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University of Wisconsin

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Inſel— Almanach

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Im Inſel⸗Verlag zu Leipzig IM

Kalendarium für das Jabr 1922

aft fahren hin das Allzufluͤchtige!

Ihr ſucht bei ihm vergebens Rat: in dem Vergangnen lebt das Tüchtige, verewigt fih in ſchoͤner Tat.

Und ſo gewinnt ſich das Lebendige durch Golg’ aus Folge neue Kraft; denn die Geſinnung, die bejtandige, ſie macht allein den Menſchen dauerhaft.

Goethe

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H= den Rat, den die Leier tönt;

doch er nutzet nur, wenn du fähig biſt. Das glücklichſte Wort, es wird verhöhnt, wenn der Hörer ein Schiefohr iſt.

„Was tönt denn die Leier?“ Sie tönet laut: Die ſchönſte, das iſt nicht die beſte Braut;

doch wenn wir dich unter uns zählen ſollen, ſo mußt du das Schönſte, das Beſte wollen.

Goethe

Johann Georg Hamann: Gedanken

wife Name möge niemals zunftmäßig werden, wenn ich meine Tage den göttlich ſchönen Pflichten der Dunkelheit und Freundſchaft weihen kann. Dieſe iſt bisher mein Glück, mein Verdienſt, mein Schutzgeiſt, und durch ſie meine Entfernung für die Vergeſſenheit, meine Gegenwart für den Überdruß meiner Freunde ſicher geweſen. Ihre Einſichten und Geſinnungen ſind die einzigen Güter, auf deren gemein⸗ ſchaftlichen Beſitz ich mir erlauben will eigennützig und eifer⸗ ſüchtig zu fein. 5

Genie ift eine Dornenkrone und der Geſchmack ein Purpur: mantel, der einen zerfleiſchten Rücken deckt.

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Für meinen eigenſinnigen Geſchmack gibt es keine Schönheit ohne Wahrheit, Güte und Größe, und meine überſpannte Ein⸗ bildungskraft (denkt fih) unter jeder Schminke des Witzes und guten Tones eine ſieche, gelbe, ekle Haut, die mein ganzes Gefühl empört. '

*

Die Wahrheit wollte fih von Straßenräubern nicht zu nahe kommen laſſen; ſie trug Kleid auf Kleid, daß man zweifelte, ihren Leib zu finden. Wie erſchraken ſie, da ſie ihren Willen hatten und das ſchreckliche Geſpenſt, die Wahrheit, vor ſich ſahen!

x

Die Wahrheit macht uns frei, nicht ihre Nachahmung, fon: dern ein ſympathetiſches, lebendiges Gefubl, das unſern Worten und Handlungen zugrunde liegen muß.

*

Die Selbſterkenntnis ift die ſchwerſte und höchſte, die leichteſte

und ekelhafteſte Naturgeſchichte, Philoſophie und Poeſie. *

Ich hab es bis zum Ekel und Überdruß wiederholt, daß es den Philoſophen wie den Juden geht und beide nicht wiſſen, weder was Vernunft noch was Geſetz iſt, wozu ſie gegeben: zur Erkenntnis der Sünde und Unwiſſenheit, nicht der Gnade und Wahrheit, die geſchichtlich offenbart werden muß und ſich nicht ergrübeln noch ererben noch erwerben läßt.

*

Geſetz und Propheten gehen auf Leidenſchaft von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften - auf Liebe. Über die deutlichen Begriffe werden die Gerichte kalt und verlieren den Geſchmack. Doch Sie! wiſſen es ſchon, daß ich ebenſo von der Vernunft denke, wie St. Paulus vom ganzen Geſetz und feiner Schulgerechtigkeit - ihr nichts als Erkenntnis des Irrtums zutraue, aber fie für keinen Weg zur Wahrheit und zum Leben halte. Der letzte Zweck des Forſchers iſt, nach Ihrem eigenen Geſtändniſſe, was ſich nicht erklären, nicht in deutliche Begriffe zwingen läßt - und folglich nicht zum Reſſort der Vernunft

gehört. - ğ

Es gehört zur Einheit der göttlichen Offenbarung, daß der Geiſt Gottes ſich durch den Menſchengriffel der heiligen Männer, die von ihm getrieben worden, ſich ebenſo erniedrigt und ſeiner Majeſtät entäußert als der Sohn Gottes durch die Knechts⸗ geſtalt, und wie die ganze Schöpfung ein Werk der höchſten Demut iff. Den allein weiſen Gott in der Natur bloß bewundern, iſt vielleicht eine ähnliche Beleidigung mit dem Schimpf, den

Friedrich Heinrich Jacobi

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man einem vernünftigen Mann erweiſt, deffen Wert nach ſeinem Rock der Pöbel ſchätzt.

x

Eine Welt ohne Gott ift ein Menſch ohne Kopf - ohne Herz, ohne Eingeweide, ohne Zeugungsteile.

x

Das höchſte Weſen ift im eigentlich (ten Verſtande ein Yndi- viduum, das nach keinem andern Maßſtabe, als den es felbft gibt, und nicht nach willkürlichen Vorausſetzungen unſeres Vor: witzes und unſerer naſeweiſen Unwiſſenheit gedacht oder ein⸗ gebildet werden kann. Das Daſein der kleinſten Sache beruht auf unmittelbarem Eindruck, nicht auf Schlüſſen. Das Un⸗ endliche iſt ein Abgrund. Alles Endliche iſt begrenzt und kann durch einen Umriß bezeichnet werden. Eine höhere Liebe ſcheint uns Grauſamkeit. Der den Sohn ſeines Wohlgefallens durch Leiden vollkommen gemacht, hat eben dieſe Kreuzestaufe nötig, um die Schlacken der Naturgaben, die er nicht als ein Eigentum zu Ihrem! eigenen willkürlichen Gebrauche von Ihnen ver⸗ ſchleudert wiſſen will, zu ſeinem Dienſte, zu ſeiner Ehre, zu Ihrem Frieden und Gewinn zu läutern. Dem Himmel ſei Dank, daß es hoch über den Sternen ein Weſen gibt, das von ſich fagen kann: Ich bin, der ich bin. Alles unter dem Monde fei wandelbar und wetterwendiſch.

Aus den in der Sammlung „Der Dom“ von Karl Widmaier herausgegebenen „Schriften“ des „Magus im Norden“.

Joh. Gottlieb Steudel

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Georg Munk: Die Begegnungen Ridderts, des Edelmanns

it Nivelles, nicht fern der klöſterlichen Burg Gertrau⸗ dens der ſeligen Nonne, lebte ein junger Edelmann mit Namen Riddert. Er war derart beſchaffen, daß noch das ſtumpfſte Herz ihm nicht unbewegt zu begegnen vermochte. Jedes traf er ſo in die Mitte ſeines Lebens, daß es in Liebe oder Haß an ihm entbrennen mußte.

In ſeiner Jugend noch waren ſeine Eltern ihm geſtorben, der Vater in einem Streit zwiſchen den Edlen ſeines Landes, die Mutter ohne körperliches Siechtum bald nach ihm, einer Traumwandlerin gleich, dem ſinkenden Liebesſtern ins Dunkle nachgleitend.

Ein zarter Knabe, blieb er verwaiſt zurück, der Sorgfalt der Anverwandten und Diener überlaſſen. Bald aber überflügelte er unkennbar und unzähmbar ſeine Lebensjahre, und keiner mehr hatte Macht über den jählings und ſtark an Leib und Seele wachſenden Knaben, ſo daß ſie gewähren ließen, was ſie nicht aufzuhalten vermochten. Allzufrüh war derart die Welt in ſeinen Schoß gefallen, von ungeſtümen Kinderhänden war die Rätſelfrucht umſpannt, nach Kinderart hatte er zum Überdruß bald von ihr genoffen, fie ward ihm fhal, ehe er ihr reif war. Sein Hunger blieb ungeſtillt, und wie ſein Ekel wuchs ſein Begehren.

Im Schwanken früher Jugendtage ließ er die Heimat, um im reichen Draußen zu ſuchen, was nach ſeinem Meinen nur die knappe Nähe geizig wehrte. Er folgte dem Frankenkönig, der die Völker des Abendlandes ſich zwang, durch alle Striche zwiſchen den grenzenden Meeren, aber die Ferne mochte ihm nicht günſtiger fein als die geſcholtene Heimat.

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Trug er nach feiner Rückkehr die Not tief in ſich hinein⸗ gezwungen, fo verriet {ie ſich doch in einer wunderlichen Spaltung ſeines Weſens und in einer ſchlecht verhehlten Unraſt. Zu Zeiten verbrachte er Wochen grübleriſch einſam in einer entlegenen Kammer in fidh gekehrt und war mit Mühe zu bewegen, daß er ſein knappſtes Bedürfen an Nahrung ſtille. Zu andern ſchweifte er Tage und Nächte in feinen Wäldern und an den ſchilfigen Waſſerläufen hin, verkroch wie ein Tier zur Raſt ſich in Buſch und Höhle, kam braunhäutig und verfallen heim, verſchlief dann andere Wochen, in denen er kaum das Licht des Tages ſah. Dann wiederum folgten Zeiten, in denen er Zecher und Frauensvolk aus den Städten in dasſelbe Haus ſchleppte, das feines Vaters gelaſſenes Wirken und die wehmütige Klarheit ſeiner trauernden Mutter gekannt hatte und nun unter tobenden Feſten und ſchriller Ausgelaſſenheit in Stein und Balken bebte.

Wilder als der verwegenſte ſeiner Geſellen, überſchrie er das Getöſe, bis er es fo ſehr überdrüſſig wurde, daß er das Geſindel auseinandertrieb, vom Ekel wie vom Schweiß des Todes über: zogen ſich in einem Winkel verkroch oder in die Wildnis ver⸗ ſchwand.

Auf den langen Wanderwegen längs der Wirrnis von Waſſerläufen, die das Land durchquerten, oder auf dumpfen Waldſteigen geſchah es zuweilen, feit Riddert aus der Ferne fic wieder heimgefunden hatte, daß ein Fremder ſich ihm zugeſellte, aus dem Schilf aufſteigend, aus dem Gebüſch hervortretend.

Es war immer der nämliche, der Riddert da begegnete, und ſchien doch immer ein andrer, verſchieden wie Tag und Stunde, da er auftauchte. Im Augenblick der erſten Begegnung war es Riddert geweſen, als ſteige er da vor ſich ſelbſt auf, ſich ſelbſt ein Augenſchein geworden, und ein Schreck war durch ſein Herz wie ein ſchmerzhafter Riß gefahren. Doch indem er ſeinen Ge⸗

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fellen ins Auge faßte, kam der ihm mehr aus Schein und Dunft gewoben vor, denn aus Fleiſch und Bein geſtaltet wie er ſelbſt. Er war ihm vertraut wie Urgeſicht im Schoß der Mutter; als Kind mochte er ahnend ihn erträumt haben in ängſtlichen Nächten. War er nicht wie ein Spiegel, in dem man unverhofft und ſo zum eignen Schauder ſich erblickt?

Bald aber gewöhnte Riddert an die Erſcheinung ſich ſo ſehr, daß ſie ihm wurde wie ſein Schatten, der ſichtbar zuweilen, zu⸗ weilen verſchwunden iſt. Wie hergeſtobner Nebel, trübdunſtig an den Tagen ſeiner Schwermut, glitt der Fremde ihm zur Seile, an Tagen hellen Herzens aber ſchritt er funkelnd neben ihm. Zuweilen war ſein Kleid von fahlem Gelb wie verſtobne Blätter, zuweilen grün mit eingeſprengtem Gold, wie von zierlichem Getier, das Riddert im Glutgeſtein brennender Südländer ge⸗ kannt hatte. Immer aber ſchien ihm das Gewand ſeines Geleits⸗ manns wie Rinde, Fell oder Gefieder ſeinem Körper zu ent⸗ wachſen und eins mit ihm zu ſein, und auch darin ſchien er einem Vogelweſen ihm verwandt, daß ſeine Schultern etwas Abgebrochnes wieſen, als ob Schwingen, die aus ihnen hervor⸗ wachſen ſollten, verſtümmelt ſeien. Viele Stunden ſeines Tages fand er die Erſcheinung ſich zur Seite, bald fremd nicht mehr, vielmehr wie ein Teil ſeiner ſelbſt.

Bald vernahm Riddert zu dem Geſellen ſich reden, als ſpräche einer aus ihm zu ſich ſelbſt. Das Weſen war ſeinem Wort Ohr, gab ihm lautloſe Antwort, und Riddert in ſchwin⸗ delnder Verwirrung wußte alsbald nicht mehr zu ſcheiden, wer offenbarte und wer lauſchte. Verſchwiegenſter Grund drängte auf ſeine Lippen. Was tief unten brannte, loderte aus feinem Mund, was ihn aus der Heimat fort: und wieder in fie zurückgetrieben hatte, entſtürzte feiner Seele, was ihn ſonſt in Dumpfheit bannte oder raſtlos durch Wald und Ried jagte.

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Der Zuhörer reckte ſich wachſend über fich ſelbſt. Seine Augen vertieften ihren rötlichen Glanz, als nähre Ridderts Bekennen ihr Licht, und mehr und mehr wars, als wüchſe er aus ſchemenhafter Ungewißheit in leiblichen Beſtand wie Riddert felbft.

Schaudernd fühlte dieſer mit gleich mächtiger Gewalt an des Fremden Weſen ſich hingeriſſen und von ihm geſtoßen. Glühender Antrieb zwang ihn an die fremde Hand fih zu klammern, doch die ſeine, ſchon erhoben, die andere zu ſuchen, ſank matt nieder; an das geſchwiſterlich unbekannte Herz zu ſinken, begehrten alle Geiſter ſeines Lebens und verſtummten doch in Todesſtarre, wandte er ſein Auge nur dem Begleiter zu. Furcht gewann Macht über ſein eignes zwiegeſpaltnes Herz, wuchs, wurde rieſenhaft, trieb zur Flucht. Aber lahm weigerte jedes Glied den Dienſt, gebannt in den Takt gleichen Schrittes mit dem Fremden.

„Wer biſt du mir?“ ſtieß er endlich aus ſo wunder Kehle hervor, daß ihm war, als müſſe mit den Worten ein roter Strom aus feinem zerrißnen Halſe ſtrömen.

„Du bin ich dir,“ hauchte der andre, „nicht wie du wähnſt, Teil von dir, von dir geſpeiſt, du bin ich ganz, mehr als du. Alſo, daß ich mit dir nicht einging in der Stunde deiner Ge⸗ burt, und geſchieden von dem, was dein Leib umgrenzt, doch eins und mit dir, dir folge, dir verbunden bin. Mich ſuchſt du, mich entbehrſt du, ich ſchwinde hin, indes du ſuchſt; wie un⸗ geſpeiſter Docht ins Dunkel liſcht, macht dein Entbehren mich vergehn. Du hungerſt nach mir, davon ich ſchwinde, du dürſteſt, davon ich dorre, was uns trennt, die Hülle wirf hin, laß uns ineinanderſtürzen ins Eins, das war, bevor du und ich waren, ehe irdiſche Geſtalt dich von mir lockte in den Schein, uns beiden zu leidvoller Trennung.“

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„Weiche!“ ſchrie Riddert; „leid bin ich mir allzu fief, Mangel iſt mein Grund, nach Vollendung ſteht mein Sinn. Daß ich dich erkannt habe, Abgrund biſt du, Hunger, leerer Wunſth in Ewigkeit. Da du darbſt in meinem Darben, wie magſt du mir Erfüllung ſein?“

Riddert wandte, von Schaudern gerüttelt wie einer, der von unſicherm Stand in Tiefen ſtarrte, ſich zur Eile, dem Be⸗ gleiter zu entfliehen. Wie Bleigewicht hing es an ſeinen Füßen, fo daß er mühfelig ſich kaum von hinnen ſchleppte. Als er mit ſeitlich gewendetem Blick nach dem Verfolger ausſpähte, war der verſchwunden, als hätte die Luft ihn eingeſogen.

Hinter ihm aus der Dämmerung aber raunte eine Stimme ihm nach: „Immer, wann du nach mir begehrſt, bin ich dir bereit. In der Linde zuhöchſt über all deinem Land hauſe ich dir; haſt du der Welt die letzte Bitterkeit abgerungen, dann biſt du mir reif, lang ſäume du uns nicht mehr.“

Als im Morgenzwielicht nach verirrter Nacht Riddert heimkehrte, überfiel ihn Fieber und feſſelte ſeinen Leib für lange Wochen. Von Stimmen und Geſichten heimgeſucht, Opfer und Geſelle heimlicher Mächte, völlig in ſich gewendet und abgeſchieden, Ärzten, Freunden und Dienern ohne Zugang, brannte er in umſchmelzenden Feuern, ſo daß er mit erneuter Seele, an Leib und Angeſicht verwandelt, ſich vom Lager erhob.

Nicht lange nach ſeiner Geneſung verließ er ſein Haus und galt wie vordem den Seinen als verloren in der Welt. Er aber lebte in einer nahen Stadt im Haufe eines alten Prieſters. Dieſer war vor Jahren fremd an den Ort gekommen, keiner wußte um ſeine Herkunft. Er hauſte entlegen neben einer halb⸗ vergeßnen Kirche. Die Menſchen mieden ihn und ſeine Stätte, denn er war des Umgangs mit Geiſtern verdächtig und wirkte nach der Meinung der Leute mit heimlichem Element. In ſeiner

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fimmerlicber Behauſung vergraben, brachte Riddert ein Jahr feines Lebens mit ihm hin, ſchwermutigen Wallungen preis: gegeben, am Tage Schrift und Zeichen erforſchend, des Nachts vom Turm der nahen Kirche im Lauf der Geſtirne Weg und Deutung ſuchend. Als ſeine Zeit um war, entließ der Alte ſeinen Schüler, und zum Abſchied gab er ihm die Worte: „Eine Sung: fran am Wege wird mit ihren Händen das Tor dir auftun.“

Riddert zog ſeiner Heimat zu ohne Haſt, in dumpfem Grübeln über dem Wort feines Meiſters, ungeſtillt ſuchend nach deſſen geheimem Sinn.

Als nur Tagesfriſt ihn noch von ſeinem Ziele ſchied, fand er um Mittagshöhe allein an einer Quelle im Wald ſitzend ein junges Weib, koſtbar angetan und von ſolcher Schönheit, daß fie den Glanz des Tages überbo£ und fein Herz mit holder Blendung ſchlug. Sie gab feinen Gruß mit ſüßem Dank zu- rück, aber auf feine Frage nach ihrem Namen und dem Ort, von dem ſie herkam, hatte ſie Blick und Seufzer nur zur Ant⸗ wort, und als Riddert fein Haus zur Herberge ihr bot, folgte ſie ihm ohne Widerſtreben. Von dem Tag an blieb ſie bei ihm, und mit ihrer Liebe löſchte ſie jede Frage von ſeinem Mund.

Sein Herz war dem ihren verhaftet mit jedem Schlag, und ſelten nur ließ er ihren Umkreis. Um ſeine Burg legte er einen Garten, pflanzte Geſträuch und Kraut aller Art zu ihrer Luft. Ringsum war eine hohe Mauer gezogen, daß kein fremder Fuß niedertrete, was ihm zuwuchs. Da aber wies ſich, daß ein glühenderer Hauch als ſonſt in jenen Strichen aus dem Schoß der Erde ihm ſtumme Gebilde wunderbarer Art zutrieb, daß ein gimftigerer Himmel als der des Alltags ihnen Farbe und Üppigkeit lieh. Fremde Vögel, über ſilbernen Waſſerläufen durch die Lüfte hergezogen, raſteten in den Bäumen, und ihre Stimmen waren klingender, als Riddert je vernahm. Die

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Grauen ihrer Einſamkeit den letzten Mut. Keine Begegnung hatte ihren Weg gelindert, und nichts hatte ihren Tränen Ant⸗ wort gegeben. Da hörte Riddert fern aus vergangnen Träumen aufſteigen den Geiſterruf, der ihn den Weg zur Linde geheißen hatte, und jetzt war er reif und willens, Geſtalt und Welt dahin⸗ zugeben, um in das Element des Urſprungs niederzutauchen. Aus dem Buche „Sankt Gertrauden Minne“.

Drei Lieder aus „Tauſendundeine Nacht“ *

Das Lied des Kaufmanns

De Zeit hat zweierlei Tage: froh die einen, die andern voll Sorgen:

Und zwiegeteilt ift das Leben: das Heute hell, trübe das Morgen.

Wer uns ob der Zeiten Wechſel ſchmäht, den ſollſt du befragen:

„Iſts nicht der Edelmenſch nur, den widrige Zeiten plagen?“

Siehſt du nicht, wenn des Sturmes Winde mächtig erbrauſen,

So find es die hohen Bäume allein, um die fie ſauſen.

Und ſiehſt du nicht, wie im Meere die Leichen nach oben freiben,

Die koſtbaren Perlen aber tief unten im Grunde bleiben?

Und üben ihr grauſames Spiel an uns die Hände der Zeiten,

Und will in ewigem Unglück die Trauer allein uns geleiten —,

So wiffe: am Himmel ſtehen der Sterne unzählbare Scharen;

Doch Sonne und Mond allein ſind bedroht durch finſtre Ge⸗

fahren.

Wie viel der Bäume, grüne und dürre, find auf der Erden;

Doch nur die Fruchtbäume ſinds, in die Steine geworfen werden.

An heiteren Tagen lebteſt du nur in Gedanken der Freuden

Und fürchteteſt nicht das böſe Geſchick der kommenden Leiden.

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Die Lieder des Fiſchers

der du taucheſt ins Dunkel der Nacht und ins Verderben, Kürz deine Müh; denn durch Arbeit wirſt du kein Brot erwerben. Du ſiehſt das Meer, und du ſiehſt den Fiſcher ums Brot ſich mubn, Wenn die Geſtirne der Nacht in flimmerndem Lichte erglühn. Jetzt taucht er mitten hinein, und die Wogen umpeitſchen ihn wild; Doch er blickt ſtetig aufs Netz, wie es auf und nieder ſchwillt. Und ſaß er dann endlich einmal des Nachts froh über den Fang Eines Fiſches, dem der Haken des Wehs in den Gaumen drang - Dann kauft ihn jemand ihm ab, der ſeine ganze Nacht Geſchützt vor der Kälte behaglich in ſchönſtem Wohlſein ver: bracht. Preis ſei Ihm, dem Herrn, der geben und nehmen kann: Der eine erjaget den Fiſch, der andre verſpeiſet ihn dann.

o ift das Glad: du kannſt es weder löſen noch binden; Bildung weder noch Kennutniſſe laffen das Glück dich finden. Glad und Reichtümer find allein vom Geſchicke beſchieden, Manches fruchtbare Laud, manch durres Land gibt es hienieden. Des Schickſals wechſelnde Launen ſenken manch aufrechten Mann; Doch wer das Glück nicht verdient, den heben ſie himmelan. O Tod, ſo komme zu mir, das Leben iſt nichts mehr wert, Wenn der Falke zu Boden ſinkt und der Erpel wolkenwärts fährt.

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Kein Wunder darum, ſieheſt du den Edlen ohn Hab und Gut, Den dürftigen Lumpen, wie er im Reichtum hervor ſich tut. Der eine Vogel durchflieget die Welt von Oſt bis Weſt; Der andre e alles Glück, verließ er auch nie das Neſt.

Übertragen von Enno Littmann.

Aus dem Buche „Die Germanen in der Völkerwanderung“

Nach der Schlacht auf den Katalauniſchen Gefilden

ls man am nächſten Tage nach Sonnenaufgang das

ganze Schlachtfeld von Leichenhaufen überſät ſah und die Hunnen keinen Vorſtoß wagten, wußte man, daß man den Sieg errungen. Man war ſich auch klar, daß nur eine ſchwere Nieder⸗ lage den Attila dazu beſtimmen konnte, aus dem Kampfe zu fliehen. Doch der zeigte ſich keineswegs mutlos wie ſonſt ein Beſiegter. Aus ſeinem Lager drang der Lärm von Waffen und Schlachthörnern, als drohte ein neuer Vorſtoß. Wie ein Löwe, der, von Jagdſpeeren durchbohrt, zwar keinen Sprung mehr wagt, durch ſein Gebrüll aber die ganze Umgegend in Schrecken hält und grimmig vor ſeiner Höhle hin und her ſchreitet, ſo hielt der große Kriegskönig, obwohl eingeſchloſſen, ſeine Beſieger in Atem.

Die Goten und Römer kamen nun zu einer Beratung über den beſiegten Attila zuſammen. Weil er doch keine größeren Vorräte an Proviant bei ſich hatte, dachte man daran, ihn durch eine längere Belagerung mürbe zu machen und ihn mit an⸗ haltender Beſchießung durch Bogenſchützen innerhalb ſeiner Verſchanzung feſtzuhalten. Es heißt, Attila habe damals trotz

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feiner verzweifelten Lage immer feinen hochgemuten Ginn bes wahrt. Er ließ eine Pyramide aus Pferdefätteln auftürmen. Darauf wollte er ſich, falls die Feinde einbrächen, verbrennen. Niemand ſollte ſich an ſeiner Verwundung erfreuen, und der Herr ſo vieler Völker wollte in die Hand keines Feindes fallen.

Während dieſer Belagerung ſuchten die Weſtgoten ihren König!, die Söhne ihren Vater. Man wunderte ſich über ſeine Abweſenheit, da die Schlacht doch einen ſo glücklichen Aus⸗ gang genommen hatte. Als tatkräftige Männer gaben ſie ihre Nachforſchungen nicht auf und fanden ihn ſchließlich inmitten eines Berges von Leichen. Vor den Augen der Feinde trugen ſie ihn fort und prieſen dabei in Liedern ſeinen Ruhm. Rauh dröhnten die Stimmen der ungeſchlachten Goten, als fie ihrem Könige noch mitten im tobenden Kriegslärm die letzte Ehre er: wieſen. Es floſſen dabei auch Tränen, Tränen, wie man ſie tapferen Kriegern nach weint. Denn es war der Tod ihres Königs, aber wie ſelbſt der Hunne bezeugen mußte, ein glorreicher. So⸗ gar der Feinde Stolz mußte ſich ehrfurchtsvoll beugen, als ſie ſahen, wie dieſer große König mit all ſeinen Ehrenzeichen be⸗ ſtattet wurde. Unter Waffengeklirr beerdigten die Goten ihren Herrſcher. Der tapfere Thorismud ſchritt, wie es ſich für den Sohn ziemte, hinter der Leiche des Hochgefeierten, ſeines ge⸗ liebten Vaters, her.

Hierauf wollte Thorismud in ſeinem Schmerze über den Verluſt und auch infolge ſeiner angebornen Kampf begier den Tod ſeines Vaters an dem Reſte der Hunnen rächen. Er ſuchte deshalb den Aẽtius auf, um von ihm, als dem Alteren und Gr: fahreneren, Rat zu erholen, was nun zu tun ſei. Doch dieſer fuͤrchtete, die Goten möchten in der Folgezeit dem römiſchen Reiche hart zuſetzen, wenn die Hunnen völlig vernichtet würden. Theodorid; et war in der Schlacht gefallen.

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Er gab ihm deshalb den Rat, ſofort in feine Heimat aufzubrechen und die vom Vater hinterlaſſene Regierung anzutreten, damit ſich nicht feine Brüder des väterlichen Schatzes und der Herr: ſchaft über die Weſtgoten bemächtigten. Es würden daraus ſchwere Kämpfe mit den eigenen Angehörigen folgen, und was noch ſchlimmer wäre, fie könnten ungüͤnſtig für ihn verlaufen. Thorismud merkte nicht, wie hinterhältig dieſer Beſcheid war, und fo nahm er ihn auf, als hätte Aẽtius dabei wirklich nur ſein Wohl im Auge gehabt. Er kümmerte ſich alſo um die Hunnen nicht mehr und kehrte nach Gallien zurück. So läßt ſich nicht ſelten die menſchliche Schwäche, wenn ſie dem Miß⸗ frauen nachgibt, die Gelegenheit zu großen Taten entgehen.

In dieſem gewaltigen Ringen zwiſchen den tapferſten Völkern find auf beiden Seiten, wie es heißt, 165000 Mann gefallen. Dazu kommen noch 15000 Franken und Gepiden. Dieſe waren bereits in der Nacht vor dem eigentlichen Schlachttage aufein⸗ ander geſtoßen und machten ſich gegenſeitig nieder, wobei die Franken für die Römer, die Gepiden für die Hunnen kämpften.

Nachdem Attila den Abzug der Goten bemerkt hatte, blieb er zunächſt noch einige Zeit in feinem Lager. Wie es beim Cin: treten unerwarteter Ereigniſſe oft geht, vermutete er dahinter eine feindliche Liſt. Doch da lange alles ruhig blieb, erhob ſich in ihm von neuem die Hoffnung auf Sieg, er ſchwelgte ſchon im voraus wieder in Freuden, und der gewaltige König fühlte ſich bereits wieder ganz als der alte.

Thorismud hatte alſo ſeinen toten Vater ſogleich auf den Katalauniſchen Gefilden, wo er kämpfend gefallen war, mit königlichen Ehren beſtattet und zog nun in Toulouſe ein. Ob⸗ wohl er ſich einer ganzen Schar tapferer Brüder erfreute, kam es doch zu keinem Erbfolgeſtreit, weil er von Anfang an in allem große Mäßigung bewies.

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Germanen auf der Wanderung

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Die letzte Gotenſchlacht am Veſuv

gilt es, eine höchſt denkwürdige Schlacht und den kühnen Mut eines Mannes zu ſchildern, der hinter lemem Heroen zurückſteht. Tejas Taten will ich künden.

Verzweiflung trieb die Goten zu verwegenem Anſturme, doch die Römer hielten ihnen mit Aufgebot aller Kraft ſtand, ob» wohl fie die ſelbſtmõrderiſche Wut ihrer Gegner klar erkannten; aber fie ſchämten fih, dem ſchwãcheren Feinde zu weichen. So furze fih jeder voll heldenhafter Tapferkeit auf feinen nächſten Gegner, die einen, um zu ſterben, die anderen für ihre Soldaten⸗ hre,

Die Schlacht hatte am Morgen begonnen. Teja ſtand, von nur wenigen feiner Mannen umgeben, allen erkennbar an der Epize der Phalanx. Er deckte fih hinter feinem Schilde und ſcwang unermüdlich feine Lanze. Als ihn die Römer fo ſahen, warfen ſich ihre kühnſten Streiter in großer Zahl geſchloſſen auf ihn und fließen und ſchleuderten ihre Lanzen gegen ihn. Eie wähnten, mit Tejas Fall wäre der Kampf beendet. Der

aber barg fih hinter feinem Schilde, fing damit alle Speere auf, ſtürzte (id) blitzſchnell auf feine Feinde und tötete deren eine Menge. Und war ſein Schild mit Lanzen geſpickt, ſo übergab er ihn einem feiner Waffenträger und ergriff ſchnell einen | anderen. In ſolchem Kampfe war bereits der dritte Teil des Tages verſtrichen. Da ſtaken eben zwölf Speere in ſeinem Schilde, fo daß er ihn nicht mehr ſchwingen und feine Feinde damit nicht abwehren kounte, wie er wollte. Voll Kampfbegier tief er einen feiner Waffenträger, ohne den Platz zu verlaſſen oder mir um Fingers Breite zurückzuweichen. Er ließ dabei : fine Gegner keinen Schritt weiter vorwärts kommen, hielt ſich den Schild nicht über den Rücken, bog nicht ſeitwärts aus,

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Ausſehens der Führer zu fein ſchien, brach er ſogleich nach Bayern auf.

Garibald empfing ſie wie Geſandte. Nach der üblichen Be⸗ grüßung durch den angeblichen Fuhrer der Geſandtſchaft trat Authari, den keiner der Bayern erkannte, näher an Garibald heran und ſprach: „Mein Herr und König Authari hat mich hierher geſchickt, um Eure Tochter, ſeine Braut und unſere künftige Herrin, von Angeſicht zu ſehen, damit ich meinem Herrn genauer berichten kann, wie fie ausfieht.“ Nun ließ der König ſeine Tochter kommen, und Authari betrachtete ſie ſchweigend. Da fie ihm ob ihrer herrlichen Geſtalt wohl gefiel, ſprach er zu Garibald: „Jetzt, da wir Eure Tochter geſehen haben, erkennen wir wohl, daß wir ſie mit gutem Grunde zu unſerer Königin wünſchen. Wenn es Eurer Hoheit gefällt, ſo laßt ſie uns mit ihrer Hand einen Becher Wein kredenzen, wie fie auch ſpäter in unſerer Heimat tun wird.“ Der König ge: ſtattete es. Sie ergriff nun einen Becher mit Wein und reichte ihn jenem, der die Geſandtſchaft zu führen ſchien, zuerſt und dann dem Authari, von dem ſie nicht wußte, daß er ihr Ver⸗ lobter ſei. Er trank und gab den Becher zurück. Dabei be⸗ rührte er, ohne daß es jemand merkte, mit ſeinem Finger ihre Hand und ſtrich ihr mit ſeiner Rechten von der Stirne über Naſe und Wange herab. Von Schamröfe übergoffen erzählte ſie dies ihrer Amme. Dieſe beruhigte ſie mit den Worten: „Wäre dies nicht der König und dein Bräutigam, ſo hätte er niemals dich zu berühren gewagt; doch ſchweigen wir einſtweilen davon, damit es dein Vater nicht erfährt. Er iſt wahrhaftig ein Mann, der der Herrſchaft und der ehelichen Verbindung mit dir würdig ift.“ Authari ſtand damals in blühendſter Jugendkraft, war von vornehmer Geſtalt, von hellem Haar umwallt und bot einen herrlichen Anblick.

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Garibald gab der Geſandtſchaft ein Ehrengeleite mit auf den Weg. Sie brach bald über die noriſche Grenze zur Rud: kehr in die Heimat auf... Als ſich Authari mit den ihn be⸗ gleitenden Bayern Italien näherte, erhob er ſich, ſo hoch er konnte, auf feinem Pferde, ſchlug die Streitaxt, die er eben in Händen hatte, mit aller Kraft in den nächſten Baum, ließ ſie dort ſtecken und ſprach dazu: „Solchen Hieb tut Authari!“ Da erkannten die ihn begleitenden Bayern, daß er König Authari ſelbſt war.

Alfred Mombert: Der Dämon

XR Zu Muſik von Bach er um den See wandert A fein ewiges Menſchen⸗Jahr er lebt das Gee: Bild in unendlicher Bezauberung Den führt ein Dämon an der Hand, der leitet ihn zu den Wundern, der öffnet ihm die Blumenkelche, der lockt herbei die Schmetterlinge, und die ziehenden Vögel, und die weißen Wanderwolken.

Gelagert am Tiſch des reichen Sommers! Da iſt Blauglocke,

die Preiſelbeere,

Grashalm, Bachſtelze.

Die Sänger wandern, vorüber Saitenfpieler. Die Erlen neigen (ih;

der Lichtſtrahl tanzt. 29

Und wieder ruben Menſch und Damon im flöfenden Lenz⸗Hauch.

Und ruhen auf geſtürztem Eichſtamm im brauſenden Herbſt⸗Sturm:

Haupt am Haupt.

Oh wie rührt des Dämons Hand ſanft! Aber in den großen Nächten zwiſchen Mauern uralten Hauſes thront die Dämon ⸗Stimme grauſig⸗göttlich über dem Menſchen; herzerſchůtternd.

Abend ward. Ich ſtehe am See

zwiſchen Gluten wunderbarer Berge. Einſamer Schluchzender. Lange, oh lange! - oh lange! verließ mich der Damon.

In einem furchtbar wilden Ufer⸗Wald erloſch ſeine Stimme;

ſeine Hand in zähem Nebel. Schwebender überm See.

Und ich ſang: „Nun biſt du hingegangen. Biſt von mir gegangen.

Biſt in deine Welten heimgegangen.“

Hoch⸗Wolken⸗Tor!

Dunkler Himmel⸗Blick!

Aus der Schwarzkluft blinkt ein Licht.

Dort droben leuchteſt du: der Hüter des . gelehnt an eine Säule von Safir,

in deinem Stirnkranz ewiger Klang⸗Kriſtalle.

Unten verwildert jetzt der See, die Wogen ſpringen: feuerfunkelnd

drehen fie auf ins legte Meer.

Jezt zerreißen die Gebirge:

Die glühende Erd⸗Seele

ausfpeit aus brũllendem Vulkan den Glanz der Zeit.

Wann es nachtet,

wird der Sterne⸗Pfad von mir beſchritten

bei des Aeon⸗Horns Entwanderung⸗Schall.

Mich zu empfangen

dam: ich weiß: | laſſeſt du brauſen die ungeheuren Orgeln deines Ton: Himmels.

Felix Timmermans: Ein Weihnachtsgleichnis

m Tage vorher, gegen Abend, war in dem fallenden Schnee in knarrendes Jahrmarktswägelchen, von einem alten Mann und einem Hunde gezogen, die Straße entlanggefahren, ind hinker dem Fenſterlein hatte man das bleiche Geſicht einer ſchmalen, jungen Frau gewahrt, die ſchwanger war und große, betrübte Augen hatte. Sie waren vorbeigezogen, und wer ſie geſehen hatte, dachte nicht mehr darüber nach | Am Tage darauf war es Weihnachten, und die Luft ſtand rein und hell, dünnblau über der tief im Schnee liegenden Welt. Und der lahme Hirte Suskewiet, der Aalfiſcher Pitjevogel mit feinem Kahlkopf und der Bettler Schrobberbeeck, der ſchwärende Augen hatte, gingen zu dritt die Höfe ab, als die Heiligen drei Könige verkleidet, verſehen mit einem hölzernen Stern, der (id) - anf einer Stange drehte, einem Strumpf, das Geld darein zu bergen, und einem Doppelſack, um das Eſſen hineinzuſtecken. -

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Sie hatten ihre Röcke umgekehrt, der Hirt hatte einen hohen Hut auf, Schrobberbeeck trug eine Blumenkrone aus der Prozeſſion, und Pitjevogel, der den Stern drehte, hatte fein Geſicht mit Schuhwichſe eingeſchmiert. Es war ein gutes Jahr geweſen mit einem dicken Herbſt, alle Bauern hatten ein Ferkel ins Pökel faß gelegt und ſaßen, ihre Pfeife ſchmauchend, vor dem heißen Herd, aller Sorge um ihr Auskommen ledig. Der Hirt Suskewiet kannte (done Liedlein aus alten Tagen, Pitjevogel verſtand den Stern ſo gleichmäßig zu drehen, und der Bettler wußte ſo echte Bettleraugen zu ziehen, daß, als der Mond heraufkam, der Fuß des Strumpfes voller Geld ſaß und der Sack ſich ſpannte wie ein Bauch. Es ſteckte Brot darin, Schinkenknochen, Apfel, Birnen und Wurſt. Sie waren in fröhlichſter Laune, ſtießen fic wechſelſeitig an und genoſſen bereits das Vergnügen, heute abend einmal eine kräftige Flaſche „Vitriol“ in der „Waſſer⸗ nige” zu trinken und mit dem guten und leckeren Eſſen fih fo den Bauch zu runden, daß man einen Floh darauf würde zer⸗ quetſchen können.

Und erſt als die Bauern die Lampe ausdrehten und ſchlafen gingen, hörten ſie mit ihrem Singen auf und begannen ihr Geld in dem klaren Mondenſchein zu zählen. Jungens, Jungens! Genever für eine volle Woche! Und dann konnten ſie noch Fleiſch hinzukaufen und Tabak! Den Stern auf dem Rücken, ſtapfte der ſchwarze Pitjevogel vorauf; die zwei anderen folgten, und das Waſſer lief ihnen im Munde zuſammen. Aber ihre rauhen Seelen überfiel langſam eine ſeltſame Bedrücktheit. Sie ſchwiegen. Kam das von all dem weißen Schnee, über dem der hohe Mond ſchien, oder von dem geſpenſtigen Schatten der Bäume, oder von ihren eigenen Schatten, oder von der Stille, dieſer Stille von Schnee, in der nicht einmal eine Eule zu hören war und kein Hund nah oder fern bellte?

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Dennoch ließen fie fih, Schwärmer und Schweifer der großen Straßen, der Ufer und einſamen Flächen, ſo leicht nicht ein. ſchũchtern. Sie hatten viel Wunderliches in ihrem Leben geſehen: Irrlichter, Spuk und fogar leibhaftige Geſpenſter. Aber nun war es etwas anderes, ſo etwas wie die Angſt vor dem Nahen eines großen Glückes. Es druckte ihr Herz zuſammen, und der Bettler ſagte nebenbei: „Ich bin nicht bange! ..“ „Ich auch nicht“, ſagten die zwei anderen zu gleicher Zeit mit zitternden Kehlen. „Es iſt Weihnachten heute“, tröſtete Pitjevogel. - „Und dann wird Gott von neuem geboren“, fügte der Hirte fromm hinzu. „Sft es wahr, daß die Schafe dann mit dem Kopfe nach Oſten ſtehn?“ fragte Schrobberbeeck. - „Ja, und dann fingen und fliegen die Bienen.“ „Und dann könnt ihr mitten durchs Waſſer ſehen“, beſtätigte Pitjevogel. Es war wieder Stille, die etwas anderes war als Stille, wie wenn eine fühlbare Seele im Mondenſchein zitterte. „Glaubt ihr, daß Gott nun wieder auf die Welt kommt?“ fragte ängſtlich der Bettler und dachte dabei an feine Sünden. - „Ja,“ ſagte der Hirt, „aber wo, das weiß niemand... er kommt nur für eine Nacht.“ Ihre Schatten liefen vor ihnen her, und das machte ſie noch furchtſamer. Auf einmal merkten ſie, daß ſie ſich verlaufen hatten. Schuld daran war all dieſer Schnee, der die gefrorenen Bäche und die Wege überdeckt hatte. Sie blieben ſtehn und ſahen ſich um; überall Schnee und Mondenſchein und hier und da Bäume, aber nirgends ein Hof, ſo weit man blickte. Sie hatten ſich verirrt, und bei dem Mondenlicht ſahen ſie einander in die erſchreckten Augen. „Laßt uns beten,“ flehte Suskewiet, der Hirt, „dann kann uns nichts Böfes begegnen. Ave Maria flufternd, gingen ſie zögernd weiter. Da geſchah es, daß Pitjevogel friedliches Abendlicht aus einem Fenſterlein ſtrahlen ſah. Ohne etwas zu ſagen, aber froh aufatmend gingen ſie darauf zu. Sie ſagten

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es nicht, aber fie ſahen und hörten es alle drei: fie hörten Bienen ſummen, und unter dem Schnee, da, wo die Gräben waren, ſchimmerte eine Klarheit, als brennten Lampen darunter.

Und an einer Allee träumender Weiden ſtand ein lahmer Jahrmarktswagen, und Pitjevogel ging das Trepplein hinauf und klopfte an die Tür. Ein alter Mann mit einem ſteifen Stoppelbart kam vertrauensvoll, zu öffnen. Er wunderte ſich gar nicht über die tollen Gewänder, den Stern und das ſchwarze Geſicht. „Wir kommen, um Euch nach dem Weg zu fragen“, ftofterte Pitjevogel. „Der Weg iſt hier,“ ſagte der Mann, „kommt herein!“ Verwundert über dieſe Autwort, gehorchten fie fügfam, und da ſahen ſie in der Ecke des kalten, leeren Wagens eine junge Frau ſitzen, faſt ein Mädchen noch, in blauem Kapuzenmantel, die einem ganz kleinen, eben geborenen Kinde ihre faſt leere Bruſt gab. Ein großer gelber Hund ſaß daneben und hatte ſeinen guten Kopf auf ihre mageren Kniee gelegt. Ihre Augen träumten voller Trübſal, aber als ſie die Männer ſah, kam Freundſchaft hinein und Zuneigung. Und ſiehe, auch das Kindlein, noch mit Flaum auf dem Kopfe und mit Augen wie kleine Spalte, lachte ihnen zu, und beſonders hatte das ſchwarze Geſicht des Pitjevogel es ihm angetan. Schrobberbeeck ſah den Hirten knien und die Krone abnehmen, er kniete auch, bereute plötzlich tief ſeine Sünden, die vielfältig waren, und Tränen kamen in ſeine ſchwärenden Augen. Dann bog auch Pitjevogel die Kniee. So ſaßen fie da, und füße Stimmen umklangen ihre Köpfe, und eine ſüße Seligkeit, größer als alle Luſt, erfüllte ſie. Und niemand wußte warum. Unter⸗ deſſen verſuchte der alte Mann in dem eiſernen Herdlein ein Feuer anzumachen. Pitjevogel, der ſah, daß es nicht ging, ſagte hilfsbereit: „Darf ich Euch helfen?“ „Es nützt doch nichts, es ift naſſes Holz“, antwortete der Mann. - „Und habt ihr denn

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keine Kohlen?” „Wir haben kein Geld“, ſagte der Alte betrübt. And was eft ihr denn?“ fragte der Hirt. - „Wir haben nichts zu eſſen.“ Die Könige ſchauten verwirrt und betroffen anf den alten Mann und die junge Frau, das Kind und den ſpindel⸗ dürren Hund. Dann ſahen ſie ſich alle drei untereinander an. Ihre Gedanken waren eins, und ſiehe, der Strumpf mit dem Geld wurde ausgekehrt in den Schoß der Frau, der Sack mit all dem guten Eſſen wurde geleert und, was darin war, auf ein ſchiefes Tiſchlein gelegt. Der Alte biß gierig in das Brot und gab der jungen Frau einen roſigen Apfel, den ſie, bevor ſie hineinbiß, ihrem Kinde ſpielend vor die lachenden Augen hielt. „Wir danken euch,“ ſagte der alte Mann, „Gott wird es euch lohnen!“... Und fie machten fih wieder auf den Weg, den Weg, den ſie kannten, wie von ſelbſt in der Richtung auf die „Waſſernixe“, doch der Strumpf ſteckte zuſammengerollt in Suskewiets Taſche, und der Sack war flach. Sie hatten keinen Pfennig, keine Krume mehr.

„Wißt ihr, warum wir unſer Geld dieſen armen Menſchen gegeben haben?“ fragte Pitjevogel. - „Nein“, ſagten die andern. Ich auch nicht“, ſchloß Pitjevogel. Etwas ſpäter ſagte der Hirt: „Ich glaube, daß ich es weiß; ſollte dieſes Kind nicht vielleicht Gott geweſen fein?" - „Was ihr denkt!“ lachte der Aalfiſcher; „Gott hat einen weißen Mantel an, mit goldenen Rändern beſetzt, und hat eine Krone auf wie in der Kirche.“ „Er ift früher zur Weihnacht wohl in einem Stall geboren“, behauptete der Hirt. - „Ja damals!“ ſagte Pitjevogel; „aber das ift (don fo lange her!“ „Aber warum haben wir denn alles weggegeben?“ „Ich zerbreche mir auch den Kopf dar: über“, ſagte der Bettler, der Hunger hatte. Und ſchweigend, mit Gaumen, die nach einem tüchtigen Schluck Genever und dick mit Senf beſtrichenem Fleiſch lechzten, kamen ſie an der Waſſernixe“

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vorbei, wo Licht brannte und geſungen wurde, und fie gingen ohne ein Wort zu ſprechen, aber zufrieden in ihrem Herzen von⸗ einander fort, jeder zu ſeiner Lagerſtätte. Der Hirt zu ſeinen Schafen, der Bettler unter eine Strohmiete, und Pitjevogel zu feiner Dachkammer, in die der Schnee hineinwehte.

Aus dem Flaͤmiſchen übertragen von Anton Kippenberg.

Hugo von Hofmannsthal: Aphorismen ) | llgegenwart der Vergangenheit zu ahnen ift ein deutſcher inn, eine Gabe des latenten großen deutſchen Weſens. x

Es gehört zum glückſeligſten Schickſal eines Volkes, eine einzige große und rhythmiſch waltende Naturgewalt in der Mitte des Daſeins zu haben. Das war für die alten Agypter der Nil. Sie empfingen den Segen und das Brot, die Rechtsbelehrung und den Lebensrhythmus aus einer milden Hand. Darum waren fie fo heiter⸗ernſt wie niemand nach ihnen und überwanden Tod und Leben eins

durchs andere. x

Die Zeiten folgen einander. Was für die eine eine Er⸗ rungenſchaft war, iſt für die andere ein ſchales Selbſt⸗ verſtändliches. Wer ſeine Zeit nicht erfaßt, hat verſpielt.

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Wenn die Deutſchen jetzt das Geiſtige in die Politik ein- beziehen wollen, ſo müſſen ſie vor allem lernen, zwei Be⸗ griffe ſcharf zu trennen, deren einer fih aufs Nächſte, der andere aufs Höchſte bezieht: Zweck und Ziel.

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Naturalismus entfernt fih von der Natur, weil er, um die Oberfläche nachzumachen, das innere Beziehungsreiche, das eigentliche Myſterium der Natur, vernachläſſigen muß.

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Die Poefie auf ihrer höchſten Stufe zeigt auf ein Etwas hin, auf dem alles Geſchehen ruht und das geheimer iſt als Kaufalität: daß Hektor und Achilles nicht vorher auf: einandertreffen als zu dem einen entſcheidenden Kampf, das laßt ſich nicht begründen: es läßt ſich nur hinſtellen.

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In den höheren Formen des Verkehrs, anch in der Ehe, dürfte nichts als ein Feſtes, nicht einmal als ein Gegebenes hingenommen werden, ſondern alles iſt das Geſchenk jedes einzelnen, eine Welt umſpannenden Augeublickes. |

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tan überträgt, ſagt irgendwo Hebbel, leicht feinen Reſpekt für das Element, worin jemand waltet, auf die Perſon. Er ſagt es in befonderem Bezug auf Adam Müller und Geng, trifft aber dabei etwas allgemein Wahres.

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Indem fie ihre Gedanken hinnehmen und hingeben, fom: munizieren die Menſchen wie in den Küſſen und Um⸗ armungen; wer einen Gedanken aufnimmt, empfängt nicht etwas, fondern jemanden.

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Über dem Gedächtnis eines in der Fülle feiner Kraft vers ſtorbenen Freundes hängt die Seele wie über einem Waſſer⸗ fall, ſtürzt ſich immer wieder mit der lebendigen Maſſe nach unten, ſieht fie zerſtäuben und zu Dunſt werden, um wieder zum Scheitel aufzuſteigen und ſich aufs neue vergeblich herab⸗ zuſtürzen.

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Wenn ein Menſch dahin ijt, nimmt er ein Geheimnis mit ſich: wie es ihm, gerade ihm - im geifligen Sinn zu leben möglich geweſen ſei.

Der Menſch wird in der Welt nur das gewahr, was ſchon in ihm liegt; aber er braucht die Welt, um gewahr zu werden, was in ihm liegt: dazu aber ſind Taten und Leiden nötig.

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Im Geſicht von Kindern ift ein Letztes, das nur das

Auge des Vaters oder der Mutter ſieht.

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Wir haben im ganzen Leben, befonders in der Sphäre des geiſtigen Verkehrs, die unrichtige Angewohnheit, daß wir den andern Menſchen vieles von dem leihen, was uns eigen iſt, als müßte das ſo ſein. Da ſie nun außerdem ihr Eigenes vor uns erſcheinen laſſen, ſo entſtehen, indem wir aus beiden Teilen eine Einheit zu ſchaffen ſuchen, eigentlich Monſtra, ähnlich denen, die in einem winkligen Haus durch den Schein einer Laterne halb aus Schatten, halb aus wirk⸗ lichen Gegenſtänden erzeugt werden. Es gibt keine nützlichere wie auch ſchwierigere Operation, als dieſes unbewußt Ge⸗ liehene von der Erſcheinung des anderen wieder abzuziehen. Erſt dadurch aber machen wir begreif liche Menſchen aus ihnen, oder kürzer ausgedrückt: der Menſch glaubt die Menſchen zu verſtehen, wenn er zu einer vermuteten un⸗ begrenzten Analogie mit ſeinem Selbſt noch einiges dieſem Selbſt Widerſprechendes hinzuaddiert. Es iſt Sache der Er⸗ fahrung, mit Menſchen operieren zu können, die man ſich vom Kern aus verſchieden vom eigenen Selbſt vorzuſtellen hat.

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Es gibt ſolche Vorzüge in uns, die niemals im Reſultat einer Leiſtung uns ſelber vor Augen treten, noch auch in der Reaktion der Welt uns fühlbar werden; und doch ſind es die wertvollſten, und ihrer bewußt zu fein, würde den Kreis: lauf unſeres Blutes beſchwingen: dieſe Strahlen anfzufangen und zurückzugeben, iſt die zarteſte Aufgabe der Freundſchaft.

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Die Liebe und ihre Umkehrung, der Haß, find darum das eigentliche Studium des Lebens, weil ſie allein aus den andern Individuen die Konſequenzen ziehen.

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Wo ift dein Selbſt zu finden? Immer in der tiefſten

Bezauberung, die du erlitten haſt. *

Die Scham, von feinen eigenſten Verhältniſſen zu niemand reden zu wollen, ift eine Selbſtwarnung des Gemütes: in jedes Geſtändnis, in jede Darſtellung ſchließt ſich leicht die Ver⸗ zerrung ein, und aus dem Zarteſten, Unſagbaren wird im Hand⸗ umdrehen das Gemeine.

Saint⸗Simon: Porträts vom Hofe Ludwigs XIV.

ir hatten eine reizende Prinzeſſin, die (ich durch ihre Un: mut, ihre Liebenswürdigkeit und ihr ganz eigenartiges Weſen Herz und Gunſt des Königs, der Frau von Maintenon und des Herzogs von Burgund erobert hatte. Die große und durchaus gerechtfertigte Unzufriedenheit mit dem Herzog von Savoyen, ihrem Vater, hatte die Zuneigung der Genannten

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zu ihr in keiner Weiſe geſchmälert. Der König, der ihr nichts verbarg und, wenn ſie gerade zu ihm kam, in ihrer Gegenwart mit ſeinen Miniſtern ruhig weiter arbeitete, hatte die Aufmerk⸗ ſamkeit, niemals irgend etwas, was ihren Vater betraf, vor ihr zu berühren. Wenn ſie mit ihm allein war, fiel ſie ihm oft um den Hals, ſetzte ſich auf ſeinen Schoß, neckte ihn mit allen möglichen Scherzen, durchſtöberte ſeine Papiere, öffnete und las, manchmal gegen ſeinen Willen, in ſeiner Gegenwart ſeine Briefe, und ganz fo verfuhr fie mit Frau von Maintenon. Trotzdem fie ſolche Freiheit genoß, ſagte fie nie etwas gegen andere; fie war liebenswürdig gegen jedermann und ſuchte, wo fie konnte, die Menſchen gegen boshafte Angriffe zu ſchützen. Sie war aufmerkſam gegen die Dienerſchaft des Königs und verachtete ſelbſt die Niedrigſten nicht. Gegen ihre eigenen war ſie gütig, und mit ihren Damen, den alten wie den jungen, lebte ſie wie mit Freundinnen, ganz ungezwungen. Sie war die Seele des Hofes, der ſie anbetete; und alle, groß und klein, bemühten ſich, ihr zu gefallen. War ſie abweſend, ſo fehlte jedem etwas, während ihre Gegenwart jedweden belebte. Die außerordentliche Gunſt, in der ſie ſtand, gab ihr ein außerordentliches Anſehen, und ihr Benehmen gewann ihr alle Herzen. In dieſen glänzen⸗ den Verhältniſſen blieb auch ihr Herz nicht unempfindlich. Der Marquis von Nangis !, der ſpätere recht mittelmäßige Marſchall von Frankreich, war damals der erleſenſte Dandy am Hofe. Er hatte ein hübſches, wenn auch kein beſonderes Geſicht; er war gut, wenn auch nicht tadellos gewachſen und durch ſeine Großmutter, die Marſchallin von Rochefort, und ſeine Mutter, Frau von Blanfac?, in der Galanterie und der

1 LouissArmand de Brichanteau, Marquis de Nangis, 1682 bis 1742. Seine Mutter war in zweiter Ehe mit dem Grafen von Blanſac ver: heiratet.

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Kunſt der Ranke unterwieſen, in denen beide Meiſterinnen waren. Sehr jung eingeführt in die große Welt, wo dieſe Künfte gewiſſermaßen Drehpunkte find, beſaß Nangis nichts als die Gabe, den Damen zu gefallen, das zu ſagen, was ſie gerne hören, und die begehrenswerteſten unter ihnen durch eine Verſchwiegenheit zu gewinnen, die der Jugend fremd iſt und in ſeinem Jahrhundert nicht mehr Sitte war. Im übrigen war er durchaus ein Sohn ſeiner Zeit. Schon als Kind hatte er ein Regiment erhalten; er hatte für fein Alter genügende Willens⸗ kraft, Eifer und im Kriege glänzende Tapferkeit gezeigt, wovon die Damen viel Weſens gemacht hatten. Er gehörte zu den Vertrauteſten des Kreiſes um den Herzog von Burgund, der ungefähr im gleichen Alter ſtand und ihm ſehr geneigt war.

Dieſer Fürſt liebte ſeine Gemahlin leidenſchaftlich, aber er vermochte ſich mit Nangis nicht zu meſſen. Die Prinzeſſin er⸗ widerte des Herzogs Zärtlichkeit ſo herzlich, daß er geſtorben iſt, ohne jemals zu ahnen, daß ſie auch Augen für einen andern hatte. Ihr Blick war auf Nangis gefallen, und bald galt er nur ihm. Nangis war nicht undankbar; aber er fürchtete den Sturm, und ſein Herz war nicht mehr frei.

Frau von La Vrillitre!, die nicht (don, aber huͤbſch und an: mutig wie ein Liebesengel war, hatte es ihm angetan. Sie war die Tochter der Gräfin von Mailly, der Schmuckdame der Herzogin von Burgund, und lebte in deren nächſter Umgebung. Die Eiferſucht machte ſie raſch ſehend. Weit entfernt davon, der Prinzeſſin zu weichen, ſetzte ſie im Gegenteil ihre Ehre darein, das Eroberte zu behaupten, dafür zu kämpfen und zu ſiegen. Dieſer Kampf brachte Nangis in ſeltſame Verlegenheit. Er fuͤrchtete die Wut ſeiner Geliebten, die ihm über ihre wirkliche ' Die ältefte Tochter der Gräfin de Mailly; fie war r erft ſechzehn Jahre alt, hatte aber ſchon zwei Kinder.

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Macht hinaus mit einem Bruche vor aller Welt drohte. Ub: geſehen von feiner Liebe zu ihr, fürchtete er davon das Schlimmſte, und ſchon wähnte er, ſeine Lauf bahn wäre verloren. Nicht minder gefährdete ihn anderſeits ſeine Zurückhaltung vor einer fo mächtigen Fürſtin, die eines Tages Herrſcherin werden ſollte und nicht geneigt war, zu weichen oder gar eine Nebenbuhlerin zu dulden. Seine Ratloſigkeit bot den Eingeweihten eine fort⸗ geſetzte Komödie. Ich war damals viel bei Frau von Blanſac in Paris und bei der Marſchallin von Rochefort in Verſailles; ich war der Vertraute mehrerer Palaſtdamen, die alles ſahen und mir nichts verſchwiegen. Dazu erzählte mir die Herzogin von Lorge, meine Schwägerin, jeden Abend, was ſie tagsüber geſehen und gehört hatte. Ich war alſo von einem Tag zum andern vollftändig auf dem laufenden. Abgeſehen davon, daß mir die Sache ſehr unterhaltſam war, konnten die Folgen ſehr wichtig werden; und wer ehrgeizig war, mußte gut unterrichtet ſein. Schließlich merkte der ganze Hof, was anfangs mit ſo viel Mühe geheimgehalten war. Aber war es nun Furcht oder Liebe zu der allverehrten Prinzeſſin: der ganze Hof ſchwieg, ſah allem zu, ſprach nur unter ſich und wahrte das Geheimnis, das ihm nicht einmal anvertraut worden war. Dieſes Ver⸗ halten, das Frau von La Vrillitre mitunter zu bitteren Worten und ſogar zu kühnen Auſpielungen verleitete und die davon betroffene Prinzeſſin ihr leiſe entfremdete, bildete lange Zeit ein merkwürdiges Schauſpiel.

Sei es nun, daß Nangis, der ſeiner erſten Liebe allzu freu blieb, durch Eiferſucht etwas angeſtachelt werden ſollte, oder machte ſich die Sache von ſelbſt: er bekam einen Nebenbuhler in Maulevrier !, einem Neffen Colberts, der eine Tochter des

1 Francois⸗Edouard Colbert, Ritter, dann Marquis von Mauldvrier, 1675 bis 1706, zuletzt Brigadekommandeur.

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Marſchalls von Teffe zur Frau hatte. Er hatte kein angenehmes, vielmehr ganz gewöhnliches Ausſehen, gab ſich mit Liebeleien nicht ab, war aber klug, beſonders bei geheimen Ränken, und von maßloſem, bis zum Wahnſinn gehendem Ehrgeiz. Seine Frau war hübſch, ziemlich beſchränkt, klatſchhaft und trotz ihres Madonnengeſichtes ſehr bösartig. Als Tochter Teſſes gelangte ſie nach und nach bei der Herzogin von Burgund in alle Vorrechte. Sie wurde im Wagen mitgenommen, durfte an der Tafel teilnehmen und mit nach Marly kommen. Die Herzogin war ihr dankbar, weil Teſſe den Frieden mit Savoyen und ihre Heirat vermittelt hatte.

Mauleẽvrier war einer der erſten, der hinter die Geſchichte mit Nangis kam. Er ließ ſich durch ſeinen Schwiegervater bei der Herzogin von Burgund einführen, kam oft und wagte es, durch das Beiſpiel ermutigt, den Schmachtenden zu ſpielen. Da er nicht erhört wurde, wagte er zu ſchreiben. Man be⸗ hauptet, Frau Quentin !, eine vertraute Freundin Teſſes, fei von deffen Schwiegerſohn getäuſcht worden; fie habe geglaubt, die Briefchen ſeien von der Hand des Schwiegervaters, und habe fie als belanglos befördert. Maultvrier foll die Antworten unter Anſchrift an ſeinen Schwiegervater durch die gleichen Hände erhalten haben. Was man noch weiter glaubte, will ich unterdrücken. Wie dem auch ſei, man merkte dieſe Vor⸗ gange, wie man die anderen bemerkt hatte, und beobachtete das gleiche Stillſchweigen. Unter dem Vorwande der Freundſchaft beſuchte die Prinzeſſin mehr als einmal Frau von Maultvrier, um mit ihr die baldige Abreiſe ihres Mannes und die erſten

1 Marie = Angélique de Quentin, geb. Poiffon, Gattin des Haushof⸗ meifters, Barbiers und Erſten Garderobedieners des Königs, Jean Quentin de Villiers. 1657 bis 1731. Sie war Kammerfrau der Herzogin von Burgund.

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Tage feiner Abweſenheit zu beweinen. Zuweilen wurde fie von Frau von Maintenon begleitet. Der Hof lachte. Ob die Tränen für Mauleévrier oder für Nangis floſſen, blieb zweifelhaft. Aber Nangis, den dieſe Nebenbuhlerſchaft aufrüttelte, bereitete der Frau von La Vrillidre die größten Schmerzen und flürzfe fie in eine Stimmung, deren ſie nicht Herr zu werden vermochte.

Dieſes Sfurmgeläuf drang bis zu I Naulevrier. Was erſinnt nicht ein Mann, den die Liebe oder der Ehrgeiz plagt? Er ſtellte ſich bruſtkrank, trank nur noch Milch, tat, als hätte er die Stimme verloren, und verſtaud es, ſich derart zu beherrſchen, daß ihm während eines ganzen Jahres kein lautes Wort ent⸗ fuhr. Er brauchte deshalb den Feldzug nicht mitzumachen und blieb bei Hofe. Er war aber ſo töricht, ſeine Pläne dem Herzog von Lorge, ſeinem Freunde, zu erzählen, durch den ich ſofort davon erfuhr. Indem er ſich ſo in den Zwang verſetzte, zu jedermann zu flüſtern, gewann er die Freiheit, dies auch vor der Herzogin von Burgund in Gegenwart des ganzen Hofes tun zu dürfen, ohne den Anſtand zu verletzen und ohne Verdacht zu erwecken, mit ihr Heimlichkeiten zu haben. Auf dieſe Weiſe konnte er ihr täglich ſagen, was er wollte. Bald hatte er die Welt dermaßen an ſein Tun und Treiben gewöhnt, daß man nicht mehr achtgab und nur ſeinen Zuſtand bedauerte. Die aber, die am meiſten mit der Herzogin von Burgund verkehrten, wußten genug, um ſich nicht allzu nahe bei ihr aufzuhalten, wenn Maulevrier kam, um mit ihr zu ſprechen.

Dieſes Spiel dauerte länger als ein Jahr. Maulevrier be: kam dabei oft Vorwürfe zu hören, und Vorwürfe find felten der Liebe dienlich. Frau von La Vrilliere hatte ſchlechte Laune. Dies beunruhigte Maulévrier. Er hielt Nangis für glücklich und gönnte ihm dies nicht. Zuletzt trieben ihn Wut und Eiferſucht zu einem wahnſinnigen Schritt. Eines Tages ſtellte

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er ſich an die Empore, auf der die Herzogin von Burgund der Meſſe beiwohnte. Als fie herauskam, reichte er ihr die Hand. Er hatte einen Tag gewählt, an dem er Dangeau, den Ehren⸗ ritter, abweſend wußte. Die anderen Kavaliere, Untergebene ſeines Schwiegervaters, des Großſtallmeiſters, waren gewohnt, ihm ſeiner heiſeren Stimme wegen den Vortritt zu laſſen, und zogen ſich höf lich zurück, um nichts zu hören. Die Damen folgten immer in weitem Abſtand, ſo daß er, inmitten aller Welt, von der Kapelle bis zu den Gemächern der Herzogin, wie (hon öfters, die beſte Gelegenheit zu einer vertraulichen Unterhaltung hatte. An dieſem Tage nun machte er der Prinzeſſin Vorhaltungen wegen Nangis, gab ihr alle möglichen Schimpfnamen, drohte ihr, dem König, der Frau von Maintenon und ihrem Gatten alles zu verraten, zerdrückte ihr in ſeiner Wut faſt die Finger und geleitete fie fo bis zu ihren Gemächern. Zitternd und einer Ohnmacht nahe, begab ſie ſich dort ſofort in das Ankleidezimmer, rief Frau von Nogaret !, die fie ihre „Liebe Kleine“ zu nennen und gern um Rat zu fragen pflegte, wenn ſie ſich ſelber nicht mehr zu helfen wußte. Ihr erzählte ſie, was ihr begegnet war, und ſagte, ſie begriffe nicht, daß ſie nicht tot zu Boden geſunken ſei und noch zu ihren Gemächern habe gelangen können. Nie war ſie je ſo außer ſich. Noch am gleichen Tage erzählte es Fran von Nogaret mir und meiner Frau im tiefſten Vertrauen. Sie riet der Prinzeſſin, einen ſo gefährlichen und maßloſen Toll⸗ kopf behutſam zu behandeln und ſich vor allem mit ihm in nichts einzulaſſen. Die Herzogin von Burgund verbrachte mehr als ſechs Wochen unter größter Vorſicht und in tödlicher Angſt. Ich weiß nicht, 1 Marie = Madeleine s Agnes Marquiſe von Nogaret, geborene Made-

moifelle de Biron, 1653 bis 1724, mit der Gaint⸗Simon auf freundſchaft⸗ lichem Fuße ſtand.

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was (id) weiterhin zutrug und wer Teffé von allem unterrichtete; aber er erfuhr es und fand als gewandter Mann einen Ausweg. Er überredete ſeinen Schwiegerſohn, mit ihm nach Spanien zu gehen, wo er ihm alles mögliche in Ausſicht ſtellte. Er ſprach mit Fagon, der aus dem Hintergrunde ſeines und des Königs Kabinett alles ſah und alles wußte. Als kluger, braver und anſtändiger Menſch verſtand er Teſſes Andeutungen und ſprach feine Anſicht dahin aus, daß es fur Maulevrier, wenn er Heilung für feine Bruſt und Stimme erheiſche, nach allen vergeblichen Mitteln, nun nichts mehr gäbe als die Luft eines warmen Landes. In Frankreich, angeſichts des Winters, ſei ihm der Tod ſicher. Teſſe nahm alfo zu Beginn des Oktobers Urlaub und reiſte mit ſeinem Schwiegerſohn von Fontainebleau nach Spanien ab.!

Aus der neuen veränderten Auflage des Buches

„Der Hof Ludwigs XIV.“ Herausgegeben und

eingeleitet von Wilhelm Weigand. Die Übertragung iſt von Arthur Schurig.

1 Maulévrier endigte auf tragiſche Weiſe. Nachdem er in Spanien als Günftling Philipps V. und feiner Gemahlin eine große Rolle ge⸗ ſpielt und wegen feines Berhältniffes zur Königin viel Gerede verurſacht hatte, wurde er von Ludwig XIV. nach Frankreich zurückberufen. Eine Zeitlang ſtand er in hoher Gunſt bei Frau von Maintenon. Seine Frau, die ſeine Leidenſchaft für die Herzogin von Burgund kannte, liebäugelte mit feinem Nebenbuhler Nangis. Dazu quälten ihn Gewiſſens⸗ biſſe, wenn er an den Herzog von Burgund dachte. Er wurde irrſinnig. Endlich, déchiré de mille sortes de rages d'amour, wie GaintsGimon erzählt, machte er feinem Leben ein Ende, indem er am Karfreitag 1706 aus dem oberen Stockwerk ſeines Hauſes auf das Pflaſter ſprang. Die Herzogin von Burgund nahm dieſe Kataſtrophe mit ſcheinbarer Gleichgültigkeit auf; fpäter mußte fie erfahren, daß die Spione, die den König und Frau von Maintenon auf dem laufenden über das Hof: leben hielten, alles über ihre Liebesgeſchichten erfahren. hatten.

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Gines Perez de Hifa: Feſte und Fehden zu Granada

(Aus dem erſten Teile des Romans „Die Bürgerkriege von Granada“)

rof war der Ruhm tapferer Ritterlichkeit, den fih Mufa

erwarb, da er vom Ordensmeiſter nicht beſiegt worden war, wie ſo viele andere tapfere Ritter, die Don Rodrigo Tellez Giron mit eigener Hand überwunden und erſchlagen hatte. Er hielt ſeinen Einzug in Granada zur Seite des Königs feines Bruders , geleitet von allen den vornehmſten Herren der Stadt. Sie ritten ein durch das Tor Elvira, und in den Straßen, die ſie durchzogen, traten alle Damen hervor, ſie zu ſchauen, und viele andere Leute hielten die Fenſter beſetzt, denn es gab was zu ſehen. Derart zogen fie zur Alhambra, wo Muſa von einem guten Arzte in Behandlung genommen wurde und beinahe einen Monat zur Heilung brauchte. Nach ſeiner Wiederherſtellung begab er fidh, dem König die Hand zu küſſen, und traf ihn an hocherfreut über ſeinen Anblick, desgleichen auch all die übrigen Herren und Damen des Hofes. Wer ſich aber am meiſten über ſeinen Anblick freute, war die ſchöne Fatima, da ſie ihn ſehr liebte, obgleich er ihr die Liebe nicht ver⸗ galt. Die Königin hieß ihn neben ſich ſitzen und fragte ihn, wie es ihm gehe und wie ihm die Kampftüchtigkeit des Großmeiſters vorgekommen ſei. Muſa gab Beſcheid:

„Gnädige Frau! Die Tapferkeit des Meiſters iſt über alle Maßen groß, und er kat mir den Gefallen, den Kampf nicht fortzuſetzen, um den bedeutenden Nachteil auf meiner Seite, der offenbar war, nicht auszunutzen. Ich ſchwöre bei Moham⸗ med, daß mir in allem, was ich kann, ihm zu Dienſten zu ſein pflicht ift“

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„Vernichte ihn Mohammed!“ rief da Fatima, „weil er uns alle in ſolchen Schrecken verſetzte und mich beſonders, der, als ich ſah, wie er Euch mit einem Hieb die Hälfte der Kappe und den ganzen Helmbuſch abſchlug, kein Tropfen Blutes mehr blieb und aller Atem ausging, ſo daß ich wie tot zu Boden fiel.“

Dies ſprach Fatima, Mohammed Zegris Tochter, indem ſich ihr ganzes Antlitz zu Farbe entzündete, ſo daß alle begriffen, daß ſie den glänzenden und tapferen Mohren liebe, der ſeiner⸗ ſeits zur Antwort gab: „Recht leid tut es mir, daß eine ſo ſchöne Dame meinetwegen ſolches hat ausſtehen müffen.“ Und kaum geſagt, wandte er den Blick zu Daraja, die er innig anſah, womit er ihr zu verſtehen gab, daß er ſie von Herzen minne; ſie aber verharrte geſenkten Blickes und unverändert.

Als die Stunde der Mahlzeit gekommen war, ſetzte ſich der König mit ſeinen Herren zu Tiſch; es aßen aber mit ihm die vor⸗ nehmſten Ritter: das waren unter anderen vier Bencerragen, zwölf Abencerragen, Abenamar und Muſa; diefe waren hod: angeſehen, und ihrem Werte zu Ehren gewährte ihnen der König ſeinen Tiſch. Zuſammen mit der Königin ſpeiſten viele Damen aus guten Häuſern, das waren Daraja, Karifa, Zaida, Gara: cina und Alborayda - fie alle die Blüte von Granada , auch Galiana, die Tochter des Burghauptmanns von Almeria, die zu den Feſten herübergekommen und mit der Königin ver⸗ wandt war.

Der König mit ſeinen Rittern und die Königin mit ihren Damen ſpeiſten nun höchſt vergnügt beim Klange verſchiedener Muſik, ſo von Bäſſen wie Flöten, Harfen und Lauten, die es im Königsſaale gab. Der König unterhielt ſich mit den Rittern über allerlei, beſonders aber über den Kampf des Großmeiſters mit Muſa und über die bedeutende Kampftüchtigkeit des Meiſters und ſeine Artigkeit, die ſehr groß war. Die Damen

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redeten gleichfalls vom jüngften Kampfe und von der großen Tapferkeit des beherzten Muſa und von ſeinem guten Anſtande. Abenhamet wandte feine Augen nicht von Daraja, die er äußerſt liebte, und ſeiner Hingabe ward nicht ſchlecht entſprochen, betete ſie ihn ja doch an, weil er Grund bot, geliebt zu werden, höchſt ſchneidig und tapfer war, gefuͤrchtet und ſehr geehrt und Ober: vogt zu Granada; ſolch Amt und Würde wurde aber nur Perſonen von höchſtem Anſehen verliehen, und niemals gelangte es außer Beſitzes des Rittergeſchlechts der Abencerragen, wie man das aus den Chroniken erſehen kann.

Der tapfere Mufa beſchäftigte ſich aber mehr damit, Daraja anzuſchauen, als mit anderen Dingen, und tauchte ſo in ihren Anblick ein, daß er des öfteren gar zu eſſen vergaß. Der König, fein Bruder, ward des inne, und das ſchmerzte ihn ſehr, denn auch er liebte fie im ſtillen und hatte ihr oft fein Herz eröffnet, obwohl ſie weder ſeinen Worten und Klagen recht Gehör gab, noch, was ihr der König zu ſagen pflegte, behielt. Auch Mohammed Zegri blickte auf Daraja. Das war ein Ritter vornehmſten Standes: er wußte, daß Muſa ihr diente; desungeachtet ſtand er nicht ab von ſeinem Vorſatze, den Daraja für nichts achtete, da ihre Blicke Abenhamet galten vom Hauſe der Abencerragen, dem Ritter mutig und geehrt.

Während die Königin mit ihren Damen ſprach, - als der König mit den anderen Rittern fertig geſpeiſt hatte und Tänze zwiſchen Herren und Damen angehen ſollten, fam ein Page, abgeſandt von Muſa, kniete nieder und überreichte Daraja einen Strauß von Blumen und Roſen und ſprach: „Schöne Daraja! Muſa, mein Herr, küßt Euch die Hand und bittet Euch, wollt dieſen Strauß annehmen, den er mit eigener Hand zuſammen⸗ ſtellte und band, damit Ihr Euch ſeiner bedienet, ihn in der Eurigen zu halten; ſeht auch nicht an ſeinen geringen Wert, ſondern die

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Geſinnung deffen, der ihn fendet; denn in dieſen Blumen drückt ſich ſein Herz ab, damit Ihr es in die Hand nehmet.“

Daraja ſah auf die Königin und errötete ſehr; denn ſie wußte nicht, ob ſie den Strauß annehmen ſollte oder nicht. Als ſie jedoch gewahrte, daß die Königin ſie anſehe und nichts ſage, nahm ſie ihn an, um ſich nicht allzu unhöflich und undankbar gegen Muſa zu bezeigen, da er doch ein guter Ritter und des Königs Bruder war, und ſie zudem erwog, daß durch Annahme des Straußes weder ihrer Ehre Abbruch geſchehe noch der ihres geliebten Abencerragen, der wohl ſah, wie ſie ihn annahm und dein Pagen ſagte, daß ſie für die Gabe danke.

Wer Fatima betrachtet hätte, würde wohl erfaßt haben, wie ſehr ihr das wehe tat; denn niemals hatte er ihr einen Strauß überfandf. Allein fie verſuchte fih zuſammenzunehmen und ging zu Daraja hinüber und ſprach: „Ihr könnt es nicht leugnen, daß Muſa Euer Geliebter iſt, da er Euch vor Augen dieſer aller dieſen Strauß überſandt hat. Und daß Ihr ihn an: nahmt, iſt ein Zeichen des, daß Ihr ihn liebt.“

Hierüber beinahe beleidigt, entgegnete Daraja: „Fatima, Freundin, wundert Euch nicht, daß ich den Strauß annahm; denn ich kat das nicht zum Vergnügen, ſondern um mir nicht das Anſehen einer Undankbaren in Gegenwart all der Herren und Damen hier im Saale zu geben. Könnte ich es nur mit Anſtand, ich würde ihn in tauſend Fetzen reißen.“

Hiermit verließen ſie dieſen Gegenſtand, denn der König gab Befehl, daß die Damen und Herren tanzen ſollten, was alsbald geſchah. Und es tanzten: Abenamar mit Galiana; Malik Alabez mit feiner Dame Cobayda, ſehr gut, da fie in allder⸗ gleichen unüberfrefflic) war; Abindarraez tanzte mit der ſchõnen Karifa, Benegas mit Fatima, Abenhamet Abencerrage mit der lieblichen Daraja; und zum Schluſſe des Tanzes, als der

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Abencerragen⸗Ritter ihr eine Artigkeit erwies, machte fie ihm eine Reverenz und übergab ihm den Strauß, den er mit Freuden annahm und ſehr wert erachtete, da er von ihrer Hand kam.

Als der fapfere Muſa, der dem Tanze zuſah und feine Augen auch nicht einen Augenblick von Daraja abwandte, gewahrte, daß fie den Strauß fortgab, den er ihr - feiner Dame über⸗ ſandt hatte, ging er blind vor Wut und Leidenſchaft, ohne Rud: ſicht auf den König und die anderen Herren, die ſich im Königs⸗ ſaale befanden, auf den Abencerragen zu, ſo grimmig anzuſehen, daß es ſchien, als ſprühe er Feuer aus den Augen, und hoch⸗ mutigen Tones (prad er zu ihm: „Sag mal, gemeiner und ge- ringer Kerl! Chriſtenabkömmling! Ubelgeborener! Wo du wußfeft, daß dieſer Strauß von meiner Hand gebunden war und daß ich ihn Daraja überſandt, haft du es gewagt, ihn an: zunehmen, ohne zu berückſichtigen, daß es der meine war! Käme nicht in Betracht, was ich dem König ſchulde, wo ich mich in ſeiner Gegenwart befinde, hätte ich deinen wahnſinnigen Vor⸗ witz (don gezüchtigt!

Als der wackere Abencerrage Muſas unziemliches Vorgehen ſah und die geringe Achtung, die er ihrer alten Freundſchaft gegenüber zeigte, geriet er nicht minder als jener in Zorn und erwiderte: „Wer da ſagt, ich fei ein gemeiner Kerl und übel: geboren, lügt faufendmal! Denn ich bin durchaus guter Ritter und Edelmann, und nächſt dem Könige, meinem Herrn, ift hier keiner wie ich!“

Nach dieſen Worten zogen die Ritter blank, um aufeinander loszuſchlagen, was ſie auch getan hätten, hätte ſich nicht der König ins Mittel gelegt und andere Ritter. Höchſt aufgebracht wider Muſa, weil der die Veranlaſſung zuin Streit gegeben, ſprach der König zu ihm recht ärgerliche Worte und gab ihm, weil er ſich in ſeiner Gegenwart ſolches herausgenommen, den

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Befehl, den Hof zu verlaſſen. Muſa ſagte hierauf, er werde gehen; doch eines Tages, in den Chriſtenkämpfen, werde er ihm fehlen, er aber fragen: „Wo iſt Muſa?“ Hiermit wandte er ſich, den Palaſt zu verlaſſen. Alle Ritter und Damen jedoch hielten ihn auf und baten den König, von ſeiner Ungnade ab⸗ zuſtehen und die Verweiſung Muſas aufzuheben. Und ſo ſehr baten die Ritter, die Königin und die Damen, daß er ihm vergab; und ſie verſöhnten Muſa und den Abencerragen; Muſa auch tat der Vorfall leid, weil er dem Abencerragen befreundet war.

Kaum war dieſer Streit geſchlichtet, erhob ſich ein ſchlimmerer, und das war, als ein Ritter der Zegri deren Familienober⸗ haupt zu Abenhamet Abencerrage fagfe: „Der König, mein Herr, gibt ſchuld ſeinem Bruder Muſa, tut aber nicht Genüge hinſichtlich eines Wortes, das Ihr ſagtet, daß es nämlich nächſt dem Könige keine ſolchen Ritter gäbe, als Ihr es feid, - wo Ihr doch wißt, daß es im Schloſſe ebenſolche und gerade ſo gute gibt wie Euch; es ift auch nicht guter Ritter Art, fidh ſelbſt fo Heraus: zuſtreichen. Wäre es nicht, daß ich Tumult im Königspalaſte vermeiden wollte, ſagte ich Euch, es würde Euch teuer zu ſtehen kommen, was Ihr in Gegenwart von ſo vielen Rittern aus⸗ geſprochen habt.“

Malik Alabez, tapfer und kühn, der den Abencerragen nahe verwandt war, ſtand auf und antwortete dem Zegri mutig: Mehr wundere ich mich, daß du allein dich beleidigt fühlft, wo es ſo viele und ſo ſchätzenswerte Ritter gibt, deren keiner es für nötig befand, abermals Zank und Ärgernis zu erregen. Auch war, was Abenhamet ſagte, ſehr gut geſagt. Denn die Ritter von Granada (ind wohlbekannt für das, was fie find und wo⸗ her ſie kommen, und ihr Zegri ſollt nicht denken, weil ihr von den Königen von Cordoba ſtammt, beſſer oder gleich zu ſein den

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Abencerragen, die da Nachkommen der Könige von Marokko und Fes ſind und jenes großen Miramamolin. Und die Almoradi, von denen ihr wißt, daß ſie ein Zweig dieſes Königshauſes ſind von Granada, ſind gleichfalls vom Geblüt der Könige von Afrika; von uns, den Malik Alabez, wißt ihr, daß wir Nach⸗ kommen des Königs Almohabez ſind, des Herrn jenes ruhm⸗ reichen Königtums Cuco. Und wir alle haben geſchwiegen. Warum willſt du von neuem Streit und Leidenſchaft erregen? So wiſſe denn, daß, was ich ſage, Wahrheit iſt, daß es nämlich nãchſt dem Könige, unſerem Herrn, keine Ritter gibt, die gleich wären den Abencerragen, und daß, wer das Gegenteil behauptet, lügt und in meinen Augen kein Edelmann iſt.“

Wie da die Zegri, Gomel und Maza, die untereinander ver⸗ wandt waren, hörten, was Alabez ſagte, ſchäumten fie vor Wut und ſtanden auf, ihn umzubringen. Die Alabez, Abencerragen und Almoradi, die die andere Sippe ausmachten, begriffen den Entſchluß jener und erhoben ſich, ihnen Widerſtand zu leiſten und ſie anzugreifen.

Als der König den Palaſt ſo voller Tumultes ſah und die Gefahr, ganz Granada zu verlieren und damit das ganze Reich, ſprang er auf und rief laut: „Hochverratsſtrafe jedem, der ſich rührt und die Waffen zieht!“ Danach faßte er Alabez und Zegri, rief die Leibwache und hieß ſie in Haft nehmen. Alabez ward auf der Alhambra, Zegri im roten Turme eingeſchloſſen und Wachen vor beide geſtellt zu gutem Gewahrſam. Die Ritter von Granada verſuchten zu verſöhnen, und ſchließlich ge: lang das auch durch Vermittlung des Königs; doch wäre es beffer geweſen, die Verſöhnung wäre nicht zuſtande gekommen, wie weiterhin berichtet werden wird.

Ehe wir nun fortfahren, wollen wir von dem tapferen Zaide und der ſchönen Zaida erzählen, die jener fo wert hielt, und was

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in Granada fo öffentlich bekannt war, daß man (don von nichts anderem (prah als von ihrer zärtlichen Liebe. Als ihre Eltern das wahrnahmen, beſchloſſen ſie, ſie mit jemand anderem zu ver⸗ heiraten und das bekanntzugeben, damit Zaide von feinem Vor. haben abſtehe, die Hoffnung feiner Liebe verliere und aufhöre, ſich in ihrer Straße und vor ihrer Tür zu ergehen, auf daß die Ehre Zaidas nicht dermaßen geſchädigt werde. In dieſer Ge⸗ ſinnung verwandten fie viel Vorſicht ihrer Tochter gegenüber, wobei ſie ihr nicht erlaubten, ans Fenſter zu gehen, damit ſie nicht mit Zaide ſpreche. Doch wenig frommten ihnen ihre Vorſichts⸗ maßregeln, da ihrer ungeachtet weder Zaide aufhörte, die Straße zu begehen, noch ſie, ihn mit der gleichen Glut zu lieben wie ehemals. Als nun die Heirat Zaidas in aller Stadt bekannt⸗ gegeben wurde, und zwar, daß die Eltern ſie an einen mächtigen und reichen Mohren von Ronda vergaben, konnte der wackere Zaide weder tags noch nachts Ruhe finden, mit allerhand Wahngedanken beſchäftigt und darauf bedacht, die Heirat zu vereiteln durch Tötung des Verlobten. Er ſetzte keinen Augen⸗ blick aus, die Straße ſeiner Dame auf und ab zu wandeln, um zu ſehen, ob er ſie ſprechen könne, ihre Geſinnung zu erfahren; denn den kühnen Mohren ſchreckte der Gedanke, daß ſeine Zaida in die Heirat einwillige. Um des Wortes und der Treue willen, die ſie einander verſprochen hatten, ſpähte er nach ihr, ob ſie nicht auf einen Balkon herausträte, wie ſie zu tun pflegte.

Die ſchöne Zaida litt nicht weniger Kummer und Sorgen als ihr Liebhaber, ſehnſüchtig, ihn zu ſprechen und ihm zu be⸗ richten, was ihre Eltern beſchloſſen hatten. So trat ſie denn hinaus auf den Balkon und gewahrte den tapferen Zaide, der ſich allein erging traurigen und ſchwermütigen Anſehens. Und wie er die Augen zum Balkon erhob und die ſchöne Zaida ſo herrlich und fo prächtig ſah, verließ ihn ſofort fein ganzes Übel,

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und er trat ſchůchtern unfer den Balkon und (prah alfo zu feiner Mohrin: „Sage mir, ſchöne Zaida, iſt das Gerücht wahr, daß dein Vater dich verheiratet? Falls es Wahrheit iſt, ſage mirs, verſchweige es nicht und halte mich nicht weiter in Spannung. Denn wenn es Wahrheit iſt, fo wahr Allah lebt, muß ich den Mohren töten, der dich beanſprucht, damit er (id) meiner Herr: lichkeit nicht freue.“ Die ſchöne Zaida antwortete ihm, die Augen ganz voll Tränen: „Ja, dem iſt ſo, daß mein Vater mich verheiratet. Tröſte dich und ſuche eine andere Mohrin, ihr zu dienen, wie eine ſolche dir bei deinem großen Werte nicht ermangeln wird. Schon ward es Zeit, daß unſere Liebe ihr Ende finde. Der Himmel kennt die Nöte, die ich deinetwegen von meinem Vater ausgeſtanden habe.“ „O Grauſame,“ entgegnete der Mohr, „iſt das alſo das Wort, das du mir gabſt, mein zu fein bis in den Tod?“ „Geh, Raide,” ſprach die Mohrin, „denn meine Mutter kommt mich holen, und ſchicke dich in Geduld.“

Mit dieſen Worten verließ ſie weinend den Balkon, und der tapfere Mohr blieb recht faſſungslos, ohne zu wiſſen, wozu er ſich entſchließen ſollte zur Erleichterung ſeiner Pein. Doch er entſchloß fih, feinem Anſpruch nicht zu entſagen. So ging er, ohne des Widerſtreits ſeiner Gedanken ledig zu werden, vom Platz und ließ ſeine Seele dort zurück.

Obgleich nun die ſchöne Zaida mit Zaide all das geſprochen hatte, was ihr gehört habt, ließ ſie desungeachtet nicht ab, ihn in ihrem Herzen zu lieben, und der kühne Zaide liebte ſie weiter desgleichen. Das aber konnte nicht ſo geheim bleiben, daß es nicht vom Mohren Tarfe erfahren wurde, einem Freunde Zaides, der in ſeiner Seele einen tödlichen Neid barg, weil er heimlich Zaida liebte; und da er erwog, daß Zaide nie auf hören würde, die {done Baida zu lieben, beſchloß er, Unkraut zwiſchen fie zu

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faen und fie zu entzweien, obwohl ihm ſolches das Leben koſtete. Denn ſo geht es denen, die ihren Freunden nicht die Treue halten. Was nun den Mohren Zaide betrifft, den tapferen und

glänzenden Abencerragen, ſo war er ſo leidenſchaftswirr um das, was die ſchöne Zaida ihm geſagt hatte, daß der Gedanke daran, daß es wahr ſei, daß ihre Eltern ſie verheiraten wollten, ihn in Verzweiflung brachte. In dieſer Sorge wandelte der kuͤhne Mohr gar verſonnen einher, und um Troſt zu finden, ging er auf und nieder die Straße ſeiner Dame. Sie aber trat nicht mehr an die Fenſter, wie ſie ehemals pflegte, fondern nur bis⸗ weilen und ſpät, von Abend zu Abend. Denn obgleich die holde und ſchöne Mohrin ihn zärtlich liebte, zeigte fie es nicht, um ihre Eltern nicht zu erzürnen, und darum wagte fie es auch nicht, mit ihrem geliebten und liebenden Mohren zu ſprechen. Dies ſchmerzte ihn ſehr, und er verriet das in Anfzug und Kleidung, die er ſeiner Leidenſchaft entſprechend trug, und hiernach beurteilten die Herren und Damen von Granada die Zuſtände ſeiner Sache und ſeiner Liebe. Mit ſolchen Qualen und Nöten wandelte nun der tapfere Zaide ſo einbildungsſchwer einher, ohne ſie ſeinem Geiſte fern⸗ halten zu können, daß ſie ihn äußerſt erſchöpften und es ihm ſehr ſchlimm zumute war. Und um ſich zu tröſten, begab er ſich in einer Nacht, die recht dunkel war und gut ſeiner Abſicht ent⸗ ſprach, voll von Liebesanaften, wohl angetan und mit fidh weiter nichts als eine Laute, um Mitternacht nach der Straße ſeiner angebeteten Mohrin, und nachdem er ſein Inſtrument mit vieler Schwermut zu rühren begonnen, ſang er auf Arabiſch folgendes traurige Lied:

Tränen, die umſonſt gefloffen -

Solche Härte nicht erweicht,

Da ihr doch dem Meer entſteigt,

Seid ins Meer zuruͤckgegoſſen.

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Zwar in harten Felsgeſteinen Habt ihr Widerhall erregt, Daß ſie, gleichen Leids bewegt, Mitgetönt, um mitzuweinen.

Doch weil ihr umſonſt gefloffen Solche Härte nicht erweicht,

Da ihr doch dem Meer entſteigt, Seid ins Meer zurückgegoſſen.

Nicht ohne Tränen ſang dies Lied der verliebte Zaide zu den Tönen feiner klangvollen Laute, begleitet von gar glühenden Seufzern, die ſeiner Seele entſtiegen, womit er die Angſte ſeiner Leidenſchaft ſteigerte. Und wie der Mohr die Leidenſchaft, die er zeigte, auch in der Seele fühlte, ſo empfand nicht geringere die ſchöne Zaida, die, ſobald ſie die Laute vernahm und daß, der fie ſpielte, ihr geliebter Zaide wäre denn fie erkannte ihn daran , ſich ganz leiſe erhob und auf einen niedrig gelegenen Balkon trat, wo ſie dem Lied und den Seufzern ihres Geliebten zuhörte und ihm, gerührt und in eigenem Schmerz, mit traurigen Tränen folgte, fih den Sinn des Liedes vorhaltend und der Begebenheit gedenkend, von der der Mohr ſang. Denn wißt, das erſtemal, daß Zaide ſeine ſchöne Zaida ſah, war es an einem Johannistage in Almeria geweſen, als der Mohr ein Segelſchiff befehligte, mit dem er große Handelsfahrten und Seerãuberzüge unternahm; und gerade war Zaide mit feinem Fahrzeug am Strande von Almeria angelaufen zur Zeit, da die holde Zaida ſich dort mit ihren Eltern und Verwandten ver⸗ gnügte. Der kühne Mohr brachte auf ſeinem Schiffe reiche Chriſtenbeute mit; mit vielen Wimpeln, Bannern und Fähnchen war es verſchönt und geſchmückt, und das war die Veranlaſſung, weshalb Zaidas Vater und ſie auf das Schiff gingen, es ſich

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anzuſehen, desgleichen auch den Kapitän, der auf diefe Weife mit ihnen bekannt wurde. Der tapfere und kühne Raide nahm fie mit vieler Freude und Bewillkommnung auf, da er feiner Blick auf die ſchöne Zaida geworfen hatte, der er viele und reiche Schmuckſachen verehrte, mit der er ſein Begehren und ſeine Liebe zu erkennen gab; und er blieb um ſie ganz liebes⸗ zerhämmert, und ſie desgleichen hatte ſich in den prächtigen Mohren verliebt. Schließlich verabredeten ſie ſich, daß Zaide nach Granada kommen ſollte; er ging darauf ein, beſchloß, das Meer aufzugeben und das Schiff einem Verwandten zu über⸗ laſſen. In Granada aber hatte der kühne Zaide ſeiner Dame bis jetzt gedient. In Anbetracht des Vorgehens ihrer Eltern und des großen Mißvergnügens, das ſie ihm verurſacht hatte, ſang er ihr nun, voll Liebesflammen, das obige Lied zu Erinnerung an ihr erſtes Zuſammentreffen.

Wie min die ſchöne Mohrin des Schmerzes innegeworden, den ihr Liebhaber mit ſeinen Tönen kundgab, empfand ſie das gleiche Leid wie er und trat gerührt hervor und rief ihn heran, leiſe, ihrer Eltern wegen. Nicht hielt fih da der prächtige Mohr lange auf; er eilte, ſo raſch er konnte, an den Balkon heran; da ſagte ihm ſeine Dame: „Wie, Zaide, immer noch harrſt du aus? Weißt du nicht, daß du mich in ſchlechten Ruf bringſt? Bemerke doch, welch Aufſehen du erregſt. Berück⸗ ſichtige doch, daß meine Eltern mich ſtreng halten deinetwegen. Geh hinweg, eh du von ihnen bemerkt werdeſt. Denn ſie haben beſchloſſen, daß, ſollte es nicht anders werden, ſie mich nach Coyn ſenden würden ins Haus meines Oheims. Laß es nicht dazu kommen, denn das wäre das Ende meines Lebens. Und glaube nicht, daß ich dein vergeſſen habe, die ich dich ebenſo in meiner Seele bewahre wie ehemals. Sind die Wolken einmal vorüber, wird uns Allah gutes Wetter ſenden. Und weinend

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(died fie von ihrem Liebhaber und ließ ihren geliebten Mohren im Dunkeln, da ihm ſein Licht gebrach. Er aber ging verwirrt von der Stãtte, da er nicht wußte, zu welchem Ende ſeine Liebes⸗ ſchuſucht gedeihen ſollte. | Doch kommen wir jetzt wieder zurück auf jenes oben beſchriebene Tanzfeſt. An ihm und den folgenden nahm auch teil der glänzende und tapfere Zaide, der Abencerragen⸗Ritter, der feine holde Zaida liebte, und auch ſie war da; und derart war die Liebe, die ſie zueinander hegten, daß die des einen der der anderen auch nicht im geringſten unterlegen war; ſie unterhielten ſich aber miteinander, ohne eines des anderen zu genießen, nur durch Blicke und Worte. Eines Tages nun wand die holde Mohrin eine ſchöne Flechte aus ihren ſchönen Haaren denn fie waren edler als Goldfaſern von Arabien - und ſchlug fie mit eigenen Händen um den Turban ihres geliebten Zaide. Der ward davon höchſt beſeeligt und zufrieden und froh wegen neuer Gunſt und Glücks. Da bat ihn Audala Tarfe, ſein Freund, er möge ihm den Grund ſeiner übermäßigen Freude ſagen; und wie man nun Glid und Freude nicht fo ſehr genießt, wenn man fie nicht mit: teilt, erõffnete der ihm, auf ſeine große Freundſchaft vertrauend, den Sachverhalt unter dem Siegel der Verſchwiegenheit und zeigte ibm das koſtbare Pfand, das ſeine Dame Zaida ihm ge⸗ geben hatte. Der Mohr Tarfe, voll Neides und tödlicher Wut, beſchloß, da er ſah, wie ſehr der andere von Raida begůnſtigt und wert gehalten wurde, das Geheimnis der ſchönen Mohrin wiederzuerzählen; er ſuchte Gelegenheit, fie eines Tages zu ſprechen, und ſagte ihr: „Biſt du es, gnädige Frau, die Zaide ſo ſehr liebt? Das von allen in Granada und außerhalb ſo ge⸗ ehrte, geliebte und hochgeſchätzte Mädchen? Denn deine Ehre iſt recht tief geſunken, da er jüngſt auf einer Geſellſchaft, wo man von den Liebhabern ſprach, die von ihren Damen begünſtigt

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werden, feinen Turban abnahm und uns allen eine Haarflechte wies und ſagte, ſie ſei von den deinen und von deiner Hand ge⸗ wunden und dort angebracht. Sieh zu, ob das wohlbekannte Zeichen ſind.“ Sie glaubte, daß dem ſo ſei, und da die Frau von Natur veränderlich iſt, wandelte ſich ihre ganze Liebe in Rachſucht und Haß, und es machte ihr große Pein und Schmerz, als ſie erwog, wie es mit ihrer Ehre ſtünde. Da ließ ſie ihn rufen, und eine Magd berichtete ihr, er habe gerade vor kurzem angefragt, welche Farbe ihr an ſeinem Anzug genehm und wer bei ihr zu Beſuch ſei. Zaide kam recht fröhlich herzu, ſie aber ſagte ihm zornrot: „Ich bitte dich, daß du weder durch meine Straße noch vor meinem Hauſe dich ergeheſt, noch mit jemand von meinem Geſinde redeſt, denn meine Ehre iſt ſehr zu Schaden gekommen durch dich; die Flechte, die ich dir gab, haſt du Tarfe gezeigt und anderen. So kann man dir in keinem Stück ver⸗ trauen, und hoffe nicht, mich jemals wieder zu ſprechen. Nach dieſen Worten ging ſie weinend in ein Seitenzimmer, ohne daß die Entſchuldigungen des verliebten Mohren etwas vermochten, der da ſagte, daß, wer ſolches behauptet hätte, luge. Angeſichts deſſen, daß die Worte zu nichts frommten, ſchwor Zaide Tod dem Mohren Tarfe.

Er hatte beinahe den Verſtand verloren, als er ihr Haus ver⸗ ließ; und voll brennenden Zornes ging er, Tarfe zu ſuchen, ihn zu erſchlagen. Er fand ihn auf dem Platze Vivarambla, wo er gewiſſe Dinge anordnete für die bevorſtehenden Feſtlichkeiten. Zaide rief ihn beiſeite und ſagte ihm: „Warum haſt du mich entzweit mit meiner Herrin Zaida, ohne der Satzung meiner Freundſchaft zu achten?“ Tarfe entgegnete: „Ich habe dich nicht entzweit mit deiner Dame und bin unſchuldig an dem, was du meinſt; du darfſt von mir ſolches nicht glauben.“ Zaide be⸗ ſtand auf ſeiner Behauptung, Tarfe leugnete, und ſie gaben

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einander recht beleidigende Worte. Dann nahmen die Reden ein Ende, ſie zogen ihre Säbel und fochten recht wacker, und Zaide verſetzte Tarfe eine tödliche Wunde, an der er nach dreien Tagen ſtarb. Die Zegri wollten nun Zaide umbringen, da ſie mit Tarfe befreundet waren. Die Abencerragen eilten raſch herbei, und wäre nicht der König hinzugekommen, wäre dieſen Tag Granada verloren gegangen, da die Maza, Gomel, Zegri und die von ihrer Sippe ſich bewaffneten, um die Abencerragen, Gazul, Benegas und Alabez, zu erſchlagen. Allein der König, unter dem Beiſtand der vornehmſten Herren anderer Geſchlechter, erreichte ſo viel, daß ſie ſich beruhigten, und Zaide ward in Haft nach der Alhambra geführt. Die Unterſuchung des Falles er⸗ gab, daß Tarfe ſchuldig war, und damit die Ehre der ſchönen Zaida keinen Makel erleide, bewirkte der König, daß Zaide ſich mit ihr verheiratete, und begnadigte ihn in Sachen des Todes von Tarfe. Hiervon waren die Zegri verſtimmt; nichtsdeſtoweniger wurden die Feſtlichkeiten nicht aufgegeben, da der König Befehl gab, daß ſie abgehalten werden ſollten.

Infolge dieſes Vorfalles und der Worte, die Malik Alabez auf jenem Tanzfeſte geſprochen hatte und desgleichen der Aben⸗ cerrage, gedachten alle Zegri, Gomel und Maza mit böſen Ab⸗ ſichten und Begehren, ſich wegen der Beleidigung zu rächen, die ihnen in Gegenwart des Königs, der Ritter und der Damen widerfahren war; denn es hatten teilgenommen an dieſem Feſte die ganze Blüte und der Adel nicht nur von Granada, fondern des ganzen Reiches. Es war auch große Kühnheit geweſen ſeitens Malik Alabez', auch war der Abencerrage ebenfalls zu weit gegangen. Doch wo die Verſöhnung zuſtande gekommen war, ſprachen die Zegri weder davon, noch ließen ſie ſich etwas anmerken. Sondern die Rachſucht blieb eingewurzelt in ihrem Herzen, und um den tödlichen Haß nicht zu zeigen, von dem

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fie brannten, verkehrten fie mit den Abencerragen und den Alabez, fich verſtellend, wie fie nur konnten, da alle von ihren Haufe ein wirkſames und großes Begehren hegten, ſich zu rächen, wie fih hernach herausſtellte.

Als nun eines Tages alle Zegri im Schloſſe Bibatambien, dem Wohnſitze Mohammed Zegris, des Oberhaupts ſeines Geſchlechtes, verſammelt waren, ſprach dieſer zu allen Qn: weſenden folgendermaßen: „Ihr wißt wohl, erlauchte Ritter der Zegri, wie unſer königliches und altes Geſchlecht in Spanien und Afrika ſo viel gegolten hat; wie unſere Vorfahren Könige von Cordoba waren und wie unſere Ehre jetzt von den Aben⸗ cerragen geſcholten und verletzt worden ift. Hierüber bin ich fo außer mir, daß ich vor Leid ſterbe, und was mich erleichtert und erhält, iſt nur das Vertrauen, das ich hege, mich eines Tages ge⸗ rät zu ſehen. Der Schimpf gilt uns allen, und wir alle muͤſſen uns Genugtuung verſchaffen. Jetzt bietet uns das Glück recht gute Gelegenheit. Nutzen wir ſie aus, das heißt verſuchen wir auf dem Turnier oder beim Stabwerfen Malik Alabez und den übermüfigen Abencerragen umzubringen. Sind die erft tot, wollen wir einen Anſchlag treffen, auf welche Weiſe dies ganze treuloſe Geſchlecht der Abencerragen auszurotten, die bei allen ſo geſchätzt und ſo beliebt ſind. Dieſerhalb wollen wir am Tage des Stabwerfens wohlbewaffnet und mit Panzerjacken unter unſeren Gewändern zum Feſte gehen. Und da mich der König zum Anführer einer Quadrille beſtimmt hat, wollen wir ausziehen, dreißig Zegri in rot und grünen Livreien, aber mit blauen Helmbüſchen, den alten Farben der Abencerragen, ihnen hiermit einen Anlaß zum Arger wider uns zu geben, damit es zum Streite komme und, wenn ſich der Kampf entſponnen, ein jeder ſich zeige, wie er iſt; denn da wir Waffen tragen werden, iſt nicht zu zweifeln, daß wir ſie übel zurichten. Wir brauchen

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nichts zu fürchten, denn wir haben auf unſerer Seite die Maza Gomel. Und ſollte die blaue Farbe auf die Abencerragen keinen Eindruck machen, ſo wollen wir beim Spiel gegen ſie anſtatt mit Stãben mit ſcharfen Lanzen werfen. Dies ift meine Meinung, ſagt mir nun die euere.“ Es antworteten alle, daß, was er ſagte, recht ſei, der Anſchlag gut, und daß jeder ſein mõglichſtes tun werde, um fih zu rächen. Nachdem ſolches ver: abredet worden war, begab ſich ein jeder nach Hauſe.

Zur gleichen Zeit ordneten ihre Quadrille Muſa und die Abencerragen, wobei auf Befehl des Königs Mufa Quadrillen⸗ führer war; in dieſer Quadrille ſollte auch Malik Alabez mit⸗ reiten. In voller Ubereinftimmung wählten fie fih Livreien von blauem Damaſt, gefüttert mit feinem Sil berſtoff, und blan- weiß · ſtrohgelbe Helmbũſche entſprechend den Livreien; die Lanzen⸗ quaſten blau⸗weiß, durchzogen mit vielem Gold; Schilde ſollten fie tragen mit wilden Männern als Zeichen; nur Malik führte ſein eigenes Wappen, das war ein purpurner Querbalken, dar⸗ über eine goldene Krone, nebſt feinem Wahl ſpruch, der beſagte: „Mit meinem Blut“. Muſa führte dieſelben Schildzeichen, die er am Tage ſeines Gefechts mit dem Großmeiſter angenommen batte, das war ein Herz in der Hand einer Jungfrau, die die Fauſt zuſammenſchloß, wobei das Herz Blutstropfen fallen ließ, und den Wahlſpruch, der beſagte: „Um meinen Ruhm trag ich mein Leid“. Nachdem der kühne Muſa die Quadrille derart angeordnet hatte, beſchloſſen ſie noch, weiße Stuten zu reiten, deren Schweife mit Bändern von blauer Seide und feinſtem Golde durchzogen werden ſollten.

Als min der vielbeſprochene Tag des großartigen Feſtes nahe war, ließ der König vierundzwanzig Stiere, der beſten, die es in den Bergen von Ronda gab, kommen; denn dort gibt es ſehr wackere. Und ſobald der Platz Vivarambla hergerichtet worden

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war, wie es wahrhaftig zu einem ſolchen Feſte ziemte, begab er ſich im Gefolge vieler Ritter dorthin und nahm die Königs Lauben ein, die für dieſes Feſt dazu beſtimmt worden waren. Die Königin mit vielen Damen nahm Platz in anderen Lauben Pei gleicher Rangordnung wie der König. Alle Fenſter der Häuſer ringsum waren von wunderfchönen Damen eingenommen. So viel Leute ſtrömten herzu, daß es keinen Platz gab, wo ſie ſich halten konnten, und es kamen viele von außerhalb des Reiches, ſo von Toledo und von Sevilla; und von dieſer letzteren Stadt kam die Blüte der Ritterſchaft nach Granada beim Gerücht einer ſolchen Feſtlichkeit. Die Abencerragen⸗Ritter bekämpften die Stiere mit ſolchem Glanze und Schneid, daß ſie allen mit ihrem Anblicke Freude machten, und wenn man ſie ſo derartige Ritter⸗ lichkeiten begehen ſah, ſpendete man ihnen tauſenderlei Lob. Beſonders zogen ſie die Blicke aller Damen ſich nach, da ſie von ihnen ſo bevorzugt wurden, daß ſich keine einzige für eine Dame hielt, die nicht einen Abencerragen liebte; überall auch, wo Ritter dieſes Geſchlechts auftraten, wurden ſie von allen ſo wert gehalten und ſo geehrt, daß ſie aller anderen Ritter Neid erregten. Mit vielem Grund aber wurden ſie ſo von den Damen geliebt, weil fie alle feine Liebhaber und Edel Leute waren, ſchön und mit Verſtand begabt, ſehr wohlerzogen und von achtungsvollem Benehmen. Niemand wandte ſich in der Not an irgendeinen von ihnen, ohne daß er ihr abhalf, und ſei es auch ſehr auf eigene Koſten. Sie waren Verfolger des Unrechts, Beruhiger des Staates, Väter der Waiſen, bis aufs äußerſte bedacht auf die Erhaltung der Zuſtände und den ſchuldigen Gehorſam gegenüber ihren Königen. Sie ſtanden ſehr gut mit den Chriften; denn fie machten ſelber Fahrten nach den Raub: ſtaaten, die Gefangenen zu beſuchen, tröſteten ſie, gaben ihnen Almoſen und Nahrung; dieſerhalb und aus anderen Gründen

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waren fie fo beliebt im ganzen Reiche. Niemals fand ſich bei ihnen Furcht, obgleich ſich ihnen die ſchwierigſten Fälle boten. Nun erregten ſie ſolche Freude mit ihrem Glanz und ihrem Adel, daß die Damen und alles Volk die Blicke von ihnen nicht ab⸗ wandten. Nicht weniger Pracht legten die kühnen Alabez an den Tag. Auch den Zegri gelang es, ihren Wert zu zeigen, da ſie acht Stiere ſehr gut erledigten, ohne daß einer von ihnen oder eines ihrer Pferde zu Schaden kam.

Um ein Uhr mittags waren bereits zwölf Stiere bekämpft worden, und der König befahl, die Hörner und Flöten zu blaſen, was das Zeichen dafür war, daß alle Ritter, die am Spiele teil⸗ nahmen, ſich in der Laube einfinden ſollten; und nachdem fie fidh verſammelt, gab ihnen der König in beſter Stimmung ein Frühſtücksmahl. Dasſelbe tat die Königin mit ihren Damen, die Shmud und Gewänder von nie geſehener Pracht trugen, was noch gehoben wurde durch die Schönheit der, die ſolches gerade trug. Es hatte die Königin ein weites Brokatgewand an mit reicher Stickerei von Gold und Edelſteinen; ſie trug einen Kopfputz von höchſtem Wert, uber der Stirn eine rote Rofe und in ihrer Mitte einen koſtbaren Karfunkel. Wenn die Königin ihr Antlitz wandte, waren der Glanz und das Licht, die der Kar⸗ funkel ausſtrahlte, fo groß, daß er das Geſicht raubte dem, der da hinſah. Die holde Daraja war in Blau gekommen, das ge⸗ ſchlitzte Damaſtgewand gefüttert mit Silberſtoff, der feine Fein⸗ heit durch die Schlitze ſehen ließ; auf dem Kopfputz zwei Federn, eine blau, eine weiß, in den Farben der Abencerragen; ihr Auf⸗ zug ſtand ihr ſehr gut, da ſie ſo ſchön war, daß keine Dame mit ihr wetteifern konnte. Galiana von Almeria war in weißem Damaſtgewande von felten feiner Arbeit, das IUberkleid gefüttert

mit Purpurbrokat und mit einigen großen Schlitzen; ihr Kopfputz war ſehr künſtlich. Dieſer Dame ſah man an der Kleidung wohl

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an, wie frei von Liebe fie lebte, obſchon fie wußte, daß Abenamar ihr ſehr zugetan war und ihr ſehr zu dienen wünſchte. Fatima, die Zegri⸗Tochter, trug Purpur, wobei fie mit Muſas Livres nicht übereinzuſtimmen ſuchte, weil fie fih darüber enttänſcht fühlte, daß Muſa Daraja liebte und ſich um deren Dienſt be⸗ warb. Endlich wieſen all die Damen, die ſich bei der Königin befanden, folh eine Pracht auf, daß es äußerſt bemerkenswert war. Auf einem anderen Balkon ſaßen die Damen vom Hauſe der Abencerragen, ſo daß es kaum einen ſchöneren Anblick auf der Welt geben konnte; alle die übertraf e die Tochter von Mohammed Abencerrage.

Berichten wir aber weiter. Es mochte gegen zwei Uhr ſein, nachdem die Herren und Damen das Frühſtück beendet hatten, als man einen Stier losließ von den tüchtigſten, die es unter allen gab; niemand verfolgte ihn, den er nicht in die Luft warf, und die Leichtigkeit der Pferde genügte nicht, ſeinen geſchwinden Hornſtößen zu entgehen. So groß war ſein Mut und ſeine Behendigkeit, daß in kurzer Zeit alle Fußkämpfer, wenn auch wider ihren Willen, den Platz räumten. Als der König ſah, wie er füchfig war, ſprach er zu den Rittern: „Gut wäre es, dieſen Stier mit der Lanze zu bekämpfen.“ Malik Alabez bat um Vergunſt, einen Lanzenkampf zu verſuchen, und der König bewilligte es ihm. Alabez ſtieg aus der Laube hinab, beſtieg ein Pferd, das ihm der Burghauptmann von Velez, ſein Vetter, geſchenkt hatte; dann ritt er eine Runde durch die ganze Bahn, und als er am Balkon anlangte, wo ſich ſeine Herrin Cobayda befand, brachte er ſein Pferd zum Niederknien; er aber beugte fein Haupt, auf dieſe Weiſe Artigkeit erweiſend feiner Dame und all den anderen, die ſich dort befanden. Die Dame, verliebt in ihren Alabez, erhob ſich und ſandte ihm einen Gruß. Er aber, hocherfreut, ſeine geliebte Herrin geſehen zu haben und von ihr

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fo ausgezeichnet zu fein, fpornte fein Pferd und fprengfe ab, raſcher denn ein Blitz. So groß war die Leichtigkeit des Pferdes, daß es in der Karriere kaum zu ſehen war. Der König und die Ritter freuten ſich über den Anblick, die Zegri aber wurmte er; denn tödlich war der Neid.

Groß war das Geſchrei der Menge, daß es einen grauſen machte. Der Grund davon aber war, daß der Stier den ganzen Platz durchſauſt, viele Leute umgerannt oder in die Luft geworfen hatte, dabei fünf oder ſechs getötet und nun wie der Wind auf den Fleck losſchoß, auf dem Alabez hielt. Der aber, als er ihn kommen ſah, wollte etwas Beſonderes leiſten. So ſprang er vom Pferde, erwartete den Stier kecken Mutes, den Burnus über der Linken, und als der das Haupt niederbog, um ſeinen Stoß zu führen und ihm einen Prall zu verſetzen, warf er ihm ſo geſchickt den Burnus vor die Augen, daß er damit allen große Freude machte. Dann packte er ihn an beiden Hörnern und zwang ihn trotz Widerwillens, ruhig zu ſtehen, denn groß war die Kraft, die er beſaß. Der Stier verſuchte ſich loszumachen, um ihn zu fofen, und Alabez verteidigte ſich mit großem Mute, wenn auch unter großer Gefahr. Als es aber dem tapferen Mohren ſchien, als dauere dieſer Kampf allzu lange, drehte er ihn im Halſe um und ſchleuderte ihn mit unglaublicher Kraft zu Boden, als wäre es ein ſchwächliches Schaf; und als er ihn am Boden ſah, trat er langſam ab mit ruhigem Geſicht, ſaß auf, ohne den Fuß in den Bügel zu ſtecken, und ließ den Stier ſo zerſchlagen zurück und ſo übel zugerichtet, daß er nicht aufſtehen konnte; alſo daß alle höchlichſt über ſeine Stärke, Tüchtigkeit und unbezwingliche Tapferkeit erſtaunten und ihm tauſend Bei⸗ fall ſpendeten. Der König ließ Alabez rufen; er aber kam herzu, als wäre nichts geweſen. Und der König ſprach, als er kam: „Große Freude habt Ihr mir gemacht. Es ließ ſich aber auch

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von Eurem Wert und Adel nichts Geringeres erwarten. Ich verleihe Euch die Burghauptmannſchaft der Feſte Cantoria und ſetze Euch über hundert Ritter.“ Alabez küßte ihm die Hand für die neue Gunſt, die er ihm erwies.

Es war etwa um vier Uhr nachmittags, da befahl der König das Reiterſpiel. Als ſie das Zeichen vernommen, traten alle Ritter, die daran teilnahmen, vor, um ihren Einzug zu halten; indeſſen begann eine wohlabgeſtimmte Muſik mannigfaltiger Inſtrumente. Alsbald zog aus der Mündung der Straße Zacatin der kühne Muſa ein mit ſeiner Abencerragen⸗Quadrille. Sie ritten zu vier und vier, ſchwenkten um den Platz mit der ſchuldigen Ehrenbezeigung vor dem König, der Königin und den Damen und ritten einige Male rundum in Karriere mit großem Feuer und Anſtand. Es befanden fih Muſa, Malik Alabez und dreißig Abencerragen in der Quadrille, und ſehr gut nahmen fih aus zu den ſchneeigen Stuten die Silberſtoffe und die blauen Federn, womit ſie den ganzen Platz verſchönten, und deren Pracht die Damen ganz verliebt machte. Nicht mit geringerem Glanze und Feuer ritten die Zegri von der anderen Seite ein, ganz in Rot und Grin, mit blauen Federn und Haarbüfchen, auf Braunen und auf den Schilden alle mit dem gleichen Zeichen, nämlich über blauem Balken einem Löwen, gekettet an der Hand einer Dame; der Wappenſpruch aber beſagte: „Mehr Macht hat die Liebe.“ Derart ritten ſie auf den Platz, zu vier und vier, und vollführten zuſammen in guter Ordnung einige Bolten und ein Scheingefecht, wobei ſie nicht weniger Freude erregten als die Abencerragen. Dann nahmen die beiden Quadrillen ihre Poſten ein; man nahm die Kampfſtäbe vor, entledigte ſich der Lanzen, und beim Klang der Trompeten und Flöten begann das Spiel fih zu entwickeln mit viel Feuer, Glanz und Unmut, zu acht gegen acht. Die Abencerragen, die es auf die blauen

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Federn abgeſehen hatten, die die Zegri führten, ihr eigenes altes Zeichen, zielten verärgert gegen deren Turbane, um fie ber: nuterzuholen, und das recht ruͤhmlich. Allein fie konnten das nicht erreichen, und ſo ſpielten ſie in größter Ordnung weiter, wobei es viel zu ſehen gab, und erregten große Zufriedenheit bei allen, die ihnen zuſchauten.

Mohammed Zegri, der mit allen ſeines Geſchlechtes den Tod von Malik Alabez oder von einem der Abencerragen be⸗ ſchloſſen hatte, gab nun das Zeichen, daß Malik Alabez von der anderen Seite aus auf ſeine Quadrille anreite, nachdem er mit dieſer verabredet hatte, daß alsdann er und ſeine acht ſich auf jenen und die Seinen werfen ſollten. Nachdem ſie nun ſechs⸗ mal gegeneinander gerannt, rief der Zegri zu denen von ſeiner AQuadrille: „Jetzt ift es Zeit, da man ſich im Feuer des Spiels befindet. Rächen wir uns, es bietet ſich gute Gelegenheit!“ Er ergriff eine Lanze mit ganz geſchärfter Spitze und wartete ab, bis Malik Alabez wieder herankam mit den acht von ſeiner Qua⸗ drille, die der anderen Partei anzureiten, wie es bei ſolchen Spielen üblich iſt. Und gerade als Malik Alabez, von ſeinem Schilde gedeckt, gegen ihn und die Seinen anritt, ſtürmte der Zegri vor, heftete die Augen auf Malik Alabez, zu erſpähen, wo er ihn am beſten treffen könnte, und ſchleuderte die Lanze mit einer ſolchen Kraft gegen ihn, daß die ſcharfe Spitze durch den Schild fuhr und Alabez in den rechten Arm, den ſie ohne weiteres durchbohrte. Groß war der Schmerz, den der tapfere Malik Alabez von dieſem Stoße erfuhr, denn er nahm nicht nur den ganzen Arm, ſondern auch den ganzen Körper mit; doch begriff er noch nicht, daß er verwundet war. Er ritt auf feinen Poſten zuruck und legte die Hand an die Stelle, die weh tat; da wurde ſie blutig. Und wo er nun auf den Arm hinſah und die Wunde erblickte, ſprach er laut zu Muſa und den Abencerragen: „Ritter, großen Verrat haben die Zegri gegen

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uns gewaffuet: fie werfen mit ſcharfen Lanzen anſtatt mit Stäben! Hier ſeht ihr mich verwundet!“ Die tapferen Aben⸗ cerragen griffen ſofort zu den Lanzen, um bereit zu ſein angeſichts deſſen, was da kommen mochte.

Gerade eben ſchwenkte der Zegri mit fe einer Quadrille auf ſeinen Poſten zurück, als Malik Alabez mit großer Wut mitten uber den Platz vorſprengte und die Lanze nach ihm warf mit den Worten: „Verräter! Was du fafeft, war nicht Rittertat, ſondern gemein!“ Der Wurf war kein Fehlwurf geweſen, da er ihm Schild und Rock durchbohrte und die Lanze ihm eine Hand⸗ breit oder mehr in den Leib drang; und der Zegri fiel beinahe tot vom Pferde. Beiderſeits hatte man ſich vorgeſehen für das, was bevorſtand; es begann ein hitziger und blutiger Kampf. Da die Zegri wohlbewaffnet waren, erwieſen ſie ſich im Vorteil; allein derart war die Tüchtigkeit Muſas, des tapferen Alabez und der Abencerragen, daß ſie nicht auf hörten, die Zegri übel zuzu⸗ richten und ihnen bedeutenden Schaden anzutun. Das Geſchrei und Getöſe waren groß. Als der König das Gefecht entbrennen ſah, eilte er hinab auf den Platz, ſtieg zu Roß und ritt, mit einem Stabe verſehen, unter die Fechtenden mit den Worten: „Heraus! Heraus!“ Desgleichen verſuchten auch alle unbeteiligten Ritter, Frieden zu ſtiften. An dieſem Tage lief Granada Gefahr, ver⸗ Loren zu gehen; zumal die Verſippungen und Entzweiungen unter den Fürſten und Großen ſo gefährlich ſind, befürchtete der König ein ſolches; auch tat das ganze Volk ſein möglichſtes, ſie zu beſänftigen. Nachdem die Ruhe hergeſtellt und jeder zu ſeiner Quadrille zurückgekehrt war, ritten der tapfere Muſa und die Seinen hinauf zur Alhambra, mit ihnen die Almoradi und Venegas. Die Zegri zogen ſich zurück nach dem Schloſſe Biba⸗ tambien, wohin fie Mohammed Zegri tot mit fih führten.

Die Königin und ihre Damen hatten, als ſie den Ernſt des Spieles erkannten, ſchreiend ihre Lauben verlaſſen, da in den

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Streit Gatten, Brüder, Verwandte und Liebhaber verwickelt waren, und ihre Klagen und Tränen bewegten zu Mitleid alle, die fie hörten; befonders das Wehgeſchrei der ſchönen Fatima um Mohammed Zegri, ihren erſchlagenen Vater, deren Ver⸗ zweiflungsgebärden genügt batten, ein diamantenes Herz zu rühren. Dies unglüdfelige Ende nahmen die Feſtlichkeiten, und es blieb in Aufruhr Granada. Es blieb die Stadt voller Ärger: niſſes und Zwiſts, da die Blüte der Ritterſchaft von dieſer Parteiung mitergriffen war. Und der König ging ſorgenvoll einher, geſpannt allen Neuigkeiten entgegenſehend, die ſich jeden Tag am Hofe ereigneten; bei alledem bemüht, Frieden zu ſtiften, damit der eingetretene Schade nicht noch weiteren nach ſich ziehe.

Aus dem Spaniſchen des 16. Jahrhunderts

übertragen von Otto Freiherrn von Taube.

Ernſt Bertram: Zwei Gedichte

Odenwaldbrunnen

ir bleiben Hagens Volk. Indes der Barde Für Gold von Treue tönt, hat Meuchelmut Schon ſeinen Speer bereit. Auf Halbgeheiß Des feig Gekrönten fällt das lichte Wild, Das ſchuldlos ſchuldige. Immer ſind die Blumen Um unſre tiefſten Quellen rot vom Mord Am Bruder und am Freunde. Hagens Volk.

Demeter (Niederwald)

Land, Große Mutter unſer, du wirſt auferſtehn Und wiederſahren mächtig aus der Unterwelt,

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Gewaltlos mildeſte Herrin im Erdenkreis, Du Neugebärerin der weißen Stirnen uns, Du heilig Lehrende, du ohne Maß dich ſelbſt Göttlich ausſäende Saat, ſtumme Verſchwenderin Dankloſen Brots der Welt: du ohne Opferbild Wirſt am befreiten Rhein in aller Herzen ſtehn. Du wirft nicht rächen. Wirſt nicht fein wie fie, die kaum Befreit, mit noch geſtriemtem Handgelenk den Strick Für deine Kinder knoten. Muttergütiger Sei, wie du muttergroß und mutterweiſe warſt. Vergeltung überftröme herrlich wie Geſang Die reueloſen Völker, deine Rache ſei Unendlich wie du felber Segen und Muſik.

Aus dem künftigen Gedichtbuch „Der Rhein“.

Ricarda Huch: Aus dem Buche ‚Entperfönligung"

über die moderne 8 als Entperſön⸗ lichung und dadurch Entgeiſtung der Natur

ährend ſeines ganzen Lebens hat Goethe die moderne

Wiſſenſchaft und ihre Vertreter bekämpft, indem er die Haltloſigkeit ihrer Grundbedingungen klarlegte und auf ihre Unproduktivität, das heißt auf ihren Mangel an Folge hinwies. Bacon wollte die Natur nicht mehr ex analogia hominis betrachtet wiſſen; Goethe betont immer wieder, wie durch die Ablöſung der Natur vom Menſchen ſie entperſönlicht, entgeiſtet, zum Stoff gemacht wurde. |

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„Der Menſch an ſich ſelbſt,“ ſchreibt er an Zelter, „inſofern er ſich ſeiner geſunden Sinne bedient, iſt der größte und genaueſte phyſikaliſche Apparat, den es geben kann. Und das iſt eben das größte Unheil der neueren Phyſik, daß man die Experimente gleichſam vom Menſchen abgeſondert hat und bloß in dem, was künſtliche Inſtrumente zeigen, die Natur erkennen, ja was fie leiſten kann, dadurch beſchränken und beweiſen will. Ebenſo iſt es mit dem Berechnen. Es iſt vieles wahr, was ſich nicht be⸗ rechnen Laß, ſowie ſehr vieles, was fich nicht bis zum entſchiedenen Experiment bringen läßt. Dafür ſteht ja eben der Menſch ſo hoch, daß ſich das ſonſt Undarſtellbare in ihm darſtellt. Was iſt denn eine Saite und alle mechaniſche Teilung derſelben gegen das Ohr des Muſikers? Ja man kann ſagen: Was ſind die elementaren Erſcheinungen der Natur ſelbſt gegen den Menſchen, der fie alle erft bändigen und modifizieren muß, um fie fid einiger: maßen aſſimilieren zu können?“

Man begreift, wenn man dies durchdacht hat, gewiß beſſer die eigentümlichen Worte, die Wilhelm Meiſter dem Aſtro⸗ nomen ſagt, der ihn den Sternenhimmel durch ein Fernrohr an⸗ fehen läßt. „Ich begreife recht gut, daß es euch Himmelskundigen die größte Freude gewähren muß, das ungeheure Weltall nach und nach ſo heranzuziehen, wie ich hier den Planeten ſah und ſehe. Aber erlauben Sie mir es auszuſprechen: ich habe im Leben überhaupt und im Durchſchnitt gefunden, daß diefe Mittel, wo durch wir unſeren Sinnen zu Hilfe kommen, keine ſittlich gunftige Wirkung auf den Menſchen ausüben. Wer durch Brillen ſieht, hält ſich für klüger, als er iſt: denn ſein äußerer Sinn wird dadurch mit ſeiner inneren Urteilsfähigkeit außer Gleichgewicht geſetzt.“ Man bedenke, daß nach Bibliſch⸗Goethiſcher An: ſchauung es der innere Sinn, der Geiſt iſt, der ſich die Sinne, als feine Werkzeuge, (haft und ſicherlich in Ibereinſtimmung zu

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fih ſchafft. Wilhelm Meiſter ſieht zwar ein, daß er diefe Glafer „fo wenig als irgendein Maſchinenweſen“ aus der Welt bannen wird; „aber dem Sittenbeobachter iſt es wichtig, zu erforſchen und zu wiſſen, woher fih manches in die Menſchheit eingeſchlichen hat, worüber man fih beklagt“. Dieſe Bemerkungen erinnern an die, welche Jeremias Gotthelf gelegentlich über den ent⸗ ſittlichenden Einfluß der Eiſenbahnen macht, entſittlichend des⸗ halb, weil ſie das Maß der Entfernungen in einer mit den Kräften des Menſchen nicht mehr übereinſtimmenden Art ver⸗ ändert haben. Durch das ganze Maſchinenweſen hat der Menſch ſeine Leiſtungen vermehrt, ohne ſeine Kräfte vermehrt zu haben, was auf diefe Kräfte wieder herabmindernd zurückwirken, fein Selbſtgefühl aber, wiederum im kraſſen Miß verhältnis zu feiner Kraft, ins Maßloſe ſteigern muß.

Ich führe noch einige verwandte Ausſprüche Goethes an:

„Mikroſkope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menſchenſinn.“ |

„Die Theorie ift nicht nütze, als infofern fie uns an den Zu⸗ ſammenhang der Erſcheinungen glauben macht.“

„Das Subjekt iſt bei allen Erſcheinungen wichtiger, als man denkt.“

„Was iſt im Grunde aller Verkehr mit der Natur, wenn wir auf analytiſchem Wege bloß mit einzelnen materiellen Seiten uns zu ſchaffen machen und wir nicht das Atmen des Geiſtes empfinden, der jedem Teile die Richtung vorſchreibt und jede Ausſchweifung durch ein innewohnendes Geſetz bändigt und ſanktioniert.“

„Die Sinne trügen nicht, aber das Urteil trügt.“

Ahnlich ſagt Schiller: „Erſt mit dem Rationalismus ent, ſteht das wiſſenſchaftliche Phänomen und der Irrtum.“

Wie Goethe es ſtets für richtiger hielt, nicht nur zu pole

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miſieren, ſondern das Falſche durch poſitive Leiſtungen zu be- kãmpfen, fo ſetzte er der entperſönlichten modernen Wiſſenſchaft eine Weltanſchauung entgegen, welche den Menſchen auffaßt als aus der Natur hervorwachſend, von ihr umfangen, von ihr Iernend und zugleich fie leitend und beherrſchend. Der Menſch iſt ihm ein hilfloſes, ganz und gar unwiſſendes, zu lenkendes Geſchöpf Gottes in Gottes Hand; aber auch ein Gott, infofern er ein kollektives Weſen, ein Vertreter der Menſchheit, ja der geſamten Natur ift, in welchem fie ſelbſt (ich krönt, unerſchöpf⸗ lich, inſofern himmliſche Kräfte in ihm wirkſam ſind, deren er fidh bemãchtigen kann dadurch, daß er fich ihnen gläubig hingibt. Die Erde iſt ihm ein „großes lebendiges Weſen, das in ewigem Gin: und Ausatmen begriffen iſt“. Ebenſo lebendig iſt ihm die Come, er hätte ſonſt nicht geſagt, daß er fie anbete. Es gibt für ihn in der Natur keine anderen als lebendige Kräfte; auch die Schwerkraft iſt ihm rhythmiſch, pulſierend. Auch er zwar ſucht und ſieht in der Natur Geſetze, zu deren Kenntnis er durch Anſchauung und Erfahrung gelangt, er ahnt und erkennt ge: wiffellrphänomene, in denen wie in einem allerdünnften Schleier die Gottheit ſich verbirgt; aber dies iſt es eben, daß die Gottheit in ihnen lebt. Die Urgeſetze ſind ihm aufs innigſte mit der All⸗ Perſönlichkeit Gottes verbunden, der Liebe und Vernunft nicht hat, ſondern iſt, des Ewig⸗Unerforſchlichen, Ewig⸗Anzubetenden, der dieſer Geſetze ſich mit perfönlicher Freiheit als perſönlicher Herr bedient.

Wie die Bibel unterſcheidet er Menſchenwort und Gottes⸗ wort, Menſchenvernunft und Gottes vernunft, welch letztere unendlich hoch über jenen ſteht. „Die Vernunft des Menſchen und die Vernunft der Gottheit ſind zwei ſehr verſchiedene Dinge.“

Was das Göttliche vom Menſchlichen unterſcheidet, iſt, daß das Göttliche produktiv tätig iſt und eine Folge hat, welche

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wiederum Reales hervorbringt, während das Menſchliche wohl tätig, aber nicht ſchaffend, nur trennend und zuſammen⸗ ſetzend iſt. Der weſentliche Unterſchied zwiſchen Schaffen und Zuſammenſetzen war Goethe wohl bekannt, und er tadelte des⸗ halb das franzöſiſche Wort komponieren als unzulänglich.

Ich erinnere wieder an den Satz: bei der göttlichen, pro⸗ duktiven Tätigkeit wird Kraft entfaltet und Stoff verzehrt; bei der menſchlichen wird umgekehrt Kraft verdrängt und Stoff vermehrt. Ich könnte auch ſagen, alles Menſchliche will Dauer, Gott will Verwandlung. So erklärt ſich das erſchreckende An⸗ wachſen des Stoffes in unſerer Zeit und die Herrſchaft der Maſſe; auf der anderen Seite der Mangel an Schaffenskraft und die unordentlichen Ansbrüche der natürlichen Triebe, das Verſchwinden von Religion, Poeſie und Kunſt, die Zunahme der Geiſteskrankheiten und Selbſtmorde.

Diejenigen, welche dieſe Tatſachen und Gedanken vielleicht am eheſten zu wuͤrdigen wiſſen, ſind die modernen Seelenärzte, und es muß anerkannt werden, daß ſie als die erſten das Problem aufdeckten und auf den Zuſammenhang von Verdrängung, das heißt Nichtäußerung und geiſtiger Erkrankung oder Verkümme⸗ rung hinwieſen.

