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INSEL- ALMANACH AUF DAS JAHR

1928

IM INSEL-VERLAG ZU LEIPZIG

KALENDARIUM

UND BANG UND SINNLOS SIND DIE ZEITEN, WENN HINTER IHREN EITELKEITEN NICHT ETWAS WALTET WELCHES RUHT.

RAINER MARIA RILKE

Donnerstag Freitag Sonnabend

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Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend

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15 Quasimodogeniti 16 Montag

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22 Misericord. Dom. 23 Montag

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25 Mittwoch

26 Donnerstag 3 27 Freitag

28 Sonnabend

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4 Advent

Montag 1.Weihnachtsfeiert. 2.Weihnachtsf. oi Donnerstag Freitag

Sonnabend

Sonnt. n, Weihn. Silvester

DORF UND STADT VON KARL SCHEFFLER

Das Dorf, in dem Johann Schüler zur Welt kam, hat sich während seines Lebens mehr verändert als vorher in Jahrhunderten. In Johanns früher Kindheit war es noch ganz ländlich; heute ist es der Vorort einer Groß- stadt. Die Straßen und Häuser, Gärten und Plätze, die Menschen in ihren Sitten und Gewohnheiten, in ihren Erscheinungen und Überzeugungen: alles hat sich von Grund auf gewandelt. Die Veränderungen, die über das große Vaterland in den Jahrzehnten zwischen den bei- den Kriegen dahingegangen sind, spiegeln sich getreu- lich auch im Gestaltwandel des kleinen Dorfes.

Es liegt im Gebiet einer norddeutschen Stadt, die sich selbst von alters her „frei“ nennt und ein selbständiger kleiner Staat ist. Das Dorf ist eine Wegstunde fast von den alten Toren der Stadt entfernt. Ursprünglich be- stand es nur aus zwei Reihen von Häusern und Ge- höften, die unmittelbar an der Landstraße lagen. Am Ausgang jedoch gabelte sich die Straße. Links führte sie am Fluß hinauf, ins preußische Gebiet, dessen Grenze ein paar hundert Meter hinter dem Dorf durch ein Zoll- haus gesperrt war. Rechts führte eine andere Straße zur

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Kirche und weiter zur Brücke über den Fluß. Dort, wo die Gabelung war, hatte sich eine Häuserinsel und da- neben ein dreieckiger Marktplatz gebildet; und auch in der Gegend der Kirche drängten sich Häuser und Gär- ten so zusammen, daß das Dorf an dieser Stelle mehr Körper hatte.

Die am meisten in die Augen fallenden Häuser des Dor- fes waren die Bauernhöfe. Sie bildeten Gebäudegruppen und lagen stattlich und herrenmäßig da. In der Mitte, etwas zurück von der Straße, zu beiden Seiten flankiert von Wagenschuppen und Vorratshäusern, so daß ein mit Kopfsteinen holprig gepflasterter Hof entstand, lag, den Giebel der Straße zugekehrt, das Hauptgebäude. Es hatte weißgekalkte Fachwerkwände und ein hohes mit Stroh gedecktes Dach, das an der Spitze des Giebels mit zwei sich kreuzenden Hölzern in der Form der alten sächsi- schen Pferdeköpfe verziert war. In der Mitte der Gie- belwand befand sich eine große grün gestrichene Tür, die aus Ober-, Unter- und Seitenflügeln zusammenge- setzt war, die sich stückweis aufklappen ließ wie ein Flügelaltar, und durch die hochbeladene Kornwagen einfahren konnten, wenn alle Flügel geöffnet wurden. Zu beiden Seiten des Haupttores, dort wo das Strohdach so tief herabreichte, daß es mit der ausgestreckten Hand berührt werden konnte, waren kleinere Türen ange- bracht. Sie führten links zu einer langen Reihe von Kuh- ställen und rechts in die Pferdeställe. Die Mitte des Ge- bäudes nahm die große Diele ein, deren Fußboden aus Lehm gestampft war und die oben von einer Balken- decke abgeschlossen wurde. In dieser Decke war eine

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viereckige Offnung. Darunter hielten in der Erntezeit die Korn- oder Heuwagen, um entladen zu werden. Sonst lehnte eine Leiter in der Luke. Stieg man hinauf, so übersah man den Korn- und Heuspeicher, der über das ganze Gebäude wegging, und über dem das Stroh- dach schräg und steil emporstieg. In dieser Boden- und Dielenregion herrschte eine heimliche Dämmerung, wenn das Tor geschlossen war, denn das Licht fiel nur durch ein paar kleine Fenster. Freilich drang das Sonnenlicht daneben durch alle Ritzen der schweren Tür. Blendend glänzten schräge Strahlen auf, in denen sich der Staub tanzend drehte. Die Diele roch nach trockenem Heu, nach Pferdegeschirr und nach den Viehställen. Diese waren nach der Diele zu offen, so daß das Futter von dort in die Krippen getan werden konnte. Beständig war dieser Raum voller Geräusche. Man hörte das Schroten und Schnaufen der Kühe, das Kettenzerren und Stampfen der Pferde und das Gurren der Tauben, deren Schlag sich oberhalb der Ställe befand.

Hinten schlossen sich die Wohnräume unmittelbar an. Sie waren von der Diele nur getrennt durch ein gedrech- seltes Holzgitter, in dem sich eine Tür befand. Dahinter saß die Bäuerin mit ihrer Arbeit. Früher war es der Spinnrocken gewesen, jetzt war es eine Küchenbeschäf- tigung oder Näherei. Sie konnte von ihrem Platz aus das ganze Haus beaufsichtigen, konnte sehen, was die Knechte in den Ställen oder auf der Diele beim Dreschen, an der Futterkiste oder Häckselmaschine, und was die Mägde in der Küche oder auf dem Hof taten. Und sie

war auch in der Nähe der Wohnräume, in denen der

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ererbte, Jahrhunderte alte Hausrat zu finden war, Schränke und Truhen aus schwerem Holz solide gear- beitet, mit schönen blanken Messinggriffen und einge- schnitzten Jahreszahlen und Initialen, blau bemalte Ka- cheln, blankes Küchengeschirr und selbstgefertigte Ge- webe. Von hier aus, zur Seite des Langhauses, ging eine Tür in den Garten. Dort gab es lange schmale Beete, von Buchsbaum eingefaßt, mit bunten Blumen, Küchen- kräutern und Arzneipflanzen, es gab hohe alte Obst- bäume, Johannisbeer- und Stachelbeerhecken, vor den Fenstern eine Reihe regelmäßig gepflanzter, rechteckig geschorener, mit den Kronen sich berührender Linden- bäume, und Lauben aus lichtem Ulmengezweig. Jede Form, auch im Garten, war überliefert.

Die Ländereien der Bauern lagen nicht unmittelbar bei den Höfen, sondern weiter draußen. Sie bildeten auf der einen Seite ein großes Felder- und Ackergebiet, das sich bis zur preußischen Grenze erstreckte, und auf der an- dern Seite Viehweiden, die, fest mit buschbewachsenen Wallen umgrenzt, von hölzernen Toren geschlossen und durch Wege, sogenannte Twieten, getrennt waren. Diese Ländereien gehörten den wenigen Bauernfamilien, die von alters her im Dorf und auf den Höfen ansässig waren. Darum waren die Bauern die einflußreichsten Gemeindeglieder; einer von ihnen hatte stets das Amt des Vogtes inne. Solange die Dorfbewohner denken konnten, waren die Höfe im Besitz derselben Bauern- familien gewesen, es hatten sich kleine Dynastieen ge- bildet, die sich, trotz der Vertraulichkeit aller mit allen im Dorf, gesellschaftlich abschlossen. Die Bauern zählten

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ihre Ahnen, und das ganze Dorf zahlte mit. Jeder kannte ihre Eltern und Großeltern, jeder nahm teil an den Vor- _gangen auf den Höfen, jeder wußte die Beinamen, die den Bauern angehängt worden waren, wußte, welches Unrecht sie verübt hatten, wieviel Land, Vieh und Geld sie besaßen und welche Kinder miteinander verheiratet werden sollten. Die Alten im Dorf wußten in der Fa- miliengeschichte der Bauern Bescheid bis zur Franzosen- zeit und weiter zurück. Der älteste Sohn erbte den Hof. Die jüngeren Söhne erhielten so viel Geld, daß sie sich in der Nachbarschaft ankaufen konnten, und die Téch- ter verheirateten sich wieder mit Bauernsöhnen. Da- durch waren die Bauern der ganzen Gegend mitein- ander verwandt, es waren große Sippen entstanden. Die Kinder wurden zur Arbeit der Eltern erzogen. Sie be- suchten die Dorfschule, dann arbeiteten die Knaben wie Knechte auf dem väterlichen Hof, und die Mädchen sahen in ihren kurzen beiderwandenen Röcken genau so aus wie die Mägde. Alle sprachen das niederdeutsche Platt und waren einander ähnlich, weil sie dieselben Interessen, Sitten und Gewohnheiten hatten. Fremde Elemente drangen fast nie in die Familien. Wie die Ge- höfte inmitten des Dorfes scheinbar offen, in Wahrheit aber fest abgegrenzt dalagen, so schlossen sich auch ihre Bewohner wie nach einem natürlichen Gesetz von den anderen Dorfbewohnern ab. Zu den Familienfesten der Bauern kamen die Verwandten in ihren Wagen von weit her; aber man sah niemals auf diesen Festen einen Hand- werker aus dem Dorf.

Einen besonderenCharakter gaben dem Dorf dieSommer-

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wohnungen der Städter. Diese Hauser gehörten wohl- habenden Kaufherren, die in der guten Jahreszeit das Land suchten und sich doch von der Stadt nicht zu weit entfernen wollten. Das Dorf lag ihnen gerade recht. In der Stadt besaßen sie stattliche Häuser mit Gesellschafts- räumen, Kontoren und Lagern. Im Frühling gingen sie aufs Land und blieben dort bis zum Ende des Sommers.

In der Stadt waren sie vornehme und angesehene Herren. Viele trugen den Senatorentitel, einige wurden sogar Bürgermeister genannt. Die Familien gaben sich mit ` starkem Bewußtsein patrizierhaft, hielten sich ven den Bewohnern des Dorfes streng zurück, von den Bauern sowohl wie von den Handwerkern, und schlossen sich in ihren großen Gärten ganz ab. Morgens fuhr der Kaufherr in seiner Equipage zur Stadt, und nachmittags kehrte er zum Essen, das nach englischem Vorbild erst um fünf oder sechs Uhr eingenommen wurde, zurück. Was man vom Leben in diesen Häusern erfuhr, kam entweder von den Kutschern und Gärtnern, von den Dienstmädchen oder von den Handwerkern, die für die „Herrschaften“, wie man im Dorfe sagte, arbeiteten. Daß man wenig erfuhr, vermehrte nur die achtungs- volle Scheu. Die Lebensgewohnheiten dieser Vornehmen waren in jeder Weise verschieden von denen der andern Dorfbewohner. Die Kaufherren, ihre Frauen und Kin- der wurden auf der Straße mit fast untertäniger Höflich- keit gegrüßt; wenn einer von ihnen einmal in einem Handwerkerhaus vorsprach, um eine Bestellung zu machen, so wurde die Tür der besten Stube aufgetan, und es herrschte einige Aufregung. Die Dorfkinder aber

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gingen selten an den Häusern und Gärten vorbei, ohne . das Gesicht ans Gitter zu drücken und neugierig die fremde Welt zu untersuchen.

Diese Sommersitze waren nicht eben alt; keiner davon gehörte noch dem achtzehnten Jahrhundert an, und auch aus der Zeit vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts fanden sich nur wenige Gebäude. Das meiste war in den vierziger und fünfziger Jahren gebaut worden. Dennoch war in den Anlagen eine einfache, stille Vornehmheit. Die Häuser waren meistens aus Ziegelsteinen gebaut und grau mit Ölfarbe gestrichen. Das Dach war mit Schiefer gedeckt. Diese Häuser waren nie mehr als einstöckig und so angelegt, daß sie sich mit den Wohnzimmern gegen den Garten öffneten. Die Fußböden des Erdge- schosses lagen fast auf dem Niveau des Gartens, so daß man vom Gartensaal unmittelbar ins Freie gelangen konnte. An der Front befand sich eine Vorfahrt für die Wagen. Doch gab es auch Sommerhäuser, die tief in einem großen parkartigen Garten in Grün versteckt da- lagen und zu denen eine schöne Allee alter Bäume hin- führte. Im Innern herrschte dieselbe einfache Vornehm- heit wie im Äußern. Die Fußböden waren grau ge- strichen, die Türen und Fenster weiß, die Wände waren mit einfarbigen Tapeten beklebt und mit lebhaften Bor- ten eingefaßt; die mit leichten Stuckornamenten, Pal- metten und Mäandern verzierten Decken waren schlicht geweißt. An den Wänden standen schöne alte Möbel aus Mahagoniholz, schwere Sofas mit Roßhaarbezügen, Stühle mit geschweiften Lehnen, zierliche Putztische, hohe Wanduhren mit metallenen Zifferblättern, fein

profilierte Kommoden und Biicherschranke, hinter deren Glastüren grüner Stoff gespannt war. An den Wänden hingen Familienporträts und Stiche: Goethes beide Ele- onoren, eine schweizer Landschaft oder die Wiedergabe eines alten Italieners. Die Häuser hatten einen eigenen Geruch. Ein leiser Duft vom Kampfer lag in der Luft, weil die Polstermöbel im Winter mit Überzügen ver- sehen und gegen Motten gesichert wurden; aber auch nach Lavendel roch es, nach guter Seife und reiner Leinewand.

Der Garten war so groß, daß man in seiner Mitte vom Dorf kaum etwas sah. Vor dem Gartensaal gab es Tep- pichbeete mit fremdartigen Zierblumen, durch Gebiisch und Rasenflachen schlangelten sich Wege zu leichten Lauben und Gartentempeln, weiter hinten war eine An- höhe mit einer Sonnenuhr, dann kam ein Teich mit einem Schwanenhaus; und wenn man am Ende ange- kommen war, blickte man über Hecken und Gebüsch hinweg auf die Viehweiden, die Kornäcker oder auf den Fluß. Abseits lag der Küchengarten mit seinen Gemiise- beeten, Spalierfrüchten, Erdbeerrabatten, Mistbeeten und Treibhäusern, und dahinter, den Häusern des Dorfes zunächst, befand sich die Gärtnerwohnung, die Kut- scherwohnung und der Pferdestall. Das Ganze hatte einen eigenen Nimbus, nicht zuletzt, weil man nicht sah, durch welche Tätigkeit alles hervorgebracht und er- halten wurde. Kein Mann im Dorf war so gut gekleidet, wie die Besitzer dieser Landsitze und ihre Söhne es waren, und die Frauen gar waren wie aus einer andern Lebenssphäre. Man wurde mit seinen Gedanken auf die

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Stadt verwiesen, blickte in eine Welt, die anders war, deren Lebensgesetz nicht gleich sichtbar wurde und die darum eine eigene Art von Sehnsucht erweckte.

Aus der Selbstbiographie Karl Schefflers „Der junge Tobias“

DER RING UND DAS BUCH VON ROBERT BROWNING

Seht ihr den Ring? Die Arbeit stammt aus Rom, Wo Meister Castellani sie dem Vorbild

Aus Alt-Etrurien nachgeformt, das man

An einem selgen Maienmorgen fand,

Nach regentropfend warmer Nacht, im Erdreich Von wurzellockren Feigenbäumen, wie .

Sie alte Gräber rings um Chiusi schatten.

So weich, nicht wahr? doch klar und scharf geschnitten, Man meint Juwelenschliff! Fachmänner sagen,

Es gäb nur eine Art, das Gold zu formen,

Das jungfräulich eiförmig-rostbraun schwemmt Aus Minen wie der Honig aus den Waben, Damit es Hammerschlag und Zahn der Feile Ertragen kann, die es zum Reifen runden

Und fein mit Lilienrankwerk überziehn,

Eh aus dem Stoff ein Ring zum Tragen wird. Der Kunstgriff ist, daß man wie Wachs dem Honig Dem puren Golde etwas untermischt

Von Goldersatz, damit sichs kneten läßt.

Ist das getan, der Ring entstanden, wird

Die alte Ordnung wiederhergestellt.

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Mit feurig scharfen Säuren überwischt

Entflieht wie Schaum der lockere Gehilfe,

Der Goldersatz und läßt die Form zurück: Das feste Rund des Rings, sich selbst genug,

Die Lieblichkeit des Lilienschmuckes wieder Gold wie es war und ist und überdauert! Ursprüngliche Natur dazu gefügt die Kunst; Verloren kein Karat, gewonnen nur ein Ring. Und was damit gewonnen ? Ein Symbol,

Ein Bild, ein Zeichen! Zeichen für ein Ding.

Und nun zum Ding, das hier bezeichnet wird.

Seht ihr dies alte gelbe Buch? ich zupfe

An seinen pergamentnen Ecken, werfe

Es in die Luft und fang esin der Hand.

Seht, darin steckt lebendiges Geschehen,

Von menschlicher Erfahrung ausgelöst,

` Als Herzen hart gehämmert, blutgeschwellte Gehirne vor Jahrhunderten noch pochten.

Prüft selbst! Ich fand dies Buch für eine Lira (Heißt achtzig Pfennig!), als mich einst die Hand, Die ich auf meiner Schulter immer spüre,

An einem grauen zwischen Sonnentagen

Hinführte zu Florenz auf einen Platz

Voll Lärm und Buden Markt und Mittagszeit Zum Marmorpostament, auf dem Giovanni,

Der „delle Bande nere“, dräuend sitzt.

Und grade zwischen Kirche und Palast

Ricardi, wo die Medicäer lebten,

Und San Giovanni, wo sie stille ruhn

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Lag dieses Buch auf Marmorstufen, drauf

Der Medicäer Pagen trédelten,

Und ihren Kram heut andre Trédler breiten.

Da, zwischen Krimskrams und Gerümpel, Rahmen Mit arg bestoßnen goldnen Engelsköpfchen,

Und Truhen, denen einst die großen Damen Gewänder aus Brokat und Samt entnahmen, Modernsten Zeichnungen in Nackt und Akt,

Jet, Lava, Porphyr glatt und rauh, und Büsten Aus Terrakotta, meist, zum Glück, geborsten Fetzen von Teppichen aus einer Zeit,

Die sich des kräftgen Rot und Blaus nicht schämte, Gebinden braungeätzter Skizzen, jede

Zwei Kreuzer wert, mit Muscheln festgebunden, Daß sie der Wind nicht übern Platz verwehe, Lag dieses Buch und griff ich es heraus.

Fünf andre lockten mich zuerst fast mehr:

Ein Spicilegium voller Eselsohren,

Die zärtliche Kameliendame Dumas’,

Horaz für Schulgebrauch zurechtgestutzt,

Dann eines Heiligen Mirakel Tod —,

Dann anderen Sankt Soundso Mirakel Dazwischen dies! Ein Blick auf seine Rückwand Und „Händler!“ rief ich, und es wurde mein.

Hier ists! Ein unscheinbarer kleiner Quartband, Halb Manuskript, halb Druck. Geprägte Form Von Vorgängen, die Hirne blutgeschwellt,

Und Herzen hartgehämmert ausgelöst

Vor zwei Jahrhunderten! Gebt mirs zurück,

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Dem Dinge wohnt ein prickelnd Leben ein Für mein Gefühl und Aug!

An jenem Tage Beherrschte ich den Inhalt, hielt die Wahrheit, Die dieses Buch umfaßt drei Fünftel Druck, Das Supplement in guter, klarer Schrift. „Romana Homicidiorum‘“ nein, Besser auf deutsch: „Ein Mordprozeß zu Rom. „Genaue Darlegung des Strafverfahrens, „Das gegen Guido Franceschini, Edlen, „Und vier von ihm gedungne Spießgesellen „Stattfand die fünf verhört und abgeurteilt „Durch Beil und Strang, wie’s ihrem Rang entsprach, „Zum Tod befördert hier zu Rom am zwei- „Undzwanzigsten des Februar, im Jahr „Des Heiles Sechzehnhundertachtundneunzig. „Wobei auch disputieret worden, ob „Und wann die Ehemänner ihre Weiber, „Die solche Ehe brachen, töten dürfen, „Und doch gewohnter Strafe sich entziehn.“

So, wörtlich, rann das Titelblatt. Es wurde Mord oder Strafe für die andre Schuld, Für Totschlag und nichts anderes erachtet. In schwerverständlichem Latein, wo Recht Sich hören ließ, allein zur Muttersprache Rückgreifend, wo man überzeugen wollte. So sah es aus, mein altes gelbes Buch.

Nun, wie der Klumpen eh der Ring entstand Von Gold war bitt euch, bleibt mir bei dem Bild!

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So war in diesem Buch die volle Wahrheit: Tatsachen ohne Beiwerk, Dokumente,

Und nichts von Phantasie hinzugefügt.

Der Advokaten Schriften für und wider

Besagte Fünfe, Umstände zugunsten

Der beiden Seiten angeführt. Dann alles,

Wie’s Brauch, von Apostolischer Hofkammer Zu Rom herausgebracht in Schrift und Druck. Und dem Gerichtshof unterbreitet, dem

Der Gouverneur von Rom Hochwürdigst vorsaß.

Graf Guido Franceschini aus Arezzo,

Sproß eines alten, doch verarmten Hauses,

Mit Adlernase, buschgem Bart und Haar, Bleich, hager, ein robuster Fünfzigjährger, Nahm die Pompilia Comparini, jung und schön, Zur Frau in Rom, wo sie gebürtig —, lebte Unselig vier Jahr mit ihr in Arezzo,

Welch Fluch auch dem zugrunde liegen mochte. Mit vier gedungnen Spießgesellen folgte

Er ihr nach Rom, wohin sie vor acht Monden Ruhebedürftig sich geflüchtet hatte

In der Begleitung eines jungen Priesters, Auch Aretiners, edler noch geboren,

Giuseppe Caponsacchis; fand sie dort

Ruhig in einer abgelegnen Villa

Um Weihnachten nur mit den beiden: Pietro Erschlug die drei, die Alten siebenzig,

Und Violante, scheinbar ihren Eltern —,

Die junge Gattin siebzehn Jahre alt `

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Und seit zwei Wochen Mutter eines Sohnes, Erstlings und Erben jenes Grafen Guido,

Der planmäßig die Tat verübt hatte

Und dann die Flucht ergriffen. Scharf verfolgt, Schon in derselben Nacht mit den Gehilfen Gefangen und verhört, erklärte er:

Er habe seine Mannesehre so

Verteidgen müssen. Falsch sei seine Gattin,

Wie ihre Flucht in der Gemeinschaft zeige. Auch sei der Tod der falschen Eltern, die

Ihr Vorschub leisteten, durchaus verdient

Und könne weder Gott noch Menschen kränken. Der Fiskus rief: „Nicht sie und nicht die Eltern Sind falsch gewesen. Nur der Mord starrt uns Vermummt und schrecklich an. Und seiner Brust, Nicht ihrer, wie er sagt, entsprang der Wurm, Dens zu entlarven und zertreten gilt.“

Vier Wochen ging der Streit schon hin und her, Eh man beschloß, den Grafen zu verdammen. Dann wandte man sich an den guten Papst,

Den zwölften Innocenz. Der sprach sein ,,Schuldig

cc !

Laßt wieder denn dies alte Menschenweh

An euch vorüberziehn und urteilt selber

Nach Augen nicht und Sinnen! Lückenhaft

Bleibt stets ihr Zeugnis. Nimmt ein Auge wahr, Wie Herz auf Hirn und Hirn auf Hände wirkt? Begehrt denn soviel Wahrheit, als ihr tragt,

Milch für die Fleisch noch nicht Gewohnten! Lernt Aus schwankenden Gerüchten, die geleugnet

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Und dennoch flüsternd nachgesprochen werden Und schließlich unser ganzes Wissen sind. Denn sagt, was wüßten wir, wenn nicht aus Worten?

Aus dem großen Epos „Der Ring und das Buch“ übertragen von Cecile Gräfin Keyserlingk

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ZWEI BETRACHTUNGEN VON FELIX BRAUN

Die Essblume Welch ein sinnbildlicher Trost liegt darin, daß die Natur, wenn sie die Pflanzen aus unserer Umwelt zu- rückruft und ihnen gebietet, in einer Art Winterschlaf ihr Leben zu verhalten, entschädigend eine andere, merkwürdigere, vielfach südliche, gar tropische Vege- tation an unsere Fensterscheiben zeichnet! Palmen mit hohen Wedeln in dichten, tiefen Hainen, nicht unähn- lich dem Wald auf Dürers Holzschnitt der Flucht nach Ägypten; seltsame Koniferen; breite Agaven; Farne und Halme, zierliche Moose und Flechten; Blattpflanzen mit den langen, parallelen Linien der Monokotyledonen ; Schilfe, Gräser, Algen: das etwa ist die weiße Flora, die uns die Kälte vorzaubert, und wir schauen immer noch gern, wie einst als Kinder, in die wundersamen Eis- gärten. Sehen wir doch da, was unserem Norden sonst bloß in Treibhäusern oder Wintergärten sich zeigen mag, ja, wohl auch, was überhaupt nicht mehr als grüne Pflanze auf Erden lebt. Denn das meiste, was der Winter aus Wasserdunst an das Glas vortäuscht, ist

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uraltes Leben, davon bereits, wie die Tiere jener Vor- zeit, vieles vergangen oder in andere Gestalten ver- wandelt worden ist.

Aus dem Wasser sei, sagt Thales, alles Leben ent- standen, und er berührt sich hier sowohl mit der bi- blischen als auch mit der indischen Kosmogonie. Nach der heiligen Hildegard von Bingen ist das Wasser der Lebensquell, der ,,Feuerbringer jeglichen Griins“; Ja- kob Boehme erkennt es für den „Geist des siderischen Lebens“, „durch dessen Leib das Leben durchge- drungen“ ; Goethe in seinem herrlichen, nur in Schlag- worten abgefaßten Entwurf einer physischen Welt- beschreibung ergreift im Kampf des Neptunismus mit dem Plutonismus nicht ausgesprochen Partei, neigt je- doch seiner Natur gemäß eher dem ersteren zu, wie denn auch im „Faust“ Thales, dem Anaximander nachgebend, seinen lebendigeren Geist bewährt. Über- raschend auch stimmt, wenn man nicht allzu wörtlich denkt, die neueste Physik damit überein, die als Ur- element den Wasserstoff plus Elektron annimmt. Nun ist Wasser freilich nicht Wasserstoff allein, was spät erst, durch Lavoisier, bewiesen worden ist; immerhin einer seiner beiden Stoffe enthält das Principium vitae, das wer wagte es zu entscheiden? etwa gar nicht in der chemischen Substanz, sondern im Elektron zu suchen wäre. Sei dem, wie es mag: es erscheint im Dunst des Wassers, mit dem sich die Fensterscheibe be- schlägt, ein Abbild von Pflanzen und bezeugt was nun? —: daß dies Leben dem Wesen des Wassers ein- geschrieben ist, das, von strenger Kälte bedrängt, sein

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Geheimnis auf die zauberhafteste Weise dem ihm ver- wandten Glas preisgibt.

Also wäre es ausgemacht, daß die Wasser das Leben hervorgebracht haben? Wie sehr verlockte nicht das stets bewegte, selbst lebendig scheinende, wirkende, zeugende Element dazu! Wer aber wollte über das bloße Gleichnis hinaus etwas Wirkliches und Fest- stehendes aussagen? Denn nicht die Wasser haben die Welt geschaffen, sondern der Geist Gottes, der über ihnen schwebte. Die Wasser waren nur der Stoff, durch den der „Feuerblitz‘“ schlug, sie zur Geburt des Lebens zu entzünden. Welches Leben aber? fragen wir und schauen zweifelnd auf die sonderbare Eisblume, die, wie keine ihrer wirklichen Schwestern, vor unseren Augen entsteht und schwindet.

Haeckels großes Werk „Die Kunstformen in der Na- tur“ zeigt auf seiner ersten Tafel ein höchst einpräg- sames Gebild. Eine schöne Zier, eine kunstreiche Orna- mentik in zarter Blütensternart läßt an einfache Pflan- zen oder niedere Tiere denken: es sind aber, wie man erstaunt wahrnimmt, nichts weiter als nur Sprünge im Lack. Eine Schneeflocke, ungestalt im Niederschweben, kaum hat sie sich auf den Ärmel unseres Rockes ge- setzt, so ist sie ein Stern oder Kreuz, ein Silberkristall. Was bedeuten diese der Kunst unnachahmlichen, diese unendlich mannigfachen, jede ästhetische Forderung überbietenden, jede dekorative Phantasie weit hinter sich lassenden „Kunstformen“ in jedem Blatt, jedem Blütenkelch, auf jedem Käferrücken und Schmetter- lingsflügel? Sie bedeuten, was uns die bescheidene Eis-

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blume lehrt. Und was sie uns lehrt, ist vielleicht das Wichtigste, was der Mensch, dem es um eine Welt- anschauung zu tun ist, erfahren kann. Denn das be- weist sie, was wir zu glauben not haben, wofern wir halbwegs im Einklang mit der Natur und, was weit schwerer, auch mit der Gottheit leben wollen.

Sie lehrt, die kleine, zarte Pflanze, die nicht einmal selbst das Leben hat, sie lehrt uns die hohe Weisheit: daß die Ideen früher sind als alles Geschaffene. Daß die Welt ganz und nur nach Ideen geschaffen ist: was in der Natur bewiese das so klar wie die Eisblume ? Nirgends sonst als im gefrornen Dunst der Fenster er- scheint uns in der Natur ein Bild. Wie als hätte sie erst in das dem Leben entzogene Eis einen Entwurf ihrer künftigen Schöpfung flüchtig aufgezeichnet, die sie dann mit Hilfe des Lichtes und der Wärme aus dem wieder bewegten Wasser des Frühlings wirklich gestaltet hat. In der Tat, die Eisblume entwaffnet den Materialisten der Naturforschung, indem sie zeigt, wie schon im Wasserdunst vorgebildet ist, was später in lebendiger Figur erscheinen wird. Die Apriorität der Ideen, die Vorexistenz des Geistes vor dem Fleisch, die Wahrheit des Wortes, daß der Geist Gottes über den Wassern geschwebt ist, ehe denn die Welt ward: die- ses wahrlich nicht Geringe bestätigt die Eisblume an unseren Winterfenstern.

Wenn die letzte Blüte des Jahres, die Christrose, vorbei ist, bleibt als die einzige Blume die des heiligen Geistes in der Welt, die nur im Eis offenbar wird. Daß der Mensch nicht völlig den Anblick des holden, sanften

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Lebens der Pflanzen entbehre, spiegelt sich an seinen Scheiben eine Landschaft vor: seiner Urvergangen- heiten. Wie noch in Gesteinen Abdriicke alter Pflanzen sichtbar sind, so mag hier eine Erinnerung an eine eis- gewordene Vegetation sich dem Gedächtnis der Natur bewahren. Tiefer zurück jedoch mahnt uns die Eis- blume. An den Vater allen Lebens mahnt sie, dessen vielleicht erstes noch nicht gänzlich erschaffenes Ge- schöpf sie selber ist. Möchte sie uns doch ein Zeichen sein für den Glauben, auf dessen Grund wir alle uns vereinen könnten, ohne einander in der Freiheit des Meinens und Fühlens zu behindern: den Glauben an den Geist. Nicht der scharfe Geist ist es, den man mit dem lateinischen ,,Intellectus“, vielmehr der wahre, den man unter dem Wort „Spiritus“ begreift: Atem- geist, Lebensgeist, schöpferischer, heiliger Geist, der ja im Winter zu der Menschheit kam, als Mensch, aber erst nach Leiden und Auffahrt ganz ausgegossen wurde auf die Häupter seiner Bekenner.

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Gebilde in Wolken Heute, da ich, im schon hohen Gras auf dem Rücken liegend, die vielen weißen Frühlingswolken, wie sie schnell über mir hin durch den Blauhimmel flohen, be- trachtete, ist mir ich weiß, daß ich jetzt ein ver- messenes Wort sagen werde, aber ich wage es und schreibe es hin ein Geheimnis göttlichen Schaffens aufgegangen. Nicht, daß ich wüßte, wie Gott schafft,

das wäre von der Art des dreist Überheblichen, die nur

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in Lacherlichkeit umschlagen kann; aber daß ich Got- tes Schöpfertum nicht mehr mit dem des Bildhauers oder des Ackermanns in eine gleichnishafte Beziehung bringen werde, ist der Ertrag dieser Schau. Gottes Er- schaffen der unendlichen Geschöpfe wer faßte es? Eine Ahnung davon empfing ich im Anblick der Wol- ken heute.

Ich lag und sah die stattliche weiße Wolke kommen. Gegen mich zu erhob sie wie ein großer Flugvogel einen langen Hals und alsbald erkannte ich den scharf- gekrümmten Schnabel des Greifen. Aber kaum daß, ausgespannter Schwingen, der Zauberhafte über mir dahin schwebte, verwandelte sich sein Hals in den des Kamels, ich sah auch das leicht gebogene Vorhaupt mit dem gewölbten Lippenpaar, deutlich war festzustellen, wie das Tier auf seinen eingezogenen Beinen ruhte, was vorhin Flügel waren, ließ sich als der Höcker erkennen, ein Reiter saß darauf, nein, schon verging er, weißer Rauch entwehte statt seiner, und ein altertümliches Drachenschiff flog durch das Blau. Lange blieb das Schiff sichtbar, an seinem rückwärtigen Ende aber zeigte sich riesig ein Löwenkopf, ich schloß die Augen, sah wieder auf, plötzlich stand der große Löwe drohend da, allerdings einen Augenblick nur, und ein fremder alter Geist erschien, gehörnt, spitzbärtig, zerfloß, ging in den die Sonne und den Mond erschaffenden Gott- vater Michelangelos über. Dieser blieb sehr lange. Dann wurde die Wolke gestaltlos, dann ein Urwald, dann eine Reiterschlacht.

Ich weiß nicht, wie viele Bilder einander folgten, es

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war angenehm, sich von jedem neuen überraschen zu lassen, und so verging im Bienensummen und Grillen- schrillen viel milde Zeit. Auf einmal machte ich eine Entdeckung. Es schien mir nämlich, als ob ich nicht durchaus nur der Erkenner dieser Gestalten gewesen wäre, vielmehr bedünkte es mich, wie wenn ich selbst nicht ganz ohne ein weniges an Macht wäre, sie auch hervorzurufen. Zum Beispiel jetzt wollte ich eine Frau sehen, und sogleich gewahrte ich jene Wolke, die eben noch einer Berginsel geglichen, zu einer wunderbar Schlafenden gewandelt, ähnlich wie uns im Gebirge eine „schlummernde Griechin“ oder „Riesin“ gezeigt wird. Wenn sie eine Liebesgöttin ist, müssen Tauben über ihr schweben, wünschte ich, da flogen sie schon, weißschimmernd, herbei; sie möchte doch lächeln, be- gehrte ich, und das schönste, adligste Angesicht er- glänzte berückend. Sanfte, flügellose Genien erschienen auf mein Geheiß, sie zu geleiten. Was immer ich wünschte, selbst nur dachte, sogleich vollzog es sich in Gestalt. Der Stoff der Wolke gab jedem Willen, jeder Ahnung meines Geistes nach und nahm die Form an, die ihm angesonnen wurde. Dies war das Wunder- bare, das mir geschah, und weil es so geschah, weil nichts sich dem Geiste weigerte, weil jeder Gedanke, schon die Regung eines Gefühls Figur wurde, war es da ein großer Sprung, wenn ich plötzlich ver- meinte, das Geheimnis der Schöpfung selbst gestreift zu haben ?

Daß die Wolke, der Nebel, der Wasserdunst vor der Schöpfung war, sagt die Bibel. Daß sie der Urstoff der

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Welt ist, kann geglaubt werden. In diesem Urstoff bil- det der Geist Gottes nicht die Hand Gottes, das sei wohlgemerkt. Vermochte schon der Menschengeist, be- trachtend, so vieles zu Gestalt zu erbilden freilich wieder zerfließender, nicht festzuhaltender, nicht leben- empfangender Gestalt —: sollte nicht Gottes Geist bloß aus der Betrachtung des ungestalteten Weltstoffes, aus jenem Ruhen, das der Logos und das Tao meinen, Ge- stalt des Geschöpfes erschauen und es zu Leben fest- bannen können? (Der Mensch allerdings ist nicht von Gottes Geist allein erschaffen; ihn haben Gottes Hände zu Ende gebildet, und darum ist er anders als alle ande- ren Wesen auf Erden.)

Nicht durch einen Entschluß begonnen, nicht als eine Tat gegründet, haben wir die Weltschöpfung aufzu- fassen. Das wäre anthropomorph gedacht. Wenn Gottes Geist betrachtend schafft, wenn er in der Tiefe seiner ewigen Ruhe die Bilder seiner Schaffensmöglichkeiten in dem Urstoff der Welt erscheinen läßt, dann mag das Unendliche der Geschaffenheiten unserer Vernunft be- greiflicher sein. Gottes Betrachtungen sind die Ideen, nach denen Gottes Wille das Leben festhält, das sein Geist unablässig entwirft. Gottes Wille aber ist der Lebenswille der Geschöpfe. Denn was die Gottheit ein- mal mit der Möglichkeit des Seins begnadet hat, das ruht nicht, ehe es nicht ins Sein getreten ist. Darin liegt auch die Wurzel der Freiheit des Willens, die wir dem

Menschen zuzusprechen uns erkühnen.

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CHINESISCHE ANEKDOTEN

Der betrunkene Wachter

Ein rebellischer Bonze sollte von einem Grenzwächter zur Aburteilung nach der Hauptstadt gebracht werden. Unterwegs trank sich der Wächter einen gehörigen Rausch an, bis er umsank wie ein Sack Mehl. Flugs streifte der Gefangene seine Fesseln ab und schlang sie dem schnarchenden Wächter um den Leib. Hierauf nahm er sein Messer und schnitt ihm Bart und Kopfhaar ratze- kahl herunter. Dann machte er sich spornstreichs aus dem Staub. Am nächsten Tag erwachte der Wächter aus seinem Rausch. Von seinem Begleiter konnte er keine Spur entdecken, Wohl aber bemerkte er, daß er selbst am Leibe Fesseln trug und sein Kopf kahl war wie ein Kürbis. Da sprach er verwundert: „Der Bonze ist da, wo aber kann ich bloß geblieben sein?“ *

Unterm Sternbild des Ochsen

Der Kreismandarin Tschang hatte Geburtstag und emp- fing die Glückwünsche seiner versammelten Unter- beamten. Diese hatten erfahren, daß er unter dem Stern- bild der Maus geboren sei, und um ihm eine sinnige Auf- merksamkeit zu erweisen, überreichten sie ihm eine gol- dene Maus, die sie aus gemeinsamen Mitteln erstanden hatten. Hocherfreut dankte der Mandarin für das wert- volle Geschenk und setzte leutselig hinzu: „Übrigens ist in ein paar Tagen der Geburtstag meiner Frau. Sie ist unter dem Sternbild des Ochsen geboren.“ ae

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Pekinger Ohrfeigen Ein Vater ging an einem schönenMondscheinabend mit seinem Sohn spazieren. Der Sohn war einige Zeit in Peking gewesen und hatte seitdem die Angewohnheit, hei jeder Gelegenheit mit den Vorziigen der Hauptstadt zu prahlen. Unterwegs trafen sie einen Bekannten. Der sagte: „Schöner Mondschein heute abend.“ „Ach was,“ versetzte geringschätzig der Sohn, „das bißchen Mond hier. Da müssen Sie mal nach Peking kommen, da würden Sie staunen, was es dort für einen Mond- schein gibt!“ „Dummer Junge,“ fuhr der Vater är- gerlich dazwischen, „der Mond scheint überall gleich, laß uns mit deinem Peking zufrieden!“ und wütend langte er ihm eine schallende Ohrfeige. Aber der Sohn war nicht kleinzukriegen, und während ihm die Tränen über die schmerzende Backe flossen, heulte er: „Ach, Vater, du hast ja keine Ahnung, die Pekinger Ohrfeigen,

das ist erst eine Sorte!“ x

Ein tüchtiger Schneider

Ein 1 Kunde brachte seinem Schneider Stoff, der genau zu einem Anzug reichte, und wollte gleich auf die An- probe warten. Der Schneider maß und maß und konnte sich nicht zum Zuschneiden entschließen.

