1 JAHRBÜCHER für wissenschaftliche Botanik Begründet von Professor Dr. N. Pringsheim herausgegeben von H. Fitting Profeesor an der Universilät Bonn n. Rh. Zweiundsechzigster Band Mit )(•'/ Texlfiguren Leipzig Verlag von GeV) rüder Borntraeger 1923 \H5 Alle Hechte vorbehalten Dniek von E. Buchbinder (H. Duskc) in Nenrnppin Made in Gernianv Inhalt HefÜ 1; ausgegeben im Februar 1923. Seite Artur Pisek. Chromosoinenverliältni.sse, Reduktionsteilung und Revision der Keini- entwicklung der Mistel (V'iscutn album). Mit 6 Textfiguren 1 Abschnitt I. Somatische Teilung — diploide Chroniosonienzahl ... 3 Abschnitt II. Reduktionsteilung der Pollenmutterzellen 4 Absclinitt III. Reduktionsteilun;^ der Enibryosackmutterzellen .... 11 Abschnitt IV. Befruchtung und Embryoentwicklung 13 E. Bacliiuailll. Untersuchungen über den Wasserhaushalt einiger Felsenflechten. Mit 4 Textfiguren 20 Abschnitt I. Methodisches 21 Umbilicaria pustulata CL.) Hoffni 23 Gyrophora 31 Abschnitt II. Wasseraufnahnie und -abgäbe auf 1 g Trockensubstanz be- zogen bei Laub- und Krustenflechten 36 Kieselflechten im Vergleich zur flechtenfreien Unterlage 42 ' Abschnitt III. llypothallinische Anhängsel und andere Speicherorgane . . 46 Abschnitt IV. Epinekralschicht und Pseudokutikula 55 Abschnitt V. Zusammenfassung 61 Iteiuhold Schaede. Über das Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Anilin- farbstoffen. Mit 1 Textfigur 65 Abschnitt I. Basische Farbstoffe 74 Abschnitt II. Saure Farbstoffe 84 Abschnitt III. Zusammenfassung 86 Literatur 91 Hans Robert Rode. Beitrüge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäß- pflanzen. Mit t> Textfiguren 92 Abschnitt I. Problem und Aufgabe 92 Abschnitt II. Der Zustand des Gefäßinhaltes 93 A. Die Wasserfäden in den Leitungsbahnen 93 1. Im intakten Gefäß 93 2. Die Wasserfäden in mechanisch verletzten Gefäßen .... 98 B. Treten in den Gefäßen Gasbiasen auf? 99 1. Das Gas in den Leitungsbahnen 99 2. Künstlich erzeugte Gasblasen in den Leitungsbahneu .... 101 IV Inhalt. Seite Abschnitt III. Die Zugspannungen in den Gefäßen 105 A. Die niikroskopi.sche Messung de.s „Rückstoßes" 106 B. Die Schrumpfung am einzelnen Gefäß 111 C. Die Brauchbarkeit der quantitativen Meßmethoden 11.3 Abschnitt IV. Der Filtrationswiderstand in Abhängigkeit von der Druck- differenz 117 Abschnitt V. Die Abhängigkeit des Wurzelwiderstandes von der Temperatur 120 Abschnitt VI. Zusammenfassung der Ergebnisse 125 Zitierte Literatur 126 N. Ä. MaximOfW Physiologisch - ökologische Untersuchungen über die Dürre- resistenz der Xerophyten 128 Zitierte Literatur 143 Heft 3; ausgegeben im Mai 192.3. Heinrich Walter. Protoplasma- und Membjanquellang bei Pla-smolyse. Unter- suchungen an Baiiffia fusco-pufpuren und anderen Algen. Mit 10 Textfiguren 145 Einleitung 145 1. Abweichungen von der normalen Plasmolyse 145 2. Kurze Übersicht über die vorliegende Arbeit ... .... 147 3. Versuche mit Bangia fusco-purjnirea 152 I. Teil. Protoplasmatiuellnng 155 1. Volumveränderungen des Zellinhaltes bei Plasmolyse 155 2. Allgemeines über Quelhing 160 3. Quellungskarve des Protoplasmas 164 a) Versuche mit Spirogyra 165 b) Versuche mit Lemanea 170 4. Plasmaquellung und Neutralsalzwirkung 178 II. Teil. Membranquell ung 183 1. Membranquellung bei Bangia als sekundäre Erscheinung . . . . 183 2. Versuche mit Agar-Agar 185 Quellungsversuche 192 3. Das Verhalten von Algenmenibranen gegenüber Elektrolyten im Ver- gleich zu den an Algen gewonnenen Resultaten 203 4. Mechanismus der Bangia -ZeUe 206 5. Quellungsdruck und osmotischer Druck 208 Zusammenfassung 210 Literaturnachweis 211 Karl Bessenich. über Beziehungen zwischen dem Vegetationspunkt und dem übrigen Pflanzenkörper bei Ohara. Mit 14 Textfin;uren 214 Abschnitt I. Kulturbedingungen 215 Abschnitt II. Untersuchungen über die Qualitäten der einzelnen Zellen des Vegetationspunktes 216 Abschnitt III. Beziehungen zwischen dem Vegetationspunkt und dem Streckungs Wachstum des zugehörigen Sprosses 220 Abschnitt IV. Über die Abhängigkeit der Neubildungen an dem Sproß- knoten vom Vorhandensein des Vegetationspunktes 223 Inhalt. V Seit.! Ab.sclmitt \'. Be/.iehiingeii zwischen iler Symmetrie des Sprosses und seines Vegetationspunktes 228 Abschnitt VI. Das Problem von Rechts- und Linkstendenz ttei Chnra 235 Abschnitt VII. Schlußbetrachtung und Zu.sanimeiifa.ssung 240 Angeführte Literatur 24 2 Ernst (i. I'rinji'sheiin. Über die Transpiration bei Fums. Mit 4 Tcxifiguren 244 Zusamnienlassunji' 2.'>6 Fritz Ovorbeck. Zur Kenntnis des Mechanismus der Samenaussclib-uderung von OxalLs. Mit 12 Textfi^niren 2M Einleitung 2.'>8 Abschnitt I. Bau des Fruchtknotens, der Samenanlagen und ihre Entwick- lung zum Samen 260 Abschnitt II. Die Ausschleuderung der Samen 266 Literatur 281 Hefl 5i; ausgegeben im .Tuli U'2:{. K. Lilisbauer. Über die Interferenz von Stoßreizen und über Ermüdungserschei- nungen an Blattgelenken von Mimnsa pndica. Mit 9 Textfignren .... 28.S Einleitung 283 Abschnitt 1. Schüttelver.suche 284 Abschnitt II. Heizung mit intermittierenden Stößen 290 Abschnitt III. Versuche mit atigestufter Frequenz 298 Abschnitt IV. Das Verhalten der Tertiärgelenke • 306 Abschnitt V. Theoretisches 308 Abschnitt VI. Zusammenfassung der Ergebnisse ........ 32.'> Literatur-Verzeichnis 326 frttliiher Schniid. Das Ueizverhalten künstlicher Teilstücke , die Kontraktilität und das osmotische Verhalten der Oscillaforia Jenenxix Mit 6 Textfiguren . 328 Einleitung 328 Abschnitt 1. Weitere Belege für die Autonomie der Fadenteile .... 329 1. Therniokinetiscbes Verhalten künstlicher Teilstücke 329 2. Photokinetisches Verhalten künstlicher Teilstücke 329 a) Einleitende Versuche 329 b) Versuche mit Teilstücken 331 Abschnitt II. Chemotaktist^he Versuche 331 1. Methodik 331 2. Heizung intakter Fäden 333 a) Versuche mit 0,01 °/o Schwefelsäure 334 b) Versuche mit 0,025 7o Schwefelsäure 335 c) Versuche mit 0,05 % Schwefelsäure 337 d) Versuche mit 1 "/^ Schwefelsäure 33S e) Reizung beider Fadenenden mit 1 "/o Schwefelsäure .... 338 3. Reizung künstlicher Teilstücke 339 a) Teilslücke aus einem Trennungsschnitt 339 b> Teilstücke aus zwei Trennungs.schnitten 341 VI Inhalt. Seite Abschnitt 111. Weitere taktische Versuche .342 1. Negative Phototaxis 342 2. Positive Phototaxis 34 5 Abschnitt IV. Der Durchtrennungsschnitt als Reiz 346 Abschnitt V. Die Polarität des Oscillarienfadens 351 1. Theoretische Betrachtungen . 351 2. Ober polare Kontraktionen 357 a) Versuche mit Rohrzucker 358 b) Versuche mit Schwefelsäure 361 c) Versuche mit anderen Lösungen 361 d) Kontraktion und phobische Reaktion 361 e) Ergebnis 362 3. Das Färbungsverhalten zu einigen Anilinfarbstoffen 365 aj Versuche 365 b) Erörterungen 369 Abschnitt VI. Über die Kontraktilität des Oscillarienfadens 377 1. Kontraktion durch Eintrocknen 377 2. Kontraktion durch Plasmolytica 379 3. Weitere kontraktile Erscheinungen 382 4. Expansion in Schwefelsäure und Glyzerin 383 5. Spontane Expansionserscheinungen 385 Abschnitt VII. Das osmotische Verhalten des Oscillarienfadens . . . . 388 1. Plasmolyse 388 2. Osmotische Kontraktionen 390 a) Methodik ' 390 b) Versuche mit Saccharose 39.3 *) Der Ablauf der Kontraktion 393 ß) Konzentrationsgrad und Kontraktionsbetrag 394 f) Bestimmung der Grenzkonzentration 395 8) Permeabilität und Turgorregulation 396 c) Versuche mit anderen Lösungen 400 a) Kaliumnitrat 400 ß) Chlornatrium 400 7) Harnstoff 401 o) Ergebnis 402 d) Versuche mit 1 "/(, Schwefelsäure 404 e) Osmotische Kontraktion und Bewegung 405 Abschnitt VIII. Zur Theorie der Oscillarienbewegung 407 Abschnitt IX. Übersicht einiger Ergebnisse . 415 Literatur 418 Margarete Schumacher. Dekapitation und geotropische Krümmungsfähigkeit von Sprossen. Mit 6 Textfiguren 420 Einleitung 420 Abschnitt I. a) Die Gesamtaufkriiramnng dekapitierter Sprosse . . . . 421 b) Reaktionsfähigkeit der Teile, die der Dekapitationsstelle benachbart sind 424 Inhalt. VII Soite Abschnitt 11. Versuche mit Trade.scanfla 427 A. Der Miehesche Biegungsversuch TKritik) 427 B. Dekapilations- und Klemmversuche 428 C. Die Dorsiventralität der Sprosse 430 D. Reiüleitungsversuche 4H4 E. Erfolgt eine Regulierung der Krümniungen durch die Spitze? 441 F. Die Ursachen der Krünunungsunfähigkcit nach Dekapitation . . 443 Abschnitt III. Zusammenfassung 4 46 Literatur 447 Hen 4; ausgegeben im September 1023. Hans Gradmaiin. Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. Mit 11 Textfiguren 44!» Abschnitt 1. Fragestellung 449 Abschnitt II. Physikalisclie Versuche 455 1. Der Einfluß des Windschutzes auf das Verhältnis von Wasserabgabe und Kohlensäureauf nähme 456 2. Der Einfluß der Windgeschwindigkeit auf das Verhältnis von Wasser- abgabe und Kohlensäureaufnahme an freistehenden Gefäßen . 460 Abschnitt III. Die physikalische AVirkung der Windschutzeinrichtungen 472 Abschnitt IV. Die ökologische Bedeutung der Windschutzeinrichtungen 485 Abschnitt V. Untersuchungen über die Tätigkeit des immergrünen medi- terranen Blattes während der trockenen Jahreszeit 494 1. Der Öffnungszustand der Spalten am natürlichen Standort . . 498 a) Methode 498 b) Beobachtungen 500 2. Die Verarbeitung der gebotenen Kohlensäure 508 a) Methode 508 b) Versuche im botanischen (rarten zu Neapel 516 3. Ergebnisse der Untersuchungen am mediterranen immergrünen Blatt 521 Abschnitt VI. Zusammenfassung 523 Literatur 525 Erust Sckilling. Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wund- reizes. Mit 10 Textfi^ruren 528 Abschnitt I. Einleitung 528 Abschnitt II. Flächenwachstum verholzter Zellen 532 Abschnitt III. Kntiiolzung verholzter Zellen 539 Abschnitt IV. Physiologische Betrachtungen 545 Abschnitt V. Zusammenfassung der Ergebnisse 560 Literaturverzeichnis 561 Rose Stoppel. Beitrag zum Problem der Perzeption von Licht- und Schwere- reiz durch die Pflanze. Mit 3 Textfignren 563 Einleitung 563 Abschnitt I. Methodik 565 Abschnitt II. Die Ver.suchsresultate 560 Abschnitt III. Theoretisches . 578 Abschnitt IV. Zusammenfassung der Resultate 589 Literatur 592 Alphabetisch n.*ich den Namen der Verfasser geordnetes Inhaltsverzeichnis. Seite E. Bachmann. L'ntersiichungeu über den Wasserhaushalt einiger Felsenflechten. Mit 4 Textfiguren 20 Karl Bessenich. über Beziehungen zwischen dem Vegetationspunkt und dem übrigen Pflanzenkörper bei Ohara. Mit 14 Textfiguren 214 Hans Robert Bode. Beiträge zur Dynamik der Wasserbeweigung in den Gefäß- pflanzen. Mit 6 Textfiguren 92 Hans (irradniaun. Die Windschutzeinriditungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. Mit 11 Textfiguren 449 K. Linsbauer. Über die Interferenz von Stoßreizen und über Ermüdungserschei- nungen an Blattgelenken von Mimosa pudica. Mit 9 Textfiguren .... 283 N. A. Maxiniow. Physiologisch -ökologische Untersuchungen über die Dürre- resistenz der Xerophyten 128 Fritz Overbeck. Zur Kenntnis des Mechanismus der Samenausschleuderung von O.ralis. Mit 12 Textfiguren 258 Artlir Pisek. Chromosomenverhältnisse, Reduktim Tau, Garten, 3. Angust, 6'/4 Uhr; tagsüber h-iter, dinkt bestrahlt von 8 — 4 Uhr. D: 0,5 mm = 0,01 g. Wasseraufnahme bei sehr starkem Tau, Garten, 4. August, 6'/^ Uhr; vormittags heiter, nachmittags trübe, von 4 Uhr an Regen; nicht direkt bestrahlt; ged, Veranda E: 0,5 mm = 0,01 g. Wasseraufnahme bei künst- licher Bewässerung, 9. August, lO'/^ Uhr; Verdunstung bei heiterem Wetter nnd direkter Bestrahlung; nur zwischen 12 und 2 Uhr zeitweise bewölkt. Untersuchungen über den Wasserhausbalt einiger Felsenflechten. 57 ihre Zelhvände werden gleich denen der Markhyplien von Jod gebläut. Noch weiter nach innen folgen dann die zu kleinen Gruppen vereinigten Gonidien mit ihren UmhüUungszellen; sie bilden eine etwa 50 /u mächtige Schicht. Unter ihr liegt das faiblose Mark mit sehr viel leeren Gonidienhüllen, aho eine echte Hyponekral- schicht. Sie wird von Adern der Aniyloidhyphen durchzogen, die sich nach Zusatz von Chlorzinkjodlösung durch ihre Blaufiirbung deutlich von den roten Gonidienhüllen abheben. Läßt man die Schnitte eintrocknen, so entstehen dort, wo das Amyloidgewebe ist, große Lücken; läßt man Wasser zufließen, so verschwinden sie wieder, nur die kleineren Lücken der leeren Gonidienhüllen bleiben bestehen. Die im April bei Schnee, Eis und Reif durchgeführte erste Versuchsreihe mit diesen beiden so verschieden gebauten, nahe verwandten Flechten gibt zugleich Antwort auf die Frage nach der TVasserversoigung der Krustenflechten unter so ungünstigen Lebens- bedingungen. Sie durchzuführen, schien mir nicht übet flüssig, nachdem durch Henrici') nachgewiesen worden ist, daß höhere Pflanzen noch bei — 15" zu assimilieren vermögen. Folgende Er- gebnisse seien ausgeführt: Die Wasseraufnahme der L. hidlata übertrifft bei Regen- und Schneegemisch, sowie bei reinem Schneefall die von L.speiva um das Doppelte; bei Reif hingegen ist die Gewichts- zunahme beider Flechten fiist gleich, zuweilen die von L. 5/)eira größer als jene. Im Sommer waren die Befunde folgende: Regen wurde von L.buUata ungefähr doppelt so viel aufgenommen als von L.speira; bei Tau {Fig. 4B) betrug die Gewichtszunahme jener -3 bis Vs, bis zum Doppelten (Fig. 4C, D) von dem Zuwachs dieser. Dieser Widerspruch des Verhältnisses zwischen Tau und Reif erklärt sich daraus, daß im Sommer das infolge von Abkühlung auf den beiden Steinflechten verdichtete Wasser sofort verschluckt worden ist, wie an dem matten Aussehen der beiden Lager erkannt werden konnte. Nach den kalten Aprilnächten aber war bei Lupen- betrachtung deutlich ein glänzender Überzug von Eistäfelchen zu sehen. Der Poiphyr ist wahi scheinlich ein besserer Wärmeleiter als der Gneis, kühlt sich darum stärker ab und verdichtet deshalb auf seiner Ober- fläche mehr Wasserdampf zu Eis, das schon während der Wägung schmilzt und alsbald verdunstet. Dafür spricht auch die zweite Tat- 1) Henrici, Marg., Zweigipflige Assimilationskurren. Basel 1921. Ref. in Zeitschr. f. Bot., Jahrg. 14, S. 252. 58 E. Bachnianti, Sache, daß der Wasserverlust der bereiften L.speira in dem ersten Zeit- abschnitt zwischen 7 und 7^'o Uhr trotz der niedrigen Temperatur von 2 — 3° C IVsmal mehr beträgt als der von L. biiUata. Im all- gemeinen entspricht die Wasserabgabe der Wasseraufnahme: hat L. hullata das Doppelte von L. speira aufgenommen, so gibt sie nachher das Doppelte ab, und zwar verteilt sich die Wasserabgabe so, daß am Vormittag 4 — 5 mal so viel verdunstet wie am Nach- mittag. Das konnte Anfang April sow^ohl bei direkter Bestrahlung, wie auch bei bewölktem Himmel bestätigt werden, sowohl nach vorausgegangener starker Aufnahme von Schnee und Regen, wie auch nach schwacher Tau- oder Reifaufnahme. Dieser Satz gilt jedoch nicht mehr für den Juli mit seinen höheren Temperaturen: bei regnerischem Wetter (Fig. 4B) ist die Wasserabgabe der L. hullata am Vormittag nicht größer als in den 6 Nach mittagsstun den, bei L. speira 2 mal größer. Bei geringer Wasseraufnahme (Tau) ist die Abgabe des aufgenommenen Wassers gewöhnlich schon am Vormittag beendigt (Fig. 4C, D). Aber sowohl bei trüber Witte- rung, als auch bei direkter Bestrahlung gelangt die speira-^KnwQ etwas früher auf der Nullinie an als die von L. hullata. Bei di- rekter Bestrahlung (3. August) macht sich dieser Gegensatz stärker bemerklich als bei bewölktem Himmel: die speira-K.\xx\Q ist bereits früh 9 Uhr 2 cg unter der Nullinie angekommen, L. hullata über- schreitet sie erst nachmittags 2 Uhr um 1 cg. Bei andauernd regnerischem Wetter (13. Juli) erreicht keine (Fig. 4.4) der beiden Kurven die NulHnie, aber die von L. hullata bleibt 43, die von L. speira bloß 14 cg über ihr. Daß diese Verzögerung der Ver- dunstung, diese größere Widerstandsfähigkeit gegen Wasserverlust dem Vorhandensein der Epinekralschicht zuzuschreiben ist, läßt sich nicht unbedingt behaupten. Später wurden Lecidea hullata und L. athroocarpa den ver- schiedensten Bedingungen ausgesetzt, um die Wirkung der Epi- nekralschicht der ersten und der Pseudokutikula der zweiten zu erkennen. Das zerschnittene Lagerstück von L. athroocarpa auf Porphyr von Predazzo in Südtirol hatte 787 /n Mächtigkeit, war aber in den unteren 644 (^ von zahllosen Gesteinssplittern durchsetzt. Der oberste, durchschnittlich 140 ^a mächtige Abschnitt war gesteins- frei und bestand von außen nach innen aus der 8 fx dicken Pseudo- kutikula, der 31 /t mächtigen Rinde, der 96,8 fz mächtigen Gonidien- zone und einem etwa 40 fi mächtigen Streifen eines ziemlich dichten Untersuchnngen über den Wasserhaushalt einiger Felsenflechten. 59 Plektenchyms, in dem nach Zusatz von Chlorzinkjod auch zahheiche GonidienhüUen zu sehen sind. Von hier aus reichen diese wenig- stens 160 u tief in das gesteiussplitterführende Mark hinein, so daß man der Flechte eine 200 jtt mächtige Hyponekralzone zuschreiben muß. Die Rinde ist 8 — lOschichtig, ihre Zellen sind 4—5, selten 6 ,u dick, sehr plasmaarm, dickwandig und völlig lückenlos mit- einander verbunden. Die nach dem Tode abgeplatteten bilden am Außenrand der Rinde die Pseudokutikula, die sich hiernach von dem viel dickeren, zum Teil aus GonidienhüUen zusammengesetzten „dichten Häutchen" der Lecanora hadia von Predazzo unterscheidet. Die Aufnahmefähigkeit für Regen war bei beiden Flechten fast immer gleich (Fig. 4 E), die für Tau ebenfalls oder auch bei Leci- dea athroocarpa etwas größer. Ein Einfluß der Epinekralschicht oder Pseudokutikula auf die Wasseraufnahme ist nicht erkennbar, wa8 bei ihrer Dünne auch nicht zu erwarten war; diese Eigenschaft hängt vom Bau des ganzen Lagers, insbesondere von seiner Mächtig- keit ab. Andererseits sprechen gewisse Tatsachen dafür, daß die Pseudokutikula in Gemeinschaft mit der mächtigen und dichten Rinde die Abgabe von Wasser verlangsamen kann. Nachdem z. B. in der Nacht vom 1. zum 2. August beständig leiser Regen nieder- gegangen war, der auch während des ganzen folgenden Tages an- dauerte, zeigte L. hullata einen Gewichtszuwachs von 126,5, L. athroocarpa von 99 cg. Das aufgenommene Wasser wurde von ersterer bis auf 25 cg abgegeben und zwar in so gleichmäßiger Weise, daß die Kurve fast aussieht wie mit dem Lineal gezogen. Die von L. athroocarpa läuft der ersten bis 1 1 Uhr parallel, von da an senkt sie sich schwächer und endigt 24 cg über der Null- linie. Bis 11 Uhr hat L. athroocarpa 40, L. hullata 40,5 cg ab- gegeben, in den sechs Nachmittagsstunden jene 34 und diese 54. Erstere hat demnach genau Vi, die zweite etwas weniger als V* des aufgenommenen Wassers verloren. In den Nachmittagsstunden ist bei Lecidea athroocarpa zwar eine Verzögerung der Wasser- abgabe eingetreten, allein am Vormittage hat sie 40, L. hullata nur 32 Hundertteile des aufgenommenen Wassers eingebüßt. — Am 4. August hatten beide Flechten bei sehr starkem Tau 36 cg über Null erstiegen; davon gibt L. athroocarpa bis 9 Uhr 16, bis 2 Uhr noch 9 cg, L. hullata aber 13 und 14 cg ab. Infolgedessen zieht die athroocarpa -Kurye bis 10 Uhr unter der hullata-Kurve hin, überschneidet sie aber dann und bleibt bis 6 Uhr abends unaus- gesetzt einige Millimeter über ihr. Die Verdunstung ist in diesem 60 ^- Bachmann, Falle bei heiterem "Wetter, aber nicht direkter Bestrahlung vor sich gegangen; demnach kann für regnerisches und klares Wetter eine Hebung der athroocarpa-Knrwe festgestellt werden. — Nach sehr starkem Tau hatte am 6. August L. athroocarpa 36, L. hullata nur 24 cg Wasseraufnahme; davon gab die erste bis 9 Uhr 31,5, die zweite 21 cg ab. In Aufnahme und Abgabe verhalten sich beide Flechten wie 3 : 2. Wahrend der h nächsten Stunden, bis 2 Uhr nachmittags, kehrte sich das Verhältnis um: L. athroocarpa gab nur 9, L. hullata 14 cg ab. Zwischen 4 und 6 Uhr nahm jene sogar noch 1 cg Wasserdampf auf und endigte darum 8 cg, diese 6 cg über Null. Von dieser Regel, daß bei L. athroocarpa eine nachträgliche Verlangsamung der Wasserabgabe eintritt, gibt es allerdings Aus- nahmen, auf die nicht näher eingejiangen werden soll. Ob hierbei die Epinekralschicht der einen und die Pseudo- kutikula der anderen einen Einfluß ausüben, läßt sich nicht be- haupten, um so weniger als die gleichzeitig mit geprüfte L. speira, der weder die eine noch die andere Schicht eigen ist, die beiden anderen Flechten an Widerstandskraft gegen Wasserabgabe über- trifft. Diese Tatsache hat sich herausgestellt, als am 9. Aujiust diese drei Flechten künstlich bewässert worden waren: obgleich L. speira nur halb so viel Wasser aufgenommen hatte wie L. athroo- carpa und nicht einmal die Hälfte von L. hullata, wird ihre Kurve bei direkter Bestrahlung doch schon nach ^U Stunde von den beiden anderen Kurven unterschnitten und endigt 6 Uhr abends 6 cg unter Null, die beiden anderen 8 und 10 cg. Alle diese Untersuchungen endigen mit einem negativen Er- gebnis: die Erwartung, daß die Epinekralzone oder doch weni-fstens die Pseudokutikula einen verzögernden Einfluß auf die Wasser- abgabe ausüben würden, hat sich nicht beweisen lassen. Dies steht im Widerspruch zu den Befunden bei Lecanora hadia aus Südtirol und aus dem Erzgebirge. Durch wiederholte Versuche konnte die im vorigen Jahre gewonnene Ansicht bestätigt werden, woraus die Folgerung zu ziehen ist, daß Vergleiche einer Flechte, die eine der beiden Schichten besitzt, mit einer anderen Art ohne solche für die Beantwortung der Frage nicht ausschlaggebend sind. Wenn es aber gelänge, eine im Schatten gewachsene Lecidea athroocarpa ohne Pseudokutikula zu finden und mit der Sonnenform zu ver- gleichen, so würden sicherlich Unterschiede nachweisbar sein. Untersuchungen über den Wasserhaushalt einiger Felsenflechten. 61 Abschnitt V. Zusammenfassung. Die beiderlei felsbewohneiulen Laubfiechten Umhilicaria pustu- lata und fünf Gyroi^hora -Avten übertreffen in ihrer Aufnahmefähig- keit lür Regen alle kalk- utid kieselbewohnenden Krustenflecliten ganz bedeutend. Einigermaßen nahe kommen ihnen — ohne sie zu erreichen — nur die Krustentlechten mit unterseitigen An- hängseln, nämlich Pannaria mit ihrem Hypothallus, Lccothcciiim durch seinen korallinen Bau und seine mächtige Hyponekralschicht und Diploschistes hnjophüits durch sein abgestorbenes Moospolster. — Umhilicaria pustulata verdankt ihre große Aufnahmefähigkeit hauptsächlich ihrer spalten- und grübchenreichen Oberflächen- beschaffenheit, Gi/rophora der Mächtigkeit seines „dichten Markes". Bei den kieselbewohnenden Kiustenflechten ohne unterseitige An- hängsel muß die Hyponekralschicht als Hauptaufnahmeorgan an- gesehen werden; mit ihrer Mächtigkeit und ihrem Reichtum an leeren Gonidienhüllen wächst die Aufnahmefähigkeit der Flechte für zugeführtes flüssiges Wasser, wie an Diploschistes scruposus vei glichen mit iec/dm- Spezies oder am Vergleich des auf Quarzit und Glimmerschiefer wohnenden Bliizoca)pon ohscuratiun zu sehen ist. Die Aufnahmelähigkeit der endolithischen Kalkflechten beruht auf der Porosität des durch Gonidien und Hyphen zerfressenen Gesteins. Der auf gleiche Oberfläche bezogenen Fähigkeit, flüssiges Wasser aufzunehmen, steht die auf gleiche Gewichtsmengen (l g Trocken- substanz) gegenüber: sie ist bei kieselbewuhnenden Krustenflechteu stets größer als bei Laubflechten, um so gioßer, je dünner das Lager der letzteren ist. Aber auch ihre Abgabefreudigkeit ist größer als die der Laubflechten, im ersten Zeitabschnitt nach er- folgter Wasseraufnahme ganz besonders. Dagegen kann sich in den Nachmittagsstunden bei direkter Bestrahlung das Verhältnis umkehren: die Laubflechte hat stärkere Wasserverluste als die Krustenflechte, ihre Kurve sinkt unter die Nullinie, während die der Krustenflechte über ihr bleibt. Die Aufnahmefähigkeit für Tau ist bei den Laubflechten meist nur um einen Bruchteil größer als bei Krustenflechten mit gleicher Oberfläche oder sogar um 4 — 13 Hundertteile kleiner (verglichen mit Diploschistes scruposus). 62 E. Bachmann, Die kalk- und kieselbewohnenden Krustenflechten sind vor den felsbewohnenden Laubflechten durch größere Widerstandskraft gegen die Abgabe von Wasser ausgezeichnet, was bei direkter Bestrah- lung noch deutlicher hervortritt als bei indirekter oder bei regne- rischem Wetter. Bei den Kalkflechten kann das aus der Porosität des von ihnen bewohnten Kalks oder Dolomits erklärt werden, bei den Kieselflechten aus der unzähligen Menge entleerter Gonidien und Hyphen der Hyponekralschicht, bei Pannaria aus der dicht- filzigen Beschafi'enheit des Hypothallus, bei Diploschistes hryophilus aus der gleichen Beschaffenheit des Moospolsters. Dagegen ist der korallin e Bau von Lecothecium weniger zum Festhalten als zur Aufnahme von viel Wasser geeignet. Die Aufnahmefähigkeit für dampfförmiges Wasser nach starker Entwässerung ist unter den Laubflechten bei Oyrophora vellea und cylindrica größer als bei Umhüicaria, auffallend größer als bei G cirrosa, unter den Krustenflechten am größten bei den beiden Diploschistes -Arten und bei Pannaria, bei Rhizocarpoyi ohscura- tum auf Glimmerschiefer größer als bei der gleichen Flechte auf Quarzit. Die leeren GonidienhüUen der Hyponekralzone, denen alf diese Vorzüge der Krustenflechten zu danken sind, wirken nicht durch eine ungewöhnliche Hygroskopizität ihrer Wände. Das hat sich gezeigt, als gleichartige Rinden mit und ohne grünen Algenüberzug auf ihren Wasserhaushalt geprüft wurden: sie zeigten, nachdem der Zellinhalt getötet worden war, keinen Unterschied in der Tauauf- nahme. Man wird darum annehmen müssen, daß sich die vielen Höhlungen mit Wasserdampf füllen, nachdem die Wände mit flüs- sigem Tau gesättigt worden sind. Nur bei anhaltendem Regen werden sie flüssiges Wasser enthalten. Beim Vergleich von Kieselgestein bewohnenden Flechten mit flechtenfreiem Gestein gleichen Ursprungs zeigte sich in zwei Fällen, daß letzteres hinter ersterem an Aufnahmefähigkeit zurückbleibt, daß es das äußerlich anhaftende Wasser viel schneller abgibt, be- sonders aber im ersten Zeitabschnitt viel Wasser verliert. Wasser- dampf vermögen diese Kontrollgesteine, von besonderen Umständen abgesehen, nicht aufzunehmen. Ein und dieselbe Krustenflechte, auf verschiedenem Gestein gewachsen, verhält sich dem Wasser gegenüber ganz verschieden: leicht zersetzbare Gesteine begünstigen, wie es scheint, die Entstehung eines mächtigeren Thallus mit Hyponekralzone und ermöglichen Untersuchungen über den Wasserhaushalt einiger Felsenflechten. 63 darum die Aufnahme und das Festhalten größerer AVassermengen in flüssigem und gasförmigem Zustande. Die Pseudokutikula, vielleicht auch die Epinekralschicht, ver- langsamen wahrscheinlich die Verdunstung des aufgenommenen Wassers, was aber nur aus dem Vergleich von Standortsformen derselben Art, einer mit und einer anderen ohne dieses „dichte Häutchen", sicher erschlossen werden kann. Ihrer großen Widerstandsfähigkeit gegen Wasserabgabe, selbst bei direkter Bestrahlung, verdanken viele mit Hyponekralschicht ausgestattete Krustenflechten die Kunst, freistehende Felsen über und über zu besiedeln, nicht allein an der Nord- und Westseite, sondern auch an der den Sonnenstrahlen am stärksten ausgesetzten Südseite. Mit dieser Eigenschaft vereinigt Diploschistes scruposus auch noch die, Tau und Wasserdampf in erhöhtem Grade aufzu- nehmen, und diesen Vorzügen ist es jedenfalls zuzuschreiben, daß sie auf sonnigen Basalthalden nicht nur gedeiht, sondern andere Krustenflechten überwuchert und sie zum Absterben zwingt. — Auch von Oyrophora- Arten sieht man quadratmetergroße Flächen derselben Felsen bedeckt, aber nach meinen Beobachtungen nie an der Südseite; jedenfalls bevorzugen sie in den mir bekannten Erzgebirgsstationen die weniger besonnten Felsflächen , weil sie der direkten Bestrahlung geringeren Widerstand entgegensetzen können. — Im Gegensatz zu den mit besonderen Speicherorganen aus- gestatteten Krustenflechten gibt es auch welche, die mangelhaft ausgerüstet sind und dennoch Hunderte von Quadratmetern be- decken, wie Rhizocarpon geographicum DC. Als ich seine dickst- krustige Form geronticum Ach. mit Lecidea hullata und speira den gleichen Bedingungen ausgesetzt habe, zeigte es sich in jeder Be- ziehung unterlegen, in der Wasseraufnahme und in der Festigkeit, mit der das Wasser zurückgehalten worden ist. Man wird daraus schUeßen dürfen, daß es kieselbewohnende Krustenflechten gibt, deren Plasma Austrocknung leichter verträgt und vielleicht bei ge- ringerem Wassergehalt als andere Flechten seine Assirailations- tätigkeit ausüben kann. Doch ist dies nur eine Annahme, die durch umfängliche Assimilationsversuche bestätigt werden müßte. Sehr wünschenswert wäre es, wenn hierbei und bei der etwaigen Fortsetzung der Untersuchung über den Wasserhaushalt der Flechten der jeweilige Wasserdampfgehalt der Luft hygroskopisch festgestellt würde. — Daß solche Assimilationsversuche an Flechten durchführ- 64 E. Bachmann, Unters, über den Wasserhaushalt einiger Felsenflechten. bar sind, lehrt die oben angeführte Arbeit von M. Henrici und die von Thomas') angeführte Tatsache, daß eine aus der Libyschen Wüste stammende Flechte in England 5 Jahre lang am Leben geblieben und gewachsen ist, obgleich man ihr kein flüssiges Wasser zugeführt hat. 1) Thomas, H. H., Sonie observations on plants in the Libyan desert. Joiirn. of Ecology, 1921, 9, 75—88; ref. in Botan. Centralbl., N. F., I, 283. über das Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbstoffen. Von Reinhold Schaede. ' Mit 1 Textfigur. Die Wirkung von Anilinfarbstoifen auf Pflanzenzellen ist schon wiederholt untersucht worden, und doch sind auf diesem Gebiete noch mancherlei Unklarheiten vorhanden. So steht z. B. immer noch nicht fest, ob das lebende Plasma färbbar ist oder nicht; dies wird von der einen Seite behauptet (Ruhland, 1912, S. 381 und 425), von der anderen aber energisch bestritten (A. Meyer, 1920, S. 477 u. 478). Die Mehrzahl der Autoren beschränkt ihre Untersuchungen überhaupt darauf, ob der Farbstoff in die Zelle aufgenommen wird oder nicht, und zieht dann daraus im Zusammen- hang mit den chemischen und physikalischen Eigenschaften der Farbstoffe Schlüsse auf die Permeabilität des Plasmas und auf seinen Bau mit dem Erfolge, daß eigentlich jeder der Autoren zu einer anderen Theorie gelangt. So besorgen, um nur das Wichtigste zu erwähnen, nach 0 verton (1900) die Lipoide die Aufnahme der Farbstoffe; Ruhland (1908, 1912) hingegen behauptet, das Plasma verhalte sich ihnen gegenüber wie ein Ultrafilter; nach Czapek (1915) kommen nur die hydroiden Medien für die Adsorption in Betracht, während Collander (1921) wiederum der Overtonschen Hypothese mit einigen Abänderungen zuneigt. Was dagegen in der Zelle beim Eindringen des Farbstoffes vorgeht, wird nur ge- legentlich nebenbei kurz erwähnt; allein Pfeffer (1886) macht darüber nähere Angaben, die indessen auch nicht recht befriedigen und infolge der angewandten, allgemein übHchen Methode auch zu keinem anderen Ergebnis führen konnten. Jahrb. f. wibs. Botanik. LXII. 5 66 Reinhold Schaede, Demgegenüber stellte ich mir die Aufgabe, zu prüfen, wie eine Zelle sich gegenüber AnilinfarbstofFen verhält, wobei weniger Wert darauf gelegt wurde, viele Pflanzen und viele Farbstoffe heranzuziehen, als vielmehr die Wurzelhaare einer Pflanze, Hijdro- charis Morsus ranae, und wenige Farbstoffe genau und eingehend zu untersuchen. Warum gerade die genannte Pflanze gewählt wurde, wird später erörtert werden. Bei den Vorversuchen, die hauptsächlich mit Methylenblau, Methylviolett und Säurefuchsin ausgeführt wurden, zeigte sich sehr bald, daß die übliche Methode, bei der man ganze Pflanzen oder Teile in Farblösungen schwimmen läßt, nicht anwendbar war; denn sie gestattet, abgesehen von anderen Eigenschaften, die, wie ge- zeigt werden wird, zu Fehlern führen können, durch Kontrollen in bestimmten Zeitabschnitten nur die Beobachtung jeweiliger Zu- stände, nicht aber die von Vorgängen, besonders an den Haaren ein und derselben Wurzel. Nur eine Dauerbeobachtung konnte hier Erfolg versprechen. Die alte Methode hat noch das Mißliche, daß die nicht selten tagelang in den Farblösungen liegenden Pflanzen oder deren Teile durch den Aufenihalt bei unnatürlichen Verhältnissen in den Glas- häfen im Laboratorium sicherlich ungünstig beeinflußt werden, worauf Pfeffer (1886, S. 185) schon hinweist. So könnte man auf diese Weise Wirkungen in der Zelle zu Gesicht bekommen, die in erster Linie gar nicht auf den Farbstoff zurückzuführen sind, sondern auf die veränderten Lebensbedingungen. Diese können die Aufnahmefähigkeit und die Reaktion der Zelle gegenüber dem normalen Zustand verändern, so daß sie gegen den Farbstoff ein Verhalten zeigt, das unter normalen Umständen nicht eintreten oder anders ausfallen würde. Diese Erwägungen sind keineswegs rein theoretischer Natur. Ich hatte wiederholt Gelegenheit zu sehen, daß z. B. eine Spirogijra^ die im Freien kurze, trommeiförmige Zellen besaß, diese im Labo- ratorium, an einem Südfenster gehalten, zu längeren Zylindern streckte. Ferner wurde versucht, Hydrocharis Morsus ranae im Gewächshaus in einem großen Bottich zu halten. Ihre Wurzeln wuchsen hier schnell zu bedeutender Länge an, die Wurzelhaare blieben kurz und die lebenden überzogen eine längere Strecke der Wurzel als bei den Exemplaren aus dem Teich des botanischen Gartens. Die morphologischen Veränderungen sind aber doch über das Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbstoffen. 67 letzten Endes nichts anderes als Auswirkungen von irgendwelchen Umstellungen im Protoplasten selbst, hervorgerufen durch die ge- änderten Lebensbedingungen; und ebensogut wie sich jene auf die sichtbare Form erstrecken, können sie auch den der Beobachtung nicht unmittelbar zugänglichen Chemismus der Zelle beeinflussen. In der Tat zeigten denn auch die Wurzelhaare der Pflanzen aus dem Bottich bei den Vorversuchen anderes Verhalten gegenüber den Farbstolfen als die von Pflanzen aus dem Teich, ja es waren schon Unterschiede bemerkbar, wenn die Pflanzen in einem Glas- hafen 24 Stunden im Laboratorium stehen geblieben Avaren. Aus diesem Grunde wurde das Material stets frisch dem Teich ent- nommen. Ferner stellte sich bei den Voruntersuchungen heraus, daß es nicht möglich war, die Dauerbeobachtung in großen flachen Schalen vorzunehmen; kleine Gefäße scheiden ja von vornherein aus, weil bei den starken Verdünnungen Flüssigkeitsmengen von mindestens Vs 1 angewendet werden müssen. Teils entstanden so große tech- nische Schwierigkeiten, daß die Beobachtung sehr darunter litt, teils war zu bemerken, daß bei Säurefuchsin um die Wurzelspitze sich eine hellere Zone infolge Absorption des Farbstoff'es aus der Lösung bildete, deren Konzentrationsgefälle sich also nach dem Objekt hin nicht schnell genug ausglich. Da nun die Säurefuchsin- lösung verhältnismäßig stark war, etwa 0,1%, ist mit Sicherheit anzunehmen, daß in dünneren Lösungen sich erst recht um das Objekt eine Zone niedriger Konzentration bildet; denn es stehen viel weniger Molekel zum Ausgleich bereit, und ihre Wege sind verhältnismäßig viel weiter als in einer starken Lösung. Optisch wahrnehmbar, wie in dem besonderen Falle bei Säurefuchsin, braucht die Zone entsprechend einem langsameren Gefälle nicht zu werden. Daraus folgt, daß zur Unterstützung der Diffusion in den Lösungen leichte Erschütterungen, die auf Tischen aufgestellte Gefäße mit üntersuchungsobjekten erleiden, sowie Temperaturschwankuugen nicht ohne weiteres genügen, wie Pfeffer (1886, S. 184) annahm, sondern die Flüssigkeit müßte dauernd durch ein Rührwerk in Bewegung gehalten werden. Die folgenden Untersuchungen werden zeigen, daß bei der angewandten neuen Methode weit schwächere Lösungen benutzt werden mußten und daß diese sich viel giftiger erwiesen, als es bei den gleichen oder höheren Konzentrationen Pfeffers der Fall war, der Pflanzen tagelang in diesen beheß, ohne daß sie abstarben. Offenbar befanden sich seine Objekte in einer 5* 68 Reinhold Schaede, selbstgebildeten Zone schwacher Konzentration, und es ist darum nicht zu verwundern, wenn sie so lange Zeit darin aushielten. Scliwimmen noch dazu ganze Pflanzen oder größere Stücke in schwachen Lösungen, so verteilt sich der Farbstoff auf eine so große Fläche, daß sich unmöglich angeben laßt, welche Konzen- tration eigentlich auf die einzelne Zelle gewirkt hat. Nachdem sich also das bisherige Verfahren für eine Dauer- beobachtung untauglich erwiesen hatte, führte Überlegung zu dem Schluß, daß sichere Beseitigung der Schwierigkeiten nur zu er- warten war, wenn das Objekt eine gewisse, ihm angemessene Zeit lang in einem Flüssigkeitsstrom untersucht würde, der ja stets neue Lösung an die Zellen heranbringt. Zu diesem Zwecke wurde ein besonderer Objektträger gebaut. Auf einen dünnen Glasstreifen von 18 cm Länge und 3,5 cm Breite wurden mit Canadabalsam längs zwei schmale 12 cm lange Glas- streifen mit der Fläche so aufgekittet, daß zwischen ihnen ein Deckglas von 18 mm Kantenlänge gerade Platz hat. An den beiden ^' " ^ Fig. 1. Enden der schmalen Streifen wurden 3 cm lange Streifen längs mit der Kante aufgeklebt, und die Schmalseiten des ganzen Objekt- trägers mit je einem Glasstreifen verschlossen, so daß an seinen Enden zwei flache Kästchen entstehen, die jeweils nach der Mitte zu keine Wand besitzen. Die eine der Schmalwände des Objekt- trägers ist von einem Schlitz durchbrochen, in den beim Betrieb ein Flöckchen Glaswolle eingehängt wiid. Die Textfigur zeigt ein Bild des Apparates in Vs der natürlichen Größe. Diesen kann man sich bei einiger Geschicklichkeit aus dem Glas photographischer Platten leicht selbst herstellen. Er wird sicherlich auch für andere Zwecke gut zu verwenden sein, wo es sich um Untersuchungen in Flüssigkeitsströmen handelt. Dieser Objektträger wird nun gehandhabt wie ein gewöhnlicher. Das Objekt kommt möghchst in die Mitte in einen Tropfen Wasser und wird mit einem Deckglas bedeckt, dessen Kanten mit einem feinen Rand von Maskenlack umzogen sind, um ein Übertreten von Flüssigkeit auf dieses zu verhindern. Damit das Deckglas nicht über (las Verhalteu von Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbstoffen. 69 etwa vom Flüssigkeitsstrom gerückt wird, ist auf den Objektträger ein ganz kleiner Glaskeil aufgekittet (s. Figur). Es empfiehlt sich ferner, die Leisten des Objektträgers mit einem Hauch von Talg oder einem anderen festen Fett zu überstreichen, damit die Flüssig- keit nicht auf sie übertreten kann. Die Farblösung wurde in einen Tropftrichter gegeben und in einem entsprechend gebogenen Rohr mit einer Träufelspitze in das obere Ende des Objektträgers ge- leitet, während die Glaswolle am unteren Ende für das Ablaufen in eine Glasschale sorgt. Selbstverständlich muß die Bahn des Objektträgers frei von Fett und tadellos benetzbar sein. Wenn nötig, hilft man im Anfang des Versuches mit einem kleinen Pinsel dem Farbstoffstrom zu gleichmäßiger Verbreitung nach. Durch geeignete Stellung des Hahnes am Tropftrichter und richtiges An- bringen des Glaswolledochtes zu Ableitung kann man unschwer einen gleichmäßigen, raschen Strom über das Objekt unter dem Deckglas erzielen; gutes Arbeiten gibt sich dadurch zu erkennen, daß durch das mikroskopische Gesichtsfeld winzige Körperchen mit großer Schnelligkeit getragen werden. Der Tropfenfall wurde so eingestellt, daß in einer Stunde etwa \U Liter den Apparat passierte. Bei Lösungen von 0,0001 "/o und weniger zirkulierte während der Beobachtungszeit 1 Liter, bei stärkeren 500 ccm. Die Farbstoffe wurden für eine Reihe von Versuchen in Aqua dest. gelöst, das in Gefäßen von Jenenser Glas selbst bereitet wurde und einige Tage an der Luft stehen blieb zur Aufnahme von Sauerstoff und Kohlensäure. Ein Versuch erwies dessen Un- schädlichkeit, während gekauftes destilliertes Wasser im Verlauf von 6 Stunden erhebliche Schädigungen verursachte. Für eine andere Reihe wurde Leitungswasser verwendet, das in einem großen Bottich im Gewächshaus abgestanden war und vor Gebrauch filtriert wurde, weil reichlicher Algenwuchs darin zu finden war. Auch dieses Wasser wurde als unschädlich festgestellt. Die beiden Versuchsreihen gaben bei einigen Farbstoffen beträchtliche Unter- schiede, wie gezeigt werden wiid. Das Breslauer Leitungswasser reagiert alkalisch infolge seines Gehaltes an Kalzium-Bikarbonat. Regenwasser stand mir leider nicht zur Verfügung; Teichwasser, das für die dem Teich entnommenen Pflanzen vielleicht das beste gewesen wäre, habe ich wegen seines hohen Gehaltes an Bakterien und gelösten mineralischen wie organischen Stoffen absichtlich ver- mieden. 70 Reinhold Schaede, Sehr beachtenswert ist, daß Lösungen einiger Farbstoffe nicht beständig sind. So blaßte Bismarckbraun und Säurefuchsin in Aqua dest. gelöst beim Stehen an der Luft und im Licht binnen 24 Stunden merklich ab. Lösungen von Anihnblau und Säure- fuchsin in abgestandenem Leitungswasser wurden binnen wenigen Stunden erheblich heller, und Neutralrot änderte seine Farbe in Orange. Darum wurden für die Beobachtungen stets frisch be- reitete Lösungen benützt. Für die Veränderungen der Lösungen in Leitungswasser ist ohne Zweifel dessen basische Reaktion ver- antwortlich zu machen; denn nach Zusatz von Salzsäure kehrt z.B. bei Säurefuchsin die rote Farbe wieder, während Basen wie Am- moniak, Natron- und Kalilauge bei schwachem Zusatz eine Minderung der Farbe in Orange und bei stärkerem völliges Verblassen herbei- führen. Vorsicht ist auch mit den Farbstoffen selbst geboten, da sie mitunter nicht rein sind. So enthielt beispielsweise ein Methyl- grün, das benutzt werden sollte, offenbar noch einen violetten Farb- stoff und mußte darum gestrichen werden. Bei allen Versuchen dieser und ähnlicher Art kommt es darauf au, eine Lösung von geeigneter Konzentration anzuwenden. Ganz allgemein gesagt, sind zwei Konzentrationen immer möglich, die eine so schwach, daß sie unwirksam ist, die andere so stark, daß sie in kürzester Zeit tödlich wirkt. Diese Möglichkeiten sind in- dessen nicht allein bei Farbstoffen geboten, sondern überhaupt bei allen Stoffen, die Eingang in die Zelle finden, auch bei den Nähr- salzen. Derartige Konzentrationen scheiden natürlich von vornherein aus. Die Dosis des Farbstoffes ist zu finden, die einerseits Wirkungen an dem jeweiligen Objekt hervorruft, andererseits aber auch längere Zeit oder dauernd ohne Schaden vom Protoplasten ertragen wird. Einen ähnlichen Gedanken äußert auch A. Meyer (1920, S. 477). Hier ergeben sich wiederum zwei Extreme, bedingt durch zwei Komponenten, nämlich Aufnahmefähigkeit der zu unter- suchenden Zellen für den Farbstoff und dessen Giftigkeit. Auf der einen Seite stehen Farbstoffe, die sehr giftig sind, aber auch sehr stark gespeichert werden. Bei diesen ist eine erträgliche Konzentration kaum festzustellen, weil bei richtiger Versuchs- anstellung selbst ganz geringe Spuren dem Wasser entzogen und in der Zelle gespeichert werden und darum über kurz oder lang tödlich wirken. Auf der anderen Seite finden sich Farbstoffe, die mäßige Aufnahme finden und wenig giftig sind. Hier läßt sich über das Verhalten vou Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbstoffen. f\ unschwer eine Lösung finden, die in der Zelle ohne Schädigung Fälbungen und andere Reaktionen veranlaßt. Für die verwendeten Farbstoffe vermag ich leider die Fabriken nicht anzugeben ; es kommt indessen insofern weniger darauf an, als ja auch die Erzeugnisse der gleichen Fabrik verschieden aus- fallen. Jedenfalls waren es einwandfreie Farbstoffe aus der Vor- kriegszeit, die sich in den Beständen des Pflanzenphysiologischen Institutes vorfanden. Bei der Auswahl des Objektes wurde mit großer Sorgfalt vor- gegangen. Ich glaube, daß man zu Untersuchungen von lebenden Objekten in Lösungen nur Pflanzen oder Teile von ihnen benutzen darf, die es gewöhnt sind, ihren gesamten Stoflfaustausch, auch den Gaswechsel, aus dem Wasser zu besorgen. Es kämen also nur Wasserpflanzen oder die Wurzeln von Landpflanzen in Frage. Bringt man nämlich oberirdische Teile oder Gewebestiicke von Landpflanzen in die Lösungen, wie das so vielfach geschehen ist, so versetzt man sie ohne Zweifel in abnorme Verhältnisse, unter denen eine normale Reaktion nicht zu erwarten ist. Denn diese Pflanzen- teile sind — ganz abgesehen von der für Wasser schwer durch- lässigen Kutikula — gewöhnt, ihren Gasbedarf aus der Luft zu decken und ihre Nährstoffe den umgebenden Zellschichten zu ent- nehmen; sie werden also im Wasser vor allem mit ihrem Gas- austausch in Schwierigkeiten geraten und wohl noch eine Zeitlang ihr Leben fristen können, aber unter ungünstigen Umständen oder, wenn man will, in krankhaftem Zustande, der indessen optisch nicht wahrnehmbar zu sein braucht. Wäre dem nicht so, dann müßte man Laudpflanzen ohne weiteres unter Wasser züchten können. Die Erfahrung lehrt hingegen, daß Keimlinge unter Wasser sich nur schwach entwickeln und bald zugrunde gehen. Unter diesen Voraussetzungen wurden die Wurzelhaare von Hydrocharis Morsus ranae als sehr günstig befunden ; sie sind nicht zu zart, aber doch gut durchsichtig und haben vor grünen Pflanzen- teilen den Vorzug, daß die Beobachtung und Beurteilung der Färbungen nicht durch Chlorophyllkörner gestört wird. Als Indi- kator für das Wohlbefinden der Zellen wurde die Rotation des Plasmas benutzt, wie das andere Autoren ebenfalls getan haben; sie ist zwar kein absolut untrügliches Mittel, wird aber im allgemeinen doch richtige Aufschlüsse geben, wenn die Objekte nur immer lebhafte Rotation zeigen, sich also in einigermaßen gleichem Zustand befinden. 72 Reinhold Schaede, Der Bau der Wurzelliaare mag kurz beschrieben werden. Die zylindrische Membran schließt einen schlauchförmigen Protoplasten ein, der seinerseits einen großen Saftraum umgibt. Die Spitze des Haares ist abgerundet, die Basis verbreitert sich in dem Teil, der zwischen die Epidermiszellen eingefügt ist. Hier liegt in einer Plasmahülle der Kern, der durch die Membranen hindurch ge- wöhnlich nur undeutlich zu erkennen ist. Der Plasmaschlauch ist im allgemeinen sehr dünn und ungleichmäßig stark, nur in jungen Haaren ist naturgemäß die Menge des Plasmas im Verhältnis zum Volumen der Zelle erheblich größer. Den Protoplasten erwachsener Haare durchziehen Bänder von verschiedener Breite und Stärke, die sich verzweigen, so daß das Bild eines unregelmäßigen Netz- werkes entsteht. Dieses ändert seine Gestalt infolge der Rotation unaufhörlich. An der Spitze der Haare pflegt sich das Plasma zu einem kleinen Ballen aufzustauen, in dem die Mikrosomen deutlich hervortreten, die auch in dickeren Bändern des Plasmaschlauches zu erkennen sind, während ganz dünne homogen erscheinen. Im Zellsaft schwimmt, von der Rotation in Bewegung gesetzt, eine Menge sehr kleiner, sternförmiger Kristallaggregate ; es sind lockere Sphärite zusammengesetzt aus feinen Nadeln. Ahnliche Gebilde hat Pfeifer (1886, S. 208) in den Wurzelhaaren von Trianea logotensis beobachtet, ihre Natur indessen nicht näher bestimmt. Da sich nun bei den Vorversuchen herausstellte, daß diese Kristallgebilde mit gewissen Farbstoffen Reaktionen zeigen, wurden sie einer eingehenden Untersuchung unterworfen. Sie verwandeln sich in absterbenden oder geschädigten Haaren ziemlich rasch in glänzende Körnchen oder Kügelchen, so daß in toten Zellen nur noch diese zu sehen sind. Durch Töten der Haare vermittels Wärme wird dieser Zustand leicht herbeigeführt. Die Kristalle lassen sich nur durch Sublimat -Alkohol und Jodjodkalium (Lugolsche Lösung) im natürlichen Zustand fixieren. Bei frischem und fixiertem Material, das in Jod -Alkohol und Alkohol ausgewaschen war, färbten sich die Kristalle mit Jodjodkalium kräftig gelb; in konzentrierter Salpetersäure nahmen sie hellgelbe Farbe an; die nach Zusatz von Natronlauge in Orange überging, Pikrinsäure verursachte Gelb- färbung. Ferner färbten sie sich nach Fixage durch mehrtägiges Verbleiben in dünner Eosinlösung rot und in Säurefuchsin nach der Zimmermannschen Methode ebenfalls rot. Die Biuretreaktion war nicht deutlich genug, da sie zu diffus ausfiel. Trotzdem wird man nach diesem Verhalten gegenüber den Reagentien und Färb- über das Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbstoffen. 73 Stoffen kaum fehlgehen, wenn man die Substanz der Kristallaggregate als eine Eiweißverbindung auspiicht. Ganz vereinzelt finden sich im Zellsaft sehr kleine Kristalle von der Gestalt einer Doppelpyraraide, die wohl sicherlich aus Kalziumoxalat bestehen. Da sie sehr selten sind und mit den Farb- stoffen nicht reagieren, wurden sie nicht näher untersucht. Das Verhalten der Wurzelhaare gegenüber Methylenblau bei den Vorversuchen erweckte den Verdacht auf Gerbsäureeinschlüsse, die ja recht häufig sind. Pfeffer (18ö6) hat mehrfach Fällungen von Methylenblau mit Gerbsäure und deren Verbindungen gefunden. Indessen ließ sich diese in den Wurzelhaaren mit keiner Methode nachweisen. Spirogyra-Fäden dagegen, die zur Kontrolle in die Reagenzien eingetragen wurden, ergaben ein deutliches Resultat. Es wurde auch der Versuch gemacht, die Epidermis von Tradescantia virginica zu den Beobachtungen heranzuziehen, die sich leicht abziehen läßt und in deren Zellen das Plasma zirkuliert wie in den Staubfadenhaaren der Pflanze. Indessen stellten sich, wie vorauszusehen war, solche Schwierigkeiten ein, daß das Objekt bereits nach Behandlung mit zwei Farbstoffen wieder aufgegeben wurde, weil ein sicheres Ergebnis ausgeschlossen war. Dennoch sollen die Versuche mitgeteilt werden. Hinsichtlich der speziellen Methodik sind für Hgdrocharis Morsits ranae noch einige Angaben zu machen. Abgeschnittene, nicht zu dicke Wurzelspitzen mit reichlichen kräftigen Haaren wurden benutzt; denn es hatte sich gezeigt, daß es gleichgültig war, ob jene im Zusammenhang mit der Pflanze oder abgetrennt unter- sucht wurden, zumal die Versuchsanstellung mit den letzteren sich bedeutend vereinfacht. Die Wurzelspitzen wurden so in einen Tropfen Teichwasser unter Deckglas gebracht, daß die kürzesten Haare dem nunmehr folgenden Farbstoffstrom entgegengewandt waren, die längeren also keinen Farbstoff abfangen konnten. Eine gleichmäßige Bespülung sämtlicher Wurzelhaare ist nicht zu er- reichen, weil der Strom gerade in der Mitte zwischen Objektträger und Deckglas sich schneller bewegt als in deren Nähe. Doch hat das sogar einen kleinen Vorteil insofern, als man während des Ver- suches Vergleiche anstellen kann. Die Beobachtungszeit wurde auf 6 Stunden festgesetzt. Während dieser waren, wie Versuche bewiesen, die ja recht kurzlebigen Wurzelhaare in Aqua dest. wie im abgestandenen Leitungswasser 74 Reinhold Schaede, sicher noch bei voller Gesundheit, und das ist, wie gesagt, bei allen derartigen Untersuchungen ein unbedingtes Erfordernis, es sei denn, daß auf das Verhalten der normalen Zelle kein besonderer Wert gelegt wird. 6 Stunden bedeuten auch für eine Dauerbeobachtung schon eine nicht unbeträchtliche Anstrengung, zumal man sich keinen Augenblick vom Mikroskop fortrühren darf; denn jeder kann neue Ereignisse in der dauernd beweglichen Zelle bringen, über deren Zustandekommen man nichts aussagen kann, wenn man nicht beob- achtet hat. Im allgemeinen wurde mit Trockensystemen gearbeitet, für be- sondere Fälle bewährte sich sehr gut eine Wasser-Immersion von Zeiß, Apochromat 2,5 mm, Apert, 1,25. Beste Beleuchtung ist für die Beurteilung der Farben unerläßlich, sie wurde an hellen Tagen leicht erzielt durch Einstellen des Spiegels auf blauen Himmel oder noch besser auf weiße Wolken. Auch eine Gas-Invertlampe leistete gute Dienste, ein geeignetes Blaufilter im Strahlengang macht ihr Licht rein weiß. Bevor die speziellen Untersuchungen mitgeteilt werden, sei noch bemerkt, daß man keineswegs zu erstaunen braucht, wenn bei einer Nachprüfung abweichende Ergebnisse gefunden werden. Meine Untersuchungen haben mich gelehrt, daß sowohl die allgemeinen Bedingungen der Versuchsanstellung wie die Art der Farbstoffe, ihres Lösungsmittels, ferner die Individualität des Objektes, der ganzen Pflanze wie der einzelnen Zellen, Unterschiede verursachen können, was ja auch Pfeffer (1886) bemerkt und wiederholt erwähnt hat. Bei derartigen subtilen Untersuchungen an der lebenden Zelle ist ohne Zweifel zur Beeinflussung des Ergebnisses eine ganze Reihe von Umständen imstande, wie Ernährungs- und Entwickelungszustände der ganzen Pflanze und der einzelnen Zellen und nach meiner Meinung gewiß auch noch Faktoren unbekannter Art. So beziehen sich denn die folgenden Angaben nicht auf einen speziellen Fall, sondern es sind Mittelwerte, gefunden aus einer langen Reihe von Beobachtungen während des Sommers der Jahre 1921 und 1922. Abschnitt I. Basische Farbstoffe. Ohrysoidin. 0,0002 Vo (1 : 500000) in Aqua dest. und ab- gestandenem Leitungswasser. über (las Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Änilinfarbstoffeu. 75 Nach reichlich 10 Minuten färbt sich das Plasma gelb. Die Färbung wird mit der Zeit stärker, so daß eine ausgezeichnete Beobachtung des rotierenden Plasmas möglich ist. Die plasma- reichen Haaranlagen in der Epidermis werden intensiv gelb. Auch in den Epidermiszellen selbst wird das sonst schlecht sichtbare Plasma durch Färbung deutlich, es zirkuliert. Andere Wirkungen konnten nicht festgestellt werden, nach 6 Stunden war noch keinerlei Schädigung zu bemerken. Verschiedenerlei Mittel wurden angewendet, um festzustellen, ob die Färbung das Plasma selbst betrifft oder etwa nur Mikro- somen. Mit der Immersion sieht man in weißem Licht nach Intensivfärbung mit einer stärkeren Lösung die Mikrosomen ohne eine bestimmte Farbe, je nach der Einstellung bald hell, bald dunkel, sie sind demnach nicht gefärbt. Das Plasma dagegen ist gelb auch noch in sehr feinen Schichten. Nach Einschaltung eines Blaufilters erscheint das Plasma im hellblauen Licht gelbgrüu, die Mikrosomen dagegen bläulich, also das gleiche Resultat; auch die Kristalle im Zellsaft schimmern grünlich, sind also wie das Plasma gefärbt. Eine Speicherung im Zellsaft findet hingegen nicht statt. Die Plasmolyse zeigte, daß die Plasmafärbung nicht etwa durch eine Färbung der Membran vorgetäuscht wird. Dann wurde nach starker Gelbfärbung Methylviolett (0,0001%) gegeben, das nur die Mikrosomen färbt, wie die Untersuchung gezeigt hatte. Das Chry- soidin wird zwar binnen etwa 10 Minuten ausgewaschen, indessen kann man unschwer ein Stadium erkennen, in dem das Plasma gelbgrün erscheint infolge der violetten Färbung der Membran, die Mikrosomen aber deutlich blauviolett sind. Eine Färbung des Zell- kernes konnte nicht festgestellt werden. Demnach ist es wohl nicht mehr zweifelhaft, daß hier eine Färbung des lebenden Plasmas vorliegt, die Ruhland (1912, S. 381) ja bereits für Chrysoidin kurz angegeben hat, A. Meyer (1920, S. 477, 478) hingegen energisch bestreitet. Nun wurde versucht, die höchste Konzentration zu ermitteln, welche die Wurzelhaare vertragen, wobei es gleichgültig war, ob Aqua dest. oder abgestandenes Leitungswasser als Lösungsmittel benutzt wurde. 0,00033 % ( 1 : 300 000) verursachte keine Schädigung, dagegen wirkte 0,0005 Vo (1:200000) in einigen Versuchen schon störend, indem sich die Rotation dauernd verlangsamte. Bei allen diesen stärkeren Lösungen ballt sich während der ersten Stunde das Plasma an der Spitze des Haares und gelegentlich auch im 76 Reinhold Scliaede, Innern zu Klumpen, und die Eotation wird etwas langsamer. Die Ballen verteilen sich indessen bald, und die Bewegung gewinnt wieder ihre ursprüngliche Schnelligkeit. Somit müssen anfangs irgendwelche Störungen im Plasma auftreten, die später beseitigt werden ; eine Art von Gewöhnung an den Farbstoff läßt sich ver- muten. Auch eine Lösung von 0,00067% (1:150000) wurde in einzelnen Versuchen noch ertragen, doch wurde die Rotation bald sehr langsam und blieb es bis zum Ablauf der Versuchszeit. 0,001% (1 : 100000) wirkte dagegen immer in kurzer Zeit schädlich, die Rotation ließ sehr rasch nach und stand im allgemeinen nach 2 Stunden still. Die Färbung trat in dieser Lösung fast momentan ein. Optisch wahrnehmbare Desorganisation des Plasmas infolge von Tod trat auch hier noch nicht in Erscheinung. Bemerkenswert ist noch, daß die Speicherung in jeder Konzentration nur bis zu einem bestimmten Grade geht und nicht bis zu einem für alle Kon- zentrationen gleichen Maximum getrieben wird. Nach diesen Versuchen ist 0,00033% die Dosis, die in den Wurzelhaaren des Objektes eine Färbung des sicher noch ge- sunden Plasmas bewirkt. Sollten sich nach 6 Stunden noch Schä- digungen einstellen, so ist nicht mehr zu entscheiden, ob diese vom Farbstoff oder von den veränderten Lebensbedingungen ver- ursacht werden. Diese Beobachtungen wurden mit großer Skepsis ausgeführt; denn ich war nach Ergebnissen mit anderen Farbstoffen zunächst mit A. Meyer der Ansicht, daß das Plasma selbst sich nicht färbe, doch wurde ich hier eines besseren belehrt. Ich vermag freilich nicht zu sagen, in welcher Weise Chrysoidin im Plasma gespeichert wird. Es könnte dies in so kleinen Mikrosomen geschehen, daß sie sich der mikroskopischen Beobachtung entziehen, doch kann ich das nicht für wahrscheinlich halten, zumal solche Mikrosomen sich schon der Größe der Plasmamolekeln nähern würden. Ob weiter die Farbstoffmolekeln in die Lipoid- oder Eiweißmolekeln aufgenommen oder ob sie zwischen diese gelagert werden, läßt sich mit den heutigen optischen Hilfsmitteln kaum sicher entscheiden, insbesondere an der lebenden Zelle. Die bestehenden Theorien über Plasmastruktur und Stoffaufnahme helfen hier auch nicht weiter, jeder Autor würde die seinige bestätigt glauben. Jedenfalls erscheint das Plasma ganz homogen gefärbt. tber das Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbstoffen. 77 Bismarckbraun. 0,0001% (l : 100000) in Aqua dest., gelbe Lösunej. Während der ersten Stunde geht folgendes vor sich. Die Membran färbt sich schwach gelblich, auch der Zellsaft speichert etwas Farbstoff. Es treten darin Körnchen auf, die zunächst orangefalben sind, um mit der Zeit gelbbraun und endlich braun zu werden. Sie ballen sich zu Klumpen, die vom Plasma mit- geschleppt werden. Einzelne Körnchen oder kleine Ballen können vom Plasma umflossen und später wieder ausgestoßen werden, wodurch der Anschein erweckt werden kann, als stammten sie überhaupt aus jenem. Dies ist jedoch nicht der Fall, sondern die Körnchen sind Verwandlungsprodukte der beschriebenen Kristall- aggregate. Man kann deren Zerfallen in kleine amorphe Körperchen beobachten, die lebhafte Bro wüsche Molekularbewegung zeigen, die den Kristallen nicht eigen ist. Die Körperchen färben sich allmählich und ballen sich zusammen wie oben beschrieben. Sobald eine gewisse Größe überschritten ist, hört die Molekularbewegung auf. Mit der Vermehrung der Körnchen und der aus ihnen be- stehenden Ballen nehmen die Kristallaggregate ab, so daß solche endlich kaum noch zu finden sind, auch ein Beweis, daß die Körnchen nicht aus dem Plasma ausgestoßen werden. Mit Ablauf der ersten Stunde bekommt das Plasma in manchen Haaren, besonders in älteren, einen gelblichen Schimmer. Die Rotation ist noch sehr lebhaft, obwohl in einer ganzen Anzahl von Haaren die Kristalle bereits in braune Massen verwandelt und Zellsaft und Plasma ge- legentlich deutlich gelb sind; nur in einigen alten Haaren ist sie langsam geworden. Im Anfang der zweiten Stunde tritt in stark gefärbten Haaren ein Umschwung ein. Die Rotation nimmt sehr schnell ab, steht still, und die Haare sterben ab. Die Ballen und der Zellsaft sind tief braun geworden. Es zeigen sich jetzt be- deutende Unterschiede zwischen den Haaren. Manche Haare sind durch und durch braun gefärbt, die meisten davon schon tot; in anderen dagegen, besonders in jungen, haben sich die Kristalle zwar schon in braune Klumpen verwandelt, das Plasma dagegen ist bei lebhafter Rotation noch ungefärbt oder hat höchstens einen feinen gelblichen Schimmer. Man kann beobachten, daß Stillstand der Rotation und Tod bald nach deutlicher Färbung des Plasmas eintreten. Der Farbstoff ist also tödlich, sobald er im Plasma gespeichert wird, und übt seine Wirkung wie beschrieben in älteren, weniger widerstandsfähigen Zellen naturgemäß zuerst aus. Nach 78 Reinhold Schaede, dem Tode erfolgt schnelle Desorganisation des Plasmas unter gleich- mäßiger Braunfärbung. Der Tod kann in den Zellen partiell ein- treten; namentlich in langen Haaren ist nicht selten ein Teil des Plasmas schon deutlich desorganisiert, während der andere noch langsam rotiert. Nach 2 Stunden ist wohl die Hälfte der Wurzel- haare schon tot. In einigen Haaren stockt die Rotation ohne vorhergehende Färbung des Plasmas, nachdem alle Kristalle zu braunen Klumpen geworden sind. In diesen tritt dann rasch hinter- einander Gelbfärbung des Plasmas und Tod ein. Übrigens färbt sich nach dem Tode die Membran kräftiger und zwar dunkelorange, ein Farbenton, der überhaupt für abgestorbene Haare charakteristisch ist. Den Grund für diese beachtenswerte Erscheinung zu ermitteln, liegt nicht im Rahmen dieser Arbeit. Nach 3 Stunden findet sich in nur wenigen Haaren noch Rotation, nach 4 Stunden sind so gut wie alle tot. Bismarckbraun wirkt demnach über kurz oder lang tödlich, eine Färbung des Plasmas tritt nur in krankem Zustande ein und zeigt den bevorstehenden Tod an. Da die Speicherung sehr stark ist, wird kaum eine erträgliche Konzentration zu finden sein. Lösungen in abgestandenem Leitungswasser wirken genau so, können aber etwas stärker gewählt werden. Methylviolett. 0,00001 7o (1 : 10000000) in Aqua dest, ganz schwach violette Lösung. Bei Verwendung von abgestandenem Leitungswasser konnte ein wenig stärkere Lösung verwendet werden. Die Wirkung war die gleiche. Binnen 15 Minuten färbt sich zuerst die Membran, dann auch der Zellsaft, und zwar in jungen Haaren stärker als in älteren. Man hat infolgedessen bei mittleren Vergrößerungen den Eindruck, als sei das Plasma gefärbt; stärkere zeigen hingegen, daß nur die Mikrosomen Methylviolett speichern. Ihr Farbenton ist infolge der Kleinheit nicht genau festzustellen, ich möchte ihn für mehr bläulich als violett ansprechen. Nach etwa 20 Minuten treten im Zellsaft der älteren, später auch der jüngeren Haare lockere, wolkige, blauviolette Ballen auf, die vom rotierenden Plasma mitgeschleppt werden. Sie wachsen mit der Zeit an. Der Zellsaft wird während ihres Entstehens immer heller, offenbar durch Bindung des Farb- stoffes. Es handelt sich um einen Niederschlag, bestehend aus sehr feinen, amorphen, schwammigen, blauvioletten Gebilden, die aneinander festkleben und Haufen bilden. Sie können am Plasma über das Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbstoffen. 79 haften, werden indessen keinesfalls von diesem ausgestoßen. Die Kristalle sind bei ihrer Bildung schwerlich beteiligt, denn eine Um- wandlung konnte nicht festgestellt werden, auch war eine Abnahme ihrer Zahl selbst bei dickem Niederschlag nicht zu bemerken. Nach einer Stunde zeigen nur ganz junge Haare noch keinen Nieder- schlag, obwohl ihr Zellsaft stark violett ist. Die Färbung der Mikrosomen ist jetzt sehr deutlich. Die Rotation hat sich all- gemein stark verlangsamt, und steht in vielen Haaren still, worauf der Tod eintritt unter Desorganisation des Plasmas, das sich nun- mehr deutlich blau färbt. Die Haare können partiell absterben wie bei Bismarckbraun. Nach dem Tode tritt schnelle Verwandlung der Kristallaggregate in bläuliche Körnchen ein, die Molekular- bewegung besitzen und zu Ballen verkleben können. Nach 2 Stunden ist schon eine erhebliche Zahl der Haare tot, in den noch lebenden steht die Rotation still oder ist äußerst langsam. Die jungen Haare sind am widerstandsfähigsten. Nach 3 Stunden ist alles tot. Methylviolett wirkt im höchsten Grade giftig und wird selbst aus einer so schwachen Lösung derartig stark gespeichert, daß in kurzer Zeit intensive Färbungen entstehen. Wenn für genügende Umspülung mit der Lösung gesorgt ist, reißt die Zelle offenbar auch die geringsten Spuren des Farbstoffes an sich, die dann rasch den Tod herbeiführen. Gentianaviolett (Kristallviolett). 0,00001»/« (l : 10000000) in Aqua dest., schwach violette Lösung mit etwas bläulichem Ton. Die Membran färbt sich schwach violett. Nach V2 Stunde bekommt das Plasma älterer Haare einen violetten Schimmer, die Rotation wird stark verlangsamt und ist in älteren Haaren nur schwer festzustellen. Die Mikrosomen färben sich, dem Anschein nach bläulich. Auch der Zellsaft speichert etwas Farbstoff. Im Zellsaft älterer Haare tritt ein wolkiger, violetter Niederschlag auf, der sich geradeso verhält wie bei Methylviolett. Eine ganze Anzahl ganz junger Haare platzt an der Spitze und spritzt ihren Inhalt portionsweise aus. Anfangs geht die Rotation trotzdem weiter, ist indessen durch wiederholtes Ausstoßen zuviel Plasma verloren, so stirbt das Haar ab, und das tote Plasma färbt sich .blau. Nach Vi Stunden ist in einigen der älteren Haare das Plasma deutlich hellviolett, der Zellsaft dicht mit Niederschlag erfüllt, die Rotation steht still. Jetzt folgt schnell der Tod und Desorganisation des Plasmas, das sich dabei von hellviolett in blau umfärbt. Die Zelle gQ Reinliold Schaede, kann in einem Teil tot sein, während in dem anderen noch Rotation sichtbar ist. Auch in jüngeren Haaren tritt schon häufig der Nieder- schlag auf und Färbung des Plasmas. Nach 1 Stunde sind diese Erscheinungen überall zu beobachten, die Rotation ist allgemein sehr langsam oder hat aufgehört. Nach IV2 Stunden sind die ganz jungen Haare so gut wie alle geplatzt und tot. Von den übrigen Haaren sind viele tot, ihr Plasma intensiv blau. Der Niederschlag in ihnen färbt sich mit der Zeit stärker. Nach 2 Stunden ist überall ein sehr starker Niederschlag vorhanden, die Haare sind so gut wie alle abgestorben. Es besteht ein starker Gegensatz zwischen dem rein blauen toten Plasma und dem blau- violetten Niederschlag. Gentianaviolett gleicht hinsichtlich seiner Giftigkeit, der starken Speicherung sowie in manchen seiner Wirkungen dem Methylviolett. Abweichend ist die Färbung des Plasmas, die eine erhebliche Schädigung anzeigt wie bei Bismarckbraun. Beachtung verdient die Änderung der Farbe des Plasmas beim Eintreten des Todes von violett in blau, worüber an späterer Stelle noch zu sprechen sein wird. Ganz eigenartig ist das Ausspritzen des Zellinhaltes, das gerade die jüngsten Haare betrifft. Es kann sich doch nur um eine so erhebliche Steigerung des Turgors handeln, daß die Membran gesprengt wird, die an der wachsenden Spitze offenbar am schwächsten ist. Doch steht der Farbstoff mit dieser Wirkung nicht allein da, wie die folgenden Beobachtungen zeigen werden. Methylenblau. 0,0001"/« (1:1000000) in Aqua dest. Membran und Zellsaft färben sich zart blau, bei jungen Haaren etwas stärker. Nach IV4 Stunden treten in den jungen Haaren dunkelblaue, rundliche Körperchen auf, die von der Rotation mit- gerissen werden, aneinander haften und zu kleinen Kugeln ver- schmelzen können. Sie bleiben auch am rotierenden Plasma kleben, von dem sie gelegentlich umflossen werden. Sie entstehen scheinbar aus den Kristallsternchen, die sich in amorphe Körperchen mit lebhafter Molekularbewegung verwandeln und langsam färben, wobei sie Kugelgestalt annehmen. Nach 4 Stunden ist die Rotation in alten Haaren langsamer geworden, in ihnen befinden sich keine blauen Kugeln. Diese sind überhaupt fast ausschließlich auf junge Haare beschränkt. Nach 5 Stunden sind viele alte Haare tot, ihr Plasma von der Membran abgelöst. In manchen Haaren wandeln sich die Kristalle in Körnchen um, die indessen ungefärbt bleiben. über das Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbstoffen. 81 Nach 6 Stunden rotiert das Plasma nur noch in ganz jungen Haaren langsam. Alle anderen sind bewegungslos oder tot. Die jungen Haare enthalten viele blaue Kügelchen, die gelegentlich zu mehreren großen Kugeln verschmolzen sind. Altere Haare sind ganz frei davon. Bei Lösung des Farbstoffes in abgestandenem Leitungswasser kann man eine nicht unerheblich stärkere Konzentration wählen, und die Wirkung ist etwas anders. Methylenblau. 0,000.5% (1:200000) in abgestandenem Leitungswasser. Der Zellsaft färbt sich langsam, erst nach Vä Stunde gut er- kennbar. Nach 1 Stunde erscheinen darin die blauen Kügelchen und zwar in sämtlichen Haaren, jungen wie alten. Sie zeigen die gleichen Eigenschaften wie geschildert. Bei dieser Versuchs- anstellung, bei der die Kügelchen reichlicher auftreten, ist fest- zustellen, daß sie keinesfalls aus dem Plasma stammen, sondern daß sie Verwandlungsprodukte der Kristallaggregate sind, deren Zahl mit Zunahme der Kugeln abnimmt. Nach 4 Stunden hat sich die Rotation allgemein verlangsamt, in manchen Haaren steht sie still, einzelne sind schon tot. Nach 6 Stunden ist die Rotation, wo über- haupt noch vorhanden, äußerst langsam, zumeist hat sie aufgehört. Sucht man dagegen eine gleichstarke Lösung (0,0005%) in Aqua de st. zu geben, so ist die Wirkung ungleich heftiger. Binnen 5 Minuten sind die Haare tief blau. Nach Va Stunde zeigen sie keine Rotation mehr, sie platzen an der Spitze und spritzen ihren Inhalt aus. Zu einer Bildung der blauen Kugeln kommt es überhaupt nicht. Bei Anwendung von abgestandenem Leitungswasser konnte sogar 0,001% (1 : 100000) gegeben werden. Die Wurzelhaare sind zwar nach 5 Stunden tot, aber jene Kugeln treten sehr reichlich schon nach ^U Stunden auf. Im Leitungswasser muß wohl die Giftigkeit des Methylenblaus erheblich abgestumpft werden, vielleicht durch Bindung mit den Karbonaten, so daß auch andere Wirkungen, die einige Zeit er- fordern, noch eintreten können, ehe sie durch Schädigung und Tod der Zelle unmöglich gemacht werden. Übrigens werden die blauen Kugeln durch Jodjodkalium fixiert wie die Kristalle, wobei die Farbe durch Bildung des Jodhydrates des Methylenblaus in schwarz übergeht. Jahrb. f. wiss. Botanik. LXII. 8 82 Reinhold Schaede, iJeutralrot. 0,00005% (1:2000000) in Aqua dest. Der Zellsaft färbt sich schnell rosa, auch die Membran, doch mit einem mehr orangefarbenen Ton, wobei die Haarspitzen mit der Zeit dunkler werden. Nach etwa Vi Stunden verwandeln sich in Haaren mit stark gefärbtem Zellsaft die Kristallsternchen in amorphe Körperchen mit Molekularbewegung, die sich abkugeln und karminrot färben. Nach 1 Stunde sind schon einzelne Haare dicht gefüllt mit roten Kügelchen, während die Kristalle selten geworden sind. Die Rotation ist überall lebhaft. Die Haare speichern den Farbstoff verschieden stark, auch wenn sie gleich- mäßig von der Lösung bespült werden. In ganz jungen Haaren erscheint vor Beginn und während des Auftretens der Kugeln der rosa Zellsaft flockig mit dunkleren "Wolken. Nach 2 Stunden sind alle Haare mehr oder weniger mit dunkelkarminroten Kügelchen erfüllt. Diese können durch Umfließen in das Plasma aufgenommen werden. Sie wachsen mit der Zeit durch Verschmelzen; denn sie haften häufig aneinander, und können im Saftraum durch die Ro- tation zu großen Haufen zusammengeschwemmt weiden, die sich gelegentlich festklemmen. Ein Nachlassen der Rotation ist noch nicht zu bemerken. Vereinzelte junge Haare haben ihren Inhalt ausgespritzt, ihr totes Plasma färbt sich karmin. Eine Färbung des lebenden Plasmas tritt nicht ein, kann aber durch die von Membran und Zellsaft vorgetäuscht werden. Nach 3 Stunden rotiert das Plasma immer noch lebhaft. Im Zellsaft befinden sich allgemein sehr zahlreiche Kügelchen, aber nur noch wenige Kristalle. Nach 4 Stunden haben sich die Kugeln vielfach zu dichten dunkel- karminroten Haufen geballt. Die Rotation ist nur in ganz jungen Haaren etwas langsamer geworden. Nach 5 Stunden sind die Kugeln meist zu dicken Klumpen verklebt, die sich im Haar festklemmen und dann das Plasma anstauen können. Im Zellsaft solcher Haare schwimmen noch einige Kügelchen und ganz vereinzelte Kristall- sternchen. Nach 6 Stunden ist die Ballung noch weiter fort- geschritten. Die Rotation hat allgemein etwas nachgelassen, in ganz vereinzelten Fällen ist Stillstand eingetreten. Lösungen von Neutralrot in abgestandenem Leitungswasser sind orangefarben infolge der basischen Reaktion des Lösungsmittels, es entstehen gelegentlich auch Niederschläge. Die Wirkung auf die Zelle ist die gleiche wie beschrieben. Neutralrot ist, wie man sieht, verhältnismäßig wenig giftig, so daß man wohl schon von Färbung des Zellinhaltes im Leben sprechen Ober (las Verlialten von Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbsloffen. 83 kann. Natürlich würde sich auch noch eine schwächere Konzen- tration anwenden lassen, aber sicherlich auf Kosten der Erscheinungen im Zellsaft. Die hier gebotene dürfte sich nahe an der Grenze der für das Objekt stark schädlichen Dosis bewegen. Safranin. 0,00005 7o (1 : 2000000) in Aqua dest. Die Membran färbt sich ganz schwach orange. Nach 2 V2 Stunden ist die anfangs lebhafte Rotation in alten Haaren stark verlangsamt, in jüngeren dagegen noch ungestört. Im Zellsaft alter Haare zeigen sich hellkarminfarbene Wolken, die infolge der Rotation zu kugligen Ballen zusammengeschwemmt werden. Vereinzelte junge Haare haben ihren Inhalt ausgespritzt, ihr totes Plasma färbt sich karmin. Nach 3 Stunden sind die Haare mit Niederschlag häufiger geworden, die Rotation in diesen hat meist aufgehört. Nach 4 Stunden zeigen auch die jüngeren Haare Niederschlag. Es bildet sich in jedem Haar nur eine geringe Menge, die sich zu einem oder mehreren runden Klumpen ballt durch die Rotation. Diese ist in ganz jungen Haaren noch lebhaft. Nach 5 Stunden ist der Niederschlag all- gemein geworden und die Rotation überall stark verlangsamt oder eingestellt. Nach 6 Stunden sind einige ältere Haare mit reich- lichem Niederschlag abgestorben, ihr Plasma hat sich karmin gefärbt und kontrahiert. Die Rotation hat auch in jungen Haaren stark nachgelassen und ist vielfach kaum noch festzustellen. In den Epidermiszellen der Wurzel hat sich ebenfalls ein Niederschlag gebildet, er ist aber mehr zinnoberrot. Lösungen in abgestandenem Leitungswasser können etwas stärker gewählt werden, sie haben die gleiche Wirkung. Nunmehr mag über die Untersuchungen an der Epidermis von Tradescantia virginica kurz berichtet werden. In der Mitte der Zellen ist der Kern an Plasmasträngen aufgehängt, die Zirkulation zeigen. Die Bewegung ist infolge der großen Feinheit des ganzen Baues der Zelle etwas schwierig zu beobachten, indessen doch deut- lich. Im Zellsaft befinden sich kugeHge Gebilde, die gewöhnlich in großer Zahl an der Plasmahülle des Kernes haften, doch können sie auch mit der Zirkulation durch die ganze Zelle geschleppt weiden. Nur in lebenden, normalen Zellen wurden sie gesehen. Chrysoidin. 0,0004 % (1 : 250000). Das Plasma färbt sich, auch die Membranen, doch diese mit einem anderen Ton, so daß der Plasmabelag beiderseitig gut zu 6* 84 Reinhold Schaede, unterscheiden ist. Sehr stark speichern die Schließzellen der Spalt- öflfnungen den Farbstoff. Nach 6 Stunden ist alles noch ganz normal. Durch Plasmolyse kann der Nachweis erbracht werden, daß be- sonders in den Schließzellen wirklich der Protoplast gefärbt ist, nicht etwa nur Membranteile. Methylenblau. 0,00 1 7o (1 : 100000), [0,002 7o war wir- kungslos]. Der Zellsaft färbt sich blau, desgleichen die Membran. Nach 6 Stunden konnte weder eine Schädigung noch sonst irgend eine andere Wirkung festgestellt werden. Die Nebenzellen der Schließ- zellen bleiben ungefärbt, sei es, daß sie überhaupt keinen Farbstoff aufnehmen, oder daß dieser in eine Leukoverbindung verwandelt wird. Weil sich in diesen beiden Fällen herausstellte, daß die Farb- stoffe infolge der Kutikula, die noch dazu einen Wachsbelag trägt, sehr schlecht Zutritt zum Protoplasten finden, daß die Zellen sich sehr ungleichmäßig färben, und da noch technische Schwierigkeiten, wie z. B. starke Neigung zum Einrollen der Epidermisstücke, hinzu- kamen, wurde das Objekt aufgegeben. Solche aus dem Verband gelöste Gewebeteile, denen noch dazu der Aufenthalt im Wasser fi'emdartig ist, befinden sich ja auch bei den Versuchen sicherhch nicht in normalem Zustand, worauf an früherer Stelle bereits ein- gehend hingewiesen worden ist. Diese beiden Versuche sollen bei den folgenden Ausführungen auch unberücksichtigt bleiben. Abschnitt IL Saure Farbstoffe. Säurefuchsin. Den Lösungen in Aqua dest. und in ab- gestandenem Leitungswasser gegenüber verhalten sich die Zellen ganz verschieden. 0,01% (1 : 10000) in Aqua dest. hatte binnen 6 Stunden die einzige Wirkung, daß einzelne Haare an der Spitze platzen und ihren Inhalt portionsweise ausspritzen. Bei 0,02 Vo explodieren nach wenigen Minuten fast alle Wurzel- haare. Um festzustellen, ob an dieser so heftigen und eigenartigen Wirkung etwa das destillierte Wasser schuld sei, wurde auf die- selbe Wurzelspitze zunächst dieses allein gegeben, wodurch die Wurzelhaare in keiner Weise geschädigt wurden. Darauf wurde über das Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbstoffen. 85 die Farbstoff lösung (0,02%) verabfolgt, und alsbald setzte das Platzen der Haare ein, die nach 10 Minuten sämtlich explodiert waren. Demnach kann nur der Farbstoff verantwortlich gemacht werden, zumal das verwendete destillierte Wasser aus der gleichen Flasche stammte und die Versuche am gleichen Vormittag an- gestellt wurden. 0,02Vo in abgestandenem Leitungswasser. Die Lösung ist viel heller als eine von gleicher Konzentration in Aqua dest. und besitzt einen orangefarbenen Ton. Besonders auffällig ist das bei dünnen Schichten auf dem Objektträger unter dem Mikroskop. Daß der Grund für die Änderung der Farbe in der basischen Reaktion des Leitungswassers zu suchen ist, wurde schon eingangs erwähnt. Nach ^U Stunde treten bei allen Wurzelhaaren im Zellsaft, der selbst keine Speicherung zeigt, hellorangefarbene, große, wolkige Ballen auf, die durch die Rotation abgerundet werden. Die Membran färbt sich rosa. Man sieht auch eine Menge orangefarbener Körnchen im Zellsaft. Es ist gut zu beobachten, wie die Kristallaggregate ihre Form verlieren und sich unter lebhafter molekularer Bewegung in amorphe Körperchen verwandeln, die sich färben; sie bleiben bei Berührung aneinander hängen und bilden jene Ballen, die mit der Zeit immer kompakter und kräftiger in Farbe werden. Nach einer Stunde sind schon eine ganze Menge Haare fast frei von Kristallen und enthalten dafür dichte orangefarbene Ballen und viele Körnchen. Nach 2 Stunden ist dieser Vorgang noch weiter fortgeschritten und Kristalle kaum noch zu finden. In alten Haaren hat die Rotation aufgehört. Nach 3 Stunden ist die Rotation in jüngeren Haaren immer noch lebhaft im Gange. Die Ballen, die immer fester und kleiner geworden sind, sind fast überall durch die Rotation in den basalen erweiterten Teil der Haare geschleppt worden. Im Zellsaft finden sich noch wenige orangene Körnchen, aber so gut wie keine Kristalle mehr. Nach 4 Stunden ist die Rotation allgemein etwas verlangsamt. Nach 5 Stunden sind die alten Haare tot, ihr Plasma desorganisiert und rot gefärbt. Der Zellsaft der unversehrten Haare sieht jetzt fast leer aus, da die Körnchen sich zum größten Teil mit den Ballen in der Haarbasis vereinigt haben. Nach 6 Stunden ist das Plasma der jüngeren Haare immer noch in langsamer Bewegung. Die Giftigkeit von Säurefuchsin nimmt beim Stehen der Farb- lösungen ab. Es wurde einmal eine 2 Tage alte Lösung in Leitungs- 86 . --. Eeinhold Schaede, Wasser von 0,1% (1:1000) gegeben, die an Farbe stark verloren hatte. Dieser gegenüber verhalten sich die Wurzelhaare hinsichtlich der Verwandlung der Kristalle im Zellsaft wie beschrieben, ein Nachlassen der Rotation war dagegen nicht zu bemerken. Ent- weder ist die im basischen Wasser entstandene Leukoverbindung nicht giftig oder sie wird überhaupt nicht aufgenommen, sondern nur die übrig gebliebenen ungebundenen Farbstoffteilchen, die dann eine sehr dünne Lösung ausmachen würden. Von sauren Farbstofl'en wurden ferner noch geboten: Methyl- orange, Tropaeolin 00 und 000, Bordeauxrot, Orange, Anilinblau, Kongorot, doch konnte für keinen eine Wirkung oder überhaupt Aufnahme festgestellt werden außer Membranfärbungen. Man könnte einwenden, eine Beobachtungszeit von 6 Stunden genüge für die sauren Farbstoffe nicht, sie brauchten lange Zeit zum Eindringen in die Zellen, wie Versuche an anderen Objekten ergeben haben (Pfeffer 1886, Ruhland 1908 u. 1912). In manchen Fällen wird allerdings auch sehr schnelle Aufnahme an- gegeben (Ruhland 1912). Indessen bin ich der Ansicht, daß diese Farbstoffe in die voll lebensfähigen Wurzelhaare von Hydro- charis Morsus ranae und gewiß auch in die Zellen anderer Pflanzen, bei denen lange Zeit zur Aufnahme erforderlich ist, keinen Eingang finden, sondern erst wenn die Zellen sich infolge von veränderten Lebensbedingungen nicht mehr im normalen Zustand befinden. Schnelle Aufnahme mancher Farbstoffe scheint überhaupt für starke Abnormität einer Zelle zu sprechen nach den Untersuchungen von Collander (1921, S. 371). Eine Entfärbung der Farbstoffe in den Zellen, deren Möglichkeit derselbe Autor (1921) nachgewiesen hat, kommt für das vorliegende Objekt nicht in Frage, denn gerade das leicht reduzierbare Säurefuchsin wird ganz beträchtlich sichtbar gespeichert und Methylenblau ebenfalls nicht reduziert; ferner ist auch Zucker in den Wurzelhaaren nicht nachzuweisen. Abschnitt III. Zusammenfassung. Die Beobachtungen über das Verhalten der Wurzelhaare von Uydrocharis Morsus ranae gegenüber den angewandten Farbstoffen haben, um eine kurze Übersicht zu bieten, folgendes ergeben. über das Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbstoffen. 87 Eine Speicherung im lebenden, ungeschädigten Plasma besteht nur bei Chrysoidin. Die Einwendungen von A. Meyer (1920, S. 477, 478) gegen die gleiche Angabe von Ruhland (1912, S. 381 u. 425) sind nicht gerechtfertigt, stützen sich auch nicht auf eigene Beobachtungen. Auch Prune pure soll nach Ruhland (a. a. 0.) Plasmafärbung im Leben bev/irken, doch stand mir dieser Farbstoff für eine Nachprüfung leider nicht zur Verfügung. Färbung des Plasmas mitBismarckb raun und Gen ti ana- violett tritt nur ein, wenn die Zelle geschädigt ist, und ist sicherer Vorbote des Todes. A. Meyer (1920, S. 478) behauptet freilich, daß auch das kranke Plasma keine Farbstoffe speichere, doch ist bei Gentianaviolett dessen violette Färbung neben den mehr bläulichen Mikrosomen durchaus deutlich. Ob in diesen Fällen die Lipoide, die hydroiden Bestandteile des Plasmas oder das Wasser als Dispersionsmittel den Farbstoff festhalten, ist nicht feststellbar. Eine Färbung des Kernes intra vitam wurde in keinem Falle gefunden. Sie kann gelegentlich vorgetäuscht werden, wenn die den Kern einschließende Plasmaschicht gefärbt wird, wie das bei den Epidermiszellen von Tradescantia virginica leicht erkennt- lich ist. Darum brauchen jedoch die Angaben anderer Autoren darüber für andere Objekte nicht unrichtig zu sein, nur scheint mir Vorsicht geboten. Methylviolett und Gentianaviolett werden in den Mi- krosomen gespeichert, doch ist damit eine tiefgreifende Schädigung verbunden in Anbetracht der außerordentlichen Giftigkeit der Farbstoffe. In allen Fällen, wo Reaktionen im Zellsaft erfolgen, muß natürlich der Farbstoff in diesen Eingang finden, mag er nun an diesem selbst sichtbar werden durch Speicherung oder unsichtbar bleiben, falls seine Konzentration im Zellsaft die gleiche ist wie in der Lösung oder falls er sofort irgendwie gebunden wird. Einen Niederschlag im Zellsaft rufen Methylviolett, Gentianaviolett und Safranin hervor, seine Natur ist zweifelhaft. Mit den Kristallaggregaten von Eiweißcharakter im Zellsaft treten unter Umwandlung dieser in Körnchen oder Kügelchen in Bindung Bismarckbraun, Methylen- blau, Neutralrot und Säurefuchsin, jiach dem Tode auch Methylviolett. Ob nun der Farbstoff unmittelbar mit den Kristallen 'ß8 Reinhold Schaede, reagiert, oder ob diese infolge allgemeiner Schädigung der Zelle zuvor die Kristallform verlieren und ihre Umwandlungsprodukte sich dann färben, vermag ich nicht sicher zu entscheiden. Ich möchte freiUch das letztere annehmen, denn ich habe gesehen, wie bei Behandlung der Wurzelhaare mit frischem Leitungs- und mit ge- kauftem dest. Wasser sich die Kristalle gleichfalls in amorphe Körperchen verwandeln, während oder worauf bald eine Schädigung der Zelle in Verlangsamung der Rotation offenbar wurde. Ferner ist zu beachten, daß bei Anwendung von Farbstoffen aus den Kristallen erst jene farblosen Körperchen werden und nachher deren Färbung eintritt, indem sie meist Kugelgestalt annehmen. Gerbsäure ist bei dieser Bindung der Farbstoffe und bei den Niederschlägen nicht im Spiele; denn sie ist in den Wurzelhaaren nicht nachzuweisen. Auch Pfeffer (1886, S. 190, 214, 231, 236) hat mehrfach Fällungen bei Abwesenheit von Gerbsäure beobachtet. Man wird bei den speziellen Beobachtungen bemerkt haben, daß die meisten der Farbstoffe deutlich unterschiedene Tönungen bei der Speicherung in den einzelnen Bestand- teilen der Zelle, in Niederschlägen und dergleichen an- nehmen. Daraus lassen sich Schlüsse auf deren basische oder saure Reaktion ziehen. Zunächst soll gezeigt werden, wie sich dünne Farbstofflösungen gegenüber Basen und Säuren verhalten. Methylenblau scheidet dabei aus, da es von diesen nicht verändert wird. Als Basen wurden angewandt: Ammoniak, Natronlauge und Kalilauge; als Säuren: Salzsäure, Schwefelsäure, Oxalsäure, Tannin und Apfelsäure. Chrysoidin — mit allen Basen: gelber Niederschlag; mit allen Säuren: rotbraun. Bismarckbraun — mit allen Basen: gelb; mit allen Säuren: gelbbraun. Methylviolett — NHj: langsame Entfärbung; NaOH: rötlich; KOH: rotviolett; HCl, HjSO^ und 0*2 HjO^ schwach: blau; stark: grün; Cj^ Hj^ O9 und C^ Hg O5 : blau. Gentianaviolett — NHg: langsame Entfärbung; NaOH: rötlich; KOH: violett mit rotem Ton; HCl, HjSO^ und CjHjO^ schwach: blau; stark: grün; Ci^H^jOg und C^HgOj: blau mit violettem Ton. Neutralrot — NH, und NaOH: orange mit Niederschlag; KOH: orange; mit sämt- lichen Säuren: karmin. Safranin — mit allen Basen : rot ; HCl und Hj SO4 : tiefrot mit karmin Ton ; Cj H, 0,, Cj^HjoOg und C^HgOj: hellkarmin. Säurefuchsin — alle Basen schwach: orange; stark: Entfärbung; mit allen Säuren: kräftig rot. Daraus ergibt sich für die Reaktion der Zellbestandteile folgendes. über das Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Anilinfarbstoffen. 89 Das lebende bezw. noch lebende Plasma färbt sich mit Chrysoidin gelb, ebenso mit Bismarckbraun und mit Gentiana- violett violett, ist also basisch. Die Tönungen von Chrysoidin und Bismarckbraun sind allerdings nur bei einiger Übung richtig einzuschätzen, da ja die beiden Farbstoffe an sich schon in dünner Lösung gelblich sind; dagegen ist bei Gentianaviolett gegenüber dessen etwas ins Bläuliche gehender Lösung das reine Violett des Plasmas durchaus eindeutig. Das tote Plasma färbt sich mit Bismarckbraun bräunlich, mit Methylviolett und Gentianaviolett blau, mit Neutralrot und Safranin karmin und mit Säurefuchsin intensiv rot. Dies läßt un- zweifelhaft auf saure Reaktion schließen. Besondere Beachtung verdient Gentianaviolett, das ja das noch lebende Plasma violett färbt; denn man kann den Übergang in Blau beim Tode unmittelbar beobachten. Und diese Umfärbung tritt ein, noch ehe irgend eine Desorganisation erfolgt, sie ist also das erste Anzeichen des Todes. Über die Mikrosomen läßt sich nicht mit voller Sicherheit etwas aussagen; denn infolge ihrer geringen Größe ist der Farben- ton, den sie mit Methyl- und Gentianaviolett annehmen, nicht ge- nau festzustellen. Da er mir indessen bläulich erschien, wäre den Mikrosomen mit Vorbehalt saure Reaktion zuzusprechen. Der Zellsaft zeigte, wo er überhaupt Farbstoff speichert, den gleichen Ton wie die Lösung, ist also wohl neutral. Die Niederschläge im Zellsaft sind sauer; denn sie nehmen bei Methyl- und Gentianaviolett blauviolette, bei Safranin hellkarmin Farbe an. Die.Umwandlungsprodukte der Kristalle färben sich mit Bismarckbraun bräunlich, mit Methylviolett nach dem Tode der Zelle bläulich und mit Neutralrot karmin, reagieren demnach mit allen basischen in Aqua dest. gelösten Farbstoffen sauer. Dagegen zeigen sie mit Säurefuchsin gelöst im alkalischen Leitungswasser unverkennbar orange Färbung und wären daher basisch. Dieser Gegensatz erklärt sich vielleicht so, daß aus dem Farbstoff mit den Karbonaten des Lösungsmittels eine so starke Base wird, daß die an sich saure Reaktion der Verwandlungprodukte übertönt wird. Alle diese Ergebnisse stimmen mit unseren bisherigen Kennt- nissen über die Reaktion der Zellbestandteile überein, und die be- nützten Farbstoffe können gewiß für derartige Untersuchungen an anderen Objekten bei geeigneter Versuchsanstellung gute Dienste leisten. 90 Keinhold Schaede, Für das so eif^ontUmlicho Platzen der Haare an den Spitzen und das folgende wiederholte Ausspritzen des Zellinhaltes bei Gcntianaviolett, Methylenblau, Neutralrot, Safranin und be- sonders bei Siiurefuchsin, in Aqua dest. gelöst, vermag ich leider keine Erklärung zu geben, die mich befriedigte. Daß die Farb- stoflfe diese Wirkung verursachen und nicht das destillierte Wasser, ist nach deu Versuchen mit Säurefuchsin wohl sicher. Aber was mag zu einer so bodeuttMiden Steigerung des Innendruckes, daß die Wand gesprengt wird, führen? Sollte die Regulierung der Wasscreinfuhr gestört worden? Der Turgor muß auch nach der ersten Explo8it)n wieder wachsen, um eine zweite zu bewirken, und so fort, so lange die Zelle noch einigermaßen lebensfähig ist. Eine Herabsetzung des Druckes der Lösung kann schwerlich in Frage kommen; denn in diesem Falle würden die Haare nur einmal platzen. Ganz merkwürdig ist, daß gerade junge Haare betroffen werden, deren Protoplasten sich doch sonst am widerstandsfähigsten zeigen. Ihre im Wachstum begrifl'ene Membran mag freilich nicht so stark sein wie die älterer Wurzelhaare, indessen kommt es auf sie allein hier ja nicht an. Diese sämtlichen Ergebnisse in bezug auf den Chemismus der Zelle auszuwerten, fühle ich mich nicht berufen, das muß auf dem (Tcbiete der Biochemie wohl erfahrenen Autoren überlassen bleiben, und selbst diese sind ja, wie erwähnt, zu ganz verschiedenen Theo- rien gelangt. Jedenfalls bedarf es noch vieler eingehenden Unter- suchungen, um auf diesem Gebiete klarer zu sehen. Zum Schlüsse sei nochmals betont, daß die vorliegenden Beob- achtungen nur für die Wurzelhaare von Hj/drocharis Morsus ra)iac gelten, und zwar unter den erörterten Kautelen, und daß sie nicht ohne weiteres auf „die Zelle" übertragen werden dürfen, wenn sie freilich auch für andere Objekte gewisse Anhaltspunkte bieten können. Breslau, Pflanzenphysiologisches Institut. November 1922. über das Verhalteu von Pflanzenzellen gegenüber Änilinfarbstoffen. 91 Literatur. C'ollander, K., 1921, Über die Permeabilität pflan^.licher Protopiasten für Sulfosäure- farbstoffe. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 60. Czapek, F., 1915, Ausblicke auf biologische Adsorption8erscheinuug*;n. Jahrb. f. wisfi. Bot., Bd. 56. — — , 1919, Zum Naohwei.^ von Lipoiden in Pflanzenzellen. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges., Bd. 47. Meyer, A., 1920, Analyse der Zelle der Pflanzen und Tiere. 1. Overton, E., 1900, Studien über die Aufnahme der Anilinfarben in die lebende Zelle. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 'H. Pfeffer, W., 1880, Über die Aufnahme von Anilinfarben in die lebende Zelle. Unter- snchangen a. d. Bot. Inst. Tübingen, II. Rnbland, W., 1908, Beiträge zur Kenntnis der Permeabilität iler Plasmahant. .Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 46. — — , 1912, Studien über die Aufnahme von Kolloiden durch die pflanzliche Plasma- haut. .Tahrb. f. wiss. Bot., Bd. 51. Eine umfassende Zusammenstellung der gesamten Literatur findet sich in der obigen Abhandlung von C'ollander. Viele dieser Arbeiten sind in dem genannten Buche von A. Meyer besprochen. Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. Von Hans Robert Bode. Mit 6 Textfiguren. Abschnitt I. Problem und Aufgabe. Für die physikalische Erklärung der Wasserbewegung in der Pflanze durch die Kohäsionstheorie ist die experimentelle Belegung folgender Fragen unbedingt notwendig: 1. Sind in der Pflanze bei starker Transpiration kontinuier- lich verlaufende Wasserfäden vorhanden? 2. Treten in den leitenden Gefäßen der Pflanze Zugspannungen auf, die die Annahme einer Wasserzufuhr durch den Ko- häsionszug des Wassers rechtfertigen? Zu 1. Unter den neuesten experimentellen Daten auf diesem Gebiet kommt für den ersten Punkt nur die Arbeit von Holle (6) in Frage. Er findet in welkenden, abgeschnittenen Blättern die Gefäße zum größten Teil mit Wasser erfüllt. — Strasburger dagegen glaubte durch seine ausführlichen Untersuchungen (29) den Beweis erbracht zu haben, daß sich in den Gefäßen nicht Wasserfäden, sondern Jaminsche Ketten befinden. Das Heraus- schneiden einzelner Laraellen und das damit verbundene Verletzen der Gefäße, wie es Strasburger macht, muß aber eine weitgehende Störung der physikalischen Verhältnisse mit sich bringen. Daher halte ich Experimente mit einer derartigen Versuchsanordnung [Ewart (1), Scheit (27) und Kostecki (11)] nicht für geeignet, den Zustand in der intakten Pflanze klarzustellen. Und nur auf diesen kommt es an. Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 93 Zu 2. Die direkte Messung der Zugspannung in den Gefäßen ist infolge der Schwierigkeit, eine einwandfreie Methode zu finden, bisher nicht möglich gewesen. Diesen Manometermessungen ist daher auch kein weiterer Wert beigemessen worden. Jost charak- terisiert dies folgendermaßen: „Wir glauben, daß Manometer immer nur die Druckverhältnisse in der Nähe der leitenden Elemente angeben, nie in ihnen selbst" (8, S. 94). Die indirekte Beantwortung durch Erscheinungen an der Pflanze, die einen einwandfreien Rückschluß auf den vorhandenen Zustand zulassen, finden wir schon in den ältesten Quecksilber- versuchen von Haies (5). Die hierfür ausschlaggebenden Ergeb- nisse der Renn ersehen Arbeiten (21 — 24) sind von den Gegnern der Kohäsionstheorie ihrer Methodik und Berechnung wegen an- gefochten worden (Nordhausen, 14 — 16, Ursprung, 25 — 26). Ich halte ihre Anfechtungen nur nach der quantitativen Seite hin für berechtigt, eine zahlenmäßig genaue Feststellung ist nach unseren bisherigen Methoden noch nicht möglich. Dagegen erfordert die theoretische Deutung des von Renner (21, S. 236) beobachteten Rückstoßes bei Potometerversuchen eine Nachprüfung durch das Experiment. Wenn eine Gesamtschrumpfung und Ausdehnung des Sprosses meßbar ist, so muß auch an dem einzelnen Gefäß die- selbe Beobachtung zu machen sein. Die Untersuchung dieser beiden Fragen soll die Hauptaufgabe meiner Arbeit sein. Im Anschluß hieran behandele ich noch: 1. Die Abhängigkeit des Filtrationswiderstandes von der Druck- differenz. 2. Den Einfluß der Temperatur auf den Wurzelwiderstand. Die Methodik der einzelnen Versuchsreihen wird gemäß ihrer Ver- schiedenartigkeit vor jedem Abschnitt besprochen werden. Abschnitt IL Der Zustand des Gefäßinhaltes. A. Die Wasserfäden in den Leitungsbahnen. I. Im intakten Gefäß. Die Kohäsionstheorie sieht in der saugenden Kraft der Blätter und der Kohäsion des Wassers die beiden Hauptfaktoren für die Wasserbewegung in der Pflanze. Es ergibt sich hieraus als eine 94 Hans Robert Bode, selbstverständliche Bedingung das Vorhandensein von kontinuier- lichen Wasserfäden in den Gefäßen. Die bisherigen Untersuchungen auf diesem Gebiet haben auf Grund ihrer negativen Befunde diese Kontinuität ablehnen müssen. In der Literatur werden diese Re- sultate nun zu einer Tatsache gestempelt, mit der man bei der theoretischen Erklärung des Saftsteigeproblems zu rechnen habe. Es ist daher kein Wunder, daß die Anhänger dieses Glaubens von den Kohäsionstheoretikern erst einen Gegenbeweis dafür fordern. Da es aber durchaus nicht gleichgültig ist, auf welchem Wege man zu diesen Ergebnissen gekommen ist, so soll dieses „wie" einmal untersucht werden. Die Methodik, durch die Strasburger zu seiner Ansicht kam, läßt durch das Heraus- oder Anschneiden einzelner Lamellen eine Fülle von unkontrollierbaren Umwandlungen im Zustand des Gefäßinhaltes zu. — Die gleichlautenden Ergeb- nisse von Ewart (1), Scheit (27)^) und Kostecki (11) leiten sich von derselben oder einer ähnlichen Versuchsanordnung her. Ich bin daher der Ansicht, daß eine Verneinung der ständigen Kontinuität der Wasserfäden auf Grund dieser Methoden nicht beweiskräftig ist. Anspruch auf Gültigkeit kann nur die direkte Beobachtung an der intakten Pflanze haben. Wie das im einzelnen zu machen ist, soll die erste Reihe meiner Versuche zeigen, deren Methodik jetzt besprochen werden wird. Ich suchte mir Pflanzen aus, die infolge der Durchsichtigkeit ihrer Stengel den Verlauf der Gefäßbündel deutlich zeigten. Als brauchbar erwiesen sich unter den Objekten, die mir zur Verfügung standen: Impatiens SuUayii, Ti'adescantia zehrina var. 'pendula, Elatostemma sessile und Cucurbita pepo. Alle waren als Topf- pflanzen im Gewächshaus gezogen worden. Die vollkommen intakte Pflanze wurde neben ein Mikroskop gestellt. Der zur Beobachtung bestimmte Stengel wurde durch die beiden Federklemmen auf dem zentrierbaren Objekttisch be- festigt. Zwei ausgehöhlte Korkstückchen vermieden eine Beschädi- gung. Die Optik des mit Beleuchtungsapparat versehenen Mikro- skops bestand aus dem Zeißobjektiv A und dem Kompensations- okular 15. Als Lichtquelle diente eine 100 K Mikroskopierlampe l) Scheit ist zwar der Ansicht, daß kontinuierliche Wasserfäden vorhanden sein müssen, findet aber, da auch er „Schnitte" mikroskopisch untersucht, Gasblasen in den meisten Gefäßen. Beiträge ^ur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 96 mit vorgeschalteter "Wasserflasche — durch Stengelquerschnitte unterrichtete ich mich über den anatomischen Bau der verwendeten Pflanzen. Die beobachteten Leitbündel waren stets gut entwickelt und wiesen Ring-, Schrauben- und Netzgefäße auf. Bei Impatiens und Tradescantia machte das Kollenchym die Beobachtung unmög- lich, es mußte also an der Beobachtungsstelle entfernt werden. Nun wurde das Kollenchym mit einer Lanzettnadel so weit durch- schabt, daß die Gefäße gut sichtbar waren, aber stets von einer Gewebeschicht umgeben bheben. Auf die Erhaltung dieser paren- chymatischen Schutzhülle muß besonderer Wert gelegt werden (das Austrocknen der Wundfläche wurde durch sofortiges Bestreichen mit Paraffinöl verhindert). Die Erhaltung dieser Schicht ist in den meisten Fällen durch eine andere Methode, etwa bei einem Herausschneiden dieses Streifens, nicht gesichert. Es ist aber eine Grundbedingung für das Gelingen dieses Versuchs, daß das Gefäß unberührt in seinem Gewebeverband liegt. Das bewiesen mir schon die ersten orientierenden Versuche, bei denen ich das Beobachtungs- fenster in das Kollenchym hineinschnitt und hierdurch einige Ge- fäße beschädigte, so daß Luft in sie eintrat. So lernte ich gleich zu Beginn das Aussehen eines lufterfüllten und das eines wasser- erfüllten Gefäßes mit Sicherheit voneinander unterscheiden. Bei Elatosfcmma sind die Stengel sehr viel undurchsichtiger; hier wurde durch denselben Eingriff der unter der Epidermis lie- gende Sklerenchymmantel und die oberste Lage des dickschichtigen Parenchyms entfernt. Dagegen zeigen 2 Monate alte Citcwr&zYa- Pflanzen schon bei leisem Abschaben der Haare und der Epidermis die Gefäße deut- lich. Eine noch einwandfreiere Beobachtungsmöglichkeit wurde durch Abtragung der oberen Hälfte des hohlzyHndrischen Stengels erreicht. Es genügte dann die Behandlung mit Paraffinöl, um die freigelegte Innenseite gut beobachten zu können. Die Versuche, die jetzt geschildert werden, sind im März, April bis Ende Mai 1922 gemacht worden. Die Pflanzen standen an einem Südfenster des Instituts und waren so den ganzen Tag dem vollen Tageslicht ausgesetzt. Die Luftfeuchtigkeit wurde mit etwa 60% bestimmt. Die Temperatur schwankte, bis auf einige Versuche bei höheren Temperaturen, zwischen 18*^ und 24° C. Eine vorjährige /w^^a^iew^- Pflanze, die mehrere Tage gut be- gossen im Versuchszimmer gestanden hatte, zeigte an ihrer Beob- achtungsstelle nur wassergefüllte Gefäße. Die Pflanze blieb nun 96 Hans Robert Bode, 3 Tage laog unbegossen und welkte stark. (Über dem Beobachtungs- fenster waren mehrere gut ausgebildete Blätter.) Auch die schlaff gewordene Pflanze wies wassererfüllte Elemente auf. Der Versuch wurde an anderen Stengeln der Pflanze wiederholt und ergab dasselbe Bild. Die Versuche mit Tradescantia zeigten keine Abweichung von dem Befund des vorigen Objekts. Es wurden sechs verschiedene Exemplare daraufhin untersucht. Nun ist die Transpiration von Tradescantia auch bei starkem Sonnenlicht nur sehr gering. Es mußte daher der Versuch an einer Pflanze wiederholt werden, die sich durch großen Wasserverbrauch auszeichnet und infolge- dessen ein Welken leicht ermöglicht. Die Urticacee Elato- stemma weist diese Eigenschaft in besonderem Maße auf. Sprosse mit 6 — 7 voll entwickelten Blättern zeigten auch bei vollkommener Erschlaffung keine Zerreißung der Wasserfäden. Sämtliche Sprosse hingen welk über den Topfrand herab. Bei diesem Objekt tritt nun aber schon 30 Minuten nach dem Be- gießen ein Wiederstraffvverden ein, so daß das Aufrichten mit dem bloßen Auge gut zu verfolgen ist. Dies wäre vollkommen unverständlich, wenn nicht kontinuierliche Wasserfäden vorhanden gewesen wären. Bei Cucurbita wurde in der beschriebenen Weise ein 1 cm langes Loch in die Oberseite des Sproßhohlzylinders geschnitten und die Innenseite unter Paraffinöl beobachtet. Auch hier fanden sich selbst bei starker Transpiration nur intakte Wasserfäden vor. Ein Zerreißen der Wasserfäden tritt also selbst in der welken Pflanze nicht ein. Wenngleich diese Versuche einwandfrei beweisen, daß in einer welken Pflanze die Wasserfäden intakt bleiben, so zeigten Versuche, die in den außergewöhnlich heißen Tagen Ende Mai 1922 gemacht wurden, daß dies auch unter der Einwirkung ungünstigster Be- dingungen der Fall bleibt. Eine Elatostemma-Pi[a,x\ze wurde mit dem Mikroskop zusammen auf ein nach Süden gehendes Fensterbrett gestellt und war so dem Luftzug und der vollen Sonne ausgesetzt. Die Temperatur stieg bis 12 Uhr mittags in der Erde auf 38,5'' C. Ein daneben hängen- des Thermometer zeigte 39 ° C an. Die Schattentemperatur betrug 34" C. Ergebnis: Die Pflanze war vollkommen schlaff, und dennoch blieben sämtliche Wasserfäden intakt!! Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegnng in den (iefäBpflanzen. 97 Hierauf wurde der Sproß ein Internodium unterhalb der Beob- achtungsstelle abgeschnitten. In ein einziges Gefäß stürzte die Luft bis zum Beobachtungsfenster nach, die anderen waren ent- weder verstopft (Plasma, Schleim), oder die Luft hatte schon vor- her eine Querwand erreicht und war hierdurch aufgehalten worden. Dem Stengel wurde bis zur gänzlichen Schrumpfelung des Paren- chyms von den Blättern noch Wasser entrissen, dann vertrockneten diese, während der Stengel in der Nähe der Knospen sich am längsten frisch hielt. — Die Wasserfäden bleiben also unter allen Umständen erhalten. Wenn die Blätter dem Stengel kein Wasser mehr entreißen können, werden sie abgeworfen, und auf diese Weise die Knospen erhalten. Denn sobald infolge von Wasserzufuhr die Spannung im Sproß aufhört, wird eine genügende Versorgung mit Wasser für sie möglich sein. — Es scheint also dieser Blattabwurf eine wichtige Schutzvorrichtung gegen das Vertrocknen zu sein. — Eine Entleerung der Gefäße wäre unökonomisch, da der großen Arbeitsleistung, die vollbracht werden müßte, um die Gefäße wieder aufzufüllen, ein nur minimaler Gewinn an Wasser für die Blätter gegenüberstände. Eine eindeutige Beantwortung der Frage, ob diese ununter- brochenen Wasserfäden in den Leitungsbahnen wirklich gedehnt sind, also unter Spannung stehen, gab folgende Untersuchung. Eine welk gewordene Elatostemma-lPQa,nze^) zeigte an einem Beobachtungsfenster wiederum nur intakte Wasserfäden in den Elementen. Nun wurde unter den auf dem Objekttisch befestigten Sproß eine flache Schale mit Quecksilber geschoben und dann die Beobachtungsstelle so weit hineingesenkt, daß sie vollkommen mit Quecksilber bedeckt war. Hierauf durchschnitt ich den Stengel mit einem scharfen Rasiermesser und entfernte danach die Schale mit Quecksilber. Jetzt wurden die Gefäße wieder beobachtet und es zeigte sich, daß das Hg in mehrere Gefäße eines jeden Leit- bündels hineingerissen worden war. Während in den engeren Ge- fäßen das Hg immer in kontinuierlichen Fäden zu beobachten war, zeigten die weitesten (bis 60 fi Durchmesser) dagegen Quecksilber- Wasserketten. Die Hg-Fäden schlössen stets direkt an das Wasser an, eine gasförmige Phase zwischen beiden habe ich in keinem Fall beobachten können. — In Querschnitten, die 6 cm oberhalb der 1) Dieser Versuch ist sowohl an demselben Objekt, als auch an rwei Cuetirbitn Pflanzen mit gleichem Erfolg wiederholt worden. Jahrb. f. wiss. Botanik. LXII. 7 98 Hans Robert Bode, Beobachtungsstellen gemacht wurden, war in einigen Gefäßen noch Quecksilber vorhanden. — Die Elemente, in die kein Quecksilber eingedrungen war, mußten beim Schneiden durch Schleim oder Plasma verstopft worden sein, da bei nochmaligem Verletzen unter Quecksilber in solchen Gefäßen Hg-Fäden zu beobachten waren. Die von mir beobachteten kontinuierlichen Wasserfäden warea also gedehnt, denn nur eine starke Spannung konnte die Depression des Quecksilbers überwinden. Für die Länge des eingesogenen Hg- Fadens wird außer der nur äußerst geringen Dehnung des Wasser» vor allem die auf den Wasserfaden wirkende Saugkraft maßgebend sein. — Da ich stets einen direkten Anschluß des Quecksilbers an die Wasserfäden beobachtet habe, scheint es mir wahrscheinlich, daß es sich bei den gleichartigen Versuchsergebnissen von Höhnel um denselben Vorgang handelt, und nicht, wie man bisher annahm, daß das Nachstürzen des Hg in die Gefäße auf einer starken Luft- verdünnung in diesen beruht. 2. Die Wasserfäden in mechaniscii verletzten Gefäßen. Bei diesen Versuchen wurde die Paraffinölpinselung der Wund- stelle erst nach der Verletzung vorgenommen. Das Verhalten der Wasserfäden in verletzten Gefäßen wurde wesentlich durch die bei den Versuchspflanzen vorhandene starke Schleimabsonderung be- einträchtigt. Der Schleim macht in den meisten Fällen, selbst bei einem durchgeschnittenen Gefäß der Luft das Eindringen unmöglich. Die Absonderung wurde daher durch starkes Benetzen der bloß- gelegten Parenchymschicht mit Alkohol unterbunden. Nach dieser Behandlung schoß die Luft in die weitesten Gefäße zuerst hinein, war aber nur bis zur nächsten Querwand zu verfolgen. Dagegen war das Eindringen von Luft in Gefäße mit einem Durchmesser unter 10 ju nie zu beobachten. Zweige von Impatiens wurden ein Internodium unterhalb des Beobachtungsfensters durchschnitten, der Gipfel welkte hierauf rasch. Die Luft trat aber auch unter diesen Umständen in die durch Querwände nach unten abgeschlossenen Elemente nicht ein. Das Bild wurde nicht einmal dadurch verändert, daß oberhalb der Be- obachtungsstelle, nachdem der Gipfel dekapitiert war, eine Wasser- strahlpumpe (70 cm Hg) angelegt wurde ^). 1) Wurde das Objekt an der Beobachtungsstelle selbst durchschnitten, so sah man die Luft in einer einzigen Blase oder in Jaminscher Kette wiederum nur bis zur näcbstea Querwand vordringen. ' Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 99 Daß in einem nur leicht verletzten Gefäß die Luft wieder absorbiert werden kann, zeigten weitere Versuche mit Irnpatiens. Die Gefäße einer welken Pflanze wurden an einer nicht mit Pa- raffinöl bestrichenen Wundfläche mit einer Präpariernadel verletzt. Nach dem Lufteintritt wurde dann Paraffinöl darübergepinselt. Am nächsten Tage waren bereits dünne Wasserunterbrechungen an mehreren Stellen der Blase sichtbar. Nach 4 — 5 Tagen waren diese abgeschnürten Restblasen selbst in den weitesten Gefäßen verschwunden. Es ist auffällig, daß diese Wiederauffüllung des Ge- fäßes nicht nur von unten oder oben her erfolgt, sondern daß das Wasser anscheinend von den Längswänden her in das Gefäß hinein- gelangt. — Die Frage, welche Kräfte und Gewebeelemente dieses besorgen, lasse ich offen. — Mechanisch verletzte Gefäße lassen, sofern Schleimabsonderung es nicht verhindert, Luft eintreten. Die Luft vermag aber nicht über die nächste Querwand hinaus vor- zudringen. Versuche von Holle (6, S. 102) ergaben an durch- sichtigen Blättern dasselbe Resultat. Den indirekten Beweis hierfür hatte man schon lange in Händen. Eine beim Abschneiden welk gewordene Pflanze zeigt durch das Wiederstraffwerden im Wasser, daß die Luft nicht sehr weit einzudringen vermag. Ein nochmaliges Abschneiden des unteren Endes unter Wasser, wodurch die etwa mit Luft ge- füllten Gefäße entfernt werden, beschleunigt das Turgeszentwerden ganz außerordentlich. B. Treten in den Gefäßen Gasblasen auf? I. Das Gas in den Leitungsbahnen. Ich halte es für notwendig, anschließend an die Befunde an der intakten Pflanze, einmal vom physikalischen Standpunkt aus klarzulegen, daß für die im Gefäßwasser gelöste Luft keinerlei Notwendigkeit besteht, sich aus der Flüssigkeit auszuscheiden. — Das Gas im Bodenwasser ist unter dem herrschenden Luftdruck in Lösung gegangen. Die Löslichkeit des Gases ist nun dem Druck proportional (Henrys Gesetz). Einen Druck von 760 mm Hg an- genommen, sind das ungefähr 2 Vol.-7o. Beim Passieren der lebenden Wurzelzellen wird wahrscheinlich ein Teil des Gases (nämlich der Sauerstoff) absorbiert werden. In die Gefäße gelangt aber dennoch sehr gasreiches Wasser. 100 Hans Robert Bode, Dieses Gas könnte nur unter folgenden Bedingungen aus der Flüssigkeit austreten und in Blasenform in den Gefäßen sichtbar werden: 1. Durch Übersättigung bei plötzlicher sehr starker Tempe- raturerhöhung. 2. Durch Verminderung oder Steigerung seines Partialdruckes. Zu 1. Bedingung für den Austritt eines Gases aus einer über- sättigten Lösung ist stets das Vorhandensein von Gaskeimen (z. B. adhärierende Gasschicht einer Glasgefäßwand). Bei der Pflanze haben wir nun aber statt einer starren undurchlässigen Wand eine poröse, vollkommen imbibierte Zellulosemembran. Eine adhärierende Gasschicht kann also gar nicht vorhanden sein. Wir haben in den Gefäßen nur eine, die flüssige Phase vor uns. — Eine Erwärmung der Pflanze wird nun immer allmählich vor sich gehen. Daher wird die hierdurch eintretende Übersättigung sich durch Diffusion') nach außen hin ausgleichen müssen. Es besteht ja für den Überschuß an Gas gar nicht die Möglichkeit, innerhalb der Gefäße in die gasförmige Phase überzugehen (21, S. 649). Zu 2. Durch Steigerung oder Verminderung seines Partial- drucks. Ein theoretischer Fehler ist gerade bei der Berück- sichtigung dieses Punktes in der Literatur über das Saftsteige- problem gemacht worden. Ich zitiere hier nur eine Stelle als Beispiel und zwar aus Josts letzter Arbeit (9, S. 63): „Daß aber alle Gefäßwände bei passendem Überdruck leicht Luft eindringen lassen und daß aus diesem Grund Kohäsionssäulen von Wasser ausgeschlossen sind, das zeigt folgender Versuch: Eine bestimmte Stelle eines Zweigquerschnittes wurde mit Binokular be- obachtet, während eine seitliche Luftpressung in den Stamm .... unter 150 cm Hg erfolgte. Und da zeigt sich , daß so gut wie jedes Gefäß in kürzester Zeit Luft austreten läßt." Die Querschnittsfläche, die bei diesem Versuch beobachtet wurde, stand unter dem herrschenden Luftdruck, während eine etwas tiefer gelegene Stelle unter einem Druck von 150 cm Hg stand. Es ist physikalich ganz selbstverständlich, daß bei einem derartigen Gefälle die Diffusion sehr stürmisch von statten geht. Es wird aber dabei übersehen, daß derartige Schwankungen in der Natur überhaupt nicht vorkommen. Sie werden niemals so groß 1) Günstig hierfür wirkt auch die durch Wärme und Lichtsteigerung bedingte Fermeabilitätsänderung. Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 101 sein, daß sie nicht durch langsame Diffusion kompensierbar wären. Der Sinn der vorher zitierten Ansicht ist aber der, daß sowohl Wasser als auch Luft unter negativem Druck in einem Gefäße stehen. Die negative Spannung in den Gefäßen geht aber nur von den Wasserfäden aus und nicht von dem Gas! Wie und wodurch sollte denn eine Gasverminderung entstehen? Von außen kann in das Gefäß Gas hineingelangen und zwar nur in gelöstem Zu- stande, da es von Parenchymzellen eingeschlossen ist. Das Gas muß also erst durch diese hindurchdiffundieren. Außerdem grenzen nach Strasburgers anatomischen Untersuchungen (29) Gefäße sehr selten direkt an Interzellulargänge. Tritt dieser Fall ein, so sind die Gefäßwände an dieser Stelle sehr stark verdickt. Die lebenden Zellen dienen den Gefäßen als Schutzscheiden gegen die Gasatmosphäre und regulieren durch ihre Tätigkeit (Plasmaströmung) den Gasgehalt in den Leitungsbahnen. — Ist die Transpiration einer Pflanze größer als ihre Wasserzufuhr, so werden in den Leit- elementen die Wasserfäden gespannt. D. h. das Wasser wird, da weder seine Adhäsion an der imbibierten Gefäßwand noch seine Kohäsion überwunden wird, gedehnt. Das Volumen des Gefäßes wird dadurch nicht vergrößert. Das Gas befindet sich in demselben Volumen und unter demselben Druck (denn nur sein Partialdruck kommt in Frage), hat also gar nicht die Möglichkeit auszutreten! 2. Künstlich erzeugte Gasblasen in den Leitungsbahnen. Wie es kam, daß dennoch von älteren Autoren Gasblasen gefunden wurden, zeigte mir eine zufällige Beobachtung. Ich unter- suchte den Zustand des Gefäßinhaltes an einem welken Tradescanüa- Sproß durch ein Beobachtungsfenster. Ein kleines Gewebeteilchen machte das Bild unscharf und mußte daher entfernt werden. Hierbei bemerkte ich in dem Augenblick, als ich die störende Schicht mit einer Lanzettnadel von dem über dem Gefäße liegenden Parenchym entfernte, eine graue Blase, die das Gefäß über das ganze Gesichts- feld hinweg durchzog. Diese Blase zog sich ruckartig zusammen und war nach 2 Minuten wieder verschwunden. Ein Druck mit der flachen Seite der Lanzettnadel genügte, um die Blase wieder entstehen zu lassen. Diese Reaktion wurde auch an Elatostemma und Cucurbita beobachtet. Die Blasen zeigten bestimmte Formen, die beim Verschwinden durch ihr Verhalten scharf zu unter- scheiden waren. 102 Hans Robert Bode, 1. Das Gefäß war von einer einzigen Blase durchzogen, die innerhalb weniger Minuten verschwunden war. In anderen Fällen blieb die obere Blasenkuppe stehen und vibrierte stark, während die untere ruckartig von Leiste zu Leiste bis zur oberen heranrückte. Zuletzt nahm die Blase Kugelform an und verschwand schließlich. 2. Die Blase durchschnürte sich plötzlich an einem Gefäßring. Die beiden Teilblasen verhielten sich dann so wie im ersten Fall. Eine eigenartige Form der Abschnürung beobachtete ich in weit- lumigen Gefäßen. Es blieb hier ein Teil der Blasenkuppe beim Zurückweichen von einer Leiste auf die nächste hängen. Dieser Blasenteil nahm nun mit fortschreitender Verkleinerung der Kuppe Entenschnabelform au und wurde schließlich ruckartig in die Blase hineingezogen. 3. Das Gefäß war von einer Kette von kleineren Blasen erfüllt (J am in sehe Kette). Das Verschwinden einer derartigen Kette dauerte sehr viel länger, da immer nur die äußersten Glieder schrumpften. Bei einem turgeszenten Sproß dagegen, wo die "Wasserfäden ja nur unbeträchtlich gespannt sind, ließen sich Blasen nur bei einer sehr starken Quetschung des Objektes erzeugen. Treten die Blasen hier einmal auf, so bleiben sie sehr viel länger als in der welken Pflanze erhalten (ich komme noch später darauf zurück). — Die Zahl der Versuche beträgt über 50. Bei drei von diesen schlössen sich die Blasen nicht wieder (vgl. S. 104). — In weiteren Versuchen wurde nun das parenchymatische Gewebe um die Gefäße durch Chloroform, Pikrinsäure oder Alkohol getötet. Auch hier verlief die Reaktion in genau derselben Weise und Zeitdauer. Irgend eine Tätigkeit lebender Zellen war in dem Verschwinden der Blase nicht zu vermuten. Auch das Anlegen einer Wasserstrahlpumpe an einlnter- nodium oberhalb der Beobachtungsstelle hatte auf das Verschwinden keinerlei Einfluß. Nach den bisherigen Anschauungen muß das Auftreten einer Blase in einem gespannten Wasserfaden notwendig zu seiner Zerreißung führen. Das Gefäß würde damit für die weitere Zufuhr ausscheiden. Dieser Ansicht widerspricht aber das eben geschilderte Verschwinden der Blase. Eine Lösung findet dieser Widerspruch jedoch, wenn wir überlegen, wie diese Blasen zustande- gekommen sind. Der Druck, den die Hand auf die Nadel ausübt, genügt, um das Gefäß zusammenzupressen. Bei der plötzlichen Aufhebung Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegnng in den QefäBpflanzen. 103 des Druckes springt die Membran infolge ihrer Elastizität annähernd in die alte Lage zurück; es bildet sich dabei im Innern des ge- spannten Wasserfadens ein Vakuum, das sich sofort mit Wasserdampf sättigt. — Die Wassermenge, die dem Volumen der Blase entspricht, wird durch den senkrechten Druck der Lanzettennadel wahrscheinlich nach beiden Seiten hinweggeschoben. Dadurch wird die Zug- spannung des Wasserfadens, die trotz ihrer Größe auf einer nur minimalen Dehnung des Wassers beruht, durch die Wasser- anreicherung zu beiden Seiten der Druckstelle für diese Zeit auf- gehoben. Die Blase wird nun von einem zylindrischen Wasser- mantel umgeben, der beim Wiedereinsetzen der Zugspannung infolge seiner großen Kohäsion ein Zerreißen des Fadens an dieser ge- schwächten Stelle unmöglich macht. Wir können uns daher den Wasserfaden für die Einwirkung der Zugspannung als unversehrt denken. — Der kapillare Druck, der auf die beiden halbkugeligen Kuppen wirkt, bringt die Blase zum Schließen. Die Kontraktion der Blase ist nur dann nicht mehr möglich, wenn in der Blase dem kapillaren Druck entgegen eine zweite gleichgroße Kraft wirkt (Gas). Es wird sich aber auch hier nicht um ein Zerreißen des Fadens, sondern nur um eine dem Gasdruck entsprechende Ver- größerung der Blase handeln ; denn die adhärierende Wasserschicht wird unabhängig davon, wie weit sich die Blasenkuppen voneinander entfernen, erhalten bleiben. Die Größenordnung der hierbei wirkenden Kraft und Gegenkraft ergibt folgende Berechnung. Die Formel für den kapillaren Druck leitet sich von der Ober- flächenspannung her und wird von W. Ostwald (20. S. 518) fol- gendermaßen angegeben: p = — ^, worin p der kapillare Druck, g die Oberflächen- spannung des Wassers mit 77 Dynen auf cm/qu und r der Radius der Kugel ist. Ich wähle als Beispiel eine Blase mit dem Durchmesser 30 fi = 0,003 cm. Setze ich die Zahlen in die Formel ein, so erhalte ich: p = —151-^1) — l^- ^- 100 000 Dynen/qcm. ^ 0,0015 ^ 0,0001 ^ ^ 1000000 Dynen sind — 1 Atmosphäre — 1 kg auf qcm, 100000 „ „ 100 g —' — Atmosphäre. 1) '-' bedeutet: ungefähr. 