Goethe, der von ſeinem Vater die Neigung ſich einzumauern ererbt hatte, machte gelegentlich Schiller gegenüber folgende intereſſante Bemerkung: „Man weiß in ſolchen Fällen nicht, ob man beſſer tut, ſich dem Schmerz natürlich zu überlaſſen, oder ſich durch die Beihilfe, die uns die Kultur anbietet, zuſammen⸗ zunehmen. Entſchließt man ſich zum letzteren, wie ich es immer tue, ſo iſt man dadurch nur für den Augenblick gebeſſert, und ich habe bemerkt, daß die Natur durch andere Kriſen immer wieder ihr Recht behauptet. Auch erkannte er das Dämoniſche in dem Ausſchlag, der bei bevorſtehenden Bällen das Geſicht ſeiner

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Schweſter zu entftellen pflegte. Was nun aber die Folgerungen betrifft, die die Pſychiater im allgemeinen aus ihrer Entdeckung zogen, fo dachten fie, daß es mit einem bloßen Sichäußern und Sichgehenlaſſen getan ſei, und bedachten zu wenig, daß der kranke Menſch fidh (hon gar nicht frei mehr äußern kann, und daß erft die Gegen wirkung von außen die unwillkürliche Außerung im Individuum hervorruft. Wer wollte fidh aber vermeſſen, diefe fo herbeizuführen, wie fie in eben dieſem Falle erforderlich wäre? Not lehrt beten. Im Zuſammenhange des natürlichen Lebens iſt fuͤr Wirkung und Gegenwirkung geſorgt; wo auf allen Seiten die natürlichen Triebe, namentlich der Machttrieb, unterdrückt werden, kann eine allgemeine Erſtarrung um ſich greifen und ſo das Übel ſtets vermehren. Wer weiß, wie oft die Leiden, die uns treffen, uns vor dem ſchrecklichſten Elend des geiſtigen Todes bewahren muͤſſen! Immer iſt es zuletzt einzig die Not, die mit unentrinnbaren Stößen den Funken der lebendigen Kraft aus dem Herzen der Einzelnen wie der Völker ſchlägt und auf die wir in gewiſſen Fällen als auf die letzte Retterin angewieſen ſind.

Über die elektriſche Kraft des Geiſtes

arum iſt die ſchließende Bewegung ſataniſch? Weil

das Weſen Gottes elektriſcher Art iſt. Es liegt im Weſen der göttlichen Kraft, ſich geteilt zu offenbaren, durch einen poſitwen und einen negativen Pol. Würden die Pole fih un: mittelbar berühren, fo würde Gott ſich ſelbſt zerſtören, und es iſt deshalb notwendig, daß mit der ſchließenden Bewegung zu⸗ gleich der Stoff entſteht, wodurch die unmittelbare Selbſt⸗ berührung der Kraft vermieden wird. Wäre nicht der Ather, der unverwesliche Stoff, in den die Kraft eingebettet iſt, ſo könnte fie fih überhaupt nicht offenbaren. Gott in feiner Majeſtät ift

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unentrinnbare Zerftörung. Alle Völker haben das fenrige Weſen der Gottheit erkannt, ihre zugleich wärmende, ſegnende, leben⸗ ſchaffende und zerſtörende Kraft. Dem Chriſtentum allein indeſſen wurde klar bewußt, daß es zugleich die Liebe iſt, alſo das Gefubl, welches die Kraft von ſich ſelbſt abwendet auf das Du.

Chriſtus erſchien der Magdalena im Garten und ſprach zu ihr, die ſehnſüchtig die Arme nach ihm ausbreitete: Ruͤhre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Es iſt klar, daß nicht Er zu Seinem Schutze Maria Magdalena warnte, ihn zu berühren. Die Bibel erinnert hier an den Mythos von Semele und Jupiter, der die Geliebte, die ihn in ſeiner Majeſtät ſehen wollte, bat, ihre Bitte zurückzunehmen, damit er fie nicht vernichten müſſe. Göttlich ift die feurig⸗elektriſche Kraft, die ſich in der Natur und im Menſchen gnädig verhüllt. „Wir haben alle“, ſagt Goethe, „etwas von elektriſchen und magnetiſchen Kräften in uns und üben wie der Magnet ſelber eine anziehende und abſtoßende Gewalt aus, je nachdem wir mit etwas Gleichem oder Ungleichem in Berührung kommen.“ Der Auferſtandene, weder im Fleiſch noch im Element gebunden, iſt die freie blitzende Kraft, die den Sterblichen, der fie anrubrte, töten würde. Von nun an, ſagt er zu ſeinen Jüngern, werdet ihr mich ſehen zur Rechten der Kraft und in Wolken.

Vergegen wärtigen wir uns den auferſtandenen Chriftus, der mit göttlicher Gebärde die anbetende Magdalena zurückweiſt, ſo muß uns das Kümmerliche und Weſenloſe der Geiſter⸗ beſchwörungen unſerer Spiritiſten, der gewöhnlichen Geiſter⸗ erſcheinungen überhaupt, klar werden. Schatten ziehen da vor⸗ über, Selbſtbetrug des Teufels, wie Luther fagen würde, Ge: bilde auf ſich ſelbſt bezogener oder ſich ſelbſt belügender Indi⸗ viduen, gegenſatzloſe Geſpenſter. Ein lebendiger Geiſt läßt ſich

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nicht beſchwören, außer vielleicht, daß er auf das Gebet der Liebe durch eine innerliche Wirkung antwortete, und erſchiene er, wurde er den dreiſten Anrufer töten.

Wie Magdalena, die Chriſtus für den Gärtner hielt, er⸗ kannten auch die Jünger den Herrn nicht, der ihnen erſchien, als bis er das Brot brach, an feiner Gebärde. Wie aufſchlußreich iſt auch das. Nachdem die körperlich erſcheinende Form zerbrochen iſt, bleibt noch das Perſönliche, das Geheimnisvolle, das einmal und un wiederholt da ift, das, was unwiderſtehlich zur Liebe bes wegt, Schönheit und Tugend an Zauber übertrifft. Er iſt es, dieſer Einzige unter Millionen, der in Verklärung, in Entſtellung, in jeder Gebundenheit ſich dennoch durch . und Stimme geheimnisvoll verkündet.

Paul Verlaine: Aus den Gedichten der Bekehrung

Heilige drei Könige

yrrhen, Gold und Weihrauch find Gott ein willkommen Angebind, dargebracht in Deinem Sinn nimmt ers wohlgefällig hin, aber bloß Herz zu ihm freut ihn ebenſoſehr, ſind auch die Hände leer. Der Magier Reiſe nach Bethlehem war dem Herrn gewiß angenehm. Er nahm auch ihre Huldigungen entgegen hochgeehrt, aber Er fand Hirten und Hüterjungen noch vor ihnen, Ihn anzubeten, wert.

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In jener feierlichen erſten

Liturgie freuten den Herrn am mehrſten

die vor den königlichen Gaben und Mienen ſchüchtern verſchollenen Rufe zu Seinem Ruhm der Armen im Geiſte: und ihnen

gab er Sein Königtum.

Engel und Erzengel weckten

die Hirten aus ihrem Schlaf,

das Ohr der hoffend Erſchreckten zuerſt die Verkündigung traf, ihnen zuerſt in verſchleierter Fern des Himmels zeigte ſich der Stern.

Reich oder arm, wir vermögen vor Dir, Herr, alle nicht mehr zu finden als: Deine Ehr.

Du wirſt die Maſſe wägen, wie voll von Dir, wie hohl, und erkennſt die Deinen wohl.

Übertragen von Chriſtoph Flaskamp.

Es glänzten...

(Ea glänzten die falſchen ſchönen Tage all den Tag lang,

nun ſieh ihr zitterndes Schwingen im kupfernen Untergang. Seele, ſchließe die Augen und bezwinge deinen Hang: furchtbar iſt dieſe Verſuchung, Seele. Flieh das Verruchte. Sie glänzten in langen Flammenhagelſtrichen über den Tag und ſchlugen auf allen Wein, der um die Hügel lag, auf alle Ernte des Tales, und von ihrem Schlag ergraute der blaue ſingende Himmel, der dich ſuchte.

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O geh hinweg, gefaltet die Hände, bleich und gemeffen. Denk, wenn diefe Geſtern unſre ſchönen Morgen freſſen . Vielleicht hat alter Wahn ſeinen Weg wieder angetreten

Müßte die Erinnerung wohl abgetötet werden? Ein raſender Anfall, der letzte auf Erden! O du, geh beten gegen den Sturm, geh beten. Übertragen von Alfred Wolfenſtein.

Das linde Lied

ört das Lied, o hört es linde

tränen, daß es euch gefällt! Leiſe klagts, wie wenn im Winde übers Moos ein Waſſer wellt.

Lieb war jedem, der ſie kannte, dieſe Stimme einſt, die jetzt, eine Witwe, ſchwarzgewandet, zaghafter die Worte ſetzt,

und doch ſtolz, da herbſtlich Morgen⸗ wind den Schleier ihr aufſchlägt, allen zeigt, daß ſie verborgen

einen Stern der Wahrheit trägt. Und fie ſagt, die rückgekehrte,

daß die Gute unfer Cein ift,

daß wer Haß und Neid abwehrte, einzig ſeinem Tode rein iſt,

und fie rühmt den Ruhm der klaren Einfalt, die ſich Gott verband, rühmt den Frieden, jenen wahren, der aus keinem Krieg entſtand.

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Ach, nicht ſucht euch zu verſchließen ihrem bräutlichen Gebot!

Einer andern Leid zu ſüßen

iſt der Seele Gottesbrot.

Nehmt der Duldenden die ſchwere Bürde, eh ſie heimwärts zieht! Und wie lind ift diefe Lehre! ... Hört, o hört das fromme Lied. Übertragen von Stefan Zweig.

Mirakel

a kam ein (tiller Reiter mit Namen Unglück ber; der ſtieß in mein alt Herz mir ſeinen dunklen Speer.

Mein alt Herz gab gar einen trüben Auswurf Blut;

der iſt auf der Heide vertrocknet in der Sonnenglut.

Mein Auge loſch in Schatten, ein Schrei ging aus mir aus, und mein alt Herz erſtarb mir in einem wilden Graus.

Drauf hat der Reiter Unglück ſeltſamlich geraſtet,

ſtieg vom Pferd hernieder ſacht und hat mich angetaſtet.

Seine Handſchuhhand von Eiſen fuhr in meine Wunde, indes er einen Bannſpruch ſprach mit ſeinem harten Munde.

Und als mich alſo eiſig durchfuhr die Hand von Eiſen, ward mir ein neues Herz geboren, da will ich Gott für preiſen.

Ein Herz gar jung, gar rein und gut, das ſchlug wohl ſonder Fehle, denn heller Gluten trunken genas mein Blut und Seele.

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Aber ſchier geblendet lag ich und glaube’ es kaum; wie einer, dem die Herrlichkeit des Herrn erſcheint im Traum.

Da ſtieg der ſtille Reiter wieder auf ſein Tier, und gab den Sporn, und jählings hob er ſein ſchwarz Viſier

und ſchrie, und jetzt noch fährt mirs durch mein Ohr wie Stahl: Sut dich! fo gnädig komm ich nur einmal! Übertragen von Richard Dehmel.

Aus der von Stefan Zweig herausgegebenen zweibändigen, den poetiſchen und proſaiſchen Schriften Verlaines entnom⸗ menen Auswahl. An den Übertragungen ſind außer dem Herausgeber u. a. beteiligt: K. E. Ammer, Felix Braun, Max Brod, Theodor Däubler, Richard Dehmel, Herbert Eulen⸗ berg, Franz Evers, Ernſt Hardt, Walter Hafenclever, Her⸗ mann Heſſe, Wolf Graf Kaldreuth, Rainer Maria Rilke, Albrecht Schaeffer, Richard Schaukal, Johannes Schlaf.

Worte des Paracelſus *

Gute Arbeit ſoll reifen

iſt du beruft ein Buch zu machen, es wird nit verſaumt

werden ſollts ſechzig oder ſiebzig Jahr anſtohn und noch langer. Gehts in dir umb, und empfindeſts, ſo ſchnall nit ſo bald. Es wird nit dohinten bleiben, es wird herausmüffen, wie an Kind von dem Bauch feiner Mutter. Was alſo herausgeht, das iſt fruchtbar und gut, laßt nichts verſaumen. Allein folg ſeiner Lehr und bitt und klopf an. Und nit, daß du wolleſt noch einen jeglichen Dorn für die Ehr erkennen, ſondern es kommt die Stund, daß alles herausfallt. Ich gedenk, daß ich Blumen ſah in der Alchemia, vermeinf das obs wär auch do. Aber do war nichts. Do aber die Zeit kam, do war die Frucht auch do... Wieviel tauſend Bogen werden mit großer Arbeit ver:

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ſchrieben: So es alles us iff, fo ift es alles Narrerei. War demſelbigen nit beffer, er gedächte: ſtand (till, laß baß waizen! Die Kunſt iſt ſein Gut und beſter Reichtum

Ich hab ein beſtändiger Gut denn ihr, nämlich die Kunſt iſt mein Gut und beſter Reichtum, das kann mir kein Dieb ſtehlen, kein Feuer, Waſſer oder Räuber nehmen: Man nehme mir denn zuvor den Leib, die Kunſt kann man mir nit nehmen, denn fie ift in mir verborgen und ein unbegreiflichs Ding, derhalben gehets mit mir dahin wie der Wind. Sehet, ein ſollichs Gut hab ich, welches übertrifft Haus und Hof, Kleider, Geld, Silber und Gold, und all euer Vermögen: Denn ſie iſt beſtändig. Ob ich ſchon das Geld mit guten Geſellen vertummle, ſo iſt doch meinem Hauptgut nichts abgangen, denn die Kunſt iſt mein Hauptgut, die verlaßt mich mit Gottes Hilf nimmermehr, da ſchmecket an.

Seliger tft zu beſchreiben ...

Seliger iſt zu beſchreiben der Urſprung der Rieſen denn zu beſchreiben die Hofzucht: Seliger iſt zu beſchreiben Melosinam, denn zu beſchreiben Reuterey und Artillerey: Seliger zu be⸗ ſchreiben die Bergleut unter der Erden denn zu beſchreiben Fechten und den Frauen dienen. Denn in jenen Dingen wird der Geiſt braucht zu wandeln in göttlichen Werken: In den andern Dingen wird der Geiſt braucht, der Welt Art zu gebrauchen und ihr Wohlgefallen, in Hoffart und Unlauterkeit.

Was macht der Menſch aus ihm ſelbſt

Wir ſeind all gelehrt, aber nit gleich: Alle weiſe, aber nit gleich: Alle kunſtreich, aber nit gleich: Der fih hoch ergründt, der iſt am meiſten. Denn Ergründung und Erfahrung treibt in Gott, und ſcheucht der Welt Laſter, fleucht dem Dienſt der Welt, Fürſtenzucht, Hofſitten, (chon Gebärd, lehrt die Zungen,

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in der Lügen und Fluchen auch liegt. Aber die Wunderwerk Gottes die lehren das Licht des Menſchen, und fragt die Zungen nit darumb. Zucht gegen Gott, das iſt des Menſchen Befehl zu gebrauchen. Zucht gegen Menſchen, was iſts, als ein Schat⸗ ten, der nichts iſt? Der Menſch bezahlet kein Zucht, belohnet nichts in derſelbigen, ſtirbt ab, und im Tod, ſo iſt es ein Kot: Was macht der Menſch aus ihm ſelbſt? Er lerne mehr denn Zucht, und laß Zucht ſtehen, und liebe feinen Mächſten: Jetzt geht die Zucht ſelbſt heraus, wie aus einem guten Baum die Blühſt, und ſein Frucht. O wie groß iſt der in Freuden, der ſeinem Schöpfer nachdenkt, der find Perlin, die nit den Säuen geben werden. Aber der den Menſchen nachdenkt, derſelbe ſucht Perlin, wie ein Sau, die alles umbſtreut und nichts find das ibe nüglich fei. Der Arzt ſoll vom Unſichtbaren reden und das Sichtbare wiſſen

Von dem nun, das unſichtbar iſt, ſoll der Arzt reden, und das ſichtbar iſt, ſoll ihm in Wiſſen ſtehen, gleich wie einem der kein Arzt iſt, der erkennt die Krankheit, und weißt was ſie iſt, bei den Zeichen: Nun iſt er aber darumb kein Arzt: Der iſt ein Arzt, der das unſichtbare weiß, das kein Namen hat, das kein Materie hat, und hat doch ſein Wirkung.

Glaube und Wiſſen

Ein jeglicher Weiſer des Glaubens ſoll ein Philosophus ſein: Und welcher ein Glaubiger iſt, und kein Philosophus, der iſt kein Weiſer im Glauben. Sich gebührt eim Glaubigen zu ſein ein weiſer Mann, und ein kunſtreich Mann, damit er wiſſe, was er glaube. Ein Tor, der do glaubet, der iſt tot in ſeinem Glauben: Wann Urſachen: Die Werk machen den

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Glauben, das ift, die Werk der Natur, der Zeichen, der Wunder. Dieweil nun der Glaub kommt aus den Zeichen, aus den Werken, aus den Mirakeln: So iſt uns das billig zu philo⸗ ſophieren als ein Glaubiger, und nicht als ein Heid, und nennen uns ein Chriſten. Wir ſetzen aber do ein Unterſcheid, im Glau⸗ ben, und wiſſen, alſo. Welcher der iſt, der do glauben will, der muß wiſſen. Denn aus dem Wiſſen, und nachdem er weißt, glaubt er: Aber demnach jo folhs Wiſſen aus der Philoſophey kommt, und darnach der Glauben, und alſo ein Seliger wird, ſo mag wohl ein Unſeliger auch daraus werden, als der iſt, der do weißt alle Zeichen Gottes, und Wunderwerk Gottes, und glaubts alles: Aber die Frucht ſeines Wiſſens gehet heraus

nicht, ſtirbt ab. Diefen heißen wir einen toten Philosophum.

Denn welcher viel weißt, der ſoll viel Frucht geben: Wo nicht, der ſoll für ein Lügner, und nit für ein Philosophum geacht werden. Wann wiſſen, darnach glauben, darnach die Frucht, das iſt der Grund eines Philosophi.

Der tieriſche und ſideriſche Menſch

Der Menſch erhebt ſich alſo: Nämlich aus der erſten Matrix, das iſt, aus der großen Welt: Das iſt, die große Welt mit und ſamt allen andern Kreaturen durch Beſchaffung durch die Hand Gottes, hat geboren den Menſchen, dem Fleiſche nach zu rechnen, zu der Sterblichkeit. Aus ſolcher Urſachen iſt der Menſch irdiſch und fleiſchlich worden: Und dies irdiſche Fleiſch hat der Menſch empfangen aus der Erden und Waſſer. Dieſe Erden und Waſſer iſt nun das Corpus des irdiſchen tieriſchen Lebens, ſo der Menſch natürlich hat empfangen durch Be⸗ ſchaffung, durch die Hand Gottes: Dieſes tieriſche Leben iſt an ihm ſelber nichts anders, denn Feuer und Luft. Das iſt alſo zu verſtehen: Der Menſch, ſoviel ſein tieriſch Leben betrifft, iſt

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aus den vier Elementen: Das ift, das Waſſer und die Erden, daraus das Corpus des Menſchen beſchaffen iſt, iſt das Haus und Corpus des Lebens. Ich verſtehe allhier nicht das Leben, welchs Leben aus der Seelen, das iſt, aus dem Atem Gottes, entſpringt: Denn meine Meinung ift an dieſem Ort nicht theologiſch, ſondern arzneyiſch: Sondern, ich verſtehe das Leben, welchs tieriſch und zergänglich iſt: Welchs Leben aus Feuer und Luft geſchaffen. Und alſo iſt das Corpus, ſo aus Erden und Wafer geſchaffen ift, ein Haus des Lebens worden.

Und das iſt genug zu verſtehen, wie der Menſch zweierlei Leben habe, als nämlich das tieriſche, und das ſideriſche Leben.

Auf daß mir aber nicht jemands möchte vernichten mein Vor⸗ nehmen: Als daß ich vom tieriſchen und ſideriſchen Leben traf- tiere: Iſt von nöten, daß ich den tieriſchen Körper deſkribiere. Denn der tieriſche und ſideriſche Leib ift ein Ding und nicht zwei, und das alſo. Der Leib iſt tot, das iſt, das Corpus, als Fleiſch und Blut, iſt alleweg tot: Aber der ſideriſche Geiſt, dar⸗ aus der Menſch fein tieriſch Leben hat, machet, daß das Cor- pus, das iſt, der Leib, bewegt werde.

Daher entſpringt das tieriſche Leben des Menſchen. Und das kommt alles naturlich aus Eigenſchaft und Kraft des Him: mels. Als ihr ſehet an dem Hahn, der ſchreiet die Mitternacht und den Tag an, das kommt ihm alles aus dem Geſtirne.

Jetzt gebührt mir und einem jeden wahrhaftigen Arzte zu wiſſen, wie der Hahn, alſo auch der Menſch, vom Geſtirn alſo getrieben werde. Das iſt, der Himmel regiert das Leben des Menſchen: Die Elemente regieren das Corpus des Menſchen. Das Corpus des Menſchen iſt Waſſer und Erden. Das Leben aber des Menſchen iſt Feuer und Luft. Alſo wird Waſſer und Erden regiert vom Feuer und Luft. Daraus kommt dem Men⸗ ſchen ſeine Krankheit und Ungeſundheit, auch Geſundheit.

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Entſtehung der Geifter aus dem ſideriſchen Leib und ihre Bezwingung durch die Nigromanten

Aber von dem ſideriſchen Leib wiſſet ſein Fäulung alſo. Er iſt vom Geſtirn, und nicht von Elementen, darumb ſo nimmt -er fein Verzehrung nicht in Elementen, ſondern außerhalb der Elementen, das iſt, unter dem Geſtirn, und muß gleich ſo wohl mit der Zeit verzehret werden, als der elementiert Leib, von dem, in dem er vergraben wird, das iſt, vom Geſtirn, wie der ele⸗ mentiert Leib von den Elementen. Nun folgt auf das, daß der ſideriſch Leib bleibt bei dem Körper, bis fo lang er auch von dem Geſtirn verzehrt wird: Das iſt, wie ſie beim Leben zu einander vermählet geweſen waren: Alſo durch den Tod werden ſie geſchieden, ein jeglicher in ſein Grab der Verzehrung: Jedoch aber ſo bleibend ſie bei einander, der ein in den Elementen, der ander außerhalb der Elementen im Luft, und in der Luft iſt ſein Gewalt, das iſt, im Luft verzehrt ihn das Geſtirn. Alſo ver⸗ zehrt die Erden den elementierten Leib, und das Sydus den ſideriſchen, und alſo nehmen beide Leib ihre Konſumation. Nun bedarf der elementiert Leib ein Zeit bis er verfaulet, einer mehr denn der ander: Alſo hat auch der ſideriſch Leib ein ſolche Zeit. Als ſichs dann genugſam beweiſt, wie die Leib in den Elementen verzehrt werden: Alſo auch muß der ſideriſch Leib ein Zeit haben, bis er auch verzehrt werde. Der elementiert Leib iſt greif⸗ lich, der fiderifch Leib aber ift nicht greif lich, ſondern wie ein Geiſt. Alſo wird der elementiert Leib geſehen greiflich, der ſideriſch ungreif lich: Und doch geſchicht die Verzehrung auf Erden nicht bei einander vereinigt in einem, wie ſie lebendig geſtanden ſeind, ſondern geſcheiden von dem andern, und doch im alten Wandel, Weis und Gebärden, das iſt, an dem Ort da die Wohnung geweſen iſt. Alſo zu verſtehen, der elementiert Leib bleibt im Grab und iſt nicht] mobil, der ſideriſch Leib aber der ift mobilis,

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bewegt fih, und bleibt nicht an einem Ort, fondern er ſucht die Wohnung, die derſelbig Menſch bei ſeinem Leben gehabt hat. Nun folgt aus dem, daß der ſideriſch Leib möge geſehen werden: Denn Urfach, iff des Menſchen Art geweſen, an den oder an den Ort zu gehen, der ſideriſch Leib behält denſelben Gang, bis er verzehret wird, es ſei auf Wucher, auf eigen Nutz, auf Geld, auf Schätz und dergleichen, dieſelbigen Orter ſucht dieſer Leib nach dem Tod, und durchwandelts alles. Aus dem entſpringt, daß man ſaget, ich hab deſſen Geiſt geſehen, ich hab den ſehen gehen: So es doch nur der ſideriſch Leib iſt, der alſo ſeine Ver⸗ grabnus und Verzehrung hat: Und ift übel geſaget, daß man ſaget und glaubet, es ſei derſelbige Menſch, als wäre es gar, und endlich gar vollkommen da, ſo es doch keins iſt, auch kein Seel, auch derſelbige Menſch nit, ſondern allein ein ſideriſcher Geiſt. Zugleicher Weis als wann der elementiert Leib nicht ver⸗ graben wäre, fo mög er geſehen werden, jedoch aber fo iſt es der: ſelbig Menſch nit, aber wohl ein Stück von ihm, ein Teil von ihm, das da iſt ohn Leben, tot und im Grab. Alſo wird der ſideriſch Leib geſehen, denn er mag nicht vergraben werden, denn er iſt nicht greif lich, ſondern ein Geiſt wie ein Bild im Spiegel. Nun iſt der ſideriſch Leib auch tot, aber ſein Wand⸗ lung iſt an denen Enden und Orten, und in den Dingen, da derſelbig Menſch, ein Phantaſey und Gemüt hingeſtellt hat. Aus dem dann folgt, daß ſolche ſideriſche Leib in derſelbigen Menſchen Hantierung gefunden werden, bei verborgenen Schätzen, oder an andern Orten dergleichen. Und dieſes Ge⸗ ſicht wird geſehen ſo lang, bis derſelbig Körper verzehrt wird, nach Inhalt ſeiner Eigenſchaft, und nach Eigenſchaft des langen Bleibens des ſideriſchen Leibs: Denn einer wird ehe verzehrt denn der ander. Aus dem folgt nun dieſe Kunſt Nigromantia, alfo daß Nigromantia das lernet erkennen, ſolcher Geiſter

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Wandel, Weſen und Eigenſchaft, und durch dasſelb zu fagen die Heimlichkeit desſelben Menſchen, des dann der ſideriſch Leib geweſen iſt: Alſo zu verſtehen. Alles das, damit derſelbig Menſch umb iſt gangen, das mag durch die Gebärd des ſide⸗ riſchen Geiſts erfündiget werden. Als ein Exempel: Wo er im Leben fein Gemüt gehabt hat, da ſtehet es auch tot hin durch dieſen Geiſt. Als, er hat ein Schatz verborgen, da wird der Geiſt auch ſein, ſo lang bis er vom Geſtirn verzehret wird, und das geſchicht natürlich an ihm ſelbſt: Denn Urſach, daß derſelbig ſideriſch Geiſt, bis in ſein Verzehrung des verſtorbenen Men⸗ {hen Herz und Gemüt brauchet und übet. Gleich wie in einem Spiegel dasſelbig Bild des äußern Menſchen Wandel, Be⸗ wegung, Tun und Laſſen auch treibt, und iſt doch nichts, ſeind tote Ding, ohn Kraft. Alſo iſt auch hie an dem Ort zu ver⸗ ſtehen, daß der ſideriſch Geiſt gleich iſt den Fabulen und Ge⸗ ſichten im Spiegel: Und ſoviel einer aus dem Spiegel lernen mag, was der tut oder wo er iſt, wie er iſt, des Bildnus im Spiegel geſehen wird, ſoviel mag auch einer, der da iſt ein Nigromanticus, lernen vom ſideriſchen Leib. Der nun alſo dieſem Geiſt in ſolcher Geſtalt kann ausnehmen, derſelbige iſt ein Nigromanticus, mag alſo anzeigen des verſtorbenen Men⸗ {hen verlaſſene Heimlichkeit...

Das Leben iſt ein unſicherer Schatz

So nun alle Ding ſchön, gut ſind, und hübſch, rein, gut bei uns, voller Seligkeit, voller Heiligkeit und aller guten Dingen: So iſt es doch nit anders, dann wie ein Schatz, der von Gold und Perlen in einer Kiſten liegt, und der Dieb ſtiehlts hinweg, und dem Hausherrn bleibt nix. Denn da wird niemands ver⸗ ſchont, und nix angeſehen, weder Nutz noch Schad, weder Frommblkeit noch Bosheit, ſondern nur auf und hinweg, und ſollt

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die ganze Welt auf eim ſtehen, fo ift es nix vor Gott, wird nit an- geſehen. Al ſo ift unſer Leben, ein unſicherer Schatz, den wir ſchon wohl verhũten, und ihn allweg bewahren, was wird da gehüf? Es wird in größten Aufſehen und in der beſten Wacht geſtohlen.

Gedenket, daß wir unſer Bruder nicht ſollen einen Toren heißen: Dann Urſach, wir wiſſen nicht was wir ſind, allein Gott iſt der Dingen ein Urteilſprecher und Erkenner.

Aus der von Hans Kayſer in der Sammlung „Der Dom“ herausgegebenen Auswahl aus den Schriften des mittelalterlichen Myſtikers.

Rudolf Alexander Schröder: Vier Gedichte

JAPETI GENUS

err und Gott, Gewaltiger, erbarme!

Wolle mir zur Rechten oder Linken Einmal, Du, mit ausgeſtrecktem Arme Meinen Fuß in ſeine Richte winken.

Daß ichs wüßte, daß ich Dich erkannte, Den ſo mancher ſchnöde Trug verwirret, Der ich Dich mit tauſend Namen nannte Und mit tauſend Namen mich geirret.

Wärs durchs Feuer, daß Dein Wort mich riefe, Alle Pein des Feuers ſei gelitten;

Fordre mich durch aller Waſſer Tiefe,

Durch die Waſſer komm ich hergeſchritten.

Keiner Brücke noch ſo ſchwindelnd ſteile, Durch die leere Nacht geworfene Stufen Sind zu ſchmal für meines Fußes Eile, Daß er nicht gehorchte Deinem Rufen.

Mir entgegen ſturren Schwert uno Lanze; Durch die Schwerter will ich blutend ſtürzen, Könnt ich ſo nach Deines Aufgangs Schanze Mir den Weg, den einzigen, verkürzen.

Wüßteſt Du’s und weißts, gerechter Richter! - Wie mich Angſten würgt in diefer Enge,

Wie der Lüg und Läſterung Gelichter

Mich im Dunkel einſam hier bedränge!

Griff mich Haß, wer hält mich ihm entrungen? Griff mich Gier, wer weiß mich zu erlöſen; Der ich Gutes will und eingezwungen

In der Bosheit wandle mit den Böſen?

Du, des Guten Meiſter und des Schlechten, Alles Deine teilſt Du mit den Deinen.

Lag, o Herr, für mich in Deiner Rechten Nur der Sehnſucht Pein zu andern Peinen? Aus der Feindſchaft tracht ich in den Frieden Derer, die an Deiner Bruſt erwarmen;

Ich von Dir gemieden, ich geſchieden. Herr und Gott, Gewaltiger, hab Erbarmen!

ANIMAE DIMIDIUM MEAE

N hör, ich hör ein Wort: Vergangen

Und weiß und weiß nicht, was es ſagt. Ich hör ein Wort, ein Wort: Verlangen Und hab doch alles, was mir hagt.

Ich ſah ſo viele Tag und Nächte,

Ich ſpürte ſo viel Luſt und Pein | Und blieb, was ich auch wollt und dächte, Mit mir allein, - - mit DIR allein

FRAGILEM TRUCI COMMISIT

„Een bloeiende amandeltak“

Cpr Mandelzweige, vor der Lift -Saes wilden Winterwinds gerettet Und wurzellos - für karge Friſt Ins Glas auf meinem Tiſch gebettet, Im Dämmer blütenloſer Zeit

Steht ihr von einem Glanz umfunkelt, Der Salomonis Herrlichkeit

Und Cäſars goldenes Haus verdunkelt.

Ich, der ich Reiche trümmern ſah Und Throne ſtürzen über Reichen, Weiß eurer holden Wildnis nah Mit keinem Glück euch zu vergleichen. -

Des Menſchen herrliches Geſchick, Begabt mit Wandel und Gebärde, Mit aufgetanem Ohr und Blick

Und mit dem Lehn beſonnter Erde, Was hilft es ihm, der allzu frei

Kein Wagnis, keine Notwehr ſcheute? Er ſtürzt, Tyrann, die Tyrannei

Und raubt dem Räuber ſeine Beute.

Ihr aber, friedlichſtes Geſchlecht, Sacht aufgenährt in dunkler Hülle, Ruht, wenn ihr aus der Knoſpe brecht, Beſeligt ſtumm in eigner Fülle.

Mir halber Troſt und halbe Klag, Der ich, umſtellt vom Mißgeſchicke, Ein Wächter eurem kurzen Tag,

Ins Rätfel eures Reichtums blicke.

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LUCIDA SIDERA

kein Recht befteht, ich habs gelernt, Der ich nahe war und war entfernt Vor dem Aufgang Deiner Majeſtät, Daß kein Recht beſteht.

Und doch hält mich Zwang und hält mich feſt Auch im Dunkel, ſo Du mich verläßt, Der ich ſtrauchelte auf manchem Gang,

Und doch hält mich Zwang.

Wie des Freundes Aug die Freundin ſucht, Und ſie ſelbſt in aller Himmel Flucht Keinen Anblick findet, der ihr taug

Wie des Freundes Aug,

Wie Magnetes Kraft am andern hängt,

Abgetrennt fih zu vereinen drängt,

Du und ich, wer bannt uns ſo in Haft Wie Magnetes Kraft?

Ein Geheimnis iſts, das keiner lehrt,

Wie das Dunkel mit dem Licht verkehrt, Ach, wer ſagt: „Ich bins“, wer ſagt: „Du biſts“? Ein Geheimnis iſts.

Steige, Morgenſtern; denn, wie mich deucht,

Kam die Stunde, da das Dunkel fleucht.

Aus den Waſſern, Bote Deines Herrn, Steige, Morgenſtern!

Bis Er ſelbſt erſchien, und vor dem Licht

Gleich den Finſterniſſen mein Geſicht

Sein vergaß und weiß allein nur Ihn; Bis Er ſelbſt erſchien!

Regina Ullmann: Die Landſtraße

gegeben, die Not, jene härteſte, an der man zerbirſt, war

mir nur immer dem Namen nach bekannt geweſen. Und der Menſch iſt darin wie das Tier, von dem wir ſagen, wenn wir es grafen ſehen: „Wenn es wüßte, was ihm beſtimmt ift, es würde brüllen und in die Flucht laufen...“ Aber es geht nicht von ſeinem Platze. Es hat noch einen Tag und noch einen und noch einen allerletzten... Ind ich habe einſt, früher noch, einen Hund im Hauſe gehabt, der war von einer Flucht auch noch wieder zurückgekehrt, nach (chon drei Tagen. So ift auch das nichts: das Fliehen .. Wir find eben von der Welt um: geben, von dem, was uns beiſteht, und von dem, was uns be⸗ droht. Wir erkennen es nur nicht gleich. Wie bei den Feld⸗ tieren, und vielleicht auch bei den anderen Tieren, muß die Bewegung hinzukommen; die ſagende, unverkennbare, wenn wir nicht ohnedies (chon gewittert haben.

Ich ging alſo nicht in dem Sinne des Entrinnenwollens fort von hier, ſondern in gleichem, langſamem Schritte betrat ich einen Pfad zwiſchen den Hügeln hinauf.

Es war ein beſonders glänzender Tag. Und wenn auch Gras und Blumen in dieſer regenloſen Zeit keine Schönheit mehr aufnehmen konnten, es blieb ihnen da oben doch ihr eigentlicher Blumentod bewahrt, die Luft ſang gleichſam. Ein Schwälb⸗ chen zwitſcherte mir beinahe in meinen Mund hinein. Ein Lamm kam. Und ich ſah an ſeinen noch liebender werdenden Umriſſen, es wollte geſtreichelt ſein. Freilich war es um dieſe Weichheit nicht ſo beſtellt, wie ich vermutet hatte. Seine Wolle war ſo dicht gewölbt, da, wo ſie ſchon in Streifen wuchs, daß ſie nur in der Idee gut war anzufaſſen. Und ſeine nackten Stellen waren kühl.

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Es begegnete mir außer dieſem Lamme auch noch ein Kind, ein wirkliches: eine ſeltnere Begegnung als man glaubt. Und oben, auf dem Rücken des Hügels, ſtand wieder ein ſehr alter Hirte. All das empfand ich dankbaren Herzens. Dann aber ging es wieder von einem in die Augen fallenden Ausblick fort in die Niede⸗ rungen; wohl wiſſend, daß mir der weite Blick nicht erhalten bleibe. Denn da oben iſt ſeit alter Zeit her die Verführung: die falſche Hoffnung eines ſich von ſelbſt verjüngenden Lebens.

Man hatte mir genau das Haus, in dem ich wohnen könnte, bezeichnet. So fand ich es auch ſogleich: mit dem Finger hätte ich darauf hinzeigen können. Das hoch reichende und beinahe bis zur Erde gelangende Dach bedeckte zugleich Wohnung und Scheune. Und wenn man glaubte, daß ſich die Vögel auf dieſem Dache niederließen, tauchten ſie ins Gras unter oder ſie verſchwanden in einem Baume. So ſehr in die Niederung war dieſes Haus gebaut.

Aber das, was ich ſagte, empfand nicht die ganze übrige Welt. Sie trennte da alles ſcharf, haarſcharf, wie man ſagt. Für ſie war es ein Eigentum, verglichen mit einem nebenan, einem ärmeren, oder aber mit einem ebenbürtigen, das in der Ferne lag. Es waren Quadrate und Längsecke, die eine laute Sprache miteinander führten; dieſe ganze Landſchaft war ein⸗ geteilt im Sinne der menſchlichen Macht. Da waren zum Bei⸗ ſpiel die Pferde; von ferne erblickte ich ſie ſchon, eine ganze Koppel nackter bäumender Pferde. Etwas Reiches war an ihnen, etwas von unverdorbener Kraft, was auch auf den Beſitzer überging. Bei dieſem Bauern hätte ich gerne gewohnt. Aber

das war nicht mein Beſitzer; mein Beſitzer war ein ganz anderer. Und er war doch ſcharf nebenan. Ihrer beider Eigentum ſchien kaum trennbar für ein unbewandertes Auge. Und nichts als das war ich. Und nichts als das beſaß ich. Ich war eigentlich

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noch ein Kind nur, das gerne wieder einige längſt verfallene, verſpielte Würfel von neuem in ſeinen Becher eingeſtrichen hätte. Aber es ſpielte ein Höherer mit mir als ich glaubte: dem war Ernſt darum, wer gewann. Es ſollte wenigſtens ent⸗ ſchieden werden. Und bei mir mußte man ſehr deutlich werden. Und er wurde ſehr deutlich, bis auf ein paar freundliche Augen⸗ blicke: bis auf die Schwalbe, bis auf das Lamm, bis auf den Hirten.

Es war, als wenn da unten jemand auf mich gewartet hatte. Ich beeilte mich etwas. Und wirklich: unten vor dem Hauſe in der Mulde wartete eine Frau. Die Glocken ſchlugen ringsum in den Bauernhöfen. Es war Mittagszeit. Die Kirchenglocken in den fernerliegenden Ortſchaften bekräftigten es. Gott war da irgendwo. So wie auf den alten Kirchen⸗ bildern mit Mantel und Krone. Etwas jubelte in mir. Etwas in mir hatte geſiegt. Aber da wartete wirklich noch die Frau. Sie wartete vielleicht auf ein Kind. Aber wie ſie mich mit dieſem noch lange nicht kommenden zugleich anſchaute, hatte es etwas Ilberweltliches. Sie kannte mich Fremde gewiß (don ebenfo genau, obgleich fie doch nicht weſenhaft ſich äußernd zu leben ſchien. Sie war ja nicht etwa eine Wirtin oder eine Bãckers frau. Nein, das, was fie war, blieb fie, ſolange ich dann auch noch um ſie war: ſie war Taglöhnerin. Und die erſten Worte von ihr, und die letzten, die ich nach Wochen hörte, änderten nichts an dem Stand, den es gibt; ja unfer beider beſitzloſer war auch noch jeweilen ein anderer. Und das, was uns wiederum irgendwo über der Welt zuſammenbrachte, änderte auch nichts, gar nichts an dieſer unweſentlich ſcheinen⸗ den Weltordnung.

Das war der Eintritt in das Haus. Es war ein deutlicher, und während ich da lebte, aß, ſchlief, ſchrieb, las, ſang: vergaß

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id) ihn doch nicht. Das Zimmer, das meines wurde, und das ſie mir gleich nach wenigen Fragen gezeigt hatte, war ein ganz ländliches, und darum war es gut. Es war auch billig. Wer hätte auch in dieſem Hauſe den Wunſch gehabt, mir mehr da⸗ für abzufordern, als es koſtete. Es gehörte ja ihnen nicht. Das Haus ſtand unter dem Hammer. Es ſtand ſeit nahezu ſieben Jahren unter dem Hammer. Ein in der Stadt verkommener Spekulant zog die Verſteigerung nur hinaus. Er ſetzte eine Taglöhnersfrau hinein als Bewacherin des Anweſens und außerdem eine winzigkleine Mietpartei und mich. Das heißt, für mich hatte das mir fremde, dem ich fremde Schickſal eine kleine freundliche Thule da gegraben, auf eine Weile.

Wer nach mir da hereinkam? Niemand, ich weiß es: das Haus wurde verſteigert. Das, was ich nun hörte, war: die größte Stille den ganzen Tag. Zwar drehte ſich unabläſſig eine Nähmaſchine. Sie ſprach gleichſam kurze und lange Sätze, eine ganze Schürze in einem Atem. Manchmal trat jemand zu einer Kommode und öffnete ſie und ſchloß ſie wieder. Das aber war nur wieder Stille der Arbeit. Die lärmt nicht, die beun⸗ ruhigt nicht. Nur mit der Zeit hätte ich gern die Frau gekannt, die die Stunden ſo in gleichem Maße bediente. Ich fühlte gleich, wie ſich ein erfundenes Idealweſen einſtellte. Wie es gleichſam in ihren Fußſtapfen ging. Aber dann hörte ich wieder einmal einen harten Tritt, wie mit dem Abſatz gegeben, oder aber ein Lied begann. Beides war mir gleich ſchrecklich, beides ſchien ein und dasſelbe zu ſein. Aber man ſingt doch nicht etwa mit den Füßen? Man geht doch nicht in einem Geſang, einem unnatürlichen, durch das Leben? Das Leben war doch natürlich. Oder auch nicht? Machte es nicht das Unwahre zum Wahren? Hatte es nicht von jeher einen Kampf, eine Spaltung zu ſich ſelbſt zurück beſtanden?

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Aber da mochte die zerriffene kleine Stoßkante umgebogen fein. Die Nähmaſchine begann wieder unentwegt zu ſäumen und zu faumen. Es war eine Luft! Und draußen fang ein Vogel, ſo nah, daß man ihn nicht mehr überhören durfte. (Denn wer ſchwer lebt, wird naturfeindlich; zuerſt gegen die Vögel, zuletzt gegen die Blumen, allerletzt gegen ſich ...) Das Vöglein hatte ſich inzwiſchen auf einem der kleinen Fenſterflügel niederge⸗ laſſen. Ich atmete kaum. Darum auch ward es bald mehr wie ich. Es ſchwabbte mit dem Schwänzchen, hob das Hauptlein, als ftaf ein Lied darin. Dann endlich putzte es fich fein Gefieder mit viel Energie, wie nach einem Bad. Und unter ihm war doch nur die fih (hnel wieder glättende Fenſterſcheibe .. Ein Zittern, und es war wieder fort. Und ich war wieder da in meiner Schwere. Wie war ich nun allein, nur weil ich zu mir ſelbſt zurückgekehrt war! Kommt man da nicht auf den Ge⸗ danken, ſo ein anderes Geſchöpf zu beneiden? War es nicht leichter, ein Vogel zu ſein? Es kam mir nicht in Frage. Ich war ich, und wenn ich mich auch beſſer, ſchöner haben wollte, ſo doch von mir ausgehend. Mein Herz war mir feuer; ja, es war mir nicht nur teuer, es war mir heilig. Ich hätte es bis in den Tod der Vernichtung verteidigt. Immer hätte ich mich dazu bekannt.

So war es an dieſem Tag. So war es an vielen Tagen. Immer wieder gingen die Dinge einen neuen Weg, die ich lebte. Manchmal war ich teilnahmlos oder hatte gar Langeweile. Aber immer war es ſchließlich ein Tag des Lebens, die lebendige Niederſchrift des Lebens ſelber, wenn man ſo ſagen will. Meine Verzweif lung, meine Schwermut wurde dahinein von mir ge⸗ graben. Auch meinen eignen Tod würde ich ſelber eingraben müſſen. Das wußte ich. Das behüͤtete mich vor vielem. Denn es war trotzdem nicht ſehr leicht, in dieſem Hauſe zu leben. Erſtens ſchwebte es, wie ſchon geſagt wurde, unter dem Hammer.

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Es war verpfändet in unſerm Gefühl. Wie beſchämend das war, wie hinausweiſend. Immer, tagtäglich konnte man fer Bündel bereithalten.. Dann hatte das Haus auch keine Glocke. Alle anderen läuteten um Mittags⸗ und Abendzeit, wenn fih die Glocken der umliegenden Kirchen ſchwangen. Dieſes Haus blieb ſtumm. Es war eben ſchon nicht mehr. Es beſaß auch kein Vieh, nicht einmal Kleinvieh. Und wenn es das auch gehabt hätte... Es gehörte ja bereits nicht mehr ihm.

Nur das Gärkchen noch mit den budshaumum(aumten Beeten predigte fortwährend einen Beſitz, predigte Sparſam⸗ keit und Fortdauer des Lebens. Es dufteten von dorther Lev⸗ kojen und Reſeden; und der ernſthafte Spinat ging da getreu⸗ lich ſeine ihm vorgeſchriebenen Saatwege. Vögelchen hielten fic) auf bei jungen Salatköpfen. Es ſchien ihnen außerordent⸗ lich zu gefallen in dieſem Garten. Und wem gehörte mun er? War er nicht nur das Sträußchen auf eines Bettlers Hut? Nein, als das durfte man ihn nicht verunehren. Er war doch Fleiß. Täglich goß ihn eine Hand, jätete, harkte die ſpröd ge⸗ wordenen Beete.

Manchmal ſah ich in das Geſicht der Arbeitenden. Ein kleines, verwelktes, aber immerhin noch nicht alterndes Geſicht war es. Es hatte ſchwarze, hervorſtechende Augen. Die Haare, gleichfalls die dunkelſten, fielen in einer unglaublichen Friſur herein. Es war der Turmbau zu Babel, ins Modernſte und Kleinlichſte überſetzt. Im übrigen war es wieder Landfrau. Ein Nachtjäckchen legte fih in feinem breiten Schwung um einen derbgeſtreiften Unterrock. Schließlich waren noch die Schuhe, wenn ſie ferne fort ſich bewegten, bemerkbar. Es waren Halbſchuhe aus Lackleder, aus verblichenem. Wenn fie fo bei: einander ſtanden, wars, als ginge es da ſchief abwärts oder

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als wollten fie etwas erreichen - fo auf ihren äußerflen Spitzen ſtanden ſie. Es waren Tanzſchuhe, das ſagte ich mir. Ich dachte an die Nähmaſchine, an das Lied nebenbei. Alſo das ſah ſo aus? O Gott, ich hatte vielleicht ſeine verdorbenſten Triller noch nicht gehört. Vielleicht war es mir fo vorgeſungen, gleich» ſam erſt ein unſchuldiges Schullied geweſen, eine harmloſe Vorſtadtdarbietung. Und dieſe ältliche Figur da draußen war noch etwas ganz anderes.

Und ich fühlte ſchon: ich durfte fie mir nicht erſparen. Ich durfte nicht in mein Klausnerdaſein zurückkehren, wie es mir immer fo lieb war - ehe ich das hier enträtſelt hatte. Es war nicht erlaubt, mit einer ſelbſtgedachten und ſelbſtgefügten Perſon ſich zu begnügen; auch wenn fie lebte, wirklich lebte, neben mir, wie ich ſie ſah. Ich mußte in ihrem Leben ſtehen, ſo wie in einem ungetrennten Raume. Sie mußte in mein Leben herüber⸗ ragen. Und dieſe beiden Leben mußten miteinander kämpfen und ſiegen und unterliegen. Erſt dann war es nicht nur nichtige Phantaſie, erſt dann war es das Leben ſelber.

Dies war meine nächſte Einſprechung. Und ſie traf mich ſtark. Sie ſchlug mich gleichſam. Aber ſie war auch gleichzeitig eine Berufung, und ſo arm und ſchwach wie ich war, durch⸗ zitterte fie mich darum mit der Begierde des Ehrgeizes.

Es war inzwiſchen Abend geworden an dieſem Tage. Die Taglõhnerin hatte meine abgegeſſene Mahlzeit abgeräumt. Es berührte ein roter Himmelsſaum mein Fenſterbrett. Wie ein fih felber teilender Blutſtreifen trennte er (id) daſelbſt und ver: ſank rechts und links in die Ecken. Es wurde Nacht. Alſo, es war alles bereit. Das Theater dieſes Lebens konnte nun beginnen.

Ich gab meinen Gruß. (Meinen erſten, denn die früheren waren eher ein ſich ferner rückender Blick geweſen.) Und wie

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alles, was lange aufgeſpart geweſen, drang er nun erwidernd, kaum geheißen, hervor, kollerte mir gleichſam bis vor die Füße.

Es erſchauderte mich, wie ſchnell das Geſpräch gedieh, wie es ſichtlich unter meinem Fenſter emporſchoß.

Jetzt ſtand ſchon die Frau da mit ihrem Erſtaunen über mein Leben. Daß ich es hinnahm. Ich hätte es zwingen ſollen. Sie hatte recht, ohne es zu wiſſen. Denn ſie ſchien viel klüger, als ſie in Wirklichkeit war. Es war im Grunde gleichſam alles, was ſie ſagte, nur eine armſelige Spekulation über ein Haus, das ſchon unter dem Hammer lag... Eine Spekulation, bei der zwar für fie nichts herausſah, für mich nichts herausſah, für niemanden etwas herausſah. Aber immerhin war es eine. (Wir handeln ja alle gern über die Köpfe der andern himweg.) So hörte ich auch geduldig zu, als ſie mich frug.

Warum ich da war. Das war ſehr viel gefragt. Ich war da, weil ich allein war.

D Gott... Wenn man einen Stein fragt, warum er allein iſt; warum er aus dem munterſten Zuſammenhang heraus⸗ gekollert ift auf eine einſame Stelle ... Ich antwortete ihr nicht. Ich redete überhaupt beinahe nie an dieſem Abend. Sie aber ſprach für mich. Auch nur dann war es ein Vergnügen, überhaupt zu reden ... Sie dachte darum lange nach, bis fie an meiner Statt beantwortete. Prophetiſch. Und zugleich mit ihrem eigenen Maßſtab ſagte fie mir voraus, wie es mir zumute ſein würde:

Mir würde, wenn ich in meiner Einſamkeit verharrte, nie wohlig werden im Leben. Ich ſollte mirs gründlich überlegen. Denn das Leben mußte doch ſchön fein, (chon mit der Welt ſein. Sie war der Fenſtervorhang, ſie war der Geranienſtock. Sie war die Uhr und die Lampe. Sie war unſer Bett, unſer Tiſch. Sie war die Tür, zu welcher wir hereintraten und zu welcher

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wir wieder hinausgingen. Und war fie nicht da, die Welt, fo war alles nur Kuliſſe, windige Kuliſſe, und vor dieſer Tür war nichts, war der Abgrund. Unſer Abgetrenntſein war da, unſere furchtbare, ſelbſtgeſchaffene Abſonderung.

Das erwartete mich. In Wirklichkeit war ſie jetzt ſchon da, herauf beſchworen durch ihre Worte. Denn wenn es auch vielleicht nicht gerade dieſe waren, es waren doch die Worte, die ich hörte, und wiederum ſie, die ſie ausſprach, die Frau mit der babyloniſchen Haartracht und den vertanzten Lackſchühchen.

Ich erſchrak. Aber ich rührte mich nicht. Nun kam ſie daran.

Die Nacht war inzwiſchen eingeordnet in ſich. Der Zaun war nah gerückt, als ſei er auch geſprächig geworden. Die Levkojen waren ein ſinnlicher Eindruck geworden, die Reſeden ein an den Geruchſinn gehaltenes Sträußchen. Der Spinat war in langfamem, nachdrücklichem Schritt gleichſam in die Erde gegangen; und der Salat, weltlich oberflächlich wie er war, langſt verſchwunden. Nur die Buchsbaumumfaſſungen mit ihren Geſchwiſterpaaren, den Wegen und den Beeten, hatten Beziehung zu den Sternen gewonnen. Zwar eine ſentimentale, ſingende, beinah fidh felber veräußernde. Aber immerhin war es eine Beziehung zu den Sternen, und das war nicht gering⸗ zuachten. Ich ſchaute feierlich empor; dankbar. Dieſe waren da. Und daß wir ſie nur ſehen konnten, war ſchon ein ſolch unerhörtes, göttliches Geſchenk, eine Gegengabe unſerer Einſam⸗ keit

„Nimm du, was du willſt“, dachte ich mir. „Ich will aus mir heraus in dieſe Sterne ſchauen. Und ſollte mich das Leben, cinfam wie es nun (don einmal war, dennoch drängen, zu zweit zu feist, fo doch nur wiederum als alleinige.

Ich war recht gut daran. Aber die Frau, die nun bereits auf

meinem Fenſtervorſprung (ap, und die ich nicht mehr fah, ſondern

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nur, mehr als mir lieb fein konnte, fühlte, nahm mich beim Arme. „Sie,“ ſagte ſie leiſe, als habe auch ſie dieſes Wort von den Sternen gehört (natürlich war ſie allwiſſend im gemeinen Sinn), „Sie ſollten einmal das Leben ſo von vorne anfangen mũſſen, wie ich es gemußt in meinem Elternhaus. Dann würde Ihnen das Nicht⸗Wollen ſchon vergehen.“

„Mein Vater,“ ohne mich noch zu fragen ging fie fo weit zurück „mein Vater ift ein fleißiger Barbier geweſen. Er ift auch an feinem Berufe geſtorben, wie alle tuͤchtigen Leute. Sie müffen wiſſen: Wiener⸗Vorſtadt. Da ift es keine Kleinigkeit, ſein Brot zu verdienen. Und viele Kinder. Aber meine Mutter war vom Lande, die hat nicht viel Weſens um uns gemacht. Wir mußten eben arbeiten. Und jeder ift etwas geworden ( und dann, wenn man (hon immer meinte, es würde nichts mehr aus ihm). Einer ift Schneider, einer ift Glaſer, einer iff Ober: kellner geworden, einer Barbier, einer Schuſter, einer Eis- konditor. Bitte, Sie müffen wiſſen: alles ohne einen Heller Geld. Wenig iſt das nicht. Er iſt auch ſtolz darauf geweſen, mein Vater. Ich war feine jüngſte Tochter. Ich ſollte nähen lernen. Mich hat er am liebſten gehabt.“

Während ſie das ſagte, ſchaute ſie im Dunkel ſehr ſtolz auf mich herab. Ich hatte dies alles nicht gehabt. (Oh, wie ſie das wußte! Meine Kindheit, ohne das Vorbild eines Berufs, war wieder in ſich zurückgegangen.)

„Sehen Sie,“ predigte ſie (ſie hatte jetzt ſchon den Buchs⸗ baumgarten wie einen Mantel fröſtelnd umgetan und die Sterne entliehen aus der Ferne - was iſt dieſen Menſchen nicht alles möglich -), „ſehen Sie,“ predigte fie, „es ift immer was wert, wenn man ſo etwas kann.“ (Sie meinte wohl ihre Fertigkeiten.) „Überhaupt kann man alles brauchen. Ich hätte nicht geglaubt, daß mir das Singen und das Zitherſpiel

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noch zu etwas wert fei. Diefe Lieder und Tänze, die nur zur Kurzweil gelernt wurden.“ (Und ſie erſparte mir nicht eine Probe davon.) Ich ſtand nun ſchon ganz im Dunkel. Sie aber wurde immer ſichtbarer; wovon? Sie nahm ihre Stimme, ſchien wie an einer Zither gleichſam zu zupfen und begann ein Lied. Irgendein fernes Orgelmannslied war es, wie es die Blinden am Freitag in allen Höfen noch jetzt in Wien ſingen mögen. Ich horchte. Ich vergaß, daß fie es war. Es war wieder ganz Sternennacht und eine unerhörte Pracht dort oben. Mußte es fo ſchön werden, daß die Blumen verdunkeln und die Vögel verſtummen durften? Ich fang, leiſe, aber ohne Melodie.

Da nahm mich die Nachbarin von neuem beim Arm. Sie wollte mich anſcheinend in dieſer Nacht noch überzeugen. Ich horchte auf.

Sie erzählte immer noch von zu Hauſe. Es mußte ihr hei⸗ melig ſein. Neben der Baderſtube war noch eine kleine „Haus⸗ ſtube“, wie fie es nannte. Und da ſtand die Zither. Beſonders am Samstagabend, vor dem Sonntag, wurde ihr Spiel gerne gehört. Da zitterte das Geſchäftsglöcklein an der Eingangs⸗ türe immer von neuem. Und mancher Gaſt verweilte länger, als er gemußt hatte. Daher kam es denn, daß ſie nicht bei der „Nähet“ blieb. „Man wird eben fortgezogen“, ſagte ſie. Und zumal, wenn man jung iſt. Was verſteht man da ſchon viel von Beruf. Das, was das Angenehmſte einem ift, ift einem auch das Erwünſchte. Und fie erzählte, in meine Stube hereingelehnt, weiter: „Ich wurde Zitherſpielerin, und dann Brettlſängerin. Ich habe vieles auch gelernt, was zu dem Beruf der Taſchenſpielkünſtler und der Akrobaten gehört.“ Ich horchte aufmerkſam zu. Ich hoffte wohl, auch was zu lernen.

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Eine Luft war jetzt, als fei die ganze Welt eine große Sammetblume. Einige Leuchtkäferchen begannen zu leben. Was ihnen wohl die Nacht war? wenn eines (id) entfernen dem andern nachflog ... Aber diefes Weſen da, neben mir, veränderte ſogar dieſe Nacht. Aus der einzigen Sammetblume machte ſie lauter dauerhafte, kleine Blumen auf ihr Alters⸗ hütchen. Und die Leuchtkäferchen mußten ihr heimleuchten, eiligſt noch heimleuchten zu einer verſpäteten Stunde.

Wo war da die Wahrheit der Wahrheit, wo war da die Nacht, die beſeligte. Wenn fie ſich jedem anbot... Dieſer bier und jedem... Ich ſchämte mich. Es iſt wunderlich für einen armen Menſchen, ſich für die Nacht, für den Himmel zu ſchämen. Aber das Nachbarweſen blieb immer noch ſtehen. Sie tat nichts desgleichen. Sie probierte bereits ein neues Lied. Es hatte nicht mehr dieſe gereizte Jugendſtimme. Zitherſpiel war auch keines mehr dabei. Dagegen etwas Jahrmarkt. Etwas; ſie wollte nicht. Sie hätte mir das niemals einge⸗ ſtanden. Aber ich hörte es auf einmal aus allem heraus; ich war auf einmal ſcharfſinnig.

„Sie wird doch um alles in der Welt kein Kind haben“, dachte ich mir, im geheimen erſchrocken. So wie ſie da vor mir ſtand, ſichtbar und unſichtbar, war ſie das Unkindlichſte, was man ſich denken konnte. Sie konnte nicht einmal je eines Kindes Schatten geweſen fein, Und dod)... Wo war noch in der menſchlichen Natur Ordnung, Zuverſicht und Wahrheit, wenn ſie ſo verbog? Und war nicht ich ihr übertriebenes Gegen⸗ ſpiel: die Übertreibung der Wahrheit?

Nacht war jetzt. Nacht. Keinem gab ſie mehr ſich teil, keinem nahm ſie mit Willen ſich fort. Nur wir waren es ſelber, die da die Gerechtſamen ſpielten; zu unſerem eigenen Schaden vielleicht. Ich war müde, ich wußte ſelbſt nicht wie. Und

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dennoch konnte ich nicht fort von hier. Schwer wie ich mich ſelber wußte, war ich gebannt und mußte den Verlauf dieſes fremden Daſeins mit anhören. Ein Käuzchen rief bereits. Ein Voglein duckte ſich zurecht in ängſtlichen Tönen, als habe es der Raubvogel ſchon beim Kragen, und doch war es vielleicht erſt im Traum.

Traum, Sang, Klang gingen durcheinander; wie die Leucht⸗ kafer verfolgten fie fih. Es war kein rechter Beſtand. Das Singen und Fliegen und Tanzen war eben ein Beruf für Vogel, Blumen und Schmetterlinge, allenfalls auch für Leucht⸗ fafer, aber nicht für Menſchen. Und gar für ſolche, die das Leben (chon fatt hatte, ehe es fie begann .. Oh, dieſe Vorſtadt⸗ kreatur! Es ſchrie etwas in mir. Vielleicht war es auch meine Müdigkeit.

Der Nebel ging auf den Wieſen wie eine Herde ferner Schafe. Der Wind trieb ſie vorwärts. Eine Stunde wandelte um die andere.

Sie aber war gar nicht müde in dieſer Nacht, meine Nach⸗ barin. Sie redete immer noch weiter. Sie erzählte mir die Jahre. Das ift eine eigene Aufgabe, das kann nicht jedes. Wie ſie mit dem Teller ſammelte, was ſie wieder ausgab. Und wie jeder Gewinn in Gewinne geteilt wurde. Und wie dabei jeglicher Gewinn ſo klein wurde, daß es kaum mehr betrug als einen halben Tag, jeden Tag. „Der Tag war“, wie ſie ſo furchtbar ſagte, „oft nur halbbekleidet.“ Und dabei war das Singen und Tanzen natürlich ſchon längſt kein Singen und Tanzen mehr. Und die zu Hauſe hatten ein ehrliches Gewerbe, nur ſie trieb ſich herum in kleinen Städten und Marktflecken, beinah auf der Straße

Da konnte man ſich nicht verwundern, daß ſie meine große Sammetblume allmählich zu kleinen verſchnitt. Sie erzählte

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es mir ehrlich: fie beſchloß, fie wollte heiraten. Es war ihr plötzlich eingefallen. Es war, als ſähe ich ſelber den Abend in dem kleinen Garten, als ſie das beſchloß. Sie zog ihn, dieſen Garten, gleichſam zu mir heran. Ein Buckliger ſaß an dem Tiſche unter den Kaſtanien. Er war es, dem ſie geſiel. Ja, ſie gefiel ihm. Er hatte Augen. Augen, nicht für heute und morgen, die hatten ja viele. Er hatte Augen für die Dauer der Dinge. „Siehe,“ ſagte er ſich, „der Tanz wird bald aus ſein. Das Lied wird bald aus ſein. Aber das Leben währt länger als Tanz und Lied. Vielleicht kann ſie das einſehen. Und wenn ſie das einſehen kann, wird ſie auch mich ſehen.“

Damit ſtand er auf und ging wieder. Aber immer, wenn wieder Vorſtellung war, fand er ſich wieder unter den Bäumen ein. Und einmal hatte er fogar eine Blume im Knopfloch. (Ein Wind kam, als ſtrählte er uns jetzt ſchon für den Morgen.)

Sie hatte aber inzwiſchen auch noch anderes im Sinne. Sie würde ſonſt auch nicht gar alles geſehen haben, was vorging. Aber immer wieder kamen auf irgendeine Weiſe ihre Zukunfts⸗ plane aufs neue ins Wanken durch neue Erelgniſſe. Denn wenn auch ſie und ihre kleine Truppe außerhalb der ehrſamen menſch⸗ lichen Geſellſchaft der kleinen Städte ſtand, ſo kamen ſie doch, die kleinen Städte, ſie anzuſehen. Sie beſonders, ſie. Denn ſie hatte ein beſonderes Spiel. Da war ſie in blauem Samtkleide und warf mit Goldſternen. Das gefiel ihnen immer am meiſten. Sie klatſchten da ſoviel. Sie gaben auch einmal ſogar Blumen. Das war ihr noch nie vorgekommen. Einen vor allen, den ſchilderte ſie. Das war ein großer Menſch mit roten Haaren. Der hatte ſich wirklich an ſie angeſchloſſen. Er ließ die Truppe leben. Der Wein kam immer von ihm. Und immer ſaß er am erſten Platz. Wirklich ein Menſch. Ein Richtiger war er, das konnte man ja ſehen. Sie knüpfte Gedanken daran, Gedanken,

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die fie ja ſchon feit längerem gehabt hatte. Er war nämlich keiner von den Unſoliden, die ſich den Lohn vorwegholten. Er hatte nãmlich auch feine Gedanken. Er wollte auch heiraten. Und gerade ſie. Es war in ihrem Gemüte ſchon ein ordentliches Hochzeits feſt angerichtet. Der Bucklige war dabei vertrieben. Das heißt, er ſaß im Schatten. Die Lampions ſchwankten wie bei Gewittern mit ihren unruhigen Farbenköpfen. Da⸗ zwiſchen die Sterne, die nie ihre Wahrheit verlieren. Da⸗ zwiſchen die Sterne, die das alternde Mädchen auffing und auffing. Es war wirklich zum Staunen.

Am Morgen der Tanznacht wollte ſie Ernſt machen, erzählte ſie mir. Da wollte ſie abſchließen mit dem Leben, mit dem halb unehrlichen Gewerbe. Sie wollte auch nicht einen Buckligen heiraten. Sie wollte einen heiraten, der geſund war und ſtarke Glieder hatte und ein einkömmliches bürgerliches Gewerbe be⸗ trieb. Dieſen wollte ſie heiraten. Es war keine Frage mehr. Der Bucklige war vergeſſen. Mochte er ihr die Geige ſpielen zu ihrer Hochzeit! Denn er war beſcheidenerweiſe Muſiklehrer und ſuchte ſich täglich ſein Brot, während der andere es ſozu⸗ ſagen ſchon beſaß: er war Metzger. Jeder konnte ſich davon überzeugen; davon, daß er es war; und außerdem, daß er es in der geſchickteſten Weiſe war. Sein Laden ſtand immer voll, bis zur Treppe, von ſchwatzenden Mägden. Und wenn ihn auch keine Bürgerstochter genommen hätte (denn Metzger ſein iſt eben Schlächter ſein, und Schlächter ſein an der äußerſten Grenze ehrſamer Geſchäfte), ſo würde es doch noch ein rechter Mann für fie. Sie, die zuletzt ſchon mit den Sternen ge: ſpielt hatte und auch längſt nicht mehr Bürgerkind genannt werden konnte.

Und innerhalb der Welt wollte ſie ſein. Das fühlte ſie immer mehr. Innerhalb, nicht da, wo ſie mich hinprophezeit hatte.

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Ich felber aber ſtand und fror bereits. Die Nacht hatte nun alles abgelegt, ihre Nebel, ihre Schatten. Es war Mond⸗ tag. Er war die Sonne der Nacht geworden. Meine Hand war ſilbern, die unſicher ſich am Fenſterpfoſten hielt. Meine Augen ſelber fühlte ich Mond werden. Der Schlaf kam.

Aber, als wollte ſie mich töten, ſie, die abgewandt dieſer Pracht ſtand, ſprach weiter, immerzu weiter.

Sie erzählte die Nacht, die ſie den Polterabend nannte. Sie erzählte vom Tanzen. Es ſpielten ſogar Geigen. Eine ganz feine Geige ſpielte, eine ſelbſtgebaute, verſtändige Geige ſpielte.

Es war jetzt umgekehrt: ſie wurden zu Publikum, endlich einmal, und jene blieben nur Muſikanten. Mochte auch einer darunter ſein, der beſſer war.

Ach, und die Not ſollte jetzt ein Ende haben. Nicht einmal mit dem beſcheidenen Leben hielt ſie es mehr, mit dem ſpärlich auskommenden. Die Mot ſollte jetzt ein Ende haben. Wie man da tanzen konnte.

Das war ein richtiger Polterabend, eine Polternacht.

Sie ſchaute mir tief forſchend in die Augen, die Nachbarin. Ob ich erriet? Sie wollte ſich jetzt plötzlich das Neden erſparen. Ich wußte nicht warum. Ich war eingeſchlafen wie ein Tier, im Stehen. Ich war weggeweſen. Freilich nur einen Augen⸗ blick. Augenblicke des Schlafes ſind bei Nacht wie ei ne Ferne von Stern zu Stern. Wankend (denn der Boden unter mir war durch ihr Geſpräch mir bis auf das letzte, ärmſte Fleckchen fortgenommen), wankend ſah ich ſie vor mir ſtehen, die Frau, in der Haartracht, in dem Jäckel, mit den Schuhen, ſo, wie ich fie mir getreu eingeprägt hatte. Es war, als wogte ich vor und zurück, ſie aber war unbeweglich.

Trotzdem aber wunderte es mich, daß ſie noch da war. Es waren doch abertauſend Jahre verſtrichen.

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Die Nacht hielt mir nachſichtig die Reſeden und Levkojen vor das Angeſicht ... Ich atmete. Lange.

Und inzwiſchen tanzten die Leute fort in irgendeinem Garten. Ja, ich ſah ſie lärmen und ſich drehen, ohne daß ſie, die Nachbarin, mehr viel darüber zu reden brauchte. Sie ſchaute nämlich immer noch in das eine Wort, das ſie nicht gerne ſagen wollte. Sie wartete förmlich, bis Tanz und Trunkenheit bis um Unnatürlichen geſteigert waren. Bis es ſelbſt von den Lippen ſprang, dieſes Wort, von ihren jetzt doch ganz nüchtern ſcheinenden Lippen l

Eine aus ihrer eignen Gefellfyafewar es, die es ſchließlich zuerſt geſagt hatte, dieſes Wort. Und daß es wahr war, merkte ſie alſogleich an dem Stillſtand des Tanzes, an dem plötzlichen Lebloswerden ihres eignen Tänzers. „Henker“ hatte eines aus ihrer Geſellſchaft geſagt.

d dann, als ob es niemand noch verſtanden hätte, berichtete dieſer Gaſt ausführlicher:

„Ja, Henker, ehe du Metzger wurdeſt, biſt du Henker geweſen. Darum nimmt dich auch kein bürgerliches Mädchen. Darum mußt du eine von unſrer Truppe heiraten. Ja, Henker biſt du geweſen, Henker und Henker.“

Es war, als drehe ſich die Welt. Ho, lachend ſah ich einen Stern fallen. Still, vielleicht fiel er in dieſen Garten

Aber ſie ſchien nicht darauf warten zu wollen, die Nachbarin, ich ſah ihr nichts an, dergleichen.

Sie redete nur mit leiſem Ton noch fort, als überhörten wir ſonſt wirklich eine Geige, und ſie ſprach weiter:

„Er merkte ſogleich, daß der Tanz aus war, der reſpektable Hochzeiter. Das heißt, ich tanzte auf eine Weile noch allein fort, auf eine andere Weiſe: ich wurde krank. Ich träumte drei Tage und Nächte lang immer ein und dieſelbe Tour. Ich

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träumte: ich tanzte mit meinem Henker. Da fiel ihm der Kopf ab. Aber er tanzte weiter und tanzte noch immer eine Weile weiter mit mir, ohne Kopf. Dann aber begann der Traum wieder von neuem. Und immer fühlte ich in ſeinem Anbeginn ſchon das Ende. Oh, Gott mag wiſſen, was ich in dieſen drei Tagen und Nächten gelitten habe.“ Ja, das ſagte fie. Und ich habe es, frog ihrer Abſcheulichkeit, ſelten noch jemand ſo ſchön ſagen hören.

Dann ging ich ſchlafen. Das heißt, ich lag wie übergoſſen vom Mondlicht, ſtundenlang auf dem Bette. Ich wußte kaum mehr, ob ich geträumt hatte oder ob das wahr war. Nur als die Tageshelle ſelber langſam mich wie eine Kranke geſund pflegte und erweckte (denn ſie meint es bald ſo und bald anders), ſah ich es ein, es war kein Traum geweſen.

Und als mir dieſes klar wurde, beſchloß ich zu reiſen. Denn dieſes ihr bewußtes Wiſſen, dieſes Sich⸗gemein⸗ machen, dieſes Wiedereinſchmelzen von vielen in eines war mir plötzlich zuwider geworden. Und in mir hörte ich, als hätte ich es nicht noch kürzlich ſelber geſagt, ſondern als tröſtete mich gleichſam ein anderer mit mir: „Ich war ich, und wenn ich mich auch beſſer, ſchöner haben wollte, ſo doch von mir ausgehend.“ (Und nach und nach verſiegte die Mondnacht in mir.) Ein Sonnenſtrahl um den andern durchbrach das Stahlkleid des Morgentaues. Ich legte das Geld hin, der Taglöhnerin. Dann verließ ich das Haus, unhörbar und eilends, als hätte ich höchſte Stunde.

Als ich ſchon ganz unten angelangt war, wo der Seitenpfad in die Landſtraße mündet, begegnete mir ein kleiner Buckliger. Er ſchob ein Fahrrad mit der einen überlangen Hand, und mit der andern hielt er eingehüllt eine Geige oder Mandoline. Ich ſah es beſonders daran, wie er das Fahrrad wendete, daß er dahin wollte, wo ich ſoeben hergekommen war.

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W. Schadow: Clemens Brentano

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Sonne badete fih in Schatten. Schatten in Sonne. Einen wirklichen Vogel unterſchied ich kaum mehr von dem Flattern des Lichtes. Nur ein inniges Tririlieren kam es direkt aus dem Himmel oder aus der Wieſe ſelber? - ſchlug zugleich an im Herzen. Nur mein Gedächtnis glaubte noch an den Lauf der vergangenen Stunden, an den Tritt in einer Stube und an das Rattern der nimmermüden Nähmaſchine. Aber ſichtbar war nur noch ein brauner Strich, der das Dach war über einer Summe von Erlebniſſen ... Und wie ein Geſtirn ragte ſchließlich von der Anhöhe noch einmal ein Hirte zum Himmel. Denn was will Gott anderes, als daß man ſich mit ſich ſelber verſöhne.

Aus dem Buche gleichen Titels.

Vier Gleichniſſe des Ferid-ed⸗din Attar

Deutſch von Martin Buber *

Der Gottesnarr

in Gottesnarr hatte eine hohe Stufe erlangt. Khizr ſprach

zu ihm: „O Vollendeter, willſt du mein Freund ſein?“ „Du ftehft mir nicht an“, antwortete er. „Du haft vom Waſſer der Unſterblichkeit in langen Zügen getrunken, und nun wirft du ewig fortbeſtehn. Ich aber will dem Leben abſagen, weil ich ohne meinen Freund bin und ſolch ein Sein nicht erdulden mag. Dieweil du eiferſt, dein Leben zu bewahren, werfe ich das meine alle Tage hin. Es taugt daher beſſer uns zu trennen, wie Vögel, die einem Netz entſchlüpften. Lebe wohl.“

Medſchnun ſucht Laila

in vornehmer Mann, der ſich Gott ergeben hatte, ſah, wie Medſchnun mitten auf der Straße Erde ſiebte, und ſagte zu ihm: „O Medſchnun, was ſuchſt du hier?“ „Ich ſuche Laila“,

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antwortete er. „Wie kannſt du wähnen,“ fragte jener, „Laila fo zu finden? Wie ſollte die reinſte Perle in dieſem Staube wohnen?“ Ich fuhe Laila überall,“ ſprach Medſchnun, „und das ift meine Hoffnung, daß ich ſie eines Tages irgendwo finden werde.“

Die trauernde Mutter

ine Mutter weinte an dem Grabe ihrer Tochter. Ein

Wandrer, der ſie ſah, rief aus: „Dieſe Frau iſt wahrlich den Männern überlegen, denn ſie weiß, was wir nicht wiſſen: wer es iſt, dem fern und verloren wir weilen, was es iſt, das uns fo ſehnſüchtig macht. Selig der Menſch, der den Grund der Dinge kennt und weiß, wen er beweinen ſoll! Mir armem Be⸗ trübten aber geht es ſchlimm. Tag und Nacht ſitze ich in meiner Trauer. Ich weiß nicht, um wen ich mich dem Schmerz preisgebe, um wen ich weine wie der Regen. Ich weiß nicht, wer es iſt, dem ich entrückt bin, fo groß ift meine Verwirrung, fo bin ich außer mich geraten. Dieſe Frau hat ihren Rang über Tauſenden wie ich, denn ſie beſitzt die Witterung des Weſens, das ſie verloren hat. Ich aber beſitze dieſe Witterung nicht, darum hat der Gram mein Blut ausgeſchüttet und läßt mich vergehen in meiner Be: ſtürzung. An der Schwelle des Orts, wo das Herz keinen Zu⸗ gang hat, des unſichtbaren Orts, hat die Vernunft ihre Zügel fahren laſſen, und die Pforte zur Stätte des Denkens iſt nicht mehr zu finden. Wer an dieſen Ort gelangt, wird ſein Haupt verlieren; er wird in der Einfriedung dieſer vier Mauern keine Offnung finden. Wer aber den Weg fände, der fände in einem Augenblick und vollkommen das Geheimnis, das er ſucht.“

Die Falter

Koss Nachts verſammelten ſich die Falter, von der Begierde getrieben, ſich der Kerzenflamme zu einen. Alle ſprachen: „Wir müſſen einen entſenden, daß er uns von dem Gegenſtand

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unſres Verlangens Kunde bringe.“ Ein Falter flog zu einem fernen Schloß, und in deſſen Innern erblickte er das Licht der Kerze. Er kehrte zurück und meldete ſeine Erfahrung; er begann nach der Faſſung ſeines Verſtandes die Kerze abzuſchildern. Aber der weiſe Falter, der die Verſammlung leitete, entſchied, der Kundſchafter wiſſe nichts von der Kerze. Ein andrer flog dem Lichte zu und näherte ſich ihm. Er berührte mit ſeinen Flügeln die Flamme, die Kerze ward ſiegreich und er beſiegt. Auch er kehrte zurück und berichtete, was er vom Geheimnis wußte. Er erklärte, worin die Einung mit der Flamme beſtehe. Aber der weiſe Falter ſprach: „Deine Meldung iſt nicht zu⸗ verläffiger als die deines Gefährten.“

Ein dritter Falter erhob ſich, von Liebe trunken; er ſtürzte ſich ungeſtüm auf die Flamme der Kerze; ſich auf den Hinter⸗ füßen emporſchwingend, ſtreckte er die vorderen der Flamme entgegen. Er verlor und verſenkte ſich wonnevoll in ihr; er ent⸗ brannte ganz, und ſeine Glieder wurden rot wie das Feuer.

Als der weiſe Falter aus der Ferne ſah, daß die Kerze jenen ſich einverleibt und ihm das eigne Ausſehn verliehen hatte, ſprach er: „Der Falter hat erfahren, was er zu wiſſen begehrte; aber er allein faßt es, und das iſt alles.“

Johannes R. Becher: Zwei Gedichte

Auf die Gefallenen ufdecken jetzt muß ein Geſicht ich, das nicht wird vermodern: ein Sterbliches nicht. das wäre Leichenraub Ein Block aus Granit, dem nicht geſetzt iſt Verweſung. Mit ſchwimmendem Auge funkelnd ſind bewachſen die Hänge des Raums.

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Genährt von euch find wir mehr denn von den Lebenden. Wie Speiſe ſeid ihr, die von denen im Lichte verzehrt iſt.

Ich trinke das Blut ... Aus verroſtetem Helme

Schöpfe ich an der nie verſiegenden Quelle den Trank.

Wie lange noch... und es werden binden den Knöchel die Halme.

Geſchloſſen wird ſein der ewige Bund unter den Blinden, den Schläfern.

Was geweisſagt hatten vormals im Traum dir die Vãter: hier iſt gewirkt die Erfüllung...

Wenn die Arme ſich runden und geflochten zum Ning iſt die Reihe

Und die eine Stimme ich hörte flüſtern tieferer Einſicht:

Verwelken wird das, was ihr gewählt habt

Auf blühen eine Frucht, gefüllt mit Sand, das, was ihr ſätet -

Nenn mir den einen, der nicht wie Schorf iſt, der verbrannt ſich | nicht krümmte,

Gefleckt von den Malen des Wahnſinns - oder den, der nicht

Hängt, ſchwermütig ſich neigend, über dem

Rande der Felſen

Dieſen wirft du nicht finden.

Aber um der Helden Gräber lagernd

Ungeweidet |

Irrende Geſchlechter.

Sage vom Mund nicht: ihn drücke ein göttliches Siegel -

Noch von der Scham, daß ſie ein Heiliges bewache,

Wenn der Strick aus Hanf ſchon dir die Lende zerſchnitt -

Angrinſend das Geheimnis der Sterne,

Wird bald ein Stachelgürtel dich preſſen und die Eiſerne Maske.

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Denn als es emportrieb ſchãumend aus dem Strudel der Welten und aus

Epharifchem Feuer es abtroff, eine glühende Schlacke, das Greuel der Zeit

Da ſangen die Engel: Wehe! Welch ein Werk iſt getan!

Von der Schlange ward ihm die ſich ſchuppende Haut, vom Löwen

Das flörrifche Haupt, und filberne Flügel

Schnallte er fid unter die ſchleifenden Füße:

Das ift der Menſch, der Abgrund.. Wann wirſt auch du fein:

Überfließend wie aus einem hohen Gefäße -

An den Ruhm

eiße mich auf, o Herr du der ſtrahlenden Chöre, Aus der Umnachtung der Nacht! Laß von den Bergen, den ſchon zerwirkten, noch einmal deine Stimme mich hören, Die die meine entfacht! Wenn an den Ufern oft ſchlief ich der gewundenen Meere, Ward erhöht ich im Traum: Völker ſah ich erweckt und geſtaffelt wie Heere, Prophetiſche Rufer und weiße Reiter wie Flaum.

Donnerer du, der du überwandelſt die Sterne,

Der du mein Haupt ſchlägſt zu Staub

Mitt braunem Gewölk verhängteſt heute das Reich du der Ferne - Mein Herz iſt dein Raub

Ob ich auch flieh, eilenden Schritts, ruůͤckwärtsgewendet:

Es trifft mich dein Speer.

Und deine Trommel fie ſprüht und dein Harniſch er blendet - Es jauchzt deine Wehr.

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Wo ich auch hockte - verſunken in finfterer Kammer

Oder trotzig gereift hoch auf den Felſen im Licht

Immer umzwangs mir die Bruſt wie mit funkelnder Klammer, Denn du ließeſt mich nicht.

Da ich, ein Zerfetzter, dich anrief: du Eiſerner Turm der Ge⸗

ſchlechter

Mit deinem Engel ich rang.

Um deine Stirn dir hingen die Blitze wie Flechten,

Und das Wort deines Munds: es war wie eine Woge, die ſprang -

„Dunkler du! Geſchleift wirſt du ſein von den Roſſen der Hölle

Um den Mauerkreis rings einer entzündeten Stadt.

Aufgeſchlitzt dein Leib von ſpitzem Gerölle

Oder zermahlen in den Strudeln der Schlacht.

Der in das Horn blies, da zu knöchernem Dunſt verflockt ſchon und zu feuerichten Tränen

Herrſcher und Heerſchar ſchlang der geſpenſtiſche Grund:

Rupfen wird er das Haar dir und dir zerſchneiden die Sehnen

Und die Zähne dir brechen in dem blutſpeienden Schlund.

Wenn vor den Sterblichen auch du mit dem Schilde dich

ER | ſchützkeſt, Mit vergiftetem Pfeil Ruchloſe Namen in die häutigen Leichen du ritzteſt - Ringelſt dich ſteil, Züngelndes Otterngewind: er wird den Kopf dir zertreten, Der, wie gewoben aus ſchneeichtem Glanz, Abwärtsſchwebt, umbrauſt von dem Gefolg der Propheten, Sengenden Atems, und die roten Mäntel wie Brand

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Sing mir zur Harfe! der ich dir die Goldene Saite,

Gluͤhender du, über die Wunde geſpannt -

Harfe, heilige, fone! Söhne des Siegs ihr, metalliſch,

Taten des Ruhms: ſeid uns im Zweiklang gebannt!

Singe Gefange und es zerſplittere das morſche Gefüge der Welten

Löſe die Marter der Zeit!

Neige dich! Trinke aus dem Fluten der Welten,

Schöpfe paradieſiſche Zeit!

Siehe! Ich ſtreue ſchon durch die Lüfte die Feuer,

Gieße in die Grüfte den Trank.

Klaffte einſt vor der Schwinge der Pauke nicht Babels Ge: mäuer

Schütteteſt (hwant:

Flatternde Wälder du ab unfer der Winde irrzuckenden

Streichen, Kuͤndender Tod

Üste mit klirrendem Griffel nicht in die Wand ich dir mitter⸗ nächtlich das Zeichen:

Kreuze von Schwertern umloht?!“

Alſo ſprachs. Da weheklagten die irdiſchen Scharen.

Die Luft ward verſteint.

Tote ſchon ſah ich getragen auf brüchigen Bahren.

Zerſtückt flog aus den Gräbern Gebein.

Und während lobſangen lobſangen die ſphäriſchen Geiſter, Feſtlich geſchmückt ward ein Zelt:

Schwang Keule und Hammer und ſtählerne Lanze der himm⸗

liſche Meiſter, Bis es zerſpellt.

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Aufquollen die Waſſer did aus den überkruftefen Sümpfen.

Es ziſchte im Spalt.

Es zerrte herauf geköpft und ſchwälend die Rümpfe

Gerippe uralt.

Es miſchte fih ein. Es krümmte fih. Blaſen und Schwären

Geſtirne: von ſchwarzen Engeln umkrallt, ihr riſſet euch los!

Es ſtampfte. Herab in die Gewölbe, die geſprengten, ſog es die brennenden Meere

Stoß um Stoß

Über euch, den Heiligen, auf Flammengerüſten gerichtet: Sang ich und fang - Über euch, Gefallenen, in Gruben gleich Haufen Blattwerks

geſchichtet: Sang ich und ſang! Glorie, o Ewiger, iſt dein Antlitz, und poſaunendes Licht iſts, das dich kleidet: Ruhenden Wandels kriſtalliſcher Klang Leuchtender Säule gleich, der zu Aſche zerſtäubten, Traumloſer Runde Gebet, erloſch mein Geſang.

Hans Caroſſa: Der Zauberer

(Sir Sommer lang bewohnte den Garten beinah täglich ein ſeltſamer Gaſt. Wann er zum erſtenmal erſchien, hab ich nie gewußt, er war einfach zugegen. Der Vater nannte ihn Onkel Georg und behandelte ihn mit großem Reſpekt. Be⸗ wegte Jahre ſchienen hinter ihm zu liegen; von beſtandenen Abenteuern und errungenen Erfolgen war viel die Rede. Be⸗ ſuchern bot er gelegentlich ſeine Schnupftabaksdoſe und erzählte

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behaglich, ein öſterreichiſcher Erzherzog habe fie ihm als Zeichen befonderer Huld und Bewunderung geſchenkt. Auf dem Deckel ſah ich das Bruſtbild einer ſchönen Frau, die, wofern ich mich recht erinnere, nur mit einem ſchwarzen Halsband bekleidet war. Welcher Art die Leiſtungen des Alten geweſen, konnte ich mir nicht vorſtellen, war auch zunächſt nicht neugierig darauf. Ab und zu brachte die Poſt einen Brief, den ich ihm überreichen durfte; ich erſah aus den Aufſchriften, daß er den gleichen Namen hatte wie wir, im übrigen war er bald als Tuchhändler, bald als Rentner, bald als ehemaliger Illuſioniſt aus Paſſau bezeichnet. Ich erfuhr auch, daß er in genannter Stadt behauſt und ſeine Fran vor kurzem dort geſtorben fei. Die Mutter ſprach von ihm als einem ſteinalten kranken Mann, der ſchon mit einem Fuß in der Ewigkeit ſtünde und ſeines Herzleidens wegen bereits allerlei Kurorte beſucht, zuletzt aber den Weg nach Kading gefunden habe. Abgelegenheit und Stille des Fleckens mochten ihn feſt⸗ halten, mehr noch die Nähe des Neffen, auf deſſen Heilkunſt er große Stücke hielt.

Zu jener Zeit mufte ich wieder einmal dem Großonkel einen Brief in den Garten bringen, und diesmal ſtand unter dem Namen: „Gemeindebevollmächtigter und ehemaliger Zauber⸗ funftler“. Von Zauberern hatte (hon die Forelle erzählt; nun ſaß einer mitten unter uns, und der Gedanke, daß er plötzlich ſeine Kräfte ſpielen laſſen könnte, machte mich ſchaudern und hoffen. Ich zog mich in meine Sonnenblumenpf lanzung zurück und betrachtete ungeſtört den nun fo merkwürdig gewordenen Alten. Meiſt ſaß er in einem Lehnſtuhl neben der Urne; ein Glas mit gelber Arznei ſtand vor ihm auf einem Tiſchchen, in den Händen hielt er oft ein ſchwarzes Buch, deffen Schnitt in der Sonne glänzte. Er war lang und hager, der nackte Schädel voller Unebenheiten, ein dünner Kranz verfärbter Locken haftete

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daran. Hinter großen runden Hornbrillen blickten graue Augen wunderlich langſam hin und her; die Lippen, vom vergilbten Bart umgeben, erſchienen ſo dunkelbläulich wie die von uns Kindern, wenn wir Taubeeren gegeſſen hatten. Die Füße in ſchwarzen Halbſchuhen waren ſtets ein wenig geſchwollen, ſo daß die weißen Strümpfe ſich darüber ſpannten. Zuweilen bog er den Kopf zurück und fah mit furchtbar entſchloſſenem Mirs- druck zum Himmel, drückte die Hand an die Bruſt und atmete kurz und ſtoßweiſe. Dieſe Veränderung war ſehr ängſtlich an⸗ zuſehen, doch dauerte ſie nie lang; war ſie vorbei, ſo blätterte er wieder, als wäre nichts geſchehen, in ſeinem Buch.

Ich trug meinen blauen, ſilbern geſternten Gummiball bei mir, und auf einmal hatte ich ihn aus dem Dickicht auf den Sitzenden zugeworfen. Dabei gedachte ich nicht, ihn zu treffen, ſondern wünſchte nur, ihn auf mich aufmerkſam zu machen, und fal mit vergnügtem Grauſen das abgeſchleuderte Rund vor ihm niederfallen, hoch emporſchnellen und, während der Alte zu⸗ ſammenfuhr, im Laubwerk des Zauns verſchwinden. Dann ſprang ich lachend hervor in der Erwartung, er werde Spaß verſtehen und ſich mit mir unterhalten. Aber ein böſer Empfang erwartete mich.

„Immer luren im Winkel, pfui, wie eine Spinne“, ziſchte er gehäſſig, und als ich weiterlachte, trieb er mich mit einer fuͤrchter⸗ lichen Stimme, die man in ſeinem leidenden Leibe nicht vermutet hätte, zur Arbeit.

„Wie läßt du den Garten verkommen, nachläſſiger Wicht! Unkraut wächſt, Steine ſtecken in den Beeten, der Boden wuſelt von Geziefer, dort! ſchau, wie ſichs rührt! wie's herauf will! O langweiliger Frater! Vom Seſſel fallen will ich, wenn da keine Werre ſteckt! Grabe! Grabe! Laß ſie nicht auskommen!“ Weit vorgereckt wies er mit Hand und Blick auf eine Stelle

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des nächften Beefes, und wirklich glaubte ich ein leiſes Heben und Lockern des Bodens zu bemerken. Ich ſcharrte mit beiden Händen Erde heraus, fand aber nichts.

„Haft du die Beſtie, die verfluchte?“

„Noch nicht, Herr Großonkel“, ſagte ich.

„Aber gewiß Haft du fie, kleiner Narr! Biſt du blind? Jetzt kriecht ſie dir über die Hand, über den Arm, in den Hals, in den Mund!“ |

Er gebärdefe ſich verzweifelt, während ich nun wirklich am Gaumen eine Bewegung fpürfe und vor Enkſetzen ſpuckte.

„Komm, laß dir helfen, mein Kind! Offne den Mund!“ be: fahl er in barmherzigem Ton, ſperrte mir die Kiefer auseinander, äugte hinein und ſagte „Aha!“ wie ein Zahnarzt, fuhr mit dem Finger über die Zunge hin und hielt mir, gutmütig lachend, eine dicke zappelnde Maulwurfsgrille vor Augen, die er ſofort mit Verfluchungen zu Boden warf und unter ſeinem ge⸗ ſchwollenen Fuße zertrat.

Dieſem rohen Scherz folgten bald einige freundlichere; aber das Gefährliche war nie fern, und wenn er Auflehnung ſpürte, kam es hervor. Oft befahl er mir, Blumen zu bringen, die er, indem ich ſie ihm überreichte, gleichſam in meiner Hand ver⸗ ſchwinden ließ, um ſie mir nach langem Suchen aus der Taſche zu ziehen; bald verwandelte er weiße chineſiſche Nelken in rote, bald, wenn er auf mich böfe war, bannte er mich feſt, fo daß ich mitten auf dem Wege keinen Schritt vor: oder rückwärts tun konnte. Er ſtellte ſich dann immer, als ob er gar nicht merke, was vorging, ſagte, das fet ein verhexter Garten, hier könne er nicht bleiben, gleich morgen werde er davonreiſen. Wenn ich ihn dann kalibaniſch ausgelaſſen umbupfte und rief: „Nein, Sie durfen nicht fortreiſen! Sie find ein Zauberer, Sie bleiben bei uns und zaubern alle Tage!“ ſo lächelte er nur. Und wirklich

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war es für mich ausgemacht, daß nun die Zeit größter Über- raſchungen angebrochen ſei. Das bisher Geſchehene nahm ich nur für Scherze und Vorreiter der eigentlichen Wunder, und ich hatte in dieſer Hinſicht gewiſſe Wünſche, die ich vorderhand noch für mich behielt. Ein echter kleiner Menſch, wurde ich ſchnell un⸗ dankbar gegen die ſanften Schranken, in denen mich das Leber heranführte, und freute mich, ſie bald allenthalben durchbrochen zu ſehen. Auch fühlte ich mich ſelber ſchon in jedem Nerv zum großen Magier berufen und hoffte bald meine Schulgenoſſen in Erſtaunen zu verſetzen.

Einmal, als ich mich wieder nach einem harmloſen Taſchen⸗ ſpielerſtückchen unbändiger Luſtigkeit überließ, beftel den Greis einer feiner ſchmerzhaften Krampfanfälle, und zwar viel heftiger als ſonſt. Das Geſicht erblaßte bläulich, winzige Tröpfchen traten auf die Stirn, die Hand fuhr nach dem Herzen. Er be: wegte ſonderbar den Mund und ſtarrte nach oben. Hatte mich dieſer Anblick ſonſt ſehr bedrückt, fo verfiel ich nun auf den Ge: danken, der Zuſtand könnte irgendwie mit ſeinem Zauberertum zuſammenhängen und die Einleitung ſein zu einer neuen großen

Gaukelei. Ich fuhr fort zu jauchzen und in die Hände zu patſchen und rief: „Herr Großonkel, was haben Sie wieder für ein Zauberſtück im Sinn!“ Erſt als er mich flehentlich zur Ruhe winkte und mit unheimlich ſchwacher Stimme bat, den Vater zu holen, wurde ich beklommen und lief gehorſam in die Wohnung, gab jedoch meine Hoffnung, daß die Szene luſtig enden werde, nicht ſogleich auf.

Von dieſem Nachmittag an aber verſchlimmerte ſich ſein Leiden. Die quälenden Krämpfe, die das Leben in den Körpern auslöſt, die es abſtoßen will, ſtellten ſich immer häufiger ein; Leib und Füße ſchwollen ſtärker an, und auch die Sehkraft ließ mit jedem Tage nach. Vom Aufenthalt im Garten war nicht

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mehr die Rede; unfer größtes Zimmer wurde ihm eingeräumt, hier ſaß er im breiten Lehnſtuhl am Fenſter, die gelbe Medizin und eine ſilberne Glocke neben ſich auf dem Tiſchchen, und ver⸗ ſeufzte die Zeit. Ich aber trieb mich zwiſchen Schule, Garten und ſeiner Anziehung dahin. Mitten in Lauf und Spiel auf dem Platz fiel er mir ein, ich eilte heim, frug, ob er ſchon wieder zaubern könne, legte Blumen vor ihn hin in der Hoffnung auf neue Verwandlungen und verſteckte Medizin und Glocke, um ihn zu erſtaunlichen Taten zu reizen. Er aber ließ alles geſchehen, und die Blumen vertrockneten. Und doch, je weniger er ſeine Magie walten ließ, deſto feſter war ich von ihr überzeugt; all ſeine Schmerzen, Angſtwallungen und Erſtickungsnöte, ja ſein lauter Jammer, deſſen ratloſer Zeuge ich manchmal wurde, konnten meine Gläubigkeit nicht erſchüttern. Daß Zauberei Sünde war, ſtand im Katechismus; oft war mir, als läge der Zorn Gottes auf ihm, aber in allem ſichtlichen Elend blieb er mir der Gebieter der Mächte, wie ein echter König auch im Un⸗ glück ein König bleibt.

Noch einmal ſchien ſich alles zum Guten zu wenden. Die Füße ſchwollen ab, das Atmen wurde gelinder, das Augenlicht heller, der Kranke konnte wieder in der Wohnung umhergehen und nachts bequem im Bette liegen. Groß war meine Freude; der Vater aber mißtraute der überſchnellen Beſſerung, prüfte den Puls noch öfter als ſonſt, brachte neuen Sud aus der Arznei⸗ kammer und gebot völlige Ruhe, worum ſich der Alte nicht viel kümmerte. Die Mutter ging ſtill umher, traf ſeltſame Vorbereitungen, kaufte Kerzen und verriet uns eines Mittags gegen ſtrenge Verſchwiegenheit, daß das Ende nahe ſei. Sie war im Traume weißgekleidet durch ein fremdes Zimmer ge⸗ gangen und hatte ſich in einem Spiegel ſchwarzgekleidet auf ſich ſelber zukommen ſehen. Solche Träume meiner Mutter

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waren unfehlbare Todeszeichen, wie fie auch andere Vorkomum niſſe, beſonders Feuersbrünſte, häufig vorausſah. Doch erfuhr ich dies erft ſpäter; mir fehlte damals noch jeder Sinn für ible Vorbedeutungen, ich nahm dergleichen für leere Worte und hielt mich an das augenblickliche Wohlbefinden des Alten.

Nachts war er oft ſtundenlang wach, und weil ich im Zimmer neben dem ſeinigen ſchlief, ſo weckten mich nicht ſelten ſeine lauten unverſtändlichen Selbſtgeſpräche. Ich ſchlich dann zu: weilen zu ihm hinein, und bei dieſen Zuſammenkünften, die wir, ohne Verabredung, vor niemand erwähnten, erwies er ſich viel freundlicher und umgänglicher als bei Tag, erlaubte mir auch ein für allemal, Du zu ihm zu ſagen. Als ich ihm tüchtig zuſetzte, doch endlich wieder einmal ein bißchen Zauberei zu treiben, ſagte er lachend:

„Du ſtellſt es dir gar zu leicht vor, du Kobold! Um zaubern zu können, wie ſichs gehört, dazu brauch ich den Zauberſtab. Der aber liegt weit von hier, in einer dreifach verſperrten Truhe, in den Zaubermantel eingewickelt. Nun höre! Wenn du mir gehorchſt und drei Tage lang meine Stube nicht betrittſt, ſo will ich dir gern ein paar von meinen Rünften zeigen. Mein treuer flinker Donau⸗Geiſt, ich ruf ihn warte nur —“

Er unterbrach ſeine Rede, ſah ſtarr in einen Winkel und rief mit langgezogener unterdruͤckter Stimme:

„Amal! Amal! Amal!“

Ein kläglicher Ton antwortete vom Ofen her.

„Mache dich bereit!“ hauchte Onkel Georg. „Reiſe durch die Luft! Hole den Stab! den Stab! den Stab!“

„Den Stab! den Stab! den Stab!“ wiederholte ſeufzend ein Echo vom Ofen, und der Alte nahm fein gewohntes Weſer an, als wäre nichts Außerordentliches geſchehen. Ich ſah bald

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auf ihn, bald in den Ofenwinkel; frierend und ſchaudernd zog ich mein Hemd eng an mich und drängte mich an das Bett.

„Ich will hoffen, daß er nicht vergißt, mir auch den Mantel mitzubringen, der erhöht meine Kräfte! Mag der Plunder noch einmal zu Ehren kommen, bevor ihn die Schaben freſſen und mich die Würmer! Der Teufel weiß, in was für Hände alles fällt, wenn ich tot bin!“

„Wenn du ſtirbſt, ſchenkſt du mir deinen Zauberſtab!“ ſagte ich und ſchlug bittend die Hände zuſammen.

Möchteſt du denn, daß ich bald ſterbe?“ fragte er ſchnell.

„Nein!“ entgegnete ich. „Aber bald einmal mußt du ja doch ſterben, und ich lebe dann noch lange Zeit.“

„Woher weißt du das?“

Ich bin klein, du aber ſteinalt. Und in der Ewigkeit brauchſt du doch keinen Zauberſtab mehr.“

Er ſah mich eine Weile mit ſonderbarem Ausdruck an; dann ftobnte er und raunte:

„Der Stab allein tut es nicht, man muß auch das Zauber⸗ wort wiſſen.“

Zuletzt gab er mir einen leichten Schlag auf die Wange und fagfe: |

„Kann fein, du wirft auch einmal ein Zauberer, wills Gott, ein ftarferer als ich! Oder du endeſt am Galgen, - eins von beiden iſt dir gewiß! Jetzt aber trolle dich in dein Bett und laß dich drei Tage und drei Nächte nicht bei mir blicken!“

So wartete ich denn geduldig auf das Ungeheure, und als mich der Meiſter bereits in der dritten ſtatt in der vierten Nacht zu ſich enfbot, war es mir faſt zu früh. Ich ſah die Möbel verſtellt, und das Zimmer kam mir größer vor als ſonſt. Er aber ſtand hinter dem Tiſch, auf dem ſieben Kerzen brannten und allerlei Flaſchen, Becher, Büchſen und Würfel dämmerten

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und blinkten. Mit rotem, ſchwarz durchzeichnetem Mantel und hoher goldgeſtickter Scharlachmütze nahm er ſich fremd und feierlich aus wie ein Prieſter. Worauf ich aber vor allem blickte, das war der ſchwarze Stab, der mich nur mächtiger anzog, weil er fo ſchlicht und unſonderlich ausſah. Ein einzelner Stuhl ſtand in der Zimmermitte; ich erhielt einen wortloſen Wink, mich zu ſetzen. Eine ſehr leiſe Muſik, die wohl von einer verborgenen Spieldoſe herkam, begann zu tönen. Der Onkel, mir zunickend, erhob wie zum Scherz den Stab, verſchob noch einmal ſeine Sachen und ließ nun, Zug um Zug, aus kleinen Gaukeleien ſeine Kunſtſtücke hervorgehen. Mochten ſich dieſe wenig von dem unterſcheiden, was in jeder guten Taſchenſpieler⸗ vorſtellung gezeigt wird, mich verſetzten fie in Taumel, und ich vergaß, daß dies eigentlich doch etwas ganz anderes war als das heimlich immer Erwartete. Wenn ich mich nämlich allein befand und wünſchte, daß Wunder geſchähen, fo dachte ich dabei an jene ernſten, herzerfreuenden, wie ſie in den bibliſchen Geſchichten vorkamen, oder an ſolche, die gerade meinem dringendſten Bedürfen entſprochen hätten, keinesfalls an fo bunte, luſtig⸗ unverbindliche Hexereien, wie ſie jetzt mit be⸗ täubender Wirklichkeit vor mir abſchwirrten. Murmelnd ging er hin und her und rief dann und wann, halblaut, ein unver: ſtändliches Wort, beſonders wenn er mit dem Stab an einen Gegenſtand klopfte. Zu mir ſprach er ſelten; einmal befahl er

mir, ein neues weißes Taſchentuch zu holen. Er faltete es aus⸗

einander und tat, als wolle er ſeine Brille putzen, dabei brachte

er es unvorſichtig der Kerze zu nah, es fing Feuer und brannte

mit mäßiger Flamme. Ich ſchrie: „Das Tuch brennt!“ Er er⸗

ſchrak, bedeutete mir aber zu ſchweigen, warf es zu Boden, zer⸗

ſtampfte den Brand und dachte mit bekümmerter Miene nach.

Endlich ſchien ihm etwas einzufallen; er nahm eine Flaſche vom

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a noir... . „„

Tiſch, öffnete fie, machte mit dem Stab Zeichen darüber und ſtellte ſie bereit. Hierauf ſammelte er die faſt verkohlten Fetzen, warf ſie in einen grünen Becher, preßte ſie gewaltſam hinein, wie man eine Pfeife ſtopft, und beträufelte ſie aus der Flaſche. Dann hob er den Becher mit einer Hand, während er ihn mit der andern verſchloß, ſchůttelte ihn und murmelte dabei immer wieder ein ſeltſam klingendes Wort. Und jetzt geſchah es! Er ſtellte den Becher auf den Tiſch, beklopfte ihn dreimal mit dem Stab, tauchte ſodann Daumen und Zeigefinger ein, zog ſehr langſam das Tuch heraus und warf es mir lächelnd zu. Es war ſo weiß und zuſammengelegt, wie ichs ihm gegeben hatte; ich breitete es auseinander, kein Fleckchen war verſehrt. Zum Verwundern aber blieb keine Zeit; er wurde nun erſt munter, nahte mir mit einem Stückchen Papier und gebot mir, es zu eſſen. Widerwillig nahm ichs in den Mund und kaute voll Ekel kräftig darauflos. Er aber ließ es mich nicht verſchlucken, ſondern rief Halt, berührte mit dem Stab meine Kehle und zerrte hierauf langſam, Ruck auf Ruck, mühſelig ächzend ein buntes Rohr, das mindeſtens dreimal ſo lang war als ich ſelber, aus meinem Munde. Anfangs beſtürzt, mußte ich bald lachen; es war doch gar zu ſchön und tat nicht im geringſten weh. Un⸗ faßbar ſchnell folgte nun eins aus dem andern; er trieb es immer toller und wurde dabei immer jugendlicher. Zuletzt zauberte er aus allen meinen Taſchen ſeidene Blumen hervor, Veilchen, Morten, Rofen, Mohn, Sträußchen um Sträußchen, einen ganzen Garten. Aber da hörte die verborgene Muſik zu ſpielen auf, und zwei Kerzen, ganz herabgebrannt, verlöſchten faſt auf einmal. Der Greis ächzte, ftüßfe die Arme auf den Tiſch und überblickte mit gebeugtem Haupt feine Gerätſchaften. Einen Augenblick wars, als nähere ſich der Krampf; doch kam es nicht dazu; vor dem würdigen Ornat ſchien das Feindliche

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zurückzuweichen. Er blies nun felber die noch brennenden Kerzen bis auf eine aus, goß dann aus einem Fläſchchen etwas Wein in ein Glas und befahl mir zu trinken. Nachdem ich genippt hatte, trank er mir zu und leerte das Glas mit einem Zug.

Der ungewohnte Tropfen ſchoß mir ins Blut; mit größter Ausgelaſſenheit brachte ich Luſt und Bewunderung zum Aus⸗ druck. Plötzlich, überflammend von Entzücken, nicht überlegend, wie leicht ich dadurch die Eltern wecken konnte, warf ich das Glas zu Boden, daß es zerſprang. Der Zauberer, zürnend, herrſchte mich an: „Was fällt dir ein?“ Da hob ich die Trümmer auf, legte ſie vor ihn hin, umfaßte ſeine Kniee und bat ihn, ſo herzlich ich konnte, er möge ſie wieder zuſammenzaubern. Ohne die Scherben zu berühren, blickte er mich lange finſter an, ſchließ⸗ lich ſagte er: „Vielleicht ein andermal. Heut bin ich zu müde dazu.“ Nun bemerkte ich felber, daß er ſehr leidend aus ſah und wieder alt geworden war, doch blieb er noch immer herrlich ge⸗ nug anzuſchauen. Endlich gab er mir die Hand und ſagte mild: „Das war alles nur Spaß, nur ein bißchen Unterhaltung. Das nächſte Mal wollen wir wirklich zaubern!“

*

Am folgenden Tage kam der Großonkel zum gemeinſamen Mittageſſen herüber, was lange nicht geſchehen war. Eilig ich meinen Teller leer und lief unter einem Vorwand in ſein Zimmer. Keins von allen den geheimnisvollen Dingen fehlte. Über der Armlehne des Krankenſtuhls hing der Mantel; auch die Flaſche mit Wunderwaſſer, der grüne Becher, das lange Rohr, das er mir aus dem Hals gezogen hatte, die verſtreuten Blumen, alles war zugegen, und unanſehnlich auf dem Tiſche lag der Stab. Erſt berührte ich ihn vorſichtig mit dem Finger, dann immer dreiſter, endlich nahm ich ihn, ſchwang ihn und fühlte mich von unermeßlicher Macht geſpannt. Verſchüttet

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war die urſpruͤngliche Sehnſucht nach wahren Wundern, Fieber der Nachahmung raſte; der Wille, mir die Zauber⸗ herrſchaft anzumaßen und mich in ihr zu zeigen, wuchs mit der Minute. Tritte verſcheuchten mich; ich kehrte an den Tiſch zurück, wo ſchon der Kaffee aufgetragen wurde, und ſaß puppen⸗ ſtill. Aber etwas in mir arbeitete gewaltſam auf eine Handlung hin, und mitten im Sinnen und Planen überholte mich die Tat. Ein weißer Pappendeckel war zur Hand; mit meinen größten ſchõnſten Buchſtaben ſchrieb ich darauf: „Leute von Kading! Kommt alle um 5 Uhr in die Sommerſchenke zur Zaubervor⸗ (tellung!“ ſetzte meinen Namen darunter und nagelte das Plakat an die Haustüre.

Das Befinden des Alten verſchlimmerte ſich am Nachmittag; er mußte wieder das Bett aufſuchen. Einmal, für kurze Zeit, kam der Pfarrer; auch der Vater hielt ſich viel im Kranken⸗ dimmer auf, wo es immer beklemmender nach ſcharfen Flüſſig⸗ keiten roch. Ich kümmerte mich wenig um die Hausbegeben⸗ heiten und ging den Leuten aus dem Weg. Die Kunſtſtücke hatten ſich in der Nacht ſo leicht und reizend abgeſpielt; was war ſicherer, als daß ſie mir ebenſo mühelos gelingen würden, ſobald ich Mantel und Stab in meinem Beſitz hätte? Die Stunde nahte, ich durfte nicht mehr warten; mit klopfendem Herzen betrat ich, zum Außerften entſchloſſen, die halbhelle Stube. Keine von den flüſternden Perſonen, die vorſichtig aus und ein gingen, gab auf mich acht; der Meiſter ſelbſt lag in un⸗ ruhigem Schlummer. Fliegen ſummten um den violettlichen Mund, auf dem Tiſch lag die Brille. Mit zwei Griffen hatte ich Müge, Stab, Flaſche, Becher und einige Leuchter gepackt und rannte mit Diebesſchnelligkeit über Flur und Hof in die Schenke, wo die Wirtin allein am Fenſter ſtand und Krüge putzte. Sie fragte, was ich Schönes brächte.

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„Freu dich, Frau Wirtin!“ rief ich ihr zu, „große Rauber: vorſtellung ift um 5 Uhr hier in deiner Schenke! Willſt du zur: ſehen? Du wirſt Augen machen!“ i

Sie tat, als fühle fie fich ſehr geehrt, erbot fich zur Mithilfe und rückte einen Tiſch zurecht, auf dem ich meinen Kram ausbreiten durfte. Ermutigt lief ich noch einmal hinauf und raffte, da der Kranke noch immer ſchlief, auch den prächtigen Mantel fort und die fehlenden Leuchter, deren volle Zahl zum Gelingen vielleicht notwendig war.

Als ich wieder in die Schenke kam, ging dort ein Mädchen auf und ab, das ich bisher nur vom Sehen und Sagenhören kannte. Sie war noch nicht lang im Ort; ihre Eltern waren Münchener Zirkusbeſitzersleute geweſen und früh geſtorben, worauf ihre Kadinger Verwandten ſie an Kindes Statt angenommen hatten. Die Hände auf dem Rücken verſchlungen, betrachtete ſie meine Gegenſtände. Da ſie mich erblickte, muſterte ſie mich aufmerkſam und fragte: „Biſt du vielleicht ein Sohn vom Zauberer?“

Als ich mich ſelbſt als den Zauberer bekannte, entfuhr ihr ein überraſchtes „Ah!“, ſie neigte artig den Kopf und ſagte:

„Ich bin die Eva Veeders und möchte gern die Vorſtellung an ſehen.“ |

Leicht war zu erkennen, daß fie aus feinerem und fefterem ` Stoff beſtand als die anderen Kadinger Mädchen. Alter und ; größer als ich, ſah ſie von der Seite einem Knaben ähnlich; im Gedächtnis lebt fie mir mit einem blaſſen, leicht erröfbaren Geſicht, das nach unten ſich ziemlich zuſpitzte; die Züge waren nicht wie bei vielen Kindern auseinanderfliehend, ſondern zu⸗ ſammenſtrebend, die ſchwarzen Augenſterne ſehr groß und nur mit einem ſchmalen blauen Ring umgeben, die Lidränder oft etwas entzündet. Das braune Haar hatte fupfrigen Schein; es ſiel halblang in Locken auf Nacken und Schultern. Ein Hauch

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der noch immer unbekannten Stadt umgab fie; ihr Kleidchen, zwar mehrfach geflickt, war fremd und vornehm geſchnitten, auf der Bruſt lag ein kleines, aus dunkelroten Steinchen zu⸗ ſammengeſetztes Kreuz.

Ich ſtellte die mitgebrachten Leuchter auf den Tiſch und breitete den Purpurmanfel auseinander.

„Er ift zu weit für dich,“ bemerkte das Mädchen, „ſchlupf einmal hinein!“

Hilflos verſchwand ich in der moſchusduftenden Pracht und erwartete, von Eva Veeders ausgelacht zu werden; die aber legte ſofort Hand an, faltete hier den Stoff, ſchlug ihn dort ein, heftete ihn mit Stecknadeln, die ſie von der Wirtin erbat, und gürfefe mir in wenigen Minuten ein leidlich paſſendes Ge- wand zurecht. Hierbei plauderte ſie viel und erzählte auch von mehreren anderen Zauberern, die ſie näher gekannt habe, worauf ich ihr anvertraute, daß ich einen großartigen Wunderſtab be⸗ ſäße, durch den ich machen könnte, was ich wollte, fo würde ich zum Beiſpiel von irgendeinem Beſucher ein Taſchentüchlein borgen, es verbrennen und ſodann im grünen Becher wieder neu machen. Bei dieſer Eröffnung ſah ſie mich ſonderbar an, ſolche Leiſtung ſchien ihr Erwarten weit zu übertreffen. Mittlerweile ſtellten fidh bereits erſte Zuſchauer ein, und Eva zog mich in ein Nebenzimmer; ſie hielt es nicht für gut, wenn mich die Leute ſchon vor meinem Auftreten zu ſehen bekämen. Mir deuchte fie jetzt mehr in ſich gekehrt und nachdenklich; zuweilen ſtellte ſie Fragen, deren Sinn ich nicht recht begriff, ſchließlich nahm ſie die hohe bunte Mütze, verengte und verniederte fie, ſetzte fie mir auf, prüfte mich mit Beifall und ſagte dann ſehrherzlich, einwenigmütterlich:

„Weißt du was? Ich werde dein Diener ſein, wenn du zauberſt! Alle Zauberkünſtler haben Diener bei den Vor: ſtellungen. Die holen ihnen Sachen, die ſie gerade brauchen,

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zünden die Lichter an, halten alles in Ordnung und helfen manchmal ſelbſt ein wenig zaubern.“

Obgleich ich durchaus keine Hilfe für nötig hielt, gefiel mir doch das Angebot, ich nahm es fröhlich hin. Klar ſtanden die Szenen der Nacht vor mir; inbrünſtig (hwang ich den Stab und lugte dabei durch ein Schiebfenſterchen in die Schenke. Dreißig Zuſchauer mochten ſich verſammelt haben, darunter ein paar Frauen, größtenteils aber Kinder. Sie ſaßen auf den langen Tiſchen und ließen die Beine herunterbaumeln; einzelne hatten ſich der wenigen vorhandenen Stühle bemächtigt. Manche ließen ſich ein Glas Bier geben, worüber ſich die Wirtin freute, die ihrerſeits nicht verfehlte, mich ihren Gäſten als einen Ausbund von Klugheit vorzurühmen. Die meiſten machten ernſte Geſichter, wenige wiſperten und kicherten.

Eva ging hinaus, ließ fic) von der Wirtin Kerzen geben, beſteckte die leeren Leuchter und entzuͤndete die ſieben Flammen. Es wurde ſtill; ein kleines Mädchen brach beim Anblick der Lichter in hellen Jubel aus. Ich hörte es beglückt und wollte vor Ungeduld zerfpringen; es hielt mich nicht länger, mit můühſam be: zähmten Schritten trat ich aus der Kammer hervor an den Tiſch. Jemand lachte, vielleicht ein Schulkamerad, den mein geborgker Staat befremdete; ich tat nicht dergleichen, das Lachen wird dir bald vergehen, dachte ich. Murmelnd ging ich auf und nieder, machte winkende, beſchwöͤreriſche Zeichen, beklopfte die Gläſer, den Becher und, damit ja nichts fehle, auch die Leuchter mit dem Stabe, den ich dann wieder nach Art eines Kapellmeiſters leiſe ſchwang. Und ſchon teilte ſich den Gäſten meine Sicherheit mit; Große wie Kleine ſaßen ſchweigend, mit offenen Mündern, die Wand entlang, und als ich ein Taſchentuch verlangte, wurde mir gleich ein Dutzend entgegengereicht. Ich nahm das Tüchlein eines Mitſchülers und breitete es aus einander; es war

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ganz neu, ein blutrotes Linnen mit aufgedrucktem ovalen Bild, wo grasgrüne Rennbuben auf hellbraunen Säulen über Hinder- niſſe ſetzten. Ohne mich ſehr zu beeilen, zog ichs uber den Zauber: ſtab und brachte es dabei der nächſten Flamme nah. Es wollte nicht ſogleich Feuer faugen; endlich brannte der Saum, alle ſchrieen: „Oweh, das Tüchel!“ Den Meiſter nachahmend, ſtellte ich mich erſchrocken und gebot den Rufern Stille, indem ich be⸗ deut ſam den Finger an die Lippen legte. Erſt als das Feuer über die Mitte hinausgefreſſen hatte, ließ ich, an der Hand ſchon Hitze ſpürend, das Tuch auf den Steinboden fallen und zertrat die Glut, wobei ich paſſend fand, dem Eigentümer, der ſich be⸗ unruhigt zeigte, getroſt und verheißungsvoll zuzulächeln. Jetzt nahm ich den grünen Becher, bewies, daß er leer war, indem ich, wie der Großonkel, mit dem Stab darin herumfuhr, und ſtellte ihn wieder an ſeinen Platz. Nun aber konnte ſich der gute Junge nicht länger beſchwichtigen, ſtand auf, trat vor und fragte, was mit feinem Tüchelchen geſchehe, er habe es erft jüngft zum Namensfag bekommen. Streng befahl ich Schweigen, der Zauber werde ſonſt nicht gelingen. Von nun an verharrten alle ſtumm in atemloſer Neugier. Ich ſammelte mit Evas Hilfe die Brandfetzen, warf fie flufternd in den Becher, knetete ſie tüchtig zuſammen und träufelte aus der Flaſche Waſſer darauf. Dann ſchüttelte ich mit aller Kraft und bepochte den Becher abermals mit dem verwandelnden Stabe. Der Augen⸗ blick war da, ich wandte mich zu den Anweſenden, deren Ge: ſichter vor Spannung faſt verzerrt ausſahen, erhob den Becher, griff hinein und fühlte noch immer das naſſe Tuch. Mein Schrecken war groß, jedoch mein Glaube nicht erſchüttert; viel: mehr fuͤrchtete ich, etwas Wichtiges ausgelaſſen oder nicht mit genügender Kraft an den Becher geklopft zu haben. Die Leute wurden unruhig. „Es iſt Schwindel!“ ziſchte eine Stimme, eine

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andere begütigte: „Laßt ihn doch machen!“ Eine Frau lachte: „Was nicht Kindern alles einfällt!“ Ich aber gab mich nicht ver: loren, ſondern griff noch einmal zur Flaſche, ſchüttete Waſſer auf den verkohlten Linnenreſt, bis er ſchwamm, und ſchlug auf das Gefäß los, als wäre meine Aufgabe, es zu zertrümmern.

Auf einmal, mitten im fiebrigen Mühen, überfiel mich die ſchrecklichſte Erkenntnis. Vergeblich war alles, verpfuſcht von Aubeginn, der Fehler ſtand kraß vor Augen und war nicht gut: zumachen. „Der Stab allein tut es nicht, man muß auch das Zauberwort wiſſen“, - hatte nicht Onkel Georg einmal in der Nacht ſo geſagt? Das Wort, das er ſelbſt bei den Verwand⸗ lungen gemurmelt hatte, das Wort, das alles entſchied, alles vollendete, ich wußte es nicht. Wütend preßte und kniff ich das glatte ſchwarze Holz, das jetzt, wo ich ſeiner lebendigſten Wirkung bedurfte, ſich tot ſtellte. Endlich dachte ich an Gott, und während fih die Hände hoffnungslos abquälten, umſtürmte ich ihn heimlich mit dem zudringlichſten Gebet. Auf einmal trat Eva Veeders herbei und ſagte laut und einfach:

„Das iſt ein ſehr ſchweres Zauberſtück, eins der ſchwerſten. Die wenigſten Zaubermeiſter bringen es zuſammen. Du mußt

einen Augenblick ausruhen. Ich will dich ablöfen. Ich habe

ſchon einmal einem großen Zauberer gedient. Laß mir den Becher und den Stab!“

Ich raunte ihr zu, daß ich zum Onkel hinauf laufen und ihn um das Zauberwort fragen wolle; fie aber flüfterfe: „Bleibe hier!“ Und nun begann ſie mit meinem Zeug ſo wunderlich zu hantieren, daß alle wieder neugierig wurden. Den Becher faßte ſie vorſichtig an, als ob er heiß wäre, und tippte mit dem Stab nur leiſe an den Rand. Bald ſetzte ſie ihn auf den Tiſch, bald trug ſie ihn ſchwingend hin und her. Endlich blickte ſie zweifelnd hinein:

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„Es braucht nicht mehr viel, - es gelingt! Es gelingt!“ rief fie voll Entzücken, „das Tuch wird verwandelt - es ift (don kein Tuch mehr es glänzt - es kann zu einem Stern werden oder zu einem ſchönen koſtbaren Ring

Die Kinder, die heraneilten, um die Herrlichkeit im Becher zu beſchauen, ſcheuchte ſie mit verbietendem „Noch nicht!“ auf ihre Plätze; ſtarr, wie eine Leſende, fab fie ſekundenlang auf den Grund, gebannt ſaßen die Gäſte, nun tauchte ſie langſam, zaghaft, als fürchte ſie noch immer ein Mißlingen, zwei Finger ein und hob, ganz blaß vor Freude, einen goldhaft glänzenden Ring heraus, an dem rote und grüne Edelſteine koſtbar blitzten. Alsdann verneigte ſie ſich, man wußte nicht recht vor wem, und überreichte dem verdutzten und geſchmeichelten Knaben das Kleinod mit der Bemerkung, dafür könne er ſich, wenn er möchte, wohl ſieben neue Tücher einhandeln, fügte auch bei, er habe fold) Glück nur mir zu verdanken, alles fei mein Werk, und fie ſelber habe faſt gar nichts mehr zu machen gebraucht. Der Junge ſuchte ſich den gleißenden Reif ſofort an den Finger zu ſtreifen, indeſſen ich, verblüfft über dieſen Ausgang, bald auf den Ring, bald auf Eva blickte, da wurde die Tür aufgeriſſen: laut weinend fuhr unſere Magd auf mich zu, packte mich bei der Hand und ſchrie: „Du ſollſt kommen! Schnell! Der Herr Onkel ſtirbt! Er will von dir Abſchied nehmen!“ Gerade ging auch der Pfarrer, das verhüllte Sanktiſſimum tragend, von einem klingelnden Knaben gefolgt, durch Wind und Laubgewirbel dem Haufe zu. In die Kniee ſanken Mütter und Kinder, und während ſich rings Häupter neigten und Hände an Brite klopften, riß mich das Mädchen ſchluchzend, als gälte es ihrem eigenen Vater, dem Prieſter nach in die Wohnung. Indeſſen dieſer ſeines Amtes waltefe, ſtand ich, mir ſelbſt überlaffen, auf dem Gang. Daß der Scheidende nach mir verlangt hatte, erregte mich

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ungeheuer; ich vermutete, daß er mir noch die ſtarken, allwirkenden Zauberformeln anvertrauen wollte, zugleich ſchauderte mir vor ſeinem Sterben. Als man mich endlich hineinließ, war es damit {hon vorüber; man gebot mir, die Hände zu falten, reichte mir ſpäter ein Büſchelchen aus Buchszweigen, damit ichs in ge: weihtes Waſſer tauche und den Leichnam damit beſprenge, und verwies mich ſodann in die Wohnſtube. Frierend und mit heißen Ohren ſaß ich dort herum, verduſtert, böſe. Der Knabe, den ſonſt der Anblick Verſtorbener ſo feierlich und liebreich ſtimmte, fand, vom Geiſte des Toten beſeſſen, keinen frommen Gedanken, keine Träne. Daß die großen, magiſchen Worte, die jener gewußt hatte, für immer verloren ſeien, war fein einziges Denken. Ich bat die Magd, Eva zu ſuchen und zu mir zu ſchicken. Sie fand aber die Schenke bereits von Gäſten verlaſſen und brachte nur die Zauberſachen zurück, welche die Wirtin unterdeſſen in Verwahrung genommen hatte. Sofort unter⸗ ſuchte ich den Becher. Er war leer; nur winzige Reſtchen ver⸗ kohlter Leinwand hafteten am Boden.

Theodor Däubler: Drei Gedichte

aus der neuen, umgeftalteten Ausgabe des „Nordlicht“

onne! Sonne! Holde Sonne, Geberin von Luſt und Leid, Eine große Lichtkolonne Iſt zu Streit für dich bereit!

Ringen wir nach deinem Lichte, Sind wir ſchon von Glut durchloht, Und mit jedem Lichtverzichte

Droht und folgt uns ſchon der Tod.

Licht, du kannſt uns Richtung geben! Leben iſt ein Sonnenkampf,

Selbſt die Erdengötter ſchweben Selten frei im Abenddampf.

O, den Leib, alle Geſtaltung Untergraut und fällt der Tod, Doch des Menſchen Hocherhaltung Übertönt das Abendrot;

Große Formen, die ſich ſonnen, Stürzt das ſteile Mittagslicht: Froh in Wolken eingeſponnen, Überlebt uns ein Geſicht.

Sonne, du verdammſt zum Tode, Und du biſt auch die Geburt,

Denn in jeder Sonnenode

Glüht ihr, die ihr heimwärts fuhrt!

Dionys, du biſt erhoben! Sonnentrunken ſteigſt du auf: Alle Lichtgewordnen loben Deiner Sendung holden Lauf.

x uf des Tages Abendſchleppe treut der Mond ſein Lichtgeſchmeid. Über ferner Alpentreppe Funkelt noch das Purpurkleid. Und ein Ruheſtundenſchleier Glitzert lichtgeflockt am Meer,

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Schwangeſpenſter, Silberreiher Wimmeln, ſchwimmen hin und her.

Wie in einem Irisbecken Ruht der goldne Honigmond, Zarte Wolkenhände ſtrecken Ihn empor, wo Sirius thront.

Viele erſterglimmte Lichter Nicken wieder ſchläfrig ein, Denn des Mondes Flor wird dichter: Alles, alles funkelt rein.

Da vor unſerm Gondelbuge Rauſcht ein weißer Fabelſchwan! Rüſtet er fi) gar zum Fluge? Immer huſcht er um den Kahn.

Kaum hält unſer Fährmann inne, Taucht das Tier ins Meer hinab, Und in bleicher Silberrinne Biegſt du um ein Marmorkap.

In den heimlichen Kanälen

Iſt der Schwan dann wieder da, Dichtumloht von Mondjuwelen Lenkt und leuchtet er beinah.

Seine weißen Flimmerglieder

Sind viel zarter als ein Traum,

Rings verliert er ſein Gefieder,

Oder iſt es Giſcht und Schaum? *

er Petrustempel bleibt hienieden

Zum Einbruch ferner Geiſter frei! Uns birgt den zweckefremden Frieden Des Domes aufgerecktes Ci.

In Völkern, die im Kampf gewonnen, Wird aus dem menſchlichen Gehirn, Dem Weltgeſetze eingeſponnen,

Sich neue Lebenskraft entwirrn.

Einſt wird der Menſch hier, ohne Sorgen, Zum Geiſt, der gegen Schein ſich bäumt Und unbekümmert um ein Morgen

Die Phantaſien kühn entzäumt.

Die Tat ſei eingeprägt in Raſſen,

Die ihren Staub ſich umgeſchafft, Denn ſonſt verliert ſich in den Maſſen Der Auserleſnen Sonderkraft!

Dann ſoll der Menſch in dieſen Räumen, Wo ſich ein Höheſein erfaßt,

Der Kindheit Gaukelſpiel verträumen: Bei Göttern iſt er hier zu Gaſt!

Unheimlich ſind die Dimenſionen, Wo Perſpektive faſt verſchwand, Den ptoleinäiſchen Legionen, Die Eigenmaße nur gekannt.

Den Raum, die Zeit zu überwinden, Verſucht der Menſch im Petersdom:

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Einſt werden fie von ſelbſt verſchwinden!

Schon bannt uns Ewiges an Rom!

Ein großer Meiſter, der uns mahnte: Kopernikaniſch ſollt ihr ſein!

Und freiere Geſchlechter ahnte, Erbaute ſeinen Traum in Stein.

Wie bei dem Hirn die Schädeldecke

Sich an die innre Fülle paßt, So wälzte er die Marmorblöcke Um die Idee, die er erfaßt.

Er fürmte auf und wölbte mächtig,

Was feiner Ahnung klar enfjprang: Verjüngungskühn, gedankenträchtig Gebar er ſeinen Marmorſang.

Der Geiſtesblitz, der den Planeten Ins Sternenall hinaufgeſchnellt, Begeiſterte den Steinpoeten

Zum größten Tempel dieſer Welt!

Er ahnte mehr, als er vernommen, Und ſetzte ſchon das Monument Gedanken, die noch kaum erglommen, Wo die Idee ſchon hell entbrennt!

Ihr Lebensfeinde, ſchwere Steine,

Wenn euch ein Sonnenſohn bezwang,

Seid ihr im rhythmiſchen Vereine Ein felsgewordner Sonnenſang!

%

Bei allen heißen Meißelſchlägen, Wenn blitzend das Geſtein zerſpringt, Wenn Rieſentrümmer ſich bewegen, Und kühn dem Hirn ein Werk gelingt,

Wenn wir die Säulen ſonnwärts ſtellen, Was nur Titanenkraft vollbringt, Wenn die Gebirge ſelbſt zerſchellen,

Haſt du, o Sonne, uns gedingt!

Drum Marmorſtein, du mußt erbleichen: Du dienſt dem Himmelſtürmer Geiſt, Den keine Fallſterne erreichen!

Der Meteor erliſcht, vereiſt,

Zu ſeiner Sehnſucht Starre friert er. Bringt Kandelaber, reich geſchmückt! Stellt ſie um Marmorbilder reichgezierter Bezeuger, daß euch viel geglückt!

Die Leuchter ſchmücken goldne Spangen, Die Blutrubine ſtarr umglühn: Smaragde ſeh ich ringsum prangen, Brillanten in den Tempel ſprühn.

Nun ſpricht ein ſanftes Gold zum Herzen: Es rauſcht mich an wie Feuerklang.

Gar lieblich flimmern ſtille Kerzen,

Und aus dem Herzen ſtrahlt der Dank.

Ich höre Engel jubelnd ſingen! Die Tränen werden ſanft ihr Kleid,

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Muſik erbrauſt auf Unſchuldsſchwingen: Mein Glück, nun gleichſt du meinem Leid!

Die Wuchtkuppel durchbrauſt ein Pſalter: Hoch oben ſchwebt ein Cherubim

Als hehrer Hierarchieerhalter,

Denn Art und Adel tagt in ihm!

Hinan zu meinem Götterhimmel!

Hier werde ich zum Kind und ſchwach, Mein Traum entrauſche dem Gewimmel, Du Meteor in mir, erwach!

Paul Ernſt: Der Kirſchbaum

(Can wilder Kirſchbaum blühte am Rande eines Weges, der zwiſchen grünen Feldern mit handhoher Saat in den ſtillen braunen Wald führte. Ein junger Ritter ſaß auf ſeinem Roß und kam unter den blühenden, von Bienen umſummten Baum, auf den vom blauen Himmel hernieder die Sonne freundlich ſchien. Plötzlich war es ihm, als fühle er eine Zärtlichkeit gegen den Baum; er hielt an, umarmte den ſeidenglänzenden glatten Stamm und küßte ihn; wie er das getan, ſchämte er ſich ſeines törichten Handelns, ließ den Stamm los, ergriff wieder die Zügel und drückte leicht mit den Knien das luſtige junge Pferdchen, daß es fröhlich wiehernd und mit dem Kopf nickend ſich in eine raſche Gangart ſetzte.

