floss der Bach am 13. Ja- nuar nur noch 1 Fuss tief in einem stark gesenkten, vöDig beschatteten Erdrisse, dessen Tiefe der 15 Fuss betr^enden Breite des Wassers gleichkam.

Auch hier erhob sich das Land am linken westlichen Ufer in Gestalt eines plötzlich ansteigenden Walles; eine Erscheinung in der Topographie des Landes, welche auf die beständige Zunahme der Seehöhe schliessen liess. Zwei kleine Wegstunden, welche grösstentheils über bekanntes Land und durch verschiedene Weiler des Kredjtribus Ndoggu führten, brachten mich an das vorläufige Ziel meiner Wanderung, die Hauptseriba Sibcr's und das ägyptische Lager. Die vom Pängo an in vier Tagemärschen zurückgelegte Wegstrecke betrug gegen 70 Meilen. Das Schrittzählen war mir bereits zur Gewohnheit geworden, ich kam mir vor wie ein „Peram- bulator" und gedachte dabei beständig der Parasangen, nack welchen Xenophon den Aufmarsch der Griechen bemessen. Unser durchschnittlicher Tagemarsch hatte zwischen vier und fünf solcher Parasangen betragen.

Bei Siber (2145 pariser Fuss) befanden wir uns 435 Foss höher über dem Meere als in Biselli's Seriba am Getti, 691 Fnss über der Seehöhe der-'grossen Seriba Ghattas\ So gering- fügig nun auch der durch die graduelle Zunahme der Boden- erhebung bewirkte Einfluss auf die VegetationsYerhältnisse der durchwanderten Strecke zu sein schien (es fanden sich nur wenige neue Charaktergewächse, und der Hauptunt^- schied bestand in der dichtem Bewaldung)^ so gab doch der auffälligste Wechsel der hydrographischen Verhältnisse ein gänzlich verändertes Terrain zu erkennen. Was sidi dem

Dem Nduggu. 373

in südlicher Richtung vom Bongolaüde vordringenden Wan- derer im Gebiete der Niamniam erst zwischen dem 6. und 5. Grad nördl. Br. darbot, begegnete demselben in diesem Lande bereits mit dem 8. Grade, in dessen Nähe sich un- sere Route vom Pango aus beständig gehalten. Aus consum- tivem Terrain gelangt man, sobald der letztgenannte Fluss überschritten," unmittelbar in ein productives Quellland; die Flüsse, alle Bäche und Gräben, ja die kleinsten Erdspalten enthalten ununterbrochen das ganze Jahr hindurch fliessen- des Wasser von der reinsten und klarsten BeschaflFenheit. Vom Pängo bis zu Siber's Seriba wurden nicht weniger als zwanzig Bäche und zwei Flüsse überschritten. Jeder Erd- riss und jedes Ufergehänge zeigte hervorsickerndes Quell- wasser, gerade so wie im Niamniamlande; während am Nord- rande der rothen Felserde, im Tieflande der Djur und Bongo, derartige Erdrisse und tiefe Chorbetten ebenso häufig sind, verrathen sie dagegen zur trockenen Winterszeit nirgends Quellen, überhaupt enthalten sie alsdann kein anderes Was- ser, als dasjenige, welches der letzte Charif zurückgelassen.

Das soeben auseinandergesetzte Verhältniss scheint eini- ges Licht auf die Bodengestaltung der südwestlichen Seite des Bachr-el-Ghasal-Becken's zu werfen. Die durchschnitt- liche Stromrichtung aller demselben succursirenden Gewässer schneidet senkrecht die Linien gleicher Meereshöhe, welche sich in der entgegengesetzten Richtung terrassenförmig über- einanderlagern.

Die grosse Seriba Siber, deren Pfahl werk ein 200 Schritt im Geviert haltendes Quarree darstellt, ist von vielen Hun- derten zerstreuter Gehöfte und Hüttengruppen umgeben, welche sich weithin am Ostabhange der tiefen Thalniederung hin- ziehen, die ein von reichen Uferquellen gespeister Bach in der Richtung nach Nordwest durchströmt. Das Ganze ge- währt den Eindruck einer sudanischen Stadt und erinnerte mich lebhaft an den grossen Marktplatz Matamma in Galla- bät, welcher den hauptsächlichsten Binnenhandel mit Abys-

374 EiDundzwaDzigstes Kapitel.

sinien vermittelt. In der Sprache der EiDgeborenen heissen Etablissements von derartiger Grösse „Dem"*), d. h. Stidt Die Höhen auf der Ostseite sind an diesem Platze bedeu- tender als die diesseitigen der Thalsenkung; in Nonlnordost erblickt man in der Ferne hochansteigenc^es Land. Das Terrain senkt sich nämlich in westlicher Richtung nach dem 2 Stunden entfernten Biriflusse hinab, einem bedeutenden Nebenflusse des Bachr-el-Arab.

Am südlichen Ende dieser Niederlassungen hatten die ägyptischen Truppen ihr Lager eingerichtet, welche des verstorbenen Sandjaks Stellvertreter Achmed-Aga als „Wokil- el-urda" befehligte. Hier sass auch Hellali, der schwarze Schwindler, gefangen, und seine Bande, in einer eigenen Lager- abtheilung internirt, wurde von den übrigen Truppen wie Kriegsgefangene bewacht. Grosso Theuerung herrschte hier infolge der UeberfüUung der Einwohnerzahl durch die Tau- sende aus Kordofan herbeigezogener Sklavenhändler. Ofc- gleich der Sultan Hussein von Darfur auf die erste Kunde von den auf seine Kupfergruben gerichteten PJanen der Aegypter hin die Grenzen des Landes von allem Verkehr mit den Seriben der Chartumer abgesperrt hatt« und sich die Händler dadurch gezwungen sahen, den weitern und ge- fährlichem Weg von Abu-Harras in Kordofan aus durch die wüsten Steppenstriche der räuberischen Baggära einzuschU- gen, so schien in diesem Jahre die Anwesenheit der Regie- rungstruppen dennoch den Zuzug der Sklavenhändler nur verdoppelt zu haben; war doch ein schwunghaftes Geschäft mit den habsüchtigen türkischen Militärs vorauszusehen, voo denen sich erwarten Hess, dass sie ihre einflussreiche Stellang gewiss in dieser Richtung zu verwerthen wissen würden, leh- rend auf der andern Seite die leicht effectuirte Sperrung de«

*) In der Si)rcchwei8c der Chartumer hat dieses Wort auch eine arabisirte Plurjilbildung erfahren: „Duehm", und mit dieser Bcaich- nung belegt man die grossen Sklavenstädte des Westens.

Sklavenhandel der türkischen Militärs. 375

Sklavenhandels auf den Gewässern des Nils durch das Ge- neralgouvernement zu Chartum eine hohe Prämie auf den Ueberlandhandel setzte, welche zu vermehrtem Eifer und Unternehmungslust anspornte. Seit dem Ende der letzten Regenzeit waren bereits über 2000 Kleinhändler herbeigezo- gen, und immer noch wurde neuer Zuzug erwartet. Alle diese Leute zehrten wie die Truppen von Siber's Korn- vorräthen. Wollte man käuflich Vorräthe erstehen, so musste man sie fast buchstäblich mit Kupfer aufwiegen, dem ein- zigen Zahlungsmittel ausser Sklaven.

Statt im Centrum reicher Koruländer ihren Sitz aufzu- schlagen, hatten sich die ägyptischen Truppen am äussersten Ende des Seribengebiets vom Bachr-el-Ghasal niedergelassen, angeblich um die Zugänge zu den Kupfergruben von Darfur zu beherrschen, in Wirklichkeit aber, um der Sklavenquelle näher zu seijn und den directen Handel mit den nördlichen Absatzgebieten besser ausbeuten zu können. Ich habe vor- hin schon auf die Unausführbarkeit der vom ägyptischen Befehlshaber geforderten Kornzufuhr aufmerksam gemacht, hier sollte ich nun selbst Augenzeuge seiner blödsinnigen Forderungen sein, die nur zum Zwecke hatten, das bereits durch den Sklavenhandel so arg geschädigte Land nun erst vollends auch nach türkischem Modus auszusaugen und den totalen Ruin dahin zu bringen, wo noch etwas zu rui- niren war.

In der That musste es dem Achmed-Aga schwer fallen, die für den kommenden Charif erforderlichen Vorräthe auf- zutreiben, nachdem die gewaltsame Requisition Hellali's zu einem so blutigen Confiict geführt hatte. Er verfuhr aber bei der Vertheilung der die einzelnen Seribcn treflfenden Ab- gaben aufs ungerechteste, indem er die einen von allen Lie- ferungen eximirte und die andern doppelt belastete. Zu den letztern gehörte mein Freund Mohammed, da er 50 Ardeb 2u stellen hatte, was 150—170 Lasten gleichkam. Ssabbi wUr aber 17, und Mohammed's eigentliches Kornland volle

376 Einundzwanzigstes Kapitel.

21 Tagereisen von hier entfernt, da bedurften die zum Trans- port erforderlichen Träger allein auf dem Hinmärsche zo ihrem Unterhalte als Minimum der Ernährung 30 Ardeb. Er hatte daher in den benachbarten, bereits völlig ausge- sogenen Seriben das Korn um Hungerpreise zusammenkaufen müssen, um den Anforderungen des Divan nachkommen zn können.

Meine Fürsprache vermochte nichts über den Starrsinn des Aga, er verlangte nun, dass Mohammed zur Strafe da- für, dass er nur einen geringen Theil seines Tributs ge- bracht, jetzt 100 Ardeb, statt 50, zu liefern hätte. Was mich aber am meisten empörte, das war die Schamlosigkeit, mit welcher der Türke für den Räuber und Wegelagerer Scherifi Partei nahm und Mohammed, statt ihm Genugthuung zu verschaffen, mit Vorwürfen wegen seiner Unversöhnlich- lichkcit überhäufte. Scherifi hatte ihm nämlich ein reiches Geschenk von Sklaven gebracht, welche an diesem Platze so gut wie baares Geld an Zahlungsstatt dienen konnten.

Ungeachtet dieser grossen Anhäufung von Menschen war der Gesundheitszustand, soweit denselben das Klima beein- flusste, ein völlig befriedigender. An eingeschleppten oder zum Theil in Fleisch und Blut übergegangenen Uebeln fehlte es allerdings nicht. Auch die Sterblichkeit unter den Skla- ven schien an diesem von schwarzer Waare überfüllten Stapelplatze keine grosse zu sein, wenigstens imponirten mir die in der Umgegend zerstreut liegenden menschlichen Ge- beine, im Vergleich zu meinen frühern Wahrnehmungen, durchaus nicht hinsichtlich ihrer Menge und Vielartigkeit Die verweichlichten türkischen Soldaten fühlten sich indess in ihrer jetzigen Lage äusserst unglücklich, und alle bestürm- ten mich mit Bitten, ich möchte ihre Misere doch nur ja in möglichst grellen Farben dem Generalgouverneur vor die Seele führen, auch möchte ich zu bewirken suchen, dass man an höchster Stelle die Ueberzeugung gewinne, bei diesem Unternehmen sei weder Vortheil noch Buhm zu ernten, oüd

Verzweiflung der Türken. 377

nur nutzlos werde dabei das Leben aller aufs Spiel gesetzt. „Wenn dir das gelänge", das waren ihre Worte, „dann wür- dest du uns den grössten Dienst geleistet haben, den wir von Menschen zu erhoffen wissen, und segnen möge dich dafür der Höchste."

Die nichtsnutzigen Divanrutscher erschienen mir zu nichts untauglicher als zu einer derartigen Unternehmung in den Wildnissen Centralafrikas. Jetzt schon, nachdem kaum das erste Jahr abgelaufen, hätten ihre Klagen Steine erweichen mögen; ich glaube, ohne die Nubier wären sie, unmündigen Kindern gleich, verrathen und verkauft gewesen in diesem Lande des Hungers und der Menschenleere. Alle waren sie schlecht zu Fuss und vertrugen nicht die Kost des Landes, es fehlte der Schnaps, das Weizenmehl,, der Reis, ihre nothwendigsten Bedürfnisse, sich selbst aber zu hel- fen, dazu waren sie zu träge und indolent. Da sah man keine Maisanpflanzung und keinen Küchengarten angelegt, als echte Tagediebe vergeudeten sie ihre Zeit mit end- losen Klagen über das schlechte Land und die schlechten Leute. Selbstverständlich jammerten sie noch dazu über Langeweile. Streifte man diesen Burschen ihre schönen Kleider ab, den türkischen Schliff der Sitten, die feinern Umgangsformen und das bischen Ehrgeiz und Honneur (l'exterieur du vertu et Telegance des vices), so bliebe wenig übrig, was sie vortheilhaft von den Nubiern der schlechtem Sorte zu unterscheiden vermöchte. Dessenungeachtet war auch hier die Abneigung zwischen Nubiern und Türken gross, und es bewahrheitete sich das alte Sprichwort: „Araberblut koch' nicht mit Türkenblut zusammen."

Der in den Seriben gewohnte bunte Anblick eines schmu- zigen Menschengewühls wurde an diesem Platze durch den starken Zuzug der Gellaba ausserordentlich vermehrt, und gegen die Frische der soeben durchwanderten Wildnisse em- pfand man in Dem den empfindlichsten Contrast. Die un- saubern, in Lumpen gehüllten Gestalten der Menschenkrämer,

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378 EiDundzwanzigstes Kapitel.

die mit ihrem Plunder haufenweise dasassen auf allen Frei- plätzen, wie Geier an dea Strassen der Wüste auf den Leibern gefallener Kamele, die rauhen Stimmen und das heisere Geschrei ihrer gotteslästerlichen Gebete auf der einen, die Trägheit, Trunk- und Schlafsucht divanrutschender Türken auf der an- dern Seite, überall ein faules, lasterhaftes, geiles Getreibe, be- gleitet von Krätze, Syphilis und Blättern, dazu Grabesdüße und Exhalatiouen der übelsten Art, da mochte man liin- blicken, wohin man wollte, überall stiess man auf Dinge^ welche die Sinne aufs empfindlichste beleidigen, den Geist zur Verzweiflung treiben mussten.

Unter solchen Eindrücken hatte ich meinen Einzug in Dem Nduggo (mau benannte die gesammte Niederlassung nach dem Krcdjstamme, welcher die Umgegend bewohnte) gehalten. Sollte ich bei Siber oder beim türkischen Aga absteigen , Gastfreundschaft suchen bei den Türken oder bei den Nubiern? das war hier die Frage. Meine Wahl fiel auf Siber, denn da die Türken klein beigegeben hatten in der Afiaire Hellali, so war damit constatirt, dass sie hierselbst die minder Mächtigen, ausserdem auch hinsichtlich ihres Unterhalts ganz auf die Liberalität Siber's angewiesen waren, schliesslich fehlten mir die Fermane und Befehle der Re- gierung, denn ich hatte sie im Feuer verloren. Da konnte ich weder befehlen noch verlangen, auf Gnade oder auf Un- gnade aber hätte ich es beim Machthaber nicht ankommen lassen mögen. In der That entsprach Achmed-Aga keines- wegs den in meinem Interesse von der Regierung in Chartnm angeordneten Massnahmen, und das einzige, was ich von ihm erhalten konnte, war eitv kleiner Vorrath au gutem Schreib- papier, um das Zeichnen wieder aufnehmen zu können. Von dem Nachlass Kursclmk-Ali's fand sich nichts mehr vor, was ich hätte brauchen können, sein Nachfolger hatte längst, nach echter Osmancnart, alles zu Schleuderpreisen vergeudet, wodurch er sich nachträglich eine Processklage seitens des Sohnes Bes verstorbenen Sandjaks zuzog.

Siber's Hofhaltung. 379

Unterdessen fand ich bei Siber gastfreie Aufnahme und hatte für meine Person keinen Grund zur Klage während des Aufenthalts in seiner Seriba. In einem trostlosen Zu- stande fand ich den Besitzer, dessen Verwundung eine im hohen Grade lebensgefährliche zu sein schien. Das Fuss- gelenk war von einer Kugel total durchbohrt worden. Das einzige Mittel, welches zur Heilung der Wunde in Anwen- dung kam, waren Einspritzungen mit reinem Olivenöle. Nach Verlauf vieler Wochen ist, wie ich später erfuhr, in der That die völlige W^iederherstellung gelungen. Siber (sein voller Name war „Siber-Rächama-Gjimme-AbI") hatte sich mit einer Art fürstlichen Hofhalts umgeben. Seine Privatwohnung be- stand aus einer Gruppe wohlgebauter, grosser viereckiger Hütten, welche, von hohen Zäunen umgeben, verschiedene abgesonderte Hofräume in sich schloss, wo eine Wache von Bewaffneten Tag und Nacht postirt zu sein pflegte. Reich- gekleidete Sklaven meldeten die Besucher an, und eigene Räumlichkeiten mit von Teppichen bedeckten Divanen an den Wänden waren daselbst als Wartezimmer hergerichtet. Den Gästen wurde KaflFee, Tschibuk und Scherbet servirt. Gefangene Löwen, an schweren Ketten befestigt, erhöhten den fürstlichen Pomp dieser Hofräume. Hinter einem grossen Vorhange stand in der innersten Hütte das Krankenlager des Siber, um welches sich beständig eine Anzahl dienst- barer Geister zu schaffen machte. Ein ganzer Haufen von Fakis sass, durch den Vorhang vom Kranken getrennt, an der Wand des Gemachs auf dem Divan; sie murmelten be- ständig Gebete. So leidend auch der Zustand des Kranken war, so kamen und gingen dennoch ununterbrochen die Leute, welche den Schech Siber, wie er sich nennen Hess, zu spre- chen wünschten. Ich besuchte häufig Siber und sass alsdann neben seinem Bette, jedesmal auf einem Stuhl, dessen Vor- handensein mich in nicht geringes Erstaunen setzte. Siber beklagte seinen hülf losen Zustand und bedauerte, dass er nicht selbst für meine Bedürfnisse sorgen könne, wäre er

380 Eianndzwanzigstes Kapitel.

gesund, so äusserte er sich, dann würde es ihm ein Ver- gnügen bereiten, mich persönlich durch sein Land zu fdhreD. Zum Glück verlangte er von mir keine ärztliche Hülfe und ich beruhigte ihn durch meine Zustimmung zu der einge- schlagenen, im schlimmsten Falle nicht schädlichen Hdl- methode. Aus den Magazinen Siber's erhielt ich gegen eine Anweisung auf Chartum einen Centner Kupfer, das mir als haare Münze diente, um von den hausirenden Sklavenhändlern verschiedene Kleinigkeiten zu erstehen, und ausserdem einen grossen Vorrath an Patronenpapier, um damit Pflanzenproben zu sammeln, auch Seife und Kafiee. Den grössten Dienst aber leistete mir Siber, indem er mich mit Schuhwerk europäischer Art versah, sodass ich mit frischem Muthe meine Wanderungen fortzusetzen ver- mochte. Man muss sich in meine Lage versetzen, um be- greifen zu können, welche Freude ich über den Wiederbesitz selbst der unscheinbarsten und gewöhnlichsten Dinge em- pfand. Auch Pfeifenköpfe, Kämme und Zündhölzchen nannte ich wieder mein. Bisher hatte ich mich, da ich unterwegs gern Taback rauchte, mit einem Feuerbrande beholfen, der mir während des Marsches beständig nachgetragen werden musst^

Kaum war ich in den mir zur Unterkunft angewiesenen Hütten installirt, als sich auch schon Besuche der verschie- densten Art bei mir einstellten, welche theils Neugierde und Langeweile, theils Gewinnsucht oder die blosse Freude an Intriguen über meine Schwelle führte. Hier begrüsste mieh der grosse Selim, Ali-Abu-Amuri's Oberverwalter, um sich zu erkundigen, wie ich mit der mir in seiner Seriba zntheO gewordenen Aufnahme zufrieden gewesen; ferner lernte ich einige der grössern Sklavenhändler kennen, welche hier von alters her ansässig waren und nun vor Begierde brannten, hinter die eigentlichen Intentionen meiner Reise zu gelangen. Die interessanteste Pereönlichkeit, welche mich besuchte, wir iudess ein gewisser Ibrahim-Effendi, welcher im Lager der

Der Schwindler Ibrahim-Eflfendi. 381

Aegypter das Amt eines obersten Schreibers und Rechnungs- führers bekleidete. Seine Lebensgeschichte war eine fort- laufende Criminalgeschichte, denn er hatte sich wiederholt die unglaublichsten Betrügereien und Schwindeleien zu Schul- den kommen lassen. Ursprünglich ein Subalternbearater in einer der ägyptischen Ministerien, hatte er unter Said-Pascha's Regierung das vicekönigliche Siegel gefälscht, um eine Ordre zu fingiren, welche ihn zum Chef eines neuzuformirendcn Regiments in Oberägypten ernannte und der Localregierung alle Ausgaben behufs Aushebung und Equipirung der Trup- pen anbefahl. Diese Ordre hatte er die Frechheit, persönlich dem Gouverneur der Provinz zu präsentiren und sich in der oberägyptischen Stadt als Regimentsobrist zu geriren. Nur wer die Unordnung und Willkür kennt, welche in allen Zweigen der Verwaltung Aegyptens unter Said-Pascha herrschte, wird das Beispiellose dieses Betrugs für möglich halten können; es sind aber Thatsachen, von denen ich spreche. Zwei Monate nach der vollzogenen Neubildung des Regiments traf es sich zufällig, dass der Vicekönig eine Nilfahrt stromaufwärts machte, und als er am Ufer so vieler Soldaten ansichtig wurde, erkundigte er sich nach der Nummer ihres Regiments und dem Zweck ihres Hierseins. Wer beschreibt die Ueber- raschung Said-Pascha's, als er von einem Regimente hörte, dessen Existenz ihm bisher unbekannt geblieben? Der herbei- geholte Ibrahim warf sich dem Fürsten alsbald zu Füssen und flehte, seine Schuld bekennend, um Gnade. Der,gut- müthige Said, dessen Gewohnheit es war, sich nie zu ärgern, Hess es mit der Verbannung nach Chartum und einigen Jahren ' Gef ängniss bewenden. Kaum aber hatte unser Held Ibrahim die Freiheit wieder, so begann er auch schon in seiner neuen Eigenschaft als Schreiber in einer sudanischen Winkelbehörde die Betrügereien und Unterschleife von neuem, ging mit Kasse und Geldern durch, wurde erwischt und nun nach Faschoda am Weissen Nil gebracht, als dem sichersten Platze des Gewahrsams für gefährliche Leute seiner Art. Nachdem

382 Einundzwanzigstes Kapitel.

er hier aufs neue einige Jahre verbüsst, gelang es ihm, das Mitleid des vorüberziehenden Kurschuk-Ali zu erwecken, dieser attachirte ihn als Oberschreiber seiner Truppenabthei- lung und nahm ihn mit sich zum Gazellenliuss. Der welt- erfahrene Ibrahim Effendi war ein unterhaltender und witzi- ger Mann, und gewann durch diese Eigenschaften leicht aller Hex'zen. Hier im Lager eröfifnete sich ihm nun zur Uebung seiner Fähigkeiten ein erwünschtes Feld der Intrigue, und in der That hatte er bei der Afifaire Helläli eine Haupt- rolle gespielt, indem er den Frieden zwischen Siber und den türkischen Soldaten vermittelte, dem ihm verhassten Hellali aber zu Scheba und Fesseln verhalf. Er wollte selbst nie- der Truppen commandiren, und es schien mir, als ob er wk- lich auf dem besten Wege wäre, seine alten Armeeorgani- sationsgclüste von neuem zu befriedigen.

Eine älteste Domäne des Sklavenhandels führen die menschenleeren Wildnisse im Westen des Pango, als Dar- Fertlt*) im engern Sinne den Furianern und Kordofanern längst bekannt, hinsichtlich ihrer autochthonen Bevölkeruug heutzutage dem Reisenden nur noch ein sozusagen „aus- verkauftes Land" vor die Augen.

Lange vor Ankunft der ersten chartumer Handels- compagnien, welche vor 15 Jahren vom Gazellenflusse aus vorzudringen begannen, hatten sich zahlreiche Sklavenhändler dauernd in Dar-Fertit niedergelassen. Wie noch heute, fci- men sie alljährlich um die Winterszeit in grossen Züge« Hunderter von Bewaffneten aus Kordofan und Darfur herbei- geeilt, um nach beendetem Geschäft ihre Heimat noch vor

*) Fertit ist die Benennung, mit welcher die Furianer und Bagfgärt die vei*schiedenen Krcdjstämme als Volk im Gegensatze zu den Kiam- niam bezeichnen. Eigentlich wird das Wort für alle Heidenvölker im Süden Darfurs gebraucht. Im Sudan wird auch der Guineawnnn, vielleicht weil er, vorzugsweise die heidnischen Neger heimsucht, Fertit genannt.

Dar-Fertlt und seine Dem. 383

Eintritt der Regenzeit wieder zu erreichen. Andere blieben ganz im Lande und gründeten unter dem Schutze der ein- tlussreichern Häuptlinge ausgedehnte Niederlassungen (Dem), die ihnen als Stapelplätze der schwarzen Waare dienten. Als nun die elfenbeinsuchenden Chartumer mit -grossen Scha- ren von Bewaffneten im Lande erschienen, wurden sie in den Dem der Gellaba mit offenen Armen empfangen. So- fort gründeten sie daselbst ihre Seriben als feste Waffen- und Stapelplätze des Elfenbeinhandels. Die Gellaba, welche sich nun sowol der lästigen Abgaben an die eingeborenen Kredjhäuptlinge denn diese sanken unter dem Regimentc der mächtigern Nubier gar bald zur untergeordneten Stellung gewöhnlicher Localchefs der Eingeborenen, sogenannter Schechs oder Ortsvorsteher herab , als auch der zum Unterhalte zahl- reicher Bewaffneten erforderlichen Ausgaben enthoben sahen, blieben dabei in ihren frühern Sitzen, sodass diese Plätze mit der Zeit den Umfang und das Aussehen sudanischer Marktstädto gewinnen mussten. Auf meiner Rundtour durch Dar-Fertit lernte ich aus eigener Anschauung fünf dieser Städte ken- nen, welche zugleich die Ceutralplätze für den gesammten Sklavenhandel dieser Länder ausmachten. Obgleich nun die einzelnen chartumer Compagnien, welche in den Dem Posto gefasst hatten, sehr weit ausgedehnte Streifzüge nach Westen hin bis zu den äussersten Kredjstämmen und nach Süd- westen über dieselben hinaus zu den westlichen Niamniam zu unternehmen begannen, so stand doch nur zu bald ihr jährlicher Elfenbeinertrag in keinem Verhältniss mehr zu den grossen Unkosten, welche die Ausrüstung und der Unter- halt ihrer bewaffneten Banden verursachten. Da in dieser Gegend alle Bedingungen zu einem bequemen Absatz der Sklaven dargeboten waren, so trat nun auch bei den Unter- nehmungen der Chartumer der Sklavenhandel immer mehr in den Vordergrund, und die Leute, über deren Kommen sich die Gellaba von Profession so sehr gefreut, wurden bald ihre schlimmsten Concurrenten.

384 Einundzwanzigstes Kapitel.

Siber Rächama, welcher seinen ausgedehnten Territorial- besitz auf eine Streitkraft von 1000 Feuerwaffen stützte, hatte im Jahre vorher keinen grössern Erlös an Elfenbein gehabt, als den von 300 Lasten, eine Masse, die gegen 120 Centner beträgt und in Chartum kaum einen Werth von 15000 preussischen Thalern repräsentirt. Wohl aber hatte er in demselben Jahre 1800 Sklaven direct durch die Steppen nach Kordofan befördert.

Die ethnographischen Verhältnisse Dar-Fertits boten mir ein Bild grösster Verwirrung, nirgends wol war mir auf so beschränktem Räume, wie ihn die kleinen Culturstrecken im Umkreise der Dem aufzuweisen hatten, eine derartige An- häufung zusammengewürfelter Rassen vorgekommen. Die Grenznachbarn der Bongo sind, wie wir bereits kennen ge- lernt, im Westen die Golo und Ssehre, welche stellenweise in untereinander gemischten Gruppen ihre gemeinsamen Wohnplätze haben. Durch die Golo und Ssehre von den Bongo getrennt leben die Kredj, welche in eine grosse An- zahl verschiedener Stämme zerfallen, deren Verbreitung durchaus nicht an bestimmte Landstriche gebunden zu sein scheint, sie finden sich, wie die Individuen einer Grasart, gruppenweise unter viele andere Arten im Lande weit zer- streut. Diejenigen, welche noch am meisten in gesonderten Districten vorherrschen, sind die Nduggo, welche ich bei Siber's Dem, die Beia, die ich bei Dem Gudju, und die Jongbongbo, die ich auf der Strecke zwischen diesen beiden Städten kennen zu lernen Gelegenheit fand.

Mit den östlichem Völkern des Bachr-el-Ghasal-Gebiets verglichen sind die Kredj das hässlichste Volk, welches ich gesehen; auch ihre Intelligenz, sei es infolge der langem Knechtung durch die Fremden, sei es bedingt durch den Druck karger Existenzbedingungen, schien eine weit unter- geordnetere zu sein, als die der Golo, Ssehre, Bongo u. s. w.

Der Körperbau der Kredj ist auffallend plump, schwer- fällig und entbehrt gänzlich jenes Ebenmasses der Glieder,

Charakteristik der Kredj. 385

welches uns bei Betrachtung selbst der magersten und schlan- kesten Rassen, beispielsweise der Bewohner der Sunipf- niederungen ara Gazellenstrome, mit Bewunderung erfüllt; die Glieder erscheinen hier vielmehr von eigenthümlich ge- drungener Stärke, ohne indess an das europäische Relief im entferntesten zu erinnern. Die Körpergrösse bleibt durch- weg hinter dem mittlem Masse zurück, wie es die echten Niamniam darbieten, an welche auch die sehr breite, fast brachycephale Schädelbildung der Kredj erinnert. Die letz- tern sind indess durch beschränkten Haarwuchs von ihnen auffälligst unterschieden, auch ist die Gestaltung der Augen bei ihnen eine ganz andere als bei den Niamniam. Bei keinem der im bereisten Gebiete kennen gelernten Neger- Stämme waren die Lippen so dick aufgeworfen und der Mund- spalt von solcher Breite, wie es die Kredj zu erkennen gaben. Die obern Schneidezähne werden entweder spitz ge- feilt oder nur in der Lücke zwischen den einzelnen Zähnen ausgefeilt, die untern Zähne bleiben stets intact, dank dessen die Sprache eine deutlichere wird. Diese verräth keinerlei Anklänge an die Mundart anderer Völker dieses Theiles von Afrika.

Die Körperfarbe der Kredj ist das Kupferroth heller Bongo, aber durch Schmuz, wie bei vielen Niamniam, meist um wenigstens drei Töne dunkler als im natürlichen Zustande. Der Mehrzahl nach erscheinen die Kredj lichter gefärbt als Bongo und Niamniam.

Die nördlichen Nachbarn der Kredj sind die Baggära- el-Homr. Drei und eine halbe Tagereise in Nordwest von Dem Kduggo stösst man auf die Manga, einen von den Kredj angeblich vei-schiedenen Negerstamm. Gen Westen findet das Kredjgebiet seine Grenzen erst fünf bis sechs Tage- reisen von Dem Gudju entfernt, wo am obern Bachr-el-Arab die Benda, deren Land als Dar-Benda den Furianern schon lange als das Ziel ihrer weitausgedehnten Sklavenrazzien bekannt war, ferner die Abu-Dingä sesshaft sind, welche

SoHinmiFxrBTB. II. 25

386 Einundzwanzigstes Kapitel.

weder mit den Kredj noch mit den Niamniam die geringste Verwandtschaft bekunden sollen. Die wichtigsten Kredj- Stämme der Westgrenze heissen Adja, Beia und Mcre. In der Richtung nach Südwest stösst das Kredjland unmittelbar an die das Gebiet des mächtigen Niamniamkönigs Motiö be- grenzenden Wildnisse. Im Süden endlich haben wir Golo und Ssehre untereinander gemischt, mit überwiegender Zahl der letztgenannten.

Bevor ich mich über die Verhältnisse der von Dem Nduggo ihren Ausgangspunkt nehmenden Karavanenstrassen genauer zu unterrichten vermocht, hatte ich die Hoffnung gehegt, auf dem Ueberlandwege nach Kordofan die Rück- reise bewerkstelligen zu können. Diesem Vorhaben aber stellten sich so mannichfaltige Hindemisse entgegen, dass ich der sichern Fahrstrasse auf dem Nil vor den gefahr- vollen Eventualitäten einer monatelangen Wanderung durch die Steppen der Baggära den Vorzug zu geben mich ge- nöthigt sah, so vielversprechend auch für die Erdkunde eine derartige Route durch völlig unbekannte Länder erscheinen musste. Ganz abgesehen von den kriegerischen Zwischen- fällen, dem Hunger und den Strapazen, welche eine solde Tour in Aussicht stellte, abgesehen auch von der Schwierig- keit in der Beschaffung hinreichender Transport- und Lebens- mittel zu meinem Bedarf, widerstrebte auch der grosse Zeit- aufwand meinen Absichten, mit welchem die Karavanen der Sklavenhändler ihren Rückzug nach Norden zu effectuiren pflegten. Sie blieben unterwegs an mehrern Plätzen wochoi-, oft monatelang liegen, je nachdem es ihre Interessen und Zwecke erforderten.

Inzvrischen bot sich mir übrigens eine erwünschte Ge- legenheit dar, die längstvorbereiteten Briefschaften nadi Chartum abgehen zu . lassen. Der türkische Befehlshaber hatte mit einer Karavane seine eigenen Berichte einzasendeD, und da wurden die meinigen mit eingeschlossen. Um der Gefahr vorzubeugen, welche aus einem eventuellen Ueberfidk

Route von Dem Nduggo nach Kordofan. 387

ler Karavanc durch die Krieger des Sultans Hussein für las Felleisen des Boten erwachsen konnte, hatte Achmed Vga einen gewöhnlichen arabischen Reisekasten mit dop- jeltcm Boden herstellen lassen, um die Briefschaften in dem- ielben zu verstecken. Ein zuverlässiger Faki spielte die Solle des Boten, und es gelang ihm in der That, unange- bchten die Grenzen des ägyptischen Reichs zu gewinnen.

Von Dem Nduggo bis Abu-Harras an der Südwest- jrenze von Kordofan rechnet man 30 Tagemärsche, die ein- seinen im Durchschnitt von siebenstündiger Dauer. Diese Vngabe, welche ich aus den übereinstimmenden Aussagen ieler Gewährsmänner schöpfe, die ich zu verschiedener Zeit ind an verschiedenen Orten ausgefragt habe, stimmt in be- riedigender Weise mit der Distanz überein, welche die hei- len genannten Plätze auf der Karte darthun und die nach ler von mir für Dem Nduggo erzielten Lage zwischen 375 tnd 380 Meilen betragen muss. Der Weg führt in Nord- lOrdost zunächst zu Siber's nördlichster Seriba Serräggo, reiche man in drei Tagemärschen erreicht, alsdann hat man lOch eine Tagereise bis Delgauna. Dieser Platz bildet ein eliebtes Depot der Sklavenhändler und befindet sich an em gleichnamigen isolirten Berge, von welchem aus man lie Steppen nach Norden zu weit überschauen soll. Nahe lei Gebel Delgauna vorüber strömt der Biri, der sich weiter Q Nordosten mit dem Bachr-el-Arab vereinigt. Von Del- ;auna bis zur Uebergangsstelle über diesen Fluss rechnet aan noch weitere drei Märsche, indem man das Gebiet der Jaggara-el-Homr durchzieht. Den Händlern aus Kordofan md Chartum ist der Fluss, da die genannten Beduinen vulgo „Arab" genannt nach der Sprechweise des Sudan) eine Ufer bewohnen , unter dem Namen Bachr-el-Homr oder Jachr-el-Arab bekannt; zwei gesonderte Flüsse dieses Na- aens gibt es nicht, und der von manchen Karten begangene Dehler ist lediglich auf diese Ursache zurückzuführen, in- tern die Angaben der Reisenden sich nach Belieben bald

25*

388 Einundzwanzigsies Kapitel.

des einen, bald des andern Namens eines und desselben Flusses zu bedienen pflegten. Vom Bacbr-el-Arab rechnet man noch weitere drei Tageniärsche bis zu dem Hauptsammelplatze der Route im Gebiete der Baggära-lUsegät, welcher den Namen Schekka führt. Je nachdem man stärkere oder ge- ringere Märsche zurücklegt, erfordert also die Strecke tod Dem Nduggo bis Schekka entweder zehn oder zwölf Tage- reisen.

Schekka stimmt nach der aus obigen Angaben abza- leitenden Lage mit einem Platze überein, welchen die von Escayrac de Lauture über diese Gegenden eingezogeDen werthvollen Erkundigungen mit dem Namen Ssuk l>eleha (d. h. der Markt bei den Delebpalmen) bezeichnen. Schekka scheint in der That ein grosser Markt- und Sammelplats der durchziehenden Händler so^yol, als auch der Baggara- beduinen zu sein, von denen ein grosser Theil daselbst seine bleibenden Wohnsitze hat. Hier befindet sich auch die Re- sidenz des Schechs der Risegät, welcher den Namen Monsel führt, und die grössern kordofaner Sklavenhändler habai hier ihre Stapclplätze an schwarzer Waare, um dieselbe weit ausserhalb des Bereichs der ägyptischen Herrschaft und ihrer pro Kopf der eingeführten Sklaven willkürliche Abgaben und Schweigegelder erhebenden Beamten, je nach Erforder- niss die zweckdienlichste Direction zum Eintritt in die Pro- vinzen des Sudans ertheilen zu können.

Von Schekka bis Abu-Harras erfordert der Weg bei gutem Marsche 15, bei schlechtem 18 Tagereisen. Auf die- ser Strecke ist, und das wurde mir aufs ausdrücklichste Ton allen Reisenden wiederholt, kein grösseres Gewässer mehr zu überschreiten, und selbst zur vollen Regenzeit setzen da- selbst weder Bäche noch grosse Sümpfe dem Wanderer dauernde Hindernisse in den Weg. . Ueber den Bachr-el-Arab aber vermögen die Karavanen auch mitten im Winter inuner nie anders als schwimmend oder mit Hülfe von Grasflössen hinüberzugelangen.

IIofrät-el-Nahäs8. 389

Die zur Zeit meines Aufenthalts gesperrte Karavaneh- rasse nach Darfur bewegt sich von Dem Nduggo vorherr- hend in nordwestlicher Richtung und in Nordnordwest, achdem man gleich hinter Siber's Hauptseriba den Birifluss »erschritten, ist man nach drei- oder vierstündigem Marsche

der Filialseriba Deleb. In Nordwest von Deleb gelangt an nach einem Tagemarsche zu einer zweiten kleinen Se- rn Siber's, deren Verwalter Soliman heisst, und weiter in r angegebenen Richtung führen zwei Tagereisen zu der riba am Gebel Mangajrit, so benannt nach den Eingebore- D jener Gegend. Die Kupfergruben (Hofrät-el-Nahäss)*),

der äussersten Südgrenze von Darfur gelegen, sind an- blich sechs Tagereisen von der Seriba im District der iDga entfernt. Die Form, in welcher das Kupfer von den >frät in den Handel kommt, besteht in geschmiedeten kau- en und sehr plumpen Ringen von 5 bis zu 50 Pfund Gewicht, d in ein- oder zweipfündigen, länglich ovalen Barren oder ichen von ziemlich unreiner Gussmasse. Der Preis, welchen i für das von Siber erstandene Kupfer zu zahlen hatte, trug für 100 Rottoli (etwa 80 Pfund) 1500 Piaster oder

Mariatheresienthalef.

Durch Siber's Vermittelung gelangte ich in den Besitz ler Probe von 5 Pfund des kupferhaltigen Minerals dieser

Sudan weit bekannten Gruben. Siber besass nämlich le an der Grenze von Darfur gelegene Seriba, welche in jlichem Verkehr mit diesem wichtigen Platze stand. Die

*) lieber die geo<^raphisclie Lage dieecB viclgenanDti;n Platzes Tscht «grosse Unklarheit. Die Angaben darüber gehen zu weit »einander, um sie auch nur mit annähernder Genauigkeit zu präci- en. Nach Brown befragt die Kntiernung der llofrät von Kobbeh, p Hauptstadt Darfurs, 23 '/j Tagereisen, nach Barth dagegen soll der t in 8 starken Tagereisen von Tendelti (1 Tagereise von Kobbeh) 9 erreicht werden können. Ich vermuthe, dass die Lage des Ortes le mehr westliche ist, als ich sie auf der beigegebenen Karte an- aomnieu habe. Jedenfalls bleibt der Ort westlich von der Route ch Darfur liegen.

390 Einundz wanzigstes Kapitel. .

ertialtenen Stücke, von denen ich die Hälfte gelegentlich einer Audienz beim Chedive von Aegypten seiner Ilolieit einhändigte, die andere Hälfte aber dem mineralogiscbcü Museum zu Berlin übergab, bestanden aus Kies- und Quarzstücken mit einem erdigen, keineswegs sehr kupfer- reichen Malachitbeschlag (vulgo Kupfergrün genannt). Von einem regelrechten Bergbau scheint in den „Hofrät-el- Nahäss" (zu deutsch: Kupfergruben) keine Rede zu sein, uud nach der Aussage des Mannes, der mir die sorgfältig in seine Kleider eingewickelten Stücke überbrachte, wurde das Material in einem Chor gesammelt, wo es als Geröll offen im trockenen Bette zu Tage lag. Es lässt sich vorausseheD, dass durch Anlegung richtiger Stollen oder wenigstens durch ausgehauene Steinbrüche ein reicher Gewinn mit geringer Mühe zu erzielen wäre, denn seit einer langen Reihe von Jahren ist die Kupferproduction dieser Gruben, welche viel- leicht noch gar nicht einmal das anstehende Gestein er£isst haben mag, auch so, wie die Sachen bisjetzt gestanden, immerhin eine sehr beträchtliche geblieben. Das Furianer- kupfer spielt noch heute eine grosse Rolle im Handel des gesammten Sudan, Heber Wadai wird es bis nach Kano in Haussa verführt, wo es Barth's Angaben zufolge selbst gegen das aus Tripolis importirte den Markt behaupten soll.

ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Grosse Cycadceu als Unterholz. Eigenthümlichc Mühle der Kredj. Verirrung im Walde. Ucberschreiiung des Biri. Ungastlicher Empfang bei Mangür. Menge der zu kreuzenden Bäche. Die grosse Stadt des Sklavenhandels. Der höchste und westlichste Punkt meineis Routen. Galerienwaldung bei Dem Gudju. Mein skorbutartiges Leiden. Sonder- bare Traumbilder und ihre Verwirklichung. Jumma^s Liebenswürdig- keiten. Reste ehemaliger Gebirgszüge. Der Oberlauf des Pango. Ein- gezogene Nachrichten über den fernen Westen. Der grosse Fluss von Dar-Abu-Dingä. Fühlung mit dem Gebiete der Barth'schen Erkan- diguDgen. Primogenitur des 13achr-cl-Arab. Erster Umschlag der Witterung. Elefantenjäger aus Darfur. Das Volk der Ssehre. Jagd- reichthum der Gegend bei Dem Adlan. Culturpllauzen der Ssehre. Die zauberkr&ftige Knolle „Karra". Wassermangel auf dem Rückzuge nach Osten. Obdachlose Regennacht. Unverwüstliche Lustigkeit der Ssehre. Starke Senkung des Landes nach Osten zu. Atjumm, ein Gebirge en miuiature. Wanderratten. Der Riesenbaum in Muhdi und die That eines bösen Blicks. Jagd auf Zebra-Ichneumonen und Rohrratten.

Rückkehr zu Chalil.

Zwei Jahre schwanden, immer wandern

Noch die Zigeuner friedlich fort

Von einer Kteppo zu der andern

Und finden gastlich jeden Ort;

Der joden Bildungszwang verachtet,

Aloko ist so frei wie sie.

Nicht die Familie, wie sie waren,

Nichts weiss er mehr von frQhern Jahren ,

Ganz zum Zigeuner ward er schon.

. Fubcukin: „Die Zigeuner".

Am 22. Januar hatte ich mich von Schech Siber ver- abschiedet und am Tage darauf verliess ich, begleitet von acht Trägern, die er mir gestellt, seine Seriba. Mein nächstes Ziel war die Niederlassung einer mit Kurschuk-Ali associirten

392 Zweiundzwanzigstes KapiteL

Compagnie, welche 20 Meilen von Dem Nduggo entfernt und am Biri gelegen war. Der Weg dabin führte vorherrschend in Südwest über ein bedeutend ansteigendes und von uiclit weniger als zehn Bächen und Chorbetten tief durchrissenes, überall prachtvoll bewaldetes Land. Alle diese Defiles strichen von Südost nach Nordwest, um dem nahen Birithale zuzu- streben, welches sich wenige Meilen zur Rechten unsers Pfades und parallel mit demselben hinzog.

Die erste Terrainfalte, welche unsern Weg kreuzte, führte in tiefer Depression ein trockenes Chorbett, das von dichtem Baumwuchs beschattet wurde. Die zweite bestand aus dem Bache Ujihli, welcher, von einem schmalen Dickichtstreifen mit deutlichen Anklängen an die üalerienflora des Niam- niamlandes eingeschlossen, langsam in tief eingesenktem Bette nach Westen abfloss.

In einem hochstämmigen Walde, der sich zwischen dem Ujihli und dem nächstfolgenden Bache Ujissöbba (d. h. Büffel) ausdehnte, welch letzterer aus einer Reihe von Lachen be- stand, die sich durch eine offene Sumpfsteppe als fortlaufeude Kette aneinanderreihten, überraschte mich der häufige An- blick der im Niamniamlande entdeckten Cycadee, welche hier bei mangelndem Unterholz frei und majestätisch ihre wunder- vollen Wedel entfaltete und zum ersten mal in stammbildeuder Gestalt angetroffen wurde. Die Kredj-Nduggu nennen den Encephalartus Kotto, und meine Begleiter theilten mir mit, dass sie aus dem markigen, stärkemehlreichen Centraltheil des Stammes ein bierartiges Getränk zu bereiten verstündeD. Einige Exemplare im Walde besassen 2 Fuss hohe cylindrisclie Stämme, während das Gewächs bisher nur mit kugelrunder, in den Erdboden versenkter Stammbildung von mir ange- troffen wurde. Die männlichen Blütenkolben sitzen zu acW bis zehn an einem Stamme. Im Dunkel der hochstämmigen Humboldtien erschienen die wunderbaren Gestalten ih^r starren Krone wie ein nicht hingehöriger, aus fremden Welt- theilen erborgter Schmuck. t:.^

Cycadeen. Bauwerke der Kredj. 393

Nachdem wii- noch einen rieselnden Quellbach über- Bchritten, kamen wir zu einem Dorfe des Kredjältesten Gan- jong, auf Sibtr'scliem Gebiet. Fischernctzc von 40 Fuss Länge und 8 Fu83 Breite, mit weiten Maschen und mit Scbwimm- hölzern von BorassusblattBticlen am Rande verseben, waren bei den Hütten aufgehängt und bewiesen den Fischroichthum des Biriflusses. Von derartiger Grösse hatte ich in diesen . Ländern die Netze nnr bei den dem Djur anwohnenden Stämmen wahrgenommen.

Die Bauart der Kredjhütten schien mir eine sehr ver- nacblässigte zu sein, die meisten entbehrten vollständig eines

Unterbaues und bestanden nur aus dem breitkegelförmigen Grasdacbc, welches über ein korbartiges, reifrockUbnliches Gerüst gedeckt war. In dieser Hinsicht erinnerten sie an die Hütten der Katfern. Ganjong hesass aber einige Korn- Bpeicher höchst eigentbümlicher Art. Im PriTicij» waren sie nach dem Muster der Gollotoh der Bongo errichtet, indem ein korbartiger Bau auf Pfühlen ruhte und von einem deckel- «tigen grossen Kegeldache überdeckt wurde. Unter dem Korurescrvoir war iudess noch ein Raum zwischen den Pfühlen hergerichtet, in welchem vier Sklavinnen dem Geschäft des Kommahlens obliegen konnten. Ein eigenthümlichor Ai)parat erleichterte diesen Zweck. Von cementartigem, festem Thon

394

ZweiundzwanzigBle« Kapitel.

umkleidet befand sich namlicli in der Mitte eine tiefe Grube zur Aufnalinie des auf den Murhagaa (lieibsteinen) zerriebenen Konibreics, und die vier Keibsteine mit den knienden Skla- vinnen, in Gestalt eines Kreuzes aufgestellt, Hessen die pro- ducirte Breimasse von den vier gegenüberliegenden Seiten aus in das gemeinsame Reservoir abäiessen. Bei fröhlichem, taktmüssigem Gesänge äoss so die Arbeit munter fort, und die Sklavinnen bewältigten im Laufe des Tags eine grosse Klasse des zu malilenden Korns.

An der nächstfolgenden Sumpfniederang eines mit vielen

ijnicbsr dur EndJ.

Hütten besetzten Döfiles, das jetzt trocken gel^t erschien, fanden wir die Weiber der Eingeborenen im Walde mit dem Einsammeln der Lophiranüsse beschäftigt, die sie Koeo naiui- ten und die ihnen zur Oelbereitung dienten. Der imchst- folgcnde Bach biess Ujuttuh und war eingefasst von zwei Baumreihen, alleenartig, von grabenartigor Schmalheit, aber voll Wasser. Weiterhin überschritten wir mitten im Walde einen kleinen Chor, dann einen tiefen, grossen Bach, iu>d machten schliesslich, da wir den Weg verloren hatten, einem wasservollen, 8 Fuss breiten und fliessenden- Graben, Namens Ussugu, halt. Es wurde bereits dunkel, und keine Aussicht schien vorhanden, an diesem Tage noch die Seriba

Verirruug im Walde. Der Biri. 395

ZU erreichen. Ich sandte daher die Träger auf Kundschaft in die Umgegend aus, um eine Niederlassung ausfindig zu machen, bei welcher wir die Nacht hätten zubringen können, denn hier im dichten Walde, umgeben von riesigen, aus der letzten Regenzeit noch erübrigtem Graswuchse, konnten wir unmöglich bivuakiren. Im Charif müssen diese Walddickichte fast undurchdringlich sein.