„Warum schneidest du nicht zu?“ fragte der Kunde. „Ja, wenn ich für dich zuschneide, langts nicht für mich, und wenn ich für mich zuschneide, langts nicht

für dich.“ *

Aus dem Chinesischen übertragen von Frang Kuhn

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Gustave Doré: Illustration zu Balzacs Tolldreisten Geschichten

DIE LEHRERIN VON SHERWOOD ANDERSON

Tief im Schnee lagen die Gassen von Winesburg. Gegen zehn Uhr morgens hatte es zu schneien begonnen, dann sprang der Wind auf und trieb den Schnee in Wolken die Main Street entlang. Die kotigen Landstraßen, die zur Stadt führten, waren schon hübsch glatt, und hier und da deckte Eis den schlammigen Schmutz. „Wird eine gute Schlittenbahn geben“, bemerkte Will Hender- son, der in Ed Griffiths Saloon am Schanktisch stand; dann verließ er den Saloon und traf draußen auf Syl- vester West, den Drogisten, der über die Straße daher- gestapft kam und mächtige Überschuhe, sogenannte „Nordpolfahrer“, an den Füßen trug. „Bei dem Schnee- wetter kommen Samstag viele Leute in die Stadt‘, sagte der Drogist. Die beiden blieben stehen und vertieften sich in eine längere Erörterung. Will Henderson, der nur einen leichten Überzieher und keine Überschuhe trug, klopfte mit den Zehen seines rechten Fußes gegen seinen linken Absatz. „Der Schnee ist gut für den Wei- zen“, ließ sich der Drogist sachkundig vernehmen.

Der junge George Willard hatte nichts zu tun und war vergnügt darüber, weil er sich an dem Tage nicht zur Arbeit aufgelegt fühlte. Das Wochenblatt war schon am Mittwoch gedruckt und zur Post geliefert worden, und am Donnerstag hatte das Schneetreiben eingesetzt. Um acht Uhr, als der Morgenzug durch war, steckte George Willard ein paar Schlittschuhe in die "Tasche und stieg hinauf zum Waterworks Pond. Aber zum

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Schlittschuhlaufen kam er nicht. Er ging am Teich vor- über und folgte am Wine Creek entlang einem Fußpfad, bis er an ein Buchenwäldchen kam. Dort schichtete er an. einem Baumstumpf einen Reisighaufen, zündete ihn an, setzte sich auf den Stumpf und dachte nach. Wenn es wieder zu schneien begann oder der Wind sich erhob, suchte er ringsum neuen Brennstoff für sein Feuer zu- sammen.

Der junge Reporter dachte an Kate Swift, die einst in der Schulzeit seine Lehrerin gewesen war. Gestern abend hatte er sie in ihrer Wohnung besucht, um sich ein Buch zu holen, das sie ihm zu lesen geben wollte; und da war er etwa eine Stunde lang mit ihr allein gewesen. Zum vierten oder fünften Male hatte sie mit großem Nach- druck auf ihn eingeredet, ohne daß er herausbekommen konnte, was sie mit diesen Reden bezweckte. Er begann zu glauben, sie möchte am Ende in ihn verliebt sein, und der Gedanke war lustvoll und beängstigend zu- gleich.

Auf sprang er von seinem Baumstumpf und begann Reisig auf das Feuer zu häufen. Er sah sich nach allen Seiten um, ob auch niemand ihn belauschen konnte, und redete laut, als stände das Mädchen vor ihm: „Sie las- sen michs ja deutlich genug merken, das wissen Sie ganz gut“, sagte er. „Ich werde schon noch herauskriegen, was mit Ihnen los ist. Warten Sie nur! Sie werden ja schen"

Er stand abermals auf und ging den Pfad entlang zur Stadt. Hinter ihm flammte das Feuer im Gehölz. Als er durch die Gassen schritt, klirrten die Schlittschuhe in

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seiner Tasche. In seinem Zimmer im New Willard House ziindete er ein Feuer im Ofen an und warf sich auf sein Bett. Wollüstige Bilder kamen ihm in den Sinn; er zog den Rolladen herab, schloß die Augen und kehrte das Gesicht zur Wand. Seine Arme umschlangen das Kopfkissen, und in seiner Phantasie wurde es ihm erst zu Kate Swift, deren Worte ein unnennbares Gefühl in ihm aufgestört hatten, und dann zu Helen White, der schlanken Tochter des Winesburger Bankiers, in die er lange Zeit ein bißchen verliebt gewesen war.

Um neun Uhr abends waren die Gassen tief verschneit, und es war bitter kalt geworden. Das Ausgehen war mit Schwierigkeiten verknüpft. Alle Läden lagen im Dunkel, alle Leute hatten sich in ihren Häusern ver- krochen. Der Abendzug von Cleveland hatte starke Ver- spätung; aber niemand kümmerte sich darum, ob er kam oder ausblieb. Um zehn Uhr lagen alle achtzehn- hundert Bürger der Stadt in ihren Betten bis auf vier.

Hop Higgins, der Nachtwächter, war wach, wenigstens einigermaßen. Er war lahm und trug einen dicken Stock, dazu in dunklen Nächten eine Laterne. Zwischen neun und zehn machte er seine Runde: Main Street auf, Main Street ab humpelte er durch die Schneehaufen und prüfte die Ladentüren. Dann begab er sich in die Gartenwege und prüfte die Hintertüren. Fand er alles in Ordnung, so stapfte er eilfertig um die Ecke zum New Willard House und klopfte an die Tür. Den Rest der Nacht ge- dachte er am Ofen zu verbringen. „Geh zu Bett, ich will den Ofen schon in Ordnung halten“, sagte er zu dem

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Jungen, der auf einer Pritsche in der Office des Gast- hofes schlief.

Hop Higgins setzte sich beim Ofen nieder und zog seine Stiefel aus. Als der Junge schlafen gegangen war, be- gann der Nachtwächter sich dem Nachdenken über seine Lebensangelegenheiten zu widmen. Er wollte im Früh- jahr sein Haus anstreichen lassen und berechnete, am Ofen hockend, die Kosten für Farbe und Arbeitslohn. Der Nachtwächter war sechzig Jahre alt und hegte den Wunsch, sich zur Ruhe zu setzen. Er hatte als Soldat den Bürgerkrieg mitgemacht und bezog eine magere Pension. Nun hoffte er eine neue Art herausgefunden zu haben, wie er das zum Leben Nötige verdienen könnte: Durch berufsmäßigen Betrieb der Frettchenzucht. Schon hatte er vier von diesen seltsamen wilden kleinen Ge- schöpfen, die von den Jägern zur Karnickeljagd benutzt werden, im Keller seines Hauses. „Ein Männchen und drei Weibchen hab ich jetzt“, sinnierte er. „Wenn ich Glück hab, sinds im Frühjahr zwölf oder fünfzehn. Nächstes Jahr ist es dann soweit, daß ich meine Frett- chen in den Sportzeitungen zum Verkauf ausbieten kann.“

Damit rückte sich der Nachtwächter bequem im Stuhl zurecht und hörte auf mit dem Denken. Er schlief nicht. Durch jahrelange Übung hatte er es dahin gebracht, daß er in den langen Nächten stundenlang in einem Zustand zwischen Schlafen und Wachen dasitzen konnte. Am Morgen fühlte er sich dann beinahe s so erfrischt, als hätte er geschlafen. |

Zählen wir den trefflich in seinem Stuhl ine Ofen

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verstauten Hop Higgins zu den Wachenden, so waren außer ihm nur noch drei Leute in Winesburg wach. George Willard saß in der Redaktion des „Eagle“, um, wie er sich einredete, am Manuskript einer Erzählung zu arbeiten; in Wahrheit aber, um den am Morgen beim Feuer begonnenen Gedankenfaden weiterzuspinnen. Im Glockenturm der Presbyterianerkirche saß der Reverend Curtis Hartman im Finstern und bereitete seinen Sinn für eine Offenbarung von Gott; und Kate Swift, die Schullehrerin, verließ ihr Haus zu einer Wanderung im Sturm.

Es war zehn Uhr durch, als Kate Swift ihren keineswegs vorbedachten Ausgang antrat; so, als hätten die auf sie gerichteten Gedanken der beiden Männer, des älteren und des jungen, sie hinausgetrieben in die winterlichen Gassen. „Tante“ Elizabeth Swift, ihre Mutter, war zur Kreisstadt gefahren, wo sie irgendwelche mit ihrem Hypothekenbesitz zusammenhangenden Geschäfte zu er- ledigen hatte, und konnte erst am nächsten Tage zurück sein. Im Wohnzimmer bei einem mächtigen Ofen von der Art, die man Dauerbrenner nennt, saß die Tochter und las in einem Buche. Plötzlich sprang sie auf, riß einen Mantel vom Kleiderständer bei der Haustür und rannte aus dem Hause.

Sie war dreißig Jahre alt, Kate Swift, und wurde in Winesburg keineswegs zu den hübschen Mädchen ge- rechnet. Ihr Gesicht hatte eine ungute Farbe und war mit Pusteln bedeckt, die auf eine schlechte Gesundheit deuteten. Aber jetzt, bei Nacht und in den winterlichen Straßen, sah sie lieblich aus. Ihr Rücken war gerade, ihre

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Schultern waren ebenmäßig geformt, und ihr Antlitz schimmerte wie das Angesicht einer kleinen Göttinnen- statue, wenn das zartgraue Licht eines Sommerabends die Gärten erfüllt.

Am Nachmittag hatte die Lehrerin die Sprechstunde Dr. Wellings besucht, um ihn wegen ihrer Gesundheit zu Rate zu ziehen. Der Doktor hatte sie ausgescholten und ihr erklärt, sie wäre in Gefahr, ihr Gehör zu ver- lieren. Es war töricht von Kate Swift gehandelt, bei sol- chem Sturm auszugehen töricht und vielleicht gefähr- lich für sie.

Aber sie dachte auf ihrem Wege durch die Gassen nicht an die Worte des Arztes und würde auch nicht um- gekehrt sein, wenn sie daran gedacht hätte. Ihr war sehr kalt; aber als sie fünf Minuten gegangen war, spürte sie die Kälte nicht mehr. Zunächst folgte sie ihrer Straße bis ans Ende, dann überquerte sie eine Heuwage, die vor einem Kornschober in die Erde hineingelassen war, und bog in die Trunion Pike ein. Durch die Trunion Pike gelangte sie an Ned Winters Scheune, wandte sich ost- wärts und kam durch eine Straße mit niedrigen Fach- werkhäusern, die über Gospel Hill in die Sucker Road führte; dann, durch die Sucker Road, ging der Weg durch ein flaches Tal an Ike Smeads Geflügelfarm vor- über zum Waterworks Pond. Als Kate Swift hier ent- lang kam, wollte die unrastige, überreizte Stimmung, durch die sie aus dem Hause getrieben war, von ihr wei- chen, aber nur für einen Augenblick; gleich darauf war sie wieder da.

Es lag etwas verletzend Scharfes, Abweisendes in Kate

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Swifts Art. Jedermann empfand das. Im Schulzimmer war sie wortkarg, kalt, streng und ihren Schülern gegen- über auf eine seltsame Art verschlossen. Zuweilen frei- lich, in seltenen Augenblicken, war es, als sei ein frem- des Wesen in ihr eingezogen, und sie war glücklich. Alle Kinder im Schulzimmer fühlten die Ausstrahlung dieser glücklichen Stimmung. Da arbeiteten sie dann eine Weile nicht; sie lehnten sich auf ihren Sitzen zurück und blick- ten auf ihre Lehrerin. Die Hände auf dem Rücken zu- sammengelegt, ging Kate Swift dann im Schulzimmer auf und ab und sprach sehr rasch. Dabei schien es nichts auszumachen, welcher Gegenstand ihr gerade in den Sinn kam. Einmal erzählte sie den Kindern von Charles Lamb und formte merkwürdig wesensvertraute kleine Geschichten aus dem Leben des toten Schriftstellers. Diese Anekdoten trug sie vor wie jemand, der mit Char- les Lamb im gleichen Hause gelebt hatte und alle Ge- heimnisse seines Privatlebens kannte. Den Kindern ver- wirrten sich dabei ein wenig die Begriffe; sie meinten, dieser Charles Lamb müsse wohl dereinst ein Bürger der Stadt Winesburg gewesen sein.

Ein andermal erzählte ihnen die Lehrerin von Benvenuto Cellini. Und die Kinder lachten. Was für einen groß- sprecherischen, prahlerischen, derben, liebenswerten Kerl machte sie da aus dem alten Künstler! Auch um ihn bil- dete sie Anekdoten. Eine davon handelte von einem deutschen Musiklehrer, der in der Stadt Mailand ein Zimmer über Cellinis Wohnung hatte; darüber gab es bei den Kindern schallendes Gelächter. Sugars McNutts, ein fetter Bengel mit roten Backen, lachte so sehr, daß

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er schwindelig wurde und von der Bank fiel. Und Kate Swift lachte mit ihm. Dann, plötzlich, wurde sie wieder kalt und streng.

In dieser Winternacht, da sie durch die einsamen, schnee- bedeckten Straßen ging, war im Leben der Lehrerin eine Krisis ausgebrochen. Keinem Menschen in Winesburg wäre eine solche Vermutung in den Sinn gekommen aber darum war es doch so: ihr Leben war sehr aben- teuerlich gewesen. Und es war noch immer abenteuer- lich. Tag für Tag, bei der Arbeit im Schulzimmer und auf dem Wege durch die Gassen, lagen in ihrer Seele Gram, Hoffnung und Begierde im Streit. Unter der Maske der Kälte verbarg sie hitzige und höchst un- gewöhnliche Erlebnisse der Seele. In den Augen der Leute war sie ein gefestigtes altes Mädchen, und weil sie eine scharfe Sprache führte und ihren eigenen Weg ging, so meinte man wohl, sie sei frei von jeder Leidenschaft, die sonst das Leben der Menschen bewegt und zerstört. In Wahrheit aber hatte sie die wildeste und leidenschaft- lichste Seele unter allen diesen Leuten; und mehr als einmal in den fünf Jahren, seit sie von ihren Reisen zurückgekehrt war, um sich in Winesburg niederzulassen und Lehrerin zu werden, war sie aus dem Hause ge- laufen und die halbe Nacht im harten Kampf mit irgend- einer aufsässigen Wallung umhergerannt. Einmal, in einer Regennacht, war sie sechs Stunden ausgeblieben, und als sie heimkam, gab es Streit mit Tante Elizabeth Swift. „Ich bin froh, daß du kein Mann bist“, sagte die Mutter scharf. „Mehr als einmal hab ich dasitzen und auf deinen Vater warten müssen und hab nicht gewußt,

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in was fiir einen Dreck er wieder mal geraten war. Ich hab mein Teil an Sorge zu schlucken bekommen. Du kannst mirs nicht übelnehmen, wenn ich keine Lust hab, seine schlechten Eigenschaften in dir wiedergegeben zu sehen.“

Kate Swifts leidenschaftliches Grübeln war George Wil- lard zugewandt. In irgendeinem Aufsatz, den er als Schuljunge geschrieben hatte, glaubte sie den Funken des Genies entdeckt zu haben, und sie wollte den Funken zur Flamme entfachen. Eines Sommertags war sie in die Redaktion des „Eagle“ gegangen und hatte den Jungen, den sie gerade unbeschäftigt fand, mit sich durch die Main Street zum „Schönen Grund“ genommen; da saßen sie dann auf einer Rasenbank und sprachen. Die Lehre- rin wollte dem Jungen die Schwierigkeiten zum Bewußt- sein bringen, die in seinem Beruf als Schriftsteller auf ihn warteten. „Du mußt das Leben kennen lernen, du mußt‘, sagte sie, und ihre Stimme bebte vor Bewegung. Sie legte ihre Hände auf Georges Willards Schultern und drehte ihn zu sich her, so daß sie ihm in die Augen blicken konnte. Ein Vorübergehender hätte meinen mö- gen, sie wolle George Willard umarmen. „Wenn du Schriftsteller werden willst, mußt du aufhören, mit Worten zu tändeln“, sagte sie eindringlich. ‚Es wäre besser für dich, du gäbest das Schreiben auf, bis du besser dafür gerüstet bist. Jetzt ist für dich die Zeit des Erlebens. Ich will dich nicht abschrecken aber ich möchte dich lehren, die ganze Bedeutung dessen zu erfassen, was du auf dich nehmen willst. Du sollst nicht ein niedriger Trédler werden, der mit Worten

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handelt. Man muß lernen, zu erfassen, was die Leute denken, nicht was sie reden; darauf kommt es an.“ An dem Abend, der dieser stürmischen Donnerstagnacht voranging, saß der Reverend Curtis Hartman im Glok- kenturm seiner Kirche und wartete auf den Augenblick, da er Kate Swifts Leib erblicken würde. Zur selben Zeit war der kleine Willard zu ihr gegangen, um sich ein Buch zu borgen. Da geschah ihm das Erlebnis, das seinen Sinn verwirrte und aufstörte. Er stand mit dem Buche unter dem Arm und wollte sich verabschieden. Und wieder sprach Kate Swift mit großem Nachdruck auf ihn ein. Die Nacht brach herein, und im Zimmer war ein trübes Licht. Als er sich zum Gehen wandte, sprach sie sanft seinen Namen und ergriff mit einer triebhaften Bewegung seine Hand. Er reifte in jenen Tagen rasch zum Manne, und der Gedanke an seine Be- stimmung als Mann, der Reiz seines dennoch ganz knabenhaften Wesens überwältigte das Herz der ein- samen Frau. Ein leidenschaftliches Verlangen erfüllte sie, ihm das Verständnis für den Sinn des Lebens zu er- schließen, ihn eine wahrhafte und rechtschaffene Deu- tung des Lebens zu lehren. Sie neigte sich ihm zu, und ihre Lippen streiften seine Wange. In diesem Augen- blick wurde er zum erstenmal gewahr, daß ihr Gesicht auf eine ungewöhnliche Art schön war. Sie waren beide verlegen, und um sich von der Verwirrung zu befreien, zwang sie sich zu einem herben und herrischen Ton. „Wozu rede ich? Es wird noch zehn Jahre dauern, bis du zu verstehen anfängst, was ich meine“, rief sie

heftig. j

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In der Sturmnacht, indessen der Reverend wartend in der Kirche saß, ging Kate Swift zur Redaktion des „Winesburg Eagle“, um abermals ein Gespräch mit George Willard zu suchen. Nach dem langen Wege durch den Schnee fühlte sie sich kalt, einsam und müde. Als sie durch die Main Street kam und den Lichtschein aus dem Druckereifenster auf den Schnee fallen sah, gab sie einem jähen Antrieb nach, öffnete die Tür und trat ein. Eine Stunde lang saß sie in der Redaktion beim Ofen und sprach vom Leben. Sie sprach mit leiden- schaftlichem Ernst. Die gleiche Wallung, die sie aus dem Hause in den Schnee hinausgetrieben hatte, trieb sie nun zum Sprechen. Sie redete unter dem Zwang einer Eingebung, wie sie es zuweilen in der Schule vor den Kindern tat. Ein übermächtiges Verlangen ergriff Besitz von ihr, diesem Jungen, der einst ihr Schüler ge- wesen war, und in dem sie die Kraft zum Erfassen und Begreifen des Daseins zu spüren meinte, die Tore des Lebens aufzustoßen. So stark war das Verlangen, daß sie es wie etwas Körperliches fühlte. Wieder legte sie die Hände auf seine Schultern und wandte ihn zu sich her. Ihre Augen glommen im ungewissen Licht. Sie stand auf und lachte, aber nicht herb wie sonst, sondern seltsam unfrei. „Ich muß gehen‘, sagte sie. „Wenn ich hier noch länger stehe, bekomme ich sonst Lust, dich zu küssen.“

Es gab ein Schweigen der Verwirrung. Kate Swift wandte sich ab und ging zur Tür. Sie war Lehrerin, ge- wif, aber sie war auch Weib. Wenn sie George Willard anblickte, ergriff das wilde Verlangen nach Mannes-

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liebe, das schon tausendmal zuvor wie ein rüttelnder Sturm ihren Leib erbeben machte, Besitz von ihr. Und in diesem matten Lampenlicht erschien ihr George Wil- lard nicht mehr wie ein Knabe; er schien ein Mann, reif, die Bestimmung des Mannes zu erfüllen.

Die Lehrerin litt es, daß George Willard sie in seine Arme nahm, Die Luft in dem warmen kleinen Raum schien ihr mit einem Male drückend schwer, und aus ihren Gliedern wich die Kraft. Sie stand gegen einen niedrigen Zahltisch bei der Tür gelehnt und wartete. Als er zu ihr trat und eine Hand auf ihre Schulter legte, wandte sie sich ihm zu und ließ ihren Körper schwer gegen den seinen fallen. Nun wuchs George Willards Verwirrung. Einen Augenblick hielt er den Leib des Mädchens fest an den seinen gepreßt und stemmte ihn dann plötzlich steif von sich weg. Zwei hitzig zuschlagende kleine Fäuste fuhren ihm ins Ge- sicht. Dann rannte die Lehrerin hinaus und ließ ihn allein. Er ging heftig im Zimmer auf und ab und fluchte in heller Wut.

So traf ihn der Reverend Curtis Hartman, der sich zur Tür hereinbewegte. George Willard hatte bei seinem Erscheinen den Eindruck, die ganze Stadt müsse irr- sinnig geworden sein. Der Pfarrer streckte eine blu- tige Faust in die Luft, schüttelte sie und verkündete: Das Weib, das George eben in seinen Armen gehalten hatte, sei ein Werkzeug Gottes und trage eine Heilsbotschaft

in sich.

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George blies die Lampe am Fenster aus, schloß die Tür der Druckerei hinter sich ab und ging heim. Er schritt durch die Office des Hotels, wo Hop Higgins seinem Traum von der Frettchenzucht hingegeben war, und kam in sein Zimmer. Das Feuer im Ofen war erloschen, und er entkleidete sich in der Kälte. Als er sich ins Bett legte, umfingen ihn die Laken eisig wie Schichten von trockenem Schnee. George Willard wälzte sich ruhelos im Bett herum, dem- selben Bett, in dem er am Nachmittag das Kopfkissen umschlungen und an Kate Swift gedacht hatte. Ihm klangen noch immer die Worte des Geistlichen in den Ohren, von dem er meinte, der Mann sei plötzlich ver- rückt geworden. Mit weitoffenen Augen starrte er ins Dunkel. Die begreifliche Empörung des gekränkten Mannesempfindens wich von ihm, und er versuchte, das Geschehene zu verstehen. Aber er konnte den Schlüssel zu dem Geheimnis nicht finden. Hin und her wandte er das Erlebnis in seinem Sinn. Stunden vergingen, und er dachte, der neue Tag müsse bald heraufkommen. Um vier Uhr zog er sich die Bettdecke bis zum Kinn herauf und versuchte zu schlafen. Als er schläfrig wurde und die Augen schloß, hob er eine Hand von der Decke und tat einen Griff ins Dunkel. „Ich hab was verpaßt. Ich hab was verpaßt, was Kate Swift mir zu sagen ver- suchte“, murmelte er mit schwerer Zunge. Dann schlief er ein, und in ganz Winesburg war er in dieser Winter- nacht die letzte Seele, die ihre Ruhe fand.

Aus dem amerikanischen Original übertragen von Karl Lerbs

ak

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In

Engel im Chor des Doms zu K

KLAGE VON ALBRECHT SCHAEFFER

O wer könnte:

Einmal ruhen die Stirne, Angeneigt an das Ewige! Uns ist nur Erde.

Gut ist wohl

Eine Felsenwand,

Eines Baumes Gestalt

Und am Hange das weichere Gras,

Die kühl sind alle und ruhevoll

Wie nicht des Weibes zu glühende Brust,

Wo Flügeln ähnlich

Es drinnen immer

Von großen Höhen, von großen Tiefen rauscht.

O Unruhe immer,

Überall keine Geduld!

Wie ist das niemals berührte Sanft, das gewichtlose Morgenrot Und manches Andre, das fern ist, Aber vom Herzen berührt Süßer und wahrer,

Als die traumlosen Dinge der Nachbarschaft.

Ein Toter wer weiß Der hat es Alles. Aufgehoben mag Er sein

In lauter Lächeln.

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Lächeln sein Mund,

Lächeln sein Schlaf,

Lächeln die Hände, die leeren,

Und eine süße Flocke sein stilles Herz.

Ewiger Himmel! Wann gönnst du Einmal uns die geduldige Brust, Uns, von Unwissenheit selig,

Uns nur stille zu halten...

Ein Augenblick, die Stirn an dich gelehnt Und ein Verwandelter mischt ich Gern mich wieder, unüberwindlich, In Nacht und Abgrund, Verwirrung der Völker Und tausend Träume Der niemals entschlafenden Kinder des Lichts. *

SZENE, ALS EINLEITUNG ZU EINER TOTENFEIER FUR RAINER MARIA RILKE

VON ALEXANDER LERNET-HOLENIA

Fanfaren. Es tritt ein Herold vor den Vorhang. Er trägt, im Schnitt

eines Meßgewandes, über seinen Kleidern einen ärmellosen Rock, auf

dessen Brust- und Rückenteil je drri übereinander nach (heraldisch) rechts

springende, golden behalsbänderte, silberne Jagdwin.thunde aut schwar-

xem Feld eingestickt sind. Das Fahnentuch der langen Fanfare, auf die er sich im Reden aufstützt, wiederholt das Blaison.

Herold: Herren und Damen, als unser aufs äußerste bewegtes Herz uns Schauspielern dringlichst anbefohlen

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hatte, die Trauer um den großen Dichter, in dessen Namen Sie hierherberufen sind, nicht länger in uns selbst zu verheimlichen, sondern feierlich und öffent- lich zu begehen, blieben wir noch unentschieden, in welcher Maske denn eigentlich der Akteur, der die all- gemeine Klage zu sprechen haben würde, vor Ihnen auftreten sollte, um am bezeichnendsten für die ganze Art des Toten zu sein. Wir verwarfen, als abge- braucht, die Gestalt eines Genius, der, eine erloschene Fackel tragend, weint, wir wollten noch viel weniger den jungen Dichter, der, indem er Verse auf den uns Voraufgegangenen vorträgt, in heutiger Zeit peinlich und exaltiert wirkt und eigentlich nur Verlegenheit hervorruft. Stellen Sie sich vor: moderne Verse! Das wäre alles zu spielerisch gewesen, die Gegenwart, die den Tod zu einer rein körperlichen Katastrophe de- gradiert hat, besitzt kein eindeutiges Zeremoniell mehr für die Majestät wirklichen Todes.

Wir betrauern vielmehr Rainer Maria Rilke, (um den erlauchten Namen hier zum erstenmal zu nennen!), auf seine eigene Weise und in seinem eigenen großen Stil. Weil die Zeit keine Form dafür hat, ihn als den, der er wirklich war, zu bestatten, so gedenken auch wir an seinem Totenfest seiner nicht eigentlich als eines Heu- tigen und Gegenwärtigen, sondern eines Letzten von früher her, wozu uns seine Herkunft die Hand gibt. Das ist einwandfrei, denn wir verzichten damit, von dem zu reden, was er als Dichter gewesen ist, uns er- schüttert vielmehr bloß der Hintritt seiner Person. Für Rilke selbst ist vielleicht überhaupt keine Art zu finden,

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ihn zu betrauern, groß, wie er gewesen ist; für den letzten Rilke, der er ja war, ist die Art der Trauer überliefert und gegeben, eindeutig und herrschaftlich. Wir haben sie gewählt. Ich bin bestimmt worden, als ein Herold aufzutreten und die Figuren und Farben des Geschlechtes zu tragen, dessen letztes Reis der Dich- ter gewesen ist.

Aber Sie finden das vielleicht nicht entscheidend und nicht hierhergehörig, Sie sind erstaunt, daß die Gestalt, die ich angenommen habe, aus so längst abgelebten Zei- ten sich heraufwagt, Sie halten diese Heraldik für depla- ciert. Soll denn wirklich, so fragen Sie sich, bloß deshalb, weil mein Herr zufällig aus uraltem Hause gewesen ist, die aus ganz vergessenen Rüstkammern geholte, arro- gante und irritierende Figur seines Herolds sich vor die klare Vision seines Geistes stellen dürfen, der Sie alle doch menschlich ergriffen hat wie kaum je etwas ande- res zuvor? Drängen sich denn die adeligen Maskeraden selbst bis in die Totenfeier eines Dichters vor, der so groß gewesen ist, daß man es darüber füglich vernach- lässigen dürfte, wer er eigentlich war?

Aber Sie vergessen wohl, daß es ja nicht um den Dichter selbst ist, daß wir trauern. Wie könnten wir denn überhaupt einen Ausgang von etwas so Geistigem beklagen? Sind solche Gedichte nicht unzerstörbar ? Wir erschrecken nur über das jähe Zerbrechen der vergänglichen Form, die, auf eine Zeitlang, der vor- übergehende Aufenthalt so hohen Geistes gewesen war, und, so angesehen, ist unsere Trauer vielleicht mehr menschliche Schwäche, ein Nachgeben vor der

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Einsicht einer lebenslangen Trennung, ein Schmerz bei einem Abschiednehmen auf lange und längste Zeit. Wir beklagen das Erlöschen der Person, nicht des Geistes. Wir geben Erde der Erde zurück, auf irdische Art und mit dem ganzen armen Stolz, den Vergängliches sich anmaßt, wir geben dem Toten die irdische Ehre, die neben seinem geistigen Ruhm die seine war, ererbt wie er sie hatte. Ihm geben wir sie und seinen Vorfahren, die bescheiden und sparsam gelebt hatten, damit der Letzte die ganze angesammelte und unverschwendete Pracht ihres Geistes entfalten könne. | Man soll ja die Leute in dem Stil begraben, in dem sie gelebt haben, oder mindestens hätten leben und sterben wollen. Und überdies hatte mein Herr ja selbst vom Tode immer irgendwie herrschaftliche Anschauungen; jetzt wo der Tod bürgerlich ist und auch der seine bürgerlich sein mußte, mag er gemeint haben, er hätte dabei etwas vernachlässigt und versäumt, ähnlich wie er wohl auch viel von seinem Leben versäumt hat, weil er schlecht zu den Leuten paßte und sich zurückzog.

Wie merkwürdig aber, daß ich, indem ich von seinem Ende rede, doch wiederum nur von dem sprechen kann, das in den Gedichten des Lebenden für alles eher als bloß für ein Ende gegolten hat: nämlich von seinem Eigensten, dem Tod. Er war der Dichter des Todes. Tod war für ihn kein Ausgang, es war ein Zustand von Dauer, in den Ermüdete und solche, die Wich- tiges vorhaben, sich zurückziehen, gewissermaßen um entweder ruhiger oder entscheidender weiterzuleben. Er hatte so viel vom Tode gedichtet, daß man, als er

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starb, eher behaupten konnte, er habe den Tod erreicht, als daß er gestorben sei. Tod war für ihn voll Existenz. Und wenn sonst irgendwelche Verwandte und Freunde, denen ein Abgeschiedener unwiederbring- lich dahin ist, sich fiir ihn sozusagen umsonst um eine leere Stelle versammeln, an der niemand mehr ist, so sind wir um den Tod dieses Dichters als um etwas ver- sammelt, in dem er sich nicht anders aufhält als in einem unbedingten Leben, das er nun bewohnt und in dem er existiert. Was gilt hier Unsterblichkeit der Seele? Hier beweist sich Unsterblichkeit des Geistes.

Der Tod hatte bei meinem Herrn das Übergewicht über das Leben. Mein Herr liebte es ja auch sonst nicht, sich auf sich selbst zu berufen, auf das Gegenwärtige und auf das Lebendige. Er berief sich auf alle Arten von Dingen, die uns heute fremd und unwahrscheinlich ge- worden sind, auf die Vergangenheit vor allem, auf Überlieferung, auf Altvordere. Alles war schon längst durch den Tod gegangen, auf was er sich berief. Er hatte Beziehungen zu den Toten. Er war immer irgendwo her, er hätte es nicht gemocht, wenn ihm jemand gesagt hätte, er sei aus sich selbst. Es heißt meinem Herrn vielleicht die letzte Größe absprechen, wenn man ihm das zugibt. Denn es wird heute be- hauptet, das Genialische sei zu nichts in Bezug als zum Lebendigen, und das Lebendige sei einfach gegenwärtig. Aber mein Herr war nicht einmal zeitlos, er war von früher her. Wir glauben, daß er zu den Letzten von denjenigen gehört hat, die früher die Großen der Welt

gewesen sind und die ihre Kraft noch ererbt haben,

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statt sie einfach zu besitzen wie moderne Leute. Aber so oder so: wir haben nur von einem Gestorbenen ge- redet, von einem mit ihm erloschenen Geschlecht, den Dichter zu preisen, reichen ja die Worte nicht hin. Es ist da etwas im Spiel, das weder menschlich schlechthin ist, noch adelig schlechthin, es ist da etwas von einem

großen Geheimnis.

(Hier unterbricht er sich, denn der Gesang einer jugendlichen Stimme wird von hinter dem Vorhang gehört.)

Was ist das für ein Gesang?

Singende Stimme: Kein schönrer Tod ist in der Welt, als wer vorm Feind erschlagen, auf grüner Heid, im breiten Feld, darf nicht hörn groß Wehklagen. Im engen Bett nur ein’r allein muß an den Todesreihen. Hier findet er Gesellschaft fein, fallen wie Kräuter im Maien!

(Indem nähern sich Sporenschritte, marschmäßig, ein Kornett kaiser- licher Kürassiere, die Standarte im Arm tragend, tritt vor den Vorhang.)

Herold: Ich bin erstaunt. Wer ist der Herr? Kornett: Ich bin Christoph von Rilke, Kornett im kaiserlich österreichischen Heysterschen Regiment zu Roß, Kompagnie des Freiherrn von Pirovano, gefallen in Ungarn in einem Gefecht wider die Türken vor nun- mehr zweihundertfünfzig Jahren. Ich war noch sehr jung, als ich starb. Ich war erst achtzehn Jahre. Aber ich bin gefallen mit dieser Standarte im Arm.

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Herold: Achtzehn Jahre! Diese Jugend entschuldigt des Herrn plötzliches und unvorbereitetes Kommen. Darf ich fragen, was der Herr will?

Kornett: Ich komme von drüben. Man hat Nach- richten, daß unser Name erloschen ist in diesen Tagen. Man hat genaue Nachrichten. Wir erwarten den letzten Herrn von Rilke.

Herold: Wer wartet?

Kornett: Wir. Die ganzen Herren meines Namens. Die Linien von Langenau und Gränitz. Die noch in Kärnten gestorben sind und die aus Sachsen. Wir war- ten auf den Letzten. Aber es kommt niemand. Wo ist er hin, dieser Letzte von uns, der gestorben ist? Wir sind nicht vollzählig ohne ihn.

Herold: Ist es an dem, junger Herr? Dieser Letzte ist nicht gekommen? Noch nicht gekommen? Dann wird es wohl auch nicht mehr sein, daß er kommt. Ich be- ginne zu ahnen, daß ich mit dem Glauben von meinem Herrn im Unrecht war. Sag der Herr den anderen Herren, sie warteten vergebens. Dieser Letzte war ein Dichter. Er gehört nicht mehr zu ihnen. Er gehört zu mehr als zu einem einzelnen Geschlecht, das drüben auf ihn warten mag bis zum Jüngsten Tag, gestützt auf die Degen. Ist denn der Herr ausgesendet, ihn zu suchen ?

Kornett: Nein, das nicht, ich bin von selbst gegangen. Es war unangenehm und traurig, die Wartenden zu sehen.

Herold: Und war der Herr selbst traurig ? Kornett: Ja, ich wohl auch.

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Gipsmaske Amenophis’ IV.

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Herold: Der Herr ist noch sehr jung, er hat es ja selbst gesagt, er versteht das vielleicht noch nicht, er hat sich übereilt. Kehr der Herr zurück, auch ohne den Ge- suchten, verzichte er darauf, ihn zu sehen. (Zr umfangt, im Abgehen, die Schulter des Kornetts.. Der, den der Herr sucht, ist nicht tot, wenn er gleich gestorben ist. Er ist leben- dig. Er war ein sehr großer Dichter. Er gehört nicht

den Geistern an, sondern dem Geist. (Sie treten durch den Vorhang zurück. Fanfaren.)

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VERMÄCHTNIS DER ANTIKE

Rede anläßlich eines Festes von Freunden des humanistischen Gymnasiums gehalten

VON HUGO VON HOFMANNSTHAL

Die Unruhe ist nach wie vor allgemein, der Zweifel und die Verworrenheit eher im Wachsen als im Abneh- men. Die materiellen Auswirkungen der Katastrophe, durch die wir gegangen sind, bleiben ungeheure; aber wir gewahren, daß die geistigen noch furchtbarer und noch folgenreicher sind. Wir versuchen uns zur Klarheit durchzuringen, zu erkennen, was dahingestürzt und was noch aufrecht ist; aber der ordnende Sinn in uns selber, der allein zu solchen Urteilen fähig wäre, ist im tiefsten beschädigt. Niemand ist geistesmächtig, niemand scharf- sinnig genug, sich über das zu erheben, was alle und alles umstrickt. Unsere Befürchtungen, die manchmal die Betonung des Schreckens annehmen, finden immer- fort und von allen Seiten her neue Nahrung, unsere

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Hoffnungen sind unsicher und vag; die stärkste von ihnen, paradoxerweise, ist die, welche wir gerade aus der Größe der Bedrohung, aus der umfassenden Gewalt des Ereignisses ziehen.

Es gibt nichts im geistigen Bereich, das nicht versehrt wäre. „Der Geist selbst ist verwundet“, sagt ein Fran- zose. „Unsere Welt ist im Untergehen“, schreibt ein Deutscher auf sein Buch. „Wir sind allein“, ruft ein Spanier aus. „Der Europäer von heute steht allein ohne lebende Tote an seiner Seite.“ In der Tat, das was fünf- zehn Jahre hinter uns liegt, ist so fern von uns, so un- erreichbar wie Sesostris und Nimrod. Wir sind ganz allein.

Die Geschichte, wenn wir uns an sie wenden, ist kalt und vieldeutig in ihren Antworten wie ein Orakel. Schla- gen wir heute ihre Blätter auf, so scheinen uns die Jahr- hunderte bis zurück an den Ausgang des Mittelalters von nichts zu sprechen als von dem Kommen des Kata- klysmas, das uns heute unter Trümmern erschlägt. Was immer sich im Geistesleben vollzogen hat, von jener Anfangstat des 16. Jahrhunderts an, jener Setzung des Ethos über den Logos, die wir den Protestantismus nen- nen mit dem wissenden Auge, das der heutige Tag uns gibt, sehen wir in der Kette der Geschehnisse nichts als die Vorbereitung dessen, was heute Wirklichkeit wird. Der rückwärts gewandte Prophet heftet den gleichen eisigen, undurchdringlichen Blick auf uns wie die Gegen- wart selber. Und in dieser Welt rüsten Sie sich, ein Fest des Geistes zu feiern, und der Gegenstand Ihres Festes ist das Bekenntnis zur Überlieferung kat’exochen, zur

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geistigen Ordnung kat’exochen, zum ewigen Band aller geistigen Ordnungen. Sie haben das unverwelklicheWort Humanismus auf Ihrem Banner, während rings in Eu- ropa und in jenem hybriden Neu-Europa jenseits des Ozeans der vollständigste, tiefstgreifende Prozeß der Deshumanisation, der je geträumt werden konnte, im Gange ist.

Zwischen der Zeit, in der wir jung waren, und heute liegt ein Abgrund, und einer, dessen Ränder nicht ein- mal fest sind, sondern der stündlich weiter um sich frißt. Das Begrenzte, auf dem allein wir geistig zu fußen ver- mögen, ist im Begriff, sich zu verflüchtigen wie Rauch; das Unmeßbare, die indefinite formlose Materie unse- rer Welterfahrung, überflutet den Bezirk unseres Da- seins. Das, was sich vollzieht, ist schreckensvoll und kaum mehr deutbar. Es gibt diesem Ungeheuren gegen- über die Haltungen einzelner: Gebärden der Abwehr, des Stoizismus und der Verzweiflung, aber die Grund- gebärde des Europäers ist nicht mehr wahrnehmbar, und auch jenen einzelnen Gebärden fehlt es an Kraft und Größe. Da und dort flammt ein jäher Orientalismus auf auch Rußland ist Orient! —, aber ohne fortreißende Kräfte; und an denen, die ihm huldigen, wird nichts so deutlich wie der Wunsch, allen Ballast abzuwerfen, und wäre es das eigene denkende Selbst. Achtet man dieser einen Fluchtgebärde nicht, so geht alles darauf aus, sich der „Wirklichkeit“ zu unterwerfen. Diese aber wech- selt dämonisch ihre Mienen: denn Wirklichkeit ist gei- stige Schöpfung, und jene wechselnden Mienen sind nichts als der Reflex des inneren Seelenschwindels einer

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Menschheit, die zur Schöpfung nicht mehr die Seelen- kräfte in sich trägt.

Wir leben in einem kritischen Weltmoment, der zu Festen kaum Raum gibt. Aus Kriegen der Völker und Konflikten der Klassen sind neuartige Religionskriege geworden, Geisteskriege, um so mörderischer, als sie in der Halbnacht wechselseitigen Nichterkennens geführt werden; Sekte ringt mit Sekte, und niemand will es wahr haben, in welch unheimlicher Weise über Nacht von unsichtbaren Händen die furchtbaren Gewichte des leiblichen und des geistigen Behauptungswillens der Massen lautlos vertauscht werden: bald verkleidet sich Ökonomie als Geist, bald Geist als Ökonomie. In der verworrensten der Welten treten Sie zusammen und wol- len das Fest der Unverworrenheit feiern, der höchsten Offenbarung geistiger Klarheit, die je da war.