Da war es ihm, als (pure er hinter ſich ein leichtes, feder⸗ leichtes Weſen ſitzen; er wunderte ſich nicht und ſah ſich nicht um; zwei feine Hände in zarten, ſeidenweichen Handſchuhen ſchoben ſich von hinten und ſchlangen ſich um ſeinen Leib, das

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leichte Weſen hielt fih an ihm feft. „Wenn ich denn (chon träume!“ dachte er, zog den einen Handſchuh leiſe von dem Händchen und ſteckte ihn in die Taſche. Ein ſilberhelles Lachen ertönte von dem Weſen hinter ihm, und eine zarte helle Stimme ſagte: „Nun haſt du mich gefangen, und wenn ich bei dir bleiben ſoll, ſo darfſt du mir den Handſchuh nie wiedergeben.“ Hier wendete er ſich um und ſah ein wunderliebliches Geſicht, hell wie eine Kirſchenblüte, mit blauen, tiefen Augen wie der Himmel und goldenem Haar wie ein reifes Weizenfeld. Er blickte fie ers ſtaunt an, und das Mädchen lachte wieder mit dem Klang eines ſilbernen Glöckchens. Das Pferdchen hielt ſtill, riß den Kopf zur Erde und kaute am Gebiß, der Juͤngling ſtarrte noch immer; da ſagte das Mädchen: „Willſt du nicht umwenden und zu deinem Hauſe hinauf reiten? Denn ich bleibe doch nun bei dir.“ „Ja, das will ich tun, wenn du nun bei mir bleibſt“, erwiderte er, wendete um und ritt feinen Weg zurück. Wie er unter dem Kirſchbaum durchkam, rief das Mädchen: „Lebewohl, lebe⸗ wohl!“ „Wie, willſt du gehen, ich denke, du willſt bleiben?“ fragte erſchrocken der Jüngling; das Mädchen lachte und ſprach: „Nicht von dir nahm ich Abſchied.“

So brachte er das Mädchen nach Hauſe, und ſie blieb bei ihm; ſie küßte ihn und lachte ihm zu mit heiteren, glücklichen Augen; und wenn ſie zu ihm lachte, dann vergaß er ſein Haus, die Menſchen und die Enge, und es war ihm, als liege er ruhig und ohne Gedanken unter einem ſchönen Baum, in deſſen grünem Laube golden die Sonnenſtrahlen irren. Sie ſtand am hohen Fenſter und ſah ins weite Land hinaus, und Bienen kamen, viele Hunderte, und umſummten fie, fie aber ſtand ruhig und ohne Angſt inmitten des Schwarmes, und zuletzt ſagte fie lachend: „Fliegt weiter zum Birnbaum, fliegt weiter zum

Schlehdorn. Verblüht iſt die Mandel, nun blüht bald der

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Apfel.“ Da zogen fih die Bienen zuſammen zu einem dunklen Schwarm und flogen fort. |

Nach Wochen war es, als ob ihre weiße, durchſi ichtige Haut ſich leiſe röten wollte wie eine helle Kirſche; ihre freundlichen Lippen lächelten gütig, und der Jüngling ſagte: „Ich denke, du mußt ſchöne Gaben reichen jedem, der vorüberkommt, Er⸗ quickung dem müden Wanderer; ich kann mir nicht anders denken, als daß das ſo iſt; und haſt du mir nicht auch Heiterkeit gebracht, Leichtigkeit und Güte? „Ich will bei dir bleiben, antwortete ſie; „verſprich mir, daß du mir nicht nachgeben willſt, wenn ich dich einmal um etwas bitte, denn wenn du mir nachgibſt, ſo wird ein Unglück folgen.“ „Ach, du Liebe, du haſt doch noch nie etwas von mir gebeten,“ ſprach er, „du biſt nur immer fröhlich und biſt freundlich zu mir; wenn ich dir ein kleines Ge⸗ ſchenk mitbringe, einen Ring oder ein Band oder einen Gürtel oder Ähnliches, fo freuſt du dich, damit ich mich über deine Freude freue, aber dann legſt du das Geſchenk fort. Bitte doch einmal etwas von mir, damit ich weiß, was dir eine wirkliche Freude machen kann, damit ich es dir kaufe oder ſuche.“ Da wurde das Mädchen ängſtlich, in ihren klaren Augen ſtiegen Tränen auf, ſie faltete flehend die Hände und ſagte zu ihrem Freunde: „Lieber, ich flehe dich an, wenn ich dich einmal um etwas bitte, fo gewähre es mir nicht, denn wenn du es mir gewährſt, fo folgt ein Unglück.“ Da lachte er, küßte fie auf die Stirn und ſprach: „Wie biſt du doch kindiſch!“ Aber ſie ließ nicht nach mit Flehen, bis er ihr verſprach, daß er ihr niemals eine Bitte erfüllen wolle.

Wie dieſes nun geweſen war, da erzählte nach einigen Tagen der Jüngling, daß er ausgeritten ſei und durch Zufall an dem Kirſchbaum vorbeigekommen, bei dem er ſie damals getroffen im Frühjahr, und der Baum habe voller weiß und roter Kir⸗ [hen gehangen und habe feine Früchte ihm dargeboten, und

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ihm fei geweſen, daß er immer habe an fie denken muͤſſen bei dem anmutigen Baum und den ſchönen Früchten. Da faßte fie auf ihr Herz und ſagte zu ihm: „Nun iſt ſchon Sommer, und der Roggen beginnt zu vergilben, nun war ich ſo lange hier in deinem Hauſe und habe dir noch nicht eine Bitte geſagt. Jetzt aber bitte ich um etwas, nämlich daß du mich auf deinem Roß mitnimmſt zu dem Kirſchbaum, denn ich will den Kirſchbaum ſehen!“ Da dachte er daran, daß er verſprochen, ihr nie einen Wunſch zu erfüllen, aber er dachte: „Wie kann ich ihr denn abſchlagen, um das ſie mich bittet? So lange iſt ſie ſchon bei mir und hat mich Lieb, und noch nie hat fie mir einen Wunſch geſagt; und nun will fie fo Kleines. Deshalb verſprach er ihr, daß er mit ihr reiten wolle am anderen Morgen, und ſtieg am anderen Morgen auf ſein Roß und hob ſie hinter ſich, und ſie ſchob ihre Hände wieder vor, eine Hand mit einem Handſchuh und eine bloße Hand, faltete die Hände, und ſo hielt ſie ſich an ihm. Wie er aber ritt, da fühlte er, wie ihre Tränen ihm auf den Nacken fielen. Er fragte fie: „Weshalb weinft du?“ „Ich weine, daß du mir meinen Wunſch erfüllt haft”, ſagte fie. Da dachte er: „Wie gut iſt ſie, daß ſie ſich bis zu Tränen freut, weil ich ihr dieſe Kleinigkeit gewährt habe.“

So kamen ſie nun unter den Kirſchbaum, der ſeine Zweige darbot; und wie das Pferd mit ihnen unter dem Kirſchbaum war, da fagfe das Mädchen: „Nun haſt du mir meinen Wunſch erfüllt, und ich freue mich, daß ich wieder unter dem Kirſchbaum bin. Aber min habe ich noch einen zweiten Wunſch, und weil du ſo gut biſt und mich ſo lieb haſt, ſo bitte ich auch noch um den zweiten.“ „Sage mir, was du willſt,“ antwortete er, „ich will dir erfüllen, was du wünſcheſt.“ „Als du mich im Früh⸗ jahr fandeſt, da zogſt du mir einen Handſchuh aus und nahmſt ihn zu dir,“ ſagte ſie, „und ich weiß, daß du ihn noch bei dir

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führſt. So gib mir nun auch meinen Handſchuh wieder.“ Da lachte der junge Ritter und ſprach: „Wenn du doch um ein Großes bitten möchteſt, denn Liebe will doch fo gern ſchenken! Und damit nahm er den Handſchuh vor, und ſcherzend zog er ihn ihr ſelber an die weiße Hand, die ſie ihm unter ſeinem Arm hindurch nach vorn reichte.

Aber wie der Handſchuh uber die Hand geſtreift war, da hörte er fie tief feufzen, und unter Weinen ſprach fie: „Nun lebe wohl!“ Und wie er fih erſchrocken nach ihr umſah, da war fie verſchwunden, und wie er auf ſeine Bruſt vor ſich ſah, über die noch eben ihre Hände geſchlungen waren, da waren die Hände verſchwunden, durch den Kirſchbaum aber ging ein leiſes Schauern.

Albrecht Schaeffer: Der Emmaus⸗Traum ADVOCATIO

Cn dieſes immer ernſte Tal der Fichten Wie kam ich aus dem Steine⸗Labyrinth? Die kargen Garben ſtehen auf den lichten, | Verbrannten Feldern im Septemberwind. Doch hier, ob ſtreng die Wolken ſich verdichten, Db reich die heitre Bläue überrinnt: Hier öffnet ſich das Herz, mit tiefen Augen Kriſtallne Reinheit feurig einzuſaugen. D ſegne mir, du Odem ohne Schmerzen, Der reuelos in ewiger Wandlung ſchwelgt, Die hülfeloſeſte an deinem Herzen, Die Knoſpe, mir ſo ängſtlich, daß ſie welkt!

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Berührt, ihr Zweige, nur mit zartem Scherzen

Den Wiegen ⸗Korb, in Schatten eingeſtellt, Raunt lang das Zauberwort uralter Mythe Auf ſein Geſicht, die weiche Mandelblüte.

D daß ein Griffel jetzt ins Herz ihm ſchriebe, Solang ſichs weich, ſich gleich dem Wachſe giebt, Daß, wie ſichs dehne, ihm die Narbe bliebe! Mit Sonn und Schatten, zärtlich durchgeſiebt, Mit Duft, mit Wärme ſchreibt das Wort der Liebe Ins Herz, daß es euch liebe, wie ihr liebt, Euch, Geiſter rein, die im vollkommnen Reigen Aus tiefem Licht ins immer Lichtre ſteigen.

HORA

ie nun aus Weſt die Glut, beleuchtend tiefer, Jenſeits das Dorf der Stille überläßt, Aus Dächerrot, aus Mauerweiß, aus Schiefer, Aus Wipfelgrün das leichtgeflochtne Neft, An dem, ein Falter, trunken ausgeliefert, Der Blick hangt mit begierigem Saugen feſt, Beim ſtillen Trinken folgend ſelbſtvergeſſen Dem blauen Steigen aus den kleinen Eſſen.

é

Darüber legt der Hügel grüner Tannen

Den blauen Schatten (till dem Bruder auf.

Die Wolke winkt zurück und glüht von dannen,

Es glüht ihr nach vom Turm der goldne Knauf.

Doch wie die Sinne inniger ſich beſannen

Auf eines Tags geſammelten Verlauf, Auf einmal liſcht das Bild, verglüht die Mauer, Ein Schatten ſeufzt, und rauſchend fällt ein Schauer.

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VOX COELESTINA och aufwärts ſuchend in dem lichten Klaren, Entdeck ich erſte goldne Punkte ſchon. Die auch im Licht geheim zugegen waren, Erſcheinen ſichtbarlich auf Thron um Thron, Die blickenden, die ernſten Herrſcherſcharen: Gegrüßt beiſammen, Enkel, Ahn und Sohn, Mit immer älterm Glanz, doch gleich an Trachten, Uralte Leun, die ſchlaf los immer wachten.

Nein, Schiffe ihr, im Herzen den Magneten,

So ſteigt ihr auf in ungeheurer Fahrt,

Im immer wiederholten, raſtlos ſteten

Umfreifen eurer Meere heil bewahrt;

Vor keinen Inſeln ankernd, keinen Reeden,

Nur fahrend, fahrend, ſchauerlich bejahrt, Im Saufen eurer Büge (pur ich wieder Den alten Geiſt im flammenden Gefieder.

Doch die ihr wie im Spiele überwindet,

Die Stunden kann ich nicht verwachen, ach!

Ich muß ergeben mich, ertaubt, verblindet,

Der finſtern Flut, durch die ihr ſtolz und wach

Mit ſicherm Wittern eure Wege findet,

Dieweil ich flürze in das hundertfach Sinnlos gewälzte Polterwerk der Mühle, Fühlloſer Tat und tatloſer Gefühle.

VOX IRAE un wogt um mich das Finſtre ungemeſſen, Langſam erſtarrt der Lüfte warmer Fluß. Ach, ihr auf Königsftühlen, eingeſeſſen,

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Schwelgt feuriger in eurem Überfluß!

Doch ich muß ſchlafen, denn ich muß vergeſſen,

Da dröhnſt du, Wort der Schulden, Emmaus! Und aus dem Dunkel flehts mit Gramgebärden: „Herr, bleibe bei uns, es will Abend werden;

„Der Tag hat ſich geneigt!“ Geneigt; mit Schaudern Noch halt ich an, doch meine Zeit iſt aus. Schlaf ift Vergeſſen! hallt es nach. O Zaudern! O wäre Schlaf Bereun, fo heilt ich aus! Doch nur mit leerem Durcheinanderplaudern Schleppt ſich der Troß der Träume ein und aus, Und die Lemuren, die ich tags verſcheuchte, Sie kommen mit dem Spiegel und der Leuchte.

Und Flamme füß, die je mir nieder braunte,

Sie ſchlagen füßer hell die Flamme an.

Schmerz unverſchmerzt! Und all was ich verkannte,

Nun ſeh ichs klar, da ichs nicht beugen kann:

Wie Süßes ſtets um Süßres ich verbannte,

Und ich erkannte erſt, was ſchon entrann: So hang ich, ein Gemächt aus Furcht und Fetzen, Die lange Nacht in ſelbſtgelegten Netzen.

Derweilen droben die bewegte Flotte Gebieteriſch die gleichen Wenden fährt, So Nacht für Nacht der Widergänger Rotte Zurück zurückgelegte Meilen kehrt. Nur nichtig wiederholend mir zum Spotte, Von keiner Fahrt bereichert noch belehrt, So jag ich durch die alten Ozeane, Karfreitagsfahrer im verdammten Kahne.

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PAX

nun verhülltes Tal, wie ganz entſchwunden Dem ängſtigen Blick, der von Geſtirnen fiel. Wo bliebſt du, Kelch der farben vollen Stunden, Geraubt von Räubern, ach, verſteckt zum Spiel Von einem Gott? Doch fieh, (chon ift gefunden Dem Fürchtenden ein recht gewiſſes Ziel: Das Fenſterlicht das Haus, der Raum, das Bette, Und hold umklirrt mich die geliebte Kette.

An deinem Lager, zartſte der Geſtalten, Mir ſelbſt entſtiegen unbegreiflich rein, Mir wehmutvolle Spieglung vorzuhalten, Noch einmal voller Hoffnung da zu ſein: Beruhigung fühl ich dämoniſch walten: Hier iſt noch Schlaf! in dieſen ſenk dich ein. Finde aus uferloſem Traumgebrauſe Im Schlaf des Kindes einmal eine Pauſe.

So, kleine Muſchel, drin gemildert tönt

Des Meers, aus dem du kamſt, verſchollnes Wogen,

Gebeugt, verſtummt, ergeben und verſöhnt,

Auf dein Geſumm belau fhend hingebogen,

Sprech ich - der mich gefährlicher durchdröhnt,

Den Traum, deß Gift dein Hirn noch nicht geſogen. Den Lebenstraum aus kauſend Irreſalen, Traum, den du träumen wirſt zu kauſend Malen.

Ja, hör den Traum, bei deß Geſtalten deine Noch blumenhaft und hold vereinſamt ſchwebt, Indeſſen traumverfangen ſich die meine Vergeßlich fort zur andern Seite hebt:

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Du Gpielender, noch ungebannt im Steine,

Den nicht das Blut von Emmaus belebt. Denn Emmaus ift Ziel darin und Richte Und Emmaus jedwedes der Geſichte.

Schlaf wohl! ſchlaf tief! Die magiſchen Figuren Umſtellen dich - du hörſt, du ſiehſt fie nicht. Sie ſchwanken auf, fantaſtſche Kreaturen, Unmagiſch noch - du neigſt, du ziehſt fie nicht. Sie ſchwanken ab, ſie blickten, ſie entfuhren, Du lächelſt - du begreifſt und fliehſt fie nicht. Doch dieſes Wort - hors nicht! (ink tiefer nieder! Wir ſehn einmal in Emmaus uns wieder.

SOMNIUM

war zur Nacht. Ich lag in Schlafes Banden. Da kam ein Ruf aus großem Raum und hallte:

„O hört! Er ift wahrhaftig auferſtanden!“ Ich ſchrak empor, da dieſe Stimme ſchallte; Nur ſchwarzes Finſter meine Augen fanden. Doch dann ein Lichtſchein fiel aus einer Spalte:

Ich ſah, noch bebend von dem ſtarken Rufen,

Daß eine Tür ſich auftat über Stufen.

So fand ich mich vor einem Hauſe weilen,

In deſſen Fenſtern Lichter ſich bewegten.

Ich ſah darin ein Hin⸗ und Widereilen

Von Schatten und Geſichtern, die ſich regten

Bei Lampen, aufgehängt an goldnen Seilen.

Da ſtand im Tor, def Flügel breit fih legten, Mein Freund, erft jüngft ereilt vom wilden Tode, In einem braunen Kleid verſchollner Mode.

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„So bift du,“ ſprach ich, „Lieber, noch am Leben?“ Und Glocken hört ich mir im Innern läuten. Er wollte aber keine Antwort geben, Und abgewandt mit fremdlichem Bedeuten Verſtohlen lächelt' er, dieweil mit Beben Zu fragen mehr ſich meine Lippen ſcheuten. Ach, dacht ich, Lob ſei Gott, daß wir uns irrten, Noch Zeit uns blieb, ihn liebend zu bewirten.

Mich trübt' es kaum, beglückt ihn anzuſchauen, Daß er mit einem bunten Hündlein ſcherzte. Ich dachte: Freundſchaft iſt das tiefe Blauen, Nun weiß ichs ganz, daß ich es recht beherzte! Der Liebe ſüße Wolken bald zertauen, Es dauert aus die Wölbung, die vererztke.

Wie geb ich gerne jede Wonnenſtunde

Um ein Geſpräch mit männlich ernſtem Munde.

„Wir wollen“, ſagte er, „zum Grabe gehen.“ Er meinte Jeſus. Es war Dfterfrühe. Schon war im Dft ein Morgenrot zu (eben, Als ob die Nacht von Mandelbäumen blühe. Der frühen Winde Schauder fühlt ich wehen Um meine Stirn mit eiſigem Geſpruͤhe Beim Gang an einer langen Gartenmauer, Die glühte auch in Mandelblütenſchauer.

Darin war nun die Pforte aufgeſchlagen.

Ich zauderte, den Garten zu betreten,

Durch den am Freitag wir den Herrn getragen.

Dort zwiſchen blühnden Sträuchern, blühnden Beeten

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Wir wandelten mit Hoffen und mit Ragen, Wo fräumende Sibyllen und Profeten

In Gruppen ſtanden feierlich zuſammen Bei großen GSlutenbufden wie aus Flammen.

Und zwiſchen Denen ſah ich an der Erde

Auf Knien ein Weib, als ob ſie ſuchte, liegen.

Sie hob das Antlitz klagender Gebärde,

Und Gram ſah ich des Mundes Winkel biegen.

Da wir nun fragten nach der Schmerzgebärde,

Ihr Tränen funkelnd in die Augen ſtiegen. „Ich find ihn nicht!“ fo hörten wir fie klagen. „Sie haben meinen Heiland fortgetragen.“

Da war es ſie, die in geraubten Zeiten

Ihr Herz mir bot wie eine Frucht zu eſſen.

Begann ſie anzuſchlagen heilige Saiten,

So ſtand im Blau der Raum nicht auszumeſſen:

Gerafim traten ein, die mild ſchalmeiten. -

Mir wollte Angſt die ganze Bruſt zerpreſſen, Ihr beizuſtehn, die kniet in Schmerz und Wunden. Ach, ſprach ich, ſuchſt du noch, was hingeſchwundene

Ich merkte, daß mir wer die Hand berühre;

Mein Freund, der nach dem offnen Grabe zeigte.

„Wir ſehn“, ſprach er, „die Binden noch und Schnüre.“

Ich folgte ihm durch Wege, viel verzweigte;

Wir ſtanden endlich vor der Grabestüre,

Dahinter eine Treppe ab ſich neigte In ein Gemach, das glänzte rings von Kerzen. „Dies“, ſprach ich, „dacht ich anders mir im Herzen.“

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Es faßen feſtlich Gäſte da an Tiſchen;

Die ſchienen Fremde erſt, doch nun Bekannte.

Ich wagte nicht, mich unter ſie zu miſchen,

Da ihrer keiner mich willkommen nannte.

Was wollen, dacht ich, dieſe Gleißneriſchen?

Und durch die Reihen mich zur Pforte wandte. Da ſprach - ich ſah ihn mir zur Seite ſtehen Mein Freund: „Nun laß nach Emmaus uns gehen.“

Ich wußte, daß wir dies im Sinne hatten,

Und folgte gerne in das dunkle Freie. |

Noch lag die Gegend ſchwarz im Mächteſchatten,

Und nur von Bäumen ſah ich eine Reihe

Bergunter führen zwiſchen dunklen Matten.

Doch jenſeits blühten in des Morgens Weihe Gebirge weiß und roſig, wie mit Düften Erhoben in den reinen kalten Lüften.

Zur Linken zog ſich eine niedre Mauer Von Quadern, wo ein Weib am Boden hockte, Geneigt das dunkle Haupt in dunkler Trauer, Und Angſt befiel mich, und mein Odem ſtockte. Ich trat zu ihr und ſah: ein finſtrer blauer Mantel umhüllte ſie; doch ich frohlockte,

Da ich die erſt ſo Fremde nun erkannte

Und ihren Knaben, den ich meinen nannte.

Sie hielt ihn auf den Knien und ſchien zu leſen In ſeinem Antlitz, das wie Gold erglänzte. Sie drehte ſacht das kleine heilige Weſen, Dieweil mit Veilchen ſie ſein Haar bekränzte.

Gein dunkles Augenpaar mir zum Genefen das eigne Leben wieder rein kredenzte. Da ſprach, indeß ich ſchon die Arme breite, Mein Freund: „Nach Emmaus auf jener Seite.“

„Siehſt du denn nicht,“ ſprach ich mit leiſem Zorne, „Daß hier ich fand, was immer ich erflehte? Hier ſtrömt das Dauernde aus vollem Borne! Wie Hand mit Hand ſich faltet zum Gebete, So Menſch mit Menſch, zu glätten das verworrne, Das Leben, daß es klar vor Gotte krete.

Ja, hier iſt Leben, ſieh! und ohne Lieben

Wär ich ſo einſam wie ein Dolch geblieben.“

Er zog mich aber fort; ich fab zurüde;

Da war dort nichts; fo ging ich fortgezogen. -

Auch ſah ich nun, gebaut in Einem Stücke,

Die Straße wölben in gewaltigem Bogen

Bergabwärks eine glattgeſchwungne Brücke

Über des Abgrunds nächtlich dunkle Wogen, Und jenſeits wieder hoch zu Berge ſteigen, Wo große Haine brauſten mit den Zweigen.

O dart des Himmels morgengrüne Schwinge! -

Doch linker Hand im tiefen Felſentale

Lag eine Stadt in rundem Mauerringe

Mit flachen Dächern. Düſtere Fanale

Erhellten, faſt als ob ſie Flammen finge,

Die Straßen ihr, und Fahnen, große, fahle Und dunkle, auf den Dächern ſtehend, wehten. Sie ſchien die traurigſte von allen Städten.

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Jetzund gewahrt ich überall auf Zinnen Und Dächern viele menſchliche Geſtalten Und Menſchenſtröme aus den Toren rinnen. Die ſah ich alle angſtvoll Ausſchau halten,

Und welche trugen Palmen, ſpreizten Linnen. Es ſprach mein Freund: „Vergebnes Händefalten. Nun ſchaun ſie aus, nachdem ſie ihn verloren,

Doch kommt er niemals mehr zu ihren Toren.“

„Ich weiß,“ ſprach ich, „daß er den Tod erlitten. Doch Andre ſagten, er iſt auferſtanden. Wird dennoch nie Erhörung ihren Bitten?“ „Der lichte Tag für immer kam abhanden,“ Sprach er, „allda. Das Heil iſt nun entglitten.“ Unter den dunklen Fahnen, die da ſtanden, Lag überwallt die Stadt von dunklem Strome, Draus ragten ihre großen leeren Dome.

Auf einmal alles dieſes Nacht verſchluckte. -

Ich aber ſah erſtaunt im weiter Wandern

Die Straße ruhn gleich einem Aquädukte

Auf Bögen und ein blaues Meer zur andern

Seite, wo taghell buntes Leben zuckte

Auf Ufermauern, farbig in Mäandern. Ich ſtand, daß ſich das Auge länger frene An dieſer Golfe meilentiefer Bläue.

Und welch Gewimmel hier von Bannern, Maſten An roten Kais, die in der Sonne lohten.

Von Schiffen ſchleppten nackte Sklaven Laſten; Die Wellen ſchaukelten mit breiten Booten,

Die kaum der Früchte goldne Berge faßten. Zur Ferne ſtrebten ſie mit kupferroten, Mit gelben Segeln. Grüßend hallten Pfiffe Zur Hafeneinfahrt großer Wanderſchiffe.

Die Menge ſtaute ſich auf Hafenplätzen,

Erwartend, bei gefürmten Warenballen.

Sie fließen drängend achtlos nach den Schätzen;

Die ſah ich von den Ufermauern fallen,

Und Fiſcher fingen ſie in braunen Netzen.

Hoch oben hört ich das Getös und Schallen. Der großen Schiffe weiße Schlote rauchten, Die Wimpel wehten, und die Pfeifen fauchten.

Dahinter lag die Stadt am Hang, die weiße,

Wo tauſend Fenſter ſonnegolden flammten.

Es ſchien, daß ſie von eitel Marmor gleiße.

Auf Rafenflächen, weit und grün und ſamten,

Wettſpieler übten fih in heiterm Fleiße,

Die Roſſe tummelnd, die von Ahnen ſtammten. Und drin im Lärm der Läden und der Buden Die gelben Mützen aufgeregter Juden.

Auf einmal ſah ich Alle auf den Straßen,

Den Brücken, Ufern, Schiffen, in den Händen

Goldene Fiſche halten, die ſie aßen,

Und goldne Brote. Alle allerenden,

Sie ſpeiſten - ob fie gingen, ſtanden, ſaßen

Was einen dunklen Mann ich ſah verſpenden Aus einem Korb. Sie kamen nicht zu kaufen, Sie nahmens nur im Hin: und Widerlaufen.

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Sie gaben fi) von Hand zu Händen eilend So Brot wie Fiſche im Worübertraben. Jedoch nicht einer achtete verweilend Auf jenen ſtillen Geber ſolcher Gaben, Der ruhig ſtand, verteilend und verteilend, Denn unerſchöpf lich ſchien ſein Korb zu haben. Und jedem lächelt' er, bevor er ſpendet', Und ſah ihm traurig nach, wenn der ſich wendet'.

Ich wußte: dieſes war die Stadt der Lüfte, Der tauſend Spiele und Vergänglichkeiten. Nicht Saat, nicht Ernte gabs an dieſer Küſte, Und was ſie brauchte, kam aus fremden Weiten. Und voll Entzücken, daß ich dieſes wüßte, Sprach ich zum Freunde im von hinnen Schreiten: „Sie ſehn die Hände nicht, die ihnen geben; Sie wiſſen lebend nicht, wovon ſie leben.“

Nach dieſen Worten fiel ein Nebel über

Die Stadt, die Bai, die Schiffe und die Scharen.

Wir wanderten in düſtrer, regentruber

Dämmrung des Morgens, wo wir einſam waren.

Wie zog es mich nach Emmaus hinüber!

Berghoch im Morgenſchatten lags, im Klaren Des offnen Athers, der kriſtallnen Räume, Umrauſcht vom alten Gold der heiligen Bäume.

Uns aber fraf im Antlitz kalt der Regen. Unendlich ſchien die Straße abzuſchießen.

Da kam von fern ein Pilger uns enkgegen,

Aus dem ſah ich ein ſanftes Schimmern ſprießen.

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Und ſeltſam ging mein Herz in raſchern Schlägen, Des Grabes denkend, das wir leer verließen. „Wir wollen“, ſprach ich, „dieſen Wandrer fragen, Ob er erſtanden iſt, um den wir klagen.“

Ob dieſer Worte ſah ich ſtaunen jenen, Der mit mir war, und hört ihn widerſprechen. „Wie kannſt du“, zůrnt' er glühend, „Andres wähnen? Wer ſollte denn des Grabes Riegel brechen?“ Da ſchwoll mein Herz von Grimm, das Aug von Tränen. „Du wollteſt“, ſprach ich, „immer mit mir ſtechen.

Und den am Freitag wir vom Kreuz genommen,

Lag Samstag tot und wird nicht Sonntag kommen.“

Wie wir da hitzig haderten im Streite,

Sah ich den Pilger vor uns nicht entgegen,

Nein, wie wir ſelber gehn nach jener Seite.

Auf einmal bei uns ſprach er Gruß und Segen

Und bot ſich ſo mit Liebe zum Geleite,

Daß ich im Innern ſpürt' ein feurig Regen; Und alle Sinne ſprachen, die ſich freuten: Der iſt es, der erklären wird und deuten!

Da ſah ich auch: des Fremden Auge brannte

So nächtig, daß ich brannte und erbebte.

Seit ewig ſchien es mir, daß ich ihn kannte,

Der zwiſchen uns faſt wie ein Engel ſchwebte.

Das Kleid, das dunkel ſeinen Leib umſpannte,

Ich ſah, daß es von Lichtern ſchaurig lebte; Wie nächtige Himmel ſchiens, die ihn umwallten, Und Sternenbilder blickten aus den Falten.

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Wie ſchwebten ſchon im Takte feiner Schritte Die Füße mir und auch mein Herz mit ihnen! Ein Wunderträger ſchien mir dieſer Dritte Auf unſrer Wandrung, göttlich ſeine Mienen. Und wie er nun, willfährig unſrer Bitte, Begann, uns mit Erklärung zu bedienen, Belebte ſich vor uns das Morgendunkel Von glänzender Geſtalt und Blickgefunkel.

In einer Reihe ſchritten vor uns Viere, Geſchöpfe, die aus weißem Silber waren. Leibhaftig gingen da Legendentiere: Das Einhorn ſah ich links und rechts den Aaren; Den Flügellöwen mit dem Flüͤgelſtiere Sah ich inmitten fih zuſammenpaaren. Sie ſchritten, tragend wie in ſtolzem Tanze Das Kreuz, das Kleid, die Krone und die Lanze.

Ich wollte ſtaunend fragen nach den ſchönen

Geſchöpfen, aber aus des Pilgers Munde

Entſtrömte zu gewaltig Wort und Tönen.

Ich wollte fragen nach der blutigen Wunde

In feiner Seite, doch der Rede Dröhnen

Verſchlug den Odem mir. Die ſchattige Runde Erſchien bedeckt mit Augen, welche lauſchten, Geſichtern auch, die Blick und Lächeln tauſchten.

Durchſichtig ward des Bodens Nacht, zu tragen Uns auf erleuchtet dammrigem Kriſtalle.

Es ſtanden drunten Reihn von Sarkofagen

In einer endlos langen Pfeilerhalle,

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Wo Könige mit ihren Kronen lagen

Und große tote Päpſte; und ſie Alle Erhoben ſich und horchten ſchwer nach oben Und legten wieder ſich, von Schlaf umwoben.

Ich hörte aber jetzt die Himmelsſtimme, Mit Feuer mir in Herz und Sinne beißend. Sie ſprach mit ſolchem heißen Liebesgrimme, Die Bruſt mit füßem Schmerze mir zerreißend: „Das Gottesreich iſt gleich dem Reich der Imme, Die lebt, ſich nur im Liebesdienſt befleißend.“ Ich bat: „Erkläre uns das Wort!“ mit Zagen. Da hub er an, zu deuten und zu fagen.

„Die faufend Blumen, die dem Sommer blühen, Es ſind die Seelen auf den Erde⸗Triften. O ſaht ihr ſie, die ſchaffend ſich bemühen, Die Engelsbienen, die den Raum durchſchifften? Der Kelche froh, die klar voll Golde glühen, Doch nicht, die falſch und trächtig ſind mit Giften. Aus jedem wiſſen eifernd ſie zu ſaugen Die Tropfen, die zum Gotteshonig taugen.

Und jede kehrt zurück mit Flüuͤgelſchnelle,

Mit Freudetönen bringend ihre Gabe,

Sich tummelnd emſig, daß der Vorrat ſchwelle,

Im heiligen Dunkel reift die heilige Habe,

Am heiligen Bau ſich füge Zell an Zelle,

An Gottes Herz, der großen Honigwabe: Erbaut aus Kraft der dienenden Myriade, Der Liebe Kleinod in der ewigen Lade.

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Die Tropfen aber, die vom Grunde quellen

Ich will auch dies verdeutlichen und (childern -,

Es find die Worte, lauter (uf zu ſchwellen,

Oder zur Luge giftig zu verwildern.

Ach, daß ſie gar zu leicht zu Lippen ſchnellen

Und nicht zu halten ſind und nicht zu mildern! Und die wie Tau erblinken und Kriſtalle, Sind innen Gift und ſind den Immen Galle.

Wo aber in dem allgemeinen Lallen

Ein Menſch geboren worden zum Gebete,

Der läßt die Stimme wie ein Horn erſchallen,

Des Göttlichen verkündende Drommete:

Der halte lauter ſeinen Kelch kriſtallen,

Daß auch kein falſcher Tropfen ihn betrete! Daß fih auf ihn mit Luft die Immen ſchüͤtten, Sonſt wirds ein Gift und wird ihn ſelbſt zerrüffen.

Ach aber Wenige, die ſind und wiſſen,

Sie wiſſens wohl und ſtammeln doch verworren.

Nur wie die Anderen zu ſein befliſſen,

Wuchern ſie wenig Tage und verdorren.

Es führte auch aus Schwefel ⸗Finſterniſſen

Der Herr nur Lot; ſie aber ſind Gomorren Verfallen, rückgewendeten Geſichtes, Und ſind erſtarrt ſchon und ſind des Gerichtes.

Und dieſes iſt das Göttliche!“ er ſprach es Mit ungeheurem Feuer in den Mienen: „Es iſt die Wabe und iſt ſelbſt ein waches, Ein Dienen nur und immer wieder Dienen.

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Es ift der füße Honig jedes Faches,

Der Blüten Demut und der Stolz der Bienen. Und einzig dies fein Sinn - o mögts begreifen! - In Ewigkeit zu reifen und zu reifen.“

Ich merkte wohl, auf wen die Worte ſtießen

Von Jenen, welche wiſſend doch verdorrten.

D von Erkenntnis wollt ich überfließen!

Von Brot und Fiſchen wußt ich alles dorten.

„Mein iſt“, ſprach ich, „des Gottes zu genießen,

Er, den du nennſt, der Hort von allen Horten. O wie beglückt, daß ich im Glück mich dehne! Ich danke, Herr, daß ich nicht bin wie Jene.“

O fühlt ich da die hohe Luſt, zu gehen, Nur immer lauſchend in die Morgenferne! Im Innern mächtig fühlte ich ſich drehen Das Rad des Ewigen mit dem Rund der Sterne. Wer biſt du nur?“ begann ich ihn zu flehen, „Du bifts allein, durch den ich weiß und lerne. Von deiner Worte Hammer aufgeſchlagen, O fühle doch, wie mirs beginnt zu tagen!“

Jetzt merkt ich aber einen Zwang, zu ſchauen

Nach hinter mir: da folgt ein Schwarm Geſtalten.

Die blickten alle ſeltſam unter Brauen

Nach mir; ja mir nur ihre Blicke galten.

Die ſtillen Männer und die ſtummen Frauen,

Ich ſah ſie All etwas in Händen halten, Das mich betraf; ein Ding, nicht zu erkennen; Und jeder wollt es zeigen, wollt es nennen.

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Ich aber winkte ihnen, nicht zu ftören Das Zwiegeſpräch mit jenem Heilighohen. Schon konnt ich nicht mehr ſeine Worte hören, Und mit den Wimpern mußt ich ihnen drohen. Da ſchiens, als ob ſie alle Luſt verlören, Und Gram beſiel die erſt ſo eifrig Frohen. Darob erkannt ich, die ich Alle kannte, Geliebte, Schweſter, Freund und Bruder nannte.

Den Vater ſah ich ernſt dazwiſchen ſchreiten, Die Mutter, emſig, wollte zu mir gerne. Ich winkt ihr heimlich. Alle Lebenszeiten Sandten Geſtalten her aus Näh und Ferne. Ach, nun mit Schmerzen ſah ich ſie entgleiten! Ach, funkelten dort Augen oder Sterne? Sie waren hin, die All ich einſt umworben, Die kaum erreicht, und dieſe ſchon geſtorben.

Und ach, wie ich mich endlich losgeriſſen

Vom Nachſchaun in die kalte Morgenleere:

Ganz ferne, ſichtbar kaum in Dämmerniſſen,

Gewahrt ich Ihn! Und wie ich mich verzehre,

Ihm nachzueilen: ganz im Ungewiſſen

Des Nebeltals entging er mir, und Schwere An Füßen ſteinern lähmte mich und Knieen. Vergebne Müh! ich war nicht fortzuziehen.

Und ſchon am Abhang überm Nebeltale Sah ich von Emmaus die Häuſerwände. Sie glühten roſenhaft im Morgenſtrahle. Da ſchritt er ſchon im Wieſenvorgelände,

Die Gaffe {don empor zur Kathedrale,

Wo aus den Fenſtern ſchlugen Feuerbrände. Die Glocken ſah ich ſchwingen, hört ich ſchallen, Und alle Kraft war von mir abgefallen.

Die Glocken dröhnten, und das Tor war offen.

Ach wehe mir, jetzt wird er drin verſchwinden!

Durch Gaſſen keucht ich, und mir ſank das Hoffen,

Da wandt er ſich, ich wollte ihn umwinden

Mit Blick und Anflehn, meine Haare troffen

Da wie erleichtert ach! - konnt ich mich finden Im Eingang, wo fein letztes Lächeln winkte. Doch tiefe Finſternis mich dort umringte.

Alsbald in ſchwarzer kalter Luft entdeckte Ich rieſenhafte Pfeiler, aufwärts ragend Ins Nächtige, wo Haupt an Haupt fih reckte Der blinden Träger. Blauen Lichts, verzagend, Dazwiſchen hingen Sterne, halb verſteckte. Die Rieſen ſchienen keine Wölbung tragend, Es ſei denn Nacht, die braun in pelzigen Falten Herabhing um die ſteinernen Geſtalten.

Nun feitwartsblidend konnte ich gewahren

Ein ſtolzes Weib an einem Pfeiler lehnend.

Ach, jene war es, jene, die vor Jahren

Mich ließ verſchmachtend und ſie ſelbſt zerſehnend; Durch die ich letzte Qual und Luſt erfahren.

Und heißes Gluck auf meine Hände tränend,

Streckt ich ſie aus und ſprach, von Glut beronnen: „Hier biſt du nun? und biſt mir jetzt gewonnen?“

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Jedoch fie ſah mich nicht, die Lügneriſche. Doch wie ich folgte ihrem Blick, da ſaßen Bei einer Ampel Schein an rundem Tiſche Mein Freund deß Augen ſpöttiſch mich bemaßen - Und Gr! - Und neben ihm in hoher Miſche War eine ſchmale Pforte aufgelaſſen, Erhöht um Stufen; draußen Ebne tauchte Aus Nacht, und ferne ſchwache Röte hauchte.

Am Tiſche fand ich bald mich ſelbſt geſeſſen, Sie anzuſchaun, die uns bedienend ſchaltet. Mein Auge, das noch Tropfen glühend näſſen, Folgt' ihr, die aus und ein geſchäftig waltet. Sie bringt das Brot, ſie bringt den Wein zum Eſſen, In einem Krug von Silber (chon ge(talfet . . Er nahm das Brot und dankte, brachs in Händen Und ſah mich an. Da brach es allerenden!

Aufbrach mein Herz, dieweil es ihn erkannte, Den Herrn in einem vollen Glorienfluten, Das ihn, der nicht von mir das Auge wandte, Aus jener Pforte übergoß mit Gluten. Und mit Ergrauſen, das mich übermannte, Sah ich die Wunden ſeiner Hände bluten. Ich ſah ſein Aug, von Liebesglanz umwoben, Und ihn erheben (id) und ſchon erhoben:

Er ſtand im Tor, den Fuß auf jener Schwelle, Darüber her ein Strom von Feuer ſchäumte, Und Engelsaugen blitzten aus der Helle, Indeß in mir der Reue Pein ſich bäumte.

Zu (pat! Derkannt! - Verdürſtend an der Quelle, Da ſah ich alles all, was ich verſäumte! das letzte Glück, um das ich ſelbſt mich brachte. Da brannte mir das Herz! und ich erwachte.

AURA MAT U TINA

nd ich erwachte. Sieh, ein Morgen flog fembri(d in dein Tal voll Glanz und Kühle. Der weißen Nebel ſchmelzendes Gewog Läßt kaum erkennen ſchwer, daß ich fie fühle Am naſſen Baum, der ſich von Laſten bog, Wie Glocken in dem reichen Laubgeſtühle Die Apfel, blank und kalt, von Säften dröhnend, Der Reife tiefes heiliges Schweigen tönend.

Wie nun die weißen, dehnbaren Gewebe Sich durch das Tal verziehn und alles glänzt! Erſtaunlich eine jugendliche Hebe Im Gold erſcheint, mit Enzian bekränzt, Und tauſend Mal der Morgen jauchzt: Ich gebe Dir die Erfriſchung, die du Hoffnung nennſt:

Da fällt mit einem geiſterhaften Klirren

Die Rüſtung ab von Trunkenheit und Wirren.

Wie ward mir denn ſo anders ſonder Handeln In ſieben Stunden, die ich nicht gewußt? Wie fächelt mir ein friſcher Duft von Mandeln, Als blühte ſie, um die gekühlte Bruſt! Ja, du mußt ſchlafen, denn du mußt dich wandeln! Empor das Herz in kalter Werdeluſt!

Du ſankeſt hin, ein ächzender Bereuer,

Du ſtehſt entzaubert auf und biſt ein Neuer.

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Eins, es ift dein! Frohlocke, fo du's nennſt

Dein eigen, unverlöſchbar, eingeboren.

Dich geſtern ſelbſt entſetzendes Geſpenſt,

Füll dir aus ihm mit Flammenhauch die Poren:

Du biſt verloren nicht, ſolang du brennſt!

Von einem ewigen Feuerſaft durchgoren, Dir brennt das Herz. O Zauber, der ihm eigen, Aus jedem Opfer reinlicher zu ſteigen!

Doch diefe Flamme - nenn den Zweck der Zwecke,

Den heilig einzigen, zu dem ſie loht:

Daß ſie mit göttlicher Umarmung ſchrecke,

Was formlos ſchaukelt zwiſchen Traum und Tod;

Daß ſich das Bild mit Haupt und Gliedern recke,

Das Werk, unſterblich jung und morgenrot. Dran immer wieder ſoll die Welt geneſen: Geſtalt erſcheint, und weſentlich das Weſen.

Nun dampft das Tal. Es gärt in ſeinen Adern.

Liebliche Hände winken ſilbern dort.

O laß mit jenen weißen Luftgeſchwadern

Die Schatten fliehn ins Schattenloſe fort.

O mildes Glühn! O aufgeſaugtes Hadern!

O Kranz von Mandeln, blühend um das Wort: Jahrtauſend brauſt. In die du eingedrungen, Brich auf zu deinen höhern Wandelungen!

Stefan Zweig: Epiſode vom Genfer See

m Ufer des Genfer Sees, in der Nähe der kleinen Schweizer Stadt Villeneuve, wurde in einer Sommernacht des Jahres 1918 ein Fiſcher, der fein Boot in den See hinans⸗ gerudert hatte, eines merkwürdigen Gegenſtandes inmitten des

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Waſſers gewahr, und näherkommend erkannte er ein Gefährt aus loſe gehefteten Balken, das ein nackter Mann in ungeſchickter Weiſe mit einem als Ruder verwendeten Brett vorwärts zu treiben ſuchte. Staunend ſteuerte der Fiſcher heran, half dem Erſchöpften mitleidig in fein Boot, deckte feine Blöße notdürftig mit Netzen und verſuchte dann mit dem froſtzitternden, ſcheu in den Winkel des Bootes gedrückten Menſchen zu ſprechen, aber dieſer antwortete in einer fremdartigen Sprache, von der nicht ein einziges Wort der ſeinen glich. Bald gab der Hilf⸗ reiche jede weitere Mühe auf, raffte ſeine Netze empor und ruderte mit raſcheren Schlägen dem Ufer zu.

In dem Maße, als im frühen Licht die Umriſſe des Ufers aufglärzten, begann auch das Antlitz des nackten Menſchen ſich zu erhellen; ein kindliches Lachen ſchälte ſich aus dem Bart⸗ gewühl feines breiten Mundes, die eine Hand hob fich hinüber, und immer wieder fragend und halb ſchon gewiß ſtammelte er ein Wort, das wie Rossiya klang und immer glückſeliger tönte, je näher der Kiel ſich gegen das Ufer ſtieß. Endlich knirſchte das Boot an den Strand, des Fiſchers weibliche An verwandte, die auf naſſe Beute harrten, ſtoben kreiſchend, wie einſt die Mägde Nauſikaas, auseinander, da ſie des nackten Mannes im Fiſchernetz anſichtig wurden; allmählich erft, von der (ele ſamen Kunde angelockt, ſammelten ſich verſchiedene Männer des Dorfes, denen fih alsbald würdebewußt und amtseifrig der wackere Weibel des Ortes zugeſellte. Ihm war es aus reicher Erfahrung der Kriegszeit und mancher Inſtruktion ſo⸗ fort gewiß, daß dies ein Deſerteur fein müſſe, der vom fran: zöſiſchen Ufer herübergeſchwommen war, und ſchon rüſtete er zu amtlichem Verhör, das aber bald an Wuͤrde und Wert durch die Tatſache verlor, daß der nackte Menſch (dem inzwiſchen einige der Bewohner eine Jacke und eine Zwilchhoſe

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zugeworfen) auf alle Fragen nichts als immer wieder ängft: licher und unſicherer feine Frage „Rossiya? Rossiya?” wieder: holte. Ein wenig ärgerlich über ſeinen Mißerfolg, befahl der Weibel dem Fremden durch unmißverſtändliche Gebärden, ihm zu folgen, und umjohlt von der inzwiſchen erwachten Gemeinde⸗ jugend, wurde der naſſe, nacktbeinige Menſch in feiner ſchlottern⸗ den Hoſe und Jacke auf das Amtshaus gebracht und dort ver⸗ wahrt. Er wehrte ſich nicht, ſprach kein Wort, nur ſeine hellen Augen waren dunkel geworden vor Enttäuſchung, und ſeine hohen Schultern duckten fih wie unter gefuͤrchtetem Schlage.

Die Kunde von dem menſchlichen Fiſchfang hatte ſich in⸗ zwiſchen bis zu den nahen Hotels verbreitet, und einer ergötz⸗ lichen Epiſode in der Eintönigkeit des Tages froh, kamen einige Damen und Herren herüber, den wilden Menſchen zu betrachten. Eine Dame ſchenkte ihm Konfekt, das er mißtrauiſch wie ein Affe liegen ließ, ein Herr machte eine photographiſche Aufnahme, alle ſchwatzten und ſprachen luſtig um ihn herum, bis endlich der Manager eines großen Gaſthofes, der lange im Ausland gelebt hatte und mehrerer Sprachen mächtig war, an den ſchon ganz Verängſtigten das Wort nacheinander in deutſch, italie⸗ niſch, engliſch und ſchließlich ruſſiſch richtete. Kaum daß er in der letzten Sprache ein Wort an ſich vernommen, zuckte der Verängſtigte auf, ein breites Lachen teilte fein gutmütiges Ge: ſicht von einem Ohr bis zum andern, und plötzlich ſicher und freimütig erzählte er ſeine ganze Geſchichte. Sie war ſehr lang und ſehr verworren, nicht immer auch in ihren Einzelberichten dem zufälligen Dolmetſch verſtändlich, doch in der Weſenheit war das Schickſal dieſes Menſchen das folgende:

Er hatte in Rußland gekämpft, war dann eines Tages mit tauſend andern in Waggons verpackt worden und ſehr weit gefahren, dann wieder in Schiffe verladen und noch länger mit

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ihnen gefahren durch Lander, wo es fo heiß war, daß, wie er (ag: te, einem die Knochen im Fleiſch weich gebraten wurden. Schließ⸗ lich waren ſie wieder irgendwo gelandet und in Waggons ver⸗ packt worden und hatten dann plötzlich einen Hügel zu ſtürmen, worüber er nichts Näheres wußte, weil ihn gleich zu Anfang eine Kugel ins Bein getroffen habe. Den Zuhörern, denen der Dolmetſch Rede und Autwort überſetzte, war ſofort klar, daß dieſer Flüchtling ein Angehöriger jener ruſſiſchen Diviſionen in Frankreich war, die man über die halbe Erde, über Sibirien und Wladiwoſtok an die franzöſiſche Front geſchickt hatte, und es regte ſich mit einem gewiſſen Mitleid bei allen gleichzeitig die Neugier, was ihn vermocht habe, dieſe ſeltſame Flucht zu verſuchen. Mit halb gutmütigem, halb liſtigem Lächeln erzählte bereitwillig der Ruſſe, kaum geneſen, habe er die Pfleger ge⸗ fragt, wo Rußland ſei, und ſie hätten ihm die Richtung ge⸗ deutet, deren ungefähres Bild er durch die Stellung der Sonne und der Sterne ſich bewahrt hatte, und wie er dann heimlich entwichen ſei, nachts wandernd, tagsüber in Heuſchobern vor den Patrouillen ſich verſteckend. Gegeſſen habe er Früchte und gebetteltes Brot, zehn Tage lang, bis er endlich an dieſen See gekommen. Nun wurden feine Erklärungen undeutlicher; es ſchien, daß er, aus der Nähe des Baikalſees ſtammend, ver⸗ meint hatte, am andern Ufer, beffen bewegte Linien er des Abends erblickte, müffe Rußland liegen. Jedenfalls hatte er fih aus einer Hütte zwei Balken geſtohlen und war auf ihnen bäuch⸗ lings liegend, mit Hilfe eines gleichfalls entwendeten Steuer⸗ ruders weit in den See hinausgekommen, wo ihn der Fiſcher auffand. Die ängſtliche Frage, mit der er ſeine unklare Er⸗ zählung beſchloß, ob er ſchon morgen daheim ſein könne, er⸗ weckte, kaum überſetzt, durch ihre Unbelehrtheit erſt lautes Gelächter, das aber bald gerüͤhrtem Mitgefühl wich, und jeder

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ſteckte dem unſicher und faſt kläglich um ſich Blickenden ein

paar Geldmünzen oder Banknoten zu.

Inzwiſchen war auf telephoniſche Verſtändigung aus Non: treuꝝ ein höherer Polizeioffizier erſchienen, der mit nicht geringer Mühe ein Protokoll über den Vorfall aufnahm. Denn nicht nur, daß der zufällige Dolmetſch ſich als unzulänglich erwies, bald wurde auch die für Weſtländer ganz unfaßbare Unbil⸗ dung dieſes Menſchen klar, deſſen Wiſſen um ſich ſelbſt nicht den eigenen Vornamen Boris überſchritt und der von ſeinem Heimatsdorf nur äußerſt verworrene Darſtellungen zu geben vermochte, etwa, daß ſie Leibeigene des Fürſten Metſcherſky ſeien (er ſagte Leibeigene, obwohl doch ſeit einem Menſchenalter dieſe Fron abgeſchafft war), und daß er fünfzig Werſt vom großen See entfernt mit ſeiner Frau und drei Kindern wohne. Die Beratung über ſein Schickſal begann, indes er mit ſtumpfem Blick geduckt inmitten der Streitenden ſtand: die einen meinten, man müſſe ihn der ruſſiſchen Geſandtſchaft nach Bern über: weiſen, andere befürchteten von ſolcher Maßnahme eine Rück⸗ ſendung nach Frankreich, der Polizeibeamte erläuterte die ganze Schwierigkeit der Frage, ob er als Deſerteur oder als papierloſer Ausländer behandelt werden ſolle, der Gemeindeſchreiber des Ortes wehrte gleich von vornherein die Möglichkeit ab, daß gerade ſie den fremden Eſſer zu ernähren und zu bergen hätten. Ein Franzoſe ſchrie erregt, man ſolle mit dem elenden Durch⸗ brenner nicht ſo viel Geſchichten machen, er ſolle arbeiten oder zurückſpediert werden, zwei Frauen wandten heftig ein, er fei nicht ſchuld an ſeinem Unglück, es ſei ein Verbrechen, Menſchen aus ihrer Heimat in fremdes Land zu verſchicken. Schon drohte aus dem zufälligen Anlaß ein politiſcher Swift (id) zu ent: ſpinnen, als ein alter Herr, ein Däne, plötzlich dazwiſchenfuhr und energiſch erklärte, er bezahle den Unterhalt dieſes Menſchen

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für acht Tage, inzwiſchen ſollten die Behörden mit der Geſandt⸗ ſchaft ein Übereinkommen freffen, welche unerwartete Löſung ſowohl die amtlichen als die privaten Parteien vollkommen zufriedenſtellte.

Während der immer erregter werdenden Diskuſ ſion hatte ſich der ſcheue Blick des Flüchtlings allmählich erhoben und hing urwerwandt an den Lippen des Managers, des einzigen in dieſem Getummel, von dem er wußte, daß er ihm verſtändlich fein Schickſal fagen könnte. Dumpf (chien er den Wirbel zu fpüren, den feine Gegenwart erregte, und ganz unbewußt, als jetzt der Wortlarm abſchwoll, hob er durch die Stille die Hände flehent⸗ lich gegen ihn auf, wie Frauen vor einem heiligen Bild. Das Rũhrende dieſer Gebärde ergriff unwiderſtehlich jeden einzelnen. Der Manager trat herzlich auf ihn zu und beruhigte ihn, er möge ohne Angſt fein, er könne unbehelligt hier verweilen, und im Gaſthof würde für die nächſte Zeit für ihn vollkommen ge⸗ ſorgt werden. Der Ruffe wollte ihm die Hand küſſen, die ihm der andere rücktretend raſch entzog. Dann wies er ihm noch das Nachbarhaus, eine kleine Dorfwirtſchaft, wo er Bett und Nahrung finden würde, wiederholte die herzliche Beruhigung und ging dann, ihm noch einmal freundlich zuwinkend, die Straße zu ſeinem Hotel empor.

Unbeweglich ſtarrte der Flüchtling ihm nach, und in bear Maße, als der einzige, der feine Sprache verſtand, fih ent: fernte, verdiifterte ſich wieder fein (chon erhelltes Geſicht. Mit zehrenden Blicken folgte er dem Entſchwindenden bis hinauf zu dem hochgelegenen Hotel, ohne die andern Menſchen zu be⸗ achten, die ſein ſeltſames Gehaben beſtaunten und belachten. Als ihn dann einer mitleidig anrührte und in den Gaſthof wies, fielen ſeine ſchweren Schultern gleichſam in ſich zuſam⸗ men, und geſenkten Hauptes trat er in die Tür. Man öffnete

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ihm das Schankzimmer. Er drückte fih an den Tiſch, auf den die Magd zum Gruß ein Glas Branntwein ſtellte, und blieb dort verhangenen Blickes den ganzen Vormittag unbeweglich ſitzen. Unabläſſig ſpähten vom Fenſter die Dorfkinder herein, lachten und frien ihm etwas zu - er hob nicht den Kopf. Eintretende betrachteten ihn neugierig, er blieb, den Blick an den Tiſch gebannt, mit krummem Rücken ſitzen, ſchamhaft und ſcheu. Und als mittags zur Eſſenszeit ein Schwarm Leute den Raum mit Lachen füllte, Hunderte Worte um ihn ſchwirrten, die er nicht verſtand, und er, ſeiner Fremdheit entſetzlich gewahr, taub und ſtumm inmitten einer allgemeinen Bewegtheit ſaß, zitterten ihm die Hände ſo ſehr, daß er kaum den Löffel aus der Suppe heben konnte. Plötzlich lief eine dicke Träne die Wange herunter und tropfte ſchwer auf den Tiſch. Scheu fah er ſich um. Die andern hatten ſie bemerkt und ſchwiegen mit einem⸗ mal. Und er ſchämte (id): immer tiefer beugte fih fein ſchwerer ſtruppiger Kopf gegen das ſchwarze Holz.

Bis abends blieb er ſo ſitzen. Menſchen gingen und kamen, er fühlte ſie nicht und ſie nicht mehr ihn: ein Stück Schatten, ſaß er im Schatten des Ofens, die Hände ſchwer auf den Tiſch geſtützt. Alle vergaßen ihn, und keiner merkte darauf, daß er ſich in der Dämmerung plötzlich erhob und den Weg gegen das Hotel dumpf wie ein Tier hinaufſchritt. Eine Stunde und zwei ſtand er dort vor der Tür, die Mütze devot in der Hand, ohne jemanden mit dem Blick anzurühren: endlich fiel dieſe ſeltſame Geſtalt, die ſtarr und ſchwarz wie ein Baumſtrunk vor dem lichtfunkelnden Eingang des Hotels im Boden wurzelte, einem der Lauf burſchen auf, und er holte den Manager. Wieder flieg eine kleine Helligkeit in dem verdüſterten Geſicht auf, als ſeine Sprache ihn grüßte.

„Was willſt du, Boris?“ fragte der Manager gütig.

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Ihr wollt verzeihen,“ ſtammelte der Flüchtling, „ich wollte m wiſſen .. . ob ich nach Haufe darf.“ „Gewiß, Boris, 0 lächelte der Gefragte. „Morgen ſchon?“ Nun ward auch der andere aie Das Lächeln verflog auf jenem Geſicht, fo flehentlich waren die Worte geſagt. „Nein, Boris .. jetzt noch nicht. Bis der Krieg vorbei ift.” „Und wann? Wann iſt der Krieg vorbei?“ „Das weiß Gott. Wir Menſchen wiſſen es nicht.“ „Und früher? Kann ich nicht früher gehen?“ „Nein, Boris.“

„Iſt es fo weit?“

„Ja.“

„Viele Tage noch?“

„Viele Tage.“

„Ich werde doch gehen, Herr! Ich bin ſtark. Ich werde nO müde.“

„Aber du kannſt nicht, Boris. Es iſt noch eine Grenze da⸗ wiſchen.“

„Eine Grenze?“ Er blickte ſtumpf. Das Wort war ihm fremd.

Dann ſagte er wieder mit ſeiner merkwürdigen Hartnäckig⸗ keit: „Ich werde hinüberſchwimmen.“

Der Manager lächelte beinahe. Aber es tat ihm doch weh, und er ſagte ſanft: „Nein, Boris, das geht nicht. Eine Grenze, das iſt fremdes Land. Die Menſchen laſſen dich nicht durch.“

„Aber ich tue ihnen doch nichts! Ich habe mein Gewehr weggeworfen. Warum ſollen ſie mich nicht zu meiner Frau laſſen, wenn ich ſie bitte um Chriſti willen?“

Der Manager wurde immer ernſter. Bitterkeit ſtieg in ihm auf. „Nein,“ ſagke er, „fie werden dich nicht hinüberlaſſen, Boris. Die Menſchen hören jetzt nicht mehr auf Chrifti Wort.“

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„Aber was fol ich tun, Herr? Ich kann doch nicht hier bleiben! Die Menſchen verſtehen mich hier nicht, und ich ver: ſtehe ſie nicht.“

„Yu wirft es (hon leren, Boris.“

„Nein, Herr,“ er bog den Kopf tief, „ich kann nichts lernen.

Ich kann nur am Feld arbeiten, ſonſt kann ich nichts. Was

ſoll ich hier tun? Ich will nach Hauſe! Zeig mir den Weg!“

„Es gibt jetzt keinen Weg, Boris.“

„Aber, Herr, ſie können mir doch nicht verbieten, zu meiner Frau heimzukehren und zu meinen Kindern! Ich bin doch nicht Soldat mehr!“

„Sie können es, Boris.“

„Und der Zar?“ Er fragte es ganz plötzlich, zitternd vor Erwartung und Ehrfürchtigkeit.

„Es gibt keinen Zaren mehr, Boris. Die Menſchen haben ihn abgeſetzt.“

„Es gibt keinen Zaren mehr?“ Dumpf ſtarrte er den andern an. Ein letztes Licht erloſch in ſeinen Blicken, dann ſagte er ganz müde: „Ich kann alſo nicht nach Hauſe?“

„Jetzt nicht. Du mußt warten, Boris.“

„Lange?“

„Ich weiß nicht.“

Immer düſterer wurde das Geſicht im Dunkel. „Ich habe ſchon ſo lange gewartet! Ich kann nicht mehr warten. Zeig mir den Weg! Ich will es doch verſuchen!“

„Es gibt keinen Weg, Boris. An der Grenze nehmen ſie dich feſt. Bleib hier, wir werden dir Arbeit finden!“

„Die Menſchen verſtehen mich hier nicht, und ich verſtehe ſie nicht“, wiederholte er hartnäckig. „Ich kann hier nicht leben! Hilf mir, Herr!“

„Ich kann nicht, Boris.“

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|

„Hilf mir um Chriſti willen, Herr! Hilf mir, ich kann nicht mehr!“

„Ich kann nicht, Boris. Kein Menſch kann jetzt dem andern helfen.“

Sie ſtanden ſtumm einander gegenüber. Boris drehte die Mütze in den Händen. „Warum haben ſie mich dann aus dem Haus geholt? Sie ſagten, ich müffe Rußland verteidigen und den Zaren. Aber Rußland iſt doch weit von hier, und du ſagſt, fie haben den Zaren .. . wie ſagſt du?“

„Abgeſetzt.“

„Abgeſetzt.“ Sinnlos wiederholte er das Wort. „Was ſoll ich jetzt tun, Herr? Ich muß nach Hauſe! Meine Kinder ſchreien nach mir. Ich kann hier nicht leben! Hilf mir, hilf mir, Herr!“

„Ich kann nicht, Boris.“

„Und kann niemand mir helfen?“

„Jetzt niemand.“

Der Ruſſe beugte immer tiefer das Haupt, dann ſagte er plötzlich dumpf: „Ich danke dir, Herr“, und wandte ſich um.

Ganz langſam ging er den Weg hinunter. Der Manager ſah ihm lange nach, wunderte ſich noch, daß er nicht dem Gaſt⸗ hof zuſchritt, ſondern die Stufen hinab an den See. Er ſeufzte tief und ging wieder an ſeine Arbeit im Hotel.

Ein Zufall wollte es, daß ebenderſelbe Fiſcher am nächſten Morgen den nackten Leichnam des Ertrunkenen auffand. Er hatte ſorgſam die geſchenkte Hoſe, Mütze und Jacke an das Ufer gelegt und war ins Waſſer gegangen, wie er aus ihm ge⸗ kommen. Ein Protokoll wurde über den Vorfall aufgenommen und, da man den Namen des Fremden nicht kannte, ein billiges Holzkreuz auf fein Grab geſtellt, eines jener kleinen Kreuze über namenloſem Schickſal, mit denen jetzt Europa bedeckt iſt von einem bis zum andern Ende.

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Alexander Lernet: Zwei Gedichte

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x Die Heiligen drei Könige D diefes Rinds, drum fie von ihrem Land

auszogen wie Ein Mann und monaflang nach eines Sternes Gang ſähen von den

Pferderücken und drum ſie die Weiber dann

im Lager an zwei Jahr und ihr Gezelt mitführten in dem Feld, o der Gefahr,

die fie befiel und gar bei ihnen ſaß

zu Pferd, wie Alp, o daß ſie ſo im ſtilln

um ihres reinen Glaubens Willn

all die Bedrängnis im Treffen durch ein wohlberittenes einhauend Regiment

der Feind’ des Herrn erfrügen ſchlecht und recht und mörderiſches Schießen im Gefecht,

damit ſie kämen zu eim guten End!

O heiliger Herr Chriſt, wie waren die

Hausleut erſchreckt, als ſie den finſteren

Hauf der Berittenen und ledige Pferd’

ſahn in der kalten, ſchneeigen Nacht und die wiehernden Hengſt' und die Packpferde ſtehn unter Prunkſätteln, denn eins jeden Wert war (Sattelzeug und Pferd) wie von einer Hube, und waren auch Weiber mit. Aber bei zehn Schritte vorne reitend drei, die goldene Kronen frugen, wie Könige,

und zwiegeteilte Waffenröck', innen

mit Wildleder an den Schößen beſetzt.

Die ſaßen darnach ab und gingen mit eim langſamen, vornehmen Schritt, damit daß keiner in dem Schnee benetzt

wird, mit den hohen roten Stiefeln in

das Haus und traten in den niedern Flur und die Knechtkammer nur ein wenig ein, auf daß ſie ſich erwärmten, ſaßen drin

ein wenig nieder in der Stube, daß ſie nur die Samtröcke anzögen zur Anbetung, doch traten die Haus leut noch bloßfüßig aus der Schlaf kammer heraus, damit ſie die Freindling' anſtarrten, wie fie tuen, die (td) beredeten. Und huben ſich

auf ihre Fuß. Darnach fo führte fie

einer zum Stall, daß ſie dem heiligen Kind darbrächten nach eim lieblichen Gebet Weihrauch und goldenes Gerät

und mit Kniefall lobſängen vor dem Kind.

Das Hohe Lied

(St an der Tür wie ein unausgeruhtes Geſpenſt, das einer Liebenden geſchah:

und wenn ich mit dem Andrang meines Blutes auf bin, biſt du dahin und nicht mehr da

und wirfſt dich wieder fort von meinen Rändern, an die du grenzteſt, tuft mir deine Bahn,

die unberechenbar iſt, ſchrecklich an,

und wie ein Sprung in den über den Ländern

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weißen, unmitgefühlten Himmeln, Stern, der grauſam umgeht, ausweichendes Feuer, machſt mich zerbrochener als je. Denn wenn

ich mich dir nachwerf mit meinem Begehrn, hältſt du meinen ins Leere ungeheuer gewagten Sprung nicht auf. Läßt mich vergehn.

Otto Freiherr von Taube: Charlottenburger Park

1

er Tag geht bald zu End; das meiſte Jahr verrann:

Zeit wird es, wollt ich letztes Grün und Farben ſehen.

Laß mich, verruchte Stadt! Schon ſchreit ich, ihrem Bann Entronnen, durch die Flucht gezogener Alleen.

182

2

Scharlachrote Blumen auf dem Beete

Und das Grün noch nicht des Herbſtes Raub. Doch das einzige Duften, das da wehte, War der Duft vom erſten welken Laub.

Und am Wegesrande ſchon das leiſe Naſcheln, und die Wipfel goldbeſtreut, Und nur eine dünne Vogelweiſe -

Rot und Grün, wie herrlich ſeid ihr heut!

3 Karger Vogel, zirpend in der Krone Des vergilbten Baums, im Park, im fpäfen,

Was uns beiden in den Herzen wohne, Seit die erſten Blätter niederwehten:

Dir und mir ein Sehnen und ein Süchten Nach dem langen Licht, drum wir betrogen! Doch ich kann nicht, doch ich darf nicht flüchten; Du, warum biſt du nicht fortgezogen?

4 Den golddurchwirkten Gang, durch den die Sonne ſchrägt, Will ich noch einmal ſtill für mich daniederſchreiten, Zugvogelhaft das Herz von Sehnſucht aufgeregt, Such ich noch einmal meine Flügel auszubreiten,

Noch einmal über Land und dieſe leidige Zeit,

Vielleicht nicht weiter als nach wohlbeſchirmtem Raume, Gleichwie der Tauber dort, des Himmels Seligkeit Durchſchneidend, niederfällt in einem goldenen Baume.

5 Sie ſind noch heut wie einſt: die abendliche Huld Der Bãume und der Duft der friſchgemähten Wieſen; Was geh ich denn allein, als trüg ich eine Schuld Und wagte keinen zum Gefährten zu erkieſen? Nicht Undank iſts; es hat ſogar in dieſem Jahr Mich Freundſchaft überhäuft mit unermeßnen Schätzen; Doch, was ich neu erwarb, nie wird es ganz und gar Der Kindheit und des Bluts Gefährten mir erſetzen!

8

Die Nebel ſteigen auf vom Teich und hauchen grau Am Raſen, und die Laubwand taucht in blaue Dünſte.

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Noch einmal halt ich ein zu einer letzten Schau Durchs Dickicht in des Weſtens volle Feuersbrünſte.

Bald ſchließen ſie das Tor; der Park wird zugetan; Zum Gitter hingewandt, geh ich in Schattenshülle, Im Blicke Grün und Gold, - genug, um dann und wann Beſchwichtet einzugehn in ſolchen Nachbilds Fülle.

Kants Diener

ants erſter Diener hieß Martin Lampe. Er war aus Würzburg gebürtig, Soldat in preußiſchen Dienſten ge⸗ weſen und nach erhaltenem Abſchied vom Regiment in den Dienſt bei Kant getreten, dem er gegen vierzig Jahre vorſtand. Wie ſehr ihn Kant trotz des ärgerlichen Tones, in dem er mit ihm zu verhandeln pflegte, dennoch die längſte Zeit hindurch wert: hielt, geht zur Genüge daraus hervor, daß er in einer Geſell⸗ ſchaft einmal äußerte, er würde es für kein übles Zeichen feines künftigen Wohnortes anſehen, wenn ihm ſein treuer Diener Lampe und andere ihm ähnliche, ehrliche Menſchen entgegen⸗ kämen. Ja, Kant konnte ihn ſelbſt nach der ſchimpflichen Ver⸗ abſchiedung, von der noch die Rede ſein wird, ſo wenig aus ſeinen Gedanken bringen, daß er in das für beſondere Zwecke und zur Stütze feines Gedächtniſſes gehaltene Büchelchen, das aus einem Bogen Poſtpapier in Sedez gebunden war, die Worte ſich auf: ſchrieb: „Der Name Lampe muß nun völlig vergeſſen werden.“ Dieſer Mann war es, der an die vierzig Jahre fünf Minuten vor fünf Uhr morgens, es mochte Sommer oder Winter ſein, mit dem ernſten, militäriſchen Zuruf: „Es iſt Zeit!“ in Kants Schlafſtube trat, welch ſtrengem Kommando auf das ſchnellſte Gehorſam geleiſtet wurde. Wie denn auch bei Tiſch oft der Herr

184

Bue N sıajoyyG s Prnguwvyg, wag snv IDR, :14321M0Q0G5) jour

in Gegenwart der Säfte mit einer Art von Stolz an den Diener die Frage richtete: „Lampe, hat Er mich in dreißig Jahren“ (oder wie viele es gerade ſein mochten) „nur an einem Morgen je zwei⸗ mal wecken dürfen?“ „Nein, hochedler Herr Profeſſor“, war die beſtimmte Antwort des ehemaligen Kriegers.

Dieſer Mann trat an die vierzig Jahre gegen ein Uhr, wenn das Eſſen in Bereitſchaft ſtand, die Türe mit einem gewiſſen Tempo öffnend, mit den Worten in die Studierſtube: „Die Suppe ift auf dem Tiſch“, worauf die. Gäſte, deren Zahl nicht unter der Zahl der Grazien und nicht über der der Muſen fein durfte, raſch in das Speiſezimmer ſich verfügten, da Kant, der ſeit dem frühen Morgen nie etwas genoſſen hatte, jede Ver⸗ zögerung beim Eſſen zu vermeiden ſuchte.

In den Jahren, als Kant ſich auf ſeinen alten Diener noch ganz verlaſſen konnte, ſtand faſt alles unter deſſen Aufſicht. Er war der Haus-, Hof: und Kellermeiſter. Kant gab am Abend den mit Sorgfalt und Nachdenken zuſammengeſtellten Küchen⸗ zettel für den folgenden Mittag aus, und Lampe hatte weſent⸗ lich dafur zu ſorgen, daß alles nach dem Willen feines Herrn ausgeführt wurde. Kant hatte das größte Vertrauen auf ſeine Ehrlichkeit, und er verdiente es auch bis auf die letzten Jahre.

So ſehr jedoch Kant Lampes Rechtſchaffenheit und Anhäng⸗ lichkeit an feine Perſon ſchätzte, fo wenig verkannte er auch deffen völlig eingeſchränkten Verſtand. Er mußte daher jede Kleinig—⸗ keit ſelbſt anordnen, die dann Lampe maſchinenmäßig auszu⸗ fuͤhren hatte. Kant behandelte ſeinen Bedienten ſtets in einem auffallend ſcheltenden und verdrießlichen Ton, und die Beſucher mußten ſich überzeugen, daß Lampe nicht anders behandelt werden konnte; denn bei aller ſeiner Eingeſchränktheit dünkte er ſich über⸗ klug, hatte ſelbſt aus dem Dienſt bei dem großen Philoſophen eine gewiſſe Meimung von ſich gefaßt, benahm ſich dabei öfter

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links und poſſierlich und mußte daher von feinem Herrn mit einem ſtrengen Tone in feine Schranken und auf feine Eingeſchränkt⸗ heit zurückgeführt werden.

Kant kleidete ſeinen Bedienten in einen weißen Rock mit einem rofen Kragen und hielt ſtrenge darauf, daß gerade diefe und keine andere Kleidung getragen würde. Eines Tages entdeckte er einen gelben Rock bei ſeinem Bedienten, welchen dieſer aus einer Trödel⸗ bude gekauft hatte, und wurde darüber fo entrüſtet, daß er ihn zwang, den Rock ſogleich wieder für jeden Preis und auf feines Herrn Schadenerſatz zu verkaufen. Bei dieſer Gelegenheit er⸗ fuhr Kant zu ſeiner Verwunderung, daß der alte Diener am morgenden Tag zum zweitenmal heiraten wollte und daß der gelbe Rock eben zu dieſem Feſt beſtimmt wäre; ja, er erfuhr da erſt zu ſeiner noch größeren Verwunderung, daß Lampe ſchon viele Jahre lang verheiratet geweſen war.

x

Über Lampes Entlaſſung endlich, über die näheren Umſtände und über die Einſtellung eines neuen Dieners berichtet auf das ausführlichſte der Diakonus an der Tragheimſchen Kirche zu Königsberg, E. A. Ch. Waſianski, ein rührender Mann, der frühere Amanuenſis Kants und ſpäter bei der zunehmenden Schwäche des Philoſophen fein Vermögens verwalter und tag: licher Beſucher im Hauſe, wo er in allen Dingen nach dem Rechten ſah. Wir halten uns eng an ſeinen Bericht, denn felten finden fih Wort und Leben und um welches Leben handelt es {fidh doch hier! - fo witzig und geſpenſtiſch zugleich aufeinander bezogen.

Lampe alſo ergab ſich allmählich einer üblen Gewohnheit, zu welcher ſein reichliches Auskommen ihn mit verleitete. Er miß⸗ brauchte die Gute feines Herrn auf eine unedle Art, drang ihm Zulagen ab, kam zur unrechten Zeit nach Hauſe, zankte ſich

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mif der Aufwärterin und wurde überhaupt mit jedem Tag unbrauchbarer zur Bedienung ſeines Herrn. Dieſes veränderte Betragen brachte eine veränderte Geſinnung Kants gegen ihn unvermeidlich zuwege. Er faßte den Entſchluß, ſich von ihm zu frennen. Waſianski, dem Kant alle Hausgeſchäfte anver⸗ traut hatte und deſſen Bericht ja nicht geſtört werden darf, hatte Urſache zu vermuten, daß die Außerung desfelben nicht eine bloß leere Drohung oder ein Beſſerungsverſuch für Lampe, ſondern Kants wahrer Ernſt ſei; er ſuchte letztern indeſſen mit Gründen wieder zu beſänftigen und den Aufſchub der Ausführung zu be: wirken, beſonders da er vorausſah, daß die Trennung unver⸗ meidlich, aber auch mit großen Schwierigkeiten für Kant, ihn ſelber und feinen neuen Diener verbunden fein würde. Es ſollte ein mit Kant grau, aber anſtößig gewordener Diener abgeſchafft werden. Beide hatten ſich aneinander gewöhnt; Kant hätte der Schritt gereuen und er darauf beſtehen können, ihn wieder in jan Haus zu nehmen. Wie weit wäre dann Lampes Brutalität gegen Kant gegangen, wenn er einen ſo deutlichen Beweis ſeiner Unentbehrlichkeit erhalten hätte? Und wo war ſo leicht außer der Zeit ein treuer, an Eingezogenheit gewöhnter Diener herzu⸗ nehmen, der in Kants lange Gewohnheiten ſich zu ſchicken ge⸗ wußt haben würde? Waſianski ſuchte alſo dieſen drohenden Blitz ſchlag oft und noch immer unſchädlich abzuleiten; obgleich die Bekanntſchaft mit Kants Charakter mit Sicherheit vermuten ließ, daß, wenn es ihm einmal rechter Ernſtwürde, Lampen zuent⸗ laſſen, ihn nichts von ſeinem Vorſatze ſo leicht abbringen würde.

Kant war und blieb der determinierte Mann, deſſen ſchwacher Fuß oft, deſſen ſtarke Seele nie wankte, ſo ſchließt der Diakonus eine langere Diafribe über Kants Charakter, und um auf Lampe zurückzukommen, fährt er mit unbeirrbarem Ernſt in ſeinem Be⸗ richte fort:

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Daher konnte ein folches kühnes Wagſtück, als die Trennung ſeines alten Dieners von ihm, auch nur bei ihm allein verſucht und glücklich ausgeführt werden. Schon ehe dieſe wirkliche Trennung eintrat, ſah Waſianski die Unmöglichkeit ein, daß Kant, der bei der Schwäche ſeiner Füße oft fiel, der Wartung eines Dieners allein überlaſſen werden konnte, der fid ſelbſt zu halten oft unvermögend war und, aus ſehr verſchiedenen Ur⸗ fachen, ein gleiches Schickſal mit feinem Herrn hatte. Überdem tat er durch Gelderpreſſungen, welche er aus Hoffnung, ſich Frieden und Ruhe zu erkaufen, bewilligte, Lampens Neigung nur immer mehr Vorſchub, und dieſer ſank tiefer. Geſetzt aber auch, alle dieſe Inkonvenienzen hätten nicht ſtattgehabt, ſo machte der Umſtand, daß die Kräfte des Dieners immer mehr abnahmen, es notwendig, auf die Beſetzung ſeiner Stelle durch einen rüſtigern und kraftvolleren Mann bedacht zu werden. Waſianski hatte, ſo geſteht er, vom Gegenſtand nun völlig hin⸗ geriſſen, in Zeiten gehörige Vorkehrungen gemacht und ſtand vor dem Bruch in voller Rüſtung; er ſuchte, fand und wählte einen Diener, den er in einem Interimsdienſt hielt, von dem er ſich an jedem Tag losmachen konnte. Oft ſprach er unterdeſſen bald ſanft, bald ernſtlich mit Lampe über den immer mehr der Ausführung ſich nahenden Entſchluß ſeines Herrn, ihn abzu⸗ ſchaffen, machte ihn auf fein trauriges Los für die Zukunft auf: merkſam, gab ihm ziemlich verſtändliche Winke darüber, daß im Fall ſeiner guten Aufführung nicht allein er, ſondern auch ſeine Gattin und ſein Kind glücklich werden ſollten, er ver⸗ einigte ſich mit Lampes Gattin, die ihn mit Tränen bat, ſein eigenes Wohl zu bedenken. Er verfprad) beſſer zu werden und wurde - ſchlechter. Endlich kam der Tag im Januar 1802, an dem Kant das ihn beugende Geſtändnis ablegte: „Lampe hat icy fo gegen mich vergangen, daß ich es zu fagen mich ſchäme.“

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Waſianski drang nicht in ihn und hat über dies gewiß grobe Vergehen nie etwas erfahren. Kant beſtand auf ſeiner Ab⸗ ſchaffung, zwar nicht mit Groll, doch aber mit männlichem Ernſt. Seine Bitten während der Mahlzeit an Waſianski waren ſo dringend, daß dieſer vom Tiſch aufzuſtehen ſich veranlaßt ſah und den in Bereitſchaft ſtehenden Diener Johann Kaufmann bolfe. Waſianski gedenkt es wie heute, nur im hiſtoriſchen Präſens vermag er die Szene auszumalen: Lampe weiß von nichts, was vorgeht; Kaufmann kommt, Kant faßt ihn ins Auge, trifft auf der Stelle ſeinen Charakter und ſagt: „Er ſcheint mir ein ruhiger, ehrlicher und vernünftiger Menſch zu fein.” - Lampe wurde am folgenden Tag mit einer jährlichen Penſion entlaſſen, mit der gerichtlich geſchriebenen Bedingung: daß die⸗ ſelbe von dem Augenblick an aufhöre, wenn Lampe oder ein von demſelben Abgeſandter Kant behelligen würde.

Der Diener Johann Kaufmann war wie für Kant geſchaffen und hatte bald wahre perſönliche Liebe und Anhänglichkeit für ſeinen Herrn. Bei ſeinem Eintritt ins Kantſche Haus bekam die bisherige Lage in demſelben eine ganz andere Geſtalt zu ihrem Vorteil. Eintracht mit der Aufwärterin Kants, mit der Lampe vorher in ewigem Streite lag, war nun im Haufe des Philo: ſophen einheimiſch, das vorher durch manche überlaute Auftritte, von denen Kant wußte und nicht wußte, entweiht war. Nun konnte er ohne Verdruß, deſſen Erregung durch manche ärgerliche Vorfälle auch beim Philoſophen unvermeidlich war, ſeine Tage ruhig verleben. So großmüͤtig er Lampen verzieh, fo nötig fand er es doch auch, feine bisherige, für Lampe faſt übermäßig wohl: tätige Dispoſition zu ändern und ihm nur die 40 Rtlr. Penſion auf ſeine Lebenszeit zu ſichern. In dem zweiten, deshalb depo: nierten Nachtrag zu feinem Teſtamente zeigte er feinen Edelſinn und ſeine Großmut auf eine auffallende Art. Er veränderte

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den ihm vorgeſchlagenen Anfang desſelben, der fo lautete: „Die ſchlechte Aufführung des Lampe machte es notwendig uſw.“ in den Ausdruck: „Gegründete Urſachen uſw.“, indem er ſagte: „Man kann ja den Ausdruck ſo mildern.“ Sechsundzwanzig Tage nach Lampens Abſchaffung wurde dieſer Nachtrag depo: niert, und vom gerechten Unwillen war keine Spur in demſelben anzutreffen. Lampe ließ einen Dienſtſchein fordern, Waſianski legte ihn Kanten vor. Lange ſann er nach, wie er die leergelaſſenen Stellen für fein Verhalten füllen ſollte. Waſianski enthielt fih jedes Rats dabei, welches Kants Beifall zu haben ſchien. End: lich ſchrieb er: „Er hat ſich treu, aber für mich (Kanten) nicht mehr paffend verhalten.“

Kant war, berichtet der Augenzeuge, an den kleinſten Um: ſtand durch ſeine ordentliche und gleichförmige Lebensart eine lange Reihe von Jahren hindurch ſo gewöhnt, daß eine Schere, ein Federmeſſer, die nicht bloß zwei Zoll von ihrer Stätte, ſondern nur in ihrer gewöhnlichen Richtung ver⸗ (hoben waren, ihn (don beunruhigten; die Verſetzung größerer Gegenſtände in ſeinem Zimmer, als eines Stuhles, oder gar die Vermehrung oder Verminderung derſelben in feiner Wohn⸗ ſtube, ihn aber gänzlich ſtörte und ſein Auge ſo lange an die Stelle hinzog, bis die alte Ordnung der Dinge wieder völlig hergeſtellt war.

Daher ſchien es unmöglich zu ſein, daß er ſich an einen neuen Diener gewöhnen könnte, deffen Stimme, Gang u. dgl. ibm | ganz befremdend waren. Aber auch in ſeiner Schwäche behielt er Geiſtesſtärke genug, fih endlich daran zu gewöhnen. Nur die laute Tenorſtimme, das Schneidende und Trompetenähnliche derſelben, wie er es nannte, war ihm an ſeinem neuen Diener empfindlich. „Er iſt ein guter Menſch, aber er ſchreit mir zu febr“, das war alles, was er mit einer Miſchung von Sanftmut

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und klagender Ungeduld fagfe. In einem Zeitraume von wenigen Tagen hatte dieſer ſich an einen leiſeren Ton gewöhnt, und alles war gut.

Dieſer neue Diener ſchrieb und rechnete gut und hatte in der Schule ſo viel gelernt, daß er jeden lateiniſchen Ausdruck, die Namen ſeiner Freunde und die Titel der Bücher richtig aus⸗ ſprach. Über dieſen Punkt richtiger Benennung und Aus⸗ ſprache der Dinge und Wörter, ſo ſteht es wörtlich in dem Bericht zu leſen, waren Kant und Lampe ſtets uneins und lebten in einem ewigen Hader miteinander, der oft zu recht poſſierlichen Szenen Gelegenheit gab; beſonders wenn Kant dem alten Würzburger die Namen ſeiner Freunde und die Titel der Bücher vorſagte.

In den mehr als dreißig Jahren, in denen Lampe wöchentlich zweimal die Hartungſche Zeitung geholt und wieder fortgetragen hatte, und wobei er jedesmal, damit ſie nicht mit den Hamburger Zeitungen verwechſelt wurde, von Kant ſie nennen hörte, hatte er ihren Namen nicht behalten können; er nannte ſie die Hart⸗ mannſche Zeitung. „J was Hartmannſche Zeitung!“ brummte Kant mit finſterer Stirn, darauf ſprach er ſehr laut, affektvoll und deutlich: „Sag Er Hartungſche Zeitung!“ Nun ſtand der ehemalige Soldat geſchultert und verdrießlich darüber, daß er von Kant etwas lernen ſollte, und ſagte im rauhen Ton, in dem er einſt „Wer da?“ gerufen, Hartungſche Zeitung, nannte ſie aber das nachſte Mal wieder falſch.

Mit ſeinem neuen Bedienten kamen nun ſolche gelehrte Artikel ganz anders zu ſtehen. Fiel Kant ein Vers aus den lateiniſchen Dichtern ein, ſo konnte dieſer ihn nicht allein ziemlich richtig auf— ſchreiben, ſondern lernte ihn auch bisweilen auswendig und konnte ihn ſogar rezitieren, wenn er Kant nicht gleich einfiel, welches der Fall mit dem Verſe: Utere praesenti; coelo

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committe futura war, den Waſianski Kant in Augenblicken des Mißmuts, was am Ende bei feiner Schwäche aus ihm werden ſolle, vorſagte und den Kant, weil er ihn vorher nie gewußt hatte, oft wieder vergaß. Dieſen ſagte ihm feis Diener richtig vor. Waſianski war ihm bisweilen durch Überfegung und Erklärung behilflich. Durch dieſen Kontraſt und auffal⸗ lenden Abſtich von Lampe wurde Kant zu dem öfteren Zeugnis gegen ſeinen Diener vermocht: „Er iſt ein vernünftiger und kluger Menſch.“

Waſianski hatte dieſem neuen Diener den Tag vor dem An⸗ friffe feines Dienſtes auf einem ganzen Bogen die kleinſten und unbedeutendſten Gewohnheiten Kants nach der Tagesordnung aufgeſchrieben, und er faßte ſie mit Schnelligkeit. Er mußte vor⸗ ber feine Manövres vormachen, und fo aufs Tempo geübt, traf er ſeinen Dienſt an. Seine erſten Dienſtleiſtungen gingen daher auch {hon fo geubt vonſtatten, als wenn er jahrelang bei Kant ſerviert hätte.

So ging alles mit dem neuen Diener nach Wunſch; nur fand es Kant anſtößig, ihn Kaufmann zu nennen, weil er zwei ge bildete Kaufleute wöchentlich an ſeinen Tiſch zog. Bei einem frohen Mittagsmahl wurde daher nach Herſagung eines ſehr poſſierlichen Verſes, wenigſtens kam er Waſianski fo vor, deffen Schluß heißt: „Er ſoll Johannes heißen“, beſchloſſen, den Diener nicht Kaufmann, ſondern Johannes für die Zukunft zu nennen, welches denn auch geſchah.

Nach zeitgenöſſiſchen Berichten zuſammengeſtellt von Friedrich Burſchell.

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—Summula. Eſſays. (192 1.) Geheftet M. 16.—; in Halbleinen M. 30.—.

Balzac «Honoré de: Diedreißigtolldreiſten Geſchichten, ges nannt Contes Drolatiques. Übertragen von Benno Rüttenauer.

Zwei Bände. 14.—23. Tauſend. In Pappband M. 50.—; in Halb⸗ leder M. 100.—.

Phyſiologie der Ehe. Eklektiſch⸗philoſophiſche Betrachtungen über Glück und Unglück in der Ehe. Deutſche Übertragung von Heinrich Conrad. 6.—9. Tauſend. In Halbpergament M. 60.—.

195

(Balzac:) Tante Lisbeth. Übertragung von Arthur Schurig. Zweite Auflage. In Halbleinen M. 30.—: in Halbpergament M. 60.—.

Verlorene Illuſionen. In der von Johannes Schlaf revidierten Übertragung von Hedwig Lachmann. Zweite Auflage. In Halb⸗ pergament M. 70.—.

Becher «Johannes R.: Die heilige Schar. Gedichte 1918. Kar⸗ toniert M. 5.—.

Gedichte um Lotte. In Pappband M. 10.—.

Gedichte für ein Volk. In Pappband M. 12.—.

Das neue Gedicht. In Pappband M. 12.-.

Um Gott. (Inhalt: Gedichte. Arbeiter, Bauern, Soldaten; ein Feſtſpiel. Klänge im Vor⸗Laut.) Geheftet M. 16.—; in Pappband M. 26.—.

Beethoven -Ludwig van. Berichte der Zeitgenoſſen, Briefe und perſönliche Geſammelt und erläutert

von Albert Leitzmann. Zwei Bände. In Halbleinen M. 80.—: in Halbleder M. 150.—.

Bertram »Ernft: Gedichte. Zweite Auflage. In Pappband M. 12.—.

Straßburg. Ein Kreis. In Pappband M. 12.—.

Bierbaum -Otto Julius: Der neu beſtellte Jergarten der Liebe. Verliebte, launenhafte, moraliſche und andere Lieder. Einband⸗ zeichnung, Leiſten und Schlußſtücke von Heinrich Vogeler⸗Worps⸗ wede. 76.80. Tauſend. Geheftet M. 10.— ; in Pappband M. 20.—.

Binding⸗Rudolf G.: Gedichte. Zweite Auflage. Geheftet M. 18.—: in Pappband M. 28.—.

Die Geige. Vier Novellen. 10. 14. Tauſend. In Halbleinen M. 20.—.

Die Blümlein des heiligen Franziskus von Aſſiſi. Übertragen von Rudolf G. Binding. Mit 84 Initialen und Einbandzeichnung von Carl Weidemeyer⸗Worpswede. 15.—19.Laufend. In Papp⸗ band M. 35.—.

Boccaccio «Giovanni di: Das Dekameron. Übertragung von Albert Weſſelski, unter Neugeſtaltung der Gedichte von Theodor Däubler. Eingeleitet von Andre Jolles. 21.30. Tauſend. Duͤnn⸗ druckausgabe in einem Bande (1100 Seiten). In Leinen M. 65.—; in Leder M. 160.—.

Urbano. Übertragung von A. Weſſelski. In Leinen M. 20.—.

Der Born Judas. Legenden, Marden und Erzählungen. Geſammelt von M. J. bin Gorion. Zwei Serien zu je drei Bänden.

Erſte Serie (Bd. I-III), enthaltend „Von Liebe und Treue“, „Vom rechten Weg“ und „Måren und Lehren“. 4.—7. Tauſend. In Pappe

196

Banden M. 80.—; in Halbpergament M. 170.—. Zweite Serie: Bd. IV: „Weisheit und Torheit“. In Pappband M. 30.—; in Halba pergament M. 60.—. Band V: „Volkserzählungen“. In Papps band M. 38.—; in Halbpergament M. 70.—. Band VI wird Ans fang 1922 die Sammlung beſchließen.

Braun Otto: Aus nachgelaſſenen Schriften eines Früh— vollendeten. Herausgegeben von Julie Vogelſtein. 39.68. Tauſend. In Pappband M. 21.—.

Brentano Clemens: Frühlingskranz, aus Jugend briefen ihm ges flochten, wie er ſelbſt ſchriftlich verlangte. Eingeleitet von Paul Ernſt. Dritte Aufl. In Pappband M. 42.—; in Halbpergament M. 70.—.

Brentano «Clemens und Minna Reichenbach. e Briefe des Dichters. Herausgegeben von W. Limburger. Mit zwei Bildniſſen in Lichtdruck und zwei Fakſimiles. Einmalige Auflage in Soo Exemplaren. In Pappband M.45.—; in Seide M. 85.—.

Buber⸗Martin: Daniel. Geſpräche von der Verwirklichung. Zweite Auflage. In Pappband M. 18.—.

Ekſtatiſche Konfeſſionen. Geheftet M. 26. in Pappband M. 38.—.

Ereigniſſe und Begegnungen. Zweite Auflage. In Papp band M. 18.—.

Die Lehre, die Rede und das Lied. Zweite Auflage. In Papp⸗ band M. 18.—.

Das Buch d 185 beln. Zuſammengeſtellt von Chr. H. Kleukens. Cins geleitet von Otto Cruſius. Zweite Auflage. In Pappband M. 40.—; in Halbleder M. 70.—.

Büchner »Beorg: Wonzed. Nach den Handſchriften des Dichters

herausgegeben von Georg Witkowski. 320 nummerierte Exemplare. In Halbpergament M. 80.—; in Leder M. 180.—.

Bürger⸗Gottfried Auguft: Wunderbare Reifen zu Waſſer und zu Lande, Seldzüge und luftige Abenteuer des Freiherrn von Muͤnchhauſen, wie er dieſelben bei der Flaſche im Zirkel ſeiner won: felbft zu erzählen pflegt. Mit den Holzſchnitten von

uſtad Doré. In Halbleinen M. 55.—; in Halbpergament M. 120.—.

Caroffa Hans: Doktor Bürgers Ende. Letzte Blätter eines Tagebuchs. Zweite Auflage. Geheftet M. 9.—; in Pappband M. 18.—.

Gedichte. Zweite, vermehrte Auflage. Gebunden M. 10.—.

Die chineſiſche Flöte. Nachdichtungen chineſiſcher ae bon Hans Bethge. 17.—26.Laufend. In Halbleinen nach Art chineſiſcher Blockbůcher gebunden M. 23.—; in Seide M. 73.—.

197

Cortes «Gerdinand: Die Eroberung von Mexiko. Mit den eigenhändigen Berichten Cortes’ an Kaifer Karl V. Mit zwei Bildniſſen und einer Karte. Herausgegeben von Arthur Schurig. In Pappband M. 30.—.

Daubler «Lheodor: Hefperien. Eine Symphonie. In Pappband

18.—. Hymne an Italien. Zweite Auflage. In Pappband M. 20.—.

Lucidarium in arte musicae, Ein Buch über Muſik. Zweite Auflage. In Pappband M. 18.—.

Der neue Standpunkt. Auffäge zur modernen Kunſt. Zweite Auflage. In Pappband M. 20.—.

Das Nordlicht. Ein Epos in drei Teilen. (Cine neue Ausgabe auf Dünndrudpapier befindet ſich im Druck.)

Perlen von Venedig. Gedichte. In Pappband M. 14.—.

Mit ſilberner Sichel. Zweite Auflage. In Pappband M. 18.—.

Der ſternhelle Weg. Gedichte. Zweite Auflage. In Pappband M. 1

Die Treppe zum Nordlicht. Gedichte. In Pappband M. 14.—.

Wir wollen nicht verweilen. Autobiographiſche Fragmente. Zweite Auflage. In Pappband M. 24.—.

Deutſche Erzähler. Ausgewählt und eingeleitet von Hugo von Hofmannsthal. 9.— 13. Tauſend. Drei Bände. In Leinen M. 160.—; in Halbleder M. 240.—.

Desbordes-Valmore. Das Lebensbild einer Dichterin, eingeleitet von Stefan Zweig, Übertragungen von Giſela Etzel⸗Kuhn. Mit einem Bildnis der Dichterin in Lichtdruck. In Pappband mit Pers gamentverftärfung M. 40.—.

Deutſche Chanſons. Von Bierbaum, Dehmel, Falke, Finckh. Heymel, 3% TT 108.— 118. Tauſend. eheftet M. 8.—; in Pappband M. 15.—.

Alteſte deutſche Dichtungen. Überſetzt und n von Karl Wolfskehl und Friedrich von der Leyen. Zweite Auflage. In Pappband M. 36.—; in Halbpergament M. 70.—.

Dickens' Werke. Ausgewählt und eingeleitet von Stefan Zweig. Mit den Federzeichnungen der engliſchen Originalausgaben von Cattermole, Hablot K. isin und anderen. Taſchenausgabe auf Dünndruckpapier in ſechs Bänden. In Ganzleinen M. 350.—. Einzelausgaben (jeder Band in Leinen M. 60.—): David Coppers field. Der Raritätenladen. Die Pidwidier.— Martin Chuzzlewit. Nikolaus Nickleby. Oliver Twiſt und Weihnachtserzahlungen.

198

(Diotima:) Die Briefe der Diotima an Hölderlin. Heraus» egeben von Carl Viẽtor. Mit der Abbildung einer Büfte und dem Fakfimile eines Briefes. 6.— 10. Tauſend. In Pappband M. 22.—;

in Halbleder M. 42.—.

Doſtojewski 1 Sämtliche Romane und Novellen. Ein⸗ geleitet don Stefan Zweig. Mit einem Porträt und dem Fakſimile einer Manuſkriptſeite. In 25 Halbleinenbänden M. 600.—; in Halbpergament M. 1200.—.

Einzelausgaben ſiehe Bibliothek der Romane, Seite 214.

Ehrenſtein⸗Albert: Bericht aus einem Tollhaus. Nach dem urfprünglichen Plan des „Selbſtmord eines Katers“ umgearbeitet. 3.—7. Tauſend. Geheftet M. 6. -; in Pappband M. 12.—.

Fichtes Briefe. Ausgewählt und herausgegeben von Ernſt Bergmann. In Halbleinen M. 25.—.

Flämiſches Novellenbuch. Herausgegeben von F. M. Huebner. In Pappband M. 18.—.

Francois ⸗Louiſe von: Geſammelte Werke. Fünf Bände. In Pappbänden M. 100.—.

Ausgewählte Novellen. Zwei Bände. In Pappbänden M. 40.—.

Frank Leonhard: Die Räuberbande. Roman. 11.— 15. Tauſend. Geheftet M. 10.— ; in Pappband M. 20.—.

Die Urſache. Roman. 11.—20. Tauſend. Geheftet M. 10.—; in Pappband M. 20.—.

Friedländer Mar: Albrecht Dürer. Mit 115 Abbildungen. In Halbleinen M. 75.—: in Halbpergament M. 110.—.

Gesta Romanorum. Das älteſte Märchen- und Legendenbuch des chriſtlichen Mittelalters. Ausgewaͤhlt von Hermann Heſſe. 4.7. Tauſend. In Pappband IN.30.—; in Halbleder M. 60.—.

Glafer Curt: Die Kunſt Dftafiens. Der Umkreis ihres Denkens und Geſtaltens. Zweite Auflage. Mit 36 ganzſeitigen Bildertafeln. In Halbleinen M. 60.—.

Lucas Cranach. Mit 117 Abbildungen. In Halbleinen M. 73.—: in Halbpergament M. 110.—.

Gobineau: Die Renaiſſance. Hiſtoriſche Szenen. übertragen don Bernhard Jolles. Wohlfeile Ausgabe. Mit 20 Porträts und 55 in Autotypie. 49.— 58. Tauſend. In Pappband

.36.—; in Halbleder M. 70.—.

Gogol ⸗N. W.: Tſchitſchikows Reiſeerlebniſſe oder die toten Seelen. Roman. Aus dem Ruſſiſchen übertragen von H. Röhl. In Pappband M. 30.—; in Halbpergament M. 55.—.

199

Goethes Sämtliche Werke in ſechzehn Bänden. In Leinen IN.650.—; in Leder M.2200.—.

Goethes Kauft. Gefamtausgabe. Enthaltend Urfauft, Fragment (1790), Tragödie I. und II. Zeil, Paralipomena. 86.—93. Tauſend. In Leinen IN.35.—; in Leder M. 140.—.

Goethe: Die Leiden des jungen Werther. Mit den elf Kupfern von Chodowiecki in Nachſtich und einer Rötelſtudie. Sechſte Auf⸗ lage. In Pappband M. 40.—; in Halbleder M. 70.—.

Goethes Sämtliche Gedichte in zeitlicher Folge. Herausgegeben von Hans Gerhard Gräf. 11.—20. Tauſend. Zwei Bände. In Leinen M. 80.—; in Leder M. 280.—. :

Goethes Liebesgedichte. von Hans Gerhard Gräf. 16.21. Tauſend. In Pappband M. 24.—; in Halbleder M. 45.-.

N Dichtung und Wahrheit. Taſchenausgabe. In Leinen -45.—.

Goethes Italieniſche Reife. Taſchenausgabe. 11.—20. Tauſend. In Leinen M. 35.—.

Goethes Weſtöſtlicher Divan. Geſamtausgabe auf Dünndruck⸗ papier. 6.— 10. Tauſend. In Leinen M. 25.—; in Leder M. 130.—.

Goethes Geſpräche mit Eckermann. Vollſtändige Ausgabe. Taſchenausgabe auf Dünndrudpapier. 16.— 19. Tauſend. In Leinen M. 55.—; in Leder M. 150.—.

Goethe: Elegien (Erotica Romana). Rom 1788. Fakſimile-⸗Ausgabe der im Goethe- und Schiller⸗Archiv zu Weimar ruhenden Handſchrift der ,, Nomifden Elegien“ in 240 numerierten Exeinplaren. Mit einem

Geleitwort von Max Hecker. In einem Pappband nach dem des Originals M. 400.—. i

Goethes Briefe an Charlotte von Stein. Nach den Hands ſchriften neu herausgegeben von Julius Peterſen (befindet ſich im ruck). |

Goethes Briefwechſel mit Marianne von Willemer. Heraus⸗ gegeben von Max Hecker. Vierte Auflage (befindet ſich im Druck).

Der Briefwechſel zwiſchen Goethe und Zelter. Im Auftrage des Goethe⸗ und Schiller⸗Archivs herausgegeben von Max Hecker. Vier Bände. In Leinen ae M. 40.—; in Leder je M. 140.—. (Biss her erſchienen Band I-Ill; Band IV folgt Ende 1921.)

Briefe an Goethes Mutter. Ausgewählt und eingeleitet von Albert Köſter. Mit einer Silhouette der Frau Rat. 5157. Tauſend. In Pappband M. 16.—.

200

Bettinas Briefwechſel mit Goethe. Auf Grund ihres hands ſchriftlichen Nachlaſſes nebſt zeitgenöſſiſchen Dokumenten über ihr perſonliches Verhältnis zu Goethe zum erftenmal herausgegeben von Reinhold Steig. Mit 5 Bildern und 2 Fakſimiles. In Halb⸗ leinen M. 50.—.

Goethes äußere Erſcheinung. Literariſche und Eünftlerifche Dofus mente ſeiner Zeitgenoſſen. Herausgegeben von Emil Schaeffer. Mit 80 Vollbildern (Goechebildniſf en). In Halbleinen M. 25.—.

Mitteilungen über Goethe: ſiehe Riemer.

Grimmelshauſen: Der abenteuerliche Simpliciſſimus. Voll⸗ ftändige Ausgabe, bef orgt von Reinhard Buchwald. 11.—20. Tau⸗ fend. In Pappband M. 25.—; in Halbpergament M. 55.—.

Hafis: Lieder. Nachdichtungen von Hans Bethge. 8.— 12. Tauſend. In Halbleinen nach Art chineſiſcher Blockbuͤcher gebunden M. 25.—; in Seide M. 75.—.

Hatdt⸗Ernſt: Tantris der Narr. Drama in fünf Akten. 42.—48. Tauſend. In Pappband M. 20.—.

Gudrun. Ein Trauerſpiel in fünf Akten. an und Einband⸗ jot von Marcus Behmer. 19.—21. Tauſend. In Pappband . 20.—. Schirin und Gertraude. Ein Scherzſpiel. Titel- und Einband» zeichnung von Karl Walfer. In Pappband M. 20.—. König Salomo. Drama. In Pappband M. 12.—. Jofeph Kainz. Berfe zu feinem Gedächtnis. Kartoniert M. 3.—.

Der Heiligen Leben und Leiden, das ſind die ſchönſten Legenden aus den deutſchen Paſſionalen des 15. Jahrhunderts. Ausgewählt und übertragen von Severin Rüttgers. Mit zahlreichen Holzſchnitten. Zweite Auflage in einem Bande. (Im Druck.)

Heines Buch der Lieder. Taſchenausgabe. 31.—38. Tauſend. In Leinen M. 28.—; in Leder M. 130.—.

Der Heliand und die Bruchſtuͤcke der altſächſiſchen Geneſis, in Simrocks Übertragung. Eingeleitet von Andreas Heusler. In Papp⸗ band M. 20.—.

Hoffmann -E. T. A.: Prinzeſſin Brambilla. Ein Capriccio nach Jacob Callot. Mit 8 geſtochenen Kupfern nach Callotſchen Driginalblättern. Zweite Auflage. In reich vergoldetein Pappband M. 50.—.

Hofmannsthal »Hugo von: Die Gedichte und kleinen Dra» men. 31.— 40. Tauſend. In Pappband M. 18.—.

201

Hölderlin: Sämtliche Werke und Briefe. Kritifdy=hiltorifche Aus gabe von Franz Zinkernagel in fünf Bänden. Jeder Band ge- heftet M. 60.—; in Halbleder M. 100.—. Vorzugsausgabe: 50 nume⸗ rierte Exemplare auf Bütten, unter Benutzung alter Gienpel mit der 5 in Leder gebunden, jeder Band M. 450. —. (Bisher erſchienen

and II—IV; Band ! foll Ende des Jahres erſcheinen, Band V wird 1922 die Ausgabe abſchließen.)

Hyperion oder der Eremit von Griechenland. Taſchen⸗ ausgabe. In Leinen M. 30.—; in Leder M. 130.—.

Der Tod des Empedokles. Für eine feſtliche Aufführung bes arbeitet und eingerichtet von Wilhelm von Scholz. Zweite Auflage. In Pappband M. 14.—.

Holz «Arno: Phantaſus. In Halbpergament M. 120.—.

Homers Odyſſee. Neu übertragen von Rudolf Alexander Schröder. 11.20. Tauſend. In Halbleinen M. 24.—.

Huch «Ricarda: Alte und neue Gedichte (1921). Gebunden . 20.—.

Der große Krieg in Deutſchland. Drei Bände. 10.— 13. Tau: fend. In Pappbänden M. 80.—: in Halbleinen M. 100.—. Der Roman des Dreißigjährigen Krieges.

Das Leben des Grafen Federigo Confalonieri. 9.—12. Tau⸗ ſend. In Halbleinen M. 30.—.

Der letzte Sommer. Ein Roman in Briefen. 5. und 6. Tauſend. In Pappband M. 16.—.

Entperſönlichung (1921). Geheftet M. 18.—; in Halbleinen M. 30.—.

Luthers Glaube. Briefe an einen Freund. 16.—19. Tauſend. In Pappband M. 26.—.

Menſchen und Schickſale aus dem Riſorgimento. 6.—8. Tauſend. In Pappband M. 30.—.

Michael Unger. Des Romans „Vita somnium breve" achte Auf: lage. In Halbleinen M. 30.—.

Die Verteidigung Roms. 7.—9. Tauſend. Der Geſchichten von Garibaldi erſter Teil. Geheftet M. 22.—; in Halbleinen M. 34.—.

Der Kampf um Rom. 5.—7. Tauſend. Der Geſchichten von Garis baldi zweiter Teil. Geheftet M. 22.—; in Halbleinen M. 34.—.

202

(Hud »Ricarda:) Der Ginn der Heiligen Schrift. In Halb» leinen M. 28.—.

Wallenſtein. 10.— 12. Tauſend. In Pappband M. 18.—.

(Sumboldt:) Die Brautbriefe Wilhelms und Carolinens von Humboldt. Herausgegeben von Albert Leitzmann. 6. bis 9. Tauſend. In Pappband M. 40.—; in Halbleder M. 70.—. Humboldts Briefe an eine Freundin. In Auswahl herausge- aen von Albert Leitzmann. 16.--20. Tauſend. In Pappband . 16.—.

Da “In In l etf Hiff. Eine Zweimonatsſchrift für die Freunde des Inſel⸗

ene N In Pappband M. 25.—; in Halbpergament M. 45.—. er Jahrgang. Yn Pappband M. 25.—; in Halbpergament 45.— en Jahrgang. Sechs Hefte (im Erfcheinen begriffen) IR. 15.—; einzeln je M. 3.—.

Jacobfen sJens Peter: Sämtliche Werke. Autorifierte Über: 5 Mathilde Mann, Anka Matthieſen und Erich Mendels⸗ ſohn. it dem von A. Helſted 1885 radierten Porträt. 14. bis 21. Tauſend. In Leinen M. 55.—; in Leder M. 160.—.

Jahrbuch der Sammlung Kippenberg. Erſter Band. Mit ſechs Bildertafeln. In Pappband M. 30.—.

Japaniſcher Frühling. Nachdichtungen japaniſcher Lyrik von Hans Bethge. 13.—16. Tauſend. In Halbleinen nach Art chineſiſcher Block⸗ bücher gebunden M. 25.—; in Seide M. 75.—.

Kants Sämtliche Werke. Herausgegeben von Felix Groß. Taſchen⸗ ausgabe in Format und Schrift der Großherzog Wilhelm 1 Ausgabe deutſcher Klaſſiker. Sechs Baͤnde. In deinen M. 300.— in Leder M. 900.—.

Kants Kritik der reinen Vernunft. Taſchenausgabe. In Leinen M. 50.—.

Kants Briefe. Ausgewählt und herausgegeben von F. Ohmann. In Pappband M. 22.—.

Kaſſner-Rudolf: Die Chimäre. In Pappband M. 14.—.

Engliſche Dichter. Geheftet M. 14.—; in Pappband M. 26.—.

Der indiſche Gedanke. Von den Elementen der menſch— 1 Größe. Zweite Auflage. Geheftet M. 14.—; in Pappband 26.—.

203

(Kaffner:) Melancholia. Zweite Auflage. In Pappband M. 18.—.

Der Tod und die Maske. Gleichniſſe. Zweite Auflage. In Papp⸗ band M. 16.—.

Zahl und Geſicht. In Pappband M. 18.—.

Katharina I., Kaiſerin von Rußland: Memoiren. Aus dem Srangöitfegen und Ruſſiſchen überfegt und herausgegeben von Erich oehme. Mit 16 Bildniſſen. 6—10. Tauſend. In Pappband

M. 30.—; in Halbleder M. 60.—

Keller Gottfried: eee Werke. Eingeleitet von Ri⸗ carda Huch. Vier Bände auf Dünndrudpapier. In Leinen M. 230.—: in Halbleder M. 400.—; in Leder M. 750.—.

Der grüne 5 Vollſtaͤndige Ausgabe in einem Bande auf . 5.—9. Tauſend. In Leinen M. 55.—; in Leder M. 180.—

Keßler ee Graf: Notizen über Mexiko. Zweite Auflage. In Pappband M. 22.—.

Kleit ⸗Heinrich von: Erzählungen. In Pappband M. 35-; in Halbleder M. 70.—.

Kloſterleben im deutſchen Mittelalter. Herausgegeben von Jos hannes Bühler. Mit 16 Bildertafeln. In Pappband M. 40.—; in Halbleder M. 70.—.

Kortum: Die Jobſiade. Ein komiſches Heldengedicht in drei Teilen. Mit den Bildern der Originalausgabe und einer Einleitung in Verſen von Otto Julius Bierbaum. Dritte Auflage: Ju Papp- band M. 26.—; in Schweinsleder M. 180.—.

Laclos-Choderlos de: Schlimme Liebſchaften (Liaisons dange- reuses). Übertragen von Heinrich Mann. Auf Dünndruckpapier. In Leinen M. 40.—; in Leder M. 150.—.

Lao-Tſe: Die Bahn und der rechte Weg. Der chineſiſchen Ur: ſchrift in deutſcher Sprache nachgedacht von Alexander Ular. 11. bis 13. Zaufend. In Pappband M. 25.—: in Halbpergament M. 45.—.

Lüthgen-Eugen: Belgiſche Baudenkmäler. Mit g6 Bilder tafeln. In Halbleinen M. 23.—.

Die, vier Zweige des Mabinogi. Ein keltiſches Sagenbuch. Übertragen und eingeleitet von Martin Buber. Zweite Auflage. In Pappband M. 26.—. $

Mathén «Georg A.: Zehn Holzſchnitte zur Bibel. Mit einem Vorwort von Theodor Däubler. 150 numerierte und mit der Hand abgezogene Exemplare. Ausgabe A: Nr. IVI in Ganzledermappe,

204

mit einer befonders beigefügten Handzeichnung des Künſtlers,

IN. 2200.—: Ausgabe B: Nr. 7—50 in Halbpergamentmappe

M. 900-; Ausgabe C: Nr. 51—150 in Halbleinenmappe

IN. 350.—.

Mombert «Alfred: Aeon. Dramatiſche Trilogie. I. Aeon der Weltgeſuchte. Sinfoniſches Drama. Zweite Auflage.

Geheftet M. 12.—; in Pappband OM. 22.—.

U. Aeon zwiſchen den Frauen. Drama. Zweite Auflage. Geheftet M. 12.—: in Pappband M. 22.—.

III. Aeon vor Syrakus. Drama. Zweite Auflage. Geheftet M. 12.—; in Pappband M. 22.—.

Die Blüte des Chaos. Zweite Auflage. Geheftet M. 12.—; in Pappband M. 22.—.

Der Denker. Gedichtwerk. Zweite Auflage. Geheftet M. 12. ; in Pappband M. 22.—.

Der Glühende. Dritte, veränderte Auflage. Geheftet M. 12.—; in Pappband M. 22.—.

Der Held der Erde. Gedichtwerk. Geheftet M. 8.—: in Halb⸗ leinen M. 18.—.

Die Schöpfu ng. Gedichtwerk. Zweite Auflage. Geheftet M. 14.—; in Pappband M. 24.—.

Der Sonne⸗-Geiſt. In Pappband M. 8.—.

Tag und Nacht. Gedichte. In Pappband M. 8.—.

Morgenländiſche Erzählungen, genannt Palmblätter. Nach der von J. G. Herder und A. J. Liebeskind veranſtalteten Ausgabe neu herausgegeben von Hermann Heſſe. In Leinen M. 25.—.

Mozarts Briefe. Ausgewählt und herausgegeben von Albert Leig- mann. 11.20. Tauſend. In Pappband M. 16.—.

Munk ⸗Georg: Irtegang. Roman. 5.—7. Tauſend. In Pappband M. 20.—.

Die unechten Kinder Adams. Ein Geſchichtenkreis. In Papp⸗ band M. 20.—. i

Sankt Gertrauden Minne. Geheftet M. 14.—; in Halbleinen M. 24.—.

Die Nachtwachen des Bonaventura. Herausgegeben von Franz Schultz. Dritte Auflage. In Pappband M. 26.—; in Halb⸗ pergament M. 45.—.

Nadel «Arno: Der Ton. Auf Dünndrudpapier. In Leinen IR. 45.—.

205

Napoleons Briefe. In Auswahl herausgegeben von Friedrich Schulze, übertragen von es Lachmann. Mit 19 zeitgenöſſiſchen Bildern. In Pappband M. 25.—; in Halbleder M. 60.—.

Nietzſches Briefe an Mutter und Schweſter. Herausgegeben von Eliſabeth Förſter⸗Nietzſche. Zwei Bande. In Halbleinen M. 50.—.

Nietzſches Briefe. Ausgewählt und herausgegeben von Richard Oehler. 11.20. Tauſend? In Pappband M. 22.—.

Okakura-Kakuzo: Die Ideale des Oſtens. Aus dem engliſchen Original übertragen von Marguerite Steindorff. In Halbleinen M. 36.—; in Halbpergament M. 65.—.

Pfiſter-Kurt: Bruegel. Mit 78 ganzfeitigen Bildertafeln. In Halbleinen M. 30.—

Philippe-Charles «Louis: Charles Blanchard. Ein 5 5 Übertragen von Wilhelm Suͤdel. Geheftet M. 10. -; in Pappband

.22.—.

Jugendbriefe an Henri Vandeputte. Übertragen von Wilhelm Gadel. Geheftet M. 10.—; in Pappband M. 22.—.

Pindar. Überfegt und erläutert von Franz Dornſeiff. In Pappband M. 40.—; in Halbpergament M. 60.—.

Geſchichten aus dem alten pita val. Herausgegeben nach der von Schiller getroffenen Auswahl und um weitere Stucke vermehrt von Paul Ernft. Drei Bände. In Halbleinen M. 65.—.

Pontoppidan Henrik: Hans im Glück. Ein Roman in zwei Bänden. Übertragen von Mathilde Mann. Vierte Auflage. In Pappbänden M. 40.—; in Leinen M. 55.—.

Totenreich. Roman in zwei Bänden. Übertragen von Mathilde Mann. In Halbleinen M. 40.—.

Prévoft «Abbe: Geſchichte der Manon Lescaut und des Chevalier des Grieux. Übertragung von Rud. G. Binding. Mit 4 Bildern von Franz von Bayros. Vierte Auflage. In Papp: band M. 20.—: in Halbleder M. 45.—.

Die Pfalmen. Nach der Übertragung Martin Luthers. Taſchenaus⸗ gabe. In Leinen M. 22.—.

Pulver Mar: Auffahrt. Gedichte. In Pappband M. 8.—.

Igernes Schuld. In Pappband M. 8.—.

Merlin. In Pappband M. 9.—.

Reuter -Chriftian: Werke. In zwei Bänden. Herausgegeben von

Georg Witkowski. Einmalige Auflage in 800 Exemplaren. In Halbpergament M. 120.—.

206

Riemer Friedrich Wilhelm: Mitteilungen über Goethe. Herausgegeben von Arthur Pollmer. Mit 24 Bildertafeln. In Pappband M. 45.—; in Halbleder M. 80.—.

Rilke Rainer Maria: Erſte Gedichte. 10.— 13. Tauſend. In Pappband M. 30.—.

Die Frühen Gedichte. 11.— 14. Tauſend. In Pappband M. 30.—. Das Buch der Bilder. 16.— 19. Tauſend. In Pappband M. 30.—. Neue Gedichte. 10.— 14. Tauſend. In Pappband M. 30.—.

Der Neuen Gedichte anderer Teil. 9.—13.Laufend. In Papp- band M. 30.—.

Das Stundenbuch. (Enthaltend die drei Bücher: Vom min: chiſchen Leben; Von der pilgerſchaft; Von der Armut und dom Tode.) 30.—39. Tauſend. In Halbleinen M. 20.—.

Das Stundenbuch. Gedruckt als erſtes Buch der Inſel⸗Preſſe zu Leipzig in 420 numerierten Exemplaren. Titel und farbige Initialen zeichnete Walter Tiemann. In weißem Kalbleder mit Handvergoldung (vergriffen): in Ganzpergament mit der Hand ge⸗ bunden M. 350. —; in Halbpergament M. 380.—.

Requiem., (Für eine Freundin. Für Wolf Graf von Kalckreuth.) 8. und g. Tauſend. In Pappband M. 10.—.

. vom lieben Gott. 24.28. Tauſend. In Pappband .25.—. Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. 13.—17. Tauſend. In zwei Pappbänden M. 45.—.

Auguſte Rodin. Mit 96 Vollbildern. 31.—35. Tauſend. In Halbleinen M. 36.—.

Die Liebe der Magdalena. Ein franzöſiſcher Sermon des 17. Jahrhunderts. Übertragen von Hainer Maria Rilke. 5. und 6. Tauſend. In Pappband M. 15.—.

Guérin »Maurice de: DerKentauer. Übertragen durch Rainer Maria Rilke. Zweite Auflage. In Pappband M. 12.—. .

Rimbaud «Arthur: Leben und Dichtung. Übertragen von K. L. Ammer, eingeleitet von Stefan Zweig. Mit einem Bildnis Rimbauds. Zweite Auflage. In Leinen M. 30.—.

bezahl:) Bekannte und unbekannte Hiftorien von dem abenteuer⸗ lichen und weitberufenen Geſpenſt, dem Rübezahl, zuwege gebracht durch M. Johannes Praetorius. Mit Wiedergabe von 16 Holz: ſchnitten der Ausgabe von 1738. In Pappband M. 32.—; in Halbs leder M. 63.—.

207

Sachs 5 Ausgewählte Werke. (Gedichte und Dramen.) Mit Reproduktionen von 60 Holzſchnitten von Dürer, Beham u. a. nach Originaldrucken. Dritte Auflage. Zwei Baͤnde. In Halb⸗ leinen M. 73.—; in Halbpergament M. 130.—.

Saint⸗Simon: Der Hof Ludwigs XIV. Nach den Denkwördig⸗ keiten des Herzogs von Gaint- Gimon. Herausgegeben und mit einer Einführung verſehen von Wilhelm Weigand. Übertragen von Arthur Schurig. Zweite vermehrte Auflage. Mit 34 zeit genöſſiſchen Bildern (Porträts, Interieurs, Szenen). In Halb- leinen M. 130.—; in Halbleder M. 180.—.

Schaeffer-Albrecht: Attiſche Dämmerung. Gedichte. Zweite Auflage. In Pappband M. 18.—.

Der göttliche Dulder. Dichtung. In Pappband M. 26.—; in Halbleder M. 45.—.

Des Michael Schwertlos vaterländiſche Gedichte. In Pappband M. 16.—.

Elli oder Sieben Treppen. Beſchreibung eines weiblichen Lebens. 5.—8. Tauſend. Geheftet M. 10.—; in Pappband M. 20.—.

Gevatter Tod. Märchenhaftes Epos in vierundzwanzig Mond- phafen und einer als Zugabe. Geheftet M. 14.—; in Pappband M. 24.—.

Gudula oder die Dauer des Lebens. 4.—6. Tauſend. Eine Erzählung. In Pappband M. 20.—.

Helianth. Bilder aus dem Leben zweier Menſchen von heute und aus der norddeutſchen Tiefebene in neun Büchern. Drei Bände. Geheftet M. 100.—; in Halbleinen M. 150.—: in Halbpergament M. 200.—. '

H Ad, roiſche Fahrt. Gedichte. Zweite Auflage. In Pappband 18.—. |

ö Erzählungen. 4.7. Tauſend. In Pappband .20.—.

Parzival. Ein Bersroman in drei Kreiſen. (Im Druck.)

Scheffler «Karl: Deutſche Maler und Zeichner im neun: ehnten Jahrhundert. Mit 78 Bildertafeln. 7.—9. Tauſend. In Halbleinen M. 50.—.

Der Geiſt der Gotik. Mit 102 Vollbildern. 26.—30. Tauſend (befindet ſich im Druck). J 1 7.—g. Tauſend. Mit 118 Bildertafeln. In Halbleinen 70.

208

(Scheffler:) Leben, Kunſt und Staat. Geſammelte Eſſays. Zweite Auflage. In Pappband M. 22.—.

Schillers Sämtliche Werke in ſechs Bänden. Herausgegeben

von Albert Köfter und Max Hecker. (Großherzog Wilhelm Ernſt⸗ Ausgabe deutſcher Klaſſiker.) In Leinen M. 250. -; in Leder M. 830.—.

Die Briefe des jungen Schiller. Ausgewählt und eingeleitet von Max Hecker. Mit einer Silhouette. 11. 13. Tauſend. In Papp⸗ band M. 16.—.

Schillers Geſpräche. Berichte feiner Zeitgenoſſen über ihn. Heraus⸗

egeben von Julius Peterſen. Mit vier Bildern in Lichtdruck. In Pappband M. 24.—. ;

Schopenhauers Werke in fünf Bänden. (Großherzog Wilhelm Ernft= Ausgabe deutſcher Klaſſiker.) In Leinen M. 220.—; in Leder M. 730.—.

Schopenhauers Aphorismen zur Lebensweisheit. Taſchen⸗ ausgabe. 23.—28. Tauſend. In Leinen M. 23.—.

Schopenhauer Arthur: Briefwechſel und andere Dokus mente ſeines Lebens. Ausgewählt und herausgegeben von Max Brahn. In Pappband M. 22.—.

Seidel «Willy: Der Buſchhahn. Roman. Geheftet M. 10.—: in Pappband M. 20.—.

Der Garten des Shudhän. Novellen. Zweite Auflage. Ges heftet M. 10.—; in Pappband M. 20.—.

Der Sang der Sakije. Roman aus dem heutigen Agypten. 3.—5- Tauſend. In Pappband M. 20.—.

Shakeſpeares Geſammelte Werke in Einzelausgaben. Auf Grund der Schlegel⸗Tieckſchen Ubertragung bearbeitet und vielfach erneuert vn Hermann Conrad, Max Förſter, Ludwig Fraenkel, Marie Louife Gothein, Rudolf Imelmann, Fritz Jung. Max J. Wolff. In Pappband je M. 15.—; in Halbpergament M. 34.—.

Bisher erfihienen; Macbeth. Hamlet. Othello. Ein Sommernachtstraum. König Lear. Sturm. Was ihr wollt. Weitere Bände werden in kurzem folgen.

Stein Heinrich von: Geſammelte Dichtungen. Herausges geben von Friedrich Poste. Drei Bände. In Pappbanden M. 32.—.

Inhalt: Die Ideale des Materialismus Vermächtnis Helden und Welt Dramatiſche Bilder und Erzählungen.

209

Stendhal ⸗Friedrich von (Henri Benle): Das Leben eines Gonderlings. ys ial von Arthur Schurig. Auf Dünns druckpapier. In Leinen M. 35.—: in Leder M. 160.—.

Bon der Liebe. Übertragen von Arthur Schurig. Auf Dänndruck⸗ papier. In Leinen M. 40.—; in Leder M. 150—.

Rot und Schwarz. Roman. Übertragen von Arthur Schurig.

Auf Duͤnndruckpapier. In Leinen M. 55.—; in Leder M. 160.—.

Stifter -Adalbert: Der Nachſommer. Roman. Vollſtändige Ausgabe in einem Bande auf Duͤnndruckpapier. In Leinen M. 80.—: in Leder M. 160.—.

Studien. (Erzählungen.) Vollſtändige Ausgabe in on Bänden auf Dünndrudpapier. 9.—13.Laufend. In Leinen IN.8o.—; in Leder M.320.—.

Witiko. Roman. Auf Dünndrudpapier. In Leinen M.60.—; in Leder M. 170.—. |

Storm-Theodor: Sämtliche Werke. Herausgegeben und ein» geleitet von Albert Köſter. 11.15. Tauſend. In vier Bänden auf Dünndruckpapier. In Leinen M. 240.—; in Leder IN.720.—.

Strauf «David Friedrich: Ulrich von Hutten. Herausgegeben von Otto Clemen. Mit 35 Lichtdrucktafeln. In Halbleder M. 120.—.

Taube -Otto Freiherr von: Gedichte und Szenen. In Halb- leinen M. 10.—. l

Neue Gedichte. In Halbleinen M. 10.—.

Der verborgene Herbſt. Roman. Zweite Auflage. In Halb⸗ leinen M. 18.—. |

Die Löwenprankes. Roman. Geheftet M. 20.—; in Halbleinen M. 30.—. :

Die Erzählungen aus den Tauſendundein Nächten. Boll ſtändige deutſche Ausgabe in Im Bänden. Zum erften Male nach dem arabifchen Urtext der Calcuttaer Ausgabe vom Jahre 1839 übertragen von Enno Littmann. Erſter Band. In Leinen M. 73.—; in Leder M. 180.—.

Thukydides: Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. Übers tragen von Theodor Braun. Zwei Bände. In Pappbänden M. 40.—. Timmermans -Felix: Das Jeſuskind in Flandern. Aus

dem Flämiſchen übertragen von Anton Kippenberg. 4. 10. Tauſend. In Pappband M. 20.—.

Pallieter. Aus dem Flämiſchen übertragen von Anna Valeton⸗ Hoos. 4.—g.Laufend. In Pappband M. 26.—.

210

Tolſtoi Leo N.: Meifterromane. Übertragen von Adolf Heß und H. Röhl. In fieben Halbleinenbänden M. 200.—. Inhalt: Anna Karenina Auferſtehung Krieg und Frieden.

Der Roman von Triſtan und Iſolde. Erneut von Joſef Bedier. Autoriſierte Übertragung von Rudolf G. Binding. 11.14. Tauſend. In Pappband M.25.—; in Halbpergament M. 36.—.

Tſchuang-⸗Tſe: Reden und Gleichniſſe. In deutſcher Auswahl von Martin Buber. Vierte Auflage. Geheftet M. 13.—: in Papp⸗ band M. 23.—; in Halbpergament M. 45.—.

Twain Mark: Der geheimnisvolle Fremde. Eine Phantaſie. Übertragung von Wilhelm Nobbe. In Leinen M. 28.—.

Ullmann «Regina: Gedichte. In Pappband M. 12.—.

Die Landſtraße. Erzählungen. Geheftet M. 15. ; in Pappband

M. 25.—.

Velde «Henry van de: Eſſays. Mit Einband und Titelzeichnung vom Verfaſſer. In Pappband M. 20.—.

Berbaeren »Emile: Fünf Erzählungen. Mit 28 Holzſchnitten von Frans Maſereel. Einmalige Auflage von 1100 Exemplaren. In Pappband M. 50.—. Vorzugsausgabe: 100 numerierte Exem⸗ place auf echtem Bütten in Pergament (Handband) M. 220.—.

Drei Dramen. (Helenas Heimkehr: Philipp II.: Das Kloſter.) Nachdichtung von Stefan Zweig. In Pappband M. 20.—.

Rembrandt. Übertragen von Stefan Zweig. Mit 96 ganzſeitigen Abbildungen nach Gemälden, Zeichnungen und Radierungen Rem- brandts. 36.40. Tauſend. In Halbleinen M. 35.—.

Rubens. Übertragen von Stefan Zweig. Mit 95 Abbildungen nach Gemälden und Zeichnungen Rubens'. 21.— 25. Tauſend. In Halbleinen M. 33.—.

Die wogende Saat. Übertragen von Paul Zech. In Pappband M. 20.—.

Berlaine «Paul. Geſammelte Werke in zwei Bänden. Herausge— geben von Stefan Zweig. In Halbleinen M. 100.—; in Halbper⸗ gament M. 160.—.

Bermenlen »Auguft: Der ewige Jude. Aus dem Flaͤmiſchen übertragen von Anton Kippenberg. Mit 12 Holzſchnitten von Frans Maſereel. In Halbleinen M. 40.—. Vorzugsausgabe: 200 numerierte Exemplare auf echtem Bütten in Pergament (Hand— band) M. 250.—.

Verwen «Albert: Europäiſche Auffäse. Aus dem Holländiſchen übertragen von Hilde Telſchow. In Pappband M. 20.—.

211

(Verwey:) Gedichte. Ausgewählt und übertragen von Paul Cron: heim. 1050 Exemplare, gedruckt auf der Cranach⸗Preſſe in Weimar. In Pappband M. 20.—.

(Villers -Alexander von:) Briefe eines Unbekannten. Herausgegeben von Karl Graf Lanckoronͤski und Wilhelm Weigand. Mit zwei Bildniffen in Heliogravüre. Zwei Bände. In Halb- leinen M. 60.—.

Viſcher-Friedrich Theodor: Auch Einer. Roman. In Halb» pergament M. 50.—.

Vogeler Worpswede -Heinrich: Dir. Gedichte und Beid nungen. Sechſte Auflage. In Halbleinen M. 35.

(Völker wanderung:) Die Germanen in der Voͤlkerwan— derung. Nach zeitgenöfjifchen Quellen von Johannes Bühler. Mit 16 Bildertafeln und einer Karte. In Pappband M. 55.—; in Halbleder M. 85.—.

Wackenroder und Tieck: Herzensergießungen eines kunſt⸗ liebenden Kloſterbruders. Mit einer Einleitung von Oskar Walzel. In Pappband M. 22.—.

Wagner Rihard: Auswahl feiner Schriften. Herausgegeben von Houſton Stewart Chamberlain. In Pappband M. 16.—.

Waldmann «Emil: Albrecht Dürers Leben und Kunſt. Boll ſtändige Ausgabe mit 240 Vollbildern. In Halbleder M. 120.—.

Albrecht Dürer. Mit 80 Vollbildern nach Gemälden des Meifters. 11.20. Tauſend. In Halbleinen M. 30.—.

Albrecht Dürers Stiche und Holzſchnitte. 11.—20. Tauſend. Mit 80 Vollbildern. In Halbleinen bn. 30.—.

Albrecht Dürers Handzeichnungen. Mit 80 Vollbildern. 11.20. Tauſend. In Halbleinen M. 30.—.

Walzel-Oskar: Ricarda Hud. Ein Wort über Kunſt des Cr: zählens. In Pappband M. 8.—.

Geſammelte Aufſätze. Zweite Auflage. (Im Druck.)

Wasmann-Friedrich. Ein deutſches Künftlerleben, von ihm ſelbit geſchildert. Herausgegeben von Bernt Gronvold. Mit 107 Bol bildern in Lichtdruck. In Leinen M. 60.—.

Weigand -Wilhelm: Stendhal und Balzac. Eſſays. In Pappband M. 20.—.

Der verſchloſſene Garten. Gedichte aus den Jahren 1901—1909. In Pappband M. 10.—.

212

(Weigand:) Die Frankenthaler. Roman. Siehe Bibliothek der Romane, Seite 214.

Wilde Oscar: Die Erzählungen und Marden. Mit ro Voll⸗ bildern ſowie Initialen, Titels und Einbandzeichnung von Heinrich Vogeler- Worpswede. 93.— 10g. Tauſend. In Pappband M. 30.—; in Halbpergament M. 70o.—

Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth: Memoiren. Deutſch von Annette Kolb. Mit 10 Vollbildern. Zweite Auflage. In Papp⸗ band M. 33.—; in Halbleder M. 65.—.

Winckelmanns kleine Schriften zur Geſchichte der Kunſt des Altertums. Herausgegeben von Hermann Uhde-Bernans. Mit 10 Vollbildern. In Halbleinen M. 23.—.

Yeats «William Butler: Erzählungen und Eſſays. Über: tragen aus dem Jrifden von Friedrich Eckſtein. In Halbleinen

. 16.—.

Zola «Emile: Arbeit. Roman. In Halbleinen M. 25.—.

Wahrheit. Roman. In Halbleinen M. 23.—.

Der Zuſammenbruch. Roman. In Halbleinen M. 25.—.

Zweig⸗ Stefan: Drei Meiſter (Balzac Dickens Dojto- jewſki). 4-8. Tauſend. In Pappband M. 24.—.

Erſtes Erlebnis. Vier Geſchichten aus Kinderland. 8.— 10. Tauſend. Geheftet M. 10.—; in Pappband M. 24.—.

ga frühen Kränze. Gedichte. Dritte Auflage. In Pappband

.12.—.

Jeremias. Eine dramatiſche Dichtung in neun Bildern. 14—18. Tauſend. In Pappband M. 18.—.

Legende eines Lebens. Kammerſpiel in drei Aufzuͤgen. In Papp- band M. 9.—.

—Terſites. Ein Trauerſpiel in drei Aufzügen. Zweite Auflage. In Pappband M. 10.—.

Der verwandelte Komödiant. Ein Spiel aus dem deutjchen Rokoko. Zweite Auflage. In Pappband M. 8.—.

Der Zwang. Eine Novelle. Mit 10 Holzſchnitten von Frans Maſereel. Einmalige Auflage in 460 numerierten Exemplaren. Nr. 1—50 auf Büttenpapier in Leder (vergriffen); Nr. 51—460 in Halbpergament M. 100.—.