Zur rechten Zeit noch wurde ein zu Kurschuk-Ali's Gebiet gehöriges Dorf gefunden, und nachdem wir einen kleinen Umweg nach Südost beschrieben, fanden wir eine ausreichend bequeme Unterkunft für die Nacht. Am andern Morgen stiegen wir zum nahen Flusse hinunter, oft bergauf, bergab über ein hügeliges und vielfach von Erdrissen zer- klüftetes Terrain schreitend. Der Biri hat in dieser Gegend noch keine beträchtliche Grösse erreicht und zeigt einen nach Westen gerichteten Lauf, indem er viele kurze Bogen und Windungen beschreibt, weiterhin aber lenkt er in die nordöstliche Richtung ein. Gegenwärtig strömte der Fluss, zu zwei Dritteln seiner Breite gefüllt, mit 1 2 Fuss tiefem Wasser 100 Fuss (30 Meter) in der Minute. Der Abstand der 7 8 Fuss hohen Uferwände, welche beiderseits hart an den Wald anstiessen und stellenweise sogar weit von dem ausgedehnten Astwerk der Bäume überhangen wurden, mass 55 60 Fuss (17,5 Meter). An einer vollkommen in tiefes Waldesdunkel gehüllten Stelle, wo das Wasser ein tiefes Bassin gebildet hatte, nahm ich ein sehr kühles, mehr als erfrischendes Bad, ich musste laufen, um bei einer Temperatur von +16° C. bald wieder warm zu werden. Eine Meile südlich vom Flusse dehnten sich die nur von Mattenzäunen umfriedigten Gehöfte der Niederlassung aus, bewohnt von vielen ansässigen Gellabas und einigen schwarzen Soldaten der Compagnie, dahinter rieselte in eine» sehr tiefen De- pression der Bach Rende gen Nordwesten. Die Thalsenkung fällt auf der südlichen, der Niederlassung entgegengesetzten Seit« sehr tief ab, und zu beträchtlichem, gleichsam wall-

396 Zweiundzwanzigstes KapiteL

artig vorgeschobeucn Höhen scheint das Land in südwest- licher und westlicher Richtung von hier anzusteigen.

Der Verwalter des Platzes, der sich Mangur nannte, wollte, weil selbst krank und verdriesslich, nichts zu meiner gastlichen Aufnahme thun, und Hess mich und meine Leute mit ziemlich leerem Magen und ohne Speisevorrath am andern Tage weiter ziehen. Von dem eingeborenen Ortsvor- steher Gassi-Gombo, welcher dem im Umkreise der Nieder- lassungen sesshaften Kredjstamme der Jongbongbo vorgesetzt war, Hessen sich in diesem ausgesogenen Lande gleichfalls weder Hühner noch Ziegen auftreiben. Ein Aegypter, welcher den kranken V^erwalter vertrat, trug an dieser schlechtesten Aufnahme, die mir irgendwo in den Niederlassungen der Chartumer zutheil geworden, die Hauptschuld. Zwischen Nubieru und Aegyptern gab es überall Reibereien, sie hassten sich gegenseitig. Die Nubier nennen die echten Aegypter im Gegensätze zu den andern Bewohnern der Nilländer „Uollad- er-Rif", eine Bezeichnung, die aber eben auch nur „Nil- bewohner" ausdrücken will. Rif heisst nämlich bei ihnen der Nil, soweit er Aegypten durchströmt. Die eisige Ruhe meiner empörten Diener und der verbissene Groll des, wer weiss durch welchen Formfehler seitens der erstem, verletzten Aegypters machten mir trotz meiner traurigen Lage viel Spass. Am folgenden Morgen fühlte ich mich sehr unwohl und so schwach, dass ich nicht wusste, wie ich die weite Wanderung, die mir noch bis zum nächsten Dem bevorstand, aushalten würde. In solcher Lage musste ich die gänzUche P^inbusse meines Theevorraths doppelt schmerzlich empfinden, denn der Kaffee, obgleich ich ihn in grossen Quantitäten gcnoss, übte auf mich keine erregende Wirkung aus und vermochte nur wenig über mein Nervensystem. Ich musste ein äusserst conccntrirtes Decoct zu mir nehmen, um der zur Fortsetzung des Marsches erforderlichen Spannkraft; und Phiergie einiger massen unter die Arme zu helfen.

Ich wandte mich nun südwärts nach dem 22 Meilen

Der ungastliche Mangur. Dem Gudju. 397

entfernten Dem Gudju, eine der Hauptniederlassungen der angesiedelten Sklavenhändler. Wiederum waren zehn Bäche und zum Theil ausgetrocknete Chors zu überschreiten, welche, ausnahmslos von West nach Ost gerichtet, dem Biri zu- strömten, der von nun an, im Osten unserer Route und zu unserer Linken bleibend, eine Meridionalrichtung zu ver- folgen schien. Die Seehöhe, welche auf dem zurückgelegten Marsche von Dem Nduggu zum Biri so ziemlich dieselbe geblieben war, nahm jetzt bedeutend zu. Die Gegend war mit minder dichten Waldungen bestanden, hier herrschte mehr der lichte Buschwald vor, den breite Steppenniederungen mit verkümmerten Wasserzügen beständig unterbrachen. Letztere, wie sie von Norden nach Süden aufeinanderfolgten, führten folgende Namen: Rende, mit starkem Abfluss, Bulu, in einer tiefen Thalsenkung zwischen rothen Felsen fliesserfd, Sembeh, ein kleiner Wiesenbach, Kungbai, fliessender Graben in oflFener Steppe, Ramadda, ein nur schwachen Abfluss zeigender Sumpfchor, an dessen Ufer viele Brunnenlöcher angelegt waren; alsdann stieg man zu einer Höhe an (Blöcke von Hornblendeschiefer zeigten sich am Wege als eine seltene Ausnahme von der überall vorherrschenden Monotonie der petrographischen Verhältnisse), absteigend kam man zu Biduleh, einem schnellströmenden Bache, dessen Ufer durch Raphia-Palmengestrüpp gekennzeichnet waren, Gatuih, gleich- falls ein schnellfliessendes Wasser mit von Raphia bewachsenen Ufern, Gäbe, ein kleiner, über rothe Granitplatten rieselnder Bach, Kaddiloh, ein von dichtem Gebüsch galerienartig um- schlossener, bis 15 Fuss breiter Bach mit knietiefem, stark- Btrömendem W^asser (hier wurde genächtigt), zuletzt folgte der Grosse genannte Nebenttuss des Biri, welcher hier un- gefähr dasselbe Aussehen zeigte, wie der Hauptfluss bei dem ungastlichen Dem. Der Grosse strömte (25. Januar 1871) 30 35 Fuss (10 Meter) breit über Blöcke und Platten von Gneis und zwischen sehr hohen Ufern, welche einen tiefen Absteig zum Wasser eröffneten. Die Thalgehänge entblössten

398 Zwciundzwanzigstes Kapitel.

unter dem dichten Laube des Buschwaldes an vielen Stellen den rothen Raseneisensteinfels, während in der Tiefe die Gneisplatten zu Tage traten. Vom Gresse hatten wir noch 8 Meilen auf meist ansteigendem Pfade zu marschiren, bis Dem Gudju erreicht war.

Eine der ältesten Etappen des Sklavenhandels von Dar- Fertit, und an Hüttenzahl ebenbürtig dem Dem Nduggu des Siber, enthält diese Stadt zugleich eine Seriba der Compagnie Agäd, die einer Abtheilung chartumer Soldaten zum Quartier dient, welche alljährlich weit nach Westen in das Gebiet des Niamniamkönigs Mofiö hinein vorzudringen pflegt. Gudju selbst, ehemals ein hervorragender, die Sklavenhändler pa- tronisirender Kredjhäuptling, hat jetzt als simpler Schecli der Agäd^schen Besitzungen seinen Sitz Östlich von hier am Bhrifiusse. Dem Gudju bildet den westlichsten und zugleich (abgesehen von meiner Besteigung des Bergs Baginse) höchsten Punkt aller meiner Routen im tiefern Binnenlande von Cen- tralafrika. Die Seehöhe von Dem Gudju (2608 pariser Fuss = 846 Meter) überragt die von Dem Nduggu um nahezu 460 Fuss. Aus verschiedenen Andeutungen in der Terrain- beschaffenheit glaube ich den Schluss ziehen zu müssen, dass diese Höhenzunahme sich im Westen von Dem Gudju noch stärker ausprägen mag, und dass vielleicht in jener Gegend irgendeine bedeutende Wasserscheide zu suchen sei.

Der Vegetationscharakter erinnerte in mehr als einer Hinsicht an die Flora des Niamniamlandes. Dem Gudju dehnt sich am Nordabhange einer Thalsenkung aus, Hütten und Gehöfte, amphitheatralisch übereinandergereiht, bedecken denselben in imposanter Lage. Die Hüttenzahl des Ortes mag weit über 2000 betragen. Hart bei den untersten Häu- sern entsteht aus einer Quelle plötzlich ein ansehnlicher Bach, Kobbokoio genannt, den riesige Bäume mit Busch- dickichten untermischt beschatten, indem sie eine jener eigen- thümlichen Waldgalerien darstellen, welche allen Gewässern des südlichen Niamniamgebiets einen so fremdartigen Rah-

Galerienwaldungen. Skorbutartiges Leiden. o99

men ertheilen. In der weitern Umgebung dieses Dems wiederholen sich derartige Anklänge an jene Flora, indem sie die hauptsächlichste Eigenthümlichkeit des Niamniam- landes, den Dualismus des Vegetationscharakters ein und derselben Landschaft, stellenweise vergegenwärtigen. An den höher gelegenen, trockenem Hügelabfällen fand ich die Al- bizzia anthelmintica sehr verbreitet, deren Rinde das wirk- samste Mittel gegen den Bandwurm ist, welches die Abyssi- nier kennen.

Obgleich ich mich einer gastfreien Aufnahme in der Agad'schen Seriba zu erfreuen hatte und daselbst gute Be- wirthung fand, so war mein Zustand doch ein so kläglicher, dass ich ebenso gut irgendwo im Walde hätte liegen bleiben können. Ein längst andeutungsweise vorbereitetes skorbuti- sches Leiden, wahrscheinlich infolge der seit vielen Monaten entbehrten vegetabilischen Kost, kam hier zum vollen Aus- bruch; das Zahnfleisch war wund und die ganze Mundhöhle dermassen entzündet, dass ich ausser Wasser nicht das Ge- ringste zu mir nehmen konnte, ohne die empfindlichsten Schmerzen überwinden zu müssen. Die geringe Anzahl der im Lande vorhandenen Lebensmittel musste natürlich meinen Zustand verschlimmern. Zum Glück versah mich Faki Is- niael, der Verwalter des Etablissements, mit einem Vorrath von süssen Bataten, die er soeben aus Dar-Benda erhalten, zu dieser Jahreszeit eine grosse Rarität und für mich da- mals das einzig Geniessbare. Ich benutzte indess meinen dreitägigen Aufenthalt in Dem Gudju so gut als es eben gehen wollte. Eine Wörtersammlung der Kredjsprache wurde hier niedergeschrieben und die interessante Flora der Um- gegend inspicirt.

Am Kobbokoio fand sich in grosser Menge der Aschanti- pfeflFer, und gerade zu jener Zeit waren alle Baumstämme mit den rothen Trauben desselben aufs prachtvollste deco- rirt, sodass sie wie flammendes Feuer aus dem Dunkel des dichten Laubwerks hervorleuchteten. Die Kredj nennen den

400 Zweiundzwaiizigstes Kapitel.

rfeffer, vou welchem man an dieser Stelle ganze Centner hätte einsammeln können, Dehre. Auch hier wussten die ansässigen Nubier nichts von dem Nutzen dieses Gewächses, denn sie hatten sich nicht vorstellen können, dass die rothen Beeren getrocknet schwarze Pfeflferkörner abgeben könnten. Meine Entdeckung verursachte daher grosse Ffeude, und alle legten sich aufs Peflfersammeln , um diesen neuen Handels- artikel daheim in Chartum zu Markte zu bringen. Im Ufer- walde fand ich auch den Muskatnussbaum , welchen ich im März des vergangenen Jahres am Assika zuerst aufgefunden und der durch eine auffällige Geradheit seines mächtigen Stammes ausgezeichnet ist

Von Dem Gudju aus, wo ich viele Nachrichten über die von den Compagnien des Agäd, Biselli, Idris Wod Defter und des Siber-Adlan im fernen Westen durchzogenen Land- schaften einzuziehen vermochte, senkte sich der Weg, auf welchem ich, indem ich einen Bogen nach Süden zu beschrieb, gen Osten einzulenken gedachte, um das Bongogebiet wieder zu erreichen, in südöstlicher Richtung gleichmässig bis zu Dem Bekir hinab, woselbst sich im stundenweiten Umkreise grossartige Etablissements von Gellabas angehäuft haben und wo Kurschuk-Ali in einem seiner wichtigsten Waffenplätze das Erbe seines Schwiegervaters Bekir angetreten hat Die directe Entfernung zwischen Dem Gudju und Dem Bekir b^ trug 35 Meilen, vielfache Abweichungen von der geraden Richtung erweiterten aber diese Strecke in so hohem Grade, dass wir zwei Tage lang stark zu marschiren hatten, bis wir unser Ziel erreichten. Auf dieser Strecke, einer un- unterbrochenen Wildniss, wurde das eigentliche Quellland des Biri und Kuru durchzogen, beide Flüsse hatten sich an der Uebcrgangsstelle bereits zu Bächen verjüngt, die die meisten der übrigen 13 Bäche, welche die Route durch- schnitt, an Wassermasse nicht zu übertreffen schienen.

Die Stromrichtung aller Bäche ging von Süd nach Nord und sie folgten von Dem Gudju aus in dieser Weise : Üomoi,

Menge der überschrittenen Bäche. 4Ql

ein kleiner Graben mit fliessendem Wasser, dann nach ab- steigendem Marsch der Gessi-Biri (d. h. der kleine oder obere Biri) mit stehendem, breitem Wasser, das von einer grossartigen Galerien waldung beschattet wurde; ein ausge- trockneter Chor in einer weiten, von Süd nach Nord strei- chenden Thalniederung, deren westliche Abhänge von einer Kette von 400—500 Fuss hohen Hügelkuppen dargestellt werden; dann neues Ansteigen, welches einen weiten Fern- blick auf sehr hohes Land im Osten, und etwa 8 Stunden vom Standorte entfernt, eröffnete, dann ein Bach mit stehen- dem, aber tiefem Wasser und von dichtem Buschwerk um- standen, Jagpa genannt; es folgte ein kleiner Chor mit schwachem Abfluss; am 20 Fuss breiten wasservollen Bach Oulanda wurde genächtigt, schöne Buschwaldungen zeich- neten seine Ufer aus hier befand man sich nahezu 350 Fuss unter dem Niveau von Dem Gudju ; zwei trockene Chor- betten folgten kurz aufeinander; man stieg zu einer Höhe empor, wo Gneisplatten mit hohen Hügelkuppen von Rasen- eisenstein abwechseln und zwei hohe Hügel, BakefiPa und Jaffa, im Osten auftauchen; ein kleines trockenes Chorbett mit Gneisplatten durchzieht ein Thal, dessen westliche Wand von der langgestreckten Hügelkuppe Fi-i gebildet wird; es folgten in gleichen Zwischenräumen vier trockene Chors, die mehr oder minder eingesenkte Terrainfalten bilden; alsdann in weiter Grasniederung der halb ausgetrocknete Sumpf bach Ohro; zuletzt ein kleiner Chor mit tiefem, aber stehendem Wasser, welcher von den Kredj als der obere Kuru bezeich- net wird, den sie hier Monj nennen.

Die zurückgelegte Strecke glich in ihrer waldigen, fast überall Wiesenbildung und Steppen ausschliessenden Be- schaffenheit völlig den nördlichen Gegenden des Kredjlandes, nur fehlte es gänzlich an jener charakteristischen Quell- bildung, welche sich unter 8 Grad nördl. Br. so bemerklich macht. Ein im Vergleich zu früher sehr auffälliger Wasser-

SOHWS nrFÜBTB. II. 26

402 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

mangel machte sich auf diesem Marsche fühlbar. Die Flora bot einige Neuheiten dar, besonders überraschten mich kraut- artige Euphorbien (Tithy malus), welche, in unserer Zone ge- mein, im tropischen Afrika zu den grössten Seltenheiten zählen. Ein mir iioch wenig bekanntes grosses Nagethier, welches die Furianer Far-el-buhss (Rohrratte) nennen, wiu^e von mir wiederholt an den ausgetrockneten Bächen ange- trofiPen, und ich hatte das Glück, drei derselben zu erl^en. Nachdem ich mehrere Tage nichts anderes als einige ab- gekochte Bataten über die Lippen zu bringen vermocht, bot mir das milde, zarte Fleisch der Rohrratte eine erwünschte Stärkung.

Nie werde ich die gastfreie Aufnahme vergessen, welche mir Jumma, der Wokil Kurschuk-Ali's, in seiner Seriba ge- währte, nie die Umstände, unter welchen sie in Scene ge- setzt wurde. Meine Dankbarkeit musste eine um so hen- lichere sein, als mir der schlechte Empfang bei Mangür noch immer in frischer Erinnerung war. Aeusserst ermüdet von anstrengenden Marsche und geschwächt durch das mehr- tägige Fasten infolge meines skorbutartigen Leidens, war ich bei einbrechender Dunkelheit im Dem angelangt. Nach vielem Hin- und Herwandern zwischen den weitzerstreuten Gehöften hatten wir Mühe gehabt, den verhältnissmässig wenig umfangreichen Pfahlbau der Seriba ausfindig zu machen. Als wir in demselben unsern Einzug hielten, fanden wir alle Hütten in geheimnissvoller Ruhe, und von fast unsichtbaren Händen wurde mir der KaflFee gereicht, nachdem ich auf dem Angareb der Empfangshütte Platz genommen. Der Herr der Seriba war nämlich auf einem Ausfluge in die Umgegend abwesend, und niemand wusste mir anzugeben, ob er noch am Abende des Tages eintrefien würde oder nicht. Sehr im Zweifel über die Art der am folgenden Tage zu erfahren- den Gastfreundschaft warf ich mich, ohne ein Nachtessen eingenommen zu haben, aufs Lager.

Wer als einsamer Wanderer die ungebahnten PCade der

Ein Traum und «seine Verwirklichung. 403

Wildniss gewandelt, erzählt gern von seinen Träumen. Oft spiegelt sich unbewusst in den Traumbildern die wahre Si- tuation des Menschen, denn unabhängig von der Gontrole der Vernunft treten die reflectirten Bilder aus dem Dunkel der Vergangenheit; oft hat es das Ansehen, als ob eine be- sondere kummervolle Situation die Lebhaftigkeit der Bilder erhöhe, welche in einen grellen Contrast zur Wirklichkeit zu setzen sich bestreben. So erging es mir auch in Dem Bekir, nur dass auf den Contrast ein Ausgleich erfolgte; einer Ahnung glichen die Bilder und es schien, als wollte der Traum unmittelbar Wirklichkeit werden.

Matt und entkräftet, wie ich war, meiner Sinne nicht mehr mächtig, musste ich bald in einen tiefen Schlaf ver- fallen. Naturgemäss wandte sich das entfesselte Spiel der Erinnerung zu den Genüssen der materiellen Welt. Ich sah mich in einem grossen, vom Glänze der Lampen strahlenden Zelte, auf reichbesetzten Tafeln prangten die auserlesensten Leckerbissen und geschäftig mengte sich die Dienerschar unter das bunte Gewoge der Gäste; sie schenkten ein aus dem unerschöpflichen Vorrathe des kostbarsten Weins. Es war das Fest der Wettrennen zu Kairo, dessen Bilder an meiner Seele vorüberzogen; der Beherrscher Aegyptens be- wirthete im Stil von Tausend und einer Nacht seine Gäste. Plötzlich war es mir, als würde ich wach. Befand ich mich in Wirklichkeit in jener elenden raucherfüllten Strohhütte von Centralafrika , oder war es noch das königliche Zelt, welches ich erschaute? Da drang blendender Lichtglanz zu meinen Augen, eine reichgekleidete Sklavenschar (die träumerische Stimmung erhöhte den Zauber der Bilder) nahte sich mir mit Schüsseln und glänzenden Schalen, mit Kerzen und Lampen; jetzt stellen sie eine Auswahl der seltensten Gerichte dicht vor mein ärmliches Lager, andere credenzen in bunten Krystallgläsem und mit goldgestickten Servietten über dem Arm Scherbet und Limonade. War es eine Fort-

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404 Zweiundzwanzigstes KapiteL

Setzung der Traumbilder? Ich rieb mir die Augen, ich trank, ja, da fielen die Schleier, ich sah, ich schmeckte, es ▼ar Wirklichkeit!

Jumma, der Verwalter der Seriba, war erst spat am Abend heimgekehrt. Kaum hatte er von meiner Ankniift erfahren, als er auch sofort sein gesammtes Küchenpersonal aus dem Schlafe trommeln liess, um mich standesgemäss zu bewirthen. Jumma war ein halber Türke und mehr ab irgendeiner der übrigen Seribenverwalter an die feinem Be- dürfnisse eines chartumer Haushalts gewöhnt. Alles was er daher an exquisiten Gefässen und Speisevorräthen besass, wurde nun ausgekramt und für mich hergerichtet, Brot von Weizenmehl, Maccaroni und Reis, Hühner mit Tomaten u. s. w. Alles für mich unglaubliche Dinge und wirkliche Unica im ganzen^ Lande, die wurden nun aufgetischt. Es war Mitter- nacht geworden, bis man mit den Vorbereitungen zu Ende gekommen, jetzt musste ich zulangen, wollte ich oder wollte ich nicht. Ich litt Tantalusqualen, denn mein entzündeter Gaumen und das schmerzhafte Zahnfleisch legten ein Veto ein gegen diese Bewirthung; nur mit Mühe brachte ich einiges von den dargereichten Speisen und Getränken über die Lip- pen. Die verbesserte Kost bewirkte nun aber auch bald eine fortschreitende Genesung, denn als ich einige' Tage später den gastlichen Platz verliess, konnte ich meine Wan- derung mit neugestärktem Muth und mit fnscben Kräften vrieder antreten.

Die Gegend im Umkreise des Dem wird theils von Golo, theils von Ssehre bewohnt. Bei den Eingeborenen ist die Stadt unter dem Namen Dem Duru bekannt, nach dem Ka- men des frühern Localchefs der Golo. Der jetzige Orts- Torsteher der Golobevölkerung heisst Maschidoko. Südlich und südwestlich vom Platze steigt das Land hoch an; fibtf- haupt ist die Gegend sehr hügelig, und nach allen Bichtnn- gen hin eröffnet sich am Horizont eine Aussicht auf zahl* reiche Kuppen und Hügelrücken, welche als echte Land-

Beste ehemaliger Gebirgszuge. 405

marken weitbin über die wellenförmige Bescbaffenheit des Landes binausscbauen und dem Reisenden erwünsebte An- haltspunkte zur genauem Feststellung der Wegricbtung dar- bieten. — Viele dieser Höben scbeinen ganz analog den Kuppen gebildet zu sein, welcbe das südlicbe Bongoland auszeicbnen und meist aus einer bellfarbigen Gneismasse bestehen. Diese Hügelform nennt man im Arabischen des Sudan Gala, bei den Bongo heissen sie Kilebih. Wie jene ragen sie inselartig bald als flache Platten, bald als mehr oder milder erhabene, stets abgerundete Erbebungen von grauer Gneismasse aus der um dieselben herum abgelagerten Decke von Raseneisenstein hervor, indem sie der Physiogno- mie der Landschaft alle Merkmale, des orographischen Charakters von Centralafrika aufprägen. Diese Kuppen kann man sich leicht in Verbindung gebracht denken mit den zahllosen vereinzelten Gneisplatten, welche in jeder Form und Grösse über das Land zerstreut erscheinen, alsdann er- hält man unwillkürlich den Eindruck, als deuteten sie die Stellen an, wo ehemals die höchsten Gipfel längst vom Zahn der Zeit abgetragener Gebirgskämme emporstarrten, diese trennten die einzelnen Wasserwege voneinander, auf welchen die von mir entdeckten Flüsse noch heutzutage bestrebt sind, das chemische Zersetzungsproduct der Berge sowol als auch das mechanisch zerriebene Trümmergestein dem Meere, als dem Zielpunkte ihrer Bewegungen, entgegenzuführen. Un- ablässig sehen wir auf diesem Wege die Höhe sich der Tiefe neigen, unablässig die Natur das Hohe erniedrigen, das Niedrige erhöhen. Was der Menschheit als ein Problem vorschwebt, zu dessen Lösung die Parteien sich nie auf fried- lichem Wege vereinigt, daran, an der Ausgleichung ihrer Gegensätze, hat die Natur seit den Tagen ihrer frühesten Kindheit, als noch kein organisches Wesen ihre Oberfläche belebte, mit Erfolg gearbeitet. Als derartige Zeugen früherer Bergketten nenne ich folgende, welche der Leser auf der beigegebenen Karte leicht verfolgen wird : zwischen Biri und

406 Zweiundzwanzigstes EapiteL

Kuru der Tajaberg; zwischen Kuru und Pängo und Wau der Kokkulu, Jaffa und Atjumm.

Eine Meile im Süden der Seriba gelangt man von Dem Bekir an einen kleinen Bach Nguddurüh genannt, und nach- dem inan jenseit desselben über einen hohen HügelabM 2 Meilen weiter geschritten, erblickt man einen Bach, welcher im Winter nur schwachen Abfluss nach Norden Tcrrath, obgleich sein 15 Fuss breites Bett zu jeder Jahreszeit Ton Wasser bedeckt ist. Die trocken gelegten Ufer hatten jetzt eine Höhe von 8—10 Fuss über dem Wasser. JuiQma, wel- cher mich auf diesem Ausfluge begleitete, gab an, dass dies der Oberlauf des Flusses von Damuri und Dembo sei (Pängo); er wollte auf häufigen Märschen seinen Ufern bis zu jener Gegend hinab selbst gefolgt sein. Sowol die Golo als auch die Ssehre der Umgegend nannten diesen Bach Dschih, und ich erlangte bei Fortsetzung meines Weges hierin in der That einen Beweis für Jumma's Angabe, indem der Fluss bei Dem Adlan von den dortigen Ssehre gleichfalls Dschih genannt wurde. Auf dem ganzen Rückzuge nach Osten aber wurde kein anderer Bach oder Fluss von unserer Route ge- kreuzt, welcher mit dem Oberlaufe des Pängo bei Damuri identisch sein konnte.

Etwa 4 5 Stunden in Nordwest von Dem Bekir be- findet ^sich eine Filialseriba Kurschuk-Ali's. Die Eingebo- renen jener Gegend sind Golo, und die Seriba ist an dem Bache Hahuh erbaut, welcher in den Kuru fliesst. Zwa Wegstunden in Südwesten von Dem Bekir erhebt sich eiuc nach allen Seiten steilabfallende Hügelkuppe, Kokkulu ge- nannt, welche weithin das Land beherrscht. Ich traf in dieser Stadt eine Anzahl intelligenter Leute an, deren An- gaben über die benachbarten Niamniamgebiete ich zur Er- mittelung der Wahrheit mit sehr erfreulichem Erfolge con- frontirte, sodass sie zur gegenseitigen Controle und Er- gänzung dienen konnten. Die hier eingezogenen Nachrichtoi bezogen sich hauptsächlich auf die Gebiete der beiden Kiam-

Gefahr vor den Kiamniam. 407

niamhäuptlinge Mofiö und Ssolongoh. Mofio's Residenz wird vestnordwestlich von Dem Bekir angegeben und soll wegen zahlreicher Flüsse, die zu passiren sind, und der weiten un- bewohnten Wildnisse halber in zwölf starken oder fünfzehn mittelmässigen Tagemärschen erreicht werden, während ein bequemerer Weg, welcher geringere Umwege erheischt, um die Träger mit Proviant zu versehen, in sieben oder acht Ta- gen von Dem Gudju in westlicher Richtung hinführen soll. Ssolongoh's Wohnsitz, des Sohnes Bongorongboh's, liegt nur fünf Tage in Südsüdost von Dem Bekir entfernt und durch eine unbewohnte Grenzwildniss von den Territorien Kurschuk- Ali's im Gebiete der Ssehre und Golo geschieden. Ein dritter selbständiger Niamniamf ürst, dessen Gebiet indessen nur von geringer Ausdehnung sein soll, heisst Japati oder Jaffati und hat seine Mbanga drei Tagereisen südwestlich von Dem Bekir. Japati ist der Sohn eines Bruders von Mofiö, wel- cher Sabura hiess.

Jumma befand sich zur Zeit meines Besuchs in seiner Seriba mit Ssolongoh im Kriege und sah sich beständig von diesem mächtigen Fürsten bedroht, dessen Gebiet sich bis auf einen Theil der Bellanda erstreckt, welche denen von Abu-Schatter benachbart sind. Ssolongoh war erst wenige Tage vor meiner Ankunft zurückgeschlagen worden, nach- dem er sich mit dem stärksten Aufgebote seiner Waffen- macht bis auf zwei Tagereisen von Dem Bekir herangewagt hatte. Da beständig ein neuer Angriff bevorstand, wollte Jumma, dass ich nicht länger in seiner Seriba verbliebe, da er für die Eventualitäten des Krieges keine Garantie zu bieten vermöge. Vergebens suchte ich ihn meinetwegen zu beruhigen. Die Verwegenheit der benachbarten Niamniam war übrigens ohnegleichen. Es hatte sich ereignet, das Ge- wehre den Soldaten von Leuten gestohlen worden waren, welche Ssolongoh eigens zu diesem Zwecke nach Dem Bekir entsendet. Unter dem Schutze der Nacht hatten diese sich in die feindliche Seriba einzuschleichen und mehrere Flinten

408 ZweiundzwaDzigstes Kapitel.

zu entwenden gewusst, während ihre Besitzer nichts ahnend ruhig daneben schliefen.

Von meinen in Dem Gudju eingezogenen Erkundigungen habe ich noch einiges nachzutragen, was für die Hydro- graphie des bereisten Gebiets von grosser Bedeutung er- scheint. Sechs Tagereisen in Südwest zu West von diesem Platze hat Idris-Wod Defters seinen Hauptwaffenplatz im westlichen Kredjland, und zwar befindet sich diese Seriba an den Ufern eines Flusses, der nach Nordost abfliessend in einen weit grössern mündet, welcher zu jeder Jahreszeit nur in Böten passirt werden kann. Diesen Strom nennen die Charturaer den Fluss von Dar-Abu-Dingä, er soll 3*2 Tage- reisen nordwestlich von der genannten Seriba und eine Tage- reise jenseit Dar Benda vorbeifliessen , wo genannter Idris ebenfalls eine Seriba unterhält. Der Fluss von Dar-Abu- Dinga ist auch der Siber-Rachama'schen Compagnie wohl- bekannt, indem diese das Land, welches ein eigenes, von den Kredj so gut wie von den Niamniam verschiedenes Neger- volk (Abu-Dingä) bewohnt, alljährlich zu besuchen pflegt. Die Richtung des Flusses von Abu-Dinga soll Ostnordost oder rein Ost sein, und alle Angaben stimmen darin über- ein, dass derselbe identisch sei mit dem Bachr-el-Arab welcher das Gebiet der Baggara-el-Homr durchströmt.

Woher der Fluss von Dar-Abu-Dinga komme, wusste niemand anzugeben; ich vermuthe seine Quellen in dem Berglande Runga, im Süden Wadai's, von welchem uns ver- schiedene Reisende aus -eingezogenen Erkundigungen Nack- richt gegeben haben. Barth (III, 578) macht in dem von ihm mitgetheilten Itinerar von Massena (in Baghirmi) ostwärts bis Runga eine Angabe, welche über diese Frage einige Aufklärung zu ertheilen scheint. Er berichtet vie folgt: „42. Tag (eine Tagereise südlich von der Residenz des Fürsten von Runga), Dar-Schila*), gebirgiges Land mit einem

^) Einige Geographen interpretiren diese Stelle falschi indem sie

Der Fluss von Dar-Abu-DiDgä. 409

nach Osten fliessenden Fluss, jenseit dessen Dar-Dinga liegt." Diese Aehnlichkeit der Namen ist (so wenig Werth ich auch auf eine Conjecturalgeographie legen möchte, welche sich lediglich auf den Gleichklang von Namen stützt, die sich in Centralafrika hundertmal und an den verschiedensten Stellen wiederholen können) in diesem Falle gewiss keine zufällige, denn die angegebenen Richtungen und Distanzen stitomen, von beiden Ausgangspunkten der erkundigten Routen, sowol den Barth'schen als auch von den meinigen aus gerech- net, wohl überein und mögen eine Fühlung unserer beider- seitigen Erkundigungen efifectuiren, wie sie sich auch in der vermuthlichen Identität des Barth'schen Flusses von Kubanda mit meinem Uelle zu erkennen zu geben scheint.

Verschiedene Gründe, auf welche ich an dieser Stelle nicht näher eingehen kann, machen es auch in hohem Grade wahrscheinlich, dass der fragliche Fluss identisch sei mit einem nach zwei unabhängig voneinander erzielten Erkun- digungen übereinstimmend in derselben Gegend angegebenen Flusse, welcher nach Teima*) und Fresnel**) den Namen Bachr-el-Esuhm ad Asuhm führen soll.

Diese in der Quintessenz wiedergegebenen Angaben wer- den ausreichen, um über den Ursprung des bisher auf allen Karten weit unterschätzten Bachr-el-Arab einiges Licht zu verbreiten. Die Beweise, welche diesem Flusse die Primo- genitur unter allen an der Bildung des Gazellenstromes sich betheiligenden Gewässern zusichern, wurden bereits an einer andern Stelle zusammengetragen. Berücksichtigen mr nun

Dar-Schila mit dem bekannten Dar-Sileh oder Dar-Silah identificiren, aus welchem mohammedanischen Negerlande ich viele Leute gesehen.

*) De Cadalvene et De Breuvery, „L'figypte", II, 237, wo der Orientalist König das Facsimile der Karte erklärt, welche Teima- Ualad-el-Sultan-Messabani (gewesener Gouverneur von Kordofan unter darfurer Herrschaft) selbst entworfen.

**) Fresnel zog seine Erkundigungen in Dschidda ein, 1848 und 1849.

410 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

die ausserordentliche Länge, welche sich mit Leichtigkeit aus den obigen Daten für den Lauf des Bachr-el-Arab fol- gern lässt, so müssen wir ihm auch ein Anrecht darauf ein- räumen, bei Ventilirung der Nilquellenfrage unmittelbar neben dem Bachr-el-Gebel in Concurrenz treten zu dürfen.

Den Dschih in nicht allzu grosser Entfernung zur Rechten lassend, verfolgte nun unser Weg auf. dem Rückzuge zum Wau und Djur von Dem Bekir aus anfänglich eine nord- nordöstliche Richtung bis zu dem 28 Meilen entfernten Dem Adlän, genau wie es mir dieselben Gewährsmänner angegeben hatten, denen ich so wichtige Aufschlüsse über das Mofio'sche und SsolongoVsche Gebiet verdanke. Elf parallele, meist von West nach Ost dem Dschih zuströmende Bäche kreuz- ten unsern Weg auf dieser grösstentheils völlig unbewohnten Strecke.

ifachdem wir einen von Steppe umgebenen halbtrockenen Chor überschritten, führte uns der Weg in zwei Stunden zu den W^eilern des Ssehre-Schechs Beriä, welche jenseit eines grossen Baches mit fast stehendem Wasser gelegen waren, der den Namen Langeh führte.

Durch lichten Buschwald auf vorherrschend felsigem Terrain stieg der Pfad gleichmässig an, bis man zur Linken in einem Abstände von ungefähr 2 Stunden vom W^e den bereits früher gepeilten Bakeflfa wahrnahm, welcher sich scharf vom hohen Tafellande abhebt, sodass er weithin sicht- bar wird. Nach Westen zu erschien das Land, soweit der Horizont reichte, als ein beträchtlich gehobenes Plateau. Ein bedeutender, stellenweise von einem galerieartigen ür- walde beschatteter Bach mit 30 Fuss breitem und 10 Fuss tiefem fliessenden Wasser, der Gumende, wurde überschritten, nachdem er sich längere Zeit hart am Wege zu unserer Linken hingezogen. Am nordöstlichen Horizont« zeigt« sich von dieser Stelle aus betrachtet sehr hoch ansteigendes Land. Bald darauf folgte ein kleiner Graben mit stehendem Wasser, der Njusseta genannt wurde; am jenseitigen Ufer erblickte

Der Bakeffa. Bet-el-Gellaba. 411

man in offener Steppe die kärglichen Reste einer ehemaligen Seriba Biselli^s. Dann durchschritten wir eine buschbestan- dene felsige Strecke bis zum grossen Bache Gopuih, dessen tiefes Bett von fast stehendem Wasser erfüllt war, und um- standen von dichtem Ufergebüsch. Weiterhin folgte der Dibanga mit tiefeingesenktem, aber nur einzelne Wasserlachen enthaltendem Bette, dann ein kleiner Galerienbach voll stehen- den Wassers, und schliesslich ein grösserer mit deutlichem Abäuss von 10 Fuss Wasserbreite und zwischen 25 40 Fuss hoben abschüssigen Uferwänden. Der letztere hiess Ndopah. Die Waldung, welche ihn mit tiefem Schatten umhüllte, war durch das Auftreten jener grossen Sterculien bäume ausge- zeichnet, welche die Niamniam Kokkorukuh nennen und die wir als einen so wesentlichen Bestandtheil der südlichem Galerien kennen gelernt haben.

An einem kleinen, von Baumreihen alleeartig eingefass- ten Bache, welcher sich durch eine breite, beiderseits all- mählich abfallende und offene Thalsenkung schlängelt, er- reichten wir eine Niederlassung von Sklavenhändlern, welche sich hier im Verein mit Elefantenjägern aus Darfur ange- siedelt hatten. Die Chartumer nannten den Ort schlechtweg Bet-el-Gellaba (das Haus der Sklavenhändler). Da wir das nahe Dem am ersten Tage unserer Wanderung nicht zu erreichen vermochten , so machten wir hier halt für die Nacht.

Am folgenden Morgen, es war der 5. Februar, über- raschte mich das bewölkte Aussehen des Himmels. Die Nacht war nach langer Zeit wieder einmal warm und schwül ge- wesen, ein Witterungswechsel stand bevor, welcher, wie dies Anfang Februar zu erwarten war, aus dem kühlern Winter direct in den heissen Sommer überführte, ohne dass deshalb die Trockenheit der Luft eine Unterbrechung zu erfahren brauchte.

Bevor wir zum Dem des Siber Adlän, eines mit der Compagnie Agäd's associirten Seribenbesitzers, gelangten

412 Zweiundzwanzigstes KapiteL

der Weg führte beständig durch Cultorland und an den zahlreichen Weilern der Ssehre vorüber , hatten wir noch zwei bedeutende, in tiefen Thalsenkungen hinfliessende und von hohen Bäumen schön eingefriedigte Bäche zu passireD. Jenseit des zweiten, welcher den Namen Ngokku führte, erhob sich am weiten, hoch ansteigenden Thalgesenke die erwähnte Seriba, um welche herum zahlreiche Gellabagehöfle gruppirt waren, die ein Dem darstellten, welches indess deo früher besuchten an Ausdehnung weit nachstand. Einige der ansässigen Sklavenhändler, theils Furianer, theils Baggära. treiben neben dem Sklavenhandel auch Elefantenjagd, nach echter Beduinenmanier, d. h. mit Schwert und Lanze; sie verkaufen ihre Beute an die benachbarten Seriben, wo man ihre Thätigkeit sehr gern sieht Die Baggüra, welche in diesen Gegenden im Gefolge der Sklavenhändler auftreten, indem sie bald als Knechte zur Beaufsichtigung der Reit- und Packochsen, bald zur Bewachung der mitgeführten Sklaven dienen, sind stets vom Stamme der Risegät, denn die Homr bleiben die unversöhnlichen Feinde aller Gellaba, seien diese nun Kordofaner und Furianer, oder Ghartumer und Nubier.

Eine Meile im Osten der Seriba fliesst der hier bereits zu einem Flüsschen von 40 Fuss (14 Meter) Breite ange- wachsene Dschih in wasservollem Bette, jetzt allerdings nur noch höchstens 2 Fuss tief, langsam nach Norden, zwischen 12 15 Fuss (4 Meter) hohen Uferwänden von Baseneisen- stein und über moosbewachsene Gneisbänke und Blöcke, welche das Bett bedecken. Die beiderseits gleichmässig ge- neigten Thalwände, die bis zu 450 550 Fuss über die Sohle des Flüsschens ansteigen und eine mehrere Meilen breite Depression darstellen, verleihen der Gegend einen eigenthüm- lichen Charakter. Die Thäler der benachbarten Zuflüsse münden von West her senkrecht in das Haupttbal ein, so- dass das ganze Land aufs regelmässigste parcellirt und mit gleichgestalteten Kerben versehen zu sein scheint.

Das Volk der Ssehre. 413

Das lustige Völklein der Ssehre hat sich weit und breit i das Dem herum in sehr auffallender Dichtigkeit ange- uft. Der Blick in die Ferne schweift über ein wechsel- lles Landschaftsbild, ausgezeichnet durch das bunte Aus- len der Thalwände mit ihren Contrasten von Licht und hatten, indem dichte Waldungen überall von weiten Cultur- ■ecken unterbrochen und mit zerstreuten Weilern und Ge- ften der Eingeborenen besetzt erscheinen. In ihrer äussern Bcheinung erinnern die Ssehre auffallend an die Niam- im, nur dass sie sich durchaus nicht tätowiren. Ursprüng- h ein den benachbarten Niamniamfürsten unterworfener lavenstamm, sind die Ssehre erst in neuester Zeit nach »rden ausgewandert, wahrscheinlich verlockt durch die Ent- Ikerung des Landes infolge der langjährig fortgesetzten lavenräuberei. Viele Ssehre sind indess unter den Niam- im des Ssolongoh ansässig gebUeben. Das Zusammenleben t diesem Volke scheint ihre ursprünglichen Stammes- jrkmale stark verwischt zu haben, und viele seiner Ein- ihtungen sind völlig den Niamniamsitten entlehnt, indess ben die Ssehre immer noch ihre eigene Sprache erhalten, !nn diese auch häufige Anklänge an das Sandeh verräth. hr viele Sehre sind dieser Sprache vollkommen mächtig. jr lange Haarwuchs entspricht vollkommen demjenigen der amniam, auch legen sie das Haar in Zöpfe und Flechten n ähnlicher Gestalt. Die Hautfarbe ist die einer dunkeln ielchocolade.

Die Ssehre bilden eine kräftige und wohlgestaltete Rasse, d sie erinnern in dieser Hinsicht am meisten an Golo und mgo, obgleich ihre ethnographische Selbständigkeit nicht zweifelt werden kann. Ihre Hütten bekunden viel Interesse 1 Besitz, und die auf ihre Herstellung verwandte Sorgfalt ►ertrifft alles bei den Golo in dieser Hinsicht Wahrgenom- 3ne, der verkommenen Kredj gar nicht zu gedenken. Jene ^epthümliche Form der Wohnhütten für Knaben, welche

414 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

wir bei den Niamniam unter dem Namen „Bamogih^^ kennen gelernt haben, fand sich in allen Weilern vor, und überall legten sie die schönste Symmetrie an den Tag. Am eigen- thümlichsten jedoch nahmen sich die kleinen Kornspeicher der Ssehre aus, und ähnliche begegneten mir sonst nirgends. Das becherförmig aus Thon geformte Reservoir, oft so kunst- voll mit Gesimsen und stufenweise übereinanderfolgendoi Ringen versehen, dass es einer vermittels der Drehscheibe hergestellten Schüssel glich, ruhte stets auf einem einzigen hohen Pfahle, sodass man am Stamm hinaufklettern musste, um das deckelartig überhängende Strohdach abzuheben. Weder Ziegen noch Hunde sah ich bei den Wohnsitzen dieses Volkes, nur wenige Hühner schienen sie zu enthalten.

Die Waffen der Ssehre boten nichts Bemerkenswerthes dar, die Lanzen glichen denen der Bongo und schienen sel- tene und gesuchte Waffen zu sein. Pfeile und Bogeii sind weit kleiner als bei letztgenanntem Volke, namentlich er- schienen die Pfeile von auffälliger Kürze, wie ich solche nnr bei den Bellanda gesehen.

Die Weiber der Ssehre tragen vorn und hinten im Gürtel denselben Schmuck von Gras oder Laub, wie die der Bongo. Die gleiche Sitte beobachten auch die Weiber der Golo und Kredj. Dieselbe Vorliebe für Grashalme, welche durch die durchbohrten Nasenflügel gesteckt werden, kennzeichnet wie bei den Bongo und Golo auch die Ssehreweiber, und unter ihnen folgen selbst Männer diesem Beispiele. Viele Weiber tragen aber auch in der Oberlippe genau dieselbe runde Platte eingesetzt, wie die Mittufrauen. Auch sah ich ba Dem Adlan Weiber, welche durch die Unterlippe einen lan- gen Stab von Blei gesteckt hatten, welcher mehrere Zoll lang herunterbaumelte. Die Zähne sind sowol bei Männern als auch bei Frauen intact, nur pflegen sie die Lücke zwi- schen den beiden mittelsten Schneidezähnen gern durch einen Ausschnitt zu erweitern. Nach echt centralafrikanischer Sitte

Menge der Jagdtrophäen. 4] 5

iwerden die Säuglinge von den Müttern in jenen sattelgurt- artigen Binden umhergetragen, die sie über die Schulter schlingen, wie die Frauen der Monbuttu.

Die Jagd in den benachbarten Wildnissen, welche nahezu 20 Meilen weit nach jeder Richtung hin völlig menschenleer zu sein scheinen, muss eine sehr ergiebige sein. Nirgend» habe ich derartige Massen von Jagdtropbäen angehäuft ge- funden, wie bei allen Weilern der Ssehre. Sie errichten aus gegenseitig sich stützenden Baumästen, die wie die Gewehre in einem Lager zusammengestellt werden, hohe Gestelle, um daran die Hörner und Schädel der verschiedensten Thiere zu befestigen. Hunderte von Büflfelgehömen, unter welchen das Vorwalten solcher von weiblichen Exemplaren entlehnten mich nicht wenig überraschte, fanden sich auf diesen Ge- stellen. Es schien, als wollte einer den andern an Menge ausstechen; fast vor jeder Hütte stiess man auf derartige Anhäufungen. Sehr häufig waren auch die Homkronen des Elenns, des Wasserbocks, des Hartebeests, des Bastard- Gemsbocks, dann Schädel von Warzenschweinen, selbst Löwen- schädel fehlten nicht.

Der Besitzer der Seriba befand sich auf einem Zuge zu den westUchen Niamniam, sein Wokil*aber sorgte aufs vor- trefflichste für meine gute Bewirthung, und wenn ich die Erschöpfung an Lebensmitteln und den andauernden Noth- stand des Landes berücksichtigte, so musste ich seiner Gast- freundschaft das grösste Lob zuertheilen.

Halbwegs von Dem Adlän nach Dem Gudju und jenseit des Kuru befindet sich ein ansehnlicher Hügel, Taja genannt. Diese Strecke erfordert eine Dauer von zwei starken Tage- märschen, und beständig führt der Weg durch eine ununter- brochene Wildniss, bis man am Biri die Weiler des Kredj- Schechs Gudju erreicht hat.

Am 8. Februar nach Mitternacht erhob sich ein so heftiger Sturmwind, dass ich davon erwachte, obgleich mir eine wohlverschlossene Hütte eingeräumt worden war. Eia

4 IG Zweiundzwanzigstes Kapitel.

-wichtiger Windumschlag wax erfolgt, denn zum ersten mal in dieser Jahreszeit brach sich der Südwest wieder Bahn und erhielt sich nun für einige Zeit anhaltend den grössten Theil des Tages über. Die Nächte waren infolge dessen wieder so warm geworden, dass man im Schlafe keiner Decke mehr bedurfte. Nach dreitägigem Aufenthalt wurde gen Ost der Rückzug zum Bongolande angetreten, um eine böse, wasserarme Wildniss drei Tage lang zu durchwandern, denn auch hier bildet der Pängofluss fast genau die Grenze zwi- schen quellreichem und quelllosem Terrain, obgleich die Boden- senkung eine nur ganz graduelle, sichtlich nicht wahrnehm- bare war. Wir hatten nur noch drei rieselnde Bäche, den Ngokurah, den Ssimereh und den Ngonguli. (mit den Dörfern und Schechs der Ssehre Eombo, Willeke, Badscba und Bar- raga) zu überschi*eiten, und die letzten Hütten mit dem letz- ten Wasser waren bereits bei 4 Meilen Entfernung vom Pango erreicht, weiterhin aber konnten immer nur nach langem Suchen vereinzelte, weit voneinander entlegene Wasserlachen ausfindig gemacht werden, um «Trinkwasser zu gewinnen.

Wir verbrachten die erste Nacht bei den Weilern Bar- raga's, wo die Menge der an allen Votivpfählen aufgehängten Pavianschädel meine Bewunderung erregte. Hier werden noch allenthalben Cassaven gebaut, während sie bei den Bongo eine fast unbekannte Erdfrucht geblieben sind. Auch von den andern Culturpflanzen der Ssehre erinnerten Tiele an ihre recente Auswanderung aus dem Niamniamlande. Bataten finden sich ebenso häufig angebaut wie Cassaven, ausserdem Ricinus, das essbare Solanum der Niamniam (hier Djugo genannt) und die Pferdebohne (Canavalia), welche die Ssehre Nsehrano nennen. Bei Barraga stiess ich auch auf eine eigen thümUche Schlingpflanze, welche in den Achsdn der Blätter lange hornartige oder fingerförmige Doppd- knoUen ansetzt, ähnlich wie die essbare Helmia, zu welcher Gattung die Pflanze allerdings auch gehört. Bei den Ssdire heisst diese aus der Wildniss häufig in die Nähe der Hütten

Die ZauberknoUc „Karra". 4X7

verpflanzte Helmia „Earra". Auch in den KredjdÖrfern am Biri beobachtete ich dieses Gewächs, von welchem mir da- selbst gesagt wurde, die Knollen dienten als eiu kräftiges Purginnittel ; die Niamniam dagegen, welche gleichfalls die KarraknoUe ziehen, erzählten mir von derselben ganz andere Dinge. Bei ihnen, so sagten sie, diene die Knolle zur Zau- berei, falls die Pflanze ihrer viele ansetze, so bedeute das ein ergiebiges Jagc[jahr; will der Jäger seinem Bogen eine unfehlbare Kraft verleihen, so braucht er nur die Knolle, indem er sie über dem Bogen in den Händen hält, „abzu-

schlachten", d. h. sie mit dem Messer zu köpfen oder zu kappen.