Aber Sie dürfen es, und dürften es, wären die Gemüter noch gespannter und die Verzagtheit (welche zuweilen die Maske des Zynismus vornimmt) noch größer. Denn der Gegenstand Ihres Festes ist über dem allen, und Ihre Feier zieht eben aus der Dunkelheit, die uns um- gibt, jenen einen zwischen nachtschwarzen Wolken durchbrechenden Lichtstrahl, der sie adelt. Sie stehen hier nicht als die Hüter eines Vorrates von Kenntnis- sen oder Sinnbildern; es ist kein System unter Systemen, als dessen Parteigänger Sie sich vereinigen; es ist keine bestimmte schulmäßige Geisteshaltung oder ist es eine solche, dann im höchsten Sinne, und in der Region solcher Synthesen, die der gemeinen Kritik entzogen sind.

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Das, wofiir Sie einstehen, ist der Geist der Antike, ein so großes numen, daß kein einzelner Tempel, ob- wohl viele ihm geweiht sind, es faßt.

Es ist unser Denken selber; es ist das, was den europä- ischen Intellekt geformt hat.

Es ist die eine Grundfeste der Kirche und aus dem zur Weltreligion gewordenen Christentum nicht auszuschei- den; ohne Platon und Aristoteles nicht Augustin noch Thomas.

Es ist die Sprache der Politik, ihr geistiges Element, vermöge dessen ihre wechselnden und ewig wiederkeh- renden Formen in unser geistiges Leben eingehen kön- nen.

Es ist der Mythos unseres europäischen Daseins, die Kreation unserer geistigen Welt (ohne welche die reli- giöse nicht sein kann), die Setzung von Kosmos gegen Chaos, und er umschließt den Helden und das Opfer, die Ordnung und die Verwandlung, das Maß und die Weihe.

Es ist kein angehäufter Vorrat, der veralten könnte, son- dern eine mit Leben trächtige Geisterwelt in uns selber: unser wahrer innerer Orient, offenes unverwesliches Ge- heimnis.

Es ist ein herrliches Ganzes; tragender Strom zugleich und jungfräulicher Quell, der immer rein hervorbricht. Nichts in seinem Bereich ist so alt, daß es nicht morgen als ein Neues, strahlend vor Jugend, hervortreten könnte. Homer glänzt in alter Herrlichkeit alterslos wie das Meer, aber seinen Helden Achilleus hat Hölderlins See-

lenblick getroffen, und er steht in neuem, ungeahntem

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Licht. Heraklit, für ein Jahrtausend nichts als ein Name, ist an den Tag getreten, und seine dunkle Lehre ist heute wieder seelenbildende Gewalt. Die dunkeln älte- sten Mythen, eingemauert in die Grundfeste des Werkes der Tragiker, haben in dem wunderbaren Schweizer, dem lange verkannten, ihren Deuter gefunden; noch ein- mal bereitet sich in seinen Werken, wie einst im antiken Lebensbereich, das Ganze dieser Geisteswelt, vom or- phischen Spruch bis zur mythischen Anekdote, die ein byzantinischer Spätling überliefert.

In der mittelsten Region aber der Naturwissenschaften, dort, wo der Begriff der „Wirkung“ den Begriff der „Energie“ heute ablöst, wo von den Begriffen Raum, Zeit und Schwere her jenes Geheimnis, das wir zu- letzt mit dem Wort Materie bedeckten, einer neuen Ent- hüllung entgegenharrt, dort, wo das nüchtern-großartige Wort laut wird: Was ich messen kann, das existiert dort erhebt sich aus den brauenden Nebeln der Theo- reme, wie das Licht des uralten, ewig jungen Tages, die Vision Platons von einer Zahlentheorie der Natur und mit ihr die Weisheit des Pythagoras.

ak

EIN TAGIN LIER VON FELIX TIMMERMANS

Das erste, was aus der schwarzen Nacht aufleuchtet in den neuen Tag, ist der kupferne Bauch des Hahnes auf

dem Turm. Dann tritt der Küster Landieke aus seinem

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Häuschen, das im Wasser steht, und seufzt: „Aber uns gehts schlecht!“ Vor dem Kirchenportal warten schon die eifrigsten Betschwestern in schwarzen Kapuzenmän- teln, wie Spukgeister. Er läutet eine magere Glocke, und Pfarrer Rits, die Hände reibend wie alle Pfarrer, eilt in der mausgrauen Dämmerung auf diese Glocke zu; ein Chorknabe macht dasselbe, aber mit den Händen in den Taschen und aus Angst ein Liedchen pfeifend.

Das Osterlicht wird langsam größer, es fließt über die lustige Kappe des Turmes und bückt sich zu den Schall- löchern hinunter; die höchsten Seitentürme baden sich im Ostergold, und eine Bundeslade funkelt unter der Perlmutterschale des Himmels. Der Nachtwächter Suske Niks kehrt fröstelnd heim mit seiner langen Lanze. Er hat wieder keine Diebe zu Gesicht bekommen, und gähnend sagt er: „Ich hätte mich ebensogut zu meiner Frau legen und schnarchen können.“

Die Häuser und die Straßen schlafen noch, kahl und still wie leere Schachteln ohne Deckel. Aber der reiche De Pijpelaere ist schon aufgestanden. Er schreitet im Hemd, einen Rosenkranz in der Hand, mit nackten Füßen durch das tauige Gras seines Gartens. In der heißen Jahreszeit, wenn kein Tau vorhanden ist, macht er sich welchen mit der Gießkanne.

Alle Wetterfahnen und die höchsten Spitzen der mit Stufen und Schnörkeln verzierten Giebelhäuser glänzen in der Sonne. Draußen im Felde, wo der Nebel wie ein Schleier über die silberne Nethe hängt, geht ein Duft von frischen Blumen. Speckzehe zieht sein Netz mit zappelnden Fischen in die Höhe, und Bauern, die auf

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den Ackern arbeiten, sind wie Schattenbilder im Nebel- dunst. In den ärmlichen Gassen öffnen sich die Türen, ` und Arbeiter mit Blechkrügen gehen Tabak kauend zum Zuge. Die Lumpensammler in ihren Hundewägelchen streben eilig, wie im Wettkampf, zu den Toren hinaus; sie stehen fluchend und peitschend aufrecht in den klei- nen Wagen, wie in einem römischen Zirkus. Die Wind- mühlen auf dem Wall drehen sich schon, denn es gibt viel Korn dieses Jahr, und die ersten Kneipen öffnen sich am Viehmarkt, wo in aller Frühe die nüchternen, schleimigen Kälber verhandelt werden. Die Saufbrüder der Stadt werden vor Durst eine ganze Stunde früher wach als sonst und holen sich dort ihren halben Liter. Ambiorix, der Bäcker, hat das nicht nötig; der Wirt von nebenan reicht ihm sein tägliches Maß über die kleine Mauer.

Ruckweise wacht nun die Stadt allmählich auf, aber der größte Ruck ist der erste Kleinbahnzug, der mit viel Rauch und Lärm, aber leer, die Straßen der Stadt ver- gewaltigt. Das ist die Stunde, in der die Holzschuhe nach den Werkstätten klappern, in der die Lehrer und die Dienstmädchen aufwachen und dann eine Viertelstunde später die Schulkinder. Die Fensterläden öffnen sich, Glocken läuten von allen Kapellen, und ein froher Eifer kommt über die ganze Stadt; die Pumpen sind in voller Tätigkeit für den Morgenkaffee, es ist die Zeit der Radieschen mit Quark. Kupferne Kessel glit- zern auf den Marktplätzen. Die Hunde der Milchbauern bellen, Kohlenwagen dröhnen und klingeln; man hau- siert mit weißem Sand, Gemüse und warmen Semmeln;

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Kinder schreien, und Bureaubeamte gehen mit einer Zei- tung in der Hand zum Bahnhof oder putzen sich unter- wegs die Nagel.

Die Sonne liegt nun auf allen Dachern und lugt in alle Fenster, und der Turm schüttelt seine vielen kleinen Glocken zur allgemeinen Freude. Dann möchte es plötz- lich stiller werden, aber es glückt nicht ganz, denn heute mittag muß gegessen werden, Suppe und Fleisch. Die Gewürzkrämer und Fleischer hacken und wiegen, und man erzählt sich vieles über Leute, die nicht dabei sind. Die langen Bierwagen holpern durch die Straßen und rollen Fässer in die Wirtshäuser. Ein Horn tutet, die Brücke dreht sich, und ein Muschelschiff treibt herein mit seinen rostbraunen Segeln, feierlich an den weißen Häusern entlang. Schwarze Kutschen fahren hin und her. Es gibt einen Toten; man hört an der schweren Stimme des Turmes, daß es ein feierliches Begräbnis ist. Gestern hat der hagere Leichenbitter Staf die Nachricht in die offenen Türen oder durch den Briefkastenschlitz gerufen und die Briefe ausgetragen. Der Tote ist oder vielmehr war ein Verwandter von De Pijpelaere; alle reichen Leute sind irgendwie mit De Pijpelaere ver- wandt. An den Straßenecken stellen sich die Leute auf, um den Leichenzug zu sehen. Sie erzählen sich noch ein- mal die Geschichte des Toten. Und das Ende jeder Be- trachtung lautet: „Wir wollen das Leben nur genießen, denn mit einem Menschen ist es bald vorbei.“ Die Frauen kaufen deshalb ein Viertel Wurst mehr, und die Män- ner trinken ein Doppelmaß. Kurz darauf heiraten auf dem Rathaus, fast unbemerkt, denn es werden keine

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Teppiche auf die Stufen gelegt, Jef Paljas und Pauline Seufzer. Er ist ein alter Schuster und sie eine Witwe, die mit Muscheln hausiert. Er trägt sämtliche Ehrenzeichen auf der Brust: ehemaliger Tambour beim Militär, ein durchgegangenes Pferd aufgehalten und im Kriege von 70 aus der Ferne zugeguckt. Sie sind zusammen über die Vordertreppe aufs Rathaus gekommen und verlassen es über die kleine Hintertreppe, die sozusagen unmittel- bar zu ‚Unserer Lieben Frau‘ hineinführt. Dort wird die erste Rührung mit ein paar Schnäpsen weggespült; dann gehen sie zu Fuß in die Kirche, und wenn sie dort fertig sind, in den ‚Bienenkorb‘ hinein. Hier wartet schon der unvermeidliche Harmonikaspieler, und nach- dem sie mit etlichen Schnäpsen die Stimmung gehoben haben, ziehen sie, gefolgt von einem Haufen von Ver- wandten, hinter diesem Musikanten her von Kneipe zu Kneipe, um dann bei Pauline, wo seine Möbel schon untergebracht sind und er nun einziehen wird, einen starken Kaffee mit Schinkenbrötchen und Korinthen- kuchen zu schmausen.

In Lier ist die Luft gesund, von Königen gepriesen, und so kommt es, daß der Magen keine Ruhe gibt. Um halb elf nehmen die Leute etwas zu sich: ein Butterbrot mit etwas dazu. Ein baumlanger Holländer, noch in Pluder- hosen, verkauft Pökelheringe, worauf die Leute hier ver- sessen sind, und der singende Mann hat bald seine sauber gemalten Fässer leer. Die Schulen sind nun aus, es herrscht ein ausgelassener Kinderlärm, die Suppen duf- ten verlockend, und in den Wirtshäusern wird schnell noch ein Maß Bier getrunken, um gut essen zu können.

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Dann hängt um alle Giebel, eine kleine halbe Stunde lang, die Ruhe wie ein weißes Gewand, bis die Kartof- feln verzehrt sind; aber nun werden die Taubenschlage geöffnet und kreisende Tauben feiern ein Fest in der Luft.

Sind dann später die Holzschuhe wieder in den Werk- stätten und die Kinder in der Schule, dann legt sich plötzlich, mit dem letzten Glockenschlag von zwei Uhr, eine wunderbare, ungekannte, friedliche Stille über die Stadt. Es ist die goldene Stunde, der weiße Kloster- friede, der dann in den Straßen herrscht. Alles ist drin- nen, man hört das Gras wachsen zwischen den Pflaster- steinen und das Wasser fließen unter den Brücken. Über- all Stille und Sonne; weiße Wolken wandern vorsichtig durch das sonntägliche Blau. Wie ein guter Anisgeruch rührt der Liersche Geschmack an unser Herz. Etwas Schönes und Teures, das man längst der Vergangenheit angehörig glaubte, steht hier noch rein, sich spiegelnd im Wasser, etwas außerhalb der Zeit, unberührt und ohne ein Echo aufzufangen von der Welt, ein faltenloser Teich. Die Häuser auf dem Großen Markt lassen ihr Gold glitzern, und auf dem ganzen offenen Platz ist nur ein T'aubenpaar, das vornehm in der Sonne spazieren geht. Der dicke Verbil guckt seufzend um die Ecke der Fleischhalle, ob er nicht den erwischen kann, der. die Arbeit erfunden hat, aber er sieht niemand und kehrt seufzend zu seinem Schusterschemel zurück. In der ‚Eiche‘, wo früher die Kammer der Rhetoren ihre lite- rarischen Sitzungen abhielt, sitzt die Wirtin Strümpfe stopfend am offenen Fenster, und im gotischen ‚Kaiser-

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hof‘ schläft der Wirt hinter seiner Zeitung. Betschwe- stern spähen hinter dichten Gardinen nach Menschen aus, wie Katzen nach Mäusen. Aber es ist nichts zu sehen als ein Hund, der an der Ecke ein Bein hebt. Durch die Stille kommt plötzlich die Kleinbahn pomphaft her- angefahren, hält am Markt, niemand steigt aus, nie- mand steigt ein, und dann fährt sie weiter, prahlend mit dicken Rauchfahnen und Horngetute.

Inzwischen sitzen die Faulenzer auf der hohen Brücke und essen frische Muscheln. Sie haben sich in einem Kreis um die Schüssel niedergelassen, einer macht sie auf, und der Reihe nach dürfen sie eine verzehren. Es geht schweigend und schmatzend vor sich, so daß man selber Appetit auf Muscheln bekommen könnte.

Ein zweites Schiff ist auf der Werft angekommen; Männer tragen, tanzend über die schaukelnde Lade- planke, rote Backsteine aus dem Rumpf des Schiffes an Land.

Auf dem einsamen, schattigen Beginenwall, wo man hinter ausgedehnten Feldern, jenseits der Nethe, den Turm von Mecheln sehen kann, geht eine alte Begine spazieren und hört, wie im stillen Beginenhof eine andere Begine die Orgel spielt. Und dort auf dem Wall ist es, daß Herr Luppekens und Herr Bollekensberg einander begegnen. Welch ein Glück! Sie sprechen doch so gerne Französisch. „Ah! Tag! Bonjour Monsieur Luppekens, o vous avez un beau baton!“ „Oui!“ sagt stolz Herr Luppekens, ,,c’est un mispelier. Mais vous avez aussi un beau baton.“ „Oui,“ prunkt nun der andere, „c’est un beau baton, et cest un apfelier.““

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Die Wassermiihle schnarcht in der Stille, aber das zahlt nicht mit, da es sich nie ändert. An einem stillen Wasser sitzt ein stiller Fischer, und gegenüber in der Schule, deren Mauern im Wasser stehen, buchstabieren die Kin- der in leierigem Ton. Und über eine steinerne Brücke geht, im Wasser sich spiegelnd, Madam Potjeer, mit aufgespanntem Regenschirm und dem Affenpinscher an der Leine. Diese Madam ist es, auch wieder eine Ver- wandte von De Pijpelaere, die die Kinder nachmachen, wenn sie ‚reiche Madam‘ spielen. Plötzlich bricht durch die Stille ein heftiges, lautes Gerassel! Diesmal ist es nicht die Kleinbahn. Es ist eine lange Reihe von Wagen, die Männer von Heyst-op-den-Berg, die vom Frühmarkt aus Antwerpen zurückkehren. Sämtliche Fuhrleute schla- fen ganz beruhigt, denn die Pferde wissen den Weg und werden niemanden überfahren, es ist ja niemand da außer Madam Potjeer, die sich zurückzieht in eine kleine Kirche, wo Kerzen brennen. Dann fällt die Stille wieder seufzend über die Stadt, und eine kleine Hammersym- phonie klingt durch die sonnigen Straßen: ein Schmiede- hammer aus einer schwarzen Höhle, wo eine rote Flamme faucht, der summende Hammer eines Steinhauers, kurz und eigensinnig der Hammer eines Schusters und der helltsnende Hammer eines Kupferschmiedes.

Mit dieser Musik vermischt sich das Glockenspiel des Turmes: „Und auf dem Großen Markt verkauft ein Bauer Rüben ...‘“ Pappeln zittern über alten Kloster- mauern, hinter denen Mönche im sonnigen Garten das Brevier beten. Der starke Geruch der Brauereien dampft warm aus engen Gassen und kündigt wieder frisches

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Bier an. Ein Wagen mit Speise-Eis, mit Schnitzwerk ver- sehen wie eine Orgel, in winterlichen Farben gemalt und sogar mit Spiegeln ausgestattet, verkauft süße Magen- kühle. Zwischen zwei Heftfäden kommt der Schneider- Barbier Opdewip eine Waffel ablecken und nimmt noch eine zweite mit. Der Eismann schiebt seinen Wagen in die engen Gassen des Arbeiterviertels. Während die an- deren Straßen still und verlassen daliegen, wimmelt es hier von Menschen. Die Frauen klöppeln vor der Tir; vor jedem Hause stehen Kissen, die ganze Straße ent- lang, und schleppende Lieder begleiten das träge Wach- sen der Spitzenblumen. Zwischen lauter Lumpen, im Geruch von Heringen und Zwiebeln, entfalten sich die weißen Spitzenherrlichkeiten, voll von wunderbaren Blu- men, Ranken und Schnörkeln, wie Märchen von Schnee, die später von Prinzessinnen und Königinnen bewundert und getragen werden. In einer Gasse herrscht Streit. Eine Spitzenklöpplerin wütet mit schäumendem Munde gegen einen Kaninchenfellhändler. Er sagt fortwährend einfach und trocken: „Fein Theres, blöde Gans; fein Theres, blöde Gans.“ Die Zuschauer biegen sich vor Lachen, und die Frau platzt bald vor Wut. Ei! die vielen Leute dort, und der Eiswagen rollt lockend darauf zu. Acht Soldaten schieben einen leeren Wagen zur rosig gekalkten Kaserne hin. Man muß unwillkürlich an das Gebet denken: ‚Abends wenn wir schlafen gehn.‘ Aber hier sind es zwei die schieben, zwei die ziehen, zwei die gähnen, zwei die sich recken. Und so ist es allmählich vier Uhr geworden und Zeit für die dicken Butterbrote und den Kaffee, der bereits seinen Duft in Wolken aus

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den Türen treibt. Das Städtchen reibt sich den Mittag- schlaf aus den Augen. Die Schulen speien lärmende Kin- der aus, es gibt ein Rennen und Rufen, und Leute gehen spazieren auf dem Wall. Züge fahren ein, die Lumpen- Sammler kehren zurück, und während auf Markt und Wall die Kinder ihre Spiele treiben, sich ein Weilchen mäßigend, wenn ein Polizist heransilbert, werden die Vorbereitungen getroffen für das nächste Essen um sie- ben Uhr. Oh, diese gesunde Luft! Die Wirtinnen wa- schen ihr Gesicht und binden eine saubere Schürze um, denn jetzt wird die Bierkundschaft gleich erscheinen. Mit dem Ave-Läuten und der Dämmerung legt sich eine wehmütige Stimmung über die alten Giebelhäuser, wäh- rend die Kirche dort oben über den Dächern noch einmal triumphiert im letzten Sonnengold und ihre bronzene Glocke zur Abendandacht ruft. Die Fledermäuse kom- men zum Vorschein, und die Windmühlen hören auf zu gehen. Überall setzen sich die Leute vor der Tür auf Bänke und Stühle; kleine Gruppen wandern über die Hauptstraße dem gelben Bahnhof oder der kühlen Nethe zu. Die Lampen werden angezündet, und auch die La- ternen vor den Heiligen über den Läden und vor den Madonnen. Dann tritt der heilige Franz, ein Einfalts- pinsel, seine tägliche Runde an. Vor jedem Madonnen- bild kniet er nieder und betet für die Sünden der Men- schen. Inzwischen ziehen sich die Liebespaare auf den dunklen Wall oder in die einsamen Alleen vor der Stadt zurück, und die Wirtshäuser werden besucht. Die Wir- tinnen haben sich nicht umsonst gewaschen. Karten-, Schach- und Billardspieler, Taubenziichter, Sänger, Po-

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litiker, Musik- und Theaterfreunde, Sparvereinsmitglie- der, Rekordraucher, Angler, Kegelbriider, Zweizentner- leute und was weiß ich noch, halten Versammlungen oder Übungen ab. Wenn drei Männer zusammen sind, wird ein Verein gegründet, und alles muß geschehen, ist gar nicht anders denkbar als bei einem kräftigen Glas Malzbier und einer guten Pfeife und mit der Aussicht auf zwei Festessen. Bei dem guten Bier werden dann Witze erzählt und gelacht auf Kosten derer, die nicht dabei sind, und Versammlungen und Übungen werden auf den nächsten Tag verschoben. Die Männer erzählen diese Dinge ihren Frauen im Bett, und die erzählen sie dann am frühen Morgen anderen Frauen in den Läden, bei der Pumpe oder am Sandkarren.

In den engen Gassen, am Rande der Stadt, sitzen die Mannsleute unter den Madonnen und dem Kruzifix und unterhalten sich in saftigen Kraftausdrücken über Tau- ben, prunken mit ihrer Kraft und ersinnen Späße, um sich gegenseitig zu foppen. Die Kinder spielen Ringel- Reihe, Blindekuh und Dritten-Mann-Abschlagen, wäh- rend die Frauen auf den Türschwellen hocken und über Wöchnerinnen und verkrachte Ehen klatschen.

Bei diesem guten Wetter ist alles draußen. Die Luft fließt wie ein Getränk in den Mund, und der Himmel, der gestern noch verschlossen war, ist weit offen und zeigt seine tausend Kerzen. Aber ist da nicht irgendwo Musik ? Hört! Wahrhaftig! Und aus Häusern und Stra- Ben läuft das Volk den Musikanten entgegen. Auf dem Fischmarkt sind sie, wo es nur Freitags nach Fisch riecht. Es sind ein paar junge Leute, die sich zufällig zu-

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Stammhaus der Familie Rothschildin Frankfurt

a mn am ——

sammengefunden haben: eine Klarinette, eine Trom- mel, ein Klapphorn und ein Bombardon. Spielend be- gleiten sie den mit Ehrenzeichen geschmiickten Jef Pal- jas, der einen leeren Wagen schiebt. „Was gibts?“ fra- gen die Leute, und die prompte Antwort lautet: ,,Jef darf nicht bei seiner Frau schlafen, sie will ihre Zimmer- tür nicht aufmachen, und nun holt er seine Möbel wieder ab, und ich gehe mit!“ „Ich auch!“ „Ich auch!“ Der Zug wächst zusehends an unter dem Spielen und Singen eines lustigen Volksliedes. Das ganze Storchhalsgäßchen steht auf dem Kopf; man hilft Jef Paljas beim Aufladen sei- ner Möbel, während die Frau sich, man weiß nicht war- um, hinter der dichtgeschlossenen Türe auf ihrem Zim- mer hält. Als alles aufgeladen ist, will er mit seinem Zeug davonfahren, aber einige Männer ergreifen ihn, heben ihn ganz oben auf einen kleinen Küchenschrank, und nun sitzt er dort wie ein Affe mit glitzernden Ehrenzeichen. Die Musik spielt, die Leute singen und tanzen hinter dem Wagen her, die Kinder voran, und so gehts nach der Wohnung von Jef Paljas, der nach- her ein Faß Bier spendiert in den ‚Drei Maul- affen‘.

Hinter den zarten Tiirmchen der Kirche erhebt sich der Mond wie eine geheimnisvolle Blume, und Speckzehe begibt sich wieder an die Nethe, um zu fischen. Türen und Fensterläden werden geschlossen, und wenn der Kleinbahnzug um neun Uhr noch einmal leer durch die Straßen keucht, dann schläft die Stadt ruckweise wieder ein. Um zehn Uhr ist alles still und verschlossen. Hier und da sieht man auf einem herabgelassenen Vorhang

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den Schattenriß einer Frau, die sich die Haare kämmt, und in den Wirtshäusern herrscht noch gedämpftes Ru- moren. Der Mond wirft die Schatten der verschnörkel- ten Giebel auf die Giebel der gegenüberliegenden Häu- ser und versilbert den Schaum der immer brausenden Wassermühle. Der letzte, der die Kneipe verläßt, so gegen zwölf, ist Gommarus Nollekens, Böttcher, Drechs- ler und Schnitzer von Spekulatiusformen. Er spricht mit seiner Kundschaft in Reimen und macht "Theaterstücke in Versen, wie: ‚Der Fall Babylons‘; jetzt arbeitet er an einer Geschichte der Stadt in Reimen.

Als er seine Tür geschlossen hat, ist alles zu. Damit ist der Tag völlig zu Ende. Auf dem singenden, mond- hellen Turm bläst der Wächter sein eintöniges: ,,Schla- fet wohl!“ und der Straßennachtwächter Suske Niks sitzt, seine Lanze im Arm, in einem Bedürfnishäuschen und schläft. Er wird wieder keine Diebe zu Gesicht be- kommen.

Aber zur Jahreswende bringt er seinen gedruckten, ge- reimten Neujahrsbrief, auf dem Jahr für Jahr dasselbe

zu lesen ist, unter anderem:

„Ihr Bürger, fürchtet nicht die Nacht, Wir naiten euch getreu die Wacht!“

Übertragen von Peter Mertens

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ZWEI GEDICHTE VON RICARDA HUCH

Mondnacht

Eine gelbe Eule uralt

Durch den Tannenwald streicht Lautlosen Flugs bei Nacht,

Auf Beute paßt.

Der Mond ists; klettert von Ast zu Ast, Behend und leicht,

Kein Zweiglein kracht.

Nun ist sie droben, die Mörderin,

Hält das Mäuslein umkrallt,

Fliegt lautlos über die blauen Wipfel hin.

ak

Wie du von Schénheit schaumst, Herrlicher Becher Welt! Noch den Rand, der die Fülle kaum hält,

Golden umsäumst!

Meine Lippen trinken beglückt,

Was der feurige Tag mir mischt; Wenn die Sonne erlischt |

Von Sternen die Nacht noch durchzückt.

Rausche fort, rausche fort, edle Flut, Schenk mir voll ein, schaffendes Licht! Bis der Becher zerbricht,

Und gesättigt die Seele ruht. .

*

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DIE SEELE UND DER TANZ VON PAUL VALERY

Sokrates: Hast du nicht den Eindruck, Eryximachos, und auch du, mein lieber Phaidros, daß das Geschöpf, das dorten ausschwingt und sich anbetenswürdig in un- seren Blicken bewegt, daß diese glühende Athikte, die sich verteilt und wieder zusammennimmt, die sich auf- hebt und einsinkt in sich selbst, die sich mit solcher Ge- schwindigkeit öffnet und schließt, und die anderen Raumbeziehungen anzugehören scheint als den unsrigen, den Anschein erweckt, als fühle sie sich wohl und lebe ganz und gar in einem dem Feuer vergleichbaren Element —, in einer sehr besonderen Durchdringung von Bewegung und Musik, darin sie eine unerschöpfliche Kraft einatmet, während sie selbst mit ihrem ganzen Wesen den reinen und unmittelbaren Andrang der äußersten Seligkeit genießt? Wenn es uns einfiele, unsere gewichtige und ernsthafte Lage mit dem Zustand dieses funkelnden Salamanders zu vergleichen, würde sich dann nicht herausstellen, daß unsere gewöhnlichen Handlungen, wie sie nach und nach aus unseren Be- dürfnissen hervorgehen, daß unsere Gebärden und un- sere gelegentlichen Bewegungen wie ein grober Roh- stoff seien, wie eine aus Unreinem gemachte Dauer, während diese Entzückung und Schwingung des Lebens, während diese unübertreffliche Spannung, dieses Hin- gerissensein in die höchste Beweglichkeit, deren man fähig ist, die Eigenschaften und Kräfte der Flamme be- sitzt, und daß alles, was Schande ist, Überdruß, Nich-

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tigkeit, und der ganze einténige Unterhalt des Daseins sich darin aufzehrt, so daß in unseren Augen der Glanz des Göttlichen sich spiegelt, das in einer Sterblichen Platz hat?

Phaidros: Bewunderungswürdiger Sokrates, schnell, sieh, bis zu welchem Grade du recht hast! ... Sieh die Bebende! Als ob der Tanz wie eine Flamme aus ihr schlüge!

Sokrates: O Flamme! ...

Dieses Mädchen ist vielleicht die Dummheit selbst? ... O Flamme! ...

Wer weiß, aus was für abergläubischen Narrheiten und Possen ihre tägliche Seele besteht’?

O Flamme, immerhin! ... Wacher und göttlicher Ge- genstand! ...

Aber was ist eine Flamme, o meine Freunde, wenn niċht der Augenblick selbst? Das Tolle, das Aus- gelassene, das Furchtbare, das Augenblicke enthält! ... Wenn dieser Augenblick zwischen der Erde und dem Himmel zu handeln beginnt, so ist das Flamme. Alles, o meine Freunde, was aus dem Zustand der Schwere in den Zustand der Schwebe übergeht, muß durch diesen Augenblick aus Feuer und Licht ...

Und Flamme, ist sie nicht auch die unfaßliche und stolze Gestalt der edelsten Zerstörung? Das, was nie wie- der geschehen wird, geschieht prunkvoll vor unseren Augen! Das, was nie wieder geschehen wird, muß notwendig mit dem größten Prunk geschehen, der sich denken läßt! Wie die Stimme blindlings singt, wie die Flamme singt, ganz außer sich zwischen Stoff und

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Ather, und vom Stoff zum Ather grollend und wiitend sich hinüberstürzt, ist der große Tanz, o meine Freunde, nicht eigentlich die Befreiung unseres Körpers, der ganz besessen ist vom Geist der Lüge und von der Musik, die Lüge ist, und der sich trunken fühlt in der Verneinung der nichtigen Wirklichkeit? Seht mir diesen Körper, der aus sich springt wie eine Folge sich gegenseitig verdrängender Flammen, seht, wie er nieder- stampft und mit Füßen tritt, was wahr ist! Wie er die Stelle selbst, auf der er steht, in freudiger Wut vernich- tet, wie er sich berauscht an der Übertreibung seiner Verwandlungen! Wie er gegen den Geist kämpft! Seht ihr nicht, wie er mit der Seele wetteifern will an Schnel- ligkeit und Wechsel? Er ist eigentümlich eifersüch- tig auf diese Freiheit, auf diese Allgegenwärtigkeit, die der Geist zu besitzen scheint! ...

Ohne Zweifel, der einzige und ständige Gegenstand der Seele ist das, was es nicht gibt: das, was war, und nicht mehr ist; das, was sein wird, und noch nicht ist; das Mögliche, das Unmögliche, das alles ist Sache der Seele, aber niemals, niemals das, was ist!

Und der Körper, der das ist, was ist, auf einmal kann er sich nicht mehr halten im Raum! Wohin sich wer- fen? Was werden ? Dieses eine versucht das Spiel, alles zu sein. Er will es spielend der Allgegenwärtig- keit der Seele gleichtun! Er sucht eine Abhilfe gegen sein Sich-selbst-gleich-sein durch die Zahl seiner Akte! Das Ding, das er ist, bricht auf in Ereignisse! Er gerät außer sich! Und wie der erregte Gedanke an alle Dinge rührt, zittert zwischen Zeit und Augenblick

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und alle Unterschiede überspringt; und wie in unserem Geist sich symmetrisch die Vermutungen ausbilden, wie die verschiedenen Grade des Möglichen sich in Reihen aufstellen und gezählt werden, so beutet dieser Kör- per sich aus in allen seinen Teilen, findet neue Zusam- menstellungen mit sich selbst, gibt sich Gestalt um Ge- stalt und geht unaufhörlich aus sich hinaus! ... Nun hat er endlich den Zustand erreicht, da er der Flamme vergleichbar wird, mitten in einem Wechsel, der ganz Handlung ist ... Unmöglich, noch von „Bewegung“ zu sprechen ... Die Glieder sind nicht mehr von den Akten zu unterscheiden ...

Diese Frau, die da war, ist verschlungen von unzähligen Gestalten ... Dieser Körper in den Ausbrüchen seiner Kraft bringt mir einen äußersten Gedanken in Vor- schlag: ähnlich wie wir von unserer Seele Dinge verlan- gen, für die sie nicht gemacht ist, wie wir von ihr for- dern, daß sie uns erleuchte, daß sie wahrsage, daß sie die Zukunft errate, ja, sie sogar beschwören, Gott zu entdecken, so macht dieser Körper da Anspruch auf eine vollkommene Besitzergreifung seiner selbst, auf einen Grad von Ruhm, der über das Natürliche hinaus- geht ... Aber es verhält sich mit ihm wie mit der Seele, für die Gott, die Weisheit und die Tiefe, die man von ihr verlangt, nichts als Augenblicke sind und sein kön- nen, Blitze, Bruchstücke einer fremden Zeit, verzwei- felte Sprünge aus den Grenzen der Gestalt ... Phaidros: Sieh doch, sieh! ... Dort tanzt sie und schenkt den Augen, was du hier zu sagen versuchst ... Sie macht den Augenblick sichtbar ... Und durch was

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fir Edelsteine geht sie hindurch! ... Sie wirft ihre Ge- barden aus wie Glanz um Glanz! ... Sie entwendet der Natur unmögliche Haltungen vor den eigenen Augen der Zeit! ... Und die Zeit läßt sich täuschen ... Ungestraft schreitet sie durch das Undenkbare ... Sie ist göttlich im Unaufhaltsamen und bringt es unseren Augen zum Geschenk! ...

Eryximachos: Der Augenblick gebiert die Form, und die Form macht den Augenblick sichtbar.

Phaidros: Sie flieht von ihrem Schatten in die Lüfte!

Sokrates: Wir sehen sie immer nur wie im Sturz ... Eryximachos: Sie hat aus ihrem Körper etwas ge- macht, was so gelöst ist und so gebunden wie eine ge- schickte Hand... Meine Hand allein kann dieses Sich- besitzen und die Festigkeit ihres ganzen Körpers nach- ahmen...

Sokrates: O meine Freunde, fühlt ihr euch nicht ruck- weis geschiittelt vom Rausch und wie durch wiederholte, immer stärkere Stöße den übrigen Genossen ähnlich wer- den, die es kaum auf ihren Plätzen aushalten und nicht mehr fähig sind, ihre Dämonen in Stille und Versteck zu halten? Ich selbst, ich fühle mich von außerordent- lichen Kräften ergriffen ... oder vielmehr, ich fühle sie aus mir ausbrechen, aus mir, der ich nicht wußte, daß ich sie besitze. In einer Welt, die ganz Ton ist, Wider- hall und Absprung, bietet dieses eindringliche Fest des Körpers unseren Seelen ein Schauspiel von Licht und Freude ... Alles ist feierlicher, alles ist leichter, leb- hafter und stärker; alles ist möglich auf eine andere

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Weise; alles kann, ohne Ende, wieder anfangen ... Nichts widersteht dieser Abwechslung des Betonten und Unbetonten ... Schlagt zu, schlagt zu! ... Der Stoff, geklopft, geschlagen, gestoßen im Takt; Schlag um Schlag wider die Erde; die Felle und die Saiten wohl- gespannt und geschlagen; Handflächen und Fersen schlagen und klopfen die Zeit, schmieden Freude und Übermut; und alle Dinge herrschen in einem schön- geordneten Wahnsinn.

Aber die wachsende und aufspringende Freude droht alle Maße zu überfluten, erschüttert wie ein Sturmbock die Mauern, die zwischen den Wesen sind. Männer und Frauen, im Takt, reißen den Gesang mit sich fort in den Tumult. Alle schlagen und singen zugleich, und etwas nimmt zu und überhand ... Ich höre das Getös aller der glänzenden Waffen des Lebens! ... Die Zim- beln zerdrücken an unseren Ohren jede Stimme der heimlichen Gedanken. Sie sind lärmend wie Küsse von ehernen Lippen ..

Eryximachos: toen zeigt Athikte eine letzte Fi- gur. Ihr ganzer Körper verschiebt sich, aufruhend auf der Kraft der großen Zehe.

Phaidros: Diese Zehe, die sie ganz allein trägt, be- arbeitet das ‘Trommelfell des Bodens, wie der Daumen die Trommel. Welche Aufmerksamkeit ist in dieser Zehe, welcher Wille strammt sie und hält sie auf ihrer Spitze! ... Aber jetzt dreht sie um sich selbst ... Sokrates: Ja, sie dreht um sich selbst, und die von ewig her verbundenen Dinge beginnen sich zu trennen.

Sie dreht und dreht ...

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Eryximachos: Das heißt wirklich vordringen in eine andere Welt...

Sokrates: Darüber hinaus bleibt nichts zu versuchen ... Sie dreht, und alles Sichtbare fällt ab von ihrer Seele; der Schlamm ihrer Seele scheidet sich endlich vom Rein- sten; Menschen und Dinge sind im Begriff, um sie her- unı im Kreis einen formlosen Niederschlag zu bilden... Seht ihr ... Sie dreht ... Ein Körper, durch seine bloße Kraft, durch seine Handlung, ist mächtig genug, das Wesen der Dinge gründlicher zu verändern, als es je- mals dem Geist in seinen Untersuchungen und Trau- men gelingt!

Phaidros: Es sieht aus, als könne das ewig dauern. Sokrates: Sie könnte sterben in diesem Zustand... Eryximachos: Schlafen, vielleicht, einschlafen in einen magnetischen Schlaf...

Sokrates: Unbeweglich würde sie ruhn in der Mitte ihrer Bewegung. Ganz für sich, ganz für sich, gleich der Weltachse ...

Phaidros: Sie dreht, sie dreht ... Sie fällt! Sokrates: Sie ist gefallen!

Phaidros: Sie ist tot...

Sokrates: Sie hat ihre Hilfskräfte erschöpft und den heimlichsten Schatz in ihrem Gewebe!

Phaidros: Götter! Sie kann sterben ... Eryximachos, schnell! ... | Eryximachos: Ich pflege nicht mich zu eilen unter dergleichen Umständen! Wenn die Dinge sich einrich- ten sollen, so schickt es sich, daß der Arzt sie nicht störe, sondern eben eintreffe einen winzig kleinen Mo-

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ment vor der Wiederherstellung, im gleichen Schritt mit den Göttern.

Sokrates: Man sollte immerhin zusehen. Phaidros: Wie weiß sie ist!

Eryximachos: Lassen wir die Ruhe wirken, die sie heilen soll von der Bewegung.

Phaidros: Du glaubst, sie ist nicht tot? Eryximachos: Sieh diese kleine Brust, die nichts ver- langt, als zu leben. Sieh, wie sie leicht zittert und hängt an der Zeit...

Phaidros: Ich seh es nur zu sehr.

Eryximachos: Sie hat gesagt: „Wie wohl mir ist!“ Flügel, bevor er wieder auffliegt.

Sokrates: Sie scheint ziemlich glücklich.

Phaidros: Was hat sie gesagt?

Sokrates: Etwas für sich allein.

Eryximachos: Sie hat gesagt: „Wie wohl mir ist!“ Phaidros: Der kleine Haufen von Gliedern und Tü- chern rührt sich .

Eryximachos: Nur, Kleine, mein Kind, machen wir mal die Augen auf. Wie fühlst du dich jetzt? Athikte: Ich fühle nichts. Ich bin nicht tot. Und doch, ich bin nicht lebendig!

Sokrates: Von wo kommst du zurück?

Athikte: Zuflucht, Zuflucht, o meine Zuflucht, o Wir- bel! Ich war in dir, o Bewegung, en außer-

halb aller Dinge ..

Aus dr Einleitung zu „Eupalinos“ von Paul Valéry übertragen von Rainer Maria Rilke

ak

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EINE PREDIGT MEISTER ECKHARTS

Warum wir sogar Gottes ledig werden sollen

Man heißt einen „geistlich Armen“ denjenigen, wel- cher nichts will. Diesen Sinn verstehen etliche Leute falsch, jene Leute nämlich, die mit Pönitenz und äußerlicher Übung doch nur ihr Eigenwesen beibehalten. Daß die Leute für groß geachtet werden, des erbarme Gott! Wie erkennen sie doch so wenig von der gött- lichen Wahrheit! Diese Menschen heißen heilig wegen der Figur, die sie nach außen machen, aber von innen sind sie Esel, denn sie erfassen gar nicht den eigentlichen Sinn der göttlichen Wahrheit. Diese Leute sagen wohl, wer nichts wolle, sei ein geistlich Armer; sie fassen das aber so auf, als müsse der Mensch derart beschaffen sein, daß er nimmer und in gar nichts mehr seinen eigenen Willen erfülle, sondern danach trachte, G ottes liebsten Willen zu erfüllen. Diese Menschen sind nicht übel dran, denn sie meinen es gut; wir wollen sie darum lo- ben, Gott in seiner Barmherzigkeit wird ihnen wohl das Himmelreich gewähren.