213

Die Bibliothek der Romane Jeder Band in Halbleinen M. 25.—.

Willibald Alexis: Die Hoſen des Herrn von Bredow. Vaterländiſcher Roman. 16.—20. Tauſend.

Cyriel Buyſſe: Roſe van Dalen. Aus dem Flämiſchen über: tragen von Georg Gartner.

Cervantes: Novellen. Vollſtändige deutſche ut auf Grund älterer Übertragungen bearbeitet von Konrad Thorer. Mit einem Nachwort von Hermann Schneider. Zwei Bände.

De Coſter: Flämiſche Mären. Übertragen von Albert Weſſelski. 11.— 20. Tauſend.

Die Hodzeitsreife. Ein Buch von Krieg und Liebe. Zum erften Male übertragen von Albert Weſſelski. 31.40. Tauſend.

Uilenſpiegel und Lamme Goedzak. Ein fröhliches Buch trotz Tod und Tränen. Übertragen von Albert Weſſelski. 31.40. Tauſend.

Doſtojewſki: Sämtliche Romane und Novellen in Einzelausgaben: (Geſamtausgabe ſiehe Seite 199.)

Arme Leute. Ein Band.

Der Doppelgänger. Ein Band.

Aus dem Dunkel der Großſtadt. Helle Nächte. Ein Band. Die Wirtin und andere Novellen. Ein Band.

. Njeſwanowa und andere Erzählungen. Ein and

Ein kleiner Held. Onkelchens Traum. Ein Band.

Das Gut Stepantſchikowo. Ein Band.

Erniedrigte und Beleidigte. Zwei Bände.

Aufzeichnungen aus einem Totenhauſe. Ein Band.

Schuld und Sühne ( Raſkolnikow). 21.30. Tauſend. Zwei Bände.

Der Spieler und andere e 11.— 13. Tauſend. Ein Band.

Der Idiot. Drei Bände.

Der lebens längliche Ehemann. Die fremde Frau und der Mann unter dem Bett. Ein Band.

214

(Doſtojewſki:) Die Teufel. Drei Bände, Werdejahre. Zwei Bande.

Die Brüder Karamafoff. 11.—20. Taufend. Drei Bände.

Georges Eekhoud: Das neue Karthago. Roman aus dem heutigen Antwerpen. Übertragen von Tony Kellen.

Flaubert: Frau Bovary. Übertragen von Arthur Schurig. 26.—30. Tauſend.

Salam bo. Ein Roman aus dem alten Karthago. Übertragen von Arthur Schurig. 21.—25. Tauſend.

Louife von François: Frau Erdmuthens Zwillingsſöhne. Ein Roman aus der Zeit der Freiheitskriege. 16.—20. Tauſend.

Die letzte Reckenburgerin. 49.—58. Taufend.

Jeremias Gotthelf: Wie Uli der Knecht glücklich wird. 11.—13. Tauſend. |

E. T. A. Hoffmann: Der goldne Topf. Klein Bades. Meifter Martin der Küfner und feine Geſellen. 11.—15. Tauſend.

Jens Peter Jacobſen: Frau Marie Grubbe. Übertragen von Mathilde Mann. 21.—25. Tauſend.

Niels Lyhne. Übertragen von Anka Matthieſen. 31.40. Tauſend.

Selma Lagerlöf: Göſta Berling. Erzählung aus dem alten Wermland. Übertragen von Mathilde Mann. 35.—42. Tauſend. Zei Bände |

Jonas Lie: Die Familie auf Gilje. Roman aus dem Leben unferer Zeit. Übertragen von Mathilde Mann.

Wilhelm Meinhold: Maria Schweidler, die Bernſteinhexe. Der intereſſanteſte aller bisher bekannten Hexenprozeſſe, nach einer defekten Handſchrift ihres Vaters herausgegeben.

Eduard Mörike: Maler Nolten. In urſprünglicher Geſtalt. 11.13. Tauſend. Ä

Karl Philipp Moritz: Anton Reifer. Ein pſychologiſcher Roman. 6.— 10. Tauſend.

Henri Murger: Die Boheme. Szenen aus dem Parifer Künftlers leben. Übertragen von Felix Paul Greve. 16.—20. Tauſend.

Scheffel: Ekkehard. Eine Geſchichte aus dem 10. Jahrhundert. 26.—35. Tauſend. |

218

Walter Scott: Yoanhoe. In der Überfegung von L. Tafel.

11.—15. Tauſend.

Der Talisman. In der revidierten Übertragung von Auguſt Schäfer 11.—15. Tauſend.

Charles Gealsfield (Karl Pofth: Das Kajütenbuch. (Ein Roman aus Texas.) 11. 13. Tauſend.

Stijn Streuvels: Der Flachsacker. Aus dem Flämiſchen übers tragen von Severin Rüttgers.

Auguſt Strindberg: Am Meer. Übertragen von Mathilde Mann.

Die Leute auf Hemſß. Übertragen von Mathilde Mann. 11.—20. Tauſend.

Thackeray: Die Geſchichte des Henry Esmond, von ihm ſelbſt erzählt. Übertragen von E. v. Schorn.

Ludwig Tieck: Vittoria Accorombona. Ein Roman aus der Renaiſſance.

Claude Tillier: Mein Onkel Benjamin. Übertragen von Rudolf G. Binding. 11.— 13. Tauſend.

Tolſtoi: Anna Karenina. Übertragen von H. Röhl. 11.—20. Tauſend. Zwei Bände.

Auferſtehung. Übertragen von Adolf Heß. 11.20. Tauſend.

Krieg und Frieden. Übertragen von H. Röhl. g.— 13. Tauſend. Vier Bande.

Turgenjeff: Väter und Söhne. In der vom Dichter ſelbſt res vidierten Übertragung. 11.15. Tauſend.

Wilhelm Weigand: Die Frankenthaler. 11.-15. Tauſend.

Oskar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray. Übertragen von Hedwig Lachmann und Guftav Landauer. 16.—25. Tauſend.

Der Dom

Bücher der deutſchen Myſtik. In Verbindung mit Joſef Bernhart. Alois Bernt, Johannes Bühler, Max Fiſcher, Max Pulver, Johannes Schmidt, Karl Widmaier herausgegeben von Hans Kahſer.

Theolog ia deutſch. Herausgegeben und mit einer ausführlichen Ein⸗ leitung über das Weſen der Myſtik verſehen von Joſef Bernhart. In Halbleinen M. 34.—; in Halbpergament M. 56.—.

216

~~

Buftav Th. Fechner: BendsAvefta Herausgegeben von Max Fiſcher. In Halbleinen M. 36.—; in Halbpergament M. 60.—.

Jakob Böhme: Ausgewählte Schriften. Herausgegeben von Hans Kayſer. In Halbleinen M.4o.—; in Halbpergament M. 66.—.

Theophraſtus Paracelfus: Schriften. Herausgegeben von Hans Kanfer. In Halbleinen M. 70.—; in Halbpergament M. 96.—.

Franz von Baader: Schriften. Herausgegeben von Max Pulver. In Halbleinen M. 50.—; in Halbpergament M. 75.—.

J. G. Hamann: Schriften. Herausgegeben von Karl Widmaier. In Halbleinen M. 50.—; in Halbpergament M. 75.—.

Ausführliche Ankündigungen über die vorerſt auf etwa zwölf Bände berechnete Sammlung ſtehen zur Verfugung.

Bibliotheca Mundi (In den Urſprachen)

Jeder Band in Pappband mit Pergamentverftärfung M. 35.—; in Halbleder M. 70.—.

Anthologia Helvetica (Schweizer Anthologie). Deutsche, latei- nische, französische, italienische, rätoromanische Gedichte und Volkslieder.

Baudelaire: Les Fleurs du Mal.

Byron: Poems.

Kleist: Erzählungen.

Musset: Trois Drames (André del Sarto; Lorenzaccio; La Coupe et les Lévres).

Pycckift Iapnacc’® (Russischer Parnaß).

Santa Teresa: Libro desu Vida. ;

Stendhal: De Amour.

Q. Horati Flacci Opera.

Napoléon: Documents, Discours. Lettres.

217

Libri Librorum

(In den Urſprachen) | Jeder Band auf Dünndrudpapier gedruckt und ſchmiegſam in Leinen | und Leder gebunden | Balzac: Les Contes Drolatiques. In Leinen M. 40.—; in Leder M. 140.—.

locroesokif: IpeorynneniemHarasaanie. (Dostojewski: Schuld und Sühne.) In Leinen M. 30.—; in Leder M. 130.—.

Dante: Opera Omnia. Enthaltend La Divina Commedia; II Can-

zoniere, Vita Nuova, Il Convlvio, sowie die lateinischen Schriften und Briefe. Mit einer Einleitung von Benedetto Croce. Zwei Bände. In Leinen M. go.—; in Leder M. 280.—.

OMHPOY EMH. (IdIA2. O4 TZ CE IA.) Herausgegeben von Paul Cauer. In Leinen M. 60.—; in Leder M. 160.—. f

Der Nibelunge Not.

Kudrun.

Herausgegeben von Eduard

Sievers. In Leinen M. 40.—; in Leder M. 140.—.

Goethes Faust. Gesamtausgabe. Enthaltend Urfaust, Fragment (1790), Tragödie I. u. II. Teil, Paralipomena. In Leinen M. 35.—:

in Leder M. 140.—.

Pandora (In den Urſprachen)

Jeder Band gebunden (nach Art der Inſel- Bücherei) M. 5.—. Bisher erſchienen 52 Bände

Amerikanisch

Great Political Docu- ments of the United States of America. (52)

Emerson: On Nature, with Goethes Natur.

)

Irving: Christmas at Bracebridge (Sketches.) (10)

Longfellow: Evan: geline. (18)

Poe: The Raven and

other Poems, prece- ded by The Philoso-

218

phy of Composition. (38)

Deutsch

Angelus Silesius: Aus dem Cherubini- schen Wandersmann und den geistlichen Hirtenliedern. (34)

Eichendorff: Aus dem Leben eines Tau- genichts. (8)

Goethe:Hermann und Dorothea. (16)

Gotthelf: Das Erd- beeri-Mareili. (30)

E. T. A. Hoffmann: Das Fräulein von Scu- deri. (35)

Kant: Zum ewigen Frieden. (3).

Schiller: Wilheim Tell. (12)

Stifter: Der Waldsteig. (31)

Englisch

Elizabeth Barrett- Browning:Sonnets from the Portuguese.

(17) Byron: Marino Faliero.

15)

Dickens: A Christ- mas Carol With illu- stations by John Leech. (13)

The a oe of Everyman. (50 gl ebb tt (1 A8 Miner pee ae

Pope: The Rape of the Lock. (11) =

Shakespeare: Son- nets. (1)

Shelley: The Cenci. (22)

Französisch

Balzac: Jésus- Christ en Flandre. Le Chef- d'œuvre inconnu. (26)

Bossuet: Deux Orai- sons Funèbres. (44)

Corneille: Le Men-

teur. (21) De Coster: Smetse Smee. (40) Flaubert: Trois Con- tes. (43)

Oalland: Les Aventures d' Haroun al- Raschid. (Contes des Mille et une Nuits.) (29)

LaFontaine: Fables. Avec des gravures de Virgil Solis. (37)

a Carmen.

Molitre: Le Malade Imaginaire. (2)

Musset: Le Fils du Titien. Mimi Pinson.

(36)

Racine: Athalie. (14)

Stendhal: Vittoria Accoramboni. Les Cenci. (Nouvelles ita- liennes.) (9)

FrancoysVillon:Le Testament. (27) Lais. Poésies diverses. Bal- lades en Jargon. (47)

Voltaire: Zadig. (32) Italienisch

Boccaccio: Sei No-

velle. Con incisioni. (33)

Boccaccio: Vita di Dante. (42)

Dante: Vita Nuova. (46)

Fioretti di San Pran: cesco. (51)

Leopardi: Pensleri. (6) Petrarca: Trionfi: (20)

Lateinisch

Tacitus:Germania. (7) Jacobus a Voragine: Legenda aurea. (48)

Russisch

H. B. Toroas: My- Henb. Hocb. (Qo- ol: Der Mantel. Die ase.) (41) MNocrtoesckiä:Be- JAkið HHKBH3H- TOpb YOPTb. KOM- MapbHBaHa0e10o- poBH4a.. (Dosto- jewski. Der Groß- inquisitor. Iwans Alp.) (25) JI. H. Tou cron: Ha- ponlHhle pascka3Hl. (Tolstoi: Volkser- zählungen.) (45) TypreuesB®e: Crn- xOTBOpeHia Bb uposb. (Turgen- eff: Gedichte in rosa.) (39) HBmenkie IIoerH Bb PyCCKHX> Nepe- BOAT B. (Deutsche Dichter in russischen Übertragungen.) (49)

Spanisch Calderon: La Vida es Sueño. (5) Cervantes: Rinconete . y Cortadillo. (23)

Die Infel-Bücherei Jeder Band gebunden Mark 5.—.

Die Sammlung umfaßt bisher 339 Bände und enthält Novellen, Erzählungen, Volksbücher, Dramen, Gedichte, Sprüche, Briefe, Memoiren, Kunſtbücher und Eſſays aller Völker und Zeiten. Sonderverzeichniſſe ſtehen unberechnet

zur Verfügung.

219

Inhalt Text Kalendarium für das Jahr 1922 ũe mu Johann Georg Hamann: Gedanktttt nn Georg Munk: Die Begegnungen Ridderts, des Edelmanns Drei Lieder aus ,,Laufendundeine Nacht Aus dem Buche „Die Germanen in der Völkerwanderung“... . Alfred Mombert: Der Dämon e Felix Timmermans: Ein Weihnachtsgleichn is Hugo von Hofmannsthal: Aphorismen Saint⸗Simon: Porträts vom Hofe Ludwigs XIV. ........ Gines Perez de Hita: Feſte und Fehden zu Granada Ernſt Bertram: Zwei Gedichte SST Ricarda Huch: Aus dem Buche „Cntperfönliþung“. ....... Paul Verlaine: Aus den Gedichten der Bekehrung Worte des Paracelſuun x ssds sss Rudolf Alexander Schröder: Vier Gedichte Regina Ullmann: Die Landſtragnee enn Vier Gleichniſſe des Ferid⸗ed⸗ din Attar... eee Johannes R. Becher: Zwei Gedichttrc ee Hans Caroſſa: Der Zaubereenꝶtttdddtttdtdd ee et Theodor Däubler: Drei Gedichte e Paul Ernft: Der Kirſchbaaau me Albrecht Schaeffer: Der Emmaus⸗Trauaanumnmnm Stefan Zweig: Epifode vom Genfer See Alexander Lernet: Zwei Gedichttttt eu Otto Freiherr von Taube: Charlottenburger Park

Kants Diener e © è O % e @ 6 ose re % „„ „7

220

Bilder

Germanen auf der Wanderung. Siegesdenkmal von Adam=Clifi in der Dobrudſcha.

F. A Cazals: paul Verlaine auf dem Totenbett.

W. Schadow: Clemens Brentano. (Aus dem Buche „Clemens Brens tano und Minna Reichenbach“. )

Daniel Chodowiecki: Blatt aus dem Stammbuch Zingg. (Eine Fakſimile⸗ Ausgabe dieſes ſchönſten aller bekannten Stammbücher erſcheint im Laufe des Jahres 1922 im Inſel⸗Verlag.)

Drud vom Bibliographiſchen Inſtitut in Leipzig

INSEL- ALMANACH AUF DAS JAHR

1923

u

KAL END AR I U M

Wer in der Weltgeschichte lebt,

Dem Augenblick sollt’ er sich richten?

Wer in die Zeiten schaut und strebt,

Nur der ist wert, zu sprechen und zu dichten.

GOETHE

« Januar +

Februar- [ März =

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22.S.n. Tr. Montag Dienstag Mittwoch

HUGO VON HOFMANNSTHAL VORSPIEL ZUM SALZBURGER GROSSEN WELTTHEATER

Dass es ein geistliches Schauspiel von Calderon gibt, mit Namen „Das große Welttheater“, weiß alle Welt. Von diesem ist hier die das Ganze tragende Metapher ent- lehnt: daß die Welt ein Schaugerüst aufbaut, worauf die Menschen in ihren von Gott ihnen zugeteilten Rollen das Spiel des Lebens aufführen; ferner der Titel dieses Spiels und die Namen der sechs Gestalten, durch welche die Menschheit vorgestellt wird sonst nichts. Diese Bestand- teile aber eignen nicht dem großen katholischen Dichter als seine Erfindung, sondern gehören zu dem Schatz von Mythen und Allegorien, die das Mittelalter ausgeformt und den späteren Jahrhunderten übermacht hat

PERSONEN

MEISTER/ENGEL/ZWEITERENGEL/WELT/ VORWITZ / TOD / WIDERSACHER / UNVER- KORPERTE SEELEN.

KONIG /SCHONHEIT WEISHEIT / REICHER / BAUER / BETTLER.

Musik. Heilige Männer und Frauen: Propheten und Sib yilen. hereintrelend, blicken erwartungsvoll stufenauf gegen den Palast des Meisters.

Engel tritt herein, Welt hinter ihm. Ihr folgen Tod und Vorwil:.

Tod ist schwarz gekleidet, mit Mantel, weißem Hut und Degen,

Vorwitz trägt scheckige Lakaienkleidung, einen Fächer im Gürtel und eine Laute umgehängt.

WELT Wohin führst du mich?

ENGEL weist thr einen Platz an

Hier warte. Deine Leut hinter dir. Du bist berufen.

WELT Wer sind dort die?

ENGEL Auch berufen; achte, wie ich sie grüße. Tritt hin, neigt sich. Gegrüßt seid mir, heilige Propheten, weissagende Frauen;

eurer Worte jegliches glänzt durch die Zeiten. Der Herr ist mit euch.

WELT Ich kenn euch wohl. Meine Berge haben euch getragen, die Hände zum Himmel zu recken, meine Höhlen waren der rechte Ort, wo ihr die Schatten der Gewesenen be- schwören konntet; ihr möget mich auch zuvor grüßen.

PROPHETEN

zusammen

Du großes Wunder-Werk der sieben Tage, Welt, sei uns gegrüßt.

10

Vaa re Sr or E

WELT zu den Sibyllen, die in Schweigen verharren

Seid ihr Weiber so stolz? Mit eurem A O U habt ihr viel Geister gerufen und viel Ruhm ergattert. Wem aber das Volle gegeben ist, der schreit nicht A noch U und dem ist die Zunge zu schwer für Sprüch, aber wenn er wollte, möcht er leicht mehr sagen, als ihr vermocht habt. Was führt uns hier an dieser Statt zusammen?

PROPHETEN

Der Wille, der alles vermag, was er will. Wir sind beschie- den und harren. Fanfaren.

WELT Das tönt nach einem großen Herren! Kommt jetzt der Meister gegangen?

Sieht sich um.

ENGEL Schweig und harre.

WIDERSACHER tritt vorsichtig heran, er ist schwarz gekleidet als ein Gelehrter.

WELT Ist der Schleicher auch da das ist eine sonderliche Zusammenkunft.

ENGEL Wo du bist, da ist ihm Zutritt gegeben, so wie dem, der

hinter dir steht. Ruhig jetzt.

Fanfaren abermals, Propheten und Sibyllen wenden sich ehrfurchts- voll gegen den Palast.

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WELT Von wo kommt er? Ich sehe ringsum nichts.

ENGEL Schau nach oben, und wenn du siehst, dann fall in die

Knie.

Fanfaren zum drittenmal. Es dunkelt und wird gleich wieder hell.

Der Meister steht da im Sternen mantel. Propheten und Sibyllen

fallen in die Knie, die ausgebreiteten Hände nach hinten genommen.

Welt fällt auch in die Knie, ebenso der Engel und hinter ihm Tod und Vorwilz. Widersacher drückt sich rechts in die Vorhänge.

MEISTER richtet seinen Blick auf die Welt, nicht mst Strenge.

WELT

auf den Knien

Meister, was befiehlst du mir, deiner Magd?

MEISTER Ein Fest und Schauspiel will ich mir bereiten. Dazu die Bühne heiß’ ich dich aufschlagen. Heb dich und gehs an! WELT auf ihren Füßen

Du bist aller vier Elemente Schöpfer, aller Berge Türmer, aller Meere Dammer, was kann ich schaffen, das dir könnte Veränderung bereiten, Überraschung oder Ergetzen? Oder dennoch? Ja? Stürz ich Berg über Meer, Meer über Berg reiß ich die ewigen Ströme aus ihrem Bett und schmeiß sie in Katarakten nieder ans Feste? Willst du alle Ele- mente glühend? Ich bin zu lange ein zahmes Weib ge- wesen, laß mich wieder los von der Kette, und ich will ein Schauspiel geben, darüber der Mond erschrecken soll!

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MEISTER Was du da herbietest, wäre mir nicht mehr, als ein zwei- jährig Kind spielen sehen mit Strohhalmen. Ein ganz anderes auserlesenes Werkstück will ich betrachten, ein lebendes, geheimes freies Wirken. Zu solchem Schauspiel rüste du mir die Bühne.

WELT steht sich um

Von welchem Geheimnis redet der Meister da?

VORWITZ Chymie! Chymie! Das ist seine Sache! Er will Gold machen aus niedrigen Erden!

WIDERSACHER Er wiederholt sich nie. In solcher Weise hab ich ihn von Geschaffenem nie reden hören

ENGEL triti auf ihn zu, als thn zum Schweigen zu verhalten.

MEISTER

winkt dem Engel, den Widersacher in Ruhe zu lassen, dann zur Welt, gütig

Von dem Menschen rede ich, deinem Gast.

WELT Die Menschen? an den Käfern willst du dich ergetzen? Wie Ameisen laufen sie hin und her, vorwärts und rück- wärts, bauen Städte, gründen Reiche, zerstörens wieder, lassen keinen Stein auf dem anderen. In einem Schwarm Wespen ist mehr Vernunft als in denen.

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MEISTER In dem, worin du sie nicht fassest, ist ihr Großes: denn wisse, nach meinem Ebenbilde habe ich sie geschaffen. Du aber bist da, damit du der Menschen Füße tragest. Das ist das Herrlichste, das wird von dir gesagt werden.

WIDERSACHER Was will er Sonderbares? auf was geht das hinaus? Ich muß mich bereit halten. Meine Bücher zum Nachschlagen,

meine Kompendien! Setzt seine Brille auf.

Der Avicenna fehlt, der Lukrez ist nicht da schlampig mir eingepackt, der junge Grasteufel, mein Bibliothekar.

WELT .

Ho, Herr! Der Mensch ist mein Werkstück, wenn auch das ansehnlichste nicht. Was an ihm taugt, habe ich ihm mitgegeben. Wäre er wohlberaten und bliebe in seinen Schranken, hielte er sein irrwitziges Denken im Zaum, begehrte nichts, als meine Herrlichkeiten zu genießen. und sänke, wo ihm der Atem ausgeht, in mich wieder hin. da geschähe ihm wohl, dem Tausendfuß, dem vermale- deiten, der an lotrechten Mauern klettern will.

ENGEL |

Zähm den ungesalbten Mund, scheckig Wesen! Heiden- weib! Hat der Herr dich nicht einmal schon ersäuft und, als du am letzten warst, einen neuen Weltstand über dich aufgehen lassen! Hüte dich!

EINER DER PROPHETEN Prunkest du mit deinen Kräften, Welt, weil du noch immer fest auf den Füßen stehst! Es kommt schon der Tag, wo

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auch du in die Knie brichst; und der jetzt hinter dir steht. springt dir in deinen Nacken als dein Reiter, und unter dem fährst du dahin in die Finsternis.

WELT

stohnt auf, verbirgt thr Gesicht.

VORWITZ

versteckt sich.

WIDERSACHER

einen Schritt näher tretend, nimnit sein Barett ab

Ich sehe, es wird hier ein Hofgericht gehalten, und dabei geht es streng her über ein armes Weib, das eine schwere Zunge hat. Ich meine, mit Erlaubnis, daß ihr ein Anwalt gebührt. Ich wäre bereit, obwohl mir der Handel unbe- kannt ist wenn mir wollte gestattet werden, als Proku- rator dieser Frau zur Seite zu treten —, ich müßte aber “vor ein Gespräch mit ihr haben, damit sie mich ein- weiht in ihre Sach. Ich bin Doktor der Logik, aber auch in rechtlichen Sachen sehr erfahren -— _ MEISTER

ohne ihn zu achten, gütig wie zuvor

Genug. Der Menschen Tun und Treiben ist mir zum | Schauspiel würdig. Dazu hab ich mir diese Gäste geladen. Jetzt bau uns die Bühne her und laß das Spiel anheben.

WELT

Wie denn, ich weiß noch nichts!

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- = 2

ENGEL auf einen Wink des Meisters zur Welt

Rufe du ungeborener Seelen jetzt einen Haufen hier her- auf und bekleide sie mit Leibern, dann wird ihrer jedem Er ein Geschick zuteilen.

WIDERSACHER

Erlaub der Herr die eine Frage: wie kann ein Schauspiel den ergetzen, der es vorbestimmt, Eingang und Ausgang, bis aufs I-Tüpfel? Einen Schritt näher

Da steht, der gesagt hat: Unsere Werke in uns wirkst du allein! Da steht er, einer von deinen Propheten. Er soll mir Zeugnis geben! Will der Herr sich selber vorspielen mit Puppen, die an Drähten hängen in seinen Händen?

MEISTER

Wahl ist ilınen gegeben zwischen Gut und Böse, das ist ihre Kreaturschaft, in die ich sie gestellt habe. Tust du, als wissest du das nicht? Es ist dein Weideplatz von Anbeginn! Einbläser von Evas Apfel her, blas ein, welchen du willst. Ich hab ihre Ohren nicht verklebt. Damit sie sich ent- scheide, dazu hab ich der höchsten Freiheit einen Funken; in die Kreatur gelest.

WELT flüstert leise mit Vorwitz, der thr etwas vorzustellen scheint.

MEISTER

steigt auf die obere Bühne, sein Gefolge hinter ihm, dort bleibt er stehen.

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ENGEL

trilt aus dem Palast, einen Arm voll Rollen tragend; reicht sie dem Meister dar.

VORWITZ Kleider her! Kleider machen Leute, das ists, was der gnä- dige Herr hat sagen wollen! |

WELT Das schaff ich her mit einem Wink. Dergleichen halt ich immer bereit, Kammern und Speicher voll. Der den König spielt, wird seine Kron von mir empfangen und der Bauer seinen Spaten. Da sind geistliche Kutten und Hofkleider, Hirtenstäb und Schwerter, vergoldete Harnisch und Bett- lers Fetzen, zehnmal geflickt.

Es werden, währenddem sie spricht, von Dienern Körbe herein- gebracht, die Kronen und Harnische, Mitren und Bischofsstäbe, Frauenkleider und Hauben, Masken und Fächer enthalten.

Soll ich sie einkleiden, wie sie dastehen, kunterbunt?

MEISTER von der oberen Bühne, eine Rolle in der Hand Sein Geschick teil ich einem jeden zu. Das findet er ge- schrieben in der Rolle, die ich ihm reichen werde. Wie es der Rolle gemäß ist, so dann kleide du ihn an.

WELT auf Vorwits’ Flüstern Da werden etliche die kurzen Rollen haben, Herr, die wer- den nicht weggehen wollen von der Biihne! Es wird hart gehen, sie zum Abtreten zu bringen, soweit kenn ich die Menschen! |

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MEISTER

Gut erinnert, so heiß’ ich den, der hinter dir steht

VORWITZ He Tod, Herr Kammerer, man redet Euer Gnaden an!

MEISTER Den heiß’ ich Bühnenmeister sein. Wen du abrufst, der wird mir fiir gut von der Buhne treten und nicht wieder hinauf, dafür sorgst du mir.

Tod neigt sich, beugt seine Knie.

VORWITZ

leise zur Welt Eine schlechte Rolle spielt uns keiner, auch wenn sie lang ist!

WELT tritt einen Schritt auf den Meister zu, der sich wendet

Meister!

MEISTER

wendet sich noch einmal zur Welt

Was beschwert dich? Ist nicht alles gesagt?

WELT |

Herr, nein! Es sind meine Kinder dennoch, das Wort wirst du mir wohl verstatten —, und so kenne ich sie auch gut. Es hält sich jeder für das Mittelstiick aller Sachen; eine schlechte Rolle wissentlich annehmen, das werde ich ihnen nicht aufzwingen. Eine undankbare Rolle wird mir jeder vor die Füße schmeißen und mich eine böse Stiefmutter, eine Schinderin und was noch für Namen nennen!

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MEISTER

Wer heißt sie im voraus wissen, was eine schlechte Rolle ist und was eine gute? |

WELT Das weiß wohl jeder, der hineinsieht, wenn er Geschrie- benes lesen kann! Viel befehlen und anschaffen, herrisch und gut leben, das große Wort führen, andere seine Macht fühlen lassen: das ist eine gute Rolle. Stöß’ und Püffe hin- nehmen, harte Worte hinunterschlucken, sich ducken, den Mund halten, wenn andere reden, das ist eine schlechte Rolle so halten es die Menschen von Adams Zeiten her.

MEISTER So halten sie es töricht, und darum sollst du Meisterin sein und sie weisen. WELT Wie denn, wenn ich selber besser nicht weiß?

MEISTER Es ist ein Spiel, sticht dir das Wort nicht den Star? Be- deut sie! : DER ERSTE ENGEL tritt vor und spricht zur Welt von der oberen Bühne aus

Bist so schwer von Begriffen? Anschaffen und gehorchen, sich aufrecken und sich ducken, prassen und entbehren, das alles geschieht von denen, die im Spiel stehen: gleich- nisweise aber geschieht es und nicht für wirklich, und gut oder schlecht wird nicht die Rolle heißen, sondern das Spiel dann, wenn die Dinge an ihr Ende kommen sind, und nicht um seiner Rolle willen, er mag den Bettelstab in Händen

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gehabt haben oder Königs Schwert und Zepter, sondern um dessentwillen, was er aus ihr gemacht hat, werden einer oder etliche an des Meisters Tisch gerufen werden aber einen Stümper sieht sein Meister ungnädig an, und es gibt kein Ausbessern nachher, wo einer auf der Bühne vertan hat. Das alles weise ihnen in Eilenoch ein, sofern sie dir lieb sind.

Wendet sich, dem Meister nachzugehen, der Vorhang an der Palasttür wird von Engeln zur Seite gehoben.

VORWITZ läuft ihm nach

Es ist uns weder der Name von dem Stück gesagt worden, noch der Vorgang nicht einmal so im gröbsten wie bei einem Stegreifspiel!

MEISTER

hinauf in den Palast, Gefolge hinter ihm. Zweiter Engel mit den Rollen folgt hinein. Fanfaren.

DER ERSTE ENGEL trilt wieder vor

Den Namen des Schauspiels sag ich euch an: Tuet recht! Gott über euch! STIMMEN von oben

Tuet recht! Gott über euch!

ENGEL Habt ihrs vernommen?

VORWITZ Zweimal sogar. Wir sind aber davon nicht klüger als zu- vor. Von dem Gang der Handlung hast du uns kein Wort

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gesagt, mit Erlaubnis, nicht einmal einen Fingerzeig, an den ein sinniger Mensch sich halten könnte!

ENGEL

vortretend, ein Buch in der Hand, das ihm von einem andern gereicht worden

Das ich da in Händen halte, das Buch, das ihr alle kennt, darin ist Kern und Sinn eures Spieles gefaßt in einen Spruch. Da steht geschrieben: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst, und aber deinen Gott, den sollst du lieben über alles. Somit ist gewiesen, was das Spiel enthalten soll, und es ist das gleiche, als der Titel in sich begreift: Tuet recht! Gott über euch! Stille. VORWITZ Das, wie er den Titel und den Inhalt da zusammengemischt hat, das ist gar nicht dumm, das hätte ganz gut als Prolog gepaßt, da hätte er aber warten sollen, bis die Schauspieler angezogen, die Lichter angezündet und alles fix und fertig gewesen wäre jetzt sind wir noch nicht so weit. Jetzt kommen erst die Schauspieler ganz langsam anmarschiert! Und das Rollenausteilen wird auch nicht ohne Sekkaturen abgehen DIE UNVERKÖRPERTEN SEELEN

ziehen auf, stellen sich singend auf der unteren Bühne in zwei Halbhreise. Sie tragen fahle, kuttenarlige Gewänder, eine wie die andere. Auch ihre Gesichter gleichen einander wie die Larven, ohne jedes Merkmal des Geschlechtes, des Alters oder der Person. Sobald sie auf der unteren Bühne aufgestellt sind, die Gesichter dem Palast zugewandt, verstummt ihr Gesang. Welt, Tod und Vorwitz sind ins Proszenium ausgewichen. Widersacher hat sich gleichfalls im Pro- ssentum auf einer abwärts führenden Stufe eingerichtet, indem er schon seit geraumer Zeil seine Handbibliothek aus der Reisetasche

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nimmt und vor sich ordnet. Der zweite Engel tritt aus der Palasttis hervor, er trägt ein Bündel Pergamentrollen im Arm.

ZWEITER ENGEL an den Rand der oberen Bühne vortretend Euch leiblose Seelen mit meinem Auge zu unterscheiden, lehrte mich der Meister. So rufe ich euch auf, ihr seid aus- erlesen. vor ihm zu spielen. Tritt her, du, er winkt einer der Seelen und empfange des Königs Rolle.

Eine der Seelen tritt heran und empfängt aus der Hand des Engels,

der sich ihr oben enigegenneigt, die Rolle. Rolit sie auf und blickt

hinein. Andere treten hinzu, sehen ihr neugierig über die Schulter l in das Blatt.

ZWEITER ENGEL deutet auf eine andere der Seelen Du spiele die Weisheit! WELT tritt nåher, winkt den Dienern Kron und Mantel dem! Das Schwert mit goldenem Griff! Die Weisheit wird von einer Nonne vorgestellt! Ein Habit her! Ein Zingulum! ZWEITER ENGEL auf eine dritte Seele deutend Du bist der Bauer! WELT Vorwärts! Dem Bauern grobe Schuh, ein grobes Gewand, einen Spaten. Vorwärts! ZWEITER ENGEL wie oben

Du sollst die Schönheit spielen!

Einige von den Dienern haben etliche Stücke Teppich oder Seiden- damast gebracht, zugerichtet su Vorhängen, nur sweimannshoch, mit- sammen brett genug, die vordere Bühne abzuschließen. Drei von ihnen haben hohe lange Stangen in Händen mit Gabeln oben, damit stützen sie die Vorhänge, so daß die untere Bühne nun ganz verhängt, aber zwischen den Vorhangteilen Aus- oder Eintritt gegeben 1st.

VORWITZ

gibt ihnen dabei Anordnungen, weist ihnen ldppisch die Plätze an, wo sie stehen müssen.

WELT

trilt durch den Vorhang heraus, spat aber zwischen den Falten wieder hinein, wie das Ankleiden drin vor sich gehe. Ruft zwischen- durch nach außen:

Es wird gleich angehen!

Man hört die Musiker thre Instrumente versuchen, Welt horcht auf sie. Man hört indessen eine Unruhe auf der Bühne. Daraus hebt sich eine starke Stimme ab, die öfter heftig: Nein! ruft.

VORWITZ schlüpft aus dem Vorhang hervor, dumm aufgeregt Es ist da eine Vorfallenheit untergekommen, wie sie mir jedenfalls noch nicht untergekommen ist!

WELT Wo? VORWITZ

zeigt hinter sich Da auf der Bühne, bei dem Rollenausteilen. Da! Schau sich die Frau das an!

EINE SEELE der Bettler, tritt eilig zwischen den Vorhängen hervor. Sie Irägt eine

Rolle in der Hand. Ihr nach tritt ein Theaterdiener, der ein zerfctztes Flickenwerk, das Kostüm des Bettlers, trdgt.

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SEELE. tritt auf die Welt zu Da, nimm die Rolle wieder, die mir zugeteilt ıst. Ein anderer mag das spielen, ich nicht! Ich nicht! Ich nicht! Der Theaterdiener geht hinter ihm drein, bleibt hinter ihm stehen,

WELT Was soll sein? was schreist du: Ich nicht!

SEELE Ich spiele die Rolle nicht. Ich ziehe dieses Gewand nicht an

Nimmts dem Theaterdiener aus der Hand, wirfts der Welt vor die Füße.

VORWITZ Das wäre eine neue Mode. Oder ist da vielleicht ein Irrtum geschehen? Nimmt ihm die Rolle aus der Hand, besteht sie.

Rolle: derBettler. In Klammern: ein unglücklicher Mensch. Besieht das Gewand, indem ers vorsichtig anrührt. Gewand des Bettlers. Vollständig entsprechend. Sehr bettel- haft. Da ist alles in Ordnung. Was will der Schauspieler?

worüber beschwert er sich? das sind schwierige Leute!

SEELE zur Welt

Dir sag ich nein! Lieber ungeboren dahin! Tot sein und bleiben! Hält thr die Rolle hin.

WELT nimmt die Rolle, sieht hinein, blickt um sich

Was zürnt der Ungeborene so? Versteht ihn einer?

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VORWITZ Wie halt die Rollen ausgeteilt sind, das kann er nicht ver- schmerzen. |

SEELE Dat

Reißt thy die Rolle aus der Hand.

VORWITZ . Das möcht ich mir ausgebeten haben, daß du der Spiel.

meisterin so lümmelhaft an den Leib fährst!

WELT Laß. Er soll reden.

SEELE hält ihr die Rolle hin

Da! Da! Das soll ein Leben sein! Das da eines Lebens An-

fang! Eine Jugend das? Er blättert in der Rolle.

Das eines Mannes Lebenszeit! Da: Qual und Not, Not und Qual, Qual und Not! Spott und Hohn! Einsamkeit, gräß- lick, eine Hölle! Da stöhne ich in Verlassenheit! Da hause ich unter einer Brücke und zehre von dem, was Ratten nicht mehr wollen. Da schrei ich in Herzensangst, und sie zucken die Achseln da bleck ich die Zähne in Verzweif-

lung. Da, verlassen wie kein Hund, raff ich mich noch ein- mal auf und lebe, lebe noch immer. rede fast nichts mehr.

Da singe ich Lieder! Ahnst du, was das für Lieder sein werden, die da mein zahnloser Mund singen wird?

WELT Und? Was noch?

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SEELE packt das Gewand und hält ihrs unter die Augen

Das soll mein Gewand sein! Ein verhaderter Fetzen das

Kleid der Unehre, stinkend! Darin soll ich leben und

sterben! Und deiner Tiere letztes, Frau, trägt ein seiden-

weiches Fell oder ein Schuppenkleid aus Gold und Silber! Wirft das Gewand wieder hin und tritt darauf.

WELT Bist du so feige, Menschenseele? Geh mir aus den Augen, ich mag kein feiges Geschöpf sehen. Meiner Tiere letztes steht tapfer in dem Kampf, in den ich es hineingestellt habe. Und du willst nicht einmal im Spiel den schlechten Part auf dich nehmen? Zieh dich an, oder ich muß Knechte rufen! Damit wir weiterkommen!

VORWITZ Feige Leute sind uns zum Ekel! Hast du nie was von einer Sach reden gehört, die man beispielmäßig Mut nennt? Das war schon den Römern bekannt!

WELT Ruf Knechte her, kleidet diesen in seine Spieltracht. Es ist

Zeit, daB wir anfangen.

Theaterdiener winkt, es treten zwei andere hervor. Sie fassen die Seele, machen Miene, ihr das Bettlergewand anzuriehen.

SEELE macht sich los

Läßt du durch deinen Bedienten mich einen Feigling schimpfen, der das Harte nicht auf sich nehmen will? so wisse das: die Jammerrolle spiel ich nicht! Und es soll sie

kein anderer auch nicht spielen! Er zerknittert die Rolle in der Hand.

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WIDERSACHER Gesprochen wie ein Mann! Ich erhebe für diese Seele den Anspruch auf natürliche Gleichheit des Schicksals!

WELT winkt den Dienern Es ist genug Zeit vertan. Angezogen den Mann und hinaus auf die Bühne! Wenn er dort steht, wird er sich hinein- finden ins Spiell

WIDERSACHER Intercedo! Ich tue Einspruch! Ich protestiere gegen Ver- gewaltigung! Es ist eh und immer geklagt worden, daß eine blinde, tyrannische G’walt hat geschaltet über dieMen- schen schon im Mutterleib von zweien Zwillingen, un- geboren beide, unschuldig beide, zum voraus den Jakob degnadet, den Esau verworfen! Soll das so weitergehen und in unserer erleuchteten Zeit dergleichen Willkür fortrasen?

ENGEL tritt zwischen den Vorhängen hervor.

SEELE | hat sich den Händen der Diener entrissen, schreit auf Nein! WIDERSACHER Ich sehe, die Herrschaft schickt einen Boten. Es wird auf einen Ausgleich herausgehen. Der junge Mann hat das Wort. Wir sind begierig.

ENGEL Zu dir red ich nicht. Warum hältst du uns auf, unbot- mäßige Seele? Die andern sind gekleidet. Der Bühnen-

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meister wills Zeichen geben. Was schnaubst du so, wie ein Pferd, das der Schmied hat werfen müssen? Sprich zu mir. SEELE noch auf den Knien, sieht zu ihm au/.

Die Theaterdicner sind zurückgetreten, einer behält das Beite- gewand in der Hand.

ENGEL beugt sich über die Seele mit einem Lächeln Weißt du denn, ob du Esaus Los gezogen hast und nicht Jakobs? Ein Feuer ist deiner Seele eingeboren, das nach oben lodert, das weist mehr auf Jakob als auf Esau. Seine Flamme brannte dunkel und rauchig.

SEELE steht auf

Und wär ich Jakob. Es darf so nicht gehandelt werden wie

an Esau. Ich leid es nicht. Die Rolle ist verflucht. Will sie zerreißen, kanns nicht.

ENGEL Laß. Menschenhände zerreißen kein Pergamen, das von dorther kommt. Reich mir die Rolle. Ich gebe sie dir wieder, sobald du deiner mächtig bist.

SEELE Niemals. Nicht denken, daß einer soll verdammt sein, so zu leben!

ENGEL Tapfere Seele ich weiß: nicht daß du leiden sollst für eines Spieles kurze Stunde, schaudert dich, dich

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1 i 4

schaudert zu erkennen die Finsternis, in der Adams Kinder hausen.

SEELE Ks sind welche im Spiel, in deren Hand ist Macht gelegt, es sind Herren und Knechte, Miindige und Unmiindige. Wer teilts aus? Das Glück? Ich will nicht unter einer blin- den Metze Fuchtel stehen. Ich will nicht!

ENGEL Dein Mund redet wiist, aber in dir, wie eines Bergmanns Lampe, ruhig leuchtend in der tiefsten Tiefe, brennt das Einverständnis.

SEELE Du hältst mir einen Köder hin, und etwas in mir zuckt frei- lich danach, ihn zu verschlucken.

ENGEL Bekennst du das? Ehrliche Seele!

SEELE Aber ich weiß, wenn ich den gekrümmten Haken ver- schluckt habe, dann reißest du mich gegen Strom dahin, und ich will nicht! Gib mir eine Rolle, in der Freiheit ist, soviel als eines braucht, um nicht zu ersticken, oder laß mich heraus aus dem Spiel!

ENGEL Aber wer Freiheit hat und ist ihrer würdig, der fragt: wo- zu habe ich Freiheit? und ruht nicht, bis er erkennt, welche Frucht sie bringt. Die Frucht aber der Freiheit ist eine: das Rechte zu tun.

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SEFLE Betrüg mich nicht! Nein. Du betrügst mich nicht! So erbarm dich!

ENGEL Die Tat allein ist Schöpfung über der Schöpfung. Ihren Duft unmittelbar zu Gott zu tragen, ist unser Dienst. Er- fassest du, heldenhafte Seele, dein ungeheueres Vorrecht?

Spielst du also den Bettler? Er hebt die Rolle.

SEELE Du sprichst: Tat? Meine Seele dürstet nach Tat! Wo wäre in dieser jammervollen Rolle der Raum für eine einzige Tat?

ENGEL Spiele die Rolle, und dir wird sich enthüllen, was sie ge- haltet.

SEELE Ich kann nicht. Laß mich heraus. Es sind welche für dies- mal ohne Rolle. Ich verstecke mich unter denen.

ENGEL Du aber hast eine bekommen. So bist du gewählt.

SEELE ringt mit sich

Ich habe Worte in der Rolle gesehen, die dürfen nach Recht aus keiner Kreatur Munde gehen!

ENGEL Hast du diese Worte gelesen: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Und auch diese: Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe —?

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SEELE bedeckt ihr Gesicht.

ENGEL

Nimm auf dich! Schmiege dich! Wie sollte das Unsagbare zu dir sprechen als in diesem Schauder?

SEELE kniend

MuB ich?

ENGEL Schmiege dich in das Kleid, das dir zugeteilt ist.

SEELE greift nach der Rolle

Ich will, kleidet mich an!

Winkt den Diener an sich heran, tritt durch den Vorhang, Diener mit dem Gewand folgt ihr.

ENGEL tritt an einer anderen Stelle durch den Vorhang.

WELT tritt an den Vorhang, steht durch einen Spalt.

VORWITZ

schneuzt sich Ich habe bis jetzt gemeint, das Ganze wird eine recht lustige Kreuzerkomödie, aber mir scheint, wenn das so wird, werd ich mein Schneuztüchel auch strapazieren · müssen, beispielmäßig. Das ist unverhofft.

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WELT am Vorhang, dreht sich gegen das Publikum Gewaltig schön wird mein Spiel. Aufgeputzt sind sie aus meinen Kisten. Ihre Augen funkeln vor Kräften, und sie: können es kaum erwarten, daß sie das Lebensspiel anfangen. Soll die Musik schon anheben! Blaset und tretet die Orgel: und singet, daß alle, die von oben zusehen, es innewerden, was ich auf meiner Bühne vermag. |

Die Symphonie hebt an, die Welt steht vor dem Vorhang und singt hinein. Die Männer, die den Vorhang halten, treten auseinander.. Vorwitz springt nach links, klappt den Faltstuhl auf, auf einem erhöhten Platz, richtet der Welt einen Thron. Die untere Bühne wird sichibar. Sie ist leer, nur links steht ein Fels, rechts ein Baum. Engel stehen auf der oberen Bühne. Die Welt setzt sich auf ihren Platz ins Proszenium. Tod, auf ihren Wink, geht querüber, stellt: sich rechts zwischen die Vorhänge. Widersacher kauert rechts unten

im Proszenium. Die Symphonie endet.

ENGEL tritt vor an den Rand der oberen Bühne in der Mitte Ihr Menschen, zu des Lebens Spiel erwacht, Nehmt eurer Tritte jeglichen in acht. Ihr wandelt von der Wiege Ruh Auf eures Sarges Frieden zu. Der Meister vom erhabnen Thron Sieht hin und wägt euch Straf und Lohn.

VORWITZ

Jetzt ist schon angesagt und verkündigt genug, jetzt könn- ten sie schon einmal anfangen.

Fanfaren, minder gewaltig als beim Kommen des Meisters.

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BRIEFE BETTINAS AN GOETHE

Frankfurt, 30. Januar 1808.

WV ann sich alles so vom Herzen in die Feder buchstabieren ließ / so würdest Du manches Blatt von mir bei Seite legen, denn immer wieder von mir und immer wieder von Dir und einzig von meiner Liebe zu Dir / das macht Lange- weile. Oft hab ichs in den Fingerspizen / ich mein / ich müßte Dir erzählen / was ich Nachts von Dir geträumt hab, und denk nicht / daß Du für anderes in der Welt bist.

Wir lesen im Egmont, und sagen: Herrlich, und unter tausenden versteht einer, daß Du die Liebe erkanntest / wie sie selbst selten den Menschen erkennt. O wie ist alles so schön in Dir, wie rauschen die Lebensströme so kräftig durch Dein erregtes Herz, und stürzen sich mit Macht in die kalten Wellen Deiner Zeit, und brausen auf, und be- fruchten die Thäler, und die Berge, das sie rauchen von Lebenswuth, und die Wälder stehen mit glühenden Stäm- men an Deinem Gestade, und alles was Du nur anblikst, wird herrlich und lebendig. Gott / wie gern mögt ich jezt bey Dir seyn, wie gern wollt ich die Fittige senken, und mich gelassen der stillen Almacht Deiner Augen ergeben. nur der Dir am nächsten ist, der fühlt Dich nicht, der Mensch! Der Mensch ist aber auch zu jeziger Zeit, ein wahrer Gerning / der immer spricht / wir übrigen Ge- lehrten, und ganz wahr spricht, denn er ist übrig. Ich wollte mich lieber tod wünschen, als übrig seyn, ich bin es aber nicht, denn ich bin Dein, weil ich Dich erkenn in allem. Ich weiß / daß / wenn sich die Wolken vor den Sonnengott lagern / daß er doch bald wieder mit glänzender

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Hand sie niederdrückt, ich weiß / daß er keinen Schatten duldet / als den er unter den Sproßen und Bäumen seines Ruhms sich selber sucht, ich weiß / daß wenn er sich über den Abend wegbeugt, so erhebt er wieder in Osten das goldne Haupt Du bist Ewig! drum ist es gut mit Dir seyn.

Wenn ich Abends allein in meinem Zimmer bin, und des Nachbars Lichter den Schein an die Wand werfen, zu weilen auch Deine Büste erleuchten, oder wenn es schon still in der Stadt ist, in der Nacht, hier und dort ein Hund bellt / ein Hahn schreit, ich weiß nicht / warum es mich oft mehr wie menschlich ergreift, ich weiß nicht / wo ich vor Schmerz hin will / ich möchte anders als wie mit Worten mit Dir sprechen, ich möchte mich an Dein Herz drücken, ich fühl / daß meine Seele lodert; wie die Luft so fürchter- lich still ruht kurz vor dem Sturm, so stehen denn grad meine Gedanken kalt und still, und das Herz wogt wie das Meer. Lieber lieber Goethe / dann löst mich eine Rück- erinnerung an Dich wieder auf, die Feuer und Kriegszeichen gehen langsam an meinem Himmel unter, und Du bist wie der hereinströmende Mondstrahl. Du bist groß und herr- lich und besser als alles / was ich biß jezt erlebt hab, Dein ganzes Leben ist so gut.

Arnim ist in Heidelberg, wo er den Druck des zweiten Theils vom Wunderhorn besorgt, wir schreiben uns oft, Liebesbrieflein, er hat mich sehr lieb um mein und Deinet- willen, ich hab ihn auch lieb, aber um sein selbst willen. denn er hat ein frisch lieb Angesicht, und ein tapfer Ge- müth, und ein edel Herz / was kann man anders machen, hinten und vorne steht der Tod, da muß man sich freilich

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das Leben herbeiziehen, um ihm zu trozen, und er ist so friedlich / er besänftigt mich / wenn ich stumm und traurig bin, und hat ja auch ein lieb Lied gemacht „Lieben und geliebt zu werden, „ist das größte Glück auf Erden,. Adieu mein Herr und Meister

Bettine.

Küß mir Deinen Sohn und meine / es wär ich. Die Frau grüß ich von Herzen.

te Miinchen, 16. Juni 1809.

Wenn ich nicht stets auf die kommende Zeiten hoffte, so wiirde ich verzweiflen / Dich bald wieder zu sehen, allein daß nach der Zukunft immer wieder eine ist, dieß hat schon manchen Menschen alt gemacht. Du bist mir lieb / Du bist mir werth ungemein, der Frühling / den Deine Gegen- wart in mir erschaffen hat / dauert lange, denn schon sind 2 Jahre um und noch hatt kein Sturmwind ein Blättgen vom Aste gerissen / noch hat der Regen keine Blüthe ge- welkt, und alle Abend hauchen sie noch den süsen Duft der Erinnerung aus; ja wahrhaftig kein Abend ist bis jezt zum Schlafen gekommen, daß ich mich nicht an Dich er- inert hätte, Dich bei Nahmen genent, und mich der Zeit gefreut, da Du mich auf meinen Mund geküßt, mich in Deinen Arm genommen, und will steht hoffen / daß die Zeit wiederkömmt / da ich keine Liebe Dir vorziehe, so glaub ich es auch von Dir Sey Du so alt und unklug wie ich, laß mich so jung und weise seyn wie Du. und so mögten wir füglich die Hand einander reichen, und seyn wie die

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Jünger / die zwei verschiednen Propheten in einem Lehrer folgten

Hab niemand lieber wie mich, Du Goethe wärst sehr un- gerecht, wenn Du andre mir vorzögest, da so meisterlich /so herrlich, Natur mein Gemüth mit dir verwebt hat; denn daß Dich einer besser kennt, besser fühlt, besser genießt, durch und durch mehr ehrt, liebt, daß ist nicht wahr.

Wenn kein Krieg, kein Sturm und verwüstende Zeitung die alles bildende Ruhe im Busen des Menschen verstört, dann mögte ein leichter Wind / der durch die Grashalmen fährt, der Nebel wie er sich selbst von der Erde löst, die Mondessiegel wie sie von den Bergen fährt oder sonst ein- same Blicke und Geberden der Natur ihm wohl tiefe Ge- danken erregen; jezt aber in dieser beweglichen Zeit, wo alle Grundvesten ein rechtes Krachen und Gliederreißen haben, da hat keiner Zeit, und will keinem Gedanken den Raum gestadten, aber daß / woran ein Freund Theil ge- nommen, daß man sich auf seinen Arm gestüzt hat / daß man auf seiner Schulter geruht, dieß einige, äzt tief eine jede Linie der Gegenstände ins Herz, so weiß ich jeden Baum des Parkes noch, an dem wir vorüber gegangen / auch die kleine runde Quelle / an der wir gestanden / die so ewig iiber sich sprudelt, und die Laube mit der steinernen Bank, wo eine Kugel an der Wand, da haben wir eine Minute ge- sessen und hab ich gewiinscht / nur einen Frihling mit Dir zu seyn, hast Du mich ausgelacht. Ey glaub mir nur. ist nicht lieblichers in der Welt als ich im Frühling. weis nichts kann also nichts unniizes plaudern / was Du an- hören miistest, könnt Dich, Du mich, freundlichst an- blicken O Du! wärst Du gleich da / müst ich Dich

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beißen vor kindischer Fröhlichkeit; und wärs nicht gar zu sehr gesündigt, auf Dich / so mögt ich so noch fortplaudern bis am Ende des Blattes, ich liege hier auf dem Sofa und schreib dießen Brief auf einem Kissen (deswegen ist er auch so ungleich) / daß doch alle vergehen / wenn ich Dich an- sprechen will; diese Gedanken, die so in Hülle und Fülle vor mir auf und nieder gehen.

Jacobi hat Augenweh, Tieck leidet die Hölle auf Erden, und besuchen ihn die Teufel immer noch in Gichtischer Gestaldt, Schelling / der sich Dein Freund nent / verachte ich / er ist zu häßlich für Dich, viel mehr noch seine Frau. Amim schreibt viel ungereimtes gereimt, und viel gereimtes ungereimt, er ist der beste / er hat Dich lieb ohne Rück- sicht / ohne Aber, ohne Auserdem, er hat Dich lieb mit ungeschwichter Liebe / er darf keinen Sinn leiten / sie gehen all von selbst zu Dir, so wie meine auch / darum sind wir beide höchst einig mit einander, und werden es ewig bleiben, wenn ich wieder zu Dir komme / so werde ich Dir manches von ihm erzehlen / wie ungemein groß edel diese Neigung zu Dir ist, die Du erschaffen hast in ihm, mit einer Kraft / deren Du selbst nicht wissend bist. oft hat er mir den Willen geäusert, mit mir in Deiner Nähe zu seyn, er selbst weiß nicht / daß er zwischen mir und Dir so wie ich zwischen Euch beiden keine Ruhe hab. Lebwohl / mein geliebtes Leben, meine Freud / meine Hoffnung, so wie ein vom Wind getragener Flockensamen, auf den Wellen hintanzt ohne je drinn unterzugehen / so spielt meine Fantasie auch auf diesem mächtigen Strohm Deines ganzen Wesens, und fürchtet nicht, daß sie einmal drinn ertrinken mögte; mögte sie’s doch! welch ein seeliger Tod. oder daß nur aus Muth-

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will Du einen Sturm erregen mögtest, mir die Fittige nezen, würde ich dann nach verwehrtem Wetter, sie gegen die Sonne hin wenden, sie zu trocknen? ey nein, ganz mit un- gewöhnlicher Lust, wollt ich mich baden und plätschern und hin und wieder rauschen im Laub am Gestadte; komme ich mir doch vor, wie eine Ente oder sonst ein Wasservogel. Bettine

bleib ihr gut

schreib ihr bald

grüß auch Deine Frau von ihr

geschrieben am ı6ten Juni. in München an einem Regentag / wo ich etwas faul und schläfrig war / und so kam es, weil sich der Seele Gestaldt regt und wandelt, je nachdem sich der. Wind regt und die Gewölke sich wandlen. *

Landeshuth am 23sten October [1809].

Das Reich Gottes stehet in der Kraft, zu jeder Zeit, und in allen Orten. Das hab ich heute gemerkt an einer holen Eiche / die dastand in der Schaar wilder hoher Waldpflan- zen ganz abgewendet vom Sonnenschein. Wolfsstein ist bei 3 Stunden von hier, man muß über manchen Stiegelhupfer, kömmt almählig aufwärts zwischen Tannen und Fichten / die ihre breiten Aeste im Sand schleifen. Dort stand vor vielen Hundert Jahren ein Jagdschloß, vom Ludwig dem Schönen / Herzog in Baiern, dessen sonderliche Lust war / in dem Nebel und Abenddämmerung herum zu steigen, da war er einsmals abwärts gegangen, und hatteihn die Dunkel- heit heimlich nah an eine Mühle geführt, das Wasser hörte

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er braußen und das Mühlenrad gehen, sonst war alles still, er rief / ob ihn niemand höre. Die Müllerin / die gar schön war, wachte auf, zündete ein Kiehnholz an, und kam vor die Thür gegangen, da war der Herzog gleich verliebt / da er sie beym Schein der Flamme sehen konnte, und ging mit ihr ein. Blieb auch bis am frühen Morgen; er suchte sich aber einen heimlichen Weg, wie er wieder zu ihr kom- men möge / er vergaß ihrer nicht, aber wohl vergaß er der Mark Brandenburg, die er verlohr, darum daß er auf nichts achtete, als nur auf die Liebe. eine Ulmenallee / die zur Mühle führt vom Schloß aus, und die er selbst pflanzte, steht noch. Daran sieht man / daß die Bäume wohl alt werden, aber die Liebe nicht; sagte einer von unserer Gesellschaft, da wir durch die Allee gingen.

Und darum hat der Herzog nicht unrecht / daß er die Mark Brandenburg um die Liebe gab, denn diese ist immer noch da, und ist dumm! aber in der Liebe geht man ein- her wie im Frühling, denn sie ist ein Regen von samtnen Blüthenblättern, ein kühles Hauchen am heisen Tag, und sie ist schön / bis sie am End ist; Gäbst Du nun auch die Mark um die Liebe? es würde mir nicht gefallen, wenn Du Brandenburg lieber hättest, wie mich.

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Der Mond scheint weit her über die Berge, die Winter- wolken ziehen Heerdenweise vorüber, ich habe schon eine Weile am Fenster gestanden, und zugesehen / wie das alles da oben jagt und treibt Lieber Goethe / guter Goethe! ich bin allein; Du hast mich wieder ganz aus den Anglen gehoben, und zu Dir hinaufgezogen; Wie ist das, daß die Schönheit 0 herrlich im Ebenmaas sich darstellt, in allem

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was von Dir ausgehet; es ist nicht möglich / daß Du Deine Kraft wissest / denn sonst müstest Du Dich selbst als einen Gott wissen / der da reicht über alle Vernunft, und über die Welt, und über das äußere Leben. Ich fange gern hoch oben am Blatt an zu schreiben, und endige gern unten | ohne einen Respektplaz zu lassen, das malt mir immer vor, wie ich ein alter bekannter Freund von Dir bin, der keiner Zermonieen bedarf. Da ich nun das laß, aus Wilhelms Wanderjahren /da regten sich wieder die alten Schmerzen in mir und der Wille meiner Liebe ist also / daß ich auf- gelöst mögte werden, in die Schönheit / die mich bezwingt.— Du bists! Du bists ich glaub wahrhaftig, das hab ich von meiner Mutter geerbt; sie muB Dich recht erkannt haben / recht genossen haben, damals als ich auf die Welt kommen sollte, denn alte Gewohnheit scheints mir, und wie das Ufer den Schlag der Wellen gewöhnt ist / so mein Herz den wär- meren Schlag des Blutes, bei Deinem Nahmen / bei Deinem

Andenken Aus „Bettinas Briefwechsel mit Goethe“.

DAS FRANREN REICH

Gregor von Tours: Die Ermordung der Söhne Chlodomers

Als die Königin Chrodechildis zu Paris weilte, sah ihr Sohn Childebert, daß seine Mutter die Söhne Chlodomers mit besonderer Liebe in ihr Herz geschlossen hatte. Voller Neid fürchtete er, die Gunst der Königin möchte ihnen zur Herr- schaft verhelfen. Er schickte darum heimlich an seinen

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Bruder Chlothachar die Botschaft: „Unsere Mutter behält die Söhne unseres Bruders bei sich und will sie zu Königen machen, komm also schnell nach Paris zu einer gemein- samen Besprechung! Wir wollen dann sehen, ob wirihnen das Haar schneiden, so daß sie dem übrigen Volke gleich- stehen, oder ob wir sie töten und uns hierauf in unseres Bruders Reich gleichmäßig teilen.“ Chlothachar freute sich über diese Botschaft gar sehr und kam nach Paris. Childebert hatte inzwischen das Gerücht unterdem Volke ausgesprengt, die Könige kämen in Paris zusammen, um Chlodomers Söhne auf den Thron zu erheben. Als nun die beiden Könige zusammen waren, sandten sie zur Königin, die sich ebenfalls gerade in Paris aufhielt, und ließen ihr sagen: „Schicke die Knaben zu uns, wir wollen sie zu Königen machen.“ Die Königin freute sich darüber, sie ahnte ja nichts von dem hinterlistigen Anschlage. Sie gab den Knaben zu essen und zu trinken und entließ sie mit den Worten: „Mir ist es, als hätte ich meinen Sohn nicht verloren, wenn ich euch aufdessen Thron nachfolgen sehe.“ Kaum waren die Knaben weg, da wurden sie alsogleich ergriffen, von ihren Erziehern und Dienern getrennt und wie diese bewacht. Dann sandten Childebert und Chlotha- char den Arkadius mit einer Schere und einem blanken Schwerte zur Königin; der trat vor sie hin und sprach: „Glorreichste Königin, deine Söhne, unsere Herren, ver- langen von dir einen Entscheid, was mit den Knaben zu geschehen hat. Sollen sie mit geschorenen Haaren weiter- leben oder befiehlst du, sie zu erwürgen.“ Voll Schrecken und Wut, vor allem, weil ihr das blanke Schwert und die Schere vor die Augen gehalten wurden, ließ sie sich

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von ihrer Herzensbitterkeit fortreiBen und sprach vor Schmerz besinnungslos nur: „Wenn sie nicht zur Herr-

schaft kommen, ist es für mich besser, sie tot als geschoren

zu sehen.“ Arkadius berücksichtigte weder ihren Schmerz

noch was sie später in einer ruhigen Stunde antworten

würde, sondern eilte schleunigst zu seinen Herren und

meldete: „Vollendet mit Genehmigung der Königin das

begonnene Werk! Sie will selbst, daß ihr euren Plan aus- führt.“

Chlothachar ergriff nun sofort den älteren Knaben am Arme, warf ihn zu Boden, stieß ihm seinen Hirschfänger in die Achsel und ermordete ihn so grausam. Während der Knabe schrie, warf sich sein Bruder dem Childebert zu Füßen, umschlang dessen Knie und rief unter Tränen: „Zu Hilfe, liebster Ohm, auf daß ich nicht auch wie mein Bruder umkomme!“ Da sprach Childebert mit tränenüber- strömtem Antlitz: „Teuerster Bruder, schenke mir doch das Leben dieses Knaben, ich gebe dir dafür was du willst,

wenn er nur nicht ermordet wird!“ Doch Chlothachar rief

ihm unter Schmähungen zu: „Stoß ihn weg von dir, oder du mußt für ihn sterben! Du hast doch die ganze Sache angestiftet, und nun springst du so schnell davon ab.“ Da schleuderte Childebert den Knaben von sich und seinem Bruder zu. Der fing ihn auf, stieß ihm wie dem Bruder den Hirschfänger in die Seite und tötete ihn. Dann brachten sie noch die Erzieher und Diener der Knaben um. Nach- dem alle tot waren, setzte sich Chlothachar auf sein RoB und ritt von dannen, der Mord seiner Neffen ging ihm nicht sonderlich zu Herzen. Childebert begab sich in die Vor- stadt von Paris.

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Die Königin ließ die entseelten Körper der Knaben auf ine Bahre Jegen und folgte ihrem Leichenzuge, der unter altigem Psalmengesang und in unsagbarer Trauer sich Kirche des heiligen Petrus hinbewegte, und bestattete ie dort; die Knaben waren zehn und sieben Jahre alt ge- n.

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Brief Papst Hadrians an König Karl

den erlauchten Herrn Sohn und unseren geist-

chen Gevatter, den König der Franken und Lango- anden und der Römer Schutzherrn grüßt Papst Hadrian. Eurer königlichen Macht Brief hellstrahlend und köst- fich wie Nektar war er uns haben wir durch Herzog Har- win erhalten. Es steht darin, daß wir euch aus dem Palaste wn Ravenna Mosaiken, Marmor und sonstige Muster vom oden und den Wänden überlassen sollen. Bereitwilligen Sinnes und reinen Herzens willfahren wir in übergroßer Liebe diesem Wunsche eurer Erhabenheit und gestatten euch, Marmor, Mosaiken und sonstige Muster aus diesem Palaste wegzufiihren ; denn durch eure mühevollen könig- lichen Kämpfe gewinnt die Kirche eures Gönners, des hei- ligen Petrus, der des Himmelreiches Schlüsselträger ist, | tiglich Vorteile, wofür euch i im Himmel reichlicher Lohn gutgeschrieben werden möge.

Dieser Harwin übergab uns auch ein treffliches Pferd, ‘das ihr uns geschickt habt; ein zweites aber, das wir zu- gleich erhalten sollten, ist auf der Reise eingegangen. Wir danken euch sehr dafür, es ist uns ein Zeichen, daß ihr an | uns denkt.

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Doch bei unserer Liebe, die wir zu eurem glänzenden Reiche im innersten Herzen hegen, schicket uns für unse ren persönlichen Gebrauch weitere von euren allum be rühmten Pferden, von jenen, die da im Bau ihrer Knochen und in ihrer wohlgenährten Fülle so stattlich aussehen. Während dann aller Augen beifällig auf diesen edlen Tieren ruhen, verkünden sie euren im Ruhme der Triumphe er-

glänzenden Namen. Lohnen wird euch dieshier wie immer |

in gebührender Weise der Apostel Gottes selbst, so daß ihr hienieden mit der Frau Königin und eurer erlauchten Nach- kommenschaft regiert und in der Himmelsburg das ewige Leben zu erlangen verdienet.

Des Himmels Huld bewahre eure Hoheit unversehrt!

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Brief Karls des Großen an seine Gemahlin Fastrada

Karl von Gottes Gnaden König der Franken und Lango- barden und Schutzherr der Römer grüßt dich, seine innigst- geliebte und liebwerte Gemahlin Königin Fastrada.

Wir wollen dir durch diesen Brief einen Gruß der Liebe im Herrn senden und durch dich unsere geliebten Töchter und all die Getreuen, die bei dir sind, grüßen lassen. Wisse, daß wir durch Gottes Gnade gesund und wohlauf sind.

Ein Bote unseres geliebten Sohnes (Pippin) hat uns ge- meldet, daß er und der Herr Papst gesund sind, sowie daß in jenen Gegenden unseres Reiches (Italien) alles gut ab- gelaufen ist. Darüber sind wir sehr erfreut.

Außerdem hat er uns berichtet, daß die Truppen, denen wir den Befehl gegeben, von Italien aus die Grenzen gegen

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Ane he ——

urn. 7

= *

die Avaren zu besetzen, in deren Gebiet vorgedrungen sind. Sie ließen sich in eine Schlacht mit ihnen ein, Gott der Allmächtige gab ihnen in seiner Barmherzigkeit den Sieg, und sie erschlugen eine Menge der Avaren; die Zahl der gefallenen Avaren war so groß wie noch nie, selbst nicht bei langwierigen Kämpfen. Die Unseren drangen in ihr durch einen Wall befestigtes Lager ein und blieben die ganze Nacht sowie den nächsten Tag bis zur dritten Stunde darin, worauf sie beutebeladen kampflos zurückkehren konnten. Sie nahmen 150 Avaren gefangen und ließen sie in Er- wartung weiterer Befehle von uns am Leben. Gottes und unsere Getreuen, die das vollbrachten, waren Bischof N., Herzog N. und die Grafen N. N.; Herzog N. von Istrien hat, wie man uns berichtete, mit seinen Mannen, den N. und N., geholfen. Von unseren Vasallen aber waren da- bei N. N.

Wir ließen von Montag, den 5. September bis Mittwoch, den 7. feierliche Bittgebete verrichten und flehten Gottes Barmherzigkeit an, auf daß er uns Frieden, Gesundheit, Sieg und eine gliickliche Heerfahrt verleihe, und daB er uns in seiner Barmherzigkeit und Huld Helfer, Berater und Schirmer in allen Nöten sei. Unsere Priester ordneten | an, daß sich alle, soweit sie nicht durch Krankheit, Alter

oder zu große Jugend daran verhindert seien, des Weines enthielten; wer aber an diesen drei Tagen Wein trinken _ wollte, konnte sich die Erlaubnis hiezu erkaufen, die Großen und Mächtigen, indem sie pro Tag einen Schil- ng, die weniger Begüterten weniger, zum mindesten aber einen Denar gaben. Almosen schenkte jeder nach seinem Vermögen und seinem guten Willen. Jeder Priester las

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hiefür eine eigene Messe, soweit ihn nicht Krankheit daran hinderte, und die Kleriker, die die Psalmen konnten, sangen 50 Psalmen und gingen während der Verrichtung dieser Bittgebete barfuß. So hielten es unsere Priester für gut, und wir alle schlossen uns ihnen an und taten so mit der Hilfe des Herren.

Darum wünschen wir, daß auch du mit N. und N. und unseren übrigen Getreuen erwägest, wie ihr es bei euch mit den Bittgebeten halten wollt; was du dabei selbst, so- weit es deine geschwächte Gesundheit gestattet, über- nehmen willst, überlassen wir deinem eigenen Urteil.

Wir haben uns sehr gewundert, daß wir seit unserem Abmarsch aus Regensburg weder durch einen Boten, noch durch einen Brief eine Nachricht von euch erhalten haben. Wir wünschen sehr, daß du uns über dein Befinden und Sonstiges öfters berichtest. Wir grüßen dich noch einmal

vielmals im Herren. *

Karls Kaiserkrönung im Jahre 800

Der Papst war Karl entgegengeeilt und traf ihn einen Tag vor seinem Einzug in Rom zu Mentana; er empfing ihn hier mit größter Verehrung. Nachdem sie gemeinsam gespeist hatten, blieb der König noch in Mentana, während der Papst nach Rom vorausritt. Am folgenden Tage er- wartete ihn der Papst mit den Bischöfen und dem gesamten Klerus auf den Stufen der Basilika des heiligen Apostels Petrus. Wie dann der König ankam und vom Pferde stieg, empfing ihn der Papst Gott lobpreisend und dankend und; geleitete ihn unter weiteren Hymnen auf Gottes Größe und

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Ruhm in die Kirche hinein, derweil alle Anwesenden Psal- men sangen. So geschehen am 24. November.

Nach sieben Tagen berief der König eine Versammlung, erklärte allen, weshalb er gekommen, und widmete sich nun Tag für Tag den Geschäften, die ihn zu seiner Reise nach Rom veranlaßt hatten. Die wichtigste und heikelste Angelegenheit erledigte er gleich zuerst: die Untersuchung der Anklagen gegen den Papst. Kein Mensch wollte nun für die erhobenen Beschuldigungen eintreten, und so stieg der Papst vor allem Volke mit dem Evangelienbuch in der Hand auf einen Ambo in der Basilika des heiligen Apostels Petrus, rief den Namen der heiligen Dreieinigkeit an und reinigte sich durch einen Eidschwur von den Anklagen. Am gleichen Tage trafder Priester Zacharias, den der König nach Jerusalem gesandt hatte, in Rom ein, begleitet von zwei Mönchen, die der Patriarch an den König schickte. Sie brachten die Schlüssel vom Grabe des Herrn und vom Kal- varienberge sowie eine Fahne als Segensgabe mit. Der König empfing sie huldvoll, behielt sie einige Tage bei sich, und als sie zurückkehren wollten, entließ er sie mit Geschenken.

Als eraber am hochheiligen Weihnachtstage die Basilika des heiligen Apostels Petrus zur Messefeier betreten hatte und vor dem Altare betend geneigt stand, setzte ihm Papst Leo eine Krone auf das Haupt unter dem Beifalls- geschrei des gesamten römischen Volkes: „Dem erhabenen Karl, dem von Gott gekrönten großen Friedenskaiser der Römer, Leben und Sieg!” Nach diesen Lobpreisungen ward ihm von dem Papste wie ehedem den Fürsten der alten Zeit gehuldigt, und von nun an wurde er nicht mehr Patri- cius, sondern Kaiser und Augustus genannt.

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Charakteristik Ludwigs des Deutschen

Im Jahre der Menschwerdung des Herrn 876 starb König Ludwig zu Frankfurt in seiner Pfalz und wurde im Kloster des heiligen Nazarius in Lorsch bestattet. Er war aber ein durch und durch christlicher Fürst katholischen Glaubens und nicht bloß in den weltlichen, sondern auch in den kirchlichen Wissenszweigen hinlänglich unterrichtet. Voll Eifer entbrannte er für alles, was sich auf Religion, Frieden und Gerechtigkeit bezieht, dazu war er ungemein schlau, im Rate höchst vorsichtig, und bei der Belehnung oder Ent- ziehung öffentlicher Ämter ging er maßvoll vor. Ein sieg- reicher Kämpe in den Schlachten, legte er mehr Gewicht auf stets bereite Waffenrüstung, als auf die Zurüstung von Gelagen, seine größten Schätze waren die Kriegsgeräte, hartes Eisen war ihm lieber als schimmerndes Gold. Ein unbrauchbarer Mann galt nichts in seinen Augen, der Tüchtige aber fiel höchst selten in Ungnade. Niemand konnte ihn durch Geschenke beeinflussen, niemand um Geld ein Kirchenamt oder sonst eine Würde erlangen. Das Kirchenamt mußte man sich durch einen rechtschaffenen Charakter und heiligen Lebenswandel, das weltliche Amt durch hingebende Pflichterfüllung und zuverlässige Treue verdienen...

(Im Jahre 880 starb König Karlmann und hinterließ nur einen unehelichen Sohn.) Der König nannte ihn zur Er- innerung an den höchst verehrungswürdigen Bischof von Metz, auf dessen Stamm er und alle Frankenkönige zurück- gehen, Arnulf. Diese Namengebung scheint nicht ein Zu-

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fall, sondern deutet auf die Zukunft hin. Denn mit jenem Bischof begann der Königsstamm (der Arnulfinger = Karo- linger) durch die Vorsehung des Himmels sich glücklich überreich zu entfalten, bis er in dem großen Karl zu der höchsten Würde des Kaisertums nicht nur über die Fran- ken, sondern über verschiedene Völker und Reiche empor- wuchs. Nach dessen Tod begann durch den Wechsel des Schicksals die Herrlichkeit, die jegliches menschliche Wün- schen und Hoffen überstiegen hatte, langsam, wie sie sich entwickelt hatte, wieder zurückzugehen, bis die Reiche und selbst der königliche Stamm teils durch den frühzeitigen Tod seiner Sprossen, teils durch die Unfruchtbarkeit der Königinnen so verkümmerte, daß von der Nachkommen- schaft all der vielen Könige einzig dieser Arnulf, Karl- manns Sohn, geeignet erfunden ward, das Zepter des Fran- kenreiches zu übernehmen.

Entnommen dem Bande „Das Frankenreich in der

von Johannes Bühler herausgegebenen Sammlung „Deutsche Vergangenheit“.

JOHANNES R. BECHER AUS DER HYMNE: DIE SENDUNG

TRrANKE mich, flieBendes Licht

Schöpfer der Welten!

Verseng mich, o du dich verfinsternd Gesicht! O Vergängnis der Welten.

Durchstachele das Herz mir zur Zier!

Anbet und jubilier!

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O Lobpreis der Propheten, dir gesungen mit lohenden Zungen!

Schluck der Erlöstheit einst warst glühend ein Schwert du verschlungen.

Leuchtend hinschmolzen vor des Geopferten Wunde

Larven wie Goldstaub, und Gerölle mich bettend wie Daunen

Ersprenge die Grüfte, tiefatmend, du Schall der Posaunen!

Donner, geschleudert wie aus einem eisernen Munde:

Stampft, bis der Erdgrund Gewölk ist und platzende Gischt,

Schlingender Tod des Gewürms, das sich ringelt und zischt

Und in brandigem Wein ich, Zeit in Zeit, ertrinke,

Bis ich dich, o Sohn des Heils, erhöht am Stamm, um- sinke

Eilt wie zur Hochzeit zur Marter, ihr vierunddreißig Ge- rechten!

Tönt an, Psalmisten!

Büßer sah entschreiten ich den höllischen Schächten:

Paarweis, flüsternd

Glasigrot auftürmts die Meere jetzt als Säulen.

Himmels-Chöre triumphiert: „Gebenedeit!

Welten-Verlassenheit! O äonische Zeit!“

Sieh: die Gräber wölben schon das Feld als Beulen.

Wie Eiswasser blank jetzt gerinnen die Lüfte, erzitternd. Sonne, o Traum, ein goldener Kelch bist du splitternd ... | Sphären über Sphären: | Locket hinein mich, ihr Harfen, in die azurenen Tiefen!

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Sternblöcke wogt hin, den sich krümmenden Raum über- | triefend!

Stahlbehelmt aber durchritt es den Glutwind wie fliegende Schwären.

Wille geflochten wie aus gelenkichten Stangen.

Rinnende Arme waren, dich stiickweis umzangend

Dich zerschellend Geblöke aus sich windenden Rohren

Lichtleib: aus Staub einst werde ich wiedergeboren!...

Reulenschläger du, mich niederstreckend

Bist du nur als Gleichnis zu beweisen !?

Wer vermag, begrifflich dich umkreisend,

Aufzuspüren dich in den Verstecken!?

Todesprediger, in Trübsal schwelgend,

Beten an vor buntgefärbten Bälgen ...

Soll ich, haßdurchgärt, mich wie Unkraut jäten!?

Ists ein Nichts, an das ich scheu mich klammere!?

Löcherig ist schon dein Gebiß und das Skelett wie Gräten

Daß ein Mord mich zeugte, dem ich tief entstamme

Wese hin! Und deine Sohlen lecken

Schon des Richtpfuhls Flammen, und wie Flecken

Flimmern deine Augen, irrgezückt....

Fegend Feuer du! O Marterbrändel

Knisternd schrumpfen schon die ausgespannten Hände.

' Jauchz, o jauchz: des ewigen Heils erquickt! ...

Hülle mich, du überglorter Stein!

Schnee, du birgst mich, ein Geblüh von Funken, Weißgebrannt . . du strudelndes Gebein:

Tanze hin, wie von Geläut umwunken!...

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Städte: aufgeworfene Kohlenhaufen.

Särge schwirrn wie Züge, hingereiht.

Trichter schneidend: Menschentrümmer saugend. StraBenschluchten, griinen Dampfs durchspieen. Rauchgewächs umwachsen mich die Bäume; Gasige Schwämme . . dir ersprühn die Rippen. Leichen stolpern rings, bewehrt mit Hippen.... Barfuß taumele über Knochenäcker!

Brauner Mond, traumsüchtiges Gespinst!

Mond, o Mond, du grauser Totenwecker!

. . . Spieler, spiel! Ob du dich selbst gewinnst Zecher, zecht! Nun springt ihr auf die Bänke

Und auf Tischen hockt ihr, enggeschart.

Wie Grabkammern sich jetzt die Gemächer senken. Ach, zu spät Gelübde lallt ihr, schon verascht das Haar... Dich umspielte ich, o göttlich Wesen.

Schwarz das Nichts erstockt auf der zerschlissenen Hand. Winde schlürf ich: giftige Gebläse.

Hingerieben morsch das Fleisch wie Sand

Überschwanke mich, du funkelndes Gezweig! Niederwehend, o du ewig Wort,

Schweig mich hin. . . o unterneig,

Erde, mich, noch unerlöst im Wort!. Angesteint in dem verschnürten Hals Schmecke ich dich, blutvermischtes Salz.. Hopst, Vertierte, eingeschraubt im Sack! Knüpft euch auf bald an der Nabelschnur! Schminkt die Wangen mit veröltem Lack! Hurer, hurt!

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Kreuzigt euch zur Nacht auf einen Pfosten!

Blecherne Gedärme hegt ihr in dem Bauch, die rosten ...

Schüttet mich zugrab, o Regen:

Seligleicht wär ich wie flaumverscharrt ...

Stufen schleift michs abwärts, überspickt mit Nägeln

O des Würgers zackicht Einaug starrt

Ketten dir umlegt, ein eherner Kranz,

Und dein spritzend Blut ist weißer Glanz

Zeit, Zeit des Gerichts: und wie geschliffene Kralle

Drosselnd brennt ein Blitzgeflecht im Blau . . wutschallend

Ertobten die Trommeln und gebündelte Rüssel waren, die pfiffen

Geisternde Urwälder prasselnd auf den glosenden Riffen.

Sich schuppende Himmel ...— Ihr Völker des Abgrunds!

Geziefer du, rottend dich! Ihr Gewimmel des Nacht- schlunds!

Mördrische Heere ihr! Ihr Streiter der End-Zeit!

Kampfschar du des Heils! Du Fürst der Verruchung!

Hinfressender Sturm du! Du Sturm der Verzücktheit!

Verklärte o Zeit du! Du Zeit der Verfluchung

Welt, o Welt: o Schwermut des Gedenkens!

Trug der Welt: wie scherbichter Wellenschlag

Triebst du über mich . . . und in geheimen Schenken

Feierten den Tod wir im Gelag.

Hingeködert unser Herz spitzzähnigem Vieh als Bissen.

Schlangennester waren unseres Schlafs ein Kissen ...

Winselnd unterhuscht es uns... Pechfackeln

Schwelten aus den Wänden, grellgetüncht.

Fratzengötter, an den Köpfen wackelnd,

Krötengleich uns angehinkt

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Finger, rotgeleimt, das Licht zerraufend ;

Aus geschwollenen Lungen ein metallenes Schnaufen ... Ewigkeit, o Schall, der mich verzehrt!

Weß bist du, o Wahn, den ich gewähnt!?

Eingefärbt bin ich vom Tod, wie Teer.

Erloschenen Auges glanzlos hingetränt

Tod, weß ist der Sinn, den wir umsannen!?

Tod, o Tod: lichtatmendes Entspannen!

Grabstern der Geborenheit:

Wandle hin mich wie auf Schattenbrücken!

Der Gewinn ist der: Verlorenheit.

Dir gesetzt ist dies: dich zu zerstücken;

Urverdammt . . . O dämmerichtes Verließ,

Erde du, von der Gestirne glitzrichtem Gespenst umspießt....

Traumgelähmt: was ists, das ich erraffte !?

Schlammmäuler geifernd, die, mich umschleimend, mich äfften.

Vielzüngige Hunde, die mich umschielen, und kläfften -

Daß ich, blöd ein Kind, mich wie fremd begaffte....

Daß mit Knochen klapperte ich auf den Töpfen.

Ach, ein Himmel überhing mich wie ein Tropfen.

Teufelsquallen blies es an, dich schröpfend

Und mit Wirrnis das Gehirn dir stopfend...

Eingeankert ruh ich, Leib, wie stählern

Röter noch denn Blut,

Feuerig Rad, durchrennend die Getäler,

Speichen aus Geripp, und eine Brut

Sichelschwänziger Drachen, fauchend rings und klirrend -

Mord-Komet, schlitz hin, ins Nichts entschwirrend ——

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—— |

Mörder: aufgesteckt gewundene Nasen

Augen, überflort von rußigen Brillen

Bärte: frisch gerupft aus nassem Grase; Strohenes Haar; und an den Lippen trillernd Beutel auf den Rücken; schwielige Tatzen; Nachts mit Messern an die Fenster kratzend ... Stimmen hörst du, wie gepfercht, im Faß; Schweflicht zuckts; und im Gedärm dichs juckt; Zotige Flüche grunzend hingespuckt

Galle. Pest-Fraß. Aderlaß....

Blutsäufer trunken zappelnd im Gekröse

Volk, hinsiechend du, wie qualummauert,

Vor der Hölle Ansturm hingekauert:

Volk, o Volk: was täuschst du dich um dein Genesen !?

Wann, ihr Völker: wie gesperrt in Gruben, Euere Rede: stotterndes Gekrächz Aufgeätzt, und wie umsaugt von Spinnen, Ausgehetzt, wie ein Getier, das lechzt Abgeschaufelt, schon verdingt dem Spaten Hingegossen, dünn die Haut, verflüssigt, Schädel, wie geklebt aus Scherben, rissig Madenschwärme wühlen in den Saaten Völker: wann streift ab wie Kletten

Rein entschürt ihr euere Zwinger!?

Opfernd wieder an den heiligen Stätten

~ Auf Gebirgen groß die Flammen-Schwinger —... Niederwuchtend aber waren der Wetter Getöse, Erden, unterbebt von Paukenstößen

Strahlen sprießen auf wie Ähren

Männer, den Erzvätern gleich, die dengeln die Sensen, die brennen

Rieseln himmlischen Korns in die Tennen ...

Geoffenbarte Frucht du, unaufzehrbar, wann wirst du die Darbenden nähren!?...

Ärgernis der Welt: wie weiße Schatten

Dich zerhau’nd Glanzschwerter dich umflattern .. .

Seht: die Lästerer knien, des Lichts umgeißelt,

Wenn Trompeten, Gott, dich kündend, schmettern

Salbend dich mit den geweihten Fetten:

Mensch, o Mensch, lobsinge nur und preise!

KABBALISTISCHE ERZÄHLUNGEN

Die Dämonin im Schilf

In einem Orte lebte ein Mann, und dem gebar seine Frau sechs Söhne, aber jeder Knabe starb, da er sechs Tage alt ward. Nun kam das Weib mit dem siebenten Kinde nieder, und dem Vater bangte um das Leben des Neugebornen. Da erzählte ihm ein Freund von einem heiligen Einsiedler, der weitab im Walde lebte, abgeschieden von der Welt. Also begab sich der Mann dorthin und stieß in der Waldes- tiefe auf einen Menschen, der einsame Pfade aufsuchte. Da begriff er, daß dieser der von ihm Ersehnte war. Er folgte ihm und ereilte ihn bald; dann fiel er vor ihm nieder, weinte und klagte vor ihm und erzählte ihm von dem Un- glück, das ihn verfolgte, und wie erin Angst um sein Jüng- stes sei. Da fragte der Heilige: Hast du nicht in deiner

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Wie der Herr austrieb die Käufer und Verkäufer von dem Tenpel

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Von der Geißelung

Jugend eine Jungfrau geheiligt und ihr die Ehe versprochen? Der Mann erwiderte: Das hab ich mein Lebtag nicht ge- tan. Dennoch, sprach der Einsiedler, suche in deinem Ge- dachtnis und erinnere dich der verflossenen Tage.

Da rief sich der Mann seine Jugend in Erinnerung, und er gedachte eines Tages im Sommer, da er im Flusse gebadet hatte; er war dabei an eine Stelle gekommen, die mit Schilf bewachsen war, und da hatte er im Scherz seinen Ring vom Finger genommen, ihn auf einen Rohrstengel gesetzt und lachend die Worte gesprochen: Sei mir hiermit geheiligt nach dem Gesetz Moses und Israels! Der Ring war ver- schwunden und wurde nicht mehr gesehen; der Mann aber hatte den Vorfall aus dem Gedächtnis verloren. Dieses er- zählte er jetzt dem Heiligen, und der sprach: In dem Schilf war eine Dämonin verborgen, und diese hast du dir an- gelobt; sie ist es nun, die jetzt Rache an deinen Kindern nimmt. Und er befahl dem Manne, einen Scheidebrief zu schreiben, damit an die Stelle zu gehen, da sich der Fall ereignet hatte, die Urkunde ins Wasser zu werfen und drei- mal laut zu rufen: Der Rabbi soundso befiehlt dir, den Brief anzunehmen.

Und der Mann tat in allem, wie ihn der Heilige geheißen hatte. Wie er das Blatt in das Wasser getan und die Worte gesprochen hatte, sah er eine Hand sich aus der Tiefe empor- recken und den Brief ergreifen. Und nun begab er sich auf den Heimweg und fand seine Frau und den Knaben heil und gesund. Er ließ seinen Sohn den Segen des Abraham-

bundes erfahren und beging das Fest mit Freude und Jubel. *

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Eine Geisterlockung

Ein Jüngling, wohlbegabt und reich an Wissen, erlebte einst Seltsames. Er war eines Tages vor Abend zur Som- merszeit baden gegangen; er befand sich ganz allein im Wasser und sah außer sich keinen Menschen. Als er schon beim Ankleiden war, gesellte sich zu ihm plötzlich ein Mann von ehrbarem Aussehen, grüßte ihn, was der Jüng- ling erwiderte, und sie gingen, miteinander sprechend, zu- sammen. Der Jüngling wurde es aber nicht gewahr, daß der Fremde ihn von seinem Wege abbrachte, und sah sich mit dem Manne auf einmal vor einem schönen Hause mit hellerleuchteten Fenstern stehen. Ein alter Mann kam her- aus und bat die beiden, bei ihm einzukehren. Sie traten ein, der Alte setzte sich mit ihnen an einen Tisch, und man unterhielt sich über gelehrte Dinge. Als die Männer im Gespräch miteinander waren, erschien ein Mädchen von lieblicher Gestalt, trug ihnen Wein und Früchte auf und verließ alsogleich das Zimmer. Nachdem die Gäste sich an den dargebotenen Erfrischungen gelabt hatten, stand der Mann, der den Knaben in das Haus gebracht hatte, aufund verabschiedete sich. Den Jüngling aber bat der Wirt dazu- bleiben, denn es sei für ihn zu spät, um heimzukehren; er sollte nurohne Sorge sein, man würdeihn morgen vor seinem Vater rechtfertigen. Da willigte der Jüngling darein; man bereitete ihm ein Lager, und er verfiel in einen süßen Schlaf.

So blieb der Gast einige Tage in dem fremden Hause, und der alte Mann führte ihn durch die Gemächer und zeigte ihm seine Kostbarkeiten und Bücher. Jeden Abend kam der Mann, der den Jüngling dorthin gebracht hatte, .

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und auch das freundliche Mädchen erschien jedesmal und richte Wein und Süßigkeiten. Sie gefiel dem Jüngling sehr wohl, und er blieb mit seinen Gedanken bei ihr. Da sprach eines Tages zu ihm der Begleiter: Heilige die Jungfrau und nimm sie zur Ehe. Dazu zeigte sich der Ankömmling gern dereit. Man lud alsbald Gäste ein und machte ein großes fest. Der Jüngling legte dem Mädchen einen Ring an, und } alle riefen: Glückauf! Glückauf! als plötzlich ein schrilles Lachen dazwischenfuhr. Auf einmal war das Haus mit smem Herrn, mit der Braut und den geladenen Gästen i verschwunden, und der Jüngling lag vor der Schwelle seines : Eltenhauses, müde und erschöpft. Die Hausgenossen waren | um ihn bemüht und fragten: Was ist dir widerfahren? Der | Verstörte konnte ihnen keine Antwort geben, denn er hatte die Sprache verloren. Es war ein Seufzen und ein Klagen im Hause, und keiner wußte Rat noch Hilfe.

Die Eltern des Knaben riefen Ärzte ins Haus, allein diese vermochten seine Krankheit nicht zu heilen; man nahm . Beschwörungen und Besprechungen an ihm vor, es half | aber nichts. Zuletzt brachten die Angehörigen den Kranken

vor einen Rabbi und flehten diesen unter Tränen an, den Knaben zu erlösen. Und der Heilige unternahm es, den Leidenden wiederherzustellen. Er rief in seinem Hause ein Gericht zusammen und lud die Satanskinder vor. Es wurde ihnen in der Stube eine besondere Ecke zugewiesen, die von dem übrigen Raume durch einen Vorhang getrennt war. Es gab Rede und Gegenrede, und das Gericht ent- schied, daß das Verlöbnis des Jünglings mit dem Mädchen als ungültig anzusehen sei. Da hörte man ein Dröhnen in dem Hause, und dazwischen vernahm man eine weh-

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klagende Mädchenstimme. Die anwesenden Menschen er- schraken, aber der Rabbi hieß sie die Ruhe bewahren. Nach der Verkündigung des Urteils gewann der Jüngling die Kraft der Rede wieder, aber sein Gemüt war noch lange Zeit betrübt. Der Rabbi befahl, auf ihn achtzugeben und ihn nie mehr ohne Begleitung ausgehen zu lassen.

Aus dem sechsten Bande des „Born Judas“.

RAINER MARIA RILKE ZWEI GEDICHTE

Besrorz mich, Musik, mit rhythmischem Zümen!

Hoher Vorwurf, dicht vor dem Herzen erhoben,

das nicht so wogend empfand, das sich schonte. Mein Herz: Da:

sieh deine Herrlichkeit. Hast du fast immer Geniige,

minder zu schwingen? Aber die Wölbungen warten,

die obersten, daß du sie füllst mit orgelndem Andrang.

Was ersehnst du der fremden Geliebten verhaltenes Ant- litz?

Hat deine Sehnsucht nicht Atem, aus der Posaune des Engels,

der das Weltgericht anbricht, tönende Stürme zu stoßen:

o, so ist sie auch nicht, nirgends, wird nicht geboren,

die du verdorrend entbehrst....

*

Avusckskrzr auf den Bergen des Herzens. Siehe, wie klein dort, siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,

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aber wie klein auch, noch ein letztes

Gehöft von Gefühl. Erkennst du’s?

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund unter den Händen. Hier blüht wohl

einiges auf; aus stummem Absturz

blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.

Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann, und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Da geht wohl, heilen Bewußtseins,

manches umher, manches gesicherte Bergtier, wechselt und weilt. Und der große geborgene Vogel kreist um der Gipfel reine Verweigerung. Aber ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens...

JAKOB PHILIPP FALLMERAYER HAGION-OROS ODER DER HEILIGE BERG ATHOS

V erLass die Welt und komm zu uns,“ sagten dieMönche, „bei uns findest du dein Glück. Sieh nur dort die schön gemauerte Klause, die Einsiedelei am Berg, eben blitzt die Sonne abendlich in die Fensterscheiben! Wie lieblich das Kirchlein unter Weinranken, Lorbeergehäge, Baldrian und Myrten aus dem Hellgrün des laubigen Kastanien- waldes blickt! Wie silberhell es unter dem Gestein hervor- sprudelt, und wie es murmelt im Oleanderbusch! Hier hast du milde Lüfte und die größten aller Güter die Freiheit und den Frieden mit dir selbst. Denn frei ist nur, wer die

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Welt überwunden und seinen Sitz in der Werkstätte aller Tugenden (ĉoyaotýgioyv naciv doer@r) auf dem Berg Athos hat.“ Es war voller Ernst, die frommen Väter erkannten ihren Mann, die Melancholie, die Sehnsucht, den Preis der Einsamkeit und den Zauber, den Waldöde und frische Szenen der Natur über weltmüde Seelen üben. Nicht als Mönch, dazu gehöre eigener Beruf, sondern als unab- hängiger Bundesgenosse sollte ich meine Hütte im Revier ihrer heiligen Gemeinschaft aufschlagen und frei von allem Zwang gleichsam als Kostgänger irdischer Glückseligkeit in Gebet, in Sammlung des Geistes, in Leseiibung, in Gar- tenarbeit, in Gesellschaft oder allein durch die buschichten Wälder streifend, allzeit aber im Frieden ausharren, bis der Lebensfaden abgelaufen und die Morgenröte der schöneren Welt erscheint. Für jetzt soll ich noch in die Heimat gehen, verkaufen, was ich habe, sollte die tausend Wurzeln, die mich ans abendländische Leben fesseln, mutig aus dem Herzen reißen und ohne Zagen auf die Insel der Glück- seligkeit und des Friedens zurückeilen. Für eine mäßige Summel!, ein für allemal dem Kloster St. Dionys bezahlt, sei ich lebenslänglich Herr der romantischen Klause, nach- dem man kontraktmäßig festgesetzt, wieviel ich wöchent- lich an Brot, Wein, Mehl, Hülsenfrucht, getrockneten Fischen, Oliven, Licht, Feuerung und anderer Notdurft für mich und meinen Begleiter aus dem Klostervorratshaus zu beziehen habe. Das Angebot ich gestehe es war ver- führerisch. Alle Qualen des Okzidents, das junge Heiden- tum, die Bücherflut, L... s zwölf dicke Bände über deut- sche Urgeschichte, von der man so wenig Kunde hat, ach!

t 1200 fl. rhein.

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zwölf Bände voll Redefluß, voll Kunst und voll unfrucht- barer Gelehrsamkeit; Feuerbachs gigantische, trostlose Philosophie, die Kompendienschreiber fielen mir ein und die schlechten Künste, die Eitelkeit, die Ignoranz, der Hochmut, der Schmutz und die Langweile, die sich überall vorandrängen, dazu noch der Leipziger Meßkatalog, das Titanische im Wissensdrang und der ungestillte Durst nach Erkenntnis und Genuß; Wankelmut, Parteisucht, Dema- gogenehrgeiz und Experimentalregiment, Abd-el-Kader, die Pariser Advokaten, germanische Verblendung, Mohilew und das verlorene Glück bestürmten zu gleicher Zeit den Sinn. Ich wankte schon und wollte von so vielen und so groBen Ubeln Sicherheit erkaufen als Klausner auf der grünen Berghalde St. Dionys. Nach einer Nacht voll innerer Bewegung stieg ich in aller Frühe den Klosterfelsen hinab zum Orangenbach und auf der gegenüberliegenden Seite der Engschlucht zur Klause hinauf, um mein künftiges „Ohne-Sorgen“ in der Nähe anzusehen. Indessen senkte sich über Steilwände und Felsengewirre im feiertäglichen Schimmer das Sonnengold vom einsamen Athosgipfel lang- sam zum Tannenwald herab, legte sich nacheinander auf das helle Kastanienlaub, auf das Platanendickicht, auf die Klause und ihre Gärten mit Herbstflor und Rebgelände und erreichte endlich die Nußbäume, die Limonien und das dichtverschlungene, laubichte Geranke der waldichten Schlucht, fiel auf das Burgverlies, auf den bleigedeckten Dom und die byzantinischen Kuppeln, auf die Mauerzinnen und Söller von St. Dionys: unten lag spiegelglatt der weite Golf, und von innen tönte Glockenklang, süße heimatlich melancholische Seelenmusik des Christentums, Ach wäre

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der Mensch bleibender Glückseligkeit hienieden schon fähig, wo empfände er ihren himmlischen Reiz, wenn nicht in der grünen Waldstille dieses beglückten Cherso-

neses! Man begreift, wie einst Sertorius, müde seiner Zeit | und ergriffen von unendlicher Sehnsucht nach Frieden,

mitten im Tumult des Bürgerkrieges auf den Gedanken kam, vor sich selbst zu entfliehen und fern von dem toben- den Sturm der Römerwelt den Rest seiner Tage hinter Celt.

iberien auf den „Glücklichen Inseln“ zu verleben. Sertorius |

ging aber nicht auf die Glücklichen Inseln, wollte Seelen-

frieden erringen, ohne den Lockungen der Ehrsucht zu ent-

sagen, hatte die Liebe zu Herrschaft und Sinnenrausch noch

nicht erstickt, die Welt noch nicht überwunden wie die anatolischen Tugendhelden, die freiwilligen Selbstpeiniger

und Kampfzeugen in den Kastanien wäldern und lorbeer- geschmückten Talschluchten des Athosberges, dieses kolos- salen, von der Natur selbst aufgetürmten und mit unver- welklichem Festgewande umzogenen Münsters von Byzanz.

Das Bild ist nicht phantastisch, es ist naturgetreu, Athos ist Wald-Dom der anatolischen Christenheit. Ein mehr als zwölf Stunden langes, zwei bis drei Stunden breites und

durch eine schmale niedere Landzunge an den Kontinent

gebundenes Bergeiland erhebt sich in isolierter Majestät

über die tiefe Flut des Strymonischen Golfes. Das ist der

Berg Athos. Langgestreckt ist die Halbinsel, nicht flach,

auch nicht wellenförmig hingegossen, noch als schiefe

Ebene nur auf einer Seite aufsteigend, auch nicht ein mi:

Hügel- und Felsengewirre unregelmäßig ausgefülltes Kon- glomerat: haldig und sanft steigt es von beiden Strandseiten gegen die Mitte empor und läuft sattelförmig mit wachsen-

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i

der Höhe und Steile in langen Windungen fort wie ein Tempeldach, und am Ende strotzt leibig und wohlgenährt, von drei Seiten rund aus dem Wasserspiegel heraussteigend und auf der vierten bis zur halben Höhe mit dem Wald- gebirge verwachsen, einsam und frei die riesige Athos- kuppel in die Lüfte, auf der Plattform ein weithin sicht- bares Kirchlein, das höchste und luftigste Gotteshaus der morgenländischen Christen, zugleich Sitz der Sommerlust, der Andacht und der Windsbraut für die Athoniten. Man denke sich eine Augustnacht in Purpurflor und mit allen Reizen des Siidhimmels angetan, den glatten Spiegel über bodenloser Tiefe, mildhauchende Seelüfte über die Gärten und Söller fächelnd, Nachtigallen im Rosenbusch, das lange Walddunkel und die Wachtfeuer auf der Bergspitze; oder wie das Morgenrot und der erste Sonnenstrahl goldfunkelnd auf die Felsenkrone fällt und weit unten noch schweigsame Nacht oder kaum das erste zweifelhafte Dimmerlicht über den Klosterzinnen am Strande liegt!

Athos ist Hochwarte des Ägäischen Meeres und Leucht- turm aller Orthodoxen in Byzanz.! Vom Festlande in das Meer hinausspringende Chersonese sind vorzugsweise eine Figentümlichkeit der griechischen Welt. Zu Kerasunt in Kolchis, bei Sinope in Paphlagonien und in der Nähe des Athos selbst hat die Natur ähnliche Gebilde bald nur be- gonnen, bald ausgeführt, nirgend aber ein so schlankes Maß angelegt, die Wände so romantisch ausgeführt und

! Um die Zeit der Sommersonnenwende fällt der Abendschatten, wie die Alten versichern und die Berechnungen der Neueren be- stätigen, bisweilen auf den Marktplatz der Stadt Myrina der nahen Insel Lemnos,

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den Wuchs in so liebliche Formen gegossen wie hier. Ein felsichtes, schroff und mühevoll zu erklimmendes Nadel- holzgebirge, quer über den Isthmus streichend, hütet wie ein Säulengang das Tor zur immergrünen Baumregion des Athos, und wenn der Fremdling nach Überschreitung dieser Querwand über tiefe Schluchten und Hügel aus wildem Rosmarin den Hochpfad erklommen hat, tut sich eine Szene auf, deren Schönheit man wohl empfinden, aber nicht be- schreiben kann.

Wie ein langer Silberfaden läuft über Sattelkamm und Bergschneide durch hellgrünes Gebüsch und dichtverwach- senes, efeuumranktes Baumgewühl der Hochpfad mitten durch die Halbinsel bis zum hohen Athoskegel. Bald schroff und ohne vermittelnden Übergang, bald sanft und in ver- lorenen Halden senkt es sich zu beiden Seiten des Wegs in romantischen Vorsprüngen und verschlungenen Talwin- dungen oder in weiten, amphitheatralisch ausgebogenen Prachtfächern über Waldöde, über lieblich bebautes Ein- siedlergehöfte, in dunkelem Waldschatten, hier zum Sin- gitischen, dort zum Strymonischen Golf hinab; die Sonne blitzt auf den Wasserspiegel und lockt, durch die laubigen Bäume fallend, eine Träne wehmutsvoller Erinnerung aus dem Auge des fremden Wanderers. Tief unten am Strande, in weiter Entfernung voneinander abgesondert, durch Wald und Vorgebirge getrennt, auf grüner Matte ausgebreitet oder auf meerumbrandetes Gestein mittelalterlich hingezauben. oder in waldüberhangenen Schluchten, an rauschenden Silberbächen, zwischen Limoniengärten und langwipflich- ten Zypressen heimatlich verborgen, erscheinen dieMönchs- kastelle mit hohen Mauern, mit gewölbten Torgängen, mit

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Glockenhaus, mit Wart- und zinnenbekränzten Festungs- türmen und eisenbeschlagenen Doppelflügeln zur Hut der byzantinischen Heiligtümer wider feindliche Gewalt. Das von der Natur zu beiden Seiten des Pfades in der Senkung der Bergflügel eingehaltene Ebenmaß, der bei aller Mannigfaltigkeit der Schwellung, bei allem Wechsel der Schatten, des Lichts, der üppigen Szenerie doch über- all gleiche Abstand vom Bergkamm gibt dem Auge die volle Herrschaft über die wunderbare Doppelpracht. Der schlankstämmigen Pinie und der Weißtanne mit hellgrünen langen Nadeln begegnet man nur am Felsenportal des Ein- ganges und auf der oberen Region des Steinkegels. Der langgestreckte Raum zwischen beiden ist ein zusammen- hängender Laubwald von Platanen, Buchen, Grüneichen, Öl-, F eigen-, Nuß- und Kastanienbäumen, von Zypressen, Weinreben, Lorbeer- und Haselstauden, von Mastixstrauch, von immergrünen „Arbutuskirschen“ , Maulbeer- und Obst- stimmen aller Art hellgrünes, luftdurchfächeltes Berg- gewand, wo die Myrte, die Rosenhecke, der Weißdorn, der Smilax, die Coronilla, die schattige Globularia und das saftige Grün der Efeuranke auf dem Boden, über der Stein- wand und am lebendigen Kastanienzaun alle Räume füllt; wo Duft, Farbenpracht und Schmelz der Blumen überall den Sinn berauscht, wo es überall quirlt und rieselt und in langen Fäden von der waldigen Hügelterrasse fällt und fortrauscht mit Gemurmel im Erlbusch! Reitet man von der Hafenbucht herauf, die prächtige Abtei Xeropotamo vorüber, durch romantisches Waldgeschlinge zum Höhen- kamm, trifft man mitten im Dunkelschatten des Laub- waldes, rechts am Pfade, eine grüne Alpenwiese mit Zaun-

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werk künstlich eingefriedet, Sennhütte und Hürde neben Brünnlein und Bächen; esist Mittagsglut, die schweigenden Lüfte, das Bienengesumme, der Wanderer sitzt am Born, Kastanienlaub und Alpenflor schwanken im Wasserspiegel, Quae simul aspexit liquefacta rursus in unda, Non tulit ulterius, „wie der Morgentau in der Sonne, so schmilzt ihm die Seele in der Brust.“

Wie jener Emir in Alhambra können wir alle, selbst der Größte und Glücklichste, die Tage wahrer Seligkeit und innigen Entzückens aus unserem Leben ohne Mühe zu- sammenzählen. Ich werde einen Septemberabend in den Engtälern des kolchischen Amarantengebirges und die Mittagsrast am Wiesenplan oder Xeropotamo nie vergessen. Wie unbegreiflich, wie preislos und verächtlich doch in solchen Momenten all unser Mühen und Streben erscheint! Der Mensch ist aber nicht zu stillem Genuß, er ist zum Kampf geboren; schweigend eilt er am offenen Tor der Seligkeit vorüber und sucht sich neuen Gram.

Daß in dieser beglückten, von der Welt abgelegenen und von der Natur selbst zum Sitze stiller Schwärmerei einge- weihten Wildnis nur Mönche wohnen und das Grundeigen- tum seit Jahrhunderten als fester, wohlverbriefter, unan- tastbarer Besitz der einundzwanzig annoch bestehenden Klöster katastermäßig einregistriert und keine Handbreit Land schwebend und ohne Eigentümer ist; ferner, daß die Grenzscheide der einzelnen Klostergebiete schon lange und überall im Gehölze, am Bach, am Felsabhang, unter Hader, Prozeß und Plünderung türkischer Austrägalgerichte fest- gesetzt und das ganze Gebiet für sich ein zusammenhängen-

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des Gemeinwesen, eine feste Körperschaft mit aller im Sä- kularverbande herkömmlicher Ungleichheit in Vermögen, Macht, Ansehen, Erwerbsfähigkeit, Lebenspraxis, Leiden- schaft und Trieb, aber mit Munizipalfreiheit und Selbst- verwaltung bilde, ist zum Teil auch in Europa nicht mehr unbekannt. Nur möchte man auch von den früheren Schicksalen des grünen Chersoneses, von den Anfängen der Mönchskolonien, ihrer Einrichtung, ihrer Denkweise und Sitte, ihrem Wirken und Schaffen, von Büchern, Architek- tur, Kunst, Gelehrsamkeit und Tugendspiegel der frommen Athosväter einiges erfahren. Die Neugierde ist nicht un- zeitig. Der heilige Berg mit seinem Urwald, mit seiner festverwachsenen und versteinerten Kirchenkonstitution ist Zentral- und Lebenspunkt des oströmischen Glaubens, gleichsam der Vatikan des Orients, Zielpunkt aller Sehn- suchten, Sammelplatz des Reichtums wie der kirchlichen Überlieferung, Freihafen und letzter Zufluchtsort aller Weltsatten von Byzanz, ja das einzige von Barbarentritt nie entweihte Fragment der orthodoxen Monarchie.

Fragt man aber die Mönche um eine dokumentarisch beglaubigte Geschichte des heiligen Berges und seiner In- stitute, erhält man überall dieselbe Antwort: es gebe keine. Aber warum macht ihr euch nicht ans Werk? Habt ihr nicht Goldbullen, Papiere, Zeit und Ruhe genug? „Wozu wäre das gut?“ fragen die Väter entgegen, „wir sind hier nur vorübergehend, sind nur Gäste, die auf ihrer Wander- schaft zur Ewigkeit heute einkehren und morgen den Platz andern überlassen: unser Geschäft ist Gebet und Kirchen- dienst, alles andere ist überflüssig.“

Aus Ernst Reisinger, „Griechenland“.

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THEODOR DÄUBLER / DEN SCHLAG DER NACHTIGALL HAT SICH EIN STERN ERSCHAFFEN

Der Rhythmus ist ein Himmelsflug und jagt sich Träume. Die Silbenleiter führt zu dauernden Gedanken,

Die Reime sind die Blüten erdentreckter Bäume,

In deren Duft wir zu Entflüglungswesen schwanken.

Den Adler raubt das Sonnenlicht den Felsenmassen

Und leiht ihm Kraft zu einem steilen Wonneflug:

Den Halt im Hoch! kann er beim Steigen erst erfassen, Denn schwebend ruht er dort, wohin das Licht ihn trug.

So wird mirs auch für Sonnenhelden tief gebührlich, Dort auszuharren, wo sich fast der Geist verliert,

Genie, dir ist dein Erdentrücktsein so natürlich,

Wie blasses Gunsterträllern einem Gecken, der sich ziert.

Der Tag gebar auch Wesen, die der Mond erkoren. Er ist Verführer: hat sich Seelen angestimmt!

Die Fische, Eulen, Katzen, uns entbogne Toren Verflittern still wie Silberlicht, das griin erglimmt.

Die Blüten, Herzgesänge, die an Hecken hängen, Verschleierungen, eine Braut im Spitzenkleid, Entträumungen, die bleich zu Seelenpforten drängen, Sind ohne Mondhalt tot. Oft rufen sie das Leid!

Den Schlag der Nachtigall hat sich ein Stern erschaffen! Ein Klang, der klagend durch die Seelen traurig bangt,

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siyoyq ur suynrg sorsopg taisopy un vidCay Eh G u.

Läßt unterm Herzen Ahnungsfernen traumsam klaffen Und sagt, daß schon der Mensch zur holden Heimat schwankt.

Ach Nachtigall, du warmgewiegtes Kind der Sterne,

Erflügle ein Gefühl, das für Entweltung schäumt.

Dein Klageklang entrückt in alte Herzensferne

Und türmt den Sturm, der mondzu Schlummermeere träumt.

Ach Nachtigall! Du rufst nach deinem Sohn der Erde, In dem, mir fremd, ein Stern sein nahes Wesen preist! Ach schlage, Nachtigall, daß er uns deutsam werde: Ob sich den Wunsch nach ihm dein Schmerzgewühl verbeißt?

Verworren strebt die Seele, blind beim Wunschverlegen, Nach eigner Ewigkeitserkernung wild zu flehn.

Sie wechselt stets: stürztab. Klimmt doch aufSternenwegen. Zerwühlt sich: stürmt. Um stille Weihe zu erwehn!

Ein Fieber aus den Sternen wird uns einst zerzerren:

Die Urkunft kann nicht ruhn, bis sie auf uns beruht.

Sie bleibt die Furcht, daß Weltlinge den Geist versperren, Aus Ungeduld der Tod: sie opfert unser Blut!

Ersternte Güte, urverzückte Lebensfunken,

Ihr Liebesblüten, Freuden der Unendlichkeit,

Aus euren Bornen hab ich Glück und Gold getrunken, Und nun bin ich berauscht: zu mir befreit.

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Du Milchstraße, Geschleier aller Bräutlichkeiten.

Der Geist, der wie ein Wind auf deinen Äckern weht,

Umarmt und halst mich oft: er will mich heimwärts leiten.

Ich weiß, daß deine Macht in meiner Nacht entsteht!

Die ersten Menschen liebten, fürchteten die Sterne, Benannten wohl den herrlichsten nach ihrem Schatz! Dann sagten sie: „Der dort ist nah! Der hat mich gerne.“ Und machten bald ins Tal der Zahl den klugen Satz.

Jetzt blickt ihr kühn, mir dunkelste, ihr hellen Sterne, Wie Magieraugen auf die heitre Sonnenwelt;

Ihr kündet mir, daß ich die Weglichkeit verlerne,

Wie, sanft zum Ich gestrahlt, mein Gottgang sich erhellt.

Du winkst mir, Meister weiser Machtfiguren Und auch des Weibeslächelns, das die Welt versteht! Du Schöpfer gottgewußter Menschen, klarer Fluren, Auf denen goldne Luft zu blauen Auen weht!

Dich hielt geweihtes Wissen, still wie sichre Sterne, Du spürtest auf der Stirn des Sirius GeisterkuB.

Du zogst geschlechtlich Welterlebtheit tiefster Ferne Zum Atem auf. Erschautest klar: das war ein Guß!

Du gingst, der Löwe der Erstauntheit, in die Klüfte Erhabnen Einhalts! Sahst verachtungswahr zu Tal. Die Einfachen erkannten dich am Klang der Lüfte: Die Einfalt stürzte hin vor deinem Abendmahl.

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Ach, Nachtigall, dein Klagen! Laß uns Sterne hören! Wie sanft der Schlag, nach Stille, zu Geplätscher hallt: Die Nachtigall! Behutsam: ihren Bach nicht stören! Erwundert dich ein Duft? des Vogels Lorbeerwald!

Belauscht sich unter Bäumen eine Wunderseele?

Ein Dichter! Zwischen Ästen träumen: die Gestalt.

Er liebt ein Leid, das ihn zu Tode quäle:

So manches Frühjahr schmückte ihn, doch er bleibt alt.

Wie zärtlich, lieber Wind! Umduftung hüllt mein Staunen.

Die Nachtigall! Dem Felsen näher Widerhall!

Wie kühn der Schlag! Ergreift mich tief: ich könnte raunen.

Nur stumm! Nur stumm! Wie sacht gib acht die Nachtigall!

Jetzt nicht mit Schritten! Unsern Sternen süßes Sagen! Vollkommenheit umlaube dich: du bist ein Baum.

Mein starker Bach, in junger Welle altes Wagen

Entraffst du mich? Faßt mein Entzücktsein keinen Saum!

Ach, Nachtigall! Ein glühender, entzückter Süden

Ertagt die Nacht. Von Bach zu Wald von Wald zu Bach. In alten Zügen Klang! Durch Düfte. Nie ermüden! Die guten Ahnen meines Landes bleiben wach.

Geweihtes Rom, deine geborgenen Gesetze Verzauberten sich mild zu deinem Bild der Huld. Ein engelhafter Mensch ersponn sich Schimmernetze Und hauchte sie auf Heiliger gesühnte Schuld.

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Geliebtes Wunder, unsre Mutter mit dem Kindel Vor deinem Antlitz bin ich zu mir selbst erwacht: Wie tief ich meine Seele in Geduldung finde. So nah hat uns den Himmel keine Hand gebracht. Aus der neuen Ausgabe des „Nordlichts“.

EINBRIEFVONLILISCHÖNEMANN

An ihren Bruder

Erlangen, den 10. April 1795. Dr zufriedenstellenden Nachrichten, die Du mir tiber die Gesundheit Deiner lieben Frau gibst, haben mich auBer- ordentlich erfreut; ich wünsche aufrichtig, daB ihre Kräfte mit der schönen Jahreszeit wieder zunehmen, und tue Ge- lübde für ihre vollkommene Wiederherstellung; sage ihr, bitte, alles, was die zärtlichste Freundschaft sagen kann, und bezeuge ihr an meiner Statt alle die Teilnahme, die ich ihrer Wiederherstellung entgegenbringe.

Nach dem Inhalt Deines letzten Briefes zu urteilen und nach der Art, wie Du versuchst, mir die Lust zur Rückkehr nach Straßburg zu nehmen, hast Du die Sache schlecht be- urteilt, oderich habe den Wunsch meines Herzens schlecht ausgedrückt. Es ist wahr, daß ich die Anhänglichkeit für diese gute Stadt bewahrt habe und die reinste Dankbarkeit, daß meine Seele sich oft hinwendet zu ihren biedren Be- wohnern, und daß der Gedanke, eines Tages dorthin zurück- zukehren, ein heilender Balsam für meine Seele ist; aber | ich versichere Dir mit derselben Offenheit, daß ich den Augenblick der Rückkehr fürchten werde, wenn sie gerade

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in diesem Augenblick stattfinden sollte: der Gedanke, mei-

nen Mann auch nur einen Moment gefährdet zu sehen

und an seiner Gefahr durch den zu häufig ausgesprochenen

Wunsch der Rückkehr mitgewirkt zu haben, würde eine

unerschöpfliche Quelle der Pein werden! Ich hüte mich

also, meinen Wunsch aufeine zu positive Artzu äußern, da

die Ereignisse unberechenbar sind. Meine Lage ist nichts-

destoweniger schwierig oder verwirrend; denn wenn ich es

nach sehr vielen Aufregungen über mich gewonnen habe,

ruhig zu sein und zufrieden mit meiner Lage, und wenn

ich glaube, im Einklang mit den Geschehnissen zu sein,

kommen neue Lockungen, die sehr schlecht geeignet sind, mich zu prüfen, da ich noch keineswegs meine Wünsche ganz besiegt habe, und da ein unlösliches Band mich ver- bindet und anzieht. Glaube nicht, lieber Freund, daß ich mir über meine gegenwärtige Lage eine Illusion mache, noch über die Gefahr und das Unglück, die in Frankreich durchzumachen wären. Ich anerkenne und schätze das Glück, ruhig leben zu können, frei von Bedürfnissen; ich danke Gott, daß er mir so wunderbar meinen Mann und meine Kinder gerettet hat, und überlasse mich ganz seiner Führung: aber ich verberge mir keineswegs, daß, wenn ich mir einen Blick auf meine Umgebung zu werfen erlaube und mich frage: was wird aus uns? wo werden uns unsere Schritte hinführen? wird mein Gatte untätig bleiben müssen, oder wird er Mittel und Wege finden, um sich seinen Kindern und Mitbürgern nützlich zu machen? daß ich dann wenig Antworten finde, die mein Herz zu- friedenstellen; und ich sehe, daß, wenn ich in Gedanken verschiedene Länder Europas durchlaufen habe und über

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die Unordnung und den Zwiespalt, der allenthalben herrschi. geseufzt habe (ohne an die zu denken, die mit ihrem Ein- sturz drohen), daß nur die Hoffnung auf Rückkehr meiner Seele genugtun könnte; aber wenn dann wieder die Par- teien, die dieses unglückliche Land zerfleischen, und die Verwirrungen, die eine unausbleibliche Folge davon sind, mit in Rechnung gestellt werden, zusammen mit dem Ver- gnügen, seine Freunde wiederzusehen, so muß man sich das Gesetz des Schweigens auferlegen, nur auf Gott hoffen und ihm die Sorge überlassen, die Ereignisse herbeizuführen und zu ordnen. Das Ergebnis davon abwartend, haben wir von unserer hübschen Wohnung Besitz ergriffen und er- warten nun von einem Augenblick zum andern meinen Bruder mit seinen zwei Söhnen.

Zum Dank für Deine Erzählung von den Bierbrauern biete ich Dir, lieber Freund, ein Nürnberger Späßchen an. Die Bevölkerung hat sich gemüßigt gefunden, die Bäcker aufzusuchen, um sie zu fragen, ob sie Osterkuchen backen würden, wie es sonst der Brauch. Die verneinende Antwort war das Signal eines Sturmes auf ihre Fensterscheiben und Ladeneinrichtungen, welche auch bald demoliert waren; die aber bejahten, wurden geschont. Die Furcht vor einer größeren Unruhe ließ die Bürger, die alle Tage auf Wache zogen, zu den Waffen greifen. Heute ist alles ruhig, wenn- gleich außerordentlich unzufrieden und verärgert.

DerZeitpunktderMesseerinnertmichaneinigeWünsche, für deren Erfüllung ich Deine Freundlichkeit in Anspruch nehmen möchte, wenn Deine Beschäftigung es erlauben sollte. Zunächst graue Strümpfe für die drei ältesten Söhne, ähnlich denen, die wir von Herrn Finger haben, und drei

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Pfund Garn, um solche zu stricken, wie mir die Breville gekauft hat sechs Paare für jeden. Was aber noch wich- tiger wäre, das würde irgendeine Hemdhose für den täg- lichen Gebrauch sein, d. h. etwas Solides für Weste und Hose; sie tragen noch immer ihre Sammethosen, und es beginnt doch schon recht warm zu werden. Ich bin sonst gegen jede Neuanschaffung, aber diese ist unausbleiblich. Verzeihe die Mühe!

Sage, bitte, der lieben kleinen Mimi, daß mir ihr Brief viel Freude gemacht hat, und daß ich demnächst antworten werde. Herr Brüxner oder Fabri wird sich vielleicht mit meinen kleinen Paketen beladen. Adieu, mein lieber, lieber Freund, bleibe mir gut, und sei der Unverbrüchlich- keit meiner Liebe versichert.

Wenn der gestreifte oder dunkle Nanking nicht zu teuer ist, ein Paar für Sonntags würde jedem Freude machen.

Aus dem in der Insel-Bücherei erschienenen Bändchen „Lili in ihren Briefen“. Der französisch geschriebene Brief ist hier in Übertragung wiedergegeben.

PAUL AMANN

NAPOLEONS DYNAMIK / EIN VER- SUCHIM UMRISS

Frau von Montholon bezeichnet einmal ganz schlicht die Kraft, die in alle Höhe und Breite Napoleons Riesenwerk bewegt diese „ungeheure Maschine“, wie er selbst es gerne nennt: „Ich habe nie einen Menschen gekannt, der sich so sehr für das Wirkliche interessierte.“

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Indem wir uns dieses Wort einer klugen Gefährtin der letzten Tage zu eigen machen, verstehen wir unter dem „Wirklichen“ allerdings nicht nu: die sinnliche Welt, son- dern auch jene, die bei den Franzosen die „moralische“ heißt, zudem ist das Wort in einer prägnanten, in der ety- mologischen Bedeutung zu nehmen: als eine gegenwärtige Erfahrung, soweit sie für den Erfahrenden Mittel oder Hemmung seines Wirkens ist, kurz: die dynamische Seite der Welt. Vor allem für Kraftmengen und -richtungen in allen Teilen des geistigen und körperlichen Seins muß Na- poleon die rascheste, sicherste Divination besessen haben, die, soweit das historische Selbsterkennen der Menschheit reicht, je einem aus ihrer Mitte zuteil geworden ist. Damit haben wir das Geheimnis seiner Wucht keineswegs auf eine Formel gebracht oder gar aufgehellt: in dunkler Riesen- grotte versuchen wir nur in die Richtung zu deuten, aus der die Quelle strömt, die dann eine halbe Welt überflutet.

Ein solcher Grad schnellster Einsicht in die Kräftever- hältnisse der nahen und der fernsten Welt ist offenbar schon Energie, löst schon die Tätigkeit aus, deren Fülle keines Mit- oder Nachlebenden Auge überschauen kann. Gerade bei uns ist es nützlich, einmal Napoleons Sachblick, seine „Tüchtigkeit“ als Urphänomen, als ersten Antrieb seines Handelns anzusehn, weil uns die Lehre vom „Willen zur Macht“ noch verwirrend nahe steht und in der Theorie des „Geltungstriebs“ neues Ansehn gewann. Darüber soll hier nicht gestritten werden; zur Deutung Napoleons, dessen Gestalt als Paradigma für Nietzsche wichtig war, sind dessen letzte psychologische Konstruktionen nicht sehr brauch- bar; ein „Wille zur Macht” ist in diesem gewaltigsten

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Beispiel nur vermöge eines hysteron proteron zu statuieren, durch eine Umdrehung des natürlichen Verlaufes in diesem Dasein; der Ehrgeiz Napoleons ist in all seiner Größe nicht elementar, sondern abgeleitet. In den Studienheften des Kadetten und des Leutnants überwiegen die militärwissen- į schaftlichen und allgemein enzyklopädischen Aufzeich- nungen erstes gieriges Erraffen der Welt als Schauplatz seiner Tat so sehr die Spur ehrgeiziger Pläne, daß man sie nur mit gezwungenster Deutung als durch jenen Ehr- geiz bedingt ansehen könnte. Gewiß wurde mitjeder neuen tatbereiten Erkenntnis auch schon der Drang nach ihrer Verwirklichung geweckt, aber die Konzeptionen halten sich lange in weit engeren Grenzen als die Erfüllung auf der Höhe des Lebens: der junge Irredentist denkt erst nur an Korsika, aber er würde sich, anders als Cäsar, bescheiden, in einem weltverlorenen Neste nach Paoli der Zweite zu sein, wenn er nur schaffen darf. Dann ist er zufrieden, in der Terroristenarmee vor Toulon seine Artillerie gut zu placieren, mögen auch andere die Ehren einheimsen, wie er noch bei der Niederwerfung des Vendemiaireaufstandes nur Stellvertreter des Kommandanten ist. Hingegen hat er das Kommando in der Vendee abgelehnt, weil dort nichts zu wirken ist. Er wäre eher bereit, sich als Instruktor in der Türkei mit Paschas herumzuschlagen.

Erst nach dem Siege von Lodi dämmert ihm die steile Bahn, die vor ihm liegt, aber auch nachher noch ist er zu dern weiten, gefährlichen Umweg in den meuchlerischen, pestverseuchten Orient bereit, weil dessen schlafbefangene große Räume seine Tatkraft locken. Ganz fremd ist ihm der Ehrgeiz, der eine hohe Stellung um einer konventio-

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nellen Wertschätzung willen begehrt. Wenn keine Revo- lution gekommen wäre, man hätte im innersten Herzens- grunde des Leutnants Buona Parte keine Spur des Wunsches entdecken können, etwa ein Roy fainéant zu sein, wie Lud- wig XVI. war.

Wenn wir ihn als Kaiser unter vierzehn- bis zwanzig- stündiger Arbeitslast dahinschreiten und -stürmen sehen, ist diese übermenschliche Bürde durchaus nicht etwa als der schwere Preis zu betrachten, den er für das erreichte Ziel seiner Ehrbegier und seines Machthungers zu zahlen hat, sondern eben diese unendliche Tätigkeit war sein Ziel, und wie ein gewichtiger Gegenstand in die tiefste zugäng- liche Lage rollt oder fällt oder sinkt, drang er im Gefüge der damaligen Menschenwelt mit Notwendigkeit bis zur Stelle der mächtigsten Mühe und Wirksamkeit. Er konnte in ausgreifender Tätigkeit nicht innehalten, bis nicht deren Ergebnis durch ständige Einzelerfolge so groß und ver- wickelt wurde, daß es in seiner Gesamtheit auch von seinem Auge nicht mehr klar überschaut werden konnte. Aber noch der Gestürzte kann nicht anders als sich im Ausgeding Elba um drei Meter Landstraße und ein paar Fischerboote mit der gleichen Zwangläufigkeit zu bekümmern, wie einst um Europa und die Welt. Noch auf St. Helena müssen sich seine Begleiter untertags im Sekretärsdienste ablösen, weil erst vier Manner die physische Kraft haben nachzuschreiben, waseraneinem Tage diktiert. Aber auch die räumlich ein- gezwängte und zuletzt aufs Literarische beschränkte Tätig- keit auf beiden Verbannungsinseln behält eine über die Grenzen greifende Tendenz, ist nicht reine, resignierte Be- schäftigung; auf Elba soll erst einem vermuteten Angriffe

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mit verzweifeltem Widerstande, in Ausnützung aller mate- riellen und moralischenKräfte desLändchens, begegnet wer- den, dann wird die Insel zum Sprungbrett nach Frankreich umgeschaffen auf St. Helena wieder gilt sein Schreiben undSprechen erst einer Stärkung derihm günstigen Macht- faktoren in England und Frankreich, dann vielleicht nur der Erbauung seiner idealen Kolossalfigur im Gedenken der Nachwelt, nicht um Eitelkeit willen, sondern als reale, für Nachkommen nutzbare Kraft; die Möglichkeit eines Napo- leon III. war ihm nicht verborgen. Erst die rührende Ge- stalt des sein Gärtchen Umgrabenden gemahnt an einen müden Laertes; da war es auch schon um ihn geschehen. Diesen Schicksalszwang des realen Blickes und der daran &ebundenen Leistung empfand Napoleon durchaus sach- lich, obwohl es so recht der besondere Umriß seiner Per- sönlichkeit war. Er, der Ursprüngliche, der verwegene Neuerer auf allen Gebieten seiner Tätigkeit, hatte eher das Bewußtsein, ein ewig Richtiges als irgendwie Originelles zu tun. Niemand redet so gerne von „Regeln“ der Kriegs- kunst oder Verwaltung wie er. Es hat ganz den Anschein, als ob er sein Können innerlich in lauter solchen Gesetzes- tafeln tätiger Erfahrung aufgezeichnet hätte, deren Inhalt er so wenig als sein persönliches Eigentum ansieht, daß er ım Tadel seine Untergebenen immer wieder einfach an diese ihm ganz evidenten Regeln erinnert. Die Stufenfolge solcher Sätze beginnt mit einfachen Imperativen, wie sie der Krieg braucht: „Man lagert nicht an einem Flusse ohne die Mittel, ihn zu überschreiten“ oder „Der Kommandant zur Vorhut“ und erhebt sich mühelos zu raffiniertesten Ver- waltungskniffen, die in seiner Sprache aber auch selbstver-

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ständlich klingen: „Wenn man in Religionsverhältnisse eingreift, muß man sich religiöser Ausdrucksweise be- dienen.“ Er mißbilligt es, daß der Bruder bei Aufhebung neapolitanischer Klöster deren frühere Verdienste um die Kultur hervorgehoben habe; das sei die Sprache der Auf- klärer, der Todfeinde der Klöster. Man hätte wie ein frei- sinniger Geistlicher, hätte von Seelsorge usw. reden müssen, jeder ertrage Übel leichter von seiten eines Gesinnungs- genossen als von seiten eines Andersdenkenden. In einer Nachschrift tröstet er einmal den Gescholtenen, er müsse sich in offizieller Korrespondenz immer auf solchen Rüffel gefaßt machen, sobald die Regeln der Staats- oder Kriegs- kunst in Frage kämen. Noch deutlicher spricht dieser un- persönliche Fanatismus des richtigen Handelns aus einem Scheltbriefe an den Jüngsten: er mag gar nichts mehr von ihm wissen. Die eigenhändige Nachschrift lautet da: „Ich hab dich sehr lieb, mein Freund, aber du bist eben schauer- lich jung!“ Goethe hat einmal geäußert, es sei gar kein Vorteil, von Napoleon geliebt zu werden. Wann immer es nötig sei, schreite er doch über einen jeden hinweg. Als Er- gänzung sei festgehalten, daß er auch von korsischer Rach- sucht in seinem Tun ziemlich frei war, daß er um der Sache willen, selbst mit ihm Unsympathischen, ja wahren Feinden, wie Fouché es wurde, zusammenwirken konnte. All diese Züge wollen nur wieder die erste Erkenntnis ver- stärken, daß sein sachliches Abschätzen und Handeln der elementare Grund seines Wesens war. Daneben bestand, ziemlich unberührt von diesen tief schöpferischen Trieb- kräften, ein Gemütsleben, das zwar in seinem Ausdruck verkümmert, aber weder schwach noch verderbt war. Hier

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erscheint er aber auch abhängig von fremden Kräften. Auf diese Seite seines Wesens wirkte etwa der „Werther“ ein; Empfindsamkeit im Stile Rousseaus, ein an diesen gebildetes Naturgefühl verrät noch der Kaiser, nachdem der junge General seinen brausenden Gefühlsüberschwang und, was noch seltsamer berührt, vor dem ersten Toten seiner ita- lienischen Kampagne tief zweifelndes Weltgefühl in wun- dervolle Briefe ergossen hatte. Einer so merkwürdig ge- spaltenen Erscheinung gegenüber bleibt die Populärfrage nach dem sittlichen Werte seiner Persönlichkeit ganz un- lösbar.