Die erste Strecke, welche wir in der Wildniss, indem wir die Richtung nach Osten weiter verfolgten, zurücklegten, führte uns durch einen ununterbrochenen Wald, ohne einen einzigen durch eine Terrainfalte sich verrathenden Wasser- zug oder irgendein Regenbett zu passiren, bis wir um die Mittagszeit bei dem ausgetrockneten Sumpf bache Kanda rasteten, um einiges Wasser in der Umgegend aufzufinden, da wir nach einem Marsche von 11 Meilen und bei heisser Witterung empfindlichen Durst litten. Nach vielem Hin- nnd Hersuchen machten meine Leute eine Pfütze ausfindig, aus welcher mit grosser Behutsamkeit die Oberfläche abge-

SCBWIICFCBTH. II. 27

418 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

schöpft werden musste, wollte man überhaupt einen klehien Wasservorrath erzielen. Es war ein ekelhafter Suhlplatz von Büffeln und Ebern, voll von den Losungen dieser Thiere, ein Gemisch von Sumpfmoder und ammoniakalischem Wasser. Wir liessen die dicke Schlammmasse durch Tücher laufen, erst durch Kochen verlor sie ihren scharfen Geruch. Drei Meilen weiter erreichten wir zum Glück einen von dichtem Buschwerk umstandenen Chor, den Teile, in welchem vsir eine ausreichende Menge ziemlich klaren Wassers vor&nden, um für die Nacht zu lagern.

Am dritten Marschtage passirten wir wieder einige aus- getrocknete Chors mit unzureichenden Pfützen. An einem derselben stiessen wir auf einen Rudel Hartebeests, welche sich gegenwärtig in ihrem grauen, rehfarbenen Winterkleide sehr fremdartig ausnahmen. Hunderte von Marabustörchen machten sich um einen sumpfigen Piuhl zu schaffen; sie tischten daselbst nach Schnecken und Würmern. Mittags mussten wir uns wiederum mit einem abscheulichen Wasser behelfen, an Speise vorräthen aller Art gebrach es uns gleich- falls, und obgleich ich einige Perlhühner erlegte, so hatte ich doch weder Wasser, noch irgendein Fett, um sie zuzu- bereiten. Nachmittags wurden wir von einem Wetter über- rascht, welches von Nordost heraufgezogen kam und nach Süden umsetzte. Vergeblich suchten wir Schutz unter den grössern Bäumen des dichten Waldes, dessen schönster Schmuck die daselbst sehr häufige Lophira war; wir büssten dadurch zwecklos die helle Tageszeit ein und mussten schliess- lich gänzlich durchnässt zwei Stunden lang in der Finstemiss den Marsch fortsetzen, bis wir an einem kleinen Bache abe^ mals von starkem Regen überfallen wurden. Eine obdach- lose, andauernd regnerische Nacht machte das Mass meines Elends auf dieser an Entbehrungen aller Art überreiehen Tour voll. Da kein Gras in der Dunkelheit gefunden we^ den konnte, auch alle Versuche, ein Lagerfeuer anzuzünden.

Obdachlose Regennacht. 419

mislangen, so litt ich vor Kälte und Nässe und musste am folgenden Morgen, halt) erstarrt wie ich war und immer noch im Regen, den beschwerlichen, jetzt- schlüpfrig gewordenen Weg fortsetzen. Dieser Regen (in der Nacht vom 11. zum 12. Februar) war ein exceptioneller, und er stellte die seit den letzten drei Tagen durch Südwestwind ver- drängte Alleinherrschaft des Boreas noch für einige Zeit wieder her.

Nirgends habe ich ein so lustiges Völklein kennen ge- lernt, wie es die Ssehre waren, welche mich als Träger be- gleiteten. Kein Misgeschick, keine Müdigkeit, weder Hunger noch Durst vermochte etwas über den unverwüstlichen Humor dieser Neger. Wurde unterwegs gerastet, so begann das Scherzen und Spassmachen erst recht, da sah man keine trübseligen Gesichter, kein Stöhnen und Seufzen ob der Er- müdung wurde vernommen; sie spielten miteinander wie ausgelassene Kinder. Bald stellte der eine oder der andere ein wildes Thier vor, welches die übrigen jagten, bald neck- ten sie sich mit allerhand Schabernack. 'Besonders belusti- gend wirkte die Darstellung der Schildkröte, deren unbe- holfene Bewegungen auf allen Vieren nachgeahmt wurden, mit dazugehörigem Unken und Schnabelknacken. Derart vergnügten sich die Ssehre mit leerem Magen; „wenn wir Hunger haben'S so sprachen sie, „dann singen wir, um ihn zu vergessen".

Dreizehn Meilen östlich vom Teile fand zum ersten mal die vom Pängo an stets dichte und durch eine grosse Mannich- faltigkeit der Baumarten ausgezeichnete Waldung ihre Unter- brechung, indem ausgedehnte Steppen und Sumpfniederungen mit lichten Terminalienbeständen an die Stellen traten. Die Niederung wurde gen Osten von einem steilabfallenden Hügel- wall begrenzt, dessen Fuss wir 4 Meilen weiter erreich- ten. Die Richtung des Höhenzuges ging von Südost nach Kordwest.

^ 420 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Unser Pfad strebte nun bis zu der nächsten 10 Meilen entfernten Seriba Ngulfala im Bongojande die nordöstliche Richtung an, indem er sich durch ein sehr complicirtes Sy- stem von Gneiskuppen und plattenförmigen Erhebungen zu winden hatte, die einen Gebirgsstock en miniature, das Qaell- land des Getti und zugleich die Wasserscheide zwischen die- sem und dem Pängo, darzustellen schienen. Der Ansteig war ein beträchtlicher, und die höchste Kuppe (Atjumm ge- nannt) überragte unsern Weg um circa 200 Fuss, über die anstossende Niederung mochte sie mindestens 500 Fuss er- hoben sein. Sie hatte ganz das halbkugelförmige Aussehen des Gumango bei Bendo's Dorf im Niamniamlande. Dicht vor der Seriba überschritten wir den Getti, welcher, ent- sprechend dem consumtiven Terrain, das er durchfliesst, be- reits hier, also über 40 Meilen von unserm Uebergangspunkte bei Biselli's Seriba, dasselbe Aussehen zeigte, wie an jener Stelle: ein breiter tiefer Erdriss mit stehenden Wasserlachen. Eine Menge von Marabustörchen umstand die Ufer oder suchte in den Lachen nach Fischen und Anodonten. Die Seehöhe von Nulfala betrug 1790 pariser Fuss (581 Meter), fast 500 Fuss weniger als Dem Adlan, es verdient aber be- merkt zu werden, dass der Ansteig durch das HügekjsteiB von Atjumm allein 400—500 Fuss betragen haben, moffi, sodass die graduelle Landsenkung ostwärts vom Pängo (die Thaldepression dieses Flusses nicht gerechnet) auf 30 35 Mei- len gegen 1000 Fuss betragen haben muss.

Die nach Osten stark zunehmende Bodensenkung machte sicn auch auf der folgenden Strecke sehr bemerkbar. Die nächste Seriba im Bongolande gehörte wie die vorige m <len Besitzungen Agad's und hiess Muhdi; wir legten die 13 14 Meilen dahin in einem ununterbrochenen Marsche zurück, indem wir in flacher und von ausgedehnten Steppen- strichen eingenommener Gegend fünf zum Theil völlig trocken gelegte Sumpfchors passirten. Mingangah, Bolongoh, Bodowuih, Doggolomah, Koddahirära; von diesen nahmen, den Aussagen

Rasttag in Miibdi.

4Ü1

der mich begleitenden Bongotrager zufolge, die beiden ersten ihren Abflusa nordwärts zum Getti, die drei folgenden aber südostwärts zum WaulluBs.

In Muhdi machte ich, wie ich es in Xgulfala gethan, einen Rasttag, da ich arg erkaltet, mich gänzlich kraftlos fühlte. Diese Tage über blies wieder ein sehr heftiger und kühler Nordost<iTind.

Als ich mich gegen Abend etwas wohler fühlte, unter- nahm ich eine kleine Rundtour durch die Weiler der Um- gegend. Hier erblickte ich das merkwürdige Grabdenkmal des verstorbenen Bongo-Aeltesten Janga, von welchem ich im siebenten Kapitel eine Abbildung gegeben habe. Die Bongo von Muhdi legten noch viel Ursprünglichkeit an den Tag. In ihren Hütten machte ich eine Menge G^enstünde und Geräthscbaflen ausfindig, welche in den übrigen Landes-

422 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

theilen längst ausser Gebrauch gekommen zu sein scheinen. Sehr häufig und in grosser Mannichfaltigkeit waren die musi- kalischen Instrumente vertreten, welche ich bei Schilderung dieses Volkes (siebentes Kapitel) ausführlich beschrieben iiabe. Um ihre Handhabung zu veranschaulichen, lasse ich hier eine Skizze beifolgen, welche eins jener Quartette dar- stellt, wie es die jungen Leute zur abendlichen Unterhaltung zu executiren pflegten und welche gerade in Muhdi meine Aufmerksamkeit in hohem Grade fesselten.

Der Verwalter von Muhdi hielt sich zwei Caracalluchse, die er jung hatte einfangen lassen, um sie gross zu ziehen und nach Chartum zu senden. Ein Bongo war eigens zn ihrer Wartung bestellt, und dieser musste, um für die Bestien ein geeignetes Futter zU' schaffen, einen grossen Theil des Tages dem Rattenfange obliegen. Er holte sie bündelweise, zu Dutzenden zusammengebunden, von den Ufern eines be- nachbarten Chors. Diese Ratten gehörten jener röthUch- braunen Art mit weisslichem Bauche an, welche die Bongo „Lunj^' nennen, und schienen, abgesehen von ihrer geriugeni Körpergrösse, völlig unsern Wanderratten zu entsprechen. Die Lunjratte findet sich im Lande stets nur in- der Käfae der Gewässer und ist von derjenigen Art, welche sich in den Hütten und Speichern daselbst einnistet, nur durch ihre Färbung verschieden. Ob die Wanderratte auf ihrem Welt- eroberungszuge in der That bereits bis zu diesen entlegenen Binnenländern vorgedrungen, diese Frage liess sich bisher leider nicht erledigen, da die Untersuchungen an den mit- gebrachten Exemplaren, bei der grossen Schwierigkeit des Gegenstandes, noch nicht zum Abschlüsse gediehen sind

Zwei Stunden in Südost von Muhdi liegt die Kurschuk- Ali'sche Filialseriba Moddu-Mahä, und 3 Stunden w^eit^r in dieser Richtung die Hauptseriba Hassaballa^s, welche bei den Bongo Gellau heisst, diesseits, und nicht weit vom Wan entfernt. Das schmale Land zwischen den Flüssen Wau und Djur enthält ein halbes Dutzend kleiner Seriben, welche der

Der Riesenbaum zu Muhdi. 423

Reihe nach am Wege zu den Bellanda aufeinanderfolgen und theils dem einen, theils dem andern der beiden genannten Handelshäuser angehören.

Die kleine Seriba Muhdi wird mit allen ihren Hütten von einem einzigen Feigenbaume beschattet, einem Exemplar Ton wahrhaft monumentaler Pracht und Grossartigkeit. Der- selbe gehört der oft genannten Art (Ficus lutea) an, welche die Bongo Mbehri nennen. Der Stamm des Baumes von Muhdi war wie immer von geringer Höhe, zeigte dagegen eine um so gewaltigere Dicke und eine nach allen Richtungen hin horizontal ausgebreitete Verästelung. Jeder einzelne Ast besass eine derartige Dicke, dass er für sich allein einen Baumstamm abgegeben hätte, welcher den Vergleich mit unsem stärksten Kiefern und Tannen nicht zu scheuen brauchte. Die eigentliche Rinde kommt am Stamme des Mbehri nur an wenigen Stellen zum Vorschein, sie ist hellgrau, wie die der Platanen, und querrissig. Alle Aeste, selbst die höchsten, sind mit kurzen Luftwurzeln wie mit einem Barte dicht behangen, diese umflechten den Stamm wie mit einem dichten Geflechte von Stricken und Tauen. Dagegen fehlen dieser Art die sich senkrecht von den Hauptästen zur Erde hinabsenkenden grössern Luftwurzeln, welche selbst wiederum stammbildend werden können und den ehrwürdigen Syko- moren Aegyptens ein so eigenthümliches Aussehen ertheilen, indem sie ihren Stamm mit vielen Nebenstämmen in Gestalt einer säulengetragenen Rotunde umgeben.*)

Ein eigenthümliches Efeigniss knüpfte sich an den Baum von Muhdi, und ich fand die kleine Bewohnerschaft der Seriba noch ganz unter dem Einfluss des Staunens und des

*) Eine derartige Sykomore findet sich auf der Insel Rodah bei ICairo, in dem Garteik des Herzogs von Dumont, wo die Säulenbildung, durch Anhängen von Wassergefässen beschleunigt, zwei concentrische Kreise um den Sykomorenstamm herum darstellt; sie gehört zu den interessantesten Naturmerkwürdigkeiten Kairos und ist wol werth eines Besuches.

424 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Schreckens, welchen es vor kurzem hervorgerufen. Einer der gewaltigsten Aeste, vermodert und vom Wurm zerfressen, lag herniedergestürzt am Boden, sein Fall hätte eine ganze Hütte zusammenschlagen müssen, wäre derselbe in einer andern Richtung als der stattgehabten erfolgt. Dieser Stnn wurde von den Nubiern als die unmittelbare Wirkung eines „bösen Blicks ^^ betrachtet, den ein Soldat, welcher sich auf der Durchreise befand, am Tage vor meinem Einzüge in Muhdi auf den morschen Ast geworfen. Die Leute waren wie gewöhnlich im Schatten des Baumes vor ihren Hütten, als der Erwähnte, auf den Ast deutend, ausgerufen haben soll: „Das Holz da ist faul, es wäre schlinmi, wenn es euch auf den Kopf fiele." Gesagt, gethan, kaum hatte er die Worte gesprochen, als sich auch schön ein gewaltiges Knistern und Knackern erhob und die Holzmasse krachend zu Boden stürzte. Die Trümmer lagen noch da vor aller Augen, nml mein Ohr vernahm die Schreckenskunde aus dem Monde der Augenzeugen.

Zwei Tage verbrachten wir auf dem Bückzuge nach Wau; die Agad'sche Hauptseriba lag von Muhdi in Nordost, und die Entfernung auf einem kleinen Umwege betrug gegen 35 Meilen. Die Gegend war mit lichtem Buschwalde be- standen und schien nirgends mehr die Ueppigkeit und Laub- fülle des hinter uns gelegenen Westens zu erreichen. Wir überschritten zunächst zwei Sumpfniederungen Katjirr und Damburre, wo sich im hohen, jetzt halb ausgedörrten Grase einzelne Brunnenlöcher vorfanden. Bei der letztgenannten Niederung zeigten sich Spuren einer alten Niederlassung, welche nach den Aussagen meiner Bongo von der ältestoi Seriba, welche im Lande gegründet wurde, herstammen soll- ten. Wir nächtigten an dem Sumpf bache Moll, sehr be- lästigt von der Heftigkeit eines von 10 Uhr ab wüthenden sehr trockenen Nordoststurms.

Die Hunde, welche mich begleiteten, waren durch das viele Geräusch, das sich in den umliegenden Grasdickichten

Jagd auf Rohrratten. 425

bemerklich machte, so aufgeregt, dass man sie nichj von dem Versuche zurückzuhalten vermochte, auf eigene Hand in der Finstemiss zu jagen. Ueber und über mit Blut be- spritzt, kehrten sie mitten in der Nacht zu mir ins Lager zurück. Von dem Wildreichthum der Gegend sprach auch das nächtliche Hyänengebrüll, das sich, sonst eine grosse Seltenheit, gerade an diesem Platze besonders anhaltend ver- nehmen liess. Als Nachtessen dienten mir die im Laufe des Tages erlegten grossen Rohrratten, deren gesammte Körper- länge von der Schnauzenspitze bis zur Stelle des fehlenden Schwanzes 1 Fuss 7 Zoll englisch (0,525 Meter) mass. Ich hatte am Damburre einen grossartigen Steppenbrand in Scene gesetzt und mit Hülfe der Träger, die als Treiber dienten, eine interessante Jagdausbeute in der Niederung erzielt. Zwei Zebra-Ichneumonen und zwei Fahr-el-buhss wurden im Triumph zum Lagerplatze getragen.

Oestlich vom MöU betraten wir ein hügeliges und mit kleinen Sträuchern sehr licht bewachsenes Terrain. Zu bei- den Seiten des Weges tauchten Hügelzüge von Rothfels auf, oder Platten und Kuppen von Gneis. An dem trocken geleg- ten Sumpfbache Dabohio, welcher nun folgte, fanden sich zahlreiche Büffelwechsel, und eine sehr erfolgreiche Jagd auf Perlhühner eröffnete sich daselbst, da die frühe Morgen- stunde Scharen von Hunderten derselben an die hin und wieder in den Pfützen etwas Wasser darbietende Niederung getrieben hatte. Eine weite baumleere und gleichmässig gesenkte Fläche bot sich weiterhin den Blicken dar. An einer Stelle konnte man auf 3000 Schritt die Träger über dieselbe hinziehen sehen. So gelangten wir zu einer jetzt trockenen Sumpfdepression mit Terminalienbeständen, jen- seit welcher das Land bedeutend aufstieg, indem ein von Südost nach Südwest sich hinziehender Hügelabfall die Nie- derung nach Osten zu begrenzte. Bis zur Agad^schen Seriba hatten wir noch 4 Meilen in beständigem Ansteigen zurück- zulegen.

426 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Am 19. Februar begrüsste ich nach neunundvierzig- tägiger Abwesenheit und nach einer Wanderung von 87GO0Ö Schritten wieder meinen alten Freund Chalil, welcher mich in schönen neuen Hütten unterbrachte, die er vorsorglich für den Best meiner bei ihm zu verlebenden Zeit eigens hatte herrichten lassen.

DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

emalten Dörfer der Katharina IL Tauschobjeete der Sklaven- T. Die Agenten der grossen Sklavenhändler. Niederträchtig- er Fakis. Haarsträubendes Beispiel von Grausamkeit. Staunens- ?r Eifer im Menschenschacher. Die Gastfreundschaft leistet der Sache Vorschub. Die drei Klassen der Gellabas. Verkehr der ;nhändler mit Mofio. Preise beim Aufkauf von Sklaven. Rela- Verthe der Rassen. Die Kategorien der zum Privatgebrauche ibier dienenden Sklaven. Freiwilliger Sklavenzuzug. Die Sklaven- der Kubier. Bedeutung der Murhaga für den Sklavenhandel, n zum Feldbau. Bevölkerungsverhältnisse des Gebiets. Die fünf n Quellen des Sklavenhandels in den Nilländem. Repressiv* ?geln des chartumer Gouvernements. Sklavenjagden unter Me- -Ali. Langsame Fortschritte der Humanität. Die Vollbringung ilben Werks. Aegyptens culturhistorische Mission. Vom Islam :hts zu hoflfen. Aufhebung der Sklaverei ist Neugeburt des s. Die Entvölkerung Afrikas, ein Verlust für die ganze Meusch- Aufregende WahrnehmuDgen des Reisenden. Mittel zur ünter- ing des Sklavenhandels. Sklavencommissare. Chinesische Ein- nderung. Gründung und Protection grösserer Kegerstaaten.

Noch nie mochte der Ueberlandsklavenhandel auf der ►faner Strasse so geblüht haben, wie im Winter 1870—71, h, ein Augenzeuge, an seinen Quellen mich befand. Sei ass die Massnahmen Sir Samuel Baker's (welcher im ler vorher mit der definitiven Säuberung der obern Wässer begonnen, indem er seine ruhmvolle Thätigkeit i Wegnahme aller sklavenführenden Barken eröffnet lach Aufhebung einer grossen Chasua des Mudirs von

428 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Faschoda über den Ernst seiner Intentionen keinen Zweifel mehr gelassen hatte) dazu beitrugen, den Conflux von Gel- labas aus Kordofan zu vermehren, sei es, dass die Nachricht von dem Mangel an Baumwollenstoffen, welcher um jene Zeit in den Seriben herrschte, ihren Unterredungsgeist be- sonders angeregt hatte, möglich sogar, dass die Anwesenheit ägyptischer Truppen im Bachr-el-Ghasal-Gebiete ihrer Hab- gier neue Quellen der Bereicherung in Aussicht stellte, so- viel steht fest, dass weder Baker noch das Generalgouveroe ment (den Vicekönig trifft hierbei nicht die geringste Schuld) irgendwie an eine Ueberwachung der Localbehörden in Kor- dofan dachten. Froh, die Wasserstrasse des Nils vor dea Augen der grossen Welt gesäubert zu haben, sahen sie nichts oder wollten sie nichts sehen, was rechts und links von die- sem grossen Wege ungestört vor sich ging. Wer da unter dem Eindrucke der Betheuerung, dass nun der Sklaven- handel am obern Nil für alle Zeiten abgeschafft sei, den Zustand der Länder als ein Augenzeuge des Gegentheils be- trachtete, dem eröffneten sich Perspectiven, welche ihn an die bekannten gemalten Dörfer erinnern mussten, die man Katharina II. auf ihrer Rundreise durch das südliche Kuss- land vorführte.

W^ie ich es aus dem Munde Schech Siber's selbst er- fuhr, indem er mir sein Leid klagte, dass die Ueberhäufung seines Etablissements von Gellabas das Land mit einer Hungersnoth bedrohe und seine Komvorräthe bereits er- schöpft seien, hatten im Laufe des Winters zwei grosse Kara- vanen über Schekka die enorme Anzahl von 2000 dieser kleinen Entrepreneurs ins Land gebracht; diese Zahl war um die Mitte Januar bereits überschritten worden und An- fang Februar langte abermals ein Zug an, welcher auf 600— 700 Köpfe veranschlagt wurde.

Alle diese Händler pflegen auf ihrem Durchzuge durch die Steppen der Baggära in Schekka langem Aufenthalt n nehmen. Daselbst handeln sie Last- und Reitochsen ein,

Tauschobjecte der Gellaba. 429

auch Butter*), nach welcher, als einem guten Tauschobjecte, im Gebiete der Seriben viel Kachfrage herrscht. Je nach den Mitteln, über welche die einzelnen verfügen, nehmen die Gellaba auch einige der Baggära in ihren Dienst, indem sie dieselben mit der Führung und Wartung der Thiere be- trauen. Die ins Gebiet der Seriben auf diesem Wege ein- geführten Waaren bestehen hauptsächlich aus Ballen von Baumwollenstoff, sowol „Trumba", d. h. einheimisches roh- gewebtes Zeug aus Sennaar, als auch englische Kattunö von der Sorte „Amerikani und Damur". Gross ist auch die von den Gellaba abgesetzte Menge Percussiousgewehre, gewöhn- lich ordinäre Doppelflinten belgischen Ursprungs im Werthe von 10 20 Thaler das Stück. Ausserdem führen sie noch allerhand Kleinigkeiten mit sich, Pfeifenköpfe, Spiegel, tür- kische Schuhe, rothe Fes, Teppiche u. dgl. Sehr selten kommen zum Transport Kamele zur Anwendung, welche ausnahmslos in kurzer Zeit den Einflüssen des Klimas er- liegen. Alle Gellaba bedienen sich indess der Esel, auf deren Rücken sie, man kann getrost sagen, den grössten Theil ihres Lebens verbringen. Ohne Esel kann man sich

einen richtigen Händler und Kleinkrämer des Sudan sowenig

vorstellen, wie einen Samojedeu ohne sein Renthier. Solch ein Eselein kann seine zehn Stück Zeug aufnehmen und den Reiter noch oben darauf. Der Esel, wenn er nicht den Strapazen der Reise erliegt, wird im Gebiete der Seriben gegen ein bis zwei Sklaven eingetauscht, mit den Zeugen werden ihrer drei erzielt, sodass im glücklichen Fall ein blutarmer Kleinkrämer, der mit 25 Thaler Werth an Waaren und mit einem Esel ins Land kam, mindestens vier Sklaven, die in Chartum einen Erlös von 250 Thalern geben, zu er-

*) Die Baggärabutter ist von tadelloser Qualität und wird in inn- gponnenen Korbgefässen aufgehoben, nachdem diese inwendig mit . dem Fruebtbrei des Balanites ausgeschmiert und inpermeabel gemacht worden sind.

430 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

stehen vennag. Der Rückzug wird alsdann zu Foss an- getreten und die Sklaven müssen den allemöthigsten Reise- bedarf tragen.

Ausser diesen kleinen Leuten, diesen hausirenden Sklaven- händlern, welche aus einem angeborenen Hange zum Handel mit Menschenfleisch, der sich nur mit dem Hange zu Geld- geschäften aller Art vergleichen lässt, welcher die polnisdien Betteljuden charakterisirt, fehlt es aber auch nicht an zahl- reichen grossem Entrepreneurs , die mit vielen Esel- und Ochsenladungen dahergezogen kommen , eigene bewaffnete Sklaven zu ihrer Bedeckung mit sich führen, und die all- jährlich einen Umsatz von einigen Hundert Sklaven zu machen wissen. Solche haben denn auch in den grossem Seriben ihre Agenten oder ihre Geschäftsfreunde, welche sich daselbst vollständig niedergelassen haben und über eigen Haus nnd Hof verfügen. Die Agenten sind meist Fakis (Priester, eigentlich nur der Schrift kundige Leute), denn die gewöhn- lichen Nebenbeschäftigungen des Priesters schliessen im ge- sammten Sudan fast selbstverständlich den Sklavenhandel in sich, und mehr oder minder sind sie buchstäblich mit dem Schmuze dieses schändlichen Gewerbes besudelt. In den grössern Städten, am besten in Chartum, findet man leicht Gelegenheit, ihr Thun und Treiben zu beobachten. Da sieht man denn in der Regel Dinge, die allerdings unglaublicb erscheinen. Ihr Krämergeist erstreckt sich auf die hetero- gensten Branchen des Erwerbes. Die ärmern Fakis sind Zwischenhändler, Kleinkrämer, Amuletschreiber, Wunder- doctoren, Schulmeister, Kuppler in einer Person; die reichem, welterfahrenem dagegen haben ihre besoldeten Gehülfen unter sich und betreiben Schul - und Schankwirthschaft im grossen. In der Schule gilt das Wort des Propheten, in der Merissa- schenke steht der Cultus der Venus obenan. Solche Leute stehen nichtsdestoweniger beim Volk in Jaohem Ansehen, und der Ruf ihrer Frömmigkeit überdauert nicht selten die Gene- ration, in welcher sie wirkten. Man begräbt ihren Leichnam

Niederträchtigkeit des Fakis. 431

auf den öffentlichen Gebetplätzen und befestigt an Stangen weisse Fähnchen dabei, um die geheiligte Stätte zu bezeich- nen. Doch besehen wir uns diese Heiligen näher bei Lichte.

Die Suren des Koran in der einen Hand, das Kastrir- messer*) in der andern, durchziehen sie das Land, von Seriba zu Seriba wandernd, und führen im wahren Sinne des Wortes das, was unsere Frommen ein Gebetsleben nennen. Ihr zweites Wort ist Allah, ihr drittes Mohammed el rassul. Allein wie leicht es dem rohen Menschen wird, zu glauben, und wie schwer, ein rechtschaffenes Leben zu führen, sieht man recht deutlich an diesen Fakis. Nie fand ich unbarm- herziger die Sklaven behandelt, als von diesen glaubens- starken Männern, die indess ihren geraubten und für Spott- preise, wie Diebeswaare erkauften Seelen stets gottesf ürchtige Namen beizulegen pflegen, wie z. B. häufig Allagäbo (Dieu- donne), Gott hat's gegeben. Dass sie aber zu solcher Blas- phemie noch Mishandlungen zu gesellen vermögen, welche bei uns kein Diener der öffentlichen Reinigung an einem verreckenden Hunde loslassen würde, beweist folgender Fall.

Li einem Transporte befanden sich etliche elende, zu Gerippen abgemagerte Mittusklaven, die kaum im Stande waren, den ihnen am Halse befestigten Balken, die Scheba, nachzuschleifen. Eines Morgens vernahm ich bei den von ihnen eingenommenen Hütten, welche ich häufig, um meinen Gemüsegarten zu erreichen, passiren musste, viele Stimmen, und wie ich mich seitwärts wendete, eröffnete sich mir eine ßcene, die wiederzugeben sich die Feder sträubt Man hatte einen Sterbenden aus der Hütte geschleift und prüfte mit grausamen Peitschenhieben, die ebenso viel weisse Streifen auf seiner welken Haut zurückliessen, und unter Fluchen

*) Diejenigen, welche aas Darfur kommen, sind vielleicht die einzigen der Welt, welche noch das abscheuliche Gewerbe des Ver- scbneidens von Knaben betreiben; die Eunuchen werden immer seltener.

433 DreiundzwanzigBtes KapiteL

und SchmäbuDgen, ^'ie: „Der Hund will Doch Dicht sterben, er ist noch nicht todt, der Heide", ob er noch ein Lebens- zeichen von sich gebe. Dabei spielten die Sklavenknaben {„cet öge est sans pitie", hat schon Lafontaine gesagt) ans dem Gefolge der Fakis mit dem noch deutlich keuchenden und röchelnden Körper unter empörenden Scherzen förmlich Fangeball. Sein grässliches AugenTerdrehen hätte jedes menschliche Herz, venn nicht gerührt, so doch mit Ent- setzen erfüllen müssen; statt dessen wurden Stimmen laut, der Unglückliche verstelle sich nur, um unbemerkt entfliehen zu können. Sein bejammemswerthes Aeussere strafte sie Lügen, und so wurde er in den Wald geschleppt, wo ich nach einigen Wochen seinen Schädel aufsuchte, um ihn nebst vielen andern seiner Leidensgefährten dem berliner Musenm einzuverleiben. Das ist die Geschichte vom Schädel Nr. 36; das thateu angesichts der Majestät des Todes mohammeda- nische Priester, sie, die sich für GlanbeusheldeD liieUen; und unsere bethörten Missionare suchen ihnen im Gluben die Spitze zu bieten; die rechtschafTensten und besten Men- schen von der Welt, stellen sie sich auf gleichen Standpunkt mit jenen Moslemim, wo die Moral allein den Ausschlag geben muss. Ueberall weist die Geschichte des Glauben« uichu auf als Bosheit, nur der christlichen Mor-nl verdanken wir alles Gute, dessen wir uns erfreuen.

Nicht immer ist der in beschränktem Massst^>e btt!»- bene Menschenhandel lukrativ; denn zahllosen unglackfidKn Zwischenfällen sind die kleinen Gellabas ausgesetzt. Fallt J.l!- der Esel oder der Beitochse gleich beim Betreten des Hiuiidd-* gebiets, so ist der Händler genöthigt, seine Habe nm jefa Preis loszuschlagen. Auch Koiiimangel auf den weiten Wtndtr Strassen durch Öde Wildnisse, vor allem aber das bestand^ Davonlaufen der Sklaven selbst, decimirt nur zu hänfig ibit Vorräthe. Man muss wirklich staunen über die Zähigkeit dieser Leute. „Weshalb", so niusste ich häufig fragen, „Terlassen sie ihre Heimat, um unter Mühseligkeiten und EntbehruDgen

SKLAVENHÄNDt.EH AUH nARPUB.

Handelseifer der Gellaba. 433

aller Art, in einem fremden Klima und unter ungewohnten Lebensbedingungen einem Gewerbe nachzugehen, welches nur in den seltensten Fällen vor Noth und Armuth schützt." Immer ward mir zur Antwort: „Wir suchen «grusch» (Piaster), wo- von sollen wir daheim leben?" „Und könnt ihr daheim kein geregeltes Leben führen, Korn bauen, Vieh züchten?" fragte ich weiter. „Nein", sprachen sie, „dort saugt uns die Re- giening aus, und Kornbau gibt kein Geld." Mit dem Aus- saugen aber ist es in der That nicht so schlimm bestellt, wde die Leute vorgeben, sie sind nur arbeitscheu und zu träge, um Steuern erschwingen zu können, welche sich «inigemiassen dem im eigentlichen Aegypten üblichen Satze annähern. Von solchen Sklavenhändlern, die zu allem fähig erscheinen, wenn sie nur ihrem gewohnten Gewerbe nach- gehen können, zu erwarten, dass sie aus freien Stücken auf dasselbe verzichten sollten, hiesse den Eskimos zumutben, Melonen anzubauen.

Mit den Gewerben ist es freilich schlimm bestellt im ägyptischen Sudan. Der Reiche gibt nichts her, er lebt vde ein Hund und kennt nur das Bedürfniss, Geld aufzuhäufen. Städtischer Comfort oder gar Luxus, selbst nur annnähernd den orientalischen Begriffen entsprechend, fehlt gänzlich. Da ist weder Nachfrage nach Arbeit, noch Tagelohn zu er- warten. Wie soll der kleine Mann leben, wie das Gewerbe gedeihen, wenn der Grosse nichts consumirt. Die Sklaverei selbst treibt zur Sklaverei, denn die Reichen, im Besitze vieler Sklaven, bedürfen nicht der Arbeit um Lohn, und lassen alles von ihren Sklaven verrichten.

Was übrigens das Treiben der kleinen Gellabas bedeu- tend erleichtert, ist die im ganzen Gebiete der Seriben herr- schende Gastfreundschaft. Ausser den Söldnern der ver- schiedenen Compagnien, ihren Verwaltern, Agenten, Schreibern, Magaziniers und andern Beamten, befinden sich fast eine gleichgrosse Anzahl von Landsleuten und Glaubensbrüdern in diesen Ländern, welche als kostenfreie Mitesser von dem

SOUWBXKrUBTB. II. 28

434 * Dreiandzwanzigstes Kapitel.

Schweisse der Neger zehren, wie faule Drohnen von der Ar- beit des Fleissigen. Könnte man all das unnütze Gesindel, worunter sich viele davongelaufene Sträflinge oder solche befinden, die eine Strafe zu befürchten hatten, aus dem Lande schaffen, alsdann wäre freilich Futter genug da für die ägyptischen Truppen, selbst wenn man zehn Regimenter ins Land schickte.

Wie im ägyptischen Sudan, so kostet auch -in diesen Ländern das Beisen so gut als gar nichts. Jeder Ankömm- ling wird in der Seriba mit Kissere und Melach bewirthet und erhält überdies noch Korn für Esel und Sklaven, da- mit sie hübsch bei Kräften bleiben. Die Gellabas können sich daher überall, wo und so lange es ihnen gefällt, nieder- lassen. So ziehen sie von West nach Ost durchs Land bis zu den Flüssen Rohl und Djemit. Vor Eintritt der Regen- zeit finden sie sich dann alle wieder in dem gemeinsamen Sammelplatze des Westens, bei Siber, um die Karavane nach Kordofan zu formiren.

Ich theile die Gellabas, welche in diesem Gebiete den Sklavenhandel vorzugsweise vermitteln oder ihn selbständig betreiben, in drei Klassen.

1) Die kleinen Leute mit einem Esel oder einem Ochsen, welche im Januar kommen, um im März und April wieder abzuziehen.

2) Die Agenten und Compagnons grosser Händler in Darfur und Kordofan, welche sich in den Seriben, und hier fast immer in der Eigenschaft von Fakis niedergelassen haben.

3) Die sesshaften Sklavenhändler auf eigenem Grund und Boden in den Dems des Westens.

Die letztgenannte Sorte ist die einzige, welche weiter in die Negerländer einzudringen pflegt, als das Seribengebiet reicht. Fast alle wenden sich von den Dems in Dar-Fertlt zu Mofiö, dem grossen Niamniamkönige des Westens, be- gleitet von ansehnlichen Banden eigens zu diesem Zwecke

Die Klassen der Sklavenhändler. 435

unterhal teuer Bewaffneter, die sie aus der Zahl ihrer besten Sklaven rekrutiren. Sehr, gegen die von den chartumer Elfenbeinhändlern befolgte Politik haben die Gellaba dem Könige Mofio nach und nach eine solche Menge von Ge- wehren zugeführt, dass dieser König jetzt an die 300 mit Feuerwaffen ausgerüstete Krieger zu seiner Verfügung haben soll. Mit dieser Kriegsmacht bedroht er beständig die Ex- peditionen der Chartumer, welche an seine Territorien strei- fen. Die Sklavenvorräthe Mofio's scheinen unerschöpflich zu sein, denn Tausende werden auf dem angedeutoten Wege alljährlich aus seinem Gebiete ausgeführt, die er theils aus den ihm unterworfenen Sklavenstämmen *) rekrutirt, theils auf Razzien in den benachbarten Gegenden zusammenrau- ben lässt.

Ueber die beim Aufkaufe der Sklaven gezahlten Preise kann ich nur soweit dieselben das Gebiet der Seriben be- treffen als Augenzeuge berichten. Kupfer und Baumwollen- zeuge, die letztern immer auf Kupfer reducirt und sehr schwankend im Preise, bilden die hauptsächlichsten Werthe des Tausches. Im Jahre 1871 galten 30 Rottoli (hier eine ziemlich imaginäre Gewichtsgrösse , in Wirklichkeit nur gegen 18 Rottoli**) ägyptisches Gewicht) Kupfer in Dem Nduggo, und 25 Rottoli im Djur- und Bongolande als der übliche Preis für junge Sklaven beiderlei Geschlechts von der Klasse der Ssittahssi (d. h. 6 Spannen hoch), Knaben und Mädchen von durchschnittlich 8 10 Jahren. Der Durch- schnittspreis würde sich demnach in diesem Lande auf gegen 7V2 Mariatheresienthaler, entsprechend dem Werthe des Kupfers in Chartum, stellen. Besonders schöne Sklavinnen, sogenannte „Nadif". (d. h. reine, saubere), die aber sehr selten sind, weil die vielen im Lande ansässigen Fremden

♦) Diese gehören den Stämmen Ssehre, Nduggu, Fakkereh, Baddoh, Tabboh n. s. w. an.

**) 1 Rottoli = 449,5 Gr.

28*

436 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

sie für sich selbst in Anspruch nehmen, können das Dop- pelte und Dreifache der angegebenen Werthe beanspruchen. Ausgewachsene, meist hässliche, aber starke Sklavinnen sind etwas billiger als die halbwüchsigen. Alte Weiber werden en bagatelle behandelt und repräsentiren so gut wie gar keinen Werth. Erwachsene Männer werden sehr selten als Sklaven verkauft, da sie schwer zu bändigen sind und beim Transport grosse Schwierigkeiten bereiten. Der Sklaven- bedarf des Orients ist vorherrschend Luxussache, und die Sklaven werden im grossen und ganzen doch eben nur zum Faullenzen, nicht zur Arbeit angehalten.

An Zeugen zahlte man im Gebiete der Seriben bei der UeberfüUung des Marktes im Winter 1871 sehr hohe Preise für Sklaven, und diese erreichten fast den doppelten Betrag des Vorjahres. Vier bis sechs Stück der gemeinsten Art „Damur* (das Stück von 24 Yard, in Chartum zu 2 Maria- theresienthaler) zahlt man für die „Ssittahssi".

Kächst den weissen BaumwoUenstoflfen sind auch Flinten ein sehr beliebtes Zahlungsmittel, welches dem Händler zu- gleich einen weit höhern Gewinn einträgt. Eine gemeine Doppelflinte französischen oder belgischen Fabrikats, liefert im Handel zwei bis drei, wenn etwas Vergoldung angebracht ist auch wol bis fünf der „Ssittahssi".

Was den Werth der Sklaven in Chartum anlangt, so konnte man zu jener Zeit mindestens das Sechsfache von den angeführten Zahlen rechnen. Die periodisch an Streuge ab- oder zunehmenden Massregeln der Localregierung zar Unterdrückung dieses Handels müssen selbstverständlich die Preise im hohen Grade beeinflussen. Zur Zeit meiner Ab- reise von Chartum, als der Markt noch ziemlich frei und ungezwungen versehen werden konnte, gab es für weniger als 40 Mariatheresienthaler keine Sklaven daselbst, und da^ war bereits der niedrigste Satz für ältliche, aber zum Hans- dienste taugliche Sklavinnen. Obenan im Werth, berück- sichtigt man die Rasse der Sklaven, stehen am Bachr-el-

Preise der Sklaveo. 437

Ghasal die Bougo, ihrer grösaem Gelehrigkeit, Gefügigkeit und Anhänglichkeit halber, auch infolge ihrer körperlichen Vorzüge und grösBern Arbeitskraft. Echte Niamniam, nament- lich die Mädchen, sind indess viel theuerer als die besten Bongosklavinnen, nur sind sie äusserst selten und daher an dieser Stelle kaum zu berücksichtigten. Die Mittu stehen,

als bässlicb, mager und wenig zu Strapazen und Anstrengun- gen tanglich, in geringem Werth. Babücknrsklaven müssen durch Fesseln und vermittels des Jochs gesichert werden, da sie einen weder durch Wohlleben noch durch liebevolle Behandlung zu überwindenden Freiheitsdrang bekunden und bei jeder Gelegenheit davonzulaufen bestrebt sind.*) Das-

♦) Dm beigegebene Porträt zeigt eine solche Sklavin am Strick von Ijedenieinen geflochten in dem kläglichen GeBichtaanB druck ihrer damaligen Lege.

438 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

selbe gilt vou den Luba und Abaka. Die Dinka sind als ungefügig und unanstellig discreditirt; nur als Weiber zwei- ten Ranges und in Ansehung ihrer culinarischen Kenntnisse finden sie leicht Eingang in die Haushaltungen der Nubier. Der Bedarf an Sklaven innerhalb der Seriben des Ton mir bereisten Gebiets ist an und für sich ein so grosser, dass derselbe allein schon einen schwunghaft betriebenen Handel ins Leben rufen muss. Im Durchschnitt kann man, alles in allem, drei Köpfe auf den Mann in den Seriben rechnen, und da die Zahl der mohammedanischen Insassen in den meisten Gegenden einen grossen Bruchtheil der eingeborenen Bevölkerung ausmacht, in den westlichen Gebieten aber die- selbe sogar um ein Bedeutendes zu übersteigen scheint, denn die Eingeborenen daselbst (Kredj , Golo,' Ssehre) bestehen nur noch entweder aus Trägern oder aus Kornbauem, so kann man sich leicht vorstellen, dass eine Schätzung der zum Privatgebrauch im Lande selbst dienenden Sklaven auf 50 60000 nicht zu hoch gegriifen sein mag. Diese Privat- sklaven (im Gegensatze zu den auf Lager gehalteneu und blos als Waare behandelten) stelle ich unter folgende ,vier Kategorien :

1) Knaben von 7—10 Jahren, die zum Gewehr- und Patronentragen dienen und von welchen jeder n'ubische Söldner wenigstens einen besitzt. Bei vorgerücktem Alter treten sie unter die Kategorie 2.

2) Sogenannte Faruch oder Narakik, auch Basingir ge- nannt, welche aus grösstentheils in den Seriben aufgewach- senen Eingeborenen gebildet werden und die mit Gewehren bewaffnet eine Art Nizzam darstellen, dessen Bestimmung es ist, alle Raub-, Kriegs- und Handelszüge der Nubier zu begleiten. Diese schwarzen Sklavensoldaten bilden in allen Seriben nahezu die Hälfte der bewaffneten Macht, und ihnen fällt im Kriege die militärische Hauptrolle zu. Die Faruch sind es, welche die Negerdörfer abzusuchen haben, um Korn aufzutreiben, sie sind es, welche die Träger zusammen-

Die Sklavenkategorien. Faruch. 439

trommeln oder die Renitenten in den Wildnissen einfangen müssen. Bei jeder Action haben sie die schwerste Arbeit zu verrichten; sie müssen Sklaven einfangen und den eigent- lichen Kampf mit den Wilden bestehen. Die Seribenverwal- ter könnten im Besitze einer genügenden Anzahl dieser Faruchs sehr wohl der nubischen Söldner entbehren, wenn erstere nicht, der beständig drohenden Eventualität des Davonlaufens halber, minder zuverlässig erschienen als die Nubier, bei welchen dies nie zu befürchten steht, es sei denn ein blosses Ueberlaufen zu einer andern Compagnie. Die Faruch besitzen Feld, Weib und Kinder in den Seriben, ja die altern unter ihnen halten sich sogar ihre eigenen Sklaven- jungen zum Gewehrtragen. Einen grossen Zuwachs erhalten die Reihen dieser Art von Sklaven nach jedem Niamniam- zuge, da sich im Verlaufe solcher Expeditionen stets zahl- reiche junge Eingeborene den Nubiern freiwillig anzuschliessen pflegen. Zufrieden^ ein Hemd und eine Flinte zu tragen, begeben sie sich gern in die Knechtschaft und folgen, in der Erwartung, dass ihnen in den Seriben -eine regelmässi- gere Nahrung geboten werde, als ihre heimatlichen Wild- nisse darbieten, freudig den Fremden. Diese Bedingungen sind im Niamniamlande ausreichend, um überall ganze Scha- ren von Begleitern und Knechten um sich sammeln zu kön- nen; mir selbst gingen darauf hinzielende Anträge von jun- gen Leuten allerorten auf unserm Durchzuge durch jenes Land zu, und ich deute absichtlich auf diesen Umstand, um zu zeigen, wie leicht es der ägyptischen Regierung werden würde, hier nach Belieben zu rekrutiren, ohne den gering- sten Zwang ausüben zu müssen. Ganze Regimenter von vorzüglichen Nizzamtruppen Hessen sich unter den Niam- niam in wenigen Tagen ohne alle Umstände anwerben.

3) Eine dritte Kategorie der Privatsklaven bilden die Sklavinnen im Hause. Jeder Soldat hat seine Sklavin, oder ihrer mehrere. Im letztern Falle wird eine zu seiner Favo- ritin, die andern haben dem mühsamen Geschäft der Mehl-

440 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

bereitung und dem nicht minder zeitraubenden des Kissere- backens obzuliegen. Diese Sklavinnen gehen wie runde Tha- ler aus einer Hand in die andere; eine der Hauptursachen zur schnellen Verbreitung jener abscheulichen Krankheiten^ von denen diese Länder, soweit sie zum engern Machtbezirke der Seriben gehören, seit ihrer Vergewaltigung durch die Chartumer heimgesucht worden sind. Zeugt eine Sklavin Kinder, so werden diese, wie es überall der Brauch in den mohammedanischen Ländern des Sudan erheischt, stets als legitim aufgezogen, während die Mutter die Bezeichnung „Frau" erhält. Alles Dichten und Trachten der nubischen Söldner dreht sich hierzulande um Sklaven und Sklavin- nen, ihre täglichen Gespräche geben davon Kunde. Ent- brennt in irgendwelchem Haufen dieser Leute ein Streit, so kann man sicher darauf rechnen, dass es sich dabei um eine Sklavin handelt, welche der eine vom andern reclamirt, oder für welche er die restirende Zahlung ^-erlangt. Wo nur immer ein plötzlicher Tumult entsteht, da ist der ebenso häufige Refrain zu erwarten: „Eine Sklavin ist entflohen", „Kumarah olloroh", rufen die Bongo; „iillomällo, ällomällo'', hört man von allen Seiten. Diese Worte weckten mich hundertmal zu früher Morgenstunde aus dem Schlummer. Eine der Hauptbeschäftigungen der Seribenbewohner und ihrer leibeigenen Neger ist daher das Aufsuchen und Wieder- einfangen der entwichenen Sklavinnen. Oft zwingt der Hun- ger die Entflohenen, in einer fremden Seriba Zuflucht zu suchen und sich selbst anzugeben, oft werden sie von dort aus gewaltsam eingefangen und stillschweigend als gute Prise betrachtet oder gar an durchziehende Gellabas verschachert. Später kann alsdann ein heftiger Streit nicht ausbleibeD^ wenn der rechtmässige Eigenthümer seinen' Besitz reclamirt. So gibt es ewig Veranlassungen zu Zänkereien um Skla- vinnen. Zu alledem gesellt sich noch die Eifersucht, der Aerger, wenn die Sklavin sich zeitweilig ohne des Herrn Willen entfernte, das Mistrauen gegen ihre Treue u. dgL

Die Sklavenweiber. 441

Bei armen einsklavigen Soldaten muss die Sklavin ein Mädchen sein für alles. Sie hat das Wasser vom Brunnen herbeizutragen, in riesigem Kruge auf ihrem Haupte, sie wäscht, wenn es etwas zu waschen gibt, sie reibt auf der Mnrhaga Korn, macht den Brei an, sie röstet auf der Doka die Kissere, sie bereitet schliesslich die Melach, ein scheuss- liches schleimiges Gemenge aus Wasser, Sesamöl oder zer- riebenem Sesam, Bamiakapseln, Corchorusblättern , sehr viel Cayennepfeffer und Aschensalz. Die Sklavin fegt nicht nur Haus und Hof mit ihren Händen, sie dient auch als Last- träger, um Holz aus der Wildniss herbeizuholen oder auf Reisen den Plunder ihres Herrn fortzuschaffen. Die grössern Leute, z. B. die Verwalter und Agenten selbst, haben für jede dieser Verrichtungen ihre eigenen Sklavinnen, ihre Häuser sind so voll von Sklaven. Sie verfügen auch über eine mehr oder minder grosse Zahl Knaben und lassen sich, wenn sie über Land» reisen, ihre Gewehre, Pistolen und Schwerter, jedes einzelne von einem eigenen Sklaven nach- tragen. Aus dem Angefiihrten kann man sich eine unge- fähre Vorstellung von dem grossen Tross machen, welcher sich auf jedem Marsch an die nubischen Söldner heftet. Auf 200 Soldaten rechnete man während des Niamniamzuges 300 Sklavinnen und Knaben, welche die Reihen der Wan- derer verlängerten und jedesmal die an und für sich stets herrschende Unordnung mit ihrem klappernden Küchengerätli so gut wie mit ihrem wüsten Geschrei und Gezänk bis zur Verwirrung steigern mussten.

Das ebenso rohe als primitive Verfahren, wie es im ge- sammten mohammedanischen Sudan beim Kommahlen in Anwendung kommt, das Zerreiben des Korns durch Menschen- hand mit Hülfe eines kleinern Steins auf einem grössern, Murhaga genannten, erscheint von grösserer Bedeutung für den immensen Bedarf aller dieser Länder an weiblicher Sklavenarbeit, als man auf dem ersten Blick glauben möchte. Dieses zeitraubende und anstrengende Mahlen, die einzige

442

Dreinndzwanzig^Btes Kapitel.

Methode, welche bei der grossen Mehrzahl aller Völker von Afrika bekannt ist, gestattet einer Sklavin selbst bei as- gestrengtester Xagesarbeit nur für den Bedarf von vier bis sechs Menschen zu sorgen.