104 Hans Robert Bode, Der Druck, mit dem die Blase zusammengepreßt wird, ist ~ 1^ ^'■°- In der Annahme, diese Blase sei mit Luft gefüllt, würde der Gasdruck auf 1 qcm = 1 Atm. sein. Der kapillare Druck bleibt aber, da ja nur die halbkugeligen Kuppen in Betracht kommen, unabhängig von der Länge der Blase konstant auf Vio Atm. Wenn dem Gasdruck von einer Atmosphäre auf 1 qcm nur ein kapillarer Druck von Vio Atm. auf den qcm gegenübersteht, wird das Gas sein Volumen so weit vergrößern, bis sein Druck mit dem kapillaren Druck im Gleichgewicht') ist (auf das 10 fache). Da sich die Blasen aber schließen, ist mit dem Vorhandensein von Luft in ihnen nicht zu rechnen. Der durch Diffusion des im Gefäß- wasser gelösten Gases in der Blase entstandene Druck muß jeden- falls unter Vio Atm. liegen. Der Dampfdruck in der Blase wirkt dem kapillaren Druck erst dann entgegen, wenn er dessen Größe, in unserm Beispiel Vio Atm., übertrifft. Dieser Fall tritt bei einer Temperatur von 45° C ein. Experimentell wurde die hierfür kritische Temperatur durch lokale Erhitzung der Beobachtungsstelle zu ermitteln versucht. Die Erwärmung geschah mit einem kleinen Graphitheizkörper, der durch Starkstrom erhitzt wurde. Eine grobe Schätzung der ab- sorbierten Wärme ermöglichte ein Thermometer, dessen Queck- silberkugel mit einem Blatt der Versuchspflanze umwickelt war und sich in derselben Entfernung wie der Stengel vom Heizkörper befand. So ergab sie eine Temperatur von 42" C. Ein Größerwerden trat nicht in allen Fällen ein, die Blasen in den weitesten Gefäßen dehnten sich ihres geringeren Kapillardrucks wegen sehr schnell aus. Sobald der Stengel sich wieder abkühlte, verkleinerten sich die Blasen und verschwanden. Bei der Erwärmung trat an den Paren- chymzellen meistens der Wärmetot ein, was an der blaugrünen Verfärbung des Objektes zu erkennen war. Es ist aber sicher, daß die gefundenen Gasblasen (Straß - burger, Scheit, Kostecki) ihren Ursprung einzig und allein in der ungeeigneten Behandlung des Objektes haben. 1) Das langsame Verschwinden der Blasen in turgeszenten Sprossen kann liierauf Kurttckgeführt werden. Beiträge zur Dynainik iler Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 106 Abschnitt III. Die Zugspannungen in den Gefäßen. In dem zweiten Abschnitt dieser Arbeit habe ich durch Ver- suche nachgewiesen, daß kontinuierliche Wasserfäden auch bei der ungünstigsten Wasserversorgung in der Pflanze vorhanden sind. Diese wassererfüllten Leitungsbahnen endigen im Blatt. Ist nun im Parenchym durch ein Sättigungsdefizit der Turgor gesenkt, so wird die osmotische Saugkraft der Zelle dem Gefäßwasser gegen- über aktionsfähig. Das Wasser der Leitungsbahn muß sich, sofern eine gemeinsame Wand vorhanden ist, mit der osmotischen Kraft ins Gleichgewicht zu setzen suchen. — Die Blattsaugung hat aber außer dem Wurzelwiderstand noch einen bedeutenden Filtrations- widerstand in der Sproßachse zu überwinden. Die Wasserfäden werden also infolge ihrer Kohäsion unter Spannung stehen, die der Turgorsenkung der freiwerdenden Saugenergie entsprechen. Diese theoretische Erkenntnis ist zuerst von Pfeffer (18, S. 196) und später mit weiteren Ausführungen von Renner vertreten worden. Renner erstrebte durch langjährige Potometerversuche (21 — 34) eine quantitative Bestimmung dieser Saugkräfte. Er stieß dabei auf das in der neueren Literatur viel besprochene Phänomen des „Rückstoßes" (21, S. 236). Ein Zweig, dessen untere Schnitt- fläche vollkommen mit Fett verschlossen ist, saugt durch die Längs- wände des darüber gelegenen entrindeten Holzkörpers aus einem Potometer. Die erschwerte Wasseraufnahme bringt zusammen mit starker Transpiration den Zweig zum Welken. Beim Abschneiden des Gipfels fand Renner nun stets ein augenblickliches Zurück- weichen des Meniskus in der Meßkapillare. Renner glaubt, das dahin erklären zu müssen, daß durch die Zugspannungen ein Zu- sammenschrumpfen der Gefäßlumina eingetreten ist. Durch das Abscheiden des Gipfels wird nun ein Teil der Spannung plötzlich aufgehoben; eine Ausdehnung der deformierten Zellmembran ver- ursacht das Zurückschnellen des Meniskus. — Von den Gegnern der Kohäsionstheorie ist diese Erscheinung auf ein Schrumpfen lebender Zellen zurückgeführt worden. Das Experiment soll nun im folgenden darüber Aufschluß geben, ob wir diese Zunahme des Gesamtdurchmessers lebenden oder toten Zellen zuzuschreiben haben. Eine Klarstellung der Ergebnisse aus den Arbeiten von Friedrichs (3) und Kraus (12), die eine Volumveränderung am 106 Hans Robert Bode, lebenden Baume festgestellt hatten, dürfte hierdurch auch ermög- licht sein. Zu diesem Zweck wurde mikroskopisch die Schrumpfung und Ausdehnung gemessen: A. des ganzen Durchmessers (Rennerscher Rückstoß), B. des einzelnen Gefäßes; im Anschluß hieran soll kurz in C. die Brauchbarkeit der quantitativen Meßmethoden be- sprochen werden. A. Die mikroskopische Messung des ,, Rückstoßes". Die folgenden Versuche wurden in den Monaten Mai bis Sep- tember 1921 ausgeführt. Hierbei kam es darauf an, festzustellen, ob bei dem Ausschalten der Blattsaugung durch das Abschneiden des beblätterten Gipfels eine meßbare Zunahme des Zweigdurchmessers vor sich geht. Ferner mußte dann die Ursache dieser Zunahme ermittelt werden. Ich gehe jetzt auf die Versuchsanordnung ein. Es ist eine Grundbedingung für die exakte mikroskopische Messung, daß eine Verschiebung des Objektes nach irgend einer Seite hin während der Versuchsdauer nicht möglich ist. Ein schweres eisernes Stativ wurde mit seiner Fußplatte durch eine starke Schraubzwinge auf einem Tisch befestigt. Zwei vom Stativ ausgehende Klemmen hielten den Versuchszweig in vertikaler Lage fest. Das unterste 6 cm lange Stück des Zweiges tauchte in ein mit Wasser gefülltes Meßgefäß ein, wofür sich folgende Aus- führung bewährte. Ein planparalleles Metallkästchen aus starkem Messingblech hatte auf seiner Vor- und Rückwand ein Spiegel- glasfenster. Der kleine Apparat war 10 cm lang, 4 cm breit und 10 cm hoch. Der aufgelötete Deckel besaß in der Mitte über dem Beobachtungsfenster eine Öffnung für den Zweig, links und rechts davon je eine Bohrung für den Potometeranschluß und ein Thermometer. Die äußere Wandung war mit Ausnahme des Fensters mit einem Filzmantel umgeben. Temperaturschwankungen des Wassers im Innern des Apparates wurden hierdurch vermieden. Die Durchleuchtung geschah durch eine hinter dem Gefäß stehende 100 K- Mikroskopierlampe. Zur Messung diente ein Zeißsches Meßmikroskop, dessen horizontale Verschiebung an einer Meß- trommel abgelesen werden konnte. Hierbei entsprach dem Intervall Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 107 zweier Teilstriche eine Seitenverschiebung von 10 ,u. Eine Schätzung war noch bis auf weniger als 5 ,u möglich. Die optische Aus- rüstung des Meßmikroskops bestand aus einem Kompensations- okular 18 und dem Objektiv a3 (3 / 18). Das Okular besaß an Stelle eines Fadenkreuzes ein Mikrometer. Als Potometer fand eine mit Skala versehene Kapillare Verwendung, die durch ein Ver- bindungsstück in den Meßapparat mündete. Die Versuchsobjekte waren gut gewachsene, voll beblätterte Zweige von Si/ringa vulgaris und später auch von Lycium halimi- folium. Der Vorteil des Flieders anderen Objekten gegenüber besteht in der leichten Ablösbarkeit und dem innen massiven Holz- körper. Der Zweig wurde am Abend vor dem Versuch unter Wasser am Strauch abgeschnitten und blieb über Nacht im La- boratorium stehen. Am Morgen wurde er um einige cm gekürzt und dann 2 cm oberhalb vom unteren Ende mit einem Ringelschnitt von 5 mm Breite versehen. Während dieses Vorganges wurde ein Trockenwerden des entrindeten Ringes, der ja nach der hierauf folgenden Ver- stopfung der Sproßbasis mit einem Gemisch aus Wachs und Kakao- butter die gesamte Wasseraufnahme übernimmt, durch Berieseln mit AVasser verhindert. — Das so vorbereitete Objekt wurde in die mittlere Öffnung des vollständig mit Wasser gefüllten Meß- apparates eingeführt und durch einen vor der Behandlung auf- gestreiften Gummistopfen abgedichtet. Flüssig gemachtes Fett ver- vollkommnete den luftdichten Abschluß. Das durch das Einsetzen des Zweigendes überschüssig gewordene Wasser entwich durch die Potometerkapillare. Sodann wurde der obere Teil des Sprosses in die Stativklemme gespannt und die Einstellung des Mikroskopes vorgenommen. Die Anfangsmessung geschah so schnell wie möglich nach dem Einsetzen. Dabei wurde auf die sich stark abhebenden Konturen der äußeren Holzelemente des Ringes der einen Seite eingestellt, sodann durch Kurbeldrehung das Mikroskop so weit verschoben, daß sich das Fadenkreuz mit der Gegenkante deckte. — Die Tabelle 1 zeigt 5 Einzelversuche und den hieraus berechneten Mittelwert. Bei der weiteren Schilderung des Versuchsganges wird deshalb gleichzeitig die Bedeutung der einzelnen Rubriken in dieser Tabelle erklärt werden. Bei der Wetterangabe bedeutet h ;= heiter, b = bewölkt. Ein wagerechter Strich zeigt das Zurückweichen, ein senkrechter ein Stehenbleiben des Potometermeniskus an. Ein 108 Hans Robert Bode, Vergleichen der Durchmesserzunahme mit dem zurückgedrängten Wasservolumen in der Kapillare war bei der Größe des Meß- apparates und der damit verbundenen Fehler nicht möglich. Die Anfangsmessung ist mit A eingetragen. — Nach 1 Stunde fand die zweite Ablesung statt (Tabelle 1, Messung 1). Hierbei wurde schon der Beginn einer Schrumpfung festgestellt. Bald darauf konnte man auch am Zweig die ersten Anzeichen des Welkens erkennen. Dies wählte ich zum Zeitpunkt der nächsten Ablesung (Messung 3). Eine Stunde später erfolgte dann die letzte Messung am intakten Sproß (Messung 4). Unmittelbar danach wurde der Gipfel dicht oberhalb der Klemmen mit einer scharfen Garten - scheere abgeschnitten und der Durchmesser des Stumpfes wieder gemessen. Tabelle 1. R. V. Nr. Messung A Messung 1 Messung 3 Messung 4 Messung 5' nach 4 Wetter 5 7 8 9 10 5 740 6 525 4 470 5 530 6 100 5 730 6 515 4 455 5 520 6 100 5 720 6 515 4 455 5 510 6 090 5 720 6 510 4 455 5 505 6 090 5 740 6 525 4 475 5 525 6 105 b h h h h Summe 28 375 28 320 28 290 28 280 28 370 Durchschnitt 5 675 5 664 5 658 5 656 5 674 — 19 + 18 Tabelle 2. E.V. Nr. Messung A Messung 1 Messung 3 Messung 4 Messung 5' nach 4 Wetter Poto- meter 11 12 13 15 16 7 370 4 870 6 610 6 150 8 175 7 367 4 860 6 600 6 140 8 163 7 360 4 850 6 590 6 130 8 165 7 360 4 850 6 590 6 130 8 165 7 390 4 860 6 600 6 145 8 181 h h h h b ! Summe 33 175 33 130 33 095 33 095 33 176 Durchschnitt 6 635 6 626 6 619 6 619 6 635 — 16 + 16 Das Resultat dieser Messung war stets eine Zunahme des Durchmessers. Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 109 Unter 32 Versuchen habe ich nur an dreien eine wesentliche Schwellung nicht beobachten können. Technisch verunglückte Ver- suche sind hierbei nicht berücksichtigt worden. Die graphische Darstellung des Ergebnisses (Fig. 1) führt uns den Verlauf des VT f 2 3 ier5kala5\ \ f— - ■■■ 1 / , / u 4 75 78 79 5 84 82 88 6 54 60 64 7 73 75 76 8 106 108 110 9 123 124 128 10 94 96 99 Summe 796 818 847 Durch- schnitt 79,6 81,8 84,7 + 5,1 b. <• Std Versuch Nr. in H,0 in 10 7o KNO« in HjO 73,5 74 74 74 74 74 74 74 74 Fig. .H. Die Durchmesseränderung des einzelnen Gefäßes (Tab. 3 a). Eine Lamelle mit unversehrten Gefäßen wurde aus dem Stengel herausgeschnitten und die Ver- dickungsleiste eines Gefäßes in H2O gemessen, dann in 10 Vo KNOs-Lösung gelegt und bei voll- kommener Plasmolyse des Paren- chyms wieder eine Messung gemacht. Hierauf wurde das Objekt wieder in Wasser überführt. Das Gefäß zeigte bei allen Ab- lesungen keine wesentliche Veränderung des Lumens (Tabelle 3 b). Eine Saugung mit der Wasserstrahlpumpe ergab bei beiden Objekten ebenfalls keine Veränderung des Gefäßes. 4 5 1 57 57 57 57 57,5 57 Summe 333,5 334 334,5 Durch- schnitt 66,7 66,8 66,9 Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 113 Aus den Versuchen scheint mir hervorzugehen, daß die be- obachtete Veränderung des Gefäßlumens auf dem Vorhandensein einer Kohäsionsspannung beruhen muß. Wie nun dieses Schrumpfen eigentlich vor sich geht, ist noch nicht erwiesen. Eine Entziehung des Quellungswassers dieser verholzten Leisten dürfte wohl als Er- klärung nicht in Frage kommen. C. Die Brauchbarkeit der quantitativen Meßmethoden. Bei den quantitativen Messungen handelt es sich im allge- meinen darum, die Saugleistung eines Zweiges mit einer bekannten Größe (Leistung einer Wasserstrahlpumpe) zu vergleichen. Die Abweichungen, die die Methoden von Renner (21, 22) und Nord- hausen (15, 16) voneinander zeigen, sollen hier kurz skizziert werden. 1. Methode Renner: Ein belaubter Zweig saugte aus einem Potometer. Nun wurde durch Anbringen von Klemmen und Kerben der Filtrationswiderstand im Zweig künstlich erhöht. Angenommen der Zweig saugte aus dem Potometer gegen diesen Widerstand die Menge A. (Hierauf wurde der Zweig oberhalb der Klemmen dekapitiert.) Der Zvveigstumpf saugte jetzt allein und nahm die Menge B auf. Die Wasseraufnahme stieg nun durch das Anschließen einer Wasserstrahlpumpe (68 cm Hg) am oberen Ende bis zur Größe C an. Das Vergleichen der „Pumpensaugung" und der „Blattsaugung" geschah nun derart, daß die „Stumpfsaugung" B, um. die Nach- saugung lebender oder deformierter Zellen zu eliminieren, von C abgezogen wurde und die Differenz der beiden Größen als „reine Pumpensaugung" zu A den Vergleichswert lieferte. Man kann aber diese Größen nicht einfach voneinander ab- ziehen, da zwar die lebenden und deformierten Zeilen ihre Saug- tätigkeit bei der Einwirkung der Pumpe fortsetzen werden, die Saugkraft der Pumpe aber erst dann in der Saugleistung erkenn- bar sein wird, wenn sie größer als die Stumpfsaugung ist. Es wäre also der kleinere Fehler in der Berechnung: Die Nachsaugung der Zellen mit in Kauf zu nehmen und die ganze aufgenommene Menge C als Pumpenleistung anzusehen, sobald die Pumpe die Stumpfsaugung übertrifft. 2. Methode Nordhausen: Hier ist der Widerstand aus dem Zweig heraus verlegt worden, um so die bekannte Größe (Pumpe) Jahrb. f. wiss. Botanik. LXII. ^^ 114 E.a,na Robert Bode, und die Saugkraft der Blätter unter möglichst gleichen Bedingungen arbeiten zu lassen. Als Widerstand diente ein kleiner Tonzylinder, der auf dem Potoraeter befestigt war. Die Filtrationsgeschwindig- keit war bei einer bestimmten Pumpensaugung konstant. Die Schnittfläche wurde durch eine dünne Schicht Ton mit dem Wider- stand verbunden und nach außen hin luftdicht verschlossen. Nord- hausen vergleicht also direkt die „Pumpensaugung" und die an der „Schnittfläche wirksame Zweigsaugung". Die Werte, die nach dieser Methode gefunden wurden, betrugen mehrere Atmosphären negativen Drucks. Die Annahme einer hinreichenden Wasserver- sorgung der Pflanze durch diese Kräfte hält Nordhausen nicht für möglich und sieht in den lebenden Stammzellen einen aktiven Faktor für die Wasserbewegung. Worin die Tätigkeit dieser Zellen besteht, führt er aber nicht aus. Daß ich in den lebenden Stammzellen einen Regulationsapparat sehe, habe ich schon im Abschnitt II B ausgeführt. Die Nordhausen sehen Versuche sind nun derart wiederholt worden, daß sie sowohl an Zweigen mit lebender als auch abge- töteter Schnittfläche ausgeführt wurden. Das Zweigende wurde 15 cm weit am Abend vor dem Versuch abgekocht. Die Zweige waren am nächsten Morgen vollkommen frisch, so daß ich also annehmen durfte, daß durch die abgekochte Zone ein genügender Wassernachschub erfolgte. aj Mit lebender Schnittfläche: I.Versuch vom 13. IV. 21, 4 Uhr nachmittags. Kleines Südzimmer, bewölkt, Ton- widerstand 30 X 6 mm, Objekt: Syringa^). P -j- W = 8,9; Zweig nach dem Einsetzen: n der 1.' 2.' 3.' 4.' 5.' 6.' 7.' 8.' 9.' 10.' 11. 12.' 11, 10, 11, 12, 12, 12, 12, 12, 11, 13, 12, 12; n der 35.' 36.' 37.' 38.' 39.' 40.' 14, 12, 13, 14, 13, 13. P umgerechnet auf 76 cm Hg = 9,6. Es ist also Z : P = 13 : 9,6 = 1,4 : 1 ; Z = 1,4 Atm. 2. Versuch vom 16. IV. 21, 11 Uhr vormittags. Kleines Südzimmer, bewölkt, Ton- widerstand 40 X 5i5 nmii Objekt: Syringa. P-}-W = 5,6 in einer Minute; Zweig nach dem Einsetzen: in der 1.' 2.' 19.' 20.' 35.' 10, 10; 12, 12; 12 konstant. P umgerechnet auf 76 cm Hg = 6. Es ist also P:Z = 6:12 = 1:2;Z = 2 Atm. 1) Es bedeutet: W = Tonwiderstand, P = Pumpensaugung und Z =^ Blalt- saugung. Die Zahlen sind Millimeter der Skala pro 1 Minute. Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. HS 3. Versuch am 18. IV. 21, 11 Uhr vormittags. Kleines Südzimmer, Sonne, Ton- widerstand 40 X 5>5 mm, Objekt: Syringa. P -f- W = 5,6 in der Minute; Zweig nach dem Aufsetzen: in der 1.' 3.' 4.' 7.' 8.' 10.' 14.' 17.' 21.' 29.' 10. 10,5, 10,3, 11, 12,1: in der 4;j.' 45.' 11,8. P umgerechnet auf 76 cm Hg = ti. Es ist also Z:P = 12:6; Z = 2 Atm. b) Mit abgetöteter Schnittfläche: 4. Versuch vom 15. IX. 21. Kleines Südzimmer, Sonne, Tonwiderstand 30 X 6 mm, Objekt: Syringa. (In den folgenden fünf Versuchen ist da« untere Zweigende, wie vorhin besprochen, 15 cm weit abgekocht.) P -|- W = 8,9 in der Minute; Zweig nach dem Einsetzen: in der 1.' 2.' 3.' und folgenden je 3 Minuten: 7,3; 7,8; 8,8; 9; 9,3; 10; 10,1; 9,83; 10; 10; 10,33; 10,33; 10,5; 10,33; 10,33 konstant. P umgerechnet auf 76 cm = 9,6. Es ist also Z:P = 10,3:9,6; Z = 1,07 Atm. 5. Versuch vom 16. IX. 21. Kleines Südzimmer, Sonne, Tonwiderstand 30 X 6 mm. Objekt: Syringa. P-|-W = 8,9 in der Minute; Zweig nach dem Einsetzen: in Intervallen von 3 Minuten in der Minute: 4,83; 6,16; 6,83; 7,33; 8; 8,33; 9; 9,6; 10,16; 11,33; 12,66; 13; 14,6; 14,5; 15,33; 15,66; 16,33; 16,55; 15,33; 14,66; 15; 15; 15 konstant. P umgerechnet auf 76 cm Hg = 9,6. Es ist also P:Z = 9,6 : 16,3 = 1 : 1,7 ; Z =^ 1,7 Atm. 6. Versuch vom 3. X. 21. Kleines Südzimmer, leicht bewölkt, TonwiderstanU 25 X 5,5 mm; Objekt: Lycium halimifolitim. P -f- W = 13,5 in der Minute; Zweig nach dem Einsetzen: in Intervallen von 3 Minuten in der Minute: 17,33; 16,66; 16,33; 14,75; 15; 13,8; 13,3; 13; 12,66; 12,88; 12,5; 12,33; 14; 13,5. P auf 76 cm Hg umgerechnet = 14,4. Es ist also P:Z = 14,4:17,33; Z = 1,2 Atm. 7. Versuch vom 6. X. 21. Kleines Südzimmer, Sonne, Tonwiderstand 80 X 6 mm: Objekt: Lycium halimifolium. P-|-W = 8,9 in der Minute; Zweig nach dem Einsetzen: 111 Intervallen von 3 Minuten in der Minute: 9; 9,16; 9,66; 10; 10,5; 10,5; 10,5; 10,83; 11,83; 11,33; 11,38; 11,33; 11,83; 12; 11,83; 12; 12,5; 12,5: 13; 10,7. P umgerechnet auf 76 cm Hg = 9,6. Es ist also P : Z = 9,6 : 13; Z = 1,3 Atm. 8* 116 Hans Robert Bode, 8. Versuch vom 7. X. 21. Kleines Südzimmer, Sonne, Tonmderstand 30 X 6 mm; Objekt: Lycium halimifolium. V -{- W ^= 8,9 in der Minute; Zweig saugt nach dem Aufsetzen: in Intervallen von 3 Minuten in der Minute: 10,06; 13,33; 14,33; 14,66; 15,66; 16,66; 17,0; 17,33; 16,66; 16,66; 16,33; 16,63; 15,63; 16,33; 16,50. P umgerechnet auf 76 cm Hg = 9,6. Es ist also P : Z = 9,6 : 17,3; Z := 1,8 Atm. Als Resultat dieser Versuche ist festzustellen, daß ein Unter- schied in dem Verhalten des lebenden und toten Materials nicht zu konstatieren ist. Oder sollten die lebenden Stammzellen über der abgetöteten Zone diese Saugkräfte erzeugt haben? Ich möchte an Hand von Versuchen (c) noch einiges zur Methode selbst sagen. Es folgen drei Versuche. c) 9. Versuch vom 31. V. 21. Kleines Südzimmer, Sonne, Tonwiderstand 25 X 5,5 mm; Objekt: Syringa. P-f-W = 23 in der Minute; Zweig nach dem Aufsetzen: in Intervallen von 3 Minuten in der Minute: 7,6; 8,3; 8,6; 9,3; 9,3. P umgerechiiet auf 76 cm Hg = 25. Es ist also P : Z = 25 : 9,3, dann ist Z ^ 0,36 Atm. Hierauf wird der Gipfel abgeschnitten und P an den Stumpf (von 30 cm Länge) geschaltet. Stumpf saugt in den auf das Abschneiden folgenden Minuten 7, 7, 7, 7, 7 ; 2 84h: p_j_sti) in der Minute (Intervall 3 Minuten) 7, 7, 7; 3^^: St allein 6,63. 6,63, 7; 3"h: p _[- st 7, 7, 7; S^h; st allein 7, 7, 7. 10. Versuch vom 18. VI. 21, 10'° vormittags. Sonne, Tonwiderstand 25 X 5,5 mm; Objekt: Taxus baceata. P -|- W = 23 in der Minute; Zweig nach dem Aufsetzen: Intervall wieder 3 Minuten: 10,3; 10,66; 12; 12; 12,33; 12; 12: 11,8. P umgerechnet auf 76 cm Hg = 25. Es ist also P : Z = 25 : 12,3; Z = 0,5 Atm. Der Zweig wurde dekapitiert; der 30 cm lange Stumpf saugte allein (Ablesungs- intervall 3 Minuten) in der Minute: ll»8h: 9^25, 9, 8,5, 8,75; P + St ll*'li: 7,25, 7,25, 6,75. 11. Versuch vom 21. VI. 21, lO^^^'i vormittags. Kleines Südzimmer, Sonne, Ton- widerstand 25 X 5,5 mm; Objekt: Lycium halimifolium. P -|- W ^= 16,4 in der Minute; Zweig nach dem Aufsetzen: in Intervallen von 3 Minuten in der Minute: 9,33; 10; 9,85; nach 25': 8,6. P umgerechnet auf 76 cm Hg =; 17,4. Es ist also P : Z = 17,4 : 10; Z = 0,6 Atm. Der Zweig wird abgeschnitten. Stumpf 40 cm lang, saugt allein St 3*-*': 7, 7, 6, 6,8; P + St 3": 6, 6, 6, 5,6; St allein 3": 5,2, 5, 5, 5,1, 4, 4; P + St 4"h: 4,1, 4, 4, 4, 4; St wieder allein 4"h: 3 §5, 3,80, 3,82. 4"^» wird der Stumpf hal- biert, Va St saugt dann: 8, 10,5; P + Va St 5'^: 9,33, 9,33, 8,33, 5, 4, 8, 4, 3,5; VaSt 5"h: 3,3; P + Vj St 5»»!»: 4^5, 4^3, 5, 4,8«). 1) Die Abkürzung St bedeutet Stumpf saugung. 2) P -)- St bedeutet die Pumpensaugung am Stumpf. Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 117 Die Saugkraft eines Zweiges (Versuch 11) ist nach dieser Methode mit 0,6 Atm. (45,6 cm Hg) berechnet worden. Dekapi- tiere ich nun den Zweig und lasse an dem Stumpf 70 cm Hg wirken, so mußte die Pumpe durch den Stumpf mehr aufnehmen als der beblätterte Zweig. Tatsächlich ist sie überhaupt erst fühl- bar, wenn die Spannungen im Zweig sich einigermaßen ausgeglichen haben. Sie übertrifft während dieser Zeit nicht einmal die Stumpf- saugung. Der Grund hierfür dürfte wohl folgender sein: Die Pumpe hat nur den konstant bleibenden Tonwiderstand zu überwinden, der beblätterte Gipfel aber den Filtrationswiderstand seiner Zweig- länge. Hierzu kommen noch, und das halte ich für das wichtigste Moment, künstlich durch die Versuchsanordnung geschaffene Wider- stände, wie Blasenbildung durch das Abschneiden, Störungen im Aufsetzen u. a. m. (Besonders deutlich tritt das bei der Stumpf- saugung des Versuchs 11 zutage; nach dem Halbieren saugt der Stumpf plötzHch durch dieselbe Schnittfläche eine viel größere Menge, kurz darauf wird dann auch die Pumpensaugung fühlbar, die aber nur der Hälfte der Zweigsaugung entspricht.) Die Widerstandsbildungen in der Ansatzzone am Tonzylinder lassen sich nicht kontrollieren, und folglich können wir über das Zahlenmäßige der tatsächlichen Zugspannung im Zweig nichts aus- sagen. Qualitativ zeigen diese Versuche, daß hohe Zugspannungen wirklich vorhanden sind; sie liefern somit einen weiteren Beitrag zur Kohäsionstheorie. Abschnitt IV. Der Filtrationswiderstand in Abhängigkeit von der Druckdifferenz. Da die Angaben in der Literatur über diese Frage sehr spär- hch sind, habe ich zwei Versuchsreihen angestellt, deren Ziel es war, die Abhängigkeit des Filtrationswiderstandes klar zu stellen: 1. im Sproß, 2. an der Wurzel. Zu 1. Ein Zweig von Gingko biloba wurde im Oktober im Freien abgeschnitten und im Laboratorium unter Wasser noch- mals gekürzt, sodann einen Tag stehen gelassen. Dann wurde der 30 cm lange, unbeblätterte Zweig auf ein Potometer gesetzt und am oberen Ende ein Kautschukschlauch angeschlossen, der mit einer als Vakuumreservoir dienenden 15-Literflasche in Verbindung 118 Hans Robert Bode, stand. Der Druck in der Flasche wurde durch eine Wasserstrahl- pumpe um eine bestimmte Menge vermindert und blieb während der Versuchsdauer auf einige Millimeter konstant. Hierauf wurde die in einer Zeitdauer von dem Zweig bei verschiedenen Drucken aufgenommene Menge an der Potometerskala abgelesen und ver- glichen. Die Drucke, die so hergestellt wurden, waren: 19, 38, 57 cm Hg. Die geförderten Mengen verhalten sich dabei annähernd wie 1:2:3. Die genauen Zahlen sind in Tabelle 4 angegeben (vgl. auch Fig. 4). 19 38 57 cm Hg 8,8 18,0 24,6 cm Skala 1 : 2,04 : 2,8 — 57 38 19 cm Hg 25,0 16,8 7,7 cm Skala 3,2 : 2,2 : 1 Bei diesen Druckunterschieden herrscht also vollkommene Proportionalität. Zu 2 (an der Wurzel). Für die zweite Frage liegt schon eine Angabe von Jost vor, der für den Filtrationswiderstand in der Wurzel keine Proportio- nalität konstatieren konnte. Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 119 Ich schildere jetzt die Ergebnisse einer Serie von 10 Versuchen, die mit 3 Monate alten, in Töpfen kultivierten rhaseolus -Füanzeü im Mai 1922 angestellt wurden. 60cm Hg Fig. 5. Die Proportionalität zwischen Druckdifferenz und Filtrationswiderstand. Fig. 4 im Sproß (Tab. 4). — Fig. 5 in der "Wurzel (Tab. f>). Die bei einer bestimmten Tabelle h. Saugkraft und einer konstanten Zeitdauer vom Stumpf abge- gebene Flüssigkeitsmenge wurde durch Wägung bestimmt und mit der einer anderen Saug- größe verglichen. Der Druck wurde, wie bei den vorigen Ver- suchen durch Vakuumreservoir konstant gehalten. Ein Thermo- stat, in dem der durch einen Zink- blechzylinder gegen Verdun- stung geschützte Topf stand, ver- hinderte einen störenden Einfluß von Temperaturschwankungen in der Topferde. Die Tempe- ratur betrug konstant 15** C. Um den durch die Blutungs- menge verursachten Fehler zu beseitigen, wurde vor und nach jedem Versuch die Blutungsmenge bestimmt und das aus beiden Ablesungen berechnete arithmetische Mittel von der durch die Pumpe beförderten Menge abgezogen. Versuch Saugung 30 Hg cm Saugung 60 Hg cm Blu- tung Nr. mg mg mg 1 40 80 6,2 2 50 80 6,2 3 , 60 90 5,0 4 35 90 4,6 5 60 95 4,6 6 40 90 3,0 7 35 75 4,0 8 50 95 3,0 9 30 60 0 10 65 120 0 Durchschnitt 46,5 87,5 3,66 — Blntnng — 3,66 — 3,66 — 42,84 83,84 — 1 : 1,95 120 Hans Robert Bode, Die Drucke, mit denen ich arbeitete, waren 30 und 60 cm Hg. Die hierdurch geförderte Flüssigkeitsmenge des Seriendurchschnitts ver- hält sich wie 1 : 1,95. "Wir haben also auch hier eine vollkommen proportionale Abhängigkeit von der Druckdifferenz (die genauen Daten s. Ta- belle 5; graphisch dargestellt in Fig. 5). Dieses Resultat gilt natürlich für einen wassergesättigten Boden; darüber, ob im Freiland unter ungünstigeren Wasserverhältnissen für die Pflanze diese Proportionalität sich erhält, ist freilich hiermit nicht erwiesen. Abschnitt V. Die Abhängigkeit des Wurzelwiderstandes von der Temperatur. Der Prozeß der Wasseraufnahme durch die lebende Wurzel ist wie alle Vorgänge, bei denen das Protoplasma aktiv beteiligt ist, von der Temperatur abhängig. Das Welkwerden von PHanzen an warmen Vorfrühlingstagen, wenn die Erde noch stark abgekühlt ist, ist schon früh beobachtet worden. Diese Erscheinung ist aber erst von Sachs (26, S. 123) auf die Erniedrigung der Boden- temperatur zurückgeführt worden. Sachs erbrachte durch seine Versuche mit Kürbis und Tabakpflanzen den ersten experimen- tellen qualitativen Nachweis hierfür. Bei einer Abkühlung der Erde auf -\- 2^ G sah er die Pflanzen welken, eine Erwärmung beseitigte diesen Zustand wieder. Die Differenz zwischen der Wasseraufnahme durch die Wurzeln und der Abgabe durch die Transpiration ist hier also so groß, daß Welken eintritt. Kosaroff (10) hat dann später die Wasseraufnahme durch die Pflanze unter niedrigen Temperaturen, sogar unter dem Gefrierpunkt, im Potometer ge- messen. Durchschnittlich zeigte eine Versuchspflanze bei einer Senkung der Wassertemperatur von 19*^ auf 0*^ C einen Rückgang der Wasseraufnahme auf Vi des Anfangswertes (bei 19 ** C). Ein Bild von der Veränderung des Wurzelwiderstandes ist durch diese Versuche nicht gegeben worden. Denn es ist daraus nicht zu entnehmen: 1. die Transpirationsgröße unter beiden Aufnahmebedingungen, 2. die Größe der Saugkräfte, die diese Aufnahme bedingt haben. Daher ist es notwendig zu wissen, in welcher Weise sich die Wasserabgabe an die oberirdischen Teile der Pflanze durch eine Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 121 Variierung der Bodentemperatur ändert. Die Feststellung kann dadurch erfolgen, daß eine Wasserstrahlpumpe mit einer konstanten Kraft an der Wurzel einer kurz über dem Erdboden dekapitierten Pflanze saugt. Die Flüssigkeitsmenge, die die konstante Kraft der Pumpe in einer bestimmten Zeit dem Stumpf bei verschiedenen Temperaturen entreißen kann, wird gemessen. Ein Vergleichen der bei den einzelnen Temperaturen abgegebenen Flüssigkeitsmenge läßt die jeweilige Veränderung des Wurzelwiderstandes erkennen. Eine volumetrische Messung der Abscheidung ist durch das Aus- treten von Gasblasen aus dem Stumpf erschwert. Denn in einem Auffangegefäß mit weitem Lumen ist der Niveauunterschied des Plüssigkeitsspiegels innerhalb eines Meßintervalls zu gering, bei engerem Lumen verhindert die Blasenbildung eine genaue Ab- lesung. In den folgenden Versuchen mit Helianthus ist die Messung daher durch Wägung erfolgt. Die Sonnenblumen waren Ende Juli in Töpfen im Freien ausgesät. Die Versuche begannen im Oktober, sämtliche Versuchsobjekte waren gut entwickelt und ungefähr 1 m hoch. Die Versuchsanordnung mußte folgende zwei Gesichtspunkte berücksichtigen : 1. Der Gewichtsverlust des Topfes durfte nur der tatsächlich von der Pumpe geförderten Flüssigkeitsmenge entsprechen. 2. Die Bodentemperatur mußte während eines Meßintervalls konstant gehalten werden. Die Pflanzen wurden am Abend vor dem Versuch in das Labo- ratorium gebracht, begossen und dann 5 cm über der Erde de- kapitiert. Am Morgen wurde das oberste Stück des leicht bluten- den Stumpfes mit dem Rasiermesser entfernt, hierauf ein eng anschließender, 8 cm langer Gummischlauch über den ganzen Stumpf gezogen und mit einer Drahtschlinge nur so weit festgezogen, daß eine Quetschung der Gefäße nicht zu erwarten war. Ein seitliches Eindringen von Luft war hierdurch verhindert. Das so vorbereitete Material kam in einen Zinkblechzylinder. Der Boden war fest aufgelötet, der Deckel dagegen abnehmbar und mit zwei Öffnungen versehen. Eine davon in der Mitte des Deckels ließ den obersten Teil der Schlauchverbindung des Stumpfes heraustreten. Durch das zweite, seitlich davon angebrachte Loch wurde ein Steck- thermometer in den Topf eingeführt. Eine Beschädigung der Wurzel beim Einsetzen des Thermometers wurde dadurch vermieden, daß beim Aussäen ein Stock in die Erde des Topfes gesteckt wurde. 122 Hans Robert Bode, Vor dem Versuch vertauschte ich dann die beiden. Die Öffnungen wurden mit Watte verdichtet. Ein Gewichtsverlust durch Ver- dunstung war also ausgeschlossen. Schwankungen der Boden- temperatur während der Saugung verhinderte ein Thermostat, in dem der Topf vom Blechzyhnder umschlossen stand. Zwischen der Doppelwand des Thermostaten befand sich Wasser. Seine Außen- wandung bekleidete ein Filzmantel. Den Deckel bildete eine 1 cm dicke Filzplatte, die wiederum mit den entsprechenden Ausschnitten versehen war. In die Leitung der Wasserstrahlpumpe war eine 15-Literflasche als Vakuumreservoir eingeschaltet, von der eine mit Hähnen versehene Zuleitung zum Thermostaten führte. Diese Zu- leitung passierte von der Flasche kommend ein Quecksilbermano- meter, dann eine kleine Flasche zum Auffangen der abgesaugten Flüssigkeit, und endete mit einem Vakuum schlauch im Ansatz des Stumpfes. Der Gang des Versuches nach der Vorbehandlung war folgender- maßen : Die geringe Flüssigkeitsmenge im Schlauch über der Stumpf- oberfläche wird mit Fließpapier entfernt. Der Topf mitsamt dem Thermometer in seinem Blechzylinder wird auf die Wage gebracht, gewogen, sofort nach der Wägung in den Thermostaten gestellt und die Zuleitung zur Flasche angeschlossen, die Saugung am Manometer dann auf 56 cm Hg, also ungefähr ^U Atm. ein- gestellt. Bei Vorversuchen wurde festgestellt, daß die Saugung in einer halben Stunde der Hälfte der in einer Stunde geförderten Menge entsprach. Deshalb ist bei allen Versuchen eine Saugdauer von 30 Minuten eingehalten worden. Nach einer halben Stunde wurde die Pumpenzuleitung abgenommen und der Topf wieder ge- wogen. Zuvor war die Schlauchhöhle über der Stumpfoberfläche wieder abgetupft worden. Der zweite Wägungswert wurde nun von dem ersten abgezogen, und der so ermittelte Gewichtsverlust zeigte die abgegebene Flüssigkeitsmenge an. Die Temperatur im Topf und Thermostaten wurde nun durch Begießen oder Nachfüllen mit ent- sprechend temperiertem Wasser nach oben oder unten verändert. Nach einem weiteren Meßintervall wurde wieder zur Anfangs- temperatur zurückgegangen und so der zuerst gefundene Wert über- prüft. Der Unterschied zwischen beiden war nur gering. In Ta- belle 6 sind die Resultate von 18 Versuchen mit mindestens fünf Messungen für jede angegebene Temperatur zusammengestellt. Den Mittelwert aus den Versuchen in graphischer Form zeigt die Fig. 6. Ich komme zur Besprechung dieser Kurve. Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. Tabelle G. 123 Versuch Nr. 10°C 120C mg mg 14» C mg 18»C mg 20« C mg 24» C mg 30" C mg 185 200 80 190 350 2 320 125 175 275 4 5 110 6 140 385 90 135 75 < 120 130 200 230 9 130 10 30 60 110 170 190 110 35 120 170 125 12 60 110 140 14 130 320 85 15 70 90 140 205 90 16 80 80 80 17 140 125 130 18 70 120 19 170 170 250 140 20 70 160 Summe . . 355 370 1755 860 1560 1410 1580 Durchschnitt 51 74 117 143 156 201 316 Die Temperaturen zwischen 1° und 10° C zeigen keine wesent- liche Veränderung der abgegebenen Menge. Dagegen ist ein ruck- artiges Nachlassen des Widerstandes zwischen 10 und 14" C zu beobachten. Der weitere Anstieg der Kurve geht bis ungefähr 124 Hans Kobert Bode, 36 ° C in logarithmischer Form vor sich. Durch längere Einwir- kung dieser letztgenannten Temperatur tritt anscheinend schon eine Störung in den lebenden Zellen auf, der Filtrationswiderstand ver- ringert sich weiter, die Wurzeln sterben ab. Das sprunghafte Steigen der abgegebenen Flüssigkeitsmenge bei einer Erhöhung von 10 auf 14^ C wurde durch die dreifache Zahl von Messungen bei dieser Temperatur sichergestellt. Es liegt nahe, dieses Verhalten auf das aktive Einsetzen der lebenden Zellen bei Temperaturen über 10*^ C zurückzuführen. Daß es sich hierbei m^röOO z&o Fig. 6. Kurve der Abnahme des Wurzelwiderstandes mit steigender Temperatur bei Helianthus annuus (s. auch Tab. 6). nicht so sehr um die aktive Pumptätigkeit, sondern um eine sprung- hafte Durchlässigkeitsänderung der Plasmahaut handelt, zeigt der Verlauf der gestrichelt gezeichneten Blutungskurve (Fig. 6). — Die Blutungsmessungen sind an gleichalten Pflanzen gemacht worden, und eine Saugung an ihnen ergab gleichlautende Resultate, wie sie bei dem sonst verwendeten Versuchsmaterial gefunden wurden. — Rysselberghe (26) fand, wenn auch mit einer ganz anderen Methode, diesen Sprung der Permeabilitätsänderung für Sambucus bei ungefähr 12° C. Es ist leicht möglich, daß er für verschiedene Spezies bei verschiedenen Temperaturen liegt. Beiträge ünr Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäßpflanzen. 125 Abschnitt VI. Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Direkte mikroskopische Beobachtungen bewurzelter Sprosse zeigen, daß die Kontinuität der Wasserfäden trotz der Spannung in allen Gefäßen einer erschlafften Pflanze auch unter den für die Wasserzufuhr ungünstigsten Bedingungen erhalten bleibt. Die Ein- wirkung des vollen Sonnenlichts bei einer gleichzeitigen Schatten- temperatur von 34*^ C ändert an diesem Zustand nichts. 2. Das Vorhandensein einer Kohäsionsspannung unter den be- obachteten Umständen wird durch eine Erscheinung beim Verletzen der Gefäße unter Quecksilber erwiesen: Quecksilber wird direkt an die Wasserfäden anschließend von diesen in die Gefäße hinein- gerissen. 3. Es wird vom physikalischen Standpunkt aus klargelegt, daß für das in dem Gefäßwasser gelöste Gas keine Möglichkeit vor- handen ist, sich in Blasenform innerhalb der Leitungsbahnen aus- zuscheiden. 4. Durch Versuche wird gezeigt, daß das von älteren Autoren gefundene Auftreten von Blasen in den Gefäßen ausschließhch auf eine ungeeignete Methodik zurückzuführen ist. 5. Daß der von Renner am Potometer beobachtete Rückstoß tatsächlich, wie Renner vermutet hat, auf einer Ausdehnung des geschrumpften Holzkörpers beruht, wird durch mikroskopische Messungen sowohl am lebenden als auch am getöteten Material beobachtet. 6. Der Durchmesser des einzelnen Gefäßes krautiger Pflanzen zeigt bei starker Transpiration und ungenügender Wasserzufuhr eine meßbare Verringerung, die nur durch die Kohäsionsspannung in den stets intakt gefundenen Wasserfäden zu erklären ist. 7. Gegen die Ansicht Nordhausens, daß die von ihm ge- fundenen hohen Saugkräfte an abgeschnittenen Zweigen nur unter der Mitwirkung lebender Stammzellen denkbar sind, sprechen den seinen analoge Versuche an partiell abgetötetem Material. 8. Sowohl in der Wurzel, als auch im Sproß zeigt der Fil- trationswiderstand eine vollkommene Proportionalität mit der Druck- differenz. 9. Bei Helianthus annuus wurde bei Temperaturen von 14 bis 30" C eine stetige Verringerung des Wurzel Widerstandes beobachtet. 126 Hans Robert Bode, Dagegen weist der Widerstand zwischen 10 und 14" C eine sprung- hafte Abnahme auf, die in der Aktivität der lebenden "Wurzelzellen ihre Ursache haben dürfte. Am Schlüsse meiner Arbeit möchte ich meinem Lehrer Herrn Prof. Dr. 0. Renner für die rege Anteilnahme und die zahlreichen Anregungen danken, durch die er meine Untersuchungen unterstützt hat. Für die freundliche Beratung in physikalischen Fragen bin ich dem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Zeißwerke Herrn Dr. M. Herschkowitsch zu Dank verpflichtet. Herrn Direktor Höppener verdanke ich die liebenswürdige Überlassung einiger optischer Instrumente. Jena, Botanisches Institut. Pfingsten 1922. Zitierte Literatur. 1. A. J. Ewart, The ascent of water in trees. Phil. Transact. Roy. Soc. London, Ser. B, Vol. 198, p. 41, 1905. 2. , 1. c, Vol. 199, p. 341, 1908. 3. Friedrich, Über den Einfluß der Witterung auf den Baamzuwachs. Zentralbl. f. d. ges. Forstwesen, 23. Jahrg., S. 471, 1897. 4. Freundlich, Kapillarchemie. Leipzig. 1909. 5. Haies, Statik der Gewächse. Halle. 1748. 6. Holle, Hans, Untersuchungen über Welken, Vertrocknen und Wiederstraffwerden. Flora, Bd. 108, S. 73, 1915. 7. V. Höhnel, Franz, Über den negativen Druck der Qefäßlnft. Diss. Wien 187«. 8. Jost, L., Pflanzenphysiologie. 1913. 9. , Zeitschrift f. Botanik, Heft I, 1916. 10. Kosaroff, Einfluß verschiedener äußerer Faktoren auf die Wasserbewegung in der Pflanze. Diss. Leipzig. 1897. 11. Kostecki, E., Verteilung von Gasblasen des Holzes von Fagus silvatica und Picea excelsa. Diss. Freiburg i. S. 1910. 12. Krauß, Gregor, Die tägliche Quellungsperiode der Pflanzen. Abhandl. d. Hat. Ges. Halle, Bd. XV, 1881. 13. Landolf-Börnstein, Physikalisch-chemische Tabellen. Berlin. 1905. 14. Meyer, Jul. , Zur Kenntnis des negativen Druckes in Flüssigkeiten. Zeitschr. f. Elektrochem. 17, 1911. 15. Nordhausen, M., Über die Saugkraft transpirierender Sprosse. Ber. d. dtsch. Bot. Ges. 34, 1916. 16. — — , Zur Kenntnis der Saugkraft und der Wasserversorgung transpirierender Sprosse. Jahrb. f. wiss. Bot. 58, S. 295, 1917. 17. — — , Weitere Beiträge zum Saftsteigeproblem. .Jahrb. f. wiss. Bot. 60, S. 907, 1921. Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegnng in den Gefäßpflanzen. 127 18. Pfeffer, Studien zur Energetik der Pflanze. Abhandl. d. sächs. Ges. d. Wiss., Leipzig, Bd. 18, S. 260, 1892. Itt. — Physiologie I. S. 195, 1897. 20. Ostwald, Wilb., Allgemeine* Chemie. 1917. 21. Renner, 0., Experimentelle Beiträge zur Kenntnis der Wasserbewegung. Flora, Bd. 103, S. 171, 1911. 22. — — , Versnebe zur Mechanik der Wasserbewegung. Der Druck in den Leitungs- bahnen von Freilandpflanzen. Ber. d. dtsch. bot. Ges., Bd. 30, S. 576, 1912. 2.S. — — , Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 56, 1915. 24. — — , Versuche zur Mechanik der Wasserversorgung. Ber. d, iltsch. Bot. Ges., Bd. 36, S. 172, 1918. 25. Kysselberghe, Rec. de l'inst. bot. de Bruxelles. VI, 1901. 26. Sachs, J., Physiologische Mitteilungen verschiedenen Inhaltes. Bot. Ztg., S. 123, 1860. 2 7. Scheit, Die Wasserbewegung im Holze. Bot. Ztg. 12/13, 1884. 28. Straßburger, E., Bei- und Verrichtung der Leitungsbahnen in der Pflanze. Jena. 1891. 29. Ursprung, A., Filtration und Hebungskraft. Ber. d. dtsch. Bot. Ges., Bd. 33, S. 112, 1913. 30. — — . Über die Bedeutung der Kohäsion für das Saftsteigen. 1913. Physiologisch -ökologische Untersuchungen über die Dürreresistenz der Xerophyten. Von N. A. Maximow, Die morphologischen und physiologischen Besonderheiten der Pflanzen trockener Standorte interessieren seit langem ebenso wie die Landwirte, die darin den Schlüssel zur Zucht dürreresistenter Sorten der Kulturpflanzen suchen, auch die Botaniker vom Fach, besonders solche, die sich mit Pflanzengeographie und Ökologie beschäftigen. Nach der einstimmigen Meinung der Fachleute muß das Wasser als der hauptsächlichste, die Physiognomie der Pflanzen einer Gegend bestimmende Faktor angesehen werden. Demnach sind auch Hydro-, Meso- und Xerophyten die wichtigsten öko- logischen Typen der Pflanzenwelt, d. h. einerseits Wasser- und Halb- wasserpflanzen, andererseits Wüsten- und Steppenpflanzen, und zwischen ihnen die Mittelgruppe der Mesophyten mit ziemlich un- bestimmten Eigenschaften und Grenzen. Unsere Kulturpflanzen gehören fast alle dieser Mittelgruppe der Mesophyten an, und nur einige von ihnen, die am meisten trockenresistenten, können zu den Xerophyten gerechnet werden. Welche sind nun die Besonderheiten, die den Xerophyten die trockenen und heißen Gegenden zu besiedeln erlauben, wo die Mesophyten des mäßig feuchten Klimas aus Wassermangel unver- meidlich zugrunde gehen? Die Antwort auf diese Frage suchte man seit langem in äußeren, ins Auge fallenden morphologischen und anatomischen Merkmalen dieser Pflanzen, wie Reduktion der Blattoberfläche, Ersatz der Blattspreiten durch Blattstiele oder sogar abgeflachte oder kantige Sprosse. Schutz der transpirierenden Fläche durch dicke Kutikula, Haare, Wachsüberzug usw. Daß die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf äußere Merkmale gerichtet wurde. Physiologisch • ökologische Untersuchungen über die Düneresistenz der Xerophyten. 129 war die natürliche Folge davon, daß die Forscher die Xerophyten- flora nur auf ihren längeren oder kürzeren Reisen in die Wüsten kennen lernten, aber keine Gelegenheiten hatten, ihre physiologischen Eigenschaften genauer zu studieren. Nur durch die Gründung botanischer Versuchsstationen und Laboratorien in den Steppen und Wüsten wurde das Studium der Xerophyten an ihren natür- lichen Standorten und ein tieferes Eindringen in die Eigentümlich- keiten ihrer Lebensweise ermöglicht. Die erste Stelle unter diesen Laboratorien gebührt dem botanischen "Wüstenlaboratorium des Carnegie Instituts in Tucson (Staat Arizona der Vereinigten Staaten Nordamerikas). Da auch für Rußland, seiner geographischen Lage zufolge, das Studium der dürreresistenten Pflanzen von großer Be- deutung ist, wurden auch dort Laboratorien solcher Art begründet; im Jahre 1913 wurde ich nach Tiflis berufen, um das pflanzen- physiologische Laboratorium beim dortigen botanischen Garten zu begründen, das die Aufgabe haben sollte, die physiologischen Eigen- schaften der Flora des Kaukasus zu erforschen. Während der ersten 6 Jahre bestand eine der wichtigsten Aufgaben dieses Labo- ratoriums unter meiner Leitung darin, auf das genaueste diejenigen physiologischen Eigentümlichkeiten der Xeropbyten zu erforschen, die ihre hervorragende Dürreresistenz bedingen können. Obgleich die Untersuchungen noch nicht gänzlich abgeschlossen sind (sie werden nach meiner Abreise von meinem Mitarbeiter im Tifliser Laboratorium, jetzt dessen Vorsteher, W. G. Alexandrov in der- selben Richtung weitergeführt), so erlauben sie doch, die auf un- genaue Vorstellungen gegründeten Ansichten über die Wasserbilanz der Xerophyten bedeutend zu ändern. Li der folgenden Mitteilung sind die wichtigsten bisherigen Ergebnisse unserer Untersuchungen zusammengestellt. Schon die oberflächlichste Bekanntschaft mit der Xerophyten- flora solcher Halbwüsten, wie die schon am Anfang des Sommers austrocknende Umgebung von Tiflis, berechtigt zu dem Schluß, daß die Mehrzahl der einheimischen Xerophyten, die ohne Schaden die Sommerdürre aushalten können, sich gar nicht so sehr in ihrem Habitus und ihrer Struktur von denjenigen Mesophyten unterscheiden, die zusammen mit ihnen während des regenreichen Frühjahrs sich entwickeln, später aber unter den sengenden Strahlen der Sonne zugrunde gehen. Ein einfacher Versuch lehrt uns auch, daß von einem besonders großen Schutz der Xerophyten gegen Wasser- abgabe keine Rede sein kann: es genügt an einem heißen Tage, Jaht'o. f. wisB. Botanik. LXII. ^ 130 N. A. Maximow, den Sproß eines solchen Xerophyten, wie z. B. des bekannten Peganwn harmala, zu pflücken, um ihn schon in den Händen des Beobachters welken zu sehen, noch ehe es gelingt, ihn ins Labo- ratorium zu bringen. Ahnliche Beobachtungen an den Xerophyten Obt-Javas hatten Kammerling (1) zur Überzeugung gebracht, daß solche Pflanzen, die in den trockensten Gegenden einheimisch sind, nach dem Abschneiden aber schnell welken, aus der Zahl der „echten" Xerophyten gestrichen und zu den Pseudo-Xerophyten gerechnet werden müssen, ein Vorschlag, der gewiß nicht ange- nommen werden kann, aber dafür bezeichnend ist, wie tief bei den Botanikern der Gedanke sich eingebürgert hat, daß die Xerophyten sich durchaus durch eine sehr geringe Transpiration auszeichnen müssen. Beobachtungen solcher Art, wie auch die Angaben der Züchter, daß die dürreresistenten Kulturpflanzen durch keine besonders starke Entwicklung des Haarkleides, der Wachsüberzüge und anderer äußeren Schutzmittel gegen "Wasserabgabe sich auszeichnen, ver- anlaßten mich schon zu Beginn der Arbeiten des Pflanzen physio- logischen Laboratoriums in Titlis, die Transpiration der Pflanzen von xero- und mesophytem Typus vergleichend zu untersuchen. Die Bedingungen dafür waren besonders günstig, da das Labo- ratorium von den Xerophyten der trockenen Abhänge des bota- nischen Gaitens unmittelbar umgeben ist, und daneben die schat- tigen, künstlich bewässerten Teile des Gaitens eine genügende Auswahl ausgesprochener Mesophyten erlauben. Wir haben uns in erster Linie mit der Intensität der Tran- spiration, d. h. mit der Bestimmung des Wassergewichtes, das die Flächeneinheit einer Pflanze in der Zeiteinheit verliert, befaßt, da ja die Intensität der Transpiration als ein unmittelbares Maß für den Schutz der Oberfläche der Pflanze gegen Wasserverlust ange- sehen werden kann. Für die Versuche, die ich zusammen mit Frl. L. G. Badriev und Frl. W. A Simonov (2) angestellt habe, bedienten wir uns außer den wildwachsenden Xero und Mesophyten des Botanischen Gartens auch der in der kaukasischen Abteilung des Gartens kultivierten typischen Xerophyten Armeniens. Die wichtigsten Ergebnisse sind in Tabelle I zusammengestellt, worin die Intensität der Transpiration in Milligramm auf 1 qcm Blatt- oberfläche pro Stunde und auf ein und dasselbe Sättigungsdeßzit der Luft von 10 mm umgerechnet worden ist. Die Versuche wurden im Schatten mit abgeschnittenen und in Wasser gestellten Pflanzen durchgeführt. Physiologisch - ökologische Untersuchungen über die Dürreresistenz der Xerophyten. 131 Tabelle I. Intensität der Transpiration bei Xero- und Mesophyten. a) Mesophyten: Lamiuin album 3,G Viola odorata 4,0 Papaver strigosum 4,1 Vinca tnajor 4,5 Sonchus oleraceus 4,5 Cainpanida rapunculoides .... 4,8 b) Xerophyten: Sedum v^aximum 2,8 ZygophyUum Fabago 4,9 Verbascuni ovalifolium .... 8,8 Alcea ficifolia 9,8 Stachys Kotschyi 12,7 Cladochaeta candidissima 13,2 Falcaria Eivini 13,7 Wie aus der Tabelle ersichtlich, haben die Xero[)hyten eine weit höhere Intensität der Transpiration als die Schatten- Meso- phyten; nur das sukkulente Sedum maximum macht in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Sogar die stark behaarte Stachys- und CladocJiaeta-Art zeigt keine Tendenz zur Einschränkung der Tran- spiration. Diese hohe Intensität der Transpiration ist jedoch nicht ganz unerwartet: Schon ihrem Standorte nach sind die Xerophyten Sonnenpflanzen, und zahlreiche Versuche einer ganzen Reihe von Forschern, mit Gene au de Lamarliere (H) an der Spitze, bis zu den im Tifliser Laboratorium erhaltenen Versuchsresultaten von Frl. L. D. Frey (noch nicht veröflfentlicht) und Frl. L. N. Kocha- nowsky (4) haben zweifellos festgestellt, daß die in direktem Sonnenlichte aufgewachsenen Pflanzen eine viel höhere Transpirations- intensität besitzen als die, die sich im Schatten entwickelt haben. Als Beispiel will ich hier nur die Bestimmungen der Transpirations- intensität bei Helküithus annuus und Phaseolus vulgaris -F^anzen von L. D. Frey anführen, die in der Sonne und im Schatten in Töpfen aufgezogen waren und während des Versuches gleich be- leuchtet (mit Sonnenlicht) wurden. Tabelle II. Die mittleren Tageswerte der Transpirationsintensität bei Sonnen- und Schatten pflanzen. Schattenpflanzen: Sonnenpflanzen: Helianthus annuus — 8./VI. . 6,6 8,2 9./VI. lO./VI. Phaseolus vulgaris — 27./VI. 28./VL 7,6 8,0 5,5 5,3 8,7 9,6 9,1 8,2 Wenn also die Xerophyten ihre Transpiration einschränken, so geschieht das nur durch allgemeine Reduktion ihrer Blattober- 9* 132 N. A. Maxiniow, flächen, keinesfalls aber (eine Ausnahme bilden vielleicht die Suk- kulenten, die überhaupt einen besonderen physiologischen Typus darstellen) durch Herabsetzung der Transpirationsintensität auf die Flächeneinheit, und ein größerer Schutz ihrer Epidermis gegeii Wasserverluste spielt dabei keine Rolle. Im Einklänge mit dieser Schlußfolgerung stehen auch die bekannten anatomischen Befunde W. R. Zalenskys (5), der gezeigt hat, daß die Zahl der Spaltöff- nungen auf die Flächeneinheit bei stärker xerophytisch gebauten Pflanzen größer ist als bei weniger Xerophyten, und daß bei einer und derselben Pflanze die höher inserierten Blätter, die sich bei größerer Wasserabgabe und erschwerter Wasseraufnahme entwickelt hatten, viel mehr Spaltöffnungen besitzen als die niedriger am Stengel befestigten. Eine Bestätigung dieser Schlußfolgerung können wir auch in der im Tifliser Laboratorium durchgeführten und noch nicht veröffentlichten Untersuchung von W, G. Älexandrov finden, worin in sorgfältig ausgeführten Versuchen, mit Anwendung verschiedener Methoden zur Bestimmung der Transpiration, unzweifelhaft fest- gestellt worden ist, daß die Blätter höherer Insertionsstufen unter gleichen äußeren Bedingungen, auf die Flächeneinheit bezogen, be- trächtlich mehr Wasser verlieren als die Blätter der niedrigeren Insertionsstufen. Ich führe hier einen von seinen Versuchen an, den er in einer, anderen Fragen gewidmeten Abhandlung veröffent- licht hat (6J. Tabelle III. Die Transpiration der Helianthus-BX'itter. Insertionsstufe 10 18 24 Intensität der Transpiration . 1,89 2,45 3,39 Die Transpiration der Pflanzen ist eng verbunden mit der Kohlensäureassimilation. Dieser Zusammenhang besteht darin, daß die Kohlensäure in das Blatt durch dieselben Spaltöffnungen ein- tritt, durch die der Wasserdampf austritt. Daraus folgt, daß, wenn bei intensiver Assimilation die Spaltöffnungen weit geöffnet sind, die Pflanze viel Wasser verbrauchen muß, daß aber, wenn wegen Wassermangels die Spaltöffnungen sich schließen, auch die Assi- milation eingestellt wird. Eine Pflanze, die wegen äußerster Luft- oder Bodentrockenheit in einen Zustand fortwährenden Welkens gerät, hungert unveimeidlich und entwickelt sich langsam; hiermit vor allem erklärt sich die kümmerliche Entwicklung der Pflanzen auf trockenen Standorten oder in trockenen Jahren. Dieser Zu- Physiologisch -ökologische Untersuchungen über die Dürreresietenz der Xerophyten. 133 sammenhang zwischen Transpiration und Assimilation findet seinen quantitativen Ausdruck in dem (in der landwirtschaftlichen Lite- ratur schon seit langem angenommenen, oft aber ganz anders ge- faßten) Begriff des Transpirationskoeffizienten, d. h. dem Verhält- nisse zwischen dem Gewichte der in einer Vegetationsperiode pro- duzierten Trockensubstanz und der Menge des in derselben Periode transpirierten Wassers. Bei ziemlich gleichen äußeren Bedingungen ist die Größe des Transpirationskoeffizienten für eine jede Pflanze ziemlich konstant, variiert aber bedeutend für verschiedene Pflanzen, und deswegen kann auch seine Größe bis zu gewissem Grade an- zeigen, wie günstig für die Pflanze das Verhältnis zwischen seinen beiden Hauptprozessen, der Assimilation und der Transpiration, sich gestaltet hat. Auf Grund der Bestimmungen des Transpirationskoeffizienten bei den Getreidepflanzen, aber mehr noch auf Grund rein theo- retischer Betrachtungen hat sich bei den Agronomen schon seit langem die Ansicht fest eingebürgert, daß die Größe des Tian- spirationskoeffizienten unmittelbar auf den Grad der Dürreresistenz hinweisen muß: je niedriger der Koeffizient, d. h. je weniger Wasser bezogen auf die Gewichtseinheit der produzierten Trockensubstanz die Pflanze verbraucht hat, um so xerophiler ist sie und um so geeigneter für die Kultur in ausgeprägt trockenen Gegenden. Von demselben Standpunkt ausgehend haben die amerikanischen Forscher Briggs und Shantz (7, 8) in großem Maßstabe ausgeführte, um- fangreiche Bestimmungen des Transpirationskoeffizienten (Water- requirement) bei vielen Sorten und Arten von Kulturpflanzen und wildwachsenden Gewächsen vorgenommen. Die Resultate ihrer Arbeit haben aber ihre Erwartungen nicht gerechtfertigt und haben sich überhaupt als wenig klar erwiesen: wenn auch für die Getreide- pflanzen die früheren Beobachtungen bestätigt werden konnten, war doch für die anderen Pflanzen kein Zusammenhang zwischen Trocken- resistenz und Transpirationskoeffizienten festzustellen. Dieser negative Befund schien mir aber die Frage nicht ganz erschöpft zu haben, es schien mir also der Mühe wert, mich mit ihr näher zu befassen. Zu diesem Zwecke habe ich zusammen mit W. G. Alexandrov (9) im Laufe einiger Jahre die Wechsel- beziehungen zwischen Transpiration und Assimilation wie bei den Kulturpflanzen, so auch besonders bei wildwachsenden Xerophyten untersucht; jedoch hielten wir es für besser, für diese Wechsel- beziehung den Ausdruck „Produktivität der Transpiration", der von 134 ^"^^ ^- Maximow, Prof. L. Iwanov (lü) eingeführt wurde, zu verwenden. Wir ver- stehen darunter den reziproken "Wert des „Transpirationskoefti- zienten", d. h. die Menge (in Grammen) der während der Vege- tationszeit angehäuften Trockensubstanz der Pflanze, bezogen auf 1 kg des verbrauchten Wassers. So erhält man Zahlen, die an- schaulicher sind und mehr den Kern der Sache treffen. Ich bin außerstande, hier alle von uns erhaltenen Resultate anzuführen; Tabelle IV enthält nur die Zusammenfassung der wich- tigsten Ergebnisse. Tabelle IV. Produktivität der Transpiration nach den Versuchsergebnissen des Tifliser Pflanzenphysiologischen Laboratoriums. Versuche ^ran- Produktivität | Versuche .^ff."- Produktivität spirations- der , . ._ ,„,^_ spirat.ous- der des Jahres 1915 koeffizient Transpiration 741 1,35 705 1,42 Zygophyllum Fabago Artemisia scoparia . Medicago sativa . Cirsium acarna . Helianihus annuus ■ Gossypium herbaceiim (King.) . . . Trlticum vulgare Salsola kali Zea MoAjs (Bessarabka) 260 3,85 des Jahres 1916 koeffizient Transpiration Cladochaeta candidissima 878 1,14 Artemisia fasciculata . . 800 1,25 664 1,51 I Centaurea ovina . . . 767 1,30 574 1,74 ; Artemisia fragrans ■ 747 1,34 569 1,76 Euphorbia virgata . • 696 1,44 Phaseolus vulgaris 538 1,86 462 2,16 Helianthus annuus . . 481 2,08 435 2,30 I Amaranthus retroflexus . 345 2,90 273 3,66 I Xochia prostrata ... 331 3,02 Portulaca oleracea . . 308 3,25 Panicum italicum . . 302 3,31 Tabelle IV zeigt uns zuallererst, daß in ihrer oberen Hälfte, wo die Produktivität der Transpiration nicht größer ist als 1,5 g Trockensubstanz auf 1 1 verbrauchten Wassers (Transpirations- koeffizient nicht kleiner als 650), Pflanzen zusammengestellt sind, die sich alle als typische Xerophyten erweisen, wie die Arfemisia- Arten, Medicago sativa, die von Deckhaaren ganz graue Centaurea ovina, die weiße Cladochaeta caudidissima. Die Mitte der Tabelle nehmen mehr oder weniger mesophile Pflanzen ein, wie die Bohne, der Weizen, die Sonnenblume, mit der Produktivität der Tran- spiration zwischen 1,5— 2.5 g (Transpirationskoeffizient 650—400); und endlich am Ende der Tabelle finden wir wieder dürreresistente Pflanzen, wie die meistenteils einjährigen Salsola- und Ämaranfhus- Arten, und unter ihnen auch die Hirse und den Mais; die Pro- duktivität der Transpiration dieser Gruppe ist höher als 2,5 g (Koeffizient weniger als 400). Physiologisch - ökologische Untersuchungen über die Dürreresistenz der Xerophyten. 135 Vergleichen wir diese Resultate mit den Bestimmungen der Transpirationsintensität der Pflanzen verschiedener ökologischer Typen, so sehen wir, daß die am intensivsten das Wasser abgeben- den Pflanzen es am wenigsten produktiv verbrauchen: starker Wasserverbrauch deckt sich bei ihnen nicht mit entsprechender Erhöhung der Assimilation. Dabei ist zu bemerken, daß die meisten Xerophyten dieser Gruppe ein großes Wurzelsystem be- sitzen, das viele Male länger ist als die oberirdischen Teile; un- willkürlich bekommt man den Eindruck, als ob diese Pflanzen eine starke Saugpumpe nötig hätten, um das Wasser durch die stark entwickelten unterirdischen Teile zu befördern, und daß die stark transpirierenden Blätter als solche Saugpumpe funktionierten. Die das Wasser produktiver verbrauchenden Mesophyten zeichnen sich auch durch eine niedrigere Intensität der Transpiration aus, wie wir schon gesehen haben; und nur ein kleiner Teil infolge Einjährigkeit weniger typischer Xerophyten entspricht der auf Grund a priorer Betrachtungen gebildeten Vorstellung, daß die Xerophyten das Wasser produktiv verbrauchen müssen. Alle bis jetzt besprochenen Versuche waren bei einer und derselben Bodenfeuchtigkeit durchgeführt worden, die 60% der vollen Wasserkapazität des Bodens betrug; diesen Grad der Boden- feuchtigkeit werden wir weiterhin als „optimal" bezeichnen. Da das Wasser immer in genügender Menge vorhanden war, wäre es denkbar, daß die Xerophyten in unseren Versuchen ihren Wasser- verbrauch nicht ganz ökonomisch gestaltet hätten, daß also erst bei höherer Bodentrockenheit ihre spezifischen Eigenschaften deutlicher hervortreten würden. Um Zweifel solcher Art zu beseitigen, haben wir parallel mit der oben angeführten eine zweite Serie von Versuchen angestellt, worin die Bodenfeuchtigkeit immer nur 40 Vo der Wasser- kapazität betrug. Für die ziemlich schwere Tonerde, die wir zu unseren Versuchen gebrauchten, entsprach diese Verminderung des Wassergehaltes einer Verkleinerung der für die Pflanze zugänglichen Wassermenge um das Doppelte. Diesen Feuchtigkeitsgrad werde ich im weiteren als „minimal" bezeichnen, eine Bezeichnung, die um so mehr der Wirklichkeit entspricht, als in dem heiß-trockenen Klima von Tiflis die Pflanzen dieser Serie oft wirklich minimale Dimen- sionen zeigten. Das nächste Ziel dieser Versuchsserie war zu verfolgen, wie die Verminderung der Bodenfeuchtigkeit auf die Trockensubstanz bei Pflanzen verschiedener ökologischer Typen und auf die Pro- 136 N. A. Masimow, duktivität der Transpiration einwirkt. Antwort darauf gibt uns Tabelle V, in der die Größe der Ernte in Gramm und in relativen Zahlen (die Ernte bei optimaler Bodenfeuchtigkeit für 1.00 ange- nommen), sowie auch die relativen und absoluten Werte der Pro- duktivität der Transpiration angeführt sind. Tabelle V. Vergleichung der Erntegröße und der Produktivität der Transpiration bei Pflanzen, die bei verschiedener Bodenfeuchtigkeit aufgezogen wurden. Boden- feuchtig- keit Erntegewicht Produktivität der Transpiration absolut relativ absolut relativ - Brassica sinapistrmn . . f 60 1 40 21,72 5,87 1,00 0,21 1 1,15 1,24 1,00 1,08 Artemisia faseieulata . . . 1 60 1 40 30,16 16,74 1,00 0,56 1,25 1,05 ' 1,00 0,84 Centawrea solstitialis . . . f 60 l 40 67,48 32,32 1,00 0,48 1,34 1 1,44 1,00 1,07 Zygophyllum Fabago . 1 60 1 40 68,98 51,12 1,00 0,74 1,47 1,21 1,00 0,82 Phaseolus vulgaris .... ( 60 1 40 41,88 20,23 1,00 0,48 1,86 1,98 1,00 1,06 Helianthus annuus .... ( 60 i 40 120,05 52,0 1,00 0,43 2,13 2,01 1,00 0,94 Verbasmm ovalifolium . . 1 60 1 40 86,24 49,15 1,00 0,57 2,03 2,03 1,00 1,00 Atnplex hortensis .... 1 60 1 40 16,09 4,28 1,00 0,27 2,26 2,02 1,00 0,89 Datura Stramonium ■ ■ f 60 1 40 24,89 4,57 1,00 0,18 2,32 2,70 1,00 1,16 Amaranthus retrofiexus . . f 60 \ 40 96,52 75,51 1,00 0,78 2,90 3,50 1,00 1,23 Paniaim italicum .... 1 60 \ 40 121,30 85,31 1,00 0,70 3,31 3,66 1,00 1,11 Zea Mays 1 60 1 40 50,57 26,06 1,00 0,52 3,48 4,55 1,00 1,35 Vergleichung der Erntegrößen zeigt uns, daß in den meisten Fällen die Verminderung der der Pflanze zugänglichen Wasser- menge um das Doppelte auch eine ungefähr ebenso große Ver- kleinerung des Trockensubstanzgewichts zur Folge hat, wobei die Xerophyten keine besonderen Voi teile vor den Mesophyten zeigen. Daraus erhellt, daß die Xerophyten keine trockenheitlieb enden Physiologisch -ökologische üntersuchuugen über die Dürreiesistenz der Xerophyten. 137 Pflanzen sind: Überfluß des Wassers im Boden befördert ihr Wachstum, Wassermangel drückt es sichtbar herab. Wenn wir also diese Pflanzen in der Natur ausschließlich auf trockenen Stand- orten antreffen, so müssen wir dies hauptsächlich ihrem langsamen Wachstum und ihrem Bedürfnis nach Sonnenlicht zuschreiben; die schuellwachsenden Mesophyten unterdrücken die Xerophyten dort, wo nur für sie genug Wasser vorhanden ist. Was aber die Gruppe der schnellwachsenden Xerophyten betrifft, wie die Arten von PaniriDn, Salsohi Kali, A)iiar(i}ithus und andere annuelle Gewächse (bei denen wir schon die hohe Produktivität der Transpiration hervorheben konnten), so können diese auch in der Natur erfolg- reich mit den Mesophyten konkurrieren ; dank dieser Fähigkeit er- weisen sie sich oft als lästige Unkräuter. Was weiter die Produktivität der Transpiration betrifft, so zeigt uns Tabelle V, daß bei den meisten Pflanzen die Verminderung der Bodenfeuchtigkeit keine merkliche und bestimmte Veränderung dieser Größe hervorruft. Nur bei den schnellwachsenden, einjährigen xerophilen Pflanzen, die schon eine höhere Produktivität der Transpiration besitzen, erhöht sich die letztere unter dem Einfluß des Wassermangels; doch ist auch diese Erhöhung keine so be- bedeutende, daß man darauf irgendwelche Schlüsse basieren könnte. Wichtiger und interessanter als die Erforschung des Einflusses der Bodenfeuchtigkeit auf die Produktivität der Transpiration wäre das Studium des Einflusses der Luftfeuchtigkeit. Es ist schon längst in zahlreichen Arbeiten, von welchen ich nur diejenigen von Briggs und Shantz (8) und Tulaikov (11) erwähnen will, fest- gestellt worden, daß eine Erhöhung der Lufttrockenheit unvermeidlich eine Vergrößerung der Transpirationskoeffizienten, oder, was dasselbe ist, eine Verminderung der Produktivität der Transpiration zur Folge hat. Vom physiologischen Standpunkte aus ist dies ganz verständUch, da die Trockenheit der Luft die Diffusion des Wasser- dampfes aus den Spaltöffnungen beschleunigt, während der Eintritt der Kohlensäure in das Blatt keine Beschleunigung erfährt. Da aber die Transpiration namentlich dadurch sich von der Evaporation unterscheidet, daß die Pflanze einigermaßen ihre Wasserabgabe regulieren kann, so entsteht die Frage, ob wir nicht bei den Xerophyten die Fähigkeit finden werden, ihre Transpiration so ein- zuschränken, daß dadurch die Assimilation so wenig wie möglich vermindert wird, mit anderen Worten: ob wir nicht infolge Er- höhung der Lufttrockenheit bei den Xerophyten ein geringeres 138 N. A. Maximow, Fallen der Produktivität der Transpiration finden werden, als bei den Mesophyten zu bemerken ist. Bis jetzt gibt es keine bestimmte Antwort auf diese Frage, hauptsächlich vielleicht deshalb, weil wir einstweilen noch nicht imstande sind, in unseren Versuchen die Luftfeuchtigkeit so leicht und einfach zu regulieren, wie wir es mit der Bodenfeuchtigkeit tun können. Ein Versuch zur Lösung dieser Frage ist von W. G. Alexandrov (12) durchgeführt. Als er die Produktivität der Transpiration bei Pflanzen, die vom I.April bis zum 15. September zu verschiedenen Zeiten ausgesät worden waren, verglich, hatte er Gelegenheit, den Einfluß der zuerst ständig zunehmenden, später wieder allmählich abnehmenden Lufttrockenheit zu verfolgen. Wegen der geringen Zahl verfügbarer Vegetatioiisgefäße und der Dimen- sionen des Vegetationshäuschens im Tifliser Pflanzenphysiologischen Laboratorium mußte er sich leider auf zwei Pflanzenarten, Heliantlius annuiis und Atriplex hortensis, beschränken, von welchen er die letztere für dürresistenter hält als die erste. Bei diesen Versuchen hat sich herausgestellt, daß die Produktivität der Transpiration bei beiden Pflanzen in der Mitte des Sommers bedeutend fällt, im Herbst aber schnell wieder zunimmt. Der resistentere Atriplex zeigt diese Schwankungen in kleinerem Maße als die Sonnenrose; jedoch scheint es mir voreilig, allgemeine Schlüsse daraus zu ziehen. Ich führe hier eine kurze Übersicht über die Ergebnisse Alexandrovs an. Tabelle VI. Produktivität der Transpiration der zu verschiedenen Zeiten ausgesäten Pflanzen. Datum der Aussaat: l./IV. l./V. „ ,. ., f' absolut 3,5 2.9 Jaeka/nthus annuus ; l relativ 100 83 ,, . j , , [ absolut 4,0 3,0 Atnplex honensis ■ I relativ 100 75 Wenn sich aber auch herausstellen sollte, daß die Xerophyten ihre Transpiration besser regulieren können als die Mesophyten, so könnte man doch scbwerlich erwarten, daß zwischen diesen beiden Gruppen ein sehr scharfer Unterschied bestände. Daß es sich in Wirklichkeit so verhält, davon überzeugen uns die Unter- suchungen von Frau T. A. Krasnosselsky-Maximow (13) über die periodischen Tagesschwankungen des Wassergehaltes der Blätter )./VI. 14./VII. 16./Vin. 15 /IX. 1,7 1,5 2,5 3,2 49 43 72 95 2,2 2,3 2,9 3,8 55 58 73 95 Physiologisch •ökologische Untersuchungen über die üürreresistenz der Xerophyten. 139 verschiedener PHanzen. Sie haben gezeigt, daß sogar bei den extremen Xerophyten in den heißen Mittagsstunden der Sommer- tage eine ansehnliclie "Wasserverarmung eintritt, die zu völligem Welken führt. So konnte bei Zytjophij/Iinn Fahago ein Verlust von 25—2/% des in den Blättern enthaltenen Wassers festgestellt werden, bei Artcmisia fasciculata bis 28 %, bei Salsola Kali bis 22 Vo« Ebenso zeigten auch meine Untersuchungen über den Gang der Transpiration an hellen Tagen (14), daß die Transpiration der Xerophyten genau so gehorsam dem Gange der meteorologischen Faktoren folgt, wie diejenige der Mesophyten, daß also in dieser Hinsicht kein Unterschied zwischen ihnen bemerkt wird. Die Gesamtheit der Arbeiten des Tifliser Pflanzenphysiologischen Laboratoriums, die zur Ermittelung der physiologischen Eigentüm- lichkeiten der Xerophyten vorgenommen wurden, führt uns also zu der Schlußfolgerung, daß wir uns von der Vorstellung trennen müssen, die Xerophyten seien Pflanzen, die trotz "Wassermangels in der Luft und im Boden unbekümmert ihre Entwicklung fort- setzen können, weil sie von einer ganzen Reihe von Anpassungen (dicke Kutikula, Haare, "Wachsüberzug) vor zu großem Wasser- verlust sicher geschützt sind. Diese Anschauung trifft nur für Kakteen, Agaven, Aloe und andere sukkulente Pflanzen zu, kann aber gar nicht für unsere Steppen- und Halbwüstenxerophyten gelten, die keine großen Wasservorräte besitzen. Letztere Pflanzen verbrauchen das mit Mühe bezogene Wasser ziemlich wieder oder sogar sehr intensiv, sie verarmen sichtbar an Wasser in den Mittags- stunden; und das Verhältnis zwischen "Wasserverbrauch und Trocken- substanzgewinn erweist sich für sie als nicht besonders günstig. Wie die Beobachtungen in den trockenen Gegenden zeigen, stellen selbst die resistentesten Xerophyten ihr Wachstum während der Zeit der höchsten Hitze und Dürre ein, um es erst dann wieder aufzunehmen, wenn das herbstliche Sinken der Temperatur und die ersten Niederschläge die Möglichkeit dazu bieten. Ferner ent- wickeln sich alle diese Xerophyten weit besser bei eihöhter Boden- feuchtigkeit und können deshalb ganz und gar nicht als trocken- heitliebende Pflanzen bezeichnet werden, will man diese Bezeich- nung buchstäblich verstehen. Was unterscheidet sie gleichwohl von den Pflanzen des Meso- phytentypus? Darauf kann man kurz antworten: nicht Trockenheits- liebe, sondern Dürreresistenz. Alle Pflanzen, die starker Dürre ausgesetzt sind (mit Ausnahme vielleicht der Kakteen und einiger 140 N. A. Maximow, anderer Sukkulenten), verlieren einen ansehnlichen Teil des in ihnen enthaltenen Wassers, und mit ihm auch ihren Turgor, kurz gesagt, sie welken. Und wollen wir den Unterschied zwischen dürreresi- stenten und nicht resistenten Pflanzen begreifen, müssen wir uns näher mit dem Zustande des Welkens bekannt machen. Gewöhnlich ist man geneigt, das Welken als etwas für die Pflanze Schädliches und Verderbliches zu betrachten, als einen pathologischen Prozeß, dem die Pflanze jedenfalls vorzubeugen trachten muß. Diese Ansicht entspricht aber nicht ganz der Wirk- lichkeit. Das Welken ist eine natürHche und in ihren Folgen wohl- tätige Reaktion der Pflanze auf den Wassermangel in ihren transpirierenden Teilen. Das äußerliche Merkmal des Welkens, der Turgorverlust der Zellen hat eine wichtige Folge, nämlich den völligen Verschluß der Spaltöfi'nungen, wodurch der Wasserverlust vielerorts verringert und bei stark entwickelter Kutikula sogar ganz sistiert werden kann. Aber außer diesem nützlichen Effekt (der Verlangsamung des Wasserverlustes) kann das Welken bei genügender Dauer und In- tensität für die Pflanze auch schädliche Folgen haben. In seiner interessanten Untersuchung über das Welken unterscheidet Caldwell (15) zwei Fälle: vorübergehendes AVelkeu (temporary wilting) und dauerndes (permanent wilting). Das erste stellt sich in allen Fällen ein, wo zu schnelle Wasserabgabe von der Wasseraufnahme nicht eingeholt werden kann, und verschwindet von selbst ohne neue Bodenbefeuchtung, schon bei Beseitigung der Bedingungen, die die erhöhte Wasserabgabe hervorgerufen hatten, z. B. bei Eintritt des Abends oder trüben Wetters. Für die Pflanze vergeht es gewöhnlich ohne Schädigung und spurlos. Das zweite, dauernde Welken tritt ein, wenn im Boden das ganze für die Pflanze zugängliche Wasser verbraucht ist und jeder weitere, wenn auch sehr unbedeutende Wasserverlust der Pflanze von außen nicht mehr ersetzt werden kann. Dieses permanente Welken, das die ganze Pflanze von den Blättern bis zu den kleinsten Verzweigungen des Wurzelsystems umfaßt, läßt tiefe Spuren in der Pflanze zurück: die Wurzelhaare werden plasmolysiert und sterben ab; selbst völlige Durchfeuchtung des Bodens ist nicht imstande, sogleich die frühere Schnelligkeit der Wasseraufnahme wiederherzustellen; dazu müssen erst neue Wurzelhaare ausgebildet werden. Wenn aber solches permanente Welken zu lange andauert, also der Wassergehalt in den lebenden Zellen der Pflanze unter das für das Leben unentbehrliche Minimum Physiologisch -ökologische Untersuchungen iiher die Diinercsistenz der Xerophyten. 141 sinkt, dann beginnt der Untergang der Pflanze. In der welkenden Pflanze beginnt vor dem völligen Absterben der Kampf um das Wasser in den einzelnen Teilen: die oberen Blatter saugen für ge- wöhnlicb den unteren das Wasser ab und rufen hiermit deren Aus- trocknung oder ihr Abwerfen hervor. Einer ebensolchen austrock- nenden Wirkung von Seiten der transpirierenden Blätter können auch die wachsenden Sproßenden, die sich entfaltenden Blüten oder die reifenden Früchte ausgesetzt sein, was Wachstumsheramuug, taube Blüten oder unentwickeltes Korn zur Folge hat. Bedenken wir also, daß das Welken und zwar permanentes Welken für die Pflanzen trockner Standorte ein unvermeidlicher Zustand ist, so müssen wir bei ihnen nach Eigentümlichkeiten suchen, die ihnen dazu helfen, dieses Welken ohne schädUche Wirkungen oder mit dem minimalsten Schaden während einer langen Periode auszuhalten. Solche Eigentümlichkeiten können äußere morphologische oder anatomische und auch innere, physiologische sein. Ich bin geneigt, vor allem hierher den Reichtum der Xero- phyten an verholzten Elementen zu zählen, der ihnen die allgemeine bekannte „Rauhheit" verleiht und der den schädlichen mechanischen Folgen des Turgorverlustes vorbeugt, wodurch der Turgorverlust bei den Xerophyten bei oberflächhcher Bedeutung oft gar nicht bemerkbar ist. Ebenso müssen auch die Ausbildung einer ver- dickten Kutikula, eines Wachsüberzuges, vielleicht auch der Deck- haare, die, wie wir gesehen haben, keinen sichtbaren Einfluß auf die Herabsetzung der Transpirationsintensität bei Pflanzen mit offenen Spaltöffnungen haben, ohne Zweifel die Wasserabgabe durch die Kutikula einer welken Pflanze bedeutend herabsetzen und eben damit der Pflanze helfen, die anhaltende Dürre ohne zu starken Wasserverlust zu ei tragen. Wichtig ist auch die Wasserspeicherung in den oberirdischen oder in den unterirdischen Teilen der Pflanze (fleischige Wurzeln, Knollen, Zwiebeln, die so häufig bei den Xero- phyten vorkommen); diese Wasservorräte, zwischen welkenden Blättern und Wurzeln eingeschaltet, werden langsam und allmählich verbraucht, und schützen die zarten wasseraufnehmenden Teile des Wurzelsystems vor der Austrocknung. Jedoch sind nicht nur die äußeren Merkmale für die Xerophyten bezeichnend, mehr noch, nicht sie bedingen in erster Linie ihre Dürreresistenz. Die wichtigsten Faktoren der Dürreresistenz müssen wir in den inneren physiologischen Eigenschaften suchen. Eine von diesen Eigenschaften ist schon längst von Fitting (16) hervor- 142 N. A. Maximow, gehoben worden, später auch von Iljin (17, 18) und in den Ar- beiten des Tifliser pflanzenpliysiologischen Laboratoriums (19), dies ist der verhältnismäßig hohe osmotische Wert in den Zellen der Xerophyten. Er erlaubt es den welkenden Xerophyten, eine höhere Saugkraft zu entwickeln, und deshalb werden sie beim Eintreten der Dürre in dem Kampf ums Wasser die Oberhand über die Mesophyten behalten. Die hohe Konzentration des Zellsaftes er- leichtert außerdem den Xerophyten die Wasseraufnahme aus dem immer salzreichen Boden der trockenen Standorte und nähert sie einigermaßen den Halophyten. Schließhch kann, worauf ich schon im Jahre 1916 hingewiesen habe (20), bei den Xerophyten die hohe Konzentration des Zellsaftes mit der Anhäufung besonderer Schutzstoffe in ihren Zellen verknüpft sein, die das Plasma vor der schädigenden Wirkung der Dürre auf ähnliche Art schützen, wie das Anhäufen des Zuckers es vor der schädigenden Wirkung des Wasserentzuges während des Gefrierens schützt. Die letzte Deutung findet eine unerwartete Bestätigung in den neuesten Untersuchungen von W. R. Zalensky (21) über die physiologische Wirkung des Höhenrauches oder „trockenen Nebels" auf die Pflanzen. Der Einfluß des trockenen Nebels, wie es dies- bezügliche Versuche zeigten, ist auf die AVirkung hoher Temperatur in Vereinigung mit hoher Lufttrockenheit zurückzuführen. Die hohe Temperatur wirkt aber sehr eigenartig auf die Schließzellen der Spaltöffnungen ein: sie ruft nämlich in den Schließzellen Hydrolyse der Stärke hervor, erhöht dadurch ungeheuer den osmotischen Wert in diesen Zellen und führt infolgedessen zu weitem Offnen des Spaltes, sogar in solchen Fällen, wo die Spaltöffnungen infolge des Welkens der Blätter sich schon geschlossen hatten. Solches Offnen der Spaltöffnungen in trockener und heißer Luft führt selbst- verständlich sehr bald zu völligem Austrocknungstod, und der Schutz der Pflanze durch das Welken tritt vielleicht in keinem anderen Falle so deutlich hervor, wie gerade in solchen Versuchen mit gewaltsam geöffneten Spaltöffnungen. Weitere Versuche haben gezeigt, daß bei Pflanzen verschiedener ökologischer Typen das Offnen der Spaltöffnungen unter dem Ein- flüsse hoher Temperatur mit verschiedener Geschwindigkeit vor sich geht; bei den dürreresistenteren Pflanzen (wie bei dem Mais, der Hirse) ist dazu eine viel längere Zeit nötig, als bei weniger dürre- resistenten Pflanzen (wie dem Hafer, dem Buchweizen) : damit kann vielleicht die höhere Dürreresistenz der ersteren gegenüber den letzteren erklärt werden. Physiologisch -ökologische Untersuchungen über die Dürreresietenz der Xerophyten. 143 Ich will an dieser Stelle die Frage nach dem Verhalten der Pflanzen verschiedener ökologischer Typen gegenüher dem Welken nicht näher erörtern. Erst jetzt habe ich die Möglichkeit erhalten, diese Frage, die ich in Tiflis in den Jahren 1918/1919 angefangen hatte zu bearbeiten, im Laboratorium für experimentelle Moipho- logie und Ökologie im Petersburger botanischen Garten weiter zu verfolgen; ich hoffe, sie in einer späteren Abhandlung näher be- handeln zu können. Ich will nur ein wichtiges Ergebnis dieser Untersuchungen erwähnen, nämlich daß die dürreresistenten Arten m Gegensatz zu den typischen Mesopliytcn viel größere Schwan- kungen ihres Wassergehaltes, ohne zu welken, aufweisen und noch größere in turgorlosem Zustande ertragen. Solche Ergebnisse er- lauben mir, die feste Überzeugung auszusprechen, daß, wenn wir uns von der Vorstellung losgesagt haben, daß die Xerophyten trockeuheitliebende Pllanzen sind, die beinahe kein Wasser zu ihrer Entwicklung nötig haben, und wenn wir größere Aufmerksamkeit auf das Studium derselben im Zustande des Welkens richten werden, auf das Studium des Zustandes also, in dem sie einen beträchtlichen Teil ihres Lebens während der Trockenperiode zu verbringen gezwungen sind, daß wir alsdann schneller und richtiger zur Lösung des Problems der Dürreresistenz kommen werden, als auf der Suche nach den Anpassungen, die sogar bei reichlichem Wassergehalt des Bodens und der Luft ihre Wasserabgabe herab- setzen sollen. Petersburg, Botanischer Garten. August 1922. Zitierte Literatur. 1. Kamerling, Welche Pflanzen sollen wir Xerophyten nennen? Flora, N. F., Bd. 6, 1914. 2. N. A. Maximow, L. G. Badriev und W. A. 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Befruchtung und Embryoentwicklung . . .... 13 E. Bachmaun. Untersuchungen über den Wasserhaushalt einiger Felsenflecbten. Mit 4 Textfiguren 20 Abschnitt I. Methodisches 21 JJmhilicaria pustulata (L.) Hoffni 23 Gyrophora 31 Abschnitt II. Wasseraufnahnie und -abgäbe auf 1 g Trockensubstanz be- zogen bei Laub- und Krustenflechten 36 Kieselflecliten im Vergleich zur flechtenfreien Unterlage 42 Abschnitt III. Hypothallinische Anliängsel und andere Speicherorgane . 46 Abschnitt IV. Epinekralschicht und Pseudokutikula 55 Abschnitt V. Zusammenfassung 61 Reinhold Schaede. Über das Verhalten von Pflanzenzellen gegenüber Anilin- farb.stoffen. Mit 1 Textfigur 65 Abschnitt I. Basische Farbstoffe 74 Abschnitt II. Saure Farbstoffe 84 Abschnitt III. Zusammenfassung 86 Literatur 91 Hans Robert Bode. Beiträge zur Dynamik der Wasserbewegung in den Gefäß- pflanzen. Mit 6 Textfiguren 92 Abschnitt I. Problem und Aufgabe 92 Abschnitt II. Der Zustand des Gefäßinhaltes 93 A. Die Wasserfäden in den Leitungsbahnen 93 1. Im intakten Gefäß 93 2. Die Wasserfäden in mechanisch verletzten Gefäßen .... 98 B. Treten in den Gefäßen Gasblasen auf? 99 1. Das Gas in den Leitungsbahnen 99 2. Künstlich erzeugte Gasblasen in den Leitungsbahnen .... 101 II Inhalt Seite Abschnitt III. Die Zugspannungen in den Gefäßen 105 A. Die mikroskopische Messung des „Eückstoßes" 106 B. Die Schrumpfung am einzelnen Gefäß 111 C. Die Brauchbarkeit der quantitativen Meßmethoden 113 Abschnitt IV. Der Filtrationswiderstand in Abhängigkeit von der Druck- differenz 117 Abschnitt V. Die Abhängigkeit des Wurzelwiderstandes von der Temperatur 120 Abschnitt VI. Zusammenfassung der Ergebnisse 125 Zitierte Literatur . 126 N. A. Maxiinovv. Physiologisch -ökologische Untersuchungen über die Diirre- resistenz der Xerophyten 128 Zitierte Literatur 143 Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin W 35 TABULAE BOTANICAE unter Mitwirkung v. m A. .J. Blakesiee (fcltorrs, Oomi.i. \. < i uilliermond (Lyon.) rediKiei't vun Professor Dr. E. Baur ( Merlin) niul Professor Dv. E. Jahn rPf^rlini ?Jrf!r]i7cncii sind he reit s: iiivi I: Myxobacteriaceae. Entwicklung von Polyangium fuscum. :>ur nnavfgeiogen erhältlich. Die -vorstehenden Preisziffern sind die Grundzahlen, die durch Multiplikation mit der jeweils gültigen, vom deutschen Buchhandel festgesetzten Schlüssel- zahl — Anfang März 1923: 2000 - die Verkaufspreise ergeben. Schlüssel- zahl und Grundzahlen für gebundene Exemplare sind freibleibend. Für das Ausland tritt der vorgeschriebene Valutazuschlag hinzu. Ausführliche Verlagsverzeichnisse kostenfrei Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin W 35 Zeitschrift für technische Biologie. Neue Folge der Zeitsclirift für Gärungsphj^siologie unter Mitwirkung von hervorragenden Fachgenossen herausgegeben von Professor Dr. Paul L in dner- Berlin. Die Zeitsclirift erscheint in zwanglosen Heften, von denen etwa 4 einen Band bilden. Band 7— 9 Grundzahl je 20 Band 10 Heft 1/2 Grundzahl 10. Aus dem Inhalt der letzten Hefte: Hugo Haehn, Über die Möglichkeit der Fettsynthese durch Pilz- bezw. Hefeenzyme. — Arminius Bau, Über die technisch -biologische Bedeu- tung der Oestrideu, das verirrte Vorkommen ihrer Larven, sowie über Oestrus hominis, Hypodenna equi und alcis. — E. Titschack, Beiträge zu einer Monographie der Kleidermotte Tineola hiselliella Hum. Angewandte Botanik. Zeitschrift für Erfor schung der Nutzpflanzen. Organ der Vereinigung für an- gewandte Botanik, herausgegeben von Prof. Dr. P. Graebner, Prof. Dr. E. Gilg und Direktor Dr. K. Müller. Erscheint in reich illustrierten Heften, von denen 6 einen Band bilden. Band 1 — 4 Grundzahl je 12. Aas dem Inhalt der letzten Hefte: Dr. J. Kochs Beiträge zur Kenntnis der Zusammensetzung einiger Früchte. — Henrik Lundegärdh, Beiträge zur Kenntnis der theo- retischen und praktischen Grundlagen der Kohlensäuredüngung. — Dipl.-Ing. H. L. Werneck-Willingrain, Der Sortenbau auf pflanzen- geographischer . Grundlage. — C. Ferdinandsen, Über einen Angriff von Krebs (Fusarium Willkommii Lindau) an Apfel- und Birnfrüchten. Dr. Karl Snell, Die Unterscheidung und Bestimmung der Kartoffel- sorten. Ausführliche Ve rl ag s ve r z e I ch n i s se kostenfrei JAHEBtCHEE für wissenschaftliche Botanik Begründet von Professor Dr. N. Pringsheim herausgegeben H. Fitting, Professor an der Universität Bonn a. Rh. Zweiundsechzigster Band. Zweites Heft Leipzig Verlag von Gebrüder Borntraeger 1923 Alle Zuseiulungen für die Redaktion bittet man von j<^tzt ab zu ricliten an Herrn Proressor Dr. Hans Fitting in Bonn a. Rh., Poppeis- dorfer Schloß. „Milde in Ocrmany" Inhalt des yorliegenden Heftes. Seite Heinrich Walter. Protoplasma- und Membranquellung bei Plasmolyse. Untersuchungen an Bangia fusco-purjjurea und anderen Algen. Mit 10 Textfiguren 146 Karl Bessenich. Über Beziehungen zwischen dem Vegetations- punkt und dem übrigen Pflanzenkörper bei Chara. Mit 14 Textfiguren 214 Ernst 0. Pringsheini. Über die Transpiration bei Fucus. Mit 4 Textfiguren 244 Fritz Overbeck. Zur Kenntnis des Mechanismus der Samen- ausschleuderung von Oxalis. Mit 12 Textfiguren . . 258 Ausgegeben im Mai 1923. Die Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik erscheinen in zwanglosen Heften, von denen 4 — 6 einen Band bilden. Den Abonnenten werden die Hefte zu einem Vorzugspreis geliefert, der sich beim Einzelverkauf um 25 °/o erhöht. Das Honorar beträgt 30 Mk. für den Druckbogen. Den Autoren werden 30 Sonderabdrücke kostenfrei geliefert. Auf Wunsch wird bei rechtzeitiger Bestellung eine größere Anzahl von Sonderabzügen hergestellt und nach folgendem Tarif berechnet: a) bei den ersten 70 Exemplaren über die 30 kostenfreien Sonderabdrucke hinaus für jedes Exemplar geheftet ohne Umschlag pro Druckbogen 12 Pfg., b) bei weiteren Exemplaren für jedes Exemplar geheftet ohne Umschlag pro Druckbogen 20 Pfg. Bei Dissertationen wird kein Honorar gewährt und werden alle Sonderabdrücke über die 30 Freiexemplare hinaus zum Selbst- kostenpreise berechnet. Sofern ein besonderer Umschlag mit Titel gewünscht wird, richtet sich der Preis nach den Gestehungskosten. Zurzeit ver- langt die Druckerei für einen solchen Titel 3000 Mk. Hierzu kommen die Kosten für den Buchbinder und das Papier je nach der gewünschten Zahl von Sonderabzügen. — Zusätze, Änderung der Paginierung usw. werden besonders berechnet. Bei schwarzen oder farbigen Tafeln kann der Preis bis auf weiteres nur von Fall zu Fall festgesetzt werden. Diesem Heft liegen Prospekte der Yerlag-sbucLhandlung Gebrüder Borniraegcr in Berlin bei. NtW YORK bOTANICAL üarden Protoplasma- und Membranquellung bei Plasmolyse. Untersuchungen an Bang kl fusco-purparea und anderen Algen. Von Heinrich Walter. Mit 10 Textfigiireii. Einleitung. 1. Abweichiiiigeii von der normalen Plasmolyse. Plasmolyse, d. h. Ablösung des Plasmas von der Membran beim Übertragen der Zelle in hypertonische Lösung, tritt im wesent- lichen nur unter folgenden Bedingungen ein: 1. Die Plasmahaut muß für den gelösten Stoff mehr oder weniger impermeabel sein. 2. Die Membran muß eine gewisse Festigkeit besitzen, so daß sie nicht der Volumverkleinerung des Zellinhalts folgen kann und muß für den gelösten Stoff leicht permeabel sein. 3. Das Plasma muß sich leicht deformieren lassen, d. h. sich dem Flüssigkeitszustande nähern; außerdem darf es im Vergleich zum Zellsafte kein zu großes Volumen einnehmen, da sonst die osmotischen Erscheinungen hinter den Quellungs- erscheinungen zurücktreten werden. Diese Bedingungen sind bei einer typischen Pflanzenzelle, wie z. B. bei den Epidermiszellen von Rhoeo discoli)i\ am besten er- füllt. Die feste Zellulosemembran besitzt eine geringe Elastizität und verändert nach Entspannung ihre Form nicht mehr; das Plasma bildet im Vergleich zu der großen Zentralvakuole nur einen äußerst geringen Wandbelag und ist während einer kurzen Versuchszeit für S( .Jahrl«. f. wies. Botanik. LXII. ^^ 146 Heinrich Walter, die meisten osmotisch wirksamen Lösungen nicht nennenswert per- meabel. Da die meisten Pflanzenzellen diesen Typus zeigen, so ist es verständlich, daß die Abweichungen vom normalen Fall verhältnis- mäßig wenig untersucht worden sind. Wird aber eine oder mehrere von den oben angeführten Bedingungen nicht erfüllt, so tritt keine typische Plasmolyse ein. Im einzelnen können die Abweichungen natürlich sehr verschieden sein. Einige Beispiele sollen hier an- geführt werden: 1. Ist das Plasma ziemlich stark permeabel, so kann wohl zuerst Plasmolyse eintreten, sie geht aber bald zurück, wie es Janse (1888), Drevs (1896) und Kotte (1914) für Meeresalgen und Fischer (1895) für Bakterien zeigten. Bei letzteren scheint es sich allerdings mehr um eine Schädigung durch reine Salzlösungen zu handeln (vgl. Höber, 1922, S. 437). Die Permeabilitätsverhält- nisse stehen in letzter Zeit im Vordergrunde des Interesses, ich will aber auf sie nicht näher eingehen. 2. Ist die Membran sehr dünn im Verhältnis zur Größe der Zelle, so kann sie dank der zwischen Membran und Plasma be- stehenden Adhäsion dem Zellinhalt folgen und eingestülpt werden, wodurch eine eigentliche Ablösung des Plasmas nicht zustande kommt. Eine andere Möglichkeit besteht in einer Verquellung der Membran, wodurch ebenfalls das innere Zellumen stark verkleinert wird, so daß keine Plasmolyse eintritt oder aber eine solche nur bei sehr starken hypertonischen Lösungen zu beobachten ist, was z. B. Kotte für die Rhodophyceen feststellte. Dasselbe wird auch bei starker elastischer Dehnung der Membran der Fall sein. Über die Semipermeabilität von Zellwänden hat Schröder (1922, S. 172) eine schöne Zusammenstellung gegeben. 3. Gehen wir zur dritten Bedingung über, so finden wir eine Arbeit von Szücs (1913, S. 269), in der er die von Pluri und ihm beobachtete Erscheinung, daß den Aluminiumionen die Fähig- keit zukommt, die Plasmolysierbarkeit der Zellen aufzuheben, auf eine Verfestigung des Plasmas infolge von Fällung zurückführt. Was nun endlich die relative Menge des Plasmas im Verhält- nis zum Zellsaft anbelangt, so müssen wir annehmen, daß das Wasser im Plasma in Form von Quellungswasser enthalten ist. Da aber quellbare Körper das Wasser nach ganz anderen Ge- setzen abgeben als osmotisch wirksame Lösungen, so muß sich bei der Plasmolyse eine Abweichung bemerkbar machen und dieses um so mehr, ein je größerer Anteil vom ganzen Zellinhalt auf das Protoplasma- timl Memhranquellung bei Flasmolysr. 147 Plasma fällt. Von Pfeffer (1897) ist die Bedeutung der Quellungs- kräfte theoretisch wiederholt betont worden, ein konkretes Beispiel aus der Pflanzenphysiologie ist mir jedoch nicht bekannt geworden. In der vorliegenden Arbeit soll nun das Problem der Quel- lung sowohl des Plasmas wie auch der Membranen genauer be- sprochen werden. Die einzelnen Fragen sollen an der Hand von Versuchen, die ich während eines kurzen Aufenthaltes auf Helgo- land mit Bangia fusco-'purpurta ausführte, besprochen werden. Die Arbeit wurde im botanischen Institut der Universität Marburg fort- gesetzt und in Heidelberg beendet. Allen, die mir bei der Arbeit behilflich waren, insbesondere aber Herrn Professor Jost, sage ich meinen besten Dank. 2. Kurze Übersicht über die vorliegende Arbeit. Da ich in den folgenden Abschnitten unwillkürlich gezwungen bin, den Text durch zahlreiche Tabellen zu unterbrechen, und ziem- lich häufig langwierige Erörterungen, die zum Teil auf kolloid- chemisches Gebiet überführen, einschalten muß, wodurch natürlich die i bersichtlichkeit der Arbeit stark leidet, so erschien es mir zweckmäßig, schon hier kurz die leitenden Gedankengänge heraus- zugreifen und die Versuchsergebnisse vorwegzunehmen. Dadurch erübrigt sich auch eine Zusammenfassung der Resultate am Ende der Arbeit. Einige Versuche mit Bangia -V'A&en zeigten, daß diese Alge in zweierlei Hinsicht Abweichungen von der normalen Plasmolyse aufweist. Beim Übertragen der Fäden aus Meerwasser, das un- gefähr einer 3proz. Kochsalzlösung entspricht, in immer stärkere Konzentrationen bis zur gesättigten NaCl-Lösung (etwa 27 "o), konnte festgestellt werden, daß 1. der Zellinhalt, der vollkommen intakt bleibt, nur relativ geringe Volumverminderung aufweist und 2. daß ein Ablösen des Zellinhalts von der Membran nicht statt- findet, sondern die inneren quellungsfähigen Membranteile ent- sprechend der Volumverkleinerung des ZeUinhaltes immer mehr aufquellen, so daß das Volumen des ganzen Fadens sich nicht wesenthch ändert. Diese zwei Abweichungen werden gesondert besprochen und eine Erklärung für dieselben gesucht. Dement- sprechend zerfällt auch die Arbeit in zwei Teile. I.Teil Protoplasmaquellung: Im normalen Fall gilt für plasmolysierte Zellen das sog. Proportionalitätsgesetz, d. h. das lu* 148 Heinrich Walter, Volumen des Zellinhaltes wird sich umgekehrt proportional der Konzentration der Außenlösung verändern (Höfler), bei Bangia dagegen entspricht einer Konzentrationserhöhung der Außenlösung um etwa das neunfache (von Meerwasser = 3 ^ o bis zur gesättigten NaCl-Lösung = 27 Vo) nur eine Volumverminderung des Zellinhaltes um das 2,5 fache. Diese außerordentlich starke Abweichung kann nur durch den Plasmareichtum der Zellen erklärt werden, da andere Faktoren, wie Permeabilität, Adhäsion usw., nicht in Frage kommen. Nimmt man mit Höfler an, daß der plasmatische Anteil des Zell- inhaltes während der Plasmolyse sein Volumen überhaupt nicht ändert, so kann man unter Zugrundelegung der beobachteten Volum- veränderungen das Verhältnis zwischen dem plasmatischen Anteil und demjenigen des Zellsaftes berechnen. Die Zahlen würden im Meerwasser ein Verhältnis von 3 : 7 ergeben. Da aber, dem mikro- skopischen Aussehen nach zu urteilen, die Zellen sehr viel plasma- reicher zu sein scheinen, die Annahme von Höfler auch jeder experimentellen Grundlage entbehrt, so mußte diese Frage durch experimentelle Untersuchungen entschieden werden. Die Annahme, daß das Quellungswasser so stark vom Quellkörper gebunden wird, daß es praktisch nur unter ganz extremen Bedingungen gelingt, eine Entquellung hervorzurufen (hoher Druck, Hitze, Trockenheit), ist noch in den weitesten Kreisen verbreitet, obgleich sie nicht den Tatsachen entspricht. Katz hat die Abhängigkeit des Quellungsgrades von der re- lativen Dampfspannung bei den verschiedensten einfachen Quell- körpern genau untersucht. Aus seinen Kurven läßt sich berechnen, daß der größte Teil des Quellwassers äußerst leicht abgegeben wird und nur ein geringer Rest fester gebunden ist. So genügt schon eine Verminderung der relativen Dampfspannung von 1 auf 0,96, um eine Wasserabgabe von bei Nuklein = 60 '', o , bei Kasein = 70 7o, bei Stärke ~ 60 % und Gelatine sogar 85 % der im Quel- lungsmaximum aufgenommenen Wassermenge zu erzielen. Die Über- tragung einer Zelle aus reinem Wasser in Meerwasser entspricht aber einer Verminderung der relativen Dampfspannung von 1 auf etwa 0,98 und das weitere Hinzufügen von gesättigter NaCl-Lösung sogar einer solchen auf 0,759. Nehmen wir also an, daß die Quellungsverhältnisse im Protoplasten nicht anders liegen als bei den einfachen Quellkörpern, wie Nuklein oder Gelatine, so sehen wir, daß von einer Volumkonstanz des Protoplasten bei Plasmolyse nicht die Rede sein kann. Protoplasma- und MenibraiKiiiHllung bei riasinolyHe. 149 Es galt nun durch direkte Messungen des Plasmavolumens in verschiedenen Lösungen den Quellungskoeffizienten oder die Quel- lungskurve für den lebenden Protoplasten zu finden. Da die plasma- reichen Meristemzellen dank ihrer Kleinheit und unregelmäßigen Form eine genaue Messung in drei Dimensionen nicht zulassen, so wurde anfangs ein indirekter Weg eingeschlagen. Eine kurze Notiz von Lepeschkin, nach der der Zellinhalt einer Spirogyra-ZeWe nicht genau dem Proportionalitätsgesetz folgen soll, bewog mich, diese Abweichungen in verschiedenen Konzentrationen möglichst genau zu messen, um zu sehen, ob man nicht schon daraus einen Schluß zugunsten der Volumkonstanz oder der Volumänderung des Protoplasten bei Plasmolyse ziehen kann. Im ganzen gelang es an 42 Zellen von Spirogi/ra die Volumverhältnisse des plasmolysierten Zellinhaltes in verschieden konzentrierten Rohrzuckerlösungen mit genügender Genauigkeit zu messen. Es zeigte sich im Mittel eine deuthche Abweichung vom ProportionaUtätsgesetz, so z. B. verhielten sich in einem Falle die Volumina in '/g m, ^/^ m und m Rohrzucker- lösungen wie 1,78 : 1,38 : 1.00 anstatt wie 2,00 : 1,50 : 1,00, wie es nach dem Proportionalitätsgesetz zu erwarten wäre. Jedoch waren die Zellen zu plasmaarm und die ohne Schädigung der Zellen mögliche Konzentrationsveränderung der Außenlösung an zu enge (jrenzen gebunden, um eine sichere Entscheidung zugunsten oder Ungunsten der Volumkonstanz des Protoplasmas zu fällen. Nach einigen anderen mißlungenen Versuchen wurde schließlich in den gänzlich unvakuolisierten Zellen der sporogenen Fäden von Lemanea ein geeignetes Objekt gefunden. Bleibt das Volumen des Protoplasten bei Plasmolyse in ver- schiedenen Rohrzuckerlösungen konstant, so muß sich bei einer unvakuolisierten Zelle überhaupt nichts ändern. Dieses traf nun für die Lema)n'a -ZeWen keineswegs zu, vielmehr hatten wir in reinem Wasser, \'-2 m, m, 1,6 m und gesättigter Rohrzuckerlösung ein Verhältnis der Volumina des Zellinhaltes gleich 1,39 : 1,24 : 1,00 : 0,73 : 0,68. Trägt man diese Werte graphisch auf, indem man die relativen Dampfspannungen der entsprechenden Lösungen gleich 1,00, 0,990, 0,974, 0,952 und 0,850 setzt, so bekommt man die Quellungskurve des Protoplasmas, die man mit den entsprechen- den Kurven von Nuklein, Kasein, Stärke und Gelatine vergleichen kann. Es zeigt sich überraschenderweise, daß die Kurven quaUtativ eine bis ins einzelne gehende Übereinstimmung zeigen, quantitativ kommt die Protoplasmakurve dem Mittel aus den Kurven der vier anderen Quellkörper äußerst nahe. 150 Heinrich Walter, Die Volumveränderungen des Plasmas betragen für Lösungen mit einer relativen Dampfspannung von 1,00 bis 0,96 etwa 10 — 12% bei einer Veränderung der relativen Dampfspannung um etwa 0,01, was einer Erhöhung resp. Verminderung des osmotischen Druckes um etwa 10 Atmosphären entspricht. Diese Veränderung ist relativ 80 beträchtlich, daß sie bei plasmareichen Zellen nicht ohne weiteres vernachlässigt werden kann. Bei einer geringeren Dampfspannung der Lösung als 0,96 dagegen werden die Volumveränderungen etwa 10 mal geringer sein. Hier wird man also schon eher von einer Volumkonstanz reden können. Legt man diese Zahlen den Ver- hältnissen bei Spirogyra und Bangia zugrunde, so bekommt man für den protoplasmatischen Anteil des Zellinhaltes Zahlen, die mit dem mikroskopischen Aussehen gut übereinstimmen. Das wichtigste Ergebnis dieser Untersuchungen sehe ich in dem Nachweis, daß zwischen den Quellungserscheinungen in lebenden Protoplasten und denjenigen einfacher un- organisierter Körper kein prinzipieller Unterschied, ja man kann sagen, fast vollkommene Übereinstimmung herrscht. Bei den plasmolytischen Versuchen wurden auch einige Beob- achtungen über die Permeabilitätsverhältnisse und Quellungserschei- nungen in Salzlösungen gemacht, die aber nicht systematisch ver- folgt wurden und daher nur kurz zusammengestellt worden sind. II. Teil Membran quellung: Wie bereits erwähnt, quellen bei den Plasmolyseversuchen mit Bangia bei jeder Volumabnahme des Zellinhaltes die inneren Membranschichten sofort auf, so daß es zu keinem Ablösen des Protoplasmas von der Membran kommt. Es zeigte sich, daß diese Aufquellung, wie es bereits Kotte für eine Reihe von Meeresalgen festgestellt hat, nur auf einer Ab- nahme des Turgordruckes beruht. Bei normalen lebenden Zellen herrscht immer zwischen dem Quellungsdruck der Membran und dem Turgordruck des Zellinhaltes ein bestimmtes Gleichgewicht. Wird durch Veränderung der Außenkonzenttation der Turgor in einer oder der anderen Richtung verändert, so wird das eine ent- sprechende Auf- oder Entquellung der Membran zur Folge haben. Außer dieser sekundären Wirkung müssen aber die Salze auch einen direkten Einfluß auf den Quellungszustand der Membran ausüben. Die Salze können von außen leicht in die Membran- gallerte hineindiffundieren , und es ist schon lange bekannt, daß Protoplasma- unle)ubraiu|uellung bei Plasnioijse. 157 fache zu. Die Konzentratioa des Zellsaftes muß dabei nach der üblichen Rechnung um das 2,6 fache abneiiraeu, also einer -/s ge- sättigten Na Gl- Lösung entsprechen. Solch eine Lösung würde gegenüber Wasser einen osmotischen Druck von * r, • 368 Atmo- sphären erzeugen [Renner (1915, S. 662) gibt den osmotischen Druck einer gesättigten NaCl-Lösung gleich 368 Atm. an]. Da wir aber außen nicht reines Wasser, sondern Meerwasser haben und dieses gegenüber ersterem einen osmotischen Druck von etwa 20 Atm. erzeugt, so müßte der Überdruck des Zellinhaltes, also auch der Turgordruck mindestens Vs • 368 — 20, also über 120 Atm. betragen. Das sind natürlich ganz phantastische Zahlen; denn schneidet man einen Faden im Meerwasser an, so wird nur ganz wenig Gallerte aus der Wunde hervorgepreßt und die dem Schnitt- rande am nächsten liegende Zelle nur etwas vorgeschoben — ein Zeichen, daß der Druck innerhalb des Fadens nur gering sein kann. 4. Schließlich sei noch erwähnt, daß Drevs (a.a.O., S. 106) bei Besprechung seiner Versuche mit Rhodophyceen die Möglich- keit erwähnt, daß die aufquellende Membran undurchlässig für die Salze wird. Nun haben aber die Versuche von Voigtländer (1889, S. 316), Neil (1905, S. 323), Fürth und Bubanowicz (1918, S. 265) ergeben, daß die Diffusion von Salzen in Gallerte nicht wesentlich von derjenigen in Wasser abweicht. Erst bei höheren Konzentrationen des quellbaren Körpers kommen Abweichungen vor [vgl. auch Höber (a. a. 0., S. 289), Bechhold und Ziegler (1906, S. 105)]. Es ist anzunehmen, daß die Algenmembranen sich nicht wesentlich anders verhalten werden, wie z. B. Agargallerte. Ein Aufquellen der Membran müßte also die Durchlässigkeit nicht herabsetzen, sondern tatsächlich erhöhen. Zudem müßte bei schwerer Durchlässigkeit der Membran eine langsam mit der Zeit fort- schreitende Schrumpfung zu beobachten sein, während bei Bangia der Endzustand sich fast augenblicklich einstellt. Jodlösung und wässerige Farbstoffe drangen auch sehr leicht in die Zelle ein. Starke Entquellung dagegen kann die Membran tatsächlich undurch- lässig machen. Schon Bert hold (a. a. 0., S. 7) gibt für Banyia an, und ich konnte dasselbe auch für Porphyrn bestätigen, daß sie gegen absoluten Alkohol sehr widerstandsfähig ist, dagegen von wässerigem sehr bald getötet wird. Beobachtet man die Alkohol- schrumpfung unter dem Mikroskop, so sieht man. daß in Alk. abs. vollkommene Entquellung der Membranen und starke Schrumpfung 1B8 Heinrich Walter, des Thallus eintritt, wobei er sich häufig in Falten legt. Bei Por- phyra platten sich die Zellen sogar gegenseitig ab, verändern sich aber nicht weiter. In 50proz. Alkohol dagegen bleiben die Mem- branen unverändert, der Zellinhalt aber verfärbt sich und stirbt bald ab. Auch Reinke (1879, S. 88) gibt an, daß Erbsen in einer Lösung von Jod in Alk. abs. keine Färbung der Stärke zeigen, dagegen genügt Wasserzusatz, um sie sofort hervorzurufen. Auch Lesage (Bot. Gazette, 65, S. 485) fand, daß Samen von Lepidium in Alk. abs. 4 Jahre und 7 Monate am Leben bleiben, in 94proz. Alkohol — 2 — 3 Monate, in 75proz. — 20 Stunden, in 33proz. nur 2 Stunden. In geringeren Konzentrationen nimmt dann die Giftig- keit wieder ab, so sterben sie in 8proz. erst nach 4 Tagen und in 5proz. Alkohol erst nach 16 Tagen ab. 6. Wenn aber auch die Diffusion der Salze nicht wesentlich vermindert ist, so wäre es doch möglich, daß die Salze in der Gallerte weniger löslich sind und deshalb in geringerer Konzen- tration auf das Plasma einwirken werden. So ist schon ein sehr alter Versuch von Ludwig bekannt, der darauf hinweist. Hängt man eine gut getrocknete Tierblase in konzentrierte Kochsalzlösung, 80 kristallisiert reichlich Salz aus. Die Blase nimmt also nur eine verdünnte Lösung auf. Dasselbe fand Reinke (a. a. 0. S. 87 — 96) für Erbsen in Salzlösungen und Alkohol, auch Bütschli (1896, S.42) gibt an, daß trockene Gelatine aus einer 26,8proz. NaCl-Lösung nur 13,4% aufnimmt. Aber auch dieser Einwand kommt praktisch nicht in Frage. Eine so bedeutende Löslichkeitsverminderung kommt nur für sehr wasserarme Gallerte in Frage, für wasserreichere fand dagegen Hofmeister (1891, S. 210), daß fürNaCl kein wesentlicher Unterschied zwischen der Konzentration der Außenlösung und der von Gelatine imbibierten besteht. Für Rohrzucker fand Spiro (1904, S. 279) bei einer Konzentration der Außenlösung von 26 resp. 60 "/o die Konzentration der imbibierten Lösung (ebenfalls für Gelatine) gleich 20 resp. 39 %• Es sei dabei erwähnt, daß Na Gl quellungsfördernd auf die Gelatine wirkt, Rohrzucker dagegen in höheren Konzentrationen stark entquellend. Ein ganz grober Versuch zeigte, daß in Agargallerte die Lös- lichkeit von Na Gl etwas herabgesetzt ist, aber bei weitem nicht genügend, um die geringe Volumverminderung zu erklären. Versuch: In Reagenzgläser kamen 20 cm* bei 100° (! verflüssigter 3 proz. Agar- gallerte resp. destilliertes Wasser von derselben Temperatur. Zu den einzelnen Proben wurde pulyerisiertes NaCl zugesetzt, angefangen von 4 g immer um je lg steigend. Protoplasma- und Menibraii(|iiellung bei Plasinolys«. \R9 "Während sich in Wasser noch 7 g lösten , schien die 3 proz. Agarlösung schon bei 5 g für NaC'l gesättigt zu sein. Es bleibt also nach dem vorher Gesagten nur eine Annahme, daß das Proportionalitätsgesetz für Banyia nicht gilt. Höfler (a.a.O., S. 16) betont in seiner Arbeit ausdrücklich, daß Abweichungen vom Proportionalitätsgesetz möglich sind und sie ,.proportional 1. dem Volumanteil des Protoplasmas am Zellraum und 2. der osmotischen Konzentrationsdifferenz zwischen Plasmolytikum und Zellsaft" sein werden, allerdings bei der Annahme, daß das Volumen des Plasmas sich überhaupt nicht ändert. Bei Bangia muß der größte Teil des Zellinhaltes aus dem Protoplasten bestehen. Der Zellsaft kann nur den Zwischenraum zwischen dem plasmatischen Wandbelag und dem großen zentralen Chromatophoren einnehmen. Nehmen wir mit Höfler eine Konstanz des Plasmavolumens an, so laßt sich aus dem Verhältnis der Konzen- tration 1 : 9 und der Gesamtvolumina des Zellinhaltes 2,5 : 1 (s.Tab.I) der Anteil des Protoplasten am Zellinhalt leicht berechnen, wenn man den Turgordruck unberücksichtigt läßt. Bezeichnen wir diesen 2 5 X 9 Anteil in gesättigter NaCl-Lösung mit x, dann muß ' = ^ sein, woraus 2,5 — x = 9 — 9x; 8x = 6,5 und x ungefähr gleich 0,8 ist. In gesättigter NaCl-Lösung müßte also der Protoplast 0,8 des Zellinhaltes und der Zellsaft 0,2 ausmachen; in Meerwasser 0 8 dagegen der Protoplast -'- = 0,32 und der Zellsaft 0,68. Die 2,5 Zahlen für den Protoplasmaanteil scheinen nach dem mikroskopischen Aussehen zu urteilen zu gering auszufallen. Es fragt sich aber, ob die Annahme Höflers (a. a. O., S. 17), daß „der Quellungs- zustand des Protoplasmas bei der Plasmolyse (zumindest so lange der Protoplast intakt ist) keine, auch gar keine Änderung erfährt", auch tatsächlich zutrifft. Höfler erwähnt selbst, daß ihm brauch- bare Proportionalitätsversuche mit plasmareichen Zellen nicht zur Verfügung stehen. Er verweist dabei auf Lepeschkin , der ge- funden hat, „daß die Koagulationstemperatur der Plasmamembran von der Plasmolysestärke unabhängig ist, was darauf hinweist, daß die Plasmolyse von keiner Entwässerung der Eiweißkörper der Plasmamembran begleitet wird" (1910, S. 102). An einer anderen Stelle führt Lepeschkin noch zur Bekräftigung dieser seiner An- sicht an, daß Gelatine, Stärke, Fasern usw. ebenfalls durch ge- bräuchliche plasmolytische Lösungen nicht entwässert werden (a.a.O., 100 Heinrich Walter, S. 384). Dieser Vergleich ist von vornherein unzulässig, da in ersterem Falle das Plasma von der Lösung durch eine semiper- meable Membran getrennt ist, während im zweiten die gelösten Stofife leicht in den Quellkörper herein diffundieren können. 2. Allgemeines über Quell iing-. Unter Quellung versteht man die Aufnahme von Wasser durch feste Körper, die mit einer Volumzunahme verbunden ist, wobei die Homogenität des Körpers nicht verloren geht. Die Quellung kann begrenzt sein, wenn die Wasseraufnahme ein Maximum — das sog. Quellungsmaxiraum — erreicht, oder unbegrenzt, wenn der quellbare Körper kontinuierUch in Lösung geht. Da die Quellungs- eigenschaften vom Alter und der Vorgeschichte des Körpers ab- hängen, auch durch die Hysteresis stark kompliziert werden, so blieben die Quellungsgesetze lange Zeit äußerst verwickelt und un- übersichtlich. Es ist das Verdienst von Katz (1918), durch An- wendung von möglichst homogenen Körpern und einfachen Versuchs- bedingungen gezeigt zu haben, daß alle quellungsfähigen Körper unabhängig von ihrer organischen oder anorganischen chemischen Zusammensetzung und ihrer kristallinen oder amorphen Natur sich im wesentlichen vollkommen analog verhalten. Von allen von Katz untersuchten Körpern will ich hier vier anführen, die ihrer chemischen Natur nach dem Protoplasten oder seinen Einschlüssen am nächsten stehen: das sind Nuklein, Kasein, Stärke und Gelatine. Die Wahl ist ziemlich willkürlich getroffen. Nuklein und Kasein wurden genommen, weil das Protoplasma aller Wahrscheinlichkeit nach zum größten Teil aus den Nukleo- und Phosphoproteiden nahestehenden Verbindungen besteht*). Stärke kommt meist als Plasmaeinschluß vor, Gelatine schließlich unter- scheidet sich von den drei ersten, große Übereinstimmung in der Kurvenform zeigenden Körpern dadurch, daß sie sehr viel stärker quillt. Es ist anzunehmen, daß im Protoplasma auch zum Teil solche stark quellende Stoffe enthalten sind. Wenn es also auch eine bloße Annahme war, so konnte doch mit einiger Wahrschein- lichkeit geschlossen werden, daß das Plasma in seinen Eigenschaften ungefähr dem Mittel von diesen vier Körpern gleichkommen wird. 1) Vgl. Walter, Ein Beifrag zur Frage der chemi.schen Konstitution des Proto- plasmas. Biochem. Zeitschr , 122, 98, 1921. Prolopla. :;(.. und Mf^m' .v >i , \ 'la8nioly.se. jci Von einer einheitlichen Qu^la..,..an. ,. .Was im allgemeinen kann n.H.urhrh mcht d. Rede sein. V,,., „.^ daß das Plasma versclaedeLer Organismen größere oder • ^ ,e Unterschiede zeigen WKd, ,om..rn auch das Plasma ein «nd .■ .elben Organismus ja - und ae.selb.u V^Ue w.d .eh iortv.V ,d verändern und 'in^ E.ti ?r, '""^ ^' .'"'^ '"^ ^^^' ^ mgseigenschaften einen Einnuß haben. Imm.xhm können vir aul diese Weise einen An- i.airspunkt zur vorläuligö^i OnerUierung ev alten Sehen v.ir uns abo dye Ta^.Uen und >' . dazu gehörigen Kurven an (lab. 11, %. l). -^o bemerken w) laß von einer relativen Dampfspannung (h>, = 1 ausgehend,, alle ^uellkörper anfangs eine «ehr bedeutend,^ Wasserabgabe bei Vcr. gerung der Dampfspan- nung zeigen, indem die Kurve fast hori| ital verläuft. Bei h = 0.ÖG2~0,96:.5 ändert sich dagegen das H i ganz bedeutend. Die Kurve zeigt eine scharfe Biegung und erläuft nahezu vertikal. Erst bei sehr goringen h-Wej ten, die für ins nicht mehr in Frage kommen, biegt (i.^ Kurve wieder horizon.U um. Im ganzen ge- rommen zeigt sie eine« S-förmigen Verlauf Das Quellungswasser 18t also in zweierlei For.^ gebunden: In e/ er labilen und in einer stabileren Form. Ersteres wird leicht abg« eben, letzLereo dag.eo- kann nur sehr schwer vom Quellkörper en ernt werden. Nehmen wn- h r= 0,962 als Gl-enzwe.rt i a . bei dk n das labil gebundene sWasser schon volikommeri abcves^tben ist, so finden wir, daß es für xNuklein etwa 60%, für KWsein etwa 7)%, für Stärke 60% und Gci'atine über 85 7o der maximal aufee/' »mmeneu Wassermenge ausmacht. Wir sehon also, daß a'er größt ■ Teil des Wassers sehr leicht von QuellkÖrpefn abgegeben wird unci die bisher herrschende Meinung von der festen Bindung des Quo Iwassers irrig ist. Es erscheint unter diöi?en Umständen seJlr frag ich, ob tatsächlich bei der Plasmolyse keine Anaeru»^^ ,jq8 Q.vielluB (sgrades und somit des Volumens vom Plasma aintritt, vorausge.jgtzt daß man ohne weiteres die Verhältnisse Lei unorganisierteü Qu>^ll örpern auf das Plasma verallgemeinern kann. Diu Versuche von Katz (a. a. 0., SyRt) wurden auf folgende Weise, auä.^eführt. Der zu untersuchende Körper kam in abge- wogen Men^^'ß iu einen Exsikkator ikWr Ö iwefelsäure bestimmter Konzobtration und bekannter relativer Di npfspannung. Gleich- gewicht trat ein, 3obald die relsAive Daii'jj fspannung des Quell- körpers diejenige dei' Schwefelsäure errf' ' hatte. Eine erneute Wägung zeigte die Wasseraufnaliinr j abgäbe, woraus der Jabrb. f. wiB». B.-tanik. LiH ^ ' 162 Heiprich Walter, Quellungsgrad ermittelt weiden konnte. Diese Vers'achsanstellung ist vollkommen analog derjenigen bei Plasmolyse. Tatsächlich spielt die Rolle der semipermeablen Plasmahaut hier ic CO -< •1* ©ü 00 i- o ^ — o — o -^ r- « lO N >n tD > 'S •O in ift m in •n oo 00 t- Ol t- 00 r- 84 t— Ci m ■* SO ■»)" O 91 CTl x> « 03 t- a> t» CO ^ CO in „ CT-. 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Anfangs folgt aber die in Wasser stark gedehnte Membran dem schrumpfenden Proto- plasteu. Plasmolyse tritt erst in gesättigter Rohrzuckerlösung ein, indem zwischen dem Zellinhalt, der jetzt vollkommen homogen und stark lichtbrechend geworden ist, und der Membran ein schmaler Hohlraum entsteht. Die in Wasser ziemlich undeutlich sichtbare Membran wird in m-Lösung deutlich doppelt konturiert. Ob das auf beginnender Ablösung des Plasmas beruht, oder ob die Membran etwas aufquillt, was in Anbetracht der Verhältnisse bei den meisten Rhodophyceen sehr wahrscheinlich ist, wage ich nicht zu entscheiden. Die Plasmahaut ist für Rohrzucker impermeabel: aus Wasser in V2 m, m und gesättigte Rohrzuckerlösung versetzte Zellen nehmen, in m und V2 m-Lösung zurückgebracht, wieder ihr früheres Volumen ein. Die Volummessungen sind sehr einfach auszuführen. Die elliptisch aussehenden Zellen sind Rotationsellipsoide, deren lange Achse die Rotationsachse ist. Ihre Volumina werden sich wie das Produkt aus der längeren Achse und dem Quadrat der kürzeren Achse verhalten. Will man aus den Tabellen die richtigen Volumina erhalten, so muß man die Zellen noch mit Vg n multiplizieren und außerdem berücksichtigen, daß ein Skalenteil gleich 9,3 fx ist. Da es sich um ziemlich kleine Zellen handelt, so wurde zum Messen das Schraubenokularmikrometer von Leitz benützt, das eine Genauig- keit bis zu 0,01 Skalenteil erlaubt (Versuch 1—4 s. Tabelle S. 171). Nehmen wir den Mittelwert aus den 16 bestimmten Zellen, so bekommen wir ein Verhältnis von: in w jj^ gesättigter Wasser '* Rohrzlösg. 1,39 : 1,24 : 1,00 : 0,68. Diese Versuche zeigen einwandfrei, daß von einer Volumkonstanz des Plasmas in den verschiedenen Rohrzuckerlösungen nicht die Rede sein kann, vielmehr tritt mit steigender Konzentration eine immer weitgehendere Entquellung ein. Um uns ein klares Bild über die Einzelheiten dieses Vorganges zu machen, wollen wir das Plasmavolumen in Beziehung zu der relativen Dampfspannung der Rohrzuckerlösungen setzen. Für die Berechnung der relativen Dampfspannung gehen wir am besten vom osmotischen Druck aus, da wir den Untersuchungen von Morse, Berkely und Hartley genaue Angaben für Rohr- Protoplasma- und Meiiibrani^uellung bei Plasmolyse. 173 Zuckerlösungen verdanken. Alle notwendigen Daten findet man bei Ursprung und Blum (1916, S. 533) zusammengestellt. Die Dampfdruckerniedrigung läßt sich aus dem osmotischen Wert der Lösung nach folgender Formel') berechnen: _ lOOüs.RT p^-p T - M ' p ~ ^' wo P,j, der osmotische Wert bei T" ist, R die Gaskonstante = 0,0821, T die absolute Temperatur, s = das spezifische Gewicht des Lösungsmittels und M dessen Molekulargewicht (für Wasser = 18), p„ die maximale Dampfspannung des Wassers bei der entsprechen- den Temperatur und p die Dampfspannung der Lösung. Wir suchen den Wert = h, die relative Dampfspannung. Obige Formel Po kann deshalb so dargestellt werden: Jetzt sieht man aus der Formel, daß h unabhängig von der Tempe- ratur ist, was eine große Annehmlichkeit bedeutet. Zwar steht auf T der rechten Seite ein T, aber dasselbe T ist auch in P^, = P^^ enthalten (P„ der osmotische Druck bei 0"C, T„ = 273). Setzen T wir an Stelle von P^ den Wert P^^m ? so fällt T weg, und der P P Wert H^ ^ ^^ ist für die betreffende Lösung konstant. To 273 Da die Tabelle bei Ursprung und Blum P für 20 ** angibt, so setzen wir in die Gleichung 2) T = 293 und s.,^,. = 0,9982. Der Wert — M ^s* dann gleich 1334, woraus sich h leicht be- stimmen laßt: ^=1334-TP^. '^' Um die Brauchbarkeit der Formel zu prüfen, wurden die für h gefundenen Werte mit den empirisch von Smits bestimmten (s. Landolt-Börnstein, 3. Aufl., S. 151, Tab. 71a) verghchen, sie ergaben vollkommene Übereinstimmung. 1) Aus Eichwald und Fodor, Die physikalisch- chemischen Grundlagen der Biologie, 1919. Eine ähnliche Formel benutzte auch Kenner, 1915, S. C61. 174 Heinrich Walter, Es wurden schließlich folgende Werte für die Rohrzucker- lösungen genommen. Tabelle IV. r,- r •■ • j 1 1 Relative OsmotiBcber Die Losungen sind volummolar ^ , ,^ , Dampfspannung Druck Wasser 1,000 0 7^ m- Rohrzuckerlösung ... 0,995 6,702 Ygm- „ 0,993 9,099 7s m- „ 0,990 14,313 Vgiii- „ 0,985 20,226 Veiii- „ 0,980 26,918 ni- „ 0,974 35,16 1,5 ni- „ 0,952 66,89 Gesättigte (20 "j — 2,6 m Rolirzuckerlösung etwa 0,85(» etwa 220. Eine andere Bestimmung aus der Gefrierpunktserniedrigung nach der Tabelle von Jones und Getman aus Findlay (1914, S. 74) ergab etwas höhere Werte, so für '/« m- Rohrzuckerlösung h = 0,991; m-Lösung h = 0,9776; 1,5 m h = 0,965 und ge- sättigte = 2,6 m- Rohrzuckerlösung h = 0,867. Fitting (1917, S. 573) hält die Zahlen von Roth für genauer, sie geben aber die Gefrierpunktserniedrigung nur für niedrigere Konzentrationen an. Die Umrechnung der gesättigten Rohrzuckerlösung läßt sich nach der Formel m™ = .^^^ ^ ^,r. r,r- — ausführen (Renner, ^ 1000 — 213,75 m^n ^ 1912, S. 494; Fitting, a.a.O., S. 580), wenn man berücksichtigt, daß bei 20°C sich 203,9g Rohrzucker in lOOgWasser lösen (Landolt- Börnstein, S. 584), also m^^ = 5,96 ist; m^^ ist dann = 2,6. Tragen wir nun die relativen Dampfspannungen auf der Ordi- nate und die entsprechenden Volumina auf der Abszisse auf, so bemerken wir, daß die Werte für Wasser, '/2 m- und m- Lösung nahezu auf einer Geraden liegen, dagegen der Wert für gesättigte Lösung sehr viel tiefer liegt. Die Kurve muß also zwischen der m- und 2,6 m-Konzentration eine scharfe Biegung zeigen (s. Fig. 2, S. 176). Um deren Lage genauer zu bestimmen, wurde noch ein Versuch mit 1,5 m- Rohrzuckerlösung gemacht. Versuch 5. 9. 7. 22. 4 Zellen eines sporogenen Fadens. _2 'S ^3 m- Rohrzuckerlösung 1,5 m- Rohrzuckerlösung Gesättigte Rohrzuckerlösung Verhältnis der Volumina 1 2 3 4 3,0* X 3,71 = 33,4 2,63* X 3,89 = 26,9 2,70* X 4,65 — 33,9 2,80* X 4,75 = 37,2 2,60* X 3,42 = 23,1 2,35* X 3,57 = 19,7 2,32* X 4,36 = 23,4 2,43* X 4,50 = 26,6 2,52* X 3,36 = 21,4 2,25* X 3,53 = 17,1 2,28* X 4,28 == 22,3 2,37* X 4,40 = 24,7 1,0: 0,69 : 0,64 1,0 :0,73 :0,67 1,0 : 0,69 :0,66 1,0 : 0,72 :0,66 Im Mittel bekommen wir also ein Verhältnis von 1,00 : 0,71 : 0,66. Protoplasma- und Menibranquellung bei Plasmolyse. 175 Da wir aus den Versuchen 1 — 4 ein Verhältnis der Volumina in ni-Lösung'und gesättigter wie 1,0:0,68 bekamen, so müssen wir, um den Wert von 1,5 m-Lösung den früheren Zahlen anzupassen, 0,73 statt 0,71 nehmen. Tragen wir jetzt auch diesen Wert auf die Kurve auf, so sehen wir, daß bei einer relativen Dampfspan- nung von etwa 0,955 eine scharfe Biegung zu liegen kommt (s. Fig. 2, Protoplasmakurve). Um nun unsere Protoplasmakurve besser mit den Quellungs- kurven von Nuklein, Kasein, Stärke und Gelatine vergleichen zu können, rechnen wir die Zahlen von Katz oder daraus inter- polierte um, indem wir das Gewicht, das 1 g trockener quellbarer Substanz bei h :i^ 0,974 entsprechend einer molaren Rohrzucker- lösung annimmt, gleich 1 setzen und die anderen Werte im Ver- hältnis dazu berechnen. Wir erhalten dann folgende Zahlen. Tabelle V. I II III IV V VI VII Relative Dampfspannung '. Nuklein Kasein Stärke Gelatine Mittel aus II— V Protoplasma 1 1,000 1,224 1,32 1,205 2,10 1,46 1,39 0,990 1,14 1,20 1,13 1,67 1,28 1,24 0,974 1,00 1,00 1,00 1,0(1 1,00 1,00 0,952 0,89 0,84 0,91 0,60 0,81 0,73 0,850 0,83 0,78 0,84 0,52 0,74 0,68 Wir sehen also tatsächlich, daß die Plasmakurve dem Mittel- wert aus Nuklein, Kasein, Stärke und Gelatine sehr nahe kommt. Unsere Annahme, daß das Plasma sich ebenso wie andere Quell- körper verhält, hat sich auf das Glänzendste bestätigt. Die Kurve wird sich der Mittelkurve noch mehr nähern, wenn wir den Turgor- druck mit berücksichtigen. Wie bereits erwähnt, löst sich das Plasma erst in gesättigter Rohrzuckerlösung deutlich von der Mem- bran ab. Jedoch ist schon in m- Lösung die Membran entspannt, der Turgor also gleich Null. In Va m- Lösung und in AVasser ist dagegen die Membran gedehnt. Das Plasma wird also nicht das ganze Volumen einnehmen können, welches es hätte, wenn es sich frei ausdehnen könnte. Nimmt man den Turgor in Wasser ungefähr gleich 10 Atm. an, so würde die Plasmakurve nach der dick punk- tierten Linie verlaufen (s. Fig. 2 T. K). 