Er selbst war aufSt. Helena sein geschicktester Advokat und hat einmal, wie aus dem Jenseits niederschauend, meisterhaft zusammengefaßt, was man zu seiner Entlastung sagen könnte: daß er den großen Revolutionskrieg nicht begonnen, sondern daß er ihn zu Ende geführt hätte, daß er in seinen weiteren Kriegen nur sich hätte verteidigen nüssen (es war ein Kampf um den Frieden mit England), daß er den Abgrund der Revolution geschlossen habe, aber nicht mehr dazu gekommen sei, die überstraff gespannten Zügel zu lockern, daß er endlich, in immer größere Macht- entfaltung gelockt und gezwungen, freilich sich mit dem stolzen Plane eines vereinigten Europa national geschlosse- ner Teilstaaten getragen aber werde man es nicht eher bedauern, daß er darin gescheitert? Dies ist mehr als Rhe- torik post festum. So sehr auch die edlen Gedanken der Revolutionszeit und desideenreichen 18. Jahrhunderts nach Bedürfnis konkreter Zwecke von ihm wie Spielbälle virtuos gehandhabt werden, mindestens der eine Brief, den er unter dem Eindruck der bösen Schlacht bei Marengo an Kaiser

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Franz schrieb, ist so echt, als ein politisches Schriftstück kaum je war er selber glaubt bei den Mitkonsuln diesen Ton mit seiner Erregung entschuldigen zu müssen. Prophe- tisch beschwört er den knöchernen Franz, der sein Toskana nicht verschmerzen will, die ungeheuren Kräfte des ver- jüngten Frankreich nicht weiter auf einen Kriegspfad zu treiben, dessen Ziel ein nie erhörtes sein wird. Möglich, daß er aber auch diese Ergriffenheit wieder nur in den Dienst seiner Tat gestellt hat, wie er etwa die Opfer seines Jähzorns vor Zeugen andonnert, um heilsamen Schrecken zu verbreiten.

Seine „Unaufrichtigkeit“, seine immer wache Berech- nung erschwert ungemein die Bildung jedes Gemütsver- hältnisses, zu dem er mit oft überraschend zarter Liebens- würdigkeit naive Gemüter immer wieder verführen will. In der Tat spricht er fast nie seinen ganzen Gedanken aus, wenn er schon einmal nicht dessen Gegenteil aus- spricht. Drei, viermal in all seiner Korrespondenz ver- sichert er den Empfänger eines Schreibens, als Beweis seiner Achtung werde er ihm seine unverhüllte Meinung sagen, statt der Dinge, die für Proklamationen taugten. Dem Historiker ist es auch dann nicht verwehrt, sich zu fragen, ob selbst diese Aufrichtigkeit, wie später bei Bismarck, nicht auch nur das raffinierteste dialektische Manöver sei; die Tat ist ein strenger Gott ... Es gibt aber noch eine einfachere Erklärung, die auch der popu- lären Moral genügen könnte. Eine offene Mitteilung ist nur dann zu erwarten, ja berechtigt, wenn der Partner sie wirklich völlig aufzufassen vermag. Dieses Gefühl nun mochte Napoleon auf seinem eigenen Gebiete höchst

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selten haben, zumal in den letzten Jahren des Glanzes, als ihn ein tückischer Glücksdämon verleitete, sich selber und nur sich als unfehlbar einzuschätzen. Dergleichen ist schon zu spüren, wenn er während des preußischen Feld- zuges einem Minister auf dessen Bedenken gegen neue Aushebungen erwidert: „Sie sehen die Dinge unter einem einzigen, ich unter zehn Gesichtspunkten an.“ Aber wer könnte sagen, daß dies Gefühl bloß Selbsttäuschung ge- wesen sei? Napoleons Eitelkeit und Überhebung sind durch- aus späte Erscheinungen in seinem Charakter. Er wurde da selbst ein Opfer seines dynamischen Meßvermögens, in- dem er mit jedem neuen Erfolge sich selbst, aber wie einem Fremden, immer gewisseren Erfolg in allen Dingen zu- traute. Daß der fatalistische Glaube, in dem er sich manch- mal gefiel, ein äußerliches Alluvium seines Schicksals, auch wohl seiner Zeit ist und mit der Tiefe seines Wesens nur lose zusammenhängt, mag durch eine Parallele angedeutet sein. Als Jeröme durch eine unbedachte Heirat Napoleons Pläne stört, bricht dieser in die zornigen Worte aus, wenn der Bruder sich nicht füge, werde es ihm ein Zeichen sein, daß er von Schicksals wegen nichts für ihn tun solle. Fast zu gleicher Zeit gab es am Weimarer Hofe eine ähnliche Krise. Fritz Stein, der als ständiger Gefährte des Erbherzogs in Aussicht genommen war, wollte lieber in Schlesien blei- ben. Carl August suchte diese Enttäuschung mit den Worten abzuschütteln: „Vielleicht ist es das Schicksal, dasihn ver- anlaßte, sich selbst auszurangieren, damit ich bey meinem Sohnenicht einen Menschen setzte, der nicht an diesen Platz paßte .. Rationalismus und Fatalismus sind zusammen- gehörige Erscheinungen, Züge des späten 18. Jahrhunderts.

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Diese primäre Kraft realen Anschauens der fernsten Dinge seines Wirkungskreises scheint Napoleon gelegentlich ge- radezu lästig geworden zu sein; er verlangt dann von seinen Referenten das einzige Mittel, dem solche gedankliche Be- drängnis weicht: gegründeten Gegenbeweis. Schon dieser eine Fall würde sein Können als primär und keineswegs als Werkzeug eines tiefer gelagerten Machttriebes erweisen. Ich führe die Stelle an, weil sie auch recht reizvoll in seine heuristischen Methoden Einblick gewährt; den Entschie- denen, der immer mit seinem Urteile fertig scheint, sehen wir hier einmal suchen und tasten. Am 26. Januar 1807 schreibt er aus Warschau an seinen Marineminister: „Ich habe Ihnen mitgeteilt, daß ich wünsche, es möchten auch in den Häfen zu Nantes, Havre, Dünkirchen Linienschiffe gebaut werden; ich halte meine Idee für ausführbar. Wenn sie esist, so willich, daß sie sofort verwirklicht wird; wenn nicht, so müssen Sané und Laplace darin einer Meinung sein, und jene Unmöglichkeit muß mir schlagend bewiesen werden. Ich selber halte bis jetzt die Sache für ein leicht zu lösendes Problem. Da kommt mir noch ein Einfall, der dafür spricht. Das Haupthindernis wäre doch der große Tiefgang solcher Schiffe, wenn sie armiert sind; aber man wird sie eben in Friedenszeit, ohne Armierung ausfahren lassen, um sie in einem großen Hafen zu armieren, und so brauchen sie keinen größeren Tiefgang zu haben als eine Fregatte. Ich behaupte, daß dieses Problem leicht zu lösen ist, weil ich von der Voraussetzung ausgehe, daß man mög- lichst leichte Bronzekanonen herstellen kann, die dabei ebenso lang sind wie die gewöhnlichen Eisenkanonen, nur daß man eben mit verminderter Pulverladung schießen

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muß. Ein Beispiel, damit Sie mich verstehen: man könnte nur talerdicke Kanonen von normaler Länge gießen; aber in diesem Grenzfall könnte man nur eine halbe Unze Pulver laden, so daß die Kugel nicht weit fliegen würde. Jetzt mer- ken Sie wohl, wie man von dieser äußersten Annahme fort- schreitend zu Kanonen gelangen kann, die mit sechs statt mit acht Pfund Pulver schießen. Einmal gewänne ich die Entlastung durch Verwendung von Bronze statt des Eisens, dann die durch das neue Kanonenmodell gegenüber dem alten. Wenn ihr meiner Meinung seid, ist die Sache ab- gemacht, wenn nicht, muß ich gründlich widerlegt werden, damit ich mir den kuriosen Einfall aus dem Kopf schlagen kann. Die Frage ist komplexer Natur: sie schlägt halb ins Artilleristische, halb ins Schiffbauwesen ein. Ich glaube, wenn ich Sané beauftrage, mir ein Schiff zu liefern, das so schnell läuft wie der, Spartaner und wie der für eine Be- waffnung mit 74 Kanonen eingerichtet ist, und wenn ich ihm weiter sage, es würden nur Holzkanonen verwendet werden, wird er mir einen Plan zeichnen, nach dem so ein Schiff nur den Tiefgang einer Fregatte hätte oder den eines Linienschiffes mit 64 Geschützen, wie der ‚Venetianer‘, der in den Hafen von Alexandrien eingefahren ist. In dieser Art soll diese Frage behandelt werden. Wenn man mirein Schiff ohne Geschütze herstellte, aber mit 74 Stückpforten, das den gleichen Fassungsraum für Proviant haben soll wie ein normales Linienschiff, was wäre das Minimum seines Tiefganges? Ich glaube, gewöhnliche Linienschiffe haben 23 oder 23 Fuß. Ich kann mir nicht recht vorstellen, daß ich durch Fortlassen der Artillerie nicht mehrere Fuß gewinnen soll.“

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Dieses Schriftstück steht nicht als ästhetisches Stilmuster da, sondern, wie gesagt, gerade weil es in seiner verwor- renen Hartnäckigkeit die schicksalsmäßige Verklammerung zeigt, mit der er jedem Dinge seines Blickkreises ringend begegnen mußte, bis er es seinem Wesen gemäß bewältigt hatte. Um die Einstellung auf unsere Probe zu vervollstän- digen, sei noch gesagt, daß diese Abhandlung zwei Jahre nach Trafalgar geschrieben ist, als der Kaiser seine Flotte aus seinem Machtkalkül gestrichen hatte, wie ihr auch nie wieder wichtige Aufgaben gestellt wurden. Es waren diese Warschauer Tage zugleich durch den doch etwas tiefer greifenden Rausch für die Walewska bezeichnet, die Trup- pen quälten sich ein Vorspiel zu 1812 auf grundlosen Ostwegen, und drei Wochen später kam es zur entsetzlichen Schlächterei von Eylau -: bedarf es weiterer Hinweise, um die elementare Zwangsläufigkeit deutlich zu machen, mit der Napoleon seinem Gotte, der nature des choses, ihrer dynamischen Natur, sich restlos hingab, sobald einmal das betreffende „Fach“ aufgetan war?

Niemand wird heute in diesem ungeheuren Menschen den Dämon verkennen, kaum einem wird er mehr der Teufel patriotischer Fibeln sein, der stets das Böse wollte... Er hat kaum je in öffentlichen Dingen (und in privaten nicht öfter als andere) das Böse an sich gewollt und viel Gutes geschaffen. Allerdings hat er auch dies nichtan sich gewollt, sondern weil er dynamisch daran glaubt. Übrigens will er esauch nur so weit, als es sich mit seiner möglichst schrankenlosen, elementaren Wirksamkeit verträgt. Nie ist er Tyrann in dem Sinne, daß er für seine sonstigen persön- lichen Ansprüche, außer jener tiefsten Notwendigkeit des

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Zupackens und Eingreifens, unbeschränkten Raum begehrt hatte. Er respektiert die Tugend als Macht. In seinem Testa- ment begleitet er das Legat für den Chirurgen Larey mit den Worten: er ist der sittlich Reinste, den ich kenne... Im Grunde ist das aber, wo öffentliche Verhältnisse in Frage kommen, ein beintrockenes Abschätzen vorhandener Kräfte, das wirklich etwas teuflisch, aber auch beinahe komisch wirkt. So gibt er als zahnloser Wolf auf St. Helena seinem sanften Erstaunen Ausdruck, wie tief doch der Trieb zum Guten in der Masse wurzle, denn wenn sie wirklich anders wollte, wer könnte sie halten?... Auch die Rücksicht auf sein eigenes Interesse setzt diesen dyna- mischen Meßapparat nicht außer Tätigkeit: so findet er privatim das Kaltstellen seiner Anhänger seitens der Bour- bonen ganz recht d. h. ganz zweckmäßig im Sinne der gegebenen Kraftverteilung —, er kennt kein höheres Prinzip des Handelns.

Daß bei einersolchen AnlagedasKriegswesen, der Mensch als Mittel und Objekt der höchsten Kraftanwendung im Zentrum seiner Tätigkeit stand, ist ganz natürlich. Durch- aus nicht ausgemacht aber ist, ob der nur zerrüttende tech- nische und ökonomische Krieg, den wir ein Jahrhundert später erlebt haben, ihn nicht abgestoßen hätte, nicht aus ethischen, aber aus realistischen Gründen; ein Siegerzu- stand, wie ihn unsere Feinde genießen, hätte ihn nicht gelockt. Unerbittliches „Durchhalten“ war ihm fremd. Kein Sieger hat so viel Friedensangebote ergehen lassen, die unendlich milder klingen als das von 1916. Er selbst durchbricht seine Kontinentalsperre aus wirtschaftlichen Rücksichten. Mit welcher Leidenschaft er sich auch in

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Friedensarbeit wirft, ist bekannt. Laplace gegenüber hat er es bedauert, daß esihm nicht vergönnt war, der Wissen- schaft leben zu können; die einzige Wissenschaft, die ihn so zu eigener Tätigkeit lockt, ist die von den Weltkräften, Physik und Astrophysik aber da er nicht selber Gestirne lenken durfte, begnügte er sich damit, seinem Heimats- planeten die Bahn zu weisen. In der Kunst ist er, ganz natürlich, nur beim Drama zu tiefer Einsicht gelangt; ge- legentlich der Verhandlungen, die dem Kriege von 1805 vorangingen, äußert erzu Talleyrand: „Sie wissen, daß ıch gerne so verfahre, wie ein dramatischer Dichter seine tra- gischen Situationen allmählich entwickelt. Plötzlichkeiten wirken immer falsch . . .“

In seinem Jahrhundert kann man sich ihn zwar immer nur als Soldaten denken, aber das Problematische, das Kraft- zerstörende des Krieges hat er schon lebhaft gefühlt. Für bloße Haudegen wie Murat und Ney hat er im Grunde Nichtachtung, eine Übertragung militärischer Disziplin auf die Zivilverwaltung verbittet er sich entschieden, dem Zaren gegenüber redet er sogar von Abrüstung, vom Auflassen der großen Heere (schon da ein Seitenhieb auf preußischen Mili- tarismus), die zur Bewaffnung der Frauen führen müßten. Politische Finte? Freilich, aber sein Geist führt nie ganz nichtige Lufthiebe. Sein Plan setzt wenigstens eine groß- artige Bereinigung der Welthändel voraus, eine Teilung der Erde... (Bei sich streicht er die Zahl dieser Machtgebiete allerdings so ziemlich auf eins zusammen.)

Seine bekannte Abneigung gegen die Ideologie des 18. Jahrhunderts, der ja auch der Pazifismus entstammt, reicht gerade so weit, als jene seine Wirkungskreise be-

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schränken könnte; im übrigen bedient er sich des humanen Ideenreichtums der Zeit wie aller anderen Kräfte.

Dem jungen König von Westfalen, Jérôme, gibt er ge- heime Weisungen, die gar nicht zur Vorstellung eines kriegerischen Gewaltherrschers passen: „Ihr Thron ruht sicher nur auf dem Vertrauen und der Liebe des Volkes. Die Völkerschaften Deutschlands verlangen ungeduldig, daß begabte Nichtadelige gleiches Anrecht haben, von Ihnen beachtet und verwendet zu werden, daß jede Art von Hörig- keit und alles, was sich zwischen die Unterklasse des Volkes und den Fürsten drängt, ganz verschwinde. Die Wohltaten des Code Napoleon, öffentliches Gerichtsverfahren, Schwur- gerichte, das sollen Kennzeichen Ihrer Monarchie werden. Und, um Ihnen meine Gedanken ganz zu enthüllen, ich rechne, was Ausdehnung und Befestigung Ihres Reiches an- langt, weit mehr auf die Wirkung solcher Reformen als auf den Erfolg der größten Siege.“ Als Warnungszeichen für harmlose Leser sei auch die Schlußwendung angeführt. „In meiner jahrelangen Führerstellung in Europa konnte ich mich überzeugen, daß das ganze Geschwürm der Be- vorrechteten der allgemeinen Meinung zuwiderläuft.“ Also auch diese so sympathisch berührenden Ansichten fließen aus kaltem Kräftekalkül.

Ich habe sie auch nicht um Liebeswerbung angeführt. Grillparzers „Dich lieben kann ich nicht“ ist mir noch immer wahr. Wohl aber steigt ein Jahrhundert nach seinem Hingange seine Gestalt in ihrem tragischen Zwange über die Massen der Befreiungsmale hoch empor; er war ‚seines Dämons erster Knecht; er wollte sein Werk, aber sein Werk wollte die Natur der Dinge, und die mußte

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zuletzt sich gegen den übergreifenden Einzelnen kehren. Was niedrig und häßlich ist an ihm, entstammt seinem Drang, den Platz seines Wirkens zu behaupten und zu verbreitern dieses Trübe verwehte, als er weichen mußte. Dann blieb nur der ungeheure Wert eines Schaffens, dessen Wesen es war, den Sachen über das bewußte Wollen hin- aus gerecht zu werden.

Napoleon glaubte um seiner Herrschaft willen, Deutsch- land entdeutschen zu müssen, aber die Dauerspur seines Wirkens war Wohltat. Abgesehn von jenen inneren Re- formen und dem sittlichen Impuls, der davon ausging (das napoleonische Westfalen ist z. B. die Heimat der Göttinger Sieben), dürfen wir die ungeheure Leistung der territorialen Vereinfachung Deutschlands, nach der Liquidierung des alten Reichselends, uns nicht verkleinern. Man mag über seine rasche Fabrikation von Ländern und Kronen spotten: die Dauer eines Jahrhunderts wirft den Spott zurück. Sein Zugriff ist gar nicht zu vergleichen mit den Ballon- und Wurstgebilden von Versailles.

Süddeutschlands Gliederung ist noch heute ganz sein Werk. Ohne seine Königskronen war das Rechenstück der Bismarckschen Reichsverfassung undenkbar. Wann wäre unser pietätvolles Volk aus Eigenem so weit gekommen?

In dieser Erwägung heimischer Lebenswirkungen seiner schicksalsschweren Gegenständlichkeit überkommt uns denn doch ein starkes Gefühl, daß so ein mächtiges Ele- mentarwesen noch vor hundert Jahren in unserem Ge- schlechte möglich war.

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En

STEFAN ZWEIG / DER DIRIGENT IN MEMORIAM GUSTAV MAHLER

Eın goldner Bienenkorb, in dessen Waben Summend das Volk sich drängt, so scheint Das Haus mit seinem hingeströmten Licht Und der Erwartung vieler Menschen, die In schwärmender Erregung sich versammeln. Alle Gedanken tasten unablässig Hin an die dunkle Wand, dahinter sich In einer Wolke unbestimmter Ahnung Die Träume bergen.

Unten schäumt der Kessel, Darin sich die gefährliche Magie Der Töne braut. Die bunten Stimmen brodeln In erster Hitze, zucken, sieden, spritzen Schon manchmal eine kleine Melodie Wie Schaum herauf. Allein sie zittert schwank Im hohen Raum und stäubt dann wie zerbrochen Zurück ins Ungefähr der andern Stimmen.

Dat plötzlich wo ein Klang: das Licht verlischt, Der Ring des Raums zerrinnt ins Grenzenlose, Nacht stürzt herab, und alles wird Musik.

(— Denn sie, im Unbegrenzten heimisch schweifend. Gibt schamhaft ihre körperlose Seele

Den Blicken nicht und ausgereckten Händen: Urschwesterlich sind Dunkel und Musik. —)

Und was vordem im ausgesparten Raume

An zagen Stimmen suchend rang, was sich

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Noch scheu und ganz vereinzelt erst versuchte, Das greift jetzt ineinander, flutet über, Meer wird es, Meer, das seine Wellen bald Wie Knabenhaar verliebt und eitel kräuselt. Bald sie gleich Fäusten ballt, ein Meer, Das auf zu Sternen will. Nun sprengt es hoch Bis ans Gebälk die farblos heiße Gischt Der Töne, wirft sie gegen unser Herz, Das sich noch weigert (denn wer gibt sich gern An ein gefährlich unbekannt Gefühl Ganz ohne Zagen hin?). Allein es reißt Gewaltsam fort in seine Leidenschaft, Und Flut sind wir mit ihm, nur wesenlos Verströmte Flut, die bald zum Wogenkamm Des seligsten Entzückens hochgeschleudert In weißen Schäumen funkelnd sich zersprüht, Bald wieder sinkend in die jähe Trauer Des Niederstürzens ins smaragdne Dunkel, Fremd, fremd uns selbst im wogenden Gefühl. Wir alle, sonst vieltausendfach zerstückt Durch Zufall, Schicksal und geheime Neigung, Sind eine Welle zitternder Entzückung. Nichts bleibt von uns mehr aufrecht in dem Schwall Entzündeten Gefühls: nur wellend Fließen Sind wir jetzt mehr, nur dunkler Strom, Drin unser eigen Leben unbewußt Und ohne Atem, ohne Willen flutet, Ertrunken in den Tönen.

Aber dort, Hoch über diesem Meer, schwebt Einer noch,

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Rudolf Großmann: Steinzeichnung zu Li-Tai-Pe

Wie eine schwarze Möwe mit den Schwingen Hinreisend über das erregte Stürmen

Des namenlos beseelten Elements.

Er ringt damit, taucht bald hinab, als griff

Er Perlen von dem Grund, bald schnellt er hoch Wie ein Delphin sich aus dem wildgepeitschten Gewirr der brennend lodernden Musik.

Ein Einziger, da wir schon hingerissen

Und schwank verströmt sind, selber Wind und Welle, Kämpft er noch mit den losen Elementen, Gebändigt halb und halb der Töne Meister. Der Stab in seiner Hand (ist es der gleiche,

Mit dem einst Prospero den grausen Sturm Hinwetternd auf die reine Insel warf?)

Scheint, ein Magnet, das fließend Erz der Töne Hinaufzuzwingen in die starke Hand,

Und all die Wellen, drin wir uns verbluten, Strömen ihm zu, dem roten Herzen, drin

Die Unruh Rhythmus wird, das wirre Leben Der Elemente klare Melodie.

Wer ist der Zaubrer, wer? Mit einem Wink

Hat er des Vorhangs harte Nacht gespalten.

Sie rauscht hinweg. Und hinter ihr sind Träume Mit blauem Himmel, aufgeblühten Sternen,

Mit Duft und Wind und Bildern wie von Menschen. Nein, nein! Mit Menschen! Denn kaum hat er jetzt Die Hand gehoben, so bricht schon diesem,

Den er bedeutet, Stimme aus der Wunde

Der aufgerißnen Brust, jetzt, jetzt den andern!

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Sie atmen Leid und Lust. Und alles ist, Wie er gebietet. Seht, die Sterne löschen Jetzt mählich aus, die Wolkenzüge brennen Vom Feuerhauch der neuen Dämmerung, Und Sonne naht und mit ihr andre Träume. Und über all dies schüttet er Musik, Die er von unten aus dem unsichtbaren Geström mit seinen losen Händen schöpft. Tag wird aus Nacht. Womit hat er Gewalt, Daß ihm die Töne dienen, Menschen sich Ausbluten im Gesang und daß wir alle Hier leise atmend wie in unruhvoll Erregtem Schlafe taumeln, von dem Gift Des Klangs betäubt? Und daß ich immer Das Zucken seiner Hand so spüren muß, Als riß er eine angespannte Saite In meiner Brust entzwei? Wohin, wohin

Treibt er uns fort? Wir gleiten nur wie leise Barken des Traums auf niegesehnen Wassern Ins Dunkel weiter. Goldene Sirenen Neigen sich manchmal über unsre Stirnen, Doch er lenkt weiter, steil das Steuer in Die feste Faust gepreBt. Wir gleiten, gleiten Zu stillen Inseln, sturmzerrißnen Wäldern. Wer weiß, wie lang? Sinds Stunden, Tage, Ist es ein Jahr?

Da sinkt der Vorhang zu. Die Barke hält. Wir wachen wie verschreckt In unsern kleinen Tag. Doch Er, wo ist

Er hin, in dessen Händen wir gewesen,

Der dorten stand, ein unbewegter Stern

Über dem Aufschwall geisternder Gewässer? Hat ihn die Flut, die er bezwang, nun doch Hinabgerissen in ihr Dunkel? Nein!

Dort stiebt ein Schatten weg. Der heiße Blick Greift rasch ihm nach. Doch ringsum schwillt Schon Unruh und Geräusch, die Menge bricht In tausend Stücke, einzelne Gesichter,

Zerrinnt in Worte, die sich laut verbreitern. Der Beifall drohnt! Aufflammen alle Lichter, Wir sind am Strand, daran die Traume scheitern.

(1913)

ZWEI UNGEDRUCKTE BRIEFE AN GEORG BUCHNER VON SEINEN ELTERN

Von der Mutter nach Zürich

Darmstadt, den 30. Oktober [1836].

Lieser Georg! Welche Freude, als Dein Brief vom 28. Ok- tober, das Postzeichen Zürich darauf, ankam. Ich jubelte laut; denn obgleich wir uns gegenseitig nichts sagten, so hatten wir alle große Angst, und wir glaubten kaum, daß Du glücklich über die Grenze kommen würdest. Die Sache hat mir vielen heimlichen Kummer gemacht, nun gott- lob, auch dies ging glücklich vorüber.

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Wir waren die Zeit sehr beschäftiget, Mittwochs legte ich große Wäsche ein, und Montags zuvor kamen Beckers aus Frankfurt und blieben bis Donnerstag; sie erkundigten sich sehr nach Dir und freuten sich recht über Deine guten Aussichten wir hatten einige sehr vergnügte Tage. Auf Deinen Geburtstag tranken wir alle zusammen Deine Ge- sundheit.

Wie Dein Brief ankam den 37., biegelte ich gerade das letzte Stück, Vater war im Theater; ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr er sich freute, als er nach Hauße kam. Er stimmt ganz mit Becker überein und ermahnt Dich drin- gend, ja über vergleichende Anatomie Vorlesungen zu halten; er glaubt sicher, daß Du darin am ersten einen festen Fuß fassen und Dich am ehrenvollsten emporhelfen könntest.

Willhelm war ohngefahr 14 Tage hier, und nun ist er seit Mittwoch nach Heidelberg mit Schenk abgereist. Mit Giesen war es für diesen Winter nichts. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie ich mich über diesen Jungen beunruhige; es ist noch ein gar zu großer Kindskopf, hat gar keinen Begrief vom Schaden, hat einen falschen Ehrgeiz, und ist hinter seinem Receptiertisch gar zu schro[?] geworden. Wie wir Briefe von ihm erhalten, werde ich ilım schreiben, ihm Deine Addresse schicken, damit er auch an Dich schreiben kann. Antworte ihm nur gleich und ermahne ihn recht. Mathilde wird selbsten an Dich schreiben. Sonsten ist alles bei uns beim alten. Den 25. Okt. war Alexanders Geburts- tag, er wurde neun Jahre alt; heute wird er solenn gefeiert, er hat sich zehn Jungens gebeten, der Chokolade ist bereits | gekocht könnte ich Dir doch auch eine Tasse einschenken. |

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Onkel Georg ist bei seinem Leutnant auch noch so ein Stück Stallmeister geworden. Der bekannte Stall-Schenk, zeither Stallmeister bei Prinz Louis, ist am Nervenfieber gestorben, und nun reitet Onkel die Pferde vom Prinzen: er hofft auch die vom Prinzen Karl zu bekommen, und dann trägt es ihm rund 200 fl. ein. Das Reiten ist seine Lieb- haberei, er ist sehr vergnügt darüber.

Wenn Du hörst, daß hier das Nervenfieber grasierte, so ängstige Dich nicht: es ist nicht so arg, als es die Leute machen; es sind zwar schon viele Menschen daran ge- storben. Kürzlich starben aus einer Familie drei junge Leute, zwei Söhne und eine Tochter; sie wurden an einem Tage begraben, und gestern soll auch die Mutter gestorben sein. Der Vater ist Hoboist. Leider wurde kürzlich ein Mörder hingerichtet. Die Kinder sahen ihm auf dem Markt den Stab brechen, und Louis ging mit Vater auf die Richt- statte; er hatte vor zwei Jahren einen Förster erschlagen.

Wie es hier mit den Gefangenen geht, weiß Gott; es ist alles still.

Der junge Baron von Bechtold ist Leutnant geworden und wurde nach Butzbach versetzt, und heute hörten wir, daß Herr Regierungsrat von Bechtold Ministerialrat ge- worden sei. Dies unsere Neuigkeiten.

Ich kann nun gar nicht erwarten, bis Dein nächster Brief kommt, lasse uns nur nicht lange warten; gehe nur recht unter Menschen und suche Dich zu zerstreuen. Doch hoffe ich, daß ich Dich nicht mehr zu ermahnen brauche, Dich von allem politischen Treiben entfernt zu halten; Du bist nun mitten darin. Du wirst Dich, denke ich, nicht an- stecken lassen ; es wird mir doch manchmal himmelangst.

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Morgen schreibe ich und Mathilde an Mina, sie dauer! mich gar zu sehr; ich kann das Früjahr kaum erwarten. dann hoffe ich fest, sie bei uns zu sehen. Mathilde läßt Dich tausendmal grüßen; wie sie endlich anfing zu schreiben, bekam sie Besuch; sie will es also aufsparen, bis ich wieder schreibe.

Vater schickt Dir hier ein Recept für Deine Nase; er bittet Dich sehr, es einmal recht ernstlich und anhaltend zu gebrauchen und ihm über den Erfolg zu berichten. Wie hast Du die Straßburger nacheinander verlassen? Hast Du die Tante Reuß noch gesprochen, warst Du bis Himmlies ? Wenn Du wieder schreibst, so gib mir Nachricht. Deine Kost und Logie finden wir sehr billig; freilich eine Kost wie bei Fräulein Jäkele wirst Du nicht leicht wieder finden nun man muß sich an alles gewöhnen. Schreibe uns nur immer recht ausführlich; ich meine, seit Du von Straßburg weg bist, nun seist Du erst in der Fremde, in Straßburg glaubte ich Dich immer in meiner Nähe. Wirst Du denn mein Geschmier lesen können? Ich schreibe aber in einem solchen Tumult, daß ich gar nicht weiß, wo mir der Kopf steht. Großmutter grüßt Dich vielmals; schreibe ihr bald, weil es ihr Freude macht. Sie ist immer sehr niederge- schlagen, denn sie sieht fast gar nichts mehr; es ist sehr betrübt, und für uns alle traurige Aussichten. Alles grüßt Dich, jung und alt, auch Ema, die eben da ist, auch die träge Mathilde. Nun lebe wohl und schreibe bald wieder Deiner treuen

Mutter L. Büchner.

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Vom Vater nach Zürich Darmstadt, den 18. Dezemb. 1836.

Lieber Georg! Es ist schon lange her, daß ich nicht per- sönlich an Dich geschrieben habe. Um Dich einigermaßen dafür zu entschädigen, soll Dir das Christkindlein diese Zeilen bescheren, und ich zweifele nicht daran, daß sie Dir eine angenehme Erscheinung sein werden. Meine Be- sorgnis um Dein künftiges Wohl war bisher noch zu groß, und mein Gemüt war noch zu tief erschüttert durch die Unannehmlichkeiten alle, welche Du uns durch Dein un- vorsichtiges Verhalten bereitet und gar viele trübe Stunden verursacht hast, als daß ich mich hätte entschließen können, in herzliche Relation mit Dir zu treten; wobei ich jedoch nicht ermangelt habe, Dir pünktlich die nötigen Geld- mittel, bis zu der Dir bekannten Summe, welche ich zu Deiner Ausbildung für hinreichend erachtete, zufließen zu lassen.

Nachdem Du nun aber mir den Beweis geliefert, daß Du diese Mittel nicht mutwillig oder leichtsinnig vergeudet, sondern wirklich zu Deinem wahren Besten angewendet und ein gewisses Ziel erreicht hast, von welchem Stand- punkte aus Du weiter vorwärtsschreiten wirst, und ich mit Dir über Dein ferneres Gedeihen der Zukunft beruhigt entgegensehen darf, sollst Du auch sogleich wieder den gütigen und besorgten Vater um das Glück seiner Kinder in mir erkennen.

Um Dir hiervon sogleich einen Beweis zu geben, habe ich Deinem Wunsche, „v. Frorieps Notizen“ von mir zu erhalten, alsbald entsprochen, welche längstens bis zum

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21. d. M. per Kiste und ganz franco bei Dir eintreffen werden. Dieselben sind als eine kleine Bibliothek zu be- trachten und werden Dir vielen Nutzen gewähren. Bis jetzt ist der goste Band im Erscheinen. Ich besaß nur 26 Bände, welche mich, ohne Einband, 93 fl. 36 kr. kosteten, und diese mache ich Dir zum Weihnachtsgeschenk. Die Bände 29-46, welche Du ebenfalls jetzt erhältst, habe ich für Deine dereinstige Rechnung mit Deinen Geschwistern um 20 fl. 52 kr. erkauft, und um diesen 3 teil Preis sollst Du durch mich die Fortsetzung und ebenso die fehlenden Bände 27 und 28 erhalten. Sollten Dir meine anatomischen Tafeln von Weber, welche Dir schon genau bekannt sind und die ich jetzt vollständig habe, nötig sein, so will ich Dir auch diese schicken, oder wenn Du sonst Bücher nötig hast, so mache mir solche namhaft und bemerke mir genau den Ladenpreis, um welchen Du solche in Zürich würdest er- halten können. Auch findest Du in der Kiste unter anderem zwei Exemplare meiner Nadelgeschichte, die mir beim Packen als altes Papier in die Hände fielen. Vielleicht kannst Du Deinen Schülern gelegentlich eine Erzählung davon machen. Sodann legte ich auch eine Beilage zu unsrer Zeitung in die Kiste, worin eine Konkurrenzeröffnung von Zürich aus bekannt gemacht wird. Hättest Du früher mei- nen so wohlgemeinten Rat befolgt und Dich mehr mit Mathematik beschäftigt, so könntest Du vielleicht jetzt mit konkurrieren. Doch dies sei bloß nebenher bemerkt. Deine Abhandlung hat mir recht viel Freude gemacht, und nicht weniger war ich erfreut über Deine Kréierung zum Doktor der Philosophie, sowie überhaupt über Deine gute Auf- nahme in Zürich. Sei nur recht [vorsichtig] in Deinem Be-

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nehmen und in Deinen Äußerungen gegen und über jeder- man. Bedenke stets, daß man Freunde nötig hat und daß auch der geringste Feind schaden kann. Ich bin recht be- gierig zu hören, wie es Dir bisher mit Deinen Vorlesungen ergangen und worauf besonders Dein weiterer Plan ge- richtet ist. Zoologie und vergleichende Anatomie sind Felder, worin noch viel zu lernen ist, und wer Fleiß darauf verwendet, dem kann es nirgends fehlen, merks tibi. Auch Kaups systematische Beschreibung des Tier- reichs, wovon das 10. Heft erschienen ist, könnte ich Dir schicken.

Bei uns ist alles wohl, und es werden die nötigen Vor- bereitungen zu Weihnachten gemacht. Deine weitere Be- scherung findest Du ebenfalls in der Kiste. In Reinheim ist kürzlich Oheims jüngstes Kind, ein schöner Knabe von Jahren, gestorben. Deine Mutter wollte meinem Brief noch einige Zeilen beilegen, bei dem teuren Porto aber wollen wir es unterlassen, zumal Du per Kiste Briefe er- hältst. Mutter und Tante Helene sitzen oben bei der Groß- mutter, welche jetzt beinahe völlig blind ist. Im Frühling soll das eine Auge operiert werden. Mathilde und Louise sind in derOper „Die Stumme“. Louis ist wahrscheinlich mit Anfertigung von Weihnachtsgeschenken beschäftigt, und Alexander liest wie gewöhnlich sehr emsig die Ge- schichte. Dieser wird ein ruhiger Gelehrter werden in allem Ernste. Endlich ich sitze am Schreibtische und schreibe in diesem Augenblicke am Ende meines Briefes meinen Namen.

E. Büchner.

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THEODOR BLUTH / EINIGEN FREUNDEN ZUM GEDACHTNIS

I

Wir in den Meeren eine leise Flotte

Sich brüderlich im Gang der Wellen hebt

Und niedersinkt, so hauchten wir dem Gotte Im Sang bewegt und wie ein Schiff, das schwebt

Und hin sich trägt wie auf des Lichtes Rücken

Und aufwärts sich in seinen Himmel wippt,

Den Frauen gleich, in blühendem Entzücken,

Ein Kiel, berauscht, daß er im Schwung nicht kippt.

Also gewiegt in einem sichren Bunde, Erschienen wir im Sommertag vereint

An Lämmern süß auf dem ergrünten Grunde Der Herdeneinklang, wenn es blüht und scheint.

Umhegt, umwacht und unsichtbar umhalten Und sanft geborgen, ein umsungnes Kind. Doch einmal zog der Himmel sich in Falten, Und in die Flotte schlug erbost ein Wind.

Daß wir zerstreut sind wie des Heilands Jünger Bei seinem Fang, der Todesnacht gewahr.

Und wie in Steppen die ergrimmten Wölfe Einfiel die Flut in unsre heilge Schar.

Ein Wetter scholl von ungeheuren Stößen Und warf empört das Hei] von jedem Schiff

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MEERE . m gan ie EEE

Im Abgrund an die weißgewaschnen Blößen Gezackter Felsen, an des Unheils Riff.

O Pilger wir! Die wir im Licht gesammelt,

Im Suchen groß und im Erschauen klar:

Wo sind wir nun? Ein Murmeln ist und stammelt Von unserm Tun und sagt am Strand: es war!

II

Dag wir dem Fluch der Einsamkeit entflögen, Dem Reich der Zahl, wo sich ein jeder feind, Verschmolzen wir einander wie die Bögen

Von einem Dom, der jeden Flug vereint.

Wir fügten uns den Schwärmen gleich der Bienen Im Wunderbau zu einem seltnen Werk,

Jedweder riesig in dem Zwang, zu dienen, Jedweder groß und im Geschehn ein Zwerg.

Wir bauten auf in eines Mädchens Reinheit, Gewiegt im Licht von einem leisen Strom, Den weißen Schoß der allumhaltnen Einheit, Den Raum der Nacht in einem ewgen Dom,

Die Mutter uns, den weißen Leib der Nächte, Darin zu wohnen als ein sanftes Kind,

Noch nicht geboren in des Alltags Mächte, Im Schoß umwiegt, in seinen Winkeln blind.

Wir türmten auf so lilienhaft die Wände: So schwangen sich die sanften Linien ein,

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Als liefen ineinander sie wie Hände, Die sich gesucht vor eines Wunders Schrein.

Und so geeint zu einem ewgen Bunde, Geflochten wie die Blumen wie zum Kranz, Und eingewurzelt in dem gleichen Grunde, Im Wiegensang und einem gleichen Tanz,

Zerschlug der Sturm, was bebend sich vereinte: Ein Schrei erscholl, und unser Anschaun litts:

Der Bau zerbrach, ein Trümmerwerk, und weinte. Und weiß in seiner Kuppel schrie der Blitz.

III

Wir bauten fehl; der Dom zerbrach; die Brüder Sind hingefegt und wie zerfetzt im Wind.

Ich blieb allein, und mein Gebein ist müder

Als Winterluft, und mein Gesang gerinnt

Wie lichter Glanz in einer schwarzen Lache,

Und wie der Frost in einem weißen Blut.

Ich weiß nicht mehr. was ich noch leb und wache: Der Geist in mir und sein Gewoge ruht.

So fällt in Flur und in das Volk der Ahren Sie wiegen sich in einem gleichen Takt Ein Hagelschlag, es dröhnend zu verheeren, Im Wind gepeitscht, von Blitzen überzackt.

Sie starren jäh und wie zerknickte Speere, Die Halme rings, im zitternden Gefild;

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Zertreten und zerschlagen wie die Heere, In Blut erstickt und schon im Wahnsinn wild!

Und so erschlug der Wahnsinn mir die Guten, Die Klugen, die erleuchtet sind, mein Korn!

Ein Krieg entschläft, wo sie am Weg verbluten, Ein Wahnsinn macht in Äckern sie verworrn.

In einem Hof erwachen jäh die Gänse

Und jagen nun in Irrsinn mich und Flucht. Aus einem Torweg, in der Hand die Sense, Entführt der Tod zu Welle mich und Bucht.

Ich bin allein: die Blumen rings verwelken; Mein Volk entschlief an einem goldnen See.

Mir blieb der Grabgesang; ich streue Nelken, Ich bin der Tod: ich streue Laub und Schnee!

AUS „REINKE VOSS“

Neu erzählt von Christian Heinr. Kleukens

Er wör an eenen Pingstdag. De Eeken un de Böken kreegen Bläder, ut de Eer keeken de Krüder, un hier un där stunnen all lüttje Blomen, de woll röken. De Vägels seeten in de Böm un sungen, un de Feldlerken swäwten in de Luft un sungen, denn de Dag wör schön, un dat Wär wör klär. |

Nobel, de König von allen Tieren, har utropen läten äwerall in Lann, dat he hüt Hoff holen un Rad slägen un to Gericht sitten woll, un dat s’ all kämen süllen. Un

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allens, wat lopen un krupen un fleegen konn, köm: de Hirsch un dat Elen, de Panther, de Elefant mit de groten Tähn, Brun de Bär un Isegrim de Wulf, dat wille Swien, de Zägenbuck mit sin Wiew Mettke, Lüdeke de Kränich un Markwart de Häger, de Goos Älheid, dat Äntenehepäär Snatersnawel, Hund un Katt, grot un kleen, von wiet un siet, denn keener woll fehlen. Se kömen in hellen Hopen

mit groten Larm, denn allet snackte un frög un geew Antwoord; un to tällen wören se nich. Äber eener fehlte doch, dat wör Reinke de Voß. En Böswicht geiht nich geern int Licht, un de Voß stunn bi Hoff in so slechten Geruch, dat he sick höden dä, hentogahn. He har ’t ok gar to dull dräwen un mannicheen um Hab un God un Liew un Läben brocht. Un von allen Tieren, de dar wören, wör de Dachs de eenzigste, de nich äwer Reinke to klagen har.

Isegrim aber, de Wulf, begunn de Klage. He güng vor den Löwen stahn un knickte de Knee, un ok sine Frunde

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stellten sick vor den König. De Löw aber seet up eenen Stuppen, un sine Ogen wören wie Fier, un all harn s’ Furcht; doch de Fleegen moß sin Swanzkwast verdriewen.

Wohlgeborner Herr König, de Wulf, gnädiger Herr! Du bist mächtig un wiese! Wer kann vor di bestähn? Du sleist den Stärksten to Bodden, wenn he slecht is, denn du wullt nich, dat eener Unrecht deit. Äber du wullt ok

nich, dat eener Unrecht litt. Herr König! Ick hebb all min Dag nicks Böses dan un jümmer so läwt, as sick dat schickt un doch hett Reinke de Voß, de Falsche, mi

groten Jammer brocht: min godet Wiew stottde he in Schann, un mine Kinner, as se buten leegen und sick sunn- ten, strullte he sin scharpet Wäter int Gesicht. Därvon sind dree stockblind worn un krupt nu rum un kännt nich kieken. Dat is en währen Jammer, un saken verdrutt et mi to läwen. Un jümmer röppt he eenen wat nah erst gistern morgen; ick hebb’t geduldig runnersläken, denn

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sträfen darff jo bloß us König. Eensmäls wor ja ok all en Dag ansätt, den Säk to richten, un du verlangtest den Fed. As Reinke aber sworen scholl, dat allet Klatsch un Lage wör, wie he dickdräfsch sé, un ick up den Swur be- stunn, do har he et hill, in sine Veste to kamen. Dat weeßı du woll noch, Herr König, un darum swiege ick. Um all dat uttospräken, wat Reinke mi to Leed gedan, darto is eene Wak to kort; ja, wenn dat väle Linnen, dat in Gent mäkt ward, Pergament wör, et wor nich nog, woll man't upschriewen. Ick swiege drum. Doch dat mit min Wiew, dat geiht mi nah, un mutt sühnt weern, so oder so!

As Isegrim so sin Kläge slot, do köm en lüttjet Hundken gan. Sin Nam wör Wackerlos. He sprök franzés’sch un klagde, wi he bi Frostwär eens so arm wesen, dat nicks Godes mehr sin eegen, as alleene eene kleene Wust, de he verstäken, un dat Reinke se em fat har.

Hinze de Käter, de ok där wör, nu tornich vor den König güng. Gnädigster Herr, he, Herr König! Weil du up Reinke fuchtig bist, so is hier keener, jung noch old, de nich wat to klägen hett. Jem waßt de Mot, sonst sind se kusch un hebbt mehr Angst voremas di. Wat aber Wacker- los hier klägt, dat is all lange her, vor välen Jähren is dat wesen. De Wust wor min! Ick kläge nich. Denn as ick eensmäls up min Jagd wör, köm ick bi Nacht in eene Mahl un fund dar binnen eenen slapenden Mählenmann, den nöhm ick de Wust, un dat is wahr. Har nu Wacker- los jichtens en Recht an de, köm et von minen Listen her.

Och Hinze, Pankratius de Biber do, din Wör weerd hier nich val bedriewen. In Reinke is keen Spierken Ehr, he is en Mörder un en Deef. He roowt un plünnert un

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|

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5 keenen geern, nich mal den König, usen Herrn. Den

|

A erg

C. W.

In Karnak wars. Wir waren hingeritten, Helene und ich, nach eiligem Diner. Der Dragoman hielt an: die Sphinxallee —,

` ah! der Pilon: nie war ich so inmitten

mondener Welt! (Ists möglich, du vermehrst dich in mir, Großheit, damals schon zu viel!) Ist Reisen Suchen? Nun, dies war ein Ziel. Der Wächter an dem Eingang gab uns erst

des MaBes Schreck. Wie stand er niedrig neben dem unaufhörlichen Sichüberheben

des Tors. Und jetzt, für unser ganzes Leben, die Säule —: jene! War es nicht genug?

Zerstörung gab ihr recht: dem höchsten Dache war sie zu hoch. Sie überstand und trug Ägyptens Nacht.

Der folgende Fellache blieb nun zurück. Wir brauchten eine Zeit, dies auszuhalten, weil es fast zerstörte, daß solches Stehn dem Dasein angehörte,

ta de Rode woll um Riek un Ehre bringen, künn he wat darbi gewinnen, wenn ok man eenen fetten Happen.

‚AUS DEN GEDICHTEN DES GRAFEN

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in dem wir starben. Hatt ich einen Sohn, ich schickt ihn hin, in jenem Wendejahre, da einer sich entringt ums einzig Wahre. „Dort ist es, Charles, geh durch den Pilon

und steh und schau

Uns half es nicht mehr, wie? daß wirs ertrugen, war schon viel. Wir beide: Du Leidende, in deinem Reisekleide, und ich, Hermit in meiner Theorie.

Und doch, die Gnade! Weißt du noch den See, um den granitne Katzenbilder saßen, Marksteine wessen? Und man war dermaßen gebannt ins eingezauberte Karree,

daß, wären fünf an einer Seite nicht gestürzt gewesen (du auch sahst dich um), sie, wie sie waren, Katzig, steinern, stumm, Gericht gehalten hätten.

Voll Gericht war dieses alles. Hier der Bann am Teich, und dort am Rand die Riesenskarabae, und an den Wänden längs die Epopäe der Könige: Gericht. Und doch zugleich ein Freispruch, ungeheuer. Wie Figur sich nach Figur mit reinem Mondschein füllte, war das im klarsten Umriß ausgedüllte Relief, in seiner muldigen Natur,

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so sehr Gefäß —: und hier war das gefaßt, was nie verborgen war und nie gelesen:

der Welt Geheimnis, so geheim im Wesen, daß es in kein Verheimlichtwerden paßt!

Bücher verblätterns alle: keiner las so Offenbares je in einem Buche (was hilfts, daß ich nach einem Namen suclıe): das Unermeßliche kam in das Maß

der Opferung. O sieh, was ist Besitz,

solang er nicht versteht, sich darzubringen? Die Dinge gehn vorüber. Hilf den Dingen in ihrem Gang. Daß nicht aus einem Ritz

dein Leben rinne. Sondern immerzu

sei du der Geber. Maultier drängt und Kuh zur Stelle, wo des Königs Ebenbild,

der Gott, wie ein gestilltes Kind, gestillt

hinnimmt und lächelt. Seinem Heiligtume geht nie der Atem aus. Er nimmt und nimmt, und doch ist solche Milderung bestimmt,

daß die Prinzessin die Papyrosblume

oft nur umfaßt, statt sie zu brechen.

Hier sind alle Opfergänge unterbrochen, der Sonntag rafft sich auf, die langen Wochen rerstehn ihn nicht. Da schleppen Mensch und Tier

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abseits Gewinne, die der Gott nicht weiß. Geschäft, mags schwierig sein, es ist bezwinglich; man übts und übts, die Erde wird erschwinglich, wer aber nur den Preis gibt, der gibt preis.

REGINA ULLMANN / MÜNZE DES BETTLERS

PARABEL

Im Jahre.. .lag an einer Hauptstraße, die von Rom aus nach dem Meere führte, ein Paradies, der selige Spazier- gang eines Reichen. Es gehörte einem Manne, der im ge- meinen Sinne ein großer Wohltäter war, aber dennoch kein Herz besaß.

Dech war er ein Ganzes, war, was man so die große Oberfläche, die Welt nennt. Und er erlebte kein Wider- streben von ihr, denn sie liebte sich in ihm wie ein einzelner

Mensch, und schön dünkte es diesen, zu sehen, wie der

Reiche dem Bettler Tempel erbaute, wie der Bettler, dieser Arme, darin fand, was nicht zu ihm gehörte und waser daher nie zu hoffen gewagt hatte: Glanz, Wohlsein und Dauer. f

Denn alles schien das Eigentum des Bettlers zu sein, und keiner trat je in diesen Tempel, den Dank des Gastes zu empfangen. Aber was ist ein Gast ohne seinen Wohltäter? Ein unrechtmäßiger Herr. Selbst in dem Reich der Toten findet sich einer, der gebietet und dem man im letzten Sinne, den es noch gibt, unterworfen ist. Was sollte ein solcher Gast beginnen, wenn ihm das zum Bewußtsein kam? Mußte

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a in | 3

er nicht die Weingärten, die Ölbaumhänge, die Maisfelder, ja diesen unseligen Tempel des trägen Almosens selber in Brand stecken, damit doch endlich einmal der Wohltäter zum Vorschein käme, um den Undankbaren zur Rechen- schaft zu ziehen? Glichen die Bettler nicht Ungeziefer, das sich vermehrte? Züchtete er nicht das Gelächter von Wein- trinkern und satten Schmausern? Gab es noch keinen, der den Gastgeber suchte? Ist nicht die Parabel von jeder sich selbst sühnenden Begebenheit ein lebendes Geschöpf, eines, das zwar schon geboren ist, das man aber erst, ohne es zu wissen, sich erzieht?

Es beliebte zuweilen dem Reichen, sich in die Kleidung eines Knechtes zu werfen und sich auf seinem Gut wie irgendeiner zu betätigen. Einmal gelangte er auch so vor den Bettler, den ich meine. Ganz ohne Vorbereitung schaute er in das Gesicht eines Menschen, der tief unter ihm stand, dem er aber eben darum nicht gewachsen war. Er besaß namlich selber die Lauheit, die keine besonderen Eigen- schaften aufkommen läßt, die das Gute wie eine lebensläng- liche Rente bezieht. Und der Bettler glich dem Wortschatz ganzer Horden von einem Weltende zum andern, mit ein- samen Orten, Städten, Erdlöchern, Ruinen. Man hättetage- lang in seinem Gesicht sich ergehen können, wenn das an- gängig gewesen wäre. Er konnte so arm sein wie die leeren Gewänder, vor denen sich die Vögel fürchten. Er konnte auch den Grundstock eines Vermögens besitzen, der ihn dem gleich machte, der da vor ihm stand, um ihn unerkannt endlich einmal beobachten zu können. Man erriet nichts, was in dem Bettler vorging. Ob er wußte, wer jener war, ob er glaubte, ob er sich im Hinterhalt befand ...

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Es muß aber zugegeben werden, daß er betrunken war. ganz wenig, wie die Mondsüchtigen leicht und heiter sind. Und doch war er satt, gerade genug, um machtvoll un« sicher wie irgendein Reicherzu sein. Undin dieser Mischung fing er an, eine Münze in die Luft zu werfen. Er sagte nur drei Worte zu dem, den er für einen Knecht oder Sklaven halten sollte... Er sagte es wie ein Gast, der vor einen: untüchtigen Wirt steht. Er sagte: „Ich möchte bezahlen!” Da kam plötzlich, wie man zwei Tore öffnet, ein vorher nicht Gesehenes zum Vorschein: der Herr. Der Herr, der Besitzende, der Reiche. Aber nicht länger als ein Gedanke. Dann schien wieder die Monotonie jeglich beliebigen Tages zu sein. Und es kam die Antwort, als habe man zum Scherz zu einer Melone gesprochen, zu einer ausgehöhlten: „Mein Lieber, du kannst nicht bezahlen.“

„Warum kann ich nicht bezahlen“, schrie schon der Bett- ler, ohne es selber zu hören, denn sein Zorn, ein unge- brauchtes Geschütz, das er aber zum Schein bisher immer bereitgehalten hatte, flog mit Zürnen und Zittern sich selber entladend über alle Himmel hinaus. Man hätte ihn danach für tot hinlegen können. Aber der andere, den es nun plötzlich freute, die Gewohnheiten seines Scheinlebens annehmen zu können, erwiderte leise, aber desto hörbarer: „Weil du ein Bettler bist.“ Da fing der Bettler, der Instinkt hatte, wieder von vorne an. Nicht weil er nachgeben wollte, tat er es, sondern weil dies Spiel kein Ende nehmen sollte, wenigstens kein gutes.

Er ließ ab von der Volkstümlichkeit, die jede Laune, jeden Einfall erlaubt macht, und sagte demütig, wie er es schon hunderttausendmal gesagt hatte, denn er war alt

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wie ein Schleifstein, der durch die Hände des niedrigen Volkes geht: „Du guter, du freigebiger Herr Sklave.“ Und dabei hielt er ihm die Münze vor die Stirne, als sollte sie ihn denken lehren. Aber es erfolgte nichts darauf, wenn man nicht die Furcht rechnen soll, die wie eine wankende Säule sich etwas auf ihn zubeugte. Denn die Furie ist eine göttliche Xantippe, und man wäre kein Mensch, wenn man nicht vor ihrem Anblick Schaudern bekäme. Und auch das wußte der Bettler, denn seinen Augen war nichts entgangen, was er Gelegenheit gehabt hatte jemals zu beobachten. Er triumphierte darum mit dem Zittern eines Tieres und legte in einer neuen Variation seiner abgefeimten Ergeben- heit das Geldstück auf den Mühlstein, der den Tisch in diesem offenen Hause bedeutete. Aber es ereignete sich auch darauf nichts, nichts anderes wenigstens, als daß der Schatten der Bronze sich golden am Weinlaub verklärte und daß ein Vogel, von einer Erinnerung getäuscht, darauf zuflog, woraus sich abermals ergab, daß als Gegenschatten die Münze Flügel bekam: als sei sie zu vornehm für Bett- ler wie für Sklaven und wolle in den Äther fliegen. Darauf entstand Stille, denn der Bettler besaß den Geist derMiiBigen, und außerdem war ja nur alles die Komödie seines bösen Herzens gewesen. Er erniedrigte sich noch um eine Stufe tiefer (wenigstens für einen Bettler um eine Stufe tiefer) und sprach: „So muß ich nun also deine Güte und Barmherzig- keit oder die deines Herren verdienen, wenn ich sie mir nicht will schenken lassen.“ (Und etwas von neuem zum Zorn entfacht:) „Und muß das in meinem Bauche längst Gegorene und zu Dünger Verweste durch Arbeit mir an- eignen.“ Es war, als habe man den Adel eines alten Her-

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kommens bezweifelt, so witzig sich das auch anhörte, denn er würde niemals eingesehen haben,warum er hätte arbeiten sollen. Nur in diesem Augenblick, diesem allermuBigsten, den er je besaß, verstand er es, verstand es auf die umgekehrte Weise. Es blähte sich in ihm nun ein Zorn auf, der nicht vorsätzlich war. Er fing auf eine ihm ungewohnte Weise zu denken an. Denn da der Wein und die genossenen Spei- sen nicht in Muße und unbegrenzter Zeit den natür- lichen Weg gehen konnten, den sie bei Bettlern und Königen gehen, sondern sich stauten im Zorn einer ungewohnten Disputation, so blieb zunächst, was im Kopfe war, im Kopfe zurück und machte ihn schier zerplatzen. Er schwoll an. daß die Adern an den Schläfen wie die Ranken des Weines wurden, die Augen überreifen Beeren glichen, die bald herabfallen mußten, und das übrige an ihm die traurige Rolle des Nichts spielte und ihn selbst in seiner ohnmäch- tigen Wut zu verhöhnen schien. Er stierte mindestens 30 lange vor sich hin, daß der als Sklave Verkleidete längst hätte verschwinden können. Aber so wenig dieser im eigentlichen Sinne mitfühlend war, so wenig war er auch mitverstehend, und er betrachtete nur eine Volksszene, die ihn durch Zu- fall zu ihrem Gegenstand gemacht hatte. Aber der Auftritt währte ihm beinahe zu lange, denn jener Bettler brauchte viel Zeit, um den Zorn in seinem ganzen Wesen zu ver- breiten. Sein Bauch wurde steinhart, nicht etwa nur bild- lich, sondern da, wo er war, in Wirklichkeit, und alle andern Auswege, nicht zuletzt der seines Odems, drohten völlig ab- gesperrt zu werden. Der Mann da, der Bettler, konnte an seinem Zorne sterben, er regte sich nicht mehr. Was ge- bogen war, blieb so, und was steif war, schien nie mehr

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* zu

biegsam werden zu können. Das Almosen von Jahrtausen- den schien durch seinen Körper vergeblich einen Ausgang zu suchen.

Noch hätte sein Gastgeber zu fliehen vermocht, denn es war kein Leben in dem bösen, großen Knorpel, der da vor ihm stand. Er stierte nur, stierte auf die Geldmiinze, und indem er nicht verstand und doch im stillen vor sich selbst sich verteidigte, sprach es in dem Reichen, sprach es: „Was ist da nur geschehen? Ist ein Bettler geschändet? Ein Ge- schändeter geschändet? Kann das geschehen? Gebärdet sich so der tausendste Teil einer Ungerechtigkeit? Denn wenn dieses schon ein Bettler war, was erwartete er andres als das Schicksal eines Bettlers? Er wollte bezahlen, mich wollte er bezahlen? War das nicht etwa Verwegenheit, die Züchtigung erforderte? Tat ich nicht etwa das Rechte, indem ich ihm sagte, sagte, indem ich nicht annahm: „Die Münze eines Bettlers ist keine Münze.“

Sie lag da auf dem Tisch, auf dem Miihlstein lag sie. Von ferne ertönte das Lachen jener Gäste, die in diesem einen Gaste, dem Bettler, verhöhnt waren. Schwirrendes Federvieh (der Bettler wußte, wie es mundete, am Spieß gebraten, denn er hatte schon viele Male in diesem Hause bei Tisch daran teilgehabt) suchte den Aufgang der hohen Marmorstufen zu erfliegen. Das frohe Auftreten gesunder Pferde und das Rollen eines Wagens, der zum Vergnügen bereit schien, nahm kolossalen Raum ein in den Häuptern der beiden Feinde. Denn nun war auch der andre Feind ge- worden. Es hatte lange gedauert, freiwillig hätte er sich nie dazu entschlossen. Aber nun war er im Schweigen dazu ge- wachsen. Freilich wurde er nie ein Angreifender. Er war wie

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einer, der mit seinem Geiste noch bei einem Werke ist, darin von Krieg steht und von letztem Ende und Todeskampf. Den Kampf mit einem Bettler aber ließ er sich nicht träumen. Darum hörte er auch noch das Fortrollen eines Rinderge- spannes. Ein Tor schloß sich. Kein Laut mehr. Die Bettler hatten zu lärmen aufgehört. Mägde, Knechte, Sklaven schien es nie gegeben zu haben. Es war der Mittag einer Biene und der eines Fisches, wenn er in tiefere Tiefen taucht und dem Golde der Sonne entschwindet, aber es wäre zu wenig gewesen, wenn man hätte sagen sollen, daß Nacht sei, denn es war der Augenblick, nachdem ein Mensch einen anderen getötet hatte.

UNGEDRUCKTE APHORISMEN VON WILHELM HEINSE

Das menschliche Geschlecht muß immer der Veränderung unterworfen sein, wenn es glücklich sein soll; ebenso wie der einzelne Mensch. Ein immerwährender Zustand von Glückseligkeit und Unglückseligkeit ist nicht möglich. Die verschiedenen Gesellschaften der Menschen, und alles, was darinnen ist, Religion, Staatsverfassung, Moral, Künste, Wissenschaften, werden wie ein Wald angepflanzt und wachsen auf; die Eichen, so lange sie auch leben können, werden doch endlich alt, die Äste sterben ab, sie geben zu- letzt keinen Schatten mehr, sie nützen nicht allein nichts mehr, sondern nehmen den jungen Stauden auch ihre Nahrung; der Wald muß abgehauen, wenigstens alle diese verdorrenden Bäume abgchauen und ein neuer gepflanzt

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werden. Dieses tun in den menschlichen Gesellschaften die großen Genien, die Eroberer, die Alexander, die Cäsarn, die Mohammede, die Sokratesse, Platone, die Shakespeare, Arioste, Helvetiusse, Voltairen, Robertsonen jeder in sei- ner Sphäre die Menschheit wird wieder zu ihrem Ur- sprunge, zu dem glücklichen Stande der Natur zurück- gebracht, von dem sie so ausgeartet ist, daß man keine Spur mehr davon finden kann da muß niedergehauen, nieder- gerissen werden das alte Werk ohne Barmherzigkeit, da gehören Lykurgische Genien dazu, deren Stärke eine ge- wisse Art von Grausamkeit ertragen kann. Sie fangen eine neue Ordnung der Dinge an, gleich der wiederkehren- den Frühlingssonne die unnützen Mitglieder der Gesell- schaften werden ausgerissen, abgeschnitten, das Land wird umgepflügt, Samen hineingestreut, die Alexander sind die Pflüger, die Lykurge säen, die Sokratesse jäten, und die Arioste zäunen das Feld mit Rosen und Myrten ein und besingen die Schönheit der Flur.

Es ist ein gefährliches Werk; die Bären, Wölfe, Eulen und Schlangen empören sich dagegen. Gelingts, so sind sie Wohltater der Menschheit; glückts nicht, so haben sie die Pflichten der ersten der Menschen getan, und sie genießen bei diesem Gedanken einen Grad von Glückseligkeit, an welchen der Blick der Pygmäenseelen nicht reicht. Rous- seau, Voltaire, Machiavell haben in diese Knorpel von ver- torrten Eichen bis jetzt nur einige Streiche tun können; die großen herkulischen Genien müssen noch kommen, die sie ganz daniederreißen und was Neues pflanzen.

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Wer einen andern überreden will von dem, was er selhst glaubt oder für wahr hält, der erzähl ihm nur, wie er dazu gekommen: denn mehr kann er auf keine andre Weise tun. Wer ihn überreden will von dem, was nicht wahr ıst, der mal es ihm nach seinem Interesse und Charakter oder stelle es ihm in ein falsches Licht oder wickle es in die Geheimnisse und Dunkelheiten der Natur.

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In der Einsamkeit ist jeder Mensch am meisten, was er ist: deswegen sind die Gelehrten in ihren Schriften am größten.

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Leben und Tod; daraus ist alles zusammengesetzt. Das Leben ist immer in Bewegung; und der Tod das, woran sich das Leben hält. Licht ist dünnes Leben in der schnell- sten Bewegung, volles Leben in der schnellsten Bewegung Feuer. Das allgemeine Leben ist Gott oder die Natur, wie du's nennen willst. Das Leben zehrt den Tod auf; und nicht der Tod das Leben.

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Ein epischer Dichter muß seine Personen aus dunkeln Zeiten nehmen, denn desto eher wird ihm geglaubt; es hat noch niemand bei seinen Lebzeiten ein Wunder gesehen. Der dramatische kann sie nehmen, woher er will.

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Das Leben ist etwas Flüssiges. Es ist also kein Wunder, daß sich die Menschen täglich, stündlich, ja augenblicklich verändern. Wenn wir jemanden im höchsten Grad seiner

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liebe für uns in Marmor verwandeln könnten! Aber wer wollt es aushalten? Drum laßts gehn, wie es geht, und schickt euch so gut drein, als ihr könnt.

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Je vollkommener ein Mensch ist, desto weniger glaubt er. Alles, was er nicht weiß, das weiß er nicht; und wenn er eine Wirkung sieht, wovon er die Ursache nicht entdecken kann, so ist er weiter nichts als überzeugt, daß eine da sei, und glaubt keine, die er nicht begreift. Denn was könnte ihm eine solche helfen? Im Gegenteil muß der einfältige Mensch glauben; sonst würd er jeden Künstler als einen Hexenmeister verbrennen. Der einfältige Mensch ist gliick- lich, denn er hat eine Ursache für alle Ursachen, die er Gott nennt. Der vollkommene Mensch ist unglücklich; denn viele unbekannte Ursachen lassen ihn in Unruh: aber dafür kann er auch alles Glück, was er hat, rein und lauter genießen. Er fühlt auf der Zunge, wo der andre nur das Maul voll hat. Er hört die Melodie einer Gabrieli, wo ein andrer nur eine süße Kehle. Er sieht eine Venus, wo ein Dummkopf nur ein hübsch Mensch. Sein Glück ist Kern; des andern seins ein stumpfes Wesen.

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Der größte Schaden, den die Bücher stiften, ist, daß sie unsere eigenen Gefühle vermindern und uns dafür tote Ideen geben.

tt

Man hat vielerlei Beschreibungen von der guten Er- ziehung gegeben; die beste aber ist ohnstreitig diese, wo der Zögling alles Lebendige in der Natur nach und nach

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mit seinen Sinnen empfängt, so wie sie es fassen können: und sein Begriff, Gewalt und Herrschaft darüber. Es kann nicht fehlen, daß er bei diesem und jenem oft von neue: ansetzen und oft unterliegen muß. Wenn der Mensch auf- hört zu wachsen, dann hört auch die Erziehung auf.

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Plato ist Traube und Most: Aristoteles Wein. *

Die Menschen unterscheiden sich hauptsächlich dadurch voneinander, daß die einen mehr an der Form, die andern mehr am Leben hangen. Jene sind die Münzer, diese die Reichen. Noch andre sind bloß Münzkenner. Wer bloß an der Form hängt, der hängt an nichts: denn Form ohne Leben ist nichts.

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Der große Schriftsteller bleibt immer der größte Mensch. Er ist derjenige, der seine Wirkungen am weitesten ver- breiten kann. Die andern Künste sind sinnlicher, aber wie- viel tausendmal engere Schranken haben sie? Er hat Ver- stand und Empfindung mitzuteilen; die andern Künstler bloß Empfindung. Und alles, was der Mensch bloß emp- finden kann, hat er mit dem Tier gemein. Dies ist auch durchaus stillschweigend anerkannt worden. Homer ist immer größer geblieben als der, welcher den Vatikanischen Apollo gemacht hat. Man fühlt es, daß der Mensch mehr bei ihm hat... í

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HERMANN BAHR/DAS ALTE WAHRE

WVV enn der deutsche Rezensent sich einmal einen guten Tag machen will und ein Buch gelten läßt, so glaubt er es sich aber schuldig, wenigstens einschränkend zu versichern, freilich dürfe der Autor sich deshalb nicht einbilden, uns mit neuen Erkenntnissen beglückt zuhaben. Womit denn das Lob wieder unschädlich gemacht und das Buch den- noch glücklich abgetan ist. Denn der deutsche Leser teilt ja den Aberglauben des deutschen Rezensenten: den Aber- glauben an die Wundermacht des Neuen. Wer aber könnte sich denn überhaupt jemals neuer Erkenntnisse rühmen dürfen? Im Nikolaus Cusanus stehen schon alle Gedanken der neueren Philosophie, und was im Nikolaus Cusanus steht, haben die Pythagoräer auch schon gewußt; sie wußten es aus Ägypten. Neu ist immer nur der Irrtum, den jede Zeit der alten Wahrheit beisetzt. Irrtum scheint ein not- wendiges Ingrediens, um Wahrheit schmackhaft zu machen, und gar uns heute kommt es bei weitem mehr darauf an, daß sie schmeckt, als ob sie wahr sei. Ja, sie schmeckt offen- bar in ganz kleinen Dosen noch am besten, und um die Dosierung der Wahrheit mit Irrtum gehts eigentlich ganz allein: was wir Geschichte der Philosophie nennen, ist im Grunde hauptsächlich eine Geschichte dieser Dosierungen. Die Philosophen rühren die Wahrheit immer wieder mit dem Löffel eines anderen Irrtums um: der Schaum, den das gibt, wird der Geist der Zeit geheißen. Die Weisen aber lächeln zu dem lauten Lärm und erinnern sich still des erlösenden Goethespruchs:

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Das Wahre war schon längst gefunden, Hat edle Geisterschaft verbunden: Das alte Wahre, faß es an!

Alle Wissenschaft ist ein unablässig vergeblich erneuter Versuch, das ganze Geheimnis der Wahrheit, der uralten unabänderlichen einen Wahrheit auszusagen, und alle Kunst ist der ewige Versuch, uns die ganze Wahrheit ent- hüllt erscheinen zu lassen, so daß wir mit Augen sehen, mit Ohren hören, mit Händen greifen könnten, was be- stimmt ist, unserer irdischen Vernunft unfaBlich zu bleiben. In den alten Zeiten finden wir darum den Künstler überall im Dienste der Priester; Kunst fängt überall als Mundstück des Glaubens an. In griechischen Urzeiten ist das Amt, das später der Dichter übernimmt, zunächst noch geteilt. Auf heiligen Bergen bricht aus tiefen Schlünden grauser Dampf hervor, die wilde Seherin betäubend, bis der schäumende Mund der zuckend Verzückten einen Schwall von Worten auswirft: das Orakel. Sie versteht es aber selber nicht, sie weiß es nicht zu deuten. Dazu muß erst der Priester ge- rufen werden, der Prophet, wie der genannt wird, dem zwar die Gabe versagt ist, selber Orakel zu empfangen, selber des Urstroms von Verkündigungen teilhaft zu werden, dem aber dafür eine andere Kraft gegeben ist, die wieder der Seherin fehlt: sie kann den trüben Zufluß nicht klären, die Be- täubte kann den Sinn der Betäubungen nicht vernehmen, der Priester ists, der auszusprechen weiß, was von der Seherin empfangen worden ist. Er bringt in das von ihr Erschaute nun erst den Sinn, er bringt das Orakel zur Be- sinnung. Hypokrit wird er genannt, ein kritischer Inter- pret ist er, der Ordner, Deuter und Künder der von beben-

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den Lippen taumelnder Verzückung erbrochenen Schreie. Das Orakel der Griechen ist so sinnlos wie jedes Element. $o braucht es, um gebraucht werden zu können, erst einen, der es zurechtmacht. Darum wird der Prophet, der dies übernimmt, Poet genannt. Poet heißt Macher. Poet ist, wer aus Eingebungen, indem er Menschensinn in sie bringt, etwas Brauchbares macht. Poet ist, wer den Anhauch von _ Verziickungen für den menschlichen Gebrauch herzurich- ten weiß. Es müssen dann unter den Griechen entweder Seher, die zur Gabe der Verzückung auch noch die der Be- sinnung hatten, erschienen sein oder Propheten, die sich zur angeborenen Kraft der Deutung auch noch die passive der Erleuchtung aneigneten, denn allmählich sehen wir die heiden Elemente der Weissagung miteinander verwachsen: das Gehör für den Zuruf der Eingebung trifft mit der Ge- walt, nun den eigenen Sinn darauf antworten zu lassen, in derselben Person zusammen, und was bisher Sibyllen und Propheten gemeinsam besorgten, übernimmt hinfort der Dichter allein. Sibylle nicht bloß, sondern auch gleich noch ihr Prophet in einer Person zu sein, das ist fortan die Sendung des griechischen Dichters, es ist den Griechen die Sendung der Kunst. Ihre Werke sind unerreicht an völligem Gleichgewicht von Eingebung und Ausdeutung, von Zu- drang und Abwehr, von Flut und Damm: kein Anruf der Himmlischen, dem der griechische Dichter nicht gleich selber Rede steht, keine Frage von oben. der sein Herz nicht antwortet, kein Geschenk, das er nicht erwidert, indem er es sich aneignet durch die Tat, und wenn die Himmlischen schweigen, hat er Ehrfurcht und harrt in Geduld, er ist niemals vorlaut. Noch bis in ihre letzten Entartungen

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hinein bewahrt sich die griechische Kunst den Sinn dafür. daß der Künstler selber nicht anfangen kann, daß er auf das Zeichen von oben warten muß und daß ihm durch den „Einfall“ ganz genau zugemessen ist, wieviel von seiner eigenen Kraft er aufwenden muß, aufwenden darf. Ein Werk hat nur dann das rechte Maß, wenn auf den „Ein- fall“, auf diesen Überfall von oben, der Künstler antwortet mit einem Ausfall von ganz derselben Kraft. Alles zu können, was ihm der Einfall abverlangt, und nichts zu wollen, als was ihm der Einfall abverlangt, ist das Ge- heimnis des echten Künstlers. Im vierzehnten Kapitel des ersten Korinther Briefes ist es ausgesprochen: „Psallo to pneumati, psallo kai to nü, ich will lobsingen mit dem Geiste, ich will auch lobsingen mit dem Verstand!“ Und wenn einer zwar Eingebungen hat, aber sie nicht auslegen. nicht gleich selber auch ihr Dolmetsch sein kann, der soll schweigen, rät ihm Paulus. In diesen Sätzen ist, nebenher, auch das Grundgesetz aller Kunst enthalten, man käme mit ihnen zur Ordnung der Kunstgeschichte völlig aus. Im Briefwechsel mit Schiller und mit Zelter, in den Gesprächen Goethes, bei Hölderlin, Novalis und Kleist steht auch nicht mehr. Und in jedem Kunstwerke, dem dieser Name gebührt, steht es auch.

Licht ist weiß, bis es auf ein Dunkles stößt: gleich bricht dann die Welt der Farben daraus hervor. „Daß eine Grenze notwendig sei, um Farben hervorzubringen“ ‚diesem Aperçu verdankt Goethe den Empfang seiner Farbenlehre. Einfall gleicht dem Lichte. Auch er muß, um produktiv zu wer- den, erst auf einen Widerstand stoßen. Nur wenn Stoß der Eingebung und Gegenstoß des Eigensinns einander durch-

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aus waghalten, entsteht die gewaltige Meeresstille der ganz zroßen Kunst, in der wir uns oft, einen Atemzug lang, allen Drucks der Individuation frei glauben. Solcher völ- liger Ausgleich der beiden Kräfte, bei dem man nicht mehr sagen kann, ob Eingebung den Eigensinn des Künstlers aufgezehrt hat oder selber von ihm aufgezehrt worden ist, wo beide sich vernichten, um zusammen in ein Höheres einzugehen, wo der Künstler sich des Einfalls ebenso stark bemächtigt, als der Einfall den Künstler überwältigt, bringt sozusagen das verlorene Paradies wieder: im vollendeten Kunstwerk scheint die Trennung aufgehoben, zu der wir uns sonst immer verdammt, in die wir uns verbannt fühlen, und das Kerkertor unserer Einsamkeit springt auf. Denn das vollendete Kunstwerk läßt uns fühlen, es läßt uns mit Augen sehen und mit Händen greifen, daß der Künstler, von Eingebung überdrungen, sich ihrer erschreckenden Gewalt zu stellen, sich mit ihr zu messen, sie zu bestehen vermag durch eine Kraft in ihm selbst, der er so deutlich die göttliche Herkunft anmerkt als jenem Zuruf von oben: jedes echte Kunstwerk wirkt auf unsals ein Selbstgespräch Gottes; er ist es, der anfragt, er, der darauf antwortet, er ist es, der im Einfall auf den Künstler einspricht, und wieder ist es er, der durch das Werk aus dem Künstler zu- rückspricht und, indem er sich widerspricht, sich eben da- mit erst völlig entspricht. Es liegt an mir, wenn dies etwas mysteriös Klingt, an meiner Unzulänglichkeit, aber wer es einmal erlebt hat, wird es schon verstehen, und wer es nicht selber erlebt hat, lernt es doch nie begreifen.

Rünstler ist, wer Einfälle hat, dazu dann aber auch noch die Kraft, Einfiillen zu begegnen, Einfällen etwas entgegen-

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zusetzen, Grenzen zu setzen, einen Damm zu setzen: erst indem Einfälle auf Widerstand stoßen, an dem ihre Flut sich staut, erscheinen sie, es entsteht ein Kunstwerk, das vollkommen ist bei völlig gleichem Ausmaß der beiden Kräfte. Ja, man kann sagen, daß das vollkommene Kunst- werk nur in dieser Messung der eingebenden Kraft mit einer gleich starken auffangenden Kraft besteht. Daher sieht auch ein vollkommenes Kunstwerk dem anderen so zum Verwechseln gleich: der Parthenonfries, der Isenheimer Altar, ein Sonett Shakespeares, die chromatische Phantasie, Harzreise im Winter; sie sind im Grunde doch alle nur immer wieder dasselbe Werk, aus tausend Quellen ewig derselbe Trunk. Wenn Kunstwerke sich voneinander unter- scheiden, danken sie’s nur ihren Unzulänglichkeiten. Der Hauptunterschied ist, auf welcher Seite die Kraft nachläßı. ausläßt, ob reich flutender Eingebung der Widerstand fehlt. an dem allein erst die bewegte Welle sich zu kristallner Kugel ballen kann, ob ihr der Eigensinn des Künstlers, Halt gebietend, fehlt, oder ob umgekehrt hoher Eigensinn des Künstlers ohnmichtig bleibt, weil seiner bildenden Kraft nicht genug bildsamer Einfall zugereicht wird: jenes wer- den wir an den immer von Zeit zu Zeit wiederkehrenden Epochen von „Sturm und Drang“ gewahr, dieses an Epochen, die wir, ganz falsch, „klassizistisch“ zu nennen gewohnt sind. Der letzte „Sturm und Drang“ war Impressio- nismus, überreich an Einfällen, denen er nur aber niemals Gestalt zu gebieten wußte. Was wir jetzt Expressionismus nennen, scheint eine tiefe Selbstbesinnung des Künstlers | auf sein Amt: den Einfall, indem er ihn in die Schranken. | indem er ihn zurechtweist, zu beherrschen durch Gestalt. '

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Im Expressionismus scheint alles zur echten Kunst bereit, alles zum Empfang der Eingebung bereit, aber sie läßt bis- her noch immer auf sich warten. Mit dem Zehntel von Ein- fällen, die von jedem kleinen Impressionisten vergeudet wurden. könnte der Expressionismus, mit seiner hohen Ein- sicht ins Wesentliche der Kunst, mit seiner ungeduldigen Bereitschaft zum gebührenden Empfang des Einfalls, zur tätigen Antwort auf den Einfall, zum gestaltenden Gegen- stoß, mit seiner leidenschaftlichen Bildkraft die große Kunst wiederbringen. Doch er harrt vergeblich, es fällt ihm nichts ein. Dem Impressionismus fehlte der Becher, dem Expres- sionismus fehlt der Wein.

Verstört aber wurden alle Bemühungen des Impressio- nismus, verstört werden alle Bemühungen des Expressio- nismus durch den Wahn, es handle sich in der Kunst darum, neu zu sein. Die Kunst ist alt, und es handelt sich in der Kunst immer nur wieder um dasselbe: einer Eingebung ihren Ausdruck zu geben. Und alle Kunstlehre kann dem Künstler nur immer wieder sagen: Das alte Wahre, faß es an!

Was ist die Welt anders als die unsichtbare Erscheinung Gottes, was ist Gott anders als die Unsichtbarkeit des Sicht- baren? Wer über dies dunkle, seltsam schillernde, leicht auch vom Rechten ableitende Wort des Cusaners nachsinnt, wird es am ehesten auf die Kunst anwenden können. Denn eben an der Stelle, wo die Unsichtbarkeit ersichtlich zu werden scheint, an der Stelle der Umschaltung der Unsicht- barkeit in Erscheinung liegt der Raum der Kunst.

dus Hermann Bahr, „Sendung des Künstlers“,

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ALEXANDER LERNET-HOLENIA DER FRÜHLING

I

Dir helle Gegend liegt in blauen Hügelkreisen. Die feuchten Häuser stehen offen, und das Blenden der Fenster spiegelt vor den rosenroten Wänden. Aus niedern Türen riecht der Flur wie laues Eisen.

Die Herden stehen sichtbar in den fernsten Räumen. Der Wind erstrahlt von Wärme um die vielen Tiere. Die Hörner auf den Rindern heben sich wie Lyren. Gehörn des Widders ist von unsäglicher Reine.

Am Friedhof weiße Ahnen sanft vergehen.

Der Bach weint wie ein Kind in einem leeren Zimmer. Im Wind der offnen Fenster friert die Fraun noch immer. Die Blendung ungeheurer Himmel hängt in Höhen.

Die Mädchen stehn in blinden Spiegeln, licht im Lichten. Sie kamen krank zurück vom Tanz der Nachbarschaften. Die Blässe fließt wie Milch aus auf den engelhaften,

wie Schale umgeschütteten Gesichten.

II

Der rosenrote Mond erblüht an Nachmittagen. Ein Toter tritt im Acker zu den zwei Betrübten. Die Füße duften noch vom Haare der Geliebten. Sein wundervolles Antlitz ist vom Wind zerschlagen.

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Aus Hügeln kommen Fremde her im Abendblauen.

Ein Tor führt rückwärts noch vom Feld her in den Garten. Sie treten dunkel aus der Bläue ein und warten.

Der viele Tau benetzt den Saum am Kleid der Frauen.

Der Frühverstorbne ist im Innersten beschäftigt. Die Himmel blühn, als ob man ihre Kreisung sähe. Der unberührte Tote steht in ihrer Nähe.

Die Frauen sind an ihm getröstet und bekräftigt.

Die noch Lebendigen verwehren sie nicht immer. Die Menschen sind in diesen Tagen sanftgesinnter. Der laue Flur ist abends ruhig und dahinter

die ihrigen noch unbewohnten Sterbezimmer.

Sie spüren gern die Leinwand, die sie selber blichen. Die Männer tragen zur noch hellen Fensterbrüstung der Sattelkammer die vermorschte Pferderiistung. Dann treten sie in der Lebendigen Gerüche.

III

O um die Kerze in der Kammer. Fraun und Kinder und zwischen ihnen kalt zwei weißliche Greisinnen. Nur manchmal schaun sie auf von irgendwo aus innen. Die Männer stehen schön verteilt dahinter.

O Licht auf allen eingeneigten Angesichten, als blühten Engelsantlitze umher beglänzter. Die Wände sind sehr weich, im Dämmer unbegrenzter, und Raum genug ist zwischen ihnen und dem Lichten.

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Die Abgeschiednen stehen dorten und erkoren

die wundervolle Ruh der Frauenschatten gerne.

Der Schmuck an ihnen aufglänzt wie vor fernster Ferne und blauverwestes Aug und Licht auf staubigen Sporen.

Die tote Liebende bleibt lange noch im Freien zurück. O leise Hingegebnes und Bereites,

o namenlose Leichte ihres weichen Kleides

in schwarzen Lauben vor der letzten Abendbläue.

HANS CAROSSA AUS DEM RUMÄNISCHEN TAGEBUCH

Kozeplok, 29. November 1916,

abends

Ber Tagesgrauen wurde der Paß überschritten; wir ge- langten in das Tal des Hidegseg hinab und erreichten um acht Uhr morgens das Dorf Közeplok, dessen Gebäude sehr weit auseinanderliegen. Ein großes gelbes Haus, nah der Kirche, wurde mir als Stabsquartier bezeichnet. Es besteht aus zwei kleinen Zimmern und einem geräumigen Saal, den ein brüchiger Ofen mit Rauch erfüllt. In einer Ecke, gebeugt über Karten, saßen flüsternd Major und Adjutant. Der Assistenzarzt lag schlafend in Mantel und Stiefeln am Boden; das abgemagerte verstaubte Gesicht glich vor über- mäßiger Ermüdung dem eines Toten. Ich legte mich neben ihn, schliefein und erwachte erst um elf Uhr. Nach kurzem Dienst ging ich zum Hidegseg hinab, Wird einem doch,

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als habe man teil an allen Gütern und Geistern der Länder, sobald man ein Ufer betritt. Einwohner kamen des Weges, zuerst alte Männer, dann junge Frauen und Mädchen. Diese sind ein stattlicher Schlag mit leichtem, freiem, brüstestolzem Gang, gesunde Rundgesichter, vom Geist der Rasse schön beherrscht, so daß immer eins das andere be- stätigt. Man denkt zuerst an Italien; aber es ist noch etwas anderes darin, etwas tierhaft Geschmeidiges, dazu etwas Verschlossenes, nach innen Horchendes, wilder alter Adel, der nach Asien weist. Die unechten städtischen Kostüme, die wir noch gestern sahen, sind verschwunden; die Weiber scheinen hier nur am Leibe zu tragen, was sie selber her- gestellt haben, statt des Rockes ein dunkles buntgestreiftes Tuch, das einfach übereinandergeschlagen wird, so daß man beim Gehen die Beine sieht, diein engen weißwollenen Hosen stecken, um die Brust Pelzwesten, das Fell einwärts, das weiße kunstreich bestickte Leder nach außen gewendet, schwarzes Kopftuch, spitzeSchnabelschuhe. Wenn Truppen vorbeimarschieren, bleibt keine stehen, um zu gaffen, wie sonstwo Landleute tun; man spürt eine Gegend be- ginnen, wo die Menschen hart und sich selber genug sind, und wo sich Schicksale schnell und ganz erfüllen.

Nach Mittag war von Osten her scharfes Geschützfeuer zu hören. Der Adjutant blieb an das Telephon gebunden. Gegen fünf Uhr wurde Marschbereitschaft befohlen um sechs Uhr der Befehl wieder aufgehoben.

Hosszuhavas-rakotias, 1. Dezember 1916. Die Nacht zum letzten November blieb ruhig. Um zwolf Uhr mittags wurden wir alarmiert, und sogleich folgte der

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Aufbruch. Es verlautete, Russen und Rumänen hätten .

die ungarische Linie durchstoßen, den Berg Mihalyszallas erstürmt. Unserm Bataillon falle die Aufgabe zu, den Feind aufzuhalten, den Berg zurückzunehmen. Man suchte auf der Karte den Mihalyszallas und war verwundert, sich in solcher Nähe des Gegners zu befinden. Die Feldküchen. die bereits geheizt hatten, kochten während des Marsches weiter. Aufdem Ufergeröll wurde das Essen eingenommen. dann ging es eilig den Fluß entlang. Anfangs hatten uns

Frauen und Kinder von Közeplok neugierig begleitet; bald

blieben sie mit zweifelnden Gebärden stehen. Ein ver- irrtes, rabenschwarzes Schweinchen lief arglos eine Weile zwischen unseren Leuten mit, schon stritten sich zwei Gruppen der 8. Kompagnie um den sicheren Fang; aber ein kleiner Junge kam nachgelaufen und jagte es mit Jubelrufen ins Dorf zurück.

Der Tag war kurz und düster. Nebel wuchs wie Schim- mel um die niedrigen Fichten, mit welchen die Hügel spärlich besetzt sind. Gruppen von Flüchtlingen mit Haus- tieren und Fahrzeugen begegneten unsin der Dämmerung. zuletzt ein kleiner Leiterwagen, von schön gehörnten silbergrauen Stieren gezogen. Führerin des Gespanns war eine große Frau mit schwarzem Kopftuch, langem braunem Mantel und einem Stab in der Hand. Ein Kind, sein Püpp- chen an sich gepreßt, saß oben auf wirr zusammengeraffter Habe; ein alter Mann und ein junges Mädchen schoben nach und lasen auf, was etwa herabfiel. Ein Knabe, kaum zehn Jahre alt, mit wunderbar entrücktem, unbegreiflich heiterem Gesichtchen, lief neben dem Wagen her und summte wie aus tiefer Geborgenheit eine Weise. Unter

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dem linken Arm trug er ein schwarz eingerahmtes Jesus- bild, mit der rechten langte er von Zeit zu Zeit Maiskörner aus der Tasche und gab sie einem Stierkälbchen zu fressen, das, am Wagen angebunden, mithüpfte. Diese Gestalten wurden mir im Geiste sogleich statuarisch, besonders die mütterliche Führerin, und ich verstand, was Glavina meinte, als er schrieb, es sei etwas Heiliges um den Fremd- ling, der nur einmal an uns vorübergehe, nicht befleckt von gleichgültiger Erfahrung. Die Haltung stolz, frei, das Antlitz reife, gebietende Jugend, die starken Brauen schmerzlich zusammengezogen, blickte sie geradeaus, ohne uns zu beachten, als wäre sie das wahre ganze Leben, wir aber abgefallen und verirrt.

Es wurde Nacht; wie Asche fiel der Nebel, endlos ent- zog sich das Tal. Streckenweise wateten wir im Wasser, das mit Gurgeln unsere löcherigen Stiefel füllte. Einmal riß die 6. Kompagnie ab und verirrte sich in ein Seitental; mit schreienden Boten und Lichtsignalen wurde nach einer halben Stunde die Verbindung wieder hergestellt. Unendliche Müdigkeit zermürbt die Seelen. Mancher brüllt Wut und Verzweiflung gerade hinaus: „Gebt uns wenigstens ganze Stiefel, wenn ihr Krieg führen wollt!“ murrt eine Stimme. „Ein Narr, wer noch mitläuft! Ich bleibe zurück!“ kreischt eine andere. Die Offiziere aber kümmern sich nicht um aufrührerische Rufe. Sie haben selber zu dulden genug. Auch wissen sie, daß die Schreier ja doch mitkommen werden. Wer ohne gültiges Zeugnis die Truppe verläßt, vermindert wohl Mühe und Gefahr, aber neue und schimpfliche Leiden beginnen für ihn. Im fernen Dunkel flammt es zweimal bläulich, man hört Abschüsse,

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dann heult es an, und scharf nacheinander stoßen Gra- naten in den Kies. Ein Mann bricht zusammen. Leutnant S. ist verwundet. Wir verbinden ihn, so gut es im Dunkeln geht. Vermutlich hatten unsere Signale die Geschosse hergelenkt. Ein strenges Verbot, Licht anzuzünden, wird ausgegeben. Mit dem Aufbegehren ist es zu Ende. Vom Feinde selber in die Zucht gescheucht, beginnen die Leute ruhig zu plaudern; eine gefaßte, aufgeräumte Stimmung nimmt überhand.

Um zwölf Uhr gelangten wir auf trockenen, ebenen Boden. Der Adjutant, der mit dem Major eine Strecke vor- ausgeritten war, kam uns entgegen. Von einem Nacht- gefecht, erklärt er, sei nicht mehr die Rede, die Gegner hätten den Berg zur Hälfte wieder aufgegeben und sich in der Nähe festgegraben, wir stünden in dem Dorfe Hosszu- havas und bekämen Quartiere, freilich . niemand dürfe die Stiefel ausziehen.

Mit Offizieren und vielen Mannschaften fand ich Unter- kunft in einem Bauernhause, das von seinen Eigentümern verlassen war. Auf dem Tische stand bei Brot und Äpfeln ein schräg abgeschabter Salzkegel, daneben, mit Öl gefüllt. eine Lampe, die wir anzündeten. Ein Stapel Brennholz lag hinter dem Ofen; unter einer Bank, in Käfigen, waren Hühner untergebracht. Auf diese stürzten sich im Nu die halbverhungerten Soldaten, um sie einem Kochkundigen zu überliefern. Die Stube war voll Zeichen übereilter Flucht. In dem gewaltigen Webstuhl steckte noch ein Stück Leinwand. Schrank und Lade standen halboffen. Einiges war herausgerissen und wieder hineinge worfen worden; darunter aber, in schimmernder Ordnung. lagen

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ganze Schichten fein und rauh gewebter Tücher und ge- stickter Hemden. Bunte Decken verkleideten die Wände; darüber hingen Heiligenbilder mit getrockneten Sträußen. daneben ein Teller mit dem goldgemalten Namen Julesa.

Da ich die herrlich durchstickten Linnen so sehr be- wunderte, vermuteten mehrere Leute, ich wolle sie be- sitzen, und redeten mir zu, ich solle doch unbedenklich etwas besonders Hübsches zum Andenken mitnehmen. Vielleicht gelüstete manchen selbst nach solchem Schatz, und hätte ich, als einer der Älteren, mir. ein Stück ange- eignet, wärs am Ende die Losung zum allgemeinen Raub geworden. Eigentlich stachen mir die reizenden Muster sehr in die Augen, auch stellte ich mir Annas und Wil- helms Entzücken vor, falls ich mit solchen Mitbringseln in die verarmende Heimat käme, mußte überdies den Kameraden recht geben, die da sagten, verloren sei doch einmal alles, in wenigen Stunden würden wir vor- oder zurückgehen und das Verschonte anderen deutschen Trup- pen oder dem Feind überlassen. Auf einmal standen mir die Flüchtlinge vor dem Blick, die uns begegnet waren; der Gedanke, daß gerade dieses Haus ihr verlassenes Eigen- tum sein könnte, gewann eine seltsame Macht, und nun erst ermaß ich die Größe ihres Unglücks. Gesichthaft nahe trat die königliche Führerin; um Wirklichkeit unbeküm- mert sprach ich sie als Hausherrin an und schloß mit ihr einen Bund. Sie aber schien einfach zu sagen: Was willst du? Die Winternächte des Wachens und Webens. kennst du sie? Hemden liegen hier für Großväter, Väter, Mütter und Kinder, auch unsere Leichenhemden, bedenk es wohl! Möchtest du deine Geliebte oder deinen Sohn darein

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hüllen? Die Deutschen, sagt man, sind ein hartes, ver- wegenes, den andern oft schwer begreifliches, im Grund aber ein frommes Volk, seht doch, wie alles offen vor euch daliegt! Nichts haben wir vor euch versteckt, nichts verhehlt, eurer Großmut alles anvertraut. Nehmt, was not ist, um Durst und Hunger zu stillen, aber an den Geweben der Mütter geht vorüber!

Plötzlich zuckten wir alle zusammen; das Heulen und Weinen kam wieder durch die Luft, es war, als flöge feiner Flaum über die Wimpern, und in größter Nähe fiel der Schlag. Das Haus schien sich in seinem Grund zu lockern, Geschirr und Fensterglas klirrten herab, die Lampe losch aus. Ein schlimmes Versäumnis kam in diesem Augen- blick jedem zum Bewußtsein. Keinem war eingefallen, die Fenster zu verhängen, und so hatte die weithin leuch- tende Lampe den Feind gereizt. Im Finstern harrten wir auf den zweiten Schuß, er blieb aus. Nun wurden sorg- faltig alle Fenster von außen mit Zelttiichern tiberspannt und erst nachher wieder Licht angezündet. Der Koch war gelassen bei den Hühnern stehen geblieben, deren Braten- duft allmählich die Luft würzte; ich aber hatte in aller Stille die lockenden Laden hineingeschoben, fand es auch für gut, sie mit Unnahbarkeit zu umgeben, indem ich die großen ledernen Verbandtaschen davor aufbauen ließ und meinen Mantel darüberlegte.

16. Dezember 1916, Hallesul, am Fuß des Runcul mare

Um halb zwei Uhr wurden wir geweckt, die Zelte abge- brochen, alles rasch zusammengepackt; fast schlaftrunken brachen wir auf. Fine Strecke leuchteten uns herabge-

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brannte Lagerfeuer nach, dann tappten wir in Waldfinster- nis aufwärts. Jeder sucht irgendeine Helligkeit an der Figur des Vorausgehenden; mich führte der schwache Glanz eines Zinnbechers an einem Gürtel. Schnee fiel durch Nebel; es wurde dabei lichter: der Mond mußte über uns stehen. Immer schneller vollzog sich die Bewegung, bald an Ab- gründen, bald über Stege, bald um Felsen herum, stunden- lang. Die Soldaten trugen das leichteste Sturmgepäck; die Tornister sind in Oitosz aufbewahrt.

Als wir in das bewaldete Tälchen gelangten, das Hallesul heißt, erhob sich durch den Dunst eine mächtige Bergform; im Nu spürte jeder: wir sind da. Hier war eine andere Auf- gabe gestellt als vor dem Hügelchen Lespedii: ein steiler, vom Feinde stark besetzter Grenzberg, der, nahe dem wich- tigsten Paß, das Land Siebenbürgen bedrohte, war zu er- stürmen. In einer halben Stunde mußte es geschehen sein, oder es geschah niemals. Auf Kanonenhilfe war verzichtet; indianerhaft, in weit auseinandergezogenen Gruppen soll- ten zwei Kompagnien anschleichen, um gewaltsamsten An- griffs von Mann zu Mann den Gegner in Entsetzen und Flucht oder in den Tod zu jagen. Nahe dem Punkt, wo die Züge unter Leitung des Majors zu gesondertem Vorgehen verteilt wurden, blieben wir Ärzte mit dem Adjutanten zurück und erwarteten weitere Befehle. Wir sahen uns um, wo vielleicht ein Verbandplatz zu errichten wäre, aber da fand sich weder Unterstand noch fließendes Wasser. Schon zeigt die phosphoreszierende Uhr die Zeit fast überschritten, eine vage Hoffnung will sich regen, es könnte noch in letzter Sekunde die Aktion widerrufen worden sein oder gar be- teits eine Friedensbotschaft draußen die finstere Welt um-

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fliegen, da rast das deutsche Kampfgeschrei, ein Augen: blick tiefer Stille folgt, und nun setzt ein Feuer ein, wie wir es in solcher Verdichtung nie gehört haben. Deutlich unter- scheiden wir die hellen gezielten Salven der Unsrigen von den dumpfen einzelnen Schüssen der Aufgescheuchten. Ohne Befehl abzuwarten, verließen wir den Wald, und nun war wie mit einem Ruck Morgen geworden. Entgegen stand uns ein kahler zerklüfteter Kegel, von dem dünne Dunst- schwaden ins Blaue wehten. Als erste Gestalten erblickten wir gefangene Rumänen, die behutsam deutsche Schwer- verwundete zu Tal trugen, und unversehens fanden wir uns unter Leidenden und Sterbenden gezwungen, den un- geschützten Platz, wo wir uns eben befanden, zum Ver- bandplatz zu machen. Schon hatte eine Granate zwischen uns eingeschlagen und zwei Verwundete getötet, da kam der Hauptmann einer ungarischen Reserrekompagnie des Weges und verriet uns die Nähe eines leidlich eingerich- teten Sanitätsunterstandes auf einem Felsen im Walde. Wir ließen pfadweisende Täfelchen an Bäume nageln und brach- ten die Verwundeten in den fast leeren Raum, dem eine schmale Ärztezelle mit Pritschen und einem Tischchen an- gefügt ist. Zwei sehr junge ungarische Sanitätsfähnriche, geschmeidig-zart, rotseidene Genfer Kreuze auf schnee- weißen Armbinden, begrüßten uns, boten sich zu Gehilfen an und begannen die Arbeit mit einer Geübtheit. die wir ihren feinen Knabenhänden kaum zugetraut hätten. In hundert Formen wogte Leiden heran, und sehr ungelegen kam ein Bote des Majors, der um neun Uhr mich und den Kollegen R. zur Befehlsstelle berief. Wir übereilten uns nicht und begannen den Aufstieg erst nach zehn Uhr.

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Es ist ein Berg der Blindnis und des Todes, den wir lang- sam erklimmen. Vom östlichen Hang herüber, wo der ‚Kampf noch nicht abgeschlossen ist, schallen durch Ge- ;wehrgeschnatter wilde Schreie: herüben aber in unserem ‘Bereich beginnt eben der Feind, den Eroberern das Eroberte zu verleiden. Wie Hornisse zerstechen Granaten das Gefelse, Fleisch reiBend aus Lebendigen und Toten. Bald rufen uns Deutsche zu Hilfe, bald rumänische Verwundete, die nun das Eisen ihrer Brüder zum zweitenmal verstümmelt hat. Mitten aber durch tödliche Zone sahen wir deutsche Leicht- verletzte nach unten steigen, einige bleich, verstört, andere voll Übermut, mit bunten Gürteln, Westen, Ordens- zeichen toter Gegner wie zum Karneval aufgeputzt. Einer ‚hat aus der rumänischen Stellung ein Grammophon mit- genommen; nun kommt ihm der Einfall, es aufzuziehen und auf einen Stein zu stellen, der Page aus dem Figaro beginnt zu singen, und wie die Stimme eines Irren klingt Mozarts Lied in zerrütteter Welt. An einer Granitplatte, nahe der Kommandostelle, lehnte der Befehlträger Gla- rina, noch atmend, aber schon ganz mit der einsichtigen Miene der Toten. Man sah kein Blut. Schmerz und Schauder zurückscheuchend, suchten wir die Wunde und entdeckten endlich einen feinen, in den Nacken einge- drungenen Splitter. Bald stand die Atmung still. Einige dichtbeschriebene Meldezettel, die ihm aus der Tasche ge- fallen sein mußten, nahm ich mit, um sie dem Adjutanten zu geben, merkte aber auf dem Wege, daß sie nichts Dienstliches enthielten; nun verwahre ich sie vorderhand bei mir. Dem Major sagten wir, daß die bestellten bos- nischen Verwundetenträger noch nicht eingetroffen seien;

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er versprach, die Division anzurufen, und sandte uns bald in den Hallesul zurück.

Indessen hatte sich das Wetter verfinstert; es fing zu schneien an. Ein fließender weißer Vorhang nahm den Geschützen das Ziel; eins nach dem andern verstummte. fast ungefährdet gingen wir hinab. Ein Rumäne, zwischen zwei Birkenstämmchen hingestreckt, lag mir im Wege; ich hielt ihn für tot und wollte über ihn fortsteigen, vernahm aber ein Ächzen und fühlte mich mit schwacher, doch fühl- barer Gewalt am Mantel gefaßt. Zurücktretend sah ich das leichenhafte Gesicht eines etwa Dreißigjährigen, die Lider fast geschlossen, die Mundwinkel äußerst schmerz- lich verzogen. Die Finger hielten noch immer den Zipfel des Mantels fest. Durch einen grauen Umhang, der seine Brust bedeckte, dampfte es leicht; R. schlug zurück, unter aufgesprengten Rippen lagen die Brustorgane frei, das Herz zuckte schlaff. Wir deckten wieder zu. Der Mann öffnete halb die Augen, bewegte die Lippen. Um nur etwas zu tun, füllte ich die Morphiumspritze, und wirklich schien er etwas dergleichen gewünscht zu haben: erließ den Mantel los und bemühte sich, mir den Arm zurechtzulegen. Schwer erklärbares Verhalten eines fast schon Gestorbenen! Aber vielleicht gibt es einen äußerst scharfen, äußerst peinlichen physischen Schmerz, den der wach Sterbende um jeden Preis loshaben will, weil er ihn brennend im Leben fest- hält, ihn am freien klaren Scheiden hindert, wer weiß es? Nach der Injektion legte er fast bequem seinen Kopf an der Birke zurecht und schloß die Augen, in deren tiefe Höhlen sogleich große Schneeflocken fielen. Wir gingen eilig weiter; es war fast ein Uhr, als wir im Hallesul ankamen.

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Der Schneefall dauert an. Die Geschütze ruhen. Immer aber streifen oben Infanteriekugeln durch die Baumkronen ; die Luft ist voll Harzgeruch des tausendfach verletzten Waldes. Vergeblich warten wir auf die bosnischen Träger. Sie müssen sich verirrt haben. Im Unterstand ist kaum noch Raum für Madjaren und Deutsche; die schwerverwundeten Rumänen liegen draußen zwischen den Fichten im Schnee. Einen ihrer Sanitätsunteroffiziere, einen jungen Juden, haben wir bei ihnen gelassen. Er hat ihnen ein Feuer an- gezündet, das kümmerlich brennt und unter Schneeflocken zischt. Einige halten die Hände darüber. Einer lächelt immer und bekreuzigt sich von Zeit zu Zeit.

Im Unterstand verdunstet immer dichter das Blut. Mit klebrig-tierischem Gestank reizt und verdüstert es die Ner- ven; man läuft immer wieder ins Freie. Der rote Saft, an den das Leben mit Lust, Qual, Wut, Barmherzigkeit, Wahn- sinn und Weisheit gebunden ist, warum erregt er, sobald er verschüttet wird, unleidlichen Ekel?

Abends

Wirklich sind die Bosniaken ausgeblieben, vielleicht von einer anderen Truppe weggefangen. Unsere gefährlichst Verwundeten nach Oitosz zu tragen, haben sich mehrere Leichtverletzte erboten; bis Mitternacht werden sie dort an- kommen. Nun konnten die Bleibenden besser gelagert, auch fünf Rumänen in den Unterstand aufgenommen werden. Von den übrigen starben noch drei; die anderen drängten sich dicht um ihr Feuer, wobei sich einige die Stiefel ver- brannten. Es sind durchwegs junge Leute, glattgefällige Vollgesichter, wie mager, wie geprägt, wie grüblerisch-

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versonnen, wie kricgsgealtert sehen dagegen die jungen deutschen Soldaten aus! Der jüdische Unteroffizier, des - Deutschen kundig, fragte mich im Namen aller, wann sie wohl in ein Lazarett befördert würden, worauf ich nach der Wahrheit erklärte, daß das nächste Lazarett mehr als zwanzig Stunden entfernt sei, auch daß die bestellten Sani- tätssoldaten uns verfehlt hätten und schwerlich vor morgen eintreffen würden. Sichtlich ungern übersetzte der Dol- metsch die schlimme Auskunft, und in der Tat war die Verzweiflung, die nun auf allen Gesichtern erschien, so un- geheuer, daß ich mich zu einer Torheit verleiten ließ, in- dem ich, wie man Kinder durch leichtfertige Verheißungen rasch zu beschwichtigen sucht, ihnen aufs Geratewohl sagte, sie sollten sich nur noch ein Weilchen behelfen und gedulden, ob nun die Träger kämen oder nicht, in jedem Fall würde ich sie alle noch vor Dunkelheit unter Dach bringen und ihnen reichlich zu essen geben lassen. Wort um Wort übersetzte der Jude; ermutigt horchten sie auf. Kaum aber war das Versprechen gegeben, da fiel es mir in seiner ganzen Unsinnigkeit auf das Herz. Wir haben kaum Unterkunft für die Unsrigen, dazu so kärgliche Nahrung. daß immer die Lebenden sich gierig auf die Brote der Ge- fallenen stürzen, auch fehlt mir jede Befehlsgewalt, wie hatte ich dies alles vergessen können? Gefreiter W. meinte, die Kerle verdienten nicht so viel Federlesens, auch unsere Kameraden lägen auf dem Berg in Eis und Schnee, Krieg sei Krieg, die Rumänen hätten ihn vom Zaun gebrochen. sie sollten ihn nur spüren. Darauf war im Augenblick ' nichts zu erwidern; ich erneuerte mir indessen die Hoff. nung, daß die Bosniaken doch noch kommen würden, und i

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——

cing, da im Unterstand gerade nichts zu tun war, eine Strecke den Berg hinauf, anfangs dicht hinter der Linie, wo Posten, bekleidet mit weißen Schneehemden und -mützen, wie Priester, die eine stille Messe zelebrieren, hinter ihren Brustwehren standen. Befehlbringer kamen und gingen; mit singendem Ton strichen Kugeln. Höher gelangend sah ich durch das Gestöber einen huschenden rötlichen Schein; dieser konnte nicht mehr unserm Bereich angehören, da schräg über die nächste Höhe schon die feindliche Stellung läuft. Gestalten traten in den Glanz. nahmen eine Bahre auf und trugen sie davon, da verlosch die Erscheinung, Ich stieg weiter und kam an einen hohen Baum, durch dessen Astwerk ein weißgrauer Vogel flatterte, fast amsel- groß, vielleicht ein Schneefink, der erste Vogel, der mir in diesen stummen Wäldern zu Gesicht gekommen ist. Schnee fiel noch immer; in Millionen Stückchen schien der Weltraum herzusinken, man spürte die saugenden und belebenden Wellen des Nichts.

Als ich in den Hallesul zurückkehrte, wurde mir eine Überraschung. Ich spähte nach meinen Rumänen; keiner war da. Nur die Toten, schon zugeschneit, lagen bei den verrauchenden Kohlen. So sind die Träger doch gekommen, dachte ich und wollte weitergehen, trafaber den ungarischen Kompaniefiihrer, der uns am Morgen den Verbandplatz ge- zeigt hat; er schien mich erwartet zu haben. Und nun er- fuhr ich, was in kleiner wie großer Menschenwelt hie und da einmal vorkommen mag, daß irgendeiner halten muß, was ein anderer leichtfertig versprochen hat. Mit knappen Worten entschuldigte sich der Hauptmann, weil er die deutschen Kompetenzen ein wenig verletzt und in meiner

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Abwesenheit die Gefangenen an einen anderen Ort habe schaffen lassen, seine Leute hätten mich überall vergeblic!: gesucht. Durch das runde Fensterchen seines nahen Unter- standes habe er den ganzen Tag wie vor einer Zauberlaterne die Gruppe der Verwundeten und Sterbenden mit ihrem armseligen Feuer vor Augen gehabt, allmählich sei es seinen etwas anfälligen Nerven zuviel geworden. Abseits in einer Schlucht stehe eine leere Reisighütte, dort befänden sich die Leute jetzt, er habe ihnen auch warmes Essen geschickt.

Ich erwiderte etwas Verbindliches; er wollte nichts hören.

„Ihr armen Deutschen“, sagte er lachend, „habt ja selber nichts mehr zu brechen und zu beißen, während wir Ungarn vorderhand noch im Überflusse schwimmen.“ Damit führte er mich durch Gestrüpp und Schneewehen in die Schlucht hinein. In der Hütte lagen bei Kerzenschein die Verwun- deten auf Tannenzweigen. Sie aßen Fleisch aus Blech- büchsen und tranken aus ihren Feldbechern heißen Tee. Der Unteroffizier stand auf, erstattete dem Offizier in deut- scher Sprache eine Meldung, wandte sich sodann zu mirund sprach im Namen aller für Unterkunft und Speisung seinen Dank aus. Befremdet sah mich der Ungar an. Ich suchte den einen über seinen Irrtum aufzuklären und bekannte dem andern mein unbesonnenes Versprechen; beide lächelten höflich, doch scheint mich keiner so recht verstanden zu haben.

Als wir wieder ins Freie traten, hatten Deutsche und Rumänen schon begonnen, durch Aufsenden unzähliger Leuchtkugeln einander zu warnen und zu bewachen; grell- rot und grün flackerte der ganze Hallesul bis zu den Bergen

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hinauf, und wie Konfetti fiel durch die farbenwechselnde | Beglänzung der Schnee. Selten wird ein Schuß abgegeben;

!

zuweilen, durch das Raketenzischen, hört man wieder, wie

am Kishavasberg aus großer Entfernung Wölfe heulen.

GUIDO

GEZELLE / ZWEI GEDICHTE DIE AMSEL

Hasr du noch gelauschet Auf der Amsel Flehn, Wenn der Abend rauschet, Wenn die Sterne stehn?

Auf der höchsten Erle, Da sie ferne zieht, Flötet nun die Merle Laut ihr Abendlied.

In der Kehle streiten Hall und Widerhall Süß wie Davids Saiten, Wie der Orgel Schall.

Schwätzt sie mit den Zweigen, Mit den Blättern sacht, Wünscht vor Schlummerneigen Ihnen gute Nacht?

Zankt sie mit dem Winde, Der, vorbeigereist, |

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Sie, die frohgesinnte Kehle schweigen heißt?

Winkt sie einem Sterne, Den sie drüben sieht Blinken hoch und ferne? Ach, ich weiß es nicht.

Und alleine weis ist, Was der Vogel singt, Ob es laut, ob leis ist, Daß die Kehle klingt.

In der Kehle streiten Hall und Widerhall Süß wie Davids Saiten, Wie der Orgel Schall.

Manchmal in der Kirche Hör ich Stimmen an

Lieblich wie der Lerche, Wie der Drossel Schlahn,

Wenn bestimmter Stunde „Sursum corda“ tönt

Und aus Orgelmunde Dröhnt und wieder dröhnt.

Steigen tut mein Herze Dann zum Himmelsraum,

Leid ich Pein und Schmerze: Leid wird leicht wie Traum.

Allmiteins nun trillert’s,

Flötet, schluchzt und geigt. Noch vier Schläge. Still wird’s, Still! Die Amsel schweigt.

*

TURM SCHWALBE N

Mir! - Mir! Mir! Mir!! Mir!! Mir!! Mir!!! Mir!!! Mir!!! Mir!!!! Zwitschern die Schwälbelein Zwei, dreimal Vier Schwirrende, Girrende: Niemand all- hier Bietet den Bissen uns, Mir, mir, mir, Mir?

Piepende,

Kriepende,

Schwach und ge- schwind,

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Schwebende, Webende, Rasch wie der Wind, Wiegende, Fliegende, Flügg' wie der Sturm, Eilen sie, Pfeilen sie Rund um den Turm.

Tiefer nun Schweben sie, Geben sie

Bucht, Höher nun ' Himmelt die Flatternde

Flucht. Kaum noch ge- Wahr ich es, Hör ich es

hier, Lustiglich Singen sie: Mir, mir, mir,

Mir!

Übertragen von Rudolf Alexander Schröder.

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JOHANN TAULER/EINE PREDIGT

Si quis sitit, veniat et bibat Joh. 7, 37

Die Predigt aus dem Evangelium St. Johannis vom Montag vor

dem Palmtage, vom Leiden unseres Herrn, handelt vom Liebes-

durst nach Gott und von dem Gejage, wie der Mensch mit den Hunden mancherlei Versuchungen gejagt wird.

Am letzten Tage eines großen Festes rief unser Herr mit voller, lauter Stimme: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!“

Das liebreiche Leiden unseres Herrn, das nun vor uns liegt, soll kein Mensch aus seinem Herzen kommen lassen ohne große Bewegung, Mitleid und Dankbarkeit. Da nun unser ewiger Vater, Gott und Herr so große Schmach und mannigfache Pein gelitten hat, so sollen auch alle, die gern seine Freunde wären, das, was zu Recht oder Unrecht auf sie fällt, willig leiden, sie sollen sich der Ehre und Selig- keit billig freuen, um ihm darin gleich zu werden und ıhm auf dem gleichen Wege nachzufolgen, den er selbst gegangen ist.

Nun heißt es: „Wen dürstet?“ Was ist dieser Durst? Nichts anderes, als daß ein Liebesbrand in der Seele ent- steht, wenn der Heilige Geist in die Seele kommt, dort ein Liebesfeuer empfängt, eine Liebeskohle. Die Hitze wirft Liebesfunken aus, die dann einen Durst nach Gott und eineinnerliche Begehrung gebären. Dann weiß der Mensch vielleicht nicht, was mit ihm ist, aber er empfindet Herze- leid in sich und Verdruß an allen Kreaturen. Dieses Be- gchren ist dreierlei Art in dreierlei Leuten, die sehr un-

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gleich sind. Die erste Art istin anhebenden Leuten, die zweite in zunehmenden, die dritte in vollkommenen Leu- ten, soweit das in diesem Leben möglich ist.

Der heilige David sagt im Psalter: „Wie den Hirsch dürstet nach dem Born des Wassers, so, Herr, dürstet meine Seele nach dir, Gott!“ Wenn der Hirsch von den Hunden stark durch die Wälder und Berge gejagt wird, so wird von der großen Hitze in ihm ein großer Durst und ein Begehren nach Wasser erzeugt, viel mehr als bei anderen Tieren. Wie nun der Hirsch von den Hunden gejagt wird, so wird der anhebende Mensch von den Versuchungen gejagt. Wenn er sich gerade erst abwendet von der Welt, und besonders von seinen starken, großen, groben Sünden, wird der Mensch stark gehetzt. Das sind die sieben Hauptsünden, die jagen ihm nach mit großen. heftigen Anfechtungen. viel mehr, als da er noch ganz in der Welt stand, denn da kam die Versuchung wohl überraschend über ihn, aber nun wird er ihr Jagen gewahr. So sagt Salomon: „Mein Sohn, wenn du beginnst Gott zu dienen, dann bereite so- gleich dein Herz gegen die Versuchung.“ Je stärker und heftiger nun dies Jagen ist, desto größer soll auch der Durst sein, den wir nach Gott haben, und die Hitze und das Be- gehren. Nun geschieht es zuweilen, daß einer der Hunde den Hirsch erreicht und ihm mit den Zähnen an den Bauch fährt; kann dann der Hirsch den Hund nicht loswerden. so schleift er ihn nach bis zu einem Baum und schlägt ihn dann wohl hart da herum und bricht ihm den Kopf und wird ihn so los. So soll es der Mensch auch machen. Kann er seine Hunde, seine Versuchungen, nicht überwinden, so soll er mit großer Eile an den Baum des Kreuzes und Lei-

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dens unseres Herrn Jesu Christi laufen, und da schlägt er seinem Hunde, das ist seiner Versuchung, den Kopf ent- zwei; das heißt, er überwindet da alle Anfechtung und wird ganz frei von ihr.

Wenn nun der Hirsch sich der großen Hunde erwehrt hat, so kommen die kleinen Hündlein und laufen den Hirsch von unten an und fassen ihn hie und da, und da- vor hütet sich der Hirsch nicht allzusehr, und doch setzen sie ihm so zu, daß er davon verenden muß. So geschieht es auch dem Menschen. Hat er sich der großen Sünden er- wehrt und sie überwunden, so kommen dann die kleinen Hündlein, vor denen er sich nicht hütet, das sind die Ge- spielen oder Kleinodien oder die Gesellschaft oder Kurz- weil und der Menschen Freundlichkeit. Die reißen ihm hie und da Stücklein aus, sie ziehen ihm sein Herz und seine Inwendigkeit auseinander, daß er notwendig ver- derben muß an allem göttlichen Leben, an aller Gnade und Andacht, an allem göttlichen Ernst, Empfinden Gottes und heiliger Andacht. Das ist ihm oft viel schädlicher als die großen Versuchungen, denn vor denen hütet er sich und hält sie für Unrecht, auf die kleinen achtet er aber nicht. Wie nun alle Dinge, die man nicht erkennt, viel schädlicher sind als die, welche man kennt, so ist es auch mit diesen Lebensumständen, auf die man nicht achten will, wie Gespielschaft oder Tücher, Kleider und Kleinodien. ;

Wie nun der Hirsch von jedem Jagen immer mehr er- hitzt wird und sein Durst immer wächst und größer wird, so sollte in Wahrheit der Mensch von jeder Versuchung mehr erhitzt, in wahrem Durst zu Gott gelockt und ge-

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zwungen werden, wo er nichts als Wahrheit und Frieden, Gerechtigkeit und Trost findet.

Nun machen es die Jäger öfter so: Ist der Hirsch zu ver- durstet und zu müde, so geben sie den Hunden ein wenig zu fressen und halten sie an, da sie des Hirsches in dem Tiergarten sicher sind. Sie lassen ihn sich ein wenig ab- kühlen, etwa eine kleine Stunde lang. Dadurch wird er dann wieder gestärkt und kann das Jagen ein zweites Mal um so besser aushalten. So macht es auch unser Herr. Wenn er sieht, daß dem Menschen die Versuchung und das Jagen zu groß und zu schwer wird, so hält er sie ein wenig an. Dem Menschen wird ein Tropfen in den Mund seines Herzens zuteil, ein Vorschmack von Süßigkeit gött- licher Dinge. Das stärkt ihn so, daß ihm alle Dinge nicht schmecken, die nicht Gott sind, und er glaubt dann, er habe alle seine Not überwunden. Es ist aber nur ein Stärken zu neuem Jagen. Und wenn er es am wenigsten wähnt, so sind ihm die Hunde schon wieder am Halse und setzen ihm viel mehr als vorher zu, aber er ist nun gestärkt und ver- mag auch mehr auszuhalten als vorher.

Dies tut Gott aus wunderbarer Treue und großer Liebe, daß er die Jagd über den Menschen kommen läßt, denn von dem Gejage wird der Hirsch billig zu Gott gejagt und ein Durst gewonnen nach dem, da wahrlich aller Friede, Wahrheit und voller Trost ist. Und er tut es, damit dem Menschen der Trank, der nach dem Durst folgt, desto süßer und lustvoller und wonniger werde, hier in der Zeit und danach in der Ewigkeit, wo man den allersüßesten Brunnen trinken wird mit vollem Munde aus seinem eigentlichen Ursprung, aus seinem väterlichen Herzen, und hier schon

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zu einem solchen ‘Trost, daß ihm alle Dinge nichtig wer den und um Gottes Willen zu ertragen.

Wenn so der Hirsch alle diese Hunde überwunden hat und zum Wasser kommt, so stürzt er sich mit vollem Munde in das Wasser und trinkt mit ganzer Lust, soviel er kann. So macht es der Mensch, wenn er sich mit unseres Herrn Hilfe von der ganzen Schar der großen und kleinen Hunde frei gemacht hat und in Vertrauen mit diesem Durst zu Gott kommt. Was soll er dann tun? Er ziehe so viel in sich und trinke mit ganzem, vollem Munde, daß er wohl trunken und Gottes so voll wird, daß er in Wonne und in Fülle seiner selbst vergißt, daß ihn dünkt, er vermöge Wunder. Er glaubt, er könne wohlbehalten und fröhlich durch Feuer, Wasser, durch tausend Schwerter, ja durch die Spitze des Schwertes gehen. Er fürchtet weder Leben noch Tod, weder Liebe noch Leid. Das kommt daher, daß er trunken geworden ist, und dieser Zustand heißt Jubi- lieren. Sie schreien, sielachen, dann singen sie wieder. Da kommen dann die Vernünftigen, die nichts davon wissen, was der Heilige Geist für Wunder und Werke mit den Seinen vorhat, denn sie haben und wissen nichts weiter, als was ihnen die Natur gibt. Die sagen nun: „Gott be- hüte, wie seid ihr so ungesetzt und ungestiim? Gott hat sie in diese Trunkenheit versetzt, doch davon wissen diese aber nichts.

Dann kommen sie in unaussprechliche Freude, daßihnen alle Dinge eine Wonne und Freude sind. Wie es ihnen geht, was man ihnen tut, immer sind sie in wahrem Frieden und in Freuden, denn die Liebeskohle liegt in ihnen und glimmt und glüht und löscht alles Wasser, das in ihnen

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ist, das Feuer aber läßt sie aufwallen in Wonnen und in Freuden.

Die Dritten sterben. Ihnen bricht das Herz, daß sie die großen Werke Gottes nicht ertragen können, die so stark und so groß in ihnen sind. Wißt, hieran ist mancher Mensch gestorben, der sich diesem wunderbaren, großen Werke so sehr hingab, daß es die Natur nicht ertragen konnte und darunter zusammenbrach.

Wenn nun unser lieber Herr sieht, daß sie die Dinge übertreiben wollen und sich darin ertränken, so macht er es recht wie ein guter ehrsamer Hausvater, der viel edlen, guten Wein bei sich stehen hat und sich niederlegt und schläft. Und da gehen nun seine Kinder hinzu und trinken von dem edlen Wein so viel, daß sie wohl trunken werden. Wenn dann der gute Mann aufsteht und das sieht, so macht er eine gute Rute und schlägt sie wohl, daß sie so traurig werden, wie sie vorher froh waren, und gibt ihnen so viel Wasser, daß sie so nüchtern werden, wie sie vorher trunken waren. Ebenso macht es unser Herr: Er gebärdet sich, als ob er schliefe, und läßt seine Freunde von dem Seinen nehmen und genießen, soviel sie begehren. Wenn er aber sieht, daß es ihnen nicht nützlich ist und es ihnen zu viel werden will, so entzieht er ihnen die Empfindung und den Trost und den starken Wein und macht sie so traurig, wie sie vorher froh waren, und so nüchtern, wie sie vorher trunken waren, da ihnen nun der Trost und die Empfindung fremd zu werden beginnen.

Ach, was nützt es ihnen nun, daß sie so trunken ge- worden sind? Sie dürstete sehr, und man gab ihnen in vollem Maße. Aber er wollte sie nur locken und aus sich

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selbst und aus allem Leid der Gefangenschaft der leidigen Kreaturen erlösen. Aber sie sind ihm zu wild geworden, nun will er sie wieder in Nüchternheit zu sich selbst bringen. Dann werden sie so gemäßigt und gesetzt und sehen nun, wer sie sind und was sie vermögen, weil sie zu sich selbst gekommen sind. Die vorher niemand hatte binden können, die mehr wollten, alsihnen jemand sagen konnte, dieimmer mehr leiden, mehr wirken wollten, die werden nun so gemäßigt. Solange sie in ihrer eigenen Macht stehen, können sie kaum ein kleines Werk ohne große Beschwerde tun und kaum ein kleines Wörtlein ertragen. Nun sehen sie aber, wer sie selbst sind und was sie vor sich bringen mit ihrem Vermögen und mit ihrer eigenen Kraft, und so werden sie dann gesetzt, wesentlich gläubig und ganz still.

Und das ist noch alles in den niedersten Kräften gewesen, alle diese Weisen und Stürme und Werke. In ihnen will aber Gott in keiner Weise wohnen, da ist seine Stätte nicht, es ist ihm da zu eng und zu klein, er kann sich da nicht bewegen, er kann da sein Werk nicht schaffen, er will und muß in den obersten Kräften wohnen und da göttlich und eigentlich wirken. Da allein ist seine Stätte, da findet er sein eigenes Bild und Gleichnis, da wohnt Gott und da wirkt er, und wer Gott sicher finden will, der suche da und nirgend anders.

Wer dahin kommt, der findet, was er auf fernen und langen Umwegen gesucht hat. Da wird dann der Geist ge- zogen über alle Kräfte in eine wüste Wildnis, von der nie- mand sprechen kann, in die verborgene Finsternis des weiselosen Gutes. Da wird der Geist so nahe hineingeführt

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in die Einheit der einfachen weiselosen Einheit, daß er jeden Unterschied verliert, ohne Gegenständlichkeit und inneres Fühlen, denn in der Einheit verliert man alle Mannigfaltigkeit, und die Einheit eint alle Mannigfaltig- keit. Wenn diese Menschen wieder zu sich selbst kommen, so haben sie schönere, wonnigere Unterscheidung von allen Dingen, als irgend jemand haben kann. Sie besitzen eine in der Einfaltigkeit und Einheit geborene, klare, wahre Unterscheidung aller Artikel des lauteren Glaubens, wie der Vater, der Sohn und der Heilige Geist Ein Gott sind, und weiterhin von allen Wahrheiten. Niemand versteht die wahre Unterscheidung besser als die, die in die Ein- heit geraten sind. Sie heißt und ist eine unaussprechliche Finsternis und ist doch das wesentliche Licht, und sie ist und heißt eine unbegreifliche wilde Wüste, da niemand Weg noch Weise findet, denn es ist über alle Weise. Diese Finsternis soll man so verstehn: Sie ist ein Licht, zu dem kein geschaffenes Verständnis gelangen, noch es von Natur aus verstehen kann, und sie ist wild, weil sie keinen Zugang hat. Hierin wird der Geist über sich selbst hinausgeführt, über all sein Begreifen und Verstehen. Da wird der Bronnen aus seinem eigenen Grunde getrunken, aus der wahren, wesentlichen Quelle. O, da ist er so süß, so frisch und so lauter, wie ja alle Brunnen in ihrem Ur- sprunge am allersüßesten sind, lauter und frisch. Im Da- hinflieBen erst sind sie warm und sauer. O, welch ein lauterer, wonniglicher Bronnen wird der Seele hier aus der Quelle geschenkt! Hierin versinkt sie völlig mit allem, was sie ist und vermag, und mit vollem Munde wollte sie gern trinken, aber das kann ihr hier noch nicht zuteil werden.

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Aber sie sinkt und entsinkt in den Grund, ganz wie ein Wasser, das auf der Erde stand und nun in das Erdreich einsickert.

Wenn nun der Mensch, so weit gekommen, nach den niedersten Kräften müßig liegen und nichts tun wollte, als die niedersten Kräfte schlafend liegen lassen, so wird nichts draus. Die niedersten Kräfte soll man nach ihrer Weise halten, oder der Heilige Geist ginge völlig hinweg, und dar- aus würde geistliche Hoffart und zuchtlose Freiheit geboren, man fällt in vernünftige Wohlgefälligkeit, und es würde nichts daraus und läge völlig brach. Man soll sich vielmehr in großer Demut unter den göttlichen Willen legen, und der fordert dann in dem Menschen größere Abgeschieden- heit denn je, aber immer in besserer Weise, köstlicher denn zuvor, und mehr Lauterkeit, BloBheit, unverbildete Frei- heit und Einheit, inneres und äußeres Schweigen und tiefere Demut und alle Tugenden in den niedersten Kräften, und so wird dann der Mensch Gott vertraut, und es wird ein göttlicher Mensch aus ihm.

Seht ıhr nun das Wie und Was? Habt ihr nun erkannt, wie wunderbare Wege er die Seele geführt hat und wie sein Spiel hier gezeigt ist? Zuerst, als sie das Seine in sich, in ihre Kräfte aufnahm, wie es ihr da entwich und sie das Seine nicht in sich behalten konnte, ohne daß sie entsetzt, in Unordnung gebracht und abgedrängt wurde. Aber nun führt er sie hierher und hat sie über sich selbst und über alle ihre Kräfte in sich selbst geholt und gibt sich hier ihr selber, ungleich dem ersten Male, und hier wird sie wonnig- lich geordnet. Das istes, was die Braut sprach im Buch der Liebe: „Introduxit me rex in cellarium.“ Der König hat

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mich eingeführt und geleitet in seinen Weinkeller, und da hat er seine Liebe geordnet. Sicherlich, er hat sie voll- kommen wohl geordnet und sie durch wunderliche wilde Wege geführt und geleitet und sie hinübergeführt in den tiefen Abgrund, in sich selbst. Was sie da findet, geht über alle Sinne, die Vernunft kann es nicht erlangen, niemand kann es begreifen noch verstehn, es ist ein wahrer Vor- schmack des ewigen Lebens.

Seht, wie die liebreiche Güte Gottes mit den Auserwähl- ten spielen kann! Daß er uns hineinbringen könne und daß uns danach dürste, danach dürstet er in großem Durste. und darum rief er mit voller, lauter Stimme: „Ist jemand, den dürstet, der komme zu mir und trinke!“ Ihn dürstet so sehr danach, daß er in uns einen Durst finde, und daß wir Durst empfinden sollten: Dann aber will er uns so reichlich tränken, daß vom Leibe derer, die so von dem Tranke trinken, lebendige Wasser fließen, die da in das ewige Leben springen sollten.

Was heißt das: „Von deren Leibe?“ In gleicher Weise, wie der Leib die leibliche Speise genießt und sie der Magen empfängt und sie dann auf alle Glieder des Leibes verteilt wird und dadurch der ganze Körper gestärkt wird: ebenso empfängt hier der Geist bei diesem Trinken die kostbare, göttliche Speise, und die wird von der wahren, göttlichen, heißen Liebe verteilt auf alle Glieder, auf das ganze Leben und Wesen des Menschen, so daß all seine Werke besser geordnet werden, wie sie nicht besser geordnet sein könn- ten. Und wie allen Menschen auch besser wird von der inneren, wahren Ordnung, so wird dadurch auch deräußere Mensch wohlgeordnet und wird blühend und groß und

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stark zu all dem, wozu Gott ihn haben will, und quillt in das ewige Leben. Daß uns dies allen geschehe, dazu helfe uns Gott!

Amen. Aus den „Predigten“ von Tauler

in der Sammlung „Der Dom“.

ALBRECHT SCHAEFFER AUS ,DAS KLEINOD IM LOTOS, EINE BUDDHA-LEGENDE“

Als der Herr nun achtzehn Jahre alt war, Ließ der König drei erhabne Häuser Richten: eines aus behauenen Balken, Innerlich mit Zedernholz gefüttert,

Warm für Wintertage; eins, das kühl für Sommers-Gluten war, aus Ader-Marmor; Eines aus gebrannten Ziegelsteinen,

Blau bedeckt mit Schiefer, schön zur Saatzeit: Hießen Subha, Ramma und Suramma. Gärten blühten lieblich um die dreie, Ströme schossen wild, und düftereiches Dickicht dehnte sich, wo Zelte glänzten Und die schönen sanften Rasenwiesen. Mitten drinne streift’ umher Siddartha, Wie’s beliebte, und es hatte jede

Stunde neue Freuden in Bereitschaft, Stunden Glückes, denn das Leben strahlte Bei der Schnelle jugendlichen Blutes. Doch es kamen der Betrachtung Schatten

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—_

Wieder, wie das Silber seiner Teiche Trübe ward vom Wanderzug der Wolken.

Dies bemerkend, rief der Fürst die Diener, Sprach: „Gedenkt des Rischi alte Sprüche Und Verkündigung der Träume-Deuter: Dieser Sohn, mir teurer als das Herzblut, Werde unbegrenzte Herrschaft üben,

Nacken tretend aller seiner Feinde,

Fürst der Fürsten und so sehnts die Seele! Oder werde gehn den düster trüben Selbstverleugnungs-Pfad und frommer Schmerzen, Um der Erde Schätze einzubüßen,

Um wer weiß welch Güter zu begrüßen,

Und es neigen seine wissensfesten

Augen sich zu dem in den Palästen.

Aber ıhr seid weise, ihr sollt raten,

Wie wir zu den stolzen Straßen wieder,

Die ihm ziemen, seine Füße wenden,

Wie die schönen Winke wahrhaft werden,

Die ihm Herrschaft weisen, will er herrschen.“

Sprach ein Alter: „Liebe, Maharadscha,

Heilt den dünnen MiBmut. Webe Zauber, Weibes-Künste um sein ungetanes

Innres, denn was weiß der edle Knabe

Heut vom Schönheits-Auge, das den Himmel Dunkler macht, und Weihrauch-Mund. Erfind ihm Sanfte Weiber, holde Zeitvertreiber.

Die nicht ehrne Kette zwängt, Gedanken

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Bindet leicht cin Haar.~ Das nannten Alle Gute Rede, doch der Konig sagte:

„Suchen wir ihm Fraun, so wählt doch Liebe Oftermals mit anderm Aug, und heißt man Schénheits-Garten um ihn her versammeln, Daß er Blüten pflücke, die ihn bannten, Wird er lächeln und die unbekannten

Süßen fliehn in einer andern Süße.“

Sagte Einer: „Doch es schweift der Kranich, Bis der Schicksals-Pfeil entfliegt: auch ihm wird, Wie den minder herrscherlichen Geistern, Eine süß sein, Eine zauberhafter,

Ein Gesicht als Paradies erscheinen,

Eine schöner sein als morgenbleiche Dämmrung, wenn sie Sterne überwältigt. Höre, König: stifte einen Festtag,

Wo des Reiches Fraun Bewerberinnen

Sind in Anmut, Jugend und den Sakya- Spielen, die wir lieben. Laß den Prinzen Preise reichen allen Schönen. Laß auch, Wenn die Lieblichkeit der Siegerinnen

Ihm vorbeizieht, welche stehn und merken, Ob ihm einmal, zweimal seine zarten Wangen die gestrenge Trübnis ändern,

Und wir wählen mit der Liebe eignem Auge für die Liebe und belisten

Seine Herrlichkeit, im Glück zu nisten.“

Gut schien dieses; und die Rufer riefen Zum Palast die schönen Jugendlichen,

Denn da werd ein Minnehof gehalten

Und der Prinz erteile schöne Preise

Allen, doch den reichsten für die Reichste. Alsobald die Fraun Kapilavastus Wanderten zum Tore, aufgebunden

Und geschmückt das dunkle Haar, die Wimpern

Glänzender vom Schwarz des Soorma-Stabes, Badentstiegen, duftgebadet, Alle Wunderschön in Seidenschals und Schärpen, Und gefärbt mit Kokkusrot die schlanken Händ’ und Füße, und der Tilka-Stempel Leuchten auf den Stirnen, und so wards ein Anmuts-Anblick, da die Indierinnen Langsam schreitend an dem Thron vorüber Zogen, heftend große schwarze Augen

Auf den Boden. Denn den Prinzen schauen], Mehr als Majestät der höchsten Ehrfurcht Machte ihre Vogelherzen flattern

Seines Thronens seelenkühle Weise, Überhoch, doch innig zart und leise.