Das beistehende Bild veranschaulicht so recht die viehi- sche Degradation des Weibes in der Sklaverei, es schildert eine der taglichen Scenen meines Wanderlebens. Eine nea- eingefangene Sklavin, beständig bewacht von einem Knaben, der ihr als Aufpasser zuertheilt worden, den Hals in das

schwere Joch der Scheba geklemmt, ist zu der harten Arbot der Murhaga venirtheilt. Der Kuabe hält das Joch in die Höhe, um die Bewegungen der Sklavin zu ermögUchen, Selbst in Chartum, obgleich daselbst eine von Ochsen getriebene Mühle existirt, welche die Regierung einrichten Hess, nm eowol den Mehlbedarf ihrer Truppen als auch für önen massigen Preis denjenigen von PrivaÜeaten zu decken, viid in allen Häusern das Durrakorn auf der Mnrhaga zerrieben. Von der Mühle selbst aber macht kein Eingeborener Ge- brauch. Bevor dieser Verschwendung von Menschenkräfteii

Die Murhaga. Sklaven zum Feldbau. 443

nhalt gethan werden kann, sei es durch Einführung von i.chinalen Handmühlen, sei es durch Besteuerung der Mur- gen, ist eine Abnahme des Bedarfs an Sklavinnen nicht i erwarten. Dieser Fingerzeig mag genügen, um darzuthun, le allmählich und consequent im Sudan vorgearbeitet wer- ?n muss, um auf diesem Gebiete zu einem sichern Ziele i gelangen, üeberall, wo alte Institutionen für abgeschafft 'klärt werden sollen, muss man auch dafür sorgen, dass 3ue dargeboten seien, welche sie zu ersetzen vermögen.

4) Unter die letzte Kategorie vereinige ich alle Sklaven nd Sklavinnen, welche ausschliesslich zu landwirtlischaft- chen Zwecken Verwendung finden. Kur die Verwalter der eriben, die Schreiber und die Dragomane, letztere gewöhn- ch in Chartum aufgewachsene arabisirte Eingeborene, schliess- ch die Fakis und die sesshaften Gellabas betreiben auf gene Hand einigen Ackerbau und besitzen Vieh. Die klei- en Leute begnügen sich hier und da mit etwas Gartenbau, 1er halten Ziegen und Hühner.

Zum Feldbau dienen die alten Sklavinnen, die zu allen brigen Arbeiten untauglich erscheinen. Zum Ausraufen des nkrauts reichen ihre Kräfte immer noch aus. Bei der rnte wird von den Seribenverwaltern auch die Mithülfe der aruchs in Anspruch genommen. Frondienste zum Acker- au werden von den Eingeborenen nirgends gefordert, den- och würden sie weniger nachtheilig auf die Bevülkerungs- ?rhältnisse wirken, als die schreiende Willkür, mit welcher ider Seribenverwalter Kinder in den Dörfern aufgreifen und a die Gellabas verkaufen kann, ein Verfahren, welches auch is Strafe bei Verrath, Diebstahl, Verleitung zur Aus- anderung u. s. w. allgemein in Anwendung kommt.

Ganz abgesehen von der Bornirtheit der meisten in bartum ansässigen Chefs der Handelshäuser, die weder auf iren eigenen, noch auf den Vortheil des Landes bedacht ind, entzieht die abgeschiedene Lage der Seriben ihre Ver- walter jeder Controle. Die Oberverwalter sind in vielen

444 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Fällen die im Hause ihrer Herreu aufgewachsenen Sklaven, da auf solchen Posten nur zuverlässige Leute gebraucht werden können. Der Verwalter könnte sich ja sonst leicht mit den Soldaten und mit den andern Beamten in Einver- nehmen setzen und zum Nachtheil des Herrn mit ihnen unter einer Decke agiren. Es könnte ja derselbe alle Neger seines Gebiets sammt und sonders an die Gellabas verkaufen, den Erlös in Kupfer leicht umsetzen und als begüterter Mann sein Heil in Darfur suchen, welches Land in der That eine Zufluchtsstätte für viele Missethäter aus dem ägyp- tischen Sudan geworden ist.

Minder zuverlässig dagegen sind die Ünterverwalter und Agenten in den Filialseriben, deren Anstellung meist eine nur vorübergehende zu sein pflegt, weswegen ihre Interessen auch nicht in solchem Grade solidarische sein können, wie bei den alten Sklaven der Chefs. Da die kleinen Seriben oft sehr weit voneinander entfernt liegen, so entzieht sich das Treiben der Wokile daselbst sehr häufig der Aufsicht des Oberverwalters. Die das Land durchziehenden Sklaven- händler wissen dies wohl und besuchen mit Vorliebe die kleinen Plätze, wo nur zu häufig Knaben und Mädchen an sie verschachert werden, obgleich diese doch zu den Leib- eigenen des Territoriums gehören und als zukünftige Land- bebauer oder Träger mit zu den Besitzwerthen des Chefs der Firma gezählt werden müssen.

Nachdem wir solchergestalt die einzelnen Dienstzweige der Sklavenarbeit in den Seriben der Pieihe nach betrachtet und eine Vorstellung von der immensen Verschwendung von Menschenkräften erhalten haben, welche in den Seriben der Chartumer statthat, wenden wir uns einmal zu dem Verhält- niss, in welchem die fremde Bevölkerung und die mit der- selben als eins zu betrachtende Zahl der Privatsklaven zu der eigentlichen autochthonen Einwohnerzahl des Gebiets zu stehen kommt. Nachfolgende Aufstellung beruht auf einem wohlerwogenen Calcul, das in seinen einzelnen Punkten

BevölkeruDgsverhältnisse von Dar-Fertit. 445

näher zu motiviren, an dieser Stelle zu viel Umfang be- anspruchen würde.

Bevölkerungsverhältnisse des Gebiets der chartumer Seriben

vom Bachr-el-6hasal.

Kubische Söldner, in Chartum angeworbene Dongolaner, Scheigieh, Sennarier, Kordofaner, verschiedene Be- duinen u. 8. w 5000

Schwarze Sklavensoldaten (Fainichs) 5000*)

Mitesser der Nubier, Tagediebe aus dem Sudan, die hier

nur leben, um billig oder mühelos Korn zu essen . . 1000

Ansässige Gellaba in Dar-Fertit und Agenten in den Se- riben, Fakis u. 8. w 2000

Umherziehende Gellaba, welche im Winter ins Land

kommen 2000

Privatsklaven der ansässigen mohammedanischen Be- völkerung 40000

Summa der Consurairenden 55000

Bongo 100000

Mittu (incl. Madi, Luba u. s. w\) 30000

i Djur 10000

Golo GOOO

Ssehre . 4000

Kredj 20000

Kleinere Stamme der zum engem Gebiete der Seriben

gehörigen Eingeborenen : Dembo, Bimberri, Manga u. s. w. 2(X)00

Summa der Producirenden 190000.

Doch wenden wir uns jetzt denjenigen Sklaven zu, welche, als eigentliche Waare betrachtet, lediglich zum Zwecke des Gewinns und Gelder\\'erbes alljährlich aus den obern Nil- ländern in die Knechtschaft geschleppt werden. Um die Bedeutung zu zeigen, welche in unsern Tagen speciell das Gebiet des Gazellenflusses für den gesammten Sklavenhandel

*) Ich erinnere daran, dass die Gesammtzahl aller von den 12 im Bachr-el-Ghasal- Gebiete Grundbesitz ausübenden chartumer Firmen unterhaltenen Soldaten sich nach einer genauen Zählung auf 11000 beläuft. Ich wählte hier die niedrigste Zahl.

446 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

von Afrika hat, sei in Folgendem eine Uebersicht über die Quellen gegeben, aus welchen die grossen Ströme des Menschen- schachers jahraus jahrein mit frischer Waare versorgt zu werden pflegen. Diese Quellen lassen ihren Vorrath auf drei gesonderten Strassen nach Norden zu abfliessen, um das un- erschöpfliche Luxusbedürfniss von Aegypten, Arabien, Per- sien und der asiatischen Türkei zu befriedigen- Während frühere Reisende die Gesammtsummen des jährlichen Um- satzes in diesem Ungeheuern Ländergebiete auf 25000 Seelen taxirten, werde ich in Folgendem den Nachweis liefern, dasä sie bei dieser Schätzung viel zu niedrig gegriffen haben. Die drei Ströme des Sklavenhandels von Nordostafrika (einem Gebiete entsprechend, welches man ebenso gut geographisch als Nilgebiet ^' bezeichnen könnte) sind die naturgemässen Fahrstrassen des Nils und des Rothen Meers, dazu gesellen sich die starkbesuchten Karavanenstrassen, welche sich im Westen vom Nil und in nicht allzu grosser Entfernung von diesem Flusse durch die Wüsten hinziehen, um im Siut oder bei Kairo 2u münden. Wie wenig gekannt diese letztem* Wege zur Zeit noch sind, bewies das Aufsehen, welches im Sommer des Jahres 1871 die räthselhafte Ankunft einer directen Karavane von Wadai mit 2000 Sklaven in der Gegend der Pyramiden von Gizeh machte. Sie musste eine geographische terra incognita durchwandert haben, und sie löste sich auf und vertheilte sich ebenso geheinmissvoll, wie sie gekommen; denn die Wüste lässt sich weit schwie- riger beaufsichtigen als das Meer, besonders in der Nähe eines Flusses, wo mit Leichtigkeit Wasser für viele Tage herbeigeschafift werden kann. Eine Controle längs des Xil- thals, ähnlich der Küstenwacht von Zollkreuzern in unsen Meeren und der Rand der Wüste gleicht den Küsten eines unbekannten Meeres ist noch nie versucht worden.

Quellen des Sklavenhandels. 447

Quellgebiete des Sklavenhandels in Nordostafrika (Nilländer).

1) Die Gallaländer im Süden von Abyssinien zwischen dem 3. und 8. Grad nördl. Br. Abflüsse: a) über Schoa nach Seila, b) über Godjam durch Abyssinien nach Matamma und Suakin, oder über Massaua und kleinere, unbewachte Küstenplätze; c) über Fasogl nach dem Sennaar, wo der grösste Markt sich nicht in Chartum, sondern in Mussalemia, oberhalb Chartum befindet; liefert massenhafte und kostbare Waare. Der Umsatz betrug in Matamma (Gallabat) allein im Jahre 1865 18000 Köpfe, nach Aussage des abyssinischen Zolleinnehmers.

2) Die Bertaneger oberhalb Fasogl, und die Dinka ober- halb Sennaar zwischen dem Weissen und Blauen Nil, gehen gleichfalls nach Mussalemia und Chartum; ihre Anzahl fällt indess nicht sehr ins Gewicht, ebenso

3) die Agau im Herzen Abyssiniens zwischen Tigre und Amhara, ein Gegenstand des Raubes, ebenso die ganze Nord- westgrenze am abyssinischen Hochlande, wegen unordent- licher politischer Zustände und wilder Grenzgebiete. Aus- fuhr über das Rothe Meer nach Dschidda.

4) Das obere Gebiet des Weissen Nils, incl. Seen Albert und Victoria, jetzt durch Samuel Baker's Expedition ins Stocken gerathen. Die Quellen des Sklavenhandels liegen indess erst südlich vom 5. Grad nördl. Br.; Ertrag wol in den günstigsten Jahren nicht über 1000 pro Jahr.

5) Oberes Gebiet des Bachr-el-Ghasal, rekrutirt sich hauptsächlich aus den Völkern Bongo, Mittu und Babückur; der Gazellenfluss ist während der letzten 12 Jahre von nie mehr als 20 Barken befahren worden. Die Soldaten der Elfenbeinhändler im Innern dieses Gebietes nehmen auf der Heimreise einige Sklaven, die ihr Trinkgeld und Lohn aus- machen, mit; höchst selten führte eine Barke mehr als 20 30 solcher Sklaven, es kann also der Jahreszufluss auf

448 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

diesem Wege in Chartum nie mehr als 400 GOO Sklaven betragen haben. Man wird aus dieser positiv constatirt€D Thätsache den Schluss zu ziehen vermögen, dass der Sklaven- handel auf dem Flusse nach Chartum stromabwärts immer unbedeutend gewesen ist im Vergleich zum Ueberlandhandel, auch bevor noch Sir Samuel Baker's Expedition diesen Weg völlig absperrte.

Seit Jahren ist das Verbot gegen die Zufuhr von Skla- ven auf dem Weissen Nil in Chartum publicirt worden, ab und zu wurden hier strenge ßepressivmassregeln ausgeübt, welche indess nur eine Prämie auf den Landhandel waren; gewöhnlich aber benutzten die ägyptischen Beamten diesen an und für sich unbedeutenden Weg des Handels nur dazn, um sich durch Erhebung von Schweigegeldern, pro Kopf etwa 2 5 Thaler, eine schöne Revenue zu sichern. Diese Unkosten, das beständig drohende Risico einer Confiscation in Chartum, hatten immer verhindert, dass auf dem Flnss der Sklavenhandel schwunghaft floriren konnte; jedenfalls that hier die ägyptische Regierung immer noch das meiste. In Chartum gibt und gab es Consuln von England, Frank- reich, Deutschland, Oesterreich, interimistisch auch ein als Consularagent für Amerika bestallter Kopte; da war es denn ein Leichtes, viel Rührigkeit iind Eifer zur Unterdrückung des Sklavenhandels vor der Welt zu erheucheln, als Privat- gewinn bei jeder Confiscation hatten ja die Beamten noch die ganze Sklavenladuug für sich obendrein, denn zurück- geschickt wurden sie nie. Die Erwachsenen wurden zu Soldaten gemacht, Knaben und Mädchen nach Gutdünken unter die Beamten und die Soldaten der Garnison vertheüt Zwar geschah dies immer gegen einen vom Empfänger pro Forma ausgestellten Revers, von letzterm konnten sie die frühern Eigenthümer indess immer wieder zurückerstehen.

6) Das Hauptgebiet für die Bezugsquellen des Sklaven- handels aber sind, wie wir bereits gesehen haben, die Keger- länder im Süden von Darfur, die man unter den Namen

Karavanenstrassen aus Dar-Fertit. 449

Dar-Fertit begreift. Die Völker, welche daselbst seit einigen vierzig Jahren als Beute des Sklavenhandels mit einem Export von jährlich mindestens 12 15000 Seelen herhalten müssen, gehören zum Stamme der Kredj, der Hauptertrag kommt aber von den westlichsten Niamniamgebieten her, wo (un- gefähr unter 24 Grad östlich von GreenwicH und 7 Grad nördl. Br.) Mofiö jener mächtige König ist, welcher auf eigene Rechnung im grossartigsten Massstabe unter den benach- harten Völkern, die nicht Niamniam sind, Sklaven raubt, um sie an die Gellaba zu verkaufen, welche den vorhin be- schriebenen Ueberlandhandel durch Kordofan betreiben, in- dem sie bei Abu-Harras in Kordofan auf ägyptisches Gebiet gelangen. Die andern Wege gehen direct nach Darfur, von wo aus die zweimal im Jahre stattfindenden Karavanen nach Siut in Aegypten ihren Ursprung nehmen. Kordofan com- municirt auf mannichfaltige Art mit den wichtigsten Absatz- ländern des Sklavenhandels.

Die begangensten Karavanenstrassen dieser Strecke sind folgende:

a) Von Abu-Harras über El-Obed nach Chartum.

b) Von Abu-Harras nach Osten quer durch Sennaar nach Mussalemia.

c) Von Abu-Harras durch die Bejudasteppen nach Dongolä über El-Ssafi.

d) Von Abu-Harras nach Berber längs dem Nil, um entweder die Strasse durch die grosse nubische Wüste zu benutzen oder sich weiter gen Osten. dem Rothen Meere zuzuwenden. An alle diese Strassen knüpfen sich zahlreiche selbsterlebte Reminiscenzen an Sklaventransporte, die mir daselbst begegneten.

7) Schliesslich muss noch einer nicht unerheblichen Quelle des Sklavenhandels gedacht werden, welche sich in den Bergländern im Süden von Kordofan befindet! Die von dorther kommenden Neger werden insgesammt Nubaneger (nicht zu verwechseln mit Nubier, letzteres Wort stammt

SCBWXZlirUBTB. II. 29

450 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

aus dem Alterthum und ist wie der Name „Aegypten" den heutigen Bewohnern des Kilthals gänzlich entfremdet) ge- nannt, eine eigene, ihrer Intelligenz und Schönheit sowie ihres anstelligen Wesens halber hochgeschätzte Waare.

Hier in diesen Nubabergen war es, wo Mehemed-Ali. der grosse Reformator und Usurpator von Aegypten, gleich nach der blutigen Eroberung Kordofans den Menschenraub zu einer legitimen Staatsrevenue erhob. Er formirte aus geraubten Sklaven seine schwarzen Regimenter, um den un- gesunden Sudan zu beherrschen; er bezahlte aber auch seine Beamten und Offiziere mit einem Theil solcher Beute.*)

Die ägyptische Regierung also, welche den Sklavenraob ihren Unterthanen anzeigte und lehrte, hat daher auch um so mehr die Verpflichtung, jetzt, wo die Zeiten menschUcher geworden sind, das Selbstverschuldete wieder gut zu macheu, eine Aufgabe, welcher sich der gegenwärtige Herrscher in der That mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln rühm- lichst zu erledigen sucht.

Sklaverei und Sklavenhandel sind so alt als die Welt, welche Menschen bewohnen. Jede Seite der Geschichte weist ihre Spuren nach, unter allen Völkern und unter allen Hinimelss trieben waten sie zu Hause. Ein unparteiischer Blick auf die Geschichte beweist, dass religiöse Satzungen wenig oder nichts für die Humanität erzielt haben, diese hat ihren eigenen Entwickelungsgang genommen. Heute natürlich erscheint uns die Sklaverei als unverträglich mit den Grundlehren des Christenthums, aber die Geschichte des ältesten Christenthums beweist das Gegentheil.**) Die

*) Wer sich über das Unglaubliche des Sklavenraubes in Kordoftn zu Mehemed-Ali's Zeit informiren will, der lese das Bach eioes Augenzeugen aus damaliger Zeit: Palme, „Travels in Kordof»" (London 1844).

**) Noch unter den so christlich gesinnten Päpsten des 8. Jah^ hunderts bestanden nicht nur in Italien, sondern sogar in Rom selbst Sklavenhandel und Sklavenmärkte ungehindert fort.

Langsamer Fortschritt der HumaDität. 45 }

ältesten Kirchenväter scheinen keine Ahnung davon gehabt zu haben, dass Sklavenbesitz und Sklavenhandel etwas Un- rechtes war. Lehrte das Christenthum gleichwol Brüder- lichkeit und Nächstenliebe, so machte es auf der andern Seite cloch auch Gehorsam und Unterwürfigkeit gegen jede von Recht bestehende Gewalt zur Pflicht. Allein das Licht, welches über Galiläa aufging, nahm seinen Ursprung von einem 60 erhabenen Standpunkte, dass es achtzehn Jahrhunderte bedurfte, bis es seinen Lauf vollendend die ganze Welt durch- drungen hatte, um erst auf unsere Zeit in seiner wahren Reinheit zu scheinen.

In keinem Welttheile aber war und ist noch heute der Sklavenraub so eingebürgert, gelangte daselbst zu einer so allgemeinen Ausdehnung, wie in Afrika. Als die ersten See^ fahrer seine Küsten umschifften, fanden sie bereits aller- orten den Sklavenfang organisirt und die darauf basirten Handelsbeziehungen tief ins Innere eingreifend. Die Ver- suchung lag nahe, die dargebotenen Vortheile wahrzunehmen, um die kostbaren Producte des fernen Osten auf eigenem Grund und Boden durch Sklavenhände zu erzielen. So ver- band der Kern einer einzigen Pflanze, die Kaffeebohne, die fernsten Länder und Meere, und half einen Theil der Mensch- heit in Sklavenketten werfen, so wurden die christlichen Völker zu Beschützern und Verbreitern des abscheulichen Handels. Es war daher ein naturgemässer Entwickelungs- gang, dass sich die Anstrengungen der Menschenfreunde zu- nächst dem Sklavenhandel des Westens zuwandten. Die östliche Hälfte allerdings entbehrt noch des Lichtes der Auf- klärung, aber auch sie wird die rächende Hand der Ge- schichte ereilen.

Jetzt ist die Hälfte der Arbeit vollbracht. Zwei grosse Nationen haben fast ausschliesslich das Werk gefördert. England in der Theorie, Nordamerika in der Praxis. De- cennien lang kreuzten die Schiffe Grossbritanniens an den Küsten von Afrika, um die Sklavenausfuhr zu verhindern,

f^ä •. .A.

452 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

aber trotz grosser Kosten wurde nur wenig erreicht. Den- noch war Bahn gebrochen für die Ideen Wilberforce's, alle Völker mussten ihnen Folge leisten. Da brach der Bürger- krieg aus in Nordamerika, und so gross und glänzend die Verdienste Englands dastehen mögen in der Geschichte der Menschlichkeit, grössere erwarb sich das Brudervolk jenseit des Oceans in langen, blutigen Kämpfen.

Heute findet der schwarze Mensch in dem ganzen Welt- theile des Westens überall eine freie Stätte, und drüben an den Küsten von Guinea sehen wir bereits die kaum zehn- jährige Saat der Freiheit auch auf afrikanischem Boden ihre ersten Früchte tragen. Die Sklavenausfuhr, welche gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts an die 100000 Seelen im Jahr betrug, existirt daselbst nicht mehr, und im fried- lichen Handel beleben sich die Gestade mit volkreichen Städten*); alles die Errungenschaft weniger Jahre, dank dem glücklichen Ende des amerikanischen Bürgerkrieges.

Unsere Zeit steht erwartungsvoll vor der Vollendung des ganzen grossen Werks der Menschlichkeit, aber die zweite Hälfte ist noch zu bewältigen. Noch lagert die dunkle Nacht der Barbarei auf den innern Länderstrecken des Con- tinents. Hier hat das heutige Aegypten seine Mission zu erfüllen, das älteste und reichste Land der historischen W^elt. Ein grosser Umschwung bereitet sich dort vor, und wenn bisjetzt auch nur in äussern Dingen, so ist doch an einem endlichen Siege des Fortschritts auch in der geistigen Sphäre daselbst kaum zu zweifeln. Die Aufgabe ist eine gigantische. Niemand empfindet das in höherm Grade, als der Reisende,

*) Ich weise zunächst auf die Umgegend von Lagos hin, wo der Aufschwung in der That ein überraschender, in der Geschichte dieses Welttheils wirklich unerhörter zu sein scheint. Die gesammte Handeli- bewegung des Jahres 1871 betrug in den britischen Niederlassungen der Westküste 2,556000 Pfund Sterling und kann gegenwärtig auf 3,000000 geschätzt werden.

Cultorhistorische Mission Aegyptens. 453

der selbst an den Quellen des Sklavenhandels geweilt. Dar- über ist nur eine Meinung unter ihnen: mit dem Islam ist kein Pact zu schliessen, von ihm lässt sich keine Hülfe er- warten.

Die zweite Sure des Koran beginnt mit den Worten: ^Tödtet, um Gottes Wege zu bahnen, alle diejenigen, welche euch tödten wollen, jedoch beginnt nicht selbst mit der Feindschaft, denn Gott liebt nicht die Sünder. Tödtet sie, wo ihr sie auch antrefft, vertreibt sie, von wo sie euch ver- trieben, denn die Versuchung ist schlimmer als Todtschlag."

Der Islam, welcher in Wüsten geboren, Wüsten um sich her verbreitet hat, wohin er gedrungen ist mit der Wüste verwachsen wie die nackten Felsgebirge Nubiens und Ara- biens, und mit ihm zu einer homogenen Masse erstarrt sind die Völker von Marokko bis zu den Sunda-Inseln ! Ueber alle zieht der Islam sein unerbittliches Niveau, jede nationale und rasseliche Individualität verwischend.

Es ist nicht wahr, dass der Islam fortbildungsfiihig sei, das ist eine nur am Büchertisch ausgeheckte Idee. Auch spricht nichts dafür, dass der Islam in Verfall gerathen sei. Seine Völker sind von einer ewigen Kindheit. Wie die Keime der Pflanzenwelt, welche im Sande der Wüstenthäler schlummern, ein Regentropfen, ein Nichts ist im Stande, ihr ephemeres Leben wachzurufen; die Pflanzen treiben Blüten und Früchte, dann verfällt alles wieder in langen tiefen Schlaf.

Eine andere Frage ist die, ob mohammedanische Völker sich durch Annahme des Christenthums der Cultur zuwen- den können. Fragt man einen sesshaften Europäer in Aegypten, ob er es für möglich halte, dass das Volk, mo- hammedanisch bleibend, europäische Gesittung annehmen könnte, so antwortet er mit Nein. Fragt man ihn aber weiter, ob Aussichten vorhanden seien, dass es je die Reli- gion wechseln könnte, so antwortet er wiederum mit Nein. Die Erfahrungen in Algier, wo das milde französische Gou-

454 Dreiundzwanzigstes EapiteL

vernement mit seinen „bureaux arabes" herrscht, welche ver- hindert haben, dass Algier längst eine von Europäern bewohnte blühende und reiche Colonie geworden, bestätigen dies. Dort glimmt unter dem äussern Tant der europäischen Civilisa- tion (das einzige, was bisjetzt Aegypten von unsem Institu- tionen begriffen hat) nocl) der alte Hass und der alte In- grimm gegen das Frankenthum ruhig fort; wer sich uner- kannt in die einheimischen Kreise einzuschleichen vermag, der allein nimmt es wahr. Ob nun die ägyptischen Beamtöi sich orientalisch kleiden oder die fränkische Tracht adop- tiren, deshalb werden ihre Ansichten über den Sklavenhandel und Sklaverei doch keine andern werden. Es gehört zum guten Ton, das Haus voller Sklaven zu haben und das ist bedeutsam genug. Haltet euch doch ein, zwei, meinet- wegen drei besoldete Diener, aber passt auf Ordnung und Exactheit im Dienst, dann werdet ihr Fortschritte machen in der Cultur! Man trete ein bei den Reichen; was ist der erste Eindruck, den man empfängt? Da sitzen die Herren auf dem Divan, behäbig und beschaulich, Leute des Friedens und der Ruhe, nichts scheint im Stande zu sein, sie aus der Fassung zu bringen. Weder Jagd noch Fischfang, weder Ritt noch Bootfahrt, nichts was man noble Passionen nen- nen könnte, nichts was auch nur im Entferntesten daran erinnerte, nicht einmal eine Promenade ist ihnen zur G^ wohnheit. Wenn sie trinken wollen, brauchen sie nur die Hand zu heben; sie rufen: ,Ja wolled" (komm Bursche), und der Sklave reicht das Glas Wasser; wenn sie rauchen wollen: „ja wolled", wenn sie schlafen gehen: „ja wolled", immer „ja wolled", dabei rücken sie nicht einen Zoll weit vom ' Platze. Nun stelle man sich vor, diese „wolleds" blieben eines schönen Tages aus, was würde da aus unsem behäbigen Herren auf dem Divan werden? Wie oft müssten sie sich da um all die Kleinigkeiten des gewöhnlichen Lebens be- mühen? Eine ungeahnte Unruhe würde da in ihr träges Blut fahren, sie würden umkommen oder ganz neue Men-

Arbeit und Los der Sklaven im Orient. 455

sehen werden müssen. In diesem Bilde, welches sich auf Hoch und Nieder anwenden lässt, sei ^Jie lethargische Ruhe aller orientalischen Staaten geschildert, eine Andeutung darauf, dass die wirkliche Aufhebung der Sklaverei gleichbedeutend sein muss mit einer Neugeburt des Orients. Wenn letzteres unmöglich sein soll, so kann auch die Sklaverei nie abgeschafft werden. Es ist oft zur Ent- schuldigung der Sklaverei im Orient die milde Behandlung hervorgehoben worden und das im Verhältniss zu ihrer wil- den Heimat glückliche Los der Sklaven daselbst. Es ist wahr, ganz im Gegensatze zur Sklavenarbeit bei den Euro- päern, die den Neger in der Weise eines nützlichen Haus- thieres verwerthen, ist der Sklave im Orient fast ausschliess- . lieh Luxussache. Nur ein geringer Theil der alljährlich aus dem Innern eingeführten Sklaven wird in Aegypten, häufiger in den nubischen Provinzen, zur Feldarbeit verwandt. Der Europäer zwang den Neger unter Vorenthaltung der gewöhn- lichsten Menschenrechte, ein mittelbar nützliches Glied der Gesellschaft zu werden, der Orientale gewährt ihm einen grossen Theil der Rechte, erzieht ihn dagegen zum Nichts- than. Pfeifenstopfen, Wasserdarreichen, Kaffeekochen und Präsentiren, sind das die Geschäfte eines Mannes? Die "wohlgenährte, schöngekleidete Sklaverei des Orients ist der Güter höchstes nicht, sie ist aber auch nicht das einzige, -was diese Geschöpfe von ihrem Lose zu erwarten haben, denn bis dahin führt sie ein weiter Weg durch Wüsten; Hunger und Strapazen, Seuchen aller Art, denen das frische Blut der Naturvölker am schwersten widersteht, decimiren zuvor ihre Reihen. Das Schlimmste aber ist die Entvölkerung Afrikas. Das Wegschleppen aller jungen Mädchen hat ganze Länderstrecken ich habe es selbst gesehen in Dar-Fertit in Wildnisse verwandelt. Die Araber und Türken sagen nun: wir zapfen diesem Afrika nur das unnöthige Blut ab, mehr- ten sie sich noch mehr, so würden sie sich dafür unter- einander um so mehr todtschlagen. Anders denken wir. In

456 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

unserer Zeit können wir der Betbeiligung eines solchen Länderkolosses, wie es Afrika darstellt, an der gesammten Weltarbeit nicht länger entbehren. Afrika muss ganz und voll in den Welthandel einrücken, und um das zu erm^- lichen, muss die Sklaverei abgeschafft werden. Eher solleo Türken, Araber und wie sie alle heissen mögen die passiven Völker, vom Erdboden verschwinden, sie nehmen den bessern nur unnütz den Platz weg, und besser sind die Neger, wenn sie nur arbeiten!

Ich bin von 1863 66 und dann wieder von 1868—71 in den Nilländern gereist. Auf meiner ersten Reise besuchte ich alle die grossen Märkte des Sklavenhandels: Kairo, Siut^ Dschidda, Suakin, Matamma in Gallabat, Chartum, Berber; auf der zweiten gelangte ich bis zu seinen eigentlichen Quel- len, in den Ländern südlich von Kordofan und Darfur. Immer verfolgten mich Gedanken und Plane, wie diesem Handel ein endliches Ziel zu stecken wäre. Man befindet sich da in einem Zustande anhaltender Erregung. Auf den Landstrassen begegnet man den Zügen der Sklaven, auf dem Meere und an den Küsten den arabischen Barken mit Sklaven vollgepfropft.

In den Jahren 1864 und 1865 habe ich acht Monate auf dem Rothen Meere verbracht, indem ich die Küsten Nubiens und Aegyptens befuhr. Damals blühte daselbst noch der Sklavenhandel, aber meine Erzählung von dem, was ich er- lebt und gesehen*), verhallte ebenso unbeachtet, wie die Klagen meiner Vorgänger. Die Consuln in Dschidda und in andern Plätzen am Rothen Meer durften der europäischen Politik keine Schwierigkeiten bereiten. Was bei Portugiesen und Spaniern als Seeraub betrachtet wurde, war den Ara- bern erlaubt. Kein Kriegsschiff kreuzte auf dem Roth^ Meere, und doch hätte ein einziges Kanonenbot genügt, um

*) Ausführliche Berichte sind enthalten in der „Zeitschrift für all- gemeine Erdkunde^S Bd. 18 (18(?5).

Aufregende WahrnehmungeD. 457

den Verkehr zwischen beiden Küsten zu überwachen und hier den Sklavenhandel unmöglich zu machen. Jetzt sind die Zeiten anders geworden, die interessirten Mächte thun ihr Möglichstes, aber selbst im Rothen Meer bleibt noch viel zu thun übrig. Da gibt es noch der Schlupfwinkel und verborgenen EinschifFungsplätze gar zu viele, welche sich der Wachsamkeit der Behörden entziehen.

Oft habe ich mich von der Aufregung hinreissen lassen, allein, ein ohnmächtiges Werkzeug der Humanität, Hand anzulegen zur Befreiung von Sklaven. Ich zerschnitt einst zwischen Chartum und Berber die Lederriemen, welche Skla- ven, die aus Kordofan kamen, an ihre Scheba befestigten, es gab einen bösen Streit. Auch habe ich auf Sklaven- händler eingehauen, wenn ich Zeuge grausamer Züchtigung sein musste. Man kann sich daher vorstellen, auf welche Gedanken der Reisende verfällt, wenn alles in seinem Innern vor Wuth und Galle kocht. Jetzt bei kaltblütigerer Ueber- legung werden manche der Plane als chimärisch, wenn nicht gar als unausführbar erscheinen. Vielleicht beweist gerade ihre anscheinende Unausführbarkeit den Ernst der Situation und die Unzulänglichkeit der bisherigen Mittel. Dennoch seien sie mitgetheilt. Es gibt da keinen Ausweg, keinen Compromiss, keine Hoffnung auf bessere Zeiten, kein Ver- trauen auf ägyptische Beamte, nicht einmal Hülfe kann man hoffien vom Vicekönig, so gut er es meinte, er kann es beim besten Willen nicht. Ein organisatorisches Talent reicht allein nicht aus, um ganze Völker aus ihrer lethargischen Ruhe emporzurütteln. Dazu gehört nicht ein kleiner Held, sondern ein grosser, ein Reformator wie Peter der Grosse, und ein Volk, welches den Ideen des Westens so zugänglich ist, wie ehemals das russische gewesen, wie es jetzt das japanische ist.

458 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Mittel zur Unterdrückung des Sklavenhandels. Ideen eines Reisenden an den Quellen des Sklavenhandels in Central-

afrika.

1) Verwaltung des Landes nach europäischem Muster und Besetzung der höhern Verwaltungsstellen mit Europäern. Die Franzosen haben die Beamten, welche der Sprache mächtig sind, die Engländer die Erfahrungen aus Indien, wie man auch Mohammedaner in den Rahmen eines ge-

. regelten Staates zu pressen weiss. Die Fellachen Aegjfptens freuen sich darüber, den übrigen ist es gleichgültig, wenn sie nur geringere Steuern zu zahlen haben.*)

2) Es werden Sklavencommissare ernannt, welche alle Provinzen bereisen, um die Wege des Sklavenhandels zu überwachen; sie sind mit den weitgehendsten Vollmachten ausgestattet und stehen über den Localbehörden. Sie haben das Recht, jeden Händler zu ergreifen und gefangen einzu- liefern, das Vermögen desselben zu sequestriren und dannt die zur Zurückschaffung der befreiten Sklaven in ihre Heimat erforderlichen Expeditionen auszurüsten. Letztere müssen, der feindlichen Gebiete halber, welche sie zu durchziehen haben, bewaffnete sein. Solche Commissare müssen freüich

' gegen jede Bestechung, eine Verführung, welcher sie in hohem Grade ausgesetzt sein werden, unzugänglich sein.

3) Es werden diejenigen Negerländer, welche am meisten vom Sklavenraube zu leiden haben, unter das Protectorat europäischer Regierungen gestellt, d. h. man gründet eigens zu ihrem Schutze Staaten. Die Zersplitterung der afrikani- schen Völker und die Kleinstaaterei waren von jeher die Hauptursache, dass die Cultur bei ihnen keinen Eingang

*) Die langjährige Ausübung fast souveräner Rechte, welche die europäischen Consulate im Orient gemessen, hat das Volk langst mit Zutrauen zu dem Reclitssinn der Europäer erfüllt, sodass es keine Eingriffe in sein religiöses Bewusstsein von dieser Seite befürchtet

Mittel zur Unterdrückung des Sklavenhandels. 459

fand. Nur grössere Reiche, die sich bildeten, böten eine sichere Grundlage für gedeihlichen Handel und Verkehr.

4) Chinesische ^Einwanderung in diejenigen mohamme- danischen Länder Afrikas, deren Bevölkerung dem Ackerbau wenig Aufmerksamkeit schenkt. Die vier Millionen fleissiger Aegypter sind für diesen Zweck zu Schade, da das reiche Land ihrer Hände zu sehr bedarf Der chinesische Arbeiter würde in Nubien vortrefflich gedeihen, und ohne Zweifel würde er dem Lande in wenigen Jahren zu einer hohen Steuer- kraft verhelfen.

Um unter den bestehenden V^erhältnissen eine Besserung dieser Zustände in den ägyptischen Staaten herbeizuführen, müsste man dem Sklavenhandel nicht nur die Quellen ab- schneiden, sondern auch den Ausfluss verstopfen. Dies könnte nur geschehen, wenn vorläufig wenigstens die Reichen daselbst ihre Sklaven entlassen und besoldete Domestiken anstellen wollten. Es wäre für viele freilich mit grossen Kosten verknüpft, denn die alten Sklaven würden sie doch zu ernähren haben, auch würden die Sklaven ihre Herren in den seltensten Fällen verlassen wollen. Ein Fortschritt wäre es indess schon, wenn ein Gesetz durchgebracht werden könnte, wonach jeder Sklave das Recht hätte, Lohn fordern zu dürfen. Dies gehörig überwacht, würde die Herren bald davon abbringen, ihre Häuser mit Sklaven zu füllen, sie würden dann auch mehr verlangen von ihren Leuten, und der ganze orientalische Schlendrian müsste solchergestalt ein Ende nehmen. Solange ein jeder noch seine Sklaven behält, die er hat, kann ihm nie nachgewiesen werden, ob ^r inzwischen nicht durch Kauf wieder neue erworben. Auf diese Verhältnisse anders als im angedeuteten Sinne ein- wirken zu wollen, wäre ein vergebliches Bemühen. An den Chedive sich wenden wollen, um von ihm allein Abhülfe zu erwarten, hiesse die Rechnung machen ohne den Wirth.

Unter dem Beherrscher Aegyptens stellen wir uns ge- wöhnlich einen Despoten vom reinsten Wasser vor; das ist

460 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

ein grosser Irrthum. Die Regierung in Aegypten ist in vielen Stücken eine äusserst milde. Selten werden Missethäter und pflichtvergessene Beamten ernstlich gestraft. Das einzige, worin die ägyptische Regierung keinen Spass verstellt, ist Steuerverweigerung; aber auch hier wäre vieles nicht so schlimm, wenn die Unordnung in der Verwaltung nicht gar zu häufige Uebergriflfe der Beamten mit sich brächte. Der Vicekönig hat zu wenig Macht, die Höhern zu strafen, die sich jederzeit hinter den Halbmond von Stambul verkriechen können, er ist eben nur ein Vicekönig, auch wenn er sich den „persischen Titel" Chedive verschaffte, was eben nur ein Titel ist. Was kann er also thun, als Befehle ertheilen? Dann werden alle Barken, welche vom Weissen Nil herunter- kommen, confiscirt, Repressivmassregeln aller Art daselbst vorgenommen, namentlich in Chartum, wo Europäer leben, damit die Sache recht auffällig werde; um einen grösst- möglichen Eifer zu zeigen, werden oft sogar Ungerechtig- keiten verübt, und selbst Weiber und Kinder von Moham- medanern als Sklaven mit Beschlag belegt, blos weil sie schwarz sind, eine schöne Gelegenheit für die Unterbeamten, Gelder von den Betroffenen zu eri)ressen, und dergleichen Willkür mehr. Ich selbst war davon Zeuge, dass man mei- nen Dienern Weib und Kinder wegnahm, sie in Fesseln legte, blos um mir Sand in die Augen zu streuen, damit ich Wunder von der Energie der chartumer Localregierung zu berichten hätte. Ich musste an den Minister schreiben und die Leute, um sie zu schützen, selbst nach Kairo mit- nehmen, bis ich ihnen ihr Recht zu verschaffen vermochte. Mittlerweile ziehen auf den Landstrassen die Sklavenkara- vanen wie früher ihren Weg, über Kordofan und Darfur nach Dongola und Siut, auch aus Abyssinien heraus führt man sie immer noch dem Rothen Meere zu, über Gallabat. Da sieht es niemand, die Reisenden aber auf den Strassen sehen es. In Kordofan, wo doch ein ägyptischer Gouverneur residirt, wird der Handel wahrhaft grossartig betrieben, und

Ohnmacht der ägyptischen Regierung. 461

nun vollends der Sklavenhandel von Darfurl Dieser könnte allein in Siut, dem einzigen Endpunkte der Karavanenstrasse, völlig abgeschnitten werden, es wäre aber nur mit den schwersten Opfern für den Handel Aegyptens zu erkaufen. Eine Eroberung Darfurs durch die Aegypter wäre daher ein grosser Fortschritt. Ums Himmels willen soll aber Ismael- Pascha nur keine Truppen in die heidnischen Negerländer schicken, die machen dort, dass kein Gras mehr wächst. Das Beste, was der erleuchtete BeheiTScher Aegyptens den heidnischen Negerländern gegenüber zu thun vermöchte, wäre, dass er sie ganz in Ruhe liesse.. Diese Länder sind nicht productiv, und wenn sie es wären, so bliebe ihre Ent- fernung von den schiffbaren Flüssen immerhin zu gross, um Producta von geringem! Belange als Elfenbein irgendwie mcrcantil verwerthen zu können.

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Unglaubliche Neuigkeiten. Zwei Monate der Jagd. Jalo-Antilopen. Jagd auf Rohrratten. Lebensweise des Aulacodus. Flussaastern. Soliman's Ankunft. „Das Land mit den wenig Leuten." Etappen der vorrückenden Jahreszeit. Enthauptung eines Rebellen. Rückkehr zur Seriba 6hattas\ Hässliche Eindrücke. Allagäbo^s Abschied von seiner Familie. Feuersgefahr. Antrieb zur Rückkehr der Barken. Harte- beests in der Brunst. Manöver der Nubier auf der Viehrazzia. Zwei Verräther an ihrem Volk. Angst und Eile ohne Grund. Reste der Hütten der alten Schol. Aussätzige und Sklaven. Innerer Conflict gegenüber der Sklavenfrage. Itinerar der Fahrt auf dem Gazellen- strome. Die Balaeniceps erwarten uns. Ein Nilpferd im Verenden. Anrufung der drei Schutzheiligen der Schiffer. Ein grauenvolles Er- eigniss bei Nacht. Unnöthige Furcht vor den Schilluk. Ankunft eines Dampfers. Im Lager des Mudirs. GOO Sklaven und 200 Nubier anf zwei Böten. Specificirung und Confiscation der Sklaven. Angenehme Ueberraschung in Faschoda. Sklavenkaravanen am Ufer. Mein Einzug in Chartum. Telegramm nach Berlin. Misgeschick meiner Diener. Meine Vorstellungen beim Geueralgouyemeur. Die Opfer der letzten Fiebersaison. Tikkitikki's Tod. taXarra, baXaTTa.

ISehr frühzeitig im Jahre hatten sich in der Meschera die ersten Barken eingefunden, und die Söldnerbanden in den Seriben sahen sich durch frischen Zuzug aus Chartum an- sehnlichst verstärkt. Besondem Geschäftseifer hatten die Firmen Ghattas und Kurschuk-Ali an den Tag gelegt, denn von der einep waren 40, von der andern 78 neue Strolche angeworben worden. In den Seriben herrschte infolge dessen neues Leben; Verwandte und Freunde, die sich jahrelang

. Unglaubliche Nachrichten. 463

nicht gesehen, tauschten ihre beiderseitigen Erlebnisse aus und die langersehnten Neuigkeiten von Chartum gingen nun Ton Mund zu Mund.

Auch mir wurden Neuigkeiten zutheil, und diese waren in einem winzigen Brief lein enthalten, das mir ein Freund von Chartum aus zugesendet. Da la§ ich denn in telegramm- artiger Kürze von den welterschütternden Begebenheiten des vergangenen Herbstes; sechs Monate waren diese Nachrichten alt, die übrigen Briefschaften aber, die aus der Heimat selbst stammten, enthielten nur gleichgültige Dinge, denn als sie geschrieben wurden, lag Europa noch im tiefsten Frieden. Was sich seit November 1869 daselbst alles ereignet, blieb mir diesen neuesten Nachrichten gegenüber ein Räthsel, ich vermochte es nicht zu fassen. Zwar hatten mir die im Westen angetroffenen Sklavenhändler, welche jüngsthin über Land von Chartum arrivirt waren, mancherlei Neues erzählt von den Dingen, die sich im Sudan ereignet, über den grossen Krieg der Franken aber verlautete daselbst auch nicht das Geringste, denn wen interessirte hier, ausser mir, der Fall des mächtigen Frankenkaisers, wen kümmerten die Siege der Deutschen? Hatte doch selbst die Kunde von dem abyssinischen Feldzuge der Engländer kaum das dem Kriegs- schauplatze ^ benachbarte Chartum erreicht, als ich viele Monate nach der denkwürdigen Eroberung Magdalas diese Stadt besuchte.

So spärlich nun auch die neuesten Posten diesmal für mich ausgefallen waren, so mussten sie selbstverständlich doch ausreichen, mich in die grösste Aufregung zu versetzen. In fieberhafter Erregung verharrte ich bis zu der uns an- gemeldeten Ankunft eines Sohnes von Kurschuk-Ali, von welchem ich nähere Details über Krieg oder Frieden zu er- halten hoffte. Da ich im vergangenen tfahre keinen Auftrag in Chartum gegeben hatte, mir neue Vorräthe nachzusenden, indem ich unmittelbar nach Beendigung der Niamniamtour den Heimweg anzutreten beschlossen, so hatten mir die an-

464 Vierundzwanzigstes Kapitel.

gelangten Barken nur wenige Dinge mitgebracht, welche mich für die Rückfahrt auf dem Flusse selbst mit dem Alle^ noth wendigsten versehen sollten. Jetzt, da ich bereits seit Monaten dem herbsten Mangel ausgesetzt gewesen, musste mir der Besitz auch der geringsten Kleinigkeiten von un- bezahlbarem Werthe erscheinen. Da aber die Sachen vor- läufig in der Meschera lagen, so hatte ich mich zuvor noch für einige Wochen zu gedulden, bis sie abgeholt wurden, um schliesslich, nach einem kurzen Glücke vermehrten Wohl- lebens, den Rest der in diesem Lande noch zu verlebenden Zeit unter um so drückendem Entbehrungen zu verbringen.

Die zwei Monate, welche ich in den gastlichen Hütten ChaliFs verlebte, wurden fast ausschliesslich der Jagd ge- widmet, zu welcher die wildreichen Umgebungen der mor- niederung ganz besonders aufforderten. Ausserdem machten die häufigen Anstrengungen meinen nervösen Zustand nock einigermassen erträglich. Kopfweh, Niedergeschlagenheit nnd Mattigkeit wichen nur beim Marschiren, und nur für die- jenigen Stunden, welche ich in der Wildniss verbrachte, kehrte ein Theil meiner frühern Energie zurück. Abgespannt und kraftlos lag ich, zu meinen vier Wänden zurückgekehrt, auf dem Lager; nur ab und zu gewährte mir das Zeichnen der Naturgegenstände einige Unterhaltung und Abwechselung.

Chalil hatte mir eine vorzügliche Büchse geliehen, welche, besonders für die Antilopenjagd geeignet, mir zu der reich* sten Beute verhalf. Mit dieser Waffe erlegte ich im Laufe der Monate März und April f ündundzwanzig Stück grössern Wildes, darunter fast alle Antilopenarten, welche die Fauna des Landes beherbergte. Unerschöpflich erschien die Menge der Gaama- und Leucotis-Antilopen, und das schmackhafte Fleisch der letztgenannten Art, ohne Vorrath an Butter oder an Fett, wie ich w^r, konnte selbst einfach in Wasser ge- kocht mich immerhin schadlos halten für den Mangd aa Rindfleisch , welcher zu jener Zeit in allen Seriben herrschte. Das magere, seifenartig schmeckende Ziegenfleisch, welches

Jälo-Antilopen. 4(35

sonst allein zu meiner Verfügung stand, brachte auf die Dauer einen unüberwindlichen Ekel zu Wege. Gemüse aller Art, überhaupt vegetabilische Kost ausser Sorghumfladen, waren seit vier Monaten nicht über meine Lippen ge- kommen.

Eine mir bisher unbekannte Antilopenart fiel hier zum ersten mal in meine Hände. Die Bongo nannten diese Art Jälo, und obgleich sie sich von der Leucotis nur durch die abweichende Hornbildung (diese ist dreimal kürzer) zu unter- scheiden schien, so bezeugten dennoch die Aussagen aller Eingeborenen die Eigenart des Thiers. Während die Leu- cotis in grossen Heerden oder mindestens in Trupps von einigen Dutzend die Steppenniederungen der Flüsse durch- ziehen, halten sich die Jälos nur paarweise am Rande der- selben innerhalb der Buschwaldungen aufl Der einfarbige Kopf unterscheidet äusserlich diese Art (A. arundinacea) Ton der Leucotis, ebenso der Mangel eines schwarzen Streifs auf der Rückseite der hintern Schenkel, auch die untern Läufe der Hinterbeine sind nicht schwarz, wie bei der Leu- cotis, sondern einfarbig lederbraun, wie der ganze Körper. Mit nicht geringem Interesse beobachtete ich die Leichtig- keit und Sicherheit, mit welcher der instinctive Naturblick der Eingeborenen selbst die obsoletesten Merkmale zur Unter- scheidung der Arten zu benutzen wusste, sogar aus der Form ihrer Losungen verstanden sie die verschiedenen Antilopen sofort zu erkennen, welche an diesem oder jenem Platze ihrer Aesung nachgegangen waren.

Ende Februar war die günstigste Zeit zur Jagd auf Bohiratten (Aulacodus Swinderianus); ich arrangirte daher eines Tages einen grossen Jagdausflug zum Djur, indem ich die gewandtesten Eingeborenen um mich scharte, welche, mit Lanzen bewaffnet und wohlvertraut mit den von diesen merk- würdigen Thieren bevorzugten Plätzen, mir als Treiber und Jäger dienen sollten. Um jene Zeit, da selbst an den Flüssen und in den sumpfigen Niederungen alles Gras verdorrt war,

ScxwmanruRtn. II. 20

4G(>

Viei-undzwanzigstes Kapitel.

schien es ein Leichtes, mit ihrer Hülfe die an soIcheD Locali- täten*) in Menge sich vorfindenden Bohrratten zu erlegen. Die Ausbeute des Tages betrug in der That zehn Stück, von Tvelcheii indess der grösste Theil durch die rohe Art der Jagd, zerrissen von Lanzenwürfen und durch die Zahne meiner Hunde, untauglich für wissenschaftliche Zwecke wurde. Sobald ein Platz ausfindig gemacht worden war, welcher die

.^ ^1

Tliiere enthielt, so wurde er umstellt und das liolie Gras von allen Seiten zugleich in Brand gesteckt; da.war ein Ent- rinnen nicht möglich, alles, was an lebenden Wesen darin verborgen war, musste zum Vorschein kommen. Die Rohiv ratten liatten nun allerdings die üble Gewohnheit, stets bis

♦) Dai Zebra-Ichneumon bewohnt mit der Itobrratte die gleichen

Jagd auf Rohiratten.

467

zum letzten Moment zu warten und erst mit versengtem Fell und mit verbrannten Füssen die Flucht zu wagen, so- dass man intacte Bälge nicht so leicht zu erlangen vermochte. Wie der WUstenhase verharrt das Thier in seinem Versteck, wo es sich sicher glaubt, auch bei unmittelbarer Nähe seines Verfolgers, in nnbevreglicher Stellung. Beide werden daher von den Eingeborenen nicht selten durch Steinwürfe und

Rohmtle (Aalacodm Saiiiderianii').