176 Heinrieh Walter, Beachtet man die Lage der Biegung in der Kurve, so sieht man, daß sie genau auf derselben Höhe wie bei den anderen Quell- körpem liegt. Wir kommen somit zu folgendem Schluß: Die Quellungs- kurve von lebendem Protoplasma ist qualitativ voll- kommen mit den Kurven anderer unorganisierter Quell- körper identisch. Quantitativ kommt sie der Mittelkurve von Nuklein, Kasein, Stärke und Gelatine sehr nahe. s ^ ^ Fig. 2. Die gute Übereinstimmung der Quellungskurven zeigt gleich- falls, daß, wenn auch im Plasma gelöste Körper vorhanden sind, die osmotischen Kräfte doch nicht in nennenswertem Maße hervor- treten, da wir sonst ganz andere Volumveränderungen erhalten müßten. Ich betone hier nochmals, daß von einer allgemeinen Proto- plasmaquellungskurve natürlich nicht die Rede sein kann. Je nach dem Plasma, dessen Zustand und Zusammensetzung, wird sich die Kurve entweder derjenigen von Gelatine oder aber derjenigen von Nuklein nähern. Ob sie aber diese Grenzwerte nach der einen oder Protoplasma- und Membranquellung bei Plasmolyse. 177 der anderen Seite überschreitet, erscheint fraglich. Fällt die relative Dampfspannung von 1,00 bis auf 0,960, so wird der größte Teil des Quellungswassers abgegeben. Der letzte Rest wird aber äußerst fest zurückgehalten. Die relative Dampfspannung 0,960 scheint also für alle Quellkörper und auch für das Protoplasma eine Art kritischer Dampfspannung zu sein. Es zeigt sich dabei, daß bei einer Verminderung der relativen Dampfspannung um 0,001 das Plasmavolumen im Bereiche von h = 1 bis 0,960 sich um etwa 1 — l,2 7o vermindert. Unterhalb von h = 0,960 dagegen um etwa 0,1 7o, also einen lOmal ge- ringeren Wert. Da eine Verminderung der relativen Dampfspan- nung um 0,001 einer Zunahme des osmotischen Druckes um an- nähenid 1,35 Atm. entspricht, so können die Quellungskoeffizieuten auch in Beziehungen zu letzterem gebracht werden. Wie stimmt nun dieses Ergebnis mit den Beobachtungen an Spirogyra und Bangia überein? Nehmen wir die in Tabelle Vvii angeführten Zahlen und inter- polieren wir uns die für Vh und V« m- Lösungen fehlenden Werte, so werden wir folgende Volumverhältnisse des gesamten Zellinhaltes in einzelnen Zuckerlösungen erhalten: Anteil des Plasmas in m - Zuckerlösung Volumverhältnisse des gesamten Zellinhaltes am gesamten Zellinhalt : V2 m- ^s m- V« m- ni - Lösung 0 7o 2,0 : 1,5 10 „ 1,92 : 1,46 20 „ 1,84 : 1,43 30 „ 1,76 : 1,39 100 „ 1,20 : 1,14 1,20 1,196 1,18 1,16 1,08 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00. Die erste horizontale Reihe gibt die Zahlen nach dem Proportio- nalitätsgesetz, die letzte für reines Plasma. Die anderen Zahlen werden zwischen diesen Werten liegen. Vergleichen wir diese Zahlen mit den in Versuch 1 — 5 bei Spirogyra gewonnenen, so zeigen sie eine vollkommen genügende Übereinstimmung, wenn man einen Plasmagehalt von 10 — 30"o io m-Rohrzuckerlösung annimmt, was, nach dem mikroskopischen Aus- sehen zu urteilen, auch der Fall sein wird. Für Bangia sahen wir bereits, daß wir unter Zugrundelegung von MitteUahlen aus Tab. III einen Plasmagehalt in Meerwasser von etwa 60% und in gesättigter Na Gl -Lösung von etwa 90% erhalten würden. Auch dieses dürfte mit den Tatsachen überein - Jahrb. f. wiss. Botanik. LXII. 12 178 Heinrich Walter, stimmen. In gesättigter Na Gl -Lösung kann der homogene Zell- inhalt kaum noch Zellsaft enthalten , in Meerwasser wird er auch weniger als die Hälfte ausmachen. Das, was Noll (1888, S. 492) als Zellsaft abbildet, wird die gequollene Innenmembran sein. Eine Bestätigung der hier entwickelten Ansichten sehe ich auch in den Versuchen von Fritsch (1922, S. 1) mit den Land- algen Pleurocoecus naegelli, der Hormidium -Form von Prasiola crispa und Zijgnema ericetornm. Diese Formen zeigen im all- gemeinen keine Vakuolen, nur bei letzterer sind solche zu bemerken. In Übereinstimmung damit tritt beim Übertragen der Zellen in 3,5 7o und sogar 10% Na Gl -Lösung eine so geringe Volum- kontraktion ein, daß es zu keiner oder einer nur sehr geringen Plasmolyse kommt. Dasselbe wird natürhch auch der Fall sein, wenn wir das Wasser anstatt durch Salzlösungen durch Austrocknen an der Luft entziehen. So z. B. kontrahiert sich der ZeUinhalt im lufttrockenen Zustande um etwa Vö — V4 in der Querrichtung, wobei in der Längsrichtung keine Veränderung eintritt. Das würde ein Verhältnis des Volumens in Wasser zu demjenigen in luft- trockenem Zustande wie 1 : '74* = 1 : 0,.56 ergeben, was gut mit unseren Zahlen übereinstimmt. Genaueres kann man nicht sagen, da die vorläufige Mitteilung zu wenig Zahlenangaben enthält, vor allen Dingen auch die relative Dampfspannung der Luft nicht angibt. 4. Plasmaquellung und Neutralsalzwirkung. Bisher hatten wir die Quellung des Protoplasten mit der Quellung einfacherer Körper in reinem Lösungsmittel, d. h. Wasser, verglichen, und dabei eine weitgehende Übereinstimmung gefunden. Wir gingen dabei von der Annahme aus, daß das Plasma für Rohr- zucker impermeabel ist, und die Änderung in der Konzentration der Außenlösung nur einer Änderung der relativen Dampfspannung gleich kommt. Diese Annahme ist dank der außerordentlich großen Impermeabihtät des Plasmas für Rohrzucker gestattet. Anders werden dagegen die Verhältnisse bei Anwendung von verschiedenen Salzlösungen liegen. Hier wird nicht nur die relative Dampf- spannung erniedrigt, sondern durch das Eindringen des Salzes in das Plasma wird außerdem eine je nach den Salzen spezifische Änderung des Quellungszustandes des Protoplasten hervorgerufen. Bekanntlich üben die Salze auf die Quellung von Gelatine einen starken Einfluß aus, wobei wir für die Anionen die Reihe Protoplasma- und \fenibraiii|uellunf hei Plasmolyse. \ 79 SO4, Tartrat, Zitrat ( Azetat ( Gl < Br, NO, ( J < SCN und für die Kationen eine weniger ausgeprägte Reihe Li < Na < K, NH4 bekommen. Die Anionen von Gl bis SGN wirken in immer stärkerem Maße quellend, die übrigen dagegen gegenüber reinem Wasser entquellend und zwar desto stärker, je weiter liuks das betreffende Anion in der Reihe steht (F. Hofmeister, 1891; Lenk, 1916. S. 16; Ostwald, 1906, S. 681 und 1916, S. 329; Zusammenstellung und Literatur bei Höber, 1922, S. 266—273). Eine ähnliche Wirkung läßt sich auch für das Protoplasma erwarten, und ich will kurz diejenigen gelegentlich der plasmolytischen Versuche gemachten Beobachtungen zusammenstellen, die diese Annahme bestätigen, ohne aber dabei Wert auf Vollständigkeit zu legen oder näher auf die einschlägige umfangreiche Literatur einzugehen. Eine gewisse Menge von gelösten Elektrolyten wird wohl in jedem lebenden Protoplasten vorhanden sein. Wir haben es also selbst bei typischer Semipermeabilität streng genommen niemals mit einer Quellung in reinem Lösungsmittel (Wasser) zu tun. Aber erstens wird die vorhandene Elektrolytmenge nur sehr gering sein, und wir wissen, daß bei Neutralsalzen es ziemlich hoher Konzen- trationen bedarf, um deutliche Ausschläge in der Quellungsbeein- flussung zu bekommen, zweitens sind die Volumveränderungen des Protoplasten relativ doch so gering, daß die vorhandene Konzen- tration als mehr oder weniger konstanter Faktor angesehen werden kann, der somit für den gegebenen Versuch nicht in Betracht gezogen zu werden braucht. Immerhin könnten die individuellen Schwankungen der Quellungseigenschaften der Protoplasten ver- schiedener Zellen oder ein und desselben Protoplasten zu ver- schiedenen Zeiten zum größten Teil gerade auf dem wechselnden Gehalt an Elektrolyten beruhen. Die Reaktion des Plasmas dürfte dagegen normalerweise sich niemals weit vom Neutralpunkt entfernen. Wenden wir uns nun zu dem prinzipiell anderen Fall, wo Salz- lösungen in starken Konzentrationen von außen in den Protoplasten eindringen können: Die sporogenen Fäden (Karposporen) von Lemanea in ge- sättigte Na Gl gebracht, zeigten nur wenige plasmolysierte Zellen und diese auch nicht in besonders starkem Maße. Genauere Be- obachtungen ergaben, daß dieses Verhalten auf einer außerordentlich starken Permeabilität für Salze beruht. Stellt man die Zelle zuerst unter dem Mikroskop ein und fügt dann erst unter ständiger Be- obachtung seitlich gesättigte NaGl-Lösung hinzu, so bemerkt man, 12» 180 ' Heinrich Walter, wie in dem Augenblicke, wo das Salz mit den Fäden in Berührung kommt, diese stark schrumpfen, die Membran sich entspannt und der Inhalt vollkommen homogen wird, wobei er deutliche Plas- molyse mit meist einer Einbuchtung an beliebiger Stelle zeigt. Kaum ist aber dies geschehen, so vergrößert der Inhalt wieder sein Volumen, wird gleichzeitig körnig, legt sich an die Membran an und dehnt letztere wieder beträchtlich aus, so daß die Fäden mehr oder weniger ihr ursprüngliches Aussehen annehmen. Der ganze Vorgang vollzieht sich bei vielen Zellen innerhalb einer Minute, kann aber auch bedeutend länger dauern. Dasselbe beobachtet man auch beim Hinzufügen von konz. Glyzerin. Der geschilderte Vorgang kann nicht mit dem gewöhnlichen Rückgang der Plasmolyse ohne weiteres identifiziert werden. Dieser beruht ja darauf, daß dank der Permeabilität des Plasmas die Salze aus der Außenlösung in die Vakuole hineindiffundieren können und die Konzentration im Zellsaft erhöhen. Wie wir aber wissen, fehlt eine Vakuole den Karposporen vollkommen. Wir haben uns den Vorgang deshalb so vorzustellen, daß im ersten Augenblicke, ent- sprechend dem hohen osmotischen Wert der Na Gl -Lösung, dem Protoplasten in noch stärkerem Maße als in gesättigter Rohrzucker- lösung Wasser entzogen wird. Da aber das Salz jetzt auch in den Protoplasten eindringt, so tritt außer einem Konzentrationsausgleich zugleich eine Änderung im Quellungszustand der Plasmakolloide ein. Gleichzeitig aber koaguliert das Plasma, was man am Körnig- werden des Zellinhaltes bemerkt, wobei der Farbstoff sich in Form von einzelnen Körnern ausscheidet und der Kernfleck in der Mitte der Zelle undeutlich wird. Nach Auswaschen tritt im Rohrzucker keine Plasmolyse mehr ein. Das Plasma ist also nach dem Wieder- aufquellen tot, trotzdem aber erreichen die Zellen ihren früheren „turgeszenten" Zustand wieder. Diese Beobachtung zeigt, daß die Quellung des koagulierten Plasmas in gesättigter Na Gl -Lösung zum mindesten nicht geringer ist als die des lebenden Plasmas in Wasser. Es war zu erwarten, daß verschiedene Salze je nach ihrer Stellung in der lyotropen Reihe verschieden wirken würden. Nimmt man 2 u- Lösungen von KGNS, KNO3 und KGl, so ist die Wieder- aufquellung im ersten am größten, in den anderen beiden kleiner. In KGNS vollzieht sich der ganze Vorgang so rasch, daß er kaum zu beobachten ist, in KNO3 dauert er etwas länger, jedoch sind innerhalb einer halben Stunde alle Zellen bereits aufgequollen; in KCl dauert er dagegen schon über 40 Minuten. Protnplasiim- und MembraiKjiiellun}; bei Plasmolyse. 181 Nimmt man im Gegensatz dazu ein stark entquellendes Salz wie (NHi)iSOi, so ändert sich das Bild wesentlich. In 2n-Lösung tritt keine Plasmolyse ein, der Inhalt wird sehr dunkel und sieht wie erstarrt aus. Nimmt man gesättigte (NH4)2SO.i- Lösung, so schrumpft der Inhalt, aber nicht wie gewöhnlich, sondern er nimmt eine eckige Form an und sieht wie eine eingedellte Blech- schachtel aus, ein Wiederaufquellen tritt niemals ein. Wir haben es also mit einer starken Entquellung und einem Festwerden des Zellinhaltes in (NHi)oS04 zu tun, wodurch die Plasmolyse in 2n- Lösung verhindert wird und erst ein noch stärkerer Überdruck die Deformation hervorruft. Die Permeabilität ist dabei in (NH4)2S04 gegenüber KONS stark herabgesetzt; denn Zellen, die nur einen Augenblick in konz. KCNS-Lösung verblieben, zeigten nach sofortigem Auswaschen in gesättigter Rohrzuckerlösung keine Plasmolyse mehr — waren also tot. In konz. (NHi)» SO i- Lösung über 4 Stunden gelegene Zellen nahmen dagegen, in Wasser gebracht, ihr normales Aussehen wieder an und wurden von Rohrzucker plasmolysiert. Nach längerem Ver- weilen traten Risse auf, und die Zellen starben ohne aufzuquellen ab. Totes Plasma quillt also in KCl, KNO3 und KONS in steigendem Maße auf und wird von (NH4)2S04 zum Entquellen gebracht. Dasselbe wird auch für lebendes Plasma gelten, da es, wie wir oben gesehen haben, seinen Quellungseigenschaften nach sich nicht prinzipiell von anderen toten Quellkörpern unterscheidet; der Unter- schied wird nur quantitativer Natur sein. Zugleich sahen wir, daß die Permeabilität für (NH4)iS04 sehr viel geringer ist als für die übrigen Salze. Auch bei diesen nahm der Vorgang des Wieder- aufquellens in der Reihe KCl, KNO;; und KCNS immer kürzere Zeit in Anspruch, was auf größere Permeabilität zurückzuführen ist. Wir können also sagen, je quellungsfördernder ein Salz wirkt, desto leichter permeiert es in die Zelle. Dieses Ergebnis stimmt vollkommen mit den Befunden Fittings (1915, S. 1 und 1916, S. 553) überein. Er fand, daß die Permeabilität bei Rhoeo discolor für K2SO4 gegenüber KNO3, KCl, KBr und KCIO., stark herabgesetzt ist. Dasselbe gilt insbesondere für die Li- und in noch höherem Maße für Mg-, Sr-, Ca- und Ba-Salze. Kahho (1921a, S. 284 und 1921b, S. 125) zeigte gleichfalls, daß die Gif- tigkeit und Permeabilität in der Reihenfolge von CNS' zu SO4" abnimmt. Ahnliches fand auch Hansteen-Cranner (1922). Mit diesen Literaturhinweisen will ich mich begnügen. 182 Heinrich Walter. Die Änderung des Quellungszustandes von Plasma durch Salze findet natürlich auch bei vakuolisierten Zellen statt, nur ist die Wirkung hier, dank der relativ geringen Plasmamenge, nicht so auffallend, aber doch deutlich wahrnehmbar. Beobachtet man den in normalen KNOy- und KCNS-Lösungen plasmolysierten Zellinhalt von Spirogyra-Fäiden, so bemerkt man ein Zurückgehen der Plas- molyse. Die Volumzunahme des ZelUnhaltes geht zuerst langsam vor sich, wird darauf rascher, steigert sich plötzlich rapide, und mit einem Ruck platzt der Plasmaschlauch auf und der Tonoplast tritt heraus. Dieses letzte rasche Ansteigen der Volumzunahme kann nur durch eine plötzliche Quellungsförderung des Plasmas durch die eingedrungenen Salze bedingt werden. Denn erstens ändern gleichzeitig damit auch die Chlorophyllbänder ganz auffallend ihr Aussehen, indem sie aufquellen und ihre Konturen undeutlich werden*), zweitens müßte, wenn der ganze Vorgang nur auf der Steigerung des osmotischen Wertes vom Zellsaft beruht, der Tono- plast sich mit derselben Geschwindigkeit oder noch rascher ver- größern, da ja die Salze jetzt nur noch dessen Wand zu passieren haben. Letzteres trifft nun keineswegs zu, zwar vergrößert sich der Tonoplast ebenfalls, aber nur langsam. Auffallend ist noch eine Tatsache — die außerordentliche Resistenz des Tonoplasten. Nach dem KoaguHeren des Plasmas liegt der Tonoplast frei in der Salzlösung; trotzdem bleibt er längere Zeit erhalten, als vom Beginn des Versuches bis zum Platzen der äußeren Plasmahaut verstreicht. Da meist angenommen wird, daß zwischen der Plasmahaut und den Vakuolenhäuten (Tonoplasten) kein wesentlicher Unterschied in der Zusammensetzung besteht, so kann man sich die geringere Widerstandsfähigkeit der Plasmahaut nur durch die eventuell beim Quellen des Plasmas auftretenden Spannungen erklären, die dann auch das Aufreißen bedingen. 1) Auch Suessenguth hat ein Aufquellen des Kerns in ^4" KONS und NH^NO, beobachtet (Untersuchungen über Variationsbewegungen von Blättern, Jena 1922, S. 36). 2) Mac Dougal (1920; schließt aus dem Verhalten von Gewebeschnitten ver- schiedener Pflanzen bei der Quellung in Elektrolytlösungen und aus einigen Gesamt- analysen, daß das Pflanzenprotoplasma zu 90 % *"S Pentosanen besteht. Ich kann mich dieser Ansicht nicht anschließen. In den Versuchen von Mac Dougal dürfte das Plasma nur einen geringen Teil der Gewebeschnitte ausmachen. Meine Beobachtungen zeigten, daß die Lemanea- Zellen in NaCl eine Quellungsförderung erfahren, während bei Agar immer eine Entquellung eintritt. Auch die Koagulation des Plasmas spricht für eiweiß- artige Verbindungen. Protoplasma- iiml Meinbraiiiiuclliing bei Plasmolyse. 183 IL Teil. Membranquellung. 1. Membranquellung bei Bnngia als sekundäre Pvischeinung. Wir hatten bereits am Anfang dieser Arbeit gesehen, daß beim Übertragen eines ßangia-¥ Sidena in hypertonische Salzlösung gleich- zeitig mit der Schrumpfung des Protoplasten ein starkes Aufquellen der Membran eintritt. Die Voluraveränderungen des Protoplasten hatten wir in den vorhergehenden Abschnitten unabhängig von dem Aufquellen der Membran betrachtet. Nachträglich soll nun gezeigt werden, daß wir dazu berechtigt waren. Der Quellungszustand der Membran wird nämlich vom Volumen des Protoplasten bestimmt. Nimmt letzterer viel Raum innerhalb der resistenten Kutikula ein, so wird die Membran zusammengepreßt; schrumpft der Zellinhalt zusammen, so quillt die Membran entsprechend auf. Alles, was den Turgordruck erhöht, muß Entquellung der Membran nach sich ziehen, alles, was ihn herabsetzt oder ganz vernichtet, wie z. B. Abtöten der Zellen, ruft sofort eine Membranquellung hervor. Überträgt man z. B. einen Bangia-Fsiden in konz. Glyzerin, so nehmen die Zellen anfangs dasselbe Aussehen an wie in ge- sättigter Na Cl- Lösung. Allmählich dringt aber das Glyzerin ein und der Zellinhalt beginnt, wie es Berthold (a. a. 0. S. 7) be- schreibt, nach und nach unter Entquellung der Membran kugelig anzuschwellen. Tritt aber nach einiger Zeit Absterben der Zellen ein, so quillt die Membran sofort wieder auf und preßt die ab- gestorbene Plasmamasse zusammen, die homogen wird und bald alle Farbe verliert. Ich habe dieselben Versuche mit Porphijra, die Herr Dr. Nienburg die Liebenswürdigkeit hatte, mir von Helgo- land zu übersenden, wiederholt. Der Vorgang war genau derselbe, nur war die Permeabilität der Zellen sehr viel größer, als sie Berthold angibt, was vielleicht teilweise auf den langen Transport zurückzuführen ist. Lag der Zellinhalt am Schnittrande, so trat nach dem Absterben kein Schrumpfen ein, da ja in diesem Falle der Druck der aufquellenden Membranen fehlte. Es herrschen also bei Bangia im wesentlichen dieselben Ver- hältnisse, wie sie Kotte (a. a. 0. S. 127) für die Rhodophyceeu und einige Chlorophyceen beschreibt. Ich kam zu diesen Ergeb- nissen unabhängig von Kotte, da mir seine Arbeit anfangs un- bekannt war; ich kann seine Ausführungen vollkommen bestätigen. 184 Heinrich Walter, Wie küoimt es nun, daß der Quellungsdruck der Membran im Vergleich zum Turgordruck des Zellinhaltes eine so geringe Rolle spielt? Wir beantworten diese Frage am leichtesten, indem wir uns ein Modell von einer Bangia-ZeWe konstruieren : Nehmen wir einen geschlossenen porösen Tonzylinder, dessen eine Hälfte mit einem in m- Rohrzuckerlösung maximal gequollenen Körper, z. B. Agar, gefüllt ist, während die andere Hälfte eine m- Rohrzuckerlösung, die mit einer semipermeablen Membran umgeben ist, enthalten würde. Die Gallerte soll der ^aw^irr- Membran, die Rohrzucker- lösung dem Zellinhalt entsprechen. Tauchen wir jetzt den ganzen Zylinder in m- Rohrzuckerlösung, so wird keine Veränderung ein- treten. Der osmotische Druck der Rohrzuckerlösung ist gleich Null, ebenso der Quellungsdruck von Agar, da ja derselbe maximal gequollen ist. Jetzt übertragen wir den Tonzylinder in "o m- Rohrzuckerlösung. Da die Wand des Tonzylinders für Rohrzucker permeabel ist, so kann sich dessen Konzentration im Agar mit derjenigen im Außenmedium ausgleichen, da andererseits, wie wir sehen werden, Rohrzucker auf das Quellungsmaximum des Agars so gut wie keinen Einfluß hat, so wird der Quellungsdruck immer noch gleich Null bleiben. Anders wird sich die mit m-Rohrzucker- lösung gefüllte Hälfte verhalten. Dank der semipermeablen Mem- bran wird hier ein osmotischer Überdruck von annähernd 20 Atmo- sphären entstehen (s. Tabelle IV). Das Gleichgewicht wird gestört, die Rohrzuckerlösung wird so lange Wasser aufnehmen und auf Kosten der Agargallerte ihr Volumen vergrößern, bis der bei der Entquellung entstehende Quellungsdruck gleich dem mit zunehmen- dem Volumen der Lösung sich verringernden osmotischen Druck wird. Da aber, wie bereits früher erwähnt, anfangs das Wasser vom Quellkörper sehr leicht abgegeben wird, so muß auch die Volumabnahme der Agargallerte ziemlich bedeutend sein, bis der Quellungsdruck die entsprechende Höhe erreicht^). Das neue Gleichgewicht wird in unserem Falle vielleicht nach Verringerung des Volumens der Agargallerte um die Hälfte eintreten. Der os- motische Druck der Lösung beträgt dann 6 Atm. Ebenso groß würde der Quellungsdruck der Gallerte und der auf die Wand des Tonzylinders ausgeübte Druck sein. Heben wir aber jetzt z. B. 1) Man kann dieses auch direkt aus den Druckkurven von Reinke (a. a. 0. Taf . IV, Fig. 1) und Katz (a. a. 0., Fig. 76 — 78) ersehen. Sie verlaufen bei Entquellung anfangs sehr flach und biegen dann erst steil nach oben um. Protoplasma- und Membranquellung bei Plasmolyse. 186 durch Anstechen die Semiperineabilität der Membran auf, so wird der osmotische Druck der Lösung gleich Null, und sofort wird die Gallerte bis zu ihrem früheren Volumen aufquellen. Die Analogien zur ßangia-ZeWe sind, glaube ich, so klar, daß ich nicht näher darauf einzugehen brauche. Die Änderung der Konzentration der Außenlösung kann aber auch den Quellungszustand der Membran direkt beeinflussen, indem der gelöste Körper entweder quellungsfördernd oder entquellend wirkt. In diesem Falle werden die Verhältnisse etwas komplizierter sein. Nach Kotte wird das Quellungsbestreben der Chactomorpha- Membran in Neutralsalzlösungen mit steigender Konzentration immer mehr herabgesetzt, ebenso auch durch Rohrzucker und Laugen. Nur Säuren wirken stark quellend. Es zeigten sich also im all- gemeinen sehr starke Abweichungen gegenüber dem Verhalten von Gelatine bei Neutralsalzwirkung. Indessen glaubt Kotte (a. a. O. S. 157) keine weiteren Schlüsse hieraus ziehen zu dürfen, da F. Hofmeister mit einem ungeformten Material arbeitete und die Quellungsmaxima bestimmte, während er ein kompliziertes Gebilde — die Algenmembran — vor sich hatte und die relativen Quellungs- geschwindigkeiten verglich. Da aber sowohl bei den Hofmeister- schen Versuchen, wie auch bei denjenigen von Kotte die ge- lösten Stoffe leicht in den Quellkörper hereindiffundieren konnten, wobei wir einmal einen Eiweißstoff, das andere Mal aber ein Kohlehydrat vor uns haben, so war eigentlich von vornherein keine Übereinstimmung zu erwarten. Es ist doch bekannt, daß Eiweißkörper sich nicht indifferent den Neutralsalzen gegenüber verhalten, was für Kohlehydrate nicht anzunehmen ist. Die Unter- schiede dürften deshalb auf der verschiedenen chemischen Kon- stitution beruhen. Ist diese Annahme richtig, so muß ein unge- formter Kohlehydratkörper dasselbe Verhalten wie die Chaetomorpha- Membran zeigen. Da aber bis jetzt fast nur die für den Bio- chemiker interessantere Gelatine untersucht worden ist und man häufig die mit ihr gewonnenen Ergebnisse als ganz allgemein gültig ansieht, so schien es mir zweckmäßig, das Verhalten von Agar- Agar nachzuprüfen. 2. Versuche mit Agar-Agar. Agar-Agar wird durch Kochen aus verschiedenen japanischen Oelidium-Arten gewonnen. Die gallertige Flüssigkeit wird in Formen gegossen, zur Erstarrung gebracht, zerschnitten und in der Sonne 186 Heinrich Walter, getrocknet. Chemisch ist Agar natürUch kein einheitlicher Körper und die Zusammensetzung ist großen Schwankungen unterworfen. Der Hauptbestandteil ist die zur Pektingruppe gerechnete Gelose (bis 64,59 ^/o). Reine G-elose gibt 1 : 500 steife Grallerte, wird durch Tannin nicht gefällt, gibt mit Jod rotviolette Färbung. Die empirische Formel ist CjHioO.,. Bei Hydrolyse liefert sie Arabinose; mit HNOa gibt sie Schleim- und Oxalsäure, enthält also ein Galaktan entsprechend den 33,05 — 36,57 7o Galaktose. Ein anderer wesent- licher Bestandteil des Agars ist das Parabin (Ci2H2iOii), das bei der Hydrolyse Galaktose liefert, im Gegensatz zur Arabinsäure keine sauren Eigenschaften besitzt, bei längerer Berührung mit Al- kalien abei in Arabinsäure übergeht. l,ß6"/o der Trockensubstanz von Agar sind Pentosane (nach Tschirch, Handbuch d. Pharma- kognosie, Bd. II). Da man aus der Erstarrungskurye Rückschlüsse auf die Quellung ziehen kann (vgl. Pauli, 1898, S. 345 und Wo. Ostwald, 1906), so wurde als Vorversuch die Beeinflussung der Erstarrungstempe- ratur durch Na Gl, dem Hauptbestandteil des Meersalzes, untersucht. Als Erstarrungstemperatur, die bei Agar stark von dessen Kon- zentration abhängt, wurde diejenige bezeichnet, bei der man zum ersten Male das Reagenzrohr mit der Agarfiüssigkeit umkippen konnte, ohne daß etwas herausfloß. Die entsprechende Agarlösung wurde in kochendem Wasser aufgelöst und je 15 cm^ in die im kochenden Wasser stehenden Reagenzrohre gefüllt. Darnach wurde die Gasflamme ausgelöscht und durch Hinzufügen von heißem resp. kaltem Wasser die Temperatur des Wasserbades so reguliert, daß sie alle 5 Minuten um 1 « C fiel (Ostwald 1920, Vers. 99). Eine größere Genauigkeit bei diesen Versuchen wurde nicht angestrebt. Versuch 1 . Abhängigkeit der Erstarrungsteniperatur von der Ägarlionzentration. Nr. 1: 15 cni^ Va Vo Agar — erstarrte selbst bei 6,5*'C nicht, Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. b 1 „ „ — Erstarrungstemperatur 2 „ „ — „ 2'A . . - 5 „ „ — 31,5—31" C, 35,5—35*' C, 36—35,5*' C, 37,5*' C. Wo zwei Temperaturen angegeben sind, bedeutet die höhere diejenige, bei der alles bis auf eine Flocke an der Oberfläche erstarrt war (Nr. 4 — 5 aus Versuch 4 — 5). Graphisch dargestellt ergibt sich eine Kurve, die vollkommen mit derjenigen von Gelatine übereinstimmt (s. z. B. Ostwald, 1920, Fig. 6), sie .steigt zuerst steil an und nähert sich dann der Horizontalen. Protoplasma- und MeinhraiKiuellung bei Plasmolyse. 187 ^O". II 35' W M3 C/ - Monzenl'rJfion Zn Jn Fig. 3. Versuch 'i. Einfluß von Na (.'1- Lösung auf die Erstarrungsteniperatur von 1 7o Agar. Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3: Nr. 4 Nr. 5: Nr. 6: Nr. 7 5 cm» 3 7o Agar -f 10 cm» H, 0, also 1 7o Agar in H.O. „ 4- 7 „ „ + 3 „ n + 5 „ „ + 5 n + 10 r, + 5 „ -j- Icm^n.NaCI, „ „ „ inViBH-Nat'l „ + 5 „ .ön.NaCl, „ « in Va n in Va . in Vs 10 in '"/ Krsfarrungs- temperatnr 32 — 30,5" C, 33 — 30,.')» C, 33— 32*'C, 33,5— 32» C, 34,5 -33» C, 37 — 36,5" C, 43—41° C. Versuch 3 — 6 s. Tabellen S. 188. Die Ergebnisse sind auf Fig. 3 und 4 graphisch dargestellt. Fig. 4. lös Heinrich Walter, ü e Ü Ü in o o ü CO o o , ^ O O o n» eo eo ü i H eo^ c o 1 1 1 - ^ iC lO CO «o «O OD Ol CO «5 CO «5 m sc •^ 1 -- ü o «5 to O •* 00 in ü ü o o ü o in in o o o IN «O 05 - T 1 -<* 1 1 ^ I 1 «5 1 in 1 o „' ^ !« eo «* ■^ E^ B u> » O o t: c c c o oj c a c c c O O ■ e g W ->.... -^ in <3 y .-2 X £: £: P =» w (M eo Tt in (N «5 in CS O « O ° ^ ^ = •= ' 1 1 eo (N IM d -1- +++ ++ ■ . ö w ++++++++++ Scccc sc CEC Oö >^ >^' £ £ £ J: Jti £ <^ «^ "-i (N CO Ä }2i Ä ;5 ;5 ä" ;ä sS' ä' ;ä ^ ä' ;ä Protoplasma- und Menibranquellung bei Plasmolyse. J39 Man sieht, daß die Erstarrungstemperatur unabhängig vuii der Agar- Konzentration propoitional der NaCl-Konzentration steigt. Die sicli ergebenden Kurven sind fast vollkommen gerade Linien, die untereinander mehr oder weniger parallel verlaufen. Schon diese Kurven zeigen ein ganz anderes Bild als die Erstarrungskurve bei Gelatine (vgl. Pauli, a. a. O. S. 336 und Ostwald, a. a. O. S. 584). Statt die Erstarrungstemperatur herabzusetzen, erhöht NaCl sie bei Agar; anstatt einer komplizierten Kurve mit mehreren Maxima und Minima erhalten wir eine Gerade. Es ließ sich also auch eine ganz andere Beeinflussung der Quellung bei Agar durch Na Gl erwarten. Versuch 6. Seesalz verhält sich fast vollkommen wie reines NaCl. Seewasser stand mir nicht zur Verfügung. Es wurden die Erstarrungstemperaturen für 1 7o ^^'^ 2 "/o Agar bei drei verschiedenen Konzentrationen: 1. 0,5 g natürliches Seesalz auf 20 cm* H.jO, 2. 2,5 g auf 20 cm* und 3. gesättigte Seesalzlösung bestimmt. Die entsprechenden Erstarrungs- temperaturen waren für 1 "/o Agar 33,5" C, 39,5— 39° C und 44° C; für 2% Agar 37° C, 43,5° C und 50° C. Sie entsprachen fast genau den Erstarrungstemperaturen der Kontrollproben mit reinem NaCl. Die dem Meerwasser (3,5 %) entsprechende Kon- zentration zeigt bei 5 °/q Agar die Erstarrungstemperatur 40,5 — 40° C, was ebenfalls mit der ents|irechenden NaCI-Konzentration übereinstimmt. Daraus folgt, daß geringe Beimengungen von anderen Salzen keinen erheblichen Einfluß auf die Erstarrungstemperatur und also wahrscheinlich wohl auch auf die Quellung des Agars haben. Das ist insofern wichtig, als Agar ja nicht ganz aschenfrei ist. Versuch 7. Von anderen Salzen wurde nur noch 5% Agar in einer 2 n. Lösung von Na,SO^ und NaNOg geprüft. Bei ersterer löste sich der Agar in kochendem Wasser nicht und gab keine Gallerte. NaNOg dagegen erhöhte die Erstarrungstemperatur nicht wie NaCl, sondern setzte sie stark herab bis auf etwa 26° C (reines Agar 37,5° C). Versuch 8. Eine genauere Nachprüfung für Na^SO^ bei niederer Konzentration ergab folgendes: Nr. 1 1 g Agar in 20 cm" Va. n- Na^SO,. Erstarrungstemperatur : 39 ° C (etwa). Nr. 2 „ n >i 1) V« n. „ : 41° C. Nr. 3 „ . Glyzerin. Die "/o brücken den Gehalt an käuflichem konzentrierten Glyzerin aus. Konzentration. . . H,0 2 7o 4% 8 7o IG"/,, 24% 40 7, Sedinienthöhe . . . 1,00 0,97 V 1,01 1,03 1,04 1,05 1,07 Konzentration Sedimenthöhe Konzentration Sedimeiithöhe Konzentration .Sedimenthöhe W/m Versuch 34 (Agar Kahlbaum). Alkohol. H3O 17, 2 7o 4 7o 10 7o 20 7o .50 7o 97 7, 1,00 1,01 1,015 0,995 0,925 0,81 0,45 0,20 Versuch 35 (Agar Kahl bäum). Formaldehyd. H3O V.7o 2V0 3 7o 5 7o 1,00 0,985 0,93 0,92 0,93 Versuch 36 'Agar Kahlbaum). Chloralhydrat. H,0 2 7o 20 7o 1,00 1,23 nicht abgesetzt (Lösung). io7o 20 7„ 0,905 0,02 Weiter wurden diese Untersuchungen vorläufig nicht verfolgt, da sie von der hier behandelten Fragestellung zu weit abgeführt hätten. 200 Heinrich Walter, Bevor ich zur Besprechung der Membranquellung zurückkehre, seien mir einige Worte über die Agarquellung im allgemeinen erlaubt, da die hier angeführten Versuche stark von den bisher bekannten Tatsachen abweichen: Zwischen der Einwirkung der Salze auf die Erstarrungstempe- ratur einerseits und auf die Quellung andererseits besteht ein ge- wisser Zusammenhang. Wir sahen, daß Sulfate die Erstarrungs- temperatur äußerst stark erhöhen und gleichzeitig stark entquellend wirken. Dasselbe gilt auch, nur in geringerem Maße, für NaCl. Bei Nitraten sahen wir bei hohen Konzentrationen eine Herabsetzung der Erstarrungstemperaturen und in Übereinstimmung damit eine Quellungsförderung. Von einem weitgehenden Parallelismus kann aber nicht die Rede sein. Wenn auch die Werte bei geringen Konzentrationen vielleicht nicht ganz genau sind, so sieht man doch besonders bei höheren Konzentrationen, daß die Erhöhung der Er- starrungstemperatur von 1 — 6% Agargallerte immer proportional der NaCl- Konzentration steigt. Die Quellungskurve in NaCl- Lösungen steigender Konzentration dagegen kommt ihrer Form nach der Adsorptionsisotherme, also einer Exponentialkurve sehr nahe. Eine ebenso wenig genaue Übereinstimmung zeigen auch die Kurven für Na^SOi und für NaNOs- Letztere zeigt z. B. schon von 0,2 n-Konzentrationen an eine Herabsetzung der Erstarrungs- temperatur; eine quellende Wirkung kann dagegen erst bei Kon- zentrationen über 0,5 n festgestellt werden. Viskositätsbestimmungen an Agarsolen haben vor kurzem Kruyt und de Jong (1922) ausgeführt, worauf Herr Prof. Wo. Ostwald die Liebenswürdigkeit hatte, mich aufmerksam zu machen. Sie kommen zu dem interessanten Ergebnis, daß ein entquellender Elektrolyt, z. B. MgSOj, zweierlei bewirkt: „die zunächst zugefügten Milliäquivalente wirken entladend, ganz wie bei Suspensoiden und der Valenz des Mg" -Ions gemäß. Die weiter hinzugefügte Menge wirkt dehydratierend der lyotropen Stellung des Ions entsprechend" (S. 261). In beiden Fällen zeigt die Viskositätskurve einen steilen Abfall. Bei nicht entquellenden Salzen, wie z. B. MgCl2, ist nur der erste Abfall vorhanden. Wir sehen also daraus, daß ein weitgehender Parallelismus zwischen Viskosität und Quellung nicht bestehen kann, da die Änderungen der Viskosität vielfach nur auf einer Veränderung der elektrischen Ladung beruhen. Gehen vdr zu den Quellungskurven selbst über, so sehen wir besonders bei höheren Konzentrationen ein deutliches Hervortreten Protoplasma- iiml Membranriuellung bei Plasmolyse. 201 der Anionenreihe. Die Kationen zeigen dagegen eine viel weniger charakteristische Wirkung. Diese Befunde stimmen vollkommen mit den Beobachtungen an Gelatine und Eiweiß überein, was zu erwarten war, da ja die lyotrope Reihe unabhängig vom Quellkörper durch die Veränderung des Dispersionsmittels, d. h. des Wassers, unter dem Einfluß der Ionen zustande kommt. Vergleichen wir die einzelnen Kurven untereinander, so sehen wir, daß anfangs sämtliche Salze sich mehr oder weniger gleich- förmig verhalten, indem schon verhältnismäßig geringe Mengen eine starke Herabsetzung der Quellung hervorrufen. Eine weitere Kon- zentrationssteigerung hat geringere Wirkung. Die Kurven für die einzelnen Salze gehen aber allmählich immer weiter auseinander. Diejenige für Chloride bleibt fast horizontal, bei NO3' und SCN' steigt sie immer mehr an, während bei SO4" sie weiter abfällt. Dieses Verhalten ist fast das Gegenteil von dem bei Gelatine gefundenen, da hier die meisten Salze wenigstens in geringen Kon- zentrationen eine quellungsfördernde Wirkung ausüben (vgl. Hof- meister, Ostwald, Lenk; Literaturangaben bei Höber, Freund- lich, Eichwald und Fodor). Bei Stärke hat Samec (1911, S. 123) die Lösungsquellung bei Gegenwart von Kristalloiden unter- sucht. Nach den von ihm gefundenen Kurven zu urteilen, dürfte Stärke ungefähr eine Mittelstellung zwischen Gelatine und Agar einnehmen. Ganz anders wie Gelatine verhält sich Agar-Agar auch Säuren und Laugen gegenüber. Eine geringe Abweichung vom Neutralitätspunkte auf die eine oder andere Seite bedingt schon eine starke Entquellung '). Ohne näher auf die Theorien der Neutralsalzwirkung einzugehen, 1) Auf das verschiedene Verhalten von Gelatine und Agar bei Elektrolyteinwirkung haben' bereits Mac Dougal und dessen Schüler fs. Mac Dougal, 1920) und Pietr- kowski (Arch. f. exper. Patliol. u. Pharmakologie, 85, 300, 1920; hingewiesen. Pietr- kowski bestimmte nach der Hof meisterschen Methode die Quellung von Gelatine und Agarplättchen in Vio ^^^ ^^/looo mol. Lösungen von Chloriden der Alkali- und Erdalkalisalze. Eine etwas andere Methode benutzte Mac Dougal, dessen Arbeiten ich erst während der Korrektur einsehen konnte. Er mißt die Dickenzunahme der Agar- platten bei der Quellung. Meist kam nur eine Konzentration (0,01 n) zur Untersuchung, wobei das Hauptgewicht auf die Wirkung verschiedener Säuren, Basen und Aminoderivate gelegt wurde. Verschiedene Konzentrationen wurden fast nur bei Agarplatten, die mit N-haltigen Substanzen (Proteinen, Gelatine usw.) gemischt waren, angewendet. Soweit ein Vergleich mit meinen Kurven möglich ist, stimmen die Resultate gut überein. Für die entsprechenden Literaturangaben bin ich Herrn Prof. H. Fitting und Herrn Dr. Ra witsch er zu Dank verpflichtet. 2^2 Heinrich Walter, möchte ich doch betonen, daß dieses verschiedene Verhalten von Agar und G-elatine, die bei der Quellung in reinem Wasser keine prinzipiellen Unterschiede zeigen, eine genügende Erklärung in der verschiedenen chemischen Konstitution findet. Ganz allgemein wird jetzt angenommen, daß Eiweißstoffe, zu denen auch Gelatine gehört, sich Salzen gegenüber nicht indifferent verhalten, sondern daß zwischen ihnen eine Bindung, sei es eine chemische oder eine Adsorptions- bindung, stattfindet. Derartiges ist für Agar nicht bekannt und, da es sich um ein Kohlehydrat handelt, auch kaum anzunehmen^). Viel wahrscheinlicher ist es, daß Agar anderen chemischen Körpern gegenüber sich ziemlich indifferent verhält. Erst bei gleichzeitiger Einwirkung höherer Temperaturen treten nach Reidemeister (1908, S. 42) Veränderungen ein. Schon Reinke (a. a. O. S. 121) aber weist darauf hin, daß, wenn die Anziehungskraft der Mizellen zu den gelösten Stoffen größer ist als zum Wasser, eine quellungs- fördernde Wirkung der Lösungen eintreten muß; wenn sie geringer ist, aber eine quellungshemmende. Ebenso führt auch Polänyi (1914, S. 2.58) auf Grund des zweiten Wärmesatzes aus, daß quellungsfördemde Stoffe positiv, hindernde negativ adsorbiert werden. Allerdings gilt dieser Satz nur, wenn die Vorgänge reversibel sind, was bei Gallerten nicht in vollem Maße zuzutreffen braucht. Wenn also Agar die Salze nicht adsorbiert, so ist in jeder Salzlösung eine quellungshindernde Wirkung zu erwarten. Die neuen Anschauungen der Lösungen nehmen ja eine wasserbindende Kraft der Salzionen an — eine Hydrophilie, die um so größer ist, je kleiner der Radius des Ions und je größer die Ladung ist, woraus dann direkt die Hofmeister sehe Reihe folgt (vgl. Hob er, Eichwald und Fodor). Wir können also wieder wie Reinke, dessen theoretische Aus- führungen uns ganz modern anmuten, von einer wasseranziehenden Kraft sprechen. Wenn die Salze nicht vom Quellkörper adsorbiert werden, so muß sich zwischen ihren Ionen und dem Quellkörper ein gewisser Antagonismus herausbilden, der dann zu einer geringeren Quellung führen wird. Da die Hydrophilie des SO4" am größten ist, so müssen die Sulfate auch am stärksten, die anderen Anionen dagegen etwas schwächer entquellend wirken. Dank der positiven 1) Ganz so einfach scheinen die Verhältnisse nach den neueren Untersuchungen von Sameö (Kolloidchera. Beihefte, 16, 285, 1922) bei Agar nicht zu liegen. Diese Arbeit konnte aber hier nicht mehr berücksichtigt werden. Vgl. dazu auch Kruyt (1922). Protniilasina- iiiul .MeinbraiKiiiellunp bei Plasiiiolyse. 203 Adsorption bei Gelatine werden dort die Verhältnisse natürlich ganz anders liegen. Sobald aber Agar und Gelatine sich einem dritten Körper gegenüber gleich indifferent verhalten, und das scheint z. B, bei Alkohol der Fall zu sein, so zeigen die Quellungs- kurven sofort eine vollkommene Übereinstimmung. Damit will ich diese theoretischen Betrachtungen schließen, hoffe aber, daß sie gezeigt haben, daß eine genauere Untersuchung der Quellungsgesetze bei Agar vielleicht noch zu wichtigen Ergeb- nissen führen kann. Zu jedem Versuch wurde lufttrockenes Agarpulver genommen; denn die Quellungsvorgänge scheinen bei Agar nicht vollkommen reversibel zu sein. In besonders hohem Maße gilt das für Agar- gallerte. die ja über das Quellungsmaximum hinaus Wasser ent- hält, also einer unterkühlten Lösung in gewissen Beziehungen gleichzustellen ist. Weder quellungsfördernde Stoffe wie Chloral- hydrat, noch hemmende rufen eine merkliche Wirkung hervor. Selbst Alkohol absolutus bewirkt, wie schon Bütschli (1896, S. 8) beobachtete, keine Schrumpfung. Festes Salz entzog der Gallerte etwas Wasser und löste sich auf, die Lösung diffundierte dann aber in die Gallerte hinein. Dieser Versuch erinnert an die Beobachtung von Göbel (1893, S. 236): Werden Hohlzylinder aus Agargallerte mit Salzlösung gefüllt und in Wasser gestellt, so bemerkt man, daß das Niveau im Zylinder anfangs steigt, dann mit der Zeit sich aber wieder ausgleicht, wobei die Salze in der Außenlösung ziemlich bald nachgewiesen werden können. Ebenso verhalten sich Zucker und Glyzerin. Die Versuche deuten auf eine im Vergleich mit der Diffusion der gelösten Stoffe rasche Wasserbewegung in Gallerte hin. Die Irreversibihtät der Quellungsvorgänge fand auch Kotte bei der Chaetomorpha -Memhr&n. 3. Das Verhalten von Algenmembranen gegenüber Elektro- lyten im Vergleich zu den an Agar gewonnenen Resultaten. Die Versuche mit Agar ergaben ein wesentlich anderes Bild der Beeinflussung der QuelKing durch Elektrolyte, als die bisher bekannten Versuche mit Gelatine. Dieser Unterschied muß in erster Linie durch die verschiedene chemische Konstitution der beiden Quellkörper bedingt werden. Bevor wir daher zur Membran- quellung bei Algen übergehen, müssen wir versuchen, wenigstens ungefähr die chemische Beschaffenheit der Algenmembranen zu 204 Heinrich Walter, bestimmen, um festzustellen, ob ein Vergleich mit Agar erlaubt ist. Folgende Versuche wurden sämtlich mit in Alkohol fixiertem Ma- terial ausgeführt. Die mikrochemische Untersuchung zeigte, daß die Gallerte der ^«n^?flf- Membran zu der Gruppe der Pektinstoffe gehört. Sie ergab folgende Reaktionen: 1. mit Jod- Jodkalium, Jod und HäSOi oder Chlorzinkjod — keine Färbung, 2. Kupferoxydammoniak löst nicht, 3. die Pektinfarbstoffe wie Safranin, Rutheniumrot und Methylenblau dagegen zeigen starke Färbung. Besonders charakte- ristisch ist der violette Ton, den die Membran mit letzterem an- nimmt, während der Zellinhalt rein blau gefärbt ist. 4. Nach Kochen mit 2% HCl und später 2% KOH werden die Mem- branen bis auf die Kutikula und die festeren Zwickel vollkommen zerstört. 5. 20 7o KOH ruft keine Veränderung hervor, dagegen tritt in konz. H2SO4 eine so starke Quellung der inneren Schichten ein, daß alle Zellen am angeschnittenem Ende herausgepreßt werden und nur die leeren resistenten Kutikulaschläuche verbleiben; ist der Faden aber unversehrt, so vergrößert sich der Durchmesser um das 3 — 4fache. Beim Kochen in Wasser lösen sich die inneren Schichten, wie es scheint, zum Teil auf. Die äußeren Membran- stoffe verhalten sich den Farbstoffen gegenüber indifferent und werden auch durch Sudan III nicht gefärbt. Sie zeichnen sich durch große Resistenz aus. Alle diese Reaktionen zeigen eine gute Uberein.stimmung mit dem Interzellularschleim der Rhodophyceen, besonders dem Carraghenschleim (vgl. Tschirch a. a. 0.); da aber auch Agar zum größten Teil aus der zur Pektingruppe gerechneten Gelose besteht, so steht die Bmigia -Membran jedenfalls dem Agar, der ja auch aus Rhodophyceen gewonnen wird, sehr nahe. Genau dasselbe Verhalten zeigte Porphyra. Bei den Rhodophyceen waren einige Unterschiede zu bemerken. Bei Chondrus crispus ist die Interzellularsubstanz als Schleim vor- handen. Die sekundären Lamellen dagegen, die das Protoplasma ausscheidet, zeigen zum Teil Zellulosereaktionen, indem sie mit Chlorzink-Jod Blaufärbung geben. Tschirch (a. a. 0.) gibt an, daß dasselbe auch mit Jod-Jodkalium nach längerem Liegen eintritt. Die Interzellularsubstanz, die wahrscheinlich auch in erster Linie die Quellung hervorruft, zeigt diese Reaktion nicht und verhält sich gegen die Pektinfarbstoffe wie die ^rtH^/za- Membran. Auch bei Polysiphonia sind es im wesentlichen die inneren Schichten der älteren Zellen, die Zellulosereaktion geben; aber im Gegensatze Protoplasma- und Ifembranqaellung bei Plasmolyse. 205 ZU Chondrus läßt sich keine scharfe Grenze zwischen den äußeren und inneren Schichten ziehen. Die an dem unteren Fadenende und der inneren Schicht zuerst einsetzende Blaufärbung mit Chlor- zink-Jod schreitet allmählich zur Spitze des Fadens einerseits und zu den" peripheren Membranschichten andererseits vor. Die ganz jungen Zellen und die Haargebilde geben sie nicht. Überein- stimmend damit fand Tobler (1909), daß die jungen Sproßenden im allgemeinen stärker quellen als die Membran der älteren Zellen. Dasselbe trifft mehr oder weniger bei den meisten untersuchten Rotalgen zu, so daß wir eine bestimmte chemische Abweichung der Sekundär -Lamellen von den Primär -Lamellen wahrnehmen können, die mit zunehmendem Alter der Zelle fortschreitet. Etwas anders verhielt sich nur Rhodochorton fioridulum. Hier färbten sich alle Membranen bis zur Spitze hinauf mit Chlorzink- Jod gleichmäßig blau; nur die stark gequollenen Membranen der Tetrasporen blieben farblos. Mit Methylenblau bekam man die reine Blaufärbung wie bei Zellulosemembranen, nicht die violette Färbung des Schleims und der Bangia-MemhrsLn. Ob es sich aber hier bei Rhodochorton um richtige Zellulosewände handelt, erscheint fraglich, da eine Lösung in Kupferoxyd -Ammoniak nicht zu be- obachten war. Das Fehlen der sich negativ zu Chlorzink-Jod verhaltenden Membranschichten bei Rhodochorton geht, wie es scheint, Hand in Hand mit dem Fehlen einer Membranquellung. Wenigstens war es die einzige von den von mir untersuchten Rot- algen, bei der die Membran in 70^0 Alkohol nicht gequollen war, so daß das Plasma sich bis auf die beiden Enden, wo sich die Tüpfel befinden, von der Membran losgelöst hatte. Die Membran von Chaetomorpha melagonium, die von Kotte untersucht worden ist, zeigte ebenfalls mit Chlorzink- Jod keine Färbung und mit Methylenblau einen violetten Ton. In Kupferoxyd- ammoniak löste sie sich nicht. In destilliertem Wasser oder schwachen Säuren verschleimt die Membranzwischensubstanz nach Kotte vollkommen. Wir sehen also, daß die quellbare Substanz in den Algen- membranen chemisch dem Agar ähnlich zu sein scheint. Ein Ver- gleich der von mir erhaltenen Quellungskurven für Agar mit den- jenigen von Kotte für die CÄae^omorpÄa- Membran gefundenen ist demnach gestattet. Schon eine flüchtige Gregenüberstellung der bei Kotte abge- bildeten Kurven mit den Quelluugskurven von Agar zeigt die große 206 Heinrich Walter, prinzipielle Übereinstimmung. Alle Kurven verlaufen im scharfen Gegensatz zu Gelatine sofort steil herunter und nähern sich dann allmählich der Horizontalen. Die Anionenreihe ist bei Agar genau dieselbe wie bei der Chaetomotjj/ia-'M.emhrsLn. Die Kationenreihe, die lange nicht so ausgeprägt ist, zeigt einige unerhebliche Ab- weichungen. Daneben machen sich einzelne Unterschiede bemerkbar, die aber zum größten Teil auf der verschiedenen Versuchsanordnung und dem ungleichen Material beruhen dürften, da ja Kotte von einer mit Meerwasser imbibierten Membran ausging und die Quel- lungsgröße nach 3 Stunden bestimmte. Die wichtigsten Unter- schiede sind folgende: Die Nitrate zeigten bei Agar bei höheren Konzentrationen immer eine quellungsfördemde Wirkung, bei Kotte fallen sie bis zum Schluß ab und NaNOa zeigt in der Nähe des Sättigungsgrades sogar einen plötzlichen Abfall. Kotte fand eine abweichende Wirkung des Seewassers im Vergleich zu einer NaCl- Lösung; ich konnte dieses für Seesalz nicht bemerken. Es wäre möglich, daß bei der Gewinnung des Seesalzes gewisse Veränderungen vorgegangen sind, die diese Differenz bedingen. Rohrzucker hat auf Agar kaum einen Einfluß, wirkt dagegen nach Kotte entquellend. Bei Chaetomorpha zeigte die Membran Laugen gegenüber genau dasselbe Verhalten, Säuren dagegen wirkten stark quellend. Alles in allem kann man sagen: Die Unterschiede, die Kotte der Gela- tine gegenüber fand, beruhen nicht auf den morphologischen Ver- schiedenheiten des Untersuchungsmaterials, sondern werden durch die andere chemische Zusammensetzung bedingt; denn mit Agar- Agar zeigt die Chaetoniorpha-M.emhra.n eine gute Übereinstimmung. 4. Mechanismus der Bangia-7je\\e. Wir haben bei einer Banyia- Zelle folgende Teile zu unter- scheiden: 1. Die Kutikula und die äußeren festen Membranschichten, die ziemlich unveränderlich sind und das Volumen der ganzen Zelle bestimmen. 2. Die quellbaren inneren Membranschichten, für welche die Quellungsgesetze in Lösungen gelten (vgl. die Versuche mit Agar). 3. Den Protoplasten, der, nach innen und außen durch eine semipermeable Membran abgetrennt, den Quellungsgesetzen in reinem Wasser folgt (vgl. Katz). Protoplasma- und Menibranquellung bei Plasmolyse. 207 4. Den Zellsaft, der sich in einer oder mehreren Vakuolen befindet und für den das Proportionalitätsgesetz bei Plasmo- lyse gilt (vgl. Höfler). Liegt die Zelle in Meerwasser, so herrscht Gleichgewicht: der Zellsaft muß denselben osmotischen Wert wie das Seewasser haben, der Protoplast dieselbe relative Dampfspannung. Dadurch würde das Volumen des Zellinhaltes bestimmt, wenn er frei in Seewasser schwebte. Die volle Raumentfaltung wird aber durch die Membran verhindert. Es kommt schließlich eine Gleichgewichtslage zustande, bei der die elastische Spannung der Kutikula gleich dem Quellungs- druck der inneren Membranschichten und gleich dem Turgordruck des Zellinhaltes ist. Letzterer wird wiederum gleich dem Quellungs- druck des Protoplasten und ebenso gleich dem osmotischen Druck des Zellsaftes sein, der durch die Differenz zwischen dem osmo- tischen Wert des Zellsaftes und des Seewassers bedingt wird. Alle diese Druckkräfte werden in Seewasser nicht sehr bedeutend sein; daß sie aber vorhanden sind, sieht man daraus, daß die quellbaren Schichten der Membran nicht ihr Quellungsmaximum erreichen, denn nach Aufhebung des Turgors quellen sie noch stark auf. Wenn wir die genaue Kurve für den Quellungsdruck dieser Schichten hätten, so könnten wir aus der Membrandicke sofort die Größe des Turgors ablesen. In gesättigter NaCl-Lösung ist der Turgor gleich Null, denn nach Entfernung des Zellinhaltes quillt die Membran nicht weiter auf; sie hat also ihr Quellungsmaximum erreicht. Sehr gesteigert ist er dagegen in Regenwasser. Wir sehen es schon aus dem Umstände, daß die Membran zu einer weitgehenden Entquellung gebracht wird, obgleich die Übertragung aus Seewasser in reines Wasser eine beträchtliche Steigerung des Quellungsdruckes bedingen muß, da ja das Quellungsmaximum, das bei Agar gefunden wurde, in reinem Wasser fast doppelt so groß ist, wie in Seewasser (nach den Versuchen von Kotte sogar sehr viel mehr). Ich glaube, aus diesen Ausführungen geht auch ohne weiteres hervor, daß der Quellungsdruck des Protoplasten nicht einen Teil des Turgordruckes bedingen kann (vgl. Pfeffer, 1897. Höber, 1922, S. 395), sondern daß er der Größe nach dem Turgordruck gleich sein muß. Die quellbaren Membranschichten, die sonst bei den meisten Pflanzen fehlen, erlauben dem Protoplasten erhebliche Volum- veränderungen auszuführen, ohne daß Plasmolyse eintritt und ohne 20i8 Heinrich Walter, daß die Elastizität der Membran eine zu große zu sein braucht. Wie wichtig das aber ist, sieht man, wenn man bedenkt, daß der osmotische Druck von gesättigter NaCl-Lösung gegen reines Wasser 368 Atmosphären beträgt und die Alge diesen Extremen fortwährend ausgesetzt ist^). Die Voluraveränderungen werden dann nochmals durch das Fehlen von großen Vakuolen in möglichst geringen Grenzen gehalten. In diesen zwei Erscheinungen: dem Fehlen großer Vakuolen und dem Vorhandensein von inneren quellbaren Membranschichten können wir eine Anpassung der Bangia-ZeWe an die starken Konzentrationsänderungen suchen, um so mehr als genau dieselben Erscheinungen Fritsch (1922) bei einer öko- logisch sehr ähnlichen Gruppe, den Landalgen, bei Vertretern der verschiedensten Gattungen gefunden hat. Es ist wohl anzunehmen, daß eine bei jedem Konzentrations- wechsel oder beim Austrocknen eintretende Plasmolyse eine schä- digende Wirkung auf die Zelle ausüben wird, worauf schon Pfeffer (1892a, S. 307) aufmerksam macht. Jedenfalls ist es falsch, die ökologische Bedeutung des Schleims in seiner wasserbindenden Kraft zu suchen. Wir sahen ja, daß der größte Teil des Wassers von Quellkörpern relativ leicht abgegeben wird und nur ein kleiner Teil fest gebunden ist. Auch bei Xerophyten spielt der Schleim gegenüber den Einrichtungen, die die Transpiration herabsetzen, nicht die geringste Rolle; so fand Schröder (1886, S. 3), daß frische lebende Sprosse von Opuntia mit unvernarbter Schnittfläche nach 7 Tagen im Exsikkator nur 5 7o ihres Wassergehaltes ver- loren, dagegen geschält 93,9 — 95,4 7o ^). 5. Quellungsdruck und osmotischer Druck. Aus den oben behandelten Tatsachen läßt sich eine wichtige theoretische Schlußfolgerung ziehen, auf die ich zum Schluß noch etwas genauer eingehen will. Nehmen wir eine gewöhnliche plasmolysierte Pflanzenzelle. Gleichgewicht tritt ein, sobald die relativen Dampfspannungen des gequollenen Protoplasten, der Außenlösung und des Zellsaftes sich 1) Näheres über einige durch den extremen Konzentrationswechsel bedingte Er- scheinungen bei Bangia siehe in meiner kurzen Abhandlung „Zur Biologie der Bangia fusco-purpurea Lyngb." (Flora, N. F., 16, 1923J. 2) Nach Renner (1915, S. 647) könnte die Vergrößerung des Filtralionswider- standes für Wasser durch Schleimmembranen ökologisch von Bedeutung sein. Protoplasma- un S « "o ^1 - 00 V ^ 00 >r: SJ O «e oc M n 5^ Oi «9 >o lA • t- t- 00 M OS « « o» 00 ^ t— t- - ov ./ ä ^ _, eo S<1 r O 5Ö o --0 w as ^ © «S lO eo w •* O lO 00 i( ^ ^ 00 lO r- 00 o tH "^ 09 (N ahteR Gewicht . Prozent es Frischgewichte« 0 129,0 100 15,2 100 2 119,2 93,3 15,0 98 4 102,8 79 14,5 95 6 91,2 70,2 14,2 93 8 79,5 61,2 13,8 91 10 71,4 54,9 13,4 88 12 65,5 50,4 13,1 86 24 46,2 35,5 11,6 76 48 9,4 61 72 7,7 51 Diese Werte wurden in Kurve 4 eingetragen. Aus ihr ersieht man, daß der prozentuale Gewichtsabfall bei beiden Versuchspflanzen in den ersten 12 Stunden annähernd geradling verläuft, nur für Fucus sehr viel rascher als für Euphorbia. Für ersteren ist daraus zu schließen, daß der Wasserverlust, solange man sich noch nicht sehr dem Gleichgewicht mit der Atmosphäre nähert, von dem noch vorhandenen Wasser ziemlich unabhängig ist, was wiederum den Verhältnissen beim Austrocknen von Hydrogelen entspricht, bei denen ebenfalls ein nennenswerter osmotischer Druck und dadurch beeinflußte Wasserdampftension nicht existiert. Erst bei sehr ge- ringem Wassergehalt macht sich die Quellungskraft des Gels bemerkbar; dann allerdings mit sehr erheblichen Kräften, wie sie sich bei unserm Untersuchungsmaterial auch in dem mit der rela- tiven Wasserdampfsättigung der Atmosphäre wechselnden Gewicht zeigt, das auf Wasseraufnahme aus der Luft schließen läßt. Die Euphorbia verhält sich darin etwas anders. Nicht nur, daß die relative Transpiration anfangs viel geringer ist, sondern es wird auch das die „Lufttrockenheit" anzeigende, durch Gleich- 25^ Ernst G. Pringsheim, gewicht mit der Atmosphäre physikalisch gekennzeichnete End- gewicht nicht nach einem Tage wie bei Fuchs erreicht, sondern erst ungefähr nach 3 Tagen, und auch dann zeigt sich, daß der Wassergehalt der Pflanze bedeutend niedriger ist, indem etwa die Hälfte, nicht wie dort nur der dritte Teil feste Substanz ist. Vor allem aber ist der Übergang viel allmählicher. Das ersieht man am besten aus der Kurvenfigur 3, in der für den weiteren Verlauf der Transpiration von F. serratus noch die Werte aus Tab. III eingetragen sind. 10 20 30 40 50 60 70 Stunden 100 »/„ 90% ■• H0 7o .. 70% • 60% - 50 o/o 40% 30% . 20»/« vom Frisch- gewicht Fig. 3 Czu Tabelle III u. IV, Vers. 3 u. 4). E. h. =^ Euphorbia helioscopia F. s. = Fucus serratus Den Kurven sind die auf das Frischgewicht = 100 bezogenen relativen Gewichte nach 2, 4, 6, 8, 10, 12, 24, 48 und 72 Stunden zugrunde gelegt. E.h. F. 8. Aus diesen Versuchen ergibt sich schon mit großer Wahr- scheinlichkeit, daß sich die Tange nicht nur quantitativ, sondern auch grundsätzlich anders verhalten als Landpflanzen. Während bei diesen für die Transpiration die Beschaffenheit der Epidermis maßgebend ist, wird sie bei den Fiifus-Kvien und anderen Meeres- algen durch die quellungsfähigen, derb gallertartigen bis knorpeligen Zellwände des ganzen Algenthallus bestimmt. Bei den Landpflanzen ist die Kurve des Wasserverlustes zuerst bestimmt durch die Öffnungsweite der Spaltöffnungen, die sich bei meiner leicht wel- über die Transpiration bei Fucus. 253 kenden Versuchspflanze bald geschlossen haben dürften, später durch die Durchlässigkeit der Kutikula und zuletzt wohl auch durch die Konzentration des Zellsaftes, die bei zunehmendem Welken die Wasserdampftension an der Oberfläche mit bestimmen dürfte. Auf diese Verhältnisse kann hier nicht näher eingegangen werden. Bei den Tangen ist es jedenfalls anders. Die Verdunstung ist anfangs gleich der einer freien Wasseroberfläche und wird weder durch eine Kutikula behindert, noch durch die Zeilinhaltsstoffe beeinflußt. Sie geht deshalb in gleichem Ausmaß weiter, bis die Kolloide der Zellwände soweit austrocknen, daß an der Oberfläche 100 7„ 90% »0 »/o 12 Stunden TU 7o 6U% SO»/« Tom Frisch- gewicht E.h. F. g. Fig. 4 rzu Tab. IV, Vers. 4) E. h. = Euphorbia helioscopia - - F. s. = Fucus seiYatn.i . Den Kurven sind die auf da.s Frischgewicbt =^ 100 bezogenen relativen Gewichte nach 2, 4, 6, 8, 10 und 12 Stunden zu- grunde gelegt. eine wasserarme Schicht entsteht, die einerseits durch die Quellungs- kraft die Wasserdampftension herabsetzt, andererseits den Nach- schub durch Erschwerung der Diffusion erschwert. Da die wasser- haltende Kraft eines Hydrogels sich erst bei erheblicher Entwässerung, dann aber stark bemerkbar macht, wird die Verdunstung nun ziemlich plötzlich herabgesetzt. In diesem Zustand ist das Objekt nicht mehr weit von dem Gleichgewicht mit der Wasserdampf- spannung der Atmosphäre entfernt und fühlt sich nun auch bald trocken und hart an. Am klarsten ersieht man den Unterschied zwischen beiden Versuchsobjekten daraus, daß eine lufttrockene Fucua-FEisküze in 254 Ernst ö Pringsheini, Seewasser wieder die ursprüngliche Gestalt und annähernd auch das Anfangsgewicht erlangt. Bei erneutem Austrocknen bekommt man dann dieselbe Gewichtskurve wie das erste Mal, was bekannt- lich bei einer Landpflanze nicht eintritt. Daraus geht am deut- lichsten hervor, daß die lebenden Zellen und ihr Turgor dabei keine Rolle spielen. Die reversible Entquellung der Zell wände ist das maßgebende. Bei solchen Versuchen mit wieder aufgeweichten i^ncM^-Stücken ist es nötig, zum Einquellen Seewasser zu nehmen. Süßwasser verhält sich etwas anders. Dies zeigt der folgende Versuch: 5. Zwei Thallusstücke wogen frisch 35,9 und 32,3 g. Nach dem Trocknen waren die Gewichte 11,9 und 10,3. Das erste wurde in See-, das zweite in Süßwasser aufgeweicht. Nach 16 Stunden wurden beide herausgenommen. Das erste Stück zeigte sich etwas schleimiger als zuvor, das zweite war ungeheuer schleimig und zeigte an den Haargruben der Fruchtkörper gelbe Würstchen, die verquollenen Massen der Antheridien. Nach 75 Min. Abtropfen waren beide äußerlich noch etwas feucht und wurden in diesem Zustande gewogen. Das erste wog 29,6, das zweite 30,4 g. Beide Stücke haben nach dieser Zeit nicht ganz das Anfangsgewicht erreicht; denn das erste hatte 80, das zweite 94 7o des Frisch- gewichtes. In Süßwasser wird aber mehr Wasser aufgenommen als in Seewasser, und zwar ist dafür, wie besondere Versuche zeigten, aber auch ohnehin erwartet werden mußte, der Kochsalzgehalt des Meerwassers allein verantwortlich. Das entspricht ja durchaus den üblichen Verhältnissen bei Kolloiden. Auffallend ist nun aber, daß das in Süßwasser geweichte Stück zuerst langsamer Wasser abgibt als das in Seewasser gequollene, das sich, wenn man von gleichem Anfangsgewicht ausgeht, genau wie ein frisch dem Meere ent- nommenes verhält, obgleich es sicherlich tot ist. Nach einem Tage wog das erste Stück 14,5 g, 49 "/o vom Anfangsgewicht, während die entsprechenden Zahlen bei dem anderen 20,1 g und 66 7o waren. 6. Entsprechend ist das Ergebnis nach viel kürzerem Ein- weichen. Die beiden Stücke 1 und 3 von Versuch 2, wieder von F. serratus, hatten das Frischgewicht 25,6 und 32,4 g gehabt. Nach einer Woche wogen sie 10,6 und 12,1 g, hatten also das nach 2 Tagen erreichte Gewicht annähernd beibehalten (Tab. II). Nun wurden sie 10 Min. eingeweicht, 1 in Süß-, 3 in Seewasser. Nach gründlichem Abschwenken, als sie oberflächlich glanzlos waren, wogen sie: über die Transpiration bei Fucus. 966 Tabelle V. 1 19,5 g = 76 7o ''"8 Frischgewiclitfts, ^ 27 5 e = 85 nach weiteren 30 Minuten Einweichen: 1 25,1g = 98 7o Je» Frischgewichtes, 2 41,3 g = 127 „ „ Jetzt hat also das in Seewasser eingeweichte Stück annähernd das Anfangsgewicht erreicht, während das in Süßwasser eingeweichte dieses sogar erheblich überschritten hat. Die Ursache dafür liegt aber nur darin, daß die Stücke im Anfang nicht ganz frisch waren; andernfalls tritt das nie ein. Nach einem Tage 12,2 g = 48% und 24,4 g =: 76" o des Frischgewichtes. Also hat wiederum das in Süßwasser eingeweichte Stück viel langsamer Wasser verloren als das in Seewasser eingeweichte. Das gilt aber, wie weitere Versuche zeigten, nur für die erste Zeit; später wird das Verhältnis umgekehrt. 7. Die 4 Stücke von F. serrafus von Versuch 4 (Tab. IV) hatten frisch zusammen 129,9 g gewogen, nach einem Tage wogen sie 46,2 g, also 35,5%. Sie wurden 22 Stunden in Seewasser gelegt und 50 Min. zum Abtropfen aufgehängt, worauf sie 117,7 g wogen, d. h. 91'''o des Frischgewichtes. Da dieses Gewicht un- gefähr dem nach 2 Stunden in Versuch 4 entspricht, so wurden diese beiden einem Vergleich der Transpiration eines frischen und eines aufgeweichten Fiicus -Th&Wua zugrunde gelegt. Tabelle VT. 1 . Nach 2 stündiger nach 6 Stunden 1 Tag 4 Tagen Transpiration: 119,2 g 67"/, 35,5 7^ 28 7„ 2. Aufgeweicht: 117,7 g 72 „ 40 „ 29 „ Daraus geht hervor, daß die aufgeweichten Stücke ungefähr im selben Tempo, wenn auch ein wenig langsamer Wasser verloren als die lebenden vom selben Wassergehalt. Ein ähnlicher Versuch, der sich an den in Tab. III niedergelegten anschloß, wurde mit Süßwasser gemacht. 8. Drei frische Thallusstücke von F. serratus wurden über Nacht in Süßwasser gelegt. Es traten wieder ungeheure Schleim- massen aus, die großenteils entfernt wurden. Die prozentualen Gewichte nach verschieden langer Verdunstung wurden auf das von diesen Stücken nach V4 stündigem Abtropfen erreichte Gesamt- gewicht bezogen. Zum Vergleich wurden die nach gleich langen 256 Ernst G. Pringsheim, Zeiten von den in Versuch 3 und 4 benutzten frischen Pflanzen erreichten Gewichte dazu gestellt. Ta belle VII. Nach Stunden 2 4 ; 6 24 1. Frische Pflanzen 88,6 g 81,0 g = 91 7o 71,8 g = 81% 62,3 g = 70 7o 27,3 g = 31 7o 2- r „ 129,9 g 119,2 g = 93 „ 102,8 g = 79 „ 91,2 g = 70 „ 46,2 g = 36 „ 3. In Süßwasser gewässerte Pflanzen . 98,0 g 87,7 g = 86 „ 73,3 g =. 79 „ 68,3 g = 70 „ 34,6 g = 35 „ Nach Tagen 3 1. Frische Pflanzen 88,6 g 3. In Süßwasser gewässerte Pflanzen . 98,0 g 26,6 g = 30 7o 19,2 g = 20 „ 25,3 g = 29 7o 17,2 g = 18 „ 24,4 g == 28 7o 16,8 g = 17 „ Aus diesen Daten geht hervor, daß der relative Wasserverlust von frischen und gewässerten i^wat^- Stücken anfangs gleich groß ist. Erst später macht sich ein erheblicher Unterschied bemerkbar, indem die in Süßwasser aufgeweichten Thalli schließlich viel mehr an Gewicht verHeren als die frischen. Das liegt aber, wie man sieht, an dem Verlust an Trockensubstanz durch die Abgabe des Schleimes und an dem erhöhten Wassergehalt durch vermehrte Quellung. Wird das Aufweichen in Seewasser vorgenommen, so sind diese Erscheinungen viel weniger hervortretend. Im ganzen hat demnach der gleichartige prozentuale Gewichtsverlust seine Ursache in der der Zeit proportionalen Wasserabgabe, der durch die Hydrogelnatur der hierfür maßgebenden Zellwände bedingt ist. Zusammenfassung. 1. Die Transpiration des i^Mcws -Thallus ist bei ungefähr gleich- artigen Stücken proportional dem Anfangsgewicht. 2. Sie schreitet am ersten Tage mit der Zeit geradlinig fort. Bei Annäherung an das der Lufttrockenheit entsprechende Gewicht macht die Kurve des Gewichtsverlustes einen Knick und geht ziemlich plötzlich in die Horizontale über. 3. Dies steht im Gegensatz zu der Transpiration welkender Laudpflanzen, die an sich auf das Frischgewicht berechnet viel über die Transpiration bei Fucuk. 257 geringer ist und außerdem erheblich langsamer fortschreitet, so daß ein allmählicher Übergang zum Trockengewicht stattfindet. 4. Werden trockene i'^//r)<.f-Thalli eingeweicht, so nehmen sie in Seewasser ganz das frische Aussehen an, erreichen aber das Anfangsgewicht nicht ganz. Ihre Transpiration ist. auf gleichen Anfangswassergehalt bezogen, der frischer Stücke gleich. In Süß- wasser nehmen sie mehr Wasser auf und geben dabei, besonders aus den Haargruben, große Mengen von Schleim ab, wodurch die besonders große Quellbarkeit der dort befindlichen Kolloide be- wiesen wird. Die Transpiration solcher Stücke ist zunächst geringer als die frischer, das relative Trockengewicht ist aber erhebhch kleiner. 5. Aus diesen Ergebnissen geht hervor, daß die wasserhaltende Kraft eines i^iaw* -Thallus nur von der Quellbarkeit der Zell- membranen abhängt, nicht aber von einer besonderen Oberflächen- schicht oder von den osmotischen Verhältnissen der lebenden Zellen. Prag, im Dezember 1922. Jahrb. f. wüs. Botanik. LXII Zur Kenntnis des Mechanismus der Samenausschleuderung von Oxalis. Von Fritz Overbeck. Mit 12 Textfiguren. Einleitung. Bei der Samenausschleuderung der Oxalis- Arten handelt es sich nicht um den sonst so häufigen Fall, daß irgendwelche Teile der Fruchtknotenwand dabei mechanisch wirksam sind oder den Schleudermechanismus tragen, sondern darum, daß der Mechanismus am Samen selber sitzt und ein Teil des Samens den andern fort- schleudert. Die Beobachtung dieses Vorgangs ist frühzeitig gemacht worden, und schon in Schkurs Botanischem Handbuch I (1791) findet sich eine Beschreibung der OxalisSsunen sowie ihrer Ausschleuderung; dazu eine Abbildung auf Tafel 125. Schkur schreibt: „. . . jeder Saame ist in dem Behältnisse noch von einem besonderen weißen Umschlag umgeben. AVenn sich das Saamenbehältnis bey der Reife öffnet, daß die äußere Luft auf den Umschlag wirkt, so springt derselbe mit einer Schnellkraft auf, wirft den Saamen weit von sich und der Ueberzug bleibt zurück." — De Candolle nennt in seiner Pflanzenphysiologie Röper als den Entdecker der Samenausschleude- rung von Oxalis. Röper weist dieses Urhebertum aber von sich und führt in den Anmerkungen seiner Übersetzung der De Can dolle- schen Physiologie verschiedene Autoren an, die den Vorgang vor ihm beschrieben haben. Diese älteren Berichte besagen im wesent- lichen nichts anderes als der Schkurs; von Interesse ist darüber hinaus nur die Deutung jenes weißen Umschlags als Arillus, die ihm De Candolle und Gärtner geben. Auch Bischof spricht von einem Arillus. Jobs. Gärtner schreibt: „Arillus carnosus Zur Kenntnis des Mechanismus der Sanienaiissi-hieiideruiiK von Omlis. 259 albus seinen totum involvens, primum glaber et undique clausus, demum veio apice elastice dehiscens et in se revolutus, corrugatus- que semen cum ingenti impetu explodens." Tatsächlich handelt es sich nicht um einen Samenmantel; es ist vielmehr das äußere Integument, das sich zu der weißen Schleuderschicht ausbildet. Aber auch ohne diese Verhältnisse gerade durch Untersuchung einer jungen Samenanlage festgestellt zu haben, wendet sich Auguste de Saint-Hilaire gegen die Auflassung seiner Vorgänger. Er meint, um einen Arillus könne es sich nicht handeln, da die frag- liche Schicht bei Oxalis einen vollkommen geschlossenen Sack bilde, während die wahren Samenmäntel an einem Ende offen seien, und so spricht er von einem tegument exterieur charnu. Die Entstehung der elastischen Hülle bei Oxalis aus dem äußeren Integument hat auch Treviranus richtig erkannt, allein die fälschliche Bezeich- nung Arillus behält er bei. In späterer Zeit hat Loh de die Samen- ausschleuderung beschrieben, und ungefähr gleichzeitig Hildebrand, der zum ersten Mal versucht den Mechanismus näher aufzudecken, ohne aber zum Beleg seiner Erklärung das Experiment genügend heranzuziehen. Das tut zum ersten Mal Zimmermann, aber doch nicht so, daß nicht gegen seine Versuche schwerwiegende Einwände zu machen wären. Später liefert Chauvel noch einmal eine Er- klärung des Schleudervorgangs, aber auch wieder rein aus dem oberflächlich Gesehenen heraus auf gewisse physiologische und physikalische Verhältnisse schließend und ohne seine Theorie durch irgend einen Versuch zu stützen. Es fehlte bei alle diesen Arbeiten das exakte experimentelle Vorgehen, wie es auf ähnlichen Gebieten zuerst von Stein brinck durch Versuch und Messung angewandt wurde und dessen sich V. Guttenberg bei seinen Untersuchungen über den Mechanismus von Echallium und Cyclanthera bedient hat. So erschien es denn angebracht, angesichts der verschiedenen, einander widerstreitenden Arbeiten, in denen das fragliche Problem außerdem immer nur als Bruchteil einer größeren Arbeit in wenigen Absätzen abgetan wurde, noch einmal die Frage aufzuwerfen und zu versuchen, Klarheit zu schaffen. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor .Tost, unter dessen Leitung diese Arbeit entstand, bin ich dafür zu wärmstem Dank verpflichtet. Auch Herrn Professor Lieske danke ich für das Interesse, das er diesen Untersuchungen entgegenbrachte. 17* 260 Fritz Overbeck, Abschnitt I. Bau des Fruchtknotens, der Samenanlagen und ihre Entwicklung zum Samen. Der Fruchtknoten ist 5 fächerig. Die Samenanlagen sind anatrop und hängend mit ventraler Raphe; ihre Lage ist zentralwinkel- ständig. In jedem Fache entwickeln sich ein bis viele Samen. Bei Oxalis aeetosella, an die ich mich in erster Linie bei meinen Untersuchungen gehalten habe, und auf die sich die folgenden An- gaben beziehen, soweit es nicht anders vermerkt ist, sind es ein bis drei Samen in jedem Fache. Die folgenden Befunde hinsichtlich des Baus der Samenanlagen stimmen mit den kurzen Angaben Hofmeisters überein und den etwas eingehenderen Untersuchungen Billings, stehen aber im Widerspruch zu denen von Lohde und Chauvel. Ein Nucellus ist zur Zeit der Befruchtung nicht mehr vorhanden. Die beiden Integumente sind gut ausgebildet. Das innere Integument (Fig. 1) besteht zu dieser Zeit aus vier Zellagen, von denen die innerste durch be- sonders dichten Inhalt auffällt. Sie und die beiden folgenden Lagen werden aus annähernd kubischen Zellen gebildet. Die vierte, also äußerste Lage des inneren Integumentes besteht aus Zellen, die in der Längsrichtung der Samenanlage stark ge- streckt sind und im Querschnitt eine viel geringere Größe besitzen als die übrigen Zellen des inneren Integuments. Aus dieser Zellage geht die spätere Haitschicht des Samens hervor. Das äußere Inte- gument wird auf der der Placenta zugekehrten Seite (Funikulus- Seite) von 7 bis 8 Zellagen gebildet. Bis zur gegenüberliegenden, in der Samenanlage nach außen ge- wendeten Seite aber gehen die Lagen auf drei herunter. In der innersten Lage hat man kubische, sehr inhaltreiche Zellen; in der darauf folgenden weniger regelmäßige, und in der äußersten Lage parallelepipedische, radial leicht gestreckte Zellen, die sich wiederum durch einen sehr dichten Inhalt auszeichnen. Hierüber liegt als Abschluß nach außen ein kutikulaähnliches Gebilde, das bereits vor der Befruchtung eine merkwürdige Dicke zeigt und das weiterhin Fig. 1. Oxalis aeetosella. Querschnitt durch die junge Schleuder- schieht und inneres Integument. a = Äußeres, i = inneres Integument, H = junge Hart- sehicht , K = Kri- stallschichf. Zur Kenntnis des Meclianisniu.s der SKuienaussclileiulerung von Oralis. 261 noch Gegenstand eines besonderen Interesses sein wird. Der Funi- kulus ist derartig mit dem äußeren Tntegument verwachsen, daß er der Samenanlage aufliegt wie die Raupe dem Raupenhelm. Da- durch wird in der Chalazagegend eine Art Höcker gebildet, dem, wie wir später sehen werden, eine Bedeutung bei der Samen- ausschleuderung zukommt. Der dünne Gefäßstrang, der den Funi- kulus durchzieht, löst sich an der Chalaza in ein kleines Büschel auf. von dem aus sich noch einige gestreckte Zellen gegen die Basis des Embryosacks erstrecken. Verfolgt man den Verlauf der Entwicklung der beiden In- tegumente nach der Befruchtung, so zeigt sich, daß die drei inneren Lagen des inneren Integuments allmählich durch das Endosperm verdrängt werden und vollständig verschwinden. Die Außenmembran des Endosperms, die ursprüngliche Embryosackwand also, erfährt schließlich als Abgrenzung gegen die Hartschicht eine Verkorkung oder Kutisierung. Erst durch mehr- maliges Aufkochen mit 20 °/o Kalilauge lassen sich die mit Sudanglyzerin kräftig färbbaren Stoft'e aus der Membran entfernen. Die Elemente der nun folgenden Hartschicht verdicken sich erst spät, und noch zu einer Zeit, wo die unter ihr liegenden Zell- lagen bereits durch das Endosperm verdrängt sind und die erwähnte verkorkte Lamelle ausgebildet ist, erscheint die Hartschicht auf Querschnitten gewöhn- lich gequetscht und zusammengedrückt. Schließlich aber verdicken sich ihre Membranen so weit, daß von den Zellumina nicht mehr viel übrigbleibt; das heißt, den auch später noch deutlich erkennbaren mittleren Lamellen werden zahl- reiche Folgelamellen aufgelagert. An manchen Stellen bildet die Hartschicht eine doppelte Lage, und wo das der Fall ist, lassen ihre Zellen kleine Interzellularen zwischen sich. Kurz vor der Aus- schleuderung der Samen — in den letzten 24 Stunden etwa — nimmt die Schicht eine kräftige Braunfärbung an. Lohde macht ganz und gar andere Angaben. Nach ihm besteht das äußere Integument nur aus einer, das innere Integument aus zwei Zellagen. Die übrigen zur Zeit der Befruchtung noch vorhandenen Zellagen schreibt er dem Knospenkern zu. So kommt er zu dem Befunde, daß bei den Oxalideen nicht die Integumente den Hauptanteil an der Bildung der Testa haben, sondern daß sie im wesentlichen aus dem Knospenkern hervorgeht. Von Fax ist Fig. 2. Nahezu reifer Samen, quer. 262 Fritz Overberk, diese Angabe Lohdes übernommen worden. Chauvel erkennt zwar das Fehlen des Knospenkerns richtig, rechnet aber die Hart- schicht zum äußeren anstatt zum inneren Integument. Zur selben Zeit, wo die Verdickung der Hartschicht beginnt, fängt die Schicht an, auf Querschnitten eine Wellung zu zeigen (Fig. 2), die immer ausgeprägter wird und am fertigen Samen schließlich zur Ausbildung von Rippen und Tälchen führt, die von der Mikropyle zum Chalaza- ende verlaufen (Fig. 6). Diese Wellung kommt durch ungleich- mäßiges Wachstum des Endosperms zustande, das an Orten, wo die Rippen entstehen sollen, mehr Zellen ausbildet, als dort, wo die Tälchen zu liegen kommen. Gehen wir jetzt zum äußeren Integument über, so finden wir in seiner innersten Lage eine verschiedenartige Ausbildung der Zellen, je nachdem, ob sie einem Tälchen oder einer Rippe der ^ K Hartschicht anliegen. Die Zellen, die in einem Täl- chen liegen, führen in einem späteren Zustande je einen Kristall von Kalziumoxalat. Es handelt sich meist um rhombische Tafeln, die zugespitzt sind und die die Zellen fast ganz ausfüllen. Anders ist es bei den Zellen, die auf einer Rippe liegen: Hier 'f'. ," fehlen die Kristalle. Die äußeren Tangentialwände HartscüR'ht u. , _ " Kristaiischicht sind, wie die der Tälchenz eilen überhaupt, dünn; auf einer Rippe die inneren Tangentialwände, sowie die Radialwände in späterem Zu- ^^^^^^, ^^^ ^^^ Rippen liegenden Zellen aber sind StäTlU.. H und K wie stark vcrdickt (Fig. 3). Wenn das äußere Integument '^' sich bei der Samenausschleuderung loslöst, bleiben von der Kristallschicht diese verdickten Radialwände sowie die inneren Tangentialwände auf der Hartschicht stehen und tragen zur Vermehrung der Rauhigkeit ihrer Oberüäche bei. Davon wird aber weiterhin noch zu reden sein. Obgleich das äußere Integument sich also nicht ganz vollständig ablöst, wird der Einfachheit wegen später, wenn vom Abspringen der „Schleuderschicht" die Rede sein wird, nicht jedesmal wieder- holt werden, daß einige Reste der Kristallschicht auf der Hart- schicht sitzen bleiben. Die Zellen dieser Kristallschicht standen ursprünglich den übrigen des äußeren Integuments an Größe nicht nach; zur Zeit der Samenausschleuderung aber sind sie bei weitem die kleinsten Elemente. Auch die Größenverhältnisse der übrigen Zellagen verschieben sich im Laufe der Entwicklung. Sowohl die Zellen der Epidermis, wie die der zweitinnersten Lage sind später Zur Kenntnis des Mechanismus der Sarnenausselilenderunp von Ornlis. 263 bedeutend kleiner, als die der mittleren Lagen, während zur Zeit der Befruchtung keine nennenswerten Größenunterschiede bestanden. Abgesehen von der Kristallschicht ist das ganze äußere In- tegument von einer Zeit ab. wo die Elemente der Hartschicht anfangen sich zu verdicken, reichlich mit Stärke angefüllt, und zum Schluß, wenn die Hartschicht braun geworden ist, macht das In- tegument den Eindruck einer durchscheinenden fleischigen Hülle, die den braunen Samen allseitig umgibt. Diese Hülle — der weiße Umschlag, wie Schkur sagt ist es, die das Fortschleudern des Samens bewirkt und die deshalb als Schleuderschicht bezeichnet sein möge. Das erwähnte kutikulaartige Gebilde ihrer Außenseite, das schon anfangs durch seine Dicke und frühzeitige Ausbildung auf- gefallen war, hat jetzt eine außerordentliche Dicke erreicht, be- sonders im Vergleich mit den Membranen der dar- unterhegenden Zellen (Fig. 4). Auf der Funikulus- seite des ausgebildeten Samens wurde ihre Dicke mit l\ fi gemessen. Bis zur gegenüberliegenden, in der Kapsel nach außen gekehrten Seite verringert sie sich um gut die Hälfte; durchschnittlich wurden hier .5 // gemessen. Dies führt also, ebenso wie die Ab- nahme des äußeren Integuments selbst, die oben beschrieben wurde, zur Bildung eines Ortes gering- sten Widerstandes, an dem später das Aufreißen der Schleuderschicht erfolgt. Diese auch in der Literatur mehrfach erwähnte, aber niemals näher charakteri- sierte „Kutikula" zeigt zunächst Reaktionen der Suberin- und Kutin- stoflfe. Das heißt, sie färbt sich mit Sudanglyzerin lebhaft rot, mit Chlorzinkjod gelbbraun und widersteht konzentrierter Schwefelsäure. Chlorophyllösung färbt grün. 20% Kaliumhydroxyd führt beim Er- wärmen augenblicklich, ohne daß es bis zum Sieden erhitzt zu werden braucht, zur Bildung von gelblichen Klumpen, die sich schließlich in der Lauge lösen. Auch 10% Kaliumhydroxyd ruft unter den gleichen Bedingungen nach einiger Zeit dieselben Erscheinungen hervor. AuffälHg ist indessen schon, daß selbst in der Kälte 20 "/o Kaliumhydroxyd nach mehrstündiger Einwirkung zu lösen vermag. Wendet man 30 'Vo Kalilauge an, so geschieht das in der Kälte bereits nach einigen 10 Minuten. Es ist dann gut zu verfolgen, wie zunächst das ganze Gebilde schwammartig aufgetrieben wird und als- dann jene gelblichen Klumpen bildet, die vermutlich aus Kahseifen Fig. 4. Aulienliaut. 264 Fi'itz Overbeck, bestehen. Kochendes Wasser sowie siedendes Ol bUeben ohne Einwirkung. In all diesen Fällen widersteht jedoch der Kalilauge zunächst eine dünne äußere Lamelle, die erst nach stärkerem Er- hitzen mit 20% Kalilauge verschwindet. Dieses Häutchen ist zweifellos eine echte Kutikula. In dem übrigen Teil der Membran hat man es aber mit etwas anderem zu tun. Es kann sich auch nicht um etwas handeln, das unter den Begriff „Kutikularschicht" fallen würde, um kutisierende Stoffe also, die in Kohlehydrat- lamellen eingelagert sind; denn eine eigentliche Kohlehydratunter- lage ließ sich nicht nachweisen , und das Verhalten gegen Kali- lauge ist durchaus verschieden von dem der Kutikularschichten von Blättern bei Agave, Hex und Ficus elastica, die zum Vergleich herangezogen wurden. Denn während bei diesen die fraglichen Schichten erhalten bleiben und nur die kutisierenden Substanzen entfernt werden, verliert die Schicht bei Oxalis jede Membran- oder Lamellenform. Der größte Teil ihrer Substanz bildet die be- schriebenen gelben Klumpen. Daneben tritt aber auch noch eine feinkörnige ebenfalls gelbe Masse auf, die aber nicht als Grund- lage der Schicht angesehen werden kann und die, wenn sie über- haupt stofflich anders beschaffen ist, nur eine verhältnismäßig schwache Einlagerung darstellt. Nach Einwirkung von Fettlösungs- mitteln, Äther und Chloroform zeigte die Schicht keine Veränderungen in ihrem Verhalten. Eigentümlich und durchaus abweichend von dem der Suberin- und Kutinstoffe ist folgendes Verhalten: Mit Methylenblau tritt, abgesehen von der dünnen echten Kutikula, eine sehr kräftige blauviolette Färbung ein, die sich auch nach Einbettung in Glyzeringelatine hält, während alle übrigen Teile der Schleuderschicht sich darin entfärben. Es wurden nun Reaktionen auf die verschiedensten Membransubstanzen angestellt, soweit man deren Vorhandensein nur irgend für möglich halten konnte. Die Methylenblaufärbung ließ an Pektinstoffe denken. Versuche mit Rutheniumrot ergaben indessen nur eine sehr schwache Färbung, auch wenn der Farbstoff in ammoniakalischer Lösung angewandt wurde. Färbungen mit AniHnsulfat und Phloroglucinsalzsäure auf Lignin verhefen ebenfalls erfolglos. Mit Phloroglucin erhielt man zwar eine sehr schwache gelbrötliche Färbung, aber nicht die ge- ringste Andeutung von violettrot. Daß verholzende Stoffe nicht wesentlich am Aufbau beteiligt sein können, ergibt sich auch daraus, daß die Lamelle nach 24 stündiger Behandlung mit Javellewasser, das ja die Ligninstoffe in kurzer Zeit entfernt, keine Veränderungen Zur Kenntnis des Mechanismus der Sanienausschleuderung von Oxalis. 266 zeigt. Es sei nun eine interessante Färbung erwähnt, über deren Bedeutung sich allerdings zurzeit noch nicht viel sagen läßt. Eine besonders aulfällige Eigenschaft der dicken „Kutikula" ist ihre große Elastizität. Beim Aufspringen der Schleuderschicht kontrahiert sie sich um rund 35 •'/d ihrer ursprünglichen Länge. Das ist für ein derartig dickes Membrangebilde eine ungewöhnliche Kontraktion. Durch diese rein äußerliche Ähnlichkeit mit dem Ver- halten der elastischen Fasern des tierischen Bindegewebes ver- anlaßt, wurde die Wirkung zweier Elastin -Farbstoffe versucht. Der erste war der bekannte „May- Grün wald" (Methylenblau- Eosin). Daß er auch hier, wie sonst bei den Elastinsubstanzen, eine kräftige Blaufärbung ergab, sagt noch nichts Neues, da sich die dicke Lamelle auch mit reinem Methylenblau gut färbte. Beim zweiten handelt es sich um einen neuen noch nicht veröffentlichten, amphochromen Teerfarbstoff „Elastin H" (Hersteller Dr. Karl Hollborn, Leipzig) über den zurzeit noch nicht mehr mitgeteilt werden kann, als daß seine Elastinfärbung in der histologischen Technik für spezifisch gelten kann. Seine Verwendbarkeit bei pflanzlichen Objekten ist noch nicht näher untersucht; zweifellos würde er aber auch hier von Bedeutung sein, denn er ergibt im pflanzlichen Gewebe sehr schöne, ebenso kräftige wie klare Doppel- färbungen von rot und blau, die in Canadabalsam haltbar sind. Im vorliegenden Falle färbte er die dicke Außenmembran der Schleuderschicht rot und die darunterliegenden Zellagen blau. Das bedeutet wieder die Farbreaktion der elastischen Fasern. Bei Agave und Ficni^ färbte sich die Kutikula nicht, wohl aber die verholzten Elemente der Gefäßbündel. Daß aber die Ursache der Färbung bei Oxalis nicht in Ligninstuften zu suchen ist, geht aus dem oben Gesagten hervor. Weitere Farbreaktionen sind folgende: Safranin kirschrot. (Diese Farbe nehmen im allge- meinen plasmatische, verholzte und verkorkte Elemente an.) Die orangerote, für Pektinstoffe charakteristische Färbung trat nicht ein, die anfangs nach der starken Methylenblaufärbung erwartet wurde. Benzoazurin: färbt nicht. Benzopurpurin: schwach orangerot. Hämatoxylin-Ehrlich: färbt nicht. Jodjodkalium: gelbbraun. Nach alledem ist es klar, daß man es hier mit einem noch unbekannten Membranstoff zu tun hat, dessen chemische Zusammen- setzung leider nicht untersucht werden konnte. Es mußte vielmehr genügen, ihn durch die angeführten Reaktionen einigermaßen charakterisiert zu haben. Es braucht wohl kaum gesagt zu werden. 266 Frits Oveibeck, daß nähere Beziehungen zwischen ihm und dem Elastin, dessen Farbreaktion er gibt, äußerst unwahrscheinlich sind, schon da sich die elastischen Fasern gerade durch ihre Resistenz gegen Kalilauge auszeichnen. Eine Lamellierung konnte trotz der Dicke innerhalb des fiaglichen Stoffes nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Von außen nach innen gerechnet sind nur folgende drei „Schichten" zu unterscheiden: Die echte Kutikula, die dicke Schicht des fraglichen Stoffes und die darunter liegenden Zellulosemembranen der ersten Zellage. über die Beschaffenheit der übrigen Teile der Schleuderschicht ist folgendes zu sagen: Nach Behandlung mit Javellewasser ergeben die Membranen mit Jodjodkalium und Schwefelsäure die Zellnlose- reaktion. Die Methylenblaufärbung ist nicht besonders kräftig und ist gar nicht zu vergleichen mit der der dicken Außenhaut. Bei Einbettung in Glyzeringelatine verschwindet sie sehr rasch wieder. Dennoch scheint das Gewebe reich an Pektinstoffen zu sein: Werden Schnitte mit Rutheniumrot vorgefärbt und dann mehrere Tage mit Kupferoxydammoniak behandelt zur Entfernung der Zellu- lose, so behalten sie Struktur und Färbung bei. Versucht man umgekehrt die Pektinverbindungen zu entfernen und die Zellulose zu erhalten, indem man Schnitte Vi Stunde lang in S'^o Salzäure kocht, auswäscht und dann längere Zeit mit kochender 2proz. Kalilauge behandelt, so zerfällt das an und für sich schon zarte Gewebe vollständig. Man wird auch hieraus auf eine starke Be- teiligung von Pektinverbindungen am Aufbau der Membranen schließen dürfen. Dem Kochen mit verdünnter Säure, ohne nach- folgende Behandlung mit kochender 2proz. Kalilauge, widerstehen die Schleuderschichten. So wurden Schnitte 9 Stunden mit 5% Schwefelsäure bei 90*^ behandelt und auch zeitweise aufgekocht, ohne daß die Membranen sich stark veränderten. Hemizellulosen scheinen also nicht oder nur wenig vorhanden zu sein. Abschnitt II. Die Ausschleuderung der Samen. Die chasmogamen Frühlingsblüten von Oxa/is acetosella erheben sich an ihren Blütenstielen über die Laubblätter hinaus. Ist die Befruchtung vollzogen und fallen die Blütenblätter ab, so erfolgt dicht unterhalb des Kelches eine Abwärtskrümmung des Blüten- stieles, und die junge Kapsel wendet sich nunmehr nach unten und Zur Kenntnis des Mechanisuui.s der SainenausschlfUileruiig von Oxalis. 267 hält sich lu der Höhe der Laubblätter. Kurz vor der Reife aber, etwa zur selben Zeit, wo die Hartschicht des öameiis anfängt, sich zu bräunen, richtet sich die Kapsel wieder senkrecht in die Höhe, hebt sich über die Laubblätter hinaus und verschafft so den Samen ein freies Schußfeld. Auch die kleistogamen Sommer- und Herbstblüten, die sich oft halb unter dem Laub des Waldbodens verborgen halten, er- heben sich zur Zeit der Samenreife über die Laubblätter heraus; dabei führen die Blütenstiele die eigenartigsten karpotropischen Krümmungsbewegungen aus, um die Kapsel in die günstigste Lage zu bringen. Die Ausschleuderung selber erfolgt, wie schon erwähnt, dadurch, daß die aus dem äußeren Integument hervorgegangene Schleuder- schicht auf einer Reißlinie auseinanderplatzt, sich mit großer Heftig- keit zurückrollt und dabei den Samen fortschleudert. An seinem Mikropylenende läuft er spitz zu, und die Schleuderschicht zeigt hier ein gut entwickeltes Hilum und am gegenüberliegenden Ende eine ähnlich gestaltete zäpfchenartige Bildung, die aus dem Höcker hervorgegangen ist, den der Funikulus an der Samenanlage in der Chalazagegend bildete. Dieses sind die beiden stärksten Punkte der Schleuderschicht, und zwischen ihnen erfolgt, entlang der am stärksten konvexen Linie des Samens, der Riß. Ein Trennungs- gewebe, derart, daß die voneinander weichenden Zellen sich in ihrer Mittellamelle trennen, ist nicht ausgebildet; das zeigen die zerrissenen Membranen längs des Risses an der abgesprungenen Schleuderschicht. Aber dadurch, daß sowohl die Schleuderschicht selbst, als auch ihre dicke Außenhaut auf dieser Linie dünner, als an anderen Stellen ist, und die beiden genannten Verdickungen ein Weitergehen des Aufreißens verhindern, sind Ort und Ausdehnung des Risses von vornherein festgelegt. Die Orientierung des Samens innerhalb der Kapsel ist so, daß die Rißlinie nach außen gekehrt ist. Nun erfolgt das Zurückrollen der Schleuderschicht, und zwar mit 80 großer Geschwindigkeit, daß sich der Vorgang mit den Augen nicht verfolgen läßt. Sie findet dabei ein Widerlager an den Radial- wänden der Kapsel und an der Placenta und schleudert den Samen weit fort. Nach meinen Beobachtungen bekommt dabei die Kapsel 'erst in diesem Augenbhck einen Riß, wird also regel- recht aufgeschlagen. Wenigstens habe ich an den reiten Kaj)seln vor der Ausschleuderung nie einen Riß bemerken können. Jedoch ist die Rißstelle gut vorgebildet (Fig. 5); denn während man an allen 268 Fritz Overbeck, anderen Teilen der Kapseln ein lückenloses Gewebe findet, liegt hier eine Anzahl von kleineren Zellen in außerordentlich lockerem Verband; sie lassen große Interzellularen zwischen sich und trennen sich bei der Samenausschleuderung so voneinander, daß selten Zellen dabei zerrissen werden. Um an reifen Samen das Zurückrollen der Schleuderschicht verfolgen zu können, brachte ich Samen in erstarrende Gelatine und Gummi arabicum von bereits so fester Konsistenz, als es nur möglich war, ohne den Samen vorzeitig beim Einbringen zum Springen zu bringen. Allein ohne Erfolg. Auch in diesem dichteren Medium erfolgte die Bewegung mit nicht sichtlich verringerter Geschwindigkeit. Es läßt sich aber ein Einblick in den Vorgang gewinnen nach Beobachtung unreifer Samen, bei denen die Schleuder- schicht gerade anfängt, sich abzu- heben, wenn man sie verletzt, und nach Betrachten abgesprungener Schleuderschichten, die durch län- geres Liegen in Alkohol ihre Ein- rollung zum Teil rückgängig gemacht haben. Bis zu dem Augenblick, wo sich die Schicht vom Samen voU- Fig. 5. ständig losgelöst und umgestülpt hat, Oxahs acefoscila. Querschnitt durch qq j^ß die ursprüngliche Außenseite die Waudung eines Kap-selfaches au ^^^^ -^^^^ ^^ jj^g^j^ gekommen ist, der Aufrißstelle. i , ■ • t-. ^• ^ hat sie eine Bewegung um die lange Achse des Samens gemacht. Den Endzustand dieses Vorganges zeigt Fig. 7. Dann aber erfolgt eine andere Bewegung, die am einfachsten dadurch gekennzeichnet ist, daß das Hilum und die ihm gegenüberliegende zweite zäpfchen- artige Verdickung sich einander nähern, bis die dann gänzHch zusammengerollte Schleuderschicht das Aussehen der Fig. 8 zeigt. Die Rippen und Tälchen des Samens, die auch an der Schleuder- schicht ausgeprägt sind, werden also bei dieser zweiten Bewegung mit ihren Enden zusammengebogen, während sie bei der ersten Bewegung verhältnismäßig gestreckt bleiben. Vor dem Ausschleudern, sowie im Stadium der Fig. 7 laufen Rippen und Tälchen in zwei Punkten zusammen: im Hilum und an der Stelle der zweiten zäpfchenartigen Verdickung. Nun aber, wo diese beiden Punkte sich fast bis zur Berührung einander genähert haben, scheinen Zur Kauntiiis des Mechanismus dt^r SanienaussehleuderunK von Oralis. 269 Rippen uud Tälchen von einem einzigen Punkt auszustrahlen. Es soll übrigens im vorhergehenden nicht gesagt sein , daß bei der Einrollung die beiden Bewegungsarten tatsächlich zeitlich scharf voneinander getrennt verlaufen. In Wahrheit wird die zweite ihren Anfang nehmen, ehe die erste vollkommen beendet ist, und die scharfe Trennung der beiden voneinander wurde nur vorgenommen, um den ganzen Vorgang durch Zerlegung in zwei Komponenten anschaulicher machen zu können. An dieser Stelle sei auf eine irreführende Abbildung aufmerk- sam gemacht, die sich in Baillons Hist. des plantes und Dictionnaire botan. findet und von dort von Rngler- Prantl und v. Wettstein übernommen wurde. Bai Hon zeichnet an der zurückrollenden Schleuderschicht eine Streifung, die gerade senkrecht zu der tat- sächlich vorhandenen, nämlich zu den Rippen und Tälchen ver- ^ Fig. C. Fig. 7. Fig. 8. Fig. C. Oxalis acetosella. Beifer Same ohne Schleuderschicht. Fig. 7 und 8. .Scbleuderschicht (siehe Text). läuft. Wahrscheinlich hat er sich durch das Aussehen der ab- gesprungenen Schleuderschicht (Fig. 8) irreführen lassen und war der Meinung, daß in der Richtung der langen Achse der Schleuder- schicht auch die lange Achse des Samens gelegen habe. Dafür spricht auch seine Darstellung der abgesprungenen Schleuderschicht, die beim Ausschleudern des Samens in der Kapsel stecken ge- blieben und durch den Spalt eines geöffneten Kapselfaches hin- durch sichtbar ist. Sie wendet hier ihren Riß nach außen. Diese Abbildung muß gleichfalls zu falschen Vorstellungen führen; denn normalerweise liegt die Schleuderschicht, die übrigens in den meisten Fällen mit dem Samen aus der Kapsel herausspringt, so in ihrem Fache, daß der Riß der Innenseite der Placenta zugewendet ist, wie man es nach den Bewegungen, die sie vollführt, auch gar nicht anders erwarten kann. 270 Fritz 0 verbeck. Die Trennung der Schleuderschicht von der Hartschicht erfolgt in der Kristallschicht, wobei ihre dünnen Membranen einfach zer- reißen. Dabei bleiben die größeren Teile der Zellen samt den Kristallen an der Oberfläche der Hartschicht des Samens haften. Aber auch an der abgesprungenen Schleuderschicht kann man sehr häufig die feinen Membranreste der zerrissenen Kristallschicht wahr- nehmen. Lohde, der dieses Zerreißen innerhalb der Kristall- schicht gar nicht bemerkt hat, vielmehr der Meinung gewesen sein muß, die Loslösung der Schleuderachicht erfolge auf der Hartschicht selbst, wundert sich darum sehr begreiflicherweise über das plötz- liche Verschwinden der Kristalle aus der Schleuderschicht. Eine wichtige Rolle im Schleudermechanismus spielen die Rippen und Tälchen des Samens oder allgemeiner die Gestaltung seiner Oberfläche. Schon Ballerstädt hat bei i^xalis stricta und (>. corniculata darauf hingewiesen, daß die seitlichen Furchen, in die die Erhebungen der Schleuderschicht hineinpassen, als Schienen wirken, die die Bewegung nach vorn vorschreiben. Wäre der Samen glatt, liefe er Gefahr, nach oben oder unten umzuschlagen. Das ist zweifellos richtig. Untersucht man aber die Samen anderer ( Kraus -k.vtev\, so findet man eine ganz ver- Fig. 9. schiedenartige Gestaltung der Oberfläche und kommt ,, , . , dabei, über die spezielle Deutung der Streifung bei von 0. stricta . . . . ohne Schleuder- ^*- strictü hinaus , noch ZU einem allgemeineren Ge- schieht. Sichtspunkt, unter dem die Oberflächengestaltung der Oxalis -Ssimen zu betrachten ist. Nach dem Material, das zur Untersuchung zur Verfügung stand, lassen sich drei verschiedene Typen unterscheiden. Zum ersten gehört (K acetosella. Auf jeder Seite des Samens befinden sich hier in der Regel 6 Längsrippen, die alle an der Mikropyle be- ginnen und zum Chalazaende verlaufen (Fig. 6). Der zweite ist der (>. stricta -Tj^ (Fig. 9). Die Streifung verläuft hier quer. Außerdem umzieht den Samen in der Ebene der beiden größeren Achsen eine Ringfurche, aus der sich auf der Seite, auf der der Riß der Schleuderschicht erfolgt, noch ein hervorspringender Kiel erhebt. Zu diesem Typ scheint die Mehrzahl der Oxalis -Arten zu gehören. Festgestellt wurde dies bei O. stricta. O. corniculata, (>. sericea, (K ceratilis, (). earopaea, (J. Navieri. Einen dritten Typus stellt Biophytmn dar. Eine Streifung wie bei den beiden vorhergehenden fehlt, vielmehr ist der ganze Same mit Höckern Zur Kt'iiiitni.s des Mecliani.siiiiis iler Samenausschleaiiftruiit; von O.valis. 271 besetzt, die ebensogut in Längsreiben wie in (r^ueneilien angeorduet betrachtet weiden können. Es scheint also zunächst nicht darauf anzukommen, daß diese oder jene Art von Furchung vorhanden ist, sondern daß überhaupt eine Rauhigkeit vorlianden ist. Hätte man es mit einem glatten Samen zu tun, so würde er nur durch eine einzige, an der hinteren Kante angreifende, radial gerichtete Kraft (R) vorwärts getrieben werden (Fig. 11). Ist aber der Same rauh, so bieten sich außer- dem auf beiden Seiten Angriffspunkte für tangential^ gerichtete Kräfte (7', Fig. 10). Dabei ist es von untergeordneter Bedeutung, wie die Rauhigkeiten beschaffen sind. Welcher von beiden Samen, der rauhe oder der glatte, eine sicherere Führung seiner Bewegung erhält, ist klar. Beide stehen etwa in einem Verhältnis zueinander wie zwei Ruderboote, von denen man das eine mit einer Stange, die am Heck angesetzt ist, vor sich herschiebt, das andere dagegen mit zwei Stangen fort- schiebt, die an den Dollen, also zu beiden Seiten mittschiffs, an- gesetzt sind. Das erste Boot sowie auch der glatte Same befinden sich zur angreifenden Kraft in einem labilen Verhältnis. Bei der ge- ringsten Störung laufen sie Gefahr, nach der einen oder andern Seite aus der Richtung zu schlagen. Das wird durch das Vor- handensein von Rauhigkeiten am Samen und damit durch das Angreifen von tangentialen Kräften verhindert. Bei dem (Iralis acetosella -Typus mit Längsstreifung lassen sich der Same und die beiden Hälften der Schleuderschicht mit einer beiderseitig gezähnten Zahnstange und zwei Zahnrädern vergleichen. Auf jeder Seite befindet sich eins, und sobald sie (an den Kapsel- wänden) Widerstand gefunden haben, treiben sie durch ihre Drehung die Zahnstange (den Samen) vorwärts. Daß eine derartige An- ordnung in dem vorher entwickelten Sinn äußerst günstig wirken muß, ist einleuchtend. Beim Biophyhim -Ty\^u9 mit Höckern und entsprechenden Vertiefungen an Samen und Schleuderschicht liegen die Verhältnisse ähnlich. Auch hier ließe sich der Zahnradvergleich anwenden. Beim Oxaiis stricta-Typ kommen die Rippen als solche. 272 Fritz Overbeok, da sie quer verlaufen, als Angriffspunkte von Tangentialkräften nicht in Frage. Ä-llein sie tragen doch so viele Unebenheiten durch die erwähnten Reste der Kristallschicht, daß sicherlich die Reibung so groß ist, daß doch Tangentialkräfte zur Wirkung kommen. Das aber bewirken die Querreihen hier zweifellos: Sie verhindern, daß der Same nach oben oder unten umschlägt, wie es schon Baller- städt zeigte; denn eine Bewegung um seine kleinste Achse ist dem Samen bei der Ausschleuderung unmöglich, solange er die Schleuder- schicht, in ^eren Nuten die Rippen des Samens hineinpassen, nicht vollständig verlassen hat. Hildebrands Ansicht über die Natur des Schleudermechanis- mus ist folgende: Die inneren Zellagen der Schleuderschicht be- finden sich zur Zeit der Reife in einem stärker turgeszenten Zu- stande als die äußeren. Durch diese Turgordifferenz wird schließ- lich das Platzen der Schleuderschicht bewirkt, worauf sich der bereits beschriebene Vorgang der Zurückrollung und Samenaus- schleuderung vollzieht. Zimmermann meint nun dagegen: „Sollte diese Erklärung richtig sein, so ist es klar, daß, wenn man solche Samen mit Mitteln behandelt, die die Turgeszenz aufheben, dieses Aufspringen nicht mehr erfolgen kann. Ich fand nun aber, daß nach mehrstündigem Liegen in lOproz. Salzlösung das Fortschleudern der Samen noch in derselben Weise erfolgt. Ferner beobachtete ich, daß an Schnitten von Samen, die tagelang in Spiritus gelegen hatten, auf Zusatz von Wasser sich die Außenschicht (Schleuder- schicht) stets vom Samen abbiegt." Zimmermann ist der An- sicht, daß unter der Einwirkung der lOproz. Salzlösung jede Turges- zenz aufgehoben sein müsse. Wenn trotzdem noch ein Aufspringen der Samen erfolge, seien eben andere als Turgorspannungen dafür verantwortlich zu machen. Er führt dann auf Grund des eben angegebenen Verhaltens von Spiritusmaterial den Mechanismus auf Quellungserscheinungen der Membranen zurück, wobei die starke Außenhaut als Widerlage dient. Daß außerdem noch Turgeszenz- verhältnisse mitwirken, stellt er übrigens nicht in Abrede. Eine Erklärung von Lohde, die aber nichts als eine Beschreibung des Schleudervorgangs ist und nichts Neues besagt, kann hier über- gangen werden. Erwähnt sei noch seiner Eigentümlichkeit wegen das, was Chauvel sagt: . . . on constate dans ces Clements (in denen der Schleuderschicht) la presence d'un mucilage abondant. A notre avis c'est par sa presence qu'il faut expliquer la projection elastique. A la maturite de la graine, toute cette couche se con- Zur Kenntnis iles Mechanismus der Samenausschleuderung von Ocalis. 273 tracte ... et cette couche, devenue suche, menibiaiieusc, s'enroule uvec rapidite par l'efiet de la contraction du niucilage."' Die erste Angabe Zimmermanns ließ sich leicht bestätigen: Selbst nach 17stündigeni Liegen in 10 "o KNO;i sprangen die Samen noch, wenn auch nicht mehr ganz mit der urspriinghchen Gewalt. Allein das sagte nicht viel, denn es war wahrscheinlich, daß die starke Außenhaut das Eindringen der Salpeterlösung über- haupt verhinderte. Um die Aufhebung der Turgeszenz sicherer zu erreichen, wurden riogförmige Abschnitte aus der abgesprungenen Schleuderschicht herausgeschnitten, so daß die Salpeterlösung jetzt von drei Seiten her eindringen konnte. Es zeigte sich, daß der Schnitt seine Einrollung nur zum kleinen Teil rückgängig machte. Wurde statt des ringförmigen Ausschnittes die ganze abgesprungene Schleuderschicht in Salpeterlösung gelegt, so war das Zurückgehen der Einrollung so geringfügig, daß es kaum mit dem bloßen Auge wahrzunehmen war. Es scheint also, als wenn dem ringförmigen Schnitt gegenüber die abgesprungene Schleuderschicht als Ganzes eine gewisse Starrheit besitzt, die durch ihre Form bedingt ist, wie ja auch in ähnlicher "Weise ein vom Wind überklappter Regen- schirm dem Zurückbringen in die alte Form einen Widerstand entgegensetzt, dessen Ursache in der Gestalt des Schirmes liegt. Was den zweiten Befund Zimmermanns anbelangt, nämlich daß an Samenschnitten, die tagelang in Alkohol gelegen hatten, sich die Schleuderschicht bei Zusatz von Wasser abbiegt, so Ueß sich auch das bestätigen. Freilich erwies sich dieses Abheben der Schicht als recht geringfügig, und Alkoholmaterial durch Quellungs- mittel, wie Wasser, Kalilauge oder Salzsäure, gar zum Springen zu bringen, war ganz unmöglich. Überhaupt waren bei Material, das durch Alkohol abgetötet worden war, in den Schleuderschichten jegliche Spannungszustände zerstört, einerlei, ob sie direkt in Alkohol oder nach Zusatz von Wasser oder in Kalilauge daraufhin unter- sucht wurden. Das zeigt schon, daß es sich nicht um einen Quellungs- mechanimus handeln kann. Zwar sind die pektinreichen Membranen der Schleuderschicht quellbar. Diese Angabe Zimmermanns ist richtig. Sie werden etwas dünner bei Wasserentzug durch starken Alkohol und schrumpfen an der Luft. Sie quellen in kaltem Wasser und noch besser bei Zusatz von Salzsäure. Die stärkste Quellung aber trat an Schnitten ein, die in Benzoazurin gelegt wurden. Bei der eintretenden Färbung hob sich deutlich eine Mittellamelle her- vor, auch wurden kleine Interzellularen sichtbar. Eine Verquellung Jahrb. f. wiss. Botanik. LXII. ^^ 274 Fritz Overbeck, irgendwelcher Lamellen zu Schleim trat nicht ein, und wie Chauvel dazu kommt, von einem „mucilage abondant" zu sprechen, ist nicht recht verständlich. Betrachtet man aber die lebenden Zellen einer frisch abgesprungenen Schleuderschicht in Zuckerlösung, so sind ihre Membranen nicht gequollen. Es kann darum die Quellfähig- keit auch kaum eine Rolle im Schleudermechanismus spielen; denn täte sie es, müßten die abgesprungenen reifen Schleuderschichten den unreifen gegenüber gequollene Membranen zeigen. Wenn man noch unreife Samen mit einer Nadel ritzt oder ansticht, treten sofort weit auseinander klaffende Spalten oder Sprünge in der Außenhaut der Schleuderschicht auf. Die Außenhaut be- findet sich also in einem Spannungszustande und ist für das unter ihr liegende Gewebe der Schleuderschicht gleichsam zu eng. Es war nun festzustellen, ob diese Spannung durch ein Ausdehnungs- bestreben der Innenseite der Schleuderschicht oder der ganzen Schicht oder durch ein Ver- kürzungsbestreben der Außenseite zustande kommt, oder ob diese verschiedenen Möglichkeiten zu- sammen wirken. Es wurden zu diesem Zweck Querschnitte aus noch nicht reifen Samen her- gestellt, bei denen die Spannungs- verhältnisse in der Schleuder- schicht aber doch schon "so weit entwickelt waren, daß diese sich von dem zugehörigen Samenaus- schnitt abhob und zurückrollte. Sie wurde dann neben den Samen- schnitt auf einen Objektträger gelegt (Fig. 12). Bei völlig reifen Samen wäre es wegen der zu starken Spannungsverhältnisse un- möglich gewesen, zu einem Schnitt durch den Samen den zuge- hörigen ringförmigen Abschnitt der Schleuderschicht zu erhalten, da die Schleuderschicht bei der leisesten Berührung fortspringt. Es wurden mit Hilfe des Zeichenapparates durch Messung folgende Längenverhältnisse festgestellt (Vergrößerung etwa 80mal): Es betrug der Umfang der Hartschicht des Samens . 300 mm, die Länge der ursprünglichen Innenseite der Schleuder- schicht (A), die der Hartschicht vor dem Abspringen angelegen hatte 397 mm, es hat also A eine Längenzunahme erfahren von . . 97 mm. Fig. 12. Erklärung s. Text. Zur Kenntnis di-s Atechanisnins iler t^amenausschleuderunjf von O.ialis. 275 Das bedeutet 32,3 % der ursprünglichen Länge. Die dicke Außen- haut, die nun innen liegt, hat jetzt eine Länge von 6^ = 260 mm (ohne Spalten gemessen). Auch bei der Herstellung von Quer- schnitten treten in ihr die erwähnten Rißspalten auf, wie sie die Fig. 12 zeigt. Es sind an diesen Stellen nicht etwa Teile von ihr verloren gegangen. Die Länge C =: 260 mm ist bereits geringer als die des Umfangs der Hartschicht. Da die Außenhaut noch um die Dicke der Schleuderschicht weiter außen als die Hartschicht gelegen hat, bedeutet das, daß sich die Außenhaut sehr stark ver- kürzt hat. In Prozenten läßt sich diese Verkürzung nur annähernd angeben, da die ursprüngliche Länge nicht meßbar ist; jedoch hat man einen ziemlich sicheren Anhalt, wenn man den Umfang des Samens samt der Schleuderschicht rekonstruiert und dabei die mittlere Breite des Querschnittes der Schleuderschicht zugrunde legt. Außerdem ist es belanglos, wenn man auf diese Weise einen Fehler selbst von einigen Prozenten erhalten sollte, da man bei Messungen an anderen Schnitten immer von Fall zu Fall ab- weichende Werte erhält. Daß die Schleuderschicht beim Abspringen ihre Dicke nicht wesentlich ändert, ließ sich mehrfach beobachten. Wird also der rekonstruierte Umfang des Samens -f~ Schleuder- schicht = 393 mm als richtig angenommen, so ergibt sich für die Außenhaut eine Verkürzung von 36,3 Vo- Im folgenden sind die Messungsergebnisse von vier Fällen in Prozenten angegeben: II m IV Verkürzung der Außenseite: 36,3 35 33,9 34,5 Verlängerung der Innenseite: 32,3 50 13,3 35,9 Es ist anzunehmen, daß den sehr viel größeren Spannungsverhält- nissen vollständig reifer Samen auch noch höhere Zahlen ent- sprechen. — Festgestellt ist also, daß sich die Innenseite der Schleuderschicht beim Abspringen ausdehnt, während sich gleich- zeitig die Außenseite verkürzt. Es fragt sich nun, ob man es wirklich mit zwei verschiedenen Kräften zu tun hat, einer Druckkraft auf der Innenseite und einer Zugkraft auf der Außenseite, oder ob nur eine von beiden wirk- sam ist. Letzterer Fall wäre denkbar: Wird z. B. ein elastischer Balken durch eine auf einer Seite in ihm wirkende Druckkraft — es möge Quellung sein — gebogen, so vergrößert sich die Länge 18* 276 l^ritz Overheck, dieser Seite, und während eine neutrale Faser ihre Länge bei- behalten kann, kann die andere konkave Seite an Länge abnehmen. Dies ist jedoch bei der Schleuderschicht nicht anzunehmen. Ein- mal ist es an sich schon unwahrscheinlich, daß die außerordentlich starke Außenhaut ihre Verkürzung einem Druck verdankt, der durch die Ausdehnung der Gegenseite zustande kommt, daß sie also zu- sammengeschoben wird. Dann aber würden in diesem Falle auch die Rißspalten, nachdem der Schnitt sich umgestülpt hat, zusammen- gedrückt und geschlossen sein. Das trifft aber nicht zu. Man muß daraus den Schluß ziehen, daß auf der Außenseite tatsächlich eine Zugkraft vorhanden ist, deren Sitz allem Anschein nach in der dicken Außenhaut zu suchen ist. Dennoch ist es nicht so, daß Schnitte, an denen man auf möglichst großen Strecken die Außenhaut entfernt, an denen also die Kontraktionskraft auf- gehoben ist, daraufhin ihre Einrollung rückgängig machen. Das geschieht nur zum sehr kleinen Teil. Daß das Zurückgehen der Einrollung auch bei Aufhebung etwaiger Druckkräfte — Turgor oder Quellung — nur zum kleinen Teil stattfindet, ist bereits ge- sagt. Da nun bei Aufhebung dieser dritten Kraft, der Kontraktions- kraft, dasselbe wieder zu finden ist, kann man sagen, daß die Be- wegung der Schleuderschicht, nachdem sie sich einmal vollzogen hat, im wesentlichen fixiert ist. Das bedeutet, daß sich während oder nach dem Ausschleudern Wachstumsvorgänge in ihr abgespielt haben müssen. Doch hiervon wird weiterhin noch zu reden sein. Um festzustellen, wie die Verhältnisse auf der Innenseite der Schleuderschicht liegen, ob hier eine Druckkraft vorhanden ist oder die Ausdehnung durch den Zug der Gegenseite bewirkt wird, wurden die Verhältnisse des osmotischen "Wertes in der Schleuder- schicht untersucht. Leider erwies sich das Gewebe als ziemlich ungünstig für derartige plasmolytische Untersuchungen. Mit Schnitten ließ sich überhaupt kaum arbeiten, da die Zellen gewöhnlich be- schädigt und gequetscht waren oder sehr rasch abstarben. Am besten fuhr man, wenn die ganze abgesprungene Schleuderschicht in das Plasmolytikum gelegt und die am Rande erscheinenden Zellen beobachtet wurden. Auf diese Weise konnte man aber nur für die Zellen der ursprünglichen Innenseite zuverlässige osmotische Werte feststellen. Für die Außenseite lagen die Verhältnisse noch ungünstiger. Von sehr unreifen Samen ließen sich wenigstens Flächenschnitte der Schleuderschicht abheben, solange diese noch am Samen festsaß, und leidlich beobachten. Über reife Schleuder- Zur Kenntnis des Meclianisnuis ilcr SanienausschleuderunK von O.rahs. 277 schicliten ließen sich aber überhaupt keine Angaben machen, denn alle Versuche, die eingerollten Schleuderschichten auseinander zu biegen und von innen zu beobachten, mißlangen. Da sich die Zellen von O.ralis stricta zur Beobachtung der Plasmolyse als etwas günstiger erwiesen als die von (f. acdoseUa. wurde nach verschiedenen Versuchen zu (K stricta übergegangen. Ehe auf die Befunde hinsichtlich der Turgorverhältnisse einzugehen ist, ist es angebracht, zunächst das Folgende vorauszuschicken. Unreife Samen sind weiß, und sämtliche Zellen der Schleuder- schicht, abgesehen von denen der Kristallschicht, enthalten reich- lich Stärke, Schon in diesen weißen Samen zeigen sich frühzeitig Spannungsverhältnisse der Schleuderschicht, indem bei leichtem Anstechen die erwähnten Rißspalten auftreten. Beginnt bei fort- schreitender Reife die Hartschicht des Samens sich leicht zu bräunen, wobei wegen des Durchscheinens durch die Schleuder- schicht der ganze Same hellbraun erscheint, so hat die Spannung bereits soweit zugenommen, daß auf leichten Berührungsdruck hin die Schleuderschicht abspringt. Die Zellen sind dabei immer noch voll von Stärke. Vollständig reife Samen, die sich entweder gar nicht mehr aus der Kapsel heraus präparieren lassen oder bei der leisesten Berührung springen, erscheinen kräftig braun. Die Stärke ist hier in den meisten Fällen ganz, sonst aber zum größten Teil aus den Zellen verschwunden. So läßt sich nach einiger Übung dem Aussehen der Samen nach leicht beurteilen, wie weit ihre Reife vorgeschritten ist und ob sie sich in einem Zustand befinden, in dem sie noch Stärke zu enthalten pflegen oder nicht. Bei Samen von Oxalis stricta, die keine Stärke mehr in der Schleuderschicht enthielten, trat die Grenzplasmolyse in einer 16proz. Rohrzucker- lösung ein. Dabei wurden für fünf Fälle folgende Verkürzungen festgestellt: 20%, 16,5 7o, 16,5 7,,, 24,7 7o, 19,4 7o. Dem entspricht ein Mittelwert von 19,4°fo, eine Verkürzung, die zwar recht beträchtlich ist, aber doch nicht der Ausdehnung der Innenseite der Schleuderschicht beim Abspringen gleichkommt, die bereits am unreifen Samen 32 7o im Mittel betrug. Es muß also ein Teil der ursprünglich osmotischen Dehnung durch plötz- liches Wachstum fixiert worden sein. Bei der Berechnung des hier interessierenden osmotischen Wertes kann man nicht, wie sonst üblich, derart vorgehen, daß man unter Berücksichtigung der er- mittelten Verkürzung aus dem osmotischen Wert der durch Plasmo- lyse entspannten Zelle den der gespannten errechnet. Dabei käme man zu einem kleineren Wert, als ihn die entspannte Zelle hatte. 278 Fritz Overbeck, Im 0.raZ^5- Schleudermechanismus ist der bei der Ausschleude- rung wirksame osmotische Wert nicht kleiner, sondern erheblich größer als der, den die plasmolysierte Zelle der abgesprungenen Schleuderschicht zeigt. Denn bei der Berechnung ist ja nicht das Volumen der turgeszenten Zellen der abgesprungenen Schleuder- schicht zugrunde zu legen, sondern das Volumen, das die Zellen vor der Ausschleuderung besaßen. Man hat also folgendermaßen vorzugehen: Beim Ausschleudern erfuhr die Innenseite der Schleuder- schicht eine Dehnung von 32,0 7o, beim Plasmolysieren darauf eine Verkürzung von . . 19,4 „ . Um 12,6 7o ist also bei der abgeschleuderten und plasmolysierten Schleuder- schicht auf der Innenseite noch eine Dehnung gegenüber der nicht abgesprungenen Schicht vorhanden. Da die gemessenen Zellen der Innenseite trotz ihrer Vielseitigkeit in ihrer Gestalt dem "Würfel nahe kommen, sei die Würfelform der Volumenberechnung zugrunde gelegt, und da die Membranen sowohl in tangentialer wie in radialer Richtung überall die gleiche Stärke zeigen, sei eine allseitig gleich- mäßige Kontraktion angenommen, ohne daß das nachgeprüft werden konnte, weil sich an Querschnitten durch lebendes Material zu schlecht plasmolytische Untersuchungen machen ließen. Bei einer Kanten- länge von a = 58 mm (nach Zeichnung mit Zeichenapparat) ist demnach das Volumen der plasmolysierten Zelle: Y = Si^ = 195112 mm^ das Volumen der Zelle vor der Ausschleuderung, wobei a um 12,6 Vo geringer zu setzen ist und als ai = 50,7 mm bezeichnet sei: V, = a' = 130323 mm^. Die Plasmolyse trat bei 16 7o Rohrzucker ein; das entspricht einem Wert von P =: 11,3 Atm. (1 % Zucker =r 535 mm nach Pfeffer). Für die Zelle vor der Ausschleuderung ergibt sich dann ein Wert von Pi V V . P Pi = ^ = ^; Pi = -.^ = 16,9 Atm. Man hat es also in Anbetracht, daß es sich um einen Mechanismus handelt, in dem der osmotische Druck eine große Rolle spielt, mit einem durchaus nicht hohen Wert zu tun, fand doch z.B. v. Gutten- berg im Spritzmechanismus von Ecballium einen Wert von 27 Atm. Zur Kenntnis des Meclianisnius iler SaineuBiisscIileuderung von O.rali.i. 279 Dabei ist bei O.ralis stricta noch wenige Stunden vor der Aus- schleuderung der Zuckerwert noch erheblich geringer als 16 " ,,, Bei Samen, die gerade anfingen sich zu bräunen, deren Schleuder- schicht aber noch voll von Stärkekörnern war, trat die Plasmolyse bereits bei 10 " ;, Rohrzucker ein. Dieses rasche Anwachsen des osmotischen Wertes von 10 "/o auf 16 "o Rohrzucker hat seine Ur- sache offenbar in einer Verzuckerung der Stärke, die sich innerhalb weniger Stunden vor der Ausschleuderung vollzieht; denn während in stärkeführenden Schleuderschichten keine Spur von Zucker nach- zuweisen war, trat er in vollständig reifen Schleuderschichten an Stelle der Stärke auf. Da die Spannungsverhältnisse nun in der noch stärkeführenden Schleuderschicht schon so weit ausgebildet sind, daß der Vorgang des Ausschleuderns bei leichter Berührung mit großer Heftigkeit erfolgt, so liegt es nahe, in dem plötzlichen Anwachsen des osmotischen Wertes den Auslösungsfaktor zu suchen, der die Schleuderschicbt am locus resistentiae minoris zum Platzen bringt; denn daß gleichzeitig auch eine Steigerung der Turgeszenz er- folgt, erscheint dem ganzen Verhalten der Schleuderschicht nach recht wahrscheinlich. Woher erhalten die Zellen, deren „Saugkraft" durch Verzucke- rung der Stärke nunmehr größer geworden ist, das Wasser, dessen Vorhandensein nötig ist, um einen gesteigerten osmotischen Druck zur Wirkung gelangen zu lassen? Es wurden weiße Samen, in denen die Stärke also noch vorhanden war, aus der Kapsel heraus- präpariert und in die feuchte Kammer gelegt. Im Verlauf von 1 — 2 Tagen waren sie regelmäßig braun geworden und vollständig nachgereift. Sie sprangen dann schließlich von selber mit der ge- wohnten Heftigkeit. In der Hälfte aller Fälle etwa war die Stärke jetzt verschwunden, in der anderen Hälfte noch in Resten vor- handen. Wenn also jetzt, wo der Same aus der Kapsel heraus- gelöst ist, noch eine Steigerung der Turgeszenz stattgefunden hat, 80 kann das nicht durch weitere Wasseraufnahme von außen durch das Gefäßbündel des Funikulus geschehen sein, vielmehr muß im Innern des Samens eine andere Verteilung des Wassers vor sich gegangen sein. Es wäre möglich, daß das nötige Wasser in erster Linie aus der Kristallschicht stammt, die ja keine Stärke enthielt, also auch nicht durch plötzliches Auftreten von Zucker eine Er- höhung ihrer Zellsaftkonzentration erfahren konnte. Sie wird also vielleicht von der übrigen Schleuderschicht ausgesaugt. Ein be- 280 Fritz Orerbeck, sonderer Umstand spricht sogar für diesen Erklärungsversuch oder zeigt wenigstens, daß in oder an der Kristallschicht tatsächlich in diesem Stadium Veränderungen vor sich gehen. Im allgemeinen ist ja die Schleuderschicht, wenn keine Stärke mehr vorhanden ist, nicht mehr durchscheinend, sondern durchsichtig. An manchen Stellen haben sich unter ihr jetzt kleine Lufträume in den Tälchen gebildet, die auf dem Braun der Hartschicht als weiße Flecken erscheinen. Wenn im Vorhergehenden gesagt ist, daß das Nachreifen und die Steigerung der Spannungszustände bis zum Ausschleudern auch im losgelösten, von der Zufuhr durch den Funikulus abgeschnittenen Samen erfolgt, heißt das natürlich nicht, daß im andern Falle, wenn der Same in der Kapsel verbleibt, nicht außerdem eine Wasserzufuhr durch den Funikulus stattfindet, durch die die letzte Steigerung der Turgeszenz erfolgt. Es ergibt sich nun zusammenfassend folgendes Gesamtbild über die Natur des Schleudermechanismus: Bereits vor der Befruchtung ist das äußere Integument der Oxalis-S'dmenAn\sige — die spätere Schleuderschicht — allseitig von einer außerordentlich starken, äußerlich kutikulaähnlichen Außen- haut umgeben. Dem allmählichen Heranwachsen des Samens folgt diese Außenhaut nicht in entsprechendem Maße nach; sie wird vielmehr elastisch gedehnt und befindet sich in einem immer mehr zunehmenden Zustand der Spannung. Nicht allein durch das Wachstum der Zellen der Schleuderschicht erreicht diese Spannung ihren Höhepunkt, sondern auch durch deren starke Turgeszenz. Schließlich reißt die gedehnte Außenhaut an ihrer schwächsten Stelle auf und kontrahiert sich nun energisch infolge ihrer Elasti- zität. Die Elastizitätsverhältnisse dieser Außenhaut, die aus einem noch nicht bekannten Membranstoff besteht, sind sehr bemerkens- wert, ist doch das Kontraktionsvermögen so stark, daß sich dieses dicke Membrangebilde beim Platzen um 35 "/o verkürzt. In dem Augenblick, wo die Umhüllung, die Außenhaut, gesprengt ist, können auch die Zellen der Schleuderschicht ihrem Ausdehnungs- bestreben folgen. Auf der Außenseite, wo sie unter der sich kon- trahierenden starken Außenhaut liegen, ist ihnen das freilich nicht möglich, auf der Innenseite aber dehnen sie sich beträchtlich (etwa um 33 7o)- So kommt, durch Verkürzung der Außenseite und Zur Kenntnis des Mpchanisrnns dor ^anienaussrlileiuleniug von O.rallx. 281 Ausdehnung der Innenseite, ein Umstülpen der Schleuderschicht zustande. Sie rollt sich mit großer Gewalt an dem Samen zurück, findet dabei eine Widerlage an den Wandungen der Kapselfächer und schleudert den Samen fort. Literatur. Askenasy, Ober explodierende Staubgefäße. Naturhist.