Ihre Gabe nahm gesenkter Lider

Jede, angstvoll aufzuschaun, und solche,

Die ein Jubelruf der Völker-Mengen Überhob den Wettbewerberinnen,

Standen wie die fromme Antilope,

Scheu, der Gnade Finger anzurühren,

Flohn zu den Gefährten gnadezitternd,

Weil er göttlich schien und heiliger Artung Und erhaben über ihre Erde.

So vorüber Schöne zog um Schöne,

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Und es war die Wanderung der Anmut

Schon beendet, jeder Preis gespendet,

Als Yasodhara, die junge, herkam.

Sahen da die Merker um Siddartha

Zucken den, dieweil sie näher strahlte:

Bild des Himmels und der Schritt Parvatis, Auge wie der Hinde, Antlitz über

Worten schön. Und diese blickte völlig, Flache Hände kreuzend über Brüsten,

In sein Antlitz, ungebeugten Nackens,

Fragte, lächelte: „Und meine Gabe?“

„Keine Gabe,“ sprach er, „sie sind alle Fortgegeben, aber nimm zur Buße,

Schwester, dies, du Ruhm in unsern Städten.“ Und er löste den smaragdnen Halsschmuck, Zog die grünen Perlen um den dunklen,

Um den seidensanften Leib, und Auge Schmolz in Aug, und aus dem Blick sprang Liebe.

Lang nach diesem als ihm die Erleuchtung Voll geworden sagte der Erhabne,

Da sie fragten, warum seine Seele

Damals feurig ward vom ersten Strahl der Sakya-Jungfrau: „Keine Fremde waren Wir, die uns und Andern so erschienen. Denn vor lang vergangnen Menschen-Altern Saß ein Jägersohn bei Yamuns Quelle, Spielte mit den Waldfraun Nandadevis,

SaB als Richter, da sie unter Fichten Wettlauf rannten, wie die Hasen abends

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Ihre spielerischen Kreise rennen.

Eine krönt’ er da mit Sternenblumen,

Eine mit den langen Pfauenfedern

Und vom Dschungel-Hahn; mit Fichtenzapfen Eine. Aber die als Letzte herlief,

Kam für ihn als Erste, und ein zahmes Rehkalb gab er der und seine Liebe.

Und sie lebten langes Glück im Walde, Starben in dem Wald als Niegetrennte. Sehet aber: wie geheim ein Same

Hinter regenlosen Sommern aufgeht,

Also Gut und Übel, Lust und Schmerzen, Haß und Liebe, und erstorbne Taten Kommen wieder, dunklen oder hellen Laubes, süßer Früchte oder bittrer.

Und sie war Yasodhara, und ich war

Jener. Und dieweil das Rad Geburt und Sterben immer dreht, so ward, was einmal Mit uns Beiden war, nun mit uns wieder.“

Doch die Merker bei dem Preise-Reichen Sahn und hörten, sagten dem besorgten König, wie Siddartha achtlos dasaß,

Bis Yasodhara vorbeizog, Tochter Suprabuddhas; wie er sich verfärbte;

Wie sie Beide schauten ineinander;

Von dem Kleinod auch, und was darüber Vor sich ging in den beredten Augen.

Lächelte der Königs-Vater zärtlich: „Schau, wir haben einen Köder! Rat nun,

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Unsern Falken aus Gewölk zu fangen! Sendet Boten, laßt zur Eh das Mädchen Bitten. Aber dies war Sakya-Satzunz: Freite Einer eine Hochgeborne,

Eine Liebliche, Begehrenswerte,

Hatte der in ritterlichen Künsten

Sich geschickt zu weisen gegen alle

Andern Werber, die es fordern mochten; Sitte, die auch nicht sich brach vor Fürsten. Sprach darum ihr Vater: „Sagt dem König: Prinzen nah und fern begehren ihrer. Kann dein zarter Sohn den Bogen biegen, Schwerter schwingen und zu Rosse sitzen Besser als die Andern, sei er Bester

Unter Allen, und für uns der Beste.

Aber wie bei seinen klösterlichen

Wegen wirds geschehn? —“ Der König, herzwund, Dachte, daß sein Sohn vergebens freite Gegen Devadatta, Bogen-Meister,

Und Ardjuna, Zähmer wilder Hengste, Nanda, Schwertspiel-Erster. Doch Siddartha Lachte lind und sagte: „All das lernt’ iclı. Laß vermelden, daß ich Jedem jedes

Spiel anbiete. Meine Liebe, denk ich,

Die verlier ich nicht vor solchen Leuten.“ Wards vermeldet, daß Siddartha fordre, Wer ihn treffen woll’ in Mannes-Taten. Und Yasodlıara die Krone wäre.

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Siebten Tages also kamen da die Sakya-Herren, Stadt und Land zusammen Bei dem Maidan; kam zugleich das Mädchen Mit der Sippschaft, bräutlich hergetragen, Mit Musik und schön gezierten Sänften, Goldhorn-Ochsen blumiger Schabracken. kam der Prinz auch auf dem weißen Pferde Kantaka, das schnaubte, staunend über

Das Getümmel bunt und seltsam; gleichfalls Sahen Wunder da Siddarthas Augen:

Diese Menschen, unterm Thron geboren, Anderweis behaust und andrer Speise

Als die Könige, und doch wer wußt’ es? Denen gleich in Kummer und in Freuden. Doch er sah Yasodhara, die Süße,

Glänzt' in Lächeln, zog die Seiden-Trense, Sprang von seines Rosses breitem Rücken, Rief: „Der Würdigste allein ist würdig Solcher Perle! Weist euch, wems behagte, Ob ich, sie begehrend, zu viel wagte!“

Fordert' Nanda ihn zur Bogen-Probe,

Setzte eine Trommel, die von Erz war, Sechzig Sprünge weit, Ardjuna seclizig Eine andre, Devadatta achtzig.

Doch Siddartha hieß die seine setzen Hundert Sprünge, daß sie in der Weite Winzig schien wie eine Kauri-Muschel. Und sie schossen, und die Trommeln beide Da durchbohrten Nanda und Ardjuna,

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Devadatta trieb den feingezielten

Schaft durch beide Seiten seiner Trommel,

Und es schrie das Volk vor lauter Staunen. Doch Yasodhara, die Süße, senkte

Einen goldnen Schleier vor die Augen, Furchtsam, nicht zu sehn Siddarthas Fehlschuß. Aber dieser, nach dem Bogen greifend

Aus lackiertem Rohr, bespannt mit Silber- Drahte, den ein Arm von Stahl um eine

Spanne krümmte, zupfte, leise lachend,

Zupft’ und zog, daß sich die Hörner-Enden Küßten und der Bogenbauch entzweisprang. Sprach: „Der ist zum Spiel und nicht für Liebe. Ist da keiner, der für Sakya-Fäuste

Brauchbar wäre?“ Einer sprach: „Das ist der Bogen Sinhahanus, in dem Tempel

Aufgehoben seit wer weiß wie lange.

Keiner spannt ihn; spannt er, trifft doch keiner.“ „Bringt mir“, rief der Prinz, „die Mannes- Waffe!“ Brachten sie den alten, der aus schwarzem

Stahl war, eingelegt mit goldnen Ranken

Auf den Bogenzweigen, die wie Bison-

Hörner waren. Und Siddartha bog ihn

Zweimal übers Knie und sprach: „Mit dem hier, Vettern, schießet nun!“ Sie konnten aber Dieses Bogens widerspenstige Arme

Keine Handbreit nähern zum Gebrauche.

Doch er beugt’ ihn schon mit leichter Neigung, Ließ die Schlinge in die Kerbe schlüpfen,

Und er zupfte scharf die Sehne, welche

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EE EEE EEE.

Laut heraussang, ja, so laut und helle, Daß an diesem Tag die heimgebliebnen Greise fragten: „Was ist das für Tönen?“ „Ist der Ton von Sinhahanus Bogen,

Den Siddartha spannte, um zu schießen.“ Und er legte sorglich einen Schaft auf, Zog, ließ los, und Himmel spaltend flog der Grade Pfeil, und grade in die ferne Trommel flog er, hielt nicht an im Fluge, Schweifte in die Ebene im Entstreichen, Ließ sich nicht vom Auge mehr erreichen.

Devadatta jetzt zum Schwertspiel fordernd, Hieb durch einen Talas-Baum, sechs Finger Dick, Ardjuna sieben, Nanda achte.

Da jedoch ein Doppelstamm dabeistand, Schnitt Siddarthas Stahl mit einem Blitzschlag Glatt durch beide, aber sanft, daß beide Aufrecht blieben, und es schrie Ardjuna: „Flach geschlagen!“ Und die Süße bebte Abermals: die Stämme standen aufrecht. Doch die Lüfte-Devas noch beizeiten Bliesen leichte Hauche aus dem Süden, Und es neigten sich die grünen müden Kronen beide, in den Sand zu gleiten.

Rosse brachten nun sie, hochbeherzte, Edler Züchtung, und sie jagten dreimal Um den Maidan, doch es ließ der weiße Kantaka weit hinter sich die Fluchten

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Alle, der so schnell war, daß er zwanzig Lanzenlängen flog, bevor die Flocke

Schaum von seinem Maule sank zu Boden. Sagte Nanda: „Jeder siegt mit solchem Kantaka; so bringt ein ungebrochnes

Roß und laßt uns sehn, wer das bereite.“ Brachten Knechte einen Hengst in Ketten, Der so schwarz wie Nacht war, feueräugig, Zähne bleckend und die Mähne werfend, Unbeschlagen, ungesattelt; keinen

Reiter trug er je, und ob drei Male

Seines Rückens Breite von den Jungen

Jeder ansprang, wich zurück der heiße

Hengst und warf ihn hin in Staub und Schande. Nur Ardjuna hielt sich eine Weile,

Ließ die Ketten lockern, peitschte ihm die Schwarzen Flanken, riß an der Kandare,

Hielt mit Herren-Griff die harten Kiefern, Daß in Stürmen Wut und Angst und Ingrimm Einmal um die Reitbahn ging der Wilde Halbgezähmt. Doch plötzlich, Zähne bleckend, Wandt ers Haupt und packte seinen Reiter, Zerrt’ ihn mit den Zähnen aus dem Sattel Und erschlug ihn, wären nicht die Knechte Hergerannt, den tollen Gaul zu fesseln. Schrien da Alle: „Lasset nicht Siddartha

An die Bestie, deren Herz ein Sturm, und Deren Blut ist eine rote Flamme!“

„Laßt die Ketten,“ sprach er; „laßt mir nur sein Stirnhaar!” sprach er, und er hielts mit einem

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Stillen Griff und stille Worte redend, Legt’ er flach die Rechte auf des Hengstes Augen, zog sie übers böse Antlitz Sänftlich, ließ sie gleiten übern Nacken, Leib und Flanken überall, die keuchten: Alle sahn erstaunt das schwarze Nachtroß Beugen seinen wilden Kamm und milde Stehn und untertan, als ob es kennte Unsern Herrn und gläubig ihn verehrte. Stieg Siddartha auf, ohn daß ers wehrte, Und im Druck von Knien und Zügel ging er, Nüchtern wieder, daß er Alle lehrte: „Streit vorbei, Siddartha ist Bezwinger!“

Sagte Suprabuddha, Tochter-Vater:

„Unser Herz erwünschte dich als Besten, Dich, den Liebsten. Aber welcher Zauber Lehrte mehr dich Mannheit unter Bäumen, Rosen-Lauben und den Rosen-Träumen

Und im sanften Blick der Rasenwiesen, Mehr als Krieg und Jagden lehrten Diesen? Wolle nun, Herr, deinen Preis erkiesen.“ Und er winkte, und die Süße hob sich,

Nahm den Kronen-Kranz von Mogra-Blüten, Und den schwarz und goldnen Schleier senkend Vor den Augen, sie in ihrem Stolze

Schritt vorbei den Freiern zu Siddartha,

Der da stand in göttergleicher Anmut

Bei dem Pferd aus Finsternis, das gern den Nacken beugte unter seinem Arme.

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Und sie beugte auch sich vor dem Prinzen, Hüllt’ ihr Antlitz, Liebe wie der Himmel Heiter strahlend, aus den Schleierfalten, Hing den Kranz um seinen Hals und legt’ an Seine Schulter ihr vollkommnes Antlitz. Endlich bog sie sich zu seinen Füßen,

Stolz und heiter, und sie sagte: „Siehe, Bruder, sieh auf mich, ich bin die Deine.“ Sahn die Menschen fassen Hand nach Händen, Sahn da fröhlich Herz am Herzen enden, Sahn verschwinden ihn und auch die Holde In dem Schleiertuch von Schwarz und Golde.

Lang hernach als die Erleuchtung voll war - Fragten sie den Buddha höchst inständig, Warum sie dies Schwarz und Gold umfangen,

Warum sie so stolz einhergegangen?

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Sprach der ganz Erhabene: „Mir war es Unbekannt, und auch bekannt zur Hälfte. Denn dieweil sich dreht das Rad des Lebens, Kommen Dinge wieder und Gedanken,

Alle Leben wieder, die versanken.

Und ich sehe nun mich vor Äonen

In Himalas Hängewäldern wohnen,

Tiger, mit der hungrigen, gestreiften Sippschaft, ich, der Buddha, und wir schweiften In dem Kusa-Gras und hohen Farren Grüner Augen, die von ferne starren

Nach den Herden, die bei Hörnerblasen Ihrem Tode nah und näher grasen.

Unter Sternen brüllte ich nach Beute,

Wild und unersättlich, Buddha heute,

Witterte nach Wild- und Menschen-Spuren, Kreatur, Gesell von Kreaturen.

Kam die Tigrin aus den Dschungel-Mooren, Kam voll Anmut aus den Anmuts-Rohren,

Und da kehrten sich zum Kampf die Freier: Golden glomm ihr Fell, so wie den Schleier Trug für mich mit schwarzen Streifen drinne Nun Yasodhara. Da war aus Minne

In dem Dschungel, heiß mit Zahn und Pranken, Unterm Zedrach lang der Kampf im Schwanken. Und es sah die wilde, wild gefreite

Bestie uns verbluten in dem Streite.

Noch gedenk ich: Knurrend an dem Ende

Kam sie über Leiber, die zerrißnen,

Und sie leckte schmeichelnd die zerbißnen Flanken mir und die durchkeuchte Lende.

Und wir zogen nach vollzognem Freien

In die großen Wälder-Wüsteneien,

So voll Stolz und solchen Häupterhebens . .

Auf und nieder geht das Rad des Lebens.“

Nun empfing Siddartha seines Sieges

Willige Beute, und zu guten Sternen

Da der Widder Herrscher war des Himmels Wurde Hochzeit nach der Sakya Sitten:

Ward der Goldstuhl hingestellt, der Teppich Vorgebreitet, aufgehängt die Kränze,

Süßes Brot gebrochen, Reis und Rosen-

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Ol gesprengt, und auf der rotgefärbten Kuhmilch einten schwimmend sich die Halme, Welche Liebe bis zum Tod verheißen.

Dreimal ward der Siebenschritt ums heilige Feuer auch getan, an heilige Greise

Gaben ausgeteilt, die Tempelopfer Dargebracht, die Mantras abgesungen

Und gebunden Braut- und Brautmanns-Kleider. Und zum Prinzen sprach der greise Vater:

„O Verehrungswürdigster! Die unser

Lange war, ist nun hinfort die Deine.

Die ihr Leben hat in deinem Leben,

Hüte sie!“ Und also mit Gesängen

Ward sie heimgeführt und Flötenklängen .. Liebe stand auf allen Lebens-Gängen.

Nach dem Englischen des Edwin Arnold fra bearbeitet.

CHINESISCHE LIEDER

Einsamer Trinkeram Meer

Dix Sonne ruht auf Baum und Bucht.

Gefallne Blätter betten sich im Winde.

Ein Vogel sucht sein Nest. Ein Fräulein ihr Gesinde. Und eine Wolke schläft ın dunkler Schlucht.

Mein Herz ist einsam, weil es keinen Reim hat.

Ich sitz am Meer. Im Schaum erblühn Gedanken,

Die sich zur Oleanderlaube ranken.

Ich sitz und trink. Weit draußen liegt die Heimat. x

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1

Beim vollen Becher

Song-tschang ging auf dem Berg King-hau in Strahlen auf. Was blieb von dem Unsterblichen? Ein Haufen Asche. Ngan-ki stieg schon als Mensch zu heiligen Malen auf. Er lieB das Netz zuriick. Der Fisch ging durch die Masche.

Ein Blitz bei Nacht: die Dauer unsres Lebens. Die Zeit läuft über unser Steingesicht

Wie Licht und Schatten. Und die Sonne sticht, Der Schatten läßt gefrieren uns. Vergebens

Erwartest du Genossen dir zum Weine. Denn niemand kommt. Der Becher glänzt. Du bist alleine.

x

Auf dem Fluß

Ein Boot aus Ebenholz und eine goldbeschlagne Flöte. Ein Lied. Der Frühling. Eine schöne Frau.

Mein Herz blüht rot. Der Himmel blau

Und blau das Meer.

Ich zaubre auf der Freundin Wangen Mit meinem Liede eine leise Röte:

Ich zaubere die Morgenröte

Her.

Es ist die Nacht mit uns... vergangen.

Ich weiß es nicht, wohin ich steure. O ihr Unsterblichen, ich bin der Eure! Nachdichtungen von Klabund.

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PHILIPP OTTO RUNGE ÜBER DIE FARBEN

Wenn es dir ernst ist, etwas Rechtes zu tun oder hervor- zubringen, das den Stempel der treuesten Rechtschaffenheit und Gründlichkeit an sich trägt, daß, wenn es dasteht, es das treue Abbild deines innersten Zustandes sei: so wird aller Notbehelf von Mitteln, alle Unkenntnis des Materials dir so zuwider sein, wie die Lüge der Wahrheit; Worte, die du nicht verstehst, und womit du doch etwas sagen willst, was sie nicht sagen, lässest du nicht allein besser ungesagt, sondern es ist auch die größte Qual, es zu tun, wenn die Umstände dich zwingen.

Wenn du nun diese gründliche Aversion in dir trägst, so wirst du wohl bald merken, daß du den Kampf nie ganz bestehen wirst, daß dieses der Pfahl im Fleisch ist, der Kampf auf Leben und Tod, daß, wenn du dich tapfer darin gebrauclist, dich der alte Sieger, der Tod, zuletzt selbst achten und dich in die klare Ruhe bringen wird, aus welcher dich gewiß der Klang der Posaune erweckt.

So betrachte nun die bunte Welt um dich her, wo alle Gestalten in diesem Sinn dich wie Brüder begrüßen, wo dieselbe Sehnsucht in allen Gegenständen (den kleinsten

wie den größten) um dich verborgen liegt, und suche, wie

du den ewigen Ursprung findest, aus dem alle Verschieden- heit geflossen ist.

Richtest du bloß auf die Farben der Gegenstände um

dich her den Blick, so wirst du in der unendlichen Mannig- faltigkeit doch bald viele finden, welche sich einander nähern, und indem du die Spur einer Farbe, die dich am

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6

meisten anzieht, verfolgst, wirst du sie sehr verbreitet ent- decken.

Wenn du zuerst das Violette suchst, wirst du es bald in der zarten Helligkeit der Levkojen, bald in den dunkeln Schatten an den tiefen Veilchen entdecken, und der Sinn wird nicht wissen, welches er mehr liebt, denn bald leuchtet eine Farbe so schön in der Helligkeit, und bald zieht sie dich in die stille Tiefe zu sich. Wenn so dich das Grün der Wiesen, die saftige Vegetation in dem tauigen Grase und das zarte Weben eines jungen Buchenwaldes, wie die kristallene grüne Woge lockt: wann leuchtet es dir am schönsten entgegen, in der Helligkeit des Sonnenscheins oder in der Stille des Schattens? Wenn aus den Blüten, von dem zartesten Rot bis in den gewaltigsten Brand, von dem anspruchslosen Blau bis in!

Die Farbe ist eine so freundliche Erscheinung, daß ich immer mit neuem Ergötzen sehe, wie sie sich in allen ihren Tönen wie Geistern des Lichtes allem Körperlichen an- schmiegt und es durchdringet, um ihm das himmlische Vaterland näher und näher an das Herz zu legen, so daß auch, je geistiger und durchsichtiger die Substanz des Körpers ist, er tiefer und inniger mit der Farbe vereinigt und vom Lichte durchdrungen wird. Und so muß auch ich, wenn ich in diese Erscheinung mich vertiefe, mich mit allen Bestrebungen und Kräften willig der süßen Vernichtung des Lichtes hingeben, um im gewissen Glauben zuletzt die Glut der geistigen Gedanken zu empfangen.

t Bei diesem Worte bricht der Aufsatz ab.

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Wenn sich unter meinen Händen das Material verändert und verwandelt, und ich nun mit Genauigkeit, um mich zurechtzufinden, die Elemente desselben durchforscht habe, wird bald sehnsüchtig das Auge erfreut werden von der Glut des Goldglanzes in Metallen und im schwelgenden Genuß an saftigen Früchten, oder angezogen von der herr- lichen saftigen Kühle eines samtnen Gewandes, sowie von der lebendigen Bewegung der Blumenfarben ; wenn aber die errötende Wange, der brennende Mund und die zarte Verfließung des weißen Halses und Busens in dem Blitz des Auges dich mit einemmal ergreift und durchleuchtet, wohinein möchtest du dich lieber tauchen als in die glühende Tiefe des Weins, daß die stillen Geister die Sprache in dieser klingenden Tiefe fänden und du dann heimisch in diesem Himmel Auge, Mund, Wange und Busen im süßen Ge- spräch belauschtest im Hinterhalte des sehnenden Herzens, dem das Leben und alle Himmel sich nur tiefer und tiefer entschließen, je mehr du dich sehnst?

Wie das ewige Licht im Anfange alle Kreatur und alle Farbe erzeugte, daß es sich selbst erschauete in seiner inner- sten Herrlichkeit so auch wirket die innigste Sehnsucht des Gemütes, daß es alle Kreatur in Liebe durchdringe, da- mit sie in ihrer tiefsten Erkenntnis dem eigensten Sein, das über alle Erkenntnis hinaus in uns liegt, sich zum wür- digen Opfer bringe.

Wenn du aber, mein Herz und Sinn, eins bist in dem Geist, was will wohl die ruhige Seele, die aber von allem Entzücken des Daseins wogt, glühet und funkelt wie die sinkende Sonne, die nun mit Erd und Himmel in Nacht versinkt, was willst du, Seele, als verstummen, wie alle

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———

Digitized by Google

| Himmel stumm waren, ehe das Wort von Anfang ge- sprochen war —?

Wie sollte ich nicht in Begeisterung geraten über die herrliche Erscheinung, die vor mir liegt und worin Erde und Himmel sich erschlossen hat? Es ist aber, wenn man

eine Sache deutlich sehen will, das notwendigste, daß man sich zähmt und nicht gleich auf einmal die Enden zu- sammenfaßt; sonst kommen wir gleich von vornherein in das Chaos zurück, aus welchem uns der Verstand und die Zeit retten, und dadurch zu noch größerer Herrlichkeit der Anschauung führen wollen. \

*

Das Glück der Farbe

So wie die Farben ohne Ende in die Tiefe reichen, so sind sie auch unendlich im Licht, und das Blitzen und Wogen des Lichtes und der Farbe in der Anwesenheit und Ab- wesenheit des Lichtes ist wie die größte Gemütsbewegung der funkelnden Sterne, wie der Odem des lebendigen Geistes, in dem die Welt woget, leuchtet und verschwindet. Ich glaube, die Farbe wächst, wie wir in unserm Gemüt wachsen. Das Licht, wenn es in die durchsichtige Farbe fällt, ent- flammt und vernichtet es dieselbe in sich; würde nun, wie das Licht sich abwendet, die Farbe am Himmel in der Finsternis rein verbleiben, so würde sie beim wiederkchren- den Morgen in eine unendlich tiefere Glut entflammt wer- den müssen. Wer sich in der Abwesenheit des einkehrenden Geistes ganz rein erhielte, in dem müßte sich Gott ver- klären. Diese Blüte aber der Erleuchtung hat die Welt emp-

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fangen, und „wer beharret bis ans Ende, der wird selig“. - Mir erscheint bisweilen die Farbe wie eine Linie, die vom höchsten Licht bis in die unendliche Tiefe reicht. Sehen wir nur die Farbe an, so erblicken wir die lebendige Schöpfung; ständen wir ın der Tiefe, so erblickten wir das Licht; stän- den wir im Lichte, so erblickten wir die Tiefe des Raumes, in dem die geschaffene Welt ist. Kehrst du der Sonne den Rücken und siehst das Weiße für das Licht an, und blickst du von da zur Sonne, so bist du im Schwarzen gefangen, und wer ist so frei, daßer sich mit der Kreatur nicht sehnte zu der Offenbarung der herrlichen Freiheit der Kinder

Gottes? Aus Paul F. Schmidt: Philipp Otto Runge.

RAINER MARIA RILKE:

Immer wieder, ob wir der Liebe Landschaft auch kennen

und den kleinen Kirchhof mit seinen klagenden Namen

und die furchtbar verschweigende Schlucht, in welcher die andern

enden: immer wieder gehn wir zu zweien hinaus

unter die alten Bäume, lagern uns immer wieder

zwischen die Blumen, gegenüber dem Himmel.

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BÜCHER aus dem

INSEL-VERLAG

AKSAKOW, SERGEI TIMOFEJEWITSCH: FAMILIEN- CHRONIK. Nach Raczynskis Übertragung aus dem Russischen bearbeitet u. erweitert von H. Röhl. In Pappband u. Halbleder.

ALS DER GROSSVATER DIE GROSSMUTTER NAHM. Ein Liederbuch für altmodische Leute. Fünfte Auflage. Auf Grund der Ausgabe von Gustav Wustinann neu herausgegeben. In Papp- band, Halbleder und in Saffianleder mit der Hand unter Be- nutzung alter Stempel gebunden.

ANDERSE.N-NEXO, MARTIN: PELLE DER EROBERER. Roman in zwei Banden. Aus dem Danischen von Mathilde Mann. 4-—13. Tausend. In Halbleinen.

ARABISCHE NÄCHTE. Nachdichtungen arabischer Lyrik von Hans Bethge. 13.—16. Tausend. In Halbleinen nach Art chine- sischer Blockbücher gebunden und in Seide.

ARCOS, RENE: DAS GEMEINSAME. Übertragen von Friderike Maria Zweig. Mit 27 Holzschnitten von Frans Masereel. In Papp- band.

(ARTHURS TOD:) Dies edle und freudenreiche Buch heißet „Der Tod Arthurs“, obzwar es handelt von Geburt, Leben und Taten des genannten Königs Arthur / von seinen edeln Rittern vom Runden Tisch / und ihren wunderbaren Fahrten und Abenteuern / von der Vollendung des Heiligen Grals ; und im Letzten von ihrer aller schmerzlichen Tode und Abscheiden von dieser Welt, welches Buch ins Englische gebracht wurde durch den Ritter Sir Thomas Malory. Übertragen durch Heduig Lachmann. Einleitung von Severin Rüttgers. Drei Bände. In Pappbänden.

BACH, JOHANN SEBASTIAN: DIE MATTHÄUSPASSION. Faksimile-Ausgabe der Handschrift in zweifarbigem Lichtdruck. Einmalige Auflage in 500 numerierten Exemplaren. In reich- vergoldetem Lederhandband und in Halbleder.

BAHR, HERMANN: ESSAYS. Zweite Auflage. In Halbleinen. SUMMULA. Essays. (1921.) In Halbleinen. SENDUNG DES KÜNSTLERS. (1922.) In Halbleinen.

BALZAC, HONORE DE: DIE DREISSIG TOLLDREISTEN GESCHICHTEN, genannt CONTES DROLATIQUES. Über- tragen von Benno Rüttenauer. Zwei Bände. 14.—23. Tausend. In Pappband und Halbleder.

TANTE LISBETH. Übertragung von Arthur Schurig. Zweite Auflage. In Halbpergament.

188

BECHER, JOHANNES R.: GEDICHTE UM LOTTE. In Papp- band.

GEDICHTE FÜR EIN VOLK. In Pappband. DAS NEUE GEDICHT. In Pappband. DIE HEILIGE SCHAR. Gedichte 1918. Kartoniert.

UM GOTT. (Inhalt: Gedichte. Arbeiter, Bauern, Soldaten; ein Festspiel. Klänge im Vorlaut.) In Pappband.

BEETHOVEN, LUDWIG VAN: BERICHTE DER ZEIT- GENOSSEN, BRIEFE UND PERSÖNLICHE AUFZEICH- NUNGEN. Gesammelt und erläutert von Albert Leitz mann. Mit ı6 Bildertafeln. Zwei Bände. In Halbleinen und Halbleder.

BIERBAUM, OTTO JULIUS: DER NEU BESTELLTE IRR- GARTEN DER LIEBE. Verliebte, launenhafte, moralische und andere Lieder. Einbandzeichnung, Leisten und Schlußstücke von Heinrich Vogeler-Worpswede. 76.—80. Tausend. In Pappband.

DIE BLUMLEIN DES HEILIGEN FRANZISKUS VON ASSISI. Übertragen von Rudolf G. Binding. Mit 84 Initialen und Ein- bandzeichnung von Carl Weidemeyer-Worpswede. 15.—19. Tausend. In Pappband.

BOCCACCIO, GIOVANNI DI: DAS DEKAMERON. Über- tragung von Albert Wesselski, unter Neugestaltung der Gedichte von Theodor Däubler. Eingeleitet von Andre Jolles. Titel- und Einbandzeichnung von alter Tiemann. 21.—30. Tausend. Dünn- druckausgabe in einem Bande. (1100 Seiten.) In Leinen und Leder.

DER BORN JUDAS. Legenden, Märchen und Erzählungen. Gesammelt von M. I. bin Gorion. Zwei Serien zu je drei Bänden.

Erste Serie (Bd. I—III), enthaltend „Von Liebe und Treue“, „Vom rechten Weg“ und „Mären und Lehren“. In Pappband und Halbpergament.

Zweite Serie: Bd. IV: „Weisheit und Torheit.“ Band V: „Volks- erzählungen.“ Band VI: „Kabbalistische Erzählungen.“ In Pappband und Halbpergament.

BRAUN, OTTO: AUS NACHGELASSENEN SCHRIFTEN EINES FRÜHVOLLENDETEN. Herausgegeben von Julie Vogelstein. 69. bis 78. Tausend. In Pappband.

189

(BREMEN:) DAS ALTE BREMEN. Herausgegeben vom Focke- Museum für Bremische Altertümer. Mit 100 ganzseitigen Bild- tafeln. In Halbleinen, Halbperg. und Pergament (Handband..

BRENTANO, CLEMENS: FRÜHLINGSKRANZ, aus Jugend- briefen ihm geflochten, wie er selbst schriftlich verlangte. Dritte Auflage. In Leinen und Halbpergament.

BUBER, MARTIN: DANIEL. Gespräche von der Verwirklichung. 6. und 7. Tausend. In Pappband.

EKSTATISCHE KONFESSIONEN. Veränderte Neuausgabe. In Pappband.

EREIGNISSE UND BEGEGNUNGEN. Zweite Auflage. In Pappband.

DIE REDE, DIE LEHRE UND DAS LIED. Zweite Auflage. In Pappband.

CAROSSA, HANS: EINE KINDHEIT. (1922.) In Pappband und Pergament (Handband).

DOKTOR BÜRGERS ENDE. Letzte Blätter eines Tagebuchs. Zweite Auflage. In Pappband und Halbleder. GEDICHTE. Zweite, vermehrte Auflage. In Pappband.

CERVANTES: NOVELLEN. Vollständige deutsche Ausgabe auf Grund älterer Übertragungen bearbeitet von Konrad Thorer. Zwei Bände. In Halbleinen und Halbleder.

DIE CHINESISCHE FLÖTE. Nachdichtungen chinesischer Lyrik von Hans Bethge. 32.—36. Tausend. In Halbleinen nach Art chinesischer Blockbücher und in Seide.

DÄUBLER, THEODOR: DAS NORDLICHT. Ein Epos in drei Teilen. Neue, durchaus veränderte, Genfer Ausgabe. Zwei Bande auf Dünndruckpapier. In Leinen.

LUCIDARIUM IN ARTE MUSICAE. Ein Buch über Musik. Zweite Auflage. In Pappband.

DER NEUE STANDPUNKT. Aufsätze .ur modermen Kunst. Zweite Auflage. In Pappband.

MIT SILBERNER SICHEL. Zweite Auflage. In Pappband. PERLEN VON VENEDIG. Gedichte. In Pappband.

DERSTERNHELLE WEG. Gedichte. Dritte Auflage. In Pappbd. DIE TREPPE ZUM NORDLICHT. Gedichte. In Pappband.

WIR WOLLEN NICHT VERWEILEN. Autobiographische Fragmente. Zweite A., flage. In Pappband.

190

DEFOE: DAS LEBEN UND DIE GANZ UNGEMEINEN BE- GEBENHEITEN DES WELTBERÜHMTEN ENGELLÄN- DERS ROBINSON CRUSOE. Mit 51 Steinzeichnungen von Richard Janthur. Einmalige Auflage in 800 Exemplaren. In Halbpergament, š

DESBORDES-VALMORE, MARCELINE. Das Lebensbild einer Dichterin. Eingeleitet von Stefan Zweig, Übertragungen von Gisela Erzel-Kihn. Mit einem Bildnis der Dichterin in Licht- druck. In Pappband mit Pergamentverstärkung.

DEUTSCHE CHANSONS. Von Bierbaum, Dehmel, Falke, Finckh, Heymel, Holz, Liliencron, Schröder, Wedekind, Wolzogen. 108. bis 118. Tausend. In Pappband.

DEUTSCHE ERZÄHLER. Ausgewählt und eingeleitet von Hugo von Hofinannsthal. 9.—13. Tausend. Drei Bände. In Leinen und Halbleder.

DEUTSCHE VERGANGENHEIT: siehe Seite 204.

DICKENS’ WERKE. Ausgewählt und eingeleitet von Stefan Zweig. Mit den Federzeichnungen der englischen Originalausgaben von Cattermole, Hablot K. Browne und anderen. Taschenausgabe in sechs Bänden auf Dünndruckpapier. In Leinen.

DINGELSTEDT, FRANZ, UND JULIUS HARTMANN. EINE JUGENDFREUNDSCHAFT IN BRIEFEN. Von Werner Deetjen. In Pappband.

(DIOTIMA:) DIE BRIEFE DER DIOTIMA AN HÖLDERLIN. Herausgegeben von Carl Victor. Mit der Abbildung einer Büste und dem Faksimile eines Briefes. 11.—15. Tausend. In Papp- band, Halbleder und in Ganzpergament (Handband).

DOSTOJEWSKI, F.M.: SÄMTLICHE ROMANE UND NO- VELLEN IN 25 BÄNDEN. Eingeleitet von Stefan Zweig. Mit einem Porträt und dem Faksimile einer Manuskriptseite. 6. bis 10. Tausend. In Halbleinen und Halbpergament.

Einzelausgaben siehe Bibliothek der Romane, Seite 202. FICHTES REDEN AN DIE DEUTSCHE NATION. Revidierte

Ausgabe, eingeleitet von Rudolf Eucken. 21.—24. Tausend. In Pappband.

FRANK, LEONHARD: DIE RÄUBERBANDE. Roman. 16. bis 20. Tausend. In Pappband.

DIE URSACHE. Roman. 11.—20. Tausend. In Pappband.

191

FRIEDLÄNDER, MAX: ALBRECHT DÜRER. Mit 115 Ab- bildungen. In Halbleinen und Halbpergament.

GEISTLICHE AUSLEGUNG DES LEBENS JESU CHRISTI. Eine Holzschnittfolge des 15. Jahrhunderts. Zweihundert nume- rierte Exemplare mit handkolorierten Holzschnitten. In Perga- ment (Handband).

GIDE, ANDRE: DIE VERLIESSE DES VATIKAN. Übertragen von Dieter Bassermann. In Pappband und Halbpergament.

GILDEMEISTER, OTTO: BRIEFE. Herausgegeben von Lissy Susemihl-Gildemeister. In Pappband.

GLASER, CURT: DIE KUNST OSTASIENS. Der Umkreis ihres Denkens und Gestaltens. 6.9. Tausend. Mit 36 ganzseitigen Bildtafeln. In Halbleinen und Halbpergament.

LUCAS CRANACH. Mit 117 Abbildungen. 6.—10. Tausend. In Halbleinen und Halbpergament. Erster Band der Sammlung: Deutsche Meister, herausgegeben von Karl Scheffler und Curt Glaser.

GOBINEAU: DIE RENAISSANCE. Historische Szenen. Uber- tragen von Bernhard Jolles. Mit 20 Porträts und Szenenbildem in Autotypie. 59.—068. Tausend. In Pappband und Halbleder.

GOGOL, N. W.: TSCHITSCHIKOWS REISEERLEBNISSE ODER DIE TOTEN SEELEN. Roman. Aus dem Russischen übertragen von H. Röhl. In Pappband und Halbpergament.

GOETHES FAUST. Gesamtausgabe. Enthaltend Urfaust, Frag- ment (1790), Tragödie I. und II. Teil, Paralipomena. 95. bis 104. Tausend. In Leinen und Leder.

GOETHES LIEBESGEDICHTE. Herausgegeben von Hans Ger- hard Graf. 16.—21. Tausend. In Pappband und Halbleder.

GOETHES WESTÖSTLICHER DIVAN. Gesamtausgabe auf Dünndruckpapier. 6.—ı0. Tausend. In Leinen und Leder.

GOETHES GESPRÄCHE MITECKERMANN.Vollständige Aus- gabe. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier (nach Art der Groß herzog Wilhelm Ernst-Ausgabe). 20.—23. Taus. In Leinen und Leder.

GOETHES BRIEFWECHSEL MIT MARIANNE VON WILLE- MER. Neu herausgegeben von Mar Hecker. Vierte Auflage. Mit 3 Bildern und einem Faksimile. In Halbleinen und Halbleder.

BRIEFE VON GOETHES MUTTER. Mit einer Silhouette der Frau Rat. Ausgewählt und eingeleitet von Albert Köster. JI. bis 57. Tausend. In Pappband.

192

BETTINAS BRIEFWECHSEL MIT GOETHE. Auf Grund ihres handschriftlichen Nachlasses nebst zeitgenössischen Doku- menten über ihr persönliches Verhältnis zu Goethe zum ersten Male herausgegeben von Reinhold Steig. Mit 5 Bildern und 2 Faksimiles. In Halbleinen und Halbleder.

GOETHES ÄUSSERE ERSCHEINUNG. Literarische und künst- lerische Dokumente seiner Zeitgenossen. Herausg. von Emil Schaeffer. Mit 80 Vollbildern (Goethebildnissen). In Halbleinen.

GRIMMELSHAUSEN: DER ABENTEUERLICHE SIMPLI- CISSIMUS. Vollständige Ausgabe, besorgt von Reinhard Buch- wald. 11.—20. Tausend. In Pappband und Halbpergament.

HAFIS: LIEDER. Nachdichtungen von Hans Bethge. 13. bis 16. Tausend. In Halbleinen nach Art chinesischer Blockbücher und in Seide.

HARDT, ERNST: GESAMMELTE ERZÄHLUNGEN. 8. bis 10. Tausend. In Pappband.

GUDRUN. Ein Trauerspiel in fünf Akten. Initialen und Ein- bandzeichnung von Marcus Behmer. 19.—21.Tausend. In Pappband.

SCHIRIN UND GERTRAUDE. Ein Scherzspiel. Titel- und Einbandzeichnung von Karl Walser. In Pappband.

TANTRIS DER NARR. Drama in fünf Akten. 42. bis 48. Tausend. In Pappband.

DER HEILIGEN LEBEN UND LEIDEN, das sind die schönsten Legenden aus den deutschen Passionalen des ı5. Jahrhunderts. Ausgewählt und übertragen von Severin Rüttgers. Mit zahlreichen Holzschnitten. In Halbleinen und Halbpergament. Vorzugsaus- gabe: 200 Exemplare mithandkolorierten Holzschnitten, in Halb- leder mit der Hand gebunden und in Schweinsleder (Handband).

HEINES BUCH DER LIEDER. Taschenausgabe. 45.—5o. Tausend. In Leinen und Leder.

HOFMANNSTHAL, HUGO VON: BUCH DER FREUNDE. Gedruckt in einer einmaligen Auflage von 800 Exemplaren auf Büttenpapier. In Halbleder mit der Hand gebunden und Halb- pergament.

GEDICHTE. In Pappband. 500 Exemplare wurden mit einer Titelradierung von Walter Tiemann versehen; in Halbleder (Handband).

DAS SALZBURGER GROSSE WELTTHEATER. Geheftet und in Pappband.

193

HOLDERLIN. FRIEDRICH: DER TOD DES EMPEDOKLES. Für eine festliche Aufführung bearbeitet und eingerichtet von Wilhelm von Scholz. 5. und 6. Tausend. In Pappband.

SÄMTLICHE WERKE. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier. Text der Ausgabe Franz Zinkernagels. In Leinen und Leder.

HYPERION ODER DER EREMIT IN GRIECHENLAND. Taschenausgabe. 4.—7. Tausend. In Pappband.

HOMERS ODYSSEE. Neu übertragen von Rudolf Alexander Schröder. 21.—25. Tausend. In Halbleinen.

HUCH, RICARDA: ALTE UND NEUE GEDICHTE. Zweite Auflage. In Pappband.

DER GROSSE KRIEG IN DEUTSCHLAND. Drei Bände 10.—13. Tausend. In Halbleinen. Der Roman des Dreißigjährigen Krieges.

DAS LEBEN DES GRAFEN FEDERIGO CONFALONIERI. 13.—15. Tausend. In Halbleinen.

DER LETZTE SOMMER. Eine Erzählung in Briefen. 7. bis 9. Tausend. In Pappband. ENTPERSÖNLICHUNG. 6.—10. Tausend. In Halbleinen.

VON DEN KÖNIGEN UND DER KRONE. 8. Auflage. In Pappband und Leinen.

LUTHERS GLAUBE. Briefe an einen Freund. 16.—19. Tausend. In Pappband.

MICHAEL UNGER. Des Romans „Vita somnium breve“ neunte Auflage. In Halbleinen.

DIE VERTEIDIGUNG ROMS. Der Geschichten von Gan- baldi erster Teil. 7.9. Tausend. In Halbleinen.

DER KAMPF UM ROM. Der Geschichten von Garibaldi zweiter Teil. 5.—7. Tausend. In Halbleinen.

- DER SINN DER HEILIGEN SCHRIFT. 11.—15. Tausend. In Halbleinen.

WALLENSTEIN. 10.—12. Tausend. In Pappband.

(HUMBOLDT:) DIE BRAUTBRIEFE WILHELMS UND CAROLINENS VON HUMBOLDT. Herausgegeben von Albert Leitzmann. 6.—9. Tausend. In Pappband und Halbleder

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JACOBSEN, JENS PETER: SÄMTLICHE WERKE. Autori- sierte Übertragung von Mathilde Mann, Anka Matthiesen und Erich Mendelssohn. Mit dem von A. Helsted 1885 radierten Por- trät. 22.—25. Tausend. In Leinen und Leder.

JAHRBUCH DER SAMMLUNG KIPPENBERG. Erster Band. Mit 6 Bildertafeln. Zweiter Band. Mit 6 Bildertafeln. In Halbleinen.

JAPANISCHER FRÜHLING. Nachdichtungen japanischer Lyrik von Hans Bethge. 21.—24. Tausend. In Halbleinen nach Art chine- sischer Blockbücher und in Seide.

KANTS KRITIK DER REINEN VERNUNFT. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier. 11.—15. Tausend. In Leinen.

KANTS BRIEFE. Ausgewählt und herausgegeben von F. Okmann. In Halbleinen.

KASSNER, RUDOLF: DIE CHIMÄRE. In Pappband. ENGLISCHE DICHTER. In Pappband. DER INDISCHE GEDANKE. VON DEN ELEMENTEN

DER MENSCHLICHEN GRÖSSE. Zweite Auflage. In Papp- band.

DIE GRUNDLAGEN DER PHYSIOGNOMIK. In Pappband.

MELANCHOLIA. Eine Trilogie des Geistes. Zweite Auflage. In Pappband.

DIE MORAL DER MUSIK. Aus den Briefen eines Musikers. Dritte Auflage. In Pappband.

DER TOD UND DIE MASKE. Gleichnisse. Zweite Auflage. In Pappband.

ZAHL UND GESICHT. In Pappband.

KATHARINA II., KAISERIN VON RUSSLAND: MEMOIREN. Aus dem Französischen und Russischen übersetzt und heraus- gegeben von Erich Boehme. Mit 16 Bildnissen. 11.—15. Tausend. In Pappband und Halbleder.

KELLER, GOTTFRIED: GESAMMELTE WERKE. Eingeleitet von Ricarda Huch. 7.—10. Tausend. Vier Bände auf Dünndruck- papier. In Leinen, Halbleder und Leder.

KLOSTERLEBEN IM DEUTSCHEN MITTELALTER. Heraus- gegeben von Johannes Bühler. Mit 16 Bildertafeln. In Pappband und Halbleder.

195

LACLOS, CHODERLOS DE: SCHLIMME LIEBSCHAFTEN (Liaisons dangereuses). Übertragen von Hanrich Mann. Auf Dünndruckpapier. In Leinen und Leder.

LAO-TSE: DIE BAHN UND DER RECHTE WEG. Der chine- sischen Urschrift in deutscher Sprache nachgedacht von Aleran- der Ular. 14.—16. Tausend. In Pappband und Halbpergament.

LAWRENCE, D. H.: DER REGENBOGEN. Berechtigte Über- tragung aus dem Englischen von F. Franzius. In Pappband mit Japanüberzugpapier.

MOMBERT, ALFRED: AEON. Dramatische Trilogie. Drei Bände. In Pappband.

DIE BLÜTE DES CHAOS. Gedichtwerk. Neue Ausgabe. In Pappband.

DER DENKER. Gedichtwerk. Neue Ausgabe. In Pappband.

TAG UND NACHT. Gedichte. Zweite Auflage. In Pappband.

-- DER GLÜHENDE. Gedichtwerk. Dritte Auflage. In Pappband.

DER HELD DER ERDE. Gedichtwerk. In Pappband.

DER HIMMLISCHE ZECHER. Ausgewählte Gedichte. Neu, erweiterte Ausgabe. In Pappband.

DIE SCHÖPFUNG. Gedichtwerk. Dritte Auflage. In Pappband.

MUNK, GEORG: IRREGANG. Roman. &. ro. Tausend. In Papp- band.

DIE UNECHTEN KINDER ADAMS. Ein Geschichtenkreis. Zweite Auflage. In Halbleinen.

SANKT GERTRAUDEN MINNE. In Halbleinen.

NIETZSCHES BRIEFE. Ausgewählt und herausgegeben von Richard Oehler. 21.—25. Tausend. In Halbleinen.

OKAKURA, KAKUZO: DIE IDEALE DES OSTENS. Aus dem englischen Original übertragen von a Margieripe Steindorff. 6. bis 10. Tausend. In Papphand.

DAS BUCH VOM TEE. Mit 20 farbigen Lithographien von Georg A. Mathey. Gedruckt in den Werkstätten der staatlichen Akademie zu Leipzig. In Halbleinen nach Art chinesischer Blockbücher gebunden. Vorzugsausgabe: 100 numerierte Exem- plare auf echtem Chinapapier in Seide.

PFISTER, KURT: BRUEGEL. Mit 78 ganzseitigen Bildertafeln nach Gemälden des Meisters. In Halbleinen.

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RIEMER, FRIEDRICH WILHELM: MITTEILUNGEN ÜBER GOETHE. Herausgegeben von Arthur Pollner. Mit 24 Bilder- tafeln. In Pappband und Halbleder.

RILKE, RAINER MARIA: ERSTE GEDICHTE. 14.—16. Tausend. In Pappband und Halbpergament.

DIE FRÜHEN GEDICHTE. 15.—17. Tausend. In Pappband und Halbpergament.

DAS BUCH DER BILDER. 20.—22. Tausend. In Pappband und Halbpergament.

NEUE GEDICHTE. 15.—17. Tausend. In Pappband und Halb-

pergament.

DER NEUEN GEDICHTE ANDERER TEIL. TE Tau- send. In Pappband und Halbpergament.

DAS STUNDENBUCH. Enthaltend die drei Bücher: Vom mönchischen Leben; Von der Pilgerschaft; Von der Armut und vom Tode.) 40.—49. Tausend. In Halbleinen.

REQUIEM. (Für eine Freundin. Für Wolf Graf von Kalck- reuth.) ro.—12. Tausend. In Pappband.

GESCHICHTEN VOM LIEBEN GOTT. 29.—33. Tausend. In Pappband.

DIE AUFZEICHNUNGEN DES MALTE LAURIDSBRIGGE. 18.—20. Tausend. In zwei Pappbänden.

AUGUSTE RODIN. Mit 96 Vollbildern. 36.—40. Tausend. In Halbleinen.

RIMBAUD. ARTHUR: LEBEN UND DICHTUNG. Über- tragen von A. L. Ammer, eingeleitet von Stefan Zweig. Mit einem Bildnis Rimbauds. Zweite Auflage. In Leinen.

(ROBEZAHL:) Bekannte und unbekannte Historien von dem abenteuerlichen und weitberufenen Gespenst, dem Aüberzah!, zuwege gebracht durch M. Johannes Praetorius. Mit Wiedergabe von 16 Holzschnitten der Ausgabe von 1738. In Pappband und Halbleder.

SACHS, HANS: AUSGEWÄHLTE WERKE. (Gedichte und Dra- men.) Mit Reproduktionen von 60 Holzschnitten von Dürer, Behan u.a. nach Originaldrucken. Dritte Auflage. Zwei Bände. In Halbpergament.

197

SCHAEFFER, ALBRECHT: DIE SAALBORNER STANZEN. Gedruckt als drittes Buch der Insel-Presse zu Leipzig in drei- hundert numerierten Exemplaren auf echtem Büttenpapier. In Pergament (Handband) und Halbpergament.

DER GÖTTLICHE DULDER. Dichtung. In Pappband und Halbleder.

ELLI ODER SIEBEN TREPPEN. Beschreibung eines weib- lichen Lebens. 5.—8. Tausend. In Pappband.

GEVATTER TOD. Märchenhaftes Epos in vierundzwanzig Mondphasen und einer als Zugabe. In Pappband.

GUDULA ODER DIE DAUER DES LEBENS. 7.—10.Tausend. Eine Erzählung. In Pappband.

HELIANTH. Bilder aus dem Leben zweier Menschen von heute und aus der norddeutschen Tiefebene in neun Büchern. Drei Bände. In Halbleinen und Halbpergament.

JOSEF MONTFORT. Erzählungen. 8.—11. Tausend. In Pappkd.

PARZIVAL. Ein Versroman in drei Kreisen. Geheftet, in Halbleinen und Halbleder.

SCHEFFLER, KARL: DER GEIST DER GOTIK. Mit 102 Voll- bildern. 31.—35. Tausend. In Halbleinen.

SCHILLERS SÄMTLICHE WERKE in sechs Bänden. Heraus- gegeben von Albert Köster und Max Hecker. Großherzog Wilhelm Ernst- Ausgabe deutscher Klassiker. In Leinen und Leder.

SCHMIDT, PAUL FERDINAND: PHILIPP OTTO RUNGE. Sein Leben und sein Werk. Mit 80 Bildtafeln. In Halbleinen und Halbpergament.

Dritter Band der Sammlung: Deutsche Meister, herausgegeben von Karl Scheffler und Curt Glaser.

SCHOPENHAUERS WERKE in fünf Bänden. Großherzog Mil helm Ernst-Ausgabe deutscher Älassiker. In Leinen und Leder.

SCHOPENHAUERS APHORISMEN ZUR LEBENSWEISHEIT. Taschenausgabe. 29.—34. Tausend. In Leinen und Leder.

SCHRÖDER, RUDOLF ALEXANDER: HAMA. Scherzhafte Gedichte und Erzählungen. In Pappband.

SEIDEL, WILLY: DER BUSCHHAHN. Roman. In Pappband.

DER GARTEN DES SCHUCHAN. Novellen. Zweite Auflage In Pappband.

198

SHAKESPEARES GESAMMELTE WERKE in Einzelaus- gaben. Auf Grund der Schlegel-Tieckschen Übertragung bear- beitet und vielfach erneuert von Hermann Conrad, Max Förster, Ludwig Fraenkel, Marie Louise Gothein, Rudolf Imelmann, Fritz Jung, Max J. Wolff. In Pappband und Halbpergament.

Bisher erschienen: Macbeth. Hamlet. Othello. Ein Sommer- nachtstraum. König Lear. Sturm. Was ihr wollt. Cym- belin. Verlorene Liebesmüh. König Heinrich IV. (Doppelband.)

Weitere Bände werden in kurzem folgen. STENDHAL, FRIEDRICH VON ENRY BEYLE): DAS

LEBEN EINES SONDERLINGS. Übertragen v. Arthur Schurig. Auf Dünndruckpapier. In Leinen und Leder.

VON DER LIEBE. Übertragen von Arthur Schurig. 6.—r10. Tau- send. Auf Diinndruckpapier. In Leinen und Leder,

STIFTER, ADALBERT: DER NACHSOMMER. Roman. Voll- ständige Ausgabe in einem Bande auf Dünndruckpapier. 6. bis 9. Tausend. In Leinen und Leder.

STUDIEN. (Erzählungen.) Vollständige Ausgabe in zwei Bänden auf Düundruckpapier. 14.—17. Tausend. In Leinen und Leder.

WITIKO. Roman. Vollständige Ausgabe auf Dünndruckpapier. 5.—8. Tausend. In Leinen und Leder.

STORM, THEODOR: SÄMTLICHE WERKE. In acht Bänden. Herausgegeben und eingeleitet von Albert Köster. 16.—19. Tausend. In Halbleinen und Halbpergament.

(10oıNACHT:) DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND- UNDEIN NÄCHTEN. Vollständige deutsche Ausgabe in sechs Bänden. Zum ersten Male nach dem arabischen Urtext der Cal- cuttaer Ausgabe vom Jahre 1839 übertragen von Enno Littinann. Erster und zweiter Band, in Leinen und Leder.

Jeder Band dieser neuen Ausgabe umfaßt zwei Bände der früheren zwölfbändigen Ausgabe. Sie soll im Jahre 1924 voll- ständig vorliegen.

TIMMERMANS, FELIX: DAS JESUSKIND IN FLANDERN. Aus dem Flämischen übertragen von Anton Aippenberg. 9. bis 13. Tausend. In Pappband.

PALLIETER. Aus dem Flämischen übertragen von Anna Valeton-Hoos. 11.—15. Tausend. In Pappband.

199

TOLSTOI, LEO N.: MEISTERROMANE. Übertragen von Adolf Heß und H. Röhl. In 7 Halbleinenbänden und Halbpergament.

Inhalt: Anna Karenina Auferstehung Krieg und Frieden.

TSCHUANG-TSE: REDEN UND GLEICHNISSE. In deutscher Auswahl von Martin Buber. 9.—11. Tausend. In Pappband und Halbpergament.

TWAIN, MARK: DER GEHEIMNISVOLLE FREMDE. Eme Phantasie. Übertragung von Wilhelm Nobbe. In Leinen.

UHDE-BERNAYS, HERMANN: ANSELM FEUERBACH. Mit 80 ganzseitigen Abbildungen nach Gemälden und Handzeich- nungen Feuerbachs. 11.—15. Tausend. In Halbleinen.

ULLMANN, REGINA: GEDICHTE. In Pappband. DIE LANDSTRASSE. Erzählungen. In Pappband.

VERHAEREN, EMILE: FÜNF ERZÄHLUNGEN. Mit 28 Holz- schnitten von Frans Masereel. Zweite Auflage. In Halbleinen.

DREI DRAMEN. (Helenas Heimkehr; Philipp II.; Das Kloster.) Nachdichtung von Stefan Zweig. In Pappband.

REMBRANDT. Übertragen von Stefan Zweig. Mit 96 ganz- seitigen Abbildungen nach Gemälden, Zeichnungen und Ra- dierungen Rembrandts. 41.—45. Tausend. In Halbleinen.

RUBENS. Übertragen von Stefan Zweig. Mit 95 ganzseitigen Bildtafeln. 26.—30. Tausend. In Halbleinen.

DIE WOGENDE SAAT. Übertragen von Paul Zech. In Papp- band.

VERLAINE, PAUL: GESAMMELTE WERKE in zwei Bänden. Eine Auswahl der besten Übertragungen, herausgegeben von Stefan Zweig. Mit zahlreicheu Bildbeigaben. In Halbleinen und Halbpergament. :

VERMEYLEN, AUGUST: DER EWIGE JUDE. Aus dem Flä- mischen übertragen von Anton Kippenberg. Mit 12 Holzschnitten von Frans Masereel. In Halbleinen.

WALDMANN, EMIL: ALBRECHT DÜRERS STICHE UND HOLZSCHNITTE. Mit 80 Vollbildern. 11.—20. Tausend. In Halbleinen.

ALBRECHT DÜRERS HANDZEICHNUNGEN. Mit 80 Voll- bildern. 11.—20. Tausend. In Halbleinen.

200

WALZEL, OSKAR: VOM GEISTESLEBEN ALTER UND NEUER ZEIT. Zweite Auflage. In Halbleinen.

WASMANN, FRIEDRICH. Ein deutsches Künstlerleben, von ihm selbst geschildert. Herav igegeben von Bernt Grönvolt. Mit 107 Vollbildern in Lichtdruck. In Leinen.

WILDE, OSKAR: DIE ERZÄHLUNGEN UND MÄRCHEN. Mit 10 Vollbildern sowie Initialen, Titel- und Einbandzeichnung von Heinrich Vogeler-Worpswede. 106.—115. Tausend. In Pappband und Halbpergament.

ZWEIG, STEFAN: AMOK. Novellen einer Leidenschaft. In Halbleinen.

DREI MEISTER (BALZAC DICKENS— DOSTOJEWSKI). 9.—12. Tausend. In Pappband und Halbpergament.

ERSTES ERLEBNIS. Vier Geschichten aus Kinderland. 12. bis 25. Tausend. In Halbleinen. i

JEREMIAS. Eine dramatische Dichtung in neun Bildern. 19.—21. Tausend. In Pappe und Halbpergament.

DIE BIBLIOTHEK DER ROMANE Jeder Band in Halbleinen.

WILLIBALD ALEXIS: DIE HOSEN DES HERRN VON BREDOW. Vaterländischer Roman. 16.—20. Tausend.

CYRIEL BUYSSE: ROSE VAN DALEN. Ans dem Flämischen übertragen von Georg Gärtner.

CERVANTES: NOVELLEN. Vollständige deutsche Ausgabe auf Grund älterer Übertragungen bearbeitet von Konrad Thorer. Mit einem Nachwort von Hermann Schneider. Zwei Bände.

DE COSTER: FLÄMISCHE MÄREN. Übertragen von Albert Wesselski. 11.—20. Tausend.

DIE HOCHZEITSREISE. Ein Buch von Krieg und Liebe. Zum ersten Male übertragen von Albert Wesselski. 31.—40. Tausend.

UILENSPIEGEL UND LAMME GOEDZAK. Ein fröhliches Buch trotz Tod und Tränen. Übertragen von Albert Wesselski. 31.—40. Tausend. Doppelband.

801

DOSTOJEWSKI: SÄMTLICHE ROMANE UND NOVELLEN in Einzelausgaben. (Gesamtausgabe siehe Seite 191.) Arme Leute. Ein Band. Der Doppelgänger. Ein Band. Aus dem Dunkel der Großstadt. Helle Nächte. Ein Band. Die Wirtin und andere Novellen. Ein Band. Netotschka Njeswanowa und andere Erzählungen. Ein Band. Ein kleiner Held. Onkelchens Traum. Ein Band. Das Gut Stepantschikowo. Ein Band. Erniedrigte und Beladigte. Zwei Bände, Aufzeichnungen aus einem Totenhause. Ein Band. Der Spieler und andere Erzählungen. 11.—ı5. Tausend. Ein Band. Der Idiot. Drei Bände.

Der lebenslängliche Ehemann Die fremde Frau und der Marc: unter dem Bett. Ein Band.

Die Teufel. Drei Bände.

Werdejahre. Zwei Bände.

Die Brüder Kararnasoff. Übertragen von Karl Nötzel. 21. bis 30. Tausend. Drei Doppelbände.

GEORGES EEKHOUD: DAS NEUE KARTHAGO. Roman aus dem heutigen Antwerpen. Übertragen von Tony Kellen.

FLAUBERT: FRAU BOVARY. Übertragen von Arthur Schurig. 31.—3 5. Tausend.

SALAMBO. Ein Roman aus dem alten Karthago. Übertragen von Arthur Schurig. 21.—25. Tausend.

LOUISE VON FRANCOIS: FRAU ERDMUTHENS ZWIL- LINGSSÖHNE. Ein Roman aus der Zeit der Freiheitskriege. 16.—20. Tausend.

DIE LETZTE RECKENBURGERIN. 49.—58. Tausend.

JEREMIAS GOTTHELF: WIE ULI DER KNECHT GLUCK- LICH WIRD. 17.—ı5. Tausend.

E. T. A. HOFFMANN: DER GOLDNE TOPF KLEIN ZACHES MEISTER MARTIN DER KÜFNER UND SEINE GESELLEN. 11.— 15. Tausend.

JENS PETER JACOBSEN: FRAU MARIE GRUBBE. Über- tragen von Mathilde Mann, 21.—25. Tausend.

NIELS LYHNE. Übertragen von Anka Matthiesen. 41.—45. Taus.

203

GOTTFRIED KELLER: DAS SINNGEDICHT.

SELMA LAGERLÖF: GÖSTA BERLING. Erzählung aus dem alten Wermland. Übertragen von Mathilde Mann. 35.—42. Tau- send. Zwei Bände.

JONAS LIE: DIE FAMILIE AUF GILJE. Roman aus dem Leben unserer Zeit. Übertragen von Mathilde Mann.

WILHELM MEINHOLD: MARIA SCHWEIDLER, DIE BERNSTEINHEXE. Der interessanteste aller bisher bekann- ten Hexenprozesse, nach einer defekten Handschrift ihres Vaters herausgegeben.

EDUARD MÖRIKE: MALER NOLTEN. In ursprünglicher Gestalt. 11.—ı5. Tausend. Doppelband.

KARL PHILIPP MORITZ: ANTON REISER. Ein psycho- logischer Roman. 6.—10. Tausend.

HENRI MURGER: DIE BOHEME. Szenen aus dem Pariser Künstlerleben. 21.—25. Tausend.

CHARLES-LOUIS PHILIPPE: MARIE DONADIEU. Über- tragen von Friedrich Burschell.

SCHEFFEL: EKKEHARD. Eine Geschichte aus dem 10. Jahr- hundert. 36.—40. Tausend. Doppelband.

WALTER SCOTT: IVANHOE. In der Übersetzung von L. Tafel. 71.—ı5. Tausend. .

DER TALISMAN. In der revidierten Übertragung von August Schäfer. 11.—15. Tausend.

CHARLES SEALSFIELD (KARL POSTL): DAS KAJOTEN- BUCH. (Ein Roman aus Texas.) 71.— 15. Tausend.

STIJN STREUVELS: DER FLACHSACKER. Aus dem Flämischen übertragen von Severin Rüttgers.

AUGUST STRINDBERG: AM MEER. Übertragen von Mathilde Mann.

DIE LEUTE AUF HEMSO. Übertragen von Mathilde Mann. 11.—20. Tausend.

THACKERAY: DIE GESCHICHTE DES HENRY ESMOND, von ihm selbst erzählt. Übertragen von E. v. Schorn.

LUDWIG TIECK: VITTORIA ACCOROMBONA. Ein Roman aus der Renaissance.

203

CLAUDE TILLIER: MEIN ONKEL BENJAMIN. Übertragen von Rudolf G. Binding. 11.—15. Tausend.

TOLSTOI: ANNA KARENINA. Übertragen von H. Röhl. 21. bis 25. Tausend. Zwei Doppelbände.

AUFERSTEHUNG. Übertragen von Adolf Heß. 21.—24. Tau- send. Doppelband.

KRIEG UND FRIEDEN. Übertragen von H. Röhl. 14. bis 18. Tausend. Vier Doppelbände.

TURGENJEFF: VÄTER UND SÖHNE. In der vom Dichter selbst revidierten Übertragung. 22.—27. Tausend.

WILHELM WEIGAND: DIE FRANKENTHALER. zr. bis rs. Tausend.

OSCAR WILDE: DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY. Uber- tragen von Hedwig Lachmann und Gustav Landauer. 16. bis 25. Tausend.

ZOLA: NANA. Übertragen von Karl Lerbs. Doppelband.

DER ZUSAMMENBRUCH. Übertragen von Franz Franzius. Doppelband.

DEUTSCHE VERGANGENHEIT

Nach zeitgenössischen Quellen von Johannes Bühler. Jeder Band in Pappband und Halbleder. KLOSTERLEBEN IM DEUTSCHEN MITTELALTER. Mit 16 Bildertafeln.

DIE GERMANEN IN DER VOLKERWANDERUNG. Mit 16 Bildertafeln und einer Karte.

DAS FRANKENREICH. Mit 16 Bildertafeln und einer Karte.

DER DOM Bücher deutscher Mystik.

In Verbindung mit Josef Bernhart, Alois Bernt, Johannes Bühler, Max Fischer, Leopold Naumann, Max Pulver, Johannes Schmidt, Karl Widmaier herausgegeben von Hans Kayser.

Jeder Band in Halbleinen und Halbpergament.

FRANZ VON BAADER: SCHRIFTEN. Ausgewählt und heraus- gegeben von Mar Pulver.

204.

JAKOB BÖHME: AUSGEWÄHLTE SCHRIFTEN. Heraus- gegeben von Hans Kayser. 4.6. Tausend.

GUSTAV TH. FECHNER: ZEND-AVESTA. Herausgegeben von Max Fischer. 5.—7. Tausend.

J. G. HAMANN: SCHRIFTEN. Ausgewählt und herausgegeben von Äarl Widmater.

HILDEGARD VON BINGEN: SCHRIFTEN. Ausgewählt und herausgegeben von Johannes Bühler.

THEOPHRASTUS PARACELSUS: SCHRIFTEN. Herausge- geben von Hans Kayser,

JOHANN TAULER: PREDIGTEN. In Auswahl übertragen und eingeleitet von Leopold Naumann.

THEOLOGIA DEUTSCH. Herausgegeben und mit einer aus- führlichen Einleitung über das Wesen der Mystik versehen von Josef Bernhart. 4.—6. Tausend.

Ausführliche Ankündigungen über die vorerst auf etwa zwölf Bände berechnete Sammlung stehen zur Verfügung.

BIBLIOTHECA MUNDI (In den Ursprachen)

Jeder Band in Pappband mit Pergamentverstarkung und in Halbleder.

ANTHOLOGIA HEBRAICA (Hebräische Anthologie). Poemata selecta a libris divinis confectis usque ad Iudaeorum ex His- pania expulsionem.

ANTHOLOGIA HELVETICA (Schweizer Anthologie). Deutsche, lateinische, französische, italienische, rätoromanische Gedichte und Volkslieder.

ANTHOLOGIA HUNGARICA (Ungarische Anthologie). BAUDELAIRE: LES FLEURS DU MAL.

BYRON: POEMS.

Q. HORATI FLACCI OPERA.

KLEIST: ERZÄHLUNGEN.

MUSSET: TROIS DRAMES (Andre del Sarto; Lorenzaccio; La Coupe et les Lèvres).

205

NAPOLEON: DOCUMENTS. DISCOURS. LETTRES. PYCCKIH IIAPHACCB (Russischer Parnaß).

SANTA TERESA: LIBRO DE SU VIDA. STENDHAL: DE L'AMOUR.

LIBRI LIBRORUM (In den Ursprachen.) Jeder Band auf Dünndruckpapier gedruckt und schmiegsam in Leinen und Leder gebunden. BALZAC: LES CONTES DROLATIQUES.

DANTE: OPERA OMNIA. Enthaltend La Divina Commedia, Il Canzoniere, Vita Nuova, Il Convivio, sowie die lateinischen Schriften und Briefe. Mit einer Einleitung von Benedetto Croce. Zwei Bände.

AOCTOEBCKIM: IIPECTYIIIEHIE H HAKA3AHIE. (Dostojewski: Schuld und Sühne.)

OMHPOY EIIH. (IAIAZ. OAYZZEIA.) Herausgegeben von

Paul Cauer. DER NIBELUNGE NOT. KUDRUN. Herausgegeben von Eduard Sievers. PANDORA

(In den Ursprachen) Jeder Band in Pappband nach Art der Insel-Biicherei.

Bisher erschienen 52 Bände Novellen, Dramen und Gedicht- zyklen aus der Weltliteratur.

DIE INSEL-BÜCHEREI Jeder Band in Pappband mit farbigem Überzugpapier.

Die Sammlung umfaßt bisher 350 Bände und enthält Novellen, Erzählungen, Volksbücher, Dramen, Gedichte, Sprüche, Briefe, Memoiren, Kunstbücher und Essays aller Völker und Zeiten.

Sonderverzeichnisse beider Sammlungen stehen unberechnet zur Verfügung.

206

INHALT

Kalendarium für das Jahr 19g: Hugo von Hofmannsthal: Vorspiel zum Salzburger großen

Welttheater . . . E a ee Gee A : Briefe Bettinas an Gocthe Boks Se tas E as ae. Ss E E Aus dem Buche „Das Frankenreich! 2 8 Johannes R. Becher: Aus der Hymne ge Sendung? 8 Kabbalistische Erzählungen E

Rainer Maria Rilke: Zwei Gedichte

Jakob Philipp Fallmerayer: Hagion-Oros oder der heilige Berg Athos

Theodor Däubler: Den Schlag der Nachtigall hat sich, ein Stern erschaffen

Ein Brief von Lili Schönemann

Paul Amann: Napoleons Dynamik . .... .

Stefan Zweig: Der Dirigent re

Zwei ungedruckte Briefe an Georg Büchner Er i

Theodor Bluth: Einigen Freunden zum Gedächtnis Aus „Reinke Vos VE u el en en ee E Aus den Gedichten des Grafen C. w. e Regina Ullmann: Münze des Bett les.

Wilhelm Heinse: Ungedruckte Aphorismen .

Hermann Bahr: Das alte Wahre .

Alexander Lernet-Holenia: Der Frühling.

Hans Carossa: Aus dem Rumänischen Tagebuch.

Guido Gezelle: Zwei Gedichte

lohann Tauler: Eine Predigt .

Albrecht Schaeffer: Aus „Das Kleinod im ee eine Buddha- Legende“ .

Chinesische Lieder ;

Philipp Otto Runge: Über die Bären. n nw

Rainer Maria Rilke: Gedicht.

Bucher aus dem Insel-Verlag. . o s 2. 2 2 + « «=

106 109 113 116 122 127 134 156 151 155

166 180 182 186 187

207

ABBILDUNGEN IM TEXT

Frans Masereel: Holzschnitt zu Verhaeren, „Weiße Weih- nacht“

Wie der Herr sustrieh die Käufer una Verkäufer von ‚dem Tempel lll Be en

Von der Gei gelung ie. er >)

Zwei Holzschnitte des 15. Jahrhunderts aus der 8 des Lebens Jesu Christi“.

Z. wei Holzschnitte zu „Reinke Voß“ . . . . . 110.

Nach der 1567 bei Sigmund Feyrabend in Frankfurt gedruckten Ausgabe.

Frans Masereel: Holzschnitt zu Verhaeren, „Im Eden“ BILDTAFELN

Rudolf Großmann: Steinzeichnung zu Li-Tai-Pe . . nach

Athen, Tempel des Olympischen Zeus . . . nach

Phokis, Kloster Hosios Lukas. Mittelbyzantinische

Krypta é . . nach

Zwei Bildtafeln aus Ernst Reline, „Griechenland“, Rudolf Großmann: Steinzeichnung zu Li-Tai- Pe . nach Philipp Otto Runge: Nachtigallengebüsch, Ausschnitt nach —: Studie zum Morgen nach

Zwei Bildtafeln aus Paul F. Schmidt: „Philipp Otto Runge, Sein Leben und sein Werk“.

rr. K—-t⏑? ...... ̃ͤ ͤ ... ee ee ne Druck der Spamerschen Buchdruckerei ia l

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AUF DAS JAHR

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INSEL ALMANACH FÜR DAS JAHR

IM INSEL-VERLAG LEIPZIG

KALENDARIUM

Was machst du an der Welt? Sie ist schon gemacht, Der Herr der Schöpfung hat alles bedacht.

Dein Los ist gefallen, verfolge die Weise,

Der We; ist begonnen, vollende die Reise:

Denn Sorgen und Kummer verändern es nicht,

Sie schleudern dich ewig aus gleichem Gewicht.

GOETHE

JANUAR

S. n. Neujahr. Ep.

2.2 VWM!| | u m win >

4. S. n. Epiphanias

2. S. n. Epiphanias

8. S. n. Epiphanias

AAAAAAAA A AA AA AA AA A A AA AA A AA a A A A A A A A AA AA AA A AA AA AA AA AA A AA A AA AA AA AA A Ar AAN

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FEBRUAR

Freitag Sonnabend 4. S. n. Epiphanias Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend 5. S. n. Epiphanias Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend Septuagesima Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

Sexagesima Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag

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Estomihi Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend Invocavit Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

Reminiscere Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend Oculi Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

Judica Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend Palmarum Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Karfreitag

Sonnabend

Ostersonntag Ostermontag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

Quasimodogeniti |

Montag Dienstag Mittwoch

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Donnerstag Freitag Sonnabend

Misericordias Domini Montag

Dienstag

Mittwoch Donnerstag

Freitag

Sonnabend

Jubilate Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

Cantate Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

Rogate Montag Dienstag Mittwoch Himmelfahrt Freitag Sonnabend

Exaudi Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

Pfingstsonntag Pfingstmontag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend Trinitatis Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

4. S. n. Trinitatis

Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

2. S. n. Trinitatis

Montag

2.2.2.2. 2.2. 2.2.2.2. 2 2. 2. 2.4.42. 4 2 2 2 4 2 Dee

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Mittwoch

Donnerstag Freitag Sonnabend

8. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

4. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

5. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

6. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag

AUGUST

Freitag Sonnabend

7. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

8. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

9. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

40. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag

Sonnabend 44. S. n. Trinitatis

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SEPTEMBER

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42. S. n. Trinitatis

Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

43. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

44. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

45. S. n. Trinitatis Montag

OKTOBER

Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend 46. S. n. Trinitatis Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

47. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

48. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

49. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag

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NOVEMBER

Sonnabend

20. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

21. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

22. S. n. Trinitatis Montag

Dienstag

Bußtag Donnerstag Freitag Sonnabend

Totenfest Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend 4. Advent

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DEZEMBER

Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

2. Advent Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

3. Advent Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend 4. Advent Montag Dienstag Mittwoch

4. Weihnachtsfeiertag 2. Weihnachtsfeiertag @

Sonnabend

S. n. Weihnachten Montag

Dienstag

Silvester

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REGULA KREUZFEIND Legende von Albrecht Schaeffer

Recut a, als sie zwölf Jahre zählte, beschloB auszu- wandern. Wie ging das zu? So ging das zu, daß sie bei also geringem Alter schon viele Drangsale zu dulden hatte, was von einer absonderlichen Natur ihres Herzens herrührte, nämlich folgendermaßen.

Regulam, die von allem Anfange an ein gescheites Pflänzlein gewesen, das eher plappern lernte als krie- chen, und das man schon in dem zartesten Alter auf einem Sesselchen treffen konnte, Bein mit Beine ge- deckt und die Hände gefaltet, worauf es die Augen er- hob und eine gewaltige Frage, die es erwogen, über Himmel und Erde auftat: Regulam nahm ihre Mutter Christine in die Kirche mit, da sie fünf Jahre zählte, um ihr die Herrlichkeit Gottes in seiner Anbetung zu erweisen. Sie war aber noch nicht lange am Knien unter den übrigen Weibern, als sie einer großen Ungebühr inne wurde, dieweil das Kind laut mit den Zahnen klapperte und dazwischen tief seufzte. Die Mutter sah sich um und sah Regulae Antlitz, welches rund und fast knollig und immer schön rot anzusehen war, sah sie weiß wie der Wandkalk und mit kohlschwarzen Augen; und das Kind ächzte, als ob es Schmerzen litte, und sagte: »Ach, Mutter, der garstige Mann! Ach, der böse Mann!« Sagte das von dem guten Heiland, der auf dem Altare stand vor seinem Kreuz, an das er genagelt

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war, und so groß war, als ob erlebte. Ein grausiger An- blick freilich in seinem hölzernen Leiden und Sterben. »Bist du wohl still!« raunte die Mutter, »der ist ja nicht bös!« Das Kind schwieg, doch es währte nicht lange, so ließ sich wieder das Zahnklappern hören, dann ein Schluchzen, dann wieder ein Klappern; es blieb der Mutter nichts übrig, als ihr Geschöpf in das Freie zu führen, damit es die Andacht nicht störe. Sie war eine fromme Frau und im Herzens-Grunde nicht unmild; führte das Kind auf dem Gottes-Acker umher, zeigte ihr die Blumen und hier und da in einem geschmie- deten Grab-Zeichen den armen Heiland, nur klein und nicht so schrecklich; und sie lehrte dem Kind seine große Güte, und daß es die Bösen waren, die mit ihm so verfuhren. Das Kind war still, sie brachte es heim, nahm die Postille und las ihm die Geschichte von der Weihnacht und mancherlei andres Ding ausdem wun- dertätigen Leben; wie er gut war und wie töricht die Menschen, und wie ihn Judas verriet; wie er gekreuzigt wurde und starb; wie er begraben wurde und wieder auferstand und gen Himmel fuhr zu großer Freude seines Vaters und aller Menschen, da er nun in der Glorie wohnt und uns Alle erwartet. Tat das Kind einen schweren Seufzer und fragte: »Hängt er dann nicht mehr an dem Holz? (Er sitzt zur Rechten seines Vaters in einem ewigen Sonnenschein, sagte die Mutter. »Ist ihm ganz wohl? fragte die Regul. »Immerdar wohl, bekräftigte sie. O Warum haben sie ihn denn wieder auf-

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gehangen?« »Es ist ja nur ein Bild und ein Gleichnis,« erklärte die Mutter, »damit wir uns seiner Leiden er- innern.« »Wenn er aber doch in dem Himmelschein ist, warum muß er am Kreuz hängen?« »Ich sagte es doch, Kind, damit wir es nicht vergessen.“ „Warum muß er so häßlich aussehen, wenn er es gut hat im Himmel oben?« »Das haben die Menschen getan!« »Haben sie ihn nicht begraben?« »Das haben sie wohl, du Quälgeist!« »Warum haben sie ihn nicht drinnen gelassen? (fragte das Kind. »Nun hab ich es dir zwei- mal gesagt,« versetzte Christine, »nun ist es genug.« Sie ließ ab von dem Kinde, ging an ihre Wirtschaft. Regula saß nachdenkend eine Weile, dann holte sie ihre Puppe aus dem Winkel, entkleidete sie splitter- nackt, fing an ihr Arme und Beine zu biegen, bald so und bald so, legte ihr zuletzt die ledernen Hände fest am Leib, umhüllte sie mit einem Lumpen und barg sie im Winkel. Plötzlich lief sie zur Mutter hin, die am Kiichenherd stand und rührte, zupfte sie am Kleid und sagte: »Mutterle, warum haben sie ihn doch wieder aufgehangen?« »Dummes Kind,« schalt die Geplagie, »ich kann dichs nicht lehren, wart, bis du älter bist.«

Es begann aber hiermit eine Zeit des Kummers für Mutter und Kind. Denn da wieder der Sonntag kam und Christine den Kirchgang rüstete, sagte die Regul: »Ich will nicht!« und wehrte sich so und erhob ein solches Geschrei und Weinen, daß die Mutter sie im Zimmer verschloß und allein kirchwärts ging, voller

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Leid über das ungeratene Wesen, auch voll Angst vor einem bösen Geist, der in Regula hauste und sie zwang, schon jetzt wie ein Ketzer zu reden. Und sie offenbarte es dem Priester. Der kam und begann Regulam noch- mals zu unterweisen, hatte aber nicht bessere Wirkung als die Mutter vordem, und je länger es währte, um so stotziger wurde das Kind, sagte nur: »Warum haben sie ihn aber gehangen?« und war ihm nichts beizu- bringen. Stundan, wenn die Kirchen-Zeit kam, entlief es und barg sich im Walde, kam spät hervor und stand an der Kirchen- Tür, bis die Mutter heraustrat. Die wollt es nicht ansehn, ließ Regulam hinter sich schleichen, gab ihr kein Essen den Tag über, hatte aber selbst keinen Geschmack, kaute trocken, und so waren sie beide verstockt. Das Kind sah wohl den Kummer, es fühlte sich schuldig und konnte doch nicht anders. Weil nun die Mutter alle Morgen in die Frühmesse ging, so erhob es sich bald und fing an, allerlei Arbeit zu machen, so gut es konnte. Brachte Wasser zum Sie- den, das schon über der Glut hing, wusch Geschirr ab vom gestrigen Tage, kehrte die Stube und trug Bett- Kissen ans Fenster. Kam die Mutter, lag es wieder auf | seinem Bettsack, deckte sich und tat, als ob es schliefe. | Die Mutter sah Alles innen voll Tränen; sagte aber nichts, dachte, das Kind tue es zur Buße. Am Sonntag jedoch wars wie vordem.

Kam nun die Zeit, daß Regula in die Schule gehen sollte. Die Mutter schickte sie hin; das Kind wuBte den

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Weg, trat in das Schul-Zimmer ein, setzte sich an einen Platz und sah, da sie die Augen erhob, einen Crucifixus an der Wand gegenüber, groß genug. Erschrak sie so heftig von dem Anblick, daß sie zittern mußte; hielt die Augen gesenkt, wußte sich lange nicht zu helfen. Endlich, da immer noch Kinder zur Türe hereintraten und der Lehrer draußen verweilte, stand sie leise auf, gewann die Tür und eilte davon. In die Stube daheim trat sie verzagt und so klein, daß die Mutter nichts hörte, die am Waschzuber stand und plantschte. Erst da sie einmal unversehens hinter sich blickte, stand das Kind bei der Tür, hatte die Tafel im Arm, war ganz gebückt. Da wußte sie gleich, was geschehen war, hatte ja selber vor dreißig Jahren auf derselben Bank vor dem Heiland gesessen; nun ward ihr höllenangst vor dem feindlichen Wesen, das aber schon schrie: »Tu mir nichts, Mutterle, tu mir kein Leid, ich kanns nicht sehn, wie er da hängen muß!« Denn so hatte das Antlitz der Guten sich verändert, daß ihr Kind es erkannte, obwohl es die Augen am Boden hatte.

Und nun ward es schlimm. Denn jetzt nahmen die Kinder der Sache sich an und führten sie machtig durch. Wo die Regula sich hinkehrte, hörte sie rufen: »Kreuz- feind! Der Kreuzfeind ist da! Regula Kreuzfeind!« Das Wort, das Keiner erdacht hatte, war ihnen in den Mund gefahren und brannte darin, daß sie es ausspeien mußten, wo die Regul erschien. Alle standen ihr entgegen und ließen sie nicht herankommen. Eins, das heimtückisch

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war, schlich hinter Regulam, stieß sie in den Nacken, daß sie fast niederfiel. Wo sie ging, tat ein Fenster einen Mund auf, der Kreuzfeind! schrie; die Zäune wurden lebendig, überall flog das giftige Wort, und als es ein- mal zwei großen Buben gelungen war, Regulam zu packen und ihr die Arme hinterwärtsum ein Baumchen zu ziehen, daß ihr fast die Schulterblätter zerbrachen, ging sie nimmermehr in das Freie hervor. Der Pfarrer kam noch ein- und zweimal; Regula weintenicht mehr, bebte nur wie ein Laub, hatte alle Sprüche gelernt, die er ihr aufgegeben, sagte sie kaum vernehmlich. Es half aber nichts, und als sie das Crucifix küssen sollte, das seine knochige Hand vorstreckte, mußte sie sich er- brechen. So wars ersichtlich, daß ein unsauberer Höllen- Teufel drin wohnte. Der Pfarrer begann furchtbar: »Exorciso te, Satana!« und wetterte und schwor so entsetzlich, daß Regula steif ward und ohnmächtig niederfiel.

Als sie aufwachte, war sie in einer leeren Kammer, einen Strohsack unter sich, tiber sich an der Wand das holzerne Crucifix, das nur armlang war, ein sehr armes Schnitzwerk, das den Leichnam in gräßlicher Hager- keit zeigte. Alsbald trat die Mutter herein, setzte einen Wasserkrug an den Boden, legte ein Stück Brot hin und sagte, schon wieder zur Tür sich wendend: »Da bleibe nun. Ich will nicht glauben, daß du den Teufel hast. Wenn du ihn aber nicht hast, so will ich dich von hier nicht erlösen, bis du vor dem Heiland kniest

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und sprichst, daß du ihn anerkennst.« Ging nach dem Wort und verschloß hinter sich die Tur.

Ach, laßt uns aber nicht verweilen bei den nächsten Stunden des Kindes. Als vor dem Schlafen-Gehn spät in der Nacht die Mutter jene Kammer betrat und nach Regula leuchtete, lag sie auf dem Strohsack, tief schla- fend und heißrot im Gesicht. In den Armen hielt sie das Kreuz, da war aber kein Leichnam daran, und als die Mutter umhersah, gewahrte sie etwas im Winkel verborgen. Das stellte sich da heraus als der hölzerne kleine Leichnam, eingewickelt in die kleine Schürze des Kindes, doch waren ihm die dünnen Arme abge- brochen und fielen heraus; das Kind hatte sie wohl umbiegen wollen, da waren sie abgegangen. Überdem wußte die Mutter nicht, was sie glauben sollte. Denn so ruchlos erschien ihr die Vergreifung und so lieblich und voll sanfter Genugtuung die Tochter im Schlaf, daß sie es in ihrem Sinn nicht vereinen konnte und irr wurde an aller Möglichkeit und wie verstört und am Ende fremd und versonnen. Sie fing an und wurde ver- schwiegen, hütete sich vor den Leuten, bückte sich vor jedem, sprach leise kaum das nötigste Wort, wich kaum aus ihrem Hause und Garten. Und wie die Zeit ging, sah sie Regulam nicht mehr an, außer wenn sie hinterihr war, scheu und wie ein fremdes Tier-W esen im Raum, und ließ sie immer schalten, wie sie selber sich etwas vornahm. So wuchs Regula traurig die Sommer und Winter durch. Sie war immer gut bei Kräften gewesen,

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lernte durch Absehn, was nötig war in dem Haushalt und was ihre Stärke vermochte; bald hatte sie das Meiste auf sich genommen mit Ausnahme der Mahl- zeit-Bereitung, die Stuben zu pflegen, auch den Kuhstall, auf das Feuer zu achten und was daran sott oder briet,

auf die Bäume zu steigen und die Äpfel und Birnen zu l

brechen. Und sie säete den Spinat, las die Raupen vom Kohl, jätete das Kraut und begoß und harkte, und da sie älter und stärker ward, grub und hackte sie fleißig. Bei alledem hatte sie fast kein Wort mehr zu sprechen, hatte keinen Gespielen; Stube und Garten, das war ihre Welt, da lachte kein Menschen-Mund. Doch war später die Weide zwischen Garten und Wald, die Rinder gra- sten geduldig, Vögelsangen über sie hin, der Wald hatte Stimmen und Winkel und manches schöne Geheimnis. Regula war braun, stämmig und hatte Augen wie Brom- beeren unter fast rötlichem Haar, ihr Mund wurde süßer, aber wozu? Sie sprach nicht, sie wußte kein Lied, keine Schrift, sie hatte fast keinen Gedanken, sie dachte mit Sehen und Hören und mit dem Tun. Und allein, wenn sie auf einem Baumstumpf saß in dem hohen Gras, den Kopf auf den Knien, die Hände über den Füßen verschlungen, und so in die feurige Blaue des Himmels blickte, schläfrig, im Gehör allerlei Stim- men, Gesumm und die Lerche im Nichts, ganz fern einen Ruf im Dorf und das grüne Rauschen desW aldes, so dachte sie, daß sie ein Mensch war; Tränen liefen ihr über das Herz, sie bebte. Aber es blieb innen.

20

Manchmal war es, als ginge sie vor dem Weinen wie vor einer lautlosen Wand aus Wasser, die stürzte, konnte aber niemals hinein. Einen Vers hatte sie, der war so, wie Tau in der Blüte wird in ihr gebildet, und so trug sie ihn und sagte ihn in die Stille:

Ich bin traurig, Jesu Christ,

Daß du an dem Kreuze bist.

Wollte dich gern begraben,

Mutter wollt es nicht haben,

. O wie könnten wirs lustig haben,

In dem Grabe,

In dem Grabe, im Himmelreich,

Hosianna!

Wenn sie das sagte, so kostete sie dann das Hosianna am Ende durch die anderen Worte hin schon zuvor wie eine fremde heilige Speise, den juwelenen Brosam, den sie als einzigen aus der Christen-Welt davongetragen hatte. Aber Christine, die Mutter, verzehrte sich inner- lich in diesen Jahren, dann gab sie sich auf, es war, als ob sie sich vergäße und in sich hinein verschwande, und ihr Leben verlosch dann so wie das Licht am Docht, weil die Nahrung verzehrt ist. Sie war gestor- ben, wie sie im Bett lag; Regula fand sie des Morgens kalt und steif und begriff, was das war, saB lange bei der kummervollen Leiche, dachte, was nun kommen könnte, und da kam es ihr, weiß Gott woher, daß sie auswandern könnte. Ja, es kam, daß sie sich zusammen- nahm zu einem Widerstand und zu einer Hoffnung auf

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ein anderes Leben in einem unendlich fernen Land, in das sie zu wandern sich sehnte mit solcher Inbrunst und Süßigkeit, als ginge es in die Bläue des Himmels hinein, und da läge es und wäre völlig gut. Vielleicht dachte sie auch, daß sie weit genug würde gehen kön- nen, um zu Menschen zu kommen, die nichts von ihr wußten, und daß sie stark war, um die Arbeit eines Erwachsenen zu verrichten, und in Haus und Garten und Stall erfahren genug. Also machte sie ein Bündel aus ihrer Werktags-Kleidung, legte einen halben Laib Brot und Speck und ein paar Kleinigkeiten hinein, die sonst nötig oder ihr lieb waren, ergriff ihren Stab, mit dem sie die Kühe gehütet hatte, und machte sich auf den Weg, nicht leichten Herzens, weil sie die Tote so liegen lassen mußte; aber die konnte sie auch nicht begraben. Am Leib hatte sie deren Festtags-Gewand, das nur wenig zu lang war, denn die Tote war kleiner Figur gewesen. Im Bündel war es zu unformig, und sie schürzte es über den Hüften und band es mit einer Schnur auf, daß es bauschte. Es war von gründama- stenem Stoff mit dreingewebten Blumen von gleicher Farbe, und ein Käpplein gehörte dazu von demselben Zeug, das über den Ohren schloß, unter dem Halse zu binden; hinten floß ihr Haarzopf heraus, der war rotbraun, kurz aber kräftig, und das Kleid stand weit und ging herab zu den Füßen. Da stand sie marschfertig und zauderte noch bei dem Leichnam. Aber Alles an ihr war rüstig geworden; sie mußte

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aufbrechen und wandern, um schnell ihr Ziel zu er- reichen.

Die Sommer-Straße war leer, da sie das eben sonn- tägliche Dorf hinter sich ließ, schon von allen Lerchen empfangen, die den Himmel erfüllten wie die Engel, wenn eine Seele heraufschwebt. Stille standen die Mauern des Korns, braungelb und in der Morgen-Glut zitternd, als ob sie lieber fallen möchten als stehen, und die Unendlichkeit gläserner Himmel machte das kleine Herz zu ewigen Wanderungen frisch. Da setzte sie Bein vor Beine und das dritte daneben, den Reise- Stecken; marschierte daim Takt eines unhörbaren Ge- sangs, der ihr Körperlein füllte, äugte umher wie ein Spatz, schwang ihr Bündel, stieß kräftig auf mit dem Stab und war immer in ihrem Leben so einsam und nie recht allein gewesen, daß sie die Einsamkeit heut wie eine Gesellschaft empfand; daß sie mit sich dahin wie mit einer Schwester schritt und allerdings laut zu schwatzen begann, Allessich nannte— oder der Schwe- ster —, was sie zu sehen bekam, dies putzig fand und das nützlich, und lachte und nicht erschrak vor der ein- samen Kinder-Stimme in den Feldern. Wer sie gehört hätte und gesehn, der wäre vielleicht beklommen wor- den von dem grünen Wandeln im Sommer-Gefild, Stab und Bündel in Händen, ältlich von Kleidung, uralt von Augen, seltsam süß, blumenjung und braunflaumig von Wangen, die ganz lose ein goldfremdes Lächeln umflog.

Regula war entschlossen, den Tag durchzuwandern,

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und sie führte es aus. In seinem ersten Halb gelang es ihr um so leichter, als freundliche Grüße und Lachen aus Türen und Fenstern im zweiten Dorf ihr anzeigten, daß sie für die Welt eine Fremde war und als solche herzlich empfangen; so ward der Ärmsten zum Trost, was anders dem Reichsten sonst in der Fremde zur Schwermut gedeiht, und munterer strebte sie vorwärts. Am Mittag hielt sie bei einem Tannen-Wald Rast und teilte ihre Speise mit einem Hüte-Jungen, der ein paar magere Kühe bewachte und so arm war, daß er nie eine Speckseite gesehn hatte wie Regulae ihre. Für das, was sie ihm mitteilte, freudvoll zum ersten Male in gleicher Gesellschaft speisend, zeigte er ihr Heidel- beer-Schläge im Wald, woran sie sich schwer satt aß, im Knien Händevoll blauer Beeren in den offenen Mund hineinschüttend. Alsdann schlief sie ganz selig im Schat- ten ein, am Waldrand neben dem Knaben, vom Geläut der Rinder eine Strecke W egs in die Stille geleitet; und als sie erwachte, lag der Knabe schlafend an ihrer Brust, offenen Mundes atmend, als möchte er saugen, worüber sie lachte, denn er war älter als sie. Behutsam entfernte sie sich von ihm, stand auf und fand mit Bündel und Stab ihre Straße wieder.

Am Spätnachmittag wurde sie müde. Sie hatte in harten Schuhen die Füße wund gelaufen, schritt lange schon barfuß aus, Schuhe und Bündel und Kappe am Stab über dem Rücken, glühenden Angesichts und zer- wehten Haars. Die Gegend war öde geworden, Heide

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und Moor, selten waren die Dörfer, die Sonne brannte, der Geschmack der Beeren klebte und war bitter in ihrem Mund. Ein blaues Gebirg, auf das sie zuschritt, verharrte in aussichtsloser Unwandelbarkeit. Da sie wieder zu einem Weiler gelangte, dachte sie schon um Obdach zu bitten, gemahnte sich aber ihres Entschlus- ses, nicht Halt zu machen als unter dem ersten Stern. Den sah sie aber über dem Zwielicht funkeln, ohne daß weit und breit eine Behausung sich wies; sie ging und ging, nur die Füße bewußtlos bewegend, und als sie wieder aufsah, war es Nacht. Darum nicht mutlos ge- worden denn es hatten sich unzählbare Sterne aller- seits zu ihr genaht, funkelten mit Augen, und insbe- sondere war auch ein halber Mond über den Erdrand heraufgekommen und glühte honigfarbne Gemein- schaft —, nutzte sie ihre letzte Kraft, vorwärts pilgernd dem schon genäherten Ziele zu.

Und da war es nun. Da glänzte der Licht-Funken unter den Sternen hervor, rötlicher als sie, aber fast sternenhaft hoch über der Ebene. Es dauerte noch, bis sie an den Fuß eines steilen Hügels gelangte, von dessen Höhe das Licht glimmte, übrigens verschwindend, als sie unterhalb anlangte. Hier waren Fels- W ände, doch führten Wege und Treppen empor. Die bezwang sie mit neuer Munterkeit; oben war Wald, aber ein Pfad und wieder der Lichtschein. Regula trat auf einen freien Platz und sah vor sich eine kleine Kirche.

Das war nun eine Enttäuschung, denn was da im

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Innern ihrer wartete, wußte Regula wohl. Immerhin war es möglich, daß der Gequälte am Holz hier nur klein war, so daß er nicht so erschreckte und sie ferne von ihm hinter einem Pfeiler in einer Bank schlafen ließ. Ferner bedachte sie, daß, wo eine Kirche stand, ein Dorf nicht weit sein konnte; aber nun war sie von Müdigkeit wie gelähmt, vermochte nur wankend noch die wenigen Schritte zu tun, um die Tür zu errei- chen, klinkte auf und trat ein. Das kleine Innere war dammerhell von zwei Kerzen, die in hohen Leuchtern vor dem Altare am Boden standen und über nichts Anderes schienen als einen offenen Sarg mit dem Ver- storbenen drinnen. Das war nicht schön; da traf sie abends auf das, wovon sie morgens ausging. Aber viel weniger schön war der Gemarterte, der hinter dem Altar-Tisch stand, als hätte er die Füße darauf, größer fast als ein Mensch; und er war mit einer furchtbaren Kunst so zubereitet, daß er zu leben schien in dem Augenblick, wo er das Lama asabtani schrie: so warf er das Haupt über den Balken zurück, so waren seine Lippen offen verzogen, so empörte das Sterben die Brust, so sprangen die Rippen, krallten sich die Hände und wanden die Füße sich um den Nagel. Ausder Haut aber, die wie gegerbt war von der Säure des Sterbens, traten tausend Blutstropfen hervor, und wie die Kerzen sich regten, so flatterten die Knie, und das Blut-Wasser ausderSpeer-Wundefloßüber. Regula hatte in ihrem Leben kein solches Schrecknis gesehen. Sie brannte vor

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Entsetzen, aber aus den Flammen reckte eine Lebens- Kraft sich im Nu zu einer Empörung auf, zu einem sol- chen Grimm und Jammer und Taten-Drang, daß ihr Herz Christe! Christe! schrie und: Ich kanns nicht an- sehn, Herr, wie du leidest! Und nun wußte sie nicht, was geschah.

Denn sie war am Altar und hatte sich hinaufge- schwungen und kniete bei seinen Knien und stand auf- recht und war groß genug, an die Nägel der Hände zu reichen, und sie zerrte am ersten, und der flog heraus, und sie trat zu dem andern hinüber, aber da mußte sie etwas sehn. Die Hand, wo sie eben den Nagel löste, die senkte sich mit dem Arm; steif und nur so biegsam wie das Glied eines eben Verstorbenen senkte sich Arm und Hand, bis sie hingen. Regula faßte sie an; sie waren kalt, aber anders als Holz, samtener, weicher als Holz. Da rif sie den zweiten Nagel heraus, unbegreifend mit welcher Kraft, und ‘auch dieser Arm fiel, daß er fast Regula schlug, und indem neigte der ganze Leichnam sich vor, sank in sich in die Knie, und da Regula sich bückte, fing sie den Stürzenden mit Nacken und Schul- tern auf, trug ihn, als wöge er nichts, und zog aus den Füßen den Nagel. Dann ließ sie ihn behutsam nach untengleiten,vondemTischaufdie Stufen, und kletterte nach und saß aufdem Teppich und hielt auf den Knien das schwere wunde Haupt mitdem Dornen-Kranz. Sie saß, wie mit ihm vorzeit seine Mutter gesessen, und eine unermeßliche Lebens-Last war gelöst, und so war sie

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auch durch die Wand der Tränen gebrochen; die stürzte zusammen in ihr und strömte aus Augen und Mund mit unersättlichem Schluchzen: Hosianna! Regula dachte, nun ausgeweint,daß dieses Werk erst begonnen und an sein Ende zu bringen war. Legte also den himmlischen Leichnam sanft hin, trat zu dem Sarg und beschaute den Inlieger. Da fand sichnun Wunder- bares; daß nämlich dieser Leichnam der desselbigen Pfarrers war,der Regulam exorzisieren wollte; der hier eine andere Pfarre bekommen und sie soeben wieder verlassen hatte. »Siehe nun,« sprach zu ihm Regula, da sie ihn erkannte, »so ist es dahin mit dir gekommen, du zorniger Mensch, daß du heraus mußt aus deinem letzten Bett. Geduldig mußt du es aushalten, denn ich weıß mir anders nicht Rat, und ich will nun endlich meinen Heiland begraben.« Sprachs und packte so- gleich den gewaltigen Mann, der er war, obschon tot; und es gab einen Ruck, da hatte sie ihn schon heraus wie eine riesige Puppe gezogen und auf den Estrich gelegt. Da lag er todstille und rührte sich nicht; Regula aber in ihrer Kraft trug den ärmsten Heiland herbei, bettete ihn auf das Linnen, und da sie die Hände hin- legen wollte, so erwies es sich, daß die grausam ge- sperrten mit den wulstigen Rändern der Wund-Male weich genug waren, um die Finger ineinander zu schlie- Ben. Alles schlief, und Regula griff nach dem Sarg- Deckel, hob ihn hoch und legte ihn über; und alsbald, weilsie einenKastendastehensahmit Handwerks-Zeug

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und hinlänglich großen Nägeln, schallten die Schläge ihres Hammers in die Stille der Kerzen hinein, daß die frommen Wölbungen dröhnten.

Da war der Sarg verschlossen. Wo aber ein Sarg und ein Toter ist, wußte die Regul, war ein Grab auch fertig oder doch halb. Eh sie noch wußte wie, nahm sie den Sarg: einen Arm untergeschoben, einen darüber gestreckt, schwang sie ihn sich auf den Rücken, rückt’ ihn zurecht auf der Achsel und schritt sehr klein dar- unter, aber aufrecht und festen Ganges in das Freie hinaus. Ja, der Friedhof war draußen, die Kreuze stan- den im Mond, Regula schritt über die Grab-Hügel hin- weg, als wären sie Maulwurfs-Hügel, und da war auch das frische Loch, freilich die Tiefe erst halb gewonnen, aber in der aufgeworfenen Erde stak der Spaten. Regula setzte die Bürde nieder, griff zum Spaten und schaufelte sich rüstig in die Erde hinunter. Der Spaten klang hell in der Nacht, die Erde scholl dumpf, wenn sie fiel, und rauschte und rieselte an den Wänden; der Schatten des Sarges lag über dem Grab, hoch oben stand der silberne Mond und blickte hinunter, sah aber nichts als den Grabscheit-Stahl, der blitzte, wenn er nach oben flog und sich drehte, um die Erde zu stürzen; Regulam unten im Grab, wo sie fleißig war, sah er nicht.

Jedoch ein andres Geschöpf hatte nicht Alles, doch das Meiste, was Regula vollbrachte, mit angesehn. Das war der Leichen- Wachter, ein Bauernbursch, der sich in einen Beichtstuhl gesetzt hatte, um sich da in Kissen

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dem guten Schlaf zu ergeben; Regula sah ihn nicht, denn er schlief hinter Vorhängen. Er erwachte auch erst bei der Rede, welche die Regul über den Pfarrers- Leichnam häufte, sah Christi Leib auf den Fliesen und rührte sich nicht vor abgründiger Furcht, dieweil er den Toten in Regulae Armen aus dem Sarg fahren sah und weiter alle Unholds-Kraft in dem Kinde, das den Gekreuzigten hertrug und legte, und das die Nägel ın den Schrein hammerte so laut und so rasch, wie der Wagner um den Wagen geht, überall die Nägel hinein- treibend ins weiche Holz, doch dieses war Eiche. Da sie aber gar den Sarg auf sich lud, der noch einmal so lang war wie sie, und ihn davontrug und nicht den Arm in die Hüfte stemmte, um es sich leichter zu machen, so ward er fast ohnmächtig bei soviel Zauber und Höllen-Spuk, und er wagte sich erst aufden Kirch- hof, als die Regul schon fertig war, aus der Tiefe herauf- stieg und ihr Antlitz zum Himmel kehrte, auf den Spaten gestützt, um tief bis in die Sterne hinein Atem zu schöpfen. Und nachmals schwor jener Bursch, sie sei in jenem Augenblick riesig gewesen, bis zum Zenit empor, und auf ihrem Atem wäre die Milchstraße zum Munde hinein- und wieder herausgerauscht. Danach bückte sie sich zu dem Sarg, schob ihn zur Grube, kniete und griff ihn beiderhändig und ließ ihn hinab, bis sie mit halbem Leib über dem Rande lag und es doch unerfindlich war, wie sie, mit Haupt, Schultern und Armen in die Tiefe hängend, hinabreichte. Wieder

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aber aufrecht bereits, handhabte sie den Spaten mit Schnelle, die Erde rauschte, schollerte und strömte auf das Holz; bald ward das Geräusch stiller und ganz stille, das Grabscheit klang leise, ebnend den obersten Sand. Da entlief der Bursche ins Dorf, um Alles zu wecken. Die Regul, miteins so erschöpft, als hätte sie das, was sie ohne Anstrengung vollbrachte, das Über- menschliche alles mit den eignen schwachen Kräften geleistet Regula hatte nicht Zeit, noch ein Ave zu sprechen, da sie schon.lag, wo sie stand, auf dem Grab, und einschlief in diesen Traum.

Sie mußte an einer Fels-Wand empor, die ähnlich der wirklichen war, die sie vor einer Stunde erstieg, jedoch unabsehbar hoch, lauter Treppen im Zickzack, die über ihr in der Finsternis schwanden; und sie hatte dabei eine ungeheure Bürde zu schleppen, die so sehr drückte, wie der Sarg, wenn sie ihn gespürt hätte, sie bedrückt haben würde. Regula keuchte in Sterbens- Not, kroch eher, als daß sie klomm, und eben als sie zu brechen meinte, war es hell um sie her, und kniend sah sie einen schönen nackten Mann mit einem blauen Schurz vor sich stehen, von dem die Helligkeit aus- ging und bald so stark, daß sie von seinem Antlitz nur einen Schatten sah wie von Rosen und Gold in der Helle. Hörte sie seine Stimme sehr linde sprechen: »Regul, was schleppst du?« »Ach,« sagte sie, »es sind die Drangsale; ich kann sie im Leben nicht loswerden.« »Regula,«sagtedie Stimme, ydu hast mirdavongeholfen,

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da muß ich dir auch wieder helfen. »Ach,« sagte das Kind, sterbensschwach und geblendet hinaufblickend, »bist du es, mein Herr? Ich habe dich ja begraben, bist du doch wieder auferstanden?« »Das bin ich,« sagte er fröhlich, »nun laß dir auch helfen.« Regula seufzte tief, fühlte indem aber die Last vonsich weichen. Es ward lauter Erleichterung, da sie aus dem Knien emporwuchs, als ob sie erblühte. Und sie stand vor dem Herrn, die Erleichterung hörte nicht auf mit Blühen und Blühen, während sie ihre Stirne an jene Brust legte und sich in lauter Blüte verlor.

Was aber unten die Menschen sagten, nämlich jene Bauern, da sie morgens kamen sie trauten sich nicht eher und Regulam fanden, taunaß auf dem Grab und schlafend unerwecklich, bleich, aber die selige Genüge auf den Wangen, in ihrem grünen Kleid; und als sie das Grab wieder aufwarfen, den Sarg emporholten und aufsprengten mit vieler Mühe die Nägel Regulae hielten zah— und darinnen den Heiland fanden, hart aus Holz, aber mit gefalteten Händen; was sie zu alle- dem sagten und nachmals taten: das weiß ich nicht; und liegt wem daran, es zu wissen?

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——————— mit e

Verne Be 2 ua, F

Begegnung Christi mit seiner Mutter Aus dem Passionale Kunigunde in Prag

ZWEI GEDICHTE

von Alexander Petöfi

Ein heißer Mittag...

Eın heißer Mittag ists heut draußen wieder, Die Sonne sendet Feuerbrände nieder,

Ein heißer Mittag ists, die Vögel stumm,

Und müde, lechzend schleicht der Hund herum.

Zwei Mädchen seh ich mit dem Heu sich plagen, Zwei Burschen auch, die es von dannen tragen, Doch ach! zur Arbeit hat heut keiner Lust,

Zu schwer ist heut das Heu, zu eng die Brust.

Am besten hats der König jetzt auf Erden

Und auch der Hirt da drüben bei den Herden; Der König ruht im Schloß auf goldnem Thron, In Liebchens Schoß der Hirt, der Pußtensohn.

Die Pußta im Winter

Hei nun ist die Pußta erst Pußta zu nennen!

Als schlampiger Wirt laßt der Herbst sich erkennen, Da des Frühlings Saat

Und des Sommers Staat,

Leichtsinnig von ihm vertan, entschwindet Und der Winter nur leere Schatzkammern findet.

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Der Schafherden melancholische Glocken,

Der Hirtenschalmei wehmütiges Locken

Und der Vogelsang

Sind verstummt schon lang;

Des Watvogels Ruf auf den Wiesen ward stille, Es geigt nicht einmal die winzigste Grille.

Wie ein starres Meer ist das Feld ohne Hügel,

Die Sonne schwebt niedrig wie müdes Geflügel, Oder weil das Gesicht

Ihr vor Alter gebricht

Und sie bücken sich muß, um was zu erspähen ... Doch auch so kann nicht viel in der Öde sie sehen.

Leer stehn nun des Fischers und Feldhüters Zellen, Still sind die Gehöfte, das Vieh in den Ställen; Treibt abends von dort

Man zum Troge es fort,

Blökt traurig wohl eines der struppigen Kälber, Weil lieber es trank aus dem Teiche selber.

Vom Gebälk nimmt der Knecht seine Tabaksblätter Und legt sie hin auf der Schwelle Bretter,

Zerteilt sie mit Kraft;

Aus dem Stiefelschaft

Holt die Pfeif' er, stopft sie, mit träger Lippe

Dran zieht er und lugt, ob nicht leer die Krippe.

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| Doch es schweigen gänzlich sogar die Schenken; An Schlaf kann Schenk und Schenkin jetzt denken. Denn der Schlüssel nun Zum Keller kann ruhn; Kein Fuhrwerk, das jetzt zu ihnen sich finde; Mit Schnee verwehten den Weg die Winde.

Jetzt herrschen die Winde, die Stürme toben. Der eine kreist in der Luft hoch oben,

Der andre mit Groll

Sprengt unten wie toll,

Läßt sprühen den Schnee wie Feuerregen, Der dritte kommt ihnen zum Ringkampf entgegen.

Wenn müd um die Dammrung vom Hader sie lassen,

Dann sinken zur Ebne die Nebel, die blassen; Dann verhüllen sie bald Des Betyären Gestalt,

Der zur Herberg sein schnaubendes Roß laßt traben...

Im Rücken den Wolf, überm Kopfe den Raben.

Wie ein König, verbannt aus dem eigenen Lande, Blickt der Sonnenball rückwärts vom Erdenrande. Noch einmal sieht Er voll Zorn sein Gebiet, Und bis er gelangt in die andere Zone, Fallt ihm vom Haupte die blutige Krone.

Aus der Petöfi- Auswahl in der Insel-Bücherei (Nr. 361)

DIEANFÄNGE DER TAFELMALEREI Von Wilhelm Worringer

FÜR unsere heutige Vorstellung von Malerei steht das bewegliche Rahmenbild beherrschend im Vordergrund. Ihm allein haftet noch der Charakter des Selbstverstand- lichen und Natürlich-Gegebenen an. Was der Jetzt- zeit an entwicklungsgeschichtlichen Impulsen noch gegeben ist, lebt sich nur in ihm aus. Daß es eine Mo- numentalmalerei gibt, wissen wir aus der Geschichte, nicht mehr aus dem lebendigen Leben. Versuche, sie wieder lebendig zu machen, ergaben Marees, Hodler Sehenswürdigkeiten, aber tragische. Kämpfe auf einem unwiderruflich verlorenen Terrain. Heroische Irrungen einer Zeit, die den Instinkt für ihre eignen Begrenztheiten verloren hat. Denn die Möglichkeit einer Monumentalmalerei ist kein formales Problem, sondern ein soziologisches. Und daraus ergibt sich die unzweideutige negative Antwort.

Dieses Buch führt zu dem Punkt der Geschichte zu- rück, wo das bewegliche Bild sich als selbständiger Ent- wicklungsträger von dem Gesamtkomplex der Malerei abzuzweigen begann, um schließlich nach Jahrhunder- ten Alleinträger der Entwicklung zu werden. Darın liegt die Berechtigung, die Anfänge des Tafelbildes das Tafelbild ist ja nur die organische Vorstufe des späteren Rahmenbildes selbständig monographisch zu behandeln. Nicht um eine monographische Behand-

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lung einer technischen Spezialität handelt es sich, son- dern um die monographische Aufdeckung von Keim- vorgängen der modernen Malerei überhaupt, die eben Rahmenbildnismalerei ist. Wo die Anfänge der Mo- derne sind, da neigt sich auch derEntwicklungsakzent mit Schicksalsnotwendigkeit auf die isolierte Bildtafel hin.

Das Schicksalhafte dieses Vorgangs erfassen wir heute mit einer neuen Hellsicht. Eben weil wir diese Dinge mehr m ihrer soziologischen Tiefenbedeutung zu sehen beginnen und weil wir unter dem Bewußtsein der so- ziologischen Fragwürdigwerdung unseres eignen heu- tigen Kunstschaffens den Zusammenhang zu ahnen be- ginnen, der zwischen der damals einsetzenden Entwick- lung zur Selbständig- und Beweglichwerdung bemalter Bildtafeln und dem heutigen Zustand einer grenzen- und zwecklosen Bildermalerei ohne soziologische Le- gitimierung besteht.

Wie ist der heutige Zustand? In der Einsamkeit eines Ateliers entsteht ein Bild, wird einem namenlosen, un- bestimmten Publikum ausgeliefert, tritt seinen Kreis- lauf durch Ausstellungen und Marktbetrieb an und landet schließlich, wenn es gut geht, an der Einzelwand eines Einzelmenschen, von dessen Existenz der Künst- ler bei der Konzeption des Werkes nichts wußte und der vielleicht etwas ganz anderes in es hineinlegt, als der Künstler es wollte. In dieser Atmosphäre von Un- sicherheit und Problematik führt das heutige Bild seine fragwürdige Existenz. Alles an ihm ist dem Zufall und

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individueller Bedingtheit überlassen: sein Gegenstand sowohl wie seine Bestimmung. Sein äußerer Platz ıst so ungewiß wie seine innere Mitteilbarkeit. So muß ihm notwendig alles das abgehen, was aller mittelalter- lichen Kunst jenes Unbedingte gibt, das wir mit einem Verlegenheitswort als »monumental« bezeichnen und was aus der kleinsten Miniatur jener Zeit so gut spricht wie aus der größten Freske. Wodurch entstand dieses Unbedingte? Dadurch, daß alles künstlerische-Schöp- fungsvermögen in der entscheidenden geistigen Tiefen- schicht seiner Entstehung vorbestimmt war und sich in seinen Ausdrucksmöglichkeiten in dem gebundenen Spielraum eines unsichtbaren, aber undurchbrechbaren Übereinkommens bewegte. Weder der Platz des ge- malten Werkes war ein Problem noch sein thema- tischer Gegenstand. Ganz unproblematisch war vor allem dieses: sein Bezug auf das Publikum und damit seine Mitteilbarkeit. Unverstandene Künstler gab es nicht. Alles lief stillschweigend in den Geleisen eines präexistenten Beziehungszusammenhanges, der den Werken jenes Unnennbare gibt, das wir als »Stil« empfinden und das letzten Endes nur das Durchfühlen der Tatsache ist, daß diese Werke thr Gesetz nicht von dem Einzelnen, sondern von der Gemeinschaft emp- fingen. Von dieser Überlegung aus fällt auf die ange- deutete Emanzipation einer selbständigen Tafelmalerei die entscheidende Bedeutung. Der Punkt wird dadurch fixiert, wo die Malerei aus ihrer Kollektivexistenz und

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damit ihrer künstlerischen und soziologischen Un- bedingtheit herauszutreten beginnt und allmählich der Individualsphäre überantwortet wird. Ein Weg aus dem Gewissen ins Ungewisse, aus dem Notwendigen ins Zufällige, aus dem Zusammen ins Allein.

Das Tafelbild ist natürlich keine Erfindung des 11. Jahrhunderts. Es ging immer neben der großen Malerei her. Aber in jenem Jahrhundert begann dieser Neben- laufer der Entwicklung sich allmählich ins Zentrum vorzuschieben und die Entwicklungsfäden des Ganzen auf sich überzuleiten. Darin nur liegt die entwicklungs- geschichtliche Wandlung.

Jahrhunderte allerdings vergehen noch, bis das be- weglich gewordene Bild zu seiner heutigen Existenz- form kommt und im Wandschmuckdasein seine Be- stimmung findet. Solche ästhetisch-dekorative Sonder- funktion war erst möglich, nachdem der schleichende Sakularisationsprozeß der Kunst sein Endstadium er- reicht hatte, alsoerst in nachbarocker Zeit. Bis zu diesem Zeitpunkt ist noch das Sakralbild herrschend, das dieser Auflosungstendenz der soziologischen Mu form zur soziologischen Spielform einen kunsthistorisch reich gesegneten Widerstand entgegensetzt.

Und im besonderen spielt das Altarbild jahrhun- dertelang eine alle Entwicklungslinien sammelnde Übergangsrolle. Es wird zur gegebenen Überleitungs- form von der mittelalterlichen Monumentalmalerei zur modernen Intimmalerei.

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Die Entwicklung einer selbständigen Tafelmalerei deckt sich also zeitgeschichtlich mit der Entwicklung des Altarbildes. Tafelbilder hatte es, als Nebenerschei- nung der Entwicklung, immer gegeben: das Altarbild aber ist ein wirklich Neues. Und erst in der Verschmel- zung mit dem Altarbild wird das Tafelbild zum Trager einer entscheidungsvollen Zukunftsentwicklung.

Die Anfange der Tafelmalerei sofern wir unter Anfängen nichterstes Auftreten, sondernentwicklungs- geschichtliches Lebendigwerden verstehen fuhren ins 44. Jahrhundert. Man muß sich den Geist dieses Jahrhunderts heraufbeschwören, um zu verstehen, daß in ihm die Keimzelle der modernen Malerei sich ent- wickeln mußte. Denn dieses Jahrhundert ist der eigent- liche Vorhof der neuen Zeit. Die Entscheidungen, die den unüberbrückbaren Wesensunterschied zwischen Mittelalter und Neuzeit konstituieren, werden zwar erst im vollen Umfang sichtbar im 45. Jahrhundert, aber ihre Geburtsstunden liegen spätestens im 44. Jahr- hundert. Keine Linie der geistigen, kulturellen, sozialen und politischen Struktur, die nicht schon im 44. Jahr- hundert vorgezeichnet und festgelegt ist, wenn auch erst in vagen, unbeholfenen und groben Strichen. Diese Grobzeichnung der kommenden Entwicklung unter der Oberfläche des 14. Jahrhunderts wird für den fliich- tigen Blick allerdings ganz uberwuchert vondem reichen und bizarren Silberstiftlinienspiel, das nicht weniger vierzehntes Jahrhundert ist, aber vierzehntes Jahrhun-

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dert mit rückgewandtem Gesicht. Dieses Jahrhundert trägt eben in einem ganz besonderen Grade den Cha- rakter eines Zwischen-den-Zeiten-Stehens. Man kann es mit gleichem Recht von der Vergangenheit her lesen wie von der Zukunft. Esist Ende und Beginn zugleich. Ende und Nachklang des Vergangenen und verschwie- gener Vorhof alles Neuen. Jahrhunderte von solch ausgesprochener Doppeldeutigkeit sind keine großen Jahrhunderte, aber es sind interessante Jahrhunderte. Nicht derb zufassen darf man, um sich ihrer geschicht- lich zu vergewissern, sondern man muß mit einem Ohr in sie hineinhorchen, das geschärft ist für Widersprüche und Klangfehler, für Untertöne und Obertöne. Denn noch sind die Spannungen zwischen Mittelalter und Neuzeit an dieser Stelle nicht dramatisch akut und damit von unverschleierter Evidenz, sondern sie äußern sich vorerst nur in einem Aufblitzen von Widersprüchen, vergleichbar dem Knistern von elek- trischen Funken, ehe es zur großen Spannungsentladung kommt.

Das eigentliche Zwillingsjahrhundert des vierzehn- ten ist das achtzehnte. Das steht unter ganz ähnlichen Vorzeichen. Das zeigt ebenso eine Epidermis aus er- lesenster Feudalkultur über einem raschwachsenden Kern von neuer bürgerlicher Kultur, ist ebenso femi- nin an der Oberfläche, wie ihm in den Unterschichten eine neue Männlichkeit durchwächst, hat ebenso seine spielerische Silberstiftzeichnung der Vergangenheit

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über einer drohend durchschimmernden Grobzeich- nung der Zukunft.

Auch das vierzehnte hat sein Rokoko und seine Re- volution, seinen feudalen Traditionalismus und sein Rousseautum des Gefühls und des aufgeklarten Ver- standes. Auch hier wehrt sich ein kunstvoller Erfah- rungsbau von Jahrhunderten vergeblich gegen die Na- tur, die Mutter aller Ketzereien. Auch hier zerbrockelt ein Firnis erlesenster Kulturziichtung allmahlich und unter reizvoller Krakeliirenbildung unter dem Druck einer neuen Ursprünglichkeit.

Das große Feudalsystem des hohen Mittelalters, das im 44. Jahrhundert der Atomisierung anheimfällt, hat drei Namen für dieselbe Sache: Universalismus, Kos- mopolitismus und Aristokratismus. Universalismus, das heißt, daß das religiöse und geistige Erlebnis noch in eins zusammenfallt und daß es also keine Teilerleb- nisse gibt. Im 44. Jahrhundert aber beginnen sich schon geistige Teilansichten der Welt selbständig zu machen. Und eines Tages gibt es eine Wissenschaft und einen Humanismus. Kosmopolitismus, das heißt, daß die politischen und kulturellen Zusammenhänge eingebaut sind in den Kosmoseineseuropäischen Einheitsbewußt- seins und von ihm ihr selbstverständliches inneres Ge- setz empfangen. Auch das Aufhoren dieses überge- ordneten Einheitsbewußtseins fallt ins 44. Jahrhundert. Auch innerhalb dieses Betrachtungszusammenhangs emanzipiertsich ein Teilerlebnis, namlich das des natio-

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nalen Bewußtseins, von einer Totalvorstellung des gei- sigen Zusammenhangs in Europa. Nicht anders als wie die Plastik im selben Jahrhundert sich von der Architektur emanzipiert und Kunst für sich sein will. So gibt es eines Tages Nationalstaaten, Nationalkirchen und Nationalstile.

Aristokratismus, das heißt, daß Zusammenhänge so großer Art nur in der Luftlinie gehalten werden können. Der Widerspruch der natürlichen Topographie gegen diese Luftlinien heißt Demokratie. Wie sie im 14. Jahr- hundert sich unterirdisch regt, kommen diese Luft- linien ins Zittern und ins Verblassen. Und eines Tages sind die geistigen und gesellschaftlichen Luftlinien über Europa erloschen, und man steht im Unartikulierten.

Alle Silberstiftzeichnung des 44. Jahrhunderts ist. Essenz aus jener Dreieinheit. Wir nennen sie mit ihrem geschichtlichen Namen: höfisch-ritterliche Kultur.

Ihre Gegenmacht ist die bürgerliche Kultur. Ihr gehört die Zukunft. Auch die Zukunft der Kunst. Und darum steht die Tafelmalerei diese Haupt- tragerin der Zukunftsentwicklung nur mit dieser bür- gerlichen Kulturatmosphare in legitimer Verbunden- heit. Der Geist von Stadtindividualitaten, der Geist von Handwerkerorganisationen steht hinter ihr. Der weltweite Horizont, von dem sich staufische Kultur und staufische Kunst abhoben, schrumpft zu städtischer Enge zusammen. Wo internationale Bauhütten den Ton angaben, haben nun stadtenge Zünfte das Wort.

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Alles was an Extensität verloren ging, mußte langsam an Intensität und Intimität eingebracht werden.

Aus der Einleitung des Werkes ın der Sammlung » Deutsche Meisters

BRIEFE FRIEDRICH NIETZSCHES

Erwin Rohde

Leipzig, 9. November 1868 Mein lieber Freund,

heute habe ich die Absicht, Dir eine Reihe von hei- teren Dingen zu erzählen, lustig in die Zukunft zu blicken und mich so idyllisch-behaglich zu gebarden, daß Dein böser Gast, jenes katzenartige Fieber, einen krummen Buckel macht und sich ärgerlich von dannen trollt. Und damit jeder Mißton vermieden werde, will ich die bekannte res severa, die Deinen zweiten Brief veranlaßte, aufeinem besonderen Blatt besprechen, das Du dann in besonderer Stimmung und auf besondrem Orte lesen magst...

Im Bewußtsein eines guten Tagewerkes gieng ich zu Bett und überlegte mir die bewußte bei Ritschl auf- zuführende Scene: als welche auch am andern Mittag aufgeführt wurde.

Als ich nach Hause kam, fand ich einen Zettel, an mich adressirt, mit der kurzen Notiz: »Willst Du

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Richard Wagner kennen lernen, so komme um ?/ 4 in das Cafe Theätre. Windisch.«

Diese Neuigkeit verwirrte mir etwas den Kopf, ver- zeih mir!, sodaß ich die eben gehabte Scene ganz ver- gaß und in einen ziemlichen Wirbel gerieth.

Ich lief natürlich hin, fand unsern Biederfreund, der mir neue Aufschlüsse gab. Wagner war im strengsten incognito in Leipzig bei seinen Verwandten: die Presse hatte keinen W ind, und alle Dienstboten Brockhausens waren stumm gemacht, wie Gräber in Livree. Nun hatte die Schwester Wagner’s, die Prof. Brockhaus, jene bewußte gescheute Frau, auch ihre gute Freundin, die Ritschelin, ihrem Bruder vorgeführt: wobei sie den Stolz hatte, vor dem Bruder mit der Freundin und vor der Freundin mit dem Bruder zu renommiren, das glückliche Wesen! Wagner spielt in Gegenwart der Frau Ritschl das Meisterlied, das ja auch Dir bekannt ist: und die gute Frau sagt ihm, daß ihr dies Lied schon wohl bekannt sei, mea opera. Freude und Ver- wunderung Wagner’s: giebt allerhöchsten Willen kund, mich incognito kennen zu lernen. Ich sollte fur Freitag Abend eingeladen werden: Windisch aber setzt auseinander, daß ich verhindert sei durch Amt, Pflicht, Versprechen: also schlägt man Sonnabend Nachmittag vor. Windisch und ich liefen also hin, fanden die Familie des Professors, aber Richard nicht, der mit einem ungeheuren Hute auf dem großen Schädel ausgegangen war. Hier lernte ich also besagte vor-

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treffliche Familie kennen und bekam eine liebens- würdige Einladung für Sonntag Abend.

Meine Stimmung war wirklich an diesen Tagen etwas romanhaft; gieb mir zu, daß die Einleitung dieser Be- kanntschaft, bei der großen Unnahbarkeit des Sonder- lings, etwas an das Mährchen streifte.

In der Meinung, daß eine große Gesellschaft geladen sei, beschloß ich große Toilette zu machen und war froh, daß gerade für den Sonntag mein Schneider mir einen fertigen Ballanzug versprochen hatte. Es war ein schrecklicher Regen- und Schneetag, man schau- derte, in’s Freie zu gehn, und so war ich denn zufrieden. daß mich Nachmittags Roscherchen besuchte, mir et- was von den Eleaten erzählte und von dem Gott in der Philosophie denn er behandelt als candidandus den von Ahrens gegebnen Stoff »Entwicklung des Gottes- begriffs bis Aristoteles«, während Romundt die Preis- aufgabe der Universität »über den Willen« zu lösen trachtet. Es dämmerte, der Schneider kam nicht und Roscher gieng. Ich begleitete ilın, suchte den Schneider persönlich auf und fand seine Sclaven heftig mit meinem Anzuge beschäftigt: man versprach, in ¼ Stunden ihn zu schicken.

Ich gieng vergnügter Dinge weg, streifte Kintschy, las den Kladderadatsch und fand mit Behagen die Zeitungsnotiz, daß Wagner in der Schweiz sei, dab man aber in München ein schönes Haus fur ihn baue: während ich wußte, daß ich ihn heute Abend sehen

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TE TER ae

würde und daß gestern ein Brief vom kleinen König an ihn angekommen sei, mit der Adresse: »an den großen deutschen Tondichter Richard Wagner«.

Zu Hause fand ich zwar keinen Schneider, las in aller Gemächlichkeit noch die Dissertation über die Eudokia und wurde nur von Zeit zu Zeitdurch gellendes,

aber aus der Ferne kommendes Läuten beunruhigt.

Endlich wurde mir zur Gewißheit, daß an dem alt-

väterlichen eisernen Gitterthor jemand warte: es war

verschlossen, ebenso wie die Hausthür. Ich schrie über den Garten weg dem Manne zu, er solle in das Naun- dorfchenkommen: unmöglich, sich bei dem Geplatscher

des Regens verständlich zu machen. Das Haus gerieth

in Aufregung, endlich wurde aufgeschlossen, und ein altes Männchen mit einem Packet kam zu mir. Es war halb 7 Uhr; es war Zeit meine Sachen anzuziehen und Toilette zu machen, da ich sehr weit ab wohne. Richtig, der Mann hat meine Sachen, ich probiere sie an, sie passen. Verdächtige Wendung! Er präsentirt die Rech- nung. Ich acceptire höflich; er will bezahlt sein, gleich, bei Empfang der Sachen. Ich bin erstaunt, setze ihm auseinander, daß ich gar nichts mit ihm als einem Ar- beiter für meinen Schneider zu thun habe, sondern nur mit dem Schneider selbst, dem ich den Auftrag gegeben habe. Der Mann wird dringender, die Zeit wird dringender; ich ergreife die Sachen und beginne sie anzuziehn, der Mann ergreift die Sachen und hindert mich sie anzuziehn: Gewalt meiner Seite, Gewalt

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seiner Seite! Scene. Ich kampfe im Hemde: denn ich will die neuen Hosen anziehn.

Endlich Aufwand von Würde, feierliche Drohung, Verwünschung meines Schneiders und seines Helfers- helfers, Racheschwur: während dem entfernt sich das Männchen mit meinen Sachen. Ende des 2. Aktes: ich brüte im Hemde aufdem Sopha und betrachte einen schwarzen Rock, ob er für Richard gut genug ist.

Ein Viertel auf acht: um halb acht, habe ich mit Windisch verabredet, wollen wir uns im Theatercafe treffen. Ich stürme in die finstre regnerische Nacht hinaus, auch ein schwarzes Männchen, ohne Frack, doch in gesteigerter Romanstimmung: das Glück ist günstig, selbst dieSchneiderscene hat etwas Ungeheuer- lich-Unalltägliches.

Wir kommen in dem sehr behaglichen Salon Brock- haus an: es ist niemand weiter vorhanden, als die engste Familie, Richard und wir beide. Ich werde Richard vorgestellt und rede zu ihm einige Worte der Ver- ehrung: er erkundigt sich sehr genau, wie ich mit seiner Musik vertraut geworden sei, schimpft entsetzlich auf alle Aufführungen seiner Opern, mit Ausnahme der berühmten Münchener, und macht sich über die Kapell- meister lustig, welche ihrem Orchester im gemüth- lichen Tone zurufen: »Meine Herren, jetzt wird's leidenschaftlich!“ »Meine Gutsten, noch ein bischen leidenschaftlicher!« Wi. imitiert sehr gern den Leip-

ziger Dialekt. 48

Conrad von Soest Altar in der Pfarrkirche zu Nieder-Wildungen

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Nun will ich Dir m Kürze erzählen, was uns dieser Abendbot, wahrlichGenüsse soeigenthümlich pikanter Art, daß ich auch heute noch nicht im alten Gleise bin, sondern eben nichts Besseres thun kann, als mit Dir, mein theurer Freund, zu reden und »wundersame Mär« zu künden. Vor und nach Tisch spielte Wagner und zwar alle wichtigen Stellen der Meistersinger, in- dem er alle Stimmen imitirte und dabei sehr ausgelassen war. Es ist nämlich ein fabelhaft lebhafter und feuriger Mann, der sehr schnell spricht, sehr witzig ist und eine Gesellschaft dieser privatesten Art ganz heiter macht. Inzwischen hatte ich ein längeres Gespräch mit ihm über Schopenhauer: ach, und Du begreifst es, welcher Genuß es für mich war, ihn mit ganz unbeschreiblicher Wärme von ihm reden zu hören, was er ihm verdanke, wie er der einzige Philosoph sei, der das Wesen der Musik erkannt habe! Dann erkundigte er sich, wie sich jetzt die Professoren zu ihm verhalten, lachte sehr über den Philosophencongreß in Prag und sprach von den »philosophischen Dienstmännern«. Nachher las er ein Stück aus seiner Biographie vor, die er jetzt schreibt, eine überaus ergötzliche Scene aus seinem Leipziger Studienleben, an die ich jetztnoch nicht ohne Gelächter denken kann; er schreibt übrigens außer- ordentlich gewandt und geistreich. Am Schluß, als wir beide uns zum Fortgehen anschickten, drückte er

mir sehr warm die Hand und lud mich sehr freundlich ein, ihn zu besuchen, um Musik und Philosophie zu

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treiben, auch übertrug er mir, seine Schwester und seine Anverwandten mit seiner Musik bekannt zu machen: was ich denn feierlich übernommen habe. Mehr sollst Du hören, wenn ich diesem Abende etwas objektiver und ferner gegenüberstehe. Heute ein herzliches Lebe-

wohl und beste Wünsche für Deine Gesundheit. ` F. N.