Knüttel erlegt. An manchen Stellen, wo das vom Steppen- brande verschont gebliebene Gras in besonderer Dichtigkeit angetrofTen wurde, brauchten die mich begleitenden Djur mit ihren Lanzen nur aufs Geratbewohl liineinzustechen, vrie in die von Fischen wimmelnden Lachen der zurück- gebliebenen Alt- und Hinterwässer des Flusses, um etliche von den Kohrrattsu aufzuspiessen.

Der Aulacodus, welcher in den verschiedensten Tropen-

468 YierondzwaDzigstes KapiteL

ländern des Continents zu Hause ist, gräbt sich, stets in der Nähe von Flüssen und Bächen, tiefe Löcher in das toü hohem Gras- und Rohrwuchs bedeckte Erdreich, entfernt sich jedoch, um seiner Nahrung nachzugehen, weit genug von diesen Schlupfwinkeln, um dem Jäger die Verfolgung zu erleichtern. Schwimmhäute zwischen den Zehen der Hinterfüsse * erleichtern seine Bewegungen im nassen Ele- mente, und die grossem Flüsse sind die natürlichen Strassen, auf denen der geschickte Schwimmer seine Wanderungen bewerkstelligt. An den Hinterfüssen sind die Schwimmhäute jedoch nicht vollständig, d. h. sie verbinden die Zehen nicht in Gestalt eines geradlinigen Uautrandes, sondern der letz- tere bildet ausgeschnittene Bogen, die an Tiefe wechseln. Auf dieses Merkmal hin hat Theodor v. Heuglin die Art vom Gazellenflusse als A. semipalmatus von derjenigen des Zam- besi und Gambia unterscheiden zu müssen geglaubt, welche durch den gänzlichen Mangel an Schwimmbäuten an den Hinterfüssen charakterisirt sein soll.

Das ausgewachsene Thier hat eine Körperlänge von nie unter 1% Fuss, wovon indess der dritte Theil auf den ratten- artig dünnbehaarten Schwanz kommt, welcher auf der Ober- seite eine schwärzliche, auf der zur Erde gekehrten Säte eine hellgraue Färbung hat. Hellgrau sind auch die borsten- artigen, fast den weichen Stacheln junger Igel gleichenden Haare an Schnauze, Kehle, Brust und Bauch, während sie auf dem Rücken und an den Seiten des Körpers ins Bräun- liche spielen; die grauen Haare sind nämlich an diesen Stellen mit einer helUederbraunen Spitze versehen. Im Februar fielen die Borsten der jungen halbausgewachsenei Thiere aus, um gegen ein neues Kleid vertauscht zu werden. Die Haut ist trotz ihrer Dicke (3 4 Millimeter) sehr ztft und äusserst leicht zerreissbar, eine förmliche Specklage ist mit ihr verwachsen. Das Fleisch ist stets sehr fett und gibt einen vorzüglichen Braten ab, da es dorchaos keinen eigenthümlichen oder unangenehmen Geschmack hat, ohne

Beschreibang der Rohrratte. 469

zugleich 80 fade und süsslich zu schmecken wie dasjenige der Klippschliefer. Es hat die Consistenz des Hühner- fleisches und hält im Geschmack die Mitte zwischen Kaib- und Schweinefleisch. Die Nubier verachten das Fleisch eines Thieres, welches die Klauen spaltet, ohne wiederzukäuen oder Hörner zu tragen, selbstverständlich als etwas religiös Un- reines; minder scrupulös in culinarischen Dingen sind alle die Wüsten und Steppen bewohnenden Mohammedaner, und für den Baggara wie für den Furianer ist der Braten der Rohrratte ein ebenso grosser Leckerbissen, wie das zarte Fleisch des Hasen für die Bischarin und Hadendoa. Das Verspeisen von Fahr-el-buhss (wie hier die Rohrratte ara- bisch genannt wird), erregt bei den nubischen Stadt- und Nil thalbe wohnern stets grosse Heiterkeit, und die Leute necken sich zu Zeiten des Mangels gern mit gegenseitigen Verleumdungen, die darauf hinzielen, dass der eine oder an- dere heimlich von solchem Fleische gegessen.

Die Nahrung des Aulacodus scheint aus den aroma- tischen Rhizomen gewisser Grasarten, die in den Niederun- gen wachsen, zu besteben, der Mageninhalt enthält aber ein 80 fein zertheiltes grünliches Häcksel, dass sich nichts Ge- naueres hierüber nachweisen liess. Die Eingeborenen machen sich aus dem Mageninhalte eine besondere Delicatesse, auch meine Hunde, die sich doch sonst sehr wählerisch zu zeigen pflegten und Ratten sowol als Mäuse beständig verschmäh- ten, verschlangen gierigst die ihnen dargereichten Gedärme sammt ihrem Inhalte.

Mein Tikkitikki, welcher mit Pfeil und Bogen bewaffnet ein begeisterter Theilnehmer an dem Jagdausfluge war, be- hauptete, die Thiere im Lande der Monbuttu nie gesehen zu haben. Dagegen sind sie allen Niamniam unter dem Namen „remvo oder alimvoh'^ wohlbekannt, hauptsächlich durch die Verheerungen, welche sie in den Elfenbein- vorräthen anzurichten pflegen, indem sie dieselben, aus Be- dürfniss, ihre Vorderzähne an einer passenden Substanz zu

470 Vierundzwanzigstes Kapitel.

Yretzen und zu schärfen, benagen. Die Kiamniam befolgen nämlich die Gewohnheit vieler afrikanischer Völker, indem sie ihr Elfenbein, um es vor der Eventualität kriegerischer üeberfälle, vielleicht auch um es gegen ein Brandunglück sicherzustellen, dem nassen Grunde der Sumpferde anver- trauen, wo es die Aulacodus ausfindig machen, um dasselbe ^ie Kreuz und Quere zu durchnagen.

Chalil brauchte 300 Träger, um seine Vorräthe von der Meschera abholen zu lassen; da sie sich aber an ein und demselben Tage nicht zusammenfinden konnten und der im Lande allgemein herrschende Nothstand eine Beköstigung der einzeln eintreffenden Abtheilungen in der Seriba unmög- lich machte, so wurden die Ankömmlinge truppweise voraus expedirt, auf den Weg zur Meschera, um bis zur Vereinigung des ganzen Corps der Träger bei den nächsten Dinka „zu essen". Es vergingen viele Tage, bis die grosse Karavane in Gang gebracht werden konnte, und in der Zwischenzeit hatten die Soldaten, welche den Vormarsch bereits eröffnet, ßinen harten Strauss mit den Dinka zu bestehen, welche ihre Kornvorräthe bis aufs Blut zu vertheidigen entschlossen varen.

Am 4. März langten 200 Ghattas'sche Bongoträger an, welche, auf dem Durchmarsche befindlich, Korn zu den Tür- ken bringen sollten. Die vielen Lasten auf einen Haufen geworfen, ergaben kaum einen Vorratti von 20 Ardeb. Dummes, indolentes Volk, diese fremden Eroberer! Solche ebene, thonharte Strassen, welche das Land zur trockenen Jahreszeit allerorten darbot, und nicht ein einziges Vehikel im ganzen Lande! Dreissig Handkarren oder drei Ochsen- wagen hätten genügt, um den ganzen Haufen Korn mit Leichtigkeit an Ort und Stelle zu schaffen. Die 200 Träger mussten hin und zurück über 24 Tage gefüttert wer* den, und wollte man sie ordentlich satt machen, so hätten sie in dieser Frist allein ihre 40 Ardeb Durrakom, also das Doppelte von der Masse, welche sie foiiischaffen sollten,

Korutransporte. Fischerei im Djur. 471

Terzehren müssen. Auf solche Art verdoppeln, ja verdrei- fachen sich die Erpressungen des Gouvernements. Der Be- darf der Regierungstruppen an Korn zum Unterhalte wäh- rend eines Jahrs betrug 600 Ardeb, dazu aber mussten noch andere 600 Ardeb nutzlos vergeudet werden. Dass dabei obendrein noch Zeit und Arbeitskraft verloren ging, daran dachte natürlich hierzulande keiner. Ich wiederhole der- artige Details, um auf das trost- und aussichtslose Raub- System aufmerksam zu machen, welchem die Negerländer, so- bald sie nur irgendwie mit dem Islam in Berührung treten, für alle Zeiten ausgesetzt bleiben müssen.

Die zahlreich verzweigten Altwasser des Djur wurden gegen die Mitte des März allseitig von den für diese Jahres- zeit ausschliesslich auf den Fischfang angewiesenen Einge- borenen in Angriff genommen, die vielen Sumpfkanäle nach allen Richtungen hin durch aufgeworfene Dämme in einzelne Bassins zergliedert und diese so lange ausgeschöpft, bis die Fische im schlüpfrigen Schlamme halb auf dem Trockenen lagen und leicht mit den Händen gegriffen werden konnten. Im grossen Massstabe betheiligten sich alle Bewohner der Oegend an der Fischerei im Djurflusse selbst, und es bot mir eine angenehme Zerstreuung, auf meinen wiederholten Jagdausflügen ein Zeuge ihrer dabei in Anwendung kom- menden Fischerkünste zu sein.

Am rechten Flussufer, da wo es steil und unmittelbar 2um Wasser abfällt und wo sich die tiefste, von zahlreichen Kilpferden bewohnte Stelle befindet, gewahrt man unter einer 8 Fuss mächtigen (die Höhe der Uferwandung beträgt hier 15 Fuss) eisenschüssigen Thonlage einen 4 Fuss dicken weissen Streifen hart über dem Gneis, welcher den ge- sammten AUuvionen der Flussniederung als Unterlage zu dienen scheint. Diese weisse kalkartige Masse enthält Quarz- stücke und besteht aus einem Verwitteiningsproducte des Feldspats, wie es unter ähnlichen Verhältnissen häufig in den Thaleinschnitten der Bäche und Flüsse des Landes

472 Vierundzwanzigstes EapiieL

wahrzunehmen ist. Im Sande des trocken gelegten Fluss- bettes stösst man überall auf die Schalen abgestorbener Flussaustem (Etheria Cailliaudii), welche die Niamniam „Mokperre" nennen und die keinem der obem Kilzuflusse zu fehlen scheinen. Im tiefern Bette des Djur sitzen diese Muscheln gruppenweise an den Blöcken von Raseneisensteb festgewachsen, welche, aus deii höhern Uferwänden gerissen und hinuntergestürzt, nun für immer von den Fluten des Flusses bespült werden. Die Etheriamuschel hat in ihron Jugendzustande eine rundliche Gestalt, welche sich bei za- nehmendem Wachsthum sehr unregelmässig in die Länge streckt und bis 1 Y2 Fuss erreichen kann. Das Fleisch dieser Flussauster war von süsslich widerlichem Geschmack und schien mir ungeniessbar.

Am 20. März brachte die Ankunft Soliman's, des jetzi- gen Besitzers und Geschäftsinhabers der Seriba und des ältesten Sohnes von Kurschuk-Ali, viel Leben in den Ort meines provisorischen Domicils. Er war noch ein blutjunger Mann und unerfahren in der Verwaltung der ausgedehnten Besitzthümer, welche ihm aus dem Erbe seines Vaters tf- wuchsen. Ein Orientale führt bekanntlich auf Reisen immer einen grossen Theil seines Vermögens in Luxusgegenständen mit sich, und nicht selten sind seine Kleider, seine Waffen, seine Pferde und Pferdegeschirre so werthvoU, dass es sich lohnt, ihn auszuplündern und zu berauben. Letzteres war nun dem verstorbenen Sandschak freilich erst nach seinem Tode widerfahren, denn sein Nachfolger im Dienste hatte schnell den Nachlass zu Schleuderpreisen unter die Leute gebracht; dies war der Grund, weshalb der Sohn in 'Person die beschwerliche Reise angetreten, er wollte retten, was noch zu retten war, und von Achmed-Aga Rechenschaft fordern. ,

Mit Vergnügen gedenke ich noch meiner ersten Begeg- nung mit Soliman und der erheiternden Discussion über die Machtstellung der europäischen Völker, welche sich daran

Ankunft Soliman's. 473

knüpfte. Ich hofifte politische Neuigkeiten von Soliman zu erÜEÜiren, welcher als Chef eines Grosshandlungshauses zu der quasi gebildeten Klasse von Ghartumem gehörte. Das einzige, was er mir indess mitzutheilen wusste, bestand allein in ^er Meldung, dass zur Zeit, als er von Ghartum abge- fahren, das heisst im Januar des Jahres, daselbst noch keine Friedensnachricht von Europa angelangt wäre. Der alte Ghalil, welcher seit fünfzehn Jahren nicht aus den Neger- ländem herausgekommen war, .legte dieselbe Unkenntniss über politische Dinge an den Tag, wie die meisten Ghar- tumer der niedrigsten Klasse. Er fragte nicht nur nach dem Namen des damaligen Generalgouverneurs, sondern schien auch nicht einmal zu wissen, dass Aegypten ein jfast unabhängig regiertes Land wäre. Der Name des regierenden Chedive war den meisten nicht minder unbekannt („Wie heisst der Pascha in Kairo ?^' hörte ich fragen); man wusste eben nur, dass Abdul-Asis-Ghan der Herrscher über alle Gläu- bigen sei, dem die Könige der Franken als Vasallen dienten, mit einziger Ausnahme des Moscow Imperator, welcher vor einigen Jahren die unerhörte Dreistigkeit gehabt hätte, sich unabhängig zu geberden, nun aber, dank der pflichtgetreuen Unterstützung aller Vasallen des Grosssultans, ebenso zu Kreuz hätte kriechen müssen, wie ehedem „Bonaparte^^ der „Sultan-el-Kebir^S Darin bestand die ganze Staatsweisheit der Sudanesen, und in diesen Sentenzen war das Einmaleins ihres politischen Bewusstseins wiedergegeben. Als mich die Leute mit Soliman über Krieg und Frieden im fernen Lande der Franken sprechen hörten, verlangten einige zu wissen, was denn das für ein Volk sei, das man Preussen (die „Borusli^^) nannte. Da musste Soliman eine bei aller Naivität immerhin bezeichnende Antwort zu geben, indem er sagte: „Es ist das Land mit den wenig Leuten.'^ Er wollte damit sagen, dass Preussen die kleinste der Grossmächte sei. „Und diese wenigen Leute haben den grossen Kaiser der Franken gefangen genommen, dessen Bildniss auf allen Goldstücken

474 Yierundzwanzigstes Kapitel.

ZU sehen ist?" fragten sie weiter. „Ja", hiess es, „er war ein Bösewicht und ihn ereilte die Strafe des Himmels."

Am 30. März hatte ich endlich die Freude, die Leute von der Meschera zurückkehren zu sehen, welche mir die wenigen Dinge mitbrachten, die man mir aus Chartum ge- schickt hatte. Im Besitz einer ausreichenden Menge neuen Papiers zum Pttanzentrocknen , begann ich nun mit neuem Eifer die lange unterbrochenen botanischen Sammlungen wieder aufzunehmen und dem wundervollen Frühling, wel- cher mir nun auf den Gefilden Centralafrikas zum dritten mal erblühte, die Opfer wieder zu erpressen, welche ich auf dem Altar der Wissenschaft niederzulegen hatte. Zu gleicher' Zeit legte ich mich jetzt, da sich der Termin meiner de- ^finitiverf Rückkehr nahte, auf das Einsammeln von Zwiebeln und Knollen, die, in Thonerde eingehüllt und noch vor dem Beginn ihrer neuen Vegetationsperiode ausgegraben, befähigt erschienen, den weiten Weg nach Europa anzutreten. Auf diese Art brachte ich eine grosse Menge der seltensten Ge- w^ächse, daninter auch Exemplare der neuen Cycadee aus dem Niamniamlande, glücklich in lebensfähigem Zustande bis nach Berlin, wo indess bei der mangelhaften Einrichtung der dortigen Gewächshäuser und der nachlässigen Pflege der Gärtner manches nachträglich verloren ging.

Die Witterungsverhältnisse des Jahres 1S71 schienen keine normalen zu sein, und die einzelnen Jahreszeiten zeig- ten nicht jene scharfe Begrenzung, welche die beiden Vor- jahre auszeichnete. Der ganze Märzmonat glich einem be- ständigen Kampfe der extremsten Windrichtungen; in der orsten Hälfte dieses Monats stritten Südost und Nordost um die Alleinherrschaft, in der zweiten Nordost und Südwest miteinander. Um die Mitte des Monats herum gab es äusserst heisse Tage, an welchen der Nordost mit einer samumartigen Vehemenz das Land in eine Wüste zu verwandeln drohte. Am letzten März stellte sich der erste durchgreifende Regen ein, nachdem an zwei verschiedenen Tagen vorher schwache

Meteorologie und Frühjahr im Djur lande. 475

Versuche dazu gemacht worden waren. Der April hatte bereits sechs kleine und vier äusserst starke Güsse mit vor- herrschendem Südwest aufzuweisen, aber auch in diesem Mo- nate gab es noch Reihen von Tagen, wo Boreas sich von neuem Geltung zu verschaflFen suchte. Der Mai schliesslich hatte drei starke und fünf schwache Regentage.

Wie in unsern. Zonen der Kalender des Landmanns, so hatte auch ich im Djurlande zu gewissen Terminen verschie- dene Vorgänge im Thier- und Pflanzenleben zu verzeichnen, welche gleichsam die Etappen der vorrückenden Jahreszeit darzustellen schienen. Am 16. März sprang der Wind nach Südost um, Regentropfen, die ersten seit dem exceptionellen Guss am 11. Februar, stellten sich ein und die Luft schien wie umgewandelt; da vernahm ich des Nachts das erste Zirpen im Grase, die Grille sang ihr erstes Liedchen. Bald darauf stellten sich auch die schrillen Töne der Cicade ein, welche um die Mittagszeit die Lüfte erklingen machte, wie rasselnde Metallplatten. Mit den ersten Tagen des April begann die Luftfeuchtigkeit in schnell wachsendem Grade zu- zunehmen, während die Hitze noch gross blieb. Wir hatten eine Durchschnittstemperatur von -f- 24° R. Die nächste Folge dieses für die Gesijiidheit so nachtheiligen Zusammen- wirkens von Hitze und Feuchtigkeit war ein starker Aus- bruch der Tropenflechte, welche meinen ganzen Körper be- deckte und durch heftiges Jucken die Ruhe meiner Nächte beeinträchtigte. Vortheilhaft ist ein hoher Grad von Luft- feuchtigkeit in Verbindung mit Hitze nur insoweit für den Körper, als er demselben jede Gelegenheit zur Erkältung benimmt.

Der 3. April steht in meinem Kalender als derjenige Tag verzeichnet, an welchem (drei Tage nach dem ersten starken Regen) der Fussboden meiner Wohnhütte sich mit allerhand gefährlichen Gästen zu beleben begann; riesige, merkwürdig geformte Spinnen, Galeodes (Skorpionspinnen), mit dicken giftstrotzenden Kiefern, und ein Heer von schwarzen

476 Yierundzwanzigstes Kapitel.

Skorpionen stellte sich ein. Meine armen Neger wurden arg mitgenommen, und die Wirkungen schienen bei jeder Gelegenheit rein zufällige, d. h. von der zufällig ge- troffenen Stelle irgendeines Körpertheils abhängige zu sein. Am 18. April, am Abende eines Tages, welchem ein sehr starker Regen vorausgegangen war, stellten sich auch die ersten geflügelten Termiten (geschlechtliche, männliche) ein^ welche in Menge aus den Thonpyramiden der „Gontur'^ hervorgeschlüpft kamen.

Gegen Mitte April waren die Kornvorräthe der Seriba derartig erschöpft, dass Chalil allen Gellabas, welche ihren Weg durch dieselbe nehmen wollten, die Gastfreundschaft aufsagte. Soliman selbst musste mit seinem Gefolge den Platz räumen, und sein alter Wokil unternahm einen Aus- flug nach seinen Bongoseriben, um daselbst noch aufzutreiben, was aufzutreiben war. Für mich kamen nun so schlimme Tage des Hungers, wie ich sie kaum im Mai des vergange- nen Jahres am Nabambisso verlebt hatte. Es gab Tage^ wo nicht einmal für mich eine Handvoll Durra aufzutreiben war. So kläglich auch meine Lage sein mochte, so konnte ich mich dennoch immer noch nicht dazu entschliessen, zur Ghattas'schen Hauptseriba zurückzukehren, welche mehr als irgendeine andere zu meinem körperlichen Gedeihen beige- tragen hätte. Diese Stätte war mir so verhasst wie das ominöse Datum des fluchenswei^hen 2. December (im An- denken der Geschichte), und dieser Unglückstag hätte da- selbst beständig vor meiner Seele schweben müssen. So zog ich es denn vor, lieber vier Monate lang in Wildnissen und in ausgehungerten Seriben zu verharren, als mich dort unter den lebhaften Eindrücken meines Unglücks an Rindfleisch und Kuhmilch zu laben.

Am 19. April wurde ein ehemaliger Bongo-Aeltester, der viele Nubier heimlich ermordet und als Aufvnegler der Eingeborenen gegen ihre fremden Bedrücker schon seit län- gerer Zeit in den Bergen an der Südgrenze des Landes ver-

Enthauptung durch das Schwert 477

folgt worden war, von den Leuten Kurschuk-Ali's hingerichtet. Ich erfuhr von diesem traurigen Vorfall erst nach geschehe- ner That durch meine Neger, welche Zeugen der Procedur gewesen waren und nach deren ürtheil die Strafe, welche den Betreffenden ereilt hatte, eine wohlverdiente war. Ihrer Aussage zufolge hatte man den Delinquenten weit hinaus in den Wald geschleppt, er musste am Halse den langen Balken einer Scheba nach sich schleifen. Mit einem j«ner riesigen Ritterschwerte, welche seit Jahrhunderten in der Gegend von Solingen und jetzt nur noch für den speciellen Bedarf der Araber und Beduinen Afrikas angefertigt werden, hatte der Unglückliche zuerst einen Hieb in die Kniekehlen erhalten, sodass er vorüber zu Boden stürzte. Alsdann wurden dem- selben die Arme mit wuchtigem Hiebe abgehauen, und zu- letzt erst kam der Kopf an die Reihe; dieser soll aber mehr abgehackt als abgehauen worden sein. Es fehlte nirgends an Männern, welche in der Führung dieser gegen 4 Fuss langen Schwerter eine grosse Geschicklichkeit an den Tag legten. Eine ebenso radicale als barbarisch-rohe Anwendung findet das Schwert, um dasjenige zu vollziehen, was wir eine Amputation nennen. Ist ein Glied, eine Hand oder ein Fuss, voraussichtlich nicht mehr zu retten, beispielsweise bei immer weiter um sich greifender Zerstörung durch unheilbare Ge- schwüre, so wird dasselbe an einen Holzklotz geschnürt, so- dass es über denselben hervorragt, und dann mit einem Schlage haarscharf vom gesunden Theile getrennt. Die Fälle sind nicht selten, wo sich Leute von hinreichender Willens- kraft finden, um sich dieser riskanten Radicalcur zu unter- ziehen. Der Brauch ist in der arabischen Welt gewiss uralt, und darauf hin zielt wol auch der Spruch im Neuen Testament: ^,Aergert dich deine rechte Hand, so haue sie ab und wirf sie von dir."

Endlich sah ich mich genöthigt, dem Drängen meiner hungernden Leute nachzugeben und nach der Seriba Ghattas* aufzubrechen, was am 21. April geschah. Wir fanden das

478 Vierundzwanzigstes Kapitel.

Wasser des Djur, welches in den letzten Tagen gestiegen war, wieder im Fallen begriffen, das Bett war zwar noch wasservoll, allein die Tiefe betrug nur 2% Fuss. Gegen die beiden Vorjahre hatte diesmal das Steigen des Djur um vier- zehn Tage früher begonnen. In Abu-Gurun's Seriba fanden wir denselben Nothstand vor, wie er in den hinter uns liegen gelassenen Districten herrschte. Die Eingeborenen waren daselbst aufs^ eifrigste beschäftigt, die bittern Beeren gewisser Capparideen einzusammeln, um sie nach mehrmaligem Ab- brühen mit kochendem Wasser in einen essbaren Brei zu verwandeln. Besonders diente zu diesem Zweck die Beere der Boscia octandra, nachdem sie zuvor in der Sonne ge- trocknet und durch Stossen im Mörser die besonders bittern Cotyledonen abgesondert worden.

Einen überraschenden Anblick gewährten bei Fortsetzung des Weges die grossen Scharen der Marabustörche, welche in dem verkohlten Grase der vor kurzem erst abgesengten Steppenniederung am Molmul nach den wahrscheinlich durch den Brand getödteten Schlangen, Eidechsen und Mäusen suchten.

Am 4. Mai wurde mit der allgemeinen Aussaat begon- nen, frohen Muths schienen die Menschen einer bessern Zeit entgegenzusehen, denn die Ghattas'schen Speicher enthielten immer noch einiges Korn, auch der Viehhof war noch da, wenngleich die Scharen der Rinder zu einem kleinen Häuf- lein zusammengeschmolzen erschienen. Nichtsdestoweniger empfingen mich die unangenehmsten Eindrücke an diesem volkreichen Platze. Die Seriba, äusserlich zwar sehr ver» ändert, schien dennoch ihrem alten Charakter gänzlich trea geblieben zu sein. Zwar waren die Scharen der Ratten, welche ehedem alle Häuser erfüllten und überall den Boden unterminirten, dem Anschein nach durch den Brand aus- gerottet worden, auch gewalirte man nicht mehr die grosse Anzahl rothköpfiger Eidechsen (Agamen), welche früher in dem morschen Holze der Palissaden ihr lustiges Wesen trieben.

Rückkehr zur Seriba Ghatta8\ 479

auch die Nashornkäfer und ihre Engerlinge schienen vertilgt und ausgestorben, die sonst der Boden überall, wo sich Dünger angehäuft hatte, in so reicher Menge beherbergte; nur die Menschen waren noch die alten, sie hatte das Feuer nicht geläutert, jene Ekelgestalten mit Syphilis, Krätze und Pocken, diese lebenden Miasmen, sie verbrannten nicht. Da sah man sie immer noch umherschwanken in gewohnter Weise zwi- schen den schiefen und krummen und verfallenen Ktrohzäunen, zwischen den Haufen von Kehricht, die Fieberlinge, die Räu- digen mit geschorenem Haupthaar und mit dem Ausschlag über Kopf und Glieder, da war noch immer das alte Ge- ächze und Gestöhne einer schleichenden Grabes weit, nicht Hunde und Hundesöhne, wie sie zu fluchen pflegten, sondern selbst Söhne des Schmuzes, geboren von dem Gewürm der Verwesung und von Eiterbeulen grossgesäugt!

Mein ehemaliger Garten war nun wüst und leer, nur noch die Tomaten wucherten unausrottbar auf dem üppigen Boden, und die Sonnenblumen, mit Wollust die Fülle der Tropensonne einsaugend, standen noch da als Zeichen ver- schwundener Tage. Einzelne Exemplare waren über 10 Fuss hoch, von unten auf mit grossem Laube zu Pyramiden auf- gebaut, hatten sie ein wahrhaft imponirendes Aeussere, in- dem sie sich auf unzähligen Blütenästen mit ihren grossen Augen unverwandt der Sonne zukehrten. Ihre Pracht er- götzte mich in dieser fremden Welt in so hohem Grade^ dass ich oft in Staunen versunken vor ihnen auf dem Boden sass, um an ihrem Anblick meine hinwelkende Erinnerung wieder frisch zu beleben. Ferne Reisebilder tauchten dann vor meiner Seele auf, Bilder wie aus dem kleinen Fenster im Rücksitz des Reisewagens, und sie entrollten mir die ab- gelaufene Karte meines Weges.

Um alle diese unangenehmen Eindrücke los zu werden und zuguterletzt noch einige Tage einem ungestörten Natur- genusse widmen zu können, unternahm ich gegen Ende Mai meinen letzten Ausflug nach Gir. Ich wollte Abschied nehmen

480 Yierundzwanzigstes Kapitel.

von dem liebgewordenen Volke der Bongo, welchem einer meiner kleinen Schützlinge angehörte, den ich mit mir nach Europa zu nehmen und daselbst, weil er mehr Fähigkeiten als die Mehrzahl der übrigen Altersgenossen an den Tag legte, erziehen zu lassen beschloss. Allagäbo*), so hiess mein neues Adoptivkind, hatte in Gir seine Angehörigen; ich erhielt daher die Besuche von Vater, Onkel und Tante, welche von mir reich beschenkt und in meiner Zeichenmappe verewigt wurden. Da sie längst über Allagäbo keine Macht mehr besassen, indem er vor Jahren von den Dinka geraubt und von diesen wiederum an den Verwalter der Seriba gegen geraubtes Vieh ausgetauscht worden war, so konnten sie sich ja über das glückliche Geschick desselben nur freuen, indem sie wohl begriffen, dass er als civilisirter Mensch einem weit bessern Leben entgegenging, als seine wilde Heimat ihm je dargeboten haben würde. Die Mutter war vor einigen Jah- ren, nach dem stattgehabten Austausch gegen das Vieh der Dinka, in die Sklaverei nach Ghartum geschleppt worden, sie war die einzige, nach welcher Allagäbo Sehnsucht empfand und er erzählte noch später, als er bereits in Europa sich einzubürgern begann, wie ihm das Bild der Mutter im Traume gefolgt sei, um ihn mit thränendem Auge zu imischweben. Leider waren in Ghartum alle Anstrengungen vergebUch, sie ausfindig zu machen. Gegen den Vater legte mein Schütz- ling wenig Liebe und Anhänglichkeit an den Tag, ja er verlangte sogar, als ich denselben beschenkte, dass ich alles dem Onkel geben sollte, der Vater verdiene nichts. Als ich nach der Ursache dieser Abneigung forschte, erfuhr ich, dass der Vater zu einer Zeit, da Allagäbo an einer Kinderkrank- heit schwer darniederlag, sich nicht im geringsten um ihn

*) Arabischer Name für Dieudonne oder das griechische Theodor; bei den Dinka hiess er „Tim^S ^* ^' Baum, weil sein heimatlicher Name „Lebbe" war, so heisst bei den Bongo eine Banmart der Mimoseeo.

Abschied von den Bongo. 481

gekümmert, wohl aber habe der Onkel seiner Schwester bei der Pflege ihres Sohnes treulich zur Seite gestanden.

In Gir erhielt mein Reisealbum zahlreichen Zuwachs, und hier war es auch, wo ich die Scene des Dorf lebens der Bongo zu Papier brachte, welche auf beistehendem Bilde zu sehen ist. Um einen prächtigen Butterbaum herum sind die Wohnhütten und Kornspeicher errichtet, zur Linken gewahrt man eins jener im siebenten Kapitel beschriebenen Grab- denkmäler, zur Rechten ist ein Weib dargestellt, welches Korn in dem transportabeln Holzmörser zerstösst. Im Vorder- grunde veranschaulichen drei Grazien die gewohnten Atti- tüden der Bongoweiber, die sitzende Figur hat ein Kind auf dem Rücken hängen, welches in einem Ledersack steckt. Zwölf Fuss hohe Sirchfelder umgeben das Dorf, und daraus hervor ragen die „harfenartigen" Gestelle zum Trocknen des Sesams.

Das Erscheinen des ersten Mondviertels wurde wie üblich durch massloses Knallen der Gewehre begrüsst; es war das alte Lied, welches die Jeremiade meines Unglücks begleitet. Kugeln pfiffen und schwirrten nach allen Rich- tungen umher, und die Spitze eines mir benachbarten Stroh- dachs fing Feuer. Mit Mühe wurde es im Keim erstickt, aber meine Geduld war zu Ende, ich drang nun auf Ab- fertigung der Barke nach Chartum. Ein günstiger Umstand erleichterte die Durchsetzung meines Willens. Abd-el-Messich, der Sohn Ghattas', war in den östlichen Seriben am Rohl erschienen, und Leute langten bei uns an, welche sein baldi- ges Kommen meldeten. Nun erst vermochte ich Idris, den Verwalter, durch Einschüchterung zur Eile anzutreiben und meinen Drohungen eine reelle Unterlage zu bereiten; denn, sagte ich ihm, wenn Abd-el-Messich vor meiner Abreise hier- her käme, so würde es für ihn, den Idris, ein sehr unan- genehmes Rencontre geben, und ein Streit wegen des durch seine Fahrlässigkeit veranlassten Brandunglücks könnte als-

t:$CBWSllirUKTH. II. 3X

482 Yierundzwanzigstes Kapitel.

dann nicht ausbleiben, ich würde Entschädigung verlangeo, und sein Herr würde ihn zum Bettler machen, dann könnte er in Chartum wieder gemeiner Sklave sein, wie vor Jahren. „Böses hier, nicht erst in Chartum", rief ich ilim zu, das jagte dem Idris eine gewaltige Furcht ein und am 4, Juui war alles marschfertig.

Unser Zug bestand aps 50 Soldaten und über 300 Tra- gern. Wir schlugen den alten Weg zur Meschera ein, wel- cher sich in Nordost zur Dinkaniederung hinzog. HerrUche Grasflächen, im schönsten Kleide des Frühlings und mit buntfarbigen Zwiebelgewächsen der mannichfaltigsten Art geziert, wurden durchschritten, die parkartige Gruppimng des Baumwuchses war bezaubernd. Die Gegend, welche ich auf der Hinreise im März durchzogen, lernte ich nun auch zu einer vorgerückten Jahreszeit kennen. Die Senkung des Bodens war eine kaum wahrnehmbare, aber dennoch eröff- nete sich uns ein weiter Fernblick, als wir die nahe Grenze des anstehenden Gesteins erreicht hatten und aus dem Busch- walde tretend vor uns die erste grössere Steppenfläche hat- ten , mit welcher das Gebiet der Dinka beginnt. Eigenthüm- lich abgezirkelte Boskets gewahrt man hier über die weite Ebene zerstreut, sie gipfeln in der Regel in einem grossen Baume, welcher der ganze Masse gleichsam als Achse und Stützpunkt zu dienen scheint; die bizarren Formen der wil- den Phönix und grosse Candelaber-Euphorbien charakteri- siren den Vegetationstypus dieser auffälligen Gebilde.

Wir nahmen unser erstes Nachtlager in einem verbisse- nen Murach des Ajarrstammes. Die tiefen Brunnenlöcher daselbst gewährten mir einen interessanten Einblick in die Beschafienheit des Terrains. An diesem Platze befanden wir uns genau 7000 Schritte von den letzten Steinen; in den Gruben trat nun der Raseneisensteinfels erst bei 10 Fass Tiefe hervor, darüber lagerte ein graues, sandreiches und gleichartiges Erdreich. Vom Juli an werden diese Steppen-

Steppen wandening. Antilopen in Brunst. 483

flächen, welche nicht wesentlich über dem Niveau*) des Gazellenstroms erhoben sein können, unter Wasser gesetzt, überall sieht man die gebleichten Gehäuse todter Schnecken (AmpuUaria) liegen, und in den Teichen finden sich zahl- reich die kleinen Schildkröten wieder (Peloraedusa Gchafie Rüpp**), welche die Gewässer des Stromes selbst bewohnen. Am zweiten Tage unserer Wanderung durchzogen wir das Gebiet von Djuir, immer noch eine weite, von Boskets unterbrochene Steppenfläche, welche infolge der letzten Regen- güsse bereits in hohem Grade versumpft war. Zahlreiche einzeln stehende Hütten waren über das flache Land zerstreut. In einem Abstände von kaum 500 Schritt vom We^e fesselte ein Trupp tändelnder Hartebeests unsere Aufmerksamkeit; sie spielten miteinander in einer Weise, dass man glauben konnte, sie machten ihre Evolutionen, gelenkt von unsicht- baren Reitern, und das alles angesichts einer Karavane von einer halben Wegstunde Länge. Paarweise umjagten sie ein grosses Baumboskct, im Kreise darum umherlaufend wie in einer Arena, dabei standen andere Gruppen von drei und vier Hartebeests als aufmerksame Zuschauer still beiseite, welche nach einer Weile die Kreisenden ablösten. So ging es fort, bis endlich meine Hunde auf sie losstürzten und sie nach allen Richtungen zerstreuten. Diesen Vorgang habe ich genau so beobachtet, wie ich denselben mit obigen Wor- ten zu schildern versuchte. Ich glaube, die Thiere befanden sich in der Brunst, und waren in diesem Zustande blind gegen jede äussere Gefahr. Etwas Aehnlichos hatte ich drei Monate früher am Djur erlebt, und zwar dort an den klei- nen Hegolehböcken (A. Madoqua). Als ich mit zweien mei-

*) Die einmalige Barometerablesung ergab das einigermassen zweifelhafte ReBultat von 1310 pariser Fuss, und fast genau das nämliche Mass wurde für zwei andere Stationen auf dem Wege zur Meschera erzielt, gegen 13G4 Fuss als das Resultat einer Reihe von 18G9 und 1871 angestellter Beobachtungen in der Meschera. **) Der Dinkaname dieser Schildkröte ist „Aroo".

31*

484 Vicrundzwanzigstes Kapitel.

ner Begleiter auf einem Ausfluge eine von niederm Gras- wuclis bedeckte Fläche betreten, sahen wir uns plötzlich von zwei hintereinander rennenden Exemplaren der genann- ten Art in einem Bogen umlaufen; wie gross war unser Er- staunen, als sie von der andern Seite wiederkehrten und im heftigsten Jagen den Kreislauf um uns herum vollendeten. Dabei gaben sie eigenthümliche Grunzlaute von sich. Ob- gleich wir schrien, um zu sehen, ob wir sie einschüchtern würden, so setzten sie den sonderbaren Rundlauf dennoch zweimal um unsere Gioippe fort.

Als wir einen mit Uabbasmimosen bewiichsenen Sumpf- bach überschritten, eröffneten die Bongoträger im hohen Grase der Steppe ein Treibjagen, bei welchem vier Ichneu- mons erbeutet wurden. Durch Buschdickichte voller Pfützen ging es nun weiter in einer von Elefanten vielbesuchten Gegend; überall lagen die frischen Losungen dieser Thiere am Boden. Am Vormittage des dritten Marschtages durch- schritten wir den Wald von Aluädj, wo unser Fortkommen durch die Häufigkeit der Sumpfpfützen sehr erschwert wurde. Die ersten Weiler, die wir wieder berührten, gehörten zu einem Teng-Tong genannten Districtc. Hier verliessen wir die directe Strasse zur Meschera, um auf einem östlichen Umwege mehr bewohnte Gegenden zu durchziehen, damit daselbst für die vielen Träger Proviant aufgetrieben werden könnte. So gelangten wir zu dem grossen, vor unserm Heran- nahen natürlich längst geräumten Murach eines Dinka- Aeltesten Namens Dal-Eurdjuk in einer durch viele Weiler und Cultnrflächen sehr belebt erscheinenden Gegend.

Kaum war das Gepäck auf dem wohlgesäuberten und von unzähligen Pflöcken zum Anbinden der Rinder starren- den Boden der Murachs niedergelegt worden, als auch schon das Commando zum Aufbruch aller waffenfähigen Mannschaft gegeben wurde, um eine Viehrazzia zu unternehmen. Da kein Korn in den verlassenen Weilern gefunden worden war, so mussten die Träger auf diesem Marsche verhungern, wenn

Viehrazzia. 485

man ihnen nicht Fleisch zu verschaflfen im Stande war. Zum Wurzelgraben hatten sie keine Zeit, denn der Weg vor uns blieb weit, und die Tagemärsche waren des schlüpfrigen Bodens halber ziemlich anstrengende. Als ich mich mit meinen wenigen Leuten allein in dem Murach zurückgelassen sah, empfand ich ein Gefühl von einigem Unbehagen ; wären da die Dinka über uns hergefallen, wie hätten wir uns gegen Tausende zu vertheidigen vermocht? Meine Ungewissheit und Ungeduld wurde indess nach Verlauf von kaum einer Stunde gehoben, als die Räuber triumphirend mit 15 er- beuteten Kindern und 200 Schafen und Ziegen zurückkehrten. Der Anführer der Bande war einer der erfahrensten Vieh- räuber, welchen die chartumer Compaguien aufeuweisen hatten,

und ein instinctmässiger Anschlich brachte seine Leute auf

die richtige Spur. Die grossen Rinderheerden , das wussten 8i6 aus alter Erfahrung, waren längst aus allen Murachs, welche an der Strasse lagen, weit weg in die unzugänglichen Sümpfe des Tondj getrieben worden, wollte man solche er- beuten, dann durfte man nicht mit Sack und Pack des Weges einherziehen, sodass die Eingeborenen überall einen Vorsprung von 24 Stunden zum Retten und zum Flüchten zu gewinnen vermochten. Im vorliegenden Falle handelte es sich nur um das Kleinvieh, um die Milchkühe und Kälber, welche zum Unterhalte der in der Nachbarschaft irgendwo versteckten Familien zurückgelassen sein mussten; diese wurden nun durch eine sehr einfache List umzingelt. Die Bande zog aus in südlicher Richtung, machte im Walde kehrt, beschrieb einen halben Bogen um den Murach und drang nun in einer Linie von Treibern vor durch die Büsche. Kaum eine halbe Wegstunde vom Lagerplatze fiel alles Kleinvieh Dal-Kurd- juk's in die Hände der Ghattas'schen Räuber. Ein Theil der Schafe und Ziegen wurde mit zur Meschera getrieben, der andere noch in derselben Nacht verspeist. Ich habe nie wieder eine so grossartige Schlächterei und Fresserei ge- sehen, wie in dem Murach von Dal-Kurdjuk. Als virir am

486 Vierundzwanzigstes Kapitel.

andern Morgen abzogen, war weit und breit der weisse Aschenbodcn zwischen den Pflöcken vom Blute des geschlach- teten Viehs geröthet.

Am vierten Tage hatten wir wieder die alte Strasse er- reicht und betraten den Wohnsitz des Kutj in einer ab- wechselnd bewaldeten und mit Culturstrecken und vielen Weilern bedeckton Gegend, zu jetziger Jahreszeit ein reizen- des Land voll grosser einzeln stehender Bäume, wie im Ge- biete der Bongo, obgleich weder Felsgrund noch ansteigen- des Terrain irgendwo wahrzunehmen war. Kutj war einer jener mit den Ghattas'schen Räubern verbündeten Aeltesten der Dinka, welche sich durch Verrath und Treulosigkeit gegen ihr eigenes Volk auszeichneten, wie das in Ceutral- afrika durchaus keine seltene Erscheinung zu sein pflegt. Ein neuer Raubzug, den Kutj selbst anführte, konnte daher nicht ausbleiben. Unverständlich blieb mir nur, wie sich der Verräther nach dem Abzüge seiner Verbündeten im Lande zu halten vermochte; jedenfalls erstreckte sich sein Einfluss nur auf die nächstgelegene Strecke. Der Raubzug wurde nämlich in Ost und Südost vom Wohnsitze des Kutj unternommen und soll nur zwei Stunden weit zu demjenigen Districte geführt haben, in welchem vor Jahren eine Seriba Ghattas' gestanden. Früh am Tage kehrten die Leute zurück mit den erbeuteten Ziegen und Rindern. Fiist jeder einzelne Bongo hatte sein Zickelchen auf dem Rücken; die Ausbeute an Korn dagegen war eine äusserst geringe gewesen. Das alles ging ohne grosse Aufregung und Lärm vor sich, da die Gewohnheit eine gewisse gescliäftsmässige Ordnung in den Betrieb der Razzien gebracht hatte.

Am folgenden Morgen begaben wir uns zu dem benach- barten Murach des Tehk, wo die Karavane abermals halt machte, um einen neuen Raubzug in Scene zu setzen. Aber- mals war die Kornausbeute so gut wie Null, aber viele Schafe und Ziegen wurden geraubt, die sämmtlich in die Kochtöpfe der Soldaten und Träger wanderten.

Landesverräther. 487

ÜDgeachtet des guten Einvernehmens, in welchem Tehk und Kutj zu den Chartumern standen, so fanden wir doch überall in den Dörfern ihrer Districte die Häuser verlassen und nirgends in der ganzen Gegend ausser den Familien der Genannten ein menschliches Wesen.

Am sechsten Tage durchzogen wir das durch weite Sandfiächen und stellenweise beschränkten Graswuchs aus- gezeichnete Gebiet der Rek. Hier, wie überall auf der hinter uns liegenden Strecke, waren die Grasflächen von den im- mensen Rinderheerden dermassen abgeweidet, dass sie ab und zu wie mit der Sense abgemäht erschienen. Nichts- destoweniger hatte der Graswuchs infolge der Regen wieder ein frisches Ansehen gewonnen. Um die Mittagszeit des siebenten Tages lagerten wir unter den Sykomoren bei den Brunneulöchern der Läo. Infolge eines Misverständnisses glaubten meine Leute, dass hier für die Nacht gerastet wer- den sollte, und packten alle meine Sachen aus. Als ich mich aber eben in einer der leerstehenden Hütten eingerichtet hatte, wurde ich gewahr, dass die Karavane sich anschickte, den Marsch fortzusetzen. Bis ich mich wieder marschfertig gemacht hatte, war der ganze Zug bereits aus unserm Ge- sichtskreise. Während ich nun mit meinen wenigen Begleitern unter Anführung eines Wegkundigen weit hinter dem Gros der Karavane nachgezogen kam, brach von Westen ein Un- wetter herein, welches in wenigen Minuten die ganze Gegend unter Wasser setzte.- Zum Unglück führte der Pfad durch Wald, und da es bereits zu dunkeln begann, so verursachte das wiederholte Einsinken in tiefe Pfützen ausserordentlichen Aufenthalt. In solchen Fällen war ich nicht im Stande, dem schnellen Schritttempo der Eingeborenen zu folgen, da mich das Schuhwerk am leichtern Fortkommen arg verhin- derte. Häufig musste ich innehalten, um das Schuhwerk, dass sich, durch den zähen Thon festgehalten, von meinen Füssen abstreifte, wieder anzuziehen; die schweren Letten- ballen, die sich da bei solcher Gelegenheit an die Sohlen

488 Vierundzwanzigstes Kapitel.

heften, kennt nur der afrikanische Wanderer. So arbeiteten wir uns im finstern Walde und unter beständig strömendem Regen mühsam vorwärts, als unerwartet ein allgemeines Schiessen von der Karavane her zu unsem Ohren drang. Wir dachten, eine derartige Füsillade könne nur durch einen ^ Ueberfall der aufs äusserste gereizten Dinka veranlasst wor- den sein, und unsere Aufregung musste durch die Situation, in welcher wir uns mitten im unwegsamen Dickicht be- fanden, erst recht vermehrt werden. Mit klopfendem Herzen erreichten wir den Rand des Gehölzes, jeden Augenblick der Dinka gewärtig, welche uns vom Zuge abzuschneiden ver- suchen würden. Als wir aber endlich die gastlichen Feuer bei den nächsten Weilern brennen sahen, fühlten wir uns sofort beruhigt, alle Aufregung und Angst war unnöthig ge- wesen, denn die Soldaten hatten, als sie halt gemacht, ihre Gewehre nur deshalb abgefeuert, weil sie sonst bei der er- littenen Durchnässung am nächsten Morgen nicht mehr hätten Feuer geben können.

Erst in der Frühe des achten Tages unserer Wanderung winkten uns von weitem die himmelanstrebenden Rauch- säulen, welche den Murachs des uns befreundeten Kurdjuk entstiegen, des Gemahls der vor einiger Zeit ermordeten Schol. Nach langer Zeit eröffnete sich mir wieder einmal der pittoreske Anblick eines riudergefüllten Parks der Dinka, und von allen Seiten her begrüsste mich das dumpfe, weit- hin schallende Brüllen der Heerden. Kurdjuk selbst Cind sich ein und begleitete unsere Reihen, indem er das kläg- liche Geschick der alten Schol bejammerte. Der Weg führte bei der Stelle vorüber, wo ehemals ihre gastlichen Hütten gestanden und unsere Karavane so freundlich zum Abschiede be^virthct worden war. Nur die grosse Kigelia stand noch da in ihrer alten Majestät und Laubfülle, von dem Wohn- sitz der alten Schol aber waren blos Kohlen übriggeblieben, und die Scherben eines gesprengten Schnapsballons allein zeugten von verschwundener Pracht. Da es in dieser (j^aid

Ankunft in der Mcschera. 489

noch wenig geregnet hatte und der Fluss bisher nicht ge- stiegen war, so gelangten wir trockenen Fusses bis an das Ufer bei der Meschera, und waren gegen Mittag mit allen unsern Leuten zu der kleinen Insel übergeführt, auf welcher 9ich das Lager der Charturaer befand. Von der Seriba Ghattas' bis zu diesem Punkte hatte ich 216000 Schritte gezählt, ein Mass, welches ungefähr 150 Kilometern oder 80 Meilen gleichkommt.

Das Aussehen der Meschera hatte «ich, ausser der nun vollendeten Entholzung der Landungsinsel selbst, nicht wesentlich geändert, die Papyrus Vegetation hatte im Laufe der letzten 2Y2 Jahre eher ab- als zugenommen, und der Ambatsch fehlte immer noch. Seuchen und ßaubüberfälle der benachbarten Stämme der Afök und Elufidj hatten die Rinderheerden der alten Schol arg decimirt, Korn aber fehlte im ganzen Lande weit und breit. Die aus Chartum auge- langten Barken waren indess mit Durra gefüllt, und da ich einen ansehnlichen Vorrath davon geliefert erhielt, so konnte ich mir die zur Gewinnung von Butter erforderlichen Quan- titäten Milch leicht verschaffen, indem ich mit den Einge- borenen einen schwunghaft betriebenen Tauschhandel er- öffnete. Um 5 Pfund Butter zu gewinnen, hatte ich nicht viel weniger, als der Gehalt eines Weinfasses beträgt, an einzel- nen Flaschcnkürbisen mit Milch mühsam eintauschen müssen.