Ich aber sage in vollem Ernst, daß diese Leute keine im wahren Sinne geistlich armen Menschen sind und ihnen auch nicht gleichen. Sie gelten nur für groß in der Leute Augen, die sich auf nichts Besseres verstehen. Doch ich behaupte, daß sie Esel sind, welche die gött- liche Wahrheit gar nicht erfaßt haben. Mit ihren guten Absichten mögen sie vielleicht das Himmelreich bekom- men; aber die Armut, über die ich jetzt sprechen will, von der wissen sie nichts.

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Wenn man mich nun fragte, was denn das eigentlich sei: „ein armer Mensch, der nichts will“, darauf ant- worte ich und spreche also: Solange der Mensch noch in der Verfassung steht, daß er den Willen hat, Gottes allerliebsten Willen erfüllen zu wollen, solange hat er nicht die Armut, von der wir sprechen wollen; denn dieser Mensch hat ja noch einen Willen, mit dem er dem Willen Gottes Genüge tun will, und das ist das Rechte nicht. Denn soll der Mensch wahrhaft arm sein, so muß er seines geschöpflichen Willens so ledig sein, wie ers war, als er noch nicht war. Und ich sage euch bei der ewigen Wahrheit, solange ihr den Willen habt, den Willen Gottes zu erfüllen, und solange ihr noch irgend- ein Begehren habt nach der Ewigkeit und nach Gott, solange seid ihr noch gar nicht geistlich arm. Denn das nur ist ein armer Mensch, der nichts will und nichts begehrt.

Da ich noch stund in meiner ersten Ursache, da hatte ich keinen Gott, da gehörte ich mir selber. Ich wollte nichts, ich begehrte nichts, denn ich war da ein lediges Sein und ein Erkenner meiner selbst nach göttlicher Wahrheit. Da wollte ich mich selbst und wollte nichts anderes; was ich wollte, das war ich, was ich war, das wollte ich, hier stand ich Gottes und aller Dinge ledig. Als ich aber aus meinem freien Willen herausging und mein geschaffenes Wesen empfing, da hatte ich einen Gott; denn ehe die Kreaturen waren, war Gott nicht Gott: erwar,was er war. Als die Kreaturen wurden und ihr geschöpfliches Wesen empfingen, da war Gott nicht in

sich selber Gott, sondern in den Kreaturen war er Gott.

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Und nun behaupten wir: Gott, soweit er nur Gott ist, ist nicht das höchste Ziel der Schöpfung und hat nicht einmal so große Wesensfülle, wie die geringste Kreatur in Gott sie besitzt! Und wäre es, daß eine Fliege Ver- nunft hätte und mit Vernunft zu suchen vermöchte den ewigen Abgrund göttlichen Wesens, aus dem sie ge- kommen ist, so sagen wir: Gott mit alledem, was er als Gott ist, könnte Erfüllung und Genügen nicht einmal dieser Fliege geben! Darum bitten wir, daß wir Gottes ledig werden und nehmen die Wahrheit und genießen die Ewigkeit, in der die obersten Engel und die Fliegen und die Seelen gleich sind und wo auch ich stand, als ich noch wollte, was ich war, und war, was ich wollte. In diesem Sinne soll der Mensch arm sein an Willen und so wenig wollen und begehren, wie er wollte und begehrte, als er noch nicht war. In dieser Weise ist der Mensch arm, der „nichts will“ .

Nun gebt scharf acht! Ich hab es sok gesagt, und große Meister sagen es auch: Der Mensch solle aller Dinge und Werke, innerlicher wie äußerlicher, so ledig sein, daß er eine eigene Stätte Gottes sein könnte, darin Gott wirken könnte. Jetzt aber sagen wir anders. Ist das der Fall, daß der Mensch aller Dinge ledig steht, aller Krea- turen und seiner selbst und Gottes, und steht es so mit ihm, daß Gott in ihm eine Stätte zum Wirken findet, so sagen wir: Solange es noch so etwas gibt im Menschen, ist der Mensch nicht arm in der innerlichsten Armut. Denn Gott zielt mit seinem Wirken nicht darauf, daß der Mensch in sich eine Stätte habe, darin Gott wirken könnte; sondern das nur ist Armut des Geistes, wenn

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der Mensch so ledig steht Gottes und aller seiner Werke, daß, wollte Gott in der Seele wirken, er dann selber die Stätte sein müßte, darin er wirken möchte, und das Gre er gewiß gerne. Denn fände Gott. den Menschen in solcher Weise arm, so müßte Gott sein eigenes Wirken über sich ergehen lassen und wäre selber die Stätte seines Wirkens, eben darum, weil er ja ein Wirken in sich selber ist. Allhier, in dieser Armut, erlangt der Mensch das ewige Sein wieder, das er gewesen ist, das er nun- mehr ist und als das er ewiglich leben wird.

Wir sagen also, der Mensch muß so arm stehen, daß er nicht sei noch in sich habe eine Stätte, darin Gott wirken könnte. Solange der Mensch noch irgendeine Stätte in sich behält, behält er auch noch Unterschied. Darum bitte ich Gott, daß er mich Gottes quitt mache;. denn mein wesenhaffes Sein ist über Gott und über allem Unterschied: da war ich ich selber, da wollte ich mich selber und erkannte mich selber, um diesen Menschen hier zu machen. Und darum bin ich meine eigene Ursache meinem Wesen nach, das ewig ist, nicht aber meinem Werden nach, das zeitlich ist. Darum bin ich geboren, und nach meiner ewigen Geburt Weise vermag ich nimmermehr zu sterben. Nach mei- ner ewigen Geburt Weise bin ich ewiglich gewesen, bin ich jetzt und werde ich ewiglich bleiben. Was ich als zeitliches Geschöpf bin, das wird sterben und zunichte werden, denn es ist der Zeit verfallen; darum muß es mit der Zeit verderben. In meiner ewigen Geburt aber wurden alle Dinge geboren, hier war ich Ursache meiner selbst und aller Dinge. Wenn ichs hier gewollt

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hätte, so ware weder ich noch die ganze Welt, und wenn ich nicht wäre und die ganze Welt nicht wäre, dann wäre auch Gott nicht; daß Gott Gott ist, dessen bin ich eine Ursache, wäre ich nicht, so wäre Gott nicht Gott.

Ein großer Meister sagt: Sein Durchbrechen sei edler denn sein Entquellen. Das ist wahr. Als ich aus Gott floß, da sprachen alle Dinge: Gott ist. Nun kann mich das nicht selig machen; denn hierbei erkenne ich mich nur als Kreatur. Aber in dem Durchbrechen, da ich ledig stehen will im Willen Gottes, da ich ledig stehe sogar des Gotteswillens und aller seiner Werke, ja Gottes selber, da bin ich über allen Kreaturen, bin weder Gott noch Kreatur, sondern bin, was ich war und was ich blei- ben werde nun und immerdar. Da empfange ich einen Ruck, der mich bringen soll über alle Engel. In diesem Ruck empfange ich so großen Reichtum, daß Gott mir nicht genug sein kann mit allem, was er als Gott ist, nach allen seinen göttlichen Werken; denn ich empfange in diesem Durchbrechen, daß ich und Gott eins sind. Da bin ich, was ich war, da nehme ich weder ab noch zu, denn ich bin da eine unbewegliche Ursache, die alle Dinge bewegt. Allhier findet Gott keine ,,Statte mehr im Menschen, denn der Mensch erringt mit seiner Armut, was er ewiglich gewesen ist und immer bleiben wird. Allhier ist Gott mit dem Geiste eins, und das ist die innerlichste Armut, die man finden kann.

Wer diese Rede nicht versteht, der bekümmere sein Herz nicht damit. Solange nämlich der Mensch nicht selber dieser Wahrheit gleicht, solange wird er diese Rede nicht

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Rottweil

Madonna vom Kapellenturm in

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verstehen. Denn es ist eine unbedachte Wahrheit, die da kommen ist aus dem Herzen Gottes, unmittelbar. So leben zu dürfen, daß wir es ewiglich erfahren, dazu

helfe uns Gott! Amen.

Aus dem neuesten und letzten Band des „Domes“: Meister Eckhart

ak

DREI NACHGELASSENE GEDICHTE VON RAINER MARIA RILKE

Wendung

Lange errang ers im Anschaun. Sterne brachen ins Knie

unter dem ringenden Aufblick. Oder er anschaute knieend, und seines Instands Duft machte ein Göttliches müd,

daß es ihm lächelte, schlafend.

Türme schaute er so,

daß sie erschraken:

wieder sie bauend hinan, plötzlich, in Einem. Aber wie oft die vom Tag

überladene Landschaft

ruhete hin in sein stilles Gewahren, abends.

Tiere traten getrost

in den offenen Blick, weidende,

und die gefangenen Löwen

starrten hinein wie in unbegreifliche Freiheit;

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Vögel durchflogen ihn grad, den gemiitigen. Blumen wiederschauten in ihn

groß wie in Kinder.

Und das Gerücht, daß ein Schauender sei, rührte die minder

fraglicher Sichtbaren,

rührte die Frauen.

Schauend wie lang? Seit wie lange schon innig entbehrend,

flehend im Grunde des Blicks ?

Wenner, ein Wartender, saß in der Fremde; des Gasthofs zerstreutes abgewendetes Zimmer

mürrisch um sich, und im vermiedenen Spiegel

wieder das Zimmer

und später vom quälenden Bett aus

wieder:

da beriets in der Luft,

unfaßbar beriet es

über sein fühlbares Herz,

über sein durch den schmerzhaft verschütteten Körper dennoch fühlbares Herz

beriet es und richtete:

daß er der Liebe nicht habe.

(Und verwehrte ihm weitere Weihen.)

Denn des Anschauns, siehe, ist eine Grenze, _

und die geschautere Welt

will in der Liebe gedeihn.

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Werk des Gesichts ist getan,

tue nun Herzwerk . |

an den Bildern in dir, jenen gefangenen. Denn du überwältigtest sie; aber nun kennst du sie nicht. Siehe, innerer Mann, dein inneres Mädchen, dieses errungene aus

tausend Naturen, dieses

erst nur errungene, nie

noch geliebte Geschöpf.

Zu der Zeichnung, John Keats im Tode darstellend

. Nun reicht ans Antlitz dem gestillten Rühmer die Ferne aus den offenen Horizonten:

so fällt der Schmerz, den wir nicht fassen konnten, zurück an seinen dunkeln Eigentümer.

Und dies verharrt, so wie es, leidbetrachtend, sich bildete zum freiesten Gebilde, noch einen Augenblick, in neuer Milde

das Werden selbst und den Verfall verachtend.

Gesicht: o wessen ? Nicht mehr dieser eben noch einverstandenen Zusammenhänge.

O Aug, das nicht das schönste mehr erzwänge der Dinge aus dem abgelehnten Leben.

O Schwelle der Gesänge,

o Jugendmund, für immer aufgegeben.

Und nur die Stirne baut sich etwas dauernd hinüber aus verflüchtigten Bezügen,

QI

als strafte sie die miiden Locken Ligen, die sich an ihr ergeben, zartlich trauernd.

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W ie der Abendwind durch geschulterte Sensen der Schnitter, geht der Engel lind durch die schuldlose Schneide der Leiden. Halt sich stundenlang zur Seite dem finsteren Reiter, hat denselben Gang wie die namenlosen Gefühle. Steht als Turm am Meer, zu dauern unendlich gesonnen; was du fühlst, ist er, im Innern der Härte geschmeidig, daß im Notgestein die gedrängte Druse der Tranen, lange wasserrein, sich entschlösse zu Amethysten.

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DIE NACHTIGALL VON D. H. LAWRENCE

Toskana ist das Land der Nachtigallen, und im Frih- ling und Sommer singen sie ohne Unterlaß, nur um die Mitte der Nacht und um die Mitte das Tages schweigen sie. In den vielblättrigen kleinen Hainen, die vom Hügel- hang sich über das Bett des Baches neigen, wie wenn Venushaar vom Felsen herabhängt, hörst du schon im bleichen Dämmerlicht, etwa um vier Uhr in der Frühe, wieder ihren hellen Aufschrei: „Hello! Hello! Hello!“ Es ist der lichteste Laut, den die Welt kennt. Immer, wenn du ihn vernimmst, fühlst du ein Verwundern und

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auch dies muß gesagt sein ein Erschauern, weil der Klang so licht, so glitzernd ist, und weil so viel Kraft in ihm lebt.

„Das ist die Nachtigall!“ sagst du dann zu dir selbst. Es klingt in der Halbhelle, als sprühten aus dem kleinen Dickicht die Sterne empor und schössen hinauf in die ungeheure Grenzenlosigkeit des Himmelsraumes, um, von ihr geborgen, zu entschwinden. Aber der Gesang dauert auch nach Sonnenaufgang fort, und immer wie- der vernimmst du es mit neuem Erstaunen und fragst dich verwundert: Wie um alles in der Welt kann man die Nachtigall einen schwermütigen Vogel nennen? Sie ist das lauteste, leichtsinnigste, lärmlustigste und vergnügteste Geschöpf im ganzen Königreich der Vögel. Wie John Keats es fertigbekommen hat, seine „Ode an eine Nachtigall“ mit den Worten zu beginnen: „Mein Herz wird weh, und schmerzliches Erschlaffen betäubt die Sinne mir“ das ist ein Geheimnis für jeden, der den wahren Klang des Sanges kennt. Und nun deu- test du ihren silberhellen Ruf: „Was, was, was, John? ‚Dein Herz wird weh, und schmerzliches Erschlaffen ?‘ Tra-la-la! Tri-li-lilülilülilülilü !“

Und warum die Griechen sagten, die Nachtigall rufe im Gebüsch schluchzend nach ihrem (oder ihrer) ver- lorenen Geliebten, das weiß ich gleichfalls nicht. „Dschög- dschög-dschög !“; schreiben die Schriftsteller des Mittel- alters, um das Geriesel der blitzenden Tonperlen in der Nachtigallenkehle darzustellen. Es ist ein wilder, prun- kender Ton, prunkhafter als die Augen auf dem Pfauen- schweif.

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„— die braune Nachtigall, die lieberfüllte, ist halb getröstet schon um Itylos —“

Dieses „Dschög-dschög-dschög!“ so sagen sie, sei das Schluchzen der Nachtigall. Wie man es so deuten kann, bleibt ein Geheimnis. Wie irgendein Mensch, der die Ohren nicht etwa geradezu verkehrt am Kopfe sitzen hatte, die Nachtigall ,,schluchzen“ hören konnte, weiß ich nicht. Jedenfalls: es ist ein männlicher Laut, ein höchst nach- drücklich und urkräftig männlicher Laut. Ganz einfach ein Sichgeltendmachen. Es ist keine Spur noch ein Schatten von Echo und schwächlichem Widerhall darin, nichts, was einer dumpfen leisen Glocke gliche. Nichts auf der Welt ist so fern vom Gefühl des Verlassenseins. Um es in klarer Tatsächlichkeit zu sagen: Die Nachti- gall singt mit klingender, scharf» vorstoßender Lebhaf- tigkeit und ursprünglicher Selbstbewußtheit, mit einer Art von strahlendem Jubel und funkelnder Verflechtung des Tongewebes; so muß es im Himmel geklungen haben am ersten Schöpfungstage, als die Engel sich plötzlich erschaffen fanden und laut jauchzten, bevor sie dessen inne wurden. Welch ein Lärmen der Engelstimmen muß das gewesen sein in den Hainen des Himmels! „Joho, hört! Ich bin da!“ singt die Nachtigall. Schon um des Glanzes willen, der in diesem sieghaft selbst- bewußten Klanggebilde strahlt, mußt du ihr lauschen. Um in der sichtbaren Welt eine gleich vollendete Selbst- verkündigung zu finden, mußt du vielleicht einen Pfau betrachten, der mit allen bunten Augen seines Schweifes prunkt. Von allen zu höchster Glanzentfaltung geschaf-

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fenen Geschöpfen sind diese beiden wohl die allervoll- kommensten: das eine im unsichtbaren trrumphierenden Klange, das andere in stummer Sichtbarkeit. Die Nach- tigall ist, wenn du sie erblickst, ein ganz unscheinbarer, graubrauner Vogel, und doch webt um sie der zarte ge- heimnisvolle Tanz aus innerer Lebensfülle. So auch der Pfau: er wird abscheulich, wenn er sich vernehmbar macht, aber du fühlst dich dennoch davon getroffen; es ist ein furchtbarer Schrei, der aus der Tiefe des drohen- den Dschungels stammt. Und in der Tat siehst du ihn auf Ceylon, wie er von hohem Aste herab seinen Schrei gellen läßt und dann an den Affen vorüber in das un- durchdringliche Dschungel flattert, das finster und voll siedender Hitze ist.

Und vielleicht ist dies ich meine: diese unverstellte selbstbewußte Offenbarung des wahren Wesens, mag man ihr Ungestüm engelhaft nennen oder dämonisch —, vielleicht ist dies der Grund, weshalb die Nachtigall den männlichen Lauscher traurig stimmt; freilich ist diese Trauer zur Hälfte Neid. Der Vogel ist voll einer so sieg- haften Bejahung in seinem lebendigen Wesen, das ewig neu und vollkommen aus der Hand des reichen heiteren Schöpfers kommt. Und der Pfau wölbt den Kreis der bronzenen und purpurfarbenen Augen seines Schweifes mit stolzem Selbstgefühl.

Die Nachtigall ist, laßt es mich wiederholen, das am wenigsten traurige Geschöpf auf dieser Erde. Es gibt für sie keinen Grund zur Traurigkeit. Sie fühlt sich völ- lig im Einklang mit dem Leben. Und das ist kein Wahn. Sie fühlt sich ganz einfach als ein vollkommenes Stück

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Leben, und sie trillert ihr Gefühl in die Welt hinaus: jauchzt, formt ihr „Dschög-dschög‘“, gurgelt, trillert, läßt lange Rufe voll spöttisch erheuchelter Klage er- tönen, singt Liebeserklärungen, brüstet sich mit ihrem Wohllaut, schmettert Triumph; niemals aber grübelt sie. Ihr Gesang ist reine Musik in dem Sinne, daß man niemals Worte zu ihm würde ersinnen können. Aber es gibt Worte für die Empfindungen, die der Ge- sang in uns erweckt. Nein! nicht einmal das ist wahr. Es gibt keine Worte für das, was man in Wahrheit fühlt, wenn man der Nachtigall lauscht. Es ist etwas um so viel Reineres als Worte; denn alle Worte sind unrein geworden. Dies immerhin kann man sagen: es ist eine Art von 'Triumphgefühl im Bewußtwerden der eigenen höchsten Lebenskraft. „Nicht weil ich Neid auf dein Beglücktsein fühle, nein, weil dein Glück mich allzusehr beglückt, leichtschwingige Dryade du im Hain, die du in holder Schattenkühle des Buchengrüns hell jubelnd und entzückt vom Sommer singst und seinem Seligsein.“ Armer Keats! Er mußte sich wohl durch das Glück der Nachtigall „allzusehr beglückt“ fühlen, da er im eigenen Innern wahrhaftig nicht allzu gliicklich war. So hat er den Wunsch, aus Hippokrene, dem „rosenfarbenen Quell“, zu trinken und mit der Nachtigall zu verschwin- den im Dämmer des Waldes: »— mich aufzulösen und nicht mehr zu kennen, was du im Blättergrün niemals gekannt: den Zorn, den Ekel und des Fiebers Brennen —“

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Aber es gelingt ihm nicht. Die unsichtbaren Schwingen seines Dichtertums tragen ihn nur ins Gebiisch, aber nicht in die Nachtigallenwelt. Von ihr ist er noch immer ausgeschlossen :

„Ich lausche schwermutvoll, und lange Stunden

lieb ich dich fast, du Ruhespender Tod —“

Die Nachtigall hat niemals einem Manne Liebe zum „Ruhespender Tod“ eingeflößt, es sei denn durch die Wirkung des Gegensatzes. Des Gegensatzes zwischen der licht lohenden Flamme reiner, weltbejahender, in sich selbst ruhender Lebenskraft, die in dem Vogel brennt, und dem schmerzlichen Geflacker eines nicht aus dem eigenen Selbst genährten Verlangens, das den Dichter John Keats mit ewig ungestillter und gestalt- loser Sehnsucht erfüllt:

„— still zu erlöschen um die Mitternacht, indessen du, in Leidenschaft verzückt, im Lied dich selig willst verschwenden Ich aber, taub für deines Sanges Pracht, bin schon dem hohen Requiem entrückt

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Wie würde sich die Nachtigall wundern, wenn man ihr die Wirkung ihres Liedes auf den Dichter klarmachen könnte! Sie würde vor Staunen von ihrem Zweige fallen. Denn mit der Nachtigall steht es so, daß sie, wenn du ihr antwortest, nur um so lauter ruft und singt. Stell dir vor, es würden in den Nachbarbüschen ein paar andere Nachtigallen zu schlagen beginnen (wie sie es immer tun) dann sprühen die blauweißen Tonfunken

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mit blendendem Glanze zum Himmel empor. Und stell dir vor, du, armseliger Sterblicher, safest gerade auf der schattigen Bank und hättest eine Auseinandersetzung mit der Herrin deines Herzens Schwerenot, dann legt der Vorsänger des Nachtigallenchores los und läßt seinen Gesang anschwellen wie Caruso im dritten Akt; das ist ganz einfach eine strahlend hervorstrudelnde Tonrase- rei, und du wirst niedergesungen, bis du dein eigenes Wort nicht mehr hörst und den Streit aufgibst.

Es war in der Tat im Wesen Carusos etwas, das sehr an die Nachtigall gemahnte die vogelgleiche aufflam- mende wunderbare Kraft des Gesanges, das Erfülltsein vom eigenen Wesen, das Schwelgen im Selbst:

„Unsterbliche, dein Los ist nicht der Tod, kein Bruderelend macht dein Herz erstarren

wenigstens nicht in Toskana. Da gehen zwanzig aufs Dutzend. Sogar der Kuckuck erscheint dort leise und gleichsam entfernt, wenn er im Vorüberfliegen seinen gedämpften, halb verdeckten Ruf ertönen läßt. Viel- leicht aber steht es in England wirklich anders:

„Das Lied, das mich in dieser Nacht umloht, vernahmen einst die Kaiser wie die Narren: Vielleicht erschloß sich diesem selben Sange Ruths heimwehkrankes Herz, als sie voll Gram in Tränen auf dem fremden Felde stand

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Aber warum in Tränen? Immer Tränen! Nehmen wir zunächst die Kaiser: Ich möchte doch wohl wissen, ob etwa Diocletian in Tränen ausbrach, als er die Nachti-

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gall hörte? oder, wenn wir zu den Narren kommen: Asop? Ja, und Ruth? Ich persönlich habe sie in starkem Verdacht, daß sie unter dem Gesang der Nachtigall dasselbe verstand wie das hübsche kleine Mädchen in der Geschichte von Boccaccio, das mit dem lieblichen Vogel in der Hand einschlief: „— tua figliuola & stata si vaga dell’ usignuolo, che ella l’ha preso e tienlosi in mano!“

Und wie denkt die Nachtigallengattin über alles dies, indessen sie milden Sinnes auf den Eiern sitzt und den Darbietungen ihres Eheherrn lauscht? Wahrscheinlich hat sie es gern, denn sie brütet dabei für ihn so fröhlich wie nur je. Wahrscheinlich ist ihr sein herrliches Ge- kakel lieber als des Dichters demütiges Geseufze:

„Nun scheint es süßer mir denn je zu enden, still zu erlöschen um die Mitternacht —“

Damit wäre dem Nachtigallenweibchen freilich nicht viel gedient. Und wir haben Mitgefühl mit der Fanny des Dichters John Keats und begreifen, weshalb sie gar nichts damit anzufangen wußte. Wozu hätte ihr wohl solch eine Mitternachtsstunde gut sein sollen ?

Wenn wir nach alledem zum Schlusse kommen, dann liegt es vielleicht so, daß der weibliche Partner mehr Freude am Leben hat, wenn der männliche Partner nicht den Wunsch hegt, „um die Mitternacht zu er- löschen“, ob mit oder ohne Schmerz. Es gibt bessere Verwendungsmöglichkeiten für Mitternachtsstunden. Und ein Vogel, der da singt, weil er sich voll lichten Lebens fühlt, und der es ihr überläßt, die Eier sorglich

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zu hüten, verdient vielleicht den Vorzug vor einem Vogel, der da wehklagt, und sei es auch aus lauter Liebe zu ihr.

Natürlich denkt das Nachtigallenmännchen, wenn es singt, ganz und gar nicht an sein unscheinbares Weib- chen. Und es erwähnt nicht ein einziges Mal ihren Namen. Sie aber weiß recht wohl, daß der Gesang zur Hälfte ihr gehört, gerade wie die Eier zur Hälfte ihm gehören. Und geradeso, wie sie nicht will, daß er zu ihr kommt und mit seinem schweren Fuß auf ihr Bündel- chen Eier tritt, genau so will er nicht, daß sie sich in seine Gesangstätigkeit mischt und ihn stört und aus dem Text bringt. Jeder Mann soll bei seinen Angelegenheiten bleiben und jede Frau bei ihren!

„Leb wohl! Dein klagender Gesang will schwinden —“ Es war niemals ein klagender Gesang; es war Caruso in seinem glanzvollsten Jubel. Aber versucht es lieber gar nicht erst, euch mit einem Dichter zu streiten.

Übertragen von Karl Lerbs ak

MARCELINE DESBORDES-VALMORE VON CHARLES BAUDELAIRE

Ist es uns nicht mehr als einmal begegnet, daß, wenn wir einem Freunde unsere Neigung, unsere Begeisterung für irgend etwas anvertrauten, zur Antwort bekamen: „Nun, das ist doch sonderbar! Das steht ja in völligem Widerspruch mit Ihren sonstigen Leidenschaften und Anschauungen.“ ? Und wir entgegnen dann: „Möglich,

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aber es ist so. Es gefallt mir; es entziickt mich, wahr- scheinlich wegen eben dieses auffalligen Gegensatzes mit meinem eigentlichen Ich.“

So ergeht es mir mit Madame Desbordes-Valmore. Wenn der Aufschrei, der unverfälschte Seufzer einer erlesenen Seele, wenn die Hingabe und Verzweiflung des Herzens, wenn urspriingliche Anlagen und Gaben alles, was Gott als unverdiente Gnade schenkt —, wenn das ge- nügt, um einen großen Dichter zu machen, so ist Ma- dame Valmore ein großer Dichter und wird es immer sein. Es ist wahr, wenn man sich die Zeit nimmt, dem nachzuspüren, was ihr fehlt, was durch Fleiß und Mühe erworben werden kann, so wird ihre Größe wesentlich beeinträchtigt. Doch selbst dort, wo ein Mangel an Sorg- falt, ein Holpern uns überlegte Menschen, die wir durch- aus verantwortlich sind für unsere Nachlässigkeiten, är- gert und betrübt selbst dann werden wir von einer plötzlichen, unerwarteten, unvergleichlichen Schönheit des Ausdrucks hingerissen und in den Himmel der Poesie erhoben. Nie war ein Dichter einfacher und aufrichtiger, nie ungekünstelter! Keiner hat diesen Reiz, diese Anmut erreicht, eben weil sie persönlich und eingeboren ist. Wenn je ein Mann seine Gattin oder seine Tochter von den Gaben der Muse beglückt und geehrt sehen möchte, er könnte sich diese Gaben nicht anders und schöner träumen, als sie Madame Valmore beschieden waren. Unter der beträchtlichen Anzahl von Frauen, die sich heutzutage auf die Literatur geworfen haben, gibt es recht wenige, deren Tätigkeit nicht entweder der Kum- mer ihrer Angehörigen, ja selbst ihres Geliebten gewesen

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wäre (denn der zügelloseste Mann verlangt vom Gegen- stand seiner Liebe eine keusche Zurückhaltung), oder aber eine Nachahmung männlicher Schwächen und Al- bernheiten, die bei der Frau abgeschmackt wirken. Wir kennen die schriftstellernde Frau als Philanthropin, als doktrinäre Priesterin der Liebe; sie verherrlicht republi- kanische Ideen oder andere Zukunftsträume, sie ist An- hängerin Fouriers oder Saint-Simons, und unsere schön- heitsuchenden Augen konnten sich nie an dieses un- schöne Systematisieren und Abzirkeln, an all diese läster- lichen und ruchlosen Dinge (es gibt sogar Dichterinnen des Lasters), an diese entwürdigende Nachahmung männlichen Geistes gewöhnen.

Madame Desbordes-Valmore war Weib, war immer Weib und nichts als Weib; aber sie war die vollendete, höchste Personifizierung der natürlichen schönen Weib- lichkeit. Ob sie vom sehnenden Verlangen des jungen Mädchens, von der traurigen Klage der verlassenen Ari- adne oder der glühenden Inbrunst mütterlicher Barm- herzigkeit singt ihr Lied bewahrt stets diese köstliche Weiblichkeit. Da ist nichts Künstliches, nichts Ange- lehntes, nichts als das „ewig Weibliche‘, wie jener deut- sche Dichter sagt. So hat Madame Valmore in ihrer Wahrhaftigkeit, in ihrer Echtheit ihren Lohn gefunden, das heißt einen Ruhm, der dem des vollendeten Künst- lers nicht nachsteht. An den tiefen Gluten des eigenen Herzens entzündet sie die Fackel, mit der sie in die ge- heimnisvolle Wirrnis der Empfindungen hineinleuchtet und unsere dunkelsten Erinnerungen der Liebe, auch

der Kindesliebe, ans Licht hebt. Victor Hugo hat dem

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süßen Zauber der Häuslichkeit wie allem, was er be- singt wundervollen Ausdruck gegeben; doch nur in den Dichtungen der glühenden Marceline findet ihr die. mütterliche Innigkeit, die einige wenige unter uns Weib- geborenen in köstlichem Andenken bewahren. Wenn ich nicht besorgen müßte, man könne den Vergleich als eine Herabsetzung dieser verehrungswürdigen Frau ansehen, so würde ich sagen, ich finde in ihr die Anmut und un- ruhige Wachsamkeit, die Schmiegsamkeit und das Un- gestüm einer Katze oder Löwin, die Mutter ist. Es heißt, Madame Valmore, deren erste Poesieen schon weit zurückliegen (1818), sei von unserer Zeit sehr schnell vergessen worden. Vergessen worden, von wem, ich bitte? Von denen, die nichts fühlen und daher nichts bewahren. Sie hat die großen und gewaltigen Eigen- schaften, die sich dem Gedächtnis eingraben, die explo- sive Kraft der Leidenschaft, die in unsere Herzen ein- schlägt und sie mit fortreißt. Kein Dichter findet unge- zwungener den einzig ersten Gefühlsausdruck, das un- bewußt Erhabene. Wie einerseits das einfachste und selbstverständlichste Erarbeiten dieser feurigen Feder fremd und unmöglich ist, so ist anderseits das, wonach alle anderen mühsam ringen, ihr natürliches Teil; es ist ein immerwährendes neues Finden. So sicher und sorg- los, wie wir eine Adresse schreiben, wirft sie die Kost- barkeiten aufs Papier. Eine mitfühlende und inbrünstige Seele, die sich selbstredend ganz unbewußt in jenem Vers erkennt und zu erkennen gibt:

„solange man noch geben kann, kann man nicht

sterben.“

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Empfindsame Seele, der das rauhe Leben unheilbare Narben eingrub, war es ihr vor allem, die sich ein Lethe .ersehnte, gestattet auszurufen: |

„Doch kann uns der Erinnerung nichts entheben Wozu, mein Herz, wozu das Sterben dann?“

Gewiß, niemand war berechtigter als sie, einem neuen Gedichtbande den Satz voranzuschicken:

„Gefangen lebt in diesem Buche eine Seele.“

Selbst als der Tod erschien, um sie von dieser Welt, deren Leiden sie so tapfer getragen hatte, abzurufen und dem Himmel zuzuführen, nach dessen friedvollen Freu- den sie so glühend verlangte, selbst da noch konnte Ma- dame Desbordes-Valmore, die unermüdliche Priesterin der Muse, nicht verstummen, so immervoll von Schmer- zensrufen und Liedern war sie, die sich ergießen wollten; sie bereitete einen weiteren Band Gedichte vor, dessen Inhalt Stück um Stück auf ihrem Schmerzenslager reifte, das sie seit zwei Jahren nicht mehr verließ. Sie, die ihr andächtig bei der Zusammenstellung dieser Abschieds- blätter halfen, haben mir gesagt, daß darin das ganze Feuer einer Lebensenergie zu finden sei, die nirgends so lebendig war wie im Leid. Ach! dies Buch wird nun als letzter, nachgelassener Kranz all den strahlenden anderen hinzuzufügen sein, mit denen eines unserer blü- hendsten Gräber geschmückt sein sollte.

Ich habe immer gern in der großen und sichtbaren Natur nach Beispielen und Gestaltungen gesucht, die mir zur Charakterisierung geistiger Erscheinungen und Ein-

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Marceline Desbordes-Valemore

Bleistiftzeichnung von Constant Desbordes

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drücke dienen könnten. Ich stelle mir vor, wie die Kunst der Madame Desbordes-Valmore auf mich wirkte, da- mals, als ich sie mit den Augen des Jünglings durch- blätterte, die bei empfänglichen Menschen so voll Glut und Scharfsichtigkeit sind. Diese Dichtung erschien mir wie ein Garten. Doch das ist nicht die großartige Würde des Versailler Parks, das ist auch nicht die mächtige Pose des selbstbewußten Italiens, das es so vortrefflich versteht, „Gärten zu errichten“ (aedificat hortas); das ist auch nicht „das Tal der Flöten“ oder das „Tänaron“ unseres alten Jean-Paul. Es ist ein schlichter englischer Garten, wundersam romantisch. Uppige Blumenstauden repräsentieren den überströmenden Gefühlsausdruck. - Volle, reglose Weiher, die, auf dem umgestürzten Him- melsbogen ruhend, alle Dinge spiegeln, versinnbildlichen die tiefe Resignation, die dort tausend Erinnerungen spiegelt. Nichts fehlt diesem entzückenden Garten einer vergangenen Zeit, weder vereinzelte Ruinen, die sich in grüner Wildnis bergen, noch das fremdartige Grab- mal, das uns an einer Wegbiegung überrascht, die Seele ergreift und an die Ewigkeit mahnt. Gewundene und düstere Alleen führen zu überraschenden Ausblicken, gleichwie der Gedanke der Dichterin nach allerlei wun- derlichen Kurven die offene Fernsicht in Vergangenheit oder Zukunft eröffnet. Doch diese Himmel sind zu weit, um dauernd klar zu sein, und der Wärmegrad zu groß, um nicht Stürme zu entfesseln. Der Wanderer, der die gramverhüllten Fernen betrachtet, fühlt sein Auge feucht werden von hysterischen Tränen. Die Blumen neigen sich und erliegen, die Vögel reden nur noch flüsternd.

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Ein erster Blitz flammt auf, ihm folgt ein Donnerschlag: es ist die lyrische Explosion, und schließlich verleiht eine unvermeidliche Tranenflut all den niedergeworfenen, leidenden und entmutigten Dingen von neuem Frische

und Jugendkraft.

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Aus dem neuen Buche von Stefan Zweig

„Marceline Desbordes-Valmore, das Lebensbild einer Dichterin“

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ZWEI GEDICHTE VON ERNST BERTRAM

Straßburg. Der Orgelbauer

Allem tönenden Wild

Ward ich Jäger und Netz,

Aller singenden Brunst

Magisch Meister und Herr.

Alle der überfurchtbaren

Welt Gewalten

Riegelt ich in die Verließe

Meiner Bässe hinab,

An meinen klingenden Gittern

Rüttelt das Heulen der Hölle,

Lecken die Mäuler des Mords.

Mir gehorcht der Verzweiflung

Eulengelächter, des Hohns

Grell auftrillernde Natter,

Mir das Gewitter der Fuge,

Wann der Hagel von jagendem Glas, der fegende Regen,

Elementischer prallt,

Mir ins Jauchzen gebändigt Zorniger Hornstoß Und des Blutgerichts Hohe Oboé, Verkiindung Seliger Siihne.

Doch wie verfang ich, Flöte der Einsamkeit, verzaubernder Vogel, Dich scheuen im Gestäbe meines Klangs, Wie du die Nächte sangst ins hold vergehnde Ohr mir äolisch, flüchtiges Silberwild ? Wie lock ich, blaue Genesung, Mit Harfenaufdank Meiner Orgel dich ein, daß ich verwandelt Durch die versausenden Chöre Dich, den Verwandeler, höre, Daß auf den nachtenden Stufen, Vogel der Liebe, mir er-

Glänze dein Rufen ?

Hardt. Die Waldfrevler I Ich höre Hörner Gesanglos frecher Klarheit: sie Abermal sind es, die ewigen Feinde des Walds. Altes Schweigen, hab Dank. O liebe Fern ersausende Halle: du

Fällst. Die Beile sind da.

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II Denn ihr haßt das Geheimnis des Walds, blankäugige Rotten, Das auf unersteiglichem euch, verachtendem Felsen Unsre Kunde verschweigt. | Nur giftige Klarheit Dünstet ihr über die Erde, All die tausendwäldrige Heimat uns, die vogel- Weidende wollt ihr zu kreidigen Hügeln, Wo die Schlange sich sonnt, Und euch rosten die lüsternen nicht, die Beile des Südens,

Eh nicht entwaldet die Welt. Aus dem Gedichtband „Der Rhein“

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DIE WELTMINUTE VON WATERLOO VON STEFAN ZWEIG

Das Schicksal drängt zu den Gewaltigen und Gewalt- tätigen. Jahrelang macht es sich knechtisch gehorsam einem Einzelnen hörig: Cäsar, Alexander, Napoleon, denn es liebt den elementaren Menschen, der ihm selber ähnlich ist, dem unfaßbaren Element.

Manchmal aber, ganz selten in allen Zeiten, wirft es in sonderbarer Laune irgendeinem Gleichgültigen sich hin. Manchmal und dies sind die erstaunlichsten Augen- blicke der Weltgeschichte fällt der Faden des Fa-

tums für eine zuckende Minute in eines ganz Nichtigen

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Hand. Immer sind solche Menschen mehr erschreckt als begliickt dann von dem Sturm der Verantwortung, der sie in heroisches Weltspiel mengt, und fast immer lassen sie das zugeworfene Schicksal zitternd aus den Händen. Selten nur reißt einer die Gelegenheit mächtig empor und sich selber mit ihr. Denn bloß eine Sekunde lang gibt sich das Große hin an den Geringen; wer sie versäumt, den begnadet sie niemals ein zweites Mal.

Grouchy

Zwischen Tanz, Liebschaften, Intrigen und Streit des Wiener Kongresses fährt als schmetternde Kanonen- kugel sausend die Nachricht, Napoleon, der gefesselte Löwe, sei ausgebrochen aus seinem Käfig in Elba, und schon jagen andere Stafetten nach: er hat Lyon erobert, er hat den König verjagt, die Truppen gehen mit fa- natischen Fahnen zu ihm über, er ist in Paris, in den Tuilerien, vergeblich waren Leipzig und zwanzig Jahre menschenmördischen Kriegs. Wie von einer Kralle ge- packt, fahren die eben noch quengelnden und streitenden Minister zusammen, ein englisches, ein preußisches, ein österreichisches, ein russisches Heer wird eilig aufge- boten, noch einmal, und nun endgültig, den Usurpator der Macht niederzuschmettern: nie war das legitime Europa der Kaiser und Könige einiger als in dieser Stunde ersten Entsetzens. Von Norden rückt Wellington gegen Frank- reich, an seiner Seite schiebt sich eine preußische Armee unter Blücher heran, am Rhein rüstet Schwarzenberg, und als Reserve marschieren durch Deutschland lang- sam und schwer die russischen Regimenter. +

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Napoleon übersieht mit einem Ruck die tödliche Ge- fahr. Er weiß, keine Zeit bleibt, zu warten, bis die Meute sich sammelt. Er muß sie zerteilen, muß einzeln sie an- fallen, die Preußen, die Engländer, die Österreicher, ehe sie zur europäischen Armee werden und der Unter- gang seines Kaiserreichs. Er muß eilen, weil sonst die Mißvergnügten im eigenen Lande erwachen, er muß schon Sieger sein, ehe die Republikaner erstarken und sich mit den Royalisten verbünden, bevor Fouché, der Zweizüngige und Unfaßbare im Bunde mit Talleyrand, seinem Gegenspieler und Spiegelbild, ihm hinterrücks die Sehnen zerschneidet. In einem einzigen Elan muß er, den rauschenden Enthusiasmus der Armee nützend, gegen seine Feinde los: jeder Tag ist Verlust, jede Stunde Gefahr. So wirft er hastig den klirrenden Würfel auf das blutigste Schlachtfeld Europas, nach Belgien. Am 15. Juni um drei Uhr morgens überschrei- ten die Spitzen der großen und nun auch einzigen Armee Napoleons die Grenze. Am 16. schon rennen sie bei Ligny gegen die preußische Armee an und schlagen sie zurück. Es ist der erste Prankenschlag des ausge- brochenen Löwen, ein furchtbarer, jedoch kein tödlicher. Geschlagen, aber nicht vernichtet, zieht sich die preu- Bische Armee gegen Brüssel zurück.