-Med. Verein Heidelberg, N. S., II. Bd. Ballerstädt, M., Über eine interessante Vorrichtung zum Ausschleudern der Samen- körner bei Oxalis stricta und coriticulaia. Naturw. Rundschau, I. Jahrg., Nr. 45. De Bary, A., Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane. Leipzig 1877. Billings, F. H., Beiträge zur Kenntnis der Samenentwicklung. Flora 1901, 88. Bd. 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Abweichungen von der normalen Plasmolyse 145 2. Kurze Übersicht über die vorliegende Arbeit ... .... 147 3. Versuche mit Bangia fusco-pitrpurea 152 I. Teil. Protoplasmaquellung 155 1. Volumveränderungen des Zellinhaltes bei Plasmolyse 155 2. Allgemeines über Quellung 160 3. Quellungskurve des Protoplasmas 164 a) Versuche mit Spirogtjra 165 b) Versuche mit Lemanea 170 4. Flasniaquellung und Neutralsalzwirkung 178 IL Teil. Membranquellung 183 1. Membranquellung bei Bangia als sekundäre Erscheinung . . . . 183 2. Versuche mit Agar-Agar 185 Quellungsversuche 192 3. Das Verhalten von Algenmembranen gegenüber Elektrolyten im Ver- gleich zu den an Algen gewonnenen Resultaten 203 4. Mechanismus der Bangia-ZeWe 206 5. Quellungsdruck und osmotischer Druck 208 Zusammenfassung 210 Literaturnachweis 211 Karl Be.SSOnich. Über Beziehungen zwischen dem Vegetationspunkt und dem übrigen Pfianzenkörper bei Ohara. Mit 14 Textfiguren . 214 Abschnitt I. Kulturbedingungen 215 Abschnitt IL Untersuchungen über die Qualitäten der einzelnen Zellen des Vegetationspunktes 216 Abschnitt III. Beziehungen zwischen dem Vegetationspunkt und dem Streckungswachstum des zugehörigen Sprosses 220 Abschnitt IV. Über die Abhängigkeit der Neubildungen an dem Sproß- knoten vom Vorhandensein des Vegetationspunktes 223 Abschnitt V. Beziehungen zwischen der Symmetrie des Sprosses und seines Vegetationspunktes 228 II Inhalt. Seite Abschnitt VI. Das Problem von Rechts- und Linkstendenz bei Ohara . 235 Abschnitt VII. Schlußbetrachtung und Zusammenfassung 240 Angeführte Literatur 242 Ernst Qc Pringsheim. Über die Transpiration bei Fucus. Mit 4 Textfiguren 244 Zusammenfassung 256 Fritz Overbeck. Zur Kenntnis des Mechanismus der Samenausschleuderung von Oxalis. Mit 12 Textfiguren 258 Einleitung 258 Abschnitt I. Bau des Fruchtknotens, der Samenanlagen und ihre Entwick- lung zum Samen 260 Abschnitt II. Die Ausschleuderung der Samen 266 Literatur 281 Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin W 35 Abhandlungen zur theoretischen Biologie herausgegeben von Dr. Julius Schaxel, Professor für Zoologie und Vorstand der Anstalt für experimentelle Biologie an der Universität Jena Heft 1: Über die Darstellung allgemeiner Biologie von Julius Schaxel. (Jeheftet 2,4 „ 2: Das Problem der historischen Biologie von Richard Kroner. Geheftet 1,2 „ 3: Der Begriff der organischen Form von Hans Driesch. Geheftet 3 „ 4: Die Gastpflege der Ameisen, ihre biologischen und philo- sophischen Probleme von Erich Wasmann, S. I. Mit 2 Tafeln und 1 Textabbildung. Geheftet 6 „ 5: Die Verwandtschaftsbegriffe in Biologie und Physik, und die Darstellung vollständiger Stammbäume von Kurt Lewin. Mit 11 Textabbildungen. Geheftet 1,2 „ 6: Probiologie und ürganisationsstufen. Eine Hypothese und ihre Anwendung auf die Morphologie von Viktor Franz. Geheftet 1,2 „ 7: Die Grundfiktionen der Biologie von Julius Schultz. Geheftet 2,7 „ 8: Über die Aufgaben der Tierpsychologie von Bastian Schmid. Geheftet 1,5 „ 9: Rassen- und Artbildung von Friedrich Alverdes. Geheftet 4,2 „ 10: Botanische Betrachtungen über Alter und Tod von Ernst Küster. Geheftet 1,5 „ 11. Reiz, Bedingung und Ursache in der Biologie von Paul Jensen. Geheftet 2,7 Die hier angegebenen Preiszi/fem sind die Grundzahlen, die mit der jeweils gültigen Schlüsselzahl — Mitte Mai 1923: 3000 — multipliziert, die Verkaufspreise ergeben. Grundzahlen für gebundene Exemplare sind freibleibend. Für das Ausland erhöhen sich die Preise um den vorgeschrie- benen Valutazuschlag Ausführliche Ve r I a g s v e r z e i c h n i s s e kostenfrei Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin W 35 Heft 12: Über den Begriff des Stoffwechsels in der Biologie von A. Gottschalk. Geheftet 2,1 „ 13: Die Beziehungen der Lebenserscheinungen zum Bewußt- sein von Theodor Ziehen. Geheftet 2,4 „ 14: Die Teleoiogie Kants und ihre Bedeutung für die Logik der Biologie von Emil Ungerer. Geheftet 4,8 „ 15: Über umkehrbare Prozesse In der organischen Welt von Valentin Haecker. Geheftet 1,5 „ 16: Grundlagen einer Biodynamik von Johannes Reinke. Geheftet 6 „ 17: Versuch einer synthetischen Biologie von Alexander Gurwltsch. Geheftet 2,4 „ 18: Aufbau mathematischer Biologie von Hans Przibram. Unter der Presse V Arbeiten aus dem Gebiet der experimentellen Biologie herausgegeben von Prof. Dr. Julius Schaxel, Vorstand der Anstalt für experimentelle Biologie der UniversitUt Jena Heft 1: Untersuchungen Über die Formbildung der Tiere. Erster Teil: Auffassungen und Erscheinungen der Regeneration. Mit 30 Abbildungen im Text. Von Julius Schaxel. Geheftet 3 „ 3: Studien an Infusorien über Flimmerbewegung, Lokomotion und Reizbeantwortung. Mit 46 Abbildungen im Text. Von Friedrich Alverdes. Geheftet 3,9 In Vorbereitung befindet sich: Heft 2: Untersuchungen über die Formbildung der Tiere. Zweiter Teil: Die Determination der Regeneration. Von Julius Schaxel. Im Verlag von Albert Ranstein in Zürich beginnt soeben zu erscheinen: Schroeter, Dus Pflanzeuleben der Alpen. Zweite Auflage. Das Werk gelangt voraussichtlich in 3 Lieferungen zur Ausgabe. Die erste Liefe- rung liegt vor. Ausführliche Ve r I ag s v e r z e I ch n 1 s s e kostenfre JAHRBtFCKER für wissenschaftliche Botanik Begründet von Professor Dr. N. Pringsheim herausgegeben H. Fitting, Professor an der Universität Bonn a. Rh. Zweiundsechzigster Band. Drittes Heft Leipzig Verlag von Gebrüder Borntraeger 1923 Alle Zueendungen für die Redaktion bittet man von jetzt ab zu richten an Herrn Professor Dr. Hans Fitting in Bonn a. Rh., Poppeis- dorfer Schloß. ,,i[ade in Qermany" Inhalt des vorliegenden Heftes. Seite K. Linsliauer. Über die Interferenz von Stoßreizen und über Ermüdungserscheinungen an Blattgelenken von Mimosa pudiea. Mit 9 Textfiguren 283 Günther Schmid. Das Reizverhalten künstlicher Teilstücke, die Kontraktilität und das osmotische Verhalten der Os- cillaioria Jenensis. Mit 6 Textfigureu 328 Margarete Schumacher. Dekapitation und geotropische Krüm- mungsfühigkeit von Sprossen. Mit 6 Textfiguren . . . 420 Ausgegeben im Juli 1923. Die Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik erscheinen in zwanglosen Heften, von denen 4 — 6 einen Band bilden. Den Abonnenten werden die Hefte zu einem Vorzugspreis geliefert, der sich beim Einzelverkauf um 25 % erhöht. Das Honorar beträgt 30 Mk. für den Druckbogen. Den Autoren werden 30 Sondei abdrücke kostenfrei geliefert. Auf Wunsch wird bei rechtzeitiger Bestellung eine größere Anzahl von Sonderabzügen hergestellt und nach folgendem Tarif berechnet: a) bei den ersten 70 Exemplaren über die 30 kostenfreien Sonderabdrucke hinaus für jedes Exemplar geheftet ohne Umschlag pro Druckbogen 12 Pfg., b) bei weiteren Exemplaren für jedes Exemplar geheftet ohne Umschlag pro Druckbogen 20 Pfg. Bei Dissertationen wird kein Honorar gewährt und werden alle Sonderabdrücke über die 30 Freiexemplare hinaus zum Selbst- kostenpreise berechnet. Sofern ein besonderer Umschlag mit Titel gewünscht wird, richtet sich der Preis nach den Gestehungskosten. Zurzeit ver- langt die Druckerei für einen solchen Titel 65000 Mk. Hierzu kommen die Kosten für den Buchbinder und das Papier je nach der gewünschten Zahl von Sonderabzügen. — Zusätze, Änderung der Paginierung usw. werden besonders berechnet. Bei schwarzen oder farbigen Tafeln kann der Preis bis auf weiteres nur von Fall zu Fall festgesetzt werden. Diesem Heft lieg'en Prospekte der TeriagrabacbliaudloDg: Gebrüder BorntraeKer in Berlin bei. LIBRARY NEW YORK BOTANICAL über die Interferenz von Stoßreizen und über Ermüdungserscheinungen an Blattgelenken von Mimosa pudica. Von K. Linsbauer. Mit y Textfiguren. Einleitung. Es gilt als feststehende Tatsache, daß die Blätter der Mimose bei andauernden Erschütterungen oder intermittierender Stoßreizung aus der vorübergehend angenommenen Reizstellung in ihre Ausgangs- lage zurückkehren, dabei aber ihrer seismonastischen Reizbarkeit verlustig gehen. Pfeffer fand Primärgelenke, die in Intervallen von ',4 Sekunde bis zu 2 Minuten durch Stoß gereizt wurden, selbst wenn die Reizung im gleichen Rhythmus durch 2 — 3 Stunden fort- gesetzt wurde, nach Rückkehr in die Normallage völhg unempfind- lich (1873, S. 56ff.). Diese Erfahrung stand in vollem Einklang mit den oft zitierten alten Angaben von Desfontaine, dem bei einer Wagenfahrt das Starrwerden einer mitgeführten Mimose auf- gefallen war, sowie mit den Beobachtungen von Dassen (1838) und Bert (1866) und ist heute in Lehr- und Handbücher über- gegangen. Vor einigen Jahren beabsichtigte ich, diesen wichtigen Ver- such meinen Hörern vor Augen zu führen und brachte eine Mimose auf den von Haberlandt für seine geotropischen Schüttelversuche konstruierten Schüttelapparat, mußte aber von meinem Vorhaben cO abstehen, da ich zu meiner Überraschung konstatierte, daß die zu- "" nächst in Reizstellung übergegangenen Blätter wohl in die Ausgangs- lage zurückkehrten, aber augenscheinUch ihre volle Empfindlichkeit .Jabrb. f wies. Botanik LXII. 19 30 284 K. Linsbauer, bewahrt hatten. Ich entsann mich, daß es auch an derartigen Angaben in der Literatur nicht fehlt. Pfeffer selbst gedenkt einer solchen Bemerkung bei Goeppert (1862), der ausdrücklich erwähnt, daß trotz andauernder Erschütterung die Reizbarkeit der Blätter einer Mimose erhalten geblieben war. Ebenso standen Hofmeisters Ergebnisse (1867, S. 317) bei Verwendung von In- duktionsschlägen nicht im Einklänge mit den Befunden von Pfeffer; das sich allmählich aus der Reizlage erhebende Blatt war trotz Fortdauer der intermittierenden Reizung gegen Berührung oder Steigerung der Schläge empfindlich. Pfeffer legte darauf aller- dings nur geringes Gewicht, da die mit Induktionsschlägen erhal- tenen Reaktionen nicht ohne weiteres mit den Wirkungen „wieder- holter Berührung" vergleichbar wären; bezüglich Goeppert s An- gaben müßten weitere experimentelle Untersuchungen die Aufklä- rung bringen. In Pfeffers folgender, das Verhalten der Mimosen berührenden Abhandlung (1885, S. 522) sucht er indessen die Dis- krepanz der Ergebnisse bereits aufzuklären. Die Reizbarkeit stelle sich, wie Hofmeister fand, bei schwächeren Induktionsschlägen nach Rückkehr der Blätter in ihre ursprüngliche Lage ein; „hier- nach kann ein analoges Verhalten bei mechanischen Erschütte- rungen nicht zweifelhaft sein und die widersprechenden Beobach- tungen, welche bei fortgesetzter mechanischer Reizung entweder Wiederkehr oder Ausbleiben der Reizbarkeit konstatierten, finden ihre naturgemäße Erklärung." Damit schien die Frage endgültig erledigt; die Wiederkehr der Reizbarkeit wäre nur im Falle schwacher Stoßwirkungen zu erwarten. Diese Deutung konnte indessen für meinen Versuch nicht gelten, da die Reizbarkeit der Primärgelenke auch an Pflanzen wiedergekehrt war, die so heftig geschüttelt wurden, daß die Töpfe mit einem Gipsring zum Schutze gegen das Heraus- schleudern der Erde versehen werden mußten. Jedenfalls schien es mir des Interesses wert, die Frage nochmals aufzunehmen, zu- mal ich inzwischen — allerdings für andere Zwecke — einen kräf- tigeren Schüttelapparat habe bauen lassen, der sich wenigstens für Vorversuche gut eignete. Abschnitt I. Schüttelversuche. Der verwendete Apparat, der durch einen recht gleichmäßigen Gang ausgezeichnet war, wurde von einem kräftigen Motor an- über die Interferenz von StoßreiRt'ii und über Erinildungaerscheinungen u.sw. 285 getrieben. Durch entsprechend gewählte Übersetzungen konnte die Stoßfrequenz verändert werden; die Intensität des Stoßes war auf doppelte Weise regulierbar, durch eine Verschiebung eines an der Achse angebrachten Exzenters, wodurch die Pegelstange mehr oder weniger hoch gehoben wurde, und durch einen Stoßring, der an einem Schraubengewinde der eigentlichen Stoßstange befestigt ist, und durch dessen Verstellung die Stoßhöhe zu ändern war'), überdies konnten Pegel- und Stoßstange durch eine Schrauben- mutter miteinander fest verkoppelt werden, wobei an Stelle der Stöße mehr oder weniger ausgiebige Schwingungen erzielbar waren. Die Pflanze kam auf eine Platte zu stehen, die von der Stoß- stange getragen wurde. Ich ging bei den Versuchen meist in der Weise vor, daß die Pflanze vorsichtig auf den Schüttelapparat übertragen und der Motor angelassen wurde bei einer Einstellung, bei der die Pegelstange „leer" lief, d. h. die Stoßstange nicht be- rührte. Die Pflanze kam dabei nur in leichte Vibrationen, die durch die unvermeidlichen Erschütterungen infolge der Rotation der Übersetzungsscheiben bedingt waren. Bei hochempfindlichen Pflanzen genügten indessen bereits diese leichten Zitterbewegungen, um an einzelnen Blättern eine Reaktion auszulösen. Allmählich wurden durch Verschiebung des Stoßringes die Erschütterungen gesteigert. Je nach Bedarf ließ es sich dann leicht erreichen, daß wenigstens bei nicht höchstempfindlichen Exemplaren die Er- schütterungsstöße unter der Schwelle blieben oder daß mehr oder minder sämtliche Blätter fast augenblicklich in Reizstellung über- gingen. Die Versuche wurden in den Monaten Juli — September in einem (erst von Ende September an) geheizten Glewächshause durchgeführt. Die Temperatur und damit auch die relative Feuch- tigkeit im Gewächshause konnte zwar mangels der erforderlichen Hilfsmittel nicht konstant erhalten werden, doch wurde wenigstens durch Anwendung von Schattendecken, Ventilation und Besprengen des Bodens mit Wasser tunlichst für die Erhaltung günstiger Versuchsbedingungen Sorge getroffen. Die Pflanzen waren auch bis in den Spätherbst in einem vorzüglichen Reaktionszustand und reagierten nur bei ausnehmend kühlem Wetter ersichtlich träger. Zudem ist der Grad der Empfindlichkeit der Blätter eines einzelnen Individuums oft je nach Alter und Insertionshöhe und anderen 1) Eine nähere Beschreibung habe ich an anderer Stelle gegeben (Linsbauer 1922;. 19* 286 K. Linsbaner, bestimmenden Faktoren so verschieden, daß die Beeinflussung durch Umweltsfaktoren dagegen den geringeren Ausschlag gibt. Ich hatte oft während der stundenlangen Beobachtungen Ge- legenheit zu sehen, daß gelegentlich, ebenso wie ich es seinerzeit an den stoßreizbaren Centaurea-Füsimenten verfolgen konnte (1905, S. 812), anscheinend ganz spontan die Reizstellung eingenommen wird. Bald ist es eine Serie von Blättchen oder nur ein Paar, das die Reizstellung annimmt, bald senkt sich an einer oder der anderen Pflanze ein Blatt im Primärgelenk, ohne daß irgend eine merkliche Änderung in der Temperatur oder Beleuchtung oder auch nur ein Lufthauch dafür verantwortlich gemacht werden könnte. Ich konnte solche Beobachtungen zu allen Tagesstunden machen, falls nur die Bedingungen einer hochgradigen Empfindlichkeit gegeben waren. Zweifellos können sich gelegentlich auch die „inneren" Bedingungs- konstellationen derartig gestalten, daß sie zu einer plötzlichen Wasser- verschiebung führen, die dann den Anstoß zur Reizbewegung abgibt. Das Bild, das eine Mimose auf dem Schüttelapparat kurz nach dem Einsetzen der Stöße bietet, ist fallweise dem jeweiligen Grade der Reizbarkeit und der Intensität des Schütteins ent- sprechend ein sehr verschiedenes. Bei geringerer Stoßhöhe und somit schwächeren Stößen, die weder für sich noch durch Summation in den ersten Minuten des Schütteins eine Reizbewegung der Primärgelenke auslösten, konnte die Erschütterung beliebig lange — ich dehnte sie bis auf eine Stunde und darüber aus — fortgesetzt werden, ohne daß ein Blatt in die Reizstellung überging. Jede Berührung oder Ver- stärkung der Stöße blieb dabei jederzeit wirksam, die Empfindlich- keit blieb dauernd erhalten. Bei heftigen Stößen stellt sich natürlich sofort die Reaktion in den Primärgelenken ein. Stets tritt aber die Reaktion auch an einer Anzahl von Teilblättchen auf; bald reagieren einige Paare am distalen Ende einer sekundären Fieder, bald eine Serie oder vereinzelte Blättchen aus der Mitte heraus, so daß die ganze Pflanze ein recht ruppiges Aussehen annimmt. Der Grund für dieses un- regelmäßige Reagieren liegt wohl nur z. T. in dem verschiedenen Grade der Empfindlichkeit der Organe, hauptsächlich jedenfalls darin, daß die Blätter unvermeidlich ins Schwanken und Schleudern kommen, so daß die einzelnen Gelenke des Blättchens je nach ihrer zufälligen Lage in verschiedenem Maße von deformierenden Kräften getroffen werden. über die Interferenz von Stoßreizen und über Erniüilungserscheiniingen usw. 287 Unregelmäßiges Erschüttern war bei einzelnen Versuchen er- wünscht, da es den Bedingungen, denen die Desfontaineschen Pflanzen im fahrenden Wagen ausgesetzt waren, am nächsten kam. Die Pflanzen wurden daher lose auf die Tragplatte aufgestellt, so daß die Töpfe selbst in leichtes Tanzen und Schleudern gerieten, das nach Wunsch verhindert werden konnte, indem die Blumentöpfe durch zwei kräftige Spiralfedern an der Tragplatte festzuhalten waren. Das Ergebnis zahlreicher Versuche war stets das gleiche: die Empfindlichkeit der Blätter speziell der Haupt- gelenke blieb entsprechend den Angaben Göpperts während der ganzen Versuchsdauer erhalten, ja es re- agierten die Blätter nach Rückkehr in die Ausgangsstellung ohne besonderen Anstoß unter dem Einflüsse des fortgesetzten Schütteins selbst. Ich gebe zur Veranschaulichung nur einen ausführlich ver- folgten Versuch nach meinem Protokolle wieder. Versuch 1. 29. VIII. 'J '' 30 a. m. — Pflanze mit 8 Blättern. — Stoßhöhe: 1 mm. — Frequenz: 8 Stöße in der Sekunde. Zeit vom Beginn des Scliüttclns an in Minuten: 1 Sämtliche Blätter in Reizstellung; die 5 untersten Blätter reagieren fast gleichzeitig, die nächsten in akro- petaler Folge. 15 Bei Hemmung des Schleuderns der Normallage genähert; Rückgang etwa in gleichem Tempo wie im Parallel- versuch. — Bei Wiedereinsetzen des Schleuderns Reaktion sämtlicher Blätter. 27 Reaktion von Bl. 5. Ich gebe nunmebr die Zeiten in Minuten an, zu denen bei Fortdauer des Schütteins der Übergang in Reizstellung der Blätter erfolgte, wobei die Blattnummer (von der Basis an gezählt) in Klammer beigefügt ist: 22 (7, 4 unbedeutend), 36 (2), 37 (3), bis 48 (4, 6, 3), 50 (1), 59 (7, 8), 61 (6), 63 (4), 66 (1 u. 7), 68 (3), 69 (l), 70 (5), 71 (7), 75 (6), 77 (4), 80 (2), 84 (6 u. 7?). Von 86 — 102 wurde das Schleudern durch Fixierung des Topfes gehemmt, wobei die Blätter in die Ruhelage zurückgehen, ohne daß eine Reizung sich bemerkbar macht. Beseitigung der Hemmung löst sofort eine Reaktion aus: 103 U. 6, 7, 5 in kurzer Folge), 115 (6). Bis 127 keine Reaktion. — Schleudern eine Minute gehemmt; darauf reagieren sofort wieder: 129 (2), 130 (1), 137 (3), 139 (7), 144 (5, 6), 147 (S). Bis 157 keine Reaktion. Eine Hemmung des Schleuderns durch 15 Sekunden hat keinen Erfolg; nach 30 Sekunden .andauernder Hemmung reagieren mit erneutem Ein- setzen des Schleuderns: 159 (7 u. 4). Bei Abbruch des Versuches sind sämtliche Blätter gegen Stoß reizbar. Bei dem durch 2', 2 Stunden laufenden Versuch reagierten somit trotz ununterbrochenen Erschütterns Bl. 1 3 mal, Bl. 2 u. 5 4 mal, 288 K. Linsbauer, Bl. 3 6 mal, Bl. 4 u. 6 6 mal, Bl. 7 7 mal, letzteres somit durch- schnittlich etwa alle 21 Minuten. Es ist somit zweifellos, daß bei entsprechender Stärke und Frequenz des Schütteins die Reizbarkeit erhalten bleibt. Als wahr- scheinlich möchte ich es zum mindesten bezeichnen, daß dabei die Reizschwelle erhöht wird. Um dem Einwand zu begegnen, daß die Reizung lediglich durch besonders heftiges Schleudern des Topfes mit der Versuchs- pflanze hervorgerufen worden wäre, was übrigens an der Tatsache der Erhaltung der Empfindlichkeit nichts ändert, führe ich noch einen Versuch an, bei dem der Topf mit Federn an der Träger- platte unverrückbar festgehalten wurde'). Versuch 2. 30. VIII. 9 '> a. m. — Pflanze mit 7 Blättern. — Stoßhöhe und Frequenz wie oben. 1 (4, 5, 7, 6 reagieren knapp hintereinander), 12 (3), 18 (7), 23 (5), 35 (5), 42 (4), 45 (5), 55 (4). — Nach Y2 Minute Unterbrechung reagieren bei Wiedereinsetzen des Schütteins innerhalb 10 Sekunden die Blätter 3, 4, 5. — Nach Abschluß des noch weiterlaufenden Versuches sind sämtliche Blätter gegen Stoß empfindlich. Das Ergebnis des Versuches deckt sich somit in der Haupt- sache mit dem vorhergehenden. Wenn auch nicht alle Blätter auf das Schütteln an sich reagierten, so ging doch Blatt 5 4 mal, Blatt 4 3 mal innerhalb einer knappen Stunde in Reizstellung über. Wie wir sahen, unterbleiben bei der Hemmung des Schleuderns die Reaktionen so gut wie ganz, setzen aber bei Lösung der Hemmung bald wieder ein, ein Zeichen, daß jetzt nur die ver- stärkten Deformationen eine Reizung bewirken. Bemerkenswert ist auch, daß die Amplitude der Bewegung mit jeder Wiederholung kleiner wird. Es schien von Interesse zu ermitteln, ob schwaches unwirk- sames Schütteln, also die Anwendung submaximaler, sich nicht summierender Stöße nicht doch auch eine Reizwirkung im Gefolge habe, die sich wegen ihres geringen Ausmaßes oder langsamen Eintrittes nur nach außen hin nicht als Bewegung manifestiert. In Hinblick auf die schon von Brücke konstatierte Tatsache, daß bei wirksamer Reizung die Biegungsfestigkeit des Gelenkes abnimmt, schien es möglich, mit der Methode der Winkeldifferenzbestimmung die Frage zu lösen. 1) Die Mehrzahl der Versuche wurde wiederholt durchgeführt. Bei gleichsinnigem Ergebnis gebe ich jedoch der Raumersparnis halber immer nur einen Versuch wieder. über die Interferenz von Stoßreizen und über EriuUdungserBclieinungen U8w. 289 Ich gebe das Resultat einiger Bestimmungen an verschiedenen Blättern in verkürzter Form wieder: VerBuch 3. 11. und 13. VIII. a— et' ß — ß' nach Schütteldauer einer von Maximale Winkel- differenz nach Schüttel- reizung nach wirksamer StoßreizuDg Maximale Winkel- differenz nach wirksamer Stoßreizung 1 Min. 2 Min. 3 Min. 1 4 5 54 — 9 80 35 2 50 4'J 57 58 R — 3 4 6 56 Kl 4 33 33 0 41 s U 4 5 55 10 6 37 49 12 - 7 24 33 0 4 5 21 Mit Ausnahme von 4, einem Blatt, das auch bei wirksamer Stoßreizung nur eine geringe Erniedrigung der Biegungsfestigkeit aufwies, ergibt sich somit übereinstimmend eine Herabsetzung der Biegungsfestigkeit der Hauptgelenke im Vergleich zu der vor dem Schütteln, also tatsächlich ein Effekt im Sinne einer stattgehabten Reizung, der allerdings, wie die letzte Kolonne in der Tabelle zeigt, wesentlich geringer war als bei wirksamer Stoßreizung. Ich möchte jedoch diesen Messungen kein entscheidendes Gewicht beilegen. Die Fehlergrenzen der Methode sind relativ groß, weniger wegen der Unsicherheit der Winkelschätzung, die sich bei einiger Übun^ auf etwa 2 — 3" genau durchführen läßt, als wegen des noch zu wenig erforschten Einflusses, den die Dehnung des Gelenkes, die beim Umlegen der Pflanze erfolgt, auf die ge- messene Winkelgröße ausübt. Auch bei hintereinander ausgeführten Messungen an demselben ungereizten Blatte erhielt ich bisweilen Zahlenwerte, die auf eine Abnahme der Biegungsfestigkeit hin- wiesen. Dazu kommt, daß zwischen den Messungen eine geraume Zeitspanne verstreicht, die einen eventuellen Effekt wieder aus- gleichen könnte; denn erstens muß das Drehen der Pflanze, wozu ich mich einer eigenen Drehscheibe bediente, sehr langsam vor sich gehen, da sonst bei hochempfindlichen Pflanzen die Blätter un- weigerlich auf die Zerrung des Gelenkes beim Übergang in die 290 K- Linsbauer, Inverslage reagieren ^) und da es namentlich bei Wiederholung der Messungen immer länger dauert, bis die Einstellung in eine de- finitive Lage erfolgt. Abschnitt II. Reizung mit intermittierenden Stößen. Da an der Richtigkeit der Pfefferschen Beobachtungen nicht zu zweifeln ist, bedarf der direkte Widerspruch in den Ergebnissen der Aufklärung. Zunächst drängt sich der Gedanke auf, diese Unstimmigkeit könnte in der Methode begründet sein. Pfeffer erschütterte nicht die ganze Pflanze, applizierte vielmehr dem Haupt- gelenke des Versuchsblattes intermittierende Stöße mit Hilfe einer einfachen improvisierten Hebelvorrichtung, die er durch fallende Wassertropfen in Bewegung setzte, wodurch intermittierende Stöße verschiedener Frequenz erzielt werden konnten. Ich bediente mich zu einer ähnlichen Art der Stoßreizung einer gewöhnlichen Tele- graphenklingel, wie sie bei Hausleitungen üblich sind, wobei die Glocke abgenommen und der Klöppel durch einen ziemlich starren Eisendraht ersetzt und verlängert wurde. Die Einstellung auf das Gelenk erfolgte einfach mittels Stativklammern und durch ent- sprechendes Zurückbiegen des Drahtes. Bei Stromschluß wurden auf diese Weise intermittierende Stöße von ziemlich großer Frequenz gegen das Gelenk gerichtet, die zur Auslösung der Reaktion hin- reichten und die Blättchen in leicht zitternde Bewegungen ver- setzten. Der Verlauf derartiger Versuche, die des öfteren mit positivem Erfolg ausgeführt wurden, möge an einigen größeren Ver- suchsserien illustriert werden. Die erste Ziffer bedeutet dabei immer die Zeit in Minuten vom Beginne der Reizung ab gerechnet, die in Klammer beigefügte Zahl den jeweiligen Winkel, den der primäre Blattstiel nach unten hin mit der Achse einschließt. Eine erfolgreiche Reizung ist aus der plötzlichen Winkelabnahme er- kennbar und durch Fettdruck der Winkelgröße hervorgehoben. l) öoebel (1920, S. 397) beobachtet, daß die bloße Biegung der Achse zu einer Reaktion der Blätter, zunächst der auf der konvex werdenden Seite, führt, was er auf die Spannung der Wasserfäden in den Gefäßen zurückführt. Ich bin nicht überzeugt, daß nicht eine Reaktion aus dem gleichen Grunde wie beim Umlegen der Pflanzen sich einstellt, wobei offenbar nur die Änderung der Druckrichtung des aus einer Lage ge- brachten Blattes zu einer Veränderung der Spannungsverteilung im Primärgelenk und damit zu einer Reizung Anlaß gibt. über ihe Interferenz von Stoßreizen iiml über Ermüiiuncserschpinungen usw. 291 Versuch 4. 3U. VIII. — 2. Blatt gereizt, 4. Blatt dient als Paralieiversuch. — Frequenz: 10 Stöße pro Sekunde. Bei Beginn der Stoße sinkt das Blatt auf 40*. 0 (40), 6 (64), 12 (84), 18 (97), 24 (M3, vielleicht durch unbeabsichtif^te mini- male Verschiebung), 28(77), 80 (84), 31 (74;, 33 (80), 36 ^90), 36'/, (73), 39 (81), 42 (89), 45 (93), 46 (75), 51 (82), 56 (78). 60 (84), 61 (73), 63 (78), 66 (89), 67 (75), 69 (78), 72 (87), 72'/, (79), 77 (86), 77'/, (74), 78 (77), 84 (89), 88(99), 90 (95), 93 (99), 99 (103), 100 (77), 105 (84), 108 (89), 110 (84), 114 (95), 117 (98), 120 (84). (Vgl. Fig. 9.) Das Ergebnis ist ganz unzweifelhaft: trotz fortgesetzter durch volle zwei Stunden währender Stoßreizung war die Empfindlichkeit nicht nur nicht verloren gegangen, das Blatt hat vielmehr innerhalb dieses Zeitraumes ohne weiteren äußeren Anstoß nicht weniger als 13 — 14mal reagiert. Daß trotzdem eine Erhöhung der Reizschwelle ein- getreten ist, dürfte aber auch in diesem Falle nicht zweifelhaft sein. Es ergibt sich daraus, daß wirksame Reizungen erst in der Nähe der Ausgangslage erfolgen, also in einem Stadium, in dem sich die maximale Empfindlichkeit einstellt, während die Stärke der Stöße, wie Parallelversuche zeigten, schon nach Erreichung eines viel kleineren Winkels während der Aufwärtsbewegung des Blattes zur Auslösung genügt hätte. Auf die zu beobachtende Verkleinerung der Amplitude werde ich später zurückkommen. Für die theoretische Deutung dieser Tatsache war es wünschens- wert zu ermitteln, ob der Erfolg vom Zeitpunkte des Einsetzens der intermittierenden Stöße abhängt. Es wäre jedenfalls denkbar, daß der Erfolg ein anderer sein könnte, wenn die intermittierenden Stöße erstmalig auf das bereits im Rückgange begriffene, seine Reizbarkeit allmählich wiedergewinnende Blatt einwirken. Ich lasse zwei am gleichen Tage durchgeführte Versuche folgen, die zur Entscheidung der aufgeworfenen Frage hinreichen. Versuch 5. 6. IX. a. m. — Wetter kühl, Reizbarkeit bei allen Pflanzen von mäßiger Stärke. a) Blatt vom Beginn der Reizung an dauernd gereizt. 0 (35 0 ^ tiefste Lage des Blattes nach wirksamer Reizung), 3 (43), 6 (59), 9 (70), 12 (82), 15 (90), 18 (107), 21 (113), 24 (118), 27 (ll9), 30 (120), 31*/, (88), 33 (83), 36 (89), 39 (95), 43 (lOO), 46 (103), 49 (108), 52 (115), 55 (117), 57 (121), 60 (123), 63 (124), 66 (124), 66*/, (91). b) Die intermittierenden Stöße setzen erst nach beginnender Er- holung ein. Das Versuchsblatt sinkt bei der ersten Reizung aus der Ausgangslage (113') auf 51. 0 (51), 3 (54), 4 (58)'). Nachdem sich das Blatt somit um 7" gehoben hatte, 1) Die Erholungspause länger zu wählen, ist nicht angezeigt, da sonst das Ein- setzen der Stöße eine wirksame Reaktion zur Folge haben kann, wodurch der Zweck des Versuches illusorisch würde. 292 K. Linsbauer, setzten die intermittierenden Stöße ein: 9 (75), 15 (89), 22 (97), 24 (100), 27 (106), 29V, (81). Auf eine Weiterführung des Versuches über eine längere Zeit- dauer konnte verzichtet werden. Jedenfalls haben die beiden Versuchsblätter ungefähr innerhalb einer halben Stunde auf den intermittierend einwirkenden Reiz reagiert. Die Rückkehr der Enopfindlichkeit bei intermittierenden Stößen erfolgt somit auch dann, wenn bei deren Einsetzen schon ein ge- wisser Grad der Erholung erzielt ist. Da die fortdauernde Stoßreizung ebensowenig zur Sistierung der Empfindlichkeit führt wie die andauernde Erschütterung, könnte der abweichende Befund von Pfeffer und seinen Vorgängern in Verschiedenheit der Frequenz oder der Reizintensität begründet sein. Ich will zunächst einen Versuch mit verringerter Zahl der Impulse vorführen. Da nach Pfeffers Angaben eine rhythmische Reizung mit einem Intervall von 3 Min. die Primärgelenke un- empfindlich machen kann, brachte ich ein Blattgelenk in Pausen von je 3 Min. mit dem schwingenden Stab meines oben geschil- derten kleinen Apparates während der Dauer von etwa 6 Sek. in Berührung, eine Operation, die mit freier Hand durchgeführt wurde, da mir eine automatische Vorrichtung zunächst nicht zur Hand war, und die leicht ohne weitere Erschütterung vorgenommen werden konnte. Alle 3 Min. wurde erst die Winkellage bestimmt, hierauf das Gelenk intermittierenden Stößen durch 6 Sek. ausgesetzt und die eventuelle Senkung des Blattstiels, die auch bei einem ganz geringen Ausmaße mit freiem Auge verfolgt werden kann, notiert. Die Darstellung erfolgt zum Zwecke der Raumersparnis wie in den Versuchen 4 und 5. Versuch 6. 31. VIII. 9'' 15 a. ni. — 21" R. — Sonne. — Pflanzen hoch empfindlich. 0 (31, Reizstellung), 3 (43), 6 (46), 9 (56), 12 (65), 15 (73), 18 (82), 21 (92 auf 90), 24 (97 auf J>5), 27 (lOl auf 98), 30 (l02 auf 99), 33 (102 auf 98), 36 (101 auf 93), 39 (97 auf 94), 42 (97 auf 87), 45 (91 auf 85), 48 (93 auf 88). Das Blatt hat somit von der 21. Minute ab dank einer hohen Empfindlichkeit auf jeden nach 3 Min. applizierten Reiz erneut reagiert. Die Amplituden waren allerdings minimal, aber einwand- frei zu ermitteln. Bemerkenswert ist, daß der Ausschlag allmählich ansteigt und von 2° schließlich vorübergehend (in der 42. Min.) den Wert von 10'^ erreicht. In der Erwartung, durch Anwendung kürzerer Intervalle eher zum Ziel zu kommen, wurde die Reizung nun alle Minuten vorgenommen. über die Interferenz von Stoßreizen unil über Krniüdiingserscheinungen iisw 293 Fortsetzung: 49 (90), 50 (92), 51 (94), 52 (97), 53 (99), 54 (101), 55 (102), 56 (104), 57 (107), 58 (l08), 59 (l09), 60 (109). ^Vgl. Fig. 8.) Der Erwartung entsprechend haben sich nun tatsächlich nicht nur keine Reaktionen mehr eingestellt, das Blatt war jetzt auch gegen sehr starke Stöße völlig unempfindlich geworden, w.ährend die übrigen Blätter der Pflanze auf Reizung ausgiebig reagierten (z. B. 116 auf 58, 102 auf 43). Damit war endlich der Fall erreicht, den Pfeffer vor Augen hatte, wenn er von einem Verlust der Empfindlichkeit bei dauernder Erschütterung spricht. Zugleich schien die Bedeutung der Impulsfrequenz als zum mindesten eine der Ursachen des verschiedenen Verhaltens sicher gestellt. Wenn eine Steigerung der Zahl der Schläge pro Sekunde, wie wir darnach annehmen müssen, die Empfindlichkeit nicht aufhebt, so ließ sich erwarten, daß sich bei weiterer „hochfrequenter" Reizung des Ge- lenkes die Empfindlichkeit wieder einstellt. Die Zeitbestimmung geht vom Beginn dieser erneuten Reizung aus. Fortsetzung: 0 (llO), 8 (79), die sich neuerlich einstellende Hebung wurde nicht verfolgt, 15 (65), 21 (75), 24 (80), 27 (91), 30 (97), 33 (62). Somit hat tatsächlich das bereits unempfindlich gewesene Blatt- gelenk unter dem Einflüsse der fortgesetzten Reizung mit stark ver- kürztem Intervall (10 Impulse pro Sek.) sehr bald wieder seine Empfindlichkeit zurückgewonnen. Neben der Reizfrequenz ist indessen zweifellos auch die Reiz- intensität im Verhältnis zur jeweiligen Empfindlichkeit des Primär- gelenkes für den Zeitpunkt des Eintritts der Bewegungsstärke maß- gebend. Das ergibt sich mit Wahrscheinlichkeit schon aus dem folgenden Versuch, bei dem ein Blatt, in gleichem Intervall von 1 Minute und gleich starken Stößen wie im vorigen Versuche gereizt, seine Empfindlichkeit beibehielt. Versuch 7. 7. IX. 10 ^ 25 a. ni. — Wetter regnerisch und kalt. — Temperatur während des Versuches infolge gelegentlichen Durchbruches der Sonne wechselnd. — Pflanzen wenig empfindlich. 0 (50, Reizlage), 6 (59). 12 (68), 18 (86), 21 (91), 24(96), 27(101), 30 (l03), 33 (104), 36 (105), 39 (106), 42 (l06), 45 (l04), 48 (l03); Lage unverändert bis zum Abschluß des Versuches: 60 (103). Das Blatt ist so wie alle übrigen derselben Pflanze durch stärkeren Stoß reizbar. Amplitude 54". Nach 20 Minuten Erholungspause reicht auch ein Stoß der ursprüng- lichen Stärke zur Auslösung der Reaktion hin. Die intermittierende Reizung hatte in diesem Falle nur zu einer vorübergehenden Erhöhung der Schwelle geführt, nicht aber zur Sistierung der EmpfindHchkeit überhaupt. Die Erklärung für 294 K. Linsbauer, das unerwartete Ergebnis kann in den ungünstigen äußeren Be- dingungen liegen, welche die Empfindlichkeit des Blattes von vorn- herein herab stimmten und den ganzen Verlauf des Reizvorganges beeinträchtigten. Bei geringerer Empfindlichkeit kann nun, nach Pfeffers Angaben zu urteilen (1873, 59), das Reizintervall ver- längert werden, ohne den Erfolg zu beeinträchtigen; das gewählte Intervall von 1 Min. hätte somit bei einer wenig empfindlichen Pflanze umso eher genügen müssen, den Verlust der Empfindlich- keit bei rhythmischen Stößen zu bewirken. Somit kann das von uns erzielte Ergebnis nur mit der Intensität des angewandten Reizes zusammenhängen, die im Verhältnis iur geringen Empfindlichkeit zu niedrig war. Der Schwellenwert erfuhr infolgedessen im Laufe des Versuches eine verhältnismäßig nur geringe Erhöhung, so daß nach dessen Beendigung ein stärkerer einzelner Stoß zur Auslösung der Reaktion genügte. Ob diese Deutung zutrifft, können nur weitere Beobachtungen bei wechselnden Außenbedingungen oder verschiedenen Reizstärken unter Beibehaltung gleicher Intervalle entscheiden. Zur Erzielung tunlichst schwacher Stöße bediente ich mich eines elektromagnetischen Schreibhebels, wie solche zu Registrier- versuchen üblich sind. Der Aluminiumhebel wurde durch Ver- mittlung einer Kontaktuhr in Intervallen von 2 Minuten angezogen, übte dabei einen leichten Stoß auf das Blattgelenk aus und schnellte infolge Öffnung des Stromkreises wieder in seine Ausgangslage zurück. Der Schreibhebel wurde in einer Entfernung von 0,5 — 1 mm von der Unterseite des Primärgelenkes angebracht und nach Tunlichkeit während der Versuchsdauer in der gleichen Entfernung erhalten, wenn sich die Distanz infolge der Hebung des Blattes merklich veränderte, so daß die Stöße untereinander von annähernd gleicher Stärke sein mußten. Ich führe zunächst einen Versuch an, der mit möglichster Genauigkeit durchgeführt wurde, wobei der Schreibhebel in einer Entfernung von 1 mm vom Gelenk angebracht war. Versuch 8a. 9. IX. 10'' 45 a. m. — Hell. — Reizbarkeit sehr gut. In der Wiedergabe des Versuches sind nur die Zeit- und Winkelwerte bei wirksamer Reizung aufgenommen. 0 (Ausgangslage 05 ** — Reizlage 51°), 8 (74 auf 59), 14 (77 auf 62), 28 ( ) 88 auf 56), 38 (71 auf 59), 82 (73 auf 71). Bis 112 keine weitere Reaktionen. Empfind- lichkeit gegen Stoß bei Abbruch des Versuches erhalten. Versuch 8b. Der Versuch wurde in gleicher Weise durchgeführt, nur wurde die Blattlamina abgeschnitten und das den Blattstiel tragende, mehrere Zentimeter lange über die Interferenz von StoSreizen und über Ernittdungserscbeinungen uhw. 296 Achsenstiick in einem mit Wasser gefüllten ülasröhrchen unverrückbar in einem Stativ- arm befestigt, der durch Zahn und Trieb sehr genau bis auf U,5 mm au den Schreib- hebel herangebracht wurde. — 11. TX. 11 '' 46. — Gewächshaus geheizt. — Reizbar- keit gut. 0 (134 auf 99). 4 vi 15 auf UOj, 8 (121 auf 118), lü (l35 auf 130), 28 (l3ü auf 117), 32 (134 auf 132), 40 (155 auf 129), 44 (l38 auf 128), 52 (l50 auf 118), 56 (134 auf 131), 68 (l57 auf 150). Das Gelenk führt auch in den nächsten Stunden noch vereinzelte lieaktionen aus. Trotz der wesentlich schwächeren Reizintensität ist das Bild der Reaktion im großen und ganzen das gewohnte, indem wirksame Reizungen durch Ruhepausen voneinander getrennt sind. Als auf- fallend ist die schnelle Rückkehr der Reizbarkeit im Falle des ab- geschnittenen Blattes hervorzuheben. Ob dieses Verhalten mit der Amputation der schweren Lamina im Zusammenhange steht, wurde nicht näher untersucht. Nunmehr wurden zwei annähernd gleich entwickelte Blätter einer Pflanze gleichzeitig und in gleichen Intervallen durch inter- mittierende Stöße verschiedener Intensität gereizt. Während eines der Blätter mit dem vorhin erwähnten Schreibhebel gereizt wurde, wurden gegen das andere Stöße aus freier Hand mit einem Holz- stäbchen geführt; diese waren untereinander naturgemäß von wechselnder Stärke, auf jeden Fall aber — worauf es allein ankam — wesentlich stärker als die Stöße durch den Schreibhebel. Versuch 9. 9. IX. 3*» 49 p. m. Bedingungen etwa wie vormittags. a) Bl. 2 mit Schreibhebel alle 2 Minuten gereizt: 0 (39, Reizlage), 16 (85 auf 66), 22 (79 auf 75), 38 (ll3 auf 70), 46 (88 auf 79). Bis zur 76. Minute keine weitere Reaktion. Empfindlichkeit gegen Stofi erhalten; erzielte Amplitude 67". (Vgl. Fig. 1.) b) Bl. 3 durch stärkere Schläge mit Holzstäbclien alle 2 Minuten gereizt: Reizlage 55°. — Das Blatt hebt sich auf 120'* und sinkt schließlich wieder auf 116° ohne dabei überhaupt zu reagieren. (Eine minimale Senkung trat höchstens ein- mal in der 48. Minute, also beim 24. Schlag, auf, konnte aber nicht mit Sicherheit er- kannt werden.) Auch gegen stärkste Stöße völlig unempfindlich. Die beiden zuletzt angeführten Versuche entsprechen durchaus den Erwartungen. Kräftige Stöße bei hochempfindhchen Pflanzen führen zu völligem Verlust der Empfindlichkeit, während Impulse, die sich in der Nähe der Schwelle halten, unter gleichen Be- dingungen und bei gleichem Intervall zu wiederholter Reizauslösung führen, ohne daß die Empfindlichkeit für Stöße überhaupt verloren geht. Dann ist aber in der Analyse des Vorganges ein neues Moment erkannt: Der (wenigstens scheinbare) Verlust der Empfindlichkeit gegen Erschütterungen oder Stöße hängt 296 K. Linsbauer, nicht allein von der Frequenz der Impulse ab, wie wir schon früher konstatierten, sondern auch von der Reizstärke in ihrem Verhältnis zur jeweiligen Empfindlichkeit des Objektes. Mit dieser Feststellung ist jedoch über die Art dieser Ab- hängigkeit noch nichts ausgesagt. Von vornherein sind jedenfalls verschiedene Möglichkeiten denkbar. Wären Intensität und Frequenz allein und unmittelbar für Erhaltung bezw. Verlust der Empfind- lichkeit bei Abschluß des Versuches verantwortlich , dann ergäbe sich eine eigenartige Konsequenz. Da einerseits bei einem ent- sprechend langen Reizintervall die Empfindlichkeit naturgemäß er- halten bleibt, andererseits aber auch in Fällen, bei denen das reizlose Intervall nur Bruchteile einer Sekunde beträgt, das Blatt sich bei Abbruch des Versuches als empfindlich erwies, müßte sich für einen Reiz von bestimmter Intensität ein dazwischen liegender Frequenzwert ermitteln lassen, der zu einer Starre oder Unempfind- lichkeit^) des Blattes führte. Es ist aber auch möglich, daß In- tensität und Frequenz des Reizes nur indirekt für das Ergebnis maßgebend sind, insofern als der Zeitpunkt, in welchem wir den Versuch abbrechen, für das verschiedene Verhalten des Primär- gelenkes entscheidend ist und der jeweihge Zustand des Gelenkes in diesem Augenblick durch die Reizintensität und -frequenz ebenso wie von den übrigen Reizbedingungen (der „energetischen Situation^') mitbestimmt wird. Wir werden diese Eventualität ins Auge fassen, wenn wir die ersterwähnte einer experimentellen Prüfung unterzogen haben werden. Wir brauchen zu diesem Behufe offenbar nur in einer Serie von Versuchen bei zuverlässig gleicher Reizstärke die Frequenz verschieden abzustufen; es müßte sich dann erkennen lassen, ob ein solcher zwischenliegender Frequenzwert anzunehmen ist, der zu einer Sistierung der Empfindlichkeit führt. Ehe wir indessen zur Darstellung der Ergebnisse einer solchen Versuchsreihe übergehen, soll noch die Wirkung ganz schwacher Stoßreize besprochen werden, die auch für die Entscheidung der Frage nach der Erhöhung des Schwellenwertes bei intermittierender Reizung von Bedeutung sind. Wenn die Stoßkraft soweit ab- geschwächt wird, daß der erste Impuls eben nur die Schwelle 1) Beide Ausdrücke sind streng genommen nicht korrekt; beobachten läBt sich in einem derartigen Fall natürlich nur das Ausbleiben einer Reaktion bei einem sonst wirksamen Reiz. Ober die Interforenir von Stoßreizen und über ErmiidungsfirscheinuMgen usw. 297 erreicht, so ist zu erwarten, daß bei einer dadurch bedingten Schwellenerhühung die nachfolgenden Stoße gleiclier Intensität zur Auslösung weiterer Reaktionen nicht mehr hinreichen, falls nur das Intervall hinreichend groß ist, um eine Summierung der Einzel- impulse zu verhindern. Die mit dem oben beschriebenen Schreibhebel erzielten Stöße erwiesen sich für derartige Versuche noch zu stark. Dagegen stand mir noch ein anderer Schreibhebel zur Verfügung, der eine genaue Einstellung mittels einer Mikrometerschraube gestattete. Er wurde möglichst nahe an ein Primärgelenk herangebracht und unter Kon- trolle mit dem Horizontalmikroskop mittels der Mikrometerschraube allmählich soweit dem Gelenke genähert, bis eine Reaktion auf einen einzelnen Stoß hin eintrat. Die hierzu erforderlichen Impulse waren so schwach, daß der Schreibhebel lediglich einige Trichom- stimulatoren der unterseitigen Gelenkhälfte verbog, ohne die Ober- fläche des Gelenkes selbst zu berühren. Versucli 10. StoDintervall Versuc-hsdauer in Minnten in Minuten Reaktiunswinkel (Grade) a; Vjo 0 156 — 103 Bis zur 80. Minute, in der sich das Blatt bis 140° erhoben hatte, keine weitere Reaktion. Bei ganz leichtem Stoß Senkung auf 92*». b) V. 21 bei minimalem Anziehen der Schraube ?— 67 120—80 desgl. 60 ('/, Schrauben- 108 — 65 gans) Bis üur 90. Minute trotz wiederholter Verstärkung des Stoßes durch Anziehen der Schraube kein weiterer Effekt. d) V5 V* 0 21 42 bei leiolitem Anziehen der Schraube 139—102 120 — 109 125—113 126—81 Bis zur 40. Minute (Bl. über die Ausgangslage auf 13o" erhoben) kein Effekt Aiimerkun^rii 12. IX., 10 l> 43 a. m. 1. Blatt an ab- geschnittenem SproS, LamiiiH nni|iiiticrt 12. IX., 3 '1 45 p. ni. 2. Bl. t =- 26 "r. 14. IX.. 10 •' 55 a. ni. t = 22,6 "C 16. IX., 3 h 30 p. ni. 1. Bl., hoeh- empfindlich, t = 20 »C. Die Versuche (Vers. Nr. 10 a- d) zeigen übereinstimmend, daß die nachfolgenden Stöße gleicher Intensität an sich keinen Effekt mehr auslösten, daß somit zweifellos infolge der Inanspruchnahme 298 K. Linsbauer, durch die intermittierende Reizung die Schwelle soweit erhöht war, daß sie von den in Anwendung gebrachten Reizen nicht mehr erreicht wurde. Wurde die Schraube jedoch nur ganz leicht an- gezogen, so daß der Schreibhebel um Bruchteile eines Millimeters näher an das Gelenk herankam und daher mit einem um ein Ge- ringes stärkeren Stoß das Gelenk traf, so trat zunächst augen- blicklich eine Reaktion ein, ein Beweis, daß das Reaktionsvermögen zurückgekehrt war (Vers, b, c). Daß in einem Fall (c) auch einmal auf einen Stoß gleicher Stärke eine Reaktion eintrat, ist nicht ver- wunderlich; die Schwelle war eben im Hinblick auf die Reizgröße offenbar noch nicht hinreichend erhöht. Abschnitt III. Versuche mit abgestufter Frequenz. Haben die bisherigen Untersuchungen gezeigt, daß der vorüber- gehende Verlust der Empfindlichkeit im Zusammenhange mit In- tensität und Frequenz des Reizes steht, so bedarf die Art dieser Beziehung, wie wir schon oben erwähnten, noch der Aufklärung. Die Versuche mit Anwendung von „Minimalieizen", d. h. solchen, welche sich nur knapp über die Schwelle erheben, lassen im Verein mit anderen Beobachtungen erkennen, daß intermittierende Reizung zu einer Erhöhung der Reizschwelle führt; es liegt daher der Gedanke nahe, daß der von Pfeffer beobachtete und auch von uns unter gewissen Bedingungen erzielte Erfolg des EmpfindUchkeits- verlustes der Blattgelenke bei dauernder Reizung in gleicher Weise die Folge einer dauernden Erhöhung der Schwelle wäre. Man müßte dann allerdings annehmen, daß der Schwellenwert eine solche Steigerung erfährt, daß er unter Umständen auch durch stärkste Reize nicht mehr überschritten wird. Dem stehen indessen unsere Erfahrungen mit Schüttelversuchen entgegen, bei denen doch wieder von Zeit zu Zeit eine wirksame Reizung zu beobachten war. Es ist allerdings durchaus nicht ausgeschlossen, daß sich ab und zu Erschütterungen besonderer Stärke einstellten, die dann eine Re- aktion auslösten; auf keinen Fall aber war der Schwellenwert so hoch angestiegen, als es im Falle der völligen Unempfindlichkeit anzunehmen wäre. Eine Entscheidung war von Versuchen zu erwarten, bei den^n die Einzelimpulse tunlichst auf gleicher Intensität gehalten wurden. Ist das Ausbleiben der Reaktion auf eine dauernde oder ansteigende über (He Interferenz von Stoßreizen und über ErniUdunKserscheinungen usw. 299 Erhöhung der Schwelle zurückzuführen, so können natürlich Stöße von gleicher Intensität hei fortdauernder gleicher Interraittenz zu keiner wirksamen Reizung führen. Zur Entscheidung dieser und anderer Fragen (s. oben S. 296) wurde eine Serie von Versuchen mit verschiedener Frequenz bei gleicher Reizintensität durchgeführt. Um die starken Reiz- schwankungen auszuschalten, wurde die oben beschriebene Vor- richtung (adaptierte Telegraphenglocke) dadurch verbessert, daß der Eisendraht, der die Stöße dem Gelenk applizierte, in einer Führungsgabel aus starkem Kupferdraht lief, wodurch einem seit- lichen Ausweichen und Vibrieren des Eisenstäbchens wirksam be- gegnet wurde; war dadurch auch keine absolute Gleichheit der Einzelstöße erreicht, so bewegten sich die Schwankungen doch nur in sehr engen Grenzen. r s u c h 11. Stoßiiitervall in Minuten t') . Reaktions- winkel (Grade)«) Anmerkungen a) 12 0 132 — 71 Wetter trüb 36 122—117 and kalt. 48 129—124 60 129—125 144 . 126 — 108 15C 115—111 168 118 — 116 18U 113 — 110 b) 12 0 ?— 96 Sonne, Reiz- 12 110—93 barkeit gut. 24 110 — 98 36 113—105 48 116 — 96 60 118—86 72 117 — 112 84 115 — 94 96 107 — 92 in der Zwiselien- zeit nicht beob- 408 102—98 achtet. 420 102—100 432 101—100 c) 2 0 20 22 118—74 95 — 93 93—88 1) t = Zeitpunkt de8 jeweiligen Reaktionseintrittes. 2) Die erste Ziffer bedeutet immer den Winkel zwischen Blattstiel und Achse (nach unten hin gemessen) in der Ausgangslage, die zweite den gleichen Winkel in der Reizlage. Jahrb. f. wiss. Botanik. LXII. " 20 300 K. Linsbauer, 26 28 30 32 34 36 38 40 42 88 130 134 136 138 Reaktions- winkel (Grade) 89 — 85 90 — 88 93 — 88 91—88 90—85 91—85 ? 90—88 92—90 108 — 100 110 — 105 106—100 100 — 99 (?) 101—98 Bis zur 144. Minute keine Reaktion. Reizung fortgesetzt. Während der Beobach- tung am Nachmittag zwischen 3 *> 58 bis 5 h keine Reaktion. Reizung über Nacht an- dauernd. Am folgenden Tag zwischen 8 •> 32 bis 10 '> a. ni. keine Reaktion. Bl. starr bei Stoß, gegen Versengen der Spitze schwach reagierend (126" bis 120"). Auch am folgenden Tag ist die Reizbarkeit des Primärgelenkes noch nicht zurückgekehrt, während die Blättchen nach wie vor auf Stoß reagieren. Versuch 11. StoDintervall in Minuten ' • Keaktions- winkel (Grade) Anmerkungen d) 2 0 16 18 20 37 40 84 86 140—97 132—130 135 — 134 134—130 127 121 124—115 132—129 127—124 18. IX. 9I' a. m. 1. Blatt. t = 20— 24V2''f'- 88 128 — 125 Nach Abschluß des Versuches nach 104 durch starken Stoß gereizt (127" auf 125"). 1 0 122—42 ( 19. IX. 9 ha. m. 60 115—98 1. Blatt 72 125 — 115 I t = 17 — 19"C. 86 142 — 100 104 112—80 Nach Abschluß in der 120. Minute auch auf starken Stoß nicht reizbar. 1 0 114 — 36 ( 20. IX. 9'' a. m. 67 104 — 98 I 2. Blatt. 79 105—100 i t = 20— 21,5"C. Nach Abschluß in der 90. Minute auf Stoß reizbar (105" auf 70"). Ober die Interferen« von Stoßreiren und über Erniildiingserscheiniingen usw. 301 e) b) k) StoOinteivall in Minutfii t Ueaktiuns- wiiikfl (Oradc) AiimurkuiiKfii V, 0 24,5 29 41,5 51,5 72 130—90 128-107 117 — 104 125— UU 116 — 104 125—113 1 1' 17. IX. 9I' a. m. = 22,5— 25" C. V. 0 113—70 18. IX. 10'' 2 7 a. ni. 9 90—84 t = 22 — 25*' C. 14,5 97—91 30,5 116 — 104 48 110—94 53 98 — 87 67,5 112-82 /bo 0 117-69 17. IX. 8l> 35 a. lu. 16,5 117—94 2» Blatt 26 113—100 28 107—102 33,5 115-90 75 124—97 /480 0 131 — 82 1 16.IX. 9''3Üa.m. 22,5 140—110 ) 1 1. Blatt. 33 118— 116(?)l t = 21,5— 24" C. 37 120—97 50 128 — 123 55 125—110 60,5 121 — 102 64,5 116 -104 78 127 — 98 86 115 — 102 101 138—109 h Abschluß in der 105. Minute auch auf starken Stoß nicht reizbar. Die Ergebnisse dieser Versuchsreihe stehen untereinander und mit den vorhergehenden Beobachtungen bezüglich der zeitweiligen Wiederkehr der Reaktion bei fortgesetzter Stoßreizung in gutem Einklänge. Es lassen sich daher in Kürze die wesentlichen gemein- samen Züge herausgreifen. 1. Überblickt man die unter 11 zusammengefaßten Versuche, so ergibt sich, daß die Reaktion übereinstimmend in allen Fallen, somit unabhängig von der Reizfrequenz, von Zeit zu Zeit wieder in Erscheinnng tritt. An eine Summierung von an sich unwirk- samen Impulsen zu einer wirksamen Reizung kann dabei nicht gedacht werden; es wäre nicht verständlich, warum dann im Einzel- 2Ü* 302 K. Linsbauer, fall einmal eine Summierung nach wenigen Impulsen eintreten sollte, während ein anderes Mal viele Hunderte von in kurzen Intervallen aufeinanderfolgenden Reizen unwirksam bleiben. Die Eiklärung kann auch nicht in dem Umstände gesucht werden, daß etwa doch gelegentliche Intensitätsschwankungen der Einzelimpulse auftraten. Dagegen spricht schon das ganze Bild der Erscheinung, das eine gewisse Gesetzmäßigkeit in dem zeitweisen Auftreten der Re- aktionen erkennen läßt. Wenn der Versuch nur entsprechend lange weiter geführt wird, so erfolgen ab und zu bei gleichbleibender Reizstärke Reaktionen des Primärgelenkes. 2. Die erste auf die ursprüngliche (primäre) Reaktion folgende wirksame Reizung (Sekundärreaktion) stellt sich meist schon ein, ehe das Blatt vollkommen in die Ausgangsstellung zurückgekehrt ist. Dasselbe kann auch bei den folgenden Sekundärreaktionen der Fall sein; doch beobachtet man auch den Fall, daß eine solche erst nach Überschreiten der vorhergehenden Ausgangslage eintritt. 3. Die Reizreaktionen kehren im Verlauf eines Versuches in einem mehr oder weniger deutlichen Rhythmus wieder, indem die Einzelreaktionen oder in kurzen Pausen sich häufende Reaktionen („Reaktionsgruppen") durch reaktionslose Perioden voneinander getrennt sind. Dieser „Reaktionsrhythmus" begegnet uns auch in den früheren Versuchen, dort sogar bisweilen mit einer überraschenden Regel- mäßigkeit, unter der sich wohl eine noch nicht näher zu formu- lierende Gesetzmäßigkeit verbirgt. Betrachten wir etwa die Inter- valle, in denen die einzelnen Reaktionen aufeinander folgen, so er- geben sich der Reihe nach für einen bestimmten Versuch ') : 8 — 6 — 14—14 — 4 — 8 — 22 — 6 — 4— über 30 Minuten oder für Vers. 9a: 16 — 6 — 16 — 8— über 30 Minuten. Die reaktionslosen Pausen nehmen somit nicht allmählich zu, wie man erwarten sollte, vielmehr werden längere Pausen wieder von kürzeren abgelöst, so daß eine gewisse Rhythmik trotz gleich- bleibenden Reizintervalls unverkennbar ist. 4. Im allgemeinen ist die bei der ursprünglichen Reizung (Primärreizung) erzielte AmpUtude am größten. Die in der Folge zu beobachtenden Winkel der Blattsenkung (Sekundärreaktionen) 1) Vgl. S. 303 und Fig. 1 B. A ,iiiiiii Über die Interferenz von Stoßreizen und über Erniüdungeerscheinungen osw. 303 sind meistens kleiner und betragen oft nur wenige Grade; dabei ist die Bewegungsamplitude gleichfalls einem mehr oder weniger deutlichen rhythmischen Wechsel unterworfen. Als Beispiel diene etwa ein Versuch (Fig. 1 ß), bei dem die Winkelsenkungen im Über- gang in die Reizstellung in der Reihenfolge der Sekundärreaktionen betragen: 16" — 16» — 32» — 29» - 7» — 26» — 41» — 12» — 2» oder ein anderer Versuch (9 a): 190 _ 40 _ 430 _ 90 oder Vers. 4: 140 _ ßo ._ 10» — 17» — 18" — 9» — 11 » — 14» — 8» — 12" — 4» — 26» — 5» — 14». Auf einen stärkeren Aus- schlag pflegt eine längere re- aktionslose Pause zu folgen, während nach geringer Blatt- senkung sehr bald wieder die Fähigkeit zu reagieren zurück- kehrt, bis schließlich wieder eine längere Pause eine stär- kere Reaktion vorbereitet. Daß diese Gesetzmäßigkeit nicht noch schärfer hervortritt, ist nicht verwunderhch, da mir die Möglichkeit zur Konstant- haltung der Außenbedingungen fehlte. Die unter 3 und 4 ange- führten Beobachtungen mögen durch eine graphische Wieder- gabe einzelner Versuche (Fig. 1) verdeutlicht werden, bei der auf der Abszisse die Zeitpunkte des jeweiligen Reaktionseintrittes, auf der Ordinate die zugehörigen Amplituden der Blattsenkung wieder- gegeben sind. Die erste Ordinate gibt die erstmalige Reaktion wieder; die nachfolgenden einzelnen oder gruppenweise auftretenden Reaktionen sind durch römische Ziffern gekennzeichnet'). n ni 17 1 1 D Fig. 1. Erläuterung im Text. 1) Es entspricht: A ^ Vers. 11c; B — Versuch im Text nicht wiedergegeben; C = Vers, lli; D — Vers. 11k. 304 ^- Linsbauer, 6. Nach genügend langer Weiterführung der intermittierenden Reizung durch wirksame Impulse (also solchen, die hinreichend hoch über der ursprünglichen Schwelle liegen) setzen schließlich die Reaktionen vollständig aus; es tritt vollständiger Verlust der Empfindlichkeit gegen mechanische Reize ein, ohne daß das Be- wegungsvermögen vollkommen erloschen wäre, wie aus dem Eintritt einer, wenngleich schwachen, Reaktion bei Versengen der Blättchen in Vers. 11c hervorgeht. Meist kehrt schon nach kurzer Ruhepause die Reizbarkeit wieder zurück. Im gleichen Versuch war nach 24- stündiger Reizung allerdings noch am 3. Tage keine Reaktion zu er- zielen; doch muß ich es dahingestellt sein lassen, ob nicht doch schließlich die Empfindlichkeit zurückkehrte, da infolge einer unlieb- samen Verwechslung der Pflanzen das fragliche Blatt nicht mehr sicher identifiziert werden konnte. Desgleichen wäre noch zu unter- suchen, ob lange andauernd gereizte Blätter schließlich irgend- welche Schädigungen erkennen lassen; in einem Falle wurden die betroffenen Blätter frühzeitig abgeworfen ^). Der von uns beobachtete Empfindlichkeitsverlust ist nicht mit dem von Pfeffer angegebenen Falle identisch. Nach seiner Be- obachtung wäre das Blatt schon nach Rückkehr in die Ausgangs- lage unempfindHch; Sekundärreizungen in unserem Sinne hat Pfeffer bei entsprechend kurzem Reizintervall überhaupt nicht beobachtet. 6. Nach dem jeweiligen Abschluß eines Versuches fanden wir in manchen Fällen das Primärgelenk nicht reizbar, während bei anderen Blättern die Reizbarkeit erhalten war. Desgleichen scheint darin eine Unstimmigkeit zu liegen, daß wir in einigen Versuchen in Übereinstimmung mit Pfeffer dauernde ünempfindlichkeit gegen intermittierende Reizung und nach Beendigung des Versuches gegen Stoßreize überhaupt beobachteten, während wir sonst regelmäßig Sekundärreaktionen verzeichneten. Ich meine, daß dieses scheinbar widersprechende Verhalten gegenüber stärkeren Reizimpulsen durch den Zeitpunkt bedingt ist, in dem der Versuch abgebrochen wird. Beendet man einen Versuch vorzeitig oder appliziert man dem in Erholung begriffenen Primär- gelenk frühzeitig einen kräftigeren Stoß, so erscheint das Blatt, wie wir uns oft überzeugen konnten, unempfindlich, während ganz gleich- 1) Über Schädigungen infolge lange fortgesetzter Reizung vgl. auch Goebcl (1918, S. 391). über ilie Interferenz von Stoßreizen und über flrmüdungserscheinungen uhw. 305 artige Blätter, die man ungestört der intermittierenden Reizung überließ, regelmäßig Sekundärreaktionen aufwiesen. Fällt eben das Ende des Versuches nahe vor den Zeitpunkt, an dem die Emptind- licbkeit „von selbst" so weit angestiegen ist, daß eine Sekundär- reaktion bevorstand'), dann wird ein Stoß den Eintritt einer Re- aktion bewirken. Wird aber der Versuch in einem früheren Augen- blick unterbrochen, wenn die Erholung — wie wir vorläufig sagen wollen — noch nicht genug vorgeschritten war, so kann keine Re- aktion ausgelöst werden; das Gelenk scheint seine EmpfindUchkeit infolge der intermittierenden Reizung verloren zu haben. Übt man nun des öfteren im Verlaufe der intermittierenden Reizung derartige Stöße aus, so kann schließhch eine derartige vorübergehende Er- höhung der Schwelle resultieren, daß jegliche Reaktion unterbleibt. Zudem bewegen sich die Amplituden der Sekundärreaktiouen oft nur innerhalb weniger Grade. Beobachtet man nicht kontinuierhch, 80 entziehen sich diese unbedeutenden Lageveränderungen der Be- obachtung und man hat bei Abbrechen des Versuches keine Gewähr, üb das Blatt eben eine Reaktion vollzogen hat und augenblicklich unempfindHch ist oder ob es sich bereits genügend erholt hat. Auf diese Gründe ist meines Erachtens der negative Befund Pfeffers zurückzuführen. Fassen wir die Ergebnisse unserer bisherigen Untersuchungen zusammen, so müssen wir zwischen der Rückkehr der EmpfindUch- keit im Laufe der fortgesetzten Reizung und dem Zustand der Empfindlichkeit bei Abbrechen des Versuches unterscheiden. Dadurch ergeben sich folgende MögUchkeiten : L Nach Rückkehr des andauernd gereizten Blattes in seine Ausgangslage treten trotz fortdauernder Reizung keine Reaktionen mehr auf. 1. Das Primärgelenk ist bei Abbruch des Versuches un- empfindlich. Dieser von Pfeffer als Regel hingestellte Re- aktionstypus wurde von uns nur unter bestimmten Umständen bei dauernd kräftigen Impulsen beobachtet. 2. Das Primärgelenk bewahrt seine Empfindlichkeit. Dies ist der Fall bei geringer, sich erstmalig eben über die Reizschwelle erhebender Reizintensität oder bei stärkeren Reizen, aber hoch- liegender Schwelle. l) Gegen iia8 Ende des Refraktärzustandes (ygl. unter „Theoretisches"). 306 K- Linsbauer, II. Im Laufe der intermittierenden Reizung treten wiederholt einzelne oder serienweise Reaktionen auf (Fall Goeppert). 1. Bei Abbruch des Versuches unempfindlich. 2. „ „ „ „ empfindlich. Die Empfindlichkeit bleibt jedenfalls erhalten, wenn die reiz- losen Intervalle hinreichend groß gewählt werden, so daß das Blatt inzwischen Zeit zur völligen oder annähernden Erholung findet (Vers. IIa; weitere Beispiele bei Pfeffer, Böse, Brunn). Mit Sicherheit kann auch gesagt werden, daß bei hinreichender Frequenz und Stärke der Impulse nach entsprechend lange durchgeführter Reizung die Empfindlichkeit völlig (aber reversibel) gehemmt wird. Ob das Gelenk bei Abbruch des Versuches empfindlich befunden wird oder nicht, hängt außerdem von dem jeweiligen Zustand der Erregbarkeit in diesem Zeitpunkte ab. Abschnitt IV. Das Verhalten der Tertiärgelenke. Die Reaktionen der Tertiärgelenke gegen intermittierende Stoß- reize habe ich nur nebenher verfolgt, so daß sich noch kein ab- schließendes Urteil gewinnen läßt. Immerhin scheint es mir an- gezeigt, die gemachten Beobachtungen summarisch mitzuteilen. Daß die Blättchen nach Rückkehr in die Ausgangslage trotz andauernder Erschütterungen ihre Empfindlichkeit beibehalten, wurde bereits von Pfeffer beobachtet; ihr Verhalten bei direkter intermittierender Stoßreizung wurde aber bisher meines Wissens nicht untersucht. Wird eine sekundäre Blattfieder von unten her in einiger Ent- fernung von der Spitze durch einen Stoß von entsprechender Stärke gereizt, so tritt bei dem direkt betroffenen und in der Regel auch noch den unmittelbar folgenden Blättchenpaaren fast augenblicklich die bekannte Reaktion ein, die unter Umständen auch auf eine Anzahl folgender Gelenke weitergeleitet werden kann '). Bei inter- mittierender Reizung kann Frequenz und Stoß so abgestimmt sein, daß etwa sämtliche spitzenwärts gelegene Blättchen die maximale Reizlage angenommen haben, während die basipetale Leitung in 1) über die Reizleitung bei Stoßreizen s. Goebel (1918, S. 396). über die Interferenz von Stoßreizen und über ErniüdangserHcheinungen usw. 307 den ersten Minuten bis zu einem bestimmten Blattpaar weiter- geschritten ist und dort halt maclit. Wird die Reizintensität nun um ein Geringes erhöht, so äußert sich der Erfolg auch in einer Weiterleitung des Reizes auf die nächstfolgenden Blättchen. Bei vorsichtiger Steigerung der Reizdosis kann wiederholt ein solches Fortschreiten der Reaktion beobachtet werden, die sich schließlich auch bis zum Primärgelenk erstrecken kann. Daraus ergibt sich, daß die in Reizlage befindlichen, vom Stoße unmittelbar betroffenen Blättchen trotzdem befähigt sind, einen Reiz aufzunehmen und weiterzuleiten, sowie daß die Länge des bei der Reiztransmission zurückgelegten Weges in Abhängigkeit von der Reizintensität steht. Bei andauernder intermittierender Reizung — die Frequenz betrug bei meinen Versuchen '50 Minute — beginnen die von der Reizstelle entferntesten Blättchen sehr bald (ca. 2 Minuten) ihre Rtickkehr zur Normalstellung, und diese Offnungsbewegung greift schnell auch auf die folgenden Blättchen über. Die dem unmittelbar vom Reiz betroffenen Blättchen nächststehenden Blätt- chenpaare erreichen indessen während der Dauer der Reizung ihre Normallage nicht; sie bleiben in halb geöffneter Lage oder beginnen überhaupt kaum merklich mit der Gegenbewegung. Die spitzen- wärts gelegenen Blättchen scheinen dabei besonders stark zurück- zubleiben; auf sie macht sich offenbar der zugeleitete Reiz stärker geltend. Beginn und Fortschreiten der Gegenbewegung scheint im umgekehrten Verhältnis zur Stärke der Reizung zu stehen. Das direkt getroffene Blättchenpaar verharrt hingegen dauernd — die Versuche wurden auf etwa V4 Stunde ausgedehnt — in seiner maximalen Reizlage, ohne eine Spur einer Offnungsbewegung zu zeigen, und weicht somit in seinem Verhalten ganz wesentlich vom Primärgelenk ab, das auch bei fortdauernder Reizung in seine Ausgangslage zurückkehrt. Jede Verstärkung des Reizes führt wieder zur maximalen Reaktion der in der Gegenbewegung begriffenen Blättchen, auch in dem Falle, daß die Öffnung eben erst und kaum merklich eingesetzt hat, worin sich gleichfalls ein Unterschied gegen- über dem Primärblattstiel geltend macht. Eine entsprechende Steigerung der Reizintensität kann auch jederzeit Anlaß zu einer Weiterleitung des Reizes auf vorher nicht betroffene Blättchen geben. Das unmittelbar gereizte Blättchenpaar verharrt auch nach Aufhören der intermittierenden Reizung noch geraume Zeit in seiner Reizlage. Bei einem Versuch, bei. dem die Reizung durch 308 K Linsbauer, 50 Minuten andauerte, war erst 20 Minuten nach Sistierung der Reizung der Beginn der Gegenbewegung eben merklich geworden, während die indirekt gereizten Blättchen schon lange ganz oder teilweise ihre Ausgangslage erreicht hatten. Brunn hat die Frage unentschieden gelassen, ob bei Mimosen- blättern unter Umständen ein „Tetanus" auftreten kann (S. 334). Das Bild, welches die intermittierend gereizten Blättchen bieten, spricht wohl dafür. Im Gegensatz zum Primärgelenk verlieren die tertiären Gelenke ihre Empfindlichkeit auch in der Reizlage nie vollständig, wie wir gesehen haben. Bei einer entsprechenden Intermittenz kann es daher zu einer Übereinanderlagerung von Reizwirkungen kommen, die in einem tetanischen Zustand des Gelenkes ihren Ausdruck finden'). Wenn afrikanische Mimosen, wie Goebel (a. a. 0. S. 404) auf Grund der Angaben von James Bruce mitteilt, während der Regenperiode ihre Blättchen dauernd geschlossen halten, so könnte auch dieser Zustand vielleicht auf eine derartige Starre zurück- zuführen sein, die durch die lange andauernde intermittierende Reizung infolge des niederprasselnden Regens bedingt ist. Abschnitt V. Theoretisches. Die Tatsache, daß bei andauernder intermittierender Reizung die Empfindlichkeit periodisch zutage tritt und schließlich ganz erlischt, bedarf der Erklärung. Ich möchte wenigstens den Versuch einer solchen machen; ein abschließendes Urteil bedürfte der Er- gänzung durch eine exakte quantitative Verfolgung des Reaktions- geschehens bei tunlichster Konstanz der Bedingungen, wozu die mir derzeit verfügbaren experimentellen Mittel fehlen. Der nächsthegende, auf Pfeffer zurückgehende Gedanke, daß das gereizte Blatt bei jedesmaliger Annäherung an seine Ausgangs- stellung neuerlich reizbar wird, reicht in dieser allgemeinen Fassung jedenfalls nicht zur Erklärung hin; die aufeinanderfolgenden Re- aktionen können bald vor, bald nach der Erreichung der Normal- 1) Analoge Beobachtungen wurden von Lutz (1911, 302) an den Narben von Mimulus gemacht; bei Reizung in Intervallen von 1 Minute nehmen die Narbenlappen eine neue Gleichgewichtslage ein, sie bleiben geschlossen. Dort auch weitere Angaben über bisher beobachtete Fälle von anscheinend tetanischer Reizung. über die Interferenz von Stoßreir.en und über Erniudungserscheinungen usw. 309 läge eintreten, das Blatt sogar lange Zeit hindurch in dieser Stellung verharren, ohne daß sich irgendeine Empfindlichkeit für Stoß verrät, bis plötzlich wieder die Reizlage angenommen wird. Rückkehr der Erregbarkeit und Rückkehr des Blattes aus seiner Reizlage in die Normalstellung sind zwar unter gewöhnlichen Bedingungen, aber nicht notwendig gekoppelt. Auch mit dem Nachweis der Erhöhung der Reizschwelle unter der Einwirkung intermittierender Reizung, die in einzelnen Versuchen im Einklänge mit den Erfahrungen von Brunn sichergestellt oder doch wahr- scheinhch gemacht werden konnte, ist über die nähere Art des Geschehens noch nichts ausgesagt; Gewöhnung, Adaptation und Er- müdung können in gleicher Weise mit einer Erhöhung der Reiz- schwelle verknüpft werden. Pfeffer (1873, 69) meinte, daß im Falle des Zutreffens des Goeppertschen Befundes, also bei Erhaltung der Reizbarkeit trotz andauernden Schütteins, eine „wirkliche Gewöhnung" an dauernde Reizung vorläge. Eine solche beobachtete er auch an Oxalis aceiosella, deren Blätter bei intermittierender Reizung ihre Empfindlichkeit beibehielten. Andererseits spricht Pfeffer aber auch von einer „Gewöhnung" oder Akkomodation — beide Aus- drücke werden in gleichem Sinne gebraucht — wenn Mimosen- blätter oder Ranken bei fortgesetzter gleichmäßiger Reizung die Reizkrümmung ausgleichen^). In ähnlicher Weise schreibt Prings- heim (1912, 227) den Mimosenblättern nach erfolgter Rückkehr in die Ausgangsstellung bei dauernden Erschütterungen „eine Art Gewöhnung" zu; „denn nun sind sie unempfindlich für alle mechani- schen Reize". Es wird somit bald die Erhaltung der Reizbarkeit, bald ihr Verlust als Gewöhnung bezeichnet. Es ist eben der BegriflF „Gewöhnung" ein Ausdruck für sehr komplexe physiologische Vor- gänge, der völlig unzulängHch wird, wenn man ihn auf einen ein- fachen reizphysiologischen Prozeß zu übertragen sucht. Ich stimme daher Pütter (1911, 531) vollkommen bei, wenn er empfiehlt, den Begriff „Gewöhnung" für ein physiologisches Geschehen als durchaus ungeeignet überhaupt nicht zu verwenden, da wir mit ihm keine 1) Jost erkennt den Mimosenblättern entsprechend den Ausfühningen Pfeffers eine Reizgewöhnung zu im Gegensatz zu liaptotropischen und nyktinastischen Organen, bei denen „gar keine oder höchstens eine langsame Reizgewöhnung eintritt", fll. Aufl., 610. — In die III. Aufl. ist diese Stelle nicht übergegangen.) — Goebel (1920, 394) spricht von „Gewöhnung" in dem Sinne, daß die Reaktion sich auch bei ausbleibendem Reise einstellt, von „Ermüdung", wenn des Abends eine Abnahme der Reizbarkeit auftritt. 310 K. Linsbauer, klaren Vorstellungen über das Wesen des Vorganges verbinden können. Wertvoller scheint mir schon der Begriff „Reizstimmung" als Ausdruck für die Höhe der Erregbarkeit zu sein, wie ihn etwa Pringsheim (1909, 447 ff.) formuliert. Wenn in jüngster Zeit sich das Bestreben geltend macht, auch diesen Begriff über Bord zu werfen (Blaauw, Arisz, Bachhuirzen), so hängt es damit zusammen, daß man den zweifellos sehr dankbaren Weg beschritten hat, Reaktionsketten in ihre letzten Teilprozesse zu zerlegen. Es ist ganz begreiflich, daß sich in diesem Falle der ganze Komplex einer sich einheitlich manifestierenden Reaktion in eine Summe von Differentialprozessen auflöst, für die dann die Termini, welche für das Ganze geschaffen wurden, ihren Sinn verlieren. Es ist nur konsequent, wenn man von diesem Standpunkte Begriffe wie „Reiz- stimmung", ja selbst „tropistische Perzeption" verwirft. Will oder kann man aber einen Reizvorgang nicht „atomisieren", mit anderen Worten in seine elementaren Prozesse auflösen, dann halte ich die hergebrachte Ausdrucksweise jedoch noch immer für wissenschaftlich brauchbar. Der Gegensatz, der sich heute auf reizphysiologischem Gebiete, speziell der Tropismenlehre, geltend macht, ist meines Er- achtens eben im wesentlichen ein Gegensatz der Betrachtungsweise, indem man entweder das Verhalten des Organs als Ganzes ins Auge faßt oder die zellulären oder intraplasmatischen Teilprozesse, die an dem Reaktionsablauf Anteil nehmen, in den Vordergrund der Betrachtung stellt. Die Bedeutung dieser letzteren Richtung für eine tiefer dringende kausale Analyse ist durchaus anzuerkennen ; doch führt sie notwendig zu einer Verschiebung des Inhaltes mancher bisher gebrauchter Begriffe, wodurch der Schein eines unvereinbaren Gegensatzes in der sachHchen Erklärung entstehen kann. Für unsere Betrachtung kommen noch zwei weitere Begriffe in Betracht, die zur Vermeidung von Mißverständnissen einer kurzen Charakterisierung bedürfen, Adaptation und Ermüdung. Die Adaptation ist als Anpassungszustand an die Reizstärke aufzufassen und kann daher mit einer Erhöhung der Reizschwelle verbunden sein. Ist die Möglichkeit einer solchen Adaptation auf wiederholte Inanspruchnahme durch mechanische Reize von vorn- herein auch nicht auszuschließen, so spricht doch bei unseren Ver- suchen der Umstand allein schon gegen eine derartige Annahme, daß die Empfindlichkeit bei länger fortgesetzter Reizung schließlich vollkommen erlischt, wogegen ein Adaptationszustand offenbar so über die Interferenz von Stoßreizen und über Ermüdungserscheinungen usw. 311 lange erhalten bleibt, als die maßgebenden Bedingungen nach Qualität und Quantität unverändert bestehen. Sehen wir nun zu, ob wir mit dem Ermüdungsbegriff zur Erklärung unserer Beobachtungen an den Primürgelenken der Mimose — denn nur diese haben wir hier im Auge — das Aus- langen finden. Der Vergleich mit dem Verhalten niederer Tiere bei wiederholter mechanischer Reizung bietet tatsächlich manche Analogien'). Stets führt der erste Reiz von einer Serie gleich- starker Reize zu einer kräftigen Reaktion; liegen die Reize im Bereiche des Schwellenwertes, so läßt sich konstatieren, daß die Schwelle hinaufgesetzt, d. h. eine erhöhte Arbeitsleistung zur Er- zielung desselben Effektes erforderlich wird; schließlich tritt nach einer Serie von Reaktionen überhaupt kein Effekt mehr auf. Durch die Ermüdung wird aber auch der sekundäre und tertiäre Reiz- erfolg beeinträchtigt, die Leistung wird geringer und das Refraktär- stadium verlängert (Pütter, 1911). Indessen muß die motorische Phase nicht direkt gehemmt sein; denn in gewissen Fällen (Kina- shita) läßt sich nachweisen, daß eine andere Reizqualität an gleicher Stelle appliziert, eine unveränderte Wirkung hervorruft. Derartige Kennzeichen der Ermüdung treffen wir auch an unseren Mimosen nach wiederholten Reaktionen an. Das bei entsprechend langer Versuchsdauer beobachtete völlige Ausbleiben der Reaktion kann auch unbedenklich als Ausdruck der Ermüdung bezeichnet werden. Die Frage ist nur, ob und wie sich die in Intervallen einstellenden Reaktionen und das in den einzelnen Fällen einiger- maßen abweichende Bild des Reaktionsgeschehens mit dem Auf- treten von Ermüdungsvorgängen in Einklang bringen läßt. Als entscheidendes Kriterium für Ermüdung wollen wir mit Pütter nur das eine Moment betrachten: „die Leistung, d. h. die pro Zeiteinheit geleistete Arbeit muß hierbei stets abnehmen" (a. a. 0. S. 532). Über Ermüdungserscheinungen an intermittierend gereizten Mi- mosen berichtet Böse an verschiedenen Stellen seiner Werke. Er beobachtete insbesondere eine Verlängerung der Latenzzeit, eine Verringerung der Geschwindigkeit des Reaktionsablaufes und eine Verzögerung der Reiztransmission, ferner, je nach den Versuchs- bedingungen einen verschiedenen Verlauf der Reaktionskurven. Die wichtigsten der in dieser Hinsicht beobachteten Fälle sind folgende: 1) Vgl. Kinashita (1911) und Jennings (1902), zit. bei Pütter (1911, 531). 312 K Linsbauer, 1. Die Amplituden der aufeinanderfolgenden Senkungs- bewegungen werden infolge der Ermüdung immer kleiner. — 2. Es kommt zur Ausbildung eines „periodic fatigue", indem zunächst einige Reaktionen mit abwechselnd größerer und kleiner Amplitude aufeinanderfolgen, die weiteren Reaktionen aber einer Gleichheit im Grade der Senkung zustreben, wobei nunmehr die Amplituden einen mittleren Wert annehmen. „In this adjustment to uni- formity we are able to watch a tuning of the organ, as it were, its gradual accomodation ') to the Stimulus impinging upon it" (1913, S. 75). — 3. Die stufenweise Zu- und Abnahme der Reaktion („staircase response"). Sie tritt unter Bedingungen geringerer Reizbarkeit auf. „In this, successive responses undergo a gradual enhancement, or what is known in muscle-response — with which it is exactly parallel — as a staircase increase. After attaining a maximum excitability, under successive stimulations, there gene- rally ensues a fatigue-decline" (1913, S. 76). Andere nur nebenbei erwähnte Fälle, bei denen die Reaktionen serienweise zu- und abnehmen, wollen wir hier außer acht lassen und desgleichen verweisen wir betreffs der versuchten Erklärung auf das Original. Hingegen scheint es uns instruktiv, Böses Beobachtungsergebnisse unter Zugrundelegung der von Verworn in seinem Werke „Erregung und Lähmung" entwickelten An- schauungen einer Diskussion zu unterziehen, um dadurch zur Klar- heit über unsere eigenen Ergebnisse zu gelangen. Zu diesem Behufe können wir vorteilhaft und ungezwungen den Mareyschen Begriff des „Refraktärstadiums" einführen, worunter wir mit Verworn (1914, 149) jenen auf die erfolgreiche Reizung folgenden Zustand verstehen, in dem die Erregbarkeit des Systems mehr oder minder weit herabgesetzt ist. Ein solcher Zustand, wie er für den Herz- und Skelettmuskel, für Myoide der Einzelligen und für Nerven nachgewiesen wurde, tritt beim Hauptgelenk der Mimosen in typische Erscheinung; es ist unmittelbar nach erfolgter Reizung bekanntlich vollständig, d. h. auch gegenüber starken Reizen refraktär, geht aber bald nach Maßgabe der regulativen Prozesse in ein „relatives" Refraktärstadium über, so daß er nur mehr für verhältnismäßig schwache Reize refraktär ist, nicht aber für stärkere, bis schließlich die Erregung vollständig ausklingt und die Erregbarkeit ihr ur- 1; Den Begriff „Akkomodation" würden wir in diesem Falle nicht anwenden, da er in der Sinnesphysiologie in ganz anderem Sinne gebraucht wird. über die Interferenz von Stoßreizen und über Ermüdungserscheinungen usw. 313 sprüngliches Niveau wieder gewinnt. Das Auftreten eines „absoluten" Refraktärstadiums weist darauf hin, daß für das Primärgelenk der Mimose das „Alles oder Nichts -Gesetz" gilt, daß es also zu den „isobolischen" Systemen (Verworn) zu rechnen ist, „weil bei der Erregung alles zerfällt, was momentan zerfallsfähig ist" (S. 156), so daß die Erregbarkeit vollständig erlischt, bis wieder infolge der Selbststeuerung des Stoffwechsels ein genügender Vorrat von „Reiz- stoffen" angesammelt ist. Der Erfolg der Interferenz gleichartiger Erregungen infolge intermittierender Reizung eines isobolen Systems ist im Prinzipe bei Verworn (199 ff.) auseinandergesetzt. Ist das Reizintervall derart bemessen, daß die Reize das vollständig erholte System treffen, so wird zunächst jeder Reizerfolg der gleiche sein. Infolge wiederholter Inanspruchnahme kann jedoch das Refraktärstadium eine Verlängerung erfahren, so daß der nachfolgende Reiz das Gelenk trifft, ehe es seine ursprüngliche Erregbarkeit wieder ge- wonnen hat; es kommt zur Interferenz von Erregungszuständen, was im vorliegenden Falle ein Anzeichen eingetretener Ermüdung darstellt. Kann es somit, wie in diesem supponierten Falle, zu einer Ermüdung kommen, obgleich das Reizintervall größer ist als das (ursprüngliche) Refraktärstadium, so bedingt es andererseits zunächst noch keine Ermüdung, wenn die Reizfrequenz derart gewählt ist, daß ein System von neuen Reizen getroffen wird, ehe das ur- sprüngliche Niveau der Erregbarkeit wieder erreicht ist. Die Herabsetzung der Erregbarkeit im Refraktärstadium ist an sich noch nicht der Ausdruck einer Ermüdung, diese äußert sich erst in einer Verlängerung des refraktären Zustandes; die Ermüdung trifft nur das Tempo, in dem durch Selbststeuerung die ursprüng- liche Erregbarkeit wieder gewonnen wird, doch ist nicht die ver- ringerte Erregbarkeit an sich schon notwendig eine Ermüdungs- erscheinung. Ich kann daher Böse in der Verwendung des Er- müdungsbegriffes — wenn ich seine Darlegungen recht verstehe — nicht vollständig folgen. Nach ihm kann die Pflanze auf einem zweifachen Wege in den Zustand der Ermüdung versetzt werden, entweder durch eine einzelne sehr intensive Reizung (so z. B. 1913, S. 147) oder aber bei mäßiger Reizstärke durch eine Verkürzung des reizlosen Intervalls, so daß der nächstfolgende Reiz das Gelenk noch vor dessen vollständiger Erholung trifft. „When the resting interval is diminished the recovery becomes incomplete, and there is a consequent diminution of amplitude of response. There is thus 3X4 ^- Tiiustaier, an increased fatigue with diminished period of rest" (1918, S. 91). Ich bezweifle es nicht, daß manche der in Betracht kommenden Erscheinungen tatsächhch das Ergebnis eines echten Ermüdungs- prozesses sind, halte es aber nicht für angezeigt, Refraktär- und Ermüdungszustand zu identifizieren, wenngleich es unter Umständen schwer fällt, die Grenze zu ziehen. Wollen wir mit Pütter als einziges Kriterium der Ermüdung nur die verringerte Arbeitsleistung in der Zeiteinheit gelten lassen, dann würde ein Organ allerdings auf jeden Einzelreiz schon mit einer Ermüdung antworten; denn seine Arbeitsleistung ist während des Refraktärstadiums naturgemäß verändert. Eine echte Ermüdung ist indessen an wiederholte In- anspruchnahme gebunden und äußert sich primär in einer zu- nehmenden Verlängerung des Refraktärzustandes. Auch der Begriff „Erholung" wird in einem doppelten Sinne angewendet, einmal im Gegensatz zur Ermüdung, wie es dem Sprachgebrauche am nächsten kommt, im anderen Falle aber im Sinne einer bloßen Wiederherstellung des ursprünglichen, d. h. des dem wirksamen Reize vorangegangenen Zustandes, also dem Ausklingen des Refraktär- stadiums. Wohl stehen sich auch diese Vorgänge in ihrer kausalen Bedingtheit einander nahe; solange uns indessen ein tieferer Ein- blick in deren Mechanik fßhlt, scheine es mir richtiger, die beiden Prozesse auseinander zu halten. Der Erfolg interferierender Reize ist nach Verworn bei „iso- bolischen" Systemen ein sehr einfacher: „Der Erfolg eines zweiten Reizes von gleicher Intensität wie der erste kann . . . nie größer sein als der erste, höchstens gleich groß, oder, wenn er in einen etwas früheren Zeitpunkt des Refraktärstadiums fällt, kleiner, denn mehr als alles kann ein isoboles System nicht ausgeben, wohl aber kann im gegebenen Moment die Menge des zum Zerfall erforder- lichen Materials vermindert sein" (S. 200). Ich gebe diese beiden Möglichkeiten an der Hand eines Schemas (Fig. 2 und 3) ') wieder, denen Verworns übersichtliche Darstellungsart zugrunde gelegt ist. Die Abszisse stellt dabei die Zeit dar, der Ordinatenwert 0 ent- spricht dem Ruhestoffwechsel und der spezifischen Erregbarkeit; die Intensitäten der aufeinanderfolgenden Reize sind durch die nach unten hin angezogenen Ordinaten dargestellt. Die sich über 1) Die Figuren in dieser Arbeit wurden nach meinen Skizzen von meinem Assi- stenten, Herrn Dr. Egon Bersa, gezeichnet, wofür ich ihm auch an dieser Stelle bestens danke. über Jie Interferenz von Stoßreizen und über Erniüdungsersclieinunfcen usw. 315 die Abszisse erhebende Kurve stellt den jeweiligen Verlauf der Erregung (Energieproduktion) dar, die untere Kurve die Herab- setzung der Erregbarkeit durch den Reiz. Der tiefste Punkt der Kurve entspricht somit dem absoluten Refraktärstadium. Bei ihrem Fig. 2. Schema I. Die aufeinander folgenden Impulse, welche in das ausklingende Re- fraktärstadium fallen, bedingen gleiche maximale Erregungen. Anstieg durchläuft die Kurve das relative Refraktärstadium ; in dem Zeitpunkte, in dem ihr Ordinatenwert auf 0 sinkt, ist die ursprüng- liche Erregbarkeit wiederhergestellt. Der Kurvenverlauf wurde den Erfahrungen der Tierphysiologen entsprechend eingezeichnet. „Es tritt also auf alle Fälle bei jeder Selbststeuerung des Stoffwechsels Fig. 3. Schema II. Die aufeinander folgenden Erregungen nehmen allmählich an Größe ab, da die Einzelimpulse das noch relativ stark refraktäre System treffen; die Dauer des Refraktärstadiums ist dabei für jede Einzelerregung als gleich angenommen. nach einer Erregung ein der logarithmischen Form der Restitutions- kurve entsprechendes Refraktärstadium auf, in dessen Verlauf stärkere Reize bereits wieder wirksam werden, wenn relativ schwächere noch keine Wirkung haben" (Verworn, S. 160). Es bedürfte Jahrb. f. wiss. BotAnik. LXII 21 316 K. Linsbauer, jedoch durchaus noch der Prüfung, ob sich das Hauptgelenk der Mimose diesem Schema tatsächhch fügt'). Einzelne Erfahrungen scheinen mir sogar nicht dafür zu sprechen. Diese Frage bedürfte einer besonderen Untersuchung, die wohl am besten in der Weise durchgeführt werden könnte, daß in einzelnen Phasen der Rück- regulierung die Summationsbreite für unterschwelHge Reize geprüft würde, die nach Stein ach „das feinste Reagens für die volle physio- logische Leistungsfähigkeit der Zellsubstanz" darstellt (1908, 284). Schema II entspricht dem einfachsten von Böse beobachteten Fall, den ich gleichfalls wiederholt zu beobachten Gelegenheit hatte. Man ersieht daraus, daß es sich dabei zunächst um keine Er- müdungserscheinung handelt, daß die abnehmende Erregungsgröße, die in der Verkleinerung der Senkungsamplitude ihren Ausdruck findet, nur auf die besondere Interferenz der Erregungen zurück- Fig. 4. Schema ITI. „Periodic fatigue" nach Böse. zuführen ist; die Länge des Refraktärstadiums ist unverändert, nur werden die aufeinanderfolgenden Kurven etwas flacher. Schwieriger ist schon der zweite von Böse angegebene Fall zu deuten. Hier äußert sich die Wirkung der ersten Reize in einer abwechselnd starken und schwächeren Senkung des Blattes, doch erfolgt bald eine Einstellung auf eine mittlere Amplitude. Wenn im Schema III der zweite und vierte Reizefifekt kleiner ist als der 1) Es ist dabei insbesondere auch zu bedenken, daß die Rückkehr der Erregbarkeit nicht in allen Zellen des Gelenkes mit gleicher Geschwindigkeit zu erfolgen braucht, wodurch die resultierende Kurve in ihrem Verlaufe beeinflußt werden könnte. Im Prinzip dürfte in dieser Hinsicht für die Stoßreizbarkeit speziell vielzelliger Organe die gleiche Überlegung gelten wie für Tropismen, bei denen die Reaktion, wie Arisz (1915, 186) für den Phototropismus zeigte, „als die Resultante einer großen Anzahl selbständig perzipierender und ± unabhängig voneinander reagierender Teile aufgefaßt werden muß". über die Interferenz von Stoßreizen und über Ermüdungserscheinungen usw. 31 7 jeweils vorausgehende, so ist es nach obigem leicht zu verstehen. Da aber der Erfolg der dritten Reizung den der ersten an Größe erreicht, so muß im Zeitpunkte des dritten Impulses das System offenbar wieder seine ursprüngliche Erregbarkeit annähernd zurück- gewonnen haben. Das ist aber nur unter der Voraussetzung möglich, daß das Refraktärstadium bei einem geringeren Grad der Erregung schneller abläuft'), so daß der erneute Impuls in einen Zeitpunkt fällt, in dem das Refraktärstadium schon nahezu abgeklungen ist. Dieser rhythmische Verlauf der Erregung müßte bei gleichbleibenden Bedingungen weiterhin beibehalten werden, was indessen nach Böse nicht der Fall ist. Wir müssen daher zur Erklärung dieses Ver- haltens notwendigerweise annehmen, daß sich sehr bald eine Ver- längerung des Refraktärstadiums einstellt, wie es im Schema deut- Fig. 5. Schema IV. Nach Verworn. Interferenz von Erregungen eines heterobolischen Systems, die durch eine rliythmische Reizserie ausgelöst werden. »9 = Schwelle des sichtbaren Reizerfolges. Bei X ist der Gleichgewichtszustand erreicht. lieh gemacht wurde, derart, daß jeder folgende Reiz das System in einem Zustande trifft, in dem die Erregbarkeit stets bis zum gleichen Grade wiedergewonnen ist. Diese Verzögerung der Selbst- steuerung ist jedoch ein Ausdruck wahrer Ermüdung, die sich somit schon nach den ersten Reaktionen einstellt, aber zunächst nur un- merklich fortschreitet. Gehen wir nun zu Böses dritten Fall, der „staircase response" über. Es scheint zunächst ein ähnliches Verhalten vorzuliegen, wie es Verworn in einem allgemeinen Schema wiedergibt, das ich hier reproduziere (Schema IV, Fig. 5). Die Reizimpulse (R) folgen i; Tatsächlich geht nach Böse die „Erholung" nach einem schwachen Reiz schneller vor sich. 21* 318 K. I.insbaner, einander in gleichen Intervallen derart, daß der folgende eine ver- minderte Erregung antriflft. Durch Summation der Einzelerregungen kommt es zunächst zu einer absoluten Erregungssteigerung, die indessen bald absinkt, da das Refraktärstadium infolge zunehmender Ermüdung sich immer mehr verlängert, so daß schließlich die Erregungswellen unter der Wahrnehmungsgrenze (S) liegen, das Organ somit seine Reizbarkeit völlig eingebüßt zu haben scheint. (Beim Punkte X ist der Gleichgewichtszustand erreicht.) Nun ergibt sich aber ein interessantes Problem. Verworns Schema gilt nur, wie besonders hervorgehoben wird, für heterobolische Systeme; isobolischen Systemen dagegen geht die Summations- fähigkeit ab, „weil sie schon auf jeden Einzelreiz einen maximalen Reizerfolg geben, d. h. alles entladen, was sie an zerfallsfähigem Materiale momentan besitzen" (a. a. 0. S. 207). Verhält sich also das Primärgelenk der Mimose wie ein heterobolisches System, d. h. gehorcht es nicht dem Alles- oder Nichts- Gesetz? In dieser Allgemeinheit darf die Frage jedenfalls nicht bejaht werden; doch besteht die Möglichkeit einer Analogie mit den Nerven, der zwar ein isobolisches System darstellt, aber unter gewissen Bedingungen, wie Ermüdung, Narkose oder 02-Mangel, heterobolischen Charakter annimmt. „Nach diesen und ähnlichen Erfahrungen ist es zweifellos, daß isobolische Systeme während einer erregenden Reizung einen heterobolischen Charakter annehmen und erst einige Zeit nach dem Aufhören desselben und vollkommener Herstellung des ursprüng- lichen Stoffwecbselgleichgewichtes wieder ihren isobolischen Cha- rakter zurückgewinnen" (a. a. 0. S. 223). Für ein solches Ver- halten der Mimosen spricht auch der Umstand, daß von ver- schiedenen Autoren gelegentlich submaximale Reaktionen der Blatt- gelenke beobachtet wurden und zwar speziell bei großer Jugend des Blattes, im Zustande der Narkose und nach voraufgegangener wiederholter starker Reizung (Brunn, 1909, S. 331). Ich habe gleichfalls wiederholt ganz schwache submaximale Reaktionen be- obachtet (z. B. gelegentlich beim vorsichtigen Umlegen hochreiz- barer Pflanzen), die durch einen unmittelbar folgenden kräftigeren Reiz verstärkt wurden; doch ist es bisher nicht gelungen, dieses Verhalten beliebig hervorzurufen. Auch der von Böse mitgeteilte Befund, daß bei besonders heftigen Einzelreizen sich eine Ermüdung einstellt oder, wie wir sagen würden, das Refraktärstadium an Länge zunimmt, sowie die oben erschlossene Tatsache, daß schwächere Erregungen schneller abklingen (S. 317), sprechen dafür, daß das über die Interferenz von Stoßreizen und über Erniiidungserscheinungen usw. 319 Primärgelenk der Mimose fakultativ einen heterobolischen Charakter annehmen kann'). Indessen darf noch ein anderer Umstand nicht übersehen werden. Ist das stufenweise Ansteigen der Erregung in Verworns Schema überhaupt dem „increasing record" von Böse ver- gleichbar? In diesen Versuchen registriert die Kurve nur Zeit- punkt und Ausmaß der Senkung des Blattes, also die jeweilige Blattlage; wobei aber nur der Grad der Senkung (und auch das nur bedingt) als Maß der Erregungshöhe betrachtet werden kann. Die bei jedesmaliger Senkung eingenommene Lage hängt aber wesentlich von der im Augenblick der Reizung erreichten Ausgangs Situation ab. Das Schema (Fig. 6) zeigt das Verhalten zweier in gleichen Intervallen gleich stark gereizter Blät- ter. Die Erregungsgröße ist also stetig abnehmend gedacht wie im Schemall (Fig. 3). Die beiden korrespondieren- den Kurven a und b geben die Blatt- bewegung selbst wieder; die auf- einander folgenden Senkungsbewe- gUDgen werden allmählich abnehmend dargestellt, entsprechend der Ernie- drigung der Erregungshöhen, dagegen wurde die Amplitude der Senkung an den einander entsprechenden Stellen der beiden Kurven als gleich groß angenommen. Nichtsdestoweniger sehen wir in einem Falle die Kurve (a) Fig. 6. Schema V. Erläuterung im Text. 1) Diese Erscheinung erklärt sich vielleicht daraus, daß in gewissen Zuständen ein schwacher Stoßreiz auf die unmittelbar getroffene Stelle lokalisiert bleibt, während normalerweise .selbst ein „punktueller" Reiz sich der Gesamtheit der reizbaren Zellen mitteilt, was wohl nur in der besonderen histologischen Verkettung der Zellen begründet ist. Eine auf eine kleine Gruppe von Zellen innerhalb des reizbaren Gewebes lokalisiert bleibende Kontraktion, die zu einer submaximalen Reaktion Anlaß gibt, läßt sich in ge- wissen seismonastischen Organen (wie den Filamenten der Centaureen oder wie an den reizbaren Narben von Mimulus [Lutz, 19111) tatsächlich unter der Lupe nachweisen. Wahrscheinlich handelt es sich somit auch beim Mimosengelenk um ein „Multiplikations- phänomen". Das „Alles oder Nichts-Gesetz" gilt dann streng genommen nur für ein einzelnes Zellelement, ebenso wie für die Nerven- und Muskelfibrille (vgl. Putter, 528), für die Gesamtheit des Organs aber nur dann, wenn sich die Erregung über sämtliche überhaupt reizbaren Zellen erstreckt. 320 K. Linsbauer, ansteigen, das Blatt nähert sich trotz wiederholter wirksamer Rei- zungen stufenweise seiner Ausgangsstellung, im anderen (b) wird es zu keinem weiteren merklichen Ansteigen über das Niveau kommen, das schon erstmalig erreicht wurde. Das verschiedene Verhalten hängt einfach von dem Verhältnis ab, in dem das Aus- maß der Senkung des Blattes infolge der Reizung zu der Größe von dessen Erhebung während des reizlosen Intervalls steht, was natürlich von dem jeweiligen Bedingungskomplex, nicht aber vom Grad der Erregung selbst abhängt. Meine eigenen Versuche, zu denen ich nun übergehe, unter- scheiden sich von den bisher besprochenen wesentlich dadurch, daß an Stelle der elektrischen die mechanische Reizung gewählt wurde und die Intermittenz der Reize wesentlich kürzer war, und zwar in manchen Fällen kürzer als das von Stein ach für die Mimose ermittelte Summationsintervall. Der Verlauf der Reaktion war trotz der kurzen Reizintervalle zunächst im Prinzipe nicht wesentlich anders wie bei Böses Ex- perimenten. Hervorzuheben wäre insbesondere, daß eine „Trans- formation des Reizrhythmus in einen weniger frequenten Erregungs- rhythmus" (Verworn, S. 284) zu beobachten ist, was sich daraus erklärt, daß meist eine ganze Serie von Reizimpulsen in das einer wirksamen Reizung folgende Refraktärstadium fällt. Daß die Ab- nahme der Erregungsgröße, ausgedrückt durch die Winkelgröße des sich senkenden Blattes, auch bei gleichen Reizen von wechselnder Größe ist, liegt wohl z. T. daran, daß der Anstieg der Erregbarkeit nicht immer mit genau gleicher Geschwindigkeit vor sich gehen dürfte, das System also sich im Augenblick der wirksamen Reizung nicht immer im gleichen Zustand der Erregbarkeit befindet; z. T. ist aber das Ergebnis vielleicht durch die etwas primitive Methodik und die Wirkung der nicht streng konstanten Bedingungen zurück- zuführen. Auch ist es nicht überraschend, daß — wie die durch genügend lange Zeit hindurch durchgeführten Versuche zeigen — die Reaktionen schließlich ganz ausbleiben; die Erregungswellen sinken eben schließHch wie in Schema V unter die Schwelle der Wahrnehmung. Überraschend und der Erklärung bedürftig ist jedoch die Tatsache, daß nach längerer Pause, in der bereits völlige Ermüdung eingetreten zu sein scheint, ein neues Aufflackern der Empfindlichkeit beobachtet wird, das sich im Eintritt einer ansehn- lichen Reaktion oder einer Reaktionsserie äußert. Es macht den Eindruck, als würde die Ermüdung trotz andauernder intermit- über die Interferen;'. von Stoßreizeii und über ErmüdungserHcheinungen usw. 321 tierender Reizung gelegentlich wieder von einer vorübergehenden Erholung abgelöst. Zur Erklärung dieses Sachverhaltes kann, wie ich glaube, folgende Überlegung beitragen. Der Reizablauf setzt sich aus einer Reihe von Teilprozessen zusammen : auf die Erregung oder primäre Reaktion folgt bei den Primärgelenken der Mimose die Abgabe von Wasser aus der unteren Gelenkhälfte und schließlich infolge der dadurch veränderten Turgorverteilung die Senkung des Blattes. Dabei greifen wir nur die hauptsächlichsten Phasen heraus, um die Darstellung zu vereinfachen. Die Ermüdung besteht nun primär niemals in der Hemmung eines dieser Prozesse oder ihrer Gesamtheit, sondern vielmehr in der Ver- zögerung der durch Selbststeuerung bewirkten Rück- regulierung. Indem diese Wiederherstellungsreaktion mit einem Aufwand von Energie verknüpft ist, findet somit die Ermüdung im vorliegenden Falle ihren Ausdruck in einem verminderten Arbeits- eflfekt, insofern die zur Rückregulation erforderliche Zeit eine Ver- längerung erfährt. Die + vollständige Reaktivierung des jeweiligen vor der Reizung bestandenen Zustandes muß nun nicht für sämt- liche Partiärprozesse mit gleicher Geschwindigkeit verlaufen und kann auch durch Ermüdung in verschiedenem Maße verzögert werden. Verfolgen wir zunächst die Reaktivierung der Lage des Blattes auf einen Einzelreiz hin, indem wir die Geschwindigkeit der rück- läutigen Bewegung durch Bestimmung der vom Blattstiel in auf- einander folgenden Zeiten zurückgelegten Winkelgrößen ermitteln, so ergibt sich ein annähernd geradliniger Anstieg, d. h. der Blattstiel bewegt sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit aufwärts. Bei An- näherung an die Maximallage nimmt die Geschwindigkeit allerdings ab, worauf eine vorübergehende autonome Senkung des Blattes ein- tritt. An diesen Oszillationen, die lange bekannt und zuletzt von Brunn (1909) eingehend untersucht wurden, können wir somit aufsteigende und absteigende Kurvenäste beobachten, die offenbar mit einem Schwanken des Turgors der antagonistischen Gelenks- hälften in Beziehung stehen. Untersuchen wir nun die Geschwindigkeit der rückläufigen Be- wegungen im Gefolge der Sekundärreaktionen, so erhalten wir fast stets einen überraschend gleichen Kurvenanstieg, wie es die als Beispiel gewählte graphische Wiedergabe einiger Versuche zeigt (Fig. 7 — 9). Kleine Abweichungen können nicht überraschen, wenn 322 K. Linsbauer, man berücksichtigt, daß Schwankungen der Außenbedingungen nicht ausgeschlossen werden konnten und die der Darstellung zugrunde liegenden Winkelmessungen mit primitiver Methode durchgeführt wurden. Eine Ausnahme scheint allerdings regelmäßig aufzutreten, dann nämlich, wenn schwache Reaktionsausschläge zu einem Zeit- punkte eintraten, wenn die Kurve eben in der Nähe ihres Scheitel- punktes war (Fig. 8 zwischen 25 und 40 Min.), wenn somit der An- stieg an sich, d. h. ohne Reizung, verzögert gewesen wäre oder einem Abstieg (infolge einer Oszillation) Platz gemacht hätte. Der in der Zeiteinheit von dem sich erhebenden Blatte zurückgelegte Weg ist m ftO m so / V so / 70 1 / €D 50 j ''0 1 10 20 30 iO SO 60 70 Fig. 7. Nach dem Protokoll zu Vers. 9 a. Fig. 8. Nach dem Protokoll zu 'Vers. 6. dann eben nur ein kleiner, der aufsteigende Kurvenast verläuft flacher. Ob diese Deutung zutrifft, wage ich noch nicht mit Sicherheit zu entscheiden, keinesfalls vermag ich aber in den ver- einzelten beobachteten Fällen eines solchen Kurvenverlaufes ein Anzeichen von Ermüdung zu erblicken, da die Geschwindigkeit des Blattanstiegs sofort wieder zur ursprünglichen Größe zurück- kehrt, sobald der Eintritt einer stärkeren Reaktion das Blatt wieder zu einer ausgiebigeren Senkung geführt hat. Im Falle tat- sächlich eingetretener Ermüdung wäre zu erwarten, daß mit zu- nehmender Zeitdauer die Aufwärtsbewegung immer mehr verzögert und schließlich ganz sistiert würde. Unsere an dem empirisch er- Ober die Interferenz von Stoßreizen und über Erraüdungserscbeinungen usw. 323 mittelten Verlauf der Anstiegkurve anknüpfende Überlegung führt zu einer für unsere Frage bedeutungsvollen Erkenntnis: Die Rück- regulierungsprozesse, die zur Rückkehr des gereizten Blattes in die Ausgangsstellung führen, verlaufen trotz intermittierender Reizung selbst nach wiederholtem Reiz- erfolg ohne Anzeichen von Ermüdung. In den Ablauf der übrigen Teilprozesse fehlt uns zurzeit noch ein genauerer Einblick. Jedenfalls muß jedoch eine Reaktion auch dann unterbleiben, wenn auch nur ein notwendiges Glied ausfällt, also auch dann, wenn die Reaktivierung auch nur eines Teil- vorganges durch Ermüdung soweit verzögert ist, daß sie im Zeit- punkte der erneuten Reizung noch nicht hinreichend weit vorge- Fig. 9. Nach Vers. 4. schritten ist. Mit anderen Worten, wir halten die Annahme für möglich und berechtigt, daß gewissermaßen jedem Teilvor- gang ein Refraktärstadium zukommt, das durch Ermüdung in verschiedenem Ausmaße verzögert werden kann. Nehmen wir etwa der größeren Anschaulichkeit halber an, es würde die Aufnahme von Wasser aus den infolge wiederholter Reizung ermüdeten, deturgeszenten Zellen der unteren Gelenks- polsterhälfte nur sehr allmählich vor sich gehen, so könnte wegen des veränderten Quellungszustandes der Plasmakolloide (oder all- gemeiner gesagt, wegen ihres veränderten physikalisch -chemischen Zustandes) die Erregbarkeit des Plasmas gegen Stoß gehemmt sein; es wäre denkbar, daß sich wohl „Reizstoffe" ansammeln, daß aber 324 K. Linsbauer, ihr Zerfall unter den veränderten Zustandsbedingungen zunächst nicht möglich ist. Die Folge wäre eine anscheinend völlige Er- müdung. Bis der normale Plasmazustand wieder hergestellt, das Refraktärstadium dieses Partialvorganges somit abgeklungen ist, könnten sich hinreichend Reizstoffe angehäuft haben, um bei einem in diesem Zeitpunkte auftreffenden Reiz eine ausgiebige Reaktion oder eine Reaktionsserie auszulösen. Es wäre aber auch denkbar, daß Zerfall und Neubildung von Reizstoffen in einem bestimmten Rhythmus erfolgt, der kürzer ist als der Rhythmus, in dem ein folgender Partialprozeß reaktiviert wird. Ist der letztere so weit relativ refraktär, daß er auf einen Reiz von bestimmter Größe anspricht, so wird eine neue Er- regungswelle ausgelöst werden, deren Höhe von der in diesem Zeitpunkte verfügbaren Menge der Reizstoffe abhängt. Um nicht mißverstanden zu werden, betone ich ausdrücklich, daß die in Betracht kommenden Vorgänge in Wirklichkeit durch- aus nicht in der Weise abzulaufen brauchen, wie es oben für einen supponierten Fall angenommen wurde. Ich will lediglich auf die Möglichkeit hinweisen, daß dadurch, daß die einzelnen Partial- prozesse eines Reizvorganges verschieden stark ermüden oder — was das gleiche besagt — daß die Reaktivierung ihres Ausgangszustandes mit ungleicher Geschwindigkeit verläuft, ein scheinbar bereits völlig ermüdetes System trotz fortdauernder Reizung wieder eine uner- wartete Reaktion zeigen kann, wie wir es tatsächlich beobachten konnten. Wenngleich mir diese Erklärung am nächsten zu liegen scheint, so ist sie indessen doch nicht die einzig mögliche. Es wäre auch denkbar, daß die sensiblen Zellen des Gelenkpolsters ein verschieden langes Refraktärstadium besäßen, je nachdem sie unmittelbar vom Stoße getroffen oder indirekt alteiiert werden, wie wir es in Anm. 1 S. 319 angedeutet haben. Auch diese Annahme, für die es in der Tierphysiologie manche Analogien gibt, würde das von uns beobachtete Verhalten der Primärgelenke der Mimosen verständlich machen. Eine endgültige Entscheidung muß weiteren Versuchen vorbehalten bleiben. über die Interferenz von Stoßreizen und über Kmiüdungserscheinungen usw. 326 Abschnitt VI. Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Andauernde Erschütterung oder intermittierende Stoßreizung eines Mimosenblattes bedingt zunächst keine Unempfindlichkeit oder Starre des in die Ausgangslage zurückgekehrten Blattes, vielmehr treten bei fortgesetzter Reizung in der Regel von Zeit zu Zeit wieder vereinzelt oder serienweise Reaktionen auf (Sekundär- reaktionen, Reaktionsgruppen). Der Eintritt der Sekundärreaktionen ist nicht an die Er- reichung der Ausgangslage geknüpft; sie können sich einstellen, während das Blatt noch in der rückläufigen Bewegung begriffen ist, oder nach Überschreitung der Ausgangslage, während anderer- seits eine Reaktion lange oder dauernd ausbleiben kann, obgleich die Normalstellung des Blattes längst erreicht ist. 2. Bei den folgenden Reaktionen sind die erreichten Ampli- tuden stets kleiner als bei der erstmaligen Reaktion; bei einer Gruppe von schnell aufeinander folgenden Reaktionen beträgt der Senkungswinkel oft nur wenige Grade, vergrößert sich aber bei einer längeren reaktionslosen Pause. Oft ist ein deutlicher Rhyth- mus im Eintritt der Reaktionen (Reaktionsrhythmus) und in der Größe der Amplitude zu erkennen. 3. Mit der intermittierenden Reizung ist eine Erhöhung der Reizschwelle verknüpft. Liegt die verwendete Reizintensität knapp an der Schwelle, so treten demzufolge bei fortdauernder Reizung keine Sekundärreaktionen auf. 4. An sich unwirksame Reize (Schüttelreize) äußern sich nichts- destoweniger in einer Herabsetzung der Biegungsfestigkeit. 5. Bei entsprechend lange durchgeführter intermittierender Reizung unterbleiben schließlich die Reaktionen vollständig, was als Ausdruck einer Ermüdung im eigentlichen Sinne betrachtet wird. 6. Bei Abbruch der intermittierenden Reizung kann das an- nähernd in der Ausgangslage befindliche Blatt anscheinend völlig unempfindlich sein (wie es Pfeffer beobachtete) oder es kann die Empfindlichkeit erhalten sein (entsprechend dem Goeppertschen Befund). Maßgebend dafür ist wesentlich der Grad der Reakti- vierung der Empfindlichkeit im Augenblick des applizierten Stoß- reizes, der seinerseits wieder durch Intensität und Frequenz des 326 K. Linsbauer, angewendeten Reizes (überhaupt durch die energetische Situation) bedingt ist. 7. Die Reaktivierung der Lage erfolgt nach jeder Senkung des Blattes mit annähernd gleicher Geschwindigkeit und ohne An- zeichen von Ermüdung. 8. Das an sich isobolischen Charakter tragende primäre Ge- lenkpolster der Mimose scheint gleichwie die Nerven bei dauern- der Inanspruchnahme (Ermüdung) heterobolisch zu reagieren. 9. Der Wiedereintritt von Reaktionen an einem anscheinend bereits ermüdeten Blatte, trotz Fortdauer intermittierender Reizung, wird unter der Annahme verständlich, daß die einzelnen Partial- prozesse des Reizvorganges ein verschieden langes Refraktärstadium besitzen. 10. Die Blättchen der Mimose kehren bei dauernder inter- mittierender Reizung nicht in die Ausgaugslage zurück; bei ihnen scheint im Gegensatz zum Hauptgelenk eine tetanische Reizung möglich zu sein. Graz, Februar 1923. Literatur -Verzeichnis. Arisz, W. H., Untersuchungen über den Phototropismus. Extr. du Rec. d. trav. bot. Neerl., Bd. XU, 1915. Bernt, Mem. d. sc. phys. et nat. de Bordeaux, 1866 (zit. nach Pfeffer, 1873). Böse, J. C, Researches on irritability of plants. New York — Calcutta 1913. — — , Action of Stimulus on vegetable tissues. Trans, of the Böse Res. Inst. Calc. I, 1 u. 2, 1918, p. 31. — — , Response of petiole-pulvinus praeparation of Mimosa pudica. L. c, p. 73. Brunn^ Jul., Untersuchungen über Stoßreizbarkeit. C'ohns Beitr. z. Biol., I, 1909, S. 307. Dassen, Wiegmanns Archiv, 1838 (zit. nach Pfeffer, 1873). Goebel, K., Die Entfaltungsbewegungen der Pflanzen. Jena 1920. Goeppert, Bot. Zeitung, 1862, S. 110. Hofmeister, Wilh., Die Lehre von der Pflanzenzelle. Leipzig 1867. Jennings, H. S., Studies on Reactions to Stimuli in Unicellular Organisnis. IX. Amer. Journ. of Phys., 8, 1902. Jost, L., Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, IL Aufl. -Jena 1908. Kinashita, Über den Einfluß mehrerer aufeinander folgender wirksamer Reize auf den Ablauf der Reaktionsbewegungen bei Wirbellosen. Pflügers Archiv, 140, 1911. Linsbauer, K., Zur Kenntnis der Reizbarkeit der Centowrea- Filamente. Sitzungs- berichte d. Akad. d. Wiss. Wien, Bd. 114, math.-nat. Kl., Abt. 1, 1905, S. 809. Ober die Interferenz von Stoßreizen und über Rrmüdungserscbeinungen usw. 327 Linsbauer, K., Methoden der pfl. Reizphysiologie in Abderiialdens Handb. d. biolog. Arbeitsmethoden, Abt. 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Der Bewegungsmechanismus der Oscillarien kann offenbar nur erschlossen, aber unmittelbar nicht sichtbar gemacht werden. Doch scheint es mir nicht ratsam, bei den Untersuchungen allzu gerade- aus auf das Ziel loszusteuern, den Mechanismus aufklären zu wollen. Wir müssen vielmehr im weitesten Umfange die Tatsachen kennen lernen, die an der lebenden Oscillarie zu beobachten oder experi- mentell zu fassen sind. Hierbei wird ganz von selbst einiges Licht auf den Bewegungsvorgang fallen. Je mehr Tatsachen wir fördern, desto besser wird es um eine Theorie der Oscillarienbewegung stehen. Auch mit vorliegenden Mitteilungen ist die Fülle der Er- scheinungen bei Oscillatoria bei weitem nicht ausgeschöpft. Wenn auch der Verfasser sich gern der Hoffnung hingibt, daß die theo- retischen Vorstellungen, welche auf folgenden Seiten überall ein- geflochten werden, und daß die am Schluß gegebene zusammen- fassende Theorie der Wirklichkeit nahekommt, so muß er doch alles dieses höchstens als eine theoretische Auseinandersetzung vor- läufiger Natur bezeichnen. Die Untersuchungen knüpfen an die früheren au (Schmid, II). Das Reizveihalten künstl.TeilstUcke, die Kontraktilität usw. der Oscillatoria Jenensis. 329 Abschnitt I. Weitere Belege für die Autonomie der Fadenteile. 1. Thermokinetisches Verhalten künstlicher Teilstücke. Früher ist gezeigt worden, daß die Geschwindigkeit der Be- wegung von der Temperatur abhängig ist und daß innerhalb des Temperaturbereichs von etwa 10 — 30" die Reaktionsgeschwindigkeits- regel gilt (Schmid, I, S. 339). Diese Dinge sollen nicht ausführ- lich auf die Teilstücke angewendet werden. Es genügt zu zeigen, daß die Teilstücke in ihrem Reaktionsverhalten gegenüber der Wärme Autonomie dartun, wozu folgender Versuch mitgeteilt wird. Y4 Stunde uacli der Zerstückelung eines Fadens wird ein Bruchstück ohne Apex von ca. 0,5 nini Länge in seiner Beweglichkeit beobachtet, und bei 24 " eine kontinuier- liche Folge von relativen Geschwindigkeiten für je 2 Minuten, wie folgt, aufgeschrieben: 8, 12Va, 9, 5 (Umkehr), 12, IIV2, «Va, 7 (Umkehr), ll'/^, IIV2. 8 (Umkehr), 11, 10, 9*/»» 5V2 (Umkehr), nVai worauf das Bruchstück durch die Wärmestrahlung eines vorbeigeführten nicht leuchtenden elektrischen Heizdrahtes erwärmt wird. Sofort steigern sich die Geschwindigkeiten, an obige Zahlen anschließend, so: IS^j (Umkehr), I9V91 17, leVj, 18. 2. Photokinetisches Verhalten künstlicher Teilstücke. a) Einleitende Versuche. Oscillatoria Jenensis ist wenig empfindlich für Lichtreize, so- weit das phototaktische Verhalten in Frage kommt. Es sind bei der schattig lebenden, braunen Oscillarie mittels Tageslicht nur negativ taktische Reaktionen und diese nur mangelhaft zu erweisen. Damit steht vielleicht im Zusammenhang, daß vorliegende Art in völliger Dunkelheit nicht zum Stillstand kommt. Mit größter Wahr- scheinlichkeit konnte dargetan werden, daß es für sie eine Nacht- ruhe in der Bewegung nicht gibt, daß es ferner zur Betätigung des Bewegungsmechanismus des Lichtes nicht bedarf. Nach einer 31tägigen Verdunkelung sind die Fäden bei weiterer Dunkelheit anscheinend so beweglich wie bei vollem Lichtgenuß (Schmid, II, S. 606). Es ist daher im besonderen für (oscillatoria Jenensis nicht selbstverständlich, daß Schwankungen in der Belichtungsintensität Veränderungen in der Bewegungsstärke bewirken. In der Tat re- agiert aber O. Jenensis ebenso wie die von Nienburg und Härder (I) studierten grünen Formen. 330 Günther Schniid, 1. Versuch: Der Faden kriecht auf 1 °/o Agar in einer Petrischale, die auf dem Objekttisch des Mikroskopes liegt. Er ist zunächst dem Lichte eines bedeckten winter- lichen Südhinimels ausgesetzt. Der Spiegel ist also ausgeschaltet; das Licht wird noch durch das nahe herangebrachte Objektiv abgeschwächt. Ein 4 mm langer intakter Faden, der am 30. Januar nachmittags */,l Uhr frisch dem Originalstandort entnommen und um die.se Zeit auf die Agarplatte gebracht worden ist, wird von 3 Uhr 5 Minuten nachmittags ab bald der Mikroskopspiegelung ausgesetzt, bald nicht, jedesmal so lange, bis er eine bestimmte Strecke des Okularmikrometers (0,195 mm) durchlaufen hat. Sobald er sie zurückgelegt hat, wird die betreffende Be- lichtung unterbrochen und die neue eingeschaltet. „Hell" bedeutet Spiegelung von unten durch den Kondensor ohne Blende, „dunkel" Aus.^chaltung des Spiegels, d. h. Belichtung durch auffallendes, geschwächtes Tageslicht. Temperatur: 21,5®. Dunkel Hell 5 Minuten 0 Sekunden — 6 Minuten 35 Sekunden 7 „ 25 „ — 8 52 9 n 30 „ — 11 „ 0 11 n 45 n — 13 12 13 „ 50 r) - 15 V 20 15 n 50 „ — 17 18 17 „ 50 „ — 19 23 20 „ 1 n — 21 31 22 n 13 „ - 23 „ 48 24 n 37 „ -^ 26 9 95 Sekunden 90 87 Sekunden 87 90 93 95 90 92 durchschnittlich 92,6 Sek. 88,8 Sek. 2. Versuch. Derselbe Faden, 1 Stunde später. „Hell" bedeutet hier eingeschaltetes Licht einer 25 kerzigen Glühlampe aus 75 cm Entfernung. Das Tageslicht ist gegen den ersten Versuch sehr vermindert (nachmittags 4 Uhr im Januar!). Dunkel Hell 2 Minuten 50 Sekunden — 4 Minuten 25 Sekunden 95 Sekunden 83 Sekunden 91 95 4 1) 57 n — 6 „ 20 „ 7 n 33 n — 9 n 20 n 107 „ 10 n 10 „ — 11 „ 41 n 12 n 10 n — 13 n 50 )) 100 „ 14 n 20 „ — 15 „ 55 n 16 n 45 n — 18 n 52 n 127 19 n 40 )) — 21 11 21 r> 21 n 50 )) — 23 )i 58 )i 128 „ 24 " 33 n — 26 n 20 du „ rchschnittlich 111,4 Sek. 101 107 95,4 Sek. Die Zeit, welche der Faden bei stärkerer Lichtintensität ge- braucht, um die markierte Strecke zu durchwandern, ist also in jedem Falle kleiner als bei der niederen Intensität. Hieran will ich entsprechende Versuche mit Teilstücken an- gliedern. Das Beizverbalten künstl. Teilstücke, ilie Kontraktilität usw. der Oscillntoria Jenensis. 331 b) Versuche mit Teilstücken. Die Methodik ist bekannt: Die zum Versuch geeigneten, auf 1 "/o Agargallerte kriechenden Fiiden werden mit dem Rasiermesser durch kurzen Schlag geteilt. Bald werden Stücke mit einem Apex, bald apexlose Stücke verwendet. Auf das Ergebnis hat das keinen Einfluß. Die Lichtverhältnisse sind ähnlich wie bei vorhergehenden Versuchen. Die Zeit, welche nach der künstlichen Zergliederung vergangen ist, wird verschieden lang gewählt. Auch die verwen- deten Teilstücke sind verschieden lang. Aus den Protokollen ein Beispiel für viele: TeilstUck ca. 200 p. lang, mit 1 Apex, ^/^ Stunde nach dem Zerschneiden. Tempe- ratur: 21". 1.2. 1920 nachmittags 4 Uhr, bedeckter Himmel. „Hell", wie oben, = Glühlampe. ,. , , u „ Dunkel Hell 28 Hinuten 25 Sekunden — 30 Minuten 4 Sekunden 99 Sekunden 30 n 20 33 „ 12 35 „ 15 37 11 51 40 n 9 42 „ 27 44 „ 22 46 „ 45 48 38 — 32 n 32 — 34 „ 40 — 37 „ 30 — 39 „ 27 — 42 „ 5 — 43 n 57 — 46 n 18 — 48 n 13 — 50 53 132 Sekunden 135 125 116 135 98 96 90 88 durchschnittlich 128,6 Sek. 92,2 Sek. Diese Versuche zeigen, daß die Teilstücke auf Schwankungen der Lichtintensität genau so reagieren wie die ganzen Oscillarien- fäden. Durch Steigerung der Lichtintensität nimmt die Größe der Geschwindigkeit zu. Ferner wird der von Nienburg durch andere Versuchsmethodik gefundene Satz bestätigt, daß der Lichtreiz bei den Oscillarien nicht mit bestimmten Teilen des Körpers perzipiert wird, sondern der ganze Faden in gleicher Weise reizempfindlich ist. Abschnitt IL Chemotaktische Versuche. l. Methodik. Sämtliche Versuche geschahen auf 1 7o Agargallerte, welche ohne Nährsalzzusatz aus rohem, ungewässertem Agar mit Brunnen- wasser bereitet wurde. Auf den in handlichen Petrischalen aus- Jahrb. f. wies. Botanik. LXII. 22 332 Günther Schmid, gegossenen Agar bringt man Klümpchen Erde vom Originalstand- ort und läßt die Oscillarien auskriechen. Es gibt da nach einigen Stunden unter den auf die freie, glatte Agarfläche ausgewanderten Fäden stets eine Reihe von völlig einzeln kriechenden; diese sind für die chemotaktische Reizung geeignet. Alle Beobachtungen werden in der unbedeckten Petrischale und ohne Deckglas bei einer schwachen Vergrößerung ausgeführt. Das Mikroskop steht im Nordzimmer, hat weder Kondensor noch Blende; als Spiegel dient der Planspiegel. Die Reizflüssigkeit wird mit einer Glas- kapillare zugeführt und zwar in Form eines kleinen Tropfens, in unmittelbarer Nähe der am Oscillarienfaden zu reizenden Stelle. Der Tropfen zerfließt auf dem Agar und reicht sichtbar, je nach- dem, V4 bis höchstens 1 mm weit längs des Fadens. Im übrigen läßt sich die Diffusion in der den Faden umkleidenden Wasser- hülle nicht übersehen. Nach Beendigung eines Versuchs wird der Faden mit etwa 1 qcm Agarfläche herausgeschnitten und beseitigt. Die Beobachtung geschieht in der Weise, daß ein Faden minde- stens 4 — 5 Minuten vorher genau verfolgt wird, wobei die Rich- tung der Kriechbewegung und die hintereinander für die Minute gemessene Wegstrecke in Teilstrichen (ein Teilstrich := 5,4 //) aufgeschrieben werden. Alsdann erfolgt die Reizung und an- schließend sofort weitere Beobachtung. Ich verfolge gewöhnlich die Bewegung des nicht zu reizenden Fadenendes, so bietet sich das andere zu reizende Ende leichter erreichbar für die Reizung durch den Kapillartropfen dar. Reizflüssigkeit ist in allen Fällen Schwefelsäure in Konzentra- tionen von 0,01 bis 1%, und zwar werden 0,01-, 0,025-, 0,05-, 0,5- und Iproz. Lösungen auf ihre Wirkungen untersucht. Es ist zunächst die Frage zu beantworten, welche Konzentrationen schäd- lich oder tödlich für O. Jenensis sind. 1 7o HjSO^ färbt die Fäden augenblicklich bräunlichrot. Diese Fäden sind sofort tot. Läßt man die Lösung 7^ Minute auf eine Fadenanhäufung einwirken und wäscht diese anschließend durch Hin- und Herschwenken mit einer Nadel in Brunnenwasser, das mehrmals erneuert wird, 10 Minuten lang aus, bringt sie alsdann auf eine gewöhnliche Agarplatte, so sind weder anfangs noch später, noch nach 24 Stunden auf dem Agar makro- oder mikroskopisch Ortsveränderungen festzustellen. So ist auch 0,5 "/q HjSO^ tödlich. 0,05 7o HgSO^ in gleicher Weise Ya Minute angewendet, bewirkt keine Ver- färbung. Auf dem Agar sind die Oscillarien nach 24 Stunden aus dem Fadenverbande weit ausgekrochen. Mikroskopisch zeigen sie nach dieser Zeit z. T. wenig, z. T. aber sehr lebhafte Bewegungen. Ein Verweilen von 2 Minuten in 0,05 "/^ zeigt dagegen Schädigungen insofern, als nach dem Abspülen und Übertragen auf die gewöhnliche Agarmasse nur einzelne Fäden nach 24 Stunden eine ganz geringe Ortsveränderung be- Das Keizverhalten künstl. Teilstücke, die Kontraktiiität usw. der Oseillatoria Jenensis. 333 merken lassen, und die Fäden größtenteils abnorm rötlich o 23 ^ Reizung! 22 ^ 23 -»■ 23 -> 22 ^ 22 -^. 2. Faden 4 mm lang. 17 ->■ 15 ^ 17 -^ 18 -> 18 -♦ 20 -» Reizung! 18 -^ 19 -»• 18 -> 19 -> 20 ^ 21. 3. Faden 5 mm lang. 20 ^ 2Ü ->• 20 ^ 21 ^ 20 ^ Reizung! 20 -> 19 ->■ 20 -♦ 20 -> 22 -^. 4. Faden 478 ">'" lang. 15 -> 23 -> 23 -> 23 ^ 22 ^ 23 -^ Reizung! 22 ^ 22 ->- 23 -> 22 ^ 22 ->■. 5. Faden 9 mm lang. 21 ^ 22 -> 21 -»• 21 ^ 22 Reizung! 20 ^- 22 h> 22 ->• 22 -* 22 ->. Reizung des nachwandernden Fadens (B). 6. Faden 37-, nim lang. 13 -* 12 -* 13 ^ 14 ^ 13 -* Reizung! 14 -^ 13 -> 15 -> 15 ^ 15. 7. Faden 579 mm lang. 13 -* 7 -> 12 ->■ 13 -^ 12 -* Reizung! 14 -> 14 -* 14 -> 14 ^ 14 ^ 13 ^. 8. Faden 4 mm lang. 11 -> 11 -^ 11 -► 11 -> 10 ^ Reizung! 11^12^ 12 -► 10 -> 11 -> 10 -*-. 9. Faden 37« mm lang. 13 -»■ 14 -> 14 -^ 14 -> 12 ^ 13 -» 12 -> 13 ^ 13 -> 12 -> 12 ->■ Reizung! 11 -»• 15 ^- 12 -» 13 -^ 12 -> 13 ^ 12 ^- 14 -> 14 -> 14 ->• 14 -^ 14 ^ 14 ^ 14 ->. 10. Faden 4'/.^ mm lang. 15 -> 14 ->■ 14 ->■ 14^14->14-> 14-»- Reizung! 14 -» 15 -> 14 -> 14 -> 14 -^ 14 -* 14 ->-. Ergebnis. Wie unter „Methodik" ausgeführt wurde, wirkt die auf Lack- mus deutlich reagierende Konzentration von 0,01 % Schwefelsäure auf O. Jenensis nicht giftig. Hier zeigt sich nun, daß sie auch Das Reizverhalten kiinstl.TeilHtücke, die Kontraktilität usw. iler OsciUatona Jenensis . 336 eine Umkehrreaktion nicht zu Wege bringt. Ob das vor- oder nachwandernde Ende vom Reiz getroffen wird, ist dabei gleichgültig. b) Versuche mit 0,025 O/q Schwefelsäure. (1 Teilstrich = 5,4 |i..) Reizung des vorwandernden Endes (A). 