Bevor wir segelklar wurden, hatte ich noch manchen Tanz mit den Leuten der Ghattas'schen Compagnie zu be- stehen. Es handelte sich für mich vor allen Dingen darum, die Aussätzigen und die Sklaven vom beschränkten Bord meiner Barke fem zu halten. Die erstem drohte ich todt- zuschiessen, falls man sie auf die Barke brächte, die letztern der Regierung zu denunciren; mein Erfolg war nur ein theil- weiser. Bereits früher hatte ich mich schriftlich an Kurschuk- Ali's Sohn gewandt, um von ihm die Barke, welche ihn ins Land gebracht, für die Rückfahrt unter der Bedingung zu chartern, dass er keine Sklaven an Bord gebe. Wir wurden

490 Vicrundzwanzigstes Kapitel.

auch handelseinig, allein der Termin der Abfahrt schob sich durch dieses Arrangement spät ins Jahr hinaus. Mit Skla- ven oder ohne Sklaven an Bord, es war mir einerlei, wcdd ich nur so zeitig als möglich wieder nach Chartum zurück- kehren konnte. Als ich mich nun davon überzeugte, dass in diesem Jahre allerdings keine grössere Partie Sklaven von der Ghattas'schen Compagnie verschifft werden sollte, liess ich es darauf ankommen, unter derartig compromittiien- der Gesellschaft die Rückfahrt zu bewerkstelligen. Ich war gewiss, dass infolge der Anwesenheit Sir Samuel Baker's in den obern Nilgewässern diesmal mit rücksichtsloser Streuge gegen jede Sklavenzufuhr von selten der Regierung vorge- gangen werden würde, und hielt meinen Reisegefährten die hieraus ihnen erwachsenden Unannehmlichkeiten vor. Ms sie darauf beständen, Sklaven mit sich zu nehmen. Meioe Worte waren in den Wind geredet, denn Summa Summarum fanden sich 27 Sklaven an Bord zusammen, deren Qaali- fication als solche zwar nicht völhg gleich werthig, aber immerhin als eine zum Verdachte des verbotenen Handels berechtigende erscheinen musste. Froh, wenigstens die Aus- sätzigen vofl Bord fem gehalten zu haben, schiffte ich mich am Nachmittage des 26. Juni ein.

Uebrigens war ich selbst nicht frei von jeglicher Schuld; auch ich führte mit mir meine drei Sklaven, den Pygmäeo, Allagabo, den Bougo und Amber, den Niamniam. Den an- dern, altern Niamniam, hatte ich in der Seriba zurück- gelassen, nachdem ich daselbst seine Freiheit erwirkt und ihn durch Beschneidung in den Schos der Alleinseligmachen- den Kirche Mohammed's hatte aufnehmen lassen, das einzige Mittel, um seine sociale Stellung zu sichern. Die Prüderie anderer Reisenden in diesem Gebiete vermochte ich nicht zu theilen, wo es sich um diese kitzliche Frage handelte. Die Leute, welche mir zwei Jahre lang umsonst gedient und treu ergeben durch die Wildnisse Gentralaiiikas gefolgt waren, sollte ich sie ihrem zweifelhaften Geschicke über-

Abreise mit Sklaven an Bord. 491

lassen? Wurde ich etwa zum Sklavenhändler dadurch, dass ich sie mitnahm zu den Stätten der Cultur? Und wären sie daheim nicht sofort nach meiner Abreise wieder der Skla- verei anheimgefallen? Ueber alles dies konnte ich nicht im Zweifel sein. Sklavenhandel, das wusste ich, galt selbst bei den edelgesinnten Orientalen als ein verächtliches Gewerbe, und wurde als ziemlich gleichwerthig betrachtet mit Kuppelei; Sklavenkauf und Sklavenbesitz aber bestand zu Becht und konnte nicht den geringsten Schatten auf die Integrität des Mannes werfen.

Das Itinerar meiner Fahrt stromabwärts ist nicht ohne Interesse, um den Nachweis zu liefern, dass die bisher auf allen Karten angenommene Länge des Gazellenstromes eine weit überschätzte war.

Am 26. Juni segelten wir stromabwärts mit leichter Brise bis zum Einbruch der Nacht ungefähr vier Stunden lang durch den 8 12 Fuss tiefen Kittkanal, dessen Grund eine ununterbrochene Wiese von Valisnerien darstellt.

27. Juni. Es war ein trüber bewölkter Tag, und bei conträrem Nordnordostwinde vermochten wir nicht weiter als bis zur Djurmündung vorzudringen.

28. Juni. Langsames Fortkommen bei Nordnordostwind. Nachmittags etwas günstigere Segelverhältnisse. Die Boots- leute behaupten, von der Djurmündung an sei das Wasser „weiss"; ich kann aber keinen Unterschied wahrnehmen und finde nur, dass es allerdings völlig hell und farblos- erscheint und wie destillirt schmeckt, ohne irgendwelche Andeutung von Sumpfgeschmack. Am östlichen Ufer gewahrt man, noch weit vor der durch die Bäume gebildeten Demarkationslinie, Elefanten hin- und hermarschiren. Auf der Westseite des Fahrwassers steigen in nicht allzu weiter Entfernung die Rauchsäulen benachbarter Murachs auf. ' Akazienwaldungen, deren einzelne Stämme sicherlich nicht höher als 40 Fuss sind, begrenzen zu beiden Seiten das Inundationsgebiet des Flusses, welches selbst an der breitesten Stelle nicht mehr

492 Vierundzwanzigstes Kapitel.

als 2 Meilen im Durchmesser haben kann. Nachmittags passiren wir die Insel, welche die Schiffer Gjerdiga nennen; diese wird in einem grossen Bogen ostwärts umschifft, indem man beständig durch Ambatschhorste dringt. Nachts s^eln wir bei gutem West.

29. Juni. In der Frühe sind wir an der Stelle, wo der Fluss sich zu einem von Buschwaldung umfriedigten 500 Fuss breiten Bette verengt; bald darauf wird die Mündung des Bachr-el-Arab passirt. Bei fördernder Südostbrise erreichen wir nachmittags die ersten Nuerdörfer. Der ßiesenvogel Balaeniceps rex, welcher an dieser Stelle sein Standquartier hat, empfängt uns wie eine Wache auf den Termitenhügeln aufgestellt, als hätte er sich während unserer zweieinhalb- jährigen Abwesenheit nicht vom Flecke gerührt. Gegen Abend liegt ein von Dysenterie befallener Neger im Sterben, und wird halbtodt über Bord geworfen, wie es Brauch ist. Das ge- hobene Gefühl meiner bevorstehenden Erlösung lässt mich stumpf auf diese letzten Scheusslichkeiten blicken.

30. Juni. Trüber Himmel und conträrer Wind. Wir liegen in einemjtlinterwasser, welches bis auf 75 Fuss Breite von beiden Ufern aus mit Gras zugewachsen ist Eine ver- einzelte Dumpalme charakterisirt die Localität In der Nacht geht es wieder vorwärts mit westlicher Brise.

1. Juli. Vom frühen Morgen an gesegelt. Gegen 8 ühr passiren wir die Nuerdörfer, wo wir auf der Hinreise einen Rasttag gemacht hatten. Die Unsicherheit der Gegend ver- hindert uns indess am Landen, denn die Eingeborenen haben hier im vergangenen Jahre einen Wokil Kurschuk-Ali 's um- gebracht. Die Gegend ist voller Termitenhügel und Busch- werk, auch kleine Akazienhaine erblickt man in geringer Entfernung. Ein Hippopotamus lehnt, ganz auf dem Trocke- nen, an einem Busch am Ufer, und macht keine Miene, bei unserm Herankommen das Wasser wieder zu gewinnen. Die Barke segelt auf 20 Schritt Distanz an dem Thiere vorbei, eine abgefeuerte Kugel bewirkt nicht den geringsten Effect

Itinerar der Stromfahrt. 493

Der fleischrothe, violettlicli schimmernde Koloss schwankt unbeholfen hin und her, als suche er eine Stütze an den

Gebüschen. Alle halten das Thier für krank, da die Er- fahrung lehrt, dass diese Thiere stets nur auf dem festen Lande zu verenden suchen. Weshalb es aber aufrecht da- stand auf allen Vieren, blieb allen unbegreiflich. Grosse Rinderheerden weiden in einiger Entfernung am nördlichen Ufer, sie gehören den Dinka, nicht den Nuer. Bei Beginn der Nacht haben wir bereits die seeartige Erweiterung an der Mündung des Gazellenstroms erreicht, wo der Wasser- spiegel die Breite einer Meile beträgt. Ein fürchterlicher Orkan von Nordnordost bricht herein und die Barke wird im schlammigen Grunde des Wassers, auf den weichen Pol- stern der flottirenden Grasinseln hin- und hergeworfen. Mast und Segelstange krachen und drohen zu brechen. Die Boots- leute schreien, wie es die Gewohnheit dieser Leute mit sich bringt, der Reis selbst, weil heiser und verschnupft, kann nicht recht mit halten, wie er möchte. Unablässig werden die drei Schutzheiligen der Nilschiffer angerufen, dem Sturme Stille zu gebieten: „Ja Ssejet, ja Schech Abd-el-Kader, Abu- Ssejet, ja Schech Achmed el Nil u. s. w."

2. Juli. Mit gutem Westwind durchsegeln wir in den Morgenstunden die seeartige Mündung der Gewässer. Ich bin erstaunt, die Anordnung der schwimmenden Grasmassen genau in demselben Zustande wieder vorzufinden, wie sie im Winter 1869 war. Der Zugang zu dem Hauptstrome er- schien indess infolge des etwas höhern Wasserstandes dies- mal ein leichterer. Der Gesammtlauf des Bachr-el-Ghasal war also in viereinhalb sehr mittelmässigen Segeltagcn be- fahren. Wenn seine Stromentwickelung in der That eine Länge von 136—140 Meilen hätte, wie es viele der frühern Karten angaben, so würde unsere Barke täglich ungefähr 30 Mei- len zurückgelegt haben müssen, ich glaube aber, dass dieses Mass eine Reduction um mindestens ein Viertel erleiden muss.

494 Vierundzwanzigstes Kapitel.

Der weitere Verlauf der Flussfahrt führte die auf der Hinreise bereits zur Genüge erfahrene Unbill der Mücken- plage und die nie enden wollenden Grasverstopfungen Yon neuem vor Augen. Bevor wir in den Seitenkanal der Mwa Signora einlenkten, durchschiflften wir das Grasmeer auf dem schmalen, vielfach hin- und hergewundenen Wasserspalte, welcher in Gestalt eines wildströmenden Baches die grüne Fläche zertheilte, deren Breite bei dem Sichtbarwerden des beiderseitigen Uferrandes auf einen Durchmesser von einer halben Meile schliessen Hess. Die Tiefe unsers Fahrwassers betrug gegenwärtig im Durchschnitt 6 8 Fuss, und die Barke blieb nirgends sitzen. Das sicherste Mittel, diese Wasserstrasse für alle Zeiten einem ungehinderten Verkehr zugänglich zu machen, wäre meines Erachtens die Herstellung von Dämmen an gewissen Stellen, w^elche bei der geringen Wassertiefe kein besondei*s schwieriges Unternehmen sein könnte.

Den 3. Juli über trieben wir durch den 300 Fuss breiten Kanal der Maia Signora, gegen Abend hatten wir wieder den Hauptstrom erreicht. Unsere Barke folgte ans Furcht vor überraschenden Windströmen die Nacht über ohne Segel der schwachen Strömung in einem 500 Fuss breiten Kanal, welcher auf seiner nördlichen Seite durch eine gegen 3000 Fnss breite Grasdecke vom eigentlichen Festlande getrennt wiri Morgens hatten wir die ersten Hütten des Schillukdistricts Tuma auf dieser Seite in Sicht.

Ein grauenvolles Ereigniss wird mir die Erinnerung an diese Nacht für immer ' aufs lebhafteste wachrufen. Eine alte Sklavin, welche bereits lange an Dysenterie gelitten, dem gewöhnlichen Uebel der Neger, infolge veränderter Lebens- bedingungen, lag unten, im Schiffsraum im Sterben und he- gann auf einmal, als bekäme sie einen Anfall von fallender Sucht, in durchdringendster Weise zu stöhnen. Ich habe nie von einem menschlichen Wesen ähnliche Töne in meinen Leben je wieder vernommen; es war erschütternd. Jene

Ermordung eines „Hyänenweibes". 495

Laute, welche die Sterbende von sich gab, glichen denen einer hungerigen Hyäne, wenn ich sie nachts um die aus- geworfenen Aeser bei den grossen Marktplätzen des Sudan umherschleichen sah. In tiefen langgedehnten Zügen be- ginnend, stiegen die Seufzer zu den höchsten Tonarten an. In meinem von Mattenwänden begrenzten Räume am Ilinter- theil der Barke konnte ich nie sehen, was vom vor sich ging, ich hüllte mich daher tiefer in die Decken, um das grässliche Geheul nicht hören zu müssen. Dennoch drangen bald fluchende Stimmen zu meinen Ohren, ein Plätschern im Wasser und zum Schluss das apostrophirte Wort „Marafil" (Hyäne); es war geschehen. Die grausamen Bootsleute hatten die Aermste mitten in ihrem Todeskampfe über Bord ge- worfen, sie wollten ihren Tod nicht erst abwarten, denn alle waren davon überzeugt, dass dieses Weib ein Hyänenweib und eine wirkliche Hexe gewesen sei, deren ferneres Ver- weilen an Bord uns allen Unheil gebracht haben würde.

Tags darauf wurde gegen 5 Uhr nachmittags die Mün- dung des Bachr-el-Seraf passirt. Am 5. Juli hatten war conträrcn Nordwind, dessen Stärke uns zwang, am rechten Ufer des Flusses liegen zu bleiben. Hier zählte man mit einem Blicke vierzig Dörfer am gegenüberliegenden Ufer. Der District hiess Nelluang. Diese Gegend gehörte zu dem ge- füirchteten Machtkreise des Schillukhäuptlings Kaschgar, welcher, vor kurzem von den Aegyptern besiegt, längst nicht mehr zu fürchten war. Sein Land war eine regelrecht nach ägyptischem Muster verwaltete Provinz geworden. Von alle- dem besassen wir nicht die geringste Kunde. Unsere Be- sorgniss war daher nicht gering, als wir die Eingeborenen in grossen Scharen oberhalb unserer Haltestelle über den Fluss kommen sahen. Die Schilluk führten nichts Böses gegen uns im Schilde, sondern sie unternahmen nur einen ihrer gewöhnlichen Jagdzüge in das unbewohnte Waldgebiet, wel- ches sich hinter dem rechten Stromufer hinzieht.

Während wir, im Begrifl'e, bei der ersten Annäherung

496 Yienrndzwanzigstes Kapitel.

der Scliilluk die Mitte des Stromes zu gewinnen, den Be- wegungen der Jäger mit Aufmerksamkeit folgten es war bereits am Nachmittag wurden wir durch das Erscheinen von vier weissgekleideton Männern am gegenüberliegendeD Ufer überrascht, die uns lebhaft zuwinkten und zuriefen. Niemand von uns konnte begreifen, wie die Mohammedaner in diese Gegend gekommen seien. Wir trieben daher sofort auf die andere Seite hinüber, um die vier Männer an Bord zu nehmen. Es waren chartumer Schiflfer, welche der Mudir von Faschoda uns entgegengesandt hatte, und sie theilten uns mit, dass sein Lager ganz in der Nähe befindlich sei, dass alle von oberhalb kommenden Barken sich zu ihm hin- zubegeben hätten, um sich einer genauen Inspection der an Bord befindlichen Passagiere unterziehen zu lassen. Man hatte vom Lager aus die hohe Segelstange unserer Barke erblickt und alsbald die nöthigen Massregeln getrofifen, dass wir nicht unbemerkt stromabwärts die Fahrt fortsetzen konnten.

Es währte nicht lange, so konnte man das klappernde Geräusch eines den Strom heraufkommenden Dampfers ver- nehmen, und einige Minuten später legte sich der Remorquer Nr. 8 neben uns, um das Schlepptau auszuwerfen, mit wel- chem unsere Barke zum Lager des Mudirs bugsirt werden sollte. Dieser erste Gruss aus der ciiilisirten Welt, der mich hier empfing, war kein freundlicher, denn so gross anch meine Freude war, nun bald mit bessern Menschen in Be> rührung zu kommen, als diejenigen waren, welche mich um- gaben, so gestaltete sich in der Folge doch manches zu einer argen Enttäuschung.

Wir dampften nun stromabwärts, bis wir nach Verlanf von zwei Stunden kurz oberhalb der Sobatmündung die Stelk erreichten, wo der LöUo, ein angeblich 18 Wegstunden langer Stromarm, welcher sich oberhalb der Mündung des Gazellen- flussos vom llauptstrome abzweigt, von der rechten Seite wieder in den Nil eintritt. In fast entgegengesetzter Rieh-

Ankonfi im Lager des Mudir. 497

tung ging es nun )]en Löllo hinauf, bis nach zwei Stunden das Lager erreicht war, welches in dem Districte von Fane- kama vorübergehend errichtet worden war. Die Truppen- macht, über welche der Mudir daselbst verfügte, bestand aus 400 schwarzen Soldaten, 50 berittenen Baggara und 2 Feldgeschützen.

Die Strömung des Löllo, welcher in einem Abstände von V4 2 Stunden parallel mit dem Hauptstrome hinfliesst, war eine äusserst schwache, die Tiefe betrug gegenwärtig 10 15 Fuss. Im Winter schrumpft der Arm zu einem sehr seichten Chor zusammen, jetzt zeigte er an vielen Stellen die Breite des Hauptstroms, d. h. 800—1000 Fuss.

Ausser dem kleinen eisernen Dampfer von. 24 Pferde- krafb, dessen Wandungen vom Roste derartig zerfressen waren, dass sie einem Siebe glichen, welches der alte Kapitän, selbst ein Wrack, wie das Fahrzeug, das er führte, unablässig durch Aufschmieren eines Kitts von Kreide und Oel wasserdicht zu machen suchte, lagen zu Fanekama noch drei der Re- gierung geh(')rige Barken und zwei grosse ,jNegger", welche, der Compagnie Agad gehörig, von der Meschera Elliab am Bachr-el-Gebel heruntergekommen waren. Diese letztem hatten nicht weniger als 600 Sklaven an Bord gehabt, welche hier confiscirt wurden. Ungeachtet der Anwesenheit Sir Samuel Baker's in den obern Gewässern war der Glaube in den Seriben verbreitet gewesen, jetzt, da der englische Pascha Fascho<]a den Rücken gekehrt, werde der Mudir, seiner frühern Gewohnheit folgend, gegen eine tüchtige Steuer pro Kopf des Sklaven, ein Auge zudrücken und die Contrebande anstandslos passiren lassen. Sie hatten aber die Rechnung ohne den Wirth gemacht, denn der Mudir, wegen seiner frühem Sünden Baker gegenüber arg compromittirt, wollte gerade in diesem Jahre durch Strenge gegen den Sklaven- handel excelliren, und in der That Hessen alle seine Mass- regeln an methodischem und exactem Verfahren nichts zu

. SCHWBIVFUKTH. II. 32

498 Viernndzwanzigstes Kapitel.

wünschen übrig, sie waren so sumtnarische, wie ich sie bei dem türkischen Schlendrian nie für möglich gehalten hatte. Mir aber, als dem ersten Zeugen, durch welchen er vor der grossen Welt gehörig mit dem geheuchelten Ernste der Si- tuation prahlen zu können glaubte, wollte er nun erst recht zeigen, was er zu leisten vermochte.

Zunächst wurden alle Sklaven ans Land gcschafil, gleich- viel welcher Art sie auch waren, d. h. alle Schwarzen und Nichtmohammedaner, von denen nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie früher von Chartum aus mitgenommen wor- den waren, also das Plus der filihern Schiffshevölkerung laut Verzeichniss bei der Fahrt stromaufwärts. Die 600 Sklaven der Agad'schen Barken gehörten nicht weniger als achtzehn verschiedenen Stämmen an. Meiner Absicht, die dargebo- tene Gelegenheit zur Erweiterung meiner Völkerkenntniss von Afrika ausbeuten zu können, stellte sich die durch An- steckung mir und den Meinigen daraus erwachsende Gefahr entgegen, da die Blattern fürchterlich unter diesem zu- sammengedrängten Menschenknäuel wüthetcn. Die 000 Skla- ven waren übrigens nicht die einzigen Passagiere der bei- den Barken, sie führten ausserdem noch 200 Nubier mit sich; man vergegenwärtige sich daher aus dieser Angabe das Bild, welches die vollgepfefchten Fahrzeuge darbieten mussten.

Die vielen von früherhin in Chartum confiscirten Sklaven ausgehobenen Soldaten, über welche der Mudir von Faschoda gebot, gaben jetzt die besten Dolmetscher ab, um die An- kömmlinge nach Rasse und Provenienz zu sortiren. Nicht nur die Anzahl der confiscirten Sklaven, sondern auch die Anzahl der von ihnen vertretenen Völkerstämnie, femer nach Alter und Geschlecht der einzelnen, die Art und Weise ihrer Erwerbung, wie und wo sie gefangen und auf welche sonstige Weise sie in die Hände der Chartumor gefallen waren, über alles wurde Buch geführt. Die Nubier selbst mussten sich hinsichtlich ihres Wohn- und Heimatsortes ausweisen. Name

Ungewöhnliche Energie des Mudir. 499

Stand und Gewerbe angeben, auch musste der einzelne jeden Nachweis über die Anzahl seiner Sklaven und über die Preise, um welche er sie erstanden, ertheilen. Ein jeder der letztgenannten erhielt nun einen Schein, welcher seine Aussagen constatirte, und er musste seinen Siegel darunter- setzen.

Alsdann wurde alles Eigenthum der Gompagnie von Regierungs wogen mit Beschlag belegt, die Gewehre, die Munition, die Elfenbeinvorräthe, alles wurde specificirt. Bei der Weitschweifigkeit der arabischen Schreiber und der Um- ständlichkeit des Gerichtsverfahrens erforderten diese Mass- nahmen eine Anstrengung und einen Kraftaufwand, von dessen Möglichkeit die drei vorhandenen Schreiber sich wol noch nie hatten träumen lassen. Noch grössere Anforderungen stellte der Mudir an die Leistungsfähigkeit seiner Schmiede und Zimmerloute, denn diese hatten Tag und Nacht in einem Athemzuge an den Jochbalken und den eisernen Fesseln zu arbeiten, in welche die SchiflFsreis und die übrigen Nubier gesteckt wurden, welche nicht zur Führung der Barke un- umgänglich * von nöthen waren. Selbst Siegel wurden für diejenigen angefertigt, welche keine bei sich führten. Nach Verlauf zweier Tage war die ganze Arbeit besorgt, und nachdem unserer Barke drei Soldaten «als Wache zuertheilt worden waren, durfte die Weiterfahrt vor sich gehen. Ich konnte wieder freier aufathmen, als wir uns endlich aus der Pockenluft von Fanekama hinwegbegaben.

In anderthalb Tagen hatten wir Faschoda erreicht, und hier stand mir eine grosse Ueberraschung bevor. Djafer Pascha, der Generalgouverneur, hatte mir auf die erste Nach- richt von meinem Unglück und der entblössten Lage, in welcher ich mich nach dem Brande der Seriba Ghattas' be- fand, mit der nach dem Gazellenflusse abgehenden Truppen- ahtheilung eine grosse Menge von Speisevorräthen aller Art nachgeschickt, sodass ich für Monate mit mehr als aus-

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500 Vierundzwanzigstes Kapitel.

reichenden Lebensmitteln und andern Bedürfnissen des ciTÜi- sirtern Lebens versorgt war. Hätten mich diese Schätze oben im Bongolande erreicht, gewiss wäre ich in meinem Eni- schhisse wankend geworden, noch in diesem Jahre die Rück- reise anzutreten. Der Windumschlag und der veränderte Wasserstand gestatteten indess keine schleunige Nachscndnng des zur Verstärkung der Truppen in Dar-Fertit dienenden Corps, es musste in Faschoda liegen bleiben bis zum Be- ginn des kommenden Winters.

Acht Tage hatte ich noch in der engen, schmuzigen Barke auszuhalten, bis der Rest der Flussschifffahrt über- standen war. Das Los der armen Sklaven an Bord unserer Barke hatte sich infolge der stattgehabten Confiscation arg verschlimmert. Diejenigen, deren Los durch solche Mass- nahmen verbessert werden sollte, kamen dabei am schlimm- sten davon. Jetzt erhielten sie noch weniger zu essen als zuvor, der Kornvorrath im Schififsbauche war zu Ende ge- gangen, und den als Wache mitgegebenen Soldaten fiel es nicht im Traume ein, für ihre Fütterung zu sorgen. Den ehemaligen Besitzern ging natürlich alles Interesse an dem Wohlbefinden der Sklaven gänzlich ab. Diese bekamen noch dazu den Kurbatsch jetzt häufiger zu kosten von seiten der Soldaten, als früher bei ihren Herren. Ununterbrochenes Wehklagen und Gejammer auf der einen, ewiges Schimpfen und Fluchen auf der andern Seite raubte mir den Rest meiner arg geprüften Geduld. War ein Sklave von so glück- licher Constitution, dass er fett und wohlbeleibt geblieben, so hiess man ihn einen Fettbauch oder nannte ihn das Ur- bild der Tonne, war er aber elend, abgemagert und ein Bild des äussersten Jammers, so wurde er mit der Bezeichnung Hyäne ^' tractirt und sein kläglicher Blick wurde zam „Hyänenblick^'. Ich liess ganze Kessel voll Maccaroni and Reis kochen für die Armen, aber sie alle satt zu machen ver- mochte ich dennoch nicht.

Als wir in die Gegend von Wod-Schellai kamen, er-

Ankunft in Chartum. 501

blickten wir an einer wüsten Uferstelle unzählige schwarze Punkte, welche sich von dem blendenden Sande scharf ab- hoben; es waren Sklaven! Auf dem ebenso frequentirten als uncontrolirten Wege von Kordofan aus quer durchs Land nach Osten war die Sklavenkaravane hier über den Fluss gegangen, um den grossen Markt von Mussalemieh zu er- reichen. Abermals wurde ich bei diesem Anblick an die gemalten südrussischeu Dörfer der Katharina II. erinnert, nur geschah es diesmal in einem andern Sinne.

Am 21. Juli gegen Sonnenuntergang waren wir endlich am Ras-el- Chartum angelangt, die ganze Fahrt von der Meschera an hatte nur 25 Tage gedauert, ein Zeitraum, von welchem noch sechs Tage Aufenthalt in Fauekama, Faschoda und Kaua in Abzug gebracht werden müssen. Ich konnte daher von Glück sagen, so bald meinen Leiden ein Ende ge- macht zu sehen. Mit klopfendem Herzen begab ich mich ohne Aufenthalt und allein zu Fuss in die nahe Stadt. Es war Abend geworden und viele begegneten mir, aber nie- mand erkannte mich. In dem ärmlichen Anzüge von weissem Baumwollenstofi' glich ich einem jener heruntergekommenen Griechen, welche ihr historisches Misgeschick heimatlos durch die entferntesten Länder treibt, um einem wechselvollen Glücke nachzujagen. Ich lenkte meine Schritte zunächst zu einem deutschen Schneider Namens Klein, welcher, seit Jah- ren in Chartum ansässig, sich veimöge seines Gewerbes ein uicht geringes Verdienst um die äusserlichen Fortschritte dieser Stadt in der europäischen Cultur erworben hat. Mit einigen der unentbehrlichsten Kleidungsstücke versehen, konnte ich mich nun erst in der Stadt vor meinen alten Freunden blicken lassen; aber wie viele von ihnen waren noch ge- blieben? Viele waren gestorben, viele weggezogen.

Chartum fand ich. sehr verändert, der Ort hatte durch die grosso Anzahl neuaufgeführter Backsteinbauten, durch einen prachtvoll aufgemauerten Quai am Ufer des Blauen Nils, sowie durch einige für dortige Verhältnisse imposante

502 Vierundzwanzigstes Kapitel.

Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses einen mehr städtischen Charakter gewonnen. Obgleich nun die zum Theil ausgedehnten Gärten der Stadt und die ange- pflanzten Haine von Dattelpalmen nach Verlauf von nahezu einem halben Jahrhundert eine derartige Entwickelung ge- wonnen hatten, dass sie noth wendigerweise auf das Klima der ganzen Umgegend einen nicht zu unterschätzenden Ein- fluss ausüben mussten, so war der Gesundheitszustand von Chartum nichtsdestoweniger ein immer noch recht klägUcber geblieben. Die einzige Schuld hieran trug ausschliesslich die mangelnde Kanalisirung des theilweise unter dem l^^iveau des höchsten Wasserstandes gelegenen Terrains, auf welchem die Stadt erbaut lag. Zur Zeit meiner Anwesenheit, im Julimonat, fanden sich auf verschiedenen Plätzen mitten in der Stadt weitausgedehnte seeartige Pfützen, welche mau ohne besondere Vorkehrungen nicht trocken zu legen ver- mochte. Diese stagnirten unter den Strahlen der Tropen- sonne und verpesteten die Luft in einem Grade, dass mau sich die Nase zuhalten musste, so oft der Weg in ihre Nähe führte. Wenn man bedenkt, dass Chartum noch iu- mitten des Bereichs der Wüstenzone gelegen ist (denn die grasbewachsenen Striche beginnen erst mindestens 150 Mei- len weiter südlich), so ist kein Grund einzusehen, wes- halb das Klima der Stadt ein ungesunderes sein sollte als dasjenige von Schendi und Berber, vorausgesetzt, man wüsste die stagnirenden Pfützen zu entfernen und eine besser gehandhabte Sanitätspolizei daselbst zur Geltung zu bringen.

Wie bereits angedeutet, waren viele der frühem Be- kannten während meinet Abwesenheit dem tödlichen Klima erlegen; am meisten aber zu Herzen ging mir der Tod des Missionspredigers Blessing, welcher erst vierzehn Tage vor meiner Rückkehr erfolgt war. Von Blessing waren mir noch die letzten Nachrichten zugegangen, welche ich oben im Lande der Neger erhalten. Er hatte an Herrn Duisbei^g's

Telegraphische Meldung meiner Rückkunft. 503

Stelle, welcher von Cbartum weggezogen war, meine An- gelegenheiten daselbst besorgt; nun fand ich sein junges, unerfahrenes Weib in verlassener trostloser Lage vor und ihr Verlust musste mir doppelt zu Herzen gehen.

Am Tage nach meiner Ankunft telegraphirte ich nach Alexandrien meine glücklich erfolgte Rückkehr. Die Depesche musste arabisch geschrieben sein und gelangte in zwei Tagen glücklich ans Ziel. Der Preis für zwanzig Worte betrug 4 Thaler. Das Telegramm lautete in der prägnanten Ausdrucks- weise dieser Sprache (zwanzig Worte) wie folgt: „General- consulat Germania Alexandria angekommen 21. Juli Nach- richt zu geben per Telegraph nach Berlin Akademie Braun er möge die Mutter benachrichtigen sonst nichts nöthig." Der erst seit wenigen Monaten functionirende Telegraph war eigentlich noch nicht so recht im Gange, da das Beamten- corps zum grossen Theil aus jungen unerfahrenen Lehrlingen bestand und zwei unterbrochene Uebergänge über den Nil- strom einen nicht unbeträchtlichen Verzug herbeiführten. Ausserdem bestand noch der Uebelstand bei dieser Einrich- tung, dass von Cbartum bis Assuan das Morse'sche System eingeführt war, auf der übrigen Strecke im eigentlichen Aegypten aber das Nadelsystem functionirte. Die arabische Sprache ist zum Telegraphiren, abgesehen von ihrem Vor- zuge einer grössern Kürze des Ausdrucks, insofern sehr un- geeignet, als man Personen- und Ortsnamen nur dann der schlechten Vocalumschreibung halber zu entzififern vermag, wenn sie dem Lesenden bereits früher geläufig waren. Immer- hin bildet die Errichtung dieses Werks eine der hervor- ragendsten Verdienste der Regierung Ismael Pascha's.

Djafer Pascha, welcher mir ein so schönes Geschenk nach Faschoda geschickt hatte, empfing mich mit gewohnter Freundlichkeit und räumte mir ein leer stehendes Regierungs- gebäude zur Wohnung ein. Nichtsdestoweniger mussten in- dess meine Gesinnungen gegen ihn sehr getheilte sein, denn die rücksichtslose Behandlung, welche er meinen treuen

504 Yierundzwanzigstes Kapitel.

Dienern angedeiheu liess, kränkte mich tief. Sie wurdeo, ohne das8 mir die Sache angezeigt ward, in Eisen gethan und unter die Galerensträflinge gesteckt, währeud ich mit den drei Negern allein dasitzen blieb und niemand bei mir behielt, welcher mir meine Speisen zuzubereiten wusste. Sie hatten nämUch auch, ohne mir etwas davon zu sagen, einige Sklaven mitgebracht, angeblich im Auftrage einiger Freuode von oberhalb, welche die Sklaven ihren Familien zur Unter- stützung in der Wirthschaft zusandten. Während meines Aufenthaltes am obern Nil konnte ich es nicht verhindern, dass die verschiedenen Seribenver^'alter, die wir besuchteo, ihnen Sklaven schenkten; mein Protest hätte wenig genützt und uunöthigerweise die Leute mir abspenstig gemacht Bei unserer Einschiffung in der Meschera aber glaubte ich, dass sie nur ihre zwei Weiber, ein von dem einen gezeugtes Kind und die zwei Knaben mitnehmen würden, welche ich seit Jahr und Tag bei ihnen gesehen und die ich gleichsam als zu meiner Familie gehörig betrachtet hatte. Statt dessen hatten sie in Summa 15 Köpfe importirt. Sie mussten oan dafür büssen, und weder Weiber noch Kinder wurden an- erkannt; letzteres war ein schreiendes Unrecht, denn jede Sklavin, welche ihrem Herrn Kinder gezeugt, galt hierzu- lande als rechtmässiges Weib; eine Ehe in unserm Sinne aber gab es nicht. Ich beschwerte mich zu vier verschie- denen malen beim Pascha, ohne die Freilassung meiner Die- ner auswirken zu können, erst in der letzten Stunde gelang es mir. Umsonst war mein Bemühen, ihnen ihre beiden Weiber und das Kind des einen wiedergeben zu können, zu deren Confiscation nicht das geringste Recht vorlag. In Anbetracht der dreijälmgen Dienste meiner Getreuen konnte ich es nicht über das Herz bringen, sie in einer so ernsten Frage schutzlos der Willkür jener unordentlichen Begierung preiszugeben, welche ich unmittelbar nach der befor- stehenden Abreise des Paschas nach Ägypten im voraas über Chartimi hereinbrechen sah. Ich musste die Diener

Trostlose Lage meiner Diener. 505

mitDehmen bis Kairo, um ihnen dort zu ihrem Rechte zu verhelfen ; es gelang mir dies auch, nachdem mir grosse Un- kosten aus dem unnützen Reisetross erwachsen waren, wel- chen ich auf diese Art an meine Fersen geheftet hatte.

Ich erklärte dem Pascha, dass alle seine Liebenswürdig- keiten gegen mich nicht den Übeln Eindruck zu ver- ivischen vermöchten, den eine in so unwürdiger Weise auf- geführte Komödie in mir hervorgerufen, ich betonte aus- drücklich, dass ich mich, in Anbetracht meiner so mühselig erworbenen Kenntniss der Verhältnisse, besonders beleidigt fühlen müsste, die Rolle eines Leichtgläubigen spielen zu sollen. Wenn er den Sklavenhandel unterdrücken wolle, so sollte er die Gesetze gegen denselben im ganzen Lande in Kraft setzen, und nicht blos auf dem Flusse, nicht perio- dische Massregeln der Willkür gegen alles menschliche und gött- liche Recht ergreifen, und namentlich nicht dieselben dazu ausbeuten, um den Ilass der Bevölkerung gegen die Fran- ken zu vermehren. Denn so motivirte ich was nützte eine Beschlagnahme der Schiffe, während beispielsweise der Mudir von Kordofan es ruhig geschehen lasse, wenn in seiner Provinz der Sklavenhandel in so schwunghafter Weise einen Ausgangspunkt nehme, dass in einem einzigen Jahre nicht weniger als 2700 Händler nach Dar-Fertit ziehen durften, ohne dass der Gommandant der ägyptischen Truppen daselbst die geringste Einsprache dagegen erhebe, ja vielmehr selbst, wie auch alle seine Offiziere, sich gleich einem Sklavenhändler von Profession gerire?

Der böse Wille, der verbissene Ingrimm wider die un- erwünschte Einmischung Sir Samuel Baker's bei den Höhern, verrieth sich in auffälliger Weise bei den niedern, minder schweigsamen Organen der Regierung. Musste ich doch in Faschoda und selbst noch in Chartum den Vorwurf zu hören bekommen, dass wir Franken an allem schuld seien und durch unsere ewigen Quälereien beim Vicekönig selbst solche Massnahmen heraufbeschworen hätten. Als ob es wol je in

5()() Vierundzwanzijrstes Kapitel.

der Absicht eines Wilberforce oder in derjenigen unserer lieutigen PhiIanthroi)en gelegen hätte, zu bewirken, dass man den Männern ihre Weiber, den Acitern ihre Kinder raube, dass man die den Händlern abgenommenen Sklaven an die Soldaten verschenke oder sie willenlos unter die Reihen der letztern stecke. Auf der andern Seite aber, und das sagte ich den ägyptischen Beamten ins Gesicht, spräche sich in derartigen Vorwürfen eine strafbare Misachtung des Landes- herrn aus, dessen Befehle auf solche Art als blos von aussen und von fremden Mächten beeinflusst angesehen würden, das könne unmöglich dazu beitragen, die Autorität des Vice- königs im Lande aufrecht zu erhalten, und hierzu seien sie doch berufen.

Am U. August bestieg ich von neuem die Nilbarke, dies- mal aber unter bc<iuemern und minder compromittireuden Bedingungen. Am vierten Tilge unserer durch guten Wind und hohen Wasserstand sehr geförderten Fahrt war die Stadt Berber erreicht, wo ich mich im Hause meines Freundes Vasel einquartierte und wo mir nach lauger Zeit der Ent- behrung wieder einmal der Geuuss einer anregenden Unter- haltung mit einem gebildeten Landsmanne dargeboten wurde. Herr Vasel hatte sich durch die Erbauung eines grossen Theils des zwischen Assuan und Chartum errichteten Tele- graphs ein grosses Verdienst um das Land erworben und trotz angestrengtester Thätigkeit in Gegenden, deren Klima so vielen Europäern den Tod bereitet, sich bisher einer un- erschütterten Gesundheit zu erfreuen gehabt. Die Opfer der letzten Fiebersaison waren zahlreichere gewesen, als ii^end- cins von den frühern Jahren aufzuweisen hatte. In Chartum selbst waren 1870 fast alle daselbst ansässigen Europäer weggestorben, unter ihnen, ausser dem vorhin erwähnten Blessing, Dr. Ori, ein vorzüglicher italienischer Zoolog, wel- cher während eines vollen Decenniums dem türkischen Klima widerstanden, ferner die ganze Familie Thibaud, welche im Zeitraum von einer Woche ihrem Haupte ins Grab nach-

Ankunft in Berber. 507

gefolgt war. Thibaud Latte volle 43 Jahre seines Lebens in Chart um zugebracht, wo er dem französischen Viceconsu- late vorstand. Als ein Begleiter d'Arnaud's betheiligte er sich in Gesellschaft von Werne und Sabatier an der epoche- machenden Expedition zur Erforschung der Kilquellen, welche auf Befehl Mehemed-Ali's im Jahre 1841 den Fluss bis Gondo- koro hinauffuhr. Nun hatte auch in Berber, kurze Zeit vor unserer Ankunft, mein alter Freund Lafarguo das Zeitliche gesegnet, nachdem er gleichfall» seit einer langen Reihe von Jahren im Sudan ansässig gewesen.

Allein der unerbittliche Tod streckte auch nach meiner kleinen Familie seine gierigen Hände aus, und während ich in Berber Station ma<'hte, hatte ich daselbst den Verlust meines treuen Reisegefährten aus dem Lande der Zwerge zu beklagen. Schon in Chartum, wahrscheinlich infolge der veränderten Lebensweise und hauptsächlich wol veranlasst durch allzu reichliche Kost, war mein kleiner Tikkitikki von einer Dysenterie befallen, welche von Tag zu Tag bösartigere Foiischritte machte. Vergeblich war alle aufgewandte Mühe und Sorgfalt bei seiner Pflege, wirkungslos blieben alle Heil- mittel, die nur aufgetrieben werden konnten, es ging mit ihra unaufhaltsam bergab und er verendete nach dreiwöchent- lichem Leiden an völliger Entkräftung.

Noch nie war mir ein Tod so zu Herzen gegangen wie dieser, und mein eigener Zustand wurde infolge des erlitte- nen Kummers ein derartig geschwächter, dass ich mich kaum fähig fühlte, eine halbe Stunde auf den Beinen zu bleiben, ohne die äusserste Ermattung zu empfinden. Zwei Jahre sind inzwischen verstrichen, aber immer noch erweckt der blosse Gedanke an die Trübsal jener Tage in mir das Gefühl einer frisch aufgerissenen Wunde.

Ich hatte die beiden mitgenommenen Negerknaben ur- sprünglich dazu bestimmt, den verstorbenen Pygmäen als Gespielen zu begleiten. Jetzt hatte ich nur noch für ihr eigenes Schicksal zu sorgen. Den altern, einen echten

508 Vierundzwanzigstes KapiteL

Niainniam, liess ich später in Aegypteu zurück, indem ich denselben bei einem alten Freunde unterbrachte. Dr. Sachs, der berühmte Arzt von Kairo, wurde der Pflege- vater des Amber, während dem AllagaboTim, meinem klei- nen Bongo, in Deutschland eine sorgfältige Erziehung zu- theil wurde.

Mein Aufenthalt in Berber wurde, abgesehen von der Erkrankung Tikkitikki's, ausserdem noch durch das ver- gebliche Warten auf die Ankunft eines Kuriers in die Länge gezogen, welcher mir auf Befehl Seiner Hoheit des Chedive entgegengeschickt worden war. Der deutsche Geueralconsul, Herr von Jasmund, hatte mit gewohnt liebenswürdiger Für- sorge gegen alle seinem Schutze Anvertrauten mir diese be- sondere Gunst erwirkt. Der überaus gütige Mann hatte be- fürchtet, dass es mir an manchen der unentbehrlichsten Dinge fehlen würde, daher war der Kurier beauftragt worden, mir Gelder, Medicamente, Waffen und Kleidungsstücke entgegen- zubringen, ludess hatte ich mich in Chartum mit allem Notlügen aufs beste zu versorgen gewusst, ich suchte daher die Reise des Boten jetzt rückgängig zu machen. Es ver- gingen mehrere Tage, bis ich mit Hülfe des Telegraphen den Punkt, bis zu welchem er gelangt, ausfindig zu machen und Contreordre zu geben vermochte.

Am 10. September konnte ich endlich die Reise nach Suakin durch die Bergthaler des Etbai auf dem vor drei Jahren begangenen Wege antreten. Meine kleine Karavane, welche aus dreizehn Personen und vierzehn Kamelen bestand, legte die Strecke in vierzehn Tagemärschen zurück und er- reichte ohne Unfall das Meer. Als ich nach 1000 Para- sangen von dem Scheitel des 3210 pariser Fuss hohen Attaba mit den wenigen Getreuen, die mir geblieben, auf die kurze Strecke herabschaute, welche mich noch von Suakin und dem endlosen Blau des völkerverbindenden Meeres trennte^ da bewegten mich Gefühle, wie sie nur der Wanderer kennt, welcher lange im Innern schwer zugänglicher Continente ge-

eaXarra ^aXarra. 509

weilt. Bereits am 26. September schiffte ich mich ein, um Dach viertägiger bequemer Meeresfahrt in Suez ans Land zu steigen.

Nach einer Abwesenheit von drei Jahren und vier Mo- naten betrat ich schliesslich am 2. November in Messina wieder europäischen Boden.

ANHANCt I.

t3

Höhen einer Anzahl auf dieser Reise berührter Punkt*^,

(Berechnet von Dr. Wilhelm Schur.)

Auf meiner Reise bediente ich mich dreier Aneroide, welche, lücklich nach Europa wieder zurückgebracht, nachträglich ia Bezug auf ihr Verhalten unter verschiedenen Temperatuf- und Druckverhältnissen geprüft werden konnten. Dieser Arbeit, sowie der Berechnung der von mir beobachteten Barometerstande, hat sich Dr. Wilhelm Schur mit vieler Sorgfalt^unterzogen, und indem ich das Resultat derselben hier mittheile, verweise ich anf die ausführliche Discussion über diesen Gegenstand im achten Bamie der „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin", S. 228, wo Dr. Schur die zur Ermittelung der Temperaturcorrection meiner Instrumente befolgte Methode und die in Rechnung gezogen« Schwankungen des mittlem Barometerstandes besprochen hat, welche bei der Ableitung der Höhen berücksichtigt wardeo.

Während meiner Reise las ich fast täglich zu drei verschiedenen Tageszeiten den Stand der Aneroide ab, allein diese zahlreichen Beobachtungen, in meinen Tagebüchern enthalten, worden bei dem Brande am 2. December 1870 mit meinen übrigen Papieren ein Raub der Flammen. Nur diejenigen Beobachtungen, weldte ich nach diesem Unglückstage eingetragen, und einige wenige, welche in frühern brieflichen Mittheilungen enthalten waren, konnten bei der nachträglichen Berechnung benutzt werden.

IIöhenaTigaben.

511

Im grossen und ganzen sind die hier gegebenen Zahlen jedenfalls geeignet, ein Bild der Ilöhenverhiiltnisse in den von mir besuchten Gegenden zu liefern, und es wird besonderes In- teresse erwecken, späterhin vergleichen zu können, inwieweit diese Resultate speciell mit den geometrischen Nivellements überein- stimmen werden, welche der projectirte Bau einer Eisenbahn von Suakin nach Berber nothwendig macht. *)

Die Unsicherheit der hier gegebenen Höhen wird von Dr. Schur im allgemeinen auf circa 25 Meter, resp. 82 englische Fuss ver- anschlagt.

a) Orte zwischen dem Bothen Meer und dem Nil auf dem Wege

von Suakin nach Berber.

Seeliöhe.

1. 3 Stunden westlich von Suakin

2. Tamariskenwald, T'/^ Stunden westlich

von Suakin

3. Uadi Teehke, 1 1 Y^ Stunden westlich von

Suakin

4. Erster Ataba (Pass), 13 Stunden westlich

von Suakin

5. Bei den Wasserlöchern im Thal zwischen

den beiden Atabas

G. Zweiter Ataba, höchster Passübergang. .

7. Oberstes Uadi Gäbet, unterhalb des Ataba

8. Singüt, Zeltlager im grossen Thal von

Okuak

9. Uadi Ssarraulb, 4 Stunden im Ostsüdost

von Singfit

10. Uadi Harrässa in Erkault, 8 Stunden im

Ostsüdost von Singat, bei dem Zeltlager

11. Füss des hohen Bergs von Erkault, Nord-

seite

12. Spitze des hohen Bergs von Erkault . .

13. 2 Stunden westlich von Singat, 1 Stunde

nach 0-Mareg zu , östlich vom kleineu | Pase

Meter

212,1

544,2

618,9

924,5

913,5

1041,7

925,8

941,3

1037,7

1137,8

1250,2 1676,1

1007,3

Par. Piiaa

653

1677

1907

2849

2815 3210 2853

2900

3198

3506

3852 5164

3104

*) Zur Oricntirunp für diese Strecke diene die Karte des Wegs von Suakin nach Berber, welche ich im 15. Bande der „Geographischen Mittheilungeu von Petermaun" (18^)9, Taf. 15) veröffentlicht habe.

512

Anhang I.

14. 3V2 Stunden westlich von Singät, west-

lich unter dem kleinen Pass

15. O-Mareg, Zeltlager im Thal

16. Kleines Uadi, 3 Stunden westlich von

O-Mareg, vor der Passhöhe

17. Im Uadi Amet bei den ßrunnenlöchern .

1 8. Am Südabhange des Westendes vom Berge

0-Kurr, 5 Stunden westlich vom Brunnen Amet

19. Kleines Uadi, 1 Stunde westlich vom Uadi

Arab

20. Grasreiches Uadi, westlich vom Uadi Arab,

1 Stunde vom grossen Chorbett ....

21. Uadi Kamot-Atai, bei den Brunnen . . .

22. Uadi 4 Stunden östlich vom Uadi Ilaböb

23. Uadi Dimehadit

24. Uadi Haböb, östlicher Arm

25. Uadi Haböb, westlicher Arm

20. Uadi Kokreb, Lager^datz von 1871 . . .

27. Uadi Kokreb, Lagerj^latz südlich vom

vorigen ,

28. Grosses Uadi, 1 Stunde westlich vom Uadi

Kokrr^b

29. 5 y^ Stunden östlich vom kleinen isolirten

Hügel beim Uadi Derumküd (oberes Uadi Jumga)

30. Uadi Jumga

31. Uadi Dcrumkäd

32. Kleiner isolirter Hügel, 1 Stunde west-

lich vom Uadi Derumküd

33. ThalöiTnung bei dem Akazienhain südlich

von dem Brunnen llauai

34. Unter der kleinen Passhöhe ol)erhalb des

Uadi Laemob \

35. Ende der ansteigenden Fläche im o1>em

Uadi I^aemeb

36. Im mittlem Uadi Laemeb

37. Im mittlem Uadi Laemcb

38. Im untern Uadi Laemcb, 2 Stunden öst-

lich vom 0-Fik

39. Uadi am Fasse des Berges 0-Fik, Süd-

abhang

Seehöhe.

Meter

Par. Fnss

1072,5 971,7

3305 2994

949,5 810,1

2926 2496

803,3

739,9

762,5 735,3 705,6 717,5 741,0 600,2 694,5

597,6

657,0

650,0 587,6 581,4

578,0

590,2

580,1

532,8 574.6 513,9 .

468,8

498,6

2475

2280

2350 2266 2174 2211 2281 1847 2136

1838

2025

2003 1811 1792

1781

1819

1787

1642 1771 1583

1414

1536

Höhenangaben.

513

40. 2 Stunden östlich vom Busch wald bei

0-Bak

4 1 . 0-Bak, Buschwald bei den Brunnen . . . 4 2. Regenteich, 2 Stunden» westlich von 0-Bak

43. 5*/2 Stunden westlich von 0-Bak . . . .

44. Im Uadi Eremit, Lagerplatz 1871. . .

45. Im Uadi Eremit, Lagerplatz 1868. . . .

46. Depression im Uadi Abu Kolöd

47. Im Uadi Darraurlb oder DerrTb

4ß. Im Uadi Selem

49. Bei den Brunnenlöchern von Alm-Tagger,

2Y2 Stunden östlich von Berber (el Mecherif )

50. Stadt Berber (el Mecherif) 30 Fuss über

dem höchsten Wasserstande des Nils .

Seehöhe.

Meter

508,2 476,3 459,0 438,8 464,4 446,0 399,8 414,0 452,2

403,6

417,0

Par. Fast

1566 1468 1414 1352 1431 1374 1332 1276 1393

1244

1285

b) Orte am Nil zvfnschen dem 9. und 18. Grad nördl. Br.

Oberhalb Wolled Bassal, auf der Barke.

Stadt Matamma, auf der Barke

Stadt Schendi, auf der Barke

Stadt Chartum, 20 Fuss über dem höchsten

Stande des Blauen Nils

Meschera, auf der Insel am Kitt, Ursprung

des Bachr-el-Ghasal

Seehöhe.