Nun holt Napoleon aus zum zweiten Schlage, gegen Wellington. Er darf nicht Atem holen, nicht Atem lassen, denn jeder Tag bringt dem Gegner Verstärkung, und das Land hinter ihm, das ausgeblutete, unruhige französische Volk muß berauscht werden mit dem feu- rigen Fusel der Siegesbulletins. Noch am 17. marschiert

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er mit seiner ganzen Armee bis an die Höhen von Qua- tre-Bras, wo Wellington, der kalte, stahlnervige Gegner, sich verschanzt hat. Nie waren Napoleons Dispositionen umsichtiger, seine militärischen Befehle klarer, als an diesem Tage: er erwägt nicht nur den Angriff, sondern auch seine Gefahren, nämlich, daß die geschlagene, aber nicht vernichtete Armee Blüchers sich mit jener Wel- lingtons vereinigen könnte. Dies zu verhindern, spaltet er einen Teil seiner Armee ab, damit sie Schritt für Schritt die preußische Armee vor sich herjage und die Vereinigung mit den Engländern verhindere.

Den Befehl dieser Verfolgungsarmee übergibt er dem Mar- schallGrouchy. Grouchy, ein mittlerer Mann, brav, auf- recht, wacker, verläßlich, ein Reiterführer, oftmals be- währt, aber ein Reiterführer und nichts mehr. Kein heißer, © mitreißender Kavallerieberserker wie Murat, kein Stra- tege wie Saint-Cyr und Berthier, kein Held wie Ney. Kein kriegerischer Küraß schmückt seine Brust, kein Mythos umrankt seine Gestalt, keine sichtbare Eigen- heit gibt ihm Ruhm und Stellung in der heroischen Welt der Napoleonischen Legende: nur sein Unglück, nur sein Mißgeschick hat ihn berühmt gemacht. Zwanzig Jahre hat er gekämpft in allen Schlachten, von Spanien bis Rußland, von Niederland bis Italien, langsam ist er die Staffel bis zur Marschallswürde aufgestiegen, nicht unverdient, aber ohne sonderliche Tat. Die Kugeln der Österreicher, die Sonne Ägyptens, die Dolche der Araber, der Frost Rußlands haben ihm die Vorgänger wegge- räumt, Desaix bei Marengo, Kleber in Kairo, Lannes `

bei Wagram: den Weg zur obersten Würde, er hat ihn

III

nicht erstiirmt, sondern er ist ihm freigeschossen wor- den durch zwanzig Jahre Krieg.

Daß er in Grouchy keinen Heros hat und keinen Stra- tegen, nur einen verläßlichen, treuen, braven, nüchternen Mann, weiß Napoleon wohl. Aber die Hälfte seiner Marschälle liegt unter der Erde, die andern sind ver- drossen auf ihren Gütern geblieben, müde des unab- lässigen Biwaks. So ist er genötigt, einem mittleren Mann entscheidende Tat zu vertrauen.

Am 17. Juni um elf Uhr vormittags, einen Tag nach dem Siege bei Ligny, einen Tag vor Waterloo, übergibt Napoleon dem MarschallGrouchy zum erstenmal ein selb- ständiges Kommando. Für einen Augenblick, für einen Tag tritt der bescheidene Grouchy aus der militärischen Hierarchie in die Weltgeschichte. Für einen Augenblick nur, aber für welch einen Augenblick! Napoleons Be- fehle sind klar. Während er selbst auf die Engländer losgeht, soll Grouchy mit einem Drittel der Armee die preußische Armee verfolgen. Ein einfacher Auftrag anscheinend dies, gerade und unverkennbar, aber doch auch biegsam und zweischneidig wie ein Schwert. Denn gleichzeitig mit jener Verfolgung ist Grouchy geboten, ständig in Verbindung mit der Hauptarmee zu bleiben. Zögernd übernimmt der Marschall den Befehl. Er ist nicht gewohnt, selbständig zu wirken, seine Besonnen- heit ohne Initiative fühlt sich nur sicher, wenn der ge- niale Blick des Kaisers ihr die Tat zuweist. Außerdem spürt er im Rücken die Unzufriedenheit seiner Generale, vielleicht auch, vielleicht, den dunklen Flügelschlag des Schicksals. Nur die Nähe des Hauptquartiers beruhigt

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ihn: denn bloß drei Stunden Eilmarsch trennen seine Armee von der kaiserlichen. |

Im strömenden Regen nimmt Grouchy Abschied. Lang- sam rücken im schwammigen, lehmigen Grund seine Soldaten den Preußen nach, oder in die Richtung zu- mindest, in der sie Blücher und die Seinen vermuten.

*

Die Nacht in Caillou Der nordische Regen strémt ohne Ende. Wie eine nasse Herde trotten im Dunkel die Regimenter Na- poleons heran, jeder Mann zwei Pfund Schmutz an seinen Sohlen; nirgends Unterkunft, kein Haus und kein Dach. Das Stroh zu naß, um sich darauf hinlegen zu können so drücken sich immer zehn oder zwölf Sol- daten zusammen und schlafen, aufrecht sitzend, Rücken an Rücken im strömenden Regen. Auch der Kaiser selbst hält keine Rast. Eine fiebrige Nervosität jagt ihn auf und nieder, denn die Rekognoszierungen ver- sagen an der Undurchdringlichkeit des Wetters, Kund- schafter melden höchst verworrenen Bericht. Noch weiß er nicht, ob Wellington die Schlacht annimmt, und von Grouchy fehlt Nachricht über die Preußen. So schrei- tet er selbst um ein Uhr nachts gleichgültig gegen den sausenden Wolkenbruch die Vorposten entlang, bis auf Kanonenschußweite an die englischen Biwaks heran, die ab und zu ein dünnes, rauchiges Licht im Nebel zeigen, und entwirft den Angriff. Erst mit Tages- grauen kehrt er in die kleine Hütte Caillou, in sein ärmliches Hauptquartier, zurück, wo er die ersten De-

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peschen Grouchys findet: unklare Nachrichten über den Rückzug der Preußen, immerhin aber das beruhigende Versprechen, ihnen zu folgen. Allmählich hört der Re- gen auf. Ungeduldig geht der Kaiser im Zimmer auf und ab und starrt gegen den falben Horizont, ob nicht endlich sich die Ferne enthüllen wolle und damit die Entscheidung.

Um fünf Uhr morgens der Regen hat aufgehört —. klärt sich auch das innere Gewölk des Entschließens. Der Befehl wird gegeben, um neun Uhr habe sturm- bereit die ganze Armee anzutreten. Die Ordonnanzen sprengen in alle Richtungen. Bald knattern die Trom- meln zur Sammlung. Nun erst wirft sich Napoleon auf sein Feldbett, zwei Stunden zu schlafen.

*

Der Morgen von Waterloo Neun Uhr morgens. Aber die Truppen sind noch nicht vollzählig beisammen. Der von dreitägigem Regen durchweichte Grund erschwert jede Bewegung und hemmt das Nachrücken der Artillerie. Erst allmählich erscheint die Sonne und leuchtet unter scharfem Wind: aber es ist nicht die Sonne von Austerlitz, blankstrahlend und glückverheißend, sondern nur schiefen Scheins glit- zert mißmutig dieses nordische Licht. Endlich sind die Truppen bereit, und nun, ehe die Schlacht beginnt, reitet noch einmal Napoleon auf seiner weißen Stute die ganze Front entlang. Die Adler auf den Fahnen senken sich nieder wie unter brausendem Wind, die Reiter schüt-

teln martialisch ihre Säbel, das Fußvolk hebt zum Gruß

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seine Bärenmützen auf die Spitzen der Bajonette. Alle Trommeln rollen frenetischen Wirbel, die Trompeten stoßen ihre scharfe Lust dem Feldherrn entgegen, aber alle diese funkelnden Töne überwogt donnernd der über die Regimenter hinrollende, aus siebzigtausend Sol- datenkehlen sonor brausende Jubelschrei: „Vive Em- pereur!“

Keine Parade der zwanzig Napoleonsjahre war groß- artiger und enthusiastischer als diese seine letzte. Kaum sind die Rufe verhallt, um elf Uhr zwei Stunden später, als vorausgesehen, um zwei verhängnisvolle Stun- den zu spät! ergeht an die Kanoniere der Befehl, die Rotröcke am Hügel niederzukartätschen. Dann rückt Ney, „le brave des braves“ mit dem Fußvolk vor; die entscheidende Stunde Napoleons beginnt. Unzählige Male ist diese Schlacht geschildert worden, aber man wird nicht müde, ihre aufregenden Wechselfälle zu le- sen, bald in der großartigen Darstellung Walter Scotts, bald in der episodischen Darstellung Stendhals. Sie ist groß und vielfältig von nah und fern gesehen, ebenso vom Hügel des Feldherrn, wie vom Sattel des Kürassiers. Sie ist ein Kunstwerk der Spannung und Dramatik mit ihrem unablässigen Wechsel von Angst und Hoffnung, der plötzlich sich löst in einem äußersten Katastrophen- moment, Vorbild einer echten Tragödie, weil in diesem Einzelschicksal das Schicksal Europas bestimmt war und das phantastische Feuerwerk der Napoleonischen Existenz prachtvoll wie eine Rakete noch einmal auf- schießt in alle Himmel, ehe es in zuckendem Sturz für immer erlischt.

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Von elf bis ein Uhr stürmen die französischen Regi- menter die Höhen, nehmen Dörfer und Stellungen, wer- den wieder verjagt, stürmen wieder empor. Schon be- decken zehntausend Tote die lehmigen, nassen Hügel des leeren Landes, und noch nichts ist erreicht, als Er- schöpfung hüben und drüben. Beide Heere sind er- müdet, beide Feldherren beunruhigt. Beide wissen, daß dem der Sieg gehört, der zuerst Verstärkung empfängt, Wellington von Blücher, Napoleon von Grouchy. Immer wieder greift Napoleon nervös zum Teleskop, immer neue Ordonnanzen jagt er hinüber; kommt sein Mar- schall rechtzeitig heran, so leuchtet über Frankreich noch einmal die Sonne von Austerlitz.

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Der Fehlgang Grouchys

Grouchy, der unbewußt Napoleons Schicksal in Hän- den hält, ist indessen befehlsgemäß am 17. Juni abends aufgebrochen und folgt in der vorgeschriebenen Rich- tung den Preußen. Der Regen hat aufgehört. Sorglos wie in Friedensland schlendern die jungen Kompagnien dalıin, die gestern zum erstenmal Pulver geschmeckt haben: noch immer zeigt sich nicht der Feind, noch immer ist keine Spur zu finden von der geschlagenen preußischen Armee.

Da plötzlich, gerade wie der Marschall in einem Bauern- haus ein rasches Frühstück nimmt, schüttert leise der Boden unter ihren Füßen. Sie horchen auf. Wieder und wieder rollt dumpf und schon verlöschend der Ton heran. Kanonen sind das, feuernde Batterien von ferne,

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doch nicht gar zu ferne, höchstens drei Stunden weit. Ein paar Offiziere werfen sich nach Indianerart auf die Erde, um deutlich die Richtung zu erlauschen. Stetig und dumpf dréhnt dieser ferne Schall. Es ist die Ka- nonade von Saint-Jean, der Beginn von Waterloo. Grouchy hält Rat. Heiß und feurig verlangt Gerard, sein Unterbefehlshaber: „Il faut marcher au canon“, rasch hin in die Richtung des Geschützfeuers! Ein zwei- ter Offizier stimmt zu: hin, nur rasch hinüber! Es ist für sie alle zweifellos, daß der Kaiser auf die Engländer gestoßen ist und eine schwere Schlacht begonnen hat. Grouchy wird unsicher. An Gehorchen gewöhnt, hält er sich ängstlich an das geschriebene Blatt, an den Be- fehl des Kaisers, die Preußen auf ihrem Rückzug zu verfolgen. Gerard wird heftiger, als er sein Zögern sieht. „Marchez au canon.“ Wie ein Befehl klingt die For- derung des Unterkommandanten vor zwanzig Offizieren und Zivilisten, nicht wie eine Bitte. Das verstimmt Grouchy. Er erklärt härter und strenger, nicht ab- weichen zu dürfen von seiner Pflicht, solange keine Gegenorder vom Kaiser eintreffe. Die Offiziere sind enttäuscht, und die Kanonen poltern in ein böses Schweigen.

Da versucht Gerard sein Letztes: er bittet flehentlich, wenigstens mit seiner Division und etwas Kavallerie hinüber auf das Schlachtfeld zu dürfen, und verpflich- tet sich, rechtzeitig zur Stelle zu sein. Grouchy überlegt. Er überlegt eine Sekunde lang.

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Weltgeschichte in einem Augenblick

Fine Sekunde überlegt Grouchy, und diese eine Se- kunde formt sein eigenes Schicksal, das Napoleons und das der Welt. Sie entscheidet, diese Sekunde im Bauern- haus von Walhaim über das ganze neunzehnte Jahr- hundert, und sie hängt an den Lippen Unsterblichkeit! eines recht braven, recht banalen Menschen, sie liegt flach und offen in den Händen, die nervös die verhäng- nisvolle Order des Kaisers zwischen den Fingern knit- tern. Könnte Grouchy jetzt Mut fassen, kühn sein, un- gehorsam der Order aus Glauben an sich und das sicht- liche Zeichen, so wäre Frankreich gerettet. Aber der sub- alterne Mensch gehorcht immer dem Vorgeschriebenen und nie dem Anruf des Schicksals.

So winkt Grouchy energisch ab. Nein, das wäre unver- antwortlich, ein so kleines Korps noch einmal zu teilen. Seine Aufgabe gebietet, die Preußen zu verfolgen, nichts als dies. Und er weigert sich, gegen den Befehl des Kaisers zu handeln. Die Offiziere schweigen verdrossen. Es entsteht eine Stille um ihn. Und in ihr entschwebt unwiderruflich, was Worte und Taten dann nie mehr fassen können die entscheidende Sekunde. Welling- ton hat gesiegt.

So marschieren sie weiter, Gerard, Vandamme, mit zor- nigen Fäusten, Grouchy bald beunuhigt und von Stunde zu Stunde unsicherer: denn sonderbar, noch immer zei- gen sich die Preußen nicht, offenbar haben sie die Richtung auf Brüssel verlassen. Bald melden Botschafter verdäch- tige Anzeichen, daß ihr Rückzug sich in einen Flanken- marsch zum Schlachtfeld verwandelt habe. Noch wäre

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es Zeit, mit letzter Eile dem Kaiser zu Hilfe zu kommen, und immer ungeduldiger wartet Grouchy auf die Bot- schaft, auf den Befehl, zuriickzukehren. Aber keine Nachricht kommt. Nur dumpf rollen immer ferner von drüben die Kanonen über die schauernde Erde: die eiser- nen Würfel von Waterloo.

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Der Nachmittag von Waterloo

Unterdessen ist es ein Uhr geworden. Vier Attacken sind zwar zurückgeworfen, aber sie haben das Zentrum Wellingtons empfindlich aufgelockert: schon rüstet Na- poleon zum entscheidenden Sturm. Er läßt die Batterien vor Belle-Alliance verstärken, und ehe der Dampf der Kanonade seinen wolkigen Vorhang zwischen die Hügel zieht, wirft Napoleon noch einen letzten Blick über das Schlachtfeld.

Da bemerkt er nordöstlich einen dunkel vorrückenden Schatten, der aus den Wäldern zu fließen scheint: neue Truppen! Sofort wendet sich jedes Fernglas hin: ist es schon Grouchy, der kühn den Befehl überschritten hat und nun wunderbar zur rechten Stunde kommt? Nein, ein eingebrachter Gefangener meldet, es sei die Vorhut der Armee des Generals von Blücher, preußische Trup- pen. Zum erstenmal ahnt der Kaiser, jene geschlagene preußische Armee müsse sich der Verfolgung entzogen haben, um sich vorzeitig mit den Engländern zu ver- einigen, indes ein Drittel seiner eigenen Truppen nutz- los im Leeren herummanövriere. Sofort schreibt er einen

Brief an Grouchy mit dem Auftrag, um jeden Preis die

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Verbindung aufrechtzuerhalten und die Einmengung der Preußen in die Schlacht zu verhindern.

Zugleich erhält der Marschall Ney die Order zum CH griff. Wellington muß geworfen werden, ehe die Preu- Ben eintreffen: kein Einsatz scheint mehr zu verwegen bei so plötzlich verringerten Chancen. Nun folgen den ganzen Nachmittag jene furchtbaren AttackenaufdasPla- teau mit immer frisch vorgeworfener Infanterie. Immer erstürmen sie die zerschossenen Dörfer, immer werden sie wieder herabgeschmettert, immer wieder erhebt sich mit flatternden Fahnen die Welle gegen die schon zer- hämmerten Karrees. Aber noch immer hält Wellington stand, und noch immer kommt keine Nachricht von Grouchy. „Wo ist Grouchy? Wo bleibt Grouchy ?“ murmelt der Kaiser nervös, wie er den Vortrab der Preu- ßen allmählich eingreifen sieht. Auch die Befehlshaber unter ihm werden ungeduldig. Und entschlossen, ge- waltsam ein Ende zu machen, schleudert Marschall Ney ebenso tollkühn, wie Grouchy allzu bedächtig (drei Pferde sind ihm schon unter dem Leibe erschossen) mit einem Wurf die ganze französische Kavallerie in einer einzigen Attacke heran. Zehntausend Kürassiere und Dragoner versuchen diesen fürchterlichen Todes- ritt, zerschmettern die Karrees, hauen die Kanoniere nieder und sprengen die ersten Reihen. Zwar werden sie selbst wieder herabgedrängt, aber die Kraft der eng- lischen Armee ist im Erlöschen, die Faust, die jene Hügel umkrallt, beginnt sich zu lockern. Und wie nun die dezimierte französische Kavallerie vor den Ge- schützen zurückweicht, rückt die letzte Reserve Na-

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poleons, die Alte Garde, schwer und langsamen Schrittes heran, um den Hügel zu stürmen, dessen Besitz das

Schicksal Europas verbürgt. *

Die Entscheidung

Vierhundert Kanonen donnern ununterbrochen seit Morgen auf beiden Seiten. An der Front klirren die Ka- valkaden der Reiterei gegen die feuernden Karrees, Trommelschlage prasseln auf das dröhnende Fell, die ganze Ebene bebt vom vielfältigen Schall. Aber oben auf den beiden Hügeln horchen die beiden Feldherren über das Menschengewitter hinweg. Sie horchen beide auf leiseren Laut.

Zwei Uhren ticken leise wie Vogelherzen in ihrer Hand über die gewitternden Massen. Napoleon und Welling- ton, beide greifen sie ununterbrochen nach dem Chrono- meter und zählen die Stunden, die Minuten, die ihnen jene letzte entscheidende Hilfe bringen muß. Welling- ton weiß Blücher nah, und Napoleon hofft aufGrouchy. Beide haben sie keine Reserven mehr, und wer zuerst eintrifft, hat die Schlacht entschieden. Beide spähen sie mit dem Teleskop nach dem Waldrand, wo jetzt wie ein leichtes Gewölk der preußische Vortrab zu erscheinen beginnt. Aber sind es nur Plänkler oder die Armee selbst, auf ihrer Flucht vor Grouchy ? Schon leisten die Engländer nur mehr letzten Widerstand, aber auch die französischen Truppen ermatten. Wie zwei Ringer keu- chend, stehen sie mit schon gelähmten. Armen einander gegenüber, atemholend, ehe sie einander zum letzten

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Male fassen: die unwiderrufliche Runde der Entschei- dung ist gekommen.

Da endlich donnern Kanonen an der Flanke der Preu- ßen: Geplänkel, Füsilierfeuer! „Enfin Grouchy!“ End- lich Grouchy! atmet Napoleon auf. Im Vertrauen auf die nun gesicherte Flanke, sammelt er seine letzte Mann- schaft und wirft sie noch einmal gegen Wellingtons Zentrum, den englischen Riegel vor Brüssel zu zer- brechen, das Tor Europas aufzusprengen.

Aber jenes Gewehrfeuer war bloß ein irrtümliches Ge- plänkel, das die anrückenden Preußen, durch die andere Uniform verwirrt, gegen die Hannoveraner begonnen: bald stellen sie das Fehlfeuer ein, und ungehemmt, breit und mächtig quellen jetzt ihre Massen aus der Wal- dung hervor. Nein, es ist nicht Grouchy, der mit seinen Truppen anrückt, sondern Blücher, und damit das Ver- hängnis. Die Botschaft verbreitet sich rasch unter den kaiserlichen Truppen, sie beginnen zurückzuweichen, in leidlicher Ordnung noch. Aber Wellington erfaßt den kritischen Augenblick. Er reitet bis an den Rand des siegreich verteidigten Hügels, liiftet den Hut und schwenkt ihn über dem Haupt gegen den weichenden Feind. Sofort verstehen die Seinen die triumphierende Geste. Mit einem Ruck erhebt sich, was von englischen Truppen noch übrig ist, und wirft sich auf die gelockerte Masse. Von der Seite stürzt gleichzeitig preußische Ka- vallerie in die ermattete, zertrümmerte Armee: der Schrei gellt auf, der tödliche: „Sauve qui peut!“ Ein paar Minuten nur,und dieGrande Armee ist nichts mehr als ein zügellos jagender Angststrom, der alles, auch

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Napoleon selbst, mitreißt. Wie in wehrloses, fühlloses Wasser schlägt die nachspornende Kavallerie in diesen rasch und flüssig rückrennenden Strom, mit lockerem Zug fischen sie die Karosse Napoleons, den Heerschatz, die ganze Artillerie aus dem schreienden Schaum von Angst und Entsetzen, und nur die einbrechende Nacht rettet dem Kaiser Leben und Freiheit. Aber der mitter- nachts dann, verschmutzt und betäubt, in einem niedern Dorfwirtshaus müde in den Sessel fällt, ist kein Kaiser mehr. Sein Reich, seine Dynastie, sein Schicksal sind zu Ende: die Mutlosigkeit eines kleinen, unbedeutenden Menschen hat zerschlagen, was der Kühnste und Weit- blickendste in zwanzig heroischen Jahren erbaut.

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Rücksturz ins Tägliche

Kaum schmettert der englische Angriff Napoleon nie- der, so jagt ein damals fast Namenloser auf einer Extra- kalesche die Straße nach Brüssel und von Brüssel an das Meer, wo ein Schiff seiner wartet. Er segelt hinüber nach London, um dort vor den Stafetten der Regierung einzutreffen, und es gelingt ihm, dank der noch unbe- kannten Nachricht, die Börse zu sprengen: es ist Roth- schild, der mit diesem genialen Zug ein anderes Kaiser- reich begründet, die Dynastie des Geldes. Am nächsten Tage weiß England um den Sieg und weiß in Paris Fouché, der ewige Verräter, um die Niederlage: schon dröhnen in Brüssel und Deutschland die Siegesglocken.

Nur einer weiß am nächsten Morgen noch nichts von Waterloo, obzwar nur vier Stunden weit von dem

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Schicksalsort: der ungliickselige Grouchy; beharrlich und planmäßig ist er, genau nach dem Befehl, den Preu- ßen nachgerückt. Aber sonderbar, er findet sie nirgends, das wirft Unsicherheit in sein Gefühl. Und immer noch poltern von nahe her die Kanonen lauter und lauter, als schrien sie um Hilfe. Sie spüren die Erde beben und spüren jeden Schuß bis ins Herz. Alle wissen nun, das gilt keinem Geplänkel, sondern eine gigantische Schlacht ist entbrannt, die Schlacht der Entscheidung.

Nervös reitet Grouchy zwischen seinen Offizieren. Sie vermeiden, mit ihm zu diskutieren: ihr Ratschlag ist ja verworfen.

Erlösung darum, wie sie bei Wawre endlich auf ein ein- zelnes preußisches Korps stoßen, auf Blüchers Nachhut. Gleich Rasenden stürmen sie gegen die Verschanzungen, Gerard allen voran, als suche er, von düsterer Ahnung getrieben, den Tod. Eine Kugel schlägt ihn nieder: der lauteste der Mahner ist nun stumm. Mit Nachteinbruch stürmen sie das Dorf, aber sie fühlens, dieser kleine Nachhutsieg hat keinen Sinn mehr, denn mit einmal ist es von drüben, vom Schlachtfeld her, vollkommen still geworden. Beängstigend stumm, grauenhaft friedlich, ein gräßlich totes Schweigen. Und alle spüren sie, daß das Rollen der Geschütze noch besser war als diese nervenzerfressende Ungewißheit. Die Schlacht muß ent- schieden sein, die Schlacht bei Waterloo, von der endlich Grouchy (zu spät!) jenes hilfedrängende Billett Napo- Jeons erhalten hat. Sie muß entschieden sein, die gigan- tische Schlacht, doch für wen?

Und sie warten die ganze Nacht. Vergeblich! Keine

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Botschaft kommt von drüben. Es ist, als hätte sie die Große Armee vergessen, und sie ständen leer und sinnlos im undurchsichtigen Raum. Am Morgen brechen sie die Biwaks ab und nehmen den Marsch wieder auf, todmüde und längst bewußt, daß all ihr Marschieren und Manö- vrieren längst zwecklos geworden ist. Da, endlich, um zehn Uhr vormittags, sprengt ein Offizier des General- stabs heran. Sie helfen ihm vom Pferde und überschütten ihn mit Fragen. Aber er, das Antlitz verwüstet von Grauen, die Haare naß an den Schläfen und zitternd von übermenschlicher Anstrengung, stammelt nur unver- ständliche Worte, Worte, die sie nicht verstehen, nicht verstehen können und wollen. Für einen Wahnsinnigen, für einen Trunkenen halten sie ihn, wie er sagt, es gäbe keinen Kaiser mehr, keine kaiserliche Armee, Frankreich sei verloren. Aber nach und nach entreißen sie ihm die ganze Wahrheit, den niederschmetternden, tödlich läh- menden Bericht.

Grouchy steht bleich und stützt sich zitternd auf seinen Säbel: er weiß, daß jetzt das Martyrium seines Lebens beginnt. Aber er nimmt entschlossen die undankbare Aufgabe der vollen Schuld auf sich. Der subalterne, zag- hafte Untergebene, der in der großen Sekunde der un- sichtbaren Entscheidung versagte, wird jetzt, Blick in Blick mit einer nahen Gefahr, wieder Mann und beinahe Held. Er versammelt sofort alle Offiziere und hält Tränen des Zorns und der Trauer in den Augen eine kurze Ansprache, in der er sein Zögern rechtfertigt und gleichzeitig beklagt. Schweigend hören ihn seine Offi-

ziere an, die ihm gestern noch grollten. Jeder könnte ihn

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anklagen und sich rühmen, besserer Meinung gewesen zu sein. Aber keiner wagt und will es. Sie schweigen und schweigen. Die rasende Trauer macht sie alle stumm.

Und gerade in jener Stunde nach seiner versäumten Sekunde, zeigt Grouchy nun zu spät seine ganze militärische Kraft. Alle seine großen Tugenden, Beson- nenheit, Tüchtigkeit, Umsicht und Gewissenhaftigkeit, werden klar, seit er wieder sich selbst vertraut und nicht mehr geschriebenem Befehl. Von fünffacher Übermacht umstellt, führt er eine meisterhafte taktische Lei- stung mitten durch die Feinde seine Truppen zurück, ohne eine Kanone, ohne einen Mann zu verlieren, und rettet Frankreich, rettet dem Kaiserreich sein letztes Heer. Aber kein-Kaiser ist, wie er heimkehrt, mehr da, ihm zu danken, kein Feind, dem er die Truppen ent- gegenstellen kann. Er ist zu spät gekommen, zu spät für immer, und wenn nach außen sein Leben noch aufsteigt und man ihn zum Oberkommandanten ernennt, zum Pair von Frankreich, und er in jedem Amt sich mannhaft-

tüchtig bewährt, nichts kann ihm mehr diesen einen i g )

Augenblick zurückkaufen, der ihn zum Herrn des Schicksals gemacht und dem er nicht gewachsen war.

So furchtbar rächt sich die große Sekunde, sie, die selten in das Leben der Irdischen niedersteigt, an dem zu un- recht Gerufenen, der sie nicht zu nützen weiß. Alle bürgerlichen Tugenden, wohl wappnend gegen die An- sprüche stillrollenden Tags, Vorsicht, Gehorsam, Eifer und Bedächtigkeit, sie alle schmelzen ohnmächtig in der Glut des großen Schicksalsaugenblicks, der immer nur den Genius fordert und zum dauernden Bildnis formt.

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Verächtlich stößt er den Zaghaften zurück einzig den Kühnen hebt er, ein anderer Gott der Erde, mit feurigen Armen in den Himmel der Helden empor. Aus den fünf historischen Miniaturen ,,Sternenstunde der Menschheit“ (Insel-Bücherei Nr. 165)

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GESCHICHTEN AUS DEM HERODOT

Kandaules und Gyges

| Kandaules war sehr verliebt in seine Frau, und ver- _ liebt, wie er war, glaubte er das schönste Weib von der Welt zu besitzen. Nun befand sich in seiner Leibwache ein gewisser Gyges, Daskylos’ Sohn, den er besonders schätzte. Dem vertraute er die wichtigsten Dinge an, und so pries er ihm gelegentlich auch die unvergleich- liche Schönheit seiner Frau. Bald nachher, denn es sollte Kandaules übel ergehen, sagte er zu ihm: „Gyges, du

scheinst mir noch immer nicht zu glauben, was ich dir über die Schönheit meiner Frau gesagt habe (aber da man den Augen mehr als den Ohren traut), darum sollst du sie einmal nackt sehen.“ Da entsetzte sich Gyges und sagte: „Herr, wie kannst du mir so etwas ansinnen ? Ich soll meine Herrin nackt sehen? Mit dem Kleide zieht das Weib auch die Scham aus. Die Menschen sind längst dahintergekommen, was sich schickt, und das soll man sich zur Lehre nehmen. Und dazu gehört auch, daß keiner sieht, was ihm zu sehen nicht gebührt. Ich glaube dir ja gern, daß sie das schönste Weib ist, bitte dich aber, nichts Ungebührliches von mir zu verlangen.“

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Mit diesen Worten schlug er es ab aus Furcht, es könnte ihm übel bekommen. Kandaules aber erwiderte: „Nur Mut, Gyges, fürchte dich nicht; ich werde dich nicht in Versuchung führen, und auch meine Frau wird dir nichts zuleide tun. Denn ich werde es schon so ein- richten, daß sie nicht merkt, daß du sie gesehen hast. Ich will dich nämlich in unserm Schlafgemach hinter die offene Tür stellen. Gleich nach mir wird dann auch meine Frau hereinkommen, um zu Bette zu gehen. Dicht am Eingange steht ein Stuhl, auf den legt sie, wenn sie sich auszieht, ihre Kleider, eins nach dem andern, und dann kannst du sie dir in aller Ruhe an- sehen. Wenn sie aber von dem Stuhle nach dem Bette geht und dir den Rücken zukehrt, mußt du machen, daß du aus der Tür kommst, damit sie dich nicht sieht.“ | So erklärte er sich, da ihm nichts anderes übrig blieb, denn auch dazu bereit. Als Kandaules glaubte, es sei Zeit, zu Bette zu gehen, nahm er ihn mit in die Schlaf- kammer, und gleich darauf kam auch die Frau. Gyges aber sah sie sich an, als sie hereinkam und ihre Kleider ablegte. Wie sie sich dann nach dem Bette wandte und ihm den Rücken zukehrte, schlich er ganz leise hinaus. Die Frau aber sah ihn hinausgehen. Obwohl sie über- zeugt war, daß ihr Mann ihr das getan, schrie sie nicht, weil sie sich schämte, und ließ sich überhaupt nichts merken, nahm sich aber vor, sich dafür an Kandaules zu rächen. Denn bei den Lydern und fast bei allen Bar- baren ist es selbst für einen Mann sehr unanständig, nackt gesehen zu werden.

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Die Sphinx von Gise

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Damals also schwieg sie und lief sich nichts merken. Aber sobald es Tag geworden, ließ sie die Diener, die ihr am treuesten ergeben waren, kommen und Gyges rufen, der aber ahnte nicht, daß sie um die Sache wußte, und fand sich unverzüglich bei ihr ein; denn er war von jeher gewohnt, der Königin aufzuwarten, wenn sie ihn zu sich entbieten ließ. Als Gyges erschienen war, redete sie ihn also an: „Jetzt stehen dir zwei Wege offen, Gyges, und ich lasse dir zwischen beiden die Wahl. Entweder mußt du Kandaules töten und mein Mann und König der Lyder werden oder auf der Stelle des Todes sterben, damit du dich nicht immer wieder von Kandaules verführen läßt und siehst, was du nicht sehen sollst. Einer von euch beiden muß sterben, entweder er, weil er dich dazu verführt, oder du, weil du mich nackt gesehen und unerhört gegen die gute Sitte verstoßen hast.“ Anfangs war er wie auf den Mund geschlagen und wußte nicht, was er sagen sollte, dann aber bat er sie flehentlich, ihn nicht zu einer solchen Wahl zu zwin- gen. Da sie jedoch darauf bestand, und er einsah, daß ihm in der Tat nichts übrig. blieb, als entweder seinen Herrn zu töten oder selbst von Henkers Hand zu ster- ben, wollte er doch lieber selbst leben bleiben und rich- tete an sie folgende Frage: „Da du mich zwingst, so schwer es mir wird, meinen Herrn zu töten, so sag mir auch, auf welche Weise wir Hand an ihn legen sollen.“ Sie aber erwiderte: „An derselben Stelle, wo er mich nackt hat sehen lassen, wollen wir ihn überfallen und im Schlafe ermorden.“

Nachdem sie ihren Plan gefaßt und es Nacht geworden

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war, ging Gyges mit der Frau in das Schlafgemach (denn sie ließ ihn nicht los, und er hatte keine Wahl, eatweder mußte er oder Kandaules sterben), sie aber gab ihm einen Dolch und versteckte ihn wieder hinter der Tür. Darauf, als Kandaules im Schlafe lag, kam Gyges hervor und erstach ihn und gewann damit sein

Weib und sein Reich. ak

Agypten Bei Agypten aber werde ich noch langer verweilen, weil es ein gar zu wunderbares Land ist und mehr Merk- würdigkeiten enthält als irgendein anderes Land. Des- halb will ich noch weiter davon reden. Wie der Himmel in Ägypten anders aussieht als anderswo und der Fluß dort anders beschaffen ist als andere Flüsse, so haben die Ägypter auch ganz andere Sitten und Gewohnheiten als andere Menschen. So gehen bei ihnen die Weiber auf den Markt und treiben Kramhandel, während die Männer zu Hause bleiben und weben. Anderswo webt man den Einschlag von oben ein, in Ägypten von unten. Lasten tragen die Männer auf dem Kopfe, die Weiber auf den Schultern. Die Weiber schlagen das Wasser im Stehen ab, die Männer im Sitzen. Die Notdurft ver- richten sie im Hause und essen auf der Straße, denn nach ihrer Meinung muß man das Unanständige, wenn man es nötig hat, im Verborgenen tun, das Anständige aber vor aller Augen. Weiber versehen niemals Priester- dienste, weder bei Göttern noch bei Göttinnen, Männer dagegen bei allen beiden. Söhne brauchen ihre Eltern

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nicht zu ernähren, wenn sie es nicht wollen, Töchter aber müssen es, auch wenn sie es nicht wollen. Anderswo tragen die Priester der Götter langes Haar, in Ägypten schneiden sie es ab. In anderen Ländern ist es Sitte, daß sich die Leidtragenden bei einem Trauer- fall das Haar abschneiden, in Ägypten aber lassen sie es bei einem Todesfall auf dem Kopfe und am Kinn wach- sen, wenn sie es bis dahin geschoren hatten. Andere Leute leben nicht mit ihrem Vieh zusammen, die Ägyp- ter leben mit ihnen unter einem Dache. Anderswo ißt man Weizen- und Gerstenbrot, einem Ägypter würde es übel anstehen, wenn er das täte, sondern man bereitet das Brot aus Einkorn, das sonst auch Dinkel genannt wird. Sie kneten den Teig mit den Füßen und den Lehm mit den Händen (und fassen damit auch den Mist an). Die Geschlechtsteile lassen andere so, wie sie von Natur beschaffen sind, die Ägypter aber und solche, die es ihnen nachmachen, beschneiden sie. Jeder Mann hat zwei Kleider, die Frau aber nur eins. Die Segelringe und die Segeltaue bindet man sonst inwendig, in Ägyp- ten aber von außen an. Die Griechen schreiben und rechnen von links nach rechts, die Ägypter dagegen von rechts nach links, und trotzdem sagen sie, sie schrieben nach rechts und die Griechen nach links. Es gibt bei ihnen zweierlei Schrift, von denen die eine die hiera- tische, die andere die demotische heißt.

Die Ägypter sind das religiöseste unter allen Völkern und haben folgende Sitten. Sie trinken aus ehernen Bechern, die sie täglich aufwaschen, und zwar alle und nicht nur dieser oder jener. Sie tragen leinene, immer

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frisch gewaschene Kleider, womit sie es sehr genau nehmen. Die Geschlechtsteile beschneiden sie der Rein- lichkeit wegen, indem sie mehr Wert auf Reinlichkeit als auf Schicklichkeit legen. Die Priester scheren sich alle drei Tage den ganzen Leib, damit sie beim Gottes- dienst nicht von Läusen und anderem Ungeziefer be- fallen werden. Die Priester tragen auch nur ein einziges leinenes Kleid und Schuhe von Byblos. Andere Kleider und andere Schuhe dürfen sie nicht anziehen. Sie waschen sich zweimal am Tage und zweimal des Nachts mit kaltem Wasser und haben außerdem, ich möchte sagen, noch tausend andere religiöse Bräuche, die sie befolgen müssen. Dafür haben sie dann auch wieder große Vor- teile. Denn ihr Haushalt kostet ihnen nichts, da ihnen Brot auf Tempelkosten gebacken und jedem täglich Rind- und Gänsefleisch in Menge geliefert wird und Wein dazu. Fisch aber dürfen sie nicht essen. Bohnen werden in Ägypten überhaupt nicht gebaut, und auch wo sie wild wachsen, werden sie weder roh gekaut noch gekocht gegessen. Die Priester aber dürfen sie gar nicht sehen; denn sie gelten für eine unreine Frucht. Jeder Gott hat nicht nur einen, sondern viele Priester, von denen einer der Oberpriester ist, und wenn er stirbt, wird sein Sohn sein Nachfolger.

Nun komme ich zum Krokodil. In den vier Haupt- wintermonaten frißt es nichts, und obwohl es ein Vier- füßler ist, lebt es doch nicht nur auf dem Lande, son- dern auch im Wasser. Denn es legt und brütet seine Eier auf dem Lande und hält sich den größten Teil des

Tages auf dem Trockenen, die ganze Nacht aber im

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Flusse auf; denn dann ist das Wasser warmer als die Luft und der Tau. Von allen uns bekannten Tieren wird dieses aus dem kleinsten das größte; denn seine Eier sind nicht viel größer als ein Gänseei, und das Junge ist nicht größer als das Ei; dann aber wächst es und wird gegen siebzehn Ellen lang, ja noch größer. Es hat Schweinsaugen und große (der Größe seines Körpers entsprechende), spitzige Zähne. Es ist das ein- zige Tier, das keine Zunge hat und den Unterkiefer nicht bewegt, auch das einzige, welches den Oberkiefer gegen den unteren bewegt. Es hat scharfe Krallen und am Rücken einen undurchdringlichen Schuppenpanzer. Im Wasser ist es blind, auf dem Lande aber sieht es sehr scharf. Da es im Wasser lebt, ist sein Rachen in- wendig voller Blutegel. Alle anderen Vögel und Tiere fürchten sich vor ihm, der ägyptische Regenpfeifer aber lebt mit ihm im Frieden, weil er ihm gute Dienste leistet. Denn wenn das Krokodil aus dem Wasser ans Land kommt und den Rachen aufsperrt (was es gegen den Westwind in der Regel zu tun pflegt), so schlüpft ihm der Regenpfeifer in den Rachen und verschluckt die Blutegel. Solchen Dienst läßt es sich gern gefallen, und es tut dem Vogel nichts zuleide.