11. Faden 9 mm lang. 18 -<■ 17 -<■ 17 > 17 -> 13 -► Reizung! * 2 *- 16 — 16-^16^13->0-«-l<-'/j*-0. *) Zwischen Reizung und Reaktion liegt ein Zeitabschnitt von weniger als 53 Sekunden. Während das vorwandernde Knde sichtlich auf die Reizung reagiert, bald in ent- gegengesetzter, bald in ursprünglicher Richtung wandert, bald stillesteht, arbeitet unter- dessen das nachwandernde Ende (B) unbekümmert weiter, z.B. anschließend in 1 Minute: 16 —*. Ich beobachtete sofort Ende A und erzielte in 1 Minute: 0, dann wieder Ende B mit 16 — > usf. Das Gesamtbild der Fadenlage ist so: das vorderste Ende ist ca. 1 mm völlig gerade, darauf folgt ein intensiver kurzer Bogen von ca. 1 mm Ausdehnung, darauf das ca. 7 mm lange Hinterende in völlig gerader Lage. 12. Faden 5 mm lang. 17 ^ 18 ->■ 18 ^- 19 -> 18 -> Reizung! # 18 ^ ll->10->9<-14*-16<-17-*-. *) Zwischen Reizung und dem Beginn der ersten neuen Beobachtung liegt ein Zeitraum von weniger als 34 Sekunden. Die Umkehrreaktion erfolgt also nach ca. S'/j Minuten. Der gesamte Faden bleibt während der Beobachtung vollständig gerade. 13. Faden 7 mm lang. 15 -> 15 -> 16 -> 16 -> 15 ^> Reizung! 20 -> 13 ->■ (2 ■«- 10 ->) * 15 -»■ 10 -»■ 12 (1 •<- 12 -►; ♦*. •) und *♦): die eingeklammerten Weg- strecken beziehen sich auf einen Zeitabschnitt von je zusammen 1 Minute. Zwischen Reizung und der ersten Messung liegt ein Zeitraum von weniger als 30 Sekunden. Die Umkehrreaktion erfolgt also nach ca. 2^/2 Minuten. Beobachtung: Nach der Reizung zeigt der Faden auffällig ungleichmäßige Be- wegungen, die sich in ruckweisen, manchmal nicht aufzeichenbaren Vor- und Rück- bewegungen äußern. 14. Faden 4*/« "in» lang. 15 -> 14 ->■ 15 -»■ 15 ->• 15 -> Reizung! *14 -► 15->-16->-15->15->15->-14->-12->'ll-»-9-»'7->. *) Zwischen Reizung und erster neuer Beobachtung liegt ein Zeitraum von weniger als 40 Sekunden. Sofort hieran anschließend beobachtete ich */j-niinutenweise schnell hintereinander die Enden A und B und kam dabei zu folgenden Zahlen und Bewegungsrichtungen: Für je */« Minute abwechselnd: A:1^0 2-<-6-<-6-<-. — B:7->7->-6->6-t-8-«-. Es wird offenbar, daß mindestens eine gewisse Zeitlang die Enden A und B nicht gleichmäßig arbeiten. Während A mit einer Geschwindigkeit von 1 sich bewegt und alsdann minde- stens '/j Minute ganz stillesteht, bewegt sich B mit der Geschwindigkeit 7 weiter; und schließlich wandert B bereits mit dem Maß 6 in entgegengesetzter Richtung, während A nur die Geschwindigkeit 8 in der neuen Richtung aufweist usf. So wird das Gesamtbild des Fadens verständlich: Während das Ende A in einem markanten Bogen von ca. 1V2 mni daliegt, ist der übrige Teil des Fadens gerade. 15. Faden 4 mm lang. 18 ^ 18 -► 17 -► 17 -*• 18 ^ Reizung! (2 -» 16 •«-) * 4 — ►, darauf wie bei Faden Nr. 14 Y,-miuutige Beobachtungen (für A und B alter- 336 Günther Schmid, nierend) wie folgt: A:2-«-3-<-l<-O0OV2"^- — B:8^9-*9-»-8->8^ 8 ->. *) Die Einklammerung bezieht sich auf den Zeitabschnitt einer Minute. Zwischen Reizung und Reaktion liegt ein Zeitraum von weniger als 50 Sekunden. Das Gesamtbild des Fadens ergibt eine Schleifenlage. Der Faden ist in einem doppelten Bogen gekrümmt. Ich habe während der Zeit des Stillstandes bei A die Rotation der beiden Fadenenden verfolgt und gefunden, daß auch jetzt beide Enden gleichsinnig und zwar mit gleicher Geschwindigkeit rotieren (in 2 Minuten eine Rotation). Reizung des nachwandernden Endes (B). 16. bis 20. Die Belege für die fünf vorhandenen Versuche lasse ich der Raumersparnis wegen aus. Sie zeigen einheitlich keine Reaktion. Nach der Reizung wandert der Faden, so lange wie er beobachtet wird (6 — 10 Minuten lang), ohne Krümmungs- bildung in der alten Richtung weiter. Ergebnis. Durch Reizung mittels 0,025 7o Schwefelsäure werden ümkehr- reaktionen offenbar. Die Reaktionszeit beträgt im günstigsten Falle weniger als 50 Sekunden. Beobachtet werden jedoch auch Re- aktionszeiten von weniger als 53, 160 und 210 Sekunden. Die Umkehr erfolgt, wenn man den gesamten Faden ins Auge faßt, sehr wenig genau. Nur Faden Nr. 12 kehrt in allen Teilen gleich- mäßig um, ohne seine gerade Gestalt zu verändern. Sonst ist die Umkehr mit einer intensiven Bogenbildung verbunden, die dadurch zustande kommt, daß nur oder zunächst das unmittelbar gereizte Fadenende reagiert. 0,025 "/o H2SO4 stellt für O. Jenensis eine nicht unbedingt tödliche Verdünnung dar (vgl. unter Methodik). Diese Konzen- tration bedeutet offenbar nur einen schwachen chemotaktischen Reiz, der so schwach ist, daß er entweder zu langsam die Gesamt- strecke des Zellenverbandes durchwandert oder gar nicht ganz durchgeleitet wird. Kommt schließlich die Umkehr des gesamten Fadens zustande, so ist nicht ersichtlich, ob dies nicht durch einen mechanischen Reiz auf die Zellen des Endes B erfolgt, nämlich durch die intensive Krümmung des Endes A. Es stehen sich zwei Versuchsreihen gegenüber. Nur wenn A vom Reiz getroffen wird, erfolgt eine Umkehrreaktion. Für B bedeutet die Berührung mit dem Reizmittel keinen Reiz, oder es kann dieser doch nicht — auch nicht die geringste Strecke — durch den Faden weitergeleitet werden. Das Reizverhalten künstl.Teilßtücke, die Kontraktilität usw. der OsciUatoria Jenensis. 337 c) Versuche mit 0,05 "/o Schwefelsäure. ( 1 Teil;*tricli — 5,4 \x. i Reizung des vorwandernden Endes (A). 21. Faden 5 mm lang. 20 -* 19 -► 20 -> 17 -»■ 1 7 -> Heizung! 9 -» * 19 «^ 20 *- 21 ♦-. Faden bleibt gerade. *) Die Größe 9 bezieht sich hier auf einen Zeit- abschnitt von nur 40 Sekunden. Die Reaktionszeit beträgt weniger als 100 Sekunden. 22. Faden 6 mm lang. 22 -> 22 -> 21 -»■ 20 -* 21 -> Reizung! * 9 -»• 19 ■«- 22 •»- 25 *- 24 *-. Faden bleibt gerade. *) Zwischen Reizung und neuer Beobach- tung liegt ein Zeitraum von weniger als 2 7 Sekunden. Die Umkehrreaktion erfolgt nach weniger als 86 Sekunden. 23. Faden 3 mm lang. 16 -> 15 ->• 17 ->• 17 -»• 17 -*- Reizung! * 16 -> 19 ->■ 9-*16<-17<-. Faden bleibt gerade. *) Zwischen Reizung und neuer Beobachtung liegt ein Zeitraum von weniger als 25 Sekunden. Urakehrreaktion erfolgt nach weniger als 3 Minuten 47 Sekunden. 24. Faden ö*/« nim lang. 17 ->■ 16 ^ 18 -> 17 -> 16 ->- Reizung! 19 -* 17->15-»-6->-4-*. Also nach mehr als 5 Minuten nach der Reizung keine Um- kehr. Jedoch liegt jetzt das Ende A in starker Krümmung, was dafür spricht, daß das vorwandernde Ende rückwärts sich bewegt oder zum mindesten steht und nur passiv vom nachwandernden Ende B vorgeschoben wird. 25. Faden 3 mm lang. 19 -^ 17 ->■ 18 ^ 18 -♦ 18 -► Reizung! * 15 ->■ 13-«-18'«-19<-19<-. Faden bleibt gerade. *) Zwischen Reizung und neuer Beob- achtung liegt ein Zeitraum von weniger als 50 Sekunden. Umkehrreaktion erfolgt nach weniger als 110 Sekunden. Reizung des nachwandernden Endes (B). 26. bis 30. Faden. Hier muß dasselbe wie bei den entsprechenden Versuchen mit 0,25 "/o HjSO^ gesagt werden. Es finden keine Umkehrreaktionen statt. Ergebnis. Mit 0,05 7o als Reizmittel finden — wenn man den Versuch mit Faden Nr. 24 einbezieht — überall Umkehrreaktionen statt, falls der Reiz auf das vorwandernde Fadenende einwirkt. Außer im 24. Versuch ist der Reiz überall als kräftig zu bezeichnen. Der Faden schaltet der ganzen Länge nach um, daher bleibt er gerade. Auf das nachfolgende Ende bleibt die Reizung erfolglos. Die Reaktionszeit beträgt im günstigsten Falle weniger als 86 Sekunden: im übrigen wurde sie mit weniger als 100, 110, 227 Sekunden bestimmt. Ob die exakte ümkehrreaktion auf einer schnellen Reizleitung durch den ganzen Faden beruht, bleibt dahin- gestellt, da ebensogut möghch wäre, daß längs der Wasserhülle des Fadens Diffusion des Reizmittels stattfindet, wodurch den Faden überall geeignete Reizkonzentrationen treffen. 338 Günther Schmid, d) Versuche mit I o/q Schwefelsäure. 31. bis 35. Faden. Reizung des vorwandernden Endes: Unmittelbar nach der Berührung mit der Reizflüssigkeit geschieht ein energisches Zurückweichen der Faden- spitze, dem ein ebenso energisches Vorrücken folgt. In den früheren, geringeren Kon- zentrationen traten solche Erscheinungen nicht zutage. Dies hat auch Fechner (z. B. S. 315) schon beobachtet. Mit Recht vermutet er in diesen Erscheinungen Kontraktionen, die er im Anschluß an Untersuchungen von Brand (1) in Beziehung zu dem osmotischen Druck der Reizlösung bringt. Ich komme auf die Kontraktionen ausführlich im VII. Ab- schnitt zu sprechen. Reizcharakter kommt ihnen nicht zu. — Die eigentliche Umkehr- reaktion findet im übrigen in weniger als 40 — 60 Sekunden statt. 36. bis 40. Faden. Reizung des nachwandernden Endes. Auch für diese Ver- suche gelten die eben erwähnten Kontraktionserscheinungen. Eine Umkehrbewegung findet nirgends statt. e) Reizung beider Fadenenden mit i o/q Schwefelsäure. Die Reizung beider Padenenden erfolgte so: Entweder wurde zuerst das Ende A gereizt, nachdem eine Umkehrreaktion zu ver- zeichnen war, alsdann das — jetzt vorwandernde — Ende B, oder der umgekehrte Weg wurde eingeschlagen: mehrere Minuten nach der erfolglosen Reizung des nachwandernden Endes B wurde Ende A gereizt. 1) Fadenende A wird gereizt, nach der Umkehr wird Ende B gereizt. 41. Nachdem der gesamte Faden, welcher vorher —*■ wanderte, infolge Reizung des Endes A umgekehrt ist, also jetzt «— sich bewegt, wird 7 Minuten nach der Reizung Ende B beobachtet: 17 ■<- 17 -<- 18 -<- neue Reizung! 16^6->4-»-3-+l-»-l-»- 2 -> 2 -»• 1 -►. Reaktionszeit ca. 40 Sekunden. Der Faden liegt am Schluß in einem Bogen. Die beiden Fadenenden sind tot, was sich durch ihre rötlichbraune Verfärbung kundgibt. 42. 4 Minuten nach der Reizung des Fadenendes A wird B beobachtet. Die Be- wegungsrichtung (vorher — ►) ist jetzt B: 10-«-8<-8-*-5<-6-«- neue Reizung! .7 -»■ 6 -> 6 ^ 8 ->■. Reaktionszeit weniger als 60 Sekunden. Währenddessen liegt Ä völlig still. Der Faden hat am Schluß eine starke Krümmung hinter B aufzuweisen. Fadenenden tot. 2) Fadenende B wird gereizt, darauf nach einigen Minuten Ende A. 43. Nachdem nach der erfolglosen Reizung des Endes B 6 Minuten verstrichen sind, wird Ende A beobachtet. A:19->17->16-*16-> neue Reizung! 14 -> 12 *- 9<-9.<-13-*-19-«-16<-17-<-15-«-. Reaktionszeit weniger als 19 Sekunden. Am Schluß zeigt der Faden eine Bogenkrümmung im Abschnitt des letzten Sechstels der Gesamtlänge und zwar in der Nachbarschaft des Endes B. Fadenenden tot. 44. 7 Minuten, nachdem Fadenende B erfolglos gereizt worden ist, wird A beob- achtet. A: 14 ^ 17 -»■ 19 -^ 18 -* neue Reizung! 2-«-5*-5<-3-«-4<-. Reaktions- Das Reizverhalten künstl. TeÜBtücke, die Kontraktilität usw. der Oscillafona Jenensis. 339 zeit ca. 30 Sekunden. Der Faden hat in seiner Mitte eine Ausbiegung, sonst ist er gerade. Fadenenden tot. Die osmotischen Kontraktionen sind bei diesen Versuchen nicht mit aufgezeichnet worden. Ergebnis. Zunächst kann aus diesen Beobachtungen die Zahl der Daten für die Reaktionszeit vermehrt werden. Die Reaktionszeit beträgt ca. 30, 40 oder weniger als 60 bezw. 90 Sekunden. Die Versuche lehren andererseits einiges in bezug auf den Bewegungsmechanismus. Überall zeigt sich, daß nach Einwirkung der 1 "^Vo Schwefelsäure bereits nach Va Minute die Enden des Fadens absterben. Diese Zonen kommen demnach als bewegungs- tätige Fadenteile nicht mehr in Betracht. Findet gleichwohl eine Bewegung in irgend einem Sinne noch längere Zeit statt, so ist auf die Bewegungstätigkeit der übrigen, d. h. also der mittleren Faden- zone zu schließen: sie bewerkstelligen jetzt allein die Bewegung. Aus denselben Versuchen wird ferner klar, daß im normalen Bewegungsverlauf der jeweils vordere Fadenteil bewegungstätig mit arbeitet. Sonst dürfte, nachdem vorher die Abtötung des ersten Fadenendes geschah, weder bei den Versuchen unter 1) ~ 41 und 42 — noch bei denjenigen unter 2) — 43 und 44 — nach er- folgter Abtötung des zweiten Fadenendes ein Stillstand stattfinden. Auf diese Weise kommt ja die Bogenbildung im Faden zustande. 3. Reizung künstliclier Teilstücke. Die Teilstücke werden, wie üblich, durch schnelles Zerschneiden mit einem scharfen Rasiermesser eines auf dem Agar kriechenden und vorher in seinen Bewegungen studierten geraden Oscillarien- fadens erzeugt. Nach mehrminutiger Beobachtung eines Teilstückes erfolgt |die Reizung. Reizmittel ist in allen folgenden Versuchen 0,5 "/o Schwefelsäure. a) TeilstUcke aus einem Trennungsschnitt. Reizung des vorwandernden Wundendes. 45. Intakter Faden S'/« mm lang. Teilstück 1 mm lang. 1 Minute nach dem Trennungsschnitt : 14-»13->13-^1.^^ Reizung! 1 -^ 1 *- iVa -♦ Vj ^ t) 0 0. Das kurze Fadenstück ist getötet. Unikehrreaktion in mindestens 20 Sekunden. 46. Faden b mm lang, Teilstück l^j mm lang. Etwa 40 Sekunden nach dem Trennungsschnitt: 14 -» 14 -«• 14 ->- 14 -» Reizung! 7 -> 4 ^ V2 "^ V2 "^ 2 «- l'/j ■«- 2 -<- 2 <- 1 «-. Umkehrreaktion in weniger als 175 Sekunden und mindestens 340 Günther Schmul, 120 Sekunden. Das Fadenstück ist am Schluß gekrüninit. Während nämlich das Ende mit der Wundstelle zurückwandert («— ), wandert das Apikaiende in alfer RichtunR f— ») weiter. Abwechselnde '/j-minutige Beobachtungen ergeben folgende Zahlen: Apikalende: 4 — ► 4 — » 4 — ►. - Wumlende: 1 «— 1 «— 1 •<— . Der mitzuteilende Stofl" gliedert sich danach, ob die durch den Schnitt entstandenen AVundenden oder intakte Apikaienden gereizt werden. Da es mir besonders darauf ankam, die durch den Tren- nungsschnitt mit dem Rasiermesser geschaflenen neuen Fadenenden auf ihre Reizempfängliclikeit zu prüfen, reizte ich mit Vorliebe diese. 4 7 bis f>2. Versuche hinsichtlich der Teilstücklängen niannigfacli variiert. In den meisten Fällen bleibt das Fadenstück nach der Tnikehrreaktion , welche in 2.^, 40, (Kl, 74, Sh, 1 '2(1 Sekunden stattfindet, völlig gerade. Berücksichtigt man in diesen Ver- suchen, wie auch in frühereu das Impfalter der Fällen bezw. Fadenstücke, so zeigt sich bei völlig frischen Fäden eine glatte Umkehrreaktion, während ältere Fäden durchweg zu Bogenkrümmungen neigen. Die letzteren haben also eine langsamere oder weniger exakte Reizleitung. Reizung des nach wandern den Wunden des. 53 bis .^7. Das nachwandernde Wundende ist bald dasjenige, welches schon in dem intakten Faden während der Wanderung hinten liegt, bald dasjenige, das nach dem Schnitt — infolge des Schnittes als Reiz — das vorwandernde geworden ist. Keiner der Reiiversuche bewirkte — bei völliger Geradehaltung des Fadens — eine Umkehr- reaktion. Reizung des Apikaiendes. 58 bis 61. Noch wurde besonderer Wert darauf gelegt, das natürliche Apikalende an künstlich erzeugten Teilstücken zu reizen. Wie zu erwarten, ergibt das keinen Unter- schied gegenüber Versuchen, in denen das Wundende gereizt wurde. Ergebnis. Durch den künstlichen Eingriff ist augenblicklich ein neues Fadenende ohne die morphologischen Eigenschaften des natürlichen Apikaiendes gebildet worden, das aber in seiner Empfindlichkeit für den chemotaktischen Reiz dem Apikalende gleicht. Es ist ganz gleichgültig, ob Apikal- oder Wundende gereizt wird. Wenn • nur immer der Reiz entgegengesetzt der B«wegungsrichtung des Fadenstückes angreift, schaltet das Fadenstück um. Andererseits ist in allen Fällen Reizung eines nachwandernden Fadenstückes — gleichviel, ob A])ikal- oder Wundendes — wirkungslos. Diese für die Frage der Reizleitung wichtige Tatsache belegt von neuem auch die Autonomie der Fadenteile, da sie sich ja nicht anders wie die ganzen Fäden verhalten. Auch in den Teilstücken können nach der Reizung Hogenbildungen auftreten. Sie beruhen wie bei Das Reizverhalten künstl.Teilstiicke, die Kontraktilität usw. der Osritlntoria Jenensts. 341 intakten Fäden auf mangelhafter Reizleitung und kommen letzthin durch die verschiedene Bewegungstätigkeit hinsichtlich der Rich- tung und Geschwindigkeit verschiedener Zonen zustande. Die Reaktionszeit für die Umkehr nach der Reizung wurde wechselnd mit etwa 20 — 120 Sekunden ermittelt. b) Teilstücke aus zwei Trennungssohnitten. fkeizuDg apexloser Stücke.; Durch zwei schnell hintereinander geführte Schnitte wird ein mittleres Stück des Fadens herausgetrennt. Dies Stück besitzt also beiderseits ein Wundende. Der somit apexlose Fadenteil wird bald nach dem Schnitt in gewohnter Weise gereizt. Reizung des vorwandernden Endes. 62. Intakter Faden war ö'/j mm lang. TeiUtück ist 4 mm lang, hat infolge des Trennungsschnittes die ursprüngliche Richtung geändert. 2 Minuten nach den Schnitten; 18 -► 18 -* 19 -> 10 -► 19 -♦ 19 -► Reizung! 18 -<■ 17 -► TU -*• 3 ■>-) 16 •<- 15 ■<- 16-^ 17-»- 16«- 16-^ 15-«-. Reaktion in weniger als 197 Sekunden, in mindestens 167 Sekunden. Fadenstück bleibt gerade. 63. Intakter Faden «war 5 mm lang. Teilstück ist 4 mm lang, wandert in ur- sprünglicher Richtung. 2 Minuten nach den Schnitten: 21 -♦ 21 ->• 21 -»■ 20 ->■ 20 -*■ 21 ^ Reizung! 20 ->■ 20 -> 18 -> (2 ^ 6 *-) 19 <- 20 <- 19 <- 19 <- 21 •«-. Faden- stück bleibt gerade. Reizung des nachwandernden Endes. 64. Intakter Faden war 4'/« mm lang- Teilstück ist 2 mm lang. Richtungs- wechsel infolge der Schnitte wie unter Nr. 62. Alsdann 4 Minuten nach den Schnitten: 16-»>16->17-^17-*17->-17->17-<- Reizung! 11 -> 6 -* 6 -►6-*5-»-4->', nach einer Beobachtungspause von 10 Minuten: 9 -► 10 -»• 10 -*■. Fadenstück bleibt gerade. 65. Intakter Faden war 4 mm lang. Teilstück ist 1 '/; mm lang. Richtungs- wechsel wie vor. 3 Minuten nach dem Schnitt: 20 -► 21 ->• 21 -► 20 -► 21 -► 20 -> 20 -* Reizung! 20 -»■ 21 ->• 20 -► 20 -► 21 -► 20 -*■ 20 ->■ 21 -+ 20 -». Fadeustück bleibt gerade. Ergebnis. Um Raum zu sparen, wird auf die Mitteilung weiterer Ver- suche mit apexlosen Stücken verzichtet. Es ist zur Genüge er- sichtlich, daß apexlose Teilstücke aus dem Mittelteil des Oscillarien- fadens in ihrem chemotaktischen Reizverhalten autonom sind. Die Apikalzelle ist mithin für die Reizperzeption nicht unerläßlich. Vielmehr vermag jede Zelle den chemischen Reiz zu perzipieren 342 • Günther Schmid, und weiterzugeben. Hinsichtlich der Reizleitung ergibt sich nichts anderes wie in den früheren Versuchen: Der Reiz kann nur wirken, wenn er dem jeweils vorwandernden Fadenende genähert wird. Abschnitt TU. Weitere taktische Versuche. 1. Negative Phototaxis. Oscillatoria Jenensis ist — im Gegensatz offenbar zu allen grünen Oscillarienarten — nicht positiv phototaktisch. Der schattig lebende Organismus bekundet andererseits bei stärkerem Tageslicht negativ taktische Reaktionen von wechselndem Ausmaß. Weil ich nun durch Erwärmen auf 40** (Schmid, II, S. 607) phobische Reizantworten nicht erzielen konnte, nehme ich an, daß der Reiz- erfolg in den an anderer Stelle (Schmid, I, S. 365) mitgeteilten Versuchen, bei denen Bogenlichtbestrahlung Umkehr der Fäden bewirkte, nicht der dort gemessenen Erwärmung von 40 — 42^, sondern eben der intensiven Belichtung selber zu verdanken ist. Ich möchte die damals unter anderen Gesichtspunkten ausgeführten Beob- achtungen hier noch einmal heranziehen, ohne daß der Frage, ob Photo- oder Thermotaxis vorliegt, irgendwie nähergetreten werde. Aus genanntem Versuchsbericht ist ersichtlich, daß es für den Erfolg der Umkehrreaktion davon abhängt, ob Vorder- oder Hinter- ende eines wandernden Oscillarienfadens auf die hellbeleuchtete Öffnung der Objekttischblende gebracht wird. Nur wenn man das jeweilige Vorderende der Belichtung einer Bogenlampe aussetzt, erfolgt der sichere Richtungswechsel. Schon damals wurden nicht nur intakte Fäden verwendet. Ob am vorwandernden Ende die Apikaizelle und deren Nachbarschaft unversehrt vorhanden oder ob der Oscillarieufaden ein Bruchstück war, war für den Reizausfall gleichgültig. Ich verfüge noch über eine ganze Reihe Aufzeich- nungen derartiger Versuche, die stets dasselbe besagen. Die Umkehrreaktion unterbleibt gesetzmäßig, wenn ein beliebig langer Abschnitt des jeweiligen Hinterendes eines Oscillarienfadens oder Fadenbruchstückes von intensivem Licht getroffen wird. Hierher wollen wir auch die von Nienburg mitgeteilten Ver- suche über die Perzeption des Lichtreizes bei den Oscillarien stellen : Das Reizveilialten kiinstl.Teilstiicke, die Kontraktilität usw. der Oscillalnria Jenensis 343 2. Positive Phototaxis. Nienburg arbeitete mit einer grünen Oscillarie — Oscillatoria Cortiana Menegli. — , die auf Beschattung prompt mit einer Be- wegungsumkehr, also nach der üblichen Bezeichnungsweise positiv phototaktisch reagiert. Er projizierte einen scharf begrenzten recht- eckigen Lichtfleck auf das im übrigen verdunkelte Substrat und beobachtete den Faden in dieser „Lichtfalle". Als einfachster Fall ergab sich dieser, daß die Oscillarie im hellen Felde gegen die Dunkelgrenze vorwanderte und sie überschritt, wobei der vordere Fadenteil aber nur eine bestimmte Strecke weit umschattet werden konnte; denn es genügte diese teilweise Beschattung, um den Faden stillstehen und umkehren zu lassen. Der Faden bewegte sich ins Lichtfeld zurück, wanderte auf die gegenüberliegende Dunkelgrenze zu, wo nach dem Überschreiten wieder die Umkehrreaktion aus- gelöst wurde usf. Es erscheint uns von Wert zu wissen, wie weit das vorwan- dernde Fadenende, während das Hinterende beleuchtet wird, in die Dunkelheit eintauchen muß, damit der ganze Faden umkehrt. Aus Nienburgs Diagrammen läßt sich hierfür einiges ablesen. Das verdunkelte Fadenstück ist ziemlich lang. Es beträgt 20 bis 90 7o; das ist eine sehr wechselnde Länge, die auch, absolut gerechnet, wechselnd lang ist (etwa 2V2 — 27 Längeneinheiten =: 37 — 398 ^a). Im übrigen finde ich eine Abhängigkeit zwischen der relativen Größe des beschatteten Fadenendes und der absoluten Länge des Gesamtfadens. Man vergleiche folgende Werte: 1. Fadenlänge 10 (Nienburg, S, 169. Diagramm Nr. 3). Relative Länge des beschatteten vorderen Fadenendes ca. 30—40% des Gesamtfadens, im Mittel 30*/q. 2. Fadenlänge 14 (S. 167 Nr. 2). Relative Länge wie vor, ca. 10 — 50 7oi i™ Mittel 30%. 3. Fadenlänge 15 (S. 165 Nr. 1). Relative Länge wie vor, ca. 20— 307oi '"» Mittel 25 7,. 4. Fadenlänge 19 (S. 173 Nr. 5). Relative Länge wie vor, ca. 50 — 807oi im Mittel 60 7o. 5. Fadenlänge 25 (S. 175 Nr. 6). Relative Länge wie vor, ca. 7o7o des Gesamt- fadens (nur eine Bestimmung möglich). 6. Fadenlänge 27 (S. 171 Nr. 4). Relative Länge wie vor, ca. 30 — 60 7o, im Mittel 50 7o. 7. Fadenlänge 30 (S. 176 Nr. 7). Relative Länge wie vor, ca. 60 -907«. im Mittel 70 7(,. Während den Fadenlängen von 10 — 15 absoluter Länge ein beschattetes Vorderende von 25 — 30Vo entspricht, ist dieses bei 344 Günther Schraid, einem Gesamtfaden von 19 — 30 Länge 50 — 70 7o groß. Da nach meiner Erfahrung längere Fäden schon ungereizt einen langsameren Umkehrrhythmus zeigen, bin ich geneigt, obige für kürzere Fäden notierten geringeren relativen Beschattungslängen aus diesem Ver- halten zu erklären. Die Tendenz zur Umkehr bezw. die vielleicht schon sowieso eingeleitete Phasenfolge, welche auf die Umkehr hinzielt, wird durch die Verdunkelung wahrscheinlich zu schnellerem Ablauf gebracht. Die Dinge verdienten im Anschluß an Härders Ergebnisse, welche nur für Verdunkelungen des ganzen Fadens gelten, eine erweiternde Untersuchung für das Verhalten beim Über- kriechen einer Hell -Dunkelgrenze. Man dürfte daraus wohl auch bestimmteres über die eigenartigen Reizleitungsverhältnisse erwarten, worüber ich später einiges sagen möchte. Kann man schon aus Nienburgs Reaktionen mit der Licht- falle mutmaßen, daß die Verhältnisse hinsichtlich des erfolgreichen Reizortes gar nicht anders als bei den mitgeteilten chemotaktischen Versuchsergebnissen liegen, so wird dies zur Gewißheit, wenn man die übrigen von ihm angestellten Versuche durchsieht. Aus dem Erfolg der gleichzeitigen Beschattung beider Apikaienden (indes die Fadenmitte hell bleibt) schließt er, daß die Fadenspitzen zum mindesten nicht reizempfindlicher als die übrigen Fadenteile sein können. Nienburg stellt den Satz auf, daß der Lichtreiz um so stärker empfunden wird, je größer die Körperoberfläche ist, die von dem Reiz getroffen wird. Es ist interessant, daß dieser Forscher, obschon er unter dem Einfluß der Fechnerschen Hypo- these von der Bedeutung der Apikaizelle steht, zu der Anschauung gelangt, die Oscillarie perzipiere den Lichtreiz mit der ganzen Fadenoberfläche in gleicher Weise. Ferner ist es für uns wichtig zu wissen, daß Nienburgs Erwartung, es müsse einerlei sein, ob man den Faden von vorn oder von hinten verdunkelt, sich nicht bestätigte. Verbleibt nämlich die Spitze im Hellen, während der größte Teil des Fadens fortlaufend von hinten beschattet wird, so ändert sich nichts an der Bewegungsrichtung (Nienburg, S. 181 bis 184). Nienburg vergleicht ferner (S. 177) die Reaktionszeit bei teilweiser mit derjenigen bei totaler Verdunkelung des Fadens. Im Mindestfalle ist sie bei totaler Verdunkelung 2,5 mal kürzer, im Höchstfalle bei 6 Fäden (24 Beobachtungen) sogar 9 mal, im Durchschnitt 4,8 mal kürzer als bei teilweiser Verdunkelung. Er hat es unterlassen, diese Verhältniszahlen mit der Flächengröße der jeweilig verdunkelten Fadenstücke in Beziehung zu setzen. Das ReiEverhalten künstl.Teilstüeke, die Koniraklilität usw. der Oseillatoria Jenensi.i. 345 Dürfen wir dies hier nachholen, indem wir die zu vergleichenden Werte aus seinen Diagrammen 1 — 7 herauslesen, so finden wir, daß bei 7 Fäden (36 Beobachtungen) zwar einmal der Gesamtfaden 10 mal, aber in anderen Fällen dieser oft nur 1,01 — 1,6 mal größer als der verdunkelte Abschnitt ist und im Mittel aus 36 Beobachtungen die Verhältniszahl 2,4 ergibt. Hiernach wäre die Reaktionszeit (4,8 : 2,4) 2 mal kürzer, als sie aus den Beschattungsgrößen der Fäden zu errechnen wäre, und Nienburgs Sätze von der überall gleichen Reizempfindlichkeit des Oscillarienkörpers und der Pro- portionalität von Reizempfindlichkeit und Größe der gereizten Oscillarienoberfläche sind aus den von Nienburg selber gelieferten Unterlagen anfechtbar. Es erhellt dies noch deutlicher, wenn wir aus Nienburgs Diagramm Nr. 7 einige Zahlen zusammenstellen, die den Unter- schied zwischen teilweiser, für die Umkehr erfolgreicher Ver- dunkelung mit völliger Dunkelheit stärker hervorkehren. Zunächst der erste Teil des Diagramms auf S. 176 und der mittlere Teil auf S. 178: Der Faden kriecht mit der vorwandernden Spitze ins Dunkelfeld, bis er umkehrt. Dies geschieht 3 mal mit verschiedener Geschwindigkeit. Je langsamer der Faden sich bewegt, desto früher kehrt er um. Andererseits wächst die Länge der dabei ver- dunkelten Fadenstrecke mit der Geschwindigkeit an. Um eine — wenn auch nur rohe — Größe für die Quantität des Reizes zu haben, führe ich die „Dunkelmenge" ein. Die Dunkelmenge ist die Zahl für die insgesamt verdunkelte Oscillarienoberfläche vom Zeitpunkt des Überschreitens der Dunkelgrenze bis zum Augen- blick der Umkehr. . . . , „ , Länge des ver- Mittl. Geschwill- , , ,. r, j ., , ■ ,. , . uuiikelten Faden- Keaktionszeit ,^ , , digkeit , , -,. . .,. ^ üunkelmenge ... abschnitts in Minuten für 1 Minute , . TT 1 1 bis zur Umkehr 1,47 28 19 289 1,37 23 ITVg 236V, 1,27 17 137« 128»/« Anders bei sofortiger Verdunkelung des ganzen Fadens (dasselbe Diagranini S. 178) 2,00 30 2 60 0,50 30 2 (V) 60 (?. vielleicht { 60). Obgleich hier die Geschwindigkeit die bedeutende Größe von z. B. 2,0 beträgt, also viel größer als obige 1,47 ist, vermittels deren der Faden 28 Längeneinheiten ins Dunkelfeld geschoben wird, ist die erforderliche Dunkelmenge nur 60 gegenüber 289 bei 1,47! 346 Günther Schniid, Die Nienburgschen Ergebnisse sind nur als die erste Etappe auf dem langen Wege noch auszuführender Versuche anzusehen. Für uns dürfte dies eine als erwiesen gelten, daß der Verdunkelungs- reiz nur jeweils auf das vordere Ende einer wandernden Oscillatoria Cortiana wiriisam, unwirksam dagegen auf das jeweils hintere Faden- ende ist. Abschnitt IV. Der Durchtrennungsschnitt als Reiz. Nach der Durchschneidung des Oscillarienfadens mit dem Rasier- messer setzen die entstandenen Teilstücke in allen Fällen die Be- wegung in ursprünglicher Richtung, d. i. der Bewegungsrichtung des intakten Fadens, weiter fort. Es wurde schon früher hieraus geschlossen, daß auch der intakte Faden in allen Teilen sich in derselben Richtung bewegt. Ob nach einer gewissen Reaktionszeit der Trennungsschnitt auf spätere Phasen des Bewegungs Verlaufes einwirkt, wurde bisher beiseite gelassen. In fast allen Schnitt- versuchen ist aber von mir darauf geachtet worden; und überdies habe ich eine Reihe eigens darauf abzielender Versuche angestellt, um das zunächst regellos erscheinende Verhalten in der Reaktion der beweglichen Teilstücke aufzuklären. Ich verfüge über 54 der- artige Beobachtungen. Da ist zunächst zu sagen, daß das Durchtrennen des Fadens mit dem Messer — schneller kurzer Schlag mit dem Rasiermesser auf die wandernde Oscillarie senkrecht zur Längserstreckung des Fadens; die Oscillarie kriecht über die Agargallerte dahin — offen- bar nur eine schwache Reizung oder in vielen Fällen vielleicht gar kein Reiz ist. In 47,7 "/o der Versuche nämlich erfolgte nachdem Schnitt auch später nirgends eine Umkehr der Teilstücke. Die fortlaufende Beobachtung vom Zeitpunkt des Durchtrennens ab dauerte 4 — 15 Minuten. Dabei betrug die Länge des kürzesten Teilstücks gelegentlich sogar nur l mm, während das Maß des intakten Fadens von 3 — 9,5 mm abwechselte. Aus der Geschwin- digkeit der Teilstücke, deren Maß bald demjenigen des intakten Fadens gleich war, bald eine Beschleunigung, bald Verlangsamung zeigte, lassen sich nicht ohne weiteres Reizbeantwortungen heraus- finden, da ohnehin, wie früher wahrscheinlich gemacht werden konnte, schon innerhalb des intakten Fadens die Fadenzonen unter- schiedlich wirksam sein können. Deren verschiedene Geschwindig- Das Reizverhalten kilnstl.Teilstüeke, die Kontraktilität usw. der Oscillatoria Jenensis. 347 keiten müssen nach der Zerstückelung um so deutlicher hervor- treten. Wo andererseits die Durchtrennung deutliche und eindeutige Reaktionen hervorruft — und dies ist in den verbleibenden 52,3*^/0 der Versuche fast immer der Fall — kann nicht übersehen werden, worin die Reizung besteht. Am ehesten ist wohl dafür der kurze intensive Druck verantwortlich zu machen, den beim schnellen Durchschneiden des Fadens das Messer auf die Schnittstelle und deren Nachbarschaft ausübt. Druck zeitigt ja auch sonst wechselnde Reizerfolge, wie z. B. dann, wenn der Faden beim Kriechen mit seiner Spitze auf ein Hindernis stößt, und dürfte beim Schnitt eher in Frage kommen als der Reizkomplex, den man Verwundung nennt, oder die Erschütterung, von der ein Einfluß auf die Be- wegungsrichtung nicht bekannt ist. Wie man dies auch immer beurteilen mag, handelt es sich hier jedenfalls nicht um chemo-, noch weniger um phototaktische Reizung. Die Reizerfolge indes lassen sich leicht mit jenen Vorgängen ver- gleichen, wie nachfolgend gezeigt werden soll. Entsprechend den beiden Enden A und B des intakten Fadens heißen die durch einen Trennuugsschnitt entstandenen Teilstücke ebenso. Teilstück A ist das vor dem Schnitt vorwandernde Ende. Die Bewegungsreaktionen auf eine einzige Durchtrennung mit dem Rasiermesser sind am übersichtlichsten und wurden daher eingehend studiert. Es ergibt sich, daß die oben schon genannte Prozent- zahl (52,3) 44,9°,, Reizerfolge einschließt, das sind also 85,8 'Vo der Reizerfolge überhaupt, wo es sich lediglich um eine Umkehr des Teilstückes B handelt. Hier behält Teilstück A unverwandt die vorher innegehabte Bewegungsrichtung bei. Während also im Sinne meiner früheren Ausführungen unmittelbar nach dem Schnitt beide Teilstücke in der Richtung des intakten Fadens hinterein- ander weiterkriechen, trennen sich nach einer gewissen Reaktionszeit ihre Wege, indem der Abstand zwischen den Teilstücken durch das Fortwandern in entgegengesetzter Wegrichtung immer größer wird (B A). Bei der Unkontrollierbarkeit des eigentlichen Reizes und seiner quantitativen Einwirkung habe ich keinen Wert darauf gelegt, die Reaktionszeit zu bestimmen. Sie beträgt wahrscheinlich im günstigsten Falle V2 — 1 Minute. Aber selbst nach ca. SV» Minuten habe ich Umkehr des Teilstücks B beobachtet, die ich auf Reizung durch den Messerschnitt zurückführe. Fadenlängen sowohl wie absolute und relative Länge der Teilstücke waren in diesen Ver- Jahrb. f. wies. BoUuik. LXII. 23 348 Günther Schmid, suchen so verschieden als möglich gewählt worden. Die Faden- länge wechselte von 2,8 — 8,1 mm, diejenige des Teilstückes A betrug etwa 'A — "Vi der Gesamtfadenlänge. In einem bestimmten Falle war z. B. der ganze Faden 6,4 mm, Teilstück A 1,6, B 4,8 mm lang; mithin betrug die relative Länge von A V4 der Gesamtlänge. Ein Vergleich der Geschwindigkeiten vor und nach der Durchschneidung lehrt nichts Gesetzmäßiges. Während bei B stets verlangsamte Bewegung beobachtet wird und dies die Umkehr ankündigt, läßt sich in bezug auf Teilstück A eine veränderte Geschwindigkeit ebensowohl als Reizerfolg wie als Sondergeschwindigkeit der be- treffenden, durch den Schnitt lediglich isolierten Fadenzone deuten. Die verbleibenden 7,4 'Vo Reizerfolge beziehen sich auf 4 Fälle, die eine besondere Besprechung notwendig machen. Zunächst 3 Fälle, wo nach dem Schnitt nur Teilstück A umkehrt. Hier entsteht das Bild, daß die beiden Teilstücke, diesmal erst, nachdem sie anein- ander vorbeigegangen sind, den Wegabstand zwischen sich immer größer werden lassen (B A). 1. Der intakte Faden ist 10,2 nin) lang. Der Schnitt zertrennt ilin in ungleich lange Teilstücke A: 1,7 mm, B: 8,5 mm. Es scheint mir weniger beachtenswert, daß A nur '/g des Gesamtfadens lang ist, als daß er selber das geringe absolute Maß von 1,7 mm Länge mißt. 2. Länge des intakten Fadens beträgt 4 mm. Diesmal ist B kürzer. A: 2,3 mm, B: 1,7 mm. A ist alsu etwa Y51 ^ ^6 ^^^ Gesamtlänge groß. • 3. Länge des intakten Fadens beträgt 6 mm. Maße der Teilstücke: A 4 mm, B 2 mm lang. A kehrt erst nach ca. 4 Minuten nach dem Schnitt um. In diesen drei Fällen muß der letzte als zweifelhafter Reiz- erfolg angesprochen werden, da die Umkehr nach ca. 4 Minuten ebenso gut ohne den vorausgegangenen Schnittreiz vor sich ge- gangen sein könnte. Die beiden anderen Fälle, also die einzigen unter 54 Beobachtungen, mögen durch mangelhafte Versuchstechnik genügend erklärt sein: Es ist anzunehmen, daß durch ungeschickten Messerschlag irgendwie der ganze Faden hier in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Noch ist ein weiterer Fall zu erwähnen, der die dritte Mög- lichkeit der Umkehrbewegungen zweier Teilstücke verkörpert: Es kehren beide Teilstücke nach dem Schnitt um (B A). 4. Der 4 mm lange Faden wird durch den Schnitt in ungefähr gleich lange Teile zerlegt: A 2, B 2^2 mm Länge. Nach dem Schnitt kehren beide Teile um. Auch dieser Versuch fällt aus dem Rahmen der Reizerfolge heraus, da die Umkehr offenbar vor der Durchtrennung bereits Das Reizvorlialten kilnstl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der Oscitlatnna Jetiensisi. 349 eingeleitet gewesen ist, was aus dem Vergleich der Geschwindig- keiten vor und nach dem Schnitt geschlossen werden muß. Die Geschwindigkeit war nämlich zuvor auffallend gering und sank von 15 auf 13 Einheiten für die Minute, um nach dem Schnitt — nach der Umkehr — sofort mit 20 Einheiten zu erscheinen und zwischen 20 — 21 schwankend 16 Minuten hindurch auf dieser, offenbar nor- malen Geschwindigkeitshöhe zu bleiben. Wie verhält sich der Oscillarienfaden bei einer entsprechend mehr Teilstücke erzeugenden, größeren Zahl von Treunungsschnitten? Aus technischen Gründen iiabe ich mehr als 3 Durchtrennungen (= 4 Teilstücke) bei einem Faden nicht angebracht; denn weitere Zerstückelungen sind wegen der Versuchsfehler nicht diskutabel. Ich beschränke mich darauf, als Belege für das offenbar überall gültige Verhalten einige Fälle anzuführen, bei denen der Faden nur 2 mal mit dem Rasiermesser durchtrennt wurde. Hierbei ent- stehen 3 Teilstücke, die, von dem vorwandernden Ende A aus gezählt, A, B und C heißen. Die Schnittfolge kann von A nach C oder von C nach A laufen. Wenn es auch so scheint, daß Umkehr der Teilstücke etwas häufiger eintritt, wenn die zuerst genannte Schnittfolge eingehalten wird, weshalb für andere Zwecke früher (Schmid, II, S. 621) die zweite bevorzugt wurde, so glaube ich doch auf eine, nur durch eine größere Zahl von Versuchen erreich- bare, sichere Feststellung dieser Tatsache verzichten zu dürfen. Bei dem geringfügigen Häuiigkeitsunterschied und der immerhin doch unübersichtlichen Versuchstechnik wäre hieraus doch nichts Ersprießliches für eine theoretische Beurteilung zu erwarten. Der Erfolg des zweimaligen Durchschneidens eines Oscillarien- fadens ist nun folgender: 1. Es können alle Teilstücke in der Richtung des Ganzfadens weiterwandern. Dies ist ein häufiger Fall. 2. Nach den Durchtrennungen kehren alle drei Teilstücke gleich- mäßig um. Dies ist nur einmal beobachtet worden und läßt sich, wie der entsprechende Fall bei nur einer Durchschneidung früher 80 erklären, daß der vor dem Schnitt sich langsamer bewegende Faden (was tatsächlich festgestellt wurde) einer Umkehr zustrebte, die er dann nur in seinen Teilstücken vollziehen konnte. — Oder es geschehen: 3. ungleichmäßige Umkehrbewegungen der Teilstücke. Dabei werden alle Möglichkeiten erschöpft, außer, daß Teilstück A jemals die Urakehrbewegungen mitmacht. Es kann Stück B allein um- 2:3* 350 Günther Schmid, kehren, während A und C in alter Richtung weiterwandern; das- selbe kann mit C geschehen, und A und B bleiben, wie früher berichtet; und schließHch kehren zwei Teilstücke um: B mit C. Bei den Versuchen wurde die relative wie absolute Größe der Stücklängen mannigfach abgewandelt. Sie haben auf das Ergebnis offenbar keinen Einfluß. Einige Beispiele: B k e h rt u m : 1. öanzfaden: 4,1 mm lang. A: 1,4, B: 1,4, C: 1,3 mm lang. Reaktionszeit 2 Minuten. 2. öanzfaden: 5,0 mm lang. A: 0,6, B: 4,0, C: 0,4 mm lang. Reaktionszeit wie vor. C kehrt um: 3. Ganzfaden: 3,5 mm lang. A: 0,5, B: 2,5, C: 0,5 mm lang. Reaktionszeit ca. */« Minute. 4. Ganzfaden: 5,0 mm lang. A: 1,0, B: 2,5, C: 1,5 mm lang. Reaktionszeit V4 Minute. B -]- C kehren u m: 5. Ganzfaden: 5,6 mm lang. A: 1,0, B: 4,0, C: 0,6 mm lang. Reaktionszeit ca. */j bezw. ^|^ Minute. 6. Ganzfaden: 6,0 mm lang. A: 1,5, B: 3,5, C: 1,0 mm lang. Ca. Y2 Minute nach den Schnitten kehrt C, nach weiterer '/j Minute kehrt B um. Das Ergebnis läßt ebenso wie bei den Versuchen mit nur einem Durchtrennungsschnitt keinerlei Zweifel für die Formulierung der hier vorliegenden Tatsache zu. Vielleicht wird die Sachlage noch klarer, wenn wir nicht mit intakten, sondern mit Fadenteil- stücken ohne die beiden normalen Apikaienden oder mit nur einem Apex arbeiten, z. B. solchen, die soeben durch Schnitte entstanden sind. Gleichviel ob diese Teilstücke nach ihrer Entstehung eine Umkehrreaktion ausgeführt haben oder nicht, stets gilt der Satz, daß auf die Reizung durch den Messerschnitt niemals ein Bruch- stück reagiert, dessen eines Ende vor dem Schnitt dem vorwan- dernden Ende des entstehenden Teilstückes angehört hat. Wo immer ein Richtungswechsel auftritt, betrifft er die jeweils vor dem Schnitt nachwandernden Fadenteile. Dies läßt sich mit den in den vorigen Abschnitten bezüglich des photo- und chemotaktischen Verhaltens erzielten Ergebnissen in Parallele setzen. Bei den vorliegenden Versuchen ist der Reizort die im Entstehen begriffene oder bereits entstandene Schnittstelle, wobei der Schnitt selber als Reiz wirkt. Alsdann wird jedesmal zu gleicher Zeit das Hinterende des einen, wie das Vorderende des anderen Teilstückes von demselbsen Reizumstand betroffen. Das Reizverhalten künstl.Teilstiicke, die Kontraktilität usw. der Oscillatona Jenensis. 351 Und zwar gilt dies für jeden beliebigen Abschnitt des Fadens, sofern nur immer eine Trennung durch Schnitt erfolgt. Bewegungsumkehr tritt — ganz analog dem chemo- und phototaktischen Verhalten — nur in demjenigen Teilstück ein, dessen Schnittort, d. h. Reizort, zugleich das vorwandernde Ende dieses betreffenden Teilstückes ist. Das ist der Grund, warum infolge des Durchtrennungsschnittes in fast keinem der Versuche jemals das Fadenende A des intakten Oscillarienfadens die Bewegungsrichtung umschaltete. Abschnitt V. Die Polarität des Oscillarienfadens. 1. Theoretische Betrachtungen. Die Untersuchungen der vorhergehenden Abschnitte haben, so sehr sie auch noch der Vertiefung bedürfen, für alle in Frage kommenden Reize unzweifelhaft dargetan, daß der morphologisch unpolare Oscillarienfaden während der Bewegung ein polares Wesen ist. Die beiden Fadenenden können vermöge der im normalen Ablauf erfolgenden Umkehrbewegung beliebig Vorder- oder Hinter- ende sein. Doch nur, wenn ein Reiz das jeweilige Vorderende trifft, ist er wirksam. Schon Fe ebner (S. 320) konnte hierfür einige Belege liefern. Am „negativen Ende" mit repulsiv wirkenden Stoffen gereizte Fäden ließen, wie er mit anderen Worten ausdrückt, bei keinem Stoffe jemals eine positive Reaktion eintreten. Nien- burg beobachtet dasselbe für den Verdunkelungsreiz. Die Er- klärungen für dieses Verhalten gründen sich bei beiden Forschern auf die von Fechner aufgestellte Hypothese von der Apikalzelle als Bewegungsorgan. Sie weichen darin ab, daß nach Fechner der chemotaktische Reiz nur von den Fadenenden, der Lichtreiz nach Nienburg von der gesamten Oscillarienoberfläche perzipiert werde. Der chemische Reiz soll nur von der im Betrieb befind- lichen, d h. der jeweils vorderen oder positiven Apikalzelle empfangen werden. Der Reiz werde durch den Faden nach der negativen Apikalzelle geleitet; die Reaktion bestehe in der Erzeugung von Bewegungsschleim von Seiten der negativen Apikalzelle unter gleich- zeitigem Aufhören der Schleimlieferuug durch den positiven Apex, so daß der Erfolg die Umkehr der Bewegungsrichtung sein müsse. Der Lichtreiz (der durch Beschattung hervorgerufene Reiz) hin- gegen soll über ein beleuchtetes Stück des Fadens nicht hinweg 352 Günther Schmid, geleitet werden können und zwar dann nicht, wenn der beleuchtete Fadenabschnitt zwischen Perzeptionsort und positivem Fadenende liegt. Andererseits sei die Reizleitung normal, wenn sie zwischen Perzeptionsort und negativem Fadenende über einen beleuchteten Abschnitt führt. Nienburgs Darlegung birgt also die allerdings nicht ausgesprochene Vorstellung, daß von einer beliebigen Per- zeptionszone aus der Reiz nach beiden Apikalzellen hinwandere, am positiven Ende den Stillstand, am negativen die Auslösung der Schleimerzeugung bewirke. Wie wäre es dann denkbar, daß die Oscillarie bei Verdunkelung des hinteren (negativen) Endes un- verwandt mit ungeminderter Geschwindigkeit beispielsweise 30 Minuten weiter wandert, anstatt, wie es nach obiger Darlegung sein müßte, infolge der Gegeneinanderwirkung der beiden Apikalzellen stille- zustehen oder zum mindesten Störungen aufzuweisen? Eher könnte man einer anderen Vorstellung zustimmen, die annimmt, daß die Inbetriebsetzung der negativen Apikaizelle des Zusammenwirkens zweier Reize bedürfe, dem von der Perzeptionsstelle nach hinten ausgehenden unmittelbaren Reiz, vereint mit dem zuerst nach vorn und dann wieder zurückwandernden, aber auf dem Umwege über die positive Apikalzelle umgewandelten Reize. Da die Apikalzellen in korrelativem Verhältnis zueinander stehen und auch Nienburg offenbar dieser Meinung ist, ließe sich schließlich als eine hiervon abgeänderte Hypothese noch diese Auffassung vertreten: Zur Hemmung des Schleimflusses ist der primäre, vom Perzeptionsort hergeleitete Reiz erforderlich, zur Erzeugung des Schleimes der von der gehemmten Apikalzelle ins Leben gerufene sekundäre Reiz. Auch bei Außerachtlassung der Nienburgschen Deutung bleiben die Verhältnisse verwickelt. Da wir nicht in der Lage sind, der theoretischen Grundlage (Fechners Theorie), auf welcher solche Erklärungsversuche aufgebaut wären, zuzustimmen, unterbleibt hier die weitere Kritik. Vielmehr muß als Tatsache und Ergebnis aus den Darlegungen der vorangegangenen Seiten hervorgehoben werden, daß hinsicht- lich des Perzeptionsortes kein Unterschied zwischen phototaktischen und chemotaktischen Reizen besteht. Der zur Umkehr führende chemische Reiz wird an allen Stellen des Oscillarienkörpers in gleichem Sinne wie der photische aufgenommen. Und dasselbe gilt offenbar von dem durch einen Trennungsschnitt bewirkten Reiz. Die zahlreichen Versuche mit den künstlich erzeugten Teilstücken zeigen dies ganz deutUch. Eine andere Sache ist es, ob hier nicht Das Reizverhalten künstl.Teilstiicke, ilie Kontraktilität nnw. der OsciUaforta Jenensm. 353 überall bloß die Möglichkeit der Perzeption vorliegt, insofern, als wirkliche Perzeption immer nur an dem jeweiligen vorderen Ende eines ganzen oder zerstückelten Oscillarienfadens stattfindet. Hängt die Perzeption von der Koordination der Teile in einem beweglichen Fadenganzeu ab, so mag dies ebenso von der Reizleitung oder der Reizreaktion gelten. Auch die Möglichkeit der Reiz- leitung und der Reizreaktion liegt für jedes Fadenstück vor. Welche Phase tatsächlich zeitweilig ausgeschaltet wird, darüber ließe sich bei dem augenblicklichen Stand unserer Kenntnisse gar nichts sagen. Andererseits aber, glaube ich, darf daran festgehalten werden, daß jeder zusammenhängende Fadeuteil einer Oscillarie ein koordiniertes Bewegungs- und Reizsystem bildet, in dem eine umschaltbare Polarität für Bewegungs- und Reizablauf ausgeprägt ist. Das jeweilige vordere Ende eines Fadenteiles spielt dabei eine bevorzugte Rolle für den Reizablauf. Tieferen Einblick in die Verhältnisse dürfen wir am meisten durch quantitative Lichtreizversuche erwarten. Es wäre die not- wendige Länge des jeweils vorderen, zu verdunkelnden Fadenstückes zu ermitteln, ferner die Abhängigkeit dieser Länge von der Licht- intensität und -menge des Hell- und Dunkelfeldes. Die verschie- denen Abschnitte eines intakten Fadens wären quantitativ nach Intensität und Zeit verschieden stark zu reizen. Die Summation der Reize wäre zu behandeln und im besonderen die Summation bei allmählichem Überkriechen einer Helldunkelgrenze. Daß die merkwürdigen polaren Erscheinungen der Oscillarien in der Organismenwelt einzig dastehen sollten, ist nicht anzunehmen. Die Oscillarien dürften aber bei ihrer verhältnismäßig ansehnlichen Größe und damit leichten Handhabung bei experimentellen Unter- suchungen geeignet sein, auf die — allerdings meist erst noch auf- zutindenden Verhältnisse — bei anderen Protisten Licht zu werfen. In der Tat ist es schwer, bei dem derzeitigen Stand der Kennt- nisse zum Vergleich ähnhche Befunde zu kennzeichnen. Eigentlich kommen in diesem Zusammenhange nur die Arbeiten Buders und Metzners über die Bewegungen der Spirillen in betracht. Buder arbeitete mit dem nur an einem Ende begeißelten Thiospirilluni jencnse. Dieser Organismus kann mit Leichtigkeit nach beiden Richtungen schwimmen, also sowohl mit vorn als mit hinten befindlicher Geißel. Die Zahl der in einem Präparat mit vorn und der mit hinten befindlicher Geißel schwimmenden Exem- plare ist oft annähernd gleich. In einer Lichtfalle schwimmen 354 Günther Sclimid, die Spirillen hin und her; die Dunkelgrenze zwingt sie jedesmal zur Umkehr. Da zeigt sich nun ein bemerkenswerter Unterschied gegenüber den Oscillarien. Es ließ sich beobachten, daß, wenn das Geißelende voranging, die Dunkelgrenze stets nur wenig, d. h. bis etwa zur Basis der Geißel, überschritten zu werden brauchte, um die Reaktion auszulösen, daß aber, wenn das geißellose Ende voranging, meist der ganze Bakterienkörper in den Schatten tauchte, ehe die Rückkehr einsetzte. Buder konnte ferner die Versuche abändern. Auch hierbei ergeben sich den Oscillarien gegenüber Unterschiede. So näherte er den Schattenrand der Spirille von hinten, führte ihn allmählich über den Körper hinweg oder bewegte den Schatten längere Zeit, einen größeren Teil des Körpers von hinten bedeckend, in der gleichen Geschwindigkeit mit. Hier befand sich das Geißelende vorn. Oder er verfolgte das Verhalten eines mit nachfolgender Geißel in den Schatten eindringenden Spirillums, indem er durch entsprechende Führung des Schattens, welcher nur bis V4 des Körpers bedeckte, verhütete, daß das geißeltragende Ende selber in den Schatten gelangte. In beiden Fällen erfolgte keine Reaktion, andererseits diese sofort, wenn der Schatten über das Geißelende selbst glitt. Auch wenn der Schatten von hinten über das hintere Ende sich legte, ergab sich die Reaktion, doch muß in diesem Fall die Geißel hinten inseriert sein. Die Lokalisation der Empfindlichkeit in der der Geißel zunächst gelegenen Partie des Spirillums, welche sich durch Schwefellosigkeit und durch größere Zuspitzung gegenüber dem anderen Pole aus- zeichnet, unbedenklich anzunehmen, lag gewiß nahe, wenn nicht doch, wie Buder selber hervorhebt, die Versuche hinsichtlich der Länge der empfindlichen Zone sehr verschieden ausgefallen wären. Während das eine Mal auf eine Länge von etwa 5 /t empfindlicher Zone geschlossen werden konnte, mußte im anderen Fall eine Länge von etwa 20 (x (== Vs der Körperlänge) angenommen werden. Dieses wechselnde Verhalten fiel Buder bei dem anschließend be- handelten Chromatium noch mehr auf. Wenn auch bei der Mehr- zahl der Beobachtungen sich der Vorgang ganz ähnlich wie bei ThiospiriUum abspielte, reagierte doch ein kleiner Prozentsatz bereits, wenn der Schatten vom unbegeißelten Ende her das Chromatium nur zur Hälfte bedeckte. Wesentlich erscheint ferner die sichere Beobachtung, daß der Geißel selbst kein quantitativ nur irgendwie belangreiches Empfindungsvermögen zukommt; denn solange nicht der Schattenrand den Körper selbst berührte, geschah nichts. Das Keizverhalten kiiiistl.Teilstiicke, die Koiitraktilität usw. der Oscillotona Jenensis. 356 Buder erwägt bereits „eine au8 unbekannten Gründen be- sonders erschwerte oder unterbrochene Reizleitung" im Falle des Ausbleibens der Reaktion, wenn der Körper mit seinem geißellosen Ende bis etwa zu f 3 — ^/i in den Schatten eindringt und so durch den mitgeführten Schatten verhältnismäßig lange darin verweilt. Leider kann die Abhandlung Metzners über die Reizbeant- wortung der bipolar gegeißelten Spirillen (z. B. SpiriUum volntans und Sp. undula) zu der uns hier beschäftigenden Frage keinen Aufschluß geben. Metzner tut die Selbständigkeit der beiden Geißeln, die dennoch als eng gekoppelte Systeme anzusehen sind, einwandfrei dar und macht augenscheinlich, daß der Angriffsort der Reize, die zur Umschaltung der Rotation führen, ebenfalls in der Nähe der Geißelbasis liegt. Sucht man aus den Ergebnissen der beiden Forscher einiges für das Problem der Oscillarienbewegung zu gewinnen, so dürfte hervorzuheben sein, daß ganz offenbar die Körpergegend unter der Geißelbasis am stärksten, daß andere Teile des Spirillenleibes wenig, zum Teil gar nicht reizempfindlich sind. Wollen wir ge- nauer sein, so wissen wir ganz entsprechend wie bei der Oscillarie nicht, welche Phase des Reizablaufs gehemmt ist, wenn das Spi- riUum oder Chromatium vom geißellosen Ende her beschattet wird. Eins aber ist hier klarer als bei den Oscillarien. Während die Oscillarien ihrer ganzen Länge nach , d. h. ihr gesamter Körper Bewegungsorgan ist, trifft dies bei den untersuchten Bakterien nur für einen begrenzten Abschnitt, nämlich die polare Geißel mit dem zu- gehörigen Basalstück, zu. Jeder Reiz, der die Geißel zum Reagieren bringen soll, muß nach dem Basalstück zum mindesten hingeleitet werden. Ich möchte jene basale Zone unter der Geißel ganz all- gemein das Initium der Geißelbewegung nennen: Von hier gehen die Kontraktionen der Geißel aus. Mir erscheint der Fall bei Thiospirillum noch in anderer Weise lehrreich. Zeigt sich doch hier, daß die Bewegungs- bezw. Reiz rieh tu ng bei der schwim- menden Bakterie ganz gleichgültig für den Erfolg der Umkehr- reaktion ist. Sie kehrt sowohl um, wenn der Reiz entgegen der Bewegungsrichtung, als auch, wenn er mit der Bewegungsrichtung gleichlautend angreift. Maßgeblich für den Reizerfolg ist nur, daß er an das Initium des Bewegungsorgans gelangt. So hat es der Experimentator in der Hand, auch Versuchsbedingungen zu schaffen, „unter denen eine Reaktion gerade zu dem umgekehrten Erfolg führt, als dem, der für den Organismus vorteilhaft ist" (Buder). 356 Günther Schniid, Bei den Oscillarien muß nun in der Tat der Reiz, um eine Umkehr zu bewirken, immer entgegengesetzt der Bewegungsrichtung des Fadens, d. h. am jeweiligen vorderen Abschnitt angreifen. Wie wäre hier eine Analogie zu dem zunächst ganz anders erscheinenden Verhalten der Spirillen zu denken? Es müßte angenommen werden, daß bei den Oscillarien das Initiuni der Bewegung am Fadenende seinen Sitz hat und zwar abwechselnd immer an demjenigen, das gerade vorangeht. Daß eine solche Vorstellung nicht wieder auf die Fechn ersehe von der Erzeugung anisotrop quellenden Be- wegungsschleiraes durch die Apikalzelle hinauslaufen darf, ist selbst- verständlich. Vielmehr möchte ich schon in diesem Zusammenhange vorwegnehmend eine andere zum Ausdruck bringen. Wie ich am Schlüsse darlegen werde, vertrete ich auf Grund noch mitzuteilender Versuche und Beobachtungen die Auffassung, daß der Mechanismus der Oscillarienbewegung in einer Kontraktionsbewegung besteht. Kontraktionen wandern in schraubigen und zugleich wellenförmigen Umläufen von vorn nach hinten durch den Oscillarienkörper, sobald sich dieser fortbewegt. Ist das richtig, so ist der Oscillarienfaden einer kontraktilen Geißel nicht ganz unähnlich bezw. dem Bündel kontraktiler Geißeln etwa eines TInospirilhim. Das Initium der Be- wegung kann leicht miteinander verglichen werden, es ist in beiden Fällen der Ausgangsort der Kontraktion. Von welcher Ausdehnung diese Initialzone in bezug auf eine wirksame Reizaufnahme ist, wissen wir noch nicht. Auch die Reizfortleitung, die, falls sie vor- handen ist, sowohl bei der Oscillarie als auch beim SpirUlum in der Richtung vom Initium weg energischer als zu ihm hin erfolgen mag, läßt sich daraus erklären. Denn es steht nichts im Wege, anzunehmen, daß bei Oscillatoria Reize in Richtung der Kon- traktionswellen und mit ihnen leichter als entgegengesetzt wandern. Als Zusammenfassung aus vorstehenden Erörterungen möchte ich sagen: die Tatsachen der polaren Reizaufnahrae bei chemo- taktischen sowohl wie phototaktischen und Schnittreizen und zwar am jeweils vorderen Ende eines kriechenden Oscillarienfadens stehen nicht im Widerspruch zu der Hypothese von der kontraktilen Be- wegungsart der Oscillarien. Vielmehr wird die Polarität der Reiz- aufnahme gerade durch die Vorstellung der während der Bewegung vom vorderen nach dem hinteren Fadenende verlaufenden Kon- traktionen dem Verständnis näher gebracht, insofern als angenommen wird, daß stets eine Initialzone von bestimmter Ausdehnung gereizt werden muß, um längs des ganzen Kontraktionsverlaufs die Umkehr Das Reizverhalten künstl.Teilstiicke, ilie Kontraktilitat usw. der Osrillatona Jenensis. 357 ZU bewirken. Die Initialzone liegt stets am Ende des Fadens. Es ist gleichgültig, ob dieser intakt ausgebildet ist oder ein künst- liches Teilstück darstellt. Denn sofort, wenn der Trennungsschnitt geschehen ist, wird das entstandene neue Ende ganz von selbst, ohne Regulation, zum Initialort für die Kontraktionsbewegungen und somit zum Ort der Reizung. 2. Über polare Kontraktionen. Über Kontraktionen des Oscillarienfadens werde ich in Ab- schnitt VI und VII berichten. Vorgreifend bringe ich hier einige Tatsachen, die sich am leichtesten an das Vorhergehende an- schließen und die Richtung der Kontraktion betreffen. Es handelt sich diesmal um künstlich herbeigeführte Kontraktionen, die ent- stehen, wenn man ein Plasmolytikum an den Oscillarienfaden heran- bringt. Diese Kontraktionen haben an sich nicht den Charakter von Reizerscheinungen; sie sind osmotisch bedingt und entsprechen der Plasmolyse. Nachdem es mir aufgefallen v^rar, daß die Kontraktion in der Längsrichtung, welche hier besonders betrachtet wird, nicht in der Weise erfolgt, daß der Faden, von der hypertonischen Lösung umschlossen, sich von dem einen Ende sowohl wie dem anderen gleichmäßig zusammenzieht, daß vielmehr eigentlich immer eine bestimmte Kontraktionsrichtung gegeben ist, beschloß ich, diese Erscheinung in bezug auf die Richtung der beweglichen Oscillarien zu studieren. Ich arbeitete vorwiegend mit einer lOproz. Rohr- zuckerlösung, die jedesmal in einem Tropfen mittels einer Kapillar- pipette herangebracht wurde. Zu diesem Zweck wurde ein möglichst langer Faden gewählt, und die Beobachtung geschah immer dann, wenn im Gesichtsfeld vor dem Versuch die beiden Fadenenden gleich weit über den Maßstab des Okularmikrometers hervorragten. Dabei konnte die durch die Bewegung der Oscillarien hervor- gerufene fortwährende Verschiebung leicht mit berücksichtigt werden. Im günstigsten Falle war der Faden zufällig genau so lang wie der Maßstab. Dies ermöglichte alsdann die Kontraktion auch zahlen- mäßig zu messen. Es wurde bei möglichst schwacher Vergrößerung beobachtet, weil dann die Handhabung am leichtesten war. Kon- densor und Blende waren ausgeschaltet. Sofort nach dem vor- sichtigen Hinzufügen des Lösungstropfens, welcher schnell den ganzen Faden umschloß, wurde das Augenmerk auf die Kon- 368 Günther Schmid, traktion gerichtet. Die Oscillarie befand sich dabei immer auf einem l'/aVoigen Agarboden (ohne Zus&tz^, auf dem sie schon mehrere Stunden verweilt hatte. Zuvor waren einige vergleichende Versuche mit Brunnen- wasser anzustellen, um die mechanische Wirkung des Tropfens kennen zu lernen. Kontrollversuche mit Brunnenwasser: Der Tropfen konnte vom vorwandernden wie vom nachwandernden Ende des Fadens die Oscillarie überziehen, er konnte seitlich angehracht werden, so daß der Faden nach beiden Seiten gleichmäßig beansprucht wurde. Es erfolgte 1. keine Kontraktion und 2. niemals ein mechanisclies Zurückweichen des Fadens entgegengesetzter Bewegungsrichtung. Vieiraehr brachte das Übergleiten des Tropfens von vorn unter 3 Fällen 2 mal eine Verschiebung des Fadens nach vorn, 1 mal keine Veränderung; das Übergleiten von hinten unter 4 Fällen 3 mal ebenfalls eine Ver- schiebung nach vorn, 1 mal keine Veränderung; das Herantreten des Tropfens von der Seite unter 3 Fällen 2 mal keine Veränderung und 1 mal wieder die Verschiebung nach vorn. Hierbei sind Verschiebungen kleinsten Augenmaßes mitgerechnet worden; und wenn auch wirklich auffällige mechanisch bedingte Verlagerungen des Fadens aufgezeichnet werden konnten, so mußten einige Male die organisclien Bewegungen selbst mitgezählt werden, weil in der Beobachtung beide Bewegungsformen nicht immer auseinanderzuhalten sind. Möglich ist auch, daß gelegentlich Expansionen des Oscillarienkörpers stattfanden (vgl. Abschnitt VI). In der Folge wurde der Tropfen stets von der Seite zugeführt, besonders deshalb, um die Versuchsflüssigkeit möglichst gleichzeitig nach beiden Apikaienden abfließen zu lassen. a) Versuche mit Rohrzucker. Der Rohrzucker war Saccharose puriss. (E. Merck, Darmstadt). Die Lösungen wurden vor den Versuchen jedesmal frisch bereitet. Die Kontraktionen erfolgen sehr energisch, so daß sie einem niemals entgehen können. Will man die Richtung, richtiger gesagt, die vorwiegende Richtung der Kontraktion beobachten, so muß man natürlich sofort oder, wenn möglich, gleichzeitig mit dem Aufsetzen des Lösungstropfens den Vorgang verfolgen. Es gibt nun hin- sichtlich der Kontraktionsrichtung drei Typen: a) Der Faden ver- kürzt sich gleichmäßig der ganzen Länge nach, d. h. die beiden Fadenenden werden mit gleicher Geschwindigkeit nach der Mitte hin bewegt, b) Der Faden verkürzt sich vom vorwandernden Ende (A) her stärker und schneller als vom entgegengesetzten, c) Der Faden verkürzt sich umgekehrt vom nachwandernden Ende (R) her stärker und schneller. Diese Kontraktionen erfolgen — man darf wohl so sagen — momentan, gehen aber so schnell zurück, daß man bereits V2 Minute nach Beginn des Versuchs die Expansion be- Das Reizverhalten kUnstl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der Oacillatorin Jeneusis. 359 merken kann. Die Richtung der Expansion ist naturgemäß der- jenigen der Kontraktion entgegengesetzt, so daß durch die Be- obachtung des Expansionsverlaufs die Feststellung der Kontraktions- richtung bestätigt wird. Ich will einige zahlenmäßige Beispiele, die gelegentlich be- sonders geeigneter Fadenlängen aufgeschrieben wurden, für das einseitige Überwiegen der Kontraktion vom Typus b) und c) mitteilen. Zu b). Bewegung des Fadens — » : I.Faden 54 lang. Kontraktion links 2 rechts 4; Überwiegen 3,7 70) 2- n 48 „ „ „ 1, „3; „ 4,1%, 3. „ 49 „ „ „ V«. n 4; „ 7,1%, 4. „ 48V., „ „ „ -V, »), „ 4. Zu c). Bewegung des Fadens: wie oben. 5. Faden 42 lang. Kontraktion links 4, rechts 1; Überwiegen 7,1 "/q. Was aus obigen Zahlen hervorgeht, daß nämhch das Über- wiegen der Fadenverkürzung an jeweils einem Ende sehr verschieden ausfällt, zeigte sich im Laufe solcher Versuche immer wieder. Und es gibt einzelne Fälle, bei denen man im Zweifel sein mußte, ob nicht eine Kontraktion im Sinne gleichseitig starker Verkürzung vorläge. Diese sind dann meist zugunsten des Typus a) entschieden worden. Andererseits sind die Kontraktionen so energisch, daß durchweg die drei Typen scharf auseinander zu halten sind. Nach- folgende Versuche sollen eine Übersicht über die Häufigkeit der Kontraktionstypen geben. Sie wurden im Januar angestellt und zwar an verschiedenen Tagen mit jedesmal neu vom Blumentopf (meiner Kultur) auf den Agarboden übertragenem Material. Jeder Faden wurde nur zu einem Versuch gebraucht. Die Temperatur wechselte von 11 ^2 — 20^. Sie war für den Ausfall der Kon- traktionsrichtung ohne Belang. Ganze Fäden. I.Reihe. 10 Versuche. Temperatur 17,5—19°. Typus aj: 10, b): 80, c): lo7o der Kontraktionen. 2. Reihe. 7 Versuche, Temperatur 18 — 20**. Typus a): 0, bj : 85,7, c): U,37o der Kontraktionen. 3. Reihe. 10 Versuche. Temperatur 1172—1472"- Typus a): 20, b): 80, c): o7o Jer Kontraktionen. Während die Zahl für die Typen a^ und c) sehr wechselnd ausfällt, tritt das tJber- wiegen des Kontraktionstypus b; deutlich hervor. Es muß hierzu bemerkt werden, daS 1) Hier hat eine Expansion oder sonstwie eine Verschiebung in einer der Kon- traktion enigegengesettteu Richtung stattgefunden. 360 Üiintliev Schmid, ilie Bewegungsgeschwindigkeit der Oscillarien ganz ohne Einfluß auf den Erfolg der Kontraktionsrichtung zu sein scheint. Fäden mit äußerst geringfügiger Beweglichkeit konnten ebensogut zugunsten des Typus b) ausfallen, wie kräftig wandernde dem Typus a) oder c) zugewiesen werden mußten usw. Sehr wertvoll wäre es nun gewesen, zu er- fahren, ob der zwar lebendige, aber völlig unbewegliche Oscillarienfaden diese einseitig polar überwiegende Kontraktion ebenso häufig zeigte, ob nicht alsdann der Typus a) vorherrschend sein würde. Leider konnte ich die hierfür notwendige Unbeweglichkeit nicht erzielen. Selbst bei den tiefsten Temperaturen über den Gefrierpunkt waren immer noch Spuren einer Vorwärtsbewegung zu bemerken. So war dies auch beim folgenden Versuch der Fall: 4. Reihe. 4 Versuche. Temperatur 27.^—3". Typus a;: ü, b) : 25, c) : 50, un- entschieden: 25 "/o fJßr Kontraktionen. Teilstücke. Versuche mit Teilstücken ergaben nicht wesentlich andere Verhältnisse. Zunächst Versuche mit solchen, denen ein Apex belassen war. 5. Reihe. 13 Versuche. Temperatur 15— IG**. Typus aj: 15,4, b) : 61,5, c): 7,7, unentschieden: 15,4 70 ^^^ Kontraktionen. Hierbei wanderte bald der Apex, bald das apexlose Ende vor. Auch das ist ohne Bedeutung für den Ausfall der Kontraktionsrichtung. 6. Reihe: gibt 14 Versuche mit Teilstücken ohne Apex. Temperatur 16 — 20°. Typus a): 21.4, b) 57,1, c): 21,4% der Kontraktionen. Eine Übersicht aller Versuche mit Rohrzucker ergibt 58 Kon- traktionen, von denen 3 als unbestimmt auszuscheiden haben. Von den verbleibenden 55 entfallen auf Typus b) 39 Kontraktionen =: 70,9%, auf a) und c) je 8 Kontraktionen = je 14,5 "/o. Das bedeutet in Worten: Eine lOproz. Rohrzuckerlösung, welche als hypertonische Lösung Kontraktionen des Oscillarienfadens hervor- ruft, bewirkt in der überwiegenden Mehrzahl der Längskontraktionen schnellere und größere Verkürzung auf der Seite des jeweils vor- wandernden Endes der Oscillarie. Da es wegen des allseitigen und gleichzeitigen Einwirkens der Zuckerlösung auf alle Teile des Oscillarienkörpers und unter der Annahme gleichzeitigen osmotischen Wasserentzuges aus allen Zellen nur natürlich ist, daß die all- gemeine Verkürzung in der Längsrichtung sich meßbar an beiden Enden zeigen muß, verbleibt als Merkwürdigkeit die tatsächlich vorherrschende Richtung des Kontraktionsverlaufs. Wir dürfen sagen: in einer lOproz. Rohrzuckerlösung kontrahiert sich der Oscillarienfaden vorwiegend entgegengesetzt der Richtung, in welcher sich die wandernde Oscillarie vorwärtsbewegt. Bevor wir diese Tatsache auszuwerten haben, sollen Kontraktionsversuche mit anderen Lösungen mitgeteilt werden. Das Reizvtrhaltt'ii kilnstl. Tcilstdcki^, liie Knntraklilität ukw. der Oscillaluna Jenensis. 361 b) Versuche mit Schwefelsäure. Es wurde 1 proz. Schwefelsäure verwendet. Diese wirkt tödlich (vgl. Mitteilungen im II. Abschnitt). Auf die Kontraktion folgt keine Expansion. Vielleicht läßt sich dies irgendwie in Einklang damit bringen, daß die Kontraktion zumeist nach dem Typus a) verläuft. Jedenfalls erfolgte keinerlei Kontraktion nach dem Typus b), wie dieser für lOproz. Rohrzucker charakteristisch ist. lü Versiuilie. Temperatur 17". Typus a); *iü, b): (i, v): 30, uuentsuhieden: 10 "/p der Kontraktionen. c) Versuche mit anderen Lösungen. 1. Chlornatriuni (puriss. Merck) in 1 proz. Lösung (Rohrzuckerwert 9,370). 16 Versuche, z. T. bei 15°, z. T. bei 18" Temperatur, ergeben nach Typus a) : 25 7o, h): 50%, c): 25 7o der Kontraktionen. 2. Kaliuninitrat (puriss. Merckj in 2 proz. Lösung (Rohrzuckerwert 10,4 "/o)- 10 Versuche bei 16 — 17'* Temperatur ergeben nach Typus a): 30 7o, b): ^«^ 7o. c): 30 7o Jcr Kontraktionen. 3. Harnstoff Cpuriss. Merck) in 2 proz. Lösung (Rohrzuckerwert ll,4 7o)- 10 Versuche bei 19" Temperatur ergeben nach Typus a): lo7o, b': 507o, «): 40 7o Jßr Kontraktionen. Obige Stoffe wurden so gewählt, daß, wie ersichtlich, ihre osmotischen Werte etwa dem der 10 proz. Rohrzuckerlösung gleich- kamen. Auch bei ihnen entgeht einem das Überwiegen des Kon- traktionstypus b) nicht. Doch ist die Häufigkeitszahl nicht so groß wie beim Rohrzucker. d) Kontral(tion und phobische Reaktion. Schon aus Fechners Darlegungen geht hervor, daß Kon- traktion und negativ -chemotaktische Reizantwort offenbar nichts miteinander zu tun haben. Beim Harnstoff im besonderen konnte er phobische Reaktionen selbst bei den stärksten Lösungen nur in geringer Zahl feststellen. Bei einer Konzentration von 5 Mol ( — ca. 30 7ü) behielten noch 4 von 10 Fäden ihre Richtung bei. Schon bei 2,5 Mol (= 15'Vo) blieben alle Fäden indifferent hin- sichtlich der taktischen Reaktion bezw. zeigten geringe Krümmungen, obwohl sie, ebenso wie bei noch geringeren Konzentrationen, starke Kontraktionen ausführten (Fe ebner, S. 326). Auf die Fe ebner noch unbekannte Kontraktionsrichtung ist dabei nicht geachtet worden. Es war geboten, diese Erfahrungen weiter auszudehnen, besonders um das Verhältnis der Kontraktionsrichtung zu einer etwaigen phobischen Reaktion in 10 proz. Rohrzuckerlösung kennen zu lernen. 362 Günther Schn.id, Ich habe 18 Versuche angestellt; die jedesmalige Beobachtung dehnte sich nach dem Hinzufügen des Lösungstropfens auf 11 bis 17 Minuten aus. Dabei erzielte ich 9 mal eine Umkehrbewegung, 9 mal nicht. Diese geschah 2 -6'/2 Minuten, durchschnittlich 4,4 Minuten, nach Versuchsbeginn. Gleichzeitige 10 Versuche mit Brunnenwasser erzielten die Umkehr nur Imal. 10% Rohrzucker ist also zum mindesten ein sehr schwacher phobischer Reiz. Ich glaube aber, die phobische Reaktion, wo sie erfolgt, weniger auf den Zucker selber, als auf die durch ihn hervorgerufene Kontraktion zurückführen zu dürfen. Danach läge chemotaktische Reizung nicht vor und andererseits wäre die energische Kontraktion, welche osmotisch mit lOproz. Rohrzucker bedingt wird, ein Reiz, der zwar die Umkehrbewegung auslösen kann, sie jedoch nicht allzu häufig bewirkt. Das steht im Einklang mit dem wechselnden Reiz verhalten der OsciUatoria Jenensis, wenn sie auf dem normalen Wanderwege mit ihrer Spitze auf ein mechanisches Hindernis stößt. Hierbei ist es nämlich so, daß nur ganz gelegentlich ein von vorn in der Längs- richtung — entgegengesetzt der Bewegungsrichtung — des Fadens erfolgender Gegendruck Umkehrreaktionen verursacht (Schmid, II, S. 608). Im Falle der Rohrzuckereinwirkung ist ein gewisser Einfluß der Kontraktionsrichtung auf den Reaktionsausfall zu be- merken. Bei Typus a) (= Kontraktion von beiden Seiten) kommen auf 7 Beobachtungen 2 phobische Reaktionen, mithin 28,6%, bei Typus b) (= Kontraktion vorwiegend entgegengesetzt der Richtung des Fadens) auf 1 1 Beobachtungen 7 phobische Reaktionen oder 63,6%. Es spricht dies nicht gegen die eben ausgesprochene Ver- mutung. Kontraktion, zumal wenn sie entgegengesetzt der Be- wegungsrichtung der Oscillarie verläuft, vermag also sehr wohl Umkehrreaktion auszulösen. Bei chemotaktischen Versuchen dürfte dies in Zukunft Berücksichtigung finden müssen. Allerdings kommen wohl nur besonders energische, wie z. B. die durch hochprozentige Rohrzuckerlösung hervorgerufene Kontraktionen in Frage. e) Ergebnis. Später wird gezeigt werden, daß die Kontraktion ein Reiz- geschehen nicht ist. Sie beruht auf osmotischem Wasserentzug von Seiten der beigebrachten Lösung. Rohrzucker, Chlornatrium, Kaliumnitrat und Harnstofi" bewirken in ähnlicher Weise Kon- traktion des Oscillarienfadens. Dabei müßte nun eigentlich voraus- gesetzt werden, daß die Lösungen, welche im Versuch den Os- Das Reizverlialfen kün.stl.TeilatUcke, ilie Knntraktilität ii.sw. der O.icillatnna Jenen.^is. 363 cillarienkörper ringsum gleichmäßig umgeben, diesen von allen Seiten osmotisch angreifen, also sowohl von den abschließenden Membranen der beiden Endzellen aus, als auch von den Längswänden der hintereinander liegenden übrigen Zellen im Fadenverbande. Da jede Zelle mit dem Osmotikum unmittelbar, und zwar mit ihrer Längswandung, in Berührung steht, sollte man selbstverständlicher- weise annehmen, alle Zellen des Oscillarienfadens würden ohne Unterschied zu gleicher Zeit kontrahiert. Es müßte dies zur sicht- baren Folge haben, daß der ganze Faden sich, außer in querer Richtung, gleichmäßig — scheinbar von beiden Enden aus — nach der Mitte zusammenzieht. Dies tritt in Wirklichkeit nicht ein. Nur 14,5% unter 55 Versuchen mit Rohrzucker zeigten diese Kontraktionaform. Die übrigen 85,5 "/o offenbarten ein deutliches Überwiegen der Verkürzung an einem der beiden Fadenenden. Ahnhches gilt für die Versuche mit anderen Stoffen. Daraus dürfte hervorgehen, daß der Wasseraustausch bei der Kontraktion des Fadens zum mindesten vorwiegend in der Längsrichtung vor sich geht; ob sogar ausschließlich, läßt sich nicht sagen. Ein demgegenüber geringerer Austausch in der Querrichtung wäre natürlich nicht ausgeschlossen. Der Faden ist also in der Längs- erstreckung durchlässiger für den Wasserverkehr als in der Quer- richtung, ein Ergebnis, welches mit den Befunden des nächsten Abschnittes im Einklang steht. Das Vorherrschen des Typus a) bei den Versuchen mit Schwefelsäure braucht dem nicht zu wider- sprechen. War dies aus der vorwiegend einseitig polaren Verkürzung zu folgern, so bleibt noch die andere Tatsache zu erläutern, daß z. B. beim Rohrzucker die Verkürzung in 70,9% der Fälle entgegen- gesetzt zur Bewegungsrichtung des wandernden Fadens schneller und auf eine größere Strecke vor sich geht, als umgekehrt (Typus b). Für eine eingehende Analyse des Kontraktionsvorganges liegen noch zu wenig Versuche vor, die außerdem mannigfach abzu- ändern wären. Vorläufig wissen wir nur, daß auch die Kon- traktionsrichtung vom hinteren Ende her, also parallel mit der Bewegungsrichtung des Fadens, möglich und wahrscheinlich neben der anderen immer vorhanden ist. Es beweisen dies das Vor- kommen des Typus a) und vor allem einige Versuche, bei denen an einem beweglichen, besonders langen Faden der Tropfen lOproz. Rohrzuckerlösung nur an das hintere Ende angesetzt wurde. Alsdann kontrahierte sich lediglich das hintere Ende. Andererseits kann die Jahrb. f. wi»8. Botanik. LXII. 24 364 Günther Schmid, stärkere Kontraktionsverkürzung am vorderen Ende nicht dadurch bedingt werden , daß vermittels der Wanderbewegung — welche möglicherweise während der Kontraktion infolge der Tätigkeit noch unkontrahierter Fadenteile nicht aufhört — , die Oscillarie der os- motischen Flüssigkeit entgegengeschoben wird. Der Unterschied zwischen der schnell erfolgenden Vorder- und Hinterverkürzung ist viel zu groß, als daß er die Weglänge der während der Zeit des Kontrahierens geschehenen Vorwärtsbewegung des Fadens sein könnte. Wie steht es aber mit der Erklärung dieser Erscheinung? Gehen wir darauf zurück, daß die behandelte Kontraktion die Folge eines Wasserentzuges ist, was im VII. Abschnitt eingehend bewiesen werden wird, so stellt sich die fortlaufende Kontraktion vom Ende nach der Mitte bezw. dem anderen Ende des Fadens zu als eine Folge von nacheinander wasserfrei werdenden Zellen dar. Ist andererseits die in dieser Arbeit verschiedentlich (vgl, Abschnitt V 1, VI 3, VIII) vertretene Auffassung richtig, daß den Oscillarienkörper bereits normalerweise, nämlich solange er bewegungstätig ist, lebendige Kontraktionswellen von vorn nach hinten durchwandern, so ergäbe sich aus beiden Vorstellungen folgende Erklärung: Die polare Kontraktion in osmotisch wirkenden Lösungen ist ein rein physikalisch zu deutender Vorgang. In Richtung des fortschreitenden Wellenzuges der normalen lebendigen Kontraktionen muß notwen- digerweise die osmotische Zusammenziehung schneller vorwärtseilen als umgekehrt. Der polare Kontraktionsunterschied muß hiernach also von der Geschwindigkeit der Oscillarienbewegung abhängig sein. Je schneller die Oscillarie sich fortbewegt, das heißt, insoweit dies von der Schnelligkeit der lebendigen Kontraktionswellen abhängt, desto größer muß in osmotischen Lösungen der Verkürzungs- unterschied der jeweiligen Vorder- und Hinterenden sein. Also müßte z. B. die Reaktionsgeschwindigkeitsregel für die Temperatur (van t'Hoffsche Regel) sich in bezug auf das Maß dieses Unter- schiedes auswirken. Eine experimentelle Untersuchung nach dieser Richtung ist bis jetzt noch nicht unternommen worden, wäre aber zur sicheren Klärung der Frage lohnend. Ehe wir also weitere Unterlagen haben, müssen wir darauf verzichten, hier irgendwie weiter theoretisch eindringen zu wollen. Das Reizvorhalten künstl.Teilstüeke, die Kontraktilität usw. der OsciUatoria Jenensin. 366 3. Das Färbungsverhalten zu einigen Anilinfarbstoffen. Hier möchte ich einige Erfahrungen einschalten, die sich auf die Fortleitung einiger Anilinfarbstoffe im Oscillarienfaden beziehen. Wird nämlich unter dem Deckglas eine Lösung von Methylenblau durchgesaugt, so beobachtet mau, daß die Apikaizellen des lebenden Fadens sich sofort färben, während die übrigen Zellen noch zunächst ungefärbt bleiben. Wie der Apex verhalten sich auch die durch Zerschneiden entstandenen Endzellen. Bemerkenswert ist ferner, daß von den Endzellen — gleichviel, ob Apikal- oder künstliche Endzellen — die Blaufärbung allmählich nach der Mitte des Fadens weiterschreitet. Im einzelnen zeigen die Zellen dabei verschieden starke Farbtönung. Es gibt solche, sogar ganze Fadenzonen mit anfangs gar keiner Bläuung inmitten dunkelblauer Fadenabschnitte. Doch das zentripetale Fortschreiten bleibt unverkennbar. Brand (II) hatte dies bereits beiläufig beobachtet und in einer kurzen Be- merkung folgendermaßen mitgeteilt: „Bei lebenden Oscillariaceen beginnt z. B. die Färbung^) an den Bruchenden sowohl als an den pathologisch veränderten Spitzenzellen -) und schreitet von da aus nach rückwärts fort. Wir ersehen daraus , daß die Querwände dieser Algen für Farbstoffe durchgängiger sind als die Längswände, und die weitere Beobachtung, daß die Färbung nicht immer gleich- mäßig fortschreitet, sondern einzelne interkalare Zellen oft weniger beeinflußt werden, bestätigt die auch bei anderen Gelegenheiten bemerkliche individuelle Verschiedenheit der einzelnen Glieder." Als Analogon zu den Reizfortleitungsvorgängen schien mir das Verhalten zum Methylenblau auf die Reizleitung selber einiges Licht zu werfen, weshalb ich noch andere Anilinfarbstoffe herangezogen und mich insoweit mit der Frage beschäftigt habe, als mir zu einer Orientierung dienlich schien. a) Versuche. Nachfolgende Versuche wurden im Winter (Januar) bei Zimmer- temperatur (18 — 20") und gewöhnlichem Tageslicht eines Nord- fensters angestellt. Außer Fuchsin (Merck, Darmstadt) stammten die Farbstoffe aus der Fabrik von Dr. Grübler & Co. in Leipzig. Ich verteile die Farbstoffe nach ihrem Verhalten in vier Gruppen. 1) Qemeint ist Färbung mit Methylenblau und Methylviolett. 2) Brand hält die Apikalzellen für pathologisch veränderte Zellen. 24* 366 Günther Schmid, 1. Gruppe. Methylenblau. Wie schon gesagt, läßt Methylenblau das zentripetale Fortschreiten der Farbstoffspeicherung gut erkennen. Hier läßt sich nun auch ein Unterschied zwischen Längs- und Quermembran im Oscillarienfaden wirklich erweisen. Bei wenig Zufluß des Farbstoffes wird nämlich die Quermembran künsthch zerstörter, inhaltsleerer Zellen intensiv gebläut, dagegen die Längs- raembran nicht oder nur gering. Ich behandelte ein Objektträgerpräparat mit einem Tropfen Chloroform und fügte erst nach 5 Minuten Einwirkung Methylen- blau hinzu. Das Verhalten war wie bei lebenden Fäden. Nichts anderes ergab sich, wenn die Oscillarie vorher mit kochendem Wasser getötet worden war. Ferner ließ ich eine Anzahl Fäden in einer mit Chloroformdampf gesättigten Atmosphäre eintrocknen und 24 Stunden darin verweilen. Sie gelangten darauf in Wasser — waren jetzt rosa gefärbt, also tot — und erfuhren dann die Anfärbung mit Methylenblau. Spitzenzellen bezw. Apikaienden und die Grenzzellen der künstlich abgebrochenen Fadenenden bezw. Wundenden färbten sich wieder zuerst. Das Leben der Zelle hat also an diesem differenten Färbungsverhalten keinen Anteil, eine Tatsache, die sich Pfeffers (I, S. 282) allgemeiner Feststellung unterordnet, daß es zur Aufnahme der speicherungsfähigen Farb- stoffe nicht der Lebenstätigkeit und Lebensfähigkeit des Proto- plasmas bedarf. Methylgrün. Verhält sich ähnlich, färbt zuerst deutlich Apikal- und künstliche Endzellen, jedoch nicht so dunkel wie bei Methylenblau. Andererseits wird sehr bald der Faden in seiner ganzen Länge gefärbt. Der Schleim wird intensiv gefärbt, die Membran jedoch nur schwach oder gar nicht, und hierbei scheint es mir so, als hätten die Querwände eine stärkere Tönung als die Längswände aufzuweisen. Fuchsin. Beide Arten Endzellen zuerst gefärbt, aber gleich darauf färben sich auch die anderen Farbenteile rot. Die Färbung der Zellen ist verschieden intensiv. Es gibt solche, die fast gar nicht den Farbstoff angenommen haben, zwischen normal gefärbten. Beide Zellwände haben, während der Zellinhalt tiefrot aussieht, nur eine schwach rosa Tönung. Unterschiede zwischen Längs- und Quermembran bemerkte ich hier nicht. Jod grün. Schließt sich dem Fuchsin an: Die voreilende Färbung de^* Apikal- und Wundenden ist wenig ausgeprägt, da Das Reizverhalten künstl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der OxeHlatona Jenenxin. 367 sehr bald die anderen Zellen, welche im Fadeninnern liegen, sich färben und zwar diese mit unregelmäßiger Stärke. Die Membranen speichern den Farbstoff nicht. Die erste Gruppe ergibt also übereinstimmendes Verhalten der normalen Apikal- und der künstlich geschaffenen Endzellen. Für nachfolgende drei Anilinfarben trifft dies nicht zu. 2. Gruppe. Eosin (gelblich): Die Rotfärbung schreitet bei längerer Ein- wirkung des Eosins zentripetal vom Wundende fort. Während anfangs nur eine Zelle gefärbt ist, sind nach einer Viertelstunde etwa 5 — 10 Zellen des Fadenendes gerötet. Die Anfärbung dauert sehr lange im Vergleich zu Färbungen mit anderen Anilinfarbstoffen. Auch innerhalb des Fadens treten gefärbte Zonen auf und zwar im Anschluß an Nekrideu. Zu gleicher Zeit bleibt die natürliche Apikalzelle ungefärbt. — Die Membranen färben sich rosa; zwischen Längs- und Quermembran gibt es keinen Unterschied. Helianthin, welches die Membranen gar nicht oder nur ganz blaß anfärbt, färbt die künstlich erzeugten Endzellen intensiv, aber nicht die natürlichen Apikalzellen. Diese bleiben hellgrün. Die Färbung schreitet im übrigen gegen die Fadenmitte zu. Erythros in nimmt eine Sonderstellung ein. Es färbt schnell und intensiv die Membranen; besonders ist dies an zerdrückten, inhaltsleeren Zellen zu sehen. Der Inhalt der intakten Zellen wird nicht gefärbt, außer bei den künstlichen Endzellen. Auch die Apikalzellen bleiben vom Farbstoff unberührt. Daß der Inhalt der normalerweise nicht färbbaren Zellen einer Färbung zugäng- lich ist, beweist der Umstand, daß in zerdrückten Zellen die Inhaltsstoffe sehr leicht das Erythrosin annehmen. Auch durch kochendes Wasser abgetötete Oscillarienfäden verhalten sich nicht anders. Sie bleiben in Erythrosin ungefärbt bis auf die künst- lichen Endzellen, welche prächtig rot werden. Erst eine viertel- stündliche Vorbehandlung mit Alkohol, welche irgendeine Ver- änderung der Zellperipherie hervorrufen mag, bringt eine schnelle Allgemeinfärbung des Fadens zuwege, also auch der natürlichen Apikalzellen, wobei nicht bestimmt werden kann, ob eine Bevor- zugung der Fadenenden stattfindet. Die Versuche mit Eosin und Helianthin zeigen eine verminderte Durchlässigkeit parallel zur Richtung der Querwände des Oscillarien- fadens, gleichwie dies die Versuche mit Methylenblau, Methylgrün, 368 Günther Schmid, Fuchsin und Jodgrün mehr oder weniger gut dartun. Die Auf- nahme der Farbstoffe geschieht vorzugsweise oder ausschließlich in einer Richtung, die senkrecht zu den Querwänden steht. Die künst- liche Endzelle hat, wie alle gewöhnlichen Fadenzellen, ein vorzüg- liches Speichervermögen für obige AniUnfarben, die Apikalzelle dagegen speichert Eosiu und Helianthin nicht. Sie speichert auch Erythrosin nicht. Das Sonderverhalten des Erythrosins scheint mir darin zu liegen, daß dieser Farbstoff normal von einer Fadenzelle, z. B. der künsthchen Endzelle, aufgenommen, und zwar ebenfalls in senkrechter Richtung zu den Querwänden, und ferner gespeichert wird, daß aber eine tingierte Zelle weiteres Erythrosin weder durch- läßt noch aufnimmt. Dies mag darauf beruhen, daß eine mit Erythrosin voll gespeicherte Oscillarienzelle infolge Veränderung der Zelleigenschaften wie ein Filter wirkt; oder es tritt eine Sät- tigung der Oscillarienzelle ein, weil die adsorptive bezw. chemische Bindung des Farbstoffs in der Zelle möglicherweise nicht umkehrbar ist und so ein Abfluß nach den farbstoffleeren Zellen des Fadens nicht stattfinden kann. Vollends gar nicht wird aufgenommen als einziger Vertreter der 3. Gruppe Gong Orot. In alkohohscher Lösung dargeboten: Es färbt nur die Membranen und zwar intensiv und täuscht bei schwacher Ver- größerung Färbung der künstlichen Endzelle vor. Jedoch ist die Endzelle nur soweit gefärbt, wie der anhangende Membranrest der zerstörten Nachbarzellen überragt. Es gibt keinen Unterschied zwischen Quer- und Längsmembran in der Färbbarkeit. Selbst nach 4 Stunden Verweilen in der Farblösung zeigt sich keine Tinktion des Zellinhaltes, in keiner Zelle. Es folgen Anilinfarben, welche den Zellinhalt gut färben, für die aber die Durchlässigkeitsrichtung belanglos ist bezw. nicht fest- gestellt werden kann. 4. Gruppe. Neutralrot tingiert die Zellmembran intensiv und zwar unter- schiedlich die Querwände stärker als die Längswände und färbt sofort den ganzen Faden, ohne daß eine Färbungsrichtung erkennbar wäre. Hier gibt es also keine unterschiedhche Spitzenzellenfärbung. Methylviolett (6B) dringt prächtig gleichmäßig und zwar überall augenblickUch ein. Auch die Membranen werden gefärbt. Das Heizverhalten küiistl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der Oscillafona Jenensis. 369 Ein Unterschied zwischen Quer- und Läugsmembran ist nicht zu sehen. (Nach Brand, II, verhält sich Methylviolett allerdings wie Methylenblau. Wahrscheinhch hat er einen anderen Farbstoff ver- wendet.) Nil blau ergibt eine schnelle und intensive gleichmäßige All- gemeinfärbung des Fadens. Die Quermembranen werden stark, die Längsmembranen schwach gefärbt. Safranin. Auch bei starkem Durchstrom des Farbstoffs tritt nur eine schwache, aber allgemeine Färbung der Zellen ein. Die Zellmembranen werden so gut wie nicht gefärbt. Bismarckbraun färbt den Faden schnell, wobei sich gleich- falls ein Unterschied gegen die künstliche Endzelle nicht zeigt. Indes ist die natürliche Apikalzelle durchweg ungefärbt. Die Membranen bleiben farblos oder färben sich nur blaß an. b) Erörterungen. Die Versuche bedürfen einer eingehenden Besprechung. Sie beziehen sich zunächst auf das Färbungsverhalten der Zell- membran. Von den obigen Farbstoffen färben 4 nicht oder so gut wie gar nicht, die übrigen 9 färben gut. Unter den färbenden Stoffen unterscheiden wir solche, welche Quer- und Längsmembranen gleichmäßig tingieren, und diejenigen, welche unterschiedlich die Querwand stärker als die Längswand anfärben. Diese Färbungen wurden sämtlich an leeren Zellen beobachtet, deren Inhalt infolge des Anschneidens mit dem Rasiermesser soeben entwichen war. Geordnet verteilen sich die Farbstoffe wie folgt: Membranen nicht oder kaum gefärbt: Jodgrün, Safranin, Bis- marckbraun, Helianthin*; Membranen einheitlich gefärbt: Fuchsin*, Eosin*, Erythrosin*, Congorot*, Methylviolett; Membranen unterschiedlich gefärbt: Methylenblau, Methylgrün, Neutralrot, Nilblau. BezügUch des Congorots muß ich bemerken, daß Klebs in einer hinterlassenen Arbeit (S. öff.) für die Zellhäute gewisser Farn- prothallien die bemerkensweite Tatsache veröffentlicht hat, daß die Membran lebender Zellen diesen Farbstoff nicht aufnimmt. Wenn in meinen Versuchen bei soeben mechanisch zerstörten Zellen die Membran (welche im Klebschen Sinne lebendig ist) durch Congorot tillgiert wird, so mag das auf der alkoholischen Lösung dieses Farb- stoffs beruhen; denn nach Klebs (S. 10) hat auch bei Farn- 370 Günther Schmid, prothallien die Vorbehandlung mit Alkohol fördernde Wirkung auf die Congorotfärbung. Es ist gewiß kein Zufall, daß die different färbenden Membran- farben sämtlich zu den basischen Farbstoffen zählen, während die einheitlich färbenden durchweg sauer sind (die sauren Farbstoffe sind oben mit einem * versehen). Mit dieser Tatsache ist aber keine Erklärung gegeben. Vielmehr scheint ein verschiedener mechanischer Filterwiderstand der beiden Membranen ausschlag- gebend zu sein. HinsichtHch der Teilchengröße der mehr oder weniger kolloidal gelösten Farbstoffe ist nämlich aus den von Ruhland (II, S. 403ff.) für die Diffusionsgeschwindigkeit in Gelen aufgestellten Tabellen zu entnehmen, daß meine different färbenden Stoffe zu denjenigen mit großer Diffusionsmöglichkeit, d. h. kleiner Teilchengröße, gehören. Ich bin geneigt, hieraus einiges auf die molekulare Membranporosität zu schließen. Nimmt man in der Membran kleinste (molekulare) Poren an, die bei beiden Mem- branen —7 Längs- und Querwänden — die gleichen Offnungsweiten haben, die andererseits in bezug auf die kolloidalen Teilchen der Farbstoffe nur wenig bedeutender als die Teilchen der sauren, da- gegen viel größer als diejenigen der basischen Anilinfarben sind, so scheint eine Erklärung für das verschiedene Speicherungsvermögen der Längs- und Quermembranen für ein und denselben Farbstoff gegeben. Nur müßte dieser Erklärung noch die Annahme eines für die beiden Membranen verschiedenen Porenvolumens eingefügt werden. Die Querwandung besitzt hiernach ein relativ größeres Porenvolumen als die Längswand. Bei Anwendung der mit großen Teilchen begabten sauren Farbstoffe werden beide Membranen, gleich- viel, was diese auch für ein Porenvolumen besitzen, schnell ver- stopft, viel früher, als der gesamte Porenraum erfüllt ist, d. h. die beiden Membranen zeigen keinen quantitativ sichtbaren Unterschied in der Gefärbtheit. Anders die basischen Anilinfarben. Die kleinere Teilchengröße macht es ihnen möglich, den ganzen verfügbaren Porenraum der Membran zu erfüllen; und erst wenn dies geschehen, ist die Membran verstopft. Die Membran mit dem relativ größeren Porenvolumen, also die Querwand, muß infolgedessen — und zwar auch schon vor der endgültigen Verstopfung — intensiver gefärbt erscheinen als die Längswand. Vorstehende Hypothese soll andere Erklärungsversuche nicht abweisen. Sie schließt u. a. den Gedanken nicht aus, es möchte das Protoplasma an der verschieden starken Diffusion in Längs- Das Reizverhalten künstl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der Oscillatoria Jenensis . 371 und Querrichtuug des Oscillarienfadens einen bewirkenden Anteil haben. Ich nehme sogar an, daß das Plasma eine Rolle mitspielt; darüber einiges auf den nächsten Seiten. Hier sei zunächst hervor- gehoben, daß das Plasma an sich, außer dem Congorot, alle Anilin- farben annimmt. Das steht im Einklang mit den Untersuchungen von Pfeffer (I), Ruhland (I), Küster und Klebs bei anderen Pflanzen. Ein bemerkenswerter Unterschied ergibt sich allerdings in bezug auf Eosin, Erythrosin und Fuchsin. Deren Aufnahme in die Zelle wird nämlich bei den Versuchspflanzen genannter Forscher, z. B. bei Spirogi/ra, Lemna, Trianea usw. versagt, wenn die Ob- jekte einfach in die Farblösung eingelegt werden, und erst dann ermöglicht (Küster), wenn die Saugkraft der Transpiration be- fördernd mitwirkt. Andererseits sind Eosin und Erythrosin ent- sprechend ihren größten Kolloidteilchen in Lösung auch bei der Oscillarie am wenigsten difi'usibel. Beachtenswert bleibt das Verhalten des Eosins, Erythrosins und Helianthins zur natürlichen Apikalzelle. Sie bleibt untingiert. Vermutlich beruht das nicht auf der Undurchlässigkeit der Membran, sondern eher auf dem Vorhandensein farbreduzierender oder dem Mangel speichernder Stoffe in der Apikalzelle. Über diese Ver- hältnisse habe ich nichts weiter ermittelt. Wir haben uns mit der Längsdiffusion der Anihnfarben im Oscillarienfaden zu beschäftigen. Unter den untersuchten 12 per- meablen Stoffen gibt es 5 Anilinfarben, welche eine nach Längs- und Querrichtung des Fadens quantitativ nicht verschiedene Per- meabilität zeigen, und 5 andere, denen sich als 6. Erythrosin an- schließen dürfte, welche deutUch in der Längsrichtung des Fadens schneller permeieren. Es mag dahingestellt bleiben, ob es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen beiden Stoffgruppen gibt; ob nicht auch für die ersten 6 Farben eine — schwerer zu beob- achtende — bevorzugte Permeabilität in der Längsrichtung des Oscillarienfadens besteht. Auf jeden Fall ist ein Unterschied zwischen den beiden Stoffgruppen vorhanden. Er läßt sich einst- weilen nicht erklären. Mit dem Färbungsvermögen der Längs- und Quermembranen geht er nicht parallel. Auch sind lipoidlösliche und lipoidunlösliche, ebenso wie basische und saure Farbstoffe auf beide Gruppen verteilt. Zunächst ist zwar nicht einzusehen, warum das Plasma an der Längsmembran anders als an der Quermembran reagieren sollte; daß die Lebenstätigkeit an der Erscheinung der verschiedenen 372 Günther Schmid, Parbstoffdiffusion unbeteiligt ist, wurde ja auch experimentell (vgl. Methylenblau) gezeigt. Doch ist es andererseits auch nicht aus- gemacht, ob nicht das Plasma vermöge einer bestimmten Struktur in der Längsrichtung besser Stoffe transportiert als quer. Finden doch auch die mit dem Stoffwechsel verknüpften Zellteilungen in bestimmter Richtung, d. h. nur in der Längsrichtung statt, und die von mir im Abschnitt VI dargelegten, die Fortbewegung des Os- cillarienfadens bewerkstelligenden Kontraktionen ei folgen längs. Es bleibt die Tatsache merkwürdig genug, daß gewisse Anilin- farben in der Längsrichtung des Oscillarienfadens, in welcher eine große Anzahl von Membranen und Plasmamassen zu überwinden sind, sichtlich schneller diffundieren als in der Querrichtung, wo nur eine Membran und eine Plasmahaut im Wege stehen. Ohne Zweifel würde sich die Zahl der Stoffe, für welche diese differente Diffusion gilt, sehr erweitern lassen; es wäre die Angelegenheit wohl einer besonderen Untersuchung wert. Sie gilt z. B. auch für Alkohol. Alkohol tötet zunächst die Fadenspitze ab, diese verfärbt sich zuerst violett. Einige Beobachtungen verdienen hier eingefügt zu werden, die sich aus der bevorzugten Längsleitung der Stoffe erklären lassen. Auf meinen Agarplatten traten zuweilen nicht näher bestimmte Amöben auf, die sich außer von einzelligen Grünalgen gern von dem Zellinhalt meiner braunen Oscillatoria Jenensis nährten. Sie wurden offenbar von der Oscillarie chemotaktisch angezogen und befielen die lebenden Zellen, indem sie mit sehr dünnen, faden- förmigen, äußerst spitzen Pseudopodien die Membranen durch- drangen, um sich auf diese Weise mit dem braunen Zellinhalt der Oscillarien zu beladen. Sie sammelten sich nun niemals an der Längsseite des Fadens an , die ihnen eine größere Angriffsfläche geboten hätte, sondern nur an den Querwänden, welche durch den künstlichen Querschnitt des Fadens bloßgelegt waren. Hier war wahrscheinlich die Membran am leichtesten zu durchdringen, viel- leicht aber — und dies ist sicher auch anzunehmen — geschah hier eine Exosmose gewisser chemotaktisch wirkender Stoffe, welche durch die Längsmembran nicht erfolgte. Die Pseudopodien faßten niemals die Längsmembran auch etwa nur der letzten künstliciien Endzelle an. An der Querwand der letzten Zelle wurde außerdem zugleich der schwächste physiologische Widerstand von selten der Oscillarie geboten; denn 0. Jenensis stirbt von selber von den künst- lichen Enden her zentripetal ab, wenn sie auf einem Substrat ge- Das Reizverhalten künetl. Teilstücke, die Kontraktilitat usw. der Oscillaforia Jenensis 373 halten wird, welches sie nicht ernähren kann. Der von mir ohne Nährsalze verwendete Agar schädigt die Oscillarie auf die Dauer, natürlich auch die intakte Oscillarie. Nur so läßt sich die eben angeführte Exosmose verstehen. Die Schädigung erfolgt quantitativ in der Längsrichtung stärker als in der Querrichtung. Hierfür sprechen folgende Erfahrungen: Auch Brunnenwasser wirkt giftig auf 0. Jenensis. Sie geht darin zugrunde. Dabei zeigt sich aber die bemerkenswerte Tatsache, daß Fadenteile ohne natürliche Apikal- zellen bedeutend schneller absterben. In einem bestimmten Falle lagen in demselben Wassertropfen ohne Deckglas auf dem Objekt- träger 21 frisch bereitete Bruchstücke von meiner Oscillarie neben zwei ganzen Fäden aus der gleichen Kultur. Intakte Fäden und Bruchstücke waren etwa gleich lang. Nach 24 stündigem Auf- enthalt in der feuchten Kammer waren 20 Bruchstücke grün ver- färbt, mithin tot oder im Absterben begriffen, ein Bruchstück war gesund braun, ebenso waren es die beiden intakten Fäden, Nach 4 Tagen lebte kein Bruchstück mehr, nach 6 Tagen sind auch die Ganzfäden tot. Hier anzunehmen, daß die Verletzung als solche den Absterbeprozeß herbeigeführt hat, widerspricht allen Erfahrungen, die man sonst, etwa auch bei Algen, gemacht hat. Von hier aus dürfte nun einiges Licht auf die Bedeutung der Apikalzelle fallen. Die Gegenwart der Apikalzelle ver- hindert oder erschwert das Eindringen gewisser schädlicher Stoffe, welche sowieso der Längsseite des Fadens schwer beikommen können, offenbar auch von der Fadenspitze her, von wo aus sonst vermöge der größeren Längsdurchlässigkeit der Zellen die Stoff- leitung leicht wäre. Die Richtigkeit dieser Erwägungen voraus- gesetzt, möchte man geneigt sein, der Apikalzelle und vielleicht noch den anschließenden 2 — 3 Zellen einen lebenden Inhalt nicht zu- zusprechen. Es paßt zu dieser Auffassung, daß der Apikalzelle die Braunfärbung fehlt, welche sonst 0. Jenensis eigen ist. Das Apikaiende sieht schmutzig grünlich aus, eine Färbung, die bei normalen Fadenzellen ein Zeichen des Todes ist. Es fehlen hier das wasserlösliche Phykocyan und Phykoerj'thrin (Boresch). Diese Farbstoffe, die früher auch in den Endzellen vorhanden ge- wesen sein mögen, sind infolge Absterbens des Plasmas aus dem Apikaiende hinausdiffundiert. Auch sind die Apikalzellen teilungs- unfähig, sowohl die äußerste eigentliche Endzelle wie die benach- barten 2 — 3 Zellen, im Gegensatz zu den hervorragend teilungs- lustigen interkalar gelegenen Zellen des Fadens. Die Auffassung 374 Günther Schmid, der Apikaienden als toter Gebilde würde auch mit der von Brand übereinstimmen, welcher diese Zellen als „atrophiert" bezeichnet und sie als Homologe zu den haarartig zugespitzten Fadenenden der Trichophoreen stellt. Ich muß andererseits bemerken, daß hiermit ein anderer Befund von mir (Schmid, II, S. 582) nicht im Einklang steht, wonach die Membran der Apikalzelle ebenso wie bei gewöhnlichen Fadenzellen von Schleimporen durchzogen wird. Sollten hier die Poren verstopft sein? Von unseren Versuchen abgesehen, haben wir an der Hand anderer Tatsachen zu prüfen, welche morphologischen Grund- lagen sonst noch für eine begünstigte Permeabilität in der Längs- richtung zur Verfügung stehen. Der ganze Oscillarienfaden ist von Schleim umkleidet. Wir wissen über seine den Stoffdurchtritt möglicherweise verzögernde Wirkung so gut wie nichts. Da der Schleimmantel nur an den künstlich zerteilten Oscillarien an den freigelegten Querwänden eine Lücke aufweist, ist er für unsere Frage von untergeordneter Be- deutung. Am Ganzfaden kann durch den Schleim eine für das Permeieren bevorzugte Richtung nicht bedingt sein. Anders verhält es sich mit der Zellmembran. Gelegentlich habe ich beobachtet, daß bei Behandlung mit konzentrierter Chrom- säure die Quermembran anscheinend intakt deutlich den ge- schrumpften Zellkörper überragt, also in die Chromsäure hinein- reicht, während die Längsmembran aufgelöst ist. Wie früher (Schmid, S. 600) gezeigt worden ist, konnte zwar für 0. Jenensis hinsichtlich des optischen Verhaltens Doppelbrechung nicht festgestellt werden. Es ist aber in diesem Zusammenhange bemerkenswert, daß sie bei 0. Ihnosa (welche ja unserer Form sehr nahe steht), wie bei anderen untersuchten Oscillarien, nach Hegler (S. 274) vorhanden ist und daß Hegler mit dem Gipsplättchen ein verschiedenes optisches Verhalten für Längs- und Querwände er- weisen konnte. Die Längswände sind optisch positiv, die Quer- wände negativ anisotrop. Kolkwitz und Correns haben ferner eine spiralige Struktur in den Außenwänden aufgezeigt und eine positive Druckspannung in den äußersten Membranschichten fest- gestellt, Verhältnisse, die sich für die Innenwände (= Querwände) nicht ergeben haben. Das zum Teil verschiedene Alter der Längs- und Quer- membranen dürfte für unsere Frage nicht ausschlaggebend sein. Aber es ist darauf hinzuweisen, daß die beiden Membranen auf Das Tieizverlialfeii küiiHtlTeilstUcke, die Konlraktilitiit usw. der Oscillaioria Jenensix. 375 verschiedene Weise entstanden sind. Die bei der Zellteilung sich in der Fläche vergrößernde Längsmembran mag vorwiegend durch Intussuszeption, die irisblendenartig sich vorschiebende neue Quer- wand vorzugsweise wohl durch Apposition wachsen. Bleibt hiernach kein Zweifel an der stofflichen Verschieden- artigkeit der beiden Membranen, so ist es eine andere Frage, ob Zell- häute überhaupt das Permeieren von Stoffen merklich behindern. Ich denke, daß dies bei den Oscillarienmembranen sehr gut der Fall sein könnte, in der Art, daß die Längswand schwerer als die Quer- wand durchläßt. Sind doch z. B. in den Epidermiszellen der höheren Pflanzen die Verhältnisse nicht anders, wenn die radialen Wände leicht permeieren lassen, während die — zwar kutinisierte — äußere Tangentialwaiid der Stoffaufnahme Widerstand entgegenstellt. Der Beweis für einen quantitativen Unterschied in der Permeabilität der Längs- und Quermembran steht für die Oscillarie noch aus. Wir wissen bekanntlich über die verschiedene Durchlässigkeit per- meabler Membranen überhaupt sehr wenig. Neuerdings spricht Kleb-s (S. 6/7) der Qualität der Zellwand eine verschieden wirk- same einschränkende Wirkung beim Stoffdurchtritt der Anilinfarben zu. Es sind das nur Vermutungen, ebenso wie Ruhland (1, S. 410) die Möglichkeit offen läßt, daß vielleicht verzögernde Einflüsse durch die Membran gegeben werden. Lepeschkins Gründe (I, S. 250) für das Zurückgehaltenwerden gewisser Farbstoffe in Zellmembranen sind nicht zwingend. Andererseits sind auch Ruhlands (II, S.398) Gegengründe nicht beweisend, wenn er mit Hitze abtötet, wodurch er auch die Zellwände verändern mag. Fitting (S. 37, 38 — 39, 52 — 63, 61) hält sogar eine wechselnde Permeabilität für dieselbe Zellhaut unter verschiedenen Umständen nicht für ausgeschlossen. Für Frucht- bezw. Samenschalen liegen positive Befunde durch die Arbeiten von Brown, Schroeder, Rippel u. a. vor. Zum Protoplasma ist noch zu bemerken: Das Oscillarien- plasma gliedert sich in Chromatoplasma und Centroplasma (Baum- gärtel). Das Chromatoplasma hat die Funktion eines Chromato- phors und ist gegen das übrige Plasma durch eine Chromatophoren- haut nicht abgesetzt. Nach den Darlegungen A. Fischers (V) bildet das Chromatoplasma bei den meisten Oscillarien (z. B. 0. temiis, limosa) eine geschlossene Dose, wenn die Zelle erwachsen ist, einen beiderseits oder einseits offenen Hohlzylinder, wenn sie in Teilung begriffen ist. Andere Formen {Lynghya, Tolypothrix) sollen stets offene Hohlzylinder als Chromatoplasma haben. Das 376 Günther Schniid, Chromatoplasma reicht als breite periphere Zone des Plasmas in allen Fällen geschlossen an die Längswände heran, bildet hier also die Plasmagrenze, an die Querwände nur insoweit, als die ge- schlossene Dosenform gilt. Bei 0. princeps — also einer 0. Jenensis ganz nahestehenden Art — sollen die Querflächen der Dosen auch in erwachsenem Zustand der Zellen weit gitterartig durchbrochen sein. Wenn schon hiernach für Ü. princeps eine erschwerte Per- meabilität in der Querrichtung der Zelle verständlich wird, wäre dies nicht in gleichem Maße für Zellen der Fall, in denen die er- wachsenen Zellen ringsum geschlossene Ghromatoplasmen bilden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß unaufhörlich ca. 70% der Zellen eines Oscillarienfadens sich teilen. 21°/o der Zellen von O.limosa haben beispielsweise laut A.Fischer beiderseits offene, 47,5% einseits offene Hohlzylinder. 0. tenuis weist sogar ständig etwa 30 "/o beiderseits und 43** o einseits offene hohlzylindrische Chromatoplasmagebilde auf. Es war früheren Untersuchern entgangen, daß die Oscillarien- zelle am Längsrande des Protoplasmaleibes die von mir sogenannten „Ringschwielen" führt. Das sind durchaus problematische Gre- bilde, welche in diesem Zusammenhange unsere Aufmerksamkeit verdienen. Die Ringschwielen liegen der Längswand dicht an und bekleiden sie offenbar lückenlos. Sie teilen sich, wenn die Zelle zur Teilung sich anschickt, und es scheint so, als hingen sie so lange zusammen, bis die neue Querwand, welche viel später als die Ring- schwiele auftritt, gebildet ist (Schmid, II, S. 682). Wir wissen nichts über die stoffliche Natur dieser eigenartigen Gebilde. Sie weichen bei der Plasmolyse von der Wandung mit dem Protoplasma zurück, liegen mithin selber im Plasma. Ich habe sie als Zell- gebilde angesehen, die vielleicht mit der Bildung des Bewegungs- schleimes etwas zu tun haben. Durch den Besitz der Ringschwiele ist also das Plasma nur an seiner Längsperipherie ausgezeichnet. Wir hätten in ihnen einen weiteren Faktor zu erblicken, der die Permeabilität beeinflussen könnte. Im ganzen genommen finden wir den Oscillarienfaden in Richtung der Längswände anders organisiert als in Richtung der Querwände. Wenn diesem Bauprinzip eine bevorzugte oder aus- schließliche Stoffleitung in der Längsrichtung des Fadens entspricht, wird solche Erscheinung nichts Auffälliges haben, auch wenn wir reale Beziehungen zwischen Organisation und Stoffleitung zunächst nicht ermitteln können. Das Reizverhalten kilnstl.TeilstUcke, iliV Kuntraktilität usw. iler Oscillatoria Jenenxis. 377 Abschnitt VI. Über die Kontraktilität des Osciliarienfadens. Wir sprechen hier zunächst nur von der empirisch feststell- baren passiven Kontraktihtät, die also rein mechanisch verläuft und ebenso bedingt ist. 1. Kontraktion durcli Eintrocknen. Unter den früheren Beobachtern ist es nur Hansgirg (S. 837) aufgefallen, daß sich die Oscillarien beim Eintrocknen beträchtlich verkürzen. Ein Faden von Oscillatoria antliaria maß 195 /t; nach dem Eintrocknen war er 166 u lang. In Wasser zurückgebracht, nahm er schnell die ursprüngliche Länge wieder an und zwar in etwa 6 — 10 Minuten. Das bedeutet also eine Längsdehnung des Fadens um 39 ;it oder genau 25 %,. Der Vorgang ließ sich be- liebig oft wiederholen. Ich habe das gleiche bei 0. Jenensis immer wieder gesehen und kann darüber folgendes berichten. Läßt man einen Oscillarienfaden in einem Tropfen Wasser eintrocknen, so verkürzt sich der Faden in demselben Augenbhck, wo der letzte Wasserhauch verdunstet, ganz bedeutend. Der Betrag hierfür geht aus dem Beispiel mehrerer Messungen hervor. Be- zeichnet man wie Pfeffer (II, bezw. Ruhland, III, S. 92) die Zellwandlänge bei Turgeszenz mit L und diejenige nach vöHiger Entspannung mit L«, so ist die Turgordehnung in der betreffenden Richtung gleich — = — ° oder in Prozenten der Länge der ent- Lo spannten Membran ausdrückbar. Für die Fadenlängen ergeben sich in ;tt: turgeszent (= L) entupaunt (= Lo) Turgordehnu 125 90 38,9 210 165 27,3 255 195 30,7 730 530 37,7 1015 762 33,2 Die Entspannung (27,3 — 38,9 Vo) ist also noch größer als die von Hansgirg für 0. antliaria angegebene. Hierzu ist zu bemerken, daß das Kontrahieren des Fadens in gerader Richtung ohne seit- liche Krümmungen auffällig exakt verläuft. Er rotiert bezw. tordiert um die Längsachse, was an den hakenförmig gekrümmten Apikal- 378 Günther Schniid, enden bemerkt werden kann. Eine bestimmte Richtung der Kon- traktion gibt es nicht; vielmehr zieht sich der Faden oder das Fadenstück von beiden Seiten gleichmäßig zusammen. Ebenso „elegant" dehnt sich der eingetrocknete Faden wieder auseinander, wenn ihm Wasser zugeführt wird; so etwa, sofort nach Benetzung gemessen, von 90 auf 110 iii oder von 166 auf 200 //, von 195 auf 230 /i usf., und nach einigen Minuten ist die ursprüngliche Länge erreicht. Hinsichtlich der Fadenbreite ergibt sich beim Eintrocknen eine merklich geringere Kontraktion. So für dieselben Fäden wie oben: turgeszeiit entspannt Turgordehnung in ''|^ 18,55 15,90 16,7 19,21 15,90 20,8 18,88 15,90 18,7 18,55 15,90 16,7 Beim Wiederbenetzen wird diese geringe Entspannung sofort ganz ausgeglichen. Um ein Bild von der außerordentlich hoben Turgordehnung oder, was uns hier besonders interessiert und dasselbe ist, der Kontraktionsfähigkeit der Oscillariennienibran zu gewinnen, vergleichen wir damit das entsprechende Verhalten einiger willkürlich herausgegriffener Grünalgen. Noch verhältnismäßig groß fand ich sie bei Oedogonium pluuiale, nämlich 16,4 7o^ür die Länge, klein bei S piroyy ra s-pec. — deren verschiedene Zellen ein verschiedenes Ausmaß dafür lieferten — , am kleinsten bei einer Cladophora spec: Turgordehnung in % 1. Zelle .... 100 90 11,1 2. „ .... 87 85 2,3 3. ..... 87 85 2,3 Spirogyra. turgeszent entspannt . 100 90 87 85 87 85 Cladophota. . 260 260 160 160 . 227 225 1. Zelle .... 260 260 0 2. „ .... 160 160 0 3. „ .... 227 225 0,9 Es sind dies für die Algen keine neuen Dinge. Sie entsprechen den herrschenden Vor- stellungen von der verhältnismäßig geringen Membranspannung turgeszenter Zellen. Ergänzt werden muß noch, daß bei obiger Gladophora die Breite in einigen Zellen beim Eintrocknen ebenfalls und zwar bis 12,5% abnahm, während die &ngeiü)\xie Spirogyra eine Expansion von ungefähr 23,3 "/o erfuhr. Ein Kontraktionsmechanismus, wie ihn der Oscillarienfaden mit seiner äußerst exakt verlaufenden , überwiegenden Längskon- traktion darbietet, liegt bei ihnen nicht vor. Das Reirverhalten kiinstl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der Oscillaloria Jencnsis. 379 2. Kontraktion durch Plasmolytica. Fechner hat bereits gelegentlich seiner Chemotaxis-Ünter- suchungen beobachtet, daß die erste Repulsion nach der Zufügung von Reizstoffen osmotisch bedingt ist und in einer Kontraktion des Fadens besteht. Er stellte einmal (S. 316) auch das Maximum der Kontraktion fest, als er Kaliumkarbonat (Konzentration?) anwendete und eine Verkürzung des Fadens um 167o (also ^^ IBjOVo Turgordehnung) fand. Aber schon aus der Literatur vorher lassen sich aus einer Arbeit von Brand Werte für Turgordehnungen bei Oscillarien heranziehen. In reinem Glyzerin (I, S. 306) verkürzte sich ein Faden {Phormidium uncinatum) von 291 auf 274 ^u, was einer Turgordehnung von 6,2 7o entspricht. Glyzerin ist wegen der schnellen Permeierbarkeit ein ungeeignetes Plasmolytikum. Höhere Werte lassen sich daher aus Brands Zahlen für Kalium- nitrat ableiten (I, S. 304). In 5% KNOh zeigte ein Faden von 125 .u Länge eine Kontraktion von 29 fi, d. h. die Turgordehnung von 37,3 "^o; in 20% KNO3 ein Phormidium von 250 fi Länge eine solche von 73 /n oder die Turgordehnung 42,2%. Das sind außerordentlich hohe Werte für die Turgordehnung der Membran bezw. die Kontraktion des Oscillarienfadens. Da ich im folgenden Kapitel bei der Besprechung der osmotischen Verhältnisse noch viele Zahlen geben werde, die ebenso für die Kontraktihtät herangezogen werden können, beschränke ich mich darauf, an Osdllatoria Jenensis die Turgordehnung nur durch wenige Beispiele zu erläutern. In 5proz. Saccharoselösung errechnete sich aus dem Maß der Kontraktion im Mittel die Turgordehnung von 9,8 'Vo, für den am meisten kontrahierten Faden 12,2%; ähnlich in der mit voriger beinahe isotonischen Lösung von 17o Kaliumnitrat: im Mittel 9,9 "/o, bei dem am meisten verkürzten Faden 12,3% Turgordehnung. Höhere Werte, die sich mit den aus der Arbeit von Brand errechneten Zahlen vergleichen lassen, werden durch stärker os- motisch wirksame Lösungen von Saccharose erzielt. Ich greife folgende heraus: Saccharoselösung 10%, Turgordehnung im Mittel 21,2—24,0%, 20 Vo, „ « « 27,7-31,6 Vo, 60 7o, « » « 56,0-62,0%. Man sieht, der Ausdruck „Turgordehnung" wird nicht exakt ge- braucht; denn sonst müßte, gleichviel bei welcher Konzentration Jahrb. f. wiss. BuUnik. LXII. '^^ 330 Günther Schmid, des Plasmolytikums, oberhalb der osmotischen Grenzkonzentration — welche, wie wir im nächsten Kapitel darlegen, äußerst tief liegt (bei ungefähr 1 Vo Saccharose) — überall für die Turgordehnung derselbe Wert heraustreten. Wir schheßen daraus, daß die Membran ein ungemein dehnbares und zugleich mit den geringsten Kräften dehnbares Gebilde ist, welches dem Protoplasma im gleichen Maße folgt, wie die Vakuole sich infolge des Wasserentzuges verkleinert. Ja, die Membran folgt dem Plasma bis zum äußersten. Selbst dem Wasserentzug, der bei 50 "/o Saccharoselösung stattfindet, hält sie Schritt. Hier beträgt die Turgordehnung im Mittel 56 Vo' Dennoch wäre es nicht richtig, die letzte Zahl oder eine bei noch höherer Rohrzuckerlösung gefundene als die „wahre Turgordehnung" der Längsmembran einer Oscillarienzelle anzusprechen. Es zeigen sich nämlich in 50proz. Saccharoselösung ungleich starke Kon- traktionen der Quermembranen. Die Längswandung wird durch das ungleiche Kontraktionsverhalten der Querwände hin- und hergezogen, so daß in der Längs- richtung zu kurz gemessen wird und die Zahl für die Turgordehnung zu hoch ausfallen muß Während allerdings die Querkontraktion im allgemeinen sich gar nicht mit der Längskontraktion vergleichen läßt, greifen bei derartigen stark wasserentziehenden Lösungen se- „ /^" kundäre Erscheinungen Platz, die den Oscillarienfaden Erläuterung ° im Text stellenweise auf die normale Breite zurückführen, stellen- weise in den kontrahierten Zustand bringen. So kommen Schrumpfungsbilder zustande, wie sie z. B. nebenstehende Fig. 1 zeigt. In einem bestimmten Falle maß ein Faden von 20 fi Breite in geschrumpftem Zustande an vielen Stellen ebenfalls 20 /i, an anderen 18 u usw. Die geringste Breite betrug 14,5 u. Schon bei 23proz. Saccharoselösung sind solche ungleichmäßigen seitlichen Schrumpfungen in geringerem Maße sichtbar. Mag mithin der Wert der Turgordehnung nicht gefunden werden können, so ist eines sicher, daß diese in der Längsrichtung des Fadens einen ungewöhnlich hohen Grad besitzt. Es mag genügen, sich einiger Zahlen für die Turgordehnung bei Algen zu vergegen- wärtigen. Lepeschkin (I) berichtet von einer Spirogyra, daß sie sich bei der Plasmolyse ungefähr um 4,1% verkürzt: ihre Turgor- dehnung betrug also etwa 4,27o. Kotte findet (S. 124, 125) für Meeresalgen im Höchstfall — für Callithamnion mirabüe — eine lineare Verkürzung von 10 "/u (Turgordehnung 11,1%), im übrigen Das Reizverhalten kilnstl.Teilatücke, ilie Knntraktilität usw. der Oscillatoria Jenensis. 381 aber bedeutend niedrigere Werte, z. B. für Enteromorpha compressa 3%, für Edocarpus sUiculosus 0,6%, für Chaetopteris plumosa 07o usf. Oder man vergleiche die Werte, wie sie Schwendener und Krabbe für Gewebezellen von Phanerogamen mitgeteilt haben. Mehrstündige Einwirkung einer 12proz. NaCl-Lösung bewirkte bei Sprossen vom Hopfen (S. 389ff.) neben Plasmolyse eine Kontraktion von 0 — ll,rVo, durchschnittlich 6,3% (Turgordehnung also 0 bis 12,5%, im Mittel 6,6 °/ü), bei Blattstielen \on Aconitum Lycoctonum (S. 394 ff.) 0-14,3%, durchschnitthch 5,9% (Turgordehnung 0 bis 16,7°/o, im Mittel 6,2%). Hierzu ist ausdrücklich zu bemerken, daß es sich in beiden Fällen um junge, sich streckende Pflanzen- teile handelte. Daß ausgewachsene Dauerzellen sich gar nicht oder nur verschwindend wenig während der Plasmolyse zusammen- ziehen, ist bekannt. Viel höhere Werte haben keimende Organe, z. B. Keirawurzeln von Phaseolus aufzuweisen. Dennoch übersteigt ihre höchste, aus den Zahlen bei Schwendener und Krabbe (S. 408) errechnete Turgordehnung 22,7 % nicht. Erst junge, noch ziemlich meristematische Parenchymzellen des Markes von Helianthus, Sambucus usw. führten zu Ergebnissen, die an jene bei Oscillarien gefundenen herankommen. Die genannten Forscher erzielten (S. 378) eine Kontraktion von 126 — 136 mm auf 100 mm, d. i. eine Turgordehnung von 26 — 35%. Es ist nicht meine Absicht, vollständig zu sein. Doch scheint es mir gewiß, daß die Literatur nur ganz vereinzelte Fälle, vielleicht auch gar keine aufzuweisen hat, wo fertige Organe derartig hohe Turgordehnungen aufweisen. Dabei haben wir die reaktionsfähigen Staubfäden der Cynareen ausgenommen. Abgesehen davon, daß sie bei Berührung zusammenzucken und sich dabei um 8 — 20% bei Cynara scolymus oder um 10— 307o bei Centaurea jacea ver- kürzen, kontrahieren sie sich in gleicher Weise durch plasmoly- sierende Lösungen. Pfeffer (I, S. 434ff.) gibt eine Turgordehnung von 20 — 25% an. Es kann uns die Tatsache nicht verborgen bleiben, daß diese Filamente sowohl wie die Fäden der Oscillarien, 80 verschieden sie auch sonst sein mögen, reizbare bewegliche Gebilde sind. Von den Staubfäden der Cynareen wissen wir, daß die an ihnen zu beobachtenden Reizbewegungen nur durch die äußerst dehnbaren Zellwände ermöglicht werden. 25* 382 Günther Schmid, 3. Weitere kontraktile Erscheinungen. Nachdem wir die Kontraktionsfähigkeit des Oscillarienfadens dargetan haben, bleibt uns noch beobachtend zu erweisen, daß diese Eigenschaft tatsächHch im Dienste aktiver Bewegungen des Oscillarienfadens steht. Lassen wir hier die elastischen Erscheinungen, Torsionen, Bogenbildungen, autonomes Gegeneinanderarbeiten verschiedener Fadenteile usw., Dinge, die überhaupt nur durch die höchst dehn- bare Membran möglich sind, beiseite, so ist da zunächst das Winden anzuführen, über das ich früher einmal eine Mitteilung machte (Schmid, I, S. 357). Das Winden ist noch ein ganz rätselhafter Vorgang. Damals erzielte ich ihn künstHch, indem ich kriechenden Oscillarien sehr feine Glasfäden in den Weg brachte, an denen sie dann windend emporkletterten. Später habe ich das Winden ungewollt immer wieder gesehen an den Fäden von Os- cülatoria Jenensis, welche von Erdkrümchen zu Erdkrümchen Brücken bildend dahinkriechen (Schmid, II, S. 609). Sie bilden dann sehr oft Stränge, die aus zwei bis mehreren umeinander windenden Fäden bestehen. Beim Winden sind die verschiedenen Flanken des Oscillarienfadens verschieden stark kon- trahiert oder expandiert. Während dieses Vorganges dreht sich die Oscillarie wie gewöhnlich um ihre eigene Längsachse. Es wird also die Zellmembran weitgehend durch Dehnungen beansprucht. Ich nehme bestimmt an, daß das Winden nicht bloß ein Sonderfall der bogenförmigen Wanderung (Schmid, I, S. 350, II, S. 616, Prell unter „Aberration" S. 125) ist, welche durch die Achsen- drehung des Fadens bedingt wird, sondern daß noch Berührungs- reize mitsprechen. Denn einmal sind die Windeumgänge sehr ver- schieden lang, wenn sie auch an ein und demselben Faden ver- hältnismäßig konstant sind. (Es hat keinen Wert, Maße mitzuteilen.) Andererseits aber braucht eine Oscillarie nicht immer um eine feine zylindrische Stütze zu winden; sie kann daran auch parallel entlang kriechen. Daß für dieses verschiedene Verhalten nicht das Vor- handensein oder Fehlen des hakenförmig gekrümmten Endes maß- gebend ist, konnte ich bestimmt feststellen. Hier möchte ich ferner Beobachtungen lose anfügen, die, wenn sie sich auch auf andere Weise bewahrheiten sollten, den ganzen Bewegungsmechanismus der Oscillarien in ein klares Licht rücken. Wenn ich nämlich über einer Agarplatte Erdklümpchen verstreut Das Reizverbalten künstl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der Oscillaforia Jenensin. 383 hatte und die Fäden von 0. Jenensis nach ihrer Art durch die freie Luft die Zwischenräume von einem Erdteilchen zum anderen überbrücken Heß, konnte ich zu meiner Überraschung öfter be- obachten, daß über den Leib des Oscillarienfadens, und zwar in der Längsrichtung, Wellen dahinliefen. Da ich nur schwächere Vergrößerungen anwenden durfte, muß ich mich damit begnügen, mitzuteilen, daß ich bestimmt fortlaufende Wellenzüge aus Licht und Schatten von sehr kurzen Wellengängen gesehen haben. Nach kürzerer Zeit, oft nach einer Viertelminute, verschwanden sie wieder. Ob damit Einbuchtungen einer Längsmembran verknüpft waren, konnte ich nicht ermitteln. Leider läßt sich vorläufig diese Er- scheinung nicht willkürlich hervorrufen. Ihre Beobachtung bleibt dem Zufall überlassen. Doch scheint sie nur bei einem gewissen Grad der Feuchtigkeit sich zu zeigen, kurz nachdem der Deckel der Petrischale aufgehoben worden und das Mikroskop eingestellt ist. Ich komme auf diese Beobachtung später zurück. Nebenbei gesagt, war sie für mich die Veranlassung, die Kontraktionserscheinungen der Oscillarie zu studieren. 