1.

2. 3. 4.

5.

Meter

399,7 404,4

408,8

407,2 442,7

haaal-Oebic

P*r. FusB

1332 1246 1260

1255

l364

c) Orte im Binnenlande des Bachr-el-Gl

)t8.

Grosse Seriba Ghattas in Djur

Grosse Seriba Kurschuk-Ali am Djur . . Kleine Seriba Agad in Bongo, Dubör . . Kleine Seriba Abu-Guron in Bongo, Dangä Kleine Seriba Biselli in Bongo, Doggaja mor -

Seehö

he.

1. 2. 3. 4. 5.

Meter

471,2 542,1 565,5 543,7

554,5

703,6 696,0

33

P*r. FuBB

1452 1670 1743 1675

1709

6. Seriba Idris-Wod-Defter in Golo

7. Grosse Seriba Siber-R&chama in Kredj .

SOHWBDrrXJBTH. II.

2166 2145

514

Anhang I.

8. Dem Gudju, Seriba Agad

9. Am Bache Gulanda zwischen Dem Gudju

und Dem Beklr

1 0. Dem Beklr, Seriba Kurschnk-Ali

11. Dem Adlän, Seriba Sibör Adlän in Ssere

12. Kleine Seriba Agad in Bongo, Ngulfala.

13. Kleine Seriba Agad in Bongo, Mubdi . .

14. Wohnsitz des Tehk im Dinkalande . . .

Seehöhe.

Meter

846,3

729,1

771,0

747,1

581,0

575,0

426,5

jPar. PttM

26Ü8

2247 2.376 23()2 1790 1772 i 1314

d) Orte ausserhalb des Nilgebiets.

1. Munsa^s Residenz in Monbuttu, Seriba Abd-es-Ssammat

Seehuhe.

Meter Par. Fkm

825,4

2543

Nachschrift

Mittlerweile sind die Resultate des im Jahre 1848 l>egonnenen und 1872 vollendeten Nivellements des Nilthals zur öffentlichen Kenntniss gelangt. Nach einer Zusammenstellung der gemessenen Höhen, welche sich in der vom Ministerium des Innern veröffent- lichten „Statistiquc de Pfigypte, annce 1873", findet, betragt die Höhe^) am Zusammenflusse des Weissen und des Blauen Nils bt*i Chartum 378 Meter über dem mittlem Stande des Mitteüandiächen Meeres.

*) Es wird nicht gesagt, ob bei Maximum oder Minimum des Nil- Standes. Die Differenz beträgt gegen 10 Meter.

ANHANG II.

Acht Itinerare zur Aufhellung der Gegenden im Westen und

im Süden meiner Routen.

a) Idris-Wod-Befter's Itinerar von Bem-Gudju

nach Westsüdwest.

1. Tag. Etwa 4 Stunden bis zu dem Dorfe des Kredjältesten

Manglrr, auf Agad'schem Gebiet.

2. Tag. 6 7 Wegstunden bis zu einigen Kredjweilern desselben

Gebiets.

3. Tag. Starker Tagemarsch von 8 9 Stunden bis zu den ver-

lassenen Dörfern eines frühern Kredjältesten, Namens Koije.

4. Tag. 8 Wegstunden durch unbewohntes Land, in der Wild-

niss genächtigt.

5. Tag. 7 Stunden bis zu einer kleinen Seriba Tdris-Wod-Defter's

am Berge Merangr^h.

6. Tag. 7 8 Stunden durch bewohntes Land zur Hauptseriba

Idris-Wod-Defter's, welche an einem nach Nordwest ab- fliesscnden Flusse gelegen ist. Die Kredjstämme jener Gegend heissen Beia und Mere. Der Localchef der Eingeborenen heisst Garaiongö.

7. Tag. In westlicher Richtung gelangt man in fünfstündigem

Marsche zu einer Filialseriba des Idris, welche nach dem Kredjstämme jener Gegend den Namen Adja fuhrt.

33*

516 Anhang ü.

8. Tag. Ein starker Marsch von 8 9 Stunden durch Wildnisse.

9. Tag. Nach einem Vormittagsmarsche erreicht man die west-

h'chste Seriba des Tdris in Dar-Benda, dessen Häuptling Kobbo-Kobbo heisst. Die Benda sind ein selbständiges Volk, das seine eigene Sprache hat.

10. Tag. 7 8 Stunden bis zum grossen Fhisse, weldier an

dieser Stelle eine östliche Stromrichtung haben soll und zu jeder Jahreszeit nur mit Hülfe eines Boots zu passiren ist Das Volk, welches die Ufer dieses grossen Flusses bewohnt, wird von den Elfeubeinhändleru Abu-Dingä, das Land Dar- Dingä oder Dar-Abu-Dinga genannt. Eiu König, welchem mehrere Unterhäuptlinge zinsbar sind, hat seinen Sitz in Nordwest von Tdris- Wod-Defter's Hauptsei-iba , die Nubier nennen ihn Aja. Dar-Dinga ist auch das Ziel vieler Sklaven- karavanon, welche die grössern Händler aus Darfnr nnd Kordofan in Gang setzen. Auch die Compagnien des Sil)^r Rächania, des Sibfjr Adlän und des Agäd besuchen diese« Land, um Elfenbein von den Häuptlingen einzuhandeln.

b) Jumma's Itinerar von Bem-Bekir in Westnordwest zur

Residenz des Mofiö.

1. Tag. 6—8 Wegstunden bis zu den letzten Dörfern der Ssere, deren Schech Ssahtsi heisst und zum Gebiete Karschak-Alii gehört. Ssahtsi hat seinen Wohnsitz an einem kleinen, aWr zu jeder Jahreszeit sehr tiefen (angeblich 20 Fuss) Flusse, Namens Wille oder Uille, welcher, angeblich in nordwestlicher Eichtnng abfliessend, zum Stromsystem des Flasses von Dar- Dinga gehören soll.

2. 8. Tag führt durch menschenleere Wildnisse, sieben starke Tagereisen führen zu den ersten Wohnsitzen des Mofiö'scbeo Gebiets, wo ein Behnki dieses Königs, Namens BoborungO, seine Mbanga hat.

9. Tag. Ein kleiner Marsch durch Culturland bis zum Wohn-

sitze des Unterhäuptlings Bakömoro.

10. Tag. Ein starker Marsch führt grösstentheils durch wOdei

Waldiand bis zum Wohnsitze Eanso^s, eines Behnki des Mofio.

Itinerare. 517

1. Tag. Der Weg wendet sich Dord westwärts und man gelangt

nach einem starken Marsclie zum Behnki Abindf. Hier muss ein nach Norden fliessender Fluss überschritten werden, welcher Ngango genannt wird und den Fluss von Ssahtsi, den Wille, aufnehmen soll, um sich weiter in Nordwest mit dem grossen Flusse von Dar-Dingä zu vereinigen. In seinem weitern Verlaufe soll dieser Fluss den Namen Mboma führen.

2. Tag. Man gelangt in einem Yormittagsma'rsche zu Gasima's

Mbanga, einem Bruder des Mofio, welcher jenem Districte als Unterhäuptling vorgesetzt ist.

3. und 14. Tag bis zur Residenz des Mofiö, welche nur eine

starke Tagereise im Südwesten von Idris-Wod-Defter*s Haupt- seriba gelegen ist. Der Fluss, an welchem Mofio^s Mbanga erbaut ist, soll Mbette heisseu, und dieser soll sich in den vorhin genannten Mboma ergiessen.

c) Von Bem-Bekir in Südsüdost zur Residenz des Ssolongö.

. Tag. Man überschreitet den Ngudduru und den Dschih und gelangt, indem man den Kokulühügel zur Linken liegen lässt, nach einem mittlem Tagemarsche au einen Bach, welcher von den Nubiern bis zu seiner Einmündung in den Wau verfolgt sein soll und Bisserri heisst. Wenn es nicht gerade stark geregnet hat, so soll er sogar im Gharif durch- watet werden können. Kurz vor dem Uebergange über den Bisserri hat man 2 Stunden südlich vom Wege den Berg Daragumba liegen.

. Tag. Ein guter Tagemarsch durch die Wildniss fuhrt in Süd- west zu einem kleinen Bache, Namens Kommo, welcher in den Bisserri abfliessen soll.

. Tag. Gegen Abend betritt man das Dar (bewohntes Land) des Ssolongö^schen Gebiets und nächtigt beim Wohnsitze eines Bruders und Behnki des Häuptlings, welcher Karia heisst.

. Tag. Der Weg wendet sich mehr südwärts, und man erreicht nach starkem Marsche die Mbanga eines zweiten Unterhäupt- lings, Ndundo, welcher gleichfalls ein Bruder des Ssolongö ist.

•. Tag. Man geht in Südwest zu Jagganda, einem dritten Bruder

518 Anhang H.

und Behnki dieses Häuptlings, ostwärts vom Wege lag der Berg Jare. 6. Tag. Gegen Mittag wird die Mbanga SsolongO's erreidit, nachdem zuvor der Nomatinä oder Nomatilla überschritten, ein wasserreicher Fluss, welchen die Niamniam mit dem Waa identificiren, indem sie diesen Namen auch für den Unterlauf des Wau im Bongolande gebrauchen.

Von Ssolongö gelangt man in Nordost nach zweitägigem Marsche zur Kurschuk-Ali'schon Seriba Abu-Schatter im Lande der Bellanda, welches zum grössten Thcil dem Gebiete des Ssolongoh angehört. Halbwegs nach Abu-Schatter hat ein Behnki des Häuptlings, Ndimma, seinen Sitz, und eine Tagereise nördlich von der Kiurschuk-AIi'schen Seriba ein anderer Unterhäuptling, Namens Mama, sodass die SeriU eine Enclave im Ssolongö'schen Gebiete darstellt. Ssolongö's Vater hiess Borrongbö oder Bongorbö und war ein Bruder des Mofio und des Sabura.

d) Jumma'8 Itinerar von Bem-Bekir nach Süden zu Jaffati und

Ingimma.

1. und 2. Tag. In Südsüdwest durch unbewohnte Grenzwildoid&e.

3. Tag. Gegen Abend gelangt man zum Wohusitze des kleiutu

Häuptlings Ja£fati oder Japati, dessen Vater Sabura einer der unabhängig gewordenen Brüder des Mofiö war.

4. Tag. In einem mittlem Marsche in südlicher Richtung zo

Boggua Rifßö, einem Behnki und Bruder Ja£fati^s.

5. Tag. Man überschreitet den nordostwärts fliessenden Bach

Mboma, welcher sich in den Nomatilla orgiessen soll, and gelangt zu Boggua Jango, einem Unterhäuptling des Bombo.

6. Tag. Gegen Abend nach einem gewöhnlichen Tagemarscbe

erreicht man die Mbanga des mächtigen Häuptlings Bombo. In Nordwest eine Tagereise von der Mbanga hat Nembo^ in Nordosten davon Nsembe seinen Wohnsitz, beide Brüder und Unterhäuptlinge Bombo's. Nsembe's Sohn Magangel ist Behnki in dem zunächst in Nordosten von Bombo^s Beaideoz gelegenen Districte.

7. und 8* Tag durch unbewohnte Wildnisse.

Itinerare. 519

9. Tag. Man überschreitet einen grossen schiffbaren Fluss, an

welchem ein Häuptling, Namens Sena, dessen Wohnsitz im Osten der Route liegen bleibt, sein Land haben soll, wes- wegen der Fluss von den Niamuiamzüglern auch der „Fluss von Sena" genannt wird. Die Niamniam sollen den Fluss dagegen Uehre nennen.

10. Tag zu einem Sohne des alten Eso (nicht zu verwechseln

mit dem gleichnamigen Vater des Ndoruma und Ngetto) am Flusse von Sena, welcher identisch sein soll mit dem Flusse von Uando (MbrOole).

11. und 12. Tag. Man durchwandei*t bewohntes Land, das Gebiet

des alten, hinlulligen Häuptlings Eso, und erreicht nach zwei starken Märschen südlich vom Fluss die Residenz des Ingimma, welcher unter den Söhnen Eso^s der mächtigste sein soll. 13. und 11. Tag. Nachdem man Iiigimma^s Gebiet durchzogen, gelangt man des andern Tags gegen Mittag an den grossen Fluss von Kanna, den Uelle. Kanna's Residenz kann von der üebergangsstelle über den Fluss im Süden von Ingimma in zwei Tagereisen erreicht werden, indem man sich nach Osten wendet.

e) AbderadimSn Abu-Gurün's Itinerar von seiner Hauptseriba südwärts zu den Niamniam und Monbuttu.

1. Tag. 8 Stunden in Südwest nach Kui'schuk-Ali's Seriba Nguddu.

2. Tag. 6 Stunden südwärts, in der Wildniss genächtigt.

3. Tag. Vormittagsmarsch bis Abu-GurünV Seriba Mahä am

Bache Lehko.

4. Tag. 7 Stunden Marsch immer in Südsüdwest bis zum Gebel-

Regeb, an welchem Abu-GurQn's kleine Bongoseriba Hibbu gelegen.

5. Tag. In einem Vormittagsmarsche in Südost bis zur kleinen

Seriba Mbellenib(?, welche Abu-GurUn in Gemeinschaft mit der Ghattas^schen Compagnie besetzt hält. Der Localchef der Bongo von Mbellembe heisst GiiTah.

6. Tag. Vormittagsmarsch in Südost bis zu Ghattas' Seriba

Gebel-Higgu an der Südgrenze des Bongogebiets.

7. Tag. In Südwest, während man das Gebiet von Mundo

520 Anhang IL

(Babuckor) im Osten liegen lässt, 8 Stunden dorch die Wildniss bis zu Abu-GurQn^s Seriba an der Nordgreuze des Niamniamlandes, welche ein Niamniamsklave Nameni Fomböa commandirte, und die 1870 durch Ndönuna zer* stört wurde. Uqueh war daselbst der Name des Locsldids der Niamniam.

8. Tag. Man überschreitet den Ssueh (Djur) und geht immer

in Süd bis zu einem Nachtlager in der Wildniss am Flosse Bikkl.

9. Tag. Ein starker Tagemarsch von circa 9 Stunden dorch die

Wildniss in Südwest bis zum Wohnsitze eines Braders und Unterhäuptiings des NdOruma, Namens Dokku.

10. Tag. Ein starker Tagemarsch südwärts und westwärts m

Mbori, einem Behnki Ndoruma^s. Halbwegs ist die Stelle, wo dieser Häuptling im December 1870 die vereinigten Compagnien überfiel und wo so viele Nubier den Tod fanden.

11. Tag. Man marschirt den ganzen Tag bis zur Residenz des

Ndöruma, welche am Bache Bara gelegen ist, der in den Bikkl fliessen soll. Ndöruma ist unter den herrschenden Söhnen Eso^s der mächtigste.

12. Tag. Ein Yomiittagsmarsch bis zur Mbanga des Gettna oder

Ngetto, eines Bruders von Ndöruma, dessen Gebiet ein selbständiges ist und im Süden des Ndöruma'schen liegt.

13. Tag. Der Weg wendet sich nach Südost und fuhrt in einem

mittlem Tagemarsche zum Dorfe Maschmani^s, einem Behnki des Ngetto.

14. Tag. Starker Marsch in Südost durch unbewohntes Land.

15. Tag. In einem kleinen Vormittagsmarsche gelangt man in

das Gebiet Malingde^s und ist um Mittag im Dorfe Aon's, eines Sohnes dieses landreichen Häuptlings.

16. Tag. In Südost den ganzen Tag marschirt bis zu einem Districtsvorsteher unter Aura, welcher BasuS heisst.

17. Tag. Ein kleiner Vbrmittagsmarsch bis zur Residenz des

Malingde oder Marindo, einer der vielen Söhne Basimbsh's.

18. Tag. Man geht den ganzen Tag bis zum Wohnsitse des

Maliugde^schen Behnki Basia in Westsüdwest.

19. Tag. Ein starker Tagemarsch in Südost zu Jaganda'a Doriern,

eines Behnki des Malingde.

Itinerare. 521

20. Tag. Durch unbewohntes Land, und man nächtigt in der Wildniss.

21. Tag. In einem Vormittags marsche erreicht man den Wohnsitz

des Ragbatta, eines Behnki des Uando.

22. Tag. Man marschirt den ganzen Tag, bis man zum Flusse von Uando kommt, an dessen Ufern genächtigt wird. Dieser Flnss (Mbmole) soll durch die Territorien Indimma's und Senats fliessen und weiter unterhalb den Namen Uehre fuhren.

23. Tag. Man durchwandert den Rest der Grenzwildniss, um

abends das Gebiet Isingerria's (Munsa^s) bei den Dörfern seines Behnki Dädda zu betreten.

24. Tag. Südwärts bis zu einem von zahlreichen Weilern belebten Districte des Isingerria^schen Gebiets.

25. Tag. In derselben Richtung bis zum Wohnsitz eines Behuki

dieses Häuptlings.

26. Tag. Nach kurzem Marsche ist man um Mittag bei Isingerna

selbst.

f ) Achmed Auat's Itinerar von Ndoruma in Südwest zum

alten Esa

1. Tag. Ein guter Marschtag in westlicher Richtung bis zu

Ndoruma's Behnki Komunda.

2. Tag. In derselben Richtung bis zum Wohnort des TumaiY,

einem zweiten Behnki des Ndoruma.

3. Tag. Zu einem Bruder des Ndoruma, Namens Mbänsuro,

welcher ein Unterhäuptling desselben ist.

4. Tag. Zu Ndoruma^s Behnki Biasingl.

5. und 6. Tag. Durch unbewohntes Gebiet in südwestlicher

Richtung.

7. Tag. In einem Vormittagsmarsche wird Baria's Gebiet betreten

und bei den ersten Dörfern gerastet.

8. Tag. Man marschirt vormittags und nachmittags durch be-

wohntes Land bis zur Residenz des Bftria, bei welcher Achmed Auat, Uassaballa^s Oberverwalter, eine Senba errichtet hat Baria ist ein alter Freund und Bundesgenosse dieser Com- pagnie.

522 Anhang 11.

9. Tag. Ein g^uter Marschtag führt in Süd zu Ssango^s Wohnsitz,

eines Bruders und Unterhäuptlings unter Ndöruma.

10. und 11. Tag durchzieht man unbewohntes Gebiet und nachtigt

zweimal in der Wildniss.

12. Tag. Man gelangt am Abend zum Sitze Ndenni's, eines

Sohnes und firühern Behnki des verstorbenen Seua.

13. Tag zu Basibö, dem Sohne Sena's, der jetzt selbständiger

Häuptling ist.

14. Tag fuhrt zu den Gängarabergen, welche die A-Madi und

ein denselben verwandter Stamm, die Imberri, bewohnen.

15. und 16. Tag durch bevölkertes Land zum alten Häuptling £so.

g) Itinerar von Kurschuk-Ali's Hauptseriba am Djur nach Abu-Schatter im Gebiete der Bellanda.

1. Tag. lieber die kleine Seriba Hassaballa's gelangt man in

Südwest und in Süd nach achtstündigem Marsche zu Kur- schuk-AlPs Filialseriba Mittu im Bongolande.

2. Tag. In sechsstündigem Marsche nach Süden erreicht man

eine zweite Seriba derselben Gompagnie, Namens Longo. Eine kleine Seriba Agad's liess man im Osten der Route liegen. Sie heisst Mbor und liegt nicht weit entfernt Yom linken Ufer des I)jur.

3. Tag. 7 8 Wegstunden führen zu einem Platze, wo ehemab

eine kleine Seriba Kurschuk-Ali^s gelegen war, Namens^Murr.

4. Tag. Man durchzieht die Grenzwildniss im Süden des Bongo-

gebiets und nächtigt in der Wildniss.

5. Tag. Nach kurzem Marsche hat man die ersten Weiler der

Bellanda erreicht, wo ein Behnki des Niamniarahäuptlings Ssolongö commandirt.

6. Tag. Ein starker Vormittagsmarsch fuhrt nach Abu-Schatter,

einem isolirten hohen Berge, von welchem aus man in Westen alle die Einzelberge des südlichen Bongolandes und die Berge von Mundo (Babuckur) sehen soU. Der Localchef der unter Kurschuk-Ali's Botmässigkeit stehenden Bellanda heisst Akuh. Der Localchef der dem Ssolongö tributären Niamniam da- selbst soll Bongurr heissen. Sechs Stunden in Nordost ?on Abu-Schatter befindet sich eine zweite Bellandateriba. Kur-

' Itinerare. 623

schok-Ali^s, die Dongoh heisst und nahe am linken Ufer des Djnrflusses liegen soll. Sechs Stunden weiter in Osten, jenseit des Flasses, befindet sich die dritte Bellaudaseriba dieser Compagnie, die Assalla genannt wird. Wenige Stunden in Nord von Assalla liegen die Ahu-Gurön'schen Bongoseriben, welche die Nubier Abulegih, nach dem Bongoschech der Gegend (der Ort heisst bei den Eingeborenen Kere), und Gebel-Regcb nennen; die letztgenannte heisst bei den Ein- geborenen Uibbu.

h) Itinerar von Kulongo südwärts nach Oebbel-Higgu und

Mundo.

1. Tag fiihrt in Südsüdwest nach 5 Stunden zur kleinen Sei-iba

Kurschuk-Ali's, Kilebi; 4 Stunden in West von diesem Platze liegt die kleine Seriba Ngorr, welche derselben Compagnie zugehört.

2. Tag. Nach siobenstün4igem Marsche erreicht man die Ghattas'-

sche Filialseriba Mbo, wo der Localchef der Bongo Doliba heisst. Halbwegs passirte man eine verlassene Seriba Kur- schuk-Ali^s, deren Bongoschech Abrass hiess. Zwischen Kilebi und Mbo überschreitet man zwei bedeutende Bäche (wahr- scheinlich den Molmul und Njedoku).

3. Tag. 6 7 Stunden führen zur Ghattas^schen Seriba DoggaT,

wo der Localchef der Bongo Bonjira heisst.

4. Tag. In vierstündigem Marsche zur Ghattas'schen Seriba am

Gebbel-Higgu. Der Bongodistrict heisst Longo, der Local- chef Uiggu. Drei Stunden im Osten liegt eine violbesuchte Seriba am sogenannten Gebel-Schiteta (Cayennepfefferborg), den die Bongo Ruhme nennen. Der Ortsvorstoher der Bongo jener Gegend heisst Bomadioh. Von Gebel-Schiteta gelangt man in östlicher Richtung in zwei Tagemärschen nach Ssabbi. Nachdem man auf diesem Wege den Tondjfluss überschritten, passirt man halbwegs am ersten Tage das Dorf des Bongo - Aeltesten Guija, welcher zu Abd-es-Ssammat's Gebiet zählt. Mundo, die von Babuckur bewohnte Gebirgsgegend, wo die ins Niamniamland fährende Strasse durch eine gefährliche Thalklemme führt, in welcher die Durchziehenden häufig von

524 Anhang IL

den Eingeborenen (Babockur) angegriffen werden, liegt nur zwei Wegstunden im Süden von Gebbel-Higgu entfernt Dies ist das Mundo, welches J. Petherick am 24. Februar des Jahres 1858 besuchte. Die von diesem Reisenden angeführten Ortsnamen seiner Route bis Mundo gehören der Bongosprache an, durch deren Land er gezogen war, und mehrere der- selben, wie z. B..Jau, Dangah, Maha, Murr, Lungo, haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten«

ANHANG III.

Verzeichniss der von mir anf den Tonren landeinwärts vom Gazellenflnsse beobachteten Sängethiere mit Angabe der

einheimischen Namen.*)

1. Troglodytcs niger. Geoff. (Var. Schweinfurtkii. Gigl.)

Bongo: Dädda.

Niamniam: Irangba oder Mandsdiamma.

Monbuttu: Nohso.

Ssehre: Ssango.

2. Colohtis guereza. Rüpp.

Bongo: NdoUo. Niamniam: Mbuggeh.

3. CercopÜhecus griscoviridis. Desni.

Djur: Ngero oder Angehro. Bongo: Manga. Niamniam: Ngalangala. Kredj: Ohio.

4. Cercopithectis pyrriwywtus, Ehrb.

Dinka: Agohk.

I>jur: Abaorro oder Aburo.

Bongo: Gumbi.

Niamniam: Gungbe.

Golo: Toggna.

Kredj: Njagga.

*) Die einheimischen Namen mögen zugleich als geographische Nachweise über die Verbreitung der Arten dienen. Die sicher be- stimmten Arten verdanke ich der Autorität von Prof. R. Hartmann.

526 Anhang III.

5. Cercopithecus pygerythnis, F. Cuv.

Niamniam: Ndamra.

6. Cynocephalus Bahuin. Desm.

Djur: Bimm. Bongo: Kungah. Niamniam: Bokku.

7. Cyfiocephalus sp,

Ssehre: Mbiri. Golo: Filii. Kredj: Buru.

8. Otolmms Teng. Geoffr. {Galago senegalimsis. F. Cuv.)

Dinka: Londorr oder Nehngbi. Djur: Anjaoio oder Anjuai. Bongo: Ndorr. Niamniam: Bakumbosso.

9. OtoUeims Feiet, Teram. {Galago Bemidoffii. Fisch.)

Niamniam: Mbottu. Monbuttu: Addeh.

10. Megadermn frons, Geoffr.

11. Vesperugo sp.

Bongo: Biru. Niamniam: Fureh.

12. Scotophüus Ictwogasier, Geoffr.

13. Nyctcris hispida, Geoffr.

14. Phyllorrhina caffra, Lund.

15. Erinaceus sp.

Djur: Ohkoddo. Bongo: Ndudupirakpeh. Niamniam: Dunduleh. Golo: Idduh. Bj-adj: Ohko. Ssehre: Mbarra.

Saugethiere. 527

16. Sorex $p.

Djur: UschulL

Bongo: Tondo oder Schondo.

Niamniam : Ndellih.

Golo: Diffi.

Kredj : Ddschandsche-kreie.

17. Batelus capensis. G. Cuv.

Djur: Ogang. BoDgo: Njirr. Niamniam: Torubah.

18. Lutra hmngtiis, F. Cuv«?

Niamniam: Limmu.

19. Canis fnmiliaris. L.

Dinka: Djong. Djur: Guok. Bongo: Bihi. Niamniam: Ango. Mittu: Uihi. Golo: Owio. Kredj: Kohno. Ssehre: Borro. Monbuttu: Nessi.

20. Canis variegaUis. Cretschm. (C aureus auctarum,)

Dinka: Auann. Djur: Toh. Bongo: Galah. Niamniam: Iloah. Kredj: Glommu. Golo: Ndaggeli. Ssehre: Ndeh.

21. Canis pictus, Desm.

Dinka: Knatj. Bongo: üell. Niamniam: Tiah. Ssehre: Ssahr.

528 ÄBbang IIL

22. Otocyon* Lalanäii, H. Sm.?

Dinka: Pändeh.

23. Hycena crocuta. Zimm.

Dinka: Anguih. Djur: UttaoD. Bongo: Hilu. Niamniam: Segge. Mitiu: Modda-uh. Golo: Mbuh. Ssehre: Mboh.

.24. Viverra civctta, Scl^reb. Djur: JuolL Bongo: KuiTuku. Niamniam: T^ä.

25. Viverra genetta, L.

Dinka: Angonn. Djur: Anjara. Bongo: Dongoh. Niamniam: MbellL Golo: Nifah. 'Kredj: Ndilli. Ssehre: Mehre.

26. Herpestes fasciatus. Desm.

Dinka: Agorr.

Djur: Gorr.

Bongo: Ngorr oder Dai.

Niamniam: Nduttuah.

27. Felis leo, L.

Dinka: Kohr. Djur: Mu. Bongo: Pull. Niamniam: Mbongonub. Golo: Ssingili. Kredj: Ganje-kasa. Ssehre: Sirringinni.

Säugethiere. 529

28. Felis kopardus, Schreb.

Djur: Kuatj. BoDgo: Koggo. Niamniam: Mamah. Kredj: Ssellembeh.

29. Felis caracal. L.

Djur: Nuoi.

Bongo: MudjokpoUah.

Niamniam;. Mobboru.

30. Felis Serval, Scbreb.

Dinka: Dobk. Bongo: Gregge. Niamniam: Ngaffab.

31. Felis maniculata. Temm., Rüpp.

Dinka: Angau. Djur: Bang oder Guang. Bongo: Mbira-u. Niamniam: Dandalab. Golo: Dabwe. Kredj: Lebdscbe. Ssebre: Ssabte. . Mitiu: Ngorrob.

32. Sciurus leucumhrinus, Rüpp*

Djur: Aijeda. Bongo: Remme. Niamniam: Bederri.

33. Sciurtis superciliaris. A. Wagn.

Dinka: AllobL

Djur: Anjuai.

Bongo: Urenge.

Niamniam: Bamumba oder Bakumbab.

Golo und Kredj: Angab.

Ssebre: Sserenna.

34. Mtis decumanus. Fall.

Bongo: Lunj. Niamniam: Guab.

SOHWaUlfUMTH. II. 34

530 Anhang m.

35. Mus alexandrinus. L.

Dinka: Lohk.

BoDgo: Higgeh-ru oder Rohpattah.

Niamniam: Babilli.

Eredj: Ohtoh.

Ssehre: Djuh.

36. Golunda pulchella, Gray.

Dinka: Manjang. Djur: Uio. Bongo: Jangah. Niamniam: Ssikka. Golo: Ngadse. Mittu: Gaggah.

37. Merioncs Burtofiii. A. Wagn.

Dinka: Malwal kondo.

Djur: Omadda.

Bongo: Mokokoh oder Higgeh-njakkab.

Niamniam: Sakada.

Golo: Fjako.

Kredj: Ittih.

Ssehre: Djuh.

38. Mxis gentilis. Brants.

Bongo: Mangbelle.

Niamniam: Ndekkitelli oder Ndigitelle.

39. Aulacodus Swindenanus. Temm.

Bongo: Bohko.

Dinka: Lor\j.

Djur: Njanjahr.

Niamniam: Remwo oder Alimwoh.

Golo: Elle.

Ssehre: Mbattara.

Kredj: Mbadsdia.

Mittu: Uohko.

S&ogeihiere. 53]

). Lepus cethiopicus, Ehrbg.

Dinka: Anjorr.

Djur: Apuoio.

Bongo: Battah.

Niamniam: Ndekuteh.

Kredj: Ohso. . Hystfix cristata. L.

Djur: Schlau.

Bongo: Kehoa.

Niamniam: Nsingeneh.

. Gry der opus <Bthiopicus. Sunde v.

Djur: Mohk.

Niamniam: Kahre. . Manis Temminghii, Lund.

Djur: Kong.

Bongo: Konn.

Niamniam: Baschischih. . Elephas africanus. Blum.

Dinka: Akonn.

Djur: Ljädj.

Bongo: Kiddi.

Niamniam: Mbarah.

Mittu: Kiddi.

Golo: Offio.

Kredj: Morrongoh.

Ssehre: Schah.

. Rhinoceros bicornis, L.

Djur: Umuoh.

Bongo: Baschah.

Niamniam: Kangah.

Kredj: Gruruppo. . Hippopotamus amphihim. L.

Dinka: Njang.

Djur: Fahr.

Bongo: Habba.

Niamniam: Dupoh.

Golo: Fjongu.

Kredj: Mrungu.

Ssehre: Diffoh.

34*

532 Anhang III.

47. Hyrax sp,

Bongo: Mbereduh. Niamniam: Atabuh. Lehssi: Kettoh. Golo: Ngaffe. Ere^j: Osoh. Ssehre: Nogohn.

48. Phacochcertts Aelmnii, Rüpp.

Dinka: Djehr.

Djur: KuU.

Bongo: Bohda.

Niamniam: Schibba.

Mittu: Uadoh.

Kredj: Bongboh oder Boddoh.

Golo: Wungbah.

Ssehre: Badso.

49. Fotamocho^rm penicillatus, Gray.

Niamniam: Mokuruh oder Dschomborr. Monbuttu: Napeso.

50. Camdopardalis giraffa. L.

Dinka: Mehr. Djur: Uehr. Bongo: Eilliruh. Niamniam: Bassumbarigi. Golo: Ndakkala. Krec^j: Gowisissi. Ssehre: Bagga.

51. Sus sennaariensis, Fitz.

Dinka: Angau. Djur: Amajok. Bongo: Mondoh. Niamniam: Gurrua. Mittu-Madi: Legjeh.

Sängetbiere. 533

52. Antilope Oreas. Fall.

Dinka: Golguall. Djur; Odierr. Bongo: Mburreh. Niamniam: Mburreh. Mittu: Kehr oder Mburreh. Bellanda: Odehr. Kredj: Kobbo. Ssehre: Kowo. 60I0: Kobbo.

53. Antilope leucophcea, Fall. {Aegoceros. Ham. Sra.)

Dinka: Amomm. Djur: Ommar. Bongo: Manja. Niamniam: Bisso. 60I0: Wunnungub. Bellanda: Omahr. Ssehre: Dähngab.

54. Antilope nigra, Harris. (Aegoceros. Ham. Sm.)

55. Antilope caama, Gray. (Acronotus. H. Sm.)

Dinka: Alaluehl.

Djur: Furroh.

Bongo: Karia.

Niamniam: Ssongoroh oder Ssoggomwuh.

Mittu: Borro.

Golo: Kotso.

Kredj: Kreia.

Ssehre: Dangah.

Babuckur: Borro. ^

Monbuttu: Nakibbih.

)6. Antilope leucotis, Licht. Peters. (Kohus, A. Sm.) Dinka: Tu. Djur: Tu. Bongo: Kalah. Niamniam: Tagba. Mittu: Kalla.

534 Anhang III.

Ssehre: Boddi. Kredj: Ngaio. Golo: Ngallah. Monbuttu: Nehpädde.

57. Antilope defassa. Rüpp. (Kobus, Sm.)

Binkä: Pohr oder Fohr.

Djur: Ummuho.

Bongo: Bubu.

Niamniam: Mbagga.

Mittu: Lehbi.

Kredj: Adjib.

Golo: Boggo oder Wiudi.

58. Antilope megdloceros, Auct. {Kohm. A. Sm.)

Dinka: Abobk.

59. Antilope arundinacea. Gray. (Eleofraptis,)

Dinka: Käo. Djur: Pohr. Bongo: Jälo. Niamniam: Joro. Golo: Ngallah. Ssehre: Djiang.

60. Antilope scripta, Pall. (Tragelaphus. Blainv.)

Dinka: Pehr oder Febr. Djur: Robro. Bongo: Tobbo. Niamniam: Boddi. ^ Golo: Kuffu. Mittu: Ehbu. Krecy: Lensche. Ssehre: Ja-u oder Jawoh. Bellanda: Rodda.

61. Antilope Addax, Licht.

Dinka und Djur: Anjidohl. Bongo: Auel.

Säagethiere. 535

62. Antilope senegalensis. H. Sm. {Damalis. Gray.)

Dinka: Tiang.

Djur: Tahng. *

BoDgo: Tange.

63. Antilope madoqua. Rüpp. {Cephalolophus. U. Sm. Hens.)

Dinka: Lohdj. Djur: Nettjäde. Bongo: Heggoleh. Mittu: Kulläh. Niamniam: Bongbaljah. Golo: Läffa. Kredj: Kehdo. Ssehre: Kgogoh. Schilluk: Akonj.

64. Antilope grimmia, Licht. {Cephalolophus. H. Sm.)

Dinka: Amuhk. Djur: Njepahl. Bongo: Dihli. Niamniam: Bafu. Mittu: Lählu. Mittu-Madi: Hibu. Ssehre: Dih.

65. Antilope pygmoca, Licht. {Cephalolophus. H. Sm.)

Bongo: Mburrumu. Niamniam: Mwurrah. Ssehre: Nserre. Monbuitu: Nelumbokoh.

66. Antilope sp, minor rufescens, {Cephalolophus, H. Sm.)

Bongo: Dongboh. Niamniam: Eohtumo.

67. Capra hircus, L.

Dinka: Tonn, (masc), Tohk (fem.). Djur: Biell. Bongo: Bii\ja. Niamniam: Wussindeh.

536 Anhang HI.

Mittu: Oanja. Golo: Owjo. Kredj: Ebne. Ssehre: Mwirri. Monbuttn: Memmeh.

68. Ovis aries. L.

Dinka: Amabl. Djur: Rohmo. Bongo: Hombob. Kredj: Ndillimib. Mittu: Kameleh. Ssebre: Dsagga.

69. Bos taurus, L. Zclu Var. Africana.)

Dinka: üehng (commune), Tonn (masc), Ngubt (fem.

Djur: Djang.

Bongo: Scba.

Niamniam: Hitti.

Mittu: Ebssab.

Golo: Moddob.

Kredj: Modob.

70. Bubalis Caffer. Gray.

Dinka: Anjabr.

Djur: Djowi.

Bongo: Kobbj.

Niamniam: Mbä.

Golo: Miude.

Kredj: Ssobbo oder Mbab.

Ssebre: Mbab.

71. Manatus senegalensis. Desm. M. Vogelii?

Cbarnf-el-Bacbr der Nubier in Monbuttu.

Säugethiere. 537

Zweifelhafte, erknndigte Arten.

72. Sorex sp.?

Bongo: Higgeh Karia.

73. Mus spJ

Bongo: Mohbidi.

74. Mus sp.?

Bongo: Higgeh Dilu.

75. Chrysochloris spJ (Talpa?)

Bongo: Brumm. Niamniam: Tunduah.

ANHANG IV.

Anmerkung zu der atif Seite 355 des ersten Bandes gegebenen Beschreibung und farbigen Darstellung eines Sonnen- phänomens.

Das geschilderte Phänomen schliesst sich den häufig beobachteten Erscheinungen der farbigen Höfe, die in grosser Mannichfaltigkeit verschiedener Modificationen um Sonne und Mond wahrgenommen werden, aufs engste an. Fraunhofer hat in Schumacher's „Astronomischen Jahrbüchern" (Altona 1823) die Theorie derselben eingehend entwickelt und eine Menge beobachteter Fälle besprochen. Wenn die Sonne oder der Mon(} von einem Hofe umgeben gesehen werden, so scheint der Himmel gewöhnlich schwach mit Dünsten überzogen. Sind die Erscheinungen vollkommen, so werden die Ringe mit Regenbogenfarben erblickt. Fraunhofer unterscheidet zwei Arten: Höfe kleiner und Höfe grosser Art. Ist die rothe Farbe nach aussen, d. h. vom leuchtenden Körper ab- gekehrt, wie ich es im vorliegenden Falle beobachtete, so nennt er es einen Hof kleiner Art. Bei den Höfen grosser Art ist die rothe Farbe demselben zugekehrt, und oft ist eine solche Erscheinung mit Nebensonnen verknüpft.

Die Ursache dieser farbigen Höfe ist in einer Beugung des Lichts durch Dunstbläschen zu suchen, denn Fraunhofer

Anmerkung zar Beschreibung eines Sonnenphänomens. 539

hat den Nachweis geliefert, dass am Rande solcher Bläschen oder Kügelchen ähnliche Beugungserscheinungen anzunehmen seien, wie solche vom Rande kleiner Oeffnungen auszugehen pflegen. Eine gleichmässige Vertheilung und gleiche Grösse sehr kleiner Bläschen ist die Bedingung, unter der sich ein solcher Farbenring bildet. Sind die Bläschen sehr ungleich, so entsteht nur ein hellleuchtender Schein, weil in diesem Falle das Auge von einem und demselben Orte im Dunst- kreise her Strahlen von verschiedener Art erhält, daher dieser Ort weiss erscheint, wie es im vorliegenden Falle unmittelbar an der Contour des Wolkenrandes und auch ausserhalb des obersten Roth der Fall ist. Je kleiner die Dunstbläschen, desto grösser werden die Farbenringe, denn die Durchmesser beider stehen der Theorie zufolge in einem umgekehrten Verhältniss.

Einer andern Theorie zufolge (Galle in Poggendorfs „Annalen der Physik und Chemie", Bd. 49) wären atmo- sphärische Eiskrystalle von mikroskopischer Kleinheit eine der Bedingungen, welche die Entstehung farbiger Sonnenhöfe ermöglichen. Dieser Ansicht schliesst sich auch Professor Förster in Berlin an, der mich in dieser Frage unterwiesen. Die wiederholte Wahrnehmung solcher Phänomene innerhalb der Tropen (auch von Alexander von Humboldt beobachtet, „Voyage'S H? 309), wo Sonnenhöfe so häufig zu sein scheinen, wie Mondhöfe im Norden, kann diese Theorie nicht entkräften; ganz abgesehen von der bedeutenden Höhe, in welcher der Ursprung dieser Erscheinungen zu suchen ist, verdient hierbei die Thatsache hervorgehoben zu werden, dass man keine Gegend in Afrika kennt, welche der Erscheinung des Hagel- falls gänzlich fremd wäre.

Das von mir beobachtete Phänomen vom 18. Mai 1869 war bemerkenswerth wegen der Gestaltung seiner Farben- ringe. Die Farben schlössen sich genau der W^olkencontour an, welche zufällig aus einer dreigegliederten Bogenwölbung bestand. Der scharfe Abstand des weissen Aussenringes

540 Anhang IV.

vom letzten Streifen des Roth wurde durch den Contrast erzeugt, den die sich dahinter ausbreitenden Schattenfacher erzeugten. So wurde der ganze Wolkenrand zu einer Kette leuchtender Sonnenpunkte, aus Dunstbläschen oder Eis- krystallen gebildet, welche Höfe kleiner Art bildeten und ihre eigenen Schatten aussandten.

ANHANG V.

Neueste Nachrichten von Mohammed Abd-nl-Sammat.

Aus dem Lande der Mittu, Seriba des Mohammed Abd-ul-Sammat nach den Ländern Europas am 25. Begeh 1290 (6. Sept. 1873).

An unsern verehrten Freund, den Herrn Dr. Schweinfurth,

stets in Ehren.

Mit allen Grüssen und Huldigungen, die wir Ihnen schulden, zeigen wir Ihnen ai^, dass wir unter dem Datum des 17. Sil-Hegga 1289 einen Brief vom Viceconsul von Oesterreich-Ungarn zu Chartum erhalten haben, enthaltend ein Porträt zum Zeichen der Erinnerung von Ihnen. In diesem Schreiben theilt uns der Viceconsul mit, dass Sie bei Ihrer Rückkehr nach Europa aller Welt von unsern Ver- hältnissen berichtet und dass Sie für uns bei den Sultanen die grosse Ehre nachgesucht hätten, welche Ihnen bewilligt worden, indem Sie für uns zwei Decorationen erwirkten, die eine vom Kaiser von Deutschland*), die andere von unserm allerhöchsten Souverän.

*) Als ich vor zwei Jahren von meiner grossen Reise nach Berlin zurückgekehrt war, wandte sich die Akademie der Wissenschaften mit dem Gesuch an 8e. Migestät den Kaiser, den um meine wissenschaft- lichen Erfolge so hochverdienten nabischen Elfenbeinhändler darch

542 Anhang V.

Indem trir alle Gunstbezeigungen, deren wir von selten dieser zwei Mächte theilhaftig geworden, wohl zu begreifen und zu schätzen wissen, danken wir Ihnen und bleiben stets erkenntlich für solche Liebenswürdigkeit und Wohlthat^ denn Sie sind es, durch den wir zu einer so ausgezeichneten Ehre gelangten, welche bisher noch keinem unsersgleichen je zn- theil geworden ; wir freuen uns darüber und bitten Gott, Sie dafür durch alles Gute zu belohnen. Der erwähnte Brief theilt-uns auch mit, dass Sie in arabischer Sprache von uns selbst verfasste Mittheilongen über die jüngsten Vorgänge ün Lande der Niamniam zu erhalten wünschten. Wir beeilen uns, diesem Wunsche zu entsprechen.

Kurze Zeit, nachdem Sie uns verlassen, um nach Europa zurückzukehren, hatten dreissig unserer schwarzen Soldaten, unsere sogenannten Kinder (Lanzknechte) von El-Baiko revoltirt, indem sie unsere Abwesenheit im Lande der Niam- niam benutzten. Sie bemächtigten sich der Feuerwaffen, entflohen aus der Hauptseriba und Hessen sich im Districi von El-Baiko nieder, unserm einstigen Wohnsitze, wo sich alle rebellischen Flüchtlinge zusammenfanden. Während sie im Aufstande begriffen waren, 'stiessen sie mit andern unserer Negersoldaten zusammen, verführten sie zum Treubruche und nahmen ihnen noch 69 Gewehre ab. Auf diese Art mit Waffen versehen, griffen sie unversehens unsere Hauptnieder- lassung Sabbi an und raubten alle Waarenvorräthe, welche daselbst vorhanden waren. Darauf wandten sie sich gegen eine andere Seriba, Namens El-Keneh*), welche gleichMs unserer Compagnie zugehört. Diese Seriba erlitt dasselbe Schicksal, und nachdem sie ausgeplündert und in Brand ge- steckt worden, wählten die Rebellen diesen Platz zu ihrem Standquartiere, an welchem sie uns erwarten wollten.

die Auszeichnung einer Decoration zu belohnen. Diesem GesDche wurde an allerhöchster Stelle durch Verleihung des Kronenordeos 4. Klasse an den Genannten gnädigst Folge gegeben.

*) Auf der beigegebenen Karte mit dem Namen Mbomo bezeichnet

Neueste Nachrichten yon Mohammed Abd-ul-Sammat. 543

Wir langten an aus dem Niamniamlande, und wussten vom Vorgefallenen nichts; doch kaum hatten die Rebellen uns beoaerkt, so stellten sie sich schon in Schlachtordnung auf und eröffneten auf uns ihr Feuer. Wir mussten Erdwälle aufwerfen, um uns vor ihren Kugeln zu schützen. Wir ver- fügten über 65 Soldaten, aber zehn von diesen waren gleich- falls Neger, wie die Rebellen. Als wir uns derart von Feinden bedrängt sahen, mussten wir, ohne in irgendeiner Weise darauf vorbereitet zu sein, 4je Defensive ergreifen. Drei drangsalvolle Monate verstrichen so, dann waren unsere Mu- nitionsvorräthe erschöpft und mit jedem Tage wurde auch der Mangel an Waffen und Lebensmitteln und an Wasser fühlbarer. Sie werden leicht die Unruhe begreifen, welche sich unserer während dieser kritischen Zeit bemächtigte.

In dieser trostlosen Lage entschlossen wir uns schliess- lich zum Rückzuge, indem wir eine Kriegslist beabsichtigten. Gegen 7 Uhr nachts (1 Uhr morgens) machten wir uns an die Ausführung; der Feind aber, sobald er unsere Absicht durchschaute, verfolgte uns mit seinem Feuer von rechts und von links, bis wir das Territorium des Schechs von Carfara erreicht hatten. Hier lief der grösste Theil unserer Mannschaft davon und zerstreute sich aus Furcht vor den feindlichen Kugeln.

Wir marschirten nun auf £1-Kababin, eine Seriba des Said-Mohammed-Achmed-el-Agad, wo wir Schutz und Hülfe für den Transport der in der Hauptseriba zu ßabbi zurück- gelasscDcn Elfenbeinvorräthe zu erlangen hofften. Diese be- liefen sich auf 400 Trägerlasten. Die gehoffte Unterstützung wurde uns hier indess nicht zutheil, denn unsere Landsleute schützten gemeinsame Interessen mit den aufständischen Negern vor, also Interessen zur Einäscherung der Seriben und zum Raube der Güter, denen wir wie andere vor uns zum Opfer gefallen waren.

Unmöglich, die Verzweiflung zu schildern, welche sich unserer infolge des Pulvermangels und der Flucht der Sol-

544 Anhang V.

daten bemächtigte; wir sahen uns nun auf nur noch zwölf Leute reducirt. In solchem Zustande erreichten wir die Seriba des Idris des Ghattas, um das Pulver in Empfang zu nehmen, welches man uns aus Chartum für dieses Jahr nach- geschickt hatte. Mit Gottes Hülfe schafften wir es herbei, und nun beschäftigten wir uns damit, nach und nach unsere zerstreuten Mannschaften wieder zusammenzubringen, welche sich in der That zu fünfzig an der Zahl einfanden.

Nachdem dies besorgt, marschirten wir ab, indem wir zunächst einen Angriff auf die von den Aufständischen in der Nähe von El-Keneh am Ufer des Lehssiflusses erbaute Seriba im Lande der Mittu beabsichtigten. Mittlerweile aber und während wir Hülfe bei den Seribenverwaltern des Agad gesucht hatten, waren die Rebellen wieder nach der Haupt- seriba Sabbi zurückgekehrt, wo sie den Boden durchwühlten, bis sie den Ort gefunden, wo wir unser Elfenbein vergraben hatten. Nachdem sie den grössten Theil an sich genommen und den Rest verbrannt hatten, waren sie in die Berge bei Derrago im Mittulande entwichen und dort hielten sie sich nun auf.

Sobald wir hiervon Kenntniss erlangt, griffen wir sie in einer Nacht auf der Höhe des Berges mit ünsem fiin&ig Mann an und tödteten nach hitzigem Gefecht eine Anzahl derselben, machten fünfzehn der Haupträdelsftthrer zu Ge- fangenen und nahmen ihnen 37 Flinten ab.

Gegenwärtig haben wir dicht neben ihrer Zufluchtsltätte bei der genannten Seriba Derrago räien Verhall errichtet, von welchem aus wir sie belagern, um ihnen ihren Raub wieder abzunehmen. Diese Lage der Dinge nimmt unsere ganze Thätigkeit in Anspruch, denn sonst wären wir in diesem Jahre nach Chartum zurückgekehrt, um die erhaltenen Decorationen in Empfang zu nehmen und der Ehfen theil- haftig zu werden, mit welchen wir durch Ihre Vermittelong bedacht worden sind.

Was die Monbuttu, die Niamniam und die Tikkitikki

Neueste Nachrichten von Mohammed Abd-ol-Sammat. 545

anlangt, so befinden sich diese Länder noch in derselben Lage wie früher, und jetzt in einer noch bessern, denn sie haben sich durch Ausdehnung der Culturen und neue An- siedelungen bedeutend emporgeschwungen. Wie ehedem sind unsere Beziehungen zu ihnen freundschaftliche, und wir treiben mit ihnen einen ausgedehnten Handel. Auch hat sich Sultan Uando nach vorhergegangenen Kriegen wieder mit uns ausgesöhnt, und alles befindet sich in Ordnung. Auch die andern Sultane sind jetzt alle in vollkommener Ruhe, namentlich die Sultane Fango, Kombo, Ambudi, Indimma und Ssurrur. Alle diese Sultane wünschen Sie wiederzusehen und wünschen Ihnen das Glück und das Gedeihen Ihres Landes, wie denn auch alle die Länder im Osten und im Westen mit uns im Frieden leben, mit einziger Ausnahme unserer Leute von Boiko und der ihnen anhangenden Negerstämme.