In einigen Gegenden von Ägypten gelten die Krokodile für heilig, in anderen aber nicht, und man verfolgt sie als gefährliche Tiere. Bei Theben und am Moiris-See gelten sie für besonders heilig. Hier wie dort aber hält man sich ein Krokodil, welches so weit gezähmt ist, daß es sich anfassen läßt. Man hängt ihm Ohrringe an von Schmelz und Gold, und Spangen um die Vorder-

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füße, füttert es aus den Vorräten des "Tempels mit Leckerbissen und pflegt es sein Leben lang aufs beste. Stirbt es, so wird es einbalsamiert und in einem heiligen Sarge begraben. Bei Elephantine aber ißt man die Kro- kodile und hält sie nicht für heilig. Sie heißen auch (in Ägypten) nicht Krokodile, sondern Champsai. Krokodile (= Eidechsen) aber nennen die Ionier sie wegen der Ähnlichkeit mit den Eidechsen im Dorngestrüpp.

Man fängt es auf mancherlei Weise; ich beschreibe nur eine, die mir besonders erwähnenswert scheint. Man steckt einen Schweinsrücken auf einen Angelhaken und läßt ihn in den Fluß hinunter, stellt sich dann selbst mit einem lebendigen Schweine ans Ufer und schlägt es. Wenn das Krokodil es quieken hört, geht es dem Klange nach, gerät dabei an den Schweinsrücken und ver- schlingt ihn. Nun zieht man es heraus, und wenn es ans Land gezogen ist, muß ihm der Jäger zuerst die Augen mit Schlamm verkleben; dann hat er leichtes Spiel, sonst aber noch seine liebe Not mit ihm.

Es gibt auch noch einen heiligen Vogel, den Phönix. Ihn selbst habe ich freilich nicht gesehen, sondern nur sein Bild. Denn wie die Leute in Heliupolis sagen, kommt er sehr selten, alle fünfhundert Jahre einmal, zu ihnen, und zwar nur, wenn sein Vater gestorben ist. Sieht er wirklich so aus wie sein Bild, so sind seine Federn teils goldfarbig, teils rot. An Gestalt und Größe aber hat er die meiste Ähnlichkeit mit einem Adler. Nun sagen sie, was ich aber nicht glaube, er käme aus Arabien und brächte seinen Vater, den er mit Myrrhen

verklebt, in den ‘Tempel des Helios und begrübe ihn

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dort. Dabei aber verfiihre er auf folgende Weise. Zuerst mache er sich ein Ei aus Myrrhen so groß, wie er es tragen könnte, und wenn er sich davon überzeugt, daß er es tragen könnte, höhle er das Ei aus und lege seinen Vater hinein, dann aber verklebe er es da, wo er es ausgehöhlt und seinen Vater hineingelegt, wieder mit Myrrhen. Nun wäre das Ei mit dem Vater darin ebenso schwer wie vorher, und so verklebt brächte er ihn nach Ägypten in den Tempel des Helios. So, sagen sie, mache

es dieser Vogel. Aus dem Buch „Das Geschichtswerk des Herodot von Halikarnass“ neu übertragen von Theodor Braun.

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DEMETER-SONETTE VON RICHARD FRIEDENTHAL

Die feuchten Pappeln glänzen hoch und steil, Wie Honig bleibt das Licht an ihnen kleben,

Es keimt die Luft und schwillt in weichem Beben, Die Büsche wiegen sich, gewittergeil.

Die Wiese wälzt sich, eine Metze, feil

Und schamlos allen Winden preisgegeben. Auf alle Blüten lagert sich das Leben

Und auch der offne Teich bekommt sein Teil.

Und Bienen kommen, braun mit goldnen Haaren, Ihr wühlend Summen schwängert rings den Duft. Es lehnt der Fels sich trunken in die Luft

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Und neigt sich im Gefühl des nahen Falls. Du hebst die Hände, deine Brust zu wahren, Und plötzlich liegen sie um meinen Hals.

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Dies gibt es, daß sich eine Frau dir läßt, In jeder Fiber deinem Wunsch gewillt, Und: daß man dennoch völlig ungestillt Und hungrig sie in seine Arme preßt.

Verzweifelt halten sich die Leiber fest Und liegen beieinander wie zerkniillt, Von Angst und Trauer ratlos angefüllt Und trinken ohne Mut den bittren Rest.

O Einsamkeit. Uns hält das gleiche Leinen, Und doch sind wir uns weiter fern als je. Wie reiben sich die Herzen träge weh.

Wir sind uns fremd, wenn wir uns ganz vereinen. Schrittweis entwandern uns der Herzen Schläge,

Und jedes Blut geht seine eignen Wege.

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Die Hand ist warm und voll und fest im Schlusse Und wie gemacht, um üppig zu verschwenden: Im Ansatz breit, abschwellend zu den Enden, Rist, Finger und Gelenk aus einem Gusse.

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Ich folge mit dem Munde ihrem Flusse Und muß sie oft so hin und wieder wenden, Der Glanz der Haut will mir die Lippen blenden;

Leis tönen die Gelenke unterm Kusse.

Still ruht sie auf der Schläfe. Das Gewirre Der Linien dringt ins Hirn, ein kühler Garten, In dem ich wandernd mich getrost verirre.

Wie auch die Wege durcheinandertrachten, Doch treffen sie sich alle. Tiefer lehn ich Mich in sie ein. Laß sie mir noch ein wenig.

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W ie laue Milch sind unterm Strauch die Flecke

Des Lichtes, und der Schatten schmeckt nach Nuf. Stark auf uns nieder strömt in vollem Fluß

Der würzige Minzgeruch der Haselhecke.

Wir liegen in dem luftigen Verstecke Und tauschen ruhig atmend Kuß um Kuß, Und horchen in den Pausen auf den Guß

Der Sonne, stürzend auf die Blätterdecke.

Nun bist du satt und dehnst die Schultern selig Ganz auseinander, senkst den Kopf zur Seite, Und liegst sehr bald in leichtem Schlummerschweiße.

Der Boden ruft. Das schöne, fleischig heiße Gesicht schmilzt ein. Die Glieder gehn ins Breite. Zu Erde wird der ganze Leib allmählich.

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Kein Zug von Geiz in deinem weiten Blick, Du liebst es, dich unendlich zu verschwenden. Du gibst dich lächelnd aus mit vollen Händen, Und tausendfältig kehrst du dir zurück.

Wie viele zälılen zögernd Stück um Stück Und rechnen nach, was sie an andre wenden, Und nickten hämisch, wenn sie Undank fänden.

Doch nur die Grenzenlosigkeit ist Glück.

Sie halten an sich, um ihr Herz zu schonen, Wie einen Stoff, den man zu kostbar hält, Und der doch dann, wenn man ihn braucht, zerfällt

Vom Mottenfraß zerhöhlt wie mürber Zunder. Du aber strömst, ein unerschöpflich Wunder, Dich aus. Gott wird dich irgendwie belohnen.

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AUS EINEM KÜNFTIGEN BUCH VON HANS CAROSSA

ERZIEHUNGEN Endlich kehrt der Sommer zuriick, und viel freier und einfacher wird nun das Leben; es dreht sich außerhalb des Unterrichts nur noch um Turnen, Springen und Schwimmen. Evas früh gestellte Forderung, man müsse die Muskeln bis zur Beinhärte üben, wird auf einmal die allgemeine; dazu kommt spartanische Verpönung der Wehleidigkeit; was einem Schmerzhaftes zustößt, hat man ohne Schreien und Gesichterschneiden zu ver-

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winden. Mißerfolge in der Schule verlieren an Bedeu- tung; dagegen kann einem die Frage, ob man berufen sel, dereinst am hohen Reck den Riesenschwung aus- zuführen, tief in den Schlaf hinein verfolgen. Ehre aber dem Andenken der Lehrer! Die Freude an der Körper- bemeisterung teilt sich mehreren von ihnen mit; und wenn am Jahresende solch ein ruhmreicher Wettläufer oder Turnmeister über Latein oder Griechisch zu strau- cheln droht, wird ihm nicht ungern einige Nachsicht gewährt. Einem lustigen Irrtum verfällt mancher ver- sonnene Unerfahrene, da er die leiblichen Veränderun- gen an sich bemerkt, welche seinen Jahren zukommen; wie Verunstaltungen werden sie zunächst empfunden, dann erfolgt Aufklärung, und nun nimmt man sie als etwas ausnahmsweise Vorzeitiges, als eine Extrabeloh- nung der Natur für unvergleichlichen turnerischen Fleiß, man verdoppelt seinen Eifer, um die Symptome begin- nender Männlichkeit noch schneller zu entwickeln, muß jedoch zu seinem Ärger erfahren, daß auch Nichtturnern und Nichtschwimmern gleichen Alters die nämlichen Auszeichnungen zuteil werden.

Hugos Kränklichkeit hatte im Winter zugenommen; er mußte sein Studium auf lange Zeit unterbrechen und Kuren durchmachen, wodurch ihm ein zweites Jahr verloren ging; als er wieder eintraf, gehörten wir der gleichen Klasse an, und nun stand uns nichts mehr im Wege, Duzfreunde zu werden. Dieser Neidlose, dem seines schwachen Herzens wegen das Turnen verboten war, bestärkte mein Streben, er sah im nächsten Som- mer meinen Übungen aufmerksam zu und besprach bald

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lobend, bald bemängelnd jede neue Leistung. Dabei wob sich unmerklich ein anderes Band zwischen uns, ein feines und weit festeres, als ich mirs damals zu- gestanden hätte. Während er nämlich arglos von seinem zu Hause verbrachten Jahre erzählte, wurden mir nach und nach seine Angehörigen vertraute halbklare Ge- stalten, und eines Tages war es ein unausgesprochenes Geheimnis zwischen uns, daß eine Leidenschaft für seine Schwester Irma mich im Innersten beherrschte. Nicht als ob mir das Mädchen je zu Gesicht gekommen wäre Hugo besaß nicht einmal eine Photographie von ihr —; aber die Seele brauchte wenig Stoff, um sich ein Bild zu machen. Eine gewisse blasse Grundvorstellung trug sie eingeboren in sich; Wesenszüge, die der Freund überlieferte, setzten sich leicht in sinnliche um, und was etwa fehlte, gab die eine oder andere schöne Lands- huterin her, die dem Zug der Zöglinge auf dem gemein- samen Spaziergang begegnete. Im Sommer blieb alles noch scherzhaft; als aber die träumerischen Zwielichts- monate wiederkamen, wurde Irma zum einzigen Sinn des Daseins, und listig tüftelte ich mir schon untertags die Reden aus, durch welche ich das himmlische Wesen in die Unterhaltung des Abends einzuführen gedachte. Hugo nämlich wollte zunächst abwehren, ging aber spä- ter doch, mitgerissen von meiner Glut, auf mein Ge- dankenspiel ein, das ihm große Macht über mich ver- lieh, und machte mich nun je nach Laune glücklich oder unglücklich. War eine Obstsendung aus Kading gekom- men, so gab ich ihm vor dem Schlafengehen immer noch einen besonders prächtigen Apfel für Irma mit, und nie

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vergaß er, mir nach einigen Tagen ihren Dank zu über- mitteln. Dann und wann beglückte er mich durch eine Gegengabe grenzenlos, stieß mich aber auch einmal in Höllen der Verzweiflung, indem er mir traurigen Ge- sichts letzte Grüße von Irma entrichtete; sie habe in Würzburg einen wohlhabenden jungen Kaufmann ken- nen gelernt und werde wohl bald heiraten, ich solle mirs nicht allzusehr zu Herzen nehmen. So einfach ließ ich mich aber nicht abschütteln, und nun vermischten sich wirkliche und gespielte Leidenschaft mit ausgelassener Redelust; es entstanden stürmische Szenen, die schließ- lich den Freund erschreckten, so daß er die Verlobung zurückgehen ließ. Damit aber war leider die Höhe der Liebe überschritten; wir fanden Geschmack an solchen Aufführungen, die um so schlagfertiger wurden, je mehr sich die ursprünglich echte Empfindung dabei verlor. Dennoch wuchs Irma noch eine Zeitlang an Reiz und Huld, und Hugo, der sich als Älterer ein wenig zur Überwachung meiner Schulfortschritte berufen fühlte, bewirkte manches Gute, indem er durch die Vorstellung einer immer anteilnehmenden Schwester meinen Fleiß zu stärken wußte. Jeden Erfolg und jeden Mißerfolg verriet er ihr, und ebenso pünktlich brachte er mir ihr Lob oder ihre Betrübnis zum Ausdruck. So tat ich mein Bestes, um bei der nie gesehenen Geliebten in Geltung zu bleiben, und etwa bis zu der Zeit, wo der priester- liche Lenker uns verließ, dauerte das geistig zarte Ver- hältnis, das vielleicht nur in der von ihm geschaffenen Atmosphäre möglich war.

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KARNEVAL

Immer deutlicher zeigte der neue Herr, daß er mit uns in Frieden zu leben wünschte; er ließ die hergekommenen Faschingsbräuche bestehen und sah mit wohlwollendem Staunen zu, wie wir lange bunte Bänder, von denen freundlich grinsende Goldmonde herabhingen, über die Speisesaalwände spannten und uns in Masken tummelten. Daß wir durch Stadtschüler Wein hereingeschmuggelt hatten, entging ihm nicht, und es erfüllte ihn mit Sorge; aber auch das Weintrinken an den drei Karnevalsaben- den gehörte zu den uralten Gerechtsamen der oberen und mittleren Jahrgänge, und so ließ er es denn bei einer Mahnung zur Mäßigkeit bewenden. Mein Kostüm lobte er; nur, meinte er, sei es fast unheimlich, mich so wohl- erzogen zu sehen. Es war nicht zum erstenmal, daß ein Gewand mich verwandelte, und gewiß hat es immer zum Sinn der Trachten gehört, daß sie dem Menschen eine Haltung aufzwangen.

Aber der Wein ging um, und bald verriet er die inner- sten Richtungen. Mancher, der sonst ein Schreier war, wurde jetzt besinnlich still; dagegen führte mancher als nüchtern und schüchtern Bekannte plötzlich eine uner- hörte Sprache, man glaubte sich in die wildesten Auf- ruhrzeiten zurückversetzt. Ein zarter Zögling, der uns durch übertriebenes Frommtun gelegentlich zu ärgern pflegte, begann als weißer, gelbgetupfter Clown zu wei- nen und zu fluchen, und als man teilnehmend fragte, was ihm fehle, erging er sich in verworrenen Reden von einer bleichsüchtigen, brandrot gelockten Kusine; die Bedau- ernswerte sei, wenige Straßen entfernt, im Ursuliner-

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kloster eingesperrt, alle die armen Madchen miften ohne Zweifel die Faschingsnächte im Gebet verbringen und Milch trinken, wenn wir nicht samt und sonders elende Schufte und Feiglinge wären, zögen wir hinüber mit unserem Wein, verjagten die bösen Nonnen und feierten mit den schönen Kindern einen herrlichen Kar- _neval. So frevelmütigen Reden folgte die gerechte Strafe auf dem Fuß. Entkräftende Übelkeit befiel den Un- seligen; er mußte Hals über Kopf, umstürmt von Ge- lächter, das Weite suchen und fand sich erst spät, in ganz gebrochener, bußfertiger Stimmung wieder ein.

Ein kleiner Streit entstand im Laufe des Abends über Herrn Buchkatz, den neuen Kandidaten; ein vielumher- horchender Schüler wollte wissen, es habe mit diesem Vorgesetzten eine eigene Bewandtnis, die Gabe der Dichtkunst sei ihm verliehen, in freien Stunden schließe er sich ein und schreibe Verse zu Ehren heiliger Männer und Frauen, herrliche, die bereits in Zeitschriften durch die Welt klängen. Diese Kunde, die mir so starkes Herz- klopfen erregte, als ginge sie mich persönlich an, wurde von mehreren als unglaubhaft zurückgewiesen, es gab ein hitziges Für- und Widerreden, das auszuarten drohte, bis Hugo, der als Türke verkleidet war, durch List und Scherz den Wortwechsel in Heiterkeit zerstreute. Die Arme über der Brust gekreuzt, mit einer tiefen Ver- neigung, näherte er sich dem Rätselvollen und fragte be- scheiden, ob er sich eine Auskunft erbitten dürfte. Voll Neugier kam jetzt einer um den anderen herbei; der Freund aber, schon leicht betrunken, gab uns alle der Enttäuschung preis. Als nämlich jener Gewährung

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nickte, brachte er mit kindlicher Stimme nur die Frage hervor, ob es denn auf Ehre wahr sei, daß wir uns heute alles, aber auch wirklich alles erlauben diirften, was Buchkatz mit einiger Angstlichkeit verneinte, worauf Hugo, rückwärts schreitend und seine Haltung immer mehr verdemütigend, sich langsam entfernte.

Rasch kehrte sich die Neugier der Zöglinge von Buch- katzens Dichterschaft zu anderem; vermutlich war ich der einzige, der sich über die Möglichkeit, einen wirk- lichen Poeten leibhaftig vor sich zu sehen, nicht so bald zu fassen wußte und das Geheimnis zu ergründen be- schloß. Indessen aber nahte mir bereits ein wundersames, nie ganz aufgeklärtes Verhängnis. An unserem Tische war der Wein ausgegangen, und eben befand ich mich auf dem Wege zum Studiersaal, wo am unvermutbar- sten Orte, nämlich im inneren Winkel des Katheders, noch zwei Flaschen verborgen standen, da begegnete mir auf der Stiege ein Knabe von ungewöhnlicher Schönheit. Er mußte erst vor kurzem in die Anstalt eingetreten sein; ich entsann mich nicht, ihn vorher gesehen zu haben. Hugo meinte später, die Verzauberung sei größ- tenteils vom Kostüm ausgegangen, und vielleicht hatte er nicht ganz unrecht. Es ähnelte der Form nach dem meinigen, bestand aber fast ganz aus tiefschwarzem Samt, auch das Mützchen, das er über die lichtblonden Locken gestülpt hatte, war schwarz, und einige silberne Tressen, die daran glänzten, erhöhten noch die dunkle Vornehm- heit. Zu unverhüllt war wohl meine Bewunderung, als daß er sie hätte übersehen können; mit einem grauen Mädchenblick lächelte er mich zweifelnd an, hob eine

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weiße Narrenpritsche, die zu seiner Tracht eigentlich nicht paßte, versetzte mir einen kräftigen Schlag auf die Schulter und sprang lachend über die Stufen hinab. Es war die Maskenfreiheit jener Tage, die er damit in Anspruch nahm, nichts weiter; denn da gabs keinen Rangunterschied der Klassen, und begreiflicherweise machten die Kleinen von dem seltenen Recht, einen Größeren zu schlagen, den allerfröhlichsten Gebrauch. Mir aber war schon der Sinn verstellt, wie von scharfer Waffe getroffen, in unwillkürlicher Abwehr, griff ich an die Stelle meines goldenen Gürtelbandes, wohin der Degen gehört hätte, zugleich fühlte ich mich unerhört begünstigt und ausgezeichnet wie durch Ritterschlag.

Im Saale fand ich den Wunderbaren unter den Schülern der dritten Klasse wieder. Sie hatten ihre Stühle um den grauen Brunnen gestellt und unterhielten sich. Ein klei- ner des Zitherspiels Kundiger in der Tracht des Loisach- tales schlug unermüdlich Walzer und Ländler; andere stampften, klatschten und pfiffen den Takt. Der Knabe hatte keinen Wein; ich bot ihm mein Glas, er dankte, nippte und wollte es zurückgeben; ich ließ es aber bei seinen Genossen in die Runde gehen und füllte es noch einmal. Ein wenig hatte ich die Helligkeit des großen Raumes gefürchtet, als könnte die Erscheinung hier weniger bedeuten wie droben im Zwielicht, war aber schon aufs innigste beruhigt; denn wie von Tag zu Tag der Mond sich füllt, so wuchsen Reiz und Adel dieses Antlitzes mit den Sekunden. Sogar ein leiser Zug von Verschlagenheit, der unter den Augen nistete, vermehrte nur mein Entzücken. Ich durchforschte die Gesichter

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seiner Freunde nach Zeichen verwandter Ergriffenheit, bemerkte aber nichts; keinem schien er mehr zu gelten als irgendein anderer, einer schien mir wie der andere seelenblind. Einsam sah ich mich auf einer magischen Glücksleiter nach oben steigen, und, geistig aufgefaßt, rechtfertigte die Zukunft diesen Traum; denn wenn auch auf der Stelle, Schlag um Schlag, ein Ende herein- brach, so konnte doch das Wichtige nicht mehr verloren gehen. Nur eines Augenblicks bedarf der Regenbogen, um sich aufzubauen, und jede Entscheidung der Seele geschieht in Sekunden. Geahnt fiir immer war die Még- lichkeit einer neuen Gestalt, die eher vergehen wiirde, als Ziige der Furcht oder der Niedrigkeit annehmen, und was dann kam, Verkennung und Enttauschung, Beschul- digung und heimliche Verweisung, dies alles änderte daran nichts mehr.

Kaindl, Schüler der Oberklasse, hochangesehener Leiter des Aufstands, kam, als Ritter verkleidet, finster, wein- glühend und tippte dem Schönen an den Arm: „Wo bleibt mein lässiger Knappe?“ Unschlüssig, stark er- rötend, sah der Junge zu mir herüber, erhob sich aber doch und leistete dem Gewaltigen Folge, der mich im Weitergehen zugekniffenen Auges maß. Darin fand ich zunächst nichts Feindliches, dachte vielmehr, dies sei der echte Ritterblick, so letz und fehdekündend, nicht unwürdig des Jünglings, den Eingeweihte als den Ur- heber der katonischen Sentenz gegen das grüne Tisch- chen verehrten. Dennoch begann es mich zu nagen, daß ich seinetwegen verlassen war, und als die beiden später, vertraulich redend, sich zum Ausgang hinbewegten, da

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kam es mir vor, als lachten sie beide geringschatzig nach mir zurück. Dies konnte Tauschung sein; aber im Nu schwoll das Leiden zur Verzweiflung, hastig trank ich allen noch erreichbaren Wein zusammen und merkte so- eben mit böser Genugtuung, daß mein Benehmen durch- aus nicht mehr mit meinem edlen Kostüm in Einklang stand, als mir unvermutet Hugo begegnete, dem auch sein Turban schon recht schief auf dem Köpfchen saß. Von meiner bedeutsamen Bekanntschaft ihm gegenüber zu schweigen, war mir unmöglich, doch fand ich wenig Gehör. Ein hübscher Junge sei Trimming, das leugne niemand, freilich etwas backfischhaft, auch ein kleiner Ränkeschmied, wie man höre, keinesfalls ein Verkehr für mich, wenn er auch bei den obersten Klassen hoch in Gunst stehe, man könne sich wahrlich über Wichtigeres unterhalten.

Diese Ausfälle brachten mich um jede Mäßigung; mit Genuß warf ich dem Freund verletzende Worte hin und sprach ihm schließlich alle Fähigkeiten ab, das herr- lichste der Wesen zu beurteilen. a Die Art, wie Hugo sich nunmehr veränderte, hätte mich ernüchtern müssen; sein Atem ging noch schneller als gewöhnlich, die Röte der Wangen wich einem bläulichen Weiß, lange sah er mich schweigend an. „Was wird Irma dazu sagen?‘ Dies war alles, was er endlich hervorbrachte. Aber diese Berufung auf meine verflüch- tigte Liebe zu einem halberfundenen Idol war jetzt am wenigsten geeignet, mich zu beschwichtigen; ich emp- fand sie als nicht ernst gemeint, und dennoch traf sie mich empfindlich, ja viel würde ich gegeben haben, wenn

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er nur gerade dies nicht gesagt hatte. Zum erstenmal emp- fing ich den Vorwurf der Untreue, die fiir den Augen- blick dem Leben allen Wert benimmt, und die Seelen- öde, die nun entstand, übertäubte ich durch vermehrte Wut, Ich rief es laut hinaus, daß ich diese Irma doch niemals mit Augen gesehen habe, daß niemand wissen könne, ob sie wirklich auf der Welt sei, ob er sie nicht etwa nur erdichtet habe, um mich zu seinem Sklaven zu machen. Da wärs denn doch wahrlich zuviel verlangt, immer nur sie allein anzubeten; gleichgültig, offenge- standen, ja verhaßt geradezu sei sie mir ein für alle- mal. Über diesen schmählichen Abfall entsetzt, brach der Freund in Tränen aus, ein nie für möglich gehaltenes Ereignis, das nun auch mich völlig auflöste; fassungslos weinend, umarmten wir uns schließlich zur unendlichen Erheiterung großer wie kleiner Mitzöglinge, die nur Betrunkenheit und Posse zu sehen glaubten, während wir beide, durch allen Weintaumel hindurch, etwas traumhaft Unersetzliches verloren gehen fühlten, ohne es hindern zu können.

Des heulenden Elends endlich überdrüssig, verließ ich den Saal und ging in den um diese Zeit verbotenen Gar- ten hinaus, den ein mondgrauer Nebel verhing. Groß im Dunst standen die eingebauten Turngeräte, und von den Kastanienbäumen, wie schlafende Fledermäuse herabge- faltet, hing da und dort noch das herbstliche Laub. In Hirn und Augenlidern brauste der Wein; bald vernahm ich Schritte, bald Stimmen, bald glaubte ich Trimming mit Kaindl zwischen den Stämmen schleichen zu sehen. Frierend in dem leichten Maskenkleide begann ich zu

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laufen und umkreiste das Feld, wo der gelbe Schliissel im Schnee vergraben lag; ich fragte mich, wer ihn wohl im Frühjahr finden werde. Auf einmal spürte ich über dem Nebel die Sterne und kehrte, halb getröstet, in den Saal zurück, wo man sich schon zum Schlafengehen rüstete.

Am anderen Tag dämpften Unterricht und Hausordnung das Blut, und zwischen Hugo und mir war bald alles wieder wie sonst. Er war keiner, der böse Worte nach- trug, und wenn er mich nun auch murrend mit einem Eisklotz verglich, der voll Rührung zu Wasser zer- fließe, nachdem er einem ein Loch in den Schädel ge- schlagen, was leider dem Schädel nichts helfe, so gab mir dies doch nur Gelegenheit, ihn wegen des feinen Ver- gleichs zu bewundern. Auch aus mir war aller Zorn ver- weht, die Liebe leider nicht mit ihm. Unaufhaltsam zur Wesensmitte strebt ja die Schönheit; sie ruht nicht, bis wir ganz von ihr durchdrungen sind.

Seltsam war Trimmings Verhalten; ich konnte mich nicht lange darüber täuschen, daß er mir aus dem Wege ging. Bei Tische sah ich ihn von weitem in einem grauen Röckchen sitzen; aber diesen Alltagsanzug empfand ich als nicht ganz würdige Verkleidung, auch erschien mir das immer halbabgewendete Gesicht wie vertauscht, kaum erkennbar. Erst der Abend erneuerte die gültige Gestalt, mit ihr aber auch mein Unglück. Der Knabe lächelte mir wohl einmal verstohlen zu, hob auch dann und wann die weiße Narrenpritsche gegen mich, besann sich aber jedesmal und enthielt sich des Schlags. Dies kränkte mich um so mehr, als er an andere wahllos frei-

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gebig Hieb um Hieb austeilte, und doch hätte ich ihm danken sollen. Jener erste Schlag war heilige Verwun- dung gewesen, ein neues Organ der Seele war unter ihm aufgesprungen, wie durfte ich wünschen, daß er sich sogleich wiederhole? Nach und nach stellte sich eine Art Gleichgewicht her, zumal der Weinbestand aufgebraucht war; ich bemühte mich nicht mehr soviel um Trimmings Nähe und hielt mich lieber zu Hugo, durchblätterte auch mitten im dazwischen schwirrenden Karneval wieder den geliebten poetischen Hausschatz, der fast jederzeit erreichbar war, da selten ein anderer Zögling auf ihn Anspruch machte. Dabei ging der Blick über die Stro- phen der toten Dichter hinaus immer wieder zum Tisch- chen der Vorgesetzten hin, wo, tief sich verschweigend, der lebendige saß, der erste, der mir begegnete. Heim- lich forschte ich in seinem Gesicht nach Geniuszügen, und sooft er mich ansah, ordnete ich unwillkürlich mein Betragen. Er jedoch verstand sein Geheimnis zu wahren, indem er aufs täuschendste das Gebaren eines ganz ge- wöhnlichen jungen Mannes nachahmte. Aber das beirrte mich nicht, und wie mir einstmals der Zauberstab gerade durch sein simples Aussehen Vertrauen eingeflößt hatte, so war es auch jetzt vor allem die Unscheinbarkeit, die mich im Glauben bestärkte. Schließlich beschrieb ich selbst einen Zettel mit Versen „An Trimming“, die ich ihm gelegentlich zuzustecken gedachte. Sie waren irgend- einem Dichter kindlich nachgetönt; ich aber hielt sie für namenlos großartig, und jedesmal, wenn ich mir die letzten Zeilen vorsagte: „Masken, Liebe, Wein! Unver- geßliches Beisammensein! Keine Kraft vergeht, kein

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Herzensklang zerbricht. Unser Bund besteht, ob du es willst oder nicht“, weinte ich vor Bewunderung und Rührung. Schon aber legten sich die Geschicke zurecht, die jedem seinen Opfertag bereiteten.

Mitten in der Nacht erwachend, besann ich mich auf mein Gereime und suchte den Zettel, doch fand er sich in keiner meiner Taschen, und gleich war aller Schlaf dahin. Zum Suchen entschlossen, verließ ich das Bett. Werktagsanzug und Maskenkleid lagen auf dem Stuhl; ich wählte das letztere. Etwas warnte mich; auch fiel mir ein, daß nächtliches Hausdurchwandeln bei Strafe der Entlassung untersagt war; aber das aufgejagte Blut gehorchte weder innerem noch äußerem Verbot, und so glitt ich vollends in die Sphäre hinüber, wo wir dem Zu- fall ausgeliefert sind. Hinschleichend an der Bettenreihe blieb ich manchmal stehen, auf die vielen Atemzüge hor- chend; niemand wachte. Noch fesselte ein Wunderbares: man hatte vergessen, die Vorhänge zu schließen; die mondlichten Scheiben schimmerten von herrlichsten Eis- pflanzen, und jedes Fenster hatte sich eigene Formen erfunden. Über so viel Glanz vergaß ich fast mein Vor- haben; aber von Fenster zu Fenster weiter bewundernd geriet ich doch dem Ausgang zu. Vor Hugos Bett blieb ich stehen, als müßte mir ein Zuruf oder Zeichen von ihm kommen; aber er schlief, die Hände unter der Wange gefaltet, leisen, schnellen Atems wie immer. Das Zettelchen war an der Speisesaalschwelle bald ent- deckt, und nun wollte ich gleich den Rückzug antreten, fand es aber in dem langen mondgestreiften Gange gar nicht kalt und setzte mich, nahe dem einzigen Gas-

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flämmchen, auf ein Fensterbrett. Wedelnd und niesend kam Barry herbei; ihm fiel nicht ein, mich etwa bellend zu verraten, vielmehr bohrte er die Schnauze in meinen flachsroten Samt und legte sich dann gemütlich nie- der, so daß ich mich seines Rückens als Teppich be- dienen konnte. Während ich mich so, mein Zettelchen in den Händen, einer wortlosen Gefühlswelt überließ, leuchteten im Augengrunde die bereiften Schlafsaalfen- ster nach. Der geistige Silberflor der Eisgewächse, her- übergepflanzt in die Seele, zweigte nach allen Seiten weiter, und wie von selber löste sich die Frage, warum das eine Glas nur solche, das andere nur solche Formen ernährte. An Dickelhubers Fenster war es ein krauses Gewirr von flimmernden Moosen und Korallen gewesen, bei Hugo dagegen glänzten schräge Distelstauden, mit muschelhaften silbernen Wirbeln durchstreut. Es waren die Schlafenden selber, die mit ihrem Atem diese zarten Meisterwerke bestimmten, das wurde mir in jener stillen Minute so sehr begreiflich. Gern hätte ich nur gewußt, wie es im Schlafraum der kleinen Zöglinge aussah und was für Figuren wohl an Trimmings Fenster wüchsen. Jetzt aber erhob sich Barry mit gedämpftem Knurren, und wie aus mir selbst hervorgetreten, stand unter dem Gasflammchen der Herr Kandidat Buchkatz. Sein fast gezischter Anruf erschreckte mich ungeheuer, erreichte aber doch nicht ganz mein inneres Ohr; ja ich vergaß, was ich als Mindestes dem Vorgesetzten schuldete, und ließ mich zum Aufstehen erst ermahnen. Dann freilich wünschte ich dies eilig gutzumachen und verlegte mich auf größte Artigkeit, zuvorkommend verriet ich sogar,

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daß ich etwas Wichtiges verloren, gesucht und zum Glück auch wiedergefunden habe.

„Was gesucht?“ Der Kandidat sah bleich und erregt aus; ich vergegenwärtigte mir seinen geheimen Dämon, „auch ich bin ein Dichter und ein Verehrer von Ihnen“, wollte ich sehr zart und taktvoll sagen; aber kein Ton drang aus der Kehle. Dafür erwachte unend- liche Zuversicht, und als gäbe ich nun alles in seine Hand, Eisblumen und Mondlicht, Liebe und Kunst, einem begonnenen Bilde gleich, auf daß er es vollenden und mit einem goldenen Rahmen schmücken möge, so überreichte ich ihm schweigend, mit möglichst vielsagen- der Gebärde den Zettel.

Er schraubte die Gasflamme höher und las. „Es ist nicht anders“, murmelte er trübe vor sich hin. „Geh hinauf in den Schlafsaal und bete! Du hast es nötig. Und morgen erscheinst du zur Vernehmung!“ Das letzte rief er auf einmal so laut, daß Barry, der kluge Hund, dem der neue Mann noch nicht als vollwertiger Haus- bewohner galt, ihn zürnend anbellte. Dieses Verhalten des braven Tieres und noch mehr ein gewisses leichtes Zurückweichen des Herrn Kandidaten vor ihm ergriffen mich plötzlich mit unabwendbarer Lachlust; fast regte sich ein Zweifel, ob dieser der Dichter sein könne, der feurig furchtlose, der alles zum Hohen wendet; aber das war nur eine schnöde Anwandlung, von der sich meine bessere Natur sogleich befreite. „Er beißt nicht“, er- laubte ich mir noch zurückzurufen, und während ich eine Verurteilung zu Karenz oder Silentium schon im voraus als gerecht anerkannte, mich aber zugleich er-

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innerte, daß im Jahre vorher der alte geistliche Gebieter eine allgemeine Faschingsbegnadigung hochherzig er- lassen habe, kehrte ich langsam zurück in die kühle Be- hausung des Schlafs.

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GEDANKEN VON PAUL LAGARDE

Führer Möge Deutschland nie glauben, daß man in eine neue Periode des Lebens treten könne ohne ein neues Ideal. Möge es bedenken, daß wirkliches Leben von unten auf, nicht von oben her wächst, daß es erworben, nicht gegeben wird. *

Das deutsche Volk Wo Germanen hingekommen sind, haben sie die Ari- stokratie mit sich gebracht. Nicht weil sie als Eroberer kamen und als solche Herren über Eroberte wurden: sie haben ja Eroberte in ihre Mitte aufgenommen, wie in Frankreich die keltischen Vendômes, sie haben ja ari- stokratisch regiert, auch wo sie nicht in dem Sinne wie in Francien, Longobardien, Gothalanien Eroberer waren, zwischen Rhein und Saale und Böhmer Wald. Sie haben aristokratisches Regiment geführt, weil sie königlich ge- sinnt waren und es das Königtum leugnen heißt, es nicht als höchsten Berg neben vielen hohen Bergen den- ken, die gemach zur Ebene sinken.

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Der deutsche Geist

Von der schwarzen, der roten, der goldenen Inter- nationale redet alle Welt: die graue Internationale läuft noch immer unter dem Namen Liberalismus um. Mir scheint es an der Zeit, sie in ihre Rechte einzusetzen. Sie ist vaterlandslos wie alle ihre Schwestern und darum für jede Nation von äußerstem Unsegen. Sie herrscht allerdings ebenso gerne wie die drei anderen Glieder der Familie, aber die Macht ist nicht eigentlich das, was sie erstrebt: von der Bequemlichkeit und dem Wunsche zu scheinen nährt sie sich, sie mordet, wenn auch ohne es zu beabsichtigen, die Gewissen und die Fähigkeit, das Leben als Ganzes zu fassen, und dadurch tötet sie die Persönlichkeit.

Auch Männer, welche nicht orthodox, aber eifrige Freunde der Religion, und welche sogar der Meinung sind, daß die Nationen nur durch die Religion leben, auch sie sind dem Banne des allgemein herrschenden Liberalismus und seiner die Natur und die Geschichte leugnenden Grundanschauung verfallen.

Die geistige Verarmung unserer Nation ist so weit fortgeschritten, daß Deutschland, so reich es an Maß- regeln ist, an Männern den allerempfindlichsten Man- gel leidet.

Charaktere können sich im Deutschen Reiche nicht bil- den: kaum daß bereits gebildete Charaktere in ihm sich zu erhalten imstande sind.

Man bedenke, welch ein Druck dem Vaterlande durch die liberaler "Theorie wider das Leben und wider die

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Geschichte gelungene Gesetzgebung aufgelegt ist, und erwäge, wie schwer es sein muß, unter diesem Drucke sich nach eingeborenen Werdenormen zu bewegen. Was ist aber Charakter anders als Selbstsinn, wenn man das Selbst als ein Gottgewolltes ansehen darf und an- sieht?

Meine Aufsatze sollen Einzelleben gegen den von einem einzigen Koche gequirlten, nach Belieben zum Feuer und vom Feuer geschobenen Brei loben, zu dem man unser edles Volk verschmoren will.

Als im Frühjahr 1813 die Freiwilligen aus Berlin, dem Quellpunkte der Erhebung, ausziehen sollten, baten sie Schleiermacher, sie einzusegnen. Schleiermacher hielt sich an das Evangelium des Sonntags, Matthäus 11. Die ein- zig sicheren Kennzeichen einer herannahenden neuen Zeit, so predigte er und noch ein Vierteljahrhundert nachher redete Berlin von dieser Predigt —, die einzig sicheren Kennzeichen einer neuen Zeit sind, daß die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen rein werden, die Tauben hören, die Toten auferstehen, den Armen das Evangelium gepredigt wird.

Und 1813 war eine neue Zeit angebrochen, wider den Willen des Königs freilich, aber sie war da. Sie war auch noch unbefangen, denn sie wußte noch nicht, daß sie schon 1819, mit dem Willen des Königs, ausgelebt haben werde.

Als Deutschland 1872 seine Heere aus Frankreich zu- rückgenommen hatte, da war keine neue Zeit ange- brochen, sondern nur eine neue Ordnung weltlicher

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Illustration zu Balzacs Tolldreisten Geschichten von Gustave Doré

Dinge. Freilich redete man aller Orten von einem neuen Reiche, man trank auf dies neue Reich, man weissagte dem neuen Reiche eine Dauer ohne Ende. Aber die Blinden sahen nicht: vielmehr band man denen, welche noch sehen konnten, von Amts wegen Binde tiber Binde über die Augen. Die Lahmen gingen nicht: man er- laubte nach wie vor niemandem, seine wichtigsten Ge- schäfte, die Erziehung seiner Kinder und die eigene Vorbereitung für die Ewigkeit, allein zu besorgen. Die Aussätzigen wurden nicht rein, sondern die Gründer- zeit wälzte sich über das Land, so schmutzig, wie seit Law nichts dagewesen war, und eine Gesetzgebung, mit dem Lineale gemacht, teures Recht, undeutsches Recht, gegen Beamtenwillkür kein Recht. Die Tauben hörten nicht: denn das Gewissen durfte nicht sprechen, da es Patriotismus hieß, von Überzeugung zu Überzeugung, wie es befohlen wurde, den Polonius zu spielen. Die Toten standen nicht auf: aber die Märtyrer alter Fröm- migkeit bekamen Brüder, allerdings schwächliche Brü- der, wie greise Eltern sie zeugen können, und durch den Kulturkampf wurde in den beiden Kirchen, was an evangelischer Frömmigkeit noch da war, erschlagen, und das zur Herrschaft gebracht, dessen nie hätte ge- dacht werden dürfen, der Unglaube bei den Nicht- katholiken, der Aberglaube bei den Katholiken. Den Armen wurde das Evangelium nicht gepredigt: denn das Evangelium ist ein Evangelium vom Kreuze, ist eine Verheißung ewigen Lebens, und was man predigte Sozialdemokraten wie naturwissenschaftlich gebildete Professoren —, war die Forderung, daß auf Erden alle

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das gleiche sollen genießen dürfen, und die Lehre, daß nach dem Tode alles aus sei...