4. Expansion in Schwefelsäure und Glyzerin. Ich legte mir die Frage vor, ob die Membran der Oscillarien- zelle bei normaler Turgeszenz die obere Grenze der Dehnbarkeit erreicht hat. Wenn es mir gelänge, Plasmoptyse zu erzielen, glaubte ich damit einen Weg gefunden zu haben, der zahlenmäßig die maximale Dehnungsgrenze bestimmen ließe. Zu dem Zweck sättigte ich 0. Jenensis mit konzentriertem Glyzerin und führte alsdann schnell Wasser hinzu. Plasmoptyse unterblieb. Nichts anderes ergab sich, als ich stattdessen konzentrierte Zuckerlösung verwen- dete. Es fanden freilich minimale Expansionen statt, deren Zahlen- werte ich hier auslassen will. Sie waren indes nicht ausgiebig genug, um ein Aufreißen der Membran zu veranlassen. Viel stärkere Expansion konnte mit Schwefelsäure erreicht werden. Zunächst mit einem Gemisch von 2 Teilen H2SO4 und 1 Teil H2O. Auch sie brachten trotz der Dehnung noch kein Zerreißen der Membran. Je ein kleinerer, gut meßbarer Oscillarien- faden wurde im Wasser unter dem Deckglas gemessen und alsdann Schwefelsäure durchgesaugt. Das sich ergebende Bild ist ver- ständlich: Zuerst kontrahiert sich der Faden infolge des heftigen Wasserentzuges; darauf, das heißt, nachdem die Schwefelsäure in 334 Günther Schmid, die Zellen eingetreten ist, findet Expansion infolge der Quellung und der Bildung voluminöser Zerfallstoflfe in den Zellen statt. Drei Beispiele: 1. Faden 34 lang. Schnelle Verkürzung in der gewohnten Weise, alsdann sofort starke Verlängerung auf 35 V^- Expansion = 4,4 "/o. 2. Faden 50 lang. Verkürzung zunächst auf 40, darauf schnelle Verlängerung auf ca. 51 Vi- Expansion =^ 2,5 %• 3. Faden 48 lang. Verkürzung wie vorher auf 39, dann ebenso auf 50Vg- Ex- pansion == 4,9%. Konzentrierte Schwefelsäure führt schließlich das Aufplatzen der Membran herbei. Die Längsmembran reißt in spiraligem Umlauf auf und zwar kurz nach der Expansion mit einem deutlichen Ruck, der sich dem Faden mitteilt. Die violett verfärbten Zellinhalte werden herausgeschoben und liegen in einem fortlaufenden schrauben- förmigen Bande (Steigungswinkel mit 67 — 70° gemessen) um den leeren Faden herum, welcher außer der bekannten Segmentierung (Schmid, II, S. 677) steil gestellte Palten aufweist. Die Längs- risse selber sind nicht zu erkennen. Da ich bei 0. Jenensis eine spiralige Struktur der Längsmembran, wie sie von Correns bei der nahestehenden 0. princeps mit anderen Hilfsmitteln gezeigt worden ist, bisher nicht bemerken konnte, erscheint es mir wichtig, daß durch die Expansionsversuche nebenher auch gewisse Struktur- verhältnisse der Membran sich dokumentieren. Die schräg gestellten Falten lassen sich als Folge der positiven Spannung der Außen- schichten der Membran gegenüber den inneren erklären (vgl. Correns, S. 140). Die Dehnungen der Längsmembran sind im Augenblicke der Rißbildung ganz beträchtlich. Auch hierfür einige Zahlenbeispiele: 1. Faden 407, lang. Verkürzung auf 27, alsdann Verlängerung auf 45. Ex- pansion 11,1 "/g. 2. Faden 43 lang. Wie vor Verkürzung auf 28, Verlängerung auf 46. Ex- pansion 6,9 7o- 3. Faden 50 lang. Wie vor Verkürzung auf 40, Verlängerung auf 55. Ex- pansion 10%. Obgleich die Versuche mit Schwefelsäure dargetan haben, wie weit die Überdehnung der bereits durch den normalen Turgor ge- spannten Zellwände fortgeführt werden kann, und so wiederum auf die allgemeine Kontraktilität der Oscillarienmembran Licht werfen, ist es leider auch hier — so wenig wie wir früher die Länge der entspannten Membran genau festgelegt hatten — nicht möglich, die obere Grenze der Dehnung zu bestimmen, da wir nicht wissen Das Reizverhalten künstl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der OsciUatona Jenensis. 386 können, wie weit etwa die Schwefelsäure das Dehnungsvermögeu verändert haben kann. Vielleicht käme man bei anderen Oscillarien mittels Glyzerin- sättigung, die ja bei mir versagte, weiter. Brand (I, S. 306) beschreibt nämlich von Phormidium uncinatum eine typische Glyzerin- Plasmoptyse. „In einem genau gemessenen Fall erreichte ein ursprünglich 291 // langes Stück von Fhonnidiinn, welches sich im Glyzerin auf 274 fi verkürzt hatte, nach Wasserzusatz eine Länge von 296 fi. Nach dem Bersten der ersten Zellen verkürzte es sich wieder auf seine ursprüngliche Länge, begann sich dann neuerdings zu strecken, um sich nach dem Platzen weiterer Zellen wieder zu verkürzen." Die Expansion beträgt also hier, wie sich leicht aus- rechnen läßt, 1,7^0) und dieser Betrag, der viel kleiner als jeder bei meinen Versuchen mit Schwefelsäure gefundene ist, stellt für Phormidium uncinatum den Expansionswert für die Längsmembran dar, soweit er noch über den Wert der Turgordehnung hinausgeht. 5. Spontane Ex^ansionserscheinungen. Gelegentlich der im nächsten Kapitel zu behandelnden Ver- suche über das osmotische Verhalten der Oscillarienzelle waren öfter Vergleichsversuche mit destilliertem Wasser oder Brunnen- wasser auszuführen. Diese brachten in einer Reihe von Fällen die merkwürdige Beobachtung, daß ein Faden von vorher unver- änderter Länge eine Expansion erfährt, wenn er in einer bestimmten Weise erschüttert wird. Die Expansion ist zwar verhältnismäßig gering, aber sie ist durchaus meßbar. Ich brachte in den Wassertropfen eines Objektträgers jedesmal einen besonders kurzen Faden, dessen Länge sich ohne Fehler be- stimmen ließ. Der Faden oder das Fadenbruchstück wurde aus Wasser gleicher Art eines Uhrschälchens mit einer Nadel heraus- gefischt und schnell in gewohnter Weise übertragen. In dem Uhr- schälchen hielten sich solche Fäden vorher mindestens eine Stunde auf. Auch in dem Tropfen des Objektträgers verweilten sie vor Beginn der Längenmessung mindestens 5 Minuten. Es konnten nur Fäden benutzt werden, die wirkhch wagerecht lagen. Manche schwammen auf der Oberfläche des Wassers, andere schwebten über dem Boden des Objektträgers, stets so, daß eine Bewegung nicht festgestellt werden konnte. Die Messung geschah bei einer mittleren Vergrößerung und wurde mehrere Minuten hindurch nach- Qgg Günther Schmid, geprüft. Alsdann ließ ich aus einer Kapillare aus einer Höhe von 2— 3 cm 2 Tropfen Wasser auf das Präparat fallen und maß unmittelbar hinterher und die folgenden Minuten weiter. Um die Größe der Wucht des Tropfenfalls anzudeuten, teile ich mit, daß der Tropfen auf den Objektträger in einem bestimmten Versuche 0,033 g groß war, die beiden hinzukommenden Tropfen zusammen 0,042 g wogen. Die Expansionserfolge zeigten sich bei verschiedener Zimmertemperatur (12,5—19"). Es hat den Anschein, als wären sie bei erhöhter Temperatur häufiger. Ich will über einen be- stimmten Versuch berichten: Versuch: Temperatur 13", dest. Wasser. Fadenteilstück mit 1 Apex, 36Vj lang» 12 Minuten unverändert im Wassertropfen des Objektträgers, darauf um lOh 2l' morgens Länge: 367^; lO^i 23' Länge: 36V2; lOh 26' Länge: SGVj- Also wiederum 5 Minuten hindurch die gleiche Fadenlänge. 10 h 26' Auftropfen! Erfolg: 10 h 267,'. Länge: 37; lOh 28' desgl., lOh 30' desgl., ll^ 5' desgl., nachmittags 12'' 15' desgl., l^ O' desgl., usw., 4h 0' Länge: 3672, ^^ ^^' I'änge: 36 -|— Die Expansion beträgt 1,4 7o- Unter 45 derartigen Versuchen habe ich 11 Expansionserfolge = 24 7o zu ^ei"' zeichnen. Sie kamen an ganzen und zerstückelten Fäden verschiedener Länge zustande. Die Expansionsgrößen, welche sich innerhalb bestimmter Grenzen halten, verteilen sich wie folgt (1 Längeneinheit = 2,2 fi). ^ Expansion Verlängerung vnn bis 1,3% 26 V, 26 1,4 7o 36V, 37 1,6 7o 477. 48 1,8% 407, 41% 1,8 7o 41 41% 1,8% 427, 43 1,9 7o 25% 26 1,9 % 38% 39% 1,9% 39% 40 2 % 36% 37 2 % 49 50 durchschnittlich 1,8 7o Expansion. Für die Frage, ob es sich bei diesen Expansionen um Reiz- antworten handelt, ist zunächst hervorzuheben, daß die nach dem Auftropfen sofort erfolgende Expansion in allen Fällen lange Zeit beibehalten wird. Man vergleiche z. B. im angeführten Versuch, daß noch etwa 3 Stunden nach dem Zustandekommen der Ex- pansion diese in derselben Höhe fortbesteht. Erst nach 3 weiteren Stunden konnte die ursprüngliche Fadenlänge wieder beobachtet werden. Naheliegend wäre es also, an eine mechanische Auslösung einer schon vorher bestandenen Membranspannung zu denken, Das Reizverhalten kiinstl. Teilstücke, die Koiitraktilität usw. der O.tcillatona Jenensm. 387 insofern, als vor dem Versuch durch das Übertragen der Oscillarie aus dem Uhrschälchen in den Wassertropfen irgendwie , ebenfalls- rein mechanisch, eine Verkürzung stattgefunden haben könnte. Für die Deutung der Erscheinung muß man ferner wissen, daß die nach Stunden einsetzende Kontraktion nicht allein auf die Rechnung des Kontraktionsausgleichs gesetzt werden darf. Auch ohne vor- herige Expansion verkürzen sich nämlich die Fäden von 0. Jenensis, wenn sie in Brunnen- oder destilliertem Wasser liegen, in der- artigen Zeiträumen um denselben Betrag. Für diese, Humusboden bewohnende Oscillarie ist offenbar Wasser in solcher Form giftig. Nach mehreren Tagen stirbt sie darin ab, die wasserlöslichen Farb- stoffe treten aus den Zellen in das Wasser über, die vorher braune Alge wird grün. Es ist verständlich, daß hiermit Kontraktionen einhergehen. Umso bemerkenswerter muß es sein, wenn nach der spät einsetzenden Kontraktion in unseren obigen Versuchen hin und wieder die gleiche Expansion durch Auftropfen erzielt werden kann. Dies zeigt sich z. B. in folgendem Fall: Versuch: Temperatur 14°. Ganzer Faden 5 Minuten mit der unveränderten Länge von 40'/, im Wassertropfen. Alsdann um 11^ 37' morgens: 407» lang; 11 •> 39' desgl.; 11*140' Auftropfen! Erfolg: llh4l': 41*/« lang; 11 h 43' desgl.; Ilh47' desgl.; llh 55': 41 lang; nachmittags 12^ 27': 41 lang; 3^ 30: 40lang. Nach 3 Tagen; 39 lang. Nach 4 Tagen: 38*/, lang. Der Faden ist noch lebendig, da er normal braun aussieht. Jetzt abermals Auftropfen wie früher! Erfolg: Expansion von 38*/, auf 39*/«- Mithin I.Expansion: l.S'/oi 2. Expansion: 1,9 "/o- Obgleich beim Zustandekommen der 2. Expansion der me- chanische Eingriff des Experimentators, welcher den zur Expansion erforderlichen Zustand einer mechanischen Kontraktion geschaffen haben könnte, hier ganz wegfällt, müssen wir zugeben, daß der Weg für eine rein physikalische Erklärung ebenso offen bleibt, wie für eine physiologische. Denn da zwischen obiger 1 . und 2. Expansion tatsächlich eine Kontraktion von 41 V4 nach SSV? beständig fort- schreitet, ist es gut möglich, daß Spannungsunterschiede in der Membran entstehen, die durch das Auftropfen plötzlich zugunsten einer Expansion ausgeglichen werden. Eine physiologische Er- klärung, welche sich im Einklang mit unserer im letzten Abschnitt dieser Arbeit darzulegenden Bewegungstheorie befindet, will ich erst an jener Stelle erörtern. Andererseits sind die Spontan- expansionen auch durchaus einer experimentellen Bearbeitung, die leider unterlassen wurde, zugänglich. 3g8 Günther Schmid, Abschnitt VII. Das osmotische Verhalten des Osciiiarienfadens. 1 . Plasmolyse. In der vorliegenden Literatur sprechen die Stimmen für und wider die Möglichkeit der Plasmolyse bei Cyanophyceen. Der älteste Beobachter scheint Hansgirg (1883) zu sein. Dies geht aus seiner Bemerkung (S. 835) hervor, der Turgor bei Oscillatoria princeps und wohl auch anderer Arten sei außerordentlich hoch , die Zell- häute seien erheblichen Druckspannungen ausgesetzt. Borzi (1886, S. 28) leugnet jegliche Zurückziehung des Plasmas durch plasmoly- sierende Mittel. Anders Alfred Fischer. Schon 1891 (Fischer, I, S. 42) findet er im Anschluß an seine Studien über Plasmolyse bei Bakterien, daß auch die Spaltalgen plasmolysiert werden. „Eine mittelstarke Oscillarie" gab mit 1 °/o Na Gl sofort eine allgemeine kräftige Plasmolyse Auch bei Vi^/o Na Gl trat vereinzelt noch eine etwas schwächere Plasmolyse ein; V2V0 war wirkungslos. Die Kontraktionen des Plasmas seien aber nicht so ausgeprägt wie bei den Bakterien. 1897 betont dann Fischer (III, S. 25) ganz allgemein: Bei Gyanophyceen (Lyngbyn, Oscillatoria) ist ein os- motisches System vorhanden; sie haben allseits protoplasmatischen Wandbelag, sind also plasmolysierbar. Der Inhalt der Gyano- phyceen zieht sich in 5 "/o Salpeter von der Wand zurück unter allen Erscheinungen einer echten Plasmolyse. Wie bei den Bak- terien geht die Plasmolyse schneller zurück als bei anderen Pflanzen- zellen, woraus aber nicht auf einen abweichenden Bau, sondern nur auf eine abweichende Permeabilität der Plasmahaut geschlossen werden darf. F. Brand meint, daß die Plasmolyse nicht voll- ständig mit jener der chlorophyllgrünen Pflanzen übereinstimme; es fände oft nur an ganz kleinen, vereinzelten Stellen Ablösung des Plasmas statt. Der Mangel an größeren Safträumen ließe das eigentlich von vornherein erwarten, und die Erscheinungen deuteten auf eine größere Elastizität der Gyanophyceenmembran und eine festere Verbindung zwischen ihr und dem Protoplasma (Brand, I, S. 303). Er vermutet richtig den Anteil, welchen die kon- traktile Zellhaut an dem untypischen Zustandekommen der Plas- molyse hat. Besonders schwer Heß sich die Abhebung von der Membran an den dicht in Gallerte gehüllten Nostocaceen und Ghroococcaceen erzielen. Bei Oloeocapsa blieb sie überhaupt ganz Das Reizverhalten kiinstl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der Oscillatona Jenensis. 389 aus. Die zuletzt genannten Formen sollen uns nicht beschäftigen; nur wollen wir bemerken, daß wegen der starken Gallerthülle die Verhältnisse hier besonders sein müssen. (Vgl. die Arbeit von Kotte über den Einfluß der Membranquellung auf die Plasmolyse bei Meeresalgen). Brand hat ebenfalls beobachtet, daß die Plas- molyse bei Cyanophyceen schnell zurückgeht. Neuerdings liegt eine Arbeit von Prat vor, die den Gegenstand behandelt. Prat führt Brands Beobachtungen merkwürdigerweise garnicht an. Auch er hebt das Fehlen der Vakuolen hervor, womit ein wesentlicher Unterschied gegenüber anderen Pflanzenzellen ge- geben sei. Das Wasser könne nur dem Plasma selber entzogen werden. Selten bemerkt er die vollständige Trennung des Proto- plasten von der Membran, und eine Kontraktion des Plasmas zur Kugel käme nie zustande. Nach einiger Zeit beobachtet er De- plasmolyse. Die Kontraktionserscheinungen der Oscillarienzelle im Plasmolytikum sind ihm ganz entgangen. Daher haben seine Be- stimmungen der Grenzkonzentrationen eigentlich keinen Sinn. Er gibt sie zwischen 1,6—1,8% KNOs oder l — l,l"/o Na Gl, bei einigen Spezies zwischen 0,8—1,5% NaCl oder 10^13% Rohr- zucker an. Bekanntlich ist für die Plasmolyse außer einer hypertonischen Versuchslösung Starrheit der Zellmembran, Semipermeabilität des Plasmas und lose Verbindung zwischen Plasma und Membran Be- dingung. Wie wenig die Starrheit zutrifft, wie leicht und ungeheuer dehnbar die Membran ist, davon konnten wir uns im vorigen Abschnitt überzeugen. Berücksichtigt man diese Tatsache, alsdann läßt sich jederzeit in den Zellen eines Oscillarienfaden leicht die Plasmolyse herbeiführen. Der osmotische Wert des Plasmolytikums muß weit über demjenigen der Oscillarienzelle liegen, und da die Plasmolyse schnell zurückgeht, ist die Beobachtung unmittelbar nach dem Einwirken vorzunehmen. Ich habe für das Ablösen des Protoplasten durch 40proz. Rohrzuckerlösung bereits in einer früheren Arbeit eine Abbildung gegeben (Schmid, II, S. 586 Fig. 12). Das Plasma löst sich von der Außenwandung ringsum ab, während es zunächst an den Querwänden bleibt. Dadurch kommt das stets wiederkehrende Bild zustande, daß der Saum des vorher an der Längsmembran angelagerten Plasmas sich bogen- förmig abhebt. Während also die Mitte des Saumes abgetrennt ist, verbleiben die Ränder an den Querwänden angeheftet. In der Folge löste sich das Plasma auch an den Querwänden ein kurzes 390 Günther Schmid, Stück. Also findet ein kugeliges Zusammenziehen des Protoplasmas, wie Prat richtig beobachtet hat, nie statt. Darauf beginnt bereits die Deplasmolyse. Über die Ursache des verschiedenen Verhaltens an Quer- und Längswand habe ich kein Urteil gewinnen können. Es braucht das nicht auf einer festeren Verbindung zwischen Plasma und Querwand zu beruhen. U. a. ließe sich auch denken, daß die PermeabiHtätsverhältnisse in der Längsrichtung andere sind als senkrecht dazu. In osmotischer Hinsicht könnte der Zellfaden in der Längsrichtung eine Einheit darstellen; das heißt, es gäbe an den Querwänden gar keine semipermeablen Hautschichten des Protoplasmas; eine Vorstellung, die sich gut vereinigen ließe mit der früher (Abschnitt V) vorgetragenen Vorstellung von der größeren Stoffdurchlässigkeit des Oscillarienfadens in der Längsrichtung. Noch habe ich eines besonderen Falles Erwähnung zu tun. In der hochkonzentrierten Rohrzuckerlösung von 60% treten plas- molytische Erscheinungen folgender Art auf. An den völlig ge- schrumpften Fäden beobachtet man hier und da in ziemlich regel- mäßigen Abständen von etwa 4 — 5 ^ schmale helle Streifen von meßbarer Breite (z. B. 1,9—2,6 fi gemessen), die in einem spitzen Winkel verlaufen. Diese Streifen erweisen sich bei näherem Zu- sehen als die fortlaufende Aufeinanderfolge von abgehobenen Proto- plasten in den einzelnen Zellen. In einigen bestimmten Fällen habe ich die Winkel zwischen der Richtung der Querwände und den hellen Streifen gemessen. Sie betrugen 61 — 80**, Winkel- größen, wie sie in anbetracht der unregelmäßigen Schrumpfung des Fadens nicht beständiger sein können. Auch diese Erscheinung ist nicht klar zu deuten. Erinnern die Winkel aber nicht an die ähnlichen Werte, welche für den Steigungswinkel des Expansions- risses der Membran infolge Behandlung mit konzentrierter Schwefel- säure mitgeteilt wurden (vgl. S. 384)? Möglich wäre es, daß, wie dort durch die starke Expansion, hier durch die heftige Kon- traktion ein Riß entsteht oder vorbereitet wird, wodurch dem Plas- molytikum schnellerer Zugang gewährt wird. 2. Osmotische Kontraktionen a) Methodik. Alle folgenden Versuche wurden aus technischen Gründen nicht unter dem Deckglas ausgeführt. Einmal deshalb nicht, weil während des Durchsaugens der Lösung der betreffende Faden weg- Das Reizveihalten kiln.stl.TeilstUcke, ilie Kontraktilität usw. der Oscillntorin Jenensis. 391 schwimmt, während dieser Ortsveränderung er schlecht gemessen und nicht schnell genug wieder gefunden, zum anderen nicht, weil der Zeitpunkt des Herantretens der Lösung nur ungenau bestimmt werden kann. Besser erscheint es da, mit einem offenen Tropfen zu arbeiten. Die Osciliarie, welche hierin ruht, wird infolge schnellen Hinzutröpfelns des Osniotikums meist nur wenig verschoben. Die — nunmehr allerdings verdünnte — Lösung umspült mit dem gleichen Augenblick den Faden. Nachteile dieser Methode sind freilich die, daß man bei stärkeren Vergrößerungen nicht zu messen vermag und, weil notwendigerweise die innige Mischung der Tropfen in der kurzen Zeit nicht erfolgt sein kann, es unsicher ist, wieviel der feinere Grad der Lösungskonzentration für die Osciliarie beträgt. Doch glauben wir die Nachteile in anbetracht der erzielten Er- gebnisse gering einschätzen zu dürfen. Bei den nachfolgenden Untersuchungen ist schnelles und sicheres Messen der Fadenlänge erforderlich. Dies kann nur an sehr kurzen Fäden oder Fadenstücken geschehen, welche dieselbe oder geringere Ausdehnung als der im Okular gesehene Maßstab besitzen. Da kurze Ganzfäden selten sind, wurden immer Faden- bruchstücke hergestellt. Der Verlauf jedes Versuches war folgender: eine Anzahl frisch aus der Kultur entnommener Oscillatoria Jenensis legte ich in ein Uhrgläschen mit destilliertem Wasser, worin sie mindestens 1 Stunde zu verweilen hatten. Alsdann fischte ich mit einer Nadel einen einzelnen Faden heraus und übertrug ihn schnell in einen kleinen Tropfen destillierten Wassers auf den Objektträger. Hierin zerstückelte ich mit einem Rasiermesser die Osciliarie in hinreichend große Fadenlängen. Darauf mindestens 5 Minuten weiteres Verweilen im gleichen Wassertropfen. Dann wird das ausgewählte Fadenstück gemessen und mehrere Minuten hindurch auf die Beständigkeit seiner Länge geprüft. Es werden zwei kleine Tropfen der zu untersuchenden Lösungen, welche zusammen etwa so groß wie der Wassertropfen auf dem Objektträger sind, aus einer Glaskapillare dem Wassertropfen schnell zugefügt, damit geschwind die Länge des Fadens weiter gemessen und in regel- mäßigen Zeitabständen aufgezeichnet werden kann. Für die Methodik ist es wichtig zu wissen, daß der Aufent- halt in destilliertem Wasser an sich schon einen verändernden Einfluß auf die Längenausdehnung eines Fadenbruchstückes hat. Eine Reihe von 9 Versuchen belehrte mich, inwieweit dies der Fall ist. (Verwendet wurde hier, wie in allen Versuchen dieses Abschnitts, in Glas destilliertes Wasser.) 392 Günther Schmid, Versuch 1. 33 lang. Nach 9 Minuten dieselbe Länge Nach 3ft Minuten um 2,3 '/oi nacl» 2 Stunden um 3,8 '/o. "»ch 4 Stunden 29 Min. um 4,5 7o. nach 4 Stunden 36 Min. um 4,5 % kontrahiert. Versuch 2. 1972 ^^^S- Nach 12 Minuten dieselbe Länge, nach 1 Stunde 22 Min. um 1,3 7o' na^^ 4 Stunden 1 Min. um denselben Betrag kontrahiert, desgleichen nach 23 Stunden 22 Min. Versuch 3. 21 lang. Nach 11 Minuten dieselbe Länge. Nach 4 Stunden 7 Min. um 4,8 7o) desgleichen nach 23 Stunden 35 Min. kontrahiert. Versuch 4. 29 lang. Nach 7 Minuten dieselbe Länge. Nach 11 Min., desgleichen nach 19 Min. um 0,9 "/o^ "»«^h 1 Stunde 7 Min. um 2,6 7oi »ach 3 Stunden 43 Min. um 4,3 **/o, nach 23 Stunden 32 Min. um 6 7o kontrahiert. Versuch 5. 26*/« lang. Nach 7 Minuten dieselbe Länge. Nach 10 Min. um 1,9 7o) desgl. nach 17 Min., nach 1 Stunde 7 Min. um 4,7%' "^^ch 3 Stunden 43 Min. um 7,5 7o' "*ch 2"^ Stunden 30 Min. um denselben Betrag kontrahiert. Versuch 6. 2374 lang. Nach 11 Minuten dieselbe Länge, desgleichen nach 3 Stunden 15 Min. Versuch 7. I4V2 lang. Nach 11 Minuten dieselbe Länge, desgleichen nach 3 Stunden 14 Min. Versuch 8. 47 lang. Nach 2, 4, 6, 9 Minuten dieselbe Länge. Nach 2 Stunden 48 Min. um 0,5 7o kontrahiert Versuch 9. 36 lang. Nach 2, 4, 6, 9 Minuten, desgleichen nach 3 Stunden 12 Min. die ursprüngliche Länge. Ergebnis. Nach 7 — 12 Minuten sind keine Kontraktionen eingetreten, nach etwa 4 Stunden solche von 1,3 bis 7,5 7o) ^^^ sich im Laufe von etwa 24 Stunden gar nicht oder nur wenig verstärken. 3 mal sind Kontraktionen ganz ausgeblieben. Die im Laufe der Zeit bemerkbare Verminderung der Turges- zenz, also die Verkürzungen sind Symptome geschwächter Lebens- kraft. Sie leiten den Absterbeprozeß ein. Nach 3 Tagen sieht man etwa 95%, nach 4 Tagen beinahe 100 7o der Fadenstücke grün verfärbt; diese haben die wasserlöslichen Schizophyceenfarb- stoffe verloren und sind tot. Intakte Fäden sterben in destilliertem Wasser ungleich langsamer, worauf ich schon früher hingewiesen habe (S. 373). Um so wertvoller ist für die Beweiskraft der zu besprechenden Versuche über osmotische Kontraktion, daß zwischen- durch — und zwar mit demselben Ergebnis — gelegentlich auch ein kurzer Ganzfaden genau geprüft werden konnte. TödUche Wir- kung hat auf die Humusboden bewohnende O. Jenensis auch Brunnen- wasser (jedenfalls Leitungswasser der Stadt Halle). Dies scheint weniger giftig zu sein. Es konnte dementsprechend während minde- stens 12 Stunden keine Längenveränderung der Fadenbruchstücke bemerkt werden. Für unsere Versuchsanordnung ergibt sich aus Vorstehendem, daß an den Fadenbruchstücken, wenn sie in destilliertem Wasser Das Reizverhalten kUnstl.Teilstüi-ke, die Kontraktilität usw. der 0»ciUatoria Jenetmin. 393 liegen, innerhalb von wenigstens 7 Minuten Kontraktionen nicht feststellbar sind. Ferner wurde die Wirkung des Auftropfens aus der Glas- kapillare studiert. Es kommen dabei mechanische Verschiebungen des Fadens vor, die ihn aus der wagerechten Lage herausbringen. Solche leicht erkennbaren Fälle, die an sich selten sind, weil meist der Faden von selber in die wagerechte, als die normale Ruhelage zurückkehrt, scheiden aus. Im übrigen habe ich unter 45 Auf- tropfversuchen nur 2 mal zweifelhafte Kontraktionen von 0,6 bis 0,9 "/o zu verzeichnen gehabt. Daß andererseits 1 1 Expansionen von 1,3 bis 2 "/o Ausmaß darunter vorgekommen sind, habe ich schon im vorigen Abschnitt mitgeteilt. Weitere Bemerkungen: In den folgenden Versuchsberichten sind der besseren Übersicht halber alle Längen der Fäden bezw. Faden- bruchstücke auf eine Anfangslänge von je 100 Einheiten umgerechnet worden. Die Ziffer der Lösungskonzentration bedeutet, daß in der Lösung tatsächlich die Konzentrationszahl enthalten ist (Beispiel; 10 ®/o Saccharose = 10 g Saccharose -j- 90 g dest. Wasser). Die verwendete Saccharose ist reinste Substanz aus der Fabrik von E. Merck (Darmstadt). b) Versuche mit Saccharose. u) Der Ablauf der Kontraktion. Das Bemerkenswerteste an der osmotischen Kontraktion, und zwar sowohl mit Rohrzucker wie mit anderen osmotischen Stoffen, ist ihr geschwinder Ablauf. Sie beginnt nach dem Hinzufügen der osmotisch wirksamen Lösung so schnell, daß bei der geschilderten Versuchsanordnung der Zeitpunkt ihres Anfangs nicht festgestellt und der Kontraktionswert in den allermeisten Fällen erst nach Verlauf der ersten 30 Sekunden abgelesen werden kann. Statt weiterer Worte darüber seien einige Beispiele herausgegriffen (l' =^ 1 Zeitminute): 2"/o Saccharose. 1. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0-7': 100. Um 7V/: Saccharose! 8': 98,1: 9': 98,1; 10': 98,1; 12': 98,1; 16': 98,1. 2. Ein anderer Fall, wo die Kontraktion ausnahmsweise langsamer verläuft, wie dies — gegenüber höheren Konzentrationen — bei 2 "/o allerdings öfter geschieht : Ur- sprüngliche Länge: 100. Von 0 — 5': 100. Um 5*/,': Saccharose! 6': 98,4; 7': 97,8 usw. 394 Günther Schniid, 100. Um öVj': Saccharose! 6': 90,4; 100. Um 57./- Saccharose! 100. Um 5'/^': Saccharose! 82,4 79,6; 5 7o Saccharose. 3. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0—5' 7': 90,4; 7*/,': 90,4 usw. 10 "/o Saccharose. 4. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0 — 5' 7': 82,8 usw. 20 7o Saccharose. 5. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0 — 5' T: 80,8 usw. 30 7o Saccharose. 6. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0 — 7' 9V,': 76,4 usw. 40 "/o Saccharose. 7. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0—13' 15': 69,0 usw. 50 "/o Saccharose. 8. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0—6': 100. Um ö'/j': Saccharose! 6*/*': 69,0; 7V1': 61,0; 8»/«': 62,8 usw. Die bei 2 proz. Saccharoselösung zuweilen zu beobachtende langsame Kontraktion ist bemerkenswert. Sie dürfte aus der geringeren Differenz zwischen dem osmotischen Werte der Lösung und der Oscillarienzelle zu erklären sein. In allen übrigen Fällen ist die Kontraktion nach Verlauf von 7i Minute bereits beendet. 100. Um 8': Saccharose! 8^/^': 73,6; 100. Um ISVs': Saccharose! 14': 63,0; ß) Konzentrationsgrad und Kontraktionsbetrag. Aus obigen Zahlenbeispielen wird deutlich, daß der Grad der Kontraktion des Oscillarienfadens von der Höhe der Saccharose- konzentration abhängt. Ich will dies hier weiter erläutern. Nach- folgende geordnete Werte haben sich aus einer Reihe von Ver- suchen ergeben und stellen die Kontraktionen dar, die auf je ein Fadenstück bezw. einen Gesamtfaden von der Einheitslänge 100 umgerechnet sind (sind also Prozentzahlen der Kontraktion). Ob- gleich ich auf die Temperaturen geachtet habe, ließ ich die Frage unberücksichtigt, ob eine Abhängigkeit von der Temperatur besteht. Konzentration: 1,5 "/o (= 0,044 MoU. Temperatur: 13". 1,16; 1,36; 2,22; 2,32; 2,58. Im Mittel: 1,92. Konzentration: 2,0 "/o (= 0,058 Mol). Temperaturen: 13, 15 und 18". 1,50; 1,54; 1,54; 1,56; 1,62; 1,82; 1,88; 2,66; 4,04; 4,64. Im Mittel : 2,28. Konzentration: 5°/© (= 0,146 Mol). Temperatur: 16°. 7,36; 7,82; 9,52; 10,96. Im Mittel: 8,91. Konzentration: 10 "/o (= 0,292 Molj. Temperaturen: 13 und 16°. 15,60; 17,54; 17,54; 19,42. Im Mittel: 17,52. Konzentration: 20% (= 0,584 Mol). Temperaturen: 13,5 und 14". 19,38; 24,04. Im Mittel: 21,71. Das Reizrerhalten künstl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der Oscillatoria Jenensis. 396 Konzentration: 30 "/o (= 0,876 Mol). Temperaturen: 14 und Ih". 26,34; 26,98. Im Mittel: 26,66. Konzentration: 40 "/o (= 1,168 Mol). Temperatur: 15". 28,00; 37,10. Im Mittel: 32,55. Konzentration: 50 7o (= 1,460 Mol). Temperaturen: 10 und 12". 33,50; 38,26. Im Mittel: 35,88. Die Abhängigkeit de8 Kontraktionswertes vom Konzentrations- grad der Rohrzuckerlösung ist in nachfolgender Fig. 2 graphisch zur Darstellung gebracht. Die Kurve zeigt einen steilen Anstieg bis 10 % Saccharose, darauf ein allnaähliches weiteres Ansteigen. Fig. 2. Erläuterung im Text. y) Bestimmung der Grenzkonzentration. Eine l,5proz. Rohrzuckerlösung entwickelt, da von nur 0,044 molarem Gehalt, wie leicht zu errechnen ist, den geringfügigen osmotischen Druck von 0,98 Atmosphäre. Es ist erstaunlich, daß sie noch genügt, in allen erprobten Fällen osmotische Kontraktion hervorzurufen, und eine reizvolle Aufgabe, daraufhin einmal die untere Grenzkonzentration des Rohrzuckers für diesen Vorgang festzustellen. Mit Iproz. Zuckerlösung war gerade noch eine winzige Kon- traktion nachzuweisen, wie aus folgendem Versuchsbericht hervor- geht. Jahrb. f. wies. Botanik. LXII. 26 396 Günther Schmid, 1 7o Saccharose (= 0,029 Mol). 1. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0 — 5': 100. Um öVs': Saccharose! 6': 100; 8': 99; 10': 98,5; 13': 98. Seit der Einwirkung der Lösung erste Kontrak- tion nach 2V2' = 1 7o- Später, nach 4»/,' = 1,5 "/„, nach Vj^' = 2 7^. 2. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0—5': 100. Um 57»' : Saccharose! C: 100; 7': 100; 8': 100; 9': 99,5; 13': 99,3; 15': 99. Wie unter 1.: erste Kon- traktion nach 3V2' = 0,5 7o. Später, nach 77,' = 0,8 7«, nach 972' = 1 7o- 3. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0 — 5': 100. Um 572': Saccharose! Von 6—16': Länge 100. Also Kontraktion = 0 7o- 4. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0 — 5': 100. Um 57»': Saccharose! 6': 100; 7': 99,4; 9 — 11': 99,4; 15': 98,7. Wie unter 1.: erste Kontraktion nach iYj' = 0,6 7o- Später, nach 9 7^' = 1,3 7^. 5. Ursprüngliche Länge: 100. Von 0—5': 100. Um b'^j^': Saccharose! 6': 100; 7': 99,6; 8': 99,6. Wie unter 1.: erste Kontraktion nach 172' = 0,4 7o- 6. Ursprüngliche Länge: 100. Von O — A^f^': 100. Um 5': Saccharose! 6': 100; 7': 100; 9': 99,3; 11': 99,3. Erste Kontraktion = 0,17 7o nach 4'. Bemerkung: Vergleichsweise wurden Versuche mit dest. Wasser ohne Erfolg angestellt. Das verhältnismäßige späte Auftreten der ersten Kontraktion dürfte wie bei den Versuchen mit 2proz. Saccharoselösung bedingt sein. Zum Teil ist die Verzögerung andererseits auch nur schein- bar. Denn es lassen sich solche winzigen Längenunterschiede bei der angewendeten Vergrößerung mit Sicherheit erst von einem ge- wissen Betrage ab messen. Darum ist es unmöglich, die Genauig- keit der Grenzkonzentrationsbestimmung noch weiter zu treiben. Prüfungen in Lösungen von 0,46, 0,11, 0,055% usw. waren denn auch ergebnislos. Wieviel die Kontraktion bei 1 "/o beträgt, ist nur andeutungsweise zu sagen. In mehreren Fällen nimmt sie, wie oben zu sehen, im Laufe der Minuten zu, allein in einer Zeit- spanne, in welcher ohnehin meßbare Kontraktionen stattfinden würden, wie die Vorversuche zur Methodik gelehrt haben. Will man das erste Anzeichen einer Kontraktion um '/o bis 4 Minuten nach dem Zeitpunkt des Auftropfens zugrunde legen, so hätten wir bei 1 "/o Saccharose Kontraktionen vom Ausmaß 0 — 1 "/o, im Durch- schnitt 0,5 "/o, zu verzeichnen. S) Permeabilität und Turgorregulation. Bisher wurde nur eine Seite des osmotischen Verhaltens be- trachtet: die Kontraktion. Mit ihr ist aber in unseren Versuchen der rückläufige Vorgang, die Wiederausdehnung des Oscillarien- fadens, unmittelbar verknüpft, so daß Kontraktion und Expansion ohne Zwischenpause aufeinander folgen. Dies sei an einem Bei- spiel erläutert: Das Reiiverhalten künstl. Teilstücke, die Konlraktilität usw. der Oscillatoria Jenensh. 397 2 7o Saccharose. Temperatur: 16°. Ursprüngliche Fadenlänge : 100. Von 0 — 5': 100. Um 5': Saccharose! Darauf folgender Kontraktionsablauf: 57,': 98, .5; 6': 97,9; 10': 98,5; 13': 99,0; 15': 99,0; 20': 100; 30': 100. In Worten: '/j' nach Ein- wirkung des Kontraktionsmittels wird eine Verkürzung von 1,5% gemessen; diese Ver- kürzung nimmt im Laufe von l'/j' his 2,1 "/o ^^^- Alsdann beginnt der umgekehrte Vorgang, so daß nach 5' (vom Zeitpunkt des Ein- wirkens der Lösung ab) nur wieder 1,5 "/q Kontraktion, nach 8' 1 7o Kontraktion und schließlich nach 15' die ursprüngliche Länge festgestellt wird. Bei höheren Lösungsprozenten dehnt sich der Faden in bezug auf seine ursprüngliche Länge bedeutend langsa- mer aus. Schon bei 6 Vo Saccharose — Stufen zwischen 2 und 6 % habe ich nicht geprüft — ist dies auffällig zu sehen. Statt ein- zelner Versuchsbe- richte will ich aus der großen Zahl von Versuchen einige Er- gebnisse in Gestalt beliebig gewählter Kurven wiedergeben, deren Erklärung we- niger Worte bedarf (s. Fig. 3). Da alle Versuche, wie früher, auf eine ursprüngliche Länge des Fadens von 100 Einheiten bezogen wurden, steigen von einer Horizontalen (= der konstanten ursprünglichen Fadenausdehnung) alle Kurven gemeinsam von demselben Punkte (= wo die Zucker- lösung zugeführt wurde) steil nach unten ab, und zwar je nach der Lösungskonzentration, verschieden weit. Ebenso ist überall der 26* -1 — 1 — r 1 1 ~ 1 Zei — 1 1 1 1 1 1 1 t : 4 - -10 M mixten t% \ ^^ - - o - TT o 1 5% 10% \_^^^ / - 3 1 - U- - »>: Co _ ro 1 3o% /^-^ o ' o - 1 / 5o% / ^^_ - G^ / - 1/ Fig. 3. Koutraktionskurven für Saccharose, 2 — 50 7o Erläuterung im Text. 398 CHinther Schtnid, aufsteigende Ast, also der Ausdruck für die Expansion, gemeinsam. Die Kurven erreichen abermals eine wagerechte Gerade. Diese ist bei der 2proz. Saccharose wieder die ursprüngliche Horizontale. In allen anderen Fällen läuft sie parallel damit, d. h. die Expan- sion wächst nicht bis auf den Anfangswert der Padenlänge an. Hieraus darf man weder auf ein gegensätzliches Verhalten zwischen der 2proz. und den höher konzentrierten Lösungen schließen, noch auf eine absonderliche Permeabilität des Oscillarien- plasmas für das große Molekül der Saccharose. Denn eine Turgor- regulation liegt hier überhaupt nicht vor. Der Wiederanstieg der Kurven erklärt sich zwanglos aus der Besonderheit der zugrunde liegenden Versuche. Erinnern wir uns, daß beim Auftropfen der zu prüfenden Lösung unmöglich im gleichen Augenblick eine voll- ständige Mischung mit dem Tropfen destillierten Wassers geschehen kann, in welchem die Oscillarie liegt. Auch nach V2 Minute, während deren die kräftige Kontraktion des Oscillarienfadens vor sich geht, ist die Vermischung beider Flüssigkeiten nicht beendet. Obschon die Kontraktionswerte wegen der stets gleichen Hand- habung der einzelnen Versuche sich dennoch vergleichen lassen, ist selbstverständlich die feinere zahlenmäßige Abhängigkeit zwischen Kontraktion und Lösungskonzentration festzustellen unmöglich. Hier- bei mögen auch noch die mechanischen Spannungsverhältnisse in einem Tropfen und die je nach der Lage des Oscillarienfadens ver- schieden an ihn herantretenden Lösungsschlieren eine Rolle spielen. Die Expansion der Oscillarie ist das Anzeichen für die weiter fortschreitende Vermischung von destilliertem Wasser und den Schlieren der Zuckerlösung. Die Zellen, welche vorher wasser- ärmer geworden und mit der sie unmittelbar umgebenden Lösung ausgeglichen waren, ziehen jetzt ihrerseits Wasser aus der inzwischen verdünnten Lösung herein. Mit dem Augenblick, wo der auf- steigende Ast der Kurve zur Wagerechten übergeht, ist jene end- gültige Mischung und der osmotische Ausgleich praktisch erfolgt, also seit der Zuführung der Lösung — wenn wir alle geprüften Fälle zugrunde legen wollen — in 2V2 — 6 Minuten. Es ist ver- ständlich, daß die Expansionswirkung bei den Versuchen mit höherer Konzentration größer als bei denjenigen mit niederer aus- fallen, da der osmotische Unterschied zwischen Zuckerschlieren und destilliertem Wasser mit der Konzentration der ersteren wächst. Der veränderliche Längenzustand des Oscillarienfadens ist ein Gradmesser für die osmotischen Verhältnisse der Umgebung. Ver- Das Reizverhalten künstl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der OscUlatoria Jenensis. 399 möge ihres geringfügigen Innendruckes (vgl. diesen Abschnitt unter c S) reagiert die Alge auf die feinsten osmotischen Schwankungen. So ist es zu verstehen, daß bei nicht völlig gemischtem Tropfen aus destilliertem Wasser und irgend einer osmotischen Lösung die geringsten — z. B. die durch Berührung der Oberfläche des Tropfens hervorgerufenen — Bewegungen Kontraktionen oder Expansionen zur Folge haben. Am deutlichsten werden diese Dinge illustriert, wenn ein in — beispielsweise 10 % — Saccharose kontrahierter Faden sich beinahe im gleichen Augenblicke ausdehnt, wo die Zuckerlösung durch destilliertes Wasser ersetzt wird. Das Dia- gramm in Fig. 4 veranschaulicht den Vorgang. So geschwind wie zuvor die Kontraktion erfolgte, wird diese auch rückgängig gemacht. In weniger als V^ Minute ist die normale Fadenlänge nahezu wieder erreicht. -i — I 1 — I — I 1 — I 1 — I — I 1 — I — I — I — r Zeit ; 4 - io Miiiiiteii — r 3o Zwei Kurven für Kontraktion in 10 "/o Saccharose mit nachfolgender Expansion (bei *) in destilliertem Wasser. Was das Permeieren des Rohrzuckers und die damit ver- bundene Turgorregulation betrifft, so geschieht beides nachweislich viel später. Erst nach über \U Stunde erfolgt eine neue, diesmal ganz allmähliche Expansion infolge des Eintritts der Zuckerlösung in die Zellen des Oscillarienfadens. Hierfür folgendes Beispiel aus einem Versuch mit 10 **/(, Saccharose, bei dem, abweichend von der bisherigen Versuchsmethode, die nachträgliche Vermischung zwischen destilliertem Wasser und Lösung vermieden ist: Temperatur: 18", ganzer Faden von der ursprünglichen Länge 100 wird aus destilliertem Wasser in lOproz. Saccharoselösung übertragen und nach 2 Minuten ge- messen: Länge 90,6. Nach 11': 88,7; 12': 88,7; 18': 88,3; 22': 88,3; 27': 88,7; 32': 88,7; 37—51': 88,7. — Nach 2h 6': 90,6; 2^ 12': 90,6. — Nach 18h 26': 94,4; 18h 81': 94^4 usw. — Nach 25'' 52': 95,7; 25h 57': 95,7 usw. — Nach 400 Günther Schmid, 42 h: 95,7 usw. — Nach 49^: 96,2 usw. — Nach 67 ^ : 98,1 usw. Der Faden ist am Schlüsse der Beobachtungen lebendig. Ergebnis: Das Permeieren des lOproz. Rohrzuckers ist erst nach Ablauf von 22 bis 28 Minuten nachzuweisen. Die Regulation des Turgors geht sehr langsam vor sich und ist selbst nach 67 Stunden noch nicht ganz vollendet. c) Versuche mit anderen Lösungen. Nachdem Vorstudien sichergestellt hatten, daß auch andere Lösungen Kontraktionen bewirken, mußte das Ziel sein, die Grenz- konzentrationen auch dieser Lösungen für die Kontraktion zu be- stimmen. Ich habe mich auf Lösungen von Kaliumnitrat, Chlor- natrium und Harnstoff beschränkt. Die Kontraktion selber läuft wie im Rohrzuckertropfen ab. Schon nach V2 Minute ist der je- weils höchste Grad der Kontraktion erreicht. Darauf beginnt ein Wiederausdehnen bis zu einer gewissen Länge, die weit unter der Normallänge des Fadens liegt, ein Vorgang, der wie beim Rohr- zucker durch den Ausgleich der Lösung mit dem ursprünglichen Wassertropfen bedingt ist. In diesem so erreichten Kontraktions- zustande verharrt die Oscillarie etwa '/» Stunde, um alsdann in- folge des Permeierens der Lösung langsam sich auszudehnen. Um Raum zu sparen, lasse ich genaue Versuchsberichte beiseite. er) Kaliumnitrat. Lösungen von Kaliumnitrat ergeben folgendes: ein Iproz. Lösungstropfen erzielt eine starke Kontraktion, O,lproz. keine. Die Kontraktionswerte für einige Abstufungen zwischen beiden Flüssigkeiten sind im Mittel: 1 7o (isotonisch mit 5,2 7o = 0,152 Mol Rohrzucker): Kontraktion 9,0 %• 0,330 7o (isotonisch mit 1,78 "/o = 0,052 Mol Rohrzucker): Kontraktion 1,4 7o- 0,185 7o (isotonisch mit 1 7o = 0,029 Mol Rohrzucker): Kontraktion 0,9 7o- 0,103 7o (isotonisch mit 0,55 7o = 0.016 Mol Rohrzucker): Kontraktion 0,0 7o- Bei 0,18 7o treten in allen Fällen Kontraktionen (0,6— 1,7 7o) ein. Die Grenzkonzentration liegt also etwas unterhalb dieses Wertes, der mit 1 7o = 0,029 Mol Rohrzucker isotonisch ist. ß) Chlornatrium. In O,lproz. Lösung NaCl erzielte ich in nur 60 7o der Ver- suche Kontraktionen, in 0,6proz. Lösung dagegen in allen Ver- suchen. Die Kontraktionswerte sind je im Mittel folgende: Das Reizverhalten künsll. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der Oscillatonn Jenens)j<. 401 0,5% (isotonisch mit 4,67 % = 0,136 Mol Rohrzucker): Kontraktion 7,8 "/q. 0,214 7o Hsotonisch mit 2% — 0,058 Mol Rohrzucker;: Kontraktion 3,5%. 0,107 Vo (isotonisch mit 1% = 0,029 Mol Rohrzucker): Kontraktion 1,1 "j^. 0,060 7o (isotonisch mit 0,56% = 0,016 Mol Rohrzucker): Kontraktion 0,0 7o. Also liegt für Chlornatrium die Grenzkonzentration bei etwa 0,107 "/o, die mit 1 % = 0,029 Mol Rohrzucker isotonisch ist. y) Harnstoff. Daß Harnstoff sich infolge seiner bekannten hohen Permeier- fähigkeit anders als die bisher besprochenen Stoffe verhalten würde, war zu erwarten. Die Grenzkonzentration hegt tatsächlich viel höher als bei jenen. Ver- Zeit : i - & Minuten Fig. 5. Kontraktionskurven für 1 7o Harnstoff (Rohrzucker- wert 5,7 %) "^ ausgezogene Linien. Zum Vergleich des- gleichen Kurve für 1 7o KNO, CRohrzuckerwert 5,2 7o) = gestrichelte Linie. suche mit Lösungen unter 0,35 % Harnstoff, die einem Rohrzuckerwert von 2 °/o ent- sprechen, blieben ergebnis- los. Jedenfalls sind Kon- traktionen '2 Minute nach dem Hinzufügen der beiden Tropfen nicht oder nicht mehr zu sehen. Sonst gehen die Kontraktionen in den an- gewandten Konzentrationen (bis 1 "/o) geschwind auf die ursprüngliche Länge des Fa- dens zurück, was sich aus dem schleunigen Eintritt der Harnstofflösung in die Zellen er- klärt. Das beigegebene Diagramm (Fig. 6), gewonnen aus Ver- suchen mit 1 'Vo Harnstoff, erläutert dies am besten. Im übrigen ist auch hier der Grad der Kontraktion von der Lösungskonzen- tration abhängig. 1 7o (isotonisch mit 5,70 7^ = 0,166 Mol Rohrzucker): Kontraktion 4,4 7o. 0,5 7o (isotonisch mit 2,85 7o = 0,083 Mol Rohrzucker): Kontraktion 1,8 7o- 0,35 7o (isotonisch mit 2 7o = 0,058 Mol Rohrzucker): Kontraktion 0,6 7o- Hierzu ist zu bemerken, daß schon bei 0,5% Harnstoff nur in ^,'h der Versuche Kontraktionen zu verzeichnen waren, bei 0,35 % sogar nur in Vs der Versuche. Obige mittlere Kontraktionswerte sind unter Weglassung der 0-Werte errechnet. Die Grenzkonzentration für die Kontraktion des Oscillarien- fadens ist also für Harnstoff bei etwa 0,5 % zu setzen. 402 Günther Schmid, d) Ergebnis. Die Mittelzahlen aus den Kontraktionswerten, welche man in Lösungstropfen von Rohrzucker, Kaliumnitrat und Chlornatrium nach der angewendeten Methode erhält, lassen sich aufsteigend in eine Reihe ordnen, was nachfolgend geschieht. In der ersten Säule stehen, in Prozenten der ursprünglichen Länge des Oscillarien- fadens ausgedrückt, die Kontraktionszahlen, in der zweiten die Lösungsprozente der osmotischen Stoffe, in der dritten, um einen Vergleich zu ermöglichen, deren Rohrzuckerwerte. Die Stoflfe wechseln wahllos ab; ihre Stellung ist lediglich bedingt durch die jeweilige mittlere Kontraktionszahl, die aus meinen Versuchen be- rechnet wurde. Auch der Harnstoff ist mit aufgenommen; seine Werte fallen aus den Reihen heraus, sie finden sich unten ein- geklammert. Rontiaktion Stoff Rohrzuckerwert 0,0 KNOg 0,103 0,55 (0,6) Harnstoff 0,35 (2,0) 0,6 Saccharose 1,00 1,00 0,9 KNOg 0,185 1,00 1,4 n 0,330 1,78 *) 1,7 Na Gl 0,107 1,00 (1,8) Harnstoff 0,5 (2,85) 1,92 Saccharose 1,5 1,50 2,28 n 2,0 2,00 3,5 Na Gl 0,214 2,00 (4,4) Harnstoff 1,0 (5,7) 7,8 Na Gl 0,5 4,67 8,9 Saccharose 5,0 5,0 9,0 KNO, 1,0 5,2 Nur der Rohrzuckerwert für die Kontraktion 1,4 = 1,78 % (vgl. *) fällt aus der Ordnung heraus. Da für eine genauere vergleichs- weise Betrachtung der obigen Stoffe zu wenig Versuche angestellt worden sind — eine Aufgabe, die außerhalb des gesteckten Rahmens vorliegender Arbeit liegt — , dürfen wir auf Einzelheiten in der Tabelle nicht eingehen. Daß überhaupt die Rohrzuckerwerte der verschieden starken Lösungen von Salpeter, Kochsalz und von Rohrzucker sich nach den Ausmaßen der Kontraktion ordnen lassen, beweist die rein osmotische Natur der Kontraktion. Ver- ständlicher wird dies noch durch den Vergleich der gewonnenen Grenzkonzentrationen. Sie liegen bei etwa IVo Saccharose, 0,185 7o Kaliumnitrat und 0,107 7o Chlornatrium, bezw. um ein Geringes Das Reizverhalten künstl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der Oscillatoria Jenensis. 403 niedriger, Werte, die mit 1 7o oder 0,029 molarer Rohrzuckerlösung isotouisch sind. Die Kontraktionen der Oscillarien in osmotisch wirksamen Lösungen sind also der Plasmolyse pflanzlicher Gewebe mit starren Zellhäuten gleichzusetzen. Obige Werte für die Grenzkonzentration sind nun ganz auffällig gering. Sie stehen ohne Vergleich im Pflanzenreich da. Nur unbehäutete Zellkörper haben ähnliche os- motische Werte aufzuweisen. So findet Vouk (S. 30 ff.) für die Plasmodien der Myxomyceten etwa 0,01 Mol Rohrzucker, und für Infusorien (I'aramaecium) gibt Balbiani (nach Vouk, S. 33) 0,06 — 0,08 Mol Rohrzucker als die Grenzkonzentration an. Diese Tatsache dürfte von Bedeutung für das Verständnis des Bewegungs- mechanismus sein. Der Atmosphärendruck in der Oscillarienzelle beträgt nicht mehr als 0,65 Atmosphäre (= 0,029 Mol Rohrzucker) oder weniger. Das bedeutet aber, daß für die völlig turgeszenten Zellen sehr geringe Kräfte hinreichen, um ihre Gestalt und Größe zu verändern. Zu weiterem Vergleich nachstehende Übersicht der osmotischen Werte, welche aus den Arbeiten von Bender, A. Fischer (I — IV), G. Karsten, Kotte, O. Müller, Swellengrebel, True und Vouk herausgezogen und einheitlich auf Mol-Rohrzuckerwerte um- gerechnet worden sind. Myxomyceten (Vouk, S. 30 ff.) 0,01 Mol Rohrzucker Oscillatoria Jenensis 0,02 — 0,03 „ „ Infusorien (Balbiani, lt. Vouk, S. 33) . . . 0,05—0,08 „ , Bakterien (Fischer, IV, S. 26) 0,06—0,09 „ „ Trichobakterien (Fischer, I, S. 62): Gladothrix 0,13—0,20 „ „ Crenothrix 0,20 — 0,27 „ „ Lebermoose (Bender), thallose 0,23 — 0,39 „ „ Riccia fluifans .... 0,23 — 1,43 „ „ Diatomeen*) (Müller, S. 173) 0,24 „ „ Chlorophyceen (True, S. 71 ff.) 0,25 „ Hefen (Swellengrebel, S. 376) 0,37 Lebermoose (Bender), foliose 0,39 — 0,94 „ „ Rhodo- und Phaeophyceen (Kotte, S. 129/130) . 0,46—0,95 „ „ Laubmoose CBender) 0,47—0,63 „ „ 1) Karsten (S. 152 — 153) erzielte unter den Diatomeen der Kieler Bucht bei Nitzachia longissima Plasmolyse bereits mit 0,02 Mol. Da er selber die Frage offen läßt, ob hier wirklich eine normale Plasmolyse oder eine „Reizplasmolyse" vorliegt, muß der Wert oben wegbleiben. Bei anderen Formen löste sich das Plasma zum Teil erst bei auffallend hohen osmotischen Werten ab. 404 Günther Schniid, d) Versuche mit I o/o Schwefelsäure. Anders als die bisher angewandten Lösungen wirkt Schwefel- säure. Wenn schon bei kurzer Berührung mit geringprozentiger Säure ein schädigender Einfluß früher (vgl. Abschnitt II unter Methodik) nicht festgestellt werden konnte, so führt doch ein längeres Verweilen der Oscillarie sogar in 0,01 % unbedingt zum Tode. Dementsprechend ist z. B. nach 10 Minuten Einwir- kung irgend eine Kontraktion nicht zu beobachten gewesen, da- gegen eine solche von 9,6 7o beispielsweise nach 6 Stunden. Der Faden war alsdann rosa verfärbt. 0,1 "/o Schwefelsäure bringt Oscillatoria Jenensis bereits sofort zur Kontraktion. Nach V2 Mi- nute maß ich die Verkürzung von z.B. 0,7 '^/o, nach 20 Minuten 6,8 Vo Kontraktion. Ist der betreffende Faden in lebendiger Be- wegung, so wird diese nicht sistiert, sondern geht während dieser ■ — I ' ' ' ' ^ Zeit : 40-70 Minuten 00 o Fig. 6. Kontraktionskurve für 1 "/„ HjSO^ Erläuterung im Text. Zeit, also während des zwar langsamen, aber stetig fortschreiten- den Kontrahierens unbehindert weiter. — Nach VU Stunden ist der Faden in 0,1 "/o Schwefelsäure bestimmt tot. Die Verkürzung betrug in einem bestimmten Falle 17,3 Vo der ursprünglichen Länge. Weil die Schritt für Schritt an Turgeszenz verlierende Oscil- larie durch die Giftwirkung der Säure abstirbt, so ist natürlich ein nachträgliches Wiederausdehnen des Fadens auf eine gewisse Länge unmöglich, auch in einem Mischungstropfen, wie dieser — ent- sprechend der anfangs mitgeteilten Versuchsmethodik — in Ver- suchen mit 1 % Schwefelsäure angewandt wurde. Für die hier sich ergebende Kontraktionsfolge gebe ich ein Beispiel: Intakter Faden. Ursprüngliche Länge: 100. Temperatur: 15". Von 0 — H'/j': 100. Auftropfen mit 1 "/o HgS04! 15': 95,9; löV«': 91,0; 16': 89,2; 11^1^': 86,8; 19': 86,2; 21': 85,8; 26': 84,8; 29': 84,2; 31': 82,8; 60': 82,2; 85': 81,2; 131': 81,2. Endkoutraktion : 18,8 7o- Das Reizverhalten künstl.Teilstücke, die Konfrakfililat ii.sw. der Oscillniorin Jencnsm. 406 Das beigegebene Diagramm in Fig. 6 wird dies noch besser erläutern. Im übrigen betrugen in derartigen Versuchen bei einer Beobachtung von ca. IV2 Stunde die Kontraktionswerte 16,3 bis 19,6 "/o, im Mittel 18,1 %. Eine polare Kontraktionsrichtung konnte ich nicht feststellen. e) Osmotische Kontraktion und Bewegung. Ist während der osmotischen Kontraktion der aktive Bewegungs- mechanismus des Oscillarienfadens tätig? Die Antwort auf diese Frage dürfte von Einfluß auf die Theorie der Oscillarienbeweguug sein. Darauf abzielende Versuche wurden mit Rohrzucker ange- stellt. Zuvor mußte gezeigt werden, daß Rohrzucker (Saccharose puriss.) bis zu einer gewissen Lösungskonzentration von den Zellen ohne Schädigung aufgenommen wird, während die Bewegungen un- gehindert weitergehen. Hierzu wurden zwei Versuchsreihen an- gesetzt: 1. Als Unterlage für die Bewegungen der 0. Jenensis diente l'/jVo Agargallerte, welcher gereinigter (d. li. gewässerter und ausgefaulter) Agar zugrunde lag. Auf dieser Gallerte erlahmen die Bewegungen sehr viel später als auf Rohagar-Gallerte. Der Agar erhielt Zusätze von je 5, 10, 15% usw. in Abständen von 5% ^^^ hinauf zu 50 "/(, Saccharose. (Die Prozentzahl bedeutet auch hier, wieviel Zucker in 100 g Agargallerte enthalten ist. Beispiel: 10 7o = 1 V3 g A.gar, SS'/a g Wasser, 10 g Zucker.) Auf die Gallerte wurden in gewohnter Weise Oscillarienlager gebracht, um die Fäden zum Aus- kriechen zu veranlassen. Der Erfolg ist nach Verlauf eines Tages so deutlich, wie nach 3 Tagen: Von 15% Saccharose ab ist keine Spur der bekannten Strahlungsfiguren zu bemerken, dagegen zeigen 0,5 und 10% Saccharose die weithin ausgekrochenen Oscil- larienfäden. 2. In gleicher Weise erhielt 0. Jenensis als Bewegungsunterlage Agarböden von 0, 10, 12,5 und 1 5 % Saccharosegehalt. Nach Verlauf von 2 Tagen sind die Oscillarien bei 0% und 10% weit ausgewandert, z.T. bis zum Rand der Petrischale. Nach 3 Tagen ist die Zahl der bis zum Schalenrand gekrochenen Fäden größer geworden. Stichproben ergeben bei mikroskopischer Betrachtung, daß überall vorzügliche Beweglich- keit vorhanden ist. Anders bei 12,5 und 15%- Nirgends ist eine Bewegung bemerk- bar, weder makro- noch mikroskopisch. Die Konzentrationsgrenze, bis zu welcher sich 0. Jenensis be- wegt, liegt also für Rohrzucker zwischen 10 °/o (— 0,29 Mol) und 12,6% (= 0,36 Mol), so zwar, daß bei 12,6% die Bewegung bereits aufgehört hat. Das angewandte Verfahren läßt nicht er- mitteln, ob im Falle der Beweglichkeit die betreffenden Fäden kontrahiert sind. Hierzu ist erforderlich, auf Zuckerböden ge- brachte Oscillarien nach Verlauf einer bedeutend kürzeren Zeit zu prüfen. 406 Öünther Schinid, Ich konnte mich überzeugen, daß Va Stunde nach Auflegen frischer Fäden auf 10 % Zuckeragar die Bewegungen stattfinden. Erfahrungsgemäß besteht nach Verlauf dieser Zeitspanne die os- motische Kontraktion meist noch im Umfange des Höchstmaßes. In bestimmten Fällen habe ich von Minute zu Minute, später in größeren Zeitabschnitten, gleichzeitig Kontraktionszustand und Be- weglichkeit verfolgt. Dafür ein Beispiel, das zugleich zeigen dürfte, daß die Bewegungsgeschwindigkeit in lOproz. Rohrzuckerlösung im Verlauf eines Versuchs stetig zunimmt, ob aber infolge der ab- nehmenden Kontraktion oder der Zuckeraufnahme, bleibt unbestimmt. Folgende Tabelle setzt 17 Minuten nach dem Überführen eines Oscillarienfadens aus destilliertem Wasser auf eine lOproz. Rohr- zuckergallerte ein, also mit dem Zeitpunkt, wo die Kontraktion etwa ihr Höchstmaß (11,7 7o Verkürzung) erreicht hatte. Zeit (Minuten) Bewegungsgeschwindigkeit für die Minute (1 = 22 fl) Kontraktion inVo Temperatur •C. 17- 22- -22 -27 0,2 0,3 } 11,7 27- -32 0,4 1 18» 32- -37 0,2 11,3 37- -42 0,3 J 54- -56 2,5 ] ■ 56- -58V, 2,6 9,4 58V,- -60 2,6 ] 19» 1106- -1108 2,7 1 5,6 1108- -1110 3,1 1 1552- 1554- -1554 -1556 4,0 3,8 1 r 4,3 ^ . 20» Wir dürfen sagen: In 0. Jenensis bewegungstätig. osmotisch kontrahiertem Zustande ist Bei welchem Grade der Kontraktion die Bewegungen aussetzen, was bei Anwendung höher konzentrierter Zuckerlösungen leicht ermittelt werden könnte, darüber sind Unter- suchungen von mir nicht angestellt worden. Auch in Kochsalz- lösungen habe ich die Bewegungen im Zustande der Kontraktion messend verfolgt. Ob während des Kontrahierens selber der Bewegungsmechanismus weiter arbeitet, läßt sich aus technischen Gründen nicht feststellen. Bas Reizverhalten künstl. Teilstücke, die Kontraktiiität usw. Jer Oscillatona Jenensis. 407 Abschnitt VIII. Zur Theorie der Oscillarienbewegung. Schon früher (Schmid, I, II) mußten wir die von Fe ebner erdachte Theorie ablehnen, wonach allein die Quellungserscheinungen des Schleimes von den Apikalzellen oder ihren Stellvertretern aus die Fortbewegung einschließlich der Umkehrbewegungen bewerk- stelligen sollten. Inzwischen hat Gicklhorn (S. 9 — 10) bei Os- ciUatoria coerulescens Gicklh. eine auffallend starke Schleim- absonderung an der Endzelle, und zwar ebenso auch an den künst- lichen Endzellen gesehen, und bildet sie ab. Er glaubt, daß seine Beobachtung eine Vermittelung zwischen der Theorie von Fechner und Schmid anbahne. So beachtenswert seine Mitteilungen sind, zu der man gern erweiternde Untersuchungen wünschte, so können wir ihr eine allgemeine Bedeutung für die Aufklärung des Be- wegungsmechanismus nicht zuschreiben. Gicklhorn hebt selber ausdrücklich hervor, daß er niemals bei anderen Oscillarienarten — er prüfte 10 Spezies — ähnliche polare Schleimbildungen hat auffinden können. Neuerdings (1921) wurde eine andere Theorie bekannt gemacht, welche den Zoologen Prell zum Verfasser hat. Dieser hat keine neuen Untersuchungen experimenteller oder beobachtender Natur angestellt; seine rein hypothetischen Ausführungen stützen sich be- sonders auf die Arbeiten von Fechner, Nienburg und Schmid (I). Prell kann der Fechnerschen Auffassung nicht zustimmen, ver- sucht aber ebenfalls den ganzen Bewegungsapparat mechanisch aus den quellenden Eigenschaften des Schleimes abzuleiten. Auch die Bewegungsumkehr kann nach ihm durch vorübergehende partielle oder allgemeine Hemmung der Schleimsekretion ausgelöst werden. Solche Hemmungen sollen rhythmisch während des normalen Hin- und Herwanderns des Oscillarienfadens oder — bei der Phototaxis — durch Lichtreize bedingt sein. Daneben kann die Bewegungs- urakehr, und zwar diesmal ohne gleichzeitige reizmäßige Beeinflussung der Gallertausscheidung, im Anschluß an Kontraktionserscheinungen des Fadens automatisch hervorgerufen werden. Die fundamentalen Formen der Reizbeantwortung sind also nach Prell (S. 152) die Sekretionsreaktion (quantitative Änderung in der Gallertausscheidung) und die Kontraktionsreaktion (Verkürzung des Algenfadens). Sollten diese Dinge der Wirklichkeit entsprechen, so wäre das natürlich ^Qg Günther Schmid, von großer Bedeutung für die Vorstellung, die wir uns von dem Bewegungs- und Reizgeschehen der Oscillarien zu machen hätten. Prell zieht denn auch die weitgehendsten Folgerungen. Zum Beispiel soll die chemotaktische Reaktion ihre Bezeichnung zu unrecht führen. Die primäre Reaktion wäre eine durch den chemischen Reiz bedingte Kontraktion. Diese pflanze sich durch den Faden von Zelle zu Zelle fort, was ohne Reizleitung geschehen könnte, „wenn jede Einzelzelle jeweils mechanisch, nur durch die Kontraktion der Nachbarzelle, selbst wieder unmittelbar aufs neue gereizt würde" (S. 153). Die Kontraktion bedinge automatisch eine Richtungs- änderung der quellenden Gallertausströmungen und damit die Be- wegungsumkehr. Die taktischen Erscheinungen der Oscillarien nennt Prell daher „Pseudotaxien". Auf die Einzelheiten der aus- führlichen Darlegungen, Schlüsse usw. kann hier nicht eingegangen werden. Ich muß auf die Arbeit selber verweisen. Die theoretischen Ergebnisse Prelis erledigen sich zum Teil durch die ihnen gegenüberstehenden wirklichen Tatsachen. Es ist nicht richtig, daß Kontraktionen Umkehrreaktionen auslösen derart, daß die phobischen Reizantworten durch jene bedingt sind. Prell hätte das schon in der Arbeit von Fechner ausgesprochen finden können, wo mitgeteilt wird, daß Harnstofif die Oscillarienfäden außer- ordentlich stark kontrahieren läßt, während selbst bei den stärksten Konzentrationen negative (Umkehr-) Reaktionen meist ausbleiben. „Schon bei 2,5 Mol", sagt Fechner (S. 326), „blieben alle Fäden indifferent bezw. zeigten geringe Krümmungen, trotzdem sie, ebenso wie bei noch geringeren Konzentrationen, starke Kontraktionen ausführten". (Vgl. auch Fechner, S. 315.) Fechner hat unter- lassen zu sagen, daß Alkalien, welche im Gegensatz zu den Säuren keine Umkehrreaktionen zeitigten, Kontraktionen hervorrufen. Auch machte Fechner (S. 316) im Anschluß an Brand bis zu gewissem Grade wahrscheinlich, daß die Kontraktionen überall rein osmotisch bedingt sind. In meiner vorliegenden Arbeit wird der Beweis dafür erbracht: Die Kontraktionen sind nicht reizphysiologischer Natur. Auch besteht kein Zusammenhang zwischen Kontraktion und phobischer Konzentration im Sinne Prelis. Man vergleiche hierzu die besonderen Versuche mit lOproz. Rohrzuckerlösung im Abschnitt V (unter d) oder die Beobachtung, daß 1 proz. Schwefel- säure, auf das nachwandernde Ende einer kriechenden Oscillarie gebracht, zwar Kontraktion wie sonst, aber keine Umkehr der Be- wegung bewirkt (Abschnitt II 2). Das Reizverhalten künstl. Teilstiicke, die Kontraktilität usw. iler Oscillalorin Jeneunis. 409 Stünde man auf dem Boden der Prellschen Theorie, so bliebe nichts anderes übrig, als auch für die chemotaktischen Erscheinungen die Erklärung heranzuziehen, die für Photophobie gelten soll: die Hemmung der Schleimreaktion an der vom Reiz getroffenen Fadenzone. Dazu ist nun überhaupt zu sagen: Wennschon es vorstellbar wäre, daß Reizung einer Fadenstelle quantitative Änderungen der Schleimproduktion nach sich zöge, so liegen doch keinerlei experi- mentelle oder Beobachtungstatsachen vor, die diese Annahme recht- fertigten. Andererseits steht und fällt Prelis „Schleimfüßchen- theorie" mit seiner Grundvorstellung, daß der Austritt von — zunächst konsistenteren, darauf verquellenden — Schleimfüßchen aus den radiär gestellten Poren genüge, um den zylindrischen Oscillarienfaden zu be- wegen und zwar in einer bestimmten axialen Richtung fortzubewegen. Die Rotation um die Längsachse käme durch eine bestimmte spiralige Stellung der Poren auf der Längswand zustande. Ich traue den auf S. 113 usf. abgebildeten Modellen diese Leistung nicht zu. Die sich verlängernden Gallertfüßchen werden nicht sämtlich nach ein und derselben Seite sich umbiegen, wie Prell postuliert, vielmehr durch den Druck der darüberliegenden Oscillarie, ferner durch den Nachschub des Schleimes hin- und hergekrümmt werden. Das von Prell angeführte Beispiel mit dem Kautschuk- schlauch oder dasjenige mit den zwei Roßhaaren (S. 113, 114) läßt sich überhaupt damit nicht vergleichen. Viel besser würde ein Versuch mit einer weichen Paste, die aus dem Kanal einer Tubenöffnung in verschiedenem Winkel auf eine bewegliche Unter- lage gedrückt wird, Aufschluß verschaffen. Außerdem müßte eine auf einer senkrechten Wand angebrachte, vorher im Wasser ohne Unterlage suspendiert gehaltene Oscillarie notgedrungen mit einer Abwärtsbewegung beginnen und so eine positiv geotaktische Reaktion vortäuschen. Ein Versuch mit den besonderen Vorbedingungen ist zwar noch nicht gemacht worden. Allen Erfahrungen gemäß kann man aber überzeugt sein, daß die senkrechte Lage gar keinen Einfluß auf die Kriechbewegung hat. Ebensowenig ist ein Einfluß auf die Richtung der Bewegung festzustellen, wenn man 0. Jenensis auf einer hochprozentigen Agarplatte kriechen und das Ganze zentri- fugieren läßt, wie ich dies in nicht veröffentlichten Versuchen früher getan habe. Das gleiche hat auch Andrews (S. 226 — 229) beobachtet. Bei Anwendung hoher Zentrifugalkräfte ein bis mehrere Stunden hindurch bewegten sich die Oscillarien in denselben Strahlungsfiguren wie in den gleichzeitigen Vergleichsgefäßen. 410 Günther Schniid, Die Prellsche Theorie ist wie die Fechnersche rein me- chanisch aufgebaut. Aber dies einfache Prinzip reicht zur Er- klärung der Oscillarienbewegung nicht aus. Schon die bloße An- schauung des exakt sich vorwärtsdrehenden Fadens läßt einen bei häufigerer Beobachtung derartiges nicht recht glauben, und es ist nicht verwunderlich, daß eine Reihe älterer Beobachter am ehesten irgendwie an einen unmittelbar wirksamen Anteil des Protoplasmas gedacht haben, wie ich es selber tat, als ich zum erstenmal die Bewegungserscheinungen studierte (Seh mid, I, S. 375— 377). Ich vermutete damals — ohne etwas Geeigneteres als Analogien mit anderen Organismen zur Verfügung zu haben, und indem ich einsah, daß eigentliche Bewegungsorgane fehlen, auch der Schleim allein sie nicht ersetzen könnte — dieses: Die Entstehung des Schleimes ist in die Zelle zu verlegen, von wo aus das bewegliche „kontraktil-reizbare Protoplasma" ihn durch die Membran auf die Oberfläche entsendet. Wie im einzelnen der Bewegungsmechanismus abläuft, vor allem, wie das „kontraktil-reizbare Protoplasma" zu denken ist, und wie es dem Schleim eine Richtung zu geben vermöchte, darüber hatte ich seinerzeit nur eine verschwommene Vorstellung. Nachdem der Tatsachenbereich erweitert ist, glaube ich in der Theorie einen Schritt weitergehen zu können. Zunächst sind inzwischen die Poren, welche den Schleim aus dem Innern der Zelle hervortreten lassen, gefunden worden (Schmid, II, S. 579 fi'.). Der Schleim konnte in seinen Eigenschaften studiert werden; für optische oder Quellungsanisotropie ließen sich keine Unterlagen auffinden. Andererseits ist er stark und schnell quellbar. Auch die absolute und relative Menge des Schleimes konnte er- mittelt und daraus die Tatsache erschlossen werden, daß jede Zelle ihn erzeugt, wie ja auch wahrscheinlich jede Zelle Poren besitzt und an der Bewegung aktiv beteiligt ist. Aus vorliegender Abhandlung ist folgendes hervorzuheben: Die Zellen des Oscillarienfadens haben einen ungemein geringen Innendruck. Er ist geringer als 0,65 Atmosphäre. Die Membran ist besonders in der Längsrichtung unvergleichlich dehnbar, so daß sie durch die geringsten Spannungen in ihrer Ausdehnung ver- ändert wird. Damit sind die Vorbedingungen zu aktiv-lebendigen wellenförmigen Kontraktionen des Oscillarienfadens geschaff"en. Tatsächlich sind Kontraktionswellen unter besonderen Umständen verschiedenthch beobachtet worden (vgl. Abschnitt VI unter 3). Es fragt sich aber, warum wellenförmiges Fortschreiten von Kon- DalÄeizverhalten künntl. Teilstücke, die Kontraktilität usw. der OscUlatoria Jenensin. 411 traktionen nicht normalerweise gesehen wird. Wellen von trans- versaler Natur könnten einem mikroskopisch gewiß nicht entgehen. Diese Überzeugung läßt zu der Vorstellung hinübergleiten, es möchten Longitudinalwellen den Oscillarienleib durchwandern, solche also, die nur aus Verdichtungen (Kontraktionen) und Verdünnungen (Expansionen) bestehen und ein wellenförmiges Relief auf der Längswand nicht ausprägen. Kontraktionswellen solcher Art könnten allein bereits die Fortbewegung des Oscillarienfadens bewerk- stelligen und zwar, wenn sie am Fadenende A mit einer Kon- traktion beginnen und nach B hinüberwandern, den ganzen Faden entgegengesetzt, d. h. in Richtung BA vorschieben, wie man durch konstruktive Zeichnung auf dem Papier erläutern kann. Es sind dabei die verschiedenen Wirkungen von Zug und Stoß zu berück- sichtigen, im Verein mit den beständig durch Kontraktion und Expansion örtlich zonenweise, entweder verminderten oder verstärkten Reibungen des Fadens auf der Unterlage. Die Rotation des Fadens um die Längsachse erfolgt, wenn die Kontraktionswellen in schrauben- förmiger Richtung den Faden durchwandern. Hierfür wäre die nachweislich kreuzweis spiralige Struktur der Längsmembran durchaus angetan (vgl. Abschnitt VI 4). Hört nach einer gewissen Zeit die aktive Kontraktion in einer Richtung auf und beginnt sie alsdann vom anderen Ende her, so setzt damit die Umkehr des Fadens ein. Ein Fadenbruchstück würde natürlich dieselben Erscheinungen zeigen. Der Schleim arbeitet bei diesem Bewegungsvorgang nicht nur als Schmiermittel. Auch er ist aktiv beteiUgt. Indem die Gallerte zunächst wenig gequollen aus den Membranporen hervortritt, be- kommt die sofort einsetzende Verquellung durch den sich infolge der Kontraktionswellen wegschiebenden Oscillarienfaden eine Quellungsrichtung, die entgegengesetzt der Bewegungsrichtung des Fadens verläuft; sie schiebt mechanisch auf diese Weise den Faden gemeinschaftlich mit den lebendigen Kontraktionswellen in gleicher Richtung fort. Auch die örtlichen, durch den Wechsel von Ex- pansion und Kontraktion bedingten Verschiebungen der verquellenden Gallertmassen längs der Fadenoberfläche lassen sich konstruktiv zeichnerisch auf dem Papier zugunsten der mitschiebenden Wirkung ausdeuten. Möglich wäre ferner, daß nur in Kontraktion begriffene Partien neuen Schleimstoff hergeben, so daß also auch die Schleim- produktion wellenförmig fortschreitet. Da wir indes vorläufig gar nichts über das Verhältnis der Geschwindigkeiten von Schleim- J&tirb. f. wisB. BoUinik. LXII. *" ' 412 Günther Schniid, ^ Ar Verquellung und Kontraktionswellen wissen, hat es keinen Sinn, solche Überlegungen hier wiederzugeben. Seit Pfeffers Untersuchungen über die reizbaren Filamente der Cynareen sind wir von vornherein wenig geneigt, in pflanzlichen Zellen kontraktiles Protoplasma irgendwo anzunehmen. Das Beispiel der Filamente zeigt uns, daß deren einzelne Zellen sich bei Reizung um 10 — 30"/o ihrer Länge energisch verkürzen, während sie ihren Durchmesser annähernd bewahren, also die Form nicht wesentlich ändern und keine seitlichen Ausbiegungen erfahren. Hierbei tritt eine ebenso plötzliche Änderung der Turgeszenz ein, wobei Wasser in die Interzellularräume ausgepreßt wird. Ja, in der Senkung des Turgors ist die Ursache der Kontraktion zu sehen. Pfeffer macht es wahrscheinlich, daß der Wechsel des Turgors durch entsprechende Variation der osmotischen Energie bedingt ist. Dieser Prozeß spielt sich im wesentlichen im Zellsaft ab. Kann in den Oscillarienzellen kontraktiles Protoplasma an- genommen werden? Es ist in diesem Zusammenhange zunächst auffällig, daß von den Beobachtern übereinstimmend, zuletzt wieder von Baumgärtel und Prat, der Mangel an Vakuolen in den Zellen der Oscillarien bemerkt worden ist. Auch Oscülatoria Jenensis läßt diese Gebilde vermissen. Dennoch ist in ausgiebigem Maße bewegliches Wasser vorhanden, was ja durch die überaus geschwinden Kontraktionen in osmotisch wirksamen Lösungen und den damit verbundenen Wasseraustausch bewiesen wird. Wären andererseits die Vakuolen winzig klein, so daß sie der Beobachtung entgehen, so müßte ihr Zellsaft osmotisch hochwertig sein, um dem Zentral- und Quellungs- druck des Protoplasmas standzuhalten. Der osmotische Wert ist aber tatsächlich sehr gering. Will man dennoch annehmen, daß der ansehnliche Wassergehalt nicht allein auf das Quellungswasser des Protoplasmas zurückzuführen ist, so bleibt nichts weiter übrig, als dem Protoplasma der Oscillarienzelle eine hohe Viskosität zuzuschreiben. Für diese Annahme sind auch andere Anhaltspunkte vor- handen. Es hat Andrews (S. 226 — 229) durch Zentrifugieren, sowohl quer wie längs zur Fadenrichtung, keinerlei Verlagerung des Inhalts, auch nicht der Granularsubstanzen der Oscillarienzellen er- zielt. Auch hatte das Wachstum nach Zentrifugierung mit z. ß. einer Kraft von 1738 g bei einer Dauer von 2 Tagen 4 Stunden nicht aufgehört. Daß die Bewegungen ungestört weitergingen, erwähnte Das Reizverhttiteii kilnstl.Teilstilcke, die Kontraktilität usw. der Oscillatnrin Jenensis. 413 ich oben bereits. Selbst die höchsten Zentrifugalkräfte ließen Ver- lagerungen nicht erkennen , so wenn 2 Stunden hindurch 4400 g oder 1 Stunde lang 13467 g einwirkten. Bei Closterium dagegen genügten schon 600 g während 45 Minuten; bei Zellen von Blättern, Stengeln, Früchten von Phanerogamen und vom Thallus der Leber- moose verschiedenster Spezies 6000 g in einer halben Stunde. E. W. Schmidt beobachtete dasselbe bei Spirogyra nach 25 Minuten mit 1949 g. Der geringste Betrag an Zentrifugalkraft, der hin- reicht, um Verlagerungen zu erzielen und Closterium monüiferum betriflFt, ist 100 g während l Tag 16 Stunden (Andrews). Wenn nun auch die Zellen der Oscillarien infolge der hohen Membran- kontraktilität beim Zentrifugieren zweifellos gedehnt werden und beim Aufhören der Zugkräfte sofort zurückschnellen und dies mög- licherweise (die Kontraktilität war Andrews unbekannt) die Ver- lagerungen weniger augenscheinUch machen könnte, so bleibt doch bemerkenswert, daß Andrews niemals das geringste Anzeichen für Verschiebungen des Inhalts feststellen konnte. Auch Baum- gärtel (S. 93) glaubt, und zwar aus den plasmolytischen Er- scheinungen, auf eine große Konsistenz des Cyanophyceenplasmas schließen zu dürfen. Trotz der hohen Viskosität ist es bedenklich, dem Oscillarien- plasma aktiv kontraktile Eigenschaften zuzuschreiben. Könnten fibrilläre Strukturen, für welche aber keinerlei Anzeichen vorhanden sind, aufgezeigt werden, so möchte eine Aussprache am Platze sein. Wie die Dinge zurzeit liegen, muß im Vordergrunde die andere Tatsache bleiben, daß der Oscillarienfaden ein außerordentlich labiles System hinsichtUch seiner Wasserverschiebbarkeit darstellt. Es konnte ferner im Abschnitt V die ausgezeichnete Rolle dargetan werden, welche die Längsrichtung des Fadens für den Durchschnitt des Wassers und der Lösungen spielt. So liegt es näher, die longitudinalen Kontraktionswellen, die, wie wir annehmen, zusammen mit der Schleimausscheidung die Fortbewegung der Oscillarie be- werkstelligen, als eine wellenförmig fortschreitende Aufeinanderfolge von osmotischen Druckschwankungen anzusehen. In Anbetracht des besonders niedrigen osmotischen Wertes der Zellen stellen sich, wenn man entsprechende osmotische Regulationen im Zellsafte annimmt, der Vorstellung solcher geschwinden Schwankungen theo- retisch wohl keine Schwierigkeiten entgegen. Hier ist nun auch der Ort, noch einmal der auf S. 382 mit- geteilten, wirklich beobachteten Wellenfiguren zu gedenken, die 414 Günther Schmid, nur unter besonderen Umständen zu sehen waren. Es ist gewiß nicht zufällig, daß jene Wellenzüge offenbar bei einem gewissen Grad von Luftfeuchtigkeit, d. h. einem geringeren, als für den Standort normal ist, und entsprechend verminderter Turgeszenz hervortraten. Wir möchten annehmen, hier waren mit den Longi- tudinal- zugleich Transversalwellen erschienen, bedingt nämlich durch einen gewissen Wasserverlust der Zellen, der zwar die Bewegung nicht hemmte, der aber die Längsmembran während des wellen- förmigen Fortschreitens von Kontraktion und Expansion auch in querer Richtung in Mitleidenschaft ziehen mußte. Es muß gefordert werden, daß die Kontraktiouswellen besser als bisher sichtbar gemacht werden. Vielleicht ist hierzu die Toeplersche Schlierenmethode geeignet, deren Apparatur mir leider nicht zur Verfügung stand. Wie fügen sich die anderen in vorUegender Abhandlung mit- geteilten Befunde in den Rahmen der Bewegungstheorie? Ich habe in den einzelnen Abschnitten bereits darauf bezug genommen und darf mich jetzt kurz fassen. Wenn es richtig ist, daß den sich fortbewegenden Oscillarien- faden Kontraktionswellen durchziehen, so muß ein ruhender Faden länger als ein beweglicher sein. Dies nachzuprüfen ist für ge- wöhnlich leider nicht möglich, da es schwierig ist, einen völlig unbeweglichen Faden, von dem man sicher behaupten könnte, daß er nicht im Absterben begriffen ist, überhaupt zu finden. (Ab- sterben hat ja sowieso allgemeine Kontraktion zur Folge.) Auch hätte es keinen Sinn, bei verschiedenen Geschwindigkeiten die Länge des Fadens zu bestimmen, weil, z. B. bei Temperaturwechsel, wohl die Geschwindigkeit des Fortwanderns der Wellen verändert würde, nicht aber die Anzahl der Wellen für einen Faden von bestimmter Dimension. Eher könnten Reize die Kontraktionsbewegungen vorübergehend aufheben. In diesem Zusammenhange erinnern wir uns der Versuche, die im Abschnitt VI unter 5 mitgeteilt wurden und die Auslösung von Expansionen infolge Auftropfens betreffen. Es besteht die Möglichkeit, daß die erzielten geringen Expansionen von durchschnittlich 1,8 "/o den Ausgleich darstellen zwischen aktiv kontrahierten (beweglichen) und ruhenden Fäden. Möglicherweise führen elektrische Reizungen dem Ziele näher. Nach Funks vor- läufiger Mitteilung hat es den Anschein, als hemmte galvanischer Strom von bestimmter Stärke und Zeitdauer die Bewegungen, ohne andererseits die Zellen zu schädigen. Das Reizverhalten künstl.Teilsfücke, die Kontraktilität usw. der OsciUatoria Jenemis. 416 Was die polare osmotische Kontraktion angeht, so habe ich schon bei der Besprechung dieser Erscheinung (S. 364) auf eine Erklärungsmöglichkeit hingewiesen, die sich mit unserer Kon- traktionsbewegungstheorie vereinbaren läßt. Auch die polare Auf- nahme der Reize (photischer, chemischer und solcher infolge eines Durchtrennungsschnittes) an der jeweils vorwandernden Fadenspitze, gleichviel ob diese das unversehrte Ende eines ganzen oder das "Wundende eines soeben zerschnittenen Fadens darstellt, und die Weiterleitung der Reize, über die wir im übrigen noch schlecht unterrichtet sind, werden aus der Richtung der Kontraktionswellen von vorn nach hinten verständlich. Wieweit die für eine aktive Fortbewegung notwendige Länge der künstlichen Teilstücke, welche, wie früher (Schmid, II, S. 623) gezeigt werden konnte, sich im Bereich der natürlichen Segmentdimensionen hält, wie auch die konstante Größe des während einer Achsendrehung zurückgelegten Weges und der Steigungswinkel (ebenda S. 61 Off.) quantitativ mit Kontraktionserscheinungen und Schleimverquellungen zusammen- hängen, muß einstweilen dahingestellt bleiben. In Anbetracht der analogen Vorgänge, die wir von anderen Protisten her kennen (vgl. Geißeltätigkeit der Bakterien, Flagellaten usw., Spirochaetenbewegung), ist hier auch nicht versucht worden, für den besonderen Fall der Oscillarien das Zustandekommen der rhythmisch spontanen oder reizmäßig induzierten Umkehr der Kon- traktionswellenzüge aufzuklären. Vorläufig liegen für die Oscillarien- bewegung andere Aufgaben vor. Zunächst muß der Kontraktions- mechanismus selber erst ganz sichergestellt werden. Abschnitt IX. Übersicht einiger Ergebnisse. 1. Die Autonomie künstlicher Teilstücke von OscillaioriaJenensis Schmid wird durch das therrao- und photokinetische, ferner durch das chemotaktische Reizverhalten dargetan. 2. Obgleich die schattig lebende, braune — neben Chlorophyll vorzugsweise Phykoerythrin führende — 0. Jenensis gewöhnlichem Tageslicht gegenüber schwach negativ phototaktisch sich verhält, beantwortet sie Schwankungen der Lichtintensität in gleichem Sinne mit Veränderungen der Bewegungsgeschwindigkeit wie ihre blau- grünen Verwandten, die positiv phototaktisch reagieren. 4:\Q Grünther Schmid, 3. Konzentrationen von 0,6 — 1 7o Schwefelsäure sind augen- blicklich tödlich; sie würden also bei chemotaktischen Versuchen das Leben der Apikaienden, denen die Säure genähert wird, ebenso schnell vernichten. Da trotzdem die Bewegung der Oscillarie nicht unterbrochen wird, können die Apikaienden zum mindesten nicht die alleinigen Bewegungsorgane sein. 4. Die Apikalzellen, vielleicht einschließlich der benachbarten Zellen, sind bei 0. Jenensis wahrscheinlich tot. Sie werden als mechanische und zugleich chemisch wirksame Schutzorgane für die übrigen im Fadenverband liegenden Zellen angesehen (vgl. Ab- schnitt V 3 b). 5. Jede Zelle des Oscillarienfadens ist befähigt, photische und chemische Reize zu perzipieren und weiterzugeben. Jedoch kann der Reiz Umkehrreaktionen nur dann bewirken, wenn er das während der Bewegung jeweils vordere Ende eines intakten Fadens oder eines Fadenbruchstückes trifft. Reizangriffe auf das jeweilige Hinterende sind wirkungslos. — Eine an den Apikaienden lokali- sierte Reizaufnahme im Sinne Fechners besteht also nicht. 6. Durchtrennungsschnitte können als Reize Umkehrreaktionen der entstandenen Teilstücke auslösen. Analog dem chemo- und phototaktischen Verhalten tritt Bewegungsumkehr nur in demjenigen Fadenstück ein, dessen Schnittort ^ Reizort zugleich vorwandern- des Ende des betreffenden Teilstückes ist. 7. In osmotisch wirksamen (besonders Rohrzucker-) Lösungen findet — bei Ganzfäden und Teilstücken — an der wandernden Oscillarie polar überwiegende Kontraktion von vorn nach hinten statt. 8. Das jeweilig vordere, gleichviel ob intakte oder Bruchstück- Fadenende wird als der Initialort von aktiv lebendigen Kontraktions- wellen angesehen, und daraus die einseitig polare Empfänglichkeit für Reize und die vorzugsweise polar gerichtete osmotische Kon- traktion zu erklären versucht. 9. Während der osmotischen Kontraktion erfolgt der Wasser- austausch vor allem in der Längsrichtung durch die Querwände des Fadens. 10. Eine reizmäßige Beziehung zwischen osmotischer Kon- traktion und phobischer Reaktion besteht nicht (vgl. näheres Ab- schnitt V 2 d). 11. Der Faden ist für eine Reihe von Anilinfarbstoffen in der Längsrichtung durchlässiger als quer (vgl. Einzelheiten und Parallel- Das Reizverhalteii kiinstl.Teilstiicke, ilie Kontraktilitat usw. der Oncillatoria .Jenens\s. 417 erscheinungen im Abschnitt V 3). Dem entspricht, daß die Os- cillarie in Richtung der Querwände durchgreifend anders organisiert ist als längs. 12. Der Oscillarienfaden ist in hohem Maße, und zwar be- sonders in der Längsrichtung, kontraktil. Die Längsmembran zeigt eine Turgordehnung von über 30 Vo, deren eindeutige Bestimmung allerdings nicht möglich ist. Es lassen sich Längsverkürzungen des Fadens erzielen, denen über 60 7u Turgordehnung entsprechen würde. Mit diesem Verhalten haben die Oscillarien wahrscheinlich eine einzigartige Stellung. 13. Im Zustande der Turgeszenz können Längsexpansionen von geringem Ausmaß durch Plasmoptyse, ferner durch gewisse Erschütterungen (vgl. Abschnitt VI 5), erzielt werden. 14. Am lebendigen Faden werden unter besonderen Umständen (Abschnit VI 3) spontane, in der Längsrichtung fortlaufende Wellen- züge von kurzen Wellenlängen beobachtet. 15. Die in Lösungen verschiedener Stoffe zu beobachtenden Kontraktionen kommen der Plasmolyse gleich. Die Grenzkonzen- trationen für diese osmotischen Kontraktionen sind in Rohrzucker, Kaliumnitrat und Chlornatrium osmotisch gleichwertig. Harnstoff ergibt wegen seiner außerordentlichen Permeierfähigkeit höhere Werte. 16. Der osmotische Wert der Oscillarienzelle ist ungewöhn- lich niedrig. Er entspricht weniger als 0,029 Mol Rohrzucker und kommt demjenigen unbehäuteter Infusorien und der Plasmodien der Myxomyceten sehr nahe. Im turgeszenten Zustande ist die Membran durch den geringfügigen Druck von weniger als 0,65 Atmo- sphäre gespannt. Infolgedessen genügen winzige Druck- und Zug- schwankungen, um ihre Spannung zu verändern. 17. Die osmotische Kontraktion verläuft sehr schnell und hat meist nach dem Verlauf von 30 Sekunden das höchste Ausmaß erreicht. 18. Im osmotisch kontrahierten Zustande ist der Oscillarien- faden, zum mindesten bis zu einem gewissen Grade, bewegungstätig (vgl. Abschnitt VII 2 e). 19. Für die Theorie des Bewegungsmechanismus sind die Aus- führungen im Abschnitt VIII nachzulesen. 418 Günther Schmid, Literatur. Andrews, F. M,, Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. Jahrb. f. wiss. 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Zahlreiche Versuche, die im Zusammenhang mit der Frage nach der perzipierenden Zone und dem Reizleitungsvorgang in der Wurzel unternommen wurden [Darwin (2), Richter (15), Haber- landt (7), Jost (8)], zeigen, daß diese nach Abschneiden der Spitze längere oder kürzere Zeit keine geotropischen Krümmungen auszuführen vermag. Rothert (16) wies nach, daß Gramineen- koleoptile nach Dekapitation für mehrere Stunden nicht auf Licht- und Schwerkraftreize reagieren; aus Nachwirkungsversuchen schloß er auf einen vorübergehenden Verlust des Perzeptionsvermögens. Kaiser (9) hat verschiedene Keimpflanzen, denen er Plumula, Kotyledonen usw. geraubt hatte, geotropisch gereizt und oft ein anfängliches Zurückbleiben ihrer Krümmungen hinter denen der intakten Kontrollexemplare beobachtet. Ahnliches berichtet auch Schütze (17). TJber den Einfluß der Dekapitation auf das Krümmungsver- mögen von Sprossen liegen Angaben vor bei Kaiser (9). In seinen Versuchen hatten sich die dekapitierten Sprosse verschiedener Pflanzen ebenso wie die intakten nach einem Tag in die Gleich- gewichtslage eingestellt. Nach Richter (14) dagegen verliert ein Hippuris-ST^roß seine Krümmungsfähigkeit, sobald mehr als zwei Internodien entfernt werden, er verhält sich dann wie die dekapi- tierten Wurzeln. Miehe (13) hat für eine Knotenpflanze, Trades- cantia, durch zahlreiche Versuche festgestellt, daß das Entfernen Dekapitation und geotropische Kriimmungsfähigkeif von Sprossen. 421 eines Knotens, genauer gesagt einer Knotenplatte, eine dauernde Reaktionsunfähigkeit des nächstfolgenden Knotens bewirkt; die Gesamtaufkrümmung des Sprosses wird dabei nicht geschädigt. Aufgabe vorliegender Arbeit war es, den Einfluß der De- kapitation auf das geotropische Verhalten der Sprosse näher zu untersuchen, da die erwähnten Untersuchungen, mit Ausnahme der Mi eh eschen, sehr wenig umfangreich sind. Es zeigte sich dabei, daß das Verbleiben oder Fehlen embryonalen Gewebes oberhalb der reagierenden Zonen von Bedeutung ist für die Krümmungs- fähigkeit der Sprosse. Das ging besonders aus Versuchen mit Myriophyllum proserpinacoides und Hippuris hervor. Die Ver- hältnisse sind also dort prinzipiell ähnliche wie bei Tradescantia, wo nach Mi ehe (13) das meristematische Gewebe der nächst- oberen Knotenplatte maßgebend ist für das geotropische Verhalten eines jeden Knotens. Da die Mieheschen Angaben die Sachlage bei Tradescantia nicht ganz klären, ergab sich als Hauptziel vor- liegender Arbeit, eine Nachprüfung und Ergänzung seiner Unter- suchungen zu liefern. Abschnitt I. a) Die Gesamtaufkrümmung dekapitierter Sprosse. Versuche mit Oaliiim und Impatiens halsamina lieferten eine Bestätigung der Kaiserschen Angaben (9): sie stellen sich auch nach Entfernung der Sproßspitze in ihre Gleichgewichtslage ein. Dasselbe Verhalten zeigte Mercurialis annua. ZaMT Entscheidung der Frage, ob die Aufkrümmungen der dekapitierten Sprosse in der normalen Zeit erfolgen, worauf Kaiser nicht geachtet hat, sind diese Pflanzen ungeeignet. Die bedeutenden individuellen Unterschiede erschweren den Vergleich der intakten und dekapi- tierten Exemplare. Ein sehr gleichmäßig reagierendes Versuchsmaterial, das zur Entscheidung dieser Frage dienen konnte, lieferte die Landform von Myriophyllum proserpinacoides. Es wurden stets nur be- wurzelte Pflanzen benutzt, denn abgeschnittene Sprosse welken auch im dampfgesättigten Raum sehr leicht. Geeignetes Material wurde auf folgende Weise erhalten: 4 — 7 cm lange Sproßenden von alten, im Warmhaus gezogenen Pflanzen wurden einzeln in Tonzylinder- 422 Margarete Schumacher, chen in sandige Erde eingesetzt und sehr feucht in einer Tempe- ratur gehalten, die der des Versuchszimmers (19-- 22° C) entsprach. Bei höheren Temperaturen wachsen sie zu zart und fallen dann leicht um. Kultur in kühleren Räumen muß vermieden werden, weil sonst die Temperaturänderung bei Einbringen in den Ver- suchsraum ein Welken verursacht. Nach 14 Tagen sind die Steck- linge bewurzelt und zeigen Zuwachs; sie sind von da ab für Ver- suche geeignet. Die verwendeten Sprosse besaßen eine Länge von 7 — 11 cm. Zu den Versuchen wurden sie mit ihrem Ton- zylinderchen in einem dampfgesättigten Glaskasten im Dankelzimmer horizontal gelegt. Der Reaktionsverlauf wurde verfolgt an ihrem Schattenbild, das durch eine rote Lampe auf einen Schirm ge- worfen wurde. In der Zeichnung wurde stets die untere Kontur des Schattens festgehalten. Für die große Anzahl der Versuche mit Myrioiihyllum möge als Beispiel folgender dienen. Ein intaktes Exemplar und ein Sproß, dem vier Internodien genommen waren, wurden zu gleicher Zeit horizontal gelegt. Nach 35 Minuten war der oberste Sproß- teil sowohl beim intakten wie beim dekapitierten Exemplar auf- gekrümmt. Ahnliche Versuche wurden weiter an den Landsprossen von Hippuris vorgenommen, da eine Angabe von Richter (1.5) besteht, nach der eine Dekapitation von mehr als zwei Internodien ihre geotropische Reaktionsfähigkeit nicht ungeschädigt läßt. Die Sprosse waren an einer seichten Stelle des Teiches im Botanischen Garten gewachsen. Zum Versuch wurden sie abgeschnitten und in Ton- zylinderchen in feuchten Sand gesteckt. Sie waren ebenso reaktions- fähig wie bewurzelte Pflanzen. Der Krümmungsverlauf wurde auf dieselbe Weise festgehalten wie bei Myriophyllum. Er ist ganz ähnlich wie dort: auch hier ein Sichtbarwerden der Reaktion an der Spitze nach etwa 30—35 Minuten und dann weiteres basales Fortschreiten. Nach 12 Stunden ist die Krümmung in einigen wenigen, meist weit unten liegenden Internodien fixiert; eventuell auftretende IJberkrümmungen, die häufiger sind als bei Mijrio- phyllum, sind dann auch ausgeglichen. Richter hatte in seinen Versuchen zunächst jeden Sproß intakt auf seine Krümmung hin untersucht und dann denselben noch ein- mal nach Dekapitation. Entfernte er dabei mehr als zwei Inter- nodien, so trat eine Schädigung der geotropischen Reaktionsfähig- keit wie bei seinen Wurzeln ein. Das Abschneiden eines kleineren Stückes blieb unwirksam. D<^kapitation umi i^eotropische KrUnimungsfähigkeit von Sprossen. 423 Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß ein Sproß zweimal hintereinander die AufkrQmmung tat8ächlich leisten kann — die Krümmung erfolgt in der normalen Zeit, fixiert sich aber bei der zweiten Reaktion weiter oben als bei der ersten — , wiederholte ich die Richterschen Dekapitationsversuche. Es wurde eine große Reihe von Sprossen beobachtet; ich konnte aber in keinem Falle eine Reaktionaunfähigkeit feststellen, auch nicht nach Entfernen Fig. 1. "/^^Jnat. ör. einer größeren Anzahl von Internodien. |Ein um einen geringen Betrag verspätetes Eintreten der Reaktion ist mir allerdings bei Abschneiden größerer Stücke aufgefallen. In Fig. 1 ist am intakten Sproß (I) die Reaktion schon nach 30 Minuten deutlich, nach De- kapitation von neun Internodien (II) wird sie am selben Sproß erst nach 70 Minuten sichtbar. Doch hat diese Verzögerung einen sehr einfachen Grund. An jedem Sproß beginnt die Krümmung an der 424 Margarete Schnniaclier, Spitze und schreitet basalwärts fort, so daß jedes Internodium eine etwas längere Reaktionszeit besitzt als das nächstjüngere. Bin HippurisS^roQ verhält sich in dieser Beziehung ähnlich wie die Avena -Ko\eopii\e Tröndles (19), bei der die Reaktionszeit der einzelnen Zonen mit der Entfernung derselben von der Spitze wächst. Wird nun ein größeres Stück von der Spitze her abgeschnitten, so muß daher an dem Stumpf die Auf krümmung später sichtbar werden als am intakten Sproß. Bei diesem beginnt in Fig. 1 die II. Blatt- ansatzstelle nach 80 Minuten an der Aufkrümmung teilzunehmen. Nach Abschneiden von neun Internodien ist an dem Sproß nach 80 Minuten die 11. Blattansatzstelle schon aus ihrer Anfangslage herausgerückt. Es ist also keine Verlängerung der Reaktionszeiten der einzelnen Internodien durch die Dekapitation eingetreten. Im Gegenteil: es läßt sich hier eine kleine Verkürzung der Reaktions- zeiten der einzelnen Internodien feststellen; es sind nach 80 Minuten am dekapitierten Sproß außer der 11. auch schon die 12. und 13. Blattansatzstelle an der Krümmungsbewegung beteiligt, am in- takten Sproß ist davon nichts zu sehen. Eine ähnliche Verfrühung bei der Aufkrümraung zeigte eine größere Anzahl von Exemplaren nach der Dekapitation. Ich glaube, daß sich diese Erscheinung ganz einfach darauf zurückführen läßt, daß am intakten Sproß die in Betracht kommenden Internodien das Gewicht des Gipfels zu tragen haben, während "Sie sich am dekapitierten Exemplar unbe- hindert von Lastwirkungen aufkrümraen. Die hier angeführten Versuche mit Myriophyllum und Hippuris zeigen, daß durch Dekapitation die Gesamtaufkrüramung der Sprosse äußerlich nicht verändert wird. Die folgenden Untersuchungen gelten aber der b) Reaktionsfähigkeit der Teile, die der Dekapitationsstelle benachbart sind. Hierfür wurde folgende Versuchsanordnung benutzt: Es wurde eine Anzahl von Pflanzen mit ihren Zylindern so umgelegt, daß der Sproß genau horizontal orientiert war. Das Zylinderchen wurde durch GipsstöUchen auf der Unterlage festgehalten und der Sproß im 6. Internodium auf dieselbe Weise fixiert. Dadurch bUeb nur freibeweglich, was spitzenwärts davon lag. Im Versuch wurde dann die Krümmung des 5. Internodiums nach Abschneiden der vier ersten beobachtet. Es besaß eine Länge von 13 — 17 mm. Es Dekapitation und geotropisclip Krllmmungsfäliigkeit von Sprossen. 425 wurde bei einer Serie a in der Weise dekapitiert, daß die Blatt- ansatzstelle, die das 6. Internodium spitzenwärts begrenzt, noch gerade erhalten blieb; bei der Serie b wurde sie mit entfernt. Fig. 2 zeigt das Resultat des Versuchs. Bei Serie a war die Krümmung des 5. Internodiums, welches allein in der Figur wiedergegeben ist, so stark wie bei intakten Kontrollpflanzen. Die Exemplare der Serie b wiesen durchweg viel geringere Krümmungen auf. Aus dem Versuch geht hervor, daß bei M[/r/ophyllutn das geotropische Reaktionsvermögen in der Nähe der Dekapitationsstelle geschädigt werden kann.. Doch erstreckt sich die Wirkung der Dekapitation nur auf das Internodium, welchem dabei die obere Blattansatzstelle genommen wird. Es besteht also eine weitgehende Übereinstim- mung mit Tradescantia, wo ein Knoten nur dann normale Krüm- mung leisten kann, wenn die nächstobere Knotenplatte erhalten ist [Miehe (13)]. Auch bei Myriophyllum kommt es an auf das Vorhandensein der Grenzzone zwischen zwei Internodien, welche / Fig. 2. '/* nat. Gr. allein meristematisches Gewebe enthält und die Achselknospen aus- bildet; denn es war bei Serie a direkt über, bei Serie b direkt unter dieser Stelle der Schnitt geführt worden. Miehe beobachtete, daß diejenigen Tradescant ia-Knoteu, über denen eine austreibende Achselknospe vorhanden ist, besonders starke Reaktionsfähigkeit besitzen. Ein besonderer Versuch zeigte, daß bei Myriophyllum die Verhältnisse ähnlich liegen. Auch in Fig. 2 weisen die Exemplare mit austreibenden Achselknospen (punktiert) die stärksten Krümmungen auf. Die Dekapitation begünstigt das Austreiben der Knospen, die jungen Seitensprosse stellen sich sehr steil und rücken meistens sogar in die Vertikale ein, während die am intakten Sproß gelegentlich austreibenden Achselsprosse mit dem Hauptsproß einen größeren Winkel bilden. Daß die Dekapitation nicht durch die Verwundung wirkt, sondern durch die Entfernung von bestimmtem Gewebe, geht aus Versuchen mit Schrägschnitt hervor, wie sie Miehe auch an Trades- cantia ausgeführt hat. Es wurde bei einer Serie a von Myrio- 426 Margarete Schumacher, phyllumSipTOsseu der schräge Schnitt durch die obere Blattansatz- stelle so geführt, daß die Achselknospe stehen blieb, bei einer Serie h dagegen so, daß sie wegfiel. Die Größe der Schnittfläche war also bei beiden Serien gleichgroß, trotzdem zeigte a, wo das meiste embryonale Gewebe erhalten war, die stärkeren Krümmungen. Jedenfalls ist also das Vorhandensein oder Fehlen desselben maß- gebend für die geotropiscbe Reaktionsfähigkeit des unter ihm liegenden Internodiums. Welcher Art die Beziehungen eines Internodiums zu der oberen Blattansatzstelle sind, wurde bei Myriophyllum nicht untersucht. Zu Versuchen, die über diese Frage Auskunft geben könnten, sind ausgesprochene Knotenpflanzen geeigneter; sie sollen weiter unten an Tradescantia vorgenommen werden, da die diesbezüglichen An- gaben Mi eh es der Nachprüfung bedürfen. Hier möge nur erwähnt sein, daß bei Myriophyllum durch Entfernen der oberen Blatt- ansatzstelle wohl die gesamten Lebensvorgänge im Internodium ge- stört sind: etwa nach 8 Tagen ist der Stumpf des Internodiums völlig ausgesogen und läßt sich an seiner Basis glatt ablösen. Bei Hippuris sind die Krümmungen der einzelnen Internodien bei der geringen Länge derselben schwieriger miteinander zu ver- gleichen; doch scheint auch hier ein Internodium nur dann in normaler Stärke zu reagieren, wenn die obere Blattansatzstelle er- halten ist. Leichter ließ sich das Verhalten von einigen Pflanzen mit längeren Internodien feststellen. Bei Eranthemum fand ich die Reaktion vollkommen unterdrückt bei Entfernen der oberen Blattansatzstelle. Der Internodienstumpf löste sich nach 6—8 Tagen ab. Völlige Reaktionslosigkeit zeigte auch Fittonia. Dagegen werden die Internodien von Coleus Rheneltianus nur wenig ge- schädigt. Bei Impatiens marianae endlich erfolgte die Aufkrüm- mung in normaler Stärke. Diese Beispiele zeigen, daß die Wirkung, die die Entfernung der Blattansatzstelle auf das nächstuntere Internodium ausübt, gra- duell verschieden ist. Bei den meisten Pflanzen tritt eine be- deutende Schädigung der geotropischen Reaktionsfähigkeit ein. Nur Imptatiens marianae zeigte sich so gut wie unempfindlich; vielleicht steht das im Zusammenhang mit der reichen Ausbildung von meri- stematischem Gewebe längs des ganzen Internodiums; dafür, daß dieses besonders aktiv ist und deshalb vielleicht in besonders engen Beziehungen mit den übrigen Teilen steht, kann der Umstand sprechen, daß hier nicht nur an den Blattansatzstellen, sondern ebenso leicht im Internodium selbst Wurzeln gebildet werden. Dekapitation und geotropische Krümniungsfähigkeit von Sprossen. 427 Als Resultat aus den hier angeführten Versuchen ergibt sich, daß bei der Mehrzahl der Pflanzen, unbeschadet der normalen geotropischen Gesamtaufkrümmung der Sprosse, nach Dekapitation doch das der Schnittfläche benachbarte Internodium, welchem seine obere Blattansatzstelle genommen ist, nicht oder nur schwach an der Reaktion teilzunehmen vermag. Die schädigende Wirkung der Dekapitation beruht offenbar überall auf der Entfernung von Meristem. Abschnitt II. Versuche mit Tradescantia. A. Der Mich e sehe Biegungs versuch (Kritik). Die Tatsache, daß die geotropische Reaktion eines Trades- can^m-Knotens unterdrückt wird durch Entfernen des nächstoberen Knotens, legt die Frage nahe, ob vielleicht die Zuleitung eines geotropischen Reizes von oben her notwendig ist, damit der untere Knoten sich mit normaler Stärke krümmen kann. So nahm Kohl (11) an, daß in einem Knoten der Reiz perzipiert und durch Leitung desselben nach dem folgenden dort dann die Reaktion ausgelöst wird. Miehe (13) dagegen hält das Fehlen einer Reizleitung für bewiesen durch seinen „Biegungsversuch": er bog den I.Knoten eines Sprosses in die Vertikale und hielt ihn darin durch Gips fest, während sich der 2. Knoten freibeweglich in horizontaler Lage be- fand. Aus der Aufkrümmung dieses Knotens schloß er auf seine selbständige Perzeption. Seine Versuchsanordnung ist jedoch nicht einwandfrei. Der Sproßgipfel wurde bis zum 1. Knoten in die Vertikale eingestellt, das ist aber eine Reizlage, was von Miehe übersehen wurde. Die Sprosse sind nicht orthotrop ; in die Verti- kale eingebracht, krümmen sie sich aus ihr heraus und suchen eine Lage auf, die um 10 — 20° von ihr abweicht. War bei den Biegungsversuchen der Gipfel vertikal gestellt, so mußte er einen Reiz erhalten, und es ist mögHch, daß er diesen nach dem unteren Knoten leitete und dort Reaktion auslöste. Daß dadurch dort bedeutende Krümmungen entstehen konnten, liegt um so näher, da in den meisten Fällen der Reiz ein dauernder war; der obere Knoten wurde nämlich meistens von Gips umschlossen, war also unfähig, mit der Zeit selbst in seine Gleichgewichtslage einzu- rücken. Jahrb. f. wias. Botanik. LXU. ^^ 428 Margarete Schumacher, Es war daher notwendig, die Frage der Reizleitung noch ein- mal unter Berücksichtigung der Dorsiventralität der Sprosse zu untersuchen, um so mehr, da bleibende tJberkrümmungen bei api- kal fixierten Sprossen sehr für das Vorhandensein einer Reizleitung sprechen. Zunächst bedurften aber auch die von Miehe ausgeführten Dekapitationsversuche in manchen Punkten noch der Erweiterung. B. Dekapitations- und Klemmversuche. Als Versuchsmaterial dienten Stecklingspfianzen oder die Zweige älterer Stöcke von Tradescantia fluminensis und besonders von Tradescantia zebrina, von der auch im Winter kräftigere, reaktions- fähigere Sprosse zu erhalten waren. Die Versuche wurden im Dunkelzimmer in dampfgesättigten Glaskasten angestellt. Die Be- festigung geschah auf weichem, feuchtem Torf mittels Bügeln aus leicht biegsamem Zinkdraht, die in ihn eingestochen wurden. Die Sprosse wurden an der Befestigungsstelle mit Watte umwickelt. Kam es auf die Beobachtung kleinerer Winkel an, so wurde zu Beginn des Versuchs eine längere Nadel neben jeden Sproß par- allel zu ihm in den Torf eingesteckt, um die Anfangslage genau zu bezeichnen. Nach Bedarf wurden auch die Lagen an den ein- zelnen Versuchstagen auf diese Weise markiert. Die Benennung der einzelnen Knoten erfolgte so, daß der oberste, noch unent- wickelte Knoten, in dessen Blattscheide eine Anzahl junger und jüngster Intemodien und der Vegetationspunkt noch eingeschlossen sind, als Knoten 0 bezeichnet wurde, nach unten folgen dann die bereits entwickelten Knoten 1, 2 usw. Bei Tradescantia zehrina, wo sich ein Sproß aus der Horizontal- lage um 70 — 80" auf krümmt, betrugen in einem Versuch die Re- aktionswinkel von Knoten, denen der nächstobere genommen war: 0, 0, 13, 0, 20, 5, 8, 12, 0, 8" nach 5 Tagen und veränderten sich auch weiterhin nicht mehr. Miehe setzt voraus, daß die Reaktion mit voller Stärke er- folgt, wenn der obere Knoten erhalten ist, gleichgültig, ob darüber noch der Sproßgipfel vorhanden ist oder ob er entfernt wurde. Es zeigte sich aber ein abweichendes Verhalten der intakten Sprosse fa) und derjenigen, die über dem 1. Knoten dekapitiert waren (h). Die Krümmungen des 2. Knotens betrugen bei a nach 2 Tagen 65, 45, 62, 68, 55, 52, 55, 61", bei h 45, 28, 47, 60, 48, Dekapitation und geotropische KrUiniimngsfähigkeit von Sprossen. 429 25, 60. 30°. Bei a wurde im Laufe von weiteren Tagen die Gleich- gewichtslage bei 68. 76. 80, 69, 76, 72, 76, 78«, d. h. im Mittel bei 73" erreicht, bei b nur eine Endlage von 60, 32, 50, 58, 48, 56, 62, 36" (Mittelwert = 49"). Es wirkt also nicht nur die Ent- fernung des nächstoberen Knotens, sondern auch das Abschneiden von weiter spitzenwärts liegenden Teilen schädigend auf die Re- aktion, wenn auch nicht so stark wie ersteres. Liegt die [Jrsache in der Beseitigung des Vegetationspunktes? Um dies zu entscheiden, wurden intakte Sprosse verglichen mit solchen, denen durch Einstich der Vegetationskegel zerstört worden war. Die Wirkung der Operation wurde nach Beendigung des Versuches untersucht mit Lupe und Mikroskop. Eine Herabsetzung der Krümmungsfähigkeit des I. Knotens trat durch diese Zerstö- rung des Vegetationspunktes nicht ein. Auch Abschneiden des Sproßgipfels direkt unterhalb desselben hatte keinen Einfluß. Eine merkbare Reaktionshemmung trat erst dann ein, wenn alles bis zur Knotenplatte des unentwickelten Knotens 0 inklusive entfernt wurde. Dieser Teil enthält außer dem Gipfelvegetationspunkt noch zahl- reiche Internodien- und Knotenplattenanlagen, noch ineinander ge- schoben und von der Scheide des bei Knoten 0 entspringenden Blattes umhüllt. Es enthält somit neben dem Vegetationskegel noch einen großen Reichtum an embryonalem Gewebe, dessen An- wesenheit genügt, um eine normale Reaktion des 1. Knotens zu ermöglichen. Ist außer dem nächstoberen Knoten jedenfalls auch noch weiter entferntes Meristem maßgebend für die Krümmungsfähigkeit eines Knotens, so braucht dieses doch nicht der Spitze zu entstammen, es kann auch durch einen weiteren oberen Knoten vertreten werden. So erreichte die Krümmung des 3. Knotens bei Tradescantia zehrina bei Erhaltung des 2. und 1. Knotens in einem Versuch 68, 78, 69, 74, 78, 81, 76, 75", also den normalen Wert, während die Reaktions- winkel desselben bei Erhaltung des 2. Knotens allein nur 50, 37, 52, 60, 48, 58, 60, 47" betrugen. Nach Miehe (13) soll auch die Unterbrechung der normalen Verbindung zwischen oberem und unterem Knoten den letzteren reaktionsunfähig machen. Versuche mit Quereinschnitten lieferten eine Bestätigung seiner Angaben. Außerdem wurde die Wirkung von Klemmung untersucht, welche Miehe nicht angewandt hatte. Die Quetschung wurde erreicht mit Hilfe von Klemmschrauben oder durch Umschließen des Internodiums mit den zwei Hälften 28* 430 Margarete Schumacher, eines Kork- oder Holundermarkringes, welcher für die Stengel zu eng war, so daß beim Zusammenhalten derselben durch Draht der Stengel zusammengepreßt wurde. Der Sproß wurde an der Klemm- stelle, um Verwundung zu vermeiden, mit Watte umwickelt. Zu den Versuchen wurde die Klemmvorrichtung an einem Internodium angebracht und die Krümmung des darunterliegenden Knotens beob- achtet. Sie zeigte sich in ebenso hohem Maß unterdrückt wie durch Dekapitation. Es wurden in einem Versuch mit Tradescantia cehrina Krümmungen erreicht von 18, 12, 0, 20, 4, 10, 8, 0", hei Trades- cantia ßuminensis von 15, 5, 0, 7, 0, 20, 10, 8°. Da Klemm- versuche möglicherweise über die Bahnen, auf denen sich die Beein- flussung der Knoten untereinander vollzieht, Aufschluß geben konnten, wurden sie in der Weise modifiziert, daß auch der Einfluß dauern- der und vorübergehender Klemmung miteinander verglichen wurde. Die vor dem Versuch gequetschten Sprosse krümmten sich normal, nämlich um 73, 80, 65, 74, 78, 70, 72**, und auch die 24 Stunden lang geklemmten Exemplare erreichten fast ihre normale Gleich- gewichtslage; ihre Winkel betrugen 60, 70, 45, 62, 78, 79, 70". Um eine Folge von Zerdrückung und Tötung einzelner Parenchym- zellen, die auf Schnitten festgestellt wurde, kann es sich also bei der Schädigung durch die Klemmung nicht wohl handeln. Um zu entscheiden, ob die Klemmung den Wasserstrom zwischen dem oberen und dem unteren Knoten gehindert hatte und dadurch viel- leicht eine Reaktionsschädigung zustande gekommen war, wurde eine Anzahl von Sprossen verschieden stark geklemmt und ihre Aufkrümmung verfolgt. Dann wurden sie aus dem feuchten Kasten herausgebracht und mit ihrer Basis in Wasser eingestellt. Es wurde dann darauf geachtet, wo ein Welken über der Klemmvorrichtung eintrat. Es blieben mehrere Sprosse, die kaum mehr eine Auf- krümmung geleistet hatten, ziemlich frisch; es konnte also die Wasserleitung nicht völlig unterbunden sein. Es erscheint also nach dem Versuch fraglich, ob die Reaktionshemmung mit einer Unterbrechung der Wasserbewegung zwischen oberem und unterem Knoten in Zusammenhang steht. C. Die Dorsiventralität der Sprosse. Nach Miehe sind die Tradescantia -Sprosse orthotrop und radiär. Es wird nur äußerlich eine Dorsiventralität vorgetäuscht durch die Stellung der Blätter zum Licht. In bezug auf die geo- Dekapitation und geotropiache Krümniungsfähigkeit von Sprossen. 431 tropischen Eigenschaften sollen aber keine Verschiedenheiten zwischen den einzelnen Flanken des Sprosses bestehen. Demgegenüber ließ sich jedoch eine ausgesprochene Dorsiventralität im Verhalten des Tradescantia-Sprosaes feststellen. Die Sprosse bilden in Gleichgewichtslage einen bestimmten Winkel mit der Vertikalen, dessen Größe von der Art abhängt; dieser Ablenkungswinkel, der mit s bezeichnet werden soll, beträgt bei Tradcsrantia zebrina 10—20", er wurde z. B. an kräftigen Stecklingen, wie sie zur Vermehrung benutzt wurden und wie sie zu Versuchen dienten, zu 10, 12, 15, 20, 11, 10, 14, 13" bestimmt. Jüngere Seitensprosse zeigen oft größeren Winkel e. Zu den Ver- suchen wurden außer Stecklingen nur Zweige älterer Sprosse ver- wendet, die um 10 — 20" von der Vertikalen abwichen. Trades- rantia fluminensis steht etwas steiler. Aus Mi ehe s Tabellen geht hervor, daß auch in seinen Versuchen die Sprosse sich tatsächlich nie in die Vertikale einstellten. Die Sprosse sind auch keineswegs radiär; stets ist in Gleich- gewichtslage die Seite nach oben gewandt, nach der die Blattober- seiten sehen, sie soll im folgenden als Dorsalseite bezeichnet werden. Wenn Miehe angibt, daß Sprosse sich vollkommen gleich auf- krümmen, gleichgültig, ob sie horizontal auf die Ventral- oder Dorsalseite gelegt werden, so trifft das nicht zu. Die ersteren (a) brauchen, um ihre Gleichgewichtslage zu erreichen, nur einen Winkel von (90 — e)" zu beschreiben, die anderen (b) dagegen einen Winkel von (90 -\- e)". Die Sprosse erreichen dabei aber sämtlich ihre Ruhelage etwa zu gleicher Zeit, die Geschwindigkeit ihrer Bewegung ist also verschieden, wie aus folgenden Zahlen hervorgeht. Die Winkel betrugen bei einer Serie a nach 2 Tagen 30, 38, 42, 20, 55. 43", bei Serie b 58, 60, 45, 82, 76, 73". Die Sprosse der Serie a kamen nach 8 Tagen zur Ruhe bei 81, 78, 65, 72, 74, 74, 77", die Sprosse der Serie b bei 102, 115, 98, 102, 105, 103". Die Ruhelage der Sprosse veränderte sich durch den Aufent- halt im Dunkelzimmer während des Versuches nicht. Ob auch längere Kultur bei völliger Dunkelheit ohne Einfluß bleibt, muß ich dahingestellt sein lassen, nachdem ich beobachtet habe, daß völlig im Dunkeln ausgetriebene Achselsprosse auffallend steil stehen, zum Teil sogar in die Vertikale einrücken. Die Dorsiventralität der Sprosse zeigt sich auch in dem De Vriesschen Flankenstellungsversuch (1, 4): wird ein Sproß auf eine 432 Margarete Schumacher, Flanke horizontal gelegt, so erfolgt seine Krümmung in einer nach der Ventralseite geneigten Ebene, also schräg aufwärts, und der Gipfel erreicht auf diese Weise auch wieder seine charakteristische Gleichgewichtslage, die um £° von der Vertikalen abweicht. Auf dem Klinostaten treten bei Drehung um die horizontale Längsachse dorsalkonvexe Krümmungen ein. Sie wurden schon kurz von Luxburg (12) erwähnt, und er wies auf die Möglichkeit einer Dorsiventralität der Sprosse hin; die Folgen, die sich daraus für die Deutung der Miehe sehen Versuche über Reizleitung er- geben, wurden jedoch übersehen. Dieselben Krümmungen wurden auch auf dem intermittierenden Klinostaten bei abwechselnder Rei- zung der beiden Flanken (je 10 Minuten) beobachtet. Kniep (10) hat diese Methode angewandt, um die Epinastie von Laubblättern rein zum Ausdruck zu bringen. Die Frage, ob es sich auch hier um Epinastie handelt oder um positiven Geotropismus [Lunde- gärdh (18)], wurde von mir nicht untersucht. Aufschluß geben aber die von meinen Beobachtungen über das dorsiventrale Ver- halten der Tradescantia Sprosse ausgehenden Untersuchungen von F. Rawitscher (14). Für die Versuche über die Reizleitung war die Anwendung der allerverschiedensten Reizlagen notwendig, und es galt festzu- stellen, wie die Aufkrümmung aus diesen vor sich geht. Bei nicht dorsiventralen Organen erfolgt die Reaktion stets so, daß die in der Reizlage nach oben weisende Seite konkav wird. Bei den dorsiventralen Sprossen zeigten sich die Verhältnisse nicht so ein- fach. Man wird sich am leichtesten orientieren mit Hilfe des in Fig. 3 gegebenen Schema, in welchem die Aufkrümmungsrichtung bei den verschiedensten Lagen eines basalfixierten Sprosses durch Pfeil angegeben ist. Die Dorsalseite der Sprosse ist punktiert, die Ventralseite ausgezogen. Es ist für das Schema angenommen, daß e = 20" beträgt. Die beiden Gebiete entgegengesetzter Krüm- mungen sind, um sie deutlicher hervorzuheben, verschieden schraf- fiert. Es fällt sofort auf, daß das Gebiet der dorsalkonvexen Re- aktion größer ist als das der ventralkonvexen. Es sei besonders betont, daß aus der inversen Vertikallage, als bei Einstellung in 270 '', stets Dorsalkonvexkrümmung erfolgte. Bei Drehung um mehr als (270 -j- e)" dagegen trat stets ventralkonvexe Reaktion ein. Wurde aber eine Anzahl von Sprossen in Lagen des dazwischen liegenden Bereiches (unschraffiert) eingestellt, so vollführten einige von ihnen dorsalkonvexe, andere ventralkonvexe Krümmungen. Dies Dekapitation und geotropische Krümmungsfähigkeit von Sprossen. 433 Ergebnis läßt sich mit der Annahme einer reizlosen labilen Ruhe- lage an der Grenze von Dorsal- und Ventralkonvexkrümmungen vereinigen. Eine solche hat, auf meinen Beobachtungen fußend, F. Ra witscher (15) für die Lage (270 -f- «)" festgestellt. Das in Fig. 3b gegebene Schema gilt für die Aufkrümmung von apikal fixierten Sprossen. In stabiler Ruhelage befindet sich ein solcher, wenn seine Spitze nach unten und die Dorsalseite nach oben gekehrt ist und wenn er mit der Vertikalen den V7inkel € bildet. Aus allen anderen Lagen streben die an der Spitze fixierten Sprosse dieser einen zu. Auch hier wieder ist das Gebiet der Fig. 3. Erklärung im Text. Dorsalkonvexkrümmung größer als das der Ventralkonvexkrümmung, und es gibt ein Zwischengebiet, in dem beide auftreten. Es herrscht also große Übereinstimmung mit den Verhältnissen bei den basal- befestigten Sprossen. Doch besteht ein wesentlicher Unterschied: die an der Spitze befestigten, in Reizlage gebrachten Sprosse streben der stabilen Ruhelage bei (90 — «)" nicht nur zu, sondern über- schreiten sie, ohne in sie zurückzukehren. Diese Üb erkrümm ungen sollen weiter unten ausführlicher besprochen werden. Mit Hilfe von Fig. Sa und Sh läßt sich für jede Reizlage vorhersagen, in welcher Weise die Aufkrümmung vor sich gehen 434 Margarete Schumacher, muß, was für die weiteren Versuche von Bedeutung sein wird. Die Zwischengebiete, für welche sich die Krümmungsrichtung nicht im voraus feststellen läßt, wurden im folgenden als Reizlagen gemieden. D. Reizleitungsversuche. tJberkrümmungen apikal fixierter Sprosse hat schon Mi ehe bei Horizontallegen derselben beobachtet. Er denkt daran, daß das Festhalten der Spitze in Reizlage die Gleichgewichtslage der unteren Knoten verändern könnte. Der frei bewegliche basale Teil hatte bei seinen Versuchen Winkel bis zu 120" beschrieben. Ich erhielt an intakten Sprossen — Mi ehe hatte meistens mit dekapitierten gearbeitet — meistens viel größere Winkel, 170—190" in 12 Tagen, einmal sogar 212°. Eine Rückregulierung trat nie ein, obgleich an mehreren Exem- plaren festgestellt werden konnte, daß sie dann noch immer re- aktionsfähig waren: in neue Reizlage gebracht, vollführten sie noch deutliche Krümmungen. Die Überkrümmungen von der erwähnten Stärke treten nur auf bei jungen Internodien, welche noch als Ganzes an der Reaktion teilnehmen, wo also die reagierende Zone eine bedeutendere Länge besitzt. Die Knoten der älteren Inter- nodien dagegen können nur schwächere Überkrümmungen leisten. Die Winkel, die solche durchlaufen, bis sie zur Ruhe gelangen, betragen höchstens 140 — 160". Bei basaler Befestigung der Sprosse werden tJberkrümmungen, wenn sie überhaupt eintreten, was selten der Fall ist, sofort rück- reguliert, sie bleiben auch immer nur schwach. Nur bei apikaler Fixierung — darauf weist auch Mi ehe hin — sind sie von Dauer und bedeutender Stärke. Das Verhalten der Sprosse erinnert an die Sorghum- und Ä'ß^ana-Keimlinge Darwins (3), die, an der Spitze fixiert, horizontal gelegt waren und sich dann spiralig ein- rollten. Wie Darwin den Grund darin sieht, daß von der dauernd geotropisch gereizten Spitze der Reiz nach den unteren Partien geleitet werde und dauernd Krümmung auslöse, so könnte man auch hier an die Wirkung einer Reizleitung von der Spitze zu den Knoten denken. Legten auch die Überkrümmungserscheinungen an apikal fixierten Sprossen den Gedanken an eine Reizleitung nahe, so konnte durch besondere Versuche doch gezeigt werden, daß eine solche nicht besteht. Es galt, eine solche Anordnung zu treffen, daß ein oberer Dekapitation iin.i geotropische Kriimniungsfäbigkeit von Sprossen. 436 Knoten des Sprosses eine andere Reizlage einnahm als der nächst- untere. Dann mußte zu erkennen sein, ob der obere den unteren in seiner Krümmung beeinflußt oder ob der untere seiner eigenen Lage gemäß reagiert. Dies war auch Miehes Gedanke, als er seinen „Biegungsversuch'' anstellte; doch ist bereits darauf hin- gewiesen worden, daß er nicht beweisend ist. Eine günstigere Anordnung, welche vor allem auch jede künst- liche Biegung vermied, ließ sich auf folgende Weise erreichen: es wurden Sprosse mit drei Knoten je nach Bedarf auf die Dorsal- oder Ventralseite horizontal gelegt und in der Mitte, d. h. im 2. Internodium, befestigt. Nach wenigen Tagen hatten sich Basis und Spitze um 70" oder mehr aufgekrümmt. Nachdem die Sprosse auf diese natürliche Weise gebogen waren, wurden sie in neue Reizlagen eingebracht und ihr Verhalten beobachtet. Sie waren dann noch gut reaktionsfähig. Wie besondere Versuche zeigten, vermag ein junger Knoten 3 — 4 mal hintereinander Krümmungen von 70 — 80" auszuführen, die Reaktionsfähigkeit läßt erst nach 10 — 12 Tagen deutlich nach. Altere Knoten sind weniger leistungs- fähig. Für die folgenden Versuche kommt der 1. und 2. Knoten in Betracht. Es waren acht verschiedene Lagen, in welche die auf oben beschriebene Weise gebogenen Sprosse zur Entscheidung der Reiz- leitungsfrage eingebracht wurden. Aus der großen Zahl der Ver- suchsexemplare ist für jede Lage eines ausgewählt und sein Krüm- mungsverlauf in Fig. 4 unter Benützung der beobachteten Krüm- mungswinkel schematisch wiedergegeben. Die Ventralseiten der Sprosse sind dick ausgezogen, die Knoten dunkel ausgefüllt und die Fixierungsstellen durch Querstrich bezeichnet. Bei 1, V und VIII ist die Krümmungsrichtung der einzelnen Knoten des Sprosses eine verschiedene. Der erste Knoten von / ist im Versuch dorsal- konvex geworden, der zweite dagegen ventralkonvex; bei V und VIII ist es umgekehrt. Aus der verschiedenartigen Reaktion der beiden Knoten ist zu schließen, daß der untere vom oberen un- abhängig reagiert, daß keinerlei Reizleitung von oben her stattfindet. Wenn bei //, III und VII der zweite Knoten sich in der- selben Richtung krümmt wie der erste, so handelt es sich auch dort nicht um Reizleitung von oben her; er reagiert nur seiner eigenen Lage gemäß. Das ergibt sich aus folgender Überlegung: aus Fig. 3 läßt sich die Richtung ersehen, in der sich ein Sproß als Ganzes aus seiner Reizlage aufkrümmt. In derselben Weise 436 Margarete Schumacher, funktioniert natürlich auch das einzelne Stengelglied. In Fig. 4 muß daher bei allen Lagen die Reaktion der Sproßspitze so er- folgen, wie Fig. 3a angibt; der zweite Knoten dagegen, für welchen die Fixierung eine apikale ist, muß sich wie ein Sproß der Fig. 3 & verhalten, vorausgesetzt, daß ihm nicht der erste die Krümmungs- richtung diktiert. Für 7 ist demnach zu erwarten: im 1. Knoten dorsalkonvexe Reaktion, im 2. Knoten ventralkonvexe, wie das auch 11V2Z 15.!m3 11Y-Z2 j^r 16.7 y^ . zü- rn V 11722 15 7 --■21.7- -187 11. V-Z2 11722 ,5 V 1iy-22 ^s.Y- Fig. 4 (l—rV). Erklärung im Text. tatsächlich eingetreten ist. Bei 11 und III dagegen müssen nach Fig. 3r< und 3/) beide Knoten ventralkonvex, bei VII beide dorsal- konvex werden. Bei 7/7, auch bei 7 u.a. wird es deutlich, daß der 2. Knoten sich noch weiter krümmt, wenn auch der obere längst in seine Gleichgewichtslage eingerückt ist. Für das Zustandekommen einer Reaktion im unteren Knoten ist es also nicht notwendig, daß der Dekapitation und geotropische Krümmungsfähigkeit von Sprossen. 437 obere einen Reiz empfängt; auch hier also ein Nachweis, daß eine Reizleitung niclit vorhanden ist. Sensorische und motorische Phase des geotropischen Reizvorgangs sind nicht auf zwei verschiedene Stengelglieder verteilt. Wie kommen aber dann die Uberkrümmungen frei beweglicher basaler Teile zustande? Eine Erklärungsmöglichkeit ergibt sich aus dem Verhalten der einzelnen Teile eines Stengelgliedes bei der 13 a 9nr Sm- i msz ^]ir22 1 • «?#•,.'-5»» „ „ . . 5"-7" „ „ . . 7«»-8'<' „ , . . 670 ) 310 720 1 700 1 i 315 670 J •98 1 95 58 Durchschnitt . . . 690 312 98 95 58 Verhältnis .... 7,2 3,3 1,0 1,0 Versuch 11. &) Wasserabgabe pro 90 Minuten in mg Windstärke I ' II 3,7 1,0 m/sek. ni/sek. 1 1 III IV V berechnet „windstill" für ruhige Luft 1 ! 6"— 7" a. m. . . 1 490 \ \ 205 7"°— 9<* „ „ . . 1 505 1 "'-">" . . ■ • 3 <•■» 1 ) ,„, 10»«— 12« „ „ . . 495 J 75 78 40 1 i Durchschnitt ... 500 206 ' 75 78 | 40 i ' 1 Verhältnis ... 6,5 2,7 1,0 1,U Versuchs- ( Durchschnitts- i; Lufttemperatur und -feuchtigkeit Psychrometerwerte Dampfdruck der Luft 1 trocken naß Differenz Vers. 10 . . . Vers. 11 . . . '1 19,90« 20,98« 13,65« 6,25'' 16,94« 4,04" 8,47 mm 12,31 „ Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 465 b) CO, -Aufnahme pro 90 Minuten in mg Verhältnis a : b I II III IV V I II III IV V her. f. her. f. 3,7 1,0 „windstill" ruhige 3,7 1,0 m/sek. „windstill" ruhige m/sek. m/sek. Luft m/sek. Luft 7,1 1 94 ) 6,8 46 8,4 j 86 1 \ 3,8 3,3 2,7 y 27 21 6,9 1 101 1" 6,4 7,1 1 94 J 7,4 6,6 3,8 3,3 2,7 94 47 27 21 2,2 2,0 1,2 1,0 3,9 1,7 1 b) COj -Aufnahme pro 90 Minuten in mg Verhältnis a : b I II III IV V I n III IV V her. f. ber. f. 3,7 1,0 3,7 1,0 m/sek. m/sek. „windstill" ruhige Luft m/sek. m/sek. „windstill" ruhige Luft 7,6 ! 6,2 64 33 8,2 1 62 i 3,8 3,7 2,7 i 20 15 6,6 } 6,5 77 32 7,9 63 7,6 6,3 3,8 3,7 2,7 66 32 20 15 2,0 1,7 1,0 1,0 3,3 1,6 1 bedingungen werte). Temperatur der Lösungen Luftdruck I n III u. IV V^) reduziert auf 0° 17,3° 19,0° 18,2° 19,9° 19,2° 20,4° 19,4° 20,6° 743 mm 733 „ 1) Schätzung. Jahrb. f. wiss. Botanik. LXII. 31 466 Hans Gradmann, Nun können wir aber nach dieser Formel auch berechnen, wie hoch die C02-Aufnahme bei völlig ruhiger Luft sein müßte unter der Voraussetzung, daß alle CO2 -Moleküle, die auf die Ober- fläche der Lösung aufprallen, hier aufgenommen werden und keines die Lösung wieder verläßt. Dann ist auch die Größe der COä- Absorption allein durch die Diffusion bestimmt und läßt sich nach derselben Formel wie die Verdunstung berechnen. Wir können den Kohlensäuredruck an der Oberfläche gleich Null setzen und 13 1 1 12 11 10 bi 9 s s Z 8 a / 1 1- 2 1 y *^^^ /X /^ 0 5 / 3 2 ^ 100 200 300 400 500 600 700 Wasserabgabe in mg Fig. 1. den der Luft gleich 0,22 mm entsprechend einem Gehalt von 0,03 7o. Die Diffusionskonstante für CO2 in Luft beträgt nach Brown und Escombe 0,152. Die andern Größen sind dieselben wie für die Verdampfung, und es ergibt sich eine theoretische CO2- Aufnahme von 2,7 mg pro 90 Minuten, also ebenfalls wesentlich weniger als die bei „ruhiger Luft" beobachtete Menge (3,3 mg) ^). 1) Diese Feststellung zeigt, nebenbei bemerkt, wie unberechtigt es ist, in einem Zimmer, in dem man keine Luftbewegung spürt, mit völlig ruhiger Luft zu rechnen. Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 467 Im Verhältnis zur Wasserabgabe aber erhalten wir hier den größten Wert für die CO2- Aufnahme — es wird ja z. B. in Vers. 10 theo- retisch nur 21 mal so viel "Wasser verdunstet als CO2 absorbiert, in der „windstillen" Ecke aber schon 27 mal so viel — , doch fügen sich die berechneten Werte der beobachteten Reihe nicht genau an. Wir sehen das am besten, wenn wir die Werte in ein Ko- ordinatensystem einzeichnen (s. Fig. 1), wobei auf der Abszisse die Hg O -Werte, auf der Ordinate die CO2- Werte aufgetragen werden. Die hier mit Kreisen bezeichneten Punkte entsprechen den für absolut ruhige Luft berechneten, die Kreuze den beobachteten Werten. Wäre das Verhältnis von Wasserabgabe und Kohlensäure- aufnahme konstant, so müßten alle Punkte der beiden Versuche auf den durch die beiden Kreise gehenden Geraden liegen. In Wirk- lichkeit bleiben die Kohlensäurewerte um so mehr hinter der be- rechneten Größe zurück, je größer die Verdunstung, je lebhafter also die Luft- bewegung bei dem betreffenden Versuch war. Wenn wir uns nach einem Grund für diese Erscheinung umsehen, so ist klar, daß die Verkleinerung des Diffusionswider- standes nicht die Ursache des verschie- denen Verhaltens von HoO und COo sein kann, da bei beiden Vorgängen die aus- getauschten Mengen dem Diffusionswider- stand umgekehrt proportional sind. Aber man könnte vielleicht den Grund darin suchen, daß durch den Wind die Gase in anderer Zusammensetzung der Lösung nahe gebracht werden als durch bloße Diffusion. Daß eine solche Erklärung nicht möghch ist, zeigt folgende Überlegung: in Fig. 2 sei AB der Abstand der Lösung von der (praktisch) normal zusammengesetzten Luft, die Lösung bei Ä gedacht, a bezeichne die Größe der Span- nungsdifferenz für den Wasserdampf, h dasselbe für die Kohlen- säure, die Kurven den Partialdruck von H2O und CO2 in den ver- schiedenen Teilen des Systems (es ist in der Zeichnung willkürlich angenommen, daß der Widerstand und damit das Gefälle in der Nähe der Lösung besonders groß sei und allmählich abfalle). An einer beliebigen Stelle L sei der Druck des Wasserdampfs x, der Kohlensäure x', der von hier nach innen gelegene Teil des Dif- fusionswiderstands m, der äußere n. Nun ist die in der Zeiteinheit diffundierende Menge direkt proportional der Druckdifferenz, und 31* ^gg Hans Gradmann, Q y indirekt dem Widerstand, also im inneren Teil v = , im äußeren v' = -. In beiden Teilen ist aber die diffundierende Menge n gleich, also = , und daraus x = ; — . In analoger & ' m n Tin _J_ n Weise berechnet sich der COg -Druck x' — j — . Die Span- m -|- n an nungsdifferenz zwischen L und A beträgt also für Wasser a -j--—, für CO2 1 — , das Verhältnis der Spannungsdifferenzen m -}- n a n a j m -f- n a bm b' m -|- n d. h. an jedem Punkt des Systems ist das Verhältnis der Spannungs- differenzen dasselbe. Es mag also der Wind von außen oder von einem beliebigen Punkt des Systems Luft in die Nähe der Flüssig- keit bringen, stets wird das Verhältnis der beiden Spannungs- differenzen, und damit auch das Verhältnis zwischen verdunsteten und absorbierten Mengen, dasselbe bleiben. Eine Entmischung kann der Wind nicht herbeiführen. Die Wirkung des Windes ist daher dieselbe, als würde der Abstand der äußeren Luft von der Ober- fläche um einen bestimmten Teil verringert. Durch die Angabe dieses Abstandes ist die Windwirkung völlig bestimmt. Wir können nun diesen wirksamen Abstand der Außenluft von der Oberfläche der Lösung aus den Verdampfungswerten berechnen. 1* TT 13 TT Für absolut ruhige Luft ist er nach Stefan gleich --, also -~- = 1,0 cm^). Der Abstand ist -nun um so kleiner anzunehmen, je größer die Verdunstung ist, also, wenn v die berechnete Verdun- stung bei ruhiger Luft, v' die bei bestimmter Windstärke beob- 1 0 V achtete ist, so erhalten wir einen Abstand a = ' ^ cm. Der V Wert v' ist aber noch zu klein, da ja bei seiner Messung die Lö- sung kälter, ihr Dampfdruck niedriger ist als bei ruhiger Luft. Bei gleicher Temperatur wäre die Verdunstung noch größer im Verhältnis der beiden Luftdruckwerte p und p', also a = -^— ^ — ^. 1) Der Radius des Verdampfungsgefäßes beträgt 1,3 cm (s. S. 463). Die WindschutzeinrichtuDgen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 469 Nach dieser Formel berechnet sich der Abstand im Mittel der beiden Versuche für „Windstille" (III und IV) zu 0,55 cm, für 1,0 m/sek. Windstärke (II) zu 0,17 cm und für 3,7 m/sek. Wind- stärke (I) zu 0,06 cm. Da diese Wege für die Kohlensäure jedesmal dieselben sind und doch die diffundierenden Mengen hinter der Berechnung zurück- bleiben, kann die Annahme nicht richtig sein, daß der COo-Druck an der Oberfläche der Flüssigkeit gleich Null sei, daß hier die Kohlendioxyd-Moleküle sämtlich absorbiert werden; vielmehr müssen sich hier COi-Moleküle auch in der Richtung von innen nach außen bewegen. Zwischen der eigenthchen KOH-Lösung, die sicher keine Kohlensäure abgibt, und der Luft muß also irgend ein Wider- stand sich befinden. Man könnte daran denken, daß sich an der Oberfläche der absorbierenden Lauge eine karbonatreichere Schicht bildet, die dann die weitere COg-Aufnahme erschwert. Allein bei den Versuchen war durch den künstlichen Wind die Flüssigkeit in lebhafteste Bewegung versetzt; eine nur durch den Absorptions- vorgang geschaffene Inhomogenität der Lösung konnte sich dabei unmöglich erhalten. Die Lauge muß an sich schon eine Inhomo- genität besitzen, eine Oberflächenschicht, die als Widerstand wirkt, und es lassen sich alle Tatsachen erklären, wenn wir uns diesen Widerstand als Diffusionswiderstand denken und annehmen, daß die Moleküle erst noch durch eine gewisse reaktionslose Schicht hindurch zu diffundieren haben, ehe sie absorbiert werden. Diese Ansicht äußern auch Brown und Escombe schon auf Grund der Beobachtung, daß bei bewegter Luft die CO^-Absorption den theo- retischen Wert längst nicht erreicht (1900, S. 288)'). Sie hatten dabei allerdings auch noch die wichtige Feststellung gemacht, daß die absorbierte Menge trotzdem dem C02-Gehalt der Luft direkt proportional ist (S. 285), wie es eben bei der Annahme eines weiteren Diffusionswiderstandes zu erwarten ist. Dagegen stimmt mit dieser Annahme keineswegs die Ansicht überein (S. 283), daß die Absorption aus lebhaft bewegter Luft (rapidly moving air) nur etwa 15 "/o größer sei als die bei gänzlich ruhiger Luft (fairly still air). Die bei ruhiger Luft sich über der Lösung bildende Kuppe COi-armer Luft hätte den von Brown und Escombe angegebenen 1) Es wird dort auch darauf liingewiesen, daß die Erscheinung möglicherweise mit dem von Liebreich (1889 und 1890J untersuchten „toten Raum" bei chemischen Reaktionen zusammenhängt. 470 Hans Gradmann, Widerstand viel mehr erhöhen müssen. Dieser Widerspruch kommt aber nur davon her, daß auch Brown und Escombe die Wirkung der Luftbewegung in einem geschlossenen Raum viel zu niedrig einschätzen. Von den Physikern ist die Frage der Absorption von Gasen durch Lösungen noch kaum in Augriff genommen worden, nament- lich soweit eine chemische Reaktion mit der Absorption verbunden ist. Doch führt J. Meyer (1909) aus, daß man sich an der Ober- fläche einer Lösung eine Schicht vorzustellen hat, die andere Eigen- schaften besitzt als die Lösung im Innern, die erhalten bleibt, wenn die Lösung umgerührt wird, und in der sich Konzentrationsunter- schiede nur allmählich durch Diffusion ausgleichen. Die Anwend- barkeit einer unimolekularen Reaktionsgleichung auf die Auflösung von Gasen in Wasser, die auf dieser Annahme fußt, ergibt sich nach Meyer aus den Zahlen, die W. F. Knox (1889) für die Ge- schwindigkeit der Absorption von Kohlensäure fand, und wurde später von Roth (1909) nach Versuchen mit anderen Gasen be- stätigt. Wenn nun der Widerstand an der Oberfläche der Lösung tat- sächlich als Diffusionswiderstand eine konstante Größe besitzt, so muß er sich aus unseren Zahlen berechnen lassen. Als Maßstab wählen wir den Diffusionswiderstand der Luft und suchen die Größe x, um die die Dicke der Luftschicht vermehrt werden müßte, um die beobachtete C02-Menge diffundieren zu lassen. Sind v und v' die bei verschiedener Windgeschwindigkeit absorbierten CO2- Mengen und 1 und V die entsprechenden, aus der Wasserabgabe berech- neten Entfernungen der normal zusammengesetzten Luft von der Oberfläche der Lösung, so ist 1 + X v' , r v' — 1 V ,7-7 — = ~, also X = —. V -\- X V V — v' Der so berechnete Mittelwert ist 0,46 cm. Wir erhalten dann folgende Zahlen: „Windstill" Wind 1,0 m/sek. Wind 3,7 m/sek. (in n. IV) • (II) (I) Widerstand für Wasserdampf .... 0,55 cm 0,17 cm 0,06 cm, Widerstand für COj an der Oberfläche . 0,46 „ 0,46 „ 0,46 n » Gesamtwiderstand für COj 1,01 cm 0,63 cm 0,52 cm, Verhältnis dieser Widerstände .... 1,94 1,21 : 1 , Verhältnis der absorbierten COg-Mengen Die Windschntzeinrichtnngen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 471 Die diffundierenden Mengen stehen im umgekehrten Verhältnis zu den Widerständen. Die Abweichungen liegen innerhalb der Fehlergrenzen. In Wasser erfolgt die Diffusion der Kohlensäure etwa 10 000 mal langsamer als in Luft; demnach ist der Widerstand gleich dem einer ungefähr 0,5 // dicken unbewegten Wasserschicht. Als Ergebnis dieser Versuche können wir demnach feststellen: Die in die Kalilauge diffundierende Kohlensäure erleidet an der Oberfläche der Flüssigkeit einen Widerstand gleich dem einer etwa 0,46 cm hohen unbewegten Luftschicht. Dieser hat auf das Verhältnis von Wasserabgabe und Kohlensäureaufnahme wenig Ein- fluß, wenn der bei den Vorgängen gemeinsame äußere Widerstand groß ist. Je größer er ist. Je geringer also die Verdunstung (bei gegebener Verdunstungsfläche und Spannungsdifferenz), desto mehr nähert sich das Verhältnis dem durch Spannungsdifferenz und Dif- fusionsgeschwindigkeit bestimmten Wert, wie das die Kurven S. 466 zeigen. Aber schon wenn die ruhende Luftschicht auf etwa 0,46 cm verringert wird — und bei unseren Versuchen geschieht das an- nähernd schon bei gänzlich unmerkbaren Luftbewegungen — , wird die COo-Aufnahme durch den Widerstand an der Oberfläche auf die Hälfte reduziert, und bei stärkerem Wind kann die Verdunstung auf sehr hohe Werte gesteigert werden, während die Kohlensäure- absorption schließlich kaum noch ansteigt und einen Maximalwert nie überschreitet, der bei unseren Kurven ungefähr bei 8 mg (pro Stunde und 5,3 qcm Fläche) liegt. Damit sind auch die Versuchsergebnisse vom ersten Teil dieses Abschnitts erklärt: überall da, wo die Lösung vor dem Zutritt be- wegter Luft mehr oder weniger geschützt war, war der äußere Wider- stand verhältnismäßig groß, und die Herabsetzung der Kohlensäure- absorption durch den Widerstand an der Oberfläche machte nicht so viel aus wie in den Parallelversuchen, wo die bewegte Luft näher an den Spiegel herantrat. Zwar war in diesen Fällen die Ver- dampfung meist auch nicht größer als bei den windgeschützten Lösungen, aber das rührt nicht her von einer geringeren Spannungs- differenz. Die Luft, die hier zwischen der verkleinerten Öffnung des Gefäßes und der Oberfläche der Flüssigkeit umhergewirbelt wurde, besaß natürlich nicht die Zusammensetzung der Außenluft, sondern war reicher an Wasserdampf und ärmer an Kohlendioxyd, und hiermit ist die verschiedene Wirkungsweise von Verkleinerung der Öffnung und Windschutz gegeben: in beiden Fällen wird die ±72 Hans Gradmann, Verdampfung herabgesetzt, aber das eine Mal durch Zurückhaltung dampfreicher Luft, das andere Mal durch Erhöhung des Diffusiona- widerstandes; in jenem Fall wird die Kohlensäureaufnahme im gleichen Verhältnis gehemmt wie die Wasserabgabe, in diesem um vieles weniger. Abschnitt III. Die physikalische Wiricung der Windschutzeinrichtungen. Die ^Verhältnisse bei der assimilierenden Pflanze sind in drei wichtigen Punkten anders als in unseren Modellversuchen: die Wasser abgebende und Kohlensäure aufnehmende Flüssigkeit ist nicht frei beweglich, sondern als Imbibitionswasser in den Zell- wänden enthalten ; die Kohlensäure absorbierende Substanz ist nicht überall in der Flüssigkeit verbreitet, sondern auf gewisse Teile innerhalb des Plasmas beschränkt (vgl. Willstätter und Stoll, 1918, S. 174), und schließlich bestehen in Größe, Form und Zahl der Windschutzvorrichtungen wesentliche Unterschiede. Damit, daß die Kohlensäure durch das Imbibitionswasser der Zellwände und durch Teile des Plasmas erst hindurchdiffundieren muß, ehe sie absorbiert wird, ist hier für ihre Aufnahme ein be- sonderer Widerstand schon gegeben, der bei Luftbewegung ganz ebenso wirken muß wie der Widerstand einer 0,5 ^a dicken, unbe- wegten Wasserschicht, den wir an der Oberfläche der Kalilauge vorgefunden haben. Während der Wasserdampf von dem äußer- sten Wasserhäutchen der Zellwand abgegeben wird, muß die Kohlen- säure bis zu ihrer Absorption mindestens durch die Wand und die Plasmahaut hindurchdiffundieren. Eine unmittelbare Berührung der Zellwände mit der Außenluft kann daher die Kohlensäureaufnahme längst nicht so steigern wie die Wasserabgabe, und jede Einrich- tung, die die Luftbewegung herabsetzt, wird die Kohlensäure- aufnahme relativ fördern. Diese Feststellung gilt zunächst für die einzelne Zelle, aber natürlich ebenso für eine Vielheit von Zellen, die zugleich verdunsten und assimilieren. Etwas anders wäre es, wenn wir zweierlei Zellen vor uns hätten, vorwiegend verdunstende und vorwiegend assimilierende, und wenn die Diffusionswege von den beiden Zellsorten zur Außenluft sehr verschieden groß wären. Es wäre dann sogar der Fall denkbar, daß durch Luftbewegung die Assimilation mehr gefördert würde als die Transpiration, wenn nämlich die assimilierenden Zellen den Spaltöffnungen am nächsten liegen würden. Da aber im allgemeinen eher der umgekehrte Fall Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 473 verwirklicht und ein derartiger Gegensatz zwischen den verschie- denen Geweben eines Blattes wohl überhaupt nicht sehr ausgeprägt ist, kann ich mir die Diskussion dieses Falles ersparen. In den kleinen Hohlräumen eines Blattes wird die Reibung au den Wänden eine größere Rolle spielen als in unseren großen Versuchsgefäßen. Aber bei dem gewaltigen Abstand, der immer noch zwischen der Größe dieser Hohlräume und der Molekelgröße besteht, kann die Reibung keine sehr große Hemmung der Be- wegung bewirken. Dagegen ist auch die Öffnung im Verhältnis zur Weite des Hohlraums in der Natur wesentlich kleiner als an unseren Modellen, in Versuch 1 — 4 beispielsweise ist die Öffnung etwa 10 mal zu stark vergrößert. Aber es sind eben auch zur Steigerung der Transpiration viel geringere Geschwindigkeiten not- wendig. Nehmen wir an, ein Modell sei die 10 000 fache lineare Vergrößerung einer Spaltöffnung. Ist die Geschwindigkeit der ein- strömenden Luft in beiden Fällen dieselbe, so dringt im Modell 10000-mal mehr ein. Der Inhalt der Höhlung ist aber 10000^- mal so groß, also ist, um einen bestimmten Prozentsatz der ein- geschlossenen Luft durch Außenluft zu ersetzen, 10 000 mal mehr Zeit erforderlich als bei der kleinen Atemhöhle, und wenn nun der Durchmesser der Öffnung 10 mal so groß ist, immer noch 100- mal mehr. Eine Luftströmung durch die Spaltöffnung, die nur Vioo der Geschwindigkeit hat wie bei den Modellversuchen, wird die Luft im Innern ebenso rasch durch trockenere, kohlensäurereichere Außenluft ersetzen. Man sieht daraus, daß auch sehr schwache Luftbewegungen noch eine bedeutende Wirkung haben müssen, auch wenn man noch in Betracht zieht, daß infolge der großen Zahl der Spalten an der Blattoberfläche noch keine normal zu- sammengesetzte Luft, sondern eine „Dampf kuppe" sich befindet, daß also die Spannungsdifferenzen am Blatt geringer sind als am Modell. Es braucht wohl kaum noch darauf hingewiesen zu werden, daß es an Luftbewegung in der freien Natur nicht fehlt. Wir finden beispielsweise in den Aufzeichnungen der meteorologischen Stationen wenig Tage mit einer Windgeschwindigkeit unter 1 (= 1,7 m/sek.), dagegen nicht selten Geschwindigkeiten, die die höchsten bei unseren Versuchen angewandten noch übertreffen. Daß davon die Atemhöhle, wenn sie nicht geschützt ist, völlig un- berührt bleibt, ist undenkbar. 474 Hans Gradmann, Fig. 4. Amherstia nobilis nach Haberland t. Es wäre nun festzustellen, inwiefern die verschiedenen Formen geeignet sind, die bewegte Luft vom Assimilationsparenchym fern- zuhalten. Ich kann aber darauf verzichten, diese Formen alle auf- zuführen und zu beschreiben, da das von anderer Seite verschiedent- lich, insbesondere vonHaberlandt (1918, S. 429 ff.) geschehen ist. Daß diese Einrichtungen alle die Luftbewegung mehr oder weniger hemmen, ist ja ohne weiteres klar. Hat man doch, sobald man sie näher kennen gelernt hatte, bloß ihrer Form wegen ihre Bedeutung in der Bildung windstiller Räume gesucht, ohne daß man den be- sonderen Vorteil des windstillen Raumes gekannt hätte. Ich möchte hier nur das hervorheben, was diese Formen zur Bildung wind- stiller Räume besonders geeignet Fig. 5. Hakea suaveolens nach Haberlandt macht. Ni Fig. 6. Franklandia fucifolia nach Tschirch. Fig. 7. Ituscus aculeatus nach Guttenberg. Fig. 3. Es wurde schon in der Einlei- tung darauf aufmerksam gemacht, daß bei der Bildung tief einge- senkter Spaltöffnungen und weit vorspringender Kutikularleisten sel- ten enge Kanäle vor der eigent- lichen Spaltöffnung entstehen, son- dern fast immer weite „äußere Atemhöhlen" oder „Vorhöfe", deren äußere Mündungen durch vorspringende Zellen oder Kutikularleisten verengert werden. Es wurde darauf hingewiesen, daß diese Erweiterungen keine Hemmung, Die Windschntzeinriclitungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 475 -Z'-I- h?ß L-', JlX'-h. l-2ß ?r'-5 IM' sondern eine Förderung der Transpiration verursachen, soweit diese auf bloßer Diffusion beruht. Anders ist es, wenn wir die Wirkung des Windes in Betracht ziehen. Ein Windstoß, der irgendwie schief gegen die Mündung eines engen Kanals stößt — und daß er nicht senkrecht aufstößt, dafür sorgt im allgemeinen das Blatt, das dem senkrecht aufprallenden Wind ausweicht — . ein solcher Windstoß wird hier direkt bis ans andere Ende des Kanals geleitet (s. Fig. 3), in weiten Höhlungen aber wird er gefangen und im Kreise herum- geführt (s. Fig. 4 — 7). Dort würde die bewegte Luft mit ganzer Gewalt in die Atemhöhle eindringen, hier nur mit einigen Aus- läufern der entstehenden Wirbel. Aus demselben Grund fährt ja auch ein Windstoß durch ein enges Kamin in die Zimmer eines Hauses, während er, durch eine Dachluke hereinfahrend, in den unteren Stockwerken auch bei offenen Verbindungstüren nicht mehr verspürt wird. Um mich zu überzeugen, ob solche Hohlräume wirklich als Windfänge wirken, stellte ich vor dem Ventilator zwei Glasgefäße mit Wasser auf, die durch paraffinierte Papier- hülsen von verschiedener Form geschützt waren (Form und Größe [in cm] s. Fig. 8). Die Gefäße waren etwas tiefer gestellt als der Ventilator, so daß der Wind unter einem kleinen Winkel von oben kam. Sie standen un- mittelbar nebeneinander. Trotzdem mußten sie, um Unterschiede in der Windstärke zu eliminieren, in aufeinander folgenden Ver- suchen gegenseitig ausgewechselt werden. Der Wasserverlust wurde durch Wägung bestimmt, und es betrug die Abnahme im Durch- schnitt von vier Versuchen 90 Teile in dem Gefäß I mit der weiten Kammer, auf 100 Teile in Gefäß II mit der Röhre. In völlig ruhiger Luft hätte dagegen der Wasserverlust bei I viel größer sein müssen als bei IL Wir setzen nach Analogie mit den Rennerschen Berechnungen den Diffusionswiderstand (bezogen auf die Fläche x^n) 1-4 ?r' 5 TL Fig. 8. für I: X = yL Xyn.\ T ") + - + k\' - fü.„:..=:-:(L-^-^")+..+g(.- Rti = 1,65; ^) + ^^==2,61, ^7g Hans Gradmann, Die Diffusion ist dem Widerstand umgekehrt proportional, demnach kommen auf 100 Teile Wasserverlust in Gefäß II 158 Teile in Ge- fäß I. Bei Aufstellung in einem geschlossenen Zimmer betrug tat- sächlich die Verdunstung von I 129 7o von II. Es entweichen also durch die weite Kammer bei völlig stiller Luft 58 % , bei ganz schwacher Luftbewegung 29 °/o mehr, bei Wind jedoch 10 7o weniger als durch die enge Röhre, ein Zeichen, daß die Kammer als Windschutz wirkt. Die Wirkung der Kammer bei den Spaltöffnungen kann natür- lich aus diesem rohen Versuch nicht quantitativ abgeleitet werden. Bei anderer Richtung des Windes wird die Wirkung bald größer, bald geringer sein, und in der Natur wechselt nicht nur die Rich- tung, sondern auch die Stärke der Luftbewegung an der Oberfläche des Blattes beständig. Daher dürfte es sehr schwierig sein, die Größe der Schutzwirkung dieser Räume auch nur annähernd zahlen- mäßig festzustellen. Zudem wirken die vorgeschalteten Hohlräume an der Pflanze deshalb viel günstiger, weil sie in ihrem Bau fast alle zugleich auch andere windschützende Vorrichtungen besitzen, wie wir gleich sehen werden. Sie haben aber im allgemeinen das mit unserem Modell gemeinsam, daß ihre Innenwände mehr oder weniger horizontal (d. h. parallel zur Blattoberfläche) liegen und nie als Ganzes trichterförmig zur Spaltöffnung hinführen. Bei dem von Tschirch aufgestellten Typus der Trichtervertiefung kehrt der Trichter seine Spitze nicht nach innen, sondern nach außen, und innen findet sich meist eine mehr oder weniger ebene Fläche, die von der Spaltöffnung unterbrochen ist (s. Fig. 4, auch Pfitzer, Taf.37,Fig.5; Tschirch, Fig. 23; Bernard, Taf.3,Fig.6). Dadurch wird nun eben erreicht, daß die bewegte Luft an der Spalte vorbei und nicht in sie hinein geleitet wird. Manchmal befindet sich auf dem Bpden solch eines umgekehrten Trichters noch einmal eine Ein- senkung wie bei Hakea suaveolens (Fig. 5). Damit bleibt seine Wir- kung im ganzen dieselbe, und etwa abzweigende Ausläufer des Wirbels werden in der unteren Einsenkung ebenso aufgefangen werden, wie das auch in der Figur angedeutet ist. Bei Hakea cyclocarpa (Tschirch, Fig. 21) wiederholt sich diese Einrichtung sogar mehr- mals. So bekommt die Einsenkung als Ganzes allerdings die Form eines nach innen sich verschraälernden Trichters, aber seine Wände sind gestaffelt und es werden die in den verschiedensten Richtungen eindringenden Luftströmungen alle horizontal über die Spaltöffnung weggeleitet. Die Windschutzeinriclitungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 477 Die zweite, ganz allgemein verbreitete Einrichtung zur Abhal- tung der Luftbewegung von der inneren Atemhöhle besteht in der Emporhebung der äußeren Öffnung, der Bildung nach außen konkaver Flächen. Das steht nicht im Widerspruch mit der Ein- senkung der Spaltöffnungen; im Gegenteil zeigen gerade die ein- gesenkten Spaltöffnungen diese Einrichtung häufig zweimal, sowohl am äußeren Rand der Einsenkung wie an der Spaltöffnung selbst, an den Schließzellen. Die äußere Erhebung sehen wir mehr oder weniger ausgeprägt bei den Figuren 4 — 6 (s. auch Tschirch, Fig. 4, 5, 11 — 13, 15, 16; Haberlandt, Fig. 179, 180 usw.), an den Schließzellen wird sie meist hergestellt durch die aufstrebenden Kutikularleisten (s. Fig. 6). (Eine große Zahl von Spaltöffnungen aus allen Familien sind bei Voß [1917J abgebildet; sie zeigen fast alle die gehobene Mündung.) Den einfachsten Fall, daß die Schließ- zellen im Querschnitt gegeneinander abgerundet sind und dadurch die äußere Öffnung eine Art Trichterform bekommt, finden wir 3 33C 15 28 Fig. 9. kaum einmal verwirklicht, vielmehr sind fast überall Kutikular- leisten entwickelt, die bei kräftiger Ausbildung den oben geschil- derten Hohlraum herstellen, aber auch bei geringerer Entwicklung der äußeren Öffnung die typische Form geben. Die Bedeutung dieser Form ergibt sich aus folgendem Ver- such: auf zwei kleine, etwas Wasser enthaltende Gläschen I und II waren zwei durchlochte, dicke Glasplättchen aufgekittet und die Löcher jedesmal mit Plastilin ausgefüllt bis auf einen Spalt von 1,7 cm Länge und 0,3 cm Breite. Darauf kamen zwei verschiedene Aufsätze aus Karton, deren Form aus Fig. 9 ersichtlich ist. Die „Leisten", durch Aufbiegen der Kartonränder entstanden, sollten einfache Kutikularleisten nachbilden, und zum Vergleich wurde der umgekehrte Aufsatz als „Trichter" am andern Gefäß angebracht. „Leisten" und „Trichter" waren 2 cm lang und an den Enden durch Plastilin abgeschlossen. Alle Maße sind dieselben. Die Auf- stellung vor dem Ventilator war die gleiche wie im vorigen Versuch. 478 Hans Gradmann, Zur Erlangung eines zuverlässigen Mittelwerts wurden wieder die Plätze der beiden Aufsätze ausgetauscht, außerdem aber bei gleich- bleibenden Aufsätzen die Glasgefäße ausgewechselt, da deren Spalten nicht genau gleich groß hergestellt werden konnten. Verdunstung 1 in mg II Verhältnis Leiste : Trichter 'äß I, links; Leisten, links . . 6 20 30 : 100 „ , links; „ , rechts . . 29,5 7 24 : 100 „ , rechts; „ , rechts . . 7,5 29 26 : 100 „ , rechts; „ , links . . 43 10 Durchschnitt 23 : 100 : 26 : 100. Der Unterschied ist überraschend groß und kann wohl nur durch die Ablenkung des Windes erklärt werden: die über die Fläche streichende Luft nimmt, durch die Emporhebung der Öff- nung gezwungen, ihren Weg nach oben, strömt über die Öffnung weg und verhindert gleichzeitig von oben kommende Luft am Ein- tritt (s. Fig. 10). Zwar ist beim „Leisten "-Aufsatz auch die Dif- fusion etwas erschwert gegenüber dem „Trichter". Aber daher ^ kann der Unterschied nicht kommen. ^'^-^ Ich habe zur Probe dieselben Gefäße — "* "* ^ ^* einige Tage im geschlossenen Zimmer ^'s- 10. aufgestellt, und dabei betrug die Ver- dunstung durch die „Leisten" 91% von der durch den „Trichter". Da aber die Verdunstung im Wind bei beiden Aufsätzen in der gleichen Zeit noch wesentlich größer war als hier beim „Trichter", so ist klar, daß der Unterschied im Wind ausschließlich auf Rechnung der Luftbewegung und nicht etwa der Diffusion zu setzen ist. Zu einem kleinen Teil mag die Herabsetzung der Luftbewegung auch auf die Wirkung der Kammer zurückzuführen sein, die sich in unserem Versuch, aber ebenso auch oft bei den Spaltöffnungen unter den Leisten bildet. Gegenüber der schützenden Wirkung der Leisten wird anderer- seits der „Trichter" die bewegte Luft gerade in die Öffnung hinein- leiten. Er wirkt außerordentlich ungünstig, und damit ist erklärt, warum wir diese Form so selten verwirklicht finden. Die Einrichtung der emporgehobenen Öffnung wird wirksam sein nicht bloß an der Blattoberfläche, sondern auch innerhalb der Höhlungen, ja hier vielleicht noch mehr. Denn der Erfolg tritt nur ein, wenn die Luftströmung nicht allzu steil auf die empor- gehobene Öffnung auftrifft. An der Blattoberfläche ist das nicht Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 479 immer der Fall, in den Höhlungen aber wohl zu allermeist, weil die eindringende Luftströmung, wenn sie nicht gerade ganz senk- recht auf die Blattfläche zukommt, immer zuerst auf eine Seiten- wand stoßen und dann parallel zur inneren Fläche weiter geleitet werden wird. Innerhalb der Höhlungen scheinen in der Tat die emporgehobenen Öffnungen besonders ausgeprägt zu sein (Fig. 6). Die konkave Fläche braucht aber nicht gerade am Eingang einer Öffnung zu liegen. Die Zeichnungen Guttenbergs (1907) vom SpaltöffnuDgsapparat von Iluscus aculeatus, wovon die eine als Fig. 7 hier wiedergegeben ist, zeigen sehr schöne, nach außen kon- kave Leisten zum Auffangen des Windes in der Mitte des Vorhofs. Auch bei Querais ilex finden sich ähnliche Bildungen (Gutten- berg, 1907, Fig. 1)/). Eine gewisse Ähnlichkeit mit den soeben beschriebenen Ein- richtungen haben die emporgehobenen Spaltöffnungsapparate. Namentlich die äußere Kontur ist vielfach fast dieselbe (s. z. B. Tschirch, 1882, Fig. 1 und 2; Benecke, 1892, Fig. 9 und 16, und viele Beispiele bei Voß, 1917), und auch das ist auffällig, daß sie ebenfalls häufig in krug- und rinnenförmigen Vertiefungen auf- treten. Die Erhebung der äußeren Öffnung kommt aber hier nicht durch vorspringende Kutikularleisten oder sich vorwölbende Nach- barzellen zustande, sondern durch Erhebung der beiden Schließ- zellen über die Fläche der Epidermis, teilweise unter Beteiligung der benachbarten Zellen. Die emporgehobenen Spaltöffnungen bilden also morphologisch ein Gegenstück zu den eingesenkten, und wie diesen eine transpirationshemmende, so schreibt man jenen im allgemeinen gern eine transpirationsfördernde Wirkung zu (so Haberlandt, 1918, S. 441). Allein wie diese zustande kommen soll, ist nicht recht verständlich. Wir werden am besten verschie- dene Fälle auseinander halten. Am wenigsten scheint mir eine Förderung der Transpiration denkbar, wenn, wie in dem schönen, von Haberlandt abgebildeten Beispiel von Cucurhita pepo (1918, Fig. 192), die Spaltöffnung auf einer frei emporragenden Papille liegt. Einerseits wird die Dif- fusion nicht erleichtert. Denn selbst wenn entsprechend der An- 1) Eingehendere physikalische Untersuchungen über die Abhängigkeit der Ver- dunstungsgröße von verschiedeneu Öffnungsformen eines Gefäßes im Wind wären sehr wünschenswert, sind mir aber leider zurzeit nicht möglich, da mir der bisher benützte Ventilator nicht mehr zur Verfügung steht. 480 Hans Gradmann, sieht Renners unmittelbar an der Innenseite der Spaltöffnung maximaler Dampfdruck herrscht, so bleibt doch der Weg durch die Spalte bis zur Oberfläche, zu der die Außenluft völlig freien Zutritt hat, ganz derselbe, es wird also im besten Fall ebensoviel Wasser herausdiffundieren wie ohne Emporhebung. Liegt aber, wie ich für wahrscheinlicher halte, der maximale Dampfdruck tiefer im Gewebe, so wird durch die Einschaltung des Kanals die Ent- fernung von der Spalte und damit der Diffusionswiderstand ver- größert und die diffundierende Wassermenge dementsprechend ver- mindert. Dagegen ließe sich einwenden, es könnten dafür vielleicht die den Kanal umschließenden Epidermiszellen um so mehr Wasser abgeben und darin die Bedeutung für die Pflanze liegen. Vom ökologischen Gesichtspunkt aus erscheint dies zwar als recht un- wahrscheinlich: die Epidermiszellen dürfen nach den Untersuchungen von M. Westermaier (1884) und Ursprung und Blum (1918) im allgemeinen als Wasserspeicher angesehen werden, die trotz ihrer verhältnismäßig geringen Saugkraft Wasser nicht ohne weiteres abgeben. Wenn es je für die betreffende Pflanze einen Vorteil bedeuten sollte, die Transpiration zu steigern, so müßte doch dieser Vorteil in einem größeren Wasserurasatz der aufbauenden und nicht in einer Entleerung der wasserspeichernden Zellen liegen. Da diese ökologische Betrachtungsweise die Frage natürlich nicht entscheiden kann, suchte ich festzustellen, ob nicht ein Schutz dieser Epidermis- zellen gegen Wasserabgabe schon anatomisch nachweisbar wäre. Ich untersuchte die Spaltöffnungen am Fruchtstiel von Cucurbita pepo, von denen ich einen Teil emporgehoben fand, wenn auch nirgends ganz so hoch wie Haberlandt. Bei Behandlung mit Jod und konzentrierter Schwefelsäure blieb in der Tat im Kanal ein gelb gefärbter, zarter Kutikularschlauch zurück, der die Innenwand etwa bis zu der Stelle herab ausgekleidet hatte, wo er sich zur Atemhöhle erweitert. Durch einen Kanal, dessen Wände selbst kein Wasser abgeben, wird sicher die Diffusion herabgesetzt, einerlei, ob er nun außerhalb oder innerhalb der Spalte angebracht ist. Wenn wir aber die Wirkung des Windes mit in Betracht ziehen, so ist es dasselbe: ein solcher zwischen Atemhöhle und Spalte ein- geschalteter Kanal wird einen gewissen, wenn auch unvollkommenen Schutz gegen Luftbewegung bilden — etwa wie der Zylinder in unseren Versuchen 5 und 6. In diesem Fall stellt also die empor- gehobene Spaltöffnung sicher eine transpirationshemmende Ein- richtung dar. Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 481 Etwas anders liegen allerdings die Verhältnisse, wenn die emporgehobenen Spaltöjffnungen von einem dichten Haarfilz um- geben sind. Dabei werden zwar, wie Renner hervorhebt, die Spalten aus einer geschützten Atmosphäre etwas näher an die wasserärmere Außenluft herangerückt. Dieser Umstand muß an sich die Wasserabgabe steigern. Ob aber diese Wirkung nicht durch den längeren Weg innerhalb der Spalte wieder aufgehoben wird, läßt sich wohl doch nicht so ohne weiteres sagen. Zudem ist in dem von Volkens (1887, S. 51) erwähnten und von Renner (1910, S. 457) wieder aufgenommenen Fall von Echinops spinosus, ebenso aber auch bei verschiedenen Cistus- Arten mit empor- gehobenen Spaltöffnungen und bei nahezu allen von Voß (1917) abgebildeten Beispielen, soweit Haare überhaupt vorhanden sind, die Erhebung der Spalten so verschwindend gering gegenüber der Höhe des Haarfilzes, daß die dadurch erzielte Annäherung der Spalten an die wasserdampfärmere Atmosphäre kaum von Bedeu- tung sein kann. Deshalb wird sich auch die Erklärung von Volkens kaum halten lassen, daß durch die Emporhebung die Lichtverhält- nisse für die Schließzellen verbessert werden. Einzig die Vermutung von Benecke (1892, S. 70), es könnte durch die Emporhebung ein freieres Spiel der Schließzellen ermög- licht werden, läßt sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Doch handelt es sich zunächst eben nur um eine Vermutung. Da- gegen ist erhöhter Schutz gegen Wind wenigstens bei den sanft emporgehobenen Spalten wohl kaum zu bezweifeln. Die Erhebung wird auf die darüber hinstreichende Luft dieselbe Wirkung haben wie die geringe Erhebung des Randes der Öffnung bei unseren Versuchen, die der Ablenkung nach außen. Diese Wirkung der emporgehobenen Spaltöffnung muß eintreten nicht nur bei freier Lage, sondern auch bei dem häufigeren Fall der Versenkung in Gruben und Rinnen, wenn hier die eindringende Luft an den Wänden hinstreicht, und schließlich auch in dem noch häufigeren Fall der Bedeckung durch Haare, soweit das Haarkleid nicht allein schon völlige AVindstille herstellen kann. Die emporgehobenen Spaltöffnungen sind dann dazu da, die Schutzvorrichtungen gegen übermäßige Verdunstung in ihrer Wirkung zu unterstützen und nicht sie unwirksam zu machen. Ein weiteres Mittel, den Wind abzuhalten, haben wir vor uns, wo der Eingang zur Atemhöhle die Form eines gewundenen Jahrb. f. wiss. Botanik. LXII. 32 482 Hans Gradmann, Kanals annimmt, sei es, daß Kutikularvorsprünge an beiden Schließzellen sich ineinander verzahnen (s. Haberlandt, 1918, Fig. 183, Mühldorf, 1922), oder daß an der äußeren Atemhöhle die begrenzenden Zellen mit Vorsprüngen ähnlich ineinander greifen (s. Renner, 1910, Fig. 21). Der ständige Wechsel der Richtung muß für das Vordringen bewegter Luft ein wesentliches Hindernis sein. Für die Diffusion ergibt sich ein Hindernis nur insofern, als dadurch der Weg etwas verlängert und so der Diffusionswiderstand etwas vermehrt wird. Es ist dies ein Fall, bei dem es besonders in die Augen springt, daß die Bedeutung des komplizierten Ap- parats nicht bloß in der Vergrößerung des Diffusionswiderstandes liegen kann, die bei einfacher Verengerung des Kanals ebenso ein- treten würde. Wir haben uns bisher nur mit Schutzeinrichtungen beschäftigt, die außerhalb der Zentralspalte zur Wirkung kommen; die inner- halb der Spalte gelegenen sind danach leicht verständlich, so die hinteren Kutikularleisten. Eine stärkere Ausbildung der Wände an der Bauchseite wird ja zumeist schon durch den Off- nungsm echanismus der Schließzellen gefordert. Wenn aber statt einfacher Wandverdickung auch innerhalb der Zentralspalte sich vorspringende Leisten bilden, entsprechend den vorderen Kutikular- leisten, so umschließen sie einen mehr oder weniger abgeschlossenen Raum, in dem eindringende Luftströmungen sich verbreiten und abschwächen können (z. B. Fig. 7). Ahnliche Räume können durch kutikularisierte Vorwölbungen der Nebenzellen geschaffen werden (z. B. Saxifraga aizoon nach Voß, Fig. 33). Am günstigsten muß aber die Kutikularisierung der Atemhöhle wirken, nament- lich wenn diese einen einheitlichen, abgerundeten Raum bildet, aus dem nur schwache Kanäle zum verdunstenden und assimilierenden Parenchym führen, wie schon P fitzer (1870) einen Fall beschreibt. Es ist schwer zu sagen, wie weit im einzelnen Fall die Luftbewe- gung vordringt. Bei lebhafterem Wind werden jedenfalls auch in der kutikularisierten Atemhöhle noch Luftströmungen die Regel sein; dann besteht ihre Wirkung darin, daß sie das Interzellular- system mehr oder weniger vollkommen vor Luftbewegung schützt. Bei großer Windstille herrscht vielleicht schon an der Zentral- spalte völlige Ruhe, dann bildet die kutikularisierte Atemhöhle einen weiteren zwischen Spalte und assimilierendes Parenchym ein- geschalteten Widerstand, und je größer dieser Widerstand ist, desto Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 483 mehr wird die Kohlensäureaufnahme im Verhältnis zur Wasser- abgabe erhöht. In demselben Sinne muß auch jede Verengerung oder Ver- längerung der Wege des Interzellularsystenis wirken. Nun weiß man seit langem, daß gewisse Pflanzen lange, enge Kanäle zwischen den assimilierenden Zellen ausbilden , die dafür in größerer Zahl vorhanden sind und sich nicht auf die Fugen zwischen je drei Zellen beschränken, sondern auch als sogenannte Gürtelkanäle die Zellen der Quere nach rings umlaufen. Auch die Gürtelkanäle hat Pfitzer (1870) zuerst entdeckt, Tschirch (1882, S. 154) hat ihr Vorkommen bei Hahea suaveolens und Olea europaea, Gilg (1891, S. 557 ff.) ihre weitere Verbreitung bei den Restionaceen und ihre Verbindung mit zahlreichen und ebenso engen Längs- kanälen festgestellt. Während nun Tschirch (S. 155) findet, wegen der langen, engen Form der Kanäle müsse hier die Dif- fusion besonders langsam erfolgen, erklärt Gilg (S. 591), sie müsse wegen der großen Zahl der Kanäle besonders lebhaft vor sich gehen. Für Tschirch ist die Herabsetzung der Verdunstung, für Gilg die Steigerung der COo -Zufuhr das Wesentliche. Die Streit- frage ist wohl durch die Feststellung entschieden, daß durch die Bildung eines langen Diffusionssystems verhältnismäßig wenig Wasser abgegeben und viel Kohlensäure aufgenommen wird. Ob dabei der Diffusionswiderstand des Interzellularsystems etwas größer oder kleiner ist als in einem nur gedachten Normalfall, ist ziem- lich belanglos. Damit sind aber die Mittel zur Abhaltung der Luftbewegung vom assimilierenden und verdunstenden Gewebe noch nicht er- schöpft. Ich sehe dabei ab von den Einrichtungen, deren Wirkung als Transpirationsschutz schon immer hervorgehoben wurde, wie Bedeckung durch Haare oder Schuppen, Einrollung der Blätter, Polsterwuchs usw. Hier überall ist natürlich der Windschutz nicht nur eine transpirationshemmende Einrichtung wie jede andere auch, sondern eine, die die Kohlensäureaufnahme begünstigt. Ich denke nun an einen anderen Umstand, auf den ich durch eine Bemer- kung Baranetzkis aufmerksam wurde. Baranetzki (1872, S. 83) fand bei Transpirationsversuchen, daß Blätter von Inula helenium und Aesculus hippocastanum durch plötzliche, sekundenlange Er- schütterung einen starken Wasserverlust erleiden, der bei mehr- maliger Wiederholung der Erschütterung immer geringer ausfällt, und er schloß daraus, daß bei der mit der Erschütterung verbun- 32* 434 Hans Gradmann, denen Deformation des Gewebes wasserdampfreiche Luft aus den Interzellularräumen ausgetrieben und bei der elastischen Rückkehr in die alte Lage durch trockene Außenluft ersetzt werde. Dieselbe Wirkung erwartet er von heftigen Windstößen. In der Tat wird ja bei der Biegung eines Körpers, dessen Außenwände weniger nachgiebig sind als die Füllung, diese zusammengepreßt (auf dem Widerstand gegen diesen Druck beruht bekanntlich die Wirkung mechanischer Gurtungen, vgl. Bonner Lehrbuch, 1913, Fig. 92). Da die mit Flüssigkeit erfüllten Mesenchymzellen eines Blattes sich kaum auf ein kleineres Volumen zusammenpressen lassen, wird um so mehr die Luft der Interzellularen bei einer Biegung kom- primiert werden und aus den geöffneten Spalten lebhaft entweichen, und nach der Streckung wird ebenso Luft von außen wieder ein- gesogen werden. Wie jede Luftbewegung, so muß auch diese den Wasserverlust mehr befördern als den Kohlensäuregewinn. Alle starren Blätter aber, wie z. B. die immergrünen Hartlaubgewächse, werden von dieser Wirkung verschont bleiben. Diese Feststellung wäre vielleicht weniger wichtig, wenn es nicht seit langem bekannt wäre, daß es Blätter gibt mit Einrich- tungen, die gar keine andere Wirkung haben können, als das Blatt unbiegsam zu machen. Es sind das die sogenannten Strebezellen und Strebewände. Abbildungen und Schilderungen dieser Formen und ihres Vorkommens finden sich bei Tschirch (1882, S. 164 ff.) und Guttenberg (1907, S. 418, 423, 437 ff.). Tschirch, der auch die Namen geschaffen hat, findet (S. 164) „fast ausnahmslos bei Pflanzen, die einem trockenen Klima angehören, eine auffallende Starrheit des Laubes. Dieselbe, oft nur von der Dicke der Epi- dermis bedingt, hat in den weitaus meisten Fällen ihren Grund in einer Versteifung des Blattes durch die mannigfachsten mecha- nischen Elemente". Tschirch sagt zwar weiterhin, diese Elemente hätten teilweise nicht den Zweck, biegungsfest zu machen, sondern die Epidermiswände von Ober- und Unterseite auseinander zu halten. Aber die Wirkung auf die Biegungsfestigkeit ist damit doch unstreitbar vorhanden; es handelt sich ja dann um Gurtungen zwischen festen Wänden. Auch Guttenberg findet, daß die Strebe- wände im Blatt von Laurus nobilis und von Olea europaea die Biegungsfestigkeit erhöhen (S. 423 und 438). Welche Bedeutung dieser Wirkung zukommt, davon soll im nächsten Abschnitt die Rede sein. Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 485 Abschnitt IV. Die ökologische Bedeutung der Windschutzeinrichtungen. Es war bisher nur von der physikalischen Wirkung der ver- schiedenen Einrichtungen die Rede. Die Frage nach der Bedeu- tung für das Leben der Pflanze wurde zunächst möglichst beiseite gelassen. Denn es ist Renner durchaus zuzustimmen, wenn er für die Deutung anatomischer Tatsachen sichere physikalische Grund- lagen verlangt (1910, S. 451). Aber damit scheint mir die Auf- gabe des Biologen nicht erfüllt. Renner sagt: „Bei der Deutung anatomischer Daten wird durchweg die Rede nur davon sein, wie die gegebenen Einrich- tungen nach bekannten physikalischen Gesetzen notwendig wirken müssen. Worauf es mit einem Moment der Gestaltung , abgesehen' ist, scheint mir kein Problem, weil die Frage sich außerhalb jeder möglichen Erfahrung bewegt. Auch müßte mit der Zulassung der Fragestellung die Möglichkeit supponiert werden, daß mit der Bil- dung eines morphologischen Elements eine Leistung angestrebt sei, die das Organ zu verwirklichen aus physikalischen Gründen nicht imstande ist. Und damit wäre der unfruchtbarsten Phantasterei Tür und Tor geöffnet." In der Tat haben alle Ausführungen, welche davon ausgehen, daß hinter den Lebensäußerungen der Pflanze ein Wille oder eine Seele steckt, uns dem Verständnis der wirklichen Verhältnisse nicht einen Schritt näher gebracht. Aber es heißt noch keineswegs der Pflanze eine Absicht zuschreiben, wenn wir feststellen, daß eine bestimmte Neuerwerbung für die Pflanze einen Vorteil bedeutet. Und es genügt uns nicht, eine beliebige physikalische Wirkung einer Einrichtung festzustellen, sondern wir müssen die Wirkung herausfinden, die von Bedeutung ist für das Leben der Pflanze, für die Erhaltung der Art. Auch sonst finden wir nicht selten, daß die Frage nach der Bedeutung, der „Zweckmäßigkeit" als eine Frage zweiten Ranges betrachtet wird. Man hält gern die Zurückführung von Erschei- nungen der belebten Welt auf physikalische Gesetze für wertvoller als die Zurückführung auf das Gesetz der Zweckmäßigkeit. Das mag daher kommen, daß der Begriff der Zweckmäßigkeit ziemlich unklar ist auch dann, wenn man ohne jeden vitalistischen Neben- gedanken unter „zweckmäßig" nichts anderes versteht als „vorteil- haft für die Erhaltung der Art". Es fehlt meist an einer klaren 486 Hans Gradmann, Formulierung. Denn es ist genau genommen gar nicht möglich, eine Einrichtung unter gegebenen Verhältnissen schlechtweg als zweckmäßig oder vorteilhaft zu bezeichnen. Man kann von zweckmäßigem Bau in absolutem und relativem Sinne sprechen, in absolutem dann, wenn man von einer bestimmten Menge an Material ausgeht und angeben will, daß es für einen bestimmten Zweck in der denkbar besten Weise angeordnet ist; zum Beispiel können die Festigungselemente eines Organs so ver- teilt sein, daß die größte Biegungsfestigkeit erreicht ist. Diese Fälle sind verhältnismäßig selten. Wenn wir aber den Bau des Wales als zweckmäßig fürs Wasserleben bezeichnen, so wollen wir damit gewiß nicht sagen, daß eine noch vorteilhaftere Ausnützung desselben Materials nicht denkbar wäre. Zu einer solchen Be- hauptung reichen unsere Kenntnisse niemals aus. Hier kann es sich nur um die Feststellung einer relativen Zweckmäßigkeit handeln. Wir können nur soviel aussagen, daß der Bau für das Wasserleben vorteilhafter ist als bei anderen, aber auch nicht bei allen anderen Tieren. Der Wal ist nicht zweckmäßiger gebaut als eine Meduse, der Steinbrech mit seinem Wasserspeicher nicht besser ausgerüstet als das Moos, das auf demselben Felsen wächst und das Aus- trocknen ertragen kann. Nur beim Vergleich mit Organismen, die im übrigen ähnlich gebaut sind, läßt sich Zweckmäßigkeit feststellen. Wenn wir von der vorteilhaften Ausrüstung des Wales sprechen, 80 vergleichen wir ihn in Gedanken mit dem Durchschnittstypus des Säugetiers, und so oft wir den zweckmäßigen Bau eines Lebe- wesens für eine bestimmte Umgebung feststellen, schwebt uns da- neben das meist etwas unklare Bild eines ähnlichen Organismus vor, das nur in bestimmten Punkten anders gebaut ist. Scharf formulieren läßt sich ein Gesetz der Zweckmäßigkeit nur, wenn wir es auf den Boden der Entwicklungslehre stellen und jede Form mit einer ganz bestimmten Form vergleichen, nämlich mit der, aus der sie hervorgegangen ist. Jede in der Stammesentwicklung neu auftretende Form ist als Anpassung an die Umgebung zu betrachten, d. h. sie ist unter den Bedingungen ihrer Entstehung zur Er- haltung der Art besser geeignet als die Ausgangsform. Dieses Gesetz ist anwendbar nicht nur auf das Individuum als Ganzes, sondern auch auf einzelne Teile. In diesem Fall gehören zur Umgebung auch andere Teile desselben Individuums. So kann beispielsweise die Umwandlung von Assimilationsparenchym in Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 487 Speicherparenchym eine Anpassung sein an die Ausbildung eines starken Korkmantels. Genau genommen sollte man die neue Form vielleicht nicht als „besser geeignet", sondern als „mindestens ebenso geeignet" bezeichnen. Denn wo z. B. die neue Form durch Reduktion entstanden ist, kann es zweifelhaft sein, ob gegenüber der alten ein Vorteil zu verzeichnen ist. Aber es genügt ja, zu wissen, daß die Verbesserung einen unendlich kleinen Wert an- nehmen kann. Vielleicht erscheint es als zu weit gegangen, wenn in diesem Gesetz alle Veränderungen im Lauf der Stammesentwicklung als Anpassungen bezeichnet werden'). Dann mag man den Satz als Hypothese bezeichnen, aber als Hypothese scheint er mir schlecht- weg unentbehrlich für jeden, der Ökologie treiben und dabei sich nicht mit ganz vagen Begriffsbestimmungen begnügen will. Er mag bei sich davon überzeugt sein, daß es nicht möglich ist, alle Formen als Anpassungen zu erklären; aber von vornherein irgend einen Teil von der Erklärung auszuschließen, wäre völlig willkürlich. Es ist ja möglich, daß sich mit der Zeit Ausnahmen zu diesem Ge- setz mit einiger Sicherheit nachweisen lassen und daß man es dann durch ein besseres ersetzen muß; hiermit ist bei allen empirischen Gesetzen zu rechnen. Das Wesentliche ist, daß es klar ist. Dann trägt die Unterordnung einer Erscheinung unter dieses Gesetz ebenso- viel zur Klärung des Weltbildes bei und ist daher ebenso wichtig wie die Unterordnung unter ein physikalisches Gesetz. Diese Unterordnung ist nun freilich nicht ganz einfach. Ge- wöhnlich kennen wir für eine vorliegende Form weder die Ausgangs- form noch die Bedingungen der Entstehung. Wo es sich jedoch um so komplizierte Formen handelt wie die eingesenkten Spalt- öffnungen, da kann die Ausgangsform kaum zweifelhaft sein, es ist eben die einfachere, nicht eingesenkte Form der Spaltöffnung. Als die Bedingungen ihrer Entstehung aber kann man mit gewissen Einschränkungen die Bedingungen ansehen, unter denen wir eine Form heute vorfinden. Denn wenn man auch nicht gerade an- nehmen kann, daß sie an demselben Platz einst entstanden ist, so ist es doch eine alte Erfahrung, daß sich die Arten im allgemeinen nui* über solche Gebiete verbreiten, deren Bedingungen gegenüber 1) Es sei ausdrücklich hervorgehoben, daß natürlich nicht alle bei der Entwick- lang und Vererbung neu auftretenden Formen als Anpassungen erklärt werden sollen, sondern nur die, die sieb in der Stammesentwicklung erhalten und gegenüber den alten durchsetzen. 4.83 Hans Gradmann. dem Ursprungsland nicht allzu verschieden sind. Je mehr sich aber eine Art oder eine Gattung oder allgemeiner ein Stamm späterhin in anderen Eigenschaften verändert hat, desto weniger braucht die Verbreitung mit der ursprünglich gegebenen überein- zustimmen. Wir treffen dann die Einrichtung, auf die es uns an- kommt, vielleicht unter Verhältnissen, wo sie von einer ganz neben- sächlichen Bedeutung für die Pflanze ist. Daher ist bei der Fest- stellung der Entstehungsbedingungen einer Einrichtung Vorsicht allerdings geboten. Wenn aber unter bestimmten äußeren Bedin- gungen sehr viele Pflanzen ein und dieselbe Einrichtung zeigen, und zwar Pflanzen, die verwandtschaftlich nicht zusammengehören, die demnach diese Einrichtung alle selbständig erworben haben, dann ist anzunehmen, daß die heutigen Bedingungen auch die Be- dingungen der Entstehung waren; und wenn wir andererseits unter verschiedenen äußeren Bedingungen verschiedene Einrichtungen an- treffen bei Pflanzen, die miteinander nahe verwandt sind, so ist wahrscheinlich, daß die Erwerbung noch nicht allzuweit zurückliegt und darum die Bedingungen, unter denen sie erfolgte, auch der heutigen Verbreitung noch zugrunde liegen. — Für die Entstehungs- bedingungen der Windschutzvorrichtungen stehen uns Beweismittel von beiderlei Art zur Verfügung. Wenn wir nun dazu übergehen, nachzuweisen, daß die Wind- schutzeinrichtungen immer da entstanden sind, wo es an Wasser mangelte, und wenn wir andererseits wissen, daß diese Einrich- tungen bei gleicher COa-Aufnahme eine geringere Wasserabgabe bewirken, so müssen wir uns doch darüber klar sein, daß wir damit einen geschlossenen Beweis für die Nützlichkeit der Bildung noch nicht geschafi'en haben. Wer sich ganz auf physiologische Grund- lagen stützen will, wird noch den quantitativen Nachweis verlangen, daß die Wassermenge, die die Pflanze durch die Windschutzeinrich- tung spart, wesentlich für sie ist, daß sie ohne dieselbe nicht im- stande wäre, ihren Standort dauernd zu behaupten. Dies ist zu- nächst und wohl auf lange Zeit eine Annahme, die sich nur auf pflanzengeographische Beobachtungen stützen läßt: unter dieser Annahme allein ist es möglich, die charakteristische Verbreitung der Windschutzeinrichtungen zu erklären. — Daß die Windschutz- einrichtungen das Verhältnis von Transpiration und Kohlensäure- aufnahme beeinflussen, ist festgestellt; ob diese Wirkung für die Pflanze von wesentlicher Bedeutung ist, können wir zunächst nur der geographischen Verbreitung der Einrichtungen entnehmen. Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 489 Daß die Windschutzeinrichtungen ganz allgemein an wasser- armen Standorten am häufigsten vorkommen, zeigt schon die Zu- sammenstellung von Tschirch (1882), und seitdem ist noch eine Menge weiterer Beispiele bekannt geworden. Diese Erscheinung ist bei den verschiedensten Gru])pen des Pflanzenreichs von den Moosen aufwärts zu beobachten, und häufig wechselt der Grad der Ausbildung von Windschutzeinrichtungen mit der Feuchtigkeit des natürlichen Standorts innerhalb einer und derselben Gattung oder sogar bei derselben Art. [Die Spaltöffnungen von Sarofhamnus scoparius z. B. sind wenig geschützt bei den Keimblättern, viel besser bei den Laubblä.ttern, die noch weit in die trockene Jahres- zeit hinein vegetieren und am besten an der Achse, die allein die größte Dürre überdauert (s. Forsch, 1905, Taf. III, Fig. 1—3).] Auf eine neue Zusammenstellung all der Beispiele kann wohl verzichtet werden. Die geographische und zeitliche Verteilung spricht durchaus dafür, daß die fraglichen Einrichtungen der Pflanze gerade bei Wassermangel von Nutzen sind, und nach den Ergeb- nissen der vorhergehenden Abschnitte muß dieser Nutzen in ihrer Wirkung als Windschutz liegen, vorausgesetzt allerdings, daß die Pflanzen zur Zeit des Wassermangels assimilieren; denn den Vorteil suchen wir eben darin, daß trotz Einschränkung der Transpiration eine verhältnismäßig reichliche Assimilation er- möglicht wird. Wären die Spalten beispielsweise bei den medi- terranen Hartlaubgewächsen zur Zeit des sommerlichen Wasser- mangels überhaupt geschlossen, so könnte die Bedeutung der Ein- richtung nicht in der angegebenen Wirkungsweise bestehen. Diese Frage von entscheidender Bedeutung mußte durch besondere Unter- suchungen geklärt werden, über die im letzten Abschnitt berichtet werden soll. Zunächst möchte ich aber noch zeigen, daß nicht nur unsere Erklärung der Windschutzeinrichtungen ganz allgemein mit ihrer Verbreitung im Einklang steht, sondern ebenso die oben gegebene Deutung der Ausbildung im einzelnen durch die Verbrei- tung der einzelnen Formen gestützt wird. So wird der Vorteil, der in der Einschaltung von Hohl- räumen zwischen Assimilationsparenchym und Außenluft besteht, durch die Tatsache beleuchtet, daß bei zunehmender Trockenheit des Standorts die Kutikularleisten und Emporwölbungen der Nach- barzellen nicht nur besonders kräftig entwickelt sind, sondern auch ausnehmend große und charakteristisch geformte Hohlräume zwischen sich frei lassen. Besonders wichtig erscheint mir aber die Fest- ^QQ Hans Gradmann, Stellung, daß auch bei einer sonst völlig verschiedenen Art von Spaltöffnungen sich Höfe herausgebildet haben, nämhch bei den Marchantiaceen und Ricciaceen. Man unterscheidet bekanntlich die beiden Formen von Spaltöffnungen, die hier auftreten, nach Leitgeb als einfache und kaualförmige. Der letztere Ausdruck ist aber meist wenig bezeichnend, da der sogenannte Kanal einen weiten Hof darstellt, dessen innere und äußere Mündung stark zusammengezogen sind, oft so sehr, daß der Hof innen von einer fast ebenen Fläche begrenzt wird (s. Haberlandt, 1918, Fig. 191). Die physikalische Wirkung einer Abfangung des Windes, der durch die einfachen Spaltöffnungen leicht eindringen kann, muß hier ohne Zweifel eintreten. Ob die betreffenden Pflanzen von der damit bewirkten Wasserersparnis einen Vorteil haben, läßt sich auch hier von vornherein nicht behaupten; keinenfalls dürfen wir aus ihrem verhältnismäßig feuchten Standort schließen, daß sie nun jeden be- liebigen Wasserverlust ertragen könnten. Daß nun aber alle die Marchantiaceen, die sonst nur einfache Spaltöffnungen haben, ge- rade an den emporgehobenen und daher besonders exponierten Fruchtköpfen auch solche Höfe entwickeln (Leitgeb, 1880, S. 42), spricht durchaus dafür, daß in der physikahschen Wirkungsweise als Windschutz auch die ökologische Bedeutung des Hofes hegt. Die Emporhebung der äußeren Mündung findet sich in der Form emporgehobener Spaltöffnungen besonders in Gruben, Kinnen und bei starker Behaarung, also gemeinsam mit anderen Windschutzeinrichtungen. Volkens und Haberlandt (1918, S. 441) machten schon darauf aufmerksam, daß damit eine Funktion als transpirationsförderndes Mittel nicht gut vereinbar ist. Ich sehe darin sogar eine Bestätigung der Ansicht, daß sie umgekehrt als wassersparende Einrichtungen wirken. Wenn nun emporgehobene Spaltöffnungen manchmal auch an Pflanzen verhältnismäßig feuchter Standorte vorkommen, wie bei gewissen Farnen (Haberlandt, 1918, S. 441), so deutet das zunächst nur darauf hin, daß auch für diese Pflanzen ein gewisser Windschutz von Vorteil ist, wenn überhaupt die Bedeutung der emporgehobenen Spaltöffnungen überall dieselbe ist, was keineswegs der Fall zu sein braucht. Die Kutikularleisten sind stark entwickelt bei Pflanzen trockener Standorte und zeigen sich um so schwächer ausgebildet, je mehr Feuchtigkeit normalerweise in ihrer Umgebung herrscht. Für diese alte Beobachtung findet man reichlich Beispiele, z. B. in der Arbeit von Voß (1917). In all diesen Fällen ist also noch Die Windachutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 491 dafür gesorgt, daß der Zugang zur Spalte keine Trichterform be- kommt und die Spalte eine gewisse Tiefe besitzt, und nur an be- sonders feuchten Standorten und vor allem bei den Schwimm- pflanzen (Haberlandt, 1887) findet sich eine Einrichtung, die den Windzutritt erleichtert: die die Spalte begrenzenden AVände sind zu einer scharfen Schneide verschmälert. Diese Gesetzmäßig- keit macht es sehr wahrscheinlich, daß für die meisten Pflanzen ein gewisser Schutz gegen übermäßige Transpiration ein Bedürfnis ist, und diese Folgerung ist um so wertvoller, als uns die Mög- lichkeit noch verschlossen ist, auf physiologischem Wege festzu- stellen, welche Einrichtungen durch die natürlichen Staudortsver- hältnisse einer Pflanzenart gefordert werden. Es ist nun aber noch zu erwägen, ob die Kutikularleisten nicht noch andere Wirkungen ausüben, die ihre Verbreitung erklären könnten. So sagt Porsch (1905, S. 50), die Bildung der Leisten sei durch die Mechanik des Spaltöfi'nungsapparates gefordert. Nun wird allerdings vielleicht bei den meisten Spalten die Offnungs- bewegung dadurch ermöglicht, daß die Bauchseite einerseits stärker verdickt ist als die Rückenseite und andererseits in ihrer Mitte auf halber Höhe doch wieder eine dünne Stelle besitzt^). Aber damit ist die Bildung vorspringender Leisten noch lange nicht be- dingt. Vor allem aber haben die primitiven Spaltöffnungen der Moose einen ganz anderen Mechanismus, der eine Verstärkung der Bauchseite keineswegs verlangt (s. Haberlandt, 1886, S. 467 ff. und Kuhlbrodt, 1922, S. 366 ff.), und doch zeigt z.B. Äntho- ceros (Porsch, Taf. I, Fig. 16; Kuhlbrodt, Fig. 4) gerade solche vorspringende Leisten, wie sie bei den höheren Pflanzen die Regel sind. Auf andere Weise sucht Kuhlbrodt (1922) das erste Auf- treten einer Art Leisten bei der primitivsten Spaltöffnungsform der Moose, dem „Archetypus", zu erklären. Die Wandverstärkung bildet hier eine Kante rechts und links am oberen Rand der Spalte (s. Kuhlbrodt, Fig. 5). Im Anschluß an Kraus (1914, S. 396) sagt nun Kuhlbrodt: „Eine etwas stärkere Verdickung der Stelle, wo die Außen- bezw. Innenwand mit der Bauchwand zusammen- stoßen, wird sich immer ergeben, wenn man sich zwei nebeneinander liegende Epidermiszellen zum Zwecke der Durch- 1) Vereinigung zweier Öffnungsmechanismen, Öffnung in die Tiefe und in die Breite, beim ffeHe&orus- Typus (vgl. Copeland, 1902, S. 340). 492 Hans Gradmann, lüftung aufgespalten denkt" (S. 365). Wenn man sich eine fertig ausgebildete, mit verdickten Außenwänden versehene Epidermis aufgespalten denkt, trifft das freilich zu. Aber diese Vorstellung ist doch recht willkürlich, und selbst wenn die ersten Spaltöffnungen auf diese Art entstanden wären, so erklärt das nicht, warum sich diese Form erhalten und zur Leiste weiter entwickelt hat. Die einzige, zunächst hypothetische Erklärung dafür scheint mir die, daß schon die Bildung einer Kante, die Schaffung einer Art von Rand statt eines Trichters, hemmend auf das Eindringen des Windes wirkt. Gürtelkanäle sind meines Wissens bis jetzt nur bei Xero- phyten festgestellt worden (Kingia australis, Hakea suaveolens, Olea europaea, Cassia angustifolia), zusammen mit anderen Schutz- mitteln gegen übermäßige Transpiration, woraus sich ihre Bedeu- tung ergibt. Schließlich ist auch Starrheit des Laubes bei Xerophyten ganz merkwürdig verbreitet. Es wurde schon oben (S. 484) die Feststellung Tschirchs zitiert, daß diese Starrheit nicht nur auf der starken Verdickung der Epidermisaußenwände, sondern auch auf der Ausbildung besonderer Strebezellen und Strebewände be- ruht. Auch Seh im per (1898) nennt als typisches Merkmal xero- philer Struktur unter anderem Zunahme des Sklerenchyms (S. 7). Nach ihm haben auch in tropischen Gebieten mit ausgeprägten Trockenzeiten die immergrünen Bäume „Blätter, welche in manchen Fällen derart verkieseln, daß sie blechartige Konsistenz annehmen und im Winde metallisch rasseln (z. B. die Proteacee Ehopala complicata, ein Charakterbaum der Llanos)" (S. 374). Die Starr- heit der Steppengräser ist ebenso bekannt wie der feste Blattbau der „Hartlaubgewächse", die den trockenen Sommer des Etesien- klimas überdauern. Schimper verzichtet ausdrücklich auf eine Erklärung der Erscheinung (S. 7). Tschirch und Guttenberg geben zwar zu, daß durch Strebezellen und Strebewände die Bie- gungsfestigkeit der Blätter erhöht wird; da ihnen aber ein Vorteil erhöhter Biegungsfestigkeit nicht bekannt ist, schreiben beide den Verstrebungen noch eine andere Wirkung zu und sehen darin ihre ökologische Bedeutung. Nach Tschirch soll durch diese Einrichtung eine Beschädi- gung des zarteren Gewebes bei Wassermangel insofern vermieden werden, als „Verschiebungen, Verzerrungen und Zerreißungen, wie sie beim Austrocknen sonst sicher eintreten würden, unmöglich ge- Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 493 macht werden" (S. 164). Ihm schließt sich Guttenberg an, sagt, es werde ein „Kollabieren des zartwandigen Mesopliylls unmöglich" gemacht (S. 419) und führt später aus (S. 423): „Von der mecha- nischen Funktion der "Wände kann man sich leicht dadurch über- zeugen, daß man ein Blatt stark austrocknen läßt, Querschnitte herstellt und diese in Luft betrachtet. Man sieht dann, daß die Strebewände unverändert bleiben und die zwischen ihnen leicht bogig eingesenkten Epidermen tragen, zwischen welchen das Meso- phyll ausgespannt bleibt." Wir bekommen hier ein sehr anschau- liches Bild von der Wirkung der Strebewände beim Welken; aber inwiefern damit ein Vorteil für die Pflanze verbunden ist, leuchtet nicht ein. Hätten wir es nur mit Parenchymzellen zu tun, so könnten sie sich bei Wasserverlust doch offenbar gleichmäßig zu- sammenziehen, ohne auseinanderzureißen. Zerrungen und Zer- reißungen scheinen mir gerade durch die starren Elemente erst ermöglicht, die das zarte Gewebe in einen Rahmen einspannen und damit das gleichmäßige Zusammenziehen verhindern. Wie man aber aus Guttenbergs Versuch sieht, kommt es nicht so leicht so weit. Guttenberg spricht allerdings vorsichtiger nicht von Zer- reißungen, sondern nur von Kollabieren. Ist darunter nur ein Schrumpfein im Sinne von Steinbrinck (1900, S. 217) zu ver- stehen, so ist es allerdings möglich, daß dieser Vorgang durch das Einspannen in einen festen Rahmen eine Zeitlang hintangehalten wird, solange nämlich die locker verbundenen Parenchymzellen nicht seitlich auseinanderreißen. Aber es ist meines Wissens kein Fall bekannt, daß für dünnwandige Zellen gerade das Schrumpfein schäd- lich wäre. Im Gegenteil legen die Zellen, die einen so großen Wasserverlust ertragen, die wasserspeichernden Zellen, ohne Schaden ihre Wände in Falten. Die Mesenchymzellen des Blattes haben aber vermutlich meist gar nicht so viel Wasser übrig; wenn sie so scharf austrocknen, daß ein Schrumpfein überhaupt in Frage kommt, so wird ihnen wahrscheinlich der Wasserverlust an sich verhängnisvoll, nicht eine etwa damit verbundene Zerknitterung der Wände. Wesentlicher scheint mir daher die andere Wirkung der Strebezellen und Strebewände, die der Festigung des Blattes gegen Biegungen, die das Auspressen und Wiedereinsaugen von Luft zur Folge hätten. Vermeidung von Luftbewegung innerhalb des Blattes, das dürfte ganz allgemein die Bedeutung der starren Ausbildung der Xerophytenblätter sein. 494 Hans Gradmann, Abschnitt V. Untersuchungen über die Tätigkeit des immergrünen mediterranen Blattes während der trockenen Jahreszeit. Tschirch hatte festgestellt, daß Schutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen im allgemeinen um so besser ausgebildet sind, je mehr es in den einzelnen Vegetationsgebieten an Wasser mangelt. Aber bei einem Teil dieser Gebiete herrscht Trockenheit nur zu einer gewissen Jahreszeit, und wenn auch die Blätter bestimmter Pflanzen diese Zeit überdauern, so sind damit die Bedingungen noch nicht gegeben für die geschilderte Wirkungsweise der Wind- schutzvorrichtungen an den Spaltöffnungen. Der Vorteil, den wir der Einrichtung zuschreiben, kann sich für die Pflanze nur dann ergeben, wenn sie während dieser Trockenzeit die Spalten offen hat und assimiliert. Andere Schutzmittel gegen Austrocknung, wie starke Kutikularisierung oder Wasserspeicherung, werden ebenso bei geschlossenen Spalten zur Geltung kommen, ein Mittel, das die Kohlensäureaufnahme unter verhältnismäßig geringem Wasser- verlust erlaubt, eben nur dann, wenn wirklich Kohlensäure ge- braucht wird. Nun stammt aber eine große Zahl, ja wohl die Mehrzahl aller Beispiele, für ausgeprägte Windschutzeinrichtungen aus Gebieten, die nur zeitweilig trocken sind. Ist für diese Pflanzen durchweg die Trockenzeit eine Periode völliger Ruhe, so kann die Verbrei- tung der Windschutzvorrichtungen in all diesen Fällen durch die angegebene Wirkungsweise nicht erklärt werden, und damit wäre die aufgefundene Bedeutung überhaupt in Frage gestellt. Unsere Erklärung steht und fällt mit dem Nachweis, daß jene Pflanzen wenigstens während eines Teils der trockenen Jahreszeit ihre Spalten offen halten und assimilieren. Sehen wir uns nach diesbezüglichen Angaben in der Literatur um, so finden wir wenig Günstiges. Nach Grisebach (1872, S. 285) beruht es eben auf dem völligen Abschluß gegen außen bei Ein- stellung jeder Ernährungstätigkeit, daß das immergrüne Blatt unter der Dürre nicht leidet. Er stellt die Lebenstätigkeit der medi- terranen immergrünen Pflanzen parallel mit der der Sykomoren des Sudans, die in der trockenen Jahreszeit ihr Laub abwerfen. Es ist das um so naheliegender, als es auch im Mittelmeergebiet Holzgewächse gibt, die im Sommer ihre Blätter verlieren, um beim Die Windschutzeinrichtuiigen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 495 Eintritt der Herbstregen von neuem zu treiben, wie Euphorbia dcjidroides. Der Unterschied gegenüber den Immergrünen bestände dann nur darin, daß sie der Vertrocknung durch Abwurf des Laubes entgehen, jene aber durch Schutzvorrichtungen an den Blättern, wodurch Zeit und Material zum Wiederaufbau der Blätter ge- spart wird. Schimper allerdings spricht (1898, S. 645) nur von kurzen Perioden des Stillstands, die durch die sommerliche Trockenheit bedingt seien, und betont ausdrückhch die Notwendigkeit, die Er- giebigkeit der Assimilation zu verschiedenen Jahreszeiten am natür- lichen Standort durch Versuche festzustellen. Damit hat er auf den einzigen Weg hingewiesen, der uns in dieser Frage zur Ge- wißheit führen kann, der aber leider kaum einmal beschritten worden ist. Wohl die einzigen planmäßigen Untersuchungen in dieser Rich- tung stammen von Guttenberg (1907). Er untersuchte sowohl Transpiration wie Assimilation des immergrünen Laubblattes der Mediterranflora zu verschiedenen Jahreszeiten. Die Transpirations- messungen freilich sind für unsere Zwecke wohl belanglos, weil sie keine Rückschlüsse auf die Tätigkeit der Spaltöffnungen am natür- lichen Standort zulassen; denn die Messungen erfolgten durch Wägung beblätterter Sprosse, die abgeschnitten und in Wasser gestellt und so den Bedingungen der Jahreszeit ausgesetzt waren. Daß diese genügend mit Wasser versorgten Zweige in der heißen, trockenen Luft des Sommers im Durchschnitt 2,4 mal mehr Wasser verloren als im Winter (s. dort Tabelle S. 398), ist nicht gerade verwunderlich und sagt nichts aus über die Transpiration unter natürlichen Verhältnissen, wo Wasser teilweise nur spärlich zur Verfügung steht. Tatsächlich findet auch Guttenberg selbst viel geringere Transpirationszahlen an Zweigen, die frei an der Luft lagen. — So sind alle Versuche für uns unbrauchbar, die die Transpiration an abgeschnittenen Zweigen messen, namentlich auch die von Bergen (1904) in Neapel angestellten. Die relative Größe der Assimilation sucht Guttenberg dadurch zu bestimmen, daß er die tagsüber in den Blättern sich anhäufenden Stärkemengen feststellt, und findet nun im Frühjahr große Mengen von Assimilationsstärke in allen Blättern, im Sommer dagegen entweder gar keine Vermehrung im Laufe des Tages, wie bei Olea ei(ropaea, Laurus nohüis u. a., oder doch nur eine ganz geringe Zunahme. Es besteht nun natürlich dennoch die Möglich- 496 Hans Gradmann, keit, daß im Sommer ebenso große Mengen von Kohlehydraten wie im Frühjahr gebildet werden. Sie brauchen ja deshalb noch nicht in Form von Stärke aufgespeichert zu werden. Guttenberg sieht jedoch (S. 41.5) den Grund für das Fehlen der Stärkebildung in einem Verschluß der Spaltöffnungen, der im Sommer eintreten soll. Die Möglichkeit, daß die im Blatt gebildeten Kohlehydrate rasch abgeführt werden, erkennt er wohl an, führt aber die Abfuhr der Kohlehydrate als eine konstante Größe in seine Rechnung ein: sie soll genügen, um die im Sommer etwa gebildeten Mengen von Assimilaten aus dem Blatt zu entfernen, während sie im Frühjahr der Stärkebildung längst nicht gewachsen ist. Der Verschluß der Spalten aber, der die Assimilation hemmen soll, wurde von Gutten- berg nicht beobachtet, sondern nur erschlossen, da nach Leitgeb und Aloi bei Trockenheit die Spaltöffnungen sich unter allen Um- ständen schließen sollen und nach Sachs bei geschlossenen Spalten die Assimilation unterbleibt. Zur Entscheidung der Frage war es notwendig, den Offnungszustand der Spalten am natürlichen Stand- ort direkt zu untersuchen. Mit dem Nachweis, daß die Spalten geöffnet sind, ist aber der Nachweis der Assimilationstätigkeit noch nicht erbracht. Nach Guttenberg (S. 417) müssen an den Zweigen, die in Wasser ge- stellt waren, die Spalten geöffnet gewesen sein, und doch gelang es nur bei den Cistrosen nun auch Stärkespeicherung festzustellen; bei den Hartlaubgewächsen wurde durch die künstliche Wasser- zufuhr zwar die Öffnung der Spalten, nicht aber die Bildung der Stärke bewirkt. Guttenberg hielt es daher für wahrscheinlich, „daß es sich bei der Sommerruhe dieser Pflanzen um einen statio- nären Zustand handelt, welcher durch die im Experimente vor- genommene Art der Wasserzufuhr allein nicht aufgehoben werden kann" (S. 415). Dann wäre also die mangelnde Stärkebildung im Sommer nicht, wie Guttenberg weiter oben angibt, auf den Spalten- schluß zurückzuführen, sondern auf das Unvermögen der Pflanze, selbst bei genügendem Kohlensäurezutritt zu assimiheren. Wenn «in solcher stationärer Zustand auch recht unwahrscheinlich er- schien, so mußte doch auch diese Frage durch den Versuch ent- schieden werden. Guttenberg hat sich einst weitere, gasanalytische Unter- suchungen über die Assimilationstätigkeit dieser Pflanzen vor- behalten (1907, S. 415). Doch hielt ich mich nach so langer Zeit für berechtigt, solche Untersuchungen anzustellen, zumal da meine Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 497 Methode eine etwas andere ist: eine gasanalytische Untersuchung der das Blatt umspülenden Luft am Standort unter einigermaßen natürlichen Verhältnissen schien mir sehr schwer durchführbar. Von einem Blatt, das innerhalb eines abgeschlossenen Raumes ver- änderten Wärme- und Feuchtigkeitsverhältnissen ausgesetzt ist, kann man kein normales Verhalten mehr erwarten. Dagegen war es verhältnismäßig einfach, mit Hilfe der unten beschriebenen Me- thoden die beiden Fragen getrennt zu entscheiden, ob die Spalten unter natürlichen Verhältnissen geöffnet sind und ob das Blatt bei Kohlensäurezutritt assimiliert. Als Objekt meiner Untersuchungen wählte ich wie Gutten- berg die immergrünen Pflanzen des Mittelmeergebiets. Sie zeigen in ihrer Mehrzahl trotz der verschiedenen systematischen Stellung eine solch überraschende Übereinstimmung im Bau (s. Grisebach, 1872, S. 294) und haben dabei ein so bestimmt umrissenes Ver- breitungsgebiet, daß man sicher sein kann, hier Anpassungen an ein Klima mit mildem, feuchtem Winter und trockenem Sommer vor sich zu haben. Ich hatte im botanischen Garten zu Erlangen noch Ende Juli 1922 an allen immergrünen mediterranen Pflanzen Öffnung der Spalten und an einer Reihe davon (Olea, Myrtus^ Ceratonia, Pistacia) auch große Stärkeanhäufung festgestellt. Schon diese Ergebnisse machten einen stationären Ruhezustand an anderem Standort unwahrscheinlich. Ich will sie nicht im einzelnen mit- teilen; denn eine Entscheidung können doch nur die Versuche am natürlichen Standort bringen. Mit Hilfe der Unterstützung durch die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft war es mir möglich, solche Untersuchungen in der Umgebung von Neapel anzustellen. Freilich konnte ich nicht daran denken, die Ziele zu verfolgen, die einst Schimper vorgeschwebt hatten: „die Ergiebigkeit der Assimilation bei den Sklerophyllen während der verschiedenen Jahreszeiten und bei mög- lichst verschiedener Witterung, natürlich nur an natürlichen Stand- orten, zu untersuchen, und festzustellen, ob die niedrigen Tempe- raturen des Winters oder die Trockenheit des Sommers ihr mehr entgegenwirken" (1898, S. 545). Bei dem kurzen einmaligen Auf- enthalt, der mir ermöglicht war, mußte ich mich auf die Frage beschränken, ob die immergrünen mediterranen Gewächse überhaupt während der Trockenheit wesentlich assimilieren. Aber schon die Entscheidung dieser Frage scheint mir ausschlaggebend für das Verständnis des Blattbaues und nicht unwichtig für das Verständ- Jahrb. f. wisa. Botanik. LXII. 33 498 Hans Gradmann, nis der Verbreitung dieser Immergrünen, und damit ein kleiner Beitrag zu einer vergleichenden Physiologie auf geographischer Grundlage, deren Aufgaben und Ziele uns Fitting neuerdings vor- gezeichnet hat. 1. Der Öffnungszustand der Spalten am natürlichen Standort. a) Methode. Die gegebene Methode für die Untersuchung des Spaltöffnungs- zustandes war die von Molisch (1912) zuerst beschriebene, in- zwischen auch von E. Stein (1913), Linsbauer (1917) und anderen benutzte und teilweise verbesserte Infiltrationsmethode. Über deren Wert und Anwendbarkeit ist von den genannten Autoren das Wesentliche gesagt, und ich kann dem nur weniges aus meinen Erfahrungen hinzufügen. Die Methode beruht ja darauf, daß die Interzellularräume eines Blattes durch bestimmte Flüssig- keiten verschieden stark infiltriert werden, je nach der augenblick- lichen Weite der Spaltöffnungen. Die infiltrierten Stellen heben sich schon makroskopisch bei Aufsicht dunkel und bei durchfallen- dem Licht hell gegen die anderen Blatteile ab. Durch die starke Kutikularisierung und die häufig vorkommende dichte Behaarung der mediterranen immergrünen Blätter ist die Beobachtung zwar erschwert; doch fand schon Burgerstein (1920), daß die Methode auch bei dichtbehaarten Blättern verwendbar ist, und in der Tat kam ich fast bei allen untersuchten Pflanzen damit zum Ziel, wenn ich ein paar einfache Kunstgriffe zu Hilfe nahm. Bei manchen Blättern nämlich, so bei Quercus ilex, wird zu- nächst das Haarkleid der Unterseite infiltriert, und es erscheint schon dadurch bei Durchsicht ein heller Fleck. Wenn die Infil- tration von hier aus allmählich in das Blattinnere eindringt, wird der Fleck noch heller, was aber ohne weiteres kaum festgestellt werden kann. Bringt man aber einen neuen Tropfen der Flüssig- keit auf die Fläche, so daß die Infiltration des Haarkleides ver- größert wird, so sieht man innerhalb des großen Flecks jenen Be- zirk scharf sich abheben, wo das Blatt selbst infiltriert ist. In allen diesen Fällen aber und überhaupt da, wo die Feststellung schwieriger war, wurde zur Kontrolle die Epidermis an einer Stelle verletzt, sei es durch Einritzen mit einer Nadel oder noch einfacher durch Knicken des steifen Blattes. Bei Benetzung trat an diesen Stellen immer deutliche Infiltration ein, und Infiltrierbarkeit des Die Windschntzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 499 Blattes nahm ich immer nur dann für erwiesen an, wenn an anderen Stellen bei durchfallendem Licht derselbe Grad von HeUigkeit beobachtet werden konnte. Namentlich ein negativer Befund läßt sich bei vielen Blättern mit Sicherheit nur dann aussprechen, wenn man infiltrierte Stellen daneben hält. — Manchmal läßt sich das Fehlen der Infiltration auch recht elegant dadurch nachweisen, daß man das seit einiger Zeit benetzte Blatt leicht biegt (Smilax) oder etwas in die Länge zieht (Cistus)\ treten nun plötzlich einzelne helle Punkte auf, so darf man sicher sein, daß erst durch diese Behandlung einzelne Spalten gewaltsam geöfifnet wurden und vorher keine Infiltration stattgefunden hatte. Daß die Stärke der Infiltration kein absolutes Maß für die Weite der Spaltöffnung abgeben kann, hat E. Stein näher aus- geführt. Die Infiltration ist noch von ganz anderen Faktoren ab- hängig. Besonders deutlich zeigt sich das daran, daß im allgemeinen bei den Blättern, die Spaltöffnungen nur auf einer Seite haben, also auch bei der Mehrzahl unserer Holzgewächse, die Infiltrations- flüssigkeit zunächst oder überhaupt nur an den Rändern der be- netzten Stelle eindringt, ohne Zweifel, weil hier die Luft aus den Interzellularen seitlich entweichen kann, während an der benetzten Stelle die Spalten durch die Flüssigkeit verstopft sind. Man darf also niemals die Infiltration verschiedener Pflanzen miteinander ver- gleichen; wohl aber beweist an einer und derselben Art jede Ver- schiedenheit der Infiltrierbarkeit auch einen entsprechenden Unter- schied in der Oflfnungsweite der Spalten wenigstens da, wo der Blattbau als konstant betrachtet werden kann. Ich habe es sogar vorteilhaft gefunden, nicht bloß die Stärke, sondern auch die Ge- schwindigkeit der Infiltration jedesmal festzustellen. Auch diese Unterschiede müssen ja in der verschiedenen Weite der Spalt- öffnungen ihren Grund haben. Dagegen schien mir die Anwen- dung von zweierlei Infiltrationsflüssigkeiten, absolutem Alkohol und Xylol, zu genügen. Das Eingehen auf kleine Unterschiede hat den Nachteil, daß man auch an gleich exponierten Blättern einer und derselben Pflanze verschiedene Werte erhalten kann. Es mußten deshalb in jedem einzelnen Fall mehrere Beobachtungen, oft bis zu 20 und 30, ge- macht werden, und nur die am häufigsten beobachteten Werte wurden endgültig registriert. Auf diese Weise gibt die Methode recht guten Aufschluß, zwar nicht über die absolute Größe, wohl aber über Unterschiede 33* 500 Hans Gradmann, in der Weite der Öffnung der Spalten. An sich wären wir beim Eindringen von Xylol ins Blatt noch nicht berechtigt, auf offene Spalten zu schheßen; es könnte ja auch durch eine gewisse Zer- störung des Epidermisgewebes ins Innere gelangt sein. Aber wenn an derselben Pflanze das eine Mal Infiltration eintritt, das andere Mal nicht oder in geringerem Maße, so kann nur die veränderte Spaltenweite daran schuld sein. Denn es kommen innerhalb so kurzer Zeitabschnitte sonst keine Veränderungen im Gewebe vor, die auf die Infiltrierbarkeit wesentlichen Einfluß haben könnten. Es ist deshalb von Wichtigkeit festzustellen, daß die Blätter, deren Infiltrierbarkeit wir beobachten, unter anderen Umständen sich nicht infiltrieren lassen. In der Bezeichnung schließe ich mich Linsbauer an und unterscheide bei der Infiltration von Alkohol (A) wie von Xylol (X) jedesmal drei Stufen, A3, A2, Ai und X3, Xo, Xi. Stufe 3 be- deutet völlige Infiltration oder, falls die Flüssigkeit nur am Rand der benetzten Stelle eintritt, Infiltration eines zusammenhängenden Bandes. Durch die Buchstaben a, ß und y hinter den Zahlen ist die Geschwindigkeit der Infiltration angegeben, und zwar bedeutet a sofortige Infiltration (nach spätestens 1 Sekunde), ß ungefähr in 1 — 5, Y iii 5 — 10 Sekunden; spätere Infiltration wurde nicht berück- sichtigt. Es bedeutet also beispielsweise Ao^iasy' mit Alkohol keine Infiltration, mit Xylol sofortige Infiltration an einzelnen Punkten, nach einigen Sekunden dann völlige Infiltration. Mehrere Zahlen oder mehrere Buchstaben hintereinander bedeuten, daß mehrere Werte ungefähr gleich häufig beobachtet wurden. Bei allen Beobachtungen wurde von Zeit zu Zeit Temperatur und Luftfeuchtigkeit mit einem Schleuderthermometer bestimmt^). Die Berechnung erfolgte nach den Tschirch sehen Tabellen. Es wurde überall das Sättigungsdefizit angegeben, weil von ihm und nicht von der relativen Luftfeuchtigkeit die Verdunstung direkt abhängig ist. b) Beobachtungen. Die Beobachtungen wurden im August und September in der Umgebung von Neapel gemacht an Stellen, wo die immergrünen 1) Durch diese Angaben sind die Versuchsbedingungen nur ungefähr angedeutet, die in Wirklichkeit ständig wechselten: ein einziger Windstoß konnte am sonnenbeschie- nenen Hang die Temperatur um mehrere Grade, das Sättigungsdefizit um mehrere Milli- meter herabsetzen. Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 501 Sträucher um diese Jahreszeit allein noch mitsamt den Blättern ausdauerten oder doch durchaus vorherrschten. Es waren im wesent- lichen drei Standorte: bei Camaldoli di Napoli der nach Westen gerichtete Steilabsturz aus vulkanischen Tuffen, bei Pozzuoli die Abhänge der Solfatara aus demselben Gestein und bei Positano am Südufer der Halbinsel von Sorrent eine nach Süden sehende Stelle der aus Kalkstein bestehenden felsigen Abhänge, die un- mittelbar aus dem Meer aufsteigen. Eine Reihe von Beobach- tungen wurde auch im botanischen Garten von Neapel gemacht. Sie können den am natürlichen Standort ausgeführten insofern an die Seite gestellt werden, als auch hier den Pflanzen wegen großen Wassermangels künstliche Wasserzufuhr während des ganzen Som- mers nicht geboten werden konnte, und auch Temperatur und Luft- feuchtigkeit, nach meinen Messungen zu schließen, sicher nicht wesentlich verschieden waren. Der Zeitpunkt war, wenigstens für den ersten Teil der Beob- achtungen, denkbar günstig. Es war seit Mai keinerlei Regen mehr gefallen, und wenn nun am Ende dieses besonders trockenen Sommers die Spalten sich noch öffneten, so mußte das in anderen Jahren und im Frühsommer erst recht der Fall sein. Leider setzten aber schon am 2. September, früher als erwartet, die ersten aus- giebigen Herbstregen ein, so daß die späteren Beobachtungen für unsere Frage direkt nicht mehr in Betracht kommen. In der ersten Tabelle sind jedoch Beobachtungen vom September auch mit auf- genommen, da sie in anderer Hinsicht nicht unwichtig sind. Da es uns hauptsächlich darauf ankommt, Unterschiede in der Offnungsweite der Spalten festzustellen, sind die Fälle am wert- vollsten, wo verschiedene Offnungsweiten gleichzeitig an derselben Pflanze beobachtet und miteinander verglichen werden können. Die Erfahrung hat gezeigt, daß dies beim Vergleich von hell belichteten und beschatteten Blättern gut möglich ist. Solche Beobachtungen sind in Tabelle I zusammengestellt'). Es wurde natürlich darauf geachtet, daß nach Möglichkeit gleichartige Blätter miteinander verglichen wurden. Unter der Rubrik „Schatten" sind also nicht Beobachtungen an Schattenblättern verzeichnet, sondern Beobach- tungen an Blättern, die zurzeit gerade beschattet waren. Die an direkt besonnten Blättern gewonnenen Werte sind besonders hervor- gehoben (^). 1) Die Zeitangaben beziehen sich in sämtlichen Tabellen auf die Zeit zwischen 7 h morgens und 7 •' abends. 502 Hans Gradmann, Tabelle I. Pflanze Tag Ort Stunde Tempe- ratur Grad Sät- tigungs- defizit mm Schatten Licht 1 ^uercus ilex . . . 25./8. 27./8. 29./8. n Camaldoli B Botan. Garten ji 1180 9 80 2h 23 26 28 30 9 9 12 13 Ao X2-3 Ao Xo AoXo Ao Xo XAo X3 Ao XsjS XAo Xs« XAo Xsa Cistus salvifolius 29./8. n Botan. Garten 9 80 2h 28 30 12 13 Ao Xo Ao Xo XAo Xs XAo X3 Ruscus aculeatus 25./8. Camaldoli 12h 23 9 Ao Xo XAo Xl-2 Vihv/mu/m, tinus . 28./8. 29./8. n » Botan. Garten V 3 80 9 80 2 h 520 29 28 30 26 13 12 13 8 Ao Xo Ao Xsy Ao Xo XAi Xs XAl X2a3ß Nerium oleander 28./8. 29./8. 1) Botan. Garten n n n 3 80 9 80 2h 520 29 28 30 26 13 12 13 8 Ao Xo Ao Xo Ao Xo Ao Xo XAl_2 Xs XA2a Xs« XA2a Xsa Sonne weg Phillyrea spec. . . 29./8. 1) n Botan. Garten 9 80 2h 520 28 30 26 12 13 8 Ao Xo 1 Ao Xo und 1 Ao Xs *) Ao Xo ( XAi Xs und 1 XA2 X3 ») Ao Xo Olea europaea . . 28./8. Botan. Garten 3 80 29 13 Ao Xo A2-3 Xs Quercus ilex . 14./9. Positano 8*0 ? ? A0X3 Ao Xs Cistus salvifolius 17./9. Camaldoli n 7" 10 80 16 24 3 9 A2— 3« Xs« Ao Xs« A2— 3« XStt Al— 2« Xsa Smilax aspera . . 17./9. Camaldoli 7" 16 3 Ao Xo Ao Xla— y Arbutus unedo 12./9. U./9. Positano n 9h 12h 21 27 7 9 Ao X2a3/S Ai X2— 3« XAo X2«3/J XAl X2-Sa Myi-tus communis . 12./9. 14./9, 17./9. 11 Positano B Camaldoli B 9h giO 7" 10»° 21 ? 16 24 7 ? 3 9 Ao Xi_2/J Ao Xly Ai^2— 3y Xs« Ao— 1|3 Xs/J XAo X2aß XAi/S Xio3y? XAla 2—3y Xs« Ao— 1/3 Xsa Pistacia lentiscus 12./9, 14./9. n Positano B B 9h 8*0 12h 21 ? 27 7 ? 9 Ao Xs Ao Xo— la A2— 3« X3a XA2 X3 XAo— 1 Xia—iy XA2— 3« Xs« Ceratonia siliqua 12./9. 14./9. Tl Positano B 9h 9h 9h 21 9 ? 7 ? ? A2— 3 X2-3 XAl-2 X2 XA2a X2— 3« XA2a X2— 3 a 1) Oberste Zweige des Busches. Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 503 Betrachten wir zunächst kurz den Einfluß der Beleuchtung auf den Öffnungszustand der Spalten: die weitesten Offnungen finden wir immer an den am hellsten beleuchteten Blättern. Die einzige Ausnahme von dieses Gesetzmäßigkeit macht Ceratonia am 1 2. Sep- tember. Hier wurde in der Sonne eine geringere Offnungsweite beobachtet. Wie ich aber nachträglich aus meinen Protokollen entnehmen kann, waren am 14. September um dieselbe Tageszeit die Spalten der besonnten Blätter, die hier leider allein beobachtet wurden, durchweg weiter geöffnet. Demnach dürfte die Beobach- tung am 9. September wohl auf einem Irrtum beruhen. Einigemal verhielten sich hell belichtete und beschattete Blätter gleich, was zum Teil vielleicht der Ungenauigkeit der Methode, zum Teil aber auch dem Umstand zuzuschreiben ist, daß schon im Schatten die größte mögliche Offnungsweite erreicht war. Diese Gesetzmäßigkeit ist übrigens nicht auf die mediterranen immergrünen Blätter beschränkt. Molisch (1912, S. 116) beob- achtete denselben Unterschied bei besonnten und beschatteten Blättern von Samhucus nigra, Viburnum opuhis, Ribes rubrum^ Rosa spec, Cornus spec. und Betula alba, ich selbst im Juli und August 1922 bei Ulmus campestris, Crataegus oxyacantha, Chaemo- meles japonica, Vicia Faba, Ervum sativum, Phaseolus vulgaris und Hemerocallis fulva, niemals aber das entgegengesetzte Verhalten. Im Gegensatz dazu gibt Linsbauer (1916, S. 114 ff.) für gewisse Pflanzen an, daß sie ihre Spalten unter natürlichen Verhältnissen beim Überschreiten einer optimalen Lichtintensität wieder schließen. Er vergleicht aber dabei Beobachtungen, die an verschiedenen Pflanzen und zu verschiedenen Tageszeiten gemacht sind, und es bleibt höchst zweifelhaft, ob der Spaltenschluß gerade auf die Wir- kung der Belichtung zurückzuführen ist. Wenn man schon dieser physiologischen Frage durch Untersuchung am natürlichen Stand- ort näher kommen will, so kann das nur geschehen durch Beob- achtung verschieden belichteter Blätter derselben Pflanze, und diese ergibt für unsere mediterranen Blätter eine Öffnung selbst bei direkter Besonnung in der klaren Luft des mediterranen Sommers. Bei der verhältnismäßig lichten Belaubung und dem exponierten Standort der Macchienpflanzen ist die Besonnung sehr ausgiebig, 80 daß es mir manchmal schwer fiel, an einer Pflanze Blätter zu finden, die sicher nicht nur vorübergehend im Schatten waren. Es besaß somit ein wesentlicher Teil der Blätter geöffnete Spalten, und dies ist die Tatsache, die uns hier wichtiger ist als die Fest- 604 Hans Gradmann, Stellung, daß die Öffnung gerade an den hell beleuchteten Blättern eingetreten war. Dabei ist zu beachten, daß die meisten Beob- achtungen sich um die Mittagszeit gruppieren, wo nach bekannten Erfahrungen am ehesten Verschluß zu erwarten wäre. Da die angeführten Beobachtungen aber nur zum Teil (August) in die trockene Jahreszeit fallen, lasse ich als weiteren Beleg in Tabelle II alle weiteren Beobachtungen folgen, die im August am natürlichen Standort an besonnten Blättern gemacht wurden, bei denen aber Parallelbeobachtungen an beschatteten Blättern fehlen. Tabelle IL Tag Ort Pflanze Stunde Tempe- ratur Grad Sättigungs- defizit mm Licht 25./8. Camaldoli Qtiercus Hex 3 46 Ao Xiy Cistus salvifolius 3" — — Ao Xsy Smilax aspera 2h 25 9 An Xi 27./8. Camaldoli Querais Hex 12h 29 13 Ao Xsy 1" 30 14 Ao Xsj/ 2" 33 18 Ao X3y 3 80 — — Ao X3ßy 6 40 23 5 Ao Xo anderer Busch 3 80 — — Ao Xo Cistus salvifolius 12h 29 13 Ao X3|S 120 30 14 Ao Xsy 330 — — Ao Xo 5h — — Ao X2 6 40 23 5 Ao Xo Smilax aspera 12 h 29 13 Ao Xo— 1 6*0 23 5 Ao Xi 4 mal zwischen 12 h und 6 40 Ao Xo Myrtus 12h 29 13 Ao Xo 6 40 23 5 Ao Xo 30./8. Pozzuoli, , ' hang Quercus Hex Cistus salvifolius 4h 4h 26 26 5 5 Ao Xo Ai X3 Smilax aspera 4h 26 5 Ao Xo Myrtus communis 4h 26 5 Ao Xia Zy Arbutus unedo 4h 26 5 AoXi Südhang Smilax aspera 5h 25 4 Ao X2a3ß Auch hier sehen wir fast überall Öffnung der Spalten. Wo sie fehlt, da ist entweder die Sonne schon untergegangen, oder es Die Windscliutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 505 beruht nur auf individueller Verschiedenheit: am 27. /8. 3 ■^'' steht neben dem Steineichenbusch mit geöffneten Spalten ein anderer mit geschlossenen. Die am 27. /8. bei Camaldoli heohsichtete Mijrtus- Pflanze hatte den ganzen Nachmittag geschlossene Spalten, die bei Pozzuoli untersuchte offene, obwohl am 30. /8. ungefähr dieselben äußeren Bedingungen herrschten wie 3 Tage vorher (am 30. /8. 2h: 28° Wärme und 8 mm Sättigungsdefizit). Weitere Beispiele von großen individuellen Verschiedenheiten bei Pflanzen, die unmittel- bar nebeneinander standen, zeigt Tabelle III. Tabelle III. Tag Ort Stunde Pflanze Befund (Sonne) 28./8. Botan. Qarten 3 80 Quercus Hex, Busch I Busch II Baum I u. II XAo Xo XAo Xsy XAo X3a 29./8. Botan. Garten 9 80 (ebenso 2l') Quercus Hex, Busch Baum XAo Xo XAo Xsa Ähnliche Erfahrungen machte ich auch mit Smilax, Myrtus u. a. bei den späteren Beobachtungen von Positano. Dagegen üben die Unterschiede von Temperatur und Luftfeuchtigkeit keinen merk- lichen Einfluß aus. Es können daher auch unmöglich die geringen Unterschiede in der Atmosphäre die Ursache sein für das ver- schiedene Verhalten der einzelnen Individuen. Der Grund dafür kann, wenn wir nicht jedesmal ererbte individuelle Unterschiede annehmen wollen, nur in den Verhältnissen des Bodens liegen, und zwar auch nur in dem verschiedenen Wassergehalt des von den Wurzeln der einzelnen Pflanzen ausnützbaren Substrats; denn wesentliche chemische Unterschiede sind wenigstens auf den Tuff- böden nicht anzunehmen. Wir dürfen uns also vorstellen, daß einzelne Pflanzen ihre Spaltöffnungen am Ende des Sommers minde- stens den größten Teil des Tages geschlossen halten, weil ihnen sehr wenig Wasser zur Verfügung steht, während die große Mehr- zahl ihre Spalten noch ohne Schaden öffnet. Nun muß aber der Wassergehalt des Bodens, der durch die Frühjahrsregen gut durch- feuchtet ist, im Verlauf des Sommers immer mehr abnehmen, die Wasserversorgung ist nie so ungünstig wie in den Augusttagen, wo diese Untersuchungen stattfanden, und wenn wir hier meist offene Spalten antrafen, so dürfen wir sicher sein, daß sie während des 506 Hans Gradmann, ganzen Sommers sich öffneten, obwohl im Juli und Anfang August Temperatur und Sättigungsdefizit der Luft zu gewissen Tageszeiten sicher noch etwas höher anstiegen. Es wäre nun sehr wertvoll zu wissen, wie weit die Öffnung der Spalten im Sommer hinter der zur anderen Jahreszeit an Größe etwa zurücksteht. Meine Absicht, vor und nach dem Eintritt der Herbstregen Beobachtungen über den Verlauf der Spaltenbewegungen während des ganzen Tages anzustellen, ließ sich leider nicht mehr verwirklichen. Vor allem bedauere ich, daß es nicht mehr möglich war, vor Beginn des Regens festzustellen, ob nicht einzelne Pflanzen in den frühen Morgenstunden noch größere Offnungsweiten der Spalten zeigten. Wir können aber doch eine Anzahl von Beob- achtungen, die vor und nach Eintritt des Regens zur selben Tages- zeit ausgeführt wurden, nebeneiDanderstellen. Die ersten sehr an- haltenden Regenfälle begannen am Abend des 2. September und wiederholten sich öfters in den folgenden Wochen. Am 11. Sep- tember strömte der Regen an der Südseite der Halbinsel von Sor- rent den ganzen Tag fast ununterbrochen. Der Boden war also jedenfalls in den folgenden Tagen bis zu einiger Tiefe gut durch- feuchtet. Es sind nun in Tabelle IV alle Beobachtungen auf- genommen, die vor und nach dieser Regenperiode an denselben Pflanzenarten zu derselben Tageszeit bei optimaler Beleuchtung ausgeführt wurden. Am Schluß der Tabelle sind auch einige zu verschiedenen Tageszeiten gemachte Beobachtungen nebeneinander gestellt, weil es an besser vergleichbaren Werten für diese Pflanzen fehlt. Aus der Tabelle geht soviel hervor, daß die Offnungsweite der Spalten zwar im Herbst meist etwas höhere Werte erreicht als im Sommer, daß aber die Unterschiede nicht durchgehend und nicht sehr bedeutend sind. Ich habe auch in diese Tabelle Angaben über Temperatur und Luftfeuchtigkeit mit aufgenommen, ohne na- türlich sagen zu wollen, daß die Unterschiede zwischen Sommer- und Herbstwerten darauf zurückzuführen wären. Diese Unterschiede werden vielmehr nach dem oben Gesagten vom Wassergehalt des Bodens bedingt sein. Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 507 (3 (S a >. m « •le. «- >, «e >. C CO s « 1 X X o « X 9 a y « M a ä 8 «. « K 1 ö ^ « CO C-. o C^ pq H M M X M T M 7 T M X M X X X M 7 M o o o o © o o o o ^ — o o o ^ « n ■< -«1 < -< -«1 -< ^ ^ -< o ■< ■< < ■< ■< -«1 < < ' i .ti Sätti gung defiz Ci ^H Oi r« •M o» '^ 1 OS ,-H OS •^ 1 CS 1 «"- " " 1 " 1 1 empe- ratur Grad •^ lO t- «o l- '-' 1 •* ■A t- ■^ 1 t- 1 ^ m M e< ffj 04 »< 04 04 1 04 09 04 04 1 04 1 04 w H « o O o s s ^ ^ JS j: J= X J3 S J3 ,£ js 5 JS o o 1-1 ©j *» c» »9 04 OS 00 C Ol 04 OS 00 04 OS 04 i-( i-H r-( M faß OS 05 OJ 03 ci oi ci ei OS 51 es es OS d^ 03 H t«^ t^ •*' (N l^ •«*< 04 «* t^ t^ •«* OJ •♦ -* "^ "^ '^ '^ '^ ^ »1 1-1 "* >-i '^ rt ^ 1-1 M ^ o « 'S "3 o o O s 'S O B cd o o "o 'S 3 pq o 2 o B es o a 1 'S O e o PU o P^ E es O a> g £ o p- 1 e B CS es ^ 2 cn c« >» •o s pq >« « « ■aa. 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Zuverlässiger ist jedenfalls die Analyse der das Blatt umspülenden Luft. Wenn wir aber, um diese Luft aufzufangen, das Blatt mit einer Kammer umgeben, so können wir das am Standort der Pflanze kaum durchführen, ohne die natür- lichen Bedingungen wie Luftfeuchtigkeit und Erwärmung des Battes sehr stark abzuändern, zumal wenn das Verhalten bei direkter Besonnung geprüft werden soll. Dieser Fehler wird weniger ins Gewicht fallen, wenn wir die Beobachtungszeit recht kurz wählen, und um dabei trotzdem große Unterschiede in der Luftzusammen- setzung zu erhalten, müssen wir dann das abgegrenzte Volum mög- lichst klein machen. Nach mehreren Versuchen kam ich schließlich darauf hinaus, die Interzellularen des Blattes selbst als Sammel- raum zu benützen und die Interzellularluft zu analysieren. Wenn die Spaltöffnungen des Blattes etwa durch Verstreichen mit Vaselin verstopft werden, so muß das eingeschlossene Gas nach kurzer Zeit eine ganz andere Zusammensetzung haben, je nachdem, ob durch die lebende Substanz nur Sauerstoff veratmet wird oder ob die Assimilation, die Produktion von Sauerstoff, die Atmung übertrifft. Die in den Interzellularen enthaltene Luftmenge ist zwar gering, aber die von Krogh (1922) ausgebaute Methode der Mikrogas- analyse erlaubt uns heute die Analyse so kleiner Gasmengen. In vielen Fällen wird die Verstopfung der Spaltöffnungen nicht einmal notwendig sein. Es mag ja auch unter normalen Verhältnissen in den Interzellularräumen eines Blattes, das durch die Spalten Sauerstoff aufnimmt, ein geringerer Sauerstoffdruck herrschen als in einem anderen, aus dem der Sauerstoff herausdiffundiert, und ebenso ist es mit der Kohlensäure. Ob diese Unterschiede aller- dings groß genug sind, um sich leicht nachweisen zu lassen, wird von der Weite der Spalten abhängen. Die Interzellularluftanalyse, Die Windscliutzeinriclitungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 509 durchgefühlt an Blättern, die man der Pflanze am natürlichen Standort ohne jede Vorbehandlung abnimmt, ist, wo sie zum Ziele führt, ein geradezu idealer Weg zur Feststellung der Assimilations- tätigkeit. Aber die Anwendbarkeit im einzelnen Fall kann nur der Versuch zeigen. Zur Gewinnung der Interzellularluft wurde das Blatt abge- schnitten und in ein Gefäß mit konzentriertem Glyzerin eingetaucht, und dieses dann evakuiert. Dabei entweicht der größte Teil der Interzellularluft in Form von Blasen, die aufgefangen und analysiert werden können. Ahnliche Analysen der Interzellularluft hat, soweit ich fest- stellen kann, bisher nur Peyrou (1888) in größerer Anzahl gemacht. Peyrou extrahiert die Interzellularluft bei jeder Untersuchung zweimal, zuerst bei Zimmertemperatur und dann unter Erwärmung auf 50 — 60 ''j und analysiert die vereinigten Portionen. Was mit der Extraktion bei höherer Temperatur beabsichtigt ist, ist nicht recht klar. Dadurch wird dem ersten Auszug nur eine Menge Kohlensäure hinzugefügt^), die, wie wir durch Will statt er und Stoll (1922, S. 172ff.) genauer wissen, innerhalb der Zelle irgend- wie gebunden ist und durch Erwärmung zum Teil frei gemacht werden kann. Peyrou spricht davon, er wolle den gesamten Gas- gehalt des Blattes (tout le contenu gazeux) erfassen, aber die gebundene Kohlensäure wird auch bei 60° nicht sämtlich frei. In- folge der Erwärmung ergeben sich nun durchweg viel höhere Kohlensäurewerte als der Interzellulavluft zukommen, und da bei dieser Behandlung möglicherweise auch Sauerstoff in bedeutenden Mengen aus dem Gewebe frei gemacht wird, so können alle diese Analysen über die Zusammensetzung der Interzellularluft und die Assimilationstätigkeit des Blattes nichts aussagen. Devaux(1891) untersuchte die Interzellularluft von Knollen und anderen massiven Geweben nach einer anderen Methode, die auf Blätter nicht anwendbar ist, und konnte dabei an der verän- derten Zusammensetzung der Luft die Assimilationstätigkeit nach- weisen, wenn die Bedingungen für die Assimilation gegeben waren. Daß der Sauerstoffgehalt trotzdem noch weit hinter dem der Luft zurückbleibt, erklärt sich daraus, daß die untersuchten Objekte im Verhältnis zur atmenden Masse nur sehr wenig Chlorophyll ent- hielten. Auch in größeren Lufträumen bei Pflanzen, wie Samen- 1) S. a. a. 0. S. 15: „les quantiti's de ces denx gaz (0 und N) qui restent apres la premiere extraction sont tres faibles". 610 Hans Gradmann, kapseln oder den großen Lakunen mancher Wasserpflanzen, wurde bei der Analyse schon verschiedentlich Anreicherung von Sauerstoff durch Assimilation festgestellt (Lit. bei Pfeffer, 1898, S. 187). Doch war die Methode, nach der hier die zu analysierende Luft gewonnen wurde, natürlich eine ganz andere, einfachere. Nur Aubert (1892, S. 274) macht nach einer Methode ähnlich der unsrigen einige Interzellularluftanalysen an Sukkulenten und findet einen COä-Gehalt zwischen 0,2 und 1,5 °/o und einen Os-Gehalt zwischen 18 und 27*^/o. Das sind Werte, wie auch ich sie häufig gefunden habe und deren Abweichungen von der natürlichen Luft- zusammensetzung durch Atmungs- und Assimilationstätigkeit zu er- klären sind. Der zur Gewinnung der Interzellularluft zusammengestellte kleine Apparat ist in Fig. 11 abgebildet. Das Glasgefäß B ist mit einem übergreifenden Deckel versehen, aus dem oben eine kurze, nach unten abgebogene Röhre herausführt. Das Ganze steht in dem Glasgefäß A, das durch den aufgeschliffenen Deckel C evakuiert werden kann. Zum Gebrauch wird der ganze Raum des großen Ge- fäßes bis nahe zum Rand mit konzen- triertem Glyzerin angefüllt, das die Luft- gase nur sehr langsam absorbiert. Man muß zunächst einmal evakuieren, um die im käuflichen Glyzerin enthaltene Luft zu entfernen. Zur Extraktion wird dann ein Blatt in das Gefäß B gebracht, der Deckel darüber geschoben und evakuiert. Das Gas tritt entweder aus der Schnittfläche oder aus den Spaltöffnungen hervor und sammelt sich in der ungebogenen Röhre, wo es mit Hilfe der kleinen Pipette mit zweimal rechtwinklig gebogener Spitze leicht entnommen und in den Kroghschen Apparat gebracht werden kann. Die Verstopfung der Spaltöffnungen geschah mit einem Ge- misch von Wachs und Vaselin einer solchen Zusammensetzung, daß es bei der gerade herrschenden Temperatur sich gut über das Blatt verstreichen ließ, ohne doch ins Blatt einzudringen. Um nun die Assimilationstätigkeit festzustellen, braucht man nur die Interzellularluft belichteter und unbelichteter Blätter mit- Fig. 11. Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 511 einander zu vergleichen. Wenn in den belichteten Blättern assi- miliert wird, muß der Sauerstoffgehalt größer, der Kohlensäure- gehalt geringer sein als bei den verdunkelten Blättern. Nachdem die Spalten verstopft sind, kann man die Blätter entweder sogleich verschiedener Beleuchtung aussetzen und nach einiger Zeit mit- einander vergleichen, oder man kann zunächst alle verdunkeln, damit sich reichlich Kohlensäure in den Interzellularen ansammelt, und dann einen Teil davon wieder belichten, um zu sehen, ob die Kohlensäure durch Sauerstoff ersetzt wird. Dem Verfahren haften verschiedene Fehlerquellen an: 1. Durch das Wachsvaselin sind die Interzellularräume nicht völlig abge- schlossen; denn einmal ist diese Substanz nicht völlig undurch- lässig für Gas, so daß namentlich hohe C02-Werte sich im Blatt nicht halten können, und ferner kommt es sicher zuweilen vor, daß in den Interzellularen der Druck unter den der Außenluft sinkt (vgl. Devaux, 1891) und dann Luft eingesogen wird durch den Stiel oder an Stellen, wo die Verstreichung nicht ganz dicht ist. 2. Die Interzellularluft kann sich auch noch in der Zeit zwischen dem Abschneiden des Blattes und dem Aussaugen verändern. — Durch rasches Arbeiten kann dieser Fehler fast ausgeschaltet werden, die Anreicherung von Sauerstoff durch Assimilation noch insbesondere dadurch, daß das Blatt während der Untersuchung vor Lichtzutritt möglichst geschützt wird. 3. Durch das Evakuieren wird auch ein Teil der in den Zellen gebundenen Kohlensäure frei gemacht. 4. Es bleibt in den Interzellularen beim Aussaugen immer noch ein Teil der Luft zurück. — Dadurch wird der letzte Fehler (3) mehr oder weniger kompensiert'). 5, Beim Evakuieren kann die Kohlensäure möglicherweise durch gleichzeitige Diffusion rascher aus dem Blatt entweichen als der Sauerstoff und dadurch die gewonnene Luft eine andere Zusammensetzung erhalten als die 1) Ein weiterer, aber leicht vermeidbarer Fehler wäre der, daß bei Versuchen, die miteinander verglichen werden sollen, die Interzellularluft unter verschiedenem Druck, also verschieden weitgehend, ausgesogen wird. Darauf wurde bei den Probeversuchen zu wenig geachtet, der Manometerdruck schwankte ohne genauere Kontrolle ungefähr zwischen 50 und 100 mm. Bei den späteren Versuchen wurde immer möglichst derselbe Mano- meterdruck eingehalten und im Protokoll verzeichnet. Wie groß dieser Fehler werden kann, zeigt folgende Beobachtung: ein verstrichenes Oleanderblatt wurde zweimal un- mittelbar hintereinander ausgesogen, zuerst bei 120 mm, dann bei 48 mm Quecksilber- druck, und die beiden Portionen getrennt analysiert; die erste Portion enthielt 1,5°/^ CO, und 23,4% O,, die zweite 8,0% CO, und 9,1 "/o 0,. 512 Hans Gradmann, der Interzellularen*). 6. Bei längerer Berührung mit dem Glyzerin wird ein Teil der absorbierten Gase von ihm aufgenommen. Alle diese Fehler sind aber bei einigermaßen raschem und vorsichtigem Arbeiten so gering, daß sie die großen Unterschiede zwischen assimilierenden und nicht assimilierenden Blättern nicht verwischen können. Das geht aus den Beobachtungen hervor, die ich zur Erprobung der Methode anstellte und nun kurz wiedergeben will. Die Analysen wurden Ende März (Nr. 1 — 76) und Ende April (77 — 100) ausgeführt im Laboratorium, und zwar an Lichtblättern von Hedera helix, die teils abgeschnitten und in Wasser gestellt im Laboratorium, teils im Zusammenhang mit der Pflanze im bo- tanischen Garten verschiedener Beleuchtung ausgesetzt gewesen waren. Zur Verdunkelung wurden die abgeschnittenen Blätter unter Papphülsen gestellt, die an der Pflanze mit Hüllen von schwarzem Papier möglichst sorgfältig umgeben. Zur Vermeidung übermäßiger Erwärmung mußte die schwarze Hülle vor direkter Be- sonnung geschützt werden. Ausgesogen wurde stets ein Blatt, dessen Stiel unter Glyzerin hart an der Blattfläche abgeschnitten wurde. Wo die Analyse zweimal ausgeführt wurde, sind die betreffenden Wertepaare in der Tabelle durch eine Klammer verbunden. Der Gehalt an CO2 und Oo ist in Volumprozent angegeben. Zu ver- gleichen sind stets die auf der linken Seite stehenden Beobachtungen an verdunkelten Blättern mit den rechts stehenden, wo die Blätter ebenso behandelt, aber nachher noch eine Zeitlang dem Licht aus- gesetzt worden waren. Die Blätter waren jedesmal mit Wachs- vaselin verstrichen worden, nur am Schluß der beiden Tabellen (V und VI) sind noch ein paar Beobachtungen an unverstrichenen Blättern wiedergegeben^). 1) Daß dieser Fehler nur gering sein kann, zeigen die am 4./9- in Neapel hinter- einander gemachten Analysen an vier Blättern, von denen zwei unmittelbar vor der Analyse verstrichen wurden (Auszug bei 120 mm Quecksilberdruck): Nr. 7oCO, V0O2 Nr. % CO, 7« 0, 31 1,2 21,9 , . . 30 1,4 21,6 Unverstrichen 32 1,7 21,8 Verstrichen 33 1,6 20,2 2) In die Zusammenstellung nicht aufgenommen sind einige Werte, wo zur Kon- trolle die Zusammensetzung der freien Luft bestimmt wurde oder wo zwei Analysen der- selben Gasmenge sehr große Unterschiede zeigten, also sicher ein Fehler beim Analysieren vorlag, schließlich noch die Beobachtungen an drei Blättern, die an der Pflanze durch Papierhüllen verdunkelt wurden, aber in unvollkommener Weise, und die nun sehr hohe Sauerstoffwerte ergaben. Die Windschntzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 513 Um zunächst die Beobachtungen bei nicht verstopften Spalt- öffnungen zu erledigen, so zeigt sich an den in Wasser gestellten Blättern (Tab. V, S. 514) bei Verdunkelung eine ganz geringe Zu- nahme des COo-Gehalts und hoher Sauerstoffgehalt, so daß eine Assimilationstätigkeit aus diesen Versuchen nicht ersichtlich wird. Ob daran ein Offenstehen der Spalten schuldig ist, müßten weitere Untersuchungen zeigen. Daß aber die Methode unter gewissen Umständen auch an unverstrichenen Blättern anwendbar ist, dafür sprechen die Ergebnisse an den Blättern, die direkt vom Standort weg untersucht wurden (Tab. VI, S. 614): um 10*^ morgens ent- halten die Blätter bedeutend weniger Kohlensäure und sehr viel mehr Sauerstoff als bei Tagesanbruch. Ebenso beobachten wir bei allen verstrichenen Blättern sehr entschiedene Abnahme der Kohlensäure und Zunahme des Sauer- stoffs, wenn auf die Verdunkelung wieder Belichtung folgte, mit nur einer Ausnahme: bei der Belichtung von nur 5 Minuten (Nr. 88) ist die Assimilation noch nicht nachweisbar, während sie bei 12 und 13 Minuten Belichtung (Nr. 90 und 84) schon sehr deutlich zu er- kennen ist. Man sieht daraus, daß die Blätter in allen anderen Versuchen viel länger als notwendig dem Licht ausgesetzt wurden. Auch hätte fast überall eine viel kürzere Dauer der Verdunkelung genügt, um eine stark veränderte Zusammensetzung der Binnenluft zu schaffen, wie z. B. die Versuche 81 — 83 zeigen. Daß die Zahlen im übrigen nicht sehr konstant sind, rührt von den oben aufgezählten Fehlerquellen her. So ersieht man die Absorption der Kohlensäure durch das Glyzerin fast überall, wo Kontrollanalysen ausgeführt wurden, an einem Zurückgehen des C02-Wertes bei der zweiten Analyse. Die Gasblase war ja auch inzwischen 10 — 30 Minuten unter Glyzerin aufbewahrt worden. Man kann daraus aber auch entnehmen, daß der Fehler bei der ersten Analyse, wo der Aufenthalt des Gases im Glyzerin ganz kurz ge- dauert hatte, nicht groß gewesen sein kann. — Die Überführung des Blattes aus kalter Umgebung in wärmeres Glyzerin kommt im allgemeinen als Fehlerquelle gar nicht in Betracht, entgegen meinen anfänglichen Befürchtungen; denn selbst in Fällen, wo die Tempe- raturdifferenz ganz ungewöhnlich groß war (mindestens 15° bei den Versuchen 60 — 53), waren die Ergebnisse noch gut. — Die übrigen Fehlerquellen mögen zum Teil vielleicht die gewonnenen Werte sehr stark beeinflußt haben, aber beim Vergleich mit den Parallel- versuchen ergeben sich doch immer so große Unterschiede, daß Jdhrb. f. wiss. Botanik. LXII. 34 514 Hans Gradmann, Tabelle V. Hedera helix. Einzelblätter in Wasser gestellt. Verdunkelung Nr. 7oCO, 7a 0, Nachfolgende Belichtung Nr. 7o CO, 7oO, Zimmer- temperatur 16— 2 2 Std.: 3 10,2 16,0 Trübes Tages- licht . . 1 Std 1 12 13 1,2 1,1 20,0 20,1 desgl desgl desgl 36 Std.: desgl 5 6 7 8 10,3 10,0 9,9 10,5 13,9 13,7 12,8 13,7 desgl. . . 4V2 „ desgl. . . 6 desgl. . . 7 „ 14 15 16 17 18 0,8 1,2 0,0 2,0 1,9 20,6 18,8 18,6 19,3 19,* desgl 16—20 Std. 64 65 9,1 8,4 15,0 14,8 desgl. . . .35 Min. 66 67 3,2 3,1 desgl 1 75 76 6,5 5,5 15,8 15,7 desgl. ... 75 „ desgl. . . .95 „ : I II 68 69 70 0,9 1,6 0,7 desgl. ... 5 Std. i 73 74 0,3 0,7 20,6 20,1 desgl 3V2 Std. 81 82 14,2 12,2 0,7 0,7 elektr. Birne „. ca. 6000 MK ^^ ^'°- 84 0,8 25,0 desgl 4 „ : 83 18,7 0,2 desgl. ... 28 „ 85 0,4 29,8 desgl 34 Min. : 87 2,1 13,2 desgl. . . . 5 „ 88 2,5 15,3 desgl 77 „ : 89 1,8 17,9 desgl. ... 12 „ 90 0,6 26,6 in der Kälte i2-14Std. j 50 51 4,0 3,1 17,2 15,9 trübes Tages- g^^ licht . . 1 52 53 0,9 1,1 21,0 27,0 Nicht verstrichen! 3g g^^^^^^ j 9 10 1,4 1,5 21,5 21,2 an trübem Tage 3h p 91 0,2 19,6 desgl 18 „ { 79 80 0,5 0,7 20,7 20,4 Tabelle VI. Hedera h elix. B lätter von der Pflanze am St a n d 0 r t. Nr. 7oCo, 7oOs Nr. 7oCo, 7oO, 24./3. Tagesanbruch (e^ a.) (nachts — 1 bis — 4 ") desgl 1 desgl 1 19 20 21 22 23 24 13,0 13,8 6,5 5,9 8,5 7,6 15,6 15,5 11,5 11,6 Darauf 5 — 10 Std. am trüben Tageslicht (um llh noch 0») desgl 1 1 25 26 30 31 32 1,2 1,2 1,6 1,1 1,2 18,9 19,0 16,6 16,8 17,1 25./3. Desgl. (5"a.) j (nachts 0 bis —5°) 1 33 34 8,1 7,7 3,2 3,2 darauf 2 Std. am trüben Tageslicht 1 \ 37 38 1,4 1,5 21,6 21,9 28./3. Desgl. (6^ a.) . . . (nachts — V^ bis +72") 48 4,8 14,0 darauf 3 Std. an sehr trübem Licht . . . darauf 4 Std. desgl. . 1 54 56 57 0,7 0,5 0,7 19,2 21,5 künstlich verdunkelt 30 Min. (bei 3-5») 95 1,3 20,7 darauf 30 Min. am hellen Tageslicht .... 96 0 20,9 desgl. 3 Stunden (bei 5—9") 97 98 13,7 13,8 5,7 5,5 darauf 1 Std. desgl. . 1 \ 99 100 0,3 0,1 20,7 20,1 Nicht verstrichen! 25./3. Tagesanbruch ( Cvgl. Nr. 33 und 34 oben) j 35 36 5,5 4,1 6,1 6,3 darauf 4 Std. am trüben Tageslicht ( [ 41 42 0,7 1,0 20,5 21,2 Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 516 die Assimilationstätigkeit außer Frage steht. Daß gelegentlich in den Interzellularräumen mehr Sauerstoff gefunden wird als in der freien Luft (21 7o), ist natürlich nur dadurch möglich, daß nicht bloß die Interzellularluft, sondern auch das Protoplasma Kohlen- säure enthält, die zur Assimilation verwendbar ist. Einige Versuche an Olea europaea zeigen, daß die Methode auch an anderen Pflanzen durchführbar ist (s. Tab. VII). Die nicht verstrichenen Blätter ergaben hier dasselbe Resultat. Tabelle VII. Olea europaea. Je 10 — 15 Blätter von der Pflanze im Gewächshaus. „, Licht- „, , Tag , ...^ . Std. Verhältnisse Nr. 7o 7o 0, Tag ^'.f : Std. Verhältnisse Nr. 7o CO, 7o 0. ün- verstrichen 29./3. Dämmerung 6 8» p. 30./3. Dämmerung | 6 8° a. l 1 3 4 3,5 3,5 2,9 18,1 18,8 18,7 ün- verstrichen 30./3. Am Tages- ( licht 9" a. 1 7 8 0,1 0,1 22,9 22,8 Verstrichen (am Vorabend) 30./3. Dämmerung 5" a. 6 80 a. 2 5 1,9 1,1 16,2 15,7 Verstrichen (am Vorabend) 30./3. Am Tages- licht 9 '* a. 6 0,8 21,9 Die vorausgehende Verdunkelung aller Blätter hat den Vor- teil, daß für die Assimilation mehr Kohlensäure zur Verfügung steht, aber den Nachteil, daß der erhöhte C02-Gehalt in den Interzellularen nicht den normalen Verhältnissen entspricht. Daher verdient die Methode, einfach belichtete und verdunkelte Blätter miteinander zu vergleichen, vielleicht den Vorzug. Ihre Anwend- barkeit zeigt Tabelle VIII an Vihurnum tinus. Unverstrichene Blätter ergaben hier kein klares Resultat, vermutlich, weil das Licht am Abend nicht mehr genügte. Tabelle VIII. .Vibumum tinus. 31./7. 22. Einzelne Blätter von einer Pflanze im botan. Garten Erlangen. ^ Lichtverhältnisse Stunde Nr. 7o CO, 7o Licht Verhältnisse Stunde Nr. 7« CO3 7o 0, Un- verstrichen 3V2 Std. verdunkelt 5«»?. { \ 0,5 0,3 19,7 20,0 Am Tageslicht -i, ( (Schatten) ^' \ 1 2 0,7 20,7 0,2 20,6 Verstrichen (6' p.) 65 Min. verdunkelt 7" p. 6 2,8 12,8 Am Tag (Sonne, (j<» p dann Schatten) 5 0,5 18,5 Lufttemperatur: 2h:27*' 7h:26*'. Maximum: 32". 34* 516 Hans Gradmann, Voraussichtlich wird die Methode bei weiterem Ausbau noch ganz andere, vor allem auch quantitative Peststellungen über die Assimilationstätigkeit erlauben. Uns genügt es hier, einen Weg zu wissen, auf dem die Assimilationstätigkeit unter natürlichen Ver- hältnissen zuverlässig und verhältnismäßig einfach nachgewiesen werden kann. b) Versuche im botanischen Garten zu Neapel. Zur Durchführung der beschriebenen Methode bedurfte es einer Wasserleitung mit genügendem Druck zum Anschluß der Wasserstrahlluftpumpe. In diesem Punkte ergaben sich in Neapel zunächst große Schwierigkeiten. Sie wurden aber behoben durch das liebenswürdige Entgegenkommen von Herrn Professor Cavara, der mir Gelegenheit gab, im botanischen Garten zu Neapel zu arbeiten. Ich möchte dafür auch an dieser Stelle meinen leb- haftesten Dank aussprechen. Meinen Arbeitsplatz konnte ich neben einem Wasserleitungs- hahn im Freien aufschlagen, unmittelbar neben den Pflanzen, die sich zur Untersuchung eigneten. Leider genügte der Wasserdruck nur zu gewissen Zeiten zum Aussaugen der Blätter. Aus diesem Grunde sind die Beobachtungen oft zu ungünstiger Tageszeit an- gestellt. Auch konnte der Druck im Versuchsgefäß nicht immer im gewünschten Maße herabgesetzt werden. Daß die Verhältnisse im botanischen Garten zu Neapel denen des natürlichen Standorts sehr ähnlich waren, ist schon oben (S. 501) ausgeführt worden. So groß sind die Unterschiede auf keinen Fall, daß die Pflanzen an der einen Stelle einem stationären Ruhezustand verfallen sein könnten, wenn sie an der anderen lebhaft assimilieren. Nach dem vorausgegangenen Ausprobieren der Methode ge- nügten verhältnismäßig wenige Versuche zum Nachweis der Assi- milationstätigkeit. Um dem Vorwurf einer willkürlichen Auswahl zu entgehen, gebe ich sämtliche in Neapel an verstrichenen Blät- tern gemachten Beobachtungen wieder. (Einige sind schon oben S. 511 aufgeführt.) Die Untersuchungen waren so angestellt worden, daß immer belichtete und unbelichtete Blätter unmittelbar hinter- einander analysiert wurden. Nun stimmen aber die an verschie- denen Tagen gewonnenen Werte ziemlich überein, und wir können deshalb zur übersichtlicheren Darstellung alle Ergebnisse ohne Rücksicht auf die zeitliche Reihenfolge einfach nach der Größe des Kohlensäuregehalts geordnet in einer Tabelle vereinigen, sofern Die 'Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 617 nicht beim Auszug ein vom gewöhnlichen (120 — 140 mm) abweichen- der Manometerstand herrschte. Diese letzteren Werte und ebenso einige Beobachtungen, die den Einfluß ganz kurzer Belichtung zeigen sollten, sind in besonderen Tabellen (X und XI) aufgeführt. In den Tabellen IX — XI enthält die erste Spalte die Versuchs- nummer, die zweite den minimalen bei der Extraktion herrschenden Druck (in mm Quecksilber), die dritte und vierte Tag und Stunde des Versuchs (im Zeitpunkt der Abnahme des Blattes), die fünfte und sechste Lufttemperatur und Sättigungsdefizit. Diese Werte wurden nicht bei jedem Versuch besonders, sondern immer im Laufe des Tages einige Male bestimmt und im übrigen geschätzt, sind also nicht sehr genau. In den beiden folgenden Spalten ist der Gehalt der untersuchten Luft an Kohlensäure und Sauerstoff in Volumprozenten aufgeführt, und die letzte enthält die Angaben über die Belichtung des Blattes vor der Abnahme; angegeben sind die Minuten, die das Blatt durch schwarzes Papier verdunkelt oder dem Licht ausgesetzt war; in letzterem Fall ist das Zeichen c» angewandt, wenn das Blatt schon den ganzen Tag normal beleuchtet gewesen war. In Tabelle IX (S.518) sind die Werte nach abnehmendem CO2- Gehalt geordnet; damit geht die Zunahme des 02-Gehalts ziemlich parallel. Die Werte der verdunkelten Blätter kommen alle in den oberen Teil der Tabelle zu liegen, diese Blätter enthalten minde- stens 3,2 Vo COo und höchstens 13,7 7o Oo. Die Dauer der Ver- dunkelung hat auf die Reihenfolge wenig Einfluß, weil in den meisten Fällen der maximale CO2- Gehalt offenbar schon längst erreicht ist; nur da, wo die Verdunkelung bloß 45 und 60 Minuten dauert, ist der CO2- Gehalt noch geringer, der Oa-Gehalt noch größer als bei allen länger verdunkelten Blättern. Im übrigen sind die Differenzen an den verdunkelten Blättern wohl zum großen Teil darauf zurückzuführen, daß die Verstopfung der Spalten nicht in allen Fällen gleich vollkommen war und dann während der bei der Atmung gewöhnlich eintretenden Druckverminderung in den Interzellularen (s. Devaux, 1891) die Außenluft verschieden rasch eindringen konnte. Die belichteten Blätter der Tabelle IX enthalten höchstens 3,5%, meist aber weniger als 2% COo und mindestens 12,6, meist aber über 17 7o Sauerstoff, und zwar öfters mehr als die freie Luft. Daß die kürzer belichteten Blätter hier im allgemeinen noch mehr CO2 und weniger O2 enthalten als die anderen, läßt 518 Hans Gradmann, sich wohl kaum behaupten, und in der Tat, wenn wir nun zu Tabelle X übergehen, so sehen wir, daß selbst bei Belichtung von 2V2 Minuten schon sehr niedere CO2- und hohe Os-Werte erhalten werden können. FreiUch zeigen diese kurzbelichteten Blätter teilweise noch ähnUche Luftzusammensetzung wie die ver- dunkelten; im Durchschnitt genügt die Assimilation von 2Va Minuten noch nicht, um die bei IVä — 2 stündiger Atmung erreichte Sauer- stoffabnahme wieder auszugleichen. Ein durchgehender Unterschied in der Wirkung von direktem Sonnenlicht und diffusem Tageslicht ist nicht feststellbar. Tabelle IX. Nerium oleander. Nr. mm- Druck Tag Stunde Tempe- ratur Grad Sättigungs- defizit mm 7o CO, 7oO, Vorausgegangene Belichtung , (Minuten) ' 46 120 5./9. 1220 21 5 10,0 6,1 120 dunkel 42 120 4./9. 615 18 2 9,2 4,8 125 n 53 120 5./9, 3I1 22 7 8,8 6,2 281 j, 18 130 2./9. 10» 26 12 7,5 5,9 94 „ 44 120 579. 11 50 21 5 7,3 6,8 90 I, 24 140 2./9. 3 80 26 11 7,1 13,7 193 r 21 130 2./9. 