Mit Gottes Hülfe soll Ihnen im nächsten Jahre eine Schrift geschickt werden, welche des Nähern über alle Vor- gänge, die hier stattgefunden haben, berichten soll. Dann sende ich Ihnen auch die Merkwürdigkeiten, welche Ihnen Freude machen. Ich hofi'e nun, dass Sie mir die Nichtsendung von Raritäten in diesem Jahre verzeihen; aber allein die Gründe, welche ich die Ehre hatte Ihnen soeben auseinander- zusetzen, sind daran schuld.

Zugleich gebe ich mich der« Hoffnung hin, Sie möchten das Wenige, was ich Ihnen bei dieser Gelegenheit sende, die zwei Papageien und die Gegenstände laut beigefügtem Ver- zeichniss, gütigst aufzunehmen geruhen.

Ihnen das ewige Glück.

° (Unterschrift.)

Mohammed -el-Hadschi-Abd-ul-Sammat,

Verwalter und Theiinehmer des El-Said-Mohammed-Achmed-el-Agad.

Beglaubigte Uebersetzung. (Siegel.)

Alexandria, 1. Juni 1874. Elias Maksud,

Dragoman des Generalconsulats des Deutseben Reicbs.

SCHWXIirTUBTH. II. 35

Index.

Aba-Inscl, I, 62.

A-Banga, I, 563; abgeschnittene

Köpfe, II, 185. Abd-el-Fetach, II, 41. Abdu, I, 419. Aberglaube der Dinka, 1, 181 ; der

Niamniam, I, 532, II, 37. 38;

der Kubier, II, 340—44. Abgaben an Korn, II, 321. Abu-Gurün, 1,201, 11,303; Krieg

mit Monbuttu, II, 101 ; sein Tod,

II, 325. Abu-Odfa, merkwürdiger Fels, 1, 4 1 . Aeacia fistula, I, 105; nilotica, I,

61; spirocarpa, 1,30. 64; veru-

gera, I, 82. 115. Achmed, I, 467. 472; sein Tod,

II, 246. Achmed-Aga, II, 375. Ackerbau der Mittu, I, 441; der

Bongo, I, 270. 280. 292; der

Niamniam, II, 13; der Monbuttu,

II, 91 ; mit Sklaven, II, 443. Addai, I, 252.

Adenia venenata, I, 144, II, 352. Adianthum, II, 164. Adimokü, der Akkä, II, 136—38. Afzelia, I, 470. Agama colonorum, I, 351. Ahaetuella irregularis, I, 170.

Akkä, II, 89. 131—55.

Albinismus der Monbuttu, II, 107.

Albizzia sericocephala, I, 155.

Alestis, I, 253.

Alexandre Dumas, II, 2.

Ali-Abu-Amuri, II, 357.

Ali-Biselli, I, 357.

Ali, der Ghattas'sche, II, 259.

Allagabo, seine Geschichte, II, 480.

Aloe abyssinica, I, 30. 514, II, 23^).

Al-Üadj, I, 183, n, 293. 4s4.

Ambatsch, I, 67.

Ambatschkähne, I, 83.

Ameisen, I, 548.

Amet, I, 35.

Amphistoma, I, 154. 178. 301.

AmpuUaria Wernei, I, 82, II, 4?^-

Amomum, I, 506.

Amulete, I, 152, II, 342.

Anogeissus parvifolius, I, 241. 339.

Anodonta, II, 420.

Anona senegalensis, I, 242. 365.

Antilope arundinacea, 11, 465: Caama, I, 212. 465. 469, H, 276. 418. 483; elipsyprymna, 1,367. 368; grimmia, 1, 265. 267; leuco- phaea, I, 237. 238; lencotis, L 214. 388. 401. 494; Madoqua, 1, 204. 265. 266, II, 357. 483; me- galoceras, I, 68; nigra, I, 264:

Index.

547

Oreas, 1, 387, 11,264. 266 ; scripta,

n, 7. 271. Antinori, I, 201, II, 2. 86. Apostrophe an den Djur, I, 203;

an die Nubier, I, 117; an die

Madihäuptlinge, I, 432; der A-

Banga, II, 190. 195. Arachis hypogaea, I, 258. 273. Areal des Schilluklandes, I, 92;*

des Dinkalandes, I, 158; des

Bongolandes, I, 283 ; des Niam-

niamlandes, II, 4; des Babuckur-

landes, II, 274. Aristoteles über die Pygmäen, I,

133. Aroo-Schildkröten, I, 132. Arrasch-Kol, I, 62. Arsenal des Munsa, II, 69. Arslan, I, 61. 64; sein Tod, I, 238. Atasilli, I, 527. 531. Atehna-Baeh, II, 367. Atjumm-Hügel, II, 420. Auchenipterus, I, 253. Audienz bei Munsa, II, 43 57. Augurium der Niamniam, II, 35

37; des Uando, II, 194. Aulacodus Swinderianue, II, 402.

425. 465—69. A-uri, I, 409. Azolla, I, 112.

Ba als Flussname, II, 257.

Babuckur, das Volk, II, 89. 225. 273—75. 437.

Bachit-Jussuf, II, 351.

Bachr-ei-Abiad, Name, I, 52.

Bachr-el-Arab, seine Mündung, I, 130; seine Bedeutung, II, 409.

Bachr-el-Ghasal, seine Mündung, I, 120; seine Bedeutung, I, 121; sein Inundationsgebiet, I, 124; sein Qefälle, I, 131; seine Be- deutung als Fluss, 1, 135; seine Länge, I, 493.

Bachr-el-Seraf, I, 109.

Bad im Tondj, I, 473 ; im Ssueh,

I, 493; im Monbattulande, 11, 66; im Käpili, II, 165; unfrei- williges, II, 181.218; mitDornen,

II, 277; im Biri, U, 395. Baghirmi, Landschaften im Süden

davon, I, 593.

Baginse-Berg, II, 230—34; Be- steigung desselben, II, 232.

Baggära-Araber, I, 70—72, 11,359. 413.

Baker, 11,426; über den Mwutan, n, 172; sein Spinat, n, 213; über Jagden, II, 249; Nachricht von seiner Unternehmung, 11, 282.

Bakka-Bakka, das Zwergvolk, 11, 143.

Bäki, II, 24.

Balaeniceps rex, I, 125. 126, II, 492.

Balanites, I, 24. 72. 84.

Ba-Londa, II, 8.

Bambus, I, 198. 259, II, 268. 270.

Bänke der Monbuttu, II, 122.

Baräbra, H, 337.

Barth über den Fluss von Eubanda und den Schari, I, 594; über Flussnamen, II, 164; über Fähren, U, 286; seine Erkundigungen,. U, 408.

Basimbeh, I, 519, II, 254.

Bataten, I, 427.

Baustil der Dinka, I, 167. 169, 171. 172; der Djur, I, 194. 228; der Bongo, I, 303; der Niam» niam, I, 479. 487, H, 21. 23. 251 ; der Monbuttu, II, 46. 127. 128; derGolo, II, 370; derKredj, II, 393; der Ssehre, II, 414.

Beduinen der ägyptischen Küste, I, 14; des südlichen Nubiens, I, 31. 32.

35*

548

Index.

Beerdigung von Hunden, I, 299;

der Niamniam, II, 38. Begrü88UDgen auf dem Weissen

Nil, I, 73; der Niamniam, II,

30; der Monbuttu, II, 95. 96. Behausung des Reisenden, II, 294. Belostoma, I, 154. Bendo, I, 487. Benue-Strom, I, 594. Besclmeidung der Monbuttu, der

Akkä, II, 153. Beschwörungen, I, 360. Bevölkerungsdichtigkeit der Schil-

luk, I, 92; der Bongo, I, 283;

der Niamniam, I, 504. 555, II, 4 ;

der Monbuttu, II, 87; der A-

Banga, I, 562, U, 193. 445; der

Babuckur, II, 274. Bienenplage, I, 79—81. Bierartige Getränke, I, 271; der

Bongo, I, 11>9; der Niamniam,

I, 525, II, 14. Bierkrüge des Nganje, II, 259. Biri-Fluss, II, 395. Blasebälge der Monbuttu, II, 116. Blattfresser, I, 520. 552, II, 218. Blaue Berge Baker's, II, 172. Blessing, U, 502. Bluttrinken, I, 571. Boddo, I, 508. Boiko, I, 397. Bombi, der Akkä, II, 139. Bongo, das Volk, II, 281—343;

die ausgewanderten, II, 286. Bongua, I, 583. Borassus, I, 156. 243. 407. Boscia octandra, II, 478; salici-

folia, I, 365, II, 357. Böser Blick, U, 343; Wirkung

eines solchen, II, 423. 424. Boote auf dem Bothen Meere, I,

595; der Monbuttu, I, 595, II,

121 ; der Djur, II, 299. Branntweinbrennen, I, 261.

Bruce über die Nilquellcn, I, 121. 1*'>2

Briefe nach Europa, II, 293. 351. 387; aus Europa, II, 282, 463.

Bucerosia, I, 24.

Büffel, wilde, I, 210. 230. 465. 495, II, 207. 276. 279. 415. 425; ge- fährliches Rencontre, I, 68—70 alarmiren ein Dorf, I, 75.

Bunsa, II, 63.

Burckhardt, II, 338.

Buschmänner mit den Akkä ver- glichen, II, 147. 148. 150.

Butter der Baggära, II, 429.

Butyrospermum, I, 241. 430.

Calamus, I, 496, II, 167. 202. Calotropis procera, II, 361. Canavalia, II, 416. Canis pictus, II, 290; variegatus,

I, 258. Canscora, II, 366. Capsicum, I, 277, U, 97. Capparis galeata, I, 25. Caracal, II, 294. 422. Carica Papaya, I, 567. Carpodinus, I, 209. 348. Cecropia, I, 581, II, 166. Cercopithccus, I, 66. 527. Ceremonienmeister Munsa's, II, 44. Centropus monachas, I, 376. Chalil, II, 319; seine Erzählung,

II, 341.

Chamaeleon laevigatus, I, 351. Champignons, II, 235. Chartum, II, 502; Seehöhe, 11,514. Chenalopex aegyptiacus, I, 59. Chinin, dessen Gebrauch, I, 137.

352—56. Chlorophytum, E, 128. Chromis, I, 258.

Chor-el-Rennem-Bach, II, 371. 372. Citharinus, I, 253. Ciarias, I, 253.

Index.

549

Coccinia djurensis, I, 294. Colanuss, ü, 53. 54. 93. Colobus guereza, I, 527. 552, II,

200. Colocasia, I, 483, II, 92. Combretum, I, 377. Compagnie soufriere, I, 12. 13. Corcborns olitorius, 11, 213. Cordia abyssinica, I, 598. Cordyla, I, 209. Cosmetomis Spekii, I, 386. Crinum, II, 169. Crotalaria intermedia, I, 277. Ctenopoma Petherickii, I, 254. Cubeba Clusii, I, 507, 11, 399. Cucumis Tinneanus, I, 422. Cucurbita maxima, I, 276. 501. Cussonia, U, 228. Cyauitgneis, 11, 233. Cynocephalus, II, 433. Cyperus-Rasen, I, 59.

Dag^dü, I, 373. Damuri, II, 361. Damvo-Hügel, II, 229. Dapper, über Pygmäen, II, 143.

144. Dangä, 11, 291. Dangaddulu, I, 403. Dar-Abu-Dinga, 11, 408. Dar-Fur, II, 461. Dar-Fertit, 11, 382. Dar-Schila, II, 408. Defafang-Berg, I, 75. Degbe, I, 401. Degberra, II, 163. Dem , Bedeutung des Wortes ,. II,

374. Dem-Adlän, II, 415. Dem-Bekir, II, 404. Dem-Gudju, II, 398. Denham über den Scbari, I, 593. Deragö, I, 436. Detarium microcarpum, I, 209.

Diagbe-Bach, I, 543, 11, 202.

Diamvonü-Bach, I, 556.

Dianthera, I, 215.

Diebstahl fehlt, H, 339.

Diospyros mespiliformis, I, 242.

Dimindö, I, 402.

Dinka, I, 159—72; Physiognomie,* I, 161 ; Behausung, I, 167. 169. 171. 172.

Dioscorea alata, I, 274, II, 92.

Distichodus rostratus, I, 253.

Djafer-Pascha, I, 48. 49, II, 504; seine Geschenke, II, 499.

Djau, n, 291.

Djuihr, I, 184.

Djur, das Volk, I, 218— 32, II, 352 ; Bedeutung des Namens, I, 218; Abstammung, I, 222; die des Westens, I, 411; Stämme, I, 207.

Djur-Fluss, 1, 202; seine Mündung, I, 134; Oberlauf, I, 491; Ent- deckung seiner Quelle, II, 229; sein Regime, ü, 299. 329. 380.

DjurÄb-el-Esch, I, 79.

I>oggaja-morr, II, 356.

Doggorü, 1, 365. 366, II, 285.

Dokkuttü, I, 399.

Dompalmen, I, 109. 199, n, 199.

Douglas, David, I, 552.

Drachenbänme, I, 23. 24.

Drimia, I, 294.

Dschidda, I, 16.

Du Chaillu über Pygmäen, n, 143.

Duggü, I, 369.

Duisberg, I, 46. 49.

Echinops, I, 390. Edidi, I, 585. Eida-Hügel, II, 365. Eierinseln, I, 19. Eisen, Werth desselben, I,- 228. Eisenarbeiten der Monbuttu, U, 116.

550

Index.

Eisengewinnung der Djur, I, 224.

226; der Bongo, I, 304—6. El Ais, I, 507.

Elais goineensis, I, 581, II, 93. 97. Elateriden, I, 390. Elefanten, ihre Ausrottung, 1, 150;

Spuren, I, 76. 184. 367. 438;

Jäger, II, 412 ; Tod eines Jungen,

II, 293. Eleusine coracana, I, 271. 486.

499. 531, II, 14. 259. Elfenbein, II, 271; monopolisirt,

II, 101; wiedergefundenes, II,

198. Elfenbeinhändler in Chartum, I,

5. 91. Elfenbeinhandel, I, 50. 192. 349.

414. 415. 521. 542, II, 27. 77.

260. 384. Encephalartus, I, 486. 513, II, 220.

267. 281. 392. 474. Entada scandens, II, 67 ; sudanica,

II, 353; Wahlbergii, I, 294. Entvölkerung von Nubien, I, 45;

des Bongolandes, I, 286. 343;

von Dar-Fertit, II, 383. Epikurismus, Versuchung dazu, II,

214. Erkauit, I, 27. Eriodendron anfractuosum, II, 123.

369. Eroberungen derChartumer, 1,284. Escayrac de Lauture, über Pyg- mäen, ü, 137. 144. Esel, II, 429.

Etheria CailUaudii, II, 472. Eulophia, II, 230. Eumenes tinctor, I, 350. Eunuch des Munsa, II, 56. Euphorbia abyssinica, I, 24; can-

delabrum, I, 129. 242. 329. 378;

venefica, I, d2a 329, II, 369. Euprepes quinquelineatus, I, 351.

Fallen für Elefanten, I, 299. 366. 435; für kleine Vierlüssler, I, 300; für Büffel, I, 230. 406.

Fahnen der Elfenbeinhändler, I, 148.

Faki, II, 431 ; von Darfur, U, 342; Grab eines, II, 309.

Fan, I, 514, II, 21.

Fanatismus, II, 340.

Farmkräuter, I, 597.

Faschoda, I, 85—87.

Fellhandel, I, 519. 529.

Feste, nächtliche, I, 359; der Bongo, I, 199. 384; bei Kurag- gera, I, 431; bei Munsa, II, 80—82.

Feuermachen, I, 571, II, 162.

Feuersbrunst, I, 345—47, II, 307— 12. 481.

Ficus lutea, I, 373, II, 361. 423.

Fieber, I, 138. 352.

Fische im Djurlande, I, 254.

Fischfang der Bongo, I, 299. 3J»J> : der Djur, I, 254, II, 471; der Monbuttu, II, 95.

Fleischextractzubereitung, II, 75. 250; sein Nährwerth, II, 213.

Flucht vor Schilluk, I, 107.

Frauen der Schilluk, I, 97; der Djur, I, 221; der Dinka, 1, 164, II, 130; der Bongo, I, 323— 26, U, 322; der Mittu, I, 407 443 46; der Niamniam, I, 510. 511. 528, U, 31. 193. 199. 202 4; der A-Banga, I, 565; des Bongua, I, 584 ; des Monsa, II, 53. 64. 102. 103; der Mon- buttu, II, 65. 96. 97. 110; der Babuckur, II, 275.

Fritsch, über die Buschmänner, n, 147.

Frösche, I, 576.

Fruchtbarkeit, 1, 188; dei Bongo-

. landes, H, 358.

Index.

551

Gadda-Fiu88, U, 160. Galago, I, 527, H, 101. Galerenstraflinge, I, 87. Galerienwald, I, 543—48. 580,

II, 177. Gänse, I, 58. 65. 262. Gardenia, I, 215. 223; malleifera,

I, 217. 477, n, 110. 128. Gartenbau, I, 235. Gastfreundschaft in den Seriben,

I, 200; bei Mohammed, I, 454; in A-uri, 1, 377 ; in Mvolo, 1, 422 ; bei Tuhami, II, 225; bei Chalil,

II, 319; bei Siber Rachama, II, 380; mangelnde bei Mangur, II, 396; bei Jumma, II, 402—4; bei Siber-Adlan, II, 415; gegen Sklavenhändler, II, 433. 434.

Geberdensprache der Akkä, II,

152; der Monbuttu, II, 95. Gefahr durch Schiesspulver, I, 42.

65; durch Kugeln, I, 89. 157.

357. 410. 490. 512. 537. Geister, böse, I, 335, II, 37. Geld, eisernes, der Bongo, I, 306. Genena, I, 197. Geographische Auskunft, 11, 70

72; Vorstellungen der Nubier,

II, 173—75. Gerben, I, 320, U, 126. Geschenke für die alte Schol, I,

144; für Munsa, II, 52; von

Munsa, II , 58. 70; an die 8e-

ribenverwalter, II, 288. Getena, I, 59. Getti-Bach, II, 354. Gewitterregen, I, 576, II, 81. 199.

223. Ghattas, I, 49 ; sein Tod, II, 287 ;

sein Territorium, I, 190. Giabir, I, 552; seine Flucht, II,

300. Gieseckia, I, 292. Gigji, I, 398.

Giglioli, I, 558.

Gir, I, 197. 251.

Giraffen, I, 184. 197.

Gitta, II, 216.

Glasperlen, I, 164. 327. 541, II,

345. Glühwürmchen, I, 118. Gneis, I, 484. 490. 514. 576. 598,

II, 167. 205. 266. 365. 366. 405. Goggo, I, 421K Golo, II, 368. Gottesbegriff der Bongo, der Niam-

niam, der Monbuttu, II, 129. 130. Gräber der Bongo, I, 312. 332.

333; der Djur, 1,231; der Mittu,

I, 450. Grab des Janga, II, 421. Grant, I, 485.

Grasbarre, I, 114. 115. 118. Gresse-Bach, II, 398. Grewia moUis, I, 365. 500. Grünsteine, I, 35. Gubbihi-Höhle, I, 254—57. Guga, Kornurnen, II, 313. Gumango-Hügel, I, 485. 486. Gumba, I, 482. Gummi arabicum, I, 104. Gurfala, I, 259. Gurrugürru, I, 564, II, 114. Gynandropsis, I, 292.

Haarwuchs der Schillnk, I, 78. 96. 97; der Dinka, I, 162; der Bongo, I, 290; der A-Banga, I, 564; der Niamniam, II, 7—9; der Monbuttu, II, 107. 112; der Akkä, II, 148; der Baggära, U, 360; dier Siehre, II, 413.

Habenaria crocea, II, ^78.

Habzelia aethiopica, I, 507. 595.

Hagelfall, II, 297.

Haliaetos vocifer, I, 103, II, 333.

Hallen des Munsa, U, 46. 82.

Hängebrücke über den Ssueh, II,

562

Index.

244; über den Tondj, II, 260. 261.

Hartmann, Prof. R., I, 558.

Hassanie-Araber, I, 63.

Häuptlinge der Niamniam, 11, 23. 24. 39. 304; der Monbuttu, H, 88; derAkkä,n,137; derKredj, n, 383.

Hautfarbe der Dinka, I, 160; der Bongo, I, 287. 288; der Mon- buttu, U, 106; der Akkä, 11, 142; der Kredj, II, 385.

Havel, ihr Analogen in Afrika, I, 124.

Heirath der Bongo, I, 330; der Niamniam, U, 31; aus Lang- weile, I, 43; des Giabir, II, 228.

Helläli, H, 283. 348, 349.

Helmia bulbifera, I, 275; Karra, II, 417.

Hcmidactylus verruculatus, I, 351.

Herminiera Elaphroxylon , I, 67. 113. 136.

Herodian, über Kaiser Commodus, n, 249.

Herodot, über Pygmäen, I, 134.

HetcrometruB palmatus, I, 301.

Heterotis niloticus, I, 253.

Heuglin, U, 86. 355. 361. 362.

Hexalobus, I, 426.

Hexenglaube der Bongo, 1, 336—38.

Hibiscus cannabinus, I, 277; es- culentus, 1, 104. 276 ; Sabdariffa, I, 276, n, 352.

Hinrichtung eines Bongo, II, 477.

Hiobspost, II, 246. 315.

Hitze auf dem Rothen Meer, 1, 17.

Hofburg MunBa's, U, 69.

Hofnarr des Munsa, II, 55.

Höhenangaben, gemessene, II, 512—14.

Holzschnitzerei der Bongo, I, 310. 313; der Niamniam, II, 30; der Monbuttu, II, 120. 124.

Homer, über die Pygm&en, I, 133. Honig, wilder, II, 178. Honigdachs, H, 294. Homblendeschiefer, I, 202, II,

397. Hühner der Niamniam, II, 211;

der Monbuttu, H, 94; der Akkä,

II, 154. Humboldtia, 1,367.424. 469, U,279. Humboldt-Stiftung, I, 4. Hundefleisch gegessen, I, 442, II,

201. Hunde der Schilink, I, 98; der

Bongo, I, 298; der Niamniam,

II, 16. 17. 258; der Monbuttu,

II, 94; des Munsa, II, 72. Hunger, U, 211. 284. Huuh-Fluss, I, 494, II, 215. 242. Hyänen, II, 221. 425. Hyänenweib, II, 495. Hydrocyon Forskalii, I, 253. Hydrolea, II, 371. Hymenodictyon, II, 230. Hyphaene thebaica, I, 109. 199,

U, 198. Hyptis spicigera, I, 273, U, 352. Hyrax, I, 72, 418—20.

Ibrahim-Effendi, II, 381. Ichneumon, I, 388, H, 294. Ichtyboros microlepis, I, 253. Idris, der Verwalter, 1, 193; meine

Vorwürfe gegen ihn, II, 314. Idris- Wod-Defler, II, 367. Indimma, U, 255. Inglerif I, 529. Ipomea asarifolia, I, 64. Isingerria, I, 586—88. Islam, keine Propagandt, II, 239. Ismael-Pascha, sein Bonmot,

122. Itinerare, erkundigte, II, 515--

24; der Niamniamreiee, 11,282;

Yon Rikkete zu Kann«, II, 254—

Index.

553

57; von Kuddu nach Mbömo, II, 269; von Seriba Siber nach Kordofan, II, 387—89; auf dem Gazellenflusse, IT. 491—95.

Jabo, 1, 515.

Jagden auf Leucotis- Antilopen, I, 204, n, 166. 249 ; auf Büffel, I, 210, II, 207. 365; auf Bastard- Gemsbock, I, 237 ; fiuf Elenn, 11, 264; bei Dumukü, I, 264; auf Buschböcke, II, 271; auf Harte- beests, I, 392, H, 247. 276. 280; auf Elefanten, I, 427. 464. 476, II, 27; auf Perlhühner, I, 498. 499. 527, II, 219. 221. 235. 418. 425; auf Schimpanse, I, 560; auf Nilpferde, II, 169. 329—32; auf Leoparden, II, 272; auf Jalo- Antilopen, II, 465; auf Aula- codus, II, 402. 465; Schwierig- keiten derselben, II, 248.

.Jagdregel der Niamniam, II, 27.

Jagdtrophäen, I, 556 ; der Ssehre, n, 415.

Jubbo-Fluss, I, 516, II, 207.

Jumma, II, 402.

Juru, I, 570.

Kaka, I, 77.

Kämbele-Bach, II, 167.

Kampf mit den A-Banga, II, 186 88. 191.

Kanna, II, 61. 256. 257.

Kannibalismus, I, 471. 549, II, 236 38. 240; der Monbuttu, II, 98—100.

Käpili-Fluss, II, 164.

Karavanen, Ordnung derselben, I, 148. 455. 522. 555; Ceremonien, I, 460.

Karavanenstrassen des Sklaven- handels, II, 449.

Karra-Bach, II, 365.

Karren, chinesische, II, 323.

Kaschgar, I, 100, II, 495.

Katzen, I, 349.

Kaua, I, 66.

Kauri-MuBcheln, I, 446. 541.

Kerö, I, 426.

Ketten der Monbuttu, II, 117.

Kibali-Fluss, II, 160. 167—73.

Kifa, n, 61.

Kigelia, I, 151.

Kilnoki, I, 252. 253.

Kischi-Bach, II, 219.

Kitt, Sackgasse, I, 133. 134. 136.

Klippschliefer, I, 72.

Kleidung des Reisenden, I, 463,

II, 319. 320; der Dinka, I, 164;

der Bongo, I, 322; der Mittu,

I, 446 48; der Niamniam, I, 519, n, 6 ; der A-Banga, I, 563 ; der Monbuttu, 11, 93. 110; der Monbuttuweiber,II, 53; Mnnsa's,

II, 49; eines Akkä, II, 137. Kobbo-Koio-Bach, II, 399. Kölle, V., über Pygmäen, II, 137.

145.

Körbe der Monbuttu, II, 126.

Korbflechterei der Bongo, I, 318. 579.

Kornspeicher der Djur, der Bongo, der Niamniam, I, 487; Munsa's, II, 105; derKredj, 11,394; der Golo, II, 370.

Körperbeschaffenheit der Nuer, I, 128; der Bongo, I, 289; der Dinka, 1, 159; der Mittu, I, 440; der Niamniam, II, 4—6; der Monbuttu, II, 108; der Akkä, II, 149; der Kre^j, II, 384.

Körpergrösse der Bongo, I, 289; der Dinka, I, 159; der Akkä, II, 140. 142; der Buschmänner, n, 147.

Körpermessungen, I, 347. 356. 510. 570.

554

Index.

Kosaria palmata, I, 24().

Kotschy, I, 62, II, 356.

Kraniche, I, 103. 134.

Krapf über Pygmäen, II, 146.

Krankheiten, IL 343.

Kredj, das Volk, II, 384—86.

Krieg zwischen Jumma und Sso-

longoh, II, 407. Kriegserklärung des üando, II,

171». Kriegsgeschrei der Kiamniam, II,

25. 26. Krokodile, I, 124, II, 354. Kubbi, II, 167. 168. Kuddu, I, 436. Kühle Witterung, I, 87. 116, II,

314. Kulenscho, I, 41>6. Kalongo, I, 254. Kupfer, I, 327'; Werth desselben,

I, 541, II, 380; bei den Mon- buttu, II, 117.

Ku])ferminen von Darfur, II, 116. 283. 389; von Loango, II, 117. Kuraggera, I, 429. Kurl)at8che, II, 334. Kurdjuk, II, 488. Kurkur, II, 28«». 290. Kumuk, II, 354. Kurschuk-Ali, II, 282. Kuru-Fluss, II, 371. Kussumbo-Bach, I, 581. Kutj, I, 158, II, 486.

Labeo Forskalii, I, 254.

Lafargue, I, 42.

Lager der ägyptischen Truppen,

II, ;U7. 374.

Lagerleben in der Wildniss, II,

242. Lanzen der Bongo, I, 307; der

Monbuttu, II, 119. Läo-District, I, 154, II, 487. Läo-Stamm, I, 140.

Landseen, II, 71.

Lates niloticus, I, 253.

Legbi, I, 424.

Lehssi-Bach, I, 470, 11, 268 ; Pas- sage, II, 277.

Lehssi-Stamm, I, 412. 416.

Lehnen der Monbuttu, 11, 123.

Lcnina, I, 113.

Leoparden, II, 272.

LeopardenfeUe, I, 520.

Lepidosiren, I, 145.

Leptadenia, I, 82.

Lichtenstein, über die Busch- männer, II, 150. 152.

Limnicularia flammea, I, 376.

Limnicolaria nilotica, I, 376.

Lindukü-Bach , I, 524. 5:32, II, 206.

Livingstone, sein äusserster Punkt, II, 157 ; über Wasserreicht huni, II, 200; über den Hyänenhand, II, 291.

Lobelia, II, 230.

Löllo-Flussarm, II, 497.

Longo, II, 357—59.

Lophira alata, I, 485, II, 394. 418.

Löwen, I, 391. 398. 437, II, 165, 328.

Luba, das Volk, I, 439. 445.

Luffa acutangula, I, 74.

Lutra inunguis, I, 519.

Mabüde, II, 89.

Macrodypteris longipennis, I, 387.

Maddah, II, 237.

Madi, I, 438.

Mah-Bach, I, 468, II, 279.

Maia-Signora, I, 115.

Mais, I, 234, II, 17. 92. 128. 270.

Makkarakkä, ü, 8. 227.

Malzac, I, 36(>.

Manatus Vogelii, 11, 169.

Mangala-Spiel, U, 32.

Index.

655

Manihot, I, 515. 565—67, II, 92. Mansilli, I, 496. Mantis, I, 390. Manujema, II, 106. Maoggu, II, 90. Maschirr-Hügel, II, 280. Massansa, II, 89. Matuüli, I, 377. Marabu-Störche, I, 116, U, 418.

420. 478. Markt bei den Schilluk, I, 109.

110.

Matamma, I, 43.

Mbala-Ngia-Berge, I, 468.

MbäH, II, 41.

Mbanga, I, 476, U, 24.

Mbio, II, 208 ; seine Tapferkeit, II, 236.

Mbömo, n, 263. 268. 269.

Mbrüole-Fiuss, I, 537, U, 202. 203. 256.

Menschenfett, n, 98 ; als Beleuch- tungsniittel, II, 243.

Merdjän, U, 219.

Meschera, I, 133. 136. 139, II, 489.

Meteorologisches, I, 352—55, II, 297. 298. 320. 411. 416. 475.

Mimosa asperata, I, 66.

Milane, II, 247.

Mittu, das Volk, 1, 438-51, H, 201; als Träger, I, 456.

Modecca abyssinica, I, 144, II, 352.

Mofio, I, 512, n, 435.

Mohammed- Abd-es-Ssammat, meine erste Bekanntschaft mit ihm, I, 106; seine Gastfreund- schaft, I, 361. 363. 455; verhöhnt die Feinde, II, 190 ; schenkt mir einen Elefanten, II, 293; auf seinem Zuge nach Westen, II, 369. 376.

Mohammed- Amin , I, 69. 76, II, 161.

Mohammed-Cher, I, 76.

Mohnul-Bach, II, 289. 318.

Momwu, das Volk, II, 89.

Monbuttu, das Volk, II, 85—130; ihre Zudringlichkeit, II, 161.

Mondnächte, I, 369; auf dem Rothen Meer, I, 20.

Möndu, II, 227.

Mongolongbö-Bach, I, 466.

Mongöno-Bach, II, 366.

Montbretia, H, 278.

Moose,^ I, 28.

Morelia senegalensis, II, 355.

Moro, I, 406.

Mormyrus cyprinoides, I, 254.

Monis angolensis, I, 568.

Muatajamwo, II, 105.

Mückenplage, I, 116.

Mucuna urens, I, 389, II, 177.

Muhdi, II, 421.

Mummeri, II, 77. 79. 139.

Mundo des Petherick, I, 263.

Mungo-Park, I, 589.

Munsa, sein Aeusseres, II, 50; hält eine Rede, II, 56 ; seine Schwester, n, 64; seine Freundschaft für Mohammed, II, 41 ; sein Besuch im Lager, II, 82; als Protector der Pygmäen, II, 155.

Muntass-Pascha, I, 21. 26.

Murach, Bedeutung des Namens, I, 179.

Murhaga, II, 394. 442.

Musa Ensete, I, 486, II, 231.

Musa sapientium, I, 216. 485. 565, n, 92; ihre Urform, II, 231.

Musik derBongo, 1,314 17; der Mittu, I, 426. 450; der Madi, I, 450; der Niamniam, II, 33; der Monbuttu, II, 81.

Musikalische Instrumente der Bongo, II, 421. 422; der Mittu, I, 449; der Niamniam, II, 34; der Monbuttu, II, 126.

556

Index.

Masikanten Munsa's, ü, 55. Mycteria senegalensis, II, 332. Myristica, I, 568, II, 400. Mvolo, I, 413. 417. Mwutan-See, 11, 172.

Nabambisso-Bach, I, 505.

Nalengbe, 11, 101.

Napormpomi-Bach, I, 534.

Nasaraonen, I, 134.

Nathalia, I, 484.

Nduppo, I, 517—19; sein Tod, I,

554. Ndönima, II, 304. Negger-Schiffe, I, 55. Neophron pileatus, I, 104. Nembe, I, 580. Ngama, I, 448.

Nganje, I, 476. 479. 480, H, 259. Ngoli, I, 462, n, 280. Ngulfala, II, 420. Niamniam, das Volk, I, 205, II, 1 39; erstes Zusammentreflfen mit ihnen, I, 474 ; ihre Haitang, I, 530; ihre Namen, II, 3. Nicotiana Tabacum, I, 278. 588, n, 16. 92; rustica, I, 278. 295. Nieng, I, 127.

Nilstrom an der Vereinigung des Weissen und des Blauen, I, 44. Nilpferde, I, 64. 124, n, 169. 331 ; in die Enge getrieben, I, 119; im Sterben, II, 492. Njedokü-Bach, 11, 291. 318. Njemäti-Berg, I, 70. 72. No-See, I, 119. Nomäjo-Fluss, 11, 77. Nomatilla-Fluss, I, 207. 492. Nsewue, der Akkä, 11, 73. 140. 153. 158. 195; beim Einzug in Ssabbi, II, 281; sein Tod, 11, 142. 507; als Schütze, ü, 295. Nubier, II, 336—47; ihre Lustig- keit, I, 88; ihre Schwimmkunst, |

n, 161. 170; ihre Gleichgültig-

keit gegen den KannibaUsmni.

n, 239; ihre Tugenden, 11, 346;

ihre Antipathie gegen Aegyptcr,

n, 396. Nuer, das Volk, I, 115. 127. 128. Nymphaeen, I, 122. 130.

0-Bäk, Brunnen, I, 39. Obongo, das Volk, n, 143. Oelbaum, I, 29. Oelgewinnung, n, 97. Okel, I, 217. 0-Mareg, I, 34. Om-Mandeb, I, 66. Oncoba spinosa, I, 208. Ophiocephalus obscums, I, 254. Orchideen, 11, 228. Ori, Dr., ü, 86. 506. Oryza punctata, I, 271. Otolicnus Pelei, II, 104; Teng, I, 527.

Palme, über Sklavenranb, 11, 450.

Pandanus Candelabrum, I, 538.

Panicum turgidum, I, 58.

Pängo-Fluss, n, 363. 412; Ober- lauf, n, 406.

Papyrus, I, 111, H, 217.

Parinarium polyantberuro, n, 267.

Parkia, I, 221. 242, U; 357.

Parra africana, I, 146.

Pauken der Niamniam, 11, 26. 27; der Monbuttu, II, 122.

Paviane, I, 216.

Pelikane, I, 76.

Pelomedusa Grehafie, 1, 132, 11, 483.

Penicillaria, I, 271.

Penio, I, 474.

Perlhühner, I, 465. 498, n, 219. 357.

Petherick, John, I, 156. 225. 246. 411. 413. 423, n, 289.

Pfeile der A-Banga, 1, 573, ü,

Index.

557

187; der Monbuttu, II, 119; in

der Zeltspitze, II, 204. Pfeügift, I, 278. 328. Pfeilhagel, H, 197. Pferdeschweiss als Kur, II, 344. Piaggia, I, 471. 518, U, 62. 292. Püze, I, 292.

Phacochoerus, I, 217, II, 271. Phaseolus lunatus, I, 272, II, 271;

Mungo, I, 272. Phoenix epinosa, I, 465. 506. 515,

II, 281. 365. Phrynium, II, 205. Phyllorhinus cafifra, I, 372. Phyton Sebae, I, 394. Platin, II, 118. Platyceriura Elephantotis , I, 547.

578, U, 177. Plotus melano gaster, I, 123.

Pogeo, I, 373.

Politisches Glaubensbekenntniss,

U, 473. Polyporus, I, 293. Polypterus, I, 145. 253. 254. Poncet, I, 413. 414. 423, U, 86;

seine Seriba bei den Monbuttu,

II, 75. Popukki-Gras, I, 475. 484- Porphyr, I, 35. Port-Reck, I, 133. Potamochoerus penicillatus, II, 83. Prosopis lanceolata, I, 208, II,

354. Protea sp., I, 467; abyssinica, II,

228. 366. Protokoll über eintn Todesfall, I,

158. Psammophis punctatus, I, 170;

sibilans, I, 170. Psittacus erythacus, U, 94. 113. Pterocarpus, I, 292. Pterolobium santalinoides, I, 568. Ptilopachus, I, 421. Putz der Dinka, I, 165; der Djur,

I, 220 ; der Bongo, I, 308. 309. 324; der Mittu, I, 442; der Niamniam, II, 9; des Munsa,

II, 49. 104. Pygmäen, II, 131 55. Pygmäensage der Alten, II, 133 35. Pyrrhi Aetiopes, II, 108. Python Sebae, I, 89. 170.

Raben, I, 104.

Raphia vinifera, I, 217. 585.

Raseneisenstein, 1, 195. 534, II, 482.

Ratten, II, 422.

Rauai, Salinen, I, 18.

Razzien auf Vieh, I, HO. 247, II,

296. 485. Regenzeit, Ende derselben, II, 297. Reggo, I, 427. Reisepläne nach Süden von Munsa,

zur zweiten Niamniamtour, II,

288. 298. Rei-Bach, I, 484. Reisbau, I, 270. Religiöse Vorstellungen der Schil-

luk, I, 99; der Bongo, I, 334;

der Niamniam, II, 35; der Mon- buttu, n, 129. Richän, der Koch, I, 53. 65. 552. Rikkete, I, 523. 525. Rindenzeug, II, 109. Rindercultus der Dinka, I, 176. Rinderrasse der Hassanieh, I, 63;

der Baggära, Preise, I, 73; der

Dinka, I, 173. 178; derMaöggu,

I, 586, II, 69. Rinderreichthum der Dinka, I,

152. 250; der Hassanieh, I, 63. Rinderseuchen, II, 296. Roah-Fluss, I, 399. Rohl-Fluss, I, 408. 409. Rokko-Feigenbaum, I, 487, II, 93. Rothes Meer, unterseeische Pracht,

I, 17.

558

Index.

Salz, I, 295. bW.

Salzmangel, II, 22U.

Sänger der Niamniam, I, 483, II, 34. 258; Munsa's, II, 55.

Sanseviera Elirenbergiana, I, 24.

Sarcocephalus, I, 209.

Säugethiere, einheimischo Namen, II, 525-37.

Schädelsammlung, I, 376, II, 59. 160. 185. 191; Geschichte dreier Schädel, II, 239. 432.

Schafrasse der Bischarin, I, 37; der Dinka, I, 173. 174.

Schari-Fluss, I, 592, II, 88. 171.

Schlangen, I, 374; Verehrung der- selben, l, 170.

Schcbber-digintu, II, 132.

Schekka, II, 388.

Schemel der Monbnttu, II, 123.

Scherlfi, I, 370, II, 301.

Schi£fsbau in Chartum, I, .05 57.

Schilbe, I, 254.

Schilde der Niamniam, I, 479; der Monbuttu, II, 124.

Schilf, I, 117.

Schilluk, das Volk, erstes Ben- contre, I, 68; als Steuerzahler, 1,84; Dörfer, 1,94; äussere Er- scheinung, I, 95.

Schmerzcnslaute derEingeborenen,

I, 573. Schmetterlinge, I, 215. 548. Schminke, rothe, der Monbuttu,

II, 112.

Schol, ihr Reichthum, I, 141 ; ihr Gatte, I, 143; Ueschenko für sie, I, 144; Abschied, I, 152; Ermordung derselben, II, 356.

Schrittzählen, II, 316. 426.

Schwefelminen von Gimsach, I, 14—16.

Schweinefleisch als Cur, II, 341. 342.

Schweinfurthia pterosperma, 1, 38.

Sciurus leucumbrinus, I, 420.

Scopus umbrettn, II, 332.

Seifenkochen, I, 377.

Selim, II, 358.

Seneca, über die Centurionen

Nero's, I, 137. Seriba, Etymologie, 1, 51 ; Ghattas,

I, 188. 193, II, 287. 307. 478; Kurschuk- Ali , I, 205, II, 299; Siber-Rachama, II, 372 74; Erbauung einer, II, 210.

Seribenrecht , I, 247. 455, II,

Sesam, I, 250, II, 92.

Siber-Rnchama, sein Hof halt, II, 379; seine Streitmacht, II, 349. 384.

Silei-Berge, II, 226.

Singat, I, 26.

Sklaven, Preise, II, 435. 436; Kategorien derselben, II, 438 45; an Bord, 11,497. 500; Con- flscation, II, 498.

Sklavenhandel, I, 375. 376, II, 23. 427 61; Geschichte desselben im Gebiete, II, 383. 450—52; seine Quellen, 11,447— 49; Mittel zur Unterdrückung de8sen>en,

II, 458; auf dem Rothen Meere, II, 456.

Sklavenhändler, II, 322. 328. 335. 359. 367. 371. 374. 411. 428—31 ; Klassen derselben, II, 434; aus Tunis, I, 206.

Sklavenkaravane, I, 400.

Skorbut, II, 399.

Skorpione, II, 476.

Sobat-Fluss, I, 107.

Soldaten, ägyptische im Lande, II, 283. 376.

Söldner der ohartnmer Elfenbein- bändler, 1, 54, II, 196; ilir Lohn, 1, 191 ; schwarze, 1, 522, II, 19b. 236. 438; ihre Anzahl, U, 445;

Index.

557

187 ; der Monbuttu, II, 119 ; in

der Zeltspitze, II, 204. PfeUgift, I, 278. 328. Pfeilhagel, H, 197. Pferdeschweiss als Kur, II, 344. Piaggia, I, 471. 518, U, 62. 292. Püze, I, 292.

Phacochoerus, I, 217, II, 271. Phaseolus lunatus, I, 272, II, 271 ;

Mungo, I, 272. Phoenix spinosa, I, 465. 506. 515,

II, 281. 365. Phrynium, II, 205. Phyllorhinus cafifra, I, 372. Phyton Sebae, I, 394. Platin, II, 118. Platyceriura Elephantotis, I, 547.

578, II, 177. Plotus melanogaster, I, 123. Pogeo, I, 373. Politisches Glaubensbekenntniss,

n, 473. Polyporus, I, 293. Polypterus, I, 145. 253. 254. Poncet, I, 413. 414. 423, H, 86;

seine Seriba bei den Monbuttu,

II, 75. Popukki-Gras, I, 475. 484. Porphyr, I, 35. Port-Reck, I, 133. Potamochoerus penicillatus, II, 83. Prosopis lanceolata, I, 208, II,

354. Protea sp., I, 467; abyssinica, II,

228. 366. Protokoll über einen Todesfall, I,

158. Psammophis puuctatus, I, 170;

sibilans, I, 170. Psittacus erythacus, II, 94. 113. PterocarpuB, I, 292. Pterolobium santalinoides, I, 568. Ptilopachus, I, 421. Putz der Dinka, I, 165; der Djur,

I, 220 ; der Bongo, I, 308. 309. 324; der Mittu, I, 442; der Niamniam, 11, 9; des Mansa,

II, 49. 104. Pygmäen, II, 131 55. Pygmäensage der Alten, II, 133—35. Pyrrhi Aetiopes, II, 108. Python Sebae, I, 89. 170.

Raben, I, 104.

Raphia vinifera, I, 217. 585.

Raseneisenstein, 1, 195. 534, 11,482.

Ratten, U, 422.

Rauai, Salinen, I, 18.

Razzien auf Vieh, I, 110. 247, II,

296. 485. Regenzeit, Ende derselben, II, 297. Reggo, I, 427. Reisepläne nach Süden von Munsa,

zur zweiten Niamniamtour, II,

288. 298. Rei-Bach, I, 484. Reisbau, I, 270. Religiöse Vorstellungen der Schil-

luk, I, 99; der Bongo, I, 334;

der Niamniam, II, 35; der Mon- buttu, II, 129. Richän, der Koch, I, 53. 65. 552. Rikkete, I, 523. 525. Rindenzeug, II, 109. Rindercultus der Dinka, I, 176. Rinderrasse der Hassanieh, I, 63;

der Baggära, Preise, I, 73; der

Dinka, 1, 173. 178; der Maöggu,

I, 586, U, 69. Rinderreichthum der Dinka, I,

152. 250; der Hassanieh, I, 63. Rinderseuchen, II, 296. Roah-Fluss, I, 399. Rohl-Fluss, I, 408. 409. Rokko-Feigenbaum, I, 487, II, 93. Rothes Meer, unterseeische Pracht,

I, 17.

560

Index.

Selbstveratilmmelung, II, 212; mordax, I, 378.

Termitenhügel, I, 128; Wohlthat eines, II, 212.

Terminalia macroptera, 1, 463. 464.

Tetmoceras, n, 221.

Thibaud, II, 507.

Tikibö, U, 101.

Tikkitikki, U, 140.

Tinne, MUe., ihre Expedition, II, 355. 356.

TithymaluB, U, 267. 402.

Tmetoceras abyssinicus, I, 339.

Todesfall, I, 515.

Töpferei der Bongo, I, 319; der Niamniam, II, 28 ; der Monbuttu, U, 125.

Tomborü-Bach, I, 375.

Tondj-Fluss, I, 196. 364. 473, U, 261. 286; Oberlauf, U, 227; Pa&sage, II, 285.

Trager, bequemes Reisen mit den- selben, 1,149. 462; ihre Obliegen- heiten, II, 242; ihre Leistungen, U, 470.

Träume des Reisenden, II, 215.

403. Treculia, I, 567. Trichilia retusa, II, 355. Troglodytes niger, I, 536. 552.

557. 561, n, 83. Trumbasch, II, 11. Turra, I, 62. Tuhami, I, 582, U, 225.

üando, I, 513. 521. 540. 549, II, 37; seine Feigheit, II, 194; seine Kriegsrüstungen, II, 176.

üeberfall der Agar, I, 246; ver- suchter auf Mohammed, I, 543 ; auf sechs Nubier, I, 551 ; beim Botanisiren, I, 573; auf Skla- vinnen, I, 574; auf Mohammed, U, 182—84; nächtUcher, U, 191 ;

durch Ameisen, II, 243; auf drei Bongo, II, 236; des detachirten Corps, U, 246. 252—54; der Dinka auf zwei Kubier, II, 292; auf die Karavane Mohammed's, U, 301; auf Abu-Gttrün*8 Seriba, II, 303; Ndoruma's über die Kubier, U, 324—28.

Uelle-Strom, I, 569—93; Passage, I, 595; sein Ursprung, II, 171; von Barth erkundigt, II, 409.

Uferbiidung, I, 408; des Weissen Kils, I, 59.

Uncaria, II, 120.

Unterhandlungen mit den Feinden, n, 180.

Uohba-Berge, I, 435.

üohko, I, 402. 401.

Uringama, U, 268.

Urostigma Kotschyana, II, 93. 109.

Use-Fluss, I, 516.

üsnea, I, 28. 577, U, 177.

Valisneria, I, 132.

Vangueria edulis, I, 209.

Varanus, I, 66.

Vatica, I, 365, U, 371.

Vayssiere, I, 201.

Vegetationsbilder der Inseln im Weissen Nil, I, 66; derMeschera. 1, 140 ; im Dinkalande, 1, 155, II, 482; inGenena,I,197;amDjar,l 208. 214; bei der Seriba GhatU^. I, 239. 244; am Hohl, I, 412: am Roah, I, 436; am Teh, I. 466; bei Kganje, I, 481; am Ssueh, I, 494; am Mansilh't I. 496 ; bei Kulenscho, I, 497. 4i<^. 502; am Boddo undKabambisso, I, 506. 507; am AtasiUi, 1, 527 ; am Kapormporru, I, 535; am Diagb6, I, 543—48; am Kus- 8un.bo, I, 580; im Monbuttu-

Index.

561

lande, I, 597, II, 90. 177; am Linduku, II, 206; am Lehssi, n, 268.

Verirrung im Walde, 1, 202, II, 223.

Victoria regia, I, 130.

Yigna sinensis, I, 272.

Vitex Cienkowskii, I, 209. 242.

Vitis Schimperi, II, 251.

Yoandzeia, I, 273.

Vossia procera, I, 67. 117.

Waaren der Sklavenhändler, 11,

429. Wachs, n, 178. Wafifen der Dinka, I, 166; der

Bongo, I, 327—29; der Mittu,

I, 451; der Niamniam, II, 10 12. 30; der A-Banga, II,' 192; der Monbuttu, II, 115; Luxns des Munsa, II, 48; der Ssehre,

II, 414.

Wäsche bei Munsa, II, 84; in Dangä, II, 292.

Wau-Fluss, I, 207, ü, 351.

Wasserscheide zwischen Nil und Bothem Meer, I, 34; des obem Nils, I, 524. 533. 536; zwischen Lehssi und Koäh, 11, 269; zwi- schen Kuru und P&ngo, n, 370; zwischen Pängo und Getti, 11,420.

Weizen, I, 270.

Welse, I, 253.

Wiesengewässer, I, 490. 514. 576, n, 178. 205. 208. 247. 276.

Wod-Schellai, I, 60.

Wunden durch Grasschnitte, I, 260.402; Behandlung derselben bei den Bongo, I, 254; des Giabir, I, 574; der Niamniam- zügler, II, 258; des Mohammed, n, 183. 196; durch einen Pfeil, n, 295; des Siber-Rachama, II, 379; Behandlung derselben bei den Djur, U, 352.

Xeropetalum, I, 425. Ximenia laurina, I, 208.

Zählen der Neger, I, 434.

Ziegenrasse der Bischarin, I, 36; der Dinka, I, 175; der Bongo, I, 297; der Mittu, I, 441; der Momwu, n, 74.

Zizyphus Baclei, I, 390.

Zizygium guineense, II, 355. .360.

Zuckerrohr, I, 525. 587, II, 92. 163.

Zwergvölker in Afrika, ihre Ver- breitung, U, 142. 147.

Zwiebeln, I, 277.

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36

Berichtigungen.

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