Als der Adel nicht mehr war, was er sein sollte, die stets fließende, aber nach oben und nach unten immer wehrende Grenze zwischen dem treibenden Gedanken und dem befriedigten Besitze, zwischen den starken Freien und den schwachen Freien, da verkam der Adel. Denn nur die Aufgabe erhält am Leben. Es blieben die Schranzen und die Fronvögte.

Als die Kirche nicht mehr war, was sie sein sollte, die Schule der Ewigkeit, die Gemeinschaft der Vorlebenden und der um ihre Sünde trauernden Heiligen, da verkam die Kirche. Denn nur die Aufgabe erhält am Leben. Es blieben die Pfaffen und die Dogmatiker.

Aus „Deutsche Politik und Religion, eine Auswahl aus den Schriften von Paul Lagarde“. (Insel- Bücherei Nr. 396.)

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DER TOD DER JUNGEN FRAU VON FRANCOIS MAURIAC

„Sie schläft.‘

„Sie tut nur so. Komm.“

Am Kopfende von Mathilde Cazenaves Bett flüsterten ihr Mann und ihre Schwiegermutter miteinander, deren riesige, ineinander fließende Schatten an der Wand sie unter den gesenkten Wimpern beobachtete. Auf knar- renden Fußspitzen erreichten die beiden die Tür. Ma- thilde lauschte dem Widerhall ihrer Schritte auf der Treppe; die schrille und die rauhe Stimme erfüllten den

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langen Gang des Erdgeschosses. Jetzt beeilten sie sich, die eisige Ode des Hausflurs zu überschreiten, der den Flügel, in dem Mathilde wohnte,von dem anderen trennte, wo Mutter und Sohn zwei aneinanderstoßende Zimmer innehatten. Von fernher hörte man, daß eine Tür sich schloß. Die junge Frau seufzte erleichtert, sie schlug die Augen auf. Über ihrem Haupt raffte ein hölzerner Pfeil den weißen Kattunvorhang zusammen, der das Mahagonibett umgab. Die Nachtlampe beleuchtete ein paar blaue Blumensträuße auf der Tapete und auf dem Nachttisch ein grünes, goldgerändertes Wasserglas, das leise klirrte, weil auf dem nahen Bahnhof eine Loko- motive rangierte. Als das Rangieren beendet war, horchte Mathilde in die flüsternde Nacht des zur Neige gehenden Frühlings hinaus (wie wenn der Zug auf freier Strecke hält und der Reisende die Grillen auf dem unbekann- ten Felde draußen hört). Der 22-Uhr-Expreß raste vor- bei, und das ganze alte Haus erbebte: die Fußböden zitterten, auf dem Speicher oder in einem unbewohnten Zimmer sprang, wie es schien, eine Tür auf. Dann don- nerte der Zug über die Eisenbrücke, die über die Ga- ronne führte. Die lauschende Mathilde beschäftigte sich eine Weile damit, dem Rollen des Zuges zu folgen, bis das Rauschen der Blätter es übertönte.

Sie schlummerte ein und wachte plötzlich auf. Wieder zitterte ihr Bett; das übrige Haus nicht, nur ihr Bett. Und doch fuhr kein Zug durch den schlafenden Bahn- hof. Einige Augenblicke verstrichen noch, ehe Mathilde begriff, daß ein Fieberschauer ihren Körper und das Bett schüttelte. Ihre Zähne schlugen aufeinander, ob-

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gleich ihr schon heiß war. Sie konnte das Fieberthermo- meter am Kopfende ihres Bettes nicht erreichen.

Dann hérte das Frésteln auf, aber ein inneres Feuer stieg wie ein Lavastrom in ihr empor, sie gliihte. Der Nacht- wind blähte die Gardinen auf, füllte das Zimmer mit dem Geruch von Flieder und Kohlenrauch. Mathilde erinnerte sich, wie sie vorgestern abend, als sie im Blut ihrer Fehlgeburt schwamm, sich vor den flinken, frag- würdigen Händen der Hebamme auf ihrem Leib ge- fürchtet hatte. | „Ich muß mehr als 40 Grad haben... Sie haben mir keine Nachtwache erlaubt...“

Ihre aufgerissenen Augen verfolgten den flackernden Lichtkreis auf der Decke. Ihre beiden Hände umklam- merten die jungen Brüste. Sie rief mit starker Stimme: „Maria! Maria von Lados! Maria!“

Aber wie hätte die Dienstmagd Maria (man nannte sie ` von Lados, weil sie in dem Marktflecken Lados geboren war), die in einer Dachkammer schlief, sie hören kön- nen? Was bedeutete diese schwarze Masse dort am Fen- ster, das geduckte satte Tier lauerte es ihr auf? Mathilde erkannte den erhöhten Fenstertritt, den ihre Schwiegermutter vorzeiten in jedem Zimmer hatte an- bringen lassen, um bequemer dem Kommen und Gehen ihres Sohnes folgen zu können, sei es, daß er im Norden den „Rundgang“ machte oder mit großen Schritten die Allee im Süden auf und ab ging, oder daß sie seine Rückkehr durch das Portal im Osten erwartete. Auf einem dieser Fenstertritte drüben im kleinen Salon hatte sich an Mathildens Verlobungstag das riesige wütende

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Weib aufgebäumt, mit den Füßen gestampft und ge- schrien: |

„Sie sollen meinen Sohn nicht haben! Es wird Ihnen nie gelingen, ihn mir zu rauben!“

Unterdessen hatte sich die Lava ihres Körpers abgekühlt. Die grenzenlose Müdigkeit, die Zerschlagenheit ihrer Glieder gestatteten ihr nicht, einen Finger zu rühren wäre es auch nur, um das nasse Hemd von ihrem Kör- per zu ziehen. Sie hörte die Glastür der Veranda krei- schen. Und wieder fröstelte sie. Ihre Zähne klapperten. Das Bett zitterte. Ihre Hand suchte nach dem Klingel- zug veralteten Systems, der nicht mehr zu gebrauchen war. Sie riß daran, sie hörte das Reiben der Schnur gegen das Gesims. Aber keine Glocke erklang in dem finsteren Hause. Mathilde begann wieder zu brennen. Unter der Freitreppe knurrte der Hund und brach dann in wütendes Bellen aus, weil sich jemand auf dem schma- len Weg zwischen Garten und Bahnhof bewegte. Sie sagte sich: Gestern noch hätte ich mich gefürchtet! In diesem ungeheuren Hause, das immer von leisem Beben erfüllt war, dessen Glastüren nicht einmal durch Fenster- läden gesichert waren, hatte Mathilde Nächte der un- sinnigsten Furcht gekannt. Wie oft war sie vom Bett aufgesprungen, schreiend: „Wer ist da?“ Nun aber fürchtete sie sich nicht mehr, als könne niemand sie mehr durch den Flammenherd ihres Fiebers erreichen. Der Hund knurrte noch immer, obgleich jedes Geräusch von Tritten verstummt war. Mathilde hörte Maria von Lados’ Stimme: „Was ist los, Peliou ?“ und sie hörte auch, wie Peliou fröhlich mit dem Schweif auf die Steine

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der Freitreppe schlug, während Maria ihn leise besänf- tigte: „So, so, nur ruhig!“ Wieder verließ die Flamme den ausgebrannten Körper. Eine unaussprechliche Mü- digkeit gab ihr Frieden. Sie glaubte ihre zerschlagenen Glieder auf dem Sand am Meere auszustrecken. Sie dachte nicht daran, zu beten.

In ihrem Herzen entdeckte die Fiebernde ein kindliches Gesicht, das keinem glich, die sie bisher gekannt hatte ein Gesichtchen, nicht sehr schön und vielleicht ein wenig kränklich, mit einem kleinen Mal links an der Lippe, wie es Mathilde auch hatte. „Ich hätte im Dunkeln an ihrem Bettchen gesessen, bis der Expreß vorübergefahren, vor dem sie sich geängstigt hätte.“ Das Reich, in das sie mit ihrem Kindchen geflüchtet, wäre nicht von dieser Welt gewesen. Jene, die sie haßten, hätten sie dorthin nicht verfolgen können. Und nun konnte ihr kranker Kopf, in den das Blut stieg, eine quälende, unlösbare Frage, die zur Folter wurde, nicht mehr loswerden: Wußte Gott, welcher junge Baum aus diesem toten Keim entsprossen wäre? Wußte Gott, wie die Augen gewesen wären, die niemals geleuchtet hatten? Fin- det man nach dem Tode die Milliarden Geschöpfe wieder, die nicht gelebt haben? Was wäre aus dem formlosen Fleisch geworden, das Gott in seiner Macht hielt Aber hier versagten Mathildens Gedanken. Es war der Augenblick, da die Feuerwoge zurückebbte, da das Fieber scheinbar den frostbebenden, in klebrigem Schweiß gebadeten Körper verließ und ihn der Erschöp- fung preisgab, die eine Vorläuferin des Todes ist. Es

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schien ihr, als habe ein Raubtier sie beiseite geschoben, das, ach! vielleicht von einem Augenblick zum andern zurtickkommen konnte. Flach im Bett auf dem Riicken ausgestreckt, erwartete sie das Nahen des Frostschauers und beobachtete die Anzeichen. Er kam nicht wieder. Sie tauchte in die Tiefen ihres Wesens wie in einen Himmel, an dem das Gewitter sich verzogen hat, und man wagt noch nicht, es zu glauben! Leben! Vielleicht leben! Heiße, schwere Tränen netzten ihre Wangen. Sie faltete, sie rang die feuchten Hände: ,,Gedenke, o gütigste Jungfrau Maria, daß es nie erhört worden ist, daß jemand, der zu dir seine Zuflucht genommen, deine Hilfe angerufen, um deine Fürsprache gefleht, von dir sei verlassen worden!“ Sie war auf den Strand des Lebens zurückgespült; wieder hörte sie das nächtliche Lied der Welt. In den Blättern atmete die Nacht. Die großen Bäume flüsterten unter dem Mond, aber kein Vogel er- wachte. Ein reiner, kühler Windhauch war, vom Ozean kommend, über die Wipfel der unzähligen Pinien, über die niederen Reben gelaufen, hatte sich mit den letzten Düften der wohlriechenden Linde des Gartens beladen und erlosch endlich auf dem schmalen, todmüden Ge- sichtchen.

Eine Stunde später rieb die Mutter Cazenave ein Streich- holz an und blickte auf die Uhr dann lauschte sie einen Augenblick aufmerksam, nicht in die stille, sin- kende Nacht, sondern auf den Atem des angebeteten Sohnes hinter der Wand. Nach kurzem inneren Wider- streben verließ sie ihr Lager, steckte die geschwollenen

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Füße in ausgetretene Pantoffeln, und in einen kastanien- braunen Schlafrock gehiillt, die Kerze in der Faust, ver- ließ sie das Zimmer. Sie geht die Treppe hinunter, den ‚Gang entlang, und überschreitet den verödeten Haus- flur. Nun befindet sie sich im feindlichen Lager: trotz aller Vorsicht knarren die Stufen unter ihrer Last. Da bleibt sie stehen, horcht, geht weiter. Vor der Tür löscht sie die unnötige Kerze aus und lauscht angestrengt. Die graue Morgendämmerung liegt auf der Treppe. Kein Klagen, kein Stöhnen, nur ein seltsames Geräusch wie gedämpfte Kastagnetten. Die Zähne klappern, klappern, und endlich steigt ein Klagelaut auf. Gott allein sah den Ausdruck des lauernden Medusenhauptes, dessen Ri- valin hinter der Tür dort verröchelte. Die Versuchung, nicht einzutreten, das, was geschehen muß, geschehen zu lassen... Die Alte zögert, entfernt sich, besinnt sich eines andern, drückt die Klinke nieder.

„Wer ist da?“

„Ich bins, meine Tochter.“‘

Das Nachtlicht beleuchtet nicht mehr das Zimmer, aber hinter den Jalousien ist eine eisige Klarheit. Mathilde sieht, wie ihr Schreckgespenst näher kommt. Da schreit sie zähneklappernd :

„Laß mich! Ich brauche nichts. Ich habe nur ein wenig Fieber.“

Die Alte fragt, ob sie Chinin haben wolle.

„Nein, nein, nur Ruhe. Nur gegen die Wand drehen möchte ich mich. Geh! Geh!“

„Wie du willst, meine Tochter.“

Es ist alles gesagt. Sie hat ihre Pflicht getan. Sie braucht

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sich keine Vorwürfe zu machen. Schicksal, nimm deinen Lauf.

Mathilde, die in verzweifelter Abwehr beide Hande er- hoben hatte, halt sie nach der Flucht der Feindin noch einen Augenblick vor die Augen und erschrickt, weil sie blau angelaufen sind. Todesangst erfaßt ihr Herz, das wie die Flügel eines Vogels, den man in der Hand er- drückt, immer schneller und immer schwächer schlägt. Sie wollte näher hinsehen und sah die Nägel, die bereits ganz blau waren, nicht mehr... Aber selbst in dieser maßlosen Todesangst glaubte sie noch nicht an die Ewig- keit der Nacht, die für sie angebrochen war: weil sie so ganz allein war auf der Welt, wußte Mathilde nicht, daß sie sich an der äußersten Grenze des Lebens befand. Wäre sie geliebt worden, so hätten Umarmungen sie ge- zwungen, sich der Umklammerung der Welt zu ent- reißen. Sie brauchte sich nicht zu lösen, da nichts sie band. Keine feierliche Stimme zu Häupten ihres Bettes sprach den Namen eines vielleicht zornigen Vaters aus, bedrohte sie mit einer vielleicht unerbittlichen Barm- herzigkeit. Kein tränenüberströmtes zurückbleibendes Gesicht ließ sie ihr Abgleiten zu den Schatten emp- finden. Sie starb den sanften Tod jener, die nicht ge-

liebt werden.

Aus dem 1938 erscheinenden Roman ,,Genitrix“ von François Mauriac. Übertragen von G. Cramer.

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VERMACHTNIS VON GOETHE

Kein Wesen kann zu nichts zerfallen! Das Ewge regt sich fort in allen, Am Sein erhalte dich beglückt!

Das Sein ist ewig: denn Gesetze Bewahren die lebendgen Schätze,

Aus welchen sich das All geschmückt.

Das Wahre war schon längst gefunden, Hat edle Geisterschaft verbunden; Das alte Wahre, faß es an!

Verdank es, Erdensohn, dem Weisen, Der ihr, die Sonne zu umkreisen,

Und dem Geschwister wies die Bahn.

Sofort nun wende dich nach innen, Das Zentrum findest du da drinnen, Woran kein Edler zweifeln mag. Wirst keine Regel da vermissen: Denn das selbständige Gewissen

Ist Sonne deinem Sittentag.

Den Sinnen hast du dann zu trauen, Kein Falsches lassen sie dich schauen, Wenn dein Verstand dich wach erhält. Mit frischem Blick bemerke freudig, Und wandle sicher wie geschmeidig Durch Auen reichbegabter Welt.

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Genieße mäßig Fill und Segen, Vernunft sei überall zugegen, Wo Leben sich des Lebens freut. Dann ist Vergangenheit beständig, Das Künftige voraus lebendig, Der Augenblick ist Ewigkeit.

Und war es endlich dir gelungen Und bist du vom Gefühl durchdrungen: Was fruchtbar ist, allein ist wahr Du prüfst das allgemeine Walten, Es wird nach seiner Weise schalten, Geselle dich zur kleinsten Schar.

Und wie von alters her im stillen

Ein Liebewerk nach eignem Willen Der Philosoph, der Dichter schuf, So wirst du schönste Gunst erzielen: Denn edlen Seelen vorzufühlen

Ist wünschenswertester Beruf.

BUCHER AUS DEM

INSEL-VERLAG

Dieses Verzeichnis enthält nur eine Auswahl der wichtigsten Bücher. Vollständige Verlagsverzeichnisse, insbesondere auch Verzeichnisse der Sammlungen Insel-Bücherei und Bibliothek derRomane sowie der Liebhaberausgaben sind durch jede gute Buchhandlung oder unmittelbar vom Verlag zu beziehen.

IM JAHRE 1927 SIND NEU ERSCHIENEN:

ANDERSON, SHERWOOD: DER ERZAHLER ERZAHLT SEIN LEBEN. Übertragung von Karl Lerbs. In Leinen M 8.50. Dieses Buch bedeutet für den europäischen Leser die Entdeckung der amerikanischen Seele. Anderson sieht mit unerbittlicher Schärfe den Bruch in der amerikanischen Entwicklung und die Hohlheit des smarten Zivilisationsbetriebs, er zersetzt die anerkannten Be- griffe und legt die Seelen bloß. Mit grausamer Ehrlichkeit verwirft er die typisierten Anschauungen und erarbeitet sich ein eigenes Weltbild, einen Ausdruck seiner Kunst.

BALZAC, HONORE DE: DIE DREISSIG TOLLDREISTEN.

GESCHICHTEN, genannt CONTES DROLATIQUES. Mit den 425 Holzschnitten von Gustave Doré, gedruckt mit Galvanos, die von den Originalholzstöcken zur ersten französischen Ausgabe genommen wurden. Zwei Bände. In Leinen M 24.—; in Halb- leder M 30.—. In diesen tolldreisten Geschichten zeigt sich Balzac als lachender Erzähler von unerschopflicher Erfindungsgabe. Kein Geringerer als Gustave Doré hat zu diesen Geschichten eine Reihe von mehr als 400 Zeichnungen geschaffen. Es ist gelungen, die echten Holzstöcke, die seinerzeit nach Dorés Vorlagen geschnitten wurden, in Paris wieder aufzufinden. Nach davon genommenen Galvanos wurgen die Bilder unserer Ausgabe gedruckt.

BEENKEN, HERMANN: BILDHAUER DES VIERZEHNTEN JAHRHUNDERTS AM RHEIN UND IN SCHWABEN. Mit 150 Abbildungen. In Leinen M 15.—.

BERTRAM, ERNST: DER RHEIN. Ein Gedenkbuch. Gedichte. In Pappband M 6.—. Vorzugsausgabe: 30 numerierte Exemplare auf Büttenpapier, in Halbpergament (Handband) M 30.—.

BRAUN, FELIX: AGNES ALTKIRCHNER. Roman in sieben

Büchern (995 Seiten). In Leinen M 12.—. „Der Roman hat den Untergang des alten Österreich zum Inhalt; jedoch ist nicht der Krieg im Feld, sondern die Zeit im Hinter- land Gegenstand des großen Werkes; und es ist auch ein Buch der Liebe, das das ganze Leben des Menschen zu berühren sucht.“ Aus einer Selbstanzeige des Dichters.

CORTI, EGON CONTE: DER AUFSTIEG DES HAUSES ROTH- SCHILD. Mit 24 Bildtafeln und einem Brieffaksimile. In Leinen M 14.—.

Inhalt: I. Der Ursprung der Rothschild in Frankfurt und ihre erste Tätigkeit. II. Die Rothschild in der Zeit Napoleonischer Machtfille. III. Die große Napoleonische Krise und deren Nutzung durch das Haus Rothschild. IV. Die Rothschild im

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Zeitalter der Kongresse. V. Rothschilds Geschäfte in aller Welt, 1820—25. VI. Der großen Krise entgegen. Sonderankündigungen über dies Werk unberechnet.

MEISTER ECKHART: DEUTSCHE PREDIGTEN UNDTRAK- TATE. Ausgewählt, übertragen und eingeleitet von Friedrich Schulze-Maiszier.In Halbleinen M 7.50 ;in HalbpergamentM 10.—. Das furchtbare Verkanntwerden des prophetischen Menschen, sein schier hoffnungsloser Kampf um die Befreiung des Zartesten in einer Welt derVerhärtung blickt uns aus dem Schicksal Meister Eckharts, dieses sodurchunddurch gotischen Menschen, eindringlich entgegen.

FRANK, LEONHARD: DAS OCHSENFURTER MÄNNER- QUARTETT. Roman. In Leinen M 6.—. Der Schauplatz der Handlung ist Würzburg, und es sind vier nun zu Männern herangewachsene Mitglieder der ehemaligen „Räuberbande‘“, deren Schicksale hier wunderlich miteinander verflochten werden; neben ihnen der Untersuchungsrichter, der dekadente Gelehrte, sein glücklicherer Gegenspieler, das erwachende junge Mädchen: alles unvergeßliche, mit dem Auge eines Dichters gesehene Charaktere. Tragik und Humor des Lebens sind aufs köstlichste zu einer Einheit verbunden.

FRIEDENTHAL, RICHARD: MARIE REBSCHEIDER. Vier Novellen, In Leinen M 6.—. „Jede dieser Novellen erhebt ein Leben zum Schicksal, und jede zwingt uns, dies fremde und erfabelte wie ein eigenes mit erschült- tertem Anteil mitzuerleben.“‘ Stefan Zweig.

GERSTENBERG, KURT: HANS MULTSCHER. Mit 150 Ab- bildungen. In Leinen M 18.—.

GIRAUDOUX, JEAN: BELLA. Roman. Aus dem Französischen übertragen von Efraim Frisch. In Leinen M 5.50. Bella ist eine wundervoll einfache Liebesgeschichte zeitloser Art, dabei vollgesogen mit der politischen Wirklichkeit des letzten Jahr- zehnts. Es war in Frankreich vom Tage des Erscheinens des Ro- mans an kein Geheimnis, wer hinter den beiden feindlichen Familien Rebendart und Dubardeau zu suchen set; sogleich nannte man die Namen Poincaré und Berthelot.

GOETHES BRIEFE UND TAGEBÜCHER. Herausgegeben von

Hans Gerhard Gräf. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier in zwei Bänden. In Leinen M 24.—; in Leder M 36.—. Über 1000 Briefe an die wichtigsten der Persönlichkeiten, die mit Goethe im Briefwechsel gestanden haben, und über 800 Tagebuch- Eintragungen sind hier zusammengestellt; sie bringen daraus alle dichterisch und alle menschlich bedeutsamen Außerungen Goethes sowie alles, was bezeichnend ist für seine Anschauungen über Kunst und Leben, Gott und Weit.

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BETTINAS LEBEN UND BRIEFWECHSEL MIT GOETHE.

Auf Grund des von Reinhold Steig bearbeiteten handschriftlichen Nachlasses neu herausgegeben von Fritz Bergemann. Mit 17 Bild- tafeln und 2 Faksimiles. In Leinen M 9.50. Dadurch, daß der Herausgeber auf fast 200 Seiten eine seelische Biographie Bettinas voranstellt, ist es ihm gelungen, den Brief- wechsel rein und schlackenfrei wie einen künstlerischen Dialog auf den Leser wirken zu lassen.

(HERODOT:) DAS GESCHICHTSWERK DES HERODOTOS

VON HALIKARNASSOS. Neue Übertragung von Theodor Braun. Dünndruckausgabe in einem Bande. In Leinen M 12.—; in Leder M 18.—. „Auf 810 Seiten der ganze so überaus köstliche Herodot metster- haft verdeutscht. Man hat, sagt Schopenhauer, alles gelesen und wird von nichts mehr überrascht, wenn man den ‚Vater der Ge- schichte‘, den großen Meister aus Halikarnaß gelesen hat.“

HOFMANNSTHAL, HUGO VON: DREI ERZÄHLUNGEN. Mit 25 Zeichnungen von Alfred Kubin. Einmalige Auflage in 640 Exemplaren. In Leinen M 24.—. |

HUCH, RICARDA: DER LETZTE SOMMER. Eine Erzählung in Briefen. Neue wohlfeile Ausgabe. In Leinen M 3.50.

Die Geschichte eines russischen Revolutionärs, der einen hohen Beamten durch ein Bombenattentat töten muß, trotz aller Achtung und Liebe, die er für ihn und seine Familie empfindet. Ein großes Kunstwerk in seiner meisterhaften Handhabung der Briefform.

KASSNER, RUDOLF: DIE MYTHEN DER SEELE. In Leinen M 5.—.

KLEIST, HEINRICH VON: SÄMTLICHE WERKE in einem Bande auf Dünndruckpapier. Herausgegeben von FriedrichMichael. In Leinen M 10.—; in Fi, M 16.—.

LAWRENCE, D.H.: LIEBENDE FRAUEN. Roman. Übertragen

von Th. Mutzenbecher. In Leinen M 8.50. „Ein Frauenbuch zu bleiben, ist jetzt bei uns wie in Amerika und England das Schicksal einer großen Dichtung. Und es ist gut so. Die Frauen werden ihre Männer bitten, dies Buch zu lesen. Sie werden sie inständig bitten, sie werden sie zwingen, es zu lesen. Damit die Größe dieses Dichters auch zu den Männern vordringt, damit viele Europäer sich erkennen lernen.“ |

MAURIAC, FRANCOIS: DIE EINÖDE DER LIEBE. Roman. Aus dem Französischen übertrag. von G.Cramer. In Leinen M 5.50. Aus- gezeichnet mit dem Großen Preis der Französischen Akademie 1926. „Vater und Sohn lieben, ohne voneinander zu wissen, die gleiche Frau. Keiner von beiden erreicht sie. Das Ganze ist in seiner psychologischen Fügung unerhört zwanghaft, in der weiteren und engeren Umwelt fabelhaft geschlossen.“

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DIE RACHE DES JUNGEN MEH ODER DAS WUNDER DER ZWEITEN PFLAUMENBLÜTE. Aus dem Chinesischen über- tragen von Franz Kuhn. Nach Art der chinesischen Blockbücher gedruckt. In Leinen M 7.50.

Ein chinesischer Studenten- und Revolutionsroman, aus dem uns das mysteriöse Antlitz des wirklichen China entgegenblitzt, anmutig durchwebt von der Geschichte einer zwiefachen Doppelltebe.

MUNK, GEORG: DIE GÄSTE. Sieben Geschichten. In Leinen M 6.—.

RILKE, RAINER MARIA: GESAMMELTE WERKE in sechs Bänden. In Leinen M 40.—; in Halbleder M 58.—. INHALT: I. Band: Erste Gedichte Frühe Gedichte. II. Band: Das Buch der Bilder Das Stundenbuch Das Marienleben Requiem. III. Band: Neue Gedichte Duineser Elegien Die Sonette an Orpheus Letzte Gedichte und Fragmentarisches. IV. Band: Cornet Christoph Rilke Geschichten vom lieben Gott Prosafragmente Auguste Rodin. V. Band: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. VI. Band: Übertragungen.

BRIEFE AN AUGUSTE RODIN: Die in französischer Sprache an Rodin gerichteten Briefe. Einmalige Auflage von 320 nume- rierten Exemplaren auf Büttenpapier. In Interimsband M 20.—.

SACHS, HANS: AUSGEWÄHLTE WERKE. (Gedichte und Dra- men.) Mit60Holzschnitten nach Dürer, Beham u.a. 7.—10.Tausend. Zwei Bände, In Halbleinen M ı2.—. Kolorierte Ausgabe mit farbigen Holzschnitten: in Halbpergament M 20.—; in Schweins- leder M 34.—.

SCHAEFFER, ALBRECHT: DERGOLDENEWAGEN. Legenden und Mythen. In Leinen M 6.50. Inhalt: Hölderlins Heimgang DieWand Jakobs Opferballade vom Gerechten Bruderlegende Chrysoforus Abrahams Opfer.

HELIANTH. Bilder aus dem Leben zweier Menschen und aus der norddeutschen Tiefebene in neun Büchern. Neue Ausgabe in zwei Bänden /9.—12. Tausend]. In Leinen M 18.—.

Schaeffer hat den Umfang seines großen Romans, den man einen „Querschnitt durch das deutsche Leben um die Wende dieses Jahr- zehnts‘‘ genannt hat, um etwa ein Drittel vermindert, hat ihn einer ähnlichen Bearbeitung unterzogen wie seinerzeit Goethe den Wilhelm Meister und Keller seinen Grünen Heinrich, wodurch der Vergleich mit diesen epischen Werken noch an Bedeutung gewinnt. Die straf- fere Konzentration wird manche neuen Leser dem Buche zuführen. DIE GESCHICHTE DER BRÜDER CHAMADE. Roman. In Leinen M 6.—.

In diesem neuen Roman, der angeblich auf einer verschollenen französischen Vorlage von 1867 beruht, offenbart sich die düster

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glühende Weli des Teufels in einem grauenvollen Verbrechen, um Gottes Herrlichkeit zur Lebensbejahung desto wunderbarer erstrahlen zu lassen. Aus der Hölle des Seins brennt hier der Himmel der Seele auf.

SCHEFFLER, KARL: DER JUNGE TOBIAS. Eine Jugend und ihre Umwelt. In Leinen M 8.50. Unter dem biblischen Sinnbild des Tobias berichtet Karl Scheffler von seinem Werdegang: Schritt für Schritt wiederholt er den Gang der Kindheit, der unsicheren Jünglingszeit, schichtet er sein inneres Wachstum vor sich auf, die Klärung zur Mannheit, die Wendung zum Geistigen. Es ist ein menschliches Dokument, das durch den zeitgeschichtlichen Rahmen, durch die innerlich erlebte Entwicklung der menschlichen, geistigen, künstlerischen und sozialen Lebens- formen um die Jahrhundertwende zu einem allgemein deutschen Buch von tiefer Gültigkeit geworden ist.

SCHENDEL, ARTHUR VAN: DER BERG DER TRÄUME. Aus dem Niederländischen übertragen von Hilde Stenersen. In Leinen M 6.—.

(SCHLEGEL:) AUGUST WILHELM UND FRIEDRICH SCHLE- GEL IM BRIEFWECHSEL MIT SCHILLER UND GOETHE. Herausgegeben von Josef Körneru.ErnstWieneke. In Leinen M 8.—.

SHAKESPEARES MEISTERDRAMEN in sechs Banden. Ausge- wählt und mit einem Vorwort versehen von Max J. Wolff. In Leinen M 28.—; in Halbleder M 38.—.

INHALT: Tragödien: Othello, Macbeth, Troilus und Cressida, Romeo und Julia, Hamlet, König Lear.

Historien: König Heinrich IV., König Richard II., Coriola- nus, Julius Cäsar, Antonius und Cleopatra.

Komödien: Der Kaufmann von Venedig, Das Wintermärchen, Viel Lärm um Nichts, Ein Sommernachtstraum, Was ihr wollt, Sturm.

STEINDORFF, GEORG: DIE KUNST DER AGYPTER. Bauten, Plastik, Kunstgewerbe, Mit 200 ganzseitigen Bildtafeln und zahlreichen Abbildungen im Text. In Leinen M 14.—.

Das langersehnte klassische Agypten-Buch. Die Tafeln bringen in meist neuen Aufnahmen die großen Schöpfungen der Architektur, die hervorragenden Werke der Plastik Statuen und Reliefs und die Kostbarkeiten des Kunstgewerbes, auch die besten Stücke aus dem Grabschatz des Tutanchamun. Der Text des berühmten Agyp- tologen will die.historische Entwicklung kurz schildern.

STRAUSS, DAVID FRIEDRICH: ULRICH VON HUTTEN. Neu . herausgegeben von Otto Clemen. Mit 35 Lichtdrucktafeln. In Halbleder M 22.—; in weißem Schweinsleder M 40.—.

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In dem Buche weht der Sturmhauch einer großen Kampfeszeit, einer Zeit, in der zum ersten Male in deutscher Sprache geschrie- ben wurde. Da Männer wie Luther, Sickingen, Zwingli, Eras- mus gegen die Welt ihrer Feinde auftraten und Hutien immer wieder seinen Wahlspruch ausrufen konnte: ‚Ich habs gewagt!‘

TEIRLINCK, HERMAN: DAS ELFENBEINÄFFCHEN. Ein Roman aus dem Brüsseler Leben. In Leinen M 7.50. Im Mittelpunkt des glänzend geschriebenen Romans ein ,, Diplomat mit einem Elfenbeinäffchen in der Tasche und einer Hochstapler- seele im Leibe. Das Affchen ist der Fetisch seiner Erotik, die sich selbst genießen will, wie seine Seele, wenn er die Menschen ruiniert, denen er begegnet. Entlarvt, verschwindet der Mörder, der er war, und läßt eine Gesellschaft zurück, geprüft und gereift.

TIMMERMANS, FELIX: DER PFARRER VOM BLÜHENDEN WEINBERG. Roman. Übertragen von Peter Mertens. In Leinen M 6.50.

VALERY, PAUL: EUPALINOS ODER UBER DIE ARCHITEK- TUR. Eingeleitet durch DIE SEELE UND DER TANZ. Uber- tragen von Rainer Maria Rilke. In Halbleinen M 6.—.

Die Übertragung ist das letzte Werk Rainer Maria Rilkes.

HERR TESTE. Übertragen von Max Rychner. In Halb- leinen M 5.—.

Fragen von Erkenninis und Seele, von Geist und Sinnen, sind Hintergründe und Untergründe dieser „bedeutenden“ Prosa.

REDE bei der Aufnahme in die Académie Française. Über- tragen von Erhard Schaeffer. Gebunden M 3.—.

VERGIL: ECLOGEN. In der Ursprache und Deutsch. Übertragen von Rudolf Alexander Schröder. Mit 43 Holzschnitten von Aristide Maillol. Einmalige Auflage,gedruckt auf derCranach-Presse zu Weimar: 250 Exemplare auf Hanfpapier, in Halbpergamentmappe M 220.—, in Maroquin M 280 —; 36 Exemplare auf besonderem, aus reiner Chinaseide hergestellten Papier, in Halbpergament- mappe M 800.—, in Maroquin M 875.—; acht Exemplare auf Pergament in Ganzpergamentmappe M 2000.—. Sonderankündigungen für diese Liebhaberausgabe,die auf der Inter- nationalen Buchkunstausstellung Leipzig 1927 berechtigtes Auf- sehen erregte, stehen unberechnet zur Verfügung.

ZWEIG, STEFAN: MARCELINE DESBORDES-VALMORE.

Das Lebensbild einer Dichterin. Mit 4 Lichtdrucktafeln. In Leinen M 6.—. Das erschütternde Leben einer Dichterin, der die Liebe tiefstes Er- lebnis war und an deren Grabe die Träger bedeutendster Namen wie Baudelaire, Victor Hugo, Anatole France, Verlaine Bekennt nisse ablegten und kündeten, wer sie war.

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FROHER ERSCHIENENE BÜCHER DES INSEL-VERLAGES

ALS DER GROSSVATER DIE GROSSMUTTER NAHM. Ein

Liederbuch für altmodische Leute. Fünfte Auflage. Auf Grund der Ausgabe von Gustav Wustmann neu herausgegeben. In Pappband M s.—; in Halbleder M 7.50. Die Sammlung ist nicht nur eine Fundgrube verschollener Gedichte und Lieder vom Biedermeier bis zur Zopfzeit, sondern ein leben- diges Buch für den Liebhaber alter Zeiten, der sich beim beschau- lichen Blättern der reichen Großväterschätze freuen wird.

ALTE UND NEUE LIEDER MIT BILDERN UND WEISEN.

Herausgegeben im Auftrage des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde und der Preußischen Volkslied - Kommission. Mit 190 Bildern und Zeichnungen alter und neuer Künstler. Zwei- stimmig gesetzt mit Lautenbegleitung. In Leinen M 6.80. Von alten und neuen Künstlern mit fast 200 Bildern geschmückt, bietet dieser Band den unvergänglichen Schatz deutscher Lieder, ein echtes Volksbuch fürs Haus und zum Wandern. Auch lieferbar in einzelnen Heften zum Preise von je 80 Pf., die mit Bildern folgender Künstler geschmückt sind: Heft 1 Ludwig Richter, Heft 2 Otto Ubbelohde, Heft 3 Leopold Graf von Kalckreuth, Heft 4 Max Slevogt, Heft 5 Cecilie Leo, Heft6 Hans Meid, Heft 7 Ludwig Richter, Heft 8 Schwind, Menzel u. a.

ÄLTESTE DEUTSCHE DICHTUNGEN. In gegenübergestellter Urgestalt und Übertragung. Herausgegeben von Karl Wolfskehl und Friedrich von der Leyen. Dritte Auflage. In Leinen M 7.50.

ANDERSEN, HANS CHRISTIAN: MÄRCHEN. Unter Benutzung der von Andersen selbst besorgten deutschen Ausgabe übertragen von Mathilde Mann. Zeichnung der farbig gedruckten Initialen, des Titels und des Einbandes von Carl Weydenieyer-Worpswede. Zwei Bande. 14.—16. Tausend. In Leinen M 16.—; in Halb- leder M 20.—.

ANDERSEN -NEXÖ, MARTIN: PELLE DER EROBERER. Roman. Aus dem Dänischen von Mathilde Mann. 14.—20.Tausend. Vollständige Ausgabe in einem Bande auf Dünndruckpapier (1250 Seiten). Geheftet M 8.—; in Leinen M 12.—.

ANDERSON, SHERWOOD: DER ARME WEISSE. Amerika- nischer Roman. Übertragung von Karl Lerbs. In Leinen M 7.50. DAS EI TRIUMPHIERT. Amerikanische Novellen. Über- tragung von Karl Lerbs. In Leinen M 6.50.

BALZAC, HONORE DE: DIE MENSCHLICHE KOMÖDIE. Neue Ausgabe in zehn Bänden auf Dünndruckpapier. Eingeleitet

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von Hugo von Hofmannsthal. Jeder Band in Leinen M 9.—; in Halbleder M 12.—; in Leder M 16.—.

X.

INHALT (jeder Band ist einzeln, mit und ohne Bandzahl, lieferbar):

. Einleitung von Hugo von Hofmannsthal Balzac, ein Essay

von Wilhelm Weigand Vorrede Das Haus „Zur Ball- spielenden Katze“ Die verlassene Frau Gobseck Die Frau von dreißig Jahren Der Ehevertrag.

. Ursula Mirouet Eugenie Grandet Der Pfarrer von

Tours Die alte Jungfer Frauenstudie.

. Ein Junggesellenheim Das Antiquitäten-Kabinett Die

Lilie im Tal.

. Verlorene Illusionen. . Glanz und Elend der Kurtisanen Die Geheimnisse der

Fürstin von Cadignan Das Haus Nucingen.

. Die Geschichte der Dreizehn Vater Goriot Oberst Chabert. | . Cäsar Birotteau Kleine Erzählungen Das Chagrinleder.

. Die Chouans Eine dunkle Begebenheit Der Landarzt. . Mystische Erzählungen Die Suche nach dem Urelement

Kleine Novellen. Tante Lisbeth Vetter Pons.

BALZAC: DIE TOLLDREISTEN GESCHICHTEN, genannt CONTES DROLATIQUES. Ubertragen von Benno Riittenauer. In einem Bande auf Dünndruckpapier, als Ergänzungsband zur „Menschlichen Komödie“. 29.—31. Tausend. In Leinen M 9.—; in Halbleder M 12.—; in Leder M 16.—.

PHYSIOLOGIE DER EHE. Eklektisch-philosophische Betrach- tungen über Glück und Unglück in der Ehe Übertragung von Heinrich Conrad. 11.—14. Tausend. Taschenausgabe auf Dünn- druckpapier. In Leinen M 6.—; in Leder M 12.—. (BEDIER:) DER ROMAN VON TRISTAN UND ISOLDE. Er- neut von Josef Bédier. Autorisierte Übertragung von Rudolf CG Binding. 15.—ı8. Tausend. In Leinen M 5.—.

BERTRAM, ERNST: STRASSBURG. Ein Kreis Gedichte. In Pappband M 2.—.

= GEDICHTE. Vierte, vermehrte Auflage. In Pappband M 5.—. DAS NORNENBUCH. Gedichte. In Pappband M 5.—.

.DIE BLUMLEIN DES HEILIGEN FRANZISKUS VON ASSISI. Übertragen von Rudolf G. Binding. Mit 84 Initialen und Einband- zeichnungen von Carl Weidemeyer-Worpswede. 20.—22. Tausend. In Leinen M 6.50; in Schweinsleder M 16.—.

177

BOCCACCIO, GIOVANNI DI: DAS DEKAMERON. Ubertragung von Albert Wesselski, unter Neugestaltung der Gedichte von Theodor Däubler. Eingeleitet von André Jolles. Dünndruck- ausgabe in einem Bande (1100 Seiten). 31.—35. Tausend. In Leinen M 10.—; in Leder M ı7.—.

BRILLAT-SAVARIN: PHYSIOLOGIE DES GESCHMACKS, In gekürzter Form übertragen von Emil Ludwig. Mit den Holz- schnitten der französischen Ausgabe von 1864. Zweite Auflage. In Halbleinen M 5.—; in Halbleder M 8.—. |

BÜCHNER, GEORG: WERKE UND BRIEFE. Herausgegeben von Fritz Bergemann. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier. 6.—9. Tausend. In Leinen M 7.—; in Leder M 14.—.

BÜRGER, GOTTFRIED AUGUST: WUNDERBARE REISEN ZU WASSER UND ZU LANDE. Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen, wie er dieselben bei der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegt. Mit den Holz- schnitten von Gustave Doré. Io. und II. Tausend. In Halbleinen M ı10.—; in Halbpergament M 14.—..

CAROLINENS LEBEN IN IHREN BRIEFEN. Herausgegeben von Reinhard Buchwald, eingeleitet von Ricarda Huch. Mit 16 Bildtafeln. 6.—ro. Tausend. In Leinen M 7.—.