Basel, Ende Januar bis 15. Februar 1870

Mein lieber Freund, neulich überkam mich die Sorge, wie es Dir wohl in Rom ergehen möge, und wie abseits von der Welt und wie verlassen Du vielleicht dort lebst. Es wäre ja selbst möglich, daß Du krank wärest, ohne rechte Pflege und ohne freundschaftliche Unter- stützung. Beruhige mich und nimm mir meine pessi- mistischen Grillen. Mir kommt das Rom des Concils so unheimlich giftig vor nein, ich will nicht mehr schreiben, denn das Briefgeheimniß ist fürallekirchlich- jesuitischen Dinge mir nicht sicher genug: man mochte wittern, was im Briefe stünde, und Dir’s entgelten lassen. Du studirst das Alterthum und lebst das Mittelalter. Nun willich eins Dir recht eindringlich sagen. Denke daran, auf Deiner Rückreise einige Zeit bei mir zu wohnen: weißt Du, es möchte vielleicht für lange Zeit das letzte Mal sein. Ich vermisse Dich ganz unglaub- lich: mache mir also das Labsal Deiner Gegenwart und sorge dafür, daß sie nicht so kurz ist. Das ist mir nam- lich doch eine neue Empfindung, auch so gar nieman-

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den an Ort und Stelle zu haben, dem man das Beste und Schwerste des Lebens sagen könnte. Dazu nicht einmal einen wirklich sympathischen Berufsgenossen. Meine Freundschaft bekommt unter so einsiedlerischen Umständen, so jungen und schweren Jahren, wirklich etwas Pathologisches: ich bitte Dich, wie ein Kranker bittet: »komm nach Basel!«

Mein wahres und nicht genug zu preisendesRefugium bleibt hier für mich Tribschen bei Luzern: nur daß es doch nur selten aufzusuchen ist. Die Weihnachtsferien habe ich dort verlebt: schönste und erhebendste Er- innerung! Es ist durchaus nöthig, daß Du auch in diese Magie eingeweiht wirst. Bist Du erst mein Gast, so reisen wir auch zusammen zu Freund Wagner. Kannst Du mir nichts über Franz Lißtschreiben?W enn Du viel- leicht Deine Rückreise über den Lago di Como machen könntest, so wäre eine schöne Gelegenheit, uns allen eine Freude zu machen. Wir, d. h. wir Tribschener, haben ein Auge auf eine Villa am See, bei Fiume Latte, Namens: ‚Villa Capuana‘, zwei Häuser. Kannst Du diese Villa nicht einer Musterung und Kritik unter- werfen?

Von Wackernagel’s Tod hast Du wohl gelesen? Es ist im Plane, daß Scherer in Wien ihn ersetzen soll. Auch ein neuer Theologe ist im Anzuge, Overbeck aus Jena. Romundt ist Erzieher bei Professor Czermak und wohl situirt, Dank Ritschl. Roscher, der mir über seine wärmste Verehrung für Dich geschrieben hat, ist

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als »bedeutender« Padagog in Bautzen. Bücheler soll nach Bonn gerufen sein. Das Rheinische Museum hat jetzt lateinische Lettern. Ich habe einen Vortrag vor gemischtem Publikum gehalten über »das antike Musik- drama« und halte am 4. Februar einen zweiten über »Sokrates und die Tragödie«. Ich gewinne immer mehr Liebe für das Hellenenthum: man hat kein besseres Mittel sich ihm zu nähern, als durch unermüdliche Fortbildung seines eignen Personchens. Der Grad, den ich jetzt erreicht habe, ist das allerbeschämendste Ein- geständniß meiner Unwissenheit. Die Philologenexi- stenzinirgend einer kritischen Bestrebung, aber tausend Meilen abseits vom Griechenthum, wird mir immer un- möglicher. Auch zweifle ich, ob ich noch je ein rechter Philologe werden könne: wenn ich es nicht nebenbei, so zufällig erreiche, dann geht es nicht. Das Malheur nämlich ist: ich habe kein Muster und bin in der Ge- fahr des Narren auf eigne Hand. Mein nächster Plan ist, vier Jahre Culturarbeit an mir, dann eine jahrelange Reise mit Dir vielleicht. Wir haben wirklich ein recht schweres Leben, die holde Unwissenheit an der Hand von Lehrern und Traditionen war so glücklich- sicher.

Ubrigens bist Du klug, wenn Du nicht so eine kleine Universitat als Wohnsitz wählst. Man vereinsamt selbst in seiner Wissenschaft. Was gabe ich darum, wenn wir zusammen leben konnten! Ich verlerne ganz zu sprechen. Das Lastigste aber ist mir, daß ich immer

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repräsentiren muß, den Lehrer, den Philologen, den Menschen, und daß ich mich allen, mit denen ich um- gehe, erst beweisen muß. Das aber kann ich so sehr schlecht und verlerne es immer mehr. Ich verstumme oder sage bereits absichtlich nur soviel, wieviel man als höflicher Weltmensch zu sagen pflegt. Kurz, ich bin mit mir mehr unzufrieden als mit der Welt und deshalb um so zugethaner dem Theuersten.

Mitte Februar. Ich habe jetzt die stärkste Be- sorgniß, daß mich Deine Briefe und Dich die meinigen nicht erreichen: seit November habe ich nichts gehört. Meine verehrte Freundin Cosima rieth mir, durch ihren Vater (Franz Lißt) mir Auskunft über Dich zu ver- schaffen. Dies werde ich auch nächstens thun; heute probire ich es nochmals mit einem Brief. Über das Concil sind wir gut durch die »römischen« Briefe in der Augsburger unterrichtet; kennst Du den Verfasser? Laß es Dir dann ja nicht merken: es wird schrecklich auf ihn gefahndet. Ich habe hier einen Vortrag über »Sokrates und die Tragodie« gehalten, der Schrecken und Mißverständnisse erregt hat. Dagegen hat sich durch ıhn das Band mit meinen Tribschener Freuuden noch enger geknüpft. Ich werde noch zur wandelnden Hoffnung: auch Richard W aguerhatmirinderrührend- sten Weise zu erkennen gegeben, welche Bestimmung er mir vorgezeichnet sieht. Dies ist alles sehr beängstigend. Du weißt wohl, wie sich Ritschl über mich geäußert hat. Doch will ich mich nicht anfechten lassen: littera-

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rischen Ehrgeiz habe ich eigentlich gar nicht, au eine herrschende Schablone mich anzuschließen brauche ich nicht, weil ich keine glänzenden und berühmten Stellungen erstrebe. Dagegen will ich mich, wenn es Zeit ist, so ernst und freimüthigäußern, wienurmöglich. Wissenschaft, Kunst und Philosophie wachsen jetzt so sehr in mir zusammen, daß ich jedenfalls einmal Cen- tauren gebaren werde.

Mein alter Kamerad Deussen ist mit Leib und Seele zu Schopenhauer übergegangen,als derletzte und alteste meiner Freunde. Windisch ist auf ein Jahr nach England, im Dienste der East-Indian Office, um Sanskrithand- schriften zu vergleichen. Romundt hat einen Schopen- hauer-V erein in's Lebengerufen. Soeben ist eine scanda- leuse Schrift gegen Ritschl erschienen (gegen seine Plautuskritik und das auslautende d): von Bergk, zur Schmach des deutschen Gelehrtenthums.

Nochmals schönsten und herzlichstenGruß. Ich freue mich auf das Frühjahr, weiles Dich durch Basel führt: nur theile mir mit, wann das geschieht: in den Oster- ferien bin ich mit den Meinigen am Genfersee.

Lebwohl! Lebwohl!

Nizza, 22. Februar 1884 Mein alter lieber Freund, ich weiß nicht, wie es zugieng: aber als ich Deinenletzteu Brief las und namentlich als ich das liebliche Kinder- bild sah, da war mir's, als ob du mir die Hand drücktest

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und mich dabeischwermüthig ansähest: schwermüthig als ob Du sagen wolltest » Wie ist esnurmöglich, daß wir so wenig noch gemein haben und wie in verschiedenen Welten leben! Und einstmals —« |

Und so, Freund, geht es mir mit allen Menschen, die mir lieb sind: alles ist vorbei, Vergangenheit, Schonung; man sieht sich noch, man redet, um nicht zu schweigen —, man schreibt sich Briefe noch, um nicht zu schweigen. Die Wahrheit aber spricht der Blick aus: und der sagt mir (ich höre es gut genug!) »Freund Nietzsche, Du bist nun ganz allein!«

So weit habe ich’s nun wirklich gebracht.

Inzwischen gehe ich meinen Gang weiter, eigentlich ist’s eine Fahrt, eine Meerfahrt und ich habe nicht umsonst Jahrelang inder Stadt des Columbus gelebt.——

Mein »Zarathustra« ist fertig geworden, in seinen drei Akten: den ersten hast Du, die beiden andern hoffe ich in 4—6 Wochen Dir senden zu können. Es ist eine ArtA bgrund der Zukunft, etwasSchauerliches, nament- lich in seiner Gliickseligkeit. Es ist Alles drin mein Eigen, ohneVorbild, Vergleich, Vorgänger; wer einmal darin gelebt hat, derkommt mit einem andern Gesichte wieder zur Welt zurück.

Aber davon soll man nicht reden. Für Dich aber, als einen homo litteratus, will ich ein Bekenntniß nicht zurückhalten: ich bilde mir ein, mit diesem Zara- thustra die deutsche Sprache zu ihrer Vollendung ge- bracht zu haben. Es war, nach Luther und Goethe,

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noch eindritter Schritt zu thun—; sieh zu, alter Herzens- Kamerad, ob Kraft, Geschmeidigkeit und Wohllaut je schon in unsrer Sprache so beieinander gewesen sind. Lies Goethe nach einer Seite meines Buchs und Du wirst fühlen, daß jenes »Undulatorische«, das Goethen als Zeichner anhaftete, auch dem Sprachbildner nicht fremd blieb. Ich habe die strengere, mannlichere Linie vor ihm voraus, ohne doch, mit Luther, unter dieRüpel zu geraten. Mein Stil ist ein Tanz; ein Spiel der Symmetrien aller Art und ein Überspringen und Ver- spotten dieser Symmetrien. Das geht bis in die Wahl der Vocale.

Verzeihung! Ich werde mich hüten, dies Bekenntnib einem Andern zu machen, aber Du hast einmal, ich glaube als der Einzige, mir eine Freude an meiner Sprache ausgedrückt.

Übrigens bin ich Dichter bis zu jeder Grenze dieses Begriffs geblieben, ob ich mich schon tüchtig mit dem Gegentheil aller Dichterei tyrannisirt habe.

Ach, Freund, wasfüreintolles, verschwiegenesLeben lebe ich! So allein, allem! So ohne »Kinder«!

Bleibe mir gut, ich bin’s Dir wahrhaftig. Dein F.N.

Aus der neuen Auflage des Briefwechsels Nietzsche-Rohde

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AUS DEN DEUTSCHEN SCHRIFTEN

von Heinrich Seuse

Von dem göttlichen Eindruck

Der erste Anfang des Dieners geschah in seinem acht- zehnten Jahre. Und obwohl er fünf dieser Jahre schon das geistliche Kleid getragen hatte, war dennoch seine Seele ungesammelt; wenn ihn Gott nur vor dengrößten Gebrechen, die seinen Leumund schwärzen konnten, bewahrte, so könnte, schien ihm, des Gemeinen nicht zu viel werden. Dabei wurde er von Gott doch irgend- wie umhütet, so daß er etwas Unbefriedigtes in sich fand, wo er sich auch zu den Dingen hinwandte, die thm begehrenswert erschienen, und daß ihn oft deuchte, es müsse irgend etwas anderes sein, was seinem umher- irrenden Herzen Frieden und Heimat geben könne; und es war ihm weh bei all seiner Unruhe.

Zwar biß er allzeit gegen dies Leben, das ihn an seiner Kette hielt, doch konnte er sich selbst nicht helfen, bis ihm der milde Gott durch eine plötzliche Wendung die Kette abnahm.

Man wunderte sich über die plötzliche Änderung, und es sagte einer dies, der andere das, wie es wohl so weit mit ihm gekommen sei; aber wie es wirklich war, ahnte niemand. Denn es war ein verborgener, licht- reicher Zug von Gott, und der bewirkte plotzlich die Umkehr.

Wie er die Fastnacht beging

Zur selben Zeit des Anfangs im geistigen Leben am Abend vor der Fastnacht, wo man das Alleluja be- gräbt! und die törichten Leute dieser Welt anfangen, ausgelassen zu sein er nannte diese Fastnacht die Bauernfastnacht, weil die nichts Besseres kennen —, ward ihm einst von Gott eine geistige Fastnacht be- reitet, und die war so:

Er war an jenem Abend vor dem Nachtgebet in ein warmes Stüblein getreten, sich zu wärmen; denn ihn fror und hungerte. Aber ihm tat nichts so weh wie der Durst, den er litt. Und als er Fleisch essen und guten Wein trinken sah und selbst hungrig und durstig dabei saß, wurde er innerlich aufgewühlt, ging bald hinaus, begann sich selbst zu bejammern und seufzte innig aus Herzensgrund.

Dieselbe Nacht kam es ihm in einem Gesichte so vor, als sei er in einer Krankenstube. Da hörte er draußen vor der Stube jemanden ein himmlisches Lied singen; die Töne klangen so süß herein, daß nie eine natürliche Harfe so süß sprach; und es war, als ob ein zwölfjähriges Schülerlein da allein singe. Der Diener vergaß alle leibliche Speise, lauschte den süßen Tönen und sprach mit brünstigem Herzen: » Ach, was ist es, was da singt? Ich hörte doch noch nie auf Erden so süße Töne!«

1 Vom Samstagabend vor Septuagesima bis zum Karsamstag fehlt das Aleluja in der MeBliturgie.

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Da antwortete ihm ein stolzer Jüngling, der stand da und sprach: » Du sollst wissen, daß dieser wohlsingende Knabe dir singt und daß er dich ehrt mit seinem Ge- sange.«

Da sprach der Diener: »O weh, segne mich Gott! Ach, himmlischer Jiingling, heiß ihn mehr singen!« Er sang wiederum, daß es hoch in der Luft erschallte, und sang wohl drei himmlische Lieder.

Als der Gesang aus war, kam der wohlsingende Knabe, wie ihm erschien, durch die Luft zum Fenster- lein der Stube und reichte dem Jüngling ein hübsches Körblein herein; das war voll roter Früchte, und die waren gleich roten, überreifen Erdbeeren und waren schön groß. Der Jüngling nahm den Korb von dem Knaben, reichte ihn mit Freuden dem Bruder hin und sprach: »Schau, Geselle und Bruder, diese rote Frucht hat dir dein Freund und himmlischer Herr gesandt, der wonnigliche Knabe und Sohn des himmlischen Vaters, der dir auch gesungen hat. Ach, wie hat er dich so recht lieb!«

Da entflammte der Bruder, wurde vor Freude rot im Gesicht und empfing begierig das Körblein und sprach: »Ei ja, wohl meinem Herzen! Dies ist mir eine liebe Sendung von dem lieblichen Himmelsknaben; dessen soll sich mein Herz und meine Seele immer freuen!« Und er wandte sich an den vorgenannten Jüngling und sprach: »Ach, ich bitte dich, hilf mir, daß ich ihn sehe und ihm für seine schöne Gabe danke.«

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Da sprach er: »Nun, so tritt heran zum Fensterlein und tu einen Blick hinaus!«

Er tat das Fenster auf, da sah er vor dem Fenster den allerzartesten, lieblichsten Schüler stehen, der je mit Augen gesehen ward. Und als er zu ihm durchs Fenster hinaus wollte, kehrte er sich lieblich zu ıhm und neigte sich gütig mit einem freundlichen Seguen zu ihm nieder und verschwand vor seinen Augen. Also zerging das Gesicht.

Als er wieder zu sich selber kam, dankte er Gott für die gute Fastnacht, die ihm geworden war.

Wie er den Mai beging

In der Nacht des einziehenden Mai fing er gewöhnlich an, einen geistigen Maien zu setzen, und ehrte den eine Zeitlang alle Tage einmal. Unter all den schönen Zwei- gen, die je wuchsen, konnte er nichts finden, was dem schönen Maien mehr glich, alsden wonniglichen Ast des heiligen Kreuzes, der reicher in Gnaden und Tugenden und jeder schönen Zierde erblüht, als je alle Maien.

Unter diesem Maien machte er sechs Kniebeugungen; und jede Kniebeugung wollte in ihrer Betrachtung den geistigen Maien mit den schönsten Dingen zieren, die der Lenz hervorbringen mochte. Und er sprach und sang in seinem Innern vor dem Maien mit dem Hym- nus Salve crux sancta also: »Gegrüßet seist du, himm- lischer Maien der ewigen Weisheit, auf dem da ge- wachsen ist die Frucht der ewigen Seligkeit.

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Dir zu ewiger Zier für alle roten Rosen biete ich heute ein herzliches Lieben;

für alle kleinen Veilchen ein demütiges Neigen; für alle zarten Lilien ein lauteres Umfangen;

für allerlei schönfarbige und leuchtende Blumen, die irgend Heide oder Anger, Wald oder Au, Baum oder Wiese in diesem schönen Mai hervorgebracht haben, oder die je wurden oder noch werden, bietet dir mein Herz ein geistiges Küssen;

fur aller wohlgemuten Vogelein Gesang, den sie je auf einem Maienreis sorglos gesungen haben, bietet dir meine Seele ein unerschöpfliches Loben;

und für all die Zier, mit der je ein Maien in der Zeit geziert ward, erhebt dich mein Herz heute in geistigem Singen und bittet dich, gesegneter Maie, du wollest mir helfen, dich in dieser kurzen Zeit also zu loben, daß ich dich, lebendige Frucht, ewiglich genießen werde.«

Und so wurde der Mai begangen.

Von dem allerhöchsten Überflug eines vielgeübten, vergeistigten Gemütes

De weise Tochter sprach: »Ich möchte aus den Schriften der Meister nichts so gerne erfahren als die über alles emporschwingende Lehre darüber, wo und wie eines wohlgeübten Menschen Erkennen in der tiefsten Abgründigkeit an seinem höchsten Ziele enden soll, so daß erlebte Empfindung mit der Meinung der Meister zum gleichen Ergebnis komme.«

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Er nahm eine erkenntnisreiche Antwort darauf aus den Schriften der Meister; sie entsprach den geheimnis- vollen Lehren über diese Frage und lautete also:

»Solch ein edler Mensch strebt durch Einfalt und Müßigkeit dem sinnreichen W orte nach, das der ewige Sohn im Evangelium sprach: , Wo ich bin, da soll auch mein Diener sein!‘ Wer nun dieses Wo, von dem der Sohn sprach in Gedanken an seine Menschheit und sein Sterben am Kreuze, wer dieses strenge W o in der Nach- folge nicht gescheut hat, der mag nach Verheißung einst auch das lustreiche Wo der bloßen Gottheit des Sohnes in geistigen Freuden durch Zeit und Ewigkeit minder und mehr genießen, soweit es dann möglich ist.

Eija, wo ist nun dieses Wo der bloßen Gottheit des Sohnes? Es ist in dem formreichen Lichte der göttlichen Einigkeit; und zwar ist es nach seinem namenlosen Namen aufgefaßt eine Nichtigkeit, nach dem Einwallen eine seiende Stille, nach dem Wiederauswallen und dem, was danach innerlich bleibt, eine Natur der Drei- heit, nach seiner Eigenschaft ein Licht seiner Selbst- heit, nach seiner ungeschaffenen Ursächlichkeit ein allen Dingen Leben gebendes Sein. Und in der finstren Gestaltlosigkeit vergeht alle Mannigfaltigkeit, der Geist verliert seine Selbstheit, er vergeht in seiner selbstischen Wirksamkeit. Und dies ist das höchste Ziel und das endlose Wo, in dem aller Geister Geistigkeit endet; darin allzeit verloren sein, ist ewige Seligkeit.

Und damit du dies desto besser begreifst, so erfahre

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weiter, daß in dem formreichen Lichte der göttlichen Einigkeit ein im Innern wogendes Quellen des persön- lichen Stromes aus der allvermögenden, ewigen Gott- heit ist; denn die Dreiheit der Personen ist in der Ein- heit der Natur, und die Einheit der Natur in der Drei- heit der Personen. Die Einheit hat ihre Wirksamkeit in der Dreiheit, und die Dreiheit hat ihr Vermögen in der Einheit, wie Sankt Augustinus sagt in dem Buche von der Dreifaltigkeit. Die Dreiheit der Personen hat die Einheit als ihr natürliches Wesen in sich geschlossen; darum ist jede Person Gott und, nach der Einfachheit der Natur genommen, Gottheit. Nun leuchtet die Ein- heit in der Dreiheit auf verschiedene Weise, aber die Dreiheit leuchtet bei der noch inneschwebenden Be- trachtung nach dem Wiederauswallen einfältig in der Einheit und hat diese einfältig in sich geschlossen. Der Vater ist ein Ursprung des Sohnes; deshalb ist der Sohn ein Auswallen, ewiglich aus dem Vater geflossen der Person nach und innebleibend dem Wesen nach. Der Vater und der Sohn entgießen ihren Geist. Und die Einheit, die Wesen des ersten Ursprungs ist, ist auch Wesen aller drei Personen. Wie aber die Dreiheit eins sein und die Dreiheit in der Einheit der Natur eins sein und doch die Dreiheit aus der Einheit sein kann, das vermag der Mensch wegen der Einfalt des tiefen Ab- grundes nicht in Worte zu bringen.

Hierher in dieses übervernünftige Wo schwingt sich geistend der Geist, bald fliegend vor endloser Höhe, bald

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vor grundloser Tiefe schwimmend, durch die hohen Wunder der Gottheit. Und dennoch bleibt der Geist hier in Geistes Art, im Genusse dieser gleich ewigen, gleich gewaltigen, innebleibenden und doch ausfließen- den Personen; abgeschieden von allem Gewölke und Gewerbe der niederen Dinge, starrt er die göttlichen Wunder an. Denn was kann ein größeres Wunder sein als die bloße Einheit, in die sich der Personen Dreiheit in Einfalt einsenkt, wo alle Mannigfaltigkeit ihres selb- stischen Seins entsetzt wird? Und das ist so zu verstehen, daß der entgossenen Personen Ausgeflossenheit allzeit sich wieder hineinsehnt in desselben Wesens Einheit. Und alle Kreaturen sind nach ihrer innebleibenden Ausgeflossenheit ewig in dem Einen mit gottlebendem, gottwissendem, gottseiendem Sein, wie das Evangelium sagt: In principio ..., was geworden ist, das ist in ihm ewiglich das Leben von ihm.

Diese bloße Einheit ist eine nächtige Stille und eine müßige Muße, die niemand als der allein verstehen kann, in den die Einheit selbst hineinleuchtet. Ausder stillen MuBe leuchtet rechte Freiheit ohne alle Bosheit; denn sie gebiert sich in entwordener Wiedergeboren- heit; da leuchtet verborgene Wahrheit auf ohne alle Falschheit, und die gebiert sich in der Enthüllung der verhüllten Nacktheit. Denn hier wird der Geist des trü- ben Lichtes entkleidet, das ihm in menschlicher W eise aus der Offenbarung der Dinge gefolgt war. Das fallt da

von ihm ab, denn er fühlt sich jetzt als einen andern

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Kopf des Petrus aus dem Friedberger Altar

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und mehr als Gottes Eigentum denn zwar im früheren Lichte; so sagte Paulus: ‚Ich lebe, nicht mehr ich!‘ Und so in der Unaussprechlichkeit des einfältigen gött- lichen Wesens wird er entkleidet und aller irdischen Werke und Weisen enthoben. Dies Wesen durch- leuchtet sich alle Dinge in einfaltiger Stille, da wird auch der bleibende Unterschied der Personen und ihre Besonderheit in der einfaltigen, weiselosen Weise ver- gessen. Denn, wie die Schrift sagt, die Person des Vaters, allein genommen, gibt nicht Seligkeit, noch die Person des Sohnes allein, noch die des Heiligen Geistes allein, sondern die drei Personen sich umfangend in Einigkeit des Wesens ist Seligkeit. Und diese Dreieinigkeit ist natürliches und allen Kreaturen gnädiglich Wesen gebendes Wesen der Personen; und sie hat aller Dinge Formen einfach und wesentlich in sich beschlossen. Da sich nun dies formenreiche Licht das Wesen er- halt, so sind die Dinge in ihm als seine eigene Wesen- heit und nicht als in Gott formende Zufälligkeit; und da es sich alle Dinge durchleuchtet, darum besitzt es Lichtes Eigenschaft. Und also leuchten alle Dinge in dem Wesen mit einer in ihnen schwebenden Stille in des Wesens Einfalt. l Dieses geistige Wo, von dem wir sprechen und in dem ein bewährter Diener mit dem ewigen Sohne wohnen soll, kann man die in sich selbst ruhende, na- menlose Nichtigkeit nennen. Da kommt der Geist auf das Nichts der Einheit. Und die Einheit heißt darum ein

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Nichts, weil der Geist keine zeitliche W ortweise finden kann, zu sagen, was es sei; aber der Geist empfindet wohl, daß er von einem andern, als was er selber ist, gehalten wird. Darum ist das, was ıhn da hält, eher ein Etwas, ein Ichts, als ein Nichts: es ist dem Geiste aber wohl ein Nichts, wenn er sagen soll, was es sei.

Wenn nun der Geist in dieser verklärten, glanz- reichen Nächtigkeit wohnt, sich selbst und sein eigen Sein vergessend, so verliert er alles Trennende und alle seine Eigenschaften, wie Sankt Bernhard sagt. Und das geschieht minder und mehr, je nachdem der Geist in dem Leibe oder von dem Leibe aus sich selbst unter- gegangen und in Gott eingegangen ist. Und dies Sich- selbstverlieren ist göttlicher Art, die ihm, ich weiß nicht wie, alle Dinge geworden ist, wie die Schrift sagt. In dieser Entsunkenheit vergeht der Geist, aber doch nicht gänzlich; er gewinnt wohl etliche Eigenschaften der Gottheit, aber er wird doch nicht natürlich Gott: was ihm geschieht, das geschieht durch Gnaden, denn er ist ein Ichts, geschaffen aus Nichts, das ewig bleibt. Soviel sei überdies gesagt, daß mit dem Versinken und in Gott verziickt werden auch aus der Seele das zweifelnde Wundern schwindet, in jener Verlorenheit, durch die sie all des Ihrigen entsetzt und nicht mehr um sich selbst wissend in Gottes Sein übersetzt wird. Denn wie die Meister allgemein sagen, wird der Geist durch des gott- lichen, lichtreichen W esens Kraft über sein natürliches Vermögen hinaus in des Nichtes Bloßheit entrückt:

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denn dieses Nichts ist aller Weisen von Kreaturen bloß und ledig, hat aber in sich seine eigene Weise, die seiner Wesenheit entspricht. Diese weiseloseW eise ist W esen der Personen; sie halten es in einfacher Weise und mit rechter Durchgründung als ihre Natur umschlossen. Diese Erkenntnis Gottes, wie gesagt ist, entgeistet den Geist; und das geschieht indem Nichtsder Einheitdurch des Nichts unergründbare Erkenntnis des Nichtes und Hingabe der eigenen Wesenheit; denn da verliert sich der Geist und findet sich selbst nicht mehr und ver- gibt alle Dinge. Und also geschieht ihm dann, wenn der Geist zuinnerst abgekehrt vom Selbst und von aller Dinge Gewordenheit in die bloße Ungewordenheit der Nichtigkeit vergangen ist.

In diesem einsamen Gebirge des übergöttlichen Wo ist eine alle reinen Geister fühlbar anlockende Abgrün- digkeit, und da kommt die Seele in die verborgene Un- genanntheit und in die wundersame Entfremdung. Und das ist der allen Kreaturen unergründbar tiefe, nur sich selbst ergründbare Abgrund, verborgen allem, das nicht er selbst ist, und nur denen aufgetan, welchen er sich offenbaren will; aber auch diese müssen ihn gelassen suchen und ihn irgendwie durch ihn selbst erkenuen, wie die Schrift sagt: Wir sollen da erkennen, gleich- wie wir erkannt sind! Diese Erkenntnis hat der Geist nicht aus sich selbst, denn die Einheit in der Dreiheit zieht ihn in sich hinein, in seine wahre, iibernatiirliche Heimat, wo er über sich selbst in dem wohnt, was ıhn

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angezogen hat. Da stirbt der Geist, ganz in den Wun- dern der Gottheit lebend. Dieses Sterben des Geistes liegt daran, daß der Geist in seiner Verzückung das Be- sondere seiner eigenen Wesenheit nicht mehr wahr- nimmt; wenn aber die Verzückung wieder auswallt, so unterscheidet er auch die Dreiheit der Personen, und er läßt ein jedes Ding in seiner Besonderheit das sein, was es ist, wie der Diener in dem Büchlein der Wahr- heit klar dargelegt hat. Und merke noch einen Punkt: In jener Verzückung bricht aus der Einheit ein einfaches Licht hervor, und dieses weiselose Licht wird von den drei Personen in die Lauterkeit des Geistes geleuchtet. Vor diesem einbrechenden Strahl entsinkt der Geist sich selbst und aller seiner Selbstheit, er entsinkt auch der Auswirkung seiner Kräfte und wird entwirkt und entgeistet. Und das liegt an dem Einwallen, durch das er aus seiner Selbstheit in das fremde Sein untergegangen ist und sich verloren hat in die Stille der verklärten, glanzreichen Nächtigkeit, indie nackte, einfältige Einig- keit. Und in diesem weiselosen Wo liegt die höchste Seligkeit.

Die Tochter sprach: »Eija, eija, Wunder! Wie soll man hier hinein kommen? e

Er sprach: »Darauf lasse ich den lichten Dionysius antworten; der sagt zu seinem Jünger: Willst du in das verborgene Geheimnis kommen, so tritt keck hinan und laß fallen deine äußern und inneren Sinne und das eigene Werk deinerVernunft, alles, was sichtbar oder unsicht-

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bar, alles, was Wesen oder Nichtwesen ist; hinan zur einfältigen Einigkeit, in sie sollst du eindringen, unwis- send, in das Schweigen, das da über allem Wesen und über aller Meister Kunst ist, mit nacktem Einwallen des abgriindigen, einfältigen, reinen Gemütes, hinein inden überwirklichen Abglanz der göttlichen Finsternis! Hier muß alle Fessel entfesselt, alle Dinge müssen gelassen sein, denn in der überwirklichen Dreifaltigkeitder über- gotteten Gottheit, in dem verborgenen, überunbekann- ten, iberschimmernden, allerhöchsten Giebel da hört man im raunenden Schweigen W under, Wunder; man empfindet da neue, erdabgeschiedene, unwandelbare Wunder in der überlichten, dunklen Nächtigkeit, die doch ein überoffenbarer, lichtreicher Schein ist, in dem alles wiederleuchtet, der die im Dunkel tastende Ver- nunft überfüllt mit den unbekannten, unsichtbaren, überglänzenden Lichtern.«

Aus der Seuse- Auswahl des »Domse

ARTHUR SCHOPENHAUER:

Men Ich als Leib, als Wille, verliert sich in der unendlichen Zeit, verschwindet im unendlichen Raum, und so auf mein Ich zurücksehend denke ich mit Schau- der die zahllosen Welten am Himmel. Aber indem ich mich besinne und meiner als ewiges Subjekt des Erkennens mir bewußt werde, spreche ich mit Stolz und Sicherheit die unleugbare Wahrheit aus, daß die

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Welten meine Vorstellung sind, daß also ich, das ewige Subjekt, der Träger dieses Weltalls bin, dessen ganzes Seyn nichts ist als eine Beziehung auf mich. Wo bleibt der Schauder, wo die Bangigkeit? Ich bin, nichts weiter ist, auf mich gestützt ruht die Welt, in der Ruhe, die von mir ausgeht: wie sollte sie mich schrecken, wie ihre Größe mich entsetzen, die immer nur das Maß meiner eignen sie stets übersteigenden Größe ıst! Diese

Erkenntniß ist das Gefühl des Erhabenen.

DER GRAF VON PALOMAR Von Otto Freiherrn von Taube

Der Fremde, der das Geriicht vom Verfall der See- städte Spaniens und ihrer Häfen auf seiner Meerfahrt langs diesen Küsten nur bestätigt gefunden hatte, meinte, als das Schiff der Reede von X... sich näherte, etwasÜberraschendes’zu empfinden, etwas Ungewöhn- liches zu gewahren. Nicht lag das an den kahlen, grau- gelben Felsen, die den Ort in hoheitsvollem Bogen um- gaben, nicht am bezinnten Maurenkastell, das den Burg- hügel krönte, mit der weithin leuchtenden rotgelben Spamerfahne; dergleichen hatte er dortzulande schon oft gesehen. Die Hauser vielmehr bewirkten diesen Eindruck, die sich sauber und wohlgehalten wenig- stens nach der Seeseite zu zeigten, das Gewimmel von Fahrzeugen und Kähnen um die Einfahrt und der Verkehr auf den hübsch bepflanzten Ufern, von deneu

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aus sich der stattliche neue Anlegedamm ins Meer streckte. Der Fremde setzte das Fernglas an, sich des Anblicks zu vergewissern, welcher seinen bisherigen Landeserfahrungen dermaßen widersprach, als er einen Seemann, der sich an ihm vorüberdrängte, zu einem Mitreisenden sagen hörte: »Wir landen an der Mole des Grafen von Palomar.« »Sehen Sie diese Mole, hörte er gleich darauf einen weiteren Schiffsgast zu einem dritten sagen diese beiden waren Italiener und Händler »sie hat.. . ( und es folgte eine fabelhafte Zahl von Millionen Peseten „gekostet.“ »Es ist ein großartiges Geschenk, das der Graf damit seiner Stadt gestiftet hat«, antwortete der Angeredete. »Der ganze Hafen, die ganzen Ufer mit ihren Anlagen sind eigentlich sein Werk«, ergänzte der andere Italiener.

Inzwischen zeigte der mächtige, wogenumschlagene Quaderdamm sich den Anfahrenden immer deutlicher und auf ihm, sich aus Palmen und Blumen über ge- staltenbesetztem Marmorsockel hebend, ein erzenes Standbild, das einen Mann in altspanischer Tracht dar- stellte. » Wer ist das?« fragte der Fremde einen Ma- trosen, der neben ihm ein Tau aufrollte. »Christoph Columbus, gab jener zur Antwort. „Wie kommt der hierher?« fragte der Fremde. Der Matrose hatte keine Zeit zu antworten, derjenige aber der Italiener, der ortskundig schien, gab zur Auskunft: » Wie Sie wissen, ist Christoph Columbus zum ersten Male von Palos abgesegelt. Doch will die Sage und in X... ist man

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stolz auf sie —, daß er auf der Suche nach einem ge- eigneten Hafen zuvor sich längere Zeit hier aufgehalten habe. Dieser Überlieferung zu Ehren hat der Graf der Stadt auch dieses Denkmal geschenkt; es ist ein Werk des Armando Bustos von Madrid.« So war es denn nicht nur ein malerischer Anblick, wie so viele in Spanien, es war ein wohlhabender, von Tätigkeit zeu- gender, belebter, den diese Stadt dem Fremden bot, zugleich aber war seine Einbildungskraft schon iiber- waltigt vom Glanze dessen, was er sich von der Frei- gebigkeit hatte denken konnen, mit der jener prachtige Mann am Orte schaltete. Schon verkniipfte er, unwill- kurlich, das eine mit dem anderen, indem er all jenes rege Wesen der Wirkung dieses Einzelnen zuzuschrei- ben sich geneigt fühlte. Und, Schritt für Schritt, Schlag für Schlag, ward er hierin bestärkt, auf immer neue Spuren jenes Namens stoßend, die die Macht, mit der er sich von ihm angerührt fühlte, steigerten. So z. B. hatte er gefragt, wo man an diesem Orte gut absteige, und als Antwort »im Gasthof zum Grafen von Palo- mar, dem ersten unserer Stadt« vernommen; er hatte, ausgeschifft, die schönen Baumgänge und die Blüten- pracht am Hafen bewundert, die ihm als Schöpfungen des Grafen bezeichnet worden waren; nun fuhr er stadt- ein durch eine ebenso bepflanzte, glänzend gepflasterte, beinahe platzbreite Straße, die, langsam ansteigend, oben wie unten mit je einerschlanken Saule geschmiickt war,— und las als deren Namen: »Straße des Grafen von

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Palomar«; er wunderte sich über das gänzlich unspa- nische gute Aussehen der glattgefütterten Mäuler, die die zeltüberspannten Lohndroschken hurtig hin- und herzogen, fragte den Kutscher und erfuhr, der Graf, als er noch Bürgermeister der Stadt gewesen wäre, habe Preise für ordentliche Fuhrwerkhaltung ausgesetzt und bei seinem Abgang vom Amte eine Stiftung hinter- lassen, aus der die Belohnungen weitergezahlt würden. »Er ist ein. großer Wohltäter«, urteilte der Fremde; der Kutscher erwiderte: »Er vermag das; er ist un- glaublich reich.«

Der Gasthof machte dem Namen, den er führte, alle Ehre. Der Eindruck des Vortages auf unseren Fremden erfuhr, was jenen wohltäterischen, ange- sehenen und wohl auch mächtigen Mann betraf, am folgenden Morgen weitere Verstärkung. Der Reisende hatte den Wirt nach des Ortes Sehenswürdigkeiten gefragt, dieser ihm außer einigen Kirchen den »alten« und den »neuen Palast« empfohlen. Der »alte«, hatte er gesagt, sei der ehemalige Sitz der Maurenstatthalter, den der Graf mit vielen Kosten habe wiederherstellen lassen, um ihn, angefüllt mit bedeutenden Landes- altertümern, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen; er stehe jeden Morgen unentgeltlich offen. Im neuen Palaste befänden sich im Oberstock einige Gemälde; man erhalte die Besichtigungserlaubnis gegen Vor- zeigung eines Ausweises im Saulenhof des Gebäudes.

Der Fremde fand im erstgenanuten Bau ein fein-

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sinnig erneuertes Beispiel jener zierreichen, üppigen, wenn auch echten Europäern stets fremd bleibenden Baukunst; die Sammlungen alter Steinbildwerke, Waffen, Lederarbeiten, Kacheln und Tongeschirre ergaben eine beinahe vollständige Übersicht jener Kunst- und Kunstgewerbezweige, wiesen wertvollste Einzelstücke auf, erfreuten durch geschmackvolle An- ordnung; sie konnten sich neben den allerersten des Königreiches und Englands sehen lassen.

Mit der Empfindung, abermals ein edeles Denkmal der Gesinnung und Wirksamkeit des Vortrefflichen geschaut zu haben, verließ der Fremde das Haus, um sich nach dem neuen Palaste zu begeben. Im ver- worrenen Gassengeknäuelder Altstadt, die er zu durch- queren hatte, verirrte er sich jedoch; er sah sich nach einem Menschen um, dessen Führung zugleich auch unterhaltsam wäre; da fiel sein Blick auf einen sorg- faltig in Schwarz gekleideten Herrn, dessen schmales Antlitz mit dem leicht angegrauten Stutzbarte, der Adlernase und den vornehmen Zügen an die Bildnisse altspanischer Edelleute von der Hand des Greco er- innerte; er trug einen weitkrämpigen weißen Stroh- hut und führte bei sich ein Rohr mit goldenem Kugel- griff. Der Fremde sprach ihn an. »Gehen Sie nur mit mir«, entgegnete der Hidalgo. »Ich habe das gleiche Ziel wie Sie.«

Seiner Gepflogenheit nach wäre der Fremde nun gern in ein Gespräch mit dem Einheimischen gekom-

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men. Das gelang. Er erfuhr zunächst, was er bei der Auskunft seines Wirtes überhört hatte, daß auch der neue Palast eine Schöpfung des Grafen sei. Er habe ihn für sich selber bauen lassen und bewohne ihu. Was gezeigt werde, seien grad seine eigenen Gemächer, die außer einer prächtigen Einrichtung eben jene Gemälde enthielten: einige alte Italiener, Vlämen, mehr noch Spanier, darunter einen berühm- ten Christus des »göttlich« zubenannten Meisters Mo- rales. Erfreut, es mit einem gebildeten Herrn zu tun zu haben, tat der Fremde nun endlich auch einige Fragen nach jenem Manne, den er immer häufiger nennen hörte, immer mehr bewundern lernte, und in dem er immer mehr die bewegende Kraft des Ortes erkannte. Der andere teilte mit, der Graf sei schlicht- bürgerlich mit dem Geschlechtsnamen Puig y Palau geboren, weshalb auch der Platz, an dem der neue Palast liege, Puig-y-Palau-Platz benannt worden sei; er sei aus beinahe niederen Verhältnissen hervorge- gangen und als junger Bursch aus dem betriebsamen Catalonien in diese damals gänzlich tote Stadt zuge- wandert; als Buchhalter im einzigen Reedereigeschäfte des Hafens, das ohne jegliche Bedeutung gewesen wäre, habe er begonnen, habe es bald darauf selbst in Händen gehabt, habe es vergrößert und sei zuX... nun heimisch geworden, teils, weil man den Schau- platz seines Ringens lieb gewinnt, teils, weil ihn eine Schönheit dort fesselte: Dona Rosario, dereu Vater,

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ein armer Junker, den adelswürdigen Beruf eines Arztes ausübte, sich aber sträubte, die Tochter einem zu geben, der sich mit dem unchristlichen und niederen Handelserwerbe abgebe. Erst nach des Vaters Tode habe sie sich mit dem bereits begütert gewordenen Manne vermählen können. Aber die Reichtümer Puig y Palaus seien von Tag zu Tag gewachsen, sein An- sehen habe begonnen, erst am Orte, dann in der Pro- vinz, dann im ganzen Reiche zu gelten, zumal er, verständig, großblickend und klar, die Arbeitslust der ganzen Bevölkerung angeregt und Geld nicht nur dem eigenen Schatze, sondern auch dem Säckel der Ge- meinde und eines jeden, der sich bemühen wollte, zu- geführt habe. Zugleich mit den Gütern, wie der liebenswürdige Herr berichtete, wuchsen auch die Ehren des Vieltätigen: der König ernannte ihn nach einer der Besitzungen, die er erworben hatte, zum Grafen von Palomar mit Grandezza; er ward ın den Senat berufen. Als er nach jahrelangem Wirken das Bürgermeisteramt freiwillig niederlegte, war das am Orte ein Trauertag. Denn immer hatte er seine Kräfte um des Wohls und des Glanzes der Stadt willen ein- gesetzt, wie er auch immer einen Teil seiner Einkünfte gemeinnützig verwendete, nicht nurin späteren Jahren, wo er keine Leibeserben mehr hatte, sondern auch . ehemals, zu Lebzeiten Dona Rosarios und des einzigen Sohnes, der zu London, wo er in einer Bank lernte, neunzehn Jahre alt starb.

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Ludwig Friedrich Karl Eginhard, regierender Graf von Erbach - Fürstenau

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»Und da Sie so viel Anteil an unserem Grafen nehmen,« schloß der Einheimische den Bericht, »würde, mein’ ich, es Ihnen wohl Freude machen, auch das große Krankenhaus zu sehen, das er der Stadt zu eigen gegeben hat. Ich bin darin der Ober- arzt,« er reichte dem Fremden ein Kärtlein, auf dem der Name Dr. Juan Ribera y Mendez zu lesen war, »ich gehe grad zum Grafen, ihm über gewisse Neu- einrichtungen Vortrag zu halten. Morgen früh, wenn Sie wollen, stehe ich zu Ihren Diensten.«

Sie langten vor dem Palaste an, einem Quaderbau in Florentiner Art, der sich durchaus würdig zeigte. » W enn Sie noch etwas Hübsches sehen wollen,« sagte der Arzt, eh er die Prunktreppe hinaufstieg, zum Frem- den, »so lassen Sie sich bei der Verwaltung im Hofe, von der Sie die Besichtigungserlaubnis des Hauses er- halten, auch die für die Gärten von Sta. Catalina geben. Das ist ein Landgut des Grafen. Die Kirche daneben hat er erneuern und ausschmücken lassen. In der Meierei finden Sie Erfrischungen.«

Wenn der Fremde dem »gottlichen« Morales auch keinen Geschmack abgewinnen konnte, er freute sich an manchen anderen Ölwerken, er freute sich an der Herrschaftlichkeit der Gemächerflucht, die er sich als einen gebieterischen Anblick bei Festbeleuchtung vor- zustellen vermochte. Auch das hob seine Bewunde- rung vor dem Herrn des Hauses und ließ ihm dessen Wesen noch ehrwürdiger erscheinen. »Ein könig-

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licher Mann«, sagte er sich. Des Nachmittags unter- nahm er den Ausflug, zu dem ihm der Arzt geraten hatte. Er ging zu Fuß; nach etwa anderthalb Weg- stunden durch Staub und Öde gewahrte er in einem Tale ein anspruchsloses Landhaus, wie in einer Oase gelegen in seinem Garten, der ihm alsbald in belehren- der Weise die Anbaumöglichkeiten dieser Landschaft darlegte und zugleich in gefälliger Weise dem Auge schmeichelte. Die Kirche, etwas straßenab gelegen. bewies zwar trotz aller Pracht, daß die Zeit großer Kunst nun einmal vorüber war; dennoch bezauberten ihr blumendurchduftetes Halbdunkel und ihre Stille, in der einige Frauen knieten.

Nachdem er sich in der Meierei erquickt hatte. machte sich der Fremde auf den Heimweg. Es war schon gegen Abend. Da sah er aus dem Ulmengange. der von der Kirche niederführte, einen Barfüßermönch nach der Landstraße zu schreiten; in der Hand hatte er eine Rose, die er von den Gewinden gepflückt hatte, die Baum mit Baum verbanden; er hob sie sich häufig, als wie die Morgeulander, ihren Duft einzuatmen, an die Nase. Der Mönch war nicht nur stattlich an Wuchs und, wie es schien, ausnehmend stark, er hielt sich auch prachtvoll aufrecht. Er griff rüstig aus. Sein Alter mochte an die vierzig sein. Sein schwarzer, auf die Brust wallender Bart war gepflegt; sein Antlitz von jener Marmorhaftigkeit, die unter diesem Himmels-

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striche nichts Ungesundes bedeutet; eine rote Narbe lief ihm schräg über die Stirn und teilte die eine Braue. Sein Ausdruck war frank; seine Augen leuchteten. Der Fremde mäßigte den Schritt, damit die anzie- hende Erscheinung ihn einhole. In der Tat war der Bruder bald an seiner Seite: »He,« grüßte er mit einer hellen, doch männlichen Stimme, aus der etwas bei- nahe Herausforderndes klang, »man sieht, Senor, daß Sie Nordlander sind. Ein Herrchen Ihres Standes, ware er Spanier, hätte außer an Wallfahrtstagen den Weg nach Sta. Catalina nur mit Fuhrwerk zurücklegen wollen. (- Was ist denn dabei?« lächelte der Fremde, »Sie gehen ja ebenfalls zu Fuß.« Wir vom Orden«, entgegnete der Bruder, „sind viel unterwegs zu Fuß. Doch schon in meinem früheren, weltlichen Leben habe ich mich tüchtig zu Fuß getummelt und in hei- Beren Ländern als in diesem lauwarmen Spanien. Ich war in Marokko im Krieg.« »Ich bin«, fuhr er auf einige Zwischenfragen des Fremden hin fort, »dort nicht etwa in Erfüllung der gesetzlichen Dienstpflicht gewesen; ich war Offizier von Beruf. Es ist ein guter Beruf, doch mein jetziger ist noch besser. Offizier, Mönch, sind die einzigen Berufe, für die ich Sinn habe, nicht anders als die alten spanischen Vorfahren.« „Und wie gefällt Ihnen unser Ländchen? fragte im weiteren Verlaufe des Gespräches der kriegerische Mönch mit der vom Säbel des Ungläubigen erwor- benen Narbe, »wie gefallt Ihnen unser Städtchen?«

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Der Fremde war des Lobes voll. Auch enthielt er sich nicht, zu bemerken, in welch erfreulicher Weise seiner Meinung nach dieser Ort sich von den anderen der Halbinsel unterscheide; wie er sich durch Fleiß, Tüchtigkeit, Wohlstand auszeichne, und wie doch all dieser Fortschritt wohl nur jenem einen Manne zu verdanken sei, den er sich nicht scheue »groß« zu nennen.

»Größe, Fortschritt?“ lachte der Mönch; »wenn diese Entwickelung wirklich eine solche zum Guten wäre, würde auch ich davon reden. Doch ich vergesse: im Norden in England, wo ich in Ordensangelegen- heiten war, in Deutschland, wo diese Ansicht die herr- schende zu sein scheint, denkt man in der Tat so: wenn nur jemand Geld ins Land bringe, sei er ein Wohl- tater; und wenn es in einem Orte Eingang gefunden,

sei das ein öffentliches Glück. Nicht wahr, so denken : Sie doch dort? Bis sich einmal Tatsachen ereignen

werden, die die Wahrheit wieder klarstellen.«

»So halten Sie denn das Werk des Grafen nicht fur gut? Warum?« warf der Fremde ein; »so halten Sie ihn denn nicht für einen Wohltäter?

»Meinen Sie wirklich, da Sie von Wohltaten spre- chen,« fragte der Mönch dawider, »daß die Menschen hier dank seiner Wirksamkeit glücklicher geworden seien, geschweige denn besser, in welch letzterem ich erst wahre Wohltäterschaft erkennen würde? Früher herrschte hier viel Armut; das Volk lungerte in den

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Straßen und hatte nichts zu beißen. Aber die Hände waren milder, die Herzen fröhlicher; man teilte mit- einander und bangte sich trotz all der Dürftigkeit aus ihr nicht hinaus; einige gingen, ohne sich zu erbittern, ganz heiteren Herzens zugrunde; den anderen genügte zur Lust der hierzulande gottlob ja reichliche Sonnen- schein. Diese Seelenverfassung ist jetzt am Verschwin- den. Zwar hat die Wirksamkeit des Grafen das Volk noch nicht ganz verwandeln können; noch ist maß- gebend das alte Geschlecht; doch, von jenem Manne bestimmt, erwächst ein anderes; nach einer Weile wird es überwiegen. Und dann... Ich setze ein Bei- spiel: Sollte dem Grafen, was Gott verhüte, heute ein Unglück zustoßen, würde man noch viele um den Trübsalgeschlagenen trauern sehen; nach zehn Jahren wird in ihm keiner mehr den Bruder erkennen; nur für den Reichen, Beneidenswerten wird er gelten; die von ihm bekommen, würden ihm vorrechnen, daß er ihnen noch mehr geben könne: die von ihm ge- fördert, würden frohlocken, wenn er irgendwie sich schämen müßte; könnten sie an ihm keine Schuld, keine Schande finden, würden sie ihm eine andichten, sie erfinden.«

»Sie reden als Menschenverächter«, sprach der Fremde.

»Beileibe nicht,« sprach der Mönch, »wir Christen wissen nur, und auch die alten Heiden wußten es, daß der Mensch nicht gut ist.«

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„So sind Sie dem Grafen feind?« setzte der Fremde fort.

„Wir sind dazu da, die Menschen vor solchen Wohl- tatern zu beschirmen«, sprach der Mönch. » Darum ringen wir mitihnen. Sonst sind wir nicht so böse, dem Grafen feind zu sein. Ich weiß, er will das Beste; sein ` Herz ist nicht unedel; nur sein Geist ist verblendet. Gott kann ihn erleuchten. Und Gott sieht auch das Herz. Doch wir haben es nur zu oft erlebt an solchen Männern, grad wenn sie, wie der Graf, so hoch und so in aller Augen stehen, daß Gott sie auf Erden furcht- bar schlägt, ein Beispielumder anderen willen zu setzen, während er Niedrigere, nicht weil sie besser, doch weil sie verborgener sind, friedlich ableben laßt. Eine War- nung hat der Herr dem Grafen schon gegeben; und was brauchte der auch seinen Sohn nach Eugland zu tun, nur damit er die Kunst des Geldschaffens noch besser lerne und fremde, uns zuwidere Sitten lieb ge- winne? Der englische Nebel hat Don Paquito getötet. Schließlich, wenn Gott einem nur die Seele rettet, ist es höchst unwichtig, ob das irdische Schicksal des Be- treffenden furchtbar werde. Und furchtbar, mein’ ich, dürfte das Schicksal des Grafen werden.«

Hätte der Fremde die Empfindung gehabt, daß ein Mensch von geringer Seele zu ihm rede, so wären des Mönches Worte wider den so schätzenswerten Mann an ihm wohl abgeglitten. Aber das freie, gänzlich un- finstere W esen des Bruders, die sichere, männliche Art,

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indererseine Überzeugung nicht nuraussprach, sondern auch mit einer gewissen heldisch anmutenden Harte wider sich und andere zu verfechten schien, kurz, die Kraft, mit der, und die Tiefe, aus der sein Wort her- vorbrach, bewirkten, daß er dem Eindruck seiner Rede nicht entgehen konnte. Namentlich, seit sich die bei- den,— bald nachdem sie durchs Stadttor eingegangen, getrennt hatten, lastete ihre Erinnerung zunehmend

über ihm, wie in den Gassen das wachsende Abend- dunkel. Sie beunruhigte ihn wie eine düstere Prophe-

zeiung.

Als er am anderen Morgen im Krankenhause vor- sprach, fand er am Arzte etwas Unruhiges, Zerstreutes. Zwar entledigte er sich der Führung in liebenswür- digster Weise, doch war dem Fremden, als miisse sich jener all die Zeit irgendeines peinigenden Gedankens wegen beherrschen. In ihm selbst aber war, nachdem er die trefflichen Einrichtungen der menschenfreund- lichen Stätte hatte kennen lernen, vollends der früher schon aufgekeimte Entschluß gereift, dem herrlichen Manne nun auch selber zu begegnen; sein Name, die Stellung, die er in seinem nordischen Vaterlande habe, meinte er, berechtigten ihn dazu. Er sprach gegen Ende der Besichtigung dem Arzte seinen Wunsch aus.

Ein Ausdruck der Sorge überflog dessen Antlitz. Gern hatte ich Sie dem Grafen zugeführt, (sagte er, „doch wissen Sie: als ich mich gestern von Ihnen trennte, zu ihm zum Vortrag zu gehen, war der Mann,

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der so pünktlich ist, der niemals warten läßt, nicht zur Stelle. Ich wunderte mich schon gleich. Doch er kam auch nicht nach einer halben Stunde; er kam nicht nach einer Stunde. Ich mußte meiner ordentlichen Pflichten wegen fort und fragte durch Fernsprecher gegen Mittag im neuen Palaste an; er war auch zum Essen nicht heimgekehrt. Er kam auch nicht nach- mittags, obwohl dringende Geschäfte seiner harrten. Er blieb weg ganz wider seine Art. Er war auch zur Abendmahlzeit noch nicht zu Hause. Die Unruhe be- mächtigte sich seiner Diener, seiner Angestellten; die Unruhe verbreitete sich zu uns in unsere Anstalt. Man begann nachzuforschen; niemand hatte ihn aus dem Hause gehen sehen; er konnte nicht plötzlich fortge- fahren oder abgereist sein: Wagen und Kraftwagen waren nicht benutzt worden, man hatte ihn weder auf dem Bahnhof noch im Hafen gesehen, wo seine Jacht mit eingerefften Segeln lag; man hatte ihn zu einem Tore weder mit Lohnfuhrwerk ausfahren noch zu Fuß gehen sehen. Immerhin: er mag die Stadt irgendwie verlassen haben; er wandert bisweilen auf eines seiner näher gelegenen Landgüter und nimmt dann kaum etwas mit, weil aufjedem das Feldbett und das Wenige, was er dann braucht, bereitstehen. Allein das Jagd- gewehr, von dem er sich auf solchen Ausflügen nie trennt, hing an seinem Flecke. Der Graf ist auch heute früh noch nicht heimgekommen. Wir haben reitende Boten nach allen seinen Gütern ausgesandt; von Sta.

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Catalina, von Torejon, von Palomar sind sie schon wiedergekommen. Er ist dort nicht. Andere erwarten wir noch zurück.« |

»Sollten ihn Räuber entführt haben und als Geisel

auf heben? (fragte der Fremde.

»Ach, gehen Sie, (rief der Arzt beinahe zornig: »Wer, denken Sie im Norden, sind wir denn? Bei

unserer vorzüglichen Gendarmerie? Der letzte Uber- fall in dieser Gegend geschah in den siebziger Jahren.

Auf dem Rückwege zum Gasthofe schien es dem

Fremden, als drückten die Mienen der Straßengänger

Besorgnis oder doch Spannung aus. Vielleicht sei es nur seine eigene Stimmung, die er in sie verlege, sagte er sich, wenn er auch sie von der Frage bewegt wähne, was dem Grafen widerfahren wäre. Im Gasthof aber überzeugte er sich, daß er sich nicht geirrt hatte. Dort war das Verschwinden des Grafen schon bekannt; Be- dienung und Gäste redeten nur davon. Nachmittags, in den Kaffeehäusern, zog das Gerücht weitere Kreise. Man hätte überallhin, wo der Graf nur weilen könne, gedrahtet; in der Provinzhauptstadt, wo er oft zu tun habe, sei er nicht gesehen worden. In Barcelona, wo er mitunter Verwandte besuche, wüßten weder diese noch die Geschäftsfreunde etwas von ihm. Gegen Abend kam Nachricht aus Madrid: Aus seinem ge- wohnten Gasthof: nicht abgestiegen; aus dem Senat: nicht erschienen ; aus dem Ministerium für Handel und dem für Ackerbau, in denen er ein- und ausging: nicht

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vorgesprochen. »Er ist verunglückt«, »er hat Hand an sich gelegt«, raunte es, und schon behaupteten einige: »Er hat Verluste gehabt .. er hat veruntreut... er hat sich gesund gemacht und ist geflohen ...« »Auf Kosten der Witwen und Waisen, die ihr Geld ihm anvertrauten«, krahte einer. Der Fremde gedachte des Barfüßers.

Die erste Frage des Fremden am folgenden Morgen war: »Gibt es Nachricht vom Grafen?« Nun las man von seinem Verschwinden in den Ortszeitungen, aber auch schon in den eingetroffenen Großstadtblättern.

»Er muß, so er kann, ein Lebenszeichen von sich geben, wenn er aus den Blättern ersehen wird, daß man ihn hier vermißt und daß dumme Gerüchte umgehen«, äußerte der Gastwirt, der anscheinend ihm zugetan war.

Man suchte in Gebüschen, an Felshängen, in der Bucht; man fand nichts. Nun wurde das Ereignis zum einzigen Ortsgespräche. Der überwiegende Teil des Volkes war voll Mitgefühls, kindlichen, reinherzigen; aber an schmälenden Stimmen fehlte es nicht, sie fanden gehässigen Ausdruck in einem unter Arbeitern gele- senen Blatte; und sie ließen den Fremden abermals des Mönches gedenken. Am fünften Tage, dem Sonn- tag, redeten auf den Kanzeln davon auch schon die Geistlichen, doch zurückhaltend, nie lieblos dem Ver- schwundenen gegenüber.

Es war nach all den schönen und milden, frischen

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Wochen ein lastender schwerer Tag, der diesem fünf- ten folgte, der letzte übrigens, den der Fremde seinen Zeitverhältnissen nach zu X ... verbringen durfte; durch die Nacht durch mußte er nach Madrid. Vor Abend schlenderte er einmal noch über die breite, platzartige »Straße des Grafen von Palomar«, unter einem bleiernen, weißen Himmel, aus dem das er- lösende Gewitter immer noch nicht niederbrechen wollte; die Blätter des jungen Laubes, die Rosen auf den Beeten waren welk; der Erdboden zwischen ihnen klaffte. Ermattet ließ er sich auf einer Marmorbank nieder. Da sah er wie damals mit dem gleichen aufrechten Gange, der gleichen hohen Stirn und den glänzenden Blicken, wie unangefochten durch die alle Welt niederdrückende Witterung, die gebietende Erscheinung des Klosterbruders vorüberschreiten. Der Fremde hatte keine Lust zu ihm. Der aber, wie er ihn sah, sandte ihm seinen hellen männlichen Gruß. Er klang durch die verdrießliche Stille wie ein Kampf- trompetenstoß, beinahe schrill; in seiner Heiterkeit schmerzte er den Dumpfen.

»Unglücksvogel«, wollte der Fremde ihn beschimp- fen. Aber er sah; und dies Wesen zwang ihm wider Willen Achtung auf.

Es war eine schlechte Nachtruhe im schwankenden, ungepflegten, engen, von der Tagesschwüle vollgeso- genen Abteil, zwischen übelduftenden Leuten, die das

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Öffnen der Fenster nicht zuegben wollten und das Aus- drehen der zu richtiger Beleuchtung nicht ausreichen- den Lampe verboten. Der Morgen graute endlich dem Übernächtigen in einer ausgedorrten, braunen Gegend, einem Bergtal, dem die ganze verzweifelte Trauer er- storbener Mondlandschaften, wie er sie sich vorstellen mochte, innewohnte; einige kahle Hochzacken des Umkreises glühten im ersten Licht des Tagesgestirns von einem unfruchtbaren Feuer. Der Zug keuchte noch immer bergan, von der Küste her zum Land- inneren steigend. Nun hielt er. Es war einBahnknoten- punkt, an dem die Frühausgaben der Hauptstadtblatter kurz zuvor schon eingetroffen waren. Man hörte einen Buben in der Fistel sie auskreischen: »Das Neueste, das Neueste! ... Die Rede des Ministerpräsidenten! ... Das Neueste vom Grafen von Palomar!... Der Tod des Grafen von Palomar... Das Neueste, das Neueste..

Mit einem Gefühle, halb der Neugierde, halb des Grauens, oder fröstelte er nur vom Morgen? rief der Fremde den Buben heran und ließ sich gegen einen Kupfer das Blatt reichen.

Man hatte, wo man ihn nur zu spät gesucht, am Abend zuvor den Grafen verschmachtet in seinem Geldgewölbe aufgefunden. Das Schloß der Eisentür, die er hinter sich zugeworfen hatte, war so widersinnig eingeschnappt, daß er es mit dem Schlüssel nicht hatte aufdrehen können. Seine Hilferufe hatten niemand erreicht. Der Reiche, der über so vieles gebot, war

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den Tod des Armen, der Freigiebige, von dem so viele gelebt, den Tod des Geizigen gestorben.

Und der Fremde rechtete mit dem Schicksal, das einem Besten so gelohnt.

DIE FAMILIE MENDELSSOHN

Moses Mendelssohns Brautwerbung

MENDELSSOHN war klein, stark verwachsen, er hatte einen Höcker auf dem Rücken und stotterte; aber der geistvolle, kluge Kopf entschädigte dafür, wie so oft bei Verwachsenen. Körperliche Schönheit ist ein vor- trefflicher EmpfehlungsbriefimUmgang mit Menschen, aber mehr nicht, und es sind schließlich andere Eigen- schaften, die dauernd fesseln, wie uns Mendelssohn mit seiner großen Beliebtheit in den weitesten Kreisen, mit der unwandelbaren Freundschaft, die ein Lessing für ıhn gehabt, beweist. Aber er erfreute sich nicht nur der Zuneigung aller mit ihm in Berührung kom- menden Männer, sondern war auch sehr glücklich ver- heiratet: auf einer Reise nach Hamburg lernte er im Jahre 1762 Fromet, die Tochter des Abraham Gugen- heim, kennen und heiratete sie im folgenden Jahre.

Berthold Auerbach berichtet in seinem Buch »Zur guten Stunde« nach mündlicher Überlieferung die Art, wie Moses seine Frau gewonnen habe, folgendermaßen:

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Moses Mendelssohn war im Bade Pyrmont. Hier lernte er den Kaufmann Gugenheim aus Hamburg kennen. »Rabbi Moses,« sagte dieser eines Tages, »wir alle verehren Sie, aber am meisten verehrt Sie meine Tochter. Mir wäre es das höchste Glück, Sie zum Eidam zu haben; besuchen Sie uns doch einmal in Hamburg.«

Moses Mendelssohn war sehr schüchtern, denn er war traurig verwachsen. Endlich entschloß er sich doch von Berlin aus zur Reise und besuchte unterwegs Lessing in Braunschweig, wie in dessen Briefen zu lesen.

Mendelssohn kommt nach Hamburg und besucht Gugenheim in seinem Kontor. Dieser sagt: »Gehen Sie hinauf zu meiner Tochter, sie wird sich freuen, Sie zu sehen, ich habe viel von Ihnen erzählt.«

Mendelssohn besucht die Tochter; andern Tags kommt er zu Gugenheim und fragt endlich, was die Tochter, die ein gar anmutiges Wesen sei, von ihm gesagt habe?

»Ja, verehrter Rabbi,« sagt Gugenheim, »soll ichs Ihnen ehrlich sagen

„Natürlich

»Nun, Sie sind ein Philosoph, ein Weiser, ein großer Mann, Sie werden es dem Kinde nicht übelnehmen; sie hat gesagt, sie wäre erschrocken, wie sie Sie ge- sehen hat, weil Sie —«

»Weil ich einen Buckel habe?«

Gugenheim nickte.

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»leh habe es mir gedacht, ich will aber doch bei Ihrer Tochter Abschied nehmen.«

Er ging hierauf in die Wohnung und setzte sich zu der Tochter, die nähte. Sie sprachen gut und schön miteinander, aber das Mädchen sah nicht von ihrer Arbeit auf, vermied, Mendelssohn anzusehen. End- lich, da dieser das Gespräch geschickt so gewendet, fragt sie:

»Glauben Sie auch, daß die Ehen im Himmel ge- schlossen werden

»Gewiß, und mir ist noch was Besonderes geschehen. Bei der Geburt eines Kindes wird im Himmel aus- gerufen: Der und Der bekommt Die und Die. Wie ich nun geboren wurde, wird mir auch meine Frau ausgerufen, aber dabei heißt es: Sie wird, leider Gottes, einen Buckel haben, einen schrecklichen. Lieber Gott, habe ich da gesagt, ein Mädchen, das verwachsen ist, wird gar leicht bitter und hart, ein Mädchen soll schön sein, lieber Gott, gib mir den Buckel, und laß das Mäd- chen schlank gewachsen und wohlgefällig sein.«

Kaum hat Moses Mendelssohn das gesagt, als ihm das Mädchen um den Hals fiel und sie ward seine Frau, und sie wurden glücklich miteinander, und hatten schöne und brave Kinder, von denen noch Nachkommen leben.

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Briefe Abraham Mendelssohns an seine Kinder

Paris, 2. Juli 1819.

Ich kann mir das Vergnügen nicht versagen, Dir, liebe Fanny, in einem eigenen Briefchen das herzliche Wohlgefallen zu bezeugen, welches mir Deine letzten Briefe gewährt haben; sie sind durchgängig angenehm, ordentlich und leicht geschrieben, und Du hast endlich das Geheimnis gefunden, mir, recht wohl gedacht und gefühlt, über Dich und die Unsrigen zu schreiben und nicht übers Theater. Je sparsamer ich mit meinem Lobe bin, desto gewissenhafter erteile ich es, wenn ich Veranlassung dazu finde, und Deine Briefe gefallen mir zuerst deswegen, weil sie sind, was sie sein können und sollen, natürlich und liebevoll für deine Umgebungen. Gewiß habe ich Dich auch recht lieb! Nochrechtlieb, schreibst Du ich denke, es soll erst recht anfangen. Laß Dich Deine Dicke nicht anfechten; es ist eine Ähnlichkeit mehr, die Du mit Mutter hast (und Du kannst ihrer gar nicht genug haben, denn besser als sie wird man nun einmal nicht), die ebenfalls als junges Mädchen sehr stark gewesen ist und es hoffentlich wieder wird. Die Ähnlichkeit mit mir will ich Dir just nicht anpreisen, denn als Frau bin ich höchstens in den Tableaux vivants reizend und an meiner Stelle. Pauls Geschichte semer ‚Leiden und Freuden‘ hat uns hier höchlich divertiert; leider habe ich bei Fanny Sebastiant keine Spur von Eifersucht bemerkt; sie liebt

ıhn sehr uneigenniitzig.

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Gib Beckchen und den Jungen, wenn sie still halten wollen, einen Kuß für mich. Ich wende mich noch an jeden von ihnen mit einigen Worten. |

Dein Vater und Freund A.M.B.

P.S. Du schreibst: ,M. versichert mich, wenn Du

hier gewesen wärest, sei sie nach B. mitgegangen‘ das ist fehlerhaft, es muß heißen ‚würde sie nach B. mitgegangen sein‘. Zuerst an Dich, lieber Paul! Mit Deinen beiden letzten Briefen bin ich sehr wohl zufrieden gewesen und danke Dir dafür. Nur drückst Du zu sehr auf die? oder der? Feder. Frage Mutter, wie es heißt! Laß Dir einige Federn von Herrn Groß schneiden, dann wird sie Dir Onkel Joseph ebenso schneiden; halte die Finger lose und dich gerade. Ich habe Dir auf Deine Anfragen wegen Deiner Verheiratung mit Mieke nicht gleich geantwortet, weil ich mir die Sache erst überlegen wollte. Nun denke ich, wir lassen es an- stehen, bis ich nach Hause komme, damit ich Mieke erst sehe. Wenn sie dann ordentlich gewaschen ist und Du Dich vierzehn Tage lang artig auffülırst, so läßt sich von der Sache reden.!

Du, lieber Felix, mußt recht vernünftig und deut- lich schreiben, was Du für Notenpapier haben willst,

1 Mieke war die vierjährige Tochter des Gärtners, Paul war damals sechs Jahre alt. Anm. d. H.

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ob liniertes oder unliniertes? Im ersten Falle mußt Du genau angeben, wie es liniert sein soll; denn da ich in einem Laden war, um welches zu kaufen, fand sich, daß ich gar nicht wußte, was ich eigentlich kaufen sollte. Überlies Deinen Brief, ehe Du ihn abschickst, und frage Dich selbst, ob Du ihn, wenn Du thn er- hieltest, verstehen würdest und eine Kommission dar- nach besorgen könntest.

Du, Beckchen! hast mir lange nicht geschrieben und kannst Dir einen Brief von mir malen. Wenn ich Dir einen Kuß und einen Nasenstüber schreibe, so magst Du zufrieden sein. Dein letzter Brief war übrigens geschmiert; vermutlich sind die Meiereifedern daran schuld.

Ich erinnere Mutter an den Exerziermeister für Euch alle. Er findet sich gewiß aufs beste unter den Neuf- chatellern. Felix soll fleißig aber nur in der Schule schwimmen. Das Verbot des Turnens wird sich auf unsern unschuldigen Platz wohl nicht erstrecken.

Euer Vater und Freund A.M.B.

Im Jahre 1820 wurde Fanny eingesegnet. Der Ein- segnungsbrief ihres Vaters lautet:

Parıs. Du hast, meine liebe Tochter, einen wichtigen Schritt ins Leben getan, und indem ich Dir dazu und zu Deinem ferneren Lebenslauf mit väterlichem Herzen

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um

Glück wiinsche, fühle ich mich gedrungen, über man- ches, was bis jetzt zwischen uns nicht zur Sprache ge- kommen, ernsthaft zu reden:

Ob Gott ist? Was Gott sei? Ob ein Teil unseres Selbst ewig sei und, nachdem der andere Teil ver- gangen, fortlebe? und wo? und wie? Alles das weiß ich nicht und habe Dich deswegen nie etwas darüber gelehrt. Allein ich weiß, daß es in mir und in Dir und in allen Menschen einen ewigen Hang zu allem Guten, Wahren und Rechten und ein Gewissen gibt, welches uns mahnt und leitet, wenn wir uns da- von entfernen. Ich weiß es, glaube daran, lebe in diesem Glauben, und er ist meine Religion. Die konnte ich Dich nicht lehren, und es kann sie niemand erlernen, es hat sie einjeder, der sie nicht absichtlich und wissent- lich verleugnet; und daß Du das nicht würdest, dafür bürgte mir das Beispiel Deiner Mutter, deren ganzes Leben Pflichterfüllung, Liebe, Wohltun ist, dieser Religion in Menschengestalt. Du wuchsest heran unter ihrem Schutz, in stetem Anschauen und unbewußter Nachahmung und Gewohnheit dessen, was dem Men- schen einen Wert gibt. Deine Mutter war und ist, und mein Herz sagt mir, sie wird noch lange bleiben Deine und Deiner Geschwister und unser aller Vorsehung und Leitstern auf unserem Lebenspfade. Wenn Du sie betrachtest, wenn Du das unermeßliche Gute, das sie Dir, solange Du lebst, mit steter Aufopferung und Hinge bung erwiesen, erwägst und dann in Dankbarkeit,

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Liebe und Ehrfurcht Dir das Herz auf- und die Augen übergehen, so fühlst Du Gott und bist fromm.

Dies ist alles, was ich Dir über Religion sagen kann, alles, was ich davon weiß; aber das wird wahr bleiben, solange ein Mensch in der Schöpfung existiert, wie es wahr gewesen, seitdem der erste erschaffen worden.

Die Form, unter der es Dir Dein Religionslehrer gesagt,istgeschichtlichund wiealleMenschensatzungen veränderlich. Vor einigen tausend Jahren war die jü- dische Form die herrschende, dann die heidnische, jetzt ist es die christliche. Wir, Deine Mutter und ich, sind von unseren Eltern im Judentum geboren und erzogen worden und haben, ohne diese Form verändern zu müssen, dem Gott in uns und unserem Gewissen zu folgen gewußt. Wir haben Euch, Dich und Deine Ge- schwister, im Christentum erzogen, weil es die Glau- bensform der meisten gesitteten Menschen ist und nichts enthält, was Euch vom Guten ableitet, vielmehr man- ches, was Euch zur Liebe, zum Gehorsam, zur Duldung und zur Resignation hinweist, sei es auch nur das Bei- spiel des Urhebers, von so wenigen erkannt und noch wenigeren befolgt.

Du hast durch Ablegung Deines Glaubensbekennt- nisses erfüllt, was die Gesellschaft von Dir fordert, und heißest eine Christin. Jetzt aber sei, was Deine Menschenpflicht von Dir fordert, sei wahr, treu, gut, Deiner Mutter, und ich darf wohl auch fordern, Deinem Vater bis in den Tod gehorsam und ergeben, unaus-

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Auguste, Pfalzgräfin von Zweibrücken, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt

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gesetzt aufmerksam auf die Stimme Deines Gewissens, das sich betäuben, aber nicht berücken laßt, und so wirst Du Dir das höchste Glück erwerben, das Dir auf Erden zuteil werden kann, Einigkeit und Zufriedenheit mit Dir selbst.

Hiermit drücke ich Dich mit väterlicher Innigkeit an mein Herz und hoffe stets in Dir die würdige Toch- ter Deiner, unserer Mutter zu finden. Leb wohl und meiner Worte eingedenk.

Felix Mendelssohn Bartholdy bei Goethe Im Herbst 1824 wagte Felix den ersten Ausflug aus dem elterlichen Hause und reiste mit Zelter, dem ver- trauten Freunde, nach Weimar, wo er vierzehn Tage im Goetheschen Hause wohnte. Kurz vor seiner Ab- reise hatte er angefangen, sich im Phantasieren zu üben, und phantasierte in Weimar in Gegenwart Goethes, Hummels, vieler Künstler und des Hofes. Es mögen einige Stellen aus den Briefen folgen, die der damals elfjährige Felix an die Eltern schrieb: Weimar, den 6. November 1821. Jetzt hört alle, alle zu. Heute ist Dienstag. Sonntag kam die Sonne von Weimar, Goethe, an. Am Morgen gingen wir in die Kirche, wo der 400. Psalm von Händel halb gegeben wurde. Die Orgel ist groß und doch schwach, die Marienorgel ist, obwohl klein, doch viel mächtiger. Die hiesige hat fünfzig Register, vierundvierzig Stimmen und einmal zweiunddreißig

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Fuß. Nachher schrieb ich Euch den kleinen Brief vom vierten und ging nach dem Elefanten, wo ich Lukas Cranachs Haus zeichnete. Nach zwei Stunden kam Professor Zelter: ‚Goethe ist da, der alte Herr ist da!“ Gleich waren wir die Treppe herunter in Goethes Haus. Er war im Garten und kam eben um eine Hecke her- um; ist das nicht sonderbar, lieber Vater, ebenso ging es auch Dir. Er ist sehr freundlich, doch alle Bildnisse von ihm finde ich nicht ähnlich. Er sah sich dann seine interessante Sammlung von Versteinerungen an, welche der Sohn geordnet hat, und sagte immer: »Hm, hm, ich bin recht zufrieden‘; nachher ging ich noch eine halbe Stunde im Garten mit ihm und Professor Zelter. Dann zu Tisch. Man hält ihn nicht fur einen Dreiundsieben- ziger, sondern für einen Fünfziger. Nach Tische bat sich FräuleinUlrike,dieSchwesterder Frau vonGoethe, einen Kuh aus, und ich machte es ebenso. Jeden Morgen erhalte ich vom Autor des Faust und des Werther einen Kuß, und jeden Nachmittag vom Vater und Freund Goethe zwei Küsse. Bedenkt!! Nachmittag spielte ich Goethe über zwei Stunden vor, teils Fugen von Bach, teils phantasierte ich. Den Abend spielte man W hist, und Professor Zelter, der zuerst mitspielte, sagte: ,Whist heißt, du sollst das Maul halten.“ Ein Kraftausdruck! Den Abend aßen wir alle zusammen, auch sogar Goethe, der sonst niemals zu Abend ißt. Nun meine liebe, hustende Fanny: gestern früh brachte ich Deine Lieder der Frau von Goethe, die eine hübsche

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Stimme hat. Sie wird sie dem alten Herrn vorsingen. Ich sagte es ihm auch schon, daß Du sie gemacht hättest, und fragte, ob er sie wohl hören wollte. Er sagte: ja, ja, sehr gerne. Der Frau von Goethe gefallen sie be- sonders. Ein gutes Omen. Heute oder morgen soll er

sie hören. ! Weimar, den 10. November.

Montag war ich bei der Frau von Henkel und auch bei Seiner Königlichen Hoheit dem Erbgroß- herzog, dem meine G-Moll-Sonate sehr wohl gefiel. Mittwoch abend war »Oberon« von Wranitzky, eine recht hübsche Oper. Donnerstag früh kamen die Groß- herzogin und die Großfürstin und der Erbgroßherzog zu uns, denen ich vorspielen mußte. Und nun spielte ich von elf Uhr mit Unterbrechung von zwei Stunden biszehn Uhr des Abends, und die Phantasie von Hum- mel machte den Beschluß. Als ich letzt bei ihm war, spielte ich ihm die Sonate aus G-Moll vor, die ihm sehr wohl gefiel, wie auch das Stück für Begasse, und

1 Goethe dichtete dann für Fanny folgendes Gedicht, das er ihr eigen- händig aufschrieb und Zelter mit den Worten übergab: „Bringen Sie das dem lieben Kinde.“ Wenn ich mir in stiller Seele Singe leise Lieder vor, Wie ich fühle, daß sie fehle,

Die ich einzig mir erkor

Möcht ich hoffen, daß sie singe, Was ich ihr so gern vertraut Ach! aus dieser Brust und Enge Drängen frohe Lieder laut.

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für Dich, liebe Fanny. Ich spiele hier viel mehr als zu Hause, unter vier Stunden selten, zuweilen sechs, ja wohl gar acht Stunden. Alle Nachmittage macht Goethe das Streichersche Instrument mit den Worten auf: ‚Ich habe dich heute noch gar nicht gehört, mache mir ein wenig Lärm vor‘,und dann pflegt er sich neben mich zu setzen, und wenn ich fertig bin (ich phanta- siere gewöhnlich), so bitte ich mir einen Kuß aus oder nehme mir einen. Von seiner Güte und Freundlichkeit macht Ihr Euch gar keinen Begriff, ebensowenig als von dem Reichtum, den der Polarstern der Poeten an Mineralien, Büsten, Kupferstichen, kleine Statuen, großen Handzeichnungen usw. usw. hat. Daß seine Figur imposant ist, kann ich nicht finden, er ist eben nicht viel größer als Vater. Doch seine Haltung, seine Sprache, sein Name, die sind imposant. Einen unge- heuren Klang der Stimme hat er, und schreien kann er wie zehntausend Streiter. Sein Haar ist noch nicht weiß, sein Gang ist fest, seine Rede sanft. Dienstag wollte Professor Zelter mit uns nach Jena und von da aus gleich nach Leipzig. (Bei Schopenhauers sind wir oft, Freitag hörte ich Molke und Strohmeier da- selbst, hier auf dem Theater ist eine vierzehnjährige Sängerin, Fanny, die letzt im Oberon D frei faßte, stark und rein, und F hat.) Sonnabend abend war Adele Schopenhauer (die Tochter) bei uns, und wider Ge- wohnheit Goethe auch den ganzen Abend. Die Rede kam auf unsere Abreise, und Adele beschloß, daß wir

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alle hingehen und uns Professor Zelter zu Füßen werfen sollten und um ein paar Tage Zugabe flehen. Er wurde in die Stube geschleppt, und nun brach Goethe mit seiner Donnerstimme los, schalt Professor Zelter, daß er uns mitnach dem alten Nest nehmen wollte, be- fahlihm, stillzu schweigen, ohne Widerrede zu gehorchen, uns hier zu lassen, allein nach Jena zu gehen und wiederzukommen, und schloß ihn so von allen Seiten ein, daß er alles nach Goethes Willen tun wird; nun wurde Goethe von allen Seiten bestürmt, man küßte ihm Mund und Hand, und wer da nicht ankommen konnte, der streichelte ihn und küßte ihm die Schultern, und wäre er nicht zu Hause gewesen, ich glaube, wir hätten ihn zu Hause begleitet, wie das römische V olkdenCiceronach dererstenCatilinarischen Rede. Übrigens war auch Fräulein Ulrike ihm um den Hals gefallen, und da er ihr die Cour macht (sie ist sehr hübsch), so tat alles dies zusammen die gute Wirkung.

Montag um elf Uhrwar Konzert bei Frau von Henkel. Nicht wahr, wenn Goethe mir sagt, mein Kleiner, morgen ist Gesellschaft um elf, da mußt auch du uns was spielen, so kann ich nicht sagen ‚Nein !‘

Aufführung der Matthdus-Passion (Fanny Mendelssohn Bartholdy an August Klingemann) Berlin, 22. März 29.

Felix schicken wir Ihnen nun bald, er hat sich ein schönes Gedächtnis hier gestiftet durch zweimalige

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überfüllte Aufführung der »Passion« zum Besten der Armen. Was wir uns alle so im Hintergrunde der Zeiten als Möglichkeit geträumt haben, ist jetzt wahr und wirklich, die Passion ist ins öffentliche Leben ge- treten und Eigentum der Gemüter geworden. Indem ich Ihnen davon weiter erzählen will, schiebt sich mir Felixens Reise vor, und die wird wiederum verdrängt durch meine Brautschaft, und in diesem Zirkel von Begebenheiten würde ich keinen Anfang zu finden wissen, wenn ich nicht aufs Geratewohl hineingriffe und sagte: Ihr voriger Brief, in dem Sie so viel,ahnungs- los und unbefangen, von den Miseren und Lächerlich- keiten des Brautstandes erzählen, hat uns ungemein ergötzt, und ich versichere Sie, wir haben uns nicht im mindesten getroffen gefühlt. Sie können sich dar- auf verlassen, daß wir zu den besseren unseres (Braut-) Standes gehören und daß andere Leute dabei bestehen können. Fragen Sie nur meine Geschwister. Ich finde es übrigens gar nicht schwer, äußerlich heiter zu sein, wenn man innerlich vergnügt ist, und sich bei irgend- einer Gelegenheit schicklich zu betragen, wenn man eine leidliche Erziehung genossen hat, und ich bleibe dabei, die aus ‚Gefühl‘ unausstehlichen Brautpaare be- greife ich nicht. Übrigens kann und will ich Ihnen nicht verhehlen, daß Ihre Briefe Ihnen Hensel ge- wonnen haben, der Sie vorher wie die meisten Ihrer entfernten Bekannten nicht kannte. Schließlich und letztensdankeich Ihnen, sich indie Reihe meiner Freun-

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dinnen gestellt zu haben, und beteure Ihnen, daß an der Sache nichts geändert wird, wie Ihnen vorläufig meine rasche Antwort beweisen mag. Mein Gedächt- nis, so tot fur Erlerntes, ist unerschütterlich für Er- lebtes, und alle Freunde und Genossen einer frischen Jugendzeit sollen wahrlich durch keine Verhältnisse und Verhängnisse daraus verdrängt werden. Zudem wird unsre Korrespondenz jetzt durch Felixens Aufent- halt dort einen neuen Schwung erhalten, und somit gebe ich Ihnen zu bedenken, welcher breite Schatten- streif in die Sonnenseite meiner Brautzeit fallt. Ich wei, Sie lieben ihn für sich und ihn, lieben Sie ihn aber noch mehr, da er dort niemand hat, der ihn sonst liebte und Sie der erste und letzte sind, der sich ihm und vor dem er sich zeigen darf und wird. Bereiten Sie ihm manche ruhige Stunde, in der er alte Jahre und neue Augenblicke und tonende Ahnungen kiinftiger Stunden ausbreite, und lenken Sie das Gesprach oft auf uns, oder vielmehr lenken Sie es nicht ab, denn er wird oft genug mit dem Herzen und einem eigentiimlichen feuchtglanzenden Blick bei uns sein. Zur Stunde wei ich noch nicht, wie es sein wird, wenn er fort ist, aber öde und stumm denke ich mirs, und ich würde mich vor meinem ganzen früheren Leben schämen, wenn Braut- und Ehestand mich gegen diese Leere schützen könnten. Hegen und pflegen Sie ihn (geistig) und lassen Sie ihn für so viele warme Herzen, die er verläßt, eins wiederfinden. Und nun verzeihen Sie mir, daß ich so

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weich vor Ihnen geworden, oder vielmehr, daß ichs so gerade herausgesagt, denn Sie sinds wohl nicht weniger, aber ironischer. Ein schönes Andenken, was wir von ihm hierbehalten, ist sein Bild von Hensel, Lebens- größe, Kniestück; die Ähnlichkeit vollkommen, wie man sie nur wünschen kann, ein wirklich erfreuliches, liebenswürdiges Bild. Er sitzt auf einer Gartenbank, (der Hintergrund eine Fliederpartie aus unserm Garten), den rechten Arm über die Lehne gelegt, den linken auf den Schoß, mit erhobenen Fingern; dem Ausdruck des Gesichts und der Bewegung der Hände zufolge komponiert er.

Von der Passion also:

Felix und Devrient sprachen schon lange von der Möglichkeit einer Aufführung, aber der Plan hatte nicht Form noch Gestalt, an einem Abend bei uns ge- wann er beides, und den ‘Tag darauf wanderten die Zwei in neugekauften gelben Handschuhen (worauf sie sehr viel Gewicht legten) zu den Vorstehern der Aka- demie. Sie traten leise auf und fragten bescheidentlich,ob man ihnen zu einem wohltätigen Zweck wohl den Saal überlassen würde? Sie wollten alsdann, da die Musik wahrscheinlich sehr gefallen würde, eine zweite Aufführung zugunsten der Akademie veranstalten.

Aber die Herren bedankten sich höflich und zogen vor, ein gewisses Honorar von fünfzig Talern zu neh- men und den Konzertgebern die Verfügung über die Einnahmen anheimzustellen. Beiläufig gesagt, kauen

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sie noch heut an der Antwort. Zelter hatte nichts dawider einzuwenden, und so begannen die Proben am folgenden Freitag. Felix ging die ganze Partitur durch, machte einige wenige zweckmäßige Abkürzungen und instrumentierte das einzige Rezitativ: »Der Vorhang im Tempel zerriß in zwei Stücke.« Sonst ward alles unberührt gelassen. Die Leute staunten, gafften, be- wunderten, und als nach einigen Wochen die Proben auf der Akademie selbst begannen, da zogen sie erst die längsten Gesichter vor Staunen, daß solch ein Werk existierte, wovon sie, die Berliner Akademisten, nichts wußten. Als das begriffen war, fingen sie mit wahrem und warmem Interesse an zu studieren. Die Sache selbst, das Neue, Unerhörte der Form interessierte, der Stoff war allgemein ansprechend und verständlich, Devrient trug die Rezitative wunderschön vor; wie alle Sänger schon von den ersten Proben an ergriffen waren und mit ganzer Seele an das Werk gingen, wie sich die Liebe und Lust bei jeder Probe steigerte und wie jedes neu hinzutretende Element,Sologesang, dannOrchester, immer von neuem entzückte und erstaunte, wie herr- lich Felix einstudierte und die früheren Proben aın Fortepiano von einem Ende zum andern auswendig ak- kompagnierte, das sind lauter unvergeßliche Momente. Zelter, der in den ersten Proben mitgewirkt hatte, zog sich nach und nach zurück und nahm in den späteren Proben, sowie in den Aufführungen mit musterhafter Resignation seinen Sitz unter den Hörern. Nun ver-

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breitete sich durch die Akademie selbst ein so günstiges Urteil über die Musik, das Interesse ward in jeder Be- ziehung und durch alle Stände hindurch so lebhaft an- geregt, daß den Tag nach der ersten Ankündigung des Konzerts alle Billetts vergriffen waren und in den letzten Tagen über tausend Menschen zurückgehen mußten. Mittwoch den elften März war die erste Aufführung, die man, unbedeutende Versehen der Solosänger ab- gerechnet, durchaus gelungen nennen konnte. Wir waren die ersten auf dem Orchester; gleich nach Öff- nung der Türen stürzten die Menschen, die schon lange gewartet hatten, hinein, und der Saal war in weniger als einer Viertelstunde voll. Ich saß an der Ecke, daß ich Felix genau sehen konnte, und hatte die stärksten Alt- stimmen neben mich genommen. Die Chöre waren von einem Feuer, einerschlagenden Kraft und wiederum von einer rührenden Zartheit, wie ich sie nie gehört, außer bei der zweiten Aufführung, wo sie sich selbst über- trafen. In der Voraussetzung, daß Ihnen die drama- tische Form noch erinnerlich ist, schicke ich Ihnen ein Textbuch mit, wobei ich bemerke, daß Stümer die Er- zählung des Evangelisten, Devrient die Worte Jesu, Bader den Petrus, Busolt den Hohenpriester und Pilatus und Weppler den Judas sang. Die Schätzel, Milder und Türrschmiedt sangen die Sopran- und Altsolos vortrefflich.

Der überfüllte Saal gab einen Anblick wie eine Kirche, die tiefste Stille, die feierlichste Andacht

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herrschte in der Versammlung, man hörte nur ein- zelne unwillkürliche Äußerungen des tieferregten Ge- fühls; was man so oft mit Unrecht von Unterneh- mungen dieser Art sagt, kann man hier mit wahrem Recht behaupten, daß ein besonderer Geist, ein all- gemeines, höheres Interesse diese Aufführung geleitet habe, und daß ein jeder nach Kräften seine Schuldig- keit, manche aber mehr taten. So Rietz, der das Aus- schreiben aller Instrumentalstimmen mit Hilfe seines Bruders und Schwagers übernommen und denen Dreien man nach beendeter Arbeit kein Honorar aufzudringen vermochte; die meisten Sänger wiesen die ihnen zu- gedachten Freibilletts zurück oder bezahlten sie, so daß im ersten Konzert nur sechs Freibilletts waren (wovon Spontini zwei hatte), im zweiten gar keins. Noch vor der Aufführung war durch die vielen, die unberück- sichtigt bleiben mußten, das laute Geschrei um eine Wiederholung ertönt, und die Erwerbschulen hatten sich als Supplikanten gemeldet, allein diesmal warSpon- tini erwacht und bemühte sich mit der größten Freund- lichkeit, die zweite Aufführung zu hintertreiben, Felix und Devrient schlugen dagegen den geradesten Weg ein und verschafften sich Befehle vom Kronprinzen, der sich von Anfang an sehr für das Werk interessiert hatte, und so ward es Sonnabend, den einundzwanzigsten März, an Bachs Geburtstag, wiederholt: dasselbe Ge- dränge, noch größere Fülle, denn der Vorsaal sogar war eingerichtet und alle Platze verkauft, ebenso der

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kleine Probesaal hinter dem Orchester. Die Chöre waren fast noch vortreff licher als das erstemal, die Instrumente herrlich, nur ein arger Fehler, den die Milder machte, und andre kleinere in den Solostimmen verdarben Felix den Humor, im ganzen kann man aber sagen, daß gute Unternehmungen sich keinen er- freulicheren Erfolg wünschen können.

Heine ist hier und gefällt mir gar nicht; er ziert sich. Wenn er sich gehen ließe, müßte er der liebens- würdigste ungezogene Mensch sein, der je über die Schnur hieb, wenn er sich im Ernst zusammennähme, würde ihm der Ernst auch wohl anstehen, denn er hat ihn, aber er ziert sich sentimental, er ziert sich geziert, spricht ewig von sich und sieht dabei die Menschen an, ob sie ihn ansehen. Sind Ihnen aber Heines Reise- bilder aus Italien vorgekommen? Darin sind wieder prächtige Sachen. Wenn man ihn auch zehnmal ver- “achten möchte, so zwingt er einen doch zum elftenmal zu bekennen, er sei ein Dichter, ein Dichter! Wie klingen ihm die Worte, wie spricht ihn die Natur an, wie sie es nur den Dichter tut.

d

Besuch bei Walter Scott (August Klingemann und Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn)

2 Staunendste! Abbotsford, 31. Juli 29.

Unter uns schnarcht der große Mann seine Doggen schlafen, und seine gewappneten Ritter wachen es

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ist zwölf Uhr und die süßeste Geisterstunde, die ich je erlebt, denn Miß Scott bereitet die göttlichste Mar- melade die Bäume des Parks rauschen die Wellen des Tweed flüstern dem Barden die Geschichten der Vorzeit und das Geheimnis der Gegenwart und Harfentöne, von zarter Hand gegriffen, klingen da- zwischen ins fremde, altertümliche Gemach hinein, in das der Gefeierte uns gelagert, mit wahrerem Hochgeschmack ist überhaupt nie ein Brief begonnen worden, und auf Europa wird sehr herabgesehen. Schon wie wir heut morgen fünf und dreiviertel Uhr aus Edinburgh schlaftrunken abfuhren, tönte es närrisch um uns herum die Stage war schon in Bewegung ich voran ihr nach ein Eckensteher immer ein High- lander hier brachte sie zum Stehen und rief mit Eifer: Run my man, run my man, it won’t wait! Was be- deuten denn ferner vierzig Meilen, wenn man dabei die Quellen des Nil entdeckt? Wir waren in Melrose, Felix fuhr nach Abbotsford, ich blieb zurück, als einer ohne letter of Introduction, der nachkommen könne, wenn der Walter den andern durchaus nicht fahren lassen wollte. Melrose Abbey ist eine Ruine, voll Erhaltung und Unterhaltung, der König David (von Schottland) und der Zauberer Scott (Michael, nicht Walter) sind da in Stein, und die ganze Gegend ist von Sagen und alten Feenreigen durchwoben Thomas the Rymer und die Feenkönigin haben im dunkeln Glen, etwas weiter hinauf, Tänze gehalten,

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und sogar im Kastellan springt noch was davon, wenn er wie ein Gems auf die höchsten Pfeilerruinen klettert. Man wird so hungrig in solchen Ruinen, die einem durch Kontrast zuletzt sehr die Gegenwart auf die Nase stoßen, daß ich mich in die Kneipe zurückzog zu Brot und Käse und Ale und einer Zeitung so lag ich ge- nießend und ruhend auf dem Sofa— da kam die Kutsche zurück, man stürmte in unser Zimmer; ich dachte nur an Felix und sagte Skurriles. Da unterschied ich einen altlichen Mann: O Sir Walter! rief ich aufspringend und fügte errötend, entschuldigend hinzu: Nur ähn- liche Kupferstiche entschuldigenähnliche Vertraulich- keit! »Never mind!« so erwiderte er, der so sehr als breit verrufene, kurz, »werter zukünftiger Parnaß- bruder und Historien Romancier, ich freue mich Ihrer Begegnung: Ihr Freund hat mir schon und schön aus- einandergesetzt, was und wieviel Sie alles noch schreiben werden, wo nicht geschrieben haben!“ Dabei wurden Hände aus und wieder eingeschwenkt, und wir alle zogen im überseligen Taumel nach Abbotsford. Noch heute abend schrieben Felix und ich Töne und Verse in ein großes Stammbuch mit Zittern, ich folgendes:

Hohe Berge steigen himmelaufwärts,

Und die Moore liegen rabenschwarz dazwischen,

Felsen, Schluchten, Schlösser, Trümmer reden von uralter Vergangenheit,

Und sinnverwirrend umrauscht es die Neuen,

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Die davon träumen, ohne es zu verstehen.

Aber an den Pforten des Landes wohnt einer,

Der, ein Weiser, der Rätsel kundig ist

Und der alles Alte neu ans Licht bringt

Nun ziehen die Frohen

Und rauschen und lauschen

Und reisen und weisen,

Verstehen und sehen

Die Felsen und Schluchten und Schlösser und

Trümmer.

Der Weise aber hebet noch immer die Schätze

Und münzt sie ein in goldne, klingende Batzen! Dies zum Andenken von usw. usw.

[Nachschrift von Felix:] Klingemann lügt oben wie gedruckt. Wir fanden Sir Walter Scott im Begriffe, Abbotsford zu verlassen, sahen ihn an wie ein neues Tor, fuhren achtzig Meilen und verloren einen Tag um eine halbe Stunde unbedeutender Konversation, Melrose tröstete wenig, wir ärgerten uns über große Männer, über uns, über die Welt, über alles. Der Tag war schlecht. Heut war ein Tag!! Wir haben des Gestern vergessen und lachen darüber.

Aus dem Buche Die Familie Mendelssohna, dessen neue Ausgabe im Insel -V erlag erscheint.

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AUSDEM ÄLTESTENFAUST-BUCH

GedrucktzuFrankfurtam Main 4587 durch Johann Spies

Doct. Faustus ein Artzt und wie er den Teuffel beschworen hat

WIE obgemeldt worden / stunde D. Fausti Datum da- hin / das zulieben / das nicht zu lieben war / dem trach- tet er Tag und Nacht nach / name an sich Adlers Flügel / wolte alle Grund am Himel und Erden erforschen / dann sein Für witz / Freyheit und Leichtfertigkeit stache unnd reitzte ihn also / daß er auff eine zeit etliche zaube- rische vocabula, figuras, characteres un coniurationes, damit er den Teufel vor sich möchte fordern / ins Werck zusetzen /und zu probiern im fürname. Kam also zu einem dicken Waldt / wie etliche auch sonst melden / der bey Wittenberg gelegen ist / der Spesser Wald ge- nandt/wie dann D. Faustus selbst hernach bekandt hat. In diesem Wald gegen Abend in einem vierigen Weg- schied machte er mit einem Stab etliche Circkel herumb/ und neben zween / daß die zween / so oben stunden / in grossen Circkel hinein giengen / Beschwure also den Teuffel in der Nacht / zwischen 9. unnd 40. Uhrn. Da wirdt gewißlich der Teuffel in die Faust gelacht habe / und den Faustum den Hindern haben sehen lassen / uu gedacht: Wolan/ich wil dir dein Hertz unnd Muht erkühlen / dich an das Affenbancklin setzen / damit mir nicht allein dein Leib / sondern auch dein Seel zu Theil werde / un wirst eben der recht seyn / wohin ich nit

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5 xxv ing Ob en Tus at auch geſchriben m Compendio theo

RUE PJESA

Aus dem Blockbuch »Der Antichrist«

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(wil)ichdich meinen Bottensenden / wie auch geschach / unnd der Teuffel den Faustum wunderbarlich afft unnd zum Barren bracht. Denn als D. Faustus den Teuffel beschwur / da ließ sich der Teuffel an / als wann er nicht gern an das Ziel und an den Reyen käme / wie dann der Teuffel im Wald einen solchen Tumult anhub / als wolte alles zu Grund gehen / daß sich die Baum bi8 zur Erden boge / Darnach ließ der Teuffel sich an / als wann der Waldt voller Teuffel were / die mitten und neben def D. Fausti Circkel her bald darnach er- schienen /als wann nichts denn lauter W agen da weren/ darnach in vier Ecken im Wald giengen in Circkel zu / als Boltzen und Stralen / dann bald ein grosser Büchsen- schuß /darauff ein Helle erschiene / Und sind im Wald viel löblicher Instrument / Music unnd Gesäng gehört worden / Auch etliche Tantze /darauff etliche Thurnier mit Spiessen und Schwerdtern / daß also D. Fausto die weil so lang gewest / daß er vermeynt auß dem Circkel zu lauffen. Letztlich faßt er wider ein Gottloß und ver- wegen Fürnemen / und beruhet oder stunde in seiner vorigen condition, Gott geb / was darauf möchte folgen / hube gleich wie zuvor an / den Teuffel wid er zu be- schweren / darauff der Teuffel ihm ein solch Geplerr vor die Augen machte / wie folget: Es ließ sich sehen / als wann ob dem Circkel ein Greiff oder Drach schwe- bet / und flatterte / wann dann D. Faustus seine Be- schwerung brauchte / da kirrete das Thier jammerlich / bald darauff fiel drey oder vier klaffter hoch ein feuw-

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riger Stern herab / verwandelte sich zu einer feuwrigen Kugel /deß dann D. Faust auch gar hoch erschracke / jedoch liebete im sein Fürnemen / achtet ihms hoch / daß ihm der Teuffel unterthänig seyn solte / wie denn D. Faustus bey einer Gesellschafft sich selbsten berüh- met / Es seye ihm das höchste Haupt auff Erden unter- thanig und gehorsam. Darauff die Studenten antwor- tete / sie wüßten kein höher Haupt / denn den Keyser / Bapst oder König. Drauff sagt D. Faustus / das Haupt / das mir unterthänig ist / ist höher / bezeugte solches mit der Epistel Pauli an die Epheser/der Fürst dieser W elt / auff Erden und unter dem Himmel / etc. Beschwur also diesen Stern zum ersten / andern / und drittenmal / dar- auff gieng ein Fewerstrom eines Manns hoch auff / ließ sich wider herunder / unnd wurden sechs Liecht- lein darauff gesehen / Einmal sprang ein Liechtlin in die Höhe / denn das ander hernider / biB sich end erte und formierte ein Gestalt eines fewrigen Manns / dieser gieng umb den Cirekel herumb ein viertheil Stund lang. Bald darauff endert sich der Teuffel und Geist in Gestalt eines grauwen Münchs / kam mit Fausto zusprach / fragte / was er begerte. Darauff war D. Fausti Beger / daß er morgen umb 42. Uhrn zu Nacht ihm erscheinen solt in seiner Behausung /deß sich der Teuffel ein weil we- gerte. D. Faustus beschwur ihn aber bey seinem Herrn / daß er im sein Begern solte erfüllen / und ins Werck setzen. Welches im der Geist zu letzt zusagte / und bewilligte.

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Am weissen Sontag von der bezauberten Helena

Am weissen Sontag kamen offtgemeldte Studente vn- versehes wider in D. Fausti behausung zu Nachtessen / brachten ihr Essen und Tranck mit sich / welche an- geneme Gast waren. Als nu der Wein eingienge / wurde am Tisch von schöne Weibsbildern geredt / da einer under inen anfieng / daß er kein Weibsbildt lieber sehen wolte /dan die schöne Helena auß Grecia, derowegen die schöne Statt Troia zu grund gangen were / Sie müste schön gewest seyn / dieweil sie irem Mann geraubet worde /und entgegen solche Empörung entstande were. D. Faustus antwurt / dieweil ihr dann so begirig seidt / die schöne gestalt der Königin Helene, Menelai Hauß- fraw / oder Tochter Tyndari un Lede, Castoris un Pollucis Schwester (welche die schönste in Grecia ge- wesen seyn solle) zusehen / wil ich euch dieselbige für- stellen / damit ihr Persönlich iren Geist in form un gestalt / wie sie im Leben gewesen / sehen sollet /der- gleichen ich auch Keyser Carolo Quinto auff sein be- gere / mit fürstellung Keysers Alexandri Magni und seiner Gemahlin / willfahrt habe. Darauff verbote D. Faustus / daß keiner nichts reden solte / noch vom Tisch auffstehen / oder sie zuempfahen anmassen / un gehet zur Stuben hinauß. Als er wider hinein gehet / folgete im die Königin Helena auff de Fuß nach / so wunder schön / daß die Studenten nit wusten / ob sie bey ihnen selbsten weren oder nit / so verwirrt und innbrünstig waren sie. Diese Helena erschiene in einem köstlichen

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schwartzen Purpurkleid / jr Haar hatt sie herab hangen / dz schön / herrlich als Goldfarb schiene / auch so lang / daß es jr biß in die Knjebiegen hinab gienge / mit schö- nen Kollschwartzen Augen / ein lieblich Angesicht / mit einem runden Kopfflein / jre Lefftzen rot wie Kir- schen / mit eine kleinen Mündlein / einen Halß wie ein weisser Schwan / rote Backlin wie ein Rößlin/ein über- auf} schön gleissend Angesicht / ein langlichte auff- gerichte gerade Person. In summa / es war an jr kein untadlin zufinden / sie sahe sich allenthalben in der Stuben umb / mit gar frechem und bübischem Gesicht / daß die Studenten gegen jr in Liebe entzündet waren / weil sie es aber für einen Geist achteten / vergienge jhnen solche Brunst leichtlich / und gienge also Helena mit D. Fausto widerumb zur Stuben hinauß. Als die Studenten solches alles gesehen / baten sie D. Faustum / er solte jhnen so viel zugefallen thun /unnd Morgen widerumb fürstellen /so wolten sie einen Mahler mit sich bringen / der solte sie abconterfeyten / Welches jhnen aber D. Faustus abschlug / und sagte / daß erjhren Geist nicht allezeit erwecken könnte. Er wolte ihnen aber ein Conterfey darvon zu kommen lassen /welches sie die Studenten abreissen möchten lassen / welches dan auch geschahe / und die Maler hernacher weit hin und wider schickten / dann es war ein sehr herrlich gestalt eins Weibsbilds. Wer aber solches Gemald dem Fausto abgerissen/hat man nicht erfahren konnen. Die Studente aber / als sie zu Betth kommen / haben

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sie vor der Gestalt und Form / so sie sichtbarlich ge- sehen / nicht schlaffen können / hierauß dan zusehen ist / daß der Teuffel offt die Menschen in Lieb entzündt und verblendt / daß man ins Huren Leben geräth / un hernacher nit leichtlich widerumb herauß zu bringen ist.

IM HERBST Von Ricarda Huch

Der Herbst spinnt Seide um die fernen Wälder Und rührt mit Zauber alles an.

Der blasse Weg, die Stoppelfelder,

Sie werden weit, weit, wie der blaue Tann. Die Luft ist weich wie junger Lämmer Vlies. Kein Mauschen raschelt, keine Frucht fallt ab, Kein Räderrollen, schwerer Pferde Huf,

Kein Schritt am Wanderstab.

Wie leicht! Wie süß!

Traum ward das Leben und Erinnerung,

Ein Bild: ich selbst inmitten, wieder jung, Und halt an meiner Hand ein lockig Kind Und horch auf einen Ruf

Das Einst ist ewig und das Heut zerrinnt.

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ADOLF

Erzählung von D. H. Lawrence

Aus wir noch Kinder waren, arbeitete unser Vater oft in der Nachtschicht. Es war einmal zur Frühlings- zeit als er, wie gewöhnlich schwarz und müde, nach Hause kam, während wir grade in unseren Nachtkitteln noch unten waren. Da trafen sich Morgen und Abend von Angesicht zu Angesicht, und das Zusammentreffen war nicht immer glücklich. Vielleicht war es meinem Vater schmerzlich, uns den Tag so fröhlich beginnen zu sehen, in den er sich schmierig und ermüdet hinein- schleppte. Er mochte in dem morgendlichen Früh- lingssonnenschein gar nicht gern zu Bett gehen.

Zuweilen aber war er glücklich, und zwar wegen seines langen Ganges durch die taufrischen Felder im ersten Tageslicht. Er liebte den weitoffenen Morgen, die Klarheit und den Luftraum nach einer Nacht im Stollen. Jeden Vogel beobachtete er, jede Regung in dem zitternden Grase, antwortete auf jeden Kiebitz- pfiff und zwitscherte jedem Zaunkönig zu. Wäre es ihm nur irgend möglich gewesen, er hätte in einer für Men- schen nicht verständlichen Sprache wiederge pfiffen und gezwitschert. Was nicht mit Menschen zu tun hatte, war ihm am liebsten.

Eines sonnigen Morgens saßen wir alle um den Tisch, als wir seinen schweren Schritt schlürfend den Haus- eingang herauf kommen hörten. Wir wurden unruhig.

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Seine Gegenwart wirkte immer störend, hemmend. Dunkel schritt er am Fenster vorüber, wir hörten, wie er in die Spülküche ging und seine Blechflasche hin- setzte. Aber da kam er auch schon in die Küche. So- fort fühlten wir, er habe uns etwas mitzuteilen. Nie- mand sprach. Einen Augenblick beobachteten wir sein schwarzes Gesicht.

»Gib mir was zu trinken«, sagte er.

Hastig schenkte meine Mutter ihm seinen Tee ein. Er machte sich daran, ihn in die Untertasse zu gießen. Aber anstatt zu trinken, setzte er plötzlich etwas auf den Tisch mitten zwischen die Teetassen. Ein win- ziges braunes Kaninchen. Ein kleines Kaninchen, ein verschwindendes Etwas saß da an das Brot gelehnt, so still, als wäre es künstlich.

»Ein Kaninchen! Ein junges! Wer hat dir das ge- geben, Vater?« |

Aber er lachte nur rätselhaft mit einer gleitenden Be- wegung seiner gelb-grauen Augen und machte sich daran, sich den Rock auszuziehen. Wir fielen über das Kaninchen her.

»Ist es lebendig? Kann man sein Herz schlagen fühlen?

Mein Vater kam wieder und setzte sich schwer in seinen Armsessel. Er zog seine Untertasse heran und pustete seinen Tee, wobei sich seine roten Lippen unter dem schwarzen Schnurrbart vorschoben.

„Wo hast du das her, Vater?

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„Ich habs aufgekriegt«, sagte er, sich mit dem nackten Unterarm über Mund und Bart wischend.

»Wo?«

„Ist es ein wildes? (kam meiner Mutter rasche Stimme.

„Ja. c

„»Warum hast du's dann mitgebracht? rief meine | Mutter.

»Ach, wir wünschten uns doch eins«, entgegneten unsere Stimmen.

»Jawohl, das kann ich mir wohl denken«, wandte meine Mutter ein. Aber sie ging unter in dem Larm unserer Fragen.

Auf dem Feldwege hatte mein Vater ein totes Mutter- kaninchen gefunden mit drei toten Kleinen dies eine noch lebendig, aber unbeweglich.

» Was hat sie denn wohl umgebracht, Vatting?«

»Kann ich nich sagen, mein Junge. Hat woll irgend- was gefressen, denke ich.« l

»Warum hast du es denn mitgenommen!“ ließ sich meiner Mutter abwehrende Stimme wieder hören. » Du weißt doch, wie es gehen wird.«

Mein Vater gab keine Antwort, aber wir erhoben lauten Einspruch.

»Er mußte es doch mitnehmen. Es ist doch noch nicht groß genug, um alleine leben zu können. Es wäre doch gestorben«, riefen wir.

»Ja, und jetzt stirbt esauch. Und dann geht das Ge- heule wieder los.«

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Meine Mutter war nun mal gegen das Trauerspiel toter Lieblinge. Uns sank das Herz.

»Das stirbt doch nicht, Vater, nich? Warum denn wohl? Das tut es nicht.«

»Ich glaubs nicht«, sagte mein Vater.

»Du weißt recht gut, daß es das doch tut. Haben wir das nicht alles schon früher durchgemacht —!« sagte meine Mutter.

»Jedesmal quälen se sich doch nicht zu Dode«, er- widerte mein Vater verdrießlich.

Aber meine Mutter erinnerte ihn an andere kleine wilde Tiere, die er mitgebracht hatte, die sich voller Gram geweigert hatten weiterzuleben und Stürme von Tränen und Kummer über unser Haus von Wahn- sinnigen gebracht hatten. |

Unruhe überkam uns. Das kleine Kaninchen saß uns aufdem Schoße, unbeweglich, die Augen weitoffen und dunkel. Wir brachten ihm Milch, warme Milch, und hielten sie ihm an die Nase. Es saß so still, als ware es ganz weit weg, tief unten in einem Bau verborgen, ganz unsichtbar. Wir feuchteten ihm die Schnauze und die Spürhaare mit Milchtropfen an. Es gab kein Zeichen von sich, schüttelte nicht einmal die nassen, weißen Tropfen ab. Eines begann bereits insgeheim ein paar Tränen zu vergießen.

»Habe ichs nicht gesagt riefmeine Mutter. »Nimm es und setze es auf dem Felde aus.«

Ihr Befehl nützte nichts. Wir wurden nach oben

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getrieben, um uns zur Schule anzuziehen. Da saß das Kaninchen. Es war wie ein winziges, dunkles W olk- chen. Während wir es so beobachteten, starb die Auf- regung allmählich in unserer Brust dahin. Es nutzte nichts, es lieb zu haben, sich um es zu grämen. Seine kleinen Gefühle lagen alle im Hinterhalt verborgen. Sie mußten überlistet werden. Liebe und Zuneigung waren ihm gegenüber siindhaft. Als ein kleines W esen der Wildnis verstummte es, erstickte es nur um so mehr, je näher wir ihm in seiner Zurückhaltung mit unserer Liebe kamen. Wir durften es nicht lieb haben. Wir mußten es seinem eigenen Dasein zuliebe überlisten.

So gab ich Mutter und Schwestern dementsprechen- den Befehl: Das Kaninchen durfte nicht angeredet werden, nicht mal angesehen. Ich hüllte esin ein Stück Flanell, setzte es in dem kalten Wohnzimmer in eine dunkle Ecke und stellte ihm ein Tassenschälchen mit Milch vor die Nase. Meiner Mutter wurde untersagt, das Wohnzimmer zu betreten, während wir ın der Schule waren.

»Als ob ich mich um euren Unsinn scherte«, rief sie beleidigt. Und doch habe ich meine Zweifel, ob sie sich wohl in das Wohnzimmer hineingetraut hat.

Als wir mittags nach der Schulein das Vorderzimmer hineinkrochen, erblickten wır das Kaninchen stıll und unbeweglich in seinem Stück Flanell. Seltsame grau- braune Teilnahmlosigkeit am Leben, immer noch lebendig! Das war ein böses Rätsel für uns.

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„»Warum will es wohl seine Milch nicht, Mutter? flüsterten wir. Unser Vater schlief.

»Es grämt sich lieber das Leben ab, dummes, kleines Dings.« Ein tiefes Rätsel. Grämt sich lieber das Leben ab! Wir hielten ihm junge Butterblumenblätter an die Nase. Die Sphinx war nicht weltvergessener.

Um die Teezeit war es jedoch aus seinem Flanell ein paar Zoll hervorgehopst und saß uneingehüllt da, ein greifbares kleines Wolkchen von Schweigsamkeit, braun, die Spürhaare unbeweglich. Nur die Seiten zitterten ihm leise vor innerem Leben.

Die Dunkelheit nahte, mein Vater ging zur Arbeit. Das Kaninchen war immer noch unbeweglich. StummeVer- zweif lung kam allmählich uber die Schwestern, vordem Zubettgehen drohte es noch Tränen. Die Wolken von meiner Mutter Arger ballten sich zusammen, während sie über meines Vaters Leichtfertigkeit brummelte.

Abermals wurde das Kaninchen in das alte Gruben- hemd eingewickelt. Nun aber wurde es in die Spül- küche getragen und unter die kupferne Feuerstelle ge- setzt, damit es glauben sollte, es saße in seinem Bau. Die Tassenschälchen wurden hier und da auf dem Fußboden verteilt, vier oder fünf, so daß, wenn das kleine Geschöpf am Ende herumhoppelte, es jeden- falls auf Nahrung stoßen mußte. Hierauf wurde meiner Mutter noch erlaubt, sich, was sie notig hatte, aus der Spülküche herauszuholen, und dann wurde ihr ver- boten, die Tür aufzumachen.

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Als der Morgen kam und es hell wurde, ging ich nach unten. Beim Öffnen der Spülküchentür hörte ich ein leises Wühlen. Dann bemerkte ich überall auf dem Fußboden Milchspuren und in den Untertassen kleine Kaninchenpillen. Und dort war der Übeltäter, dessen Ohrspitzen hinter einem Paar Stiefel hervorsahen. Ich sah vorsichtig zu ihm hinüber. Hellaugig und lauernd saß er da, mit der Nase zuckend und mich beobachtend, während er mich gar nicht ansah.

Er war lebendig sehr lebendig. Aber trotzdem hüteten wir uns davor, uns in sein Vertrauen einzu- drängen.

»Vater!«, Vater wurde an der Tür festgehalten, » Vater, das Kaninchen lebt.

»Da wett ich euer Leben drauf«, sagte mein Vater.

»Sei vorsichtig, wenn du hineingehst.«

Abendsindessen war das kleine Geschöpf zahm, ganz zahm. Es wurde Adolf getauft. Wir waren bezaubert von ihm. Richtig lieb haben konnten wir ihn nicht, weil er bis zuletzt wild und lieblos blieb. Aber er war ein ungemischtes Entzücken.

Wir beschlossen, er wäre zu klein, um in einem Stalle zu leben er sollte frei im Hause leben. Meine Mutter erhob Einspruch, aber umsonst. Er war ja so winzig. So behielten wir ihn oben, und er dröppelte uns seine kleinen Pillen aufs Bett, und wir waren ent- zückt.

Adolf war sofort ganz zu Hause. Er durfte frei im

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Hause herumlaufen und war vollkommen glücklich, bei all seinen Röhren und Löchern hinter den Möbeln.

Gern nahmen wır ıhn zu den Mahlzeiten mit. Dann pflegte er auf dem Tische zu sitzen und den Buckel krumm zu machen, während er seine Milch aufleckte und seine Spürhaare und die zarten, kleinen Ohren schüttelte, und er hopste herum und hoppelte immer wieder zu seiner Untertasse, mit einer Miene, als wäre ihm alles schnuppe. Plötzlich wurde er munter. Er hoppelte ein paar winzige Schritte, und setzte sich dann bei der Zuckerdose wie fragend aufrecht. Er zappelte mit den winzigen Vorderpfötchen, reckte sie vor und legte sie auf den Rand der Dose, während er den dünnen Hals vorüberbeugte und hineinschaute. Seine Spür- haare zitterten dem Zucker entgegen, und er setzte alles dran, ein Stück herauszuholen.

„Meint ihr, ich dulde so was! Viecher in der Zucker- dose!« rief meine Mutter mit einem Schlag ihrer Hand auf den Tisch.

Was den elektrischen Adolf so entzückte, daß er das Hinterviertelhochwarfund eine Tassedabeiumschmiß.

»Das ist deine eigene Schuld, Mutter. Hättest du ihn in Ruhe gelassen —.«

Er fuhr fort, mit uns Tee zu trinken. Warmen Tee mochte er wirklich gern. Und Zucker liebte er. So- bald er ein Stück aufgenibbelt hatte, wandte er sich der Butter zu. Von der wurde er aber durch unsere Mutter weggescheucht. Sehr bald lernte er indessen,

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ihrGescheuche mit Gleichgiltigkeit zu behandeln. Aber sie konnte es nun mal nicht leiden, wenn er seine Nase ins Essen steckte. Und das tat er zu gern. Und so warfen sie eines Tages gemeinsam den Sahnetopf um. Adolf bekam die Sintflut über seine kleine Brust, sauste schreckerfüllt rückwärts, wurde von Mutter bei seinen kleinen Ohren gepackt und flog auf die Herdmatte hin- unter. Hier schauerte er in augenblicklichem Unbe- hagen zusammen und fuhr plötzlich in wilder Flucht von dannen ins Wohnzimmer.

Hier waren seine glücklichen Jagdgründe. Besonders gern hatte er die üble Angewohnheit, an gewissen klei- nen Zeugflicken in der Herdmatte herumzunibbeln. Wurde er von dieser Weide verjagt, so zog er sich unter das Sofa zurück. Von dort blinzelte er in bud- dhistischer Versunkenheit hervor, bis er plötzlich, nie- mand wußte warum, wie eine Weckuhr losging. Mit einem bumpsenden Ruck sauste er wie ein Wirbelsturm aus dem Zimmer, und mit fliegenden Ohren gings durch den Hauseingang. Dann konnten wir ihn mit einem Male wie ein Donnerwetter ins Wohnzimmer fegen hören, aber bevor wir ihm folgen konnten, blitzte Adolfs wildes Wesen auf den Flügeln eines elektrischen Windes an uns vorüber, der ihn rund um die Spül- küche und wieder hinaustrug, ein verrücktes, kleines Dings, eine Kugel, die wie besessen im Wohnzimmer herumfuhr. Nach einem solchen Überschäumen pflegte er dann ruhig und weltenfern in einer Ecke sitzen zu

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bleiben, in tiefsinniger Abgeschiedenheit mit den Spür- haaren wackelnd. Und daß wir ihn etwa wegen seines plötzlichen Losbrechens befragten, nützte gar nichts. Er ging eben los wie eine Flinte, und war nachher so ruhig wie eine Flinte, die noch leise raucht.

Ach, er wuchs sehr rasch heran. Es wurde fast un- möglich, ihn von der Haustür fernzuhalten.

Eines Tages, als wir am Feldübergang spielten, sah ich seinen braunen Schatten über den Weg huschen und in das dem Hause gegenüberliegende Feld schlüp- fen. Sofort schrie alles »Adolf!« ein Schrei, der ihm wohlbekannt war —, und sofort trug ihn ein Windstoß die abschüssige Wiese hinunter, und sein Schwanz zwinkerte und zickzackte durch das Gras. Wir warfen alles mögliche hinter ihm her. Ein seltsamer Anblick war es, wie er so, die Ohren zurückgelegt, mit seinen kleinen Schenkeln so gewaltig die Welt hinter sich schleuderte. Wir rannten uns völlig außer Atem, aber einholen konnten wir ihn nicht. Dann ging jemand vor ihm vorüber, und da saß er plötzlich vollkommen gleichmiitig, mitder Nase wackelnd unter einem Nessel- strauch.

Seine Wanderungen trugen ihm aber doch einen Schrecken ein. Eines Sonntagmorgens hatte sich mein Vater grade mit einem Hausierer gezankt, und wir konnten den Nachklang noch im Wohnzimmer hören, als plötzlich vom Hofe her ein ganz unirdischer Schrei ertönte. Wir flogen hinaus. Da saß Adolf zusammen-

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gekauert unter einer Bank, während ein großer schwarz und weißer Katerihn aus ein paar Schritten Entfernung gespannt anglupschte. Unvergeßlicher Anblick : Adolf, die Augen nach rückwärts rollend und sein sonder- bares kleines Mäulchen zu einem neuen Schrei öffnend, derKatersichinlangsamerDehnungvorwärtsstreckend.

Oh, wie wir diesen Kater haßten! Wie wir ihn über die Kirchenmauer und durch die Nachbargärten ver- folgten. Adolf war ja erst halb ausgewachsen.

»Katzen!« sagte meine Mutter. »Ekelhafte, abscheu- liche Geschöpfe, wie können die Leute sie bloß halten!«

Aber Adolf wurde ihr mit der Zeit doch über. Er ließ zu viele Pillen fallen. Und wenn er plötzlich von oben herunterpolterte, während sie allein im Hause war, so erschrak sie. Und ihn von der Tür fernzuhalten war unmöglich. Draußen strichen Katzen umher. Es war schlimmer, als auf ein Kind aufzupassen.

Und doch, einsperren lassen wollten wir ihn nicht. Er wurde vergnügter, frecher denn je. Er konnte stark hintenaus schlagen, und wir verdankten ihm manchen Kratz an Gesicht und Armen. Aber er brachte sein Verhängnis selbst über sich. Die Spitzenvorhänge im Wohnzimmer meine Mutter war besonders stolz auf sie fielen sehr voll zur Erde hernieder. Eins von Adolfs Hauptvergnügen war, wild durch sie hindurch zu fegen, als ginge es durch loses Unterholz. Er hatte bereits lange Löcher hineingerissen.

Eines Tages verwickelte er sich in ihnen ganz und

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gar. Er strampelte, flog wie ein Kreisel in einer wahn- sinnigen, nebelhaften Hölle umher. Er kreischte und holte die ganze Gardinenstange mit einem Krach herunter, genau auf das allerbeste Pelargonium, grade als meine Mutter hereinstürzte. Sie wickelte ihn los, aber sie verzieh ihm nie. Und er ihr auch nicht. Herz- lose Wildheit war über ihn gekommen.

Selbst wir begriffen, er müsse gehen. Es wurde nach langer Beratung beschlossen, mein Vater sollte ihn wieder in den wilden Wald bringen. Wieder einmal wurde er in die große Tasche der Grubenjacke verstaut.

»’s beste, steck ihn doch in’n Pott«, sagte mein Vater, dem es Spaß machte, Stürme der Entrüstung anzu- fachen.

Und so erzählte mein Vater am nächsten Tage, daß Adolf, am Rande des Unterholzes niedergesetzt, mit äußerster Gleichgültigkeit weggehoppelt wäre, weder übermütig, noch gerührt. Wir hörten es und glaub- ten. Aber sehr, sehr suchten ihn unsre Herzen. Wie würden die anderen Kaninchen ihn aufnehmen? W ür- den sie in ihm den Zahmen riechen, seine Erniedrigung durch die Menschen, und ihn zerreißen? Meine Mutter verlachte derart ausschweifende Gedanken.

Indessen, er war weg, und wir fühlten uns ziemlich erleichtert. Mein Vater hielt die Augen offen nach ihm. Verschiedentlich erklärte er, er hatte, wenn er morgens durch das Unterholz gegangen sei, Adolf durch die Nesselstiele lugen sehen. Er hätte ihn gerufen, mit

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ganz besonders hoher, liebkosender Stimme. Aber Adolf wäre nicht drauf eingegangen. Die Wildnis ge- winnt ja so rasch wieder die Oberhand über ihre Ge- schöpfe. Und dann werden sie so voller Verachtung gegen unsere zahme Gegenwart. So schien es mir we- nigstens. Ich wollte selbst mal an deu Rand des Unter- holzes gehn und ihn ganz leise rufen. Dann würde ich mir auch wohl blanke Augen unter den Nesselsträu- chern einbilden, Blitze eines weißen, verachtungsvollen Schwänzchens hinterden Farnen. Dieserunverschämte weiße Steert, wenn Adolf uns den Rücken kehrte! Er erinnerte mich immer an eine gewisse ruppige Gebärde und einen gewissen nicht druckfähigen Ausspruch, den man auch nicht mal andeuten kann.

Aber jedesmal, wenn Naturforscher die Bedeutung des weißen Kaninchensteertes durchhecheln, dann kommen diese ruppige Gebärde und der noch ruppigere Ausdruck mir wiederins Gedächtnis. Die Naturforscher sagen, das Kaninchen zeige seinen weißen Schwanz, um seine Jungen sicher hinter sich her zu führen, wie die weißen Schürzenbänder eines Kindermädchens ihren wackelnden kleinen Pfleglingen das Zeichen sind, wo- hin sie zu gehen haben. Wie nett und harmlos! Ich weiß bloß, mein Adolf war nicht harmlos. Er pflegte sich mir ins Gesicht umzudrehen, mir seine weiße Feder ins Auge zu jagen und Schiet! zu sagen. 's ist ein ruppiges Wort aber eins, das Adolf mir beständig durch Zeichen zu verstehen gab, wenn er seine Flagge mit

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aller Spottlust seiner dünnen Schenkelchen vor mir wehen ließ.

Das ist so das Karnickel durch und durch Unver- schamtheit und die weiße Flagge trotziger Spottlust. Jawohl, und seine Flagge hält es hoch bis ans bittere Ende, das vergnügte, spottlustige kleine Teufelchen, das es ist. Sieh, wie es um sein Leben rennt. Oh, wie seine Seele vor Furcht biszum Wahnsinn aufgepeitscht wird, bis zum flüchtigen Wirbelwind sinnloser Furcht. W ie verrückt wirft esdie Welt hinter sich mit staunen- erregenden Hinterbeinen. Es legt den Kopf zurück und die Ohren an und rollt das Weiße seiner Augen vor rein wahnsinniger,quälender Hast. Es weiß, welches Furchtbare sich ihm von hinterrücks nähert: die Kugel oder das Frettchen. Es weiß es! Es weiß es, die Augen im Kopfe fast nach rückwärts gedreht. Das sind Todes- qualen. Aber auch Verziickung. Verziickung! Sieh, wie die kleine weiße Flagge aufhopst. Aufdem Zauber- wind des Schreckens fliegt es einher. Alles, was es an Seele beherbergt, strömt von dannen in der elektrischen Erregtheit furchtbarster Todesqual. Es schnellt sich vorwärts, wie ein fallender Stern sich ins Verlöschen schwingt. Weißglut furchtbarster Todesqual. Und gleichzeitig, hopp! hopp! hopp! geht der weiße Steert, Schiet! Schiet! Schiet! ruft er dem Verfolger zu. Das Kaninchen kann nicht anders. In der äußersten Not schleudert es dem Verfolger noch mal seine Beleidi- gung entgegen. Es ist der unüberwindliche Flüchtling,

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der unbezähmbare Schwächling. Kein Wunder, das Frettchen wird rachsüchtig.

Und kommt es glücklich davon, dies köstliche Kar- nickel! Siehst du es da wohl in seinem Erdwinkel sitzen, eine kleine Kugel vonStummheit und Karnickel- Siegesfreude? Siehst du wohl das Glitzern in seinem schwarzen Auge? Siehst du wohl, wie für ihn in seiner Unbeweglichkeit schon die ganze Welt »Schiet« ist? Keine Uberhebung gleicht der Uberhebung des Sanft- mütigen. Und stiehlt sich der rächende Engel in Ge- stalt des gespenstischen Frettchens zu ihm hernieder, dann ertönt wohl ein Schrei des Schreckens aus dem kleinen Häufchen Selbstzufriedenheit, das da regungs- los in der Ecke sitzt. Der Flüchtling fallt. Aber selbst in seinem Falle schwebt noch die weiße Feder in die Höhe. Selbst im Tode noch scheint sie zu sagen: »Ich bin der Sanftmütige, ich bin der Rechtschaffene, ich bin das Karnickel. Ihr übrigen alle, ihr seid Übeltäter, und ihr verdient nichts anderes als ein gehöriges ,Schiet !‘«

Aus dem Englischen von Franz Franzıus

DIE WELT

Von Alexander Lernet-Holenia

WEL ich bin, ist Gott. Mehr nämlich weiß niemand. Zwar, sicher scheint, so weit das Aug’ reicht, der Erde Rund, und Felsicht zähmet ein

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den Fluß, und das Lockere ist von Waldung durch- wachsen. Wie aber sind Menschen, Pferde und Vieh, wenn sie in der Frühe bewegt sind, schon durchsichtig fast, oder blenden, wenn, sich verhärtend, am Mittag in Staub und Strahlen gleißet der Umkreis, und wer wüßte denn, ob sie abends noch sind, in ihren verbergenden Häusern, noch sind, hinter den Wänden, wer kennte der Schlafenden wirkliches, das verhüllte Ge- sicht? Heut noch, scheint es, sind sie wie gestern. Aber gestern, wer wüßte, was war! So gelten die Leben auch der oben schwindenden Ahnen, die oben wiederverwachsenen Äste des Baums, wie Hörner der oben engeren Lyren, nicht anders als im meinigen Leben allein nur, so leb ich die fernher in Kleidern und harten Geräten Winkenden alle, und nicht geschieden bin ich von den Lebendigen neben mir her, und Zukünftigen. Denn nicht kann wirklich gelten die Zeit. Aber oben gehn durch Gerichte und wohnen in neuen Gemeinden die Lebenden in gleißenderm Zustand, Tier- und Engel-bedient, und Verwandte sind sie Gottes, und einig, wie die Könige, die Lebendigen. Schicksal aber ist nur

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gehäuft wie Hügel um Einzle, so ist Geburt und Sterben, aber nur scheinbar. Denn un- zerstörbar, und unsichtbar wie Wirklichs, ist Gott.

Das Menschlichste aber ist das Dunkel, und deutlich der Hoh nach. Da nämlich wird manches gezeugt. Wenn aber keiner weiß den Ursprung, wer könnte sagen, wes Sohn Christus sei! Vieldeutig zwar ist der Geist und sucht in dem Kinde königliche Abkunft, denn noch wird manches bewahrt in den Sippen, und es bleibt ihm, vor sanfter Verwandter, größer erscheinender als anderer Menschen Bewegung, der Mutter riesige Zuflucht und Ruh; sie nimmt wie ein Bett auf. Es prangt aber, an des Knaben Umkreis schon gestellt, erstaunend, der Jünglinge Bildung, und der Männer und rosse- gewöhnten Knechte, bei Haufen, heldisches Arme-Gegitter, und dem einst gerüstet wird die Hochzeit, mit Leuchtern, wenn zarter ist innen das Haus, und unbeschuht die Fraun, und auf der Liebenden Haupt die weibliche, die Nacht sinkt, ein zeugender Glanz. Das Harteste aber kommt

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aus vielen Leben, und des Hohen Nähe ist, wie am . Rande der braunen Welt, fernwirkend, wenn an den Fürsten der Deutschen, der zeptertragenden, häuft das Glänzende sich, und von denen größer scheint als die Welt das Vaterland. Nämlich, zwar gleich-, wie ein Kornfeld scheinet es, -hoch woget das Volk liebendem Aug’. Es gilt aber nicht mehr, scheint es, der Adel selbst, aber andres sproßt aus unendlichem Volk, zweigige Arten der Guten, und der Frommen Chöre, aber auch Un- kraut viel, fremde Leute. Denn über viel Grund ward der Weizen gesät.

Wenn aber dann stürbe einer wirklich, und nicht nur ängstete die Verweinten umher, wegschiebend wie Harnisch, oder eines Pferdes, den Brustkorb vom Atem, und als ob er die reine, die endlich beinerne Stirne bekränzte mit ausgetretenen Perlen Schweißes todlicher Siege noch endlich, und wenn wirklich schwände hinweg ein Unsterblichs, zerbräche das Felsicht der Erd’ und, wie gläsernes Geschirr, was fest ist an den Himmeln, herabstiirzend, von diesem einen Toten, wenn nämlich nicht ware Ein

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Gott, sondern es erschlüge einer den andern in der Kirch’. Denn nicht wirklich voneinander ver- schieden ist irgend etwas. Weil aber allein das Harte glänzt gehäuft um die Leben, wie Tränen, und die Zeit, und unzerstörbar ist geglaubt das meiste Unsichtbare, siehet keiner, siehe, im Geist! Da nämlich dauert, wenn erst zerstört ist das Grab, der Aberglaub’, alles. So ist auch Brot und Wein Gott selbst, und furchtbar wie im Himmel, denn wer wagte zu wandeln den Gott? und mitten im Weißen wohnt in Scharlach Christus, oder wer auch glaubte so, daß er sah! Es zeugt aber ein Gott von sich selbst, so ist die Welt, und nicht will er vom Geliebten ein braunliches Zeichen andres Geschlechts, sondern ein Mahl.

So war auch gegeben den Zwölfen, als den Fürsten, Brot und Wein, und es bebten

die Überschwellen im Hause Mariens, und gewaschen waren die Füße der Guten.