1» 27 15 5,8 7,4 50 n 35 120 4./9. 12" 20 6 5,7 7,1 130 » 38 120 4./9. 2 20 20 6 5,5 9,5 250 n 43 120 5./9. 11» 20 4 4,8 8,8 60 ti 19 120 2./9. 11h 27 15 3,5 13,1 9 Licht, Sonne (vorher 110 dunkel) 39 120 4./9. 410 19 5 3,2 13,4 45 dunkel 41 120 4./9. 5« 18 3 2,5 12,6 3 Licht, diffus (vorher 90 dunkel) 45 120 5./9. 12» 21 5 1,9 24,2 5 r, , V ( „ 121 „ ) 34 120 4./9. 12* 20 6 1,8 20,9 OD „ , „ (120 verstrichen ) 36 120 4./9. 12" 20 6 1,7 21,1 10 „ , „ (vorher 155 dunkel) 40 120 4./9. 5» 18 4 1,6 22,3 5 ., . n ( » 60 „ ) 37 120 4./9. 1» 20 6 1,5 23,4 10 r , n ( „ 195 „ ) 20 140 2./9. 11«» 27 15 1,4 19,1 9 . , r ( „ 138 „ ) 17 120 2./9. 9 15 25 11 1 1,0 1,2 19,2 18,4 00 „ , Sonne (10 verstrichen) 22 130 2./9. jSO 26 14 0,9 22,5 9 „ , diffus (vorher 64 dunkel) 23 130 2./9. 2» 26 14 1 1 0,6 1,1 17,0 17,2 42 n , « ( „ 125 „ ) 25 130 2./9. 3 80 26 12 0,8 24,4 20 „ , Sonne ( „ 193 „ ) Die Windschutzeinrichtnngen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 519 Nerium oleander. Tabelle X. Ergebnisse bei ganz kurzen Belichtungszeiten (nebst einigen Vergleichswerten). Nr. mm- Druck Tag Stunde Tempe- ratur Grad Sättigungs- defizit mm 7oCO, 7oO, Vorausgegangene Belichtung (Minuten) 44 120 5./9. 11" 21 5 7,3 6,8 90 dunkel 46 120 5./9. 12=0 21 5 10,0 6,1 120 „ 53 120 5./9. 3h 22 7 8,8 6,2 281 n 47 120 5./9. 12" 21 5 7,5 16,2 2V, Licht, diffus (vorher 151 dunkel) 48 120 5./9. 1" 21 5 6,2 7,8 27, n , n ( « 166 „ ) 50 120 5./9. ^ SS 21 5 5,9 13,1 2Vs „ , Sonne und diffus (vorher 211 dunkel) 52 120 5./9. 2" 22 6 2,9 17,3 27, Licht, Sonne (vorher 257 dunkel) 45 120 5./9. 12" 21 5 1,9 24,2 5 „ , diffus ( „121 „ ) 49 120 5./9. 1» 21 5 1,0 23,4 27, « , n r „ 193 „ ) Für die Frage, ob im Sommer die Assimilationsfähigkeit er- halten bleibt, kommen nur die bis zum 2. September erhaltenen Werte in Betracht, weil am Ende dieses Tages der Regen einsetzte. In Tabelle IX sind aber auch alle späteren Beobachtungen mit aufgenommen, und aus der Tatsache, daß sich die Werte des 2. September gleichmäßig unter die später gewonnenen einreihen, ergibt sich, daß ein grundsätzlicher Unterschied in der Assimilations- fähigkeit nicht besteht. Die hier verzeichneten Beobachtungen aus der Trockenzeit sind ziemlich wenige, sie werden ergänzt durch die in Tabelle XI (S. 620) wiedergegebenen. Nr. 6 und 7 sind Parallel- versuche, bei denen die Luft unter 90 — 100 mm ausgesogen wurde, also gut vergleichbar; der verhältnismäßig geringe C02-Gehalt und der hohe O^-Gehalt bei Nr. 6 beweisen klar die Assimilationsfähigkeit. Nr. 14 und 16, mit diesen Versuchen am ehesten vergleichbar, sind ziemlich belanglos, weil ein Parallelversuch fehlt, und nur der Voll- ständigkeit halber angeführt. Bei Nr. 11 und 13 war das Mano- meter nicht in Ordnung; der beim Aussaugen herrschende Druck ist also nicht genau bekannt, schwankte aber wenig, so daß die Versuche unter sich gut verglichen werden können. Auch hier ist die Assimilation unverkennbar, auch in Nr. 13, wo die Sonne bei der Wiederbeleuchtung schon unter dem Horizont war. Neben den ausführhchen Untersuchungen am Oleander wurden an anderen Pflanzen nur kurze Proben gemacht, deren Ergebnisse Tabelle XII (S. 520) enthält. 520 Hans Gradmann, Tabelle XL Nerium oleander. Ergebnisse bei anderem Manometerstand (als 120—140 mm). Nr. 1 mm- Druck Tag Stande Tempe- ratur Grad Sättigungs- defizit mm 7o CO3 7oO, Vorausgegangene Belichtung (Minuten) 7 100 29-/8. 6h 25 6 6,0 5,9 8,6 8,0 60 dunkel 6 14 16 90 80 80 29./8. 1./9. 1./9. 5*» 6» 25 24 6 1 5 1 3,0 2,0 1,1 1,0 1,0 18,0 19,4 20,0 20,3 18,4 [ 00 Licht, diffus (40 verstrichen) \ 00 Licht, etwas Sonne (10 verstrichen) 00 Licht, schwach, diffus (20 ver- strichen) 12 31./8. 5» 26 26 26 7 4,3 5,0 8,6 8,2 65 dunkel 13 11 31./8. 31./8. 540 435 1 1,1 1,5 1,0 0,6 21,3 20,5 18,3 18,1 35 Licht, diffus (vorher 65 dunkel) \ 00 Licht, noch ein wenig Sonne j (35 verstrichen) Tabelle XIL Nr. Druck mm Tag Std. Tempe- ratur Grad Sättigungs- defizit 7o COg 7o 0, Vorausgegangene Belichtung (Minuten) Quercus ilecc 29 28 1 55 2.;9. 55 2./9. 6» 5" 25 25 8 9 7,8 3,1 11,8 18,0 65 dunkel 00 Licht, schwach, diffus (30 verstrichen) Olea europaea 26 27 9 10 80 80 ^) •) 2./9. 2./9. 4- 4S0 25 25 11 10 16,5 4,2 6,0 14,4 60 dunkel 20 Licht, Sonne (vorher 60 dunkel) Phillyrea spec. 31./8. 31./8. 10" 1125 28 28 8 8 2,9 2,2 16,2 20,2 100 dunkel OD Licht, diffus (120 ver- strichen) Die Ergebnisse dieser Tabelle stimmen mit dem Befund am Oleander überein, und man darf darnach annehmen, daß die Fähig- keit, während der Trockenperiode zu assimilieren, den mediterranen immergrünen Holzgewächsen allgemein zukommt. 1) Bei Phillyrea war der minimale Druck beim Aussaugen noch so groß, daß das nur bis 260 mm gehende Manometer nicht ausreichte. Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 621 3. Ergebnisse der Untersuchungen am mediterranen immergrünen Blatt. Es ließ sich feststellen, daß die Zellen der immergrünen Blätter im Mittelmeergebiet selbst am Ende des trockenen Sommers 1922 noch assimilierten, wenn ihnen Kohlensäure geboten war, daß anderer- seits zur selben Jahreszeit die Spaltöffnungen dieser Blätter am natürlichen Standort einen großen Teil des Tages offen stehen, 80 daß Kohlensäure ständig hineindiffundieren muß, wenn sie innen verbraucht wird. Die Ergebnisse Guttenbergs, daß die immer- grünen mediterranen Blätter im Sommer sehr wenig oder gar keine Stärke speichern, dürfen also nicht durch mangelnde Assimilations- tätigkeit erklärt werden, sondern sie beweisen nur, daß sich die Assimilate in löshcher Form im Blatt befinden; sie sind aber darum nicht weniger interessant. Es gibt ja eine Reihe von Pflanzen mit „Zuckerblättern", die für gewöhnlich nur Zucker und keine Stärke anhäufen. Dadurch muß der osmotische Wert des Zellsaftes er- höht und infolgedessen die Transpiration herabgesetzt werden. In dieser Wirkung erblickt Stahl (1900, S. 559) die ökologische Be- deutung der Zuckerspeicherung und zeigt, daß die Zuckerblätter tragenden Pflanzen vorwiegend trockenen Standorten angehören. Darunter sind solche, die bei besonders günstigen Assimilations- bedingungen auch Stärke speichern können, und diesen scheinen sich nun die mediterranen Hartlaubgewächse unmittelbar anzureihen, die für gewöhnlich Stärke, unter dem Einfluß der Trockenheit aber Zucker speichern. Es wäre freilich noch näher zu untersuchen, ob das Fehlen der Stärkespeicherung nicht einfach auf die hohe Tem- peratur zurückzuführen ist, die den raschen Abtransport der Assi- milate erlaubt — eine MögHchkeit, die von Guttenberg (1907, S. 414) in Erwägung gezogen wird. Die Feststellung der sommerlichen Assimilationstätigkeit er- möghcht uns vielleicht ein besseres Verständnis der Lebensweise der immergrünen mediterranen Gewächse. Der Vorteil, den die Immergrünen gerade im Mittelmeerklima genießen, wird gewöhnhch darin gesucht, daß hier die für das Pflanzenleben ungünstigen Peri- oden verhältnismäßig kurz sind. Wenn nun grüne Blätter solche Perioden überdauern, ohne assimiheren zu können, so schädigen sie die Pflanze durch die Atmung ihrer lebenden Zellen. Der dadurch eintretende Verlust an organischer Substanz ist sehr bedeutend, wenn wir zunächst einmal normale Atmungstätigkeit goo Hans Gradmann, annehmen. Das zeigen uns die Beobachtungen G. Schmidts (1902) über die Atmung verschiedener Blätter im Sommer und im Winter. Greifen wir die verhältnismäßig schwach atmenden zweijährigen Blätter von Hedera helix heraus, so zeigen (nach S. 16, die pro- zentualen in absolute Werte umgerechnet nach den Angaben S. 12) 25 g Blätter in 6 Stunden bei 25° C eine Kohlensäureabgabe von durchschnittlich 26 mg im Sommer (55 im Winter), das ergibt in 2 Monaten eine Abgabe von 7,5 g. Dabei enthalten aber 25 g Efeublätter überhaupt nur ungefähr 9,5 g Trockensubstanz (Will- stätter und Stoll 1922, S. 99). Da nun ein Blatt, das abgeworfen wird, bedeutend weniger Baustoffe braucht als eines, das die un- günstige Jahreszeit überdauert, und da ein Teil seiner Stoffe vor dem Abwurf in den Stengel zurückwandert, würde die Pflanze wahr- scheinlich die Erhaltung des Blattes während der 2 Monate mehr Material kosten, als die Bildung eines neuen im Herbst. Dabei würde zwar einige Zeit verloren, aber das neu- gebaute Blatt wäre dafür auch viel leistungsfähiger: sein weniger xerophiler Bau würde den Gasaustausch weniger hemmen, und außer- dem leistet der Chlorophyllapparat an jungen Blättern viel mehr als an alten (ungefähr das Doppelte nach den Befunden von Will- stätter und Stoll 1922, S. 49). Trotzdem gibt es im Mittelmeergebiet neben den zahlreichen immergrünen Holzgewächsen kaum solche, die ihr Laub über die Sommermonate abwerfen. Die Erhaltung des Laubes muß also doch vorteilhafter sein, und deshalb war von Anfang an zu erwarten, daß diese Blätter entweder auch während der beiden trockensten Monate noch assimilieren oder aber ihre Atmung sehr stark herab- setzen können. Mit geringer Atmung mußte natürlich eine allgemeine Herabsetzung der Lebenstätigkeit verbunden sein, und es war daher die Annahme Guttenbergs nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, daß die Pflanze in dieser Zeit zur Assimilation gar nicht befähigt sei. Tatsächlich wird aber, wie wir sahen, der andere Weg gewählt, die Pflanze assimiliert den ganzen Sommer hindurch. Sie assimiliert einmal, auch bei geschlossenen Spalten, die Kohlen- säure, die bei der Atmung tagsüber entsteht, und auch die nachts ausgetretene wenigstens soweit, als sie in den Interzellularräumen zurückgehalten worden ist. Schon damit wird der größte Teil des Verlustes wieder ausgeglichen. Darüber hinaus erlaubt die reich- Uche Öffnung der Spalten eine weit lebhaftere Assimilation, deren Produkte dem Wachstum zugute kommen müssen. Zwar scheint Die Windschutzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 523 das "Wachstum im Sommer selbst gering zu sein, was aber leicht verständlich ist, da wachsende Pflanzenteile besonders viel Wasser verbrauchen. Nicht der Mangel an Assimilaten, sondern der Mangel an Wasser hemmt das Wachstum während der Trockenzeit. Daß es aber nicht ganz erloschen ist, zeigen die blühenden Zweige, die ich noch Ende August bei verschiedenen Immergrünen wie Myrtus communis, Spartium junceum, Rosmariniis officinalis vorfand. Die immergrünen mediterranen Pflanzen besitzen keine sommer- liche Ruheperiode. Ihre Verbreitung beschränkt sich offenbar auf Gebiete, die einerseits von größeren Frostperioden verschont sind, andererseits aber in der trockenen Jahreszeit doch noch so viel Feuchtigkeit im Boden besitzen, daß die Assimilation keine oder doch keine große Unterbrechung zu erleiden braucht. Die besonderen Einrichtungen an den Spaltöffnungen bilden zunächst ein gewisses Hindernis für die Assimilationstätigkeit, und dieser Nachteil, vielleicht in Verbindung mit anderen, mag daran schuld sein, daß diese Pflanzen zumeist in kälteren Gebieten auch dann nicht mehr fortkommen, wenn, wie etwa in England, die Frostgefahr nicht größer ist als in den Mittelmeerländern. Hier aber sind "Wärme und Lichtverhältnisse das ganze Jahr hindurch verhältnismäßig günstig, und nachdem festgestellt ist, daß auch die sommerliche Trockenheit die Assimilation der xeromorph aus- gerüsteten immergrünen Gewächse nicht still legt, ist ihre weite Verbreitung unter dem Mittelmeerklima sehr verständlich. Andererseits ist die Öffnung ihrer Spalten im Sommer durch Wassermangel doch beschränkt, und daher müssen ihnen die Wind- schutzeinrichtungen, die trotzdem eine verhältnismäßig reiche Kohlen- säureaufnahme erlauben, von hohem Werte sein. Abschnitt VI. Zusammenfassung. 1. Die Bedeutung der eingesenkten Spaltöffnungen und ver- wandter Bildungen beruht nach der üblichen Erklärungsweise auf ihrer Wirkung als Diffusionswiderstand. Diese Erklärung ist un- befriedigend; bei geringerer Zahl oder Offnungsweite der Spalten wäre die Wirkung dieselbe; die Ausbildung so komphzierter Formen mit ihren immer wiederkehrenden Eigentümlichkeiten muß einen besonderen Grund haben. 524 Hans Gradmann, 2. In Modellversuchen wird festgestellt, daß sich in einem Gefäß mit Kalilauge das Verhältnis von Wasserabgabe und Kohlen- säureaufnahme aus der Luft mit wechselnder Windgeschwindigkeit ändert. Die Kohlensäure verhält sich genau so, als müßte sie, ehe sie absorbiert wird, an der Oberfläche der Flüssigkeit erst durch eine reaktionslose Schicht diffundieren, deren Widerstand gleich dem einer 4V2 mm dicken ruhenden Luftschicht ist. Wird nun durch den Wind die über der Flüssigkeit lagernde Schicht wasser- dampfreicher kohlensäurearmer Luft rascher und rascher entfernt und damit der Diffusionswiderstand zwischen der Oberfläche und der normal zusammengesetzten Luft verkleinert, so steigert sich die Wasserabgabe im umgekehrten Verhältnis zu diesem Widerstand, die Kohlensäureaufnahme aber in immer geringerem Maße, weil hier der konstante Widerstand an der Flüssigkeitsoberfläche stets noch hinzu kommt. Je stärker der Wind ist, desto geringer wird die C02-Aufnahme im Verhältnis zur Verdunstung (s. Kurve, S. 466). — Gefäße mit Kalilauge, die gegen Wind geschützt werden, nehmen verhältnismäßig viel COs auf. 3. Auch im Assimilationsparenchym der Pflanzen muß die Kohlensäureaufnahme um so mehr begünstigt werden, je besser es gegen Wind geschützt ist. Nun halten eingesenkte Spaltöffnungen, Kutikularleisten, kutikularisierte Atemhöhlen, Rollblätter usw. den Wind vom Assimilationsparenchym ab. Die Bildung weiter Kammern vor oder hinter der Zentralspalte und die Emporhebung der äußeren Mündung, zwei Einrichtungen, die dabei fast immer zu beobachten sind, erweisen sich auch in Modellversuchen als besonders wirk- same Mittel zur Abhaltung des Windes. Durch den starren Bau vieler Blätter wird ebenfalls der direkte Zutritt der Außenluft ver- hindert, die sonst bei jeder Biegung des Blattes durch den Wind eindringen müßte. All diese Einrichtungen bewirken also rein mechanisch eine größere COa-Aufnahme bei gleichem Wasser Verlust — oder geringeren Wasserverlust bei gleicher COä- Aufnahme. 4. Die ökologische Bedeutung dieser Wirkungsweise ergibt sich aus der kräftigen Ausbildung all der geschilderten Einrichtungen gerade an den Stellen, wo es an Wasser mangelt. Sie stellen also tatsächhch Windschutzeinrichtungen vor. 6. Die vielen mit Windschutzeinrichtungen versehenen immer- grünen mediterranen Blätter schienen eine Ausnahme zu machen, da sie angeblich im Sommer eine Ruheperiode durchmachen, zu Die Windscbntzeinrichtungen an den Spaltöffnungen der Pflanzen. 525 anderen Jahreszeiten aber auch nicht mehr unter Trockenheit zu leiden haben als normal gebaute Blätter. In Untersuchungen am natürlichen Standort konnte aber mit Hilfe der Inllltrationsmethode und einer neuen Methode der Interzellularluftanalyse festgestellt werden, daß diese Pflanzen am Ende eines besonders trockenen Sommers ihre Spalten täglich öffneten und daß sie die Kohlensäure, die in ihre Interzellularräume eintritt, assimilieren. Damit sind aber auch hier die Bedin- gungen gegeben, unter denen die Windschutzeinrichtungen ihre vorteilhafte Wirkung entfalten müssen. Literatur. Aübert, M. E., 1892, Recherches sur la respiration des plantes grasses. Revue generale de botanique, 4. Baranetzki, J., 1872, Über den Einfluß einiger Bedingungen auf die Transpiration der Pflanzen. Bot. Ztg., 30. Benecke, W., 1892, Die Nebenzellen der Spaltöffnungen. Bot. Ztg., 50. Bergen, J. Y., 1904, Transpiration of sun leaves and shade leaves of Olea europaea etc. Bot. Gaz., 38 (nach Quttenberg). Bernard, Ch., 1904, Le bois centripfete dans les feuilles des Coniferes. Beih. z. bot. Centralbl., 17. Blum s. Ursprung. Brown und Escombe, 1900, Gases and liquids, etc., in plants. Philos. Transact. of the roy. soc London, B, 193. — — , 1905, Researches on sorae of the physiological processes of green leaves etc. Ebenda, B, 76. Bänger, 1890, Beiträge zur Anatomie der Laubmooskapseln. Bot. Centralbl., 42. 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Weniger in chronologischer Hinsicht: zwar pflegt die Verholzung einer Membran erst einzusetzen, nachdem die Zelle im Verlaufe ihrer Entwicklung ein gewisses Alter erreicht hat, doch kann dieses Stadium bekanntlich oftmals bereits sehr frühzeitig, innerhalb einer kurzen Zeitspanne erreicht sein. Mit größerer Berechtigung vielmehr wollte man in ihr eine physiologische Alterserscheinung sehen, und zwar in zweierlei Beziehung: einmal in dynamischer, indem mit der Verholzung die Fähigkeit zum Flächenwachstum und zur Zellteilung verloren gegangen sein sollte, zum andern in struktureller Hinsicht, indem die mit der Verholzung verbundene strukturelle Veränderung der ursprünglichen Zellulosemembran als irreversibel galt, d. h. eine einmal verholzte Membram sollte nicht wieder „entholzt" werden können und somit für "Wachstumsprozesse, wie sie „jüngere" Membranen leisten können, unfähig sein. Aber gegen diese, insbesondere von Warburg und Schellenberg vertretene Anschauung sprechen gelegentlich in der Literatur niedergelegte Beobachtungen, so daß hier reichlich Un- klarheiten bestehen. Die ganze Frage scheint mir jedoch grund- sätzlich so wichtig zu sein, daß ausgedehnte Untersuchungen darüber Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 529 am Platze wären. Vorliegende kleine Arbeit, die ich wegen un- günstiger Verhältnisse nicht in dem wünschenswerten Maße aus- bauen kann, bemüht sich dem angedeuteten Problem experimentell nachzugehen und will auf zwei dankbare Versuchsobjekte auf- merksam machen, nämlich Flachs und Hanf. (Versuchsmaterial stelle ich gern zur Verfügung). In Abschnitt II soll gezeigt werden, daß Verholzung keinerlei Hindernis für ein, sogar sehr intensives, Flächenwachstum vorstellt; in Abschnitt III wird der Nachweis gebracht, daß eine Entholzung und „Zellverjüngung" möglich ist. Daran sollen sich im vierten Abschnitt einige allgemeine physio- logische Betrachtungen knüpfen. Vorausgeschickt sei eine Literaturübersicht, die jedoch nur die Hauptarbeiten herausgreifen kann, sowie einige Bemerkungen zur Versuchsmethode und Untersuchungstechnik. Nachdem in der älteren Literatur ^) Angaben aufgetaucht waren, wonach verholzte Zellen teilungs- und wachstumsfähig sein sollten, war Warburg (49) der Erste, der unsere Frage zum ausdrücklichen Gegenstand einer Untersuchung machte. Er kam zu dem Ergebnis (S. 440), daß „ein prinzipieller Grund gegen Entstehung von Neu- geweben aus einer verholzten Zelle nicht vorliegt", fährt dann jedoch fort, daß „bis jetzt noch als ausnahmslose Regel zu gelten hat, daß eine wirklich gut verholzte Membran der Expansionskraft des Zelleibes dauernde Hindernisse entgegenzusetzen vermag". Hierin vermutet er eine nicht unwichtige Funktion der Verholzung, da durch die Unfähigkeit der Zellen, sich auszudehnen und zu teilen, der Gesamtbau der Pflanze sehr viel größere Stabilität erlangen soll. — Kurz darauf wollte Schenck (36) bei Lianenstämmen beobachtet haben, daß auch verholzte Zellen, und zwar Belagzellen der Gefäße sowie Markstrahlzellen und Markzellen, zu einem „Dilatationsparenchym" wieder auswachsen können. Dieser Befund wurde jedoch von Warburg heftig angegriffen, er läßt jenes Ge- webe aus der Rinde hervorgehen. Zu derselben Zeit erschien als- dann die eingehende Untersuchung von H. C. Schellenberg (35), von deren Ergebnissen uns hier interessieren: eine Zelle mit ver- holzten Membranen kann sich nicht mehr teilen; eine verholzte Membran zeigt kein Flächenwachstum und höchstwahrscheinlich kein Dickenwachstum mehr; die physiologische Bedeutung der Verholzung ist in der Tatsache zu suchen, daß eine verholzte 1) Zusammenstellung bei Warburg (49). Jahrb. f. wiss. Botanik. LXU. Sb 530 Ernst Schilling, Membran kein Wachstum mehr zeigen kann. — "Wie man sieht, ist der letzte Satz eine schärfere Formulierung dessen, was schon Warburg vermutet hatte. Schellenberg geht aber viel weiter und spricht mehrfach direkt vom Zweck der Verholzung: letztere tritt ein, damit die Zelle nicht mehr wachsen kann. Hiergegen machte Nathanson (25) mit Recht geltend, daß „in unzähligen Fällen potentiell wachstumsfähige Zellen und Gewebe ihr Wachstum einstellen können", ohne daß eine Verholzung dazu nötig ist; nicht die Verholzung reguliert das Wachstum, sondern sie wird im Gegen- teil von ihm regulatorisch beeinflußt. Im übrigen aber nimmt auch er an, daß der Zellmembran mit Auftreten der Verholzung die Fähigkeit zum Flächenwachstum verloren geht, — Saito (33) will (für Bastfasern) in der Verholzung kein wachstumshemmendes, sondern nur ein mechanisch wirksames Mittel sehen, und Tine Tammes (45) lehnt auf Grund ihrer Beobachtungen an verholzten Bastfasern des Leins die Schellenbergsche Ansicht „als sehr spekulativ und unbegründet" ab, Pfeffer (29) hat sich dahin ge- äußert, daß man aus Wachstumsstillstand nicht ohne weiteres auf Wachstumsunfähigkeit schließen dürfe; wenn bis dahin kein Flächen- wachstum für verholzte Zellen nachgewiesen sei, so könnten doch Ausnahmen möglich sein, evtl. nach einer entsprechenden Meta- morphose der Membran. — Daß nun verholzte Membranen nach- träglich überhaupt eine chemische Veränderung erfahren können, wissen wir aus mehreren Beispielen: bei der Gummosis und ähn- lichen Prozessen durch die im Kirschgummi enthaltene Zytase (7), bei den Gallen von Andricus Olohuli Hart, auf Quercus Umwand- lung von sklerotischen Schutzzellen in dünnwandiges, unverholztes Nährgewebe (51), bei Bakterienbefall von Erythrina-W\irze\n Ent- holzung der Markstrahl- und Holzparenchymzellen (17). In den letzten Fällen handelt es sich allerdings schon um die Mitwirkung anderer Organismen in der lebenden Pflanze; daß verholzten Mem- branen überhaupt von Pilzen und anderen Mikroorganismen mit Hilfe von Enzymen die „inkrustierende Substanz" entzogen werden kann, ist ja aus zahlreichen Beispielen bekannt (4, 27). — Schließlich sei noch auf die Ansicht Küsters hingewiesen: er hält es für möglich, daß verholzte Zellen durch eine „Differenzierung" wieder wachstumsfähig werden (21), und hält gleichfalls eine kritische Nachuntersuchung der Schelle nbergschen Ergebnisse für wün- schenswert; neuerdings (22) äußert er sich dahin, daß „in der Anhäufung mancher Inkrustierungsmittel, vor allem des Holzstoffea Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 531 oder Hadromals" Altersbelastungen der Zellen gesehen werden dürfen. Auf weitere Hypothesen über die Bedeutung der Ver- holzung: Festigkeit und Dehnbarkeit (Sonntag), Wasserökonomie (Linsbauer), Nährsalzleitung (Casparis), Antisepticura (Czapek) kann hier nicht eingegangen werden. Zur Versuchsmethode sei folgendes bemerkt: Versuchspflanzen waren Linum iisitatisswmm und Cannahis sativa, und zwar solche Sorten, die zur Bastfasergewinnung benutzt werden. Außer in Töpfen oder Kästen gezogenen kamen hauptsächlich feldmäßig an- gebaute Pflanzen zur Verwendung. Meine Versuche bestanden darin, daß die Stengel in verschiedener Höhe, meist etwa in der Mitte des Stengels, und an verschieden alten Pflanzen mit der Hand umgeknickt wurden, so daß der obere Teil erdwärts herunter- hing. Darauf reagiert die Pflanze in zweierlei Beziehung: einmal wird, in etwa 5 — 16 Tagen, die orthotrope Stengelstellung wieder- hergestellt, sodann aber treten an den Knickstellen erhebliche Ver- dickungen auf, die den Stengeldurchmesser bis aufs Doppelte an- schwellen lassen können. (Photographien bei Schilling, 37.) Mit der Untersuchung dieser Veränderungen werden wir uns im folgenden zu beschäftigen haben. Am besten reagieren Pflanzen jüngeren Alters, etwa bis zur Blütezeit hin, langsamer solche, die in Frucht- bildung begrifi'en sind; überhaupt nicht solche, die kurz vor der natürlichen Reife stehen oder die zu tief unten geknickt sind, da dann offenbar das Gewicht des wieder aufzurichtenden Stengelteils zu schwer ist. Beseitigt man den Knick, indem man sofort den Stengel wieder aufrichtet und festbindet, so treten in den Fällen, die ich daraufhin beobachten konnte, nur sehr schwache oder über- haupt keine Anschwellungen der Achse auf. Alle geknickten Stengel überwanden den Eingriff, indem sie mit den unbehandelten Kontrollpflanzen zugleich normale Früchte ausbildeten und dann abstarben. Da es sich als unumgänglich notwendig erwies, ein möglichst lückenloses und zahlreiches Material zu bekommen, das die Veränderungen des Holzkörpers entwicklungsgeschichtlich zu prüfen erlaubte, wurden in einzelnen Versuchsreihen bis zu hundert Stengel (z. B. im Alter von 48 Tagen) an einem Tage gleichzeitig geknickt, und alsdann zuerst täglich, später in Abständen von wenigen Tagen je 3 — 8 Stengel zur Untersuchung vorgenommen. Diese erfolgte teils direkt an lebendem, teils an fixiertem Material (Alkohol, Carnoy, Juel, Kaiser) durch Hand- oder Mikrotomschnitte. Es sei ausdrücklich betont, daß sich die überraschenden Verände- 35* 532 Ernst Schilling, rungen der Holzzellen, z. B. die Entholzung, nur durch genaue fortgesetzte Kontrolle in ihren Einzelheiten erfassen lassen. Für unsere Darstellung ist es von Nachteil, daß wir — abge- sehen von der physiologischen Seite — auch über die chemische Seite der Verholzung bekanntlich sehr ungenügend orientiert sind. "Wenn ich im folgenden von „Verholzung" spreche, so sei darunter jener Vorgang oder jene Wandbeschaffenheit verstanden, die sich mikrochemisch durch die Rotfärbung mit Phlorogluzin -\- Salzsäure zu erkennen gibt. Selbstverständlich wurden auch weitere „Holz- reagentien" herangezogen: außer Chlorzinkjod, Anilinsulfat und Mäules Reagens nachKobaltorhodanid (Casparis, 3), ferner Thymol, Resorcin und einige andere Benzolabkömmlinge. Jedenfalls glaube ich auf Grund dieser wechselseitigen Kontrolle sageu zu dürfen, daß das, was ich als „verholzt" ansehe, dem landläufigen botanischen Begriff entspricht'). Alle Abbildungen stammen von Präparaten, die in Plorogluzin 4" HCl lagen, falls nicht anders bemerkt. Abschnitt IL Fiächenwachstum verholzter Zellen. Die erwähnten Stengelanschwellungen kommen beim Flachs durch umfangreiche Gewebewucherungen zustande, deren kompli- ziertes Endstadium schon früher beschrieben wurde (Schilling, 37). Schon damals wurde darauf hingewiesen, daß — ebenso wie die Bastfasern (Schilling, 39) — auch die lebenden Dauerzellen des Holzes sich daran aktiv beteiligen. Nach meinen jetzigen entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen verläuft der Vorgang folgendermaßen: an solchen Stellen des Holzkörpers, wo trotz des Knickes das Xylemgewebe seinen Zusammenhang bewahrt hat, be- ginnen die Elemente des primären oder die des ältesten sekundären Xylems, ebenso auch verholzte Markzellen, sich radial zu strecken. Mit zunehmender Streckung ist ein Dünnerwerden der auf die Mittellamelle aufgelagerten Verdickungsschichten verbunden. Diese Membranverdünnung ist zunächst nicht sehr erheblich; man findet besonders in den Stengelzonen, die etwa 3 — 7 mm ober- oder unterhalb des eigentlichen Knickes liegen, solche deutlich radial 1) Eotfärbung mit Phlorogluzin -|- HCl zeigen bekanntlich auch Gummiarten usw. (Czapek 4, S. 673ff.), manche verkorkte Zellwände, Wurzelhaare, Mesophyll usw., so daß sich der chemische Begriff der Verholzung mit dem botanischen nicht immer deckt. Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 533 gestreckten, aber noch ziemlich dickwandigen Zellen, deren Wachstum auf diesem Stadium sistiert wird. Je näher man aber der Mitte der Stengelanschwellung kommt, desto intensiver wird das abnorme Wachstum; es treten im Holzkörper Interzellulargänge auf, die einzelnen Elemente trennen sich längs der Mittellamelle, runden sich + ab und vergrößern sich sehr erheblich. Über das Schicksal der Mittellamellen habe ich genaueres nicht feststellen können; bald scheint ihr Verschwinden einer Resorption gleichzukommen, bald scheinen sie erhalten zu bleiben. Eine Entscheidung ist schwierig, da mit der Volumenzunahme der Zellen gleichzeitig deren Membranen so dünn werden, daß sie fast nicht dicker als die ursprüngliche Mittellamelle erscheinen. Das Endresultat dieser ersten Wachstumsperiode ist dann ein interstitienreiches, + lockeres Gewebe, das zwischen Markkrone und dem übrigen Holz sich ein- geschoben hat und den außen liegenden Holzkörper, der normal bleiben kann, an die Stengelperipherie radial hinausschiebt. Auf diese Weise kommt, unter gleichzeitiger Anteilnahme der Rinden- elemente, die Anschwellung des Stengels zustande. An diesem Wachstum nun beteiligen sich aktiv alle Elemente des Holz- körpers außer den Gefäßen und, soweit wie es sich um ganz alte Stengelteile handelt, den Tracheiden; letztere, sofern sie in jüngeren Stengelregionen liegen, wachsen gleichfalls mit aus. Alle diese Elemente zeigen^ sowohl im normalen Stengel zur Zeit der Knickung, als auch während ihres Wachstums sehr deutliche Holzreaktion. Die gleichen Wachstumserscheinungen sieht man, nur noch intensiver, dann auftreten, wenn durch den Knick, wie das häufig vorkommt, zwischen primärem Xylem einerseits und sekundärem Xylem andererseits ein Riß entstanden ist. In den hier befindlichen, oft erheblich großen Hohlraum wachsen alsdann die ältesten Holzelemente des sekundären Xylems zentripetal hinein und füllen ihn aus. Die Endprodukte sind hier wie im ersten Fall stark vergrößerte, dünnwandige Zellen von wechselnder Form: kugel-, schlauch-, keulenförmig usw. Das ganze Gewebe macht durchaus den Eindruck einer hypertrophischen oder kallusähnlichen Zellmasse, wie sie uns sonst aus der pathologischen Anatomie be- kannt ist, nur daß es sich hier um verholzte und, ohne Vermittlung des Kambiums, direkt aus dem Holze hervorgegangene Produkte handelt. Bei der morphologischen Gestaltung der Einzelzellen spielt außer ihrer Ausgangsform die Raumfrage entscheidend mit; die direkt an den Hohlraum grenzenden, ihrer alten Nachbarzellen 534 Ernst Schilling, beraubten Elemente haben Platz und schwellen zu riesigen Kugeln oder Blasen an; solche, die dahinter noch im Zellverband liegen, sind anfangs mehr zu einer lediglich radial orientierten Wachs- tumsrichtung genötigt und platten sich gegenseitig + ab. In späteren Stadien verwischen sich mit zunehmender Lockerung des Zusammen- hanges diese Unterschiede. Aus verschiedenen Umständen kann man auch entnehmen, daß an einer einzelnen Zelle sich die Membran höchst ungleichmäßig am Flächenwachstum beteiligt. So finden sich Markstrahlzellen, die einen becherförmigen „Pußteil" haben, dessen Durchmesser und Wanddicke fast noch derjenigen der ursprüng- lichen Zellform entspricht, während die daran anschließende übrige Membran zu einer riesig vergrößerten, sehr dünnwandigen Blase ausgedehnt worden ist (vgl. Fig. 1). Ebenso finden sich (auf Längsschnitten) Fasertracheiden , deren eine Längs- wand noch normale Dicke aufweist. DieseWachstumsverhältnisse, die denen bei der Thyllenbildung entsprechen, zeigen sich ebenso bei den später zu besprechenden Markzellen. Fernerhin spricht das Verhalten der Tüpfel für das Vorhandensein von ungleich starken Wachstumsfeldern. Im allgemeinen ist es so, daß mit steigender Flächen- vergrößerung der Membran die Tüpfel ungefähr gleichmäßig auch ihren Ab- stand vergrößern; dabei scheinen sie, entsprechend der Membranverdünnung, einem „Abschmelzungsprozeß" zu unterliegen, der, wie ich dies besonders an wachsenden Markzellen gesehen zu haben glaube, manchmal bis zu ihrem vollständigen Ver- schwinden geht. Es finden sich aber auch Zellen, bei denen z. B. die Kappe einer in einen Hohlraum hineinwachsenden riesigen Mark- strahlparenchymzelle ihre Tüpfel im alten Abstand trägt, während die anschließenden Membranpartien nur vereinzelte, weit auseinander gerückte Tüpfel erkennen lassen. Man hätte also hier interkalares Wachstum vor sich, wenn man nicht die an sich unwahrscheinhche Annahme machen will, daß an der isoliert in den Stengelhohlraum hineinragenden Zellkappe Neubildung von Tüpfeln erfolgt sei. Man muß hier sehr genau auf das jeweilige Entwicklungsstadium achten; denn, wie wir sehen werden, diese hypertrophierten Holzzellen sind Fig. 1. Flachs, Querschnitt. Hypertrophierende verholzte Mark- zelle mit becherförmigem Fußteil. Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 536 später, nachdem der erste Wachstumsschritt dieser Gewebewuche- rungen beendet is, sehr wohl imstande, Tüpfel und andere Neu- bildungen zu schaffen. Bemerkenswert erscheint mir fernerhin, daß sich in dieser wuchernden Holzzone auch Gewebekomplexe finden, deren Elemente (Markstrahlparenchym, Fasertracheiden, Gefäße) sich gar nicht aktiv beteiligen, sondern Form, Wanddicke und Zusammenhang bewahrend, als isolierte Inseln im dünnwandigen Wuchergewebe liegen und z. T. weithin verlagert werden, wie sonst die Gefäße allein. Eine Erklärung dafür, weshalb hier die auf die Nachbarzellen wirksamen Reize kein Wachstum auslösten, habe ich einwandfrei nicht gefunden (vgl. weiter unten). — Über das Ver- halten von Kern und Protoplasma habe ich keine genaueren Unter- suchungen anstellen können; beide Zellelemente sind jedenfalls oft sehr viel mehr in die Augen fallend als in den normalen Zellen, das Plasma reichlicher und dichter und in alten Holzwucherzellen zahl- reiche, grünliche, kleine Körper einschließend, die mit Sudan III positiv reagieren. Wie zu erwarten, tritt oberhalb der Stengel- knickung, aber auch unterhalb, in den meisten Geweben zunächst Stärkestauung ein, die später bei starker Wucherung zurückgeht. Als besonders plasmareich erwiesen sich solche Zellen des Holz- körpers, die im Verlaufe des Flächenwachstums allmählich ihre Verholzung gänzlich einbüßten, wie ich dies 10 — 14 Tage nach der Stengelknickung beobachtet habe (vgl. weiter unten). Die Wände solcher Zellen zeigen reine Zellulosereaktion, die Zellen selbst ein außerordentlich intensives Wachstum, und hier tritt un- zweifelhaft auch Zellteilung auf. Eine genauere Prüfung, inwieweit es überhaupt dieser durch die Zellwandmetamorphose erfolgten „Verjüngung" der verholzten Zellen bedarf, um Zellteilungen zu gestatten, möchte ich anderen Untersuchern überlassen; von den jetzt zu besprechenden Markzellen sind nämlich auch verholzte im- stande, Querwände anzulegen. Das Mark im normalen Stengel ist heterogen, es gliedert sich in eine innere, den zentralen Hohl- raum des Stengels umkleidende Zone von großen, dünnwandigen, unverholzten Zellen, die meist nur eine Zellschicht stark sind. Interzellularen aufweisen und mit zunehmendem Alter absterben; im mittleren und unteren Stengelteil sind sie schon mehr oder weniger stark desorganisiert. Zwischen dieser Schicht und dem primären Xylem liegt die uns interessierende äußere Markzone, die aus dickwandigen, stark verholzten und reich getüpfelten, in festem Verbände liegenden Zellen besteht. Diese Zellen nun reagieren 53g Ernst Schilling, auf Stengelknickung gleichfalls mit einem intensiven Flächenwachstum, das zuerst in radialer, später auch in anderen Richtungen einsetzt. Die so entstehenden Zellen stellen riesige Blasen oder Schläuche vor, deren Volumenzunahme nach meiner Schätzung das 20 — 50 fache betragen kann; sie wachsen zentripetal in die Markhöhle hinein, dabei das innere, dünnwandige Mark vor sich herschiebend und zusammenpressend, und können den ganzen Stengelhohlraum voll- ständig ausfüllen. Sie erweisen sich in allen Stadien gleich- falls als verholzt. Doch habe ich auch hier in wenigen Fällen bei vereinzelt liegenden Zellen eine spät auftretende Entholzung bemerkt. Die Anlage von dünnen, mit Chlorzinkjod sich violett färbenden Querwänden (in tangentialer Richtung) läßt sich in solchen sowie in den verholzten Zellen sowohl bei Beginn als auch im Verlaufe der Streckung gelegenthch beobachten (vgl. Fig. 2). Fig. 2. Flachs, Querschnitt aus 30 Tage altem Knick. Teilungen verholzter Markzellen, drei Zellulosemembranen sind durch Strichelung an- gedeutet. Diese ganze erste, Mark, Holz und Rinde ergreifende Wachs- tumsperiode ist gekennzeichnet durch die Schnelligkeit und Inten- sität, mit der alle lebenden Elemente in die Veränderungen hin- eingezogen werden; man ist erstaunt, wenn man bei der täglichen Untersuchung findet, welche großen, man möchte fast sagen stürmischen Wachstumsleistungen vollbracht werden, und das von Zellen, denen die Wachstumsfähigkeit überhaupt abgesprochen wurde. In manchen Fällen wird z. B. innerhalb von 10 Tagen der ganze Xylemring an einer Stelle vollständig in hypertrophierte Zellen umgewandelt, also auch das primäre Xylem, von dessen Zellen man ein Nichtreagieren noch am ehesten erwarten könnte. Bei diesen ganzen Vorgängen muß gleitendes Wachstum eine bedeutende Rolle spielen. Man sieht nicht nur, wie z. B. eine Ein Beitrag zar Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 537 tiefer im Holz oder Markkörper gelegene Zelle als einzelne in- mitten normaler Geschwisterzellen plötzlich sich radial gestreckt und dabei auf ihren Nachbarzellen entlanggeglitten sein muß, sondern man hat auf Serienschnitten auch den Eindruck, als ob ganze Ge- webekomplexe, von starker Streckung ergriffen, sich am normalen Holz entlanggeschoben, ja sogar durch normal bleibendes Gewebe (z. B. Mark) sich einen Weg gebahnt haben, indem sie durch eine längs der Mittellamelle entstehende radiale Längsspalte hindurch- gewachsen sind. Inwieweit hier wirklich „infiltrierendes Wachstum" vorliegt, konnte ich nicht genauer untersuchen. Zur Ergänzung sei bemerkt, daß auch das Kambium sich an den Neubildungen energisch beteiligen kann, indem es Lagen von Wundholz bildet; da seine Wachstumsintensität nicht an allen Stellen gleich ist, verleiht der neue Zuwachs dem ganzen Holz- körper ein sternförmiges oder gelapptes Aussehen auf Querschnitten. Seltener geht das Kambium in der Bildung von dünnwandigen hypertrophischen Zellen auf. Auch der Hanfstengel reagiert auf Knickung mit intensivem Flächenwachstum verholzter Zellen, und auch hier findet sich die mit den bisherigen Anschauungen unvereinbare Erscheinung, daß gerade die ältesten Elemente des Holzes, nämlich die innerste Zone des sekundären Xylems und das ganze primäre Xylem, vom Wachstum ergriffen werden. Schon nach wenigen Tagen (2 — 5) beginnt eine radiale oder dort, wo die primären Gefäßbündel locker an das Mark angrenzen, eine vorwiegend tan- gentiale Streckung aller Elemente (außer den Gefäßen), auf die sofort eine geradezu verblüffend schnelle Verwandlung dieser ganzen Zonen in dünnwandiges, großzelliges Wuchergewebe einsetzt. Von den Orten der primären Gefäßbündel schieben sich nach innen zu ganze Komplexe von Wucherzellen in das (unverholzte) Mark hin- ein; nach außen zu drängen sie gegen das sekundäre Xylem, das seinerseits ebenfalls wuchert, wobei immer neue Schichten, in fort- schreitender Richtung auf das Kambium zu, von der Veränderung ergriffen werden. Hierbei tritt nicht nur ansehnliche Zellvergröße- rung, sondern auch Zellteilung in stärkstem Maße auf, und es kann sich das ganze Gewebe allmählich entholzen, so daß sich allerhand Übergänge finden von Hypertrophie zur Hyperplasie einer- seits, von verholzten Wucherzellkomplexen zu solchen, die reine Zellulosereaktionen . in ihren Zellmembranen zeigen andererseits (vgl. Abschnitt III). Auch die unverholzten Markzellen werden 538 Ernst Schilling, ZU umfangreichen Wucherungen und Teilungen angeregt, sie füllen mehr oder weniger stark die zentrale Stengelhöhle aus; in späteren Stadien verholzen diese Wucherungen vollständig. Erwähnt sei, daß ebenso Rindenelemente sich vergrößern und teilen können ; besonders schön zeigen dies die Kollenchymstränge. Fig. 3 mag eine Vor- stellung davon geben, mit welcher Intensität der Holzkörper um- gewandelt wird; der Querschnitt stammt aus einem 13 Tage alten Knick, man erkennt vom primären Xylem nur noch zwei kleine Gruppen dickwandiger Elemente, davon eine mit Gefäßen, die andere mit toten Zellresten (punktiert). Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß die entstehenden Teilungswände sehr unregelmäßig orientiert sein können, und daß bei der Zersprengung des Xylems Gruppen von Holzelementen er- halten bleiben können, die auch in den spätesten Stadien bis zum natürlichen Tod der Pflanze keiner- lei Wachstum zeigen, sondern un- verändert im hyperplastischen Ge- webe liegen bleiben. Über das Schicksal der unverholzten Anteile der primären Gefäßbündel sei be- merkt, daß auch dasParenchym sich sehr lebhaft an den Wucherungen beteiligt, während die Phloem- elemente dabei in der Regel zer- quetscht zu werden scheinen und nur stellenweise mit auswachsen. Auf diese erste Wachstumsperiode beim Flachs, die, soweit das Xylem in Frage kommt, durch die beschriebene ausgesprochene Hypertrophie der Holzzellen resp. durch Neuanlage von Wundholz durch das Kambium gekennzeichnet ist, folgt eine zweite, in der das intensive Flächenwachstum sistiert wird, die vergrößerten Holz- zellen jedoch noch weitere Veränderungen zeigen können; gleich- zeitig kann dann noch eine starke Entholzung des sekundären Xylems eintreten, worüber in Abschnitt III berichtet wird. Wäh- rend viele der dünnwandigen verholzten Riesenzellen, insbesondere diejenigen, die in lockerem Verbände liegen, bis zum Absterben des einjährigen Stengels keine weiteren Veränderungen ihrer Mem- Fig. 3. Hanf, Querschnitt aus 13 Tage altem Knick durch das primäre Xylem. Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 539 branen erkennen lassen, bemerkt man an solchen Stellen, wo sie in festerem Zusammenhange stehen, ein nachträgliches Dicken- wachstum der dünnen Membran und die Anlage von neuen Tüpfelkanälen, die mit denen der eng anliegenden Nachbarzellen korrespondieren. Fig. 4 zeigt solche Elemente, die aus einer 41 Tage alten Stengelanschwellung vorsichtig isoliert wurden. Zu dieser Zeit ist der Stengel längst wieder orthotrop, und vielleicht sind für einzelne Holzpartien bestimmte Korrelationsstörungen, wie z. B. die Leitungsvorgänge, wenn auch nicht wieder normal, so doch wenigstens derartig ausgeglichen, daß nunmehr das Eigenwachstum der Zelle wieder gehemmt und reguliert wird (vgl. Abschnitt IV). Die Bilder zeigen auch deutlich, zu welch bizarrer Formbildung die Fasertracheiden und Markstrahlzellen befähigt sind, ebenso ihre ge- waltige Größenzunahme ; manche Fasertracheiden haben an einem Ende noch die Spindelform be- halten, während der an- dere Zellenteil beträchtlich gewachsen, sogar lappen- fbrmig verzweigt ist. Ob nicht noch weitere Diffe- renzierungen möglich sind, lasse ich dahingestellt; der Flachstengel erreicht nor- malerweise nur ein Alter von 100 — 115 Tagen; auch meine geknickten Exemplare starben zu dieser Zeit mit den Kontrollpflanzen ab. Sofern es meine Zeit gestattet, möchte ich versuchen, die Lebensdauer durch Entfernung der Fruktifikationsorgane zu verlängern und die Holzzellen weiter zu beobachten. Auch Versuche mit mehrjährigen Arten kämen hier in Betracht (vgl. S. 25). Fig. 4. Flachs, veränderte Holzelemente aus 41 Tage altem Knick. Abschnitt III. Entholzung verholzter Zellen. Zunächst sei noch einmal auf die eben schon erwähnten Ver- hältnisse beim Flachs zurückgegriffen. Fig. 5 gibt den Querschnitt durch einen jüngeren Stengelknick (12 Tage alt) wieder: das sekun- däre Xylem wird durch Hypertrophie seiner Zellen aufgelöst. Dabei 540 Ernst Schilling, sind die an das primäre Xylem angrenzenden Elemente noch regel- recht verholzt, die weiter nach außen hin liegenden jedoch mit dünnen Zellulosewänden versehen. Das Bild zeigt übrigens auch den von mir nicht häufig gefundenen Fall, daß das Kambium gleich- falls mit auswächst. Meistens bleibt es erhalten und bildet "Wund- holz. Fig. 6 bringt alsdann ein älteres Stadium aus einem 36 Tage alten Knick. Unverändert erweist sich auch hier noch der Ring des primären Xylems (Sp), während nach innen das Mark (M) und nach außen das sekundäre Holz (Hs) zu großen verholzten Blasen- zellen ausgewachsen sind (i = der durch Knickung entstandene Hohlraum). Das sekundäre Holz nun erweist sich außerdem stark zerklüftet durch dünnwandige, radialgestreckte und reine Zellulose- Fig. 5- Flachs, Querschnitt aus 12 Tage altem Knick. R == Rinde, K = Kambium, Xs = sekundäres, Xp = primäres Xylem. Zellen mit verholzten Wandungen sind punktiert. reaktion ergebende Zellen (Z). Verfolgt man die tägliche Ent- wicklungsgeschichte, so findet man, daß nach mehr oder weniger starker Streckung die Holzzellen ziemlich schnell ihre 'Verholzung verlieren und dann ein rapides Streckungswachstum verbunden mit gleichzeitigen Zellteilungen entfalten. Dabei können Gruppen von verholzt bleibenden Zellen stark verlagert werden. Die Zellteilung kann manchmal so lebhaft sein, daß man ein kam- biumähnliches Meristem vor sich zu haben glaubt. Die von Pfeffer (29) ausgesprochene Vermutung besteht also zu Recht: auch ver- holzte Zellen sind zu Teilungen befähigt, nachdem sie einen Entholzungsprozeß durchgemacht haben. In ganz späten Stadien können die so entstandenen Teilungsprodukte ihre Zellulosemem- branen ansehnlich verdicken. Weiterem konnte ich nicht nachgehen. Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 641 Sehr interessant liegen die Verhältnisse beim Hanf. Während ich über den eigentlichen Entholzungsprozeß bei den Zellen des Flachses nur sagen kann, daß er während oder nach erfolgtem Flächenwachstum sich bemerkbar macht, indem mit Dünnerwerden der Membran die Rotfärbung mit Phlorogluzin -|- HCl ganz allmäh- lich immer schwächer, dafür die Zellulosereaktion immer deutlicher wird, lassen sich beim Hanf außer dieser Erscheinung noch weitere beobachten. Zunächst kann es vorkommen, daß große zusammen- hängende Partien im sekundären und pri- mären Xylem, ohne zunäch s t weitere wesentliche Ver- änderungen zu zei- gen, die Holzreaktion nicht mehr geben ; sol- che Gewebekomplexe fallen sofort auf bei Anwendung der ver- schiedenen Holzreagen- tien. Ich glaubte zu- erst, daß aus irgend einem Grunde die Ver- holzung schon im nor- malen, ungeknickten Stengel unterblieben sei, wie dies ja z. B. für Urticaceen, Apo- cynaceen und andereFa- milien angegeben wird (Solereder, 42, S. 388). Doch konnte ich für diese Annahme keine Bestätigung finden (es handelt sich hierbei, was ausdrücklich betont sei, nicht etwa um die jüngsten, vom Kambium gebildeten Elemente, sondern um älteres sekundäres und primäres Xylem). Vorstellbar wäre auch, daß im geknickten Stengel der neue, vom Kambium gebildete Zuwachs unverholzt bliebe; auch das bestätigte sich nicht. Die genauen Prüfung führte dann zur Aufstellung des in Fig. 7 wiedergegebenen Entholzungsschemas, das sich auf Quer- Fig. 6. Flachs, Querschnitt. Erklärung im Text. 542 Ernst Schilling, schnittsansichten von Holzprosenchym bezieht. Diese Zellen können beim Hanf noch die Eigentümlichkeit haben, daß sie außer der ver- holzten primären Membran eine ansehnliche sekundäre besitzen, die ganz oder doch fast ganz aus Zellulose besteht; sie läßt mehr oder weniger deutliche Schichtung erkennen und löst sich beim Schneiden leicht los, so daß sie mit der primären Membran offenbar nur in lockerem Zusammenhange steht. In den Stadien a — c erfährt die Membran zunächst, ohne Wachstum zu zeigen, eine chemische Veränderung, indem der „Holzstoff" allmählich ganz verschwindet. Dann setzt Streckung ein, an dem in vielen Fällen auch die sekun- däre Membran noch teilnimmt (d) \ dabei verlieren die Zellen mehr a c d Fig. 7. Hanf. Schema der Umwandlung einer verholzten Prosenchymzelle in eine unver- holzte Wucherzelle durch homogene Entholzung. Verholzte Membranpartien sind punktiert. m ■= Mittellamelle, p = primäre, s = sekundäre Membran, L = Lumen. oder weniger ihren festen Zusammenhang, indem die stark ver- holzten Mittellamellen nebst Zwickeln verschwinden, die Zellkanten sich abrunden und reichlich Interzellularen entstehen. "Weiterhin folgt (e) Teilung und vollständige Resorption der sekundären Mem- bran, unter gleichzeitigem Dünnerwerden der primären. Im End- stadium sieht man alsdann statt des dicken verholzten Xylems ein dünnwandiges, durch zahlreiche Teilungen ausgezeichnetes, mächtiges, hyperplastisches "Wuchergewebe, dessen Membranen nachträg- lich in ganz alten Knicken wieder verholzt werden können. Fig. 8 zeigt einen Querschnitt durch das älteste sekundäre Xylem; ein Teil entspricht dem Zustand c, nur daß hier die sekundären Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 543 Membranen fehlen, er liegt scharf abgegrenzt im sonst normalen verholzten Gewebe. In einem andern Teil hat Zellteilung statt- gefunden; die neuen Tangentialwände ergeben Zellulosereaktion, die alten radial ausgezogenen Wände Holzreaktion. Zwei Gefäße sind erfüllt von Thyllen; letztere sind anfangs noch unverholzt, später verholzt. — Die eben geschilderte Entholzung, die, weil sie gleich- mäßig die ganze Zellmembran ergreift, als „homogene Ent- holzung" bezeichnet werden mag, läßt sich ebenfalls sehr schön rings um die primären Xylemanlagen verfolgen. Als bemerkens- wert ist noch nachzutragen, daß primäre und sekundäre Holzelemente in der Nachbarschaft solcher homo- gen entholzten Gewebepartien ganz außerordentlich reich mit Stärke er- füllt sind und sich auch dadurch von den ganz oder fast ganz stärke- freien entholzten Partien abheben. Ließ man diese Gewebe (dünne Handquerschnitte) 16 Stunden im Chlorzinkjod liegen, so quollen aus dem Lumen der Zellen violett- gefärbte, bis zu mehreren Milli- metern lange Schläuche heraus, die aus verquellenden Stärkekörnern zusammengesetzt waren; ob etwa auch die sekundäre Membran bei der Bildung beteiligt war, konnte ich nicht untersuchen. — Der homo- genen Entholzung soll die partielle gegenübergestellt werden. Schon aus dem zu Fig. 8 Gesagten geht hervor, daß wir Zellen vorfinden, die zu einem Teil aus verholzten, zum andern Teil aus unverholzten Wänden bestehen können. Dabei sind aber die unverholzten Wände Neuanlagen, also nicht durch Entholzung zu ihrem Zellulose- charakter gekommen; nur von der letzten tangential verlaufenden Wand in einem solchen Zellteilungszuge wird man annehmen dürfen, daß sie der alten verholzten Primärmembran entspricht, die nunmehr als dünne Zellulosemembran auftritt, also entholzt sein muß. Viel anschaulicher läßt sich eine partielle Entholzung in gewissen Xylem- partien beobachten, die nur Streckung, aber noch keine Teilung aufweisen. Fig. 9 soll diesen Vorgang schematisch wiedergeben. QGoar ogRaat ^ögaoagQRH^n«"' Fig. 8. Hanf, Querschnitt. Entholzung und Teilungen im Xyleni. Das Lumen von verholzten Zellen ist punktiert. G = Gefäße, Th = Thyllen. 544 Ernst Schilling, Hier behalten die tangentialen Membranen unverändert ihre Dicke und Verholzung, die radialen Wände geben reine Zellulosereaktion und werden mit zunehmender radialer Streckung der Zelle immer dünner. Vielleicht spielt die in der Literatur bewiesene geringere Dehnbarkeit verholzter Membranen bei der Formwandlung unserer Zellen eine Rolle, indem die dicken verholzten Tangentialwände sich zunächst passiv verhalten, während die entholzten Radialwände, wenigstens im Anfangsstadium, Dehnung erfahren und später erst aktives Wachstum entfalten. Es gewährt einen eigentümUchen An- blick, wenn man auf solchen, mit Phloroglucin -|- HCl behandelten Querschnitten auf weite Strecken hin im Xylem alle Tangential- wände dunkelrot, alle Radialwände aber leuchtend weiß erscheinen sieht. Später werden alsdann auch die Tangentialwände entholzt. Fig. 9. Hanf. Schema der Umwandlung einer verholzten Prosenchymzelle durch partielle Entholzung in eine unverholzte "Wucherzelle. Verholzte Memhranpartien sind punktiert. und das Xylem wird in dünnwandiges Wuchergewebe umgewandelt. Bei all diesen Vorgängen habe ich mir weiter die Frage vorgelegt, ob nicht auch die Wandungen der toten Gefäße entholzt werden könnten; ich möchte eine verneinende Antwort geben, obschon ich meiner Sache hierin nicht ganz sicher bin. Wenn man im un- verholzten Wuchergewebe des Xylems nach ihnen sucht, so findet man sie jedenfalls in verholztem Zustande vor. — Eine weitere Schilderung der ganzen sehr komplizierten, sicherlich an inter- essanten Einzelheiten reichen Veränderungen im Stengel zu geben, lag nicht in meiner Absicht. Wir können unsere anatomischen Beobachtungen schließen, nachdem wir gefunden haben, daß ver- holzte Zellen wachstumsfähig sind, und wollen uns nunmehr einigen kurzen physiologischen Betrachtungen widmen. Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wandreizes. 545 Abschnitt IV. Physiologische Betrachtungen. Als Ergebnis unserer Untersuchung haben wir zunächst ge- funden, daß Zellen des Holzkörpers in verholztem Zustande ex- perimentell zu Flächenwächstum und Teilung angeregt werden können. Man darf also aus dem Wachstumsstillstand nicht ohne weiteres auf Wachstumsunfähigkeit schließen. Wir haben weiterhin gesehen, daß die Entwicklung einer Kambiumzelle zu einer jugend- lichen unverholzten Holzzelle und weiter zur verholzten Holzzelle auch insofern keinen Abschluß bedeutet, als es gelingt folgende Entwicklungsreihe zu erhalten: Kambium, jugendliche Holzzelle, verholzte Holzzelle, entholzte Holzzelle, entholzte Wucherzelle, ver- holzte Wucherzelle. Das bedeutet, daß der Verholzungsprozeß reversibel ist und vom Wachstum reguliert wird. Nehmen wir zu diesen beiden Beobachtungen noch die schon von Nathansohn be- tonte Tatsache hinzu, daß es in unzähligen Fällen gar nicht der Verholzung bedarf, um das Wachstum hintanzuhalten, so kommen wir zu dem Schluß: die physiologische Bedeutung der Ver- holzung ist nicht darin zu suchen, daß durch Verholzung das Wachstum verhindert werden soll. Somit ist diese von Warburg und Schellenberg gegebene und in die Literatur über- nommene Erklärung für die Funktion der Verholzung nicht mehr haltbar; wenigstens für unsere beiden Versuchspflanzen, denn es fragt sich sofort, ob wir die an Flachs und Hanf erzielten Resultate ohne weiteres verallgemeinern dürfen. Wir müssen uns zunächst daran erinnern, daß beide Versuchspflanzen, gemessen an Sträuchern und Bäumen, recht kurzlebig sind: beträgt doch die Vegetations- dauer für Flachs nur 100—110 Tage, für Hanf etwa 160 Tage'). Daraus ließe sich der Einwand ableiten, daß die Verholzung einer Zelle doch ein physiologischer Altersprozeß sei, der allerdings so langsam vorwärtsschritte, daß sich seine Wirkung nicht schon nach Monaten oder innerhalb einer einzigen Vegetationsperiode zeigte, sondern erst nach Jahren oder nach mehreren Vegetationsperioden. In der Tat liegt ja ein fast unübersehbares Beobachtungsmaterial vor, aus dem hervorzugehen scheint, daß bei experimentellen Ein- griffen oder bei pathologischen Bildungen [vgl. die bei Küster (21) angeführte Literatur] das Xylem unserer Holzgewächse sich als 1) Für normalen Faserflachs und Hanf bei uns in der Niederlausitz. Jahrb. f. wiss. Botanik. LXII. 36 546 Ernst Schilling, gänzlich reaktionsunfähig erweist. Aber gegen diesen Gedankengang ließe sich manches geltend machen. Ist zunächst schon vom rein theoretischen Standpunkt aus nicht einzusehen, warum sich eine Pflanze, der vermöge ihrer inneren Organisation nur eine Lebensdauer von 100 Tagen beschieden ist^ sich hinsichtlich Verholzung und Wachstumsfähigkeit dieser Zellen grundsätzlich anders verhalten sollte als etwa ein aus derselben Familie stammendes mehrjähriges Gewächs, so zeigt ebenso die praktische Erfahrung nach den bisherigen Untersuchungen, daß hier ein grundlegender Unterschied zwischen Ein- und Mehrjährigen nicht vorliegen kann: wäre das wirklich der Fall, so hätte das längst bemerkt werden müssen und wäre insbesondere Warburg und Schellenberg nicht entgangen. Dagegen spricht ferner die weit verbreitete Erscheinung, daß ältere verholzte Zellen sich die Fähigkeit zur Thyllenbildung bewahren, also auch in Mehrjährigen wachstumsfähig bleiben können. Und schließlich vermögen wir weder mikroskopisch noch chemisch greifbare Unterschiede zwischen den verholzten Membranen von einjährigen und ausdauernden Gewächsen nachzuweisen. Hier macht sich allerdings störend bemerkbar, daß „Verholzung" immer noch ein ungeklärter chemischer Sammel- begriff ist. Denn wenn jemand die Anschauung vertreten wollte, daß möglicherweise von Gattung zu Gattung, ja von Spezies zu Spezies die „Verholzung" anderer chemischer Natur sei, die wir mit unseren bisherigen Hilfsmitteln noch nicht nachweisen könnten, und daß hierauf die Unterschiede in der Reaktionsfähigkeit beruhten^ so ließe sich von chemischer Seite aus wenig dagegen, aber auch wenig dafür sagen ^). Von botanischer Seite aus könnte man zur Klärung der Frage innerhalb der Gattung Linum die Reaktions- fähigkeit ein- und mehrjähriger Arten vergleichen-) und weiterhin noch einmal sonstige Einjährige prüfen^). Die Reaktionsfähigkeit hängt ferner ab vom Vorhandensein eines reaktionsfähigen Protoplasten, und es erhebt sich die Frage, ob nicht hierin irgendwie eine Erklärung für das Ausbleiben des Wachstums zu suchen wäre. Als reaktionsunfähig sind ohne weiteres 1) Analysen des Flachs- und Hanf holzes gaben Schwalbe und Becker in Ztschr. f. angew. Chemie 1919, Nr. 34. 2) Z. B. das strauchförmige Linum arboreum, oder von weiteren Arten auch L. perenne, maritimmn, capitatum. 3) Cirsium, Vicia u. Brassica reagierten bei mir bisher nicht. Vielleicht empfehlen sich schnellwachsende Gewächshauspflanzen, die mir nicht zur Verfügung stehen. Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 547 alle abgestorbenen Elemente des Holzes und Markes gekennzeichnet, und somit scheiden beträchtliche Gewebepartien der Mehrjährigen hier aus. Nach Fritzsche (5) haben Holzfasern „im allgemeinen eine Lebensdauer von etwa 8 "Wochen ; nur in wenigen Fällen bleibt ein Teil den Winter über lebend. Bei Salix starben sie erst im Herbst des dritten Jahres ab". Bei den echten dikotylen Kern- hölzern bleiben sämtliche Parenchymzellen, Ersatzfasern, Faserzellen und Markstrahlzellen bis zur Kernholzbildung lebend. Der Über- gang vom Splint zum Kernholz erfolgt innerhalb von 1—3 Jahres- ringen. Bei den dikotylen Splinthölzern sterben meist die lebenden Elemente allmählich ab, z. T. schon vom 1. Jahresring an. Puchinger (52) schließt aus ihren Beobachtungen, daß skieroti- sierte Zellen in lebenden Organen nicht vorzeitig, nach Ausbildung der Wandverdickung absterben. In Stämmen schwankt die maxi- male Lebensdauer der Skiereiden zwischen 2 und 4 Jahren. Und nach Janssonius (53) sollen bei dem tangentialen Wachstum auch in älteren Zweigen die Rindenelemente, darunter auch Bastfasern und Idioblasten, sehr wohl Wachstums- bezw. teilungsfähig sein. Demnach ist es notwendig, sich von Fall zu Fall zu vergewissern, ob überhaupt ein lebender Protoplast vorhanden ist, ehe man aus dem Verhalten einzelner Versuchsobjekte allgemeine Schlüsse auf die Wachstumsfähigkeit verholzter Zellen zieht. Offenbar bleiben für unsere Betrachtung hauptsächlich nur jüngere verholzte Zellen übrig, die lebend sind; aber gerade von ihnen wird fast durchweg angegeben, daß sie sich an der Bildung von Kallus oder sonstigen Wucherungen nicht beteiligen (Tittmann 46, Krieg 20, Simon 41). Nach Tompa (47) und St oll (44) sollen allerdings an das Kambium angrenzende Holzparenchymzellen auswachsen können^). Vorstellbar wäre, daß, wenn schon nach etwa 8 Wochen die Holz- fasern absterben, bereits geraume Zeit vorher, also in einem recht jungen Stadium, der Zellinhalt degenerative Veränderungen erfährt, die die junge Zelle reaktionsunfähig machen. Aber gegen eine derartige spezifische Reaktionsunfähigkeit verholzter Zellen sprechen die in der Einleitung genannten Angaben einzelner Autoren und meine eigenen Befunde. Ebenso nahe liegt es, die Ursache für das Ausbleiben der Reaktion nicht in den Determinations-, sondern in den Realisationsfaktoren*) zu suchen, sich also die Frage 1) Yermntlich handelt es sich am Zellen, deren Verholzung noch nicht beendet ist. Die beiden Originalarbeiten konnte ich nicht einsehen. 2) Im Sinne yon Roux (32). 36» 548 ^™st Schilling, vorzulegen, ob unsere Zellen über die nötige „potentielle Wachs- tumsenergie" verfügen, und welche auslösenden Faktoren auf sie wie auf die reagierenden Nachbargewebe wirken. Bei den ganzen Ge- staltungsprozessen werden Korrelationsstörungen zu berück- sichtigen sein. In unseren geknickten Stengeln fanden wir entweder Gewebe- partien aus vergrößerten Zellen ohne Teilungen, also Hyper- trophien, oder Gewebewucherungen, die aus abnormen Zell- vermehrungen resultierten: Hyperplasien. Beteiligt ist außer Holz und Mark auch die Rinde, von deren Elementen sich z. B. Parenchym und Kollenchym (beim Hanf) intensiv, die Bastfasern durch lokales Flächenwachstum (Schilling 39, 40) betätigen. Zweckmäßig werfen wir zunächst einen kurzen Blick darauf, durch welche Faktoren die gleichen Gewebeanomalien sonst im Pflanzen- reich hervorgerufen werden können. Beide Gruppen von Gewebewucherungen sind bekanntlich weit verbreitet und ließen sich mit Rücksicht auf ihre Entstehung kurz einteilen in Osmomorphosen, Mechanomorp hosen und Chemomorphosen — ohne die Schwierigkeiten zu ver- kennen, die einer Analyse der Gestaltungsprozesse auch heute noch erwachsen. Erzeugen wir in Sproßachsen Wasserüber- schuß, etwa durch Einstellen in feuchte Luft (vgl. Küster, 21, S. 33) oder durch Überziehen mit chemisch indifferenten Kohlen- wasserstoffen (Schilling 38), so wirkt der erhöhte Turgor als Wachstumsreiz. Ebenso werden die unter der Einwirkung von narkotischen Gasen auftretenden Gewebewucherungen auf Turgor- steigerung zurückgeführt (Richter 30). Wenden wir uns den Mechanomorphosen zu, so sind uns keine einwandfreien Beispiele dafür bekannt, daß auf veränderten Zug oder Druck hin als Reiz- reaktion ähnliche Gewebewucherungen entstehen. Hartigs (16) Deutung des Wundholzes und der Überwallungswülste ist unbewiesen; aus den Versuchen von Kny (18) geht hervor, daß wenigstens Zellteilungen erzielt werden können. Auf die Versuche von Grabert (6) und Bücher (2) werden wir weiter unten zu sprechen kommen. Aus der großen Zahl der Chemomorphosen seien für unseren Zweck die Befunde von Ritter (31) und Wehmer (50) herausgegriffen. Sie beobachteten Riesenzellbildung bei Mucor und Aspergillus unter der Einwirkung freier Säuren, und Wehmer ist geneigt, auch für hypertrophische Bildungen bei Phanerogamen- zellen eine Reizwirkung von freien Säuren anzunehmen. Daß der Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 549 Organismus selbst Reizstoffe liefert, ist aus den pathologischen Gewebewucherungen, die nach Verletzungen aller Art entstehen, zu entnehmen. Dabei wird sich freilich die Wirkung der eigentlichen traumatischen Faktoren oft genug mit denen etwaiger Korrelations- störungen kombinieren, eine Kombination, deren Analyse bekannt- lich viele Schwierigkeiten aufweist. Jede Verwundung, die wir einem Stengel zufügen, kann nicht nur, z. B. durch Absterben von Zellen, chemische Reizstoffe liefern, sondern sie kann gleichzeitig die stoffliche Leitung, die Wasserbilanz, die Atmung usw. in ver- änderte Bahnen lenken, die ihrerseits direkt oder durch Aufhebung von Hemmungen oder durch Neubildung von chemisch wirksamen Stoffen usw. als Reize wirken mögen. Ich führe diese Betrachtung, die in ihren Einzelheiten naturgemäß schwer zu analysieren, die als Ganzes jedoch notwendig und selbstverständlich ist, deshalb hier an, weil diese Verhältnisse bei unseren Holzwucherungen ihre Rolle spielen und weil ich geneigt bin, ihnen hier eine größere Rolle zuzusprechen als den von Haberlandt (8 — 15) vertretenen Tei- lungs- und Wuchshormonen. Haberlandt ist bekanntlich in einer Reihe experimenteller Arbeiten näher auf das Wesen des Wund- reizes eingegangen und hat den Nachweis erbracht, daß Abbau- produkte von mechanisch verletzten oder getöteten Zellen Wund- reizstoffe enthalten, die als Teilungs- oder als Wundhormone fun- gieren. Teilungshormone sollen ferner vom Leptom und von den primären und sekundären Meristemen gebildet werden. Die mög- liche Wirksamkeit dieser Stoffe werden wir sogleich ins Auge fassen müssen. Als Beispiel endlich dafür, daß die Achsenstruktur des Stengels infolge von Korrelationsstörungen weitgehend verändert werden kann, wählen wir die Untersuchungen Vöchtings (48) aus. Er beobachtete, wie vorher schon Kraus (19) z. B. bei Helicmthus annuus, daß nach Entfernung des Blütenstandes Rinde und Holz- körper Anomalien quantitativer und qualitativer Art zeigen; uns interessiert daran besonders, daß im hypertrophischen Stamm die Parenchymbildung wesentlich gesteigert ist, daß alle prosenchy- matischen und ein Teil der parenchymatischen Elemente in ihrem Längenwachstum gehemmt sind und daß Tracheiden und Holzzellen Auswüchse, Verzweigungen und andere Formanomalien aufweisen. Wir wenden uns nunmehr dem Wachstum unserer Holzzellen zu und fragen: wie sind die Verhältnisse im geknickten Stengel gegenüber denen im normalen geändert, und welche Faktoren können wir davon als wirksam ansehen? Als reine Osmomorphosen 550 Ernst Schilling, werden wir unsere Holzwucherungen m. E. nicht bezeichnen dürfen. Zweifellos wird zwar ein scharfer Knick den Transspirationsstrom erheblich stören, jedoch wird man sich einen Wasserüberschuß leichter unterhalb des Knickes vorstellen können als oberhalb, wo im Gegenteil an eine Turgorsenkung zu denken wäre, indem die kräftige Saugwirkung der Sproßspitze sich bemerkbar machen könnte. Und gleichwohl treten die gleichen histologischen Veränderungen unterhalb wie oberhalb auf. Fig. 10. Hanf, elf Tage alter Knick. Sprengung des Xylems infolge „Zellverjüngung" M = Mark, G = Gefäße, E = nekrotische Zellresle. Ebensowenig werden wir rein mechanische Faktoren für die Entstehung der Wucherungen verantwortlich machen können. Zwar befinden sich an der Knickstelle die Gewebe der Konvexseite unter erhöhter Zugspannung, die der Konkavseite unter erhöhtem Drucke, besonders in der Rindenzone, während der Holzkörper z. T. zer- bricht und Risse oder größere Spalten bekommt. Aus den Unter- suchungen von Bücher (2) wissen wir, daß gewaltsam gekrümmte Sprosse Kamptotrophismus zeigen, aber in unserem Fall reagieren Konvex- und Konkavseite gleichmäßig mit Hypertrophie und Hyper- Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 561 plasie der Gewebe, nicht ungleichmäßig mit Differenzierung der Membranen. Wenn man in die entstandenen Hohlräume des Stengels die Holzzellen hineinwachsen sieht, so könnte ferner der Gedanke nahe liegen, daß die Aufhebung einer rein mechanisch bedingten Korrelationshemmung als Reiz wirkt. Jedoch auch damit ist nichts gewonnen. Denn gleichzeitig weisen Zellen, die im un- versehrten, festgefügten Xylemverbande liegen, bei Flachs und Hanf Wachstum auf, und zudem weiß man ja, daß Ringelung und andere Eingriffe, die Holzschichten bloßlegen, keineswegs Wachs- tum veranlassen. Die Aufhebung des mechanischen Druckes wird vielmehr nur die morphologische Gestaltung der wachsenden Holz- zellen beeinflussen: die in freie Räume ragenden Elemente können ungehindert zu riesigen Schläuchen oder Blasen heranwachsen, während die im Gewebeverbande liegenden mehr oder weniger stark dem modellierenden Einfluß ihrer Nachbarzellen unterstehen und deshalb zu Umbiegungen, ungleichmäßigem Flächenwachstum, ja Verzweigung veranlaßt werden (Fig. 4). Inwieweit hierbei etwa Polaritätserscheinungen mitspielen, sei dahingestellt'). Wir wenden uns zu den Chemomorphosen. Dabei werden wir zunächst die etwaigen Reizwirkungen verletzter Zellen betrachten. Jeder Knick des Stengels tötet oder verletzt zahlreiche Zellen und liefert somit die Grundlage für die Bildung von „Wundhormonen" im Sinne Haberlandts. Nun fand ich zwar öfters, daß in der Nähe toter Zellen Wachstum und Teilung einsetzte; ich bin aber doch, besonders auf Grund von Serienschnitten, zu der Meinung gekommen, daß etwaigen Abbauprodukten solcher Zellen eine höchstens lokale Wirkung zugeschrieben werden kann. Durchaus nicht in allen Fällen bildeten tote Zellpartien den Herd für Wachs- tumsbetätigung, und ferner zeigten auch Gewebeteile, die keinerlei nekrotische Zellteile enthielten, auf weite Strecken hin intensive Zellvergrößerung und Teilung. Gegen letzten Punkt ließe sich natürlich einwenden, daß die Wundstoffe oder die von ihnen ver- ursachten Reize in das gesunde Gewebe weitergeleitet werden könnten oder daß das Gewebe Zellen enthielte, die äußerlich zwar intakt, innerlich aber doch „beschädigt" sind. Daß ausgewachsene Zellen durch lokale mechanische Verletzung zur Teilung angeregt werden, sucht Haberlandt (15, S. 26) ebenfalls wahrscheinlich zu 1) Vgl. hierzu Vöchting (48), Mäule (23), Neeff (26) und die BemerkuDgen ton Küster (21, S. 365). 552 Ernst Schilling, machen. Und was den ersten Punkt betrifft, daß nämlich in der Nachbarschaft getöteter Zellen Wachstum und Teilung ausbleibt, so denkt Haberlandt (15, S. 12) an die Möglichkeit^), „daß die Empfindlichkeit der Protoplasten für die Wundhormone gewöhnlich sehr groß ist und daß unter nicht abgespülten Wundflächen die reichlich gebildeten Wundhormone eine Überreizung und Lähmung der oberflächlichen Zellschichten bewirken, so daß die Teilungen ausbleiben"^). Die Möglichkeit sei unbestritten, eine Diskussion darüber halte ich aber für verfrüht, so lange nicht weitere experi- mentelle Untersuchungen auch für Sproßachsengewebe vorliegen. Denn ein Bedenken, für die Entstehung unserer Wucherungen „Wundreizstoffe" verantwortlich zu machen, liegt darin, daß wir in unserem Fall es immer mit korrelativ stark beeinflußten Ge- webeanteilen zu tun haben, während Haberlandts bisherige Ver- suche^) sich auf Haare beziehen, also zweifelsohne viel weniger abhängige Objekte, oder herausgeschnittene Scheiben aus Knollen oder Blättern und Eizellen, d. h. Anteile, die wir mit Stammgeweben nicht ohne weiteres vergleichen dürfen. Bei unseren Xylemele- menten, die vorzugsweise zu Organen der Festigung und Leitung morphologisch und physiologisch differenziert sind, können bezüglich Reaktionsfähigkeit andere Abhängigkeiten walten als bei den Ge- weben einer Knolle, die als Speicherorgan funktioniert, oder gar bei den Geschlechtszellen. Man muß mit dem Vorhandensein von Zellen rechnen, für die, entweder kraft ihrer eigenen inneren Organisation oder infolge korrelativer Abhängigkeiten, Abbau- produkte verletzter Zellen niemals einen auslösenden Reiz bedeuten, die aber gleichwohl auf andere Wundreize mit Wachstum reagieren können. Ja man wird vorsichtigerweise weiterhin die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, daß selbst für gleichartig differenzierte Zellen ein und desselben Gewebes die Reaktionsfähigkeit auf „Wundhormone" abhängig ist von dem jeweiligen Komplex von Bedingungen, unter denen die Zellen beobachtet werden; sie könnten 1) Bei der Kartoffelknolle. 2) Übrigens sei bemerkt, daß die 5 — 20 Minuten dauernde kräftige Abspülung mit Leitungswasser probeweise durch besonders vorsichtig destilliertes Wasser zu ersetzen wäre, da ja jedes Leitungswivsser eine mehr oder weniger starke chemische Lösung ist, deren Be- standteile so diffizile Stoffe, wie es die Wundhormone offenbar und die Protoplasten sicherlich sind, beeinflussen könnten. Hl 3; Abgesehen von Nr. 9, wo (bei Sedn7n spectabile, S. 1097) es im Hadromteil der Gefäßbündel übrigens zur Thyllenbildung kam. Kin Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 553 z. B. unter den anomalen Kulturbedingungen Haberlandts (milli- meterdünne Gewebeplättchen in feuchtem Raum) für „Wundhormone" empfänglich sein, brauchten dies aber nicht dann, wenn sie inner- halb des Organs unter dem korrelativen Einfluß ihrer Nachbarzellen stünden (Ernährung, Transpiration, osmotisches Gefälle, mechanische Hemmung usw.!). Halte ich schon aus diesen Gründen eine schema- tische Übertragung der Haberlandtschen Ergebnisse auf Wund- gewebe allgemein nicht für angebracht, so gibt gerade bezüglich unserer Holzwucherungen zu Bedenken Anlaß das in zahllosen Fällen von anderen Autoren beobachtete Nichtreagieren verholzter Zellen, denen nach Verletzung der Achsengewebe — sei es von Seiten der Natur, sei es von Seiten des Experimentators — „Wundhormone" aller Art genügend zur Verfügung standen. Ein weiteres Bedenken sehe ich in dem Verhalten von solchen Flachsstengeln, die geknickt und dann sofort künstlich wieder in Normallage zurückgebracht sind: hier müssen doch dieselben mechanischen Verletzungen erfolgt sein wie in den sich selbst überlassenen Stengeln, und gleichwohl treten nur schwache oder gar keine Wucherungen auf. Und schließlich zeigen uns dje oben erwähnten Osmomorphosen, daß man ganz ohne die Annahme von aus Abbauprodukten erzeugten „Wundhormonen" auskommen kann. Hier genügt einfaches Einstellen in feuchte Luft oder Überziehen mit Paraffin, d. h. Transpirationshemmung, ohne Zellen zu verletzen, um sehr lebhaftes Wachstum und Zellteilung hervorzurufen. In einer anderen Mitteilung (10) be- richtet Haberlandt über Zellteilungen^) in plasmolysierten Zellen und kommt nach einer Interpretation der verschiedenen möglichen Faktoren zu dem Schluß (S. 348), daß wahrscheinlich ein besonderer, Zellteilungen auslösender Reizstoff vorhanden ist, dessen Kon- zentration durch Plasmolyse bezw. osmotischen Wasserentzug zu- nimmt und so Teilung auslöst. Aber auch dieser Gedankengang erweist sich für uns nicht als fruchtbar, da ja bei den als Osmo- morphosen gekennzeichneten Stengelwucherungen sich die osmo- tischen Verhältnisse gerade umgekehrt verhalten: es tritt Wasser- überschuß ein. Und einer Übertragung dieser Ansicht auf unsere Stengelwucherungen stellt sich das gleichartige Reagieren der Ge- webe entgegen: unter dem Knick, wo infolge der unterbrochenen Leitung keine Turgorsenkung, sondern wahrscheinlich im Gegenteil 1) In Haarzellen von Coleus und Zwiebelschuppenepidermis von Allium Cepa (modifizierte und unvollständige Zellteilung). 554 Ernst Scbilling, Wasserreichtum herrscht, erfolgte ebenso Wachstum und Teilung wie oberhalb, wo eine anfängliche Turgorsenkung zu erwarten ist. Hypertrophie und Hyperplasie traten ebenfalls in den genannten Untersuchungen Vöchtings (48) auf; wenn hier nach Entfernung des Blütenstandes der Stengel sich veränderte, auch weit entfernt von der durch den Schnitt geschaffenen Wundfläche, so spricht dies Verhalten dafür, daß ein besonderer „Wundreizstoff" nicht vorUegen kann^). Vöchting sagt ausdrücklich, daß, abgesehen von einer Störung der Symmetrie, des morphotischen Gleich- gewichtes unter den Teilen des Organismus, die veränderten Er- nähruugsverhältnisse ausschlagend sind. «Wir dürfen daher mit einer an Bestimmtheit grenzenden Wahrscheinlichkeit sagen, daß anomale Ernährung eine wichtige, vielleicht sogar die einzige, Ursache der eigentümlichen Wachstumsvorgänge sei" (S. 239). Wir kommen zu dem Ergebnis, daß kein Grund vorliegt, unsere Hypertrophien und Hyperplasien durch Wirkung von besonderen „Wundhormonen" im Sinne Haberlandts zu erklären^), und werden nach weiteren Faktoren suchen müssen. Dabei wird man sich zunächst daran erinnern dürfen, daß nach Verwundung eine erhöhte Atmung einsetzen kann. Dies w^äre auch für unsere Stengelwunden nicht von der Hand zu weisen, als Energiequelle würden die reichlich aufgestauten organischen Assi- milate zur Verfügung stehen; man kann sich z. B. vorstellen, daß, nach Umwandlung von Stärke in Glukose, durch die Veratmung der Glukose Substanzen geschaffen werden, die bei einer normalen Regulation des Stoffwechsels in unseren Geweben nicht auftreten. Der Atmungsprozeß brauchte ja z. B., infolge der ungewohnten Kombination von erhöhtem Atmungsbedürfnis mit gleichzeitiger Anwesenheit von überschüssigem Betriebsstoff, gar nicht bis zu den Endprodukten COo und H2O vorzuschreiten, sondern könnte bei einer Zwischenstufe, etwa organischen Säuren, stehen bleiben oder solche Zwischenprodukte wenigstens in so nennenswertem Umfange zeitweilig anhäufen, daß diese entweder direkt durch ihre chemischen Qualitäten oder durch ihre osmotischen Eigenschaften oder auch 1) Läge wirklich ein Wundreizstoff vor, so müßte seine Wirkung außerordentlich weit fortgeleitet werden können; die Reaktion der Gewebe wäre übrigens ökologisch bedeutungslos. 2) Soweit ich sehen kann, will Haberlandt (13, S. 4) die Wirksamkeit* der Hormone vorläufig auf die anfänglichen Zellteilungen, die zur Bildung von Wundgeweben führen, beschränkt wissen, und nicht auf die „übrigen Folgen der Verwundung" ausdehnen. Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 555 durch Beseitigung von „HemmungsstolTen" in der alternden Zelle indirekt Wachstum induzierten. Besonders nahe läge dieser Ge- dankengang, wenn wir in unseren Knicken intramolekulare At- mung vermuten dürften. Auf die Möglichkeit dieser Beziehung habe ich früher hingewiesen (38, S. 78). Machen wir aber die Annahme, daß infolge irgendwelcher anomalen Atmung solche chemischen Verbindungen entstehen, so nähern wir uns damit der von Wehmer geäußerten Idee. Von „"Wundhormonen" könnte man hier natürlich nicht sprechen, wohl aber ließe sich die Bildung solcher organischen Säuren als eine Regulationsstörung auf- fassen: spricht doch manches dafür, daß auch höhere Pflanzen schon im normalen Stoffwechsel sich der Bildung dieser Stoffe als eines ökologischen Prinzips bedienen, indem sie mit ihrer Hilfe den Turgor regulieren. Dabei muß, wenn die Zelle wächst, also Vo- lumen und Verdünnung des Zellsaftes vergrößert wird, korrespon- dierend auch die Säurebildung gesteigert werden, und eben diese „Selbststeuerung" im Organismus wird durch Verwundung gestört werden. Gleichzeitig wird ja infolge der Stengelknickung der Zu- fluß der Mineralsalze gehemmt, deren basische Bestandteile nötig sind, um die freien Säuren zu binden. Von hier aus betrachtet ließe sich etwa folgende Faktorenkette konstruieren: Verwundung Stauung von Organ. Assimilaten freie organ. Säuren erhöhte Atmung osmotisch chemisch Ausbleiben der basischen Anteile wirksame Wachstumsreize. Ich möchte dabei betonen, daß also auch eine lediglich quantitativ erhöhte Bildung eines an sich normalen Stoff- wechselproduktes ein Glied in der Faktorenkette vorstellen könnte, ein Grund mehr, um spezifische Wundhormone abzulehnen. Wie weit die Einzelheiten dieser Betrachtung bei unseren Wuche- rungen verwirklicht sind, sei dahingestellt, da experimentelle Unter- suchungen in dieser Richtung mir nicht möglich sind. Es sollten hier nur theoretisch einige Bahnen aufgezeigt werden, in denen der „Wundreiz" verlaufen könnte und die zweckmäßig zu prüfen wären. 556 Ernst Schilling, Mit unseren letzten Gedankengängen sind wir schon in das Gebiet der Ernährungsstörungen hineingekommen. Denn solche liegen hier vor, da die Leitungsbahnen unterbrochen und Stauungen von Assimilaten zu beobachten sind. Auch diese Korrelations- störung wird in die Bildung unserer anomalen Gewebe bestimmend mit eingreifen können, einmal, indem die quantitativ erhöhte Masse der zur Verfügung stehenden Assimilate die nötigen Betriebsstoffe für die vermehrte Wachstumsleistung liefert, also als „Unter- haltungsfaktor" im Sinne von Roux fungiert, zum andern, in- dem sie direkt als „Auslösungsfaktor" eingreift. Was den ersten Punkt anlangt, so ist klar, daß die sehr beträchtlichen Wachs- tumsleistungen, die in Abschnitt II und III erwähnt wurden^), auch eine bedeutend erhöhte Energiezufuhr beanspruchen. Hier könnte man zunächst noch einmal an die organischen Säuren an- knüpfen; denn deren Bildung wird auch von hier aus verständlich. Gehen wir der Einfachheit halber von Glukose aus (Stärkestauung läßt sich leicht im Knick nachweisen), so wird durch deren Oxydation zu Säure Betriebsenergie frei und zwar, was wesentlich ist, ohne Verlust (Citronensäure) oder sogar unter Gewinn (Apfelsäure, Oxalsäure) von osmotischem Druck ^). Hier vermöchte also ein und derselbe Prozeß Substanzen zu liefern, die in der Reizkette eine Rolle spielen könnten und deren Entstehung gleichzeitig die nötige Energie lieferte, um die Ausführung des Wachstums sicher- zustellen. Aus den anatomischen Bildern ergibt sich jedenfalls, daß Stärke angestaut wird, die allmählich sich verringert, daß weiterhin (beim Hanf) Auflösung der sekundären Membran, d. h. Mobilisierung von „Reservezellulose" auftritt, und schließlich werden auch die Inhaltsstoffe des Phloems, dessen zerquetschte Elemente für die Ableitung unbrauchbar geworden sind, Betriebsenergie liefern können. Zusammenfassend stellen wir fest, daß nicht nur genügend Betriebsstoffe zur Verfügung stehen, um kräftiges Wachstum, unter Vermeidung von ausgesprochenen Niedergangserscheinungen der Zelle, sicherzustellen, sondern daß sogar ein Überschuß davon vor- handen ist. Kann diese anomale Häufung plastischer Substanzen ihrer- 1) Man müßte einmal prüfen, welche Energiemengen allein schon das Wiederauf- richten der geknickten Stengel bei Flachs und Hanf verlangt. 2) Pfeffer, 28, S. 197. Ein Beitrag zar Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 557 seits direkt Wachtumserscheinungen auslösen, und wären somit unsere Wucherungen als „Trophomorphosen" zubezeichen? Vöchting (48, S. 239) glaubt die Ursache für die von ihm erzielten Gewebe- anomalien in der Stoffstauung selbst erblicken zu dürfen; auf die Einzelheiten in seiner Begründung kann hier nicht näher ein- gegangen werden. Auch Grabert (6), der an solchen Stengeln, die durch Eingipsen am Dickenwachstum behindert waren, Hyper- trophien und Hyperplasien besonders oberhalb der Druckzone beobachtete, scheint an eine Wirkung der Stoffstauung zu denken, ohne sich allerdings genauer auszudrücken (S. 41). Mit weiteren Beispielen für „Trophomorphosen" macht uns Küster (21, S. 383ff.) bekannt, betont aber, wie schwierig sich über die eigentlichen Faktoren etwas Bestimmtes aussagen läßt; er läßt die Frage offen, ob hypothetische Produkte der „inneren Sekretion" von äußerst komplizierter chemischer Zusammensetzung oder relativ einfache Körper chemomorphisch wirksam sind. Weitere Erörterungen zu dieser Frage dürften vorerst nicht geboten sein, da es an dem nötigen Tatsachenmaterial fehlt; insbesondere liegen meines Wissens keine vergleichenden Untersuchungen vor, wie sich Hyi^ertrophien und Hyperplasien unter dem Einfluß verschiedener Ernährungs- bedingungen verhalten. Jedenfalls wird man bei einer Analyse des Wundreizes die Anhäufung von plastischer Substanz als einen möglicherweise wirksamen Faktor nicht übergehen dürfen. Veranlassung zu den vorstehenden Betrachtungen gab die Frage (S. 27), ob wir die von anderen Autoren in zahlreichen Fällen beob- achtete Wachstumsunfähigkeit verholzter Zellen zurückführen sollten auf ein spezifisches Reaktionsunvermögen, bedingt durch die innere Struktur der verholzten Zelle, oder auf das Fehlen von Realisationsfaktoren. Ersteres muß ich ablehnen, sowohl auf Grund meiner eigenen an Flachs und Hanf gemachten Beobachtungen, als auch infolge der eingangs genannten Angaben anderer Autoren, besonders der meines Erachtens von Warburg und Schellenberg nicht genügend gewürdigten Thyllenbildung. Über die Thyllen sind wir hinreichend unterrichtet; sie stellen — rein anatomisch genommen — z. T. nichts anderes vor als die von mir gefundenen Holzwucherungen auch, nämlich verholzte Zellen, die entweder durch ein lokal begrenztes Flächenwachstum hypertrophische oder durch Teilung hyperplastischeFormen annehmen (Molisch, 24, v. Alten, 1, Küster, 21, S. 77). Und die Befähigung zur Thyllenbildung kommt bekanntlich außerordentlich vielen verholzenden Pflanzen 558 Ernst Schilling, ZU. Hier sei ferner der Erscheinung gedacht ^), daß alte Holzzellen nach Vollendung der Verdickungsschichten sich noch durch dünne Querwände teilen können (Sanio, 34). Weder die Beschaffenheit der Membran noch des Protoplasten, sofern er in alten Holzzellen noch lebendig ist, stellen also ein Hindernis für das Wachstum vor. Auf der anderen Seite zeigten die Erörterungen über die Realisa- tionsfaktoren, daß auch von ihnen ein Teil, nämlich die „Unter- haltungsfaktoren", kein Hindernis bilden. Somit bliebe nichts anderes übrig, als die Gründe für das Nichtreagieren entweder in Korre- lationshemmungen oder in dem Mangel an geeigneten aus- lösenden Reizen zu suchen. Damit aber nähern sich unsere Betrachtungen ihrem Ende; denn da einwandfreie Beispiele für eine wirklich morphogene Reizwirkung mechanischer Korrelationen nicht bekannt sind und auch unsere eigenen Beobachtungen da- gegen sprechen, sind wir an einen Punkt gelangt, dessen genaue Analyse derzeit sehr schwierig, wenn nicht unmöglich ist. Übrig bleiben noch chemisch bedingte Korrelationen, das „morphotische Gleichgewicht" Vöchtings, unbekannte auslösende Reize des „Wundreizes" oder schließlich solche gänzlich unbekannter Art. Chemisch bedingte Korrelationen müssen wir fordern, auch wenn wir sie noch nicht genau nachweisen können; auf der anderen Seite zeigten schon unsere Erörterungen, in wie vielfachen Bahnen bei einer Stengelknickung möglicherweise die den „Wundreiz" zu- sammensetzenden Einzelfaktoren zu auslösenden Reizen führen können. Wenn wir nun etwa sagen wollten, durch irgendeinen der diskutierten Faktoren würden in unseren Holzzellen Hemmungsstoffe beseitigt, und daraus resultierte ihr Wachstum, so wäre das nur ein Bild, das unsere Einsicht nicht weiterbrächte — statt einer Unbekannten hätten wir zwei, nämlich die hypothetischen Hemmungs- stoffe sowie die Veranlassung zu ihrer Beseitigung — und es würde sich sofort die Frage erheben, warum in anderen verholzen- den Pflanzen diese Hemmungsstoffe nicht auch nach Verwundung beseitigt werden sollten. Wollen wir weiterhin mit Vöchting die anomale Nährstoffanhäufung direkt wirksam sein lassen, so ist das möglich, aber unbewiesen; und noch größere Bedenken erheben sich, wenn wir Vöchtings „hypothetische Bildungsstoffe" oder Haberlandts „Wundhormone" heranziehen wollen — sie sind theoretisch gewiß vorstellbar, aber der Beweis für ihre bestimmende 1) Von Haberlandt neuerdings (15, S. 43) ebenfalls auf Hormone zurückgeführt. Ein Heitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 559 Wirkung ist in unserem Fall nicht erbracht. Ebenso möglich, aber unbewiesen wäre eine Reizwirkung der „osmotischen Stoffe" des Schemas auf S. 555; daß wirklich starke osmotische Kräfte vor- handen sein müssen, zeigen z. B. solche Zellen, die im festen Xylem- verband auswachsen und dabei den Widerstand der benachbarten Gewebe zu überwinden haben. Wahrscheinlich wirken überhaupt mehrere Faktoren gleichzeitig; wollten wir diesbezüglich nach einer Definition für unsere Stengelwucherung suchen, so kämen wir etwa auf „Osmo-Tropho-Chemomorphose". Ein besonderes Interesse schließlich verdient der Entholzungs- vorgang von der chemisch-physiologischen Seite. Auf die che- mischen Theorien^) über die „Holzsubstanz" näher einzugehen, ist hier nicht der Ort, zudem widersprechen sich die Meinungen be- kanntlich sehr. Mag man nun eine bloße „Inkrustation" oder eine chemische Bindung in der Membran annehmen: aus unseren Be- funden geht jedenfalls hervor, daß der Protoplast die Fähigkeit hat, die Holzsubstanz aus ihr, etwa durch Bildung eines holz- lösenden Enzyms, wieder herauszuschaffen; und vielleicht ge- lingt es einmal, aus derartig entholzten Geweben diesen Körper zu isolieren und zu identifizieren oder wenigstens seine Wirkung, etwa durch Auflegen von Schnitten auf artfremde Holzzellen, aus- zuproben und von dieser Seite aus ein Streiflicht auf die Frage zu werfen, inwieweit die „Verholzung" von Art zu Art verschieden sein kann. Wir haben allen Grund zu der Annahme, daß sich der Begriff „Verholzung", chemisch genommen, nicht deckt mit der „Verholzung", die wir vom physiologischen Standpunkt aus fest- stellen. „Es wäre kritiklos, wollte man z. B. das Mesophyll von Cycas, die Membran mancher Orchideenwurzelhaare usw. als mit Holz gleichartig ansehen" (Czapek, 4, S. 692), nur weil auch hier die Phlorogluzin -\- HCl-Probe deutliche Rotfärbung ergibt. An- dererseits liegt kein Grund vor, daraufhin nun etwa den Holzkörper von Flachs und Hanf als „unverholzt" im physiologischen Sinne zu bezeichnen. Wenn wir den Nachweis geführt haben, daß hier die Zellen in „verholztem" Zustande wachstumsfähig sind, so spricht das lediglich dafür, daß wir die physiologische Bedeutung der Verholzung nicht in einer Wachstumshemmung, sondern auf anderem Gebiete zu suchen haben. In dieser Beziehung scheinen die Untersuchungen von Casparis (3) einen neuen Weg l) Vgl. hierzu auch Casparis (3) und die dortige Literaturzusammenstellung. 560 Ernst Schilling, ZU eröffnen: er führte den experimentellen Nachweis, daß die durch Verholzung erhöhte Oberflächenwirkung der Membranen sich vor allem in einem Zurückhalten der basischen Anteile der Nährlösung äußert. Besteht das zu Recht, so könnte es auch ein Licht auf die Entstehung unserer Holzwucherungen werfen: aus dem nach Stengelknickung auftretenden Überschuß von organischen Assimilaten werden freie organische Säuren gebildet, die nicht gebunden werden können, weil die Zufuhr der Mineral- salze unterbrochen ist, und die so als Wachstumsreiz wirken. Abschnitt V. Zusammenfassung der Ergebnisse. Die lebenden Elemente des Holzkörpers bleiben potentiell wachstumsfähig; weder die Verholzung der Membran noch die Beschaffenheit des Protoplasten bedingen eine spezifische Reaktions- unfähigkeit. Die in der Literatur, insbesondere von Warburg und Schellenberg, vertretene Anschauung, daß verholzte Zellen nicht mehr wachstumsfähig sind und daß hierin eine physiologische Funktion der Verholzung zu erblicken sei, wird widerlegt. Verholzte Zellen lassen sich experimentell zu ansehnlichem Wachstum und Teilungen anregen. Die Verholzung ist ein reversibler Prozeß, der homogen oder partiell erfolgen kann. Entholzte Zellen sind gleichfalls zu inten- sivem Wachstum und Zellteilungen befähigt. Die Verholzung ist kein Kennzeichen für das physiologische Alter einer Zelle; nicht sie wirkt regulierend auf das Wachstum, sondern wird vom Wachstum reguliert. Durch Stengelknickung lassen sich umfangreiche hypertrophische und hyperplastische Gewebewucherungen erzielen, an denen außer dem Holzkörper auch Rinde und Mark beteiligt sind. Die möglichen Faktoren des Wundreizes werden einer Erörte- rung unterzogen; dabei wird die Anschauung vertreten, daß nicht spezifische „Wundhormone" im Sinne Haberlandts, sondern Korrelationsstörungen Wachstumsreize auslösen. Ein Beitrag zur Physiologie der Verholzung und des Wundreizes. 561 Literaturverzeichnis. 1. V. Alten, Krititiche Bemerkungen und neue Ansichten über die Tbyllen. Bot. Ztg., 1900, Abt. I, 67, 1. 2. Bücher. Anatomische Veränderungen bei gewaltsamer Krümmung und geotropischer Induktion. Jahrb. f. wiss. Bot., 1906, 43, 271. 3. 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Weide!, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und vergleichenden Anatomie der Zynipidengallen der Eiche. Flora, 1911, 102, S. 297. 52. Puchinger, Herrn ine. Über die Lebensdauer skierotisierter Zellen. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. Wien, math.-naturw. KL, Abt. I, 131. Bd., 1922, S. 47. 53. Janssonius, H., De tangentiale groei van eenige pharmaceutische basten. Diss. Groningen 1918. Beitrag zum Problem der Perzeption von Licht- und Schwerereiz durch die Pflanze. Von Rose Stoppel. Mit 3 Textfiguren. Einleitung. Bekanntlich stehen sich bezüglich des Wesens der photo- und geotropischen Krümmungen zwei Anschauungen gegenüber, die in der Hauptsache auf die Ansichten von de C and olle (7) und Sachs (24 u. 26) zurückgehen. Nach de C and olle beeinflußt das Licht zunächst die At- mungs- und Assimilationsvorgänge, und diese wieder lösen einen verschiedenen Grad des Etiolements aus. Bei einseitiger Beleuchtung „etioliert" die Organseite, die einen geringeren Lichtgenuß hat, stärker, und durch ihr beschleunigteres Wachstum kommt eine positive phototropische Krümmung zustande. Das Licht würde demnach also primär auslösend oder beschleunigend auf die chemi- schen Reaktionen in der Pflanze wirken. Ganz anders steht Sachs der Frage der tropistischen Krüm- mungen gegenüber. Ausgehend von der Schwerkraft, bei der die Angriffsrichtung derselben das Entscheidende für die Krümmungs- richtung des gereizten Organes ist, sieht er überhaupt das Wesent- liche bei allen Reizen in der Richtung, in der diese die Pflanzen treffen. Hieraus ergibt sich, daß sich Sachs physikaHsche Vor- gänge als die ersten bei der Perzeption gedacht haben muß. In Übereinstimmung mit dem Tierreich nimmt Sachs weiter an, daß die lebende Plasmasubstanz innerhalb der Zellen derartig differenziert und mit spezifischen Energien ausgerüstet ist, daß nur bestimmte Teile des Organs oder selbst der Zelle und diese auf 564 Ro-''^ Stoppel, ganz bestimmte Weise durch die jeweiligen äußeren Einflüsse an- geregt werden. Das Innere jeder Zelle soll demnach ein nach einem festen Plan strukturiertes Gebilde sein. Wie ein Tier auf verschiedenartige Reize durch Muskelzuckungen reagiert, so führen bei der Pflanze verschiedenartige Reizaulässe zu Krümmungen. Einige Arbeiten der letzten Jahre haben sehr dazu beigetragen, daß die Ansichten de Candolles mehr Zuspruch erhielten und weiter ausgebaut wurden. Ganz besonders ist hier der Unter- suchungen von Blaauw (3) zu gedenken. Blaauw sieht die Wachs- tumsreaktionen nach Lichtveränderungen als das Primäre, den Phototropismus als sekundär an, und dadurch wird ihm das ganze Problem des Phototropismus leer. Die Wachstumsmessungen von Blaauw (3), Zollikofer (31), Koningsberger (16) und ihre anschließenden Beobachtungen über den Krümmungsverlauf lassen jetzt nicht mehr daran zweifeln, daß die Krümmung der Organe Hand in Hand geht mit einer Ver- änderung der Wachstumsintensität. An sich wäre dies nichts Merk- würdiges, denn da eine tropistische Krümmung nur die Folge des verschiedenen Wachstums der beiden Organhälften ist, so beobachtet man eben nur dies verschiedene Wachstum der entgegengesetzten Organseiten und nicht den Phototropismus. Aber daß die gleichen Außenfaktoren zu Schwankungen in der Wachstumsintensität führen bei allseitigem Reiz, bei Belichtung von oben, bei Vertikalstellung nach vorheriger Horizontalrotation im Dunkeln, und daß diese durch allseitigen Reiz verursachten Wachstumsschwankungen zeitlich zu- sammenfallen mit einer Krümmung bei einseitigem Reiz von gleicher Intensität, das führt dazu, sich die Frage vorzulegen, wie weit über- haupt der Begriff des Tropismus zu fassen ist. Wie Pfeffer in seiner Physiologie betont, müssen wir sowohl die sensorischen als auch die motorischen Prozesse als zu einem tro})istischen Vorgang gehörig rechnen, und der Begriff des Photo- tropismus darf nur dann als überwunden angesehen werden, wenn es eine spezifische Photoperzeption überhaupt nicht gibt, wenn jeder tropistisch wirkende Reiz, der die Pflanze trifft, welcher Art er auch sei, gleich zu Wachstumsänderungen führen würde, ohne vorher „spezifisch" von dem getroffenen Organ perzipiert zu werden. — Daß Blaauw selbst eine spezifische Perzeption annimmt, be- weisen seine Ausführungen auf S. 202. Für ihn kann also das Problem des Phototropismus nur dadurch leer geworden sein, daß er den sensorischen Teil der Reizkette — den Perzeptionsvorgang — Beitrag zum Problem der Perzeption von Licht- ond Sehwerereiz durch die Pflanze. 565 nicht zu dem Tropismus, sondern zu diesem nur den motorischen Teil rechnet. Es wird von der Weltanschauung jedes Einzelnen abhängen, ob er in den Perzeptionsvorgang bei der Pflanze etwas Psychisches hineingeheimnissen will oder ob er darin nur ein physikalisch- chemisches Geschehen sieht. Aufgabe des Physiologen ist es, sich auf den letzteren Standpunkt zu stellen, und dies physikalisch- chemische Geschehen erkennen zu lernen. Wir wissen von diesen Vorgängen bei den Pflanzen noch so gut wie gar nichts, und die folgenden Untersuchungen führen am Schlüsse auch nur zu Hypo- thesen. — Es wurde versucht, durch die Beeinflussung eines ein- seitigen geotropischen Reizes durch einen vorhergehenden allseits gleich wirkenden geo- und phototropischen* und umgekehrt eines einseitigen phototropischen durch einen vorhergehenden allseitig wirkenden Schwere- oder Lichtreiz einen Einblick zu gewinnen in die Unterschiede bei der Geo- und Photoperzeption. Die Frage ist nicht neu, und eine Antwort auf verschiedenem Wege besonders von Czapek (10), Guttenberg (12, 13), Sper- lich (27), Krones (17), Bremekamp (4 u. 6), Arisz(2) gesucht worden. Ich gehe auf diese Arbeiten im letzten Teil genauer ein, sie werden dazu beitragen, mit den vorliegenden Resultaten ein ein- heitlicheres Bild der Vorgänge zu geben. Abschnitt I. Methodik. Als Versuchsmaterial diente eine Moi-avia-Gerste, die ich durch die Freundlichkeit des Saatzüchters, Herrn Rohweder, aus der Saatzuchtstation von Herrn v. Sethe in Schlötenitz erhielt. Teil- weise waren die Körner der einzelnen Pflanzen getrennt geerntet, so daß zu einem Versuch nur die Nachkommen einer Pflanze ver- wendet wurden. Diese Vorsicht erwies sich jedoch als überflüssig, da das Saatgut so ausgeglichen war, daß auch die aus gemischten Körnern hervorgegangenen Kulturen ebenso gleichmäßig wuchsen. Die Gerste wurde einen Tag eingequollen, dann in Laubholz- Sägemehl in Blechkästchen von 14 cm Länge, SVa cm Breite und 4 cm Höhe gesteckt. Die Kästchen waren aus alten Konserven- dosen hergestellt nur durch Biegen und Falten, ohne Verwendung von Lötzinn. Sie bewährten sich sehr gut. Die Körner wurden in diesen Kästchen in zwei Reihen zu je 9—10 Stück gesteckt, und 566 Rose Stoppel, mit Hilfe einer feinen Blumenspritze alles gleichmäßig angefeuchtet. Zu einem Versuch wurden meist 16 Kästchen verwendet. Zur Anzucht standen sie schon in dem Arbeitsdunkelraum. Nach 5 Tagen hatten die Koleoptilen meist die gewünschte Länge von IV4-IV2 cm. Als Versuchsräume dienten zwei mit einer Verbindungstür ver- sehene Kellerräume des Botan. Institutes, die beide völlig verdunkelt waren. Ein dicker schwarzer Vorhang vor der Verbindungstür er- laubte es, bei parallelen Licht- und Dunkelversuchen zur Kontrolle derselben von dem einen Raum in den andern zu gehen. In dem vorderen Zimmer stand außerdem noch ein Dunkelschrank, in den die Versuchspflanzen in den Zwischenzeiten bei Lichtversuchen ge- stellt wurden. Während der Aufzucht standen die Pflanzen jedoch frei im Raum, wobei ich bessere Resultate erhielt als im Dunkel- schrank. Obgleich die Tür zwischen den beiden Räumen nur während der Versuchszeiten geschlossen war, herrschte doch fast immer ein Unterschied der Temperatur von etwa 1 °, die in Raum 2 stets etwas höher war als in Raum l. Im übrigen hielten sich aber die Temperaturen recht konstant, meist zwischen 17" und 19", sanken nur in den kältesten Zeiten, als im Hause nicht mehr geheizt wurde, auf 15" bezw. UV..'*. Die Untersuchungen gründen sich auf eine so einfache und gleichmäßige Versuchsanstellung wie nur möglich, da die quantita- tiven Fragen der Perzeptionsvorgänge zunächst gegenüber den qua- litativen zurückgestellt wurden. Ich ging von dem Gedanken aus, durch einen Vergleich bezw. durch die gegenseitige Beeinflussung der geo- und phototropischen Perzeptionsvorgänge etwas über das Wesen derselben zu ergründen. Zu diesem Zweck wurden die Pflanzen in verschiedener Weise vorbehandelt und in verschiedenen Zeitabständen danach einseitig geo- oder phototropisch gereizt. Die Vorbehandlung bestand in 1. Rotation im Dunkeln an der horizontalen Klinostatenachse, oder 2. Belichtung von oben in normaler Vertikalstellung ruhig stehend oder während einer Rotation auf der vertikalen Klinostatenachse, oder 3. Belichtung mit gleicher Intensität und aus gleicher Entfernung wie bei 2. von vorne während einer Rotation an der Horizontalachse. — Von diesen drei Vorbehandlungsmöglichkeiten wurden je zwei zu je einem Ver- such in verschiedener Weise kombiniert. Die Dauer der Vorbehandlung erstreckt sich mit wenigen Aus- nahmen auf je 1 Std. Es kam aber als variierendes Moment das Beitrag zum Problem der Perzeption von Licht- und Schwerereiz durch die Pflanze. 567 Zeitintervall hinzu, das zwischen der Vorbehandlung und der ein- seitigen Reizung der Pflanzen verstrich. Die Intensität des einseitigen folgenden Reizes paßte sich völhg dem des vorangehenden allseitigen an, d. h. bei den geotropischen Versuchen wurde nur mit 1 g gereizt, bei den phototropischen mit der gleichen Lampe in der gleichen Entfernung wie bei der Vor- behandlung. Bezüglich der Dauer der einseitigen Reize erwies es sich als praktisch, dieselben konstant einwirken zu lassen. Die Versuche verliefen demnach nach folgendem Schema: In Raum 1 wurden im Dunkeln an horizontaler Achse rotiert: Zeit Kastenbezeichnung 9—10 A u. A' 10—11 B u. B' 11—12 C u. C D u. D' I blieben als Kontrollen während der Zeit E u. E' J im Dunkelschrank. Gleichzeitig wurden in Raum 2 von oben belichtet: 9—10 F u. F' 10—11 G u. G' 11—12 H u. H', Nach 12 Uhr wurde von jeder Serie je ein Kasten für einen geotropischen Versuch genommen, der zweite für einen photo- tropischen. Alle nicht ganz geraden Koleoptilen wurden vorher «ntfernt. Die acht für den Geotropismus bestimmten Kästen wurden in Raum 2 auf die schmale Kastenkante gestellt. Dies ließ sich durch Umkippen der ganzen Serie gleichzeitig bei allen Kästen machen, so daß diese Versuchsanstellung nur einen Augenblick in Anspruch nahm. Dann wurden die Kästen der phototropischen Serie in Raum 1 einer auf dem Tisch markierten Kreisperipherie entlang aufgestellt. Im Mittelpunkt des Kreises stand in gleicher Höhe mit den Keimlingen die Lampe, die auch zu der Vorbehand- lung gedient hatte. Natürlich brannte während des Aufstellens bei der Vorbehandlung und bei dem späteren Umstellen nur eine dunkle Rubinglasbirne '). 1) Die Birne aus hellem Glas hatte nach einer von Herrn cand. rer. nat. W. Denecke freundlichst ausgeführten Eichung die Kerzenstärke 27 in Im Entfernung. Bei den Versuchen, sowohl während der Vorration als auch bei der einseitigen Reizung war sie €5 cm von den Objekten entfernt. 568 Rose Stoppel, Es erwies sich als erforderlich, die Versuche sehr häufig zu' kontrollieren. In vielen Fällen geschah dies alle 5 Minuten, d. h. ich begann mit der Kontrolle des ersten Kastens sogleich wieder, nachdem die Resultate des letzten protokolliert waren. Die erste Kontrolle nach dem Aufstellen setzte bei den geotropischen Ver- suchen etwa 20 — 30 Minuten nach dem Aufstellen je nach der Temperatur ein. Bei den phototropischen Versuchen konnten 30 — 40 Minuten verstreichen, ohne daß eine Veränderung zu be- merken gewesen wäre. Eine große Schwierigkeit lag darin, ein Maß für die Krüm- mung zu bekommen. Ich habe leider hierfür keine ganz befriedigende Methode gefunden, denn auch die in der Literatur angegebenen erwiesen sich als unpraktisch. Vielfach ist die Horizontalabweichung der Spitze von der normalen Geradestellung als Maß benutzt worden. Diese Methode kam für mich nicht in Betracht, da es sich bald zeigte, daß durch die Vorbehandlung die Art der Krümmung ver- ändert wurde, was aus einer Angabe der Horizontalabweichung der Spitze nicht zu ersehen ist. Zudem arbeitete ich bei jedem Ver- such mit 16 Kästchen, in denen je nach Entfernung der ungeeigneten Pflanzen durchschnittlich 15 zum Versuch verblieben. Das Messen dieser 240 Pflanzen hätte viel zu viel Zeit in Anspruch genommen, und das unvermeidliche wiederholte Berühren der Spitzen beim Messen hätte wahrscheinlich zu irreführenden haptotropischen Krümmungen geführt. Die von Arisz (2) angewandte optische Meßmethode der Horizotalabweichung verbot sich wegen der dabei erforderlichen Belichtung. — Die auch vielfach benutzte Methode des Photographierens ist zu kostspielig, außerdem wird dann nur das Bild eines bestimmten Augenblickes festgehalten. Die erstere Schwierigkeit ließ sich vermeiden durch Anwendung von Blaudruck- papier statt der photographischen Platte. Die Keimlinge wurden abgeschnitten, auf das Glas eines Kopierrahmens reihenweise auf- gelegt und mit Hilfe starken Sonnenlichtes die Schattenbilder auf dem Blaudruckpapier abgebildet und nachher durch Wässern fixiert. Leider fehlte nur meist im gegebenen Augenblick der erforderliche Sonnenschein, auch nahm das Abschneiden und Einlegen viel zu viel Zeit in Anspruch, so daß die Bilder untereinander nicht gut vergleichbar waren. So entschloß ich mich denn, in der Hauptserie der Versuche nur die Anzahl der -{-• bezw. Krümmungen bei jeder Kontrolle zu notieren. Das so gewonnene Zahlenmaterial gibt schon ein Beitrag zum Problem der Perzeption von Licht- und Scbwerereiz durch die Pflanze. 569' ganz gutes Bild über den zeitlichen Beginn der Krümmungen. Am Schluß des Versuches wurde die Intensität der Krümmung der einzelnen Kästchen miteinander verglichen. So bedeutet A > B > C, daß die Spitzenabweichung bei A größer war als bei B und hier als bei C. Die Art der Krümmung ergaben kurze Bezeichnungen wie apikal und basal gekrümmt. Bei den letzten Versuchen, als ich der Resultate ganz gewiß war, wurden dann die im Text wiedergegebenen Schattenbilder hergestellt. Die Kästchen wurden dazu in den Auszug eines mikrophotographischen Apparates dicht an die Milchglasscheibe gestellt. Auf einem über der Mattscheibe an den Ecken befestigten feinen transparenten Zeichenpapier traten bei Belichtung von hinten die Schattenbilder scharf hervor. Die konvexe Seite derselben wurde mit einem spitzen Bleistift nachgezogen. Diese Methode hatte den Vorteil, daß sie sich recht schnell ausführen ließ. Ein Umstand der Versuchsanstellung muß noch besonders er- wähnt werden. Die Samen wurden in allen Kästchen stets in der gleichen Richtung gesteckt. Da die Koleoptile aber nicht rund ist, so mußten die Keimlinge bei den phototropischen Versuchen die Krümmung in einer Ebene ausführen, die gerade senkrecht stand zu der Krümmungsebene bei den geotropischen Versuchen. Dieser Umstand kommt aber bei den folgenden Versuchen nicht als Fehlerquelle in Betracht; denn der Schwerpunkt der Arbeit liegt darin, die verschieden vorbehandelten Pflanzen nach folgendem gleichartigem Reiz miteinander zu vergleichen, und nicht so sehr die gleich vorbehandelten nach einem verschiedenartigen, folgenden, einseitigen Reiz. — Außerdem waren die Resultate die gleichen, als für einen Kontrollversuch die Körner in den für den photo- tropischen Versuch bestimmten Kästchen um 90*^ gedreht gesteckt wurden gegenüber denen für den geotropischen Versuch angesetzten. Ein wesentlicher Faktor bei der ganzen vorliegenden Arbeit liegt in der häufigen Kontrolle der Versuche und in einer guten Schulung des Auges, die Abweichungen in der Krümmung er- kennen läßt. Abschnitt II. Die Versuchsresultate. Nach dem im methodischen Teil Vorangeschickten kann der experimentelle kurz gefaßt werden, da die Zeitverhältnisse eine weit- gehende Veröffentlichung der Protokolle verbieten. Es werden nur 570 Kose Stoppel, Proben davon gegeben. Im ganzen liegen 59 Versuchsprotokolle vor, denen noch eine Anzahl nichtprotokollierter Vorversuche vorangingen. Die Vorversuche hatten ergeben, daß eine Vorrotation im Dunkeln die Reaktion auf einen folgenden einseitigen geotropischen Reiz verändert. Es sollten nun zunächst die zeitlichen Grenzen dieses Einflusses festgestellt werden. Dies Ziel wurde nicht er- reicht, da es sich zeigte, daß diese Grenzen sehr weit liegen, und eine genaue Bestimmung derselben für den Schwerpunkt der Arbeit ohne Belang ist. Immerhin sollen die Versuche mitgeteilt werden, die am weitesten ausholen. Als eine Grenze kam die Verkürzung der Dauer der Vor- rotation in Betracht. Hierin wurde bis zu 5 Minuten herunter- gegangen. Auch dann war der Einfluß dieser Vorrotation bei einem folgenden geotropischen Reiz noch bemerkbar, selbst wenn die Pflanzen 1 bezw. 2 Stunden lang zwischen den beiden Reizperioden im Dunkeln vertikal gestanden hatten (Prot. 20). Der Einfluß der Vorrotation schien sich sogar innerhalb gewisser Grenzen mit der Dauer dieser Zwischenzeit zu verstärken, indem die Krümmungen bei den zuerst rotierten Pflanzen früher und kräftiger einsetzten als bei denjenigen, bei denen der einseitige Reiz der Vorrotation gleich folgte. Als zweiter Grenzfall war zu untersuchen, nach wie langer Zeit der Einfluß der Vorrotation noch bemerkbar ist, wenn für die Dauer derselben stets eine bestimmte Zeit zugrundegelegt wurde. Diese Untersuchungen waren besonders wichtig, weil wir durch Konings- b erger genau über den Einfluß einer Rotation auf das Wachstum bei folgender Vertikalstellung unterrichtet worden sind. Seine Untersuchungen beziehen sich freiUch auf Aveiia. War die Vor- rotation nur kurzfristig, so machte sich nach Vertikalstellung zu- nächst eine Wachstumshemmung bemerkbar, der eine Beschleuni- gung folgte. Wurde die Dauer der Rotation bis zu 1 Std. ver- längert, so war nur die Wachstumsförderung bemerkbar, die nach 1 Std. etwa ihr Maximum erreicht. — In den Versuchen mit Hor- dentn wurde stets 1 Std. vorrotiert, aber die Zeit zwischen dem allseitigen und dem einseitigen Reiz innerhalb einer Versuchs- serie verschieden lang gewählt. — Bestände der Einfluß der Vor- rotation nur in einer Veränderung der Wachstumsintensität, und verhält sich Hordeum ähnlich wie Avena, so müßte sich die Vor- rotation nur bei einem sehr beschränkten Zeitintervall zwischen den Beitrag zum Problem der Perzeption von Licht- und Schwerereiz durch die Pflanze. 571 beiden Reizen noch bemerkbar machen. Das war jedoch nicht der Fall wie aus Prot. 16 ersichtlich ist. Hier war die Zwischenzeit bis zu 4 Std. verlängert. Es wurden im Dunkeln am Klinostaten vorrotiert: von 0 — 10 Uhr Kasten A u. B, ^ 10'' 50'— 11'' 50' „ C u. D, „ 11'' 5'— 12'> 5' „ E u. F. Der einseitige geotropische Reiz setzte erst 2h 5' ein und wirkte nur beschränkt während 15 Minuten bis 2ii 20'. Von da ab standen die Pflanzen wieder vertikal. 2h 35' war bei allen Kästen gleichzeitig eine schwache negative Aufkrümmung zu be- obachten, 2 h 50' wurde jedoch ein Unterschied wahrnehmbar, in- dem sich die Krümmung bei A und B auf eine Zone erstreckte, die viel weiter zur Basis des Keimlings übergriff als bei C und D. Bei E und F war die Krümmung am meisten auf die Spitze be- schränkt. 3h 5' hatten die Pflanzen von A und B eine völlige Schräg- stellung angenommen, während E und P nur die Spitzenkrümmung zeigten. Der Unterschied in der Art dieser Krümmung zeigte sich auch bei einem Vergleich der in Frage kommenden Skizzen in Fig. 1 und 3. Die obere Reihe bringt die Bilder von einem geo- tropischen Versuch und zwar A, B und C nach Vorrotation im Dun- keln. Bei A lagen 2 Stdn. zwischen allseitigem und einseitigem Reiz, bei B 1 Std., bei C folgten sich beide ohne Intervall. D stellt in allen Fällen die Kontrollen dar. Während bei Fig. 1 und 3 schon deutlich die Schrägstellung der A-Pflanzen hervortritt, läßt sich bei Fig. 2 nur erkennen, daß die Krümmungszone um so weiter nach der Basis übergreift, je länger die Vorrotation zurück liegt. In einem späteren Stadium wäre auch von den Pflanzen A der Fig. 2 die Schrägstellung erreicht worden. Aus den Zeichnungen ist ferner zu ersehen, daß die Angabe der Horizontalabweichung der Spitze von der Vertikalen kein rechtes Bild der Krümmung geben würde, da u. U. diese Horizontalabweichung bei A gerade so groß ausfallen würde wie bei C, und doch ist die Krümmung eine völlig andere. Da bei den A-Kästen die Krümmung auch zunächst an der Spitze einsetzte, nur sehr viel schneller auf die Basis überging als bei B und besonders bei C und der Kontrolle D, während die Spitze sich zeitig wieder gerade streckte, so wäre es immerhin denkbar, daß die Verteilung der Wachstumsintensität in den ein- zelnen Zonen der Keimlinge der Grund für diesen verschiedenen 572 Rose Stoppel, Krümmungstyp ist. Über diese Verteilung der Wachstumsintensität sagt die Koningsbergersche Arbeit natürlich nichts aus. Es ist auch schwer vorstellbar, wie man sich dies Fortschreiten der Krüm- mung in Verbindung mit Wachstumsunterschieden der einzelnen Zonen zu denken hat. — In den meisten Fällen war die Krüm- mung bei den A-Kästen am ehesten zu bemerken; es muß aber dahingestellt bleiben, ob sie tatsächlich bei diesen Pflanzen zuerst einsetzte oder ob sie nur zuerst bemerkbar wurde, weil eine größere Zone in ihren Bereich gezogen wurde. A B C D F O H B C Fig. 1. Protokoll 59 Im Dunkeln an der horizontalen Achse rotiert: lOVj— IIV2 Uhr AA, llV,— I2V2 « SB, I2V2-IV2 n CC, D F G H Versuch vom 11. Juni 1923. Senkrecht von oben belichtet ohne Ro- tation : 9V2— IOV2 Uhr FF, IOV2-IIV2 . GÖ, 12'/,— iVs „ BH, D D Kontrollen, weder vorrotiert noch vorbelichtet. Obere Serie von 1 h 40' an dauernd einseitig mit 1 g geotropisch gereizt. Gezeichnet 3 ^ 45'. Untere Serie von 1 ^ 40' an dauernd einseitig phototropisch gereizt. Gezeichnet i^ 25'. War nach diesen Ergebnissen schon stark daran zu zweifeln, daß die durch die Vorrotation bewirkte Umstimmung der Pflanzen nur in einer Veränderung ihrer Wachstumsintensität zu suchen sei, 80 zeigten mir die folgenden Versuche mit Gewißheit, daß hier viel verwickeitere Vorgänge zugrunde liegen. Beitrag zum Problem der Perzeption von Licht- nnd Schwerereiz durch die Pflanze. 673 Sind die Vorgänge, die infolge von Licht- oder Schwerkraft- wirkung zu einer Reaktion führen, die gleichen, handelt es sich also nur um eine Veränderung der Wachsturasintensität durch den äußeren Reiz, so muß eine Vorrotation im Dunkeln auf einen nach- folgenden einseitigen Lichtreiz ebenso wirken, wie auf einen folgen- den einseitigen Schwerereiz. Die Resultate dieser Versuche sind in den unteren Reihen der Fig. l und 2 unter den gleichen Buch- staben wie oben wiedergegeben. Wir sehen,' daß durch die Vor- rotation im Dunkeln die gleichen Veränderungen in der Reaktions- B C 1) F OH Fig. 2. Protokoll 58. Versuch vom 12. Juni 1923. Im Dunkeln an der horizontalen Achse [ Senkrecht von oben belichtet ohne Ko- ro t i e rt : I tation : llVj— I2V3 Uhr 4 A, IIV2— 12V5 Uhr i*'F, 12V2— iVj „ -BB, I I2V2— 1V2 . '^«. i'A-2V. r GC, 172-27« » fi-H, DD Kontrollen, weder vorrotiert noch vorbelichtet. Obere Serie von 2h 35' an dauernd einseitig mit 1 g geotropisch gereizt. Untere Serie von 2'' 35' an dauernd einseitig phototropisch gereizt. Gezeichnet ca. 5 Uhr. weise nach einem Lichtreiz zu beobachten sind wie nach einem Schwerereiz, d. h. die Reaktion greift um so weiter auf die basalen Zonen über, je länger die Vorbehandlung zurück liegt. Der Ein- fluß scheint jedoch nicht ganz so stark wie auf eine geotropische Reaktion zu sein. In Fig. 2 haben die A-Pflanzen allerdings auch schon eine Schrägstellung angenommen; bei Fig. 1, die in einem 574 Rose Stoppel, etwas früheren Krümraungsstadium gezeichnet ist, ist der untere Teil der Keimlinge noch ganz gerade, es ist nur bei A eine größere Zone in den Krümmungsbereich hineingekommen, als bei B und C, Gegenüber den Kontrollen D war bei den A-Pflanzen sehr aus- gesprochen, stark vermindert bei B und C ein zeitigerer Beginn der Krümmung zu beobachten. Dies kommt besonders stark in Fig. 3 AB verglichen mit D zum Ausdruck. Im ganzen gelangt man zu dem Resultat, daß eine Vorrotation im Dunkeln die Krümmung nach einem Lichtreiz in ähnlicher Art verändert wie die nach einem Schwerereiz. Wären die durch Licht und Schwerkraft in der Pflanze aus- gelösten Vorgänge die gleichen, so müßte nun auch eine voran- gehende allseitige Belichtung sich gleichartig in der Reaktion nach einem einseitigen Licht- und Schwerereiz zu erkennen geben. Durch die Untersuchungen von Pringsheim (20) ist bekannt, daß eine allseitige Vorbelichtung die Reaktion auf einen folgen- den, einseitigen Lichtreiz von gleicher Intensität beschleunigt. Die eigenen Untersuchungen bestätigten diese Beobachtung Prings- heim s, sie zeigten ferner, daß die Beschleunigung der positiven phototropischen Reaktion um so größer war, ein je größeres Zeit- iutervall zwischen der allseitigen Belichtung und dem einseitigen Lichtreiz lag. Dies gilt zunächst natürlich nur innerhalb der bei den Versuchen eingehaltenen Zeiten. Die Resultate sind dargestellt in den unteren Reihen der Fig. 1 und 2 durch die Zeichnungen F, Gr und H und dazu D als Kontrolle. In Fig. 1 lagen bei F 3 Std., in Fig. 2 bei F nur 2 Std. zwischen dem allseitigen und dem Be- ginn des einseitigen Reizes. Die Kästen G und H zeigen besonders in Fig. 2 keine verstärkte Krümmung gegenüber den Kontrollen D. Dies hat seinen Grund wahrscheinlich darin, daß bei diesen Pflanzen, und besonders bei H, bei denen der einseitige Reiz dem allseitigen nach einer Verdunkelung von wenigen Minuten schon folgte, zu- nächst eine starke Neigung zu negativen Krümmungen zu bemerken war. Diese Krümmungen waren niemals bei allen Pflanzen deutlich erkennbar, wurden aber entschieden bei allen angestrebt, was aus dem zögernden Beginn der positiven zu folgern ist. Es schien, als müßte erst ein Bestreben zu negativen Krümmungen überwunden werden, ehe die positiven einsetzen konnten. Die dadurch ent- stehende Verspätung konnte so stark sein, daß bei den Kontrollen die Krümmung sogar früher bemerkbar war, als bei den zuletzt vorrotierten. Beitrag zum Problem der Perzeption von Licht- und Schwerereiz durch die Pflanze. 575 Übrigens muß dahingestellt bleiben, ob nicht an dem unter- suchten Material auch bei den Kontrollen eine Neigung zu nega- tiven Krümmungen zuerst nach der einseitigen Belichtung vorhanden war, die nur bei diesen Pflanzen viel leichter zu überwinden war als bei den unlängst vorrotierten und sich gar nicht bemerkbar machte bei den Pflanzen, bei denen eine wenigstens 2stündige Dunkelperiode zwischen allseitigem und einseitigem Reiz lag. Wie wirkt nun eine Vorbelichtung auf die Reaktion nach einem folgenden einseitigen geotropischen Reiz? Die Resultate dieser Versuche waren am eindeutigsten, wenn sie auch in den F-G-H- Bildern der oberen Reihe von Fig. 1 nicht ordentlich zum Aus- druck kommen. F G H der oberen Reihe von Fig. 2 dagegen geben ein typisches Bild. Es zeigte sich nämlich immer wieder, daß infolge der Vorbelichtung die geotropische Aufkrümmung verzögert wurde, und zwar gerade in umgekehrter Reihenfolge wie die positive Lichtreaktion. Je länger die Zeit der Vorbelichtung zurücklag (F-Pflanzen), desto zögernder trat die Krümmung ein (Fig. 2 F GH). Im übrigen schien es, als ob die Vorbelichtung eine ähnhche Wirkung hat wie die Vorrotation im Dunkeln: mit der Dauer der Zwischenzeit verlängert sich die Krümmungszone basalwärts. Es kommt jedoch nicht zu einer Schrägstellung der Keimlinge wie nach einer Vorrotation. Ein Protokoll möge als Ergänzung zu dem Gesagten folgen. Bei diesem Versuch weichen nur die H- Pflanzen im phototropischen Versuch darin von der Regel ab, daß. eine negative Krümmung gar nicht und die positive dafür sehr zeitig auftrat. Die fett gedruckte Zahl bedeutet, daß alle Keim- linge im Kasten gekrümmt waren. Protokoll vom 24. April 1923. Nr. 54. Im Dunkeln an der horizontalen Achse rotiert. Temperatur: n*/«**- Zeit Kasten 97^— lOV, Uhr A A IOV4-HV« . BB iiV*-i2V* „ CC DD 1 E E 1 Kontrollen weder rotiert noch belichtet. Im Licht auf vertikaler Achse rotiert. Temperatur: \S^/./ 9V4— lOV« Uhr FF lOV«— IIV4 r. G