CAROSSA, HANS: EINE KINDHEIT. Zweite Auflage. In Leinen M 6.—. „Ein Deutscher spiegelt hier das erste Lebensjahrzehnt ; und siehe, es entstand etwas dichterisch so Schönes, psychologisch so Unauf- dringliches dabei, wenngleich nicht Drängendes, nicht drohend Überrumpeindes, doch so Klares, daß man, hingegeben wie etwa an den ,Nachsommer' von Stifter, einzurdumen bereit ist: dies hier ist mehr denn Individualerlebnis.“ Berliner Tageblatt.

RUMÄNISCHES TAGEBUCH. Zweite Aufl. In Lein. M 6.—.

„Dies kleine Buch ist wie ein mitten aus Krieg und Schicksal herausgehobenes Stück. Hier ist kein Zerschwatzen des Erlebten, kein Räsonieren, ein großer, reinigender, tiefnachwirkender Hauch geht von diesem Buche aus. Uns erscheint es unter vielen erzäh- lenden Büchern des Jahres das wertvollste.“ Alphons Paquet.

CERVANTES: DER SCHARFSINNIGE RITTER DON QUI- XOTE VON DER MANCHA. Vollständige deutsche Ausgabe in zwei Bänden auf Dünndruckpapier, unter Benutzung der anonymen Ausgabe von 1837 besorgt von Konrad Thorer. Mit einem Essay von Turgenjef und einem Nachwort von Andre Jolles. 12.—15. Tausend. In Leinen M ı2.—; in Leder M 24.—. |

DIE CHINESISCHE FLÖTE. Nachdichtungen chinesischer Lyrik von Hans Bethge. 37.—39.Tausend. Nach Art chinesischer Block- bücher gebunden, in Halbleinen M 4.—; in Seide M 7.50.

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CORTES, FERDINAND: DIE EROBERUNG VON MEXIKO.

Mit den eigenhändigen Berichten Cortes’ an Kaiser Karl V. Mit zwei Bildnissen und einer Karte. Herausgegeben von Arthur Schurig. 6.—Io. Tausend. In Leinen M 7.—. Die Eroberung eines volkreichen Landes durch eine Kriegerschar von kaum fünfhundert Mann, die mit wenigen Feuerbüchsen und nur zwei ungefügen Geschiitzen ausgerüstet sind, zwingt trotz aller Grausamkeiten, die vorkamen, zur Bewunderung.

DÄUBLER, THEODOR: DAS NORDLICHT. Ein Epos in drei Teilen. Neue, durchaus veränderte Genfer Ausgabe. Zwei Bände auf Dünndruckpapier. In Leinen M ı2.—.

DICKENS: WERKE. Eingeleitet von Stefan Zweig. Mit über 300 Federzeichnungen aus den englischen Originalausgaben von Catter- mole, Hablot K. Browne und anderen. Taschenausgabe in sechs Bänden auf Dünndruckpapier. In Leinen M 54.—;in Leder M 108.—.

Hiervon erschienen als Einzelausgaben: DAVID COPPERFIELD. Mit 40 Federzeichnungen. 19. bis 22. Tausend. In Leinen M 9.—; in Leder M 18.—. DIE PICKWICKIER. Mit 43 Federzeichnungen. 15.—19.Taus. In Leinen M 9.—; in Leder M 18.—.

. —DERRARITÄTENLADEN. Mit 73 Federzeichnungen. 15. und 16. Tausend. In Leinen M 9.—; in Leder M 18.—.

MARTIN CHUZZLEWIT. Mit 40 Federzeichnungen. ro, bis 12. Tausend. In Leinen M 9.—; in Leder M 18.—.

NIKOLAUS NICKLEBY. Mit 38 Federzeichnungen. ro. bis I2. Tausend. In Leinen M 9.—; in Leder M 18.—.

© (DIOTIMA:) DIE BRIEFE DER DIOTIMA AN HOLDERLIN. Herausgegeben von Carl Viëtor. Mit der Abbildung einer Büste und dem Faksimile eines Briefes. 16.—20. Tausend. Gebunden M 4.50.

EICHENDORFF, JOSEPH VON: WERKE. Ausgewählt und herausgegeben von Franz Schulz. Zwei Bande. 21.—25. Tausend. In Leinen M 9.—; in Halbleder M 14. —.

EISHERZ UND EDELJASPIS ODER DIE GESCHICHTE EINER GLÜCKLICHEN GATTENWAHL. Chinesischer Roman aus der ‚Ming-Zeit, aus dem Urtext übertragen von Franz Kuhn. 8. bis I2. Tausend. In Leinen M 6.50.

BRIEFE DER HERZOGIN ELISABETH CHARLOTTE VON ORLEANS (LISELOTTE). Herausgegeben von Hans F. Helmolt. Mit 16 Bildtafeln. In Leinen M 7.50.

FRANK, LEONHARD: DIE RÄUBERBANDE. Roman. 27. bis 25. Tausend. In Leinen M 6.—.

DIE URSACHE. Roman. 11.—20. Taus. In Halbleinen M 3.50.

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FREYTAG, GUSTAV: BILDER AUS DER DEUTSCHEN VER- GANGENHEIT. Vollständige Ausgabe, mit Einführung, Anmer- kungen und ausführlichem Personen-, Orts- und Sachverzeichnis herausgegeben von Johannes Bühler. Zwei Bände auf Dünndruck- papier (2400 Seiten). In Leinen M 20.—; in Leder M 32.—.

GESTA ROMANORUM. Das älteste Märchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. Ausgewählt von Hermann Hesse. 8.—Io. Tausend. In Leinen M 7.—.

GOBINEAU: DIE RENAISSANCE. Mit 20 Porträts und Szenen- bildern in Autotypie. 77.—82. Tausend. In Leinen M 7.—; in Halbleder M 9.50.

DIE RENAISSANCE. Historische Szenen. Übertragen von Bernhard Jolles.GroßeLiebhaber-Ausgabe.Mit24 Tafeln

. inLichtdruck. 15.—17.Tausend. In Halbleder M 22.—; in Schweins- leder M 30.—.

GOETHES SÄMTLICHE WERKE in siebzehn Bänden. Heraus- gegeben von Fritz Bergemann, Hans Gerhard Gräf, Max Hecker, Gunther Ipsen, Kurt Jahn und Carl Schüddekopf. Neue Ausgabe auf Dünndruckpapier. In Leinen M 150.—; in Leder M 260.—. Diese neue Ausgabe kann nunmehr als die vollständigste aller heutigen Goethe- Ausgaben bezeichnet werden. Der Text umfaßt I5000 Seiten.

GOETHES WERKE in sechs Bänden (Volksgoethe). Im Auftrage der Goethe-Gesellschaft herausgegeben von Erich Schmidt. 71. bis 85. Tausend. In Leinen M 24.—; in Halbleder M 38.—.

GOETHE: ITALIENISCHE REISE. Mit den Zeichnungen Goethes und seiner Freunde und Kunstgenossen in 124 zum Teil farbigen Lichtdrucktafeln. Neu herausgegeben vom Goethe- National- museum. [Folio.] In Halbleder M 60.—; in Leder M 80.—.

GESPRÄCHE MIT ECKERMANN. Vollständige Ausgabe in einem Bande auf Dünndruckpapier. 24.—28. Tausend. In Leinen M 9.—; in Leder M 15.—.

FAUST. Gesamtausgabe auf Dünndruckpapier. Enthaltend Urfaust, Fragment (1790), Tragödie I. und II. Teil, Paralipomena. I10.—119. Tausend. In Leinen M 4.—; in Leder M 9.—.

SÄMTLICHE GEDICHTE IN ZEITLICHER FOLGE. Herausgegeben von Hans Gerhard Gräf. Taschenausgabe auf Dünn- druckpapier. 22.26. Tausend. Zwei Bände. In Leinen M 12.—; in Leder M 24.—.

GEDICHTE. Auswahl in zeitlicher Folge. Herausgegeben von Hans Gerhard Graf. 11.—15. Tausend. In Leinen M 4.50; in Halbleder M 7.—. .

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GOETHE: LIEBESGEDICHTE. Herausgegeben von Hans Gerhard Graf. 22.—26. Tausend. In Pappband M 4.50; in Leder M 15.—.

WESTOSTLICHER DIVAN. Vollständige Taschenausgabe. II.—I 5. Tausend. In Leinen M 4.50; in Leder M ı0.—.

DICHTUNG UND WAHRHEIT. Taschenausgabe auf Dünn- druckpapier. 18.—22. Tausend. In Leinen M 8.—; in Leder M 14.—.

ITALIENISCHE REISE. Taschenausgabe auf Dünndruck- papier. 17.—19. Tausend. In Leinen M 7.—; in Leder M ı2.—.

WILHELM MEISTER. Taschenausgabe auf Dünndruck- papier. In Leinen M 9.—; in Leder M 15.—.

FARBENLEHRE. Vollständige Ausgabe in einem Bande auf Dünndruckpapier. Mit 32 farbigen Tafeln. Eingeleitet von Gunther Ipsen. In Leinen M 12.—; in Leder M 18.—.

NATURWISSENSCHAFTLICHE SCHRIFTEN. Taschen- ausgabe in zwei Bänden auf Dünndruckpapier. Mit 48 zum größten Teil farbigen Tafeln. In Leinen M 24.—; in Leder M 36.—.

DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER. Mit den elf Kup- fern und einer Rötelstudie von Chodowiecki. Siebente Auflage. In Pappband M 9.—; in Halbleder M 12.—; in Leder M 20.—.

BRIEFE AN CHARLOTTE VON STEIN. Nach den Hand- schriften neu herausgegeben von Julius Petersen. Vier Bände. In Halbleinen M 18.—; in Halbleder M 25.—.

BRIEFWECHSEL MIT MARIANNE VON WILLEMER. Neu herausgegeben von Max Hecker. Vierte Auflage. Mit 3 Bildern und einem Faksimile. In Halbleder M 6.50.

DIE BRIEFE DER FRAU RATH GOETHE. Gesammelt und her- ausgegeben von Albert Koster. Zwei Bande. Sechste Auflage. In Halbleinen M 10.—; in Halbleder M 15.—.

DIE MÄRCHEN DER BRÜDER GRIMM. Vollständige Ausgabe in zwei Bänden. Zeichnung der farbig gedruckten Initialen von Carl Weidemeyer-Worpswede. 7.—10. Tausend. In Leinen M 12.—; in Halbleder M 16.—.

HAUFF, WILHELM : MÄRCHEN. Vollständige Ausgabe. Zeich- nung der farbig gedruckten Initialen, des Titels und des Einbandes von Carl Weidemeyer-Worpswede. 5.—8.Tausend. In Leinen M 6.—; in Halbleder M 8.—.

DER HEILIGEN LEBEN UND LEIDEN, das sind die schénsten Legenden aus den deutschen Passionalen des 15. Jahrhunderts. Ausgewählt und übertragen von Severin Rüttgers. Mit zahlreichen Holzschnitten. In Halbleinen M 9.—; in Halbpergament M 12.—.

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HEINES SAMTLICHE GEDICHTE. Herausgegeben von Jonas Frankel. Dünndruckausgabe. In Leinen M8.—; in Leder M 14.—.

_ Auf 1000 Seiten vereinigt dieser Band das gesamte lyrische Werk Heines.

BUCH DER LIEDER. Taschenausgabe. 51.—54. Tausend. In Leinen M 3.50; in Leder M 7.50.

HENSEL, SEBASTIAN: DIE FAMILIE MENDELSSOHN, 1729 bis 1847. Nach Briefen und Tagebfichern herausgegeben. Achtzehnte Auflage. Mit 20 Bildtafeln. Zwei Bände, In Leinen M 16.—; in Halbleder M 22.—.

HOFMANNSTHAL, HUGO VON: GEDICHTE. In Pappband M 4.—; 500 Exemplare, mit einer Titelradierung von Walter Tie- mann, in Halbleder M 8.—.

DIE GEDICHTE UND KLEINEN DRAMEN, 46.—50.Tau- send. In Leinen M 4.—; in Halbleder M 7.—.

DAS SALZBURGER GROSSE WELT THEATER. Geheftet M 2.—; in Pappband M 3.—.

HÖLDERLIN, FRIEDRICH: SÄMTLICHE WERKE. Taschen- ausgabe auf Dünndruckpapier in einem Bande. 14.—17. Tausend. In Leinen M 10.—; in Leder M 16.—.

HYPERION ODER DER EREMIT IN GRIECHENLAND. Taschenausgabe. ro. und 11.Tausd. In Lein. M 3.50; inLed.M 8.50.

HOMERS ODYSSEE. Neu übertragen von Rudolf Alex. Schréder. 21.—25. Tausend. In Halbleinen M 4.—.

OMHPOY EIH (IAIAZ. OAYSSZEIA). Der griechische Text, herausgegeben v. Paul Cauer. Dünndruckausgabe. In Leinen M 7.—.

HUCH, RICARDA: DAS LEBEN DES GRAFEN FEDERIGO CONFALONIERI. 16.—ı18. Tausend. In Leinen M 8.50. DER GROSSE KRIEG IN DEUTSCHLAND. Drei Bände. 14.—I6. Tausend. In Leinen M 24.—. DER WIEDERKEHRENDE CHRISTUS. Eine groteske Er- zählung. 5.—7. Tausend. In Leinen M 7.—. VON DEN KÖNIGEN UND DER KRONE. Achte Auflage. In Leinen M 7.—. LUTHERS GLAUBE. Briefe an einen Freund. 16.—19. Tausend. In Halbleinen M 6.—. | | MENSCHEN UND SCHICKSALE AUS DEM RISORGI- MENTO. 9.—ır. Tausend. In Leinen M 6.50. MICHAEL UNGER. Des Romans „Vita somnium breve“ 26.—28. Tausend. In Leinen M 8.50,

MICHAEL BAKUNIN UND DIE ANARCHIE. 6. bis 8. Tausend. In Leinen M 7.—.

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HUCH, RICARDA: DIE VERTEIDIGUNG ROMS. Der Geschich- ten von Garibaldi erster Teil. 70.—ı2. Tausend. In Leinen M 8.—.

DER KAMPF UM ROM. Der Geschichten von Garibaldi zweiter Teil. 8.—ro. Tausend. In Leinen M 8.—.

DIE BRAUTBRIEFE WILHELMS UND CAROLINENS VON HUMBOLDT. Herausgegeben von Albert Lettemann. 10.—12.Tau- send. In Leinen M 7.—.

JACOBSEN, JENS PETER: SÄMTLICHE WERKE in einem Bande, aufD ünndruckpapier. BerechtigteÜbertragung von Mathilde Mann, Anna Matthiesen und Erich Mendelssohn. Mit dem von A. Helststed 1885 radierten Porträt. 26.—29. Tausend. In Leinen M 8.—; in Leder M ı5.—.

KANT: SÄMTLICHE WERKE in sechs Bänden. Herausgegeben von Felix Groß. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier. In Leinen M 45.—; in Leder M 80.—.

KRITIK DER REINEN VERNUNFT. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier. r1—15. Tausend. In Leinen M 9.—.

MEMOIREN DER KAISERIN KATHARINA I. VON RUSS- LAND. Aus dem Französischen und Russischen übersetzt und her- ausgegeben von Erich Boehme. Mit 16 Bildnissen. 16.—19. Tau- send. In Leinen M 8.—.

KELLER, GOTTFRIED: GESAMMELTE WERKE. Eingeleitet von Ricarda Huch. 11.—14. Tausend. Vier Bande auf Dünndruck- papier. In Leinen M 32.—; in Halbleder M 42.—; in Leder M 60.—.

DER GRÜNE HEINRICH. Vollständige Ausgabe in einem Bande, auf Dünndruckpapier. 79.—21. Tausend. In Leinen M 7.50; in Leder M 15.—.

LACLOS, CHODERLOS DE: SCHLIMME LIEBSCHAFTEN (LIAISONS DANGEREUSES). Übertragen und eingeleitet von Heinrich Mann. 6.—9. Tausend. Auf Pepe In Leinen M 8.—; in Leder M 14. —.

LAWRENCE, D. H.: DER REGENBOGEN. Roman Berechtigte Übertragung aus dem Englischen von F. Franzius. In Halbleinen M 7.—.

SÖHNE UND LIEBHABER. Berechtigte Übertragung aus dem Englischen von F. Fransius. In Halbleinen M 7.—.

(MOZART:) WOLFGANG AMADEUS MOZARTS LEBEN in seinen Briefen und Berichten der Zeitgenossen. Herausgegeben von Alb. Leitzmann. Mit 16 Bildtaf. und 2 Faksimiles. In Lein. M 12.—. „Viele gute Stunden habe ich in diesem Buche gelesen, dessen

- Berichte wie holdes Märchen klingen, da sie das Höchste und Liebenswerteste zum Gegenstand haben, was Deutschland hervor- gebracht hat: Mozart.‘ Hermann Hesse.

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NAPOLEONS BRIEFE. In Auswahl herausgegeben von Friedrich

~ Schulze, übertragen von Hedwig Lachmann. Mit ı9 Bildern. In Leinen M 7.50.

DER NIBELUNGE NOT und KUDRUN. Herausgegeben von Eduard Sievers. Auf Dünndruckpapier. In Leinen M 7.—. Der mittelhochdeutsche Text in musterhafter Ausgabe.

NIETZSCHES BRIEFE. Ausgewählt und herausgegeben von Richard Oehler. 21.—25. Tausend. In Leinen M 5.50.

BRIEFE AN PETER GAST. Herausgegeben von Peter Gast. Dritte Auflage. In Leinen M 9.—.

BRIEFE AN MUTTER UND SCHWESTER. Herausgegeben von Elisabeth Förster-Nietzsche. Neue Ausgabe. Mit 3 Bildnissen in Lichtdruck. In Leinen M ı2.—.

NOSTITZ, HELENE: AUS DEM ALTEN EUROPA. Menschen und Städte. Dritie Auflage. In Leinen M 7.—.

PONTOPPIDAN, HENRIK: HANS IM GLÜCK. Ein Roman in zwei Bänden. Aus dem Dänischen von Mathilde Mann. Fünfte Auflage. In Leinen M ı2.—.

„Das Buch, der erste große dänische Roman seit dem ‚Niels Lyhne‘, hat die Eigenschaften der bleibenden Erzählungen: Stoff, Spannung und Vortrag. Aus den fast 1000 Seiten quillt die Lust am Erlebnis, die Freude am Wirklichen, das Behagen am Er- zählen. Es ist ein veifes, vollkommenesWerk. JosefHofmiller.

PREVOST D’EXILES, ABBE: GESCHICHTE DER MANON LESCAUT UND DES CHEVALIER DES GRIEUX. Über- tragung von Rudolf G. Binding. Fünfte Auflage. In Leinen M 5.50. Illustrierte Ausgabe mit den 8 Kupfern von J. J. Gomy aus der Ausgabe von 1797, in Halbleder M 14.—.

REISINGER, ERNST: GRIECHENLAND. rr re Tausend. Mit go Vollbildern, davon 62 nach Aufnahmen der Preußischen Meg- bildanstalt. In Halbleinen M 8.—.

RILKE, RAINER MARIA: DIE FRÜHEN GEDICHTE. 18. bis 20. Tausend. In Halbleinen M 5.—.

DAS BUCH DER BILDER. 27. und 28. Tausend. In Leinen M 5.—. NEUE GEDICHTE. 18.—z20. Tausend. In Halbleinen M 5.—.

DER NEUEN GEDICHTE ANDERER TEIL. 14.—16. Tau- send. In Halbleinen M 5.—.

DAS STUNDENBUCH. (Enthaltend die drei Bücher: Vom mönchischen Leben Von der Pilgerschaft Von der Armut und vom Tode.) 60.—64. Tausend. In Halbleinen M 5.—.

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RILKE, RAINER MARIA: DIE SONETTE AN ORPHEUS. Ge- schrieben als ein Grabmal für Wera Ouckama Knoop. In Papp- band M 3.50.

DUINESER ELEGIEN. In Leinen M 4.—.

GESCHICHTEN VOM LIEBEN GOTT. 37.—39. Tausend. In Leinen M 5.—.

DIE AUFZEICHNUNGEN DES MALTE LAURIDS BRIGGE. 23.—25. Tausend. In Leinen M 7.50.

AUGUSTE RODIN. Mit 96 Bildtafeln. 41.—45. Tausend. In Halbleinen M 7.50.

RIMBAUD, ARTHUR: LEBEN UND DICHTUNG. Übertragen von K. L. Ammer, eingeleitet von Stefan Zweig. Mit einem Bildnis Rimbauds. Zweite Auflage. In Leinen M 6.50.

ROUSSEAU: BEKENNTNISSE. Unverkürzt aus dem Französischen übertragen von Ernst Hardt. Zweite Auflage. In Leinen M ı0.—; in Leder M 16.—.

Die Größe der Persönlichkeit, die sich in diesem Buche mit rück- haltloser Offenheit dargestellt hat, und die Kühnheit ihres Bekennt- nisses erheben dieses für alle Zeiten zu einem Dokument, das erkenntnishungrige Seelen mit geheimnisvoller Magie anzieht.

SAINT-SIMON: DER HOF LUDWIGS XIV. Nach den Denk- würdigkeiten des Herzogs von Saint-Simon herausgegeben von Wilhelm Weigand. Übertragen von Arthur Schurig. Mit 34 zeit- genössischen Bildern. 8.—ır. Tausend. In Leinen M 20.—; in Halbleder M 24.—; in Leder M 32.—.

SCHAEFFER, ALBRECHT: DER GÖTTLICHE DULDER. Dichtung. In Pappband M 6.50; in Halbleder M ı0.—.

.— ELLI ODER SIEBEN TREPPEN. Beschreibung eines weib- lichen Lebens. 9.—ı2. Tausend. In Leinen M 6.50.

GUDULA ODER DIE DAUER DES LEBENS. Eine Erzäh- lung. 11.—ı13. Tausend. In Leinen M eco

JOSEF MONTFORT. Roman. 12.—14. Tausend. In Leinen M 7.50.

PARZIVAL. Ein Versroman in drei Kreisen. 4.—6. Tausend. In Halbleinen M 10.—; in Halbleder M 14.—.

DES APULEJUS sogenannter GOLDENER ESEL (Meta- morphosen). In Leinen M 8.—.

„Merk auf, Leser, du wirst dein Vergnügen haben“, heißts in der Einleitung. Und dann beginnt die Geschichte von Lucius, der in einen Esel verwandelt wird und vielerlei Schmerzen und Leiden durchmachen muß. Ein Buch der Abenteuer und Verwandlungen, Verwicklungen und Verwechslungen, eine Satire auf die Zeit, ihren Aberglauben, ihre Menschen.

185

SCHEFFLER, KARL: DEUTSCHE MALER UND ZEICHNER IM NEUNZEHNTEN JAHRHUNDERT. Mit 78 Bildtafeln. Io.—12.Tausend. In Halbleinen M 12.—;in Halbpergament M15.—. ITALIEN. Mit 118 Bildtafeln. 13.—15. Tausend. In Halbleinen M 16.—; in Halbpergament M 20.—.

DER GEIST DER GOTIK. Mit 103 Vollbildern. 36.—40.Tau- send. In Halbleinen M 7.50.

PARIS. Notizen. Mit 87 Bildtafeln. Zweite Auflage. In Halb- leinen M 16.—; in Halbpergament M 20.—.

ZEIT UND STUNDE. Neue Essays. In Leinen M 7.—.

SCHILLERS SÄMTLICHE WERKE insieben Bänden. Taschenaus- gabe auf Dünndruckpapier. In Leinen M 50.—; in Leder M 90.—. SCHNEIDER, EDUARD: ELEONORA DUSE. Erinnerungen, Be- trachtungen und Briefe. Übertragen von Th. Mutzenbecher. Mit 7 Bildern und einem Faksimile. 5.—8.Tausend. In Leinen M 8.50. Dies Ehrenmal, das thr ein Dichter und ein Mensch gesetzt, wird die Erinnerung an die große Künstlerin über ihre Zeit tragen.

SCHOPENHAUERS WERKE in fünf Bänden. Herausgegeben von Ed.Grisebach, Max Brahn und Hans Henning. Taschenausgabe auf Dünndruckpapier. In Leinen M 40.—; in Leder M 70.—.

APHORISMEN ZUR LEBENSWEISHEIT. Taschenausgabe. 35.—39. Tausend. In Leinen M 4.—; in Leder M 9.—.

SCHULZE-MAIZIER, FRIEDRICH: DIE OSTERINSEL. Mit 231 afeln, 3 Karten und 3 Abbildungen im Text. In Leinen M 12.— Das Geheimnis der kleinen in ungeheure Einsamkeit versprengten Insel im östlichen Pazifik, auf der einst ein überraschend hohes Kulturleben geherrscht haben muß, auf der man Hunderte unwahr- scheinlich großer Figuren errichtete, eine eigene Literatur in bis- her noch nicht entzifferter Schrift besaß, wird hier nach den Er- gebnissen der jüngsten Expedition so weit, wie es überhaupt möglich ist, entschletert.

SCHURIG, ARTHUR: WOLFGANG AMADE MOZART. Sein Leben, seine Persönlichkeit, sein Werk. Mit Bildtafeln und 3 Faksimiles. Zwei Bande. 5.—9. Tausend. In Leinen M 18.—.

STENDHAL, FRIEDR. VON (HENRY BEYLE): DAS LEBEN EINES SONDERLINGS. Übertragen von Arthur Schurig. Auf Dünndruckpapier. 6.—8.Taus. In Leinen M 9.—; in Leder M 15.—. VON DER LIEBE. Übertragen von Arthur Schurig. Auf Dünn- druckpapier. 11.—13.Tausend. In Leinen M 8.—; in Leder M 14.—. ROT UND SCHWARZ. Roman. Übertragen von Arthur

Schurig. Auf Dünndruckpapier. zo re Tausend. In Leinen M 8.—; in Leder M 14.—.

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STENDHAL, FRIEDR. VON (HENRY BEYLE): DIE KAR. TAUSE VON PARMA. Roman. Ubertragen von Otto Fretherrn von Taube. In Leinen M 9.—; in Leder M. 15.—.

ZWOLF NOVELLEN. Ubertragen von Arthur Schurig. In

. Leinen M 8.—; in Leder M 14.-.

STIFTER, ADALBERT: GESAMMELTE WERKE in finf Ban- den auf Dünndruckpapier. Eingeleitet von Felix Braun. In Leinen M 36.—; in Leder M 70.—.

Als Einzelausgaben erschienen:

STUDIEN. (Erzählungen.) Vollständige Ausgabe in zwei Bän- den. 21.—23. Tausend. In Leinen M 15.—; in Leder M 28.—.

DER NACHSOMMER. Roman. Vollständige Ausgabe in einem Bande. 13.—15. Tausend. In Leinen M 7.50; in Leder M 14.—.

WITIKO. Roman. Vollständige Ausgabe. 5.—8. Tausend. In Leinen M 7.50; in Leder M 14.—.

BUNTE STEINE. NACHLESE. In Leinen M 7.50; in Leder M 14.—.

Als Ergänzungsband in gleicher Ausstattung:

AUSDEM ALTEN WIEN. Mit 28 Bildtafeln. Zweite Auflage. In Leinen M 7.—; in Leder M 14.—.

STORM, THEODOR: SÄMTLICHE WERKE in acht Bänden. Herausgegeben und eingeleitet von Albert Köster. 19.—21. Tau- send. In Leinen M 30.—; in Halbpergament M 45.—.

TAUBE, OTTO FREIHERR VON: DAS OPFERFEST. Roman. In Leinen M 8.—.

(1001 NACHT:) DIE SCHÖNSTEN GESCHICHTEN AUS TAU- SEND UND EINER NACHT. Wohlfeile Ausgabe in einem Bande. 15.—17. Tausend. In Halbleinen M 6. 50; in HalblederM 9.—. Diese schöne Auswahl eignet sich besonders auch als Geschenk für die reifere Jugend. |

TAUSEND UND EIN TAG. Orientalische Erzählungen. Ausgewählt und eingeleitet von Paul Ernst. Übertragen von Felix P. Greve und Paul Hausmann. 4.—7. Tausend. Zwei Bände. In Leinen M 20.—; in Leder M 36.—.

TIMMERMANS, FELIX: DAS JESUSKIND IN FLANDERN. Aus dem Flämischen übertragen von Anton Kippenberg. 14. bis 17. Tausend. In Leinen M 6.50.

PALLIETER. Aus dem Flämischen übertragen von Anna Valeton-Hoos. 21.—25. Tausend. In Leinen M 6.50.

DAS LICHT IN DER LATERNE. Erzählungen. Übertragen von Anna Valeton-Hoos. Mit Zeichnungen des Verfassers. rr. bis 14. Tausend. In Leinen M 6.50.

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TOLSTOI, LEO N.: SAMTLICHE ROMANE UND ERZAH- LUNGEN in zwölf Banden. Eingeleitet von Arthur Luther. In Leinen M 54.—; in Halbpergament M 75.—.

ERZÄHLUNGEN. Übertragen von Heinrich Röhl und Arthur Luther. Vier Bände. In Halbleinen M 16.—; in Halbpergament M 20.—.

TSCHUANG-TSE: REDEN UND GLEICHNISSE. In deutscher Auswahl von Martin Buber. 9.—11. Tausend. In Leinen M 4.—.

UHDE-BERNAYS, HERMANN: ANSELM FEUERBACH. Mit 80 Vollbildern nach Gemälden und Handzeichnungen Feuerbachs. II.—I5. Tausend. In Halbleinen M 4.—.

VILLERS, ALEXANDER VON: BRIEFE EINES UNBEKANN- TEN. Ausgewählt und eingeleitet von Wilhelm Weigand. Zweite Auflage. Mit 2 Bildnissen. In Leinen M 9.—.

VOLTAIRES ERZÄHLUNGEN. Übertragen von Ernst Hardt. Zweite Auflage. In Leinen M 7.50; in Halbleder M ı0.—. Inhalt: Der Schwarze und der Weiße Hans und Klaas Die Prinzessin von Babylon Candid Scarmentado Zadig Mikromegas Der Harmlose.

WALDMANN, EMIL: ALBRECHT DÜRERS LEBEN UND KUNST. Drei Teile in einem Bande. Mit 240 Vollbildern nach Gemälden, Stichen, Holzschnitten und Handzeichnungen des Mei- sters. In Halbleder M 14.—.

Einzeln erschienen:

ALBRECHT DÜRER. Mit 80 Vollbildern nach Gemälden des Meisters. 21.—24. Tausend. In Halbleinen M 4.—.

ALBRECHT DÜRERS STICHE UND HOLZSCHNITTE. Mit 80 Vollbildern. 17.—20. Tausend. In Halbleinen M 4.—.

ALBRECHT DURERS HANDZEICHNUNGEN. Mit 8oVoll- bildern. rz.—20. Tausend. In Halbleinen M 4.—.

WILDE, OSCAR: DIE ERZÄHLUNGEN UND MÄRCHEN. Übertragen von Franz Blei und Felix Paul Greve. Mit 10 Voll- bildern sowie Initialen, Titel- und Einbandzeichnung von Heinrich Vogeler-Worpswede. 133.—140. Tausend. In Halbleinen M 5.50; in Halbpergament M 8.—; in Leder M 15.—.

WILHELMINE MARKGRÄFIN VON BAYREUTH: MEMO- IREN. Deutsch von Annette Kolb. Mit 10 Bildtafeln. 9.13. Tau- send. In Leinen M 8.—.

Erinnerungen der geistvollen Schwester Friedrichs des Großen.

WINCKELMANN, JOACHIM: KLEINE SCHRIFTEN UND BRIEFE. Herausgegeben von Hermann Uhde-Bernays. Zwei Bände. Mit 22 Bildtafeln. In Halbpergament M 18.—.

188

ZOLA, EMILE: ROM. Roman. Taschenausgabe auf Dünndruck- papier in einem Bande (1000 Seiten). In Leinen M 8.—.

ZWEIG,STEFAN: ERSTES ERLEBNIS. Vier Geschichten aus Kin- derland. 28.—32.Tausend. In Leinen M 7.—; in Halbleder M 10.—.

AMOK. Novellen einer Leidenschaft. 46.—50. Tausend. In Leinen M 7.—; in Halbleder M 10.—.

VERWIRRUNG DER GEFÜHLE. Drei Novellen. gr. bis 60.Tausend. In Leinen M 7.—; in Halbleder M 10.—.

Die drei Bände sind auch zusammen in einer Kassette unter dem Titel „DIE KETTE“ lieferbar zum Preise von in Leinen M 20.—; in Halbleder M 28.—.

DREI MEISTER (Balzac Dickens Dostojewski). 27. bis 25. Tausend. In Leinen M 7.—.

DER KAMPF MIT DEM DÄMON (Hölderlin Kleist Nietzsche). rz.—22. Tausend. In Leinen M 7.50.

ERINNERUNGEN AN EMILE VERHAEREN. Gedruckt in 400 numerierten Exemplaren auf Büttenpapier. In Halbpergament M ı12.—. :

JEREMIAS. Eine dramatische Dichtung in neun Bildern. 22. bis 25. Tausend. In Leinen M 6.—.

DEUTSCHE VERGANGENHEIT

Nach zeitgenössischen Quellen herausgegeben von Johannes Bühler. Jeder Band mit 16 Bildtafeln, in Halbleinen M 9.—; in Halbleder M ı2.—.

DIE GERMANEN IN DER VOLKERWANDERUNG. 6. bis 8. Tausend.

DAS FRANKENREICH. DIE SÄCHSISCHEN UND SALISCHEN KAISER. DIE HOHENSTAUFEN.

KLOSTERLEBEN IM DEUTSCHEN MITTELALTER. 7. bis II. Tausend.

DEUTSCHES GEISTESLEBEN IM MITTELALTER. ORDENSRITTER UND KIRCHENFÜRSTEN.

Ausführliche Sonderankündigungen für diese Sammlung stehen unberechnet zur Verfügung.

189

VIER-MARK-BUCHER

Jeder Band in Leinen mit reicher Rückenvergoldung M 4.—.

BEETHOVENS BRIEFE. In Auswahl herausgegeben von Albert Leitzmann. 34. Tausend.

FICHTES REDEN AN DIE DEUT- SCHE NATION. Revidierte Ausgabe von Rudolf Eucken. 29. Tausend.

GOETHES BRIEFE AN FRAU VON STEIN. In Auswahl herausgegeben von Julius Petersen. Mit 6 Silhouetten. 30. Tausend.

DIE BRIEFE DES JUNGEN GOE-

THE. Herausgegeben und eingeleitet von Gustav Roethe.

BRIEFE VON GOETHES MUTTER. Ausgewählt und eingeleitet von Al- bert Köster. Mit einer Silhouette der Frau Rath. 63. Tausend,

DER

WILHELM VON HUMBOLDT: BRIE- FE AN EINE FREUNDIN (Charlotte Diede). In Auswahl herausgegeben von Albert Leitsmann. 31. Tausend.

KANT-AUSSPRÜCHE. Herausgegeben von Raoul Richter. 14. Tausend.

BRIEFE HEINRICH VON KLEISTS. Herausgegeben von Friedrich Michael.

DES KNABEN WUNDERHORN. Aus- gewählt und eingeleitet von Friedrich Ranke. 20. Tausend.

ADALBERT STIFTER: ERZÄHLUN- GEN. Ausgewählt und eingeleitet von Felix Braun.

DOM

Bücher deutscher Mystik

MEISTER ECKHART: DEUTSCHE PREDIGTEN UND TRAKTATE. Ausgewählt, übertragen und einge- leitet von Friedrich Schulse-Maisier. (Siehe Seite 171). :

FRANZ VON BAADER: SCHRIFTEN. Ausgewählt und herausgegeben von Max Pulver.

JAKOB BÖHME: AUSGEWÄHLTE SCHRIFTEN. Herausgegeben von Hans Kayser. 7. Tausend.

GUSTAV TH. FECHNER: ZEND- AVESTA. Gedanken über die Dinge des Himmels und des Jenseits vom Standpunkte der Naturbetrachtung. Herausgegeben von Max Fischer. 7. Tausend.

J.G. HAMANN: SCHRIFTEN. Aus-

gewählt und herausgegeben von Karl Widmaier.

HILDEGARD VON BINGEN: SCHRIFTEN. Ausgewählt und ber- ausgegeben von Johannes Bühler.

JOHANNES KEPLER: KOSMISCHE HARMONIE. Auszugsweise über- tragen von W. Harburger.

MYSTISCHE DICHTUNG AUS SIE- BEN JAHRHUNDERTEN. Heraus- gegeben v. Friedrich Schulse-M aisier.

THEOPHRASTUS PARACELSUS:

SCHRIFTEN, Herausgegeben von Hans Kayser. 7. Tausend.

JAN V.RUISBROECK: DIE ZIERDE DER GEISTLICHEN HOCHZEIT - U. DIE KLEINEREN SCHRIFTEN. Herausgegeben von Friedrich M. Huebner.

HEINRICH SEUSE: DEUTSCHE SCHRIFTEN, Ausgewählt und über- tragen von Anton Gabele.

JOHANN TAULER: PREDIGTEN. In Auswahl übertragen und eingeleitet von Leopold Naumann.

THEOLOGIA DEUTSCH. Heraus- gegeben von Josef Bernhart. 6. Taus.

Preis jedes Bandes: in Halbleinen M 6.—; in Halbpergament M 8.— (die Bände Böhme, Eckhart, Kepler, Mystische Dichtung, Paracelsus: M 7.50 bzw. M 10.—)

Mit dem soeben erschienenen Eckhart-Bande ist die Sammlung, die es sich zur Aufgabe stellt, eine Auswahl der besten und wichtigsten Bücher echter Mystik zu bringen, nunmehr zum Abschluß gelangt.

190

INHALT

Kalendarium auf das Jahr 1928 e 5 Karl Scheffler: Dorf und Stadt ............ 00. cece ee evens 11 Robert Browning: Der Ring und das Buch................ 19 Felix Braun: Zwei Betrachtungen .............0. essence 25 Chinesische Anekdoten e 33 Sherwood Anderson: Die Lehrerin ......... 2222222220222. 36 Albrecht Schaeffer: Klage ....... 0. ccc cece cece renee eeee 49 Alexander Lernet-Holenia: Szene als Einleitung einer Toten- feier für Rainer Maria Bike... 50 Hugo von Hofmannsthal: Vermächtnis der Antike ......... 57 Felix Timmermans: Ein Tag in Lier ...........2.0e0 ee 62 Ricarda Huch: Zwei Gedichte `... 75 Paul Valéry: Die Seele und der Tanz ................000 76 Eine Predigt Meister Eckharts `... 84 Rainer Maria Rilke: Drei Gedichte... 89 D. H. Lawrence: Die Nachtigall e 92 Charles Baudelaire: Marceline Desbordes-Valmore ......... 100 Ernst Bertram: Zwei Gedichte .............+-- es 106 Stefan Zweig: Die Weltminute von Waterloo ............. 108 Geschichten aus dem Herodot ........-. ses cesceeeceeece 127 Richard Friedenthal: Demeter-Sonette ...............-0008: 135 Hans Carossa: Aus einem künftigen Buche ............... 139 Gedanken von Paul Lagarde ....... cece cece cee e erence 154 Frangois Mauriac: Der Tod der jungen Frau ............. 159 Goethe: Vermächtnis `... 167 Bücher aus dem Insel-Verlag `... 169

DIE BILDER

Küche im Ordensritterschloß Lochstedt. Aus Johannes Bühler : Ordensritter und Kirchenfürsten (Deutsche Vergangenheit) Gustave Doré: Illustration zu Balzacs Tolldreisten Geschichten Engel im Chor des Doms zu Köln. Aus Hermann Beenken: Bildhauer des 14. Jahrhunderts am Rhein und in Schwaben Gipsmaske Amenophis’ IV. Aus Georg Steindorff : Die Kunst DEVAL DIEM: ed rennt Stammhaus der Familie Rothschild in Frankfurt am Main. Aus Egon Cäsar Conte Corti: Der Aufstieg des Hauses Roth- Schild 2770-01528 70 voce dea ee a Aristide Maillol: Holzschnitt. Aus den Eclogen Vergils in der Ursprache und Deutsch, übertragen von Rudolf Alexander Schröder. (Druck der Cranach-Presse in Weimar) ...... Madonna vom Kapellenturm in Rottweil. Aus Hermann Been- ken: Bildhauer des 14. Jahrhunderts am Rhein und in Schwaben aa, ie Marceline Desbordes-Valmore. Zeichnung von Constant Des- bordes. Aus Stefan Zweig : Marceline Desbordes-Valmore, das Lebensbild einer Dichterin ........ EE eee Die Sphinx von Gise. Aus Georg Steindorff: Die Kunst EN E EE Gustave Doré: Illustration zu Balzacs Tolldreisten Geschichten Aristide Maillol: Holzschnitt. Aus den Eclogen Vergils .....

Kalendarium und Umschlag zeichnete Marcus Behmer

Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig |

«PPR 37039-SB 83-15 CQ SC

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