Es werden aber sehen Gott die Augen aller, und die ihn stachen,

auferstanden aus eisengeöffneter Flank’ asphodelischen Hügels,

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denn wiederkehren würde der Geist aus der Dröhnung der Himmel,

das A und O, Anfang und End, der Erste und

der Letzte, aber nicht

zu richten, denn Tote nicht

kann toten oder Lebendige lebend machen einer,

namlich

es wiirden, sagt man, Briefe

geschrieben, und aufgerollt

wie brennende Biicher die Himmel, und, wie auf Wild,

hornen die Engel.

ARABISCHE LIEBESLYRIK AUS TAUSENDUNDEINER NACHT

IN alten Zeiten und langst entschwundenen Vergangen- heiten lebte ein Wesir, der eine Tochter von wunder- samer Schönheit hatte. Die hieß el-Ward fil-Akmam, das ist zu deutsch »Rose im Kelch«. Der König des Landes pflegte einmal in jedem Jahre die Vornehmen seines Reiches zu versammeln und mit ihnen Schlag- ball zu spielen. Und als wieder einmal jener Tag kam, an dem die Mannen zum Ballspiele zusammenströmten, setzte sich die Tochter des Wesirs an das Gitterfenster, um zuzuschauen. Während sie beim Spiele waren,

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fiel ihr Blick auf die Krieger, und sie erschaute unter ihnen einen Jüngling, so schön von Gestalt und so lieb- lich von Antlitz, wie es keinen anderen gab; mit strah- lendem Blick, mit lachendem Munde, mächtig und breit, so stand er da. Immer wieder blickte sie nach ihm hin, ja, sie konnte sich nicht satt an ihm sehen. Und sie sprach zu ihrer Amme: »Wie heißt der wunder- schöne Jüngling, der dort unter den Kriegern ist »Meine Tochter,« erwiderte die Amme, »alle sind schön. Wen unter ihnen meinst du?« Sie fuhr fort: „Warte, ich will ihn dir zeigen.“ Dann nahm sie einen Apfel und warf ihn dem Jüngling zu. Der hob sein Haupt und erblickte die Tochter des Wesirs am Fenster, als wäre sie der volle Mond, der im Dunkel der Nacht am Himmel thront. Und wie er seinen Blick wieder abwandte, war sein Herz von Liebe zu ihr erfüllt, und er sprach das Dichterwort:

Traf mich ein Schütze, oder haben deine Augen

Fin liebend Herz verwundet, als es dich wahrgenom- men?

Ist der gekerbte Pfeil zu mir aus weiter Ferne

Von einem Heere oder vom Fenster her gekommen?

Als nun das Spiel beendet war, fragte sie ihre Amme wieder: »Wie heißt dieser Jüngling, den ich dir ge- zeigt habe?« Jene erwiderte: »Er heißt Uns el-Wu- dschüd«; das ist zu deutsch »W onne der Natur«. Da legte die Jungfrau sich auf ihr Lager nieder und klei-

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dete ihre Gefühle in Worte, indem sie daran dachte, daß Uns wa-Dschüd »Wonne und Huld« bedeutet, und indem sie seine Braue mit dem halbkreisförmigen Buchstaben Nün, sein Auge aber mit dem mandel- formigen Säd verglich:

Der irrte nicht, der dich Uns el-Wudschüd benannte, O du, in dem die Wonne sich mit der Huld vereint! Dein Antlitz gleicht dem vollen Monde, dessen Scheibe In Weltall und Natur mit hellem Glanze scheint. Ja, du bist einzigartig unter allen Menschen; „Du bist der Schönheit Herr‘ ist aller Zeugen Ruf. Und deine Braue gleicht dem Nün, dem schön ge- schriebnen ; Dem Sad dein Augenstern, den der Allgiit’ge schuf. Und ach, dein schlanker Wuchs ist gleich dem frischen Reise, Das jeden Wunsch gewährt, der sich im Herzen regt. Du übertriffst die Ritter der Welt an Kraft; du bist es, Der aller Huld und Wonne und Schönheit Palme trägt.

Dann schrieb sie diese Verse auf ein Blatt, hüllte es in ein Stück goldgestickter Seide und legte es unter ihr Kissen. Eine ihrer Kammerfrauen hatte das gesehen, und dann wußte sie ihr das Geheimnis zu entlocken. Rose-im-Kelch sandte das Blatt durch die Alte zu W onne-der-Natur; und nachdem der es gelesen hatte, schrieb er auf die Rückseite diese Verse:

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Ich stille und verberge die Sehnsucht meines Herzens; Und doch mein Aussehn ists, das meine Lieb verrät. ‚Mein Aug ist wund‘, sag ich, wenn meine Tränen rinnen, Daß Tadler nicht erkennen und sehn, wie’s um mich steht. Einst war ich sorgenfrei und wußte nichts von Liebe; Da ward mein Herz gefesselt von heißer Liebe Band. Dir künd ich meine Not und klage meine Sehnsucht Und Schmerzen: hab Erbarmen, reich’ mir des Mit- leids Hand! Mit meiner Augen Tränen hab ich es aufgeschrieben, Als Dolmetsch all der Not, die ich durch dich erfahr. Behüte Gott ein Antlitz, dem Lieblichkeit ein Schleier Dem ist der Mond ein Knecht, ihm dient der Sterne | Schar. Ja, in der Schönheit selbst sah ich nie ihresgleichen; Von ihrem Wuchse lernte der Zweig, wie er sich neigt. Ich bitte dich, doch ohne dir Ungemach zu bringen: Gewähr, daß durch dein Kommen des Nahseins Glück sich zeigt! Ich geb dir meine Seele nimmst du sie von mir an? Die Nähe ist mir Himmel, die Trennung Höllenbann!

Darauf faltete er den Brief, küßte ihn, gab ihn der Alten und sprach zu ihr: » Amme, mache mir das Herz deiner Herrin geneigt!« »Ich höre und gehorche!« erwiderte sie, nahm das Schreiben von ihm entgegen,

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kehrte zu ihrer Herrin zurück und gab es ihr. Die küßte das Blatt und legte es auf ihr Haupt. Dann off- nete sie es, und nachdem sie es gelesen und seinen Sinn verstanden hatte, schrieb sie darunter diese Verse:

O du, dem meine Schönheit sich tief ins Herz gesenkt, Geduld; dir wird von mir der Liebe Glück geschenkt! Da ich nun weiß, daß deine Lieb von lautrer Art, Und daß dein Herze gleichwie meins getroffen ward, Möcht ich wohl zu dir gehn, so oft und ach so gern! Doch halten mich von dir die Kammerlinge fern. Wrenn dunkle Nacht uns deckt, wird durch der Liebe Macht In unsrem Busen tief ein Feuer heiß entfacht; Dann meidet unser Lager der Schlummer allzumal, Dann foltert unsren Leib gar oft die bittre Qual. Verbirg die Liebe‘ heißt der Liebe erste Pflicht; Die Schleier, die uns Schutz verleihn, die lüfte nicht! Von Liebe zu dem Reh ist jetzt mein Herz entbrannt Ach, bliebe es doch nimmer fern von unsrem Land!

Die Kammerfrau sollte das Blatt wieder zu Wonne- der-Natur tragen; aber sie verlor es, und es ward von einem Eunuchen gefunden. Der brachte es dem Wesir; als dieser die Handschrift seiner Tochter erkannte, be- riet er mit seiner Gemahlin, was zu tun sei, und sie kamen überein, die Tochter auf eine ferne Insel zu ver-

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bannen. Ehe Rose-im-Kelch aber das Haus verlassen mußte, schrieb sie an die Tür:

Bei Gott, o Haus, wenn früh mein Lieb vorübergehet Und grüßend Zeichen winkt in treuem Freundessinn, So schenk von mir ihm Grüße von reinem, süßem Dufte; Denn ach, er weiß ja nicht, an welchem Ort ich bin. Auch ich weiß nichts davon, wohin der Weg mich fuhret; Denn jetzt sind sie zu schnellem und flinkem Marsch bereit, Zur Nachtzeit, wenn im Walde die Voglein auf den Ästen Sich kauern, leise klagend um unser bittres Leid. Und eine hohle Stimme von Geistern klagte: Wehe Dem treuen Liebespaare ob solcher Trennungsnot! Als ich den Kelch des Scheidens gefüllt vor mir er- blickte Und das Geschick uns seinen Wein gewaltsam bot, Da mischte ich ihn zagend mit treuen Harrens Pflicht Doch ach, das Harren tröstet mich über dich jetzt nicht.

W onne-der-Natur las diese Verse, als er am folgenden Tage an dem Hause vorbeiritt. Sofort machte er sich auf den Weg, um die Geliebte zu suchen. Er wan- derte Tag und Nacht durch weite, heiße Wüsten; und als plötzlich ein grimmer Löwe auf ihn zustürzte, redete der Jüngling ihn freundlich an und sprach zu ihm diese Verse:

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Du Leu der Wüste, willst du mich jetzt zu Tode bringen,

Eh ich noch die gefunden, die Lieb in mir entfacht?

Ich bin doch nicht ein Wild, ich hab kein Fett am

Leibe;

Daß ich mein Lieb verlor, hat mich so krank gemacht.

Die Ferne der Geliebten verzehrte meine Kräfte;

Ich bin wie eine Leiche, bedeckt vom Totenkleid.

O hoher König Nobel, du Leu des Kampfgetiimmels,

Laß doch den Tadler nicht sich freun ob meinem Leid!

Ich liebe, und mich decken die Tränenströme zu;

Die Ferne der Geliebten läßt mir keine Ruh.

Und wenn ich ihrer denke in finstrer Mitternacht,

So werd ich durch die Liebe um den Verstand gebracht.

Da führte der Löwe ihn auf die Spur der Leute, die Rose-im-Kelch fortgeführt hatten; aber die Spur endete am Meeresufer. In seiner Verzweiflung stieg W onne-der-Natur auf einen hohen Berg; dort fand er einen Einsiedler, dem er sein Leid klagte. Inzwischen war Rose-im-Kelch zu dem Schlosse auf der Insel ihrer Verbannung gekommen. Dort setzte sie sich an das Fenster und hub an, diese Verse zu sprechen:

Wem soll ich all mein Sehnen, das mich erfüllet, klagen Und meinen Kummer, fern von dem Geliebten traut? In meinem Busen glüht ein Feuer, aber dennoch

Zeig ich es nicht, auf daß mein Späher es nicht schaut.

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Ich bin so dürr geworden gleichwie der Zähne Stocher Durch Fernsein und durch Klagen und Glut, die an mir frißt. Wo ist das Aug des Liebsten, daß er auf mich schaue, Wie ich jetzt einem gleiche, der von Sinnen ist? Sie waren hart zu mir, als sie mich eingeschlossen An einem Ort, zu dem mein Liebster niemals dringt. Die Sonne bitte ich, ihm tausendfache Grüße Zu bringen, wenn sie aufgeht und wenn sie wieder sinkt, Dem Liebsten, dessen Glanz den vollen Mond be- schamet, Wenn er erscheint, und der das schlanke Reis besiegt. So seiner Wange sich die Rose gleichet, sag ich: Du gleichst ihm nicht, wenn nicht in dir mein Schick- sal liegt. Und seiner Lippen Tau ist wie das klare Wasser, Das, wenn die Feuersglut mich quälet, Kühlung gibt. Wie konnt ich ihn vergessen, er ist mein Herz, mein Leben; Er macht mich krank und siech, er, der mich heilt und liebt.

Und als sie umgeben war von finstrer Nacht, da wuchs noch in ihr der Sehnsucht Macht; sie gedachte der Vergangenheit und klagte in diesen Versen ihr Leid:

Es sinkt die Nacht; die Liebe mit ihren Schmerzen

regt sich, Und Sehnsucht rüttelt grausam an allem meinem Leid.

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Die bittre Qual der Trennung wohnt jetzt in meinem Busen, U ndall die schwere Sorge macht mich zum Tod bereit. Die Liebe raubt den Schlaf, und mich verbrennt die Sehnsucht, Die Tränen künden an, was heimlich in mir weilt. Ich kenne keinen Weg in meinem Liebesleiden, Der mich von meiner Schwäche, von Krankheit, Siech- tum heilt. In meinem Herzen glüht ein grimmig Hollenfeuer, Und seine heiße Glut bringt meiner Brust den Tod. Ich konnte mich nicht zwingen, ihm Lebewohl zu sagen Am Trennungstag. O Reue! O meine bittre Not! O du, der du ihm meldest, was mich genugsam quälet: ‘Was mir vorherbestimmt, das trag ich in Geduld. Bei Gott, ich war ihm nie in meiner Liebe untreu. Und unverbrüchlich ist ein Schwur bei Liebeshuld! Nun grüß mein Lieb, o Nacht, kiind ihm im fernen Land,

Bezeug dein Wissen, daß ich in dir nie Schlummer fand.

W onne-der-Natur ließ sich, wie ihm der Einsied- ler riet, auf einem Floß übers Meer tragen; und nach drei Tagen furchtbarer Gefahren ward er an die Insel der Verbannung geworfen. Ein Eunuch ließ ihn in den Schloßhof ein. Dort sah er mancherlei Vögel in Kafigen, und bei ihrem Gesange brach er in Tränen aus

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und sprach Verse der Sehnsucht. Beim Käfig der Nachtigall sprach er:

Das Lied der Nachtigall ist, wenn der Morgen dämmert, Für ihn, der liebt, noch süßer als der Saiten Klang. Nun klagt Uns el-Wudschüd in seiner heißen Lie be Ob einer Leidenschaft, durch die sein Herz zersprang. Wie manchen Liederklang vernahm ich, der vor Freuden Das harte Eisen gar und Stein zergehen macht! Des jungen Morgens Zephir fächelt mir die Grüße Von blütenreichen Gärten mit ihrer Blumenpracht. Der Vöglein heller Schall, der süße Duft des Zephirs Erweckt in meinem Herzen am Morgen frohen Mut; Und als ich an mein fernes Lieb in Treuen dachte, Gleich Bächen, gleich dem Regen rann da die Tränen- flut. Und eine Feuerflamme erglüht in meinem Busen Gleich einem Kohlenmeiler, aus dem die Funken sprühn. Nun mög der treuen Liebe im trautesten Vereine Durch frohes Wiedersehen Allahs Lohn erblühn! Das Volk der Liebe kann ein Mittel wohl verstehen; Dies eine Mittel ist, daß sie sich wiedersehen.

Rose-im-Kelch wanderte unterdessen ruhelos im Schlosse umher, und als sie keinen Ausweg aus ihrem Gefängnis fand, sprach sie unter ‘Tranen diese Verse:

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Sie zerrten mich grausam hinweg vom Geliebten Und reichten im Kerker mir hangende Pein.

Sie brannten das Herz mir mit Feuern der Liebe Und raubten den Liebsten dem Anblicke mein.

Sie sperrten mich ein hier in ragende Schlösser,

Auf Bergen erbaut in dem wogenden Meer;

Doch wenn sie nun wollen, ich sollt ihn vergessen, So wächst meine Not nur in heißem Begehr.

Wie kann ich vergessen, da doch all mein Leiden Allein durch den Blick auf sein Antlitz entfacht? Der ganze Tag bringt mir nichts andres als Kummer; Im Denken an ihn nur verbring ich die Nacht.

Mein Trost in der Einsamkeit ist, sein gedenken, Wenn traurig mein Aug seines Anblicks entbehrt. Ich möchte wohl wissen, ob nach alle diesem

Das Schicksal den Wunsch meines Herzens gewährt!

Die Liebesgeschichte von Uns el-Wudschüd und el-Ward fil- Akmdm wird von der 371. bis zur 381. Nacht erzählt. Die hier mitgeteilten Gedichte sind alle so genau wie möglich nach dem Arabischen übertragen; der verbindende Text ist teils wörtlich übersetzt, teils nur dem Inhalte nach kurz wiedergegeben. Die ganze Erzählung, die damit endet, daß die Liebenden wieder vereint werden, findet sich im dritten Bande der im Insel-Verlag er- scheinenden neuen Ü bertragung von Tausendundeine Nacht durch Enno Littmann.

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MARATHON Von Theodor Däubler

Siste viator, heroa calcas. BUGIATI heißt ein kleiner Bahnhof der Strecke Athen Theben Salonik; hinter niederm Hügel ducken sich ein paar nebensächliche Häuser, kein Dorf ist in der Nähe: dort stiegen wir aus. Zugleich viele Jäger mit prächtigen Hunden. Die Dezemberluft ging uns scharf ums Gesicht; Parnes und böotische Berge blen- deten, bei Morgensonne, im kleidsamen Schneegewand. Pfützen, überall auf den Land wegen, trugen eine dünne Eiskruste; bald betraten wir nach Norden gedehnte Ackerlehnen mit vereinzelten Schneeflecken: von einer Anhöhe betrachtet, sah die Gegend scheckig aus. Erst die Mulde vor Stamata, dem nächsten Dörfchen, das wir erreichten, verherrlicht uns Griechenland. Sein blitzblankes Kirchlein überwölben himmelhoch zu- einandergeneigte Zypressen. Ein Hirtlein und seine unzähligen Schafe, die den Gottesacker umbimmeln, freuen sich des fröhlichen Sonnenscheins. Keine bösen Hunde sind dabei, sie tummeln sich wohl, weiter oben, im seltsamen Schnee herum. Der Himmel wird mit jedem Augenblick blauer.

Wacholdergebusch, mit Millionen schwarzer Bee- ren, duftete uns nun vom Pentelikon zu: wir müssen, durch eine seiner Schluchten, aufs Schlachtfeld von Marathon loswandern. Aphorismo heißt heute die be-

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rühmte Felsenkette, um deren Abhange Athener unter Miltiades die Ausschiffung des Perserheeres belauer- ten. Noch aber blieb uns die Aussicht auf so große Walstatt versperrt; wir sollten erst, durch Gehölz, auf steile Anhöhe empor. Dem Wacholderstrauch folgte bald derErdbeerbaum, vollbehängt vonkorallen- rotem Obst. Durch sein Dicht mußte ich mich, manche Strecke lang, mühsam zwängen; die Pfade des Pen- telikons sind oft überwachsen. Unsichtbare Vögel fin- gen plötzlich an ringsum zu zwitschern. Der Genuß eines Stiindchens Frühjahr zur Mittagszeit eines klaren und geheimnisvoll-stillen Wintertags im Süden ist immer hold erquickend, ja oft sogar berauschend. Wir sollten aber noch dazu schon bald den erhabensten Heldenhügel erblicken!

Durch meine Eile, rasch den Blick auf die gelobte Ebne zu gewinnen, kamen wir unsers W eges abhanden, mußten ein Stück uber Felsen klimmen. Bald aber gelangten wir zwischen des Grates Marmorzacken: o die ersehnte Aussicht! Ich trat durch urspriingliche Steinpforte, aus turmsteilen Felskulissen: großgestimm- ter Zusammenklang lebhafter Farben brachte, auch schattenhafte Zartheit und blauaugelnde Anmut überm Ozean hold in den Reigen schwingend, der Landschaft ehrgebietende Erhabenheit, besonders wo er sie leise- lila besänftigte, mit überwältigendem Reichtum sprii- hender Töne, zu geschlichtetem Ausdruck einer er- schütternden Einhelligkeit. Euböas silberne Umrissen-

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heit, von ihrem Hochhorn Delphi bis zum Doppelkopf Ocha, gegen den dunklen Osthimmel, war, trotz ıhrer Genauigkeit, eines weißen Traumes Schweben über sorglosem Blaumeer. Die ockergoldne Fläche, die Ma- rathon verheißt und ein feinster Brandungsstreifen vom Seegefunkel sondert, durchkettete, ferne für mein Auge, manche schaumweiße Lämmerherde; die be- trächtlichste zog, in rhythmischer Gewolltheit mit Eu- boas starren Zacken eine lebhafteGegenwart zeichnend, von der runden Bucht unserm Hügelgelände zu. Sie hätte vom bloßen Empfinden als ein Davonzug geord- neter Gischtreihen aus dem Gewoge, beruhigter Höhe entgegen, können gedeutet sein. Hier aber weiß der Mensch so viel: sind mir nicht, wenige Schritte weit, marmorblasse Ziegen, die aus einer Höhle unsrer Klamm, wie beweglich gewordne Blöcke und Trüm- mer, weg und hinab ins Gefild klettern, friedlichstes Ermahnen, das Gemüt meinen Erinnerungen an gar großes Geschehen fromm und geneigt ganz zu lassen? Hier, Herz, bei geschauter Kunde, durch Erschütterung beflügelt, poch erhorchbar mir! Dort, wo jetzt viel Heidekraut, als wär es eine fieberheiße Entzündung seines einst so oft ringsum nackten, doch gebräunten Steines, in heblichster Entzücktheit fiir dieSonne blüht, erhoben sich damals, der Tag von Marathon ging droh- nend an, erzgepanzert die Jiinglinge von Athen, dazu die Freunde aus Plataa, und rannten, voll Tollkühn- heit, auf ganz Asiens ungeheure Schar von Barbaren

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los. Aus fremdem Osten waren sie herübergeschifft; von dort kommt die Sonne: konnte man ihnen, den Persern, in des Mittagsgestirnes Hut, vielleicht kaum in die Augen sehn? Solches Herübergreifen Irans ins bloße Attika kam als eine märchenhafte Unzahl von Stämmen. Der Schreck vor demkarisch geharnischten, schwer gerüsteten Volk der unendlichen Berge, jenem medischen Gewimmel, den Ufern meerhaft erstaun- licher Ströme entlang, erfaßte keinen der Hellenen: so wenige waren sie; immer mehr blieben erschlagen oder verwundet, um die Mitte ihrer gelichteten Reihen, liegen; keine Reiterei stützte die Flanken, zurück lagen weit, viel zu weit, die schützenden Hügel, doch bloß Helden kämpften damals für die Freiheit des Menschen- geschlechtes. Die Athener wichen nirgends, doch ihr Los schien Verderben. Da aber griff Pan, der arka- dische Gott, auf beiden Flügeln vom großen Heran- zug der Perser ein. Wo auf Hippias’ Rat, in Richtung, die Pisistratos einst Glück brachte, Troß auf Troß an Land gesetzt hatte, faßte der Hirten höhnischer Gott plötzlich an die Herzen von Hellas’ Feinden: einzelne waren gleich in Morast geraten, schrien um Hilfe, an- dre in Attika Unerfahrne stürzten sich ihnen zu, mehr noch von dannen und waren weg; der Tumult rundete sich durchs Schlachtgetiimmel, knäulteMann um Mann, wirbelte flugs von Hellenen Verfolgte in einen Haupt- strudel—und wer nicht erschlagen dablieb, erstickte im Sumpf oder ersoff schon, weil auf der Flucht unauf-

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hörlich weiter fortgestoßen, im entlegneren Meer. Da- mit war Europa für uns gewonnen, erst eigentlich ent- standen! Blutige Opfer hatte die Schar der Athener gebracht, unersetzlich blieben die Verluste im Heer des Darius. Irgendwo, fern im Mittagsgefild, mußte wohl mein Auge die gerühmte Stelle der verschwund- nen Trophaen-Hohe, das lang schon verlorne Plataer- und würdiger Sklaven Grab, überschweifen, aber noch fand ich, sprühendes Blicks, der Helden Hügel Soros: er ist auch heute Nabel der verheißungsreichsten Sieges- stätte auf der ganzen Welt!

Eines Tales Sanftheit nahm mich auf: wir verschluch- teten uns, nach so erbauender Einsicht auf empor- gereckter Marmorzinne, zwischen den Abhängen des Pentelikons. Begütigendes Grün beruhigte von über- all: des Gebirges angestammte Fichten, so hell lodernd wie nirgends, rauschten nun, uns zuHäupten,im wieder lauen Winterwind. Behutsam, wie lila Samt entgegen, nahten wir dem Hügel, mit Heidekraut umwallten, der Ebne tiefer sich zuschmiegenden Hangen. Zart, dem Auge eine Milderung, waren die vielen farbigen Flächen, denn die Sonne stand soeben hoch über den weißen Felsen. Doch wird auch sie im Dezember Griechen- lands niemals bloß Licht, als leisestesGold umgarnt sie, sogar am Mittag, ihre reizend schimmernden Schwester- farben. Wie liebt sie das Ginstergelb; einen ganzen Strauch, in Duft und Blumen, kosen ihre holden Strah- len. Er trägt die gleiche Fülle Blütlein, wie der Him-

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mel Sterne hat. Und ganze Berge sind voll von solchem Gebüsch! Am Abend aber scheint der Ginster zu er- bleichen, bloß bei lebhafter Sonne glitzert seines Far- benfeuers freigemute Fröhlichkeit.

Wrana, wohl dort, wo das wahre Marathon lag, ist nun ein Dorf der Ruinen. Wir betraten es nicht, son- dern bogen, einem großen Baum, am Rand desSchlacht- feldes, zu, in ganz andrer Richtung ab. Bald erkannten wir,daß unsre Schritte uns einerSommereiche näherten: noch stand sie in Riesenhaftigkeit, voll von herbst- lichem Kupferlaub, da. Bei ihr wars windstill gewor- den; wohl auch draußen auf See: wir hörten die Bran- dung nimmer rauschen. Zu des vereinsamten Baumes Wurzeln duckt ein winziges, beinah könnte ich sagen: Keller-Kapellchen. Es ist dem Heiligen Athanasios geweiht; wir gingen hinein, mehrere Stufen führen hinab in den grottenartigen Raum: köstliche Bruch- stiicke verschwindender W andmalerei zieren ihn noch an mancher Stelle, die ein gütiger Zufall bevorzugt hat. Uns aber war der göttliche Baum ganz verklärt, viele Stunden verbrachten wir in seinem wonnigen Bann. Fast nie regten sich die Blätter, bloß etwa bei einem Luftgruß der Berge; und da spielten der stämmigsten Äste lila Schatten, auf Marmorgestein oder kargem Ra- sen, aufeinige Augenblicke, Sonnenscheibchenhaschen. Als wir, vor unserm Aufbruch, einen starken Wind- stoß erlebten, schien es, daß ein Vermögen an Licht- miinzen, als wären sie lauter abgeschüttelte Früchte,

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um uns her vertummelten. Oft stehn ın Griechenland breitschultrige Bäume in hoffnungsloser Öde oder zwi- schen den Äckern; sie sollen Hirten und Herden, bei Hitze, gastliche Unterkunft gewähren. Auch hoch im Gebirge, wo keine Grotte in der Nähe, halten im Sommer alle Schafe, Lämmlein, Ziegen der Gegend, natürlicherweise auch ihre Hüter, unter ihrer gewohn- ten Steineiche oder Fichte, ein ermunterndes Nach- mittagsnickerchen; lange weilen sie dann auch wach, um desschweigsamen Bergriesen Freundlichkeit. Spru- delt neben so einem täglich besuchten Baum auch eine Quelle, so ist für uns das Nymphenheiligtum, beinah in Vollendetheit, da. Die Kirche hat auch fur ihre An- hänger dran gedacht: in heidnischer besonders geliebter Einsamkeit,wo Baum und Brunnen beieinanderblieben, errichtet sie gern, fromm und einladend, ihr kleines Kapellchen oder hölzernes Heiligenmal, daß es auch den Baum gegen Blitz und Gier der Menschen gefeit halte! Also ist so ein Kirchlein auf griechischer Erde oft ein heiliger Ort der Erbauung und Rast, Reinigung und Erholung: Gottes Güte verschenkt sich, über den Geist, auf Seele und Leib des gläubigen Geschöpfes.

Der Tag war ganz aus Gold geworden, fast hatte man Abend fühlen können; ungeheure Wolken, wie Gebirge aus Alabaster, wandelten sich langsamst an- wachsend, in dieser Stunde sonnenklarem Kristall. Wie atemlos es um uns blieb: wir waren noch immer und schon so lang um unsern Baum. Nun war die Bucht von

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Marathon ein Spiegel, nirgends in Griechenland ist das Meer so oft ganz glatt. Hat Eitelkeit die Berge erfaßt? es gibt keine ruhmreichern auf Erden. Die gleißenden Höhn Hocker und Hörner Euböas, in ihrer eisigen Erbleichtheit, gespenstern zweimal durch das wunder- bare Blau, denn das altbebaute Land, in Wirklichkeit als riesig hingestreckte Insel, und auch in seiner Wieder- holung durch das starre Wasser, sind nun den Blicken bloß umgoldeter Azur. Betrachteten die steilen W ol- ken— sie waren über Attika, stolz aus Böotien, am langen Nachmittag, emporgegoldet wie ich eine so heitre Klarheit um das Meer und die beschneiten Berge?

Marathon kann sich in der Seele von Hellas spiegeln, in Versunkenkeit soll es der Pilger zu großer Walstatt betrachten: niemals war Athen so einfach, wie damals, zur Zeit der medischen Gefahr: es gehörte ganz sich, auf Spanne, sogar den Männern, die es frei erhielten. Um die Akropolis geschah Erhaltung einheimischer Götter im Geist eindämmernder unendlicher Beseelt- heiten: Griechenlands Götter hat man verklart, Asiens Gewalt unterlag der belebenden Erscheinung weniger Athener. Sogar Joniens weibliche Kostbarkeit konnten Attikas schlichtere Künstler nun verschmahen. Ein- mütig auf eigenstem Boden gelang man zum Wunder: seit Marathons Tag ist Hellas uniiberwindlich, niemals wird seine Herrlichkeit in den Gemütern untergehn. Kein so hohes Wort hat jemals seither ein Siegesruf aus Schlachtengeschmetter verkünden können,

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Etwas regte sich: ein junger Sperber schleuderte sich, über der Eiche, in seinen Schlingenflug, kam fast bis an uns heran. Ich stand auf; wir zogen weiter. Weg von der Ebne gings, durchs Avlonatal, zur Mandra tis Gräas (Hürde des alten Weibes); Spuren der Mauern eines lang eingefaßten Gutes fanden sich nun oftmals unter- .wegs. Hier soll Herodes Attikus eine Villa, voll von berühmten Standbildern, bewohnt und besonders ge- liebt haben. Er stammte aus dem Land. Ein schlanker Frankenturm befiehlt dem Tal von Ninoe, durch das wir nun, über einen flachen Sattel gelangt, rasch, bei bedrohlicher Bewölktheit, nach Marathon schreiten sollten. Einst hieß es Oinoi, war lange fieberfrei, nahm daher das übersiedelte Marathon, aus der Gegend der Schlacht und Sümpfe auf. Auch dieser Strich sollte berühmt sein: hier wurde zuerst die Rebe in Europa gepflanzt. Der Asiat Dionysos war also, weit vor Darius, auf so geheiligtem Boden gelandet: er, der Gott, hatte wunderbar gesiegt, wo der König der Welt später schmählich scheitern sollte. Dionysos, Beglücker durch berauschenden Trunk, Begeisterer des tragischen Wei- hespiels, groß war dein Triumph: alle Völker wollen dich, Sohn der Semele und des Blitzes, bis ans Ende der Tage feiern und preisen.

Es war beinahe Nacht, als wir im Flecken anlangten, zu dritt eine Schenke betraten. Viele Männer saßen, aus der Wasserpfeife rauchend, um ein Herdfeuer; plötzlich hatten ja auch wir, bei Sonnenuntergang, em p-

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findlich Frost gespürt. Was nötig war, um uns zu la- ben, erhielten wir, doch um eine Stube, sogar ein Bett sollte es noch vergebliches Suchen geben. Marathon, wie die meisten Ortschaften Griechenlands, war von Flüchtlingen aus Kleinasien überlaufen. Bei Dunkel und Schneeluft fragten wir herum; jedes Haus blieb, weil vollständig in Anspruch genommen, versperrt, endlich versprach uns ein Wirt, eine Strohmatte auf den Fußboden und eine Riesendecke zum Schutz gegen Kälte. Somit schien mir für den Schlaf gesorgt zu sein, und ich begab mich noch auf einen kleinen Schweifzug durch die Gegend. Der Mond war schon aufgegangen, sein Stand am Himmel aber kaum kennbar, so viel Eis- gewolk bedeckte seinenGlanz,und diinnsterNebel hüllte ihn und mich und alles, was es gab, ein. Nirgends lugte ein Stern hervor, bis hoch hinauf schwebte dieser Nacht schleierhaft durchscheinender Dunst. Ich konnte mich nicht besinnen, jemals so viel Silber um mich in der Luft wahrgenommen zu haben, man hatte glauben konnen: man atmet es ein. Als hatte der Mond sich aufgelöst, war sein Silber überall hingedrungen. Ich und die Baume warfen kaum Schatten, also zwischen flüssig gewordenem Licht, unter einer Riesenglocke aus Milchglas wandelte ich scheinbar dahin. Mir fielen die Gefährten ein, sie mußten mit, die seltsame Nacht an- staunen. Als ich sie abholte, in die Wirtschaft trat, plauderten, rauchten, schmausten und zechten sie mit den Bauern. Da man auch mich einlud, gesellte ich mich

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dazu, wir versäumten aber den Fortgang des zauber- haften Schauspiels, doch vor Niederlegen gingen wir noch ins Freie. Anders war es draußen geworden: das Silberflimmern viel unauffälliger, und der Himmel glich einer ganz zart besternten Kuppel aus Glas von Murano. Er schillerte wie Perlmutter, unsre Schatten hoben sich klarer als vordem, sanft-lila, besonders in Augenblicken, da der Mond sich leicht seiner Flitter- schleier entledigte, vom nassen Rasen ab. Ölbäume glichen, in ihrem grauen Schleierlaub, sacht-veilchen- blau ins himmlische Kunstwerk gehauchtem Zierat. Berge, Häuser, selbst Zypressen blieben blaß angedeu- tet, wie von Schmelz so kostbarer Arbeit überzittert. Was wundernahm, schien, absichtslos hineingelangt, von einem Meister des Glasblasens, als geschickt ver- wend bare Zufälle bei Gestaltung der ungeheuern Kri- stallsache, im mondhaften Zauberstück geblieben zu sein,

Spät wars geworden, als wir ans Schlummern dach- ten: alle drei froren wir auf harter Lagerstatt, doch, einer nach dem andern, schlief endlich jeder ein. Arges Husten meines Nachbarn und das Pfeifen einer Ratte weckten mich wiederholt, dennoch verlor eigentlich kei- ner die Nachtruhe. Als durch einen Spalt unter der Tür, knapp neben der Matte, außer einiger Luft, auch etwas Morgensonne eindrang, huschte ich als erster auf. Die andern Gefährten folgten sofort; einer, er hatte seine Erkrankung bereits durch Husten gemerkt und gemel- det, dann aber doch wieder gut geschlummert, fühlte

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sich sehr erkältet und verließ uns sogleich mit dem Postauto nach Athen.

So machten wir uns zu zweit auf den Rückweg. Sehr lebhaft spann die Morgensonne ihre hohen Tagesfäden; die Berge Böotiens, Könige mit blendenden Kronen des Winters, erstrahlen, unbehelligt vom Aufruhr der Wolken, in heller Unberührbarkeit. Doch diesmal war das Meer, Euböas wegen, das, wie von furchtbarem Geheimnis bedrückt, sich pechschwarz verhängt hatte, in Aufregung und Besorgnis geraten. Wir schritten Sorös, dem Heldenhügel, zu. Durch die Ebne mühten sich ferne lange Züge von Maultieren, mit aufgehöcker- ter Last; man hätte sie mögen für eine Karawane Dro- medare halten. Einige grasende Pferde sahen uns wie etwas noch nie Dagewesenes an: ein Füllen kam auf uns zu, machte aber plötzlich stracks kehrt und flüchtete zur Mutter. Ist Schreck hier ansteckend? Die Stute mit ihrem Jungen voraus, enteilte uns der ganze Troß, zuerst im Trab, als aber Hunde, durch den Ausriß in Wut gebracht, ihm nachbellten und -setzten, in ge- strecktem Galopp.

Um den Hügel, wir erreichten ihn, trotz seiner Ab- gesondertheit, mühelos, blühten die blutrotesten Zy- klamen, die ich jemals auf meinen Pfaden gefunden, dazu schattenlila Anemonen, gesprenkelte winzige Or- chideen, und die Asphodelospflanze trieb schon oft kräftig aus den Zwiebeln. O so süßer Dezember!

O, wir blieben oben; des niedern Hügels Flügel-

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schlag reichte weit! Hinter Euböa hatte die Insel An- dros Gewitter beschlossen; mit Blitz auf Blitz, trom- melte es schon auf die straffgespannte, doch elastische See ein. Uns immer näher gelangte somit kriegerisches Dröhnen. Giura, die vielsichtbare Kyklade, schien, ferner als das Unwetter, in einer Schale aus Sonnen- gold, leicht dem Meer enthoben. Ein silbernes Keos wellte sich zu den perlgrauen Spitzen der Berge vor Sunion. Überragend ernst gebot das hohe Pentelikon Attikas Ehrfurcht. Ich dachte an die Gefallnen, hier unter uns Bestatteten, draußen dereinst Vertreuten im Blachfeld. Kallimachos, Vorgesetzter Athens, fiel und schlummert hier: sein Gepacktsein durch einen Gott dieses Bodens tilgte alle Vorgefaßtheit gegenüber den angstgebietenden Persern; er hatte die Ostkömmlinge am tapfersten beblickt. Eignes Verscheiden preisend, starb Stesilaos, des Trasylos Sohn; draußen, auf See, rang Kynegeiros, Sprosse jenes Euphorions, der des Aschylos geliebtester Bruder, mit einem Barbarenschif. Er krallte es, ganz Hellas im Herzen, mit der Rechten an und zerrte, den Wogen enthuscht, mit ganzer Mannes- schwere, der Heimaterde zu. Doch des Waghalsigen Hand zersplitterte unterm Mederbeil, so daß er blut- sprudelnd lautlos versank.

Des Gewitters gewonnene Nähe trieb uns in die Ferne. Wir erreichten noch in wohlbekommender Trockenheit,nach einem Halbstündchen, desW ächters am Sorös Haus. Ihm vom Eploros Attikas empfohlen,

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fanden wir bloß seine schöne Tochter und einen be- tagten Freund zugegen. Er selbst war nach Athen, zu seinem Sohn, der an Verwundungen darniederlag, ge- eilt. Der Bruder würde wohl, sagte das Mädchen unter Tränen, ein Opfer des kleinasiatischen Krieges, das Vaterhaus nicht wiedersehn. Ein Guß, dann Hagel, des Sabat schwefelgelbe Gespenster, blitzten und pol- terten, über unsern Köpfen, aufs flache Dach nieder: wir saßen um ein beruhigendes Feuer; keinW indstoß aus dem Schornstein zauste an seinem Flammenbusch, stöberte in hart daran glimmender Asche, in der Kasta- nien und Kartoffeln rösteten, Unfug treibend, herum. Wir warteten, ohne sprechen zu wollen, vernommen werden zu können, bis der Trubel ausgelassener Luft- schwärme vertollen sollte. Doch ein paar schwarze Hennen, im warmen Raum gehalten, hatten einigemal aufgeregt hin und her gegackert, schließlich sich mit ausgespreizten Flügeln zwischen Geschirr auf niedern Kasten gesetzt. Dadurch fielen Schalen und Teller herum und herunter, zerschlugen auf dem Boden, damit das Unwetter einige Scherben zurückließe.

In Abwesenheit des erhofften Gastgebers war vom Bleiben über Nacht keine Rede. Wir nahmen eine landläufige Mahlzeit ein und brachen bald auf. Zwei Möglichkeiten hatten Entscheidung verlangt: welche konnte mehr verlocken? Über Pikermi, mit seiner Schlucht der Funde vorweltlicher Riesentiere, führt die Landstraße nach Athen, durch das Pentelikon aber

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bloß ein oft verzweigter Steg. Die Leute des Wächters von Sorös hatten uns zur Sicherheit, bei Dörfern und Gehöften vorbei, wo sich auch Fahrgelegenheiten er- mitteln ließen, sehr bestimmt geraten, wir aber be- schlossen uns zum Unbequemen, weil wir noch in die Berge wollten!

Schnell gings bis Wrana, fast weglos, durch auf- geweichte Felder. Nicht in den Ruinen, wohl aber bei der Kirche, auf einem Hügel mit Fernblick, hielten wir uns ein Weilchen auf, um stufenweis von der Ebne Marathons Abschied zu nehmen. Wer einen Berg hin- aufsteigen kann, gelangt in einer halben Stunde, durchs Tal von Rapetosa nach Dionysö; mit Behaglichkeit gelangt man in einer Stunde bis zur Schenke, von dort sinds noch zwei Stunden zum Bahnhof in Kephissia! Hatte man uns in Marathon versichert, im Haus des Wächters bestätigt. Also, es war noch warme Mittags- zeit, der Himmel nach dem Gewitter wolkenlos, wir brauchten nicht zu eilen; freilich unsre Überraschung, als wir, zwar nicht wie der Läufer von Marathon da- hinfliigeln, aber immerhin, guten Schritts, durch die Schlucht fast drei Stunden brauchten, sollte dann nicht gering sein; da wir aber im Geklüft einem peinlichen Abenteuer enthuschen konnten, mußten wir, oben an- gekommen, noch recht froh sein, daß alles heilvoll verlaufen war.

Das ergab sich so: ich schwärmte lang mit dem Blick und Gedanken zum Sorös, und darüber hinaus,

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aufs Meer. Ein freundlicher Wind umhalste den blitz- blanken Kirchturm, die sanftgrünen Fichten, unter denen hingestreckt ich lag, und tat auch mir im Ge- sicht wohl. Mein Gefährte war früher aufgestanden, wollte sich im nächsten Haus nach Pfaden erkundigen, da der Erkältete alle Landkarten mitgenommen hatte. Nicht lang darauf rief er mich, wie verabredet, falls er Auskunft bekäme, daß der Weg wo anders ins Ge- birge abzweigt. Ich erblickte ihn hinter Zypressen, im Gespräch mit zwei Männern, die ihn aber, noch bevor ich hingelangte, verlassen hatten. Der junge Gefährte schien mir merklich beunruhigt: wir traten in ein Ge- hoft, in dem nur russische Auswandrer wohnten. Bloß ein Muschik war anwesend, erzählte aber, wohl ein Dutzend Russen hätten sich da niedergelassen; augen- blicklich arbeiteten alle andern auf den Bergen, wo sie, im Auftrag der griechischen Regierung, Vermessungen vornehmen. Der Gefährte aber gestand nun, die zwei Manner, die ich noch von fern sah, hätten ihn erschreckt, sie kamen ihm verdachtig vor. Auch sie gingen nach Dionysö, berichtete er weiter, hätten Eile vorgeschützt, als sie mich in leibhaftiger Gestalt ankommen sahen: wir könnten ihnen im Wald, auf für uns unangenehme Art, in die Arme laufen. Kurz, eine Räubergeschichte! Der Russe kannte keinen, wußte aber, es seien Flücht- linge aus Smyrna. Solche Leute sind oft ganz arm, keinswegs harmlos. Waffen hatten wir nicht, konnten unsre knotigen Stöcke, gegebenenfalls zu besonders ge-

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eignetem Zweck, genügen? Der Gefahrte war ratlos, Nun, außer unsern Reisepässen und dem nackten Le- ben, hatte keiner etwas zu verteidigen: wir wagten den Aufstieg.

Zuerst blieben die Unheimlichen verschwunden, ‘dann aber, in vollständiger Einsamkeit, kamen sie aus dem Tal auf uns zu. Einer trug einen Ledergürtel mit Pistole und Patronen um den Bauch geschnallt, der zweite schien noch immer unbewaffnet. Weder die Smyrnioten, noch wir grüßten: so gings ein Weilchen bergauf, die Unbekannten voraus, wir bedachtsam ein paar Schritte hinter ihnen. Plötzlich lief uns vieren ein Jüngling mit gesundheitbezeugenden W angen, im Aufzug besseren Standes, mit viel Werkzeug zu Orts- aufnahmen auf den Rücken gepackt, übern Weg. Er schien sehr beunruhigt; da er überaus eilte, sprach ich ihn, schon aus der Ferne, zuerst auf griechisch, dann auf französisch an, wohin er denn sauste? Er stammelte bloß: Russe, Russe! und davon war er. Sollten auch wir wie Wegelagerer ausgesehen haben? Wir be- schlossen eine Rast aus Vorsicht. Die beiden Klein- asiaten zogen weiter. Als wir wieder aufbrachen, kamen wir an eine Stelle, wo sich der Weg spaltete. Ich war für die unteren Fußspuren, mein Gefährte be- stand auf der emporführenden Abzweigung: sie war falsch, glücklicherweise hatten wir sie aber eingeschla- gen, da ich gefühlsmäßig diesmal nicht auf meiner vom Ortssinn eingegebenen Ansicht bestand. Bald

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merkten wir beide: kein Weg, eine alte Wasserleitung brachte uns immer beengender zwischen Lentisken, Terebinthen, Erdbeerbaumen ins wilde Dickicht. Nur hier immer dreist drauflos, und wenn die letzten Lap- pen auf dem Leib in Fransen gehn! War mein frohes Empfinden. Wir lachelten uns einmal an; das sollte, ohne daß einer es aussprechen mochte, heißen: für alle Fälle hier entkommst du! Plötzlich, wir huschten in eine Lichtung, merkte ich zuerst, etwa dreißig Meter unter uns, am richtigen Weg, die Kerle. Nun waren es sogar drei, einer mit einem Stutzen, mußte zu ihnen gestoßen sein. Wir erkannten übrigens die zwei von früher genau; nun gabs keinen Zweifel, das Dreiblatt war gut versteckt, bloß von oben sofort erspähbar: man lauerte uns auf. So leise wie möglich sprangen wir wieder ins Gebüsch; ein ziemlich heftiger Wind hatte sich, wie wir von Wrana fort waren, erhoben, knisterte stark im Gezweig, sonst wären wir wahr- scheinlich gehört worden.

Der Gefährte und ich, beide oft einander behilflich, zausten wir uns rasch durchs Gestrüpp, unentwegt der verfallnen Wasserleitung entlang, bis uns ein wirk- licher Wald endlich aufnahm. Noch nach einem hal- ben Stündchen gewahrten unsre Luchsaugen die drei Unfreundlichen, aber Geduldigen, an der gefährlichen Stelle. Sie hatten es offenbar, trotz ihrer gegenteiligen Versicherung, weniger eilig, nach Dionysö zu gelangen, als wir beide. Unser Vorsprung war nunmehr entschei-

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dend geworden, wir fühlten uns geborgen: unterPracht- platanen, an einem mit Welklaub bedeckten Weiher, schöpften wir Atem. Die Rast wurde aber trotzdem kurz bemessen; dann stiegen wir abermals durch des Pentelikons bereits abendlich etwas blaudurchschat- tete Fichtenwälder weiter aufwärts. Der Genosse, ein nach Süden geschneiter Wandervogel, fing an lustig zu singen. Er konnte es wohl tun: wir waren der Ge- fahr glücklich entklettert. Viel später als berechnet, kamen wir bei verlaßnen Marmorbrüchen, dann bei Herden ohne Hirten vorbei zu eingefallnen, längst nicht mehr bewohnten Häusern: das also sollte Dio- nysö sein. Das erste in Menschengestalt, was uns auf- fiel, waren sehr verstümmelte Bruchstücke antiker Standbilder, einige Marmorsessel aus klassischem Jahr- hundert und auch Trümmer eines Heiligtums. Hier zu Dionysö, an den höhern Hängen des Pentelikons, ereignete sich, vor furchtbar langer Zeit, eine wunder- same Geschichte: Ikaria, Geburtsort des Ikarius, Dä- dalus’ Sohn, lag etwas weiter oben, doch ziemlich nah; dort herrschte, als Dionyso gegriindet wurde, ein Berg- könig, der die Rebe aus Oinoi auf diese wohl besonnten Lehnen verpflanzen lie}. Von ihrem Saft gab er seinen Botmäßigen, bei einem Festschmaus, zu trinken; bald begannen alle Eingeladenen zu singen und zu torkeln, hatten aber doch noch die Sinne so beieinander, daß sie sich für vergiftet hielten und ihren Gebieter und Spender des ersten Weines erschlugen. Was allerdings

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eine Sinnlosigkeit war, aber die Menschen blieben eben, bis noch viel später, sehr rauh.

Von Dionyso, von wo aus der Thespiskarren nach Athen gezogen wurde, führt, schon seit manchem Jahr, eine gute Fahrstraße nach Kephissia. Wir beschritten sie, von ihrem Waldende aus, schon ein Weilchen, als uns einige Steinklopfer anredeten: vor allem be- glückwünschten sie uns zu unserm Eintreffen, ohne hindernde Belästigungen, denn die Gegend des Berges Agrieliki und Rapetosatales, versicherten sie uns, wäre, seit Eintreffen zu zahlreicher kleinasiatischer Flücht- linge, nicht mehr sehr geheuer! Das gleiche erfuhren wir, in einer noch etwas entfernteren Schenke, um die eine beliebte Sommerfrische der Athener, bestehend aus flugs gezimmerten Häusern und Hütten, anfängt, sich die Hügel hinan breitzumachen.

Den Sonnenuntergang erlebten wir, nach Stärkung mit Wein aus Dionysö, auf dem Heimweg. Wir schrit- ten nach Westen: des Parnes beschneite Kuppen glanz- ten wie Rubinglas; das Gebirge schien, ganz aus far- bigem Kristall, als bestandiges Urbild, eine Aja Sophia in riesenhafter Natur darstellen zu konnen. Fein- gemuscheltem Achat glichen, leicht noch von letzten Strahlen des Tages beschimmert, seine Abhange nach Böotien; die der Ebne von Athen, mit ihren bläulich- samtnen Gewandschleppen bis zu dem Gelande des Pen- telikons, zugeneigten, schon verfinsterten Felsen aber schimmerten wie hochgetürmte Amethystenpfeiler und

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Schwibbögen aus Topas. Goldne Wonne, daß es Abend wurde und die Sterne wieder kämen, verströmten Schluchten und Fluren vor Taogra und Theben. Schnell löschten alle diese prachtvollen Lichter aus, auch der Fichten bis zuletzt glimmende Wipfel, auf denen es vorkam, als überhuschte sie Sankt-Elmsfeuer, gilbten und glommen nun, mit jedem Augenblick, stufenweis vom Tal empor, der nahen Berge Marmorspitzen zu, ab. Bei gesterntem Dunkel erschienen wir im elektrisch erhellten Bahnhof von Kephissia. Vom Zug aus sahen wir zauberhaftes Leuchten, den Mond kündend, über das Pentelikon hervorschleiern: als wir in Athen ein- fuhren, stand bereits die Perle der Welt, groß und in vollkommner Reinheit am Himmel.

Im Phaleron, Dezember 1922

ZWEI GEDICHTE

von Giacomo Leopardi

| Das Unendliche STETS war mir teuer dieser öde Hügel Und diese Hecke, die fast aller Seiten Die letzte Ferne vor dem Blick verschließt, Doch wie ich sitz und schaue, tun im Geist Sich Räume ohne Grenzen jenseit auf Und schweigende, an die der Mensch nicht reicht,

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Und tiefste Stille, daß beinah mein Herz

Im Schrecken sich verliert. Und hör ich nun Den Wind im Laubwerk rauschen, wäg ich jenes Unendlich Schweigende und dieses Laute

In meinem Sinn; und mich gedenkt des Ewigen Und der verblichenen Zeiten und der heutigen, Die lebt und wie sie lärmt. Und so inmitten Dieses Unmeßbaren ertrinkt mein Denken,

Und Untergehn ist süß in solchem Meere.

Am Abend des Feiertages

Miro ist und klar die Nacht und ohne Wind,

Und auf den Dächern und in Gärten mitten

Ruhig schwebt der Mond, und weithin überhaucht Er jeden Berg mit Glanz. O meine Herrin,

Es schweigt nun jeder Pfad, und kaum durch Fenster Fällt hier und da noch Schein der späten Lampe. Du schläfst, und sanfter Schlummer hüllt dich ein Im ruhigen Gemach, wirst nicht gepeinigt

Von irgend Sorge, und ja nicht weißt noch ahnst, Wie tief mit Wunden du mein Herz zerrissen.

Du schläfst, doch ich an meinem Fenster grüße Ihn, diesen Himmel, der so gütig scheint,

Und die Natur, die alte, allgewaltige,

Die mich zum Leiden schuf. Dir nehme ich

Die Hoffnung, sprach sie, auch die Hoffnung, anders Soll nicht dein Auge glänzen denn von Tränen.

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Dies war ein Feiertag, und vom Vergnügen

Ruhst du nun aus, und leicht gedenkt dein Traum, Wem allen heute du gefielst, wer dir

Gefiel. Nicht ich, nicht, daß ichs je erhoffe,

Bin deinem Denken nah. Ich frage nur

Die Frist, die mir noch bleibt, mich hier zu Boden Werfend, und jammere und zittere. O des Grauens Der noch so jungen Tage! Ach, von der Straße Erklingt mir nahe des Gesellen Lied,

Der einsam, später Stunde, vom Vergnügen Zurückkehrt unter sein armselig Dach.

Und heftig zieht sich mir das Herz zusammen, Denk ich, wie alles in der Welt vergeht

Und läßt kaum eine Spur. Entwichen ist

Der Feiertag, dem Feiertage folgt

Der Werktag, und so trägt die Zeit davon,

Was je der Mensch erfährt. Denn heut, wo ist Der Schall der alten Völker, wo der Ruhm Unserer erlauchten Ahnen, und das Reich

Der großen Roma, Waffen und Getöse,

Die sie hinausschickt über Land und Meere? Ward Stille rings und Schweigen, völlig ruht

Die Welt, und nicht mehr geht davon die Rede. In meiner frühsten Zeit, wo man begierig

Den Festtag noch erwartet, war er dann Vergangen, voller Schmerzen, ohne Schlaf

Drückt ich die Kissen, und in später Nacht

Hort ich die Gassen hin ein Lied ertönen,

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Das, sich entfernend, langsam, langsam starb, Es zog wie jetzt mir schon das Herz zusammen.

Aus der von Ludwig Wolde übertragenen Leopardi- Auswahl

ARTHUR SCHOPENHAUER:

Das Leiden ist Bedingung zur Wirksamkeit des Ge- nius. Glaubt ihr, daß Shakespear und Göthe gedichtet, oder Platon philosophirt und Kant die Vernunft kriti- sirt hätte, wenn sie in der sie umgebenden wirklichen Welt Befriedigung und Genüge gefunden hätten, und ihnen wohl darin gewesen wäre und ihre Wünsche erfüllt worden?

Erst nachdem wir mit der wirklichen Welt in ge- wissem Grade entzweit und unzufrieden sind, wenden wir uns um Befriedigung an die Welt des Gedankens.

»Nur das Leiden ja hebt über Dich selbst Dich hin-

aus.«

DER WIRKLICHE WILHELM TELL

Von Hermann Bahr

Wenn wir von großen Männern und ihren Taten lesen, halten wir unwillkürlich zuweilen ein, nachsinnend, wie denn das wohl in Wirklichkeit gewesen sein mag. Beim Erzählen gehts ja nie ganz ohne Lügen ab; wer nichts hinzufügt, laßt doch immerhin etwas weg, und wenn der Erzähler noch so treu seiner Erinnerung zu

ATA

gehorchen meint, Erinnerung selber fälscht ja schon, denn sie bewahrt nicht die Begebenheit selbst, sondern nur ein Bild von ihr auf. Ein Bildnis ist aber eigentlich immer nur ein Selbstbildnis des Bildners: den lernen wir daraus kennen, sein inneres Gcsicht erblicken wir, das freilich, eben indem wir es erblicken, schon wieder unser eigenes Spiegelbild wird, weil wir ja, was wir wahr- nehmen, dadurch gleich in ein Gleichnis von uns ver- wandeln. Wenn also jetzt ein junger Freund von mir, dem schon mancher Fund in Archiven geglückt ist, aus bisher unbekannten Urkunden ermittelt haben will, welcher Menschenart der Wilhelm Tell wirklich war, und wie sich die Geschichte, die wir nur in der mythi- schen Uberlieferung kennen, wirklich zutrug, so beneide ich ihn um diese schöne Selbsttäuschung, als ob wir von Vergangenheit etwas wissen konnten,»wirklich«wissen, teile sie nicht und glaube nur darum an seinen Tell, weil er mir besser gefallt als der mythische Tell. Mir ist die Geschichte nicht eme Wissenschaft, sondern die Kunst, Nachrichten so zu ordnen, daß sie uns einen Sinn geben: unseren elgenen Sinn.

Mein junger Freund, noch gliihend von seiner Ent- deckung, will in Tell keineswegs einen schlichten Land- mann, der mit den Seinen still vor sich hin lebt, sehen, sondern den geborenen Führer, der, von alter, ange- sehener, immer schon an den Geschicken der Heimat tätig teilnehmender Familie, bald durch vaterland ischen Sinn, eine früh sich äußernde, rasch bis zur Leiden-

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schaft gesteigerte Rechtlichkeit, sein starkes Gefühl für die Vergangenheit, durch den Ehrgeiz, sich so werter Ahnen würdig zu zeigen, vor allem aber durch den W ohlklang einer durchaus rein gestimmten, den ange- borenen ungestiimen Freiheitsdrang des Älplers ins Maß angestammter Sittenzucht einordnenden Natur hervor- tritt, em richtiger Bauernprinz, den wilden Wellen- schlag des Bluts an ererbten Vatergeists starrer Mauer brechend. So gewinnt er früh das Vertrauen der Alten, aber auch der Landvogt, durchaus kein Wiiterich, sondern eben nur der Landfremde, der nun der Ver- gangenheit eine Wendung zu noch ungewohnter Zu- kunft geben soll, zieht den gesitteten, klugen, beherz- ten Jiingling gern zu sich und versucht, ihn fiir sich zu gewinnen, für sich und für die neue Gegenwart. Sie ge- fallen einander, der Jüngling lernt hier, welchen hohen Reiz ein groß geführtes Gespräch haben kann; den Seinen ist derlei noch unbekannt. Wenn Hermann der Cherusker zum Frühstück bei Varus geladen war, mag er ähnlich empfunden haben. Beide hatten aber die Kraft, daß sich ihr Herz vom Verstande nichts einreden ließ. Doch als nun der Tell eben im vertrauten Ver- kehr mit dem Vogt allmählich die Gefahr fürs Vater- land erkannte, vielleicht auch schon durch ein leises W anken im eigenen Gemüt gewarnt, da war er es, der die Gefährten auf den Rütli rief, er war es, der den Kleingläubigen, Unmutigen, Zögernden bewies, daß ihnen keine Wahl mehr blieb als zwischen ihrem

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eigenen Untergang und dem des Landvogts, er war es, der, als sie vor so verruchter Untat zurückschauderten, sich dazu selber anbot. Und so wards beschlossen, aber Späher des Landvogts erkundeten ein Gerücht davon, und der Landvogt, als ihm die Rede des Tell und der Beschluß der Versammlung gemeldet wurden, er- grimmte tief über den Verrat des Jünglings, für den er im Herzen mit der Zeit ein fast väterliches Gefühl auf- keimen gefühlt und den allmählich für die Sache der höheren Kultur zu gewinnen er sich geschmeichelt hatte. Und wie es nun Verstandesmenschen, wenn sie doch einmal einer Empfindung nachgeben und sich darin betrogen sehen, immer leicht geschieht, daß sie dann die Herrschaft über sıch verlieren und alles, was sie sonst in sich gebändigt niederhalten, jetzt auf ein- mal, als ob es sich für den erlittenen Zwang rächen wollte, sinnlos über sie hereinbricht, gab der Zorn dem Betrogenen, Verratenen bei der nächsten Begegnung den teuflischen Gedanken anden Apfelschuß ein. Tell, seiner Hand sicher, steckt keinen zweiten Pfeil zu sich. Er geht heim und läßt noch am selben Tag die Ge- nossen von neuem zur Versammlung berufen. »Ihr wißt,« sagt er ihnen, »daß ich mich neulich selber an- bot, des Landvogts Entfernung zu besorgen. Nun ist inzwischen etwas geschehen, was mir jene freiwillig übernommene Tat unmöglich macht. Der Tod des Vogts ist ein Gebot der vaterländischen Not. Es muß reinen Sinnes erfüllt werden, auch vor dem bloßen

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Verdacht persönlicher Erbitterung gesichert. Weder mir selber noch anderen irgendeiner persönlichen Ab- neigung gegen ihn verdächtig, eher von ihm begünstigt, fast ihm befreundet, konnt ich die Tat guten Gewissens auf mich nehmen, um des Vaterlands willen. Jetzt darf ich es nicht mehr. Diese Tat soll Gericht über den Vogt sein. Zum Richter ist nicht bestimmt, wer selber etwas zu Tächen hat. Trifft mein Pfeil ihn, so bin ich gerächt; es ist ein persönlicher Handel zwischen mir und ihm, und morgen kommt ein neuer Vogt und setzt das alte Unrecht fort. So will ich doch lieber, so schwer es mir ankommt, auf meine Rache verzichten, damit durch unverdächtige Tat endlich wieder Recht werden kann im Lande. Der Vogt selber hat mir einmal von einem ManninRom erzählt, voneinem gewissen Brutus, der einen schlechten Kaiser umgebracht hat, obwohl er mit ihm befreundet war, und der Vogt hat mich merkwürdig angeschaut bei meiner Antwort: Nein, weil er mit ihm befreundet war! Denn eigentlich hat nur ein Freund Recht und das volle Maß dazu. Darum hab ich mich damals selber gemeldet, jetzt aber kann ich sein Freund nicht mehr sein, so muß die Tat jetzt, damit nichts Unrichtiges in sie hineinkommt, von einem anderen übernommen werden.« So sprach der Tell, und dann sprach nur noch einer von den Ältesten, der sagte: »Das versteht sich. Wer meldet sich?« Es meldeten sich aber so viele, daß gelost werden mußte. Der aber ausgelost wurde und das Gericht über den

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Vogt vollzog, wurde bald vergessen, denn er hatte ja nur seine Pflicht getan, keines Aufhebens wert.

Mein junger Freund, der diesen Tatbestand aus einer verschollenen Chronik ermittelt haben will, setzt nun seinen Ehrgeiz darein, herauszufinden, um welche Zeit etwa der Sinn der alten Schweiz sich so verdunkelt haben mag, daß aus dem geschichtlichen Tell der my- thische Mörder GeBlers, daß ein Rechtsvollzug zum Akt der Privatrache werden konnte. Gerade diesen Übergang genau datieren zu können, scheint ihm des- halb so wichtig, weil er einen völligen Wechsel in der menschlichen Gesinnung anzeigt. Vorher wird jede Tat um ihre sittliche Berechtigung befragt, nachher wird nur noch gefragt, ob wir eine Tat persönlich be- greifen können; der alten Zeit gilt bloß, was sich vor dem Gewissen als Pflicht ausweisen kann, der neuen genügt, was sich aus den Umständen entschuldigen läßt: einst ging es um die Sicherung ewiger Werte, jetzt geht es um den Schutz der eigenen Willkür.

ZELTERS SEEFAHRT

Zelter an Goethe am 14. September 1820 Einen Traum muß ich Dir wohl erzählen: Ich saß auf einem Schiffchen und sah die große Sonne über dem Meere aufgehn. Ein Sturm entstand. »Gräßlich schlug die Flut, Doch lohnte Gott bescheidnen Glaubensmut.«

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Ich sang von Deinen Gedichten, und als ich erwachte, war ich in Swinemünde.

Das Wahre von der Sache ist 18 8 Mir ist hohe Ehre widerfahren: mit eigenen Augen habe ich einen kompletten Seesturm gesehn und bestanden. Unser fünf verabredeten eine Seefahrt von Rügen aufs Meer, wozu ein Fahrzeug gemietet werden sollte. Viere ließen absagen, und so stand die Sache. Nun ging ich zu einem Bootsmann und behandelte mir ein Boot auf zehn Meilen, von Rügen bis Swinemiinde. Sonnabends, den 2. September, früh um drei Uhr ward ich geweckt. Ein Polizeigendarm und ein Student aus Berlin, die sich zu mir gesellten, die beiden Bootsleute und ich bestiegen das Schifflein, und um fünfeinviertel Uhr ward das Ankerchen gehoben.

Wir hatten Nordostwind uns gerade entgegen, doch die Sonne zeigte sich in höchster Pracht, und der Steuermann wollte wissen, der Wind werde herum ins Land gehn. Unsre kleinen Segel pfiffen und knarr- ten, und der Kiel farzte und brummte gegen die kurzen Wellen, daß es eine Lust war. Bei dem Küstendorfe Neukamp waren wir eingestiegen und kreuzten durch den Rügenschen Bodden, um den Vilm herum, dem Hager Wiek vorbei, durch das Neue Tief über drei: Stunden, ohne recht vom Flecke zu kommen. Endlich stachen wir in See, wo wir bessere Fahrt bekamen, dochder Wind blieb, wie er war. Gegen neun Uhr ver- vielfältigten sich die Windwolken, gingen aneinander,

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um zehn Uhr war nichts mehr von der Sonne zu sehn, der Horizont und das graugrüne Meer waren Eine Masse. Die Wellen gingen höher und höher auf uns her, von beiden Seiten über Bord, und einer hatte be- ständig Wasser auszuschütten.

So kreuzten wir auf Insel Ruden (Rüden) los, dann wieder links auf die Greifswaldsche Oie, und endlich abends gegen sechs Uhr erblickten wir die Reede von Swinemünde, die an den Masten der vor Anker liegen- den Schiffe erkannt wurde; denn vor hohen Wellen, und weil’s ziemlich dunkel geworden, war der Hafen nicht zu erkennen. Als ich diese Schiffe, worunter vier Dreimaster waren, hier auf den Wellen tanzen sah, daß die Enden das Meer küßten und die Wellen an den Masten hinaufschlugen, ward mir die Gefahr meines Schiffleins deutlich, auch waren wir noch über zwei Meilen in See. Nun wurde rechts gesteuert, der Wind gewonnen, und nun hättest Du sehn sollen, wie der Wind, unsre kleinen Segel auf den Armen, uns wie durch die Luft davontrug, so daß wir in weniger als dreißig Minuten zwischen den Reede- schiffen schwammen. Alles, was darinne war, kam an Bord und schrie uns ein freudiges Hurra entgegen, das sich mit dem Heulen des Windes und Walzen der Wogen recht harmonisch machte.

Da ich seekrank zu werden fürchtete, hatte ich mir Strohsäcke ins Boot bringen lassen. Diese nun hatte mein Herr Polizeigendarm eingenommen und seinen

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ganzen Katechismus drauf gespieen. Wie dieser Herr von Hafen reden hörte, wurde er lebendig und wollte den Weg im Hafen besser wissen, als ihn uns die guten Schiffer zugerufen hatten. Es lag eine weiße und eine schwarze Tonne auf dem Hafen, zwischen welchen wir einfahren sollten; wegen Dunkelheit sahen wir die eine Tonne nicht, und so geriet das Boot zu weit links auf die sogenannte »Platte«, wo uns eine fünfzig Fuß breite Welle so empfing, daß unser Boot noch hier konnte umgeworfen werden, wenn ich mich nicht mit Gewalt über das hohe Bord gelegt und es so erhalten hätte. Wasser hatten wir im Boote und in unsern Kleidern keinen Mangel. So gelangten wir denn gesund und frohen Mutes ans Bollwerk, wo ausgestiegen wurde, und so hat Amor seinen und Deinen Freund und Priester seinem Dienste erhalten. Poseidon habe ich im Zorne gesehn; der alte Herr nahm sich recht borstig aus, doch Äolus hob unsre kleinen Segel, und das Schifflein bestieg wie ein stolzes Roß die höchsten Wellen auf und ab.

Als wir ausgestiegen waren, fanden wir den Lotsen- kommandeur, die Wachtlotsen und den Schiffahrts- direktor, die unsere Fahrt für vollkommen gewagt erklärten und unsere beiden Bootmänner naseweis nannten. Das Boot ist zwanzig Fuß acht Zoll im Kiele lang und neun Fuß breit; seine Bauart wurde von den uns umgebenden Seeleuten vollkommen genannt. Einer der Lotsen sagte: »Nu, eenmaal geit et!«

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Da ich nun meinem treuen Boote und seinen jungen verständigen Führern ihr Recht getan (der Steuer- mann, dem das Boot gehört, heißt Krüger und ist ein fünfundzwanzigjähriger, gesetzter und wohlwollender Mensch), so darf ich auch wohl von mir sagen, daß ich ad 4) keinen Augenblick seekrank gewesen und mich auf der ganzen dreizehnstündigen Fahrt wohlgemut und munter dem Anschaun der unendlichen Bewegung überlassen habe, wodurch sich das Meer von großen fließenden Wassern unterscheidet. Der Strom, der ‚Ins Meer tritt, erscheint hier wie ein Kind, das aus der Schule kommt; so verging mir alle Wichtigkeit meiner selbst, wie mein ganzes Sein nichts als Aug und Ohr war. Wenn ich nun jetzt bedenke, wie ein halbzölliges Bretichen zwischen mir und der offenbaren See die Scheidewand machte, wie ich Dich durch meinen frühern Tod und mein Haus in Trauer gesetzt hätte, so schaudre ich, ohne daß ich mich einer ähnlichen Empfindung an Ort und Stelle zu erinnern wüßte. Es fielen mir unzählige Stellen der Dichter ein, die ich re- zitierte, ohne sie gelernt zu haben, und was mich am meisten unterhielt, war, wie ich selbst in manchen meiner Kompositionen Sturm und Wetter nicht als solche, sondern als Sensationen zu verstehn gegeben habe. »Nun, ihr Musen, genug!«

Aus dem in Vorbereitung befindlichen Bändchen der Inselbücherei Zelter auf Reisene

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RAINER MARIA RILKE

ZWEIGEDICHTE (für E. S.)

Exvoto

WELCHES, unter dein Bild, heft ich der Glieder, der kranken,

Schweigende du, die ich lang, die ich langsam be-

schwor? Hang ich die Hande dir hin,die vom Herzen mir sanken, oder selber das Herz, das diese Hande verlor?

Heilest du mir meinen Fuß, der zu der armen Kapelle

schmerzhaft die Wege vollzog? Willst du mein knie-

endes Knie?

Weiß ich denn, was mir geschah? Es verschlang mich die Welle,

oder ein Feuer ging um und war größer als sie.

Oder war es der Blitz? Oder fiel ich vom Wagen? Drang ein Gift in mich ein, oder stieß mich ein Tier? Hat die Erde an mich , hab ich an die Erde geschlagen?

Nimm mich ganz an dein Bild: Vielleicht siehst du’s an mir.

Tränenkrüglein

ANDERE fassen den Wein, andere fassen die Öle

in dem gehöhlten Gewolb, das ihre Wandung um- schrieb.

Ich, als ein kleineres Maß und als schlankestes, höhle mich einem andern Bedarf, stürzenden Tränen zulieb.

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Wein wird reicher, und Öl klärt sich noch weiter im Kruge.

Was mit den Tränen geschieht? Sie machten mich schwer,

machten mich blinder und machten mich schillern am Buge,

machten mich brüchig zuletzt und machten mich leer.

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GOETHES GEDICHTE. Auswahl in zeitlicher Folge. Heraus- gegeben von Hans Gerhard Graf. 44.-15. Tausend. In Pappband M. 3.—; in Halbleder M. 5.50

GOETHES WESTOSTLICHER DIVAN. Gesamtausgabe. 44.—15. Tausend. In Leinen M. 4.—; in Leder M. 42.—

GOETHE: DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER. Mit den elf Kupfern und einer Rötelstudie von Chodowiecki. Siebente Auflage. In Pappband M. 7.—; in Halbleder M. 40.-

GOETHES BRIEFWECHSEL MIT MARIANNE VON WILLEMER. Neu herausgegeben von Max Hecker. Vierte Auf- lage. Mit 3 Bildern und einem Faksimile. In Halbleinen M. 5.—; in Halbleder M. 7.50

*GOETHES BRIEFE AN CHARLOTTE VON STEIN. Nach den Handschriften neu herausgegeben von Julius Petersen. Vier Bände. In Halbleinen M. 48.—; in Halbleder M. 26.—

DER BRIEFWECHSEL ZWISCHEN GOETHE UND ZELTER. Im Auftrage des Goethe- und Schiller-Archivs herausgegeben von Max Hecker. Vier Bände. In Leinen je M. 6.—

(Bisher erschienen Band I-III; Band IV folgt im Jahre 4924.)

*DIE BRIEFE DER FRAU RATH GOETHE. Gesammelt und her- ausgegeben von Albert Köster. Zwei Bände. Sechste Auflage. In Halbleinen M. 40.—; in Halbleder M. 45.—

*BETTINAS BRIEFWECHSEL MIT GOETHE. Auf Grund ihres handschriftlichen Nachlasses nebst zeitgenössischen Dokumenten über ihr persönliches Verhältnis zu Goethe zum ersten Male her- ausgegeben von Reinhold Steig. Mit 5 Bildern und 2 Faksimiles. In Halbleinen M. 5.—; in Halbleder M. 7.50

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GOETHES ÄUSSERE ERSCHEINUNG. Literarische und künst- lerische Dokumente seiner Zeitgenossen. Herausg. v. Emil Schaeffer.

Mit 80 Vollbildern (Goethebildnissen). In Halbleinen M. 4.—

GOETHES GESPRÄCHE MIT ECKERMANN. Vollständige Aus- gabe. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier. 20.-23. Tausend. In Leinen M. 8.-; in Leder M. 1 6.—

JAHRBUCH DER SAMMLUNG KIPPENBERG. Erster Band. Mit 6 Bildtafeln. Zweiter Band. Mit 7 Bildtafeln. Dritter Band. Mit 4 Bildtafeln. In Halbleinen je M. 4.—

KLASSIKER UND GESAMT AUSGABEN *BÜCHNER, GEORG: SÄMTLICHE WERKE UND BRIEFE.

Herausgegeben von Fritz Bergemann. Taschenausgabe auf Dünn- druckpapier. In Leinen M. 8.-; in Leder M. 46.—

DICKENS’ WERKE. Ausgewählt und eingeleitet von Stefan Zweig. Mit den Federzeichnungen der englischen Originalausgaben von Cattermole, Hablot K. Browne und anderen. Taschenausgabe in 6 Bänden auf Dünndruckpapier. In Leinen M. 45.—

Einzeln in Leinen gebunden lieferbar je M.7.50: David Copperfield Der Raritätenladen Die Pickwickier Martin Chuzzlewit Nikolaus Nickleby Oliver Twist und Weihnachtserzählungen.

DOSTOJEWSKI, F. M.: SÄMTLICHE ROMANE UND NOVEL- LEN IN 25 BANDEN. Eingeleitet von Stefan Zweig. Mit einem Porträt und dem Faksimile einer Manuskriptseite. 6.-10. Tausend. In Halbleinen M. 400.-; in Halbpergament M. 450. Einzelausgaben siehe Bibliothek der Romane, Seite 203.

*HOLDERLIN, FRIEDRICH: SÄMTLICHE WERKE. Taschen- ausgabe auf Dünndruckpapier ın einem Bande. Text der Ausgabe Franz Zinkernagels, der heutigen Schreibweise angenähert durch Friedrich Michael. In Leinen M. 40.—; in Leder M. 48.—

HYPERION ODER DER EREMIT IN GRIECHENLAND. Taschenausgabe. 4.—7. Tausend. In Pappband M. 3.-; in Leinen M. 4.50; in Leder M. 42.—

JACOBSEN, JENS PETER: SÄMTLICHE WERKE in einem Bande, auf Dünndruckpapier. Autorisierte Übertragung von Mathilde Mann, Anka Mutthiesen und Erich Mendelssohn. Mit dem von A. Helsted 1885 radierten Porträt. 22.-25. Tausend. In Leinen M. 40.—; in Leder M. 48.—

KANTS SÄMTLICHE WERKE IN SECHS BANDEN. Heraus- gegeben von Felix Groß. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier. In Leinen M. 45.—; in Leder M. 90.—

KRITIK DER REINEN VERNUNFT. Taschenausgabe auf Dünn- druckpapier. 44.15. Tausend. In Leinen M. 7.50

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KELLER, GOTTFRIED: GESAMMELTE WERKE. Eingeleitet von Ricarda Huch. 44.~44, Tausend. Vier Bände auf Dünndruck - papier. In Leinen M. 32.—; in Halbleder M. 45.—; in Leder M. 65.—

DER GRÜNE HEINRICH. Vollständige Ausg. in einem Bande auf Dünndruckpapier. 40.—15. Taus. In Leinen M.7.50; in Leder M. 46.—

DAS SINNGEDICHT. In Halbleinen M. 4.—; in Halbleder M. 6.50

SCHOPENHAUERS WERKE in fünf Bänden. Herausgegeben von Ed. Grisebach, Max Brahn und Hans Hennig. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier. In Leinen M. 36.—; in Leder M. 75.—

APHORISMEN ZUR LEBENSWEISHEIT. Taschenausgabe. 35.—39. Tausend. In Leinen M. 4.—; in Leder M. 42.—

SHAKESPEARES GESAMMELTE WERKE in Einzelausgaben. Auf

Grund der Schlegel-Tieckschen Übertragung bearbeitet und viel- fach erneuert von Hermann Conrad, Max Förster, Ludwig Fraenkel, Marie Luise Gothein, Rudolf Imelmann, Fritz Jung, Max J. Wolff. In Pappband M. 3.— (Doppelband M. 3.50); in Halbpergament M. 4.50 (Doppelband M. 3.50) Bisher erschienen: Macbeth Hamlet Othello Ein Sommer- nachtstraum König Lear Sturm Was ihr wollt Cymbelin Verlorene Liebesmüh - König Heinrich IV.(Doppelband)— Antonius und Cleopatra Komödie der Irrungen Romeo und Julia Heinrich V. - Weitere Bände werden inkurzem folgen.

STIFTER, ADALBERT: GESAMMELTE WERKE in 5 Bänden auf Dünndruckpapier. In Leinen M. 40.—; in Leder M. 80.— Als Einzelausgaben erschienen: |

STUDIEN. (Erzählungen.) Vollständige Ausgabe in zwei Bänden. 44.—47. Tausend. In Leinen M. 16.—; in Leder M. 32.—

DER NACHSOMMER. Roman. Vollständige Ausgabe in einem Bande. 6.—9. Tausend. In Leinen M. 8.—; in Leder M. 46.—

WITIKO. Roman. Vollständige Ausgabe. 5.—8. Tausend. In Leinen M. 8.—; in Leder M. 16.~

BUNTE STEINE. NACHLESE. In Leinen M. 8.—; in Leder M. 16.-

STORM, THEODOR: SÄMTLICHE WERKE. In acht Bänden.

Herausgegeben und eingeleitet von Albert Köster. 16.19. Tau- send. In Halbleinen M. 42.-; in Halbpergament M. 60.—

TOLSTOI, LEO N.: SÄMTLICHE ROMANE in acht Bänden. Über- tragen von Adolf Heß und H. Röhl. In Halbleinen M. 60.—; in Halbpergament M. 60.~ Inhalt: Anna Karenina Auferstehung Krieg und Frieden Kindheit, Knabenalter, Jünglingsjahre.

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DEUTSCHE UND AUSLÄNDISCHE DICHTUNGEN

ALS DER GROSSVATER DIE GROSSMUTTER NAHM. Ein Liederbuch für altmodische Leute. Fünfte Auflage. Auf Grund der Ausgabe von Gustav W ustmann neu herausgegeben. In Pappbd. M. 4.—; in Halbleder M. 7.—; in Safhanleder M. 26.— (mit der Hand unter Benutzung alter Vergoldstempel gebunden)

*ÄLTESTE DEUTSCHE DICHTUNGEN. Übersetzt und heraus- gegeben von Karl Wolfskehl und Friedrich von der Leyen. Dritte Auflage. (lm Druck)

ARABISCHE NÄCHTE. Nachdichtungen arabischer Lyrik von Hans Bethge. 43.-16. Tausend. In Halbleinen nach Art chinesischer Blockbücher M. 3.—; in Seide M. 7.—

*BALZAC, HONORE DE: DIE MENSCHLICHE KOMODIE. Neue Ausgabe in zehn Banden auf Diinndruckpapier. In Leinen M. 7.50; in Halbleder M. 44.—; in Leder M. 46.— Zunächst erschienen: Band I. Einleitung von Hugo von Ra Balzac, ein Essay von Wilhelm Weigand Vorrede Das Haus »Zur Ball- spielenden Katze« Die verlassene Frau Gobseck Die Frau von dreißig Jahren Der Ehevertrag Band II. Ursula Mirouet Eugenie Grandet Der Pfarrer von Tours Die alte Jungfer Frauenstudie Band III. Ein Junggesellenheim Das Antiquitäten-Kabinett Die Lilie im Tal

*_ DIE DREISSIG TOLLDREISTEN GESCHICHTEN, genannt CONTES DROLATIQUES. Übertragen von Benno Rüttenauer. In einem Bande auf Dünndruckpapier. 23.—28. Tausend. In Leinen M. 7.50; in Halbleder M. 44.—; in Leder M. 46.—

PHYSIOLOGIE DER EHE. Eklektisch-philosophische Be- trachtungen über Glück und Unglück in der Ehe. Deutsche Über- tragung von Heinrich Conrad. 44.—1%. Tausend. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier. In Leinen M. 5.—; in Leder M. 42.—-

BEDIER: DER ROMAN VON TRISTAN UND ISOLDE. Erneut von Josef Bédier. Autorisierte Übertragung von Rudolf G. Bin- ding. 95.—18. Tausend. In Pappband M. 3.50; in Leinen M. 5.—

* BOCCACCIO, GIOVANNI DI: DAS DEKAMERON. Übertragung von Albert Wesselski, unter Neugestaltung der Gedichte von Theodor Däubler. Eingeleitet von Andre Jolles. Dünndruck- ausgabe in einem Bande. (4400 Seiten.) 34.—35. Tausend. In Leinen M. 9.-; in Leder M. 17.—

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CERVANTES: NOVELLEN. Vollständige deutsche Ausgabe auf Grund älterer Übertragungen bearbeitet von Konrad Thorer. Mit einem Nachwort von Hermann Schneider. Zwei Bände in Halb- leinen M. 8.—; in Halbleder M. 48.—

DIE CHINESISCHE FLOTE. Nachdichtungen chinesischer Lyrik von Hans Bethge. 32.-36. Tausend. In Halbleinen nach Art chinesischer Blockbücher M. 3.—; in Seide M. 7.—

DEUTSCHE ERZÄHLER. Ausgewählt und eingeleitet von Hugo von Hofmannsthal. 9.—48. Tausend. Drei Bände. In Pappband M. 40.-; in Leinen M. 45.—; in Halbleder M. 22.—

GOBINEAU: DIE RENAISSANCE. Historische Szenen. Übertragen von Bernhard Jolles. Liebhaber-Ausgabe. Mit 23 Tafeln in Licht- druck. 42.-44. Tausend. In Halbleinen M. 42.-; in Halbleder M. 48.—; in Leder M. 40.—

*_ Kleine Ausgabe. Mit 20 Porträts und Szenenbildern in Auto- typie. 69.-76. Tausend. In Pappband M. 6.—; in Halbleder M. 8.50

GOGOL, N. W.: TSCHITSCHIKOWS REISEERLEBNISSE ODER DIE TOTEN SEELEN. Roman. Aus dem Russischen übertragen v. H. Röhl. In Pappbd. M. 4.50; in Halbpergament M. 6.50

HAFIS: LIEDER. Nachdichtungen von Hans Bethge. 13.46. Taus. In Halbleinen nach Art chines. Blockbücher M. 3.—; in Seide M. 7.—

HEINES BUCH DER LIEDER. Taschenausgabe. 45.-50. Tausend. In Leinen M. (.-; in Leder M. 42.—

*HOMERS ODYSSEE. Neu übertragen von Rudolf Alexander Schröder. 24.25. Tausend. In Halbleinen M. 4.

JAPANISCHER FRÜHLING. Nachdichtungen japanischer Lyrik von Hans Bethge. 24.-24. Tausend. In Halbleinen nach Art chinesischer Blockbücher M. 3.—; in Seide M. 7.—

*DES KNABEN WUNDERHORN. Ausgewählt und eingeleitet von Friedrich Ranke. 46.-20. Tausend. In Pappband M. 2.50

LAO-TSE: DIE BAHN UND DER RECHTE WEG. Der chine- sischen Urschrift ın deutscher Sprache nachgedacht von Alexander Ular. 44.—46.Taus. In Pappband M. 8.—; in Halbpergament M. 5.—

PREVOST D’EXILES, ABBE: GESCHICHTE DER MANON LESCAUT UND DES CHEVALIER DES GRIEUX. Über- tragung von Rud. G. Binding. Fünfte Auflage. In Pappbd. M. 4.—.

Illustrierte Ausgabe mit den 8 Kupfern von J. J. Coiny aus der Ausgabe von 4797. In Halbleder M.40.—; in Leder (Hand band mit reicher Vergoldung unter Benutzung alter Stempel) M. 30.—

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SACHS, HANS: AUSGEWÄHLTE WERKE. (Gedichte und Dramen.) Mit Reproduktionen von 60 Holzschnitten von Dürer, Beham u.a. nach Originaldrucken. 7.—1 0. Tausend. Zwei Bände. In Halbleinen M. 40.—; in Halbpergament M. 46.—

SHAKESPEARES SONETTE. Übertragen von Eduard Saenger. Zweite Auflage. In Halbleinen M. 8.—; in Halbpergament M. 4.50

STENDHAL, FRIEDRICH VON (HENRY BEYLE): ROT UND SCHWARZ. Roman. Übertragen von Arthur Schurig. Auf Dünn- druckpapier. 5.—9. Tausend. In Leinen M. 6.50; in Leder M. 44.~

VON DER LIEBE. Übertragen von Arthur Schurig. Auf Dünn- druckpapier. 6.—40. Tausend. In Leinen M. 6.50; in Leder M. 44.~

TSCHUANG-TSE: REDEN UND GLEICHNISSE. In deutscher Auswahl von Martin Buber. 9.—44. Tausend. In Pappband M. 3.—; in Halbpergament M. 5.—

VOLTAIRES ERZÄHLUNGEN. Übertragen von Ernst Hardt. Zweite Auflage. (Im Druck)

WILDE, OSCAR: DIE ERZÄHLUNGEN UND MÄRCHEN. Mit 40 Vollbildern sowie Initialen, Titel- und Einbandzeichnung von Heinrich V ogeler-Worpswede. 446.-122. Tausend. In Papp- band M. 8.50; in Halbyergament M. 6.50

ZOLA, EMILE: ARBEIT: Roman. In Halbleinen M. 3.— FRUCHTBARKEIT. Roman. In Halbleinen M. 3.~ WAHRHEIT. Roman. In Halbleinen M. 3.—

ZEITGENOSSISCHE DICHTER ANDERSEN-NEXÖ, MARTIN: PELLE DER EROBERER.

Roman in zwei Banden. Aus dem Danischen von Mathilde Mann. 4.—48. Tausend. In Halbleinen M. 8.—

BECHER, JOHANNES R.: GEDICHTE UM LOTTE. In Papp- band M. 4.50

GEDICHTE FÜR EIN VOLK. In Pappband M. 2.— DAS NEUE GEDICHT. In Pappband M. 2.—

UM GOTT. (Inhalt: Gedichte. Arbeiter, Bauern, Soldaten; ein Festspiel. Klänge ım Vorlaut.) In Pappband M. 3.—

BIERBAUM, OTTO JULIUS: DER NEU BESTELLTE IRR- GARTEN DER LIEBE. Verliebte, launenhafte, moralische und andere Lieder. Einbandzeichnung und Zierstiicke von Heinrich Vogeler- Worpswede. 84.—.86. Tausend. In Pappband M. 3.—

*BLUTH, KARL THEODOR: DICHTUNGEN. In Pappbd. M. 2.— BRAUN, FELIX: TANTALOS. Tragödie. In Pappband M. 2.—

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CAROSSA, HANS: EINE KINDHEIT. In Pappband M. 3.— DOKTOR BÜRGERS ENDE. Letzte Blätter eines Tagebuchs. Zweite Auflage. In Pappband M. 2.50; in Halbleder M. 4.—

*_ GEDICHTE. Dritte, veränderte Auflage. In Pappband M. 2.50

DÄUBLER, THEODOR: DAS NORDLICHT. Ein Epos in drei Teilen. Neue durchaus veränderte, Genfer Ausgabe. Zwei Bände auf Dünndruckpapier. In Leinen M. 40.—

DIE TREPPE ZUM NORDLICHT. Gedichte. In Pappbd. M. 2.—

*_ DER HEILIGE BERG ATHOS. Eine Symphonie III. In Papp- band M. 2.50

HESPERIEN. Eine Symphonie. In Pappband M. 3.— HYMNE AN ITALIEN. Dritte Auflage. In Pappband M. 3.50

LUCIDARIUM IN ARTE MUSICAE. Ein Buch über Musik. Zweite Auflage. In Pappband M. 2.50

DER NEUE STANDPUNKT. Aufsätze zur modernen Kunst. Zweite Auflage. In Pappband M. 2.50

MIT SILBERNER SICHEL. Zweite Aufl. In Pappband M. 2.50 PERLEN VON VENEDIG. Gedichte. In Pappband M. 2.—

DER STERNHELLE WEG. Gedichte. Dritte Auflage. In Pappband M. 2.50

*— SPARTA. In Pappband M. 2.50

WIR WOLLEN NICHT VERWEILEN. Autobiographische Fragmente. Zweite Auflage. In Pappband M. 3.—

*EFTIMIU, VICTOR: PROMETHEUS. Tragödie in fünf Akten. Deutsch von Felix Braun. Mit Geleitwort von Hugo von Hof- mannsthal. In Pappband M. 2.—

FRANK, LEONHARD: DIE RAUBERBANDE. Roman. 46.—20. Tausend. In Pappband M. 2.50

DIE URSACHE. Roman. 44.-20. Tausend. In Pappband M. 2.—

HARDT, ERNST: GESAMMELTE ERZÄHLUNGEN. 8.~10. Tausend. In Pappband M. 3.—

GUDRUN. Ein Trauerspiel in fünf Akten. 49.-24. Tausend. In Pappband M. 3.—

KÖNIG SALOMO. Drama. In Pappband M. 2.50 SCHIRIN UNDGERTRAUDE. Ein Scherzspiel. In Pappbd. M. 3.—

TANTRIS DER NARR. Drama in fünf Akten. 42.48. Tausend. In Pappband M. 3.—

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HOFMANNSTHAL, HUGO VON: GEDICHTE. In Pappbd. M. 3.—; 500 Exemplare wurden mit einer Titelradierung von Walter Tie- mann versehen: in Halbleder M. 6.—

DIE GEDICHTE UND KLEINEN DRAMEN. 46.-50. Tau- send. In Pappband M. 4.—; in Halbleder M. 6.50

DAS SALZBURGER GROSSE WELTTHEATER. In Papp- band M. 2.—

HUCH, RICARDA: ALTE UND NEUE GEDICHTE. Zweite Auflage. In Pappband M. 3.—

DER GROSSE KRIEG IN DEUTSCHLAND. Drei Bände. 40.—43. Tausend. (Vergriffen) Der Roman des Dreißigjährigen Krieges.

DAS LEBEN DES GRAFEN FEDERIGO CONFALONIERI. 43.—45. Tausend. In Halbleinen M. 4.50

DER LETZTE SOMMER. Eine Erzählung in Briefen. 7.9. Tau- send. In Pappband M. 2.50

ENTPERSÖNLICHUNG. 6.-10. Tausend. In Halbleinen M. 4.

VON DEN KÖNIGEN UND DER KRONE. Achte Auflage. In Pappband M. 3.50; in Leinen M, 5.—

LUTHERS GLAUBE. Briefe an einen Freund. 46.-49. Tausend. In Pappband M. 4.—

MENSCHEN UND SCHICKSALE AUS DEM RISORGI- MENTO. 6.-8. Tausend. In Pappband M. 3.—

MICHAEL UNGER. Des Romans Vita somnium breve« neunte Auflage. In Halbleinen M. 4.50

DIE VERTEIDIGUNG ROMS. Der Geschichten von Garibaldi erster Teil. 7.-9. Tausend. In Halbleinen M. 4.50

DER KAMPF UM ROM. Der Geschichten von Garibaldi zweiter Teil. 5.—7. Tausend. In Halbleinen M. 4.50

DER SINN DER HEILIGEN SCHRIFT. 44.-15. Tausend. In Halbleinen M. 4.—

WALLENSTEIN. 40.-12. Tausend. In Pappband M. 3.— *_ MICHAEL BAKUNIN UND DIE ANARCHIE. In Leinen M. 4.—

LAWRENCE, D. H.: DER REGENBOGEN. Roman. Berechtigte Übertragung aus dem Englischen von F. Franzius. In Pappbd. M. 4.—

*LERNET-HOLENIA, ALEXANDER: KANZONNAIR. In Papp- band M. 2.50

194

MOMBERT, ALFRED: AEON. Dramatische Trilogie. Zweite Auflage. I. Aeon der Weltgesuchte. II. Aeon zwischen den Frauen. III. Aeon vor Syrakus. Jeder Band in Pappband M. 2.50

DIE BLUTE DES CHAOS. Gedichtwerk. Neue Ausgabe. In Pappband M. 2.50

DER DENKER. Gedichtwerk. Neue Ausgabe. In Pappbd. M. 2.50 TAG UND NACHT. Gedichte. Zweite Aufl. In Pappbd. M. 2.50 DER GLUHENDE. Gedichtwerk. Dritte Aufl. In Pappbd. M. 2.50 DER HELD DER ERDE. Gedichtwerk. In Pappband M. 2.50

DER HIMMLISCHE ZECHER. Ausgewählte Gedichte. Neue, erweiterte Auflage. In Pappband M. 2.50

DER SONNE-GEIST. Mythos. Zweite Aufl. In Pappbd. M. 2.50 DIE SCHÖPFUNG. Gedichtwerk. Dritte Aufl. In Pappbd.M.2.50

*MUNK, GEORG: IRREGANG. Roman. 8.—40. Tausend. In Papp- band M. 4.—

*_ DIE UNECHTEN KINDER ADAMS. Ein Geschichtenkreis. Zweite Auflage. In Halbleinen M. 4.—

SANKT GERTRAUDEN MINNE. In Halbleinen M. 3.50 NADEL, ARNO: DER TON. In Leinen M. 5.—

PULVER, MAX: AUFFAHRT. In Pappband M. 2.—

IGERNES SCHULD. In Pappband M. 2.—

MERLIN. In Pappband M. 2.—

RILKE, RAINER MARIA: ERSTE GEDICHTE. 44.—16. Tausend. In Halbleinen M. 4.—; in Halbpergament M. 6.—

DIE FRÜHEN GEDICHTE. 48.-20. Tausend. In Halbleinen M. 4.—; in Halbpergament M. 6.—

DAS BUCH DER BILDER. 23.-26. Tausend. In Halbleinen M. 4.—; in Halbpergament M. 6.—

NEUE GEDICHTE. 18.—20. Tausend. In Halbleinen M. 4.—; in Halbpergament M. 6.—

DER NEUEN GEDICHTE ANDERER TEIL. 14.16. Tausend. In Halbleinen M. 4.—; in Halbpergament M. 6.—

DAS STUNDENBUCH. (Enthaltend die drei Bücher: Vom mön- chischen Leben Von der Pilgerschaft Von der Armut und vom Tode.) 40.-49. Tausend. In Halbleinen M. 3.—

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RILKE, RAINER MARIA: REQUIEM. (Für eine Freundin Für Wolf Graf von Kalckreuth.) 40.—42. Tausend. In Pappbd. M. 4.50

GESCHICHTEN VOM LIEBEN GOTT. 29.-33. Tausend. In Pappband M. 3.50; in Halbpergament M. 5.50

DIE AUFZEICHNUNGEN DES MALTE LAURIDS BRIGGE. 48.—20. Tausend. Zwei Bände. In Pappband M. 6.-; in Halbleder M. 40.—

*_ DIE SONETTE AN ORPHEUS. Geschrieben als ein Grabmal für Wera Ouckama Knoop. In Pappband M. 3.—

*— DUINESER ELEGIEN. In Pappband M. 3.—; in Halbpergament

M, 5.50

SCHAEFFER, ALBRECHT: ATTISCHE DAMMERUNG. Ge- dichte. Zweite Auflage. In Pappband M. 8.50

DER GÖTTLICHE DULDER. Dichtung. In Pappband M. 4.50; in Halbleder M. 6.50

ELLI ODER SIEBEN TREPPEN. Beschreibung eines weiblichen Lebens. 9.—42. Tausend. In Pappband M. 3.50

GUDULA ODER DIE DAUER DES LEBENS. 7.—40. Tausend. Eine Erzählung. In Pappband M. 3.50

*_ HELIANTH. Bilder aus dem Leben zweier Menschen von heute und i aus der norddeutschen Tiefebene in neun Büchern. 5.—8. Tausend. Drei Bände auf Dünndruckpapier. (Im Druck)

HEROISCHE FAHRT. Gedichte. Zweite Aufl. In Pappbd. M. 3.50 GEVATTER TOD. Märchenhaftes Epos in vierundzwanzig Mond- phasen und einer als Zugabe. In Pappband M. 3.—

*— PARZIVAL. Ein Versroman in drei Kreisen. 4.-6. Tausend. (Im Druck)

JOSEF MONTFORT. Erzählungen. 8.~44.Taus. In Pappbd. M. 4.—

*— DICHTER UND DICHTUNG. Kritische Versuche. In Halb- leinen M. 4.50; ın Halbpergament M. 7.50

*— DAS KLEINOD IM LOTOS. (Die Buddha-Legende.) Frei nach dem englischen The Light of Asia or The Great Renunciation by Edwin Arnold. In Pappband M. 3.—; in Halbleder M. 5.—

TAUBE, OTTO FREIHERR VON: DIE LÖWENPRANKES. Roman. In Halbleinen M. 4.—

DER VERBORGENE HERBST. Roman. Zweite Auflage. In Halbleinen M. 4.—

GEDICHTE UND SZENEN. In Halbleinen M. 4.50 NEUE GEDICHTE. In Halbleinen M. 4.50

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TIMMERMANS, FELIX: DAS JESUSKIND IN FLANDERN. Aus dem Flämischen übertragen von Anton Kippenberg. 9. bis 43. Tausend. In Halbleinen M. 4.—

PALLIETER. Aus dem Flämischen übertragen von Anna Faleton- Hoos. 44.—45. Tausend. In Halbleinen M. 4.—

VERHAEREN, EMILE: GEDICHTE. Ausgewählt und übertragen von Stefan Zweig. 6.—9. Tausend. In Pappband M. 3.—; in Halb- pergament M. 4.50

DREI DRAMEN. (Helenas Heimkehr Philipp II. Das Kloster.) Nachdichtung von Stefan Zweig. In Pappband M. 3.—

DIE WOGENDE SAAT. Übertragen von Paul Zech. In Papp- band M. 3.—

VOGELER-WORPSWEDE, HEINRICH: DIR. Gedichte und Zeichnungen. 7.—8. Tausend. In Halbleinen M. 5.—

ZWEIG, STEFAN: AMOK. Novellen einer Leidenschaft. 44. bis 24. Tausend. In Halbleinen M. 4.50

ERSTES ERLEBNIS. Vier Geschichten aus Kinderland. 46. bis 49. Tausend. In Halbleinen M. 4.—

DREI MEISTER (Balzac Dickens Dostojewski). 43.45. Tau- send. In Pappband M. 3.50; in Halbpergament M. 5.50

JEREMIAS. Eine dramatische Dichtung in neun Bildern. 22.—25. Tausend. In Pappband M. 3.50; in Halbpergament M. 5.50

LEGENDE EINES LEBENS. Ein Kammerspiel in drei Aufzügen. 3.—4. Tausend. In Pappband M. 2.50

TERSITES. Ein Trauerspiel in drei Aufzügen. Zweite Auflage. In Pappband M. 2.50

DER VERWANDELTE KOMÖDIANT. Ein Spiel aus dem deutschen Rokoko. Zweite Auflage. In Pappband M. 2.50

GESAMMELTE GEDICHTE. In Halbleinen M. 4.50; ın Halb- pergament M. 6.50

MÄRCHEN, SAGEN UND LEGENDEN

*ANDERSEN, HANS CHRISTIAN: MÄRCHEN. Unter Benutzung der von Andersen selbst besorgten deutschen Ausgabe übertragen von Mathilde Mann. Zeichnung der farbig gedruckten Initialen, des Titels und des Einbandes von Carl Weidemeyer- Worpswede. Zwei Bände. 44.—43. Tausend. In Leinen M. 40.-; in Halbleder M. 15.—

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DIE BLÜMLEIN DES HEILIGEN FRANZISKUS VON ASSISI. Übertragen von Rudolf G. Binding. Mit 84 Initialen von Carl Weidemeyer-Worpswede. 45.—19. Tausend. In Pappband M. 4.—

DER BORN JUDAS. Legenden, Märchen und Erzählungen. Gesam- melt von M. J. bin Gorton. Sechs Bände in Pappband je M. 4.50; in Halbpergament je M. 7.— Einzeln sind lieferbar: Erste Serie: Bd. I: »Von Liebe und Treue e, Bd. II: Vom rechten Wege, Bd. III: Maren und Lehrene. 4.—7. Tausend. Zweite Serie: Bd. IV: »Weisheit und Wahrheite, Band V: » Volkserzihlungene, Bd. VI: »Kabbalistische Geschichtene.

*GESTA ROMANORUM. Das älteste Märchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. Ausgewählt von Hermann Hesse. 8.—10. Tausend. In Pappband M. 3.50

*HAUFF, WILHELM: MÄRCHEN. Vollständige Ausgabe. Zeichnung der farbig gedruckten Initialen, des Titels und des Einbandes von Carl Weidemeyer-Worpswede. 5.—8. Tausend. In Leinen M. 5.—; in Halbleder M. 7.50

DER HEILIGEN LEBEN UND LEIDEN, das sınd die schönsten Legenden aus den deutschen Passionalen des 15. Jahrhunderts. Aus- gewählt und übertragen von Severin Rüttgers. Mit zahlreichen Holzschnitten. In Halbleinen M. 8.-; in Halbpergament M. 44.—

DIE VIER ZWEIGE DES MABINOGI. Ein keltisches Sagenbuch. Deutsch v. Martin Buber. Zweite Auflage. In Halbleinen M. 3.—

*(MELUSINE:) DAS VOLK SBUCH VON DER SCHÖNEN MELU- SINE. Mit den Holzschnitten und nach dem Text des ältesten Druckes von 4474 herausgegeben durch Severin Rüttgers. In Halbleinen M. 3.—; in Halbpergament M. 4.50

REINKE VOSS, eene ole Geschichte, nee vertellt von Christian Heinrich Kleukens. Mit zahlreichen Holzschnitten. In Halbleinen M. 2.50; in Halbpergament M. 3.50

(RUBEZAHL:) Bekannte und unbekannte Historien von dem aben- teuerlichen und weitberufenen Gespenst, dem Rübezahl, zuwege gebracht durch M. Johannes Praetorius. Mit Wiedergabe von 16 Holzschnitten der Ausgabe von 1738. In Pappband M. 4.—; in Halbleder M. 6.50

SCHWAB, GUSTAV: DIE SCHÖNSTEN SAGEN DES KLAS- SISCHEN ALTERTUMS. Vollständige Ausgabe in zwei Binden, besorgt von Ernst Beutler. Zweite Auflage. In Halbleinen M. 40.—

Illustrierte Ausgabe ın drei Bänden (mit Flaxmans Zeich- nungen), in Halbleinen M. 44.—

195

(4004 NACHT:) DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND- UNDEIN NACHTEN. Vollständige deutsche Ausgabe in sechs Bänden. Zum ersten Male nach dem arabischen Urtext der Cal- cuttaer Ausgabe vom Jahre 4839 übertragen von Enno Littmann. Erster und zweiter Band, in Leinen je M. 8.—; in Leder je M. 16.—

DIE SCHÖNSTEN GESCHICHTEN AUS TAUSEND UND EINER NACHT. Volksausgabe in einem Band. 44.—44. Tausend. In Papp- band M. 5.—; in Halbleder M. 7.50

BRIEFE UND LEBENSDOKUMENTE

BEETHOVEN, LUDWIG VAN: BERICHTE DER ZEITGENOS- SEN, BRIEFE UND PERSÖNLICHE AUFZEICHNUNGEN. Gesammelt und erläutert von Albert Leitzmann. Mit 16 Bildtafeln. Zwei Bände. In Halbleinen M. 40.—; in Halbleder M. 45.—

BRENTANO, CLEMENS: FRÜHLINGSKRANZ, aus Jugendbriefen

ihm geflochten, wie er selbst schriftlich verlangte. Eingeleitet von

Paul Ernst. 3. Auflage. In Leinen M. 4.—; in Halbpergament M. 6.50

*(DIOTIMA:) DIE BRIEFE DER DIOTIMA AN HÖLDERLIN.

Herausgegeben von Carl Viëtor. Mit der Abbildung einer Büste und dem Faksimile eines Briefes. 46.-20. Tausend. In Pappband M. 2.50: in Halbleder M. 4.—

FICHTES BRIEFE. Ausgewählt und herausgegeben von Ernst Berg- mann. In Halbleinen M. 3.50

GILDEMEISTER, OTTO: BRIEFE. Herausgegeben von Lissy Susemihl- Gildemeister. In Pappband M. 3.—

KANTS BRIEFE. Ausgewählt und herausgegeben von F. Ohmann. In Halbleinen M. 4.

NAPOLEONS BRIEFE. In Auswahl herausgegeben von Friedrich Schulze, übertragen von Hedwig Lachmann. Mit 49 zeitgenössi- schen Bildern. In Pappband M. 3.50; in Halbleder M. 6.50

NIETZSCHES BRIEFE. Ausgewählt und herausgegeben von Richard Oehler. 24. —25. Tausend. In Halbleinen M. 4.—

BRIEFE AN MUTTER UND SCHWESTER. Herausgegeben von Elisabeth Förster- Nietzsche. Zwei Bände. In Halbleinen M. 7.—

*— BRIEFWECHSEL MIT ERWIN ROHDE. Herausgegeben von

Elisabeth Förster-Nietzsche und Fritz Schöll. Dritte Auflage. In Halbleinen M. 4.— SCHILLERS GESPRÄCHE. Berichte seiner Zeitgenossen über ihn.

Herausgegeben von Julius Petersen. Mit vier Bildern in Licht- druck. In Pappband M. 4.—

196

1

SCHOPENHAUER, ARTHUR: BRIEFWECHSEL UND ANDERE DOKUMENTE SEINES LEBENS. Ausgewählt und herausgegeben von Max Brahn. In Halbleinen M. 4.—

*SCHURIG, ARTHUR: WOLFGANG AMADE MOZART. Sein Leben, seine Persönlichkeit, sein Werk. Mit 44 Bildtafeln und 3 Faksimiles. Zwei Bände. 5.-9. Tausend. In Halbleinen M. 42.~; in Halbleder M. 48.—

*SPINOZAS BRIEFWECHSEL UND ANDERE DOKUMENTE. Ausgewählt und übertragen von J. Bluwstein. 3.—5. Tausend. In Halbleinen M. 4.—

ESSAVY BUCHER

BAHR, HERMANN: ESSAYS. Zweite Auflage. In Halbleinen M. 5.— SUMMULA. Essays. In Halbleinen M. 5.— *_ SENDUNG DES KÜNSTLERS. In Halbleinen M. 5.— *BRILLAT-SAVARIN: PHYSIOLOGIE D. GESCHMA CRS. In ge- kürzter Form übertragen von Emil Ludwig. Mit den Holzschnitten

der französischen Ausgabe von 1864. Zweite Auflage. In Halb- leinen M. 4.—-; in Halbleder M. 7.—

BUBER, MARTIN: DANIEL. Gespräche von der Verwirklichung. 6. und 7. Tausend. In Pappband M. 3.—

EKSTATISCHE KONFESSIONEN. Verinderte Neuausgabe. 5. und 6. Tausend. In Pappband M. 4.—

EREIGNISSE UND BEGEGNUNGEN. Zweite Auflage. In Pappband M. 3.—

DIE REDE, DIE LEHRE UND DAS LIED. Zweite Auflage. In Pappband M. 3.—

*— ICH UND DU. (1923.) In Pappband M. 3.50 KASSNER, RUDOLF: DIE CHIMARE - DER AUSSÄTZIGE. In Pappband M. 3.— ENGLISCHE DICHTER. In Pappband M. 3.50 *— ESSAYS aus den Jahren 1900-4922. In Pappband M. 3.50

DER INDISCHE GEDANKE - VON DEN ELEMENTEN DER MENSCHLICHEN GRÖSSE. Zweite Aufl. In Pappbd. M. 3.—

DIE GRUNDLAGEN DER PHYSIOGNOMIK. In Pappbd. M. 3.—

MELANCHOLIA. Eine Trilogie des Geistes. Zweite Auflage. In Pappband M. 3.50

DIE MORAL DER MUSIK. Aus den Briefen eines Musikers. Dritte Auflage. In Pappband M. 8.—

197

KASSNER, RUDOLF: DER TOD UND DIE MASKE. Gleich- nisse. Zweite Auflage. In Pappband M. 3.—

ZAHL UND GESICHT. In Pappband M. 3.— SCHEFFLER, KARL: LEBEN, KUNST UND STAAT. Gesam- melte Essays. Zweite Auflage. In Pappband, M. 3.50 BISMARCK. Eine Studie. In Pappband M. 2.50 *TAKEUTSCHI, X: DIE WAHRHEITSSUCHER. Gespräche und

Betrachtungen eines Japaners. Eingeleitet von Wilhelm Solf. In Halbleinen M. 3.50

WALZEL, OSKAR: VOM GEISTESLEBEN ALTER UND NEUER ZEIT. Zweite Auflage. In Halbleinen M. 4.50

KUNSTBÜCHER DEUTSCHE MEISTER

Eine Monographienreihe, herausgegeben von Karl Scheffler und Curt Glaser. Jeder Band (Großoktavformat) in Halb- leinen je M. 8.—; in Halbpergament je M. 44.— LUKAS CRANACH. Von Curt Glaser. Mit 447 Abbildungen. ALBRECHT DÜRER. Von Max Friedländer. Mit 445 Abbildungen. PHILIPP OTTO RUNGE. Sein Leben und sein Werk. Von Paul Ferdinand Schmidt. Mit 80 Bildtafeln.

*ALBRECHT ALTDORFER. Von Hans Tietze. Mit 427 Abbildungen.

*DIE ANFÄNGE DER TAFELMALEREI Von Wilhelm Wor- ringer. Mit 426 Abbildungen.

*(BREMEN:) DAS ALTE BREMEN. Herausgegeben vom Focke- Museum für Bremische Altertümer. Mit 400 ganzseitigen Bild- tafeln. In Halbleinen M. 6.-; in Halbpergament M. 8.—

GLASER, CURT: DIE KUNST OSTASIENS. Der Umkreis ihres Denkens und Gestaltens. 6.-9. Tausend. Mit 36 ganzseitigen Bildtafeln. In Halbleinen M. 8.—; in Halbpergament M. 41.—

LÜTHGEN, EUGEN: BELGISCHE BAUDENKMÄLER. Mit 9 Bildtafeln. In Halbleinen M. 4.—

PFISTER, KURT: BRUEGEL. Mit 78 ganzseitigen Bildtaſeln nach Gemälden des Meisters. In Halbleinen M. 4.—

*REISINGER, ERNST: GRIECHENLAND. Schilderungen deut- scher Reisender. 44.—45. Tausend. Mit 90 Bildtafeln, davon 62 nach Aufnahmen der Preußischen Meßbildanstalt. In Halbleinen M. 6.—

198

RILKE, RAINER MARIA: AUGUSTE RODIN. Mit 96 Voll- bildern. 36.—40. Tausend. In Halbleinen M. 5.50

SCHEFFLER, KARL: DEUTSCHE MALER UND ZEICHNER IM NEUNZEHNTEN JAHRHUNDERT. Mit 78 Bildtafeln. 10.—12. Tausend. In Halbleinen M. 8.—; in Halbpergament M. 12.—

DER GEIST DER GOTIK. Mit 402 Bildtafeln. 34.35. Tau- send. In Halbleinen M. 5.50

ITALIEN. Mit 448 Bildtafeln. 40.—42. Tausend. In Halbleinen M. 9.—; in Halbpergament M. 1 3.—

UHDE-BERNAYS, HERMANN: ANSELM FEUERBACH. Mit 80 ganzseitigen Abbildungen nach Gemälden und Handzeichnungen Feuerbachs. 1.15. Tausend. In Halbleinen M. 5.—

VERHAEREN, EMILE: REMBRANDT. Übertragen von Stefan Zweig. Mit 96 ganzseitigen Abbildungen nach Gemälden, Zeich- nungen und Radierungen Rembrandts. 41.45. Tausend. In Halbleinen M. 5.—

RUBENS. Übertragen von Stefan Zweig. Mit 95 ganzseitigen Bildtafeln. 26.-30. Tausend. In Halbleinen M. 5.—

*VOLL, KARL: DIE ALTNIEDERLÄNDISCHE MALEREI VON JAN VAN EYCK BIS MEMLING. Ein entwicklungsgeschicht- licher Versuch. Mit 63 Bildtafeln. Zweite, verbesserte Auflage. In Halbleinen M. 40.—; in Halbpergament M. 14.—

WALDMANN, EMIL: ALBRECHT DURER. Mit 80 Vollbildern nach Gemälden des Meisters. 24.—24. Tausend. In Halbleinen M. 5.—

ALBRECHT DÜRERS STICHE UND HOLZSCHNITTE. Mit 80 Vollbildern. 44.—20. Tausend. In Halbleinen M. 5.—

ALBRECHT DÜRERS HANDZEICHNUNGEN. Mit 80 Voll- bildern. 44.-20. Tausend. In Halbleinen M. 5.—

ALBRECHT DÜRERS LEBEN UND KUNST. Drei Teile in einem Bande. Mit 240 Bildtafeln nach Gemälden, Stichen, Holz- schnitten und Handzeichnungen des Meisters. In Halbleder M. 20.—

WASMANN, FRIEDRICH. Ein deutsches Künstlerleben von ihm selbst geschildert. Herausgegeben von Bernt Grönvold. Mit 407 Vollbildern in Lichtdruck. In Leinen M. 8.—

ILLUSTRIERTE WERKE

ARCOS, RENE: DAS GEMEINSAME. Übertragen von Friderike Maria Zweig. Mit 27 Holzschnitten von Frans Masereel. In Pappband M. 3.—

199

*BÜRGER, GOTTFRIED AUGUST: WUNDERBARE REISEN ZU WASSER UND ZU LANDE. Feldzüge und lustige Aben- teuer des Fretherrn von Münchhausen, wie er dieselben bei der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegt. Mit den Holzschnitten von Gustav Doré. In Halbleinen M. 8.—; in Halbpergament M. 42.—

*CHODOWIECKI: VON BERLIN NACH DANZIG. Eine Künstler- fahrt im Jahre 4773. 408 Lichtdrucke nach den Originalen in der Akademie der Künste ın Berlin. Mit erläuterndem Text und einer Einführung von Wolfgang von Oettingen. In Pappband M. 8.—; in Halbleder M. 42.—; in Leder mit der Hand unter Benutzung alter Vergoldestempel gebunden M. 45.—

DEFOE: DAS LEBEN UND DIE GANZ UNGEMEINEN BE- GEBENHEITEN DES WELTBERÜHMTEN ENGELLÄN- DERS ROBINSON CRUSOE. Mit 34 Steinzeichnungen von Richard Janthur. Einmalige Auflage in 800 Exemplaren. In Halbpergament M. 40.—; in Pergament (Handband) M. 46.—

*VERHAEREN, EMILE: DER SELTSAME HANDWERKER UND ANDERE ERZÄHLUNGEN: Übertragen von Friderike Maria Zweig. Mit 26 Holzschnitten v. Frans Masereel. In Halbleinen M.4.50

FÜNF ERZÄHLUNGEN. Übertragen von Friderike Maria Zweig. Mit 28 Holzschnitten von Frans Masereel. Zweite Auf- lage. In Halbleinen M. 4.50

VERMEYLEN: DER EWIGE JUDE. Aus dem Flämischen über- tragen von Anton Kippenberg. Mit 42 Holzschnitten von Frans Masereel. In Halbleinen M. 4.50

VORZUGSDRUCKE FAKSIMILEAUSGABEN

*ANNETTE. Faksimile-Wiedergabe der 4767 von Ernst Wolfgang Behrisch geschriebenen Liedersammlung des Leipziger Studenten J. W. Goethe. In Offsetdruck hergestellt in den Werkstätten der Staatlichen Akademie zu Leipzig. Einmalige Aufl. in 300 nume- rierten Exemplaren. In Pappbd. M.44.—, in Leder (Handband) M. 3 2.—

*GRÄFLICH ERBACHSCHES SILHOUETTENBUCH. Silhouetten von Verwandten und Freunden nach dem Leben vollkommen ähnlich gezeichnet von Johann Wilhelm Wendt. Angefangen anno MDCCLXXV von Friedrich Graf zu Erbach. 67 Tafeln mit Nachwort von Karl Morneweg. Faksimile-Ausgabe in Steindruck hergestellt in 300 numerierten Exemplaren. (Im Druck)

200

BACH, JOHANN SEBASTIAN: DIE MATTHÄUSPASSION. Faksimile-Ausgabe der Handschrift in zweifarbigem Lichtdruck. Einmalige Auflage in 500 numerierten Exemplaren. In reich- vergoldetem Ganzlederhandband M. 80.-; in Halbleder M. 60.—; in Halbleinen M. 40.—

*LI-TAI-PE: GEDICHTE. Nachdichtungen von Klabund. Mit 46 Steinzeichnungen von Rudolf Großmann. Einmalige Auf- lage in 320 numerierten Exemplaren. In Halbpergament M. 22.—

*TÖPFFER, RODOLPHE: LA BIBLIOTHEQUE DE MON ONCLE. Faksimile-Ausgabe des vom Verfasser an Goethe ge- sandten Widmungsexemplares mit zahlreichen Federzeichnungen. Mit einem beigefügten Nachwort von Walther Vulpius. Einmalige Auflage von 800 Exemplaren. In Halbleder M. 10.-; in Leder (Handband mit Vergoldung unter Benutzung alter Stempel) M. 32.—

HOFMANNSTHAL, HUGO VON: DAS SALZBURGER GROSSE WELTTHEATER. Einmalige Vorzugsausgabe, gedruckt in der neu aufgefundenen Fleischmann-Antiqua von Jakob Hegner in Hellerau in 330 numerierten Exemplaren auf echtem Büttenpapier. In Halbpergament M. 48.—

*RILKE, RAINER MARIA: DIE SONETTE AN ORPHEUS. Ge- schrieben als ein Grabmal für Wera Ouckama Knoop. Vorzugs- ausgabe: 330 numerierte Exemplare auf echtem Büttenpapier, in Halbleder (Handband) M. 48.—

VERMEYLEN, AUGUST: DER EWIGE JUDE. Aus dem Flämi- schen übertragen von Anton Kippenberg. Mit 42 Holzschnitten von Frans Masereel. In Pergament M. 20.—

*MERIMEE, PROSPER: TAMANGO. Eine Erzählung, übertragen von Julius Zeitler. Mit 8 Radierungen von Karl Miersch. Dritter Druck der Staatlichen Akademie zu Leipzig. Einmalige Auflage in 200 numerierten Exemplaren. Nr. 4—75 signiert, in Halbperga- ment (Handband) M. 32.-; Nr. 76-200 in Halbpergament M. 20.—

*STAMMBUCH DES MALERS ADRIAN ZINGG. 85 Blätter. Mit einem Nachwort von Erwin Hensler. In vielfarbigem Lichtdruck hergestellt in der Staatlichen Akademie zu Leipzig in 300 numerierten Exemplaren. In Maroquin-Handband M. 440.—; in Leder M. 60.—

MEMOIREN UND CHRONIKEN S. T. AKSAKOWS FAMILIENCHRONIK. Nach Raczynskis Über-

tragung aus dem Russischen bearbeitet und erweitert von H. Röhl. In Pappband M. 4.—; in Halbleder M. 6.—

*CAROLINENS LEBEN IN IHREN BRIEFEN. Herausgegeben von Reinhard Buchwald. Eingeleitet von Ricarda Huch. 6.—10. Tau- send. Mit 46 Bildtafeln. In Halbleinen M. 5.—; in Halbleder M. 7.50

204

*CORTES, FERDINAND: DIE EROBERUNG VON MEXIKO. Mit den eigenhändigen Berichten Cortes’ an Kaiser Karl V. Mit zwei Bildnissen und einer Karte. Herausgegeben von Arthur Schurig. 6.—40. Tausend. In Halbleinen M. 5.—; in Halbleder M. 7.50

DIE BRAUTBRIEFE WILHELMS UND CAROLINENS VON HUMBOLDT. Herausgegeben von Albert Leitzmann. 6.—9. Tau- send. In Pappband M. 5.—; in Halbleder M. 7.50

*MEMOIREN DER KAISERIN KATHARINA IL VON RUSSLAND. Aus dem Französischen und Russischen übersetzt und heraus- gegeben von Erich Boehme. Mit 46 Bildnissen. 46.—19. Tausend. In Pappband M. 5.—; in Halbleder M. 7.50

*MEMOIREN DER MARKGRÄFIN WILHELMINE VON BAY- REUTH. Deutsch von Annette Kolb. Mit 40 Bildtafeln. 9. bis 13. Tausend. In Pappband M. 5.-; in Halbleder M. 7.50

DEUTSCHE VERGANGENHEIT

Nach zeitgenössischen Quellen von Johannes Bühler Jeder Band in Halbleinen M. 5.—; in Halbleder M. 7.50 KLOSTERLEBEN IM DEUTSCHEN MITTELALTER. Mit 16 Bild- tafeln. 7.44. Tausend. DIE GERMANEN IN DER VÖLKERWANDERUNG. Mit 46 Bild- tafeln und einer Karte.

*DAS FRANKENREICH. Mit 46 Bildtafeln und einer Karte.

DER DOM, BÜCHER DEUTSCHER MYSTIK

VON BAADER, FRANZ: SCHRIFTEN. Ausgewählt u. herausgegeb. von Max Pulver, In Halbleinen M. 4.50; in Halbpergament M. 6.50 BÖHME, JAKOB: AUSGEWÄHLTE SCHRIFTEN. Herausgegeben von Hans Kayser. 4.—7. Tausend. In Halbleinen M. 5.-; in Halb- pergament M. 7.50 FECHNER, GUSTAV TH.: ZEND-AVESTA. Gedanken über die Dinge des Himmels und des Jenseits vom Standpunkte der Natur- betrachtung. Frei bearbeitet und verkürzt herausgegeben von Max Fischer. 5.—7.Taus. In Halbleinen M. 5.—; in Halbpergament M. 7.50 HAMANN, J. G.: SCHRIFTEN. Ausgewählt und herausgegeben von Karl Widmaier. In Halbleinen M. 5.—; in Halbpergament M. 7.50 *HILDEGARD VON BINGEN: SCHRIFTEN. Ausgewählt und her- ausgegeben von Johannes Bühler. In Halbleinen M. 5.—; in Halb- pergament M. 6.50

202

*SEUSE, HEINRICH: DEUTSCHE SCHRIFTEN. Ausgewählt und übertragen von Anton Gabele. In Halbleinen M. 5.~; in Halb- pergament M. 7.50

TAULER, JOHANN: PREDIGTEN. In Auswahl übertragen und eingeleitet von Leopold Naumann. In Halbleinen M. 4.50; in Halbpergament M. 6.50

THEOLOGIA DEUTSCH. Herausgegeb. und mit einer ausführlichen Einleitung über das Wesen der Mystik versehen v. Josef Bernhart. 4.—6. Tausend. In Halbleinen M. 4.50; in Halbpergament M. 6.50

DIE BIBLIOTHEK DER ROMANE Jeder Band in Halbleinen M. 4.-; Doppelbände M. 5.—

ALEXIS, WILLIBALD: DIE HOSEN DES HERRN VON BRE- DOW. Vaterländischer Roman. 46.—20. Tausend.

BUYSSE, CYRIEL: ROSE VAN DALEN. Aus dem Flämischen über-

tragen von Georg Gärtner.

CERVANTES: Novellen. Vollständige deutsche Ausgabe auf Grund älterer Übertragungen bearbeitet von Konrad Ihorer. Mit einem Nachwort von Hermann Schneider. Zwei Bände.

DE COSTER: FLÄMISCHE MÄREN. Übertragen von Albert Wesselski. 44.—20. Tausend.

DIE HOCHZEITSREISE. Ein Buch von Krieg und Liebe. Zum ersten Male übertragen von Albert Wesselski. 34.—40. Tausend.

UILENSPLEGEL UND LAMME GOEDZ AK. Ein fröhliches Buch trotz Tod und Tranen. Übertragen von Albert Wesselski. 34.—40. Tausend. Doppelband.

DOSTOJEWSKI: ROMANE UND NOVELLEN. Einzelaus- gaben: Arme Leute - Der Doppelganger - Aus dem Dunkel der Großstadt - Helle Nächte - Die Wirtin und andere Novellen - Netotschka Njeswanowa und andere Erzählungen - Ein kleiner Held - Onkelchens ‘Traum - Das Gut Stepantschikowo - Ernie- drigte und Beleidigte. Zwei Bände - Aufzeichnungen aus einem Totenhause Schuld und Sühne (Raskolnikow). Zwei Bände - Der Spieler und andere Erzählungen - Der Idiot. Drei Bände - Der lebenslängliche Ehemann - Die fremde Frau und der Mann unter dem Bett - Die Teufel. Drei Bände - Werdejahre. Zwei Bände - Die Brüder Karamasoff. Drei Doppelbände.

GEORGES EEKHOUD: DAS NEUE KARTHAGO. Roman aus dem heutigen Antwerpen. Übertragen von Zuny Kellen.

203

FLAUBERT: FRAU BOVARY. Übertragen von Arthur Schurig. 34.—35. Tausend.

SALAMBO. Ein Roman aus dem alten Karthago. Übertragen von Arthur Schurig. 26.-30. Tausend.

FRANCOIS, LOUISE VON: FRAU ERDMUTHENS ZWILLINGS- SÖHNE. Ein Roman aus der Zeit der Freiheitskriege. 46.—20. Tausend.

DIE LETZTE RECKENBURGERIN. 49.-58. Tausend

GOTTHELF, JEREMIAS : WIE ULI DER KNECHT GLÜCKLICH WIRD. 44.-45. Tausend.

*GRIMMELSHAUSEN: DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSI- MUS. Vollständige Ausgabe. 24.-25. Tausend.

HOFFMANN, E. T. A.: DER GOLDNE TOPF—KLEIN ZACHES- MEISTER MARTIN DER KÜFNER UND SEINE GESELLEN. 44.—45. Tausend.

JACOBSEN, JENS PETER: FRAU MARIE GRUBBE. Interieurs aus dem 47. Jahrh. Übertragen v. Mathilde Mann. 26.—34. Taus.

NIELS LYHNE. Übertragen v. Anka Matthiesen. 44.45. Taus.

KELLER, GOTTFRIED: DAS SINNGEDICHT

LAGERLÖF, SELMA: GÖSTA BERLING. Erzählung aus dem alten Wermland. Übertrag. v. Mathilde Mann. 35.—42.Taus. Zwei Bände.

LIE, JONAS: DIE FAMILIE AUF GILJE. Roman aus dem Leben unserer Zeit. Übertragen von Mathilde Mann.

MEINHOLD, WILHELM: MARIA SCHWEIDLER, DIE BERN- STEINHEXE. Der interessanteste aller bisher bekannten Hexen- prozesse, nach einer defekten Handschrift ihres Vaters herausgegeben.

MÖRIKE, EDUARD: MALER NOLTEN. In ursprünglicher Gestalt. 44.15. Tausend. Doppelband.

MORITZ, KARL PHILIPP: ANTON REISER. Ein psychologischer Roman. 6.—4 0. Tausend.

MURGER, HENRI: DIE BOHEME. Szenen aus dem Pariser Künstler- leben. 24.-25. Tausend.

PHILIPPE, CHARLES-LOUIS: MARIE DONADIEU. Übertragen von Friedrich Burschell.

SCHEFFEL: EKKEHARD. Eine Geschichte aus dem 40. Jahrhundert. 36.—40. Tausend. Doppelband.

SCOTT, WALTER: DER TALISMAN. In der revidierten Über- tragung von August Schäfer. 44—15. Tausend.

204

SEALSFIELD, CHARLES (KARL POSTL): DAS KAJUTEN- BUCH. (Ein Roman aus Texas.) 44.-45. Tausend.

STREUVELS, STUN: DER FLACHSACKER. Aus dem Flämischen übertragen von Severin Rüttgers.

STRINDBERG, AUGUST: AM MEER. Übertragen von Mathilde Mann.

DIE LEUTE AUF HEMSO. Übertragen von Mathilde Mann. 44.-20. Tausend.

TILLIER, CLAUDE: MEIN ONKEL BENJAMIN. Übertragen von Rudolf G. Binding. 44.45. Tausend.

TOLSTOI: ANNA KARENINA. Übertragen von H. Röhl. 26. bis 30. Tausend. Zwei Doppelbände.

AUFERSTEHUNG. Übertragen von Adolf Heß. 25.—29. Tausend. Doppelband.

KRIEG UND FRIEDEN. Übertragen von H. Röhl. 44. bis 48. Tausend. Vier Doppelbände.

KINDHEIT,KNABENALTER,JÜNGLINGSJAHRE. Übertragen von H. Röhl.

ERZÄHLUNGEN. Zwei Doppelbände.

TURGENJEFF: VÄTER UND SÖHNE. In der vom Dichter selbst revidierten Übertragung. 22.27. Tausend.

WEIGAND, WILHELM: DIE FRANKENTHALER. 44.—45.Taus.

WILDE, OSCAR: DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY. Über- tragen v. Hedwig Lachmann u. Gustav Landauer. 46.-25. Taus.

ZOLA, EMILE: GERMINAL. Übertragen von Johannes Schlaf. Doppelband.

NANA. Übertragen von Karl Lerbs. Doppelband. DAS WERK. Ubertragen von Johannes Schlaf. Doppelband.

DER ZUSAMMENBRUCH. Übertragen von Franz Franzius. Doppelband.

BIBLIOTHECA MUNDI (In den Ursprachen)

Jeder Band in Pappband mit Pergamentverstärkung M. 3.50; in Halbleder M. 7.50

ANTHOLOGIA HEBRAICA (Hebriische Anthologie). -— ANTHO- LOGIA HELVETICA (Schweizer Anthologie) ANTHOLOGIA

205

HUNGARICA (Ungarische Anthologie) IL RINASCIMENTO Anthologia Italica BAUDELAIRE: LES FLEURS DU MAL. - BYRON: POEMS Q. HORATI FLACCI OPERA KLEIST: ERZÄHLUNGEN MUSSET: TROIS DRAMES (Andre del Sarto; Lorenzaccio ; La Coupe et les Lèvres) - NAPOLEON: DOCUMENTS. DISCOURS. LETTRES PYCCKIM ITAPHACCB (Russischer Par- naß). -— SANTA TERESA: LIBRO DE SU VIDA STENDHAL: DE L’AMOUR.

LIBRI LIBRORUM (In den Ursprachen)

Bisher 7 Bände. Jeder Band auf Dünndruckpapier gedruckt und schmiegsam in Leinen und Leder gebunden BALZAC: LES CONTES DROLATIQUES DANTE: OPERA OMNIA. Zwei Bände. AOCTOEBCKIH: ILPECTYILIEHIE A HA- KASAHIE (Dostojewski: Schuld und Sühne) - GOETHES FAUST. Gesamtausgabe - OMH POY EMH, (IAIAZ. OA YELEIA.) DER NIBELUNGE NOT. KUDRUN.

PANDORA

(In den Ursprachen) Jeder Band gebunden (nach Art der Insel-Bücherei) 60 Pfennige. Bisher erschienen 52 Bände.

DIE INSEL-BUCHEREI

Jeder Band in Pappband mit farbigem Überzugpapier 60 Pfennige. Bisher erschienen 364 Bände. Sonderverzeichnisse beider Sammlungen stehen unberechnet zur Verfügung.

DASINSELSCHIFF Eine Zeitschrift für die Freunde des Insel-Verlags Bisher erschienen vollständig Jahrgang I-IV In Pappe je M. 3.—; in Halbpergament je M. 5.— Jährlich vier Hefte, Preis des einzelnen Heftes 25 Pfennige.

206

I N H A L T

Kalendarium fur das Jahr 1924 Albrecht Schaeffer: Regula Kreuzfeind Alexander Petofi: Zwei Gedichte -

Wilhelm Worringer: Die Anfange der Tafelmalerei --

Briefe Friedrich Nietzsches an Erwin Rohde

Heinrich Seuse: Aus den deutschen Schriften -- Arthur Schopenhauer, Aphorismus

Otto Freiherr von Taube: Der Graf von Palomar --

Die Familie Mendelssohn

Aus dem ältesten Faust-Buch -- gd

Ricarda Huch: Im Herbst- D. H. Lawrence: Adolf

Alexander Lernet-Holenia: Die Wellt «+ Arabische Liebeslyrik aus Tausendundeiner Nacht -- Theodor Daubler: Marathon.» se se se «+ e+ e+ 00 oe ee

Giacomo Leopardi: Zwei Gedichte «+ ++ ++ Arthur Schopenhauer: Aphorismus

Hermann Bahr: Der wirkliche Wilhelm Tell

Zelters Seefahrt

Rainer Maria Rilke: Zwei Gedichtes. «+ «+ «+ os os oe

Bucher aus dem Insel-Verlag -- g

Inhalt oe ce 00 „„ em oe oe 8

Bilder «+ os oe 00 00 00 000 00 00 00 00 00 te 00 00 oe oe ne

207

B I L D E R

Tierkreisbilder im Kalendarium » -- -- -- -. -- es 0. 6—44 Nach Holzschnitten von Sebald Beham

*

Albrecht Altdorfer: Josua und Kaleb mit den Fruchten des Gelobten Landes (Nach einem Holzschnitt. 12 Albrecht Altdorfer: + Synagoge zu Paani (hee

einer Radierung) ++ ++ . - 182 Aus Hans Tietze, Albrecht Alidor

* Begegnung Christi mit seiner Mutter- . nach 32 Aus dem Passionale Kunigunde in Prag Conrad von Soest: Altar ın der Pfarrkirche zu Nieder- Wildungen.. wie: bie: ee hr Se, Se OS an ieh 48

Kopf des Petrus aus dem Friedberger Altar -- nach 64

Drei Bildtafeln aus Wilhelm Worringer, Die Anfänge der Tafelmalerei

* Ludwig Friedrich Karl e Graf von Erbach- Fürstenau -- -- ... ee nach 76

Auguste, Pfalzgrafin von Zweibrücken, u Prinzessin von Hessen-Darmstadt... . cenach 96

Zwei Bildtafeln aus dem Silhouettenbuch der Gräflich Erbachschen Familie

* Eine Seite aus dem Blockbuch „Der Antichrist“. . nach 113

DRUCK VON BREITKOPF &@ HARTEL IN LEIPZIG

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